t ■■■u i •. '<^\:iV\ ,.-.■.■/'■■ V V V- "■■•■ - JV' ./iv;::'': :/■=•■': \,v;/'.' Redigirt Prof. Dr. H. Potoiiie, Kgl. Landesgeoldgeii und Diiccuteu rosp. l'rivatdoceiiteii|(ler Palaeobotanik an der Kgl. Bergakademie und Universität zu Berlin. SECHSZEHNTER BAND -5-|- (Januar bis September 1901). -f^ BERLIN. Ferd. Dümmlers Vcrlao-sbuchhandlunq'. Inhalts-Vepzeiehniss. Die Örif^-iiial-Alihandluiijren, -Mittlieiliint;vn und -Abhildmiijeii sind durch die Beifüi^'unf;' der Aijkürzmig- „Orig." gekcnn- zeicliuct; ausserdem sind eine Anzahl Autoren an den Keferaten ühei' ijjre Arbeiten dadurch betheiligt' gewesen, dass sie die Corrccturcn gelesen haben. Alli,'eiiHMiie.s und Verschiedenes. Biuicr, A., Aus der crstfii Zeit drr Zündhölzchen 19 Derbys, Vererbung erworbener Eigen- schaften 380 Engelbrethsen, Der Ursprung des Lebens 105 Fo erster, W., Das neue Jahrhundert und die Reform unseres Zahlungs- wesens (OrigO 51 Hallier, Das proliferirende, persön- liche und das sachliche conservative Priorit.-itsprincip in Jim" systemati- sch^'u (ti,t,.lo-ir (OHk) . . ._ . . 132 Henscii, 1\!;1. I'icussischn Kommission zur wissciisohat'tliclicu Untersuchung der deutschen Meere 39(3 Thcol, lljalmar, Bipolaritiit in der Verbr.'itung der Meeresorganismen 304 Virchow, 11., Zur Museumsfraee, ins- besondere von Museen der Völker- kunde 159 Deutsche Gesellschaft für volksthüm- liciie Naturkunde zu Berlin . . . 2.")9 Institut für Meereskunde in Berlin . 42 Naturwissenschaftliche Wochenschrift 402, -|.-,1 73. Versuiinidung deiitschei- Nulnr- forscher luul Aerztc in llaudjui-g 175, 3Gi; Aiithropoloi^ie. Amnion, Ucber de Lapougo's l'Aryen (Orig.) 187 Andersson. G , Das Pferd inSchwoden während des Steinalters 3()G Baelz, Begriff der mit dem Nackten verbundenen Scham bei den Ainos und Japanern 420 Berthelot, Altilgyptischcs Platin . . 238 Branco, Ueber fossile Menschenreste 411 Gra ebner. Fr., Ursprung der Arier im geographischen Licht (Orig.) . 352 Matthias, Polyphem, — ein Gorilla (Orig.) 350 Schwalbe, G., Die älteste europäische Menschenrasse 238 Wilser, Ludw., Kasse der neueren Steinzeit (Orig.) 220 — , - , Das Standbild desPitheeanthropus erectus in der Niederländischen Co- lonialabthrihini; der Pariser Welt- ausstellung (Oriir.l 389 Zoologie. Collett, Verbreitung des Bibers . . Dah 1, Leben der Ameisen im Bismarck- Archipel Dahms, Der Biber. Eine kulturhisto- rische Skizze (Orig. mit Orig.- Abbild.) Dickel, Ferd., Der gegenwärtige Standpunkt meiner Entwickelungs- theorie der Honigbiene (Orig.) . . Guldberg, Körpertemperatur der Wale Herbst, Formativo Beziehungen zwischen Nervensystem und Rege- nerationsprodukt Kathariner, L, Die Nase der im Wasser lebenden Schlangen als Luft- wog und Geruchsorgan K o 1 1 li o ff, Ornithologische Eigenthüm- lichkeiten des Jahres 1899 in Schweden Lautorborn, Schwimmende biolo- gische Station — , D;is Vogel-, Fisch- und Thierbuch des Strassburger Fischers Leonhard Baldner Ludwig, N., Orientirungssinn und das Gedächtniss der Bienen (Orig.) . . — , Vorkommen von Säuren bei den Honigbienen (Orig.) Mannichc, Die Rohrweihe (Orig.) . V. Martens, E , Ueber Walthiere(Orig.) Petr unke witsch, Die Partheno- genesis bei der Honigbiene (Orig.) Reh, s. National-Ookonomisches S c h e n kl i ng- Pro V ('i t , Nidologisches III (Orig. mit Orig.- Abbild. ) ' . . . Schneider, 0., Pelzmilbe des Bibers Sokolowsky, AusderNaturgeschichte der Kasuare (Orig. mit Orig.- Abbild.) Standfuss, Einfluss der Temperatur auf die Artenbildung Struck, Lübeckescho Trichopteren und die Gehäuse ihrer Larven und Puppen Wight, O.B., und J. van Denburgh. Die giftige Eidechse Hclodernia iiorridum Vögel Wüstnei, C. und G. Clod Mecklenburgs .... Zie mkc, Untersuchungen v. Menschen- und Thierblut mit Hilfe eines spe- citischcn Serums Ein Mardernest unterm Dach . . . . Entvvickclung der DassolHiege . . . Entwickelung des Gehirns im Laufe der Zeiten 340 Riesengorilla des Museums Umlauff in Hamburg (mit 3 Abbild.) .... 194 Zoologisch - botanische Gesellschaft in Wien 91 Botanik. Beulaygue, Einfluss der Dunkelheit auf die Entwickelung der Blumen 241 Bokorny, Neuere Arbeiten über or- ganische Pflanzen -Ernährung und die Selbstreinigung der Flüsse(Orig.) 33 — , Neuere Untersuchungen über die Proteinstoft'e der Samen (Orig. mit Abb.) 93 — , Gährungsferment und intramole- kulare Athmung (Orig.) .... 429 — , Ernährungsvermögen organischer Stoffe und ihre Constitution (Orig.) 447 Borge, Süsswasseralgen von Franz- Josephs-Land 366 Brenner, W., Studien über Sukku- lenten (mit Abbild.) 40 Dcherain undDemaussy, Empfind- lichkeit höherer Pflanzen gegen Gifte 230 Gracbnor, P., Ein botanischer Aus- flug nach Rügen (Orig.) .... 393 Hock, F., Getränke liefernde Pflanzen, ihre ein.stige und h.Mitige V...rl,n.i- tung und dir ilirn- KrzeugnisseinHg.) -iOl Kolkwitz, Athmung lullender Samen 312 Krause, Ernst, Beiträge zur Morpho- logie des Farnwedels (Orig.) . . . 285 Lauterborn, s. Zoologie. Loosener, Aquifoliaceen 279 Massat, Die echte Angosturariude . 399 Mendel, Versuche über Pflanzen- hybriden 412 Molisch, Ueber Milch- und Schleim- saft der Pflanzen 241 Müller, Carl, Vorträge über Bacterien (Orig.) 170 N a b o k i c h , Wachsthum höherer Pflan- zen in sauerstofffreiem Räume . . 342 Neger, Neue Entdeckungen auf dem Gebiete der Se.xualitätslehre im Pflanzenreich (Orig. mit Orig.- Alibild.) 338 Nemcc, Roizleitung und reizleitende Structuren bei den Pflanzen ... 198 N e in e c , B o h o m i 1 . Die Wahrnehmung desSchwerkraftreizes b. den Pflanzen 398 38821) IV Inhalts -Verzeicbniss. Scliolz. J. B. , Zweibeinige Bäume (di-ig.) 38 -, Zweibeinige Rothbuche (Orig.) . . KJO S c li w e n d c n e r , Flugapparate der Früchte und Samen (Orig.) ... 82 Seckt, Mechanische Theorie der Blatt- stellungeu (Orig. mit Orig.-Abbild.) 309 de V r i e b , Entstellung von Arten im PHaii/unreieh (mit Abbild.) . . . 32G V. VVettstein, Entstehung der Arten 338 Palaeontologie. B 1 a n k e n h o r u , DasUrbild der Amni ons- hönier (Orig. mit Orig.-Abbild.) . 57 Branco, s. Anthropologie. Kuipowitsch, Postpliocäne Mollusken und Brachiopoden Spitzbergens . 182 Loche, Wilh., Siiugethiere der Vor- zeit in Schweden 242 Potonie, Ueber die durch Pflanzen- fossilien gegebenen Belege über die fortschreitende höhere Organisation der Pflanzen (Orig. mit Abbild.) . 84 Geologie niid Mineralogie. Engelbrethsen, Die erste Entwicke- lung unserer Erde ....... 441 Gauthier, Entstehung der Schwofel- thermen 242 de Gur, G., Die Vergletscherung des östlichen Spitzbergens während der Eiszeit 7 Holzapfel, E., Zusammenhang und Ausdehnung der deutschen Kohlen- felder (Orig.) (s. auch unter Potonie) 1 Jaeger, F. M, Ueber die künstliche Darstellung der Mineralien im Lichte der modernen chemischen Theorieen (Orig.) 33.5 Lapparent, Zur Geologie der Sahara ItJO Maltiizos, Ueber die Bildung von Vi'ellenfurchen 221 Moser, K. , Der Karst und seine Höhlen 113 Nathorst, Zur Geologie Nordost- Grönlands 399 Nord enskj öld, Auf dem Meere schwimmende Schiefer 257 — , Otto, Topographisch - geologische Studien in Fjord-Gebieten . . . . 2G8 Passarge, Ueber durch Pflanzen ver- anlasste Kalkablagerungen in Havel- seeen (Orig.) . . 112 — S, Ueber Winderosion (Orig. mit Orig.-Abbild.) 369 Potonie, Zu Holzapfel's Artikel (Orig.) 2 ! — , E.xcuraion in das Revier des Senften- berger Braunkohlenflötzes und zu den Kulm-Steinbrüchen des Magde- burgischen (Orig.) 132 — , E.xcursion in das Zwickauer Stein- kohlen-Revier (z. Th. Orig.) ... 165 Sohle, Bericht über geologische E.x- cursionen nach den Kohlen-Revieren von Commentry und Decazeville (Orig.) 16 Thoulet, Mineralbestand des Tiefsee- bodens 135 Wahnschaffe, Die Endmoränen des norddeutschen Flachlandes (Orig. mit Karte) 87 Walt her, J., Ueber die gcologisclic Thätigkeit des Windes (Orig.) . . 4.;i Deutsche Geologische Gesellschaft . . ll-j Physik. Auerbach, s. Technik Deguisne, Elemente der Wechsel- stromtechnik (Orig.) 3i;l' Hartmann, Eugen, Die den elek- trischen Strommessern zu Grunde liegenden Constructionsprincipien (Orig.) . 363 Lang, (>., Die Eigenschaften der festen Körper. Ein Referat. (Orig.) . . 381 Rubens, Wirkung des Lichts und an- derer Strahlen auf elektrische Ent- ladungen (Orig.) 47 Simon, Neuere physikalische Demon- strationen (Orig. mit Orig.-Dia- grammcn) Slaby, Ueber abgestimmte uud mehr- fache Funkentelegraphie .... Spies, Versuche mit flüssiger Luft (Orig. mit Orig.-Abbild.) .... Tliiede, H., Leuchten der Auor-Glüh- körpor Warbni-, I',., Ht-ber magnetische Hy- 357 136 48 sttTr.^i- (<)ni;.l Z a c h I' n , I 'a.s ooiitiiuiirliche Strahlungs- vermögen der radioaktiven Sub- stanzen und seine Erklärung (Orig.) Elektricitätswerk zu Frankfurt a. M. Neues über die Deviation der Compasse Uniformerstation der Frankfurter elek- trischen Strassenbahn ..... Astronomie. Brenner, Leo, Thätigkeit der Ma- noni Strniw:irt.' (drii;-. mit Abhild.) 18J Engeil, i-tl,s..,,, s. (;,.„l,,-ie. Foerst.jr,ZritiiiesMiii-uii(lUlirmessen: neuere ajitroiiomibclio Forschungen (Orig.) 155 Hnatek, Astronomische Spalte (Orig.) 19, 40, 64, 101, 125, 184, 197, 210, 233, 257, 306, 328, 378, 414, 438 — , Planet Mars (Orig.) 117 — , Die neuen Sterne (Orig.) .... 321 Kleiner, H., Astronomische Populiir- Schriftstelhr.-i (n,-ig.) 97 K 0 erb er, Dic^'ij'iiw :irtii;r ( »pposition des Planetfu l'.r.is (llrii;.) .... 54 Revision des Meridianbugens von Quito 425 Meteorologie. V. Bezold. Ueber Erdmagnetismus (Orig.) 61 Bork, H., Brockengespenst im Tief- lande 90 Ihne, Ueber Abhängigkeit des Früh- lingseintritts von der geographischen Breitr in Deutschland 111 Krippen, W.. Stellung der Meteore- lotsen zum ^\'i'ttersehiessen (Orig. mit Orig.-Abliild.) .183 Less, Wctter-Monats-Uebersicht (Orig. mit ffraphischen Darstellungen) 31, 78, 126, 185, 232, 282, 329, '389, 437 Trabe rt, Wetterschiessen .... 64 Chemie. Albert o. Buchner, Hefepresssaft und Fällungsmittel Berthelot, Elektrotechnische Be- ziehungen, in denen allotropische Abarten der Metalle zu einander stehen L e B 1 a n 0 . Kloktrisclin Endosmose und vcvw.'imltr K,r,.cli.'ii,uim-eu (Orig.) . Bokoriiv, Th. (li.hium;- uud Enzym- wirkuiiii, «;il,,M.-lMM„liehe Wirkung der Enzyme (t)rig.) — , s. auch Botanik. Brunck, Entwickelung der Indigo- Fabrikation ß u s s , Ueber aromatische Kohlouwasser- stoft'derivate, aromatische Säuren und Alkoliole (Orig.) ....... — , Neuere wissenschaftliche Arbeiten über Terpene und Terpenderivate ^ (Orig.) Freund, Die Entdeckung neuer Ele- mente im letzten Jahrzehnt (Orig.) Van t Hoff, Ueber die Bildungsver- hältnis.se der occanischen Salz-Ab- lagerungen (Orig. m. Orig.-Schemata) 73 Krämer, G. und A. Spilker, Ueber die Zersetzung viscöser Körper (Schmieröle) durch Destillation unter Druck 0 büp kc,.Elektrochemie (Orig.) . . i:;i Mattucci, Stickstoff enthaltende vul- kanische Produkte 30 Gold- und Silber-Schcide-Anstalt bei Frankfurt a. M 375 Kohlensäure-Werk zu Rödclheim bei Frankfurt a. M 37.5 Kupferwerke Heddernheim .... 377 Geographie. Amdrup. Die Eisvcrhiiltuisse au der (istküM.. (u-ciMl.nul.s 6 Ivnuilsc'ii, M^iitin, Wasseraustausch zwi.-Lh.], (i.si- und Nordsee ... 171 N'ath.iist, Xachrichten von der Ex- pedition Audre's 20 l'oincar<'', Revision des Meridiau- bogeus von t^uito ly.'", Deutsciier Ueographentag in Breslau . 'Jl Internationale erdmagnetischc und meteorologische Cooperation . . . 150 Unterricht. Bodo und Boller, Bericht über den 4. naturwissenschaftlichen Ferien- kursus für Lehrer au höheren Schulen in Frankfurt a. M. (Orig.) 345 Fo er st er, W., Die Pädagogik in der Astronomie 13 Heyne, Uebungen im Schulexperiment (Orig.) ........... 159 K o 1 k w i t z , Physiologischer und mikro- skopischer VVinterkursus in der Bo- tanik in Berlin (Orig.) Ifil Koppe, M., Erklärung" und Gebrauch der zum astronomischen Unterricht am Andreas-Realgymnasium vorhan- denen Einrichtungen (Orig.) ... 157 Poske, Zur Methodik des physikali- schen Unterrichts (Orig.) .... 60 Schwalbe, 10. naturwissenschaftlicher Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen (Orig. mit Orig.-Abbild.) . 45 — , B., Vorlesungen und Demonstra- tionen im Dorotheenstädtischen Real- gymnasium (Orig.) 83 Schwalbe, Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Forderung des natur- wissenschaftlichen Unterrichts im Jahre 1900—1901 (Orig.) .... 129 — , B., Zur Methodik des Experiments (z. Th. Orig.) 167 Szymanski, Schulversuche über elek- trische Wellen (Orig. mit Orig.-Ab- bild.) 107 Vogel, Ueber die Bedeutung prak- tischer naturwissenschaftlicher Curse (Orig.) 82 Fcrienkuräus an der Universität in Kiel 113 Ferienkurse in Jena 222 Lehrmittelausstellung des 10. natur- wissenschaftlichen Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen ... 89 Naturwissenschaftlicher Ferienkursus für Lehrer höherer Schulen in Berlin Michaelis 1901 390 4. naturwissenschaftlicher Ferienkursus für höhere Lehrer in Frankfurt a. M. 345 Städtische Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des natur- wissenschaftlichen Unterrichts 129, 258 Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathenuitik und den Natur- wissenschaften 222 riilialts-Verzeicliuiss. Mediciii, Hygiene iiiul Verwandtes. Araiii-DfltcMl, Gefi-ierpunkt des Sclivveisses von Kosiiiulon Mensclion öO H HU checo nie , Historisches zur Ma- Kocli, Hol... \Virl;init;' 'l.'s Tuberculins 353 I,oiMVV, ll.'lirr Aj.linMÜMaca .... 100 l'l.is:ili.\, JMü llüoiitiucs Gift ... 30 Uobiii und Kiuet, Auszehrung und Tuberkulose 210 Sajo, üriefe als Krankheitsvermittlcr ■(Orig-.) • . . . 30Ü V. Sclim aedc'l, Lirbtwirkuufr auf den uionschliehen Knr|)er mit Riieksielit auf die Kicidnui; 110 Speier, Die Cnpillar Doppcllampe; moderne Desinfeeti I.neh F,,rmal- dehvd (dri-, mit AM.ild.) .... 25 Urbai'n, lieinit^iui- der Luft von (Jrubengas 135 iMiseellen aus der modicinisclien Welt 325 \'er Wendung des. Ozons zur Reinigung des Wassers 148 Natioiial-Oekononiisclies. Wcst- 173 Bang, J. P. F., Dünen wesen ,in d. küste Jütlands Eggers, Schwammfiselierei bei den Bahamainseln 22J Henry, E., Bodendecke der Wälder und Rolle der Regonwürmcr . . . ilO-l Herrm ann, L , UeberGemiiscdüngung ("i-ig-J 22 — , Die Düngung der Obstbäume (Orig.) 1112 Ra«smusson, Faktischer Wirksam- keitsradius des Kohlonverlirauohs für die Kxpe.liti.m naeli Si.im . . 140 Reh, .Sehiidi^un.i; der I .and wiitl.>ehaft ÜOO (Orig.) 417 Stocklasa, Welche Bedeutung hat das Kali für den Getreidebau? . . 114 Das überseeische Kabelnetz der Erde 354 Einfluss der Düngung auf den Futter- werth des Heues 449 Kgl. preussischo Versuchs- und Prü- fungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässer-Beseitigung .... 319 Technik und Instrumentenkunde. Auerbach, Absolute Härte der Me- talle 412 Boottger, Technologi.sclio Exkursion 131 Cr zel litzer, Pliotometric mittels lichtempfindlicher Papiere (Orig.) . 27 iMüller, Carl, Ueber die Vervoll- kommnung unserer Mikroskope (Orig.) 131 W od ding, W., Fortschritte in der Be- leuchtungstechnik (Orig.) .... 47 Weercn, Hüttentechnische Excursioii in den Harz 141 Stauventil .... fi7 Technische Verwendung des Ozons . 448 Biographleen, Nekrologe etc. W ahnschaffe, Erinnerungen an Otto Torell (Orig. mit Orig.-Portr.) . . 69 Personalien 23 und fast in allen fol- genden Nummern. Litteratur. Abrens, W., Mathematische Unter- suchungen und Spiele 32 Ausfeld, Gesunde Zähne 42H Barth, Unser Weltsystem 55 Banmhauer, Chemie 91 Beck, Geologie des Elbthalgebiets 127 Behrens, J., Nutzpflanzen .... 67 Beil' he, Erklärung geüuraphi.-sciier Namen ' . ' 55 Benecke, Geologischer Führer durch das Elsass 127 Bigourdan, Systeme metrique des poids et mesui-es 403 Bliedner, Goethe und die Urpflanze 355 Boas, Zoologie 307 Bödige, Das archimedische Princip 415- Bohn, G., L'evohition du pigment . 391 B o r n h a r d t , Zu r » iberfläehengestaltung und Gooloyie 1 )enttfch-Ost-Afrikas . 150 Bdrn stein, Welterkiuide .... 307 Brass, Arnold, Kcirper des Menschen 355 Jahrhundert ... .t .... 426 Celakowsky, Phylogenetischer Ent- wickelungsgang der Blüthe uud Ur- sprung der Blumenkrone .... 367 Chun, Aus den Tiefen des Welt- meeres 138 Classcn, Methoden der analvtisclien Chemie .' ... 151 Cohen, E., Jakobus Honricus Van 't Hoff 5.-| De ecke, Geologischer Führer durch Bornholm 127 — , Geologischer Führer durch Cam- panien 379 Despaux, A., Genese du la matiere et de l'energie 11 Duparc et Mrazec, Carte geologique du Massiv du Mout-Blanc .... 343 Engler, Die natürlichen Pflanzen- familien 127 — , Pflanzenformation und pflanzengeo- graphischc Gliederung der Alpen- kette, erläutert an der Anlage des neuen botanischen Garten bei Berlin 27! Englisch, E., Schwärzungsgosetz für Bromsilbergelatine 489 E r t e 1 , Waarenkunde ........ 67 Ferdinand, Maxim., Soxualmystik der Vergangenheit 162 Fischer-Benzon , Flechton Schleswig- Holsteins 307 Franke, Bild eines Steinkohlenberg- werks und Braunkohlentagebaues . 139 Goinitz, E., Geologie von Mecklenburg 127 Geistbeck, Mathematische und phy- sikalische Geographie 67 Groth, Zur Dynamik des Himmels . 139 Gürioh, Geologischer Führer durch das Riesengebirge 127 Haacke und Kuhnert, Thierleben . 42 Haefcke, Städtische und Fabrik-Ab- wässer 379 II artmann, G., Kreisende Energie als Grundgesetz der Natur 114 Hiick, F., Der gegenwärtige Stand unserer Kenntniss von der ursprüng- lichen Verbreitung der angebauten Nutzpflanzen 10 IloUard, Les theories des Jons et l'eleetrolyso 223 Kästner, L., Embryologische For- schungsmethoden 23 Keilhack, Taschenbuch für Geo- logen etc 79 Klein, Hermann, Handbuch der all- gemeinen Himmelsbeschreibung . . 234 Koch, R., Ergebnisse der Malaria- Expedition 102 K o e hne , E., Herbarium dendrologicum 11 Kohlrausch, Praktische Physik . . 427 Korn, Lehrbuch der Potential-Theorie 139 — , A r t hur, Abhandlungen über Po- tential-Theorie 199 Kostersitz, Photographie im Dienste der Himmelskunde und Berg-Obser- vatorien 32 Lapouge, Vacher de, L'Aryon . . 102 Lehmann, P., Länder- und Völker- kunde 427 Lindau, Hilfsbueh für das Sammeln parasitischer Pilze 187 Li vi, Anthroiiometrin •234 Mach, Analyse der Fmptiudungeu . . 222 Mavshall, VV., Katechismus der Zoo- logie 186 Martin, Rud., Anthropologie als Wissenschaft und Lelirfach . . . 211 Meyer, K., Naturlehre für höhere Mädchenschulen u. s. w 307 Michael, Ed., Führer für Pilzfreundo 391 Migula, Pflanzcnbiologio . ... 67 Molisch, Milch- und Schleimsaft der Pflanzen 222 Möller, Alf., Phycoinyceten und As- comyceten 295 Müller. Ad., Axendrchuug des Pla- neten Venus 139 — , G., Specialkarto der Umgcgond von Saarbrücken 187 Nävi He, Ad., Nouvelle classiflcation des Sciences _ 307 Nemec, Rcizlcitung unil reizleitende Structuren bei den Pflanzen . . . 198 N ernst und Borchers, Jahrbuch für Elektrochemie 223 Ostwald, Wissenschaftliche Grund- lage der analytischen Chemie . . 223 Panaotovic, Chemisches Hilfsbuch . 43 Pfeffer, Pflanzeiiidn siologie . . . LM Piltz. AiKirganiselie'Ohende .... 91 Platc, Abstaininmm>lehre 426 Poritzky, Julien Olfray de Lamettrie 163 Prowazek, Zur positiven Naturan- schauung 379 Reineke und Migula, Das Pflanzen- reich G7 Rheden, Beobachtungen uud Zeich- nungen dos Planeten Mars . . . 222 Richter, 0., u. Schulteis, Richters Atlas für höhere Schulen .... 427 Roozeboom, Bedeutung der Phasen- lehro 187 Rosenthal, J., Allgemeine Physio- logie It^^ Rudel phi, Physikalische Chemie für den Schulunterricht 103 Russ, Hamlbuch für Vogolliebhaber . 186 Sachs, W., Kohlenoxydvergiftung . . 102 Schoiner, J., Bau des Weltalls . . 223 Schleichert, Franz, Anleitung zu botanischen Beobachtungen und pflanzenphysiolog. Experimenten . 331 Schmidt, Julius, Praktische Bedeu- tung chemischer Arbeit 43 S c h n e i d e w i n , Die Unendlichkeit der Welt 234 Schulte-Tigges, Philosophische Pro- pädeutik Iö2 Schurtz, Heinr., Urgeschichte der Kultur 163 Seeliger, Oswald, Thierleben der Tiefsee ^07 Simroth, Hein., Abriss der Biologie der Thiere '-'71 Stelz, L., und Grede, Leitfaden für ^ den botanischen Unterricht ... 4- Thomson, J. J, Les decharges elcc- triques dans Ics gaz '»ö Toula, Geologie o' Twrdy, Methodischer Lehrgang der Krystallographie 1^° Uhle, Der Würmsee . ^'^ Valentiner, Handwörterbuch der Astronomie ^'^ Verworn, Das Neuron f^^ de Vries, Mutationstheorie .... '-'■'- Wagner, Adolf, Studien und Skizzen aus Naturwissenschaft und Philo- Sophie ^ • ■ 1''^ Wahnschaffe, Ursache der Ober- flächengestaltung dos norddeutschen Flachlandes . . . • • ■ • • • ]^t Wallace, Studies scientific and social lU^ Warburg, Experimentalphysik . - IW — , O,, Pandanaceae 3iJ Wettstein. Handbuch der systemati- sehen Botanik "So 1 iilialts-Verzeichniss. Seite Wichelhaus, IL, Wirthschiiftliche Bedeutung chomischei- Ai-ljoit . . 11 Wiesner, Rohstoffe des Pflanzen- reichs 222 Wislicenus, Walter F., Astrono- mischer Jahresbericht 367 Wyneken, Ding an sich 355 Zacharias, J., ElektrischeVerbrauchs- messer der Neuzeit 403 Zell, Polyphem — Ein Gorilla ... 350 Ziehen, Psychophysische Erkenntniss- theoric 330 An der Wende des Jahrliunderts (naturwissenschaftliche Vorträge) . oUl Annuaire du bur. des longitudes pour 1901 43 Astronomischer Jahresbericht . . 115, 367 Astronomischer Kalender für 1901 . lOo Bericht der Deutschen botanischen Ge- sellschaft 23.J Botanik und Zoologie in Oestorrcicli 1850-1900 271 Die erste Erfindung 11)2 Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften mit Eiuschluss ihrer Anwendungen 191) Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön 223 Fnii..,hiiltr (l.^r Physik 1899 . . 55, 331 (lriiHiii\ iistaiidliche Darwinistische \iMvh-:- und Abhnndlnngon . . . 12ii Gcologis.lM- Knitr V..1I l'i.us.si'n und den 'riir,niiL:isrlM n Si;i;n,.„ . 103, 403 Jalirbuch für l'Ji'kfiurl.nnir .... 2l'3 Lethaea geognosliiii 331 Littcraturliste (Neue Erscheinungen des Buchhandels) 11 und fast iii jeder folgenden Nummer. Ostwald's Classikor der exakten Wissen- schaften llj Philosophische Bibliothek 138 Sammlung geologischer Führer . . . 127 Sammlung Uöschen 67 Verhandlungen der Abtheilung Beriin- Charlottenburg der deutschen Kolo- nial-Gesellschaft 1900/01 .... 379 Zoologisches Adressbuch 271 Abltilduugen. Abbildungen zur mechanischen Theorie der Blattstellungen (Orig.)^ . 311—315 Allbildungen zu Szymauski: Schulvor- suche mit elektrischen Wellen (Orig.) 107, 108, 109. 110 Aleuronkörner vom Leinsamen ... 95 Ammonshörner (Orig.) 57 Capillar-Doppollampe 2tj Cyatheaceen, Querschnitt durch Stamm und Stammstück von, ..... 86 Diagramme zur Wettermonats Uebcr- sieht (Orig.) 126 Diagramme zu Simon's Artikel Neuere physikal. Demonstrationen (Orig.) 360, 361 Gorilla dop Mujfnms Umlauft' . 195, 196 (;r;i|,liisclioli;,,s|r!l,,„i;enzudenWetter- M..li;(l.s i:.'lM^,,lrhtcii 31 llMl/,tniii.:^|.nit .Ici- i;iber nach Olaus Magnus (Ovig.-NuL'hbild ) . . . . 262 Jupiter an\ 3. Juli 1900 Karte der diluvialen Endmoränen Nord deutschlands Karte über Hagelschlag N. und NW. Lübeck am 9. August 1881 (Orig.) K.iMKU- Kupfe (Orig.) . . . . . \i.-.tlH.|,|, II v(in Spechten (Orig) . "'""ll"'!'' "blonga .^ < iiMKitliiMa lubrinervis Otterfalle, Zweiklappige von Adamshof (Kreis Flatow) Profile aus ^iner Sandgrube zur De monstration der Winderosion (Orig.) 369, Protei'nkorn aus der süssen Mandel Proteinkörncr aus dem Samen von Myristica Proteinkörncr aus Ricinussamen . . Psaronius-Querschliff Samenanlage (schfmn tisch) undEuibryo- sack von Hili.uitliiis (( iiii;'.-Nachb.) Saturn am 18. .Vii-n-t lüno . . . . Scliema des L(iilMnulcl-\'i'rlaufs der Protocalamariaceen, Cahimariaceen und Equisetaceen .... . . . Schema zu Spies' Artikel über flüssige Luft (Orig.) Schemata zu Van 't Hoff's Artikel über Salzablagerungen (Orig.) 74, 75, Sedum dasyphyllum Sniiiirnfinsterniss am 28. Mai 19U0 . . 'Pon-Il, Otto, Portrat (Orig.) . . . . \Vrtl(T-Ilia!;nimmo 78, Zcllrii ans Lcguminnson-Samen . . . 183 105 215 328 327 253 ^ '-:%. "'?r- Q.jMf^ 0mmßsMfm ''^•:^-^,^""- Redaktion: ? Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 6. Jannar 1901. Nr. 1. Abonnement: Man abonnirt bei aUt-n Buchhandlungen und Post- y Inserate: Die viergespaltei-.a Petitzeile 40 Jl. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Viertelj-ahrspreis ist Ji i.- e& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinlsunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnek ist nnr mit vollständij^er Qnellenan8:abe gestattet. Zusammenhang und Ausdehnung der deutschen Kohlenfeider. Voi-ti-ag, ftehalten auf der W hms: de Xaturfcirsobcr und Aerzte in Auuhe Manche von Ihnen hat ihr Weg nach unserer, im äussersten Westen des Reiches gelegenen Stadt durch das Ruhrgebiet geführt. Niemand, der diese Theile Rhein- lands und Westfalens sieht, und sei es auch nur vom Fenster des vorttbereilenden Schnellzuges aus, kann sich dem Eindruck entziehen, den die Häuf'ung der mächtigen Kamine, die russgeschwärzten Häuser und die rauch- erfüllte Atmosphäre hervorrufen. Ist dieser Eindruck auch nicht gerade ein anmuthiger und freundlicher, so ist er doch jedenfalls ein starker. Man fühlt und erkennt, dass man sich in einem Gebiet ganz besonders hoch ent- wickelter Industrie befindet. In der That zeigen gewisse Industriezweige hier einen Grad der Eutwickelung, der von keiner anderen Gegend Deutschlands erreicht, von keiner anderen Europas übertroffen wird. Kohle und Eisen sind die wesentlichsten Erzeugnisse des Gebietes. Aber nur die erstere i.st ein Produkt des Landes im eigentlichen Sinne. Sie findet sich, von der Natur fertiggestellt, in dem Boden abgelagert, während das Eisen aus Erzen ausgeschmolzen wird, die aus an- deren Gegenden, zum Theil aus fernen Ländern, herbei- geschaift werden. Kaum 10 Procent seines Bedarfes an Eisenerzen kann das Industriegebiet an der Ruhr selbst decken. Die moderne Entwickelang der Industrie und des Verkehrs hat mit den alten Verhältnissen gründlich aufgeräumt. Während in alten Zeiten die Eisenerze dort verar- beitet wurden, wo sie sich fanden, da dass erforderliche Heizmaterial, die Holzkohle, überall fast hergestellt werden konnte, wandern heute die Erze vielfach nach den Kohlcngebieten. Der Grund hierfür ist lediglich ein wirthschaftlicber. Braucht man doch, um eine Tonne fertiger Eisenwaaren herzustellen, mindestens das dreifache Gewicht an Kohle, aber nur etwa das doppelte an Erz. Mehr oder weniger anders liegen die Verhältnisse ■|it(_-inber l'.HIO von E. Holzapfel (Aachen). bei den anderen industriellen Betrieben, wo zum Theil ganz andere Factoren maassgebend sind. Aber alle, mit verschwindenden Ausnahmen, brauchen Kohle als den- jenigen Stofl', dessen Verbrennung die Wärme liefert, die in die für alle grösseren Betriebe erforderliche Kraft um- gesetzt wird. Von der Kohle, in erster Linie der Stein- kohle, ist daher die Industrie eines Landes und somit sein Reichthum abhängig, die bedeutendsten Kohlenländer unter den civilisirten Staaten weisen daher auch die blühendste Industrie auf. Schwarze Diamanten hat man daher die Steinkohlen genannt, um ihren Werth zu be- zeichnen. Mich deucht, dass in diesem Vergleich eine Ueberschätzung des Diamanten liegt. In wirthschaft- lichem Sinne wenigstens ist die Bedeutung der Kohle sehr viel grösser, als die ihres nächsten Verwandten, des Diamanten, wenn sie sich auch in viel unscheinbarerem Gewände präsentirt. Deutschland gehört zu den au Steinkohlen reichen Ländern. In der Production wird es allerdings durch England weit übertroffen, das seine führende Stellung auf der Erde erst im letzten Jahre an die Vereinigten Staaten hat abtreten müssen. Es verlohnt sich nun wohl, hier im Kreise deutscher Naturforscher und Aerzte, einen Blick auf die Kohlen- vorkommen im Deutschen Reich zu werfen, auf ihre Er- giebigkeit und die Aussichten, welche diese Grundlagen unserer Industrie für die Zukunft bieten. Jeder von Ihnen kennt Steinkohle ganz genau und weiss sie durch blosses Ansehen von anderen fossilen Brennstoffen zu unterscheiden. Aber nicht alle werden wissen, dass die äusserlich keine bestimmte Form zeigende Masse in allen Fällen, nach einer geeigneten Behandlung unter dem Mikroskop die Struetur der Pflanzenzellen zeigt. Man erkennt hieraus, dass die Kohle aus ver- änderter Pflanzensubstanz besteht. Steinkohle bildet Lager, oft von grosser Regelmässig- Naturwissenschaftliche Wochensclirift. XVI. Nr. 1. keit, zwischen allerlei Gesteinen, voruebmlich Sandsteinen und schiefrigen Thoueu, Gesteinen, welche den Absatz von sandigen und schlammigen Massen auf dem Grunde von Wasserbecken darstellen. Anhäufungen von Pflanzenresten sind also von Sand und Schlamm bedeckt und dadurch der zerstörenden Einwirkung des Sauerstotfs der Luft entzogen worden, so dass eine vollkommene Verwesung nicht eintreten konnte. — Die Kohlen sind demnach bei unvollkommenem Lufteintritt und darum auch nur unvollkommen verweste Pflanzenkörper. Neuere Forschungen scheinen zu ergeben, dass bei diesem Prozess specilische Bacterien eine Rolle spielen. Sehen wir uns .auf unserer heutigen Erde um, so treflFen wir nirgendwo auf Verhältnisse, unter denen sich grössere und ausgedehntere Kohlenlager bilden oder bilden könnten. Wenn wir daher die Entstehung der in weit zurück- liegender Vorzeit gebildeten Kohlenflötze erklären wollen, so können wir uns auf keine verwandten Erscheinungen der Jetztzeit berufen. Wir müssen vielmehr mit mög liebster Sorgfalt alle und jede Eigenthümlichkeit der alten Kohlen selbst und ihrer Begleitgesteine studiren, und nach Fingerzeichen suchen, die wir für die gesuchte Deutung verwerthen können. Diese Untersuchungen haben nun ergeben: 1. dass, wie bereits angegeben, die Kohle aus ver- änderter Pflanzensubstauz besteht, deren Zellstructur sich bei geeigneter Behandlung immer erkennen lässt; 2. dass diese Pflanzen Landpflanzen waren, d. h. Pflanzen, welche ihre Wurzeln in den Erdboden sandten; dass es keine schwimmenden tangartigen Gewächse waren. 3. Die Gesteine, welche die Kohlenflötze unterlagern und bedecken, sind aus sandigen und schlammigen Ab- sätzen im Wasser gebildet, es sind vom festen Lande ab- geschwemmte Massen. 4. Die Thiere, deren Reste wir in diesen Gesteinen und in der Kohle selbst finden, sind entweder luftathmende Landbewohner — Insekten, Schnecken, Lurche — oder kiemenathmende Sumpf- bezw. Süsswasserbewohner — Muscheln, Fische und Krebse. Reste von meeresbewoh- nenden Thieren fehlen im Allgemeinen, wir trefi^en solche nur in ganz bestimmten Lagen, von denen noch die Rede sein wird. Diese Hauptergebnisse der Untersuchung gestatten den Schluss, dass unsere Kohlenlager in nächster Nähe des Landes abgelagert wurden, auf dem die Lebewelt der Kohleuperiode ihre Daseinsbedingungen fand. Man ist heute darüber einig, dass wir uns den Schau- platz der Kohlenbildung als einen flachen, ausgedehnten Landsaum mit allerlei Wasserlachen und Lagunen zu denken haben, wie Sie ihn auf der hier ausgehängten Tafel dargestellt sehen. Auf dieser sind in Reconstruction die hauptsächlichsten Pflanzen dargestellt, die das Mate- rial für die Kohlen lieferten. Sie sehen, dass dieselben wesentlich verschieden sind von den Pflanzen, die unseren heutigen Landschaften ihren Charakter verleihen. Ist man hierüber im Allgemeinen einig, so ist man verschiedener Ansicht über die besonderen Bedingungen, unter denen das Material der Kohlenflötze abgelagert wurde. Es sind, wie ich nur kurz andeuten will, in der Hauptsache zwei Ansichten, welche vertheidigt werden. Die eine nimmt an, dass die Kohlen aus an Ort und Stelle gewachsenen Pflanzen entstanden sind, dass die Flötze also eine autochthone Bildung seien. Die zweite Meinung geht dahin, dass das Material der Kohlenflötze zusammen- geschwemmt sei, diese daher nicht allochthonen Ursprunges seien. Gegen beide Theorieen sind Bedenken erhoben worden, auf die ich hier nicht eingehen kann. Mir scheint aber, dass im Allgemeinen die meisten Gründe für eine autochthone Entstehung sprechen, mögen auch gelegent- lich und örtlich aus zusammengeschwemmten Pflanzen Kohlenflötze entstanden sein. Mag nun die eine oder die andere dieser Ansichten die richtige sein, so müssen doch ganz eigenartige Ver- hältnisse geherrscht haben, dass in so allgemeiner Ver- breitung auf der ganzen Erde so ausserordentliche Massen von Pflanzen unter Sand und Schlamm begraben werden konnten, zwischen Detritus-Massen, deren Dicke mehrere Tausend Meter beträgt. Es ist eine höchst merkwürdige Thatsache, dass diese Verhältnisse im Verlauf der langen Erdgeschichte nur ein- mal in allgemeiner Verbreitung auftraten, wenn es auch örtlich zu verschiedenen anderen Zeiten zur Bildung von Kohlenflötzen kam. Es sind daher, von diesem örtlichen Vorkommen abgesehen, alle Steinkohlen der Erde bei- läufig von demselben Alter, in derselben Periode der Erd- geschichte abgelagert, und diese wird darum die Stein- kohlen- oder carbonische Periode genannt. Wann diese Periode einsetzte, wann sie endigte, wissen wir nicht, können wir wenigstens nicht mit un- serem gebräuchlichen Zeitmaass ausdrücken. Mau hat zwar verschiedentlich Versuche gemacht, derartige Zeit- bestimmungen vorzunehmen, aber bisher noch mit unzu- reichendem Erfolg, und die Angaben über den Zeitraum, der .seit Beginn der Kohlenperiode bis heute verflossen sein soll, schwanken innerhalb sehr weiter Grenzen, von etwa 9 bis 25 Millionen unserer Jahre. Jedenfalls ist dieser Zeitraum also sehr gross. In der Geologie müssen wir uns leider noch mit relativen Altersbestimmungen der Gesteine begnügen, in- dem wir feststellen, was vorausging und nachfolgte. Der Kohlenperiode ging voraus die sogenannte de- vonische Periode. Während der ganzen Dauer dieser sehen wir den grössten Theil der Erde, vor Allem fast das ganze Ge- biet des heutigen Europa vom Meer bedeckt, aus dem einige Inseln emporragten, und eine grössere Länder- massc im nordatlantischen Gebiet, von der heute noch Theile von Skandinavien, die Hebriden und das nörd- liche Schottland Reste sind. Von landbewohnenden Thieren aus dieser Zeit wissen wir wenig, auf dem Lande wachsende Pflanzen kennen wir wohl, aber von einer einigermaassen reichen oder mannigfaltigen Land- flora kann nicht geredet werden. Auch Gescböpfe, die im süssen Wasser lebten, sind kaum mit Sicherheit be- kannt. Der Ocean bedeckte fast das ganze Gebiet. Während der Carbonzeit änderten sich die Verhält- nisse von Grund aus. Auf weite Strecken sehen wir festes Land aus dem Meere aufsteigen, auf dem sich die Flora, deren Typen aus der vorhergegangenen devonischen Periode herübergekommen waren, zu einer bis dahin un- gekannten Ueppigkeit entwickelte, offenbar unter der Gunst eigenartiger klimatischer Verhältnisse. Während der carbonischen Periode entstanden in Mittel-Europa zwei gewaltige Kettengebirge, vergleichbar den jugendlichen Alpen. "Heute freilich ist von ihnen wenig mehr übrig, und was noch vorhanden ist, erinnert äusserlich wenig oder gar nicht mehr an die einstige Ge- stalt. Nur in dem inneren Aufbau erkennen wir eine weitgehende Uebereinstimmung mit unseren heuligen Hoch- gebirgen. Die äussere Form dagegen ist zerstört. Die Ver- witterung hat im Laufe der langen Perioden an der Ab- tragung gearbeitet, das Meer ist zu wiederholten Malen über das Gebirge vorgedrungen und hat die Gebirgs- ketten mit den aufgesetzten Hocligipfeln bis auf die XVI. Nr. 1. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. Fundamente abgehobelt, so dass nur ein Plateau übrig blieb, und ausserdem sanken ansehnliche Schollen in die Tiefe, unter das Meer, und dieses lagerte auf den ge- sunkeneu Gebieten jüngere Gesteine in bedeutender Dicke ab, sie dadurch der Beobachtung entziehend. So sehen wir heute von den alten Hochgebirgen nur noch einzelne Schollen, Horste, als Inseln aus den umgebenden jüngeren Ablagerungen aufragen. E. Süss hat diese beiden mitteleuropäischen Falten- gebirge zuerst in ihrer Gesammtheit erkannt, und die Zu- sammengehörigkeit der vorhandenen Reste festgestellt. Er hat das eine als das armorikanische, das andere als das variscische Gebirge bezeichnet. Uns interessirt hier nur das letztere. Die noch vorhandenen Reste sind: der östliche Theil des französischen Centralpiateaus, das so- genannte rheinische Sehiefergebirge, die gefalteten, alten Gesteine von Schvvarzwald, Vogesen, Odenwald und Spessart, der Harz, kleine Theile des Thüringer Waldes, das ostthüringische Schiefergebirge, Frankenwald, Fichtel- gebirge, das Erzgebirge mit seinem nördlichen Vorlande, so weit es von carbonischen und älteren Gesteinen ge- bildet wird, und das ganze Gebirgssystem der Sudeten, wahrscheinlich auch das polnische Mittelgebirge, die Lysa Göra. Im Osten, an der oberen Oder und Weichsel, bildet das junge Alpensystem mit den Karpathen die heutige Grenze, und wir wissen nicht, ob nicht ehemals das variscische Gebirge noch weiter nach Osten hin reichte, und ob nicht Theile von ihm unter den Kar- pathen liegen. Die grössten Erhebungen dieses alten Gebirges ver- muthet Süss in der Gegend der Ballons der Vogesen und im Voigtlande, und von diesem letzteren, dem Gebiete der alten Varisker, hat er den Namen entlehnt. Die Gesteine, die an dem Aufbau theilnehmen, sind solche der Carbonzeit und ältere, und hieraus ergiebt sich das Alter des Gebirges als carbonisch. Zu diesem variscischen Gebirge nun stehen unsere deutschen Kohlenfelder in engster Beziehung. Diese Beziehungen treten auf der aushängenden Karte deutlich hervor. Dort sind zunächst die "bereits genannten Reste des variscischen Gebirges in groben Zügen verzeichnet, und ausserdem ist das Alpensj.stem mit grüner Farbe angedeutet. Die Kohlengebiete sind schwarz, roth umrandet eingetragen. Sie sehen, dass es deren eine ganze Menge giebt, aber nur wenige von ihnen sind von grösserer Bedeutung. Viele enthalten Flötze und Flötzchen, deren Gewinnung überhaupt nicht lohnt, bei anderen geht die Bedeutung nicht über eine rein örtliche hinaus, wiederum in anderen sind die Kolilen- tlötze, soweit sie überhaupt eine Gewinnung lohnten, ab- gebaut. Alle aber sind für die Erkenntniss der Kohlen- bildung überhaupt von Wichtigkeit. — In unseren Kohlen- becken gehören die flötzführenden Schichten der zweiten Hälfte der carbonischen Periode an. In der ersten treffen wir entweder marine Ablagerungen oder Bildungen des Meeresstrandes. Während der zweiten Hälfte der Steinkohlenzeit zeigt die Flora einen zweimaligen, deutlich erkennbaren Wechsel, der sich allerdings weniger in ihrem Gesamnit- charakter, der der gleiche bleibt, als in dem Auftreten gewisser Arten bemerkbar macht. Man unterscheidet daher drei verschiedene Floren und benennt die Gesteine, in denen sie sich linden, nach Orten, wo diese in besonders typischer Entwickelung auftreten: die unter- sten als Waldenburger, die mittleren als Saarbrücker oder Westfälische und die oberen als Ottweiler Schichten. In den einzelnen Becken tritt vielfach nur die eine dieser Schichtenfolgen auf, oft aber auch mehrere über einander. Die vollständige Reihenfolge treffen wir nur in Niederschlesien, im Waldenburger Becken. Von den zahlreichen Kohlenbecken liegt eine Anzahl, meistens kleinere, mitten in den variscischen Falten, die kohlenführenden Schichten liegen ungleichförmig auf irgend welchen älteren Gesteinen und sind entweder von jüngeren Ablagerungen bedeckt oder ohne eine solche Ueberlage- rung. Zu dieser Gruppe gehören eine Anzahl sehr kleiner, und heute nicht einmal eine lokale Bedeutung besitzender Vorkommen im gefalteten Gebiet der Vogesen, die Vorkommen im Schwarzwald, welche zu verschiedenen Zeiten Veranlassung zu ausgedehnten und kostspieligen, aber resultatlosen Untersuchungen gaben, und die wich- tigeren sächsischen Vorkommen von Chemnitz, Zwickau, Hainiehen u. s. w. Ihre Ausdehnung ist nicht gross und ihre Begrenzung ziemlich gut bekannt. Die Kohlenflötze sind wenig zahlreich, aber zum Theil sehr mächtig und nicht unerheblich schwankend. Das sogenannte Planitzer Flötz erreicht bis zu 12 m Blächtigkeit, dass Russkohlen- flötz enthält bis 8 m Kohle. Auch das niederschlesische, das Waldenburger Kohlen- becken, liegt ersichtlich innerhalb der variscischen Su- deten, nur auf eine relativ kurze Strecke nach Süden hin ist es nicht von älteren Gesteinen begrenzt, seine Um- randung aber doch gegeben. Im Innern dieses Beckens liegt eine sehr mächtige Decke jüngerer Gesteine auf den kohlenführenden Schichten ungleichförmig auf, die ihrerseits ungleichförmig theils auf alten Schiefern liegen, theils auf marinen Schichten der unteren Steinkohlen- formation. Bei allen diesen Kohlenbecken ist die hoi'izontale Ausbreitung durch die Umrandung mit älteren Gesteinen gegeben, die grösseren sind im Innern hoch bedeckt mit jüngeren Gesteinen, oft von vielen hundert Metern Dicke. Alle zeigen als gemeinsame Merkmale, dass die flötz- führenden Schichten gefaltet sind, aber ersichtlich schwächer als ihre Unterlage, und dasj sie keine Reste von meeres- bewohnenden Thieren enthalten. Sie sind also im süssen Wasser abgelagert, zu einer Zeit, als die variscische Faltung bereits ziemlich weit vorgeschritten, aber noch nicht beendet war. Sie bildeten sich in abflusslosen und daher in Seebecken umgewandelten Gebieten innerhalb des eben entstandenen variscischen Landes. Eine weitere Gruppe von wenig bedeutenden Kohlen- becken treften wir an den Rändern der Reste des alten Gebirges, am südlichen Harzrand bei Ilfeld und ebenso am Rand des thüringisch-fränkischen Gebirges, bei Ilmenau, Manebach, Crock u. s. w. Auch diese Schichten, der obersten Abtheilung angehörig, liegen ungleichförmig auf ihrer Unterlage, und ihre Entstehung ist keine andere, als die der ganz innerhalb des variscischen Landes liegenden. Zwei weitere Kohlenbecken treten überhaupt nicht in Berührung mit älteren Gesteinen, das Becken von Wettin und das von Saarbrücken. Bei beiden ist die Unterlage nicht bekannt. Die Wettiner Flötze sind abgebaut, und zahlreiche Untersuchungen der Umgebung haben zu keinem günstigen Resultat geführt. Zwar hat das berühmte Bohrloch von Schladebach bei Halle in einer Tiefe von 542 m die Fortsetzung der Wettiner Stein- kohlenformation angetroffen und bis zur Tiefe von 1532 m durchbohrt, aber keine Kohlenflötze angetroffen. Das Carbon lagert auf devonischen Gesteinen, in denen bis zu 1640,4 m Gesammtteufe weiter gebohrt wurde. Das Saarbrücker Becken grenzt ähnlich wie das Wettiner nicht unmittelbar an das ältere Gebirge. Sein Südrand ist abgebrochen, die Fortsetzung in unbekannte, anscheinend bedeutende Tiefe niedergesunken, und nach Norden hin legen sich in grosser Mächtigkeit jüngere Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 1. Schichten auf. Wie weit die Kohlenflötze sich unter diesen fortsetzen, ist nicht bekannt. Im Nahegebiet aber liegen diese jüngeren Schichten ungleichförmig auf den alten Schiefern des Hnndsrück. — üeber die wirkliche Ausdehnung des Saarkohlengebietes wissen wir daher nichts, müssen aber annehmen, dass die nach Norden geneigten reichen Kohlenflötze weit unter die jüngere Bedeckung fortsetzen. Wenn die beiden zuletzt genannten Kohlenfelder nun auch nicht in direkter Berührung mit älteren Gesteinen stehen, so gilt für ihre Entstehung das Gleiche, wie für die früher angeführten Vorkommen. Es fehlen Reste von Meeresthieren, wohl aber finden sich solche von Land- und Süsswasserbewohnern. Wir haben es also auch hier mit Ablagerungen, allerdings sehr ausgedehnter, Binnen- gewässer zu tliun. Construirt man nach den vorhandenen Resten das alte variscische Gebirgsland, so sieht man auch sogleich, dass das Saarbeeken innerhalb dieses Ge- birges liegt. Und auch nördlich des Wettiner Beckens treffen wir bei Magdeburg ein allerdings im Gelände kaum hervortretendes, vollständig abgehobeltes Grau- wackengebirge, dessen Schichten das normale variscische Streichen besitzen. Also auch die Wettiner Mulde liegt innerhalb der variscischen Falten. Wir kommen jetzt zu den beiden weitaus wichtigsten Kohlengebieten, dem oberschlesischen und dem rhciaisch- westphälischeu oder Ruhrbecken. Das eine liegt im Osten im Vorlande der Sudeten, das andere im Westen sich an das ältere Gebirge unmittelbar anschliessend. Beide zeigen gegenüber den früher besprochenen einen wesent- lichen Unterschied, und das ist das Auftreten einer ma- rinen Fauna, aber diese tritt nur in den tiefereu Partien auf und wird nach oben durch eine Sumpf- bezw. Süss- wasserfauna verdrängt. Diese Thatsache zeigt, dass, als in beiden Gebieten die Kohleubildung begann, das Meer noch Zutritt zu den Gebieten hatte, in denen die Kohlen- schichteu abgelagert wurden, dass aber später diese Ver- bindung abgeschnitten wurde und an Stelle des salzigen Wassers eine Süsswasserbedeckung trat. In Oberschlesien, wo diese Verhältnisse besonders genau untersucht sind, hat sich die merkwürdige That- sache ergeben, dass die oft dünnen Lager mit den Resten der Meeresbewohner bedeckt werden durch eine andere Schicht, die keine Spur mariner Fossilien mehr enthält, sondern nur Arten, die im Brack- und Süss- wasser lebten. Diese Aufeinanderfolge wiederholt sich des Oefteren. Sie lehrt uns, dass das Meer nur zu ge- wissen Zeiten zu den Gebieten, in denen Kohlen gebildet wurden, Zutritt hatte, dass mit ihm die Salzwasserbewohner ihren Einzug in die Aestuarien und Lagunen hielten, dass aber bald wieder eine Trennung vom Meere und eine Aussüssung stattfand, welche der eingewanderten Fauna den Untergang bereitete, während die Süsswasserbewohner wieder ihre Lebensbedingung fanden. Später wurde dann eine völlige und dauernde Trennung herbeigeführt. Interessant ist es nun, dass diese Erscheinung in den beiden Gebieten nicht gleichzeitig eintrat. Auch die Kohlenbildung begann nicht zur selben Zeit. — In beiden Gebieten wird das untere Carbon von marinen Ablage- rungen gebildet, dem sogenannten Culm. Ueber diesem folgt in Oberschlesien eine Serie von Kohlenflötzen, welche als die der Rybniker Schichten bezeichnet wird, und zwischen diesen liegt die marine Fauna. Es folgte nach oben die sogenannte Sattelflötzgruppe, deren Kohlenlager sich durch ihre ausserordentliche, jenseits der russischen Grenze bis 18 m steigende Mächtigkeit auszeichnen und in denen keine marinen Fossilien mehr vorkommen, ebenso wenig wie in den höhereu, sogenannten Orzescher Schichten. In Westphalen haben wir Flötze vom Alter der Ryb- niker überhaupt nicht, die tiefsten hier auftretenden ge- hören bereits den Orzescher Schichten, d. h. der Saar- brücker bezw. westphälischen Stufe an, und erst in diesen treten in den tiefereu Partieen die marinen Fossilien auf, während die zeitlichen Aequivalente der Rybniker Flötze aus mächtigen flötzfreien Sandsteinen bestehen. Im Westen war demnach die Verbindung mit dem Ocean länger offen als im Osten. So sehen wir denselben Vorgang in zwei verschiedenen Gebieten sich in der gleichen Weise, aber zu verschie- deneu Zeiten abspielen. Durch welche Vorgänge wurde nun die vollständige Scheidung der Kohlengebiete vom Ocean bewirkt? Wir können es nicht mit voller Sicherheit sagen. Und doch ist diese Frage von grosser Bedeutung, denn von ihrer Beantwortung hängt auch die einer weiteren ab, nämlich der Frage nach der Begrenzung und Ausdehnung der Kohlengebiete. In Westphalen liegt das flötzführende Kohlengebirge gleichförmig auf seiner Unterlage. An die Oberfläche tritt es nur im Süden, und von hier aus senkt sich seine Oberfläche in flacher Böschung unter die Kreidedecke des Münsterlandes. Schon unweit Dortmund steigt deren Dicke auf 400 Meter und mehr. Immer weiter nach Norden hin dehnt sich in der Neuzeit das G-ebiet aus, in dem durch Bohrungen die Kohlenflötze nachgewiesen wurden unter der Bedeckung des Münsterschen Beckens. Am Nordostrande dieses erscheint nun eine Südost nach Nordwest streichende junge Gebirgskette, der Teutoburger Wald. Auf der Nordostflanke dieser Kette treten an zwei Stellen, bei Ibbenbüren und Osnabrück flötzführende Kohlenschichten au die Oberfläche. Man kennt ihr Liegendes nicht, und nach allen Seiten tauchen sie schnell wieder unter die jüngeren Deckschichten herunter. Die Flötze sind, allgemein gesprochen, vom gleichen Alter wie die westphälischen, und es sind keinerlei Thatsachen bekannt, welche gegen einen unterirdischen Zusammen- hang mit den Vorkommen an der Ruhr sprächen. Man darf annehmen, dass das westphälische Kohlenbecken sich unter dem ganzen Kreidebecken von Münster her- zieht; allerdings muss es im Innern desselben in sehr grosser Tiefe liegen. Nach Westen hin senkt sich das Kohlengebirge der Ruhr ebenfalls unter junge Sande und Thone, welche das niederrheinische Flachland bedecken. Es ist schon lange bekannt, dass es unter dieser Decke bis über den Rhein zieht. Bei Homberg werden auf der linken Rheinseite schon lange die Flötze abgebaut. Nahe der Westgrenze des Reiches tritt dann in der Aachener Gegend das Kohlengebirge wieder an die Oberfläche und war hier die Veranlassung zu dem ältesten Steinkohlen-Bergbau Deutschlands. Schon seit langer Zeit ist man bemüht gewesen, durch Bohrungen die Verbindung der Kohlenflötze an der Ruhr mit denen von Aachen aufzufinden. Aber erst der vervollkommneten Bohrtechnik der neuesten Zeit und der klareren Einsicht in die geologischen Verhältnisse haben wir in den letzten Jahren die Keuntniss ansehnlicher Stücke dieser Verbindung zu verdanken. Wenn auch Einzelheiten oft geheim gehalten werden, so wissen wir doch, dass von Aachen aus, ähnlich wie in Westphalen, die Oberfläche des Kohlengebirges nach Norden und Nord- osten hin mit flacher Böschung unter die tertiäre Decke des niederrheinischen Flachlandes einsinkt, und wir können nicht mehr zweifeln, dass die Verbindung mit den Ruhr- flötzen tiiatsächlich besteht. Ganz unbekannt aber ist auch hier die nördliche Grenze. Nicht weit nach Westen oder Nordwesten von diesen XVI. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. bekannten Flötzen, am linken Maasnfer, nördlich von Maastricht, traf aber ein Bohrloch den Kolilenkalk, die Unteriage des fiotzführenden Gebirges, und es scheint, als ob wir es hier mit dem Nordrande des Kohlenbeckens 7A1 thun hätten. Das Aachener Kohlenbecken findet nach Südwesten hin seine Fortsetzung in dem von Lüttich, und dieser schliesst sich unmittelbar das von Namur an, welches sich im leicht nach Norden concaven Bogen über Valeu- ciennes hinaus weit nach Frankreich hinein erstreckt. Wir haben somit einen Zusammenhang der kohlenführen- den Schichten von Westphalen an bis über die Quellen der Scheide hinaus. Hier im Westen ist die Mulde schmal, ausserordent- lich stark zusammengepresst, viel stärker gefaltet als an der Ruhr. Dann aber sehen wir hier in Belgien und Frankreich nördlich von dieser Mulde, theils zu Tage ausgebend, theils unter junger Bedeckung durch Bohr- löcher nachgewiesen, ältere gefaltete Gesteine auftreten. Bis nach Osteude hin sind sie bekannt. Westlich der Maas liegt demnach das flötzführende Kohlengebirge deutlich innerhalb der variscischen Falten, wobei freilieh unentschieden bleiben muss, ob nicht Theile dieser nörd- lichen Faltenzüge erst nach der Ablagerung der Kohleu- flötze entstanden sind, und ob nicht etwa Kohlenflötze, die früher über diesen älteren Schichten sich nach Nor- den hin erstreckten, später der Erosion anheimgefallen sind, ob also der heutige Nordflügel der Kohlenmulde auch deren ursprüngliche nördliche Grenze darstellt. Wahrscheinlich ist, dass wir in Belgien und Frankreich den Nordraud vor uns haben, und dieser muss sich nach Nordost fortsetzen, wenn wir auch heute noch nicht wissen, wo er verläuft. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die That- sache, dass in Westphalen, ebenso auch in Belgien, das Meer nur anfangs Zutritt zu diesen Gebieten hatte, dass später eine völlige Trennung herbeigeführt wurde, so er- kennen wir nördlich vom rheinischen Schiefergebirge eine grosse nach Südwesten in das neu entstandene Land ein- springende und sich in derselben Richtung verengende Bucht als den Schauplatz der Kohleuablagerung, eine Bucht, die später vom Meere getrennt und in einen Binnen- see verwandelt wurde. Ihre Umrisse vermögen wir aller- dings nur im Süden zu reconstruiren, und nur westlich der Maas sehen wir eine nördliche Begrenzung. Der Hauptuuterschied dieses grossen westlichen Kohlenbeckens gegen die vielen kleiueren besteht in der Hauptsache nur in den sehr viel grösseren Dimensionen und der anfängliehen Verbindung mit dem Meere. Das oberschlesische Kohlenbecken zeigt in mancher Beziehung Abweichungen von dem westlichen. Es grenzt nicht unmittelbar an das ältere Gebirge der Sudeten an, sondern hebt sich aus einer jüngeren Umgebung im Vorlande dieses Gebirges empor. An diese selbst grenzt nur ganz im Südosten, bei Mährisch Ostrau, wo an der oberen Oder die Karpathen an das variscische Gebirge angrenzen, ein Stück fiotzführenden Gebirges. Nach Norden zu taucht es unter, aber die Ostrauer Flötze kommen bei Rybuik wieder an die Oberfläche. Zwischen der Partie von Rybnik und der Hauptmasse des obersehlesischen Beckens, deren Flötze von gleichem Alter sind als die westphälischen, ist ein grosser Zwischen- raum. Ansehnliche Theile in ihm sind untersucht, und überall traf man unter jüngerer Bedeckung die Kohle. Ein unterirdischer Zusammenhang ist daher anzunehmen, ebenso wie ein solcher von Rybnik nach Ostrau hin vor- auszusetzen ist. So erstreckt sich vom Gebirgsrande aus das oberschlesische Kohlenbecken bis weit nach Norden in das Vorland hinein, aber grosse Theile liegen in be- deutender Tiefe. Ueber die Begrenzung nach Westen und Osten wissen wir nichts. Die Untersuchungen durch Tiefbohrungen er- strecken sich heute erst über relativ kleine Flächen. Sie haben ja auch nicht den Zweck, die Verbreitung der fiotz- führenden Formationen an sich nachzuweisen, sonderu bau- würdige Flötze in erreichbarer Tiefe aufzufinden. Nach Norden bezw. Nordosten hin treffen wir dann jenseits der Landesgrenze die Lysa Göra, das polnische Mittelgebirge, aus älteren Schichten aufgebaut, deren Schichten dem variscischen Sudeten parallel streichen. Wir erkennen so, dass auch das oberschlesische Kohlenbecken wenigstens zum grossen Theil innerhalb der variscischen Faiteuzüge liegt, in einer grossen und weiten Einbuchtung des alten Festlandes, die der ganzen Sachlage nach nur nach Nordwesten offen gewesen sein, mit dem Meere in Verbindung gestanden haben kann. Ueberbiicken wir das Gesagte, so sehen wir nach Ablauf der Devonzeit in Mittel-Europa gewaltige Be- wegungen der Erdrinde, deren Vorboten sich schon zur Devonzeit bemerkbar gemacht haben. Die abgelagerten Gesteine werden gefaltet, und als Folge dieses Vorganges erheben sich ansehnliche Ländermassen über den Meeres- spiegel. Die Bewegungen erfolgen langsam und allmählich und darum sind die Bildungen der älteren Steinkohlenzeit fast durchweg noch marin, sie erfolgten ungleichmässig und darum liegen die anfangs gebildeten Gesteine im W^esten ihrer Unterlage gleichraässig, im Osten dagegen ungleichförmig auf. Die Bewegung begann also im Osten früher oder war intensiver, als im Westen. Von Kohlenbildungen haben wir in dieser Zeit die ersten Anfänge, und auch diese naturgemäss im Osten. Die gebirgsbildende Kraft wirkte während der ganzen Carbonzeit weiter, immer höher thürmte sich das varis- cische Gebirge auf, immer höher hob sich das Land über das Meer. In seinem. Innern entstanden abflusslose Becken, zum Theil vielleicht Relictenseeen, uud an der nördlichen Küste des Landes entstanden zwei grosse Einbuchtungen, zwei grosse Meeresbusen. — An den Rändern dieser Wasserbecken entwickelte sich eine Flora von bisher nicht gekannter Ueppigkeit. Von den neu entstandenen Landmassen wurde durch Wasserläufe verwittertes und zerstörtes Gesteinsmaterial in Form von Kies, Sand und Schlamm sowohl den Binnen- seeeu wie den grossen Buchten zugeführt, und diese Detritusmassen begruben zu wiederholten Malen die Vege- tation dieser Becken, aus der dann im Laufe der Zeiten ebenso viele Kohlenflötze wurden. Allmählich wurden die Biunenseeen ausgefüllt und die grossen Buchten, vielleicht nur durch die eingeschwemmten Detritusmassen vom Meere abgeschnitten. Zu gewissen Zeiten mögen sie eine ähnliche Bildung gewesen sein, wie die Hafi'e der Ost- seeküste. Während dieser Vorgänge und auch nach Ablauf derselben dauerte die Bewegung der Erdrinde fort, denn wir sehen die Ablagerungen dieser Zeit allenthalben ge- faltet, an einigen Stellen schwach, an anderen höchst in- tensiv, ein Zeichen, dass die Bewegung auch weiterhin eine ungleichmässige war. Es war aber nicht nur eine durch die Faltungen bedingte aufwärts gerichtete Bewe- gung, wir müssen auch Senkungen, vielleicht auch oscil- lirende, abwechselnde positive und negative Bewegungen annehmen. Denn uur das Eintreten von Senkungen ver- mag uns die grosse Mächtigkeit der kohlenführenden Ab- lagerungen und die Vertheilung der Flötze in der ganzen Mächtigkeit zu erklären. Diese Mächtigkeit beträgt über 4000 m. Und die Sohle eines jeden Flötzes muss einmal Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 1. den Boden gebildet haben, auf dem die Steinkohleuflora wuchs. Die Senkung dieser Gebiete muss aber gleich der Mächtigkeit sein, also ebenfalls über 4000 m betragen haben. Wir sehen aus diesen Zahlen, dass es sich um Bewegungserscheinungen von ganz gewaltigem Ausmaass handelte. Zur Zeit dieser Ereignisse müssen klimatische Ver- hältnisse geherrscht haben, die die ungemein üppige Ent- wickelung der Vegetation bedingten, die andererseits aber auch eine ganz ausserordentliche Verwitterung und Zer- störung der neugebildeten Ländermassen begünstigte, denn ohne eine solche ist die Alagerung so gewaltiger Detritus- massen, wie wir sie in den flötzführenden Schichten sehen, in relativ so kurzer Zeit nicht verständlich. Aus dieser kurzen Skizze ist ohne Weiteres zu ent- nehmen, dass man von einem eigentlichen Zusammenhang unserer Kohlenfelder überhaupt nicht reden kann. In den kleinen, binnenländischen Becken zunächst siud die Kohlen- bildungen durchaus örtliche Bildungen, mag auch hin und wieder in früheren Zeiten das eine oder andere dieser Becken mit einem benachbarten in Verbindung gestanden haben. Aber auch bei den Hauptbecken haben wir eine voll- ständige Trennung vom Meere kennen gelernt, und ich glaube nicht, dass überhaupt eine Verbindung der Kolden- flötze von Westphalen mit denen in Oberschlesien ent- lang des Nordrandes des alten Contiuentes jemals vor- handen war. Nach Ablauf der Carbonzpit war die Faltung des variscischen Gebirges im Allgemeinen beendet und nur die nie rastende zerstörende Thätigkeit des Wassers dauerte fort. Mit den umgebenden Gesteinen wurden grosse Mengen von Kohlenflötzen zerstört, uud gelegent- lich finden wir Reste von solchen in jüngeren Detritus- massen. Es traten Senkungen grösserer Gebiete und ein- zelner Schollen ein, bis unter den Meeresspiegel, und jüngere Gesteine lagerten sich oft in bedeutender Mächtig- keit auf die abradirte Oberfläche des Kohlengebirges uud entziehen heute noch die Ablagerungen der Carbonzeit der Beobachtung. Die Geologie allein ist nicht im Stande, die Dicke dieser jüngeren Gesteine und die Ausbreitung der Kohlen- flötze unter ihnen festzustellen, wenn sie auch das Maximum der Ueberdeckung innerhalb gewisser Grenzen anzugeben vermag. Es ist vielmehr Aufgabe der Industrie und Technik, unter Beihülfe der Geologie die Verhältnisse klar zu stellen, da sie allein über die erforderliche grossen Mittel verfügt, die zu grösseren Tiefbohrungen erforderlich sind. Diese sehr bedeutenden Kosten sind natürlich auch die Ursache, dass die Stellen, an denen gebohrt wird, mit der grössten Sorgfalt ausgewählt werden, dass man vor Allem möglichst systematisch verfährt und immer aus- gehend von Bekanntem, das Untersuchungsgebiet allmäh- lich ausdehnt. Darum wissen wir heute über die wirkliche Ausdeh- nung unserer beiden grossen Kohlenbecken noch recht wenig, obschon Millionen für Bohrungen verausgabt sind. Das Eine aber haben uns diese Untersuchungen ge- lehrt, dass sowohl das westliche wie auch das östliche Kohlenbecken sich weit unter die jüngeren Auflagerungen forterstrecken, und sicher noch viel weiter, als bereits nachgewiesen ist. In weiten Gebieten mögen die Kohlen- flötze in heute unerreichbaren Tiefen liegen, aber an manchen anderen Stellen hat mau sie in unerwartet hoher Lage angetroffen, und so mag es auch noch an anderen Punkten in bis jetzt unerforschten Gebieten sein. Der Abgeordnete Schulz-Bochum, gewiss ein compe- tenter Beurtheiler, hat bei der diesjährigen Etatsberathung im preussischen Abgeordnetenbause die Erklärung ab- gegeben, dass die heute bekannten unterirdischen Kohlen- schätze Rheinlands und Westphalens nach seiner Berech- nung noch für eine ganze Reihe von Jahrhunderten aus- reichten, wobei die zu erwartende Steigerung des Ver- brauches in Anrechnung gebracht worden ist. Hierbei sind die Kohlenflötze unter der niederrheinischen Ebene, deren Ergiebigkeit sich allerdings nicht einmal schätzen lässt, die aber sicherlich eine grosse ist, nicht mit in An- satz gebracht worden. In Oberschlesien liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch hier ist, wie ich schon mittheilte, eine Verbindung des Kohlenbeckens von Rybnik mit dem Hauptbecken nach- gewiesen, sowie eine unterirdische Ausdehnung dieses nach Südwesten und Südosten hin. Die Begrenzung ist auch hier unbekannt. Oberschlesien hat gegenüber dem Westen dadurch einen wesentlichen Vorzug, dass viele Bohrungen sich nicht, wie es im Westen die Regel ist, damit begnügt haben, den Nachweis zu führen, dass über- haupt Kohle vorhanden ist, so dass eine bergrechtlichc Beleihung erfolgen konnte, sondern dass sie auch das Kohlengebirge bis zu grösseren Tiefen durchsunken haben, um über die Anzahl der auftretenden Flötze und ihre Stellung im System Klarheit zu schaffen. So hat, um nur ein einziges, allerdings das wichtigste Beispiel aufzuführen, das von dem preussischen Bergfiscus gestossene Bohrloch Perusehowitz V unter einer Bedeckung von 210 m die Oberfläche des Kohlengebirges erreicht, und in diesem noch 1893,34 m, also bis zu einer Gesammttiefe von 2003,34 m weiter gebohrt. Dabei sind bis zu einer Tiefe von 1180 m 60 Kohlenflötze erbohrt worden, darunter 20 mit zusammen 61,9 m Kohle, in der That ein gross- artiger Schatz an Kohlen, der der Hebung wartet. Die Gesammtzahl und Mächtigkeit der oberschlesischen Kohlen- flötze lässt sich kaum mit Sicherheit angeben. Aber das Eine steht fest, dass Oberschlesien dem westlichen Kohlen- becken an Kohlenreichthum nicht nachsteht, sondern eher überlegen ist, so dass, wenn für den Westen die Schulz- sehe Berechnung gültig ist, auch für Oberschlesien ein Aushalt der Kohlenflötze auf Jahrhunderte gesichert ist. Die Eisverhältiiisse an der Ostküste Crrönlands sind zwischen 73° und 75° n. Br. derartig, dass sie fast immer den Zugang gestatten. Eine Erklärung dieser eigenthümlichen Erscheinung bietet Lieutenant G. Amdrup in seinem Rapport über die diesjährige Expedition nach Ostgrönland (Geogr. Tcdskr. 15. Heft 7/8). Am 29. Juni morgens 1 Uhr wurde die Eisgrenze hinter Jan Mayen (71 ° 3' n. Br. und 9° 32' w. L.) er- reicht; schon um 10 Uhr nachm. machte undurchdring- liches Packeis (71° 40' n. Br. und 10° .56' w. L.) das Vorwärtskommen unmöglich, und zwischen 11 und 12 Uhr war schon die Gefahr vorhanden, eingeschlossen zu wer- den, sodass die „Antaretie" versuchen musste, aus dem Eise zu gelangen, und dem Eisrande gen Norden folgend den Durchbruch zu gewinnen. Am 6. Juli morgens vier Uhr öffnete sich an der Packeiskante eine Rinne nach Westen, welche sich schon in weiter Entfernung durch einen scharf gezeichneten Wasserhimmel angedeutet hatte. In diese Rinne wurde hineingefahren, und das Abnehmen der starken Dünung zeigte, dass die Antarctic sich in der Nordbucht innerhalb des Packeisrandes befand. Die Ortsbestimmung am Mittag des 6. Juli ergab 74° 29' 6" XVT. Nr. 1. Natui-wi ssenschaf tliche "Wochenschrift. 11. Br. und 5°3<)' w. L. — Nach kaum fünftägiger Fahrt durch das Eis wurde am 11. Juli 2 Uhr morgens an Griper Road geankert, der ca. 240 Seemeilen breite Eis- giirtel war durchbrochen. Die sogenannte Nordbucht ist ein Gürtel zerstreuten p]ises zwischen 73° und 75° n. Br. Die Entstehung der- selben wird auf 3 Ursachen zurückgeführt: 1) die Strö- mung, 2) den Wind, 3) die Linie, in der das Eis im Frühjahr aufbricht, (erstreckt sich ungefähr von der Shan- non-Insel nach NO oder ONO). Der siidwärtsgehende Strom und die an der ostgrön- ländischen Küste vorherrschenden ungefähr nördlichen Winde werden in Folge dessen eine Lücke im Eisrande erzeugen südlich von der Linie, nach der das Eis auf- bricht. Diese Annahme wird noch dadurch unterstützt, dass längs dem Packeisrande zahlreiche beschmutzte Eisberge treiben, welche wahrscheinlich aus dem Polarmeere an der Westseite Spitzbergens kommen. Des weiteren findet man die grösste Masse von Treibholz am Packeisrande bis Jan Mayen, während drinnen im Eisgürtel Treibholz nur vereinzelt gefunden wird. In der Mitte des EisgUrtels begegnet man nur selten schmutzigen Eisbergen, während die Anzahl derselben in der Nähe des Landes wieder grösser wird. Daraus scheint hervorzugehen, dass der Hauptarm des aus dem Polarmeere nach dem Süden fliessenden Stromes in einem Bogen von Spitzbergen nach Jan Mayen verläuft und erst von hier an nach der ost- gröuländischen Küste hinübergezvvängt wird. Auch der Umstand, dass zum mindesten bis zum 11. Juli kein ein- ziger Eisberg hier gesehen wurde, lässt darauf schliessen, dass das Eis in einer Linie der Shannon-Insel nach NO oder ONO ungebrochen ist; denn es ist kaum anzunehmen, dass in dem nördlichen Theile der ostgrönläudischen Küste keine produktive Gletscher vorhanden sein sollten. A. L. Die Vergletscheniug des östlichen Spitzbergens Avährend der Eiszeit ist durch Professor Freiherrn G. de Gur (Geol. fören. Stockholm förh. Bd. 22. Hft. 5) dar- gethan worden. In der reichhaltigen Litteratur über Spitzbergen sind Angaben bezüglich der Vergletscherung des Landes wäh- rend der Eiszeit recht spärlich und beschränken sich zur Hauptsache auf die Feststellung, dass das Vorkommen alter Gletseherschrammen namentlich au der Nordküste des Landes darthut, dass die Förden einst mit Gletschern erfüllt waren. In anderen Theilen des Landes, wo Ur- gesteine fehlen, dürften Sjln-ammeu selten beobachtet sein, und das ist auch g . .■, natürlich, da die übrigen hier auf- tretenden Gesteine in der Regel nicht zur Erhaltung der- artiger Spuren geeignet sind und die durch den Frost hervorgerufene Verwitterung sie auch oft an sonst wider- standsfähigen Sandsteinen und Diabasen verwischt hat. Aber auch selbst den Geschiebestudien ist nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet worden, was jedoch leicht er- klärlich ist, da die Ausdehnung der vielen verschieden- artigen Gesteine, welche auf Spitzbergen vorkommen und unzw eifelhaft in hohem Maasse zu derartigen Studien ein- laden, sogar bis in allerjüngste Zeit für den in Rede stehenden Zweck nicht hinreichend bekannt war. Man ist darum fast ganz im unklaren gewesen be- züglich der Wichtigkeit der Vergletscherung der Eiszeit, über die Schwankungen derselben und über die Ordnung, in der sie nach und nach verschwand oder der gegen- wärtigen, verhältnissmässig eng begrenzten Vergletsche- rung Platz machte. Zwar hat der Verfasser in drei Sommern Gelegenheit gehabt, auf Spitzbergen verschiedene Beobachtungen zu machen, welche diese Frage berühren, kann aber hier nicht näher auf die Erörterung eingehen, da dies passen- der bei der Veröffentlichung der Spezialkarten über die untersuchten Gegenden geschehen dürfte. Dagegen können jetzt schon bezüglich der Vereisung Ost - Spitzbergens einige neue Gesichtspunkte mitgetheilt werden, welche ungezwungen aus den Beobachtungen des letzten Sommers hervorzugehen scheinen und von den diesjährigen Expedi- tionen zu beachten sein dürfen. Schon in der zuerst besuchten Gegend im Gebiete des Storfjord oder an der Ostseite des Südkaps beobachtete der Verfasser an dem Vorsprnng des Keilhau-Berges deutliche, aber etwas verwitterte Rundhöcker vom Juonsandstein, deren Stossseite nicht dem Ufer, sondern nach Nordosten, dem Innern des Storfjord zukehrten, und konnte später- hin diese Beobachtung an einer kleinen, 6 km ausserhalb der Küste befindlichen Schüre bestätigen, deren obere, etwas verwitterte Partieeu die unverkennbare Rundhöcker- form zeigte, während sie in der Wasserlinie gleichzeitig ausgezeichnet erhaltene Absehleifungen in nordöstlicher Richtung aufwies. Die gewaltige Brandung, welche die Landung genugsam erschwerte, vereitelte jedoch die Unter- suchung von etwaigen Schrammen, welche unzweifelhaft auf der geschlossenen Oberfläche zu finden sein mussten. Die ganze Schüre bestand aus drei kleinen Felseilanden, deren mittleres erstiegen wurde. An der Westseite er- schien noch ein vierter, schon aber geschliffener Fels am Wasserspiegel; an demselben wären auch gewiss Sehrammen zu finden gewesen. Schon diese Beobachtungen zeigen, dass nicht allein der wichtige Storfjord sondern auch dessen submarine, von den Tiefeulinien bezeichnete Fortsetzung einst mit einem mächtigen Gletscher oder richtiger mit einer In- landeisdecke von gewaltiger Ausdehnung angefüllt ge- wesen ist. Kaum eine Meile nördlich von Keilhaus-Berg und un- gefähr 3 Kilometer von der Küste entfernt wurden jedoch auf einem nunmehr von lokalem in den Storfjord aus- mündenden Gletschern umgebenen Bergkomplex in einer Höhe von 340 Metern über dem Meere zahlreiche Blöcke von Gesteinen, welche in der Gegend ganz und gar nicht vorkommen, namentlich von Glimmerschiefer, rothem Sand- stein und Carbonflint oder Chert gefunden. Dieselben stammen entweder aus dem Gebiete nordwestlich vom inueru Winkel des Storfjord oder, wie weiterhin als wahrschein- licher erwiesen wird, aus der Umgebung des nördlichen Theiles der Hinlognu-Strasse. Daraus ging hervor, dass die ehemalige Vereisung des Storfjord nicht nur das eigentliche Fördenbecken ausgefüllt, sondern auch dessen Ufer bis zur Höhe von mindestens 340 Metern über- schwemmt hatte. Wahrscheinlich sind jedoch auch einige im Norden und Nordosten angrenzende, über 500 Meter hohe Berge dabei vom Eise überschritten worden, sodass das Eis quer über die gegenwärtige, vielleicht nicht mehr so hoch liegende Wasserscheide nach Westen abge- schlossen ist. Auf jeden Fall muss das Inlandeis sogar drau.ssen an der Mündung des Storfjord von sehr beträchtlicher Mächtigkeit gewesen sein, die in Anbetracht der Tiefe der Förde wenigstens 600 und wahrscheinlich über 700 Meter betragen haben muss, was ja bei einer Förde mit so geringfügigem Zuflussgebiete und mit nach aussen zu- nehmender Breite und unbekannter Tiefe als sehr merk- würdig anzusehen ist. Eine fernere Bestätigung der hier erwähnten, vom Verfasser gemachten Feststellungen lieferte ein späterhin vom Lieutenant 0. von Knorring beim Triangulations- punkte auf Wliales-head 415 Meter über dem Meere ge- Xatni'wissenscliaftliche Wochensclirit. XVI. Nr. 1. fundenes Stück gi-Unen Heklahoek-Quarzits uud Stücke vou Carbonfliut, welche der Akademiker Tb. Tscher- nyschew ung-efähr 100 Meter tiefer an demselben Berge auffand. Letzterer fand auch oben auf Whales-point, der eine Höhe von 435 Metern erreicht, Blöcke von Diabas, welches Gestein nach seiner Mittheilnng nicht am Gipfel, sondern nur an den Abhängen dieses Plateaus ansteht. Am Fusse desselben beobachtete er auch Schrammen, welche seitdem näher vom Verfasser unter- sucht wurden und keineswegs von einem lokalen Gletscher, sondern nur von einer den ganzen Storfjord umfassenden, allgemeinen Vereisung herrühren können. Schon früher hatte Verfasser auch am nördlichsten Theile der Storfjord, am Ginevoa-Bay, einige bemerkens- werthe Funde gemacht, welche die Erklärung geben dürften, woher das Storfjord-Eis seine mächtigen Eis- massen erhalten habe, während sich dadurch gleichzeitig die Aussicht auf ganz neue und unerwartete Aufklärungen bezüglich der ehemaligen Vereisung Ost-Spitzbergens er- öifnet. Auf dem Gipfel der Verwechselungsspitze (Fo- wäxlingsudden), 235 Meter über dem Meere, also hoch über den höchsten alten Strandlinien, auf dem höchsten aus nordöstlicher Richtung abgeschliffenen Diabashügel wurden Geschiebeblöcke von G-ranit und Carbonflint ge- funden. Die Schrammen der Gegend haben nordöstliche Richtung. Auch an dem entgegengesetzten nördlichen Ufer der Förde wurden Schrammen gefunden, welche aus ONO kommen und ebenfalls wahrscheinlich einem die ganze Förde ausfüllenden mächtigen Eisstrome gehören. An derselben Stelle tritt ausserdem noch ein jüngeres Schrammensystem auf, das aus NNO kommt und das er- sichtlich aus einer etwas späteren Zeit stammt, als der von Osten kommende Eisstrom an Mächtigkeit und Kraft abgenommen hatte, sodass auch das lokale Eis aus der Gegend vom Storfjord nach diesem abfliessen konnte. Dies kann dagegen kaum geschehen sein, als die älteren Schrammen gebildet wurden, und allenfalls hat das lokale Eis aus dem NW sicherlich nie bis an, noch weniger über die höchsten Theile der Verwechselungsspitze gereicht. Die hier gefundenen Blöcke, welche den ufern des Stor- fjords fremd sind, zwingen darum in Verbindung mit den älteren Schrammen an beiden Ufern des Storfjord zu der Annahme, dass das Iniandeis von Hinloyen in den Stor- fjord über das Tiefland im Helis Sund und, nach der Mächtigkeit desselben an der Verweehseluugsspitze zu urteilen, vielleicht über umgebende ebene Plateaus, welche wohl selten über 400 Meter hoch waren, hineingedrungen ist. Es wäre darum von grossem Interesse zu erforschen, inwieweit oben auf denselben Gesteinsblöcke aus Hinlogen vorkommen. Thatsächlich dürfte schon die Beobachtung von Blöcken unten auf dem Südkaplande 340 Meter über dem Meere erfordern, dass das Eis hier oben in umso grösserer Nähe seines Ursprungsgebietes eine Mächtigkeit hatte, welche mehr als genügend war, um das Barents Land und Stans-Vorland zu überschwemmen. Jedenfalls erscheint es als feststehend, dass alles Eis, welches auf den beiden genannten Plateauländern gebildet wurde, um die Zeit, da die Hinloyen Strasse und die südliche Fort- setzung derselben so mit Eis überfüllt waren, seinen Ab- fluss nach dem Storfjord hatte. Die Ursache, weshalb das Inlandeis in dieser Weise sich innerhalb der östlichen Theile Spitzbergens anhäufte und nicht genügenden Abtluss nach SO finden konnte, obwohl der in Betracht kommende mächtige Sund sich in dieser Richtung so stark erweiterte, kann, wie in Nord- europa, nur in einer mächtigen Ausbildung des Packeises auf dem Meere und besonders auf dem Barents Meere so. von Spitzbergen zu suchen sein. Eine derartige Pack- eisbildung müsste zuletzt den Abfiuss des Inlandeises nach dieser Richtung wesentlich erschweren uud dasselbe zwingen, sich quer über die hemmenden Landrücken oder wenigstens über die Passpunkte derselben hinweg einen Weg nach SW, nach dem um diese Zeit wahrscheinlich eisfreien Wasser des Atlantischen Oceans zu bahnen. Es ist sehr wohl mögiicii, dass das Inlandeis hierbei nicht nur den Landrücken, der durch Barents Land und Staus Vorland bezeichnet wird, sondern auch gewisse Theile des Südens von West-Spitzbergen überschwemmte. Es ist schon dargelegt, dass die Mächtigkeit des Eises noch am Südkap wahrscheinlich hinreichend war um einem Theile des Eises den Weg quer über das Südkap- land zu ermöglichen. Des weiteren hat Verfasser unter anderem bei Kap Warn zwischen Ekman- und Dickson- Bai im Eisfjord und bei Hornsund Granit- uud Gueis- blöcke gefunden, welche freilich nicht höher lagen, als dass sie möglicherweise mit Treibeis dorthin hätten ge- langen können, vielleicht ist aber eher anzunehmen, dass sie auf den weit kürzeren Wegen quer über das Land mit überschwemmendem Laudeise von der Wijde-Bay und dem Storfjord gekommen sind, und Doceut A. Hamberg hat dem Verfasser mitgetiieilt, dass er im Innern der van Keulens-Bay in bedeutender Höhe über dem Meere einen fossilen Block Carbonflints gefunden hat, dessen Vorkommen an einem so unerwarteten Orte vielleicht durch die hier gemachte Annalime erklärt werden kann, obwohl es nicht ganz unmöglich ist, dass der Block von den carbonen Ablagerungen sowie vom Fjord durch lokale Gletscher herbeigeführt ist. Es ist gegeben, dass ein näheres Studium dieser interessanten Frage von grossem Werthe sowohl für die Beleuchtung der Packeistheorie als der Gesetze für die Bewegung des Inlandeises, in solchen Fällen ist, wo das- selbe dazu gezwungen wird, Wasserscheiden zu über- schreiten, was ja in noch grösserem Maasse in Skandi- navien der Fall gewesen ist. Bei einer derartigen Unter- suchung ist es von besonderer Bedeutung, oben auf den höheren Bergplateaus, sowohl auf Barents Land als auf Staus Vorland und westlich und nördlich von Storfjord fremde Blöcke aufzusuchen, so z. B. Urgesteine, Hekla- hoekdolomit, rothen und grünen Quarzit, Carbonflint und -Kalk und weitere gra-triassische Bildungen, welche nieiit am Storfjord anstehen. Ausserdem gilt es, die Schrammen und Stossseiten u. a. auf der Diabas-Insel in Hinlopen ) und auf den Diabasen an Helhvalds Berg, bei Helis Sund und auf den Tusen-Inseln zu untersuchen. Nach den Fossilien, welche Dr. V. C. Gyllenskiöld 1898 am Kap Toreil und auf Thumb point einsammelte und die er dem Verfasser zur Untersuchung überliess, gehören zwar die Ablagerungen der Trias- und der späteren Juraperiode an, sodass die Carbonschichten am südliehen Theile dos Hinlogen und des Nordostlandes von jüngeren Bildungen bedeckt sind. Nichtsdestoweniger hatte Gyllenskiöld hoch oben auf dem 580 m hohen Thumb point Steine gefun- den, welche wahrscheinlich zum Carbonflint gehören und also vielleicht als Geschiebeblöcke vom mittleren Theile Hinlogens durch einen Eisstrom dorthin geführt sind, Mächtigkeit auf beträchtlich über 600 Meter zu *) Auf der grössten derselben (Wahlbergs Insel), wo übrigens die Verwitterung durch den Frost in hohem Grade die Oberfläche des Berges zersprengt und zum grössten Theil die Schrammen zerstört hat, fanden T schernytsch e w und der Verfasser doch solche während eines kurzen Besuches an Land. Die Richtung derselben war NW — SO oder vielleicht entgegengesetzt, da Stossseiten an der blossgelegten ebenen Wand nicht beobachtet werden konnten. Da die Schrammen in einem nach NW ab- fallenden kleinen Thal vorkommen, könnten sie auch lokal sein. Indessen findet man auf der Insel auch grosse Urgesteinsblöcke, und bei länger anhaltendem Suchen würde man ohne Zweifel aucli Schrammen entdecken, welche nachweislich aus NW kc XVI. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Woclienschrift. schätzen wjire und der somit sehr wohl das südlieh ge- legene Ness hätte überschreiten und nach der Ginnara Bay gelangen können. Ebenfalls dürften die fremden Blöcke, welche die Nathorst'sche Expedition 1898 auf dem Kamme von König Karls Land ungefähr 300 ni über dem Meere fand, nach dem, was man jetzt über die Vereisung der im Westen angrenzenden Gegenden weiss, mit wirklichem Inlandeise und wahrscheinlich vom östlichen Theile des Nordost- landes dorthin gekommen sein, da das Eis aus den west- lichen Theilen und Hinlogen wahrscheinlich einen west- licheren Abfluss hatte. Gerade diese anscheinend abnorme Bewegungsriclitung des Hinlogen 'sehen Eisstromes setzt voraus, dass die ganze Strecke bis an König Karls Land und sicherlich noch darüber hinaus mit Inlandeis erfüllt gewesen ist, und somit brauchen fremde Blöcke, welche dort gefunden werden, nicht aufschwimmendem Gletscher- eise dorthin gelangt zu sein und liefern demnach keinen Beweis dafür, wie hoch das Meer hier einst gereicht hat. üebrigens liegen ja die sicher marinen Klappersteinwälle, welche Nathorst und seine Begleiter bis ungefähr 200 m über dem Meere fanden, schon im Verhältniss zu den Strandlinien West-Spitzbergens so hoch, dass man in Folge dessen versucht werden könnte, für König Karls Land eine selbstständige, horstähnliche Landhebung anzunehmen, wenn nicht die Hebungsverhältnisse des Nordostlandes so unbekannt wären, dass man bis jetzt schwerlich die Tragweite und Natur dieser merkwürdigen Erscheinung beurtheilen kann. Auf einer beigefügten Kartenskizze ist der Versuch gemacht, eine Uebersicht über die Vereisung des östlichen Spitzbergens während des in Rede stehenden Abschnittes der Eiszeit zu geben. Mit Unterstützung der Schrammen, der Blöcke und der Terrainfornien hat der Verfasser einen ersten Versuch gemacht, die Ausdehnung und die unge- fähren Bewegungsrichtungen des Eises während der in Rede stehenden Vereisung festzustellen, soweit dieselben sich auf Grund der bisher gemachten Beobachtungen er- mitteln la.ssen. Die Eintragung der gegenwärtigen Eis- scheiden lässt erkennen, wie gering der Zutluss an Gletschereis ist, den der Storfjord gegenwärtig aus dem Westen erhält, und wie dieses Eis damals, als die ganze Förde mit Eis aus dem Nordosten angefüllt war, höchst wahrscheinlich sich nach anderen Richtungen einen Weg suchen musste. Dieser Al)schnitt der Eiszeit fällt höchst wahrschein- lich an das Ende der Eiszeit, als der Nord-Atlantic ziem- lich eisfrei war. Wie es auf Spitzbergen aussah, als auch der nördliche Theil des Atlantischen Oceans mit Packeis gesperrt war, darüber lässt sich nichts sagen, bis der er- wähnte Abschnitt näher erforscht ist. Ebenfalls kann gegenwärtig nicht entschieden werden, ob die Vereisung des östlichen Spitzbergens damals sich ganz bis an die Bären-Insel erstreckte, da die Schrammen, welche Nat- horst auf dieser Insel entdeckte, von lokalen Gletschern herrühren und bisher dort keine fremde Blöcke nachge- wiesen sind. Andererseits wäre es jedoch wohl möglich, dass derartige Blöcke einst auf der Insel vorhanden ge- wesen, aber später von der lokalen Vergletscherung fort- geführt wären. A. L. lieber die Zersetzung viscö.ser Körper (Schmieröle) diircli üe.stillation unter Druck berichten G. Krämer und A. Spilkcr in den Ber. Deutsch. Cheni. Gcsellsch. 33, 2265. Verfasser haben bereits in einer früheren Ar- beit die Möglichkeit besprochen, durch den Prozess der Druckdestillation und das Studium der dabei erhältlichen Spaltungsprodukte die Natur der Schmieröle und der hochsiedenden Paraffine darzulegen. Für gewisse, mit den genannten Oelen verwandte Körper ist dieser Weg wohl gangbar, obgleich es nicht gelang, ihre Constitution auf diese Weise aufzuklären. Nur negativ Hess sich be- weisen, dass die Annahme, dass diese Oele zum Theil durch Anlagerung von aromatischen an ungesättigte Kohlenwasserstoffe entstanden sind, nicht haltbar ist. Die Versuche begannen mit dem Phenylxylyläthan dem Nebenprodukt der Schwefelsäurewäsche, des Roh- xylols, das wenn aucli in ziemlich unreinem Zustande beim Abdestilliren des Xylols im Rückstande verbleibt. Durch wiederholtes Fractionireu lässt sich daraus ein genügend reines Produkt erzielen, das zwischen 270 — 310" siedet. Der Apparat, in dem die Spaltung vorgenommen wurde, ist der bekannte mit Regulirventil versehene Destillationskesscl von Schmiedeeisen, mit dem es gelingt, bei ziemlich constant bleibenden Drucken bis zu 25 Atmo- sphären abzudestilliren. Bei dem Xylolstyrol gelang die Spaltung schon unter 10 Atraosphärendrnck und zwar ganz ohne Bildung eines kokehaltigeu Rückstandes; es wurden aus 500 g Material gewonnen: 155 g flüsssiges Destillat, 295 „ erstarrendes Destillat, 10 „ =etwa 20 1 Gas, 37 „ kokefreier Rückstand. In dem erstarrenden Antheil sind Methylanthracen und Anthracen nachzuweisen, die flüssigen Bestandtheile des Destillates enthielten geringe Mengen Phenole und et- was mehr Brom entfärbende Kohlenwasserstoffe; der Rest bestand aus hochsiedenden Oelen, Toluol, Pseudocumol und wenig Xylol. In dem Gase wurden 17,1 "/o Wasser- stoff, ferner Kohlenwasserstoff, insbesondere Methan con- statirt. Es waren somit wesentlich zwei Reactionen nebenher verlaufen : 1. Das Molekül schliesst sich zum Ring: CH C0H5 • CH • CßHgfCHa), = C^H^ C6H3(CH3)-t-CH, + H2. CH3 f'H Das Molekül zerfällt in der Mitte der Styrolkette unter Aufnahme von Wasserstoff: " CeHj . CH • CoH;,(CH,). + H, = C.Hj ■ CH3 + C6H3(CH3)3. CH3 Aehnlich verhält sich Dimethyldicumylmethan bei der Drnckdestillation, man erhält zunächst Hexaniethylanthracen, welches aber durch Abspaltung weiterer Methylgruppen zu Dimethylanthracen wird. Gleichzeitig beobachtet man auch die Spaltung in zweiter Richtung. Das Molekül bricht auseinander, sodass neben Kohlenwasserstoff me- thjdirte Benzole entstehen, indem der beim Ringschluss frei werdende Wasserstoff in die Bruchstücke eintritt. Dabei entstehen in erster Linie Tetramethylbenzole, die sich durch Abspaltung von Methylgruppen in Xylol und Toluol umwandeln können. Druckdestillation von Harzöl. Das Ausgangsmaterial siedet zwischen 330 — 3550 „^j zeigte die Zusammensetzung: CigHgg. Unter 25 Atmosphärendruck würden bei einer Tempe- ratur von 450" aus 500 g Harzöl folgende Zahlen er- halten : 105 g flüssiges Destillat, 50 „ theilwcise fest werdendes Destillat, 100 1 = 80 g G*s, 141 g stark kokehaltiger Rückstand. 10 Naturwisscnscliaftliche AVochenschrift. XVI. Nr. 1. Das erste Destillat enthielt nicht unerhebliche Mengen Brom entfärbender Körper, neben Benzol-Kohlenwasser- stoffen wurden insbesondere Cymol, methylirte Cyniole und durch Hydrirung daraus entstandene Kohlenwasser- stoffe ermittelt. Paraffine und Naphthole fehlten. Aus dem zweiten Destillat liess sich ein hochsieden- des, festes Kohlenwasserstoffgemisch gewinnen, das sich in Phenanthren und Methylphenanthren zerlegen liess. Das Gas bestand aus Methan, Wasserstoff und geringen Mengen Olefinen. Harzöl ist das Spaltungsprodukt der in dem Colo- phonium bis zu 80 % vorhandenen Abietinsäure, die ihrer- seits durch Oxydation eines polymeren Terpens ent- standen sein wird. Das unter Abspaltung von Kohlensäure und Kohlen- oxyd daraus resultirende Harzöl ist somit ein Restprodnkt des Dipertens. Druckdestillation bewirkt also auch hier entweder Ringschluss unter Wasserstoffabspaltung zu Methylisopropylphenantren, d. i. Reten, aus dem sich dann leicht die Isopropyl- und weiter die Methylgruppe los- lösen, oder Spaltung der beiden Terpenfragmente unter Rückbildung methylirter und theilweise hydrirter Benzole. Aus der Thatsache, dass man aus Harzöl ausschliess- lich Phenanthrenabkömmlinge erhält, lässt sich ableiten, dass der neben Anthracen beträchtliche Mengen Phenan- thren liefernde Steinkohlentheer einem harzreichen Ur- material entstammt. Die allseitig vertretene Ansicht, dass zu der Steinkohlenbildnng grosse Mengen harzreicher Hölzer beigetragen haben, erhält damit eine weitere Stütze. Druckdestillation von Bakunin. Der Zerfall vollzog sich erst trotz des höchst zu- lässigen Druckes, der zur Verwendung kam, bei 450"; Vei-f'asser erhielten aus 500 g Ausgangsmaterial 50 bis 100 1 Gas, 320 g Destillat und ca. 50 g eines pechigen Rückstandes. Das Gas enthielt 20,8 "/o durch Brom absorbirbare Bestandtheile, der Rest war fast reines Methan neben wenig Homologen desselben. 90 % c^es flüssigen Destillates siedeten bis 280"; aus den hochsiedenden Fractionen und aus dem Rückstande wurden kleine Mengen eines bei 202 — 205 "^ schmelzenden Körpers erhalten. Die Analyse der bei 120" siedenden Fraction ergab Zahlen, die auf ein Gemisch von Naphtenen und Paraffinen schliessen liesseu. Aus der gefundenen Zusammensetzung, die in Ver- bindung mit der Siedetemperatur auf das Mittel der Formeln C00H3J bis G,5H44 hindeutet, kann nicht gut die Anwesenheit grösserer Kohlenwasseistoffmengen der Formel CnH2n + 2 gefolgert werden, zumal sonst kohlenstoff- reichere aromatische Stoffe im Schmieröl aufgefunden werden müssten, was bis jetzt noch nicht gelungen ist. Die Schmieröle sind demnach als ein Gemisch von Homologen einer Kohlenwasserstoffreihe anzusehen; da aber ihre Zu- sammensetzung einer um 2 Atome wasserstoffärmeren Reihe entspricht als der des Olefins, so ist auch die An- nahme nicht zulässig, dass die Schmieröle polymere Ole- finc seien. Da sie des Weiteren auch gesättigte Verbindungen sind, so bleibt nur die Annahme übrig, dass sie durch Ringschluss zweier resp. mehrerer Moleküle von der Methen- und Methinreihe angehörenden Kohlenwasserstoffen entstanden sind. Es wären dies also Körper etwa von der Zusanmiensetzung des Dihydroterpens. Nachdem die Druckdestillation so wenig genügende Resultate ergeben hat, scheint es Verfassern fraglich, ob es jemals gelingen wird, positive Beweise hierfür zu er- bringen. Dr. A. Sp. Die Gesell ffiiidigkeit des Lichtes neu zu bestimmen hat die von Bischoffsheim unterhaltene Sternwarte zu Nizza zu einer ihrer Aufgaben gemacht, zu deren Lösung dieses Observatorium wegen des schönen Himmels der Riviera besonders berufen zu sein scheint. Die Bestim- mung wird nach der Methode von Fireau (mit dem Zahnrad - Apparate) ausgeführt, die auch Cornu bei seiner 1874 unternommenen Messung der Lichtgeschwin- digkeit zwischen dem Observatorium von Paris und dem Thurm von Montlhery benutzte, und hat dieser erfahrene Forscher seine thatkräftige Hilfe dem neuen unternehmen gewährt, das auch durch hergeliehene Instrumente von wissenschaftlichen Instituten sowie vom Marineministerium unterstützt wird. Man beabsichtigt, die Entfernung zwischen dem Hauptapparate, der im Objectiv von 6 Zoll Weite, ein Rad mit 150 Zähnen und das registrirende Uhrwerk enthält und bei dem als künstliche Lichtquelle eine elek- trische Lampe von 16 Kerzenstärken und 102 Volt be- nutzt wird, und dem CoUimator mit dreizölligem Silber- spiegel allmählicii zu vergrössern und theilt Perrotin (in Comptes rendus vom 5. Novbr 1900) zunächst erst die Ergebnisse mit, die auf der kürzesten der vorgesehenen Strecken die von zwei von einander unabhängigen Beob- achtern während eines vollen Jahres, dafür aber auch nur unter den günstigsten Bedingungen ausgeführten 1500 Messungen lieferten; die Mittheilung hat mithin noch pro- visorischen Charakter. Diese kürzeste Versuchsstrecke, zwischen der Sternwarte von Nizza und dem am rechten Ufer des Var gelegenen Dorf la Gaude, besitzt aber doch schon, wie drei von einander unabhängige Triangulationen ergaben, eine Länge von beinahe 12 Kilometern, nämlich 11862,22 Meter, und wurde da die Geschwindigkeit des Lichtes zu 299 900 km mit einer Beobachtungsfehler- weite von +8 km gemessen. Dieser Werth steht dem von Michelson nach der Methode von Foucault mit dem Drehspiegel erhaltenen noch näher als dem von Cornu bestimmten von 298400 km. 0. L. L i 1 1 e r a t u r. Dr. F. Hock. Der gegenwärtige Stand unserer Kenntniss von der ursprünglichen Verbreitung der angebauten Nutz- pflanzen. (Sonderabilruck .ins iIlt ,.(;tn-i,i|iliiMlirn Zritseliriff. V. und VI. Jahrg. Leipzig, 15. G. Triil i-, lüoii) Die vorliegende Zusaiiimenstelhiiig, drirü ^i.'llistbesproL-bung der Herausgeber dieser Zeitscbrift von mir wünsebte, wurde voii mir auf Wunsch des Herausgebers der geogr. Zeitscbr. abgcfasst, um den Erdkundlern eine kurze Uebcrsicbt über die Heimath und Verbreitung der wichtigsten Nutzpflanzen zu geben. Es werden darin behandelt: 1. Getreidearten. a) Getreidegräser, b) Hülsenfrüchte, c) Gotreidekräuter. 2. Obstarten. A. Obstarten der gemässigt warmen und kälteren Länder. a) Ramenobst, b) Kernobst, c) Steinobst, d) Beerenobst. B. Obstarten, die vorwiegend in wärmeren Ländern gebaut werd en. a) Nussäbnliche Obstarten, b) Steinfrucht- und boerenähnliche Obstarten. 3. Gemüsepflanzen. a) Erdgemüse, b) Uebererdgemüse. 4. GenussmittelpHaiizen. a) GewiUv.pIluiizcn, b) Getnu>k|,llanz,.n, c) Rauch- und Kaumittelpflanzen XVI. Nr. 1. Nciturwissenschaftliche Wochenschrift. 5. Geweibepfl.'inzen. a) Oele und Fette liefei-ndo Pflanzen, b) Gummipflanzen, c) Faser- und Flechtstoffpflanzen. d) Färber- und Gerberpflanzen. e) Holzpflanzen. fi. Heilpflanzofi. 7. Futterpflanzen. Die beiden letzten Hauptgruppen von Pflanzen und die Gruppe 5e wurden sehr kurz behandelt, da eine Vollständigkeit in dieser Beziehung auch nicht annähernd zu erzielen wäre, und die Gruppen an Werth für den Menschen auch hinter den anderen weit zurückstehen. Aus der ausführlich gegebenen Uebersicht sieht man, dass äussere Rücksichten vielfach die weitere Kintheilung bedingten. Für eine Bearbeitung der Frage in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift wäre stellenweise eine andere Eintheilung, namentlich bei den Obstarten, gewählt worden. Für alle genannten Arten wurde zunächst versucht, an der Hand der neuesten Schriften die Heimathsverhältnisse der Nutz- pflanzen festzustellen. Die Gründe, welche in zweifelliaften Fällen, für und gegen eine Annahme sprechen, wurden wenigstens kurz angedeutet, während in anderen Fällen auf wichtigere neuere Arbfiten, in denen diese erörtert sind, aufmerksam gemacht wurde. Für alle Arten wurde dann am Schluss jeder Hauptgruppe eine Ueljersicht bezüglich der Heimath gegeben, in der kurz das Pflanzenreich bezeichnet wurde, dem die Art muthmaasslich ent- stammt, oder wenn sie weiter verbreitet war, in welchem sie wahrscheinlich zuerst in Zucht genommen wurde. Aehnliche Uebersichten hatte ich früher in einer Arbeit über „Nährpflanzen Mitteleuropas" gegeben und diese schien dem Herausgeber als Muster vorzuschweben, als er mich zu der vor- liegenden Arbeit aufforderte. Obwohl natürlich unbedingt sichere Zahlen sich nicht erzielen lassen, da bei einigen Arten die Ent- scheidung über die Herkunft noch unsicher ist, in vielen Fällen die Ansichten über die Abgrenzung der Arten bei den Forschern auseinandergthen, endlich auch die Zahl der aufzunehmenden Arten zweifelhaft ist, mag doch das Hauptergebniss der Berech- nung auch für die Leser dieser Zeitschrift beachtenswerth sein. Die Gesammtzahl der heimathberechtigten .angebauten Nutz- pflanzen" in den einzelnen Pflanzenreichen nach Umgrenzung meiner „Grundzüge der Pflanzengeographie", ist folgende (in Klammer ist daneben die Zahl der „Nährpflanzen" genannt) : Nordisches Pflanzenreich: 37 (26), mittelländisches Pflanzenreich: 93 (54), mittelasiatisches Pflanzenreich: 10 (6), ostasiatisches Pflanzenreich: 29 (14), nordamerikanisclies Pflanzenreich: 12 (8), tropisch-ameri- kanisches Pflanzenreich: 77 (51), polynesisches Pflanzenreich: 4 (4). Indisches Pflanzenreich: 94 (60), Madagassisches Pflanzen- reich 5 (4), tropisch-afrikanisches Pflanzenreich: 41 (27), süd- afrikanisches Pflanzenreich: 3 (1), australisches Pflanzenreich: 2(0), neuseeländisches Pflanzenreich: 3 (1), antarktisches Pflanzen- reich: 1 (1), andines Pflanzenreich: 20 (13). Kurz wurde ausser der Heimath bei den wichtigsten Arten ihre heutige Verbreitung und die ihrer Haupterzeugnisse dar- gestellt. Dass die Zahl der Arten noch um einige sich vermehren lässt, war mir schon bei Abfassung dieser Arbeit durchaus nicht zweifelhaft. Da trotzdem Vollständigkeit angestrebt wurde, möchte ich auf einige mir seitdem bekannt gewordene „angebaute Nutzpflanzen" hier selbst hinweisen. Auf Neu-Guinea werden noch nach Warburg(Bibliothek der Länderkunde 56 S. 57) die von mir nicht genannten Sapotaceen Illipe maclayona u. hollrungii ihrer Früchte wegen gebaut, wären also den Obstarten zuzuzählen. Von Musa-Arten werden ausser der von mir genannten M. para- disiaca nach Schumann (in Engler's Pflanzenreich, Heft 1) noch weitere Arten, z B. M discolor aus Neu-Caledonien und M. coccinea aus Süd-China und Kotehinchina gebaut; ob es sich aber bei allen gebauten Arten dieser Gattung um die Erzielung der Früchte handelt oder ob sie z. B. nur zur Zier gepflanzt werden, lässt sich auch aus dieser Arbeit nicht deutlich erkennen, und das war auch bei manchen mir aus älteren Schriften wohl als gebaut bekannten Arten, der Grund, warum ich sie nicht in die Arbeit aufnahm. Als ihrer nährreichen Grundachse halber gebaut nennt Graebner (in Engler's Pflanzenreich, Heft 2), Typha minima aus China. Wenn diese Bemerkungen auch zeigen, dass Vollständigkeit hinsichtlich der Zahl der Arten nicht erreicht ist, so möchte ich doch glauben, dass von wirklich wichtigeren Arten kaum eine fehlt, 1a€rz I Jnh: C. Schmidtlein.Jngenieur ^H Ferd. Dflmmlers Veriagsbh. Berlin. Kalisalzlager Otto Langf. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Hark. Ferd. Dfimmlers Yprlagshuchhandlnng in Berlin SW.12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. Von Dr. Artlnir Korn, Privatdocent an der köiiigl. Universität München. ^^— Mit 58 in den Text gedruckten Figuren. -^-^ 24 Bogen gross Octav. Preis 9 Mli., gebunden 10 Mk. Lehrbuch Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Bücksicht auf die Bedürfnii-se des Geologen. H. Potoniö, Kgl. Bezirksgeologen, beauftragt ngen über Pflanzenpalaeontologie Mit 3 Tafeln und fast 700 Einzelbildern in 355 Textfiijuren, 402 Seiten, gr. 8 '. Preis geh. 8 - M., geb. 9,60 M. Carl Zeiss, ^^^^ Optische Werkstaette, Jena. ■■ Neu « stereoskopische miiiroskope ivzwccke, Hautiintersucliungeu etc "gl>, m — Speciitl-Modell für Augeniiuter!«iicliangeu. Mikrophotograpbische Apparate. Projectionsapparate '"-^ •'"•/a'jr?Xl"J:.^ht'°' ""' Optische Wlessinstrumente '^Z^^^t'i^^i^r'T) Photographische Objective '^tr.i^^^&rA^'" Neue Doppelfernrohre "" •^'^'•^^^'^„^eV'Sr"'"™ Astronomische Objective "°<^ ***'^?r«St'*e* '" Illust-rirte Cataloge gratis und franco. Genaue Bezeichnung des gewünschten Special-Catalogs erbeten. Specielle Auskünfte in einschlägigen Fragen werden Interessenten gern ertheilt Ferd. Dfimmlers Verlagsbuchhandlung in_Berl in SW. 13. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 31{; Seiten Octav. — Preis 3.40 Mark. Verantwortlicher Redacteui Hugo Bernstein in Berlin. Professor Dr. Henry Potoniti, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW- 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. IujILIBRARY Z^ ^.v^"" Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. DtLuamlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. SonnlaL^ d« n VI -iMiiiuir 1901. Nr. -2. Abonnement : Man abonnirt bei alif n Buchhandlungen und Post- anstalton, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Brinuegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A- Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annonceubureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Pädagogik in der Astronomie. Die gegenwärtige Vertiefung und Verbreiterung der Pädagogik giebt immer reichlichere Gelegenheit, die ver- schiedenen 6el)iete der Wissenschaft auf ihre pädagogi- sche Bedeutung hin anzusehen. Das Tliema von der pädagogischen Bedeutung der Astronomie und von dem, was hiernach die Pädagogik in der Astronomie zu thun findet, lag einem Vortrag zu Grunde, den im „Verband für Hochschulpädagogik" zu Berlin am 15. Dezember lüOO Geheimrath Professor Dr. Wilhelm Förster, Director der Königlichen Sternwarte, hielt. Die Gegenwart bietet den eigenthUmlichen Anblick dar, dass die hohe Entfaltung der Technik, die unserem Verfügen über das Lenken und Umwandeln von Energie entstammt, eine immer schwerere Last für die intellek- tuelle und sittliche Cultur wird. Gerade jetzt, bei jener enormen Steigerung der naturwissenschaftlich-technischen Cultur, bedürfen wir einer ganz besonderen Behütung vor Schaden. Was es in der Natur Unverstandenes gab, das zeitigte auch sittliche Wirkungen und zwar auch für die Bethätigung in der Gemeinschaft. Was es aber in der technischen Cultur Unverstandenes giebt, dem gegenüber verhält sich das Individuum wesentlich anders, d. i. mit einem gewissen dreisten Selbstgefühl. Dort wurde an göttliche Kräfte gedacht, hier walten Menschenkräfte. Mit den früher von Göttern geschmiedeten Waffen besitzt jetzt jeder Einzelne Götterkräfte, um Thaten zu verrichten, die früherhiu frevelhaft erschienen. Je tiefer dies jemand selber erfasst, desto mehr sieht er auch die dabei wal- tenden Grenzen •, je weniger tief es einer versteht, desto weniger sieht er die Grenzen. Jener erkennt immer deut- licher, dass hier das Schaffen doch nicht titanisch ist; die gewöhnlichen „Gebildeten" hingegen haben eine Zu- versicht ohne Sachkenutniss und folglich die Neigung zu einer gewissen üeberhebung. Gerade in der Technik giebt es auch sthr tüchtiire Fachleute ohne Tiefe, die sich erst recht überlegen fühlen. Um so nothweudiger ist es, dass wir uns der Gefahren, die hier stecken, immer mehr bewusst werden. Wenn derVorwurf des Halbwissens ausgesprochen wird, so ist bereits mit dem „halb", wenn es sich auf den Umfang des Wissens beziehen soll, zu viel gesagt, da wii- ja bisher Alle nur minimales erkundet haben. Richtig ist dabei hingegen die Behauptung einer Halbheit in unserem Ver- halten zu den Dingen und zu den Menschen. Gegen- über dem dünkelhaften Wissen, das seine Grenzen nicht kennt, steht die Goethe'sche Gestalt des Wilhelm Meister, der für sein weites Streben zunächst keine rechte Be- thätigung findet und sich dann — in ilen „Wander- jahren" - einem älteren Kreis anschliesst, in welchem es eine Begrenzung des titanischen Bestrebens gilt, mit hohem Frohgefühl über das im Begrenzten liegende Bild des Ganzen. Hier ist im richtigen Gefühl der Solidarität und mit der richtigen Vorstellung von der Arbeit der Anderen die Halbheit überwunden. Mangels einer solchen idealeren Entwickelung bleiben viele Ge- bildete unbefriedigt, indem sie nicht zum Gefühl eines soliden, dem Ganzen dienenden Leistens in einer Ge- meinschaft gelangen. Sie suchen dann zum Ersatz oberflächliche Anknüpfungen in Kunst und Wissenschaft, und die Möglichkeit einer idealeren Anschauung ver- kümmert. Aber auch dem Idealeren von heute droht durch jene Halbheit Gefahr. In viel höherem Maasse als früher besteht jetzt die Gefahr, dass man an einer Stelle eingreift, an di-r man nicht conipetent ist. Bei dem Gefühl einer „relativen CoMipcfen/,", iui Verglei-li mit vielen Anderen, liegt hier eine uiiueliciirc \'eisneluiiig vor, über das eigene Verstän(liii>si;rbict liinaus/aig. licii. Wie gross wird diese Notli gar erst bei viHlig Incoinpctnitrii ! Ein charakteristisches Beispiel für das .\( d. n mid Gegeneinanderwirken \'()n Nanir und tcclniisflu-i- Cii tiir und von ücb.Tlicbniig der letzteren gi. In das (i.liiel unserer Zeiteinrichtuiiuen. In dem au sich berei liii.;trn Naturwissenschaftliche TTochenschrift. XVI. Ni Interesse der Eil- und Präcisioiis-Verkehrs-Einricbtungen steuern wir auf eine Abwendung- von der Natur zu. In- folge der Einheitszeit besteht in Deutschland an den Ost- und Westgrenzen ein bereits sebr merklicher Wider- streit gegen die Sonne. Im Westen wird er zur Winters- zeit fast unerträglich; liier steigt der Unterschied zwischen dem wahren und dem techniscben Mittag bis zu 53 Minuten an, und er v^erändert sich vom November bis zum Februar zwischen 23 und 53 Minuten. Man wendet ein, es sei zwar früher hinsichtlich der Bedeu- tung der Sonnenzeiten anders gewesen, jetzt seien wir von der Sonne unabhängiger, mit unseren immer höber entwickelten kiinstlichen Beleuchtungen etc. Nun, die Bedeutung der Sonne für unser ganzes Culturleben wird immer grösser und grösser werden, und dann wird sich eine universale technische Einheitszeit mit der natür- lichen Sonnenzeit jedes Ortes vertragen müssen und auch bei geeigneten Einrichtungen ganz gut vertragen. Gegen alle übertriebenen Abwendungen der tech- nischen Cultur von der Natur und gegen die üeber- hebungen der Technik über die Natur der Dinge und der Menschen kann die Astronomie wolilthätig wirken. Sie ermöglicht es uns, in der Natur etwas zu erschauen, was kurz als die „Technik in der Natur" zu bezeichnen ist. Sie vergegenwärtigt uns stets und überall das Gesetz- massige in der Natur, aus dem ja unsere Technik (die Zeitmessungen, die Ortsbestimnmng u. s. w.), hervor- gegangen ist. In der Astronomie finden wir, von den einfachsten bis zu den feinst zusammengesetzten kosmischen Vor- gängen, die grössten Beispiele oder Paradigmen für die Selbstbehauptung, für die Entwickelung, für die Energie- Verwandlung, u. s. w. Die Analogien gehen von da bis in die feinsten Aetherbewegungen und M(dekularvorgänge. Hierin liegt die grosse paradigmatische Bedeutung der Astronomie, als der Lehrerin von der grandiosen Technik in der Natur, aus der alle unsere künstlichen technischen Prozesse quellen. An die von der Astronomie fundirten Grundvor- stellungen von Zeit und Raum schliessen sich — und zwar wiederum mit einer grossen paradigmatischen und pädagogischen Bedeutung — die Erörterungen über die Frage der absoluten und der relativen Bewegung. Sie ist besonders im Uebergang vom geocentrischen zum helio- centrischen Denken wichtig. Bei ihr finden sich alle Formen von Missverständnissen, für welche die astrono- mische Erscheinungs- und Gedankenwelt überall die an- schaulichsten Lösungen geben kann. Eine absolute Be- wegung im strengsten Sinne ist natürlich nur eine Ideal- oder Grenzvorstellung. Wir müssen sozusagen mit rela- tiv absoluten Bewegungen und mit absolut relativen Bewegungen abschliessen. Im ersteren Sinn finden wir z. B., dass ja auch die Gesammtbewegung unseres Pla- netensystems nach dem Sternbild des Hercules zu nicht absolut, sondern nur relativ absolut ist, u. s. w., da wir nirgends einen absolut festen Punkt und absolut feste Richtungen bekommen. Im letzteren Sinn, dem des „ab- solut Relativen", müssen wir erkennen, dass sich aus dem Einfachsten an relativer Bewegung, nämlich den Zwei- körpersystemen, das Systematische von ganzen Bewegungs- complexen und aus diesem Vorbild hinwieder unsere ganze Beherrschung der Bewegungen entwickelt. So besitzt die Astronomie eine ausserordentliche Be- deutung für die Pädagogik und für die gesamnite sitt- liche Cultur. Voll vrrwerthet wird aber diese Bedeutung nur durch die sorgfältigste Pflege der Pädagogik in der Astronomie selber. Hier sind die verschiedensten Stufen zu beachten. Zunächst gilt es auf dem Hintergrund jener Bedeutung heranzuziehen zu astronomischer Beobachtung und Anschauung, sodann zu astronomischem Wissen. Die unteren Schulen leisten darin heute bereits besseres, als vordem die höheren Schulen leisteten. Allein auch da kann noch ausserordentlich viel geschehen. Die Beschäftigung der Schulen mit der Astronomie hat auch noch ihre besondere Bedeutung. In der „Richtung nach oben" wurde schon immer das Ideale gesucht. Dort oben „zählte Gott"; dort oben war das primum mobile; dort oben war die F'reiheit und die Gesetzmässigkeit, und dort oben waltet eine Stille und Unwandelbarkeit, in der etwas unaussprechlich Reizvolles Hegt. Für die Schule ist nichts Schöneres denkbar, als die Schüler mit sinnigen Deutungen hinauszuführen in die freie Natur. . . . Keineswegs^ aber sollen sie schon in den Anfängen sofort zur copernikani- schen Lehre geleitet werden. Dem kindlichen Geraüth ist die urzeitliche Auffassung verwandter als die neuzeit- liche; also wird mau zunächst bei den Phänomenen stehen bleiben, ohne sofort an die Probleme der Mechanik zu gehen. Das oft unglaubliche ünwissen hingegen über die astronomischen Dinge selbst bei ziemlich Gebildeten im städtischen Leben, weit unter dem Wissen der Ürvölker, ist ebenfalls ein Stück jenes gefährlichen Zustandes unserer modernen technischen Cultur, der oben einleitungs- weise besprochen wurde. Also möge man die Kinder von früh an hinausluhren zum Anschauen, auch zum Auf- nehmen der Mythologie der Sternbilder, u. dgl. m. Wir besitzen in Deutschland eine Gesellschaft, die sieh gerade nach dem Pädagogischen in der Astronomie bemüht: die „Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmi- schen Physik", mit bereits 300 Mitgliedern. Ihre Haupt- aufgabe ist die Heranziehung dei- Schulen und der Lehrer zu einfachen astronomischen Beobachtungen, sowie die Darbietung von Beobachtungs- und Lehrmitteln. Die Schüler werden angeleitet zu einfachen Beobachtungen, z. B. zu solchen der Sternschnuppen in deu Augusttagen. Schon wurden in einer Anzahl Schulen Beobachtergruppen gebildet und Himmelskarten dafür geliefert. Photo- graphische Aufnahmen der kreisförmigen Bahnen in der täglichen Bewegung der Circumpolarsterne u. s. w. sind auch sehr instruktiv. Auch einfachste Instrumente sind schon im frühesten Alter zu verwenden. Auf einem Tafel-Globus, durchzogen von Kreisen, lassen sich kleine Zeichnungen anfertigen. U. dgl. m. In dem Ausführen derartiger Aufgaben ist ebenfalls zunächst an die den Alten geläufigen astronomischen Elemente anzuknüpfen. Director Koppe in Berlin nahm für die Schüler die Beob- achtungen der Länge und der Bewegung von Schatten- werfungeu wieder auf, wie sie schon in ältesten Zeiten angestellt wurden; solche einfache Apparate ermöglichen eine reizvolle Ausnutzung für Zeit- und Ortsbestim- mungen. Auch die Construetiou des einfachsten Fern- rohres ohne Gläser (Projection des Sonnenbildes durch eine kleine Oeffnung im dunkeln Raum auf eine Wand) gehört hierher; dabei sind die Objectiv- und die Ocular- vergrösserungen bequem zu erläutern, u. s. w. Wird man graphischer Lösung der Aufgaben überdrüssig, so kommen die mathematischen Tafeln daran, die dann begrüsst werden, weil sie noch genaueres bequemer darbieten. — So wird die Schule in der Beobachtung und in deren Verwerthung das ihrige thun können, besonders zur Er- zeugung der Freude am Makrokosmischen auf Grund der Verwerthung des Mikrokosmischen. Es liegt darin ein ausserordentlicher Reiz. Was nun die Hochschulpädagogik in der Astro- nomie betrifft, so ist sofort ins Auge zu fassen, dass nicht bloss Astronomen, sondern auch Lehrer, einschliesslich der Hochschullehrer, herangebildet werden sollen. Der Dozent muss die Vorgänge dieses ganzen Gebietes in die richtigen Formen kleiden, sie zum vollen Bewusslsein, zur vollen XVI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 15 Beherrscliung in den Köpfen der künftig^en Lehrer bringen. Insbesondere ist — was überhaupt noch viel mehr als bisher in der Hochschulpädagogik gefördert werden sollte, — die Geschichte und die Theorie der Erkenntniss des betreffenden Gebietes, also hier der astronomischen und überhaupt der naturwissenschaftlichen Erkenntniss, zu pflegen, und zwar müsste sie ein Hauptcolleg bilden. Die Geschichte und die Theorie des Erkennens überhaupt lassen sich besonders in der so schön „paradigmatischen" Ge- schichte der Astronomie verfolgen. In dieser kommt auch die speculative Philosophie zur Geltung. Der coperni- kanische Gedanke steht ganz auf den Schultern der Specu- lation. Schon des Ptolemaeus Ausführungen sind hier entzückend, durch ihre Paradigmen für Schlussfehler, aber auch durch ihre Musterbilder der geschichtlichen, theo- retischen, methodischen Entwickelung. Ein sehr grosses Gebiet für die Hochschulpädagogik in der Astronomie ergiebt sich auch durch die Kritik iler astronomischen Maassbestimmungen, durch die Fehler- theorie, durch die Kritik des Individuums in seinem Wahrnehmen, Deduciren, Induciren u. s. w., anschliessend au die Theorie der Instrumente. Ausserhalb der Astro- nomie und der Geodäsie hat sich die Fehlertheorie leider noch wenig Boden erobert. Aber auch im Unterricht der Astronomie selbst ist für alle diese Dinge noch nicht genug geschehen; selbst die Terndno- logie der Stufen ihres Unterrichts ist eben noch in Ent- wickelung begriffen. Erreichbar ist hier besonders eine relative Einfachheit. Die in chemischen und sonstigen Laboratorien erreichte Technik hat ohne sehr eingehende Führung etwas Bedrängendes, Erdrückendes. Dagegen kommt die Einfachheit der Aufgaben und ihre stufen- mässige Entwickelung in der Astronomie dem Pädagogen zu Hilfe. Wir verfügen in der Astronomie über metho- dische Uebungen, von den einfachsten Problemen an bis zu den feinsten. Nur der erkenntnisstheoretische Unter- richt ist noch meistens unzureichend. Allerdings fragt es sich, wie dabei die betreffenden Lehrer der Astronomie und der Philosophie zusammenzubringen sind. Gerade dies wird eine wichtige Aufgabe sein. Es handelt sich darum, all dies den künftigen mathematisch - natur- wissenschaftlichen Lehrern in ihre Studienpläne hineinzu- bringen. Früher war „sphärische Astronomie" Prüfungs- gegenstand und Pflichtcolleg; etwas Gutes hatte dieser Zwang immerhin, doch enthält er schliesslich nur eine illusorische Lösung. In den 7üer Jahren war das Pflicht- colleg verschwunden. Durch die Blüthe der mathematischen Studien in Berlin bis etwa 1880 kamen viele auch zur sphärischen Astronomie. Verschärfungen der bezüglichen Anforderungen im Examen des Lehramts-Kandidaten sind auch nicht das Richtige. Die Examina sind unvoll- kommene, zwangvoll plumpe und unwahre Einrichtungen. Vielleicht sollten den Kandidaten nur völlig freie Vorträge mit Eutwerfung und Schilderung von Uebungen auf astro- nomischen Gebieten auferlegt werden, nicht um sein Wisssen, sondern sein Denken zu erproben. Man wird vielleicht sagen: jeder lobt seine Waare, und so will auch der Astronom particularistisch für das astronomische Studium eintreten. Indessen zeigte es sich zur Freude des Vortragenden öfter, dass man auch von nichtastronomischer Seite her, begeistert durch Conse- quenz des Denkens, gleichen Ansichten und Bestrebungen huldigte. In der diesem Vortrag folgenden Besprechung wurde zunächst der Forderung des Beobachtens und Anschauens zugestimmt, jedoch erwidert, dass an unseren höheren Schulen die Zeit dazu fehle, und dass hier nur bei grosser Intensität des Lehrens etwas zu erreichen sei: die Lehrer seien eben bereits zu sehr überlastet. Hingegen sei der- artiges für die Hochschulpädagogik ebenfalls wünschens- werth und auch durchführbar; doch solle mehr in den Vorlesungen das philosophische Interesse angeregt werden, wofür die Docenten der einzelnen Fächer einzu- treten hätten. Ueber die Bedeutung der Astronomie für die Erziehung seien wir einig; doch biete die Astronomie nur ein geringes Gegengewicht gegen das Verstandes- mässige in der Technik und eher ein Seitenstück dazu dar; ohne es zu wissen arbeite sie an einer Verstaudes- niässigkeit mit. Besonders hoch sei an ihr zu schätzen, dass sie mehr als andere reale Wissenschaften den rein wissenschaftlichen Sinn fördert, da ihre Probleme uns so ferne liegen, und da nirgends so sehr wie bei ihr an dem Werden der Erkenntniss theilzunehmen ist. Jene andere Forderung hingegen greife über ihre Leistungsfähigkeit hinaus. — Auch von einer der Astronomie ferner stehen- den Seite wurde sie seit jeher besonders als Beispiel da- für betrachtet, dass der Mensch in Folge seines d-avfjüi^fiv nach Dingen forscht, die ihm zunächst nur als Erkenntniss- object, nicht zum Nutzen da sind. Freilich sei längst auch ihr Nutzen gegeben; allein das hier Gemeinte sei doch etwas Anderes. Keine Wissenschaft betreffe diese Eigenschaft des Menschen, nämlich den reinen Erkenntniss- trieb, so sehr wie eben die Astronomie. Damit, sowie mit dem vorigen, erklärte sich der Vortragende völlig ein- verstanden. — Auch die Frage nach der absoluten und der relativen Bewegung wurde weiter erörtert. Für die Schule sei sie schwierig und sei es fraglich, ob man überhaupt daran rühren solle; viele halten die Frage für gleich- gültig, aber andererseits kämen gerade darüber so viele verwirrende Ansichten zu Tage, zumal von Volksschul- lehrern. Auf der Hochschule sei die Geschichte der Wissenschaften auch in Verbindung mit der Geschichte der Philosophie zu lehren, womöglich auf Grund eines Insti- tuts tür Geschichte (und eventuell Theorie) der Wissen- schaften, das ausgestattet wäre mit historischen Instru- menten, mit wissenschaftsgeschichtlichen Landkarten und dergleichen mehr. Es wurde dies sogar in dem Sinn ge- billigt, dass damit erst die Nutzbarmachung des vom Vortragenden Angeregten beginne. Ausserdem wurde ge- fordert, dass wir uns beim höheren Unterricht in die Seele unserer Schüler versetzen; bei Primanern bestehe ein grosses Interesse, astronomisch belehrt zu werden. Dabei tauchte eine Erinnerung auf an Hermann Grassmann, der zwar eigentlich ein unentwickelter Pädagoge gewesen sei, aber doch gewaltig eingewirkt habe, indem er so in seiner Sache lebte, dass er mit seinem rein wissenschaftlichen Interesse alle Schüler mit Hochachtung für Mathematik und Naturwissenschaften erfüllte, und dass sich bei ihnen noch eigens der Wunsch nach Astronomie erhob. An- schliessend daran wurde die Beobachtung vorgebracht, dass mit dem abstracteren Denken in den reiferen Puber- tätsjahren (circa 17 Jahre) das speculative Interesse be- ginne und die Astronomie begünstige. Doch sei hier vor einem Zuviel zu warnen. Dagegen könne im akademi- schen Unterricht die Verbindung von Philosophie und Astronomie nicht hoch genug geschätzt werden. Dies gelte besonders von den Gedanken an die kosmischen Verhältnisse. Ausserdem solle sich die Astronomie sogar auch mit den letzten ethischen Fragen, selbst mit der Religion, verbünden, im Sinn des Problems von der „Teleo- logia rationis humanae." Der Islam sei zu erklären aus dem Wüstenleben mit seinem grossartigeu Anblick des Himmels (und, wie hinzugefügt wurde, analog der moderne Atheismus auch aus der Verschlossenheit des Himmels im städtischen Leben). Das religiöse Interesse sei mit dem philosophischen eng verbunden, und der Theologe habe an der Astronomie einen wesentlichen Verbündeten; wo- Naturwissenscliaftliche "Wocliensclarift. XVI. Nr. 2. von freilich das Vcrliältniss zwischen Reiii:ion und Moral untcrscliieden werden müsse. Enie Vereint'aciiiing der Auf;;al)en sei vielleiclit dadurch niöglicli, dass auch philo- sophische Vertreter anderer Faeultäten sich an den philo- sophischen Vorlesunjien betheilij;ten. So werde Reiigions- phdosophie am besten au der philosophischen Facultät geleiirt, wf/t'ern sie nicht „vom christlichen Standpunkt aus" behandelt werde, da dies keine Philosophie mehr ist. In dieser Weise sollten es nun auch die Astronomen und alle üebrigen machen. Dadurch könnte die Ge- schichte der Wissenschaften in einem die Geschichte der Philosophie ergänzenden Cyclus vollzählig vertreten sein. — Das Schlusswort des Vortrajrenden beschränkte sich darauf, auch eine gegenseitige Unterweisung der Schtiler und der Studirenden in Beobachtergruppen zuempfehlen. Dr. Hans Schmidkunz, Berlin — Haiensee. Bericht über die im Anschluss an den VIII. internationalen Geologen-Congress zu Paris nach den Kohlenrevieren von Commentry und Decazeville stattgehabten Excursionen. Von Dr. Söhh Nach den in Paris abgehaltenen Congresssitzungen, während welcher Zeit öfters Ausflüge in die Umgegend von Paris zur Inan;i;enscheinnahnie der aus der geologischen Litteratur sehr bekannten tertiären Bildungen unternommen waren, war unter vielen anderen Touien, die zur Besich- tigung der Kohlenablagerungen von Commentry und Deca- zeville, beide in Mittel- Frankreich gelegen, unter der Fülirung des Herrn Fayol, Generaldirectors der cotnpagnie generale de Commentry et Fouchambault, in Aussicht ge- nommen, und der Tag der Abreise auf den 29. August festgesetzt. Da die geplante Excursion zu den exeursions gene- rales, an denen unbegreirzt viele Mitglieder theilnehmen konnten, gehörte, so war bei dem allgemeinen, speciell aber praktiseiien Interesse, welches die mittelfran/.ösischen Kohleidager hal)en mussten, auf eine grosse Anzahl Theil- nehnier zu rechnen; es waren denn auch über 3U Herren, darunter fünf Deutsche, viele Belgier, zwei Amerikaner und ein Enjrländer eingeschrieben, die am 2y. ,August, kurz vor 9 Uhr Vormittags, mittelst Express via Etampes und Vierzon abdampften. Das platte Land südlich von Paris und nördlich der Loire wurde wie im Fluge passirt, Orleans wurde ein wenig westlich gelassen und grUsste mit seiner Cathedrale zu uns herüber, und nach Verlauf von zwei Stunden befanden wir uns südlich der Loire im Departement Loire et Cher, rings umgeben von einer mehr südlichen Flora, wobei der Weinstock eine nicht geringe Rolle spielte. Von Vierzon gelangten wir an den Cher, einen Neben- fluss der Loire, welchen wir daselbst überschritten, um über Chäteauroux a l'lndre, gleichfalls einem Zufluss der Loire, letzteren (Indre) aufwärts, am Abend desselben Tages nach MontluQon zu gelangen, von wo nur noch 4 km bis zu unserem ersten Reiseziele sind. Aus der flachen Niederung der Loire-Gegend, flacher selbst noch als das Terrain, welches wir zwischen Paris und der Loire durchfahren hatten, traten wir vor Mont- luQon a;Cher im Dep. Allier in ein gebirgiges Hügelland, gleichsam die nördlichen Ausläufer des franzöischen Centralplateaus, welch letzteres durch seine „Puy" und deren grossartige Ausbildung bekannt genug ge- worden ist. Erst mit Montlou^on beginnt das eigentliche Kohlen- revier, welches sich südöstlich bis nach Commentry er- streckt und hierselb.st industriell in Angritf genommen ist; das beweisen die vielen Kohlenminen, welche an den ver- schiedenen Punkten das Bassin von Commentry besetzen und erkennen lassen, dass, wie es schon ein Blick von dem Dircctionsgebäude genannter Gesellschaft zu Com- mentry lehrt, wir es mit einem ausgesprochenen Becken mit der Kohlenablageruug im Innern und den weit älteren Schichten krystallinischen Gesteinen im Umkreise zu thun haben. Nach einem herzlichen Empfange durch Herrn Fayol und sein Beamtenpersonal auf dem Bahidiofe zu Com- mentry fuhren wir — nur ein Theil der Reisegesellschaft war hier anwesend, der grössere Theil kam ein wenig später — nach dem nicht weit entfernten Hotel des geo- logues, wo wir eine treffliche Unterkunft fanden. Der Ort zählt 12 000 Einwohner und wird gänzlich durch die Kohlenindustrie beherrscht; von Wald ist in Folge dessen nicht viel zu sehen, einzig und allein der parkühnliche Garten des Herrn Fayol, welcher uns mit seiner liebens- würdigen Frl. Tochter den nächsten Tag aufs gastlichste in seiner mitten im Grün liegenden Vdla bewirthete, macht hiervon eine Ausnahme. Inzwischen hatte sich auch der Rest der Herren, welche an der Excursion theil- nehmen wollten, eingefunden, und die Besichtigung des geologisch Interessanten im Becken von Commentry konnte am nächsten Tage beginnen, nachdem Herr Fayol zu- vor durch einen sehr instructiveu Vortrag an der Hand von Karten, Profilen und Versteinerungen das Wissens- werthe hervorgehoben hatte. Die das Bassin von Commentry aufbauenden Gesteine sind Schichten, welche zum grössten Theil dem paläo- zoischen System und zwar dem Carbonsystem angehören; es sind Sand-, Schiefer- und Mergelschichten, welche den rein kohligen Partieen, auf denen der Bergbau umgeht, zwischengelagert sind. Dazu treten Breccien verschie- dener sogenannter Eruptivmassen, die bei dem eckigen Habitus ihrer Bestandtheile auf einen nicht weiten Trans- port durch das Wasser schliessen lassen. Interessant ist die Gegend von Commentry dadurch, dass zahlreiche Versteinerungen in trefflicher Erhaltung, thierischen so- wie pflanzlichen Ursprunges, darunter Käfer, Libellen, amphibienartige Thiere und Fische einerseits, anderer- seits Calamodendron-, Psaronien- und Laubblatt-Filices- Reste gefunden sind, wobei die Stämme bald senkrecht aufrecht stehend, bald liegend angetroflen werden. Auf Grund selbst der senkrechten Stellung der Pflanzen- reste — vor allem der Stammtheile von Calamiten — gegenüber der schrägen Neigung der sie begleitenden Gesteinsschichten — hat Fayol die AUoehthonie der Kohlenflötze des Bassins von Commentry, d. i. die Bildung der Kohle aus zusammengeschwemmten pflanzlichen Theilen in einem Delta, aufrecht erhalten, während Grand 'Eury, Professor an der ecole supeiieure des raines zu St. Etienne, für alle Vorkommnisse bei Commentry, die in engster Beziehung zur Bildung der dortigen Stein- kohle stehen, die Autochthonie angenommen XVI. Nr. 2. NaturwissenscIlaMiche Wochenschrift. 17 will, wenigstens für die aufrechten Stämme in den Mitteln zwist-lien den Kolilenflötzen. Es ist wdlil kein Zweifel, dass die gute Erhaltung der Thierleichen und der eckige Habitus der die obigen Breccien zusammensetzenden Eruptivgesteine, als da sind Granulite und Mikrogranite, auf keinen weiten Transport hinweist, ein Umstand, der dadurch fast zur Gewissheit wird, als Granulile etc. noch heutzutage in nicht allzu- grosser Entfernung von Conimentry Felsen aufbauen; die in den Mitteln zwischen den Kohlenflötzeu, also den Sauden und Schieferthonen senkrecht dastehenden Pflanzen- Stämme deuten auf die Verschüttung und das Begraben- sein au Ort und Stelle hin und die schräg geneigten bis liegenden beweisen bei der gleichen Annahme, dass sie dem Andränge der sie umgebenden und begrabenden Ge- steinsschichten nicht widerstehen konnten und aus ihrer ursprünglich senkrechten Stellung in die schief- geneigte gebracht sind. Die Gewinnung der dortigen Steinkohle geht auf über lÜO Jahre zurück, und der Abbau, welcher bis vor kurzem reiner Tagebau war — die Kohle wurde ohne Anlage von Stollen und Schächten \om Tage aus ab- gebaut — , ist allmählich in einen solchen mit Stolleu- betrieb übergegangen, wobei sich schon heute voraus- sagen lässt, dass es mit der dortigen Industrie in wenigen Jahren vorbei sein wird, da die Schätzung auf die Ge- winnung der Kohle nicht über diesen Zeitraum hinaus- reiciit. Die Mächtigkeit der Flötze beträgt bis zu 40 Meter, durchschnittlich aber nur bis zu 8 und 9 Meter, die zwischengelagerten Schieferschichten nicht einge- rechnet; die Kohle ist sehr bituminös, backt ausgezeichnet und enthält massig viel Schwefelkies, welch letzterer, wenn in grosser Menge vorhanden, von grossem Nachtheile ist; schlagende Wetter sind sehr selten, um so häufiger ist der Grubenbrand, welcher durch die Entzündung der in der Kohle eingeschlossenen Gase beim Hinzutreten „sauerstofifreicher" hochtemperirter Luft äusserst leicht entstehen kann und dann von den übelsten Folgen be- gleitet ist, da sowohl die Abgrenzung des vom Brande ergriflenen Gebietes schwierig, ja zum Theil unmöglich ist, wie weiter unten bei Besprechung des Decazeviller Kohlenrevieres gezeigt werden soll, als auch die Ge- fahr für Menschenleben in Folge der starken Ent- wickelung und Bildung von unathembaren Gasen sehr gross ist. Wir fuhren, nachdem sich inzwischen in Commentry eine grössere Gesellschaft, deren Zahl sich beiläufig auf 27 belief, zusammengefunden hatte, am Abend des 30. August von dort nach MontluQon zurück, wo wir im Hotel de France, das mitten in der Stadt gelegen ist, die Nacht zubrachten. Ist Commentry ein Ort, dem, wie ich schon oben bemerkt habe, an Strassen und Häusern die Kohlen- industrie angesehen wird, so macht Moutlueou demgegen- über einen sehr reinlichen und einladenden Eindruck, da besagte Industrie hier gänzlich fehlt; am Cher gelegen wird diese 32 000 Einwohner zählende Stadt durch den- selben in zwei Stadttheile, von denen der eine Glas- bläsereien und Eisenhütten umfasst, also die eigentliche Iitdustriestadt ist, während der andere die sogenannte Stadt ist, getheilt. Letztere ist wiederum zweigetheilt, in eine obere Stadt mit Kirchen und Schloss und in eine untere. Rings von Höhen umgehen macht der Ort auf den Fremden einen einladenden Eindruck, was durch die vom Bahnhof in die Stadt hineinführende Platanenallee, den grossen Boulevard vor dem Palais de Justice und dem Hotel de Ville sowie durch die Geschäftigkeit in der Hauptstrasse selbst, in welcher obiges Hotel auch, liegt, nur erhöht wird. Die Strecke bis Eygurande, südwestlich und nicht fern des Puy de Dome, bietet wenig Anziehendes. Wir durchfuhren ein Gneiss-Ghmmerschieferterrain, wobei wenig gewelltes Land mit tief eingeschnittenen Thäleru, in deren Tiefe Bäche dahiurauschen und an deren Ufern die ein- zelnen Häuser zerstreut herumliegen, wechselt. Zudem fuhr der Zug mit einer sehr geringen Geschwindigkeit, was nicht zu verwundern ist, da die Hauptstrecke von uns schon bei Montlugon verlassen war, und ausserdem die vielen Curven der Bahnstrecke eine schnelle Fahrt unrathsam machen. Mit Eygurande ändert sich das Bild: das Centralplateau mit seineu genugsam bekannten Bergen, dem Puy de Dome, dem Mt. Dore und dem Puy Mary als Hauptbergen rückt uns bedeutend näher, wir haben sie bis Aurillac beständig zu unserer Linken; das sind Berge bis zu Höhen von 1900 Metern, die z. Th. aus Basalt, z. Th. aus Trachyt bestehen, steil aufragende Massen mit einem breiten Plateau auf der Höhe, sofern sie dem Basalte an- gehören, dessen säulenförmige Ausbildung weithin sicht- bar ist, spitzig und schroff dagegen gegen Himmel ragend, wenn ihre Masse Trachyt ist. Vergessen werden wir nicht den Anblick, welcher sich uns von Eygurande auf den Puy de Dome bot; schroff hob er sich am Hori- zonte mit seiner weit in die Höhe strebenden Spitze von dem vorliegenden hügeligen Terrain ab. Hinter Eygurande wird die Wasserscheide zwischen Loire und Garonne überschritten, wir verlassen das Dep. Correze und treten in das des Lot ein, welches seiner- seits bei Gapdenac mit dem des Cantal vertauscht wird. Noch eine kurze Fahrt und wir sind in Viviez (Dep. Aveyron), das, wiewohl klein, doch durch seine der Compagnie „Vicille Montagne" zugehörige Zinkhütte in Fachkreisen bekannt geworden ist. Von dort sind es noch 4 km bis Decazeville; das Thal, welches von Viviez nach Decazeville hinaufführt, verengt sich im Anfang, die Gneiss- und Glimmerschiefer- partieen treten bis an die Strasse und die Bahn, welche viele Biegungen zu machen hat, heran und geben erst kurz vor Decazeville einem weiten Becken Raum. Am Abend des 3L August ward Decazeville erreicht, wo wir vom Directionspersonal der Gesellschaft, welcher Herr Fayol als Generaldirector angehört, aufs freundlichste empfangen und gemäss den inzwischen getroffenen Voi- kehrungen in drei verschiedenen Hotels aufs schnellste untergebracht wurden. Noch mehr als Commentry macht Decazeville den Eindruck einer „Kohlenininen-Stadt"; schmutzig, ja über die Maassen schmutzig ist die Stadt; hat es doch den An- schein, als ob bei einer Einwohnerzahl von 10 000 Seelen die Strassen nie gekehrt und die Häuser nie gereinigt würden, die Beleuchtung ist dabei äusserst mangelhaft, da nur dann und wann Gaslaternen an den Wohnungen gefunden werden. So machte denn auch das Hotel, in welchem wir logiren sollten, von aussen einen sehr wenig einladenden Eindruck, das Haus war seit langem nicht geputzt, die Diele nicht gekehrt, die Tische vor dem Gasthofe nicht gereinigt, und der Herr Besitzer selbst, der, wie sich später herausstellte, zugleich Koch war, und die Oberaufsicht in der Küche führte, nichts weniger als zum Empfang von Gästen geeignet gekleidet. Unsere Verwunderung resp. Entrüstung steigerte sich noch, als ich und Professor Potonie ein Zimmer nach hinten an- gewiesen bekamen, das nicht im geringsten in Ordnung war. Der Herr Wirth war aber die Liebenswürdigkeit und Auf- merksamkeit selbst und rettete nicht nur dadurch, sondern auch durch seine tadellose Kochkunst, die uns wirklich grossartige culinarische Genüsse bereitete, sein bisheriges Renommee. Naturwissenschaftliche Wochenschrit. XYI. Nr. Sobald man deu Ort Decazeville betreten hat, fällt einem der merkwürdige, durch den „Grubenbrand" her- vorgerufene Geruch, welcher sich weithin verbreitet, auf; brennt es dort doch schon seit einer Reihe von Jahren, wobei das Brandfeld beständig an Ausdehnung nach der Tiefe zu wie der Länge nach zunimmt, ohne dass man bisher des Brandes durch Abdämmen mittelst Betonarbeit Herr geworden wäre. Welch ein Schade und Verlust für die Gesellschaft! Schon heutzutage hat der Grubenbrand grosse Theile der 30 den Tagebau bildenden Etagen er- griffen und hat dort, wo er die Kohlen- und die diese durchsetzenden Schieferschichten ergriffen hat, diese in ein taubes, durch Eisenoxyd roth gefärbtes, zum Theil bei Anwesenheit von Schwefel gelb gefärbtes Gemenge ver- wandelt. Da die Gewinnung der Kohle mittelst „Tage- bau" geschieht, so sind auch diese durch den Brand er- griffenen Theile mit fortzuräumen, was allerdings bei der Schwierigkeit dem beizukommen nicht zu den Annehmlichkeiten des Bergbaues gehört. Die grösste Mächtigkeit der reinen, nicht durch zwischengelagerte Schieferschichten verunreinigten Kohle beträgt 30 Meter; die bessere Sorte derselben wird direkt zur Coaksge- winnung, zu welchem Zwecke in nächster Nähe des Hauptbetriebes Coakereien angelegt sind, verwandt, wäh- rend die schlechtere in die benachbarten Eisenessen wandert. Diese letztgenannten Essen, welche gleichfalls ge- nannter Gesellschaft angehören, beziehen ihre Eisen- und in Verbindung damit auch ihre Manganerze von St. Cyprien, einem Orte, der etwa zwei Wegstunden von Decazeville entfernt ist, wo in einer genanntem Orte benachbarten Grube, die auf der Höhe eines Plateau gelegen ist und von wo aus man einen herrlichen Blick auf das gesammte Dep. Aveyron mit der Stadt Rodez im Süden geniesst, das zur Verhüttung gewünschte Material in quarzführen- den Glimmerschiefern gewonnen wird. Die Fahrt von Decazeville nach St. Cyprien mittelst Wagen war sehr lohnend, bald hinter Decazeville ver- liessen wir das Industriegebiet, welches nebenbei bemerkt eine Länge von 20 und eine Breite von 3 km hat, und gelangten bei annähernd südöstlicher Richtung zunächst nach dem Dorfe Firmy, welches seine Kohlenindustrie gehabt hat, da der weitere Abbau auf dieses Mineral wegen der Gefahr, die Kirche und Häusern des Ortes drohte, behördlich untersagt wurde. Heutzutage finden sich an Stelle der beiden früheren Gruben zwei zum Baden von der Bevölkerung benutzte Teiche, die durch die verschiedene Farbe ihres Wassers sofort auffallen, da der eine grünlich-blau-, der andere schmutzig-gelb- gefärbtes Wasser führt, ein Umstand, der natürlich aufs engste mit den durch deu Wassertransport in die beiden Seen geführten Mineralbeimengungen zusammenhängt. Auf einer breiten, von Ebereschen, Birn-, Apfel- und Pflaumenbäumen besetzten Communalstrasse, die wie die meisten ihrer Art in Frankreich ausgezeichnet in Stand gehalten werden, führten uns die Wagen bergauf bergab, bei welcher Gelegenheit auch tief eingeschnittene Schluchten und überhängende, mit verschiedenartigem Grün geschmückte Felsen nicht fehlten, nach St. Cyprien, das mitten in einem Obstgarten gelegen ist, wo aber wegen der Reichhaltigkeit und geradezu verblüfiFenden Ergiebigkeit der dortigen Obstbäume wie in so vielen anderen Gegenden Südfrankreichs die Früchte kaum mehr gesammelt wurden, sondern durch ihr Uebergewicht die Zweige der Bäume womöglich zum Bersten und Brechen bringen und dann selbst verderben; ist doch das Sammeln der Früchte oft der Mühe gar nicht werth, eine Anschauung, der wir dort öfter begegnet sind. Im Grossen und Ganzen ist aber in diesen Länderstrecken schon der südliche Klimaeinfluss stark zu bemerken, wenn man bedenkt, wie neben dem allgewöhnlichen, uns wohlbekannten Obste Melonen, Tomaten und Artischocken in reichlicher Menge gedeihen, und die essbare Kastanie geradezu unsere deutsche Kartoffel verdrängt und dieser selbst nicht gleich geachtet, sondern gar zu häufig nur als Viehfutter passend gefunden wird. Eine Bestätigung dieser Art, ja die allerkräftigste, sollten wir wenige Tage später nach Ab- schluss der Excursionen ins Gebiet von Commentry und Decazeville erhalten, als wir durch das Dep. Cantal nach St. Etienne zu fuhren. Lübeckische Trichopteren und die Gehäuse ihrer Larven undPuppen (mitöTafelnlbcschreibtDr.R. Struck. (Das Museum zu Lübeck. Festscliritt zur Erinnerung an das lOOJährige Bestehen der Sammlungen der Gesellsch. z. Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit. 1800 — 1900. Lübeck 1900.) Die Larven der zu den echten Neuropteren gehörenden Trichopteren (Haar- oder Pelzflügler) leben im Wasser und sind zum grössteu Theil dadurch von be- sonderem Interesse, dass sie sich zu ihrem Schutze mannigfach gestaltete Röhren oder Köcher aus den ver- schiedensten Materialien anfertigen, welche sie bis zur Verpuppung mit sich herumtragen, wie die Schnecken ihre Gehäuse, und in denen nach einigen Umgestaltungen auch die Verpuppung vor sich geht. Am bekanntesten unter ihnen sind die Köcherfliegen (Phryganeiden), welche zwar über alle Erdtheile verbreitet sind, am häufigsten jedoch in den gemässigten Zonen vorkommen und ihren Namen geradezu den Köchern der Larven verdanken. Nach M. Rostock (Die Netzflügler Deutschlands) kommen in Deutsehland 210 Trichopteren-Arten vor, wäh- rend aus der Schweiz 225 und aus Frankreich 201 Arten bekannt sind; dagegen kennt man aus England nur 148, aus Skandinavien 166, aus Holland 110 und aus Ost- preussen 70 Arten. Im Allgemeinen nimmt die Artenzahl I nach dem Norden hin ab, und eine ganze Anzahl der Trichopteren sind ausgeprägte Gebirgsthiere; trotzdem ist es dem Verf. gelungen, in 3 — 4 Jahren auf ver- hältnissmässig beschränktem Gebiete 55 Arten festzu- stellen. Die Larven der Trichopteren aus den Familien der Pbryganeidae, Limnophilidae, Sericostomatidae und Lepto- ceridae bauen cylindrische Gehäuse nach ganz bestimmten Bauplänen, deren Feststellung dem Geh. Medicinal-Rath Dr. 0. Hofmann und Dr. R. Struck zu danken ist und deren 9 unterschieden werden: 1. gerade oder gebogene, cylindrische, bisweilen von oben nach unten leicht zusammengedrückte Röhren aus Sandkörnchen oder Steinehen, zum Theil mit Belastungs- theilen vegetabilischen oder mineralischen Ursprungs an den Seiten, zum Theil aber auch an den Seiten oder am Oberrande der vorderen Oeffnung durch Anfügung von Sandkörnchen verbreitert, sodass ein flaches, schildförmiges Gehäuse entsteht, zum Theil endlich in Röhren aus Con- chylien bestehend; 2. gerade oder gebogene, der Länge nach mit vege- tabilischen Stoffen belegte Röhren; 3. der Quere nach mit vegetabilischen Stoffen be- legte Röhren; XVI. Nr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 19 4. mit senkreclit zur Längsachse angeordneten Blatt- stückchen belegte Röhren; 5. im Querschnitt viereckige Röhren, der Quere nach mit vegetabilischen Stoffen belegt: 6. im Querschnitt dreieckige Röhren, der Quere nach mit vegetabilischen Stoffen belegt; 7. Röhren, welche mit vegetabilischen Stoffen von nahe/AI gleicher Form und Grösse belegt sind, die in Ge- stalt einer von dem hinteren zum vorderen Ende sich windenden Spirale angeordnet sind; 8. aus dem Spinnstoffe der Serikterien hergestellte Röhren; 9. aus Sandkörnchen hergestellte, schneckenhaus- formig aufgerollte Röhren. Die grössere Mehrzahl aller Larven der genannten Familien benutzt Baustil 1; eine Reihe von Limnophiliden- Laiven begnügt sich aber nicht mit einem nach einem bestimmten einzelnen Bauplan construirten Köcher, sondern bewohnt gleichzeitig noch andere, nach verschiedenen Bautypen hergestellte Gehäuse. Die Mitglieder der Familien der Rhyacophiliden und der Hydropsychiden verfertigen keine eigentlichen Ge- liäuse, sondern nur locker aus allerlei pflanzlichen oder mineralischen Stoffen belegte Gänge aus Gespinnststoffen, oder auch sie leben frei auf und zwischen Wasserpflanzen und Steinen; sobald sie aber zur Verpuppung schreiten, stellen auch diese Larven sich feste Gehäuse aus Steinen oder Pflanzentheilen her. Mehrere Arten der Rhyacophiliden-Larven bauen transportable Gehäuse aus Sandkörnchen von halbkuge- liger oder ellipsoider Gestalt, deren untere flache Seite vorn und hinten eine kleine, rundliche Oettnung hat. Die Puppenruhe der Trichopterenpuppen dauert 2 bis 3 Wochen, scheint sich aber auch nach der Tempe- ratur des Wassers zu richten, insofern Wärme die Reife derselben beschleunigt, Kähe sie verzögert. Dadurch, dass Struck die Wassertemperatur künstlich herabsetzte, gelang es ihm wiederholt, die Puppenruhe bis auf 5 bis 6 Wochen auszudehnen. Die Puppe verlässt bereits im letzten Puppenstadium als sogenannte Sub-Imago das Gehäuse, indem sie an der dem Kopfe zugewandten Oeffnung den Verschluss mittels ihrer eigenartig con- struirten Mandibeln öffnet. Ihre Beine sind mit Schwimm- haaren versehen, und schwimmend begiebt sie sich ent weder an im Wasser befindliche Pflanzen, um an diesen in die Luft zu klettern, oder auch sie schwimmt direkt an die Wasseroberfläche. In beiden Fällen birst alsbald die Puppenhaut auf dem Rücken entzwei, und es taucht die Imago im ersten Falle langsam nach und nach, im letzten Falle jählings, was besonders gut bei Leptocerus- Arten zu beobachten ist, aus derselben hervor. A. L. Aus der ersten Zeit des Zündhölzchens. — üeber das Zündhölzchen hielt Professor A. Bauer einen Vortrag im Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt- nisse in Wien, der in den Schriften des Vereins (Bd. 40) abgedruckt ist. Danach fallen die ersten Versuche, ein bequemes, leicht transportaliles Feuerzeug herzustellen, in den Anfang des Jahrhunderts, und zwar soll Chancel, der Assistent Thenards zuerst Zündhölzchen hergestellt haben, welche ein Köpfchen trugen, das neben Schwefel etwas Kaliumchlorat enthielt und durch Benetzen mit Schwefelsäure zum Entflammen gebracht wurde. Die erste Verbesserung derselben bestand darin, dass die Schwefelsäure in einem Fläschchen auf Asbest vertheilt wurde, den man nur mit den Zündköpfchen zu betupfen halle, um diese zum Entflammen zu bringen. Diese Ver- besserung wird dem um die österreichische Zündhölzchen- Industrie hochverdienten Stefan Römer v. Kis-Enyitzke in Wien zugeschrieben. Die Tunkzündhölzchen " waren jedoch unhandlicii und zudem so theuer, dass sie 1812 angeblich 40 Kreuzer per 100 Stück kosteten und weder Feuerstahl und Schwamm noch die Döbereiner'sche ZUnd- maschinc zu verdrängen vermochten. Eine wesentliche Verbesserung erfuhren die Zünd- hölzchen durch die Einführung des Phosphors als Be- standtheil des Köpfchens. Zwar machten sich zunächst lebhafte Bedenken wegen der Feuergefährlichkeit und der G-iltigkeit desselben geltend, und nachdem derartige Zündhölzchen in grösserem Maassstabe erzeugt und in den Handel gebracht waren, wurden sie sogar 1835 in meh- reren Staaten verboten. Wer zuerst brauchbare Phos- phorzüudhölzchen hergestellt hat, steht nicht sicher fest. Nach Jettel's Angaben in seinem Werke über die Zünd- waren-Fabrikation (Wien: Hartleben, 1897) hat Johann Friedrich Kammerer, der 1832 wegen Betheiligung an einer politisclien Demonstration auf die Feste Hohen- asperg kam, die Vergünstigung erhalten, sich in seiner Zelle mit chemischen Arbeiten zu beschäftigen. Hierbei verfiel er auf die Idee, aus dem Phosphor eine Zünd- masse herzustellen, führte seine Ideen experimentell durch und verwerthete seine Erfahrungen nach seiner Freilassung zur Herstellung von Zündhölzchen, allerdings ohne son- derliche Vortheile aus seiner Erfindung zu ziehen, da er bald mehrere Nachahmer fand. Nach englischen Quellen soll ein Apotheker namens Walker zu Stokton der Erfinder der Phosphorzündhölz- ehen sein, und nach einer Mittheilung von Edmund Jensch in der Zeitschrift für angewandte Chemie gebührt die Ehre der Erfindung einem Ungarn, Jrinyi. Der Aufschwung der österreichischen Zündhölzchenindustrie war nicht nur eine Folge der glücklichen Mischung der Bestandtheile der Köpfchen, sondern auch durch die Eleganz und Hand- lichkeit des Holzstäbchens bedingt, welches der Träger des Zündköpfchens ist. Während nämlich diese Holz- stäbchen anfangs zumeist aus einzelnen Holzblöcken mittels keilartig und parallel neben einander gestellter Messer geschnitten wurden, wandte man in Oesterreich hierfür einen Hobel an, der schon vor der Erfindung der Phos- phorzündhölzchen durch Weilhofer in die Industrie ein- geführt wurde. Im Jahre 1830 gelang es Josef Neu- knapp in Wien einen Hobel mit 5 Eisen herzustellen, deren jedes mit einem einzigen Stosse drei bis vier Holz- stäbchen verfertig-en konnte. A. L. Astronomische Spalte*) — Der Planet Eros, welcher ein für die Bestimmung der Sonnenparallaxe äusserst vortheilhaftes Objekt darsteUt, ist nunmehr bereits wieder in seine Erdnähe gelangt und es haben deshalb schon die meisten Sternwarten ihre Thätigkeit zur Bestimmung der Erosparallaxe, welche die Berechnung der Maassein- heit unseres Sonnensy.stems (Erde- Sonne) ermöglichen wird, aufgenommen. Der im Juli des vergangenen Jahres zu Paris versammelte Astrophotographen-Congress hatte eine Kommission ernannt, welche die allgemeinen Ge- sichtspunkte, nach denen bei den Beobachtungen vorge- gangen werden soll, aufzustellen hatte. Als erste Bedin- gung für einen vollen Erfolg wird Seitens dieser Kom- mission gefordert, dass alle Observatorien, welche sich an Ortsbestimmungen zum Zwecke der Ermittelung der Pa- rallaxe betheiligen, in jeder Beobachtungsnacht mindestens *) Wir beabsichtigen bis auf Weiteres alle 14 Tage bis vier Wochen eine astronomische Spalte zu bieten, die über die neuen Errungenschaften auf dorn Gebiete der Astronomie Orientiren soll. ßed. •20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Ni zwei Messungen (östlich und westlich vom Meridian und in mögliebst grosser Entfernung von diesem) anstellen. Beobachter der nördlichen Halbkugel, welche die Parall- axe aus den Declinationsdifferenzeu gegen au südliehen Sternwarten angestelUe Positionsbestimmungen herleiten wollen, sollen zur Beobachtung thuniichst den Zeitpunkt wählen, wo Eros im Meridian der betreifenden Sternwarte der Südhalbkugel steht. Die Vergleiehsterne sollen keines- falls schwächer als 11. Grösse sein, so dass die Sicher- heit der Positionen dieser Sterne leichter gewährleistet werden kann. Selbstverständlich wird auch die Astrophotograpbie herangezogen werden und wurden auch hier Maassnahmen getroffen, um den Beobachtungsmodus gleichförmig zu gestalten. Auf jeder Platte sollen des leichteren Er- kennens von Plattenfehlern wegen sowie zu dem Zwecke, um die nachfolgenden Messungen am Sternscheibchen von verschiedener Schwärze und Grösse vornehmen zu können, zwei Aufnahmen nach einander gemacht werden, die erste mit ß"" Exposition und eine zweite bei um ca. 20° in Declination verschobenem Apparate mit einer Belichtungsdauer von 3™. Was die photographische Ortsbestimmung im allge- meinen und Arbeiten dieser Art zur Bestimmung der Erosparallaxe im Besonderen betrifft, so verdient eine Untersuchung W. E. Plummers Beachtung. Plummer hat durch den Vergleich der Beobachtungen von Cometen auf photographischem und visuellem Wege festgestellt, dass bei Positionsbestimmungen mit der photographischen Platte eine wesentliche Unsicherheit in die Messungen dadurch eingeführt wird, dass das Aufnahmeobjekt während der ersten Momente der Exposition keinen oder zum min- desten nur einen so schwachen Eindruck hinterlässt, dass derselbe durch die Eutwickelung nicht herausgeholt wer- den kann. Es entspricht also die Mitte der Expositious- zeit durchaus nicht z. B. der Mitte des Planetenstriches bei einer Planetenaufnahme, sondern einem unbestimm- baren, wahrscheinlich für jede Platte verschiedenen Punkte, welcher vor der Mitte des Striches in der ersten Haltte desselben gelegen ist. Plummer sagt, dass dieser Fehler bei einer Erosaufnahme von 10"" Exposition sehr fühl- bar sei. Wenn sich dies in der That so verhält, dann möchte es allerdings fast besser scheinen, die photo- graphischen Aufnahmen dort, wo es auf äusserste Ge- nauigkeit ankommt, und eine Ortsbestimmung unter Zu- hilfenahme einer Striehspur nothwendig wird, vorläufig auszuschhessen oder nach einer Bemerkung von Hinks nur mit Expositionen von !■" oder höchstens 2"° und nur unter günstigsten Luftverhältnissen zu arbeiten. Für die Beobachter an mittleren Fernrohren sei fol- gende kleine Ephemeride des Eros, welche für 12 ^^ Mittl. Zeit Berlin gilt, hierher gesetzt: 1901 Januar 5 AR = 2M4°' D = + 36°12' Grösse: 9-1 11 2 32 33 38 17 2 51 31 5 23 3 12 28 34 „ 29 3 33 26 5 Grösse: 9-5 Adolf Hnatek. Die Nachrichten von der Expedition Andree's. — Aus den bisherigen Nachrichten von der Expedition Andree's und aus der Drift der aufgefundenen Bojen zieht Professor A. G. Nat hörst (Ymer. 1900. Heft 3) wichtige Resultate über den Verlauf der Ballonfahrt, kann aller- dings auch die Hauptfrage nicht sicher beantworten. Da von den Brieftaubenposten nur eine einzige, die dritte, au uns gelangt ist, kouzentrirt sich das Haupt- interesse um die Scbwimmbojen, deren 12 kleinere und eine grössere, die sogenannte Polarboje, mitgeführt wurden. Von diesen sind bis jetzt vier kleinere und die Polarboje aufgefunden worden. Zwei kleinere Bojen haben Mit- theilungen enthalten, sodass mit Einschluss der Tauben- post drei Nachrichten über die Ballon-Expedition vorliegen. Die älteste Mittheilung war in der Schwimmboje 4 enthalten, welche am 27. August 1900 bei Lögsletteu in Finmarken aufgefunden wurde. Andree schrieb: „Sehwimm- boje Nr. 4. Die erste, welche ausgeworfen wurde. Am 11. Juli 10 Uhr nachm. G. m. Z. Unsere Reise ging bis- her flott von statten. Die Fahrt vollzieht sich in unge- fähr 250 m Höhe anfangs in der Richtung nach N 10° rechtweisend nach Osten, später aber nach N 45° recht- weisend nach Osten. Vier Brieftauben werden 5 Uhr 40' nachm. Greenw. Zeit aufgelassen. Sie flogen nach Westen. Andree. Strindberg. Fränkel. Ueber Wolken seit 7 Uhr 45' G. m. Z." Die am 14. Mai 1899 am Kolla-Fjord auf Island ge- fundene Boje 7 enthielt Mittheilungen von Strindbergs Hand: „Schwimmboje Nr. 7 [nicht, wie zuerst angegeben, 2.] Diese Schwimmboje ist ausgeworfen von Andrees Ballon 10 Uhr 55' nachm. G. m. Z. am 11. Juli 1897 auf circa 82°lat. und 25° long. 0. Grw. Wir schweben in 600 m Höhe. All well. Andree. Strindberg. Fränkel." Die letzte Nachricht bildet die Taubenpost, von Andree geschrieben: „Von Andrees Polarexpedition an Afton- bladet, Stockholm, d. 13. Juli 12 Uhr 30' mitt. Lat. 82° 2', Long 15° 5' östl. Gute Fahrt nach Osten 10° S. An Bord alles wohl. Dies ist die dritte Taubenpost. Andree." Die Nachrichten haben die Befürchtungen bezüglich des Verlustes der Schleppleinen nicht gehoben, und auch in Bezug auf den Kurs des Ballons ergänzen sie sich nicht sonderlich, da die Punkte, an denen die Bojen aus- geworfen sind und die Taubenpost aufgelassen wurde, einander sehr nahe liegen. Die am 11. Juli 1897 ausgeworfene Boje 4 wurde am 27. August 1900 bei Lögsletten in Finmarken unter ca. 70° 19 ' n. Br. gefunden, die 55 Minuten später aus- geworfene Boje 7 dagegen am 14. Mai 1899 am Kolla- Fjord an der Nordküste Islands. Die Boje 4 ist eben- falls an Island vorüber getrieben. Die Boje 7 wurde von der Polarströmuug nach Westen, Südwesten und Süden an den Auffindungspunkt auf Island geführt, und diese Drift hat 672 Tage gedauert, da die Boje wahrscheinlich gleich nach der Landung aufgefunden ist. Die Boje 4, welche etwas südlicher ausgeworfen wurde, trieb parallel mit der Boje 7, aber etwas weiter südöstlich. Vielleicht in Folge des etwas östlicheren Kurses ist sie nicht auf Is- land ans Land geworfen, sondern östlich um die Insel getrieben; dagegen kann sie nicht, wie dies in Zeitungs- berichten angegeben wurde, rund um Island getrieben sein. Die 1896 von der dänischen Ingolf-Expeditiou zwischen Jan Mayen und Island ausgeworfenen Flaschen- posten gestatten eine recht genaue Bestimmung der Drift- babn der Boje 4, welche von Island nach Südosten an die Färöer und dann in nordöstlicher Richtung nach der norwegischen Küste ging. Mit Hilfe der Drift der Boje 7 und der südlich von Jan Mayen von der Ingolf-Expedi- tion ausgeworfenen Flaschenpost 14, welche auf Renö am Bustadssunde nördlich von Lögsletten landete, berech- net Nathorst für die Drift der Boje 4 eine Dauer von 2 Jahren 358 Tagen. Thatsächlich betrug sie 3 Jahre 47 Tage; zieht man aber die durch Stürme und andere Faktoren hervorgerufenen Störungen in Betracht, so ist die Differenz von höchstens 54 Tagen nur geringfügig. Den Punkt, wo die Boje 4 ausgeworfen wurde, berech- nete Nathorst in folgender Weise: Die Entfernung vom Aufstiegpunkte auf Dauskrö bis zu dem Punkte, wo Biije 7 geworfen wurde, beträgt ca. 180 Seemeilen und XVI. Nr, 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 21 wurde in 8 Stunden 25 Minuten zurückgelegt. Bei gleich- massiger Geschwindigkeit würde Boje 4 nur 19,6 See- meilen südwestlich von Boje 7 ausgeworfen sein; eine etwaige Aenderung der Geschwindigkeit würde keines- falls eine praktische Bedeutung haben. Ausser diesen mit Nachrichten versehenen Bojen sind noch gefunden: Boje 3 am 7. Juli 1900 auf der See sudlich von Island 03° 42' n. Br. und 20° 53' w. Gr.; Boje 8 am 28., Juli 1900 ca. 40 Seemeilen westlich da- von; die Polarboje am Ufer der Schwedischen Segel- gesellschafts-Bucht auf König Karls-Land, welche am 11. September 1899 wohl schon längere Zeit am Strande gelegen hatte. Alle drei Bojen waren ohne Briefhülsen, und dieser Umstand hat zu lebhaften Erörterungen darüber geführt, ob diese vorhanden gewesen seien und Mittheilungen ent halten haben, als die Bojen ins Treiben kamen. Waren nämlich Mittheilungen vorhanden und die Briefhülsen auf- geschraubt gewesen, so lag kein Anlass zur Beunruhigung vor. Andernfalls war aber anzunehmen, dass die Bojen entweder als Ballast ausgeworfen wurden, als die Tragkraft des Ballons in beunruhigendem Maasse abnahm, oder auch auf das Eis oder ins Wasser gelangten, als der Ballon sieh nicht länger in der Schwebe zu erhalten ver- mochte. Von besonderer Bedeutung erscheint der Um- stand, dass die kleineren Bojen bei dem Aufstiege des Ballons ohne Briefhülsen waren, dagegen die Briefhül.se der grossen Polarboje aufgeschraubt war. Das Gewinde der letzteren war besonders stark, sodass kaum anzunehmen ist, dass die Hülse durch die „Naturkräfte" (Eis etc.) hätte abgeschraubt werden können, zumal dies bei zwei kleineren nicht der Fall war, welche doch einer verhält- nismässig längeren Drift ausgesetzt waren. Diese Er- wägungen führen auch Nathorst zu der Annahme, dass die Bojen ursprünglich ohne Mittheilungen gewesen sind; wenn er auch keinen direkten Beweis dafür zu erbringen vermag, sodass er die diesbezügliche Auffassung als Glaubenssache betrachtet. Nathorst hält es jedoch für sehr wohl möglich, dass Andree die losen Metallhülsen und die von der Polarboje abgeschraubte Hülse bei einer etwaigen Landung auf dem Eise für irgend welche Zwecke mitgenommen habe. Unter Benutzung der für die Drift der Boje 7 be- rechneten und der bei der Drift von Nansen's „Fram" beobachteten Geschwindigkeit berechnet Nathorst, dass die Boje 3 im Verhältniss zui' Boje 7 457,5 Seemeilen, die Boje 8 475,5 Seemeilen weiter östlich zum Treiben gekommen ist. Unter der Voraussetzung, dass die Bojen 3 und 8 (höchstens) 10 Tage später als die Boje 7 ins Treiben gelangt sind, beträgt die Drift der Boje 3 1080 Tage. Die Driftbahnen der Bojen 3 und 8 setzen sich aus 3 Abschnitten zusammen: 1) einem mittleren Abschnitt der Drift der Boje 7 entsprechend, 2) einem östlich von dieser Bahn liegenden Anfangsabschnitt, 3) der nördlich, östlich und südlich um Island verlaufenden Schlussstrecke. Von der Bahn der Boje 7 sind diese Bojen nach den Strömungsverhältnissen ungefähr an dem Punkte abge- wichen, wo der nördliche Polarkreis 20° w. Gr. schneidet. Man denke sich diesen Punkt als Mittelpunkt dreier Kreis- bogen, deren innerer den Punkt sehneidet, wo Boje 7 ausgeworfen wurde, schlage darauf um denselben Mittel- punkt einen Kreisbogen nach Nordosten mit dem um 457,5 Seemeilen verlängerten Radius, so bildet der Kreis- bogen den geometrischen Ort des Punktes, wo die Boje 7 ins Treiben kam, während der Anfangspunkt für die Drift der Boje 8 auf einem concentrischen Kreisbogen liegt, dessen Radius um weitere 18 Seemeilen verlängert ist. Diese Entfernungsbogen gelten jedoch nur so lauge. als die Drift annähernd in der Richtung der Radien er- folgt, was südlich von 81° n. Br. nicht mehr der Fall ist. Sind aber die Bojen 3 und 8 aus dieser Breite gekommen, so müssen sie den Anfangspunkt der Boje 7 passirt haben, und man muss für die Gegend südlich von 81° n. Br. den Anfangspunkt ihrer Drift auf 2 concentrischen Kreisbogen suchen, deren Mittelpunkt der Anfangspunkt der Boje 7 ist und deren Radien bezw. 457,5 und 475,5 Seemeilen betragen. Genauer als durch diese Bogen Hessen sich die Punkte, wo die Bojen 3 und 8 ins Treiben kamen, nicht bestimmen, wenn nur die kleinen Bojen gefunden wären, und es könnte in diesem Falle mit Fug und Recht an- genommen werden, dass der Ballon den Pol oder die Umgebung des Pols passirt hätte. Die auf König Karls Land aufgefundene Polarboje ergiebt jedoch ein ganz anderes Resultat. Zwar kennt man nicht die Zeit, da sie ans Land getrieben wurde, sodass die Länge der Driftbahn sich nicht bestimmen lässt. Wie Nathorst früher gezeigt hat, kann die Polarboje, welche auf König Karls-Land herantrieb, den Ballon nicht nördlicher als 80 — 82° n. Br. verlassen haben. Im Sommer 1898 waren die Gewässer um König Karls Land schon im August gänzlich eisfrei, und dasselbe war im Spätsommer 1897 der Fall. Wäre nun die Strömung aus dem Nordosten gekommen, so hätte sie sicherlich das Eis von Franz Josephs-Land und Giles Land, wo reichlich Eis vorhan- den war, mitgeführt. Da dies jedoch nicht der Fall war, die vcreinzeltL'n Eis.streit'en, denen die „Antarctic" be- gegnete, vielmehr ost westliche Richtung liatten, so darf nur angenommen werden, dass die Polarboje aus dem Osten auf König Karls - Land angescliwemiiit ist; die Bojen 3 und 8 müssen dagegen in die Polarströmung hineingerathen sein und mit dieser nördlich um Spitzbergen in westlicher und süd-südwe.stlicher Richtung nach Island getrieben sein. Bei Spitzbergen liegt die Südgrenze des Polarstromes im allgemeinen zwischen 80—81° n. Br., zuweilen vielleicht etwas nördlicher. Je weiter man aber nach dem Osten kommt, desto weiter senkt sie sich nach dem Süden herab; „Fram" trieb z. B. von kaum 78° n. Br. in der Näiie vom 140° ö. Gr. Da nun die Polarboje in ost-westliche Richtung trieb, so müssen die Bojen den Ballon in der Gegend verlassen haben, wo die Driftrouten der Nummern 3 uud 8 sich mit derjenigen der Polarboje kreuzen, und dies geschieht südöstlich von Franz Josephs Land. Aus theoretischen Gründen muss man aber annehmen, dass der Polarstrom sich gerade an dieser Stelle verzweigt, sodass ein Zweig südlich von Franz Josephs- Land nach Westen, ein anderer Zweig zwischen den Inseln hindurch oder im Norden der- selben nach Nordosten treibt. Während die Polarboje in den ersten Zweig gerieth, folgten die Bojen 3 und 8 letzterem. Die hier aus der Drift der Bojen abgeleiteten Re- sultate stimmen recht gut mit den von Montefiore Brice (Geogr. Journal. Nov. 1899) aus den damals um Franz Josephs-Land herrschenden Winden abgeleiteten Ergeb- nissen überein. Der Kurs des Ballons ist also folgender: anfangs N 10° 0, alsdann N 45° 0, danach westlich, späterhin, als die Taube aufgelassen wurde, 0 10° S. Soweit ist der Kurs auf Grund der Depeschen Andrees sicher bekannt. Die Angaben Brice's und das Auffinden der Polarboje gestatten die Annahme, dass die Bahn ferner südlich um Franz Josephs-Land verläuft, bis der Ballon sich südöst- lich von dieser Inselgruppe befand. Ob er hier nieder- gegangen ist oder den Kurs nach Norden fortgesetzt hat, ist die grosse Frage, wenn auch die erste Annahme am meisten für sich zu haben scheint. Diese Frage wird sich 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 2. aber eufsclieiden lassen, wenn vielleicht fernere ans Land treibende Bojen bei Island autgetuiiden werden, da in solcbeni Falle angenommen werden niuss, dass der Ballon sieh noch nach dem Auswerfen der Bojen 3 und 8 in der Schwebe erhalten hat. Aus Bojen, die am Strande auf- gefunden weiden, ohne dass ihre Antriebs/.eit sicher be- kannt ist, lassen sich da-cgen keine Schlüsse ziehen. Wenn der Ballon wirklich in dieser Gegend nieder- gegangen ist und die Lufiseliiffcr nicht beim Abstieg ver- unglückt, sondern aufs Eis gekommen sind, so haben sie wahrseheinlieh die Kichtung auf Nowaja Semija oder auf die Tainiyr-Ualbinsel eingeschlagen. Hätten sie letztere erreicht, so wäien gute Aussichten vorhanden gewesen, sich am Leben zu erhalten, weil dort das Thierleben recht reiclihaliig ist; in diesem Falle hätte man jedoch schon längst Kunde von ihnen gehabt. Natlioist glaubt, da.ss man eher Spuren ihrer Anwesenheit auf der Nord- spit/.e von Nowaja Semija oder auf der Einsamkeits-Insel finden wird. Um feinere Driftgegenstände von der Expedition zu erhalten, regt Nathorst die Erhöhung der Belohnung für Einlieferung von Bojen und Ueberresten an, ferner Auf- forderung zu fleissiger Beobachtung an der Küste Islands und endlich die Verbreitung von Cirkularen in grön- ländischer Sprache und mit Abbildungen der Bojen unter den Eskimos im südwestlichen Grönland; denn diejenigen Bojen, welche den Ballon in gleicher oder geringerer Entfernung von Island verlassen haben als die Bojen 3 und 8, müssen jetzt an Island vorbeigetrieben und im Laufe des Winters und des Frühlings an die Südwest- küste Grönlands gelangt sein. Ebenso wären in den Zeitungen zu Tromsö und Hammerfest Aufrufe an die Fangschiffe zu erlassen, um diese zur Aufmerksamkeit an- zuspornen. Hofl'entlieh werden diese Maassnabmen weiteres Liclil über die Schicksale der Expedition verbreiten. A. Loreuzen. Ueber Gemüsedüngung. — Beim Gemüsebau ist es uöthig, auf kleiner Fläche möglichst viel zu erbauen. Die Pflanzen müssen sich schnell entwickeln, damit nach Abernten des Frühgemüses mindestens noch eine zweite und häufig noch eine dritte Gemüseart folgen kann. Des- halb war der Sameubau von jeher bemüht, solche Sorten zu züchten, die neben hohen Erträgen von feiner Be- schaffenheit möglichst schnell zur vollen Ausbildung ge- langen und als erstes Gemüse auf dem Markte die besten Preise erzielen. Diese Frühreife lässt sieh aber nur auf Bodenarten von besonderer Beschaffenheit und mit reichem NähistüflVorrathe erreichen. Nur wenige Hodenarten sind von Natur schon für den Gemüsebau geeignet, sondern sie müssen erst bis zu ansehnlicher Tiefe durchgearbeitet werden, um sie für den Anbau anspruchsvoller Pflanzen zu erschliessen. Dazu verwendet mau in erster Linie eine starke Düngung mit Stallmist, der hauptsächlich zur Verbesserung der physikalischen Beschaffenheit beiträgt. Selbst auf gutem Gartenland muss öfters reichlich mit Stallmist gedüngt werden. Mancher Landwirt h sieht die Anwendung von 6- 8 Zentner Stallmist auf lüO qm oder 150— 20u Zentner auf den Acker als starke Gabe an und glaubt, seinen Feldern viel zu gute zu thun, wenn er auf dasselbe Stück alle 6 oder 8 Jahre wieder mit Mist kommt. Der Gemüsegärtner aber giebt auf lüO qm 12—20 Zentner Stalldünger jedes dritte Jahr. Trotzdem nutzt er den Boden ebenso aus wie der Landwirth, weil er dem Gemüseland mehr als dreifach grössere Ernte- mtngen entnimmt. Die Landwirthe wissen jetzt allgemein, dass sie mit Stallmist allein nicht auskommen, im gärtnerischen Be- triebe dagegen, der doch viel grössere Anforderungen an den Nahrungsvorratb des Bodens stellt und bedeutend weithvollere Ernten liefert, beachtet man die Frage des Nährstoffersatzes durch künstlichen Dünger noch viel zu wenig und macht von der vortheilhaften Anwendung des Kunstdüngers nur höchst selten Gebrauch. Hier und da hat man wohl Versuche gemacht, aber fehlerhaft, weil nur ein Nährstoff zugeführt wurde, wäh- rend doch die Pflanzenuahruug aus mehreren Nährstoffen zusammengesetzt sein muss. Bei der Düngung sind vier Nährstoffe, nämlich Kali, Phosphorsäure und Stickstoff' imd Kalk, reichlich anzu- wenden. Sobald nur einer derselben oder in ungenügender Menge vorhanden ist, bleiben die Pflanzen in der Ent- wickelung zurück. Es kommt darauf an, durch die künstlichen Dlluge^ mittel jene drei Stoffe in einem richtigeti Vel-hältnisse Und in einer solchen Menge zuzuführen, wie es die verschie- denen Ansprüche der Pflanzen auf den einzelnen Boden- arten erfordern. Kali und Phosphorsäure giebt man aui 1—3 Jahre und die Gabe des Stickstoffes richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen. Die Kalisalze giebt man als Chlorkalium oder als 40prozentige8 Kalidünge- salz. Kaiiiit, der für die Felder in so reichlicher Menge verbraucht wird, ist im Garten nur für leichten Sand- und Moorboden zu empfehlen. Die Phosphorsäure giebt man als feingemahlene Thomasschlacke, die nel)en Phos- phorsäure noch Kalk enthält. Kalisalze und Thomasmehl bewirken besonders gute Beschaffenheit und Haltbarkeit des Gemüses. Die Phosphorsäure befördert die Frühreife. Die Wirkung des Chilisalpeters (Stickstoff) kann man schon nach wenigen Tagen an dem dunkleren Grün der Blätter beobachten und kommt hauptsächlich im Massen- ertrag zum Ausdruck. Zu den Hülsenfrüchten ist Stick- stoffdüngung nicht nöthig oder nur im Anfang zu geben, bis die Pflanzan soweit sind, dass sie mit Hilfe der Wurzelknöllchen den Stickstoff der Luft verwerthen können. Einige Beispiele von Düngungsversuchen sollen die vortheilhafte Anwendung der Düngemittel veranschau- lichen. Mit Frühkartoffeln der Richter'schen Sorte „Ovale Frühblaue," die durch Ankeimen der Saat vorgetrieben waren, wurde in Leopoldshall folgender Versuch ange- stellt und zwar auf einem Landstreifen mit frischem Stall- miste (500 kg für je 100 qm) und auf einem anderen, der vor drei Jahren Stallmistdüngung erhalten hatte. 1. Parzelle: Ohne Stallmist = 72 kg und mit Stallmist = 92 kg Kartoffeln. 2. Parzelle: 4,0 kg Thomasmehl und 1,6 kg Chilisalpeter mit Stallmist = 154 kg und ohne diesen = y7 kg. 3. Parzelle: 4,0 kg Thomasmehl und 3,0 kg schwefelsaures Kali mit Mist =117 kg und ohne diesen = 79 kg Kartoffeln. 4. Parzelle: 3,0 kg schwefel- saures Kali und 1,6 kg Chilisalpeter mit Stallmist = 140 kg und ohne diesen = 127 kg Kartoffeln. 5. Parzelle: 4,0 kg Thomasmehl, 1,6 kg Chilisalpeter und 3,0 kg schwefel- saures Kali mit Mist = 223 kg und ohne diesen = 149 kg Kartoffeln. 6. Parzelle: 4,0 kg Thomasmehl, 1,6 kg Chili- salpeter und 3,0 kg Chlorkalium mit Stallmist: = 234 kg und ohne = 166 kg Kartoffeln. Die in Stallmist gebauten Kartoffeln brachten auf allen Parzellen bedeutend höhere Erträge, kamen aber einige Tage später zur Reife als die ohne solchen gezogenen. Auf Parzellen 2, 3 und 4, die nur zwei Nährstoffe besonders erhalten hatten, wurde wohl mehr geerntet wie auf der uugedüngten oder nur allein mit Stallmist ge- düngten Fläche, aber das Fehlen noch eines Nährstoffes verhinderte die Höchsterträge. Erst dort, wo auf Parzelle 5 und 6 die drei vorgenannten wichtigen Nährstoffe zu- sammengegeben waren, wurden die grössten Erntemengen erzielt. XVI. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 23 Der Mang:el an Kali auf Parzelle 2 war in der Ent- wickelung des Krautes, namentlich bei frischem Stallmist, weniger zu sehen, zeigte sich erst beim Aufgraben der Knollen. Aehnlieh war es bei der auf Parzelle 4 fehlen- den Pliosphnrsüure der Fall, die für die Ernährung der Kartoffeln erst in zweiter Linie in Betracht kommt, aber doch nicht fehlen darf. Sehr deutlich zeigte sich der Stickstofifliunger auf Parzelle 3 und am auffallendsten ohne Stallmist. Dort war das Kraut sehr kümmerlich und starb zuerst ab. Diese Kartoffeln waren am frühesten reif; doch brachte die Nothreife keinen eigentlichen Nutzen. Von den beiden Kalisalzen war das Chlorkalium im Ertrage dem schwefelsauren Kali etwas überlegen, brachte aber die Knollen um einige Tage später zur vollen Eut- wickelung als das schwefelsaure Kali. Letzteres bewirkt dagegen weniger üppigen Blattwuchs und frühere Reife. Die Anwendung aller drei Düngemittel: Thomasmehl, Chilisalpeter und Kalisalz verursacht nur wenig Ausgaben und macht sich in der grösseren Ernte reichlich bezahlt. Zu Leopoldshall wurden auch Düugungsversuche mit Kopfsalat, Sellerie, Winterspinat, Buschbohnen, Gurken, Karotten u. s. w angestellt, über die später berichtet werden soll. L. Herrmann. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Adolf Schule. Privatdocent der inneren Medizin in Freiburg zum ausserordentlichen Professor; Dr. Emil Knoevenagel, ausserordentlicher Titularprofessor der organischen Chemie und Abtheilungsvorsteher im chemischen Univer.'^itiltslaboratorium in Heidelberg, zum etatsmässigen ausser- ordentlichen Professor; Landesgeologe Dr. Konrad Keilhack, Doeent an der königl. Bergakademie in Berlin, zum Professor; Dr. Richard Ewald, ausserordentlicher Professor der Physio- logie in Strassburg, zum ordentlichen Professor und Director der physiologischen Üniversisätsanstalt daselbst, an Stelle Professor F. L. Goltz'; Dr. Giesenhagen, Privatdocent der Botanik, Dr. Fr i^•drich Voit und Dr. Richard May, Privatdocenten der inneren Medizin in München, zu ausserordentlichen Professoren; ausserordentlicher Professor der Neurologie an der czechischen Universität in Prag C. Kuffner zum ordentlichen Professor; Leutnant Lacoint zum Director der Sternwarte in Uccle bei Brüssel als Nachfolger Prof. Lagranges. Berufen wurden: Prof. Dr. Robert Wollenbcrg, Leiter der staatlichen Irrenheilanstalt zu Friedrichsburg bei Hamburg nach Tübingen als ordentlicher Professor der Irrenheilkunde und Director der Irrenheilanstalt; Dr. Friedrich Maurer ausser- ordentlicher Professor der Anatomie und Prosektor an der ana- tomischen Universitatsanstalt in Heidelberg, nach Jena als ordent- licher Professor und Director der dortigen anatomischen Universi- tätsanstalt an Stelle Prot. M. Fürbringers; Privatdocent der Mathematik A. Sucharda an der czechischen Universität Prag als ausserordentlicher Professor an die czechische technische Hochschule in Brunn. Es habilitirte sich: J. Formanek für Spektralanalyse an der czechischen technischen Hochschule in Prag. In den Ruhestand treten: Privatdocent der Philosophie J. Kreyenbühl in Zürich ; Prof. Lagrange, Director der Storn- warte in Uccle bei Brüssel. Es starben: Der Afrikaforscher Alexander Albert de la Roche de Serpa Pinto in Lissabon; Professor der Geographie und Meteorologie Ferdinand Müller in Petersburg; Privat- docent der Pharmakologie E. Kotljar in Petersburg. L i 1 1 e r a t u r. Dr. med. Sändor Eaestner, ausserordentlicher Professor an der Universität Leipzig, Etnbryologische Forschungsmethoden. Akademische Antrittsvorlesung, gehalten am 27. Oktober li)00. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1900. — Preis 0,80 M. Verf. bespricht in dem Heft die besonderen Methoden, die die Embryologie sich für ihre Zwecke eigens geschaffen hat. Max Verworn, Dr. med., ausserordentlicher Professor der Physio- logie an der Universität Jena, Das Neuron in Anatomie und Physiologie. Vortrag, gehalten in der gemeinschaftl. Sitzung der medizinischen Hauptgruppe der 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Aachen am 19. September 19U0. In erweiterter Form herausgegeben. Mit 22 Abbildungen. Gustav Fischer in Jena 1900. — Preis 1,50 M. Ganglienzelle und Nervenfaser repräsentiren nach der Neuron- lehre eine einzige Zelle ; Verf. giebt eine treffliche Uebersicht über den gegenwärtigen Stand dieser Lehre und kommt zu dem Schluss: „Die anatomischen und physiologischen Untersuchungen des letzten Decenniums haben nicht vermocht, die Neuronlehre zu erschüttern. Man hat vielfach Gespenster gesehen, man hat Ein- wände gegen die Neuronlehre finden wollen, wo davon nicht die Rede sein konnte, man hat die Neuronlehre schon als gestürzt betrachtet, und das alles, weil man sich einen gewissen starren Begriff von der Neuronlehre zurecht gemacht hatte, indem man ganz unwesentliche Elemente als integrirende Bestandtheile der Lehre ansah. Der Kern der Neuronlehre liegt in der Auffassung des Ganglienzellkörpers mit seinem Nervenfortsatz und seinen Dendriten als cellulare Einheit. Ob die einzelnen Neurone immer nur durch blossen Contact zusammenhängen oder ob in manchen Fällen kontinuirliche Uebergänge oder sogar reichliche Anasto- mosen zwischen ihnen bestehen durch Fibrillen oder protoplas- matische Concrescenzen, das sind zunächst ganz nebensächliche Fragen, das ändert an der Neuronlehre nicht mehr als die Inter- cellularbrücken an der Zellenlehre. Auch wenn es sich zeigen sollte, dass in manchen Neuronen eine Leitung unter Umgehung des Ganglienzellkörpers stattfinden kann, so thut das der Frucht- barkeit der Neuronlehre für die physiologische Forschung kernen Abbruch. Der Begriff des Neurons und damit die Neuronlehre selbst wäre erst dann und nur dann erschüttert, wenn es gelungen wäre, zu zeigen, dass das, was wir als eine cellulare Einheit be- trachten, in Wirklichkeit aus mehreren Zellen besteht. Diesen Beweis einwandsfrei zu erbringen, haben aber auch die Apäthy- schen Untersuchungen bisher nicht vermocht. Dagegen dürften die neueren Erfahrungen, abgesehen von vielen werthvoUen Einzelthataachen und Anregungen, die sie geliefert haben, den einen grossen Nutzen für die Neuronlehre besitzen, dass sie die Lehre davor bewahrt haben, zu einem starren Schema zu verknöchern, wozu sie auf dem Wege war. Das Neuron ist nicht überall das gleiche Ding, das uns etwa die Golgi-Bilder in den Vorderhörnern des Rückenmarks zeigen. Das Neuron ist mannig- faltig und vielgestaltig, je nach seinem Ort und seiner Function. Die Natur lässt sich eben nicht in ein enges Schema zwingen " Briefkasten. Hr. Prof. H. — Sie haben ganz recht: in dem Artikel des Hrn. Prof. Holzapfel in der „Naturw. Wochenschr."^ No. 1 über „Zusammenhang und Ausdehnung der deutschen Kohlenfelder" wird Mancherlei gesagt, das von dem früher in der „Naturw. Wochenschr." durch den Unterzeichneten Vertretenen abweicht. Ich bitte aus dem Abdruck des Artikels des Hr. Prof. Holzapfel nicht zu schliessen, dass ich nunmehr mit Allem, was in dem in Rede stehenden Artikel vertreten wird, einverstanden wäre. Der Artikel wurde aufgenommen, um einmal in der „Naturw. Wochen- schr." den Zusammenhang der mitteleuropäischen Steinkohleii- felder mit dem variscischen Gebirge als Ergänzung zu dem bis- herigen zur Darstellung zu bringen, da auf diese Beziehung in der „Naturw. Wochenschr." noch nicht nachdrücklich eingegangen worden ist. Hinsichtlich gewisser Einzelheiten weicht der Unterzeichnete nach wie vor von dem Herrn Verfasser ab. Spricht er z. B. nur von 3 Carbonfioren — ohne Berücksichtigung also der von mir aufgestellten weiteren Floren — so kann er doch nicht gut S. 3 die Kohlenreviere von Ilmenau, Manebach, Crock u. s. w. in Thüringen zur obersten Äbtheilung des Carbons rechnen, da die Floren dieser Reviere in wesentlichen Punkten von der des oberen productiven Carbons, der Ottweiler Schichten, abweicht. Die Flora der Steinkohlengebiete Thüringens ist durchaus eine von dem typischen Charakter derjenigen des Rothliegenden. Diese Flora lässt sich absolut nicht mit der der Ottweiler Schichten zusammen als eine einheitliche Flora auffassen. Thut man das, so müsste man auch dre Saarbrücker und die Ottweiler Schichten floristisch zusammennehmen, was H. nicht thut, u. s. w. u. s. w. H. P. Inhalt: Dr. Schmidkunz: Die Pädagogik in der Astronomie. -— Dr. Sohle: Bericht über die im Anschluss an den Vlll. internationalen Geologen-Congress zu Paris nach den Kohlenrevieren von Commentry und Decazcville stattgehabten Excursionon. — Lübeckische Trichopteren und die Gehäuse ihrer Larven und Puppen — Aus der ersten Zeit des Zündhölzchens. — Astro- nomische Spalte. — Die Nachrichten von der Expedition Andröe's. — Ueber Gemüsedüngung. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. med. Sändor Kaestner, Embryologische Porschungsmethoden. — Max Verworn, Das Neuron in Anatomie und Physiologie. — Briefkasten. 24 Naturwissenschaftliclie "Woctensclirift. XTI. Nr. 2. .Wilhelm Schlueter 4 Halle a.S. NatuFwissensehaftliehes Institut naturalien^ und Cel)rmjtteil)andlung Lieferant vieler Museen und Lehranstalten des In- und Auslandes, empfiehlt sein äasserst reichhaltieps Liaeer natur-niMSPiisrliaft- licUer Objekte, als: Säueetiere. 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TaS torlicgentc S^udi entbält bie SluiäeiAnmiaen tc§ chemaliäen (Meb Scg ='Sqtg unb üivettorC' im Dbeibofuiii tm-ä cor (einem äote tem .fteicii lidiffit fjeaiteite, (SntbaUen fi l'cfer bod) liier eine iüiTc »01 aus bcm iinen »et yteii^fld ■- idftcn ^erganßfnBcil, äu « rliii, BoBcrt jioDmc. ■äeber iibcrmittelt bat, bannt et fie für bie Ccffent- auO) feine roUtifdien lintbiiUnnaen, fo finbet bei- intcreffonlcn 2J«itrdn(n unü inric9ridi ISirijcfni III. Bis ,iur l)e bic-ber iiod) gänjfiifi unBcftannf finb Sind) "' ■ ■ ben (Sreianiffen bor unb nadi ber •«♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦ : Dr. Robert Muencke : • Lnisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. X # Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate 4 ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Diiinmlers Verlagsbuchhandlnngin Berlin SW. VI. In einigen Tagen gelangen zur Ausgabe: yibhanilungcn zur potentialtheorie. Dr. Arthur Korn, ität .Münche Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirich- letschen Problemes im Räume. m Seiten gross Oktav. Preis geheftet I Mark. II. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mittels. 34 Seiten gross Oktay. Preis geheftet 1 Mark. Beide Abhandlungen sind für alle Mathematiker von Interesse. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potonit^, Gr. Lichterfelde -West hei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. f>jVochenschpj7/ Redaktion: Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. DtLinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 20. Januar 1901. Nr. 3. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ,Ä extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergeRpaltene Petitzeile 40 J^. Grössere Auftrüge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Aunoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe geKtattet. Die Kapiliar-Doppellampe. Moderne Desiiifection von Wohnräumen duicli Formaldehyd. Von Dr. A. Spei In seiner vor 20 Jahren geschriebeneu grundlegenden Arbeit ,,Ueber Desinfection", schreibt Koch: „Es sind die Infectionsstoffe noch zu wenig bekannt, um die Mög- lichkeit ausschliessen zu können, dass sich dieselben ebenso oder noch widerstandsfähiger gegen Desinfectionsniittel verhalten als die an ihrer Stelle als Reagens verwendeten Mikroorganismen .... Nur wenn es auch die Bakterien in ihren Dauerformen zu tödten vermag, kann das Mittel als ein solches bezeichnet werden, das den Anforderungen, wie sie nach unseren jetzigen Kenntnissen von den Mikro- organismen gestellt werden müssen, entspricht. Leistet das Mittel das nicht, so könnte es nur gegen solche Krankheiten Verwendung finden, von denen sich mit Ge- wissheit voraussetzen Hesse, dass die ihnen eigenthüm- lieheu Infectionsstofle keine solche resistenten Dauerformen anzunehmen vermögen. Weil über diese Voraussetzung aber vorläufig keine Gewissheit zu erlangen ist, so ist denjenigen Desinfectionsmitteln, die sich zur Tödtung von Dauerformen unfähig oder unsicher erweisen, auch nnr ein bedingter Werth zuzusprechen." Die damalige Anschauung, der zu Folge alle Bacillen resistente Dauersporen bilden sollten, ist mit der zuneh- menden Kenntniss der Infectionserreger längst hinfällig geworden; wir wissen vielmehr, dass die Bildung von Dauersporen gerade für die Infectionserreger eine äusserst seltene Erscheinung ist und haben in praxi wohl nur die Sporen der Milzbrand- und Tetamusbacillen in Betracht zu ziehen; von den Erregern des Rotzes, der Diptherie, der Tuberkulose, der Influenza u. s. w. dagegen steht fest, dass sie viel weniger resistent als Milzbrandsporen sind. „Was hat es dann noch für einen Sinn bei der Desinfection gegen jene Krankheiten, Mittel zu verlangen", schreibt Flügge im Klinischen Jahrbuch, „welche sogat' Gartenerde abtödten". „Fast jeder Krankheitserreger", fährt Flügge fort, „zeigt eine speciiische Empfindlichkeit gegen die einen und eine relative Unempfindlichkeit gegen die anderen Desinfectionsmittel. Alle unsere gebräuch- lichen Mittel mussten als Desinficientien gestrichen werden, wenn man Garteuerde als allgemeines Kriterium benutzen wollte." Längst hat sich die Dampfdesinfectiou als ungenügend oder verbesserungsbedürftig erwiesen, auch das Abwaschen und Abspritzen mit verdünnten Sublimatlösungen hat nicht den gehegten Erwartungen entsprochen; vor allem aber waren die hierdurch verursachte Beschädigung von Mobein und Tapeten und der überaus lästige und un- bequeme Transport der inficirten Kleidungsstücke nach der Desinfectionsanstalt Faktoren, die Desinfection ganz allgemein bei dem Publikum in Misskredit zu bringen. Mit der Erkenntniss der stark bactericideu Wirkung des Formaldehyds bricht eine neue Aera in der Frage der Wohnungsdesinfection nach ansteckenden Krankheiten an: speciell den Diphteribacillen, Pestbacterien, Tuberkel- bacillen, Milzbrandsporen, Influenza - Cholerabacterien, Streptococcen gegenüber entfaltet er eine ungemein kräf- tige Wirkung und nur für die Praxis durchaus belanglose Forderungen werden durch denselben nicht erfüllt. Was der Formaldehyddesinfection aber vor allem Eingang auch in den breitesten Volksschichten verschaift hat, das ist ihre ungemeine Handlichkeit bei grösster Einfachheit, vornehmlich aber der billige Preis der Einzel- desinfection, der auch dem minder Bemittelten ihre An- wendung ermöglicht. Ganz in Fortfall kommt ausserdem das Fortsehaffen jeglicher Gebrauchsgegenstände nach 26 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 3. einem dritten Ort, während sonstige Beschädigungen von Möbeln und Tapeten durchaus ausgeschlossen sind, Momente, die geeignet erscheinen, die Formaldebyd- desinfection zu einer volksthümlichen Einrichtung zu ge- stalten. Der Formaldehyd, der die empirische Zusamnien- set7Aing CHjO besitzt, entsteht bei gemässigter Oxydation des Methylalkohols und ist das stärkste aller bekannten Desintectionsmittel, das an Wirksamkeit dem Sublimat gleichkommt, in eiweisshaltigeu Lösungen aber letzterem weit überlegen ist. Wie Ijereits oben angedeutet, wirkt Formaldehyd in dampf- förmigem Zustande äusserst kräftig bac- tericid, während es auf höhere Lebewesen selbst hei fortgesetzter Einathmung grösserer Gasmengen, keinerlei schädigen- den Einfluss ausübt; auch als Desodori- rungsmittel leistet der Formaldehyd vor- zügliche Dienste, da er sich mit solchen Körpern, die üble Gerüche veranlassen, zu geruchlosen Verbindungen kuppelt, die Gerüche demzufolge nicht blos verdeckt, sondern vöUig zerstört. Als Conservirungsmittel hat sich der Formaldehyd bestens be- währt, er ist das nati^irlichste Conservirungsmittel, da er im Holzrauch enthalten ist, dessen unangenehme Eigen- schaften indessen nicht auf- weist. In den Handel kommt der Formaldehyd meist in 40 procentiger wässriger Lö- sung, doch finden auch alko- holische Auflösungen Ver- wendung. Es scheint mir, bevor ich auf die neu geschaffene Formaldehyddesinfection mit- tels der Kapillar-Doppellampe näher eingehe, nicht uninter- essant, einen kurzen Rück- blick auf die bisher diesem Zwecke dienenden Apparate zu werfen, und zwar lassen sich dieselben in zwei grosse Gruppen eiutheilen, in solche Apparate, die zur Desinfec- tion Lösungen des Formal- dehyd verwenden uikl in solche, die sich unter zweck- ~^^==-=^. ;;.^ massigem Modus des festen Paraforms, eines Folymerisatiousproductes des Form- aldehyds bedienen. Wie die Erfahrung lehrt, gelingt es nicht, 40 procentige Formaldehydlösungeu ohne weiteres im Dampftopf zu verdampfen, da beim Eindampfen der- selben festes, unwirksamer Paraformaldehyd oder Trioxy- methylen abgeschieden wird ; man hat daher bei der Con- struction von Verdampfungsapparaten zu Desinfections- zwecken mittels Formaldehydlösungen sein Augenmerk auf die Verhinderung dieser Paraformbildung zu richten. Trilliat, der 40 procentige Formaldehydlösungen im Auto- claveu verdampft, will dieselbe durch Zusatz von Chlor- calcium beseitigt haben, Rosenberg glaubt durch Menthol- zusatz die Frage zu lösen, und Walter-Schlossmann giebt einen Zusatz von Glycerin. Nach der Flügge-Breslauer Methode werden nur 8 procentige Formaldehydlösungen, die glatt und ohne Polymersation verdampfen sollen, vergast. — In die zweite Gruppe endlich fällt die Scheringsehe Lampe, die sich den Wiederübergang des festen Paraforms beim Erhitzen in Formaldehyd unter Zufuhr von Wasser zu Nutze macht. — Die Desinfectionslampen erster Gruppe kranken sämmt- lich an dem hohen Preise des Apparates selbst, während die Verwendung des Paraforms neben anderen Miss- ständen durch den theuren Preis dieses Materials ungünstig beeinflusst wird. Es schien daher von hoher Bedeutung, eine Construc- tion zu finden, die bei entsprechender Billigkeit des Apparates eine möglichst glatte Verdampfung von hochprocentigcn Formaldehydlösungen, die zu verhältniss- mässig niedrigem Preise käuflich zu be- schauen sind, gewährleistet. Eine solche Anforderung nun erfüllt die tolgend be- schriebene Capillar-Doppellampe, von der wir unseren Lesern eine naturgetreue Ab- bildung beigegeben haben; infolge ihrer eigenartigen Anordnung verhindert die Capillar-Doppellampe einerseits eine Zer- , Setzung solcher Flüssigkeiten, die sich bei längerem Er- hitzen chemisch zerlegen würden, andererseits aber ge- stattet sie auch ein gleich- massiges und gefahrloses Ver- dampfen feuergefährlicher Liquiden. Dies wird dadurch erreicht, dass nicht, wie beim gewöhnlichen Verdampfen, die ganze zu verdampfende Flüssigkeitsmenge auf einmal der Wärmequelle ausgesetzt wird, sondern stets nur so viel, als eben zur Verdampfung gelangt, während die übrige Flüssigkeit bis zum Moment der Vergasung ihre gewöhn- liche Temperatur beibehält. In höchst einfacher Weise lässt sich hierzu die Saug- kraft von Kapillarröhren ver- werthen : Wie aus der Figur leicht ersichtlich, setzt sich der ganze Apparat im wesent- lichen aus einer unteren Spiri- tuslampe, an der drei Streben __ verfertigt sind, die oben einen -- -.^=^^^- — ringförmigen Halter tragen und einer mittels Dochtes fest verschlossenen Flasche, die auf einem Teller ruht, zusammen, das heisst, aus nichts anderem wie aus zwei zu einem System combinirteu Lampen. Es erübrigt nur noch, einen Blick auf die charakte- ristische Wirkungsweise unseres Apparates zu werfen. Füllen wir unsere Flasche mit der der Lampe beige- gebenen hochprocentigcn Formaldehydlösung: Tysin, setzen die zugehörige Docht-Verschlusskappe wieder fest auf das Gefäss und schieben dasselbe umgekehrt in der aus der Figur gekennzeichneten Weise durch den Ring, dann saugen sich die auf dem Teller gelagerten Dochte mit Flüssigkeit voll und das Ganze gelangt, ohne dass ein weiteres Nachströmen von Flüssigkeit stattfindet, zur Ruhe. Es treten zunächst die Gesetze der Kapil- larität, Adhäsion und Cohäsion, in Kraft, denn die ge- sammten Dochtplatten sind eben nichts anderes als ein XVI. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 27 CDg aneinander gelagertes Sj'stem feinster Haarröhrchen, der äussere Luftdruciv aber ist stark genug, um dem auf dem Kapillarsystem lastenden Druck der überstehenden Fliissigkeitssäule das Gleichgewicht zu halten und damit einem Ausfliessen der Flüssigkeit vorzubeugen. Zünden wir nun unseren Spiritusbrenner an, so wird mit zunehmender Erwärmung des Tellers die Temperatur desselben schliesslich so hoch gesteigert, dass die auf ihren Siedepunkt erhitzten Flüs.sigkeitspartikelchen der Dochtplatten verdampfen; alsbald sucht sich das Gleich- gewicht im Kapillarsystem wieder herzustellen, der Docht beginnt beständig in dem Maasse Flüssigkeit nachzusaugen, als durch die fortgesetzte Verdampfung verschwindet. Nicht unpassend könnte man das Ganze mit einer in Thätigkeit betindlichen Pumpe vergleichen, bei der die am Pumpenschwengel wirkende Kraft durch eioe Wärmer quelle geliefert wird; andererseits unterscheidet sich der Apparat von einer gewöhnlichen Lampe theilweise da- durch, dass er nicht durch seine eigene Verbrennungs- wärme functionirt, vielmehr hierzu einer anderen Wärme- quelle bedarf, was durch die Bezeichnung Doppellampe ausgedrückt werden soll. Wie die Versuche gelehrt haben, ändert das in der Flasche stehende Liquidum während des Verdampfuugs- vorganges seine Temperatur nicht, das erklärt sich einer- seits durch das continuirliche Strömen der Flüssigkeit aus dem Gefäss nach dem Dochte, wie auch dadurch, dass die Flüssigkeiten schlechte Wärmeleiter sind. In den unteren Theil des Flaschenhalses ist ausserdem eine äusserst feine Oeffuung eingebohrt, die den ungehinderten Eintritt kleinster Luftblasen gestattet, wodurch die sich einstellende Differenz des inneren und atmosphärischen Luftdrucks, während des Verdampfens stets wieder aus- geglichen wird, sodass ein ununterbrochenes und höchst exactes Functioniren gesichert ist. Die Anzahl der Docht- fäden darf selbstverständlich weder zu gross, noch zu klein sein, das heisst mit anderen Worten, die Kapillar- röhren müssen einen bestimmten Durchmesser haben, denn ersteren Falls würde die Flüssigkeit anströpfeln, zweiten Falls aber die Schnelligkeit der Vergasung erheblich ver- mindert werden. Die von Piorkowski mit der Kapillar-Doppellampe mittels Tysin vorgenommenen bacteriologischen Versuche erstrecken sich auf Typhus und Dipliteriebacterien, i Staphylo- und Streptococcen, Tuberkel-Milzbrandbacillen und Milzbrandsporen. Diese Baeterienmassen wurden auf Deckgläschen, Thonplatten, Holzstückchen, Seideufäden und Leinwandläppchen in dünner oder dicker Schicht aufgetragen, theils frei ausgelegt, theils mit leichten Papierlagen bedeckt, theilweise in wollene Lappen gehüllt, in Kleidungsstücken verborgen oder unter Thierkäfige gelegt. Nachdem constatirt worden war, dass 10 ccm Spiritus rund 40 ccm Tysin zur Verdampfung bringen, konnte durch verschieden inscenirte Experimente nachgewiesen werden, dass für einen Raum von 10 cbm Inhalt 150 ccm Tysin ausreichen, um denselben binnen 3 Stunden der- artig mit Formaldehydgasen anzufüllen, dass eine voll- ständige Oberflächendesinfection erreicht war, die sich auch auf ein so resistentes Material wie Milzbrandsporen er- streckte, selbst wenn dieselben mit einer leichten Papierlage überdeckt waren. Ein Verbrauch von 100 ccm wirkte stark hemmend auf das Wachsthum der Bacterien. Bei sporen- losen Mikroben, und das ist in praxi der gewöhnliche Fall, waren schon 50 ccm Tysin ausreichend. Sümmt- liche Testobjecte waren steril und sorgfältig bereitet worden, vor der Einlage in Bouillon- und Agarröhrchen theilweise mit Ammoniakhaltigem Wasser abgespült, theil- weise nicht, endlich aber waren auch Controllobjecte theil- weise mit Ammoniakwasser, theils ohne solches, in die betreffenden Nährböden eingebettet und bei 37" dem Thermostaten übergeben worden. „Es erübrigt nur noch", schliesst Piorkowski in der Medicinischen Woche, „zu sagen, dass der Preis der Lampe ein niedriger ist, und dass vor allem der Kosten- punkt schon darum für die Desiufectionsmethode nicht sehr hoch veranschlagt werden kann, weil die Flüssig- keitsverwerthung eine geringe ist. Da noch die äussere, handliche, elegante Ausstattung eine weitere angenehme Zugabe ist, steht zu erwarten, dass die Capillar-Dnppel- lampe für den Gebrauch von Krankenhäusern, Kasernen, Schulräumen, Versammlungssälen wie überhaupt für alle solche Deplacements, wo viele Individuen sich gelegent- lich ansammeln, und wo übrigens die natürlichen Verhält- nisse bei weitem nicht dem Bacterienreichthum entsprechen und entsprechen können, wie er im Verlaufe der Experi- mente herangezogen werden musste, von volkshygienischer Bedeutung wird." Photometrie mittels lichtempfindlicher Papiere. Vortrag, gehalten in der Freien photograpliisclien Vereini Es giebt wohl kaum ein exactes wissenschaftliches Instrument, das in dem Grade populär geworden ist, wie das Thermometer. In keinem Haushalte, der nur einiger- maassen nach modernen Anschauungen gefuhrt wird, ver- lässt man sich auf die blosse Schätzung, ob unsere Zimmer warm genug sind, sondern man misst in Grad und Zahl. Wie ganz anders bei der Frage, ob unsere Arbeits- plätze hell genug sind, einer Frage, die dem Arzt mindestens ebenso wichtig erscheint, als die nach der Temperatur. Die Ursache dieser Verschiedenheit liegt offenbar in dem Mangel eines Messinstrumentes, das an Einfachheit und Billigkeit auch nur entfernt mit dem Thermometer concurriren könnte. Unsere sogenannten Photometer brauchen nahezu alle auf der Vergleichung der untersuchten Helligkeit mit der durch eine bestimmte uig von Dr. Arthur Crzellitzer, Augenarzt in Berlin. willkürliche, sogenannten Normalkerze erzeugten Hellig- keit. — Nebenbei gesagt ist diese Beleuchtungseinheit der Nor- malkerze in jedem Lande eine andere, während die Temperatureinheit, der Celsiusgrad, in allen Ländern ausser England internationales Gemeingut geworden ist. Bei uns in Deutschland rechnet man photometrisch mit der Beleuchtungseinheit MK, d. h. derjenigen Beleuch- tung, die in 1 m Horizontal-Abstand geliefert wird von einer Amylacetatflamme bestimmter Höhe und bestimmter Dicke des Dochtes. Früher hatte man Stearin- resp. Spermacetikerzen bestimmter Beschaffenheit. Ich kann und will an dieser Stelle nicht genauer eingehen auf die Art und Weise, wie bei diesen Photometern die Vergleichung zwischen MK und unter- suchter Beleuchtung ermöglicht wird. Ich erinnere Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Ni Sie nur z. B. an das, Ihnen wohl von der Schule bekannte sogenannte Fettfleckphotometer von Bunseu, bei dem ein Blatt Papier mit einem Fettfleck in der Mitte von der einen Seite beleuchtet wird durch die zu prüfende Lichtquelle, von der anderen Seite durch eine Normal- kerze. Man variirt dann den Abstand zwischen dieser und dem Papierblatt so lange, bis der Fettfleck unsicht- bar und somit die Intensität der beiden Beleuchtungen gleich ist. Da die Lichtintensität mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, so giebt das Verhältniss der Ab- stände beider Flammen vom Papierblatt ins Quadrat er- hoben die gewünschte Maasszahl. Dieses Prinzip ist weiter ausgebaut worden, man hat, anstatt den Fettfleck mit seiner Umgebung zu vergleichen, die Vergleichsfelder hergestellt durch Prismen, durch Nicols, durch Spiegel etc. etc. Das vollkommenste Instrument dieser Art ist das Photometer von Prof. Leouhard Weber und dieses musste ich deshalb nennen, weil es das einzige quanti- tativ arbeitende Instrument ist, dass wirklich in die Praxis Eingang gewann und mit dem in den letzten Jahren wohl sämmtliche Lichtmessungen vorgenommen wurden. Ich sagte soeben „Eingang in die Praxis"; gemeint ist natürlich nur ..Eingang in die Laboratorien", denn es ist klar, dass das grosse Publikum, das Thermometer kauft und benutzt, niemals sich befreunden wird mit einem Photometer, das 30(l Mark kostet, zu seiner Montage ','2 Stunde Zeit und geübte Hände verlangt, ferner sehr sorgfältige Regulirung der im Innern brennenden Benzin- flamme, eine halbe Stunde Zeit, bis diese gleichmässig brennt, ca. einen Cubikmeter Platz zur Aufstellung und schliesslich — eine Logarithmentafel, Um aus den Ab- lesungen die gesuchte Beleuchtung zu berechnen. Bei dieser Sachlage erschien die Aufgabe dankbar, unter Verzicht auf die Methode der Vergleichung mit einer Normalkerze, das Licht Arbeit leisten zu lassen entsprechend wie die Wärmestrahlen automatisch die Ar- beiten der Quecksilberausdehnung im Thermometer be- sorgen und so die — in andere Energieform umgesetzte Lichtintensität zu messen. Nur im Vorübergehen sei hier als ein solcher Um- setzungsversueh das Siemens'sche elektrische Photo- meter erwähnt. Sie wissen alle, dass Selen die Eigen- thümlichkeit hat, seinen Widerstand gegenüber dem elek- trischen Strom zu verändern, je nachdem, wie stark es von Licht bestrahlt wird. Damit ist das Prinzip des Apparates gegeben: Siemens misst die Stärke eines elektrischen Stromes, in den eine Selenzelle eingeschaltet ist, die in einer Art Camera befindlich, sc. das Objectiv con- centrirtes Licht der zu untersuchenden Lichtquelle erhält. Ich habe den Apparat nie gesehen; er hat sich be- kanntlieh nicht eingebürgert und ich will auf die wahr- scheinlichen Gründe hier nicht eingehen. Viel näherliegend, besonders für Sie, meine Herren, die Sie alle photographiren, ist der Gedanke, die photo- chemische Energie zu benutzen; dieselbe Energie, die auf unseren Platten den gestirnten Himmel wie das Menschen- antlitz, den zuckenden Blitz wie das galoppirende Ross, riesige Berge und winzige Bacterien zu bleibendem Bilde bannt. Dieser Gedanke ist so naheliegend, dass es nicht wunderbar erscheint, wenn schon vor uns andere For- scher diesen Weg betreten haben. Ich erinnere an das sehr complieirte Pendelphotometer von Bunsen- Roscol, an das Vogel'sche Aktinometer und andere, die ich kennen lernte, als ich mit meinen ersten eigenen Ver- suchen gescheitert war und mich dann durch Schaden belehrt, in der Litteratur orieutirte. Worin liegt nun der Grund, dass meine anfänglichen Ver.suche keine Resultate lieferten und dass die genannten Instrumente ebenfalls kein praktisch brauchbares Photometer darstellen"? Hier ist der springende Punkt unseres Themas und hier lassen Sie mich etwas ausführlicher werden. Was wir „Licht" nennen, ist die Summe aller derjenigen Strahlen, die geeignet sind, die Netzhaut unseres Auges zu er- regen. Eine Strahlenart von bestimmter Wellenlänge, z. B. 589 Milhonstel Millimeter (ijfi) erzeugt uns die Em- pfindung des reinen Gelb; Strahlen von grösserer Wellen- länge erscheinen mehr rot, von kürzerer mehr blau; Ge- mische von Strahlen verschiedener Wellenlänge erscheinen mehr oder weniger weiss, aber über rund 800 juft und unter rund 400 ;u,u kann unser Auge nichts mehr wahr- nehmen. Obgleich nun der grösste Theil dieser selben Strahlen auf die photographische Schicht (Platte oder Papierj wirkt, so wäre es doch ein grober Fehler, „Licht" zu definiren als die Summe derjenigen Strahlen, die unsere sog. „lichtempfindlichen" Platten beeinflussen. Diese Art Auffassung des Begriffes „Licht" wird mitunter ge- macht, aber sie ist deshalb falsch, weil die Platte auf andere Strahlen roagirt als die menschliche Netzhaut. Wenn wir — ganz abgesehen von den Röntgenstrahlen etc. — wenn wir ein sog. objectives Spectrum betrachten, d. h. ein auf einem Schirm mittels Prisma entworfenes F'arbenbaud, so erscheint unserer Betrachtung die Gegend des Gelb (mit der oben erwähnten Wellenlänge von 589 fjifi) am hellsten, dagegen scheint Violett schon schwach zu leuchten. Die Platte, die wir jenen Schirm substituiren, ist nicht bloss für das uns unsichtbare Ultra- violett noch empfindlich, sondern ihr erscheint, wenn ich so sagen darf, das Blauviolett als die hellste Farbe, während sie für das Rot beinah blind, d. h, unempfind- lich ist. Mit anderen Worten: das Maximum für optisch wirksame Strahlen liegt in Gelb, dasjenige für chemisch wirksame oder aktinische in Violett. Wenn ich nun einen Streifen mit einer Reihe Löcher nehme, überklebe unter Freilassung des ersten Loches das zweite mit einer Lage Seidenpapier, das dritte mit zwei Lagen, das vierte mit drei und so fort und befestige darunter eine photographische Schicht, so kann ich durch immer gleich lange Expositionen in der Anzahl der ab- gedruckten Löcher ein Maass sehen für die Intensität der vorhandenen aktinischen Strahlen. Nach dem oben gesagten wäre es aber falsch, zu erwarten, dass hiermit ohne weiteres auch ein Maass für die optische Intensität gegeben sei. Meine ersten Versuche gingen dahin, mich darüber zu orientiren, bis wieweit diese beiden' Grössen differiren. Ich habe derartige, einfache Instrumentchen hergestellt, die dem Vogel'schen Sensitometer ziemlich genau entsprechen. Während Vogel aber nur darauf ausging, die aktinische Intensität zu messen, um dadurch die nöthige Expositionszeit für Kohledrucke etc. zu er- mitteln, wollte ich das Verhältniss der optischen zur aktinischen Intensität feststellen. Ich maass erstere mit dem Weber'schen Photometer, letztere durch Einschieben sehr verschiedener Auscopierpapiere unter den Löcher- streifen. Ich stellte meine Versuche zu den verschiedensten Jahres- und Tageszeiten an; durch geeignete Vorrichtungen, einen Lichtschacht, an dessen unterem Ende ich arbeitete, während das obere, gegen den Himmel gerichtete beliebig abgesperrt werden konnte, Hess sich jede gewünschte Verminderung der optischen Helligkeit erreichen. Ich arbeitete mit optischen Intensitäten von 7 bis über 300 MK . Meine Resultate werden Ihnen nicht neu erscheinen; Sie alle wissen, und in allen photographischen Rathgebern steht die Vorschrift, man solle um die Mittagszeit herum ])hotographiren; so zwischen 10, '/gH bis 4, '/aö Uhr, XVI. Nr. o. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Sie alle habeu sicli gewiss schon niancliesnial geärgert, wenn an einem sonnigen Abend, sagen wir um 7 Uhr, wo es scheinbar, cl. h. für unser Auge, noch recht hell war, die Platte Hau wurde und die Abzüge nicht kommen wollten. Die Ursache liegt darin, dass eben aktinische und optische Helligkeit in keinerlei Proportionalität stehen und mithin bei gleicher Helligkeit in verschiedeneu Monaten oder zu verschiedener Tageszeit sehr verschiedene che- mische Wirkung vorhanden sein kann. Wenn ich z. B. 5U MK am Mittag durch Verfinstern herstellte und verglich die photochemische Intensität mit der einer Abendbe- lenchtung von gleicher optischer Stärke, so zeigte sich Mittag z. B. noch Loch drei oder vier abgedruckt; Abends war nirgends eine Spur von Bräunung zu erkennen. Dabei war gleichgiltig, mit welchem Papier ich arbeitete. Ich verwandte prinzipiell nur Auscopierpapiere aus praktischen Gründen, im Hinblick auf meinen End- zweck aber die allerversehiedensten im Handel käuflichen Celloidin- und Albuminpapiere, Bromsilber-Eastman, ferner Biehronet])apier (nach Vogel 's Vorschrift von mir her- gestellt) und andere. Das letztere erwies sich, ebenso wie in Arg. nitric. sensibilisiertes wegen Inconstanz und schlechter Haltbarkeit recht ungeeignet. Die empfind- lichsten waren „Celloidin Schering" und „Vclix," ein Eut- wicklerpapier der Firma Blochwitz. Für Tageslicht stellte sieh also heraus, dass das Verhältniss zwischen leuchtenden und pliotochcmisehen Strahlen variiert nicht blos nach Tages- und Jahreszeit, sondern auch offenbar nach dem Gehalt der Luft an Feuchtigkeit, an Staub, Rauch etc. etc. und dass es so- mit unmöglich ist, die gewöhnlichen violettempfindlichen Papiere zur direkten Photometrie zu benutzen. Nun hat aber Dr. Andresen in Treptow in einer Arbeit „zur Aktinoraetrie des Sonnenlichtes" neuerdings die Mittheilung gemacht [ich citiere wörtlich] „es sei ihm gelungen, haltbare, direkt kopierende Papiere herzu- stellen, welche das Maximum der Empfindlichkeit in einer beliebigen Region des Spectrums besitzen;" er benutzte dabei übrigens das von Vogel in streng logischer, theo- retischer Erwägung gefundene Prinzip der Sensibilisiernng noit farbenabsorbierenden Mitteln. Damit war meine vor- hin ausführlich auseinandergesetzte Forderung erfüllt, und wir können nunmehr ein Papier wählen, das sein Helligkeitsmaxiraum an derselben Stelle, wie unsere Netz- haut besitzt. Genauer gesagt haben allerdings die An- dresen'schen Papiere stets zwei Maxima: das eine ist das altbekannte Bromsilbermaximum (zwischen Blau und Violett), das andere ist das künstlich durch Sensibilisirung bewirkte; z. B. für Gelb durch Zusatz von Rhodamin B. Man kann aber durch Vorsetsen einer die violetten Strahlen absorbierenden Schicht nur das Gelbmaximum wirken lassen. Andresen hat für seine Zwecke, die ganz andere waren als die meinen, dies durch Glascüvetten gefüllt mit alkoholischer Auraminlösung erreicht. Eine gelbe Glasscheibe aber oder ein derartiges gelbgefärbtes Gelatineblatt erfüllt wie ich mich spectroscopisch über- zeugte, denselben Zweck und es genügt, dieses auf meinem Lochstreifen zu befestigen. Ich hatte derartige Versuche in Strassburg bereits begonnen und nur meine Abreise bei meiner Uebersiedelung nach hier verhinderte die Be- endigung. Und doch stehe ich nicht so ganz mit leeren Händen vor Ihnen; wenn Sie mir gestatten, in meine bisher hoffentlich logischen W'orte etwas chronologisches einzu- flechten, so will ich nachträglich berichten, dass ich schon vor 1^/^ Jahren meine Versuche mit den bisherigen Papieren beendet hatte. Schon damals hatte ich erkannt, dass und warum es unr.i'iglicb sei, mit den bisherigen, violettempfindlichen Papi'M-en Tageslicht zu photometriren. Von Andresen wusste ich damals noch nichts Arbeit las ich erst im Januar dieses Jahres; so kam ich denn damals auf einen anderen Gedanken: geht es nicht bei Tageslicht so dachte ich, gut, wollen wir mal künst- liches Licht untersuchen. Das Auer'sche Glühlicht er- schien mir am aussichtsreichsten, denn es zeigt, wie ich mit Weber' s Photometer feststellen konnte, eine ausser- ordentliche, fast absolute Constanz im Verhältnis der rothen zu den grünen Strahlen. Alle die bei Tageslicht stören- den Wirkungen des verschiedenen Sonnenstandes, des Luftdruckes, des atmosphärischen Staubes etc. fallen hier bei der künstlichen Lichtquelle fort und so war zu er- warten, dass hier die aktinische Intensität proportional gehen würde zur optischen. Und in der That, es war so. Hier erhielt ich bei einer und derselben Helligkeit in gleicher Zeit bei gleichem Papier stets gleiche Bräu- nung, bei verschiedener Helligkeit auch stets verschiedene Bräunung. Auch andere als der gewöhnlich benutzte Brenner zeigten dasselbe Verhältnis der rothen zu den grünen, so- wie zu den chemischen Strahlen. Soweit war die theoretische Vorbedingung für die exacte Helligkeitsmessuilg hier erfüllt. Die Schwierigkeit lag hier auf anderem Gebiet, näm- lich in der Beschaffung eines genügend empfindlichen Papiers. Es ist nämlich dnrchaus nicht etwa in einer Auerlichtbeleuchtnng von 60 MK dieselbe aktinische Ener- gie enthalten, wie in 60 MK Tageslicht. Die chemische Energie ist vielmehr so gering, dass die sämmtlichen gebräuchlichen^Papiere nur in allergrösster Nähe des Auerstrumpfes und nach längerer Exposition ge- schwärzt werden. Mein Bestreben ging daher darauf, empfindlichere Papiere zu erhalten, und ich versuchte zunächst die Sen- sibilisierung mit Arg. nitricum (Bromsilber-Eastmanpapier in einprozentiger Höllensteinlösung fünf Minuten gebadet). So gewinnt man ein ausserordentlich empfindliches Prä- parat aber dieses zeigt nur in den ersten vier Stunden, nachdem es trocken geworden, eine gewisse Constanz. Von da an nimmt es so rasch an Empfindlichkeit ab, dass seine Verwendung ausgeschlossen erschien. Schliesslich, ein volles Jahr nach Beginn dieser Arbeit, ertheilte mir Professor Eder in Wien den gütigen Rath, einmal die Sensibilisierung mit Nitriten zu versuchen und ich gelangte so endlieh in den Besitz des lange ge- suchten, brauchbaren Papiers. Nach der A;bney'schen Formel stellte ich dieses folgendermaassen her. Photo- graphisches Rohpapier (Rives) badete ich ö Minuten in 6 Prozent Bromkalilösung, Hess es an der Luft trocknen, dann 2 Minuten lang auf 12 Prozent Arg. nitrici-lösung schwimmen, wässerte in strömendem Wasser aus und badete es schliesslich in fünfprozentiger Natriumnitrit- lösung während fünf Minuten.. Von solchem nitriertem Bromsilberpapiere rühmt Andresen eine durch ein volles Jahr erprobte Haltbarkeit. Ohne über so lange Erfahrung zu verfügen, kann ich bestätigen, dass ich zwischen frisch gefertigtem und monatealtem Papiere keinerlei Unter- schied der Empfindlichkeit (gegenüber Tages- und Auer- licht) fand. Um die vielen Controll-Photometrirungeu zu ersparen und für die Graduirung des Papiers constantes Auerlicht bequem abstufbar zur Hand zu haben, traf ich folgende Anordnung. Zwischen Gasleitung und Auerlampe wurde zunächst ein Druckregulator eingeschaltet; der Brenner selbst sass am Ende einer 25 cm langen, innen ge- schwärzten Blechröhre; hinter ihm eine mit schwarzem Saramet überzogene Platte, so dass in der Armrichtung der Röhre nur direkt vom Querstrumpf kommendes und so gut wie gar kein reflectirtes Licht geworfen wurde. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 3. Vergleichende Messungen mit dem Web er 'sehen Photo- meter, die durchschnittlich alle fünf Tage vorgenommen wurden, zeigten, dass dann im sonst finsteren Zimmer thatsächlich die Helligkeit mit dem Quadrat der Ent- fernung abnahm, es genügte daher für meine Versuche, nur den Abstand vom Strumpf zu kennen und das schwer- fällige Controlliren mit dem Web er sehen Instrument konnte für gewöhnlich fortfallen. Nebenbei betrug die Helligkeit, einen Meter hori- zontal von der Mitte des Auerstrumpfes entfernt, mit ausserordentlicher Constauz 48 MK. Aus dieser Constanz, die sich über Monate erstreckte, im Gegensatz zu den häufig so rasch „alternden" Strümpfen unserer Zimmer- lampen, folgt für mich auch die grosse Bedeutung „liebe- voller Behandlung" einer Auerlampe für die Dauer guten Funktionirens. Unser Dienstpersonal ist aufgewachsen in der Aera robusterer Beleuchtungsmittel, die eher einen Puff und Stoss vertragen konnten und hat meist noch ganz ungenügende Geschicklichkeit für die Reinigung und Instandhaltung einer Auerlampe. Dies nur nebenbei. Meine Aufgabe war jetzt einfach. Perforirte Carton- blätter, mit dem erwähnten Papier beschickt, wurden von 5 zu 5 cm senkrecht zur Axe des Rohres exponirt, und es Hess sich so feststellen, dass schon 13 MK Auerlicht genügen, um in 45 Minuten eine erkennbare Schwärzung hervorzurufen. Diese scheinbar etwas lange Zeit wurde gewählt, da für alle Scbulzwecke gerade diese Frist die bequemste ist. Der Lehrer bringt das Photometer even- tuell mit in die Klasse, exponirt sofort am zu unter- suchenden Platze und sieht am Schlüsse der Stunde, ob überhaupt etwas erkennbar ist. Ist gerade das erste (freigelassene) Loch (No. 0) abgedruckt, so ist mindestens eine Aueriichthelligkeit von 13 MK vorhanden; denn schon bei 11 MK giebt das Papier keinerlei Reaction mehr. Die erste Spur von dem nächsten, mit einer Lage Seidenpapier überspannten Loch (Nr.I ) tritt nach einer grösseren Zahl von Versuchen bei 24 MK auf. Sieht man etwas von Nr. I, so ist also mindestens eine Hellig- keit gleich 24 MK vorhanden. In derselben Weise liess sich feststellen, dass Nr. II nicht unter 34 MK, Nr. III nicht unter 61 MK einen Abdruck liefert. Und nun, meine Herren, gestatten Sie mir zum Schluss noch ein kurzes Wort über den hygienischen Werth, den die so ermittelten Zahlen haben. Es ist Ihnen wohl bekannt, dass die Hygieniker und Augenärzte in den letzten Dezennien dazu gelangt sind, Minimalwerthe an Beleuchtung für unsere Arbeitsplätze zu normiren; bleibt die Helligkeit unterhalb dieser Grenze, so leidet unser Sehorgan. Der verdienstvolle Schulhygieniker, Prof. Hermann Cohn in Breslau, hat die Forderung von 10 MK erhoben; gemeint ist eine Rothheligkeit von 10 MK ; eine Aueriicht- helligkeit, deren rother Antheil 10 beträgt, muss die Weiss- oder Gesammthelligkeit von ca. 14 MK besitzen. Auf der 1899er Versammlung des Deutsehen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, hat es sich gezeigt, dass andere Hygieniker noch etwas bescheidener sind. Ker- mauner und Prausnitz sind schon mit 8 MK für rothe Strahlen, d. h. 11,2 Gesammthelligkeit, zufrieden. Somit kann ich resüniiren, dass jeder Arbeitsplatz untaugUch ist, auf den durch Querbeleuchtuug in 45 Minuten nicht wenigstens Loch Nr. 0 abgedruckt wird. H. Cohn ver- langt sogar Nr. I. Ist Nr. III eben kenntlich, so ist die Helligkeit als „gut" zu bezeichnen, denn bei mehr als GO MK hat unser Auge sein Leistungsmaximum erreicht. In dem Momente, wo eine Fabrik die Herstellung des Papiers, sowie des einfachen Instrumentchens über- nimmt, ein Moment, der bis jetzt noch nicht eintrat, ist, wie mir scheint, für jeden, den es interessirt, die Möglich- keit gegeben, objectiv festzustellen, ob eine Auerlieht- lustallation einen bestimmten Arbeitsplatz ungenügend, genügend oder gut beleuchtet, eine Frage, die für die Arbeitsfreudigkeit wichtiger ist, als ihre bisherige Ver- nachlässigung erwarten Hesse. Ein flüchtiges Oift. — Die Erd-Assel, Julus terrestris, besitzt bekanntlich zu beiden Seiten des Rückens als foramina repugnatoria bezeichnete Porenreihen, die früher als Stigmen gedeutet wurden, bis sie als Drflsenöffnungen erkannt wurden; aus ihnen lässt die Assel, wenn man sie mit den Fingern anfasst und sie sich da sofort auf der Bauch- seite zusammenrollt, eine gelbe, scharf und stark riechende Flüssigkeit austreten, welche die Haut gelb färbt. Diese an der Luft sehr schnell vertrocknende Ausscheidung dififundirt sofort in Wasser, wenn man die Thiere hinein- hält, und färbt es gelb; um sie näher zu prijfen, hat C. Phisalix (nach Comptes rendus, CXXXI, No. 22) von 100 Asseln das Secret in 25 com destillirten Wassers gesammelt und mit dieser Lösung Meerschweinchen ge- impft. Ersichtlich verursachten die Impfungen den Ver- suchsthieren sofort heftige Schmerzen, denn sie suchten sich unter Geschrei durch die Flucht zu retten. Doch trat bei Impfungen in die Extremitäten schliesslich wieder Genesung ein, während sich bei Impfungen in die Darm- haut das Gift gefährlicher und tödtlich erwies. Ihre tödtliche Gewalt bethätigte die Lösung auch noch nach monatlanger Aufbewahrung, sowie nach starker Erhitzung bei Luftabschluss, während sich die Giftigkeit beim Kochen an freier Luft mindert. Das Gift ist also flüchtig; es ge- hört wahrscheinlich nicht zu den Eiweissstoften. Einer späteren Mittheilung von Behal und Phisalix zu Folge ist es ein normales Chinon und nehmen es die nur von vegetabilischem Detritus lebenden Asseln vermuthlich mit ihrer Nahrung auf; nach Beijerinck erzeugt nämlich der auf Baumwurzeln lebende Schmarotzerpilz Streptothrix chromogenes de Gasparini im Chinon, das durch seine oxydirende Thätigkeit eine wichtige Rolle bei der Humus- bildung spielen soll. Der Gefrierpunkt des Schweisses von gesunden Menschen liegt nach P. Ardin-Delteil (Comptes rendus CXXXI, No. 20) im Mittel bei — 0,237«, also bei weitem nicht so tief als der des Blutserums (0,55"); allerdings schwanken die für ihn gefundenen Werthe in weiten Grenzen, nämlich zwischen — 0,08" und —0,46", da er je nach den einzelnen Individuen, ferner nach dem Koch- salzgehalte und nach der Drüsenthätigkeit (ob reichlicher Schweiss ausgeschieden wird, wie im Sommer, oder nicht), sich verschieden erweist. .Stickstoff enthaltende vulkanische Produkte ver- danken ihre Bildung vcrmuthHch der Einwirkung des weissglühenden vulkanischen Magmas auf den atmo- sphärischen Stickstoff; neuerdings hat nun R. V. Matt- cucci, wie er der französischen Akademie am 3. De- cember mittheilt, die gleichzeitige Bilduug von zwei ver- schiedenen Stickstoflfsalzen im Krater des Vesuv beob- achtet. Er wurde nämlich am Morgen des 13. Mai, nachdem er sich schon 2 Tage lang zur Beobachtung der vulkanischen Vorgänge am Kraterrande aufgehalten hatte. XVI. Nr. 3. Naturwissenschaft-Helle Wochenschrift. 31 dort von einer schrecklichen Explosion überrascht, die einen Regen von Myriaden weissglühender Blöcke und Schlacken erzeugte, die dicht um seineu Standpunkt herum niederprasselten, wunderbarer Weise jedoch ohne ihm Schaden zuzufügen. Von den hierbei auftretenden wichtigsten Erscheinungen boten die vollständige Weiss- gluth des Kraters und die Menge explosiver und in der Luft zerplatzender Bomben zusammen ein prachtvolles Schauspiel. Unter dem um ihn herum niedergefallenen Vulkanschutt sah nun Mattcucci da Lapilli, welche mit Ammoniaksalz bekleidet waren, ferner aber auch Schlacken mit einem lebhaft und metallisch glänzenden Anfluge einer Eisen-Stickstoflfverbindung. Wetter-Uebei'sicht (December). — Von der Strenge des Winters Hess der vergangene December noch sehr wenig verspüren, da er nur am Schlüsse Deutschland schärferen Frost und stärkere Schneefälle brachte und auch die zwar im Allgemeinen ziemlich lebhaften, über- wiegend westlichen Winde doch selten zu Stürmen an- wuchsen. In Berlin lagen die Temperaturen, wie aus der beistehenden Zeichnung*) ersichtlich ist, sehr häufig mehr als fünf Grade über ihren uormalen Werthen und erhoben Tcnijscrahircn imOcccitifo WO. iMin Temperalur-Minima verschiedener Orte. I December B. n. 16^ 21 JS. BtSlINESWfnfRBlIIEHU sich mehrmals bis 9° C. Ihr Monatsmittel erreichte 3,ö° während hier nach fünfzigjährigen Beobachtungen 0,8° für den December normal ist. Verglichen mit dem sehr kalten December des Jahres 1899, zeigte der letztjährige sogar einen üeberschuss von 6,5 Celsiusgraden, wogegen er von dem December 1898 um 0,7 Grad noch übertroften wurde. Dabei war seine Bewölkung nur wenig stärker, als sie im letzten, zugleich dem trübsten Monat des Jahres zu sein pflegt, wie gleichfalls die Zahl der Sonuenschein- stunden, deren es hier im ganzen 36 gab, dem Durch- schnitt aus den früheren Decembermonaten pehr nahe kam. Auch im übrigen Deutschland war es allgemein un- gefähr um 3 Grad durchschnittlich zu warm. In den nordwestlichen Landestheilen ging das Thermometer sogar bei Nacht nicht häufig unter den Gefrierpunkt herab. Im östlichen Binnenlande und in Süddeutschland gab es *) In dieser Zeichnung ist versehentlich die unterste Curve mit Münster anstatt mit München beaeichnet und für Breslau die Temperatur des 31. Dezember, jedoch zu hoch gesetzt worden. nur dieses um eine Lini E. L. im ersten Monatsdrittel mehrere kältere Nächte, zwischen denen, besonders im Süden, recht warme Tage imd Nächte lagen, dann folgte auch dort eine lange Zeit mit ziemlich gleichmässigem, mildem Wetter. Erst kurz vor Ende des Monats stellte sieh in der ganzen nordöstlichen Hälfte Deutschlands strengerer Frost ein, der in der Provinz Ost- preussen begann und durch scharfe Ostwinde schnell weiter verbreitet wurde. So hatten bei Jahresschluss Memel und Königsberg ^ 18°, Neufahrwasser — 11°, Berlin Morgens — 4°, Abends — 7° C, während gleich- zeitig das Thermometer zu Metz und Mülhausen i. E. noch 7° Wärme anzeigte. Die Niederschläge, welche unsere zweite Zeichnung veranschaulicht, waren in Norddeutschland zwar überall sehr zahlreich, aber in der grösseren Hälfte des Monats wenig ergiebig. Am 4. December fanden die ersten nennenswerthen Schneefälle dieses Winters statt, auf SS .^-i .4, Minierer Weith Für MonatssumineniniDecmiKr .10.0 9897 96 95, 1- % f :2 1 i i s s 1 1 11 90 80 60 50 W 30 1 1 M 1 II __ - -j i 1 4 ' n' tf rl^ 1 i i l-l I »-■I 1 ■ ■in i lull bUdiiM i 1 1 u ^°UiK 9.-27. Dec. iHbd ^^^MM IUI BCRliNEB werTERBURMU. ^ welche mehrtägige, im nördlichen Binnenlaude und cament- lich in Süddeutschlaud ungewöhnlich starke Gussregen folgten, die bis zum Morgen des 8. beispielsweise zu München 85, zu Karlsruhe 70 Millimeter Regen- höhen lieferten. Die in Begleitung heftiger Weststürme herniedergegangeuen grossen Wassermassen hatten zu- nächst ein sehr schnelles Steigen des Oberrheins und seiner Nebenflüsse zur Folge, am 10. December war im gesammten Rheingebiete Hochwasser eingetreten un d auch im Gebiete der Weser war das Land auf weiten Strecken überschwemmt. Zwischen dem 9. und 27. December war es in Süd- deutschland meistens trocken, im Norden kamen zwar häufigere Regenfälle vor, die jedoch auch hauptsächlich nur an der ostpreussischen Küste grössere Mengen er- brachten. Allein in den letzten Tagen des Jahres traten noch längs der ganzen Ostseeküste Schneestürme ein, während in den übrigen Theilen Deutsehlands reichlichere Regen herniedergingeu. So ergab sich schliesslich für den Durch- schnitt der berichtenden Stationen eine monatliche Niederschlagshöhe von 56 Millimetern, die während des vergangenen Jahrzehntes nur zweimal im December über- troff'en worden ist. Zu Beginn des letzten Monats nahm eine tiefe Baro- meterdepression, die besonders in Italien schwere Un- wetter verursachte, das ganze Gebiet zwischen dem 32 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. B. Mittelmeere und der Nordsee uud Ostsee ein, während sich in Scandiuavien ein enger begrenztes Maximum befand. Dort herrschte bereits strenge Kälte, die in Haparauda: — 17°, in Hernösand: — 18° und an den etwas südlich von Drontheim, jedoch höher gelegenen Bahnstationen Röros: —32 und Tönset: —34° C. er- reichte. Während die Depression sich nach Russland ent- fernte, begab sich das Maximum am 3. December nach Ostdeutschland, wo es ebenfalls etwas Abkühlung hervor- rief, wurde jedoch in den nächsten Tagen durch mehrere oceanische Minima, die in Nord- und Mitteleuropa ein- fielen, weiter und weiter nach Osten gedrängt. Ein umfangreicheres Barometermaximum rückte vom 7. zum 8. December von Spanien bis nach Mitteleuropa vor und vermochte dort, fast drei Wochen hindurch, bald sich etwas nach Osten, bald wieder nach Westen ver- schiebend, den nördlichen Depressionen gegenüber Stand zu halten. In den zwischen dem Maximum und den De- pressionen gelegenen Ländern, besonders im Gebiete der Nordsee und Ostsee, wehten ziemlich warme, feuchte Westwinde, die dem Wetter einen sehr gleichmässigen, milden Charakter verliehen. Erst in den Weihnachstagen erschien in Nordscandinavien ein neues Maximum, das die oceanischeu Minima wieder in südlichere Bahnen lenkte. Nachdem eines der letzteren am 29. December mitten durch Norddeutschland gezogen war, folgte ihm das Maximum nach der Ostsee nach und führte in weiter Um- gebung derselben eine starke Erkaltung herbei. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Wilhelm Müller, Docent an der technischen Hochschule und Oberarzt im Luisenhospital in Aachen zum Professor; Dr. Ludwig Milch, Privatdocent der Mine- ralogie und Dr. Rosen, Privatdocent der Botanik in Breslau, zu ausserordentlichen Professoren; Dr. Kny, ausserordentlicher Professor der Botanik an der Universität uud Professor an der landwirthschaftlichen Hochschule, Dr. Munk, ordentlicher Pro- fessor der Physiologie und Dr. Pinner, ausserordentlicher Pro- fessor der Chemie, in Berlin zu Geheimen Regierungsrätlion : Dr. Theodor Kirch hoff, Privatdocent der Psychiatrie in Kiel, zum ausserordentlichen Professor; Johann Grabowsky, In- spector des naturwissenschaftlichen Museums in Braunschweig, zum Director des Zoologischen Gartens in Breslau; Dr. Heinrich Boruttau, Privatdocent der Physiologie in Göttingen, zum Titular- Professor. Berufen wurden : v. Dolivo-Dobrowolsky, Chefelektriker der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin, an das Poly- technikum in Petersburg als Professor und Leiter des elektro- technischen Institutes; Dr. Max Verworn, ausserordentlicher Professor der Physiologie in Jena, nach Göttingen als ordentlicher Professor und Direktor der physiologischen Universitätanstalt an Stelle des in den Ruhestand tretenden Professors Meissner. Uebergesiedelt sind: Dr. Hermann Schmid t-Rimpler, ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Göttingen, nach Halle uud Dr. Arthur von Hippel, ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Halle, nach Göttingen. Es starben: Generalarzt z. D. Dr. Kurt Stecher, vormals Chef des königl. sächsischen Sanitätskorps und Abtheilungschef im Kriegsministerium, zu Dresden, Prof. Potain, berühmter Specialist für Herzkrankheiten, in Paris; Karl Höpfuer, be- kannter Elektrochemiker, zu Denver in Colorado; Hauptmann a. D. Emil Ho ff mann, Landbau-Inspector und Professor an der technischen Hoehscliule in Berlin. L i 1 1 e r a t u r. Dr. W. Ahrens, Mathematische Unterhaltungen und Spiele. Mit einer Tafel und vielen Fif^ureu im Text. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1901. — Preis geb. 10 Mk. Die „Unterhaltungsmatheraatik" hat in der „Naturw. Wochen- schr." mehrfach und seit Jahren ausgedehnte Berücksichtigung gefunden, und so darf ein neues selbstständiges Werk dieses Ge- bietes gerade bei unserem Leserkreise auf Beachtung rechnen, zumal es sich um ein ebenso fleissiges wie interessant geschrie- benes und von der Verlagsbuchhandlung sehr schön auFge- stattctes Werk handelt. In der That ist es dem Verfasser ge- lungen, seinem Buche eine Bedeutung zu sichern neben den Schriften von Prof. Schubert („Zwölf Geduldspiele", ,Mathe- matische Mussestunden"), und zwar dadurch, dass er auch schwierigere Theile des behandelten Gebietes in die Betrachtung zog, die einen mathematisch etwas gebildeten Leser vorau,«- setzen, während die Sc hubert'schen Schriften vorwiegend auf nicht mathematische Leser Rücksicht nehmen. Herr Dr. Ähren s konnte daher auch die Behandlung strenger gestalten und die vom mathematischen Gesichtspunkt trivial erscheinenden Sachen ausschliessen. Ganz hervorragenden Werth besitzen die histori- schen und litterarisohen Angaben, die — soviel uns bekannt — noch niemals in dieser Vollständigkeit vereinigt und gesichtet worden sind. Wir möchten hier nur eine Notiz von P. Stäckel über Nachbargebiete im Räume (Zeitschr. für Mathematik und Physik, 1897) erwähnen, die für den Mathematiker interessant ist und daher wohl im Litteraturverzeichnisse nicht fehlen sollte. Dass der Verfasser an zahlreichen Stellen Eigenes giebt, soll nicht unerwähnt bleiben. Im Uebrigen möge noch besonders be- tont werden d-iss sich das vorliegende Buch nicht etwa nur au die Mathematiker wendet: trotz seines wissenschaftlichen Strebens sucht der Verfasser auch dem gebildeten Ijaien gerecht zu werden, und wir glauben, dass diese der Schrift nicht geringeres Interesse und Vergnügen abge.winnen werden als die Mathematiker. G. Dr. Karl Kostersitz, Die Photographie im Dienste der Himmels- kunde uud die Bergobservatorien. Mit 12 Gutachten von Fachgelehrten Oesterreichs, Deutschlands und Amerikas über das Projekt der Errichtung einer Sternwarte auf dem Schnee- berg. Mit 23 Illustrationen und 2 Tafeln in Heliogravüre. Wien 1900. C. Gerold's Sohn. — Preis t,40 M. Die reich ausgestattete kleine Schrift bezweckt in erster Linie, für die vom Verf. bereits 1898 in einer Flugschrift angeregte Idee der Begründung einer Sternwarte auf dem Schneeberg bei Wien Propaganda zu machen. Und für die Bedeutung eines derartigen Instituts auch in weiteren Kreisen Verständniss zu erwecken, hat Verf. sich dazu entschlossen, in vorliegenden Hefte seinem in der Wiener photographischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag über die Photographie im Dienste der Himmelskunde zu ver- öffentlichen. Die bedeutendsten Ergebnisse der astro-photo- graphischen Forschung werden dem Leser durch zahlreiche Illu- strationen vorgeführt, die zumeist dem Scheiner'schen Werk „Die Photographie der Gestirne" entlehnt sind und auf dem glatten Illustrationspapier prächtig zur Geltung kommen. Wir vermissen unter diesen Illustrationen jedoch eine Mondaufnahme, die doch gerade einem grösseren Kreise recht eindrucksvoll die üeberlegen- heit der photographischen Methode über die rein visuelle Forschung vor Augen führt. Dagegen beschreibt Verf. den von ihm con- struirten Apparat zur Photographie der Sternschnuppen ausführ- licher, mit dem es ihm gelang, bei den so unerwartet schwachen Bielidenphänomen von 1899 doch einige Meteore photographisch zu fixiren, wie eine reproducirte Aufnahme der Sternspuren zeigt. Den Schluss des Vortrages bildet die Besprechung des Stern- wartenobjekts auf dem Schneeberg unter Beifügung der vom Architekten Fessler entworfenen Pläne. Als Anhang sind dem Schriftcheu die vom niederösterreichischen Landesausschuss ein- geforderten Gutachten über dieses Projekt angefügt, die aus der Feder der bekannten Gelehrten Lang, Seeliger, Hann, Keeler. Mojsisovics, Penck, Pernter, Pickering, Scheiner, Pinter, Weiss und Wettstein stammen und sämmtlich den Plan warm befür- worten. Es ist dem seit Jahren für sein Projekt agitirenden Verf. zu wünschen, dass die vorliegende Schrift dazu beiträgt, Persön- lichkeiten, die ihrer materiellen Lage nach zur Förderung wissen- schaftlicher Bestrebungen befähigt und berufen sind, für den Ge- danken einer europäischen Bergsternwarte zu interessiren, damit die alte Welt nicht zu zeigen unterlässt, dass hocherziges Mäcena- tentum auch noch diesseits des Oceans zu finden ist. F. Kbr. Briefkasten. Herrn P ~ Der Redaction ist ein Referat „Uebe massige Vorkommen von Sprosspilz igegangen. Wir r das r e g e 1 - en in dem Darm- bitten den Einsender Die Red. Inhalt: Dr. A. Speier: Die Kapillar-Doppellampe. — Dr. Arthur Crzellitzer: Photometrie mittels lichtempfindlicher'Papiore. — Ein flüchtiges Gift. — Der Gefrierpunkt des Schweisses von gesunden Menschen. — Stickstoff enthaltende vulkanische Pro- dukte. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. W. Ahrens, Mathematische Unter- haltungen und Spiele. — Dr. Karl Kostersitz, Die Photographie im Dienste der Himmelskunde und die Bergobservatonen. — Briefkasten. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potonit^, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. o5, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. ?>^cbensc/ir//y .~^wv<^ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dtunmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Öoniitag, den 27 Januar 1901. Nr. 4, Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- j Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grossere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Ji i-- es sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinliunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. PostzeitungsUste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Neuere Arbeiten über organische Pflanzenernährung und die Selbstreinigung der Flüsse. •^) Von Th. Bokor Liebig's Ausspruch: „Kohlensäure, Ammoniak und Wasser enthalten in ihren Elementen die Bedingungen zur Erzeugung aller Tliier- und Pflanzenstoffe während ihres Lebens; Kohlensäure, Ammoniak und Wasser sind die letzten Produkte des chemischen Prozesses ihrer Fäulniss und Verwesung", kann heute noch als richtig gelten, wenn man einige kleine Correcturen anbringt, die sich aus den neueren Forschungen ergeben. Kohlensäure ist faktisch schon für sich allein im Stande, der grünen Pflanze den nöthigen Kohlenstoff zu liefern für ihre Eiweiss- und Kohlehydratfabrikation, wenn auch praktisch vielfach organische Substanzen des Bodens und Wassers mit in Verwendung kommen und die Pilze von letzteren ausschliesslich leben, da sie die Kohlen- säure nicht zu assimiliren vermögen. Auch das Ammoniak ist als Pflanzennahrung noch allgemein anerkannt, es ist eine brauchbare Stickstoff- quelle, wenn auch salpetersaure Salze vielfach als günstigere Stickstoffnahrung anzusehen sind, und ausser diesen noch viele andere stickstoffhaltige, nämlich organische Sub- stanzen, sich als brauchbar erwiesen haben. Wirklich gelingt die Ernährung von Pflanzen mit Kohlensäure und Ammoniak, wenn man auch noch für die nöthigen Mineralbestandtheile sorgt, die im obigen Ausspruch nicht erwähnt sind. Insbesondere muss Phosphorsäure zugeführt werden. Ohne sie kein Proto- plasma und kein Zellkern; beide bestehen aus Nucleo- albuminen, d. i. Phosphorsäurehaltigen Eiweissstoffen. Die *) Zwischen organischer Pflanzennrnährung- uud „Selbst- reinigung der Flüsse" besteht ein naher Zusammenhang; letztere wird grossentheils dadurch bewirkt, dass die Wasservegetation gelöste Verunreinigungen des Wassers aufnimmt und verbraucht. Phosphorsäurefreien Eiweissstoffe (Albumine, Globuline) scheinen nach neueren Forschungen nur als Reserveeiweiss vorzukommen. Ferner bedarf die Pflanze Kali, Schwefel (als Schwefelsäure oder in anderer Form dargeboten), Kalk, Magnesia. Die Bedeutung dieser Bestandtheile für die Functionen der lebenden Pflanze ist meist noch un- klar; vom Schwefel lässt sich mit Sicherheit angeben, dass er zur Eiweissbildung nothwendig sei, weil das Eiweissraolekül schwefelhaltig ist, wie die chemische Analyse von Eiweiss verschiedenster Herkunft ergeben hat. Der Kalk scheint vielfach als Eiweissverbindung in grünen Pflanzen vorzukommen. Aus Kohlensäure und Ammoniak, unter Zutritt der nöthigen Mineralbestandtheile, vermögen die Pflanzen faktisch ihre Eiweissstoffe und alle sonstigen Baustoffe zu bilden, womit sie einen grossen Vorzug vor den Thieren voraus haben; denn letztere müssen die Proteinstoffe und Kohlehydrate bereits fertig als Nahrung voi-finden, um wachsen und leben zu können; sie selbst zu erzeugen aus einfacheren Substanzen ist ihnen nicht möglich. Was die Kohlensäureernährung der Pflanzen anlangt, so ist deren Resultat an einem sonnigen Tage leicht bei verschiedenen Wasserpflanzen, z. B. Spirogyren, Zygnemen etc. zu beobachten. Man entstärkt die Pflanzen zuerst durch Einstellen ins Dunkle, unter Zusatz gewisser Salze; nach 3 bis 8 Tagen pflegt alle Stärke verbraucht zu sein (Aushungerung durch Lichtentziehung). Wird die Pflanze nun ans Licht gebracht, so tritt binnen wenigen Minuten Stärkeansatz in den Chlorophyllapparaten auf. Dass der- selbe auf Kosten der Kohlensäure der atmosphärischen Luft geschieht, lehrt ein Controllversuch mit ebensolchen Algen, die aber in Kohlensäurefreie Luft gebracht werden; hier unterbleibt der Stärkeansatz. 34 Naturwissenschaf tliche Wocheusclirift. xvr. Ni Auch quantitative Versuche und Berechnungen sind an- gestellt worden. Man kann z. B. annehmen, dass der Wald pro Hectar jährlich circa 3000 kg Kohlenstoff in Form von Holz und Blättern ablagert. Boussingault hat gefunden, dass 1 Hectar gut gedüngten Landes bei einer Frucht- folge von Kartoffeln, Klee, Weizen, Stoppelrüben und Hafer durchschnittlich im Jahre 2098 kg Kohlenstoff liefert. Der Wald producirt also fast um die Hälfte mehr Kohlen- stoff als ein Ackerfeld; bei letzterem ist Kleebebauung am erfolgreichsten. Nach Untersuchungen von Sachs assimiliren Blätter von Helianthus annuus bei gutem Tageslicht so stark, dass auf 1 Quadratmeter Blattfiäche pro Stunde 0,914 g Stärke angesetzt wird; bei Cucurbita 0,68 g (bei Nacht kann im warmen Sommer ebensoviel verbraucht werden, so dass man die Blätter morgens stärkeleer findet). Eine Topfpflanze von Phaseolus multiflorus (im Glashaus) ergab pro 1 qm Blattfläche in 10 Stunden 3,413 g Stärke; von Ricinus 5,-59 g. Boussingault stellte fest, dass ein Kirschlorbeer- blatt pro qcm und Stunde in reiner Kohlensäure 0,5 bis 1,5 ccm Kohlensäure verarbeitet, in einer nur bis zu 30% Kohlensäure enthaltenden Luft aber 4,0 bis 13,1 ccm. Aus diesen Resultaten ergiebt sich, dass die Blätter der verschiedenen Pflanzenarten verschieden stark assimiliren; man nennt das speci fische Assimilations- energie. Der Grund dieser Verschiedenheit liegt in der ver- schiedenen Activität des Chlorophyllplasmas, ferner in der verschiedenen Zahl der Chlorophyllkörner im Blatt u. s. w. Ueber die organische Ernährung der grünen Pflanzen lässt sich am besten eine Uebersicht erhalten durch tabellarische Zusammenstellung der verschiedenen geprüften Substanzen. Name der Substanz Chemische Formel Brauchbarkeit Laevulose 10% CeH„Oe=CH,(OH) •(CH.0H)3-C0 . CH,OH Fast alle untersuchten Blätter bilden Stärke, des- gleichen ausgehungerte Kartoffeltriebe Dextrose CeHi A = CH(OH) • (CH • OH). • CHO Fast alle geprüften Blätter bilden Stärke (aber nicht so leicht wie aus Laevu- lose); Kartoffeltriebe bil- den Stärke Milchzucker CjHaAi + H^O Blätter bilden keine Stärke; Kartoffeltriebe bilden Stärke Maltose C,2H.,jO„+H20 Dahlia variabilis bildet reichlich Stärke Inosit CeHiA (mit Koh- lenstoft'ring) Keine Stärkebildung Raffinose C.sHjäOie + SHoO Keine Stärkebildung Mannit 0^(0 H)e = CH^OH . (CH ■ OH), • CH^OH Entstärkte Oleaceen- blätter bilden Stärke; Kartoffeltriebe bilden Stärke Dulcit C,H„(OH)e Blätter von Evonymus bilden Stärke; Kartoffel- triebe bilden Stärke Erythrit CH20H.(CH.0H). Keine Stärkebildung Baldriansäure 0,1% mit Kalk- wasser neutr. {Cü,), ■ CH • CHj CO^H Nach 3 tägigem Aufenthalt sahen Spirogyren gut aus und zeigten etwas Stärke- ansatz; Diatomeen setzen Fetttropfen an Propylalkohol CH3 • CHa • CHoOH Algen setzen keine Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Name der Substanz Chemische Formel Brauchbarkeit Isopropyl- alkohol 0,2% (CH3)ä • CHOH Algen setzen keine Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Butylalkohol CH3-CH3-CH, ■ CH3OH Algen setzen keine Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Isobutylalkohol C3H, • CH2OH Algen setzen keine Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Trimethylcar- binol ^CH3)3-C(0H) Algen setzen keinfe Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Amylalkohol (CH3), • CH • CH2 • CH2OH Algen setzen keine Stärke an, bleiben aber längere Zeit ungeschädigt Saures wein- saures Calcium 0,1% C0.,H.CH0H ■ CHOH • CO^H (als Calciumsalz) Spirogyren setzen binnen 2 Tagen Stärke an Weinsäure als Calciumsalz C0,H ■ CHOH ■ CHOHCOsH (als Calciumsalz) Algen etc. bilden Stärke Acpfelsäure CO.HCHa-CHOH •CO,H In freier Säure von 0,1 »/» sterben Algen binnen •24 Stunden ab; 0,01% wird ertragen Calciumbimalat 0,1% mit K,HPOi neutr. C02H-CH.,.CH0H ■ CO^H (als Calciumsalz) Spirogyren bilden in 3 Tagen Stärke Cumalinsäure (frei) O.CH=C.COOH CO-CH = CH 0,1% tödtet Algen, 0,Olo/„ wird ertragen Phenylessig- säure 0,1% mit Kalkwasaer neutr. CeH, ■ CHj ■ CO.H Algen sterben darin ab Hydrozimmt- säure 0,1% mit Kalkwasser neutr. CeH.CHä-CHj •CO2H Algen sterben darin ab Hexamethylen- amin (spaltet sich leicht in Formaldehyd u. Ammoniak) (CH2)eN, In 0,1 «/o Lösung blieben Algen im Dunkeln länger am Leben als bei einem Controll versuch ohne diese Substanz Urethan C^O ^0 • CA Algen nehmen in 0,2 »/o Lösung binnen 4 Wochen nicht den geringsten Schaden Glycocoll 0,1% mit Kalkwasser neutr. CH2(NH,) ■ CO2H Spirogyren bilden binnen 3 Tagen Stärke Trimethylamin 0 05% m. Schwe- felsäure neutr. (CH3)3N Spirogyren bleiben ge- sund, erst nach 8 Tagen tritt Stärke auf Aethylalkohol CH3 • CH^OH Resultat mit Algen zweifelhaft Phenol 0,05% CeHs • OH Spirogyren setzen in der Lösung binnen 5 Tagen Stärke an, während die Controllalgen schlechtes Aussehen besitzen und keine Stärke zeigen Asparaginsäure 0,01% mit Kalk- wasser neutr. CO2H ■ CHNH, • CH, • CO2H" Spirogyren setzen binnen 2 Tagen Stärke an; im Dunkeln wird durch Asparagin das Verhungern der Algen hintangehalten Citronensäure 0,1% mit Kalk- " wasser neutr. C3H,(0H) • (C0.,H)3 Algen bilden binnen 3 Tagen Stärke Tyrosin 0,1% CeH.COH) • CH2 • CH(NH2) ■ CO3H Spirogyren setzen in 2 Tagen Stärke an, stark ausgehungerte Zellen er- holen sich Leucin 0,1% . CH(NH2) • COjH Spirogyren bilden Stärke XVI. Ni Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 35 Name der Substanz Chemische Formel Brauchbarkeit Harnstoff /NH. ^NHa In 0,2% Lösung kränkeln Algen, in 0,05% bilden Spirogyren Stärke, Dia- tomeen Fett Guanidin /NH, C^NH ^NHa Algen sterben unter Gra- nulationserscheinungen nach einigen Stunden ab Hydantoin 0,2% NH-CO i = 0 1 NH - CHs Binnen 5 Tagen Massen- zunahme der Algen Kreatin NHä C = (NH) Binnen 5 Tagen Massen- zunahme der Algen Sulfoharnstoff Algen nach 5 Tagen meist dem Tode nahe 0,2 7o . Asparagin C02H-CH(NH,) •CH2-C0(NH.) Maispflanzen gedeihen in einer Lösung besser, wenn der Stickstoff in Form von Asparagin gereicht wird statt KNO3. Be- deutendere Stickstoffver- mehrung Pepton Spirogyren gedeihen und setzen Stärke an Indol 0,05 »/o C„H,N Gift für Spirogyren Skatol C3H,(CH,)NH Gift für Spirogyren Methyloxychi- nizin bewirkt Granulation Anilin CeH^ ■ NH, bewirkt Granulation Pyridin C.H,N bewirkt Granulation Antipyrin C„H,,N.,0 bewirkt Granulation Chinasäure 0,1% (frei) (OH),CoH, ■ COOH Spirogyren sterben darin ab unterBleichung; auch in 0,01 % Lösung sterben sie Cyanhydrin des Methylens 0,01 CH.<8? Spirogyren erleiden Stö- rungen im Chlorophyll- band Pikrinsaures Kali 0,05% CeH2(OH)(NO,)3 (als Kaliumsalz) Algen bleiben bei Licht- zutritt am Leben, im Dunkeln verhungern sie Nitranilsaures Kali C6(N0,),(0.,)(0H), (als Kaliumsalz) Algen bleiben bei Licht- zutritt am Leben, im Dunkeln verhungern sie Rohrzucker C\.H,,0„ Vaucheria bildet auf 20% Lösung etwas Stärke. Feuerbohnen bilden auf 10«,'o Lösung Stärke. Viele Blätter bilden Stärke. Kartoflfelsprosse bilden Stärke. Zygnema bleibt im Dunkeln 6 Monate lebendig auf 107„ Lösung. Von den in vorstehender Tabelle als brauchbar auf- geführten Substanzen können viele nur bei Licht/Aitritt verbraucht werden; bei allen ist Lichteinfluss vortheilhaft. Selbst die dem Stärkemehl chemisch so nahe stehenden Zuckerarten, wie Rohrzucker und Traubenzucker, dienen viel leichter zur Nahrung, wenn das Licht Zutritt hat. So habe ich mich oft vergeblich bemüht, bei Spirogyren, Zygnemen, Conferven und andern Algen Stärkeansatz durch Zuckerzufuhr im Dunkeln herbeizuführen; bei Licht- zutritt fand aber die Stärkebildung leicht statt. Kartotfel- pflanzen allerdings setzen auch im Dunkeln leicht Stärke an, wie E. Laurent nachwies; sie bilden sogar aus Glycerin im Dunkeln rasch Stärke. Freilich darf aus dem Unterbleiben des Stärke- ansatzes nicht geschlossen werden, dass die betreffende Substanz nicht ernährt. Denn Stärkeansatz kommt nur dann zu Stande, wenn Kohlehydrat im üeberschuss ge- bildet wird; dieser üeberschuss wird von verschiedenen Pflanzeuarten verschieden leicht als Stärke abgelagert. Manche bilden leicht Stärke, manche schwieriger. Spiro- gyren z. B. setzen ziemlich leicht Stärke an, desgleichen und noch mehr die Kartoffelpflanzen. Manche Liliaceen können oft einen ziemlich grossen Ceberschuss von Kohle- hydrat in sich haben, ohne Stärke abzulagern. Dessen muss man natürlich bei Versuchen über organische Er- nährung grüner Pflanzen immer gedenken. Oft wird zu- nächst nur das makroskopische Aussehen der Pflanze einen ernährenden Einfluss des dargebotenen Stoffes er- kennen lassen. Eine Bestimmung der Abnahme organi- scher Substanz in der Nährlösung kann dann sicheren Aufschluss gewähren. Von grosser Bedeutung ist auch die Concentration der Nährlösung und die Schädlichkeit oder Unschädlich- keit derselben, welch letztere ja auch zum Theil von der Concentration abhängt. Da in obenstehender Tabelle einige organische Stick- stoffverbindungen nur als Kohlenstoftquellen in Betracht gezogen sind, muss hier von den organischen Stickstoff- quellen noch besonders die Rede sein. Dass Pilze aus organischen Sticktoffverbindungen ihren Stickstoffbedarf decken können, ist längst bekannt. Naegeli wies bei Bacterien und andern Pilzen nach, dass Pepton und auch einfachere Amide, wie Asparagin- säure, zur Stickstoffernährung dienen. Er zeigte ferner, dass substituirte Ammoniake, wie Methylamin, Aethylamin und sogar Trimethylamin, den Pilzen als Stickstoffnahrung dienen können. Aus Ferrocyankalium scheinen Schimmel- und Sprosspilze nach demselben Autor ihren Stickstoft'- bedarf nicht decken zu können, während die Spaltpilze das vermögen; aromatische Nitrokörper, wie Pikrinsäure und Nitrobeuzoesäure, scheinen sehr schlechte Stickstoff- quellen für Pilze zu sein. Organische Basen, wie Chinin und Strychnin, vermögen Pilze nur sehr schlecht zu er- nähren. Rhodankalium sowie Cyanursäure (neutralisirt)scheinen nach Versuchen des Verfassers schlechte Nährstoffe für Pilze zu sein; denn die Lösungen, welche 0,17o Rhodan- kalium bezw. 0,1 "/'o Cyanursäure enthielten, und ausser- dem 0,02% Chlorcalcium, 0,02 "/q schwefelsaures Magnesium und 0,02% Monokaliumphosphat, blieben wochenlang pilzfrei. Bei Zusatz von Glycerin zu beiden Lösungen wurde die Rhodankaliumlösung nach einiger Zeit trübe von Spaltpilzen, die Flüssigkeit nahm allmählich eine dickschleimige Beschaffenheit an; die Cyanursäurelösung zeigte nur an der Oberfläche Pilzvegetation, Schimmel- pilze und später in den Pilzrasen auch Spaltpilzcolonien, Infusorien, Amoeben. Aber auch grüne Pflanzen können mit organischen StickstoffVerbindungen ernährt werden. Versuche von Bä ssler ergaben, dass Maispflanzen in Nährlösungen besser gedeihen, wenn der Stickstoff in Form von „Asparagin", als wenn er in Form von Kali- salpeter dargeboten wird. Der Mehransatz von Stickstoff betrug 15,7 "/o, unter der Voraussetzung, dass der Stick- stoffgehalt der Pflanzen bei Beginn des Versuches gleich war. Eine etwaige Zersetzung des Asparagins durch Spaltpilze vor seiner Aufnahme durch die Pflanzen war durch die Versuchsanordnung ausgeschlossen; die frisch hergestellte Asparaginlösung wurde, getrennt von den Mineralsalzen, jeden Tag einige Stunden für sich den Pflanzen dargeboten. Diese Versuche beweisen zunächst^ dass Pflanzen den Stickstoff aus dem Asparagin leicht ent. nehmen können. Indem aber die NHä-Gruppe heraus Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 4. genommen wird, findet sicherlich auch Assimilation des Kohlenstoffes statt. Nach Bente wirkt Asparagin (oder auch Acetamid) als einzige Stickstoffquelle zu Maispflanzeu gegeben, un- gefähr ebenso wie Ammoniak. Dass das Asparagin auch normaler Weise in den Pflanzen vorkommt, oft in grösserer Menge aufgespeichert, und gelegentirch verwendet wird zur Bildung von Eiweiss- Stoffen, ist von Pfeffer nachgewiesen worden; zu dieser Umwandlung müssen aber noch andere kohlenstoffhaltige Substanzen disponibel sein. Nach 0. Loew und Y. Kinoskita können Keim- linge von Sojabohnen ihr Asparagin in Eiweiss ver- wandein, wenn denselben künstlich Glycerin oder Methyl- alkohol zugeführt wird. ürethan und Glykokoll sind nach Verfasser gute Stickstoffquellen für manche Algen, z. B. Spiro- gyren. Auch für Mais ist das Glykokoll eine günstige Stick- stoffnahrung (Knop, Wolf, Harape, Wagner). Mit Kreatin konnte Wagner Maispflanzen bis zur Körnerbildung aufziehen. Leucin und Tyrosin können nach R. Wolf vom Roggen als Stickstoffquelle verwendet werden. Guanin (salzsaures) ist für Mais brauchbar (Johnson). Hampe hat Maispflanzen mit Harnstoff als einziger Stickstotlquelie bis zur Körnerbildung gebracht. Nach Frank lassen sich gelbe Lupinen und Erbsen mit Harn- stoff bis zur Bildung von Körnern unter Vervielfältigung ihres Stickstoffgehaltes heranziehen (noch etwas besser als mit Ammoniak). Harnsäure ergab bei den Versuchen Hampe's ein zweifelhaftes Resultat. Mit Hip pursäure als Stickstoffquelle können Mais (Johnson) und Hafer (Beyer) unter Vermehrung des Trockengewichtes zur Entwickehmg gebracht werden, wobei die Hippursäure in Benzoesäure und Glykokoll ge- spalten wird. Man sieht, die Zahl der bis jetzt als brauchbar er- kannten organischen Stickstoffquellen ist keine unerhebliche. Sogar den Phosphor hat man in organischer Form dargeboten, uämhch als Lezithin; es hat sich gezeigt, dass Pflanzen damit ernährt werden können (Stock- lasa). Eine völlige organische Ernährung, wobei auch das Kalium, Magnesium, Calcium, Eisen als organische Ver- bindung (Formiat) dargeboten wird, ist in allerjüngster Zeit von 0. Lövinson versucht worden. Keimlinge konnten damit 80 Tage lang gezogen werden. Wenn somit durch Laboratoriumsversuche vielfach nachgewiesen ist, dass sich Pflanzen organisch ernähren können, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass auch in der Natur eine solche Ernährung stattfindet, da orga- nische Substanzen im Boden und im Wasser fast immer vorhanden sind. Insbesondere hat die Erscheinung, dass Flüsse nach erfolgter organischer Verunreinigung von selbst wieder rein werden, auf die organische Pflanzenernäh- rung mit grosser Bestimmtheit hingewiesen. Ebenso können gewisse Beobachtungen über die Winter- flora kleiner Seeen nicht anders erklärt werden als durch Annahme einer organischen Ernährung. Folgen wir bezüglich der ersteren Frage der an- regenden Darstellung, welche ein Stuttgarter Forscher vor kurzem über die Selbstreinigung der Flüsse ge- geben hat: H. Jaeger (Naturwissenschaftliches und Sanitäres über Flussverunreinigung und Selbstreinigung unserer Ge- wässer; Separat- Abdruck aus dem Württemberg, mediein. Correspondenzblatt, 1896) lässt sich ungefähr folgender- maassen aus : „Die Flüsse werden nach einer gewissen Strecke ihres Laufes von selbst wieder rein, wofern sie nur auf dieser Strecke nicht wieder neue Verunreinigung erfahren. Die Seine ist 70 km abwärts von Paris bei der Einmündung der Oise wieder klar und rein; die Oder, welche durch die Kanalwässer von Breslau stark verunreinigt wird, zeigt 32 km abwärts wieder dieselbe Zusammensetzung wie oberhalb Breslau; in den Tiber gelangt seit 2500 Jahren aller Unrath der ewigen Stadt, ohne dass dies dem Tiber schadet." Damit die Selbstreinigung von statten gehe, bedarf es der Mitwirkung der gesammten Flora und Fauna des Wassers; je reicher und mannigfaltiger die Formen, um so grösser die selbstreinigende Kraft. Zunächst bemächtigen sich die Bacterien des Flusses der zugeführten organischen Nahrung, es treten Fäulniss- prozesse ein unter starker Vermehrung der Bacterien, die glücklicherweie meist unschädlichen Arten ange- hören. Die gefährliche Anhäufung von Bacterien wird mit dem Klarwerden des Flusses durch die tödtliche Wirkung der Lichtstrahlen wieder beseitigt. DieFäulnissprodukte (Ammoniak, Essigsäure, Schwefel- wasserstoff) werden von den Pflanzen des Flusses assi- milirt. „Wenn aber Euglenen, einzellige Algen, Faden- algen, höhere Pflanzen an der Arbeit sind, die Fäulniss- produkte zu assimiliren, somit wieder Eiweissstoffe, Stärke, Fett daraus zu produziren, so stellen sich naturgemäss bald zahlreiche kleinere Thiere ein, welche die Algen als willkommene Nahrung verspeisen — auch Kaul- quappen verzehren grosse Mengen von Algen. Damit wächst aber wieder die Zahl der grösseren Thiere, die von jenen kleineren leben (0. Loew)." „Wie ausgiebig sich aber auch die höheren Wasser- thiere, die Fische, von den frischen Abgangstoffen er- nähren, ist bekannt, und wer der Stadt Canstatt entlang am Neckar abwärts geht bis zur Einmündung der Schlacht- hausabwässer, die dort in blutiger Lache stromaufwärts getrieben werden, der sieht mit Befriedigung, dass we- nigstens ein Theil dieser Abgänge an Ort und Stelle von den Fischen aufgezehrt wird." „Die sogenannte selbstreinigende Kraft der Gewässer ist nichts anderes als die Erhaltung des richtigen Gleich- gewichtszustandes zwischen regressiver und progressiver Metamorphose." Unsere Kulturentwickelung muss erhöhte Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Flüsse als Abfuhrkanäle und Verarbeitungsapparate stellen; diesen Ansprüchen können die Flüsse aber auch genügen, wenn darüber ge- wacht und dafür Sorge getragen wird, dass der erhöhten Zufuhr enie gesteigerte Entwickehmg der gesammten Vegetation des Flusses entspricht. Die biologische Thätigkeit des Flusses muss über- wacht werden; er darf nicht überfüllt werden mit organi- schen Stoffen, sonst tritt Fäulniss ein, die den Fluss „krank" macht; unter Trübung des Wassers sterben die Algen und Diatomeen, ja sogar die aeroben Bacterien ab; die selbstreinigende Kraft des Flusses kann durch eine solche Katastrophe für lange Zeit, ja für immer ge- schädigt sein. Auch ist dann eine stete und zunehmende Gefahr für die Reinheit des Grundwassers gegeben, die faulenden Wasser können in die Bodenschichten eindringen und bei ungenügender Filtration das Bodenwasser ver- unreinigen. Niemals darf man einem Flusse solche Stoffe über- geben, die er seiner Natur nach nicht verarbeiten kann; XYI. Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. keine organischen oder mineralischen Gifte (aus Fabriken), keine grob meelianischen Verunreinigungen, wie Säg- spähne, ganze Thierkadaver, keine Stofte, welche er- fahrungsgeniäss häufig Infectionserreger in grosserer Menge mit sich führen (z. B. die Wildhäute aus Gerbe- reien, die Abwässer aus Krankenhäusern), wenn sie nicht vorher einer zuverlässigen Desinfection unterworfen wurden. Besonders strenge Bedingungen sind da zu stellen, wo das Flusswasser als Trink- oder Nutzvvasser von An- wohnern des Flusses weiter abwärts in Anspruch genommen wird, selbst wenn diese Inanspruchnahme nach voran- gegangener Filtration stattfindet. Die Belastung des Flusses mit Abwässern muss nach ähnlichen Gesichtspunkten regulirt werden, wie sie in der Bodenkultur Geltung haben. Es muss eine strenge Ueberwachung des Flusses in naturwissenschaftlichem Sinne, eine Schonung, ja Kultur Platz greifen statt schwerer Vernachlässigung, dann werden die Anwohner nicht bloss keinen Schaden, sondern sogar Nutzen haben. Da der Sauerstoffmangel im Flusswasser besonders empfindlich ist, so sympathisirt Verf. mit dem Gedanken, des.sen Verwirklichung schon seit Jahren versucht wird, den Gewässern künstlich Luft zuzuführen, besonders unter Verwendung der Feuerungsgase derFabrikschornsteine. Da- mit bekäme man Sauerstoff in den Fiuss, da jene Gase noch genug freien Sauerstoff enthalten; die Kohlensäure würde vorhandenen Aetzkalk ausfällen, als kohlensauren Kalk, dieser zusammen mit den niedergeschlagenen Russtheilcheu würde zur Sedimentirung beitragen, einige Produkte der trockenen Destillation, welche der Rauch enthält, könnten desodorisirend wirken. Die Russbelästi- gung wäre beseitigt. In einer Fabrik in Wangen im Allgäu soll dies Verfahren seit Jahren mit gutem Erfolg geübt werden. Durch Studien über die Flora norddeutscher Seeen kommt ein anderer Forscher zu dem Schluss, dass Wasserpflanzen oft organische Ernährung haben. 0. Zacharias (lieber die Verschiedenheit der Zu- sammensetzung des Winterplanktons in grossen und kleinen Seeen; Separat- Abdruck aus den Plöner For- schungsberichten, Theil 7) berichtet ungefähr Fol- gendes : Das Plankton wechselt mit den Jahreszeiten. In den Sommermonaten (Juni bis August) ist es nicht bloss mannig- faltiger an Arten, sondern auch quantitativ beträchtlicher als im Winter. Schon gegen den Herbst pflegt eine er- hebliche Anzahl von Species zu verschwinden und später bleibt nur ein artenarmer Rest zurück, der grösstentheils aus Crustaceen (namentlich Copepoden) und einer kleinen Anzahl von Räderthieren besteht. Die Protozoen sind darin entweder nur sehr schwach vertreten, oder sie fehlen gänzlich. Auch viele Pflanzen werden reduzirt, insbesondere Asterioneila und Fragilaria crotonensis unter den Bacillariaceen, wogegen andere, z. B. die Melosiren, selbst während der kältesten und lichtärmsten Monate fortfahren, eine ziemlich üppige Vegetation zu entfalten. Es giebt also eine Winter- und Sommerformation des Planktons. Das gilt mindestens von allen grösseren Seebecken Norddeutschlands, an denen Verf. seit mehr als 10 Jahren hydrobiologische Beobachtungen anstellt. Besonders ein- gehend wurde der 3000 Hektar einnehmende Plöner See vom Verf. studirt; ziffernmässige Angaben für alle Monate des Jahres wurden in trüberen Heften der Forschungs- Bericbte (IV. Theil, 1896) gemacht. Anders verhält es sich mit kleineren Seeen. Es wurde vom Verf. an 3 solchen (in der Nähe des Plöner Seees) festgestellt, dass dieselben Species, welche in den meisten grösseren Wasserbecken bei Eintritt der kalten Jahreszeit verschwinden, in vielen kleineren fortdauern und darin ein mannigfaltig zusammengesetztes Winterplankton bilden. An letzteren betheiligen sich nicht nur Thiere, sondern auch pflanzliche Wesen, besonders Bacillariaceen, (z. B. Asterionella gracillima Hech., Fragilaria crotonensis Edw., Synedra delicatissima W. Sm., Diatoma tenue, var. elon- gatum und Synedra ulna var. longissima). Die Temperatur kann diesen merkwürdigen unter- schied nicht verursachen; denn manche der genannten Organismen sind im Winter unter dem Eise ebenso zahl- reich zu finden wie im Hochsommer bei 18—20°. Hingegen könnte das Licht eine Rolle spielen. Je intensiver das Sonnenlicht bei zunehmender Tageslänge ist, desto besser gedeihen alle Planktonbacillariaceen. Im Monat April, wo die Temperatur des (Plöner-) Seees 1895 nur 1 bis 5,8° betrug, war das Maximum der Vege- tation (eine enorme Steigerung der Individuenzahl von Bacillariaceen) zu beobachten. Da aber die Lichtverhältnisse in den grossen und kleinen Seen keinen Unterschied eskennen lassen, so bleibt der Gegensatz unerklärlich, wenn wir nicht an- nehmen, dass die Ernährung der Schwebeflora in klei- neren Wasserbecken im Winter ganz anders erfolgt als in den grossen Seeen. In kleineren Seeen sind genügend organische Nährstoffe und Nährsalze vorhanden, wovon gewisse Algen, besonders Kieselalgen, leben können. Als Haupt- quelle sind die am Ufer wachsenden und alljährlich ab- sterbenden Schilfe, Binsen, Riedgräser anzusehen, deren vermodernde Reste vom Wasser ausgelaugt werden. Das- selbe geschieht mit dem abgefallenen Laube von Bäumen und Sträuchern, die am Rande solcher Seeen ihren Stand- ort haben. Die auf den Wasserspiegel verschlagenen und dort ertrinkenden Insekten sind gleichfalls Lieferanten von gebundenem Stickstoff. Eine direkte Zufuhr von Nitraten und Nitriten erfolgt aber auch durch die atmo- sphärischen Niederschläge, namentlich durch Regengüsse, wenn auch nur in der geringen Menge von 0,7 Milligramm pro Liter Metorwasser. Besitzt der betreffende See hu- mosen Untergrund, so ist dieser gleichfalls als ein Spender von organischen Substanzen zu betrachten. Und bei alledem ist zu bedenken, dass das den kleineren See- betten zufliessende Nährmaterial sich stets nur innerhalb einer geringen Wassermasse zu vertheilen hat, wodurch dieselbe besser dazu geeignet wird, Organismen zu produ- ciren, als ein bei weitem mächtigeres Seebecken mit viel grösserer Verdünnung der Nährstoffe. Voraussetzung bleibt freilich immer, dass den Pflanzen, insbesondere den Bacillariaceen und den übrigen chromo: phyllführenden Algen das Vermögen innewohnt, sich zeit- weise saprophytisch zu ernähren. Das ist für höhere Pflanzen durch mehrere Forscher, speciell für Kieselalgen und grüne Algen durch den Refe- renten nachgewiesen worden. Namöntlich die Kieselalgen besitzen eine 'grosse Assimilationskraft für organische Nährstoffe, z. B. gewisse Fäulnissprodukte; rasch wachsen die Oelmengen, die sie in sich haben, wenn solche Stoffe dargeboten werden. E. Debes hat die Beobachtung gemacht, dass die freien beweglichen Bacillariaceen ein Substrat verlangen, welches mit vegetabilischem De- tritus, wenn auch nur in dünner Lage, bedeckt und durchsetzt ist. „Die in der Praxis der Karpfenzüchter längst ge- übte Teichdüngung, mit der man erfahrungsgemäss den doppelten bis dreifachen Ertrag von Fischfleisch er- zielt, gehört auch hierher. Durch Zufuhr von Dung zu 38 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 4. den Gewässern wird offenbar deren Nährwerth für die niedere Pflanzenwelt erheblich gesteigert und das bewirkt wieder eine stärkere Vermehrung derjenigen Mitglieder der Kleinfauna, welche hauptsächlich von Bacillariaceen und anderen Algen leben, während sie ihrerseits wieder den Fischen zur Nahrung dienen." Dorfteiche erreichen nach Josef Susta den Gipfelpunkt ihrer Produktivität, wenn sie Jauchezufluss in richtigem Maasse haben. Das üppige Winterplankton des Edenberger Seees und anderer kleiner Wasserbecken erklärt sich durch die angegebenen Tbatsachen zur Genüge. Zweibeinige Bäume. Vom Oberlandsgerichts-Sekrc'tiir J. icliolz in Marienwerder. Auf meinen zahlreichen floristischen Ausflügen bin ich zu verschiedenen Malen sogenannten Stelzenbäumen und auch „zweibeinigen" Bäumen begegnet. Der Ein- druck, den man namentlich von den merkwürdigen Baumgestalten der letzteren Art erhält, ist um so wirkungs- voller und eigenartiger, je höher die Verwachsungsstelle der beiden schenkeiförmigen Stämme über dem Boden liegt. Standorte von „zweibeinigen" Bäumen sind nicht nur aus West- und Ostpreussen, sondern auch von anderwärts bekannt geworden. Der Forstmann freut sich der seiner Obhut anver- trauten Merkwürdigkeit, und das grosse Publikum zollt ihm die gebührende Bewunderung. Es staunt über das stille Walten der Natur, die sich in der Hervorbringung der- artiger grotesker Gebilden gefallen hat. Die meisten Verwachsungen kennen wir von Roth- buchen und Stieleichen, seltener von Kiefern und Erlen. In dem forstbotanischen Merkbuche für die Provinz Westpreussen (Berlin 1900) werden zwei „zweibeinige" Bäume abgebildet, nämlich eine Rothbuche aus der Königl. Oberförsterei Neustadt, Schutzbezirk Rekau, Jagen 24 a (S. 20/21) und eine Eiche (Quercus pedunculata) aus dem Königl. Prinzl. Reviere Kujan, Schutzbezirk Wersk, Jagen 68 (S. 39). Erwähnt werden in dem Buche ausserdem noch (S. 56,79) eine zweibeinige Rothbuche aus Bischdorf, Guts- forst Klein Ludwigsdorf und zwei solche Kiefern aus Junkershof und Karlshorst. Jentzsch*) weist für Ostpreussen fünf zweibeinige Bäume nach, und zwar: a) j e eine Eiche aus dem Rasten-l burger Walde und [ Tafel VII a. a. 0. b) bei Heiligenlinde > c) eine Eiche (Quercus pedunculata) aus Char- lottenthal, Kr. Heiligenbeil, d) zwei Hainbuchen aus dem Gutsgarten von Statzen bei Kowahlen, Kr. Oletzko. Ob die von Caspary**) beschriebene Rothhuche noch im Königl. Belauf Glinow, Oberförsterei Philippi unfern Bütow i./Pom. vorhanden ist, habe ich nicht ermitteln können. Aller Wahrscheinlichkeit nach lässt sich die Zahl derartiger Bäume bei eingehenderen Nachforschungen bedeutend vermehren. Einer der interessantesten der bisher in der Litteratur erwähnten gehört der Oberförsterei Heteborn (Regb. Merse- burg) Forstrevier Hakel an, worauf ich noch später zurück- kommen werde. Gleiche Beobachtungen liegen aber auch aus ausser- deutschen Ländern vor, z. B. aus Böhmen, Russland, England. *) Beiträge zur Naturkunde Preussens, No. 8. Königs- berg i. Pr. 1900. **) „Ueber zweibeinige Bäume. Scliriften der Phys. Oekon. Gesellsch. in Königsberg, 23. Jahrg. 1882. J. H. Laudon*) bildet die unteren verwachsenen Stämme einiger Eichen aus der Besitzung des Esq. Dilke (Warwickshire) ab. Allerdings stehen diese Bäume an Schönheit den west- und ostpreussischen Bäumen weit nach. Die Bezeichnung „Stelzenbaum" verdient eigentlich nur der in Fig. 1627 a abgebildete, weil die Theilung der Stämme in den übrigen Fällen aus demselben Stamme erst über dem Boden beginnt, und die Stammtheile bald darauf wieder zusammengewachsen sind. Mocquin Taudon**) berichtet von einer stelzenbeinigen Platane, die sein Freund M. Webl) auf seiner Orientreise bei Bujukdere, nahe bei Konstantinopel, gesehen hat. Caspary hat sich mit der Frage nach der Entstehung von zweibeinigen Bäumen eingehend beschäftigt. Er ist auf Grund seiner Untersuchungen zur Ueberzeugung ge- langt, dass alle von ihm aufgeführten Verwachsungen auf künstlichem Wege gebildet worden sind. Die im Parke von Statzen befindlichen Bäume sind nach einer Mittheiluug seines Gewährsmannes, des Bai'ons von Hoverbeck, dadurch zu Stande gekommen, dass zwei nahestehende Bäume zusammengedreht worden und somit zu einem Zusammenwachsen gezwungen worden sind. Bei den übrigen ist die natürliche Verbindung aber bei keinem einzigen von zwei sich unter spitzem Winkel nahe berührenden Bäumen ohne menschliche Hilfe eingetreten. Denn Caspary meint, dass dann der eine der verwachsenen Bäume hätte abgestorben oder abgefallen, oder durch menschliches Zuthun abgenommen sein müssen. Jedenfalls müsste sich eine Kreuzungsstelle, Veruarbung, üeberwallung oder ein Loch vorfinden, wo- von indess nichts zu sehen ist. Caspary verneint sodann bei den in Rede stehenden Bäumen die Frage, ob die Zweibeinigkeit vielleicht da- durch hervorgerufen sei, dass: a) auf die Hirnfläche eines über der Wurzel ab- gestorbenen Stammes ein Same gefallen sei, der sich zum Baume entwickelte, seine Wur- zeln und zwar zweie durch das morsche Holz in den Boden gesenkt und dann nach gänz- lichem Verfaulen des Stumpfes, zweibeinig dagestanden habe — oder b) ein nach oben gegabelter Baum mit den Gabel- ästen umgekehrt in den Boden gesetzt sei. In der freien Natur tritt der zu a) gedachte Fall thatsächlich mitunter ein. Meistens stehen die so ge- wachsenen Bäume auf mehr als zwei Stelzen-Beinen und erinnern durch ihren seltsamen Wuchs einigermaassen an Mangrovenbäume im Brackwasser der Tropen. Solche Stelzenbäume tragen aber im unteren Theile den unverkennbaren Charakter von Wurzeln und nicht *) Arboretum et Fruticetum Britannicum Vol. III ed. II, London 1874, pag. 1780. „Oak-trees with conjoined tiunks". **) „Des montrositds" aus: Des Elements de la Teratologie, pag. 290. XVI. Nr. 4. Natnrwissenschaftliche Wochenschrift. von Stämmen, was insbesondere durch anatomische Unter- suchung hervorgeht. Charakteristische stelzenbeinige Kiefern beschreibt und bildet ab Goeppert*) aus den Urwäldern Schlesiens und Böhmens. Der zu b) erwähnte Fall trifft auf keinen einzigen zu meiner Kenntuiss gelangten Baum zu. Caspary hat eine zweibeinige Espe anatomisch unter- sucht. Der Befund des Markes und der Hoizlage hat mit unzweifelhafter Sicherheit gelehrt, dass die Zwei- beinigkeit durch Copulation zweier nebeneinander stehender junger Bäume verursacht ist. Laudon enthält sich zwar hinsichtlich der von ihm im Arboretum et Fruticetum Britannicum Fig. 1626/27 abgebildeten Bäume eines eigenen Urtheils, hebt jedoch hervor, dass nach Ansicht seines Gewährsmannes Bree die Verwachsung dieser Bäume wahrscheinlich auf k ünst- lichem Wege herbeigeführt worden sei. Zu demselben Urtheile gelangt der Freund Moquin- Tandons bezüglich der grossen Platane von Bujukdere. Dasselbe trifft auf die anderwärts beobachteten zweibeinigen Bäume gleichfalls aller Wahrscheinlichkeit nach zu. Was die zweibeinige Stieleiche im Forstreviere Kujau (Kr. Flatow) anbetrifft, so erzählt man sich von ihr im Volksmunde, dass sich vor vielen Jahren ein alter Schweinehirt das Vergnügen bereitet habe, junge Bäume zu kopuliren. Anscheinend hat er sich nicht auf dieses eine Exem- plar beschränkt, weil in der Nähe ein zweiter unvoll- kommen verwachsener Eichbaum steht, bei dem die Reste des abgesplitterten zweiten Stammes noch herausragen. Die Abbildung der Eiche aus Kujan (Fig. 12 im forstbot. Merkbuche) ist insofern sehr lehrreich, als sie einen gewaltsamen, auf Menschenhand zurückzuführenden Ein- griff deutlich an den beiden Schenkeln erkennen lässt. Die 83 cm von einander entfernten Beine sind näm- lich gegeneinander leicht bogig gekrümmt. Die meiste Ge- walt ist dem einen Schenkel angethan worden, der ausser- dem noch dicht über dem Boden nach innen stark ein- geknickt ist. In der Weise wachsen auf natürlichem Wege keine Waldbäume gegen- und miteinander zu- sammen, und das im Volksmunde laufende Gerücht über die Entstehungsursache der räthselhaften Bäume hat da- her nicht allein viel Wahrscheinlichkeit für sich, sondern entspricht mit unzweifelhafter Sicherheit dem wirklichen Sachverhalte. Dass sich wenigstens Leute der „grünen Farbe" solche Scherze erlauben und die Nachwelt sodann einem ßäthsel oder Naturwunder gegenüberstellen, dafür kann ich aus meiner eigenen Erfahrung ein klassisches Bei- spiel anführen. Als ich im verflossenen Jahre den Kreis Rosenberg W.-Pr. im Auftrage desPreuss. botanischen Vereins bereiste, untersuchte ich auch die Flora des Gutsforstes Klein Ludwigsdorf, woselbst eine schon im forstbotanischen Merkbuche aufgeführte zweibeinige Rothbuche steht. Die Stammbeine sind am Boden etwa 50 cm von einander entfernt, und vereinigen sich in einer Höhe von 1,65 m. Der Baum steht in einem fast reinen Rotbbuchenbestande und zeigt einen gesunden Wuchs. Als ich dem Förster Kunkel auseinandersetzte, wie man sich die Entstehung von solchen Bäumen erklärt, erzählte er mir freimüthig, dass er bei der Rothbuche seines Reviers ein ganz gleiches Verfahren wie der alte Sauhirt ein- geschlagen, nämlich zwei Bäumchen vor etwa zwanzig *) Skizzen zur Kenntniss der Urwälder Schlesiens und Böh- s, Tafel II in N. A. A. C. L. C. N. C. 1868. Jahren kopulirt und dann die Krone des schwächeren an der Verbindungsstelle weggeschnitten habe. Die Offenherzigkeit des biederen Forstmannes bildet einen werthvollen Belag für die Entstehungsgeschichte von zweibeinigen Bäumen überhaupt und zerstört die hierüber gehegten phantastischen Vorstellungen. Zweifel- los sind alle übrigen derartigen „Naturwunder" auf ähn- liche Versuche zurückzuführen und von Waldbewohnern anscheinend schon längere Zeit geübt worden. Viele solcher Versuche mögen gleich von vornherein missglückt, andere später, vielleicht schon nach der Verwachsung, durch Sturm oder ein dicht an den Bäumchen vorüber- huschendes Wild vereitelt sein. Natürlich soll hiermit nicht gesagt sein, dass alle Stelzenbäume Kunstproducte sind. Ausgenommen sind selbstverständlich diejenigen, wo sich eine ungezwungene Erklärung nach der bereits von mir angedeuteten Rich- tung geben lässt. Von Fachleuten, die ich mündlich oder schriftlich um ihr Gutachten ersucht habe, wird im Gegensatze zu gezwungenen wissenschaftlichen Anschau- ungen, das Zustandekommen von zweibeinigen Bäumen ohne menschliche Beihilfe entschieden in Abrede gestellt. Dr. Dieck, der verdienstvolle Dendrologe und Eigenthümer des grossartigen sog. ,,Nationalarboretums" in Zoeschen bei Merseburg behauptet, dass nur die Abart viscosa von Ulmus scabra imstande sei, ihre Aeste und Zweige sich beliebig verwachsen zu lassen, denn alle zufällig an- einander gedrückten Zweige verwachsen schnell mit- und ineinander. Dr. Dieck besitzt in seinem Garten einen älteren Stamm, in welchen ein Wurzelschoss durch zu- fälliges Umflechten so tief hineingewachsen ist, dass man die Verwachsungsspuren kaum noch erkennen kann. Der Stamm macht nach dem mir gütigst gefertigten Entwurf den Eindruck, als ob er dicht über dem Boden einen Henkel habe. Der verstorbene Kaufmann Jeromin hat dem Preuss. botanischen Vereine in Königsberg vor einiger Zeit ein Stammstück von einer Kiefer mit einem förmlichen Henkel übergehen. In diesem Falle ist durch die Hand eines Försters oder Vogelfängers ein schwacher Ast zugestuzt und mit dem freien Ende in ein Bohrloch hineingesteckt worden um daran Schlingen zu befestigen. Später ver- wuchs der Ast fest mit seinem Stamme. Wie eine Verwachsung mit diesem Stamme vor sich ging, so können unter gewissen Umständen auch Bäume ineinander verwachsen, aber nimmermehr in der Art, wie dies bei den als „Forstwunder" beschriebenen und abgebildeten Bäumen der Fall ist. Dr. Abromeit theilt mir mit, dass in dem berühmten fiskalischen Parke von Louisen wähl bei Königsberg zwei dicht nebeneinander gepflanzte starke Hainbuchenstämme so völlig verwachsen sind, dass sie einen einzigen Stamm zu bilden scheinen und kaum voneinander zu unterscheiden sind. Zwei aufs innigste miteinander verwachsene (keine zweibeinigen) Rothbuchen aus dem Walde (West Hay) zwischen Cliif und Stamford werden von Laudon in Teil III seines mehrerwähnten „Arboretum" etc., Fig. 1884, ab- gebildet. Die beiden dichtnebeneinander stehenden Stämme scheinen fast einen Stamm zu bilden. Was aber das Merkwürdigste ist, die Aeste des Zwillingspaares sind wiederholt ineinander zu einem wahren „Rattenkönige" verwachsen. Als ein Kunstproduct betrachte ich aber die bereits erwähnten zusammengewachsenen Eichen aus dem Forst- reviere Hakel, Prov. Sachsen. Der Hauptstamm gabelt sich in einer Höhe von 4,5 m. Während die Hauptachse lothrecht weiter in die Höhe strebt, ladet ein starker Ast, fast von der Dicke der ersteren in spitzem Winkel aus, um nach einer kurzen, knieförmigen Krümmung beinahe 40 Naturwisseiischaftlidie Wochensc XV r. Nr. 4. parallel mit dem Hauptstamme weiterzuwacbseu. In dieses Knie ist nun anscheinend ein Wurzelschössling von der halben Dicke des schwächeren, knieförmig hochgehen- den Astes hineingewachsen. Hier ist aller Wahrschein- lichkeit die Menschenhand im Spiele gewesen. Allerdings wird die Verbindung in der beträchtlichen Höhe von 5 m wohl einige Mühe verursacht haben. Dafür hat der viel- leicht noch lebende Schöpfer die Genugthuung sein Werk als ein forstliches „ünicum" angestaunt zu wissen. Immerhin wäre es interessant ähnliche Baumformen, wie dies dank der rastlosen Bemühungen des Prof. Conwentz schon für Westpreussen geschehen ist, im ganzen deutschen Reiche zu inventarisiren und die merkwürdigsten bildlich darzustellen. Auch selbst dann haben diese Bäume ein Anrecht auf Schonung und Schutz, wenn sie ihres räthsel- haften Charakters entkleidet sind. Experimentelle Studien über Sukkulenten werden uns in einer Arbeit von Wilhelm Brenner mitgetheilt (Untersuchungen an einigen Fettpflanzen. Flora Bd. 87, 1900, S. 387—439). Verf. operirte mit Sedum-, Crassula-, Sempervivum- und Mesembrianthemum- Arten und bemühte sieh, den äusseren sowohl wie den inneren Bau dieser Pflanzen durch Verän- derung des umgebenden Mediums zu beeinflussen. Seine Bemühungen in dieser Beziehung waren durchaus mit Erfolg gekrönt. So wurde durch Kultur im stark feuch- ten Raum besonders an Sedum ein bedeutendes Strecken der Stengel beobachtet (vergl. die beigefügte Figur). Auch die Dicke der Blätter nahm bedeutend ab, sodass die Sukku- lenznatur wesentlich zurückging. Bei manchen schlagen sich auch die Blätter nach unten zurück, wobei bemerkt werden muss, dass die Zahl der Spaltöffnungen auf der Oberseite grösser ist als auf der Unterseite. Verf. ist ge- neigt, alle diese Veränderungen so zu verstehen, dass die Pflanze sich bemüht, möglichst die unterdrückte Tran- spiration wieder zu Wege zu bringen. Manchmal Hess sich auch direkt Wasserausscheidung beobachten. Die P>age, ob die so veränderten Versuchsobjecte zur Blüthe zu bringen sind oder ob sie sich gar auch noch unter Wasser kultiviren lassen, wird vom Verfasser nicht behandelt. R. K. Die Frage der Pelzmilben des Bibers hat neuer- dings 0. Schneider in Dresden erörtert: Ueber eine zuerst in Dresden aufgefundene neue Pelzmilbe des Bibers (Sitzungsbericht der Naturw. - Ges. Isis in Dresden, Jahrgang 1897, p. 21 ff.). Vgl. Nat. Woch., 11. Bd., S. 251, und 12. Bd., S. 200. Die von Kramer be- schriebenen und Noptosoma trancatum genannten Thiere hatte Schneider 1892 auf einem in Dresden verstorbenen Elbebiber entdeckt. Die von Friedrich und Mingaud unter andern Namen veröfi'entlichten Formen sind jeden- falls dasselbe Thier, das trotz der späteren Veröffent- lichung also zuerst in Dresden gefunden worden ist. Gegen diese Mittheilungen wendet sich Trouessart in einem Briefe (Sitzungsbericht etc. Isis, 1897, p. 90 ff.), in dem er mittheilt, dass seine Beschreibungen vor allem nach Exemplaren, die er an amerikanischen Bibern im Pariser Museum gefunden habe, gemacht worden seien. Er giebt jedoch, wie Schneider (ebendort p. 92) bemerkt, zu, dass die Friedrich'sche Beschreibung früher als die seinige er- folgt ist. Mff Astronomische Spalte. — Bei Gelegenheit einer Untersuchung des Tempel'schen Nebels in den Plejaden, bemerkte Goldschmidt, dass diese ganze Sterngrnppe von einer diffusen Nebelmaterie umgeben sei. Da Goldschmidt seine Beobachtung aber nur mit einem noch nicht einmal dreizöUigen Tubus gemacht hatte und in grossen Refrac- toren von diesen Nebelmassen nichts zu sehen war, so fand seine Wahrnehmung damals — es sind nun ungefähr 40 Jahre her — nicht die verdiente Würdigung. Erst später wieder, als die photographische Platte empfindlich genug geworden war, um so zarte Lichteindrücke auf- nehmen zu können, begann man weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand. Vor allem gelang es Barnard, mit einer sechszöUigen Porträtlinse, wahrhaft gigantische Nebelcomplexe aufzudecken, welche sich bis in die Gegend des Orions erstrecken und Anknüpfung an den grossen Orionnebel zu suchen scheinen. In Monthly-Notices 1900, LX, 4, S. 258, bespricht Barnard die Ergebnisse, zu denen Wilson, Bailey und er selbst auf photographischem Wege gelangt sind, näher. Barnard hat durch einen Zeichner, H. E. Calvert, eine Skizze herstellen lassen, welche alle ihm zugänglichen Negative berücksichtigt. Fast zu gleicher Zeit hat auch Professor Wolf in Heidelberg seine Arbeiten über die ausgedehnten Aussen- nebel der Plejaden abgeschlossen und publicirt. (Bayr. Akad. 11. Gl., XX. Bd.). Wir übergehen die ersten, mit einem Steinheil'schen Aplanaten unternommenen Versuche Wolfs und gelangen sofort zu den drei Aufnahmen, welche Wolf zu seiner Untersuchung verwendete. Die drei Platten waren resp. llhöS", lli-l" und 41^ 50" belichtet worden, die ersten zwei natürlich an mehreren Abenden, die letzte, dritte in einer Nacht. Wolf nahm nun eine Copie der ersten Aufnahme auf Platin-Entvvickelungspapier, welche die dichtesten Nebelzüge getreu wiedergab, und zeichnete dann, mit Hilfe der anderen Aufnahmen, die feineren Details ein, wobei 28 Punkte nach ihren Hellig- keitswerthen nach dem Schwärzungsgrade der Platten bestimmt werden mussten. Der Eindruck der ganzen Nebelmaterie ist, wie Wolf sagt, der einer sich wie Rauch- wolken stellenweise zusammenballenden und zusammen- hängenden Masse. Der Vergleich zwischen Barnards und Wolfs Zeichnungen (Sirius VII und XI, 1900 giebt Re- productionen), zeigt jene absolute Uebereiustimmung, welche nur auf photographischem Wege erreicht werden kann. Gegen Ende des verflossenen Jahres ist neuerdings eine Reihe neuer veränderlicher Sterne entdeckt worden. Bei der grossen Zahl von Neueutdeckungen, wird es ohne einheitliche Bezeichnung nachgerade schwierig, alle diese interessanten Objekte im Auge zu behalten. Professor Kreutz, der Herausgeber der „Astron. Nachr.", hat daher auf dem vorjährigen Astronomencougress zu Heidelberg eine gleichmässige Bezeichnung vorgeschlagen. Nach derselben werden nun alle derartigen Sterne nach der Reihenfolge ihres Bekanntwerdens seitens der Redaction der „Astron. Nachr." von Jahr zu Jahr numerirt und der fortlaufenden Nummer sowohl die Jahreszahl, wie das Sternbild beigesetzt. XVI. Ni NaturwissensGliaftliclie Wochenschrift. 41 Neuentdeckte Veränderliche sind: BD + 46° 2970 am 12. October 1900 von Hartwig als verdäclitig- bezeichnet und am 28. October von T. Kohl als variabel erkannt. Ungefähr 9. Grrösse mit möglicher- weise einjähriger Periode. BD + 9° 4205 von Anderson aus Beobachtungen vom 18. September bis 9. November als veränderlich entdeckt. 9.— 10. Grösse. A. G. Leipzig I 8381 von Anderson aus seinen Be- obachtungen vom 26. September, 27. October und 10. No- vember erkannt. Ungefähr 9. — 10. Grösse. J. A. Parkburst hat mit dem grossen 40 Zöller der Yerkes-Stern warte einige stark veränderliche Sterne in ihrem Minimum beobachtet, das in einzelnen Fällen bis zur 16. und 17. Grösse herabgeht. Es kommen nach seinen Untersuchungen Lichtänderungen um fast 10 Grösse- classen vor. Es wird eine Hauptaufgabe grosser Fern- rohre sein, darüber mehr Beobachtungsniaterial zu liefern, so dass man über die Ursachen so grosser Helligkeits- schwankungen wird Schlüsse ziehen können. Ein neuer planetarischer Nebel wurde von Aitken mit dem .36-Zöller der Licksternwarte entdeckt. Der- selbe wurde bisher als BD + 83° 357 bezeichnet. Im grossen Lickrefractor zeigte er sich als Nebelstern mit einer Nebelhülle von 5" bis 6" Durchmesser und einem centralen Kern 10,5 oder 11. Grösse. — Im ganzen hat das am 31. August 1900 entdeckte Objekt eine Hellig- keit, die der eines Sternes 9,.5. Grösse gleichkommt. Adolf Hnatek. „Ueber das Leuchten der Auer-Glühkörper" publi- cirt Herm. T hie de in den Ber. Deutsch. Chera.-Ges. 33, 183. — Bunte kommt auf Grund von Versuchen von Eitner zu dem Resultat, dass das Lichtemissionsvermögen der gewöhnlich verwendeten Glühkörper nicht wesentlich höher sei als das anderer Körper z. B. Kohle, Magnesia etc. Seine Beobachtungen steüte Eitner in der Weise an, dass er die Helligkeit der verschiedenen Materialien verglich, als sie im elektrischen Kurzschlussofen einer Temperatur bis weit über 2000° ausgesetzt wurden. Kohle, Magnesia, Thor, Cer und Auermischung zeig- ten unter diesen Bedingungen nur sehr geringe Unter- schiede im Strahlungsvermögen. Chas. E, St. John hat bereits ähnliche Versuche an- gestellt und die Eesultate seiner Forschungen in Wied. Ann. niedergelegt; er verglich das Lichtemissionsvermögen der Erden des Zirkons, Lanthans, Magnesiums, Erbiums (Eisen nnd Zink) mit dem des metallischen Platins, zog indessen die Hauptbestandtheile der heutigen Glühstrümpfe, Thor und Cer nicht in das Bereich seiner Untersuchungen. Wurde die Anordnung bei den Experimenten so getroffen, dass mit dem von den Uutersuchungskörpern emittirten Lichte, das von den glühenden Wandungen ausgesandte an der Leuchtfläche reflectirte Licht in das Auge ge- langte, so konnte eine sichtbare Differenz in der Hellig- keit der leuchtenden Flächen nicht constatirt werden. Die Erscheinung erklärt sich damit, dass das Platin- blecli um so viel mehr Licht reflectirt, als es weniger aussendet im Vergleich zu der leuchtenden Fläche der betreffenden Erde. Wurde durch Einschieben eines nicht glühenden Rohrs die Reflexion herabgesetzt, so wurde eine wesentliche Helligkeitsdifferenz beobachtet; so wurde das Emissions- vermögen der angewandten Erden 2, 3— 4 mal so gross als das des Platins gefunden. Einer einwandsfreien Wiederholung der John'scheu Versuche stehen ausserordentlich technische Schwierig- keiten im Wege ; mit Hülfe des Wehnelt-Unterbrechers ge- lang es Verfasser, das Verhalten der Auerkörper zu untersuchen, und zwar leuchtete der Auerkörper imWehnelt- Bogen mit demselben charakteristischen Lichte, das er in einer Buusenflamnie ausstrahlt. Ein zum Vergleich herangezogener Magnesiastrumpf entwickelte in der Bunsenflamme eine wesentlich geringere Leuchtkraft als ein Cer-Thorstrumpf, in der Flamme des Wehnelt-Bogens war ein Unterschied zwischen beiden Glühkörpern nicht bemerkbar, so dass man zu der Folge- rung geneigt erscheint, das Lichteniissionsvermögen beider Körper sei unter solchen Umständen nicht bemerkbar verschieden. Indessen spielen hierbei noch anderen Faktoren eine Rolle. Beim Bewegen des Glühkörpers folgt der Flammen- bogen gern der Bewegung, er haftet gewissermassen an den erhitzten Stellen; der Isolationswiderstand der Glüh- körperchen erfährt durch die Temperaturerhöhung eine Verminderung, so dass man eine direkte Erhitzung des Gewebes durch den Stromdurchgang in Erwägung ziehen muss. Für die Untersuchung wurden Glühstrümpfe folgender Zusammensetzung hergestellt: Nr. I II III IV V VI VII VIII IX pCt. Thoroxyd 100 99 98 97 95 90 75 50 0 „ Ceroxyd Ol 2 3 5 10 25 50 100 In der Bunsenflamme zeigten diese Mischungen das Maximum der Leuchtkraft bei einem Gehalte von 1 — 2 Procent Cer. Die ersten Glieder zeigten im Wehnelt- Bogeu keinen auffallenden Unterschied im Leuchtvermögen, mit steigendem Cergehalt jedoch nahm die Leuchtkraft schnell ab. Verfasser gelangte bei diesen Veisuchen zu der Ueberzeugung, dass das Leitungsvermögen dieser Oxyde die Ergebnisse stark beeinflusse, so scheint der Leitungswiderstand des Ceroxyds wesentlich geringer als der des Thoroxyds zu sein. Unter solchen Umständen war es recht wohl möglich, dass ein etwa vorhandenes Maximum der Leuchtkraft verdeckt wurde. Es wurde nun versucht etwaige Nebenwirkungen nach Möglichkeit auszuschalten. Ueber dem eigentlichen Lichtbogen bildet sich bei genügender Spannung des Primärstroms eine flammen- ähnliche Erscheinung aus, der Verfasser thunlichst bestrebt war die verschiedenen Cer-Thor-Mischungen auszusetzen, da zu erwarten stand, dass unter solchen Verhältnissen die durch die veränderliche Stromwärme verursachten Nebenwirkungen zum Theil ganz wesentlich zurückge- drängt wurden. Während bei den nicht allzu Cer-reichen Mischungen der Versuch ohne Schwierigkeiten gelang, war es bei Gemischen von sehr hohem Cergehalt äusserst schwierig, den Strumpf genügend in die Flamme ein- zusenken. In der That ergab sich auf diese Weise für die Cer- Thor-Mischungen ein Maximum der Leuchtkraft bei etwa demselben Cergehalte, der auch für die Gebrauchsglüh- körper als der günstigste erachtet wird. Im Gegensatz zu Bunte's Annahme seheint aus Vor- stehendem zu erhellen, dass das hohe Leuchtvermögen eine specifische Eigenschaft der betr. Cer-Thor-Mischungen ist. — Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Privatdocent Dr. Adolf Emmerling, Vorsteher der agriculturehemischen Versuchsanstalt der Land- wirthschaftskammer in Kiel, zum Professor. Berufen wurden: Ingenieur Heyn von der mechanisch-tech- nischen Versuchsanstalt in Berlin, als Professor der Technologie an die technische Hochschule in Stuttgart; Dr. Bumra, Professor der Frauenheilkunde in Basel, nach Halle als Nachfolger Professor Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 4. Fehlings; Dr. Friedrich Schenk, ausserordentlicher Professor der Physiologie in Würzburg, als ordentlicher Professor nach Marburg an die Stelle Prof. Kossels; Dr. A. Robinson, Docent der Anatomie am Middlesex-Hospital, als Professor an das Kings College in London. Es habilitirten sich: Dr. Walther für Physiologie in Peters- burg; ausserordentlicher Titular-Professor Dr. G. Landsberg für darstellende Geometrie, Dr. E. Stolle für pharmaceutische Chemie und Assistent Guntzert für Zahnheilkunde in Heidelberg. Es starben: Dr. R. F. Rancken, Lector der Mathematik und Physik in Helsingfors; zu Uleaborg; Dr. Wollny, Professor in der jandwirthschaftlichen Abtheilung der technischen Hoch- schule in München; Bergassessor Dr. Leo Cremer, Lehrer an der Bergschule zu Bochum und Gewerkschaftsgeologe. Oeffentliche Vorträge des Instituts fdr Meereskunde in Berlin. — Das in der Ausgestaltung begriffene Institut für Meeres- kunde, mit welchem später ein Museum verbunden werden wird, hat für die Zeit vom 19. Januar bis 15. März d. J. die Veran- staltung von Vorträgen über verschiedene auf die Kenntnias des Meeres und dessen Benutzung durch den Menschen bezügliche Gegenstände in die Wege geleitet. Die Vorträge sind öffentlich. Sie sollen allgemein verständlich und ohne Voraussetzung be- sonderer Vorbildung weitere Kreise in die Kunde des Meeres und der neuesten Forschungen über seine Eigenschaften und seine Lebewelt, sowie in das Verständniss des gesammten Seewesens, insbesondere der volkswirthschaftlichen und staatliehen Bedeutung von Schiffahrt, Seeverkehr und Seemacht, einzuführen geeignet sein. Herren und Damen können sich daran betheiligen. Der grosse Hörsaal in dem zukünftigen Gebäude des Instituts und Museums für Meereskunde, Georgen-Strasse 34 — 36, ist für die Vorträge besonders hergerichtet und mit den besten Apparaten für die Vorführung erläuternder Lichtbilder ausgestattet worden. Der Saal bietet Raum für etwa 300 Zuhörer. — Die Vorträge und Vortragscurse, die in diesem Quartal abgehalten werden, sind die folgenden: 1. Herr Geheimer Regierungsrath Professor C. Busley: „Drei Kapitel aus der Geschichte der Seefahrt und der Seegeltung. " — 2. Herr Dr. Carl Chun, Professor an der Universität Leipzig: „Von der deutschen Tiefsee-Expediton." — 3. Herr Dr. Erich von Drygalski, Professor an der Universi- tät: „Die Polarmeere und ihre Erforschung." — 4. Herr Geh. Reg.- Rath Dr. W. Foers ter , Professor an der Universität, Director der Königlichen Sternwarte: „Astronomie und Schiffahrt.* — 5. Herr Kapitän zur See a.D. Foss: „Die Entwickelung und Verwendung des Kriegsschiffes." — G. Herr Dr. Alfed Kirchhoff, Professor der Erdkunde an der Universität Halle: „Das Meer im Leben der Völker." — 7. Herr Dr. R. Kolkwitz, Privatdocent an der Landwirthschaftlichen Hochscliule und an der Universität: „Das Pflanzenleben des Meeres." — 8. Herr Dr. W. Meinardus, Privatdocent an der Universität: „Allgemeine Meereskunde." — 9. Herr Wirklicher Geheimer Admiralitätsrath Dr. G. Neumayer, Director der deutschen Seewarte in Hamburg: „Meereskunde und Schiffahrt." - IG. Herr Dr. Philippi: ,.Der Boden der Meere." — 11. Herr Professor Dr. L. Plate, Privatdocent an der Uni- versität: „Die Thierwelt des Meeres." (Mit Demonstrationen im Aquarium und Museum für Naturkunde.) — 12. Herr Dr. Richard Schmitt, Professor an der Universität: „Die Bedeutung der Seemacht in der Geschichte." — 13. Herr Dr. G. Schmoller, Professor an der Universität: „Die Entwickelung des modernen Weltverkehrs." — 14. Herr Dr. Schumacher, Professor an der Universität Bonn: „Der Seeverkehr in Ostasien." — 15. Herr Assessor Dr. jur. et phil. K. Wiedenfeld: „Die Seehäfen des Weltverkehrs." L i 1 1 e r a t u r. Wilhelm Haacke und Wilhelm Kuhnert. Das Thierleben der Erde. 3. Bande. Mit 6:^0 lextillustrationen unil VM chromo- typographischon Tafeln. 40 Lieferungen zu je 1 M. Berlin, Martin Oldenbourg. Lieferung 2 — 14. Die erste Lieferung dieses Werkes ist in der „Naturw. Wochenschr." XV., S. 263 angezeigt worden. Da mit seiner 14. der erste Band, das Thierleben Europas, seinen Abschluss gefunden hat, so kann jetzt über dieses im Zusammenhang be- richtet werden. Den breitesten Raum nimmt das mitteleuro- päische Thierleben und hier wiederum das der Wälder, ßaumpflanzungen und Gebüsche, ein. Der Verfasser geht in absteigender Folge auf die Wirbelthierklassen, die Kerford- nungen, die Spinnenthiere, die Tausendfüsser, die Krebse, die Schnecken und die Würmer ein. In die Lebensschilderungen, die die zahlreichen genannten Vertreter dieser Gruppen mit ihrer Umgebung iu Beziehung setzen, sind die anatomischen, morpho- logischen, physiologischen und thiergeographischen Thatsachen in sehr geschickter und abwechselungsreicher Weise eingeflochten, sodass sich bei der bekannten flüssigen und gut deutschen Schreib- weise Haacke's die doch so viele Einzelheiten enthaltenden Schilde- rungen in einem Zuge gut lesen lassen. Es folgt ein zweiter Ab- schnitt, das Feld Mitteleuropas. Auch hier wie in jedem fol- genden wird die oben genannte systematische Thierfolge inne gehalten. Da natürlich manche Tliiere in den neu begonnenen Gebieten ebenso wie in einem schon beschlossenen vorkommen, fällt die Darstellung dieser weiteren Gebiete etwas kürzer aus. Als Feldthiere sind hervorzuheben Hase,Mäuse, Hamster, Maulwurf, Laufvögel, Kranich, Rebhuhn, Wachtel, Pieper, Schmätzer, Lerche, Kröten, mannigfache Käfer, Hummeln, Schmetterlinge, Heuschrecke, Maulwurfsgrille, Tausendfüsser, Regenwürmer und Schnecken. Drittens bewohnen menschliche Ansiedelungen Ratten, Hausmaus, Hausmarder, Fledermäuse, Thurmfalk, Eulen, Mauer- segler, Dohle, Sperling, Schwalben, vielerlei schädliche Käfer, Motten, Fliegen, Schaben, Heimchen, Gfhrwürmer, Spinnen, Milben, Mauerasseln. Das Wasser und seine Umgebung beherbergen Biber, Wasserratte, Fischotter, Wasserspitzmaus, Fledermäuse, zahlreiche Vögel, unter ihnen viele Sumpf- und Schwimmvögel, Ringelnatter, Schildkröte, Kröten, Unken, Frösche, viele Fische, die bekannten Wasserkerfe und die Larven vieler weiterer, Wasserspinnen und inilben, zahlreiche Kruster, Egel, Schnecken und Muscheln, Platt- und Fadenwürmer, Moosthiere, Räderthiere, Polypen, Schwämme und Urthiere. Der zweite Iheil der europäischen Thierwelt bewohnt die Grenzländer des Erdtlieiles. Auch diesen Abschnitt gliedert Haacke in vier Abtheilungen. Für Nordeuropa sind die fol- genden Thiere kennzeichnend: Elch, Wisent, Schneehase, Luchs, Wolf, Nörz, Drosseln und andere Singvögel, gewisse Eulen, See- adler, Moorhuhn, Alpenschneehuhn, manche Schnepfen, Regen- pfeifer, Enten, Gänse, Säger, Schwäne. Weiter kommt das charak- teristische Alpenthie rieben zur Besprechung. Hier stehen rtatürlicb Steinbock, Gemse, Murmelthier, einige Mäuse, Alpen- amsel, -flüvogel, -meise, -krähe, -dohle, -Segler, Geier, Steinhuhn in erster Reihe. Als Mitglieder der pontischen Thiergesell- schaft werden vor allem Bär, Desman, Ziesel, Sprosser, Steinadler, Uferschnepfe, Kolbenente, die Störe, Wanderheuschnecke und un- garischer Blutegel genannt. Südeuropa beherbergt die iberische Wildziege, den Mufflon, mancherlei eigenthümliche Singvögel, den Eleonorenfalk, den Schlangenadler, die griechische Land- schildkröte, die Smaragdeidechse, die Aesculap- und die Würfel- natter, die Apisviper, den Scheibenzüngler, den Höhlenmolch, den 01m, mancherlei Kerfe, z. B. die Gottesanbeterin. Die bisher erschienenen Tafeln, die von der Firma Büxen- stein in vortrefflicher Weise wiedergegeben sind, stammen mit Ausnahme von zweien, die afrikanischen Schlangen, eine Agame und den heiligen Pilleukäfer darstellen, und die Weczerzick ge- malt hat, von Kuhnert's Meisterhand. Auch die Textillustrationen hat, soweit sie Säuger und Vögel betreffen, Kuhnert gezeichnet, der sich in die Fische mit A. Specht theilte. Letzterer hat alle Kriechthiere, Lurche, Kerfe, Spinnen, Tausendfüsser, Krebse, Schnecken, Muscheln und Würmer dargestellt. Die Künstler sind in lebenswahrer Darstellung und scharfer Auffassung der be- handelten Thiercharaktere einander würdig. Natürlich bietet dieser bildliche Schmuck des Werkes sehr viel interessantes. Nicht allein, dass viele der hier vorgeführten Thiere bisher über- haupt nicht oder doch nicht so gut abgebildet wurden, so wählten die Maler auch oft Situationen, in denen man selbst bekannte Thiere nicht kannte. Man sieht, wie die Beute erschlichen, ge- jagt, gepackt, verzehrt wird, Familien mit Jungen, Vögel am oder im Nest werden gezeigt, manche Thiere weisen gerade eine auf- fallende oder kennzeichnende Bewegungsform auf (fliegende Vögel, badender Bär, rutschende Gemsen), oder die Thiere werden rufend oder singend vorgeführt. — Die Tafeln werden in regelloser Folge veröffentlicht. Es enthalten die erschienenen Lieferungen daher auch bereits eine ganze Anzahl ausserouropäischer Thiere. Alles in allem darf man mit gutem Grunde das vorliegende neue Thierleben als eine hochwillkommene Ergänzung zu Brehm's trefflichem Werk begrüssen, die sich für alle Thierfreunde und -kenner nicht minder, wie für die breiten Massen des gebildeten Publikums zur Kenntnissnahme empfiehlt. C. Matzdorff. Prof. Ludwig Stelz und Oberhhrer Dr. H. Grede, Leitfaden für den botanischen Unterricht der sechsklassigen Beal- schule bei Verwendung eines Schulgartens. B. G. Teubner in Leipzig, lUUÜ. Vi u. 133 Seiten. S". Das vorliegende Buch besitzt grosse Vorzüge. Es zeigt, dass die Herren Verfasser einen hohen Grad von Lehrerfahrung und Lehrgeschick besitzen. Die Anordnung und Vertheilung des Stoffes ist wohl geeignet, den Schülern ein lebendiges Bild von der Pflanzenwelt zu überliefern. Namentlich ist viel Sorg- falt auf die Erörterung aller biologischen Verhältnisse verwendet worden, doch nicht ohne dass den Verff. einige Irrthümer mit unter- XVI. Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. gelaufen sind. Leider wird aber die Brauchbarkeit des Buches sehr beeinträchtigt durch eine ganz erstaunliche Versündigung namentlich gegen die Morphologie. Sieh her und bleibe Deiner Sinne Meister: „Die Dornen von Berberis sind Nebenblätter" S. 28. „Der Stachel ist ein umgebildetes Blatt (Rose, Stachel- beere)" S. 71. „Trugdoldige ßliithenstände: jede Achse endigt mit einer Bliithe, die folgende wächst aber über die vorher- gehende hinaus. Bei der Trugdolde wachsen die beiden folgenden stärker" S. 75; das verstehe, wer kann. „Ist der Blüthenboden in der Mitte muldenförmig vertieft, so kann der Fruchtknoten tiefer als die anderen Blüthenblattkreise zu stehen kommen. Er heisst dann unterständig (Rose, Lilie)" S. 77. „Die Samen sind geflügelt (Birke, Erle)" und „Die Samen haben schöpf- oder federartige Anhänge (viele Korbblüthler)" S. Sä; daneben noch einige richtige Beispiele. Traubige und doldige BlUthenstände werden S. 74 koordinirt, während doch letztere den ersteren zu subordiniren sind. Erodiuni cicutarium wird S. 75 eine „ein- fache Dolde" zugeschrieben; für den Schüler sieht's ja freilich so aus. „Knäuel ein unregelmässiges Köpfchen (Chenopodium)" S. 75. Für quirlige Blätter dient als Beispiel der Waldmeister; das ist doch auch nur in den Augen eines Schülers richtig. Forsythia unter den Philadelpheen! S. 3. Die Galegee Wistaria wird S. 1 nach Gärtnerart zur Phaseolee Glycine gemacht. Cytisus Andreanus (doch nur Form von scoparius!) und C. albus werden S. 1 und 22 zu Genista versetzt. Alo- pecurus als Aehrengras S. 45. U. 3. w. E. Koehne. Dr. Julius Schmidt, Privatdocent an der königl. technischen Hocli schule Stuttgart, TTeber die praktische Bedeutung chemischer Arbeit. Ferdinand Eucke in Stuttgart I9ll0. — Preis 1,G0 M. Verfasser sucht zu skizziren , inwieweit die Chemie der Praxis, dem gewerblichen Leben genutzt hat. Er bespricht I. Einige Errungenschaften aus der anorganisch-chemischen Tech- nik: 1. Kalisalze, 2. Phosphorsäuredünger, 3. Soda, 4. Schwefel- säure. IL Errungenschaften der Theer- und Farbencheniie. III. Die Rübenzuckerindustrie. IV. Praktische Bedeutung der Elektrochemie. V. Praktische Bedeutung der analytischen Chemie und Agriculturchemie. VI. Bedeutung chemischer Arbeit für die Heilkunde. Der Nutzen, welcher der menschlichen Gesellschaft durch längst bekannte Vorgänge, z. ß. durch die Hüttenprozesse, durch die Zündwaarenfabrikation erwachsen ist, leuchtet Jeder- Dr. Jovan P. Panaotovic, Assistent am technologischen Institut der Universität Berlin, Chemisches Hilfsbuch. Atom- gewichte und deren Multipla , Umrechnungsfactoren und maassanalytische Konstanten. Berlin 1900. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. — gebunden 2 Mark. Auf Grund der neuen Atomgewichte, welche von der seitens der deutschen Chemischen Gesellschaft zur Aufstellung solcher eingesetzten Commission im Jahre 1898 publiciert sind, hat Ver- fasser des vorliegenden Buches eine Tabelle über die Multipla dieser Atomgewichte veröftentlicht. In einer zweiten Tabelle sind eine Anzahl Umrechnungsfactoren aufgeführt, derart, dass von der durch die Analyse ermittelten Verbindung ausgehend, verschiedene darauf sich beziehende und damit in Zusammenhang stehende Werthe berechnet sind. Z. B. kann man von der Formel für Aluminiumo.xyd ALOj den entsprechenden Werth für Sauer- stoff finden, indem man die gefundene Zahl mit 0,46967 multipli- cirt, für Ala(S04)3, indem man mit 3,36010 multiplicirt u. s. w. Derartige Factoren sind für eine grössere Reihe von Verbin- dungen, wie sie bei analytischen Arbeiten zur Erwägung gelangen, mitgetheilt und, soweit sich Referent durch eine Anzahl Stich- proben überzeugen konnte, rechnerisch richtig angegebet. Es liegt eine sehr fleissige Arbeit in diesen Tabellen vor, die dem Benutzer derselben eine grosse Erleichterung gewähren werden. Ferner finden sich in dem Büchelchen Tabellen zur Bestim- mung des Traubenzuckers, des Stärkemehls, der Maltose, des Milchzuckers, des Invertzuckers, und den Schluss bildet eine Ta- belle über massanalytischc Constanten. Das kleine Werk verdient die Beachtung der praktisch ar- beitenden Analytiker, da es ihnen manche Arbeit des Rechnens abnimmt. Thoms. J. J. Thomson, Les döcharges 6Ieotriques dans les gaz. Traduit de l'anglais, avec des notes par L. Barbillon et une preface par Guillaume. Paris, Gauthier-ViUars. 1900. — Preis 5 Fr. Das grosse Interesse, das sich an die neuerdings gemachten wunderbaren Entdeckungen über elektrische Entladungen in luft- verdünnten Räumen knüpft, hat den Verfasser zu einer zusammen- fassenden Darstellung der elektrischen Entladungserscheinungen in Gasen überhaupt veranlasst. Nach einer die historische Ent- wickelung dieses Zweiges der Physik und seine Bedeutung für die Gegenwart auseinandersetzenden Vorrede Guillaume's werden in einem ersten Abschnitt die verschiedenen Methoden besprochen, mit deren Hilfe es möglich ist. Gasen eine elektrische Ladung zu ertheilen. Der zweite, mit „Effets photo^lectriques" über- schriebene Abschnitt, bespricht die Elektrisiruug der Gase durch glühende Metalle und durch den elektrischen Lichtbogen, die Leitung der heissen Gase und der Flammen, sowie diö Umwand- lung der Gase in Leiter durch Entladungen und die Elektrolyse in Gasen. Im dritten Abschnitt endlich werden die Kathoden- strahlen sehr ausführlich unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse behandelt. Die Röntgenstrahlen, die wohl gleichfalls zum Thema des Buches gehören, sind nur kurz in ihren wesentlichsten Eigenschaften besprochen, besonders in einer der zahlreichen Noten, welche Herr Barbillon. dem bereits vor einigen Jahren in englischer Sprache erschienenen Werke beigefugt hat, um es auf den Stand des heutigen Wissens zu heben. Für aus- führlichere Behandlung der Röntgenstrahlen wird auf das Werk von Guillaume „Les Rayons X" verwiesen. F. Kbr. Annuaire pour l'an 1901, publik par le Bureau des Longitudes. Avec des notices scientifiques. Prix 1,50 Fr., Paris, Gauthier- Villars. Das Pariser Annuaire, dessen ausserordentlich reichhaltiges Material auf dem Gebiete astronomischer, physikalischer, geo- graphischer und nationalökonomischer Zahlenangaben hinlänglich bekannt sein dürfte, ist in diesem Jahre von besonders werth- vollen, wissenschaftlichen Beigaben begleitet. Unter diesen ist besonders eine umfangreiche Abhandlung von Cornu über elek- trische Kraftübertragung hervorzuheben, welche sich der im vorigen Jahrgang gegebenen Erläuterung der stromerzeugenden Maschinen durch die Vereinigung von wissenschaftlicher Gründ- lichkeit mit lichtvoll populärer Darstellung würdig anreiht. Von grossem Interesse sind ferner die Berichte über die Revision des Meridianbogens von Quito, zu der Frankreich eben eine grosse Expedition ausrüstet, über die Pariser Astronomenversamndung und die Geodätenconferenz des vorigen Jahres, über die Arbeiten auf dem Montblanc-Observatorium und über die Fortschritte der Aeronautik, sämmtlich von den berufensten Vertretern dieser Wissenschaften verfasst. Von hohem Werth ist endlich auch M. Bassot's historische Studie über die Begründung des vor gerade hundert Jahren von Frankreich eingeführten metrischen Maass-Systems unter Beifügung der betreffenden Dokumente. Wenn man in Betracht zieht, dass das Buch ausser diesen, 13 Druckbogen umfassenden Beigaben, einen Umfang von 636 Seiten Tabellenmaterial aufweist, so kommt man zu der Erkennt- uiss, dass das Bureau des Longitudes jedem Abnehmer geradezu ein hochschätzbares Geschenk macht, für dessen freigebige Ueber- lassung auch nach dem Auslande ihm sicherlich wärmster Dank gebührt. F. Kbr. den Erzlagerstätten. Berlin. Beck, Prof. Dr. Rieh., Lehr — 10 Mark. Behrens, Dr. J., Nutzpflanzen. Leipzig, Bormans u. Kraus, Forficulidae und Hemimeridae: „Das Thior- reich Eiue Zusammenstellung und Kennzeichnung der re- centen Thierformen." Berlin. — In Subskription 7 M , Einzel- preis 9 M. Girod, Dr. Paul, Thierstaaten und Thiergesellschaften. Leipzig. - 4 Mark. . Hagenbach, Prof. Ed., Der elektromagnetische Rotationsversuch und die unipolare Induktion. Basel. 2 Mark. Migula, Prof. W., Das Pflanzenreich. Eintheilung des gesammten Pflanzenreiches mit den wichtigsten und bekanntesten Arten. Leipzig. — 0,S0 Mark. --.— Pflanzenbiologie. Leipzig. — 0,80 Mark. Inhalt: Th. Bokomy: Neuere Arbeiten über organische Pflanzenernährung und die Selbstreinigung der Flüsse. — J.B.Scholz: Zweibeinige Bäume. — Experimentelle Studien über Sukkulenten. — Pelzmilben des Bibers. — Astronomische Spalte. — Uober das Leuchten der Auer-Glasglühkörper. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Wilhelm Haacke und Wilhelm Kunert, Das Thierleben der Erde. — Prof. Ludwig Stelz und Dr. H. Grede, Leitfaden für den botanischen Unterricht der sechsklassigen Realschule bei Verwendung eines Schulgartens. — Dr. Julius .Schmidt, Uober die praktische Bedeutung themischer Arbeit. — Dr. Jovan P. Panaotovic, Chemisches Hilfsbuch. — J. J. Thomson, Les decharges electriques dans les gaz. — Annuaire pour l'an 1901. — Liste. 44 Naturwissenscliaftliche "Wochensclirift. XVI. Nr. 4. Dünnschliffe von Gesteinen pro Stück 70 Pfg. fertigt an Theob. Botz I. Glmsbach a. Glan. (Rheinpfalz.) PATENTBUREAU airich i^. JVlacrz Jnh:C.Schmidtlein.JngEnieur Berlin NW.. Luisenstr. 22. Ferd. Dümmlers Verlaesbh. Berlin. Das I5udi Ißfus. 55ie Ureüiingelten. 3?eu C>urdigc= fel)cn, neu übevfegt, georbnet uiib inie ben Urfpriid)eii ertlört uon Polfgotifl ilr4)bitdj. Oftau-äliiegabe 184 S. 1,50 51?., elcg. geb. 2,25 9)!. S?oll8 = 3lu6gabe L56 © gebimbeii 70 Pfennig. lüfts feWc Itfiis? 3ttiei llreuangelien. iuni JUolf- Qimg ^irdtbait). 256 Seiten Ct= tciu ö iU., eleg. gebunben tl S}i. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhaiitlluagiii Berlin SW. 12. ligeii Tagen gelangen yibhanDlungcn zur potentialtheorie. Dr. Arthur Korn, Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirich- letschen Problemes im Räume. 34 Seiten gross Oktav. Preis gelieflet 1 Marli. II. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mitteis. M Seiten gross OktaY. 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Der Vicrteljahrspreis ist M 4.- ejb sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. j[ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständig^er Qnellenangabe gestattet. Der zehnte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 3. October 1900 incl. bis Sonnabend 13. October 1900. Bericht, erstattet von Prof. Dr. B. Scliwalbe. Schon iu dem Berichte des 9. Feriencursus waren die Gründe, weshalb der Michaelistermin damals gewählt wurde, kurz dargelegt; sie waren auch für den 10. FeTien- cursus ausschlaggebend, der ebenfalls Michaelis stattfand, wie dies auch für den 11. Cursus iu Aussicht genommen ist, der im Herbst lyOl abgehalten werden soll. Zum Feriencursus 1900 waren einberufen, die im nachstehenden Verzeichniss aufgeführten Lehrer, die so weit nicht Krankheit sie verhinderte, sämmtlicb erschienen waren. Provinz Ostpreusson: I. Director Meissner von der Eealschule zu Pillau. — 2. Prof. Dolega vom Gymnasium zu Allenstein. — 3. Oberl. Dr. Fritsch vom Realgymnasiuui zu Tilsit. — 4. Oberl. Dr. Schirmach er vom Kneiphöfischen Gymnasium zu Königsberg i. Pr. — Provinz Westpreussen: 5. Prof. Dr. Brosig vom Gymnasium zu Graudenz. — 6. Oberl. Hirsch - berg vom Gymnasium zu Strassburg in Westpr. — 7. Oberl. Dr. Abraham vom Gymnasium zu Dt. Krone. — 8. Oberl. Müller vom Progymnasium zu Löbau. — Provinz Brandenburg: 9. Direct. Dr. Hohnhorst von der 6. Realschule hierselbst. — 10. Oborl. Dr. Hoefinghoff vom Gymnasium zu Wittstock. — 11. Oberl. Dr. Linsenbartli von der I.Realschule hierselbst. — 12. Oberl. Johannosson vom Sophien-Realgymnasium hierselbst. — 13. Oberl. Günzel von der 8. Realschule hierselbst. — 14. Oberl. Dr. Lehmann vom Gymnasium zu Eber.swalde. — 15. Oberl. Dr. Bennecke vom Gymnasium zu Potsdam, — IG. Oberl. Grabitz vom Realprogymnasium zu Spremberg. — 17. Oberl. Dr. Wulf von der 12. Realschule hierselbst. — 18. Oberl. Bonke vom Königstädtischen Gymnasium hierselbst. — 19. Oberl. Dr. Schweden vom Luisenstädlischen Realgymnasium hierselbst. — 20. Oberl. Oppler vom Friedricli Wilhelms Gymnasium hier- selbst. — Provinz Pommern: 21. Prof. Dr. Hoppe vom Gym- nasium zu Stolp. — 22. Prof. Tiebe vom Marienstifts-Gymnasium zu Stettin. — 23. Oberl. Dr. Te tzlaff vom Gymnasium zu'Stralsund. — Provinz Posen: 24. Oberl. Könne mann vom Friedricli Wilhelms-Gymnasium zu Posen. — 25. Oberl. Bock vom Realgym- nasium zu Bromberg. — 26. Oberl. Masucli vom Gymnasium zu Rogasen. — 27. Oberl. Schild vom Gymnasium zu Meseritz. — Provinz Schlesien: 28. Oberl. Dr. Beck vom Pädagogium in Niesky. — 29. Oberl. Wangemann vom Progymnasium in Sprottau. — 30. Oberl. Dr. IJaumert vom Progymnasium in Striegau. — 31. Oberl. Trzoska vom Gymnasium zu ßeuthen Ob.-Schl. — 32. Oberl. Wende vom Gymnasium zu Wohlau. — 33. Oborl. Griitzner vom Gymnasium zu Sagan. — Provinz Sachsen: 34. Oberl. Dr. Schumann vom Realgymnasium zu Nordhausen. — 35. Oberl. Bühring vom Fürstlichen Gymnasium zu Wernigerode. — 36. Oberl. Dr. Dörge von der Realschule zu Quedlinburg. — 37. Oberl. Schrader von der Oberrealschule zu Halberstadt. — Provinz Schleswig-Holstein: 38. Oberl. Pries vom Gymnasium zu Rendsburg. — 39. wissenschaftlicher Hilfslehrer Gaodke von der Willielmsschule zu Segeberg. — Provinz Hannover: 40. Prof. Häseler von der Leibnizschule zu Hannover. — Provinz Hessen-Nassau: 41. Oberl. Dr. Meyer vom Lossing-Gymnasium zu Frankfurt a. M. — Rhein- provinz: 42. Oberl. Dr. Herwig vom Gymnasium zu Saar- brücken. — 43. Oberl. Sarrazin vom Gymnasium zu Neuss. — Ausserdem: 44. Oberl. Dr. Gustav Meyer von der Landwirth- schaftssehule zu Dahme. Auch diesmal nahm an den Vorlesungen wie an den Demonstrationen eine grössere Zahl von Lehrern aus Berlin und den Vororten Theil. Bei der Einberufung waren hauptsächlich die östlichen Provinzen berücksichtigt, während für den Göltinger Feriencursus vorzüglich die westlichenProvinzen in Betracht kommen und au dem Frank- furter Cursus alle Provinzen gleichmässig theilnehmen, da derselbe in besonderer Weise durch praktische Curse (z. B. in Elektrotechnik) entwickelt ist. Da der letztere auch Michaelis stattfand und zahlreich (40) besucht war, hat sich das Bedürfniss für diese Feriencursc wieder klar herausgestellt, die, so hoffen wir, eine stehende Ein- richtung der preussisehen Unterrichtsverwaltung bleiben werden und vielleicht sich noch weiter nach der einen oder anderen Seite hin entwickeln können. Die Ausstellung, welche diesmal wiederum mit dem Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 5. Cursus verbunden war, iimfasste hauptsächlich Unterrichts- mittel für Geographie und die biologischen Wissenscliaften (Zoologie- Botanik.) Ausserdem hatte das Dorotheen- städtische Kealgymnasium einen Theil seiner Sammlungen ausgestellt, da sich in denselben viele Präparate und Apparate besonderer Art, ja Unika vorfinden und auch An- schauungsmittel in reicher Menge enthalten sind, die für den Anknüpfungs- und encyklopädischen Unterricht gut ver- werthet werden können. Um nur auf einen Theil der Sammlung hinzuweisen, mag die geographische Sammlung besonders hervorgehoben werden, weil dieselbe so reich- haltig ist, dass der geographische Unterricht überall durch besonders gewähltes Anschauungsmaterial in allen seinen Theilen (auch der mathematischen Geographie) unter- stützt werden kann. Herr Oberlehrer Bohn hat in den wissenschaftlichen Beilagen zum Programm des Dorotheen- städtischen Realgymnasinms 1899, 1900, 1901 eine Dar- stellung der geographischen Hilfsmittel des Dorotheen- städtischen Realgymnasiums mit Hinweis auf ihre metho- dische Anwendung und Handhabung gegeben. Ein Theil der ausgestellten Apparate diente auch direkt zu beson- deren Demonstrationen. Besonderes Interesse hatte die Ausstellung noch da- durch, dass sie einen theilweisen Vergleich mit den Unter- richtsmitteln der französischen Welt-Ausstellung gestattete, die nicht zu Ungunsten der deutschen Ausstellung ausfiel. Man kann wohl behaupten, wie dies von Kennern der naturwissenschaftlichen Unterrichtsmittel geschehen ist, dass in dieser Beziehung die deutschen Schulen durchaus nicht hinter den französischen zurückstehen und sie ihnen sogar in vielem überlegen sind. Um ein Bild über die Ausstellung zu geben, ist im Anhang eine etwas ausführliche Beschreibung gegeben. Von einer Darstellung der Sammlungen des Dorotheen- städtiseheu Realgymnasiums ist Abstand genommen, ebenso von der Besehreibung der Demonstrationen und Versuche, die von Director Schwalbe und den Herren Dr. Böttger und Lüpke, Schwann, Hahn und anderen gegeben wurden. Die Vorzüge kleiner, eng begrenzter Ausstellungen sind so hervorgetreten, dass von nun ab die Ausstellungen einen besonderen Theil der Darbietungen für den Ferien- cursus ausmachen werden und zwar in der Weise, dass abwechselnd besonders Geographie und Biologie, dann beim folgenden Cursus Physik und Chemie berücksichtigt werden sollen, während die Sonderausstellungen des Doro- theenstädtischen Realgymnasiums gewisserinaassen beide Theile umfassen. So ist für den Herbst 1901 eine Aus- stellung für Chemie und Physik seitens der Firmen und die Ausstellung der geographischen Sammlungen des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums auf Grund der Ver- öffentlichungen des Herrn Oberlehrers Bohn geplant. Die Ausstellung, um deren Zustandekommen und Auf- stellung sich die Herren Oberlehrer Röseler, Opitz, Hahn und die Candidaten des pädagogischen Seminars am Dorotheenstädtischen Realgymnasium besonders ver- dient gemacht haben, fand, wie ein grösserer Theil der Vorlesungen in den Räumen des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums statt. Eine grosse Anzahl von Preiscouranten und Schriften, die für den naturwissenschaftlichen Unterricht von Wichtig- keit sind, so die „Naturw. Wochenschrift" (Potonie), die „Naturw. Rundschau" (Sklarek), „Zeitschrift für physi- kalischen und chemischen Unterricht" (Poske), Unterrichts- blätter (Pietzker, Schwalbe) standen zur Verfügung. Der Cursus wurde durch Herrn Dr. Schwalbe er- öffnet, mit einem kurzen Rückblick auf die Entwickelung und die Geschichte der Feriencurse, sowie durch Erinne- rung an diejenigen, welche aus ihrer Thätigkeit, die sie auch den Feriencursen zugewendet hatten, durch den Tod abberufen waren (Kundt, Dames, Hauchecorne). Ein Ver- gleich zwischen der Eröffnung des ersten und des zehnten Feriencursus bot Veranlassung, die wichtigsten Momente in der Entwickelung hervorzuheben, die in einer besonderen Vorlesung dargestellt werden sollte. Da dieselbe wegen der der Eröffnung sich anschliessenden Besichtigung nicht gehalten werden konnte, wird die Geschichte der Ferien- curse mit Rücksicht auf die Entwickelung der Veranstal- tungen, die jetzt zur besonderen Fortbildung der Lehrer der Naturwissenschaften getroffen sind, durch Director Schwalbe besonders veröffentlicht werden. (Erseheint als Broschüre: Geschichte der Feriencurse. Zugleich sprach der Vortragende den Dank für die Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts durch Staat und Stadt aus. Herr Geh. Ober-Regierungs-Rath Gruhl wohnte seitens des Unterrichts-Ministeriums der Eröffnung des Cursus bei und besichtigte die Sammlungen und die Aus- stellung, indem zugleich eine Anzahl von Apparaten be- sonders demonstrirt wurde, nachdem den Theilnehmern noch betreffs der Excursion die erforderlichen Benachrichti- gungen und andere geschäftliche Mittheilungen gemacht waren. Auch diesmal war die Leitung den Herren Provinzialschulrath Vogel und Direktor Schwalbe über- tragen. Das nachfolgende Programm war für den Ferien- cursus aufgestellt worden. I. Eröffnung. Mittwoch, den 3. Üctober, 10' ■, Uhr, in der Aula des Dorotheen- städtischen Healgymnasiums durch Director Prof. Dr. Seh w albe. Eröffnungsrede desselben: ,,Ueber die historische Entwickelung und Bedeutung der naturwissenschaftlichen Feriencurse." Im Anschluss hieran die unten unter III, 1 und 2 angeführton Be- sichtigungen. II. Vorträge. 1. Prof. Dr. Rubens: „Ueber den Einfluss der verschiedeneu Strahlengattungen (Becquerel- Strahlen, Röntgen -Strahlen, ultraviolettes Licht u. s. f.^ auf elektrische Entladungen. — 2 Stunden. 2. Prof Dr. van't Hoff: „Die Stassfurter Salzvorkomrnnisse vom physikalisch-chemischen Standpunkte." — 2 — 3 Stunden. 3. Prof. Dr. Warburg: „Ueber magnetische Hysterese." — 1 — 2 Stunden. 4. Dr. Spies: ,.Ueber flüssige Luft mit Rücksicht auf ihre Verwendbarkeit zu Schulversuchen." — 2 Stunden. 6. Prof. Dr. Poske: „Zur Methodik des physikalischen Unter- richts." — 3—4 Stunden. 6. Geheimer Regiorungs-Rath Prof. Dr. von Bezold: „Zur Theorie des Erdmagnetismus " — 3 Stunden. 7. Prof. Dr. Szymanski: , Schulversuche über elektrische Wellen." — 3—4 Stunden. 8. Geheimer Kegierungsrath Prof. Dr. Slaby: „Die Telegraphie ohne Draht", mit Demonstrationen. — 2 Stunden. 9. Geheimer Regierungsrath Prof Dr. Seh wenden er: a) „Die Flugapparate der Früchte und Samen". — 2 Stunden. b) „Das Winden und Klettern der Pflanzen." — 2 Stunden. 10. Geheimer Kegierungsrath Prof. Dr. Möbius: „Bau und Lebensweise der Cctaceen unter Erklärung der in der Schausammlung des Museums für Naturkunde aufgestellten anatomischen und biologischen Präparate." — 2 Stunden. 11. Prof. Dr. Wahnschaffe: „Ueber die Endmoräne Nord- deutschlands." — 1 Stunde. 12. Prof. Dr. Potonie: „Ueber die durch Pflanzcnfossilo ge- gebenen Beiego für die fortschreitende, höhere Organisation der Pflanze". — 1—2 Stunden. III. Besichtigungen: 1. Der im Dorotheenstädtischen Realgymnasium veran.stalteten Ausstellung botanischer, zoologischer und geographischer Lehrmittel unter Führung des Provinzial - Schulrathes Dr. Vogel. 2. Der Schulsammlungen dos Dorotheenstädtischen Realgym- nasiums, sowie der in der Aula zu naturwissenschaftlichen Vorträgen getroffenen Einrichtungen unter Leitung dos Directors Prof. Dr. Schwalbe. 3. Des physikalischen, elektrotechnischen und Maschinentech- nischen Laboratoriums der Königlichen technischen Hoch- schule zu Charlottenburg. XVI. Nr. 5. Naturwissensohaftliclie "Wochenschrift. 47 4. Der mechanisch-technischen Versuchsanstalt sowie der physi- kalisch-technischen Reichsanstalt zu Charlottenburg. 5. Des neuen chemischen Instituts der Universität unter Leitung des Geheimen Regievungsrathes Prof. Dr. Fischer. 6. Der alten Urania (Invalidenstrasse 57—62) und der daselbst für physikalische und biologische Curse getrotfeven Veran- staltungen unter Leitung des Directors Dr. Schwalbe und des Piovinzial-Schulrathes Dr. Vogel. 7. Des Museums für Naturkunde unter Führung des Geheimen Regierungsrathes Prof Dr. Möbius. 8 DtT Königlichen Bergakademie und geologischen Landes- anstalt. Etwaigen Wünschen der Theilnehmer entsprechend, je nach der zur Verfügung bleibenden Zeit, ferner: Besichtigung der Berliner Elektrizitätswerke, des Postmuseums, der Borsigwerke, der Werkstätten von Siemens und Halske, einer chemischen In- dustrieanlage u. s. f. IV. Excursion und Sohluss. Ein- und einhalbtägigo geologische Exkursion nach Feldberg in Mecklenburg unter Führung des Königlichen Landesgeologen Prof Dr. Wahnschaffe. Schluss dos Cursus daselbst durch Provinzial - Schulrath Dr. Vogel. Das Programm kam mit wenigen Abänderungen zur Durcliführung. Für Herrn Geheimrath Slaby, der durch besondere Veranlassung verhindert war, trat Herr Prof. Wedding ein und trug über die neuesten Be- leuchtungsmethoden vor; für Herrn Geheimrath Möbius, der erkrankt war, übernahm Herr Geheimer Regierungs- rath Prof. Dr. v. Slartens die Demonstrationen im zoologi- schen Museum. Die Führung duicli die Königliche geo- logische Landesanstalt und Bergakademie übernahm der Leiter dieser Anstalten, Herr Geheimer Bergrath Schmeisser. Auf die einzelnen Punkte, die sonst noch bei den Feriencursen zur Erörterung und Durchführung kamen, soll hier nicht eingegangen werden, da in der Schrift, die von Director Schwalbe herausgegeben wird, diese Momente hervorgehoben werden sollen, ebenso kommen dort auch einige der methodischen Demonstrationen, die bei einzelnen Fejiencurscn und namentlich auch dem zehnten gegeben wurden, zur Darstellung. Hier mögen nur die Berichte, welche von den Herren Dozenten ein- gesandt sind, und eine Schilderung der Ausstellung, mit- getheilt werden. Prof. Rubeus: lieber die Wirkung des Lichts und anderer Strahlenarten auf elektrische Ent- ladungen. Der Vortragende ging von der grundlegenden Ent- deckung aus, welche Heinrich Hertz im Jahre 1887 ge- legentlich seiner Untersuchungen über schnelle elektrische Schwingungen machte, indem er den Einfluss des ultra- violetten Lichts auf elektrische Funkenentladungen zuerst wahrnahm. Dieses Phänomen wurde von dem Vortragenden unter Benutzung verschiedener Lichtquellen vorgeführt und der ultraviolette Charakter der wirksamen Strahlen aus ihrer Lage im Spektrum sowie aus ihrer Absorbirbarkeit demonstrirt. An diese Versuche schloss sich eine Be- sprechung der Arbeiten von Halhvachs und Elster und Geitel nebst Vorführung der entsprechenden Experimente. Weiterhin demonstrirte der Vortragende die entladende Wirkung, welche Kathodenstrahlen, Röntgenstrahlen und Becquerelstrahlen auf elektrisch geladene Leiter ausüben und wies auf den wichtigen Unterschied hin, welcher hinsichtlich der Wirkung dieser drei Strahlengattungen einerseits, und derjenigen des ultravioletten Lichts anderer- seits besteht. Während nämlich sich das ultraviolette Licht gegenüber negativ geladenen Leitern viel wirksamer erweist, als gegenüber positiv geladenen, ist ein derartiger Unterschied für die übrigen Strahlengattungen nicht vor- handen. Der Vortragende führte aus, dass nach den neuen Untersuchungen Lenards dieses abweichende Ver- halten des ultravioletten Lichts darin seinen Grund hat, dass dasselbe eine doppelte Wirkung hervorbringt, näm- lich erstens eine Jonisirung der Luft, welche eine Ent- ladung positiver und negativer Elektrizität in gleichem Maasse herbeiführt und zweitens die Aussendung von Kathodenstrahlen durch negativ geladene oder unelektrische Leiter. Im Allgemeinen superponiren sich beide Vorgänge, wodurch die beobachtete Einseitigkeit der Wirkung ihre Erklärung findet. Nach Beendigung des Vortrags wurde eine Besichti- gung des neu eingerichteten physikalischen Uebungs- praktikums unter Führung des Herrn Rubens vorgenommen. Rubens. An diese schloss sich der Besuch der mechanisch- technischen Versuchsanstalt unter Leitung des Directors Herrn Prof. von Martens. Von besonderem Interesse waren die direkt ausgeführten Festigkeitsermittelungen ver- schiedener Materialien und der dazu erforderlichen Ma- schinen und Methoden. Die jetzt durchgeführte Festigkeits- prüfung und Normirung der Papiersorten gab Aufschluss über die jetzige Papierbewerthung und auch Anregung, die Frage, wie weit die Technik und technische Methoden im Unterricht zu berücksichtigen sind, zu besprechen. Auch hier, wie überall, sprachen die Leiter des Cursus den Herren, die die Feriencurse förderten und unterstützten, den aufrichtigsten Dank aus. Prof. Dr. W. Wedding: Fortschritte in der Beleuchtungstechnik. Die Anforderungen an eine brauchbare Lichtquelle lassen sicli in fünf Bedingungen aufstellen. Eine praktisch brauchbare Lichtquelle muss erstens eine gewisse Hellig- keit besitzen, die heutigen Tages in den Grossstädten für die Beleuchtung von Arbeitsplätzen auf 30—50 Kerzen gestiegen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass das hygienische Minimum 10 Meterkerzen beträgt, und dass man bei 50 Meterkerzen dauernd ohne Anstrengung ebenso gut arbeiten kann wie bei gewöhnlichem Tageslicht. Zweitens soll eine Lichtquelle möglichst wenig Wärme entwickeln, d. h. der specifische Verbrauch oder der Ver- brauch für die Erzeugung einer Kerze soll möglichst gering sein; von dieser Bedingung sind aber unsere Licht- quellen durchweg noch weit entfernt. Zwar ist in dieser Beziehung das elektrische Licht das vollkommenste, aber noch weit ab vom Ziel. Drittens soll eine Lichtquelle keinen zu grossen Glanz besitzen d. h. der von der Ein- heitsoberfläche ausgehende Lichtstrom darf nicht zu gross sein, um nicht eine Blendung hervorzurufen. Viertens sollen die Verbrennungsproducte möglichst nicht vorhanden oder wenigstens unschädlich sein; diese Bedingung wird vollkommen nur von dem elektrischen Glühlicht erreicht. Fünftens sollen die Ausgaben für die Brenn- oder Lampen- stunde möglichst gering sein, d. h. die Wirthschaftlichkeit soll hoch, die Kosten sollen gering sein. In einer grösseren Tabelle hatte der Vortragende für die verschiedensten Lichtquellen die Werthc für die Licht- stärken, den stündlichen Verbrauch, den specifischen Ver- brauch, die aufgewendete Wärmemenge und die Kosten für die Kerzenstunde und für die Lampenstunde zusammen- Zur weiteren Erläuterung wurden die verschiedenen Lichtquellen in der Form des oifenen Schnittbrenners für Leuchtgas, des Argandbrenners, des Gasglühlichtes, des 48 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 5. Pressgases oder Kugellichtes, des Acetylcns nebst einer vollständigen kleinen Centrale, des SpiritusglUhlichtes, des Lucinlichtes, des Petroleumlicbtes, des Petroleumglühlichtes, des elektrischen Glüblichtes, des Bogenlichtes für Gleich- strom, Wechselstrom und für eingeschlossenen Lichtbogen, des Nernstlichtes und des neuen Bremer'sehen Bogen- lichtes vorgeführt. In der weiteren Besprechung zeigte der Vortragende, wie man in dem Wettbewerb je nach dem Zweck und Ziel bald das eine, bald das andere Licht als das beste und wirthschaftlichste betrachten kann. An den Vortrag schloss sich ein Rundgang und die Besichtigung des Maschinensaales im elektrotechnischen Laboratorium an, bei welcher Gelegenheit noch einige Versuche über die Parallelschaltung von Wechselstrom- maschinen, Belastung von Synchronmotoren, sowie einige Wechsel- und Drehstromexperimente vorgeführt wurden. Wedding. Man vergleiche auch den Vortrag in der .,Naturw. Wochenschr." 1900, XV, No. 1, S. 2. Plieran schloss sich am Nachmittag für die Theil- nehmer des Feriencursus die Besichtigung der physikalisch- technischen Reichsanstalt. Herr Director Hagen und die Herren Abtheilungsvorsteher hatten die Erklärung der einzelnen Arbeiten, welche in der technischen Abtheilung ausgeführt werden, übernommen und die Führung in freundlichster Weise geleitet. Es ist eine Aufgabe der Ferieneurse, gerade die Besichtigung der verschiedensten Institute zuvermitteln und so ist es auch diesmal dank dem Entgegenkommen der verschiedenen Herrn Directoren möglich gewesen, eine grosse Reihe von interessanten Besichtigungen vorzunehmen. Prof. Dr. E. Warburg: lieber magnetische Hysteresis.*) 1. In einer Einleitung über magnetische Grundbegriffe wurde der Unterschied zwischen der wahren und der äusseren Feldstärke, ferner der Unterschied zwischen magnetischer Feldstärke und magnetischer Induction, resp. zwischen Feldkraftlinien und Inductionskraftlinien oder Inductionslinien besprochen. Letzteres geschah vor- zugsweise im Anschluss an den Fall des gleichmässig bewickelten Eisenrings, bei welchem das Eisen die von der Spule hervorgerufene Feldstärke ungeändert lässt, dagegen die Induction ausserordentlich erhöht. Im Fall ungeschlossener Eisenmassen treten die Inductionslinien als Feldkraftlinien in die Luft aus. 2. Der fundamentale Versuch über die Feldhysteresis wurde in seiner ursprünglichen Form vorgeführt.**) Oest- licli von der Magnetometernadel befand sich die Magneti- sirungsspule S (40 cm lang, 5 mm Lumen, enthaltend fünf Drahtlagen, jede mit etwa 10 Windungen pro Centi- meter), deren Wirkung auf die Nadel durcli eine kleine Compensationsspule C compensirt wurde. In S wurde eine passende Zahl weicher Eisendrähte geschoben. Der Stromkreis, in welchem alles hinter einander geschaltet ist, enthält zwei Accumulatoren, einen durch Schleifcontact regulirbaren Widerstand R bis 300 fi, ein Vorlesungs- milliamperemeter von Hartmann und Braun, dessen Em- pfindlichkeit durch einen Nebenschluss auf den zehnten Theil herabgesetzt ist. In der Spule kann der Strom coramutirt werden. Die Ablenkungen der Magnetometer- nadel werden durch objective Spiegelablesung beobachtet. *) Bezeichnungen: ö magnetische Feldstärke, 93 Induction, RKemanenz, C Cogreitivkraft; alles in elektromagnetischen C. G. S.- Einheiten. E Hysteretischer Aibeitsverlust in Erg per Cydus. **) E. Waiburg, Freib. Ber. Bd. 8, Dec. 1880. Auch Wied. Ann. 13, 141 1881. Man zeigt, dass, wenn die Stromstärke zwischen — i und + i, cyclisch variirt wird, erst fortwährend ansteigend, dann fortwährend absteigend, zu jedem Werth der Strom- stärke bezw. Feldstärke zwei Werthe des magnetischen Moments gehören, und zwar ist das positive Moment grösser wenn die positive Feldstärke im Abnehmen, als wenn sie im Wachsen begriffen ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass der permanente Magnetismus ein specieller Fall der Feldhysteresis ist. Trägt man für einen Cyclus die wahren Feldstärken als Abscissen, die Inductionen als Ordinaten auf, so erhält man eine geschlossene Curve, die Hysteresisschleife. 3. Die Hysteresisschleife wurde nach Ängström*) durch Kathodenstrahlen mittelst der Braun'schen Röhre objectiv dargestellt. Am Diaphragma der Röhre sind senkrecht zur Röhrenaxe zwei gleiche Magnetisirungs- spulen (wie S unter No. 2) angebracht, die sich in ihrer Wirkung aufheben. Ebenda befindet sich eine Spule I ebenfalls senkrecht zur Röhrenaxe und senkrecht zu den Magnetisirungsspulen. Alle Spulen sind hinter einander mit dem unter No. 2. erwähnten Widerstand R in den Kreis einer Wechsclstrommaschine eingeschaltet, die durch einen Gasmotor betrieben wird. Unter der Wirkung der Spule I wird der Lichtfleck zu einer geraden Linie ausgezogen. Als man nun einen langen, 2 mm dicken Stahldraht in die eine Magnetisirungsspule einführte, er- schien die Hysteresisschleife auf dem fluorescirenden Schirm; ihre Gestalt konnte durch Regulirung des Wider- standes R variirt werden. Man zeigte auch, indem man zugleich mit dem Stahldraht eine ihn umschliessende ungefähr 1 mm starke Messingröhre einführte, dass durch die Wirkung der hinzutretenden Foucaultströme die Hysteresisschleife sich verbreiterte und an den Ecken ab- rundete. Bei weichem Eisen sind die Schleifen zu wenig geöffnet, um aus der Ferne gesehen zu werden. — - Zweck- mässig ist die Benutzung eines kleinen Hülfsmagneten an der Braun'schen Röhre, um die Axe des Kathodenstrahl- bündels auf die Mitte des Lochs im Diaphragma zu richten. 4. Es wurde der Satz bewiesen, dass die während des Cyclus am Draht geleistete und in ihm als Wärme :n mal Flächeninhalt der hysteretischen Schleife, wobei Feld ■ Intensität und Induction in absoluten elektromagnetischen C. G. S.-Einheiten zu rechnen sind.**) Es ist hier ange- nommen, dass die wahre Feldstärke der äusseren gleich ist. 5. Die Bedeutung dieses Arbeitsverlustes für die Trans- formatoren wurde an dem Beispiel eines Transformators erläutert, der 90 kg Eisen enthält und bei 50 Wechseln pro Sekunde und einer maximalen Induction von 5000 C. G. S. eine Leistung von drei Kilowatt besitzt. Ist E der hyste- retische Arbeitsverlust in Erg pro Cyclus, so ist der hyste- retische Eftectverlust hier ö.S-lO-^-E-Kilowatt. Je nach- dem man nun, für die Maximalinduction 5000, E = 910 (Ewing's bestes Eisen) oder 1430 (gutes Eisen nach Parshall) oder 3990 (minderwerthiges Eisen nach demselben) setzt, ergiebt sich ein Effectverlust von 1,8, 2,8 oder 7,9''/o' Dieser Verlust erscheint noch grösser, wenn man bedenkt, dass er in dem unbelasteten Transformator ebenso wie in dem belasteten auftritt. Diesen Thatsachen verdankt die Hysteresis die Auf- merksamkeit, deren sie seit dem Jahre 1887 in der Elektrotechnik gewürdigt wird, freilich mit dem nicht erfolglosen Bestreben, sie möglichst unschädlich zu machen, d. h. ein möglichst hysteresisfreies Transformator- eisen zu finden. '■) K. Ängström, Physical Kcvi ''■) E. Warburg 1. c. Vol. X, Febr. 19(10. XVI. Nr. 5. Naturwissenscliaftliclie "Wochenschrift. 49 6. Nähere Beg-riffsbestimmung der Hysteresis. Auch bei hysteresisfreiem Eisen würde in Folge der Foucanlt- strümc die graphische Darstelkmg der Induktion als Funktion der Feldstärke für einen mit Wechselstrom be- triebenen Elektromagneten eine der hysteretischcn ähn- liche Schleife liefern, welche sich aber in eine einzige Linie zusammenzöge, wenn die Periode des Wechsel- stroms unendlich gross, d. h. die Geschwindigkeit der Feldstärkenänderung unendlich klein würde. Dieser Fall fällt nicht unter den Begriff der Hysteresis, obgleich die Beziehung zwischen Arbeitsverlust und Sehleifcnfläche bestehen bleibt. Ferner ist für die Hysteresis charakte- ristisch, dass, wenn das Feld in einfach stationärem Cyclus zwischen — $i' und -+- 1)' variirt, d. h. so, dass es von — ^' bis -4- §' fortwährend wächst, von + ^' bis — |)' fortwährend abnimmt, dann nach einigen Wiederholungen des Cyclus immer zwei bestimmte Werthe der Induktion einem Werth der Feldstärke entsprechen. Man kann daher sagen, dass Hysteresis stattfindet, wenn, indem eine Variable X sich unendlich langsamiu einfach stationärem Cyclus ändert, eine von x abhängige Eigenschaft y eines Körpers sich so ändert, dass zwei Werthe von y einem Werth von X entsprechen. An den ferromagnetischen Körpern hat mau ausser der bisher besprochenen Feldhysteresis noch zwei andere Arten von Hysteresis, nämlich Deformations- hysteresis und Temperaturhysteresis beobachtet. Die Deformationshysteresis wurde zuerst von Sir. W. Thomson [Lord Kelvin]*) bemerkt, als er einen unter dem Einfluss der Vertikalcomponente des Erdmagnetismus stehenden Eisendraht cyclisch veränderlicher Torsion unterwarf. Die Magnetisirung nahm im Allgemeinen mit wachsender Torsion ab, war aber bei derselben Torsion grösser, wenn die Torsion im Zunehmen, als wenn sie im Ab- nehmen begriffen war. Temperaturhysteresis entdeckte J. Hopkinson**) an Nickelstahl mit 257o Nickel. Die ferromagnetische Sus- ceptibilität geht dieser Legirung gegen 580° verloren, fängt aber bei der Abkühlung erst etwas unter 0° an wieder aufzutreten, wächst bis — 57», wächst weiter beim Wiedererwärnien und verschwindet gegen 580". Bei cyclischer Veränderung der Temperatur entsprechen also zwischen —57° und -i- 580° zwei Werthe der Induktion einem Werthe der Temperatur. Auch bei kleinerem Nickelgehalt tritt Temperaturhysteresis ein, während bei grösserem die Induktion eine ein werthige Funktion der Tem- peratur ist. Guillaume***) nennt die ersteren Legirungen irreversibel, die letzteren reversibel. Es wurde ein Experiment mit irreversiblem Nickelstahl vorgeführt. Nach der gegebenen Definition ist Hysteresis, wenigstens bezüglich physikalischer Eigenschaften, nur bei ferro- magnetischen Körpern beobachtet worden. Die hyste- retischcn Effekte, welche man bei der Polarisation der Dielektrika beobachtet zu haben glaubte, scheinen von einem schwachen elektrischen Leitungsverniögen herzu- rühren, würden also bei unendlich langsamen Cycleu ver- schwinden. Man sollte daher überhaupt nicht von dielektrischer Hysteresis sprechen. 7. In sehr schwachen Feldern bis 0,04 C. 6. S. giebt es keine Hysteresis, zugleich ist dort die Induktion der Feldstärke proportional, f) In stärkeren Feldern hört diese Proportionalität auf, zugleich wird Hysteresis be- merklich. „As soon as the line ceases to be straight, it ceases also to be Single" (Lord Rayleigh 1. c). Man kann daher das Verhalten des Eisens gegen eine äussere Sil- W. Thomson, Phil. Trans. 1879, t. 180, i Proc. Roy. See. 47,23 und 138 **) J. Hopki Ib. t. 48,1 189U. ***) Ch. E'd. Guillaume, Aicli. sc. phys. de Genfeve 1898, t 55, 255. t) Lord Rayleigh, Phil. Mag. (5) 1887, t. 23, 225. magnetische Kraft mit der Deformation eines elastischen Körpers durch einen äusseren Zwang vergleichen. Die „magnetische Elasticitätsgrenze" liegt bei ^ = 0,04 C. G. S. 8. In etwas stärkeren Feldern sind die Aeste der Hystercsisschleife Linien 2. Grades, der Hysteresisverlust ist der 3. Potenz der maximalen Feldstärke im Cyclus proportional.*) 9. Für stärkere Felder kennt man keinen analytischen Ausdruck für die hysteretische Schleife. Man charakterisirt sie hier durch die "maximale Feldstärke (^') die maximale Induktion CSß'), die Remanenz — d. i. die für § = 0 übrig bleibende Induktion — , die Coercitivkraft — d. i. die negative Feldstärke, welche die positive Remanenz auf 0 reducirt —endlich den hysteretischcn Arbeitsverlust pro Cyclus E = lj's3d§. Wenn bei der maximalen Feldstärke der Grenzwerth der Magnetisirung praktisch als erreicht angesehen werden darf, so heisst der Cyclus ein vollständiger. Der vollständige Cyclus erfordert für weiches Eisen eine maximale Feldstärke von 150 C. G. S., für harten Stahl eine von 300 C. G. S. Die für eine Eiseusorte an- gegebenen Werthe der Coercitivkraft und der Remanenz beziehen sich gewöhnlich auf einen vollständigen Kreis- process. 10. Die Methoden ersten Ranges zur Bestimmung der hysteretischcn Schleifen oder Inductionscurven, die Methode des ringförmigen Elektromagneten (ballistische Methode) und die des EUipsoids (magnetometrische Methode), sind für die Technik zu unbequem, besonders weil sie eine unbequeme Form des Eisens verlangen. Die in der Technik gebräuchlichen Jochmethoden (z. B. Apparat von Koepsel, magnetische Wage von du Bois) sind auf kurze Eisenstäbe anwendbar, welche durch das Joch, einen dicken Bogen aus weichem Eisen, zu einem geschlossenen Kreise ergänzt werden. Das Joch beseitigt den freien Magnetismus der Stabenden, welcher das Feld ungleich- förmig macht und die Bestimmung jler wahren Feldstärke vereitelt.**) 11. Wenn eine Eisenscheibe unter einem Magneten rotirt, so wird durch Hysteresis der Magnet mitgenonimeu, da von dem in einer bestimmten Lage der Scheibe in ihr inducirten Magnetismus etwas zurückbleibt, wenn diese Lage bei der Rotation bereits verlassen ist.***) Ein Ver- such hierüber wurde mit dem Apparat zur Demonstration des Arago'schen Rotationsmagnetismus angestellt, indem man die auf der Schwungmaschine rotirende Kupferscheibe durch eine Eiseuscheibe von 20 cm Durchmesser und 0,25 mm Dicke ersetzte. Ueber ihr schwebte an einem Messingdraht (0,25 mm dick, 21 cm lang) ein starker, hohler, 10 cm langer Magnet aus Wolframstahl; er lag in einer Messinghülse, welche zur Dämpfung unten ein in Glycerin tauchendes Messingblech trug. Die rotirende Eisenscheibe eitheilte dem Magneten eine starke Ab- lenkung im Sinne der Rotation, mochte diese in dem einen oder andern Sinn stattfinden, aber die Grösse der Ablenkung erwies sich als völlig unab- hängig von der Rotationsgeschwindigkeit der Eisenscbeibe. Zum Vergleich wurde die Eisenscheibe durch eine Kupferscheibe ersetzt (Arago'scber Versuch), in welchem Falle die Ablenkung des Magneten mit der Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe erheblich wuchs. Dieser Versuch zeigt sehr klar den Unterschied zwischen *) Lord Rayleigh 1. c. , ■ r' a \, -^t- **) Näheres über die genannten Methoden s. bei L. bchmidt, magnetische Untersuchungen. Ein Wegweiser für Hütteningenieure. Ztschr. f. Elektrochemie 1898 No. 22, 1899 Nr. 27. ***) E. Warburg 1. c. F. Martens, Wied. Ann. 189/, bU, bl. 50 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XYI, Xr. 5. der Wirkung der Hysteresis und der Foueaultströme. Der Arbeitsverlust durch Hysteresis ist pro Cyclus mit der Ge- schwindigkeit, mit welcher der Cyclus durchlaufen wird, jedenfalls nur wenig veränderlich, während der Arbeits- verlust durch Foueaultströme pro Cyclus seiner Ge- schwindigkeit proportional ist. 12. Mit entsprechendem Apparat wurde die starke Dämpfung gezeigt, welche eine Eisenscheibe auf einen über ihr schwingenden Magneten ausübt.*) 13. Es wurde gezeigt, dass eine auf einer Spitze balancircndc Eiseuscheibe im Drehfeld von dem rotirenden Felde, vorzugsweise durch Hysteresis, mitgenommen wird. Diese Erscheinung lässt sich mit empfindlichem Apparat bei fast allen Körpern in Folge eines geringen Eisengehalts derselben nachweisen und liefert eine Reaction auf Eisen, welche die chemischen Reactionen an Empfindlichkeit bedeutend übertrifft.**) 14. Theorie der Hysteresis von Ewing.***) Der Ausgangspunkt ist die bekannte Weber'sche Theorie der drehbaren Molecularmagnete. Maxwell hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht nöthig ist, eine besondere, von den magnetischen Kräften unabhängige Directionskraft anzunehmen, welche die aus ihren natür- lichen Gleichgewichtslagen abgelenkten Molecularmagnete in diese zurücktreibt, sondern dass eine solche Directions- kraft in der Wechselwirkung der Molecularmagnete selbst gefuuden werden kann. Ewing hat gezeigt, dass es für Gruppen von Molecularmagneten verschiedene stabile Gleichgewichtslagen giebt, welche theils dem magnetischen, theils dem unmagnetischen Zustand entsprechen. Wird nun durch eine äussere magnetische Kraft eine Gruppe aus einer unmagnetischen Gleichgewichtslage in eine einer magnetischen benachbarten übergeführt, so wird sie nach Entfernung der äusseren Kraft diese Lage annehmen und folglich permanenten Magnetismus zeigen. Die Theo- rie wurde an einem Modell aus kleinen Declinationsmagnet- chen erläutert. Indem Ewing und Frl. Klaassenf) ein solches Modell aus 130 Maguetchen cyclisch variirendeu Werthen der Feldstärke unterwarfen und jedesmal das magnetische Moment des Systems bestimmten, erhielten sie hysteretische Schleifen, welche von denen eines Eisen- drahts kaum 7A\ unterscheiden waren. 15. Ucber die Aenderung der hysteretischen Eigen- schaften des Eisens durch physikalische Behandlung. Es ist bekannt, dass das Eisen durch Hämmern, Walzen, Ziehen magnetisch härter, durch Ausglühen magnetisch weicher wird. Der wichtigste hierher gehörige Process ist der Härtungsprocess des Stahls (Eisen mit 0,6— -l,6''/o Kohlenstoff). Das Verständniss dieser Erscheinungen ist durch neuere Untersuchungen eröffnet worden. Erhitzt mau das Eisen, so geht es in einem gewissen Temperatur- intervall, welches man das kritische Temperaturinter- vall nennen kann, und welches für die verschiedenen Eisensorten verschieden, etwa zwischen 700 und 870° ge- legen ist, unter Absorption von latenter Wärme in eine andere Modification über, in welcher es seine starke Magnetisirbarkeit oder seine ferromagnetische Eigenschaft verloren hat. Zugleich ändern sich andere physikalische Eigenschaften, z. ß. das thermoelektrische Verhalten, der Temperaturcoefficient des elektrischen Widerstandes, das Verhalten der specifischen Wärme. Beim darauffolgenden Abkühlen tritt im Allgemeinen, allerdings in einem etwas tiefer gelegenen Temperaturintervall die entgegengesetzte (A), *) E. Wavbm-g I. c. F. Himstedt, Wied. Ann. 1881, 14, 48:^. **) W. Duano & W. Stewart, Wied. Ann. 1897, (il, 4:!r.. W. Duane, Wied. Ann. 1897, 62. .543. ***) J. A. Ewing, Proc. Roy Soc. Bd. 48, 342. 1890. t) J. A. Ewingund Mi3s H. G. Klaassen, Phil. Trans. 1893, 181 Umwandlung unter Freiwerden von latenter Wärme ein. Beim Stahl wird dies dem Auge sichtbar, indem der auf helle Rothgluth erhitzte und dann der Abkühlung in der Luft überlassene Stahl bei einer gewissen Temperatur zeitweise wieder aufglüht. Dieses von Barrett entdeckte sogenannte Recalescenzphänomen wurde an einem 3,3 mm dicken, 300 mm langen Stahldraht gezeigt, welcher im dunklen Zimmer durch den Strom der städtischen Centrale auf helle Rothgluth erhitzt und nach Unterbrechung des Stroms der Abkühlung überlassen wurde. Aehnlicbe Um- wandlungen erleiden Nickel und Cobalt, doch liegt die Umwandlungstemperatur für Nickel tiefer, für Cobalt höher als für Eisen. Drei gleiche Würfelchen von 7 mm Seite aus Nickel, Eisen und Cobalt wurden mit einem Ende an einen Magneten gebracht und von diesem bei Zimmertemperatur getragen. Durch eine Gebläselampe erhitzt fiel das Nickel vor dem Glühen, das Eisen bei Rothgluth ab, das Cobalt aber wurde selbst bei heller Rothgluth noch getragen. Während nun Erhitzung über das kritische Intervall hinaus und darauf folgende Abkühlung auf Zimmertempe- ratur die magnetischen Eigenschaften des Eisens und, bei langsamer Abkühlung, auch die des Stahls unver- ändert lässt, erleidet der letztere bei schneller Abkühlung eine dauernde Aenderung seines magnetischen Verhaltens (Härtung des Stahls). Man schliesst daraus, dass bei diesem Vorgang die im kritischen Intervall eingetretene Zustands- änderung beim Abkühlen nur theilweise rückgängig ge- worden ist, so dass der gehärtete Stahl als ein Gemisch von magnetischem und unmagnetischera Eisen anzusehen ist. Nach Osmond hängen die hysteretischen Eigen- schaften nur von der Gegenwart des unmagnetisehen Eisens ab und würden verschwinden, wenn die ganze Eisenmasse in magnetisches Eisen verwandelt würde. Nach dieser Theorie bringt jede Behandlung des Eisens, welche die hj'steretischen Eigenschaften desselben ändert, wie das Hämmern, Ziehen einerseits, das Ausglühen an- dererseits eine theilweise Umwandlung der einen Modi- fikation in die andere hervor. Indem es kaum zweifelhaft ist, dass auch das reine Eisen bei einer gewissen Temperatur seine ferromagne- tische Eigenschaft verliert, muss man annehmen, dass das unmagnetische Eisen eine Modification des reinen Eisens ist (jJ-Eisen). Da andererseits das Eisen sich nur härten lässt, wenn es eine hinreichende Menge an Kohlen- stoff oder anderen fremden Beimengungen enthält, so kann der Einfluss dieser Beimengungen nur darin bestehen, die Rückverwandlung von /S-Eisen in das ferromagnetische oc-Eisen zu hindern. 16. Magnetisches Gedächtniss. In Folge der Hysteresis hängt der magnetische Zustand des Eisens nicht nur von den zur Zeit auf dasselbe wirkenden magnetischen Kräften ab, sondern auch von den Kräften, welche früher eingewirkt haben, an welche das Eisen gewissermaassen eine Erinnerung bewahrt. Dieses magnetische Gedächtniss zeigt sich am auffälligsten in dem Telephonographen von Poulsen und bildet ein interessantes Analogen zu dem Räthsel des menschlichen Gedächtnisses. Für eine eingehendere Behandlung des Gegenstandes sei auf den vom Verf. dem internationalen Physikercongress zu Paris 1900 erstatteten diesbezüglichen Berieht verwiesen. Die magnetischen Untersuchungen von Dr. E. Schmidt (ein Wegweiser für Hütteningenieure, Zeitschr. für Elektro- chemie 1898, No. 18, 22; 1899, No. 27, 35, 44) enthalten eine sehr empfehlenswerthe, leicht fassliche Darstellung der magnetischen Grundbegriffe und Untersuchungs- j methoden sowie der magnetischen Eigenschaften des I Eisens und verwandter Metalle. Warburg. I (Fortsetzung folgt.) XVI. Nr. Naturwissenschaftliche. Wochenschrift. Das neue Jahrhundert und die Reform unseres Zählungswesens. Von Prof. Dr. Wilhelm Foorstei Die Meinungsverscbiedenheiten über den Begiuii des neuen Jaiirhnnderts haben mehr oder minder lebbafteu Wicderball gefunden. Die Frage ist ja nun ihres un- mittelbaren Reizes und Stachels ledig, ohne dass man zu einer der ganzen Kulturweit einleuchtenden Entscheidung gelangt wäre. Es dürfte daher jetzt an der Zeit sein, in allen näher beteiligten Kreisen, und zu diesen gehören die Astronomen und Astronomiefreunde, in Erwägung zu ziehen, ob nicht durch gewisse, auch sonst nützliche Veränderungen der Art unserer Zählungen und der zahlenmäfsigen Be- zeichnungen auch die Anlässe zu solchen doch eigentlich recht müfsigen Streitigkeiten vermindert oder in einzelnen Punkten ganz beseitigt werden könnten. Es bedarf mitunter solcher Anlässe, um uns die Augen zu offnen über das Irrige oder ünzweckmäfsige mancher gewohnheitsmäfsigen Einrichtungen, die sich, nach Goethe's Wort, wie eine Krankheit forterben. Beginnen wir also mit der Jalulumdertfrage, von welcher wir unschwer den Weg in eine nähere kritische Betrachtung unseres ganzen Zählungswesens finden und zu allgemeinerem Bewufstseiu der grofsen, besonders in Deutschland noch zugelassenen Übelslände auf diesem Ge- biete gelangen werden. Als die Frage nach dem Beginn des neuen Jahr- hunderts vor einigen Jahren wieder aufgeworfen wurde, und die Wissenschaft fast einmütig den Beginn des Jahres 1901 als den Beginn des neuen Jahrhunderts be- zeichnete, ergab sich zugleich mit etwas gröfserer Energie, als bei den vorangegangenen Jahrhundert-Anfängen, leb- hafter Widerspruch im grofsen Publikum und auch von Seiten einiger wissenschaftlicher Männer und Pädagogen. Was ist denn an dem neuen Jahrhundert, so fragte man, das wesentlich NeueV Das ist doch nur die Zahl 19 statt der Zahl 18 im Datum, und dieses Neue in der Zeit-Angabe tritt mit dem Beginne des Jahres 1900 ins Leben; folglich ist dieser auch der Beginn des neuen Jahrhunderts. So argumentierte man, und mau fand damit Zustimmung an den höchsten Stellen Deutschlands, welche dann dem amtlichen und öffentlichen Leben Deutschlands einen gemeinsamen Anhalt für die ent- sprechenden Veranstaltungen beim Beginn des Jahres 1900 gaben. Demgegenüber war aber die grofse Mehrheit in der übrigen Kulturwelt und auch ein grofser Teil der deutschen wissenschaftlichen Welt der Ansicht, dass ein neues Jahr- hundert erst dann anfangen könne, wenn das voran- gehende Jahrhundert beendet sei. Das erste volle Jahr- hundert unserer Zeitrechnung habe zweifellos die Jahre 1 bis 100 umfafst, denn unsere Zeitrechnung beginne mit dem Anfange des als das Jahr 1 der christlichen Are bezeichneten Jahres, und erst mit dem Schlüsse des Jahres 100 sei hiernach das erste Jahrhundert beendet gewesen. Ebenso umfasse das zweite Jahrhundert die Jahre IUI bis 200, das neunzehnte die Jahre 1801 bis 1900, und das diesem Jahrhundert folgende neue, nämlich zwanzigste Jahrhundert, beginne danach mit dem Anfange des Jahres 1901, Mau könne dagegen von dem Anfange des Jahres 1900 nur behaupten, dass es den Zeitabschnitt der Anwendung einer neuen Jahrhundertzahl im Datum eröffne, aber keinesweges ein neues Jahrhundert. Gegen diese letztere Argumentierung lässt sich nichts Erhebliches einwenden. Zwar wird von einigen Seiten behauptet, dass der Begründer der Zeitrechnung nach Christi Geburt, Dionys der Kleine, den Geburtstag des Heilandes (25. Dezember) G Tage vor dem Beginne des Jahres 1 angesetzt habe, und dass eigentlich das Jahr, in welches diese Geburtsepoche gefallen sei und welches die Chronologie sonst als das Jahr 1 vor Christi Geburt bezeichnet, als eine Art von Null- oder Anfangs-Jahr dieser ganzen Zeitrechnung betrachtet werden müsse, dass somit das Jahr 1 nach Christo eigentlich schon das zweite der christlichen Are und danach das Jahr 99 schon das hundertste dieser Zeitrechnung sei. Jene Annahme ist aber weit davon entfernt, bewiesen zu sein; vielmehr spricht die gröfste Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Begründer der christlicheu Zeitrechnung den Geburtstag Christi auf den 25. Dezember des Jahres 1 seiner Are gesetzt hat. Dass überhaupt eine Verschiedenheit der Auffassungen hinsichtlich des Anfanges des neuen Jahrhunderts möglich ist, beruht, wie man aus Obigem erkennt, darauf, dass in dem Beginne der Are, also im Anfang des ersten Jahrhunderts dieser Zeitrechnung kein eigentliches Null- Jahr existiert, wie es dagegen in allen darauf folgenden Jahrhunderten der Fall ist, und dass somit das Null-Jahr des zweiten Jahrhunderts zugleich das letzte Jahr des ersten Jahrhunderts ist u. s. f. Infolge dieses Umstandes trägt das letzte Jahr jedes Jahrhunderts bereits die Datumsziffer des darauf folgenden neuen Jahrhunderts, dessen Aufangsjahr es nur be- zeichnungsmäfsig, aber nicht zäblungsmäfsig bildet. Dieser Zwiespalt ist aber nur dadurch zu heilen, dass man fortan die zählungsniäfsige Bezeichnung der Jahrhunderte mit den Ordnungszahlen aufgiebt und auch die Jahrimnderte ebenso wie die Jahre lediglich bezeich- nungsmäfsig, d. h. dem Datum gemäfs benennt. EigentUch haben, bei Lichte besehen, die Ordnungs- zahlen bei beliebigen zahlenmäfsigen Bezeichnungen solcher Art gar nichts zu suchen. Sie bilden vielfach nur eine unnötige Weitläufigkeit des sprachlichen Ausdruckes, und sie enthalten überwiegend eine Anknüpfung au Gedankeu- folgen, die mit Zählung oder Rechnung wenig oder gar nichts, dagegen mit Gesichtspunkten eines Vorzuges in der Ordnungsfolge wesentlich zu thun haben. Natürlich wird sich die Sprache diese letztere An- wendung der Ordnungszahlen gar nicht nehmen lassen. Die Kennzeichnung der bevorzugten Stellung eines Menschen dadurch, dass man ihn den Ersten oder auch nur den Zweiten in irgend einer Reiheufolge nennt, wird man nicht dadurch ersetzen mögen, dass man ihn in irgend welchem Zusammenhange mit der Ziffer 1 oder der Ziffer 2 be- zeichnet. In diesem Sinn eines Vorzuges wird die Bezeich- nung mit Ordnungszahlen auch da eingehalten, wo man sonst über die Eins oder Zwei hinaus zur blofsen Be- zeichnung der zeitlichen Reihenfolge, z. B. von Regenten oder von Monatstagen, im allgemeinen nicht mehr die Ordnungszahlen, sondern die Ziffern oder Zahlwörter (die sogenaunten Kardinalzahlen) anwendet, wie es z. B. in der französischen Sprache geschieht, wo nur die beiden ersten Regenten -Namen einer gröfseren gleichnamigen Reihe oder der erste Monatstag mit den Ordnungszahlen „der Erste", „der Zweite", wenn auch bei den Regenten in einer etwas abgekürzten grammatischen Verbindung, versehen, die übrigen lediglich mit der Ziffer oder dem Zahlwort bezeichnet werden. Bei beliebig gröfseren Zahlen in einer solchen Reihenfolge geht der Nebengedanke einer gewissen re- 52 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVT. Nr. 5. lativen VorzugssteUung verloren, und nur gegen Ende einer solchen Reihenfolge tritt wieder eine Art von Vorzug ein. Die Eltern freuen sich, wenn der Knabe der Erste oder der Zweite in der Klasse ist; es ist ihnen ziemlich gleichgiltig, ob er unter 40 Schülern der Dreiundzwanzigste ist; dagegen interessirt es wieder mehr, wenn er der Letzte oder der Vorletzte ist. Möge man also die Ordnungszahlen für Vorzngsbe- zeichnungen positiver und negativer Art in irgend einer Reihenfolge beibehalten, dagegen für eine bejiebige andere Stellung in solcher Zahlenfolge lediglich die Ziffern oder Zahlwörter in irgend einer, jeder besonderen Art von Fällen leicht anzupassenden Verbindung als Bezeichnung brauchen. Bei den Besonderheiten der Zeitrechnung haben aber jene Vereinfachungs-Gesichtspunkte ein noch stärkeres Gewicht wegen des als ganz unnötiger Übelstand wirken- den Unterschiedes zwischen dem in der Ordnungszahl eines Jahrhunderts angewandten Ziffern-Ausdruck und der einfachen ziffernmäfsigen Bezeichnung des Jahrhunderts nach seinem Datum. Auch hier könnte aber das erste Jahrhundert noch den Vorzug geniefsen, mit der Ordnungs- zahl bezeichnet zu werden, zumal da dieses erste Jahr- hundert in der That den hohen Vorrang beanspruchen kann, dass es die gröfsten Begebenheiten in sich fasst, welche sich an das, seinen Beginn charakterisierende Ereignis anschliefsen. Es ist dagegen nicht der leiseste Grund ersichtlich, weshalb man nicht, von dem zweiten Jahrhundert ein- schliefslieh beginnend, die weiteren Jahrhunderte lediglich mit ihrer Datumsziffer bezeichnen, also das zweite Jahr- hundert als das Jahrhundert 1, das neunzehnte Jahrhundert als das Jahrhundert 18 bezeichnen und sich von den Unterscheidungen zwischen den Ordnungszahlen und den Datumszahlen der Jahrhunderte, mit der einzigen Aus- nahme des ersten Jahrhunderts, ganz befreien soll. Dieses erste könnte man ja sonst bei Verwerfung der Ordnungszahl nur als das Jahrhundert Null bezeichnen, was an sich kaum durchführbar erscheint und auch nach dem oben bereits erwähnten Gesichtspunkte der hohen geschichtlichen Wichtigkeit gerade dieses Jahrhunderts ein geschmack- loser Vorschlag sein würde. Wenn man also die hundert Jahre von 100 bis 199, welche als Jahrhundcrtbezeichnuug im Datum die Ziffer 1 tragen, fortan das Jahrhundert 1 nennt, sodass das Jahr 100 zugleich das letzte des ersten Jahrhunderts und das erste des Jahrhunderts 1 sein würde, und wenn man dann weiter mit den folgenden Jahrhunderten ebenso verfährt (für die Jahrhunderte vor Christo würde man es ganz ähnlich machen), so ist die Sache bezeichnungs- mäfsig geordnet und jeder weiteren Schwierigkeit ent- hoben. Der Sprung von dem ersten Jahrhundert auf das Jahrhundert 1 ist allerdings nach dem Gesichtspunkte der Stetigkeit zu bemängeln. Aber dieser Schönheitsfehler wird, aufserhalb der chronologischen und historischen Forschung und Lehre, im Gemeinschaftsleben der Menschen, verglichen mit den zahllosen Fällen, in denen es sich um die Bezeichnung des laufenden Jahrhunderts und der nächst- vergangenen und -kommenden handelt, eine verschwindend kleine Bedeutung haben. Und selbst innerhalb der Chro- nologie und Geschichte wird jene Stetigkeitsunterbrechung schlicfslich eine wohlthätige Wirkung ausüben, weil sie für alle rechnerischen Fragen die Besonderheit vor Augen hält, welche durch den Mangel eines Nuiljahres am An- fang der Are in der Chronologie bedingt wird, und welche man in der Astronomie rechnerisch dadurch be- rücksieiitigt, dass man die chronologischen Jahreszahlen vor Christo stets um eine Einheit vermindert in Rechnung stellt. Es ist nach der Übereinstimmung, welche sich hin- sichtlich des obigen Vorschlages bereits in engeren Sach- verständigenkreisen ergeben hat, zu hoffen, dass es ge- lingen könnte, die zweckmäfsigere Benennungsweise der Jahrhunderte nach ihren Datumszahlen, mit Beseitigung der vom Datum abwcicliendcn Ordnungszahlen, allmählich in den Sprachgebrauch einzuführen, wenn die Schule hierbei die ihr gebührende und schliefslich entscheidend wirksame Hilfe leistet. Warum sollte die Bezeichnung „Jahrhundert 18'- sich nicht ebenso einbürgern, wie die Bezeichnung jedes einzelnen Jahres mit dem Zaldwortc seines Datums, z. B. „das Jahr 99", zumal da auch noch eine kleine Ersparnis im Sprechen und Schreiben durch die Beseitigung der Ordnungszahlen der Jahrhunderte er- reicht wird. Überlegungen ähnlicher Art könnten dazu führen, auch die Datumsbezeichnungen nach den Monatstagen in derselben Weise durch Anwendung der gewöhnlichen Zahlwörter statt der Ordnungszahlen zu vereinfachen, wo- mit auch andere Sprachen schon vorangegangen sind. Es ist nicht blofs kürzer, zu sagen „Januar 3" statt „der .3. Januar", sondern es ist auch offenbar, dass durch diese, übrigens in der deutschen Wissenschaft schon vielfach gebräuchliche. Ausdrucksweise auch im Publikum das rechnerische Operieren mit dem Datum deutlichst erleichtert und gesichert würde. Es findet nämlich fast unbewusst beim rechnerischen Operieren mit Monatsdaten eine Art von Hemmung durch den jedesmaligen Übergang von der Ordnungszahl auf das blofsc Zifternbild und um- gekehrt statt, was mit der Aufgebung der Ordnungszahlen in den Monatsdaten ganz wegfällt. Man kann jene Hemmung, welche übrigens auch mit den Mängeln unseres Aussprechens der Zahlen in manchen Fällen einigen Zu- sammenhang hat, sehr deutlich in der Schwerfälligkeit erkennen, mit welcher im allgemeinen im Gebiete der Monatsdaten gerechnet wird. Andere verkehrte Aus- drucksformen, z. B. „heute über 8 Tage", die übrigens auch von gewissen uuzweckmäfsigen Anwendungen der Ordnungszahlen bei den Datierungen in den alten Sprachen beeinflufst sind, tragen natürlich hierzu bei. Auf Grund von Erörterungen dieser Art, wie sie durch die Jahrhundertfrage in Sachverständigenkreisen angeregt worden sind, ist man auch in der Lehrerwelt wiederum aufmerksamer geworden auf die grofsen Übel- stände im Zäblungs- und Rechnungswesen, welche durch gewisse Verkehrtheiten beim Aussprechen und beim wört- lichen Hinschreiben der Zahlen-Ausdrucke in der deutschen Sprache und in einigen anderen Sprachen verursacht werden. Bei dem Zahlen-Ausdruck 13, bei welchem man in der Richtung unseres Hinschreibens der Ziffern zuerst die Eins (die ZehnerstcUe 1), sodann die Drei (die Eiuerstelle 3) hinsetzt — gemäfs den in der ganzen Folgeordnung der dekadischen Stellen beim Ziffern-Schreiben eingeführten Grundsätzen — wird sowohl beim Aussprechen, als bei dem in vielen Fällen zur gröfseren Sicherung ausgeführten buchstäblichen Hinschreiben der bezüglichen Zahl- wörter die Reihenfolge der Wörter gegen die in Schrift und Druck eingehaltene Ziffernfolge umgekehrt, indem man „dreizehn" sagt und ebenso in Buchstaben „dreizehn" hinschreibt. Dieselbe Verkehrtheit findet bei allen Ziffern-Ausdrucken zwischen 13 und 99, mit Aus- nahme der vollen Zehner, statt. Bei 11 und 12 kommt diese Verkehrtheit nicht deutlich zum Vorschein, weil die ausdrückliche Zusammensetzung aus Zehner und Einer hier durch eine diesen beiden Zahlwörtern eigentümliche Wort-Endigung ersetzt ist. Und diese beiden Ausdrücke, welche mit ihren besonderen Namen noch einen Rest 1 der alten, auf astronomischem Wege entstandenen Zwölf- XVI. Nr. 5. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 53 Einteiking (die in der Monatseiuteilung des Jahres erhalten bleiben wird), darstellen, könnten in der Tbat bei der Kritik und der Bekämpfung jener Verkehrtheiten des Aussprechens einstweilen unbedenldicb, ja sogar mit kleinem Vorteil aufser acht bleiben. Es ist dagegen aufser allem Zweifel, dass es in hohem Grade unzweckmäfsig ist, ja sogar eine grofse Schädigung des ganzen Rechnungswesens enthält, dass man zwischen 13 und 99 die Folge-Ordnung des zift'ern- mäfsigen Hinschreibens der Zahlen-Ausdrlicke ohne weiteres beim Aussprechen und wörtlichen Hinschreiben derselben nach Zehnern und Einern umkehrt. Man müfste sich durchaus gewöhnen zu sagen, „zehn drei" u. s. f. bis „zehn neun", statt dreizehn bis neunzehn, sowie „zwanzig eins" u. s. f. bis „neunzig neun", statt einundzwanzig bis neun- undneunzig. Fast noch schlimmer wird die Sache in den iiunderten; denn von IUI bis 109 (eigentlich bis 112) gilt beim Aussprechen und wörtlichen Hinschreiben die Reihen- folge des Ziffernschreibens; man sagt nicht, ebenso wie bei ueunundneunzig, auch neunundhundert, sondern voll- kommen korrekt „hundert neun". Von 113 ab bis 199 und entsprechend in den folgenden Hunderten mischt sich aber die korrekte Aussprache mit der bei den Zahlen 13 bis 99 zugelassenen Verkehrtheit. Statt zu sagen hundert zehn drei, wie es korrekt wäre, spricht man hundert- dreizehn, während die konsequente Umkehrung hier sogar heifsen müfste „dreizehn und hundert". Im Gebiet der Zahleu-Ausdrücke über tausend gehen, ähnlich wie in den Hunderten, die höheren Stellen, ebenso wie beim Hinschreiben der Zittern, auch beim Aussprechen und wörtlichen Hinschreiben voran, aber sowohl am Ende der höheren Zahlen-Ausdrucke, wie auch am Anfang der- selben, wo die vielfachen der Tausende u. s. w. durch zweistellige Zahlen-Ausdrucke aus der Reihe der Zittern von dreizehn bis neunundneunzig bestehen, tritt die Ver- wirrung wieder hervor. Ein Zahlen-Ausdruck wie 31 729 bietet z. B. schon ein wahres Monstrum von Verkehrtheit der Reihenfolge des Aussprechens und wörtlichen Hinschreibens dar. Man beginnt beim Aussprechen mit der zweiten Zitter, darauf folgt die erste Zitter, hiernach die dritte, sodann die fünfte und zuletzt die vierte. Man male sich aus, welchen Eindruck diese Verkehrtheiten auf die Kinder machen müssen, denen man diese Absurditäten mühsam beibringt. Es ist auch nur eine Stimme unter allen nachdenklichen und sorglichen Lehrern, dass in dieser Lehrweise des Zählungswesens ein pädagogischer Übelstand von weit- tragender Bedeutung liegt. Unter anderem wird von mehreren Stellen die Beobachtung berichtet, dass die Kinder im Anfange bei dem Hinschreiben der Zittern die Reihenfolge, in welcher ihnen vom Lehrer die Zahlcn- Ausdrücke diktiert werden, einzuhalten suchen, zugleicii aber, um dem davon abweichenden Gesetze der Ziffern- folge in den Zahlen- Ausdrücken gerecht zu werden, die räumliche Anordnung in der folgenden komplizierten Weise ausführen: Bei einem Zahlen-Ausdruck wie 31 729, wird die Ziffer 1 zuerst hingeschrieben, jedoch so, dass links neben ihr Platz gelassen wird für die Zitt'er 3, welche nach der 1 links von derselben hingeschrieben wird; hierauf folgt rechts neben der 1 die Ziffer 7 und auf diese folgt dann die Zitt'er 9, aber soweit nach rechts herausgerückt, dass nun noch zuletzt die Zitter 2 (für Zwanzig) zwischen die 7 und 9 hineingeschrieben werden kann. Man kann sich kaum etwas denken, was so schwer- fällig und unbequem wäre, als solche Art des Hinschrei- bens, die doch an sich mitten in dem Unsinn der ganzen Sache durchaus sinnvoll ist. Natürlich verschwindet diese anfängliche Subtihtät bei schnellerem Schreiben und gröfserer Gewöhnung an die bezüglichen ümkehrungen, aber nicht ohne dass nachher in einer gewissen Anzahl von Fällen unbewusst fehlerhafte Vertauschungen der Zitfern an den verschiedenen Stellen durch die Ver- kehrtheiten des Aussprechens hervorgerufen werden, so- wie andererseits unbewusst fehlerhafte ümkehrungen des Aussprechens aus der in sich konsequenten Reihenfolge der Ziffern hervorgehen. Man braucht eigentlich kein Wort weiter zu verlieren, um die Sachlage zu kennzeichnen; auch sind schon nicht blofs die Lehrer, sondern neuerdings auch viele Beamte des Rechnungs-, Kassen- und Bank-Wesens auf diesen für Allewelt schädigenden Sachverhalt aufmerksam ge- worden. Beim Hinschreiben der Zahlwörter wird z. B. unseres Wissens in Süd-Deutschland bereits die voll- ständige Anpassung der Reihenfolge der Zahlwörter an die Reihenfolge der Ziffern amtlich vorgeschrieben, ebenso auch an manchen Stellen im Rechnungswesen des Ver- kehrs. Von dem Bankbuchhalter Gustav v. Erlach in Zürich ist auch bereits eine recht sinnreiche Untersuchung in betreff der vielen Rechnungsfehler ausgeführt worden, welche durch die Verschiedenheiten der Reihenfolge des Aussprechens und des Hinschreibens der Zittern und zwar gerade bei geübten Rechnern verursacht werden. G. V. Erlach hat unter anderem darauf hingewiesen, dass es in der deutschen Sprache (die französische und die englische leiden bekanntlich nur unter einer viel kleineren Last von Verkehrtheiten im Zählungswesen) 36 verschie- dene Fälle giebt, in denen auf dem Wege der durch jene Verkehrtheiten entstehenden Verwechselungen der Folge zweier Ziffern bestimmte Rechenfehler hervorge- bracht werden, und er hat sogar, angesichts der grofsen Bedeutung der Sache für die Aufsuchung von Rechen- fehlern, ein Verfahren angegeben, durch welches man bei einem bestimmten vorkommenden Fehlerbetrage den- jenigen Verwechselungen der Ziffernfolge, die man durch lautloses Aussprechen oder durch die blofse Erinnerung an das Aussprechen begangen hat, leichter auf die Spur kommen kann. Er hat darüber ein kleines Buch ge- schrieben, mit dem Titel „Wie man als Buchhalter Differenzen sucht", welches im Verlage von E. Speidel in Zürich erschienen ist. Man hat eigentlich den Eindruck, dass es nur er- forderlich sein wird, die Aufmerksamkeit der Schulbe- börden einmal mit allem Ernst auf diese Dinge zu lenken, um die Abhilfe, die natürlich im allerersten Schul- unterricht geschehen mufs und von dort aus sehr schnell ins Leben eindringen wird, in Gang zu setzen. Aus eigener Erfahrung werden Viele mitteilen können, wie schnell man sich an das richtige Aussprechen gewöhnt, und wie schnell man es dann auch erreicht, einen ver- ständnisvollen Kreis von jüngeren und älteren Menschen dafür zu gewinnen. Ein nicht geringer Nebenvorteil wird übrigens in der deutschen Sprache durch das richtige Aussprechen der Zahlen von 13 bis 19 noch erreicht werden. Man weifs aus vielen Erfahrungen, dass Zahlen-Ausdrucke, wie vier- zehn und vierzig, sechzehn und sechzig u. s. w. sehr leicht beim Hören verwechselt werden. Sobald man aber nicht vierzehn, sondern zehn vier sagt u. s. w., ist diese Gefahr, die z. B. im Telephonverkehr erfahrungsgemäfs sehr häufig eintritt, sofort verschwunden. Überhaupt würde gerade der Telephonverkehr mit zu den Gebieten des Verkehrslebens gehören, bei denen die Einführung des richtigen Zahlen-Aussprechens von besonderem Er- folge im Punkte der Verminderung von Missverständnissen und Irrungen sein wird. Wenn dies an den bezüglichen amtlichen Stellen noch nicht als erheblich anerkannt und 54 Naturwissenschaftliche. "Wochenschrift. XVI. Nr. 5. dauach die bezügliche Reform des Zählungswesens als keinesfalls dringlich, ja unter Umständen als bedenklich betrachtet wird, so ist dies nach der Lage der Dinge vollkommen verständlich. Jener u beistand erscheint zur Zeit neben anderen Schwierigkeiten als relativ gering. Da er aber zu den vermeidlicheu, nicht in der Natur der Sache liegenden Erschwernissen gehört, wird seine Beseitigung doch nur eine Frage der Zeit sein, und die berechtigten Bedenken hinsichtlich der Nöte der Über- gangszeiten bei einer solchen Reform werden überhaupt sorgfältig erwogen und durch pädagogische Umsicht des Vorgehens berücksichtigt werden müssen. Für die Astronomen und die Freunde der Astronomie, welche alle Verminderungen der Irrungen und der inneren Friktionen beim Rechnen besonders hoch anschlagen müssen, wird es gewiss eine besondere Freude und Pflicht sein, die pädagogische Entwickelung dieser Reform in jeder Weise zu unterstützen. Auch bei den Ordnungszahlen würden natürlich die- selben Gesichtspunkte zur Geltung kommen müssen. Auch hier sind andere Sprachen schon mit gutem Beispiel vor- angegangen. Man wird künftig nicht sagen „der Drei- zehute", sondern „der Zehndritte"; nicht „der Hundert- neunundzwanzigste", sondern „der Huudertzwanzigneuute". Dieser Theil der sprachlichen Reform wird aber um so nebensächlicher werden, je mehr man sich in vielen Ge- bieten des eigentlichen Zählungswesens, wie oben als ratsam und zweckmäfsig dargelegt ist, der Anwendung der Ordnungszahlen entwöhnt. Es könnte auf den ersten Blick scheinen, als ob die obigen Vorschläge in ihrer. Bedeutung etwas überschätzt wären, sozusagen „einen Sturm im Glase Wasser" dar- stellten. Hierauf wäre zu entgegnen, dass auch die kleinste an sich logisch gerechtfertigte und sachlich einwandfreie Verbesserung — und nun gar der Grundlage einer so wichtigen pädagogischen Angelegenheit — einen sehr hohen formalen Wert beanspruchen darf und für tiefere und schwierigere Reformen geradezu vorbildlich werden kann. Es ist klar, dass in den oben bekämpften Unvoll- kommenheiteri des Sprachgebrauches auch gewisse Um- stände oder Überlegungen enthalten sind, welche dieselben bei ihrem Entstehen gerechtfertigt haben, und dass auch jetzt noch in manchen Fällen irgend eine Nuance des Ge- dankens oder auch des sprachlichen Baues und Klanges, auch unabhängig von der Macht der Gewohnheit, bei dem feinsten Kenner zu Gunsten des Bestehenden sprechen könnte. Auch wird es Viele geben, denen die hier vor- geschlageneu Reformen schon deshalb zuwider sind, weil sie sich mit dem sprachlichen Ausdrucke in vielen unserer herrlichsten Schriftdenkmäler in Widerspruch setzen. Der weitere Fortgang des Reformversuches wird zu erweisen haben, dass der wirtschaftliche und wissenschaftliche, kurzweg der soziale Wert der bezüglichen Änderungen grofs genug ist, um dieselben derartigen, keineswegs un- berechtigten Gesichtspunkten gegenüber durchzusetzen und den Nachweis zu erbringen, dass unsere Lebensge- wohnheiten und unsere geistigen Besitztümer aus der Ver- gangenheit durch jene Änderungen, die eine sehr erheb- liehe Benachteiligung unserer rechnerischen Arbeit im Wetteifer mit andern Sprachgebieten beseitigen werden, keinerlei merkliche Einbufse erfahren können. Die gegenwärtige Opposition des Planeten Eros, bei welcher die Parallaxe dieses merkwürdigen Objects bis auf 28 Secunden anwächst, während die Sonnen- parallaxe noch nicht 9 Secunden beträgt, wird von mehr als 50 über den ganzen Erdball vertheilten Sternwarten zum Zwecke einer möglichst genauen Ermittelung der Sonnenparallaxe ausgenutzt. An jedem klaren Abend wird von jeder bedeutenderen Sternwarte der Erde aus zur Zeit unausgesetzt die Position des kleinen Planeten auf mikrometrischem oder photographischem Wege so genau als nur irgend möglich bestimmt, nachdem die astronomische Welt auf der internationalen Astronomen- Conferenz zu Paris im Juli vorigen Jahres die erforder- lichen Verabredungen getroffen hat. Man hofft durch das Aufgebot eines bisher noch nie dagewesenen, gleich- zeitigen Zusammenwirkens aller Astronomen ein Material zu beschaffen, das zunächst die Entfernung des kleinen, uns Ende 1900 bis auf G'/s Milhonen Meilen sich nähernden Planeten mit grosser Präcision auszuwerthen gestatten wird. Ist aber erst eine einzige Entfernung zweier Körper des Sonnensystems ganz scharf bestimmt, so lassen sich dann durch Vermittelung der genau bekannten Um- laufszeiten nach dem dritten Kepler'schen Gesetze alle Abstände des Systems und im besonderen auch die Ent- fernung der Erde von der Sonne, die Fundamentalgrösse der messenden Astronomie, berechnen. — Obgleich die eigentliche Opposition des Eros bereits Ende Oktober 1900 stattgefunden hat, kam der Planet doch erst am Schluss des Jahres der Erde am nächsten und selbst in den ersten Monaten des laufenden Jahres ist die Stellung des Pla- neten noch immer eine recht günstige. Die Helligkeit nimmt nur langsam ab, am 7. Januar 9,1. Grösse, am (3. Februar 9,7. Grösse und am 8. März 10,5. Grösse. Der Lauf des Planeten führt zur Zeit durch das Sternbild des Perseus, wie aus folgenden Ortsangaben hervorgeht: Januar 17 a = 2h öl", rf = -4-31° 5' 27 a = 3 26 , rf = -^26 55 Februar 6 a = 4 2, d = -t-22 52 „ 16 « = 4 40 , J = + 19 1 F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : Dr. Johann Wilhelm Spen.i;el, ausser- ordentlicher Professor der Zoologie und Dr. Eugen Netto, ordentlicher Professor der Mathematik in Giessen, zu Geheimen Hofräthon; Prof. Dr. Mya zum ordentlichen Professor der Kinder- heilkunde in Florenz; Dr. A. Jentzer zum ordentlichen Pro- fessor der Geburtshülfe und Gynäkologie in Genf. Berufen wurden: Dr. G. Port, Privatdocent der Zahnheil- kunde in München, nach Heidelberg, als Leiter des zahnärztlichen Universitäts-Instituts; Ingenieur Kurt Riegel aus Berlin, als Lehrer der Technologie und Privatdocent Dr. Hans Reitter aus Bonn als Lehrer der Chemie an die Handelshochschule in Köln. Es habilitirten sich: Dr. Max Rudolph! für Physiologie und physiologische Chemie an der technischen Hochschule in Darmstadt; Dr. E. Lapes für Nahrungsmittelchemie an der technischen Hochschule in Hannover; Dr. Crisafulli für Neu- rologie in Neapel; Dr. G. Obici für Psychiatrie in Padua ; Dr. G. Russo-Travalli für Chirurgie in Palermo; Dr. Otto Lemmermann für Agriculturchemie in Jena. In den Ruhestand tritt: Dr. Max Reess, ordentlicher Pro- fessor der Botanik in Erfurt. Esstarben: Dr. Jacob Georg Agardh, vormals ordent- licher Professor der Botanik in Lund; Dr. Julius Lehmann, Vorsitzender des Gesundheitskollegiums in Kopenhagen; Land- forstmeister Dr. Danckelmann, Director der Forstakademie in Eberswalde; Dr. Karl v. Funke, ordentlicher Professor der Landwirthschaft in Breslau; Dr. W. Müldner, Oberbibliothekar XVI. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 55 an der Universitätsbibliothek in Greifswald; Dr. G. Chat in, Präsident der Acadömie de Medecine in Paris; Dr. Depasse, Diroctor des Collfege imperial de Medecine in Tientsin; der be- riilnnte Elektrotechniker Gramme in Bois-de-Colombes. Der 32. Balneologencongress wird vom 7. bis 12. März in Berlin tagen. Generalsekretär: Sanitätsrath Dr. Brock, Berlin SO. L i 1 1 e r a t u r. A. F. Barth, Unser Weltsystem. Ein Beitrag zur Theorie dos Weltgeschehens. Gustav Fock, Leipzig 1886. — Preis 1 Mk. Wenn heutzutage Jemand durch allgemeines Raisonnement ohne den Versuch einer Berechnung, die gültigen astronomischen Ansichten umwälzen will, so richtet er sich selbst. Eine Uebertragung der ptolemäischon Epicyklentheorie auf das kopernikanische System ist ein anziehendes und unter Um- ständen vielleicht nicht aussichtsloses Unternehmen. Aber damit die ganze Ellipsenbewegung auszumerzen, ist ein Unding, und dazu gehören vor allem grössere Kenntnisse und besonders mehr Methode, als Verf. zur Verfügung stehen. Was soll man von Jemand erwarten, der aus dem Fluge der Vögel und des Luft- ballons nachweist, dass die Bahn eines fallenden Körpers genau die Verbindungslinie zwischen Ausgangspunkt und Erdcentrum ist? Fritz Graebner. Dr. Ernst Cohen, „Jacobus Henricus van 't Hoff". Mit einem Porträt von J. H. van "t Hüft' in Heliogravüre und einer Biblio- grapliie. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1899. Die Biographie erschien bei Gelegenheit des 25jährigen Doctorjubiläums; sie feiert mit warmer Begeisterung das segens- reiche Wirken des Mannes, der vor allem zuerst die dritte Dimen- sion in der Atomlehre zur Geltung brachte und damit der ganzen Chemie eine festere Grundlage gab. F. G. Eduard Beiche, „Erklärung geographischer Namen" unter be- sonderer Berücksichtigung des preussischen Staates und der deutschen Colonieen. Ein Nachschlagebuch für Lehrer und Lernende. Carl Flemming, Glogau. Von einem solchen Nachschlagebuch, für dessen zureichende Beurtheilung dem Ref gemeinhin die umfassenden Kenntnisse ab- gehen, lässt sich wesentlich nur sagen, dass es ein sehr noth- wendiges Hilfsmittel ist. Der erste Eindruck ist jedenfalls ein überaus günstiger. Sollen doch noch einige Wünsche ausgesproclien werden, so sei es an wenigen Mängeln, die mir gerade auffielen, genug: Das bekannte Bad Biarritz trägt einen Namen, den man in seiner Gegend nicht erwartet; es fehlt in dem Buch. Neu- Britannien ist nicht gleich dem Bismarck-Archipe), sondern gleicji Neu-Pommern. Doch sei an den Beschluss des letzten inter- nationalen Geographencongresses erinnert; dass, wo festzustellen, immer der einheimische, sonst der älteste Name anzuwenden ist. Danach sind also Namen, wie Neu-Pommern, Neu-Mecklen- burg, Sandwich-Inseln, Santa Cruz und zahllose andere nur noch Synonyma. F. G. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1899, dargestellt von der physikalischen Gesellschaft. 5.5 Jahrg. I. Abtheilung: Physik der Materie. Redigirt von A. Börnstein und K. Scheel. Braun- schweig 1900, F. Vieweg & Sohn. — Preis 26 Mk. Wenn an dem neuesten, pünktlich im September 1900 er- schienenen Bande der allseitig hinlänglich bekannten „Fortschritte der Physik" zwei Redakteure thätig waren, so hat dies darin seinen Grund, dass Herr Prof. Börnstein, nachdem er die bei seinem Eintritt in die Redaktion vorhanden gewesene zeitliche Lücke unter Aufwendung erheblicher Mehrarbeit zum Ver- schwinden gebracht hat, von der Leitung des Unternehmens zu- rückzutreten beabsichtigt, um dieselbe fortan ganz in die Hände des Herrn Dr. Scheel zu legen. — In dem vorliegenden Bande nehmen naturgemäss wieder diejenigen Abschnitte den breitesten Raum ein, die in das Gebiet der physikalischen Chemie gehören, Auch auf krystallographischcm Gebiet war über eine intensive und ausgedehnte Forschung zu berichten. Bei der Mechanik ver- dient bemerkt zu werden, dass sich eine ganze Reilie von Ar- beiten auf die Theorie des Falurads bezieht; hier haben wir, wie so vielfach, ein Problem vor uns, dessen praktische Lösung der tlieoretischen Erklärung weit vorangeeilt ist. Interessant ist das Referat über Weissteins „rationelle Mechanik", von welcher er- wiesen wird, dass sie fast nichts anderes als eine ungeschickte Uebersetzung von Sturm's „Cours de möcanique" ist. „Wenn sich der Ursprung nicht sofort verriethe, so müsste das Verfahren als ein Plagiat gekennzeichnet werden." Die Einschränkung dieser vernichtenden Kritik scheint uns deswegen hinfällig, weil doch nicht jeder Anfänger Sturm's seinerzeit klassisches Werk kennt, ausserdem aber der Lehrgang Sturm's dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht mehr Überall entspricht, wie Herr Prof. Lampe gelegentlich der Besprechung der Gross'schen Uebersetzung hervorhebt. Die Brandmarkung derartiger Verfehlungen gegen die litterarische gute Sitte halten wir für einen werthvoUen Theil der Aufgabe des vorliegenden Werkes, wenn es sich auch dabei um nichts weniger als „Fortschritte" handelt. F. Kbr. Bennecke E. W., H. Bücking, E. Schumacher, u. L. van Wervecke, Geologischer Führer durch das Elsass. Berlin. — 8 Mark. Bremiker's, logarithmischtrigonometrische Tafeln mit 6 Decimal- stellen. 13. Ausgabe. Berlin. — 5 Mark. Chun. Carl, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Jena. — 20 Mark. Dathe, E.. Waldlieim Börigen 2 Aufl., revidirt von E. Danzig im Jalu-e 1899. Leipzig. — 3 Mark. Fischer, Prof. Emil, Anleitung zur Darstellung organischer Prä- parate. 6. Aufl. Würzburg. - 1,80 Mark. Fleischmann, Prof. Dr. Alb., Die Descendenztheorie. Leipzig. — 7 Mark. Formänek, Doc. Insp. J., Die f|ualitative Spectralanalyse an- organischer Körper. Berlin. — 8 Mark. Goldfuss, Otto, Die Binnenmollusken Mittel-Deutschlands mit be- sonderer Berücksichtigung der Thüringer Lande, der Provinz Sachsen, des Harzes, Braunschweigs und der angrenzenden Landestheile. Leipzig. — 8 Mark. Gürich, Prof. Dr. G., Geologischer Führer durch das Riesen- gebirgr. Berlin. — 5,50 Mark. Hennig, Docent Dr. Anders, Geologischer Führer durch Schonen. Berlin. - ;J,5Ü iMark. Ligowski, Prof. Dr. W., Sammlung fünfstelliger logarithinischer, trigonometrischer und nautischer Tafeln. Kiel. — 8 Mark. Messtischblätter des preussischen Staates. 1 : 25,000. 329. Quaschin. — 538. Gr. Paglau. — 1109. Neustadt-Gödens. — 1201. Varel. — 1204. Hagen im Bremischen. — 1284. Apen. — 1285. Wester- stede. — 1366. Edewecht. — 1370. Vegesack. — 1445. Scharrel. — 1447. Littel. — 1448. Wardenburg. — 1449. Kirchhatten. — 1450. Delmenhorst. — 1522. Dötlingen. — 1524. Syke. — 1588. Sögel. — 1591. Cloppenburg. — 1857. Kl. Berssen. — 1658. Holte. - 1730. Herzlake. — 1732. Quakenbrück. — 1802. Longe- lich in Hannover. — 1804. Bersenbrück. — 2585. Alme. — 2729. Niedersfeld. — 2730. Goddelsheim. Berlin. — 1 Mark. Molisch, Prof. Dr. Hans, Studien über den Milchsaft und Schleim- saft der Pflanzen. .Irna, — 4 Mark. Müller, Prof. Dr. Carl, Genera Muscorura frondosorum. Leipzig. — 12 Miirk. Nemec, Priv.-Doc. Dr. B., Die Reizleitung und die reizleitenden Strukturen bei den Pflanzen. Jena. — 7 Mark. Bosenbusch. H., Elemente der Gesteinslehre. 2. Aufl. Stuttgart. — 20 Mark. Rudolphi, Priv.-Doc, Dr. Max, Einführung in das physikalische Praktikum. Göttingen. — 3,20 Mark. Schmidt, Dr. Adf., Atlas der Diatomaceen- Kunde. 56. Heft. Leipzig. li Mark. Schumann, Kust. Priv.-Doc. Prof. Karl u. Dir. Karl Lauterbach DD., Die Flora der deutschen Schutzgebiete in der Südsec. Lfipzig. — 40 Mark. Schwendener, S., Die Divorgenzänderungen an den Blüthenköpfen der Sonnenblumen im Verlaufe ihrer Entwickelung. Berlin. — I Mark. Stein, Max, Ueber elektrolytische Reduction von Succinimiden. Würzhurg. — 2 Mark. Sterne, Carus (Dr. Ernst Krause), Werden und Vergehen. 4. Aufl. 2. Bd. Die Wirbelthiere, der Mensch und seine Entwickelung. Berlin. — 10 Mark. Tornquist, Prof. Dr. Alex., Das vicentinische Triasgebirge. Stuttgart. — 12 Mark. Vries, Prof. Hugo de, Die Mutationstheorie. 1. Bd. 1. Lief. Leipzig. — 6 Mark. Walther. Prof. Johs,, Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegen- wart und Wjrzfit. Berlin, — 12 Mark. Wandolleck, Assist. Dr. B., Zur Kenntniss der Gattung Draco L. Berlin. - 4 Mark. Inhalt: Prof Dr. B. Schwalbe: Der zehnte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. — Prof Dr Wilhelm Foerster: Das neue Jahrhundert und die Reform unseres Zählungswesens. — Die gegenwärtige Opposition de: Planeten Eros. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: A. F. Barth, Unser Weltsystem. - Dr. Ernst Cohen, „Jacobui Henricus van t'Hotf". — Eduard Beiche, Erklärung geographischer Namen. — Die Fortschritte der Physik im Jahre 1899. - Liste. 56 Xatnrwissenschaftliche Wochenschrift. XVT. Nr. 5. Für den botanischen Unterricht I empfehle besonders I meine mit der .Sta;itsiiictjaille aii.'igi'Zfichnctcn zerlegbaren Blüten=ModeUe, aus Papieniiaclie uuil anderen dauerhaften Stoffen in sehr ver- grössertom Mafsstabe sorgsamst in eigener Werlistätte hergestellt. I R. Brendel, Grunewald bei Berlin Bismarck-Allee 37. I Preislisten werden kostenlos zugesandt. O amI ZGISS Optische Werkstaette, Mikroskope *^"'*^';i'i"sl';r^'. Mv. ^^ . Speeial-Moilcll Stereoskopische Mikroskope nach Greenough, ■'aiitinitersuchungen etc.; A iiKi'iiiiiitersiicIiungCQ. Mikrophotographische Apparate. Projectionsapparate ' '■ '•"'•^i'ife'n'Seruchr" ""'■ Optische Messinstrumente '^J^^lTh'ZtlZiuriZ') PATENTBUREAU airich R. JVlaerz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. 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Wlit 405 Slluftrotioitcit 21 gtilt in 4 §b. btoldi. 12 Park, in 4 citg. ftincnbl). 16 iflatk. 3(ud) in nad)ftef)enben ©oubers'älusgaben ä" beäief)en: ®et guinmmenfjang ber 3?atiirfrnfte. 2ßttterung§tnnbe- 33Iüte uub gnid)t. Ka^rungsmittel. Seil 1, 174 ©., gb. 1 3JJf. — ®ie ®r= iiäl)rimg. Sßom ^nftintt ber Siere. Seil 2, 108 ©., geb. 0,60 mt — atnäie^unggftnft uiib Slettriaität. Seit 3, 120 @ , geb. 0,60 9.1». — ®ie eieftrtsität in il^rer «Inioenbung. Seil 4, 104 @., geb. 0,60 mt — 35on ben c^emifd)en Prüften unb ®lettrod)emie. Seil 5, lös ©., geb. 0,60 5D^f. — E^cmie. Seil 6, 79 ©., geb. 0,50 3Jlt. — Slngeloanbtc e;f)emie. Säberfunbe. Seil 7, 116 ©., geb. 0,60 5Kf. — S8om Sllter ber erbe (®eologie). S5on ber Umbrel)ung ber ©rbe. ®ie ö)t'= fc^roinbigteit bei Sicfit§. Seil 8, 152 ©., geb. 1 W. — ®a§ §ül)nd)cn im Ei. »om §i)t)notigmu5. Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 3Kt. — öaii imb Seben Don ipflonäc unb Stet. Seil 10, 163 @., geb. i Tit. — ®asi (Scifteglcben Don Wenfc^ unb Sf)ier. 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Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchbandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinliunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi'uck ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Das Urbild der Ammonshörner. Vc Dr. Max B 1 auck e n hörn. Eine der wichtigsten Molluskengruppen für den Geo- logen und Paläontologen sind bekanntlich die Animonitidae. Das Wort Ammonites wurde 1789 von Bruguiere als Gattungsname in der Litteratur eingeführt zur abgekürzten Bezeichnung der bis dahin gebrauchten Worte Coniua Anunoiäs oder Ammonshörner. Seitdem hat sich mit der fortschreitenden Erkenntniss diese Gattung in über 200 Gattungen mit nahezu 5000 Species aufgelöst, die sich auf etwa 20 Familien ver- theilen, und ist so zu einer ganzen Ordnung oder min- destens Unterordnung der Cephalopoden angewachsen. Das alles sind allgemein be- kannte Thatsacheu. Was hatte es aber ur- sprünglich mit den Ammons- hörnern für eine Bewandtniss? Alle Welt nimmt stillschweigend an, dass die gleichen Verstei- nerungen, welche bei uns so oft das Auge des Wanderers auf den Bergen entzücken, in Aegypten dem Gotte des Weltalls Ammon oder Amun, dem „König der Götter," dem „Herrn des Himmels" geweiht waren, demnach dort eine häufige Erscheinung gewesen sein mussten. Der älteste in Betracht kommende Autor Plinius definirt d&s Ämmonis cornu mit folgenden Worten: üiter sacratissimas aethiopicas gemnias aareo colore arietis cornu effgiem reddens. Sie waren also von goldgelber Farbe und vom Aussehen eines Widderhorns und weil der Widder dem Ammon geweiht war, galten auch diese widderhornartigen Gebilde als heilig. Damit ist freilich noch nicht genug ausgesagt, um die Frage nach dem Wesen der Urbilder der Ammonshörner end- giltig zu beantworten. Da sie schon den Alten so be- kannt und sogar heilig waren, sollte man erwarten sie auch in archäologischen oder paläontologischen Museen wiederzufinden. Hält aber ein Paläontologe theils in letzteren, theils im Kulturgebiet der alten Aegypter selbst tleissig Umschau nach ägyptischen Ammoniten, so wird seine Mühe wohl ziemlich vergeblich sein.*) Die Thatsache ist nicht zu bestreiten: In dem vom Kulturvolk der alten Aegypter bewohnten Gebiet, dem Nilthal und seiner un- mittelbaren Um- gebung, finden sich fast gar keine Ammoniten im modernen Sinne der Paläontologie in irgendwie auffälligen Formen oder Mengen. Die Verbreitung der Ammo- niten beschränkt sich bekannt- lich auf die mesozoischen Schichten der Trias-, Jura- und Kreideperioden. Das untere Nilthal aber ist wesentlich, d. h. mit einer unbedeutenden Ausnahme bei Abu Roasch im N. der grossen Pyramiden, von tertiären Schichten umsäumt. Das hierbei vorherrschende Eocän Aegyptens enthält von Cephalopodenschalen nur Nautilus und Atiiria, die aber wieder gar nicht an Widderbörner erinnern konnten. Erst bei Qeneh und Theben beginnt auch die obere Kreide (Senon) sich am Aufbau der Wüstenränder zu *) Nur die paläontologischen Sammlungen in München, Berlin, Cairo und vielleicht London enthalten wirkliche Ammoniten aus Aegypten. 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr betheiligen, aber gerade hier ist derselbe äusserst arm an Ammoniten und enthält von Petrefacten hauplsäcblich Bivalven, namentlich Austern. Immerbin fehlen die Ammo- niten auf ägyptischem Boden keineswegs, aber sie be- schi'änken sich mit einigen unbedeutenden Ausnahmen auf das Innere der Arabischen und Libyschen Wüste weitab vom Nilthal, wo heutzutage nur die Beduinen und Forscbungsreisende hingelangen. Es sei mir gestattet, die hier in Betracht kommenden Vorkommnisse aufzuzählen. Der nördlichste Ammonitenfundpunkt in der Nähe des Nilthals liegt in der Nähe von Cairo und gehört der Libyschen Wüste an. ö'/g km in WNW-Richtuno- von dem am Westrand der Nilebene gelegenen Dori'e Abu Roasch 10'/4 km nordwestlich von der Cheopspyramide beobachtet man innerhalb der Schichten des Santonien oder üntersenon eine Bank, welche vereinzelt abgewitterte, unansehnliche Steinkerne einer Tissoüa Tissoti enthält. Das ist ein völlig involuter glattschaliger, ceratitenartiger Ammonit von linsenförmiger Gestalt. Es ist einfach un- denkbar, dass er mehr als andere gewöhnliche Wüsten- kiesel die Aufmerksamkeit der nicht als Geologen inter- essirten Wanderer erregt hätte. An den Abhängen des Nilthaies selbst würde nach den bisherigen Beobachtungen nur Lihycoceras Ismaeli Zitt. und allenfalls noch Bäcidites sp. zu finden sein. Ersterer ist wie die Tissotien ganz involut oder eingerollt und von Linseugestalt. Figari Bey hat ihn früher in der Gegend von Edfu und Esneh gefunden; seitdem ist er freilich von keinem Geologen mehr dort gesammelt worden, ein Beweis, dass er nur äusserst selten auftritt. Ebensowenig wie diese Form erfüllen die geradegestreckten, glatten Baculiten die Vorbedingungen, um mit Widder- hörnern verglichen zu werden. Im Campanien oder Mittel- senon der arabischen Wüste zu den verbreitetsten Ammo- niten gehörend, dringen sie vom Rothen Meer bis zum Nilthal vor, wo Spuren davon westlich Aus gefunden wurden. Von grösserer Bedeutung für unsere Frage erscheinen noch zwei Fundorte des Campanien im (;)sten des Nil, der eine, das Plateau Qurn oder Qerenat am Wege Theben-Kossi5r, nur 7 km vom Ostrand der Nilkultur- ebene, 10 km von der Eisenbahnstation Quft entfernt, der andere, ein Plateau am Wadi Hammama, 20 km nordöstlich von Qeneh gelegen. An beiden Plätzen fand sich Heteroceras jwlyplocum, Leitfossil für das obere Campanien, ein in Schneckenspirale unsymmetrisch auf- gewundener Ammonit mit gerippten Umgängen, die ausser dem letzten sich gegenseitig berüiu'en. Bis jetzt wurde indess an jenen zwei Punkten nur je ein Bruchstück vor- gefunden, eine Seltenheit, die es doch unwahrscheinlich macht, dass den alten Bewohnern von Theben und Qeneh diese Gebilde der Wüste, deren f^mdorte erst kürzlich von Geologen entdeckt und ausgebeutet wurden, über- haupt in die Augen fielen. Der zweite, nördhche Fund- ort, die Gegend am Wadi Hammama, ist zugleich wichtig als der bis jetzt einzige Fundplatz für eine Cephalopoden- fauna aus anderen sogenannten „Nebenformen." Hier erscheinen neben Heteroceras und Baculiten noch Ver- treter der Gattungen Pti/choceras (aus zwei stabförmigen, hakenförmig gekrümmten, dabei sich gegenseitig berüh- renden Schenkeln gebildet) Hamites (ähnlich, aber die Schenkel sich nicht berührend) und Anisoceras (ganz offene Spirale mit schwachen Querrippen). Unter diesen würde Anisoceras noch am meisten von allen ägyptischen Ammoniten an ein Widderhorn erinnern. Aber der Hypo- these, in ihm das Urbild der „Ammonshörner" zu er- blicken, steht entgegen die unscheinbare Grösse der noch dazu nur in Bruchstücken sich vorfindenden Art und der Umstand, dass jenes Vorkommen völlig vereinzelt in Aegypten ist. Es bedurfte des Auges eines nach Petre- facten suchenden, kartierenden Geologen, um sie ans Licht zu ziehen. Die gleichen Zweifel bezüglich unserer Frage gelten nun erst recht von allen noch weiter im Innern der un- bewohnbaren Wüste fern vom Kulturland gelegenen Ammouitenvorkommeu. Diese sind übrigens ziemlich spärlich. In der arabischen Wüste gehören die wichtigsten der Cenomanstufe an. Nicht weit vom Rothen Meere er- streckt sich eine solche ammonitenreiche Zone vom Kloster St. Paul am Ost-Fuss des Plateaus der südliehen Galala nach SSW. über Wadi Abu Rimth, Dhacht und Morr, einem südlichen Zufluss der Wadi Tarfeh, zu den Quell- armen des Wadi Hasaschieh unter 28° 10' n. Br. Hier fiuden sieh viele Vertreter der Gattungen Neolo- bites, Acanthoceras , Psettdotissotia , Henütissotia und anderer verwandter noch unbeschriebener Gattungen. In der Libyschen Wüste entspricht diesen Cenonian- vorkommen bei annähernd gleicher Entfernung vom Nil dasjenige in der Oase Beharije, wo sich wenigstens Neo- lohites Vihrayeanus reichlieh vorfindet. Es bleiben noch zu erwähnen der Fund eines Exem- plars einer neuen ScJiloenbachia im Campanien am Bir Mellaha westlich vom Gebel Seth am Rothen Meere, eines Pac/((/cfecHsfragmentes im Senon westlich von der der Oase Baharije und des kleinen Ammonites Kambysis am Kasr Dachl in der Libyschen Wüste. Die südlichste Verbreitungszone, an Länge die aus- gedehnteste von allen ägyptischen Ammoniten, hat der schon oben vom Nilthal erwähnte Lihycoceras Ismaeli. Ein Exemplar desselben stammt aus der östlichen Arabi- schen Wüste vom Umm Tagher am Wadi Zeran, eine skulpturlose Abart aus der grossen Oase Charga. Die grösste Menge aber entdeckte Zittel während der Rohlfs- schen Expedition 100 km westlich von der Oase Dachl inmitten des „grossen Libyschen Sandmeeres" an einem steinigen, hügeligen Flecken, den er sehr bezeichnend mit dem Namen „Ammonitenberge" belegte. Es wird wohl Niemand ernsthaft glaul)en wollen, dass die alten Aegypter zufällig diesen Punkt mit seinem Ammouitenreichthum ge- kannt hätten, der 200 km vom Nil entfernt liegt. Sehen wir uns noch einmal rekapitulirend diese Kreide- Ammoniten Aegyptens mit ihren Gattungen Acanthoceras, Neolohites, Tissotia, Pseudotissotia, Hemitissotia, Pachy- discns, Schloenbachia, Lihycoceras, Hamites, Ptychoceras, Anisoceras Heteroceras, Bacidites an, so ist es im All- gemeinen schwer, hier von einer entfernten Aehnlichkeit mit Widderhörnern speciell denjenigen, welche die alten Aegypter selbst z. B. bei der Darstellung des Gottes Chnum abbildeten, zu sprechen. Ja wenn es noch weit- nabelige, starkrippige Arietitcn ^oA&y ^e^/ocerasformeu des Jura gäbe, wie z. B. Ammonites bisulcatus, der von Bruguiere zum Typus seiner Gattung Ammonites gemacht wurde oder Ammonites capricornu oder Parkinsoni. Die einzigen der genannten Gattungen, welche ihrer Form nach überhaupt in Betracht gezogen werden können wie Acanthoceras, Heteroceras, Hamites und Anisoceras sind zu selten in Aegypten oder auf unwirthliche Wüsten- gegenden beschränkt. Es erhebt sich noch eine weitere Schwierigkeit, die mit den Plinius' sehen Worten aureo colore zusammen- hängt. D'Archiac und Lartet vertraten die sehr ein- leuchtende Ansicht, dass diese Ammoniten oder Aturien in Schwefelkies erhalten waren und so goldgelb glänzten, wie wir das von den sogenannten Goldschneckeu des Fränkischen Jura kennen, unter denen Perisphinctes annu- laris Rein*) uud Macrocejihalites macrocephalus durch *) Nicht identisch mit Ammonites annularis Quenstedt des scliwäbisolien Jura, einer Peltocerasart. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 59 ihre Schönheit autt'alleu uud zu Broschen sich eignen. Leider giebt es aber in Aegypten, wenigsten im Nilthal fast gar keine Versteinerungen in Schwefelkies. Dieses Mineral gebort überhaupt zu den seltenen Erscheinungen in Aegypten und dürfte sein Vorkommen hauptsächlich auf das ältere Schiefergebirge und die Eruptivgesteine beschränkt sein. Petrefacten aus thonigen Schichten, die vielleicht ursprunglich in Schwefelkies versteinerten, sind stets durch und durch in Brauueisen umgewandelt und erscheinen daher dunkelbraun, niemals goldgelb oder mit metallischem Glanz. Nun hat R. Fourtau in einem zu Cairo gehaltenen Vortrage über: Les environs des Pyramides de Ghizeh*) eine Hypothese aufgestellt, die der Beachtung werth er- scheint. Er meint, dass die ägyptischen Priester die grossen pfropfenzieherartigen Steinkerne einer wohl zu Natica gehörigen, riesigen Schnecke, die aber noch nicht specifisch untersucht ist, als Ammonshörner bezeichnet hätten. In der That erinnern diese bis 16 cm hohen, 11 cm breiten Gebilde, von denen es bisher noch keine Abbildungen gab, an die spiralig nach aussen aufge- wundenen, manchmal auch richtig kegelförmigen Flörner bei Schafen. Diese Steinkerne werden sehr häufig in den Kalksteinbrücheu des Mokattam bei Cairo und sonst über- all im ganzen unteren Nilgebiet von den Arbeitern ge- brochen und ihrer auffallenden und gefälligen Korkzieher- form wegen aufbewahrt. Dem Fremden bietet mau sie *) Bull, de la Societe Khediviale de Geographie. No. 4, Ser. V. Le Caire 1899, p. 12. unter dem Namen Arn el-Gebel zum Verkauf an. Arn heisst Hörn und Gebel Berg, Fels, Stein, Wüste, also Berghorn, Felshorn. Vergleicht sie der heutige Arbeiter mit einem Horu, so darf man annehmen, dass auch die alten Aegypter, welche in denselben Felsen und Stein- brüchen die Quadern zu den Pyramiden und Tempel- bauten gewannen, zu demselben Vergleich geführt wurden. Diese Natica, der man mit Bezug auf ihre heilige Bedeutung am besten den Namen Natica Ammonis bei- legen möchte, ist wohl die häufigste Gastropodenart des Mitteleocäus oder der Mokattamstufe an beiden Ufern des Nil und besitzt darin beträchtliche horizontale und verti- kale Verbreitung. Mir liegt sie von den verschiedensten Fundorten vom Fajum und Nilthal bis zum Gebel Geneffe an der Suezeisenbahn und aus verschiedenen Schichten der unteren und der oberen Mokattamstufe vor. Das Gestein, in dem die Steinkerne erscheinen, ist bald weisser, bald grauer, bald (in der oberen Mokattamstufe) ocker- gelber Kalk. Ockergelb ist nun freilich nicht identisch mit Goldfarbe (des Plinius). Immerhin glaubt Fourtau doch, dass diese gelben Steinkerne gemeint seien, nament- lich deshalb, weil gerade bei ihnen die Oberfläche noch häufig mit glitzernden, glashellen Calcitkry.stallen besetzt ist, die den Eindruck des Prächtigen besonders im Sonnen- licht Aegyptens wesentlich erhöhen. Man kann sich denken, dass ein derartig krystallbesetztes Gewinde, das fast wie ein Geschmeide aus Brillanten auf Goldgrund aussah, den alten Aegyptern als etwas Uebernatürliches erschien, das sie mit dem Gott des Himmels und NVeltalls Ammon in Verbindung brachten. Der zehnte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 3. October 1900 incl. bis Sonnabend 13. October 1900. Bericht, erstattet von Prof. Dr. B. Schwalbe. (Fortsetzung.) Dr. P. Spie.s: Versuche mit ger Luft. Die schönen Versuche, welche man mit flüssiger Luft anzustellen in der Lage ist, beziehen sich zum Theil auf die Eigenschaften dieses Stofles selbst, theils auf die Wirkungen, welche die tiefe Temperatur der flüssigen Luft auf andere Körper ausübt. Nur eine Frage, welche zu der ersteren Gruppe ge- hört, soll im Folgenden etwas ausführlicher behandelt werden; im Uebrigen genügt eine Aufzählung der Ex- perimente, umsomehr, als dieselben bereits früher bei Ge- legenheit eines Ferieucurses in dieser Zeitschrift be- schrieben') worden sind. Es wurde gezeigt: 1. Trübes Aussehen der flüssigen Luft von der bei- gemengten, festen Kohlensäure herrührend; Reinigung durch Filtriren. 2. Bläuliche Farbe; das Absorptionsspektrum ent- spricht demjenigen des Sauerstoffs. 3. Anziehung der flüssigen Luft durch einen Elektro- magneten. 4. Sauerstoffreichthum und Anwendbarkeit zur Her- stellung explosibler Gemische. *) H. Behn, „Naturw, Wochenschr." 1898, Seite 374; vergl. auch die ausführlichm-e Darstellung des V^orf. Himmel und Eli-de 1897, Seite 481. 5. Einfluss der tiefen Temperatur auf die Elastieität von Gummi, Blei u. s. w. 6. Versuche über die Phosphorescenz stark abgekühlter Körper. Eine Frage, welche von derjenigen, die sich mit diesem Gegenstande nicht eingehend beschäftigen, häufig gestellt wird, ist die nach der Ursache des so ver- schiedenen Verhaltens der flüssigen Lutt und der flüssigen Kohlensäure: Erstere bleibt in offenen Gelassen flüssig, während letztere bekanntlich in Folge ihrer lebhaften Verdunstung gefriert. Man kann die Frage einfach durch einen Hinweis auf die Lage des Siede- und des Schmelz- punktes bei den beiden Körpern erledigen. Eine voll- ständigere Uebersicht der betreffenden Verhältnisse ge- währt die graphische Darstellung, welche man beim Entwerfen der Spannkraftcurve des Wasserdampfes be- nutzt: Wir tragen auf der Abscissenaxe die Temperatur ^, auf der Ordinatenaxe den Druck p, unter dem sich ein Stoff", z. B. Wasser befindet, ab. Wir können dann zu- nächst eine Curve A, eben jene Spaunkraftscurve, zeichnen, welche uns die Gebiete des flüssigen und des luftförmigen Zustandes von einander trennt. Es liegt z. B. der Punkt p = \ Atm. t = 100" auf dieser Curve, d. h. es kann unter diesen Bedingungen das Wasser so- wohl flüssig als luftförmig sein. Wenn hingegen der Druck bei gleichbleibender Temperatur sinkt oder wenn bei gleichbleibendem Druck die Temperatur steigt, kurz, 60 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV]. Nr wenn wir uns in das Gebiet /> rechts unterhalb der Curve .1 begeben, so existirt nur Wasserdampf, in dem Gebiete Fl hingegen nur Flüssigkeit. Die Spannkraftscurve des Wasserdampfes können wir auch in das Gebiet unter 0" verfolgen; dieser Zweig /^ stellt uns alsdann den Druck des über Eis befindlichen gesättigten Wasserdampfes dar; er bildet also die Ueber- gangscurve zwischen dem festen und dem luftförmigen Zustande. Drittens können wir auch die Uebergangscurvc zwischen dem festen und flüssigen Zustande einzeichnen. Da der Gefrierpunkt des Wassers durch Druck nur wenig beeintlusst wird, fällt diese Curve < ' nahezu mit der Senk- rechten t^o zusammen ; genauer gesagt ist sie gegen letztere so geneigt, dass für eine Zunahme von ^> = 1 Atm. t um 0,()()75« sinkt. Wir können diese drei Curven A, Li, (' die Ver- dampfungs-, die Schmelz- und die Sublimationscurve nennen. Der Punkt, in welchem die Linie (' den Zug A, />' tritft, hat den Druck p = 4,6 mm, 1 -= + 0,0075«. Er stellt den „dreifachen Punkt" des Wassers dar, also einen Punkt, in welchem alle drei Aggregatzustände nebenein- ander bestehen können. Wir bringen das Wasser auf diesen Punkt, indem wir es unter die Glocke der Luft- pumpe stellen und so lange evacuiren, bis es gefriert. Verdünnen wir nunmehr noch weiter, so schreiten wir auf der Curve B nach links fort. Flüssiges Wasser existirt bei so niedrigen Drucken überhaupt nicht mehr, und wollten wir eine Flasche mit Wasser in einem Räume so niedrigen Druckes, etwa in den höchsten Regionen der Atmosphäre öffnen, so würde eine so lebhafte Ver- dunstung eintreten, dass ein sofortiges Gefrieren die Folge wäre, genau wie wir dies bei der Kohlensäure bereits bei gewöhnlichem Atmosphärendruck beobachten. Für die Kohlensäure liegt der dreifache Punkt bei einem höheren Drucke als p = 1 Atm., nämlich bei etwa 6 Atm., für Stickstoff hingegen nach den Untersuchungen Olszewskis nicht viel höher als für Wasser, nämlich bei etwa 10 mm Quecksilber, für Sauerstoff" noch tiefer. Bei den beiden letztgenannten Körpern ist deshalb genau wie beim Wasser das Sieden unter atmosphärischem Drucke nicht so lebhaft, dass ein Herabsinken der Temperatur bis unter den Gefrierpunkt stattfände. Das verschiedene Verhalten verschiedener Flüssig- keiten unter atmosphärischem Drucke ist also durchaus nicht in einer wesentlichen Verschiedenheit jener Flüssig- keiten begründet. Vielmehr hängt es lediglich davon ab, ob die horizontale Linie, auf welcher der Druck p = 1 Atm. ist, oberhalb oder unterhalb des dreifachen Punktes ver- läuft. Dieser atmosphärische Druck ist sozusagen zu- fällig, und die Punkte, in welchen jene Linie die beiden Curven .1 und (' schneidet, die Fundamentalpuukte des Thermometers, sind in keiner Weise für das Wasser charakteristisch. Von diesem Gesichtspunkte aus würde — rein theoretisch gesprochen — der dreifache Punkt als Fundamentalpunkt einen gewissen Vortheil bieten. Er giebt uns eine bestimmte Temperatur und einen be- stimmten Druck zugleich an, macht also die besondere Angabe eines Druckes unnöthig. Will man freilich noch einen zweiten Fundamentalpunkt festlegen, so wird wiederum eine Druckaugabe erforderlich sein, welche aber in Anlehnung an jenen Druck im dreifachen Punkte erfolgen könnte. Spies. Prof. Dr. Sz.vmauski: Schulversuche über elek- trische Wellen. (Die Veröffentlichung des Berichts ist vorbehalten). Gymnasialprofessor Dr. Poske: Zur Methodik des physikalischen Unterrichts. Die Methodik des physikalischen Unterrichts darf nicht auf abstrakte und schablonenhafte Vorschriften ge- gründet werden. Der Unterricht kann vielmehr nichts besseres thun, als den Problemen nachgehen, die sich schon bei den einfachsten Beobachtungen aufdrängen, und ihre Lösung auf ähnlichen Wegen suchen, wie dies in der Geschichte der Physik geschehen ist. Als ein Bei- spiel hierfür wird ein Lehrgang der Aerostatik für die Unterstufe näher dargelegt. Er schHesst sich an die folgenden Fragen an: Ist die Luft ein Körper? — Durch welche besondere Eigenschaften unterscheidet sich die Luft von anderen Körpern':' — Ist die Luft schwer? — Uebt die Luft einen Druck aus? (0. v. Guericke, Luftpumpe). — Wie wird der Luftdruck gemessen? (Torricellis Versuch). — Wie erklären sich gewisse Er- scheinungen bei der Luftpumpe und am Barometer? (Spannkraft der Luft). — Wie hängen Spannkraft und Dichtigkeit zusammen? (Boyles Gesetz). — Wie lässt sich eine Reihe alltäglicher Erscheinungen und Anwen- dungen aus dem bisherigen erklären? (Heber, Pumpen, Athmen, Saugen etc.). — Finden die für Flüssigkeiten geltenden Gesetze auch auf die Luft Anwendung? (Druck- fortpflanzung, Bodendruck, Archimedisches Prinzip, Luft- ballons). — Haben andere luftartige Körper ähnliche Eigenschaften wie die Luft? — Aus dem Unterricht der Oberstufe wird darauf die Akustik eingehender besprochen. In Bezug auf das Verhältniss der Wellenlehre zur Akustik entscheidet sich der Vortragende, abweichend von einem früher ange- gebenen Verfahren, dafür, dass der allgemeine Theil der Schwiugungs- und Wellenlehre dem specieil akustischen Lehrgang voranzustellen sei, dieser aber am besten auf die Betrachtung der Transversalweileu beschränkt werde, während die Longitudinalwellen erst in der Akustik selbst an der Stelle, wo ihre Behandlung erforderlich ist, hin- zutreten. Demnach lässt sich der Lehrgang in der eigent- lichen Akustik etwa auf folgende Art anordnen: Ursache der Schallempfindung. — Ausbreitung des Schalles durch das Medium. — Geschwindigkeit des Schalles; Reflexion; Echo. — Nach dieser Einleitung gliedert sich der weitere Gang gemäss den drei Fragen: „Was geht im Schall- XVI. Nr. Ö. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 61 erreger vor? Was geht im Medium vor? Was geht im Ohr vor?" Es folgen demgemäss die Abschnitte : a) Haupt- sächlichste Schallerreger (Tonerreger). — Bestimmung der SchwingungszahJ bei Stahlstreifen, Stimmgabel, Sirene. — Gesetze der musikalischen Intervalle. — Saitenschwin- gungeu. — Transversalschwingungen von Stäben und Platten. — b) Longitudinalwelleu in der Luft (analytische Darstellung und experimentelle Bestätigung). — Resonanz in verschlossenen und offenen Röhren. — Lippenpfeifen, Zungenpfeifen, Resonanz im allgemeinen. — Interferenz des Schalls. — c) Das Gehörorgan (Schall ist nicht Be- wegung sondern Empfindung). Bei jedem Abschnitt wurden die dahingehörigen Ver- suche besprochen, an einigen Stellen auch die Versuche selbst vorgeführt. In einer darauffolgenden Diskussion wurden besonders die Abgrenzung der unter- und Ober- stufe, die Schwierigkeiten des jetzigen Unterkursus namentlich an den Gymnasien, und die Lehrbuchfrage erörtert. Poske. Geh.-R. Prof. Dr. Wilhelm von Bezold: Ueber Erd- magnetismus. Der Vortragende giebt zunächst einen ganz kurzen Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung dieses Wissenszweiges. Die Fundamentalthatsache der Orientirung eines Magneten nach der Himmelsrichtung war den Chinesen seit den ältesten Zeiten bekannt. Sie benutzten den Compass zuerst bei ihren Landreisen, später auch auf See. Im Abendlande tindet sich die erste sichere Kunde darüber im 12. Jahrhundert bei dem englischen Philo- sophen Alexander Neekam. Am 13. Sept. 1492 endeckte Columbus die magnetische Declination, 1544 Gr. Hartmaun in Nürnberg die Inclination, 1633 H. Gellibrand in London die allmähhche Aenderung der Declination, d. h. die Säcularvariatiou, 1722 G. Gra- ham, Uhrmacher in London, die tägliche Variation. 1741 beobachteten P. 0. Hjorter in Upsala und einen Monat später der vorhingenannte G. Graham das erste Mal eine magnetische Störung. Da man bald bemerkte, wie wichtig die Kenntniss der Declination für den Seemann sei, so entwarf der englische Astronom Halley 1701 die erste magnetische Karte mit Linien gleicher Declination, die man seit Hansteen als Isogoneu bezeichnet. Später kamen durch W. Whiston 1721 und J. C. Wilke 17S6 ähnHche Karten über In- clination heraus; 1825 und 1826 zeichnete Hansteen auch solche mit Linien gleicher Ilorizontalintensität(Isodynamen). Der Vortragende wies dann darauf hin, wie man im Allgemeinen auf die Isogonenkarten den Hauptnaeh- druck legt, wegen deren praktischer Bedeutung für die Schiffahrt, während sie zur Gewinnung eines tieferen Einblicks in das Wesen der Erscheinungen nicht ge- eignet sind. Dies geht schon aus der einfachen That- sache hervor, dass diese Karten auf jeder Halbkugel zwei Pole zeigen, von denen man doch nur den einen als magnetischen Pol bezeichnen darf, während der andere eben der geographische ist, der hier nur die Rolle eines Coordinaten-Ursprungs spielt. Für theoretische Untersuchungen eignen sich viel besser Karten der magnetischen Meridiane, d. h. der in die Erdoberfläche fallenden magnetischen Kraftlinien so- wie der darauf senkrechten Curven, d. i. den Linien- gleichen Potentials oder den sogenannten Gleichgewichts- liuieu. An diese Betracht iing anschliessend, giebt der Vor- tragende eine kurze ScblTderung der Hauptzüge der all- gemeinen Theorie des Erdmagnetismus, wie sie von C. F. Gauss im Jahre 1838 entwickelt wurde und wie sie allen weiteren Untersuchungen auf diesem Gebiete als Grundlage dienen muss. Diese bahnbrechende Ab- handlung besteht im wesentlichen aus 2 Theileu: In dem ersten Theile wird die allgemeine Theorie entwickelt unter der Voraussetzung, dass die erdniagne- tischen Kräfte ein Potential besitzen, sowie die Kriterien zur Prüfung dieser Voraussetzung. Der zweite Theil enthält alsdann die Entwickelung eiu;r Reihe, mit Hülfe deren man die Vertheilung der erdmagnetischen Kraft an der ganzen Erdoberfläche be- rechnen kann, wenn man nur von einer beschränkten Anzahl von Punkten diese Kraft nach Grösse und Rich- tung genau kennt. Rein theoretisch gesprochen würde es hinreichen, wenn man diese Kenntniss für 8 Punkte besässe, besonders wenn sich diese Punkte auf den Ecken eines der Erde eingeschriebenen Würfels befänden-, in Wahrheit muss man jedoch zum Zwecke der praktischen Berechnung die Beobachtungswerthe von vielen Punkten zweckmässig vereinigen. Der Vortragende erörtert als- dann, wie schon Gauss einen Weg angedeutet hat, auf dem man die Richtigkeit der Grundlagen prüfen, und nachweisen kann, dass der Erdmagnetismus thatsächlich ein Potential besitzt, d. h. dass die Erscheinungen ent- weder von magnetischen Massen herrühren, oder von ge- schlossenen galvanischen Strömen, welche die Erdober- fläche nicht schneiden. Ist diese Bedingung erfüllt, so muss nämlich Sds durch jede auf der Erdoberfläche gezogene geschlosse Curve j Sds=0 sein, wenn man unter ds das Curvenelemeut, und unter S die in dasselbe fallende Componente der erdmagnetischen Kraft versteht. Gauss konnte wegen des mangelhaften ihm zur Verfügungstehenden Beob- achtungsmaterials diese Prüfung nur beispielsweise in sehr unvollkommener Weise ausführen, und beschränkte sich deshalb auf einen einzigen Versuch nach dieser Richtung. Erst in allerneuster Zeit wurde die Prüfung in diesem Sinne wieder aufgenommen. Dabei gelangte man zu dem Ergebniss, dass der Werth des Integrals für genau durchforschte Theile der Erdoberfläche that- sächlich = 0 wird, während er nicht unwesentlich da- von abweicht, wenn man das Integrale über ganze Pa- rallelkreise ausdehnt. Es lässt sich z. Z. noch nicht ent- scheiden, ob man es hier wirklich mit einer Thatsache zu thun hat, d. h. ob neben den Kräften die ein Potential besitzen, auch noch Ströme wirken, welche die Erdober- fläche durchsetzen, oder ob die Abweichung von dem Werthe 0 nur auf die Unvollständigkcit des Beobachtungs- materials zurückzuführen ist. Der Vortragende geht dann auf die Frage über, wo man den Sitz des Erdmagnetismus zu suchen habe, und zeigt, dass sich der zur Entscheidung dieses Punktes führende Ideengang, wie er von Gauss angegeben wurde, unter vereinfachenden Voraussetzungen ganz elementar entwickeln lässt. Bildet man nämlich auf Grundlage der ausgeführten Berechnungen des Potentials Mittelwerthe dieser Grösse für ganze Breitenkreise, ähnlich, wieDove Mittelwerthe der Temperatur gebildet hat, die er als die normalen Tem- peraturen bezeichnet hat, dann erhält man ein verein- fachtes Bild der in Wahrheit sehr verwickelten Ver- theilung des Erdmagnetismus. Diese Mittelwerthe zeigen nun beim Erdmagnetismus einen äusserst einfachen Verlauf, und zwar genau den- selben, wie bei einer gleichförmig durchmagnetisirten Eisenkugel. Man kann deshalb diese mittlere schematische Ver- theilung passend als den „normalen Erdmagnetismus" be- zeichnen. Die wirkliche Vertheilung des Erdmagnetismus Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 6. lässt sich alsdann als eine Uebereinanderlagerung dieses normalen Sj'stems von Kräften und eines zweiten schwächeren „anomalen" Systems darstellen. Für den „normalen Erdmagnetismus" bestehen die nachstehenden einfachen Beziehungen: Ist Vn das normale Potential, R der Erdradius, toiitle, Ilalbpräparate, Skelette, Spi, iIih. ^^niiiliirc Ptc. : lOüi-lrier . X.-siei-. Seliädrl. 6eweihe etc.: .ii.n,^.lili< he ll<> aus saniinluiiKcii. Iii-iclitcm < r« aiKlliiiiüeii in Spiritus und trocken). ('i'iistacccii, niedere S<-eliei-e in Spiiitiis; Conchylien; Her- barien: botaiiiselie Modelle aii^ l'api' i llKl^ise; Instrumente zur PrUparati.in; kunsilieln- Tiei- nnd Voaelausen von Glas etc. etc. I'tf/sif'r^t'iv/iiiiase konlenlos und porlofrei'. Aeltestes u.grösstes naturwissenschaftl. Institut Deutschlands rniiiilirt mit rieten iiotdeiien und .silhernen Medaillen. Ferd. Diiinmlers A'eriairslincliliaiHllutii^ in IJerliii SW.12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. SIC .S,.iten Oct.'iv. - l'rei^ '.».40 .Mark. Fcrd. Diininilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 13. tlöäjft otrieintll» - itegtRattttc |lu0»n>r«»)gtftl ix\\ idjjflfnnji. ^bcntfiifr fiiiEs Dcutfditn ,. t g- \ i, gditträimißfn in ftniitfitioii. vnU» IIUUfnDfrg. Ptit 4 füitten |;o«-btitbil»ern nodj ^quitrcllrn «ton lUiUt) iWcrntc iinb 111 ablMlbuiiacii im Jeft. asa gelten pro^ ^ftlnp. - ?rel5 tfeg. fltO. i ÜOK. Ect S5crfo(icr, bcr vex lliiritni I'imi (ciiuv SDeitt um bct (Jrbc Sanb uiib Scale in (SLIili, ■« i,,, (SlfLicl ba" Itltfl, reclil) leeicrcä Viiitfiu, I inlhot. Sin lllttrtffaiitcä Sacilcl ^(5 -Ji., i > , Sariitflum UlUcraanß bciS .lUic-, ... . .'.luirincainl Jii l)t!ifl|fii tiiiril) nUc gudiiiaiiMunoEn. || Verantwortlicher Redactenr: Professor Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW^. 12. tsdaiiirvstr, 55, für den luseratentheiP Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12- ^.v<--" Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Duinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Honntaji, den 17. Februar 1901. Nr. 7. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^Jy. Grössere Aufträge ent- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreia ist Jl 4.- e& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrack ist nur mit vollständig:er Quellenangabe gestattet. Erinnerungen an Otto Toreil. Von Professor Dr. Fei ix Wahnschaff e - Berlin. Es sind jetzt fünfundzwanzig Jahre verflossen seit jener denkwürdigen Sitzung der deutschen geologischen Gesellschaft am 3. November 1875, in der der schwedische Geologe Professor Dr. Otto Toreil zum ersten Male vor den Berliner Fach- genossen seine Inlandeistheorie für Norddeutschland entwickelte. Auf Grund einer Mittheilung des schwe- dischen Geologen Sefström vom Jahre 1836, dass auf der Oberfläche des an- stehenden Muschelkalkes in Rüdersdorf Schlifffläehen und Schrammen beob- achtet worden seien, hatte Toreil in Begleitung der Herren Berendt und Orth an dem genannten Tage dorthin einen Ausflug unternommen, und es war ihm geglückt, auf den vom Ge- schiebemergel frisch abgedeckten Schichtenköpfen des Schaumkalkes im Alvenslebenbruche die Schrammen und Schlifie in deutlichster Weise ausge- prägt und in ost-westlicher Richtung über die ganze abgedeckte Fläche fortsetzend von Neuem aufzufinden. Diese Stelleu sind dem nach Ost zu vorrückenden Abbau des Muschel- kalkes längst anheimgefallen, aber die schönen Handstücke voll deutlicher pa- ralleler Schrammen, welche Toreil in jener Sitzung der deutschen geolo- gischen Gesellschaft als Beweismaterial für unzweifelhafte Gletscherwirkung vorlegte, werden in der Sammlung der geologischen Landesanstalt in Berlin aufbewahrt. Ausgehend von den heutigen Gletschern der Alpen und Skandinaviens und Bezug nehmend auf seine Otto Torell, ^eb. b. Juni 1828. gest. 11. Septembe Nach einer von .Messrs .Vtayall \: Co. in London phie.) im Jahre 1888 in Grönland und Spitzbergen gemachten Erfahrungen, sprach er in jener Sitzung zum ersten Male die Ansicht aus, dass ein von Skandinavien und Finland au.sgehendes Inlandeis das norddeutsche und nord- russische Flachland ehemals bedeckte, bei seiner Vorwärtsbewegung die festen Flächen anstehenden Gesteins schrammte und glättete und als Grund- moräne den Geschiebemergel ablagerte. Diesem Vortrage, der in der, da- mals der geologischen Landesanstalt und Bergakademie als Heim dienenden, alten Börse am Lustgarten gehalten wurde, folgte eine sehr lebhafte Dis kussion, an der sich die Herren V. DUcker, v. Dechen, Berendt, Beyiich und Lasard betheiligten. Ich selbst, der ich als junger erst vor Kurzem bei der geologischen Landesanstait ein- getretener Geologe diesem Vortrage beiwohnte, werde nie den Eindruck vergessen, den diese neue Theorie auf alle Anwesenden machte. Die meisten älteren Geologen und auch ich selbst, die wir bisher die LyeH'sche Drift- theorie als fest begründet angesehen hatten, hielten damals die Annahme einer so ausgedehnten und mäcbligen Inlandeisdecke für ganz ungeheuerlich. Aber trotz des lebhaften Widerspruchs, den die Torell'sche Theorie zu Anfang namentlich von Seiten der älteren Geolojren erfuhr, hat sie doch wie ein zündender Funke gewirkt, sodass sich vom Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ab ein bedeutsamer Umschwung der Ansichten über die 1900. Photc Natui-wissenscbaftliche Wochensclii-ift. Entstehung der erratischen Bildunjjen vollzog und in schneller Folge durch die gemeinsame Arbeit der im nordeuropäischen Glacialgebiete thätigen Geologen die lulandeistheorie fest begründet und weiter ausgebaut wurde. Torell ist es vergönnt gewesen, den Siegeszug seiner neuen Lehre zu erleben, denn erst vor Kurzem hat er das ZeitHche gesegnet. Da ich diesen bedeutenden Mann als meinen Lehr- meister bei der Einführung in das Studium der Glacial- bildungen ansehen kann und zu ihm nähere persönliche Beziehungen gehabt habe, so ist es mir eine werthe Pflicht, ihm ein Blatt der Erinnerung zu widmen. Otto Martin Torell wurde am 5. Juni 1828 in Var- berg, einem kleinen Küstenstädtchen des Kattegats in der Landschaft Hailand geboren, wo sein Vater als Provin- ziaiarzt thätig war. Von Natur mit tretflichen Gaben des Verstandes ausgestattet, konnte er bereits im Alter von sechzehn Jahren die Universität Lund als Student be- ziehen, in der Absicht, dem väterlichen Vorbilde folgend sich der niedicinischen Laufbahn zu widmen. Mit grossem Eifer ergriff er das Studium der Naturwissenschaften und vor allem der Zoologie, wobei ihn sehr bald die geo- graphische Verbreitung der niederen Meeresthiere beson- ders interessirte. Im Jahre 1853 wurde er zum Doctor der Philosophie promovirt und bestand im Jahre 1858 sein Staatsexamen als Kandidat der Medicin. Aber weiter verfolgte er seine Laufbahn als Arzt nicht, denn den jungen Mediciner beseelte ein lebhafter Forschertrieb. Dazu kam, dass günstige Vermögensverhältnisse es ihm gestatteten, sich unbekümmert um den Broderwerb allein seinen Studien widmen zu können. Von der grössten Bedeutung für seinen weiteren wissenschaftlichen Entwickelungsgang wurden für Torell die näheren Beziehungen zu dem berühmten schwedischen Zoologen Sven Loven (1809—1895), der vom Jahre 1841 ab als Professor und Intendant am naturgeschichtlichen Reichsmuseum in Stockholm angestellt war. Schon im Dezember 1839 hatte Loven in der Akademie der Wissenschaften seine epochemachenden Untersuchungen über die Conchylienbänke mit arktischer Fauna an der bohusländischen Küste vorgetragen. Langjährige Studien der nordischen Molluskenfauna führten diesen Gelehrten durch einen Vergleich der heutigen arktischen und süd- schwedischen marinen Fauna mit den hoch über dem Meeresspiegel gelegenen Muschelbänken in Bohusland zu der Ansicht, dass ehemals ein Eismeer au der skandi- navischen Küste vorhanden wai- und dass „das zu einer gewissen Zeit allein herrschende arktische Element all- mählich durch ein südlicheres verdrängt wurde, das mit nach und nach vermehrter Gewalt sich dieses Gebiet er- oberte, währenddessen unsere (skandinavische) Halbinsel, die früher ihrer Naturbeschaffenheit nach ein Polarland war, ein milderes Klima empfing." Einen ebenso wich- tigen Beitrag für die Geschichte der Eiszeit lieferten die bedeutenden Entdeckungen Lovens einer noch in mehreren schwedischen Binnenseen vorhandenen Relictenfauna der Eiszeit, worüber er in den Schriften der Akademie der Wissenschaften im Jahre 1861 einen Aufsatz unter dem Titel „Ueber einige im Wetter- und Wener-See gefun- dene Crustaceen" veröffentlichte. Torell nahm mit Feuer- eifer diese neu auftauchenden Fragen der Wissenschaft in sich auf,, und die Arbeiten, welche er unter Lovens Leitung begann, wurden grundlegend für seine spätere Lebensarbeit. Die von Lyell zuerst aufgestellte und von ihm und Darwin mit grosser Ueberzeugung vorgetragene „Drift- theorie'', welche bei Voraussetzung eines etwas kälteren Klimas die Entstehung grösserer Gletscher, die AusmUu- dung derselben in ein vom Meere bedecktes Gebiet, die Bildung grosser Eisberge und einen durch letztere be- wirkten Transport des erratischen Materials annahm, fand seiner Zeit bei den Geologen Nordeuropas ganz allge- meine Anerkennung. Torell schreibt in den einleitenden Bemerkungen des zweiten Theiles seiner „Untersuchungen über die Eis- zeit" : „Irgend welche Zweifel über die Richtigkeit dieser Ansichten Lyell's wurden im Allgemeinen nicht wachgerufen, obgleich es sich nicht erklären Hess, wes- halb Meeresthiere in den angenommeneu erratischen Meeresablagerungen nicht öfters beobachtet wurden, und die Frage lag sogar auf der Hand, ob nicht möglicher- weise das erratische Material in einem gewaltigen Binnen- see gebildet wurde. Später bei Betrachtung von Forch- hammers geologischer Karte von Dänemark (1852) stiess mir der Gedanke auf, dass Forchhammers „RoUsteinsthon" möglicherweise eine alte Moräne sein könnte, die ein- mal dem skandinavischen Inlandeise angehört hätte. Die dadurch veranlasste Untersuchung führte zu dem Resultat, dass nicht nur Forchhammers „RoUsteinsthon" eine Mo- ränenbildung sei, sondern dass das ganze erratische Gebiet einmal bedeckt gewesen sein müsse durch ein von Skan- dinavien herstammendes Inlandeis, eine Auffassung, die sich wesentlich von der von bestimmten Gletschercentren unabhängigen Eisbedeckung der Schweizer Geologen unter- schied." Wohl selten hat ein Naturforscher so viele und so weite Reisen unternommen, um vergleichende Beobach- tungen auszuführen, als gerade Torell. Um seine etwas angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, unternahm er als Achtundzwanzigjähriger eine Reise nach der Schweiz, die ihm ganz neue Gesichtspunkte eröffnete. Er studirte in diesem Lande die heutigen Gletscher und ihre Ab- lagerungen und stellte Vergleiche an mit den dortigen Moränen der Eiszeit und den lockeren Bildungen in Schweden, die besonders im südlichen Theile in grosser Ausdehnung und Mächtigkeit vorhanden sind. Ueber die Bedeutung dieser Reise erzählt er selbst in seinen „Unter- suchungen über die Eiszeit" Folgendes: „Auf einer Reise nach der Schweiz im Jahre 1856 wurde ich so sehr von der Gleichheit zwischen dem Gletscherphänomen und den umstrittenen Verhältnissen im Norden überzeugt, dass ich deren Identität nicht mehr bezweifeln konnte. Damals waren jedoch Moränen bei uns noch etwas so Unbekann- tes, dass, als ich gegen einen der hervorragendsten Natur- forscher unseres Landes meine Absicht äusserte, nach ihnen in der Nähe des Sulitehna zu suchen, er es be- zweifelte, dass ein solcher Versuch glücken würde, aber zu gleicher Zeit sagte er: „Finden wir eine, so finden wir tausend." Die Wahrheit dieser Aeusserung sollte bald aufs Schlagendste bekräftigt werden. Ganz unab- hängig und unbekannt mit meinen Studien und Ansichten über die Eiszeit hatte nämlich H. von Post in demselben Jahre einen Krossstensäs im Kirchspiel Skedvi beobachtet und meisterhaft beschrieben, wobei er die Vermutbung aussprach, dass er eine alte Moräne sein könnte. Schon vorher hatte er eine bis jetzt noch unübertroffene Be- schreibung eines Rollsteinsäs gegeben und im Zusammen- hange damit zum ersten Male die Mehrzahl der bei uns vorkommenden verschiedenen Thone unterschieden. Durch diese Untersuchungen wurde ein ganz neues Licht über die losen Erdschichten unseres Landes verbreitet. Um Klarheit in diesen Fragen zu gewinnen, unternahm ich im Jahre 1857 eine längere Reise nach Island und stu- dirte die Gletscher dieses Landes, die Moränen und die Fauna. Unmittelbar nach meiner Rückkehr glückte es mir, in demselben Jahre zum ersten Male und noch un- bekannt mit dem Aufsatz v. Post's einen alten Gletscher- garten zwischen Göteborg und Varberg aufzufinden. Mit- XVI. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 71 hin waren v. Post und ich gleichzeitig zu demselben Re- sultat gelangt, v. Post bei der Untersuchung einer alten Moräne, ich mit dem Mer de glace in Chamounix als Aus- gangspunkt." Die Resultate seiner isländischen Reise hat Toreil in einem „Briefe über Island", der sich in den Abhand- lungen d-er Akademie der Wissenschaften in Stockholm vom Jahre 1857 findet, niedergelegt. Bereits die Schweizer Reise bestimmte ihn dazu, sich mit grossem Eifer geo- logischen Studien und zwar hauptsächlich der Unter- suchung der eiszeithcheu Bildungen zuzuwenden. Er hatte anfangs einen schweren Kampf zu bestehen, um seinen Ansichten über die ehemalige Ausbreitung des Inlandeises Geltung zu verschaffen, da einer der bedeutendsten Ge- lehrten seines Landes, der Chemiker und Mineralog Ber- zelius (1779 — 1848), sowie die namhaftesten ausländischen Geologen wie Lyell, Murchison, v. Buch, E. de Beaumont, Studer und Forchhammer sich gegen die von Venetz, Charpentier, Agassiz und Schimper begründete Glacial- theorie ablehnend verhielten. Mit grossem Enthusiasmus ging Torell au die hauptsächlichste wissenschaftliche Auf- gabe seines Lebens, der von ihm als richtig erkannten Theorie einer ehemaligen Inlandeisbedeckung Skandi- naviens und seiner Nachbarländer allgemeine Aner- kennung zu verscliaffen. Im Jahre 1858 besuchte er den grossen im nörd- lichen Norwegen gelegenen Gletscher Svartisen, studirte die alten Moränen in seiner Nähe sowie im Gudbrands- dal und unternahm in demselben Jahre eine Reise nach Spitzbergen, um daselbst die Gletscher und die Meeres- fauna zu untersuchen. Auf eigene Kosten hatte er zu dieser wissenschaftlichen Expedition die norwegische Yacht „Frithjof" ausgerüstet und nahm als seinen Begleiter den durch seine Umschififung Asiens auf der Vega später so berühmt gewordenen Barou A. E. Nordenskjöld mit. Als Ergebniss dieser Reise erschien im Jahre 1859 die Schrift : „Beitrag zur Molluskenfauna Spitzbergens. Nebst einer allgemeinen Uebersicht über die Naturverhältuisse des arktischen Gebietes und seine frühere Ausbreitung." Mehr und mehr sah Torell ein, dass eine richtige Beurtheilung der ehemals vom Eise bedeckten Gebiete Nordeuropas nur durch einen Vergleich mit den noch gegenwärtig grösstentheils vereisten arktischen Regionen gewonnen werden könne. Schon 18.59 führte er wieder eine grössere Reise nach Grönland aus, auf der be- deutende wissenschaftliche Entdeckungen gemacht wurden. Ende Mai fuhr Torell auf einem Fahrzeuge der Königlich Grönländischen Handelsgesellschaft von Kopenhagen ab, erreichte am 10. Juli Egedes Minde und besuchte sodann die Kolonien Godhavn, Umanak imd Upernivik. Es glückte ihm, das Inlandeis zu besteigen und die plateauartigc Ausdehnung desselben nach dem Binnenlande zu zu beob- achten. Reiche Sammlungen wurden durch die Unter- suchungen der Küste des Meeresbodens mit dem Schlepp- netze bis auf 280 Faden Tiefe gewonnen. Unter anderen wurde durch diese Untersuchungen der Fauna grösserer Meerestiefen die ältere Theorie des englischen Forschers Forbes widerlegt, dass bereits in einer MeerestieCe von 500 m alles Leben aufhöre. Im Jahre 1861 stand Torell an der Spitze der für damalige Zeit grossartigen Polarexpedition nach Spitz- bergen, zu der der damalige Prinz Oskar, der jetzige König von Schweden, die Akademie der Wissenschaften in Stockholm und Andere bedeutende Summen bei- steuerten. Wieder befand sich Professor Nordenskjöld unter den Theilnehmern dieser Expedition. Eine vortreff- liche Schilderung dieser ersten schwedischen Polar- expeditionen enthält das Buch: „Die schwedischen Expe- ditionen nach Spitzbergen und Bären-Eiland, ausgeführt in den Jahren 1861, 1864 und 1868 unter Leitung von 0. Torell und A. E. Nordenskjöld. Aus dem Schwedischen übersetzt von L. Passarge. Jena 1869." Mit der Expe- dition im Jahre 1861 beschloss Torell seine arktischen Reisen und widmete sich nun in den folgenden Jahren fast aus- schliesslich dem Studium der erratischen Bildungen. Schon im Jahre 1860 war er an der Universität Lund als Adjunkt für Zoologie und Intendant des zoologischen Museums angestellt worden und erhielt im Jahre 1866 eine Professur für Zoologie und Geologie. Das neu in den Lehrplan aufgenommene Studium der Geologie erweckte unter den Studirenden grosses Interesse, sodass Torell daselbst einen geologischen Verein gründen konnte. Am 1. Juli 1860 hatte sich Torell mit Anna Ström- berg verheirathet, mit der er etwas über 40 Jahre in über- aus glücklicher Ehe lebte. Sechs Töchter und zwei Söhne sind aus dieser Ehe hervorgegangen. Nach dem Tode Axel Erdmaun's (1. December 1869), der zuerst an der Spitze der im Jahre 1858 in Stockholm errichteten geologischen Landesuntersuchung von Schweden gestanden hatte, richteten sich die Blicke auf Torell, so- dass er im Jahre 1870 zum Director dieses Institutes be- rufeu wurde und nun nach vStockholm übersiedelte. Bis zum Jahre 1897 hat er die Arbeiten der dortigen geo- logischen Landesuntersuchung geleitet und sowohl die wissenschaftlichen als auch die praktisclieu Aufgaben der- selben aufs Eifrigste gefördert. Immer war er bestrebt, seine volle Arbeitskraft für das Wohl des Vaterlandes einzusetzen und die Ergebnisse seiner Forschungen zur Hebung der vaterländischen Industrie uud Landwirthschaft zu verwerthen. Die geologische Gesellschaft in Stockholm (Geolo- giska Föreningen i Stockholm), welche für die wissen- schaftliche geologische Erforschung Schwedens so viel geleistet hat, verdankt ihre Gründung seiner Initiative. Am 15. Mai 1871 hatte er in einer Versammlung einiger sich für das Studium der Geologie interessirenden Personen die Zwecke und Ziele der zu begründenden geologischen Gesellschaft näher auseinandergesetzt und bereits am 6. December dieses Jahres konnte nach An- nahme der Statuten die erste Sitzung abgehalten werden, in welcher Torell zum Vorsitzenden für das Jahr 1872 gewählt wurde. Dasselbe Amt bekleidete er in deu Jahren 1879 und 1896 und hielt bei der Feier des 25jährigen Bestehens der Gesellschaft am 25. Mai des letztgenannten Jahres die Festrede. Er war ein eifriges Mitglied der Gesellschaft, hielt mehrfach Vorträge in der- selben und betbeiligte sich lebhaft an den Discussionen, die sich an die Vorträge anschlössen. An seinen Besuch der Weltausstellung in Philadelphia im Jahre 1876 knüpften sich Excursionen, um die ältesten und jüngsten Bildungen Nordamerikas zu studireu. Eine Frucht dieser Reise war der in englischer Sprache geschriebene Aufsatz: „Ueber die Ursachen der Glacialphäno- mene im nordöstlichen Theile von Nordamerika", welchem eine sehr interessante Karte über die Ausdehnung der nordischen Drift und die Richtung der Glacial- schrammen in Europa und Nordamerika beigegeben war. Der Archäologencongress in Stockholm (1876) zeitigte den in französischer Sprache gehaltenen Vortrag „Uebe r die ältesten Spuren der Existenz des Menschen in Schweden", worin Torell zeigt, dasspaläolithische Reste dort bisher nicht nachgewiesen worden sind, sondern erst die Menschen des älteren Abschnittes der jüngeren Stein- zeit die skandinavische Halbin,sel besiedelten. Wenn man den grossen Ideenreichthum Torell's und sein langes Leben in Betracht zieht, so hat er verhält- nissmässig wenig geschrieben. Sein lebhafter Geist führte ihn von einem Problem zum andern, ohne dass er die Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Ni Gabe besass, sich auf die Ausführung einer Arbeit zu coucentriren und das dazu gesammelte Material seiner Beobachtungen zu sichten. Seine wichtigste Schrift sind die schon genannten „Untersuchungen über die Eis- zeit", welche iü drei Abtheilungen, 1872, 1873 und 1887, erschienen. Die letzte derselben, welche „die Temperatur- verhältnisse während der Eiszeit und forlgesetzte Beob- achtungen über ihre Ablagerungen" behandelt, habe ich auf seinen besonderen Wunsch im Jahre 1888 für die Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft über- setzt, nachdem er bereits am 28. September 1887 in der 34. allgemeinen Versammlung in Bonn einen Vortrag über „die Temperaturverhältnisse zur Zeit (les Absatzes der Cyprinen- und Yoldien-Thone der Ostseeländer" gehalten hatte. In mehreren kleineren Schriften hat er seine An- sichten über die Entstehung des schwedischen ürgebirges entwickelt. Die beste Uebersicht darüber gewährt der Vortrag „Ueber Schwedens wichtigste krystalline Gebirgsarten und deren Verhältniss zu einander", den er auf der skandinavischen Naturforscherversammlung im Jahre 1880 hielt. Er sucht hier den Zusammenhang gewisser Granite und Gneisse und ihre sedimentäre Ent- stehung zu beweisen, doch haben seine Auffassungen wenig Anklang gefunden. In der Sitzung der Berliner Gesell- schaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte hielt er am 22. Mai dieses Jahres einen Vortrag über die Gletschererscheinungen bei Rüdersdorf, worin er seine Ansichten über die Entstehung der dortigen Giacial- ablagerungen und ihre Parallelisirung mit denjenigen der Alpen und Skandinaviens erläuterte und die stets von ihm vertretene Auffassung einer einmaligen Inlandeisbe- deckung näher entwickelte. Bekanntlich nimmt die Mehr- zahl der norddeutschen Glacialgeologen gegenwärtig drei verschiedene, durch zwei Interglacialzeiten mit milderem Klima von einander getrennte Vereisungen an. Hatte ich Toreil bereits am 3. November 1875 in der Sitzung der deutschen geologischen Gesellschaft ge- sehen, so machte ich doch erst im Jahre 1880 seine nähere Bekannt.schaft. Vom 11. bis 14. August dieses Jahres fand in Berlin die 28. allgemeine Versammlung der deutschen geologischen Gesellschaft statt. Torell war dazu in Begleitung des noch jungen Candidaten Freiherrn Gerard De Geer, des jetzigen Professors der Geologie an der Hochschule in Stockholm, nach Berlin gekommen, und es wurde ihm die Ehre zu Theil, auf Vorschlag von Excellenz von Dechen zum Vorsitzenden für den zweiten Sitzungstag gewählt zu werden. Er hielt an diesem Tage einen interessanten Vortrag über die lebende und fossile Eismeerfauna, sowie namentlich über die Verbreitung der Yoldia aretica und legte ausser- dem Photographien aus einer beim Gute Eüdersdorf ge- legenen Tliongrubc des Herrn Oppenheim vor, welche cigcnthümliche von ihm auf Gletscherdruck zurückgeführte Lagerungsstörungen dieses diluvialen Thones zeigten. An die Versamndung schlössen sich Excursionen nach Rüdersdorf. Ebcrswalde-Niederfinow-Oderberg , Stassfurt und dem Harz an. Bei Besichtigung der grossen Stein- gruben in den Gesehiebewällen zwischen Liepe und Oder- berg sprach Torell damals die Ansicht aus, dass die- selben aller Wahrscheinlichkeit nach als Endmoränen aufzufassen seien. Sehr bald nach der Versammlung begab sich Torell's Begleiter, Freiherr G. De Geer, in seinem Auftrage nach Rüdersdorf, um die dortigen Glacialerscheinungen, gegen die bei dem dorthin unternonnnencn Ausfluge der geo- logischen Gesellschaft von Seiten mehrerer Geologen, namentlich von den Herren Stelzner und v. Dücker Einwände erhoben waren, nochmals in ihrer Gesammtheit genau zu untersuchen. In diesem Sommer war mir von der Direction der geologischen Landesanstalt der Auftrag zu Tbeil ge- worden, das Messtischblatt Rüdersdorf unter Benutzung der Eck'schen und Orth'schen Karte geologisch-agrono- misch zu kartiren, und ich hatte zu diesem Zweck mit meiner jungen Frau in dem freundlich gelegenen Gast- hofe „zur goldenen Traube" in Rüdersdorf- Alte Grund eine bescheidene Unterkunft gefunden. Drei Wochen wohnte ich hier mit Herrn De Geer zusammen unter dem- selben Dache, und bei den von uns gemeinsam ausgeführten Untersuchungen schlössen wir bald innige Freundschaft. Wir bestimmten mit dem Compass die Richtung einer grossen Zahl der damals auf dem anstehenden Muschel- kalk sichtbaren Glacialschrammen, wobei zwei Systeme festgestellt wurden und untersuchten die Geschiebe der Grundmoräne, von denen sich eine Anzahl auf ihr schwe- disches Heimathsgebiet zurückführen ^ Hess. Dabei kam De Geer eine kurz zuvor nach den Alands-Inseln unter- nommene Reise sehr zu statten, von wo er Gesteins- proben, namentlich von den so charakteristischen Älands- Rapakiwis, Älands-Quarzporphyren und Älandsgraniten mit nach Rüdersdorf gebracht hatte. Am Sonnabend, dem 4. September, kam Prof. Torell nach Rüdersdorf und wohnte bis zum 9. September mit uns in der goldenen Traube. Diese Tage werden mir stets unvergesslich bleiben, weil sie mir eine Fülle neuer Anregungen boten und mich mit einer lebhaften Begeiste- rung für das Studium der norddeutschen Glacialbildungen erfüllten. Täglich wurden Ausflüge in die nähere Um- gebung von Rüdersdorf unternommen, um die Glacial- phänomene zu untersuchen, und alle darauf bezüglichen Fragen wurden dann an den schönen warmen September- abenden im Vorgarten der goldenen Traube bei einem Glase Bier aufs Eingehendste besprochen. Torell war gegen mich von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit. Mit grosser Lebliaftigkeit erzählte er von seinen Reisen nach Island, Spitzbergen und Grönland und schilderte die Verhältnisse des Inlandeises, der Gletscher und ihrer Ablagerungen. Es war ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Obwohl er der deutschen Sprache mächtig war, sprach er dieselbe doch mit dem ihm eigenen südsehwedischen Accent und verwechselte oft die Artikel, persön- lichen Fürwörter und ihre Beugungsformen, was seinem Vortrage einen eigenthümlichen, naiven Reiz verlieh. Seiner und De Geer's Anregung verdanke ich es, dass ich mich alsbald daran machte, das Schwedische zu er- lernen, um Torell's Schriften, die er mir in Rüdersdorf schenkte, sowie die übrige schwedische Glaciallitteratur, lesen zu können. Ich erkenne es dankbar an, dass gerade dieses Studium meine Anschauungen über die Quartär- bildungen bedeutend erweitert und mein Urtheil über die- selben wesentlich gefördert hat. An einigen Tagen erhielten wir auf Torell's Einladung Besuch von Berliner Gelehrten. Am Sonntag, dem 5. Sep- tember, erschienen Prof. Dr. A. Orth und der treffliche Kartograph Prof. Dr. Henry Lange (1821—1893), mit denen Torell stets die freundschaftlichsten Beziehungen unterhalten hat. In wissenschaftlicher Hinsicht schätzte er den Erstgenannten in hohem Maasse wegen seiner bahnbrechenden geologisch-agronomisciien Untersuchungen über „das Scblesische Schwemmland" und „das Rittergut Friedriclisfelde." Da ihm als Director der schwedischen geologischen Landesuntersuchung die agronomische Ver- werthung ihrer Arbeiten sehr am Herzen lag, so ver- säumte er niemals, bei seiner wiederholten Anwesenheit in Berlin Herrn Professor Orth aufzusuchen, um mit ihm diese Fragen zu besprechen. Herr De Geer hatte eine grosse Uebersichtskarte von Skandinavien und dem angrenzenden norddeutschen Glacial- XVI. Ni Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 73 g:ebiete gezeichnet und in dieselbe die Haiiptrichtungen der Giacialschraminen Schwedens eingetragen. Es wurden nun alle die in Rüdersdorf gefundenen Geschiebe, deren Heimatli sich bestimmen liess, an den betreffenden Stellen in die Karte von Schweden hineingelegt und Toreil erläuterte uns daran die Richtung und Ausbreitung des sogen, balti- schen Eisstromes. Hieran schloss sich eine Besichtigung der Gletscherschrammen, Riesenkessel und Lokalraoränen im Alvenslebenbruche. Auch Professor Rudolf Virchow folgte seiner Einladung und besichtigte mit grossem Interesse die Rüdersdorfer Glacialerscheinungen. Am Dienstag Nachmittag statteten Toreil, De Geer, der Schriftsteller A. Woldt, meine Frau und ich der Oppenheim'schen Thongrube beim Gute Rüdersdorf einen Besuch ab. Torell zeigte uns dort die abwechselnd ge- störten und ungestörten Lagen dieses Thones und regte mich schon damals zu meiner im Jahre 1882 in der Zeit- schrift der deutschen geologischen Gesellschaft erschieneneu Arbeit „über einige glaciale Druckerscheinungen im nord- deutschen Diluvium" an, in der ich auch diese gerollten Schichten beschrieben und ihre Entstehung auf Lokaldrift, d. h. auf die Wirkung aufrennender kleiner Eisberge in einem Binnensee, zurückgeführt habe. Die Abreise Torell's und De Geer's von Rüdersdorf erfolgte am Donnerstag, dem 9. September. Am Vormittag unternahm ich noch mit Prof. Torell einen Spaziergang nach den Sandgruben am Kriensee, nahe der Tasdorfer Chanssee. Hier entwickelte er mir seine Ansichten über die Entstehung der Saude des norddeutschen Flachlandes, die er als Absätze von Gletscherflüssen auffasste und mit den sandigen Ablagerungen im Vorschüttungsgehiete der isländischen Gletscher verglich. Er lud mich damals ein, nach Schweden zu kommen, um die dortigen Glacial- bildungen mit denjenigen des norddeutschen Flachlandes zu vergleichen. Bei der Abreise gab ich ihnen auf der Dampferfahrt bis Erkner das Geleit, und sie trennten sich von mir mit dem Wunsche, mich bald in ihrem Heimath- lande begrüssen zu können. Schon im Jahre 1883 war es mir vergönnt, eine Reise nach Schweden und Norwegen zu unternehmen. Auf Torell's Veranlassung war Freiherr De Geer beur- laubt worden, um mich auf meinen Excursionen als Führer zu begleiten; auch wurde mir diese Reise dadurch wesent- lich erleichtert, dass ich ein Freibillet erster Klasse für alle schwedischen Staatsbahnen erhielt. Leider konnte ich Torell damals nicht in Stockholm begrüssen, da er sich gerade auf Reisen befand, doch habe ich ihn später in Berlin mehrere Male wiedergesehen, da er stets bei seiner dortigen Anwesenheit die Freundlichkeit hatte, mich aufzusuchen. Im Jahre 1885 war er in Begleitung von De Geer, Holst und Lundgren auf dem internationalen Geologen-Congresse in Berlin anwesend. Im Jahre 1897 sah ich ihn zum letzten Male auf dem internationalen Geologen Congresse in Petersburg, von wo aus er an der j grossen Excursion nach dem Kaukasus, Baku und der Krim theilnahm. Mit bewundernswürdiger Rüstigkeit er- trug er im Alter von 69 Jahren die Strapazen dieser oft recht anstrengenden Reise. Sein früher hellblondes Haar war damals bereits völlig gebleicht, aber seine klaren blauen Augen blickten ebenso freundlich wie damals, wo ich den vortrefflichen Forscher und ausgezeichneten Menschen zum er.sten Male sah. Ihm sind in seinem Leben viele Auszeichnungen zu Theil geworden. So er- wählte ihn unter anderen die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin im Jahre 1893 zu ihrem Ehrenmitgliede in Er- wägung des Umstandes, dass sich an seinen Namen die verständnissvolle Einsicht in Wesen und Entstehung des norddeutschen Flachlandes knüpft. Grosse Freude be- reitete es ihm, als ich ihm erzählte, dass die Rüders- dorfer ein so lebhaftes Interesse an seinen dortigen Ent- deckungen genommen hätten, dass ihm zu Ehren ein erratischer Block mit der Inschrift „Torell, Schwedischer Geolog" von dem Verschönerungsverein auf Anregung des Vorsitzenden, des Apothekers Gurt Seydel, in der Nähe des Kesselsees im Alten Grunde aufgestellt worden sei. Nach der Rückkehr von der Reise nach Russland legte Torell sein Amt als Director der geologischen Landesuntersuchuug von Schweden nieder, aber es war ihm nur kurze Zeit vergönnt, mit den Seinigen die Tage seines Alters in Ruhe zu geniessen, denn am 11. Sep- tember 1900 endigte ein Schlaganfall in seinem Wohnort Charlottenberg bei Stockholm sein arbeitsvolles Leben. Der zehnte naturwissenschaftliche Feriencursiis für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 3. October 1900 incl. bis Sonnabend 13. October 1900. Bericht, erstattet von Prof. Dr. B. Schwalbe. (Fortsetzung.) Prof. Dr. J. H. van "tHoif : lieber die Bildungsverhält- nisse der oceanischen Salzablagerungeu. 1. Der Krystallisationsgang bei constanter Temperatur. Das specielle Problem der Salzlagerbildung lässt sich in dessen Detail übersehen, nachdem ganz all- gemein die Gesetze des Auskrystallisirens complexer Lö- sungen festgestellt sind. AVesentlich dabei ist, dass nicht einfach die Löslichkeit die Reihenfolge der Ausscheidung beherrscht und dass z. B. eine Lösung, welche die Sulfate von Calcium und Magnesium enthält, nicht immer anfangs den weniger lösliehen Gyps beim Einengen zur Aus- scheidung bringen wird; offenbar lässt sich ja die vor- handene Calciumsulfatmenge beliebig herabsetzen und also auch soweit, dass zuerst Magnesiumsulfat beim Ein- engen auskrystallisirt. Die Mengenverhältnisse üben dem- nach auf den Krystallisationsgang einen nicht weniger wesentlichen Einfluss aus als die Löslichkeit, wobei dann noch zu berücksichtigen ist, dass letztere durch die rait- vorhandeneu Lösungsgenossen bedeutend geändert werden kann. Einfach gestaltet sich dennoch die Sachlage, falls man von Fall zu Fall unter steigender Zahl der gelösten Körper an Hand einer graphischen Darstellung dieselbe verfolgt. Unberücksichtigt kann dann der Fall eines einzigen gelösten Körpers bleiben; letzterer scheidet sich aus bei Eintreten der Sättigung, und bei constanter Zusammen- setzung der Lösung trocknet dieselbe allmählich ein. Nur eine verschiedene Hydratform ist im ausgeschiedenen Naturwissenschaftliche "Wochenschi'ift. XVI. Ni Körper möglich, was beim Ausschliessen von Ueber- sättigiing eine reine Temperaturfrage ist, sodass Glauber- salz z. B. unterhall) 32° sich als Dekahydrat Na2'S04 lOHgO ausscheidet, oberhalb dieser Temperatur als An- hydrit. Nehmen wir nunmehr den Fall zweier gelöster Körper, die aufeinander in keiner Weise einwirken, wie z. B. Natrium- und Kaliumchlorid. Bei genügendem Ueberschuss des ersteren wird sich dasselbe zunächst ausscheiden, bis auch das Ohlorkalium nachfolgt, und von jetzt an behält die Lösung ihre constante Zusammensetzung bei und trocknet allmählich ein. Liegen die Verhältnisse umgekehrt und scheidet sich dementsprechend zuerst Ohlorkalinm aus, so wird schliesslich die Chlornatriuinbildung bei derselben Zusammensetzung der Lösung anfangen und der weitere Gang scbliesst sich damit dem vorigen Fall an. Der Ueberblick über verwickeitere Verhältnisse er- leichtert sich, falls schon jetzt die graphische Darstellung eingeführt wird an Hand der drei sich auf constante Temperatur (25°) beziehenden Daten. 1000 Moleküle Wasser enthalten in Molekülen: XaCl KCl A. Bei Sättigung an NaCl allein 111 0 B. „ „ „ KCl „ 0 88 C. „ ;, ,, NaCl und KCl 89 39 Tragen wir in Fig. 1 die Chlornatriummenge vertikal, das Chlorkalium nach rechts ein, so entsprechen den obigen Daten die Punkte A, B und C. Verbinden wir Figur 1. dieselbe durch zwei Linien AC und BC, so stellt erstere Sättigung an Chlornatrium, bei zunehmendem Gehalt von Chlorkalinm, letztere Sättigung an Chlorkalium bei zu- nehmendem Gehalt von Cldornatrium dar. Irgend eine Lösung beider Salze, deren Zusammensetzung dem Punkt c entspricht, ist also ungesättigt; beim Einengen bleibt das Mengeverhältniss dasselbe, steigt aber die Concentration an, was eine gradlinige Entfernung von 0 entlang c d be- deutet; dem Eintreffen auf BC in d entspricht Aus- scheidung von Chlorkalium und nunmehr erfolgt Bewegung entlang BC und zwar in der Richtung nach C, weil unter Ausscheidung von Chlorkalium die Zusammensetzung sieh immer mehr von derjenigen der reinen Chlorkaliumlösung C entfernt. Die Pfeilrichtungen in der Figur (in AC auf C zugewendet) entsprechen also dem Krystallisationsgang. Daraus lässt sich nun aber schon das Gesetz entnehmen, das auch in den verwickeltesten Fällen den Krystalli- sationsgang beherrscht: „Die Zusammensetzung der Lösung ändert sich der- art, dass sie sich entfernt von derjenigen der Lösung, welche Sättigung am ausgeschiedenen, oder au den aus- geschiedenen Körpern allein entspricht." Die Bewegung in der Richtung cd, die beiderseitige Bewegung auf C zu, das Stillstehen in C sind in diesem Satz mit einbegriffen. Wenden wir uns nunmehr dem etwas eomplicirteren Falle zu von zwei Salzen, welche aufeinander wirken können. Haben dieselben die Säure oder das Metall gemeinsam, so ist der doppelte Umtausch ausgeschlossen, aber die Möglichkeit der Doppelsalzbildung gegeben, wie z. B. bei Magnesium- und Kaliumsulfat, die sieh zum Schönit (S04)MgK.2-6HoO vereinigen. Ausgehend von einer genügenden Menge von Magnesiunisulfat in Lösung wird dasselbe sich zuerst ausscheiden, dann aber nicht Kaliumsulfat sondern Schönit nachfolgen; andrerseits folgt auf Kaliumsulfat ebenfalls Schönit und so sind hier die vier nachstehenden Lösungen von constanter Zusammen- setzung zu berücksichtigen, wobei wie nachher immer die Temperatur von 25° gewählt ist. 1000 Moleküle Wasser enthalten in Molekülen: MgSOi K2SO4 A. Sättigung an MgSO^ • lU^O allein 58 0 B. „ „ K0SO4 allein 0 12 C. „ „ Mg;S04 • 7HoO und Schönit 38 14 D. ,', „ K2SO4 und Schönit 22 16 Die Figur 2 entspricht jetzt der Sachlage und zum Ueberblicke' des Krystallisationsganges sind nur die Pfeil- richtungen einzutragen, welche auf AC und BD bei Sätti- gung an resp. Magnesium- und Kaliumsulfat sich von A und B nach dem Früheren entfernen werden. Erörterung Mg so» Figur 2. bedarf nur der Vorgang auf CD unter Ausscheidung von Schönit. Dazu ist der Grundsatz anzuwenden, dass die Lösung sich dabei entfernt in Zusammensetzung von derjenigen, welche an Schönit allein gesättigt ist. Die- selbe liegt offenbar auf der den Winkel AOB halbirenden Linie Oa und zwar wo derselbe CD schneidet in a. Un- abhängig davon, dass diese Lösung übersättigt ist an Kaliumsulfat, lässt sich die Lage von a zur Feststellung der Pfeilrichtung nach C auf CD benutzen. Sämmtliehe Lösungen trocknen also bei C unter Ausscheidung von Magnesiumsulfat und Schönit ein, und wir wollen deshalb C einen Krystaliisationsendpunkt nennen. Zu betonen ist noch, dass das Ergebniss der Krystallisation ein anderes sein kann, je naeii(icm man die Ausscheidungen entfernt oder nicht. Dasselbe ist der Fall bei Lösungen die zu- nächst Kaliumsulfat zur Ausscheidung bringen, auf BD also: Nachdem bei D Schönit sich bildet, wird das Kalium- sulfat aufgezehrt und die Lösung ändert ihre Zusammen- setzung erst, nachdem dieser Process sich vollzogen hat. Wir wollen im nachherigen immer annehmen, dass die XVI. Ni Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 75 Salzausschcidungeu entfernt werden, was wohl im wesent- lichen den Salzlagerbildungen entspricht, indem krustige Ueberschichtuug die weitere Einwirkung von Lösung auf Ausgeschiedenes verhindert. Ein dritter Fall sei nunmehr in Betracht gezogen und zwar der, dass es sich um Salze, wie Chlorkaliura und Mag- nesiumsulfat handelt, welche der doppelten Zersetzung- unter Bildung von Chlorniagnesium und Kaliumsulfat fähig sind. Der völlige üeberblick erfordert jetzt auch die Berücksichtigung der beiden letzteren Salze. In erster Linie kommen dann in Betracht die vier an einer der genannten Salze gesättigten Lösungen; dann die vier zwischenliegenden Gruppen, der beiden Sulfate, der beiden Chloride, der beiden Kalium- und der beiden Magncsium- salze; sie entsprechen dem vorigen Fall und enthalten Lösungen, die an zwei Salzen gesättigt sind. Dann aber kommen als neu die sämmtliehe Körper enthaltenden Lösungen hinzu, die sich jedoch leicht überblicken lassen an Hand derjenigen, welche an je drei Salze gesättigt sind. Wir bringen die bei 2.5° erhaltenen Daten, mit der Bemerkung, dass die auf 1000 Moleküle Wasser vor- handene Salzmenge willkürlich auf die Sulfate und Chloride von Magnesium und Kalium umgerechnet sind und dass, mit Rücksicht auf die graphische Darstellung, Kalium- chlorid als Doppelmolekül KgCU in Rechnung gezogen ist. KaCL K.SO^ MgSOi MgCla 1. Sättigung an einem Salze A. CIK 44 B. SO.Ka 12 C. MgS04 • 7H„0 ... 58 D. MgClj • 6H,Ö ... 108 2. Sättigung an zwei Salzen E. CIK, K.,S04 .... 42 1 V2 F. KaSO^," ^SOJ.,K,Mg 6H.,0 ...".. 16 22 G. (S04).K.,Mg . 6H.,0, SO,Mg.7H..O . . 14 38 H. S0,Mg.7H,0, S04Mg 6H,0 .... 15 73 J. SO^Mg.ßHäO, MgCla 6H2O .... 14 104 K. MgClä • 6H20,MgKCl3 6H.,0 1 105 L. MgKClg.eHäO, KCl 5V2 '^272 3. Sättigung an drei Salzen M. CIK, SO4K.,, (S04).MgK, . 6H.,0 25 11 21 N.ClK,(S04).,MgKä.6H,0, S04Mg-7H,0 . . 9 16 55 P. CIK, Sb^Mg • 7H,0, S04Mg-6H.20 . . 8 15 62 Q. CIK, SO^Mg • 6HäO, KCl3Mg.6H.,0 . . 4V2 13 ',2 70 R. S04Mg.6H.,0,KCl3Mg 6H2O, MgCl2 • 6H2O 2 12 99 Die grosse Aufgabe ist nunmehr, das vorliegende Material so zu bewältigen, dass sich der Krystallisations- gang überblicken lässt. Graphisch handelt es sich ^jetzt um das Eintragen von drei Daten; zwar liegen vier Salze vor, jedoch ist die Zusammensetzung der betreffenden Lösung durch drei Bestimmungen gegeben, etwa von Chlor, Schwefelsäure und Kalium. In einem zur Dar- stellung geeigneten Modell haben wir die vier in einer Ecke zusammentretenden Kanten eines Oktaeders zur Grundlage erwählt. Werden zwei einander gegenüber- stehende für das Abmessen von Magnesiumchlorid und Kaliumsulfat gewählt, eine dritte für das Magnesium- sulfat, so entspricht der vierte ohne weiteres Kalium- chlorid, falls dasselbe in Doppelmolekülen genommen wird, entsprechend der Gleichung: K.,Cl2 = KäSOi + MgCl^ - MgSO^ Die Projektion auf einer senkrecht zur Oktaeder- axe liegenden Ebene bietet die Fig. 3, worin die obeu- angegebenen Lösungen mit den oben angeführten Buch- staben angedeutet sind, so dass A z. B. Sättigung an Kaliumchlorid, E an diesem und Kaliumsulfat, M an beiden und Schönit bedeutet. Wir finden also hier die auf Magnesium- und Kaliumsulfat sich beziehende Figur 2 Figur in COBFG wieder mit den schon dort angeführten Pfeil- richtungen. Sehr übersichtlich gestaltet sich die Sach- lage in Fig. 3 dadurch, dass die Punkte, welche den Be- stimmungen entsprechen geeignet verbunden sind und zwar am Rande der Figur wie früher in Fig. 2 und innerhalb des umrandeten Feldes so, dass immer die auf zwei gemeinschaftliche Salze sich beziehenden Punkte verbunden sind, so z. B. M mit E, indem beide Sättigung an Kaliumsulfat und Kaliumchlorid entsprechen. Das ganze Sättigungsgebiet wird dadurch in sieben Felder ge- theilt, welche sich auf Sättigung an je einem Salz beziehen, wie z. B. EMFB auf Kaliumsulfat. Die im Innern befindlichen Linien entsprechen Sättigung an den zwei begrenzenden Salzen, die sich aus der Figur heraus- lesen lassen, die Punkte an drei, die man ebenfalls so- fort erblickt. Der Krystallisationsgang ist nunmehr aber auch auf Grundlage des früheren Princips gegeben, am Rand ohne weiteres, im inneren Gebiet an Hand der folgenden Ueberlegung: Die Zusammensetzung irgend einer un- gesättigten Lösung, die eingeengt werden soll, lässt sich durch irgend einen Punkt im Modell darstellen und die Einengung durch eine Linie, die sich von 0 entfernt, bis irgend ein der Sättigung entsprechendes Feld getroffen wird; welches, zeigt wiederum das Modell. Sagen wir es sei das Feld für Kaliumsulfat in a; letzteres Salz scheidet sich dann aus und nunmehr entspricht die Zusammen- setzungsänderung der Lösung der Bewegung einer Linie ent- lang, die sich von B entfernt, also nach b; das Anstossen in EM bedeutet anfangende Chlorkaliumausscheidung, und indem sich dadurch die Zusammensetzung von A entfernt, geht die Bewegung nunmehr EM entlang 76 Naturwisseuscliaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. und in M erfolgt Schöuitausscbeidung, wonach der Weg weiter^ MN entlang gefolgt wird. Die Grenzlinie EMN ist demnach als Krystallisationsbahn zu bezeichnen, einmal dort angelangt verfolgen sämmtliche Lösungen denselben Weg; dort spielen sich also die Haupt- krystallisationserscheinungen ab. Andere Grenzlinien, z. B. FM verbalten sich nicht so; die Bewegung, welche der Zusammensetzungsänderung entspriclit, geht über diese Linie hinweg, was schon aus der früheren Betrachtung des Vorgangs in F sich zeigte. Diese Linien sind des- halb in der Fig. 3 punktirt angegeben und nun ergiebt sich im einfachen Zusammenhang mit dem Früheren, dass von jedem Endpunkt, also G zwischen BC, E zwischen AB, K zwischen AD und J zwischen CD eine Krystalli- sationsbahn ausgeht; dieselben fallen im gemeinsamen KrystalHsationsendpuukt ß zusammen, wo sämmtliche Lö- sungen unter Bildung von Magnesiumsulfathexahydrat, Carnallit und Clilormagnesium schliesslich eintrocknen. Wir wollen nunmehr eine Anwendung machen, wie sie thatsächlich durchgeführt wurde um die qualitativen und quantitativen Voraussagen des obigen Schemas zu prüfen : Eine Lösung von molekularen Mengen K.2SO4 (174,3Gr) und MgClä • 6H.2O(203,4Gr) wurde bei 25" langsam eingeengt. Die Figur 3 zeigt ohne weiteres dass dann in 0 das Sättigungield erreicht wird und also zunächst Kaliumsulfat auftritt, was sich bestätigt; dann erfolgt über das Kaliumsulfatfeld eine Bewegung, die sich von B entfernt, also OD entlang und alsbald ist die Grenze des Schönitfelds erreicht, was sich auch durch Schöuit- ausscbeidung zeigte. Wird nun das Kaliumsulfat nicht weggenommen, so wird es unter Schönitbildung theilweise aufgezehrt und man gelangt in M. Die Ausscheidung betrug dort, also beim ersten sichtbaren Auftreten von Chlorkalium: 25GrK2S04 und 120Gr Schönit K2Mg(S0j,6HoO unter Benutzung der bekannten Zusammensetzung von der Lösung in M haben wir nunmehr zur Berechnung folgende Gleichung: Ks,S04 + MgClo + aH.jO = XK0SO4 + yK.2Mg(S04)26H.,0 + wC1000H.2O25CliKa'lSO4Mg2lCLMg) also: für Cl., 1 = 46m Mg 1 K, 1 y + 32« also y X + V + 25a) also x ■■ demnach berechnet K0SO4 174,3x= 26,5 ( 25gef.) „ Schönit 4ü2,'8y = 122,6 (120 gef.) Die weitere Durchführung des Versuchs ergab entsprechend befriedigenden Anschluss an die Thatsaehen. Ein weiterer Schritt um die Verhältnisse der Salz- ablagerungen näher zu treten, ist die nunmehrige Mit- berUcksichtigung des Chlornatriums. Allgemein genommen würde hiermit ein vierter Faktor eintreten und die Dar- stellung in Modell durch Abwesenheit einer vierten Dimension ausgeschlossen sein. Beschränkt man sich je- doch auf Sättigung an Chlornatrium, was den in der Natur obwaltenden Verhältnissen durchwegs entspricht, so ist diese Schwierigkeit zu heben und der Einblick so- gar einfacher als im vorliegenden Fall. Schematisch lassen sich dieselben in folgender Weise überblicken: Die drei Lösungen, welche bei Sättigung an Chlor- natrium nur an je einem Salz gesättigt sind, enthalten resp. Maguesiumchlorid, Kaliumchlorid und Natriumsulfat. Die drei dazwischenliegenden Gruppen von Lösungen ent- halten je drei Salze und in jeder Gruppe befindet sich ein Krystallisationsendpunkt, von wo nunmehr drei Krystallisationsbahnen ausgehen, welche sich im gemein- samen Krystallisationsendpunkt treffen. Die frühere Vier- zähligkcit hat sieh also jetzt zur Dieizähligkeit verein- fach). Es fügt sich hinzu, dass von den drei Krystalli- sationsbahnen die obere sehr klein ist, so dass alles wesent- lich auf eine einzige Krystallisationsbahn ankommt. Die Figur 4 enthält die Bestimmungen soweit sie bis jetzt vorliegen. Dieselbe ist wiederum die Pro- jection eines Modells, woran die Kanten des Oktaeders zu Grunde gelegt sind, wobei jedoch das Natrium in der Lösung, soweit es sich als Chlornatrium betrachten liess, fortgelassen wurde. Das Modell bietet dann vollkommen die Vortheile des früheren und das in einigen Lösungen nicht durch Chlor deckbare Natrium lässt sich auf Sulfat berechnen und eintragen auf Grund der Beziehung: NaSOi = Na-^Cl^ + MgS04 — MgCl^ unter Fortlassung des Natriumchlorids liegt dann das Natiiumsulfat in einer zur Oktaederaxe senkrechten Linie, welche in der Figur 0 mit C verbinden würde. Die Felder entsprechen wiederum Sättigung an den jetzt etwas zahlreicher auftretenden Körpern: Magnesium- chlorid, Chlorkalium, Natriumsulfat, Magnesiumsulfat mit 7, 6, 5 und 4 Wassermolekülen, Schönit und dessen wasserärmeren Form Leonit, Astrakanit (S04)äMgNa24H.20, Glaserit (S04)2K3Na und Carnallit.*) Die drei Lösungen, die neben Chlornatrium je nur ein Salz enthalten, resp. Magnesiumchlorid, Clorkalium und Natriumsulfat, ent- sprechen den Funkten A, B und C. Die grosse Krystalli- sationsbahn schlie.«slich geht vom Endpunkt F, zwischen B und C aus, und schliesst bei W im gemeinsamen Krystallisationsendpunkt ab. Es erübrigt nur noch die Kalksalze mit zu berück- sichtigen, die in verschiedenen Formen auftreten, wovon bei 25° die folgenden vorhanden sind:**) 1. Gyps C0SO4 • 2H.,0 2. Halbhydrat CaSOi- V. H^O (Zwischenprodukt zwischen Gyps und Anhydrit CaS04). 3. Glauberit CoNao(SO,)., 4. Syngenit CaKo(S04),H20 5. Tachhydrit MgoCaCl^ • 12H.,0 Der geringen Löslichkeit von Kalksalzen in den obigen meistens Sulfathaltigen Lösungen entsprechend hat das Mitvorhandensein derselben auf den beschriebenen Löslichkeitsverhäitnissen keinen wesentlichen Einfluss und die Frage ist nur in welcher Form das Calcium aus den betreffenden Lösungen zur Ausscheidung gelangt. Die Zeit für eine ausführliche Erörterung des hier ver- folgten Verfahrens fehlt ; die mikroskopische Beobachtung zeigt alsbald welches der erwähnten Kalksalze in Be- rührung mit einer gegebenen Lösung sich stabil zeigt und welche sich verwandeln; die genaue B^eststellung der Grenze wird dann durch eine verhältnissmässig geringe Zahl von Löslichkeitsbestimmungen ermöglicht. Die so *) Hierzu K''sellt sieli luicli ilcii neuesten Beobachtungen auch Kainit S0.MgK.C13H,0 bei S. **) Hierzu gesellt sich nach flen ne lesten Beobachtuneren auch Polj-halit (SÜJ.CujKa-Mg- 211^0. XVI. Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. erhaltenen Resultate sind in Fig. 5 eingetragen, welche sich mit Fig. 4 deckt, jedoch die Calciumvorkommnisse mit enthält. Wesentlich ist dann, dass das Gebiet des Glauberits, Doppelsalz mit Natriumsulfat sich in der Umgebung des Feldes für Natriumsulfat (9) und dessen Doppelsalzes mit Magnc.siumsiilfat, den Astrakauit (lU) entwickelt. Der Syngcnit, l)(i|ipelsalz mit Kaliumsulfat, breitet sich weseut- lidi'uber das Feld von Kaliumchlorid und den Doppelsalzen von Kaliumsuliat, Glaserit (2), Schönit (3), Leonit (8) und Kainit aus. In verhältnissmässig Natrium- und Kalium- armen Lösungen bildet sich Gyps in freiem Zustand, je- Figur 4. Figur 5. doch unter Einfluss des sich anhäufenden Magnesium- chlorids am oberen Theil der Figur entwässert als Halb- hydrat. 2. Anwendungen. Richten wir uns nach diesen ziemlich allgemein gehaltenen Darlegungen zu den Natur- vorkonminisseu, so fragt sich in erster Linie, inwieweit Druck und Temperatur die beschriebenen Verhältnisse ändern. Wesentlich ist dann, dass der Druck, welcher bei der oceanischen Salzbildung gegen ein paar hundert Atmosphären habe betragen mögen, die obigen Re- sultate kaum beeinflusst und dass nur mit anderen, resp. höheren Temperaturen zu rechneu ist. Speciell mag das nicht Auftreten einiger Naturvorkommisse in den bei 25" durchgeführten Versuchen davon herrühren und dieselben können dann als eine Art von Thermometern für die der- zeitigen Temperaturverhältuisse dienen, da die niedrigste Temperatur des betreffenden Auftretens sich experimentell feststellen lässt. Während durchweg an bedeutend höheren Temperaturen gedacht wird, ist zu bemerken dass ganz unerwartet die fehlenden Vorkommnisse eines nach dem andereu bei 25° auftraten und jetzt von den Magnesiunisalzen nur Kieserit, von den Kaliumsalzen nur Langbeinit, von den Natriumsalzen nur Löweit fehlt, deren nachheriges Auffinden noch nicht vollständig aus- geschlossen ist; von den Calciumsalzen fehlen einzelne, u. A. Anhydrit, dessen Untersuchung jedoch ebenso nicht zum Abschluss kam, während auch Polyhalit bei 25° auftritt. Betrachten wir in zweiter Linie das Meereswasser: dasselbe enthält die Salzbestandtheile ausschliesslich Calciumsalze in einem über die ganze Erde konstanten Verhältniss, welches beim Einengen bis zur anfangenden Chlornatriumausscheidung den folgenden Ausdruck ent- spricht : 1000H.,O,47NaoClo,l,03K2C1.2,7,36MgCl,,3,57MgSO4, Das weitere Einengen unter Ausscheidung von Cblor- natriuni entspricht einer von 0 in Figur 4 abgewendeten Bewegung, bis das Magnesiumsulfatfeld getroffen wird, wie das Modell andeutet, bei einer Zusammensetzung: 1000H2,O9,7NaoCl2,5, 8K.jCl2,40, 8MgCl2,19,8MgS04 Thatsächlich bildet sich nach Chlornatrium das Magnesium- sulfat, was in der Natur den Anfang der Abraumsalz- bildung bedeutet. Die Bewegung geht jetzt in der ent- gegengesetzten Richtung von J (Sättigung an Magnesium- sulfat allein) vor sich und naeh Ueberschreiten der Grenze zwischen Magnesiumsulfathepta- und Hexahydrat in der unmittelbaren Nähe des Leonitfeldes, wird unter Aus- scheidung von Chlorkalium (welche sich thatsächlich zeigte) die Krystallisationsbahn getroffen bei einer Zu- sammensetzung: 1000H,O4,2Na2Cl2l5,6KoCL5.5,8MgCl,14,7MgSO4. Nunmehr erfolgt bei S die Karnallitausscheiduug bei einer Zusammensetzung: 1000H,O2,4Na2Cl,6,2K,Cl,68MgCl,4, 8MgS0,. In W schliesslich erfolgt gänzliches Eintrocknen unter Ausscheidung von Magnesiumchlorid als neuer Körper, und die Lösung entspricht: 1000H2O0,2NaoCl,0,6K.,CU100MgCl.,4,9MgSO,. Durch die vorhergehenden Bestimmungen sind wir nunmehr im Stande, die beim Eintrocknen des Meeres- wassers bei 25° entstehenden Bildungen quantitativ bis ins Einzelne zu verfolgen. - Wir wollen diese Rechnung durchführen, dabei jedoch Abstand nehmen von dem ver- wickelnden Moment, das die gefundenen vier Hydrate des Magnesiumsulfats in sich schliessen. Da letzteres in den natürlichen Salzlagern wesentlich in einer einzigen Form, und zwar als Kieserit, sich auszubilden scheint, wollen wir auch bei unserer Berechnung nur von Magnesium- sulfat ohne weitere Berücksichtigung der speciellen Hydrat- form handeln. Folgende Daten bilden dann die Grundlage, berechnet auf lOOOH^O, wobei jedoch jetzt Chloruatrium und Chlor- kalium als" Einzelmoleküle angeführt sind: Sättigung an NaCl KCl MgClj MgSO^ a NaCl 94 2.06 7.36 3.57 b . MgSO, 19.4 11.6 40.8 19.8 c „ „ KCl 8.4 15.6 55.8 14.7 T ,1 V Carn. 4.8 12.4 68 4.8 W " „ MgCl, „ 0.4 1.2 100 4.9 Die Berechnung der fünf Ablagerungen, die sich bez. zwischen a und b, "b und c, c und T, T und W, schliess- lich in W bilden, findet nun wohl am einfachsten statt, indem der in der Mutterlauge zurückgebliebene Rest irgend eines ausgeschiedenen Salzes ermittelt wird: 1. (94 NaCl 7.36MgCl2) wird 7.36 «(19.4 „ 40.8 „ ), also « = ^q;q Chloruatriumrest 19.4 « = 3 • 5 Naturwissenschaftliche "VTochenschrift. 2. «(l9.4NaCI 40.8MgCl2 19.8MgS04) wird ß{ 8.4 „ 55.8 „ 14.7 „ ),also/S = J^. Chlornatriumrest 8.4 |S = 1.11 Magnesiumsulfatrest 14.7/?= 1.94 3. ,S(8.4NaC115.6KC155.8MgCl2l4.7MgS04) wird NaCl MgSO. 7 .36 Von a bis b 90.5 — "55:8 „ b „ c 2.39 1.63 „ c „ T 0.59 1.42 „ T „ W 0.5 0.22 In W 0.02 0.3 r(4.8 ), also = 55.8 _ 7.36 68 ^ 68 Chlornatriumrest Magnesiumsulfatrest Chlorkaliumrest 12.4 y ■■ 0.52 ■ 0.52 1.34 4. y(4.8NaCl 12.4KCI 68MgCl2 4.8MgS04) wird d(0.4 „ 1.2 „ 100 „ 4.9 „ )unt.Abschdg.von .(•MgClaK neben NaCl und MgS04, 55 6 also 12.4 y — 1.26 = .v = 68 y — 100(5' 6 = ^ -"y=0.0609 Cblornatriumrest 0.4 6 = 0.02 Magnesiumsulfatrest 4.9 6 = 0.3 Carnallitrest 1.2 cJ = 0.07 Magnesiu'jichloridrest 98.8 6 = 6.ü2 Hieraus ergiebt sich die nachstehende Tabelle Ueberblick des Gesammtresultals: KCl Carnallit M^CIj 1.27 0.07 6.02 94 3.57 0. 1.34 6.02 2.06 7.36 Wir betonen zum Schluss, dass dieser quantitative Krystallisatiousgang nur innegehalten wird, falls die sich bildenden Ausscheidungen der weiteren Berührung mit der Mutterlauge entzogen werden. Eine dritte und letzte Anwendung sei gemacht in Bezug auf das Nebeneinander vorkommen der Salzmine- ralien. Dasselbe findet in den Fig. 4 und 5 seinen all- seitigen Ausdruck und wollen wir z. B. die Begleit- mineralien der vier untersuchten Kalksalze kennen, so zeigt ein Blick das folgende Resultat: 1. Glauberit mit Thenardit (Na2S04), Astrakanit, Reichhardtit (MgS047H,0) und Steinsalz (ClNa) 2. Syngenit mit Thenardit, Astrakanit, Reichhardtit, Schönit, Leonit, Sylvin (KCl) und Steinsalz. 3. Gips mit Reichhardtit, S^-lvin, Carnallit und Steinsalz. 4. Haibhydrat mit niederen Hydraten von Magnesium- sulfat, Carnallit, Bischoffit (MgClg • 6H3O) und Steinsalz. van 'tHoff. (Schluss folgt.) Wetter-Monatsübersicht. Januar. — Mit strengem Frost und scharfen Nordostwinden führte sich das neue Jahr in ganz Deutschland ein. In den ersten Tagen des Januuar steigerte sich noch allgemein die Kälte, wie die beistehende Zeichnung erkennen lässt. In Berlin erreichte das Thermometer seinen niedrigsten Stand mit — 14" C. Teitiperalurcn im^amiar 19Ö1. Betrlin; .Täglici':sM2:iniuiii,b(i.Min!muiii .Taäec.!iiiftel,l90l. , TagesmiW, normal in den Nächten zum 4. und 6. Als dann am 7. Januar der Wind sicli nach Südost drehte, wurde die Luft etwas milder und am 10. Mittags überschritt die Temperatur zum ersten Mal den Gefrierpunkt. Eine bedeutendere Erwärmung fand jedoch erst am 20. Januar mit dem Eindringen oceanischer Südwestwinde statt, und bis zum Schlüsse des Monats wechselte dann meist leichter Frost in der Nacht mit Thauwetter während der Tagesstunden. Während die tiefsten Temperaturen zu Beginn des Jahres im östlichen O.stseegebiete herrschten, pflanzte sich die strenge Kälte bald weiter nach Süden und Westen fort. Am 2. Januar sank das Thermometer zu Königs- berg i. Pr. bis auf — 21", zu Neufahrwasser bis — 20" C, am 4. und 5. zu Breslau bis — 18", am 5. zu Chemnitz bis — 19", zu München bis — 21" C. In besonders den Nordostwinden ausgesetzten und weit ab vom Meere gelegenen Gegenden kamen noch niedrigere Temperaturen vor, so hatte Uslar in der Provinz Hannover — 24", und aus der Umgebung von Thorn wird von 25" Kälte be- richtet, welcher dort mehrere Personen durch Erfrieren zum Opfer fielen. Gegen Mitte des Monats Hess der Frost in Nordost- deutschland merklich nach und besonders an der ost- preussischen Küste wurde es auffallend mild. In der westlichen Hälfte von Norddeutschland blieb es aber bis zum allgemeinen Eintritt des Thauwetters verhältnissmässig kalt, und dort wich auch das Monatsniittel der Tempe- ratur am stärksten, nämlich um 3V2 Grade nach unten, vom Normalwerthe ab, dagegen am wenigsten, um 2V2°, in Süddcutschland. Die rasche Verbreitung des strengen Frostes, welcher bald das Eis auf allen deutschen Flüssen zum Stehen brachte und auch an einem grossen Theil der Ostsee- küste der Schiffahrt ein Ziel setzte, findet ihre Erklärung nicht allein in der niedrigen Temperatur, die die Nordost- winde mit sich brachten, sondern ebenso sehr in ihrer ausserordentlichen Trockenheit. Durch diese wurde die Ausstrahlung des Erdbodens ungemein begünstigt, freilich in den oft heiteren Mittagsstunden die Kälte durch die Sonne wieder gemildert; denn es gab z. B. in Berlin XVI. Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 79 83 Stunden mit Sonnenschein, mehr als doppelt so viel, wie sonst im Januar vorzukommen pflegen. Dagegen fehlte es, wie aus nebenstehender Zeichnung ersichtlich ist, bis zum 19. fast gänzlich au Niederschlägen. Nur im Süden und in einem Theile von Nordwestdeutschland kamen an einigen ^Tagen leichte Schneefälle vor, wäh- rend e.s östlich der Elbe fast ausnahmslos trocken blieb und daher die Hälfte des Landes der schützenden Schnee- decke entbehren musste. M ^^^1 "^ MilttowWerHiPür ii .il.iii..i .Hill IllllllJlJilliilfl aiMBBHHH BiSlmER WEirFÜSW»!/:» J Endlich, am 20. Januar, breiteten sich über ganz Deutschland Regenfälle aus, die im Norden ergiebiger als im Süden waren und sich in den nächsten Tagen mehr- fach wiederholten. Starke Niederschläge traten jedoch erst am 26. Januar bei stürmischen Westwinden auf. An diesem und den zwei folgenden Tagen, in denen das Barometer in Deutschland bis zu ungewöhnlich niedrigem Stande, zu Meniel bis 722 Millimeter, herabging, wech- selten Regen oftmals mit Hagel- und Schneeschauern ab, die an vielen Orten von Gewittern begleitet waren; am 28. betrug die Niederschlagshöhe zu Kassel 44 Milli- meter und trat zu Leer eine verhängnissvolle Sturm- flut h auf. Dann wurden die Temperaturen wieder etwas niedriger und das Wetter verlor seinen böigen Charakter. Doch dauerten bis zum Schlüsse des Monats im Binnen- lande noch sehr heftige Schneefälle fort, die in einem grossen Theile des Rhein-, Weser-, Elbe- und Oder- gebietes Hochwasser zur Folge hatten. Die Veranlassung zu den nordöstlichen und später östlichen Winden gab ein barometrisches Maximum, das sich am 1. Januar vom bottuischen Meerbusen südwärts verschob und bald darauf in Russland über 780 mm Höhe erreichte. Eine gleichzeitig auf dem Mittelmeer lagernde Depression verursachte in ganz Italien Schneefälle und, als am 5. Januar das Maximum und das Minimum ein- ander näher gekommen waren, Borastürme an der ad ria tischen Küste, Das Minimum entfernte sich all- mählich nach Westen, wobei es sehr ergiebige Schnee- fälle auch über Südfrankreich verbreitete. Seit dem 6. Januar schob sich der höchste Luftdruck bis zur südlichen Ostsee vor, da ein tieferes Minimum von Norden in das Innere Russlands eindrang. Dann hielt sich das Maximum längere Zeit zwischen Deutsch- land und Oesterreich auf, bis es am 19. durch ein vor England erscheinendes, eng begrenztes Minimum, das mit grosser Geschwindigkeit und unter bedeutender Ver- tiefung nach der Ostsee hineilte, südostwärts zurück- gedrängt wurde. Dies war jedoch nur der Vorläufer einer viel umfangreicheren, noch in weiter Ferne auf dem Ocean befindlichen Depression, die in den folgenden Tagen eine grössere Anzahl sehr tiefer Minima nach der Nordsee und Ostsee entsandte, welche die zahlieichen Schneestürme in Deutschland und alle anderen Unwetter mit sich brachten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Alfred Pringsheim, ausserordent- licher Professor der Mathematik in München, zum ordentlichen Professor; Dr. Martin Disteli, Docent der Projektionslehre und Kinematik an der technischen Hochschule Karlsruhe, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Karl Haegler, Privatdocent der Chirurgie und Dr. Friedrich Egger, Privatdocent der inneren Medizin in Basel, zu ausserordentlichen Professoren; Dr. W. Uhthoff. ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Breslau, zum Geheimen Medizinalrath; Oberingenieur Leo Sau- dis s zum ordentlichen Professor für Maschinenbau an der deut- schen technischen Hochschule in Prag. Berufen wurden: Prof. Ernst Eduard Müller von der technischen Hochschule in Hannover als Professor der mechani- schen Technologie und Director der mechanisch-technologischen Anstalt an die technische Hochschule in Dresden; ordentlicher Professor der Bodenkunde G. C. Schmidt an der Forstakademie in Eberswalde, als Professor der theoretischen Physik und physi- kalischen Chemie an die Universität Erlangen; Dr. Th. Längin, Bibliothekar an der Universitäts- Bibliothek in Freiburg i. Br., an die Universitäts-Bibliothek in Bern. Abgelehnt hat: Dr. Drude, ordentlicher Professor der Physik und Director des physikalischen Institutes in Giessen, einen Ruf nach Tübingen. Es habilitirten sich: E. Müller für Elektrochemie und Lotte rmoser für Chemie an der technischen Hochschule in Dresden; Dr. Robert Pschorr für Chemie, Dr. Kurt Branden- burg und Stabsarzt Dr. Johannes Burghart für klinische Medizin in Berlin. Uebergesiedelt sind: Dr. Ferd. Henri ch, Privatdocent der Chemie in Graz, nach Erlangen ; Dr. Richard Frommel, Professor der Frauenheilkunde in Erlangen, nach München. Es starben: Der Mathematiker Prof. Charles Her mite, Mitglied der Akademieen zu Paris, München, Berlin u. a. m., in Paris; Dr. Myers, Docent der Universität Cambridge, Mitglied der von der Schule für tropische Medizin zu Liverpool ent- sandten Expedition zur Erforschung des gelben Fiebers, zu Para in Brasilien; Dr. Melnikow, Professor der Zoologie in Kasan; Dr. Viktor Wassilie witsch Paschutin, ordentlicher Pro- fessor der allgemeinen und experimentellen Pathologie an der mihtärmedizinischen Akademie in Petersburg; Prof. Elisha Gray, der Erfinder des Telautographeu, in Boston; Geh. Reg.- Rath Dr. Dörgens, Professor der Geodäsie und Feldmesskunde an der technischen Hochschule Berlin; Dr. Leopold Weiss, ausserordentlicher Professor der Augenheilkunde in Heidelberg; Dr. Henry Berdez, Professor für Krankheiten der Hausthiere und für gerichtliche Thiermedizin an der Universität Bern und Leiter der Klinik für grössere Hausthiere daselbst. Berichtigung: Die„ Berichtigung" in Jahrg. XV. Nr. öOberuhte auf einer Notiz in den „Hochschul-Nachrichten", die in der De- cember-Nummer derselben Zeitschrift widerrufen wird. Die ur- sprüngliche Nachricht in No. 47 war die richtige. L i 1 1 e r a t u r. Taschenbuch für Geologen, Paläontologen und Mineralogen, herausgegeben von Dr. K. Keil hack, königl. Laudesgeologen in Berlin. 4. Jahrgang, 1901. Verlag von Gebrüder Born- traeger. Berlin 1901. Der „Kalender" wird in der vorliegenden Neu-Auflage für 1901 „Tasihcnliuch" genannt. In der That ist denn auch das zweck^li.'iili.lii- Nachschlagebüchelchen eher ein Taschenbuch als ein K:iIiimI''1-; is ist denn auch das Kalendarium weggeblieben und i's siml di-in Werkchen nur einige wenige Seiten weissen Papiers für Notizen beigegeben worden. Im Uebrigen muss auf die frühere Besprechung hingewiesen werden, da sonst bezüglich der bewährten Anordnung und Auswahl des Stoffes keine Ver- änderungen vorgenommen worden sind. Es haben aber viele Ver- besserungen und Zusätze stattgefunden. Inhalt: Prof. Dr. Felix Wahnschaffe: Erinnerungen an Otto Toreil. - Prof. Dr. 1 schaftliche Ferieucursus für Lehrer an höheren Schulen. — Wetter-Monatsübersicht. LItteratur: Taschenbuch für Geologen, Palaeontologen und Mineralogen. I. Schwalbe: Der zehnte naturwissen- — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Xaturwissenschaftliche Wochenschrift. XYT. Xr. Für den botanischen Unterricht MM'iiH- mit (Irr Stantsincdaillc ;uisp-/.,-i,'lun-t,'ii zerlegbaren Blüten=Modelle, aus Piipiermäche und anderen dauerhaften Stoffen in sehr ver- grössertem Mafsstabe sorgsamst in eigener Werkstätte hergestellt. R. Brendel, Grunewald bei Berlin Bismarck-AUee 37. Pri-i.-listeu werden kostenlos zuceiandt. Die Insekten -Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie "^;;;' ist für Entomol-'gen rn 1 Xatiufreunde das herTorra;endsto Clatt, -welcl^'s wogen der be- lehrenden Artikel, sowio seiner internationalen und grossen Verbreitung betieffd Ankauf, Ver- kauf und Umtausch ai.cr Obji'cte dia weit- gehendsten Erwaitungen erfii'lt, wie ein Probe-Abonno:r.entlchicu dürfte. Zabeziehen durch die Tost. Abonnomenis -Preis pro Quarta! Mark ]..'iO, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankensteiii & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fi'. 7."i Cent. — Probenummern gratis uiid franco. — Insertionspreis pro 4 gespaltene Borgiszeile Mark — .10. Dr. Robert Muencke : X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % « Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦*♦♦»« l>ÄTEilTBUI^EAU^ r^ÖlricK R. 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Lichterfelde -West bei Berlin, Potsd.amerstr. 35, für den Inseratentheil: Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: Q Bernstein, Berlin SW. 12. V^'-^-^v^"" Redaktion: ? Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVr. Rand. SotuiuiL', den 2-1. Pebiuur 11)01. Nr. Abonnement: Man abonnirt bei allt-n Kuchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vicrteljahrspreis ist Jl 4.— BrioKegeld bei der Post 15 ^ extra. Pr.stzeitungsliste Nr. 5112. \ Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Al»drn<'k ist nnr mit voUständiger Qaellenansiabe gestattet. Der zehnte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehallen in Berlin vom 3. October 1900 incl. bis Sonnabend 13. October 1900. Bericht, erstattet von Prof. Dr. B. Schwalbe. (Schluss.) Au die Vorlesung scliloss sieb tlie Besiclitigunf!; des neuen clieiuiselieu Insiituts der Universität (Hannoversche Strasse). Die FUlirung' hatte Herr Prot'. E. Fischer selbst übernommen. Den Theilnehmern wurden sämmtÜLbe An- lagen gezeigt und erklärt, wobei Prof. Gabriel eine Ab- theilung führte. Für das grosse Entgegenkommen, welches den Feriencnrsen durch den Leiter des Instituts und die an dem Institut mitwirkenden Herren stets zu Tiieil ge- worden ist, sei auch au dieser Stelle unser Dank aus- gesprochen. Bei der Führung wurden die wichtigsten Einrich- tungen chemiscber Laboratorien und Vortragszinimer be- sprochen. Es würde zu weit gehen, hier die einzelnen Anlagen zu beschreiben, zumal da in einer besonderen Abhandlung die Beschreibung erfolgt ist. Hervorgehoben werden mag die besondere Anlage für Arbeiten mit ver- dichteten Gasen und die Einrichtung zur Herstellung von flüssiger Luft, die jederzeit für Versuche zur Verfügung steht. Das Sonst und Jetzt trat besonders in die Erinnerung der älteren Theilnehmer, wie vor 40 Jahren noch jeder gezwungen war, sich selbst Apparate und Präparate im Institut anzufertigen und wie jetzt die Arbeitsvertheilung soweit vorgeschritten ist, dass nur die cheniisch-wissen- schaftiiche Thätigkeit dem Praktikanten obliegt. Als ein bedeutender Fortschritt ist es aber anzusehen, dass den Anfängern Gelegenheit gegeben ist unter besonderer An- weisung die einzelnen Manipulationen zu erlernen. In einem besonderen Glasbläserzimmer für Chemiker kommen Uebungen in dieser wichtigsten Manipulation zur Aus- führung; jeder kann jetzt sich diese niithwendige Geschick- lichkeit aneignen, da fortwährend Glasbläser von Fach zur Unterweisung Uebungen veranstalten. Die Zimmer für Wägungen, die Vorrichtungen für Filtration und Aus- waschen, die JMatcrialien lür Bedeckung der Arbiitstisclie, die Absänge- und Veniilationsmaschiiien, alles war nach den bisherigen besten Erfahrungen durchgeführt. Bei Neubauten von Schulen sollten solche Institute berück- sichtigt werden, um auch für die höheren Lehranstalten die bestmöglichen Vorrichtungen für 'ilor angehören, oder sicli als solche anmelden, zalib;n fiir «las Ver- sammlungsjahr einen Beitrag von 6 Mark, wofür sie Zutritt und Stimmrecht auf der Tagung, sowie die Berichte über die Ver- handlungen des Geographentages und die sonstigen Drucksachen ohne weitere Nachzahlung erhalten. Wer dem Geographentage nur als Theilnehmer beizuwohnen wünscht, hat einen Beitrag von 4 Mark zu entrichten, erhält jedoch die gedruckten Verhandlungen nicht unentgeltlich; im Uebrigen geniesst er während der Dauer der Tagung dieselben Rechte wie die Mitglieder. Anmeldungen werden an den Generalsekretär des Ortsausschusses, Herrn Dr. Rieh. Leonhard (Breslau, Schillerstrasse 20) erbeten und mögen von der Einsendung des betrelienden Betrages begleitet sein, wogegen die Zustellung der Mitglieds- oder der Thoilnehmer- karte erfolgt. Breslau, im Januar 1901. Im Namen des Central- und Ortsausschusses: Der Vorsitzende des Centralausschusses Prof. Dr. G. Neumayer, AdiniralitätsRaih, Director der Deutschen See- nii: — Der Vorsitzende des Ortsausschusses ili. I'iofcssor der Geographie an der Universität ( H'>rhäftsführer des Centralausschusses Georg Kollm, Ingenieiu-Haüptmann a. D., Generalsekretär der Gesell- schaft für Erdkunde in Berlin. Wirklicher G warte Dr. Jos L i 1 1 e r a t u r. Dr. H. Baumhauer, Pmfessor au der Universität zu Freiburg in der Schweiz, Leitfaden der Chemie insbesondere zum Gebrauch an laudwirth.sebaflliclieii Lein-anstalten. 2. Theil. Organische Chemie, mit bes(.n.lcr.'r l!enkksi<_litigung der landwirthschaft- lichen technischen Xebengewerbe. 3. Auflage. Mit 16 Ab- bildungen. Herder'sche Verlagsbuchhandlung in Freiburg i. Br. 1900. - Preis 1 Mk. 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Für den botanischen Unterricht I empfehle besonders I meine mit rler Staatsmedaille altsgezeichneten zerlegbaren Blüten=Modelle, aus Papiermache und anderen dauerhaften Stoffen in sehr ver- grössertem Mafsstabe sorgsamst in eigener Werkstätte hergestellt. I R. Brendel, Grunewald bei Berlin Bismarck-Allee 37. I Prfi.->li?ten werden kostenlos zugesandt. Dr. Robert Muencke Lnisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. : Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ' ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦! von Poncet Glashütten -Werke 54, KöpQiokerstr. BERUN &0., Kopnickerstr. 54. ^ Fabrik und Lager aller (iefässe und Utensilien für , V ehem., pharm, physical., electro- I" u. a. techn. Zweclie. Gläser für den Versand nnd zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. l'ret&rerxetc/iniKs gmll» und friiiivo. !♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦ ♦♦ ♦♦♦»♦♦♦♦♦♦! 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Neuere Untersuchungen über die Proteinstoffe der Samen. Von Prof. Bokorni In letzter Zeit ist von verschiedenen Seiten die niikro- clie mische Untersuchung der Samen auf Grund der jetzigen Kenntnisse über die Eigenthümlichlieiteu der ver- schiedenen Eiweissstotfe in Angriff genommen worden. Es sollte die Lokalisation der schon durch makro cbemisclic Untersuchungen bekannt ge- wordenen Porteinstoffe der Samen fest- gestellt werden. Zunächst einige Bemerkungen über das raakroeheuiisch festgestellte Vor- kommen der Samen-Prote'ine. Man unterscheidet zwischen phosphor- säurefreien Proteinen, wozu die Albumine und Globuline gehören, und phosphor- säurehaltigen; zu letzteren gehören die für den Aufbau des Kernes und Proto- plasmas hauptsächlich in Betracht kom- menden Nucleine und Nucleoalbumine. Pflanzenalliumin (durch Wasser cxtrahirbar) ist nach Ritthausen in Hülsenfruchten und Oelsamen enthalten, neben Legumin. Wird letzteres aus dem Extract dieser Samen ausgefällt, so giebt das Filtrat beim Erhitzen einen Nieder- schlag von Albumin. Bis jetzt ist Pflanzen- albnmin aus Gerste, Mais, Lupinen, Erbsen und Saubohnen dargestellt worden. Wahrscheinlich kommen geringe Mengen desselben sehr häufig auch in vegetativen Pflanzen- theilen, Blättern, Stengeln, Wurzeln vor. Verfasser konnte aus verschiedenen vegetativen Organen mit reinem Wasser Extracte erhalten, welche beim Kochen koagulirten (l'flng. Arch. 1900). Ziemlich erhebliche Mengen von Albumin finden sich in der Presshefc vor, wie Verfasser fand (Zeitsehr. Spir. Ind. 1900); aus Presslicfe, welche an der Zellen ans Ricinussamen mit grossen Protein- d i. Aleuronkörnern und den Einschlüssen derselben (Glo- boid und Krystalloid). Bei A und C nur die Protei iikörner siihtbar, bei B auch das Proioplasma bei D nur dieses mii den grossen Masehen- riüimen für die Proteinkörner. Luft bei .30 "^ rasch getrocknet und dann zerrieben wurde, entzieht reines Wasser einen gerinnbaren Stoff, der alle Reactionen der Eiweissstoffe giebt. Hier wie im Samen spielt das Albumin wahrscheinlich die Rolle eines Reserve- stoffes. In der Hefe wird derselbe sehr rasch verbraucht, sowie mau wässert oder mit Nährlösung versetzt, indem nun neue Sprossung und damit eine Verwendung des Albumins als Baustoff beginnt. In den Samen sind aber andere Pro- teinstoffe gewöhnlich viel stärker ver- treten als das Albumin; letzteres konnte Ritthauscn bei seinen Untersuchungen über Samen nicht oder nur in ziemlich geringer Menge constatiren. Das zu den Globulinen gehörende Pflanzenmyosin (durch 5— 107o Koch- salzlösung auflöslich, nicht in reinem Wasser) wurde besonders reichlich in weissen Senfsamen, aus denen es durch lOprozentige Kochsalzlösung extrahirt werden kann, angetroffen (Weyl); in Kürbissamen wurde es von Barbieri auf- gefunden (J. Th. 18, 108); in Kartoffeln befindet sich ein Globulin, das sich ganz wie Myosin verhält (Zöller, Ber. d. d. eh. G. "l4, 1064.) Aus Weizen lässt sich durch 15% Kochsalzlösung ebenfalls Myosin ausziehen. Conglutin findet sich in Lupinen und Mandeln Pfirsiehkernen, Haselnüssen, Erdnüssen, auch in Erbsen und Saubohnen, im Rettigsamen (Ritthausen J. pr. Gh. 24, 270); es kann durch kalihaltiges Wasser, worin es sehr leicht lösslich ist, ausgezogen werden, oder auch durch 5— lOprozentige Kochsalzlösung. Manchmal ist es 94 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYl. Nr. in den Samen nicht frei, sondern an Kali gebunden ent- halten; dann kann es aus der Lösung in 5 — lOprocentiger Kochsal/.solntion nicht durch Wasser, wohl aber durch Säuren gefällt werden. Das Legumiu ist in den Samen der Leguminosen gefunden wordeu, desgleichen im Hafer. Um es aus Samen zu erhalten, übergiesst man die zerkleinerten und mit Wasser angerührten Samen (Erbsen, Bohnen) mit Kalilösung von O'l^o, bis die Lösung nach heftigem Schütteln dauernd alkalisch reagirt. Aus dieser Lösung wird das Legumin mit verdünnter Essigsäure gefällt. Dieses frisch hergestellte Legumin löst sich in 5proceutiger Kochsalzlösung; das in den Samen selbst befindliche in lOprozentiger Kochsalzlösung; aus letzteren kann man übrigens auch mit AYasser, das 0,6— 0,9 "/n HCl enthält, das Legumin ausziehen, weil es darin erheblich löslich ist. Glutencasein kommt hauptsächlich in den Gras- samen vor. Aus Weizenmehl z. B. kann man es erhalt(!n, indem man den Tei^ mit Wasser auswäscht (zur Ent- fernung der Stärke), den zurückbleibenden Kleber in Kali- wasser löst und die Lösung mit Essigsäure fällt. Nach dem Behandeln dieses Niederschlags mit 70%, dann 40 bis 45% Alkohol*), löst man denselben mit Kaliwasscr von 0,2 "/o und schlägt wieder mit Essigsäure nieder. Legumin und Glutencasein sind die Pfianzen- caseine und werden mit dem thierischen Casein (Milch- casein) zusammen zu den sogenannten Paranukleoalbumiueu gerechnet. Sie sind Verbindungen der Paranukleinsäure mit Ei- weiss; erstere liefert beim Kochen mit verdünnten Säuren oder Alkalien keine Nuklei'nbasen (im Gegensatze zu der Nukleinsäure, welche in den Nukleoalbuminen ent- halten ist). Die Caseine werden durch Erhitzen aus ihi-en Losungen erst bei 130—150" gefällt, hingegen schon bei gewöhn- licher lemperatur durch gewisse Fermente sowie durch vorsichtigen Zusatz von Säuren. Nucleiue sind zuerst hauptsächlich aus thierischen Geweben (Eiter, Sperma, Blut) dargestellt worden, ferner aus Milchcasein, aus dem Eidotter; dann auch aus Hefe, aus Mohnkuchen, Erdnuss, Rapskuchen, Baumwollsamen, Palmkuchenmehl. Die ausserordentlichen Schwankungen in der Zusammensetzung der Nucleine (2 — D^/o Phosphor- gehalt) deuten darauf hin, dass es verschiedene Nucleine giebt. Ausgezeichnet ist das Nuclein durch seine Resistenz gegen peptische Fermente, durch welche andere Eiweiss- stoffe verdaut werden. Man hat unverdauliche Eiweiss- Stoffe bis jetzt hauptsächlich im Zellkern gefunden; die Chromatiufäden sind vorwiegend aus phosphorsäurereichen Nucleinen zusammengesetzt, während die Spindelfasern dem Plastin (einem phosphorsäurearmen Nuclein, das im Aufbau des Cytoplasmas eine hervorragende Rolle spielen soll) verwandt zu sein scheinen, und der Kernsaft aus pepsinverdaulichen Proteinstoffen besteht. Uebrigens kommen Nucleinverbindungen auch als Reservestofie vor; die obengenannten Caseine gehören zu den Paranucleoalbuminen, sie finden sich als Reserve- proteinstoffe in vielen Samen. Die Pflanzencaselne sind höchstens spurweise löslich in Wasser, leicht aber in sehr verdünnter Kalilauge, al- kalich reagirenden Alkalisalzen und in sehr verdünnten Säuren. Das Legumin wurde aus Leguminosensamen (Erbsen und Bohnen) mittels Kalilösung von 0,1 % ex- trahirt. Das ist das wesentlichste, was hier über die Pflanzcn- proteine der Samen vorausgeschickt werden muss. Es sind die Hauptresultate der zahlreichen mühsamen chcmisch- *) Zur Entfornunf; der Pflanzcnfibvine, Glutenfibrine, Gliiulin und Mucin. analytischen Forschungen, die bis jetzt über die Protein- stoffe der Samen publizirt wurden. Die chemische Analyse giebt natürUch keine Vor- stellung davon, in welcher Weise die einzelnen Stoffe in den Geweben lokalisirt sind. Darüber kann nur die mikrochemische Untersuchung Aufschluss geben. Aber nur bei sorgfältiger Berücksichtigung der Lös- lichkeitsverhältnisse können alle Proteinstoflfe unter dem Mikroskop gesehen werden. So wurden z. ß. die sogenannten Aleuronkörner lange Zeit übersehen, bis H artig die mikroskopischen Schnitte in Oel liegend studirte, statt im Wasser; in letzterem lösen sich die Aleuronkörner (jetzt häufiger Proteinköner genannt) öfters auf, besonders bei Gegenwart von ge- wissen Salzen in den Samengeweben. Bei sorgfältiger mikroskopischer Durchsuchung der Reservestoif führenden Gewebe in den Samen, d. i. der Endosperragewebe oder (bei manchen) der Keimblatt- gewebe, findet man ungefähr folgendes: Es ist selbstverständlich in jeder Zelle einlebender Protoplasmakörper vorhanden, der aber oft erst nach Herauslösung des übrigen Inhaltes der Zellen gesehen werden kann; von ihm geht ja die ganze Aufspeiche- rungsthätigkeit der Zelle aus, unter seiner Direction lösen sich die aufgespeicherten Stoffe beim Keimungsprocess wieder auf. Dem Protoplasma ist bei fetthaltigen Samen das Fett in unsichtbarer Weise (nicht in sichtbaren Tropfen) bei- gemengt. (Tschirch bezeichnet solches Plasma Oel- plasnia.) In den Aleuronkörnern (Figur I und II) kommt kein Fett vor. Samen, die kein Fett enthalten, haben daher Stärke aufgespeichert. Die Stärkekörner liegen in Maschen- räumen des Protoplasmas und sind natürlich in diesem entstanden. Die Proteinstoffe der Samen sind zum Theil in dem Protoplasma der Zellen enthalten; diese dem Plasma angehörenden Proteinstoffe sind grössteutheils phos- phorsäurehaltig und zu der Classe der Nucleine und Nucleoalbumine zu rechnen. Sie lösen sich in 0,1 pro- centigem Kaliwasser sehr leicht auf, das Fett, welches dem Plasma beigemischt ist, wird alsdann in kleinen Tröpfchen emulsionirt und mikroskopisch sichtbar. Die eigentlichen Reserveproteine der Samen sind als Aleuronkörner d. i. Proteinkörner vorhanden. Sie nehmen wie die Stärkekörner mehr oder weniger grosse Maschenräume in dem Protoplasmakörper ein und sind von letzterem aus entstanden, werden auch durch Proto- plasmathätigkeit oder allenfalls durch Fermente, die aus dem Plasma stammen, bei der Keimung wieder aufgelöst.. In den Proteinkörnern sind manchmal Krystall- oide eingeschlossen, die Eiweisskrystalle, welche sich chemisch ähnlich verhalten wie die dann als Grundsub- stanz bezeichnete übrige Masse des Proteinkornes. Beide bestehen aus Globulinen; sie lösen sich in 5 — lOprocentiger Kochsalzlösung auf, freilich in alten Samen nicht mehr. Die Globoide, ein weiterer Ein- schluss des Aleuronkornes, enthalten den Proteinsubstanz, Calcium, Magnesium und Phosphorsäure; sie bleiben immer auflösslich in 5 - 10 procentiger Salzlösung. Verfasser hat in jüngster Zeit die Lokalisation der Proteinstoflfe in den Samen bei einigen Pflanzen studirt (Botan. Centralbl. 1900). Fast gleichzeitig wurde dieselbe Frage auch von Tschirch und seinem Schüler Kritzler (mikrochemische Untersuchung über Aleuronkörner, Diss. Bern 1900) in Angriflf genommen — mit ähnlichem Re- sultate. In Folgendem seien einige Einzelheiten aus diesen Untersuchungen gegeben. Bemerkt sei noch, dass Ver- XVI. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 95 tasser auch dem „activen Proteinstoff", soweit der- selbe durch die von 0. Loew und Verfasser ausgebildete Silberreaction erkannt werden kann, nachgegangen ist; es konnte in keinem Samen activer Reserveproteiustoä" gefunden werden, was sehr begreiflich" ist, da es keinen ^ _s) «^ Zweck hätte, solchen abzulagern. Er miisste doch beim Keimen wieder zerstört und in wanderungsfähige, einfachere Substanzen umgewandelt werden. Auch nach Peptonen und Pro- peptoneu (Albumosen) wurde gesucht; sie konnten vom Verfasser niemals in Samen gefunden werden. Die süssen Mandeln sind be- kanntlich ()el haltige sehr wasserarme Samen, in denen neben Oel auch viel Eiweissstoff enthalten ist. Nach einer Analyse von J. Koenig und C. Krauch (citirt in Koenig's Nahrungs- und Ge- nussmittel I, G'JS), fand sich in einer Probe Mandeln nur 4,29% Wasser; nach Schädler war in älteren vier- jährigen Mandeln nur 3,76 7^ Wasser, frische einjährige Mandeln enthielten 9,53 "/o Wasser. Der durchschnittliche Wassergehalt beträgt 6,02 7o, der Gehalt an Stickstoff- substauz 23,49 »0, Fett 53,02o/„, Faser 6,51, Asche 3,12 7o. Ritthausen erhielt aus 177 g grobgestossenen Mandeln 27,5 g mit Kaliwasser extrahir- baren Eiweissstoff, d. i. 15,1 % Eiweissstoff (Conglutin). Es ist klar, dass wässerige Flüssigkeiten in den Geweben der Mandeln eine starke Ver- ändei-ung des Zeilinhaltes her- vorrufen müssen, wie Lösung der lest abgelagerten Eiweissstofife, Emnlsionirung des Fettes u. s. w. Darum ist es zur Erkennung der ursprünglichen Verhältnisse des Zellinhaltes wohl am besten, eine ölige Substanz zur Einbet- tung der Schnitte zu verwenden. Recht gute Bilder erhält man bei Anwendung von Nitrobenzol, welches sich mit fetten Oelen leicht vermischt und die Prä- parate zunächst keine allzugrosse Durchsichtigkeit annehmen lässt. Der Zelhnhalt erscheint dabei als ein homogenes Gemenge von Ei weiss und Fett, letzteres ist nicht in Tropfen ausgeschieden; die ganze Zelle ist angefüllt mit diesem Gemenge, Hohlräume sind nicht zu bemerken. Legt man aber einen Schnitt ins Wasser, so findet sofort eine Emnlsionirung des Oeles in zahlreiche kleine Tröpfchen statt, welche das Prä- parat ganz undurchsichtig weiss erscheinen lassen. Dasselbe Bild gewährt auch das Gewebe des bereits (durch zweitägiges Einlegen des Samens in Wasser) aufgequollenen Keimlinges. Die dünsten Schnitte er- scheinen hier undurchsichtig wegen der zahlreichen Oel- tröpfchen. IS Leguminosensamen mit (st) und Proteinkörnern (a); tercellularräume. (Nach Sachs.! /^' Fig. 3. Fig. 4. Aleuronliörner d.i. Proteinliorn aus Proteinkörner vom dem Ricinussamen. - ght = Gesammthaut, schliessen ein ziemlieh gl = Globoid, kr = grosses Globoid und ein Krystalloid, grs = sehr grosses Isryslalloid Grundsubstanz des ein. (Nach Tschirch Proteinkornes. (Nach und Kritzler.) Tschirch und Kritzler.) 'roteinUorn aus Proteinkorn aus der em Samen vonMy- süssen Mandel. - ght = Gesammthaut, is. - gl = Globoid, grs = (irundsubstanz kr = Krystalloid. des Proteinkorns, gl = Globoid. Mit Kaliwasser löst sich der ganze Proteininhalt der Zellen auf, während das Oel in unzähligen kleineren und grösseren Tröpfehen zertheilt wird und die Zellen un- durchsichtig macht. Mit 10 % Kochsalzlösung schien ^ — ^ mir auch etwas in Lösung zu gehen, doch konnte das wegen der zahl- reichen Fetttröpfchen, nicht sicher kon- statirt werden. Deutliche Proteinkörner sind hier nicht wahrzunehmen, sie scheinen eine sehr geringe Grösse zu besitzen. Alkalische Silberlösung von 1 : 100 000 ruft keine Silberabschei- dung in den Geweben der Mandel hervor. Eine Untersuchung der zerstossenen Mandeln ergab, dass Peptone und Albumosen nicht vorhanden seien. In Ricinussamen sind nach Ritt- hausen ein dem Glutencasein des Weizens ähnlicher Proteinstofif und ausserdem noch andere sehr leicht lösliche Eiweisskörper enthalten. Ein Theil des Eiweissstoffes ist krystallisirt (als Krystalloide) vorhanden (siehe Figur 1); die Krystalloide sind in Kaliwasser sehr leicht lösslich, wahrscheinlich kommen in ihnen mindestens zwei verschiedene Protei'nkörper vor, welche mit Legumin und Conglutin nicht identisch sind (Ritthausen). Nach meinen eigenen mikro- chemischen Beobachtungen ver- halten sich die Proteinkörner der Ricinussamen ähnlich wie andere; sie lösen sich in Kochsalzlösung allmählich auf (mitsammt den Krystalloiden). In Kaliwasser lösen sich die Proteinkörner incl. Krystalloide, ausserdem aber auch der gesammte Plasmainhalt, so dass die Zellen nun nur von den zahlreichen Fetttröpfchen erfüllt erscheinen, welche durch Emnl- sionirung enstanden sind. In Wasser mit 0,1 7o Dikaliuniphos- phat lösen sich die Proteinkörner und das Plasma nicht auf. Alkalische Silberlösung von 1 : 100 000 ruft keinerlei Reaktion hervor. In dem Extract der zerstosse- nen Ricinussamen wurden Pep- tone und Propeptone (Albumosen) nicht vorgefunden. In der Soja-Bohne sind circa 127o Wasser, 32 stickstoff- haltige Substanz, 14 Fett, 32 stick- stofffreie Extractivstoffe, 5 Roh- faser, 5 Asche enthalten, in Wasser lösliche Substanz ist 13,43 7o enthalten, davon Salze 1,41 7o, Stickstoff 0,148 7o, Stickstoff als Ammoniak 0,0097« (Pasqualini). Das Ei weiss ist zum Theil als Protein- körner vorhanden. Schnitte durch die Keimblätter der zuvor einge- quellten Samen sind in Wasser undurchsichtig, werden aber mit 10 prozentiger Salzlösung aufgehellt, indem sich ^ym y^^J Fig. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 9 damit die grossen Eiweisskörner auflösen; es hinterbleibt dann ein grob scliwammiger Protoplast, der noch die Höhlungen deutlich erkennen lässt, in denen die Protein- körner gelegen waren; vielfach zeigen die Protoplasten nach der Kocbsalzbehandlung Contraction. In den Zellen der in Folge Einquellens sich eben im ersten Wachsthum befindenden Keiniwurzel, findet sich keine Spur von ab- gelagerten Proteinkörnern (vorher sind solche — freilich kleinere — da) vor. Gesättigte Zinkvitriollösung ruft keinen siclitbaren Niederschlag in den Zellen hervor, also sind gelöste Eiweissstoffe und Albuniosen in erheblicher Menge niciil vorhanden. Mit dem Wässern der Gewebe und dem (hirauf folgenden Wachsthum der Keimwurzel beginnt das Einschmelzen (d. i. der chemische Abbau) der Eiweissvorräthe. Legt man Schnitte durch die Cotyledonen in Kali- haltiges Wasser (von 0,3—0,1 »/„ KOH), so lösst sich so- fort der ganze Inhalt der Zellen, mit Ausnahme einiger Fetttrüpfchen, welche nachher durcii üeberosmiumsäure dunkel gefärbt werden können. Es gehen hier nicht bloss die Proteinkürner, sondern auch der Protoplast selbst in Lösung. In einer Lösung, welche circa ] »/o Dikaliumphosphat enthält, gehen nur die Proteinkörner in Auflösung über, während der schwaramförmige Protoplast übrig bleibt, ähnlich wie bei 10 "/u Kochsalzlösung, nur diesmal ohne Contraction (wegen der geringeren osmotischen Kraft jener nur 1 procentigen Lösung). Bringt man Schnitte durch die Keimblätter zuerst in 10 procentige oder auch in 5 procentige Kochsalzlösung (worin die Auflösung der Proteinkörner auch erfolgt), dann in Kali haltiges Wasser, so kann man das ver- schiedene Verhalten der Proteinkörner und des Proto- plasten nacheinander in demselben Schnitt verfolgen. Kochsalzlösung greift nur die Proteinkörner an, Kali- haltiges Wasser bringt hierauf den schwammigen Proto- plasten zum Verschwinden, so dass die Zelle dann nur noch von einer etwas trüben, schwach gefärbten Lösung erfüllt erscheint, in welcher das Fett emulsionirt, in mehr oder weniger grossen Tropfen vertheilt, erscheint; Üeber- osmiumsäure färl)t dieselben sehr bald braun. Vor der Kalieinwirkung ist eine Emulsionirung nicht zu bemerken. An ganz frischen Schnitten durch die Keimblätter der (ungequellten) Sojabohne erhält man mit üeberosmiumsäure eine ganz gleichmässige Färbung des schwammigen Proto- plastcn, während die Proteinkörner keine Färbung zeigen. Also ist das Fett dem Protoplasmaeiweiss in unsicht- barer Weise beigemengt. Um in den ungequellten trockenen Bohnen auf Albu niosc und Pepton zu prüfen, wurden dieselben zerrieben und mit kaltem Wasser ausgelaugt. Der reichlich in Lösung gegangene koaguiirbare Eiweissstoff wurde durch '/2 stündiges Kochen unter Zusatz von Spur Essigsäure ausgefällt. Im Filtrat entstand, mit gesättigter Animon- sulfatlösung in grossem üebeischuss versetzt, eine schwache Trübung; mit Zinkvitriolkrystallen im Ueberschuss eine schwache, aber deutliche Fällung von Albnmose. Nach dem Abfiltriren dieses Niederschlages rief Phosphorwolfram- säuri' keine Trübung in der Flüssigkeit herovr, ein Zeichen, dass Pepton niciit anwesend war. .Mit alkalisciier Silberlösung von 1 : 100 000 in grösserer Menge versetzt, nahmen die Keinddatt-Schnitte von keim- fähigen Sojabohnen keine Färbung an; ein Zeichen, dass „actives Albumin" und sonstige reducirende Stoffe hier nicht erkennbar sind. In der Schminkbohne (Phaseolus vulgaris) sind bekanntlieli Eiweiss und Stärke in beträchtlicher Menge abgelagert iStickstoffsubsfanz circa 25 »/oi stickstofffreie Substanz, circa 52, Rohfaser, Rohfett 1,7, Äsche 3, Wasser 14%; König, Nahrungsmittel, I, S. 588). Das Eiweiss ist zum Theil in Gestalt sehr kleiner Proteinkörnchen vor- handen, welche die Schnitte beim Einlegen in Wasser un- durchsichtig erscheinen lassen; die Stärkekörner liegen in grossen Maschenräumen des mit Proteinkörnern angefüllten Protoplasten (die Verhältnisse ähnlich wie bei der Erbse, Figur 2). Behandelt man mit 10 procentiger Kochsalz- lösung, so werden die Schnitte sofort hell durch Auflösung der Proteinkörner; in den angeschnittenen Zellen, aus denen die Stärkekörner ausgefallen sind, bemerkt man nun deutlich den Protoplasten mit seinen grossen Hohl- räumen, eine centrale Masse durch feine Stränge mit dem wandständigen Protoplasma verbunden. Kalihaltiges Wasser löst auch das Protoplasma- eiweiss auf, so dass die Zellen dann völlig mit farbloser Flüssigkeit erfüllt erscheinen — abgesehen von den un- gelöst gebliebenen Stärkekörnern. Alkalische Silberlösung von 1:100 000 ruft an den Zellen der Keimblätter von Phaseolus vulgaris (in unge- quellten, aber keimfähigen Samen) keine Schwärzung hervor. Ein kalt bereiteter wässeriger Auszug von zerstossenen und zerriebenen, nicht eingequellten Schniinkbohnen giebt gekocht ein starkes Coagulum. Im Filtrat hiervon ent- steht mit Phosphorvvolframsäure kein Niederschlag; also fehlen Albumosen und Peptone, wohl aber ist Albumin vorhanden. Die Paranuss (Samen von BerthoUetia excelsa) ent- hält (entschält) 5,94 % Wasser, 15,48 Stickstoffsubstanz, 67,65 Fett, 3,83 stickstofffreie Extractstoffe, 3,21 Roh- faser, 3,89 Asche (König, Nahrungs- und (Jenussmittel, I, Gl 2), ist also ein sehr fettreicher, wasserarmer Samen, der chemisch besonders interessant ist, durch das Vor- kommen von natürlichen Eiweisskrystallen (Krystall- oiden). In einem homogenen Zellinhallt, aus Fett und Eiweiss gemengt, finden sich hier Proteinkörner aus- geschieden, die in ihrem Innern schöne Eiweisskrystalle haben (klare Bilder erhält man mit Bittermandelöl oder 10 procentigem Formaldehyd, oder conc. Glycerin). Mit Wasser werden die Proteinkörner sofort trüb und un- durchsichtig, in 10 procentiger Kochsalzsösung, der etwas Formaldehyd zum Abtödten der Zellen*) beigemengt ist, lösen sie sich sogleich auf. Desgleichen in einer circa 1 prozentigen Lösung von Dikaliumphosphat, ferner in einem Kalihaltigen Wasser von circa 0,2—0,1 7o Kali- gehalt. Ritthausen (7. Thierphysiologie, 1878) behandelt (mit Aether und Alkohol) entfettete zerriebene Para- nüsse mit kalihaltigem Wasser, fällt die Lösung mit Essig- säure und wäscht den Niederschlag mit Wasser, Alkohol und Aether. Frisch gefällt ist der Proteinstoflf unlöslich im Wasser, aber völlig löslich in 10 procentiger Kochsalz- lösung, in Soda und Salzsäure (von 0,02 %). Nach dem Behandeln ndt absolutem Alkohol ist derselbe in diesen Stoffen unlöslich. Der Proteinstotf zeigt alle Reactionen der Pflanzenglobuline (von Weyl Pflanzenvitellin genannt). Seine Lösung in 10 procentiger Kochsalzlösung coagulirt beim F2rhitzcn (R.). Die Krystalloide der Paranuss bestehen aus dem Magnesinnisalz dieses Proteinstoöes (Schmiedeberg, H. S., Zeitschrift jibysiol. Chemie, 1, 205). Zur Darstellung des Magnesiuinsalzes behandelt man den frich gefällten Protein- niederschlag (siehe oben) mit Magnesia und Wasser bei 35", bringt die Lösung in einen Dialysator und setzt diesen in absoluten Alkohol. Es scheiden sich nun im Dialysator Krystallkörner ab, die man nacheinander mit Alkohol von *) Um das rasclie Eindringen des Kochsalzes zu ermöglichen, weil die lebende Plasmahaut das Kochsalz nicht durchlässt. XVI. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 5 "/„, absolutem Alkohol und Aether, wäscht. (Drechsel J. ps. 19, 331, referirt in Beilstein, Handbuch der org. Chemie, 3. Aufl., IV, 1599.) Die Krystalle gleichen ganz jenen der Paranuss, lösen sich aber nicht in Wasser, sie enthalten 13,8 "/p Wasser. Werden die Krystalle nicht durch Dialyse, sondern durch Verdunsten der ursprüng- lichen Losung bei 30 — So*» dargestellt (Schmiedeberg), so halten sie nur 7,7 "/„ Wasser: der Magnesiagehalt beträgt 1,4"/.,. Aus der ursprünglichen Lösung des Magnesiumsalzes lassen sich, durch Calciumcliloi'id und Baryumchlorid die krystallysirten Calcium- und Baryum-Salze darstellen (Schmiedeberg). Alle diese Salze werden durch Kohlen- säure zerlegt '(Beilstein, IV, 1599). Nach einem vom Verfasser angestellten Versuch ent- hält das wässerige Extract der nichtentfetteten Paranüsse ziemlich viel coagulirbares Eiweiss, etwas Albumose, kein Pepton. Krystallisirte Eiweisskörper wurden künstlich auch hergestellt aus den Proteinstoffen der Kürbissamen; durch Behandeln der Krystalle mit Magnesiumoxyd und Calciumoxyd lassen sich octaedrisch krystallisirende Salze darstellen (Grübler, J. ps. Ch. 23, 97; Osborue, Journ. of the american society 14, G83, referirt in Beilstein, IV, 1599). Auch aus Hafer ist ein krystallisirtes Globulin künst- lich erhalten worden (Osborne a. a. 0.) 14, 682), welches in einigen Eigenschaften (völlige Löslicbkeit in Wasser von 66", völlige Fällbarkeit durch Sättigen der 10 pro- centigen Kochsalzlösung mit NaCl) verschieden ist von dem aus der Paranuss gewonnenen. Die krystallisirt erhaltenen Globuline aus Hanfsamen (Ritthausen, J. ps. Ch. 23, 482), Eicinussamen, Lein- samen (Aborne, a. a. 0. 14, 681) sind wohl identisch mit jenen aus Kürbissamen. Natürliche Eiweisskrystalle sind bekanntlich ausser in einigen Samen noch gefunden worden in der Kartoffel (Cohn, J. Ch. 1860, 530), in den Zellkernen von Lathraea sqiiamaria (Radlkofer, J. Ch. 1860, 529), in verschiedenen Kvyptogainen (namentlich in den I'rucht hyphen). Diese „Krystalloide" sind insgesammt unlöslich in kaltem Wasser, Alkohol und Aether. Durch Alkohol oder heisses Wasser werden sie coagulirt. In verdünnten üxen Alkalien lösen sie sich meistens, in verdünnten Säuren nur zum Theil. Sie zeigen die Reactionen der Protein- körper (Beilstein, IV, 1599). Das Sameninnere vom Kürbis enthält 24,70% Wasser, 27,3 Stickstoff"substanz, 38,9 Fett, 4,2 stickstoff- freie Extractstoffe, 1,4 Holzfaser, 3,5 Asche (König, Nah- rungs- und Genussmittel, I, S. 713). Die Proteinstotfe sind zum Theil in 10 procentiger Kochsalzlösung auflöslieh, wie man sogleich an dem Durchsichtigwerden der Schnitte beim Einlegen in Koch- salzlösung bemerkt ; es lösen sich die Proteinkörner auf. ' In Wasser erscheinen die Schnitte weiss und undurch- sichtig von den zahlreichen, ziemlich grossen Protein- körnern, die in jeder Zelle enthalten sind. Mit Kali- wasser löst sich der ganze Zellinhalt auf, mit Ausnahme des Fettes, das nun in zahlreichen Tröpfchen erscheint und die Schnitte undurchsichtig macht; Plasma und Proteinkölner sind gelöst. In 0,1 procentiger Dikalium- phosphatlösung gehen die Proteinkörner nicht in Auf- lösung über. Mit alkalischer Silberlösung von 1:100 000 tritt keinerlei Reaetion ein. Im Allgemeinen lässt sich nun über die Lagerung der Proteinstoffe und sonstigen Substanzen in den Samen ungefähr Folgendes sagen: Die Protein.stoffe, welche mit 5 — 10 "/o Salzlösung zur Auflösung gebracht werden können (Globuline), sind in den Proteinkörnern und Eiweisskrystallen der Samen aufgespeichert. In Kochsalzlösung unlösliches Protein habe ich in Proteinkörnern meist nicht beobachten können. Die Proteiukörner sind bekanntlich von Th. Hartig entdeckt und als Aleuronkörner bezeichnet worden; W. Pfeffer hat .sie später eingehend untersucht. Nach letzterem schwankt die Grösse der Proteinkörner zwischen 1 und 55 Mikromillimeter. Am grössten sind sie in Oel- samen. Im Endosperni der Cerealien sinkt ihre Grösse bis zur Grenze der Sichtbarkeit herab. Fehlen sollen sie nach Pfeffer in keinem Samen. Fett konnte ich nie im Proteinkorn selbst nachweisen, es ist mit dem übrigen Proteinstoff der Samen verbunden, wahrscheinlich mit dem plasmatischen Eiweiss gleich- gemischt. Die Pflanzencaseine scheinen nicht in den Protein- körnern vorzukommen; denn diese lösen sich ja ganz auf mit 5 — 10 "/o Kochsalzlösung; während die Caseine darin nicht löslich sind (wohl aber in Kaliwasser.) Mit Kaliwasser löst sich der ganze nach Auflösung der Proteinkörner noch vorhandene Prote'tnrest der Samen- gewebe auf; es sind das offenbar die Nucleinstoffe des Plasmas und Keines, sowie die dem Plasma beigemischten Caseine. Der viel behauptete und ebenso oft geleugnete Pepton- gehalt der Samen ist nach den vorliegenden Unter- suchungen des Verfassers wenigstens in ruhenden Samen nicht nachweisbar. Propeptone (Albumosen) trifft man in geringer Menge bisweilen in den Filtraten der unter Essigsäurezusatz ge- kochten wässerigen Samenextracte an; aber der Gehalt ist so gering, dass man ihn auf Rechnung der durch das Kochen mit etwas Essigsäure herbeigeführten geringen Hydratisirung setzen kann. Beim Lagern der Samen scheint eine allmähliche Veränderung der Krystalloide vor sich zu gehen; sie werden in Kochsalzlösung unlöslich (Tschirch); die Keim- fähigkeit der Samen ist wahrscheinlich dlrect davon ab- hängig. Samen mit unlöslich gewordenen Krystallen keimen nicht mehr. Astronomische Populärschriftstellerei. So dankenswerth es ist, wenn die Tagespresse es zu ihren Aufgaben zählt, ihr Publikum auch über die Fort- schritte der Wissenschaften auf dem Laufenden zu er- halten, so schwierig ist es für sie, dies stets in einer Weise zu thun, welche nicht nur unterhaltend und be- lehrend ist, sondern auch — was die Hauptsache — durch- aus mit den thatsächlichen Verhältnissen im Einklänge steht. Dies hat zur Voraussetzung, dass der Populär- schriftsteller auf seinem Gebiete durchaus intimste Sach- kenntnis besitzt; sonst kann es ihm leicht begegnen, dass sein Elaborat das grösste Erstaunen im Kreise der Fach- leute hervorruft. Wie oft aber wird das Material zu Xatur wissenschaftliche Wochenschi'ift. XVI. Nr. 9. populärwissenschaftlichen Aufsätzen aus dürftigen Lexi- kon-Notizen zusammengetragen und mit dem luftigen Kitt eigener freier Phantasie zusammengefügt. Solche fabrik- mässig hergestellten Artikel haben allerdings den Vorzug grosser Wohlfeilheit, vermögen jedoch dem Saehkenner keine besondere Hochachtung abzunöthigen. Wenn auf irgend einem Gebiete der Populär -Schriftsteller fach- männische Kenntnisse, ja praktische Erfahrung besitzen möchte, so ist dies in der Astronomie der Fall. Sehen wir uns aber hier einmal etwas um, so begegnen wir gar bald manch einem Blinden, der sich erkühnt, Blinden den Weg zu weisen. Nicht nur einzelne Aufsätze, nein, ganze Bände in vornehmster Ausstattung enthüllen sich vor dem Auge des praktischen Fachmannes als Kinder eines auf diesem Gebiete nicht oder nur oberflächlich bewanderten Vaters. Es kann jemand wohl ein tüchtiger Theoretiker und Mathematiker sein; jedoch hindert ihn das nicht, die gröbsten Irrthümer und faktische Unmöglichkeiten seinen Lesern bona fide als baie Münze zu geben. Diese liegen nämlich nicht auf dem theoretischen, sondern auf dem praktischen Gebiete der Astronomie und beweisen die Wahrheit von der zuweilen „grauen Theorie" auf das schlagendste. Da ist zunächst das instrumentale Gebiet. Welche Vorstellungen besitzen in der Regel Laien von der Wirkung der Fernrohre ! Gewöhnlich ist man der An- sicht, dass die raumdurchdringende Wirkung derselben im geraden Verhältnisse zu ihrer Länge steht, dass also z. B. ein 10 mal so langes Rohr auch 10 mal leistungs- fähiger sei und dass somit die immer länger werdenden Riesenrohre — besonders in Amerika — alle Beobach- tungsarbeit mit kleineren Instrumenten übrig machen. Welche ungeheuren Erwartungen hegte man beispiels- weise von dem Fernrohrungetüme der Pariser Weltaus- stellung anno 1900, welches den Mond in greifbare Nähe rücken sollte! Was hat die Presse von diesem Weltwun- der im Voraus gefabelt! Und was hat es gehalten? Nichts von alledem! Ein gutes Instrument von viel ge- ringeren Dimensionen leistet bei weitem mehr als dieser kostspielige Riese. Ganz besonders irrig ist die vielfach verbreitete Amiahme, dass man die Vergrösserung der himmlischen Objekte nach Belieben steigern könne, so- weit es eben die im jeweiligen Besitze befindlichen op- tischen Hilfsmittel erlauben. Man kalkulirt scheinbar richtig: Hat ein Fernrohr eine 20mal so grosse Oefthung als ein anderes, so ist es auch 20mal so lichtstark und erlaubt darum auch eine 20 mal so starke Vergrösserung als jenes. Kann man also mit dem kleinen noch bi.s zu 200 maliger Vergrösserung gehen, so lässt das grössere noch eine 4000malige Vergrösserung zu. Hierauf gründet man sofort die theoretisch allerdings richtige Berechnung, dass bei 400ümaliger Vergrösserung ein Mondobjekt von der Grösse z. B. des Kölner Domes noch eben gesehen werden müsste, ja dass die Erkennung des noch kleineren Details auf dem Monde nur noch des geeignet grossen Instrumentes harrt. Weit gefehlt! Ein Riesenfernrohr ist wegen der ungeheuren Dicke seiner Gläser noch lange nicht so lichtstark, als man aus dem Verhältnisse seiner Oeftnung zu der eines anderen zu schliessen berechtigt scheint. Und betreffs der Vergrösserung kommt ein Mo- ment in Frage, welches vom Laien nicht geahnt wird. „Was doch heut die Sterne herrlich funkeln! Das nmss für die Astronomen ein Genuss sein, am Fernrohre zu arbeiten!" So hört man wohl bisweilen ausrufen, wenn einer in später Abendstunde den häuslichen Penaten zu- steuert und noch ein Interesse an den Dingen über ihm sich bewahrt hat. Der Astronom aber sitzt niissmuthig am Instrumente und nimmt, wenn er gerade subtile Beob- achtungen oder Messungen vornehmen will, ein Okular nach dem andern zur Hand, immer schwächere Ver- grösserungen auswählend, ja schliesslich die Arbeit als nutzlos aufgebend. Vielleicht versucht er noch durch Verengerung der Fernrohrötfnung, also Verringerung seiner optischen Mittel, die Zeit auszunutzen, was in manchen Fällen von Erfolg gekrönt sein wird. Was den Astronomen nämlich hauptsächlich bei der Beobach- tung hinderlich ist, das ist die Unruhe der Fernrohrbilder, welche durch ungleich erwärmte Luftschichten hervorge- rufen und gerade bei grossen Instrumenten am störend- sten empfunden wird. Diese Unruhe der Luft — welche übrigens von Sturm und Windstille ziemlich unabhängig ist — erlaubt selbst bei Rieseninstrumeuten keine andere als 150 bis 200malige, meist aber noch geringere Vergrösserung an- zuwenden. Okulare, welche 500 mal oder stärker ver- grössern, müssen oft monatelang, besonders stark ver- giössernde aber zuweilen jahrelang im Kasten schlummern, ohne auch nur einmal Verwendung finden zu können, üeber das 1000 fache hinausgehende Vergrösserungen haben überhaupt nur einen zweifelhaften Werth. Nur eine Sternwarte auf dem nahezu luftleeren Monde würde in der beneidenswerthen Lage sein, ein Riesenrohr nach seiner optischen Leistungsfähigkeit ziemlich voll aus- nützen zu können. Ein fernerer Gegenstand, über welchen vielfach irrige Vorstellungen herrschen, ist das Fernrohrbild selbst, und zwar ganz besonders hinsichtlich der Darstellung der Planeten. Betreffs des Mondes könnte man beinahe sagen, dass die Erwartung des Laien bei der Betrachtung desselben schon durch ein massiges Instrument eher noch übertroffen wird, namentlich wenn die Phase nicht zu nahe an Vollmond ist. Schon kleinere Refraktoren ver- mögen auf unserem Trabanten unter günstigen Umständen sehr feine Details — allerdings für ein im Sehen geübtes Auge — darzustellen, z. B. Rillen von Bruchtheilen eines Kilometers Breite. Hinsichtlich der Planeten jedoch wird demjenigen, der dieselben bisher nur von prächtigen Ab- bildungen in Zeitschriften etc. her kennt, auch in Rieseu- rohren eine gründliche Enttäuschung zu Theil. Wie herrlich nimmt sich Mars im Bilde aus! Da sieht man sein ganzes Netz von Kanälen, womöglich mit ihren zeitweiligen „Verdoppelungen", die Meere und Continente in wunderbarer Schärfe vor dem Auge liegen, und der Be- schauer denkt unwillkürlich dabei: „Wie herrlich muss sich dieses alles erst in einem grossen Refraktor ausnehmen!" Und nun ist ihm das Glück so günstig, dass er einmal auf einer Sternwarte den Mars zu beobachten Gelegen- heit findet, noch dazu in seiner Erdnähe und mit 600- facher Veigrösserung, welche schon einen vorzüglich guten Luftzustand voraussetzt. Wie enttäuscht ist er aber, da ihm Mars nicht grösser erscheint, als ein Zwei- pl'ennigstück in der Entfernung von 28 cm! Von den Kanälen ist nur äusserst wenig zu erkennen, und nur mit Anstrengung des Auges sind einige dunkele von helleren Flecken zu unterscheiden. Nur das geübte Auge des Marskenners findet die Kanäle heraus und vermag sie mit ihren Darstellungen auf den Marskarten zu identi- ficiren. Aus d(!ni Gesagten ergiebt sich zugleich die Un- möglichkeit, über das Wesen der feinsten Details be- stimmte Behauptungen aufzustellen. Was soll oder was kann man sich unter einem dunkelen oder hellen win- zigen „Etwas" denken, welches in Wirklichkeit 100 und mehr Kilometer breit ist? Was das „Kanalsystem" des Mars betrifft, so kann man allerdings nicht umhin, eben des „Systems" wegen einen Zusammenhang desselben mit einer dort vorhandenen Intelligenz für nicht unwahrschein- lich zu erachten. Alle bisher versuchten Erklärungen dieses Kanainetzes und seiner neuerdings wieder angezweifelten XVI. Nr. 9. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. „Verdoppelungeu" bewegen sich natürlich nur auf dem vagen Gebiete der Vermuthungen und Hypothesen, so bestechend sie sich auch ausnehmen mögen. Bekanntlich ging neuerdings durch die Zeitungen die sensationelle Meidung, dass auf der Lowell-Sternwarte in Amerika eine 70 Minuten andauernde liuienförmige Licht- erschoiuung auf Mars beobachtet worden sei. Wenn diese Lichtlinie wirklich reeller Natur war — was sich wegen der langen Beobachtungsdauer nur schwer bezweifeln lässt — so musste sie immerhin 50 — 100 km breit sein, um überhaupt noch gesehen /u werden. Was berechtigt uns aber, über das Wesen derselben eine bestimmte Er- klärung geben zu können? Der nicht neue Gedanke einer interplanetaren Telegraphie ist entschieden gross- artig, man möchte sagen eine Titanen-Poesie; und ihn als eine Narrheit von der Hand weisen zu wollen, wäre im Hinblick auf Teslas siegreiche Verstösse in das Wunder- gebict der kosmischen Elektricität verfrüht. Aber trotz- dem wird man alle sensationellen Meldungen mit Vor- sicht aufzunehmen haben. Viel Unklarheit herrscht auch über die Stellung, welche die Photographie in der Astronomie einnimmt. Nicht selten giebt irgend ein populärer Artikel der Mei- nung Raum, dass es mit der Anwendung der photo- graphischen Methode in der Astronomie sich ebenso ein- fach verhalte, wie im photographischen Atelier. Es soll hier nur auf einige Hauptpunkte eingegangen werden. So wurde in dem vorhin angezogenen Berichte über die Lichterscheinung auf Mars die Hoffnung ausgesprochen, dass der Beobachter ^selbstverständlich" die Er- scheinung photographirt haben dürfte, um genauere Aufschlüsse darüber zu erhalten. Dieser Passus erweist die ünkenntniss des Berichterstatters auf diesem Ge- biete zur Evidenz. Die Photographie ist trotz ihrer sonstigen, beinahe ans Wunderbare grenzenden Leistungen nämlich noch lange nicht im Stande, ein nur einiger- maassen genaues Bild der Planetenoberflächc darzustellen. Selbst die in Riesenrohren gewonnenen Bilder sind wegen ihrer Kleinheit und Verwaschenheit so gut wie werthlos. Was wir heut von den Planetenoberflächen kartographisch festgelegt besitzen, verdanken wir ausschliesslich der okularen Beobachtung und der Darstellung des Zeichen- stiftes geübter Beobachter. Die Betrachtung der schönen Mondphotographieen des Prager oder Pariser Mond- atlasses kann allerdings dazu verleiten, die Leistung der Photographie in der Detailwiedergabc zu überschätzen. Der Fachmann aber weiss, dass auch die schärfste Mond- photographie sich zu den durch Okularbeobachtuug und Zeichnung gewonnenen Karte verhält etwa wie eine Schulwandkarte zu einem Messtischblatte des General- stabswerkes. — Auf einem Gebiete ist die Photographie allerdings ohne Concurrenz, nämlich in der Darstellung des Sternhimmels. Was kein Auge auch in den stärksten Rieseurohren zu sehen vermag, das giebt die Photo- graphie bei entsprechend langer Belichtung getreulich wieder, und wären es auch die schwächsten Nebelflecke und winzigsten Lichtpünktchen. Die ünkenntniss mancher Artikelschreiber auf dem Gebiete astronomischer Persönlichkeiten und ihrer Ver- dienste ist eher noch zu verzeihen, obgleich es entschieden lächerlich ist, wenn ein grosses deutsches Blatt in einem Ueberblick über die wissenschaftlichen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts es als das besondere Verdienst des berühmtesten Marsforschers Schiaparelli hinstellt, „dass er unzählige Meteore entdeckt habe." (Wahrscheinlich sollte damit auf seine Sternschnuppentheorie hingewiesen werden.) Aus den angeführten Beispielen ist unschwer zu er- sehen, wie schwierig es für den blossen Journalisten ist, im astronomischen Fahrwasser zu segeln, ohne auf Klippen I zu stossen. Ueber Aphrodisiaca. — Der Arzeneischatz älterer wie neuerer Zeit ist schon häufig bereichert durch Mittel, welche die Naturvölker zu Heil- und Giftzwecken ge- braueben. Oft ist ja die Wirkung nur eine eingebildete; daher denn auch die grosse Zahl von Mitteln aus dem Pflanzen- wie aus dem Thierreich, weiche früher als offi- cinell in den Apotheken geführt wurden und noch immer von Leuten aus dem Volke, auch in unserem civilisirten Deutschland, in .\pi);l;cken verlangt werden, Gar nicht selten muss da ein unschuldiges, fein geschnittenes Kraut, z. B. Viola tricolor, Glechoma Hederacea, oder, wenn das Mittel flüssig sein soll, der Leberthran, für alle mög- lichen geforderten Sachen herhalten. Eine nicht unbe- deutende Rolle haben dabei unter den Mitteln aus nahe- liegenden Gründen bei leichtgläubigen Leuten die sog. Aphrodisiaca gespielt, Mittel, welche den Geschlechtstrieb anregen, bezw. steigern. Wurde doch, wie Referent aus eigener Erfahrung weiss, vor ungefähr 30 Jahren in den Apotheken der Mark Brandenburg, besonders von Land- leuten, zu diesem Zwecke ziemhch häufig, „Stinz Marie" verlangt, eine in Egypten und den Ländern um das Rothe Meer nicht seltene Eidechse, der Skink, Seincus officinalis. Angewendet wurde das Thier, und wahrscheinlich ist es heute noch der Fall, wenn auch wohl seltener, für Men- schen und Thiere. Als die Geschlechtslust anregend gel- ten noch immer einmal stark nährende und leicht assi- milirbare Nahrungsmittel, so von animalischen: Eier, Wild- pret, Caviar, Austern u. s. w., von vegetabilischen: Trüffeln, Kastanien u. m. a. Ferner flüchtig erregende Mittel, wie Weine, sodann Gewürze, namentlich die pfefferartigen, I Gewürz-Nelken, Muskatblüthe und Muskatnuss, ferner Sellerie, Anis, Fenchel, Crocus, Vanille, Bibergeil (Casto- reum). Die Urogenitalwege direkt erregen spanische Fliegen (Canthariden), durch den Gehalt an Cantharidin, I dann die ihnen durch den Gehalt an Cantharidensäure I verwandten Maiwürmer (Meloe majalis). Dieselben üben auf die sensiblen Fasern der Harnwege einen mehr oder minder heftigen Reiz aus und rufen durch üebertragung der Erregung auf die gefässerweiternden Nerven des Penis Erectionen hervor. Aehnliche Wirkungen werden auch zugeschrieben dem ätherischen Oele der Ameisen und diesen selbst, wie auch manchen harzigen und bal- samischen Mitteln, Myrrhe, Galbauum, Perubalsam. Im südlichen Amerika soll zur Reizung der Geschlechtslust eine Art grosser Ameisen verzehrt werden. Die Canthariden spielten seit jeher unter den Liebes- tränken (Philtra) eine wichtige Rolle. Sie bildeten den wesentlichsten Bestandtheil der italienischen Elixire, der berüchtigten Diavolini, in Frankreich Pastilles galantes genannt, und noch jetzt werden sie in manchen Ländern, so auch in England, in allerlei Formen und Zusammen- setzungen zu erotischen Zwecken gekauft, trotzdem ihr Gebrauch nur zu oft nachtheilige Folgen, meist ohne das beabsichtigte Resultat nach sich zieht. Vor einigen Jahren wurde eine Rinde aus Kamerun und Deutsch-Südwestafrika bekannt, welche von^ einer Tabernaemontana Art abstammen soll, die von L. Spiegel auf ihre Bestandtheile untersucht wurde. Es wurden aus der Rinde zwei Alkaloide abgeschieden, das Johimbin und das Johimbenin. Letzteres ist bisher praktisch nicht in Betracht 100 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 9. f;ckoramen, dasegcn ht das Johimbin bereits von Mendel 111 Anwendung gezogen, nachdem es von Obcrvvarth auf seine Wirkung an Thieren geprüft worden war. Die Er- gebnisse des Letzteren waren nicht gerade sehr ermuthi- gend für eine Anwendung des Alkaloids am Menschen. Er faud so starke Giftvviikungen, dass selir schnell be- droiiliclic Efsebeinungen und nach kürzerer oder längerer Dauer der Tod der Thiere einzutreten pflegte. Bei Mausen wie bei Hunden standen, zumal in den Versuchen mit nicht tüdtlicben Dosen, nervöse Erregungszustände im Vordergrunde: lebhafte Unruhe, dann krampfhafte Zuckungen bis zu schweren allgemeinen Kiiimpfcn, dabei Erectioneu, die schmerzhaft zu sein schienen. Nach eini- gen Standen Nachlass der Erscheinungen. Nichts deutete in dem von Oberwarth hervorgerufenen Bilde daraufhin, dass das Johimbin, wie es das Ausgangsmaterial, die Rinde, thut oder thun soll, einen speeifischen Einfluss auf die Geschleehtssphäre ausübt, denn die Ereetionen, die er beobachtete, finden sich auch bei anderen, das Nerven- system stark anregenden Giften vor. Pr. Dr. A. Loew^v hat sich daher mit dieser Frage beschäftigt, indem er init kleineren, unschädlichen Dosen experimentirte. (Beiträge zur Wirkung des Johimbin (Spiegel). Aus dem thierpbysiologisehen Laboratorium der landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Berliner klinische Wochenschrift 1900. S. 927 ff.). Loewy benutzte das Johimliiuchloriiydrat, von der Formel Co^HgiNäOgHCi. Es sind farblose Krystalle, die sich schwer in kaltem, leichter in wanncin Wasser lösen. Da die Lösungen nach einigen Woclicn au Wirk- samkeit verlieren, empfiehlt es sich, stets nur geringe Mengen vorräthig zu halten. Es wurden Lösungen von 1: f)00 liergestellt, die subcutan verwendet wurden und zwar erhielten die Versuchsthiere, Kaninchen, Kater und Huude, 2,5—5 ccm davon injicirt, d. h. 0,005—0,01 g. der Substanz. Die benutzten Kaninchen wogen 1,5 — 2 kg, Kater 3,5 — 4 kg, Hunde 10—12 k. Die Kaninchen er- hielten pro Kilo Körpergewicht das ü — !^ fache, Kater das ca. 3 fache der den Hunden injicirten Dosis. Die Wir- kungen waren trotzdem am intensivsten bei den Hunden, schwächer bei den Katern, am geringsten bei den Kanin- chen. Der Organismus verschiedener Thiere ist also ver- schieden für die Wirkungen der Substanz empfänglich. Dieselbe erstreckte sich zunächst auf das Allge- meinbefinden der Thiere. Es war eine, kürzere oder längere Zeit, meist mehrere Stunden anhaltende erhöhte Lebhaftigkeit und Munterkeit der Thiere festzustellen, am wenigsten ausgesprochen beim Kaninchen, sehr deutlich beim Kater, am stärksten beim Hunde, analog der von Oberwarth berichteten Unruhe, nur schwächer. Bei genauerer Betrachtung der Thiere merkte man wenige Minuten nach der Injection als lokale Wirkung eine mächtige Hyperämie der Bindehautgefässe des Auges, eine Röthung und Erwärmung der Ohren, sowie bei den Hunden Kötlumg und Erwärmung der Schnauze. Die merkwürdigsten Veränderungen zeigte der Geschleehtsapparat. Wiederum war die Wir- kung bei den benutzten drei Thieren verschieden. 6, 8, bisweilen erst 10 bis 15 Minuten nach der In- jection begann ein Wachsen der Hoden und Nebenhoden, besonders stark bei den Kaninchen. Die Vergrösserung hielt mehr oder weniger lange Zeit an, bis zu einer Stunde und mehr. Mit der Schwellung parallel, nur später einsetzend, ging eine mehr oder weniger erhebliche Röthung des Penis, am geringsten beim Kaninehen, mehr beim Kater, am meisten beim Hunde. Beim Kaninchen war eine Schwellung nicht deutlich, unzweifelhaft dagegen beim Kater, auch führte sie bei diesem zu einer Erhär- tung, selten .jedoeli zu völlig ausgeprägter Erection. Beim Hunde dagegen waren starke Ereetionen nach vor- aufgegangener, allmählich steigender Schwellung und Er- härtung des Penis die Regel. Bei Kaninchen wie Katern wurden die Injectionen vier Wochen lang fortgesetzt, stets war dasselbe Bild, nach Ablauf der Wirkungen der Injection verhielten sich die Thiere wieder normal. Chronisch entzündliche Zu- stände haben sich dabei, wie die mikroskopische Besich- tigung der Hoden zeigte, nicht eingestellt, der Befund war stets ein ganz normaler. Es lag aber auch die Möglichkeit vor, dass das Jo- himbin nicht nur auf den Gefässapparat, sondern auch specifisch anregend auf die das Sperma producirenden Epithelien der Samencanälchen wirkte, d. h. die Sper- ma tozoenbil düng beförderte. Bei Kaninchenhoden konnte das nicht sicher festge- stellt werden, da dieselben sich schon normal dauernd in lebhafter Thätigkeit befinden. Es wurden dann auf Rath von Prof. Benda die Untersuchungen an Katern wieder- holt. Diese haben keine dauernd gleich starke Sperma- togenese, sondern eine jährlich zweimalige Brunst, während der die Saincnbereitung in ausgiebigem Maasse erfolgt. In der Zwischenzeit fehlt die Spermatozoenbildung oder ist doch nur sehr geringfügig. Diese Versuche haben noch kein endgiltiges Resultat erzieh, es scheint jedoch positiv zu sein. Die nachtheilige Eigenschaft der schon als Aphro- disiacum genannten Canthariden, Entzündung der Nieren hervorzurufen mit Auftreten von Blut und Eiweiss im Harn, hat das Johimbin nicht. Auch bei täglich wieder- holten Einspritzungen zeigte sich kein Eiweiss. Loewy knüpft hieran noch andere Fragen, deren Beantwortung noch nicht abgeschlossen ist, so ob der Angriffspunkt des Mittels central oder peripher liegt, ob nervöse Bahnen oder die Gefässmuskulatur getroffen werden. Auch hofft er zeigen zu können, dass ähnlich wie die männlichen auch die weiblichen Geschlechtsorgane auf das Johimbin reagiren. Die Versuche, welche Mendel beim Menschen mit dem Johimbin angestellt hat, hatten bei der Impotenz durch Tabes oder anderweitige organische Erkrankungen keinen Einfluss, dagegen macht sich in einer Reihe von Fällen der Impotenz durch reizbare Schwäche und der paralytischen Impotenz ein deutlich erkennbarer Nutzen bemerkbar. Auch Loewy berichtet von einem positiven Ergebniss bei einem ihm bekannten 49jährigen Herrn. Derselbe erhielt innerlich 5 mg Johimbin dreimal täglich und theilte mit, dass die Wirkung auf die Erection offen- bar gewesen sei. Die Versuche fnssen daher auf realer Grundlage. Ob sich das Johimbin in dem Maasse bewähren wird, wie es im Interesse einer grossen Anzahl von Kranken wünschenswerth wäre und bei weichen Affectionen es sich nützlich erweisen wird, kann erst durch weitere Er- fahrung am Menschen gelehrt werden. A. Mz. Eine zweibeinige Rothbuche. — No. 4 des XVI. Bandes der Wochenschrift enthält einen Aufsatz über „Zweibeinige Bäume" von J. B. Scholz, welcher am Schlüsse meint, es wäre wünschenswerth, wenn ein Vor- kommen derartiger Bäume im ganzen Deutschen Reiche bekannt gegeben würde. Da ich den Standort einer zweibeinigen Rothbuche kenne, so mache ich hiervon in Folgendem Mittheilung. Während meines langjährigen Aufenthaltes in Marburg an der Lahn hatte ich oft Gelegenheit, eine zweibeinige Roth- I buche zu beobachten, welche sich im Walde der Lahn- XVI. Nr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 101 berge befindet. Geht man nämlich von der Restauration auf Spiegelslust den Fussweg links, welcher am hinteren Abhang durch eine Thalscnkung nach Weidenbauseu führt, hinab, so kann man den merkwürdigen Baum nur wenige hundert Schritte entfernt auf der linken Seite dicht am Pfade antreffen. Die beiden Stämme waren in den achtziger Jahren, in welchen ich den Baum zuletzt gesehen, etwa von der Stärke eines Mannesschenkels, ihre Entfernung betrug ungefähr V, m und die voll- kommen glatte Verwachsungsstelle befand sich wohl über 1 m über dem Boden. Wiewohl ich öfters Freunde und Bekannte auf diese Seltenheit aufmerksam gemacht habe und Manche auch über ein derartiges Vorkommniss erstaunt waren, so schien das Vorhandensein des Baumes im Ganzen nur Wenigen bekannt zu sein. Ob seit jener Zeit der Baum nicht ein Opfer des Durchforstens geworden ist, weiss ich nicht, es Hesse sich aber jedenfalls von einer geeigneten Persönlichkeit in Marburg leicht in Erfahrung bringen und eventuell ein Bild davon herstellen. Was nun die Entstehuugsweise der zweibeinigen Bäume anlangt, so wird freilich zugegeben werden müssen, dass die Verwachsung in den weitaus meisten Fällen künstlich erzeugt worden ist und zwar durch Zusammen- drehen oder Copuliren zweier junger Stämmchen, und es ist ganz natürlich, dass sich die Herren der grünen Farbe oder andere Naturfreunde öfters einen solchen Scherz ge- stattet haben, um nachher das Naturwunder anstaunen zu lassen. Ebenso natürlich ist es aber wohl auch, dass die Thäter zu diesem Zwecke sich autfallende, leicht wieder- zufindende und dem Publikum zugängliche Stellen ausgesucht haben. Wenn nun der von mir erwähnte Baum inmitten von Hunderten anderer Bäume eines Buchenschlages steht und der nebenherführende Fussweg, wie ich ganz bestimmt weiss, offenbar nach der Zeit der Verwachsung neu augelegt ist, so halte ich einen künst- lichen Eingriff in diesem Falle für au.-gcschlossen und habe mich bemüht, eine natürliche Erklärung für die Er- scheinung herauszufinden. Eine häufiger vorkommende Verwachsung zweier Bäume besteht nun darin, dass die Stämme sich berühren, durch den Waehsthumstrieb und durch den Wind sich scheuern, die ßinden am Rande der Wundflächen bei längerer Ruhe verwachsen und ein förmlicher Baum- zwilling entsteht. Trifft nun ein solches Ereigniss bei zwei verschieden starken Stämmchen in jugendlichem Alter ein, so ist doch sicher die Möglichkeit vorhanden, dass das schwächere Stämmchen fast durchgcrielien wird, der obere Theil mit der Krone abbricht, die Rindenflächen allmählich ver- wachsen und der zweibeinige Baum fertig ist. Interessant wäre es, wenn eine einwandfreie Beobachtung in diesem Sinne festgestellt werden könnte. Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass bei einem solchen Vorgange viele günstige Umstände zusammen- wirken müssen; aber das ist es ja gerade, was die ausser- ordentlich grosse Seltenheit der Erscheinung erklärlich macht. Dr. Karl Weber-Wolfenbüttel. Astronomische Spalte. — Die Frage nach der Rota- tionszeit des Planeten Venus ist erst im vorigen Jahre auf spectroskopischem Wege durch Anwendung des Doppler'schen Princips von Belopolsky, einem Astronomen der Pulkowaer Sternwarte zu Gunsten derjenigen ent- schieden worden, welche für die rasche Achsendrehuug dieses Planeten eingetreten waren. Herr Josef Rheden, Astronom an der k. k. Üniversitäts-Sternwarte zu Wien, hat diese Entdeckung zum Aulass genommen, den Werde- gang dieses Problems in einem äusserst lesenswerthen Aufsatz: „Ueber die Rotationszeit des Planeten Venus" zu verfolgen. Vielleicht wird es uns möglieh sein, einmal auf diese schöne und dankenswerthe Arbeit zurückzu- kommen. Wenn wir von einer Lösung des Problems durch Belopolsky gesprochen haben, so darf dies keines- wegs in dem Sinne genommen werden, als hätte der ge- wandte Spektroskopiker einen genauen und sicheren Werth für die Rotationszeit erzielt. Das dürfte mit den jetzigen Hilfsmitteln wohl nicht anders als durch eine ungeheure Beobachtungsreihe und da nur mit bedeutenden Fehler- grenzen erreichbar sein. Bei dem Umstände, dass die einen der Beobachter Rotation und Revolution der Venus zu- sammenfallen Messen, während die anderen eine "24 stündige Umdrehungszeit propagirten, war es vollkommen aus- reichend, wenn Belopolsky nachweisen konnte, dass die Rotationszeit spektroskopisch raessbar ist. Fünf Spektro- gramme ergaben ihm Rotationswerthe, welche zwischen 15.9 Stunden und 37.0 Stunden liegen. Jedenfalls ist damit die Streitfrage zu Gunsten derjenigen entschieden, welche für die kurze Rotationszeit eintraten. H. Osthoff hat seit langer Zeit die Farben der Fix- sterne bis zur 5. Grössenklasse zum Gegenstande einer eingehenden Untersuchung gemacht und nunmehr seine Ergebnisse publicirt. Nach der von Julius Schmidt auf- gestellten Farbenskala erhielt er folgende nach der Anzahl der Sterne geordnete Zahlen: 210 Sterne blassgelb 117 Sterne weissgelb 139 „ röthlichgelb 99 „ dunkelgelb 123 „ orange 14 „ röthlichbisroth 118 „ reingelb 5 „ weiss. Seine Untersuchungen haben die allgemeinen Vor- stellungen so ziemlich bestätigt. Aus der Tabelle geht hervor, dass innerhalb dieser Grössenklassen die Sterne von gelber Farbe bedeutend überwiegen. Sirius und Riegel sind nach Osthoff am wenigsten gefärbt und erscheinen fast weiss. Von grossem Einfluss auf die Farbe erwies sich das Instrument, welches beim Beobachten benutzt wird. Osthoff konnte den Satz formu- liren, dass bei steigender Vergrösserung die Intensität der Färbung zunehme und zwar viel mehr bei den weiss- liehen wie bei den rothgelbeu Sternen. Die interessantesten Verhältnisse ergaben sich bei den Veränderlichen, welche nach Osthoff dem Lichtwechsel parallel gehende Farben- änderungen zeigen. Es gelang ihm geradezu, Beziehungen zwischen dem Färbungsgrad, der Grösse und dem Spektral- typus aufzufinden. Es wird in Zukunft thunlich sein, die variablen Sterne auch hinsichtlich ihrer Farbe zu untersuchen. Von Veränderlichen des Miratypus gelangen in nächster Zeit ins INIaxinuim: i?Leporis AR= V'bb.O D- =-14° 57, Auf. März 7.Gr rCancri 8 16.0 + 17 36 V r '^- )) ÄLeonis 9 42.2 + 11 54, Mitte März 6. „ ÄCanum ven. 13 44.6 + 40 2, Anf März 7. „ C/Herculis 16 21.4 + 19 7, V 8. „ ÄSagittarii 19 10.8 -19 29, Ende März 8. „ Adolf Hnatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruauut wurden: Dr. Brauer, Privatdocent der Zoologie in Marburg, zum ausserordentlichen Titular Professor; Dr. Wilhelm Benecko, Privatdocent der Botanik in Kiel, zum ausserordent- lichen Titular-Professor; Dr. G. Wolf, Sekretär der Universitäts- Bibliothek in München, zum Bibliothekar; Honorardocent für Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. \r. 9. Hydraulik, Baumechanik und Graphostatik Ludwig Tiefen- baclier an der technischen Hochschule in Wien, zum ausser- ordentlichen Titular-Professor. Berufen wurden: Dr. Alexander Westphahl, Oberarzt der Chariteeklinik für psychische und Ncrven-Krankheiten in Berlin, nach Greifswald als Director der Universitätsklinik für psychische Krankheiten und als ausserordentlicher Professor der Irrenheilkunde; Dr. Friedrich Bidschof, Titular-Adjunkt der Universitäts-Sternwarte in Wien, als Adjunkt an das astronomisch- meteorologische Observatorium in Triest. Es habilitirten sich: Dr. Otto Low für Pharmakologie in Marburg; [Dr. Eugen Englisch für Photographie an der tech- nischen Hochschule in Stuttgart. Abgelehnt hat: Dr. A. Witzel, ausserordentlicher Pro- fessor der Zahnheilkunde in Jena, einen Ruf nach Heidelberg als Director des zahnärztlichen Universitätsinstitutes. In den Ruhestand tritt: Dr. W. A. Freund, ordentlicher Professor der Gynäkologie in Strassburg. Es starben: Geheimrath Dr. Hermann Pfeiffer, ausser- ordentliches Mitglied des kaiserlichen Gesundheitsamtes, früher Decernent für Medicinalwesen im grossherzoglich hessischen Mini- sterium, in Darmstadt; Dr. Theodor Husemann, ausserordent- licher Professor der Arzneimittellehre und Giftkunde in Göttingen ; Dr. Natterer, ausserordentlicher Professor der Chemie in Wien. Der XXX. Congrress der Deutscheu Gesellschaft für Chirurgie iindet vom 10. bis 1.'!. April in Berlin im Langenbeck- hausp statt. — Vorsitzender: Prof. Dr. Czerny, Heidelberg. Der 19. Congress für innere Medicin findet vom l(i. bis 19. April in Berlin statt. — Präsident: Sen ator (Berlin). Folgende Theiuata sollen zur Verliandlung kommen: Am ersten Sitznngs- tage, Dienstag, den IG. April 1901: Herzmittel und Vasomotoren- mittel, Referenten: Gottlieb (Heidelberg) und Sahli (Bern). Am dritten Sitzungstage, Donnerstag, den 18. April 1901: Die Entzündung des Rückenmarks. Referenten: v. Levden (Berlin) und Redlich (Wien). L i 1 1 e r a t u r. Geheimrath Prof. Dr. B. Koch. Ergebnisse der vom Deutschen Reich ausgesandten Malaria-Expedition. \ uitiii:, tcelialten in der Abtheilimg Berlin-C'arlottenliurg der 1 iruls.-lH.ii Colonial- Oesellscliaft. Verhandlungen der Gesell.sehaft 190Ü,Ol, Heft 1. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). Berlin 1900. Der wesentliche Inhalt des Heftes ist den Lesern der „Naturw. Wochenschr." bereits durch ausführliche Referate über Kochs Untersuchungen und Ansichten über die Malaria im vorigen Bande bekannt. Der Vortrag giebt eine kurze und doch keineswegs nur auf der Oberfläche des Gegenstandes bleibende ,\useinandersetzung und ist daher sehr geeignet, eine Einsicht in denselben zu bieten. Dr. med. Willy Sachs, Die Kohlenoxyd- Vergiftung in ihrer klinischen und gerichtsärztlichen Bedeutung. Monographisch dargestellt. Mit einer Spectraltafel. Braunschweig, Vieweg X' Sohn. - Preis 4 Mk. Verf. sagt in seiner Vorrede, dass er die vorliegende Arbeit unternommen hat in der Absicht, dem äiztlichen i^eser die in der Litteratur ziemlich zerstreute Darstellung der Kohlenoxyd- vergiftung in einheitlichem Bilde vorzuführen. Das ist dem Verf. im Allgemeinen auch gelungen, es ist eine sehr fleissige Zu- sammenstellung mit wohl vollkommener Angabc der ausserordent- lich reichen Litteratur über dieses Thema. Das Ganze ist über- sichtlich gruppirt. Im chemischen Theil wird besprochen das reine Kohlenoxyd, der Kohlendunst, das Leuchtgas, das Wassergas und die Minengase. Im klinischen Theil die all- gemeine und speciello Symptomatologie, das Verhalten der Herz- thatigkeit und der Respirationsorgane bei der acuten Kohleno.vyd- vergiftung, Störungen der Verdauungsorgaue und des Nerven- systems, die chronische Kohleno.\ydvergiftung, die pathologische Anatomie, Diagnose und Prognose. Im toxikologisch-physio- logischen Theil dii^ V'irkuug des CO auf die Organe, der Nachweis des CO im Blute und in der Luft, sowie das Schicksal desselben im Körper. Im theoretischen Theil werden die CO- Vergiftungen zu erklären versucht. Es folgt dann die Thera- pie und der hygienische Iheil. In letzterem werden die Vergiftungen im Fabrikbetriebe sowie in Wohnräumen besprochen, sowolil durch Kohlendunst wie durch Leuchtgas. Da kommen zur Sprache die offenen Kohlenbecken, die Ofenklappe, Fehler im Schornstein, die verschiedenen Oefen, verborgene Balkenbrände, blakende Lampen, offene Gashähne, Undichtigkeiten der Gas- leitung innerhalb und ausserhalb des Hauses u. s. w. Im foren- sischen Theil wird Selbstmord und Mord, sowie der zufällige Tod durch Kohlendunst und Leuchtgas besprochen, ferner die Vortäuschung der CO-Vergiftung, die gerichtliche Expertise, sowie die Haftpflicht bei Unfällen. So sorgfältig die Zusammenstellung des Ganzen ist, so merkt man doch, dass der Verf. sein Wissen wohl nur litterarisch er- worben hat und in Folge dessen nicht die nothwendige Kritik an einzelne Untersuchungen anlegt. So ist uns das Kolilenoxyd- hämoglobin in seinem chemischen, physikalischen und physio- logischen Verhalten durchaus noch nicht so aufs beste bekannt, wie Verf. annimmt. Tritt auch noch an anderen Stellen der Mangel tieferer Beschäftigung mit den einschlägigen Fragen her- vor, so kann das Werk immerhin wegen seiner sorgfältigen Zu- sammenstellung und der reichen und genauen Litteraturangabe empfohlen werden. A. Mz. Alfred Bussel Wallace, Studies scientifique and social. Zwei Bände mit Abbildungen. Macmillan and Co., limited, London U)ÜO. — Preis geb. 18 Schilling. Die beiden Bände enthalten die wichtigsten in verschiedenen Zeitschriften von dem berühmten Verfasser seit 1865 veröft'ent- lichten Artikel naturwissenschaftlichen und anderen, wie z. B. pädagogischen und politischen Inhaltes. Sie sind hier und da er- weitert worden, um sie einem weiteren Kreise verständlich zu machen und auch sonst verbessert worden. Der 1. Band bringt auf 63-2 Seiten incl. einem Index 23, der 2. Band auf 535 Seiten 29 Artikel. Es wird zweifellos Vielen erwün.scht sein, die Auf- sätze des hervorragenden Gelehrten bequem zur Hand zu haben; es befinden sich darunter natürlich eine Anzahl, die für die Des- cendenz-Theorie von Wichtigkeit sind. G.Vacher de Lapouge, ,,I.'Aryen, son rolo social. Cours libre de scienee politique professii a l'universite de Monpellier" (1889 bis 1890). Albert Fontemering. Paris 1899. Seit Pösche ist eine Monographie der arischen Rasse nicht versucht worden, und es muss zugegeben werden, dass Verf. sein Werk mit grossem Fleiss angefasst, vor allem sehr umfassende Kenntnisse, nicht nur anthropologische, sondern auch prähistorische und geographische, dazu mitgebracht hat. Er unterscheidet sich durch ernste Arbeit wesentlich von den meisten, die sich mit gleichen Pioblemen beschäftigt haben. Deren wichtigstes ist die Entstehung und Heimath der Rasse, und man wird zugeben müssen, dass Lapouge alles, was nach dem bisherigen Stand für die europäische Heimath — er entscheidet sich für das quartäre Land zwischen Südengland und Skandinavien — sagi.ii lässt, an- geführt hat. Wenn trotzdem sein Beweis nicht stichhaltig ist, so liegt das zunächst an einem methodischen Mangel, für den er nicht besonders verantwortlich zu machen ist, weil er eine der Kinderkrankheiten der anthropologischen Wissenschaft ist. Sie ist Naturwissenschaft und strebt als solche nach objectiven Ge- setzen; die Naturgeschichte des Menschen muss auf derselben biologischen Grundlage ruhen, wie die der Thiere. Die Frage ist nur, ob deshalb die gesammte systematische Methode der Zoologie einfach adoptirt werden darf. Um auf den springenden Punkt zu kommen: Kann der Längen- Breiten- Höhenindex in jedem Falle ein Kriterium für die genetische Verwandtschaft abgeben? Die Frage ohne Weiteres zu bejahen, erscheint mir augenblicklich noch unerlaubt. Wenn das angeht für Rassen, die seit unvor- denklichen Zeiten ihre Lebensbedingungen und Lebensweise wenig oder nicht geändert zu haben scheinen, so gewiss nicht bei den europäischen Völkern. Höchst eigenthümlich wirkt der Ver- such, in unseren sehr individuell gestalteten Verhältnissen jeden Menschen auf ein halbes Dutzend in Europa verbreiteter Rassen zurückzuführen. Ein Hauptfortschritt der Anthropologie dürfte die Beob- achtung sein, dass zwischen unzweifelhaft reinen Rassen Zwischen- formen sich meist nur vorübergehend bilden; daraus folgt mit Wahr- scheinlichkeit, dass die zahllosen europäischen Schädelformen nicht zum grossen Theil Mischungen, sondern Variationen darstellen. Es ergiebt sich, dass grössere Abweichung vom Grundtypus durchaus nicht noth wendig auf grössere Entfernung vom Ausbreitungscentrum schliessen lässt. In noch geringerem Grade ist das der Fall bei der Farbe der Augen und des Haares, wo Verf. selbst die Mög- lichkeit anderer Einflüsse zugiebt. l'eberhaupt macht die Auf- fassung der nordischen Färbung als pathologischer Erscheinung einen merkwürdigen Eindruck; die Behauptung, dass der Nord- europäer einem trockenen Klima erliege, widerspricht geradezu den Thatsachen, und dadurch fällt die Nothwendigkeit, die Ur- heimath in ein feuchtes Klima zu setzrn. Das Bild, dass L. von dem Leben der Urarier entwirft, entspricht dann auch gar nicht den Gegebenheiten. Weder war müheloser Unterhalt geeignet, die Herren der alten Welt zu erzeugen, noch kann man von einem der alten Arierstämme sagen, dass „tout individu gai, vif, ami du soleil et de la vie se trouvait fatalement icarte." XVI. Nr. 9. Xaturwissenschaftliche "Wochenschrift. Die höchste Anerkennung verdient Verf. dafür, dass er nicht, « ie so oft geschieht, die Daten unterschlägt, die der Theorie un- bequem sind, und so kann man aus seinen eigenen Angaben ein Bild gewinnen, wenn man die li3'pothetischen Rassen und Rassen- verwandtschaften bei Seite lä?st. Danach bewohnte erst eine fremde, dolicliocephale Rasse ganz Westeuropa; dass diese be- sonders in Frankreich eine Intrusion durch mitteleuropäische Hundköpfe erfuhr, deutet darauf, dass die Arier, die bald darauf i'bonfalls an der Rheinlinie erscheinen, von Osten her auf diese Kundköpfe stiessen. In der That widersprechen auch einige autliropologische Thatsachen dem Beweisgang der Verfechter des nordeuropäisehen Ursprungs. Die Ainos, die Urbevölkerung von .lapan, sind im Bau mit den Ariern identisch, und wenn Verf. er- klart, dass diese die einzige nicht schwarzhaarige Rasse seien, so wird liemcrkenswcrtli, dass die in China einwandernden Chinesen sich selbst als schwarzhaarig im Gegensatz zu den ursprünglichen Be- wohnern kennzeichneten, diese also andersfarbig gewesen sein müssen. Was von Lapouge's Daten der östlichen Einwanderung vor ;illcm im Wege steht, ist die Behauptung, dass während der Steinzeit die russisolie Ebene nie bewohnt gewesen sei, ein bei jeder Annahnn' ;4iii(li unmögliches Ding. Wenn iii in iMinnkt, wie L. mit seinem Stoffe ringt, wird mau ihm Scliw arhfu nicht verargen, die man bei anderen scharf ladolt: so die ult eigeuthümlichcn Namensgleichungen, die ihmZeug- iiiss bieten für die Berührung von Ariern mit den Aegyptern, die Schlüsse aus den ägyptischen Denkmälern und Gräberfunden. Dass die .Ent Wickelung des Mittelalters eine Entwickelung zur Knechtschaft gewesen sei, wird man ebensowenig zugeben, wie dass die Religion der arischen Rasse derMonismus sei. Weitstörender ist OS, dass Verf besonders im vorletzten Kapitel in eine zweite Kinderkrankheit der Anthropologie verfällt, indem er mit den un- glückseligen Mittelzahlen arbeitet. So stellt er neben anderen das Cesetz auf, dass der Inde.x der städtischen Bevölkerungen niedriger ist, als der der ländlichen. Der Beweis stützt sich auf Mittol- zahlen, und Jedermann kann sich durch Augenschein überzeugen, dass das Gesetz in dieser Fassung unrichtig ist. Das städtische Leben dürfte wesentlich die Dift'erenzirung, wie der gesammten Körper-, so iin besonderen auch der Schädelform begünstigen, und es sagt gar nichts, dass sich das Gesammtmittol dabei viel- leicht etwas nach unten verschiebt. Alles in allem ist, trotz aller Fehler und Einseitigkeiten, das Werk freudig zubogrüssen; es bietet eine umfassende, greif- bare Grundlage. Es kann die Diskussion nur befördern, und der Streit ist ja besonders in der Wissenschaft der Vater aller Dinge. Fritz Graebner. Dr. Max Kudolphi. Die Bedeutung der physikalischen Chemie für den Schulunterricht Vortrag, gehalten am 26. October 19Ü0 zur Erlangung der venia legendi für Physik und physi- kalische Chemie an der Grossherzoglichen technischen Hoch- schule zu Darmstadt. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 190O. - Preis GO Pf Verf. lässt seine Ausführungen darin gipfeln: man sollte den Studironden des höheren Lehrfaches, wenn auch nicht ihnen zur Pflicht machen, so doch ihnen gestatten, sich Kenntnisse in der i)hysikalischen Chuinie anziicigu.ii, und diese voll werthen. Das letzten- Hesse sich sriir rinla.l, cnniiuliehen. Man könnte die Combination Chemie uml Mn,,, :,|,,-i,. in der Prüfungsordnung wie bisher beibehalten, jeddrli et\\;i mit dem Zusätze, dass die Stelle der Mineralogie auf Wunsch des Kandidaten auch die physikalische Chemie vertreten könne. Astronomischer Kalender für 1901. Berechnet für den Meridian und die Polhöhe von Wien Herausgegeben von der k. k. Sternwarte. Wien, C. Gerolds Sohn. — Preis 2,40 Mk. — Der vorliegende Jahrgang des von der Wiener Sternwarte seit 63 .labrca herausgegebenen astronomischen Kalenders enthält neben den üblichen Angaben über die Stellung der Gestirne und sonstige Erscheinungen am Himmelszelt einen sehr wi rthvolleii Beitrag des Prof.. v. Xiessl, in welchem diese Autorität auf dem Gebiet der Meteorastronomie ein sehr reiches und interessantes Material „über die Rolle der Atmosphäre im Meteorphänomen" zu- sammenstellt und kritisch discutirt. Es ist genussreicli, beim Studium dieses Aufsatzes über alle Eigontliümlichkeiten, die man bisher an Sternschnuppen und hellen Feuerkugeln namentlich in Bezug auf zeitliche und räumliche Vertheilung wahrgenommen hat, Aufklärung zu erhalten. Trotz der in der Regel recht unvoll- kommenen Beobachtungen solcher Phänomene ist doch bereits ein beträchtliches Material genauerer Bahnbestimmungeu gesammelt worden, dessen Verarbeitung durch von Niessl's Meisterschaft die Meteor-Erscheinungen unter Berücksichtigung der bedeutenden Einflüsse unserer Lufthülle fast völlig des Räthselhaften entkleidet hat. — Ein zweiter wissenschaftlicher Aufsatz von J. Rheden be- handelt die vielumstrittene Frage nach der Rotationszeit des Planeten Venus. In übersichtlicher Weise werden die von ver- schiedenen Seiten unternommenen Versuche besprochen, durch Beobachtung von Flecken auf dem Planeten ein sicheres Urtheil über dessen Umdrehungszeit zu gewinnen. Am Schlüsse weist Verf. darauf hin, dass in neuester Zeit die spektrographischen Untersuchungen Belopolsky's den Streit zu Gunsten der Ver- fechter einer schnellen Rotation (von etwa 24 Stunden) ent- schieden hat, sofern dessen photographische Ermittelung von Spektrallinienverschiebungon an den Venusrändern durch Bestäti- gung von anderer Seite ausser Frage gestellt werden wird. — Als ein Desideratum für den kalendarischen Theil möchten wir Ephemeriden des Lichtwechsels veränderlicher Sterne und des Laufes der hellsten Planetoiden zur Zeit der Opposition hin- stellen. Jeder den Kalender benutzende Liebhaber der Himmels- kunde würde derartige Angaben gewiss gern gegen die sich in einem astronomischen Kalender etwas eigenartig ausnehmende, ausführliche Genealogie, sowie den Kalender der Griechen, Juden und Türken eintauschen. F. Kbr. Von der durch dio Königlich Preussische geologische Landes- anstalt herausgegebenen geologischen Specialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten im Maassstabe 1:2.5000 erschienen soeben die Lieferungen 69 und 80, enthaltend die märkischen Blätter Wittstock, Wuticke, Kyritz, Wusterhausen, Tramnitz, Wildberg, Neuruppin, Fehrbellin, Gross-Ziethen, Stolpe, Zachow, Hohenfinow und Oderberg, sowie die Lieferung 86, enthaltend die westpreussischen Blätter Neuenburg, Garnsee, Feste Courbicre bei Graudenz, und Roggenhausen und die Lieferung 90, ent- haltend die märkisch-pommerschen Blätter Neumark, Sehwochow, Uchtdorf, Wildenbruch und Beyersdorf Jedes Blatt nmfasst etwa 12600Hektar und ist zum Preise von 3Mark, einschliesslich der zuge- hörigen Erläuterungen und einer Bohrkarte, durch jede Buchhandlung zu beziehen, z. B. durch die Simon Schropp'scheHoflaudkartenband- lung zu Berlin, Jägerstr. 61. Die geologisch-agronomische Special- karte stellt durch Farben und Zeichen, deren Bedeutung auf ihrem Rande erklärt wird, die Beschaffenheit des Bodens und seines Untergrundes dar. Der Maassstab ist so gross, dass einzeln stehende Häuser erkennbar sind und der preussische Morgen als eine Fläche von 4 Qnadratmillimetern erscheint. Die Höhe jedes Punktes wird ersichtlich durch seine Lage zu den Höhenlinien, welche in senkrechten Abständen von 15 Fuss bezw. 5 Meter ein- gezeichnet sind. Da die geologischen Farben das Ergebniss zahl- reicher, bis 2 Meter tiefer Bohrungen ausdrücken, deren auf jedem Blatte etwa 1000 bis 400O ausgeführt worden, liefern die- selben zugleich Aufschluss über das Bodenprolil. I'ic jiMlcm Blatte beigegebenen Erläuterungen enthalten 'li( i liciMisclicii Analysen der wichtigeren Bodenarten und iMclioi^iti'insniii t'l der Gegend, sowie die genauere Beschreibung der durtigcn L!uduu- schichten und ihrer UebereinanderJagerung, soweit letztere für die Aufsuchung bestimmter Gesteine oder wasserführender Erd- schichten in Betracht kommt. (x.) Blanchard, Prof. Dr. Kaph., Hirudineen Hamburg. ~ 3 Mark. Dalla-Iorre, Prof. Dr. K. W. v., u. Ludw. Graf v. Sarntheim, Flora der gefürsteten Grafschaften Tirol, des Landes Vorarlberg und des Fürstenthum Liechtenstein. 1. Bd. : Die Litteratur der Flora von Tirol, Vorarlberg und Liechtenstein. Innsbruck. 12 Mark. Ergebnisse der Hamburger Magalhaensischen Sammelreise. 5. Lfg. H.iniburtr. - 6 Mark. Martens, G., \'öacl. Hamburg. — 2 Mark. Meissner. Er. Max, Echinoideen. Hamburg. — 1 Mark. Michaelsen, Dr. W., Terricolen. Hamburg. — 2 Mark. Steinhaus. Dr. 0., Chaetognathen. Hamburg. — 0,80 Mark. Vdvra. Dr. W., Siisswasser-Cladoceren. Hamburg. — 2,40 Mark. Volta, Alessandro, Untersuchungen über den Galvanismus. Leipzig. — l,(i0 i\lark. Warburg-, O, l'andanaceae. Leipzig. — 5,60 Mark. liilinlt: Prof Bokorny: Neuere Untersuchungen über die Protcinstolfe der Samen. ~ H. Kleiner: Astronomische Populär- sclu-iftätellerei. — Ueber Aphrodisiaca. — Eine zweibeinige Rothbuche. — Astronomische Spalte. — Aus dem wissenschaftllclien Leben. — Litteratur: Ciehcimrath Prof Dr. R. Koch, Ergebnisse der vom Deutschen Reich ausgesandten Malaria-Expedition. — Dr. med. Willy Sachs, Die Kohlenoxyd-Vergiftung in ihrer klinischen und gerichtsärztlichen Bedeutung. — Alfred Rüssel Wallace, Studies scientififiue and social. — Ct. Vacher de Lapouge, „L'Aryen. — Dr. Max Rudolphi, Die Bedeutung der physikalischen Chemie für den Schulunterricht. — Astronomischer Kalender für 1901. — Geologische Speeialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten. — Liste. Natur-wissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 9. Ein Verzeichniss der neue Erscheinungen meines Ver- lages aus dem lahre 1900 sti'ht auf Verlangen un- lierc'chnot zur Verfüffiine. Gratis ""^ ft-anko j liefern wir den 3. Nachtrag j (Juli 1897 bis Juni 1899) zu unserem Verlagskatalog. | Ferd. Dflmmlers Verlagsbuchh., 1 Berlin SW 1.2, Zinimerstr. W. 1 Dilpiliue 9 M., Seehunde 12 M., Sliirc ca. 20—30 Pfund 20 M.. Stiirliöpfe 1.50 Mk. Alles frisch im Fleisch. Bei warmer Witterung in Eis verpackt liefert Bernh.Nehls, Cröslin a., Ostsee. ;/iquarien-3nslitul Otto Preiisse, Berlin C, Alexanderstr. 38. Gegründet 1890. Offcrirt leb. Zierfische, Atpphibicn, rmmmunmimm I Für den botanischen Unterricht empfehle besonders I )iirinr mit der StaatsinrdaiUe ausoi'zt'iclinoten zerlegbaren Blüten=Modelle, .lus Papiermache und anderen dauerhaften Stoffen in sehr ver- grössertem Mafsstabe sorgsamst in eigener Werkstiitte hergestellt. I R. Brendel, Grunewald bei Berlin Bismarck-AIlee 37. Preislisten werden kostenlos zugesandt. Ferd.DümmlersVerlagsbuchhandlnnginBerlinSW.li Soeben cr.^chienen: ^flbhanDlungcn zur potcntiaitheorie. Von Dr. Arthur Korn, Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirich- letschen Problemes im Räume. ■Ai Seiten gross Oktar. Preis geheftet 1 Marls. II. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mittels. 3i Seiten gross Oktav. Preis geheftet 1 Mark. =:^= Zu beziehen durch alle Buclibandlungen. == Ferd. Dämmlers Verlagsbli. Berlin.le IKalisalzlager Otto Lang. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. PATENTBUREÄU airich R. jVlaerz Jnh: C. Schmidtiein.Jnqeniem Ferd. Dämmlers Terlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Lehrbuch Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnipse des Geologen. in 355 Textfiguren, geb. 9,60 M. Verantwortlicher Redacteur: Profe.'^sor Dr. Henry Potonit;, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamer.str. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Fenl. üümmlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Wochenschrift; "'/^^-^-^"^ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düaunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 10 März 1901. Nr. 10. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y Inserate: Die viergsflpaltene Petitzeile 40^. Grössere Aufträge ent- anstaltcn, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .^M.— gja sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft- Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. j[ bei allen Annonuenbureaus wie bei der Expedition. Abdi-nt'k ist nur mit vollständisrer Qaelleiiang;abe gestattet. Aus der Naturgeschichte der Kasuare. Von Dr. Alexander Sokolowsky. Unsere Kenntnisse über den Formenreichthum des Kasuargeschlechts haben sich in den jüngsten Tagen sehr erweitert, indem der wissenschaftlichen Welt eine mit prachtvoll ausgeführten Tafeln versehene Monographie dieser Vogelgruppe aus der Feder des rühmlichst bekannten Ornithologen Walter Rothschild vorliegt. Zwanzig Jahre sind es gerade her, seit Salvadori dem ge- lehrten Publikum seine ebenfalls mit farbigen Abbildungen versehene „Monogra- phia del Gen. Casu- arius, Briss." vorlegte. Ein Vergleich dieser beiden Publikationen ist schon aus dem Grunde von Interesse, als, wie dieses beim ersten Blick ersicht- lich wird, die Art- auffassung der ge- nannten Autoren eine verschiedene ist. Sal- vadori führt in seiner Abhandlung 10 verschiedene Arten dieses Vogelgeschechts auf. In seiner Eiutheilung geht dieser Forscher zuerst von der Form des Helmes aus, nach welcher er zwei Gruppen unterscheidet, je nachdem dieser Kopfschmuck seitlich zusammengedrückt erscheint, oder eine dreiseitige Gestalt angenommen hat. Innerhalb dieser beiden Ab- theiiungeu unterscheidet er die Arten namentlich durch das Vorhandensein, die Zahl oder den Mangel der für diese Vogelgestalt charakteristischen Hautlappen. Zur ersteren Abtheilung gehören der dreilappige Casuarius tricarunculatus Becc., sowie drei zweilap- pige Formen. Es sind dieses der durch weit auseinander ste- hende Lappen ge- kennzeichnete C. bi- carunculatus, Sclat., sowie die durch nah aneinander gerückte Lappen geschmück- ten C. galeatus, Vi- cill. und C. australis, Wall., von denen der erste nur kleine, der andere grössere Lap- penbildungen besitzt. Schliesslich gehört noch eine einlappige Art, der C. beccarii, Sclat. , in diese Gruppe. Die Vertreter der zweiten Abtheilung besitzen entweder nur einen Lappen, oder aber überhaupt keinen solchen Anhang. C. unappendiculatus Blytth. und C. occipitales Sal- vad. tragen demnach nur einen, C. papuanus Rosenb., (J. picticollis Sclat. und C. bennetti Gould. keinen Haut- lappen. Da diese Arten ausserdem hauptsächlich nm- in 106 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 10. der Farbe der nackten Halstheile unterschieden werden, so will ich hier nicht näher darauf eingehen. Zu ganz anderen Resultaten in Bezug auf Art-Ein- theilung gelaugt Eothschild in seinem neuen Werke. Dieser Autor verbindet die Form - Charaktere des Helmes, sowie das Vorkommen und die Zahl der Lappen miteinander, auf Grund welcher Merkmale er drei ver- schiedene Gruppen aufstellt. Die erste Gruppe umfasst zwei Arten, den C. bica- runculatus und den C. casuarius, von welch letzterer Art er weitere Unterarten aufstellt. Diese Vögel zeichnen sich alle durch einen seitlich zusammengedrückten Helm sowie durch den Besitz von zwei Lappen aiis. Hierauf folgt die zweite Gruppe, welche wiederum nur zwei Arten umfasst, an welche sich vier Unterarten schliessen. Die Vertreter dieser Abtheilung kennzeichnet nur ein Lappen, während die Form des Helmes eine hinten niedergedrückte oder eine seitlich zusammenge- drückte sein kann. Die beiden Arten sind C. philippi und C. unappendiculatus. In der dritten Abtheilung sind nur ungelappte Formen vereinigt. Diese heissen C. papuanus, C. picticollis und C. bennetti, von welchen je eine 2 Unterarten hat, und C. loriae. Die Form des Helmes ist eine hinten ein- gedrückte. Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass der Autor 8 Arten unterscheidet, an welche sich nicht weniger als 17 Unterarten anreihen. Rothschild macht auf das Variiren der Helmhöhe innerhalb der typischen Kasuarart, dem C. casuarius und bei ihren Unterarten aufmerksam, welche Variation oft so beträchtlich ist, dass sich oft grössere Unterschiede zwischen den Individuen einer Unterart als zwischen zwei Unterarten finden. Auch sollen die Männchen einen höheren und mehr aufgerichteten Helm als die Weibchen tragen. Nach des Autors Meinung mag es sich hierbei um individuelle Variation, um geschlechtlichen Charakter oder aber um namentlich unter dem Eiufluss der Gefangen- schaft stehende Variabilität der Wachsthumsperioden handeln. Es würde hier zu weit führen, wollte ich die feinen Merkmale aufführen, welche Rothschild zur Unterscheidung der einzelnen Subspecies aufgeführt hat. Ich will mein Augenmerk hier nur kurz auf die geographische Ver- breitung dieser Thierformen lenken. Die Kasuare bewohnen die australische Region von Neu-Britannien aus über Neu-Guinea und Nordaustralien bis nach Ceram. Innerhalb dieses Verbreitungskreises bewohnen die einzelnen Formen ganz bestimmt lokalisirte Gebiete. Hierbei muss es auffallen, dass die von Rothschild aufgestellten Subspecies der betreffenden Art durchaus nicht in nächster Nähe beisammen wohnen, sondern in ihrem Vorkommen, wie dieses namentlich für die Sub- species des C. casuarius deutlich in die Augen fällt, weit auseinandergesprengt erscheinen. Die als Typus angenonmienc Kasuarart C. casuarius L. bewohnt Ceram. Von den Subspecies hat C. casuarius salvadori Qnst. die der vorigen Form am nächsten lie- gende Heimath, nämlich Nordwest-Neuguinea. Hiernach schliessen sich zwei Subspecies an, welche den Aiu- Archipel bewohnen und zwar je eine ganz bestimmte Insel: C. e. beccarii. Sei., findet sieh auf Vocan und C. c. violicollis Rothsch. auf 'J'rangan. Diesen Formen entgegengesetzt folgen nun nach Rothschild zwei Unter- arten, deren Heiniathsgebiet von den genannten entfernt sind. C. G. sclateri, Salvad. bewohnt Süd-Neu-Guinea, und zwar in einer sehr langen Ausdehnung an der Küste, während C. c. australis Wall, den Norden von Queens- land bevölkert. Dieses ist die südlichste Kasuarform überhaupt. Die siebente Subspecies des in Rede .stehen- den Typus C. c. iutensus Rothsch. ist von unbekannter Herkunft. Die zweite Art des Typus C. biearunculatus Sei. findet sich auf Wamnier und Kobrooe, zwei dicht aneinander liegenden Inseln au der Westseite von Nen- Guinea. Auf der beistehenden Abbildung ist der für die ge- nannte Gruppe typische C. casuarius (1) und der C. c. australis (2) abgebildet. Es lässt sich hierauf ohne wei- teres die viel bedeutendere Länge der beiden Lappen bei der letztgenannten Form constatiren. Der nun folgende Typus der Einlappkasuarc be- schränkt sich in der Verbreitung seiner Vertreter auf Neu-Guinea und zwei ganz nah an dieser Riesen-Insel liegende kleinere Inseln. Der typische Vertreter der Art C. unappendiculatus, Blyth. (Abbild. 3) bewohnt Salwatti Island, sowie die dieser Insel gegenüberliegende Spitze Neu-Guineas, die Unterart C. oecipitalis Salvad. findet sich auf Jobi, sowie in einem beschränkten gegenüber- liegenden Theil Neu - Guineas. Die dritte Unterart C. aurantiacus Rothsch. bewohnt den südöstlichen Theil von Deutsch-Neu -Guinea, während die Heimath der vierten Subart C. rufotinctus, welche von Rothschild jetzt neu aufgestellt wurde, unbekannt ist. Auch die Heimath der zweiten Art des Typus C. philippi Rothsch. ist nicht bekannt. Die nun folgenden ungelappten Kasuare beschränken sich in ihrer Verbreitung nicht nur auf einzelne Stellen von Neu-Guinea, sondern greifen auch in einer Art auf den Bismarck-Arehipel hinüber. C. papuanus Schleg. ist an der Nordküste der westlichen Halbinsel Neu-Guineas, Arfak genannt, zu finden, die als C. edwardsi Qust. ab- getrennte Subart bewohnt ebenfalls diesen Theil der Insel. Eine ganz isolirte Verbreitung besitzt C. loriae Roth- schild, welche Art das Hochland von Südost-Neu-Guiuea als Heimath hat. Den Rand des Südost-Endes von Neu- Guinea beherbergt die als C. picticollis Sei. bezeichnete Kasuarart, während die von dieser als picticollis hecki von Rothschild zu Ehren des Herrn Dr. Heck, Director des Berliner Zoologischen Gartens, nach einem in diesem Institut befindlichen Exemplar abgetrennte Unterart den- selben Theil von Deutsch-Neu-Guinea bewohnt, welcher für C. unappendiculatus aurantiacus angegeben wurde. Die einen Theil des Bismarek-Archipels, und zwar Neu -Pommern, bewohuende letzte Art des Kasuar- geschlechts ist C. bennetti Gould. Rothschild hat von dieser Art eine Subspecies als C. maculatus abgetrennt, deren Heimgebifet aber bis jetzt nicht bekannt wurde. Am Schlüsse sei es gestattet, noch einen vergleichen- den Blick auf die Verbreitung der verschiedenen Formen zu werfen. Schon oben bemerkte ich, dass die einzelnen Sub- species des C. casuarius in ihrer Verbreitung eine sehr zerrissene Vertheilung aufweisen. Im allgemeinen lässt sich sagen, dass bei ihnen im Vergleich zu den anderen eine südliche Verbreitung vorherrscht. Auffallen muss es, dass der nordwestliehe Theil von Neu Guinea drei Formen nebeneinander beherbergt, es sind dieses der zweilappigc C. c. salvadorii und der ungelappte C. papuanus mit einer Unterart C. edwardsi. An der Astrolabe-Bay treffen sich zwei Kasuare in gleichem Vorkommen: der ein- lappige C. aurantiacus und der uugelappte C. picticollis hecki. An der Südküste treffen sich im äussersten Süd- osten der zweilappige C. c. sclateri und der uugelappte C. picticollis. Es sind dieses Beweise dafür, dass ein- lappige, zweilappigc und uugelappte Formen nebenein- ander vorkommen. XVI. Nr. 10. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 107 Mit welchem Rechte der Autor des trefflichen Werkes, dessen Farbentafeln aus der Meisterhand Keulemann's stammen, die einzelnen Formen, namentlich des ersten Typus, nur als Subspecies und nicht als Arten auffasst, ist eine bei dem heutigen unsicheren Stande der Art- Definition schwer zu entscheidende Frage. Mir will es scheinen, als ob einigen der aufgeführten Subspecies der Formenwerth einer Art zugesprochen werden kann. Namentlich stütze ich meine Ansicht auf Grund der weit aus- einandergezerrten Verbreitung einiger Subspecies, man denke nur an das Vorkommen des mit auffallend langen Lappen ausgezeichneten C. casuarius australis auf Queensland. Viel- leicht werden sich aber auch einige der aufgeführten Formen bei genauerer Prüfung nicht aufrecht erhalten lassen. Schulversuche über elektrische Wellen.''') Bericht tiber den im X. Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen gehaltenen Vortrag von Prof. Dr. P. Szyinanski. Die auch in der Praxis wichtig gewordenen Eigen- schaften der elektrischen bezw. magnetischen Wellen bieten, ausser den theoretisch ungemein interessanten und grundlegenden Resultaten, für den Unterricht in der Physik neuen Stoff dar, der richtig durchgearbeitet auch in der elementaren Behandlung der Physik pädagogisch ver- werthet werden kann. Dass diese Erscheinungen nun- mehr auch in der Schule berücksichtigt werden müssen, braucht wohl nicht besonders begründet zu werden; wie weit man aber hierin gehen wird, das hängt wohl von der zur Verfügung stehenden Zeit und von den Mitteln, wohl aber auch von der Individualität des Lehrers ab. Die Methoden der Demonstrationen sind bereits vielseitig durchgeaj-beitet, die nöthigen Apparate so mannigfaltig und vielfach sehr zweckmässig durchconstruirt und aus- probirt, dass die fundamentalen Versuche dieses Gebietes mit derselben Leichtigkeit und Sicherheit ausgeführt werden können, wie die irgend eines Capitels der Physik im elementaren Unterricht. Selbstredend wird man ein dem Umfange und den Zwecken der Demonstrationen entsprechendes Instrumentarium zusammenstellen und, was besonders betont werden möge, dasselbe gründlich durch- probiren und seine Eigenthümlichkeiten studiren müssen, eine Forderung, welche auch sonst an einen gewissen- haften Lehrer der Physik gestellt wird. Die meisten hierzu nöthigen Apparate können von einem geschickten Lehrer, der für die Sache Interesse hat, mit Leichtigkeit hergestellt und die verschiedenen Anordnungen aus vor- handenem Material zusammengebaut werden, da doch die wichtigsten hierzu nöthigen Instrumente wie Inductor, Demonstrations-Galvanometer, Läutewerk etc. in jedem Laboratorium schon für andere Zwecke vorhanden sind. Wenn auch zur Anschaffung fertiger Apparate nöthige Geldmittel zur Verfügung stehen, ist es immer zweck- mässig, die Collection durch einzelne Kleinigkeiten zu ergänzen, auf deren Noth wendigkeit jeder sich mit diesem Kapitel beschäftigende Experimentator von selbst Im Folgenden sollen Apparate und Versuchsanord- nungen besprochen und einige Demonstrationsmethoden mitgetheilt werden, welche sich vielfach gut bewährt haben und ein leichtes und sicheres Ausführen der Ver- suche verbürgen. Hierbei soll bei den complicirteren An- ordnungen, wenn es der besseren Orientirung halber zweckmässig erscheint, auf die Quellen verwiesen werden, in denen dieselben ausführlicher beschrieben worden sind. In welchem Umfange und in welcher Reihenfolge die- selben im Unterricht verwerthet werden, dies hängt von *) Der obige Artikel des Herrn Prof. Szymanski gehört zu dem Bericht über den 10. naturwissenschaftlichen Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen (vergl. „Naturw. Wochenschr.", Bd. XVI, Nr. 6 vom 10. Februar 1901, S. 60); er konnte nicht rechtzeitig gebracht werden, da der Herr Verfasser verhindert war, das Manuskript eher fertigzustellen. Red. der verfügbaren Zeit und von dem Gang des Unterrichts, wohl auch von dem Geschmack des Lehrers ab. Der Uebersichtlichkeit wegen soll der Stoff in fol- gender Weise zergliedert dargestellt werden; a) Demonstrationen der oscillatorischen Entladungen, b) verschiedene Formen der Oscillatoren (Geber), c) Methoden und Api)arate zum Nachweis der Aus- breitung der Osciliationen (Empfänger), d) vollständige Zusammenstellungen zur systemati- schen Untersuchung der Eigenschaften der Wellen. a) Demonstration der Partialentladungen: Zum Nachweis der oscillatorischen Natur des Eutladungs- funkens eines Condensators eignet sich sehr der von Holtz in der Poske'schen Zeitschrift für den physikalischen und chemischen Unterricht, Jahrgang VII, angegebene Apparat, der mit einigen Vereinfachungen die folgende Gestalt gegeben werden kann. Eine etwa 3 mm dicke, kreisförmige Platte aus Ebonit von ca. 20 cm Durch- messer ist auf beiden Seiten nach Art einer Frankiin- schen Tafel mit zwei aus Schablonenkupfer oder Metall- papier hergestellten Ringen ausgerüstet. Die beiden Ringe sind durch Metallstreifen (vergl. Fig. 1) mit zwei auf der einen Seite der Scheibe befestigten Metallsäulchen verbunden, in denen Platindrähte, in ihrer Längsrichtung verschiebbar, mit Hilfe von Druckschrauben radial an- geordnet sind. Dieselbe wird auf der Achse eines rasch rotirenden (1000 — 1500 Umdrehungen pro Minute) Elektromotors (bei Holtz einer besonders construirten Rotationsmaschine) vertikal befestigt, sodass die Platindrähte (die Funken- strecke) den Zuschauern zugekehrt ist; den beiden Be- legungen wird mit Hilfe von drei in Fussklammern be- 108 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 10. fe.stigteii Metallbürsten die Ladung einer Leydener Flasche oder eines Inductors zugeführt. Bei der Rotation der Scheibe bildet sich aus jedem Entladungsfimken ein bogenförmiges Bild, das aus einer Reihe von Lichtliuien zusammengesetzt ist, deren Zahl von der Länge der regu- lirbaren Funkenstrecke, der in den Stromkreis einge- schalteten Capacität bezw. der Grösse des Inductors abhängig ist. Um die einem jeden Entladungsfunken ent- sprechenden Partialentiaduugen getrennt beobachten zu können, benützt man zweckmässig einen langsam ar beitenden Foucault'schen Quecksilberunterbrecher. Die verschiedenen Modificationen des Versuches findet man in der oben genannten Abhandlung. Befestigt man auf der rotirenden Scheibe radial eine passende Geissler'sche Röhre, deren Elektroden mit den Säulchen verbunden werden, so erhält man eine ähnliche Anordnung, wie die von Paatzow, Berl. Ber. 1862, S. 152 angegeben wurde, bei der man während der Rotation der Röhren die zeitlich aufeinander folgenden Lichterschei- nungen (Anoden- und Kathodeulicht) räumlich getrennt wahrnimmt. Die Wechselentladuugen kann man auch bei einer ruhenden Geissler'schen Röhre beobachten, die in den Entladungskreis einer von einem Inductor gespeisten Leydener Flasche eingeschaltet wird. AVährend der Ent- ladungen des Inductors ohne eingeschaltete Leydener Flasche im Allgemeinen nur an dem einen Ende der Röhre Kathodenlichterscheinung hervorrufen, erhält man bei Einschaltung einer Leydener Flasche das Kathoden- licht an beiden Enden der Geissler'schen Röhre. Be- quem ist auch die von A. M. Mayer angegebene Anord- nung mit einer rotirenden berussten Scheibe aus Carton- papier, die zwischer den Entladungsdrähten augeordnet (vergl. Drude, Physik des Aethers, S. 347) durch die Funken der Partialentladungen durchbohrt wird, sodass an der berussten Fläche die einzelnen Funken durch Wegschleudern des Russes markirt werden. — Erwähnt sei noch der Magnetisirungsversuch von Savary, Pogg. Ann. 10, S. 100, 1827 ; aus dem man den oseillatorischen Charakter des Entladungsfunkens einer Leydener Batterie erschliessen kann und die Lichtenberg'schen Figuren nach v. Bezold, Pogg. Ann. 140, 1870. b) Geber (Vibrator). Es ist sehr zweckmässig zur Erzeugung von Oscillationen verschiedener Intensität und mannigfacher Wellenlänge mehrere Geber (Vibratoren, Radiatoren, Oscillatoren) zur Verfügung zu haben, was wegen der geringen Anschaflfungskosten auch bei geringen Geldmitteln durchführbar ist. 1. Zur Erzeugung kräftiger Oscillationen, die nach den weiter unten angegebenen Methoden im ganzen Lelirzimmer mit Leichtigkeit nachgewiesen werden können, eignet sich der von Hertz angegebene Oseillator (Hertz, Wied. Ann. iJl, 1887), bestehend aus zwei Zinkkugeln von 30 cm Durchmesser, welche auf zwei horizontal in derselben Richtung angeordneten Drähten von 0,0 cm Durchmesser verschiebbar befestigt sind. Die Drähte tragen an ihren einander zugekehrten Enden (der Funken- strecke) zwei polirte Messingkugeln von 3 cm Durch- messer, die zweckmässig in einem Glastroge unter Paraffin- öl oder Petroleum in der in Fig. 2 angedeuteten Weise angeordnet sind. Die Drähte werden so lang gewählt, dass die Centra der grossen Kugeln 1 — 1,50m abstehen; die Entfernung der kleinen Kugeln muss nach der Grösse des zur Verfügung stehenden Inductorium regulirt werden und darf höchstens einige Millimeter betragen. 2. Zur Erzeugung kürzerer Wellen sind zu empfehlen die Hertz'schen stabförmigen Oscillatoren, bestehend aus cylindrischen Messingkörpern, die iu der Mitte unter- fJ oo= \0 brochen mit Kugeln von etwas grösserem Durchmesser als der Durchmesser der Stäbe versehen sind (Fig. 8). Ein Satz solcher Oscillatoren verschiedener Ausmessung ist nöthig, um die Resonanzerscheinungen (siehe weiter unten) nachzuweisen. 3. Sehr bequem zur Erzeugung kräftiger Oscillation ist auch die dem Righi'schen Vibrator nachgebildete von Zillich [(Poske's Zeitscbr. Bd. 11) angegebene Form des- selben, bei welchem zwei grössere Kugeln durch seit- lich angeordnete kleinere mit dem Inductor verbundene Kugeln geladen waren und sich durch die unter Petroleum angeordnete Funkenstrecke entladen (vergl. auch Wein- hold's Demonstrationen 1899). 4. Bei Versuchen mit kleineren Wellenlängen kann mit Erfolg der Vibrator nach Lodge verwendet werden (Fig. 4). Derselbe besteht aus einer Zinkkugel von etwa 1 cm Durchmesser, der diametral gegenüber zwei kleinere Zinkkugeln von 3—4 mm in ihrem Abstände regulirbar befestigt sind (vergl. Silvano Thomson, Sichtbares und vmsichtbares Licht, übersetzt von Lummer, S. 153). Die Wellenlänge der durch diesen Oseillator erzeugten Wellen ist ungefähr l'/aUial Durchmesser der grösseren Kugel. ^s- ^ (5 Dieser Oscillamr functionirt sicher auch, wenn die Funken in der Luft überspringen; falls die Kugeln unter Petro- leum liegen, erhält man kräftigere Entladungen. Besonders möge hervorgehoben werden die bequeme Form des nach dem Righi'schen Prinzip von Rubens con- struirten Oscillators, welcher je nach der Ausmessung kräftigere Wellen von einigen Centimetern Länge liefert. (Fig. 5.) Durch den durclibolirten Hol/.deckel eines cy- lindrischen oder parallclopiiicdiseiien Glasgefässes (5x4 X 1 cm) gehen nach unten gericiitet zwei federnde Messing- drähte, an deren in das Gefäss hineinragenden Enden senkrecht gegen dieselben kleine Zinkcylinder von etwa XYI. Nr. 10. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 109 1 cm Länge und 2 mm Durchmesser nach derselben | Längsrichtung befestigt sind und mit ihren einander zu- gekehrten, etwas zugespitzten Enden einen Bruchtheil ' eines Millimeters von einander abstehen. Wünschenswerth [ ist die Regulirbarkeit dieses Abstandes (der Funken- strecke), die sich auf verschiedene Art leicht erreichen | lässt, damit bei Abnutzung der Spitzen nach längerem i Gebrauch die richtige Entfernung eingestellt werden kann. Auf die vertikalen Drähte werden zur Vermeidung des j Ueberspringens des Funkens zwi.schen denselben Glas- röhren geschoben. Das Gefäss wird soweit mit Petroleum oder Paraffinöl gefüllt, dass die Zinkcylinder von dem- selben ganz bedeckt werden (vergl. Poske's Zeitschrift, 1 Bd. 9 u. 10). Eine etwas veränderte Form dieses Rubens- schen Oscillators verwendet Wcinhold (Weinhold's De- j monstrationen 1899), die aber wegen der Unveränderlich- keit der Lage der die Oscillationen aussendenden Theile weniger empfehlenswerth ist, falls man mit Inductorien von kleiner Funkenlänge arbeiten will. Das Ersetzen der dort verwendeten Kupferstreifen nach deren Abnutzung ist doch verhältnissmässig umständlich. c) Empfänger; (Demonstratiousmethoden der Ausbreitung). Bei Benutzung des grossen Hertz'schen Oscillators No. 1 können die Wellen im ganzen Räume des Lehrzimmers nach der von Hertz angegebenen Funken- niethode nachgewiesen werden, die auf mannigfaltigste Weise variirt werden kann. Als Empfänger wird benutzt ein etwa 2 m langer Draht, der in der Mitte durch eine Fuukenstrecke von einem kleinen Bruchtheil eines Milii meters unterbrochen ist. Es ist zweckmässig, das eine Ende des Drahtes an der Funkenstrecke abzurunden, das andere dagegen scharf zuzuteilen. Die in unmittel- barer Nähe auch mit dem blossen Auge wahrnehmbaren Funken des Empfängers macht man für grössere Ent- fernungen mit Hilfe einer kleinen Geissler'schen Röhre sichtbar, deren Elektroden an die Enden des Empfänger- drahtes an der Fuukenstrecke angeschlossen werden. Sehr gut eignen sich für diesen Zweck kleine 3—5 Volt-Glüh- Lampen, deren Kohlenfaden in Folge von üeberanstrengung oder durch mechanische Erschütterungen zerstört wird. Bequem ist auch die von Boltzmann angegebene An- ordnung mit einem Elektroskop, welches an das eine Ende des Empfängerdrahtes angeschlossen, während das andere Ende des Empfängers nach der Erde abgeleitet wird, in der durch die Fig. 6 schematisch angedeuteten Weise. Der während des Arbeitens des Oscillators in dem Empfänger entstehende Funke überbrückt die beiden Theile des Resonators leitend und entladet das vorher geladene Elektroskop nach der Erde. Diese Funken- überbrückung kann auch auf folgende Weise verwerthet werden. Parallel mit dem Oscillator befestigt man zwei Bogenlampenkohlenstäbe, sodass die einander zugekehrten zugespitzten Enden durch eine minimale Luftstrecke von einander getrennt sind. Dieselben werden zweckmässig durch angesetzte Drähte oder metallische Streifen (Fang- arme) in der Längsrichtung verlängert bis etwa zusammen 2 m und mit Hilfe von Zuleitungen, die an die Enden der Kohlenstähe an der Funkenstrecke angelegt sind, mit der Schalttafel des elektrischen Anschlusses oder einer passenden Batterie von circa 40 Volt verbunden. Sobald der Oscillator in Thätigkeit gesetzt wird, überbrückt der zwischen den Kohlenspitzen überspringende Funke den bis dahin unterbrochenen Kreis der Batterie und Kohlen- stäbe, wodurch der Strom geschlossen wird und die Kohlenstäbe den Lichtbogen liefern. Die Untersuchung der elektrischen Kraft mit Hilfe des (geschlossenen) Hertz'schen Resonators (Wied. Ann. 34, 1888) wird man wohl im Elementar-Ünterricht wegen der Complicirtheit der Erscheinungen kaum durchführen können. Doch es möge erwähnt werden, dass das Auf- treten des Funkens in dem Resonator bei verschiedenen Lagen desselben in Bezug auf den Vibrator mit Hilfe der oben erwähnten Glühlampe (Geissler'schen Röhre) fUi grosse Entfernungen sichtbar demonstrirt werden kann — Zur Demonstration der auch für die Marconi'sche Telegraphie wichtigen Erscheinungen der Resonanz eignet sich folgende einfache Einrichtung. Eine Glastafel circa 40 X 40 cm wird auf der einen Seite mit Stanniol be- klebt, und diese Metallbelegung durch Schnitte in der in Figur 7 angegebenen Weise in Streifen zerlegt, sodass nach Beseitigung einiger Theile auf der Tafel in Ab- ständen von je 3 bis 5 mm etwa 25 je 1 cm breite parallele Streifen zurückbleiben, deren Länge von der einen Kante der Tafel nach der anderen zwischen 5 und 40 cm variirt. Nach dem Trocknen des Klebstoffes werden die sämmtlichen Streifen durch einen senkrecht gegen die- selben geführten Messerschnitt halbirt. Auf diese Weise enthält man eine Reihe von Empfängern, die auf ver- schiedene Wellenlängen reagiren. Lässt man in der Nähe dieses Resonatorensatzes irgend einen der beschriebenen Vibratoren arbeiten, so beobachtet man zunächst, wie in einigen der Streifen an derSchnittstelle Funken überspringen. Die Zahl der reagirenden Streifen nimmt mit der Entfernung beider Apparate ab, bis von einer bestimmten Entfernung ab nur ein einziger Streifen resonirt. Dies ist dann der mit dem Vibrator in bester Resonanz be- findliche Empfänger. Auch hierbei bietet die Geissler- sche Röhre ein bequemes objectives Demonstrationsmittel dar; die subjective Beobachtung ist jedoch vorzuziehen. Das bequemste Mittel zur Demonstration der Aus- breitung der elektrischen Wellen bietet bekanntlich die Branly'sche Röhre (Cohärer, Fritter) dar, welche sowohl bei langen als auch kurzen Wellen verwendbar ist. Es ist rathsam, dieselbe in der Empfindlichkeit regulirbar herzustellen, was auf eine einfache Weise durch Ver- schiebung der Cylinder erzielt wird, welche den mit Metallspähnen gefüllten Raum begrenzen. Die Anord- nungen können selbstredend auf mannigfaltigste Art variirt werden. Man schaltet den Fritter in den Stromkreis eines Elementes und eines Läutewerkes oder eines De- monstrationsgalvanometers oder lässt den Fritterstrom auf ein Relais wirken, durch das der secundäre Stromkreis mit einem Läutewerk, Glühlampe, oder einem eine Geissler'sche Röhre vertreibenden Inductorium schliesst, sobald der Fritter von den elektrischen Wellen des Os- cillators getroffen wird. Das Entfrittern geschieht durch Erschüttern mit der Hand, einem leichten Holzstabe oder dergl. Die Anwendung eines automatischen Klopfers ist in mancher Hinsicht vielleicht bequemer ; diese Anordnung führt aber, abgesehen von seiner Complicirtheit, vielfach zu Störungen. Man wird sie zweckmässig erst bei der 110 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 10. Besprechung des Prinzips der Funiientelegraphie ver- wenden.*) Für systematische Behaudkiug- der Versuche empfiehlt sich eine Zusammenstellung der Apparate und Anord- nungen, wie sie im Folgenden beschrieben werden möge. Als Oscillator wird benutzt der oben beschriebene Righi- Rubens'schc Apparat, der so kleine Wellen aussendet, dass man mit Nebenapparaten kleiner Form arbeiten kann, was abgesehen von der Bequemlichkeit der An- ordnung, den Vortheil darbietet, dass daher die Identität der Natur der elektrischen und Lichtwellen stark hervor- tritt. Zum Betriebe derselben genügt ein kleiner Inductor (mit gewöhnlichem Wagner'scheu Hammer) vou ca. l'/j cm Länge, der mit zwei Trockenelementen oder zwei kleinen Accumulatoren gespeist wird. Derselbe wird zweckmässig zusammen mit den Elementen und dem Oscillator auf einem Brett montirt, in der durch die Skizze Fig. 8 an- gedeuteten Weise; der Oscillator steht auf einem passen- den Säulchen, so dass die Funkenstrecke etwa 10 cm über dem Brett liegt und zwischen ihm und dem Inductor hinreichender Raum zum Aufstellen eines Hohlspiegels übrig bleibt. Zur Beseitigung der nach allen Richtungen hin sich ausbreitenden Schwingungen, die bei einigen Versuchen störend wirken, wird das so montirte Brett in einen geschlossenen Kasten aus Aluminiumblech, dessen vordere vertikale Wand abnehmbar ist, eingeschlossen. Diese letztere besitzt in der Höhe der Funkenstrecke eine runde Oeft'nung von 10 cm Durchmesser, die mit einem horizontalen 2 cm langen Tubus aus Aluminiumblech, ausgerüstet ist; auf diesen wird bei einigen Versuchen ein etwa 20 cm lauger Tubus aufgeschoben, wodurch den austretenden Wellen eine bestimmte Richtung gegeben wird. In den Stromkreis der Batterie und des Inductors ist ein federnder Ausschalter eingeschaltet, der mit einem aus dem Kasten herausragenden Stiel ausgerüstet von aussen bethätigt werden kann. Als Empfänger wird be- nutzt die Branly'sche Röhre, die in den Stromkreis eines kleinen Trocken- oder Leclandre'schen Elementes und eines Denionstrationsgalvanometers**) eingeschaltet ist. Die An- wendung des Läutewerkes ist bei den Versuchen über Reflexion, Refraction etc. der elekrischen Wellen weniger zu empfehlen, weil sie bei der sehr variirenden Strom- stärke der verschiedenen Versuche häufiger versagt. Die Anwendung eines Relais beseitigt allerdings diesen ücbel- stand, führt aber neue Störungen ein, die nur bei exacter Einstellung desselben vermieden werden. Der Einfach- heit hali)er soll hierbei auch die automatische Entfritte- rungsanordnung vermieden werden. Der Fritter, auf einem passenden Stativ montirt, ist in den Stromkreis mit Hilfe einer biegsamen Leitungsschnur von etwa 2 m Länge eingeschaltet, wodurch ein Verschieben des Em- pfängers ohne Veränderung der Lage des Demonstrations- galvanometers und des Elementes ermöglicht wird. Es ist rathsam (aber keineswegs durchaus nothwendig), vor dem Fritter einen Aluminiumblech-Schirm circa 15 >i 15 cm an dem Stativ zu befestigen, der in der Höhe des Fritters einen rechteckigen Ausschnitt von den Dimensionen des letzteren besitzt. Der Ausschnitt wird (nach Wcinhold) zweckmässig mit weissem Papier bedeckt, auf welchem man den Liclit- fleck des Oscillarfunkens beobachten kann, was die Ein- stellungen wesentlich erleichtert. Es sei überhaupt her- vorgehoben, dass der Verlauf der bei verdunkeltem Zimmer sehr gut zu verfolgenden Lichtstrahlen des Os- *) Einen dei'artifi;oii nai'li Ansahen dos Verfassers coiist Apparat liefert Kieidor & Schmidt, Berlin Norden. **) Der Verlasser benutzt ein Denionstrations-Galvan nach Westen von Keiser & Schmidt, Berlin. cillators bei den Einstellungen der benutzten Apparate verwerthet werden kann. Zur Vervollständigung des Listrumentariums gehören noch folgende Nebonapparate: L eine ebene Tafel aus Aluminiumblech etwa 15x25 cm, 2. ein ebenso grosser Glasspiegel, 3. zwei kleine metallene Hohlspiegel von 5 cm Brennweite mit etwa 15 cm linearer Oetfnung, die man sich auch leicht aus Aluminiumblech nach einer Parabel gekrümmt herstellen kann, 4. ein gleichseitig dreiseitiges Prisma aus Paraffin circa 15 cm Grundkante und 10 cm Seitenkante oder noch zweckmässiger ein Glaskasten von dieser Form, der mit Petroleum gefüllt wird, 5. zwei kugelförmige Glaskolben, 20 cm Durchmesser, und 6. ein mit Kupferdraht von ',3 mm gitterartig bespannter Rahmen (5 mm Abstand der Drähte). — Mit diesem Instrumentarium lassen sich die fundamentalen Versuche über die Ausbreitung und Eigenschaften der elekrischen Strahlen sehr bequem und sicher ausführen und die Analogien mit den optischen Strahlen demonstriren. Hierbei sei bemerkt, dass man bei denjenigen Versuchen, bei denen man die aus dem Oscillarkasten heraustretenden Strahlen direkt verwenden will, der Kasten mit dem Tubus ausgerüstet wird. Selbst- redend können die angeführten Apparate in den mannig- faltigsten Combinationen und Anordnungen verwendet werden und ohne Mühe wird man die bequemsten derselben herausfinden. In welcher Reihenfolge die ver- schiedeneu Versuche vorgeführt werden, dies hängt vom Geschmack des Experimentators ab; man wird aber jedenfalls diejenigen Versuche an die Spitze stellen, deren Anordnungen die einfachsten sind. Ist man im Besitz eines empfindlichen Galvanometers*), so wird man auch als Empfänger das Klemencic-Rubens'sche Thermoelement benutzen, um einige Versuche quantitativ durchzuführen. Der Vollständigkeit halber möge die Beschreibung des Thermoelementes und der Anordnung mit dem Galvano- meter folgen. Zwei aus Schablonenkupfcr hergestellte Streifen von der Ausmessung des cylindrisehen Theils des Righi-Rubens'schen Oseillators (No. 5) sind auf eine Scheibe aus trockenem Holz, Ebonit und dergl. in der durch Fig. 9 angedeuteten Weise aufgekittet; an die einander zugekehrten, etwas zugespitzten Enden ist je ein Stück vom feinsten Constanten- bezw. Eisen-Draht angelöthet. Diese Drähte sind kreuzweise übereinander geschlungen und senkrecht gegen die Richtung der Kupfer- streifen nach zwei an der Scheibe befestigten Klemm- schrauben geführt, an die sie durch Vermittelung von Federn aus feinem Kupferdraht gespannt befestigt sind. .\n die Klammern wird das Galvanometer angeschlossen. Die auf dieses Thermoelement auffallenden elektrischen *) Ein für diese Strecke geeignetes, vereinfachtes Galvanometer nach Thomson liefert Keiser & Schmidt, Berlin für 87,50 M. XVT. Nr. 10. Naturwissenscliaftliche "Wochenschrift. 111 Wellen indnciren in den Kupferstreifen Wechselströme, welche die feinen Vcrbindungsdrähte aus Eisen und Con- stanten erwärmen und eine thermoelektrisehe Kraft wecken, die in dem Stromkreis des Galvanometers einen Strom er- zeugt. Näheres über die mit dieser Anordnung ausführ- baren eleganten Versuche rindet man in Poske's Zeitschrift. Bd. !) und lU. Sehr gut durchconstruirt und bequem bei der An- wendung i.st das von Weinhold (Phj'sik. Demonst.) an- gegebene Instrumentarium, bei welchem ebenfalls der Rubens'sche Oscillator und ein Indicator benutzt wird, der aus Branly's Röhre, Relais, Läutewerk, das gleich- zeitig als Entfritterungs-Klopfer benutzt wird, zusammen- gesetzt mit den nöthigen Elementen, auf demselben Brett montirt ist. Das Instrumentarium gestattet ausser den Versuchen über Zurückwerfung und Brechung der elek- trischen Strahlen auch noch einige Interferenz- und Polari- sationsversuche auszuführen. Wenngleich die Versuche mit kurzwelligen Strahlen wegen der Handlichkeit der Apparate denen mit lang- welligen Strahlen vorzuziehen sind, so ist es doch zweck- mässig, um die Verschiedenheit der Erscheinungen bei kurzen und laugen Wellen zu erläutern, wenigstens die sogenannten Hertz'schen Hohlspiegelversuche mit längeren Wellen vorzuführen. Man wird allerdings nicht mit so langen Wellen experimentiren wie es Hertz zuerst gethan hat, sondern solche Oscillationen verwenden, bei denen die nöthigen Hohlspiegel, Schirme etc. noch eine verhält- nissmässig bequeme Dimensionirung annehmen. Es em- pfiehlt sich hierbei die Anwendung eines Hertz'schen Oscillators von der stabförmigen Gestalt No. 2, für welchen man die Gesammtlängc der Stäbe etwa 10 bis 15 cm wählt, von 5 mm Durchmesser, an deren Funken- strecke Kugeln von 1 cm Durchmesser befestigt sind. Als Empfänger wird benutzt eine einfache Branly'sche Röhre, die in den Stromkreis eines Elementes mit einem Läutewerk eingeschaltet ist. Die dazu passenden para- bolisch geformten Holzspiegel aus mit Stanniol oder Me- tallpapier beklebter Pappe hergestellt, können folgende Dimensionen haben: achsische Länge 67 cm, lineare Oeff- nung senkrecht gegen die Achse 58 cm, Brennweite der Parabel 8 cm. Die dazu brauchbaren Nebenapparate, wie Rellcxionsschirm, Gitter etc. müssen in der Ausmessung etwas grösser gewählt werden als die Oeftnung der Hoht- spiegel. Bei Anwendung eines Inductoriums von etwa 3 cm Funkenlänge können die Versuche bei einem Abstand der Hohlspiegel gegen 10 m mit Sicherheit ausgeführt werden auch in Räumen, die durch Zwischenwände von einander getrennt sind.*) Obgleich mit den oben beschriebenen und erwähnten Apparaten das Prinzip der Marconi'schen Telegraphie de- monstrirt werden kann, wird man doch, falls ein Morse- Apparat zur Verfügung steht, auch die Anordnung vor- führen, bei der als Signalgeber der Morse-Apparat au Steile des Läutewerkes tritt. Hierbei ist zu bemerken, dass diese Anordnung, die die Anwendung eines Relais und eines automatischen Klopfers voraussetzt, nur bei ganz genauer Einstellung functionirt und zur Beseitigung der störenden Wirkung des ünterbrechungsfunkens des Empfängers zweckmässig mit Ruhestrom arbeitend ein- gerichtet wird.**) Es empfiehlt sich, eine für diesen Zweck vollständig montirte Station zu verwenden. Die in der Marconischen Telegraphie so wichtige der theoretisch interessante Erscheinung der Ausbreitung und Wellenlänge der Drähte wird man vielleicht auch im elementaren Unterricht berühren müssen. Die zur Er- klärung dieser Erscheinungen nötigen theoretischen Vor- kenntnisse überstiegen aber das Niveau des elementaren Unterrichts; man wird sich daher nur auf den ein- fachsten Versuch zum Nachweis der eigenthümhehen, wellenartigen Vertheilung der Spannung (Bäuche und Knoten) beschränken müssen. Sehr zweckmässig hierfür ist die Weinhold'sche Anordnung, deren Einzelheiten in Weinhold's Demonstrationen angegeben sind. *) Hohlspiegel dieser Art mit zugehöriger Ausrüstung liefert Keiser & Schmidt und Ferdinand Ernecke, Berlin. **) Eine sehr übersichtliche Zusammenstellung der zugehörigen Apparate liefert F. Ernecke, Berlin. üeber Abliängigkiit des FrühHugseintritts von der geographischen Breite in Deutschland liegt eine interessante Mitthoilung von Prof. Dr. Ihne- Darm- stadt (Geogr. Zeil chrift 1900, Heft 7) vor. — Die seit einer Reihe von Jahren an zahlreichen Stationen Mittel- europas, besonders in Deutschland ausgeführten phäuo- logischen Beobachtungen, denen die Giessener Instruction von HoffmannIhne als Anleitung diente, lieferten das Material für diese zusammenfassende Uebersicht; sie werden auch benutzt werden für eine „Karte des Frühlingseintritts in Mitteleuropa", mit deren Ausarbeitung der Verfasser gegenwärtig beschäftigt ist. Die Beob- achtungen beziehen sich ausschliesslich auf die Auf blühe- zeiten einer Anzahl von Holzpflanzen, von denen einige im Erstfrühling*) (Definition des Erstfrühlings: es ge- langen Hoizpflanzen zur Blüthe, bei denen sich Blüthen und erste Blätter gleichzeitig oder fast gleichzeitig ent- wickeln), andere dagegen im Vollfrühling (Aufblühen solcher Holzpflanzen, deren Blüthen sieh deutlich nach den ersten Blättern entwickeln, bis zum Aufblühen des Getreides) blüiien. Zur ersten Gruppe zählen: Ribes rubrum, Johannisbeere-, Prunus avium, Süsskirsche; P. Ce- rasus, Sauerkirsche; P. spinosa, Schlehe; P. Padns, *) Vergl. „Naturvv. Wochenschr. 1895, No. 4. Trauben- oder Ahlkirsche; Pirus communis, Birne ; P.Ma- lus, Apfel. Zur zweiten Gruppe, Aufblühen im Vollfrtthling, ge- hören: Aesculus Hippocastanum, Rosskastanie; Syringa vulgaris, Flieder; Crataegus Oyacautha, Weissdorn; Cy- tisus Laburum, Goldregen; Cydonia vulgaris, Quitte; Sor- bus aucuparia, Vogelbeere. Um den Einfluss der geographischen Breite auf diese phänologischen Erscheinungen mögliehst rein zu erhalten, mussten zur Vergleichung Stationen ausgewählt werden, in denen die von anderen Factoren bedingten Differenzen (wie geogr. Länge, Höhe über Meer, Exposition, Boden u. a.m.)womöglichst auf das Minimum reducirt wären, da ein völliger Ausschluss alier anderen Einflüsse als unerreich- bares Ideal betrachtet werden muss. Da für den Einfluss der geographischen Länge derselbe Verfasser schon früher einen zuverlässigen zahlenmässigen Ausdruck ge- funden hatte — für nicht zu hoch gelegene Orte Mittel- europas verspätet sich für je 111 km Längenzunahme von West nach Ost der Frühlingseintritt um 0,95 Tag — so Hess sich jetzt darthun, dass die Unterschiede der geo- graphischen Länge, welche bei den gewählten Stationen bloss 46 km im Durchschnitt betragen, nicht zu schwer ins Gewicht fallen können. Bei einigen Stationen konnte sogar eine gewisse gegenseitige Compensation der in Be- 112 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 10. tracht komniendeu Factoren eireicht werden: die etwas : östlicher gelegene Station hatte gegenüber ihrer Nach- I barin eine etwas geringere Meereshöhe und umgekehrt. I Auch Bodenart und Exposition fanden gel)ührende Be- j rücksichtiguug, so dass im Allgemeinen die Umsicht, mit weicher die Wahl der Vergleichsstationcn geschah, für die Genauigkeit der bei so complieirten Erscheinungen j.1 immer nur als Annälierung zu betraclitcnden Resultate bürgt. Nachfolgend die zum Vergleich l)eniit/.en Stationen, (wobei wir die Angaben über Boden, Exiiositinu und j Beobachter weglassen). 1 usr. 11 ge «fogi- Bieit. 1. Raunheim am Main . 50,1° 2. Büdesheim, Wctterau 50,13 3. Bielefeld .... 52,1 4. Nienburg a. d. Weser 52,38 5. Augustenburg, Alsen 54,52 Und nun geben wir eine übersichtliche Zusammen Stellung der verschiedenen Combinationen, unter denen die Stationen zum Vergleiche herangezogen, sowie d Resultate, die dabei erhalten wurden. Üestl. 8,27° 85 m 8,52 113 8,33 105 9,13 25 9,.52 72 , £ 1 ' ntc r s c hied in der Breite km 1 km 1 i im Eintritt des Kriihlings iu Tagen total »Sil Raunheim— Bielefeld . . . 17 222 4 ; 30 7,4 3,7 Raunheim— Nienburg . . . 12 1, 290 53 j 16 11,0 4,2 Raunheim— Augustenburg . Nienburg — Augustenburg . Büdesheim— Bielefeld . . . 12 538 12 :, 248 10 l| 200 95 42 25 13 47 2 21,5 10,8 6,2 4,4 4,8 3,4 Büdesheim— Nienburg . . 11 : 268 25 88 10,2 4,2 Büdesheim— Augustenburg Bielefeld — Augustenburg . 11 12 516 316 65 68 38 33 19,y 13,1 4,3 4,6 (Mittel aus 8 Beobachtungsreiheu =4,2 Tage pro 111 km 1° Breite). Die Verzögerung des Frühlingseintritts im mittleren Theil Deutschlands und wahrscheinlich in ganz Mittel- europa ist also gleich ca. 4 Tage pro Grad geographischer Breite. Berücksichtigt man dazu noch den Eiuiluss der geographischen Länge: 0,95 Tag Verzögerung pro 1° Länge von W. nach 0., so ergiebt sich die Richtung des Frühlings- eiuzuges bei uns zu SSW. — NNO. S. Tsch. Ueber durch Pflanzen veranlasste Kalkablage- rungen in Havelseeen sprach Dr. S. Pas sarge in der Februarsitzung der Deutschen geologischen Gesell- schaft. — Von August bis October untersuchte Dr. P. die Sceen der Umgebung von Lycben, Uckermark, bezüglich ihrer Scblammablagerungen. Seine Absicht war es, die Entstehung des kalkreiehen Schlamms, der „Seekreide", festzustellen, um ein Vergleichsmaterial für die Bildung des Kalaharikalks zu erhalten, der auf weite Strecken hin die Steppensande der Kalaiiari unterlagert und sieh heute nocii in den Okavangosümpfen bildet. Derselbe ähnelt in vielem der „Seekreide". Bezüglich der Entstehung der Seekreide waren die Ansichten getheilt. Die eiuen hielten sie für ein rein chemisches Produkt, andere dagegen für eine Abscheidung durch Pflanzen. Die Lychener Seeen zerfallen nach Bodenform, Ver- theilung der Vegetation und der Sedimente in zwei Typen, dem Typus Oberpfuhl und Zens. Die Seeen vom Typus Oberpfuhl sind flach, höchstens 7 m tief und haben einen allmählich abfallenden Boden. Derselbe i-t mit einer geschlossenen Pflanzendecke versehen. Die Seeen vom Typus Zens haben steil abfallende Ufer, sind bis 32 m tief und haben nur innerhalb 7 — 8 m Tiefe einen Pflanzenrasen. Ueber 8 m hinaus hören höhere Pflanzen auf. Der Pflanzen- rasen zei-fällt in di-ei Typen, den reinen Chararaseii, den gemischten Rasen aus Ohara, Elodea (Wasser- pest), Potaraogeton, Ceratophyllnm.Myriophyilum, Stratiotes (Wasseraloe) und den Vauclieria- Rasen (eine schwarz- grüne Alge). Die Schlamm - Ai-ten zerfallen, den verschiedenen Pflanzenrasen entspi-echend, in den Chara-Schlaram, den gemischten Sclilamm, den Vaucheria-Schlamm und den Tiefenschlamm, letzterer in Tiefen über 8 m. Die wichtigsten Kalk abscheidenden Pflanzen sind die meisten kleinen Algen nebst Ohara, Stratiotes, Myrio- phyllum, Oeratopliyllum und Elodea canadensis. Ab- sterbende Zweige derselben sind dick mit Kalk in- krustirt. Und zwar enthält Ohara in luftrockenem Zu- stand im Durchschnitt 70 "/oj die drei folgenden 60 ^/q, Elodea 50 % kohlensauren Kalk. Der Kalkgehalt der Schlanimarten entspricht dem der Pflanzen. Oharaschlamm hat 70— 80"/o, gemischter Schlamm 50—60 7o kohlensauren Kalk. Vaucberia scheidet keinen Kalk ab. Ihr Schlamm enthält daher nur wechselnde Mengen Kalk, der an Oon- chylienschalen gebunden ist. Der Tiefenschlamm ist ein Produkt von zusammengeschwenimtem Detritus vouThieren und Pflanzen, Fischkoth und Planktonthieren. Daher hat auch er sehr wechselnde Kalkmengeu (16 7o — 50 7o)- Der kohlensaure Kalk erleidet während der Zer- setzung der organischen Körper Veränderungen, indem er von den Humussäuren in Kalkhumat umgewandelt wird. Die Menge der Kalkhumate beträgt bis zu 15 7o des vorhandenen Kalks. Im Laufe der Zeit werden die Kalkhumate aber wieder in Carbonat verwandelt. Von grösstem Interesse i'jt es, die Veränderungen zu beobachten, die der Schlamm mit dem Alter erleidet. Die organischen Substanzen verschwinden bis auf wenige Procente (1— 3 7o). die Carbonate wachsen auf 90 7o an, während Eisen und Kieselsäure stark abnehmen. Drei Factoren bewirken eine andauernde Zerstörung der or- ganischen Substanz. Einmal befördern alle Oarbonate der Alkalien und alkalischen Erden die Oxydation der or- ganischen Körper — deshalb düngt tian bekanntlich die Böden mit Kalk. Ferner fehlt dem Schlamm die Thonerde, die sonst die organische Substanz schützend umhüllt. Drittens aber besteht in den Seeen ein continuirlicher, langsamer Wasserabfluss. Deshalb können beständig neue Wasser- theile und Gase in den Schlamm eindringen und auch in der Tiefe die Oxydation der organischen Körper veran- lassen. So ist denn die Möglichkeit gegeben, dass sich aus einem schwarzgrünen übelriechenden Modder ein weisser Kalk bildet. Vielleicht sind viele der alten Kalk- steine auf solche Weise entstanden. Der Vaucheria- und Tiefenschlamm enthält Eisen und Kieselsäure in erheblicher Menge. Bei völliger Zersetzung der organischen Substanz müssen theoretisch sich eisenschüssige Kieselgesteine mit Conchylienschaalen bilden können. Seekreide entsteht iu denjenigen Seeen Mecklenburgs und Brandenburgs, in denen bei einem gewissen Kalkgehalt eine allmähliche Zu- und Abfuhr des Wassers stattflndet. Dann wird der Gehalt an Kalk und Gasen beständig ersetzt, dann können die Pflanzen continuirlich Kalk abscheiden und im Schlamm die organischen Körper oxydirt werden. Zum Schluss wies Dr. P. auf die Fülle interessanter Probleme hin, die eine genauere Erforschung unserer Seeen bieten, und die von weitgehenstem allgemeinem Interesse sind. (x.) XVI. Nr. 10. Naturwissenscliaftliclie "Woclienschrift. 113 Der Karst und seino Höhlen. — Unter diesem Titel veröffentlicht Prof. L. Karl Moser die Ergebnisse seiner seit 23 Jahren im Karstgebiete vorgenommenen natur- wissenschaftlichen, vorgeschichtlichen und archäologischen Untersuchungen (Triest, Schimpfif, 1899). Bezüglich der für das Karstgebiet charakteristischen Dolinen und Trich- ter hat schon E. von Mojsisovics (Zur Geologie der Karsterscheinungen. Zeitschr. d. D. u. Oester. Alpenver. 1880.) die alte Einsturztheorie verworfen, wonach die Trichter und Dolinen durch den Zusammenbruch unter- irdischer Hohlräume entstanden sein. Hierbei stützte er sich namentlich auf die regelmässige, mehr oder weniger kreisrunde Form und die regelmässige Vergesellschaftung der Trichter. Besondere Bedeutung für die Ausbildung der Dolinen und der Trichter legt v. Mojsisovics der stets am Grunde derselben auftretenden Terra rossa, der rothen Erde, der unlöslichen Asche des Kalkes, bei. Für die Entstehung derselben sind nach Fuchs in erster Linie klimatische Verhältnisse, trockenes Klima und daraus sich ergebender spärlicher Pflanzenwuchs, maassgebend, und dieser Auffassung stimmt Moser voll und ganz zu, da sowohl die schwarzen, bituminösen, fischführenden, schief- rigen Kalksteine von Komen als die weissen Hippuriten- kalke und die grauen Nummulitenkalke des Eacän das gleiche Verwitterungsprodukt, die Terra rossa, liefern. Für Moser sind Terra rossa und Vegetation zwei unzer- trennliche Begriffe; denn an sterilen Stellen des Karst- kalkes findet sich keine Spur von Terra rossa. Die durch A. Schmidl 1851 vorgenommene Ein- theilung der Karsthöhlen in 3 Klassen: 1) vertikale Ab- gründe, 2) horizontal verlaufende Höhlen, 3) aus beiden Richtungen zusammengesetzte Gebilde hält Moser im all- gemeinen für giltig; er fügt aber noch zwei Formen hin- zu: 4) die Spalt- oder Klufthöhlen, ö) die Eishöhlen, deren letztere dem Birnbaumer und Tarnowaner Wald- gebirge angehören, meist senkrechte Schlote darstellen und am Grunde mit ewigem Eise angefüllt sind und wo sie vergesellschaftet auftreten, unterirdisch durch mit Eis erfüllte Hohlräume verbunden sind. Weitaus am zahl- reichsten sind die vertikalen Abgründe. Dieselben haben entweder die P^rm von einfachen Schloten oder von Trichtern. In einzelnen Fällen beträgt ihr Durchmesser 50 — 100 m, und die Tiefe ist ebenso bedeutend, üeber die Fauna dieser Abgründe giebt Moser interessante Mit- theilungen. Die etwas weiteren Abgründe dienen der Feldtaube (Columba livia L.) als Wohnung und werden daher (jolubina oder Taubenlöcher genannt. In der Lindner-Höhle, welche 3(i0 Meter tief ist und zum unter- irdischen Laufe der Reka führt, über dessen 8—15 Meter tiefem Bette sich ein 85 Meter hoher unterirdischer Dom wölbt, entdeckte Moser massenhaft kleine schwarze Lauf- käfer, Pterostichus fasciato-punctatus Crntz , die trotz ihres immerwährenden Aufenthaltes im Finstern ihre Augen noch nicht eingebflsst hatten; bei einigen Indi- viduen waren die Augen jedoch auffallend weiss. Unter den zahlreichen vorgeschichtlichen Resten, welche bei den Ausgrabungen in den Karsthöhlen gefun- den wurden, sind einige Knochen aus der Höhle Vlasca Pecina (zu Deutsch: Rothgartl-Höhle) bemerkenswerth, denen Zeichnungen eingeritzt waren, sodass auch die Höhlenbewohner im Karst bereits ihren Kunstsinn be- thätigt haben. A. Lu. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Enuinnt wurden: Dv. Lazarus Fuchs, ordentlicher Professor der Matliematik in Berlin, zum Geh. Regierungsrath; Dr. Bernhard Fischer, Direktor des chemischen Untersuchungaamtes der Stadt Breslau, zum Professor; Dr. Julius [lochenegg, ausserordent- licher Professor der Chirurgie in Wien, zum ordentlichen Pro- fessor; Dr. Theodor Posner, Privatdocent der Chemie in Greifswald, zum Abtheilungsvorsteher am chemischen Universitäts- Institut; Dr. P. A. Minakow zum ausserordentlichen Professor der gerichtlichen Medizin in Moskau. Berufen wurden: Dr. A. Frhr. v. Eiseisberg, ordentlicher Professor der Chirurgie in Königsberg, als Leiter der ersten chirurgischen Klinik nach Wien; Prof. Dr. Leuhartz, Direktor des allgemeinen Krankenhauses in der Lohraühlenstrasse in Ham- burg, als Direktor an das neue allgemeine Krankenhaus in Eppen- dorf bei Hamburg an Stelle Prof. Rumpfs. Abgelehnt hat: Dr. Körner, ordentlicher Professor für Ohren- und Kehlkopfkrankheiten in Rostock einen Ruf nach Strassburg als Nachfolger Prof Kuhns. Es habilitirten sich: Dr. A. Franke und Dr. J. Po Hak für Chemie, Dr. A. Katz in der medizinischen Fakultät zu Wien; Dr. A d am Solo w i j für Geburtshülfe und Gynäkologie in Lemberg. Uebergesiedelt sind: Prof. Dr. Rumpf, Direktor des neuen allgemeinen Krankenhauses in Eppendorf bei Hamburg, zurück nach Bonn als ausserordentlicher Professor der inneren Medicin; Dr. Bert hold Peter, ausserordentlicher Professor der Thier- heilkunde in Breslau, als Kreisthierarzt zurück nach Angermünde. Es starben: Geh. Medizinalrath Prof Dr. Otto v. Heusinger in Marburg; Dr. Hugo Hatzler, Generalarzt a. D., in München; Dr. H. A. Schapiro, Professor des klinischen Institutes der Grossfürstin Helena Pawlowna in St. Petersburg; Dr. A. Rocha, Professor der inneren Medizin in Coimbra. Feriencursus au der TJniversität in Kiel 1901. — Der dies- jährige Ferienkursus an der Universität findet vom 8. bis zum 27. Juli statt. Die einzelnen Vorlesungen, die sämmtlich von Universitäts- professoren gehalten werden, sind, soweit es sich um naturwissen- schaftliche Fächer handelt, die folgenden: Prof Dr. Benecke (6 Std.): a) Neue Untersuchungen über Vererbungserscheinungen im Pflanzenreich. („Art", , Varietät" „Rasse", „Verhalten von Bastarden" etc ) (3 Std.) b) Ausgewählte Kapitel aus der Biologie der Meerespflanzen (Ernährung, Schwebevorrichtungen etc.) (3 Std.). — Dr. W. Ebert, Assistent an der Sternwarte, (etwa 12 Std.): Ueber die Grundlagen der Astronomie, mit Projectionen. — Privatdocent Dr. Lohmann (9 Std.): Aus der Entwickelungs- geschichte der Thiere: Frosch und Molch; Aal und Verwandte — — Auster und Teichmuschel — Schmetterling und Flusskrebs — Eingeweide- und Meereswürmer — Polypen und Medusen — Zu- sammenfassung der Erscheinungen und Erklärungsversuche. — Prof Dr. Martins stellt eine Reihe psychologischer Demon- strationen in Aussicht. — Das Honorar beträgt wie früher 20 M, wofür sämmtliche Vorlesungen besucht werden dürfen; doch steht es Theilnehmern aus Kiel und Umgegend frei, einzelne Vorlesungen nach Wahl gegen eine Gebühr von je 3 M. zu belegen, wobei definitive Entscheidung vor Beginn des Kursus Bedingung ist. Jedem Theilnehmer wird am Schlüsse der Besuch der Vorlesungen bestätigt. Neben der Arbeit werden die Theilnehmer Zeit und Gelegenheit haben, Kiel und seinen herrlichen Kriegshafen kennen zu lernen, seine reichen Museen und wissenschaftlichen Samm- lungen zu besuchen, und unter kundiger Führung die industriellen Anlagen an der Föhrde, besonders die^grossen Werften in Augen- schein zu nehmen. Für grössere und kleinere Ausflüge in die L^mgegend bleiben die Sonnabende frei. Geplant sind u. a. eine Fahrt in See und durch den Kaiser Wilhelm-Kanal bis zur Leven- sauer Hochbrücke, eine Fahrt nach Sonderburg zur Besichtigung des Schlachtfeldes von Düppel und unter Führung der Herren Docenten eine Schleppnetzexpedition durch den Kieler Hafen. Ausserdem werden an bestimmten Abenden der Woche zwanglose Zusammenkünfte .stattfinden, die dem Gedankenaustausch zwischen Docenten und Kursisten dienen sollen. Am 7. Juli ist im Bahn- hofshotel ein Bureau eingerichtet, wo in der Zeit von 1-8 Uhr Nachmittags die Ausgabe der Theilnehmerkarten und Stunden- tabellen erfolgt, die Wohnungen nachgewiesen werden und ein Führer durch Kiel sowie andere Drucksachen in Empfang ge- nommen werden können. An demselben Tage (7. Juli) findet Abends 'J Uhr im oberen Saale der „Hoffnung" (an der Haupt- linie der elektrischen Strassenbahn, Eingang Karlstrasse) eine Be- grüssungsversammlung statt. Anmeldungen zur Tbeilnahme am Kursus, die an Herrn Lehrer P. Nissen, Holtenauer Strasse 38, zu richten sind, bitten Vorstand und Ausschuss frühzeitig, thun- lichst bis zum 1.x Juni, beschaffen zu wollen und zwar mit ge- nauer Angabe darüber, ob die Beschaffung von Wohnung und Beköstigung gewünscht wird. Möblirte Zimmer mit Morgenkaffee kosten für die ganze Zeit etwa 18—25 M. Volle Pension steht • nur in beschränktem Maasse zur Verfügung; doch können in be- quem gelegenen Hotels und in Privatspeisewirthschaften gemein- schaftliche Mittagstische zu 80 Pf ä Person eingerichtet werden. — Der Vorsitzende ist Prof D. Baurngarten, Niemannsweg 8. — Der vom Kieler Lehrervereiu gewählte Ausschuss besteht aus den Herren: Lehrer L. Denkert, Geibelallee 4. Rector Fr. Doormann, Jungfernstieg 28, Lehrer Drey er, Knooper Wegl78. H. E. Hoff, Lehmberg 16. J. W. Kruse, Gerhardstrasse 76. P. Nissen, Holtenauerstrasse 38. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 10. L i 1 1 e r a t u r. G. Hartmann, Die kreisende Energie als Grundgesetz der Natur. Im Selbst verlage des Verfassers. Siegen 1900. — Preis 1 Mark. Wieder einmal ist das Grundgesetz der Natur, das alle wissen- schaftlichen Probleme löst, entdeckt worden! Das Heftchen ist ein echt typischer Fall jener Schriften, die aus dem Hirn von wissen- schaftlich weniger als halbgebildeten Leuten alljährlich hervor- blühen als wenig erfreuliche Kehrseite derPopularisirungder Wissen- schaft, und denen die geduldige Presse es heutzutage leider ermög- licht, zur Makulatur-Produktion ein gutes Theil beizutragen. Indem wir im Allgemeinen die Spalten dieser Zeitschrift für zu schade halten, um auf solche Weltgesetzphantasieen einzugehen, möge diesmal eine Ausnahme statthaben, da das Schriftchen, wie ge- sagt, völlig typisch ist und darum gewissermaassen ein psycho- logisches Interesse hat. Herrn Hartmann's Grundgesetz lautet: „Die von den Himmelskörpern in das Weltall ausstrahlende Energie kehrt in endlichen Kugelkreisen zu diesen Körpern zurück, um von neuem den Kreislauf durch das Weltall zu beginnen." Also die Licht- und Wärmestrahlen pflanzen sich nicht geradlinig fort, sondern auf Linien mit sehr geringer Krümmung und kehren daher schliesslich — wie es scheint, ohne Absorptionsverluste — zum Ausgangspunkte zurück. Der Grund hierfür liegt nach Verf. in dem Lichtbrechungsvermögen des Aethers, dem natürlich auch eine Dispersion beigesellt ist, sodass die violetten Strahlen den kleinsten Ki-eis beschreiben. Bewiesen wird dies natürlich nicht, aber „nirgends im Weltall findet sich das Beispiel einer Bewegung in gerader Linie, und so bedarf nicht der Kreislauf der Energie des Beweises, sondern umgekehrt die Behauptung der Fort- pflanzung in gerader Linie." Als ob nicht die geradlinigen btrahleu blosse Fictionen wären, um die Erscheinungen einer in kugelförmigen Wellen sich ausbreitenden Schwingung einfacher darstellen zu können! — Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, und so findet auch Verf., dass seine Entdeckung von früheren Forschern bereis geahnt worden ist; in einer Nachschrift weist er nämlich darauf hin, dass in Recknagels Physik von kreisförmigen Schwingungen bei der Polarisation geredet wird — also doch wenigstens eine Vorahnung der kreisenden Energie! Nur meint Kecknagel unmessbar kleine, kreisförmige Schwingungen der einzelnen Aetheratome, während Hartmann die Strahlen als Kreise von ungeheuer grossem Eadius proklamirt; vielleicht denkt er „les extremes se touchent", ist doch sein ganzes Phantasiren nur durch die Verwirrung entstanden, die der Versuch, das Un- endliche verstehen zu wollen, gezeitigt hat. Natürlich ist dem Genie des Herrn Hartmann auch das Räthsel der Schwerkraft gelöst; er weiss, wie der Mond entstanden ist, und warum das Menschengeschlecht, vernichtet von der nächsten Eiszeit, aus- sterben wird u. s. w., u. s. w. Dies alles sind nur gelegentliche Früchte, die vom Baume seiner Erkenntniss fallen, wie denn übcrlian|)t das Universalgenie sich mit der Skizzirung seiner Ideen begnügen darf, „da eine erschöpfende Behandlung den einzelnen Disciplinen der Naturwissenschaft füglicher Weise überlassen bleiben muss." F. Kbr. F. Wahnscbafife, Die Ursachen der Oberflächengestaltung des norddeutschen Flachlandes. .Mit '■< Bcilngeii uml 35 Text- illustrationcn. Zweite völlig umgearbeitete und vermehrte Auf- lage. Zugleich zweite Auflage von „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde". Bd. VI, Heft I, Stuttgart. Verlag von J. Engelhorn, 1901. - Preis 10 Mk. Es ist mit Freuden zu begrüssen, dai^^ di' >. > ;iu~-rzoichnete Buch (vergl. diese Zeitschr. Bd. VII, 1892, .'^^ ii -Tu ii^ wieder- um geboten wird, und zwar in einer dem Im uii' n .^i umI.' unseres Wissens über die Geologie des norddeutscln n I'I.h lihimlps völlig gerecht werdenden Form. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind gerade zehn Jahre verflossen; dass jetzt bereits eine zweite Ausgabe dieses Buches, da» doch einen (ganz offen gesagt) noch immer nicht jedem Gebildeten geläufigen Wissenszweig behandelt, sich als wünschenswerth herausgestellt hat — ganz abgesehen davon, Jasä inzwischen unsere Kenntniss vom norddeutschen Flachlande erweitert worden ist — , spricht gewiss für den Werth der Arbeit und die Hochschätzung, deren sich dieselbe in den intercssirten Kreisen erfreut. Und dann ist in der That auch die Diluvialgeologie innerhalb dieser letzten zehn Jahre nicht un- erheblich gefördert worden: durch die jetzt rascher fortschreitende geologische Specialkartirung sind bedeutende Gebiete de.s nord deutschen Flachlandes inzwischen durchforscht worden; die Er- forschung besonders des Diluviums in Nordamerika und dann .incli in den nordeuropäischen Ländern, zumal in Skandinavien, inillidi das Studium der heutigen Gletscher und des giu alli;j. n jn-n ländisi-hon Inlandeises haben die Ansichten übor tl\'- ililuw. ,].■]] Bildungen und ihre Entstehung erweitert und gekl.-irl. Si lili.s> lieh ist die Bedeutung der diluvialen und zum Theil aus ilmiMi hervorgegangenen jüngeren Bildungen auch gerade in wirth- schaftlicher Hinsicht besser erkannt, daher ihre Erforschung mehr in den Vordergrund gerückt worden. Diese Gesichts- punkte dürften vom wissenschaftlichen Standpunkte ans die Neubearbeitung des Buches als wünschenswerth haben erscheinen lassen. Dass sie nach jeder Richtung hin vorzüglich ausgefallen ist, wird jeder Leser des Buches zugeben müssen. Wahnschaffe zeigt sich auch hier wieder als der beste Kenner unseres nord- deutschen Diluviums. Aeusserlich zeichnet sich die vorliegende Ausgabe durch reichere Ausstattung und grösseren Umfang aus — 258 Seiten gegen 166 der ersten Ausgabe. Die Eintheilung des Buches, im Grossen und Ganzen die- selbe wie in der ersten Auflage', aber reicher gegliedert und prä- ciser, ist folgende: Einleitung. I. Die Beziehungen des Unter- grundes der Quartärbildungen zur Oberfläche. 1- Die Grundzüge des Gebirgsbaues der vorquartären Ablngcrungen. 2. Die Lage der Unterkante des Quartärs. 3. Jüngere tektonische Schichten- störungen. IL Die Oberflächengestaltung in ihren Beziehungen zur Eiszeit. 1. Das Inlandeis und seine Wirkungen. A. Glacialsehrammen und -schliffe. B. Schichtenstörungen durch Eisschub. 2. Die Ab- lagerungen des Inlandeises. A. Moränen , a) Grundmoränen, b) Endmoränen, c) Kames (Grandkuppen). B. Fluvioglaciale Bildungen. Asar (Grandiücken). 3. Die alten Stromthäler und ihre Versaudung. 4. Der Löss am Rande des norddeutschen Flachlandes. 5. Die Seeen. 6. Die Gliederung der Glacial- bildungen. III. Die Veränderungen der Oberfläche in postglacialer Zeit. 1. Die Niederungen des Binnenlandes. 2. Das Küstengebiet. Mit Ausnahme der orohydrographischen Einleitung, . der ja nichts Neues hinzuzufügen war, sind sämmtliche Theile gründ- lichst auf Grund der neuesten Forschungen durchgearbeitet und erweitert worden. Eine wie gewaltige Litteratur der Verf. dazu hat bewältigen müssen, lehrt schon ein Blick beim flüchtigen Durchblättern. Und dass diese Litteratur nicht immer leicht zugänglich ist, sondern häufig genug als zerstreute Notizen aus den verschiedensten Werken zusammengetragen werden musste. weiss nur der Fachmann selbst. Die Art und Weise, in der Verf. oft mit den soinigen nicht übereinstinnnende Ansichten Anderer behandelt und ihnen Gerechtigkeit widerfahren lässt, ist in hohem Grade anzuerkennen und trägt ausserordentlich dazu bei, das Studium des Buches angenehm zu machen und zu erleichtern Eine recht erhebliche Vermehrung haben die Verzeichnisse der Tiefbohrungen erfahren. Neu eingefügt ist der Abschnitt über die Kames (Grandkuppen), , regellos angeordnete Hügel und kurze Rücken von geschichteten Sauden und groben Granden, die durch tiefe Thal- und wannenförniige Einsenkungen von einander ge- trennt sind." Aus Schottland und Nord-Amerika sind dieselben seit längerer Zeit bekannt, und der Verf. zählt ihnen gewisse Oberflächenformen in einigen Theilen der Lünebmger Haide zu. Neu ist ferner der Abschnitt über die r.li.Ml,>niu,t: der nord- deutschen Quartärbildungen. Der Verf. unter-, h, iJrt . I 'ustglacial- zoit (Jungquartär) — die Zeit seit dem \(ilNt;iinii-jii Schwunde des Inlandeises und den damit zusammenhängrn.lcn Kr.<(heinungen — und die Eiszeit in ihren verschiedeneu Phasen (Altquartär) — die spätglaciale Phase, die für Norddeutschland angenommenen drei Vereisungen mit ihren beiden Interglacialzeiten und die Prä- glacialzeit. Im Uebrigen müssen wir auf das Studium des Buches selbst verweisen, das jedem Freunde der Natur unseres nur scheinbar so einförmigen ' norddeutschen Flachlandes hohen Genuss und reiche Belehrung gewähren wird. Dr. Kaunhowen. Valentiner, Handwörterbuch der Astronomie. 14.-23. Liefe- rung. BresliiM, l>:;i>;-liiOO. K.hi.ii-.l Tr^wnult. Das gr. .,.<.-,•. uiit.r Mitw irkiin- .■iiin- Anzahl namhafter Fach- männer herau.sg.-i.bcne astrou..inisrhc Handbuch, über dessen beiden ersten Bände wir bereits wiederholt referirt haben, ist zur Zeit bis zur 23. Lieferung (Artikel „Strahlenbrechung") fort- geschritten. Mit Lieferung 17 schliesst die erste Abtheilung des dritten Bandes ab. Dieselbe enthält die von Dr. Norbert Herz verfassten Artikel „Meridiankreis", „Methode der kleinsten Qua- drate", „Mond" und „Planeten". Diese Artikel sind zwar recht ausführlich, doch geben sie auch zu einigen Ausstellungen Anlass. So erscheint uns die detaillirte topographische Beschreibung der Mondoberfläche bei dem völligen Mangel einer Mondkarte recht trocken und unnöthig, eher wäre es unseres Erachtens angängig gewesen, eine Mondkarte ohne Commentar zu liefern, giebt doch das Studium einer Karte bei viel geringerer Mühe ein weit voll- kommneres Bild von den vorhandenen Formationen. Vielleicht entschliesst sich die Verlagsbuchhandlung noch zur Beigabe einer Mondknrto in reduzirter Dimension mit einer der letzten Liefe- nin-cn. Die Abbildungen :'i.'>8 und 3.')9, die die Schattenrichtung liri ^c•r^ic•llil■(l,■nen Phasen erläntcrn, halten wir dagegen bei einem, wissrnM-huftlichen Werke, wie dem vorliegenden, für deplacirt da in diesen Dingen gewiss kein Fachmann der Unterstützung seiner Anschauung bedürftig ist. Wenn ferner bei den Marskarten die Namensbezeichnung' der Meere und Kanäle vollständig fort- XVI. Nr. 10. Naturwissenschaftliclie "Wochenschrift. geblieben ist, so muss der Zweck der Karte als verfehlt bezeichnet werden. Die seitenlange Aufzählung der Objeote hätte wegbleiben können, wenn die Namen in die Karte eingetragen worden wären; diese Eintragung dem Leser auf Grund der angegebenen areo- graphisclien Positionen zuzumuthen, halten wir nicht für richtig. — Sehr gründlich und reichlich durch Tabellenmaterial und durchgeführte Zahlenbeispiele erläutert sind die Artikel Mikro- meter (von Prof. Becker), Parallaxe (von Dr. Kobold), Polhöhe und Polhöhenbestimmung (von Prof. Valentiner). Ausserdem enthält der Band noch eine grössere Anzahl kürzerer Artikel. Leider ist auch das Druckfehlerverzeiehniss wieder recht umfang- reich. Auf den Schlussband des Werkes, das in unserer Litte- ratur nach Umfang und Ausführlichkeit jedenfalls einzig dasteht, kommen wir nach Beendigung seines Erscheinens noch ausführ- licher zurück. F. Kbr. <>^«f n ald's Klassiker der exaeteii \l^isseiisoliaften (Wilhelm Engelmann in Leipzig) 1900: Xii. 114. Alessandro Volta, Briefe über thierische Elektricität (1792). Herausgegeben von A. J. von Oettingen. — Preis geb. -i.SO Mk. N'o. ll.">. Horace Benedicte de Saussure, Professor der Philo- sophie zu Genf, Versuch über die Hygrometrie. I. Heft. I. Versuch. Beschreibung eines neuen vergleichbaren Hygrometers. II. Versucli. 1' ii enr i e der Hygrometrie. Mit'einor Tafel und Vignette. NeiitVliatel 1783. Herausgegeben von A. J. von Oettingen. - l'rei.s geb. 2,60 Mk. 'So. 118. AUessandro Volta, Untersuchungen tiber den Galva- nismus 1796 — 1800. Herausgegeben von A. J. v. Oettingen. - Preis geb. 1,60 M. An den drei vorliegenden weiteren Heften des trefflichen Unternehmens zeigt sich wieder, mit welchem Geschick die Aus- wahl der in den Klassikern wiedergegebeuen älteren Schriften erfolgt. Die oben genannten Schriften Volta's und Saussure's im Original-Te.xt zu besitzen, ist sicher ein Desiderat Vieler. Das Heft 114 bringt Briefe Volta"s vom Jahre 1792— 17;i."i, die gerichtet waren an Baronio, Cavallo, Aldani und Vasalli, während Heft 118 die wichtigen Mittheilungen über die Ent- deckung der Säule enthält. Das Heft 115 des hervorragenden Geologen und Polyhistors auf dem Gebiet der Naturwissenschaft wird insbesondere dem Meteorologen von Interesse sein. Astronomischer Jahresbericht. Mit Unterstützung der astro- nomischen Gesellschaft, herausgegeben von Walter F. Wis- licenus. I. Band, enthaltend die Litteratur des Jahres 1899. Berlin 1900, Georg Reimer. — Preis 17 Mk. Mit grossem Danke wird die astronomische Welt den vor- liegenden ersten Band einer nunmehr alljährlich erscheinenden astronomischen Litteraturübersicht begrüssen. fehlte es doch bis- her an einem derartigen Unternehmen, das alle Zweige der Himmelskunde gleichniässig berücksichtigte und eine annähernd gleiche Vollständigkeit sieh zum Ziele setzte. Wohl konnte der dritte Band der „Feiiseln itte der Physik" für einzelne Theile der Astronomie als Belielf ilieiien, aber speciell die beobachtende, sphärische und theoietisilie A.stronomie vermisste eine zusammen- fassende Quellenangabe schmerzlich. — Herr Prof. Wislicenus hat die im Auftrage der astronomischen Gesellschaft übernommene schwierige und mühevolle Arbeit mit ausserordentlich dankens- werther Hingebung geleistet und bereits in den ersten Monaten des Jahres 1900 das Manuskript druckfertig gemacht, sodass das Buch bereits im Juni eingesehen worden konnte. Welch' grosser Vortheil für die Benutzung dieses prompte Erscheinen in sich birgt, bedarf nicht der Erörterung, das Verdienst des Herausgebers ist dabei um so höher anzuschlagen, als weitaus die meisten von den 1768 Referaten aus seiner Feder stammen. Es ist nur zu wünschen, dass die Arbeitsfreudigkeit des Herausgebers unter dieser etwas übergross erscheinenden Arbeitslast nicht erlahmen möge, dass er vielmehr rechtzeitig durch eine wirkliche Tbeilung der Arbeit mit ebenso opferwilligen Fachgenossen einer Ver- schleppung der Fertigstellung vorbeugt, wie sie vor einigen Jahren bei den „Fortschritten der Physik" sich eingestellt hiitte und dann nur durch aussergewöhnliche Anstrengungen wieder be- seitigt werden konnte. Bei der Eintheilung der Referate ist „Astronomie" als Wissenschaft von den Bewegungen der Gestirne definirt, während alles, was darüber hinaus geht, in das Gebiet der „Astrophysik'- fällt. So gelangen freilich manche, auf astrophysikalischen Ob- servatorien gepflegte Untersuchungen, wie die spcktrographische Bestimmung der Bewegungen im Visionsradius unter das Kapitel „Astronomie", während Gestalt-Messungen und Argclandersche Helligkeitsschätzungen, selbst wenn sie au Meridiankreisen er- folgten, der „Astrophysik" zufallen. Gleichwohl war dieser Ein- theilung nach dem Object der Forschung gegenüber der oft üb- lichen nach der Methode und dem Instrument gewiss mit Recht der Vorzug zu geben, denn sie allein gestattet eine sichere Scheidung, die auch durch die beständigen Veränderungen der Forschungsmethoden keine Verschiebung erfahren kann. — Alle Referate sind völlig objectiv und schliessen jede Polemik prin- cipiell aus. Auch die populäre Litteratur ist in reichem Maasse berücksichtigt, da dieselbe besonders durch Illustrationen oft auch dem Fachmann von Werth sein kann, ausserdem aber, da der Titel einer Arbeit häufig nicht erkennenlässt, ob dieselbe wissen- schaftlich oder populär ist, sodass in solchen Fällen eine Einsicht in den Jahresbericht vor zwecklosen Bemühungen zur Beschaffung inhaltlich bedeutungsloser Arbeiten schützen kann. Von beson- derem Werthe wird allen Fachleuten die tabellarische Zusammen- stellung aller Planeten- und Kometen-Beobachtungen sein, die mehrere Bogen einnimmt. F. Kbr. Allchin, W. H., A Manual of Medicine. Vol. I. General Diseases, Diseases excited by Atmospheric Influences, The lufections. 7 s. 6 d. — Vol. 11. General Diseases— continued. 7 s. 6 d. — London. Arnould, J., Nouveaux Clements d'Hygiene. Paris. — 20 Fr. jtanv: an Elcmentarv Te Bailey, L. Elementar}' Text for Schools. London. des Champignons. P; Beauverie, J., Le Polymorphi 7 Fr., 50. Berge et de Joannis, Atlas colorie des Papillons d'Europe. Paris. — 30 Fr. Boutigny, Tableaux synoptiques d' Anatomie topographitiue. Paris. - 6 Fr. — .— Tableaux synoptiques d'Anatomie descriptivc. Paris. — 10 Fr. Busquet. Traite d'electricite industriolle. Paris. — 12 Fr. Callay, A., Catalogue raisonne et descriptif des Plantes vasculaires du dcpartement des Ardennes. Paris. — 6 Fr. Caraven-Cachin, Description geographique, geologique, minera- logiqiie, paleontologi(|ue du Tarn et du Tarn-etGaronne. Paris. - 20 Fr. Constantin et d'Hubert, La Vie des Plantes. 1. fascicule. Paris. 3 Fr. Corre^^on, Atlas de la Flore alpine. Paris. — 75 Fr. Cotterill, James H., Applied Mechanics: an Elementary General Introduction to the Theory of Structures and Machines. London. — LS s. Feltz, Leon, Le Proteus vulgaris. Paris. — 4 Fr. Fester, Sir M., u Lankester Prof. E. Ray, The Scientific Memoirs of Tliomas Henry Huxley. London. - Vol. L 25 s.. Vol. IL 30 s. Foucaud, Additions ä la Flore de Corae. Paris. — 1 Fr. nO. Gadeau, de Kerville, H., Miscellanees zoologiques. Paris. — 3 Fr. Gadow, H., Tli.' Cambridge Natural History. Vol. VlIL, Amphibia and li'ejitiles. London. — 17 s. Girard, Aide-Memoire de Botanique generale, cryptogamique et phanerogaiTiique. Paris. — 10 Fr. Girod, Les Invasions paleolithiques dans l'Europe occidentale. Paris. — 5 Fr. Hentschel, Gymn.Prof. Dr. O., Ausführung einiger konformen Abbildungen der Parabel auf den Kreis und unendlich lange Parallelstreifen. Leipzig. - 1,20 Mark. Hoffmann et Perrot, Atlas colorie des Plantes usuelles. Paris. - 30 Fr. Huxley, Leonard, Life and Letters of Thomas Henry Huxley. London. - 30 s. Lefert, P., Aide-Memoire de Bacteriologie. Paris. — 3_ Fr. Mace, E., Traite pratique de Bacteriologie. Paris. — 25 Fr. Semper, Prof. Dr. C, Reisen im Archipel der Philippinen. II. ThI. Wissenschaftliche Resultate. VI. Bd. 4. Lief. Wiesbaden. — .— Die Schmetterlinge der philippinischen Inseln. 2. Bd. Die Nachtfalter (Heterocera). 4. Lief. Wiesbaden. — 24 Mark. Slate, Frederiok, The Principles of Mechanics. London. — 7 s. 6 d. Spalikowski, Anthropologie norraande. Paris. — 2 Fr. L'Evolution du FChien dans 2 Fr Societes humaines. Pari ihalt: Dr. Alexander Sokolowsky: Aus der Naturgeschichte der Kasuare. — Prof. Dr. P. Szymanski: Schulversuche über elektrische Wellen. — Ueber Abhängigkeit des Frühlingseintritts von der geographischen Breite in Deutschland. — Ueber durch Pflanzen veranlasste Kalkablagerungen in Havelseeen. — Der Karst und seine Höhlen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: G. Hartmann, Die kreisende Energie als Grundgesetz der Natur. — F. Wahnschafie, Die Ursachen der Oberfläcbengestaltung des norddeutschen Flachlandes. — Valentiner, Handwörterbuch der Astronomie. — Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften. — Astronomischer Jahresbericht. — Liste. 116 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 10. Verlag- von J. Engelhorn — Stuttgart. 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Specieile Auskünfte in einschlagigen Fragen werden Interessenten (Zeiss-Anastigmate, Pla- nare, Teleobjcctive). rhöhter Plastik (Prismen- system nach Porro). und astro-optische In- strumente. Verantwortlicher Kedacteur: Hugo Bernstein in Berlin. - Professor Dv. Henry Totonie, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. Potsdamerstr. 35, fiir den Inseratentheil: - Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag: Ferd. Diiininlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 17. März 1901. Nr. 11. Abonnement: Mao abonnirt bei allen ISuchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jll 4-— Brinsegeld bei der Po3t T5 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. i Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Qnelleiiaiigabe gestattet. Der Planet Mars und die Ansichten über die Beschaffenheit seiner Oberfläche. Von Adolf Hnatek. Seit Scliiaparelli vor min nielir als zwei Decennien die Marskanäle und deren rätliselbafte Verdoppelung ent- deckt hatte, begann der Planet Mars immer mehr und mehr Interesse wachzurufen. vSchien es doch Allen, als wären nur intelligente Wesen im Stande gewesen, auf unserem Nachbarplaneten jenes wie mit Zirkel und Lineal ge- zeichnete Netz von dunklen Linien zu construiren, jene sonderbaren Gebilde, welche man sofort mit Wasserläufen ideutificirte und daher mit dem Namen Kanäle belegte. Aber je mehr man sich mit diesen Marskanälen beschäftigte, desto unerklärlicher wurden sie. Wenn man anfangs ohne Bedenken lebende Wesen für ihre Enstehung verantwort- lich gemacht hatte, so widerstrebte es doch wieder bald Vielen, mit Hilfe einer scheinbar unexaeten Annahme ein Naturspiel dem Verständniss näher zu bringen, das vielleicht doch einer natürlichen Erklärung fähig war. So erstand denn eine Theorie nach der anderen und alle verdankten dem Bestreben, eine ungezwungene Erklärung für die seltsamen Vorgänge auf der Marsoberfläcbe auf- zutiuden, ihre Entstehung. Als man das Fernrohr auf unseren Nachbarplaneten richtete, erkannte man nach und nach eine Fülle des Details auf seiner Oberfläche, welche stets zu neuen Beob- achtungen Anregung gab. Was dem ungeübten Auge zuerst als röthliche Scheibe erschienen war, das löste sich dem geschulten Beobachter bald in eine Menge Flecken auf, welche Farben in allen Nüancirungen von grau bis schwärzlich und von weiss bis orange und roth zeigten. Man nannte die dunkelen grauen Flecken Meere und die lichten, röthlichen Theile der Marsoberfläche Contiuente, die weissen Flecken nahm man nach Analogie mit der P^rde für Schneefelder. Diese letzteren Polarcalotten waren überhaupt wohl die ersten Objecto, welche das Fernrohr auf der Mars- oberfläche hatte erkennen lassen. Da sie an den beiden Polen angelagert sind, so schien es nur natürlich, wenn man sie auf die Anwesenheit von Schueefeldern zurück- führte, welche während des Märswinters entstehen und sich vergrössern, um dann, wenn sich die Sonne wieder über der betreffenden Halbkugel erhebt, wieder nach und nach abzuschmelzen. Schon in den Jahren 1882 1884 und 1886 wurde das Abschmelzen des Nordschnees,' welcher damals zur Zeit der Opposition gerade Sommer hatte, von Schiaparelli beobachtet. Später konnte auch der südliche Schnee daraufhin untersucht werden und da ergab sich das interessante Naturspiel, dass bei dem Um- stände, als der Mittelpunkt der südlichen Calotte etwa 300 km vom Pol excentrisch liegt, in Folge des Ab- schmelzens zeitweise der Pol selbst frei wird. Es drängte sich nun die Frage auf, ob die Analogie mit den Verhältnissen auf der Erde wirklich eine voll- kommene, ob wir denn in diesen grossen, weissen Flächen an den Polen wirklich Schnee zu erblicken haben, welcher wie der unsere durch das Gefrieren von Wasser entsteht, oder ob dort nicht vielleicht derart niedrige Tempe- raturen herrschen, dass diese Polarcalotten aus Erstarrungs- produkten anderer Körper, zum Beispiel Kohlensäure, be- stehen. Da verdient denn eine Ueberlegung Maunder's ganz besondere Beachtung. Berücksichtigt man die grössere Entfernung des Planeten Mars von der Sonne, so ergiebt sich, dass derselbe nur ungefähr halb soviel (genauer •''/v) a« Sonnenstrahlung erhält, wie unsere Erde. Würde man unter diesen Umständen für Mars eine Atmo- sphäre von derselben Beschaftenheit in Anspruch nehmen, wie sie unsere Lufthülle besitzt, so wäre bei den sich er- gebenden ungemein niedrigen Temperaturen von — 130° bis — 140° die Anwesenheit von Wasser auf der Mars- oberfläche natürlich gänzlich ausgeschlossen. Nun darf HS Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 11. aber nicht vergessen werden — und Maunder hat wieder darauf hingewiesen — dass für die Erde ein grosser Theil der Sonuenwärme durch Staub und Wolken absorbirt wird, dass aber die Beobachtungen darauf hin- zudeuten scheinen, dass die Marsatmosphäre nur selten oder vielleicht gar nie auf der von der Sonne beschienenen Seite Trübungen erleidet, so dass die Sonne dort unge- hindert wirken kann. Nimmt man mit Maunder an, dass die Marsatraosphäre entsprechend der geringeren Schwere auf der Marsoberfläche auch nur -/s ''ß'" Dichte unserer Lufthülle besitzt, so wird dieselbe bedeutend viel mehr Wasserdanipf aufnehmen können, ohne durch Wolken- bildung undurchsichtig zu werden. Auf der Nachtseite aber wird sich der Wasserdampf immer bald condensiren müssen und Nebelschleier bilden, welche das von ihnen beschattete Land vor allzustarker Abkühlung bewahren werden. Auf diese Art wird sich die Sonnenwärme auf Mars gleichsam aufspeichern, so dass dort vielleicht doch weitaus höhere, den unseren vergleichbare Temperaturen zu Stande kommen können. üebrigens ist auch eine Bemerkung Plassmann's ge- eignet, dies wahrscheinlich zu machen. Von einem ge- wissen Sonnenstande an nimmt die Gesammtmenge der Sonnenstrahlung gegen die Pole hin immer zu. Da nun der Sonnenstand nicht in letzter Linie von der Neigung der Achse gegen die Bahnebene abhängig ist, und sich die Verhältnisse für die Pole nur um so günstiger ge- stalten je grösser der Neigungswinkel ist, so wird offen- bar, dass die Marspole in dieser Beziehung weit besser bedacht sind, wie die Polarregionen der Erde. Man wird es unter diesen Umständen leicht begreiflich finden, warum die Schneeschmelze der polaren Schneefelder auf Mars so rasch vor sich geht, da einerseits die Sonnen- strahlung für die Marspole nach Plassmann bedeutend kräftiger ausfällt wie für die Erdpole, und andererseits bei der Durchsichtigkeit der Marsatraosphäre die Wirkung der Sonnenstrahlen nahezu in ihrem vollen Betrage er- halten bleibt. Wir haben schon oben bei Besprechung der Maunder- schen Untersuchungen kurzwegs die Anwesenheit einer Atmosphäre für Mars vorausgesetzt. Thatsächlich bedarf die Existenz einer solchen angesichts des Umstandes, als wir die Polarcalotten, deren Abschmelzen so oft beob- achtet werden konnte, für Schneefelder halten müssen, kaum mehr einer Begründung, denn ohne Luft wäre ein Vorhandensein von Wasser und damit von Schnee wohl vollständig ausgeschlossen. Hören wir nun, welche Eigenschaften die Beobachter an der Atmosphäre des Mars erkennen wollen. In dem einen stimmen wohl so ziemlich alle Beobachter mit dem Nestor der Areographie, Schiaparelli, überein, dass Wolken auf Mars nur selten sind. Innner ist das Detail seiner Oberfläche deutlich zu beobachten, wenn ein Erkennen derselben nicht durch andere Eigenthümlichkeiten unmöglich gemacht wird. Nur selten sind schwache Schleier oder kleine weisse Streifen zu erblicken, welche ihre Lage verändern und überdies gewisse Gebiete zu bevorzugen scheinen. Da ihre Hellig- keit gewöhnlich Mittags abnimmt und gegen Abend und Morgen am grössten wird, so sind es vielleicht leichte Nebelschleier, welche am schönsten in der Abendsonne erglänzen. Wenn Schröter meint, dass die Flecken auf Mars atmosphärischer Natur seien, so ist diese Meinung wohl nur aus mangelhaften Beobachtungen hervorgegangen und entspricht vollends dem Stande der Areographie da- maliger Zeit. Maunder's Bemerkung und die Ueberlegung, die wir oben daran geknüpft haben, dass wahrscheinlich auf der Nachtseite des Planeten rasch Condcnsation ein- tritt, scheint durch die Beobachtungen kleiner Hervor- ragungen an der Lichtgrenzc Bestätigung zu finden. Solche hellglänzende Hervorragungen sind häufig gesehen worden, so von Perrotin in Nizza, von W. H. Pickering und Hussey auf der Licksteruwarte und von Lowell und Douglass zu P'lagstaff in Arizona. Die Letzteren haben solchen Terminator-observations ihr ganz besonderes Augen- merk zugewendet und es gelang Douglass während der Opposition von 1894 nicht weniger als 736 derartige Un- regelmässigkeiten zu beobachten. Zwar meinen manche Marsbeobachter, dass dergleichen Einbuchtungen und Lichtpünktchen auf hohe Berge zuiilck/.ufuhren seien, aber unsere obigen Bemerkungen machen es wohl eben so wahrscheinlich, dass wir in ihnen Wolkengebilde vor uns haben. Will man überdies das Kanalsystem für das nehmen, was die meisten Areographen in ihm erblicken, für Wasserläufe, so spricht schon diese Annahme für eine ziemlich ebene Bodenbeschaifenheit der Marsoberfläche und damit für das Fehlen so hoher Berge. Wenn bis jetzt die Möglichkeit offen gehalten worden ist, dass Wasser auf der Oberfläche unseres Nachbar- planeten anzutreffen sei, so hat es auch andere Forscher gegeben, welche dafür eintraten, dass jenes belebende Element auf Mars entweder bereits sehr selten geworden oder gar nicht mehr vorhanden sei. Einer der ersten, der das Bestreben hatte, die Vor- gänge auf der Marsoberfläche ohne die Anwesenheit von Wasser zu erklären, war wohl Dr. A. Schmidt. Er griff Maunder's Ueberlegung, dass die mittleren Temperaturen an der Marsoberfläche weit unter Null liegen, auf und sprach daraufhin die Vermuthung aus, dass die Meere des Mars mit flüssiger Kohlensäure erfüllt seien und des- halb natürlich auch die Schneezonen des Mars aus Kohlen- säureschnee bestehen. Was die röthliche Färbung der Oberfläche betrifft, so meint Schmidt, dafür Meteorstaub verantwortlich machen zu können, dessen Anwesenheit in unserer Atmosphäre durch Einschmelzen ungeheurer Schneemeugeu in den Nordpolregiouen durch Nordenskjöld nachgewiesen worden ist. Man kann da ohne weiteres einwenden, dass dann ja auch die Polarflecke des Mars dieselbe Färbung zeigen müssten und gewiss nicht in dem blendend reinen Weiss erglänzen könnten, in welchem sie sich den Beobachtern jederzeit dargestellt haben. In denselben Fehler verfallen aus diesem Grunde auch alle diejenigen, welche die rothe Färbung der Marsoberfläehe aus der Anwesenheit der Atmosphäre haben erklären wollen und daher für ihre Zwecke eine grosse Dichte für dieselbe in Anspruch nehmen mussten. Schmidt meint weiter, dass natürlich auch alle Marscontinente gänzlich vereist seien. Die Kanäle sind ihm Risse in diesen un- geheuren Eisflächen, über denen sich durch Verdunstungen und Evaporationen Kohlensäurewolken bilden, welche das Spiel der Verdoppelungen hervorrufen. Wenn wir schon von dem oben besprochenen Ein- wand wegen der rothen Farbe absehen, so scheint doch Schmidt ganz vergessen zu haben, dass die Annahme einer Kohlensäureatmosphäre durchaus nicht mehr die gleichen Verhältntsse für Mars und Erde voraussetzt und nur für solche gelten Maunder's Zahlen. Von weitaus grösstem Interesse ist wohl eine Be- merkung Denys Taylors; und dies umsomehr, weil es anderen Beobachtern, unter ihnen W. H. Pickering, ge- lungen ist, durch wesentlich verschiedene Untersuchungen zu einem ähnlichen Resultat zu gelangen. H. Denys Taylor*) kehrt sich entschieden gegen die Ansicht, dass die dunkelen Flecken auf der Marsober- fläehe Meere seien, da er meint, dass man dann ein kleines Spiegelbild der Sonne in denselben wahrnehmen Dieser Gedanke ist schon im Jahre 1863 von ") Montlily notices 1895, Vol. LV. XVI. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 119 Philipps und später wieder von Schiaparelli gehegt worden. Der letztere fand, dass das Spiegelbild in seiner Helligkeit einem Sterne 3. Grösse gleichen müsste, wendet aber gleich ein, dass dieses Sternchen in den Marsmecren nur dann gesehen werden könnte, wenn die Oberfläche derselben vollkommen glatt und nicht von Wellen getrübt wäre. Taylor hat diese Untersuchungen noch weiter aus- geführt und untersucht, bis zu welchem Neigungswinkel sich die Wellen der Marsnieere erheben dürfen, ohne dass das Spiegelbild für uns unsichtbar wird. Er fand, dass erst dann, wenn die Wellen an ihren am meisten ge- neigten Stellen, also in halber Höhe, einen Winkel von 1472° mit der Horizontalen einschliessen, das Sonnenbild- chen durch Verbreiterung so lichtschwach werden würde, dass wir es nicht wahrnehmen könnten. Nun hat wieder in neuester Zeit W. H. Pickering auf Grund seiner Beobachtungen zu Areguipa und Flag- staff zur Wasserfvage auf Mars Stellung genommen. Er untersuchte die Oberflächen der Meere an der ersten Station mit einem Doppelbildprisma, um Polarisation und damit das Vorhandensein einer spiegelnden Fläche nach- zuweisen. Nur ein einziges Mal schien es ihm aber, als Hesse sich eine Polarisation des von einem besonders duukelen Theil der Syrtis major kommenden Lichtes er- kennen, und zwar war dies kurze Zeit, nachdem die Schneekappe zusammengeschmolzen war, der Fall. Er schloss daraus, dass damals wirklich dort eine Wasser- fläche existiit habe. Als er nun später seine Untersuchungen zu Flagstaft' mit einem Arago'schen Polariskop fortsetzte, konnte er das Vorhandensein von Polarisation weder für diesen noch auch für andere Gebiete der Marsmeere bestätigen. Da- für aber gelang es ihm, mit Sicherheit nachzuweisen, dass das von dem dunkelcn Saume, welcher stets die Polarkappen während des Abschmelzens umgiebt, re- flectirte Licht deutlich polarisirt sei. Damit war nun der Beweis erbracht, dass wir es in dem Schwinden der Polarkappen thatsächlich mit einem Schmelzvorgange zu thun haben. Im Uebrigen aber haben Pickering's Unter- suchungen Taylor's Bemerkungen über den Mangel an Wasser nur vollinhaltlich bestätigt. Denn stellen die dunkelen Flecken auf der Marsoberfläche wirklich mit Wasser erfüllte Meere dar, die von keinem nennenswerthen Wellenschlag bewegt sind, so müsste das von ihnen re- flectirte Licht immer zum mindesten Spuren von Polari- sation zeigen, so lange als der Wellenschlag eine be- stimmte Grenze nicht erreicht hat. Es scheint daher eher, als wären die dunkelen Flecken auf Mars sumpfige Niede- rungen und nicht reichlich Wasser enthaltende Oceane. Wenn die einen unter den Marsbeobachtern meinen, das die Meere Wasser enthalten, während die anderen auf Grund ihrer Untersuchungen den Mittelweg ein- schlagen und zu dem Ergebniss gelangen, dass es eigent- liche Wasserflächen auf Mars nicht giebt, sondern nur sumpfige Depressionen, so sehen wir in Johnstone Stoney einen Vertreter des anderen Extremes, dem schon Schmidt und theilweise Taylor zugeneigt haben. Stoney kommt auf Grund der kinetischen Gastheorie zu dem Resultate, dass die Anwesenheit von Wasser auf der Marsoberfläche überhaupt zu den Unmöglichkeiten gehöre. Inwieweit diese letztere Untersuchung auf Richtigkeit beruhe, möge dahingestellt bleiben, zumal Stoney mit seiner Ansiclit ziemlich allein geblieben ist. Stoney's An- sicht, sowie die eben erwähnten speciellen Untersuchungen führen uns aber von selbst dazu, nachzuforschen, wie es in Bezug auf den Wasserdanipfgehalt mit der Marsatmo- sphäre bestellt ist. Campbell, der das Marsspectrum nach den Wasser- dampflinien sorgfältig untersucht hat, ist zu dem Ergebniss gelangt, dass es selbst mit den besten unter den heutigen Hilfsmitteln noch immer unmöglich sei, auf diesem Wege Wasserdampf nachzuweisen. Während Janssen in Mendon auf Grund seiner Beobachtungen zu demselben Resultat kommt, gelang es aber Vogel aus seinen spectroskopischen Beobachtungen den Schluss zu ziehen, dass die Mars- atmosphäre ebenso beschaffen sei, wie die Lufthülle der Erde und dass daher wirklich Wasser die Schneefelder auf Mars verursache. Die rotlie Farbe der Marsoberfläche ist durchaus nicht so ausgesprochen, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte und wie es die meisten Beobachter an- nehmen. Pickering-'-) hat darüber äusserst interessante Untersuchungen und Vergleiche angestellt und ist dabei zu dem Resultate gelangt, dass das Licht des Mars nicht einmal so roth ist, wie das einer Kerze. Er findet, dass rother Ziegelsteinbau in der Entfernung von ungefähr 2V2 Meilen, wo also schon die blauen Schleier durch die Erdatmosphäre hinzutreten, nahezu dieselbe Farbe zeige, wie die Gebilde der Marsoberfläche. Auch konnte Picke- riug constatiren, dass die Scheibe am Rande immer gelber gefärbt erscheine als in der Mitte, und er schliesst daraus auf eine ähnliche absorbirende Wirkung der Marsatmo- sphäre, wie sie bei unserer Lufthülle besteht. Die ausgesprochen blaugrüue Färbung, welche an der grossen Syrte und anderen Marsgebieten beobachtet werden kann, wenn der Sommer über diesen Gegenden begonnen hat, macht auf Pickering denselben Eindruck, wie unsere Vegetation bei elektrischer Beleuchtung. Wir werden so durch Pickering's Untersuchungen von selbst auf jene Theorie hinUbergeführt, welche die Vorgänge auf der Marsoberfläche aus dem Entstehen und Wiedervergehen von Vegetation erklären wollen. Picke- ring**) selbst schliesst auch aus dem Umstände, als in den sogenannten Marsmeeren keine Spur von Polarisation zu finden ist, darauf dass diese Oceane überhaupt nur schwache Depressionen und extremsten Falles sehr sumpfige Niederungen darstellen. Schon im Jahre 1892 beobachtete Pickering Verlängerungen der Kanäle bis in die Meere hinein und nicht lange danach gelang es auch Douglass, derartige Gebilde wahrzunehmen. Nach des ersteren An- sicht sind solche Kanalzüge dann unmöglich, wenn die Meere wirklich Wasserflächen darstellen. Ganz anders wird dies, wenn wir uns die dunkelen Gebiete als frucht- bare Depressionen vorstellen, welche nur indirekt durch ihre dunkle Färbung die Anwesenheit von Wasser ver- rathen. Solche Gebiete können, wenn durch die Schnee- schmelze der Wasserzufluss gesteigert wird, eine üppige Vegetation erzeugen und werden uns dann in jener typischen grünblauen Färbung erscheinen, welche Picke- ring mit der Farbe unserer Wälder und Wiesen ver- gleicht, wenn man sie aus beträchtlicher Höhe und haupt- sächlich dann beobachtet, wenn sie durch Wolken be- schattet werden. Die Kanalzüge würden nach Pickering fruchtbare Landstriche darstellen, welche sich zu beiden Seiten von Wasserläufen entwickeln, die so schmal sind, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen können. Dem amerikanischen Astronomen erscheint es über- haupt unwahrscheinlich, dass die polaren Schneeflächen so dick seien, dass die vielen und ungemein breiten Ka- näle von dem Schmelzwasser erfüllt werden können. Das rasche Abschmelzen und beobachtete gänzliche Abschinelzen der Schneezonen spricht nach seiner Ansicht im Gegen- fheil dafür, dass der Schnee nur Bruchtheile euies Meters hoch liege. Dann wird es allerdings unerklärlich, wie diese zahlreichen Kanäle mit Wasser genügend versorgt *) Collours exhibited by the Planet Mars in „Astronomy and Astrophysics" 1892. , .^ ,„.. **) Bulletin de la sooiete-astronomiq.uc de France, 1899. ■ ^ 120 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 11. werden, wenn sie wirklich Wasserstrassen sind, wofür man sie hält. Wir haben oben gesehen, dass auch Denys Taylor zu dem Ergebniss gelangt ist, dass die dunkelen Flecken keine eigentlichen Meere vorstellen. Auch er spricht da- her ähnliche Gedanken aus wie Pickering. Ihm sind ebenso die dunkelen graugrünen Gebiete mit Vegetation erfüllte Depressionen, während die sogenannten Continente nach seiner Meinung Sandwüsten darstellen. Einen gewandten Vertheidiger hat diese Theorie, welche die Vorgänge auf Mars als jahreszeitliche Ver- änderungen nimmt, in Percival Lowell gefunden. Dieser hatte während der Opposition des Jahres 1894 schon An- fang April, wo gerade der Marsfrühling eintrat, begonnen Mars zu beobachten. Noch am 31. Mai war die südliche Eiszone sehr gross und reichte fast bis 68° südlicher, areographischer Breite. Doch konnte aus dem dunkel- blauen Saume, der sie umgab, geschlossen werden, dass sie in raschem Abschmelzen begriffen war. Bei Beginn der Schneeschmelze zeigten sich bereits lange dunkele Streifen, welche sich über die dunkelen Flecken hinzogen und die Lowell schon Ende Mai erkannt hatte. Im Juni hatten die Seeen bereits ihr dunkelstes Aussehen erreicht, so dass es scheint, als wäre das Wasser schon überall dorthin gelangt und hätte bereits eine üppige Vegetation hervorgerufen. Nachdem die Farbe der dunkelen Ge- biete eine Zeit lang ziemlich constant geblieben war, wurde sie nach und nach lichter und dieselben begannen sich blaugrUn zu färben und verwaschen zu werden. Die Vegetation war also zuerst in den fruchtbaren Niederungen geweckt worden, um sich dann weiter zu verbreiten und ganze Strecken in jene typische blaugrüne Farbe zu kleiden, welche das Erkennen zarter Einzelheiten ver- hindert. Lowell stützte seine Ansicht auf die Beob- achtug, dass das Detail von der im Schmelzen begriffenen Eiscalotte ausgehend nach und nach gegen den Aequator fortschreitend deutlicher wurde, so dass es fast schien, als ziehe eine Welle grösserer Schärfe über die Mars- oberfläche hinweg. Auch an den Kanälen konnte Lowell diese interessante Thatsache beobachten und er vertritt denn auch hier die Ansicht, dass diese Gebilde, deren geometrische Anlage er den Marsbewohnern zuschreibt, uns nur durch Vegetationserscheinungen sichtbar werden. Flammarion's Ansichten sind mit den Lowell'schen eng verwandt. Auch er erblickt in dem geometrischen Verlauf des Kanalnetzes das Walten intelligenter Wesen. Er stellt sich die Oberfläche des Mars eben und sandig vor, so dass die Seeen und Meere nur sehr geringe Tiefe besitzen. Ueberschwemmungen, welche wegen des ge- ringen Raumes, den die Meere zur Aufnahme von Wasser darbieten, wohl nicht selten stattfinden, scheinen ihm die Ursache der oft besonders rasch vor sich gehenden Ver- änderungen des Oberflächendetails zu sein. Dr. Otto Kuntze hat in einem Briefe an H. Klein seine Ansicht klargelegt. Anch er schliesst sich der Mei- nung an, dass auf Mars bereits Wasserarmuth herrsche, so dass sich seine Bewohner das Süsswasser von den Polen her durch Kanäle verschaffen müssen, welche in ihrer Anlage sogar die Meere durchkreuzen. Daraus erklären sich auf leichte Weise jene dunkelen Kanäle, welche Pickering und Douglass, sowie andere Bcoliachter sich bis in die Meere hinein erstreckend gefunden haben. Er tritt aber mit dem Einwand, dass die Marsmeerc wegen ihres geringen Wassergehaltes bedeutend salzreicher sind, als unsere Occane, jenen entgegen, welche sich die dunkelen Flecken als Vegetationsgebiete vorstellen. Die Kanäle, welche die Continente durchziehen, werden uns nach seiner Auffassung erst sichtbar, wenn sie sich mit Vegetation bedecken, wodurch sie sich von der wttsten- artigen Umgebung abheben. Sie sind ihm also Kultur- kanäle und nicht Wasserläufe. Dort, wo sich Kreuzungen befinden, stellt er sich die Verkehrscentreu vor, welche in dem fruchtbaren Niveau des Kanales in blühender Vegetationsumgebung liegend das geschäftige Treiben der Marsbewohner bergen. Schiaparelli und Brenner treten auf Grund ihrer Beobachtungen der jahreszeitlichen Erklärung der Phä- nomene entgegen. Sie haben gefunden, dass immer gewisse Verspätungen oder Verfrühungen im Sichtbar- werden des Details auftreten, welche sich bei Annahme der Jahreszeitenhypothese nur schwer erklären Hessen und ihr häufig sogar widersprechen würden. Vor einiger Zeit ist Brenner durch Major Holtzhey aus Erfurt auf die Bemerkung eines rheinischen Indu- striellen in der Kölnischen Zeitung aufmerksam gemacht worden und hat auf dieselbe eine Theorie aufgebaut, welche die Kanalsysteme und andere Vorgänge aus dem Bestehen von Deichanlagen erklärt. Solche Deiche oder Erdwälle werden besonders zahlreich in Holland an den Meeresküsten errichtet, um das flache Land vor Ueber- schwemmungen durch hohe Fluthen zu schützen. In der „Naturw. Wocheuschr." 1898 hat Brenner versucht, die Erscheinungen, welche auf Mars beobachtet werden, aus dem Bestehen ähnlicher Schutzanlagen zu erklären. Die Marskanäle bestehen nach Brenner aus je zwei neben einander verlaufenden Erdwällen, zwischen denen das Wasser fortgeleitet wird. Es bleibt sich natürlich voll- kommen gleich, in welcher Entfernung von einander die Deiche oder Erdwälle aufgeführt werden, woraus sich die oft ungeheure Breite der Marskanäle erklärt. Wir haben die Verdoppelungen der Marskanäle bis jetzt noch nicht erwähnt. Allerdings Hessen sich dieselben auch aus W. H. Pickering's und Lowell's Theorien erklären, wenn mau annimmt, dass wir in dem dunkelen Kanal nicht den Wasserlauf selbst, sondern nur die ihn auf beiden Ufern begleitende Vegetation erblicken. Dann könnten die Kanäle bei genügender Breite des Wasser- kanals und bei günstiger Beleuchtung desselben doppelt erscheinen, wenn die durch das grünende Land hindurch- ziehenden Wasserläufe heller werden wie das Uferland. Brenner meint aber, dass die Verdoppelungen keineswegs accessorische Eigenschaften der Kanäle, sondern immer vorhanden sind. Wir haben nach seiner Ansicht in ihnen wirklich Doppelkanäle zu erblicken und es ist nur einer Eigenheit der Marsatmosphäre zuzuschreiben, warum wir die Duplicität nicht immer wahrnehmen können. Viel- leicht kann auch angenommen werden, dass in gewissen Gebieten manches Mal so wenig Wasser vorhanden ist, dass es nur zur Speisung eines Kanales ausreicht und der zweite Nachbarkanal geschlossen bleiben muss. Auch längs der Meeresküsten scheinen die Mars- bewohner das Flachland durch solche Deiche vor Ueber- schwemmungen geschützt zu haben, wie die oft besonders scharfen Umrisse gewisser Gebiete zeigen. Wenn manches Mal einzelne Inseln und ganze Gebiete plötzlich dunkler erscheinen und oft ganz verschinden, so ist dies nach Brenner auf Deichbrüche zurückzuführen, welche auf Mars ebenso vorkommen wie bei uns. Das plötzliche Abblassen und Verschwinden mancher Kanäle erklärt sich Brenner durch die Annahme von kleineren Nebenanlagen, welche dann geöffnet werden, wenn die grossen Kanäle genügend Wasser aufgenonniien haben. Wenn Brennel- dafür ein- tritt, dass die Verdoppelungen immer vorhanden sind, dass wir sie nur meistens nicht sehen können, so stellt sich Stanislaus Meunier dem entgegen und spricht den Verdoppelungen überhaupt jede Realität ab. Um sich den Vorgang zu erklären, riss Meunier in eine Glasplatte mit dep Diamanten mehrere Linien und spannte dann XVI. Nr. 11. Naturwissenschaftiiclie Wochenschrift. in einer Eutfeniung- über diese Platte ein Stück Gazestotf. Wurde das Ganze in die Sonne getragen und von der- selben schräg- beleuchtet, so sah man die Linien auf der Ebene der Glasplatte durch den Stotf hindurch, neben diesen aber und auf dem Stoff die durch Reflexion ent- standenen Schattenlinien. Meunier meint daher, dass die Verdoppelungen nur scheinbar sind und durch Schatten- bilder auf Nebelschichten hervorgerufen werden. Aller- dings müssten diese Nebelschichten fast durchsichtig sein, da sonst das Detail der JMarsoberfläche nicht so gut wahrgenommen werden könnte und überdies wäre dann die Verdoppelung abhängig vom Sonnenstände und man hätte ein solches Gesetz wohl schon längst entdeckt, wenn es thatsächlich bestehen würde. Wenn wir von einigen älteren Ansichten Proctor's und Green's, welche die Kanäle mit Triangulirungslinien der mit Feldmessarbeiten beschäftigten Marsbewohner ver- gleichen, und A. de Boe's, welcher meint, die Verdoppe- lungen entstehen wohl aus demselben Grunde, aus welchem man eine Linie doppelt sieht, wenn man einen weiter oder näher befindlichen Gegenstand tixirt, also duich schlechte Einstellung (!), absieht, und eine Bemerkung Maundcr's übergeht, welcher behauptet, dass sich ihm die Kanäle zeitweise deutlich nur als Begrenzungslinien ver- schieden nüancirter Flächen darstellen, so tritt uns eine Theorie entgegen, welche schon im Jahre 1877 von John Brett ausgesprochen worden war und die neuerdings in E. E. . Barnard einen Vertreter gefunden hat. Brett meint, Mars sei mit einer sehr dichten Atmosphäre um- geben und stützt diese Behauptung darauf, dass das Detail vornehmlich nur in der Mitte der Scheibe sichtbar werde. Der Umstand, dass die Atmosphäre sehr viel Wasserdampf enthalte und trotzdem keine Wolkenbildnng zeige, führt daraufhin, dass dieselbe sehr warm sei. Bei der grossen Entfernung des Mars von der Sonne kann diese Wärme nur aus dem Inneren des Planeten selbst kommen, so dass Mars wahrscheinlich in einem bedeutend jüngeren geologischen Stadium steht, wie die Erde. Die Veränderungen der Flecken führt Brett daher auf schwere, areologische Umwälzungen zurück. Was die weissen Polarfleken betrifft, so sind dies unter solchen Verhält- nissen natürlich auch keine Schneefelder, sondern Wolken- bildungen in den höhereu Regionen der Marsatmosphäre, welche von den Jahreszeiten abhängen, im Winter kommen und im Sommer nach und nach vergehen. Die schwarze Umrandung ist nach Brett nur der Schatten dieser Wolken- bänke. Barnard schliesst sich Brett's Hypothese ziemlich genau an und folgert daraus, dass es ihm im Jahre 1892 gelungen war, sehr rasche Veränderungen verschieden gefärbter Gegenden auf der Marsoberflächc zu constatiren, dass Mars sich ungefähr in demselben Zustande befinde, wie die Erde zu der Zeit, als sie noch nicht vollständig fest war. Wir haben gleich eingangs erwähnt, dass die dunkeleu Flecken der Marsoberfläche allgemein für Wasserflächen, die helleren Gebiete für Continente gehalten werden. Nun meint aber Prof. Schaeberle gerade das Gegentheil. Von der Höhe des Mount Hamilton herab erschien ihm die Bay von San Francisco stets heller als das umgebende Land. So schliesst er denn daraus, dass auch für Mars dasselbe stattfinden müsse. Nach seiner Ansicht muss auch Licht, dass von einer gekrümmten Wasserfläche reflectirt wird, nach den Rändern zu gleichmässig abnehmen, gerade so, wie es an den bellen Flecken beobachtet wird. Die dunkelen Flecken müssten, wenn sie Oceane wären, gegen die Mitte der Marsscheibe am hellsten erscheinen. Auch meint Sehäberle, dass bei seiner Vorstellungsweise der Umstand leichter erklärlich wird, dass zeitweise gewisse Theile der hellen Gebiete noch heller erscheinen, so wie wenn die Meeresflächen leicht gekräuselt wären. Die dunkelen Kanäle hält Sehäberle für Gebirgszüge, welche über den Meeresspiegel hervorragen und die Verdoppe- lungen erklären sich ihm aus der Annahme von Parallel- ketten. Schäberle's Theorie ist nicht einwandfrei. Zuerst ist es eine allgemeine Thatsache, dass das , Wasser mehr Licht absorbirt als festes Land, und wenn auch zeitweise eine Wasserfläche heller als das Festland erscheinen mag, so sind doch immer nur gewisse Beleuchtungseffecte daran schuld. Schäberle's Erklärung der Kanäle und Doppelkanäle ist ohne Zweifel noch gewagter als seine Theorie der Mars- meere. Denn wenn es schon in einem Falle zulässig wäre, eine dunkele Linie ans einer Gebirgskette zu er- klären, so würde die auffallende Sucht, sich nach geraden Linien anzuordnen, und Parallelketten zu bilden, nicht weniger einer Erklärung bedürfen, welche vielleicht schwerer zu finden wäre, wie für die Wasserkanäle, als welche sich die Areographen jene dunkelen Linien all- gemein denken. Holden stimmt daher Sehäberle nicht bei und macht gerade auf den Umstand, dass die dunkelen Linien nur inmier wieder dunkele Flecken mit einander verbinden, als auf eine Thatsaciie aufmerksam, welche geeignet ist, der Annahme, dass die dunkelen Flecken Wasserflächen sind, mehr Geltung und Wahrscheinlichkeit zu ver- schaffen. Auch scheint es ihm, als wäre Schäberle's Be- hauptung, dass die dunkelen Flecken viel deutlicher und die helleren Gebiete viel heller erscheinen, wenn sie auf der Mitte der Scheibe stehen, nicht richtig. So waren denn bis vor kurzem, wo ßarnard noch dem Verbände des Lick-Observatory angehörte, drei An- sichten über die Natur unseres Nachbarplaneten auf einer Sternwarte in bedeutenden Männern vertreten, Ansichten, welche sich gegenseitig ausschlössen. Bei solcher Unsicher- heit kann es wohl nicht Wunder nehmen, wenn neuer- dings Stimmen laut geworden sind, welche die Vorgänge auf der Marsoberfläche, insbesondere die Kanalsysteme und ihre Verdoppelung überhaupt nur für optische Täuschungen und Truglinien erklären. W. H. Pickering hat mit künstlichen Planeteuscheiben, die aus grosser Entfernung mit dem Fernrohr beobachtet wurden, äusserst interessante Versuche angestellt, um ein Kriterium dafür zu finden, was das Auge bei Plaueten- beobachtungen leisten könne. Grosse helle und kleine schwarze Fleckchen erschienen ihm bei günstiger Luft stets grösser als sie hätten sein sollen. Viele kleine, dunkele Fleckchen scheinen sich also für das Auge in einen grossen grauen Fleck zu summiren. Dagegen con- statirte Pickering, dass oft sehr feines Detail für das Auge erkennbar werden kann. In Arieqnipa sah er auf einer entfernten Scheibe ziemlich oft eine Linie, welche nur 0".07 breit war und einmal sogar einen Punkt von 0",14 Durchmesser. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass diese Versuche bei Tageslicht angestellt wurden und bei Nacht, wo das Seitenlicht beseitigt ge- wesen wäre wohl noch schönere Resultate ergeben hätten. Verschiedene Versuche ergaben, dass auf Mars eine helle Erhebung am Rande von 0".3 Höhe nicht auffallen würde. Pickering meint aus seinen Versuchen folgern zu können, dass dann, wenn uns Mars am nächsten steht, also bei den günstigsten Oppositionen, eine Linie von 20 km Breite, der ein Fleck von 50 km Durchmesser oder end- lich eine 90 km über dem Planetenrand stehende Wolken- schicht noch erkannt werden könnte. Das Bestreben des Auges, nahe bei einander befind- liche Eindrücke in einen Gesaramteindruck zu summiren, welches Pickering durch seine Versuche nachgewiesen Naturwissenschaftliolie Woclienschrift. XVI. Nr. 11. hatte, nimmt auch Gerulli*) iu Anspruch, um sich die Kanäle zu erklären. Betrachtet man den Moud unter schwacher Vergrösserung, z. B. mit einem Opernglas, zur Zeit des Vollmondes, so bemerkt man auf ihm dunkele Linien, welche den dunkelsten Flecken und Kratern folgen. Das Auge strebt eben danach, aus der Fülle von Eindrücken, die es empfängt, die möglichst einfache Anordnung zn finden. Beobachtet man nun Mars mit einem starken Fernrohr, so ist das Verhältniss der Ent- fernungen von Mars und Moud ungefähr dasselbe, wie für die Vergrüsserungen von B'ernrohr und Opernglas. So meint nun Cerulli, dass die Kanäle nichts anderes sind als Truglinien, welche das Auge aus einer Unmasse feiner, die Oberfläche des Planeten bedeckender duukeler Punkte und Fleckchen construirt. Da nun der ph_ysiologische \'organg bei allen Beobachtern derselbe und die Lage der Pünktchen selbst unveränderlich ist, so werden die Beobachter diese Truglinien auch immer übereinstimmend wahrnehmen müssen. Cerulli stützt seine Ansicht auf eine Reihe interessanter Wahrnehmungen. So betont er, dass die Kanäle mit den stärksten Vergrösserungen nicht breiter erscheinen als mit schwächeren Mitteln. Jeder- mann ist bekannt, dass Schiaparelli, der seine grossartigen Entdeckungen mit einem achtzölligen Fernrohr machte, sich lange abmühte, bis er sein Auge wieder an die grössere Kraft des Achtzehnzöllers gewöhnt hatte. Nach Cerulli's Ansicht wird es eben immer schwerer, das einigende Element aus den Punkten herauszufinden, je grösser das Fernrohr und seine Vergrösserung wird. Ihm selber schien es oft, als schwänden ihm die Kanäle wäh- rend des Beobachtens und lösten sich in zahllose ßestand- theile auf. Jedenfalls deutet auch der Umstand, dass die Kanäle nicht breiter werden, wenn der Planet uns näher steht — Cerulli sah Juli 1896 auf einer Seheibe von 7" Durchmesser die Kanäle ebenso breit und nicht schwächer wie im December 1896, als die Scheibe 17" Durchmesser hatte — auf ganz absonderliche Verhältnisse. In schiefer Richtung erscheinen die Kanäle oft breiter und dunkeler, und dass weist nach Cerulli's Ansicht wieder darauf hin, dass diese Kanäle nichts Reales an sich haben, denn anderenfalls müsste doch gerade das Gegentheil stattfinden. Im Centralmeridian lässt das von den Zwischenräumen reflectirte helle Licht eben zahl- reiche kleinere, dunkele Theile versciiwinden, während sich dieselben in schiefer Richtung betrachtet, an den Gcsammteindruck anschliessen. Auch zwei parallele Ka- näle, können aus derselben Punktreihe entstehen, wenn ausserhalb der Hauptlinie noch andere dunkele Elemente stehen und es wird die Auffassung dieser letzteren durcii die bereits construirte Hauptlinie bedeutend er- leichtert. Cerulli's Hypothese ist Dr. Norbert Herz mit der Be- merkung entgegengetreten, dass wohl die ausseroident- *) A N 3490. liehe Constanz der Flecken und Kanäle dagegen spreche. Er stellt einen anderen schönen Versuch an. Beleuchtet man ein Relief, welches an der Wand eines kleinen von einem stark lichtbrechendeu Medium erfüllten Kästchens angebracht ist, durch eine kleine Oetfnung von aussen, so werden die Erhebungen durch diese Oeffnung dunkel um- randet erscheinen, enthält das Kästchen jedoch ein Medium von einer optisch geringen Dichte, so verschwindet die Umrandung und die Bergadern des Reliefs erscheinen hell. Er hält die Verdoppelung daher für eine optische Täuschung, hervorgerufen durch eine grosse optische Dichte der Marsatmosphäre. Erforderlich ist nur grosse Durchsichtigkeit und senkrechte Incidenz. Man kann den Versuch am eigenen Auge anstellen, in welchem das Relief durch den Hintergrund des Auges mit seinen zahl- reichen Aederchen dargestellt wird. Aus der Dicke der Gefässe im Bulbus und der Uebertragung iu der Grösse auf die Marskugel berechnet Herz die Höhe etwaiger Marsberge zu 13 000 m. Dieser Betrag erscheint durch- aus nicht unwahrscheinlich und gewinnt noch ungemein an Wahrscheinlichkeit dadurch, dass durch Herz' Versuch die Nothwendigkeit beseitigt wird, die Kanäle als Wasser- läufe aufzufassen, welche allein eine ebene Bodenbeschaffen- heit für die Marsoberfläche fordern. Immerhin aber er- weckt die Voraussetzung einer optisch sehr dichten Mars- atmosphäre Bedenken, da doch dann breite Dämmerungs- zoneu an der Lichtgrenze beobachtet werden müssten, welche in dieser Ausdehnung, wie sie erforderlich wäre, bis jetzt noch nicht constatirt werden konnten. Herz' Meinung, dass die Kanäle in ihrer Constanz gegen Cerulli sprechen, ist wohl nicht ganz stichhaltig, da nur die Flecken und Pünktchen constant zu sein brauchen, um bei den allen Beobachtern gemeinsamen Einrichtungen und physiologischen Fähigkeiten des Auges denselben Effect hervorzurufen. Wenn man es von ver- schiedenen Seiten unterlassen hat, insbesondere Cerulli's Theorie, die aus den oben angesetzten Gründen wohl einiges für sieh hat, in Rechnung zu ziehen vielleicht nur um der eigenen Ansichten willen, so ist damit wenig gedient, und würde auch die Astrognosie wohl weitgehen- dere Objectivität verdienen. Jedenfalls verdient auch der Umstand, dass Schiaparelli die Doppelkanäle mit dem Aehtzöller ebenso weit von einander entfernt sah, wie später mit dem AchtzehnzöUer, eingehende Beachtung. Gerade solche Thatsachen, denen man durchaus nicht den Charakter von Kleinigkeiten anheften darf, sind viel- leicht geeignet, Licht in das Dunkel zu bringen, das über unserem Nachbarplaneten trotz aller Erklärungs- versuche noch immer waltet. Bis jetzt haben alle Theo- rieeu das eine Gemeinsame, das eine oder andere nur gezwungen zu erklären und man kann aus diesem Be- kenntniss abnehmen, wie viel noch wird gearbeitet werden müssen, bis die Frage, die wir in kurzen Worten be- handelt und beleuchtet haben, ihre endgiltige und da- mit einwandfreie Lösung gefunden haben wird. Historisches zur Malariaforschung tlieilt Hon Dr. med. O. Haucheeornc in der Berliner klinischen Woehcnschr., 1901, No. 5, mit. — Was zunächst die Priorität in der Frage, ob die Blücken die Erreger der Malaria seien, bctritl"t, so ist diese Frage uralt, sie da- tirt bis auf die Römerzeit zurück. Da aber vielfach die Ansicht verbreitet ist, als ob die Entdeckung erst durch die deutsche Malariaexpedition gemacht sei, resp. auf den englischen Militärarzt Ross zurückführen Hesse, so ist in Erinnerung zu bringen, dass dem Afrikaforseher Prof. Dr. Georg Schweinfurth, als er im Jahre 1868 sieh z" seiner Reise nach Centralafrika anschickte, seine Berline'" Freunde den Auftrag ertheilten, Nachforschungen anzu- stellen darüber, ob die Ansicht, dass die Malaria durch Stechmücken verbreitet werde, auf Wahrheit beruhe. Eine andere Priorität möchte H. für Prof. Schwein- furth in Anspruch nehmen: die prophylaktische Verhütung der Malaria durch Chiningebrauch. Schweinfurth schreibt in seinem 1874 erschienenen Rcisewerk „Im Herzen von Afrika": „Den Rest des Februar und den grössten Theil XVI. Nr. 11. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 123 des März musste ieh, um die Ankunft der Träger zu er- warten, welche mich nach der Seriba des Ghattas be- fördern sollten, im Zeltlager auf der kleinen Insel ver- harren; die schädlichen Einflüsse eines fortgesetzten Auf- enthaltes in diesen ungesunden Flussniederungen scheine ich durch einen prophylaktischen Gebrauch von Chinin erfolgreich von mir ferngehalten zu haben, obgleich ich bei meinen täglichen Beschäftigungen, 'botanisirend in Sümpfen und die Papyrusbüsche beständig durchwatend, ihnen mehr ausgesetzt gewesen bin, als mancher Andere. Ich verschluckte täglich in drei Dosen zu 8—9 Gran das zu diesem Behufe in Gelatinekapselu eingeschlossene Chinin, diese Methode ist jedem Reisenden sehr anzu- empfehlen, da die intensive Bitterkeit des Medikamentes bei anhaltendem Gebrauch in gewöhnlicher Form einen unüberwindlichen Ekel hervorruft. Dieses Verfahren setzte ich ohne schädliche Folgen für meine Constitution fort, bis mich die reinere Luft des Binnenlandes davon dispen- sirte." Sollte sich Jemand dafür interessiren, nachzuforschen über die Frage, ob die Alten schon die Stechmücken für die Erreger der Malaria hielten, so möchte II. ihm rathen, in alten hebräischen, arabischen oder anderen semitischen Urkunden zu studiren über die Lehre vom Beelzebub. „Bei Sephub" soll, wie Wilhelm Hautf in seiner Erzählung „Die Memoiren des Satans" berichtet, bedeuten „der Fliegenmeister, der die Mücken aus dem Lande treibt." Irgend eine Bedeutung muss es doch haben, dass die alten semitischen Religionen einem „Schaitan" einen solchen Beinamen geben. Hierdurch wird auch Goethe's Ausspruch in seinem „Faust" erklär- lich, warum Faust zu Mephisto spricht: „Bei Euch, Ihr Herren, kann man das Wesen Gewöhnlich aus dem Namen lesen. Wo es sich allzu deutlich weist, Wenn man Euch Fliegengott, Verderber, Lügner heisst." Darum sagt auch Mephisto: „Der Herr der Ratten und der Mäuse, Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse" etc. Also war auch Goethe die Bedeutung des Namens Beelze- bub bekannt. Es ist behauptet worden: bei der Malariafrage kämen andere Ungeziefer, Flöhe, Wanzen nicht in Betracht, da diese Thiere überall vorkämen, Malaria nicht überall. In Japan z. B. giebt es aber keine Wanzen. In seiner Heiniath am Rhein hat H. als Kind nie Wanzen gesehen, viele seiner Patienten erklärten ihm auch, obgleich aus verschiedenen Theilen Deutschlands zugezogen, Wanzen noch nicht vor ihrer Ankunft in Berlin gekannt zu haben. Und Schweinfurth berichtet in seinem vorhin genannten Reisewerk, dass er bei dem Negervolk der Dinka, welcher Volksstamm im Gebiet des weissen Nils und des Gazellen- flusses ein Land von 400 englischen Meilen Länge und 60 000 — 70 000 englischen Quadratmeilen Ausdehnung be- wohnen, dass es in diesem grossen Gebiet absolut keine Flöhe und Wanzen giebt. Warum sollen nicht auch diese Insekten unter Um- ständen Malaria verbreiten, wenn diese durch Mücken verbreitet werden kann? Die Mücke sticht bekanuter- maassen in der Weise, dass sie die zu Stechborsteu um- gestalteten zwei Oberkiefer und zwei Unterkiefer, welche vereint eine Röhre bilden, in die Haut einsticht, bis sie auf ein Blutgefäss stösst, dann senkt sie durch die Röhre der Kiefer die Zunge in das Blutgefäss und saugt mit dieser das Blut in ihren Körper ein, wobei sie ihren ätzenden Speichel in die Wunde entleert, was den Wund- schmerz und die Anschwellung der Stiche erzeugt. Da- bei sollen nun die in den Speicheldrüsen der Mücke sitzenden Malariakeime, welche in der Mücke den Gene- rationswechsel überstanden hätten, in die Wunde entleert werden. Sollten die zu den Schnabelkerfen gehörenden Wanzen mit ihrem röhrenförmigen Rüssel nicht auch aus dem Blute Malariakranker aufgesaugte Malariakeime direkt einem anderen Menschen durch Stich einimpfen können V Zum Vergleich sei ein merkwürdiger Fall von Verbreitung der Tuberkulose durch Wanzen herangezogen. Ein französischer Arzt aus Lyon oder dessen Umgebung wurde zu einem Chambregarnisten gerufen, der unter auf- fälligen Sym])tomen allgemeiner Miliartuberkulose erkrankt war und binnen einem Vierteljar starb. Der Arzt suchte vergeblich nach einer Erklärung. Merkwürdigerweise er- krankte und starb der Nachfolger des Kranken in dem- selben Zimmer und Bett auch an Miliartuberkulose unter denselben auffallenden Erscheinungen in derselben Zeit. Auch jetzt fand sich keine Erklärung. Dasselbe wieder- holte sich nun bei einer dritten Person. Und nun fiel es dem nachforschenden Arzte auf, dass alle drei Patienten stets sehr mit Wanzenstichen bedeckt waren und sehr über Wauzenplage geklagt hätten. Nun wurde das Bett untersucht. Es wimmelte von Wanzen. Die Untersuchung dieser Thiere ergab, dass ihre Verdauungsorgane förmlich mit Tuberkelbacillen ausgestopft waren. Der aus den zer- quetschten Wanzen ausgepresste Saft war ganz mit Tu- berkelbacillen angefüllt und, soweit erinnerlich, gingen Versuchsthiere mit diesem Saft geimpft, an Tuberkulose ein. Sodann heisst es jetzt immer bei der Besprechung der Mückenmalaria, die Mücken stechen nur nach Ein- bruch der Dunkelheit, was für die Art der Malariainfection von Wichtigkeit sei. Nun in Wirklichkeit stechen die Mücken den ganzen Tag. Ferner heisst es, nur die Gattung Anopheles sei uuter den Stechmücken der Malariaverbreiter. H. fragte, ob dies schon so fest stehe, da ältere Autoren sich über die Mückenverbreitung anders äusserten. So gelten auf Bar- bados als die Hauptmosquitos die drei Culexarten Culex molestus, trifurcatus und pulicilatus. Und Alexander von Humboldt zählt unter die schädlichsten Mosquitos von Brasilien auch die Simuliaarten. Uebrigens fliegen und stechen unsere einheimischen Simuliaarten, z. B. Simulia reptans, die allbekannte Gnitze, am Tage ebenso heftig wie Nachts. Sind nun die Mücken wirklich die alleinigen Verbreiter der Malaria, wie fast alle Malariaforscher er- klären? H. kann sich noch nicht entschliessen, alle Er- scheinungen der Verbreitung der Malaria aus der Mücken- theorie nur. zu erklären. Zunächst, wie erklärt sich dann die bekannte Erfahrung, dass Malaria durch den Wind verbreitet wird? So berichtet z. B. der allgeachtete Afrikareisende Oscar Baumann, dass an der Taugaküste iu Deutschostafrika Malaria ausbricht, wenn der Wind von der 25—35 Kilometer von der Küste entfernten Insel Pemba nach dem Fe.stlande weht und zwar entsteht dann die Malaria auf den vom Winde getroffeneu Höhen der Berge an der Küste. Ferner war es nach H. zugegau genen Berichten von unserer schleswig-holsteinischen West- küste bekannt, dass bei Westwind die Malaria landein- wärts sich verbreitete, bei Ostwind auf den 1V2~2 Meilen von der Küste liegenden friesischen Inseln auftrat. Ferner, wie wäre dann die Thatsache zu erklären, dass die Malaria in so vielen Hochländern endemisch auftritt, wie ein Jeder in Professor Hirsch's „historisch graphischer Pathologie" nachlesen kann, z. B. auf der spanischen Hochebene, auf den Cordilleren, in Deutsch- Südwestafrika, wo neuerdings eine schwere Malaria- Epidemie herrschte, obgleich das Land über 120L) Meter hoch liegt und angeblich Malaria und Mosquitos sich nicht höher ausbreiten sollen? Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 11. Wie erklärt sieb ferner die ungemeine Ausbreitung der Malaria in den ungeheuren Urwaldgebieten der Tropen oder besser jungfräulichen, noch nicht entwaldeten Län- dern, z. B. in der ungeheuren Hylaea des Amazonen- Stromes, die doch eigentlicb absolut menschenleer ist? Wenn hier nur der Mosquitostich die Krankheit ver- breitete, müssten doch in vielen Orten Wochen, Monate vergehen können, ehe wieder Menschen in dieser Einöde desselben Weges kämen, es müssten die Mücken und Generationen ihrer Nachkommen bis dahin abgestorben sein! Und in dieser Hylaea soll doch die Malai'ia über- all hausen! Ferner, wie erklärt sich dann die wunderbare That- sache, dass bei Urbarmachung von Bracbländereien, wenn bei Besiedelung der nordamerikanischen Prärieen diese umgepflügt und beackert wurden, dass dann bösartige Malariaepidemieen ausbrachen und mit der dichteren und intensiveren landwirthschaftlichen Besiedelung die Länder gesund wurden, wie in allen Präriestaaten an den grossen nordamerikanischen Seeen beobachtet wurde? Mücken waren da, Wasser auch zum Ausbrüten der Nachkommen- schaft, Mücken und Wasser blieben, also hätte die Ma- laria mit der Zunahme der Besiedelung doch immer mehr zunehmen müssen. Und dasselbe beobachtete man auch in der alten Welt in unseren Marschen und anderswo. Umgekehrt, wenn cultivirte Länder wieder versumpfen, breitet sich die Malaria wieder aus, wie in Italien in der Campagna, den Maremmen, diese einst dichtbesiedelten Gebiete absolut unbewohnbar machend. Geheimrath Koch sieht die Ursache des Aussterbens der Malaria in dem Chinin aliein. H. hält mit anderen die Mücken nicht für die alleinigen Malariaverbreiter, auch an den alleinigen Schwund der Malaria durch das Chinin kann er einst- weilen so recht nicht glauben. Sollte nicht eine Ausbreitung der Malaria durch die Luft möglich sein, da das Trinkwasser es nachgewiesener Weise nicht zu sein scheint? Es heisst, thierische Or- ganismen vertragen die Austrocknung nicht. Nun, ge- wisse thierische Organismen haben einen Dauerzustand der Eintrocknung, wo sie vom Wind durch die Luft ver- breitet werden, wie manche Protozoen, auch noch viel höher stehende Wesen, z. B. die den Asseln und Spinnen nahe verwandten Tardigraden, zum Theil bis eine Linie lang, welche nach langer Eintrocknung durch Befeuch- tung wieder aufleben, daher die eine Art Macrobiotes Hufelandii genannt ist. Warum sollen nicht auch Malaria- organismen in gleicher Weise durch die Luft verbreitet werden? Bekanntlich soll Malaria besonders leicht sich ausbreiten, wenn nach langen Regengüssen, Ueberschwem- mungen die Gewässer aus ihren Ufern ausgetreten sind, und dann beim Fallen des Wassers sich stagnirende Wasserbecken, Tümpel sich gebildet haben, und wenn diese dann unter der glühenden Mittagssonne rasch ver- dunsten. Könnten hierbei nicht die im Wasser befindlich gewesenen Organismen bei der heftigen Verdunstung auf den austrocknenden Flächen, am Rande der Gewässer vom Winde, der bewegten Luft in die Atmosphäre ver- breitet werden? Man sagt, so grosse Körper verbreitet die Luft nicht. Aber es ist doch allbekannt, dass aueli die gewöhnliche Bewegung der anscheinend ruhenden Luft Gegenstände von im Verhältnisse zu den Malaria- parasiteu sehr bedeutender Grösse weithin durch die Atmosphäre verbreitet: man denke an den Blüthenstaub. Und zwar trägt die Luft diesen unsichtbaren Blüthcn- staul) überall hin, nicht nur über das flache Land, auch durch die Städte, daher ja auch zur Zeit der Grasblüthe, der Getreideblüthe alle an lleuasthnia leidenden Mensehen in Stadt und Land ihre Anfälle unter der Einwirkung des die ganze Atmosphäre erfüllenden Blüthenstaubes bekommen. Sollte da die Atmosphäre nicht auch in gleicher Weise die Malariakeime verbreiten können? Mit der Bezeichnung tropische Malaria kann sich H. einstweilen nicht einverstanden erklären. Auch in un- seren Breiten kamen und kommen unter geeigneten Vor- aussetzungen Malariaepidemieen vor von der gleichen Bösartigkeit wie die tropischen. Eine berühmte Epidemie war die Malariaepidemie zur Zeit des Baues von Wilhelms- haven. Es giebt darüber ein jetzt sehr seltenes, höchst lehrreiches Werk von Generalarzt Wenzel, welches Jedem die Art der Verbreitung der Malaria lehrt und durchaus gegen die Mttckentheorie spricht. Auch hier kamen die bösartigsten tropischen Formen auf der Höhe der Epidemieen in erschreckender Menge und Mortalität vor, daher H. die Vermuthung ausspricht, ob nicht die tropischen Formen einfach Umzüchtungen unserer heimi- schen Formen sind. In Wilhelmshaven ergab nun die Beobachtung, dass die Malaria immer nur ausbrach, wenn das junge Schwemmland, also das an Zersetzungs- produkten reichste, in Angriif genommen wurde, beim Arbeiten in den deckenden oberen Schichten nicht, auch nicht, wenn die alten tiefen Erdschichten an die Reihe kamen. Nur sobald die jüngeren Erdschichten in Bear- beitung kamen, brachen die Epidemieen aus, und um so heftiger, je mehr die Arbeiten in diesen jungen Schichten vorrückten. Mit dem Wegräumen dieser Erdmassen und Vorrücken in die Tiefe nahm die Malaria ab, höite auf, um immer wieder aufzutreten, sowie die jüngeren Schichten wieder in Arbeit kamen. Zwei Factoren fand man für den Grad der Epidemieen maas.sgebend, erstens die Be- schaffenheit des Arbeitsfeldes, des Bodens, und zweitens die Lufttemperatur. Je mehr junges Schwemmland, je höher die Temperatur stieg, um so heftiger entwickelte sich die Malaria, um so bösartiger wurde sie, aber beide Factoren müssten zusammenwirken. Die Lufttemperatur allein machte es nicht; die Hitze mochte noch so gross werden, fehlte der Factor der Bodenbesehaftenheit, trat keine Malaria ein. Auch fand man als Bedingung zur Malariaentwickeinng ein Temperaturminimura 12,6 bis 12,8 bis 13° R.Wärme. Darunter gab es keine Malaria. Dies erklärt es auch, warum es in den nördlichen Breiten, z. B. den Tundras, keine Malaria giebt, trotz der uner- messlichen Sümpfe, den grössten auf der ganzen Erde, und trotzdem es daselbst mehr Mücken giebt, als irgend- wo sonst, Nach alledem meint H.: Eine bestimmte Boden- beschaflfenheit, Versumpfung schafft die Bedingung zur Entwickelung, zum Leben der Malariakeime, die dann theilweise durch Mücken, theilweise auf andere Weise, z. B. durch bewegte Luft verbreitet werden. Zieht sich dann über das Erdreich eine schützende Vegetationsdecke, so können die Malariakeime einerseits nicht scliädlich wirken, sind von der Luft abgeschlossen und werden so in der Tiefe conservirt. Wird diese schützende Vege- tationsdecke aufgedeckt, entfernt durch Ueberschwem- mungen, resp. bei Cultur durch den Pflug etc , so ent- falten die mit der Luft in Berührung kommenden Malaria- keime ihre schädliche Wirkung, bis einstweilen unbekannte Einwirkungen von Luft, Licht und Sonne, Wärme etc. die Malariakeirae tödten oder den Boden chemisch so umändern, dass die Malariakeime darin nicht mehr leben können. Neben den Mücken wirkt also Verbreitung durch die Luft mit. Vielleicht, dass auch Berührung mit in- ficirter Erde, wie man für Wilhelmshaven mit annehmen könnte noch dazu kommt. Auch durch Entsumpfung kann der Boden chemisch umgewandelt werden, sodass die Malariakeime absterben, nicht mehr in ihm vegetiren können. Und die Ent- sumpfung der Länder durch die Cultur hält H. für die XVI. Xi-. i: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 12ü Hauptursache des Schwindens der JVIalaria. Nicht das Chiuin allein ist es gewesen. Als die Malaria in unserem weiten deutschen Vaterland im Grossen schwand, vor der Entsumptung der Länder, war das Chinin noch so theiicr, noch so wenig verbreitet bei den damaligen mangelliaften Verbindungen, dass gewiss Viele, sehr Viele es nie bekamen. Die Entsumpfung der Länder schatft eine Vielen ganz unbekannte Umwandlung der Natur. Ungezählte Pflanzengeschlechter, zahllose Thiergattungen von den niedrigsten bis zu den höchsten Formen schwinden dahin, nicht durch Ausrottung durch den Menschen, sondern weil sie in den entsumpt'ten Ländern nicht mehr leben können. Gewisse Autoren sagten, dass man bisher noch kein Thier gefunden habe, dass man mit Malaria inficiren könne. In den Rokitnosümpfen sind der Hauptfeiud der Bären die Mücken, die diesen Raubthieren, im Juni, Juli so zusetzen, dass sie völlig abmagern. Auch gilt in den Rokitnosümpfen die ßärengalle als Heilmittel gegen Fieber. Bären sind ja leicht käuflich zu haben, so dass es sich wohl des Versuches lohneu würde, zu prüfen, ob Bären mit Malaria iuticirbar sind. Auch die GallenlVage müsste geprüft werden. Geheimrath Koch hat nach der alten Methode der afrikanischen Eingeborenen in Süd- afrika durch Gallenimpfung die ihrer Aetiologie nach un- bekannte Rinderpest ausgerottet. In manchen Ländern wird Schlangengalle mit Erfolg gegen Schlangenbiss an- gewandt, (x.) Astronomische Spalte. — Die Pia - Sternwarte in Triest, deren Besitzer, Herr Krieger, auf dem Gebiete der Selenographie Ausserordentliches geleistet hat, ist aufgelöst worden. Diese Entschliessung des Herrn Krieger war wohl geeignet, unter den Fachgenossen Ver- blüffung hervorzurufen. Der Umstand jedoch, dass sicheren Quellen zufolge Krieger seine Mondarbeiten bereits voll- ständig abgeschlossen hat, kann einigermaassen den bitte- ren Wermuthstropfen, dass Oesterreich und die Himmels- kunde durch die Auflösung dieses schönen Observatoriums, an welchem ein begeisterter Beobachter bis nun rastlos gearbeitet hat, versüssen. Jedermann, der Krieger's Mond- atlas kennt, wird schon jetzt wissen, was er von den weiteren in Aussicht stehenden Publikationen Krieger's erhoffen darf. Möge Krieger, der sich zur Recouvalescenz von seiner Erkrankung nach Davosplatz in der Schweiz be- giebt, dort jene Ruhe für seine weiteren Arbeiten finden, die ihm während seiner Thätigkeit auf seiner Privat- sternwarte in Triest durch kleinliche Prioritätsstreitig- keiten versagt geblieben oder doch vergällt worden! Herr Rheden hat im zweiten Heft des „Sirius" wieder eine hübsche Zeichnung Saturns, die er am 21. Juni 1899 mit Hilfe des '27 Zöllers der Wiener Sternwarte erhielt, publicirt. Interessant ist eine Bemerkung Rhedens, dass damals die Luft so ruhig war, dass trotz der nur äusserst geringen Höhe des Planeten über dem sonst in astro- nomischer Hinsicht sehr übel beleumdeten Wiener Hori- zont (nur etwa 10 — 20°) das Bild im Fernrohr voll- kommen ruhig und scharf war. Für die Güte des Luft- zustaudes spricht gewiss auch die stattliche Anzahl von Ringtheilungen, die das Saturnsystem auf der Zeichnung aufweist schon und die so schön beisammen schwerlich mit einem Riesenrefractor in der Nähe einer Millionenstadt jemals beobachtet wurden. Die Vorgänge auf unserer Sonne und die Phänomene, welche auf dem Centralkörper des Planetensystems beob- achtet werden können, hat neuerdings Herr W. H. Julius zum Gegenstand einer interessanten Studie gemacht. Julius stellte über das Spectrum von Lichtstrahlen, welche einen mit Natriumdampf unregelmässig erfüllten Raum durch- laufen haben, äusserst lehrreiche Versuche an und hat dieselben in AN 3672 unter dem Titel „Sonnenphänomene als Folgen anomaler Dispersion des Lichtes betrachtet", veröffentlicht. Er gelangt zu folgenden Sätzen: 1. Wenn Licht mit continnirlichem Spectrura einen mit Natriumdämpfen ungleichmässig erfüllten Raum durch- laufen hat, so ändern die Strahlen, welche der Natrium- linie D entsprechen, ihre Richtung in weit stärke) cm Maasse, als die anderen Bestandtheile des Lichtbündcis. Es kann daher scheinen, als gehe von einer schwach leuchtenden, natriumhaltigen Lichtquelle, welche von inten- siven, ein continuirliches Spectrum liefernden Lichtstrahlen durchsetzt wird, in schiefer Richtung ein starkes Licht aus, welches leicht mit Natriumlicht verwechselt werden kann, und doch in der die intensiven Strahlen erzeugen- den Lichtquelle, welche vielleicht keine Spur Natrium enthält, seinen Ursprung hat. Dann kann aber noch 2. der Fall eintreten, dass die dunkelen Absorptions- linien in Folge des Umstandes, dass alles ähnlich ge- färbte Licht zur Seite abgelenkt wird, bedeutend ver- breitert erscheinen. Mit Hilfe dieser Ergebnisse seiner eingehenden Ver- suche gelingt es nun Julius, die an ihrer Basis gewöhnlich verdickten, nach oben pfeilartig verlaufenden Chromo- sphärenlinien zu erklären. Nach seiner Meinung ist das Licht der Chromosphäre in vielen Fällen überhaupt nur abgelenktes Photosphärenlicht und die abnehmende In- tensität der Ablenkung erklärt ihm die eigenthümlicbe Gestalt der Chromosphärenlinien. Auch die isolirten Lichtflecken und Verästelungen erklärt Julius, in Schmidt's Fusstapfen tretend, durch beim Durchgange durch ander- weitige Gasmassen abgelenktes Photosphärenlicht. Mit Hilfe des zweiten Satzes erklärt Julius die Thatsache, dass viele Linien im Spectrum der Sonnenflecke stark verbreitert erscheinen. Strahlen, welche anomale Dis- persion erfahren haben, müssen im Spectrum der Sonnen- flecke fehlen und dadurch die dunkelen Fraunhofer'schen Linien verbreitert erscheinen lassen. Julius' Untersuchun- gen haben wesentlich dazu beigetragen, die Nothwendig- keit, bei der Erklärung von Sonnenphänomenen die Dis- persion des Lichtes in der Nähe der Sonne selbst zu berücksichtigen, darzuthun. Nach Beobachtungen Egon v. Oppolzers zu Potsdam scheint Eros kurzperiodische Schwankungen der Hellig- keit aufzuweisen und wird es sich aus diesem Grunde empfehlen, die Grössenschätzungen mit besonderer Sorg- falt vorzunehmen. Die Schwankungen, die fast eine Grössenklasse umfassen und in wenigen Stunden vor sich gehen, können möglicherweise Anhaltspunkte für einen Rotationswerth bieten. Ein neuer Stern ist im Sternbild des Perseus ent- deckt worden. Das anfangs der zweiten Grössenklasse angehörende Object ist nun bereits so hell geworden, dass es sogar dem weniger versirten Beobachter auffällt. Vergleiche der Grösse mit möglichst vielen anderen Sternen — der schöne Wintersternenhimmel bietet ja reichlich Anhaltspunkte — können nur sehr erwünscht kommen. Adolf Hnatek. Wetter ■ Moiiatsübersicht. (Februar.) — Dem strengen Januarnionat dieses Jahres folgte ein nicht minder strenger Februar, in dem die Kälte jedoch seltener durch östliche Winde verschärft wurde. In den ersten Tagen des Monats war der Frost nur gelinde und überschritt das Thermometer gewöhnlich in den Mittags- stunden den Gefrierpunkt, so dass die Durchschnittstempe- raturen, wie das Beispiel von Berlin in der umstehenden 126 Xaturwisseiiscbaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 11. Zeichnung erweist, von ihren normalen Werthen sich nur wenig unterschieden. Eine erhebliche Zunahme der Kälte erfolgte am 11. Februar, und in den meisten Gegenden dauerte der Frost dann längere Zeit hindurch Tag und Nacht ununterbrochen fort. Seinen Höhepunkt erreichte er an der Ktiste schon am 15. Februar, im Binnenland aber, namentlich im Süden, wo sich die Kälte zwar, wie überall, gleich nach Mitte des Monats bedeutend milderte, verstärkte sie sich wenige Tage später von neuem und erst nach dem 21. trat ein in vielen Gegenden sehr schroffer Witterungsumschlag ein, so dass der Monat in ganz Deutschland mit Thauwetter endigte. Seine niedrigste Temperatur betrug an verschiedenen meteo- T^inpcrafuren imVedraariSOi. ^^'^"- TasesmiW,- J Februar. 6 11 16. Temperafur-Minliiia versehiedener Orte. .iFibruar _6, 11. 16. 21. rologischen Stationen: — 21" C, die z. B. am 15. Fe- bruar in Neufahrwasser, am 19. und 20. in Chem- nitz, am 22. in München verzeichnet wurden. Zu üslar im Solling sank das Thermometer am 20. aut — 26" C, noch zwei Grad tiefer als im diesjährigen Januar, während daselbst in dem überaus kalten Januar 1893 sogar — Sl'/ä« C. beobachtet sind. Die Mittel- temperatur des Monats, die sich in Berlin zu — 2,4" C. ergab, während hier die Zahl der Sonuenscheiu- stunden 86, trotz der zunehmenden Tageslänge nur drei mehr als im Januar, erreichte, lag überall tief unter ihrer normalen Höhe. Die Abweichung von der lang- jälirigen Durclischnittstempcratur betrug im nordwest- lichen Deutschland ungefähr 372» nordöstlich der Elbe reichlich 4 und in Süddeutschland beinahe 6 Celsiusgrade. Obwohl die Niederschläge in diesem Monat nur ge- ringe Beträge lieferten, in Summa für den Durchschnitt der Stationen 25,4 gegen 38,8 Millimeter im Durchschnitt der letzten zehn Februarmonate, so waren sie doch recht zahlreich. Bis zum 9. Februar blieben die ergiebigeren Niederschläge, der nebenstehenden Zeichnung zufolge, auf den äussersten Nordosten und Südwesten beschränkt, aber an den Tagen vom 10. bis 19. kamen in ganz Deutsch- land sehr häufige Schneefälle vor, nach denen sich am Abende der Himmel meist wieder aufklärte, sodass dann die Ausstrahlung von der stets neuen Schneeoberfläche sehr viel zur Verstärkung der Kälte beitragen musste. Die die Schneefälle begleitenden lebhaften Nordwestwinde riefen um Mitte des Monats, besonders in Süddeutschland starke Schneeverwehungen hervor, welche zahlreiche Störungen des Eisenbahn- und Landverkehrs, z. B. in der Umgegend von München und Stuttgart, zur Folge hatten. Am 20. Februar hörten die Niederschläge beinahe auf, aber nur an wenigen Tagen blieb das Wetter trocken. Denn schon am 24. Februar traten bei heftigen, an der östlichen Ostseeküste zu Stürmen anwachsenden West- winden neue Schneefälle ein, welche verschiedentlich von Graupelschauern begleitet waren, jedoch vor Ende des Monats mehr und mehr in Regen übergingen. Von den Niederschlägen dieser letzten Zeit wurde das nordwest- nizder5dpläa,e im Fcßruaf 1901. ifl "^ MimererWerthfür Deufschland. rrr: II- 9. Febr. ! i , , ! 10 IM ' " 1 II 1 j ÜU.-23 Febr. ■ J 1 läi ; _' i 11 U '^ .. Lll.idlll.«Liii^ C^-^ BEffUNEB WETrERBüRF^U. liehe Binnenland am stärksten betrotfeu, während Süd- deutschland von ihnen am meisten verschont blieb. Während des ganzen Februar lagerte hoher Luft- druck über dem atlantischen Ocean in der Breite der britischen Inseln, sodass barometrische Minima nur aus dem hohen Norden oder vom Mittelmcer aus in das euro- päische Festland einzudringen vermochten. In den ersten Tagen des Monats folgten die Minima, zum Theil von grosser Tiefe, schnell aufeinander, waren aber nur wenig ausgedehnt, weshalb ein jedes immer sehr kurze Zeit an- haltende Niederschläge brachte, zwischen denen sich das Wetter oft wieder aufheiterte. Umfangreicher war eine Depression, die am 9. vom nördlichen Eismeer in das Innere Russlands einfiel und welcher andere auf dem gleichen Wege nachfolgten. Sie wurden im Osten durch das, wie gewöhnlieh im Winter, in Asien verweilende hohe Maximum begrenzt und entsandten verschiedentlich flachere Minima nach Südwesten, während andererseits das oeeanische Maximum ostwärts nach den hritisolien Inseln vorrückte und in einzelnen Theilen sich bis .Mittel- europa ausdehnte. So entsprach die Luftdruckvertheilung ganz und gar einer im Winter nicht seltenen Wetterlage, dem Typus C nach des französischen Meteorologen Teisse- renc de Bort Bezeichnungen, die durch Frost und Schnee in ganz Europa charakterisirt ist. Am meisten steigerte sich die Kälte in Nordwestrussland und in Oester- reich, beispielsweise wurden am 16. Februar in Sardo- vala ebenso wie in Tabor — 32", in Klagenfurt — 28 " C. gemessen. Nach Süden breiteten sich die XVi. Ni Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. 127 Schneefälle über ganz Italien und einen Thei! der iberischen Halbinsel aus. Durch ein am 23. Februar vom norwegischen Meere rasch südostvvärts vorrückendes, sehr tiefes Minimum wurde das westliche Maximum von Irland nach der Biscayasee verschoben, worauf die Winde sich nach Südwest drehten und neue oceanische Depressionen in das Gebiet der Nordsee gelangen konnten. Hierdurch wurde eine all- mählich durch das ganze westeuropäische Festland fort- scin-eitende Erwärmung herbeigeführt, wogegen im nörd- lichsten Russland und in Nordskandinavien die strenge Kälte nocli zunahm, so dass z. B. am 24. in Kola: — 36°, am 25. in Haparanda: —32" und noch am letzten Februar daselbst: —29" C. gemessen wurden. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Enianut wiirdf'ii: Dr. A. P rings heim, ausserordentlicher Professor der Mathematik in München, zum ordentlichen Professor; Dr. E. Goeppert und Dr. H. Braus, ausserordentliche Professoren der Anatomie in Heidelberg, zu Prosektoren am anatomischen In- stitut; Dr. H. Lange, Privatdocent der Pädiatrie und Hygiene in Leipzig, zum Oberarzt der Abtheiluug für innere Kranklieiten an der dortigen Diakonissenheilanstalt; Dr. Henle, Privatdocent der Chirurgie in Breslau, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Branislav Petronievics, Privatdocent der Philosophie in Belgrad, zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Ingenieur Alfred Widmaier in Neun- kirchen als ordentlicher Professor der mechanischen Technologie an die technische Hochschule in Stuttgart; Landmesser Curtius Müller als Professor der Geodäsie an die landwirthschaftliche Akademie in Poppeisdorf; Betriebsinspektor Wege le in Ostrowo als ordentlicher Professor für Ingenieurwissenschaften an die tech- nische Hochschule in Darmstadt; Maschinenbauschul - Direktor Benoit in Hagen i. VV. als ordentlicher Professor des Maschinen- baues an die technische Hochschule in Karlsruhe. Abgelehnt hat: Professor des Maschinenbaues Stodola in Zürich einen Ruf an die technisclio Hochschule in Karlsruhe. ?2s habilitirten sieh: Dr. Bredig für Chemie in Leipzig; Dr. J. Zenneck für Physik in Strassburg; Dr. Bolognini für Kinderheilkunde, Dr. Fochesatti für Orthopädie in Bologna; Dr. E. G. Terrile für Pathologie, Dr. Della Vedova für Laryngologie in Genua; Dr. G. Pagano für Physiologie in Pa- lermo; Dr. C. Zenoni für pathologische Anatomie in Pavia. In den Ruhestand treten: Dr. Eduard Vogel, Professor an der thierärztlichen Hochschule in Stuttgart; Professor der mechanischen Technologie Heyn an der technischen Hochschule in Stuttgart. Es starben: Dr. Ruppert, Assistent am physikalischen In- stitut in Kiel (durch Vergiftung); Dr. J. Honiann, zweiter Assistenz:irzt (le> livui(iiisi.'lien Institutes in Kiel (in Folge einer In- fectioii Hill ■r\|.l)ii> li.inllrn); Dr. A. H. Jakob, Professor am Royal Cullr^. nl .Si,i-,.n„.s iu Dublin; Dr. H. J. Herrick, Pro- fessor für ll\,L;i.ii(' ;iiii .Medical Departement of the western re- serve Uuiversity of Cleveland; Prof. Venceslaus Manassein, Professor für innere Medicin in Petersburg. L j 1 1 e r a t u r. Die natürlichen Fflanzenfamilien nebst ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbesondere den Nutzpflanzen, unter Mit- wirkung zahlreicher hervorragender Fachgelehrter, begründet von A. Engler und K. PrantI, fortgesetzt von A. Engler, ordentlichem Professorder Botanik und Director des botanischen Gartens in Berlin, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. ■ — Subskriptionspreis 1,50 M., Einzelpreis 3 M. Seit unserer letzten Anzeige in Bd. XV (1901) No. 45, S. 539 ist nauieiitlich die 4. Abthoilung des I. Theiles gefördert worden, mit amli'ren Worten der Band, der die Pteridophyten behandelt. Es liegen von demselben jetzt 13 Liefrrnnai'U (r,24 Seiten) vor. Da die Pteridophyten unter den fossilen l'ti.in/.i'u ciin' ganz her- vorragende Rolle spielen, sind die letzteirn in .hn M.rliegenden Lieferungen eingehend gewürdigt worden tuid /,\\;ii- hat die Be- arbeitung derselben H. Potonie übernommen. Abgesehen von Ergänzungen im Text der anderen Autoren und Zusätzen am Schluss der recenten Familien über die Fossilien sind die folgen- den Abschnitte ausschliesslich den letzteren gewidmet worden: 1. Uebcr die fossilen Filicales im Allgemeinen und die Reste der- selben zweifelhafter Verwandtschaft. In diesem umfangreichen Abschnitt, der die Seiten 473—515 nmfasst und viele Illustrationen bringt, ist alles das über die fossilen Filicales vorgebracht worden, was bei den recenten Familien nicht untergebracht werden konnte, sei es aus Mangel hinreichender Anknüpfungspunkte, sei es wegen zu grosser Abweichung von dem an recenten Arten Bekannten. Es bildet also dieser Abschnitt zusammen mit den vorausgehenden, zum Theil bedeutenden Einschaltungen (an nicht weniger als 27 Stellen) eine ausführliche Darstellung der fossilen Farnkräuter. Ferner finden sich in ic ftttliriif u^^ fitjiale ©ntuiitkclung öfr bfiitfdicii §d)iiljtjcbictf. S. 3nt)tgiino. Sätjrlicf) crfdiciueii ^2 .'öeftc. - 5Prci§ für bcn ^aljrgang o m. "lirobclicft grntic- iiiib frnnfo. In Ferd Dümmlers Verlagsbuchhandlimg' erscheinen : Mi.tteilung'en Berlin SW. 12 Vereinigui vou Freiiiifleu der Astrouoniie uiii kosmisclieü Pöysit Redigiert von Prof. Dr. W. Foerster zu Berlin. 11. Jahrgang. — Jährlich 10—12 Hefte. — Preis 6 M. Probeheft jederzeit gratis und franko. Illustrierter Geschenkkatalog Zusendung gratis und portofrei 1 Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. 1 Ferd. Dümmlers Verlagsbli. Berlin. Kalisalzlager <_>tto I^ang-. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. Gratis ""1 franko; liefern wir den X Kaehtrag (Juli 1897 bis Juni 1899) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchli., Berlin SW 1.2, Zimnierstr. !M. Ferd. Dfimmlers Yerlagsbnchhandlung in Berlin SW.^12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologisclieu und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 316 Seiten Octav. — Preis 2.40 Mark. Ipdactopep ztttErzeuGttiiaooii Verantwortlicher Redacteur: I-'rofessor Dr. Henry I^otonie, Gr. Lichterfoldo -West bei Berlin, Fotsdamerstr. ;j5, tiir den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. IJiiminlors Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: f Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dauinilers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 24^. März 1901 Nr. 12 Abonnement: Man abonnirt bei allen liuchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M. 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extr:i. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge enft- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinlvunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnok ist iinr mit vollständig^ei* Qaelleiiangabo gestattet. Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes i. J. 1900 bis 1901. Bericht von Prof. Dr. B. Schwalbs Schon seit laugen Jahren stand dem Magistrat der Stadt Berlin eine laufende Summe zur Verfügung zur Pörderuuy des neusprachlicheu Unterrichts. Soll derselbe fruchtbar und den heutigen Zeiten entsprechend ertheilt werden, so müssen die Lehrer, welche denselben geben, die Sprache nicht nur wissenschaftlich beherrschen und befähigt sein, auf dem speciellen Sprachgebiet wissen- schaftlich zu arbeiten und zu producieren, sie müssen viel- mehr auch im mündlichen und schriftlichen Gebrauch eine solche Uebung erlangt haben, dass sie im Unterricht die Schüler nach dieser Richtung hin ausbilden können. Da- zu ist nothwendig, dass sie selbst in Uebung bleiben, und dies geschieht am besten, wenn in jedem Jahr oder doch nach einer Reihe von Jahren die Uebung in Frankreich oder England durch einen längeren Aufenthalt daselbst wieder gründlich durchgeführt wird. So wird dann der Hauptthcil der zur Verfügung stehenden Mittel für Reise- stipendien verwendet, die am besten in der Weise zu ver- theilen sein würden, dass in jedem Jahre einer bestimmten Zahl Schulen im Turnus die Stipendien zugewiesen werden, und wenn an der einen oder anderen Schule kein neu- sprachlicher Lehrer vorhanden ist, der diese Gelegenheit benutzen möchte, so würde das Stipendium für die zunächst in Betracht kommende Schule verwendet, oder es könnte zwei Lehrern einer Schule der ersten Gruppe der Ver- günstigung zu Theil werden. Der Rest jener Summe wurde für Vorlesungen oder ähnliche Veranstaltungen, bei denen Gelegenheit geboten ist, sich im Französischen und Englischen zu vervoll- kommnen, z. B. durch Anhören von Stücken der englischen und französischen Litteratur, gelesen von Engländern und Franzosen u. dergl. m., verwendet. Solche und ähnliche Veranstaltungen finden wir auf allen Gebieten, die einer schnell fortschreitenden Entwickelung unterliegen; am ältesten sind die Fortbildungskurse für die Militärärzte, und die Einrichtung ähnlicher Kurse für die praktischen Aerzte überhaupt ist im vollen Gange. Auch für die Lehrer an Volksschulen sind schon seit längerer Zeit vom Staat und von der Stadt und Vereinen Veranstaltungen getroffen, durch welche den Lehrern Gelegenheit geboten wird, sich zu vervollkommnen. Auf unterrichtlichem Gebiete haben in den letzten Jahrzehnten die Naturwissenschaften an Wichtigkeit so gewonnen, dass es im Interesse der Entwickelung der höheren Schulen liegt, wenn den Lehrern Gelegen- heit geboten wird, den Fortschritten in den Natur- wissenschaften und in der Technik, die im Unterricht nicht unberücksichtigt bleiben darf, zu folgen, und bei dem zugleich auch das Experiment, das immer mehr in den Vordergrund tritt wie auch die Anschauung der modernen Technik und der Natur, die nur durch Excursionen ge- wonnen werden kann. Von diesen Gesichtspunkten aus hatte schon seit zehn Jahren der Staat naturwissenschaftliche Ferienkurse eingerichtet, deren Geschichte in nächster Zeit ver- öffentlicht werden wird. In dankenswerther Weise hat nun auch die Stadt Berlin Kurse veranstaltet, die den Lehrern der höheren Lehranstalten Gelegenheit bieten, durch eine grössere Zahl von Vorlesungen bestimmte Wissens- gebiete in ihrer neuesten Entwickelung kennen zu lernen und zusammenhängende praktische Uebungen (elektro- *) Die Abhandlung wird zugleich einen Ueberblick über die Einrichtungen ähnlicher Art und die in dieser Eichtung vor- handenen Bestrebungen geben. 130 Naturwissenschaftliche Wochenschrift . XVI. Nr. 12. tecliuische, geodätische Uebungen etc.) zu denen beim Universitätsstudium nicht Zeit oder Gelegenheit war, zu veranstalten, sowie Excursionen nach entfernteren natur- wissenschaftlich oder technisch wichtigen und interessanten Gebieten unseres Vaterlandes einzurichten. Ein Theil der Kosten bei den Excursionen trägt die Stadt und die Theil- nehnicr lial)en nur geringe persönliche Kosten zu leisten. Da nun der Staat gleichzeitig solche Fortbildungskurse, die sich mit den städtischen ergänzen, eingerichtet hat, die in der Geschichte der Ferienkurse weitere Berücksichtigung erfahren, ist für Berlin und Umgebung alles für Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts geschehen, was nach dieser Richtung geschehen kann. Auch ist es nur erwünscht, wenn Lehrer aus der Provinz, die z. B. an der Turnlehrerbildungsanstalt sich ausbilden, die Kurse mit benutzen. Ja man könnte an eine Fortführung der- selben die Sommerferien hindurch oder im Herbst denken, wodurch sie Lehrern aller Provinzen und anderer deutscher Staaten zugänglich würden. Da im Jahre 1900/1901 die städtischen Kurse zum ersten Mal durchgeführt wurden, mag nach Berichten der Lehrer und Leiter ein kurzer Ueberblick gegeben werden. Das Programm wurde nach Rücksprache mit dem Herrn Dezernenten Geheimrath Fürsten au durch die Leiter Dir. Reinhardt und Schwalbe aufgestellt. Wohl zu berücksichtigen ist bei allen diesen Ver- anstaltungen, dass sie von Theilnehmern benutzt werden, die auch sonst in hohem Grade durch Unterricht und rein pädagogische Fortbildung in Anspruch genommen sind, (angestellte Lehrer, Candidaten) so dass die Theilnahme an diesen Kursen eine Bethätigung des Strebens der freien Fortbildung und Vervollkommnung ist. Die städtischen Kurse im Sommer 1900 ebenso wie die im Winter 1900/1901 hatten mit der Schwierigkeit zu kämpfen die Benachrichtigungen rechtzeitig in die Hände der Interessenten gelangen zu lassen. Der eine behördliche Weg, die Bekanntmachung durch die Direktoren, führt nicht immer zum gewünschten Ziel. Es kamen 5 verschiedene Veranstaltungen zur Durch- führung. I. Soiiiiuer 1900. Fjogra-m -m der Veranstaltungen für die Förderung dea naturwissonschaft- hchen Unterrichts, Sommer 1900. Die Kurse finden unter Leitung der Herren Direktoren Dr. Schwalbe (Dorotheenstädtisches Real -Gymnasium) und Dr. Reinhardt (2. Realschule) statt, die auch bereit sind, alle Anfragen zu beantworten. I. Vorlesungen. A. Grundzüge der modernen Elektrochemie (Oberlehrer Dr. Lüpke). B. Die Technik des Mikroskops (Prof. Dr. C. Müller). II. Excursionen. A. technologische (Prof. Dr. Böttger), B. geologische (Prof. Dr. Potonid), C. niotallurgisclie (Prof Weeren) Excursionen. III. Uebungen im physikalischen Schulexperiment. Prof. Koppe (.\ndreas-Realgymnaaium). — Prof. Heyne (Falk-Realgymnasium) auf den Winter verlegt. Vorlesungen: A. Dr. R. Lüpke, Oberlehrer am Dorotheen- stiidtischen Realgymnasium. Acht zweistündige Vorträge über die Grundzüge der modernen Elektrochemie auf experi- menteller Basis, im Postgobäude Artilleriestrasso 11, 2 Tr., Saal A. — Beginn 11. Juni, .5—7 Uhr. Die Erscheinungen der Elektro- lyse in einfacher und complicirter Gestalt. Berücksichtigung der praktischen Elektrochemie. — 18. Juni, 5—7 Uhr. Das Faraday- sche Gesetz. Die Unterführungszahleu nach Hittorf. Das Kohl- rausch'sche Gesetz der unabhängigen Wanderungsgeschwindig- keiten der Jonen. — 25. Juni, 5 — 7 Uhr. Die Theorie der elektrolytischen Dissociation der Jonen von Arrhenius. — 2. Juli, 5—7 Uhr. Die van 't Hoffsche Theorie der Lösungen. Der os- motische Druck. Der Dampfdruck, Gefrierpunkt und Siedepunkt der Lösungen sowohl der Nichtolektrolyte als der Elektrolyte. — 20. August, 5—7 Uhr. Die osmotische Theorie des Stromes der Volta'schen Ketten. Die Flüssigkoitsketten. Die Concentrations- ketten. Die Daniell'schen Ketten ', Die Reduktions- und Oxydations- ketten. Die Gasketten. — 27. August, 5 — 7 Uhr. Die Lösungs- tension der chemischen Elemente. Die Polarisation und Haft- intensität. — 3. September, 5 — 7 Uhr. Die Elektrolyse gen\ischtcr Elektrolyte. Die Elektrolyse in der Metallurgie. Die irreversiblen inconstanten Ketten. — 10. September, 5—7 Uhr. Die Accumu- latoren. Die Energetik der galvanischen Elemente und der Elektrolyse. B. Dr. Carl Müller, Professor an der technischen Hoch- schule. Ueber die Vervollkommnung unserer Mikroskope und die moderne Mikrotechnik. Die Vorlesungen werden zunächst die Fortschritte behandeln, welche durch die Einführung der homogenen Immersionen, der Apochromate, des Abbe'schen Condensor und der Irisblende bedingt wurden. Es werden Prü- fungen und Vergleiche der besten Instrumente unserer führenden Firmen vorgenommen werden. Bei der Behandlung mikrotechnischer Fragen sollen die Me- thoden der Herstellung der Schnitte unter Demonstration der Härtungs- und Einbettungsverfahren, sowie die Handhabung der Mikrotome und die Erlangung von Serienschnitten erörtert werden. Der dritte Abschnitt behandelt die mikrochemischen Reak- tionen, die Färbungsmethoden und die Herstellung der Dauer- präparate. Jedem Vortrage wird sich die entsprechende Demonstration unmittelbar anschliessen. Ort: Botanisches Institut der Königlichen landwirthsohaft- lichen Hochschule (Berlin, Invalidenstrasse 42). — Zeit: Mitt- wochs Nachmittags 5 — 6V-> Uhr. — Beginn: Mittwoch, den 13. Juni 1900. ;— Fortsetzung am 20., 27. Juni und i. Juli. — Nach den Ferien: 22., 29. August, 4. und 12. September. II. A. Für die nachstehend verzeichneten Tage sind folgende Excursionen in Aussicht genommen, zu denen stets acht Tage vorher im chemischen Laboratorium des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums, Nachmittags um 5 Uhr ein vorbereitender Vor- trag stattfindet: 25. Juni. Besuch der Lehr- und Versuchsbrauerei in der Seestrasse. Vortrag am 18. Juni, 5 — 6. — 27. August. Besuch einer Stearin- und Seifenfabrik. Vortrag am 20. August, 5—6. — 24. September. Besuch einer grösseren Eisengiesserei und Ma- schinenbauanstalt (Borsig oder Schwarzkopff ). Vortrag am 17. Sep- tember, 5—6. Prof. Böttger. Da der Zeitpunkt, an welchem die einzelnen Excursionen beginnen, von den Wünschen der betrefl'enden Betriebsleiter ab- hängt, so kann er stets erst gelegentlich des vorbereitenden Vor- trags mitgetheilt werden. B. Herr Prof. Dr. Potoniti beabsichtigt, drei eintägige Excursionen zu unternehmen und zwar: 1. nach Gross Raschen: Ein Taxodium-Wald der Vorzeit. Mittwoch, den 6. Juni. — Ein- tägiger Ausflug. Ausserdem sind in Aussicht genommen: 2. Eine Excursion in die Culm. — Steinbrüche des Magdeburgischen zur Demon- stration allochthouer Pflanzenablagerungen und 3. eine in ein Steinkohlen-Revier. C. Grösserer Ausflug in den Harz unter Leitung des Herrn Geheimen Regierungsraths ProfDr. Weere'n, Vorsteher des metallurgischen Laboratoriums am Polytechnikum in Charlottenburg' Vorbereitende Vorlesungen Montag, 24. Sep- tember und Mittwoch, 26. September über die zur Besichtigung kommenden metallurgischen Prozesse. Die Excursion beginnt am Sonntag, den 30. September Mittags, damit die billigen bommer- fahrkarten für den Harz (von zehntägiger Dauer resp. sechs- wöchentlicher Gültigkeit) benutzt werden können. Es werden die Orte Ilsonburg, Harzburg, Ocker, Goslar, Lautenthal, Peine be- sucht. In Goslar wird der Rammeisberg befahren. Es kommen zur Besichtigung metallurgische Prozesse für Eisen, Blei, Kupfer, Silbergewinnung und von Eisen aus phosphorhaltigem Eisenstein. Thomasschlacken u. s. w. — Rückkehr Sonnabend, den ti. Oktober. Nach den grossen Ferien wird das nähere Programm mitgetheilt. Zahl der Theilnehmer 20-30. III. Uobungskursc in einzelnen höheren Schulen. Es ist beabsichtigt, in einzelnen höheren Lehranstalten physi- kalische Uebungskurse einzurichten, in denen an der Hand der Schulapparate in unseren höheren Lehranstalten die wichtigsten Schul experimente praktisch durchgeführt werden; auch s, llen die XVI. Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 131 Handhabung und die Reparatur der Apparate selbst berück- sichtigt und methodisch erläutert werden. An jedem Kurse nehmen nur 4-5 Herron Theil. cf. Winter 1900/1901. Eine Anzahl von Kandidaten und Lehrern nahm an den Mechaniker- und elektrischen Uebungen des Staates Theil. Oberlehrer Dr. Lüpke: Elektrochemische Vortrüge. Um die Vorträge über die Grundzüge der modernen Elektrochemie, welche einen Theil des Programms der auf Veranlassung des Berliner Magistrats im Sommer 1900 für die Förderung des naturwissenschaftlichen Unter- richts eingeführten Kurse bildeten, in dem gewünschten Umfang halten zu können, war es mir ein dringendes Bedürfniss, diejenigen Apparate, welche ich an der Kaiser- lichen Post- und Telegraphenschule für die Zwecke des chemischen Unterrichts in dieser Anstalt construirt habe, sowie die sonstigen dortigen, insbesondere die für elektro- chemische Versuche getroffenen Einrichtungen in obigen Vorträgen zu benutzen. Das Kaiserliche Reichs-Postamt hatte die Güte, mir auf meinen Antrag für die Vorträge des elektrochemischen Kursus den Hörsal A der Post- und Telegraphenschule und die Lehrmittel dieser Anstalt zur Verfügung zu stellen unter der Bedingung, dass die Kosten für Beleuchtung erstattet und die verbrauchten Chemikalien in natura er- setzt würden, sowie dass einigen Telegraphenbeamten der Zutritt zu den Vorträgen gestattet sei. Die Vorträge fanden Montags von 5—7 Uhr statt, und zwar am 11. Juni, 18. Juni, 25. Juni, 2. Juli, 20. August, 27. August, 3. September und 10. September. Für den Beginn eines Vortrags wurde auf Wunsch der Theilnehmer des Kursus das akademische Viertel fest- gesetzt, jedoch mussten die Vorträge bei der Reich- haltigkeit des darzustellenden Stoffes 15—20 Minuten über 7 Uhr ausgedehnt werden, obwohl die Vorberei- tungen zu den zahlreichen Experimenten und Vorführungen so genau, wie es mir möglich war, getroffen waren. Die Zahl der Zuhörer belief sich auf 40 — 50, und zwar nahmen 30—40 Lehrer der höheren Schulen Berlins und der Umgegend und 10—20 Telegrapheubeamte Theil. Die Pensen der einzelnen Vorträge, welche einen Ueberblick über die modernen Theorieen der Elektro- chemie und die bisher erzielten Fortschritte der elektro- chemischen Technologie gaben, wurden nach der von mir angegebenen Disposition durchgeführt, nämlich 1. Vorführung einer Reihe von Versuchen zur De- monstration der Mannigfaltigkeit der elektrochemischen Erscheinungen. Ableitung des Begriffs der Elektrolyse. 2. Das Faraday'sche Gesetz und die Ueberführungs- zahlcn von Hittorf. 3. Das Gesetz der Wanderungsgeschwindigkeiten der Jonen von Kohlrausch und die Dissociatioustheorie von Arrhenius. 4. Die van 't Hoff 'sehe Theorie der Lösungen. 5. Die Flüssigkeitsketten, Concentrationsketten und Daniell'schen Ketten. 6. Die Reduktions- und Oxydationsketten, die Lö- sungstension der chemischen Elemente. 7. Die Polarisation und Haftintensität der Jonen. Die Elektrolyse gemischter Elektrolyte und die elektro- metallurgischen Prozesse. 8. Die irreversiblen Ketten und die Accumulatoren. Die Energetik der galvanischen Elemente und der Elektro- lyse. R. Lüpke. Prof. Böttger: Technologische Excursionen. Im verflossenen Sommerhalbjahr wurden unter der Leitung des Unterzeichneten folgende Excursionen aus- geführt: am 25. Juli: Versuchs- und Lehrbrauerei. „ 27. August: Stearinkerzen- und Seifenfabrik des Herren Spielhagen (Nostizstrasse). am 24. September die Borsig'sche Eisengiesserei und Maschinenbauanstalt in Tegel. Acht Tage vor jeder Vorlesung wurde ein vorberei- tender Vortrag von dem Unterzeichneten im chemischen Auditorium des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums ge- halten, und zwar am 18. Juni: über die alkoholische Gährung und ihre technische Verwendung; am 20. August: über die Gewinnung des Stearins und der Seife; am 17. September: über die in der Giesserei ver- wendeten Roheisensorten, die zur Herstellung der Guss- formen benutzten Materialien und die Grundlagen der Modell- und Schablonenformerei. Im Anschluss daran wurden die Versuche von Goldschmidt über die Ver- wendung eines Aluminium-Eisenoxydgemisches als Wärme- quelle demonstrirt. Prof. Böttger, Oberlehrer am Doro theenst. Realgymnasium Prof. Dr. Carl Müller: Ueber die Vervollkommnung unserer Mikroskope und die moderne Mikro- technik. In dem seiner Zeit verausgabten Programm war für die Vorträge die Zeit Mittwochs Nachmittags 5— ßVoUhr und zwar an den acht Terminen: 13. Juni, 20. Juni, 27. Juni, 4. Juli, 22. August, 29. August, 4. September, 12. September festgesetzt. Die Termine und die angegebenen Zeiten wurden nach Vereinbarung mit den Herren Theilnehmeru inne- gehalten. An dem Eröffnungstage beschränkte sich die Thätigkeit des Vortragenden auf Wunsch des Einführenden, Herrn Director Prof. Dr. Reinhardt, jedoch nur auf Verab- redungen, da die Zahl der Theilnehmer zunächst zu ge- ring erschien. Die Einbusse, welche die Vorträge durch diesen Zeitverlust an Inhalt verloren hatten, sollte da- durch beseitigt werden, dass die folgenden Vorträge prä- cise um 5 Uhr beginnen sollten und die Demonstrationen nach Bedürfniss etwas über 6\2 Uhr ausgedehnt wurden. Die Demonstrationen konnten durch Aufstellen der besten und neuesten Instrumente bewirkt werden. Zu- nächst hatte der Leiter des botanischen Institutes der königl. landwirthschaftlichen Hochschule, Herr Prof. Kuy, das gesammte Instrumentarium dieser vorzüglich aus- gerüsteten wissenschaftlichen Arbeitsstätte zur Verfügung gestellt. In ausserordentlich liberaler Weise wurde der Vortragende durch die führenden Firmen (Zeiss-Jena, Seibert - Wetzlar, Leitz - Wetzlar, Himmler - Berlin) durch leihweise üeberlassung der neuesten Instrumente unterstützt. Die Kataloge der genannten Firmen, mit zum Theil werthvollen Abbildungen und wissen.schaftlich werthvollen Erläuterungen, wurden den Theilnehmern ge- schenkweise überreicht. Der Vortragende Hess auch das ihm anvertraute Instrumentarium der königlichen techni- schen Hochschule an den Vortragsort bringen. Die Vorträge am 20. und 27. Juni bezogen sich auf die Theorie des Mikroskopes und des mikroskopischen Sehens. Hauptgegenstand bildete die Kenntnissnahme 132 Xaturwissenschaftliche Wochenschrift. XVT. Kr. 12. der EinrichtuDgen der stärksten Trockensy.steme, die Be- trachtung der Hilfsmittel zur gleichzeitigen Beseitigung der sphärischen und der chromatischen Aberration der Systeme, die Besprechung der Apochromate und Semi- apochromate und Darlegung des Fortschrittes, welcher durch die Einführung der homogenen Oelimmersionen er- zielt worden ist. Der Vortrag am 4. Juli behandelte die Prüfung der Mikroskope, die Messapparate, JJestimmung der Ver- grösserungen und die Einrichtung der älteren und neueren Zeichenapparate. Am 22. August wurden Einrichtung und Benutzung des Polarispektroskopes und die Einrichtung und Ver- wendung des Polarisationsmikroskopes mit besonderer Be- rücksichtigung dor Polarisationsfarben besprochen und durch die entsprechenden Demonstrationen ergänzt. Der Vortrag am 29. August bezog sich auf die mo- derne Technik der Mikroskopie, specieil auf die Methoden der Conservirung, der Härtung und Einbettung der zu schneidenden Objecte unter Vorführung der hierbei be- nutzten Materialien und Apparate. Am 4. August wurden die Methoden des Schneidens, besonders die älteren und neueren Mikrotome behandelt bezw. vorgeführt. Die Schlussvorlesung behandelte die wichtigsten mikrochemischen Reaktionen und die Färbetechnik. An dem Kursus nahmen sechs Theilnehmer Interesse. Es ist erfreulich, berichten zu können, dass keiner der Herren den einen oder anderen Vortrag versäumt hat. Prof. Dr. Carl Müller. Prof. Dr. H. Potonie: Excursioneu in das Revier des Senftenberger Braunkohlen-Flötzes und zu den Culm-Steinbrüchen des Magdeburgischen. Die ausgeführten Excursioneu 1. in das Senftenberger Braunkohlen - Revier der Nieder-Lausitz, 2. in die Culmsteinbrüche bei Hundisburg im Magde- burgischen hatten zusammen mit einer später (im Winter 1900/1901) ausgeführten Excursiou in ein Steinkohlen-Revier das Ziel, die wichtige, viel umstrittene und noch immer nicht zur allgemeinen Entscheidung gebrachte Frage nach der Autochthonie und Allochthonie der Kohlenflötze bezw. der fossilen Pflanzenablagerungen durch Vorführung von Thatsachen in der freien Natur zum Verständniss zu bringen. Es sollten typische Fälle aufgezeigt werden einerseits von Autochthonie von Pflanzen- Ablagerungen (Gr. Raschen und Zwickauer Steinkohlen-Revier), anderer- seits von Allochthonie (Culm- Steinbrüche des Magde- burgischen). 1. Die Excursion nach Gr. Raschen fand am 6. Juni statt; es wurden die Gruben Victoria und Marie Nord- westfeld bei Gr. Raschen besucht, nachdem der unter- zeichnete Leiter der Excursion in Gr. Raschen einen ein- leitenden Vortrag über die oben erwähnte Frage gehalten hatte. — Es handelte sich darum, die fossilen, meist aus Taxodium distichum zusammengesetzten Wälder zu zeigen, deren Stumpfe sich noch an Ort und Stelle in dem Flötz vorfinden und die beweisen, dass das Flötz ein fossiles (und zwar miocänes) Waldmoor ist. Im hangenden Thon des Flötzes war eine Stelle aufgeschürft worden, die prachtvolle fossile Pflanzenreste (Blatt-Abdrücke) lieferte, die eine Vorstellung von der ehemaligen, an die sub- tropische anklingende Flora des alten Waldmoores gaben. 2. Die Excursion nach Hundisburg fand am 25. Juli statt: Auch hier wurde zunächst (in Neuhaldensleben) eine Erläuterung über das zu Besichtigende gegeben. Es handelte sich diesmal um die Veranschaulichuug einer allochthonen Pflanzenablagerung. Der besuchte Stein- bruch befindet sich in einer Culm-Grauwacke, die sich petrographisch und paläontologisch als die direkte Fort- setzung der Culm-Grauwacke des Oberharzes darstellt. Das reiche Vorkommen von „fossilem Häcksel" (z. Th. Parallel - Häcksel), das die Excursionisten beobachten konnten, brachte den Gegensatz zwischen dem früher be- suchten autochthonen Vorkommen in der Niederlausitz und dem allochthonen im Magdeburgischen in auffälligster Weise zur Anschauung. — Es wurde die Gelegenheit be- nutzt, die auf der hangenden Fläche der Culm-Grauwacke in die Erscheinung tretenden Glacial-Schrammen zu zeigen; zu diesem Zweck war eine genügend grosse Fläche von der Diluvial- Decke entblösst worden. H. Potonie. (Fortsetzung folgt.) Das proliferirende persönliche und das sachliche, konservative Prioritätsprincip in der systematischen Ontologie.+) Lösung der Nomenklaturfrage von Dr. Hans Hallier (Hamburg). Vor Kurzem veröffentlichte ich unter fast gleich- lautender Uebcrschrift als Sonderabdruck einen kleinen, meiner Abhandlung über Kautschuklianen**) entnommenen Aufsatz, in welchem die bereits von Anderen***) ge- troffene Unterscheidung eines subjectiven (persönlichen) und eines objectivcn (sachlichen) Prioritätsprinzipes weiter *) Wenn ich mieh im Folgenden als Botaniker vorwiegend an meine engeren Faehgonossen wende, so berührt der behandelte Gegenstand die Zoologie und Paläontologie doch nicht minder als die Botanik. **) Dr. Hans Hallier, Ueber Kaiitschuklianen und andere Apocyneen, nebst Bemerkungen über Hevea und einem Versuch nur I-ösung der Nomenklaturfrago. — Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten XVII, 3. Beiheft (Nov 1900) .S 17 bis 216, Tafel 1-4. ***) Siehe Celakovsky im Bot. Centralbl. LXXVIII (1899), S. 259 u. ff. " durchgeführt wird. Auf der vorjährigen Naturforscher- versammlung zu Aachen, wo Herr Professor Dr. Carl Müller aus Charlottenburg die Güte hatte, über meinen kleinen Aufsatz zu berichten, scheint der letztere nun zwar bei den verhältnissmässig wenigen dort anwesenden Bo- tanikern mit zwei Ausnahmen eine günstige Aufnahme ge- funden zu haben; im Uebrigen aber kommt es mir fast so vor, als ob die Logik meiner Schlussfolgerungen den herrschenden Anschauungen und Gewohnheiten etwas un- bequem wäre und man hie und da den Versuch mache, eine etwaige Wirkung der kleinen Schrift von vorneherein mit dem nicht ganz aufrichtigen Mittel des Todtschweigens zu verhindern. In Folge dessen sehe ich mich veranlasst, im Folgenden in knapperer und präciserer Form, nur durch wenige Zusätze ergänzt, vor einem grösseren Forum das XVI. Nr. 12. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 133 zu wiederholen, was in meinem leider nur einem engeren Leserkreise zugänglichen Schriftchen breiter und aus- führlicher zur Darstellung gelangt ist. Endzweck einer internationalen Regehing der Nomenklatur ist es, zur Erleichterung des internationalen wissenschaftlichen Verkehrs und zur Vermeidung von Missverständnissen, durch Anempfehlung bestimmter auf streng logischen Grundsätzen aufgebauter und dadurch der aligemeinen Anerkennung möglichst sicherer Regeln eine einfache, allgemein verständliche, einheitliche und stabile Nomenklatur herbeizuführen, ein Nomenklatur- system also, das es den Botanikern aller Länder er- möglicht, unabhängig von einander und doch einheitlieh, möglichst mit mathematischer Bestimmtheit unter den ver- schiedenen Namen einer und derselben Fflanzeuform (oder Formcugruppe) einen und denselben für den Gebrauch auszuwählen. Im Besonderen gehört demnach zu den leitenden Grundsätzen der Nomenklatur, denen sich alle anderen Gesichtspunkte unterzuordnen haben, auch die Vermeidung der Aufstellung überflüssiger neuer Namen und solcher Ausdrucksfornien und Namen, aus denen Irr- thümer, Zweideutigkeiten und Verwirrungen für die Wissen- schaft erwachsen könnten. Zur Richtschnur, nach welcher die Auswahl des in allgemeinen Gebrauch zu nehmenden Namens einer jeden Pflanzenform zu geschehen hat, wählte man das Prioritätsprincip. Das Prioritätsprincip ist also, wie jetzt er- freulicher Weise wieder mehr und mehr anerkannt wird, kein Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck, zu dem Endzweck nämlich, unter den verschiedenen Namen einer jeden Fflanzeuform eine einheitliche Wahl zu treffen und so zu einer einheitlichen und stabilen Nomenklatur zu gelangen. Das Prioritätsprincip hat folglich nur in- soweit eine Berechtigung, als es sich diesem Endzweck und überhaupt den leitenden Grundsätzen der Nomen- klatur unterordnet.*) Die zahlreichen verschiedenen Formen und Ab- stufungen des Prioritätsprincipes lassen sich sämmtlich unter zwei Hauptformen zusammenfassen, nämlich dem sub- jectiven (persönlichen), namenänderuden Prin- eip der absoluten, unbeschränkten Priorität und dem objectiven (sachlichen), conservativen Prin- cip der bedingten, eingeschränkten Priorität. Von beiden Principien erfüllt nur dasjenige der be- dingten Priorität die Vorbedingung, dass es sich den leitenden Grundsätzen der Nomenklatur unterordnet und zu einer stabilen Nomenklatur führt. Ohne irgend welche Rücksichtnahme auf Personen scheidet dieses ob- jective (sachliche und wissenschaftliche) Prioritätsprincip unter den verschiedenen Namen einer jeden Pflanzenart zunächst diejenigen als nicht concurrenzfähig aus, welche nach dem jeweiligen Stande unserer Kenntnisse unrichtig sind, und wählt unter den sachlich richtigen, also auf richtiger Bestimmung der Gattung beruhenden Namen den ältesten aus, mit anderen Worten: es wendet die Priorität nur innerhalb der rechtmässigen Gattung an und erlaubt demnach in solchen Fällen, in denen eine Art in eine Gattung versetzt wird, in der sie kein konkurrenzfähiges Synonym aufzuweisen hat, bei der Aenderung des Namens erforderlichen Falles auch die Wahl eines ganz neuen specifischen Attributs. Für Ipomoea pes caprae Sweet (1818) verfallen also auf so lange, als sie der Gattung Ipomoea zugezählt wird, zunächst alle mit anderen Gattungs- *) Bis hierher decken sich die obigen Ausführungen unge- fähr auch mit denen in der Einleitung meiner „Bausteine zu einer Monographie der Convolvulaceen", Bull, de l'herb. Boissier V (1897), S. 368-369. namen gebildeten Namen, also auch ihr ältester Name Convolviilus pes capraeh. (1753), vorbehaltlos der Synonymie und unter den mit der richtigen Gattung, Ipomoea, ge- bildeten Namen ist der älteste, I. biloba Forsk. (1775), gültig. Um sich also von der dauernden Gültigkeit eines Namens überzeugen zu können, hat man es, die richtige Bestimmung der Gattung vorausgesetzt, nur nöthig, alle in dem Zeitraum von 1753, dem Anfangspunkt unserer uomen- klatorischen Zeitrechnung für Arten, bis zum Publications- datum des betreffenden Namens veröffentlichten Arten der- selben Gattung zu vergleichen, und die Fälle, in denen für eine bestimmte Art die Bildung eines neuen Namens erforderlich wird, beschränken sich darauf, dass sie in eine Gattung versetzt wird, in der sie noch kein konkurrenz- fähiges Synonym aufzuweisen hat, oder dass ihre sämmt- lichcn innerhalb der richtigen Gattung vorhandenen Namen durch das Inkrafttreten älterer Homonyme ihre Konkurrenz- fähigkeit einbüssen. Im Gegensatz zum Princip der bedingten Priorität setztsich dasjenige, der absoluten unbedingten Priori- tät über die leitenden Grundsätze der Nomenklatur, ins- besondere über die Forderung, die Aufstellung überflüssiger Namen zu vermeiden und die Namen möglichst zu tixireu, hinweg und erhebt die Priorität zum Endzweck der Nomenklatur, indem es dieselbe in subjectiver Rücksicht- nahme auf Personen überhaupt auf sämmtliche seit 1753 gegebenen und durch Beschreibungen oder Synonyme hin- reichend erklärten Namen ausdehnt, auch auf solche, die einer auf rein sachliche und wissenschaftliche Beweise, d. h. auf eine richtige Bestimmung gegründeten Berechti- gung entbehren. Es behandelt das specifische Attribut im Binom, obgleich dasselbe im Allgemeinen kein Eigenname ist, also nicht, gleich den Gattungsnamen, etwas kon- kretes, eine Anzahl von gleichartigen Gegenständen, sondern nur etwas Abstractes, eine Eigenschaft bedeutet, inconsequenter Weise als etwas Selbstständiges, dem Gattungsnamen Gleichberechtigtes, welches bei einer Aenderung des Gattungsnamens unbedingt mit in das neu zu bildende Binom hinüberzunehmen ist, auch dann, wenn die zu versetzende Art in der neuen Gattung bereits Syno- nyme jüngeren Datums aufzuweisen hat.*) Für eine z. B. der Gattung Stidocardia angehörende Art, welche, nehmen wir an, gegenwärtig nur die beiden Namen CoiioolvuJus UliifoUus Desr. (1789) und Stidocardia tiliifoJia Halber f. (1893) hat, verlangt also das Princip der absoluten Priori- tät, sobald ihre Identität mit Convolvulus grandifforus L. f. (1781) nachgewiesen wird, unbedingt die Bildung des überflüssigen iieuen Namens Stidocardia c/randiflora. In Wirklichkeit hat diese Art noch eine Reihe anderer, aus den Gattungsnamen Ipomoea, Bivea und Argyreia ge- bildeter, nicht bis 1781 zurückreichender Synonyme. Wer also meine Gattung Stidocardia nicht anerkennt, sondern sie mit irgend einer der übrigen genannten Gattungen vereinigt, von dem verlangt das Princip der unbedingten Priorität die Neubildung eines weiteren völHg überflüssigen Namens, was bei Arten von sehr zweifelhafter Stellung bei jeder Identificirung mit einer in einer anderen Gattung oder gar Familie aufgefundenen Art eine ganze Reihe von überflüssigen neuen Namen zur Folge haben kann. *) Auf wie schwachen Füssen diese Auffassung steht, das geht unter anderem auch daraus hervor, dass in einem Meinungs- austausch über die Nomenklaturfrage ein Zoologe im offenbaren Bewusstsein der Schwäche seiner Beweisgründe den Ausnahme- fall, dass ein Artname aus zwei Gattungsnamen besteht, den Namen Perdix Coturnl.v nämlich, zum erläuternden Beispiel wählte und ihn mit dem Eigennamen Fritz Müller verglich. Nun, für Ptrduv Coturnix ist ia allerdings dieser Vergleich vollkommen zutreffend ; wie steht es aber damit, wenn das specifische Attribut ein Eigenschaftswort ist? Eine Ipomoea putchra lässt sich offenbar recht gut mit einem Namen wie „der schöne Meier " vergleichen, nie und nimmer aber mit einem Fritz Müller. 134 Naturwissenschaftliche "VTochenschrift. XYI. Xr. 12. Vor einer Wiederhohiug dieses ProlificatioDsprocesses, wegen dessen ich das Princip der absohiteu Priorität im Gegensatz zum conservativen Princip der bedingten Priori- tät auch das prohferirende Prioritätsprincip genannt habe, ist man aber so lange nicht sicher, bis entweder mit dem Jahre 1753 der Anfangspunkt unserer Nomenklatur der Arten erreicht ist, oder bis man das Unmögliche erreicht und sich mit allen von 1753 ab bis zum PubHkations- datnra des jeweilig ältesten bekannten Namens der Pflanze veröffentlichten Arten derselben Klasse bekannt gemacht hat. Doch auch dann, wenn erst einmal die ganze seit 1753 bis zum heutigen Tage publicirte Synonymie voll- kommen geordnet wäre, würde noch nicht die geringste Aussicht auf ein Versiegen der dem Princip der absoluten Priorität entsprudelndeu Quelle fortwährender überflüssiger Vermehrung der Synonynie vorhanden sein. Bei dem sich von Tag zu Tag oberflächlicher und fabrikmässiger ge- staltenden Betrieb der beschreibenden Botanik werden sich die Fälle, dass Arten irrthümlich als neu beschrieben werden, weil sie zuvor, bei ihrem erstmaligen Bekannt- werden, in falsche Gattungen oder gar Familien eingereiht wurden, also Fälle, durch welche dem Princip der unbe- dingten Priorität immer aufs Neue wieder Gelegenhenheit zum Aufstellen überflüssiger Namen geboten wird, eher mehren als mindern. Sind schon fehlerhafte Bestimmungen der Familie durchaus nicht so selten, wie 0. Kuntze''0 glauben machen will, so gehört ein falsches Bestimmen der Gattung leider geradezu zum Alltäglichen, und es ist eine ganz will- kürlich herausgegriffene Zahl, wennO.K nutze'-) behauptet, dass die dem Princip der absoluten Priorität zur Last fallenden neuen Namen nur 5 % aller neuen Namen be- trügen. Solange das System und die Synonymie des Pflanzenreiches nicht so gründlich durchgearbeitet und gesichtet sind, dass alle zusammengehörigen Formen auch wirklich mit einander vereinigt worden sind, lässt sich ein sicherer statistischer Nachweis über das vorerwähnte Verhältniss überhaupt nicht erbringen. Denn durch eine solche Vereinigung der mit einander identischen Formen wird sich die Zahl der dem absoluten Prioritätsprincip zur Last fallenden überflüssigen Namen noch ganz er- heblich steigern. Indessen mustere man nur einmal die Synonymie solcher Arten, bei denen dieselbe besonders umfangreich ist, und man wird finden, dass die auf das Schuldconto des Princips der absoluten Priorität ent- fallenden Namen schon jetzt häufig an die 50 % aller Synonyme heranreichen. Nach alledem hat das sachliche Princip der bedingten Priorität vor dem persönlichen Princip der unbe(.i i ir;ihrenen Lehrers beim An- schauungsunterrichlr ■i ,i .n. |i;ih.r hat es auch der Verfasser mit so zahlreichen von ihm selbst entworfenen Figuren aus- gestattet und diese mit Buchstaben und Symbolen versehen, welche dem Studirenden in leichter Weise eine richtige An- schauung ermöglichen sollen. XVI. Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 139 Der Verfasser geht vom rhombischen System aus und er- läutert an der Formenreihe des Schwefels die Grundbegriflfe und Lehrsätze der Krystallographie. Dann behandelt er im zweiten Hauptabschnitte die übrigen Krystallsysteme und kommt im dritten Theile zu den physikalischen Eigenschaften der Krystalle in ihrem Zusammenhange mit der geometrischen Symmetrie. Möge das Büchlein seinen Zweck voll und ganz erfüllen.^ G. Franke, Bild eines Steinkohlen-Bergwerkes und Braun- kohlen-Tagebaues nebst Erläuterung. Berlin-Leipzig-Wien- Stuttgai-t. Deutsches V.ila-?lKms Bong & Co. - Preis 1 M. Das 30:45 cm grosse Bild soll dem im Bergbau nicht ein- geweihten Beschauer einen Begritt' von den unterirdischen Ge- birgsverhältnissen, von der Lage der Grubenbaue und dem In- einandergreifen der verschiedenen Betriebszweige geben; ausser- dem ist in einem nur wenig Seiten umfassenden Text noch manches Wissenswerthe augeführt. So erhält der Leser nicht nur Kenntniss über die Mächtigkeit und Zahl der in einem Gruben- felde vorhandenen Steinkohlen-Flötze, über die Entstehung der- selben, über die Wirkung des Gcbirgsdruckes auf die Lage der Fliitze, sondern wird auch, während die einzelnen Theile des Bildes erklärt werden, über die Gefahren des Betriebes und über die wichtigsten Einrichtungen für die Regelung und Sicherheit desselben unterrichtet. Auch der Betrieb des Tagebaues bei der Gewinnung der Braunkohle wird auf dem Bilde zur Anschauung gebracht und im Text erklärt, so dass der Leser über die Ab- bauverhältnisse und über die Entstehung der Braunkohle die nothwendigsten Kenntnisse erhält. Man kann wohl behaupten, dass dem Verfasser, dessen Bild eine bedeutend erweiterte Wiedergabe einer Tafel aus Dorien, E.xploitation des mines ist, seine Absicht, in möglichst einfacher und kurzer Darstellung das Interesse des Laien für die ver- schiedenen Verhältnisse beim Abbau der Stein- und Braunkohle zu befriedigen, recht gut geglückt ist. L. Schulte. P. Adolf Müller, Ueber die Achseudrehung des Planeten Venus. Mit einer Tafel. Münster i. W. 1899, Verlag der AschendorfF- schen Buchhandlung. — Preis l M. Die vorliegende, als Sonderabdruck aus „Natur und Offen- barung" erschienene und nach einer der päpstlichen Akademie der Wissenschaften vorgelegten Denkschrift verfasste Studie giebt eine sehr sorgfältig zusammengestellte und vollständige Dar- stellung der vielen und bis in unsere Tage einander vielfach widerstreitenden Versuche, die Venusrotation auf Grund von Fleckenbeobachtungen zu erforschen. Die durch die Autorität Schiaparelli's gestützte Ansicht, dass die Umdrehung der Venus eine sehr langsame sei und veruaithlich mit ihrer Umlaufszeit um die Sonne übereinstimme, hat zwar hier und da Anhänger ge- funden, jedoch neigt sich trotz aller Hochschätzung der Beob- aehtungskunst des Mailänder Astronomen die Mehrzahl der Beob- achter auch neuerdings der Ansicht de Vico's zu, dass die Um- drehungszeit der Venus von derjenigen der Erde nicht viel verschieden sei. Genannt seien hier von neueren Verfechtern dieses Standpunktes Brenner, Villiger, Löschhardt, Wislicenus und nicht zuletzt der Verf. selbst, der in den vorliegenden Arbeiten seine mit vieler Ausdauer fortgesetzten Beobachtungen an der Hand der durch Steindruck wiedergegebenen Zeichnungen disku- tirt. Diese Beobachtungen sind auf dem Janiculum zu Rom mit einem lOzölligen Aequatoreal ausgeführt worden, also in der- selben Stadt, da auch MüUer's Amtsvorgänger de Vico seine Beob- achtungen gemacht hat, wenn auch die Benutzung des gleichen Instruments wegen der inzwischen erfolgten Besitzergreifung des Collegio Romano durch den Staat dem gelehrten Jesuiten leider nicht möglich war. Mehrfach konnte Müller ebenso wie Brenner das Fortschreiten von Flecken im Verlaufe weniger Stunden deut- lich verfolgen; interessant sind auch die beiden Zeichnungen, die er bei der oberen Conjunktion entworfen hat und die Venus fast wie .Jupiter erscheinen lassen. — Mehrfach äussert Verf. die Hoffnung, dass eine endgiltige Entscheidung der Streitfrage über die Venus- rotation durch die Spektralanalyse gefällt werden wird. Dies ist nun in der seit dem Erseheinen vorliegender Abhandlung ver- strichenen Zeit thatsächlich geschehen, indem Bredichin durch photographische Aufnahmen des Venusspektrums nachweisen konnte, dass die Linien am Ostrande gegen diejenigen am West- rande eine messbare Verschiebung im Sinne normaler Rotation aufweisen. Wenn auch eine genaue Bestimmung der Rotations- zeit auf diesem Wege noch nicht zu erzielen ist, so kann man doch die Scliiaparelli'sche Ansicht durch Bredichin's Erfolge als definitiv widerlegt ansehen. F. Kbr. Dr. med. Hugo Groth, Zur Dynamik des Himmels. Hamburg, Commissionsverlag von A. B. Laeisz, 1901. Wieder einmal ist Newton gestürzt, und zwar diesmal von einem Arzte durch ein Schriftchen von 74 kleinen Seiten ohne jede mathematischcFormcl. DieGründe, die den Verfasser dazu bewegten, an dem Fundament der heutigen Wissenschaft zu zweifeln, legt er auf den ersten Seiten selbst dar. Erstens müsste die An- ziehungskraft im Innern der Erde schwächer werden (was be- kanntlich auch der Fall ist), der Verf. aber hat entdeckt, dass, „wenn wir den fallenden Körper in einen tiefen Schacht fallen lassen, die Bewegung in derselben Acceleration, wie- ausserhalb der festen Erde, vor sich geht." Ferner ist die Himmelsmechanik nach des Verf. Ansicht gezwungen, eine elektrische Abstossungs- kraft anzunehmen, um die zunehmende Entfernung der Kometen von der Sonne nach dem Periheldurchgang zu erklären. Auf so groben Missverständnissen, wie man sie allenfalls bei einem Sekundaner sich versehen könnte, baut sich das Raisonnement des neuen Newton auf, so dass jedes weitere Wort über seine fixen Ideen von CentrifugalkrUften u. s. w. sich erübrigt. F. Kbr. Arthur Korn, Lehrbuch der Potentialtheorie. II. Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. X. u. 36G Seiten. 8°. Mit 58 in den Text gedruckten Figuren. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin 1901. — Preis 9 M. Der vorliegende zweite Band des Lehrbuches der Fotential- theorie bietet eine auf umfassenden und eindringenden Studien be- ruhende Darstellung der Theorie des logarithmischen Potentials, dem namentlich in mathematischer Hinsicht ein sehr vielseitiges Interesse zukommt. Und in der That wird vor allem der Mathe- matiker den Darlegungen des Verfassers seine Aufmerksamkeit zuwenden. Es handelt sich nämlich um eine Darstellung des viel durchforschten Gebietes, die so manche selbstständige Unter- suchung des Verf. enthält; namentlich sei u. a. hier die Lösung des Hauptproblems, des sogenannten Dirichlet'schen Problems erwähnt. Auch sonst weist der vorliegende Band Eigenarten auf, z. B. in der Darstellung der Theorie der Fourier'schen Reihen, welche sich an die von C. Neumann 1881 gegebenen Entwickelungen anschliesst. In einem kurzen Litteraturverzeichniss giebt der Verf. die- jenigen Schriften an, welche die allgemeinen Untersuchungen des vorliegenden Lehrbuches direkt beeinflusst haben; eine voll- ständige Zusammenstellung der überaus umfangreichen Litteratur der Potentialtheorie konnte und wollte der Verf. hier nicht geben. Zugefügt ist ferner ein Sachregister für beide Bände und ein Ver- zeichniss von Berichtigungen und Ergänzungen zum ersten Bande. Das Korn'sche Lehrbuch wird der Potentialtheorie sicher neue Freunde zuführen und nach vielen Richtungen anregend wirken. Typographisch wäre das Buch gut ausgestattet zu nennen, wenn die mathematischen Zeichen und Formeln in der allgemein üblichen Weise wiedergegeben und die Zeichnungen weniger roh wären ; im Interesse einer schnellen Orientirung sollten ferner passende Kopftitel beigefügt und die Gleichungsnummern — wie gebräuchlich — an das äussere Ende der betreffenden Zeile ge- stellt werden. G. Angerman, Geologe Ingen. Claud. , Die allgemeine Naphta- Geologie. Wien. — 8 Mark. Green. J. Reynolds, Die Enzyme. Berlin. — 16 Mark. Jentzsch, Landesgeologe Prof. Dr. Alfr., Nachweis der be- achtenswerthen und zu schützenden Bäume, Sträucher und erratischen Blöcke in der Provinz Ostpreussen. Königsberg. — 3 Mark. Lehmann-Hitsche, Dr. Kob., Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotheriiuu bei Ultima Esperanza. Berlin. — 1 Mark. Inhalt: Prof. Dr. B. Schwalbe: Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unter- richtes i. J. 1900 bis 1901. — Dr. Hans Hallier: Das proliferirende persönliche und das sachliche, konserviitive Prioritäts- prineip in der systematischen Ontologie. — Die Reinigung der Luft von Grubengas. — Der Mineralbestand des Tiefseebodens. — Ueber abgestimmte und mehrfache Funkentelegraphie. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Philosophische Bibliothek. — Carl Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. — Konrad Twrdy. Methodischer Lehrgang der Krystallographie. — G. Franke, Bild eines Steinkohlenbergwerkes und Braunkohlen-Tagebaues nebst Erläuterung. - P. Adolf Müller, Ueber die Achsendrehung des Planeten Venus. — Dr. med. Hugo Groth, Zur Dynamik des Himmels. — Arthur Korn, Lehrbuch der Potentialtheorie. — Liste. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Xr. 12. Verla? Ton Cnsiav Fischer, Soeben erscliicn : , lena. ^V Von den Antillen zum fernenWesten. Reiseskizzen eines Naturforschers Von Dr. Franz Dofleiii, Mit 87 Abbildungen im T laoo. Preis: brosch. 5 Mark, geb. 6 Mark 60 Pf. ] I ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Dr. Eobert Muencke : Lnisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t • Technisches Institut für Anfertigung wisaensehaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ - ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Illustrierter Geschenkkatalog Zusendung gratis und portiifrei. Ferd. üümmiers Verlagsbuchhandlung. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. 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D!toü = 3tu6gQbe 184 ©. 1,50 9«., eleg. geb. 2,25 9J!. l^olfö-SUtsgatic 1.56 (2. gebunben 70 l-fcning. lUtts Ißfirte Icl^iis? 3tt)ei llreücingelien. Son Polf- gans $ttrd)bitil|. 256 ©eiten Df= tnü 5 2)!., eleg. gebunben 6 307. Ferd.Dümmlers Verlagsftachhandlnngin Berlin SW. 12. Soeben erschienen: yibhanilungcn zur potcntialthcoric. Von Dr. Arthur Korn, itdocent an der k. Universität 5 Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirich- letschen Problemes im Räume. .14 Seiten Krosa Oktav. PreiK geberiet 1 91arli. II. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mittels. a Seiten gross Oktav. Preis geheftet 1 Miirk. == Zu beziehen durch alle IJuchhandluiigen. =^= TurbihenQueeksilber- ünterbrecher Ferd. Dümmlers Terlagsbnchhandlnng inBe.lln SW. 12. Tabellen qualitativen Analyse bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell, unter Mitwirlcung von Dr. Victor Meyer, Pr..ff«...r .11 .lir Ilniwr.UKt lliijflb. re. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. r. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. Verantwortlicher Hedactciir: rrof^'ssor Dr. Henry Potonie, ür. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: f Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Duuinilers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. | Sonntag, den 31. iVIärz 1901. Nr. 13 Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- ^ Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent^ anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- gU sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes i. J. 1900 bis 1901. 311 Prof. Dr. B. Schwalb( (Forsetzinig.) Geh. Rath Professor Dr. Weeren: Hüttentechuische Excursioii in den Harz.*) Der Zweck der Exeursiou war einmal der, die Theil- nebmer, also besonders die Lebrer der Naturwissenschaften mit der chemischen Industrie, besonders dem Hütten- betriebe des Oberharzes bekannt zu machen und damit zweitens das Interesse für die chemische Technologie überhaupt zu erwecken. Die Fortschritte und Leistungen der modernen Technik müssen heutzutage in unseren höhereu Schulen Berück- sichtigung linden. Dieser Aufgabe kann sich die Schule nicht mehr entziehen. Der naturwissenschaftlich gebildete Lehrer hat darum die Verpflichtung, sich mit den wesent- lichsten technischen Betrieben bekannt zu machen, um seinen chemischen oder physikalischen Unterricht auch nach der oben erwähnten Richtung hin fruchtbringend zu gestalten. Und dieses Bedürfniss hat in anerkennenswerther Weise auch die Stadt Berlin befriedigt durch die Einrichtung periodisch wiederkehrender technologischer Excursionen. — Der Ausflug, um den es sich hier handelt, wurde eingeleitet durch drei je zweistündige Vorlesungen des Geheimrath Weeren über die Hüttentechnik des Ober- harzes. Es wurde in dieser Zeit alles das in seinen Hauptzügen vorgetragen und erläutert, was zum Ver- ständniss der zu besichtigenden Betriebe nothwendig erschien. Am Sonntag den 30. September versammelten sich *) D.a vielfach geäussert war, den Verlauf einer technischen Exeursiou näher kennen zu lernen, ist hier eine ausführliche Darstellung von einem Theilnehmer gegeben. alsdann die Theilnehmer auf dem Potsdamer Bahnhof. Um 8^5 h Morgens fand die Abfahrt nach Harzburg statt. Folgende Herren nahmen an der Excursion Theil: 1. Geheim. Regierungsrath Prof. Dr. Weeren, technische Hochschule. 2. Prof Dr. Fieberg, Fr. Werdersche Oberrealschule. 3. „ „ Krause, Luisenstädt. Oberrealschule. 4. „ „ Breslich, Luisenstädt. Realgymnasium. 5. „ „ Böttger, Dorotheenstädt. Realgymnasium. 6. „ Beyer, Andreas-Realgymnasium. 7. „ „ Hentig, Königstädt. Realgymnasium. 8. Oberlehrer Dr. Kuntze, IlL Realschule. 9. „ Fischer, XI. Realschule. 10. „ „ Krüger, Charlottenburg, Oberreal- schule. 11. Oberlehrer Dr. Selmons, Charlottenburg, Oberreal- schule. 12. Oberlehrer Dr. Büttner, XII. Realschule. 13. „ ,, Blasendorff; VIII. Realschule. 14. „ „ Lachmann, Sophienrealgymnasiuni. 15. „ „ Born, Luisenstädt. Oberrealschule. 16. „ „ Möhring, Fr. Werdersche Oberreal- schule. 17. Oberlehrer Scheele, X. Realschule. 18. Gymnasiallehrer Nerlich, Sophiengyranasium. 19. „ Reichart, Köllnisches Gymnasium. 20. Dr. Weinrowsky, Mitglied des päd. Seminars des Dorotheenstädt. Realgymnasiums. Bei schönem Wetter gelangten wir um l^«'' in Harz- burg an und begaben uns sogleich in das Hotel zur Linde. (Der Reiseplan war vorher aufgestellt, und die Quartiere Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 13. sowie das Essen au den einzelnen Tagen waren durch Herrn Geheinirath Wceren ebenfalls vorherbestellt.) Dort wurde nach kurzer Rast ein Mittagsessen ein- geuoiiimen, und darauf brachen wir zu einem Spaziergang ins Radauthal auf. Obwohl zu Anfang einige Tropfen Regen fielen, klärte der Himmel sich bald auf, sodass wir bei schönem AVettcr das liebliche Thal mit seinem Wasserfall auch in geologischer Hinsicht geniessen konnten. Nach der Rückkehr ins Hotel hielt ein Glas Bier die Theiluehmer noch einige Stunden beisammen. Am Montag den 1. October wurde mit den Be- sichtigungen begonnen. Früh um 8 ühr fuhren wir mit der Bahn nach Ilsen- burg, um dort die FUrsthch Stolberg 'scheu Hütten- werke zu besuchen. Hier werden in grossen Eisen- gicssereieu die verschiedensten Gusswaaren hergestellt. Das Roheisen wird zunächst in Kupolöfen um- geschmolzen und dadurch nach Bedarf mehr oder weniger entkohlt. Die so erhaltene flüssige Masse wird dann in die betreffenden Formen gegossen. Diese Formen werden in der Fabrik selbst zumeist aus dem sogenannten Form- sand hergestellt. Letzterer besteht wesentlich aus Thon und Kohle. Die Formen werden theils mit der Hand, theils durch hydraulischen Betrieb verfertigt. Nachdem das Gusseisen in den verschiedenen Formen erstarrt ist, werden die Stücke (Maschinentheile, Eisen- waaren, Kunstwaaren) von dem ihnen anhaftenden Formen- sand im Saudstrahlgebläse gereinigt. Sodann werden sie weiter verarbeitet, polirt, ver- nickelt etc. In einer besonderen Abtheiluug der Fabrik werden die so erhaltenen Maschinentheile zusammengesetzt. Dort sieht man grosse Bohrmaschinen, Feileu und sonstige Werkzeuge, die zur Bearbeitung des Eisens nöthig sind. Schlecht gegossene Stücke werden mit der sogenannten Teufelsklaue zertrümmert und von neuem einge- schmolzen. Die Teufelsklaue besteht aus einer mächtigen eisernen Zange, die eine etwa 50 — 70 cm im Durchmesser be- tragende Eisenkugel hält und diese auf die betreffenden Stücke fallen lässt. Die Zange mit der Kugel wird gehoben und dann gesenkt. Dabei öffnet sich die Zange, so dass nun die Kugel zu Boden fällt. — Die Besichtigung nahm den ganzen Vormittag in Anspruch, üin Mittag fuhren wir nach Harzburg zurück. Nach dem Essen begaben wir uns bei herrhchstem Wetter zu Fuss zu der in nächster Nähe von Harzburg gelegenen Mathildenhütte. Dort wird Roheisen gewonnen. DieErze, die verhüttet werden, sind Brauneisenstein (Fe403(OH),j) und (in geringer Menge) Magneteisenstein (FegOj). Dies Material wird in Hochöfen durch Kohle zu metallischem Eisen reducirt. Da jedes aus dem Bergwerk kommende Erz erdige Beimengungen (Gangart), die häufig aus Quarz bestehen, enthält, so wird dem Gemisch von Erz und Kohle noch Zuschlag — Kalk — beigefügt. Letzterer bildet mit der Gaugart Schlacke. Der Hochofen ist von cylindrischer bis sehwach konischer Form und besteht aus Eisen, er ist innen aus- gemauert. Oben befindet sich eine Oeffnung, die durch eine bewegliche Eisenkappe geschlossen werden kann. Am unteren Ende sind an der Mantelfläche zwei annähernd quadratische Oeft'nungen augebracht, aus denen Schlacke und Metall ausfliessen. Der Ofen, der beständig in Betrieb ist, wird von oben beschickt. Das Material wird getrennt in kleinen auf Schienen laufenden Wagen herangefahreu, und ver- mittels Fahrstuhl werden diese Wagen auf die Gicht ge- hoben. Dort wird der Inhalt in den zwischen Kappe und Mantel, der hier trichterförmig erweitert ist, liegenden Raum geschüttet. Von Zeit zu Zeit wird die Kappe gehoben und das Material fällt dann in den Ofen. Die Zusammensetzung des Rohmaterials ist (dem Gewicht nach) etwa die folgende: % Coaks, '/s Erz -t- Kalkstein. Ein horizontal liegendes Gebläse durch grosse Maschinen ge- trieben, presst Luft in den Ofen. Der Sauerstoff der- selben verbrennt den Coaks zu Kohlendioxyd, welches durch die glühenden Kohlen zu Kohleuoxyd reducirt wird. Dies verbindet sich nun mit dem Sauerstoö" des Erzes zu Kohlendioxyd. So entsteht metallisches Eisen. Da es flüssig ist, sinkt es im Ofen herab und verbindet sich uiit etwa 5"/o Kohlenstoff. Die erdigen Beimengungen des Erzes, also wesent- lich Kieselsäure, verbinden sich mit dem Kalkstein zu kieselsaurem Kalk, es entsteht eine leichtflüssige Schlacke, die beständig als weissglüheude Masse aus der oberen Oeffnung abfliesst. Sie wird in Wasser geleitet und da- durch granulirt. Die untere Oeffnung, die nur etwa 50 cm über der Erdoberfläche liegt, ist mit Lehm verschlossen. Alle drei bis vier Stunden wird das flüssige Metall abgelassen, d. h. es fludet ein Abstich statt. Der Giessermeister öffnet den Lehmverschluss mit einer laugen eisernen Stange, die er in die Oeffnung hiueinstösst. Das weissglüheude Eisen fliesst heraus und läuft durch Rinnen, die aus Sand hergestellt sind, in Formen, die ebenfalls aus Saud bestehen. Das Roheisen hat beim Herausfliessen eine Temperatur von 1800 — 2000°. Nach dem Erstarren bildet es Gänze oder Barren, die nun au die Eiseugiessereien oder ähnliche Betriebe ab- gegeben werden. — Die grauulirte Schlacke wird mit gelöschtem Kalk in Mischmaschinen gemischt. Dies Gemenge bleibt etwa 10 Stunden liegen. In dieser Zeit vollziehen sich unter Wärmeeutwickelung chemische Umsetzungen. Dadurch wird die Masse vortheilhaft verändert. Sie wird nun in Formen gepresst, die ihr die Gestalt von Mauersteineu giebt. Die so erhalteneu Steine erhärten an der Luft und werden als Baumaterial besonders iu dortiger Gegend benutzt. — Nachdem wir innerhalb zweier Stunden die ganze Anlage unter Führung des Hüttendirectors besichtigt und auch einen Abstich mit augesehen hatten, verliessen wir etwa um 4 Uhr die MafhildenhUtte. Unser Ziel für diesen Tag war Romkerhall im Okerthal. Da wir noch einen mehrstündigen Marsch durch die Berge vor uns hatten, schritten wir bei schönstem Wetter rüstig vorwärts. Nach einer halbstündigen Wanderung machten wir in dem reizend gelegenen Restaurant Silberborate eine kurze Pause. Sodann begann der eigentliche Aufstieg. Unser Weg führte uns durch die schönen Bucheuwalduugen über ver- schiedene Kämme, die uns eine herrliche Aussicht in die lachende Gegend boten. Aber die Kürze der Herbsttage machte sich recht bald fühlbar. Als wir von den Bergen ins liebliche Okerthal herabstiegen, begann es zu dunkeln. Die zum Theil recht steilen Pfade waren darum nicht ganz ungefährlich, jedoch konnte dies die allgemein ge- hobene Stimmung durchaus nicht verderben. Als wir schliesslich in Romkerthall gegen '/.,8 Uhr anlangten, war es ganz finster geworden. Wir bezogen zunächst unsere Zimmer und trafen uns dann zum gemeinsamen Abend- essen. Der ereignissreiche Tag wurde durch einen gelungenen Commers würdig beschlossen. Am Dienstag den 2. October brachen wir bei herr- lichstem Sonnenschein früh auf und wanderten durchs Okerthal nach Oker. Wir genossen die hochromantische XVI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 143 Gegend und machten nebenbei allerhand naturwissen- schaftliche Studien. In Oker wurden wir von einem Hütteninspektor und einem Obermeister empfangen, die uns durch die gross- artigen Fabrikaulagen führten. In den Hüttenwerken von Oker werden die im Rammeisberge bei Goslar gewonnenen Erze verarbeitet. Diese bestehen im wesentlichen aus Kupferkies und silber- haltigem Bleiglanz. Man gewinnt daraus Schwefel- säure, Kupfer, Blei, Silber und Gold. Die Erze werden zunächst klassiert. Man unter- scheidet: 1) „Meliertes Erz [107o Blei, ö^/o Kupfer und 26 "/o Schwefel]; 2) Kuptererz I. Klasse (28 «/o Kupfer]; 3) Kupfererze II. und III. Klasse mit weniger Kupfer- gehalt. Die Erze werden nun in Schachtöfen (Kilm} abge- rostet und zwar die Erze mit verschiedenem Schwefei- gehalt in verschiedenen Oefen, das dabei entstehende Schwefeldioxyd wird im Bleikammerprocess in Schwefel- säure übergeführt. Die entstandene Schwefelsäure wird darauf verdünnt und durch Schwefelwasserstoff von ihren Beimengungen (namentlich Arsenik) gereinigt und in Blei- und Platin- pfannen concentrirt. (Die in Oker benutzte Piatinpfanne hatte die Grösse eines Tellers, ihr Preis betrug 40 000 M.) Die abgerösteten Kupfererze werden mit Kupfererz Nr. 1 und Zuschlägen in Schmelzöfen auf Kupfer ver- arbeitet. (Der Kupferkies ist nur soweit abgeröstet, dass das Röstprodukt aus Eisenoxyd und Schwefelkupfer besteht.) Die Zuschläge bestehen aus Quarz und Kohle. Beim Erhitzen wird Eisenoxyd zu Eisenoxydul reducirt, welches mit dem Quarz ein amorphes Silikat bildet. In diese Schlacke treten ausser Schwefelkupfer alle übrigen Bestandtheile des Erzes ein. (Schwermetalle, Gangart u. s. w.) Die flüssige Masse fliesst fortwährend ab. Die leich- tere Schlacke sammelt sich in den Behältern oben an, während das Cuprosultid als sogenannter Kupferstein sich darunter befindet. Dieser Kupferstein besteht nicht aus reinem Cuprosulfid, sondern er enthält noch andere Metalle, namentlich Eisen. Der so erhaltene Stein wird dem eben geschilderten Process noch mehrere Male unterworfen, um das Cupro- sulfid von allen Beimengungen zu befreien. Dabei erhält man den Koncentrationsstein mit 60 bis Tfi^/o Kupfer. (Reines Cuprosulfid enthält etwa 80% Kupfer.) Der Kouzentrationsstein wird in kaskadenförmig aufgestellten Tiegeln von der Schlacke getrennt. Der Konzentrationsstein wird alsdann todt geröstet, d. h. so lange unter Luftzutritt erhitzt, bis fast der ge- sammte Schwefel entfernt ist. Der Schwefel verbrennt zu Schwefeldioxyd und der Kupfer wird theilweise zu Kuprioxyd oxydirt. Dies Produkt wird nun durch Kohle reducirt. Das entstehende Produkt nennt man Schwarzkupfer. Es ent- hält noch Schwefel, Eisen, Blei, Zink, Nickel, Kobalt, Arsen und Antimon. Diese Stoffe müssen entfernt werden. Darum wird das Kupfer wieder einem Schmelzprozess unterworfen, das Kupier wird „gar gemacht." In kleinen Flammöfen wird es durch eine oxydirende Flamme erhitzt und geschmolzen. Dadurch werden alle Bestandtheile oxydirt. Die Oxyde der beigemengten Elemente verbinden sich zum grössteu Theil mit der Heerd- sohlc zu Schlacke, der Rest ist flüchtig. Nach bestimmter Zeit wird die Oxydationsflamme in eine Reduktionsflamme umgewandelt. Zugleich wird die flüssige Masse mit jungen Baumstämmen umgerührt. Man nennt dies „Polen".*) In- folgedessen wird das Oxyd des Kupfers wieder zu reinem Kupfer reducicrt, das nun keine wesentlichen Beimengungen mehr enthält. Schliesslich wird das Kupfer mit grossen gusseisernen Löffeln aus dem Ofen geschöpft und in Platten gegossen, die als Anoden elektrolytisch gereinigt werden. Dies Pro- dukt kommt dann in den Handel. Ebenso wie die abgerösteten Kupfererze in Oker auf Kupfer verarbeitet werden, werden auch die aus dem Röstofen kommenden Bleiverbindungeu weiter verhüttet. Das Röstprodukt des Bleiglanzes ist Bleioxyd. Dies wird in Oefen mit Coaks geschmolzen. Der Kohlenstoß' verbindet sich dabei mit dem Sauerstoff des Bleioxyds zu Kohleudioxyd, indem er die Bleiverbiudung zu metallischem Blei reducirt. Natürlich befinden sich in dem Röstprodukt ausser Gangart noch eine Menge anderer Metalle. Die Gangart bildet mit den Zusehlägen wieder eine leichtflüssige Schlacke, die aus einer dazu augebrachten Oeffnung in kleine eiserne Wagen fliesst, die im Freien nach einiger Zeit ihres Inhaltes entleert werden. Die Masse des flüssigen Bleies fliesst in eiserne Schalen. Die metallischen Beimengungen bilden Legierungen mit einem Theile des Bleies. Letztere nennt man Bleistein. Dieser bildet die oberste Schicht der abgelassenen Masse. Er wird nach dem Erstarren abgehoben und noch einmal auf Blei ver- arbeitet. Dabei gehen ausser Blei alle übrigen Metalle in die Schlacke. Diese wird zu viereckigen Stücken ge- formt und als Baumaterial benutzt. Der Hauptwerth des so gewonnenen Bleies liegt in seinem Gehalt an Silber und Gold. In Folge des hohen Werthes dieser Metalle wird das Werkblei auf Gold und Silber verarbeitet. Da jedoch das Werkblei, so wie es auf die oben geschilderte Weise gewonnen ist, nur einen sehr geringen Prozentgehalt an diesen Edelmetallen be- sitzt, wird dessen Gehalt zuvor künstlich vermehrt, d. h. das Werkblei wird angereichert. Das geschieht in Oker durch die sogenannte Zinkentsilberung: das Werkblei wird in grossen niedrigen Cylindern geschmolzen, und in die flüssige Masse thut man Zinkstücke von Scheibenform. Das Zink besitzt die Eigenschaft vorzüglich mit Silber und Gold, dagegen nur sehr wenig mit Blei, Legierungen zu bilden. Es bildet sich nach einiger Zeit auf der Ober- fläche des geschmolzenen Bleies eine schaumige Masse, der sogenannte Zinkschaum. Dieser enthält also Zink, Silber, Gold und Blei. Jedoch ist ein grosser Theil des Bleies zurückgeblieben. Der Zinkschaum wird nun aus- gesaigert, dann wird das Zink abdestillirt und der ver- bleibende Rest von Zink durch eingeleiteten Wasserdampf entfernt. (Verfahren von Cordurie). Das Endprodukt dieses Prozesses ist wieder ein Gemisch von Blei, Silber und Gold. Jedoch ist nun der Prozentgehalt an Silber und Gold im Blei erheblich gestiegen. Dies angereicherte Werkblei wird in sogenannten Treiböfen durch Oxydationsflamme geschmolzen. Dabei oxydieren ausser Silber und Gold alle darin enthaltenen Metalle. Also vor allem das Blei, ferner Antimon u. a., die im Werkblei vorhanden waren. Das oxydierte Blei, die Bleiglätte, sammelt sich an der Oberfläche an und fliesst fortwährend ab. Ist schliesslich alle Glätte abgeflossen, so ist der Process vollendet. Die Masse erkaltet, die Haube des Ofens wird abgehoben, und der Rückstand herausge- nommen. (Die Herdsohle wird ebenfalls beseitigt, da sie die verschiedenen Beimengungen aufgenommen hnt). Der Rückstand kommt nun in die Scheideanstalt, wo *) Pole (engl.) Stange von frischem Hol: 144 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 13. das Gold vom Silber getrennt wird. Zu dem Zweck be- bandelt man das Gemisch mit Schwefelsäure. Dabei bildete sich schwefelsaures Silber, das in Lösung geht, während der Rückstand aus Gold besteht. Letzteres wird noch umgesehmolzen, ehe es in den Handel kommt. Ans der Lösung des schwefelsauren Silbers wird reines Silber vermittels Kupfer gefällt. Das so gewonnene Silber heisst Cemeutsilber, es bildet eine körnige cementähnliche Masse. Es wird in kleinen Tiegeln umgeschmolzen, in Barren gegossen und in den Handel gebracht. Das Kupfersulfat wird umkrystallisirt und als blaues Vitriol verkauft. In Oker wird nicht allein das dort gewonnene Werk- blei entsilbert, sondern auch solches von anderen Hütten, z. B. von der Juliushütte bei Goslar. Die im Treibofenprocess gewonnene Bleiglätte wird an Ort und Stelle durch Reduktion in Schachtöfen in Blei umgewandelt. Die Hüttenwerke in Oker boten den Besuchern viel Sehenswertes, da sie die hüttenmännische Gewinnung von nicht weniger als vier Metallen und die Darstellung von Schwefelsäure umfassen. Dementsprechend währte die Besichtigung der Werke den ganzen Vormittag. um die Mittagszeit begaben wir uns zum Bahnhof und fuhren nach Goslar, wo wir im Hotel Achtermann abstiegen. Nach dem Mittagessen fuhren wir etwa gegen V23 Ühr zu der in Goslars Nähe gelegenen Juliushütte. Auch hier werden Bleierze verhüttet, jedoch nach einem anderen Verfahren als in Oker. Man wendet hier die Rost- und Reduktionsarbeit an. Das Rohmaterial bilden Rammelsberger Erze, die neben Bleiglanz Zinkblende und andere Sulfide enthalten. Die Trennung dieser Mineralien von einander ist wegen des Gehalts an Schwerspat auf mechanischem Wege nicht zu erreichen. Die Erze werden in Haufen gebracht, die über Holz lagern. Dies wird angezündet. Durch die entstehende Wärme wird Eisenkies in Schwefeleisen übergeführt, während Zinkblende zu schwefelsauren Zink oxydiert wird : 1) FeSä = FeS + S. 2) ZS + 0 = ZSO,. Bleiglanz wird in Bleioxyd und Schwefeldioxyd über- geführt. .3) PbS + 30 = PbO + SO2. Der Schwefel sammelt sich zum Thcil oben auf dem Haufen an, wo er in kleinen Vertiefungen gewonnen wird. Das Schwefeldioxyd geht als gasförmiger Körper in die Umgebung und erfüllt die Luft mit seinem stechenden Geruch. Es giebt kein praktisches Mittel dies für die Ge- sundheit so schädliche Gas zu entfernen oder die Ent- stehung zu bindern. In Folge dessen ist der Aufenthalt in der Nähe der Haufen, die sich im Freien befinden, höchst unangenehm. Natürlich haben die Arbeiter am meisten darunter zu leiden, und man sieht den abgemagerten Gestalten auch an, dass sie unter höchst gesundheits- schädlichen Bedingungen leben. In der nächsten Um- gebung der Rösthaufen ist sogar keine Spur von Pflanzen zu finden. Das Rösten im Freien dauert 7 bis 9 Monate. Als- dann werden die gerösteten Erze unter Schutzdächer ge- bracht, wo sie noch zwei ähnliche Röstungen durch- machen. Letztere währen nur einige Wochen. Ist dies Verfahren beendet, so ist alles Eisen in Schwefelcisen, alles Zink in Zinksulfat und alles Blei in Bleioxyd verwandelt. Der Zweck der Röstmetbode ist besonders der, die Zinkblende in Sulfat zu verwandeln, um es so vom Bleioxyd zu trennen. Denn die Anwesen- heit des Zinks würde bei der nachfolgenden Verhüttung der Röstprodukte aus hUttentechnischeu Gründen sehr nachtheilig sein. — Der Schwefel, welcher sich in den Vertiefungen der Rösthaufen angesammelt hat, wird abgeschöpft und in Kesseln umgeschmolzen. Dabei sammeln sich die Ver- unreinigungen an der Oberfläche der geschmolzenen Masse an. Sie werden abgehoben und, da sich noch etwas Schwefel darin befindet, als Grauschwefel verkauft. Der gereinigte Schwefel wird in Stangenform gegossen und kommt so in den Handel. — Das Röstprodukt besteht aus Oxyden des Bleies, aus Zinksulfat und anderen Bestandtheilen. Die Masse wird nun in grossen viereckigen Kästen (in der Laugerei) mit heissem Wasser ausgelaugt. Hierbei gehen Zinksulfat und Bariumsulfid in Lösung. In der Siederei wird diese Lauge auf Pfannen eingedampft. So erhält man weisse Krystalle von Zinkvitriol, das sich mit Bariumsulfid umsetzt: ZSO4 + BaS=BaS04 + ZS. Dies Gemisch heisst Litho- pone und findet als weisse Malerfarbe Anwendung. Der bei dem Laugprocess bleibende Rückstand be- steht aus Bleioxyd und anderen Metallverbindungen. Man nennt diese Masse „Klein". Sie enthält ca. 14 Vo B'ei. Das Klein wird zunächst im Freien und dann in Oefen getrocknet. Nach dem Trocknen wird es mit Coaks und Zuschlag in Gebläseöfen geschmolzen. Es fliessen wieder Schlacke, die eisenhaltig ist, Bleistein und Werkblei ab. Der Stein wird noch einmal verhüttet, während das Werk- blei in Oker auf Gold und Silber verarbeitet wird. — Der Rundgang durch die Juliushütte nahm eine gute Stunde in Anspruch. Nach der Besichtigung fuhren wir sogleich nach Goslar zurück, wo wir gegen 5 ühr an- kamen. Bald darauf unternahmen wir einen Spaziergang durch einige Theile der Stadt und besichtigten die alte Kaiser- pfalz. Mit grossem Interesse durchwandelten wir die alt- ehrwürdigen Räume und genossen eine Stunde lang den Zauber einer längst vergangenen Zeit. Das reichhaltige und äusserst lehrreiche Programm dieses Tages wurde ergänzt und vervollständigt durch einen einstündigen Aufenthalt in dem bekannten Restau- rant „Brusttuch". Bei einem Glase Bier, das uns nach den thatsächlichen Anstrengungen des Tages vorzüglich mundete, besprachen wir in fröhlichem Kreise die Er- lebnisse des zweiten October. Am Mittwoch, den 3. October, fuhren wir ß*' Uhr früh mit der Bahn nach Klausthal, um die Aufbereitungs- anstalt zu besuchen. Zum ersten Male war uns das Wetter ungünstig: Es war der erste aber auch der letzte Regen- tag. Und dass uns der Regen gerade an diesem Tage heimsuchte, war noch verhältnissmässig günstig für uns; denn auf den kahlen, öden Hochflächen Klausthals konnten wir ohnehin nicht allzuviel Naturschönheit gemessen. Ausserdem nahm die Aufbereitungsanstalt unsere Zeit völlig in Anspruch, Trotzdem bot die Fahrt manchen Reiz, und wir ge- nossen aus den schützenden Wagen die herrlichen Punkte um Lautenthal. Gegen 8 Uhr kamen wir in strömendem Regen in Station Silberhütte an. Mehrere Beamte empfingen uns und führten uns durch die Aufbereitungsanstalt. Die Kiausthaler Erzlager werden unter Tage ab- gebaut. Die Erze enthalten naturgemäss sehr viel werth- lose Beimengungen (Berg, Gangart etc.) Dass die Erze des Harzes miteinander innig verwachsen sind, ist oben erwähnt. Gewinnungsfähig sind die Erze noch, wenn sie ent- halten: Kupfer 3— 17o> Zink 5"/o, Silber Vio"/oj Gold Vioo^o- Der Bergmann unterscheidet: 1. Derberz, Stücke von XVI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 145 s ii OD * M m — « 2^ S S c S ja ^'ä^ ls§^ 06 '^Z 11 Hill «^ S"^ |l|«f "s i|- ^^Ss < ° ^•3^ 0. fa ■-. 3 S-g ^c§2 w^ 5 '/) 0.-3 -2 S ■" '3 — " :S-2 33 S^l x"«« g 3 CO o S S 1^ s a.2 =2; m I I ^ g ■g 0.0 := g 'S ■ij= >S' O-S g i3 t; g 3-3 © g.a mO^E öS P M 3 § 1 -3 3g 3 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 13. g ° i ? S g I NjJ • ~ 2 2. 21^ ^^«S^ ^ N Q e 5 S 2 N^ Z2 2; O -• S^^. g^lli ^w? s s's: t U dann z dschei ung lll ' gg.? ?-^2 ,S^ 2. Q- f> 5^ , 5 § = ?rs^5' g B ct. "■ 5" >^7q I SS rH • 5- ^?iE. ?^2;" o ILP ?ss N«= ^^S ^^« • ■ o- ■ s 5| , «2. £-~i> ^ cc _£,' S-äS £ § ll. ^^ o3 ■ }^>?2 S £. So. 3 B 2.r T?^ 2 3 5= K 3 - . 5 C "-'^ ^^^ Kg fil '3 S" 2;=.» ^^=r< ^ S 3 S g S i 3 ? 3 cro- -3'S B - 3 g XVI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 147 Goldscheideanstalt. Goldhaltige Silbergranalien werden mit Schwefelsäure von (.!G° B. in gusseisernen Kesseln erhitzt, 1. Lösung von Silbersulfat. Die Lösung wird naeh dem Erkalten abgehoben, dann bis zu 60° B. verdünnt zur Ausfüllung des Silber- sulfats Goldschwamui. Wird nochmals mit Schwefelsäure im Lösekessel auf- gekocht Saure Mutterlauge. Wird zur Auflösung des Silbers wieder verwandt. Silbersulfat. Wird im Füllkasten mittels Eisen gefällt ausgeführt , ge- presst, geglüht und "im Graphittiegel geschmolzen Lösung von Silber- sulfat: Zu Nr. 1 lauge. Goldschlamm. Wird be- hufs Lösung der wasser- freien Ag-Salze im Gold- staubkasten mit Wasser- dampf gekocht. Eisenvitriol. Aus der Länge von Fällen des Silbers durch Eindampfen gewonnen. Handelspro- dukt Feinsilber in Barren ge- gossen. Handelsprodukt 9. 10. iee Silber- Goldpulver. Wird mit Wie Nr. 4 Schwefelsäure im Gold- kessel gekocht. 11, Schwefelsaure Silber- lauge. Wird zur Lö- sung des Silbers ver- wandt Goldpulver, Goldv 12, Wird mit ausgeführt, dann in Königswasser ge- löst, die klare Lösung wird abgezogen und mit Eisenchlorür gefällt 13. Feingold. Im Tiegel mit Glas ge- schmolzen und dann in Barren gegossen. Handelsprodukt U. Chlorsilber. Das Silber mit Eisen gefällt, wieder zur Lösung der Granalien zu- gesetzt mindestens 16 mm Durchmesser. 2. Grobeingesprengtes Erz (16—1 mm). 3. Feineingesprengtes Erz (0 — 1 mm). Aufbereitung nennt man die Thätigl hjn-irlit in den Zusammenhang des ( Irin. !.■ in v . In w .i, I j. . i^n^ 1 i~i. Der prägnante Stil, der |r,l... uli. iilu ._>■ W.-n i,i i',,,,,!,!, wird durch klare und deuLliclic- ( tri';inMl:ii.ni|.|in _ 1 mi In der Mcclumik gebraucht Verf statt d.v^ W.ni. 1 ■ n,' ilkraft" den Ausdruck „centrifugaler Träf;iHiis« iJ-r ' , n 1 . , -cwi.ss damit das \\:ihi-.' W, .u .1. 1 '.. N'achiihmung verdient, Wirkungen nicht so oft verkannt wi -II. nd.^n die Dar- stellung des Hebers, die Besprechung der Bestimmung schwächster Drucke in der Quecksilberluftpumpe, die Behandlung der Gesetze von Raoult und Poisseuille, des Gasthermometers, "und der Me- thode der Luftverflüssigung sehr unseren Beifall. Vermii>st haben wir dagegen eine Erwähnung des Variometers _ Wenn ferner in No. 119 die Ablenkung der Winde noch immer' auf Breitenände- rung gegründet wird, so ist dies Lei einem Werk, das sonst in so hohem Grade den neuesten Standpunkt der Wissenschaft vortritt, doppelt zu beklagen. — Abweichend von der üblichen Gruppirung des Stoffes ist die Zusammenfassung der Wärmestrahlung mit der Optik ; da der Unterschied zwischen Wärme- und Lichtstrahlen nur ein physiologischer ist, ist dies gewiss berechtigt und auch deshalb empfehlenswerth, weil dann die Zweitheilung des Ge- bietes in Physik des Aethers und Physik der Materie leichter durchführbar wird. Wärme im eigentliclien Sinne ist Molekular- Eiicrgio der Materie, die Wärmestralilung dagegen eine andere Energieform, so lange sie in Aether verläuft. — Originell ist ferner die Behandlung der galvanischen Elemente, die zunächst im un- geschlossenen Zustande mit dem Quadrantenelektrometer unter- sucht werden. Ueberflüssig scheint uns die Behandlung des Lippmann'schen Capillarelektrometers. F. Kbr. Bergassessor W. Bernhardt, Zur Oberflächengestaltung und Geologie Deutsch-Ostafrikas, l'.ii;-. Iniis^e der von dem Ver- fasser in den .liihn'ii ISÜ.'i -1S97 in (istatVika iuiternommenen Reisen. Vcri.ll'.-ntlii-ht im Auftrag.- und mit Unterstützung der Colonial-.\l>tli.'ilium- des Auswärtigen Amtes. Mit 27 Tafeln in Lith(i^r,i|iliii' und Lichtdruck und zahlreichen Abbildungen im Tex'. I t.ip..;;ia)dii.sche, 4 geologische Specialkarten in 1:500000, 1 Ueb. rsiciit^-karte 1:200 000 und 2 Tafeln Profile. - Deutsch- Ost-Afrika. Band VIII. — Berlin. Dietricli Reimer, 1900. — Preis 80 Mark. Das Werk, ein stattlicher, vornehm ausgestatteter Band von über 6U0 Seiten, enthält im ersten Theil den Reisebericht des Verfassers nebst jictrographischen Beiträgen von B. Kühn, im zweiten die piiläontologischen Ergebnisse aus seinen Aufsamm- lungen von fossilen Pflanzen- und Tbicrresten, .Anh.Tngsweise sind dem ersten Theil.' aniiiLili.il.it : i '. Knirlcr, P.it unen von Wingayongo in l)ent.-rli()-ialVik:i ; K. ILm nack. ( '.nla.-lir.Mi über den Charakter der d.'uts.li-u-.talnkani>el.en lUrvmru v.m Madyi ya Weta und dem T.i^.nlala S.c und ihie Bedeutung als Heil- mittel; derselbe, Gutackf.'n üb. r ilie deutsch -ostafrikanischon Schwefelthermen von .AmlM.ni inul Xyongoni als Heilmittel; Roth- platz, oolithische und |ii.s..|itisehe Kalke aus Deutsch-Ostafrika; M. Moirel und P. Sprigave, Begleitworte zu den dem Werke beigegebenen topographischen Karten. Auf die geographischen und geologischen Verhältnisse der be- reisten Gebiete, wie Verfasser dieselben im 24. Kapitel des ersten Theiles zusammenfassend darstellt, sowie auf die von Potonie, Müller, Wolff und Weissermel festgestellten paläonto- logischen Befunde, welche der zweite Theil enthält, werden wir an einer anderen Stelle dieser Zeitschrift zurückkommen. Hier wollen wir nur kurz auf die einzelnen Abschnitte der Reise selbst und die dabei erlangten Resultate über das Vorkommen nutz- barer und event. abbauwürdiger Mineralien etc. eingehen. Der ursprüngliche Zweck der Reise, deren eigentliches Ziel das deutsche Nyassa-Gebiet bildete, war, festzustellen, ob die dortige Gegend abbauwürdige Steinkohlen-Vorkommen enthalte. Dom verstorbenen Bezirksamtmann von Langenburg, von Eltz, war das häufige Auftreten von Kohlenbrocken in den nordwest- lichen Zuflüssen des Nyassa bekannt, er hatte daraus auf das V^orhandensein anstehender Kohle geschlossen und dementspi-echend berichtet. War dies der ursprüngliche Grund zur Reise gewesen, so wurde eine Beschleunigung des Antrittes derselben noch durch die Nachricht von bedeutenden Goldfunden im Hinterlande von Tanga bewirkt und dies letztgenannte Gebiet als erstes Reiseziel gesetzt. Nachdem sich bei genauerer Untersuchung durch den Verfasser die Bedeutungslosigkeit des erwähnten Gold Vorkommens bald herausgestidlt hatte, konnte er von Lindi aus seinem erst- gesteckten Ziele zueilen, das er dann auch im Februar 1896 er- reichte. Der durch den Tod des Bezirksamtmanns von Eltz auf 10 Monate vi-rlängerte Aufenthalt Bornhardt's in Langenburg ist für die Erkundung des Nyassa-G(,'bietes nur von grösstem Nutzen gewesen: denn er hat B'ornliardt trotz der vielen in Folge der interimistischen Verwaltungsführung ihm obliegenden anderweitigen Geschäfte in den Stand gesetzt, die (iegend als Fachmann zuerst möglichst gründlich kennen zi ' . . . _ Vorkommen nutzbarer Miner: dürften gerade für dieses G. Es konun.-n .l.anaeh in .1er I bieten St.unk..li|.n .-MistidMUi. I die Bes.-ii.all'.uih.ut tb.uKv.us.. rückstand, /.. Th. (■eradezu b und seine in Bezug auf das ier gesammelten Erfahrungen 1 Zukunft maassgebend sein, mg des Nyassa in zwei Ge- rn Osten des Seees tritt Kohle i^;■keit ist aber zu gering, und nderwertliig (grosser Aschen- nefei artig), um irgend einen XVI. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Abbau zu ermöglichen. Anders liegen die Verhältnisse im Nord- westen des Seees: Hier steht gute Steinkohle zwischen den Flüssen Gsongue und Kivira in durchaus abbauwürdigen Flötzon an, unter für den Transport zu Wasser günstigen Lagerungs- veihältnissen. Die Rückkehr vom Nyassa wurde ans Gesundheitsrücksichten zu Wasser über den See und durch den Shive und Zanibesi zum Oeean bewerkstelligt. Von Tchinde ans, wo der Dampfer nach Dar-es-Salam erwartet werden musste, unternahm Bornhardt in der Zwischenzeit noch einige Reisen in die portugiesischen Ge- biete. In Dar-es-Salam fand er eine Reihe weiterer Aufgaben vor, ileren möglichst rasche Lösung dringend erwünscht war. Wenn- i;leieh die liierzu nöthigen Reisen nicht über das Küstengebiet liinau.«gingen und bei der Fülle der zu erledigenden Aufträge iiioist möglichst beschleunigt werden mussten, so haben sie es dem Verfasser bei seinem grossen Fleisse doch ermöglicht, ein sehr grosses, für die Kenntniss Deutsch-Ostafrikas überaus werth- volles Material auch gerade in geologischer Beziehung zusammen- zutragen. War das Resultat der weitaus meisten dieser Reisen hinsichtlich ihres Zweckes ein negatives, so gebührt dem Verfasser deich aueli dafür Dank, dass er gewissenhaft und offen die Er- gebnisse seiner Forschungen klarlegt und so übertriebene Hotf- mingen auf raschen Gewinn vernichtet, dafür aber die Blicke auf natürliche und gesündere Verhältnisse unserer Colonie lenkt. Als Ergebniss der Reisen des Verfassers im Küstengebiet kann zunächst hingestellt werden, dass Steinkohle dort nicht von ihm aufgefunden wurde und wohl auch in Zukunft kaum ange- troffen werden wird. Weder in dem der Karooformation ange- hörenden Sandsteingebiete zwischen den Gongarogwa- und Ulu- guru-Bergen, noch in demjenigen am Rufiyi und ttuaha, oder in demjenigen westlich von Tonga und Moa wurde Steinkohle an- getroffen. Das gemeldete Braunkohlen- Vorkommen in der Gegend von Yombo erwies sieh als verkohlte Wurzelreste von durch Steppenbrände vernichteten Bäumen. Von Braunkohlen in der Umgebung des Noto - Plateaus konnten nur Spuren gefunden werden, nirgends abbauwürdige Lager. — Graphit kommt nirgends in reinen Lagerstätten, sondern stets nur als Gemeng- tlieil vor. Von Edelsteinen wurde nur die als Almandin bezeich- nete Varietät des Granats bei Namaputa in ausbeutungsfähiger Menge und verwerthbarer Beschaffenheit angetroffen. Von sämmt- lichen gemeldeten Glimmer- Vorkommen erwiesen sich nur die- jenigen im Thalkessel des oberen Mbakana als abbauwürdig. \'on Gold konnten nur Spuren nachgewiesen werden, die eine Gewinnung vollständig ausschliessen. Die heissen Quellen von Madyi ya Weta am Tagallala-See und die Schwefelquollen von Nyuiiguni sind so ungünstig gelegen, dass sie, trotz aller hervor- ragenden Eigenschaften, zu sanitären Zwecken kaum ausgenutzt werden können. Allein die Schwefelquellen von Amboni dürften in absehbarer Zeit zu Heilzwecken in Frage kommen, da bei il.nen Beschaffenheit und Lage gleich günstig sind. Wenn Bornhardt bei diesen zahlreichen und meist zeit- raubenden Aufgaben noch die Gelegenheit fand, die der Ostküste Afrikas vorgelagerten Inseln Mafia, Tshole und Dyuani, sowie Zanzibar und Pemba in den Bereich seiner Untersuchungen zu ziehen, so legt dies nur desto beredteres Zeugniss von seinem Fleiss ah \]„n- i.ieht all, 'in ,]!.■ iliii /.uiiüelist aiig.'lienden berg- baulichen, u,.nl,iiji^,rlM.M nii.l Mr,,^i:,|,i,,,srliei, \",-,li;ili nisse der be- reisten (i.liP't.^ i,al ri- iii,,^li,l,.r uniiMlIr/h stu.lii't. er hat auch mit scharfem l'.liek,- die iliui teni..|- licj^e-ilen a{i,Toii,, mischen und colonialen Dinge betrachtet. Auf seine diesbezüglichen Aus- führungen hier einzugehen, würde uns zu weit führen; wir müssen ueliimg der Thornitrate des Handels, die lllaa^sanal.vtlselle üesliumiung des Cers, die abgekürzte Untersueluing der Glühkörper. Als eine zweckmässige und willkommene Beigabe sind die Tabellen zur Berechnung der Analysen zu betrachten. Nicht ganz einverstanden bin ich mit Verfasser, dass er sicli nicht dem Uebereinkommen der internationalen Atomgewichts- commission angeschlossen hat. Doch das ist ja nicht von wesent- licher und entscheidender Bedeutung für das Buch. Es sei auf das beste hieruut empfohlen. Thoms. lien im Gebiete der clie Untersuchungen 1. Prag. — 8 Mark. Bd. Geographische Fric, Prof. Ant., u. Edwin Bayer, DD , böhmischen Kreidef'urmation. Palii(jntol der einzelnen Schichten. Perueer Seliii Futterer, Prof. Dr. K., Durch Asien. Charakterbilder. Berlin. — 20 Mark. Hallier, Dr. Hans, Ueber Kautschuklianen und andere Apocyneen. Hamburg. — 7 Mark. Klein, Dr. Herrn. J., Handbuch der allgemeinen Himmelsbe- schreibung nach dem Standpunkte der astronomischen Wissen- schaft am Schlüsse des 19. Jahrhunderts. 3. Aufl. Braunschweig. -— 10 Mark. Martin's F., Naturgeschichte. Stuttgart. — 25 Mark. Prohazka, Vlad. Jos., Das ostböhmische Miocaen. Prag. — 6 Mark. Reinach, A. v., Sehihlkröteureste im Mainzer Tertiärbecken und in benacldjarten, ungefähr gleichalterigen Ablagerungen. Fraidi- furt a. .M. - 40 Mark. Spencer, Herb., System der synthetischen Philosophie. 1. Bd. Grundsätze einer synthetischen Auffassung der Dingo. 2. Aufl. Stuttgart. — 12 Mark. Weinstein, Prof. Dr. B., Thermodynamik und Kinetik der Korper. 1. Bd. Allgemeine Thermodynamik und Kinetik und Theorie der idealen und wirklichen Gase und Dämpfe. Braunschweig. — 12 Mark. Wettstein, U.V., Descendenztliooretische Untersuchungen. I. Unter- suchungen über den Saison-Dimorphismus im Pflanzenreiche. Wien. — 6,80 Mark. Wolff, Geh. Med.-R. Prof. Dir. Dr. Jul., Ueber die Wechsel- beziehungen zwischen der Form und der Function der einzelnen Gebilde des Organismus. Leipzig. — 1 Mark. Zehnder, Priv.-Doc. Prof. Dr. Ludw., Die Entstehung des Lebens. 3 (Schlu3s-)Thl. Seelenleben. Tübingen. — 6 Mark. Inhalt: Prof. Dr. B. Schwalbe: Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschafthch richtes i. J. 1900 bis 1901. - Der factische Wirksamkeitsradius des Kohlenverbrauches. - *- •*■"" «"«•n«P.ha«l,«hP„ Litteratur: - E. Warburg, Lehrbuch der E.xperimenlalphysik. - W. Bornhardt, Zur Deutsch-Ostafrikas. — Prof. Dr. A. Classen, Ausgewählte Methoden d Unter- Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Oberflächengestaltung und Geologie analytischen Chemie. — Liste. 152 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 13. ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦ t von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpuickerstr. BERLIN £0., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager !^- aller Gefässe und Utensilien fiir Ov^ ^ -^ ^) ehem., pharm., physical., electro- u. a. t«chn. Zwecke. Gläser für den Versand und znr v^ / Ausstellung naturwissenschaftlicher "~ Präparate. •ivhniaa grntl» und franco. ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦ ♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Oratis • franko lieftrn wir den 3. Xaelltrag (.Juli 1897 bis Juni l,s;);)) zu unserem Verlapskatalog. Ferd Dfimmlers Verlagsbuchh., PATENTBUREAU Qlrich R. ]Vlaerz Jnh.C.Schmidtiein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Berlin SW Die Insekten -Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie ist für Entomologen und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aher Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüll, wie ein Probe-Abonnomentlehien dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnemenis - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence =■ 2 Fr. 7fi Cent. — Probenummern gratis und franco. — Insertionspreis pro Borgiszeile Mark — .10. Ferd.Düiiuiilers VeHagsbuclihaudlungin Berlin SW. 12. Soeben iTschit yibhandlungen zur potcntiaitheorie. 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Liehterfckle -West bei Berlin Verlag: Ferd. Düminlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. Fotsdanii'i - Druck: :i.i, für den Inseratentheil- Bernstein, Berlin SW. 12. ■;%. i-Ml " ' "' Pift _ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düimnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Rand. Sonntag, den 7 April 1901. Nr. 14. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— BrinRegeld bei der Post 16 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate; Üie viergespaltene Petitzeile 40 ».. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach UebereinkuTaft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der I Abdruck ist nnr mit vollständiger QaeI1eiian8:abe gestattet. Ueber den Orientirungssinn und das Gedächtniss der Bienen. Von N. Ludw Wenn man im Sommer nach Einbruch der Dunkel- lieit Bienen ans der Flugöft'nung ihrer Wohnung' nimmt und in einer ganz geringen Entternnng fliegen lässt, so finden sie ilire Wohnung niclit wieder. Sie irren in .sprunghaftem P^lug iiierhin und dortbin am Boden oder au festen Gegenständen umher und verlieren sich zuletzt, üas ist selbst bei hellstem Mondschein der Fall. Oeftcrs habe ich Bienen beobachtet, die gegen Abend vom Felde heimkehrten und die Fluglöcher der Stöcke nicht mehr finden konnten, indem sie wiederholt vergebliche Anflugs- versuche machten. Bringt man Arbeitsbienen oder Drohnen in ein Zimmer und lässt dieselben auffliegen, so streben die Thiere sofort der hellen Fensteröffnung zu. Werden ihnen nun sämmt- liche Augen etwa mit Druckerschwärze verblendet, dann bleiben sie zunächst ruhig sitzen, wobei sie sofort ihre Gesichtswerkzeuge durch Abbürsten wieder klar zu machen suchen. Treibt man das Thier jedoch vorher zum Auf- fliegen an, so .strebt es nicht dem hellen einfallenden Licht zu, sondern steigt in die Hohe, stösst bald hier, bald dort an, hängt sich fest oder fällt auf den Boden. Die Bienen benehmen sich eben in solchen Lagen wie blinde Thiere. Die obigen Versuchsergebnisse dürften wohl zur Ge- nüge beweisen, dass unseren Honigbienen zur Orientirung ausserhalb des Stockes in erster Linie der Gesichtssinn dient. Das wurde freilich schon in Abrede gestellt und behauptet, die vornehmlichsten Ürientirungswerkzeuge im Freien seien die Fühler oder Antennen. Der folgende Versuch beweist das Irrige dieser Annahme. Ich fing im Sommer zur Mittagszeit wiederholt Drohnen (männliche Bienen) vom Flugbrett eines Stockes weg, wenn die Thiere sich zum Ausfluge anschickten. Die Gefangenen beraubte ich beider Fühler und zeichnete sie auf ihrem haarigen Rücken durch Aufstreuen eines farbigen Pulvers. Wurden die Drohnen alsdann losgelassen, flogen sie ganz munter ins Freie hinaus, wo ich selbe manch- mal noch weit mit den Augen verfolgen konnte. Nach einiger Zeit aber kehrten alle nach und nach zurück und flogen ohne Zaudern an das Flugloch oder auf das- Anflugbrettchen. Sie hatten sich mithin ohne Fühlhörner sehr gut orientirt. Erst nach dem Niedersetzen zauderten sie und zeigten sieh verwirrt. Sie erhoben sich gewöhnlich wieder bald und. flogen wiederholt an. Sie irrten vor und in dem Flugloch umher, schienen manchmal dem Strom der Arbeiter in das Innere zu folgen, kamen jedoch bald wieder heraus, um von neuem den Ausflug in das Freie zu unternehmen. Dieses Spiel trieben sie bis zur Er- mattung und blieben schliesslich in diesem Zustande an irgend einer Stelle aussen vor dem Flugloch unbeweglich sitzen. Offenbar sind also die Antennen den Bienen zur Orientirung an festen Gegenständen insbesondere im Inneren ihres Nestes durchaus unentbehrlich, — entbehrlich da- gegen zur allgemeinen Orientirung beim Ausfluge. Dagegen erscheint der Gesichtssinn beinahe ganz entbehrlich im Stocke oder innerhalb des Nestes, wenn wir z. B. daran denken, wie in tiefster Sommernacht die Geschäfte des Bienenhaushaltes ihren ununterbrochenen Fortgang nehmen, wie die Königin mit derselben Sicherheit ihre Eier in die Zellen absetzt, wie die Brut von den Arbeitern gepflegt, ernährt und bedcckelt und am Wabenbau ohne Unterlass gearbeitet wird. Wenn man eine Biene genau beobachtet, die, von einem Ausfluge zurückkehrend, sieh an der Stocköffnung niederlässt, so sieht man, dass sie die Fühler sofort zu dem Gegenstande niederbeugt, auf den sie sich 154 Naturwissensehaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 14. liat. Ist nun das Flugloeli oder Anflugbretteben au einem gut bevölkerten vStocke mit einer starii duftenden Flüssig- keit, z. B. mit Pfeifcrmünzesseuz bestrichen worden, so stutzen sogleich sämnitlichc Bienen, die von drausseu herbeikommen. Sie fliegen unmittelbar, nachdem sie sich niedergelassen haben, wieder wie ersehreckt auf, suchen von neuem anzufliegen, um wieder zu stocken u. s. w. Dieses Spiel dauert selbst dann noch fort, wenn die be- strichenen Stellen vollkommen trocken erscheinen. Dieser Versuch beweist, dass die Bienen den Eingang und das Innere ihrer Behausung zunächst durch den Geruch er- kennen. Sie unterscheiden vermittelst desselben auch ihre Mitgenossen, ihre Königin u. s. w. Es ist in dieser Beziehung bei den Honigbienen daher genau so wie hei den Ameisen. An Dingen und Gegen- ständen, mit welchen diese Insekten also in unmittelbare Berührung kommen, orientiren sie sich vermittelst des Ge- ruciissinnes. Dass gleichzeitig hier auch der Tastsinn in gewissem Grade betheiligt ist, versteht sich von selbst, und crgiebt sich schon dadurch, dass die Fühler oder Taster, wenigstens bei den Bienen, zu gleicher Zeit die Riech- werkzeuge sind, wie ich au anderer Stelle zur Evidenz nachgewiesen habe. Selbstverständlich treten die Geruchsorgane auch bei Ausflügen in Thätigkeit, z. B. beim Auswittern der Königin durch die Bieuenmäunchen, beim Aufspüren von Nahrung, Wasser u. dergl. Lässt man z. B. in einem Lokale, dessen Fenster geöffnet sind. Wachs aus, dann finden sich bald Bienen ein, die von oben her wie suchend au der Haus- wand herunterschwirren und endlich durch eine Fenster- öffnung in die Eäumlichkeit hinein gelangen. Diese Thiere lassen sich offenbar von dem aufsteigenden Dunststrom leiten, welcher Wachs- und Honigdüfte mitführt. Die Arbeitsbienen finden den Honig oft an ganz versteckten Oertlichkeiten und sie verstehen es sehr gut, diejenigen Pflanzen auszukundschaften, welche gerade am reichlichsten Nektar absondern. Besonders interessant sind die Beobachtungen über den ersten Orieutirungsausflug junger Bienen, welche sieh dabei ihren Stock und vor allem die Flugöffnung des- selben genau merken. Da hierbei immer eine grössere Menge von Arbeitsbienen sich betheiligt, so nennt der Züchter diesen Vorgang das „Vorspiel." Die vorspielenden Bienen schweben zunächst in ganz kurzerEnfernung vor dem Flugloch auf und ab, indem sie das Gesicht be- ständig jenem zugekehrt halten. Die Zickzack- und Curvenlinien, welche sie dabei beschreibeu, werden schliess- lich immer grösser, wobei sich Oertlichkeit und Umgebung bereits so stark einprägen, dass z. B. die Königin nach dieser ersten Orientirung beim zweiten Ausflug direkt aus der Stoeköffhung ins Weite fliegt. Der erste Ausflug dauert gewöhnlich nur ein oder zwei Minuten. Aehnlich wie in diesem Falle scheinen sich die Bienen auch Stellen innerhalb ihres Flugkreises zu merken, wo sie z. B. Nahrung gefunden haben. Man findet dies, wenn man z. B. Honig im Freien füttterf. Hat nämlich eine Biene sich zum ersten Male an der betreffenden Stelle gesättigt, so fliegt sie nicht direkt ihrer Wohnung zu, sondern schwebt zunächst eine Zeitlang ganz in der Nähe des Futters, das (Besicht demselben zugekehrt auf und nieder genau so, wie man solches beim Vorspiel beobachtet. Nachdem die Bienen sich einmal eingeflogen haben, haftet die Oertlichkeit ihrer Wohnung und besonders die Lage der Flugoffnung instinctmässig in ihrem Gedächtniss fest, so dass sie immer wieder dahin zurückkehren. Des- halb lassen sich auch Bienenvölker nicht während der flugbaren Jahreszeit innerhalb des gewöhnlichen Flug- kreises an eine andere Stelle versetzen. Schon ein ein- faches Vcrscliiebcn des Flugloches um einige 20 cm nacli rechts oder links bringt die heimkehrenden Bienen in Verwirrung. Wenn nun auch das Ortsgedächtniss unserer Honig- bienen so scharf ist, dass die Thiere unter einer Mehrzahl nebeneinander stehender Wohnungen, die im tibrigen ganz gleiches Aussehen haben, stets die ihrige mit Sicher- heit ohne Zaudern wiederzufinden wissen, so beruht nach dem Vorhergehenden jene Fähigkeit doch nur auf einem mechanischen blinden Naturtrieb. Nimmt man z. B. zur Sommerszeit junge Bienen, die im Begriffe sind, ihren ersten Ausflug zu halten, vom Flugloch hinweg, schliesst sie in kleine Käfige ein und geht damit au eine andere Stelle, um sie frei zu lassen, so werden dieselben immer wieder zu den Käfigen als zu ihrer Ausflugstelle zurück- kehren. Ich liess wiederholt Völker in hohen Wohnungen sowohl aus einem unteren Hauptflugloch wie aus einer kleinereu etwa 40 cm höher gelegenen Oeffnung im Früh- jahr und Vorsommer aus- und cinfliegen. Im Spätsommer verschloss ich dann die obere Oeffnung und konnte nun wochenlang bemerken, wie viele Bienen immer wieder au die obere Stelle anflogen, sich niederliessen und sofort die ganze Strecke hinunter über die Stockwand liefen um unten einzuziehen, statt solches direkt zu tbun, obschon sie diese lange Zeit doch nur aus der unteren Stock- öffnung ausfliegen konnten. Ganz auffalleud ist das Verhalten der Bienen nach dem Schwarmakt. Schwarmcolonieen kann man nämhch einen ganz beliebigen Platz innerhalb des gewohnten Flugkreises anweisen, ohne dass Bienen nach ihrer früheren Wohnung zurückkehren. Man könnte nun meinen, die Thiere hätten in Folge des Schwärmens ihre frühere Standstelle aus dem Gedächtniss verloren. Dass dem jedoch nicht so ist, beweist der Vorgang, welcher sich abspielt, wenn man einem Naturschwarm seine Königin fortnimmt. Der Schwärm geräth bald in Unruhe und das Volk fliegt wieder auf den Stock zurück, aus welchem es hervorkam. — Das Verhalten eines normalen Schwarm- volkes wird uus jedoch verständlicher, wenn wir erwägen, dass dasselbe, an einem beliebigen Standort gebracht, bei der nächsten Gelegenheit das Bestreben zeigt, ein grosses Vorspiel zu halten, in Folge dessen jede IMene an der neuen Standstelle sich so einfliegt, wie wir es oben von jungen Bienen, die ihren allerersten Ausflug halten, berichtet haben. Wenn Völker im Winter mehrere Wochen ja Monate lang innerhalb des Stockes verweilen mussten, ohne aus- fliegen zu können, so halten die Bienen ebenfalls nach Eintritt wärmerer Witterung ein grosses allgemeines Vor- spiel. Sind nun während jener Zeit die Wohnungen der- selben auf einen anderen Platz gebracht worden, der nicht weit von dem früheren entfernt ist, so fliegen die Bienen sich nun gleichfalls auf der neuen Stelle ein, obschon sie die frühere nicht vollständig vergessen haben. Denn man sieht die Thiere hier massenhaft herum- schwirren. Bald aber ziehen sie sich fast ohne Ausnahme auf ihre nunmehrige Standstclle zurück. Auch gewohnte Futterplätze behalten in ähnlicher Weise die Bienen manchmal zw'ci bis drei Monate im Gedächtniss, wie öftere Erfahrungen der Züchter gezeigt haben. Beim Orientiren der Arbeiter im Aufsuchen von Nahrung, also beim Befliegen und Erkennen von Honig- und Pollenspendern ist offenbar der Formen-, Farben- und Geruchssinn der Thiere gleichzeitig betheiligt. Wir wissen, dass die pollensanmieluden Insekten, insbesondere die Honigbienen auf ein und dem nämlichen Sammel- .\usflug nur die gleiche Pflanzenspecies besuchen. Nun hat jede der letzteren ihre ganz besonderen specifischcn XVI. Nr. 14. Naturwissenscliaftliche "Wochenschrift. 155 Duftstoffe, welche von entspreclieuden Alkaloiden, Harzen und vor allem von den ätherischen Oelen herrühren, die wieder in grösster Menge in den Bltithentheilen angehäuft sind. Weil nun die Bienen anerkannterniaassen den ver- schiedenen Duftstoffen gegenüber sich so ausserordentlich feinfühlig bezeigen, so ist es erklärlich, wie die Arbeiter, sofern sie eine Zeit laug an einer bestimmten Pflanze Honig oder Pollen genascht haben, so mächtig durch den specitischen Geruch der Blüthentheile beeinflusst werden, dass sie bei der ferneren Sammelarbeit immer nur der gleichen Pflanzenart ihre Aufmerksamkeit zuwenden und andere Blüthen unberücksichtigt lassen. Aus obigen Ausführungen erhellt auch, dass Orien- tirungssinn und Gedächtniss der Bienen, in Bezug auf ihre Natur und Lebensweise und unter gleichzeitiger Anpassung an wichtige Vorgänge im Pflanzenleben höchst zweckentsprechend ausgebildet sind. Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes i. J. 1900 bis 1901. (Forsetziing.) Im Winter 1900/1901 zeigte sich zunächst dieselbe Schwierigkeit wie im Sommer, d. h. die Veranstaltungen denen bekannt zu geben, die ein Interesse dafür haben. Im Winter musstcn die Excursionen mehr zurücktreten, nur in den Weihnachtsferien konnte eine solche ver- anstaltet werden, nämlich die in das Steinkohlenrevier von Zwickau, sie bildete gewissermaassen den Abschluss zu den zwei im Sommer auch unter Leitung des Herrn Prof. Potonie veranstalteten nach Gross Käschen und Neuhaldensleben. Auch von den angekündigten Vorträgen rausste der des Direktor Schwalbe über Molekularphysik auf das Jahr 1901,1902 verschoben werden. Das Kapitel war deshalb gewählt, weil dieser wichtige Abschnitt der Physik im Unterricht sehr wenig Berücksichtigung findet, auch die methodische Behandlung und die grund- legenden Experimente in den Lehrbüchern wird berührt werden. Die Beziehungen der Molekularphysik zur Technik und den einzelnen Zweigen der Physik sind so wichtig und zahlreich, dass ein solcher Ueberblick vielfach vermisst worden ist, um so mehr, als ein Theil der Er- scheinungen dem Gebiete der Chemie zugerechnet wird, das von den Lehrern der Physik nur selten eingehend be- rücksichtigt wird. Die übrigen Veranstaltungen haben dem nachstehenden Plane gemäss stattgefunden. Vor Weihnachten begannen folgende Kurse: 1. Ueber Zeitmessung und Uhrenwesen; neuere astro- nomische Forschungen (Geheimrath Prof. Dr. Förster.) 7 Vorlesungen. 2. Erklärung und Gebrauch der zum astronomisciien Unterricht am Andreas-Realgymnasium vor- handenen Einrichtung. (Prof. Dr. Koppe.) 5 Demonstra- tionen. 3. Methodische Uebungen im Schulexperiment. (Prof. Dr. Heyne.) 4. Vorträge und ausgewählte Kapitel aus der Methodik des Experiments und Uebungen in Durchfülirung der Versuche. (Dir. Schwalbe.) 5. Geo- logische Excursion in ein Kohlenbergwerk bei Zwickau (4. und 5. Januar 1901). (Leiter der Bezirksgeologe Prof Dr. Potonie.) Für die Zeit Ende Januar bis März 1901 sind folgende Vorlesungen und Uebungen in Aussicht genommen: 1. Vor- träge über Bakterien. (Prof Dr. Müller.) — 2. Die Biologie des Süsswassers und ihr Studium, mit Excur- sionen. (Dr. B. Scbiemenz, Vorsteher der biologischen „Fischerei- Versuchsstation des deutschen Fischerei-Vereins: Müggelsee".) — 3. Uebungen aus der Elektrotechnik. (Prof Dr. Szymanski.) — 4. Vorlesungen über Molekular- physik und ihre experimentelle Verwerthung für den Unter- richt. (Dir. Schwalbe.) — 5. Für O.stern 1901 ist eine grössere Excursion geplant. Geh. Eegierungsrath Prof. Dr. Foerster. Ueber Zeit- messung und Uhrmessen; neuere astronomische Forschungen. Die Vorlesungen fanden Montags von 6 bis 7 Uhr, und zwar die erste in der Königlichen Sternwarte, die dritte in der Urania (Invalidenstr. 57/60), die übrigen in dem Chemiezimmer des Dorotheenstädtischen Real-Gym- nasiums statt, und zwar am 3., 10. und 17. December 1900, am 7., 14., 21. und 28. Januar 1901. Als allgemeine Richtschnur seiner Darbietungen be- zeichnete der Vortragende die Hervorhebung aller der- jenigen astronomischen Forschungs-Ergebuisse, Gesichts- punkte und Methoden, welche beim Schulunterricht be- sonders aufklärend und förderlich sein könnten; ausser- dem die Mittheilung solcher neuesten Ergebnisse, welche zur Zeit erst den specifisehen Fachmännern näher be- kannt, aber geeignet seien, durch ihren besonderen Glanz und Reiz der Lehrerwelt Weckungsmittel des Interesse der Schüler an die Hand zu geben. In diesem Sinne wurde in dem ersten Vortrage „über Zeitmessung und ührenwesen" angesichts des grossen Meridian-Instrumentes und der Uhren-Einrichtungen der Königlichen Sternwarte das Wesen und die Gewinnung des natürlichen Zeitmaasscs durch die Drehung der Erde und des technischen Zeitmaasscs durch die Schwingungen der . Pendel-Uhren u. s. w. erläutert und die Fundirung des technischen Zeitmaasscs durch den Anschluss an das natürliche Zeitmaass an den bezüglichen Apparaten ver- anschaulicht. Zugleich wurde gezeigt, in welcher Weise diese astronomisch fundirte Zeitbestimmung zur Richtig- haltung öffentlicher Zeit-Angaben mit Hilfe elektrischer Veranstaltungen verwerthet wird. In dem zweiten Vortrag, welcher ebenfalls „Zeit- messung und Uhrenwesen" zum Gegenstande hatte, wurde die feinere methodische Kritik der Zeitmessung in allen ihren Voraussetzungen und Folgerungen nach astronomi- schen und physikalischen Gesichtspunkten erörtert, nämlich die Frage von dem Beständigkeitsgrade des natürlichen Zeitmaasscs und von den Fehlerquellen des technischen Zeitmaasscs, sowie von den Erfolgen der bisherigen und den Aussichten der künftigen Verfeinerung der techni- schen Zeitmessung. Zugleich wurde auch das psychologische Wesen der Zeitmessung als der wesentlichen Grundlage alles unseres Erkennens im Sinne der geordneten und gesetzmässigen Festhaltung des Vergangenen ein Blick geworfen. Der dritte Vortrag „über das Fernrohr", welcher in der Urania (Invalidenstrasse) stattfand und dort durch 156 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 14. Demonstrationen an den Instrumenten der Urania-Stern- warte erläutert werden sollte, fand leider nicht die Gunst des Himnaels, sodass der Vortragende sich vorbehalten musste, die Herren Theilnehmer der Vorträge späterhin an einem geeigneten wolkenfreien Abende einmal zu einer Nachholung dieser Demonstrationen einzuladen. Der Vortrag behandelte, im Sinne der oben in der Einleitung gemachten Bemerkungen, hauptsächlich Ge- sichtspunkte, welche aus der Vorgeschichte des Fern- rohrs und aus den neuesten Ergebnissen und Erfahrungen der Fernrohrtechnik für die klare Erfassung des Wesens der Fernrohrleistungen, überhaupt der optischen Ver- grösserungen, im Interesse der Schttlerwelt, gewonnen werden können. Es wurde zunächst ein schematisches Fernrohr be- sprochen, welches ganz ohne Linsen lediglich mit zwei sehr feinen Oefifnungen hergestellt und für ein so helles Object, wie die Sonne, sogar mit ansehnlicher Ver- grösserungswirkung benutzt werden könnte, (z. B. zu Be- obachtungen von Durchgangszeiten der Sonne durch die Mittags-Ebene oder auch zum Erkennen von Sonnenflecken), natürlich nicht mit praktischem Werthe, sondern nur zu methodischer Erläuterung. Zwischen den beiden feinen Oefifnungen betindet sich, und zwar in einem mit Vortheil lichtdicht geschlossenen Raum (camera obscura), eine durchscheinende Fläche (Oelpapier oder dergl.), aufweiche das Licht durch die eine der Oetfnungen (die Objectiv- Oeflfnung) einfällt. Je näher diese auffangende Fläche der anderen Oeflfnung (Ocular-Oeflfnung) liegt, und je grösser dabei überhaupt der Abstand der auffangenden Fläche von der Objectiv-Geft'nung (die Bildweite des Fern- rohres) ist, desto stärker kann hier die Vergrösserung aus- fallen. Der Abstand der Ocular-Oeffnung von der auf- fangenden Fläche kann dabei, nach der bekannten Er- fahrung beim Sehen durch sehr enge Oeffnungen, be- deutend kleiner gewählt werden als die sogenannte deut- liche Sehweite, welche bei Benutzung der vollen Oeflfnung der Augenlin.se stattfindet. An einem solchen schematischen Fernrohr ohne Linsen lassen sich die fundamentalen Gesichtspunkte zur Be- urtheilung der Fernrohrleistungen sehr einleuchtend demon- striren, und von den durch enge (*effnungen erreichbaren Abbildungsleistungen lassen sich mit Hilfe der Sonne fast ohne allen Apparat sehr förderliche Anschauungen ge- winnen. Hinsichtlich der neuesten Ergebnisse und Erfahrungen an Linsen- und Spiegel Fernrohren wurde insbesondere diejenige Verfeinerung des Verständnisses und der An- forderungen etwas näher besprochen, welche durch die ge- nauere physiologisch-anatomische Kenntniss des Auges und der Structur seines Nerven-Apparatcs in der Netz- hautregion möglich und nothwcndig geworden sind. Hier- bei wurden diese neueren Forschungen über die Leistuugs- bedingungen dieses Nerven-Apparates in Betrcfi' der F'ein- heit der Orts- und Gestalts-Bestimmung, sowie der Inten- sitäts- und Farbenwahrnehmung etwas näher erörtert. In dem vierten Vortrage „Erde und Mond'- wurden zunächst die neueren kosmogonischen Forschungen von George Darwin über die vermuthliche Entstehungsgeschichte des Mondes durch ursprüngliche Ablösung von der Erde und im Anschluss daran überhaupt die Entwickelungs- geschichte eines binären, d. h. aus zwei nicht sehr stark von einander verschiedenen Massen bestehenden Sj-stems, einschliesslich der dabei wesentlich mitwirkenden Ebbe- und Fluth-Ers(heinungen erläutert. Sodann wurden alle wesentlichen Einwirkungen des Mondes auf die Erde besprochen und gehörig begrenzt, sowie das Problem der Mondbcwcgung und seine Be- deutung für die Schiffahrt in den Hauptzügen dargelegt. Den Schluss bildeten eine Betrachtung über die Mond- Atmosphäre, das Leben auf dem Monde und den Ge- nauigkeitsgrad, mit welchem wir mit unsern stärksten op- tischen Mitteln in die Mond- Welt hineinblicken können. In dem fünften Vortrage „Erde und Sonne" wurde der gegenwärtige Stand der Erforschung der Flecken, der Fackeln, der Protuberanzen und der Korona im Anschlüsse an unsere gegenwärtige Kenntniss von dem Rotations- gesetz der Sonne besprochen und sodann nach einem kurzen Ueberblick über die Anziehungs- und Wärme- Wirkungen der Sonne auf die Erde ein zusammenfassendes Bild gegeben von den neueren Ergebnissen und Meinungen hinsichtlich der Gesammtheit der Strahlungswirkungen der Sonne, insbesondere hinsichtlich des Einflusses der Sonnen- strahlungen auf die elektrischen und magnetischen Zu- stände der Erde, wie sie sich in den Polarlichtern und Gewittern, in den elektrischen Erdströmeu und in dem Beobachtuugsgebiete des Erdmagnetismus darstellen, bei denen allen ein deutlicher Einfluss der jeweiligen Sonnen- zustände auf die periodischen und auf die plötzlichen Ver- änderungen der irdischen Erscheinungen jetzt ganz zweifel- los nachgewiesen ist. Zum Schluss wurde ein Blick geworfen auf eine mög- liche Erklärung des Thierkreislichtes durch ähnliche Ein- wirkungen der Sonnenstrahlung auf die obersten Schichten der Erdatmosphäre. In dem sechsten Vortrage „die Planetenwelt" wurde mit einer Darlegung der gegenwärtigen Ansichten über die Entstehungsgeschichte des Planetensystems nach Kant und Laplace begonnen und der Nachweis gegeben, dass die Grundzüge dieser Hypothese, nämlich die Annahme der Entstehung der einzelnen Planeten und ihrer Bahnen ebenso wie der einzelnen Monde und ihrer Bahnen durch centrifugale Entwickelungen aus ursprünglichen Rotationen von umfassenderen Massengebilden, auch nach dem neuesten Stande der Forschung noch vollkommen in Kraft bleibt. Man muss nur die Verhältnisse innerhalb der einzelnen Rotationssysteme in Betracht ziehen, also die Bewegungen der Planeten um die Sonne zugleich mit der Rotation der Sonne gesondeit betrachten von den Bewegungen der Mond- systerae eines Planeten im Zusammenhange mit der Ro- tation dieses Planeten. Die Kant'sche Kosmogonie ver- langt nur, dass innerhalb jedes dieser Systeme die Rotationsbewegung des Hauptkörpers in naher Ueberein- stimmung der Ebene und der Richtung mit der Bewegung seiner Begleiter sei. Diese Uebereinstimmung ist in alhn Fällen, in denen wir die Rotation genau kennen, in unserem Planetensystem sehr nahe erfüllt, nämlich in den Be- wegungen der Planeten um die Sonne, in den Bewegungen der Monde des Mars um denselben, den Bewegungen der Monde des Jupiter um denselben, den Bewegungen der Monde des Saturn um denselben, einschliesslich der Lage des Saturnringes. Dagegen erfordert jene Hypothese keineswegs, dass diese verschiedenen gesonderten Rotationssysteme auch untereinander in voller Uebereinstimmung seien; denn die Rotations-Ebene eines Planeten konnte im Verlaufe der Entwickelung des ganzen Planetensystems sehr leicht durch, so zu sagen, lokale Nebenwirkungen neben dem all- gemeinen Bewegungsvorgang des umfassenderen Systems beeinflusst werden. Die etwas stärkere Abweichung der Lage der Ro- tations-Ebene der Erde von der Lage unserer Mondbahn ist wesentlich durch Ebbe- und Fl uth- Wirkungen in Folge des relativ grossen Verhältnisses der Mondmasse zur Erd- masse, sowie als eine Folge des sehr starken Eingreifens der Anziehungskraft der Sonne zu erklären. In dem Mondsystem des Uranus und des Neptun ver- mochten wir die Uebereinstimmung der Mondbahnen mit XVI. Nr. 14, Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 157 der Rotationsebene des Haiiptplaneten noch nicht zu er- weisen. Wird diese Uebereinstinimung, woran kaum zu zweifeln ist, auch noch erwiesen, dann ist auch die von dem Rotationsgesetze des ganzen Planetensystems stark abweichende Lage der Bahnen der Uranus-Monde und noch mehr des Neptun-Mondes keinerlei Widerspruch gegen die bisherigen kosmogonische Grund-Annahmen. Der Vortrag beschäftigte sich ausserdem mit einer kurzen Zusammenfassung unserer gegenwärtigen Kennt- niss der einzelnen Planeten und ihrer Mondsysteme. In dem siebenten Vortrage „die Sternenwelt" wurde zunächst der Uebergang von unserem Planetensystem auf die Sternenwelt durch eine Scliilderung unserer neueren Ansichten über die Meteore und Kometen gemacht. Diese kleineren, nur in den Kometen zu grösseren losen Haufen- bildungen verdichteten Weltkörper gehören im Allgemeinen nicht der Entstehungsgeschichte unseres Planetensystems an, sondern sie kommen aus den Zwischenräumen zwischen unserer Planetenwelt und den anderen Sternen- oder Sonnen-Welten her durch die Massen-Anziehung unseres Planeteusystems zu dauernden oder zeitweiligen Bahnen in dasselbe herabgezogen. Sodann wurden die jetzt bekannten periodischen und lovtschreitenden Bewegungen in der Sternenwelt, sowie mit Hill'e der Messung dieser Bewegungen gewonnenen Oiientirungen über die Stellung und Bewegung unseres Planetensystems in der umgebenden Sternenvvelt behandelt. Es wurde sodann in Kürze die ausserordentliche Be- deutung dargelegt, welche die Spcktralmessungen für die Bewegungsbestimmungen in den fernsten Räumen gewonnen haben, seitdem man vermag, durch Beobachtung der Ver- schiebung des Spektrums einer Lichtquelle nach der Seite der kleineren oder der grösseren Wellenlängen hin die Geschwindigkeiten za messen, mit denen jeweilig der Ab- stand zwischen dem Beobachter und der Lichtquelle ab- nimmt, beziehungsweise zunimmt. Etwas näher wurde dargelegt, wie durch eine Ver- bindung der Messung von Helligkeitsschwankungen ge- wisser Fixsterne mit solchen Spektralmessungen sehr enge Doppelsternsysteme entdeckt worden sind, in denen Welt- körper von der Grösse der Sonne in Umlaufszeiten von wenigen Tagen sich umeinander bewegen und bei einer gewissen Lage der Bahnebene gegenseitige Bedeckungen oder Verfinsterungen und dadurch Helligkeitsschwankungen des Gesammtlichtes des Sternpunktes hervorbringen, in den bei der grossen Ferne das Licht des Doppelstern- systems zusammenfliesst. Die Betrachtung wurde geschlossen mit einem Blick auf die ausserordentlichen Geschwindigkeiten, mit welchen nach neueren Messungen einzelne Sterne den Himmels- raum durcheilen, und mit einem Hinblick auf die neueren Untersuchungen über die Dimensionen des engeren Stern- systems oder sogenannten Milchstrassensystems, dem wir angehören, sowie mit einem Hinblick auf die kosmogoni- sche Bedeutung der fernen, meistens spiralförmigen, Nebel- gebilde, von denen, wie es scheint, dieses Sternsystem umgeben ist. W. Foerster. Prof. M. Koppe, Erklärung und Gebrauch der zum astronomischen Unterricht am Andreas - Real- Gymnasium vorhandenen Einrichtungen. Es nahmen sechs Herren an den Uebungen theil, die immer Mittwochs, ^ — 7 Uhr stattfanden, und zwar sieben mal, am 5., 12., 19. Dezember 1900; 9., 16., 23., 30. Januar 1901. Das folgende giebt eine Uebersicht des behandelten Stoffes : I. Weltaxe. Auf dem Söller der Sternwarte war der Schatten eines Gnomon für viele Tage nach MEZ aufge- nommen. Daraus lässt sich die für ewige Zeiten zum Beobachtungsort feste Weltaxe (d. h. Mittagsrichtung und Polhöhe), die Zeitgleichung, die Sonuendeklination mittelst der darstellenden Geometrie bestimmen. Ein specieller Fall ist die Methode des römischen Agrimemors Hyginus, die Ost- West-Linie aus drei Schattenpunkten zu finden. — Die scheinbare Gestalt des Himmelsgewölbes ist nicht die einer Halbkugel, aber die Constanz des Winkelab- standes irgend zweier Sterne macht die mathematische Annahme einer Himmelskugel nothwendig. Sonne, Mond, Sternbilder erscheinen am Horizont gross, weil ihnen die Phantasie dort grosse Entfernungen beilegt (nach John Wallis). Bahn und Sichtbarkeitsdauer des Gürtels des Orion, seine Schultern, seine Füsse. Wega Cirkumpolar- stern. Construktion der täglichen Bahn von Sirius und Wega mittelst darstellender Geometrie, Construktion der Sonnenuhr. — Sternatlanten, zu benutzen zur Einstellung von Neptun, Uranus, Vesta. — n. Tägliche Drehung des Himmels. Ein Stern- globus lässt sich herstellen, wenn die Abstände vieler Sterne mit dem Sextanten gemessen sind, Er müsste aus Glas sein, die Sterne müssten nach innen glänzen, und die Namen der Sternbilder nur von innen her lesbar sein. Besser sind unabhängige Messungen jedes Sternes bei der Culmination mit dem Theodoliten. Der Augenblick des Meridiandurchgangs wird durch eine nach Sternzeit regu- lirte Uhr bestimmt, die vorläufig so eingestellt wird, dass sie 0 Uhr zeigt, wenn ß Cassiopeias oder « Andro- medas kulminirt. Der Mond ist leicht nach seiner Stellung zu bekannten Sternbildern auf einem Himmelsglobus anzugeben, der Stand der Sonne zu den Sternbildern abends nach Ende der Dämmerung einigermaassen zu schätzen, in Babylonien wegen der kurzen Dämmerung viel leichter zu bestimmen. Mit Hilfe des Mondortes bei Finsternissen hat man sehr genau die Sonnenbahn (= Ekliptik, Finsternislinie) er- kannt. Heute kann dies leicht durch den Theodoliten geschehen, mit dem man die Höhe, und die Sternuhr, mit der man die Zeit der Sonnen-Kulmination an etlichen Tagen bestimmt. Man trägt die Sonnenorte auf einen AulViss des Himmelsglobus an, konstruiert den grössten Kreis durch zwei Punkte, auf dem auch die übrigen liegen, wechselt die Projektionsebene, so dass der Kreis zunächst als gerade Strecke, dann in natürlicher Grösse erscheint. Gläserner Sternglobus mit schiefer Achse, drehbar um eine kleine Erdkugel in seiner Mitte, deren höchster Punkt Berlin in richtiger Orient irung ist. Der Horizont wird durch den Spiegel einer die Glaskugel halb füllen- den Wassermasse trotz der Drehung festgehalten. IIL Astrolabium. Das Astrolabium des Hipparch und der Araber ist wegen des heute giltigen natur- gemässen Kalenders leicht für Datum und Stunde ein- stellbar, es zeigt nicht nur wie die drehbaren Sternkarten, welche Sterne über dem Horizont sind, sondern auch Höhe und Azimut eines jeden, so dass man ihn dann im Theodoliten einstellen kann. Entnimmt man der in Poskes Zeitschrift jährlich erscheinenden Karte des Planetenlaufs den Ort der Venus am Fix-Stern-Himmel, so kann man diese im Theodoliten finden, und dann durch Parallel- Stellung mittelst Storchschnabels auch in einem grösseren Fernrohre. Das Astrolabium zeigt ferner den Erdort, in dessen Zenit ii-gend ein Stern steht. Es ist nach atereo- graphischer Projektion vom Südpol des Himmels auf einer im Nordpol tangirenden Ebene entworfen, sodass die Sternbilder ähnlich sind, nicht verzerrt wie bei den käuflichen Sternkarten, wo willküilich alle Meriade gleich 15^ Naturwissenschaftliche AYochenschrift. XYI. Nr. 14. gross genommen werden. — Geometrische Construktionen und Formeln für die stereographische Plan-Projektion, für die conforme Kegel- und die Cylinder- (Mercator's) Projektion, welche letztere durch Abwickeln in eine Ebene kommen. Darstellungen der ganzen Erdoberfläche nach verschiedenen Projektionen zur Anschauung ihrer Be- ziehungen. — Ein Kugelnetz aus elastischen Stahlstreifen als Meridian, und sie umschlingenden Gummifäden als Parallelkreise gestattet die confoimen Umwandlungen. Atlas von 24 Karten, die für jede Stunde Sternzeit das sichtbare Himmelsgewölbe, vom Naturpuukt projicirt, darstellen, ohne die Vertheilnng der Azimute, wie beim Astrolabium, zu beeinträchtigen. IV. Demonstrationen. a) Vom Schulhof'e aus' Würfe der Polarstern von einer vorspringenden Ecke am Dache des Schulhauses einen Schatten auf den Hof, so beschriebe dieser au jedem Sterntage eine Ellipse von etwa 1 m Achse. Diese ist auf einer Granitplatte durch eingemeisselte Punkte dargestellt und in Stunden getheilt. Stellt man das Fernrohr über dem passenden Punkt auf und richtet den Sucher nach dem Vorsprung, so erscheint im Fernrohr auch bei Tage der Polarstern, — Einstellung des Sirius für eine bestimmte Sternzeit (am 1. April G Uhr 3U Min. nachmittags) von einem markirten Punkte des Hofes mittelst einer irdischen Marke. b) Von der Sternwarte aus: Astrognosic, Doppel- Sterne, Alkor und Ludwigs-Stern, Plejaden und Hyaden. Die sechs sichtbaren Sternbilder des Thierkreises. — Hat eine Drehung des Himmels von Osten nach Westen einen Sinn? — Da jetzt nahe der Weltaehse a ursac minoris steht, aus den überlieferten Poldistanzen bekannter Sterne aber andere Lagen des Pols für frühere Zeiten sich ergeben, so kann die Bewegung des Himmels- gewölbes keine genaue Drehung sein. Sie erfolgt so, als ob ein Reif von 47° Radius, dessen Durchmesser etwa von a ursae minoris nach Wega geht, sich um einen dünnen Stab herumrollt, der cylindrisch die Weltachse umgiebt. Modell dazu. — Mit der Wanderung des Pols wandert auch der ihn in 90° Abstand umgebende Aequa- tor, daher auch der Punkt, wo die Sonne jährlich 90° Abstand vom Pol erlangt. Die Verse „Sunt aries . . ." sind längst nicht mehr richtig, es muss heisscn: Fische, Widder, Stier . . . Vor der Verwechslung wird im Joch- mann gewarnt und sie wird ebendort begangen. — Prae- cessionsglobus von Haas. V. Erde. Die Erscheinungen der sphaera recta, obliqua, parallela demonstrirt an dem Himmelsglobus mit eingeschlossener Erde und Wasserhorizont. Bedeutung der Rectascension für die sphaera recta. — Gauss'sche Projektion jedes Punktes der Erdoberfläche in einem be stimmten Zeitpunkt normal aufwärts an die Himmelskugel (Signal, Mond- oder Jupitermond-Finsterniss, Chronometer nach Greenwicher Zeit, Mond-Distanzen). Dadurch wird die genaue Himmelskugel zugleich ein idealisirter Erd- globus. Geogr. Breite = Polhöhe. Läugendift'erenz Berlin (B) — Greenwich (G), wenn P der Pol und S die Sonne oder ein Stern ist, = GPB = BPS — GPS, also gleich der Differenz der Polzeiten. Bei einer Reise nordwärts sinkt in den Tropen der Polarstern um 1° auf 110 km, in Lappland auf 111 km. Daher unterscheiden sich die Krümmungsradicu, ' der angenommenen Meridian- Ellipse um P/o) ebensoviel a'* und b^, also a und b um Va »/o. - Ein Ort auf dem „3." Breitengrad oder „3. Paraliel- kreis" falsch statt unter 3° oder 320' Breite." Jene Aus- drucksweise auch bei Goethe, diese bei Ptoleniäus. Globus mit drehbarem Stundenring am Aequator, der durch die Zahl von Fadenwindungen, die sich aufwickolii, das Datum und die Datumgrenze demonstrirt. Richtige Orientirung des Erdglobus: Berlin oben, Berlin — Stralsund nach Norden, während der Globus sich vergrössert, wird sein höchster Punkt festgehalten. Da käufliche Globen mit schiefer Achse fälschlich alle nur für die Breite von Island eingerichtet. VI. Wissenschaftliche Heliocentrische Auf- fassung. Uebergang zur Copernieanischcn Anschauung in 2 Stufen: 1) Taschenuhr mit starkem Zeiger, der fest- gehalten wird. — Modell zum experimentellen Nachweise des Sinusgesetzes bei Foucaults Pendel. 2) Zwei Schiffe, von denen jedes die Stellung des andern nach Entfernung und Himmelsrichtung aufnimmt. Atlas der räumlichen heliocentrischen und der daraus construirten geocentrischen Bahnen der Planeten. Dazu: Fixstern-Himmel projicirt vom Südpol der Ekliptik. Nachbildung desAstronomicum Caesareum des Appianus 1500, mehrere auf einander drehbare Papierscheiben ge- statten den geocentrischen Ort des Jupiter für jede historische Zeit einzustellen. Günther's Citat aus Kepler: „Miscrabilis industria" ist nicht auf das Astronomicum Caesareum im ganzen zu beziehen, sondern aut die neben- sächliche Darstellung der geocentrischen Breite und wird oft falsch aufgefasst. Für die Construktionen wird der Satz benutzt, dass die Bahnen der grossen Planeten fast Kreise sind, vor denen die Sonne excentrisch steht, und dass von dem ihr symmetrisch gegenüberliegenden Punkte (dem 2. Brenn- punkt aus) die Winkelgeschwindigkeit constaut ist. Die Zeitgleichung. Zieht man vom Pole Tag für Tag mittags Linien nach der Sonne, so haben diese nicht gleiche Winkelabstände. Die Punkte, wo sie den Aequator schneiden, liegen an manchen Stellen gedrängt, an anderen zerstreut. Hängt man au einem Ringe, der diese unregel- mässige Theilung in 365 V4 Theile zeigt, einen andern regelmässig getheilten von gleicher Grosse auf, durch 366 gleicii gespannte Fäden, so giebt der untere Ring nach erfolgter Einstellung an, wie am besten die Theilung des auf ihn projicirten oberen zu corrigireu ist. Mathematisch besteht die Zeitgleichung aus 2 Sinus- gliedern. Das eine hat jährliche Periode und beruht, geocentrisch, auf dem Unterschiede der wahren und der mittleren, um die Erde laufenden Sonne, oder heliocen- trisch auf dem Unterschiede zwischen der wahren und einer mittleren Erde (Wislieenus in der astronomischen Chronologie lässt, heliocentrisch, die Erde um eine mitt- lere Sonne laufen). Das zweite Glied hat halbjährliche Periode und beruht auf der Abweichung der Ekliptik vom Aequator. Am 21. März beträgt die Zeitgleichung 8 Minuten, daher fallen erst zwei Tage später mittlere Zeit und Sternzeit zusammen, was für den Kalender des Astro- labiums zu beachten ist. VII. Chronologie und Finsternisse. Ein Jahr hat n Sonnen- (n + 1) Sterntage. Da n nicht ganzzahlig, so kann die genaue Definition eines Jahres nicht sein, dass nach seinem Ablauf dieselben Fix-Sternc wieder um Mitter- nacht kulminiren (Jochmann). Wenn der vom Pol nach a An- dromedon gerichtete Kreis (n + 1) Runden gegen den Meridian des Beobachters vollzogen hat, hat die Sonne gerade einen Uralauf verloren. Ein Jahr hat p synodiscbe, zugleich p + 1 siderische Monate. Entwickelung der Definition des tropischen Jahres. Eine Nachtgleiehe wäre nur bis auf einen Tag genau zu bestimmen, und existiert streng genommen nicht, da die Sonne keinen vollen Tag die Declination 0 hat. Genauigkeit des Gregorianischen Kalenders, der. XVI. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 159 anticipirt, mit dem Julianisclien zur Zeit des Concils von Nicaca nicht übereinstimmt. Karten über Veuus-Durchgäiioe, Sternbedecknngcn, Mond- und Sonnen-Finsternisse. Der Merkur-Durcbgang am 4. November 1901 kommt nicht zu Stande. Lamberts graphischer Kalender aller möglichen Mond- und Sonnen- Finsternisse. Die Berliner Mond- und Planetentafcln von 1776. Entnimmt man den sehr einfachen Lambert'sehcn Tafeln die Finsterniss-Elemente (Stellung von Sonne und M(ind), so erhält man durch Zeichnung die Finsterniss bis auf 2 Zcitminiitcn genau. Conslruktion der von Stunde zu Stunde wechselnden Finsterniss-Gebiete lässt sich so- wohl nach der Projektions-, wie nach der Parallaxen- Methode deuten. Prof. Heyne. Uebungen im Schulexperiment. Die Uebungen fanden in der Zeit vom 5. December 1900 bis zum 13. Februar 1901 wöchentlich einmal, nach- mittags von 5 bis 7 Uhr im physikalischen Kabinett des Falk-Realgymnasiums statt. Behandelt wurden am 5. Dezember 1900: Versuche über Schallerregung, Ausbreitung, Stärke und Höhe eines Tones. 12. Dezember 1900: Versuche zur Bestimmung der Schwiugungszahl eines Tones. Methodische Versuche zur Erklärung des Tones einer Lippenpfeife. 19. Dezember 1900: Versuche über Wellenbewegung, Untersuchung über die Wellenbewegung der Luft in Lippeupfeifeu mittelst des Kundt'schen Ventils. Benutzung der Lippenpfeifen zur Bestimmung der Schallgeschwindig- keit in Kohlensäure. 9. Januar 1901: Versuche über schwingende Saiten. 16. Januar 1901: Versuche am Monochord, Chlad- ni'sche und Faraday'sche Klangfiguren, Versuche über Obertone. 23. Januar 1901: Versuche zur Klangfarbe, Königs Vokalapparat, Interferenzerscheinuugen. 30. Januar 1901: Die grundlegenden Elemente zur Einführung in die Reibungselektrizität bis zur Holtz'schcn Influenzmaschine. 6. Februar 1901: Versuche zur Erläuterung der Be- griöe Volt, Ohm, Ampere. 13. Febrnar 1901: Versuche zum Nachweise dos Ohm'schen Gesetzes in seinen Formen i = e : w und e = i • w. Bei den Versuchen wurden gelegentlich berücksichtigt der Bau der Apparate, um etwaige Fehler zu untersuchen, bezw. zu verbessern. Praktisch durchgeführt wurde die Umarbeitung und Verbesserung eines offenen Flüssigkeits- manometers, sowie die Herstellung von Leitungswider- ständen aus Manganin, wie sie zur Ableitung des 0hm- schen Gesetzes dienten. Besprochen und demonstrirt wurden auch gelegentlich der Umarbeitung des Mano- meters die Färbemittel für Flüssigkeiten, welche intensiv färben, ohne beträchtlich in den Gefässen abzusetzen. Heyne. (Schluss folgt.) Zur MuseunistVago, insbesondere in Betreff von Museen der Völkerkunde hat Rudolf Virchow vor dem preussischen Landtag sich (nach einem Abdruck in der Vossischen Zeitung in Berlin) in der folgenden Weise geäussert. Ich finde, dass die Staatsregierung im Allge- meinen recht wenig thut, um die Bedeutung der ge- sammelten Sehätze dem grossen Publikum zugänglich zu machen. Den amtlichen Bericht können zwar die Fach- gelehrten mit Nutzen gebrauchen, aber selbst viele Ab- geordnete werden aus ihm kaum eine üebersicht über die Bedeutung der Sammlungen gewinnen. Namentlich trägt der Raummangel für die Aufstellungen wesentlich dazu bei, dem Publikum das Verständniss für die Gegenstände, die es sieht, zu erschweren. In England wird ganz anders verfahren. Fe' er jede neue Erwerbung bringt dort die „Times" eingehende Artikel. Dadurch erhält erst jede Erwerbung die Bedeutung, dass sie All- gemeingut wird. Leider haben wir keine rechten Ver- bindungen mit der Presse. Wir haben zwar ausge- zeichnete Männer in der Presse, die sind aber wie die Si)innen; in irgend einem Winkel eines Blattes findet man einen ausgezeichneten Artikel, wie man beim Auf- räumen einer Wohnung in irgend einer Ecke eine Spinne findet. Wir schätzen die Presse nicht genügend. Nicht einmal eine Vermehrung des Personals in den Museen und der Räume könnte einen ausreichenden Ersatz dafür geben. Wie viele Männer und Frauen giebt es wohl in Berlin, die einen Begriff haben, was z. B. eine vorderasiatische Abtheilung bedeutet? Wie nothwendig es ist, das Verständniss zu fördern, erhellt sehr einfach, wenn man einmal hineingeht und sich mit den Leuten in ein Gespräch einlässt. Nach unserer Schulentwickelung sind wir so sehr daran gewöhnt, dass eigentlich alles durch Athen hindurch gehen muss, was den Fortgang der all- gemeinen Cultur anbetrifft. Im Museum laufen "die Leute durch die v(n-dera.siatische Abtheilung und haben keine Idee, was für ein Geschlecht dort für die allgemeine Ent- wickelung alles gethan hat. Durch diese Unwissenheit ist auch die ganze politische Situation ausserordentlich verdunkelt worden. Noch heute wissen sehr wenige Menschen, was in den vorderasiatischen Ländern, die unter türkischer Hoheit stehen, los ist, und wenn sich jemand dafür interessirt, so ist es nur deshalb, um zu sehen, ob die Aktien der neuen Euphratbalm rentiren oder nicht. Hier niUsste zwischen der Presse und der Regierung ge- wissermaassen ein neuer Dienst eingeschoben werden, an dem die Regierung sich betheiligt, nämlich der Unterrieht in den Dingen, die dort vertreten werden, und über die Bedeutung, welche sie im einzelnen haben. Wenn die Leute erst wissen, was in einem solchen kultur- und kunst- geschichtlichen Raum zu scheu ist und welche wunder- baren Dinge sich dort darstellen, so würden wir auch da- von zurückkommen, dass das Publikum fast immer nur in die Tingeltangel und in die verschiedenen Animirkneipen hineingeht, um dort die Zeit zu verbringen. Ich verlange nicht eine gelehrte Abhandlung, worin alle Malschulen und Skulpturschulen im einzelnen behandelt werden, aber man müsste doch wenigstens erfahren, aus welcher Periode die Skulpturen stammen, die zu Tage gefördert werden, welchen Gegenstand sie behandeln u. s. w. Es schmerzt mich der Hochmuth der klassischen Leute, die es so dar- stellen, als ob von allen klassischen Dingen nur das mensch- liche Werth hätte, was sie gewissermaassen mit dem philo- logischen Stempel versehen haben. Diese einseitige, hochmüthige Behandlung resultirt daraus, dass die Herren es sich nicht klar machen, dass die Menschen, die ausser- halb einer solchen spezifisch interessanten Periode gelebt haben, sich doch nach denselben Gesetzen entwickeln, wie die innerhalb dieser Periode, und dass der Mensch in seinem gesammten Wesen nicht ohne weiteres durch eine Culturperiode geändert wird. Das, was in einer Periode erscheint, geht für die nächste nicht ohne weiteres 160 Naturwissenschaftliclie "Wochenschrift. XVT. Nr. 14. verloren, wenn dazwischen auch vielleicht eine gewaltige historische Kluft entsteht. Nun höre ich, gegenüber den Bestrebungen, Nationalmuseen zu errichten, Museen, die sich speziell mit den cntwickeluugsgeschichtlichen Ver- hältnissen des Landes beschäftigen, den Vorwurf: Es ist eigentlich nicht viel darin, was man da sieht, das sind eigentlich keine Originalsachen, das sind Moden, die im einzelnen vielleicht interessant sind, aber im grossen und ganzen gar keine Bedeutung haben. Das ist eine der son- derbaren Verirrungen des Denkens, die daraus resultirt, das die Leute nicht wissen, was im grossen und ganzen Mode ist. Ohne Mode keine Cultur, die auf ihr beruht; man könnte die Mode auch Canon nennen, das ist eben solch Ding. Es giebt eine gewisse Zeit, wo er hergestellt wird, dann wird er Grundlage für viele künstlerische Dinge — die Nachahmung bleibt und das Original entschwindet gewöhnlich dem Gesichtskreise; verfolgt man die canoues, kommt man in das Dunkel der Vorgeschichte. Ich er- innere au die berühmten Skulpturen der ägyptischen Periode. Ich war mal in der Lage, die Königsmumien zu messen. Ich konnte mit Erlaubniss der ägyptischen Regierung eine ganze Reihe prüfen und mit den Statuen vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass nicht eine einzige von den wirklichen Königsmumien zu den Statuen passte, weder in Grösse noch Gestalt, Knochenbau oder Physiognomie des Gesichts. Man kam immer gleich auf den eanon, und der canon ging von einem König auf den anderen und zuletzt war es ein reiner Zufall, ob man den König Sesostris nannte oder anders. Es war immer die traditionelle, ererbte Gestalt, immer die Mode. So ist es überall. Meine Arbeiten haben den Nachweis geführt, dass seit undenklichen Zeiten ganze Völkerschaften ihre Köpfe auf eine besondere Weise verunstaltet haben; die scharfe Scheidung, in welche man die philologisch-inter- essanten klassischen Abtheilungen gegenüber den älteren, bloss vorhistorischen, oder den späteren, rein historischen gebracht hat, ist auch im Interesse der Anthropologen unzulässig, üeberall braucht man nämlich die üebergänge und Zusammenhänge, sonst ist eine allgemeine Geschichte der Menschheit unmöglich. Ich erinnere an die Forschungen meines Freundes Schliemauu, die schliesslich dazu geführt haben — anfangs lächelte man darüber — dass man all- gemein die Ueberreste der homerischen Helden in Mykene suchte. Heutzutage hat man sich überzeugt, dass nicht dieser Ort allein in Betracht kommt, sondern jene grosse Culturperiode sich über sämmtliche Mittelmeerländer er- streckte und sich noch tief nach Aegypten hinein ver- folgen lässt. Wer hat früher etwas von mykcnischer Cul- tur gewusst? Ich erinnere noch einmal an die über- raschenden Thatsachen, die sich in Beziehung auf das MUnzwesen herausgestellt haben. Heutzutage machen wir ja wieder neue canones im Münzwesen; aber sonst ist eine zusammenhängende Reihe in den Münzen vorhanden, die sich bis in das alte Assyrien zurückverfolgen lässt. Diese Betrachtungen wollte ich hier einmal anregen, um den Gedanken etwas näher zu bringen, dass diese Kultur- cntvvickelungen sich nicht dadurch abschneiden lassen, dass mau nur die vollkommenste Cultur nimmt oder die höchste Blüthe irgend einer Periode herausgreift. Wir brauchen die kleinen Zvvischenstationen, an denen man sieht, wie der menschliche Geist sich allmählich heraus- gearbeitet hat und wie der fertige canon oder die fertige Mode zu Stande gekommen ist. Ich halte es deshalb für sehr wünschenswerth, dass zwischen den jetzigen Abthei- lungen des Museums eine gewisse Verbindung hergestellt wird. Eine solche Möglichkeit liegt sehr nahe, wenn man sich die Aufgabe stellt, unsere eigene nationale Entwicke- lung, also die si)eziell deutsche, in Verbindung zu bringen mit der allgemeinen Entwickelung. Dazu gehört dann freilich auch, dass man dem deutscheu Alterthum eine etwas grössere Aufmerksamkeit zuwendet. Wenn man z. B. die Forderung nach einem deutschen Trachten- museum mit der Bemerkung abthut, ein Trachtenmuseum ist doch nichts weiter als ein Museum früherer Moden, dann muss man auch die ganze ägyptische Kunst ver- werfen, die auch nichts weiter ist als eine Sammlung von Moden und canones ägyptischer Cultur. Anderseits halte ich es aber nicht für nöthig, dass man nun für jede Periode endlose Spczimina aufhäuft zu Riesenquantitäteu' von Material, die ungefähr immer dasselbe wiedergeben. Wenn man von jeder afrikanischen Lauzenform gleich 20 — 30 Exemplare da hat, dann kommt man allmählich zu einer Art von Lanzenzeughaus; ganze Wagenladungen solcher Dinge brauchen wir nicht, und aus der Thatsache, dass solche vielfach angehäuft werden, resultiren zum grossen Theil die Klagen über Mangel an Raum in den Museen. Man sollte eine andere Disposition machen, ein anderes System einführen, aber dabei festhalten, dass das, was man hat, ein vollständiges Bild der Entwickelung des menschlichen Geistes nach gewissen Richtungen hin geben muss, und dass durch die Verbindung ermöglicht wird, eine Auslese zu halten, wobei sehr viel entfernt werden kann. Bei den neuen Forderungen der Regierung im Extraordinarium werden wir darauf zurückkommen. Ich werde dabei noch einmal darüber sprechen, hier in der Nähe eine Einrichtung zu treffen, wodurch die üeber- gänge mehr festgestellt werden, und wodurch einerseits die deutsch-nationale Entwickelung und die ältere Ent- wickelung in anderen grösseren Richtungen in eine wirk- lich organische Verbindung gebracht werden, so dass das Volk sich da hineinleben kann. Zur (ieologie der Sahara. — Für die Geschichte der Sahara ist ein Petrefactenfuud von grosser Wichtig- keit, über den ebendesshalb de Lapparcnt der fran- zösischen Akademie am 18. Februar folgendes berichtete. Alle Versuche der paläogcographischen Construction Afrikas haben sich der Behauptung fügen müssen, dass zur Kreideperiode, und zwar zweifellos vom Cenoman bis zum oberen Senon, das Mittelländische Meer einen grossen Busen in die Gegend der libyschen Wüste aussandte. Dieser Busen, der östlich von dem langen archäischen Horste begrenzt wurde, in dessen Mitte sich der Graben des Rothen Meeres zögernd öffnete, erstreckte sich in Nubien bis zu der Stelle, wo jetzt Khartum liegt. Für seine westliche Erstreckung nahm man an, dass sie den Fuss der Höhenkette von Tibesti nicht überschreite. So findet sich denn auch auf der geologischen Karte von Afrika in Berghaus' physikalischem Atlas, deren Zeichnung von Zittel beeiuflusst wurde, Tibesti abgebildet als eine Barriere von archäischen und paläozoischen Schichten, die gekrönt wird durch einige junge Vulkankegel und die die libysche Wüste vollständig von der Sahara trennt; ebenso sind für den Zwischenraum zwischen Tibesti und dem Tsadsee nur dieselben archäischen oder paläozoischen Schichtensysteme. Indessen wusste man längst, dass die Oase von Bilma, die in ungefähr 19" nördlicher Breite auf dem Wege vom Tsadsee nach Tripolis liegt, ein mächtiges Steinsalzlager enthält, das für die Tuareks der östlichen Sahara eine reiche Einnahmequelle darstellt. Ueberdies hat schon Rohlfs in seinem Reiseberichte angegeben, dass bis nach Bilma Sandstein die herrschende Gebirgsart ist und dass man stellenweise in der Ebene von Mafaras Gips, Marmor und Kreidebänke auftreten sieht. Er fügte hinzu, dass der Sandstein südlich von Bilma reich an XVI. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift . 161 Versteinerung-en ist, besonders au Abdrücken von Ammo- niten, und dass in den Tjigrin genannten Felsgebirgen, die den Karawauenweg westlich begrenzen, Versteine- rungen sich ganz besonders in einem grauen Gestein von glasigen Aussehen zeigen; endlieh dass man unmittelbar vor Agadeni, d. h. am südlichen Rande der Sahara, wo Nachtigal die Gegenwart von verschiedenfarbigen Kalksteinen erwähnt, die unter eisenhaltigem Sandstein her- vorti-eten, wirkliche Anhäufungen von Versteinerungen, haupt- sächlich von Mollusken antrifft. Trotz dieser so bestimmten Vngaben hatZittel geglaubt, die Küste der Kreidemeere schon nordöstlich von Tibesti ziehen zu müssen und hat in seinem Werke über die libysche Wüste die auf Ammo- uiten bezügliche Mittheilung mit einem Fragezeichen aus- gezeichnet. Dagegen hat man auf der vom geographischen Institut der französischen Armee veröffentlichten Karte von Afrika den Angaben von Rohlfs vollen Glauben geschenkt und das Wort Versteinerungen an 2 Stellen zwischen Bihna und Agadem eingetragen. Diesen Weg hat 1892 der Oberst Monteil zurückgelegt und dabei einen ihm durch seine Form auffalligen Stein mitgenommen; es war am 11. September 1892, als nach einem vier- stündigen Nachtmarsche die Karawane des Obersten auf dem Wege nach Bilma zu Zau Saghair, ungefähr in 18" 23' 8" nördlicher Breite anhielt, um morgens um t) Uhr den üblichen Salam bei Tagesanbruch abzuhalten. Monteil war vom Pferde gestiegen, wobei sein Fuss gegen einen abgerundeten Stein stiess, der seine Aufmerksamkeit durch die Form und den sichtbaren Eindruck eines Strahls auf der Oberfläche erweckte. Diese Versteinerung ent- spricht nun einem Seeigel aus der Familie der Regularen und besteht aus einem dichten, gelben Kalkstein, der stellenweise am Stahle Funken giebt. Nach seinen Grössen- verhältnissen (11cm Durchmesser) überragt dieser Seeigel alle bekannten Versteinerungen derselben Familie. Nach der Bestimmung von Victor Gauthier gehört der Echinid einer Art (Protechinus Nötl., Nötlingia G-auth.) an, die 1897 von Nötling für einen Echiniden der oberen Kreideschichten von Belutschistan (Horizont der Kreide von Mastricht, Unter - Stufe Macstrichtien oder oberes Aturieu) aufgestellt wurde. Demnach ist bewiesen, dass gegen Ende der Kreide- periiide, also zu einer Zeit, wo in unseren europäischen Gegenden das Meer einer so ausgesprochenenEinschränkung unterworfen wurde, es nicht allein in der libyschen Wüste in seiner Ausdehnung erhalten blieb, sondern sogar vor- schritt bis in die Nachbarschaft des Tsadsees, wobei es in seiner Fauna Verwandtschaften mit der indischen Region aufwies. Aehnliche Verwandtschaften sind übrigens, wenigstens was die Unter-Stufe von Mastricht betrifft, mit Ünter-Egypten und mit Tunis nachgewiesen, wo sich die Ammoniten dieser Stufe denjenigen des südlichen Indiens verbinden. Der Weg, auf dem sich dieser Austausch vollziehen konnte, ist angegeben nördlich von dem alten Gebirgsstocke des Sinai und vom Rothen Meere, denn die obere Kreide von Palästina enthält Cephalopoden, z. B. Baculites syriaeus, die sich in der egyptischen Wüste wiederfinden, und die Forschungen Morgau's haben er- geben, dass das Meer in dieser Zeit sich durch Persien bis nach Belutschistan erstreckte. Doch ist auch die Möglichkeit nicht vollständig von der Hand zu weisen oder zu leugnen, dass das Kreidemeer der östlichen Sahara auch noch auf anderem Wege mit dem indischen in Verbindung gestanden habe, da ja der Zwischenraum zwischen dem Tsadsee und dem Kongo nicht allzu gross ist, woselbst zu Libreville Ablagerungen von gleichem Alter wie diejenigen von Bilma auttreteu und andererseits in den Gallaländern ein Fetzen von Kreide mit Acteonellen und gleichzeitig auf Sokrotra eine vollständige Reihe der Kreideschichten mit coneordant auflagerndem Tertiär auf- gefunden worden sind. Für das Auftreten von Kreidesehichten in Tibesti sprach übrigens schon die nach der Mittheilung von Nachtigal bei den Eingeborenen herrschende Gepflogen- heit, Höhlen zu bewohnen, welche sich doch iuuner nur in Kalksteinen linden, sowie desselben Forschers Angabe vom Auftreten kreidiger Bildungen. Dass aus der Wüste Sahara bisher erst so wenige Versteinerungen nach Europa gelangt sind, ist daraus zu erklären, dass sie nach der Meinung der Eingeborenen keinen Werth besitzen, und dass wegen der grossen Tageshitze die Karawanen in der östlichen Sahara meist des Nachts ziehen, wobei Beobachtungen zu machen natürlicherweise unmöglich ist. Da diese Gegenden jetzt zur französischen Einflusssphäre einbezogen worden sind, legt Lapparent seinen Landsleuten die Pflicht ans Herz, für die geologische Untersuchung Afrikas thatkräftig zu sorgen. 0. L. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Weule, Privatdocent für Ethnographie in Leipzig, zum zweiten Direktor des Museums für Völkerkunde daselbst; Dr. Saxer, Privatdocent in der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, zum Prosektor; Dr. Johannes Uebing, Lehrer der Philosophie am Lyceum Hosianum in Braunsberg, zum ordentlichen Professor; Dr. Adolf G essner, Privatdocent der Gynäkologie in Erlangen, zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Prof. Dr. Kümmel, Leiter der Universitäts- poliklinik für Ohren-, Hals- und Nasenkrankheiten in Breslau, nach Strassburg als Direktor der Universitätsklinik für Ohren- kranklieiten an Stelle Prof. Dr. Kuhns; Dr. Noll aus Breslau als Assistent an das physiologische Institut in Jena. Abgelehnt hat: Dr. Weule, Privatdocent der Ethnographie in Leipzig, einen Ruf an das neugegründete ethnographische Museum in Köln. Es habilitirte sich: Dr. Noll für Physiologie in Breslau. In den Ruhestand tritt: Dr. August Neverdin, Professor für chirurgische Instrumentenlehre in Genf. Es starben: Dr. Johannes Kloos, Professor der Mineralo- gie und Geologie an der technischen Hochschule in Braunschweig; Dr. Joseph Fodor, Professor der Hygiene in Budapest; Dr. Theodor Wynen, Assistent am hygienischen Universitäts- Institut in Marburg. Physiologischer und mikroskopischer Winterkursus in der Botanik. In der achten Nummer dieses Jahrganges findet sich im An.i^chluss an den Bericht über den in Berlin abgehaltenen zehnton naturwissenschaftlichen Ferienkursus für Lehrer an höheren Schulen die Notiz, dass mit Staatsmitteln in unserer Hauptstadt bereits im zweiten Jahr Daiierkurse zur Förderung des natur- wissenschaftlichen Schulunterrichts abgehalten worden seien. Unter diesen befinden sich auch die in der Ueberschrift näher bezeich- neten Uebungen, welche vom November bis März stattfanden und 15 Doppelstunden umfassten. Die Veröffentlichung ihres Pro- gramms au dieser Stelle hat den Zweck, den durch die prak- tischen Bedürfnisse geforderten Stotl'. soweit er in, jO Stunden überwältigt werden kann, streng begrenzt und wissenschaft- lich geordnet festzulegen. Die Anlehnung an moderne Ein- theilungsprinzipien der Lehrbücher bietet den grossen Vortheil. mit diesen leicht fortschreiten zu können und durch Auswahl besserer Beispiele einen solchen Kursus inhaltlich immer reicher zu gestalten. Der Stoff umfasst im Grossen und Ganzen das Ge- biet der allgemeinen Botanik mit Ausschluss der Morphologie, weil diese auf den Excursionen im Sommer berücksichtigt wird. Soviel zur Orientirung; das Nähere ergiebt sich ans der bei- folgenden Disposition. I. Anatomie. (Diese wurde nur soweit berücksichtigt, als sie den Zusammenhang zwischen Bau und Leistung erkennen lässt, also nur im Sinne von Haberlandt's Physiologischer Pflanzen- anatomie.) 1. Schwebevorrichtungen des Planktons: a) Diatomeen und Peridineen mit vergrösserter Oberfläche. b) Blaugrüne Algen mit Luft in den Zellen. 2. Bau der höheren Wasserpflanzen: a) Rückbildung der Wasserleitung und der Spaltöffnungen (Elodea). b) Ausbildung der Luftreservoire (Myriophyllum). c) Mangelnder Verdunstungsschutz der unter- getauchten Theile. 3. Bau der Xerophyten: a) Schleimbildung, Kutikularsrliicliti-n und eingesenkte Spaltöffnungen bei Aloe (Blattsat't|itlaii/i 1. b) Wasserreservoire über den Palissadenzellen bei Ficu.-: rl;i.stu :i. r) Bau und Eigenschaften des Wassergewebes bei Peperoniia (Epiphyto). 4. Bau der Wasserleitung: a) Wurzel- Naturwissenschaftliclie Wochenschrüt. XVI. Nr. 14. haare von Lepidium sativum, b) Bau des Holzes bei Kiefer und Weinstock, c) Im Anschluss hieran können die Spaltöffnungen in Verbindung mit einigen Verdunstungsversuchen behandelt werden. 5. Bau des Skeletts: a) Bau der mechanischen Zellen. b) Querschnitt durch einen Palmenblattstiel etc. 6. Hygrosko- pische Mechanismen: a) Bau der dynamischen Zellen, b) Be- wegung der Kapselzähne (Agrostemma, Melandryum, Coronaria). c) Bewegung der Hafergrannen und Erodiumschnäbel. d) Springen der Farnsporangien (Cohäsionsmechanismus). e) Zähne der Moosperistome und Schleuderzellen der Lebermoose. IL Physiologie. (Es wurde fast ausschliesslich die Phy- siologie der Ernährung berücksichtigt, einmal ihrer grossen Be- deutung wegen und zweitens, weil sie die wenigsten Apparate und geringsten Vorbereitungen beansprucht. Man vergleiche meinen Artikel aus dem Jahre 189b in dieser Zeitschrift.) 1. Physik der Zelle. a) Künstliche Zelle mit Ferrocyan- kupferhaut. b) Semipermeabilität des Plasmaschlauches (Tra- descantia discolor, Rothkohl). c) Turgor und Plasmolyse. 2. Kohlenstoffassimilation: a) Bläschenversuch mit Elodea, Indigo- und Bakterienmethode, b) Extraction und Zerlegung des Chlorophylls, c) Verdeckung des Chlorophylls durch andere Farbstoffe in verschiedenen Algengruppen. 3. Keimungs- physiologie: (In Verbindung hiermit Anatomie der Speicher- gen-ebe.) a) chemischer Nachweis der gespeicherten Nahrung wie Traubenzucker, Rohrzucker, Stärke, Reservecellulose u. s. w. b) Corrosion der Stärke (Gerste). Diastatische Wirkungen, c) Bei- spiele für die Thatsache, dass die Wurzel beim Keimen der Samen zuerst hervorbricht. 4. Athmungund Gährung. a) Nach- weis der Kohlensäureausscheidung beim Keimen der Gerste. Er- löschen eines Lichtes in der Atheuiluft. b) Ausbleiben der Keimung bei Ueberschichtung mit Oel. c) Entstehung eines Ueberdruckes durch Gährung. 5. Symbiose und Parasitismus: 1. (Dieses Kapitel schliesst sich ungezwungen an die vorhergehenden Gruppen der Ernährungsphysiologie an.) a) Mykorrhizen bei Fagus und Orohis. b) Wurzelknöllchen der Leguminosen, c) Umstricken der Algenzellen durch die Pilzhyphen in den Flechten, d) Ein- dringen der Pilze in Holz. III. Fortpflanzung. (Hierbei konnte nur die Morpho- logie berücksichtigt werden.) 1. Generationswechsel der Moose und Farnkräuner. a) Beobachtung der Prothallien. b) Studium der Antheridien und Archegonien mit ihren Inhalts- bestandtheilen. 2. Samenanlagen und Pollenkörner der Blüthenpflanzen. a) Keimung der Pollenkörner von Narcissen. b) Färbung der Kerne im Pollen von Galanthus mit Methylgrün- Essigsäure. — IV. Technisches. 1. Prüfung des Mikroskopes: a) Auflösung der Struktur von Pleurosigma augulatum (Neueste Untersuchungen über den Bau der Pleurosigmaschale bei Otto Müller, Berichte der Deutschen Botan. Gesellschaft Bd. XVIII, 1900, S. 482). b) Prüfung der Ebenung des Gesichtsfeldes bei schwacher Vergrösserung. 2. Herstellung von Präparaten: a) Einbetten der Objecte in Glycerin; Verschluss mittelst Gold- sizelack. b) Einbetten in Glyceringelatine. c) Herstellung von Trockenpräparaten; Verschluss durch ein Gemisch von Wachs und Colophonium. 3. Ku 1 türme thod en. Anzucht von Säm- lingen zu Versuchen a) in Erde, b) in Sägespänen, c) auf Lösch- papier (ev. Lackmuspapier). Wachsthum von Bacterien und Schimmelpilzen, d) bei Plattenkulturen (Petrischälchen), e) Strich- kulturen, f) Stichkulturen, g) Kollkulturen, h) in Nährlösungen. Dr. R. Kolkwitz. L i 1 1 e r a t u r. Maximilian Ferdinand, Sexualmystik der Vergangenheit. Mit Bildern von Fidiis. Wilhelm Friedrich, Leipzig. — Preis 2,50 M. Mystisch ist die ganze Schrift, die Polarität und Sexualität zusammenstellt und den alten Ariern die Kenntniss nicht nur von der Kugelgestalt der Erde, sondern auch von den physikalischen Gesetzen der modernsten Wissenschaft zuspricht. Dabei ist es an sich kein Wunder, dass wirkliche Thatsachen und gute Ge- danken in kritiklo.'i zusammengerafftem Stoff untergehen, zumal Verf. den — berühmten — Carus Sterne unter seine Autoritäten zählt. In dem ganzen versuchten Nachweis von der nordischen Heimath der Arier fehlt, wie gewöhnlich, jeder klare Begriff. Dabei mangelt es nicht an unzähligen sachlichen Ungeheuerlich- keiten, von denen nur einige angeführt seien: Die Zusammen- stellung von angelsächsisch Georman und dem Namen der Ger- manen ist nur möglich durch Unkenntnis.s über den Charakter von angelsächs. ge vor Vokal gleich j; die textkritischen Unter- suchungen über Alter und mythologischen Werth der verschiedenen Völuspa-Stellen sind dem Verf. unbekannt, wie seine Verwerthung des „Mächtigen von oben" für den arischen Monotheismus zeigt. Die Swastika, die sich auch nach ihm „nur bei arischen Stämmen" iindet, ist vielmehr in Ostasien allgemein verbreitet. Wenn für die Behauptung, dass die ägyptische Kultur eine arische Colonie sei. auch die Sprache verantwortlich gemacht wird, so hat Erman neuerlich den sicheren Beweis ihrer semitischen Zugehörigkeit er- bracht. Wenn ich endlich noch erwähne, dass Verf. von den dolichocephalen Polynesiern spricht, so ist aus fast allen berührten Gebieten eine genügende Blumenlese gewonnen. Wenn Verf. sich bemüht, all und jede Kultur unseren Vorfahren zuzuschreiben, wovon ja wahrscheinlich auch bei kritischer Behandlung, ja so- gar bei Beibehaltung des asiatischen Ursprunges manches be- stehen bleiben wird, so sollte er doch bedenken, dass dünkelhafte Selbstverherrlichung noch stets das Merkmal untergehender Völker gewt F. Graebner. August Schulte-Tigges , Oberlehrer am Realgymnasium zu Barmen, Philosophische Propädeutik auf naturwissenschaft- licher Grundlage für höhere Lehranstalten und zum Selbst- unterricht. 2 Bände. Georg Reimer, Berlin 1899 und 1900. — Preis 3 Mk. Der erste Band des Werkes enthält die Methodenlehre. Sie unterrichtet den Leser über die Art und Weise, wie natur- wissenschaftliche Erkenntnisse zu Stande kommen ; sie redet von der Beobachtung, der Induction; ihrer Prüfung durch das Ex- periment, ihrer wissenschaftlichen Zusammenfassung unter Gesetz und Hypothese, endlich ihrer deduktiven Darstellung und An- wendung. Die Deduktion ist meines Erachtens das Einzige, was zu kurz kommt, indem ihre Bedeutung für das induktive Ver- fahren selbst, ja schon für die Beobachtung, übergangen wird. Der zweite Theil giebt wesentlich eine Darstellung uud Kritik der mechanischen Weltanschauung. Er soll zeigen, dass die mechanische Erklärung der Naturerscheinungen das noth- wendige Ziel der Wissenschaft ist, dass dieses Ziel aber nicht vollständig erreichbar ist, dass Lücken nnd Widersprüche bleiben müssen, deren Ausfüllung und Versöhnung nur durch die Erkennt- niss von der Subjectivität der Erfahrung möglich ist. Man kann dem Buche nur eine recht weite Verbreitung wünschen; nur durch solche Schriften kann das verloren gegangene Verstäudniss für Philosophie wieder geweckt und verbreitet werden. Vor allem aber wird ein Unterricht im Sinne des Buches den philosophischen Bildungsgang der Schüler in geregelte Bahnen lenken, sie in gewissem Maasse vor unverdauter Lektüre und darauf folgendem Ueberdruss bewahren. F. Graebner. Die erste Erfindung. Vorgeschichtliche und kulturhistorische Ge- danken. Verlag von Oskar Damm. Dresden 1900. — Preis 1,20 Mk. Von der vorliegenden Arbeit kann man sagen, dass der Verf. gut gethan hat, seinen Namen zu verschweigen. Nach einer Ein- leitung, in der, um einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen, die Frage nach der Entstehung des Menschengeschbrlits resnltatlos be- handelt wird, erörtert der Autor, welche Ertindinm.ii d.- Mrnschen ihm mit den Thieren gemeinsam .seien, und fuhrt dii's.' .■iitweder auf Nachahmung oder auf unbewusste Erinnerung zurück. Dabei treibt er ein kindliches Spiel mit Analogien und äusserlichen Aehnlichkeiten. Leider sagt er selbst nicht, ob z. B. der Panzer der Phryganiden und die Hau.släuse der Ameisen dem Menschen direkt als Vorbild gedient haben oder ob es sich um eine Erinne- rung aus der Zeit handelt, da die Vorfahren des Menschen noch Insekten waren. Als eigene erste Erfindungen bleiben dem Menschen Spi'ache und Feuer; durch Vulkane, Brenngläser und zufällig erfundene Feuerzeuge wäre der Prometheusfunke den Menschen zugänglich geworden. Besonders das letzte ist dem Verf. sehr wahrscheinlich, aber auch das erste, da ja früher die vulkanische Thätigkeit sehr viel reichlicher gewesen sei, als heute. F. Graebner. Dr. Adolf Wagner, Studien und Skizzen aus Naturwissen- schaft und Philosophie. Heft 1 — 3. Gebrüder Bornträger. Berlin 1899-1900. Wagner hat sich bereits durch sein Bestreben bekannt ge- macht, die Naturforschung wieder auf die philosophischen Grund- lagen und Bedingungen ihrer Arbeit aufmerksam zu machen. Demselben Zwecke sind auch zum Theil die vorliegenden Hefte gewidmet; da sie sich aber an einen weiteren Kreis von Lesern, an das gesammte gebildete Publikum wenden, so ist auch die Vorlage erweitert. Während die erste Abhandhmg „Ueber wissen- schaftliches Denken und über populäre Wissenschaft" und die dritte „Ueber das Problem der angeborenen (apriorischen) Vor- stellungen" den Werth des philosophischen Denkens für die Naturwissenschaft und die subjektive Grundlage unserer Natur- erkenntnis behandeln, sucht die zweite oin andersartiges Problem, das der Willensfreiheit, in seiner Fragestellung klar zu legen und zu lösen. Ich glaube nicht, dass es heutzutage viele Philosophen giebt, die ihre Gedanken in so leichter und gefälliger Form bieten, wie Wagner, und ich zweifle deshalb auch nicht, dass die Studien sich r.ascli Freunde gewinnen werden. Da Verfasser nichts von einem Dogmatiker hat, da er sich nach Kräften bemüht, widerstreitende Meinungen unparteiisch auf ihre Berechtigung und ihre Bcdin- XVI. Nr. 14. Natvarwissenscliaftliche "Wochenschrift. 163 guDgen hin zu prüfen, so wird er seinen Zweck, nicht zu lehren, sondern zum Denken anzuregen, zu allgemeinem Nutzen er- reichen. Was das Einzelne angeht, so scheint mir das Problem der Willensfreiheit nicht vollständig behandelt zu sein. Wagner giebt nur die Frage nach der Bedingtheit der einzelnen Willenshandlungen, es fehlt die Frage nach der Bedingtlieit der Persönlichkeit, und da hätte Verf. sich vor allem mit dem subjektiven Idealismus aus- L-inandersetzen müssen. Für die Idee der Moral möchte ich trotz Wagner Apriorität in Anspruch nehmen; überhaupt scheint mir die Polemik gegen die angeborenen Ideen auf einer Ungerechtig- keit gegen den Bogriff „Idee" zu beruhen, für die ich den Doppel- sinn im Sprachgebrauch der ennlisclien Philosophie verantwortlich machen möchte. Endlich will mir die Behauptung, dass für Be- griffsbildung eine Sprache conditio sine qua non sei, doch nicht i'inwandfrei. Alles in Allem wünsche ich den vorliegenden Heften viel Glück auf den Weg und baldige Nachfolge. Fritz Graebner. J. E. Poritky, Julien Oflfray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandlung. Berlin 1900. ~ Preis 4 Mk. Es hat stets einen eigenen Reiz, eingehende Darstellungen über das Leben und die Thaten hervorragender Männer des friedericianischen Zeitalters zu lesen, wenn sich der Autor einer möglichst objectiven Betrachtung betieissigt. Dies ist dem Verf. durchaus gelungen und so können wir sein Buch sehr empfehlen. Lamettrie, der grosse Materialist, ist eine der bemerkenswerthesten Persönlichkeiten jener Zeit und der philosophisch angehauchte Naturforscher muss sich daher unbedingt mit ihm abfinden, ins- besondere mit seinem für seine Zeit hervorragenden Werk „L'homme machine". Hierzu bietet das Buch eine gute und be- cfueme Handhabe und das um so mehr, als es — wie freilich zu verlangen — nicht nur über die gesammten Veröffentlichungen Lamettrie's geschickt orientirt, sondern auch eine eingehende Litteraturliste über Veröffentlichungen bietet, die sich mit dem bedeutenden Naturforscher beschäftigen. Vieles kann man für die Geschichte der Biologie aus dem Studium der Werke Lamettrie's lernen: er besass den weiten Blick der theoretisch veranlagten Naturen. Hat er sich doch u. a. über die Aohnlichkeit des Be- fruchtungsaktes und des Fortpflanzungsprocesses im Thier- und Pflanzenreich verbreitet, stammen doch von ihm Sätze wie der: „Les etres sans besoins, sont aussi sans esprit." Wären die Schriften der älteren hervorragenden Naturforscher besser be- kannt, als sie es thatsächlich sind, so würde das zweifellos be- fruchtend auf den Fortgang der Wissenschaft wirken. Wer hat freilich heute, wo die Zeit des wirkenden Naturforschers so ganz in Anspruch genommmen wird, um auch nur die gegenwärtigen Thaten zu verfolgen, genügende Müsse zum Studium alter Werke um ihrer selbst willen, wenn er nicht durch Spezialarbeiten ge- wissermaassen mit Gewalt dazu getrieben wird? H. P. Dr. Heinrich Schurtz, Urgeschichte der Kultur. Mit 34 Ab- bildungen im Text, 8 Tafeln in Farbendruck, lö Tafeln in Holzschnitt und Tonätzung und einer Kartenbeilage. Biblio- graphisches Institut in Leipzig und Wien. 1900. — Preis geb. 17 Mk. Die Menschheit, wie sie seit Jahrtausenden als eigenartige Gruppe von Lebewesen die Erde bevölkert — sagt der Verf. im Vorwort — ist undenkbar ohne die geistige Erbschaft, die un- gezählte Generationen gesammelt haben, und die sich in jedem Lebenden wirksam zeigt, ohne die Kultur. Wie aber in allen Hauptzweigen der Wissenschaft zunächst nur einzelne Theile be- arbeitet wurden, ehe auch die übrigen allmählich Berücksichtigung fanden, und wie erst spät der Versuch gemacht worden ist, alles zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufassen, so zeigt sich diese Erscheinung auch in der Wissenschaft vom Menschen, der Kulturgeschichte. Ja, wir stehen vielfach noch mitten in diesem Uebergang von der einseitigen Einzelforschung zur alles ver- bindenden Kulturwissenschaft. — Wie unendlich viel neue Aus- sichten sich ferner der Wissenschaft öffnen, sobald man neben der Frage: „Wie soll das sein?" die andere zu beantworten sucht: „VVie ist das entstanden?", das haben uns die Naturwissen- schaften bewiesen. Diesem Vorbild sind die Geisteswissenschaften bisher nur langsam und zögernd gefolgt. Das Werk giebt eine die gesammte Kultur umfassende Darstellung, die keinen Zweig des Kulturlebens gegenüber anderen vernachlässigt. Freilich können die einzelnen Theile nicht gleich vollkommen sein, denn während manche Wissenszweige bereits vorzüglich bearbeitet sind, war es bei anderen nöthig, fast von Grund auf neu zu bauen. Durch das Ganze aber geht ein einheitlicher Zug ; es soll das Be- wusstsein erweckt werden, dass sich die menschliche Kultur aus dem dunkeln Grnnde der Vorzeit als einheitlicher, machtvoller Bau erhebt, den wir mit wachem Auge und starker Hand fort- führen müssen, wenn wir die kurze Bahn des Daseins nicht zwecklos durchlaufen wollen. Damit ist zugleich angedeutet, dass sich der Verfasser keineswegs auf die Urgeschichte der Kultur beschränkt, sondern gleichzeitig den Kidturzustand unserer Tage im Auge behält: es werden da und ilort zahlreiche moderne Sitten und Bräuche beleuchtet. Das Werk ist in fünf Abschnitte gegliedert, nämlich L Die Grundlagen der Kultur, IL die Gesellschaft, IIL die Wirthschaft, IV. die materielle Kultur und V. die geistige Kultur. O. ö. Prof. Dr. J. Kosenthai, Lehrbuch der allgemeinen Physio- logie. Eine EinfiÜirung in das Studium der Naturwissenschaften und der Medizin. Mit 137 Textabbildungen. Arthur Georgi in Lei P-^'f- 1901. Preis 14,00 Mk. R. ist als geschickter und eindringender Schriftsteller auf dem Gebiete der thierischen und menschlichen Physiologie be- kannt. Das vorliegende Werk bewährt sein Ansehen. Wie R. die Aufgabe einer allgemeinen Physiologie fasst, kann man am besten und schnellsten aus der Kenntnissnahme des Inhaltsver- zeichnisses erfahren, dass wir daher im Folgenden bieten, wenigstens soweit es sich um die Kapitel-Ueberschriften handelt: 1. Aufgaben und Inhalt der Physiologie. Verhältniss zu anderen Wissen- schaften. Eintheilung des Stoffes. 2. Die logischen Grundlagen der Naturwissenschaften. 3. Die Methoden der Forschung in den Naturwissenschaften im Allgemeinen und in der Physiologie im Besonderen. 4. Materie und Aether. 5. Bewegung und Energie. 6. Verhalten der Gase und Flüssigkeiten. 7. Lösung und Quellung. 8. Die chemischen Verbindungen. 9. Constitution der chemischen Verbindungen (der Schluss dieses Kapitels bearbeitet von Privat- docent Dr. Oskar Schulz). 10. Kohlenhydrate, Fette und Proteinstoffe (bearbeitet von O. Schulz). 11. Allgemeiner Ueberblick über die Lebenserscheinungen. 12. Organismen und einfachste Lebewesen. 13. Zellen, Zellengemeinschaften und Gewebe. 14. und 15. Der Stoffwechsel der Lebewesen. IG. Der Kreislauf der Stoffe. 17. Der Energiewechsel der Lebewesen. 18. Leistungen der Organismen. 19. Reizung und Reizbarkeit. •20. Wachathum und Vermehrung. 21. Ursprung des Lebens. In einem Anhang wird besprochen das Funktionsverhältniss und werden die graphischen Darstellungen und die graphischen Me- thoden besprochen. Den Schluss bildet — abgesehen vom Re- gister — eine Liste der Erklärung einiger Kunstausdrücke. Das Buch ist sehr zu empfehlen. Bunge, Prof. G. v., Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1.. Bd.: Sinne, Nerven, Muskeln. Leipzig. — 11,25 Mark. Fritsch (Fric), Prof. Dr. Ant., Fauna der Gaskohle und der Kalk- steine der Permformation Böhmens. 4. Bd. 3. Schluss-Heft. Prag. — 32 Mark. Guttmann, Dr. Walt., Grundriss der Physik für Studireude. 2. Autl. Leipzig. — 3 Mark. Herzfeld, J., u. Otto Korn, DD., Chemie der seltenen Erden. Bnrlin. - b Mark. Koken, Prof. Dr. E , Geologische Specialkarte der Umgegend von Kochendorf. Stuttgart. — 4 Mark. Korn, Priv.-Doc. Dr. Arth., Abhandlungen zur Poteutialtheorie. 1. Heft: Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternirenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirichletschen Problemes im Räume. — 2 Heft: Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arithmetischen Mittels. Berlin. — a Heft 1 Mark. Oppenheimer, Dr. Carl, Grundriss der anorganischen Chemie. 2. Aufl. Leipzig. — 3,50 Mark. Weyl, Priv.-Doc. Dr. Th., Handbuch der Hygiene. 41. (Schluss)- Lieferung. Jena. — 3,60 Mark. Zittel, Prof. Karl A., Paläontologische Wandtafeln. Taf. 69 -73. (Schluss.) Stuttgart. — 5 Mark. Inhalt: N. Ludwig: Ueber den Orientirungssinn und das Gedächtniss der Bienen. — Prof. Dr. B. Schwalbe: Ueber die Ver- anstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes i. J. 1900 bis 1901. — Zur Museumsfrage, insbesondere in Betreff von Museen der Völkerkunde. — Zur Geologie der Sahara. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Maximilian Ferdinand, Sexualmystik der Vergangenheit. — August Schulte-Tigges, Philosophische Propädeutik auf naturwissenschaftlicher Grundlage. — Die erste Erfindung. — Dr. Adolf Wagner: Studien und Skizzen aus Naturwissenschaft und Philosophie. — J. E. Paritky, Julien Offrey de Lamettrie. — Dr. Heinrich Schurtz, Urgeschichte der Kultur. — Prof. Dr. Rosenthal, Lehrbuch der allgemeinen Physiologie. -- Liste. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 14. .Wilhelm Schliieter r Halle a.S.^!£i Naturwissenschaftliches Institut naturalien- und Cel)rmittell)andlung Lieferant vieler Museen und Lehranstalten des In- und Auslandes, empflehlt sein äusserst reichhaltigres Liager iiatnrwissenschaft- lieher Objekte, als: Sänaretiere. Vögel (ausgestopfte, Halh|)i;iparate, Skelette, Bälge etc.) Reptilien, Amphibien, Pisdic (niiüfrpstopfic, Halbpriiparate, Skelette, .Spiritusexemplare etc.); Votfcli-icr. Xo-jfer. Schädel. t.eHeiho ete.: nienMOhlich-anatonii-cln- l!<^i)piioti§miig. Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 »Jf. - Sau uitb i «eben uuii %\\a\\he. imb Sier. Seil 10, 163 ©., geb. 1 50Jf. — Sns ©eifteäleben üüu 9}hMifd) unb St)ier. Seil 11, 100 ©., geb. 0,60 TOf. - *.läii)d)ologie iiiib 9ltimnig. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 m. — .fiers unb «iige. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 TOt. — •Einleitung ju d)ciitiid)cii e>;bcvimenteii. <)Jvnttiid)e |)ciämig. Seil 14, 192 S., geb. 1 «ff. - ■Dfcitiirtraft unb ©ciftesiualten. SSolKroirtfd)aftlid)Cä. S8om ©pivitic-mu-.. Seil 15, 163 ©., geb. 1 Wf. — Sine <15I)antaficreife int a'cltoU (^Iftruuoiuie). Seil 16. 271 © ,ich VfiO Wf. — ®ie aiiftedeiibcu Srantbeiten uiib bie 5S,ifi.-.,.n m, -KHMM-.nmH-ll uiifrcr ^eimot fouft \ unb jelU. ©ie ©vcttralaiii;;i -: ,,ii lUTinuclt. Seil 17, 178 ©., geb. 1 <0H. — 91bftamnuiiui.il Im ■ .nunuic.musi. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 mt — «Bon bcr urbnltuug ocr .Sivaft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 9)if. - 2)ie ©ntmideluug bcr «clcud)tnngätcd)nir. fflima= tologie. Seil 20, 162 ©., geb. \mx. — ^Die 9Jatiirroiffcn|d)rtft im eviDcrbälebcii. aBifienfdiaft unb «piiilofophic. Seil 2l, 92 ©., geb. 0,60 mt neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. Mineralien ^li^^lÄX^'L "'""''°^^"'' ^^^^ Gesteine l^Üpär^K'tZ'StS:-^^"' ^^'-^-p^^'-'- Petrefacten SSche VoÄ'' ^"^^^ ^^" Krystallmodelle 'S.%SnograSt:c,r'Mod^ii:: Preisverzeichnisse stehen portofrei zur Verfügung. Meteoriten, Mineralien «nd Petrefacten, sowolil eiuzelu als anch in ganzen Sammlungen, werden jederzeit g-ekanft oder im Tausch übernommen. Dr. F. Krantz, Rheinischem Mineral ien - Contor. Gegründet 18:i3. Bonn ü.lRh. (begründet WM. Ferd.DümmlersVei-lagshuchhandhiugin Berlin SW. 12, Soeben cr.5chieuen: yibhanDlungen zur potcntialthcoric. Von Dr. Arthur Korn, l'rivatdocent an der k. Universität München I. Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösuntien des Dirich- letschen Problemes im Räume, U Seiten gross Oktav. Preis ^ell(■flet I Mnrk. 11. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mittels. :tl Seiten gross Oktav, Preis gelieltet 1 Mnrk, == 7a\ beziehen durch alle Buchhandlungen. = Verantwortlicher licdacteur: Professor Di. Henry Potonie, Gr. Lichterfelile -West bei Berlin, Potsdamorstr. 35, für den Inseratentheil Hugo Bernstein in Berlin, — Verlag: Ferd, Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, — Druck: G Bernstein, Berlin SW, Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. j Sonntag, den 14. April 1901. Nr. 15. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate: Die viergeapaltene Petitzeile 40 »>.. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- e& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinlsunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnrk ist nnr mit vollständiger Qnellenaiigabe se»«tattet. Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes i. J. 1900 bis 1901. it von Prof. Dr. B. Seil' (Scliluss.) Bezirksgeolose Prof. Dr. Potoiiie, Exkur.sion in das Z wie kauer Steinkohlen-Revier. Die Exkursion nach Zwickau fand am 4. und 5. Jan. 1901 statt. An der Leitung derselben war ausser dem Unterzeichneten der Professor der Berg-baukunde an der Kgl. Bergakademie zu Berlin, Herr G. Franke, betheiligt. Nachdem der Unterzeichnete einen einleitenden Vortrag über die Steinkohlen-Reviere Mittel-Europas und an der Hand seiner Wandtafel: „Eine Landschaft der Stein- kohlenzeit" im Speciellen über das Wichtigste aus der Flora des Zwickauer Reviers mit nachdrücklicher Her- vorkehrung der Merkmale, die für die Autochthonie der Flora sprechen (z. B. die autochthonen Stigmarien), zur Darstellung gebracht hatte, wobei ihm durch gütiges Ent- gegenkommen des Herrn Bergschuldirector Dittmarsch an Demonstrations-Materialien Pflanzenfossilien aus der Riehter'schen Sammlung in Zwickau zur Verfügung stan- den, gab Herr Prof. Franke mit Zugrundelegung seines „Bildes eines Steinkohlenbergwerkes" einen allgemeinen Ueberblick über die technischen Einrichtungen eines Stein- kohlentiefbaues und über Abbau in einem solchen. Hier- an knüpfte Herr Bergwerksdirektor D ab ritz einige Er- läuterungen, die sich speciell auf die Zwickauer Verhalt- nisse und den von ihm dirigirteu und am andern Tage von den Exkursionisten befahrenen Tiefbauschacht be- zogen. Am anderen Tage, dem 5. Jan., wurde zunächst ein- gefahren. Einen Bericht hierüber hatj Herr Dr. Matz- dorff gegeben. Es wurde dann die Halde des Tietbau- schachtcs besucht, um die Art des Auftretens der fossilen Pflanzen zu studiren, wobei eine genügende Anzahl Reste, auch autochthone Stigmarien, ferner Reste von Sigillarien, Lepidodendren, Calamariacecn, Annularia (A. stellata), Sphenophyliaceen und Farn gefunden wurden. Sodann fanden die Einrichtungen der Grube über Tage ein- gehende Besichtigung. H. Potonie Es nahmen ausser den genannten beiden Leitern der Exkursion an derselben statt: f. Fr.a.'itz, Ober- in 1!. C. Brink- - k \ , < »b.-L. in B., I Hici-Lehrer in B., .1, Ob.-L. in B., Prof. Reinhardt, .als Vortretnr d lelirer in Cliarlottenburg, Dr. F. Laiiiiir mann, caud. prom. in B., Dr. Paul \\ i Emil Stöcken, Ob.-L. in B., W. Reii F. Fischer, Ob.-L. in B., Prof. Os Dr. Matzdorf f, Ob.-L. in B. Es folgen nun Berichte über die Exkursion aus der Feder von zweier der Herren Theilnelimer. Der Ausflug bildete den Schluss einer durch drei Ausflüge hindurch sich fortsetzenden Erläuterung der Naturgeschichte der deutschen Kohle, die Herr Professor Potonie gab. In Gross-Räschen waren im Frühjahr 1900 die bekannten tertiären Braunkohlenlager besichtigt, in Huudisburg im Sommer die autochthonen Fossilien des Culms untersucht worden. Der Ausflug nach Zwickau galt der autochthonen Steinkohle, dem prod. Carbon. Zehn An- gehörige der Berliner Lehrerschaft, darunter als Vertreter der Stadt Herr Director Reinhardt, verliessen unter Leitung Professor Potonie's am 4. Januar Berlin, \\m Zwickau abends um 9'/o Uhr zu erreichen. In der „grünen Tanne" folgten auf das Abendmahl drei Vor- träge. Herr Prof. Fi'anke sprach über die Einrichtung ?nscliai'tliclie Wochensclirii't. XVI. Nr. 15. von Kolilenbergwerkcii und die tecbnisclieu Hilfsmittel der Kohlenförderung. Er legte ein von ihm entworfenes, iu) Druck erschienenes Diagramm eines Kohlenbergwerkes zu Grunde, das den idealen Längsschnitt eines solchen darstellt. Herr Prof. Potonie besprach darauf die geo- logische Stellung des mitteleuropäischen Carbons und be- rührte zunächst die allgemeine Frage des variscischeii Gc- l)irgs-Zuges, dessen Pedeutung und Ausdehnung. Vor allem ging er dann aber auf die Bildung und den Unterschied der Binnen- und Kiästenkohlenlager des genannten Ge- birgszuges sowie auf die Autochthonie dieser Lager ein. Diesen Vortrag erläuterten seine Tafel eines idealen Steinkoidensumpfes sowie eine Auswahl von Belegstücken, die, der berühmten Richtcrschen Sammlung angehörig, der gleichfalls anwesende Director der Zwickauer Berg werkschule, Herr Dittni^rsch, zur Stelle hatte schaß'en lassen. Drittens erklärte Herr Bergwerksdirector Däbritz die Verhältnisse des Zwickauer Revieres und insbeson- dere die seines, des zu besuchenden Bergwerkes, an der Hand zahlreicher Karten, Schnitte und Aufrisse. Am 5. Januar um 8 Uhr geschah die Einfahrt in den Tiefbauschacht des „Erzgebirgischen Vereins." In zwei Abtlieilungen wurden die CoUegen geführt. Da die eine von Herrn Director Däbritz selbst, die andere von seinem Herrn Assistenten geleitet wurde, da auch Pro- fessor Franke au der Einfahrt Theil nahm, und da schliesslich je ein Steiger die Abthciluugen begleitete, so war in der That die 3 Stunden dauernde, oft in Kriechstellung zu vollziehende Wanderung durch die Grube in ganz hervorragender Weise im Stande, den Theilnehmern über alle einschlägigen Fragen volle Auf- klärung zu verschaffen. Es wurden sämmtliche Einrich- tungen der Grube auf drei Strecken besucht und die Arbeiten in zwei Flözen, dem Pech- und dem ßuss- kohlenflüz, bis ins Einzelste erklärt. Nach der Ausfahrt stellten Brausebad und seitens des Herrn Däbritz dar- gebotenes Frühstuck die verbrauchten Kräfte wieder her. die sofort bei der Besichtigung der Sammlungen der Grube, die Prof. Potonie erläuterte, ihre erneute Verwen- dung fanden. Auf das Mittagsmahl folgte ein Besuch der Halden der vormittags besuchten Grube, auf denen leider der Schnee die Möglichkeit reichlicher Funde vereitelt hatte. Immerhin konnten die Theilnehmer so grosse Mengen von Fossilien aufsammeln, als die durch scharfen Wind und gesteigerte Kälte beeinträchtigten Kräfte fortzuschaffen vermochten, und somit den Sammlungen ihrer Anstalten scliätzenswerthe Zuwendungen mit heim bringen. Zum Schluss wurden die am Tage liegenden Arbeitseinrich- tungen, Maschinenaulagen, Baulichkeiten u. s. f. besichtigt. Darauf erfolgte die Rückfahrt nach Berlin, das in später Nachtstunde des Sonnabends erreicht wurde. Sämmtliche Theilnehmer des Ausfluges sind iu dank- barer Eri\merung an die Veranstalter und Leiter davon überzeugt, dass der Zweck dieser Veranstaltung in vollem Maasse erreicht worden ist, ihnen nämlich durch reich- haltige Belehrung dauernde Bereicherung des eigenen Wissens und somit vielfältigste Anregung für ihren Unter- richt verschallt zu haben. C. Matzdorft'. Nachdem der Bezirksgeologe Herr Prof. Dr. Potonie in den verflossenen Sommerferien eine Excursion nach der Hundisburg bei Neuhaldcnsleben geleitet hatte, um uns mit den Verhältnissen des Unter-Carbons (Culm) be- kannt zu macheu, wurde als Fortsetzung dieses sehr lohnenden Ausfluges eine Besichtigung eines Steinkohlen- bei-gwerks geplant. Die i)raktische Wichtigkeit der produktiven (Jarbon- foiniation ist ja bekannt. In wissenschafilichcr Hinsicht sollte der Gegensatz allochthoncr Pflanzen-Ablagerungen zu autochthonen studirt werden. Ein Beispiel für Allo- cbthonie hatten uns die Steinbrüche bei Hundisburg ge- geben. Hier im Subcarbon (litoraler Culm) wiesen die Petrefacten unzweifelhaft die Kennzeichen der Allochthonie auf. In dem Steinkohlenrevier von Zwickau sollte nun die Autochthonie der Petrefacten demonstrirt werden. Zu gleicher Zeit war geplant, den Betrieb und das Wesen eines Steinkohlenbergwerkes kennen zu lernen. — Um 3^°'' Nachmittags am 4. Januar fuhren ca. 11 Theil- nehmer unter Führung des Herrn Prof. Dr. Potonie vom Anhalter Bahnhof nach Zwickau. Nach Vs ^^i''"l'ti''''" -^'i'" enthalt in Leipzig gelangten wir um d^'''^ in Zwickau an. Nach kurzer Rast nahmen wir ein Abendessen ein, an dem sich der Director des zu besichtigenden Werkes Herr Däbritz und der Director der Zwickauer Bergschale Herr Dittmarsch betheiligten. Nach dem Essen hielt zunächst der Professor der Bergbaukunde Franke von der Berliner Bergakademie, der noch an demselben Abend aus dem Erzgebirge zu uns gekommen war, einen Vortrag über ein Kohlenbergwerk. An der von ihm entworfenen Abbildung eines Quer- schnittes von einem Steinkohlenbergwerk demonstrirte er die Lagerungsverhältnisse der Flötze, die Art des Abbaues, die Einrichtung der Schächte, der Stollen, Querschläge etc. Er sprach auch von der Durchlüftung der Stollen, von Schlagwettern, Grubenwassern etc. Darauf sprach Prof. Dr. Potonie über die produktive Steinkohlenformation und beschrieb an der Hand seiner Tafel die zu jener Zeit wachsenden Pflanzen (Calamarien, Sigillarien, Lepidodendrcn und Farne). Die Anhäufung der Pflanzeureste (Flötze) deutet auf üppigsten Pflanzen- wuchs (Waldmoore). Er verbreitete sich besonders über die Auffaltungen der Erde vor und zur Carbonzeit in Europa. (Drei Urgebirge: a) Norwegen — Schottland — Hebriden. b) französische — deutsche Mittelgebirge — Altvater, c) Alpen). Die Atmosphärilien trugen das mittlere Hochgebirge ab. Die Massen bedeckten die Waldmoore, die sich nun in Flötze umwandelten. Auf diesem Boden (jetzt vorhanden als Sandstein, Schieferthou, Conglomerate, die mit den Flötzen wechsellagern) entstanden neue W^ald- moore, denen ein gleiches Schicksal beschieden war. So entstanden über einander lagernde Flötze. Im Zwickauer Revier wechseln mit diesen ab Sandsteine, Conglomerate, Scbieferthone. In den Schieferthonen namentlich finden wir reichlich Abdrücke der Pflanzen. Und diese Abdrücke weisen den Charakter der Autochthonie auf. Der Herr Bergschuldirector hatte aus der Richter- scheu Sammlung eine grosse Anzahl von Pflanzenabdrücken ausgelegt, die nun besichtigt wurden. Wir sahen trefT- liche Stigmarien, Sigillarien, Lepidodendrcn und Farn- blätter etc. Die Autochthonie zeigt sich nicht allein in dem Umstände, dass die Scbieferthone Farnblätter, Stig- marien mit Appendices in situ etc. aufweisen, sondern auch darin, dass das Liegende und vorwiegend dies die Stigmarien enthält, während der Hangende die Farnblätter, Blüthen von Calamarien etc. zeigt. An demselben Abend sprach der Bergwerkdirector Däbritz über die Ausdehnung des Bergwerks und legte verschiedene Karten und Abbildungen vor, die Auskunft gaben über die Lagerungsverhältnisse und die Ausbeute des Werkes. Schon hierbei hob derselbe hervor, dass in seinem Werke erhebliche Verwerfungen und Verschiebungen vor- gekommen seien, die den Abbau schwierig und besonders theuer machten. Nachdem über das Vorgetragene noch einige Zeit discutirt war, suchten wir um ^/^2 Uhr unsere Zimmer auf. Es war verabredet, um S Uhr Morgens auf dem XVI. Nr. 1; Natui-wissenschai'tliulie Wochenschnft. Werke zu sein. Demgemäss versammelten wir uns um VoB Morgens (am 5. 1.) zum Kaffee. Zwei Beamte des Werkes führten uns um V49 Uhr an Ort und Stelle. Nach kurzer Besichtigung der ausgestellten Kohlen- pn.bcn Peclikohle, Russkohle etc.) und der zahlreichen vortrctVIiclicu Pctrcfacten rüsteten wir uns zur Einfahrt. Wir fuin-cn in zwei Abtheilungen ein. Der Bergwerks- director führt die älteren Herren, während der Betriebs- assistent und Herr Prof. Franke uns Jüngere leitete. Wn- nahmen den grösseren und schwierigeren Weg. Wn- fuhren bis zu einer Tiefe von 4o() m herab und durchschritten nuu die Stolleu. Zunächst zeigte man uns die verschiedenen Arten der Auskleidung der Stollen und die Stützen. Zum grössten Theil wird dazu Holz verwendet; manche Stollen sind auch ausgemauert und manche Decken bestehen aus Eisen- bahnschienen. Natürlich muss diesen Stützen stetige Auf- merksamkeit zugewandt werden, da der darauf lastende Druck ein sehr grosser ist. Von kleinen Senkungen und Hebungen im Erdinnern zeugten zahlreiche zerbrochene Stützen und Querbalken. Die Beförderung der Steinkohlen geschieht auf Schienen in „Hunden." Theils werden Meuschcnkräfte benutzt, auch leisten vier Pferde Dienste. Ausserdem ist eine Drahtseilbahn, betrieben durch eine Luftdruckmaschine, vorhanden. — Steht ein Flötz an, so wird es abgebaut und dann der entstandene Hohlraum mit den „Bergemitteln" wieder zugeschüttet, soweit er nicht als Stollen benutzt wird. An verschiedenen Stollen konnten wir Abbau beobachten. Man erklärte uns auch die Art desselben. An den Wänden der Stolleu bot sich zu wieder- holten Malen Gelegenheit, charakteristische Verwerfungen zu erblicken, die zwischen 3 und 20 m schwankten. So kommt es, dass z. B. ein Flötz sich erst im 10 m tiefer gelegenen Schacht fortsetzt und dort abgebaut wird. Auch die Natur des zwischenlagernden Gesteines konnten wir oft Studiren. Auf unserer SVa stündigen Wanderung lernten wir die ganze Einrichtung des Bergwerks unter sachkundigster Führung kenneu. Wir bekamen auch einen Vorgeschmack von den Mühsalen des bergmännischen Berufes. Gegen 20 Minuten mussteu wir auf allen Vieren durch den äusserst niedrigen Wetterstollen kriechen. Prof. Franke nahm auch Gelegenheit, während einer Ruhepause von den Schlagwettern und der Einrichtung der Grubenlampen zu sprechen. Das beste Mittel, Schlag- wetter zu verhindern, ist die genügende Durchlüftung der Stollen, die die entstehenden Kohlenwasserstoffe sofort wegführt. Auch auf die Gefährlichkeit des Kohlenstaubes wies man uns hin. — Um '/4I Uhr fuhren wir aus einer Tiefe von 550 m auf. Oben angelangt, reinigten wir uns und nahmen ein Frühstück ein, das uns der Director darbot. Dabei be- sichtigten wir die ausgestellten Petrefacten, zu denen Prof. Potonie Erläuterungen gab. Nach dem Mittagessen begaben wir uns auf die leider verschneiten Halden und sammelten Petrefacten. Darauf wurden wir durch die Maschinenräume geführt und mit den Einrichtungen bekannt gemacht. Auch die Wohlfahrtseinriehtungeu für die Bergleute besichtigten wir. Um \.b Uhr verabschiedeten wir uns von dem Werk und nahmen in der Stadt nach den Anstrengungen des Tages einen wohlschmeckenden Kaffee ein. Um 63" Uhr führte uns die Eisenbahn nach Berlin, wo wir um 12'/2 Uhr anlangten. Wir alle trennten uns mit dem Gefühle, zwei anregende und in jeder Beziehung lehrreiche Tage erlebt zu haben. — Paul Weinrowsky. Prof. Schwalbe. Zur Methodik des Experimentes. Ausgewählte Kapitel. Dieser Kursus hatte den Zweck, bestimmte Abschnitte aus dem Gebiete der Physik zunächst im Vortrage, der sich eng dem Schulunterricht anschliesst, in Einzelbildern vorzuführen. Hierbei wird besonders die Unterstufe, der sogenannte Vorkursus, berücksichtigt werden. Die Ex perimente werden dann au dem entsprechenden Tage der darauffolgenden Woche von einer bestimmten Zahl von Theilnehmern durchgeführt, wobei zugleich Erweiterungen und analoge Experimeute berücksichtigt werden. Da der Dir. Schwalbe im Dezember seitens des Staates und der Stadt beurlaubt worden war, um für Deutschland die Unterhandlungen betreffs des Regional- Bureaus*) zu fuhren, mussten Vorlesungen und Demon- strationen gekürzt werden. Vor Weihnachten fand, abgesehen von der Darlegung des Planes dieser neuen Demonstrationen, zunächst eine spezielle Vorlesung über deu Gebrauch der comprimirten Gase zur Erzeugung niederer Temperaturen statt. Schon in früheren Abhandlungen Losser, Benecke, Poske etc. war eine grosse Anzahl von Experimenten mit flüssiger Kohlensäure bekannt gemacht und auf die Nothwendig- keit bestimmter Gruppirung hingewiesen. Bei der Demon- stration der Versuche höherer Lehranstalten wurden neue Gruppen hinzugefügt und solche besonders hervorgehoben, die noch nicht veröffentlicht waren, oder als Ausgangs- ininkt wissenschaftlicher Arbeiten dienen konnten. Im folgenden ein Bericht über den abgehaltenen Kursus von einem der Herreu Theilnehmer. Der zu behandelnde Stoff sollte auf 9 Doppelstunden vertheilt werden, für welche im einzelnen die iolgende Disposition gegeben war: 1. Vorlesung: Ueber Erzeugung niederer Tempe- raturen und Versuche über das Verhalten der Körper bei denselben. . 1. Praktikum: Versuche mit verflüssigten und ver- dichteten Gasen. t-- r. 1 2. Vorlesung: Die Grundversuche zur Einführung in die Elektricitätslehre. 2. Praktikum: Die Grundversuche der Elektrik. 3. Vorlesung: Die verschiedenen Mittel, luftverdünnte und luftverdichtete Räume herzustellen (Luftpumpen). 3. Praktikum: Versuche mit den verschiedenen Luftpumpen. , r< 4. Vorlesung: Die verschiedenen Methoden, das Ge- setz von der sogenannten Fortpflanzung des Druckes nach- zuweisen. ^ , 4. Praktikum: Versuche über Fortpflanzung des Drucks. ,. , ^. Schlussvorlesung: Die methodische Disposition der einzelneu Hauptabschnitte der Physik auf Grundlage des Experimentes. ' . . _ Der Kursus begann am 8. December 1900 mit einei einführenden Vorlesung des Leiters der Veranstaltung. Direktor Schwlbe führte aus: Die Verwerthung eomprimirter Gase für den physi- kalischen Schulunterricht, über die der Vortragende zwei Arbeiten im IX. Jahrgange (1896) der von Poske heraus- gegebenen „Zeitschrift für den physika ischen und chemi- scheu Unterricht" veröffentlicht hat, betitelt: Beitrage zur Methodik des Experimentes 1 (S. 1 bis 20) und 2 (S. 5i ^'0 Seitens der Royal Society wird vom 1. J«""'". ^"^J"*^''" nationaler Katalog- der gesainmteu Natiu-wissenschaftene aus- gegeben, au dem sich fast alle Kulturuat.onen der Lrde betheil gen. Di! Staaten haben übernommen Landesbureaus (regional bure.aus), in denen die gesammte Litteratur aller Naturwissenschaften fort- laufend beantwortet wird. 168 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 15. bis 62), reicht bis zum Jahre 1882 zurücic. Zuerst kam nur die Kohlensäure zur Anvvenduug, deren verhäitniss- mässig hoher Preis ursprünglich der allgemeinen Ein- führung derScbulversucbe mit verdichteten GasenSchwierig- keiten entgegenstellen mochte, ein Hindernis, das gegen- wärtig nicht mehr in Frage kommt, da 1 kg Kohlensäure nur noch etwa 0,4ü Mk. bis 0,50 Mk. kostet. Ausser der Kohlensäure hat noch Schwefeldioxyd für Unterrichtsver- suche' Verwerthung gefunden. Die anfangs beabsichtigte ausgedehntere Anwendung flüssiger Gase ist inzwischen aufgegeben worden, so billig comprimirte Gase auch im Handel zu erhalten sind. Das käufliche flüssige Chlor erfordert eine beständige Be- aufsichtigung. Nach dem Gebrauche der Ghlorbombe dringt das Gas durch die Ventile hindurch, was mit manchen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Auch im industriellen Betriebe ist flüssiges Chlor nicht sehr verbreitet. Der für den Unterricht vielfach empfohlene Wasser- stofi" ist gleichfalls nicht geeignet, in derselben Weise wie comprimirte Kohlensäure in den Unterricht eingeführt zu werden. Da sich Wasserstoff sehr leicht augenblicklich darstellen lässt, so liegt zunächst kein Bedürfuiss vor, Wasserstoff vorräthig zu halten. Ueberdies lassen sich mit Wasserstoffbomben nicht mehr Experimente anstellen als mit gewöhnlichem Wasserstoff. Der einzige Vorzug des comprimirten Wasserstoffs liegt darin, dass er sich für sehr heisse Flammen besser verwerthen lässt als das unter gewöhnlichem Druck stehende Gas. Mit Wasser- stoffbomben zu experimentiren , ist jedoch nicht un- gefährlieh. Wenn die Ventile nicht vollständig gesichert sind, so kann das Gas leicht durch Diffusion heraustreten, und es liegt bei der Entnahme von Wasserstoff aus der Bombe stets Explosionsgefahr nahe, zumal wenn Un- berufene zu der Bombe gelangen können. Was die Versuche mit flüssiger Luft betrifft, so gehen diese, abgesehen davon, dass die Anschauung der flüssigen Luft gelegentlieh dargeboten werden muss, nur in zwei Hinsichten über die Kohlensäureexperimente hinaus: die durch Anwendung flüssiger und fester Kohlensäure be- wirkten Veränderungen lassen sich mit flüssiger Luft leichter und schneller erreichen, und ausserdem bietet die Möglich- keit der Herstellung explosiver Gemische einen Vorzug der flüssigen Luft. Dagegen macht sich der Uebelstand unangenehm bemerkbar, dass die flüssige Luft höchstens zwei Tage aufbewahrt werden kann, und es ist hier noch der Fortschritt zu machen, der bei der Kohlensäure be- reits erreicht ist. Von den übrigen comprimirten Gasen sind noch der Sauerstoff und das Acetylen für Schulexperimente von Bedeutung. Die Hoffnung, das verflüssigte Acetylen sicher aufbcwalu-en zu können, hat sich bisher nicht erfüllt. Mit Sauerstoff lässt sich eine grosse Menge einfacher Versuche anstellen. Für das Acetylen empfiehlt sich ausser den gewöhnlichen Versuchen die Herstellung des Acetylens aus Calciumearbid mit Hilfe des Moissan'schen Ofens. Mit den Versuchen über flüssige Gase eröffnet sich dem Schüler ein ganz neuer Gesichtskreis. Die Pictet- schen Untersuchungen zeigen, dass der Chemismus nach unten hin ebenso an eine gewisse Temperaturgreuze ge- bunden ist wie nach oben hin, es giebt für jeden Körper eine Temperaturgrenze der Entstehung, unterhalb welcher die bei gewöhnlicher Temperatur wahrgenommenen chemi- schen Wirkungen nicht mehr vor sich gehen. So geben z. B. Wasserstoff und Sauerstoff bei sehr niederer Tempe- ratur kein explosives Gemisch. Im einzelnen ist der Chemismus bei sehr tiefen Temperaturen noch nicht er- forscht, und die Ermittelung der Grenztemperaturen für die verschiedenen Stoffe dürttc eine dankbare Aufgabe sein. Als Material hierzu ist die Einwirkung des Natriums auf Schnee, auf gewöhnliches Wasser, auf Wasser von 70° und auf Eis von — 60*^ zu empfehlen, ferner das Aufhören der Reaction zwischen Salzsäure und Marmor bei gehöriger Abkühlung und endlich die Herabminderung der Verbrennungsfähigkeit aller brennbaren Flüssigkeiten bei starker Temperatureruiedrigung. Eine andere Gruppe von Versuchen hat die Ab- hängigkeit der Färbung vieler Körper von der Tempe- ratur, auf die sie erwärmt sind, zum Gegenstande. In der Litteratur findet sich hierüber das Beispiel, dass Schwefel bei einer Temperatur von — 42° bis — 50° eine fast weisse Farbe annimmt. Zur Erzeugung dieser Tempe- raturen wurde eine Mischung von Chlorcalcium mit Schnee verwendet. Zinnober wird schwarz, wenn die Tempe- ratur hinreichend sinkt, Quecksilberoxyd, die Doppel- verbinduugen des Queeksilberjodids, sowie die meisten gefärbten Bleiverbindungen ändern ihre Farbe bei sehr niedriger Temperatur in hohem Grade. Eine zweite Kategorie von Farbeuveränderungen ist bei gewissen Salz- lösungen zu beobachten. So erstarrt z. B. eine Lösung von Kaliumbichromat hellgelb, geht also in Kaliummono- chromat über, und wii'd schliesslich fast weiss. Diese Er- scheinung zu erklären, ist bisher nicht gelungen. Dass der Chemismus bei tiefen Tem])eraturen gelöst ist, lassen solche Salze erkennen, welche mit Krystallwasser versehen sind. Eine Kupfervitriollösung, die eine blaue Farbe be- sitzt, erstarrt weiss, wodurch bewiesen ist, dass bei dieser Temperatur eine Vereinigung mit Krystallwasser nicht stattfindet. Dasselbe gilt von dem grünen Eisenvitriol. Kobaltchlorür krystallisirt mit öHgO zu einem rothen Körper. Beim Erhitzen und auch in trockener Luft ver- liert das Salz Wasser und nimmt eine blaue Farbe an, die auch in starken Lösungen erhalten bleibt. Auf der Blaufärbung beim Erwärmen beruht die Verwendung des Kobaltchlorürs zu sympathetischer Tinte. Sinkt die Tempe- ratur, so tritt eine immer weitergehende Entfärbung des Salzes ein. In dieser Abnahme der Farbenintensität liegt jedenfalls eine bestimmte Gesetzmässigkeit. Ein vortreffliches Beispiel für den Zusammenhang zwischen Chemismus und Temperatur liefert der folgende Versuch : Wird stark blauer Jodstärkekleister auf eine sehr niedrige Temperatur abgekühlt, so entsteht eine hellrothe Eismasse. Beim Tauen kommt wieder die blaue Flüssig- keit zum Vorschein. Bei der niedrigen Temperatur ist also das hellrothe Jod von dem gefroreneu Stärkekleister abgeschieden. Neben den angeführten Versuchen sollen auch die länger bekannten Experimente durchgeführt werden, und zwar in möglichst einfacher Form. Hier kommen zunächst die elektrischen Versuche in Betracht. Die Kohlensäurebondjen können als Hydroelektrisir- maschinen benutzt werden, sie dienen dazu, zu zeigen wie bei Reibung und Stoss von Theilchen fester Kohlen- säure Elektricität ensteht. Elektroskope, in den Kohlen- säurestrom gebracht, geben einen Ausschlag. Zur Unter- suchung der Benutzung der Elektricität der Bombe ist diese, dem Isolirschemel entsprechend, auf Glasklötze zu stellen. Zum Nachweise der Elektricität des Tuchbeutels, in dem sich die feste Kohlensäure sammelt, befestigt man an einen isolierten cylindrischen Conduktor einen Metall- ring und führt den Beutel durch diesen hindurch. Beim Ausströmen der Kohlensäure wird der Conduktor stark geladen. Im Anschluss daran sind die Eigenschaften der Kohlen- säure zu behandeln. Es ergeben sieh hier zwei Reihen von Versuchen, die parallel neben einander hergehen, in- dem einmal die aus dem festen weissen Schnee und dann die aus Marmor und Salzsäure erhaltene Kohlensäure ver- wendet wird. XVI. Nr. i; Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 169 Feste Kohlensäure hat eine Temperatur von — 58°. Durch Mischen von Kohlensäureschnee mit Aether kann diese Temperatur noch weiter herabgedrückt werden, im Vacuum sogar bis — 110°. Die Behauptung, dass beim Mischen von Aether und fester Kohlensäure keine tiefere Temperatur als — 79° erzielt werden kann, hat sich als ein Irrtiium herausgestellt. Die Teniperatureruiedrigung mit Aether wird aus der schnellen Verdunstung des Aethers erklärt. Aehulich wie Aether verhalten sich auch andere Flüssigkeiten. Methyl- und Aldehydalkohol ergeben mit fester Kohlensäure etwa dieselbe Kältemischung, Kälte- bädern mit Aether kann eine Flamme gefahrlos genähert werden. Der Aether brennt nur mit schwach - blauer, unregelmässiger Flamme. Im übrigen bringt das Experi- meutiren mit den genannten Flüssigkeiten bei tiefen Temperaturen mancherlei Unannehmlichkeiten mit sich. Was die Versuche betrifft, welche die Aeuderung der Aggregatzustände zeigen, so ist der bekannte Faraday- sche Versuch hervorzuheben, bei dem Quecksilber in einem Piatilltiegel über der Flamme zum Gefrieren gebracht wird. Zur Herstellung kleiner Tiegel aus fester Kohlen- säure verwendet man geeignete Holzformen. Besonderes Interesse bietet noch das Gefrieren von Gaslösungen dar. Die Spannungsverhältnisse bei der comprimirten Kohlensäure hat eine besondere Reihe von Experimenten zum Gegenstande. Das Schmelzen der festen Kohlensäure und die dabei auftretenden Spannungen zeigt ein von Prytz angegebener Versuch, der deshalb für den Unter- richt l)esnn(lers lehrreich ist, weil er zeigt, dass der Er- starnuigspunkt gewisser Körper höher liegt, als der Schmelzpunkt. Kleine Stücke zusammengepresster Kohlen- säure werden in ein starkes reagenzglasähnliches Eohr gebracht, welches mit einem Manometer verbunden wird. Das Zuleitungsrohr besitzt ein seitliches Ansatzrohr mit Hahnverschluss. Beim Schliessen des Hahnes steigt der Druck auf etwa 5 Atmosphären. Die feste Kohlensäure schmilzt und der Druck steigt auf 10 Atmosphären. Oeffnet man den Hahn der seitlichen zur Manometerverbindung führenden Röhre, so sinkt der Druck auf 5 Atmosphären, und die Kohlensäure wird wieder fest. Die im Handel vorkommenden Röhren mit flüssiger Kohlensäure sind wegen der damit verbundenen Gefahr zu Unterrichtsversuchen nicht geeignet, und die damit an- zustellenden Experimente gehen auch über den Rahmen der Schule hinaus. Die Technik benutzt gegenwärtig die flüssige Kohlen- säure vor allem beim Bierhebeapparat und bei der Fabri- kation des Sodawassers. Die Verwendung der Kohlen- säure zum Heben von Gegenständen unter Wasser, z. B. bei Schiffen, ist aufgegeben worden, und auch son.st sind die Hott'nungen, die man auf die Anwendung der Kohlen- säure gesetzt hat, vielfach nicht in Erfüllung gegangen. Zur Darstellung der flüssigen Kohlensäure benutzt mau zum Theil die Exhalation resp. einige Säuerlinge. Diese Kohlensäure ist sehr rein, enthält aber oft Luft gelöst. Die angeführten Reihen von Experimenten sollen in der Weise durchgearbeitet werden, dass jeder Praktikant ein Protokoll aufstellt, welches über die beabsichtigten Versuche Auskunft giebt. Hans Matthee. Die vorgeführten und besprochenen Experimente wur- den dann von den Theilnehmern am Kursus selbst durch- geführt; es kamen hierbei nur Schwefeldioxyd und Kohlen- stoffdioxyd in Betracht. Die Experimente mit flüssiger Luft haben für den Unterricht nur die Bedeutung, dass die Schüler die flüssige Luft selbst sehen und kenneu lernen. Sämmtliche Experimente, welche auf dem Verhalten des Körpers mit sehr niederen Temperaturen beruhen, lassen sich auch mit Kohlensäure-Schnee anstellen, abgesehen von denen natürlich, wo der Sauerstoffgehalt der flüssigen Luft eine Rolle spielt z. B. das lebhafte Brennen von glühenden Kohlenstückchen in flüssiger Luft. Als wissenschaftliche Themata würden sich an- schliessen: 1. Die Farbenveränderung von Blei, Quecksilbersalz und anderen Körperu (S. rauchende Salpeters) bei sehr niederen und sehr hohen Temperaturen. 2. Die Hydratisirung der Salze bei sehr niedrigen und hohen Temperaturen sowie über die dabei auftreten- den Farbenänderungen. Als zweites Thema wurde auf die Luftpumpen (Ver- dünnungs- und Verdichtungspumpeu) hingewiesen. Die allgemeinen Gesichtspunkte waren dabei die Folgenden. Man kann bei den Experimenten mit der Luftpumpe nach zweierlei Richtungen vorgehen: Entweder ordnet man die sämmtlichen Experimente den einzelnen Theilen der Physik, in welchen luftver- dünnte Räume zum Experiment erforderlich sind, voll- ständig unter und operirt mit schon vorher hergestellten Vacuum- oder Compressionsräumen (Gewicht der Luft, freier Fall im Vacuum, Schallfortpflanzung, elektrisches Ei etc.) oder man lässt die Apparate den Mittelpunkt bilden und gruppirt die Experimente nach bestimmten Gesichtspunkten. Zuerst wurde die Verwerthung der historischen An- knüpfung besprochen und dann gleich die gewöhnlichen auf Compression und Evacuation zu stellenden 2 käuflichen Hahnluftpumpen mit Babinet'schem und Grassmann'schem Hahn, die im Modell gezeigt wurden. Als Vorversuche diente ein etwas umgestalteter Heronsball (Einsaugen der Luft durch AVasser, Herausspritzen des Wassers), der baro- metrische Versuch, Herstellen des Vaeuums und Empor- pressen des Quecksilbers durch den äusseren Luftdruck auf den Barometerstand. Hier sowohl wie oben waren die betreftenden Röhren mit Schlauchansatz und Ver- bindungsstück aus Glas unmittelbar mit dem Kanal ver- bunden, eine Methode, die sich noch für eine grosse Reihe von Versuchen verwerthen lässt. Der dritte Doppelver- such bestand in dem Zusammenpressen eines Kautschuk- schlauches, dann bei der Compression Herausschleudern eines Glasstabstückchens und bei festerem Verschluss wurstartiges Aufblasen des Schlauchs und Zerplatzen des- selben. Der Vortragende wies dann nach, wie wenig bei den in- den Lehrbüchern cntlialtenen Anführungen von Experi- menten eine scharfe Grup|iirung hervortritt. Bei den hier angeführten wurden nicht alle Experimente der Zeit wegen durchgeführt, sondern nur diejenigen, welche entweder Andeutungen bezüglich der Durchführung erforderten oder ganz neuvvaren oder eine neue Anordnung zeigten, die übrigen wurden nur angedeutet. II. Zuerst wurden die Experimente mit Evacuirungs- Stellung genommen. Ueberall wurde, wie auch bei den Versuchen mit Compression, die Technik berücksichtigt. Da ich die ausführlichere Darstellung in den Abhand- lungen „Zur Methodik des Experiments" gebe, muss hier auf diese Arbeit verwiesen werden. Sodann ,wurden die Experimente mit der Compressionspumpe kurz besprochen (Pressluft, Mammuthbrunnen, Rohrpost, Gascompression etc.) und die Temperaturverhältnisse bei Verdichtung und Ver- dünnung in ihrer theoretischen und praktischen Wichtig- keit hervorgehoben (pneumatisches Feuerzeug, Linde- Dewar'sche Maschine — Anknüpfung an die Vorlesung über verdichtete Gase). Im II. resp. III Theil des Vor- trages wurden die Luftpumpen mit anderem Princip vor- geführt und zwar zunächst die Luftpumpen, welche auf dem Ansaugephänomen (Mitfortreissen) beruhen. Spren- geische Quecksilber-, Bunsen'sche Wasserluftpumpe, Geiss- 170 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. lö. ler'sche QuecksilberhiftiJUinpc (Benutzung des Vacuuni- raumes), alle wurden mit einzelnen Experimenten vor- geführt; besonders wurde noch die englische Oelluftpumpe gezeigt. Die verschiedenen elektrischen Entladungen, Funken, Büschel, Glann-, Kathoden-, Röntgenentladuug wurden in ihrem Uebergangc gezeigt. In den darauf folgenden Uebungsstunden konnte nur ein 'Iheil der Experimente von den Theilnehmeru geübt werden, wie das auch mit den Versuchen mit compri- mirteu Gasen der Fall war; liervorzuheben ist, dass die zahlreichen Experimente nicht alle, auch nicht jedesmal dieselben vorgeführt werden sollen; gerade dadurch, dass die Lehrer das Beste wählen können, und Haupt- (Stan- dard) und wechselnde Nebenexperimente unterschieden werden, lässt sich der Unterricht sehr mannigfaltig ge- stalten. Das dritte Beispiel der Vorlesung über Methodik des Experiments war ein Dispositions- oder Disponirungsbei- spiel. Wenn ein Theil der Physik, Laborik (Vacuumlehre) Galvanismus systematisch durchgesprochen werden und der Physikunterricht so recht zum Denken und Schliessen gebraucht werden soll, so habe ich es als zweckmässig gefunden, einen Uebcrbliek über das gesammte zu be- handelnde Gebiet an der Hand von Musterexperimenten zu geben. t i . i Diese Dispositionen finden sich in jedem Lehrbuch, sind aber nicht als einleitende Betrachtung gleich voran- gestellt. Man könnte also das gegebene Lehrbuch in dieser Weise auschliesscn oder sich an die Eintheilungen handeln, wie sie von grossen wissenschaftliehen Werken der Pliysik oder jenen für jeden auf dem Gebiete der l'liysik mitarbeitenden Lehrer erforderlichen üebersichten (Fortschritte der Physik etc.) gebraucht werden. Der Vortragende hatte das Gebiet der Wärme als Beispiel gewählt, als Bindeglied zwischen Molekular- physik, l'hysikalisches und Mechanik. Es ist selbstver- ständlich, dass einige der Abschnitte nicht in der Wärme- lehre selbst ihre Betrachtung finden, wie die Thermo- elektricität, und dass andere sieh zu selbstständigeii Theilen der Physik herausgebildet haben, wie z. B. die Lehre von der Temperatur und Feuchtigkeit unserer Atmosphäre, die Lehre von den Hydrometeoren, der losgetrennten Meteorologie angehören. Eine grosse Reihe von Experimenten (z. Th. neuen) wurde für die eigenen Theile vorgeführt, ein noch grösserer angedeutet und hervorgehoben, welche wohl die geeignetsten sind. In dem neuen Werke (Physik, Bd. III Schödlcr, Buch der Natur) finden sieh dafür Dispositionen. Für die Zukunft werden vielleicht für Wissenschafl und Unterricht die dem International Catalogue officii'iicc vorgeschlagenen Eintheilungen, wenn sie sich bewährt haben, maassgebcnd sein können. Diese Dispositionen bilden für den angehenden Lehrer und für die Schulen eine sichere Stütze und sollten des- hall) auch mehr und mehr in den physikalischen, aber auch chemischen und mineralogischen Unterricht, wo sie sich ganz einfach gestalten, eingeführt werden. Die übrigen Themata, Grundversuche der Elektrik (Potential) und die Methoden, das Gesetz von der Fort- pflanzung des Druckes wachzurufen, konnten nicht mehr zur Durchführung kommen. Schwalbe. Prof. Dr. Carl Müller, Vorträge über Bacterien. Die Vorträge fanden entsi)rcchend dem aufgestellten und vom Magistrate der Stadt Berlin veröffentlichten Pro- gramm am 17., 24. und 31. Januar, am 7., 14. und 21. Februar d. J., Nachmittags von b -6' o Uhr, statt. Für die Abhaltung der Vorträge und die sich anschliessen- den Demonstrationen stand das botanische Institut der königliehen landwiithschaftlichen Hochschule (Leiter: Herr Geheimrath Prof. Dr. Kny) zur Verfügung. An den Vorträgen betheiligten sich 7 Herren. Vom Vortragenden wurden behandelt: Im ersten Vortrage: Kurzer Ueberblick über die Geschichte der Bacterienkunde und Uebersicht des Systems der Bacterien nach der klassischen Bearbeitung derselben von Ferdinand Cohn. , , . , r> Im zweiten Vortrage: Die Morphologie der Bac- terien, ihre Schwärmzustände, die Sporenbildung und die Sporenkeimung. Die Vermehrungsgeschwindigkeit. Die Physiologie der Bacterien (pathogene, chromo- gene zymogene, gloeogene, thermogene Formen; Aeroben und Anaeroben. ^Schwefel-, Eisen- und Nitrobacterien). Schluss des Vortrages bildeten mikroskopische De- monstrationen, Bacterienformen betreffend. Im dritten Vortrage: Die Sterilisation und Des- infection. Es wurden die in Betracht kommenden Prin- cipien erörtert und die sich hierauf gründende Praxis der Desinfeetion für wissenschaftliche Zwecke und in der Ge- sundheitslehre behandelt. Dem Vortrage schlössen sich Demonstrationen und Vorführung von Apparaten au. , , .. , Im vierten Vortrage: Die uatürlichen und künst- lichen Nährböden und die Geschichte ihrer Einführung (Pasteur). Die Koch'sehe Methode gelatinirter Nährboden. Das Plattengussverfahren. Die Untersuchung Berliner Leitungswassers und einer Milchprobe auf ihren Bacterien- gehalt, Trennung, Zählung und Unterscheidung der ge- züchteten Keime. Die Herstellung der Nährböden, der Plattenguss und das Verfahren der Wasser- und der Milehuntersuchnug wurden im Vortrage ausgeführt. . Im fünften Vortrage: Die Gewinnung der Kein- culturen. Stich- und Strichculturen. Ergänzende Ciil- turen (Kartoffelculturen des Mierococcus prodigiosus). De- monstration von Milzbrand-, Typhus-, Cholera-, Tuberkel- bacillenculturen. Die Färbungsmethoden und ihre Geschichte. Die Ziehl'sche Färbung und ihre Empfehlung zum Schul- versuch. , „ Im sechsten Vortrage: Die Bedeutung der Bac- terienkunde für Heilkunde, Gesuudheitslehrc und Technik. Die Principien der Serumtherapie und die Imptfrage. Die rege Theilnahme der gemeldeten Herren an den Vorträgen berechtigt zu dem Schlüsse, dass dem Vor- tragscyklus der erhoffte Erfolg nicht fehlen wird Prof. Dr. Carl Müller. Da die Vorlesungen von Herrn Dr. Schiemcuz uud die Ucbungen unter Prof. Dr. Szymanski erst später beendet werden, können in diesen Bericht nur die Iro- gramnie aufgenommen werden. Dr. P. Schiemeiiz, Vorsteher der biologischen Fischerei- Versuchsstation am Müggelsee, die Biologie des Süss- wassers und ihr Studium. Montags von 5— 6'/, Uhr im Dorotheenstädt. Real- ^i-ymnasium, Georgenstr. 30-31. 1) Montag den 4. Febr. 1901. Geschichte der Stisswasserforschung und Methodik derselben. 2) 11. Februar und 3) 18. Februar 1901. — Die wichtigsten Vertreter der Süss wasserthiere und -pflanzen uud ihre Anpassung an das Leben im süssen Wasser. 4) 2.'i Februar 1901. — Der Unterschied der Regionen des süssen Wassers (Ufer-, Schar-, Tiefen-, limnetische XVI. Nr. i; Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 171 Region) in Bezug auf das Thicv- und Pflanzenleben. 5) 4. März 1901. — Wechsel der Thierc und Pflanzen im Laufe des Jahres und ihr gegenseitiges Ablösen. Ver- schiedenheiten der Jahre. 6) 11. März 1901. — Be- ziehungen der Pflanzen und Thiere zu einander. Au die Vorträge wird sich eine Excursion nach dem Müggelsee anschliessen; die Zeit wird ndt den Zuhörern vereinbart werden. Meldungen bei einem der Unterzeichneten. Prof. Dr. Szymanski, Uebuugen aus der Elektro- technik. Sonnabends von b—8 Uhr in der 1. Ilandwerker- schulc, Lindenstr. 97/98. 6 Uebungen, beginnend am 9. Februar 1901. Folgende Aufgaben kommen zur Behandlung: A. Grundmessungen; I. Widerstand: 1. Substitntionsmethode, 2. Methode des direkten Aus- schlages (Spiegelgalvanometer), 3. Differential-Galvano- meter, 4. Brückenschaltung (Wheatstone, Thomson, Matthiessen, Kohlrausch). II. Elektromotorische Kraft, Spannung: 1. Elektrometer und Normalelemeut, 2. Volt- meter, 3. Spiegelgalvanometer, 4. Compensationsmethode, 5. Aichung der Voltmeter: a) mit Normal - Voltmeter, b) mit Compensator. III. Strom: 1. Voltameter, 2. Ampere- meter, 3. Compensator, 4. Aichung der Amperemeter: a) mit Voltameteru, b) mit Normal-Amperemeter, c) mit Compensator, 5. Aichung der Normalelemente nach der Compensations - Methode. IV. Magnetische Messungen : 1. Magnetometer (Hysteresis- Kurve), 2. Kraftlinienzahl (ballistisches Galvanometer, Wismuthspirale), 3. Permeabili- tät. V. Kapacitäts-Messungen : I. Aichung des Conden- sators mit einer Normal-Spule, 2. Vergleichung eines Con- densators mit Nornial-Condensator: a) mit ballistischem Galvanometer (direkter Ausschlag) b) in der Brücken- schaltung (Nullmethode). B. Anwendungen. I. Gleich- strom: 1. Indirekte Widerstandsmessungen an Zählern, Maschinen etc., 2. Isolationsprüfungen, 3. Messungen an elektrischen Heizapparaten, 4. Aichungen der Elektrici- tätszähler, 5. Messungen an Glüh- und Bogenlampen, ver- bunden mit Photometrie, 6. Charakteristiken der Magneto- und Dynamomaschinen, 7. Messungen an Elektromotoren. II. Wechselstrom: 1. Aichungen der Wechselstrommess- apparate (Dynamometer, Hitzdraht - Instrumente etc.), 2. Strom- und Spannungsmessungen an Wechselstrom- maschinen, 3. Selbstinduktion, 4. Arbeitsmessungen mit Wattmeter, 5. Spannungskurven der Wechselstrom- maschinen (Kurvenprojektor, Coutaktmacher), 6. Uebun- gen an Transformatoren und Drehstrommaschinen. Wünsche über die Einrichtung besonderer Kurse für das nächste Jahr werden die Unterzeichneten gern ent- gegen nehmen. Schwalbe, Reinhardt, Direktor dos Dorotheenstildt. Direktor der II. Realschule Realgymnasiums N. oT. Weissouburgerstrasse 4a. N.W. Georgenstr. Sie werden eine ausführliche Berücksichtigung bei dem demnächstigen Jahresbericht linden, denn es ist geplant, für die städtische Behörde und die Schulen solche Be- richte in kurzem Sinn zu geben um zu zeigen, welcher Stoff in diesen Kursen die gewissermaassen verlängerte Ferienkurse sind, Verarbeitung findet. Wie sich diese Kurse und Veranstaltungen weiter ausgestalten können, welche grossen Vortheile dem Unter- richt aus denselben erwachsen können, ist in einer ausführ- lichen, dem Magistrat eingereichten Denkschrift dargelegt. Sollte der gedruckte Bericht fortgeführt werden, und die dazu erforderlichen Mittel verfügbar sein, so würden zu- gleich einige Gegenstände speziell entwickelt werden können, wie es in der Uebersicht über die Göttinger Ferieneurse geschehen ist. Berlin hat zuerst diese fortlaufenden Veranstaltungen eingerichtet und der Dank dafür gebührt den städtischen Behörden, die den Versuch ermöglicht haben, der Nach- ahmung finden möge und der Entwickelung des natur- wissenschaftlichen Unterrichts und somit des Unterrichts überhaupt an den höheren Lehranstalten zum Vortheil gereichen wird. Der Wasseraustausch zwischen Ostsee und Nord- see. — Die hydrographischen Verhältnisse im Skagerrak, Kattegat, den Belten und dem Sunde sowie in den angrenzenden Theilen der Ostsee sind dadurch von be- sonderem Interesse, weil durch diese Gewässer sich der Wasseraustausch der salzärmeren Ostsee und der salz- reicheren Nordsee vollzieht. Schon in der Nordsee zeigt sich trotz der offeneren Verbindung mit dem Atlantischen Oeean der Einfluss der Süsswasserzufuhr durch die Flüsse grösser als dies von vornherein anzunehmen wäre; im Mittel kann man aber für das Oberflächenwasser der Nordsee einen Salzgehalt von 34 "/(,(, annehmen. In der norwegischen Rinne steigt der Salzgehalt in Tiefen von 2—40 m von 28,0 %o bis 34,4 7oo "tid 'u den Tiefen von 40 — 100 m bis auf 35,5 "/oo» sodass unter einem salz- armen Oberfläcbenwasser sich ein salzreicheres Tiefen- wasser befindet, dessen Salzgehalt annähernd mit dem- jenigen im offenen Meere zwischen Bergen und Peterhead (35,8 7oo) übereinstimmt. Schon im Skagerrak findet au der Oberfläche eine Abnahme des Salzgehaltes statt, und dieser sinkt im nörd- lichen Theile des Kattegats, und je weiter man sich von der Nordsee entfernt, immer mehr und beträgt im Sunde bei H()lsingör nur 9,25 %(,. In der Tiefe ist der Salz- gehalt dagegen weit beträchtlicher, und selbst in den tieferen Theilen des Kattegats und des Sundes findet man noch fast unverändertes Nordsee wasser; so beträgt der Salzgehalt an der Westküste Schwedens (bei Kullen) in der Tiefe 35,20 %oi "od am Eingange des Sundes vor Helsingör ist in 3G m Tiefe Wasser mit einem Salzgehalt von 33,54 "/oo geschöpft worden. Sehr instructiv ist eine bei Syrogö im grossen Belt vorgenommene Messung. Die Tiefe beträgt hier 66 ra. Zur Zeit der Messung herrschte eine starke Oberflächenströmung aus dem Süden. Das Oberflächenwasser hatte einen Salzgehalt von 10 »oo und dieser nahm bis zu 19 m Tiefe nur sehr wenig zu. In der Tiefe von 17 — 19 m herrschte Stromstille; aber in einer Tiefe von reichlich 20 m setzte eine sehr starke Strömung aus Norden ein, und der Salzgehalt nahm inner- halb derselben bis an den Grund immer mehr zu, wo er 30,26 7oo betrug. Dieser Tiefenstrom mit salzhaltigerem Nordwasser lässt sich in der Ostsee bis zur Kadettenrinne zwischen Darsser-Ort und der dänischen Insel Falster verfolgen, wo das westliche Becken der Ostsee scharf von dem östlichen geschieden wird. Auf dem Wege vom Grossen Belt bis zur Kadetten- rinne wird jedoch die salzhaltigere ünterströmung erheb- lich vermischt, indem die Bewegung in Folge der grösseren Breite des Gewässers verlangsamt wird. Die seit 1871 in der Ostsee vorgenommenen hydrographischen 17-2 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. i: Unter-suehungen liabeu als liöclisten Salzgehalt in grösse- ren Tiefen 10,89 " „o ""'^ '"'' '''^ oberste Schicht des Unterwassers der südlicheren Ostsee im Bornholmer Tief einen solchen von 13— 1-4" „y ergeben. Im Ganzen ist der Salzgehalt jedoch zeitlichen und örtlichen Schwan- kungen unterworfen, indem die unteren Schichten stetig erneuert werden. Diese Verhältnisse sind schon mehr- fach Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. Eine äusserst detaillirte Untersuchung über die Frage liefert Martin Knudsen in seinem Bericht über die hydrographischen Verhältnisse in den dänischen Gewässern innerhalb Skagens in den Jahren 1894—1898 (Bereting , fra Kommissionen for videnskabclig Undcrsdgelse af de danske Farvaude. Bd. II, Heft 2). Die Untersuchung stützt sich auf das auf Veranlassung der Kommission in den Jahren 1894:— 1898 eingesammelte Material, auf (trund dessen er durchweg ein Bild von den Verhält- nissen in den wesentlich in Betracht kommenden Monaten Februar, Mai, August und November jedes einzelnen Be- richtsjahres giebt und daran in Form einer allgemeinen Uebersicht die wesentlichen Resultute knüpft. Darstellung und Erörterung sind durch die auf 20 Tafeln gegebenen Schnitte und Kurven erläutert. Die vorliegenden deutschen, dänischen und schwedi- schen Messungen, welche zu verschiedenen Zeiten vor- genommen sind, ergeben, dass die Einströmung salzhaltigen Wassers in die Ostsee in gewissen Zwischenräumen er- folgt. Am grössten ist der Salzgehalt durchwog im August, wie auch aus den neuen Beobachtungen im Grossen Belt hervorgeht, so dass in diesem Monat die Einströmung am stärksten sein wird. Da die unteren Wasserschichten der Ostsee durch die stossweise erfolgende Einströmung durch die Kadettenrinne erneuert werden, diese aber immerhin in allen Monaten des Jahres mit Temperaturen von 2° bis 13° erfolgt, so müssen in den unteren Schichten der Ostsee auch erhebliche Schwan- kungen der Temperaturen sowohl nach Ort als auch nach Zeit vorkommen. Werden die vorhandenen Differenzen in dieser Weise erklärt, so ist anzunehmen, dass das ein- strömende Wasser sich zunächst vor der alten Unterschicht anhäuft, diese vor sieh herschiebt und dadurch das Ni- veau derselben zum Steigen bringt; alsdann keilt es sich in die alte Unterschicht an der seinem specifischen Ge- wicht entsprechenden Stelle ein, wodurch es schliesslich seine charakteristischen Eigenschaften verliert und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Schichten des Ostseewassers ausgeglichen werden, sodass die Tempe- ratur und der Salzgehalt der unteren Wasserschichten in Wirklichkeit eine Resultirende aus der Tem])eratur und dem Salzgehalt der zu den verschiedenen Jahres- zeiten einströmenden Wasserniassen, der abkühlenden und aussüssenden Wirkung der oberen Sehichtcn und dem ein- schneidenden Einfluss der Tiefenverhältnisse wird. Aus den Beobachtungen über Tem])cratur und Salz- gehalt in der Kadettenrinne ergiebt sich, dass der mitt- lere Salzgehalt des einströmenden Wassers 17,4 %q, die mittlere Temperatur 6,9° beträgt. Dagegen beträgt der mittlere Salzgehalt der gesammten Wassermenge zwischen (ijedscr und Darscrort 8,7 " „q, sodass, wenn Salzmenge und Wassermenge in der Ostsee constant bleiben, die einströmende Wassermenge nur iialb so gross ist, als die ausströmende. Wären keine anderen Factorcn wirksam, so miisstc die Ostsee in Folge dessen austrocknen; aber der Verlust wird durch die Süsswasserzufuhr von Seiten der östlich der Linie Gcdser Darscrort einmündenden Flüsse ausgeglichen, und diese Zufuhr hat ausserdem den Verlust durch Verdunstung zu ersetzen. Durch den Sund verlassen alljährlich grössere Wasser- mengeu die Ostsee, während dagegen nur selten salz- reiehes Wasser durch den Sund in die Ostsee einströmt In Folge dessen müssen die einwärts gerichteten Unter- strömungen in der Kadettenrinne eine bedeutende Ge- schwindigkeit besitzen, welche um so grösser sein um s, da sie nicht constant sind. Erwiesen ist jedoch, dass ■ Unterströmung in der Kadettenrinne am häufigsten q,.i- wärts gerichtet ist, und dass die Geschwindigkeit der Oberflächenschichten nur selten so gross wird, dass die salzreichere Unterlage aus der Kadettenrinne vertrieben wird. Nach der von Knudsen mitgetheilten Tabelle ist dies in 19 Meter Tiefe in 19 Fällen nur viermal, also in 2/5 der Fälle, geschehen. Dagegen steht zu erwarten, dass das einströmende salzhaltige Wasser die oberen Schichten mit sieh reisseu wird, sodass auch die OLer- fläehenströmung im Schnitt Gjedser-Darserort cinw; ts gerichtet wird. Die in Meteorologisk Aorbog einge- führten Strombeobachtungen zeigen thatsächlich, dass die Oberflächenströmung bei Gjedser-Darserort häufiger ein- wärts gerichtet ist, als im Sunde und im Kleineu Belt. Dazu können jedoch auch andere Ursachen einwirken: 1. kann das Wasser unter dem Einfluss der Erdrotation namentlich durch den Sund hinausströmen, 2. sind west- liche Winde vorherrschend, 3. läuft die Unterströmung oft mit grosser Geschwindigkeit durch die Kadettenr.nne unter der Oberflächenströmung und bringt letztere oft durch die Reibung zum Kentern, wodurch die Grenze zwischen dem gleichzeitig ein- und ausströmenden Wasser ganz in die salzarme Oberflächenschicht hinauf verlegt wird oder diese vollständig mit sich reisst. Nach den Beobachtungen liegt die Grenze zwischen den salzhaltigeren und dem salzärmeren Wasser auf der Linie Gjedser-Darserort, in der Regel in einer Tiefe von 12 ni, sodass ein Querschnitt an dieser Stelle für das salzigere und das süssere Wasser das Verhältniss 1 : 3 ergiebt. Wenn die untere Strömung stets einwärts gerichtet wäre, und das Wasser, welches die Ostsee durch den Sund verlässt, durch die Rinne Gjedser-Darserort hinausströmte, würde die mittlere Geschwindigkeit der dadurch ent- stehenden auswärtsgehenden Oberflächenströ- mung nur ^3 dß'" Geschwindigkeit der salzhalti- geren Bodenströmung betragen. Die Einströmung von salzhaltigem Wasser erfolgt in erster Linie und fast ausschliesslich durch die Kadetten- rinue, nur in geringem Maasse durch den Sund. Nur in dem Falle, dass hoher Salzgehalt längere Zeit hindurch mit einwärtsgehendem Strome verbunden gewesen ist, hat man absolute Sicherheit dafür, dass die Ostsee Salzwasser durch den Sund empfängt; folgen die Schwankungen da- gegen schnell aufeinander, so kann von einer bedeutenden Süsswasserzufuhr keine Rede sein. Im Juli 1897 ge- brauchte eine einwärtsgehende Strömung mit einer Ge- schwindigkeit von 0,75 Seemeilen pro Stunde drei Tage, um den hohen Salzgehalt bis nach Drogden (im Sunde zwischen Amager und Saltholen) zu führen. Im Ganzen hat die Ostsee 1897 viermal salzhaltigeres Wasser durch den Sund erhalten; am längsten dauerte die Einströnmng in der letzten Ilältte des November, da die eingehende Strömung vom 14. November an l(i Tagen an Drogden vorüberging. Der Salzgehalt des einströmenden Wassers ist im Winter am grössten, im Sommer am geringsten und folgt in dieser Beziehung den Schwankungen des Salzgehaltes im Kattegat. Durchschnittlich ist der Salz- gehalt des durch den Sund in die Ostsee einströmenden Wassers grösser, als bei demjenigen, welches durch den (Querschnitt Gjedser-Darserort' der Ostsee zugeführt wird. Für den Salzguiialt der Ostsee spielt aber die Einströmung zwischen (ijedscr-Darsserort eine weitaus grössere Rolle; denn nicht nur ist der Querschnitt bei Gjedser weit liefer XVI. Nr. 15. NaturwisseiLScliaftlicbe Woclienschnft. 173 uirl breiter als bei Drogdcn, sondern ciu hoher Salz- gehalt kann sich hier anch weit länger halten, oder die Einströmung ist constanter; sie hat 1897 sich nachweisen lassen für Anfang April, Anfang- Juli, fast den ganzen September, Mitte October, Ende November und Anfang Df'i^.ember. Während aber bei Drogden das salzhaltige . >ser direkt der Oberfläche des Kattegats entstammt, sta- mit dasjenige, welches über die Schwelle bei Gjedser einströmt, von den unteren Schichten der westlichen Ost- see. Das durch den Sund kommende Wasser kann darum alle Temperaturen vom Gefrierpunkte bis 18° — 19° auf- weisen. Das salzige Wa.sser dagegen, welches im Früh- jahr durch den Querschnitt bei Gjedser einströmt, erweist sich als eine Mischung nördlichen Bi'ackwassers oder 34 7oo Wassers mit warmem Ostseewasser, das im Herbste und 'zu Anfang des Winters einströmende dagegen als ein "'Mischung südlichen Brackwassers mit kälterem Ost- see'»vasser. Da das salzhaltige Wasser der unteren Schicht zwischen Gjedser nnd dem Grossen Belt niemals eine ge- ringere Temperatur als 1 — 2^ und selten eine höhere als 14° hat, kann salziges Wasser mit sehr niedrigen oder sehr hohen Temperaturen niemals über die Gjedserscliwelle in die Ostsee gelangen. Da aber die salzige Bodenscliicht der westlichen Ostsee im Winter nicht so mächtig und nicht so salzhaltig ist als im Sommer, muss man an- nehmen, dass die Einströmung salzlialtigen Wassers bei Gjedser in die Ostsee im Sommer, also zu der Zeit, da das Wasser am wärmsten ist, am beträchtlichsten ist. Ein Vergleich ergiebt, dass das salzhaltigste Wasser im Winter durch den Sund, im Sommer durch den Querschnitt bei Gjedser in die Ostsee ein- strömt. Bisher ist nur der Wasseraustausch zwischen dem Kattegat und der Ostsee in Betracht gezogen, thatsäch- lich ist aber das Kattegat ja nur ein Bindeglied zwischen dem durch und durch salzigen Wasser des Skagerraks einerseits und dem salzigen Bodenwasser und dem mehr süssen Oberflächenwasser der Ostsee andererseits, während in gleicher Weise ein Wasseraustausch zwischem dem Kattegat nnd dem Skagerrak sich vollzieht. Bezüglich des ümfanges derselben kommt Knudsen zu folgendem Resultate, dessen Charakter als untere Grenze er des Näheren begründet: Vom Kattegat strömt ca. 2,75 Mal so viel Wasser ins Skagerrak, als das Kattegat aus der Ostsee empfängt, und vom Skagerrak strömt ca. 4,5 Mal so viel Wasser in das Kattegat, als das Kattegat an die eigentliche Ostsee abgiebt; d. h. 3,5 Mal so viel Wasser, als die Ostsee aus dem Kattegat erhält, kommt ans dem Skagerrak ins Kattegat, wird aber in ausge- süsstem Zustande wieder zurückgetrieben. Unter der Vor- au.ssetzung, dass das von aussen in das Skagerrak ein- strömende Wasser, Brackwasser und 34 7oo Wasser in seinen oberen Schichten einen durchschnittlichen Salz- gehalt von 33''/oii hat, berechnet Knudsen, dass von der salzigen Wassermasse, welche in die Ostsee einströmt, ca. -/g aus der Ostsee entstammen, oder dass von dem aus der Ostsee ins Kattegat abgeflossenen Wasser ca. '/.^ nach der Vermischung im Kattegat und in die westliche Ostsee wieder zurückfliesst, und die Wassermenge, welche direkt aus der Nordsee in die Ostsee fliesst, nur ' o der Wassermenge be- trägt, welche gleichzeitig durch den Baltischen Strom der Ostsee entführt wird. Jedesmal, wenn salzhaltiges Wasser durch den Sund in die Ostsee geströmt ist, hat auch eine Einströmung bei Gjedser stattgefunden, und diese Gleichzeitigkeit lässt er- kennen, dass die Erscheinungen an beiden Stellen den gleichen Ursachen ihre Entstehung verdanken. Die Kräfte, welche in erster Linie die Bewegung des Wassers hervor- I rnfeu, sind: 1. die Unterschiede des hydrostatischen Druckes innerhalb und ausserhalb der Ostsee, 2. die Rei- bung zwischen Luft und Wasser. Der hydrostatische Druckunterschied entsteht, indem 1. die Ostsee mehr Wasser durch Zuflüsse und Nieder- schläge erhält, als sie durch Verdunstung verliert, 2. die Niveaus der Meere ausserhalb der Ostsee sich verändern, 3. der Luftdruck variirt. Unter diesen Ursachen ist zwar erstere die bei weitem einflussreichste, aber nicht allein maassgcbend; denn der Wind, die Niveauveränderungen ausserhalb der Ostsee und die Schwankungen des Luft- druckes können für sich allein in den Ausflussöfi'nungeu Strömungen hervorrufen, welche die durch die Süsswasscr- zufuhr erzeugten, gleichgerichteten Strömungen über- wiegen und je nach Kraft und Richtungen letztere ver- stärken oder abschwächen oder gar eine Umkehr der Oberflächenströnmng hervorrufen. Wind, Niveauveräuderungen und Luftdruck wechseln sehr häuflg nach Richtung und Stärke und halten sich niemals lange Zeit über oder unter ihrem Mittelwerth. Ihr Eiufluss auf die Strömungen wird daher nur kurze Zeit dominirend sein; für grössere Zeiträume wird er im Vergleich mit der auswärts führenden Strömung minimal sein; dagegen können sie selbst für längere Zeitabschnitte erheblichen Einfluss auf die Tiefenströmungen gewinnen, liier wirken nämlich der hydrostatische Druck, welcher in der Zufuhr süssen Wassers zur Ostsee begründet ist, und derjenige, welcher dm\h die Verschiedenheit des specifischcn Gewichts hervorgerufen wird gegen einander, und diese beiden Kräfte müssen sich in bestimmter Tiefe gänzlich compensiren. Die gleichgerichtete Kraft wird in Folge dessen in der Tiefe geringer als au der Ober- fläche, und in der Tiefe können die drei vorhergenannten Factoren am ersten zur Wirkung gelangen. Von allgemeinem Interesse sind die angestellten Be- rechnungen der durch die Strömungen transportirten Wassermenge. In einer Sekunde wurden der Ostsee durchschnittlich 14 256 cbm süssen Wassers zugeführt; ebensoviel salzreiches Wasser gelangt durch die Mün- dungen in die Ostsee. Die Wassermenge, welche durch den Sund und den Querschnitt bei Gjedser in jeder Sekunde abfliesst, beträgt 28 512 cbm. Durch den Sund werden der Ostsee durchschnittlich 2883 cbm in der j Sekunde zugeführt, sodass die durch den Sund ein- strömende Wassermenge Vö der ganzen der Ostsee zuge- führten Wassermenge beträgt. A. Ln. Mittlieilungen aus der Wirksamkeit des Düiieii- weseiLS an der Westküste Jütlands, uainentlich im Amte I Rigeii, gab der Oberdünenvogt J. P. F. Bang im Forst- I liehen Diskussionsverein (Forst-Tidenoll. 12. Aarg.). Zu- nächst hob er den Unterschied zwischen der privaten Heidegesellschaft und dem staatlichen Dünenweseu her- vor, welch letzteres im Gegensatze zur ersteren im staat- lichen Auftrage und zum allergrössteu Theil mit öffentlichen Mitteln arbeitet. Das älteste und ursprüngliche Ziel des Düuenbaues ist die Dämpfung der Sandflucht seit 1792, da die ersten auf die Festlegung und die Behandlung der Dünen be- züglichen Verfügungen erschienen; nebenher gingen aber seit 1810—1815 die ersten bescheidenen Versuche zur Aufforstung der Dünen, welche aber immer grösseren Um- fang annahmen und im Laufe der Jahre so stark in den Vordergrund traten, dass der ursprüngliche Zweck des Dünenbaues — die Dämpfung der Sandflucht — fast in Vergessenheit zu gerathen drohte. Die den Kommunalver- bäuden obliegende Dämpfung der Sandflucht wird zur Hälfte mit staatlichen Mitteln bewerkstelligt, während das 174 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 15. Amt, die Gemeinde und die Grundbesitzer je ein Sechstel beizusteuern haben. Die Aufforstung erfolgte dagegen ausschliesslich mit staatlichen Mitteln auf Arealen, welche vom Staate zu diesem Zwecke angekauft sind. Während der Düneubau schon immer die Dämpfung der Sandflucht und später die Aufforstung der Dünen als erstes Ziel betrachtet hat, betont Bang namentlich den Schutz und die Verbesserung anbaufähigen Areals, auf dem eine Bevölkerung leben und seinen Unterhalt er- werben kann. Mit der Bekämpfung der Dünen in engster Verbin- dung stehen die Arbeiten, welche die Sicherung der Küste, den Küstenschutz, betreffen. Wie an der deutschen Nord- seeküste hat man auch an der jütländischen in erster Linie dieses Ziel durch Anlegung von Buhnen zu erreichen gesucht. Vom Fusse der Dünen aus erstrecken sich die Buhnen 75 — 150 ra weit ins Meer hinaus. In Dänemark sind sie zum ersten Mal beim Tyborön-Kanal, der gegen- Avärtigen Verbindung des Lim Fjords mit der Nordsee, in Anwendung gebracht. Wo keine Dünen vorkommen, müssen die oberen Enden der Buhnen durch einen Buhnen- deich verbunden werden. Im Amte Eigen hat Bang derartige Arbeiten an zwei Stellen ausgeführt: 1) an der Mündung des Rinykjöbiny- Fjords (Nymindegab), 2) am Ufer zwischen Blaavands- huk und Skalling. Um bei Nymindegab einen schnelleren Abfluss des Wassers zu erzielen und den Hochwassern vorzubeugen, wurde die alte Mündung abgedämmt, und ca. V4 Meilen weiter nördlich das Holmiaud-Kliff durch- schnitten. Um der erodirenden Kraft der beschleunigten Strömung entgegenzuwirken, wurden mit Erfolg offene Pfahibuhnen angewandt, welche die Strömung brachen und sie zur Ablagerung des mitgeführten Sandes zwangen. Auch bei Oxby, wo die niedere Küste nur durch eine schmale Düne geschützt ist, welche mehrfach von den 12 — 14 Fuss hohen Sturmfluthen durchbrochen worden ist, sodass die hinter derselben liegenden werthvollen Wiesen nicht nur den Ueberfluthungen mit Salzwasser, sondern auch der Versandung ausgesetzt waren, wurden die offe- nen Pfahlreihen mit Erfolg angewandt. Obeibalb des Ufers liegt die eigentliche Stranddüue, die prächtige, wilde Bildung, „frisch und schön dem Meere entstiegen," ein guter Diener, aber ein schlechter Herr, gefährlich durch ihr Wandern als Wanderdüne oder „Miie", wie sie in Dänemark genannt wird. Das Ziel der Dünenvcrwaltung ist, die Wanderdünen festzulegen, und die Maassnahmen, welche Bang zu diesem Zwecke an- wendet, unterscheiden sicii mehrfach von den sonst üb- lichen Mitteln. In den offenen Dünen empfiehlt auch er das Sandgras (Ammophila arenaria), will jedoch nur die Kessel und die Windrisse, woher der Wind den Sand nimmt, bepflanzen; die nackten Seiten der Hügel werden dagegen freigelassen, damit der Wind hier sich tummeln, den Sand über die Pflanzen wehen und die Ab- tragung der Hügel besorgen kann. Nach Verlauf einiger Monate kann ein weiterer Gürtel bepflanzt werden, und so kann man fortfahren, bis die Hügel abgetragen, die Kessel angefüllt, die nocli vorhandenen Abhänge weniger steil geworden sind, und schliesslich das Ganze mit einer Vegetation bedeckt ist, welche verliindern kann, dass der Wind den Sand aufreisst und weiter führt. Die Dünen, weiche weiter vom Strande entfernt sind, haben ein älteres mehr todtes Aussehen. An den meisten Stellen sind auch hier Dämpfungsversuche vorgenommen, sodass sie jetzt „die todten Hügel" genannt werden. Die Sandflucht kann stellenweise noch recht lebhaft sein; aber für das Sandgras sind sie todt, sodass dieses kein geeignetes Dämpfungsmittel ist, son- dern nur als todtes Deckmaterial dient, unter dessen Schutz andere Pflanzen sich ansiedeln können. Als das beste Festlegungsmittel hat sich hier abgeschlagenes Heidekraut erwiesen, das auch überall bei den kommu- nalen Festlegungsversuchen angewandt wird. Der früher gehegten Ansicht, dass die Bepflanzung der nicht festgelegten Düne mit Bäumen ein geeignetes Mittel zur Dämpfung der Sandflucht sein könne, tritt Bang nachdrücklichst entgegen ; ohne eine voraufgehende, gründliche Einschneidung und Dämpfung können Bäume, auch die Bergkiefer, nicht im Dünensande gedeihen. Um die schon festgelegte Düne aber festzuhalten, ist der Düuenwald ihm ein zu kostspieliges Mittel; die Düne kann mit weit wohlfeileren Mitteln unschädlich gemacht werden. Bedeckt nur alljährlich und sorgfältig den Boden und die Flächen aller offenenPartieen, und langsam schleicht die Vegetation überall hin, je nachdem der Wind selbst die steilen Abhänge und die hohen Gipfel einreisst! Die Sandflucht, welche ausschliesslich von den hohen Partieen ausgeht, verursacht nach Bang's Erfahrungen oft Nutzen und nur geringen Nachtheil, sodass er sich damit begnügt, die niedrigen zu dämpfen. „Wären die Festlegungsver- suche seit uralter Zeit in dieser Weise in Angriff' genom- men worden, so wäre viel gespart worden, und die Dünen wären in weit grösserer Ausdehnung festgelegt gewesen, als dies gegenwärtig der Fall ist." Für den Dunenwald empfiehlt er bei dem ersten Uebergaug nur die Berg-Kiefer. In der Nähe der Nord- see sind die Verhältnisse fast überall so ungünstig, dass sich ausschliesslich nur mit dieser anfangen lässt, welche sich sicher und wohlfeil kultiviren lässt. Der Bergkiefer- wald soll aber dem Leben, das sich unter seinem Schutze abspielen soll, eine Stütze bieten. Er soll Land erobern. Im Jahre 1900 waren 38000 Tonnen Landes bepflanzt; soll aber der Bergkieferwald in dieser Landeroberung eine Bedeutung haben, so muss er gross sein und sich fast über den Bereich des ganzen Dünengebietes erstrecken. Er betrachtet den Bergkiefernwald als eine Vorkultur, welche an vielen Stellen durch edlere Baumarten abge- löst werden kann, zieht aber auch die Ausnutzung des- selben durch die Technik in Betracht. In dem Schlussabschnitte steUt er dem Dünenbau eine bisher kaum beachtete weitere Aufgabe: die Ge- winnung von Acker- und Grasland. An vielen Stelleu in den Dünengebieten innerhalb der Grenzen der Plantagen kommen flache, ebene Strecken vor, welche feucht sind, sodass sie im Winter über- schwemmt sind, im Sommer aber mit einem recht starken Graswuchs, wenn auch zu üfterst aus Halbgräsern be- stehend, bedeckt sind. Diese Strecken haben den Vor- theil, dass sie leicht entwässert werden können, sodass die Feuchtigkeit passend wird und das Grundwasser 1 — 2 Fuss unter der Oberfläche steht, und nicht selten haben sie 2 — 8 Zoll dicke Moorflecke. Der Untergrund besteht für gewöhnlich nur aus Sand. Auf dieser Bodenbeschaft'en- heit beruht die Landwirthschaft, welche die Bauern in dieser Gegend betreiben, und sie hat den Vortheil, dass sie die hier im Frühjahr herrschende Trockenheit ertragen kann. An vielen Stellen ist der Ackerbau auf solchem Boden in vielen Jahren betrieben worden, und hier' kann gutes Getreide und sehr gutes Gras gezogen werden. Kammerherr de Thygeson hat sich mit grossem Eifer dem Plane hingegeben, statt des Waldes auf diesen Ge- bieten Gras zu bauen, — Wald werden wir so wie so genügend bekommen. Er hat bewiesen, dass sich ganz respeetable Erträge an Hafer und Gras erzielen lassen, wenn man nur bis zur passenden Tiefe entwässert, i)flügt, den Boden bearbeitet und mit mineralischen Düngstoflcn, wie Thouiasschlackcn, Kainit und Kalk düngt. XVI. Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 175 Bei Skagen sind 140 Tonnen Landes kultivirt und dort wird alljährlich für mehrere Tausend Kronen Gras zum Ahweiden oder zum Mähen verkauft. Der zu Gruude lieg-ende Gedanke geht ja dahin, dass der üoden den Umwohnenden Nahrung geben soll, dass ein l'rodukt geschaffen werden soll, dessen Ankauf den Anwohnern Vortheil gewähren kann, und dass die Plan- tage ujit wenn auch nur geringer Avance erzeugen kann. Solange das Produkt zum entsprechenden Preise Ab- satz finden kann, ist es verantwortlich, dasselbe zu er- zeugen; aber man kann leicht so weit kommen, dass die vorhandenen Bewohner das Gras ebensowenig gebrauchen können, wie sie dereinst bei weitem nicht all unser Kiefern- holz werden gebrauchen können. Sollte man im letzteren Falle den Anbau der natürlichen Grasareale unterlassen und sie liegen lassen? Würde dem Gedanken an einen Anbau mit darauf folgender Besiedelung etwas im Wege stehen? Würde es ungereimt erscheinen, wenn der Staat Menschen statt der Bergkiefer auf derartigen Gebieten ansiedelte? Ja, er könnte ja den Erwerb derartiger Strecken unterlassen. Dies geht jedoch nicht immer an, wenn den Piautagengebieten zweckentsprechende Grenzen gegeben werden sollen; die Grundbesitzer können jedoch diese Grasebenen nicht in der angegebenen Weise be- nutzen; ihnen fehlen die Mittel, um den Anbau zu bewerk- stelligen, und sie haben schon im voraus genügende Ver- wendung für Kapital und Arbeitskräfte. Weite Strecken, welche, einmal in Betrieb genommen, ihre Bebauer wür- den ernähren können, werden lange Zeit hindurch un- produktiv liegen bleiben, wenn nicht der Staat hinzutritt. Die Dünengebiete im Hjörring Amte enthalten unge- fähr lf)00 Tonnen derartiger roher und feuchter Gras- ländereien, Thistcd Amt ca. 2000 Tonnen und das Amt Rigcn einige hundert Tonnen. Könnte nun der Dünenwald bei den günstigeren Natur- verhältnissen, die er, wie man annimmt, im Gefolge haben wird und die sich theilweise direkt nachweisen lassen, ein besseres Gedeihen des schon an der Nordsee betriebe- nen Ackerbaues bewirken, und könnte er zur Folge haben, dass alle bebauungsfähigen Ebenen kultivirt und besiedelt würden, dann würde hier wirklich ein Land erobert und eine Kultur hervorgebracht sein, was wohl auch ausser- halb des Bereiches des eigentlichen Dünenbaues zu spüren sein würde." A. Ln. Aus dem wissenschaftlichen Leben. iMu.uint wui-den: L»r. Otto Körner, niisserordentlirlicr rrdl'c^sdr für Ohren-, Hals und Nasenkrankheiten in liostoek zum (jrdeiitlichon Professor; Dr. E. Krückmann, Privatdocent der Augenheilkunde in Leipzig, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Kollmann und Dr. Fj;niz W i u dscheid, Privatdocenten niedic. Fakultät zu Leipzig /.m (ndcni liehen Professoren. Berufen wurde: Prof. Koeli in ( ippenheim als ausserordent- licher Professor für landwirthscluiftliclic Bakteriologie an die Universität Göttingen. Abgelehnt hat: Dr. Albert Wagner, zweiter Lehrer der Landes-Hebammen-Anstalt in Stuttgart, einen Ruf nach Söul als Leibarzt des Kaisers von Korea und als Professor einer neu zu gründenden medizinischen Fakultät. Es habilitirten sich: Dr. Gross und Dr. Grohc für Chirurgie, Dr. Grober für klinische Medizin und Dr. Berger für Psychiatrie in Jena; Dr. K. Hauptfleisch, Assistent an der technischen Hochschule in Stuttgart, daselbst für Botanik. 73. Versammlung deutscher Naturforseher und Aerzte in Hamburg, '.'2. bis 28. September lüOI. — Geniäss einem Beschlüsse (h's VinsLniiles der Gesellschaft wird die Organisation der bevor- sIi'Ih'hJ' II 1 I In '^M'isaiiiiiilung gegenüber den bisherigen Versamm- hiiij iji- A' ipliTiingen erfahren, um, soweit wie möglich, iiii'liii, I! W niiMlint zu entsprechen, die während der letzten J.ilii' ,- iti--^ii w.rdeii sind. Der Bcschluss des Vorstandes be- trifft die tnlgeiideu beiden Punkte: Erstens. Es soll versucht werden, einer im Laufe der Jahre eingetretenen zu weit gehenden Zersplitterung der wissenschaftlichen Interessen der Vorsamndung durch Vereinigung nahestehender Abtheilungen entgegenzuwirken. Von den bis jetzt bestehenden Abtheilungen sind demgemäss ver- schmolzen worden: 1. in der naturwissenschaftlich Hauptgruppe: die Geodäsie mit Mathematik und Astronomie, die Kartographie und Hydrographie und Geographie, die Instrumentenkundc und die wissenschaftliche Photographie mit Physik, die Geophysik mit Meteorologie, die Agriculturchemie, landwirthschaftliches Ver- suchswesen und landwirthschaftliches Gewerbe sowie Nahrungs- mittel-Untersuchung mit anderen teclinisch-chemischen Gebieten zu einer Abtheilung „angewandte Chemie", die Entomologie mit Zoologie. — 2. in der medizinischen Hauptgruppe: die Physiologie mit Anatomie, Histologie und Embryologie, die Balneologie und Hydrotherapie mit Innerer Medizin und Pharmakologie, die Ohren- heilkunde mit Nasen- und Halskrankheiton, die Hygiene und Bakteriologie mit Tropenhygiene. Ferner haben die von der Ab- theilung für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter- richt in Aussicht genommenen Einführenden vorgeschlagen, diese Abtheilung nicht mehr selbstständig weiterzuführen, da die Inter- essen des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts weit besser gewahrt würden, wenn einzelne Vorträge aus diesem- Gebiet in gemeinsamen Sitzungen aller odpr mehrerer der in Be- tracht kommenden mathematischnntnrw issenschaftlichen Abthei- lungen gehalten wurden, wie dies j,i aiuh bereits mehrfach ge- schehen ist. Herr Professor Thaer, Diiektnr der Oberrealschulc am Holstenglacis, hat sich bereit erklärt, Wünsche betreffs der Behandlung der Unterrichtsfragen entgegen zu nehmen und das Erforderliche mit den betr. Abtheilungen zu vereinbaren. Eine besondere Abtheilung für mathematischen und naturwissenschaft- lichen Unterricht wird daher nicht gebildet werden. Aus ähn- lichen Gründen ist auch von der weiteren Bildung eigener Ab- theilungen für Geschichte der Medizin und medizinische Geographie, sowie für Unfallheilkunde abgesehen worden. Etwaige Wünsche betreffend Vorträge aus diesen Gebieten bitten wir dem Schrift- führer für die medizinische Hauptgi-uppe, Herrn Physikus Dr. Abel, Stadthaus, Neuerwall, mitzutheileVi, der das Erforderliche durch Eücksprache mit den in Betracht kommenden Abtheilungen ver- anlassen wird. Infolge dieser Aenderungen sind für die Ver- sammlung in Hamburg statt der bisherigen 38 nur noch 27 Ab- theilungen in Aussicht genommen, deren Verzeichniss unten folgt. Zweitens. Es sollen nicht nur, wie dies schon seit einigen Jahren geschehen ist, Themata von umfassenderem Interesse in gemeinsamen Sitzungen mehrerer oder aller Abtheilungen einer Hauptgruppe behandelt werden, sondern es sollen auch — abge- sehen von den beiden unverändert beibehaltenen allgemeinen Sitzungen bei Beginn und Schluss der Versammlung — Verhand- lungen über Fragen von allgemeiner Wichtigkeit, für welche bei allen Theilnehmern an den Jahresversammlungen Interesse voraus- gesetzt werden darf, in Aussicht genommen werden. Demgemäss ist für den Mittwoch der Versammlungswoche eine Gesamrat- sitzung beider Hauptgruppen angesetzt worden, in welcher für dieses erste Jahr ein naturwissenschaftliches Thema, nämlich die moderne Entwickelung der Atomistik, wie sie in der Lehre von den Jonen, Gas-Jonen und Elektronen enthalten ist, von mehreren Referenten dargelegt und zur Erörterung gestellt werden soll. Die Vorstände der einzelnen Abtheilungen werden gebeten, wäh- rend dieser Gesammtsitzung keine besonderen Abtheilungssitzungen halten zu wollen. In ähnlicher Wpisp sind auch für jech' der beiden Hauptgruppen gemeinsame .Sif/miLien für den Oonnerstag vorgesehen; in der medizinischen li'an|itmu|.|.e hull ilie l.elne yini den Schutzstoffen des Blutes, in der nulur\( i^sen.scliaftliclien Hauptgruppe der gegenwärtige Stand der Doscendenzlehre be- handelt werden. Auch hierfür sind bereits bestimmte Referenten gewonnen worden. — Verzeichniss der Abtheilungen. Natur- wissenschaftliche Hauptgruppe: 1. Mathematik, Astronomie und Geodäsie, 2. Physik, einschl. Instrumentenkunde und wissenschaft- liche Photographie, 3. Angewandte Mathematik und Physik, (Elektrotechnik einschl. Elektrochemie und Ingenieurwissen- schaften), 4. Chemie, 5. Angewandte Chemie einschl. Agrikultur- chemie und Nahrungsmittel-Untersuchung, 6. Geophysik einschl Meteorologie, 7. Geographie, Hydrographie und Kartographie, 8. Mineralogie und Geologie, 9. Botanik, 10. Zoologie einschl. Entomologie, 11. Anthropologie und Ethnologie. — Medizinische Hauptgruppe: 1. Anatomie, Histologie, Embryologie und Physio- logie, 2. Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, 3. Innere Medizin, Pharmakologie. Balneologie und Hvdrotherapie, 4. Chirurgie, 5. Geburtshülfe und ( ivn-ikolegie, K. K inde,-|M ilKund.-, 7. Neurologie und Psychiatrii-, S. j\iii;eidiei|kuiide. :i Hals, \asen- und Ohrenkrankheiten, lU. I »ennatcduuie mid .S\ |.hilidulugie, IL Zahnheilkunde, 12. Militiir- Sanitätswesen, |;i. Gericlitliche Medizin, 14. Hygiene einschl. Bakteriologie und Tropenhygiene, 15. Thierheilkunde, 1(5. Pharmacie und Pharmakognosie. Die Geschäftsführer sind: 1. Prof. Dr. Voller, 2. Medizinal- rath Dr. Reincke. Inhalt: Prof. Dr. B. Schwalbe: Ueber die Veranstaltungen der Stadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unter- richtes i. J. 1900 bis 1901. — Der Wasseraustausch zwis'ehon Ostsee und Nordsee. — Mittheilungen aus der Wirksamkeit des Dünenwesens an der Westküste Jütlands, namentlich im Amte Rigeu. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Liste. 176 Xaturw issenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. In. Botanisir- Büclisen,- Spaten und Stöcke Lupen, Pflanzenpressen, Drahtgitterpressen M. 2,25 und M. .1.— ium Umhg. M. 4,50, mit Druckfeilern M. 4,50. - Botanische Lupen 70, 100, 130 Pfs- Illustrirtes Preisverzeichniss frei. Friedr. Gaiizeiiinüller PÄTENTBUREAU airicK R. JVlaerz Jnh. C. Schmidtlein,Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gratis «« i franko liefern wir den 3. Nachtrag (Juli 1897 bis Juni 1S9J) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbnchh., Berlin SW 1.2, Zimraerstr. M. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Kalisalzlager Otto Lang. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. Fer(l.DiimiiilersVerlaffsbuchhaii(lliiiii;iul>(irliiiSVV.l2. Abhandlungen zur potcntialthcoric. 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Ferd. üünimlers Terlagsbnclihaiidhing in Berlin SW. 12. ftöätft origineUr - otiaatliotttt« '^ttjtn'b^ätviiU ix\\ loöflfmiü. ^iJtntEUEr Eines iitutrdifn j.^. - r:„s««l.«..- 89a gcittn gro^ (Sllitao. - ?reis tfcg. flt6. 4 ^ft. beutfdjen ©etiet , Hjeli* leetercS Sinbenberg eingeöcnb tenncn acleriit bat. (Sin ■ " • ~ -■• ■ ' - "-^ « B'tb' ' -— '-- ^--~.«.-. mebtcrc Biftec'jut aicrfiigung fteOte. S)tn I Jii liE}iEl)fn öurd] oUe giiditionMunsEn. || Ferd. Dümmlers Yerlagsbuchhandlnng in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Fotoniö, Mit 3 Tafeln und fast 700 Einzelbildern in 355 Textfiguren. 402 Seiten, gr. 8". Preis geh. 8.— M., geb. 9,60 M. Ferd. Ilünimlers Verlagsbuchhandlung Berlin SW. l'>, Zimmcrstrasso 94, ist erschienen : Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. \i *^ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diunmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den iM. April 1901. Nr. 10. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen unii Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 V>.. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinliunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger QnellenanKabe gestattet. Der gegenwärtige Standpunkt meiner Entwickelungstheorie der Honigbiene. Von Ferd. Dickel, DaruistaJt. Die zoologische Wissenschaft hat längst erkannt, dass ans dem befruchteten Thierei durch Einflüsse, die bislang noch von undurchdringlichen Schleiern umhüllt sind, so- wohl ein männliches wie weibliches Wesen hervorgehen kann. Welches aber sind diese in Dunkel gehüllten und, wie es scheinen will, unergründlichen Voi-gänge? Das ist die alte Räthselfrage, an deren Lösung sieh die Forschung trotz rastlosen Eifers bis heute vergeblich abgemüht hat, denn bekanntlich entziehen sich ja jene Vorgänge der direkten Beobachtung des Forschers nahezu gänzlich. Dennoch wickeln sich dieselben bei wenigen Thiergruppen unter Verhältnissen ab, deren gründliches Studium ungleich grössere Hoffnung auf Losung der Frage in Aussicht stellt, als dies die überwiegende Zahl der- selben ermöglicht. Die Colonie der Honigbiene ist nun nach dieser Hin- sicht aus einer Reihe von Gründen ohne Zweifel als ge- eignetstes Forschungsgebiet an die Spitze zu stellen. Und trotzdem hat man gerade der gründlichen Erforschung der so überaus lehrreichen Entwickelungsvorgänge im Bienen- staat seit mehr denn einem Menschenalter fast gänzlich den Rücken gekehrt. Glaubte man doch bis vor wenigen .Jahren, über den Verlauf der Erscheinungen daselbst ganz besonders zuverlässige Vorstellungen gewonnen zu haben. (^b mit Recht oder Unrecht, darüber möge man ur- theilen nach Kenntnissnahme der folgenden Darstellungen. Es war im Jahre 1845, als der schlesische Bienen- züchter Dzierzon die Behauptung in der Bienenzeitung aufstellte, die befruchtete Mutterbiene sei im Stande, den dreierlei Zellengattungen des Bieuenstaats zweierlei ver- schieden beschaffene Eier anzupassen. In die grossen, sechseckigen Zellen setze sie unbefruchtete Eier ab, und es gingen deshalb Männchen aus denselben hervor, in die kleineren Zellen für Arbeitsbienen, sowie in die runden Mutterzellen, setze sie jedoch befruchtete Eier ab, und aus ihnen gingen nur Arbeits- und Mutterbienen hervor. Die Mutterbiene sei also durch irgend welche, bis zur Stunde nicht aufgeklärte Umstände im Stande, das Geschlecht der Nachkommen zu bestimmen. Diese Ansicht fusste auf der schon im vorausgegan- genen Jahrhundert bekannten Thatsache, dass in kranken Golonien ohne befruchtete Mutterbiene auch aus Eiern Lebewesen hervorgehen, die durch befruchtungsunfähige Arbeitsbienen abgesetzt werden, und dass dieselben stets nur männliche Bienenformen ergeben. Dzierzon's Behauptung hatte somit die Auffassung zur Folge, bei den Bienen könnten, allen sonstigen Er- fahrungen entgegen, aus befruchteten Eiern Männchen nicht hervorgehen. Diese Ansicht wurde sehr leb- haft bekämpft, insbesondere durch Baron von Berlepsch, der die andere vertheidigte, die Eier in Drohnenzellen rührten garnicht von der Mutterbiene her, würden viel- mehr von sogenannten Drohnenmütterchen gelegt. Als er sich jedoch schliesslich von der Irrigkeit dieser Ansicht überzeugen musste und erkannte, dass unter normalen Verhältnissen alle Eier durch die Mutterbiene abgesetzt werden, trat er „mit Sack und Pack" an die Seite Dzierzon's und vertheidigte von nun ab dessen Ansichten energischer als Dzierzon selbst. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, die Mutter- biene sei sich der Thatsache bewusst, dass aus unbe- samten Eiern Männchen, aus befruchteten jedoch nur Arbeitsbienen und Weibchen hervorgingen, und sie regele das Geschlecht der Nachkommenschaft ganz nach Be- dürfniss und zum Wohle ihres Staatshaushaltes. Durch V. Berlepsch wurde nun im Jahre 1855 v. Sie- bold zu mikroskopischen Eiuntersuchungen auf seinem NaturwisseascliaMiclie Wochensclirift. XVI. Nr. 16. Bieneustande zu Seebaeli vei-uulasst. v. Siebold führte dieselben aus zu einer Zeit, die v. Rerlepsch selbst als nicht geeignet bezeichnete, nämlich im .Spiitjahr. Trotz- dem glaubte V. Siebold den Nachweis für die Richtigkeit der Dzierzou'schen Ansichten mikroskopisch erbracht zu haben, und die Gegner Dzierzons sahen sich matt gesetzt. Bei eingehender Prüfung der Sachlage zu Seebach, gelegentlich dieser Eistudien, ergiebt sich jedoch folgendes: 1. Die Untersuchungen wurden vorgenommen an Ei- material eines herabgekommenen Volkes, das v. Berlepsch schon längere Zeit hindurch künstlich erhielt, und das fortgesetzt noch Drohnen erzeugte, während die gleiche Erscheinung bei normalen CoFonien schon längere Zeit gänzlich eingestellt war. 2. Die durch v. Siebold eingeschlagene Untersuchungs- methode ist nur ausführbar bei Anwendung einer so sehwachen Vergrösserung, dass mittels derselben unmög- lich Befruchtungskörperchen in Bieneneiern nachgewiesen werden können. 3. V. Siebold will die schlängelnde Bewegung der Samenfäden im Ei erkannt, sogar noch bei 24 Stunden alten Eiern Befruchtungskörperchen gefunden haben. Hieraus ergiebt sich, dass v. Siebold die Dzierzon'sche Theorie als richtig nicht bestätigt hat. Hatte auch Dzierzon bis dahin keine positiven Be- weise für seine Behauptung erbracht, so hoffte er doch später, einen solchen erbringen zu können mit Hilfe der Vererbuugserscheinungen bei Kreuzungen verschieden ge- färbter Geschlechtsthiere. Bekanntlich zeugen deutsche Mutterbienen, die von deutschen Drohnen begattet werden, nur durchaus gleich gefärbte, dunkle männliche Nachkommen. Desgleichen werden von gelb geringelten italienischen Mutterbienen, wenn sie von italienischen Drohnen begattet wurden, nur gelb geringelte Männchen erzeugt, die keinerlei Farben- unterschiede unter einander aufweisen. Den Kreuzungs- erscheinungen bei anderen Thierarten entsprechend weisen indessen auch die Nachkommen bei den Bienen dann von einander abweichende Färbungen auf, wenn sie einer Kreuzung zwischen Geschlechtsthieren beider Rassen ent- sprossen sind. Richtig schloss nun Dzierzon schon vor mehr als 50 Jahren, zur Zeit der Einführung der italieni- schen Biene auf seinem Stande: Ist meine Theorie richtig, wonach Bienenväter keinen Antheil haben am Zustande- kommen männlicher Nachkommen, so können von den Nachkommen der Kreuzung deutscher und italienischer Geschlechtsthiere nur die Arbeitsbienen, nicht aber auch die Drohnen Unterschiede in der Färbung aufweisen, die hierin ohne Ausnahme der Mutter nachschlagen müssen. Dzierzon meinte nun auch, diesen Schluss durch die Thatsachen bestätigt gefunden zu haben, und daraufhin glaubte alle Welt, die Richtigkeit seiner aufgestellten Theoiie anerkennen zu müssen. Die gründlichen Nachprüfungen mehrerer tüchtiger Forscher, von welchen ich nur anführen will: John Lowe*), l'erez*'), Dr. med. Kipping*' '), H. Mulotf), haben indessen ergeben, dass nicht bloss die Arbeitsbienen aus Kreuzungen beider Rassen Farbunterschiede aufweisen, sondern ebenso auch die Drohnen. Ja, ich habe gleich Mulot sogar fest- stellen können, dass in Fällen der Kreuzung zwischen italienischen Mutterthieien und deutschen Drohnen die stattgehabte Kreuzung zumeist weit sicherer durch die *) Observations on Dzierzon's Theory of iloproduction the Honney-Bee. Transact. of the Ent. Soc. of London \'ol 1865-07, 21. Art., S. 547-562. **) Sur la ponto de l'abeille mere et la tlu'oric de Dziciv.c Bordeaux, impr. Durand, 187!). ***) Miincli. med. Wochensehr.. ISüS. t) „Die Biijne" (Hessisclic), .):iUrp:injX l'JOO, Nr. .S. Drohnen als durch die Arbeitsbienen constatirt werden kann, da die Abweichungen in der Färbung bei den Männchen sehr häufig viel auffallender sind als unter den Arbeitern. Als Dzierzon durch gleiche Erfahrungen andererseits schon vor Jahren auf die Unhaltbarkeit seiner Behaup- tung hingewiesen wurde, erfand er die geistreiche Aus- flucht, die italienische Mutterbienen führten zumeist etwas deutsches Blut in sich, und damit seien diese Ausnahmen zu erklären. Wer indessen diese Behauptung auf ihren wahren Gehalt prüfen will, der verschaffe sich, wie ich und Mulot das thaten, eine echt befruchtete Mutterbiene italienischer Rasse aus Italien. Er wird dann finden, dass man viele Dutzende von männlichen Nachkommen derselben ver- gleichen kann, ohne irgend welche Zeichnuugsunterschiede feststellen zu können. Die aus der Brut der italienischen Mutter nachgezogenen Mütter zeugen dementgegen jedoch Drohnen mit jenen feststellbaren Färbungsunterschieden, sobald sie von Männchen anderer Färbung begattet wurden. Auf Grund meiner eingehenden Bienenforschungen vertrat ich nun in der Nördlinger Bienenzeitung, Jahr- gang 1898 und 99, meine Ueberzeugung und zwar dahin gehend: Die befruchtete Mutterbiene setzt in alle Zellen befruchtete Eier ab; die Arbeitsbienen sind es, welche die geschlechtliche Entwicke- lungsrichtuug derselben durch Drüsensäfte be- stimmen. Meine Ausführungen veranlassten den Universitäts- professor Dr. Aug. Weismann zu Freiburg, durch seine Schüler Dr. Paulcke und Dr. Petrunkewitsch erneute Ei- uutersuchungen vornehmen zu lassen. Auf Grund der- selben und in Folge seiner Anschauungen über die Ver- erbungsvorgäuge, glaubt derselbe nun in „Biene" Nr. 11, Jahrgang 1900, sein Urtheil dahin zusammenfassen zu müssen: Die von normalen Müttern in Drohnen- zellen abgesetzten Eier sind nicht befruchtet. Ich aber betrachte von meinem Standpunkt aus die Untersuchungsergebnisse als entschiedene Beweise für das Befruchtetsein derselben, wie überhaupt als Belege für die Richtigkeit meiner Anschauungen. Ob und inwieweit ich Recht habe, das mögen die Leser selbst beurtheilen. Es wäre indessen nicht den Thatsachen entsprechend, wollte ich die auf experimentellem Wege gefundene Wahr- heit vom Befruchtetsein auch der normalen Drohneneier als neue Entdeckung für mich in Anspruch nehmen. Auch vor mir hat es schon zahlreiche Bienenforscher gegeben, die im Gegensatz zu Dzierzon, die Vorgänge in der Bienen- kolonie wirklieh studirten und dessen unnatürliche Be- hauptung durch thatsächliche Versuchsergebnisse als Irr- thum widerlegten. Ich nenne hier nur die Namen : Lehrer 0. Rothe und Wallbrecht, den italienischen Pfarrer Lan- franchi, den Franzosen Perez, den Engländer John Lowe, Wirthschaftsrath Hofmann, Prof. Dr. Landois, Dr. med. Kipping. Bei dem Nachweis des Befruchtetseins auch der Drohneneier verblieb es aber, und die schwachen Ver- suche, eine natürlichere und sachentsprechendere Erklä- rungsweise der Geschlechtsbestimmungsvorgänge bei den Bienen herbeizuführen, scheiterten, ja niu.ssten alle scheitern. Denn hierzu gehörte ein weit gründlicheres Studium der Entwickelungserscheinuugcn in der Bienenkolonie, als sie bis dahin vorlagen. Der unfehlbare „Altmeister" Dzierzon hatte ja zu Recht erkannt, das Ei entwickele sich lediglich durch die Stockwärme innerhalb dreier Tage zur Larve, und des- halb kam keinem der Gedanke, es könne auch eine Ent- wickclungsgeschichtc des liicMcncies geben, deren Studium XVJ. Nr. l(i Natur\visse.n.scluiftljche Wochenschfift. die wahren Aufschlüsse über die Entwickelungsvorgäng-e zn liefern vermöchte. Derartige Studien aber habe ich in umfangreichem Maasse vorgenommen und mich dabei leiten lassen, von folgenden vorurtheilslosen Erwägungen: a) So wenig als bei andern Thierarten die Befruch- tung des Eies an sich über das Schicksal derselben in geschlechtlicher Hinsicht entscheidet, ebensowenig kann dies beim Bienenei zutreffend sein. b) Mit Hinblick auf die nahen Verwandten der Honigbiene, die koloniebildenden Hornissen und Wespen, bei welchen die Mutterthiere durch eigene Leistung aus- schliesslich nur Arbeitern zum Dasein verhelfen, sind wir genöthigt, auch dem Mutterthiere im Bienenstaat, trotz dauernden Kolonialverbands zwischen diesem und den Arbeitsbienen, eine gewisse geschlechtsbestimmende Be- einflussung der Eier in gleichem Sinne, wenn wahrschein- lich auch nur noch rudimentär, zuzuschreiben. c) Die ausschlaggebende Beeinflussung der Eier muss jedoch bei den Arbeitsbienen zu suchen sein, da sich die Mutterbiene um das Schicksal der abgesetzten Eier er- fahrungsgemäss nicht kümmert. d) Der Einfluss der Arbeitsbienen muss normaler Weise den dreierlei Zellengattungeu entsprechend erfolgen und zwar schon entscheidend während des Eizu Standes, da erfahrungsgemäss z. B. aus einer ganz jungen Larve in der Drohnenzelle (männlich) niemals noch ein Weibchen oder eine Arbeitsbiene nachgezüchtet werden kann. e) Der geschlechtsbestimmende Einfluss seitens der Arbeitsbienen kann nur durch Drüsenabsonderungen er- folgen, welche durch die Mundtheile entweder getrennt oder gemeinsam (je nach Zellengattung oder deren voraus- gegangener, entsprechender Bespeichelung) austreten, trotz- dem analog wirkende Drüsen evtl. auch bei der Mutter- biene gleichzeitig mit dem Befruchtungsacte noch thätig sein können. Drei Jahre lang angestellte und wiederholte Ver- suche, Beobachtungen und die Freiburger mikroskopischen EiuntersHchungen von durch mich gelieferten Eiern be- stätigten die Richtigkeit meiner Anschauungen in der Hauptsache nach allen Richtungen hin, und ich will diese Bestätigungen nun im einzelnen darlegen. Nachdem ich vor etwa drei Jahren in der Nördlinger Bienenzeitung ausgeführt habe, dass sich die Arbeits- bienen schon bald nach dem Absetzen der Eier in die Zellen an diesen Eiern lebhaft und ziemlich andauernd beschäftigen, kann diese Thatsache heute durch jeden angehenden Bienenbeobachter constatirt werden. Diese Thätigkeit der Arbeitsbienen hat aber nur dann leben- erregenden Erfolg, wenn die Eier normal abgesetzt sind, d. h. wenn sie mit dem Mikrophylende frei in der Zelle schweben. Liegen die Eier dagegen flach am Zelleu- boden oder auf den Zellenwänden, so entwickeln sie sich nie zu Larven. Zur weiteren Klärung der Frage brachte ich Eier unter ganz feinen Drahtgazeverschluss und stellte die Wabe hierauf wieder mitten ins Brutnest ein. Waren nun die Eier ganz frisch abgesetzt, so fanden sich nach drei Tagen, anstatt Larven, nur ausgetrocknete Eiskelette vor. Waren die Eier indessen auch selbst nur Stunden (6 — 12) der Beinflussung durch die Bienen zugänglich ge- wesen, so wurden nach drei Tagen meist wirklich Larven gefunden. So behandelte, ziemlich frisch abgesetzte Eier wurden in Freiburg durch Dr. Fetrunkewitsch mikroskopisch unter- sucht, und das Absterben der Embryonen im frühen Ent- wickelungszustand wurde constatirt. Es erschien mir zur weiteren Klärung die Feststellung besonders wichtig, auf welchem Wege wohl das Ei für Flüssigkeiten zugäng- lich sei. Schon im Jahre 1896 beobachtete ich durch eine gute Lupe unter geschickter Verwendung der Sonnenstrahlen eine Stelle am Bienenei, die durch ihr Verhalten die Ver- rauthung nahe legte, sie müsse ein Communications- verhältuiss zwischen dem Eiinnern und der Aussenwelt vermitteln. Es ist dies der aufrecht stehende Eipol. An ihm steigen in gewissen Perioden winzige, glänzende Bläschengestalten halbkuglig auf, um dann wieder regel- mässig zu fallen. Als ich im Jahre 1897 zum ersten Mal Eier für üntersuchungszwecke conservirte in einer klaren, gelben Flüssigkeit, schloss ich im voraus, es werde höchst wahrscheinlich das Eindringen der Flüssigkeit von diesem Eipol aus erfolgen. Wie erstaunte ich jedoch, als ich aufs deutlichste das gleich massige Vordringen der gelben Flüssigkeit in das sonst gleichmässig weiss bleibende Ei von beiden Polen her wahrnehmen konnte. Durch Hunderte von Versuchen habe ich feststellen können, dass das Bienenei auf jeder Altersstufe und stets nur auf den gleichen Wegen das Eindringen von Flüssigkeiten ge- stattet, wenn auch mit zunehmendem Alter, wie es mir scheinen will, in verlangsamtem Tempo. Hieraus geht aber hervor, dass die beiden Polenden des Bieneneies zur Aufnahme von Flüssigkeiten speciell eingerichtet sind. Noch bin ich mir nicht darüber klar, warum auch der festsitzende Pol der etwas geneigt stehenden Eier für Flüssigkeitsaufnahme eingerichtet ist. Das aber steht für mich fest: diese Entdeckung ist ent- wickelungsgesehichtlich von nicht zu unterschätzender Be- deutung. Das Eindringen flüssiger Stoffe vom Pol her macht es endlich völlig verständlich, warum die Eier in den Zellen aufrecht stehen und sich allmählich erst senken. Durch diese Einrichtung sind die Arbeitsbienen geradezu gezwungen, die Drüsenabsonderung an jener Stelle abzu- setzen, wo sie allein zur Geltung kommen. Ergiebt sich aus allen genannten Feststellungen in- dessen noch nicht, dass die Einflüsse der Arbeitsbienen auf die Eier geschlechtsbestimmender Natur sind, so wird dies jedoch bewiesen durch nachfolgende Versuche: 1. Wenn man normalen Bienenvölkern die Mutter- biene wegninmit und ihnen zur Nachzucht von Mutter- bienen junge Arbeiterlarven und frisch abgesetzte Eier, ausschliesslich in Arbeiterzellen, belässt, so erscheinen vor dem 9. Tage in der Regel auch einige erhöht gedeckelte Zellen zwischen der Arbeiterbrut, aus welchen etwas kleinere Drohnen hervorgehen — eine Erscheinung-, die unter normalen Verhältnissen niemals auftritt. Die „Bienen- zeitung" bietet hierfür zahlreiche Belege auch von anderer Seite. Da.ssclbe tritt ein, wenn man einem Schwärm mit befruchteter Mutterbiene bald nach Besetzung der und zwar stets nur bereits vorhandenen Bienenzellen mit Eiern die Mutterbiene wegnimmt und der Schwärm die Woh- nung nicht aufgiebt. 2. Setzt man ein normales Volk auf lauter Drohnenzellen, so entwickeln sich neben wenigen Drohnen, Dzierzons Behauptungen entgegen, überwiegend Arbeiterinnen in den Drohnenzellen. Ist die Kolonie klein und sind Temperatur- und Trachtverhältnisse der Ent- wickelung wenig günstig, so entstehen unter der gleichen Voraussetzung in den ausschliesslich vorhandenen Drohnen- zellen nur Arbeitsbienen. Nimmt man unter diesen Ent- wickelungsverhältnissen die Mutterbiene hinweg, so er- scheinen "nach einigen Tagen neben Königinnen regel- mässig auch wieder Drohnen, deren Entwickelungszeit die Gewis'sheit dafür bietet, dass die Eier von der entfernten Mutterbiene herrührten. 3. Ich bin heute in der Lage, nach geeigneter Vorbereitung von Drohneuwaben, allen seitherigen Erfahrungen entgegen, in diesen Drohnenzelleu, mitten in einem schwarmreifen Volk, dessen Drohnenbrut- ansatz durch künstliche Eingrifle (Entfernung der Drohnen- 180 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 16. Zellen) zurückgehalten wurde, aus den Eiern der eigenen Mutterbieue dieses Volkes neben Drohnen auch Arbeits- bienen zu erzielen. üni aber mit absoluter Gewissheit dies gleichwerthige Befruchtetsein aller normalen, in Zellen abgesetzter Bienen- eier durch Versuche festzustellen, und um darzuthun, dass deren geschlechtliche Entwickelung durch Drüsensäfte der Arbeitsbienen, in deren Körper bereits 5 verschiedene, funktiouirende Drüsensysteme aufgefunden wurden, be- stimmt wird, schlug ich nachfolgende Untersuchungs- methode ein: Eine Bienencolonie wurde der Mutter und aller Brut beraubt. Als sie nach längerer Zeit buckelbrütig ge- worden war, d. h. ausschliesslich nur männliche Bienen- formen in Arbeiterzellen zu Stande brachte, weil die be- fruchtungsunfähigen Arbeitsbienen selbst die Eier ab- setzten, da übertrug ich in Zellen dieser Colonie Eier aus Drohnenzellen normaler Völker, die soeben durch das Mutterthier in dieselben abgesetzt worden waren. So schwierig auch das Experiment ausführbar ist. so gelang es mir doch, im Laufe der letzten 3 Jahre gegen 40 Arbeitsbienen mitten unter der Buckelbrut zu erzielen. Bienenforscher Hensel aus Hirzenhain und Meyer aus Gaderheim erzielten nach einer anderen, aber gleichfalls völlig einwandfreien Methode durch üebertragung frisch abgesetzter Drohneneier in Bienenzellen gegen ein Dutzend Mutterbienen. Die absolut entscheidende Beweiskraft dieser Ver- suche kann nur derjenige anzweifeln, dem nicht bekannt sein sollte, dass aus unbefruchteten Eiern der Arbeits- bienen, wie schon seit fast IVo Jahrhunderten unbe- stritten feststeht, stets und unter allen Verhältnissen aus- schliesslich nur männliche Bienenformen hervorgehen. Bei der Egyptischen Bienenrasse unterscheiden sich die- selben — auch dann, wenn die Eier von unbefruchteten, kleinen Mutterbienen herrühren, — durch den Besitz eines gelben Brustschildchens von Drohnen aus Normaleiern, die dieses Schildchen nicht zeigen.*) Da aber unbefruchtete Eier stets männliche Formen ergeben, Eier normal befruchteter Mutterbienen jeder Zellengattung jedoch Männchen, Weibehen und Arbeits- bienen, wie auch die mannigfachsten Missbildungen zwischen Arbeitern und Drohnen ergeben können, so folgt aus diesen Erscheinungen mit zweifelloser Gewissheit, dass die Befruchtung des Eies in erster Linie den Zweck hat, die Bildungssubstanz des Eies auf eine im Sinne der Entwickelung höhere Potenz zu er- heben, mag man ihr im übrigen auch noch so viele sonstige Zwecke beimessen. Nur aus dieser, durch Befruchtung erhöhten Potenz vermag das Bienenweibchen zu entstehen, und ihr ent- spricht jene Drüsenflüssigkeit, welche an das Ei in der runden Mutterzelle abgesondert wird. Besonders schlagend wird letztere Behauptung durch folgende Thatsachc erwiesen: Wenn in einer entmutterten Colonie durch Arbeitsbienen schon bald Eier in runde lyiutterzellcn al)gesetzt werden (bei manchen Bienenrasseu zeigen sich solche oft schon nach einigen Tagen), so gehen niemals Lebewesen aus diesen Eiern hervor, trotz- dem dieselben durch die Bienen, im Verlangen nach einer Mutter, eifrig gepflegt werden. Die zur Heranbildung eines Weibchens functionirende Drüsenflüssigkeit bleibt aber deshalb ohne Wirkung, weil die Vorbedingung zur Heranzucht eines solchen nicht erfüllt ist, da die Befruch- tung fehlt. Da sich aber aus unbefruchteten Eiern in Drohnen- und Arbeiterzellcn thatsächlich Lebewesen entwickeln, so ist damit der Unterschied in Behandlung der Eier, je nach Zellengattung, resp. vorausgegangener ßespeichelung, er- wiesen. Durch diese festgestellten Thatsaehen erscheint mit einem Mal die sogenannte Parthenogenese der unbefruch- teten Bieneneier in einem ganz andern Lichte. Sie kann nicht mehr aufgefasst werden, als die dem Ei inne- wohnende Kraft, auch ohne stattgehabte Befruchtung Lebewesen aus sich heraus zu erzeugen, sondern als die Folge der Einwirkung gewisser Drüsensäfte auf das Ei. Die Richtigkeit dieser Anschauung hat ihre volle Be- stätigung durch die Freiburger Eistudien gefunden, wie ich nachher zeigen werde. Bevor ich jedoch eingehender auf dieselben zu sprechen komme, erscheint es mir nun- mehr geboten, zunächst meine jetzigen Vorstellungen über den verschiedenen Entwickeluugsgang der gleichwerthig befruchteten Eier aller Zellengattungen in möglichst prä- ziser Zusammenfassung darzulegen: Nur die in Zellen abgesetzten Bieneneier werden, je nach dem auf den Hinterleib der Mutterbiene einwirken- den Druck, in verschiedenem, aber für die Regel zur Ent- stehung der normalen drei Bienenwesen ausreichendem Grade befruchtet. Gleichzeitig hat dieser Druck den Aus- tritt zweier verschiedener Drüsenflüssigkeiten und ihr Ein- dringen ins Ei zur Folge. (Auf der Sammelblase der Mutterbienen liegen zwei Drüsen, deren Zweck bis jetzt unbekannt ist.) Erst hierdurch wird das Ei lebensfähig und in seiner Entwickelungsrichtung bestimmt, die nur Arbeitsbienen ergeben würde, wenn sie zur Weiterent- wickelung des Eies ausreichend wäre. Da dies beim Bienenei jedoch nicht zutrifft, und die durchs Mutterthier bereits erfolgte, entwickelungsbestimmende Einwirkung auf die Eier keine geschlechtlich differeuzirende gewesen ist, so können die Arbeitsbienen jederzeit, der Zellen- gattuug gemäss, die Entwickelungseinflüsse fortsetzen, weil bei ihnen die analogen Drüsen durch die Mundtheile gemeinschaftlich, aber auch getrennt zu wirken, fähig sind. Zwecks Heranbildung der dreierlei Bienenwesen sind mindestens drei Drüsensysteme der Arbeitsbienen als mitwirkend in Anspruch zu nehmen, die ich der Kürze halber bezeichnen will mit: weiblich = w, männlicli =^ m und Nährdrüse = N. Drüsensystem w functionirt bei Heranzucht eines echten Weibchens und giebt sein Secret an jenes Ei ab, das in den sogenannten Weiselnäpfen angeheftet ist. Es bringt den durch Vollzug der Befruchtung geschaffenen, vollkommenen, aber auch nur diesen Zustand in gerader Richtung zur Entwickelung. System m regt zwar gleich- falls zur allgemeinen Weiterbildung an, besitzt jedoch daneben eine vermuthlich fermentartige Wirkung, in- dem es diejenigen vollkonmienen Verbindungen, aus welchen die Geschlechtsorgane entstehen, wieder in den der Befruchtung vorausgegangen oder ähnlichen Zustand zurückführt. In Folge dessen schlägt die Bildung der Geschlechtsorgane alsbald die männliche Richtung ein. Systeme w und m functioniren gemeinsam in den engen Zellen für Arbeitsbienen in normalem, oder auch in den weiten Drohuenzellen in abnormem Zustand, sobald den- selben durch vorausgegangene Umspeichelung der gleiche specifisch wirkende Geruchreiz imprägnirt worden ist. Durch diese gleichzeitige Einwirkung von System m und w wird in geschlechtlicher Richtung ein Hemmuugszustand der Entwickelung herbeigeführt, dessen Endergebniss die Geschlechtsausrüstung der Arbeitsbiene repräsentirt. System N liefert die nach Leuckart ') und v. Siebold „der Milch der Säugethiere vergleichbare", gemeinsame Er- nährungsflüssigkeit für alle Larven und tritt daher erst in *)Si. Siehe Biencnzoitung, .J 1881. XVI. Nr. 16, Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. Fuuction mit Beginn des Larvenzustandes, f'iinctionirend bis kurz vor Bedeckelung der Zellen. Da sieh aber die geschlechtsbestimmenden Drüsen- absoudernngen, w wie m, ebenfalls bis zum Eintritt des Nymphenzustandes fortsetzen, so functioniren während des Larvenzustandes unter normalen Verhältnissen die ver- schiedenen Systeme in folgender Weise gleichzeitig; in der Mutterzelle w und N, in der Drohnenzelle m und N, in der Arbeiterzelle w, m und N. Der jugendliche Larven- zustand w, m, N kann bei plötzlichem Verlust der Mutter- biene nach erfolgtem Umbau der mit einer Larve be- setzten Arbeiterzelle noch umgewandelt werden in w, N oder m, N. Da die Wegnahme der Mutterbiene einen Reizzustand erzeugt, der auf baldige Nachschaffung neuer Geschlechtstbiere durch Drüseuthätigkeit hindrängt, so wird auch die bis dahin unerklärbare Thatsache jetzt verständlich, warum die Arbeitsbienen Nachschaft'ungs- zellen stets über Larven, nie über Eiern errichten. Zwecks Nachschatfung von Mutterbienen drängen die Drüsen w und N zur Function hin. Im Larvenzustand können wohl beide gleichzeitig befriedigt werden, nicht aber auch im Eizustand, da demselben jeuer Auslösungsreiz für Drüse N fehlt, der in den Lebensbewegungen der Larve selbst zu suchen ist. Und nun nochmals zurück zu den Ergebnissen der Freiburger Eistudien. Es wurde schon mitgetheilt, dass laut derselben Eier auch mitten im Brutnest zu Grunde gehen, wenn sie der Beleckung durch die Arbeitsbienen unzugänglich gemacht werden. Ungleich wichtiger als dieses Ergebniss sind zur Bestätigung der Richtigkeit meiner Anschauungen je doch jene Untersuchungen, welche über die Art der Ein flüsse des Mutterthiers auf die Eier Aufklärung ver- schaffen. Um hierüber Klarheit zu erlangen, sandte ich eine Anzahl von Eiern zur Untersuchung ein, welche die Mutterbiene in Arbeiterzellen (die Befruchtung solcher wird ja keinerseits in Abrede gestellt), allmählich ab- setzte. Unmittelbar nach dem Absetzen eines Eies wurde dasselbe durch theilweises Eindrücken der Zellen gegen jegliche Berührung durch die Arbeitsbienen geschützt. Die Eier verblieben gegen 12 bis 20 Minuten in den Zellen und wurden dann in die Conservirungsflüssigkeit verbracht. Von 10 untersuchten Eiern dieser Gewinnungs- art zeigten 5 die regelmässigen Entwickelungserschei- nuugen: Strahlung und die Abtrennung von sogenannten Richtungskörpern. In gleicher Weise gewonnene Eier aus Arbeiterzellen, die alsbald den Zellen entnommen wurden, zeigten je- doch keine Strahlung „und ist auch deshalb das Sperma nicht aufzufinden," wie Dr. Petrunke witsch mittheilt. Da aber diese Eier Befruchtungskörperchen enthalten mussten, dieselben wegen Fehleus der Strah- lung jedoch nicht nachzuweisen waren, so ergiebt sich aus diesem Umstände die wichtige Erkenntniss, dass die zu Freiburg angewandte Untersuchungsmethode hinsicht- lich der Befruclitungsfrage als zuverlässig nicht be- zeichnet werden kann, denn ihre Ergebnisse sind nur negativer Natur. Dies räumt auch Petrunkewitsch ein, indem er in einem Schreiben vom 23. Mai 1900 sich dahin äussert: Der Umstand, dass in Eiern Strahlung nicht zu sehen wäre, lasse die Frage unentschieden, ob die Eier be- fruchtet oder nicht befruchtet seien. Wer aber Weis- mann's Ausführungen in „Biene Nr. 11, 1900" gelesen hat, der wird sich erinnern, dass derselbe die Befruchtung normaler Drohneueier trotzdem deshalb in Ab- rede stellt, weil dieselben für die Re§;el keine Strahlung zeigen, während dies bei Eiern aus Bienenzellen zutrifft. Des weiteren gewann ich Eier nach folgender Methode: Eine Mutterbiene wurde aus der Colonie herausgenommen, in ein Glas gebracht und dasselbe dann zur Hälfte in ein warmes Wasserbad eingedrückt. Die Mutterbiene liess in Folge der einwirkenden Wärme im Zeitraum von etwa 30 Minuten 7 Eier ohne jeglichen Druck auf den Hinterleib ins Glas fallen. Als sie in die Conser- virungsflüssigkeit wanderten, waren sie annähernd 12 bis 42 Minuten alt. üeber das Untersuchungsergebniss be- richtet Petrunkewitsch; „Alle zeigen nur die erste Richtungsspindel und keine Strahlung." Dieses Ergebniss muss jeder Unbefangene als volle mikroskopische Bestätigung meiner Anschauungen aner- kennen, denn es ist ja allgemein bekannt, dass auch un- befruchtete Eier den regelmässigen Entwickelungsgang antreten, dass sie nach Petrunkewitsch ebenfalls gleich befruchteten zwei Riehtungskörper abschnüren, sobald sie durch Arbeitsbienen lebenerregend bespeichelt werden. Da aber diese Eier auch selbst im Alter von etwa 40 Minuten immer noch keine Spur von Lebensentwicke- lung zeigten, so war bei ihnen nicht bloss die Befruchtung unterblieben, sondern es mangelte auch die Zufuhr der lebenerregenden Drüsensäfte. Unterblieb aber hier der ausschlaggebende Druck auf den Hinterleib des Thieres, so müssen es auch ver- schieden starke Druckverhältnisse sein, die ihre Wirkung aufs Ei verschieden geltend machen, je nachdem Form und Grösse der Zelle, wie Art der Besetzung derselben von einander abweichen. Die einfache Erklärung, welche ich für diese rein mechanischen Vorgänge in „Biene" Nr. 2, Redaction Pfarrer Schrimpf, Butzbach, gebe, macht es u. A. sehr leicht verständlich, warum man z. B. in manchen Eiern aus Bienenzellen zwei, drei und vier Be- fruchtungskörperchen mit Hilfe der Strahlung auffindet, sowie ferner, warum Strahlung in normalen Eiern aus Drohnenzellen überhaupt nicht wahrnehmbar ist, obwohl sie, trotz Weismann's entgegengesetzter Behauptung, be- fruchtet sein müssten. Sollte es jemals gelingen, zu Untersuchungszwecken geeignete Normaleier aus Mutterzellen zu gewinnen, so möchte ich schon jetzt 1000 gegen 1 wetten, dass man auch in ihnen keine Strahlung nachweisen kann, obwohl es gewiss keinem Menschen einfallen wird, dieselben als unbefruchtet zu erklären. Naturgemäss müssen sich Eier von Arbeitsbienen, wie dies, die Freiburger Studien gleichfalls feststellten, „lang- samer" entwickeln, als normale Drohneneier, da dieselben an sich ja weder befruchtet, noch zur Lebensentwickelung angeregt, in die Zellen abgesetzt werden. Sie sind daher in ihrer Entwickelung völlig abhängig von der früher oder später erfolgenden Beleckung durch die Arbeitsbienen. In dem schon erwähnten Schreiben vom 23. Mai 1900, schreibt Petrunkewitsch u. A.: „Dies letztere (das Be- fruchtetsein normaler Drohneneier) könnte ich nur aus der Verdoppelung der Chromosomen mit Sicherheit schliessen." An anderer Stelle schreibt derselbe: „Die Königineier (aus Drohnenzellen) enthalten im Keim- bläschen, kurz vor der Bildung des ersten Richtungs- körpers, 16 sogenannte quadrivalente Chromosomen (d. b. 16 aus je 4 einfachen zusammengesetzte Chromosomen); die Arbeiterdrohneneier zeigen aber im selben Stadium 32 bivalente (d. h. 32 aus je 2 einfachen zusammen- gesetzte Chromosomen.) Was den Werth der Unterschiede anbetrifft, so können wir ihn vorläufig nicht erklären." Bekanntlich ist aber 4 die Verdoppelung von 2 und das, was sich Petrunkewitsch nicht erklären kann, wird nach meiner Ansicht sehr natürlich erklärt durch die erfolgte, wenn auch durch Strahlung nicht nachweisbare Befruch- tung normaler Drohueneier. 182 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 16. Wenn man aber überhaupt annehmen wollte, die Freiburger Eistiulien könnten auf die für derartige Unter- suchungen unentbehrliche Vielseitigkeit Anspruch erheben, so habe ich in „Biene" Nr. 4 das Irrige einer solchen Annahme nachgewiesen. Auch glaube ich, wie an gleicher Stelle ausgeführt wird, mit Hilfe meiner Theorie, die bis jetzt nicht erklärbare Abtrennung von zweien oder einem Kichtungsköiper bei unbefruchteten Insecteueiern unter scheinbar gleichen Umständen richtig deuten zu können. Mehr und mehr aber komme ich zu der Ansicht, dass die durch Professor Weisuiann vertretene Vererbungs- tlieorie auf die Bienen schlechterdings nicht anwendbar ist. Nach derselben können Abkömmlinge normal ge- bildeter Eltern keine Organe besitzen, die den Eltern selbst nicht eigen sind. Trotzdem besitzen bekanntlich die Arbeitsbienen sogar recht wichtige Organe, die weder vom Vater noch der Mutter ererbt worden sein können, da sie beiden entweder vollkommen abgehen, oder doch nur mangelhaft entwickelt bei ihnen vertreten sind. Man prüfe dagegen die von mir aufgestellte Theorie der Geschlechtsentwickelungsweise der Arbeitsbienen in Verbindung mit dem bekannten Corrclationsgesetz der Theile, und die natürliche Erklärung der hervorgehobenen Erscheinung ist gefunden. Schliesslich sei mir noch verstattet, auf einen nicht ganz bedeutungslosen Umstand hinzuweisen. In vielen ßienenzeitungen Dzierzon'scher Richtung wird behauptet, durch die Freiburger Eistudien sei meine Theorie der Geschlechtsbildung als ein Irrthum nachgewiesen worden. Zur Widerlegung dieser Behauptung brauche ich nur die eigenen Worte des gegenwärtig besten Kenners der Ent- wickelungsvorgänge in ßieneneiern, Dr. Petrunkewitsch, anzuführen. Sie lauten: „Die Frage, ob wirklieh aus den Drohneneiern Arbeitsbienen und sogar Mutterbienen zur Entwickelung zu bringen möglich ist, hat ein sehr grosses Interesse und kann thatsächlich nur auf experimentellem Wege gelöst werden. Wenn es Ihnen gelingen wird, dies unumstösslich zu beweisen, dann werden Sie jedenfalls den Beweis dafür liefern, dass das normale Ei durch den Einfluss der Arbeits- bienen auf das Geschlecht umgestimmt werden kann, und diese Thatsache hätte für die Theorie der Vererbung einen ausserordentlichen Werth." Die Vögel der Grossherzogthüiuer Jleckleiiltiirg haben Baurath C. Wüstnei und Pastor G. Clodius zum Gegenstande einer monographischen Bearbeitung gemacht (Archiv d. Vereins d. Freunde der Naturgesch. in Meck- lenburg. b4. Jahr, 1900; auch separat: Güstrow, Opitz. 363 S.). Gewöhnlich beschränken sich derartige Lokal- ' bearbeitungen auf statistische Uebersichten, welche den Nachweis des Vorkommens und der Verbreitung bezwecken und höchstens eigene Beobachtungen der Verfasser enthalten, also lediglich den wissenschaftlichen Zweck ins Auge fassen. Die Herren Verfasser haben aber ihrer Bearbeitung da- durch einen weiteren Werth gesichert, dass sie bei den einzelnen Arten eine kurze Beschreibung geben, welche gegebenenfalls die Feststellung der Art ermöglichen kann; dann folgen Angaben über das Verbreitungsgebiet im all- gemeinen und die bisher beobachteten Vorkommen und in Verbindung damit Mittheiliingen über die Lebensweise, so dass der Inhalt des Buches auch den von Freunden der norddeutschen Vogelwelt gestellten Ansprüchen gerecht wird. Die mecklenburgische Avifauna umfasst nach dieser Darstellung 289 sicher festgestellte Arten; Vögel, deren Vorkommen im Gebiet zweifelhaft oder überhaupt nicht festgestellt ist, aber mit Rücksicht auf Beobachtungen in umliegenden Gebieten erwartet werden darf, sind in diese Zahl nicht eingeschlossen; um aber den Vogelfreund in die Lage zu bringen, auf diese besonders zu achten, sind Beschreibungen derselben im kleineren Druck gegeben. Die erste „Naturgeschichte der Vögel Mecklenburgs" aus diesem Jahrhundert gab H. D. F. Zander; das recht umfangreiche Unternehmen blieb aber bereits bei Heft 8 (1853) stecken. Ein „Verzeichnis" der bis dahin in Meck- lenburg beobachteten Vögel gab A. v. Maltzan (Archiv 1848), und 1861 lieferte H.' D. F. Zander an gleicher Stelle eine „Systematische Uebersicht der Vögel Mecklen- burgs." Seitdem sind 27 Arten hinzugekommen, sodass, abgesehen von der inhaltlichen Erweiterung und zeitge- mässen Umgestaltung, die Publikation für Mecklenburg besonderen Werth hat, da die Verfasser in der Lage waren, tUr dieselbe alle in Betracht kommenden Samm- I hingen zu durchmustern und ein zntretfendes Bild von der Vogelfauua Mecklenburgs, soweit bisher bekannt, zu geben. A. Ln. Postpliocäiie MoHuskeii und Brachiopoden von Spitzbergen, welche A. Birula während der russischen Expedition nach Spitzbergen im Jahre 1S99 gesammelt hat, beschreibt N. Knipowitsch (Bull. d. l'Acad. Imp. d. Sciences de St. Petersbourg. t. 12. Nr. 4). Die Samm- lung umfasst 56 Arten und Varietäten und stammt von der Küste der Genevra-Bay und von Whalespoint, Krausshavn, und Green Harbour auf West-Spitzbergen. Die postpliocäne Fauna ist im ganzen hoch arktisch und stimmt fast vollständig mit der gegenwärtigen Fauna der östlichen kalten Hälfte des Murman-Meeres östlich von dem Vorgebirge Kanin Noss überein, entspricht da- gegen nicht der Fauna der Murman- Küste. Von der recenten Fauna Ost-Spitzbergens unteischeidet sie sich durch zahlreiche Exemplare von Mytilus edulis L. und Mya arenaria L. Mytilus edulis L. kommt nur in den postpliocänen Ablagerungen von Krausshavn, Mya are- naria L. dagegen auch in den Schichten an der Genevra- Bay massenhaft vor. Gegenwärtig lebt zwar Mytilus edulis L. auch in der „cold area" des Polarmeeres, wie die Funde Knipowitseh's unweit von Novaja Semija be- weisen; aber im Ganzen beweist das Vorkommen der beiden Arten, und namentlich das massenhafte Auftreten derselben, neben dem selteneren Vorkommen anderer jetzt nicht mehr bei Ost-Spitzbergen lebenden Arten, dass zur Zeit der Bildung der postpliocänen Ablagerungen ein wenn auch noch immer hoch-arktisches, so doch immer- hin milderes Klima geherrscht habe. Sowohl die meisten positiven, wie auch die negativen Merkmale der post- pliocänen Meeres-Fauna beweisen, dass die physikalisch- geographischen Verhältnisse zur Zeit der Bildung der postpliocänen Ablagerungen von Spitzbergen mehr oder weniger denjenigen ähnlich waren, welche jetzt im üebergangsgebiete zwischen dem Westli^^'hen und dem östlichen Murman -Meere herrschen, aber einem etwas kälteren Meere entsprechen. Hier haben also wahr- scheinlich keine so tiefgreifende Veränderungen in dem Klima und der Fauna des Meeres stattgefunden, welche so gut in der postpliocänen Fauna des Murman-Meeres und des Weissen Meeres ausgeprägt sind, A. Ln. XVI. Nr. K; Naturwissensühaftliche Woclieuschrift. Die Stellung der Meteorologen zum Wetter- scliiesseu. — Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft hat auf das Programm ihrer diesjährigen Versammlung, die in den ersten Apriltagen in Stuttgart stattfinden soll, die Besprechung des Wetterschiessens gesetzt. In der That haben die deutscheu Landwirthe, hat das deutsche Volk Anspruch darauf, die Ansicht der Vertreter der Wissenschaft in einer so wichtigen Sache zu hören. Die Macht der Suggestion auf den Menschen ist sehr gross, grosser als man gewöhnlich glaubt; auch Fachleute unterliegen ihr öfters. Es scheint mir eine Pflicht der- jenigen zu sein, die von ihr freigeblieben sind, in Fällen, wo sie es mit einer Massensuggestion zu thun zu haben glauben, ihre Meinung, im Namen der Wahrheit, rück- haltlos zu sagen. Dies mag in dieser Zeitschrift um so mehr am Platz sein, als ihre Leser durch einen Aufsatz im Februarheft derselben, S. 62 — 64, über die Geschichte des Wetterschiessens und die daran geknüpften begeisterten Hotfnuugen orientirt sind. Durch Schiessen wollte man vor kurzem in Amerika Regen hervorbringen. Durch Schiessen will man jetzt in Europa Hagelbildung verhindern. Ein alter Seemannsbrauch war es, Wasserhosen anzuscbiessen, unr sie zu vernichten. Allgemein gesagt: durch Schiessen soll das jeweils Er- wünschte herbeigeführt werden. Das Schiessen tritt hier an die Stelle der Kirchengebete und Processioneu und des Zaubers der Regenmacher. Alle diese Mittel erfüllen in der That einen Theil der Aufgabe, die an sie gestellt wird; sie gewähren Erleichterung in dem qualvollen Gefühl der Hülflosigkeit, in dem der Mensch den sein Werk vernich- tenden Naturgewalten gegenübersteht. Der glaubensstarke Wetterschiesser ist jedenfalls, wenn er mit seinen Böllern beschäftigt ist, in einer ungleich angenehmeren Gemüths- verfassnng, als sein imgläubiger Nachbar, der nicht schiesst, weil er sich keine Wirkung davon verspricht. Selbst die Versicherung kann diese Befriedigung unmöglich ersetzen, da sie wohl eine träge Sicherheit vor materiellem Ver- lust, aber nicht das Triumphgefühl eigenen Erfolgs bieten kann. Wie steht es aber mit dem zweiten Theile des Er- wünschten, mit der wirklichen Einwirkung auf das Wetter? Zu meiner Freude kann ich constatiren, dass sowohl in Amerika als in Europa es nicht die Meteorologen sind, die diese Illusionen wachgerufen haben. Die Praktiker und „Spaziergänger am Rande der Wissenschaft" haben aber im Allgemeinen keine Ahnung, wie schwierig eine wirkliche Beweisführung ist, wie schwer es ist, Trugschlüsse zu vermeiden. unstreitig aber ist die Stellung der Vertreter der Wissenschaft gegenüber diesen Begeisterten keine leichte. Lehnen sie es ab, sieh mit unbewiesenen Behauptungen zu beschäftigen, deren Unwahrscheinlichkeit ihnen von vornherein einleuchtet, so wird über den unduldsamen Geist einer verknöcherten Gelehrtenzunft geschrieen; er- klären sie sich dagegen bereit, die Frage zu untersuchen, so dient ihre höfliche Antwort, mit oder ohne passende Trommelbegleitung, dazu, die Illusion in weiteren Kreisen zu stärken und werden sie zu Mitschuldigen an einer Sünde gegen das, welchem ihr Leben geweiht sein soll, gegen die Wahrheit, ich persönlich halte das erstere für das kleinere Uebel dort, wo Einem die Geschichte der Wissenschaft und die bis jetzt bekannten Thatsachen die Ueberzeugung geben, dass auf dem eingeschlagenen Wege nichts zu holen ist, weil die willkürlich aufgestellte Behauptung keine Stützpunkte im vorhandenen Wissen findet. Wer eine solche Behauptung aufstellt, hat nicht das Recht zu sagen: nun widerlegt mich! die Pflicht der Beibringung der ersten Beweise liegt vielmehr ihm ob. Herr Direktor Peruter hat die Aufforderung, die au ihn herantrat, die Grundlagen des Wetterschiessens zu untersuchen, dazu benutzt, im Verein mit Herrn Dr. Tra- bert eine interessante physikalische Untersuchung über die dabei entstehenden Wirbelringe auszufuhren, über die die Herren im Septemberbeft der „Meteorologischen Zeit- schrift" berichtet haben. Wollte man nur nach Titel und Umfang des Aufsatzes urtheilen, so würde man auf eine gewisse Conniveuz gegen diese neue oder doch auf- gefrischte j)opuläre Strömung schliesscn. Aber die Bericht- erstatter erklären im Schlusswort (S. 411—412), dass über einen abwehrenden Einfluss des Wetterschiessens sich heute noch nichts Sicheres aus Erfahrung sagen lässt, und im diesjährigen Januarhefte (S. 25—28) der- selben Zeitschrift hat Herr Pernter über seine klare, wissenschaftliche Stellung zu dieser Frage in erfreulicher Weise keinen Zweifel gelassen. Gegenüber der urtheils- losen Begeisterung, die auf dem „zweiten internationalen Wetterschiess-Congress in Padua" in der mit Beifalls- sturm aufgenommenen Resolution Ausdruck fand, dass „die Wirksamkeit des Wetterschiessens gegen den Hagel undiscutirbar gewiss ist", hat Herr Pernter auf jenem Con- gress und a. a. 0. dargelegt, wie diese Resolution nur heissen kann: „wir wollen die Sache für gewiss ansehen, und eine Discussion ist uns unangenehm", und wie nur durch systematische Verarbeitung der Beobachtungen eines ausgedehnten engmaschigen Netzes von Gewitterstationen, das schiessende und nicht schiessende Ortschaften um- schliesst, man hoffen kann, nach Jahren ein begründetes ürtheil über die Wirksamkeit des Wetterschiessens aus der Erfahrung zu gewinnen. Bis dahin muss man sich mit dem Urtheil über die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wirksamkeit begnügen, einem Gefühlsurtheil, das natür- lich je nach dem Staudpunkt des ürtheilenden ungleich ausfallen wird. Für mich ist diese Wirksamkeit unendlich unwahrscheinlich, und ich sehe es darum als eine Auf- gabe der deutschen Meteorologen an, die Praktiker in 1S4 Naturwissi'iiscliaftliclio Wochenschrift. XVI. Nr. l(j Deutschland vor lUusioueu zu warueu und dahin zu wirken, dass diese ihr Gekl lieher auf verlässliehe Hagel- versicherung, als auf unzuverlässiges Ilagelschiessen ver- wenden. Was Herr Pernter a. a. 0. über die Leichtigkeit von Trugschlüssen und die Schwierigkeit einer Beweisführung in dieser Sache anführt, lässt sich am besten an Bei- spielen verstellen. Nehmen wir den 9. August 1881, über den ich eine eingehende Untersuchung veröffentlicht habe. Im östlichen Holstein gab es damals sehr schweren Hagel- schaden, der sich aber auf zwei lange parallele Streifen beschränkte, die die beiliegende Kartenskizze durch Schattirung anzeigt. Würde an diesem Tage z. B. in Ahrensbök, Neustadt, Oldenburg, wo überall das Herauf- ziehen des schweren Unwetters gesehen wurde, aber keiu Hagel fiel, geschossen worden sein, in Segeberg, Lütjen- burg und Heiligenhafen, sowie auf den am schwersten heimgesuchten Gütern Wensin, Kletkamp und Lensahn aber nicht, so würde das als ein augenfälliger Beweis der Wirksamkeit des Wetterschiessens gegolten haben, da rechts und links vom Schiessgebiet die Fluren ver- hagelt wurden. Noch beweisender würde es anscheinend gewesen sein, wenn in Eutin geschossen worden wäre, da der mächtige westliche Hagelstreif diesen Ort sogar über- sprang. Ein einzelner Fall bedeutet eben bei der endlosen Complication der in der Witterung zusaramenspielenden Einflüsse gar nichts; verlaugt man doch selbst bei den möglichst vereinfachten Bedingungen eines Experiments eine vielmalige Wiederholung, ehe man das Ergebniss und dessen Deutung für sicher ansieht; denn auch hier können unbeachtete Nebenumstände entscheidend ge- wesen sein. Mit Recht sagt Herr Pernter, dass erst der Nachweis zu liefern wäre, dass ein Hagelstrich, der direkt auf ein Sehiessgebiet zuzieht, stets vor diesem endigt oder dieses überspringt, dass also das, was unter natür- lichen Verhältnissen seltene Ausnahme bildet, für ein Schiessgebiet zur Regel wird. Natürlich müssen auch etwaige örtliche Unterschiede in der Neigung zu Hagel- schäden thunlichst berücksichtigt werden, wenn man einen verlässlichen Beweis führen will. Würde man beweisen können, dass ein sonst stark dem Hagel ausgesetztes Gebiet nach Einfülirung des Sehiessens davon frei bleibt, so würde das natürlich ein guter Beweis für seine Wirk- samkeit sein; aber es gehören, da der Hagel überhaupt eine seltene Erscheinung ist, viele Jahre dazu, um hier den Zufall auszuschliessen. Wie leicht man es sich mit solch einem Nachweis macht, zeigt die Behauptung des Herrn Barfod auf Seite ()3 dieses Bandes: „dass vor 189Ü seit 30 Jahren der Hagel alljährlich die Weinernte in Windisch-Feistritz vernichtet hatte." Das ist doch wohl nicht wörtlich zu nehmen! Dreissig durch Hagel ver- nichtete Ernten nacheinander hätten die Weinbauer wohl überzeugt, dass der Ort nicht für Weinbau geeignet ist. Dass Gelehrte sich oft geirrt haben, ist unzweifel- haft; sie sind eben auch Menschen. Es sind auch einige Fälle bekannt, wo Praktiker eine wissenschaftliche That- sache richtiger erkannt haben, als sie, und eine noch grössere Zahl von Fällen, wo tüchtig durchgebildete Fach- männer eines Zweiges einem anderen Wissenszweige grosse Dienste gethan haben, weil sie neue Gesichtspunkte und neue Methoden mitbrachten. Man muss aber doch nicht vergessen, dass dies nicht etwa die Regel ist, sondern eine Ausnahme, die wohl kaum jemals eintritt, wenn die Betreffenden sich nicht durch eigenes Studium oder durcii Andere eingeheml über die Fragestellung und über die in Betracht kommenden bekannten Tliatsachcn beleiiren lassen; anderenfalls vergreifen sie sich ge- wöhnlich. Für die neuen Thatsachen über die Energie und die Fortpflanzung der Wirbelringe, die man dem Wetter- schiessen verdankt, kann die Wissenschaft sicherlich nur dankbar sein. Möglich, dass es auch noch weitere Früchte für die Kenntniss der Atmosphäre trägt, besonders durch die Anregung zum noch intensiveren Studium der Gewitter-Phänomene. Das Wetterscbiessen selbst aber hat wohl keine meteorologische, sondern eine psycho^ logische Grundlage; der Mensch verwendet eben das seinen Sinnen am mächtigsten imponirende Hülfsmittel. das er besitzt, ohne zu bedenken, dass gegenüber der Gewalt und räumliehen Ausdehnung der Witterungs- Erscheinungeu auch dieses nur etwas verschwindend Kleines ist. W. Koppen. Astronomische Spalte. — Die „Nova Persei", über deren Aufleuchten wir das letzte Mal berichtet haben, ist seither genau beobachtet worden. Der mittlere Ort der- selben für die Epoche 1901.0 ergiebt sich aus folgenden Meridiankreisbeobachtungen : Ebertu.Möller(Kiel): AR = 3h24'"28^04; D =+430 33' 54". 5 Scheller (Hamburg): AR = 3 24 28.12; D = +43 33 53 .9 Ristenpart (Kiel): AR = 3 24 28 .17; D = +43 33 52 .4 in guter Uebereinstimmung zu AR = 3'>24™28ä.ll; D = +43« 33' 53".6 Zur Zeit ihrer Entdeckung durch Dr. Thomas Anderson am 21. Februar war die Nova etwa 2. Grösse. Am folgen- den Abende glich sie nach einer Schätzung Hartwigs be- reits dem PoUux. Am 23. Februar bestimmte H. Clemens seine Helligkeit mit einem Keilphotometer am 8-zölligen Refractor der Kieler Sternwarte, wobei die Helligkeit der Capeila nach Müller zu 0.27 genommen wurde. Die Be- obachtungen dieser und der nächsten Nacht ergaben nach dieser Methode: 1901 Februar 23, 9^ 16"^ . . . . On>.10 1901 Februar 24, 12 23 .... 0 .65 Müller und Kempf in Potsdam erhielten folgende Helligkeiten und Farben: 1901 Februar 23, lOi» 11" ... . 0>".24 weiss 1901 Februar 26, 7 46 .... 1 .62 weisslich-gelb 1901 Februar 27, 10 56 .... 1 .99 weisslich-gelb In schöner Uebereinstimmung damit fand W. Winkler in Jena an seinem Pauly'schen Refractor von 155 mm Oeffnung die Helligkeit am 27. Februar um 9»20"' zu 1°>.8 und die Farbe zu weisslich-gelb. Wie aus diesen Daten hervorgeht, ging das Auf- flammen äusserst rapid vor sich, so dass es, um genaue Kenntniss der Lichtcurve zu erlangen, nöthig war, die ge- naue Zeit der Beobachtung anzugeben. Das Spectrum der Nova hat ebenfalls rasche Ver- änderungen durchgemacht, und ist besonders von Lohse in Potsdam genau studirt w(n-den. Während das Spectrum am 22. Februar nach Thiele noch helle und dunkle Linien im grünen Theile aufwies, und grosse Aehnlichkeit mit dem Spectrum der Nova Coronae zeigte, war dasselbe schon am 27. Februar gemäss einer Beobachtung Hart- wig's rein gasförmig geworden. Am 23. Februar erhielt Lohse eine Photographie des Spectrums, welche eine Reihe von breiten Absorptionsstreifen und zwei scharfe, schmale Linien, jedoch keine Emissionslinien aufweist. Bei dem raschen Abblassen der Nova, welche allerdings ein Neu- aufleucbten nicht unmöglich macht, dürften die Spectral- beobachtungen wohl nur mehr kurze Zeit möglich sein und daher" die Gesamratbearbeitung des vorhandenen Materials in absehbarer Zeit erfolgen. XVI. ii; Naturwissenschaftliche Woehensclirift. isr-i Auf die Bemerkung Egon von Oppolzer's hin, dass Eros Scliwankungeu seiner Heiligkeit aufzuweisen scheine, wurde dieser Pianet vielfach in dieser Richtung hin unter- sucht. Die Beobachtungen haben natürlich bis jetzt noch zu keinem abschliessenden Resultat geführt, doch scheint eine Periode von etwa 3 Stunden die Beobachtungen noch am besten darzustellen. Am schönsten gehl dies aus zwei Beobaehtungsreihen hervor, die Deichmüller in Bonn er- halten hat. Sie ergeben folgende Resultate (vide A. N.): 1901 Februar 21. 1901 Februar 22. iVIinimum 9i> 9».2 . . . lO'^.d 1^ 35".6 . . . 11™.65 Maximum 9 18 .8 ... 9 .1 8 50 .3 ... 9 .1 Minimum 10 30 .8 . . . 10 .95 10 22 .1 . . . 10 .75 Maximum 11 36 .4 . . . 9 .15 Nachträglich stellte sich heraus, dass Helligkeits- schwaukungen bei Eros schon vor Oppolzer vermuthet worden sind. So deutet eine Bemerkung W. Valentiner's, die er seiner Erosbeobachtung vom 12. Oktober 1900 in seinem Beobachtungsjournal beisetzt, auf die Vermuthung von Helligkeitsänderungen hin. Valentiner hatte sogar sofort nach seiner Ortsbestimmung, bei welcher ihm Eros viel schwächer als Nachts vorher erschien, Herrn Jost er- sucht, eine ])hotometrische Messung zu machen. Leider kam dieser aber erst ungefähr eine Stunde später dazu, diesen Wunsch zu erfüllen und fand um diese Zeit bereits wieder die normale Lichtstärke vor. Am 16. Dezember vorigen Jahres sind in Norddeutsch- land und Dänemark nicht weniger als vier grosse Feuer- kugeln beobachtet worden. Torvald Kohl macht im Sirius besonders auf diese Thatsache aufmerksam. Besonderes Interesse werden die Bahnbestimmungen beanspruchen, da sie zeigen werden, ob dieses Zusammentreffen nur zufällig ist, oder ob zwischen diesen 4 Meteoren ein innerer Zusammenhang besteht. — Im Monate April gelangen folgende hellere lang- periodische Veränderliche in ihr Maximum: f /'Orionis : lß=5M7.13;Z) = +20° 8'.7, EndeApril 7.G TMonocerotis 6 15.25; - 2 7 .6, Mitte „ 7. ^'Canis min.: 7 24.51; + 8 37 .4, Ende „ 7.8 R Ursae maj : 10 34.19; +69 32.1, Anfang „ 7. ,S' „ „ : 12 37.35; +61 53 .3, Mitte „ 8. R Bootis : 14 30.48; +27 22.1, „ „ 7. SLibrae: 15 13. 4; -19 51.7, „ „ 8. FCoronae: 15 44.21; +40 0.7, Anfang,, 7.8 RTCysni: 19 39.33; +48 25 .5, Mitte „ 6.7 ^■Cephei: 21 36.57; +77 58 .2, Anfang „ 8 Adolf Hnatek. Wetter-Monatsübersicht. (März.) Der diesjährige März begann in ganz Deutschland ziemlich mild. Nach- dem dann zunächst die Temperaturen, wie aus der bei- stehenden Zeichnung ersichtlich ist, überall etwas gesunken waren, stellte sich um Mitte des Monats für mehrere Tage sehr freundliches Frühlingswetter ein. Aber um den 20. erfolgte bei scharfen Nordostwinden ein empfindlicher Kälterückfall, imd während sonst mit der zunehmenden Tageslänge gegen Ende März die Luft sich verbältniss- mässig schnell zu erwärmen pflegt, trug diesmal das letzte Drittel des Monats einen vollständig winterlichen Charakter an sich. Die Mittagstemperaturen, welche in Berlin am 15. und 17. März 13° C. erreichten, überschritten weiter im Süden verschiedentlich 15" C. In Ost- und Süddeutsch- land hielt die Wärme noch mehrere Tage länger als in den nordwestlichen Landestheilen an, um so schroffer war dort aber auch, namentlich im Südosten, der nach- folgende Temperaturrückgang. In den letzten Nächten herrschte allgemein ziemlich strenger Frost; beispielsweise hatte am 26. März Nürnberg 15", am 27. Chemnitz 11", am 28. Breslau 12° Kälte. Die Mitteltemperaturen blieben in Süddeutschland ungefähr um l'/a Grad, in Tempcrafurcn im jW^rz 190\. ggj,|jl^, ra3lidie5W3xiiiiijin,l)e;Jitiimiiin. , ., ■ Tagesmiffpl, 1901 ......... TaqestniMnormal ' "'" " " 16 21. ^26 31 MilHere Temperafuren verschiedener 0rfe. LMJ". J, tL__ 16. ji. 26. 31 Nordwestdeutschland um reichlich einen Grad hinter ihren langjährigen Durchsehnittswerthen zurück. Nordöstlich der Elbe kamen sie diesen zwar sehr nahe. Da aber die zweite Hälfte des März, abgesehen von seinen aller- letzten Tagen, diesmal die kältere war, so konnte die Pflanzenwelt noch nirgends recht zu neuem Leben er- ^ I , = ^1 «\^ MimmrWerthfür lall ity^täin ^. 25-31. Märi Deulschland. Monatssutnmffi iralWäry 190119» 1889. 38, 97.96. ^ M wachen, zumal, da es ebenso sehr an Licht wie an Wärme fehlte. Berlin hatte z. B. im ganzen Monat nur 87 Stunden mit Sonnenschein, Potsdam sogar nur 78, während an beiden Orten gewöhnlich im März über hundert Sonnen- scheinstunden gemessen werden. Sehr ungleichmässig waren im vergangenen März die Niederschläge innerhalb Deutschlands vertheilt, welche 186 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Ni'. 16. nnsere zweite Zeichnung vcranschanlifht. In den ersten acht Tagen des Monats setzten sich die Kegenfälle der letzten Fehruartage weiter fort, die in den westlichen Landestheilen ergiebiger als im Osten waren. Der Rhein und seine meisten Nebenflüsse, denen die in den Gebirgen liegenden Schneemassen bedeutende Wassermengen zu- führten, gingen bald mit Hochwasser, das besonders im Wupperthale grosse Verwüstungen anrichtete. In Berlin fand am 2. März Nachmittags ein kurzes Ge- witter statt, das so früh im Jahre hier nur sehr selten vorzukommen pflegt. Seit dem 9. März Hess der Regen überall erheblich nach. Dann folgte für Nordwestdeutschland eine längere trockene Zeit, die nur an wenigen Tagen durch stärkere Niederschläge, besonders am 11. durch sehr bedeutende Schneefälle, unterbrochen wurde. Viel zahlreicher waren dieselben jedoch in Ost-, Mittel- und Süddeutschland. Namentlich fanden vom 21. bis 23. März in Schlesien und Sachsen ungewöhnlich heftige Schneefälle statt, die dort eine neue Schneedecke von 3 bis 4 Decimeter Höhe über den Boden ausbreiteten. In der letzten Märzwoche wurden die Schneefälle all- gemeiner, ohne jedoch so reichliehe Beträge wie vorher zu liefern, und erst am Schlüsse des Monats trat in West- deutschland Regen ein. Die Monatssumme der Nieder- schläge, die sich für den Durchschnitt der berichtenden Stationen auf 46,4 Millimeter bezifferte, stimmte fast genau mit dem entsprechenden Durchschnittswerth aus den letzten zehn Jahren überein, sie war aber diesmal im Nordwesten bedeutend kleiner als nordöstlich der Elbe und nur wenig mehr als halb so gross wie in Süd- deutschland. Die allgemeine Vertheilung des Luftdruckes zeigte, wie es häutig im März geschieht, von einem Tage zum anderen oft sehr starke Veränderungen, wobei jedoch ähnliche Verhältnisse sich mehrmals wiederholten. In der ersten Märzwoche hielten sich tiefe atlantische Minima bei den britischen Inseln und dem norwegischen Meere auf, während ein Gebiet hohen Luftdruckes aus Asien nach dem europäischen Russland vorrückte. Als am 7. ein anderes Maximum auf dem Ocean erschien, breitete sich der niedrige Luftdruck über Skandinavien, die ganze westliche Hälfte des europäischen Festlandes und die Um- gebung des mittelländischen Meeres aus. Vom Mittelmeer- gcbiete oder von den etwas südlicher gelegenen Ländern Nordafrikas aus zogen dann verschiedene enger begrenzte Minima nach Norden. Eines derselben brachte von heftigen Sciroccüwinden getragenen, wahrscheinlich aus dem Sudan stammenden Witstenstaub mit sich, der am lO.März in Italien als die seltene Erscheinung des „Blutregeus" hernieder- fiel. Bis zum nächsten Tage pflanzte sich dieser nach Ocsterreich und Deutschland als weniger stark gefärbter Sand regen fort, der in der Nacht zum 12. noch auf der (liinisclien Insel Falster beobachtet wurde, ein Beweis fiu- die ausserordentliche Beständigkeit der die Baro- nicterdepressionen in grösserer Höhe begleitenden Luft- strömungen. Am 13. März zog das oceanische Maximum rasch nordostwärts, um sich zwei Tage später mit dem russischen zu vereinigen, während eine umfangreiche Depression auf dem biscayischen Meere erschien. Diese wurde nach einigen Tagen, als sich abermals ein Maximum aus nörd- lichen Breiten des atlantischen Oceans einfand, langsam nach Ost gedrängt und zog dann von Italien in nordöstlicher Richtung weiter. Während neue Depressionen in den südlichsten und nördlichsten Breiten Europas nach Osten zogen, die verschiedentlich Theilminima nach Mitteleuropa und den dcntsclicn Küsten entsandten, verharrte das Maximum auf dem Ocean, bis es durch ein am l^nde des Monats nach England gelangtes, sehr tiefes Minimum rasch südostwärts getrieben wurde. Die vom Minimum herbeigeführten oceanischen Südwinde breiteten über Eng- land, Frankreich und Mitteleuropa alsbald eine beträcht- liche Erwärmung aus, wogegen der März in Haparanda noch mit 12 '^ Kälte abschloss. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. P. Krusch, Dr. R. Michael und Dr. B. Kühn, Hilfsgeologen an der königlich preussischen geo- logischen Landesanstalt, zu Bezirksgeologeu; Dr. Ernst Stadel- mann, Privatdocent in der medicinischen Fakultät zu Berlin und dirigirender Arzt an der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban, zum Titularprofessor; Dr. Karl Günther, Privatdocent für Hygiene und Custos am hygienischen Institut in Berlin, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Adolf Gessner, Privatdocent der Frauenheilkunde in Erlangen, zum ordentlichen Professor und Leiter der Universitäts-Frauenklinik daselbst; Dr. Robert Wache zum etatsmässigen Chemiker bei der geologischen Landesanstalt und Bergakademie in Wien; Dr. Albert Buchholz, Privatdocent in der medicinischen Fakul- tät zu Marburg, zum Titular- Professor ; Dr. E. Kromayer, Privatdocent in der medicinischen Fakultät in Halle, zum ausser- ordentlichen Professor; Dr. Krönig und Dr. Menge, Privat- docenten der Frauenheilkunde in Leipzig, zu ausserordentlichen Professoren. Berufen wurden: Dr. Franz Wähner, Custos am natur- historischen Museum zu Wien, als ordentlicher Professor der Mineralogie und Geologie au die deutsche technische Hochschule in Prag; Dr. Kraemer von der landwirthschaftlichen Akademie zu Poppeisdorf bei Bonn als Professor an die Thierarzneischule in Bern; Dr. Walter Koeppen, Oberlehrer an der Landwirth- schaftsschule zu Samter, als Direktor an die Landwirthschafts- schule zu Brieg: Medicinalassessor Dr. Künnemann, Direktor der Veterinärklinik in Jena, als ausserordentlicher Professor für Thierheilkunde nach Breslau; Dr. Graser, ausserordentlicher Professor für Chirurgie in Erlangen, als ordentlicher Profe.ssor und als Direktor der chirurgischen Klinik nach Rostock; Prof. Dr. Staender, Direktor der Universitätsbibliothek in Breslau, als Direktor der Universitätsbibliothek nach Bonn an Stelle Prof. Schaarschmidts. In den Ruhestand tritt: Geheimer Regierungsrath Professor Dr. C. Schaarschmid t, Direktor der königlichen Universitäts- bibliothek in Bonn. Es starben: Professor der Botanik Cornu in Paris; Dr. Wilhelm Bender, Professor der Philosophie in Bonn; Dr. Henneberg, Bibliothekar an der Landesbibliothek in Wies- baden ; S. Lamanski, Physiker am physikalischen Centralobser- vatorium in St. Petersburg; Sanitätsrath Dr. Barwinski, In- haber der Wasserheilanstalt in Elgersburg (durch Selbstmord). L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. William Marshall. Katechismus der Zoologie. Zweite Autlage, vollständig neu bearbeitet. Mit 297 Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis geb. 7,50 Mk. Die zweite Au6age des Katechismus ist ein ganz neues Werk. Die erste von Dr. Giebel verfasste Auflage war nur I6V3 Bogen stark und enthielt 124 Abbildungen, die von dem Leipziger Zoo- logen W. Marshall vollständig neu bearbeitete zweite dagegen hat einen Umfang von 38 Bogen und ist mit 297 Illustrationen ausgestattet. Mit Recht hat der Verfasser mit der veralteten. Schablone gebrochen, die Wirbelthiere in den Vordergrund zu rücken. Er beginnt vielmehr mit den einfachsten Organismen, den Protozoen, und steigt von hier aus zu den vollkommeneren Organismen auf. Dr. Karl Buss, Handbuch für Vogelliebhaber. Band I. F r e m d - ländische Stuben vögel. Vierte, von seinem inzwischen ebenfalls verstorbenen Sohne besorgte Auflage. Mit 6 Farben- drucktafeln und 32 Schwarzdrucktafeln. Creutz"sche Verlags- buchhandlung, Magdeburg. — Preis 6,50 Mk. Das „Handbuch für Vogelliobhaber" ist wohl die charak- teristischste Schöpfung Russ'. Noch niemals ist auf so engem Raum eine solche Fülle des Wissens auf dem Gebiet und der stichhaltigsten Rathschläge zusammengetragen, wie in diesem Werke. Die neue Auflage ist in pietätvoller Weise von seinem inzwischen leider ebenfalls verstorbenen Sohne Karl Russ bis auf die Neuzeit ergänzt worden und schildert im Ganzen 909 Arten, die erste Auflage (1870) enthielt 2:;0 Vögel, die zweite beschrieb XV[. Nr. u; Natui'wissens aitli 685 Nummern, die dritte Aiiflape (1887) 820 Arten. Die An- fiaben über Einfuhr, Vogelliiindol, Einkauf, Verpflegung und Züchtung in Käfigen, Volieren und Vogelstuben, Beschreibung der Gesehlechtsverscinedenheiteu, des Nestes, der Eier, des Jugendklcides, der Verfärbung u. a. m. sind durch die neuesten Erfahrungen vermehrt, sodass kein Liebhaber und Pfleger fremd- ländischer Stubenvögel, soweit er seine Pfleglinge ange halten will, dieser besten Belehrungsquelle entrathen ki Dr. Gustav Lindau, Custos am Kgl. botan. Museum und Privat- diK-ent an der Universität Brrlin, Hilfsbuch für das Sammeln parasitischer Pilze mit Berücksichtigung der Nährpflanzen Deutschlands, Oesterreich-Ungarus, Belgiens, der Schweiz und der Niederlande nebst einem Anhang über die Thier- parasiten. Oi^brüilm- Bornträger in Berlin 1901. — Preis geb. 1,70 Mk. Die Herausgabe des sehr leicht in der Tasche transportablen Heftes (es ist in Ausstattung und Grösse ganz dazu eingerichtet) ist eine gute Idee. BeiKenntniss derPteridophyten- und Phanerogamen- Flora Mitteleuropas ist es danach ein ganz leichtes, die parasiti- schen Pilze zu bestimmen und das Heft bildet daher eine treff- liche Grundlage, um in das Studium derselben schnell eindringen zu können. Es ist ein Mittel, das gewaltige Umwege vermeiden hilft. Es werden in alphabetischer Folge die Nährpflanzen auf- geführt und bei diesen die Namen der bisher auf diesen beob- achteten Pilze angegeben. Man hat dann nur noch in einem mit Diagnosen versehenen Werk die paar in Betracht kommenden Pil/.arten zu bestimmen- Wir sind .jetzt doch soweit in das Studium der parasitären Pilze eingedrungen, dass man mit ziem- licher Sicherheit annehmen darf, eine neue Species vor sich zu ii.i-ben, wenn eine dieser Diagnosen nicht stimmen will. Es ist zu erwarten, dass das „Hilfsbuch" die Ursache für eine eingehendere Durchforschung des Gebietes nach parasitären Pilzen bilden wird. H. P. G. Müller, Kartograph der Königl. Landesaufnahme, Specialkarte der Umgegend von Saarbrücken und St. Johann. Maassstab 1 : 7.D OOO 2. AuH. Verlag von Carl Schmidtke in Saarbrücken. Die Karti' ist gut zur (_)rientirung iu dem durch seinen Stein- kiihlenborgb;\u so wichtigen Gebiet geeignet. Sie umfasst ein nicht zu enges Gebiet uui Saarbrücken-St. Johann. Im Nord- westen ist z. B. noch Merzig, im Nordosten St. Wendel, im Süd- westen Falkenberg auf der Karte zu finden. Der Maassstab 1 : 7.5 000 ist bequem für denjenigen, der im Revier zu thun hat, da er vollauf genügt, um auch ganz kleine Ortschaften zu ver- merken Auch die Gruben und Sehächte sind angegeben. R. Roozeboom, Die Bedeutung der Phasenlehre. Vortrag, ge- iialten in di-r Tli Versaiiiiiilung ih'utsclier Naturforscher und Aerztc zu Aachen. S.pfeiulicr i:ino. Mit (J Figuren im Text. Leipzig, W. Kngulniaun, 19ÜU. — Preis 0,bO Mk. Noch verhältnissmässig wenig bekannt ist unter den physi- kalisch und chemisch interessirten Kreisen die in den Jahren 1873 — 1876 von dem Amerikaner Gibbs entdeckte Phasenregel, welche eine einfache mathematische Gleichung zwischen der Zahl der Componenten eines ph3'sikalischen Systems, der Zahl seiner Phasen, d. i. durch physische Trennungsflächen gesonderten Zu- stände, und der Anzahl der Freiheitsgrade des Systems, d. h. der unabhängig veränderlielien Grossen, angiebt. Ve'rl., der einer der eifrigsten Förderer di.'.-er noch einer grossen Entwiekelung fähigen Lehre ist und demnächst ein ausführliches Lehrbuch des- selben verötfentlichen wird, hat nun im vorliegenden Vortrag die vielseitige Bedeutung der Phasenregel namentlich für das Ver- ständniss der physikalisch-chemischen Erscheinungen an der Hand der Erörterung einer Reihe von Beispielen ans Licht zu stellen sich bemüht. Im ersten Abschnitt zeigt er, wie die Regel zur Classification des bisher ziemlich chaotischen Complexes von Gleichgewichten gemischter Systeme dienen kann, im zweiten Abschnitt werden die Existenzgrenzen der Phasen und Phasencomplexe besprochen, im dritten die numerischen Gesetze für gleichartige Phasen- complexe entwickelt und im letzten endlich einige praktische An- wendungen der Phasenlehre angedeutet, unter denen van t'Hoff's Untersuchungen über die Stassfurter Salze und Roberts-Austens und Roozeboom's Studien über Eisen und Stahl obenan stehen. Mit einem hoffnungsfreudigen Blick in die Zukunft ruft Verfasser schliesslich Mitarbeiter an der reichen, hier noch einzubringenden Erntearbeit auf, die freilich nur mit hingebender Beharrlichkeit zu bewältigen sein wird. — Bemerkt sei übrigens, dass der vor- liegende Vortrag durchaus nicht populär genannt werden kann vielmehr eindringende Bekanntschaft mit der Thatsache der physikalischen Chemie voraussetzt, wenn die stets nur kurz an- gedeuteten Schlaglichter voll verstanden werden sollen. F. Kbr. Nochmals über de Lapouge's „L'Aryen". — Ich möchte nicht unterlassen, zu dem Referat des Lapouge'schen Buches auf .Seite 1U2 der „Naturw. Wochenschr." einige Worte zu sagen. — Nach dem Inhalt des Referates muss man annehmen, dass der Referent, Hr. Fritz Gracbner, Philologe ist. Befremdend sind schon die Bemerkungen im Eingang, um auf das bei den Philologen so be- liebte Thema zu kommen : Ob der Kopfindex beweisend für die genetische Verwandtschaft sei? Welcher Anthropologe hat denn eine solche Behauptung in dieser Allgemeinheit aufgestellt? Kein Mensch! Der Kopfindex allein ist natürlich ein ungewisses Kri- terium, und jeder Anthropologe wird vorziehen, die Körpergrösse, die Farben, und möglichst viele sonstige Merkmale zu haben. Wenn er sie aber nicht haben kann, wird er den Kopfindex nicht verachten. In einem Gemenge, in dem nur Rund- und eine Art Langköpfe vorkommen, wie in unserem Deutschland und anderen Ländern Mitteleuropas, kann unter Umständen die Langköpfigkeit direkt beweisend sein. Wir haben beinahe keine anderen Lang- köpfe. In Süditalien ist es anders, auch in Südfrankreich, und selbst in England. Wo mittelländische und nordische Langköpfe in der Kreuzung leben, ist der Kopfindex kein Unterscheidungsmerk- mal. Das braucht uns aber Niemand zu sagen, weil wir es schon " lange genug wissen. — Ganz unzureichend sind die Bemerkungen über Variation. Dass jede Eigenthümlichkeit einen gewissen Variationsspielraum besitzt und besitzen muss, habe ich 1896 in der „Naturw. Wochenschr." in longum et latum erörtert. Am bedenklichsten aber ist der Satz (nahe dem Schluss), „das städtische Leben dürfte wesentlich (!) die Differenzirung, wie der gesammten Körper-, so insbesondere auch der Schädelform be- günstigen, und es sagt gar nichts, dass sich das Gesammtmittel dabei vielleicht (!) etwas nach unten verschiebt." Erstens kommt der niedere Kopfindex schon bei den städtischen Eingewanderten vor, zweitens beträgt bei den Stadtgeborenen der Unterschied nicht „etwas", sondern drei Einheitin. drittens müsste die Varia- bilität der städtischen Schädelformen durch das städtische lieben doch erst bewiesen sein, und viertens kann das Mittel einer Serie nicht so mir nichts dir nichts um drei Einheiten nach unten rücken. Wenn ein Anthropologe solche kühne Behauptungen aufgestellt hätte, mit welchem Nasenrümpfen würden die Herren Sprachgelehrten sich kritisch darüber hergemacht, wie würden sie nach „Beweisen" gerufen haben!!! Was nützt es uns, wenn wir uns alle Mühe geben, durch unanfechtbare mathematische Me- thoden das Uebereinandergreifen der Varianten zweier gemengter Typen zu untersuchen und den Antheil der Typen zu sondern, wie ich es in meiner „Anthropologie der Badener" versucht habe ; die maassgebendsten Kritiker können das nicht verstehen und folglich existirt es nicht. Ich muss bekennen, dass die an de Lapouge geübte Kritik mir ein bedauerlicher Missgrift' zu sein scheint. Otto Ammon. Classen, Geh. Beg.-B. Dir. Prof. Dr. A., Ausgewählte Methoden der analytischen Chemie. 1. Bd. Br.iunseliweig. — 21) Mark. Foerster, Sternw.-Dir. W., u. Dir. E. Blenck, l'o|pul.irr Mit- theilungen zum astronomischen und eliionidogi.selien Tlieile des preussischen Normalkalenders für 1902. Berlin. — 1 Mark. Fritsche, Dir. em. Dr. H., Die Elemente des Erdmagnetismus und ihre säcularen Aenderungen während des Zeitraumes 15.50 bis 1915. Ratzeburg. — 3 Mark. Müller, Herrn., Die Erzgänge des Freiberger Bergrevieres. Leipzig. — G Mark. Peter. Dir. Prof. Dr. A., Botanische Wandtafeln. Taf. 23-30. 23. Solanaceae. — 24. Hippocastanacone. — "25. Borraginaceae. — 26. Compositae. — 27. Caryophyllaceae. — 38. Cyperaceae. 29. Passifloraceae. — 30. Ranunculaceae. Berlin. — 2,50 Mark. Specialkarte, geologische, des Königreich Sachsen. 1 : 25,000. Leipzig. — 3 Mark. Warburg, Prof. E.. Uebcr die kinetische Theorie der Gase. Berlin. — 0,80 Mark. Inhalt: Ford. Dickel: Der gegenwärtige Standpunkt meiner Entwickeluugstheorie der Honigbiene. — Die Vogel der Gross- herzogthümer Mecklenburg. — Postplioeäne Mollusken und Brachiopoden von Spitzbergen. — Die Stellung der Meteorologen zum Wetterschiessen. — Astronomische Spalte. — Wetter Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. William Marshall, Katechismus der Zoologie. — Dr. Karl Kuss. Handbuch für Vogellicbhaber. — Dr. Gustav Lindau, Hilfsbuch für das Sammeln parasitischer Pilze mit Berücksichtigung der Nährpflanzen Deutschlands, Oesterreich-Ungarns, Belgiens, der Schweiz und der Niederlande nebst einem Anhang über die Thierparasiten. — G. Müller, Specialka,rte der Um- gegend von Saarbrücken und St. Johann, — R. Roozeboom, Die Bedeutung der Phasenlehre. — Nochmals über de Lapouge s „L'Aryen". — Liste. 188 Naturwissenschaftliche Woclienschrift. XVI. Nr. 16. Soeben ift crid)icucu: 3ur pfümn itatuiniiWiauunQ. I Dr. Robert Muencke : : Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. X # Technisches Institut für Anfertigungwiasenschaftlicher Apparate « ♦ und Geräthachaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ♦ ^ -#♦♦♦♦♦♦♦»»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ^^cfx*ad^fmt(;eii Dr. S. ^* r 0 u» a j c lt. (Sine önficvd Ufenswate öd)nft. ,s)flllc n. ©. (t>. ^ri)uict|d)hc'|d)cv HcvUi). Ferd. Dümmlers Terlagsbuchhandluiigin Berlin SW.IS. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritiscli uud statistisch uutersuchi vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. vun Richard Hennig. 3li; S.-itf.i () tav. - I'rcis -i.lO Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. | Botaiiisir- Biich.S(.'ii,- Spaten und Stöcke Kalisalzlager Lupen, Pflanzenpressen, Otto Lang. Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. Drahtgitterpressen M. 2,25 und M. 3.- zum ümhg. M. 4,50, mit Druckfedern M. 4,50. - Botanische Lupen 70, 100, 130 Pfg. lUustrirtes Preisverzeichniss frei. Frieclr. GaiizeiiinüUer |fr&.|lMimiilfro|lfrin8obu(l]l)aiibluiiiiiii gfrliii SW. r2,gininifr|tr.t)j^. Qti unferem SScrIage erfcf)ienen : 9tatunuijfcu)rfjaftlif^e S?o(f§Mid)cr* ^fünfte, xei^ illtt|lttcrtc iluffttge. 2)urd)gcicl)cn iinb Bcrtu'üert Dr. $, Uotattte unb Dr. |l» ^«nntg. mit 405 ^Uitftrotioiicii 21 Äcilc in 4 ^i. brotd). 12 iWork, in 4 flcj. fcinrnlib. 16 fllnrk. ^.Jlud) in nnd)[tef)cnben ©ünbcr=';!lu§gaben ju bcäietjen: ®cr Bnfammcntjang bet Sfahtrfrnfte. SBitteruiiggfimbe- S3Iütc unb grud)t. 9?Ql)tungsiuittc[. Seil 1, 174 ©., gb. 1 Wt — ®ie gr= nQt)nmg. S8om §uftintt bct %\ne. Seit 2, 108 ©., geb. 0,60 3Kf. — «näic^ung0troft unb (älcftriäität. Seil 3, 120 © , geb. 0,60 Tit. — S)ie eiettrisität in i^rer Slnmenbimg. Seil 4, 104 ©., geb. 0,60 9Kt. — aSon ben cf|cmi|d)en Stäften unb (Slcftrocftemie. Seil 5, 108 ©., geb. 0,60 m. — et)emie. Seil 6, 79 ©., geb. 0,50 Mt — 9(ngeroanbte e£)emie. »äbcrfunbe. Seil 7, 1 16 ©., geb. 0,60 SOff. — SBom Süter ber Srbe (öeologic). SSon bcr Itmbre^ung ber ®rbe. S)ic ®e= idjwinbigteit beä Sid)t^. Seil 8, 152 ©., geb. 1 SOH. — 5)a^ §ü^nd|en im gi. Sßom §i)pnotigmu§ Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 TOt. - SSon unb Sebcn öon ^Panjc unb Sier. Seil 10, 163 ©., geb. 1 W. — S)a§ ©eifteälcbcn Don Wcnfd) unb Sl)ier. Seil 11, 100 ©., geb. 0,60 TOf. — auf, jene der Milchstrasse erst 5™ später. Dies ist oft so arg, dass ich beispielsweise die ungewöhn- i Um 7^ war das ^ jdiakaliicht bereits gut abstechend lieh günstigen Luftverhältnisse des December (siehe obige ' ""-^ -i......«if o^ i,„ii „i= ,i;« Tabelle) für Mars-Beobachtungen nicht ausnützen konnte, Sonuenfinsterniss vom 28. Mai lÖOO. dass dui'ch den grossen Aufschwung dieser Zeitschrift auch die Existenz der Sternwarte gesichert wird, so hat die Sache doch ihre bedenkliche Kehrseite. Mit der wachsenden Leserzahl haben sich nämlich auch die Corre- spondenz mit diesen und die Arbeiten der Administration dermaassen gesteigert, dass man kühn sagen darf, dass dadurch 90% meiner Zeit in Anspruch genommen werden! Jupiter. 3. Juli 1900 8ii 35iii am 4V,Zöller. Jupiter, 3. Juli 1900 9li5ii weil mich die Arbeiten des Jahrgangswechsels und die Propaganda für Abonnenten und Inserenten ausschliess- lich beschäftigten! Was hätte ich anstatt dessen Nutz- bringendes bei den in ihrer Art einzig dastehenden Ver- hältnissen unserer Insel leisten können, wenn mir nicht durch Unverstand und Böswilligkeit absichtlich die Flügel unterbunden wären ! und doppelt so hell als die den beiden Hunden. Nach 5" keit das Dreifache, um 7'' 10™ bis 8^ blieb. Erst dann nahm Milchstrasse zwischen ' betrag seine Hellig- das Vierfache, wie sie >ie ab, indem sie um gh 45m ,m,. ßoch das Doppelte betrug, um 9^ aber kaum so hell als die Milchstrasse war. Die Venus störte durch ihre Stellung am unteren Rande des Zodiakallichts, dessen Basis ich um 7" 30" zu RA. = 23'> ICy, D. = -+- 10° be- stimmte. XVI. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 191 Am 24. Februar nahm ich das Zodiakallicht erst um 6'' öS"» wahr und die Milchstrasse wieder 5'" später. Um 7h 5m v^-ai- eg doppelt, 1^ 15'" dreimal, um 1^ HO™ vier- mal heller als die Milchstrasse, blieb so bis S*" 15™, nahm danu derart ab, dass es um 8^ 20™ dreimal, um 8^ 30™ zweimal heller, um 8^ 45™ noch gleich hell war. Es er- streckte sich bis zu den Plejaden, also über 60° hoch, wobei die Basi.s, deren Mittelpunkt ich heute zu RA. = 0'', D. = + 5° bestimmte, 25 — 30° breit war. Die Venus störte auch heute. Der Gegenschein war zwischen 7'/'ä und 8V4'' kaum merklich. Am 18. December wurde das Zodiakallicht um 5'' 45™ sichtbar, war 10™ später bereits heller als die Milchstrassc im Schwan, um 6^ 3™ doppelt, um C)^ 15™ dreimal, imi 6h 25™ viermal so hell und bis zum Widder erkennbar. Um 7h war es nur mehr doppelt so hell. Die Beobachtungen vom 20. und 22. December sind vollkommen gleich: um 5'' 45™ zuerst erkennbar, 5™ später Fig. 4. Saturn am 18. August 1900. der Milchstrasse im Schwan gleich, war es um 5^ 55™ bereits heller, um G'' doppelt, um 6'> 10™ dreimal, um ßh 20™ viermal, um ü'' 25™ fünfmal, um G^ 30™ vier- mal, um 6^ 35™ dreimal, um 6^ 45™ doppelt, um 7'> gerade so hell wie die Milchstrasse, um 7^ 15™ schon schwach. Leider hatten meine Bemühungen, das Zodiakallicht photographiren zu lassen, keinen Erfolg. Zwar kam auf meine Einladung hin der Director der Heidelberger Stern- warte, Prof. Dr. Max Wolf, auf eine Woche nach Lussiu, doch traf er es so unglücklich, dass während seiner ganzen Anwesenheit schlechtes Wetter herrschte. Der Mond wurde nur 13 Mal beobachtet (7% Stunden), immer nur zu bestimmten Zwecken, weshalb auch keine neuen Entdeckungen gemacht wurden. Venus wurde 5 Mal beobachtet (3% Stunden), aber nur einmal eine Skizze gemacht. Mars wurde nur ein einziges Mal beobachtet, ge- zeichnet und gemessen. Die lieobachtung zeigte mir einen See, der vielleicht mit meinem Lacus C er au n ins identisch sein könnte und nach der Zeichnung unter X = 97° und j3 = + 23° liegen würde. Ausserdem sah ich noch einige der von mir in den Vorjahren entdeckten Kanäle (Fatua, Feronia, Najade, Porphyrion). Die Messung des Polardurchmessers ergab 9"68, wovon 1"28 auf den Polarfleek, 1"06 auf das angrenzende Polarmeer entfielen. Jupiter beobachtete ich 44 Mal (41 V2 Stunden), wobei ich 32 Zeichnungen und zwei Skizzen aufnahm, von denen zwei hier wiedergegeben sind. (Fig. 2 und 3.) Bei letzteren ist es interessant, zu vergleichen, wie sich der Planet bei wenig günstiger Luft (4) in zwei ver- schiedenen Fernrohren darstellte. Da der Zeitunterschied zwischen beiden nur % Stunden betrug, sind auf der zweiten Zeichnung noch alle Olijekte, wenn auch durch die Rotation verschoben, sichtbar, nur deutlicher und in grösserer Anzahl, aber immerbin wird jeder .Jupiter- Beobachter stauneu müssen, wie viel der langbrennweitige Vierzöller bei uns zu zeigen vermag. Was das Resultat der Beobachtungen betrifft, so werde ich es wieder in den „Denkschriften der Kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften" veröffentlichen. Saturn wurde wegen seines tiefen Standes am Hori- zont, der selten ruhige Bilder gestattete, nur ä Mal beob- achtet (2^4 Stunden), und dabei 4 Zeichnungen aufge- nommen, von denen eine hier reproducirt ist. (Fig. 4.) Sterne beobachtete ich 36 Mal (38V4 Stunden), theil- weise zu Messungen, Nebelfiecke und Sternhaufen 51 Mal (14^/4 Stunden), hauptsächlich wegen meines im Herbste erscheinenden Werkes „Beobachtungsobjekte für Amateur-Astronomen", das grösstentheils auf Autopsie be- ruhen soll. Nach Kometen suchte ich 4 Mal (14'/2 Stunden), aber ohne Erfolg. Feuerkugeln beobachtete ich nur zwei. Veröffentlichungen. Im Jahre 1900 schrieb ich folgende wissenschaftliche Abhandlungen und Berichte: Donkschrif teil der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften. Wien. LXX. Jupiter-Beobachtungen auf der Manora-Steriiwarte 1890 bis 1898. (Mit 7 Farbendrncktafeln.) Astronoiuisclie Nach rieh tten. Kiel. No. 3(jl4. lieber Sterne im Ringnebel in der Leier. (Mit Bild.) Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Berlin. No. 13. Thätigkeit der Mauora Sternwarte im Jahre 1899. (Mit 28. Bildern.) Bulletin de la Societe beige d'Astronomie. Brüssel. No. 2. Observations de Saturne faites ä l'observatoire Manora en 1898. (Mit 4 Bildern.) „ 11. La lurai^re zodiacale. (Mit 1 Fig.) Astronomische Rundschau. Lussinpiccolo. No. 11. Saturn-Beobachtungen auf der Manora-Sternwarte 1899. (Mit 5 Bildern.) Visuelle und photographische Helligkeit der Sterne. (Mit 2 Bildern.) Der Ringnebel in der Leier. (Mit 2 Bildern.) Hendrieus van de Sande Bakhuyzeu. (Mit Bild.) Sonnenflecke. Die Leoniden. Feuerkugeln. 12. Warum die Leoniden ausblieben. Der Ringnebel in der Leier. (Mit 2 Bildern.) James Keeler. (Mit Bild.) Eine glückliche Sternwarte. Ausländische Mäcene. Spenden. . 13. Neue Nebelflecke. (Mit Bild.) John Thoine. (Mit Bild.) Messungen der Jupiter-Monde. Neues Jahrhundort — neue Zeitrechnung. „ 14. Photographien der Milchstrasse. (Mit 2 Bildern.) „ l.T. Eine E.xpedition mit Hindernissen. Cliarles Young. (Mit Bild.) Pariser Ausstelluugsfernrohr. Zur Sonnenfinsterniss vom 28. Mai 1900. „ 16. Unsere Sonnenfinsteruiss-E,xpedition. Umdrehungszeit der Venus. Ueber das Zodiakallicht nach den Bcobachtuiigon auf der Manora-Sternwarte. (Mit Bild.) Die photographische Himmelskarte. (Mit Bild.) Dimitrius Eginitis. (Mit Bild.) Todesfälle. 11—17 Ueber die Marsbeobachtungen auf der Lowcll-Stern- warte 1894—95. (Mit 11 Bildern.) 192 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. li No. 17. „ n- „ 17. Sonnenfinstcrnissbeobachtungin Algier 1900. (MitSBililern.) 18. Meine Marshypotlu-se und ihre Gegner. Die Definition eines langbrennweitigen Refractors. (Mit 3 Bildern.) Edward Holden. (Mit Bild.) Falscher Sirius-Begleiter, Blendgläser. Schiaparelli's Jubiläum. Spectroskopische Doppelsterne. Eine Fata Morgana. (Mit Bild.) Facta loquuntur! Ueber unsere Sonnenfinsternisä-E.\pcdit.ion. (Mit:! Bildern.) Die letzten Saturn-Bedeckungen. (Mit Bild.) 11, 18, 19. Bücherschau. Photographie eines explodirenden Meteors. Meteor. Cordoba Photographs. Todesfälle. Merkwürdige Sonnensysteme. -20. Venusbeobachtungen 1894-1898 auf dt Sternwarte. (Mit 83 Bildern.) 14, 17, 18, 20. Heiteres. Saturn-Beobachtungen auf der Manora-Stern (Mit 4 Bildern.) Neuerliche Veränderungen auf dem Munde Resultate der Sonnenfinsterniss vom 28. M ■A Bildern.) Der Himmelkarten-Congress. Photographien von Planeten, Kometen und Nebelflecken. (Mit 5 Bildern.) Mondphotographie. (Mit Bild). Jupiter. Photographisches Fernrohr der Sternwarte Cambridge. (Mit Bild.) Dunkle Sonnen. (Mit Bild.) (Ausser diesen Originalarbeiten noch 205 Abhandlungen und Notizen, die ich aus fremden Zeitschriften übersetzte.) Ma 191 K (Mit im iqu( de Fr Paris. Bulletin de la Socicte astro No. 6. Les yeux des astronomes. English Mechanic and World of Science. London. No. 1821. Work of the Manora Observatory in 1899. Da ich ausser diesen 276 wissenschaftliehen Arbeiten auch noch 24 popuiärastronoraische in 13 Zeitschriften schrieb, so erklärt sich die magere wissenschaftliche Aus- beute des abgelaufenen Jahres von selbst. Um in der Astronomie, namentlich im Beobachten von Planeten Erfolge zu erzielen, ist in erster Linie erforderlich, dass der Beobachter sich seiner Aufgabe voll und ganz hingebe. So lange ich im Staude war, bestimmte Planeten Monate lang Tag für Tag bis 14 Stunden lang zu beobachten, wurde ich für meine Mühe durch Erfolge belohnt, die mir die Anerkennung der berufensten Vertreter der Astronomie eintrugen, trotzdem unsere Stern- warte in ihrer bescheidenen Ausrüstung neben den reich aus- gerüsteten und gut dotirteu grossen Sternwarten sich recht mesquiu ausnahm. Zu welchen Resultaten kann man aber gelangen, wenn mau die besten Momente wegen Zeitmangels oder völliger Erschöpfung und geistiger Ab- spannung nicht ausnützen kann, oder eine glücklich be- gonnene Beobachtungsreihe mitten abbrechen muss, weil andere gebieterische Pflichten die Weiterbeobacbtung nicht gestatten! Da heisst es: entweder oder! Entweder der Beobachter wird in den Stand gesetzt, sich seinen Forschungen ohne andere Sorgen zu widmen, oder man darf von iimi keine Erfolge erwarten. Dies der Grund, weshalb ich mich in den letzten Jahren bemühte, in irgend einer Weise die finanzielle Siclierung unserer Sternwarte zu erlangen. Ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, dass mir dies noch gelingen werde, da glück- licherweise auch der unfähigste Minister einmal gegangen wird, und so kann es ja auch in Oesterreich einma.1 ein glücklicher Zufall wollen, dass wir einen Unterrichts- minister bekommen, der ausser für secessionistische Bilder auch für Wissenschaft Sinn und Verständniss hat. So- bald dann unsere Sternwarte gesichert ist und ich wieder ungestört ausschliesslich beobachten kann, werde ich wohl auch in meinen weiteren Jahresberichten wieder von solchen Erfolgen berichten können, wie in meinen ersten. Arbeitsprogramm für 1901. Für heuer haben wir eine Expedition nach Sumatra zur Beobachtung der dortigen Sonnenfinsterniss geplant, um die Wittgenstein- spende würdig zu verwenden. Sonst werde ich wohl ausser gelegentlichen Beobachtungen von Mars, Jupiter und Saturn kaum zu nennenswerther wissenschaftlicher Thätigkeit kommen, weil ich, abgesehen von der mir durch die „Astron. Rundschau" aufgebürdeten Arbeitslast, contractlich zum Schreiben eines Werkes gezwungen bin. Die Düngung der Obstbäume. Von L. Herrmann in Oelsnitz im Vogtland. In Nummer 44 des vorigen Jahrganges wurde dar- gethan, wie seit mehr als fünfzig Jahren die Naturwissen- schaften bemüht sind, ihre Forschungen in den Dienst der Landwirthschalt zu stellen und speziell darnach streben, Methoden zu finden, nach denen die Düngerbedürftigkeit des Bodens festgestellt werden kann. In einzelnen Gegen- den Deutschlands sind für die grossen Güter bereits Bewirth- schaftungsplänc aufgestellt worden, in denen angegeben ist, für welche Culturpfianzen die einzelnen Schläge sich am besten eignen. Es kommt hierbei in Betracht die verfügbare Wasseruienge während der Vegetationsperiode und der Gehalt des Bodens an Kalk, Stickstoff, Phos- phorsäurc und Kali. In anderen Gegenden hat man noch keine Ahnung von diesen Bestrebungen. Wo der Boden auf weiten Strecken von gleicher pctrographischer Be- schaffenheit ist, da kommt man mit der Bodenuntersuchung bald vorwärts, aber wo alles so durcheinandergeworfen ist wie z. B. im Vogtlande, da ist die Sache langwierig. Im Vogtlande wechselt zuweilen das Gestein auf einem kleinen Gute 6 und noch mehrmals, und alles Düngen nützt nichts, wenn es während der Vegetationszeit der Cultur- ge wachse nicht häufig regnet; denn der Boden ist zu durchlässig. Die an vielen Orten Deutschlands angestellten Feld- düngungs- und Vegetationsversuche erstreckten sich anfangs nur auf Getreide, Kartoffeln, Klee, Gras, Kraut und Rüben, aber neuerdings hat man auch angefangen, DUngungs- versuche mit Obstbäumen und Gemüsen vorzunehmen. Die letzteren Versuche liegen den Lesern der Naturwissen- schaftlichen Wochenschrift näher als erstere, weil sie eher Gelegenheit haben aus den Düugungsversuchen mit Obst- bäumen und Gemüsen praktischen Nutzen zu ziehen. Bei der Landwirthschaft treibt übrigens öfters mehr die Noth als die Einsicht die Leute vorwärts. Man sieht jetzt z. B. überall so viele landwirthschaftliche Maschinen im Gebrauch, zu deren Anschaffung der Mangel an land- wirthschaftlichen Arbeitern nöthigte. Dagegen hat die Anwendung von Kunstdünger so sehr zugenommen, weil XVI. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 193 jeder die gros.sen Erfolge sieht. Doch bedarf es zur zvveckraäs.sigen Anwendung des letzteren noch visler Ver- suche und der Belehrungen, weil z. B. die einseitige An- wendung von Chilisalpeter Lagerfrucht erzeugt, die gleich- zeitige Benutzung (das Kali wird im Herbst oder im zeitigen Fridijahr gestreut, der Chilisalpeter vor und nach der Aussaat) von Kali dies verhindert. Sehr be- achteusvverthe Winke über Obstbaumzucht hat Dr. Steglich in Dresden, der Direktor des botanischen Gartens, in den sächsischen Obstbauvereins- Versammlungen gegeben und besonders auf die Grösse der Baumlöcher und die Nahrung, die man ihnen gleich in die Pflanzlöcher geben nniss, weil sie sich dieselbe nicht selbst holen können, hin- gewiesen. Wir wollen aber jetzt nur die alljährliche Düngung in Betracht ziehen. Vielfach bleiben noch die Obstbäume ganz ohne Düngung. Mau hat also vielfach noch nicht erkannt, dass man dem Obstbaum eine gewisse Menge Dünger gleich mit ins Pflanzloch geben und auch später von Zeit zu Zeit die verbrauchten Stoffe durch Zuführung von Dünger ersetzen muss. Wenn dann die Obstbäume zu- weilen Jahre lang ohne äussere Veranlassung nicht tragen, brauchen wir uns nicht zu wundern. Man sagt sich ein- fach: Wenn der Obstbaum einige Jahre getragen hat, so muss er erst wieder ein Jahr oder auch mehrere Jahre ruhen, um sich zu erholen. Es muss ihm der Boden erst wieder die erforderlichen Nährstoffe bieten, ehe wieder Früchte zur Ausbildung gelangen können. Diese Ansicht ist richtig, wenn man nichts vom Düngen der Obstbäume weiss. Wird aber ein Baum, der selbst sehr viele Früchte in einem Jahre hervorgebracht hat, rechtzeitig und richtig gedüngt, so liegt kein Grund vor, warum er nicht auch in den folgenden Jahren wieder gute Ernten geben soll. Es lassen sich aus der Praxis genügende Beispiele dafür anführen, dass richtig gedüngte Bäume viele Jahre hinter- einander reiche Erträge brachten und nur dann aussetzten, wenn der Grund dafür in anderen Umständen (ungünstige Witterung zur Blüthezeit, thierische und pflanzliche Feinde) zu suchen war. Der Obstbaum braucht zum Wachsen, wie jede andere Pflanze, Wärme, Sonnenlicht, Wasser und eine Anzahl Stoffe, die er durch die Blätter aus der Luft und durch die Wurzeln aus dem Boden aufnimmt. Es sind folgende Elemente, die er zu seiner Ernährung braucht: Kohlen- stoft', Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phos- phor, Calium, Calcium, Magnesium und Eisen. Ist nur einer dieser Stoffe nicht in genügender Menge vorhanden, so kann der Baum nicht zu vollkommener Ausbildung ge- langen. Der grössere Theil der Stoffe ist überall in ge- nügender Menge vorhanden, aber es giebt Bodenarten, denen eine Zufuhr von Stickstoff, Kalium, Phosphor und Calcium nöthig ist. Geben wir gleich näher an, wie letztere Stoffe auf die Pflanzen einwirken. Der Stickstoff übt eine anregende Wirkung auf die Blätter und das Holz aus. Erstere werden gross und dunkelgrün, und die Früchte erlangen eine vollkommenere Ausbildung und schöne Fär- bung. Die Phosphorsäure begünstigt die Fruchtbarkeit des Baumes, den Blüthen- und Fruchtansatz. Das Kali ist der Hauptdünger zur Erzeugung eines kräftigen Wuchses und reicher Tragbarkeit. Hartes, festes Holz, Widerstands- fähigkeit des Baumes gegen Frost und Krankheiten aller Art werden durch die Kalidüngung erzielt. Reichlich an- gewandte Kalimengen erhöhen das Aroma und die Fär- bung der Früchte. Der Kalk erzeugt in Verbindung mit dem Kali festes, widerstandsfähiges Holz und übt auf die Ausbildung der Früchte und deren Zuckergehalt einen günstigen Einfluss aus. Auch spielt er bei der Steinbil- dung der Früchte eine wichtige Rolle. Bei der natür- lichen Düngung kommen in Betracht der Stalldünger, der Kompost und die Jauche. Der Stalldüuger enthält alle Nährstoffe, die die Pflanze zum Aufbau nöthig hat. Ein Wagen frischer Stalldünger (20 Centner) enthält 2 Kilo Phosphorsäure, 4 Kilo Stickstoff, 5 Kilo Kali und 4'/o Kilo Kalk. Indessen ist beim Stalldünger der verbessernde Einfluss auf die physikalische Beschaffenheit des Bodens in erster Linie wichtig. Ein schwerer, kalter Boden wird durch ihn lockerer und wärmer, ein leichter, trockener Boden bindiger und feuchter. Er ist also für die schweren und leichten Bodenarten von besonderer Bedeutung. Für ältere Obstbäume ist er nicht zu empfehlen, weil man ihn schwer in den Boden bringt. Da er verhältnissmässig wenig Nährstoffe enthält, so müssten grosse Mengen des- selben dem Boden zugeführt werden, über die man gar nicht verfügt. Kompost eignet sich besonders für junge Bäume, denen man beim Anwachsen leichtlösliche Nähr- stoffe geben will. Die Jauche kommt bei den Obstbäumen besser zur Ausnutzung als der Stalldünger und der Kom- post, weil sie in flüssiger Form zur Anwendung konnnt, doch wirkt sie nicht physikalisch verbessernd, und ihre Zusammensetzung entspricht nicht dem Nährstoffbedürfniss der Obstbäume. Ihr müssen phosphorhaltige Nährstoffe zugesetzt werden. Sehr geeignet ist von den künstlichen Düngemitteln der Chilisalpeter (Stickstoff"gehalt 15—16 %) für die Düngung der Obstbäume. Da die Wurzeln lief gehen, so wird auch der Chilisalpeter verbraucht, der weit in den Boden hinabsickert. Wir dürfen darum diesen Dünger bei den Obstbäumen schon im Winter und auf schweren Bodenarten schon im Herbst anwenden. Die Entwickelung der Obstbäume beginnt schon im Februar. Wir sollen darum bei der Düngung dafür sorgen, dass zu dieser Zeit den Wurzeln die Nährstoffe in aafnehmbarer Form zur Verfügung stehen, Im Winter sind die Bäume mit Chilisalpeter zu düngen, und im Frühjahr ist diese Düngung zu wiederholen. Im Sommer ist die Chiiisal- peterdüngung nicht zu empfehlen, weil das Wachsthum des Baumes zu lange in den Herbst hinein dauern könnte und das Holz im Winter leicht erfrieren würde. Besser als Superphosphat, das übrigens schnell wirkt, ist das Thomasmehl, weil die Phosphorsäure des letzteren länger nachwirkt und auch billiger ist. Thomasschlaeke ist besonders beim Pflanzen der Obstbäume zu verwenden, weil die Phosphorsäure sieh allmählich löst. Wegen des Kalkgehalts der Thomasschlacke ist sie besonders auf kalkarmem Boden zu verwenden. Von den Kalisalzen sind Chlorkalium, schwefelsaures Kali, schwefelsaure Magnesia und das Kalidüngesalz (mit 40 7oigem Kah) zur Düngung der Obstbäume zu ver- wenden. Das Kalkbedürfniss der Obstbäume ist ein ver- schiedenes. Der Apfelbaum braucht mehr Kalk als der Birnbaum und der Kirschbaum mehr als die anderen Stein- obstbäume. Der Kalk macht überdies den kalten, schweren Boden lockerer und wärmer und beschleunigt die chemische Zersetzung des Bodens, die Nährstoffe der Gesteine werden aufgeschlossen und schädliche Verbindungen und Säuren im Boden unschädlich gemacht. Ueber die Menge des zu verwendenden Düngers werden später Angaben gemacht. Die künstlichen Düngemittel kann man billig von grösseren Landwirthen oder landwirthschaftlichen Genosseusehaften bekommen, die sie in Wagenladungen beziehen. Bei Pflaumen, Sauerkirschen und Zwergbäumen ge- nügt es, den flüssigen Dünger einfach auf die Erde unter die Bäume zu giessen, den festen auf die Erde zu streuen und leicht einzuhacken oder einzugraben. Bei Aepfel, Birnen- und Süsskirschbäumen dagegen müssen Gräben, Gruben oder einzelne Löcher gemacht werden, in die man den Dünger bringt, so dass er in die Nähe der tiefer im Boden befindlichen Wurzeln gelangen kann. Auf Lehm- Naturwissenschaftliche Wochensclirift. XYl. Nr. 17. und Thonboden sind die Löcher tiefer zu macheu als auf Sandboden. Die Tiefe der Löcher schwankt zwischen •20—80 cm. Wieviel die Obstbäume Dünger bekommen sollen, ist deshalb nicht gut allgemein zu sagen, weil sich die Dünger- menge sowohl nach der Grösse der Obstbäume, als auch nach der Entfernung der einzelnen Bäume richten muss. Wo die Obstbäume einen geschlossenen Stand bilden, giebt man auf den Acker im Herbst oder Winter 4 — 6 Centner Thomasmehl, im Winter oder Frühjahr 2 — 3 Ctr. Chlorkalium oder 2 Centner 40 procentiges Kalidüngesalz und im Winter oder Frühjahr 2—6 Centner Chilisalpeter. Auf 1 Ar (100 qm) giebt man demnach den 50. Theil, also 4 — 6 kg Thomasmehl, 2 — 3 kg Chlorkalium oder 2 kg 40 procentiges Kalidüngesalz und 2—6 kg Chilisalpeter. Wer Jauche zur Düngung der Obstbäume verwenden will, fügt zu 5 kg derselben noch Phosphorsäure. Bei Verwendung des Abortdüngers ist Holzasche oder Kali- düngesalz hinzuzufügen. Die eine Hälfte des Chili- salpeters giebt man im Herbst oder im Winter mit beim Streuen von Kali und Thomasmehl. Der Stall- dünger kommt kaum in Frage, weil man zu bedeutende Mengen dazu brauchte. Wollen wir einzeln stehende Obst- bäume düngen, so ist dabei in Erwägung zu ziehen, dass die Wurzeln nicht etwa bloss so weit hinausragen als die Krone; denn die Krone bleibt in ihrer Ausbreitung wegen des Beschneidens hinter den Wurzeln zurück. Man muss darum einen Kreis düngen, der 1 — 3 m über die Krone liinausgeht. Thatsache ist sodann, dass sich auf einem mageren Boden die Wurzeln weiter ausbreiten als auf einem guten; sie müssen hinausgreifen, um die nöthige Nahrung zu haben. Man sieht aus dieser Thatsache, dass auch ein Obstbaum sich zu helfen sucht, wenn man ihn zu kümmerlich gestellt hat. Es sind Fälle bekannt, dass die Krone einen Durchmesser von 5 m, das Wurzelnetz aber einen solchen von 12 m hatte. Nur bei Birnbäumen ragt das Wurzelsystem nicht weit über die Krone hinaus. Hat man mit dem einen oder dem anderen Dünge- mittel oder mit einer Mischung gedüngt, so muss man die Wirkungen beobachten. Treiben die Bäume in Folge der Düngung zu stark ins Holz, so lässt man künftig das stickstofthaltige Düngemittel ganz oder theilweise weg. Wollen wir die Fruchtbarkeit erhöhen, so geben wir viel Kali und Thomasmehl, aber weniger Stickstotf (Jauche, Stallmist oder Cbilisalpeter). Um den Holztrieb zu kräf- tigen, giebt man mehr Kali und Stickstoff". Ein Baum, der reichlich trägt, muss gut gedüngt werden. Li Jahren mit reichem Fruchtansatz versäume man nicht, neben der im Winter gegebenen Düngung von Kali und Thomasmehl die Chilisalpetergabe zu erhöhen, und zwar bis Anfang Juni, damit sich die einzelnen Früchte gut entwickeln und die Zahl derselben nicht durch frühzeitiges Abtallen vermindert wird. Ferner lasse mau es in der Trocken- heit nicht an Wasser fehlen, weil durch das Begiessen ebenfalls das Abfallen der Früchte verhindert wird. Kalk giebt man im Herbst oder im Winter, auf den Acker 10 bis 20 Centner, auf den Ar also 10 — 20 kg Fügen wir schliesslich noch die Berechnung der Düngergaben für einen Baum hinzu. Die Krone eines Apfelbaumes habe 8 Metei' Durchmesser. Da sich die Wurzeln noch weiter ausbreiten, so füge ich noch 2 m hinzu, erhalte also 10 m Durchmesser. Der Halbmesser ist also 5 m. 5 • 5 = 25 + 3,14 oder einfach mit 3=75. Die zu düngende Fläche beträgt mithin 75 qm. Wenn auf 1 qm 50 g Tiiomasmehl, 40 g Chilisalpeter, 30 g Chlor- kalium und 200 g Kalk zu geben sind, so sind diese Zahlen mit 75 zu multipliciren. Der Baum bekommt also 3,75 kg Thomasmehl, 3 kg Chilisalpeter, 2,25 kg Chlor kalium und 150 kg Kalk. Bei einem Düngungsversuch mit jungen Kirschl)äumen im Harz brachte ein unge- düngter, kleiner Baum 2100 g Früchte, ein mit 1512 g Thomasmehl und 700 g Chlorkalium gedüngter 34(X) g Früchte und ein mit ]ö"l2 g Thomasmehl, 700 g Chh)r- kalium und 665 g Cbilisalpeter gedüngter Baum 4100 g Kirschen. Der Kie.seiigorillii des MiLseum Umlauff in Ham- burg. — Der von dem genannten Museum ausge- stellte Gorilla ist das grösste Exemplar, das von einem Weissen erlegt wurde. Kein Museum des In- und Aus- landes besitzt ein Stück von ähnlichen Dimensionen. Der Gorilla ist auf deutschem Gebiete, nämlich in Vaunde, im Hinterlande von Kamerun, von einem deutschen Jäger, dem Herrn H. Paschen aus Schwerin erlegt worden. Herr P. war vor drei Jahren als Vertreter eines Hamburger Westafrika-Hauses nach Kamerun gegangen. Sein Wii'kungskreis lag in dem 15 Tagereisen von der Küste entfernten Vaunde. Schon auf der Hinreise hatte ihn der Wildreichthum dieses Gebietes, das noch nicht von Nimrods verwüstet ist, in Erstaunen gesetzt. Wie den meisten Europäern war ihm bald die Jagd das einzigste Vergnügen und die einzige Entschädigung für all die grösseren und kleineren Entbehrungen, die das Leben drüben fordert. Dass er als seltenstes Jagdstück einen Gorilla heim- bringen würde, das hatte er sich nicht träumen lassen. Der Gorilla konnnt sonst in dem Gebirgs und Hochland von Kamerun gar nicht vor. Seine jetzige Heimath be- schränkt sich auf das sumpfige, dicht bewaldete Tiefland nördlich vom Congo. Hier in den ewig fiebersehwaugcren Sum|iflandschaften des untei'en Ogowe und Gabun fühlt er sich vor den Nachstellungen des Menschen sieher. Während der Chimpanse, sein naher \'eiwandter, in der Nähe kleiner Steppen truppenweise haust, lebt der Gorilla nach den Aussagen der Eingeborenen einzeln oder in Familien in dem düsteren Zwielicht des undurchdring- lichen Urwalds. Auch die Neger bekommen ihn nur sel- ten zu Gesicht, auch für sie ist der Ndschina oder Mpungu, wie sie ihn nennen, eine Seltenheit. Er ist ihnen mehr ein böser Dämon als ein Affe, und ihre lebhafte Phantasie spinnt um ihn eine Menge Märchen und Sagen. Auch über seine Lebensweise wissen die Eingeborenen nicht viel Bestimmtes. Dass er Frauen rauben sollte, wie auch die Schilderungen von seiner Kraft und Wildheit war man geneigt, für Uebertreibungen zu halten. Man urtheiltc eben nach den Jammergestalten, die als junge Thiere in unseren Zoologischen Gärten ein klägliches Sehein- dasein führen, oder nach den ausgestopften Karikaturen unserer Museen. Wenn man die Riesengestalt unseres Gorillas betrachtet, wird man die Möglichkeit, dass er Flintenläufe zu zerbrechen vermag, schon zugeben müssen. Von europäischen Reisenden, die sich mit dem Gorilla beschäftigen, haben nur die wenigsten das Thier selbst beobachtet, noch weniger ihn erlegt. Die Meisten geben in ihren Schilderungen nur wieder, was sie von den Schwarzen erfragt haben. Kein Wunder auch! Ist es schon den Eingeborenen schwer, den Gorilla in seinen Schlupfwinkeln aufzusuchen, so ist es für den Europäer wirklich gefahrvoll, denn er muss sein Leben rein aufs Spiel setzen, will er dem ewig wandernden, keinen festen XVI. Nr. 17. Naturwissenscliaftliche Wocliensclii-ift. Stand einhaltenden Gorilla tagelang in diesen sumpfigen Fiebergegenden nachstellen. Bei der Erlegung unseres Gorilla spielte, wie so oft auf der Jagd, Glück und Zufall eine grosse Rolle. Lassen wir den Jäger selbst erzählen. „Es war am Morgen des 13. April (1900)", so schreibt er, „da kamen eine Anzahl Eingeborene aus dem benachbarten Tsonu town zu mir auf die Faktorei und meldeten, ein big monkey — ein mächtig grosser Affe — halte sich nicht gar weit von meiner Be- hausung auf. Da ich nur zu oft die Erfahrung gemacht hatte, dass die Schwarzen ins Un- gemessene übertreiben, schenkte ich fürs Erste der Meldung weiter keine Beachtung. Ich Hess mich also in meiner Arbeit nicht stören und hiess die Leute gehen. Ich hatte nie von dem Vorkommen eines Gorillas in unserer Gegend gehört, ich konnte also gar nicht auf den Gedanken kommen, dass es sich um einen solchen Urmenschen handelte. Ich sollte aber bald aus meiner Gleichgültigkeit auf- gerüttelt werden. Es währte nicht lange, da erschien ein zweiter grösserer Haufen von un- gefähr 30 Eingeborenen. Sie waren alle be- waffnet, die einen mit alten Steinschlossflinten, die anderen mit Speeren, Aexten u. dergl. Ihre Aufgeregtheit und ihre lauten, von wilden und eifrigen Gesticulationen begleiteten Reden, aus denen immer wieder das „big monkey" herausklang, mussten mich endlich überzeugen, dass es sich denn doch um etwas Ausser- gewöhnliches handelte. Ich langte also meinen Carabiner, Modell 71, herab und folgte der GesellschaCt. Ein Marsch von kaum 15 Minuten brachte uns an einen dichten Busch mit sumpfigem Untergrund, der sieb längs eines kleinen Flusslaufes hin- zog. Da drinnen sollte sich nach Angabe der Leute das üngethüm aufhalten. Nachdem ich mich rasch schuss- fertig gemacht, hiess ich die Sehwarzen das verhältnissmässig kleine Terrain umzingeln ; durch Abgabe blinder Schüsse sollten sie dann versuchen, den Affen aus seinem Versteck herauszutreiben. Eine Zeit lang blieb alles ruhig im Busch, erst als das Knallen der Gewehre immer toller, das Geschrei der Ein- geborenen immer ohren- betäubender wurde, mochte ihm die Ge- schichte unheimlich wer- den. Plötzlich tauchte eine Riesengestalt auf, um wie ein Schatten rasch wieder zu ver- schwinden. Ich konnte nur bemerken, wie er einen alleinstehenden Der erlegte Gorilla in sitzender Stellung. Der Gorilla während des Kastens in Tsonu-town. Natuiwissenscliaftliche Wochenscha'ift. XVl. Nr. 17. mäcliii^en Bauunvüllljaiiui zu i^evviuncn .suchte und den- selbeu blitzscbuell erkletterte. In der dichten Krone des- selben schien er sich wohl vor jeder Verfolgung sicher zu wähnen uud die Schwarzen hätten ihm wohl auch schwerlich mit ihren Stcinschlossflinten etwas anhaben können. Der Lärm verstummte nun auf mein Geheiss, uud meine Begleiter mussten sich in grösserer Entfernung von dem Baume halten, ich fürchtete, sie würden ihn weiter scheuchen. Dann bahnte ich mit meinem Busch- Der aufgestellte Gorilla. mcsser einen Weg durchs Gestrüpp bis dicht an den Stamm des Baumes. Neugierig gemacht durch dieses Geräusch, lugte der Gorilla durch eine Lücke in dem schützenden Laubdaclie. Dies war sein Verderben, denn im selben Augeiiljlicke erhielt er auch schon meine Kugel. Es war ein guter Scliuss! Wie die spätere Untersuchung ergab, hatte die Kugel den rechten Unterkiefer zer- schmettert und die Gaumenwand durchschlagen. Der Affe stürzte kopfüber herab, klammerte sich aber im Fallen nochmals an den Aestcn fest. Nach dem sofort abgegebenen zweiten Schusse hatte ich jedoch kaum Zeit, meinen Stand zu verlassen und auf die Seite zu springen, als auch schon unter dem Brechen und Krachen der Aeste zum grossen Jubel der Schwarzen die schwere Masse zu meinen Füssen niedersauste. Vor mir lag ein gefäl'ter Riese, noch im Tode furchtbar! Auch die Eingeborenen standen unter diesem Eindruck, sie wollten sich anfangs garnicht hei-angetrauen, erst als ich auf das gefürchtete üugeiieuer trat uud ihnen so den Beweis gab, dass es völlig todt und unschädlich sei, wagten sie sich näher. Alle waren über die Grösse und Massigkeit des Körpers erstaunt. Die sofort vorgenommene Messung ergab vom Scheitel bis zur mittelsten Zehe eine Länge von 2 Metern 7 cm uud von Mittelfinger zu Mittelfinger eine Spannweite der Arme von 2,80 Metern. Das Gewicht des Thieres schätzte ich auf 50O Pfund, leider fand ich keine Gelegenheit, dasselbe genau festzustellen. Der erbeutete Gorilla war aber nicht nur ein Riese, sondern auch ein Prachtexemplar seiner Art. Während nach den Schilderungen der verschiedenen Beobachter bei alten, ausge- wachsenen Stücken sonst das Fell sehr ab- gescheuert und unscheinbar ist uud die raub- thierartigen Eckzähne abgebissen sind, zeigte sich bei meinem Exemplar das ganze Haar- kleid prächtig entwickelt und das Gebiss tadel- los erhalten. Herr Paschen Hess nun den erlegten Gorilla an einen starken Baumast binden und von 12 Männern nach der zum Glück nicht weit entfernten Faktorei transportiren. Dort machte er vor allem mehrere photographische Auf- nalimen, die sich für die Modellirung und Auf- stellung des Balges von grossem Nutzen er- wiesen, sie finden sich hier reproducirt. Nach der photographischen Aufnahme Hess Herr Paschen den Gorilla unter seiner Aufsicht abbalgeu und skelettiren. Für diese Arbeit, die verhältnissmässig gut gelang, wie auch für die Benachrichtigung wurden die Leute entsprechend belohnt, auch fiel ihnen als An- theil an der Beute das Fleisch des Gorilla zu. Der Genuss des Gorillafleisches ist aber nur den alten Leuten gestattet. Es hängt diese Sitte mit abergläubischen Vorstellungen der Neger zusammen nach denen der Gorilla ein böser Walddämon, ein entarteter Mensch ist und von früher ausgestossenen Stammesge- genossen abstammt. Uebcr das ungewöhnliche Vorkommen des Gorilla äusserte sich der Häuptling von Tsonutown dahin, dass sich derselbe wohl aus dem ürwaldgebiete am Niongflussc auf seinen Wanderungen in diesen verhältnissmässig dicht bevölkerten Distriet verirrt habe. Er mochte schon tagelang von den Eingeborenen der verschiedenen Dörfer gejagt und gehetzt worden sein, ohne dass sie mit ihren primitiven Waffen etwas gegen ihn ausrichteten. Ein Glück war es, dass der erlegte Gorilla nicht weit transportirt werden musste und dass sofort mit dem Abbalgen begonnen werden konnte, denn in der feucht- warmen Atmosphäre der tropischen Wälder beginnt die Zersetzung uud Fäulniss schon in wenigen Stunden sich bemerkbar zu machen, sodass oft schon die Epidermis zerstört ist und die Haare ausfallen, noch ehe man mit der Abhäutung beginnen konnte. Wie schon erwähnt, war die Präparation des Balges und Skelettes, obwohl von keinem Fachmann ausgeführt, einigermaassen be- friedigend ausgefallen. Dennoch war die Conservirung nicht derart, dass Herr Pasehen sich eine dauernde Er- XVI. Nr. 17. Natu rwissenschaf tliuhe Wochenschrift. 197 haltuiii;' seiner Jagdbeute verspreclieii zu können glaubte. Er übcrlie.ss sie daher nach seiner Rückiiebr aus West- afVika dem Museum Umlauft", Hamburg-. Hier feierte der Gorilla seine Auferstehung. Der geschickten Hand des Henu Willy Umlauft' gelang es in viermonatlicher un- unterbrochener Arbeit, nachdem er zuerst ein kleines Modell in Thon hergestellt hatte, ihn in seiner ganzen Schönheit und Furchtbarkeit wieder herzustellen. Die Präparation geschah unter Zugrundelegung der genauen Skeletmaasse nach den neuesten Methoden der Taxidermie. Der Künstler hat den Gorilla in aufrechter Angriffsstellung dargestellt, wie sie von dem Reisenden Hugo v. Koppen- fels, der selbst mehrere Exemplare erlegte, geschildert wurde. Auch Herr Paschen wurde zu Rathe gezogen, um seine Beobachtungen zu verwerthen. Für die Model- lirung und Proportionirung des Gesichts und des übrigen Körpers waren aber neben den festen Anhaltspunkten, die das Skelet giebt, besonders maassgebend die Photo- graphien des todten Thieres in sitzender und liegender Stellung. Sehr zu statten kam auch der Kadaver eines jungen Gorillas, den ein Schiffsoffizier mitgebracht hatte und der eben kurz vor der Landung gestorben war. So wurde denn von Seiten des Künstlers nichts versäumt, um den todten Riesen möglichst naturgetreu und lebens- wahr zu treffen. Ueber die elektrochemischen Beziehungen, in denen allotropische Abarten von Metallen zu einander stehen, hat Berthelot Beobachtungen gemacht, die für die Theorie der Elektrochemie und Molekularphysik grosse Bedeutung zu gewinnen versprechen. Diese Beobachtungen sind Berthelot, wie er in Comptes rendus CXXXII, No. 12, mittheilt, bei Versuchen gelungen, die er mit Silber in dessen verschiedenen, von ihm zuerst dargestellten allotropischen Modificationen anstellte. Dass es glücken werde, zwischen ihnen elektrische Ströme zu erwecken, machte schon die Rücksicht auf die beträchtlichen Wärme- mengen wahrscheinlich, deren er zu den allotropischen Umwandlungen bedarf. Dagegen bewies der Versuch, dass, wenn man zwei durch einen Draht reinen Silbers verbundene Elektroden von gleicher Art des Silbers paarte, z. B. zwei Drähte aus reinem Silber oder ein Paar, das einerseits aus zu Draht gezogenem, andererseits aus zu einem dünnen Blättehen ausgeschlagenem Silber bestand, und diese in eine Lösung von Silbernitrat (1 : 10) einbrachte, dass, in diesem Falle durchaus kein Strom entstand; zur Beobachtung diente ein sehr empfindliches Galvanometer von Arsonval, das, ebenso wie die schon angegebene Elektrolytflüssigkeit, auch bei den anderen Versuchen be- nutzt wurde. Bcrthelot bildete nun elektrische Paare, deren eine Elektrode durchweg aus amorphem Blattsilber bestand, während zu der anderen je eine der vier von ihm dar- gestellten allotropischen Abarten diente, nämlich die mittels Sauerstoff bei 550" gewonnene Modification, das durch Kupfer in der Kälte und das auf gleichem Wege in der VVärme gefällte, und endlich das krystallisirte Silber. Jedes dieser durch einen Silberdraht verbundenen Paare wurde in ein gesondertes Gefäss mit dem Elektro- lyten gebracht, und entstand in allen Fällen sofort ein Strom, bei dem das zu Blättern geschlagene amorphe Silber die positive Elektrode bildete, was dem thermischen Vorzeichen der Umsetzungswärme entspricht, da es die höchste Üxydationshitze erfordert. Die Ströme dieser kleinen galvanischen Säulen entbehren jedoch der Constanz. Nach einem ersten, ziemlich energischen An- steigen sinkt die Stärke in weniger als einer Minute plötzlich auf einen ziemlich constanten Werth. der sich langsam und allmählich vermindert bis zu dem nach 4—5 Minuten eintretenden Erlöschen. Alsdann scheint die Oberfläche der beiden Elektroden gleichartig ge- worden zu sein, in Folge der Ablagerung einer Silber- schicht auf der einen von ihnen, welche Schicht gleicher Art wie die andere Elektrode ist, oder vielleicht in Folge einer von der Elektricität bewirkten oberflächlichen Um- änderung der einen Elektrode. Präcise Beobachtungen erschwerte und verhinderte der Umstand, dass, wie man weiss, jede der allotropen Silberarteu noch geringe Mengen von amorphem Silber beigemengt enthält, indem ihre langwierige und umständ- liche Darstellung aus letzterem nie bis auf den letzten Rest gelingt. Dr. 0. Lang. Astronomische Spalte. — In den Spectren von |5Crucis, sCanis majoris und einiger anderer Sterne sind bis jetzt drei Linien unidentificirbar geblieben, deren Wellenlängen zu 4552.79, 4567.09 und 4577.68 bestimmt worden waren. Es ist ein Verdienst D. Gills, auf diese Thatsache aufmerksam gemacht zu haben. Kürzlich stellte nun J. Lunt Versuche über das Spectrum hochgespannter Funken au, welche durch eine Argonröhre mit nur 2 mm Barometerdruck durchschlagen. Er erkannte merkwürdiger Weise sofort das Sauerstoffspectrum und überdies im grünen Theile des Spectrums zwei starke Linien, welche mit zwei der unbekannten Linien im Spectrum von [iCrucis zusammenfielen. Später fand er auch die dritte der unbekannt gebliebenen Linien vor. Nachdem so nach- gewiesen worden war, dass diese drei Linien auch in den Spectren irdischer Stoffe enthalten sind, drängte sich die Frage auf, welchem Stoffe sie ihre Entstehung ver- danken. Lunt's Untersuchungen haben gezeigt, dass die Strahlen dieser Art vom Silicium ausgehen. Sie waren bis jetzt unbekannt geblieben, weil sie in der Bestimmung des Siliciumspectrums, wie sie durch Eder und Valenta geliefert worden ist, nicht enthalten sind. Auf Grund der Untersuchungen von Eder und Valenta hatte Lockyer auf das Vorhandensein von Silicium in den Atmosphären von Sirius, aCygni und Rigel geschlossen. Nun erscheint dieser Schluss aber bei dem Umstände, dass in den Spectren jener Sterne die neuen grünen Linien nicht aufzufinden sind, wieder zweifelhaft. |Astrophys. Journal XI, No. 4; Proceedings of the Royal Soc. 66.] In den „Astronomischen Nachrichten" Bd. 153 hat Stratono ff die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die Vertheilung der Sterne bis zur 9. Grössenklasse publicirt. Unter der Annahme, dass den Sternen 1. Grösse durch- schnittlich eine Parallaxe von 0".2; also eine Entfernung von einer Million Erdbahnradien zukomme, bildete er sich auf Grund der Lichtabnahme folgende Entfernungs- werthe für die schwächereu Sterne: Entfernung Gruppe Grösse Entfernung Gruppe Grösse I i_6.0 1— lOMill. V II 6.1—6.5 10—13 „ VI III 6.6—7.0 13—16 „ VII IV 7.1—7.5 16-20 „ VHI 7.6-8.0 20-25 Mill. 8.1—8.5 26—32 „ 8.6—9.0 32—40 „ 9.1-9.5 40—51 „ Für jede dieser Gruppen wurden mit Hilfe der „Bonner Durchmusterung" Sternkarten angefertigt. Die Mittellinie der Milchstrasse ergab sich nun keineswegs als die Linie grösster Sterndichte, und wenn beide Linien auch in der ersten und zweiten Gruppe nahezu zusammen- treffen, so wird doch schon in den weiteren Gruppen der Unterschied bedeutend genug, um aufzufallen. Ebenso- wenig, wie die sternreichsten Gegenden mit den hellen Theilen der Milchstrasse coincidiren, decken sich die sternarmen Gegenden mit den Polen des galaktischen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 17. Systems. Stratonoff's Untersucluiugen haben gezeigt, dass die Sterne der nördlichen Halbkugel sich in der Gegend des Cygnus zu einer ausserordentlich dichten Gruppe zu- sammenscbaaren. Die Anhäufung wird schon bei den Sternen der 5. Grösse bemerkbar und beginnt bei den Sternen 7. Grösse recht auffällig zu werden. Ihre räum- liche Erstreckung im Visionsradius reicht über alle schwächeren Sterne der Bonner Durchmusterung, also bis fast zur 10. Grössenklasse. Erwähnenswerth ist, dassEaston ebenfalls auf diese grosse Sterndichte in der Cygnusgegend aufmerksam ge- worden ist und daran sogar Gedanken über den Bau des Milchstrassensystems geknüpft hat. Er hält diese Stern- wolke, in welcher sich aucii unser Sonnensystem befinde, überhaupt für den Centraltheil der Milchstrasse und meint, dass von demselben mehrere in einer Ebene liegende, spiralige Aeste auslaufen. Die Cygnusverdichtung er- fährt durch Kobold 's Untersuchungen über die Eigen- bewegungen eine ganz eigenartige Beleuchtung. Kobold hat gefunden, dass zahlreiche Sterne demselben Apex zu- eilen wie unsere Sonne, sich also in der Richtung des Frühlingspunktes bewegen. Man könnte also eine Be- ziehung zwischen den Einzelbewegungen der Sterne und der Anhäufung in der Cygnusgegend, welche ja auch auf derjenigen Halbkugel liegt, die das Frühlingsäquinoctium enthält, vermuthen. Eine andere von den Sternen der 7. Grösse bis zur 8.5. Grösse reichende Verdichtung hat Stratouoff in der Gegend des Auriga constatiren können. Vielleicht stellt sie das Ende eines vom Cygnus ausgehenden Astes vor. Eine dritte Verdichtung beginnt zwischen Gemini, Pro- cyon und Sirius scheint weit nach Süden vorzudringen. Auch sie reicht bis zu den Sternen der 10. Grösse, wenn nicht vielleicht noch weiter. Die Fortsetzung seiner Arbeit auf die südliche Halbkugel hat Stratouoff bereits mit Hilfe der „Cape Photographic Durchmusterung" begonnen. Sie wird zeigen, wohin wir den Schwerpunkt des Cygnus- systems zu verlegen haben, ob wir in der Mitte desselben stehen oder unseren Platz am Rande einnehmen. Man darf also umsomehr gespannt sein auf die Ergebnisse von Stratonoff's Untersuchung, als mit ihnen nicht nur ein äusserst interessantes Capitel der Fixsternastronomie eine eingehende Bearbeitung findet, sondern auch die Lösung der Frage nach der Stellung unseres Sonnensystems im Milchstrassencomplex einen bedeutenden Schritt näher gerückt wird. Adolf Huatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der etatsmässige Professor Dr. Franz Bcyschlag von der Bergakademie zu Berlin unter Beilegung des Charakters als Geheimer Bergrath zum zweiten Direktor der geologischen Landesanstalt zu Berlin; der Bezirksgeologe Prof. Dr. Louis Benshausen zum etatsmässigen Professor an der Bergakademie zu Berlin; die Bezirksgeologen Dr. Gottfried Müller, Prof. Dr. Henry Potonie und Dr. August Denck- mann zu Landesgeoloeen bei der geologischen Landesanstalt zu Berlin; die Hilfsgeologen bei der königl. geologischen Landes- anstalt und Bergakademie in Berlin Dr. Ludwig Schulte, Dr. Friedrich Kaunhowen, Dr. Erich Kaiser und Dr. Günther Maas zu Bezirksgeologen: der bisherige Assistent am geologisch-paläontologischen Institut d^r Universität Berlin Dr. Johannes Böhm zum Sammlung.scustos der königl. geo- logischen Landesanstalt in Berlin; die Hilfsgeologen Dr. Benno Kühn, Dr. Paul Krusch und Dr. Richard Michael zu Bezirks- geologen bei der geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin; Dr. G. Steinmann, Professor der Geologie und Paläontologie in Freiburg i. B. zum Hofrath; Dr. Johann Peters, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am astronomischen Recheninstitut der Universität Berlin, zum ständigen Hilfsarbeiter an demselben Institut; Apotheker Dr. Georg Sonntag zum technischen Hilfs- arbeiter am kaiserlichen Patentamt; der Ingenieur Eales, der Chemiker Justi und Dr. Rausch, sowie die Ingenieure Keil und Wrobel zu technischen Hilfsarbeitern am kaiserlichen Patentamt. Berufen wurde: Dr. Fritze, Privatdocent der Zoologie in Freiburg i. B., als Professor an die Universität Tokio. Es habilitirte sich: Dr. W. Müller für Chemie in Frei- bürg i. B. Es starben: Dr. Guilo Bizzozero, Professor der Patho- logie, in Turin ; unser Mitarbeiter der Geh. Regierungs- und Schul- rath Prof. Dr. B. Schwalbe in Berlin; der Oberstabsarzt 1. Klasse und Docent für Tropenhygiene am orientalischen Seminar Prof. Dr. Paul Kohlstock in Tientsin. L i 1 1 e r a t u r. N. B. üemec, Privatdoc. an der K K. böhm. Univ. Prag, Die Reizleitung und die reizleitenden Strukturen bei den Pflan- zen. Mit 3 Taf. u. lU Abb. im Text. Jena, Verl. v. Gustav Fischer lOOl. — 7 M. Es ist lange bekannt, dass bei Pflanzen eine Leitung ver- schiedenartiger Reize vor sich geht. In den meisten Fällen ver- mittelt zwar immer das Protoplasma die Fortpflanzung, doch hat man diese nie mit specifischen Strukturen desselben in direkte Verbindung gebracht, wie es kürzlich durch Nemec's Arbeit geschehen ist- Die Hoffnung reizleitende Strukturen aufzufinden war am grössten, wenn es gelang, Organe ausfindig zu machen, in denen ein gewisser Reiz mit grosser Geschwindigkeit in einer be- stimmten Richtung fortgepflanzt wird. Der Beobachtung günstig erwies sich in dieser Beziehung die Wurzelspitze und der auf sie ausgeübte Wundreiz, welcher deshalb eingehend studirt wurde. Die vorliegende Arbeit zerfällt deinnaeh in zwei Theile. Der erste behandelt die Fortpflanzung des Wundreizes hauptsäch- lich in dem Meristein der Wurzelspitze, der zweite den anatomischen Bau der mit der Reizleitung in Zusammenhang gebrachten Plas- mastrukturen. Tauge hatte an verwundeten Zwiebelschuppen die Beobach- tung gemacht, dass die Zellkerne sich gegen die der Wundfläche zugewendeten Zellwände bewegen, was er als traumatrope Uui- lagerung bezeichnete. Gestützt auf diese sowie Nestler's Unter- suchungen, welcher das Auftreten von traumatropen Bewegungen des Zellkerns für alle Organe und Dauergewebe nachwies, vor- verfolgte Nemec das Verhalten der Zellkerne im Meristein der Wurzelspitze, welche er durch Quer- und Längsschnitte oder durch Stichwunden verletzte. Er unterscheidet zwei Reaktionsformen, die sich unabhängig von einander fortpflanzen: 1. Eine schwache Plasraaansammlung verbunden mit einer Bewegung des Nucleus aus der Ruhelage gegen die Wundfläche zugewendeten Zellwand und wieder zurück und 2. Eine traumatrope Umlagerung des Kernes in Verbindung mit Vakuolisatiou (d. h. dem reichlichen Auftreten von Vakuolen) des Protoplasmas. Diese Reaction tritt bei stär- kerem Wundreiz auf, wird daher als primäre, jene, welche das Resultat eines weniger intensiven Reizes ist, sich jedoch schneller fortpflanzt, als secundäre Reaction bezeichnet. Beide sind nicht permanent, vielmehr entfernt sich die Reactionszone mit schnell abnehmender Intensität von der Wundfläche, während die ursprüng- lich gereizten Zellen allmählich in den normalen Zustand zurück- kehren. Die Fortpflanzung verläuft demnach wellenförmig. Beobachtungen an Wurzelspitzen, die durch einen seitlichen Stich verletzt wurden, zeigten, dass — von einer gewissen Region angefangen — sich die primäre Reaction in akrofugaler und akro- petaler Richtung (d. h. gegen die Basis und Spitze der Wurzel hin) gleich schnell fortpflanzt, während die secundäre Reaction mit grösserer Geschwindigkeit jedoch nur in einer Richtung und zwar akrofugal fortschreitet.'' ) Die Reizleitung vollzieht sich da- bei am schnellsten im mittleren und inneren Periblem sowie in den grossen Zellen des Pleroms. Bezüglich des Einflusses äusserer Bedingungen (Lieht, Tem- peratur, Schwerkraft etc.) auf den traumatischen Reiz muss auf das Original verwiesen werden. Es sei hier nur auf die auffallend verlangsamte Reizfortpflanzung bei vorhergegangener plötzlicher Temperaturerniedrigung hingewiesen. Der Wundreiz wird also, wie aus diesen Versuchen hervor- geht, in longitudinaler (u. zw. basipetaler) Richtung am schnellsten geleitet. Die mikroskopische Prüfung ergab schon in Wasser das Vorhandensein von longitudinal verlaufenden, dichten Plasmasträn- gen. Bei Vitalfärbungen mit Methylenblau traten auf kurze Zeit intensiv blau gefäi-bte Fasern auf. Genauere Details konnten natürlich nur durch Beobachtung im fixirten und tingirten Zu- stande erkannt werden. Als Fixirungsgemisch wurde zumeist Pikrin-Eisessig-Schwefelsäure (Kleinenberg sehe Flüssigkeit) in Anwendung gebracht. Es muss hervorgehoben werden, dass eine specifische Färbung der gleich zu besprechenden Strukturen nicht *) So war z. B. die Vakuolisation 0.076 mm verbreitet, während die secundäre Reaction sich in derselben Zeit um 0.55 — 0.6 mm von der Wundfläche entfernt hatte. XVI. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 199 gelang. Sie sind am besten in den grossen Zellreihen des Ple- roras von Allium und hier wieder in den älteren, durch grössere Vakuolen ausgezeichneten Zellen zu erkennen. Neniec findet, dass die Plasmastriinge longitudinal verlaufende, einfache oder getheilte Fibrillenbündel darstellen, welche die gan- zen Zellen durchsetzen und in den benachbarten Elementen genau correspondiren. Sie kommen dabei stets in Berührung mit dem Zellkern, doch bleibt es zweifelhaft, ob dieser bei der ßeizleitiing eine Rolle spielt. Die Piasmastränge sind selbst wieder aus zahl- reichen homogenen Fäden (Fibrillen) zusammengesetzt, die in ein dichtkörniges Cytoplasma eingebettet sind, welches gegen die Fibrillen hin eine scharf distincte Scheide bildet. Diese geht direct in die äussere Hausschicht des Plasmas über. Die Fibrillen, deren Durchmesser zwischen 0.0005-0.0097 mm schwankt, konnten in günstigen Fällen durch die ganze Zelle hindurch verfolgt wer- den. Ob sie continuirlich die Zellen durchsetzen, ist zweifelhaft, eine Correspondenz mit benachbarten Zellen konnte Nemec jedoch mit Sicherheit nachweisen. Im jüngsten Theil der Wurzelspitze (namentlich im Dermatogen und Hypoderm) treten auch radial verlaufende Fibrillen auf, die aber nicht zu Bündeln vereinigt sind. Da nach dem Verfasser eine blinde Endigung von Fibrillen im Cytoplasma nicht wahrscheinlich ist, bilden die correspondiren- den Fibrillen ein „ ges e tzmässig zusammengesetztes Sys- tem,- welches als „Fibrillensystem" bezeichnet wird. Nemec fand ein solches Fibrillensystem in der Wurzelspitze der meisten daraufhin untersuchten Gefässkryptogamen. Da die wesentlichen Verhältnisse dieselben sind wie bei Allium, so sei liier nicht näher darauf eingegangen. Ich übergehe auch den Einfluss, welchen äussere Bedingungen (Plasmolyse, Benzin-, Chloroform-, Aetherdämpfe etc.) auf die Fibrillen ausüben, und hebe nur hervor, dass diese im allgemeinen dadurch einer mehr oder minder vollständigen, transitorischen oder dauernden Degeneration verfallen. Wie ihre eventuelle Neu- bildung vor sich geht, konnte nicht beobachtet werden. Dass diese Fibrillen — vorausgesetzt, dass es keine Artefacte sind, welche Jurch die Präparation hervorgerufen werden — that- sächlich im Dienste der Reizleitung stehen, ist von vornherein nicht zu ersehen. Verfa-ser widmet dieser Frage ein besonderes Kapitel, giebt aber in der Einleitung zu, dass die Funktion der- selben nur auf Grund „überzeugender Versuche" dargethan wer- den kann, was allerdings „nur in einem beschränkten Maasse" ge- lungen ist. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, da,sa (abgesehen von negativen Beweisen) einige wesentliche Punkte sehr zu Gunsten der Nemec'schen Auffassung sprechen. Vor allem ist hervorzuheben, dass sich der Wundreiz in derselben Richtung mit grösster Geschwindigkeit fortpflanzt, in der die Fibrillen an- geordnet sind; ferner finden sich im Allgemeinen die erwähnten Strukturen in jenen Zellzügen am deutlichsten ausgeprägt, in denen die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Wundreizes am grössten ist (mittleres und inneres Periblem, grosse Zellreihen des Pleroms); endlich konnten in den Zellen, welche keine Reizleitung erkennen lassen (junges Dermatogen), auch keine Fibrillen ge- funden werden. Eine Reihe von Versuchen hat auch gezeigt, dass unter den- selben äusseren Umständen, unter denen eine Degeneration der Fibrillen eintritt, auch eine Herabsetzung oder Hemmung der Fortpflanzung des traumatischen Reizes zu constatiren ist. Nemec bält es mit Recht für unwahrscheinlich, dass derartige Strukturen nur der Leitung einer Reizform dienen und kommt daher zu dem Schlüsse, dass das Fibrillensystem höchst wahrschein- lich vorwiegend eine reizleitende Structur darstellt" sowie dass es sich im Allgemeinen „mit den reizleitenden Strub turen der Metazoen vergleichen lässt." K. Linsbauer (Wien). Dr. Arthur Korn, Abhandlungen zur Potentialtheorie. 1. Ein allgemeiner Beweis der Methoden des al ternir end en Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Di- richlet'schen Problemes im Räume. 34 Seiten. 8°. 1 M. 2. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arithmetischen Mittels. ::i4 Seiten. 8». Ferd. Dümmlers Ver- lagsbuchhandlung, Berlin 1901. — Preis des Heftes 1 M. Die vorliegenden Hefte bilden Ergänzungen zu dem im gleichen Verlage erschienenen und an dieser Stelle besprochenen zweibändigen Lehrbuche der Potentialtheorie des Verfassers. Es handelt sich um subtile mathematische Untersuchungen, und zwar wird im ersten Hefte bewiesen, dass man stets mit Hilfe der Neumann'schen Methode und einer endlichen Anzahl Schwarz'scber Operationen zur Lösung des Dirichlet'schen Problems im Räume gelangen kann. Im zweiten Hefte beweist der Verfasser, dass die Neumann'sche Methode des arithmetischen Mittel>< in der Ebene sich wesentlich verallgemeinern lässt. Wegen des mathematischen Details muss auf die interessanten Untersuchungen selbst ver- wiesen werden. q Enoyklopaedie der mathematischen Wissenschaften mit Ein- schluss ihrer Anwendungen. H e r n u s g e g e b c n i m A u f t r a g e der Akademien di-r Wissenschaften zu München und Wien und der Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen, sowie unter Mitwirkung zahlreicher Fach- genossen. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig. Das Bedürfniss nach einer zusammenfassenden, methodisch geordneten Darstellung des Gesammtgebietes der Mathematik und ihrer Anwendungen ist seit Jahren ein lebhaftes, und es ist des- halb mit Genugthuung und Dank zu begrüssen, dass sich die Aka- demien der Wi^=PTi=( hart. 1, /u Or.itingen, München und Wien ver- einigt hallen, .'in. I '.i.. \ kl.,|i:H..lie der mathematischen Wissen- schaften liiM:iii-::i Im II ,11 l:i--rn, in welcher die gegenwärtig erlangten matliiniatisrlim Ki-iiiitnisso unter Angabe der wesent- lichen Quellen, freilieh unter Verzicht auf die Beweise, über- sichtlich dargestellt werden sollen. Die Encyklopaedie wird also das wichtigste Orientirungsmittel über die mannigfachen Zweige der Mathematik sein, und daher wird sie für jeden, der sich mit der Mathematik oder ihren Anwendungen 'beschäftigt, ge- radezu unentbehrlich werden. Es ist also ein sehr grosser Kreis, an den sich die Encyklopaedie wendet, wie dies auch Geheimrath F. Klein in Göttingen, den mau als die Seele des Unternehmens ansehen kann, in seinem Vortrage vor der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe auf der Aachener Naturforscher-Versammlung aus- geführt hat. Nach ihrer Vollendung wird aber die Encyklopaedie der mathe- matischen Wissenschaften zugleich ein hervorragendes Denkmal für die Geschichte der Mathematik und den Stand der letzteren zu Ende des 19. Jahrhunderts bilden; sie wird dem künftigen Ge- schichtsschreiber derMathematik des 19. Jahrhunderts eine gesicherte Grundlage darbieten. Zugleich wird sie auf die Weiterentwickelung unserer Wissenschaft ohne Zweifel einen höchst bedeutenden Ein- fluss ausüben. Man kann in der That die Encyklopaedie der mathe- matischen Wissenschaften ohne Uebertreibung als ein monumen- tales Werk bezeichnen. Dass es gelungen ist, ein so riesiges rntonioliinrii zur Aus- führung zu bringen, spricht sowohl für da^ lii.f,. limlinfiiiss nach einem solchen als auch für die Umsidit un-l llini;rliiinu .I.t leiten- den Persönlichkeiten. Diese haben ciiMMi iiitcrnatinualen Kreis von Mitarbeitern gewonnen, die je in ihrem besonderen Gebiete als ausgezeichnete Fachgelehrte bekannt und geschätzt sind. Es mag hier gleich angeführt werden, dass das ganze Werk auf sieben starke Bände berechnet ist, von denen Band I — III der reinen. Band IV — VI der angewandten Mathematik gewidmet sind, während Band VII historische, philosophische und didaktische Fragen behandeln und ein Generalregister enthalten wird. Im Besonderen ist Band I, dessen Redaction in den Händen von Prof. Franz Meyer in Königsberg liegt, der Arithmethik und Algebra, Band II, von Prof. H. Burkhardt in Zürich redigirt, der Analysis vorbehalten, während in Band III, von Prof. Franz Meyer lier- ausgegeben, die Geometrie behandelt werden wird. Die Redaction von Band IV (Mechanik) hat Geheimrath F. Klein in Göttingen, die von Band V (Physik) Prof. Sommerfeld in Aachen über- nommen. Band VI wird im ersten Theile, mit dessen Redaction Prof. Wiechert in Göttingen betraut ist, Geodaesie und Physik, im zweiten Theile Astronomie behandeln. Die Ausgabe der En- cyklopaedie erfolgt in Heften, von denen 5 — 6 auf den einzelnen Band kommen. Bis jetzt sind uns von Band I die Hefte 1 — 5 |so dass noch das Schlussheft aussteht] und von Band II die Hefte 1 — S zugegangen. Auf den Inhalt der einzelnen Artikel einzugehen, verbietet sich hier von selbst; es mag nur im allgemeinen die Be- merkung Platz finden, dass uns die etwas breitere Darstellung einiger Artikel angenehmer ist als die knappe, fast schematische Form, die man ursprünglich mit Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden Raum glaubte wählen zu müssen. Wünschonswerth wäre es ferner gewesen, wenn die Redaction für die Bezeichnung der Zeitschriften u. s. w. ein einheitliches System von Abkürzungen gewählt hätte. Dass ferner einzelne Darstellungen einigermaassen subjective Färbung aufweisen, ist nicht wunderbar, erhöht vielmehr den Reiz; denn in der Bewerthung einzelner Untersuchungen wird immer das subjective Moment eine Rolle spielen. Zum Schluss wollen wir es nicht unterlassen, der sorgfältigen typographischen Ausführung rühmend zu gedenken, welche die um das Zustandekommen der Encyklopaedie sehr verdiente Verlags- buchhandlung diesem Werke hat zu Theil werden lassen. Der Er- folg ist nicht ausgeblieben: hat sich doch schon eine französische Ausgabe als nöthig erwiesen. G. ungung Jer Obstbäume. Inhalt: Leo Brenner: Thätigkeit der Manora-Stern warte im Jahre 1900. — L. Herr mann: Dii Elektrochemische Beziehungen. — Astronomische Spalte. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: N. B. Nemec, Die Reizleitung und die reizleitenden Strukturen bei den Pflanzen, — Dr. Arthur Korn, Abhandlungen zur Potentialtheorie. Encyklopaedie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluss ihrer Anwendungen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 17. ■▲▲▲▲ AAAAA ▲ ▲ A AAÄAA AAj ^Carl ZeiSS, optische^ We^rkstaetteJ Berlin NW., London W., ^ Dorotlieenstr. .i9. 29 »laigaretstreet, Regentstreet. ^ Mikroskope ^ iii bekannter erstklas.siger Ausführung ^ Stereoskopisctae Präparirmikroskope ; Specialmodello ► für Augen- und Hautuntersuclningen. ^ ^ Mikrophotographische und IMd.jtctionsapparatc; Makro- ^ •^ proiecfionsapparate. Grosser l'rojcctiousapparat für ^ ^ anffall.-iiiles Licht. ^ ^ Fhotographische Objective Zeiss-Feldstecher ^ ^^ (Protarc, I'lanar, Uimr.) (mit gesteigerter Plastilf der Bilder.) ^ ■^ Nene Standfernrohre {Aussichtsfernrohre. ) W' ^ stereoskopische Entfernungsmesser (D. R. P. 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Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 13. Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düaimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 5. Mai 1901. Nr. 18. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4-— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grossere Aufträge ( sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannal bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist mir mit vollständiger Qnelleiinngabe gestattet. Getränke liefernde Pflanzen, ihre einstige und heutige Verbreitung und die ihrer Erzeugnisse. Von Dr. F. II, ick. Das Gebiss tlcs Menschen weist durch seine Aehnlich- iveit mit dem der höchsten Affen darauf bin, dass er gleich diesen Tbieren für seine Ernährung in erster Linie auf das Pflanzenreich angewiesen ist. Ob er neben pfian/- iieher aucli tbieriscbe Nahrung nehmen niuss, ist zweifel- haft, wahrscbeinlicb aber wird, dass wenigstens die Menschen, die das Verbreitungsgebiet der Affen polwärts weit überschritten baten, einen Thsil ilirer Nahrung vor- theilhaft dem Thierreich entnehmen, zumal um die viel- fach verloren gehende Eigenwärme leichter zu ersetzen. Auch ist ja bekannt, dass die Affen durchaus nicht aus- schliesslich Pflanzenfresser sind, sondern gelegentliche thicrische Kost nicht verschmähen, trotzdem dies bis- weilen von Vegetariern geleugnet wird. Jedenfalls aber müssen Pflanzen uns die Hauptnahrung liefern. In wie mannigfacher Weise diese allein in Form von Brot dar- gestellt wird, habe ich in einer in Virchow-IIoltzendorff's Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vor- träge 1901 veröffentlichten Arbeit gezeigt (Heft 3;')G). Dass ja neben Brot noch Pflanzennahrung in mannig- fachster Form und von den verschiedenartigsten Gewächsen her durch uns aufgenommen wird, ist allgemein bekannt. Mindestens 2'/'o Hundert Pflanzen-Arten sind deswegen allein in die Zucht des Menschen genommen.*) Ausser Speise liefert uns das Pflanzenreich nun auch Trank. Wollten wir aber zur Berechtigung dieser Getränke ebenfalls die höchsten Thiere als Vorbilder nehmen, so inüssten wir solche Rechtfertigung unbedingt verwerfen. Denn kein Säugethier nimmt Pfianzenstoffe zu sich, nur um seinen Durst zu stillen. Hierzu genügt ihm (natürlich von der Muttermilch abgesehen) vollkommen das Wasser. *) Vei'gl. Hock, Der gegenwävtigo Stand unserer Kcnntniss von der ursprünglichen Verbreifung der angeb. NutzpHanzen, (Leipzig [Teubuer] 1900, 78 Seiten. 8"). Thatsächlich würde dies auch bei uns ausreichen, das eigenthümliche Bedürfniss nach Feuchtigkeit zu befriedigen, das sieh bisweilen in unserem Mund und Schlund ein- stellt. Daher haben gewiss diejenigen Recht, welche be- haupten, wir bedürften keines anderen Getränkes im er- wachsenen Zustande als des Wassers. Daraus aber wieder sehliessen zu wollen, dass alle anderen Getränke unbe- dingt schädlich sind, ist übertrieben. Selbst das Thier, welches Früchte geniesst, wird durch den Fruchtsaft sicher zum Theil auch seinen Durst stillen und dann we- niger Wasser zu trinken brauchen. Warum sollte es da- her wohl schädlich sein, den Saft einer Frucht zu trinken, ohne ihr Fleisch mit zu verzehren, oder bestimmte, uns besonders zusagende Stoffe daraus allein in Form von Getränken zu geniessen. Vor allem aber müssen wir be- denken, dass wir unser ursprüngliches Verbreitungsgebiet überschritten haben urd auch wesentlich andere Beschäfti- gungen auszuführen haben als selbst die höchsten Thiere, wir daher sicher auch eine andere Ernährung als diese ertragen und verlangen. Wie unsere Körperbedeckung nicht ausreicht, dasKlima einer jeden Gegend auszu- halten, wir dadurch, da.ss wir die Wendekreise weit überschritten haben, auf künstliche Bekleidung angewiesen sind, so dürfen wir auch unsere sonstigen Bedürfnisse nicht mehr mit denen vergleichen, welche unseren Vor- fahren vielleicht einst genügten, als sie noch auf die heissen Länder beschränkt waren*) und der Erwerb ein- fachster Nahrung, wie sie die Natur bot, ihre Hauptarbeit war. Wir haben uns darin, wie in allen Dingen, weit *) Für eine einstige Bescliränkung der menschlichen Vor- fahren auf warme Länder spricht ausser ihrer geringen Körper- bedeckung und der Verbreitung der verwandten Affen namentlich ihre Fortpflanzungsfähigkeit zu allen Jahreszeiten. 202 Naturwdssenscliaf tliche Wochen schrift. XVI. Nr. 18. über diese erhoben, haben deshalb auch mannigfaltigere Bedürfnisse. Uns sollen die Getränke nicht mir die Befriedigung des Durstgefühls geben, sie sollen uns auch anregen. In der Beziehung war ein Bcdürfniss nach künstlich hergestellten Getränken wenigstens bei den Bewohnern kälterer Länder längst vorhanden, ehe man von einer Ueberbildung sprechen konnte*); es ist daher falsch, wenn vielfach auf solchen unnatürlichen Zustand allein ein Bcdürfniss nach anderen Getränken als Wasser von den Feinden des Trinkens zurückgefiilirt wird. Wir wissen von den alten Deutschen, dass sie schon früh sich ihren Met aus Honig und Wasser unter Zusatz von Gewürzen bereiteten, dass das Wasser allein ihrem Geschmack durchaus nicht immer entsprach. Die Rücksicht auf den Geschmack ist es denn auch in erster Linie, welche die Verbreitung der meisten Ge- tränke bedingt hat. Dass dieser vielfach die Menschen auf falsche Fährte geführt hat, sie zur Darstellung schäd- licher Getränke wie auch verderblicher Speisen verleitete, kann nicht bezweifelt werden. Aber auch dann, wenn solche einzelnen Menschen, namentlich denen, welche sie im üebermaass zu sich nahmen, schädlich wurden, hatten sie immer noch einen gewissen Werth für die ganze Menschheit; sie lehrten die Stoffe näher kennen und untersuchen, förderten unser Wissen von der Natur und verschafften zugleich einer ganzen Zahl Menschen Gelegenheit zum Erwerb und zu ihrer Erhaltung. So haben auch die Getränke liefernden Pflanzen mindestens für die Geschichte und Entwickelung des Handels und Verkehrs Bedeutung. Von diesem Gesichts- punkte, die im Folgenden zusammengestellten Thatsachen zu betrachten aus bitte ich diejenigen, welche sonst diesen Pflanzen und ihren Erzeugnissen gar keinen oder nur geringen Werth beimessen, ihre Verarbeitung als einen Missgriff der Menschen ansehen, in ihrer Geschichte also ein Stück „Geschichte der Irrungen" finden werden; denn die von diesen vielleicht geduldeten reinen Frucht- säfte spielen als Getränke eine ziemlich nebensächliche Rolle. Jedenfalls wird um dieser Säfte willen allein keine Pflanze angebaut. In erster Linie möchte ich nun auf die Pflanzen ein- gehen, die von den Menschen wesentlich nur deshalb ge- zogen werden, weil sie Getränke liefern, besonders, weil die aus diesen hergestellten Erzeugnisse im Allgemeinen kaum schädlich wirken, mindestens in sittlicher Hinsicht nie so verderblich werden wie einige hernach zu be- sprechende Getränke. Die am längsten in dieser Hinsicht benutzte Pflanze ist wohl unbedingt der Theestrauch. Die ersten chinesi- schen Aufzeichnungen über diese Pflanze reichen bis 2100 Jahre v. Chr. zurück.**) Gebaut wurde Thee mit voller Sicherheit im 8. Jahrhundert n. Chr., vielleicht aber schon viel früher. Der erste Europäer, der ihn als Handelsgegenstand erwähnt, ist Maftei (Historia indica 1588). 1610 wurde Thee von Holländern in Bantam auf den Markt gebracht, 1635 in Paris, 1658 gelangte er auf dem Landweg zuerst nach Russland.***) *) Auch Affen, z. B. Schimpansen, gewöhnen sich an Ge- tränke so sehr, dass sie nach Brehm's Mittheilungen Wohl- geschmack daran finden. «*) Vergl. Stade, Ueber die geographische Verbreitung des Theestrauches (Jahresbericht und Abhandlungen des naturwissen- schaftlichen Vereins zu Magdeburg. 1890. S. 235—306). ***) Vergl. Kochs,' Ueber di.- Gattung Thoa und den chinesischen Theo (Knglor's botanisc-hr .Jalnliiielu^r XX VIT I'IOO S. 577—635). Die Holländer handelten zuerst den Thee in China für Salbei ein, welchen die Chinesen zur Arzenei ver- wendeten.*) China selbst aber blieb Hauptland für Thcc auch nach der weiteren Ausbreitung des Theebaues; dü- her war selbstverständlich, dass es zunächst als seine ur- sprüngliche Heimath betrachtet wurde. Im Volke hat man daher auch wohl kaum je daran gezweifelt, dass China auch das Ursprungsland des Tliecs sei. Anders war dies in letzter Zeit in wissenschaftlichen Kreisen. In diesen wurde meist betont, dass wilder Thee nicht aus China, wohl aber aus Hintcrindien bekannt sei. Dies lag wahrscheinlich aber nur an der geringen Erforschung der Pflanzenwelt Chinas abseits des Meeres. Eine in Assam heimische Theepflanze (Thea assamica) wurde daher bis vor kurzem fast allgemein für die Ursprungs- pflanze des gebauten Thees gehalten, der chinesische Thee (Th. sinensis) als ein durch Zucht von ihr her- geleiteter Abkömmling. Der Assamthee wurde schon 1823 von Bruce auf den Gebirgen von Manuipui- wild ge- funden. Doch sind die dicht bewohnten Gebiete Chinas viel- fach längst abgeholzt, um Raum für Menschenwohnungen und menschliche Erzeugnisse zu finden; es war daher auch nicht wahrscheinlich, eine gerade in jenem Lande hochgeschätzte Pflanze dort wild zu finden. Auf der Insel Hainan scheint aber, ebenso wie in den südlichen Gebirgen von Kiusiu, also in Japan, chinesischer Thee in den letzten Jahrzehnten wild gefunden zu sein. Im letzten Jahre aber fand Kochs**) in einer Sammlung aus Szetchwan, also aus China selbst, die von Bock und Rosthorn stammte. Zweige eines Strauchs aus einem Urwald, die dem chine- sischen Thee anzugehören scheinen. Es ist dadurch so- mit wahrscheinlich geworden, dass die älteste Meinung über den Ursprung des Thees***) doch die richtige war, dass dieser Strauch in China selbst auch ursprünglich lebte. Bei dem grossen Alter seiner Verwendung in jenem Lande war dies auch immerhin schon vorher wahrscheinlich. Die Unterschiede dieses Chinathees von dem wild länger be- kannten Assamthee sind aber so geringfügig, dass sie nicht zur Unterscheidung besonderer Arten (im Sinne der Pflanzenkunde) berechtigen, wenn man auch verschiedene Formen danach trennen kann. Der Theestrauch, eine nahe Verwandte der ebenfalls aus Ostasien stammenden Cam>illie (Thea oder Camellia japonica), die vielfach als Zierpflanze gezogen wird, kommt angebaut in grösserem Maassstabe auch heute nur in Süd- und Ostasien vor, also in China, auf den japani- schen luseln, in Indien und auf einigen südwärts von diesem Lande gelegenen Inseln, namentlich Ceylon und Java.f) In China erntet man drei Mal im Jahre die länglich- lanzettlichen, meist wenig zugespitzten, am Grunde keil- förmigen, ziemlich dicken Blätter des Theestrauchs. Von März bis Anfang Mai ist die erste Ernte; diese liefert die beste Sorte, kommt aber wohl fürs Ausland kaum in Betracht; *) Scherzor, Wirthschaftliches Leben der Völker (Leipzig 1885), S. 132. — Wo mir neuere statistische Angaben nicht zur Verfügung standen, bin ich auf dies wiclitige Werk zurück- gegangen. Denn, wenn die Zahlen vielleicht auch nicht immer mehr ganz genau stimmen, so sind sie für die Vergleiche, da wo sie benutzt wurden, sicher noch immer ausreichend, da es auf die Verhältnisse immer nur ankommt, diese sich wenig in den letzten zwei Jahrzehnten änderten. **) a. a. 0. ***) In Fokien heisst die Pflanze ..te", in Szetchwan „slic"; hiervon rührt unsere Bezeichnung her (Kochs S. 605). t) Hier wird der Anbau sogar im Grossen und die Bear- - beitung mit Maschinen betrieben; in Java wird der beste Thee bei 700—1300 m Höhe gewonnen, wo das Klima dem Süd-Cliinas entspriclit (vergl. Tschirch, Indische Heil- und Nutzpflanzen und deren Kultur. Berlin 1892. 223 Seiten). XVI. Nr. IS. NaUfrwissL'Uschal'tliche Wocliensulirift. EudeMai oder Antaug Juni findet die ergiebigste, bauptsäch- iich zur Aust'ubr verwendete Ernte statt. Endlicb nimmt man in vielen Gegenden nocb im Juli eine Nacbernte vor. In China ist Theebau von 22V2 — 36'/o'' u. Br. vor- banden, bauptsächlicb aber zwischen 26 und 31". Der beste grüne Thee wird unter 30" (Sungle-Schan), der beste schwarze unter 28" (Woo-e-Schan) gewonnen. In Japan ist Thee schon 800 n. Chr. eingeführt und wird dauernd dort seit dem 13. Jahrhundert gebaut, aus- getübrt aber erst seit 1853; sein Hauptgebict liegt dort auf der riauptinsel von 34 — 37" n. Br.*), also weiter nordwärts als in China, vermuthlich wegen des mildernden Ein- flusses der Kuro Siwo, während die vom oehotzkischen Meer kommende Gegenströmung an der chinesischen Küste die Wärme herabdrückt. In Indien ist das Hauptland des Theebaues das Pandsehab. Auf Java wurde der Theestraucb 1835 durch die Holländer eingeführt. Auch am Kaukasus und auf den Fidschi-Inseln, sowie in Natal, in Brasilien uud auf Jamaica hat man mit einigem Erfolge die Pflanze gebaut, während in den Ver- einigten Staaten und in Australien, sowie auf den Hawaii- Inseln ihr Anbau kaum gelungen ist.''*) Er erfordert nämlich im Sommer ziemlich hohe Durch- schnittswärnie, gedeiht in Japan am besten bei 14— 16"C., in China bei 16", erträgt aber in der Entwickeluugszeit nicht unter 11", nicht über 23" Durchnittswärme. Seine Polargrcnze fällt etwa mit der U"-Isotherme des kältesten Monats zusauunen, da er Frost nur bei ganz besonderen Schutzvorrichtungen verträgt. Auch die Niederschlags- menge, die er erfordert, ist recht bedeutend, wenn auch ziendich schwankend. Für häufige Pflückungen ist be- sonders viel Bodenfeuchtigkeit nöthig; daher muss der Boden, wenn auch etwas bündig, doch stets locker sein. Am besten ist mit Sand und Humus gemengter Lehm- boden. Das geeignetste Klima für den Theestraucb ist das Monsunklima*'"*) mit feuchten Sommern, wie es ja in seiner lleimathi-), mag sie in China allein oder auch in Indien und Japan zu suchen sein, sich findet; daher hat er auch lange einer Verpflanzung in andere Gebiete widerstanden und findet noch beute seine Hauptpflege in deren nächster Nähe. Bei uns in Deutschland ist fast nur noch chinesischer Tlice in Gebrauch, ebenso in Russland, wohin er aber nocb inuncr wie zuerst vielfach über Land ff) gebracht wird. Doch ist die Ausfuhr von China her im letzten Jahrzehnt geringer geworden; in anderen südostasiatischen Ländern, namentlich wegen des englischen Nebenhandels, hat sie dagegen zugenommen, besonders auf Ceylon, wo sie erst 1877 begann; von Indien, wo 20 Jahre vorher Theebau anfing, wurden 1844/45 schon 64 Mill. kg aus- geführt. Immer nocb aber lieferte China fast die doppelte Menge Thee auf den Weltmarkt, ff f) Verbraucht wird der Thee in erster Linie durch die Engländer und die englisch redenden Völker, ganz be- ■') Er reicht hier am weitesten nordwärts überhaupt bis 40". (Stade.) I **) Genaueres siehe bei Stade a. a. 0. — In den Ver- einigten Staaten macht namentlich auch das Pflücken zu viel Kosten, da die Arbeitslöhne höher sind als in China. ^•'*) Stade a. a. 0. i) Da alle seine Gattungsgenossen auf das Monsungebiet boschräukt sclieinon, ist die Anpassung an dieses eine sehr weit- gehondo. tt) Die Hauptverkehrswege ■ in Sibirien heissen daher Thce- strassen. ttt) Vorgl. Oppel, Uebersichten über die Wirthschafts- geographio (Geogr.Zeitsehr.il, lS9ü) und Semler, Die tropische Agrikultur. 2. Autlage, unter IMitwirkung von 0. Warburg und M. Bussmann herausgegeben von R. Hindorf. sonders in Australien, in Europa dann auch in ziemlich hohem Maasse von den Russen und Holländern, wäh- rend die Deutschen in der Beziehung ziemlich hinter diesen zurückstehen, obwohl in einigen Schichten der Be- völkerung auch bei uns viel Thee getrunken wird.*) Weit allgemeiner als Volksgetränk ist bei uns der Kaffee. Während Thee von Blättern einer Pflanze aus einer bei uns gar nicht vertretenen Familie herstammt, wird Kaffee aus den Samen von Rubiaceen gewonnen, also von Familiengeuossen des allgemein bei uns be- kannten Waldmeisters und der nocb häufigeren, aber vom Volke weniger beachteten Labkräuter. Während unsere Vertreter dieser Familie aber alle Kräuter oder Stauden sind, haben wir in den Kaffeepflanzen Sträucher oder kleine Bäume vor uns. Auch haben sie nicht Scheinquirlc von Blättern (in Folge starker Entwickelung der Neben- blättchen), wie unsere Angehörigen dieser Gruppe, sondern kreuzweise gegenständige Blätter mit kleinen Nebenblätt- chen. Auch der Kaffee gehört einer bei uns unbekannten Pflanzenform an.**) Dem Kaffee hat man auch zunächst eine asiatische Heimath wie dem Thee zugeschrieben; doch suchte man sein Ursprungsgebiet an der entgegengesetzten Seite dieses Erdtheils, im Westen; hier hat die ursprüngliche Volks- nieinung sich bis jetzt wenigstens nicht bestätigt. Aber es ist die nach dieser irrthümlichen Ansicht „arabischer Kaffee" (Coffea arabica) genannte Art gleich einer anderen in neuerer Zeit in Anbau genommeneu, dem Liberiakatfee (C. liberica), afrikanischen Ursprungs. Wie die Gattung Thea, so ist auch Coffea ursprünglich ganz auf wärmere Länder der alten Welt beschränkt, während jene aber rein asiatisch ist, kommen die Arten von dieser vorwiegend in Afrika vor; nur ursprünglich afrikanische Arten***) aber werden gebaut. Doch weit mehr als der Thee ist der Kaffee durch Anbau über sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet ausgedehnt worden, ja im Gegensatz zu jenem hat er sein Ilauptanbaugebiet nicht in seinem Ursprungserdtbeil, sondern in der neuen Welt gefunden. Mehr als die Hälfte alles gebauten Kaffee's stammte 1895/96 aus Brasilien.f) Diesem Lande folgen an Be- deutung für den Kaffeebau die grossen Sundainseln, dem- nächst noch verschiedene andere amerikanische oder asiatische Gebiete, während ganz Afrika (mit Arabien) kaum den 17. Theil allen Kaffees liefert. Während Kaffee nocb weniger als Thee ff) in Europa sich wohl irgend wo lohnend bauen lässt, hat man in Australien, namentlich in Queensland ttf)) il'" mit einigem *) Während bei uns nach der allerdings schon etwas ver- alteten Statistik Scherzer's jährlich ein Mensch etwa 30 g Thee verbraucht, kommen hiervon in Russland schon 400 g, in Australien aber 2'/, kg jährlich auf den Kopf. — Bei uns wird im Norden offenbar" viel mehr Thee getrunken als im Süden, in Schleswig- Holstein ist Thee allgemeines Volksgetränk, besonders am Abend. ■ ■) Die einzige grössere aufrechte immergrüne Holzpflanze Norddeutschlands, die sich allenfalls damit vergleichen Hesse, wäre der Hülsenstrauch (Hex), doch auch dem ist der Kafleebaum wenig ähnlich. •■■*■) Neben den genannten sucht man noch den Anbau von C. stenophylla aus Sierra Leone anzuregen. t) Vergl. Semmler a. a. 0. Da die Arten der Gattung ursprünglich weiter verbreitet sind, scheinen sie weniger streng einem bestimmten Klima angepasst zu sein als die Arten von Thea. .^ , tt) Diesen sucht man am Kaukasus einzubürgern. Da das Klima am Rionbecken monsunartig ist, wäre möglich, dass die Versuche von Erfolg würden, besonders, weil die Regierung sie sehr unterstützt (vergl. Radde, Grundzüge der Pflanzenverbrei- tung in den KaukasusUiudorn, S. 135). Anbauversuche mit Theo sind auch in Italien gemacht (vergl. Bot. Jahresber. XII, 1884, Seite 144). .,, , , ttt) Fuchs, Die geographische Verbreitung des Kafteebaumes, Leipzig 18S8. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 18. Erfolge angepflanzt, aber für den Welthandel scheint australischer Kaft'ee noch keine Bedeutung zu haben. In der abessiuischen Landschaft Knffa, woher sein Nauic stammt, mag Kaffee schon längere Zeit gelträuchlich ge- wesen sein. Von da seheint er in der Mitte des 15. Jahr- hunderts zunächst nach Arabien gebracht zu sein. Er wurde dort zuerst als ein Mittel empfohlen, sich wach zu erhalten, um besser Andaehtübungen abhalten zu können, dann aber trotzdem von strengen Muselmännern verboten. Sein erstes Anbaugebiet wurde aber doch Arabien. Erst gegen Ende des 7. oder Anfang des 8.*) Jahrhunderts wurde er weiter und zwar zunächst nach Batavia ver- pflanzt. Die ersten Kaffeehäuser entstanden in London (1652), Marseille (1670) und Paris (1672). Der Handel lag zu- nächst in den Händen der Venezianer und Genuesen**), die Früchte aus Aegypten holten. Der hohe, daraus er- zielte Gewinn brachte namentlich die Niederländer zu- nächst auf den Gedanken, den Kafleebaum auch anders- wo anzupflanzen.*'*) Sehr lange handelte es sich dabei immer nur um den sogenannten arabischen Katfee, der wild von Ilabeseh bis zum Victoria Nyausa erwiesen ist, aber möglicher- weise auch im südlichen Arabien früher wild vorgekommen sein mag, da Yemen viele Arten mit Habesch theih, nicht aber bisher aus Arabien wild erwiesen ist. Einst kam der beste Kaffee aus Mokka, heute aber l)aut man, wie aus dem Gesagten hervorgeht, in Arabien nicht allzuviel Kaffee mehr, und der meiste Mocca stammt aus Brasilien. Anfangs suchte man gute Horten dadurch zu erzielen, dass man von Mokka nach anderen Ländern Samen brachte; doch auch das ist aufgegeben, so dass Mokka heute nur die Güte, nicht aber auch nur die ur- sprüngliche Herkunft andeutet. Erst als vor jetzt fast 30 Jahren f) auf Java und Ceylon der Kaffee häuflg unter einer Laubkrankheit litt, versuchte man den Anbau einer zweiten Art, des Liberia- kaffees-j-f), der von Sierra Leone bis Angola ursprünglich verbreitet ist; da dieser etwas widerstandsfähiger ist, wird ihm, nun man auch von ihm Früchte von besserem Geschmack erzielt hat, wohl eine grössere Zukunft bevor- stehen.fff) Noch aber ist der sogen, arabische Kaffee der wichtigste. Nur von Java her kommt auch eine ziemliche Menge Liberiakaft'ee schon in den Welthandel (Warburg, Tropenpflanzen II, 41 ff.). In seinem heimathlichen Erdtheil, Afrika, geht dieser meist nicht über 12" n. Br. nordwärts, nur in Senegambien bis 17", in Indien aber hat man ihn bis 26" (Assam) und in Amerika gar bis 28° nordwärts mit Erfolg gebaut bis zum Staate Sonora, während im eigentlichen Nord- amerika seine Zucht nicht gelingt*-j-), da der kälteste *) Nach Tscliirch zuerst, ilocli ohne ihuicnuion Erfolg KiSU. **) Scherz er a. a. 0. ***) Im Gegensatz zu ilen Gewürzen, deren Bau sie ganz in ihrer Hand hatten, deren Ausfulir sie daher aufs strengste unter- sagten. — 1G8G wurden auf Java die ersten Pflanzungsversuche vorgenommen, die missglückten, 1711 aber der erste javanische Thee nach Amsterdam versandt. t) Morren, Kultur, Bereitung und Handel des Liberia- kaffees (Tropenpflanzen 189S, Extrabeilage). Liberiakaffeo wurde 1873 auf Ceylon, 1874 auf Java eingeführt. ff) In den Welthandel gelangt solcher noch nur von Java aus, wenn er auch auf Mahikka, Borneo, in Surinam, Wostindiou und Afrika gebaut wird (vorgl. Warburg in Tropenpflanzen II, 1898, S. 41 ff.). ftt^ In den echten Tropen kann unter 500 m IMeeresholie nur Liberiakaffee, über 70O m nur arabischer gebaut worden. Da der Liberiakaffee das ganze Jahr Blüthen und Früchte treibt, verlangt er möglichst gleichmässigen Wechsel von Regen- und Sonnentagen, während beim arabischen zum Treiben der Früchte einige Trockenheit erwünscht ist (Warburg a. a. 0.). *f) Fuchs a. a. 0. Monat weniger als 10" Durchschnittswärme hat. Die Südgrenze seiner Verbreitung fällt fast genau mit der südlichen 20"-Isotherme zusammen.*) In der Südsec sind die hohen Inseln, an denen sich die Dämpfe der Passate verdichten, zu seinem Bau geeignet. In Europa ist Kaffee in der Mitte und dem Norden am meisten geschätzt; seine Einfuhr ist unter den euro- päischen Staaten am grösstcn im Deutschen Reich. Nach der Kopfzahl der Bevölkerung berechnet, wird aber unser Land noch von den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und Norwegen**) an Kaffee verbrauch wesentlich über- troften. Während bei uns ein Mensch durchschnittlich im Jahr kaum 2Vä kg Kaffee verbraucht, geniessen die Niederländer im Durchschnitt jährlich etwa 7 kg von den Samen dieser Pflanze als Getränk. In neuerer Zeit ist der Verbrauch des Kaffees etwas im Abnehmen begriffen. Wahrscheinlich wird dies zum Theil dem Vordringen des Cacaos zuzuschreiben sein. Dies Getränk, das früher bei uns meist nur zu feier- lichen Gelegenheiten auf den Tisch kam, wird von den Aerzten immer mehr an Stelle des Kafl^ees empfohlen und ist jetzt durchaus nicht mehr in unserem Erdtheil in Spanien, wo schon vor zwanzig Jahren 1 kg Cacao jähr- lich von einem Menschen im Durchschnitt verbraucht ward, allein alltäglich zu finden, sondern hat über Frankreich im letzten Jahrhundert sich immer weiter bei uns eingebürgert; doch beläuft sich der Verbrauch bei uns durchschnittlich noch nur auf etwa 300 Gramm***) im Jahr, bleibt noch hinter dem des Thee's weit zurück. Auch vom Cacao sind wie vom Kaffee (und vielleicht vom Thee) mehrere Arten in Anbau; indess handelt es sich hier in noch höherem Maasse als beim Kaffee ge- wöhnlich doch nur um eine Art, und die anderen theilen mit dieser wenigstens den gleichen Erdtheil als Ileimath, nämlich Amerika.!) Die spanischen Eroberer fanden in Mexico und Peru, den beiden höchstentwickelten Reichen Amerikas, schon Cacaopflanzungen vor. Der erste Anbau dieser Gewächse liegt daher sicher vor der Zeit der Entdeckung Amerikas, mag demnach wohl vielleicht ebenso weit wie der des Kaffees, wenn auch schwerlich in so ferne Zeit wie die Verwendung des Thees zurückreichen. Die Gattung Theobroma, der der Cacaobaum an- gehört, ist ganz auf das wärmere Amerika beschränkt; sie gehört einer fast nur in heissen Ländern lebenden Familie, den Sterculiaceen, an, die mit den auch bei uns vertretenen Malvengewächsen nahe verwandt ist. Mittel- amerika und das nördliche Südamerika sind die Heimath aller benutzten Arten; fast nur aber kommt für den An- bau der eigentliche Cacao, Theobroma cacao, in Betracht. Dieser wird ein 6—10 m hoher Baum, der gurkeuähnliche Früchte trägt, deren Samen das anregende und zugleich (im Gegensatz zu Thee und Kaffee) auch nahrhafte Getränk liefern. Auch er braucht warmes und feuchtes Klima, gedeiht daher besonders in heissen Fluss- thälern, namentbch, da er Windschutz und Halbschatten liebt; man pflanzt daher um ihn auch schattcnspcndende Gewächse, tt) *) Seine An.spriiclio an die Wärme scheinen grössere, die an Feuchtigkeit geringere als die des Thees zu sein. Doch müssen die Niederschlagsverhältnisso für den Thee, die Wärme- menge für den Kaffee wichtiger sein, da an geeigneten Orten Europas wohl Thee, nicht aber Kaffee gebaut wird, dieser aber in heissen Ländern verbreiteter ist als jener. **) Scherzer a. a. 0. *■*) 1898 verbrauchte Deutschland 15 860 0(10 kg Cacao, ilas etwas kleinere und weniger bevölkerte Frankreich dagegeu 17 440 700 kg (Tropenpflanzer X., 1900, S. 202). f) Die gewöhnliche Art soll vom Gebiet des Amazonen- stromes bis zur Nordgrenzo von Südamerika wild sein (Tschirch). ff) Vergl. Tschirch a. a. O. XVI. Nr. IS. Naturwissenscbaftliuhe Woclicnsclirii'fc. 205 Willirend der amegend wirkende Stoff im Theo und Kaffee (Thein und Caffeiu) sieh bei näherer Untersuchung- als gleich herausstellten, ist der Bitterstoff des Cacaos (Theobroniiu) diesen chemisch so nahe verwandt, dass man den einen von dem anderen ableiten kann*), ihre anregende Wirkung niuss daher ähnlich sein. Hauptanbaugebiete für Cacao scheinen noch immer die Heimathländer, vor allem Ecuador (demnächst Trinidad) zu sein. Schon 1G70 wurde er nach den Philippinen verpflanzt.**) Heute wird er auch in Indien an manchen Stellen (besonders Ceylon) sowie in Afrika, z. B. in un- serem Schutzgebiet Kamerun, neuerdings immer mehr ge- baut; dies zeigt sieh zum Anbau von Cacao gerade recht geeignet.***) Ebenso ist sein Anbau auf der Insel St. Thome im Wachsthum. Von unseren Schutzgebieten kommt auch Kaiser - Wilhclms-Land in Betracht, in Australien das diesem benachbarte Queensland, von Polynesien die neuen Hebridcn und Salomous-Inseln.f) Wie Cacao selbst scheint auch Vanille, das schon \ov der Entdeckung Amerikas diesem zur Herstellung von Chokolade zugesetzte Gewürz, das gleich ihm mittelameri- kanische Heimath hat, in Kamerun gut zu gedeihen, wird aber noch sehr vorwiegend von Amerika (besonders Mexiko, dann aber auch von den ostafrikanischeu Inseln, besonders Reunion) ausgeführt.!!) Auch sie verlaugt Schutz gegen unmittelbare Sonnenbestrahluug. Thee, Kaffee und Cacao sind ohne Zweifel die ver- breitetsten anregenden, nicht aber berauschenden Getränke und wahrscheinlich die einzigen in der Beziehung in Europa in Betracht kommenden. Selbst von Fälschungen sind nur wenige von einiger Bedeutung. Am bekanntesten ist ohne Zweifel als Kaffee-Ersatz die Cichorie, die aus Wurzeln der gleichnamigen Pflanze (Cichorium intubus) gewonnen wird. Das wegen seines häufigen Auftretens au Wegen auch als „Wegwarte" bezeichnete Unkraut, das unter den wild lebenden Pflanzen bei uns ohne nahe Verwandte ist, daher vielleicht auch erst durch den Menschen uns zugeführt sein niagÜ!), wird wegen seines Gebrauchs zum Kaffee seit 1763*!) auch angebaut, heute noch z. B. um Magdeburg.**!) Dass neuerdings eine viel ältere, sicher den Mittel- meerländern cntstanmiende Pflanze, die Gerste, gleich- falls als Kaft'eeersatz (Kneippkaftce) weitere Verbreitung gefunden hat, ist ebenfalls allgemein bekannt. *) Thein ist C,ni(CH3)N40„ also das Metliyhlerivat von CiHaN^O.,, dem Theobromin. ■^;*) Schuniann-Gilg, Das Pflanzenreich S. 640. ■*') Wohltmann, Der Caciiobauin am KamorunjAebirge (Zeitscluift f. trop. Landwirthsch., I, 1897). — Auch beide Kaffee- arten gedeihen da gut (Warburg ob. IJ, S. 90 ff.). t) Jumello, Le Cacao3'er, sa culture et son e.^ploitation dans tous Ics pays de production (Paris 1900, 211 p. 8"). tt) Busse, Studien über die Vanille. Berlin 1898, 113 Seiten, 8°. — Sie kam schon 1510, also gar 10 Jahre vor dem Tabak, nach Europa (Goeze, Wiener illustr. Gartenztg. 21, 1896, S. 1—4). Neuerdings soll Reunion Ilauptbezugsciuelle der Vanille für Europa sein, während Amerika das Gewürz immer noch vor- wiegend aus Me.xiko bezieht. Ausserhalb Amerikas wird nur noch Vanil la planifolia gebaut, innerhalb dieses Erdtheils wenigstens versuchsweise auch andere Arten, so namentlich in Westindien V. poiuponu (Seunnler); doch werden aus dieser vorwiegend Vanillons für die Parfümerie dargestellt (Busse). — Auch dem Thee werden von Chinesen verschiedene Würzen beigefügt, um ihm Wohlgeruch zu verleihen. ■jtT) Vergl. Ilöck. Der verändernde Einfluss des Menschen auf die Pflanzenwelt Norddeutschlands (Vischow u. Holtzendorf's Vor- träge, Heft ol4). — Fischer-Benzon (Altdeutsche Gartenflora, S. 106) giebt sie unbedingt als eingeführt an. *t) Vergl. Leunis-Frank, Synopsis der Botanik II, 730. **t) Vergl. As cherson-Graebner, Flora des nordostdeut- schen Flachlandes. Wenn diese ArtGetreide gleich anderen (z. B. Roggen *), bisweilen ähnlich benuzten Arten im Ganzen auch für das Menschengeschlecht weit grössere Bedeutung hat, als alle bisher genannten, so kommt sie für den hier er- örterten Zweck doch eben nur als Ersatz in Betracht. In fremden Erdtheilen aber haben einige bei uns wenig bekannte Arten noch eine grössere Bedeutung in dieser Beziehung. Mehrere Gattungsgenossen**) unseres Hülsenstrauches (Hex), der in einigen Gegenden auch als Stecheielie oder Stechpalme bekannt ist, werden in Südamerika zu Mate (Yerba Mate) oder Paraguaythee benutzt, vor allem die auch deswegen gebaute J. paraguariensis ans Süd- Brasilien, Argentinien und Paraguay; im 18. Jahrhundert namentlich hat man diese Art deshalb öfter dort in Jesuitenmissionen gepflanzt, während man neuerdings den Anbau meist aufgegeben hat, da der Baum zwischen 18 bis 20*' s. Br. dort geradezu waldbildend (in den „Ver- bales" [nach Yerba Mate benannt]) auftritt, also für den binnenländischen Verbrauch genügend Pflanzen vorhanden sind, seine Einfuhr in Europa aber fast vergebens ver- sucht ist.***) Gleich dem Paraguaythee liefert noch ein Erzeugniss Brasiliens ein durch seinen Gehalt an Coffein wirkendes Getränk, nämlich die Guarama. Dies ist eine choko- ladenähnliche Flüssigkeit, die man aus den Samen der Paullinia cupana herstellt. Wie Cacao wirkt dies nicht nur anregend, sondern auch nährend; doch ist ihr Gebrauch als Getränk, bei dem sie gelegentlich auch durch andere Arten ersetzt wird, noch auf das mittlere Südamerika beschränkt; dort aber wird sie im Grossen gesammelt!), wenn auch ihr Anbau noch sehr beschränkt zu sein scheint. Für Europa hat sie noch nur einige Be- deutung, da ein aus ihr dargestellter Stoff' als „Paullinia" als Mittel gegen Kopfschmerz verwendet wird. Die ebenfalls in Amerika heimische Coca (Ery- throxylon coca), die ihrer anregenden Wirkung wegen gleichfalls geschätzt istü) und im Cocain der Arzenei einen werthvollen Stoff' geliefert hat, lässt sich zwar auch zu einem Thee verwerthen, hat aber in der Beziehung noch keine eigentliche Benutzung gefunden. Dagegen ist der Khatthee in Arabien und Habesch ziemhch beliebt. Seinetwegen wird deshalb auch Catha edulis, eine Celatracee (also ein Familiengenosse des Pfaffenhütchens), die im ganzen Osten des südafrikanischen Dreiecks verbreitet ist, stellenweise gebaut, so in Yemen mit Kaffee gemischt; doch gedeiht sie im Gegensatz zu diesem auch in den Mittelmeerländern (Semmler a. a. 0.). Auch sie gilt als Mittel zur Vertreibung des Schlafs wie einst in Arabien der Kaffee; sie wird in einigen Gegenden auch als Mittel gegen die Pest empfohlen.!!!) Gleich diesem können noch verschiedene andere Stoö"e als Ersatz für Thee betrachtet werden. So wird •■■) Die Heimath und Verbreitung dieser Arten habe ich in dem eingangs genannten Vortrag behandelt. **) Vergl. Loesener in Verhandl. d. bot. Vnreins d. Provinz Brandenburg, XXXVII, 1897, S. 62 ff *'^-'-) Semmler a. a. 0. — In England soll er aber doch schon einige Verwendung finden. Parana hat in den letzten Jahren nicht weniger als 20 kg Paraguaythee ausgeführt, davon ist auch ein Theil nach Deutschland gegangen (vgl. über seinen Anbau Papst ein in Tropenpflanzer IX, 1900, S. 161— 16S). Mate war schon vor der Entdeckung Amerikas bei den Jnkas Perus als Getränk beliebt, muss also durch Tauschhandel dahin gelangt sehi (Natürl. Pflanzenfamilieu III, 5, 188). — Die Paraguaner sowie die Argentinier und Süd-Brasilianer sind noch heute z. Th. so eifrige Matetrinker, dass sie den ganzen Tag Paraguaythee geniessen (Schumann-Gilg 613). t) Semmler a. a. 0. tt) Coca soll in Peru schon vor Einwanderung der Incas ge- baut sein (vergl. Bot. Jahresber. IX, 18S1, 82, S. 351, Ref. 3101. ttt) Loesener in Nat. Pflanzenfam. III, 6, 209. NatLirwissfiibcliaftliche Wochenscluift. XVI. Nr. 18. aus (Icui auch bei uus vorkommcudeu Sumpfporst (Le- dum palustie) iu Nordamerika Theo bereitet; ein bei uns auch gelegentlich gebauter und verwilderter Gänsefuss aus Amerika, Chenopodium ambrosioides, liefert den mexikanischen Theo oder „Jesuiterthce", der einst auch arzeneilich verwendet*) wurde, als anregendes Getränk aber auf Martinique und Mauritius gebraucht werden soll. Doch ist bei diesem und noch zahlreichen anderen Theearten**) von einem Anbau im Grossen nicht die licde.***) Wir sehen also, alle diese anregend wirkenden Ge- tränke sind ausserhalb unseres Erdtl)eils zu Hause, ja können nicht einmal bei uns gebaut werden, da die Wärme nicht dazu ausreicht. Nur drei von ihnen haben in ihren Erzeugnissen sich bei uns eingebürgert; von diesen entstammt jeder einem besonderen Erdtheil, Thee aus Asien, Kaffee aus Afrika und Cacao ans Amerika. Was haben wir dem gegenüber zu bieten? Nur ganz schwache Ersatzstoffe. f) Selbst die deswegen bei uns gebaute Cichorie ist nicht einmal zweifellos hier ur- wüchsig, wenn auch waln-scheinlich längst vor ihrem An- bau bei uns angesiedelt. Bedeutsamer als Gegengewiciit könnten einige Pflanzen mit saftigen Früchten gelten, aus denen man Getränke darstellen kann. Ich nenne in erster Linie die Himbeere (Rubus idaeus), deren Saft vielfach zu Limonaden be- nutzt wird. In gleicher Weise verwendbar sind noch andere unserer Obstarten, so z. B. die Johannisbeeren und Kirschen. Doch kann mau von keiner dieser Arten sagen, dass sie deswegen in Zucht genommen sei, wenn auch bei manchen die Gewinnung des Fruchtsaftes und seine Verwerthung- zu Getränken einen augenehmen Neben- erwerb liefert, ff) Einige dieser Fruchtsäfte hat man dadurch haltbarer oder für Getränke geeigneter zu machen gesucht, dass man sie gährcn Hess. Auf diese Weise sind Weine oder Sehnäpsefff) aus den verschiedensten Früchten dargestellt. Einige von ihnen haben für den Binnenhandel auch ziem- liche Bedeutung, so z. B. Apfelwein und Maraskino (aus einer Kirschensorte). Aber auch hier gilt das Gleiche wie für die linionadenartigen Getränke. Keine der bei uns ein- heimischen l'flanzcnarten ist ihretwegen allein gezüchtet. Im Gegensatz zu jenen aber wirken sie berauschend, also auch schädigend auf die Gesundheit des Menschen. Sic führen uns daher unmittelbar zu einer zweiten Haupt- gruppe von Getränken, den alkoholischen oder geistigen Getränken, deren Geschichte in noch weitere Zeit zurück- reicht als die der narkotisch wirkenden, der nur an- regenden, aber nicht berauschenden Getränke. Unter diesen sei zuerst der Wein genannt, nicht weil er der theuerste ist, sondern weil er seit ältester Zeit von Bedeutung ist. Bekanntlich bringt die Sage den Weinbau schon mit ■■>■) Asc lerson Grat bne r a. a. O. ■*) StMn Ml er a a. (). ***) Allen falls Hess« si h ai ch die Kolann ■^s aus Afrika hier anse iiirsseil. .11,. seil eclltr. \Va> SIT ti-inkliav in irln.n soll, in West- AtVi Fain .: .11, •_• ';.?,i Milli-I -..|,, |. ii.'.t, wird. :.. irht in ärmeren 1 iii- kennt Jackson IGui' I.-..,.-, ., Clnuliirl. l' •>!. \ IM -', i.ii-1 — 7;,'.i um ISIM, p. 10, 137 f., ■M5, •i07, üii7 f., 768 -• 1 l-'l nicht weniger als 83, deren Zahl aiuleri! noch enin- ,iIm.,- für den Handel liaben sie hoch sk'ns als Fiil.seh. i,„„,ii llrl' \riU-uUms). ■i ;) i'n->u, J.TH wi ■,j ,|i, •< wohl von der Ilii beere gelten. ■;) i'iiiiL • \ oll lli.^S,.! wi 5 anch einige Thee-Ersatzstoftc (Flk lerthr,.. Killnlli 'Illhr, l) s w.) werden i n der Arzenei bc- nutz , haben ubci- al Geti iuke kaum grössere Bodeutung. Noah in Verbindung.*) Jedenfalls ist die Pflege der Rebe sehr alt. Schon vor 5 — 6000 Jahren war ihr An- bau in Aegypten bekannt**) und wohl sicher wird er in Vorderasien noch älter sein. Das Volk, das zuerst den Wein kelterte, seheiuen die Semiten gewesen zu sein.***) Daraus geht aber nicht hervor, dass iu ihrem Ursitz, also in Vorderasien, das einzige Heimathland des Weins war. Im Gegentheil ist unbedingt erwiesen, dass ausser in Westasien auch in Südeuropa die Rebe vor ihrem Anbau wuchs. Die Art ihrer Pflege kann darum doch zunächst durch Semiten den Europäern gezeigt sein. Denn schon vor Beginu der eigentlichen Geschichte war der Verkehr zwischen Süd- europa und Vorderasien ein ausgedehnter.!) Wie wahrscheinlich südwärts bis Nordwestafrika, so reichte vielleicht nordwärts bis in Mitteleuropa hinein das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Rebe. Die ältesten aus Mitteleuropa bekannten, in Braunkohlenlagern gefundenen Reste von Weiustöcken, die man als Vitis teutonica bezeichnet hat, stehen allerdings heute in Nordamerika lebenden Reben (V. cordifolia) näher als der seit Jahrtausenden in Europa gebauten Art (V. vini- fera). Angehörige dieser Art sind aus einem späteren Zeitalter bis Frankreich niudwäit^^ sicher nachgewiesen; wahrscheinlich sind aber ursi)iiui,:;iich wilde Rehen auch in Baden und dem Elsass, wie in Ungarn und dem Etsch- thalft) zu Hause, wenn auch nicht immer die Entscheidung leicht ist, ob es sich um ursprüngliche Wildlinge handelt oder um Pflanzen, die aus Samen hervorgingen, welche von angebauten Arten durch Vögel verschleppt wurden., also verwilderten. Jetzt ist Weinbau in allen fünf Erdtheilen zu finden. Aber dieser beschränkt sich dafür auch nicht auf die Pflege der vor Jahrtausenden in Südeuropa gebauten Art. In Ostasien werden dort heimische Arten gebaut wie zum Thcil auch in Nordamerika itt); aus diesem Erdtheil aber hat man solche auch bei uns (besonders neuerlich nach Auftreten der Reblaus) eingeführt, sodass manche heutigen Rebsorten aus Kreuzungen von europäischen und ameri- kanischen hervorgegangen sind. Während aber der Weinbau im Ganzen in den letzten Zeiten entschieden ein grösseres Gebiet erobert hat, ist er theilweise auch zurückgewichen, so in unserem Heimath- lande. Es ist sicher erwiesen, dass eiu Anbau der Rebe zur Gewinnung von Wein in Norddeutschland früher weiter nordwärts reichte als heute. Denn die sogenannte Weinlinie, welche in der Bretagne bei ■il''/^" beginnt, den Rhein bei kaum 51" u. Br. überschreitet, an der Werra, Saale und Mittelelbe bis 51 '/a® steigt, und ander Oder bei Grüueberg bis 52» reicht", ist nur eine Ver- bindungslinie einiger weit nach Norden vorgedrungener *) Noch heute zeigen Mönche in Edschiiiiadsin dm ersten Weinberg, den Vater Noah anjjelogt Iiaben soll (Kichter, Kultur- pflanzen und ihre Bedeutung für das wirthschaftliche Leben der Völker S. 31). — Nach VVoen ig (Pflanzen im alten Aegypten, war der Weinstook schon 3500 v. Chr. sicher in Aegypten in Anbau. **) A. de CandoUe, Ursprung der Kulturpflanzen. •■■■■■0 Vergl. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uobergang aus Asien nach Griechenland und Italien und in das übrige Europa. 6. Aufl. Herausgegeben von 0. Schrader und A. Engler. f) In China soll nach ßretschnoider sich Weinbau bis 122 v. Chr. zurückverfolgen lassen (vcrgl. Botau. Jahresber. IX, 1881, Theil 2, S. 347). tt) Engler bei Hehn a. a. O. ttt) Dei" ei'ste Weiuberg heimiseher Reben soll in Amerika loU.-) in Florida ,int;elrut ..in ( i;..t. ,lalu-e..^ber. VI II, 1880, Th.2, 381). Die bekannt. ■•■'t. n.hi .li.s.ii .Vit.Ti, die Catawbatraube, V. la- brusca, ist i;!.-), h mcI.'h an.l.n n l'rtanzenarten (z. B. d. Tulpen- baum) in Nordaaiciika und Uatabieii heimisch. XVi. Nr. 18. Naturwissenscliaftliclie Wochenschrift. 207 Orte, an denen Wein gekeltert wird*), nicht eine Um- grenzuDg aller zum Weinbau geeigneten Gebiete. Thatsächlich reicht Weinbau an einzelnen Orten weit über diese Linie nordwärts z. B. bei Sorquitten im Kreise Sensburg in Ostpreussen; andererseits kommt auch inner- halb des durch die Linie umgrenzten Gebietes bisweilen ein Erfrieren der Reben vor. Dennoch ist eine Fest- stellung jener Linie nicht ganz bedeutungslos; denn sie zeigt Acbnlicbkeit mit mehreren klimatisch wichtigen, auch den Weinbau bedingenden Linien, so mit der 0"- Isotherme des Februar, der 10 "-Isotherme des April, und der 12 "-Isotherme des October.**) Da man weiss, dass die Herbstwiume besonders auf die Güte des Weins von Einfluss ist, so mag auf letztere Uebereinstimmung sowie auf eine solche mit der 16"- Isotherme des Sep- tember (und Mai) vor allem Wcrth gelegt werden. Denn sicher ist nicht eine Veränderung des Klimas für einen Rückgang des Weinbaus in den letzten Jahr- hunderten maassgcbend gewesen, sondern vor allem die gesteigerten Anforderungen an die Güte des Weins. Wenn auch Grüneberger und Züllichauer zum Theil mit Unrecht verworfen sind, so zeigt es sich doch, dass an jener Grenzlinie eben wirklich die äusserste Grenze für trinkbaren Wein nach jetzigen Begriffen erreicht ist. Früher aber mussten sich schon die Norddeutschen, wenn sie überhaupt Wein trinken wollten, mit massigeren Sorten in den meisten Fällen begnügen; denn nur wirklich Reiche konnten die Kosten der Versendung von Wein aus ferneren Gegenden tragen und mussten auch dann noch fürchten, dass bei den wenig geordneten Zuständen durch Raub dieser ihnen entzogen, oder durch Betrug er für anderen vertauscht und mit diesem gemischt wurde. Da- her treffen wir nicht nur in der Mark Brandenburg, sondern gar bis Preussen**-') und Schleswig-Holsteinf) hin an zahlreichen Stellen Bezeichnungen, die auf einstigen Weinbau hindeuten. Dass aber nicht das Klima der Grund für den Rückgang ist, zeigt der 1857—58 in zwei günstigen Jahren an der genannten Oertlichkeit im Sens- burger Kreise von einem geschicktenWeinzüchter gewonnene gute Weissweiu. Wenn auch nicht immer solcher Wein dort zu erzielen wäre, so hat man doch die Weinberge dort bestehen lassen, nur das Keltern wegen Mangels an einer Vertrauenspersou aufgegeben. Natürlich wäre eine solche auch jetzt für gute Bezahlung schon zu haben, billiger aber lässt sich und ganz unabhängig von der Witterung alljährlich Wein aus südlicheren Gegenden dort einführen. Wie überhaupt für den Gartenbau, so sind auch für den Weinbau in unserem Lande im Mittelalter die Klöster Ilauptstätten gewesen. Unter dem Vorwand, Wein für das Abendmal zu erzielen, thatsächlich wohl aber wesent- lich, um für den eigenen Gaumen zu sorgen, legten die Miinchc überall, wo es möglich war, um ihre Klöster Weingärten an. Mit der Ausbreitung des Christenthums ist auch der Weinbau unter den Merowingern zuerst in Deutschland eingedrungen; ff) und die späteren Ordens- *) Vergl. Drude, Deutschlands Pflanzengeognapliio I, 41.5. — Uober Weinbau in der Provinz Posen vergl. Zeitschr. der bo- tanischen Abtlicilung, VIT, Posen 1900, S. 54 ff. **) Kfippi'n, lliilzgewächse Russlands. *■■■*) AliruiiH' i t. Flora von Ost- und Westpreussen. S. 147. t) Bei l'',lm.slioni fand mau beim Eisenbahnbau ganze I.,ager von Reben (Richter, Kulturpflanzen und ihre Bedeutung für das wirthschaftliche Leben der Volker S. 39). tt) Reicbelt, Beitrag zur Geschichte des ältesten Wein- baues in Deutschland. — Nach Frankreich drang schon im ersten Jahrhundert der römischen Kaiserzeit Weinbau ein, und von dort wurde er bald an den Genfer See gebracht. In weitere Theile der heutigen Schweiz drang er später, doch ist er für Chur 766 nachweisbar (vergl. Schlatter, Einführung der Kulturpflanzen in den Kantonen St. Gallen und Appenzell). ritter haben zu seiner weiteren Verbreitung beigetragen. Seine spätere Abnahme im Norden mag daher zum Theil auch mit der Einziehung der Kloster*), also mit einer Aenderung der Religionsgewohnheiteu zusammen- hängen. Unter den VVeinländern Europas steht heute Frank- reich weitaus obenan, ihm folgen Italien und Spanien im"d erst in grossem Abstand dann Oesterreich-Ungarn und das Deutsehe Reich. Unser Staat bringt kaum den 14. Theil ,des Weins hervor**), wie das noch etwas kleinere Frauk- reich, das mehr als 50 Mill. hl Wein jährlich erzeugt. Ausserhalb Europas kommen Nordamerika, Australien, Uruguay, Argentinien und Syrien noch besonders für Weingewinuung in Betracht.***) Wie in der Gewinnung so eilt auch im Weinver- brauch Frankreich allen Ländern weit voraus; während dort im Durchschnitt ein Mensch im Jahr über 100 1 Wein verbraucht, kommen in unserem Heimathland nur 4—5 1 auf den Kopf, wobei sicher noch ein grosser Unter- schied zwischen dem Süden und Norden unseres Vater- landes sein wird. Ein solcher Unterschied tritt aber in unserem Erdtheil noch weit hervor, denn während nächst den Franzosen die Spanier, Portugiesen und Italiener am meisten Wein verbrauchen, kommt in den beiden skandi- navischen Ländern nicht einmal 1 1 Wein auf den Kopf der Bevölkerung jährlich. Auch hierf) zeigt sich ein Gegensatz zwischen Evangelischen und Katholiken; denn nächst Schweden und Norwegern verbrauchen Engländer und Holländer am wenigsten Wein. Es ist daher durch- aus wahrscheinlich, dass der Rückgang des Katholizismus, vielleicht besonders durch Einziehung der Klöster, auch bei uns den Rückgang des Weinbaues (neben der Ver- besserung der Verkehrseinrichtungeu und der höheren Anforderung an den Geschmack) mit bedingte. Sicher hat aber auch das Vordringen eines anderen Getränkes dabei mitgewirkt, das den Wein als Volks- getränk bei uns ganz verdrängt hat, erst in letzter Zeit im Norden unseres Vaterlandes sich mehr einbürgerte, nämlich das Bier.ff) Aus Getreide hergestellte Getränke scheinen zwar schon im Alterthum in Vorder- (und Ost-)Asien wie in Aegypten bekannt gewesen und von dort nach Südeuropa gebracht zu sein. Doch haben sie wohl da nie grössere Bedeutung erlangt. Gerstensaft wurde aber aus anderen Theileu Europas als Getränk von späteren römischen und griechi- schen Schriftstellern erwähnt, so für die Dcutsdicn schon von Tacitus. Aber höchst wahrscheinlich Ichltc dem Ge- tränk, das unsere Vorfahren wahrscheinlich von den be- sonders in Westeuropa wohnenden Kelten kennen lernten, der Hopfen. Die Verwendung dieses Gewürzes beim Bierbrauen dürfte von der entgegengesetzten Richtung, von Osten her, nämlich von den Slaven, zu uns gedrungen sein. Wenigstens deutet ein Vergleich der Bezeichnung des Hopfens in einigen Sprachen auf diesen Ursprung hin. Busch anfff) sucht nachzuweisen, dass bei den Slaven der Zusatz des Hopfens zum Bier in den ersten Jahrhundeiten unserer Zeitrechnung in Gebrauch gekommen sei. Diese Kunst mag dann etwa um die gleiche Zeit *) Auch in, Schleswig-Holstein waren gerade bei den Klöstern Uetersen und Preetz Weinberge (Fischcr-Be nzo n, Altdeutsche Gart..nll..i-;, S. 158). ■ ") \ ri -I. Si-herz er a. a. 0. *-i) l)|,|M-l a. a. 0. t) Vergl. auch Bot. Jahresber. XI, 1883, 2. S. 150 f. tt) Vergl. über seine Geschichte: Jung, Das Bier, seine Geschichte und seine Bedeutung (Natur XVII, 1888, S. 48 bis 51, 63 bis 66). ttt) Buschan in , Ausland" 1801. Nu. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 18. vou Osten her in unser Vaterland eingedrungen sein*), in welcher der Wein von Westen her eindrang. Im Jahre 1070 wurde schon Hopfen vielfach im Magdeburgischeu gebaut, und die um jene Zeit lebende Aebtissin Hildegard erwähnt seine Verwendung zum Bier. Besonders von liöhmen aus, also von Osten her, scheint der Hopfen in Deutscliland eingedrungen zu sein. Daraus aber schliessen zu wollen, dass auch die Hopfenpflanze von Osten her bei uns eingewandert sei, wie es Bnschan thut, scbeint mir ungerechtfertigt. Wenigstens habe ich mchifach in Erlcnbriichern Brandenburgs Hopfen in einem solciicn Zu- stand gesehen, dass er mir urwüchsig er.-cbeint. '*) Es wird wobl mit dem Hopfen äbnlich stehen für uuser Land wie mit dem Wein für Europa. Wie Weinbau wahr- scheinlich erst die Europäer von Semiten kennen lernten, obwohl vielleicht früher schon Weinbeeren benutzt wurden, wie Funde aus Pfahlbauten zeigen, die üebereinstimmung der Kerne mit solchen von wilden Reben aufweisen, so mag ähnlich der schon länger in Mitteleuropa ansässige Hopfen erst gebaut und benutzt sein, nachdem der Ver- kehr unsere Vorfain-en in engere Berührung mit Slaven gebracht hatte. Das neben dem Hopfen zur Bierbereitung verbrauchte Getreide ist unbedingt in unserem Heimathlande fremd, und zwar stammt die Gerste sicher und wahrscheinlich auch der Weizen***) aus den Mittelmeerländero. Der Süden unseres Vaterlandes steht jetzt an Bier- bercituug und Bierbeuutzung unter allen Ländern weitaus obenan. Für unser ganzes Vaterland gilt dies aber nicht, denn es wird in der Beziehung noch vou Belgien (ver- häUnissmässig) und Grossbritannien (im Ganzen) über- troffen; aber solcher Bierverbrauch wie in Bayern und Württemberg konnnt in keinem anderen Lande vor. Wiilirend in ganz Deutschland im Durchschnitt nur jeder Mensch jährlich 80 I Bier trinkt, also kaum V4 1 täglich, werden in Württemberg im Durchscbnitt von jedem 212 1, in Bayern gar 240 1 Bier verbrauclitf); es kommen also in dem Hauptbierlande etwa -/s 1 ^"t jeden Menschen täglich; dies ist jedenfalls sehr reichlich, wenn man be- denkt, dass mindestens kleine Kinder und wahrscheinlich auch ein grosser Theil der Frauen davon ziemlich wenig geniesst. Dem starken Verbrauch von Bier steht in Bayern und namentlich in Württemberg zum Glück ein geringer Verbrauch eines weit gefäbrlicheren Getränks, des Brannt- weins, gegenüber. Dies bewirkt denn auch, dass die Sterblichkeit in jenem Lande noch eine verhältnissmässig geringe ist, im Vergleich zu einigen unserer östlichen Pro- vinzen. Denn Bier wirkt wenigstens zugleich auch nälncnd, Branntwein dagegen nur zehrend. Während in Württemberg noch nicht 1 1, in Bayern reichlich 1 1 Branntwein jäliilich auf den Kopf der Bevölkerung kommen, trinkt in Posen im Durchschnitt jeder Mensch 17,1 1 Branntwein; die Folge davon mag denn sein, wenigstens zum Theil (allerdings neben der sonst dürftigeren Lebensweise), dass in Bayern und Württemberg über 40 7o dß'" Bevölkerung ff) das *) Vorher wnnlon iindcro Gewürze verwendet, ■/.. B. bei di'ii alten Skiindiniiviern der Gagelstraiicli (Myrica gale), von (Ion alten Deutschender Porst (Leduni), (.von den Ciinborn Tamari.\?). W'rgl. .Jung a. a. O. **) Hiermit stimuion auch seine Kulturfordernngon (vorgl. Bot. Jahrcsber. VIII, 2, 317 f.). *'*) Vergl. meinen Vortrag: Die Brotpflanzen (Vircliow- Ilolstondorf's Samml. gemeinveist. Vorträge, Heft 35G.) — In Afrika werden die dort gebräuchlichen Getreide, so von den Raffern Durra (Sorghum), in Habosch Tef verwendet (Jung). t) Scherzer a. a. 0. tt) Scherzor a, a. 0. — Unter den proussischon Provinzen bringen Hesson- Nassau und Schleswig-Holstein am wenigsten Branntwcinsteucu-; dort wird al.so auch wohl am wenigsten Brannt- wein genossen. 30. Lebensjahr überschreitet, in Posen kaum 35 "/„. Doch werden unsere östlichen Provinzen noch von Russland im Branntweinverbrauch übertroffen. Es ist dies auch das Land, welches am meisten Branntwein erzeugt. Diesem folgt aber leider unter den europäischen Staaten sowohl an Erzeugung als au Verbrauch das Deutsche Reich. Der Branntwein ist nun bekanntlich nicht von einei be- stimmten, sondern von sehr verschiedenen Pflanzen her- zuleiten, la erster Linie werden bei uns gerade wie bei der Erzeugung von Bier Getreidearten*) verwendet, ferner auch Kartoffeln und andere stärkereiehc Stoffe; endlich kann man die versehieileneu Schnäpse aus allen möglicbeu Früchten ruhig hierher rechnen; denn der Weingeist ist doch in allen der wirkende ßestandtheil**), wenn auch der Geschmack durch den Ursprung wesent- lich bedingt wird. Ein Eingehen auf den Ursprung aller zur Branntweinerzeugung verwendeten Stoffe ist daher unmöglich. Auch aus der Rebe wird solcher z. B. unter dem Namen Cognac gewonnen. An das seiner Billigkeit wegen gefährlichste Ge- tränk schliessen sich aber einige andere aus bestimmten Stoffen erzeugte, meist von auswärts eingeführte und daher theurere, aber auch alkoholreiche Getränke. Am be- kanntesten sind bei uns wieder zwei aus Nutzgräsern her- gestellte Getränke, der Arak aus Reis und der Rum aus Zuckerrohr***), also beide ursprüngliche Erzeugnisse des südöstlichen Asiens. Aehnliche Stoffe sind aber von vielen Pflanzen und in sehr verschiedenen Ländern und zum Theil schon seit langer Zeit erzeugt. So hatte auch Amerika schon vor seiner Entdeckung ein Getränk, das noch heute in Mexiko vielfach ebenso schädlich wirkt wie bei uns der Brannt- wein. Wie hier die Getreide, die Hauptwohlthäter unter den Pflanzen zur Erzeugung des vielleicht gefährlichsten aller Stoffe aus dem Pflanzenreich verwendet werden, so war es ähnlich in Mexiko. Die Agave, ein Amaryllis- gewüchs mit dicken fleischigen Blättern, das oft seiner Schön- heit wegen auch bei uns gebaut wird, dessen Blätter aber in ihrer Heimath zum Dachdecken und zur Nahrung ver- wendet werden, das aber vor allem einen werthvoUen Faser- stoff liefert, hat seit Jahrhunderten auch in Mexiko Pubpie, ein berauschendes Getränk, geliefert. Dies Getränk wirkt aber noch heute äusserst schädlich auf die Mexikaner ein.f ) Aber auch aus dem einzigen amerikanischen Getreide- gras, dem Mais, hat mau gar ein geistiges Getränk her- gestellt, die Chicha, ein in Südamerika einst weit ver- breitetes Getränk, an dem aber jeder gebildete Mensch sicher den Geschmack sofort verlieren würde, wenn er die Art seiner Darstellung erführe. Solche ähnlichen Getränke bestehen noch bei vielen Völkern, haben aber nur örtliche Bedeutung. Oft er- halten sie sich dadurch, dass religiöse Gebräuche daran geknüpft sindjt), wie die Kawa der Polynesier, die aus ciucr Pfefferart (Piper methystieum) dargestellt wird, in anderen Fällen, weil die Bedürfnisse eines Volkes an *) In Japan werden veischiedene Getränke, darunter auch eine Art Branntwein (Schechu) und ein besseres alkoholisches Getränk (Sake) aus Reis bereitet (Rein, Japan II). **) Der ausserordentliche hohe Gehalt an diesem Stoff be- dingt vor allein ihre Schädlickeit; dieses ist auch der Hauptunter- schied zwischen den Fruchtweinen und Fruchtschnäpsen. "'**) Arak wird besonders in Südostasien erzeugt und ver- braucht; Rum stammt zum grossen Theil aus Westindien (be- sonders Jamaica) und wird in keinem europäischen Lande mehr vorbraucht als in Kngland, wohin die Hälfte alles nach Eurojia eingeführten Rums gelit. (Scherzer a. a. 0.) Ausser 'X Lemcke in Tropenpflanze III, 1899, S. 337 Ique wird auch noch Mezeal, eine Art Branntweii aus der Agave hergestellt (vorgl. Pinart et Bourgeois, L'Aloes americain, Paris 1896, 7!» p.). tt) Jung, Der Welttheil Australien, HI, 87. XVT. Nr. IS. Natur\vissen.sclial'tliche "Wochenschrift. eini^'c wenige Gewächse gebunden sind wie die ver- schiedenen Palmweine.*) Wäin-cnd diese in Gegenden, die wegen zu grosser Hitze nicht zu dauerndem Aufenthalt arbeitskräftiger Metischen branchbar waren, gewöhnliche Anregungsmittel sind, fehlen solche auch nicht ganz in zu kalten Ländern.**) So ist ziendich allgemein bekannt, dass die Kamtschadalen aus Fliegenpilz ein berauschendes Getränk herstellen; auch sollen sie eine Spiraea (S. kamtschatica) zu ähnlichem Zwecke benutzen.***) Im nordwestlichen Nord- amerika sollen die Indianer zu ähnlichem Zweck eine Lupine (Lupinus noothatensis) verwertheu. t) Die Zahl dieser Getränke liefernden Pflanzen Hesse sich sicher noch sehr vermehren. Da solche Pflanzen al)er im Grunde kaum den Namen Nutzpflanzen verdienen, iiat es wenig Werth, weiteren von ihnen nachzuspüren. Um aber zu zeigen, dass nicht ausser den bedeutungs- losen Limonadensäften alle dem Pflanzenreich entstammen- den Getränke der Gesundheit des Menschen schädlich zu werden vermögen, sei noch kurz darauf hingewiesen, dass verschiedene Pflanzen Amerikas einen Milchsaft liefern, der ähnlich wie Kuhmilch verwendbar ist.ff) Doch sind dies sämmtlich Pflanzen, die in den dichter bewohnten Ländern mit gemässigterem Klima nicht ge- deihen, die nur in ihrem Heimathlande Verwendung finden. Der Hauptwerth der Getränke liefernden Pflanzen aber be- steht, wie eingangs gesagt, in ihrer Bedeutung für den Welt- verkehr, ihrem Einfluss auf den Handel der Menschen. Sicher haben viele auch dadurch Wertli, dass sie dem über- mässigen Wassertrinken vorbeugen und so die Verbreitung- schädlicher Bacillen mindern. ftf) Einige von ihnen sind unmittelbar oder mittelbar auch als Nährpflauzen zu be- trachten. Viele wirken mit Maass genossen günstig an- regend, ja sind geradezu heilkräftig, im Uebermaassaber schädlich : Es ist die gleiche Kraft, die schädii^t und auch nützt, Es ist der gleiche Saft, der thört und macht gewitzt. Die Zahl der Pflanzenarten, die zu Getränken ver- wendet wird, i.st gross, wenn auch vielleicht kaum so gross wie die Zald der Brotpflanzen, sicher nicht an- nähernd so gross, wie die Zahl aller zur Nahrung be- nutzten Gewächse. Nur wenige Arten aber sind dieser Verwendung wegen allein in Anbau genommen, und noch weniger haben aus dem Grunde ihr ursprüngliches Heimath- gebiet weit überschritten. Abgesehen vom Hopfen, der ähnlich wie Vanille*!) *) Nach Europa werden Palmweine als solche wohl nie eingeführt, aber es sollen Palmsäfte dem Arak öfter zugesetzt werden. **) Gerade in kalten Ländern haben sie eine gewisse Be- rechtigung, da sie wenigstens vorübergehend den grossen Wärme- verlust zu ersetzen vermögen. ■'■**) Leuiiis-Frank, Synopsis der Botanik I, 843. t) Kurtz in Engler's bot. Jahrbüchern XIX 351. tt) Nach Leunis-Frank, S3-nopsis der Botanik (I, 843): Clutia galactodendron, Galactodendron americanum, Mimusops elata, Tab ernaemo ntana utilis und Carica papaya. — Sicher kann diesen die ebenfalls wahrscheinlich Amerika entstammende Cocospahue angesclilossen werden. \',f) Alis d.iii Ciiiuilc wird M:iti' ,ils Schutz gegen gelbes Fieber .■iiiprnl.h.n. ( -.• 1, u in an ii - 1 ; i 1 - t;!:;.) " I I l^liriiM. W:(MiiMM-t.'r fiii- MmiImiwIi: (deshalb sogar in Amerikii -eli:Mir| und i tc i m n m- Art.ii für Cliartreuse. eigentlich nur als Würze eines Getränks benutzt wird, sind zur Gewinnung von Getränken allein fast nur Kaffee, Thee und Cacao ausserhalb ihrer Ursprungsgebiete ge- baut.*) Als vierte Gattung kann man diesen aber wohl den Wein zur Seite stellen, denn auch er ist doch wesent- lich der Gewinnung eines Getränkes halber weit über sein Heimathgebiet ausgebreitet. Bei ihm kommt die Gewinnung von Essfrüchten**) erst in zweiter Linie in Be- tracht, während zahlreiche andere Obstarten nur nebenbei auch zur Erzeugung von Getränken verwerthet werden. Wie aber die Obstarten, die vielleicht ursprünglichsten Zuchtpflanzen des Menschen, leider auch zum Theil schäd- liche Getränke erzeugten, so gilt dies in noch höherem Maasse von den Getreidegräsern**'^), die als Brotpflanzen sonst die höchsten Wohlthäter des Menschengeschlechts sind. Nicht nur zur Erzeugung von Bier, das schon manchen Menschen zu Grunde gerichtet hat, sondern auch gar zur Herstellung von Branntweinf) sind diese gemissbraucht worden, und ähnlich wie ihnen ist- es dem Gewächs er- gangen, das gleich ihnen hier in Nordostdeutschland die Hauptvolksnahrung liefert, der Kartoft'el. So haben wir also in den gleichen Pflanzeuarten die grössten Nutzbringer und Schädiger; ja gar die gleichen Theile der Pflanze können zur Erzeugung von beiderlei Stoffen vei-wendet werden. Uns Menschen steht es zu, sie in nützlicher oder schädlicher Weise auf uns einwirken zu lassen. Aber auch die Pflanzenarten, welche nur Ge- tränke, nicht zugleich auch Nährstoffe liefern, können wir getrost den Nutzpflanzen zuzählen, wenn auch ihre Er- zeugnisse schädigend zu wirken vermögen, denn für den Handel ft) haben sie zum Theil grosse Bedeutung, und ihre schädliche Wirkung tritt meist erst bei übermässigem Genuss hervor. Vor allem aber dürfen wir nicht den Werth der Getreidearten und anderer echter Nutzpflanzen darum herabsetzen, weil sie auch schädliche Getränke zu liefern vermögen. Die Menschen, welche sich dadurch schädigen, würden auch ohne sie Stoffe genug finden, durch die sie, um einen augenblicklichen Genuss zu befriedigen, ihren Körper zerrütten, tff) Der Werth der Getreidearten sinkt nicht, weil sie schädigende Getränke zu liefern vermögen: Drum sehmäh der Ceres Gabe nicht. Weil die Bacchantin ihr zuspricht. *) Andere oben genannte nur in ganz beschränktem Maasse. **) Wenn allerdings der Versand frischer Weintrauben keine grossen Mengen umfasst, so wird doch der von Rosinen aus Klein- asion (und Korinthen aus Griechenland) so )ietr;ichtliili. dass er für den Welthandel beachteuswerth wird. (S r h c i/. >■ r i. a. 0.) ***) Unter diesen hat Gerste jetzt als (irtrank liefernde Pflanze unstreitig höhere Bedeutung, denn als Lliotplianze; die anderen Getreidearten aber haben als Nährprianzen sich in erster Linie erhalten, wenn sie auch gleichzeitig für Getränke benutzt werden; die Gerste ist bei uns aber auch als Futterpflanze für Vieh von grosser Bedeutung. t) Gerade die Hauptbrotptianze der Norddeutschen, der Roggen, liefert bekanntlich Branntwein (Nordhäuser Korn). tt) Von Kaffee allein werden jährlich 37.5 Mill. kg in Europa eingeführt (1820 nur 75 Mill. kg, 1730 kaum 40000 kg). Richter a. a. 0. S. 118. ttt) Verbilligung des zur Ernährung benutzten Getreides, Vertheuerung der daraus hergestellten Getränke werden am besten dem Volkselend abhelfen, das durch zu starken Verbrauch alko- holischer Getränke beim niederen Volke hervorgerufen wird; denn Hunger ist meist die Hauptveranlassung hierzu. 210 Xaliu-wissenschaftliclK' ^^' XVI. Nr. !> Auszehrung' und Tuberkulose, — üeber deicn Yei- hiiltniss zu einaiuler haben Albert Robin und Maurice Binet der französischen Akademie am 18. März folgende sehr beachtenswerthe Mittheilungen gemacht. Im vollen Widenspiuehe zu der allgemein verbreiteten Annahme, dass ein Phthisiker weniger athmc als ein gesunder Mensch und seine Biutumsetzung- (hiimatose) sich umsomehr ver- ringere, als die ßefallenheit der Lungen an Ausdehnung gewinne, weshalb man sich bemühe, bei Brustkranken die Oxydationsvorgänge zu steigern, haben ihnen mehr als 1300 Untersuchungen von B92 Kranken ergeben, dass die Athmuugsaustausche bei den Phthisikern viel stärker sind als bei gesunden Leuten und zwar in so constantem Maasse, dass auf 163 Phthisiker nur 8"/o Ausnahmen kommen. Dieser Austausch erfolgt in der Weise, dass: 1., die Lungenliiftuug zunimmt um 110 7o bei Plauen und 80,5 */o bei Männern: 2., die Menge der auf das Körpergewicht von 1 kg und in 1 Minute ausgeathmeten Kohlensäure sich um 86",(i bei Frauen und um 64",, bei Männern vergrössert; o., der für Kilogramm und Minute verbrauchte Ge- sanimt-.Sauerstoff um 100,5 "/o bei Frauen und 70 "q bei Männern steigt und 4., der von den Geweben verzehrte Sauerstoff um 162,8 "/„ bei Frauen und 94,8 °/„ bei Männern wächst. Diese Uebertreibung des Athmungsaustausches besteht auch noch in schweren Krankheitsfällen; sie zeigt .sich in allen Perioden der chronischen Form ebensowohl wie zu Beginn der vorgeschrittenen Perioden und dauert aus bis zu den letzten Krankheitstagen. Allerdings ist sie Schwankungen unterworfen, die in gewisser Beziehung zu den Fortschritten der Tuberkulose oder der Besserung stehen. Eine entsprechende Uebertreibung des Athmungsaus- tausches zeigt sich bei gewissen verwandten Krankheiten (Pütt'sche K., Knochentuberkulose, Tuberkulose des Tes- tikels, tuberkulöser Pleuresie und adcnites tuberculeuses), während sie bei anderen fehlt (Peritonitis, tuberkulöser Meningitis und Lupus); unter verschiedenen Krankheiten, die man mit Lungentuberkulose verwechseln kann, trifft man also auch einige mit überreiztem Athmungsaustausche, doch unterscheidet sich dieser immer in einigen Zügen von demjenigen der Phthisis, weshalb die Prüfung des Austausches die Schwierigkeit beheben wird in Fällen, wo man mit der Diagnose auf Lungentuberkulose zögert, zumal die chemischen Kennzeichen von Beginn der Tuber- kulose an entschiedene sind. Die Uebertreibung des Athmungsaustausches ist aber kein Act der Abwehr seitens des Organismus, ebenso- wenig eine Anzeige des Angriffes der Bazillen, denn sie besteht bereits vor der Ansteckung mit Bazillen bei etwa drei Vierteln der Abkömmlinge von Tuberkulosen. Inj Gegentheil sinkt in zur Phthisis antagonistischen Zuständen (,wie Arthritismus) der Athmungsaustausch unter den bei gesunden Menschen normalen. Die Uebertreibung des Austausches bildet also eine der Tcrraiu-Bedingungeu für die Tuberkulose. Die andere Bedingung besteht in der Entmineralisirung der Organe, auf die in einer späte- ren Mittheilung von den Verfassern zurückgekommen wer- den soll und für die das Wort des Hippokrates gelte: die Phthisis ist eine Verzehrung. Der Verbrauch durch Ath- mungswechsel und Entmineralisirung bereitet eben das Terrain vor für die Invasion der Bazillen. Die Prophylaxis der Tuberkulose ist deshalb keine völ- lige, wenn man nur jjrivate oder öffentliche Maassnahmen gegen das Agens der Ansteckung trifft. Wenn man im Vor- aus die prädisponirten Subjecte kennt, genügt es nicht, dem Bacillus den Weg zu versperren, sondern man muss die gefäln-deten Personen sogleich einer Hygiene und einer Therapie unterwerfen, die es vermag, die Unruhe in den Functionen und in der Ernährung zu massigen und hier- mit die nöthige Vorbedingung der Bazillen-Entwickelung zu beseitigen. Die Lungentuberkulose wird, so schliessen die Verfasser, thatsächlich nicht zu unterdrücken sein, wenn man nicht dahin gelangt, den Organismus der für sie Prädisponirten unempfindlich gegen den Krankheits- keim zu machen. 0. L. Astronomische Spalte. — Mit dem grossen Mills'schen Spectrographen der Licksternwarte sind von W. Campbell und H. Wright neuerdings mehrere Sterne mit ziemlich stark veränderlichen Geschwindigkeiten und Visionsdauer entdeckt worden. Bei cUrsae majoris, einem bekannten Doppelsternsystem, erwies sich der Hauptstern selbst wieder als doppelt, so dass wir in diesem Stern ein drei- faches System vor uns haben. Dasselbe wurde betreffs •/.Pegasi, constatirt. Die Duplicität desselben wurde von Burnham bereits im Jahre 1880 entdeckt. Die beiden Corapenenten, welche wegen der äusserst geringen, nur etwa 0."4 betragenden Entfernung von einander, äusserst schwer zu trennen sind, haben seit ihrer Entdeckung durch Burnham schon fast zwei Umläufe vollendet. Die Umlaufszeit von nur 11 Jahren ist bis jetzt die kürzeste bei Doppelsternsystemen bekannte. Bei der geringen Distanz war es nicht möglich, beide Spectra getrennt zu photographiren und daher auch die Bestimmung der Ge- schwindigkeiten mit besonderen Schwierigkeiten ver- bunden. Die Geschwindigkeiten, welche sich am Spectro- graphen ergeben haben, liegen zwischen + 35 km und — 45 km als Grenzwerthen scheinen eine Periode von nur einer Woche zu besitzen. Die neun Sterne, welche das Verzeichniss von Campbell und Wright enthält, sind ausser den zwei bereits genannten noch: 12 Persei, 93 Leonis, rfBootis, ßScuti, 113 Hercuiis, 2 Scuti und Tj Andromedae. Ueber den veränderlichen Stern CGeminorum hal)en Campbell und Wright interessante spectroskopische Beob- achtungen angestellt. Schon vor einigen Jahren haben die Genannten und unabhängig von ihnen Belopolsky in Pulkowa constatirt, dass die Spectralliuien periodische Verschiebungen zeigen. 44 auf der Licksternwarte er- haltene Aufnahmen haben diese erstere Beobachtung voll- inhaltlich bestätigt und überdies constatiren lassen, dass die Perioden des Lichtwechsels und der Linienverschie- bungen zusammenfallen. Man könnte daraufhin wohl zu der Meinung gelangen, dass der Lichtweehscl durch die Revolution eines dunklen Sternes um seine glänzenden Centralkörper hervorgerufen werde. Eine genauere An- sicht der Geschwindigkeitstabelle, welche Campbell zu- sammengestellt hat, lehrt aber, dass das Minimum der Lichtstärke gerade mit dem Maximum der Geschwindig- keit im Visionsradius zusammentrifft, also offenbar zur Zeit des Minimum der dunkle Begleiter nicht vor, sondern neben dem Hauptstern steht. Damit fällt die eben er- wähnte Möglichkeit weg und wird das System nur schwerer verständlich. Campbell constatirte sogar noch Nebenperioden in derGeschwindigkeitsscIiwankung, welche bis jetzt im Lichtvvechsel noch nicht erkannt worden sind. Es wäre natürlich von grossem Interesse, an der Hand einer ausgedehnteren Beobachtnngsreihe auch das Vorhandensein von Nebenperioden im Lichtweciiscl und ihre Ueberein- stimmung mit den Campbeirschen nachgewiesen zu sehen. Ein Verzeichniss von 64 neuen veränderlichen Sternen hat E. C. Piekering in Circular No. 54 des Harvard College observatory veröffentlicht. Nur wenige dieser Sterne, von welclien mehr als die Hälfte starke Helligkeits- schwankungeu aufweist, gehören der [nönllieheu Hemi- sphäre an. Xati isscnsrli Dem Director des Observatoriums zu Toronto, Stupart, ist seitens eines Beobachters an der Hudsons-Bay die Nacliricht zugekommen, dass dort am 15. November 1900 zahh-eiebe Sternschnuppen beobachtet worden seien. Der Himmel sei voll von Schwärmen gewesen. Auch am 16. November habe man bis Tagesanbruch zahlreiche Meteore i;esehen. (Nature 1901, Febr. 28.) Diese Nach- richt erscheint wohl angesichts des ümstandes, als von fachliundiger Seite wohl im Jahre 1900 alle nüthigen Maassregeln ergriffen worden waren, um das Leoniden- phänonien zu beobachten, und bei dem Misserfolg, den alle Anstrengungen zu verzeichnen hatten, etwas unglaub- würdig. Im Mai gelangen folgende Veränderliche vom Mira- typus ins Maximum. [AR und B gelten für 1855.0 als Epoche der BD.] A'Seulptoris Ji? = li'20'" 17^; i> = -33°17.'S Anf. Mai5.GGr. i?Arietis 2 7 53 ; -f 24 22. 8 Ende Mai 8.0 „ A'Colonibae 5 44 55; -29 14. 1 MittcMaiS.U „ A'Gcminorum 6 37 50; +30 25. 2 Anf. Mai 8.9 „ A'Virgiuis 12 31 9: + 7 47. 2 MittcMai7.0 „ 7V/,'Scorpii 16 47 24; -30 20.7 „ „ 7.8 „ />' rSagittarii 19 7 4; -33 46.3 „ „6.0,, rSagittae 19 15 13; +17 23.2 „ „ 8.0 ., i?VuIpeculae 20 57 56; +23 14.9 „ „ 8.0,, irPegasi 23 12 34; +25 29. 1 EndeMaiS.O „ r'Ccphei 23 49 44; +82 23. 0 Anf. Mai 6.7 „ Adolf Hnatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Enuinnt wunl.n: ileiin iiHt.Munln-is.-lM.,, Institut zu Berlin der .ständige Mitarljrit.-r Dr. üoinard Süriua; zum Abtheilungs- Vorstelier und der wissenschaftliLdie Hilfsarbeiter Dr. Johannes Edlir zum ständigen Mitarbeiter; Prof. Dr. Fedor Krause, der seit dem vorigen Jahre die chirurgische Abtheilung des Augiista-Hospitals leitet, zum ausserordentlichen Professor an der Universität in Berlin; an Stelle des als Ordinarius nach Breslau berufenen ausserordentlichen Professors der Philosophie in der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. B. Dr. Martin Baumgartner der Privatdocent der Philosophie an der Univ.rsität Miinclieu Dr. Adolf Dyroff zum ausserordent- lichen Professor der Philosophie an der Frciburgor Hochschule; der bisherige Privatdocent der Geologie in der philosophischen Fakultät der Universität zu Königsberg i. Pr. Dr. Ernst Schell- win zum ausserordentlichen Professor. Verliehen: Dem Pflanzonpaläontologon und Custos am städti- schen Museum zu Chemnitz in Sachsen Dr. T. Stevzel der Titel Professor. Es starben: Oberstabsarzt I. Klasse Prof. Dr. Kohlstock zu Tientsin an Unterleibsty]ilni?. Prof. K. gehörte dem Ober- kouniiando der kaiserlich il^nt-luMi S, hutztruppe an. — Professor Adolf Hirsch. Direktor Ji r St.'inwarte in Neuenbürg Inder Schwi'iz. Er war ständiüri- Si hrit'ttVihrer der internationalen Koniiuissiim für Maassi' und C.ewichte und bis vor kurzem Sekre- tär dv-r iiiternation.ileii N'er.'inigung für Erdmessung. — In Balti- more dtr Pliysiker llciny Augustus Rowland, Professor an der Juhn llupkins-Universität. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Rudolf Martin, ausserordentl. Professur der Anthropologie an der Universität Zürich, Anthropologie als Wissenschaft und Ijehrfach, Eine akademische Antrittsrede. Jena, Gustav Fischer, 1901. Bei dem von verschiedenen Seiten erhobenen Mahnruf nach Errichtung von Lehrstühlen für Antliroiiologie auf unserendeutschen Hochschulen verdienen dir A.ii--.. innren der Inliaber einer der wenigen schon bestehendrn ni., r „Wesen und Aufgabe" seiner Wissenschaft ganz besondere IJeai l;tung. Ru dolf Martin hat die Lupe zi hat Darwi „Naturgesel aufgefasst, Forschuni;- nein i^i Uli m.iss, denn nur und Ursprung de der Anthropologie viel höhere Ziele aut di( s r Mens, sind n. gesteck seine im Sommersemester 1900 au der Universität Zürich gehaltene Antrittsvorlesung im Druck erscheinen lassen mit dem ausge- sprochenen Wunsche, der Wissenschaft vom Menschen „neue Freunde und Mitarbeiter zu werben". Im Grossen und— Ganzen wird wohl juder umsichtige und sachkundige Beurtheiler seinen Ausführungen beipflichten, im Einzelnen jedoch hätte man da und dort mehr Klarheit und Bestimmtheit erwarten dürfen. Die auf- fallende Thatsache, dass, während Thier- und Pflanzenkunde schon längst in wohleingerichteten akademischen Anstalten gelehrt wer- den, der Mensch, die Krone der Schöpfung, fast überall noch zurück- stehen muss, wird ganz riehtig tlieils auf mangelnde wissenschaft- liche Ueberlieferuim. tleils auf die e,.^vissen Vorurtheilen ent- ipringende Scheu zui url.evtidn t. die ..Species Homo ebenso unter brigen Lebewesen. Auch hierin chauungen Bahn gebrochen. Als ' hatBroca unsere Wissenschaft die streng naturwissenschaftliche .11^ r Mei,-ei , id.unde bleiben ■ l.or Alter :ii-. ; 1. . . ; ,■, . laeii," Aber t i:ie-.-e,-e Aaf-.ii" 11 -est 'i*******^*****:***^;^* * ******^**^*i(*i^ii****^ ^«tberfdic ?>crrrt(i5ßonbtunfl, ^rciBurg i. 38r. Soeben ift crid)iciieii iiiiö burd) alle S3iid)f)anbluiigcn 311 tic^icljen : Inljrlturii i\tx llnturuttffeufdjnfti^n l.'Ui/ 1 JUl» (i'iill)iiltniLi hie l)cnunvagcnb[teii ;süvt= fd)ritte auf bi-n (Skbietcii; %l)\)\U, (5l)cmic uiib diemiitijc Scdinoloflic; niiBcluonbtc SJiediniüt; Wetcoroloflie iiiib pWv !(iliid)c (Scograpöic; «Iftvoiiomic uiib iiinUcmntiidic (Sco= flinpluc; Soo'oü'f ""* Sbotniiif; 3(nft= iiiib ynnbiuirtidinit; iUiincvnlogic uiib (ScoloRtc; ^lutljvoiiDlDflic, (itl)iio(onic uiib Uvflcid)itf)tc; (ScjuiiblieitJpflciK, 'JJicbijiii uiib »(.«hDriolonic ; Sniibci- iiiib ÜiJIftvtuiibc; 3nbnftric uiib tiibii[tvicllc icdiiüt. Scdijcßnfcr ^oljrflottfl. Unter aVitmirfinui luni m(l)= niänncrn Ijermi'ji-ieijcbeii lum Dr. 'iWJnjr 2Ötl^cvMtnllU. 5Wit 43 iu bell Se^-t gebrudleii ^Hibilbuiuicu uiib ciiieni .STnrtd)eu. gr. S". (XII 11. 532 5.) j)/ (j; gel), in Cvig = ^, SeiinunnhOfiiib M. 7. «< aV- S^citOcrc Sa^rgängc tcs „SaOrCui^s »tv ^atiirniin'cii- «i fdiafttif tiMiiuii 'iiaditcscacu weiten, uiib iü'at 511m !lirei(c (on je .u 1;, ♦^i oeb. J/. 7. ■,\ctcf JsaiiVGaiiB (mit SUif-iuiiime bes cvftcii, tcr üersiiffea Wl Üt ♦< ciiiH'tn SU fMben. «KJ .■>♦ ♦♦«♦♦•♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦•♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke : X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t ♦ Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate « ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ iüclH-n i|t evidjii 3iir pfitiüctt Itctttraufdjauung. .Wilheliu Schliieter ? Halle a.S.. Naturwissensehaftliehes Institut riaturalien- und Cei)rmittell)andlung »T «H).jPlil<'. 11- und Auslandes, atiirwisseiisclial't- ütchüdcl. «. Paiiiermasse; Kefassiiijeclioii Ht r4'iolihaltig:<»s IjUsv >*änü:<'ti<»re. ^'öjsol (aiisgestni)fte, Halbpriiparati ICeptilirii. Ani|>liilii<'n, Fische (ausgestopft 1.1 VoKclaiij-c Aeltestes u. grösstes natiirwissenschaftl. Institut Deutschlands l'riunUrt mit vidrn ./ohleHen und sill,eri„:n Medaillai. ^efrac^futicjeji Dr. ^. ^ r 0 n) a 5 c 11. (£iiif finftet)1 Ccfcitsiocrfc 5d)rifl. vS^aüc a. S. 05. itd)nictrri)hc'rd)cv Hcvlai). V\r*\. Düuunlers Verlagsbuchhandliing^in Berlin SW.12. Die Charakteristik der Tonarten. Histdriseh, kritisch und statistiscli iiutersuclit vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 3U5 Seiten Preis ■2.40 .llaik. jg" Ausserordentliche Pr eiser mässigiiiig- für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift' In Kol-c viel radier der trälleren liände der ,. X^ dem Abonnentenkreise hervorgetretener Wüiisc-hc betr, Krleicliterann' des Bezugs lissenscliaftlichen Wochenschrift" hab(>n wir uns y.n riiicr dei' seithei' eise' ausserordentlichen Preisermässigung • lahr-äu-r entsc-ldossen. Wir oflVrin-n daher die Bände l-XV (Jahrg. 1887-1900) ,nitAus.sc.hh,ss der. Xanuuom M-2G vo„ Band IV, w-lchc vergriffe, ..Ir Ladenpreises von 183 Mark nngebund.n für 60 Mark ferner einzeln die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK für je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 16 Mark für je 8 Mark. statt des Diese 1' ^erl DUmmlers i;erldfl$bucl)l)andluDfl in Berlin SW. 12, Zimmerstrasse Ü4. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potoniii, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ford. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, BeHin SW. VI ^ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düannlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 12 .Mai 1901. Nr. 19. Abonnement: Man abonoirt bei allen liuchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Nidologisches 111.-^) Von Schonkling - Piovöt. in der iVcanzösi.scbeu Zeitschrift „Ornis IX," 1898, spricht Kavier Raspail über die Nester einiger Vögel. Er führt aus, dass die Vögel unserer Zeit ihre Nester auf dieselbe Weise und an demselben Orte konstruiren, wie dies schon vor Jahrtausenden geschah und weist darauf hin, dass die Nester bestimmten Bedingungen entsprechen müssen, die sich theils auf den Bau des Vogels, theils auf die Art und Weise der Ausbrütung der Eier beziehen. Raspail giebt für seine Annahme zwei Beispiele, Turtus aui-itus Ray und Orites caudatus L. Bekanntlich sind die Nester der Columbiden höchst liederlich ge))aut, so dass sie den Eiern auch nicht den ge- ringsten Schutz gegen die Unbilden der Witterung bieten. Unsere Haustauben erachten einige zusammengelegte Strohhalme als zur Kinderwiege völlig hinreichend, und das meist auf einem Baume angelegte Turteltaubennest ist in kunstloser Weise aus dünnen Zweigen zusammen- gelegt, so dass das Gelege durch die Wandung hindurch zu sehen ist. Die von dem verhältnissmilssig grossen Vogel gelieferte Wärmemenge kann von den beiden Eiern nicht verbraucht werden; die Taube wäre vielmehr im Stande, die drei bis vierfache Anzahl der Eier auszu- brüten. Wäre das Nest nun fest geschlossen und hätte dichte Wände, wie dies bei fast allen im Gebüsch und auf Bäumen angelegten Nestern der Fall ist, so würde durch die hohe Wärme die Eutwickelung des Embryos im Ei verhindert werden, es würde eine Art Backens oder Bratens stattfinden, wodurch die Keimblase in ihrem ersten Stadium abgetötet würde; das Nest muss demnach so kon- struirt werden, dass ein Theil der sich beim Brüten ent- wickelnden Wärme entweichen kann. *) Die früheren Artikel in der N:itiir\ 21 und 42. Woehenschr. 190O Im Gegensatz zu der Taube^baut'Jdie Schwanzmeise ein ringsum gut geschlossenes Nest, aus welchem nur sehr wenig Wärme entweichen kann. Das höchst kunstvoll hergestellte Nest ist im Vergleich zu der kleineu Figur des Vogels recht gross und erinnert bekanntlich in seiner Form an eine Birne. Die Wand besteht aus Moosen und Flechten, welche von Spinngeweblagen durchzogen sind; im Innern ist das Nest mit weichen Federn ausgefüttert. An der Spitze befindet sich das höchstens 2 cm weite Flugloch, welches theilweise durch einige grössere Federn geschlossen ist. Die Schwauzmeise legt 12 — 15 Eier, und ihr kleiner Körper würde nicht genug Wärme liefern können, um diese grosse Zahl von Eiern auszubrüten; durch die besondere Einrichtung des Nestes wird aber alle Wärme aufgespeichert und kommt dem Brutgeschäft zu Gute. Wennschon Raspail behauptet, dass die Architektur des Vogelnestes seit Jahrtausenden dieselbe sei, giebt er doch zii, dass die Materialien variiren können. In dem Beitrag Nr. 2 (Nr. 42, 1900) versuchte ich nachzuweisen, dass nicht nur mit dem Nistmaterial, sondern auch mit der Auswahl des Nistplatzes die Architektur wenn nicht immer, so doch vielfach sich ändert und in dieser Mit- theilung soll u. a. gezeigt werden, welche Veränderungen das Schwalbennest im Laufe der Jahre durchmachte. Erst so lange es Städte giebt, heftet die Hausschwalbe ihr Nest an die Häuser der Menschen an, namentlich an massiven Steinbauwerken, Portalen, Erkern u. dergl. Die Rauchschwalbe ist noch verwegener: sie dringt selbst ins Innere der Häuser und Fabrikanlagen ein und bringt hier ihr Nest au, unbeirrt um das Getöse der Maschinen, das Feuer der Oefen, und die Bewegungen der Arbeiter. (In dem Beitrag über „Absonderliche Nistplätze" wurden noch eine ganze Reihe von Vögeln genannt, die es der Rauch- 214 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 19. schwalbe gleich thiin). Sicher sind die Sitten dieser Vögel heute ganz verschieden von denen in langen Jahr- hunderten der Barbarei, die der heutigen Civilisation vor- ausgingen. Während der vorhistorischen Zeit, als die Menschen wie die Wilden lebten, ohne Kleidung in den Wäldern umherirrten und keine Wohnung im heutigen Sinne kannten, mussten wohl die Schwalben ihre Nestei' an anderen Orten bauen, wie gegenwärtig. Später haben sie sich weder in den Pfahlbaudörfern noch in den mega- lithischen Monumenten angebaut, denn diese Wohnungen boten ihnen keine Sicherheit und keinen genügenden Schutz. Alle bauten damals wohl an Felsen, was heute nur noch von einzelnen Arten geschieht. Aehnliches lässt sich wohl auch von den Störehen sagen, die heute so zutraulich und inmitten der europäischen Gemeinwesen, auf Dächern, Kirchthürmen und Schornsteinen nisten und gern die Schutzstätteu aufsuchen, welche ihnen die Sympathie der Bewohner bereitet hat. Diese Vögel sind daher nicht offenbar auf einem festen Standpunkt geblieben, sondern haben sieh der fortschreitenden menschlichen Civilisation anbequemt. Ihren ursprünglichen, minder bequemen Woh- nungen haben sie diejenigen vorgezogen, die ihnen der Mensch bot. Die Veränderungen in den Sitten oder der Industrie der Vögel sind vielleicht viel rascher vor sich gegangen, als man gewöhnlich annimmt. Beobachtungen, welche Pouchet bezüglich des Nestbaues der Hausschwalben an- stellte, bewiesen ihm, dass diese Thiere im Laufe unseres Jahrhunderts in ihrer Nestarchitektnr bemerkenswerthe Ver- besserungen eingeführt haben. Ein Vergleich zwischen Schwalbennestern, die Pouchet bereits in seiner Jugend ge- sammelt, mit denen, wie sie jetzt zu finden sind, drängte ihm die überraschende Thatsache auf, dass die Thiere später anders bauten wie damals. Lauge sträubte er sich gegen diese Annahme, suchte zu den alten Nestern an Kirchen, Klöstern und anderen alterthündichen Bauwerken, die dort seit vielen Jahrzehnten unbenutzt gehangen, eine noch grössere Zahl zu sammeln, aber die Thatsache Hess sich nicht leugnen: die kleinen Baumeister hatten die Bau- weise ihrer Vorfahren merklich geändert — in der Archi- tektonik der europäischen Hausschwalben hat sich im Laufe dieses Jahrhunderts eine Revolution vollzogen. Hier- mit nicht zufrieden, untersuchte Pouchet mit der Lupe eine grosse Zahl der gesammelten Schwalbennester und erkannte bei vielen noch die alte Struktur, sei es, dass es wirklich alte Nester waren, die durch ihre späteren Bewohner reparirt worden, oder sei es, dass die Bau- meister hinter ihrer Zeit zurückgeblieben waren — es Hess sich das schwer entscheiden. Als er seine Muste- rung unter den im alten Stadttheile Rouens gesammelten Nestern fortsetzte, fand er allerdings öfters solche der neuen Bauweise, untermischt mit Nestern der älteren. Da- gegen hatten die Schwalben in allen neuen Strassen der Stadt ihre Nester nach dem neuen Bauplane gel)aut. Diese Beobachtungen veranlassten ihn zu der Annahme, dass die Schwalben im Begriff stehen, ihre Nester umzu- bilden; die meisten schienen nach einem neuen Plane zu bauen, während auch noch viele Nachzügler vorhanden sein mochten, die dem alten Schlenderwege folgten. Sämmtliche alten Nester haben nämlich eine Kugel- form, woran die Segmente fehlen, welche die Mauerwäude, an denen das Nest aufsitzt, abschneiden. Der Eingang ist ein oben im Neste befindliches Loch von 2 — 3 Centi- meter Durchmesser, das also, wie schon Spallanzani beob- achtete, nur so gross ist als der Körperumfang der Schwalbe. Die neuen Nester sind dagegen eiförmig mit sehr langen Polachsen; es fehlen ebenfalls daran die seg- raentarischen Theile, welche durch die Befestigung au der Mauer von der Eiform abgeschnitten werden. Die als Aus- und Eingang dienende Oeft'nung ist eine an den Rändern abgerundete Querspalte von 9—10 Centimetcr Länge und nur 2 Centimetcr Höhe an dem oberen hori- zontalen Mauervorsprunge. Zwischen diesen beiden Arten der Nester besteht also in der allgemeinen Form und besonders in der An- ordnung des Flugloches eine wesentliche Verschiedenheit. Offenbar hat die neue Bauweise wesentliche Vorzüge vor der alten. Sie bietet mehr Raum für die Familie dar, die Jungen brauchen darin nicht so sehr auf einander zu hocken; es wird nicht so häufig vorkommen, dass sie die Alten oder sich gegenseitig ersticken. Die lange Spalte erlaubt ihnen, die Köpfe herauszustrecken, um Luft zu schöpfen und sich mit der Aussenwelt bekannt zu machen, ohne dass sie die Eltern am Aus- und Einfliegen hindern. Sie ist also gleichsam ein Balkon, breit genug, dass zwei der flüggen Jungen darauf Platz haben, und doch fliegen die Alten aus und ein, ohne jene herabzustossen. Vater und Mutter reserviren eben für sich den engsten Theil der Spalte und scheinen ihr Wohlgefallen daran zu haben, wenn die heranwachsende Brut sich den bequemen Rest zu nutze macht. Man sieht, wie sie sich, vor ihrer Wohnung angekommen, fest an die Wand anklammern und durch den schmalen Ritz hineindrängen. Das Nest ist auf diese Weise auch ungleich besser geschützt gegen Regen und Kälte wie gegen äussere Feinde. So hat der menschliche Fortschritt in der Herstellung besserer und gesunderer Wohuungen seine Rückwirkung sogar auf die in unserer Nähe angesiedelten Thiere aus- geübt; auch sie sind mit der Zeit fortgeschritten, und die kleinen Schwalbenbaumeister verstehen sehr wohl, auch ohne Sanitätsbehörde und Baupolizei, dem wahren Wohl ihres Geschlechts Rechnung zu tragen, und die vor etwa 75 Jahren von Sheppard ausgesprochene Ansicht, dass es wenig Vögel gäbe, die nicht gelegentlich beim Bau ihres Nestes von der scheinbaren, herkömmlichen Regel abwichen, bestätigt sich immer mehr. Eins der sonderbarsten Nester baut bekanntlich ein nächtlicher Reiher Afrikas, der Sehattenvogel (Scopus umbretta). Dieses Nest ist ein wirklicher Kuppelbau von bedeutenden Dimensionen; denn der nach Falkenstein aus dürren Aesten, starken Grassstengeln und Laub bestehende Aussenbau (welche Materialien mit Lehm vermauert sind) kann einen Durchmesser bis zu 2 Meter haben. Die Eingeborenen, welche den Vogel mit einer gewissen Scheu betrachten und um keinen Preis sich an diesem Neste vergreifen würden, behaupten, dass der Schattenvogel andere Vögel für sich arbeiten lasse, doch konnte Middlc- ton den Vogel selbst als Baumeister beobachten. Das Innere des Nestes enthält drei vollkommen getrennte Räume: ein Vorzimmer, in welchem sich nach Verreaux' Beobachtungen der Wachtposten aufhält, um etwa nahende Gefahr sofort zu melden, einen mittleren Raum, der, nach den zahlreichen eingetrockneten Knochen urid Thierresten zu schliessen, gewissermaassen die Speisekammer bildet und einen Hinterraum, der grösser als jene beiden ist, auch einen etwas erhöhten Fussboden besitzt und als Wochenbett und Schlafstube dient. Auch das flaschen- förmige Nest des Bayavogels Asiens wird nach seiner Vollendung in Kammern abgetheilt, und zwar enthält es gleich jenem drei Kammern. Die beiden oberen werden vom Männchen und dem brütenden Weibchen benutzt. Die untere dient als gemeinschaftlicher Wohnraum, wenn die Jungen ausgeschlüpft sind. Noch ein anderer afri- kanischer Vogel, der Perlvogel (Trachyplionus margari- tatus) führt im Nestinnern eine Wand auf, um Abtheilungen herzustellen. Nach Heuglins Beobachtung gräbt der Perl- vogel in steil abfallender Erdwand einen etwa halbmeter- langen Gang, der, anfangs wenig aufwärts gerichtet, in XVI. Nr. IS), Naturwissenschaftliche Wochenschrift. !15 ciucni grossen, nuullichen, nach uuteu zulaufenden Brut- rauni endet, welcher von dem Gange durch eine kleine Wand getrennt ist. Fernerhin bcobacbtcte Salvin, dass auch der Bicucufrcsser ab und zu eine zweite Nistkaiunier hinter der ersten anlegt und beide durch einen Gang ver- bindet. Als Merkwüi-digkeit sei auch jenes Wasserstar- nest erwähnt, das Kollibay auf einem Apfelbanm in Eeiu- crz fand. Es stand etwa 3 m hoch auf einem Chausee- baum und war aus Moos gebaut. Durch eine Scheide- wand war es in zwei Abtheilungen getrennt, deren jede einen besonderen P^ingang hatte. Ein Raum war leer, der andere enthielt zwei Eier; vielleicht war in diesem Falle das Spicluest mit dem Hrutncst verbundeu. Nach Versicherun- gen der Papua wählt der Kragenhopt (Ei)imachus speciosus) zur Brutstätte stets eine Höhle, welche zwei Oefl'uuugen besitzt, so dass er einen Eingang und einen Ausgang hat. Wallace, der dieses mittheilt, bemerkt dazu; „Wir würden dies nicht für sehr wahrscheinlich hallen, wäre einzu- sehen, wie diese Geschichte entstanden sein sollte, wenn sie nicht wahr ist." Ebenso glauben die Indianer, dass der gelbe Araras Bruthöhlen mit zwei Oeflfnungcn anlege, um seinen V2 Meter langen Schwanz nicht zu beschädigen. l'üpi)ig theilt indes mit, dass der glänzende Schweif aus himmelblauen Federn das brütende Araraweibchen stets \errathe, da er aus dem zum Nest erweiterten Specht- loche heraushänge. Um sein Nistloch herzustellen, arbeitet der Vogel nicht selten wochenlang, weshalb er es, wenn nicht be- sondere umstände eintreten, niolirerc Jahre hinter ein- ander benutzt. Diese Ersclhinnui;- iiUirt uns zu den Papa- geien unserer Wälder, den S]n'(lilcn. Bekanntlich ist es ein alter Streit, ob die Spechte ihre Nisthöhle mehrmals lienutzen. Bewährte Forscher behaupten dies, andere, nicht minder ausgezeichnete Beobachter verneinen es. Nach Leissler benutzt ein echter Specht nie eine bereits vorhandene Baumhöhle und bezieht niemals eine von ihm bereits benutzte wieder. Auch Major Krüger- Velthusen meinte, dass sowohl Bunt- wie Grünspecht sich jedes Jahr eine neue Bruthöhle scharten. Brehm ist dagegen der Ansieht, dass die Spechte, namentlich der Schwarz- speelit, wiederholt ihr altes Quartier bezögen und zwar aus Be(]uendichkeit. Es mag dem Vogel auch nicht wenig Arbeit kosten, eine Bruthöhle mit einem Eingaugsloch von It) cm, einer Trichtertiefe von rund 50 cm und einer Bodenweite von 25 cm Durchmesser herzustellen! Altum tlieilt einen Fall mit, in welchem die nämliche Vogelart genöthig't war, in einem und demselben Baume unter dem ersten Flugloche zwei weitere, unter einander gelegene, tiefere zu verfertigen, in dem Maasse, wie der innere Kern nachgefault sei. Der Berliner Oologe Hocke fand wiederholt in alten Kiefern mehrere Schwarzspecht-Nist- höhlen; als höchste Zahl giebt er sieben an, die zuletzt, innen vermulmend, zu einem vielgestaltigen Labyrinth ge- worden waren. (Nebenstehende Zeichnung diene zur Ver- anschaulichung der Sache.) Einmal entdeckte Hocke auch eine Speehthühla mit zwei, auf den entgegen gesetzten Seiten belindlichen Eingangslöchern, die mit einander ver- bunden waren. Nach Ansicht des Beobachters dienen derartige Aulagen zu Schlaf- und Wohnplätzen. Es ist kein Grund vorhanden, dieser Meinung zu widersprechen, weiss man doch, dass die Spcclitc das ganze .laiir luiidundi Baumlöeher als Schlafstellen l)ciiu(/,rn uml d.'iss das Männ- chen von Dryobates pubescens sirh eine cii^cne \\'iilinuim' anlegt, in welcher es nächtigt, wenn das Weilichcii liriiict, und Brehm berichtet von den streicluMidcn S|)cclil:ii !imi, dass Dendroeopus medius in den Gegemicu, wo sie sn h aufhalten, Baumlöcher als Winterquartiere i'ür die Nacht einrichten, während der kleine Buntspecht nur solche Gegenden besucht, wo er derartigen Unterschlupf tindet. Nach weiteren Beobachtungen Hockes sollen die ange- legten und nicht zu Brutstätten erkorenen Höhlungen dem Eigener auch als Futterplatz dienen, denn in ihnen halten sich stets Insekten auf, die dort ein gutes Obdach zu finden hott'ten und nun eine Beute des Spechtes werden, der die Höhlungen tagsüber wiederholentlich besucht. Nicht selten muss der Vogel des Harzflusses wegen vom Weiterbau bezw. Beziehen der fertigen Wohnung absehen, und auch diesem Umstände mögen so und so viele un- fertige oder leerstehende Nisthöhlen zuzuschreiben sein. Nach Naumann soll der Grünspecht gleichfalls mehrere Jahre hindurch dieselbe Bauhöhle bewohnen, was hin- sichtlich des schwachen Schnabels dieses Vogels sehr wohl erklärlich ist. Hocke fand einen Fall, in welchem sich der Grünspecht in der nicht bezogenen Wohnung eines Schwarzspechtes einquartiert hatte, nachdem er den Brutkessel erweitert hatte. Selbst der Sehwarzspecht be- zieht verlassene Spechtnisthöhlen; so hatte ein solcher die Niststätte eines Buntspechtes für sich hergerichtet, sich indes noch nicht darin etabHrt. Betreffs der Wahl des Nistbaunies gilt für -Schwarz- spechte im allgemeinen die Kiefer, selten die Buche, sehr selten die Eiche; für Grün- und Grauspechte dieselben Bäume, ohne besondere Bevorzugung, Linden und Birn- bäume, sowie Espen, Pappeln und andere Weichhölzer; für Buntspechte vorzugsweise, d. h. in der Mark, Kiefer und Eiche; für Kleinspechte wohl alle Bäume. Der gro.sse ^'^V Mehrere Nisthöhlen des Spechtes in ein und demselben Baumstamm. (Nach Hocke.) P)Untspecht gicbt im Laubl den V(.r/.n;i-: ücImm- scbcii dm,-on /,n irlM.n. I ».t kl. halb des Wahlcs und (a-hn ? den Eichen vor den Buchen ■V aber in alten Kiefernwal- l'.initspecht lebt gern ausser- , in Flüssthälern und Wiesen- gründen mit alten Weidenbäunien und hat sich nach E. V. Homeyer in Deutsehland am innigsten an die Roth- buche angeschlossen. Uebrigens bevorzugt auch der Sehwarzspecht gewisse Theile des Waldes, vorzugsweise die neuen Culturen, der Ameisen wegen, welche die Hauptnahrung der Brut bilden. Nach Brehms Beobach- 216 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 19. tungeu ist der Grauspecht ein Charaktervogel ausgedehn- ter Obstpflanzungen, wenn alte Bäume iu diesen vorhan- den sind. Der Grünspecht lobt sich eine mehr offene, parkartige Landschaft, grosse Wiesen in nicht zu ausge- dehnten Wäldern und Viehtriften mit einzelnen alten Bäumen. Ein ausgesprochenes Sichauschliessen der Spechte an bestimmte Baumarten kommt auch bei exotischen Spechtarten vor. So berichtet Legge, dass Liopipo mahrattensis sich auf Ceylon an und bei Euporbien, iu Noppore auf dem Kinobaum und in anderen Theilen des Kontinents auf dem Baboolbaume aufhalte. Die Spechtuisthöhlen stehen zweckmässig meist nach der Sonnenseite, nach anderen Seiten gerichtete werden in der Regel bald durch fallende Gewässer verdorben, daher unbewohnbar. Uebrigens hat man bei verschiedenen Vogelspezies beobachtet, dass das Flugloch stets nach ein und derselben Seite angebracht ist, so u. a. beim Töpfervogel Brasiliens. Nach Burmeister ist das Nest dieses Vogels geradezu ein staunenswürdiges Werk. Auf vollständig wagerechtem Aste steht in Form eines Back- ofens der Kuppelbau, der bis 18 cm hoch, bis 22 cm lang und 12 cm tief sein kann. Da die aus Pflanzen- theilen und Lehm geknetete Wand aber verschiedene Centimeter stark ist, entfallen auf den Inneuraum des Nestes nur 12, 15, bez. 10 cm. In diesem Hohlraum legt der Vogel das eigentliche Nest au, indem er an dem ge- raden Rande der Mündung, senkrecht nach innen, eine halbe Scheidewand einsetzt, von welcher eine kleine Sohle quer über den Boden des Nestes fortgeht. Das ist der Brutraum. Das halbkreisförmige Flugloch ist stets auf der linken Seite des Nestes angebracht, aber nicht, wie die Brasilianer meinen, stets nach Osten gerichtet. Wohl aber bringt der in den Urwäldern am Blauen Flusse be- heimatete Maskenweber das Flugloch stets an der Süd- seite des Nestes an. Dieses Maskenwebernest hat über- haupt eine aparte Architektur. Es gleicht in seiner Ge- stalt einem stumpfen Kegel, der auf eine Halbkugel ge- setzt ist. An das Schlupfloch wird die fest mit dem Bau verbundene und an ihm herablaufende Eingangsröbre an- gesetzt, die an ihrem unteren Ende das Flugloch hat. Erscheint dem allein bauenden Männchen der ausersehene Zweig nicht haltbar genug, so verbindet es diesen mit einem benachbarten durch eine Brücke und heftet an diese die .schaukelnde Kinderwiege, ähnlich unserem Pirol. Die Herstellung des Wochenbettes besorgt das Weibchen und beginnt nicht selten schon mit der Eiablage, ehe das Männchen die Herstellung des Aussenbaues beendet hat. Nach Hinz wählt auch das Blaukehlchcn zur Anlage seines Nestes stets eine Lokalität, die von der Morgen- oder Mittagssonne beschienen wird, wie der Tannenhäher freie und sonnige, also nach Süden und Südosten gelegene Berghänge zur Anlage seines Nestes bevorzugt. Nach Graf von der MUhles Versicherung klebt Sitta neumayeri das sehr grosse und künstlich aus Lehm erbaute Nest ohne Ausnahme an die Morgen- oder Mittagsseite scln-otfer Felswände und nie an die Westseite. Der Baltimorc- vogel bringt in den Südstaaten Nordamerikas sein Nest nur an der Nordseite der Bäume an, baut es ausserdem so leicht, dass der Wind hindurch streichen kann, wie er auch eine Auspolsterung des Nestes nicht kennt. In den nördlichen Staaten dagegen benutzt er wärmste und feinste Stoffe zur inneren Auskleidung des Nestes und be- festigt es stets in den Sonnenstrahlen ausgesetzten Baum- partien. Graba, welcher die Brutplätze der Dreizehmöwe auf Faröer besuchte, berichtet, dass dieselben ausnahms- los west- und nordwestwärts gegen das Meer gerichtet waren und schliesst daraus, dass die Stunmielmöwe solche Felswände zum Brüten aufsucht, welche senkrecht zur herrschenden Windrichtung stehen und dem abfliegenden Vogel ermöglichen, sogleich einen zum Fluge günstigen Wind zu bekommen.! Boje meint, dass die Fülle der Nahrung, die zu gewissen Zeiten in der Nähe der Küste vorhanden, der hauptsächlichste Grund für die Wahl sein möge, und Faber glaubt, dass Heimats- und Gesellschafts- trieb diese Wahl bestimmen. Wie dem auch sein möge, eins steht fest, dass die einmal erwählten Felswände jahr- aus jahrein wieder bezogen werden, anscheinend in immer gleicher Anzahl. Es mag sein, dass sich von den erwähnten Vogel- arten diese und jene Art der Brut wegen bestimmen Hess, die Kinderwiege an von der Sonne beschienenen Stellen aufzuschlagen. So suchen auch einige Maurervögel den kostbaren Nestinhalt in ihrer Art vor verderblichen Witte- ruugseinflüssen zu schützen. Girtanner berichtet z. B., dass da, wo sich das Nest der Alpenkrähe an den Felsen an- schmiegt, das nicht unter 6 cm dicke Filzpolster noch ziemlich hoch an dem Gestein aufgethürmt wird, um Feuch- tigkeit und Kälte möglichst vollkommen von Mutter und Kind abzuhalten. Wenn die Kusappi, die Salangane Javas, einfach die Felswand zur Hinterwand ihres Nestes macht, so ist das wohl einzusehen. Sie hat aber in anderer Weise für das Aufkommen der Brut zu sorgen. Den oberen, freien Rand des äusserst dünnen Nestes breitet sie nach hinten, da, wo er sich an den Felsen anlegt, beiderseitig in flügeiförmige Anhänge aus, welche, indem sie breit und platt an das Gestein angeschmiegt werden, die Hauptstütze des Nestes bilden, wie auch in diesen Flügelansätzen die zur Herstellung des Nestes dienende leimartige Masse geradezu verschwenderisch zur Verwendung gelangt. Auch die Zwergtrappe trifft zum Schutz des Geleges besondere Vorkehrungen. Nicht nur, dass sie dem aus Esparsettestoppeln hergerichteteu Neste nach dem Erdboden hin eine dichte, warmhaltende Unter- lage giebt, sie führt auch einen 2—3 Centimeter über die Erdoberfläche hinausstehenden Wall um das Nest- innere auf. So sorgfältig, wie manche Vogelarten bei der Her- stellung des Nestes zu Werke gehen, so leichtfertig ver- fahren andere bei dieser Arbeit. Prinz von Wied be- richtet, dass die Nester der nordamerikanischen Feuer- tangaras nicht nur jedem Räuber preisgegeben sind, son- dern auch so lose in dem Gezweig hängen, dass man sie durch Schütteln leicht herunterwerfen kann. Der die afrikanischen Durrhafelder bewohnende Feiierweber (Eu- plectes franciscanus) stellt wohl kunstvolle Nester her, baut aber leichtfertiger als alle übrigen Webervögel: die Wandungen sind nämlich so locker zusammengefügt, dass man die himmelblauen Eier hindurch schimmern sieht. Auch der Kappenblaurabe Süd -Amerikas (Cyanocorax chrysops) baut höchst liederlich. Wennschon er den In- halt des Nestes insofern zu schützen sucht, als er dieses auf hohen dornigen Bäumen anbringt, so ist der Bau doch so unordentlicii ausgeführt, dass die Eier durchscheinen, auch zuweilen durchfallen. Höchst sorglos verfährt auch der Kleiber in der Ausfütterung seiner Nisthöhle. Das verwendete Material: Stückchen von Buchen- und Eichen- blättern, bezw. dünne Stückchen von Kiefernschalen liegt so locker aufeinander, dass man kaum begreift, wie die Eier beim Ein- und Ausfliegen des Vogels zusammen und oben auf den Schalen gehalten werden können. Man sollte denken, sie müssteu unter dem Wust dieser dünnen Sehalenblättchen begraben werden, Mit dem Feuerfink sind wir zur Gruppe der Weber- vögel gekommen, deren Nester das Bewundernswertheste an den Lebensäusserungen dieser Thiere bleiben. Manche der Nester sind so stark und fest gewebt, dass der Regen nicht hindurchdringt und der Wind sie nicht einmal hin und her zu schütteln vermag; es sind schwere massive XVI. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 217 Bauten aus laugen Griisern, die an Baumästen befestigt sind. Mit Vorliebe wählen die kleinen Baumeister als Stützpunkt für ihre künstlerischen Wohnungen Bäume aus, deren Zweige sich über einem Gewässer ausbreiten, um so den denkbar besten Schutz vor ihren Feinden zu ge- messen. In Ermangelung eines solchen Idealplatzes je- doch hängen sie in Afrika ihre Nester auch an die Giebel der strohbedeckten Negerhütten. Finden sie ihren Schutz nicht durch die Nachbarschaft des Wassers oder der Menschen, so wählen sie gern besonders hohe Bäume als Wohnplätze aus, z. B. den Giraft'endorn, eine Akazienart, von der die Giraffen ihre Nahrung holen und die beson- ders in unfruchtbaren Gegenden wächst, wo sie der ein- zige Zufluchtsort für die Webervögel ist. Auch der wohl- bekannte Schneidervogel bevorzugt gewisse Baumarten, nach Hutton den Amaltusbaum, nach Nicholson Solanum esculeutum und Cucurbita octangularis. Merkwürdig muss erscheinen, dass der Zwergsegler, Micropus parvus, in einem gleichmässigen Bestände nur bestimmte Partieen zu Brutplätzen bezieht. Pechuel-Loesche fand nämlich die einem tief ausgebogenen, runden Löffel vergleichbaren Nester dieses Vogels, welche an den grossen Fächern der Hyphaene guineensis befestigt waren, nur in gewissen Gruppen von Palmen in den langgestreckten und gleich- massig vertheilteu Beständen dieser Palmenart, während die benachbarten Palmengruppen unbesiedelt geblieben waren. Andere Vogelarten sind in diesem Punkte weniger wählerisch, so der Girlitz. Er legt seinen kleinen Kunst- bau, der dem des Edelfinken ähnelt, auf Birnbäumen, Aptclbäumen, Kirschbäumen, anderem Laubholz, auf Nadelholz und in Spanien auf Citronen- und Apfelsinen- bäumen an. Wenn J. Michelet sagt: „Das Haus ist beim Vogel gleichsam der vollständige Abklatsch seiner Person" — , so trifft dieses in vielen Fällen doch nicht zu, indem näm- lich die Grösse des Nestes nicht immer der Körpergrösse des Vogels entspricht und umgekehrt; bald bewohnt ein kleiner Vogel ein Riesennest, bald baut ein grösserer Vogel ein Nest, in welchem er kaum Platz findet und es räthselhaft erseheint, wie die Brut darin zurecht kommt. Einen für seine Grösse riesigen Bau führt der Bündel- nister, Synallaxis frontalis, auf, dessen Nest nach Swain- son, der es zuerst beschrieb, der Landschaft ein bestimm- tes Gepräge verleiht. Der Vogel hat eine Korperlänge von 17 cm, während das länglichrunde, einem Reisig- bündel gleichende Nest zuweilen 1 Meter lang ist. Das Flugloch befindet sich am Grunde des Bündels, und von ihm führt im Genist ein Gang nach der kleinen, aus Moos hergestellten Nisthöhle, die nach oben geschlossen ist. Alljährlich wird das Nest vergrössert, indem der Vogel zur Paarzeit rings um das Bündel ein neues ansetzt und in diesem auch eine neue Nistkammer herrichtet. Beim Oeffneu des Nestes liegt der neue Brutraum stets zu oberst, die alten Nester werden von dem Männchen bewohnt. Nach Swainsons Versicherung sind diese sonderbaren Ge- bäude nicht selten so schwer, dass sie ein Manu kaum in der Schwebe zu halten vermag. Auch der Schapu, Cassicus cristatus, verfertigt ein recht grosses Nest. Es ist beuteiförmig, 13 — 17 cm weit und oft l'/.j ra lang, während die Körperlänge des Vogels höchstens 45 cm beträgt. Der durch seine Oktavmodulationen bekannte Guttarama baut nach Burmeisters Angaben gleichfalls ein recht umfangreiches Nest, und das füllhornförmigc Nest von Rhipidura melanogastra hat nach Levaillant eine Länge von 20 cm, während der Durchmesser der Nest- mulde nur 6 cm beträgt. In der einheimischen Vonelwelt giebt es ähnliche Erscheinungen. So sind z. B. die Würgernester verhältnissmässig gross; auch das Zaun- könignest hat gewaltige Dimensionen; und das Nest des verwandten Goldhähnchens hat bei 11 Centimeter Aussen- durchmesser einen Nisthohlraum von nur 6 cm Höhe. Anderntheils giebt es wieder eine Anzahl Vögel, deren Nest der Körpergrösse des Vogels angemessen viel zu klein erscheint und doch seiner Bestimmung vollauf entspricht. Vor allem sei hier das Nest des Klecho er- wähnt. Einen ziemlich flachen, länglich halbrunden Napf darstellend, ist das Nest an einem 2 cm dicken, wage- recht stehenden Aestchen so befestigt, dass dieses zu- gleich die hintere Nestwand bildet. Die Kleinheit und Zerbrechlichkeit des Nestes erlaubt dem Vogel nicht, sich darauf zu setzen. Das Nest ist eben gross genug, das eine Ei aufzunehmen, welches vom Vogel bekanntlich in der Weise bebrütet wird, dass er es auf dem Aste sitzend mit dem Bauche deckt. Das Junge füllt bereits nach wenigen Tagen das Nest aus, so dass es dasselbe bald verlassen muss und in ähnlicher Stellung wie das brütende Weibchen am Neste ruht. Bei seiner ausgesprochenen Schutzfärbung und dem Vermögen, die täuschendsten Stellungen einzunehmen, ist das Junge vor Räubern vollkommen geschützt. Ebenso fällt beim Alpen- segler die im Verhältniss zum Vogel ausserordentliche Kleinheit des Nestes auf. Bei einer Vogellänge von 22 cm beträgt der obere Durchmesser des Nestes 10 bis 12 cm, während die Muldentiefe 3 cm ausmacht; ist, wie es scheint, ein so kleines Nest dem Vogel passend, so dürfte es auch keine allzu grosse Tiefe haben, da er sonst mit seinen so kurzen Füssen und so langen Flügeln in Zwiespalt kommen müsste. Bei dieser geringen Tiefe der Mulde ist es nun aber trotz der laugen Flügel mög- lich, mit den Füssen den Boden des Nestes zu erreichen. Sitzen beide Eltern oder eine Brut selbst sehr junger Vögel im Neste, so verschwindet dieses vollständig unter ihnen. Für seinen kleinen Körper bedarf der Alpensegler keines grossen Nestes, und gegen das Herausfallen schützt sich Jung und Alt vermittelst der tief in den Nestfilz ein- gegrabenen scharfen Nägel. Das bereits erwähnte löffel- artige Zwergseglernest hat auch eine sehr flache Mulde, so dass die Jungen bei heftigem Winde leicht heraus- fallen können; um dieses zu verhindern, leimt die Mutter die Brut in der Wiege fest, und der Topaskolibri, welcher sein Nest an einem über dem Wasser hängenden Gabel- zweige sackartig befestigt, versieht das Nest mit einem breiten Rande, der nach innen gebogen ist, so dass selbst bei heftigstem Winde weder die Eier noch die Jungen herausfallen können. Auch der Muldenrand des viel höheren als breiten Rohrdrosselnestes ist einwärts ge- bogen. Wenn der Bergfink gelegentlich der Auspolsterung seines Nestes mit Federn auch solche am Nestrande ein- baut, dass diese zuweilen das Nest halb verdecken, so geschieht dies zweifellos, um dieses den Blicken der Nestplünderer zu entziehen. Aus demselben Grunde giebt auch die Elster, deren Nest im Gipfel hoher Bäume steht, diesem ein aus Dornen und trockenem Reisig bestehendes Dach; der auffällig gezeichnete Vogel würde andernfalls uur zu oft eine Beute der Raubvögel werden. In einem Striche Irlands, in dem man den Elstern eifrigst nach- stellte, hatte sich ein Pärchen abweichend von dem üb- lichen Bauplane in einer dichten Hecke angesiedelt und auch den s"onst gebräuchlichen Niststoff beim Baue nicht verwendet, aber wohl weniger, wie Thompson meint, die Aufmerksamkeit in geringerem Grade zu erregen, sondern weil eben die Dichtigkeit des Busches in der Natur er- setzte, was die Elstern sich als Schutz, namentlich gegen Raubvögel, sonst künstlich bereiten müssten. Das Teich- sumpfhühnchen legt sein Nest auch nur an in keiner Weise den Blicken auffallenden Stellen an. Nach Voll- endung der Nistmulde versteht es das Weibchen, im Laufe Naturwissenschaftliche "Wochenschiil't. XVI. Nr. UV der Zeit durch beständiges Nieder- und Gegeneinander- beugen der nmstebeuden Halme das Nest so zu verbergen, dass selbst das scharfe Angc des Weiheu den unter der grünenden Kupellaube brütenden Vogel nicht zu sehen vermag. Es wurde schon angedeutet, dass die Vögel sehr klug in der Wahl des Nistmaterials verfahren. Da ist z. B. das Nest der Buchfinken, welches in Folge der geschickt ausgewählten Bekleidung der Aussenwand dem oberflächlichen Beobachter eher einem Aststumpf als einem Vogelneste gleicht, das Nest des Zaunkönigs, welches einem in einem Busche zusanimengewehteu Blatthaufcn ähnelt, der Kunstbau des Kreuzschnabels, zu welchem das Material ausnahmslos von dem Baume entnommen wurde, auf dem es steht und welches ausserdem von einem überhängenden Zweige bedeckt wird, dass es selbst dem Kundigen schwer wird, es aufzufinden. Das Zeisig- nest steht so versteckt, dass man ehemals annahm, es sei unsichtbar, aus welcher ileiuung bekanntlich das Märchen von dem unsiehtliar niaeheuden Steiuchen entstanden ist. Der Emuschlüpl'cr Australiens baut ebenfalls sehr ver- borgen. Ranisay vermochte erst nach tagelanger Beob- achtung der dort sehr häufigen Vögel das Nest zu entdecken. Es stand unter einem Grasbusche verborgen, hatte ein sehr grosses Einflugsloch aber eine so seichte Mulde, dass die Eier herausrollten, wenn es stark bewegt wurde. Ebenso weiss auch der Wüstengimpel sein Nest recht versteckt anzulegen, wiewohl es bodenständig ist. Brehm und Bolle, welche auf den kanarischen Inseln nach solchen Nestern suchten, vermochten sie nicht zu finden; ein Ziegen- hirt verrieth ihnen, dass der Wüstengimpel in den Schlün- den der Lavamasse unter grossen überhängenden Steinen niste. Diesen natürlichen Schutz macht sieh auch die Felsenschwalbe zu nutze, deren Nest, wenn es sich nicht in Felskluften befindet, stets unter einem hervorspringen- den Stein au der Felswand klebt und so von oben her geschützt ist. Während die meisten Höhlenbewohner ihr Nest in der Weise anlegen, dass sich an den mehr oder minder langen engen Gang — der Tropikvogel wählt iiin so eng uud niedrig, dass er selbst kaum hindurch kann, wie Herzlin am südliehen Rothen Meer beobachtete — der backofenartig erweiterte Nistraum anschliesst, verfahren andere Vögel umgekehrt. Des in den Gebirgswaldungen Mexikos und Mittelamerikas lebenden prächtigen Quesals (Calurus resplendens) Nest ist nach Owen im Innern kaum so geräumig, dass sieh der Vogel umdrehen kann. Nach den Angaben der Eingeborenen soll dieser Vogel sein Nest nur iu einer durchgehenden Baumhöhle anlegen, damit die langen Schwanzfedern des Männchens nicht ge- fiUirdet würden. Auch der ungeheure Bau des Alekto- webers — er hat mindestens 1 ni im Durchmesser — hat ein Flugloch, in welches bequem die Faust eindringen kann, während sich der Gang nach innen ganz auffallend verengert. Im Allgemeinen lassen sich am Vogelneste zwei Lagen deutlich erkennen: gröberes Material, welches zur Her- stellung des Rohbaues dient, und feineres, welches zur Auspolsteruug verwendet wird. Die Nester einzelner Arten bestehen indess aus mehr Lagen. So hat das Elsternest eine Unterlage aus dürren Reisern, von welchen nach norwegischem Glauben am ersten Weilinaehtsfeier- tag das erste eingetragen wird, uud Diirneiiüestiiipp; auf diese folgt als zweite Seliiciif eine dicke Ijelnnlage, in welcher die aus feinen Würzelchen und Thierhaaren her- gestellte Nestmulde bereitet wird, welcher die bereits er- wähnte Kuppel mit seitlichem Eingänge aufgesetzt wird. Das ßachstelzennest enthält grobe Würzclchen, Reiser, Grasstengel, dürre Blätter, llolzstückehen, Grasstöcke, Strohhalme u. s. w. im Unterbau; zartere llalme, lange Grasblätter und feine Würzelchen bilden die zweite Lage; Wollklümpchen, Kälber- und Pferdehaare, allerlei Pflanzen- fasern, Fichtenflechten und andere weiche Stotfe die innere Ausfütterung. Der Kernbeisser verwendet dünne Reiser, starke Grashalme uud Würzelchen zur Unterlage, gröbere und feinere Baummoose und Flechten zur zweiten Lage und füttert mit Wurzelfasern, Sch^veinsborsten, Pferde- haaren, Schafwolle und ähnlichen Stoffen aus. Das aus sehr verschiedenen' Stoffen zusammengefügte Nest des Grünlings lässt ebenfalls drei Lagen erkennen. Dürre Reiserehen und Würzclchen, Quecken, trockene Halme und Graswurzeln bilden die- Unterlage, auf die eine Schicht feinerer Stoffe derselben Art, untermischt mit grünen Erdmoosen und Flechten, auch wohl noch Woll- klümpchen zu folgen pflegt. Zur Ausfütterung der Nest- mulde dienen einige zarte Würzelchen und Hälmchen, zwischen denen Pferde-, Hirsch- und Rehhaare liegen, vielleicht auch kleine Flöckchen ThierwoUe eingewebt sind. Ein merkwürdiger Bau ist das Nest des Leier- schwanzes. Nach Becker, der neben Ramsay Forschungen über die Fortpflanzung dieses Vogels anstellte, befindet sich das Nest in dichtem Gestrüpp an Abhängen der tiefsten und schroffsten Klüfte. Zwischen jungen Bäumchen, deren Stämmcheu eine Art von Trichter bilden, aber auch in ausgehöhlten Baumstämmen, in Felseunischcn und Farn- kräutern wird das Nest aus leicht zu beschaffenden Stoffen hergerichtet. Immer ist es ein grosser, eiförmiger Bau von 60 cm Länge und 30 cm Höhe. Der Unterbau be- steht aus einer Lage grober Reiser, Holzstückchen und dergl. Das eigentliche, kugelförmige Nest ist aus feinen, biegsamen Wurzeln zusammengesetzt, und zur Auspolste- rung benutzt das Weibehen seinen eigenen Flaum. Die obere Nesthälfte besteht aus derben Reisern, Moos, Gras, Faruwedeln u. s. w., ist aber nicht fest mit dem Unter- bau verbunden, lässt sich vielmehr leicht abheben, bildet al.50 das Dach des Hauses. Wiewohl das Ganze sehr liederlich gebaut ist, hält doch der Bau mehrere Jahre aus. Manche Vögel erneuern das Nest alljährlich vor der Paarungszeit, so der erwähnte Bündelnister und auch der Klippenvogel. Andere Arten sind nicht gewillt, das für den Bau erforderliche Material zusammen zu suchen; sie gehen vielmehr in der Nachbarschaft auf Plünderung. So herrseht namentlich in Saatkrähenkolonieen ewiger Zank um die Baustoffe, und die einzelnen Paare bestehlen sich gegenseitig nicht nur um diese, sondern schleppen nicht selten das ganze Nest fort. Aehnlich verhält es sich bei den Pinguinen. Diese Vögel fügen ihre Nester aus Steinen zusammen, welche gelegentlich der heftigen Stürme von den Gipfeln der Vorgebirge herabgefegt werden. Da an diesem Baumaterial wohl ab und zu Mangel herrscht, suchen die Vögel die Bausteine aus be- nachbarten Nestern zu entwenden. AVird ein solcher Steindieb vom rechtmässigen Eigentiiümer erwischt, so wird er unablässig verfolgt und so lange mit Flügel- schlägen bearbeitet, bis beide völlig ermattet und mit Blut bedeckt sind. Auch beim Mauersegler geht Gewalt vor Recht. Gleich bei seiner Ankunft im Mai zeigt er sich herrschsüchtig und bösartig gegen andere Vögel seines Bereiches, namentlich gegen Höhlenbrüter. Sper- lingen, Hausrothschwänzchen, Staaren u. a. m. ergeht es oft sehr schlinnn. Die ganze Brut wird diesen Vögeln öfters von dem Segler herausgeworfen, wenn er sich in seiner gewohnten und treu iunegelialtenen Mauer- oder Dachgesimsspalte beeinträchtigt findet oder er sich ihm be- quem dünkende Niststätten, wie Brutkasten und frequente iVlauer-, Felsen- oder ßaumhöhlen aneignen will. Nicht glimpflicher verfährt der Sichler den kleineren Reiher- arten gegenüber; er beniäeiitigt sich auch mit Vorliebe der Nester derselben uud polstert sie höchstens mit Stroh XVI. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 219 des Kolbenscliilt'cs aus, wochivcli er sie schon von weitem kenntlich macht. Die kleine Blaumeise denkt: My house is my Castle! inid kämpft mit Muth und Ausdauer gegen andere Höhlenbrüter um den Besitz eines gefundenen Astloches. Weiss sie doch, dass es in Folge bedrückender Wohnungsnoth sehr schwer hält, einen anderen Unter- schlupf zu finden. So findet man denn brütende Meisen in verlassenen Elstern-, Krähen- und Eichhörnchennestern, in Mauselöchern, wie in den Eingangsröhren leerstehender Fuchs- und Kaninchenbaue. Der Nachtreiher macht sieh nicht viel Sorge nm einen Nisiphit/, t u oclu- (\ .un -.'T. .' M:, i m li.ssen ab- halten. Das A'iTsaiiii]iluiii;s|jiogr:iimii wi-i.'-t \miii,,j- h Im !■ „Grund- fragen des physikalischen Unterrichts", über iln' ijeiiiliiK-htVage auf dem Gebiete der biologischen Fächer und über den Unterricht in der darstellenden Geometrie auf, dessen specielle Gestaltung Gegen- stand einer eingehenden, bereits im vergangenen Jahre auf der Hamburger Versammlung begonnenen Discussiou sein wird. An- gekündigt war aussei'dem ein nunmehr ausfallender Vortrag des inzwischen verstorbenen Geheimraths Prof. Schwalbe in Berlin, der zu den Gründern des Vereins gehört und an dessen blühender Entwickelung — der Verein umfasst jetzt gegen 1000 Mitglieder — einen grossen Antheil gehabt hat. Der Verein, der auf die Ordnung des Unterrichts in den mathematisch-naturwissenschaft- lichen Fächern bereits mehrfach einen gewissen Einfluss auszu- üben in der Lage war, wird auf seiner diesjährigen Versammlung voraussichtlich auch zu der neuesten Ordnung des Unterrichts- wesens in Preussen Stellung nehmen. Der Vereins- Vorstand. Pietzker (Nordhausen). Ferienkurse in Jena im Aug^ust 1901. — Von Docenten der liicsigBn Universität werden auch in diesem Jahre Ferienkui'se für Dairion und Herren abgehalten werden, und zwar in folgenden Abtheilungen: 1. Naturwissenschaftliche Knrsi> vom 5. — 17. August. Astronomie, Botanik, Geologie, Pliysik. Zouli.ixi,'. ]|. rfi(|;igogische Kurse theils vom 5. — 10., theils vom 'k — 17. Vu-H^r, ,\llgemeine Didaktik, spoz. Didaktik, llodegetik, PäW,iL;(iuis(h.' l'.'ifhologie, Psychologie des Kindes. III. Tlieologische Kurse vom 12. bis 17. August. Keligionsgeschichte, Kirchengeschichte, Geschichte d(!r kirchlichen Kunst in Deutschland, Religionsphilosophie, Prak- tische Theologie, Alt-testamentliche Forschung. Religions-Unter- richt. IV. Geschichtliche und philosopliische Kurse vom 5. bis 17. Augu.st. Litteraturgeschichte, Kulturgeschichte, Einleitung in die Philosophie. V. Sprachkurse für Ausländer vom 5.-21. August. Elementar-Kursus, Kursus für Fortgeschrittenere in deutscher Sprache, englischer Sprachkursus. Dazu kommen noch öffentliche pädagoische Vorträge mit Diskussionen, veranstaltet vom Dia- konieverein vom 12. — 17. August, ferner die Verhandlungen des Vereins für Kinderforschung, endlich die öffentlichen Vorträge des Prof. Zimmer über die Frauenfrage. Anfragen und Anmeldungen sind zu richten an das Sekretariat, Frau Dr. Schnetger-Jena (Gartenstrasse 2). Von hier aus werden ausführliche Programme auf Wunsch versendet. Prof. Detmer, Prof. Rein. L 1 1 1 e r a t u r. Dr. E Mach, Professor an der Universität Wien, Die Analyse der Empfindung'en und das Verhältnis» des Physischen zum Psychischen. Mit -iri Al)liilduni;i'ii. 2. vermehrte Auflage der Beilräi,''' zur Analyse der Km|iliiidungeii. Jena, Verlag von Gustiiv Fischer r.KIO. — Preis ü Mk. Mach's Buch muss der Naturforscher kennen, der Zeit und Neigung hat sich mit den Hauptgrundlagen der Naturwissen- schaft zu beschäftigen, kurz derjenige, der eine naturphilo- sophische Ader hat. Dass Verf. sich entschlossen, die 2. Auflage seiner „Beiträge" in der nunmehr vorliegenden Form zu ergänzen und abzurunden, ist mit der grössten Freude zu begrüssen. Die Tendenz des Buches geht mit Mach's eigenen Worten in dem Vor- wort zur 2. Auflage dahin, die Ansicht zu begründen, das.s alles Metaphysische als müssig und die Oekonomie der Wissenschaft störend zu eliminiren sei. Es ist nicht gut möglich, dem gehalt- vollen Buch in einer kurzen Besprechung auch nur eiuiger- maassen gerecht zu werden, und so muss sich Referent darauf beschränken, auf die 2. Auflage nachdrücklich aufmerksam zu machen und sie Jedem, der wissenschaftlich etwas tiefer ein- dringen möchte, ganz warm zu empfehlen. Dass Mach sich mit dem ihm congenialen Philosophen Avenarius, dem ersten und grundlichsten Naturphilosophen unserer Zeit, in seiner Schrift aus- einanderzusetzen sucht, sei besonders hervorgehoben. Dr. Julius Wiesner, ord. ö. Professor der Anatomie und Physio- logie der Pflanzen an der Wiener Universität, Die Rohstoffe des Pflanzenreiches. Versuch einer techniselii'u Rcihstotilihre des Pflanzenreiches. Unter Mitwirkung von Prof. Di-. .Ma.x Bambercer in Wien; Dr. Wilh. Figdor in Wien: Prof. Dr. F. R. V. Höhnel in Wien; Prof. Dr. T. F. Hanausek in Wien; Dr. P. Krasser in Wien; Prof. Dr. Lafar in Wien; Prof. Dr. K. Mikosch in Brunn; Prof. Dr. H. Molisch in Prag; Hofrath Prof. Dr. A. E. v. Vogl in Wien; Prof. Dr. K. Wilhelm in Wien und Prof. Dr. S. Zeisel in Wien. Zweite gänzlich umgearbeitete und erweiterte Auflage. 1. Band. Mit 15:1 Textfiguren. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. laOO. — Preis 25. Mk. Das verdienstliche und in seiner 1. Auflage wohlbekannte Werk liegt ganz wesentlich erweitert in seinem 1. Bande hier vor. Die neue Auflage wird, da der zu behandelnde Stoff und die Me- thodik seiner Bearbeitung an Umfang ausserordentlich zugenommen hat, um allen Fortschritten auf diesem Gebiete sowohl nach wissen- schaftlicher wie nach technischer Richtung gerecht zu werden, zwei Bände umfassen und ungefähr den doppelten Umfang der ersten Auflage erreichen. Die Grösse und Verschiedenartigkeit des zu bewältigenden Älaterials hat den Verfasser bewogen, einen Tlieil der Arbeit anderen berufenen Fachmännern anzuvertrauen. Prof. Wiesner bearbeitet die Einleitung und im Wesentlichen die Kapitel Gummi, Harze, Stärke und Fasern, während die anderen Kapitel von den oben im Titel aufgeführten Autoren umgearbeitet oder neubearbeitet erscheinen werden. Der vorliegende Band enthält die Bearbeitung der Gummi- arten (bearbeitet von Wiesner und Zeisel), der Harze (W. u. M. Bamberger), der Kautschukgruppe (von K. Mikosch), des Opium (A. E. V. Voi;l), '1'T Wni- (von demselben), des Indigo (H. Molisch), der C;a( riiii^rii|i|ic (K. Mikosch), der Pflanzen- fette (derselbe), des \(uitaliilisehen Waches (derselbe), des Campher (A. E. v. Vogl), der Stärke (J. Wiesner u. S. Zeisel), der Hefe (E. Lafar), der Algen (F. Krasser), der Flechten (derselbe), der Gallen (W.Figdor) und der Rinden (F. v. Höhnel). Hugo de Vries, Professor der Botanik in Amsterdam, Die Mutationstheorie. Versuche und Beobachtungen über die Entstehung von Arten im Pflanzenreich. I Bd., 1. Lieferung. Mit zahlreichen Abbildungen und 3 farbigen Tafeln. Verlag von Veit & Co. Leipzig 1901. — Preis 6 Mark. Es ist so viel Oberflächliches, besonders durch eine gewisse Schule über Descendenz-Theoretisches geschrieben worden, so viel auf dem Gebiet gesagt und phantasirt worden, ohne zuvörderst genügenden exacten Boden zu schaffen und auf diesem aufzu- bauen, dass es für denjenigen, der wirklich eindringen will, wahr- haft erquicklich ist, einmal wieder ein Werk kennen zu lernen, das hinsichtlich der Gewissenhaftigkeit und Fülle der vorge- brachten Einzelthatsachen die alten, von dem Meister Charles Darwin vorgezeichneten Bahnen zur Richtschnur nimmt wie das vorliegende. Wir gehen hier nicht auf den Inhalt des Werkes ein, da in einer der nächsten Nummern ein eindringendes Referat erscheinen soll. P- Prof. Dr. Hans Molisch, Vorstand des pflanzenpliysiolugischen Institutes der deutschen Universität Prag, Studien über den Milchsaft und Schleimsaft der Pflanzen. Mit 3S Te.xtabbild. Jena, Verlag von (instav FisclicT. IHUI. Das Heft fa st in ■lankenswerther Weise Alles das über den im Titel genannten Gegenstand zusammen, was wir wissen, um die Frage nach der Funktion des Pflanzen-Milchsaftes der Lösung näher zu bringen, aber es ist nicht etwa bloss complilatorischer Natur, sondern Verf. hat intensiv selbst geforscht, und zwar ist es für den vorliegenden Fall von grosser Wichtigkeit, dass er sein Hauptaugenmerk auf die Untersuchung frischen lebenden Materiales gerichtet hat im Gegensatz zu den früheren Autoren, die vorwiegend eonservirtes Material benutzt haben. Joseph Bheden, Beobachtungen und Zeichnungen des Pla- neten Mars, ausgeführt in der Zeit vom 21. December 189S bis 16. März 1899 am Clark'schen Refraktor von 30.1 Oeftnung der k. k. Sternwarte zu Wien. Sonderabdruck aus den Annalen der k. k. Universitäts-Sternwarte zu Wien 1901. Herr Rheden hat mit dieser kleinen Schrift begonnen, seine Planetenbeobachtungen, die er mit dem zwölfzöUigen Refractor der k. k. Universitäts-Sternwarte zu Wien anzustellen Gelegenheit hatte, zu veröfl'entiichen. Wir lernen in dieser ArbeitRheden als einen Beobachter kennen, der es meister- haft versteht, jeden günstigen Augenblick auszunützen, denn nur so konnte es möglich werden, das zu erreichen, was er unter den ungünstigen Verhältnissen, welche die schlechte Wiener Luft mit sich bringt, geleistet hat. Verfasser hat selber vor zwei Jahren Gelegenheit gehabt, während der Wintermonate mit dem sehr guten Instrument Doppelsternmessungen auszuführen und hat nur an wenigen Abenden so leidliche Luftverhältnisse angetroft'on, dass die Messungen einigen Erfolg hatten. Am meisten ist es zu begrüssen, dass Rheden immer mehr und mehr in die Fuss- tapfen Lohse's, des bekannten Planetenbeobachters, tritt und sich von übertriebenen Unterscheidungen von Farbennüanzirungon emancipirt hat. Der Abhandlung liegt eine Tafel in Chronio- Photo-Lithographie bei. Die Zeichnungen wurden am Fernrohr selbst in Graphitwischung hergestellt, wobei besonders auffällige XVI. Nr. li Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Flecken sofort bei Beginn des Beobachtens und dann das weitere Detail vorgenommen wurde. Die nöthigen Notizen über die Färbung sowie das in der Erinnerung verbliebene Bild des Ge- sehenen wurden des anderen Tages benutzt, um die Zeichnungen in Aquarell zu vervollständigen. Die Auszüge aus dem Beob- achtungsbuch sind sehr ausftihrlich und weisen wohl kaum irgend einen Mangel auf. Wir sehen deshalb der Publication der Jupiter- beobachtuugen Rheden's aus begreiflichen Gründen mit grossem Interesse entgegen. Adolf Hnatek. W. Ostwald, Die wissenschaftlichen Grundlagen der analyti- schen Chemie elementar dargestellt. Mit 2 Figuren im Text. :!. vermehrte Autlage. Wiilielm Engelmann in Leipzig 1901. — Preis geb. 7 M. Als Einführung in die analytische Chemie, jenes wichtigsten Zweiges der wissenschaftlichen Chemie für den Praktiker, wüsste Ivüferent kein besseres Werk zu empfehlen als das vorliegende. Es steht, wie Ostwalds Arbeiten überhaupt, auf dem gegen- wärtigsten Standpunkt, d. h. es steht durchaus auf der Höhe des momentanen Zustandes der [Chemie. Das Buch zerfällt in zwei Theilo: I. Theorie und II. Anwendungen. Ein Anhang bespricht Vorlesungsversuche. ^ Borchers, Jahrbuch fttr Elektro- die Fortschritte des Jahres 1899. Verlag von W. Knapp. Halle a. S. Dr. W. Nernst und Dr. V Chemie. Berichte über VI. Jahrgang. l.'U Seiten 1900. — Preis lU M. Das von Kernst und Borchers unter der Mitwirkung bewährter Elektro-Chemiker herausgegebene Jahrbuch enthält eine über- sichtliche, nach bestimmten Kapiteln geordnete Darstellung der aus dem Jahro 1S99 stammenden Litteratur des sich rapide er- weiternden (lebietes der Elektrochemie. Die zahlreichen Referate sind meistens ausführlieh geuug, um den Leser so zu orientiren, dass er auf die Originalarbeiteu nicht zurückzugreifen braucht, liesonders da auch durch Tabellen, graphische Darstellungen und deutliche Abbildungen das Verständniss der Abhandlungen wesent- lieh erleichtert ist.' Die Referate sind ferner sachlich geordnet und kritisch bearbeitet, und daher dürfte das Buch seinen Zweck vollkommen erfüllen, nämlich dem Fachmann die Möglichkeit zu bieten, sich über den gegenwärtigen Stand gewisser Fragen schnell zu unterrichten. Das Buch zerfällt in den wissenschaftlichen und angewandten Teil der Elektrochemie. Der erstere behandelt zunächst die grundlegenden elektrochemischen Theorieen, ferner die Beziehun- gen zwischen Leitvermögen und Concentration der Lösungen, die Hypothesen über das Dissociirungsvermögen der Lösungs- mittel, die Anwendung der elektrolytischen Dissociationstheorie zur Entscheidung von Constitutionsfragen. Weiter werden die Beziehungen der elektromotorischen Kraft und des chemischen Gleichgewichts erörtert, und hierbei die Ergebnisse zahlreicher Messungen mitgetheilt, welche das Wesen galvanischer Ketten, insbesondere der Accumulatoren, kennzeichnen. Daran schliesst sich das Kapitel über die Polarisation und die Vorgänge der Elektrolyse. Schliesslich werden auch die chemischen Wirkungen unter dem Einfluss des Lichtbogens, der dunklen elektrischen Entladungen und der verschiedenen Arten der Strahlen besprochen. — Der zweite Theil des Jahrbuches bringt eine Uebersicht über die Neuerungen der in der elektrochemischen Industrie ange- wandten Apparate und Methoden, soweit dieselben in der Litte- ratur des Jahres 1899 veröffentlicht sind. Die einzelnen Kapitel dieses Theiles beziehen sich auf die Accumulatoren, die elektro- magnetische Aufbereitung der Erze, die elektrischen Oefen, die elektrochemische Gewinnung der Elemente der Nichtmetalle und Metalle sowie der zahlreichen anorganischen und organischen Verbindungen. Jedem dieser Kapitel schliesst sich eine Zusammen- stellung der deutschan und ausländischen Patente an. Dr. R. Lüpke. A. HoUard, La theorie des ions et l'electrolyse. Paris. G. Carrö et C. Naud, rue Racine 3. 1900. Verf. hat die Lehren der Elektrochemie unter besonderer Berücksichtigung der energetischen Beziehungen nach einem gut durchdachten Plane und in klarer Sprache auf dem verhältniss- mässig geringen Raum von 1.53 Seiten bearbeitet und so ein Buch geschrieben, welches allen denjenigen, denen im Unterricht das Gebiet der wissenschaftlichen Elektrochemie vorgetragen und experi- mentell erläutert ist, als Repetitorium wohl empfohlen werden kann. Es zerfällt in vier Theile. Der erste behandelt das Wesen der Lösungen im allgemeinen und der Elektrolyte im besonderen, der zweite das Leitvermögen der elektrolytischen Lösungen, der dritte die elektrolytische Lösungstension, die Zersetzungsspannung und die elektromotorische Kraft der Ketten, und der vierte ent- hält kurze Bemerkungen über den Energieverbrauch elektrolyti- scher Vorgänge. Am Schluss folgen einige Erläuterungen über den Begriff der Hydrolyse, über die Beziehungen der Dissociatious- constanten und der chemischen Affinität, über die Anwendung des Gesetzes der Massenwirkung auf das chemische Gleichgewicht, sowie endlich kurze Angaben über Spannungsmessungen. Dr. R. Lüpkc. Prof. Dr. J. Scheiner, Der Bau des Weltalls. Mit zahlreichen Abbildungen. („Aus Natur und Geisteswclt." Sammlung wissen- schaftlich gemeinverständlicher Darstellungen aus allen Ge- bieten des Wissens. 24. Bäudchen.) Verlag von B. G. Teubner in Leipzig. — Preis geb. 1,25 M. Das erste Kapitel ist der Aufgabe gewidmet, den Leser an die Verhältnisse von Raum und Zeit im Weltall zu gewöhnen, ihm hierüber eine Anschauung zu ermöglichen. Das zweite Kapitel lehrt, wie das Weltall von der Erde aus erscheint; die drei fol- genden Kapitel sind dem Bau des Weltalls gewidmet, d. h. in ihnen ist die Zusammensetzung der selbständigen Himmelskörper mit Hilfe der Spektralanalyse beschrieben. Das letzte Kapitel giebt als Schlussstein eine Lösung der Frage über die äussere Constitution der Fixsternwolt. Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön. Theil 8. Mit 0 Abbildungen im Text. Herausgegeben von Dr. Otto Zacharias, Director der Biol. Station. Erwin Nägele in Stuttgart liXU. — Preis 8 M. — Der vorliegende „Bericlit" des eifrigen Diicctors der Biologischen Station enthält 7 Abhand- lungi'ii, iLiinlich: I. Dr. W. Knörrich: Studien über die Er- näliniii"slir(|iiiL;iiiigen einiger für die Fischproduction wichtiger Mikroorganismen des Süsswassers. — IL Dr. W. Hartwig: Die freilebenden Copepoden der Provinz Brandenburg (4. Beitrag). — III. E. Lemmermann: Algenflora eines Moortümpels in Plön. — IV. E. Lern m ermann, Zur Kenntuiss der Algenflora des Saaler Boddens. — V. Dr. M. Marsson: Zur Kenntniss der Planktonverhältnisse einiger Gewässer der Umgebung von Berlin. — VI. Max Voigt: Ueber Gallerthäute als Mittel zur Erhöhung der Schwebfähigkeit bei Planktondiatomeen. — VIL Dr. Otto Zacharias: Zur Kenntniss des Planktons einiger pommerscher Seeen. Hann. Prof. Dr. Jiil., Lehrbuch der Meteorologie. 1. Lieferung. Leipzig. — 3 Mark. Houssay, Frederic, Thiere als Arbeiter. Leipzig. ~ 4 Mark. Jentzsch, Landesgeologe Prof. Dr. Alfr., Nachweis der beachtens- werthen und zu .sehiitzend.n ILiuiiif, Sträucher und erratischen Blöcke ni der Provinz ( »stiireussen. Königsberg. — 3 Mark. Kiepert, Geh. Keg.-R. Prof. Dr. Ludw., Grundriss dee Differen- tial- und Integral -Rechnung. I. Thl. : Differential -Rechnung. 9. Aufl. Hannover. - 13,50 Mark. Rauber, Prof. Dr. A., Atlas der Krystallregeneration. 6. Hctt: Entwickelung des Torso. Leipzig. — 25 Mark. Bosenbusch, Geh. Bergr. Dir. Prof. Dr. H., Aus der Geologie von Heidelberu-. Heidelberg. — l),SO Mark. Schrammen, Ant., Neue Kieselschwärame aus der oberen Kreide der Umgebung von Hannover und von Hildesheim. Hildesheim. — S Mark. " ^ ,. Schröter, Prof. Dr. C, Die Palmen und ihre Bedeutung für die Tropenbewohner. Zürich. — 3 Mark. Schulz, Priv.-Doo. Dr. Aug., Ueber die Entwickelungsgeschichte der gegenwärtigen Phanerogamen Flora und Pflanzendecke der skandinavischen Halbinsel und der benachbarten schwedischen und norwegischen Inseln. Stuttgart. — 8 Mark. , „ , Simon, Dr. isiax, Euclid und die sechs planimetrischen Bucher Leipzig. — 5 Mark. , . , Steindachner, Dr. Frz., Fische. Ergebnisse einer zoologischen Forschungsreise in den Molukken und Borneo. Frankfurt, a. M. — 5 Mark. Inhalt: Schenkling-Prevut: Nidologisches HI. - Die Rasse der neueren Steinzeit. - Ueber die B'^ung ^on V^^";°S^^^^^^^ Aus dem wissenschaftlichen Leben. - Litteratur: Dr. E. Mach Die Analyse der Empfindungen und das Verh^^^^^^^^^ zum Psychischen. - Dr. JuHus Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreiches - Hugo de Vnes Die ^ ta"onstheoiie Ve mic^ie und Beobachtungen über die Entstehung von Arten im Pflanzenreich. - Prof. Dr. Hans Molisch, Studien ubei den MUchsatt und Schleimsaft der Pflanzen. - Joseph Rheden, Beobachtungen und Zeichnungeji des Planeten Mars. schaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie elementar dargestellt. W. Ostwald, Die Dr. W. Kernst und Dr. W. Borchers, Jahrbuch für Elektrochemie. — A. Hollard, La theorie des Ions Forschungsberichte aas der biologischen Station zu Plön. et l'electrolyse Liste. Prof. Dr. J. Scheiner, Der Bau des Weltalls. 224 Naturwissenschaft liehe Wochenschrift. XVI. Nr. 19. Soctn-ii ift i'r(d)iinu'ii : ?iir liofttiüftt llatmau|'d)ttimu0. ^Befrad5fu;tgen Dr. ^. ^'^ r 0 n) ü 5 c U. tSinc ön^crfl fcfcnswcrtc ^.djrift. .^nllc fl. @. m. ^d)nict|tl)ljcl"d)fv ^crla0. |rrb. üiiiitmlfro ilfilnijoliiifl)liaiiiiliiii8 in Üfrliii SW. Vi, 3iiiimfillr.9-t. iiicicm Ücvlaoc ciiaici ^ftlka» Pönatöfdjrift für i\t fittlirijc llu^ fnjialc ffintuiididnng iifi- kutfrijf» ^djuljgcltidc. 8. 3n1irgong. Sötjrlid; crfcfjeinen 12 ,?>cftc, — 5ßi'ci§ für bcn 3af)rgaiig 3 5J!. H5rttl)cl)cft flroti'3 iiiiii fraiito. Ferd.Dümmlers Verla^sbuchliaiulluiigin Bei-Hu S W. 1'2. Vor Kurzem erschienen: yibhanDiungen zur potentialtheorie. Von Dr. Arthur Korn, l'rivatdocent an der k. Universität München Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirich- ietschen Problemes im Räume. :i4 Seiten gross OktaT. Preis geheftet 1 Mark. II. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arith- metischen Mittels. 'H Seiten gross Oktav. Preis gelieftet 1 Mark. == Zu beziehen durch alle liuchliaiidlnii^eii. ^== Oratis i franko liefei-u wir den :i. Nachtrag (Juli 1897 Ijis Juni lS9i)) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbnchli., Berlin SW. 12, Zin.merstr. 04, PATENTBUREÄU airich R. >(a€rz Jnh.CSchmidtlein.Jnqenieur Zur gefl. Beachtung! Der lieutij^en Nummer liegt ein illustrirter Prospekt der Verlagsbuchhandlung Franz Deuticke in Leipzig und Wien, betreffend Wettstein, Handbuch der Systematischen Botanik, bei. Ausserordentliche Preiser mässiguD ^ für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift". In Kol-e vicJlarlici- aus dnn Al,(ninrnl,'iil.ivisr l„TV(a-vlivtrnn- Wüiis.hr hrtr. Kilcirhtrniu- „, , Tetrachloi- Ph'^"°' kohlenstoff. Die Phenolcarbonsäuren sind fest, farblos und leicht löslich in Alkohol und Aether. Ihre Löslichkeit in Wasser vergrüssert sich mit der Zahl der Hydroxylgruppen. Beim Lösen in Alkali färben sich die Lösungen allmäh- lich braun durch Oxydation der Luft. Durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid wird die COOH-Gruppe in die COCl Gruppe übergeführt, z. B. ^ „/COOHl, Paraoxybenzoesäure + PCI5 = POCI3 HCl + C6H4<^Qjj Oxy Benzoylchlorid. Bei einem Ueberschuss an Phosphorpentachlorid wird dann schliesslich auch noch die Phenolgruppe OH durch Cl ersetzt: CeH/gg^'> + PCI5 = POCI3 + HCl + C^H/^f*^' Beim Erhitzen bei Gegenwart von Kalk geben die Säuren Kohlensäure ab und gehen in das entsprechende Phenol über: f'H p H /COOH ^n^ — '^6H3<^Qjj Homosalicylsäiire = CO.3 + CHjCeH.OH Ci-esol. Säurechloride wirken auf die Phenolgruppe OH ein, und es entstehen hierdurch die entsprechenden Ester: (-'6^/. COOHx OH ) + CH3COCI = HCl + C,H4' /COOH OCOCH3 Salicylsiiure Acetylchlorid Essigester der Salicylsäure. 3. Aromatische Alkohole. Die aromatischen Alkohole, welche im Allgemeinen einen angenehmen Ge- ruch besitzen, finden sich in vielen ätherischen Oelen, selten im freien Zustande, aber fast immer in Form von Estern. Synthetisch können sie nach folgenden Methoden gewonnen werden: 1. durch Verseifung der entsprechenden chlorhaltigen Derivate : CeHjCHoCl + Pb(0H)2 = CeHsCH.OH + PbO + HCl Benzylclilorid Bleihydiat Benzylalkohol, 2. durch Wasserstofifanlagerung an die betreffenden Aldehyde : CeH5CHO + H2 = CeH5CH20H Benzaldehyd Benzylalkohol. Als Reductionsmittel verwendet man hierzu Natrium- amalgani, Zink und Eisessig u. s. w. In gewissen Fällen gelingt diese Reduction auch durch Behandeln des ent sprechenden Aldehyds mit Pottasche in alkoholischer Lösung, in welchem Fall neben der Hydrirung zugleich auch Oxydation stattfindet, es entstehen also der Alkohol und die entsprechende Säure nebeneinander: 2C0H5CHO + KOH = CßHäCOOK + CeHäCH^OH Benzaldehyd ^ITlium"''' Benzylalkohol, 3. durch Wasserstoffanlagerung an die betreffenden Ketone: CÄXC0 + H, = CH0H Acetopiienon Phenylniethylearbinol, 4. durch Oxydation der entsprechenden Kohlenwasser- stoffe. Eine sehr verbreitete Klasse von Abkömmlingen der aromatischen Alkohole sind die Phenolalkohole vom Typus des Saligenins C«H, CH.OHl OH 2 und des Coniferylalkohols .CHäOH CeH3^0CH3 ^OH Diese können entweder durch Spaltung der ent- sprechenden Glykoside Salicin und Coniferin erhalten werden oder künstlich durch Wasserstoflanlagerung an die entsprechenden Aldehyde: „ /CHOK ^eMixQjj 2/ Salicylaldehyd H, = C,ti CH.,OH *\0H Saligenin. Naturwissenschaf tliclie Wochenschrift. In analoger Weise erhält man aus dem Anisaldehyd den Anisalkohol p „ /CHO 1. . „ _ p u /CH2OHI ^6"4\ocH34/ + "2 - ^6H4 ...oCHj 4 und aus dem Vanillin den Vanillinalkohol: ,CHO . CH.Oll C6H4( 0CH3-^+ H2 = CßH^^ OCH3 Vanillin Vanillinalkohol. In neuerer Zeit haben Manasse und Lederer Phenol- alkohoie durch Einwirkung von Formaldehyd auf Phenole erhalten. Auf das gewöhnliche Phenol angewendet, erhält man nach dieser Methode ein Gemisch von Saligenin und Paraoxybenzylalkoh(d CeH^OH + HCHO = CeH^/gjj^^^ Phenol Foimaldehj'd Zur Erklärung dieser merkwürdigen Reaction nimmt man an, dass das Hydrat des Formaldehyds hierbei in Reaction tritt und dass dieses sich mit einem Wasserstoff- atom des Phenolkerns unter Wasseraustritt verbindet nacii dem Schema: ^COH .CH +H0 Phenol OH H.,0 H .CH.OH H I C I ' ' OH Hj'diat des Formaldehyds. Man löst zu diesem Zwecke das Phenol in einem Molekül wässeriger Sodalösung, giebt ein Molekid Formal- dehydlösung des Handels (ca. 40°/f,ig) hinzu und lässt stehen, bis der Geruch nach Formaldebyd verschwunden ist. Dann wird mit Essigsäure angesäuert und mit Schwefeläthcr extrahirt, der Aether abdestillirt und der Rückstand mit Wasserdampf destillirt ; hierbei verfluchtigt sich das unveränderte Phenol, während der gebildete Alkohol zurückbleibt. Geht man, anstatt vom Phenol, vom Guajacol aus, so erhält man den Vanillinalkohol, welcher bisher wie oben beschrieben durch Reduction des VaniUins erhalten wurde. Die aromatischen Alkohole sind im Allgemeinen flüssige Körper mit hohem Siedepunkt, löslich in Alkohol und Benzol und Aether, unlöslich oder schwer löslich in Wasser. Bezüglich ihrer Verwendung als Riechstoffe reichen sie bei weitem nicht an diejenige der Terpenalkohole heran, doch kann ihnen ein gewisses Interesse als Aro- matica nicht abgesprochen werden. Die Körpertemperatur der Wale. — Nach Charles Riebet beträgt die durchschnittliche Körperwärme der Vögel ca. 42", die der Säugetiere 39°, die des Menschen 37" C. Nach dieser generellen Klassifizirung muss die Körperwärme der Wale ungefäjir 39" C messen. Gustav Guldberg hat nun die bisherigen sicheren Messungen der Körpertemperaturen von Cetaceen zusammengestellt (Nyt Magazin f. Naturvidenskaberne. Bd. 38.); dabei er- gaben sich für Physeter maerocephalus L. (nach Desmoulins) 40,0" C, Balaena mysticetus L. (nach Scoresby) . . . 38,8" „ Phocaena commnnis L. (nach Brousonnet) . . 35,6" „ „ „ (nach Davy) in der Leber 37,8» „ Balaenoptera musculus Comp, (nach Guldberg) im Rückenfleische 35,4" ,, Delphinus delphis Cuvier (nach Richard und Neuville) , . . . 35,6" „ Unter der Voraussetzung, dass die Temperatur in der Leber etwa 1," — 1,5" C. höher ist, als im Rectum oder im Fleische, stimmen die 4 letzten Angaben ganz gut miteinander überein, sodass für die Cetaceen eine Temperatur von 36 bis 37" C. als wahrscheinlich anzunehmen ist. Dabei ist je- doch zu beachten, dass die Beobachtungen an anderen Säugethierordnungeu gezeigt hat, dass' die verschiedenen Species oft eine Differenz von 1 — 2" C. aufweisen können. Naturgemäss werden die Messungen an Walen kurz nach dem Tode vorgenommen, und diesem gehen oft sehr grosse Muskelanstrengungen kurz vorauf, wodurch die Tempe- ratur etwas gesteigert werden kann. Andererseits werden die der Oberfläche näher liegenden Theile, wie das Rückenfleisch, etwas kühler als die centralen Theile (die Leber) und dies trotz der grossen Blutmenge umso mehr, weil die Blutcirculation während des Aufenthaltes des Thieres in der Tiefe des Wassers ohne Respiration stark verlangsamt wird, sodass die oberflächlichen Theile un- vollständiger vom Blute erwärmt werden. A. Ln. Die gegenwärtige A^erbreitnng des Bibers. — In dem sonst gediegenen Werke „Das Thierleben der Erde" von Wilhelm Haacke, Wilhelm Kuhncrt (Berlin: Martin Oldenbourg) ist das gegenwärtige europäische Ver- breitungsgebiet des Bibers nicht richtig angegeben. Schon L. Heck übergeht (das Thierreich Bd. 2. Neudamm, 1897, S. 1078) das Vorkommen des Bibers in Norwegen. Seit- dem hat jedoch Prof. R. Collett in Christiania eine ein- gehende Monographie über den Biber und sein Vorkommen in Norwegen (Bergens Museums Aarbog. 1897) mit eng lischem Resume veröffentlicht, in der er zu dem Resultat kommt, dass die norwegischen Biber, deren Zahl er auf ca. 100 schätzt, eher in Zunahme als in Abnahme begriffen sind. Die norwegischen Biber- gebiete liegen zum grössten Theil im Stifte Christiansand, und zwar in den beiden Aemtern Nedenäs und Lister- Mandal, zum geringeren Theile im Amte Bratsberg. In den letzten Jahren zeigten sich eingewanderte Exemplare sporadisch in den Aemtern Stavanger und Söndre-Bergen- hus. — In der 3. Reihe seiner „Bemerkungen zur Säuge- thierfauna Norwegens für die Jahre 1882—1897" (Nyt Magazin f. Naturvidenskaberne. Bd. 36) giebt Collett einige Supplemente zu seiner ausführlichen Darstellung, durch welche jedoch das Verbreitungsgebiet nicht wesent- lich alterirt wird. A. Ln. lieber die Empfindlichkeit höherer Pflanzengegen Gifte. — Dass niedrige Pflanzen sehr giftompfindlich sind, wurde von Raul in am Pilze Sterimgatocystes nigra nach- gewiesen, welcher schon gegen folgende Dosen reagirte. bei Silbernitrat . . . 1 : 1 600 000 d. Flüssigkeitsgew. „ Qnrcksillierclilorür . 1 : .")12 000 „ „ „ Platiiichiorür. . . 1 : 8 000 „ „ „ Kupferciilorür . . 1 : 240 „ „ Bei höheren Pflanzen oöenbart sich die Giftempfind- lichkeit besonders bei der Wurzelentwickelung. Unregel- mässigkeiten hierin wurden schon 1875 von J. Böhm XVI. Nr. 'JO. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 231 beobachtet und in den Agronom. Annal. beschrieben; er fand nämlich, dass Bohnensamen, die in Quellwasser keimten, es im destillirten Wasser nicht thun wollten, und schrieb das dessen Freiheit von Kalk zu. Dieser An- nahme traten neuerdings P. P. Dehcrain und Demoussy entgegen (in Comptes rendus 1901, Nr. 9). Bei wieder- iiolt ausgeführten Versuchen mit Lupinensamen und destil- liitem Wasser erzielten sie zwar nicht immer, jedoch häufig Keimung, zumal bei 2.1)" bis 30" Wärme, wonach also die Ursache der häufigen Misserfolge nicht im Kalkmangel gesucht werden kann, sondern als noch unbekannt gelten iiiusste. Darauf Hessen die beiden Forscher 50 Stück von weissen und gelben Lupinen erst Wurzel und Stengel l)ik]en, wählten darauf aus ihnen einige kräftige Pflanzen aus, um deren Entwickelung weiter zu verfolgen, und setzten sie in kleine Trichter ein, welche oberhalb von mit destillirtem Wasser gefüllten Röhren angebracht waren: Da trat Stillstand in der Entwickelung ein und zwar ins- besondere im Treiben der Wurzeln. Da nun das von ihnen benutzte, sowie das aus ver- schiedenen anderen Bezugsquellen entnommene destillirte Wasser deutliche Spuren von Kalk enthielt, unterwarfen sie das im jihysiologischen Laboratorium des Museums liergestellte Wasser nochmals einer Destillation in gläsernem Apparate, und zwar einer fractionirten: Die zwei ersten Drittel desselben wurden nämlich für sich getrennt auf- gefangen, während das letzte Drittel undestillirt blieb. Mit jenem, zweifach destillirtem Wasser ausgeführte Ver- suche mit Lupinen ergaben nun sehr vorzügliche Wurzel- entwickelungen, während im rückständig verbliebenen Wasser die Wurzelbildung ganz unterblieb; da nun dieses Rückstandwasser sämmtlichen Kalk aus dem wiederholt destillirten Wasser enthielt, wogegen sonstige schädliche Metallspureu in ihm nicht aufgefunden wurden, kann der Kalkgehalt unmöglich vortheilhaft tur die Entwicke- lung sein. Versuche mit destillirtem Wasser, in welchem einige Tage lang vor den Keimungsversuchen Stücke von Silber, Kupfer, Blei oder Zinn belassen worden waren, ergaben, dass die Keimung von Getreide oder Lupinenkörnern unter- blieb in den Röhren mit destillirtem Wasser, dem zuvor Kupfer zugeführt worden war; dieses verhinderte schon in der Vertheilung von ein bis zwei Zehnmillionstel die Wurzelentwickelung. Bei ihren weiteren Versuchen ge- langten die beiden Forscher zu der sehr wichtigen Schluss- folgerung, dass diejenige im Wasser enthaltene Dosis von Kupfer, die auf eine einzige Pflanze tödtlich wirkt, für 30 bis 40 Pflanzen unschädlich wird, indem sich deren Wurzeln des Kupfers bemächtigen. Eine andere Schlussfolgerung ist die, dass Lebewesen, wie Pilze, Algen und Samen höherer Pflanzen in Rück- sicht ihrer Keimung viel empfindlichere Reagenzien sind, als diejenigen, die man im Laboratorium benutzt, und dass sie die Gegenwart unendlich kleiner Mengen eines Metalls wie des Kupfers enthüllen und feststellen, die man nicht auf den üblichen chemischen Wegen nachweisen kann. Noch wichtiger für die Frage nach der Giftempfind- lichkeit der jungen Pflanzen sind die im 10. Hefte der- selben Zeitschrift veröffentlichten Mittheilungen von Henri Coupin. Dieser stellte seine Versuche mit Körnern von Bordeauweizen an (ble de Bordeaux); während deren Wurzeln in reinem destillirtem Wasser bis zu 0,3 m Länge trieben, starben sie dagegen in vergiftetem ab oder ver- kümmerten und verkrüppelten wenigstens; zu solcher Ver- krüppelung genügten bereits ganz geringe Spuren von Substanz. Griebt nun ein in Flüssigkeit gelegtes Korn keine gute Wurzel, so kann man auf Vergiftung sehliessen. Daraufhin wurden mit verschiedenerlei Stoffen Lösungen von verschiedener Concentration hergestellt und mit ihnen ausgeprobt, wie gross etwa nach 14 Tagen die Länge der vom Getreidekorn getriebenen AVurzel geworden sei. Als Grenzen für die Dosen, bei denen sich die schäd- liche Einwirkung geltend macht, wurden gefunden für: Kupfersulfat .... 1 : 700 000 000 d. Flüssigkeitsgew. Queksilberchlorid (Sub- limat 1 : 30 000 000 „ „ Cadmiumchlorür . . . 1: 10 000 0(10,, Silbersulfat .... 1: 2000000,, Silbernitrat .... 1 : 1 OuO 000 „ „ Palladiumchlorür . . 1 : 500 000 „ „ Bleinitrat 1 : lOU 000 „ „ Aluminiumsulfat . . . 1 : 50 000 „ „ Zinksulfat 1 : 40 000 „ „ Kaliumpermanganat . 1 : 15 000 „ „ Mangannitrat." ... 1: 13000 „ „ Lithiumchlorid . . . 1 : 12 000 „ „ Aluminiumchlorid . . 1: 10 000 „ „ Magnesiumjodid . . . 1: 10 000 „ „ Bariumchlorid . . . 1 : 10 000 „ „ Calciumjodid. ... 1: 10000 „ „ Strontiumazotat . . . 1 : 6 000 „ „ Lithiumazotat. ... 1: 5000 „ „ ßariumazotat .... 1 : 4 200 „ „ Lithiumsulfat .... 1 : 4 000 „ „ Natriumacetat . . . 1 ; 2 000 „ . „ Magnesiumacetat . . 1 : 2 000 '„ „ Natriumborat .... 1 : 1 600 „ „ Bariumacetat .... 1 : 1 000 „ „ Magnesiunieiilorid . . 1 : 1 000 „ ,, Calciumbromid . . . 1 : 400 „ „ Calciumchlorid . . . 1 : 260 „ „ Die Empfindlichkeit gegen Kupfer macht sich sogar schon geltend, wenn man die Pflanzen mit Messing- klammern an der Oberfläche des Wassers festhält. Während auch die Berührung mit metallischem oder legirtem Kupfer das Wasser für die Pflanzen vergiftet, ist bei Quecksilber gleiches durchaus nicht bemerkbar, und man kann ohne Furcht den Boden der Versuchsgläscr mit Quecksilber- schichten unterhalb des Wassers bedecken. In oben angeführten Mengenverhältnissen wirken die Substanzen zwar noch nicht tödtlich, jedoch schädlich auf . das Wurzelwachsthum; wegen dieser äusserst schwachen Dosen erhält aber die Vergii'tungsfrage fast noch grösseren Werth für den praktischen Ackerbau, als für die Pflanzenphysiologie. Dr. 0. Lang. Einfluss der Temperatur auf die Artenbilduiig. Vor 27 Jahren zeigte Weismann, dass die Wirkung ver- schiedener Temperaturen auf Schmetterlingspuppen, die in der Entwickelung begriffen waren, sehr verschieden gefärbte und gezeichnete Schmetterlinge ergab, und er war im Stande, durch geeignete Mittel den Saison-Dimor- phismus gewisser Formen künstlich hervorzurufen. Diese mehrfach wiederholten Versuche sind neuer- dings durch Standfuss in Zürich in grösserem Maassstabe nachgeprüft worden; das sehr interessante Ergebniss einer 10jährigen Versuchsreihe ist kürzlich in den Jahrbüchern der Französischen Entomologisehen Gesellschaft veröffent- licht worden. S. hat die Einflüsse der äusseren Tempe- ratur an nicht weniger als 42000 Individuen studirt und zur Evidenz festgestellt, dass der blosse Einfluss einer ge- eigneten Temperatur auf ein in der Entwickelung befind- liches Individuum genügte, um klimatische Abarten weit entfernter Länder künstlich zu erzeugen. NafcurwisserLschaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 20. Aus Puppen des in der Schweiz vorkommenden ge- meinen Nesselfalters (Vanessa urtica) oder des kleinen Fuchses, welche in Eisschränken bei einer Temperatur von ca. 4 — 6" aufbewahrt wurden, entwickelten sich die in Lappland und anderen hocbnordiscben Gegenden vor- kommenden Formen (Abart polaris). Aus anderen Puppen derselben Art, auf welche ständig eine Temperatur von ;-J7 — 39" einwirkte, kam die in Corsica und Sardinien heimische, farbenprächtige Varietät Ichnusa zum Vorschein. Eine je zweistündige Einwirkung einer Temperatur von 42 — 45" an 8 bis 4 aufeinanderfolgenden Tagen genügte, um die Varietät ichnusoides zu erzielen. Es ist klar, dass derartige, oft theuer bezahlte Varie- täten unter günstigen äusseren Umständen gelegentlicb auch in unseren Gegenden im Freien entstehen können, z. B. in sehr heissen Sommern oder an Mauern, welche der Strahlung besonders stark ausgesetzt sind etc. — Allerdings ist es stets — unter natürlichen wie unter künstlichen Verhältnissen — nur ein gewisser Procentsatz von Varietäten, der sich unter den auskommenden Puppen findet. Standfuss erzeugte aus Puppen des Schwalbenschwanzes eine Abart, die im Juli und August in Syrien vorkommt, aus Puppen des grossen Fuchses (Vanessa polychloros) die seltene Abart testudo u. s. w. Es gelang ihm sogar, z. Th. ganz neue, nie beobachtete Formen zu erhalten. Standfuss . hat auch über die Erblichkeit der gewon- nenen Spielartenbildungen interessante Versuche angestellt. 32 Männchen und 10 Weibchen der künstlich erzeugten Polarform des Nesselfalters wurden in Glaskästen einge- schlossen, so dass sie sich paaren konnten. Aus sieben Paarungen gingen ausschliesslich Schmetterlinge hervor, die zur gewöhnlichen Form zurückgekehrt waren; bei einem Pärchen jedoch, bei welchem das Weibchen eine besonders starke Abweichung aufwies, wurden unter 43 Nachkommen 4 erzielt, welche für eine Erblichkeit der erzielten Variationen sprachen. Derartige Versuche zweckmässig durch Generationen hindurch fortzusetzen wäre ausserordentlich werthvoU. Da- durch, dass man die Puppen mehrerer Generationen stets denselben abnormen Temperaturen aussetzt, muss man ja entscheiden können, ob es thatsächlich möglich ist, dass erworbene Eigenschaften sich vererben. Es wäre eigen- tbümlich, wenn sich aus derartigen, von Weismann zuerst angeregten Versuchen wirklich die erste brauchbare Watfe gegen die vtin ihm später aufgestellte, bisher noch uner- schütterte Hypothese von der Nichtvererbbarkeit erwor- bener Eigenschaften schmieden lassen sollte. H. Wetter-Moiiatsübersicht (April). — Der vergangene April war ein sehr nasser Frühlingsmonat, der neben einer längeren trüben Zeit auch eine grössere Anzahl sonniger Tage aufwies. Besonders die Mitte des Monats war recht unfreundlich und kühl, sein Anfang und Ende hingegen hatten im Allgemeinen höhere Temperaturen, wenn auch ein paar vorübergehende Kälterückfälle auf- traten, die namentlich in den Berliner Curven der nach- stehenden Zeii'hiiung deutlich zum Ausdrucke konunen. Um den 9. und 2H. Aj)ril stieg das Thermometer in den Nachmittagsstunden vielfach auf 20° C. und höher. Da- gegen kamen zwisciicn dem 2. und 8. und ebenso zwischen dem 1.5. und 27. in verschiedenen Thcilen Deutscliiunds Nachtfröste vor. In der inneren Stadt Berlin ging die Temijcratur nur in der Nacht zum (!. etwas unter Null und in der Nacht zum 2(5. beinahe bis auf Null herab. Die Durchschnitts-Temperaturen des diesjährigen April waren nordöstlich der Elbe ungefähr einen halben (^.rad zu hoch, in Süddeutsehland nicht ganz einen Grad zu niedrig, in den nordwestlichen Landestheilen entsprachen sie nahezu ihren normalen Werthen, wie auch die Zahl der Sonnenscheinstunden, die z. B. in Berlin 167 betrug, von dei;jenigen der früheren Aprihuonate nur wenig ab- wich. Die Temperaturschwankungen innerhalb des Monats Serlin; 1.APRII, Temperaturen ini^pril i90]. =1^=, Tägliches Maximum,beiVliniroum .Jammine\, 1901. [agKtiii>fel,norm3l Mittlere Temperafuren vizpsehiedenen 0^^e. I. APRIL. 6. _ _ 11. __^te^ 21- 21- waren im Osten geringer als im Westen Deutschlands, und namentlich wies das Gebiet der Ostseeküste sehr gleich- massige Temperaturen auf. Mit Gewittern und Hagelschlägen hielt der April in Westdeutschland seinen Einzug, und es folgte dann eine längere allgemeine Regenzeit, die den grösseren Theil des Monats umfasste. Wie die beistehende Zeichnung er- sehen lässt, waren die Regcnfällc im Rinneiilande er- T^icder^d^la^^^ö^cn tm Jlpril 1901. ^i 4 44 (. in /M-Inui>rli..n und vorgleichend - anatomi.scliLii Institut d.r I ■ni\ 'rsillit l'.nnii der Assistent, Privatdoccnt Dr. Walter Voigt, zum L'ustos; zum Nachfolger des in den Ruhestand getretenen, bisherigen Biblio- thekars an der Kriegsakademie, Geh. Raths Prof. Holze, der Bibliothekar an der Hauptkadettenanstalt Hauptmann a. D. V. Scharfenov t; der bisherige Leiter der Murhard'schen Stadt- Bibliothek zu Kassel Dr. (»skar Uhlworni unter Belegung des Titels „Überbibliothekar" zum Bibliotliekar an der königl. Bibliothek zu Berlin; beim botanischen Museum der Universität Berlin der Assistent Dr. Ernst Gilg zum Gustos. Es habilitirte sich: An der Universität Erlangen E. Jordis für anorganische Chemie; an der Universität Wien W. Hein für allgemeine Ethnographie. An der Universität Giesson erhielt der Kreisthierarzt S c h m i 1 1 einen Lehrauftrag für Seuchenlehre Abgelehnt hat: An der Universität Strassburg Professor W. Kümmel- Breslau einen Ruf als Direktor an die Universitäts- klinik für Ohrenkrankh^iten. Aus dem Amte scheiden: Der ordentliche Professor der Geo- logie E. Suess mit Rücksiclit auf die durch das Gesetz bestimmte Altersgrenze nach fast ."jOjiihriger Thätigkeit als Lehrer von seinei- akademischen Wirksamkeit; der ordentliche Professor J. Wein- lechner (chir. Pädiatr.) demnächst aus dem Verbände der medi- zinischen Fakultät. An der Genfer Universität wurde Privatdocent L. Negevand (gerichtl. Med.) (irdcntlieher Professor. — An der Zürichnr Uni- versität wurde für da- Pach der Aiit lii(.|iii|nt;ic ein Kxtraüidin.it begründet und mslniaU IJ. Martin nli''rl iai;iai. -■ Dii' L.ntnnt; derUniversitHt,s|u.lilJiiiik Inr Praui'nkr,inkh<_-iten iui i;ri-ini;-ijraniiui zu München ist dem Privatdocenteii Dr. Adolf Klein üljertragen worden. Gewählt wurde: Zum Leiter der neu errichteten öifentlichen Bücher- und Lesehalle des Vereins „Lesehalle" in Bremen der bisherige Bibliothekar der Jenensor Volksbibliothek Dr. Heiden- reich. Es starben: In Erlangen der Direktor der chirurgischen Universitätsklinik Prof. Walter Heineke; in Jena der frühere Leiter der Veterinärklinik, Medizinalassessor Dr. Emil Schuster; in Helsingförs der Professor der Anatomie an der Universität Georg Asp; in Budapest Dr. Karl Laufenauer, Professor der Irren- und Nervenheilkunde an der Universität; der bei dem Polizeipräsidium in Berlin erst seit kurzer Zeit ernannte Re- gierungs- und Medicinalrath Dr. med. Otto Möbius. L i 1 1 e r a t u r. Max Schneidewin, Die TJnendlichkeit der Welt, nach ihrem Sinn und nach ihrer Bedeutnnij tur du- .McuM-lilieit. — Gedanken zum Angebinde des dreihundertjahriiifu ( icil.u litnisses des Mar- tyriums Giordano Brunos für die L.jhre \ on der Unendlichkeit der Welt. Georg Reimer. Berlin 1900. — 3,60 M. Verf. ist durch Troels-Lund zur nochmaligen Behandlung des Stoffes veranlasst worden. Er ist mit diesem einig darin, dass die That Giordano Bruno's eine neue Weltperiode heraufführen müsse. Die erste sei die des Geocentrismus gewesen. Leider sei trotz der dreihundert Jahre joner kosmische Gedanke, wie er ihn nennt, oder der Gedanke U, nämlich der von der Unendlichkeit der Welt, der Menschheit nur ganz oberflächlich zum Bewusst- sein gekommen. Trools-Lund's Buch werde nun aber sicher einen grossen Umschwung hervorrufen, die Menschheit in tiefster Seele von jenem Gedanken erschüttert werden; und damit das um so sicherer geschehe, wird jedem, der nicht so empfindet, Gedanken- losigkeit vorgeworfen. Um seines Genossen Werk zu fördern, legt Verf. noch ein- mal in leichtverständlicher Fassung die Hauptthatsachen und ihre Beweise dar. Da nun aber mit jener Erschütterung durch den Gedanken von der unendlichen Unbedeutendheit des Menschen eine neue Krankheit, die Apeirotharaxie, entstehe, so müsse da- gegen als Heilmittel empfohlen werden, dass jeder die Unendlich- keit der Welt als eine grosse Idee in sich bewahre, sich aber nun mit um so grösseren Ernst seinen irdischen Pflichten zuwende und sich durch jenen Gedanken vor dem Egoismus schütze. Ich kann nicht umhin, jene oft erwähnte Erschütterung selbst für eine krankhafte Erscheinung zu erklären, selbst auf die Gefahr hin, für gedankenlos zu gelten. Ein gesunder Geist wird sich vielmehr durch jenen Gedanken unendlich gehoben, ja be- i-t fühlen, wie das nicht i r„Die Freundschaft") zuletzt der Giordano selbst. Denn der gesunde ,\lin-eh e Entdeckung dos grossen Italirnr liehen Geistes war, auf die -tolz sie beseitigt zwar d.is ee,,|||,.ti isr pocentrische ^\■eltansell:(uuni;■. i Standpunkt ent-ju ielit, um- iV^ wird, der, wie Wrf. im i. Kupiti Weise missver-standcn hat. Die grossen Weltepocheu ki Fragen, sondern an solche der so wird die neue Zeit innner n dem Eintritt der germani-rlien \^ iln-e erste Epoelu' ist der liincli naissancc und Reformation; eii Geiste lebten, rangen und forsch ur bei Klopstock und Schiller Fall ist, si.ndern vor allem hei iii|ilindet unwillkürlich, dass jene ■s dneh eine Tluit des mensch- zn -eil. er .alles Recht hat. Und Im Weltbild, al)er nie die anthro- ii'il diese eben dem gesunden iliili Jemand schwer begreifen 1, seinen Kant in so greulicher lüpfen sich nicht an theoretische sittliclien Weltanschauung. Und leh mit dem Clnistenthum und illvei- in die ( ie.-rliielite beginnen; niiidi lies !]■ neu Geistes in Re- er diu- giiissten, die in diesem ;en, war Giordano Bruno. Fritz Graebner. Con Milano, Ulric.i Ridolfo Liivi, Antropometria. Hoepli, PK Kl. - L. 2..-II). Ein handliches, hübsch ausgestattetes, für den messenden Anthropologen und Gerichtsarzt sehr nützliches Bändchen der Hocpli'schen Sammlung billiger Handbücher aus der Feder des um die Anthropologie seines Vaterlandes so verdienten Livi. In kurzen Zü^vn ,i;iel,t hier der Verf. der trefflichen Antropo- nu'iii.i uiilil iie, pnnia Is'ii,, die nötigsten Anleitungen für alle neiuliiln n Me--iin;jen. l'ailienbestimmungen und Berechnungen im liienste der \'nlkerkunde , bildenden Kunst und gerichtlichen Medicin. Giosses Gewicht wird mit Recht auf die Kopfform ge- legt, '„eines der wichtigsten und am leichtesten zu ermittelnden Merkmale." Bei der Umrechnung von Kopf und Schädelindex findet Livi bei mittleren Köpfen mit Indices um Sit einen um I1,Ö2 höheren Knpfiudex, da-, ist anniihenid die von mit seit Jahren gebrauelite .Mitlel/alil I ,i '. Urei Kärtchen vei.inselianliehen sehr gia die Nertlieihma der Ku|,fformen, Parl.en und Körper- grösse in Italien. Dalie.i zei^t I i.tentalieii mit den Inseln die hiugköidigste. dunkelste und idein-te P,e\ ollcei nn- von fast reiner .■Mittelmeerrasse (Homo inedit'ii aneu- 1 i i|mi italien dagegen hat in Folge wiederholter Einwaiulirungcii uordiselier Völker viele grosse und hellfarbige Leute, dabei aber merkwürdiger Weise auch die meisten Rundköpfe, weil die nordeuropäische Rasse (Homo europaeus Linne) viele Bestandtlicile der seit der neueren Steinzeit nach Mitteleuropa vorgedrungenen rundköpfigen Rasse (Homo brachycephalus) aufgenommen und mitgeführt hat. Ludwig Wilser. Dr. Hermann J. Klein, Handbuch der allgemeinen Himmels- beschreibung nach dem Standpunkte der astronomischen Wissenschaft am Schlüsse des 19. Jahrhunderts. Mit zahl- reichen Abbildungen und Tafeln. Braunschweig, Fr. Vieweg & Sohn. 1901. Preis 10 Mark. Das vorliegende Buch stellt eine völlig unigearbeite und ver- mehrte Auflage der „Anleitung zur Durchmusterung des Himmels" dai', die derselbe Autor vor nunmehr drei Jahrzehnten heraus- gegeben hat und die sich während dieser Zeit als äusserst prak- tisches und zuverlässiges Handbuch aller derer eingebürgert hat, die in der Lae, -ind, die Ilimnielsräume mit Hilfe eines Fern- rohrs dnreh Antop ie zn stiidiren. Dass eine neue Auflage des in weiten l\iei-,ii ^eselia i/.teu Buches nach so langem und für die Astronomie so fruchtbarem Zeitraum dringend erwünscht war, bedarf keiner weiteren Begründung. Der Verf. hat sich aber nicht darauf beschränkt, das Buch dem gegenwärtigen Wissens- stande entspreclieiid zu ergänzen, sondern hat in der völlig neu gearbeiteten zweit. mi und diitieii Abtheilung ein vorzüglich ab- gerumhtes Pild .h^s deiv.i itie,.,, .Standes der empirischen Forschung entworfen, das dnieh die zahliei.dieii, den Mitteln der modernen Technik entsprechenden Abbildungen, sowie durcli die recht voll- ständigen Litteraturnachweise für den Fachmann nicht woniger brauchbar ist, als für den Liebliaberastronomcn, und das selbst demjenigen, der die eigene Benutzung grösserer Instrumente ent- behren muss, mit den Hilfsmitteln der Zeiclmung und namentlich der Photographie einen tiefen Einblick in das Weltgebäude ge- währt. Dementsprechend ist auch der Titel des Werkes abge- ändert worden. Das Sonnensystem ist gegenüber den sehr eingehend aus- geführten Theilenübor Fixsterne und Nebel allerdings ctwa,s zu ICine Uebersichtskarte des Mondes und die uioilenien Photographie unseres Trabanten 11 einem sonst so reich ausgestatteten Werk Znsamiiienstellung der Wolf'schen Sonnen- ist uerthvoll, hätte aber durcli graphische •bersichtlichkeit gewonnen. Vor allöin ver- ku W du •z gekomi ,.dei-alie tle Di ekenrelati rstellung XVI. Ni Naturwissenschaftliche Wochensclii'ift. 235 missen wir aber in dem dci- Sonne gewidmeten Kapitel Abbildun- gen von Protnbeninzen, der Corona, sowie der Chromospliäre nach llale und Doslandres. Auch ist über die spectroskopische Metliode d^er Protiiberanzenbeobachtung und über Taeeliim's l.n.üj.-ihrige Forschungen auf diesem Gebiete zu wonig gegelien. Ihr Aüiialje von Seite Co, (lass die Frage nach dem Vorhanth ns.ia \oii S:iiier- stoft' auf der Sonne noch nicht untersucht sei, ist dahin zu be- richtigen, dass über diesen vielunistrittenen Punkt die Meinungen der (Jelehrten trotz sorgfältiger Forschung von verschiedenen Seiten niieh aueoinandergchcn. — Was ferner an Figur 68 gesehen wenlrii M.ll, i^t Kef. nicht klar geworden, der Text gicbt darüber l^eiiii II n, 1,1, 11 Anfsehluss. Die Zeichnung scheint einen Saturn- aiililhk J.ii/.ii.-tellen, wie er von der Frde aus gar nicht zu Stande koiiiiLi.H kl IUI - Bei den Konif^ten snehten wir vergeblich aus- fiilii-lirhr,-,. AiiL-abrn iib,.r den I lallrv selini K.Miirtrn und einen llinwK Hilf die im Jaiii,. |;ill /,ii ' cn, a, I rnih. Wi.Mh-rkehr. — Der Ahsehiiitf iiber Sternsrhnu,,|M.n und Met.nrr /..jehnet sieh durch Ansfdhrlichkeit und sehr werth\ nll,- lalirllarisrlir Ziisaminen- stellungen aus. Ganz besonders ri'ich aiisgi^stattet und \ullsiaiidig ist aber, wie schon gesagt, der dir Slellaiasti niiumi.' lii'liaii(l.liid,_. Theil. Die farbigen Spektraltafeln uaeh 11. C. Vngel .-ind wohl- gelungen, die charakteristischen Nebeldecke und Sternhaufen werden durcli getreue Reproductionen der besten I'hotographieen vor Augen geführt, und die Beobachtung veränderlicher Sterne wird durcli zahlreiche Aufsuchungskärtchen für dieselben wesent- licli eileichtert. So lassen die erwähnten und noch zahlreiche andere Vorzüge des in seiner Art einzig dastehenden Werkes die «enigi'n ausgesprochenen Desiderata in den Hintergrund treten; lief, ist daher überzeugt, dass der Erfolg des neuen Werkes keinesfalls hinter dem seines Vorgängers zurückstehen wird. F. Kbr. Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft. Acht- zehnter .Jahrgang. Berlin, Gebrüder Borntraeger. IIXIO. Mit- theilungen: 1. L. .1. f'i'lakovskx : Teliei- die Kmpnrhebung von Achselsprossen (Mit .inrin [Inl/srimiit ) ■_', l; ru n" Sehroedcr: Cosmociadium saxiiiiiriiiii :],■ r,ai\. (Mii l'af.d I ) -- IJ. Iv Leinmer- mann: Beiträge zur Keiintuis- .Irr l'lankfiiual-m - 1. W. Zopf: O.xiilsäurebildung durcli Bakterien. (,\lit .mh. m I l,d/>chnilt. ) — 'i. E. Schulze: Ueber Eiweisszerfall und l-a» ri>~liildinig in der Pflanze. — 6. L. Kny: Ueber das angeblii lie \ ui k mi, Irlien- den Protoplasmas in den weiteren Lufträumen von Wasserpflanzen. — 7. C. Steinbrinck: Zur Frage ticr elastischen Schwellung von Ptlanzengeweben. | Vorläufige Mitthoilung) — 8. L. Lewin: Ueber die to.xikologischc Stellung der Raphiden. — 9. P. Magnus: Beitrag zur Kenntniss der Neovossia Moliniae (Thm.) Koern. (Mit Tafel 11.) — 10. F Heydrich: Eine systematische Skizze fossiler Molobesieao. — ll._ Hugo de Vries: Das Spaltungsgesetz der Bastarde. (Vorläufige Mittlieilung.) — 12. E. Lemmermann: Beiträge zur Kenntniss der Planktonalgen. (Mit Tafel IIL) — — lo. Ale.xander Nathansohn: Ueber Parthenogenesis bei Marsilia und ihre Abhängigkeit von der Temperatur: (Mit zwei Holzschnitten) 14. E. Heinricher: Nachträge zu meiner Studio über die Kegenerationsfähigkeit der Cystop'teris- Arten. (Mit Tafel IV.) — 15. E. Ule: Verschiedenes über den Einflus, der Thicre auf das Pflanzenleben. — 16. F. Czapek: Ein Thermostat für Klimistatenversuche. (Mit Tafel V.) — 17. E. Lemmer- mann: Beitrüge zur Kenntniss der Planktonalgeu. (Mit einem Holz- schnitt.) — 18. W. Schmidle: Beiträge zur Kenntniss der Plank- ton-Algen. (.Mit Tafel VI.) - 19. C. Correns: G. Mendel's Regel über das Verhalten der Nachkommenschaft der Rassenbastarde. — 20. A. Burgorstein: Ueber das Verhalten der Gyninospermen- keimlinge im Lichte und im Dunkeln. — 21. Wl, Butke- witsch: Ueber das Vorkommen proteoKtischer Enz\ lue in ge- keimten Samen und über ihre Wirkung. (Vorläufige .Mitttlnilung) — 22. A. Nestler: Die hautreizende Wirkung der Primnhi ob conica Hance und Primula sinensis Lindl. (Mit Tafel VII u. \ III. — 23. F. Schutt: Zur Porenfrage bei Diatomeen. — 24. ('. .stein- brinck: Zur Terminologie der Volumänderungen pflanzlicher Ge- webe und organischer Substanzen bei wechselndem Flüssigkeits- gehalt. — 25. S. Nawaschin: Ueber die Befruchtungsvorgänge bei einigen Dieotyledoneen. (Vorläufige Mittheilung ) Mit Tafel IX ) — 26. E. Tschermak: Ueber künstliche Kreuzung von Pisiiui sativum. - 27. M. Foslie: Die Svstematik der Midoln-sia... (Kino Bnirhtigiiiig ) - 28. Bohumil 'Nemec: Ueber dir .\it d.a- Walii iiehiiiiiiig des Schwerkraftreizes bei den Pflaiizm. u".' K' ii d. AdrrhuM; ,M\ eospbaerella cerasella n. sp., die I'riillieeii Imhii von Cercdspcira cerasella Sacc und ihre Entwickelung. — 'M. L L' le: Verschiedene Beobachtungen vom Gebiet der baumbewohnenden Utricularia. (Mit einem Holzschnitt.) — ol. G. Haberlandt: Ueber die Perception des geotropischen Reizes. (Mit einem Holzschnitt.! — 32. E. Lruim ermann: Beiträge zur Kenntniss der Plankton- algeu. — :>; ( . SfriiilM-inc-k: Ist die Lüftdurchlässigkeit einer Zellmembran nn 1 1 iml,., iiiss für ihre Schrumpfolung? - 34. D. Prianischniki.« : I rber den Einfluss der Temperatur auf die Energie des Kuvcis.szerfalls. — 36. W. Zaleski: Zur Acthei- wdrkung auf die Stofi'umwandlung in den Pflanzen. (Vorläufig,; Mittheilung) - 36. Hans Winkler: Ueber (fei. EluHuss ilMerei^ Facloren auf die Theilung der Eier von Cvsfosira barbata. (Mit einem Holzselmitt ) - .",7. E. Lemmerma nn: Hr-tia-r zur Kennt- niss der Plaiiktoiialgen, - 3S. F. He\iliirl,: Wnlrna- Ausbau des Coralliii,M'ii-\.st.aiis. ( Vorläufige Mitthrilmm. . - :;:i. E. Ule: Ueber weitere neue und intmessante Bromeliaceen. i.Mil TalVI X.i — 40 A. Nesllei: Zur Kmiitniss der hautn-iznidni Wiikiirg der Primula obcouic.i llaure. — 41. N. GaidukcM\- r.di.T das Chrysochrom. (Mil Tafel XI.) — 42. M. Foslir: Brm,., kungen zu F. Hevdrich's Arbeit „Die Lithothamnien von Ibdgoland". — i:i. M. Möbius: Das Anthophaein, der braune Bhitlienfarbstoft'. — 44. A. Wieler und R. Hartleb: Ueber Einwirkung der Salz- säure auf die Assimilation der Pflanzen. — 4-5. Wl. Butke- witsch: Ueber das Vorkommen proteolytischer Enzyme in ge- keimton Samen und ihre Wirkung. (11. vorläufige Mittheilung.) — 46. F. G. Kohl: Dimorphismus der Plasmaverbindungen. (Mit Tafel XU). — 47. Friedrich Hildebrand: Ueber Haemanthus tigrinus, besonders dessen Lebensweise. (Mit Tafel XIIL) — 48. C. Steinbrinck: Ueber die Grenzen des Schrumpfens. — 49. J. Palisa: Die Entwickelungsgoschichto der Regenerations- knospen, welche an den Grundstücken isolirter Wedel von Cvsto- pteris-Arten entstehen. (Mit Tafel XIV). — 50. D. Prianisc'hni- Ivow: Ueber die Ausnutzung der Phosphorsäure der schwerhis- lichen Phosphate diireli hrdiere Pflanzen. — 51. E. Schwabacli: Bemerkungen zu drn Aiigalieu von A. Tschirsch über die Harz- abscheidnugen in ( '.uiiterri, nadeln. — 52. C. Correns: Ueber den Einfluss der Zahl d. r /.m IJnstäubung verwendeten Pollenkörnor auf die Narlik.Hiiiiirii.-rliari. -- -,:i. Hugo de Vries: Ueber erb- nnglrirlir K ivu .■ ii i , .^, ■ i , \',. Häufige Mittheilung) — 54. F. Noil: Uebrr dir liiikrliniiig.svnsurlir mit Brvopsis nebst Bemerkungen über iliien zelligcn Aufbau (Energiden). — 55. P. Magnus: Ueber die auf alpinen Puccinien aus der Sectio Anriculastnnn auftretenden Uredineen. (Mit Tafel XV.) — .'üi. W. Zopf: Ueber das Polycystin, ein krvstallisirendes Carotin aus Polvcvstis flos aciuae Wittr. (Mit Tafel XVI und einem Holz'sciinitt.) — 57. 'L. Geis en he vner: Ueber Formen von Aspidium Lonchitis Sw. (Mit Tafel XVII.) - 58. K. Fritsch: Ueber Gvnodioecie bei Myosotis palustris (L.) — 59. Otto Müller: Kammern uml Poren in der Zellwand der Bacillariaeeei, III (Mit idunu 11, dz- schnitt.) — CO. P. Speiser: Zur !\riiiitiii.-> der gr,.gi,i|ilii>< b,-n Verbreitung der Ascomyceten-Gattung llcliiinitluiidiana l'i'\ i it-idi. — 61. E. Lemmermann: Beiträge zur Kenntniss der Plaukton- algen. — 62. R. v. Wettstein: Der gegenwärtige Stand unserer Kejintnisse betreffend die Neubildung von Formen im Pflanzen- reiche. — 63 Georg Klebs: Einige Ergebnisse der Fort- pflanzungs-Physiologie. — Narbnife: ( arl .Julius Adulph Sebarloek von Johann Abromeit. — Adri.n l'iaii,li,'t \,ui L. lUels. — Paul Knuth von Otto Appel. — Hugo Ziikal von K. Willudiii. - Karl PolAk von J. L. Celakovskv. - Ausserdem enthält ,1er Band den Bericht der Connnission für die Flora von Deutschland 1896-98. Adressbuch, zoologisches. Namen und Adressen der lebenden Zoologen, Anatomen, Physiologen und Zoopaläontologen sowie der künstlerischen und technischen Hülfskräfte. 2. Theil, ent- hält die seit September 1895 eingetretenen Veränderungen. Berlin. - (i Mark. Borchert, D. Aloys, Die Molluskenfauna und das Alter der Parana-Stufe. Stuttgart. — 2,40 Mark. Engler, A., Die Pflanzonformationen und die pflanzengeographische Gliederung der Alpenkette. Leipzig. — 2,40 Mark. Killing, Prof. Dr. Wilh., Lehrbuch der analytischen Geometrie in homogenen Koordinaten. 2. Theil: Die Geometrie des Raumes Paderborn. — ."i,bO Mark. Krämer, Marinestabsarzt Dr. Augustin, Die Samoa- Inseln. 1. Band: \'ei-fassung. Stammbäume, Ueberlioferungcn. Stutt- gart. - 4 Mark. Warburg, Prof Dr. Emil, Lehrbucli der E.xperimentalphysik für Studii-ende. Tübingen. — s Mark. Woronin, Dr. M., Ueber Sclerotinia cinerea und Sclerotinia fruc- tigena St. Petersburg. — 7 Mark. Inhalt: H. Eggers: Die Schwammtischerei bei den Bah.amainseln. — H. Buss: Ueber aromatische Kohlenwasserstoft'derivate, aromatische Säuren und Alkohole. — Die Körpertempei atur der Wale — Die gegenwärtige Verbreitung des Bibers. — Ueber die Empfindlichkeit höherer Pflanzen gegen Gifte. — Einfluss der Tom, loratur auf die Artenbildung. — Wetter-Mouatsübersicht. — Astronomische Spalte. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litterätur: Max Schneidewin, Die Unendlichkeit der Welt. - Ridolfo Livi, Antropometria. — Dr. Hermann J. Klein. Handbuch der allgemeinen Himmelsbeschreibung. — Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft. — Liste. •236 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 20. laochen i)t cv|d)ic 3iir pfümn Itflturnufdjauung. Hüll Dr. $. ^' r 0 ly a 5 c li. (litte ättggebü»d.M für 60 Mark ferner einzeln die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK für je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 16 Mark für je 8 Mark. Diese l'reisennässioiuiK erliselit, sohald der hierlur liestimmte Vorratli ersehripft isi. ^erl Dttmmlers Verla9$bu(l)l)dDdlun9 in Berlin SW. Yl, Ziininerslrasse «J4. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potoni6, Gr. Lichterfehle -West bei Berlin, Pot.sdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SVf. 12. — Druck: Q Bernstein, Berlin SW. 12- ''^-v- ^.vs-'^'*^ Redaktion: ? Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Duüunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 20 Mai 1901 Nr. 2L Abonnement : Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4-— Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. I Inserate: Die viergeBpaltene Petitzeile 40 -i.".. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuijft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Parthenogenesis bei der Honigbiene. Eine Erwiderung von Dr. Ale.xandcr Fe tr unke wi tscli. lieber die Parthenogenesi.s bei der Honigbiene hat Dickel*) einen Aufsatz pnblicirt, der die Meinung erweckt, als hätte ich seine Anschauungen durch meine Unter- suchungen bestätigt. Bei der Wichtigkeit der Frage sehe ich mich genöthigt, einige aufklärende Worte hier mit- zutheiien. Im Stadium der ersten Richtungsspindel ist die Spermastrahlung meistens noch schwach ausgebildet, oft noch garnicht vorhanden. Da die Samenfäden auf Schnitten durch das Ei nur selten mit ihrer Längsachse in der Schnittebene liegen und gewöhnlich schräg oder quer durchschnitten werden, so erscheinen sie wie ein dunkles, kleines Pünktchen und sind deshalb von andern Pünktchen nur dann zu unterscheiden, wenn sie von der Strahlung umringt sind. Trotzdem konnte ich mit Sicher- heit die Anwesenheit des Sperma in 23 von 29 Eiern aus Arbeiterinneuzellen nachweisen, während 94 Drohneneier im selben Stadium keine Spur von Sperma oder Sperma- strahlung zeigten. Im Stadium der zweiten Richtungsspindel ist die Spermastrahlung immer gut ausgebildet. 62 Eier aus Arbeiterinnenzelleu enthielten alle Sperma, während von 272 Drohueneiern nur ein einziges befruchtet war. Offen- bar hat sich die Königin in diesem Fall geirrt, indem sie dieses eine befruchtete Ei in eine Drohnenzelle absetzte, ein Irrthum, welcher von Bienenwirthen schon mehrmals beobachtet ist. Di ekel findet, diese Resultate seien negativer Art. Er erwähnt dabei aber einen Umstand nicht, den Weis- mann**) im Anatomischen Anzeiger schon mitgetheilt hat. Dickel wollte mich nämlich einmal auf die Probe setzen, *) F. Dickel. Der gegenwärtige Standpunkt ineintr Ent- wickelungstheorie der Honigbiene. Naturwiss. Wochenschrift. 21. April 1901. **) Aue tgust Weismann, Ueber die Partheuoge Anat. Anzeiger. 19U0. Bd. 18, Seite 492. ob ich wirklich Spermastrahlung auffinden könne, und hat mir zwei Gläschen mit Eiern zugesandt, dabei aber die Etiketten so vertauscht, dass ich Drohneneier, statt be- fruchteter, und umgekehrt, zu schneiden vermeinte. Die Verwechslung wurde jedoch sofort constatirt, und Dickel hat mir und Weismann seine That eingestanden. Dieses Resultat kann nicht mehr als ein negatives betrachtet werden: Es ist vielmehr so sicher, wie es nur sein kann. Umsonst versucht deshalb Dickel in meinen Briefen an ihn einen Widerspruch mit den Anschauungen von Wcisraann zu finden. Ich habe meine ganze Arbeit auf Anregung und unter der Anleitung des Herrn Geheim- rath Weismann gemacht, wir standen in fortwährendem Gedankenaustausch und sind in Bezug auf diese Frage derselben Anschauungen. Offenbar hat Dickel meine Briefe nicht richtig verstanden, und die Auszüge, die aus dem Zusammenhang gerissen ohne Werth sind, können zu falchen Deutungen Anlass geben. Was die geschlechtsauslösende Wirkung des Speichels der Arbeitsbienen anbetrifft, so hat diese Frage mit der Parthenogenesis keinen direkten Zusammenhang. Wissen wir doch, dass bei Ciiermes abietis aus unbefruchteten Eiern sowohl Weibchen als Männchen entstehen. Aller- dings ist das für die Honigbiene noch unbekannt, und ich bin auch jetzt noch der Anschauung, dass es von Interesse wäre, diejenigen Experimente von Dickel bestätigt zu sehen, nach denen aus Drohneneiern, durch Uebertragen der- selben in Arbeitszellen, Arbeitsbienen zu züchten, möglich ist. Dies könnte natürlich nur durch das Experiment be- wiesen werden; das Mikroskop ist hier nicht anwendbar. Uebrigens scheint mir der Erfolg bei solchen Experi- menten jetzt weniger wahrscheinlich, nachdem ich von der Schrift von 0. vom Rath*) Kenntniss genommen *) O. vom Rath. Teber abnorme Zustände im Bienenvolk. Berichte Nat.-Ges. Freibuig i. Br. Bd. 8. 1894. 238 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 21. liabe, in der er berichtet, dass die Bienen hin und wieder über Drohneneiern Weiselzellen errichten und dass die betreffenden Eier im Larvenzustande absterben.*) Uebrigens scheint Dickel sich selbst zu wieder- sprechen. In seinem Buch „Das Prinzip der Geschlechts- bildung bei Thiereu gesclileciitlicher Fortpflanzung" lesen wir auf Seite 29: „Auf Grund dieser Erwägungen ge- langte ich zu der Ueber/A'Ugung, es müsse der Larven- zustand der Arbeitsbiene nicht nur ermöglichen, dass das rein weibliche Geschlechtsthier aus demselben heran- gebildet werden könne, sondern es müsse ebensowohl auch das rein mäimliehe Geschlechtsthier aus demselben nacii- gezogen werden können. Das Experiment hat die Riclitig- keit dieses Schlusses glänzend bestätigt." Und jetzt schreibt Dickel: „Der Einfluss der Arbeitsbienen muss normaler Weise den dreierlei Zcllen- gattungen entsprechend erfolgen und zwar schon ent- scheidendwährend desEizustandes, da erfahrungsgcmäss z. B. aus einer ganz jungen Larve in der Drohnenzelle (männlich) niemals noch ein Weibchen oder eine Arbeits- biene nachgezüchtet werden kann." Ist es aber so, wie Dickel jetzt schreibt, so konnte ihnj auch das eben erwähnte Experiment nicht gelingen. Noch einifi'e Worte über die sieben von der Mutter- •■■) Offenbar weil es eben unbefruchtete Eier sind und weil die Bienen aus solchen Eiern durch Bespeiehelung oder sonstwie Jlutterthiere nicht erziehen können. bienc fallen gelassenen Elier, die nach meiner Unter- suchung keine Straldung aufwiesen und sich im Stadium der ersten Riehtungsspindel befanden, und die Dickel als Stütze für seine Anschauung heranzieht. Dickel hat sie durch Einwirkung der Wärme auf die Mutterbiene er- halten, indem er diese in ein Glas setzte und das Glas 30 Minuten lang in warmes Wasser eintauchte. Leider hatte mir Dickel seiner Zeit nicht geschrieben, wie er diese Eier erhalten hat, sonst hätte ich sie sicher gar- nicht untersucht. Denn sie sind nicht in normaler Weise gewonnen, und wir wisien garnicht, in wie fern die direkte Einwirkung der Wärme'-') die Eutwickelung der Bienen- eier verlangsamt, beeinträchtigt, oder gar aufhebt. Ich glaube, das Gesagte mag genügen. Zudem ist meine ausführliche Arbeit schon im Druck, und jeder, der sich für die Frage interessirt, wird bald selbst entscheiden können, ob es hier nur um Meinungsverschiedenheiten zwischen Dickel einerseits und Weismann und mir andererseits handelt, oder ob ich unwiderlegliche Thatsachen bringe. Die Freiburger Untersuchungen über die pärthenoge- netisehe Entstehung der Drohnen sind abgeschlossen, und für uns kann kein Zweifel mehr darüber walten, dass die alte Theorie von Dzierzon unerschüttert ist und die Drohnen thatsächlich aus unbefruchteten Eiern entstehen. *) Dickel giebt nicht einmal an, wie hoch die Teinjifrati des Wassers war. Altägyptisches Platin. Von diesem erst seit andert- halb Jahrhunderten bekannt gewordenen Edelmetalle hat Berthelot (Comptes rcndus vom 25. III. 1901) ein 5 bis 6 mg schweres Stückcben an einem zu Theben gefundenen und im Louvrc-Museum aufbewahrten Metall-Etui entdeckt, mit dem die Königin Shapenapit, Tochter des Königs Psamnetik I. (7. Jahrhundert v. Chr.) ein Geschenk ge- macht hat. Das mit auf der einen Seite in Gold, auf der anderen in Silber ausgeführten Inschriften und Zeichnungen bedeckte Etui besitzt n(jch besonderen Werth sowohl in Rücksieht auf die Methodik der chemischen Analyse archäologischer Objecte und deren von der Zeit iicrvorgerufenen Umänderungen, als auch auf unsere Kenntniss vom Hersteilungsverfahren, in diesem Falle also von der Fabrikation des antiken Etuis und dessen In- erustation mit Zeichnungen und Inschriften. Was aber das an ihm gefundene Platin betrifft, dessen Natur nach seinem chemischen Verhalten festgestellt wurde und zwar als ein mehrere verwandte Metalle und wahrscheinlich auch Gold enthaltendes Rohplatin, so haben die antiken Goldschmiede dessen Eigenart ersichtlich nicht erkannt gehabt, sondern es nach seiner Farbe für Silber gehalten und ihm, ebenso wie dem natürlichen Waschgolde, unter dem Hanmier Blättchenform ertheilt. Häufig wird ihnen demnach Platin schwerlich in die Hände gekommen sein, denn sonst würden sie wohl bei der Verarbeitung die Eigenart erkannt haben. Vermuthlich stammte das Stück- chen aus einer Goldseite des oberen Nilthaies. 0. Lang. Die älteste europäische Menschenrasse. In den Bonner Jahrbüchern, Heft 106 laufenden Jahrgangs, ver- öffentlicht G. Schwalbe-Strassburg eine gründliche und eingehende Abhandlung über den „Neanderthalschädel" und kommt, im Gegensatz zu früher von verschiedenen Seiten geäusserten Zweifeln, zu dem von jedem sach- kundigen und vorurtheilsfreicn Beurtheiler zu billigenden Schluss, dass, während die geologischen ^'crhältnisse „nicht gegen ein hohes geologisches Alter" sprechen, schon durch die Gestalt des Schädels allein „die tiefe Stellung des Neanderthalers, die specifische Verschieden- heit desselben vom jetzt lebenden Menschengeschlecht und dessen ausgestorbenen Rassen .... vollständig sicher nachgewiesen" ist. Ueber die Abstammung des Menschen und den Pitheeanthropus erectus stellte Schwalbe weitere Veröffentlichungen in Aussicht, auf die man ge- spannt sein darf. So tief auch die Neanderthalrasse, be- sonders durch ihren geringen Schädelraum und die flache Stirn, unter dem heutigen Kulturmenschen steht, zeigt sie doch keine anatomischen Merkmale, die uns hindern könnten, sie als Stammrasse der beiden langköpfigen europäischen Rassen zu betrachten. L. W. Die Entwickelung der Dasselfliege nach dem Stande neueste)- Forschung. — Heiss brennt die Juli- sonne vom wolkenlosen Himmel hernieder. Vor ihrer Gluth flüchtet alles Leben in den kühlen Schatten. Nur der nie ermüdende Chor der Insekten schwii-it und gaukelt und flattert durch den flimmernden Aether; ein solcher Backofen entflammt die Liebesgluth und steigert die Ge- lüste des Hungers. Die Rinder kauern im Grase in be- häbiger Ruhe; am Raines Rand spendet die dichte Hecke willkommenen Schatten. Unaufhörlich peitschen sie den Schwanz nach links und nach rechts; der Quast, ein natürlicher Fliegenwedel, verscheucht die lästigen Bremsen und Stechfliegen. Vergebliches Bemühen! denn immer aufs neue drängen sie sich an das warmblütige Opfer, lechzend nach dem rothen Satt in den Adern der Rinder. — — Jetzt erhebt sich ein Rind mit kräftigem Satze. Mit gehobenem Schwänze, unter angstvollem Gebrüll stiebt es mit gesenktem Kopfe wie rasend von daunen! Hin ist die Ruh! Wie auf einen Schlag erheben sicii auch die XVI. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 239 andern. Mit riieliwärts- oder aufwärtsgeliobeneni Schwänze rast die ganze Heerde in zügelloser, wilder Hast dahin, wie von Fnrien gepeitscht. Entsetzliche Angst verräth das Brüllen, hochaus schlagen die Hinterbeine, als gelte es, den Verfolger durch die Wucht des Körpers zu er- drücken, zu zerstampfen. Schliesslich streben alle einem Ziele zu, dem Wasser, wenn solches erreichbar ist. Hier stehen sie bis an die Brust umspült vom kühlenden Nass. Doch auch der Verfolger, die Dasselfliege, ist jetzt zu- frieden gestellt. Die Eier kleben am Haarpelz des aus- crvvählten Opfers. Diese Erscheinung des ängstlichen ümherirrens und Flüchten der Rinder war bereits dem römischen Dichter Virgilius bekannt; er erwähnt ihrer im dritten Gesänge seines „Georgicon", des hohen Liedes von der Landwirth- schaft. Auch bei uns zu Lande wiederholt sich hier und da von Jahr zu Jahr dasselbe Schauspiel, freilich nicht zum Entzücken des Landmaunes. Er weiss sehr wohl, dass der Urheber dieses „Biesens der Rinder" ein schlimmerer Feind ist als selbst die Rinderbremsen, diese Vanipjre des Rindes. Das „Biesen" ist nämlich nur das Anfangsglied in der Kette qualvoller Leiden, welche dem Rinde durch den grösseren Plagegeist, die Dasselfliege, bereitet werden; denn sie ist die Urheberin jener Dassel- beulen, welche im nächsten Frühjahr den Rücken seiner Pfleglinge bedecken und den Gesundheitszustand des- selben in hohem Maasse bedrohen. Machtlos steht er diesem Eingriff des kleinen Insekts in den Organismus des Rindes gegenüber; er vermag nur durch zeitiges Aus- drucken der Larven aus den eiterigen Beulen den Trägern derselben Linderung zu verschaffen. Die Dasselfliege (Hypoderma bovis) gehört zur Familie der Bies- oder Dasselfliegen (Oestridae). Sie und ihre nächsten Verwandten zählen zu den grössten Quäl- geistern für Mensch und Vieh, weil ihre Larven ähnlich den Eingeweidewürmern in dem Körper warmblütiger Thiere schmarotzen, nur mit dem Unterschiede, dass sich die Verpuppuug und Entwickelung des fertigen Insekts (Imago) ausserhalb des Wirthes vollzieht. Schon im grauen Alterthum beobachtete man die Dasselbeulen auf Haus- und Jagdthieren. Wenn es auch als fraglich er- scheinen muss, dass Aristoteles den Zusammenhang zwischen dem Biesen des Rindes und dem Urheber desselben, der Dasselfliege, erkannt hat, so hat er andererseits gerade an der Entwickelung der Larven zur Puppe und zum Imago die Vorstellung der Entwickelung (Metamorphose) gewonnen. Griechische Thierärzte gaben bereits eine Be- schreibung der Larven. Das ganze Mittelalter kam hier, wie in allen andern naturwissenschaftlichen Dingen, nicht über die Anschauung des Aristoteles hinaus, und erst im Anfange des vorigen Jahrhunderts gelang es einem Italiener, die Hypoderma-Larve zur Entwickelung zu bringen und somit auch eine Beschreibung der Fliege zu geben. Trotz- dem vertielen spätere F'orscher auf mancherlei Irrthümer. Wenn auch der Wiener Professor Brauer in seinem 1863 erschienenen Werke „Monographie der Oestriden" das Material sammelte und sichtete und mancherlei Aufklärung über das geheimnissvolle Leben und Werden dieser Fliegen hinzufügte und durch spätere Nachträge in den Verhand- lungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft" er- gänzte, so blieb es doch den allerletzten Jahren vor- behalten, den Entwickelungsgaug gerade für die in Rede stehende Dasselfliege des Rindes klar zu stellen. Wenn auch neuere Lehrbücher, so u. A. das treffliehe „Lehr- buch der Zoologie" von Dr. Otto Schmeil, Rector in Magdeburg (Stuttgart: Erwin Naegele, 1900, 4. Auflage), den Entwickeluugsgang der Dasselfliege nach dem Stande neuester Forschung behandeln, so dürfte doch allen Lesern dieser Wochenschrift eine ausfuhrlichere Darstellung will- kommen sein, umsomehr, als die eigenthumliche Entwicke- lung der Dasselfliege und die Qual, die namentlich die Larve unserm Hornvieh aufhalst, damit zugleich der Schade, der unserer Landwirthschaft dadurch erwächst, eine ausführ- lichere Behandlung der Dasselfliege an dieser Stelle recht- fertigt. Auch das ist interessant: die Entdeckung des Entwickelungsprozesses der Larve wurde an verseiiiedenen Orten unabhängig von einander gemacht. 1888 fand Kreisthierarzt Hinrichsen in Husum die Larven im Rückenmarkskanal eines Rindes und stellte damals schon die bisherige Anschauung über die Ein- wanderung der Larven in den Körper des Wirthes in Zweifel, und 1896 wurde auf dem Kieler Soldachthofe durch die Thierärzte Ruser und Klepp die eigentliche Eingangspforte der jungen Larven festgestellt. Die grosse Zahl der volksthümlichen Namen — Dasselfliege, Dasselmücke, Bremse, Biesfliege, Bicsmandel, Engerlingfliegen — beweist schon, dass man im Volke diesem Insekt allseitige Beachtung geschenkt, hat, obwohl die Fliege selbst den wenigsten zu Gesicht gekommen ist. Letztere ist wegen ihres dichten Haarkleides und ihres halbkugeligen Kopfes einer kleinen Hummel nicht unähn- lich. Wie sehr die Dasselfliege in ihrer Existenz an die Rinder gebunden ist, geht schon daraus hervor, dass in solchen Gegenden, in denen das Vieh später auf die Weide getrieben wird, auch die Fliegen sich später zeigen, weil die bereits im Stalle aus den Beulen hervor- geschnellten Larven in dem Stallmiste unter den Hufen des Rindes zertreten werden. Nur im Freien sind die Larven entwickelungsfähig; nur hier findet man zur Flug- zeit an den sonnigen Stellen der Wege und Weideplätze die Fliegen, oft an ganz bestimmten Sammelpunkten, an denen man sie vielfach Jahr für Jahr beobachten kann; nur im Freien werden von den geschlechtsreifen Weibchen die Eier abgesetzt. Daraus folgt, dass allein solche Rinder, welche das ganze Jahr hindurch im Stalle ge- halten werden, gegen das Hervorbrechen von Dasselbeulen geschützt sind. Während ihrer kurzen Lebenszeit nimmt die I^liege keinerlei Nahrung zu sich, ist also durchaus nicht den blutsangenden Mücken und Fliegen vergleichbar. Sie zehrt von dem Fett, das die Larve aufgespeichert hat. Ihre einzige Sorge ist auf die Erhaltung ihrer Art gerichtet. Darum verfolgt sie auch das sich sträubende und wehrende Rind mit zäher Ausdauer und lässt nicht ab von ihrem gehetzten Wilde, als bis es ihr gelungen ist, die länglich runden, dickschaligen, klebrigen Eier auf die Haut des Wirthes ihrer Nachkommenschaft abzusetzen. Dann stirbt sie. Früher war man der Ansicht, dass, wie z. B. Vitus Graber noch 1877 in seinem sonst vortrefflichen Werke: „Die Insekten" behaupten konnte, das Weibchen mit seiner „perspektivartigen Legeröhre" die Rückenhaut durchbohre und dem Rinde das Kuckucksei unterschiebe. Die Furcht vor den so erzeugten Schmerzen sollte die Heerde zum Biesen veranlassen. Diese Meinung hatte Brauer schon 1863 widerlegt, indem er darauf hinwies, dass die nach Art eines Fernrohres zusammenschiebbare Legeröhre durchaus nicht im Stande ist, das dicke Fell des Rindes zu durchstechen. Vor ihm hatte sich schon Clark dahin ausgesprochen, dass eine Verletzung der Haut ausgeschlossen sei und die Eier nur äusserlich an das Fell geheftet werden. Dafür spricht auch die Form der Eier, welche an dem einen Pole noch einen Aufsatz zum Befestigen zeigen, vor allem auch die Festigkeit der Eihaut, welche das Ei gegen äussere Einflüsse zu schützen hat. Instinktiv ergreifen die Thiere die Flacht, wenn sie nur das Gesumme des heranschwirrenden Insekts ver- nehmen, denn dass das indolente Rind durch ein Juck- geftthl, das durch die Eiablage auf die Haut hervorgerufen 240 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Xr. 21. werden könnte, in Erregung gebracht werde, i.st wohl auch nicht anzunehmen. Brauer untersuchte die Mundtheile der ausschlüpfen den Larve und kam zu der Ansicht, dass sich die Larven nach dem Auskriechen sofort durch die Haut bohren und im ünterhautzellgewebe die bekannten Dasselbeulen bilden, in deren Sekret die Larve heranwachse. Allerdings be- tonte er ausdrücklich, dass er dies nur vermuthe, weil er und andere noch niemals ein Hypoderma-Ei am Wohn thiere habe haften sehen. Gleichzeitig wies er auf eine andere ihm unerklärliche Tbatsache hin, nämlich auf das sogenannte .Stillstandsstadium: wenn man nämlich auch den £rutabsatz genau kennt und das Ablegen von Eiern auf die Wirthe beobachtet hat, so folgt eine Zeit, in welcher der Parasit plötzlich verschwunden zu sein scheint, bis er dann nach sechsnionatlicher Pause wieder hervorbricht. Was das erstere, nämlich das Durchbohren der Larven unter die Haut, anbetrifft, so findet man diese Ansicht in fast allen Lehrbüchern vertreten und sieht eine scheinbare Stütze in dem Umstände, dass man denselben Vorgang an den neugeborenen Larven der Gattung Oestromyia, welche bei Mäusen die Dasselkrankheit her- vorruft, beobachtet hatte. Dagegen spricht aber zunächst, dass man bisher noch niemals neugeborene Hypoderma- Larven auf dem Körper des Rindes gefunden hatte und es von vornherein ausgeschlossen war, dass die zarten Larven sich so schnell durch das dicke Fell bohren könnten. Die Möglichkeit des Durchbeissens wurde dann überhaupt verneint, als an der im durchsichtig gemachten Ei zu sehenden Larve keinerlei Mundvverkzeuge beob- achtet werden konnten. Vor allem aber war damit auch das Stillstandsstadium nicht erklärt. Mit der bereits erwähnten Entdeckung des Husumer Kreisthierarztes Hinrichsen trat ein völliger Umschwung in der Ansicht über den Entwickelungsgang der Hypo- derma ein, nachdem sich derselbe bald überzeugt hatte, dass die im Rückenmarkskanal gefundeneu Larven das erste Stadium derselben darstellten. Ja, er vermuthetc, dass die Eier durch den Schlund in den Darmkanal ge- langen und von hier unter die Haut vordringen, auf welchem Wege dies oder jenes Individuum sich durch die Zwischenwirbellöcher ins Rückenmark verirren könne. Unabhängig von ihm fand Home in Christiania ebenfalls die Larven an verschiedenen Stellen des Wirbelkanals, ausserdem, wenn auch selten, in der Brust- und Bauch- höhle und in einzelnen Organen derselben. Doch hielt er an der Vorstellung, die Larven dringen durch die Haut in den Körper, fest und erklärte die in der Zeit vom Februar bis April im Fleische beobachteten schmutzig- grünen Larvengänge als Wegweiser, damit sie auf dem- selben Wege zurück unter die Haut kommen können, um hier ihre Entwickelung zu vollenden. P'eruer fand ein amerikanischer Thierarzt, Cooper-Curtice, im November 1890 Larven unter der Schleimhaut des Schlundes (Oeso- phagus); später, um Weihnacht, erschienen die Larven in der Mehrzahl unter der Rückenhaut. Die zuerst unter der Haut gefundenen Larven hatten dieselbe Grösse und dieselben Merkmale, wie jene im Schlünde, weshalb sie Cooper als das Oesophageal-Stadiura bezeichnete. Ende Januar und Anfang Februar waren alle Larven und mit ihnen auch die durch sie hervorgerufenen Entzün- dungserscheinungen im Schlünde verschwunden. Die Veröffentlichung über seinen Befund, aus welchen er den Schluss zog, dass die Eier, bezw. Larven, vom Rinde verschluckt würden und die auskriechenden Larven vom Schlünde aus ihren Weg unter die Rückenhaut nehmen, war dem Director des Kieler Schlachthofes, Herrn Ruser, und seinem damaligen Assistenten, Herrn Thierarzt Klepp, als diese 189B ihre Untersuchungen über die Wanderung der Hypoderma-Larven aufnahmen, völlig unbekannt geblieben. Ruser hatte von seinem Assistenten erfahren, dass Thierarzt Goltz zu Halle a. S. in seinem früheren Wirkungskreise in Schwerin die Larven von Hypoderraa bovis u. A. auch im Schlünde eines Rindes gesehen hätte und unterzog daraufhin den Schlund von vier Ochsen, welche die bekannten Beulen unter der Rückenhaut zeigten, einer genauen Besichtigung, welche in der Weise ausgeführt wurde, dass er den Schlund um- kehrte — Schleimhaut nach aussen und Muskulatur nach innen. Zu seiner grössten Ueberraschung fand auch er unter der Schleimhaut, in dem lockeren Bindegewebe zwischen Muskulatur und Schleimhaut, die stäbchen- förmigen, glashellen Larven in grosser Zahl durch- schimmern. Später sind ähnliciic Befunde wiederholt ge- macht. Herr Director Ruser war so liebenswürdig, mir durch seinen Assistenten ein solches in Formol auf- bewahrtes Präparat vorzuführen. Das Lager der ein- gebetteten Larven hob sich wulstartig heraus. Wurde die Schleimhaut aufgeschnitten, so traten die etwa 15 mm langen Larven zu Tage. Kurz zusamnicngefasst stellt sich der Entwickelungs- gang der Dasselfliegen wie folgt dar: Vom Juli bis Sep- tember legt das Weibehen die Eier auf die Haut der Rinder. Ob die Eier oder die bereits ausgeschlüpften Larven aufgeleckt und verschluckt werden, ist uoch nicht erwiesen; vielleicht geschieht beides. Die Larven bleiben am Schlünde haften, bohren sich durch die Wandung und verweilen unter der Schleimhaut bis zum Februar oder Anfang März. Auf ihrem Wege bis unter die Körperhaut lassen die Larven eiterige Gänge zurück ; oft verirren sie sich unterwegs in den Rückeumarkskanal. Unter der Haut haben clie Larven uoch dasselbe Aussehen wie in den Schlundwanderungen (1. Stadium). Die äusserst zarte Haut lässt die Thätigkeit besonderer Athemorgane als überflüssig erscheinen; die Athmung erfolgt durch die Haut. Nach der ersten Häutung bedarf sie der unmittel- baren Zufuhr frischen Sauerstoffs. Zu diesem Zwecke durchbohrt sie von innen nach au.ssen die Haut und bleibt mit ihrem hinteren Ende, in dem sich die Oeffnuugen der Athemorgane befinden, in dem Loche sitzen. Die Larve zeigt Querstreifen, welche sich bei näherer Betrachtung als reihenweise angeordnete Dornen ent- puppen (2. Stadium). Durch die von der Larve hervor- gerufene Wunde dringen Eiterei reger (Mikroorganism.en, die in grosser Zahl an den Haaren des Rindes haften), in das Fleisch und erzeugen nunmehr die eiterigen Dassel- beulen, in denen die Larve heranwächst (3. Stadium). Nachdem die Larve etwa 9 Monate laug im Wirth schmarotzt hat, erreicht sie ihre Reife. Alsdann ist sie dunkel gefärbt, scbwarzgrau bis bleigrau, äusserst weich und geschmeidig. „Drei bis vier Tage bevor sie aus der Dasselbeule auskriecht, dehnt sie die Oeffnung derselben aus und verlässt dann eines Tages, aber nur in den Morgenstunden, ihren bisherigen Wirth. Sie sucht sich darauf in der Erde, in Spalten oder Rissen zu verkriechen, indem sie sich mit Hilfe der Dornen an ihrer Unterseite fortbewegt. Sie bläst sich, i^obald sie am geeigneten Orte zur Ruhe gekommen ist, auf, und in diesem aufgeblasenen Zustande erstarrt die Haut dann zur Tonne (Puppe), aus der nach 26 bis 30 Tagen eine Fliege zu neuem Leben ersteht" (Klepp). Durch die Dasselfliegen erleidet der Landwirth nicht geringen Schaden. Zunächst wird der Gesundheitszustand des Rindes in höherem Maasse beeinträchtigt und das Gedeihen desselben in Frage gestellt. Die Fleischschau wird nach dem Vorschlage des Herrn Schlachthofdirectors Ruser auch auf den Schlund, das mediastinale Fettgewebe und die Umgebung der grossen Gefässstämme an der XYT. l^r. 21. Natnrwissensoliaftliche "Wochenschrift . 241 Wirbelsäule auszudehnen sein ; sehr stark von den Larven und ihren eiterigen Gängen durchsetztes Fleisch nuisste dem Verkehr ganz oder theilvveise entzogen werden. Die Lederindustrie erleidet grosse Einbusse, insofern das aus den Feilen der nnit Dasselbeulcn behaftet gewesenen Rinder gewonnene Leder durch zahlreiche Löcher ent- werthet wird. Thierschutzvereine, Landwirthe, Thierärzte und Lederindustrielle haben die verschiedensten Mittel er- sonnen, um der Dasselkrankheit erfolgreich zu begegnen. Aus dem Werdegang des Insekts geht aber deutlich genug hervor, dass weder das Striegeln, noch das Eindecken, noch das Einreiben mit Petroleum und mit allen sonstigen scharf riechenden oder bitter schmeckenden Mittein das Uebel beseitigt. Ganz aus der Welt lässt sich das Uebei überhaupt nicht schaffen. Den grössten Erfolg behufs Einschränkung der wirth- schaftlichen Schäden dürfte das von Dr. Schmidt-Mühl- hcim empfohlene „Ab dass ein" versprechen, d. h. auch nur dann, wenn es als obligatorische Maassregel geboten wird. Weil die Larven nur in den Morgenstunden ihren Wirth verlassen, dürfte sieh auch empfehlen, während dieser Zeit das Vieh für den Vormittag im Stall zu be- halten; doch dürften wirthschaftiiehe Verhältnisse solches nicht überall zulassen. H. Barford-Kiel. Studien über den Milchsaft und Schleinisaft der Pflanzen. — Molisch hat (vergi. „Naturw. Wochenschr." No. lU) in der richtigen Würdigung der nicht selten ver- kannten Thatsache, dass in gewissen Fällen die Unter- suchung lebenden Materials günstigere Resultate erwarten lasse als das Studium von fixirten und tingirten „Leiehen- präparateu", den Milch- und Schlcimsaft zahlreiclier Pflan zen zumeist im frischen Zustande einer eingehenden Prü- fung unterworfen. Von der Fülle interessanter Detail- beobachtungen sei hier nur das wichtigste wiedergegeben. Der erste Theil des Werkes ist dem Studium des Milehröhreninhaltes gewidmet. Verfasser kommt zu dem Schlüsse, dass die Milchröhren (gegliederte wie un- gegliederte) mit der typischen Pflanzenzelle auch den Be- sitz eines als Wandbeleg auftretenden Plasmaschlauches gemeinsam haben, welcher wie dort neben Stärkebildnern noch andere lebende Einschlüsse führt. Der Plasmabelag bildet manchmal überdies geradezu ein „Reservoir" für verschiedene andere Leukoplasten, welche Oel (Elaio- plasten) oder Eiweiss in verschiedenen Formen (Protei'no- plasten) ausbilden, führt aber ausserdem auch mit festen Inhaltskörpern oder Flüssigkeit gefüllte Vakuolen. Be- sonders auffallend sind die mannigfaltigen Formen, welche die Zellkerne annehmen. Ich verweise vor allem auf die „Blasenkerne" bei Musa, Aroidecn und Humulus und auf die saftreichen Kerne der Euphorbien. Charakteristisch ist die häufig auftretende Tendenz, eine deutliche Kern- haut auszubilden. Nach der Anschauung von Molisch ist der Milch- röhreninhalt nicht dem Plasma, sondern dem Zellsaft homolog. Hiermit steht auch das chemische Verhalten im Einklang, indem die Reaction des Milchsaftes zumeist sauer, selten amphoter, jedoch niemals alkalisch ist. Von Mineralsubstanzen wurden im Milchsafte Kalk und Mag- nesia (bisweilen in grosser Masse), Salpetersäure und Phosphorsäure angetroffen. Von organischen Inhalts- körpern werden Kautschuk, Harz, Fett, Eiweiss, Fermente, Lcptoniin, Gerbstoff und Alkaloide, welche manchmal ge- rade im Milchsaft ihren Hauptsitz zu haben scheinen, besprochen. Der zweite Theil der Abhandlung beschäftigt sich mit den Schleimr Öhren einiger Monocotylen. Dieselben stellen Zellfusionen dar. Molisch Hess den Schleim- inhalt zur üutersuchung "direkt aus den angeschnittenen Blättern in eine Fixirungsflüssigkrit austreten, wobei sich dieser aus einzelnen, den Zellelementen entsprechenden Gliedern zusammengesetzt zeigte. Jedes Glied enthält meist einen peripher liegenden Zellkern und ein Raphiden- bündel. Sehr auffallend sind die u. a. bei Lycoris radiata Herb, aufgefundenen „Fadenkerne", die im Maximum eine Länge von 1510 fi bei einer Breite von nur 0 • 1 bis 0 • 3 |U. besitzen. Auch der Inhalt der Schleimgefässe ist ais Zelisaft aufzufassen und reagirt wie dieser meist sauer, selten neutral oder amphoter. Von anorganischen Verbindungen im Schleimsafte ist besonders das Auftreten von Chlor- verbindungen und Nitraten hervorzuheben. Unter den organischen Verbindungen beansprucht ein neuer, in ver- schieder en Monocotylen auftretender Körper, das Luteo- filin, besonderes Interesse. Er krystallisirt aus dem ein- trocknenden Schleimsafte in Form von Raphiden aus. Bei Behandlung mit verdünnter Kalilauge treten ausser- ordentlich feine, oft verfilzte Fäden auf („Filzreaction"), die im auffallenden Lichte blau, im durchfallenden gelb erscheinen. Die chemische Natur des Körpers ist noch unbekannt. Anhangsweise werden auch die Aloeharzbehälter besprochen. Auf die Funktion von Milch- und Schleimsaft soll in einer folgenden Abhandlung eingegangen werden. Dr. K. Linsbauer (Wien). Einfluss der Dunkelheit auf die Entwickelung der Blumen. Die einander widersprechenden Ergebnisse der von Sachs, Askenasy und Flohaul t angestellten Ver- suche macliten es an sich schon wahrscheinlich, dass darin keine streng giltige Regel herrscht, sondern es viel- mehr nin- gelingt, das im Allgemeinen obwaltende, aus der Mehrzahl der Fälle ableitbare Verhalten festzustellen. Dies hat auch L. Beulaygue gefunden, der mit mehr als 30, den verschiedensten Familien angehörigen Pflan- zen, während des Dezembers bis zum Februar in Algier Versuche anstellte. Aus ihnen zog er, wie er in Comptes rendus CXXXII, Nr. 11 mittheilt, folgende Schlussfolge- rungen. 1) In der Dunkelheit erschliessen sich die Blumen meist später als im vollen Lichte. 2) Die Farbe der Blumen erfährt im Allgemeinen eine Verminderung der Intensität, die sehr gering ist bei gewissen Blumen, erkennbar genug bei anderen und bei einigen sogar sich bis zur völligen Entfärbung steigern kann. 3) Die in der Dunkelheit entwickelten Blumen weisen im Allgemeinen geringere Dimensionen auf, als die im Lichte gebildeten, doch sind dafür die Blumenstiele (pedicelles) oft entwickelter. 4) Das Gewicht und das Volumen der in der Dunkel- heit entwickelten Blumen, einschliesslich der sie tragen- den Blumenstiele, sind immer geringer als diejenigen der gleichen im Licht entstandenen Organe; jedoch kann in seltenen Fällen die Üimensionssteigerung der in der Dunkelheit entwickelten Blumenstiele das Gesammtgewicht und -Volumen genügend beeinflussen, um sie über die- jenigen von normalen Blumen zu steigern. Dr. 0. Lang. 242 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XYT. Ni Die Säiigetliiere der Vorzeit in Scliwedeu. — Die Beweise für die Umbiidmigeii fii der höheren Thicrvvclt des skaudinavisclien Nordens sind sehr spärlicii, nnd wir besitzen überhaupt keine beweiskräftigen Uebcrrestc aus der Tertiärpeiiodc, weiche durch die Ausbiidiini; der höchsten Organismen, der Säugethiere, cbarakterisirt ist. Was wir über die Säugcthierfauna wissen, welche vor der gegenwärtigen in Skandinavien lebte, verdanken wir, wie Wilhelm Leche (Sv. Turistför. Aarsskr. 1899) gezeigt hat, in erster Linie den Torfmooren im süd- liehen Schweden, welche im geologischen Sinne noch recht jugendlichen Ursprungs sind. Die Torfmoore geben uns also in erster Linie darüber Aufschluss, welchen Thierarten der Mensch begegnete, als er den Norden zum ersten Mal in Besitz nahm. Ausserhalb der Torfmoore hat man nur dreimal Mammuthzäline in Schonen gefunden, davon zweimal in Schichten, welche älter als die Torfmoore waren, aber unter solchen Umständen, dass berechtigte Zweifel darüber walten, ob die Besitzer dieser Zähne tbatsächlich im Lande selbst gelebt haben. Der Auerochs war, wie viele Funde darthun, ein wichtiger Factor für den Küchenzettel der Menschen der Steinzeit. Nach den Funden aus den Torfmooren muss er in grosser Zahl die Waldungen in Schonen bewohnt haben, und ausserdem hat man Reste desselben au zwei Stellen in Oestergötland und bei Rakneby in Kalmar Län gefunden. Nach dem Berichte Adams von Bremen (f 1076) machte man damals in Skandinavien noch Jagd auf Auerochsen und Büffel, und da die Mittheilungen Adams von Bremen von dem dänischen König Svend Ehstridscn herrühren und zudem die Auerochsen in den gro.ssen Wäldern Schutz vor den Verfolgungen der Bewohner fanden, so liegt kein Anlass vor, seine Angaben zu bezweifeln. Wie lange der Auerochs sich in wildem Znstande in Skandi- navien erhalten hat, steht nicht fest; doch wird behauptet, dass er noch um 1600 in Schonen vorhanden gewesen sein soll. Der Bison ist in Schweden, wie in Dänemark, weit seltener gewesen, ebenso die Wildkatze, welche nur ein- mal in Torfmooren gefunden ist, während die Wild- schweine zahlreicher gefunden sind. Das Wildschwein war nach den Tagebüchern Karls XI. noch 1688 er- halten, muss aber später ausgerottet sein, da Friedrich L es 1723 von neuem aus Deutschland einführen musste. Das Vorkommen des Höhlenbären ist für Schweden so wenig als für Dänemark sicher festgestellt. Der Biber war frühei' über ganz Schweden verbreitet, zu Anfang des .lahrhunderts noch in Jämtland allgemein. Reich vertreten war das Hirsehgeschlecht in der Vorzeit. Elch, Rennthier, Edelhirsch und Reh sind in den südlichsten Theileu häufig. Die frühere und die gegenwärtige Verbreitung des Rennthiers sind von be- sonderem Interesse. Während der Diluvialperiode war es in ganz Europa und noch weiter nach dem Süden ver- breitet, sogar in Palästina hat man Zähne und Knochen von ihm gefunden, und zalilreiehe Reste sind auch im süd- lichen Schonen gefunden. Wahrscheinlich lebte das Renn- thier aber in Schonen etwas früher als die übrigen Hirsch- arten, da zum mindesten einige Funde nicht in den eigent- lichen Torfmooren, sondern in den zunächst unter den- selben liegenden Scjiichten gefunden worden. Da aber Ueberreste des Rennthiers ausser in Schonen nur auf Oeland gefunden sind und bisher kein einziger Fund auf der ganzen Strecke von Schonen bis an das gegenwärtige Vorkommen in Norrland gemacht ist, so nimmt man an, dass das gegenwärtig wildlebende Rennthier nicht von dem früher in Schonen lebenden abstammt, sondern aus den Gegenden im Norden des Bottnischen Busens ein- gewandert ist, während das schouensche Rennthier aus Deutschland eingewandert ist, als Deutschland und Schweden durch trockenes Land verbunden waren. Das aus Deutsche land eingewanderte Rennthier, das an Grösse mit dem wilden Rennthier übereinstimmt, müsste somit ebenso wie der Elch ausgestorben sein, bevor es sich nach dem Norden habe zurückziehen können. Zu beachten ist hier- bei jedoch, wie Lillje borg mit Recht hervorhebt, dass die Torfmoore im mittleren Schweden bei weitem nicht so eingehend untersucht sind als die schonenschen. Rechnet man noch den Wolf, von dem ein Skelett in einer Mergel- grube bei Ystad gefunden wurde, und den Luchs, der zwar noch nicht gefunden ist, da er aber in dänischen Torfmooren constatirt ist, wohl auch in Schonen gelebt haben wird, hinzu, so ergiebt sich, dass der Wildstand im südlichen Schweden während der Vorzeit recht mannig- faltig gewesen ist. Bezüglich des Ursprungs desselben hat Sven Nils- son eine Hypothese aufgestellt, welche die neueren geo- logischen Untersuchungen immer mehr bestätigen. Alle erwähnten, fossil gefundenen Thiere gehören, nebst Maul- würfen, Igeln, Iltis, Haselmäusen und Eichhörnchen n. a. zum germanischen Stamme der schwedischen Fauna. Da sie alle in den südlichen Nachbarländern vorkommen oder wenigstens früher vorkamen, während zum mindesten die grössere Mehrzahl derselben nicht weiter nach Norden geht, nimmt Nilsson an, dass sie aus dem Süden eingewandert sind, als Schonen mit Dänemark und Deutschland laud- fest war; denn selbst wenn man für einige auch an- nehmen könnte, dass sie im Winter über das Eis ge- wandert wären, so ist dies für den Maulwurf und ebenso für den Igel und die Haselmaus, welche einen Winter- schlaf halten, ausgeschlossen. A. Ln. Die Eutstehung der Schwefelthermeu. — Zu der noch sehr wenig aufgeklärten Lehre von der Bildung der mit Schwefelverbindungen und Carbonaten von Alkalien beladenen Thermalquellen hat neuerdings Armand Gau- tier einen wichtigen Beitrag geliefert, dessen geologische Voraussetzungen und Annahmen allerdings theilweise sehr anfechtbar sind, der aber jedenfalls für den Chemismus dieser Thermenbildungen von grossem Werthe bleibt. Das Problem verlangt ja Autklärung darüber, wie es kommt, dass diese Quellwasser alkalinisch sind und doch aus sauren Gesteinen hervortreten, dass sie Schwefelver- bindungen enthalten, obwohl ihre zunächst erkennbaren Mattergesteine der lösliehen Sulfide entbehren, und dass sie fast ausschliesslich an Natrium reich sind, obwohl diese Muttergesteine besonders reich an Kalium sind. Gautier, der sich als Chemiker einen grossen Namen gemacht hat durch den Nachweis von in äusserst feiner Vertheilung verbreiteten Stoffen, ist nun auf eigenthüm- lichem Wege zu dieser ins Gebiet der chemischen Geo- logie gehörigen Arbeit gelangt. Er hatte nämlich sein Interesse den neutralen (nicht sauern), brennbaren, gasigen Beimengungen der Luft zugewandt und auf umständlichem und mühseligem Wege nachgewiesen, dass die Luft über dem Ocean und in den Höhenregionen der Atmosphäre, mithin die „reine Luft," gegen 2 Zehntausendstel ihres Volumens an freiem Wasserstoff' enthält, d. h. nahezu zwei Drittel des Volumens der in der Luft enthaltenen Kohlen- säure. Diesem freien Wasserstoffe gesellen sich in Folge der Ausdünstungen des Bodens, der Ptlauzen, der Thiere oder durch menschliche Gewerbethätigkeit Kohleuwasser- stotfe, deren Quantität in bevölkerten Städten verhältidss- mässig gross, auf dem Lande und in Wäldern geringer und über felsigen Hochgebirgen unbedeutend ist, um in der reinen Luft der höchsten Regionen fast ganz zu ver- schwinden. Gautier versuchte nun zunächst, den Ur- ^XVI. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 243 spruDg des atinospliiii-ischeu Wasserstoffes zu erniittehi, von dem er glaubt, dass er sich stetig vermehrt. Seiner Angabe ziii'olge ist dieser Wa.sserstoff und auch das ihn begleitende Grubengas mit einer dermaassen erheblichen chemischen Trägheit begabt, dass sie wenigstens in der Kälte weiteren Umwandhingen widcrsteiien. Freier Wasserstotl begleitet oft schon das aus Kuhlon- und retroleumgebirgen, aus Vuleancn, Schlamniviiicanen, kalten und warmen Mine- ralquellen entweichende Grubengas, wenigstens nach den in der Litteratur enthalteneu Angaben, so insbesondere nach Fouquc's Untersuchung der vnlcanischcn Gase von Sautorin. Noch grössere Mengen von Wasserstoff' senden, wie Gautier glaubt, die submarinen Sciilotc in die Luft, und meint er, dass die allerwärts verbreiteten vulcanischen Reactionen, die seit unermesslichcn Zeiten andauern, früher intensiver waren und reichlicher Gase ausdünsteten zu der Zeit, als die älteren Eruptivgesteine entstanden. Das scheinen ihm besonders deren Gaseinschlüsse zu beweisen, in denen ausser Kohlensäure, einigen Kohlenwasserstoffen und manchmal Kohlenoxyd, überall freier Wasserstoff (nach Tilden bis zu 887o) gefunden wurde. Ausser den vulcanischen Eruptionen selbst müsse aber eine ungeheure Menge von AVasserstoff durch neue Vor- gänge geliefert worden sein, die dem Angriffe des Wasser- dampfes bei Temperaturen, welche niedriger sind als Roth- gluth, auf Granite und andere ältere seit langer Zeit er- starrte Gesteine zuzurechnen sind. Die Art dieser Vorgänge suchte Gautier auf experi- mentellem Wege zu ermitteln. Er gewann aus dem Innern eines etwa 1 cbm grossen Grauitblock.es (von Vire, Bre- tagne) ein Handstück von 10 bis 15 kg Gewicht, das er zwischen zwei granitnen Mühlsteinen gröblieh mahlen Hess und von dem er in trockner Kohlensäure ein feines Pulver absiebte, das, in den gläsernen, luftleeren Recipienten einer Luftpumpe gebracht und mit kochendem (100') an- gesäuertem Wasser oder mit reinem, auf 280° überhitztem Wasser behandelt, eine beträchtliche Menge von Gas liefei'te, in welchem Wasserstoff' vorherrschte, der manch- mal mit Formen gemengt, ausserdem aber von ein wenig Ammoniak, verschiedenen Wasserstoffsäuren, Schwefel- wasserstoff, Kohlensäure, freiem Stickstoff und einer Spur von Erdöl begleitet war, kurz ein Gemisch gasiger Pro- dukte, ganz analog den Ausdünstungen der Vulcane (wie Gautier meint, der anscheinend eine Gonstanz und Ueber- cinstimmung aller vulcanischen Ausdünstungen annimmt). Aus 1 kg Granitpulver, das mit syrupförmiger Phospor- säure und dem gleichen Volumen Wasser in einem luftleer gemachten gläserneu Apparate behandelt wurde, erhielt man beim Aussaugen mit der Luftpumpe folgende Gase: Chlorwasserstoffsäure Spuren Schwefelwasserstoff 165,7 cbcm Kohlensäure 261,4 „ Von Brom absorbirte Kohlenwasserstoffe . 5,8 „ Formene Spuren Freier Stickstoff' 51,24 cbcm Sauerstoff" 0 „ Freier Wasserstoff 915,75 „ Also entwickelt bei Behandlung mit Säure ein Volumen Granit mehr als 3,5 Volumen von Gasen, unter denen fieier Wasserstoff vorherrscht (die hier zurücktreteuden Formene wurden in anderen Gesteinen reichlicher wieder- gefunden). Das reichliche Auftreten von Chlorwasserstoffsäure in den meisten vulcanischen Ausdünstungen erklärt Gautier durch die Reaction von Kieselsäure und Wasser in Roth- gluth auf die Chloride der Alkalien und Erdalkalien. Doch sei die Aktion dieser Säure unter Druck ebensowenig wie die der Phosphorsäure unentbehrlich für die Produktion der Grauitgase; das Wasser allein sei nothwcudii;' und seine AVirkung beginne vor der Rothgiufh. So liclere 1 kg Granitpulver mit reinem Wasser in geschlossener Röhre erwärmt bei 280' bis 300'= 1,3 cbcm Schwefel- wasserstoff', 7,2 cbcm Kohlensäure, 0,3 freien Stickstoff und 46 cbcin freien Wasserstoff'. Ais sich einst, so denkt sich Gautier den Sachver- halt, die Massen der Silicatgcsteine von denen des Erd- kerns trennten, um als Granite, Gneissc, Porphyre und andere Gesteine zu erstarren, bildeten diese Materien nach und nach oberhalb des noch geschmolzenen Erdkerns eine wirkliche, halb flü.ssige Gangart, in welcher umhüllt und durch Kapillarität oder auf andere Weise zurückgehaltene kleine Mengen von Substanzen mit metallischen Radikalen zurückbliebcn, die dem noch schmelzflüssigeu Centralkerne entnommen waren. Nach der allmählichen Krystallisation der Bestaudtheile dieser Gesteine blieben die eben er- wähnten Verunreinigungen als wirkliche erstarrte Mutter- laugen zurück, gemengt im Verhältniss und zweifellos in örtlich wechselnder Art mit Quarz, Spaten, Glimmern u. s. w., d. h. mit den Hauptbestandtheilen des Gesteins. Das sind diese accessorischen Theile: Verbindungen von Schwefel, Stickstoff', Argon, Kohlenstoff, Fluor, Phosphor, Arsen u. s. w., die nach unseren Erfahrungen bei dem Aufschlüsse des Granits durch Wasser, ohne oder mit Hilfe von Säuren, die beobachteten Gase entstehen lassen gleichzeitig mit einer geringen Menge von Jod, Ammonium- salzen, Arseniten, Kieselflusssäure, Verbindungen von Phos- phor, Eisen, Thonerde u. s. w. Wegen ihrer geringen Menge sind diese Produkte bisher allgemein übersehen worden, doch verdienen sie entschieden aufmerksames Studium; da wir thatsächlich durch Bohrungen nicht direkt bis zum metallischen Erdkerne hindurchdringen können, geben uns die granitischen und die andern alten Gesteine in den von ihnen zurückbehaltenen accessorischen Pro- dukten eine Idee von der Zusammensetzung der unter- liegenden Schichten, aus denen sie hervorgegangen sind, und die Natur ihrer Verunreinigungen, die durch ihre Zer- setzung entschleiert werden, entspricht sehr der Idee, die wir uns von der Zusammensetzung dieser untergranitischeu Schichten machen. Was die Bildung des Wasserstoff'gascs betrifft, des reichlichsten und am wenigsten erwarteten der beim Aufschliessen des Granites durch Wasser ent- wickelten Gase, so geschieht alles, wie Gautier erklärt, sich genau versichert zu haben durch gleichzeitige Be- stimmung dieses Gases und der geringen Menge von mit ihm entstandenen Ammoniak, als ob beide Substanzen hauptsächlich herrührten von der Zerlegung der Stick- stoflverbiuduugen und zwar besonders vou^der des NjFe,;: N2Fe6 + 6H,0 = 2NH3 + 6FeO + 6H; dagegen sind die Kohlenwasserstoff'e ersichtUch entstanden durch Zerlegung der im Granit enthaltenen Carbide des Eisens und Alu- miniums durch Wasser. Abgesehen von jeder Theorie soll aus dieser Unter- suchung hervorgehen, dass in Tiefen, wo das Wasser 280° Wärme besitzt und noch tiefer, wohin Wasser oder sein Dampf hinabdringen kann, Kohlensäure, Schwefel- wasserstoff", Stickstoff u. s. w. entstehen. Das Vordringen des Oberflächenwassers bis zu den schmelzflüssigen Regionen der Erde ist unnöthig, um die Bildung dieser Gase und accessorischen Produkte, die mit denen der Vulcane übereinstimmen, zu erkläreu. Diese entstehen nicht durch die Wirkung des Wassers auf Glimmer, Quarz, Feldspathe u. s. w., sowie andere Sili- cate, welche die Hauptmasse der ältesten Gesteine bilden, sondern vielmehr durch diejenige auf die metallischen Principien, welche einst dem flüssigen Erdkerne entrissen und in geringem Betrage in den Gesteinen seit deren Er- starrung eingeschlossen zurückbehalten wurden. Die mitt- 244 Natuiwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 21. leren Tiefen-Regionen der Erdkruste werden so zu einer ausdauernden Quelle von Wasserstoff- und anderen sogen, vulcanischen Gasen, die u\ allen Spalten oder Sclilünden entwisclien, ebenso wie mittels vieler kalter oder warmer Mineralquellen, und wenn sie keinen unmittelbaren Aus- weg finden, die Gesteine unter starkem Drucke inii)räg- niren und sielt, wie das mit Wasser, Schwefelwasserstoff, Kohlensäure u. s. w. der Fall ist, mit deren Materialien vereinigen; sind die Gase chemisch träger Art, wie Wasser- stoff, Grubengas und Stickstoff, so gelangen sie durch Diffusion bis 7A\v Bodenoberfläche und entweichen lang- sam in die Atmosphäre. Diese Phänomene dauern an, seitdem das Wasser entstanden ist und auf die terrestrischen Materialien ein- wirken kann, mithin seit den ältesten Zeiten; man sollte sich daher fragen, ob der also ununterbrochen in unsere Atmosphäre angehäufte Wasserstoff nicht ein viel grösseres Volumen als zwei Zehntausendstel einnehmen müsse, wie tliatsächlich gefunden wurde, oder ob, wenn dieses Gas nach und nach in die höchsten Regionen entweiche, es nicht in den Weltenraura verloren gehe. Das ist nach Gautier die eine ürspruugsquelle des atmosphärischen Wasserstoffs, die zweite scheint ihm die zu sein, dass, seit der Bildung des terrestrischen Wassers durch die Verbrennung solchen Wasserstoffgases in Gegen- wart eines Uebersclmsses von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlen- säure und verschiedenen Dämpfen, ein Rückstand von ihm in der Atmosphäre geblieben sei. Der im Vorstehenden mitgetheilte Versuch der Ein- wirkung von auf etwa 300" überhitztem Wasser auf Granit hat dann Gautier veranlasst, weitere ähnliche und er- gänzende Untersuchungen auszuführen und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen, die er in einer ziemlich raschen Folge der Comptes reudus de l'Academie des Sciences (CXXXII, Xr. 2, 4 und 12) veröffentlichte. Be- vor jedoch darauf eingegangen wird, sei der Hinweis ge- stattet, dass die von Gautier hierbei zunächst vertretene, später jedoch als unnöthig aufgegebene geologische Vor- aussetzung sehr unwahrscheinlich ist, nach welcher Ober- flächenwasscr bis zu 300" erwärmt zu Granit Zutritt er- halte, da Wasser in Folge der grossen Beweglichkeit seiner Theile dem von der Erwärmung bewirkten Auftriebe leicht folgen kann und bei seiner Erhitzung bis zur Dampfent- wickclung der Oberfläche zustreben muss (der bei 410" ein- tretende „Zwischenzustand" kommt dabei garnicht inP''rage.) Die zunächst ausgeführten weiteren Versuche ergaben, dass die aus den Gesteinpulvern durch Behandlung mit Mineralsäuren bei 100° oder mit reinem Wasser bei 300° entwickelten Gase in Menge und Bestand nach der Ge- steinsart wechseln und selbst bei verschiedenen Proben desselben Gesteins nicht genau übereinstimmen, was von vornherein die Annahme auszuschliessen scheint, dass die Gase, wenigstens in der Hauptsache, präexistirende Ein- schlüsse seien. So lieferten 2 Proben von je 1 kg Granit von Vire, zwischen deren Entnahme aus demselben Stein- bruche 8 Monat Zeit verlaufen war, beim Aufschliessen mit Phosphorsäure 585, bezw. 560 cbem Gase von folgen- dem Bestände: I II I II Chlorwasserstoff und Sil!- In Procenten eiumfluorid .... Sp. Sp. Sp. Sp. Schwefelwasserstoff . . 1,33 22,7 0,21 4,06 Kohlensäure 272,6 237,5 46,61 42,34 Durch Brom absorbirbare Kohlenwasserstoffe . . 12,3 5,3 2,11 0,94 Grubengas Sp. Sp. Wasserstoff 53,05 i;)l,4S 9,07 34,14 Stickstoff und Argon . . 232,.^iO 102,48 41,2018,38 572,S,S cl)cm .559,46 chcni. Diese Gase stimmen, wie Gautier angiebt, überein mit vulcanischen, insbesondere denen von Santorin aus dem Jahre 1866, die von Fouque analysirt wurden. Mit reinem Wasser hei 300" Wärme behandelt, ergaben die gleichen Gesteinspulver I II Schwefelkohlenstoff .... 1,3 cbem 1,0 cbcm. Kohlensäure 7,2 „ 5,3 „ Wasserstoff 46,0 „ 14,6 „ Stickstoff 0,3 „ 5,9 „ während zugleich im Wasser lösliche Schwefelverbindungen entstanden. Hierbei macht Gautier eine sehr wichtige Bemerkung, durch welche seine oben erwähnte geologische Voraussetzung bedeutend eingeschränkt oder vielmehr ver- lassen wird; er betont nämHch, dass das zurEntwickelungvon „vulcanischen Gasen" aus Granit nöthige Wasser nicht von der Oberfläche zu kommen brauche, sondern hierzu schon das im Gesteine eingeschlossene Wasser genüge. Bei 48-stün- diger Erhitzung erhielt nämlich Gautier einen Glühver- lust (d. h. Wasser, abgesehen von den gleichzeitig ent- wickelten Gasen) für 1 kg des Gesteins bei Von 15-250" 250-lOÜO" Granit von Vire 2,29 g 7,35 g Porphvr (Mitrodiorite quartzifere, Mic'h. Levy) von Esterei . . 5,80 g 12,40 „ Ophit von Villel'ranquc (Bayonnc) — 15,06 „ Lherzolit von Lherz — 16,80 „ (Den Beweis, dass das dem Glüh Verluste entsprechende Wasser ein ursprünglicher Bestandtheil des Gesteins, und nicht vielmehr in der Hauptsache der von der Oberfläche aus vorschreitenden Verwitterung und Zersetzung zuzu- schreiben sei, bleibt Gautier dabei schuldig). Bei Erhitzung bis zu Rothgluth wurden erhalten aus IkgGranit . . 3162cbcmGase, also etwa das 6,7 fache d.Gesteinsvol. 1 „ Porphyr . 2822 „ „ ,. . 7,4 „„ „ 1 , Ophit . . 2469 „ „ „ „ 7,6 „ .. „ 1 „ Lliei-zolith5438 „ , „ ,. 15,7 „ Dass die üebereinstimmuug eine überraschende wäre, lässt sich bei der Gegenüberstellung von Granit und Lher- zolith schwerlich behaupten. Die hierbei entwickelten Gase bestehen bei Granit aus etwa 78% Wasserstoff, 12" q Kohlensäure, ausserdem Schwefelwasserstoff, Kohlenoxyd, Grubengas, an Argon reichem Stickstoff, Spuren von Benzol, Petroleum, Ammo- niumsulfoeyanür, etwas Goudronsubstanz, aber keinem Acetylen, Aethylen oder Carbonoxysulfür. Der freie Wasserstoff' entspricht beim Porphyr (31%) dem 2,4 fachen, beim Ophit dem 4,6 fachen und beim Lherzolith etwas mehr als dem einfachen Gesteinsvolumen. Dafür, dass diese Gase nicht fertig im Gesteine vor- her existiren, sondern erst in der Rothgluth entwickelt werden, liegt ein negativer Beweis vor; wären sie näm- lich im Gesteine aufgespeichert, so müsste iin- Bestand ziemlich derselbe vom Beginn bis zum Ende ihrer Aus- treibung sein, wogegen er abändern muss, wenn die Gase entwickelt werden aus Substanzen, die in solcher Weise mit steigender Temperatur reagiren. Die Analyse be- stätigt nun letztere Annahme. Demnach verdanken die „vulcanischen" Gase ihre reichliche Entwickelung einer erneuten Erhitzung der erstarrten Eruptivgesteine, welche Erhitzung entweder durch in die Nachbarschaft vorgedrungene vulcanische Massen oder aber durch Seitendruck hervorgerufen werde. Diesen entwickelten Gasen entspreche alsdann eine unge- heure Explosivkraft, für deren Hervorrufung es mithin un- nöthig werde, das Hinzudringen von Oberflächenwasser bis zu den tiefliegenden Schmelzmassen vorauszusetzen oder zu fordern. XVI. Nr. 21. Naturwissenscliaftliche Wochensolirift. 245 Welche Gesteins-Bestandtheile sind es nun, die uns die vulcanischen Gase liefern? Bei 750 bis 800" in einem Strome von Wasserdampf erhitzte Eisensalze setzen sich in Oxyde, meist magnetische um, unter gleichzeitiger Ent- wickelung von Wasserstoff. Auch Schwefelkies giebt mit steigender Hitze neben Schwefelwasserstoff freien Wasser- stofl'(22 bis 32o/o Schwefelwasserstoff, 76 bis 65% Wasser- stoff): reiner Schwefel liefert sogar, unter Rückbildung des Scliwefelwasserstoffs zu Schwefel, 98,947o Wasserstoff'. Letzterer entsteht auch reichlieh, wenn Wasserdampf in der Rothgluth auf Eisencarbonat reagirt, aus dem er zu- nächst Kohlensäure und Kohlenoxyd verjagt. Ebenso müssen die Bisilicate der Gesteine Wasserstoff liefern. An Quellen für den Wasserstoff mangelt es also nicht. In den unter Druck rothglühenden und von Wasserdämpfen berührten Silieatgesteinen wird in solcher Weise, nach Gautier 's Meinung, Wasserstoff unaufhörlich entwickelt und umgekehrt wieder gebunden. Zwischen dem an Ort und Stelle entstandenen oder aus der Tiefe gekommenen Wasserstoff, dem Wasserdampfe, den oxydirten oder oxy- dirbaren Silicaten findet, nach Maassgabe der Temperatur wechselnd, andauernder Austausch statt, und es treten mobile Gleichgewichtszustände ein, welche Ferro- und Ferrisilicate u. s. w. entstehen lassen. Im Besonderen kommt für die Frage nach der Bil- dung der Schwefelthermeu in Betracht, dass bei Be- handlung von Feldspat- oder Glimraerpulver mit wässe- riger Lösung von Schwefelwasserstoff oder Kohlensäure in der Wärme Lösungen erzielt werden, die Natrium und Kalium zugleich enthalten, das Herkommen des Schwefels jedoch nicht erklären. Mit kaltem Wasser behandeltes Granitpulver liefert ganz verdünnte Lösungen verschiedener Salze, unter denen Natriumsilicat und Calciumsulfat vor- herrschen (1 kg Granit von Vire gab solchergestalt eine Lösung mit 0,9059 g. Rückstand mit 0,160 g Natron und 0,105 g Schwefelsäure, während von Kalium nicht wägbare Mengen und von löslichen Sulfiden keine Spur vorhanden war). Bei Erwärmung auf 250 bis 300" er- hält man dagegen ein wahrhaftiges künstliches Schwefel- wasser, alkalinisch, von Geruch nach Lauge und faulen Eiern, mit Natriumsulfid, das von wenig Kaliurasulfid, ammoniakalischen Salzen, Phosphaten, Sulfaten und Sili- caten begleitet wird, sowie von ein wenig Kohlensäure und Stickstoffgas. Aus 1 kg Granit erhielt man mit 1 kg Wasser I II , . „ . (freienSchwefelwasserstoff4,3 cbcm 9,4 cbcm ^1^^"«=="«'™ Kohlensäure .... 68 ., - v^«"""" (Stickstoff 2;3 ,; - im Kohlensäurestrom: Schwefelwasser- stoff insgesammt 40,3 cbcm84,6 cbcm Die geringe Menge freien Schwefelwasserstoffs rührt daher, dass ein wenig der sich gleichzeitig bildenden Kohlensäure auf Natriumsulfid wirkt, von dem 0,1076, bezw. 0,219 g gefunden wurden, während hiervon in den natürlichen Thermen von Bagneres-de-Luchon Bareges .... Labassere .... 0,054 g im 1 0,040 „ „ 0,050 „ ,. nachgewiesen worden sind; neben Natriumsulfid finden sicii sowohl in diesen natürlichen Thermen, als auch in dem künstlich aus Grauitpulver extrahirten Wasser noch ge- ringe Mengen von Sulfaten und Silicaten von Natrium, Kalium, Calcium, ausserdem Spuren von Eisen, Ammonium- Salzen und organischen Substanzen. Wie Granit verhalten sich alle Eruptivgesteine. Wo- her stammen nun die löslichen Sulfide in diesem Wasser, da sie doch (als Mineralien) im Gesteine nicht zuvor ent- halten sind? Durch Einwirkung von warmem Wasser auf die Sulfide des Eisen, Zink, Aluminium u. a. können sie andrerseits auch nicht direkt entstanden sein, obwohl in der Rothgluth, wie Gautier gezeigt hat, das Eisensulfid Schwefelwasserstoffgas und Magneteisen liefert; denn l)is auf nur 260—280" erwärmtes Eisensulfid giebt mit Wasser kein Schwefel- Wasserstoffgas; Zinnsulfür aber kommt in den Gesteinen nicht vor, und wenn die Sulfide von Magnesium oder Aluminium frei vorhanden wären, so müssten sie schon mit kaltem Wasser behandelt Schwefelwasserstoff geben, was jedoch eben nicht ge- schieht. Demnach müssen in den Gesteinen andere Sub- stanzen vorhanden sein, die bei 250" Alkalisulfide an das Wasser abgeben. Die Lösung dieses Räthsels erblickt nun Grautier in dem von ihm vermeintlich bewiesenen Umstände, dass roth- glühende Eruptivgesteine bei ihrer Erstarrung*) die oben angeführten reducirenden Gase entwickeln, deren Entbin- dung jedoch unterbleiben und für spätere Gelegenheit auf- gespart werden kann beim Zusammenwirken ungeheuren Druckes und anderer der Befreiung widerlicher Umstände. Der in diesen vulcanischen Gasen vorherrschende Wasser- stoff sowie das beigemengte Kohlenoxyd, Grubengas, auch Benzin und Ammoniak gehören nun zu denjenigen Substanzen, von denen Gautier schon 1888 (Comptes reudus CVII, 911) gezeigt hat, dass sie, ebenso wie Kohlenwasserstoff oder Kohle selbst, in der Rothgluth und in Gegenwart von Schwefelwasserstoff oder Schwefel auf Feldspathe, Kaolin, Thonerde u. a. m. dergestalt ein- wirken, dass eine Reihe von Sulfosilicaten und Oxysul- fiden entstehen, in denen der Schwefel den Sauerstoff zum Theil ersetzt. Alle diese Sulfosilicate und Oxysul- fide geben aber mit warmem Wasser lösliche Sulfide und Schwefelwasserstoff, und sie sind es, die in geringen Mengen in den vulcanischen Gesteinen seit deren Er- starrung verharren und die Ursprungsquelle der löslichen Sulfide der Mineralthermen darstellen. Ein weiterer Versuch lehrte, dass es unmöglich ist, Eruptivgesteine und insbesondere den Granit bis auf Roth- gluth zu erhitzen, ohne dass unter der Wirkung des sich entwickelnden Gases ein Theil des Sauerstoffs der Sili- cate durch Schwefel ersetzt werde; die so entstandenen Schwefelverbindungen sind alsdann in warmem Wasser löslich. So existirt auch der Schwefel, den man bei Behand- lung von gepulverten Hochofenschlacken mit verdünnten Säuren nachweisen kann, in Gestalt von Sulfosilikaten, die denselben Bestand haben wie in den sogenannten natür- lichen Ultramarinen (No.scan, Hauyn, Lazulith); sie alle ent- wickeln mit Säuren oder mit überhitztem Wasser aus ihrem Schwefel ganz oder zum Theil Schwefelwasserstoff. Der Schwefel, der in vulcanischen Gesteinen ursprüng- lich die geringen Mengen von Sulfosilicaten hervorgebracht hat und dem jetzt die Schwefelthermen ihren Gehalt ver- danken, stammt also nach Gautier aus primitiven Sul- fiden von Metalloiden und Metallen. Dabei entsteht unter dem Zusammenwirken von Rothgluth und Wasserdampf aus Eisensulfid Magneteisen, das man in allen diesen Gesteinen als sehr verbreiteten Einschluss findet, und Schwefelwasserstoff. Zwischen dem letzteren, den durch überhitzten Wasserdampf aus Eisen enthaltenden Silicaten *) Wenn die vulcanischen Gesteine bei ihrer Erstarrung, aber noch rothglühend, die angeführten reducirenden und brennbaren Gase in den angegebenen Massen entwickelten, so wäre zu er- warten, dass Lavaströme, bei denen die rothglühende Masse meist noch durch Risse der dunklen Kruste hervorleuchtet, von einer dichten, brennenden Wasserstoff- und Schwefelwasserstofif-Atmo- sphäre umhüllt würden. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XYI. Nr. 21. entwickelten, reducirenden Gasen und den im Entstehen begriffenen Sulfosilicaten hat sich damals, als Temperatur und Druck dazu passten, ein Gleichgewichtszustand ein- gestellt, der in diesen Gesteinen eine geringe Menge von Sulfosilicaten überdauern Hess. Die theilweise Umsetzung von Albit bei seiner Erwärmung innerhalb der Gase, die sich in rothglühendem Granit entwickeln, lehrt den Mecha- nismus zu erkennen und auch die Realität der Bildung von diesen Sulfiden und SulfosiHcaten. Die geringe Menge, die von letzteren in vulcanischen Gesteinen verbleibt, ge- nügt zur Versorgung der natürlichen Schwefelthermen mit löslichen Sulfiden. Entkleidet man die vorstehende Deduction von den anfechtbaren geologischen Annahmen, die ihr noch eigen sind, so verbleibt als Rest der Nachweis, dass die Schwefel- thermen ihren Mineralgehalt aus Gesteinen beziehen, die natürliche Ultramarine (Nosean u. a. m.) entweder als primäre oder als durch secundäre Erwärmung entstandene Gemengtheile führen. 0. Lang. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Erniiiint wurden: Dr. Friedrich Walter, wissenschaft- licher Hilfsarbeiter an der Heidelberger Universitätsbibliothek, zum Bibliothekar der neubegründeten städtischen Volksbibliothek und Volkslesehalle in Freiburg i. B.; Dr. med. _ Siegfried Mo Hiev, Privatdocent der Anatomie an der Universität München zum ausserordentlichen Professor; der TitularProfessor der Mine- ralogie und Geologie an der Universität Heidelberg Dr. Wilhelm Salomon zum etatsmässigen ausserordentlichen Professor für Stratigraphie (historische Geologie) und Paläontologie und Vor- steher des paläontologischen Instituts; der ausserordentliche Pro- fessor der Astronomie an der Universität Graz Dr. v. Hepperger zum ordentlichen Professor an die Universität Wien. Es habilitirte sich: Der Berliner Stadtelektriker Dr. Kall- mann als Privatdocent an der technischen Hochschule in Berlin. In den Ruhestand treten: Der Professor der Medizin an der Universität Bonn Dr. Friedrich Fuchs; Generalarzt Dr. Paul Grund 1er. Korpsarzt des IL Armeekorps. Angenommen wurden: Als Hilfsgeologen bei der Königl. geologischen Landesanstalt zu Berlin: der Assistent au der Königl. Bergakademie in Berlin Bergreferendar Schneider, Dr. Wiegers, Dr. Naumann. Dr. Hess von Wichdorff, Dr. Mentzel. Dr. Erdmannsdörffer und Dr. Bode. Gestorben sind: In Amsterdam der Philosophie-Professor C. Bellaar Spruyt; Prof. Johann Georg Zehfuss, Mathe- matiker in Frankfurt a. M. ; der erste Direktor des Provinzial- museums zu Halle an der Saale Oberst a. D. v. Borries im Alter von 82 Jahren. L i 1 1 e r a t u r. Leopold Fonck S. G., Streifzüge durch die Biblische Flora. Bibl. Stud. 5. Bd. Hcrderscho Verlagsbuchhandlung. Freiburg i. B. ^ Preis 4 Mk. Verf. führt von einem Spaziergange von der phönizisohen Küste auf den Libanon, in die Steppe zwischen ihm und dem Antilibanon, von dort den Jordan hinab bis ans todte Meer. In jedem Abschnitte bespricht er nicht nur die jeweils begegnen- den Pflanzen, sondern zugleich die an ähnlichen Orten wachsenden; so wird ganz Palästina und die Wüste bis zum Sinai in die Be- trachtung gezogen. In anmuthigem Plaudertone weiss F. jeden Gewächses Bedeutung und Auftreten in der Bibel vor Augen zu führen; übersichtlich stellt er den Wettstreit zahlreicher Pflanzen und Pfiänzleiu um die Ehre dar, sich ein Plätzchen in der hei- ligen Schrift zu wahren, und in den meisten Fällen ist es nicht zu leugnen, dass er den besten Autoritäten folgt. Weniger zu- versichtlich wird der vorsichtige Leser sich ihm da anschliessen, wo er sich ganz auf eigene Füsse stellt, da, abgesehen von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit drs >( Micsi^llclicn Ergebnisses, seine wissenschaftliche UntersucluinL-iiHtlnKir nicht ganz ein- wandfrei ist. So wird wohl der schwirh-t.' Iheil der Schrift die Apologie der Lilie sein, wo des Vorf. ( LlMindcnheit an eine vor- gefasste Meinung sehr stark hervortritt. Seine Behauptung, dass die weisse Lilie in ganz Nordpalästina vorkomme, erscheint durch seine Gewährsmänner durchaus nicl/t genügend begründet; es bleibt doch wohl vorläufig für die Freunde der Lilie nur der Aus- weg, dass die jetzige Verbreitung nicht der vor fast 2O00 Jahren zu entsprechen braucht. Ferner ist ja gar nicht einmal erwiesen, dass shochau und zpi'i'or identisch sind; wenigstens ist die Autori- tät der Septuagiuta doch wohl eine recht unzuverlässige. Neben- bei sei noch erwähnt, dass Verf. da, wo er von dem grossen An- sehen der Lilie spricht, auch ihrer Verwendung als Wappenblume hoher Familien gedenkt. Wenn er, wie wahrscheinlich, damit die bekannte heraldische Lilie, z. B. der französischen Könige meint, so ist er im Irrthum, da als deren Urbild zweifellos eine Schwertlilie anzusehen ist. Fritz Graebner. W. L. Hardin, Die Verflüssigung der Gase, geschichtlich ent- wickelt. Uebersetzt von Prof. Dr. J. Traube. Mit 42 Ab- bildungen. Stuttgart, Ferd. Enkc 1900. — Preis 6 M. Nachdem der Schluss des neunzehnten Jahrhunderts die unermüdlichen Bemühungen der Physiker, sämmtliche Gase zu verflüssigen, nicht nur mit Erfolg gekrönt, sondern auch die Me- thoden des zum Ziele führenden Verfahrens eine gewisse Vollen- dung hat erreichen lassen, war eine monographische Darstellung der Entwickehing diesf-s Zweiges der Physik gewiss ein zeit- gemässes Unternelmien. Die vorliegende Arbeit erscheint uns jedoch in vieler Hinsicht zu skizzenhaft; eine deutsche Original- arbeit würde jodi'nfalls die Bedürfnisse der Studirenden nach gründlicher Belehrung auf diesem Specialgebiete in weit voll- kommenerem Grade habe befriedigen können, als die vorliegende Ueberserzung einer aus Amerika stammenden Schrift, die nament- lich die neueste Entwickelung zum Theil ziemlich oberflächlich behandelt. Bei der Beschreibung der neueren Anordnung von Lindes Maschine wird z. B. nicht hinreichend erklärt, inwiefern der Apparat besseres leistet als der ältere und wieso bei dem neuen Apparat die Trennung von Sauerstoff und Stickstofi' voll- ständiger erfolgt. Ebenso ist das, was Seite 153 mit Rayleigh's Worten über die mögliche Vervollkommnung der Apparate durch Benutzung von Turbinen gesagt wird, nicht verständlich. Der ganze Abschnitt über die Theorie des Gegenstromverfahrens ist rocht dürftig, denn er beschränkt sich auf die Ableitung des Wärmeäquivalents nach Mayer und auf die Entwickelung der Poisson'schen Gleichung. In der Tabelle auf Seite lö8 ist die kritische Temperatur des Stickoxyduls fälschlich zu —35,4», statt + 35,4° augegeben, sodass die spätere Bemerkung über die tech- nische Benutzung flüssigen Lachgases Kopfzerbrechen bedingt. Dass die Hinweise auf die Anwendungen verflüssigter Gase mit 1'/,, Seiten erledigt werden, erscheint uns als eine recht empfind- liche Unvollständigkeit, denn gerade hierfür ist bei jedem Leser besonders reges Interesse vorauszusetzen, und gewisä könnten manche übertriebene, durch Zeitungsartikel hervorgerufene Er- wartungen hier auf das richtige Maass zurückgeführt werden. Dass in dem ganzen Buche das Aethylchlorid und seine Verwen- dung in der zahnärztlichen Pra.xis nicht erwähnt wird, halten wir auch für eine durch nichts gerechtfertigte Auslassung, handelt es sich hier doch um das leichtest condensirbare Gas, das eine Mittelstellung zwischen dem Aether und der schwefligen Säure einnimmt. — Bei einem wissenschaftlichen Buche in deutscher Sprache dürfte füglich verlangt werden, dass durchweg die deci- malen Maasse benutzt würden. Wenn bei der Beschreibung von Triplers Apparat die DimensioniMi in Zollen und die Leistung in Gallonen angegeben winl, und wi'iin 1mm den Beobachtungen über die Kältewirkung auf Kaniiichfii .st.itt der sonst gebrauchten Celsius- Grade plötzlich Fahr.'idieit-T<'inp( ratiiien Ij.'uutzt werden, während die nnmitelbar danach angeführten Pictet'schen Messungen sich doch jedenfalls wieder auf Celsius-Grade beziehen, so hat der Uebersetzer an diesen Stellen dem Leser eine unnöthige Arbeit überlassen. Mögen die Gelehrten englischer Zunge immerhin in thörichtem Eigensinn an ihren veralteten Maassen festhalten, deutsche Bücher sollten aber unbedingt vor solcher Confusion bewahrt bleiben! — Der Preis des nur 180 Seiten Klein-Octav umfassenden Buches muss als ein unverhältnissmässig hoher bezeichnet werden. F. Kbr. Dr. T. F. Hanausek, k, k. Professor, Lehrbuch der tech- nischen Mikroskopie. Erste Lieferung. Mit 256 in den Text gedruckten Abbildungen. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke. lÜOO. Der Verfasser hat es nun versucht, in dem „Lehrbuche der technischen Mikroskopie" die beiden Hauptzwecke, denen eine derartige Arbeit dienen soll, zur Darstellung zu bringen. Das Buch soll einerseits dem Studirenden das wichtigste wissenschaft- liehe Hilfsmittel sein, das ihn in das Gebiet der technischen Mikroskopie einführt, mit der Methode der technisch-mikroskopi- schen Arbeit, mit den wichtigsten Thatsachen und mit der Litte- ratur vertraut macht und ihn befähigt, selbstständige Forschungen in dieser Abtheilung der angewandten Naturwissenschaften vor- zunehmen. Mit Rücksicht auf diesen Zweck setzt der Gebrauch dos Lehrbuches die Kenntniss des naturgeschichtlichen Lehr- XVI. Nr. 21. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 247 gebietes, insbesondere der Morphologie, Zellen- und Gewebelehre der Organismen, sowie der chemisohf>n Prinzipien voraus. — An- dererseits soll das Buch aber auch nur Lösung rein praktischer Aufgaben behilflich sein. Es soll den in der Pra.xis stellenden Techniker unterweisen, wie er technische Rohstoffe mikroskopisch zu untersuchen hat, um sich ein Urtheil über ihre Beschattenheit und ihre Eignung zu technischen Zwecken bilden und darüber ein Gutachten abgeben zu können. Hierbei war aber noch eine Klippe zu vermeiden. Das Lehrbuch darf keine Rohstoffkunde, keine technische Naturgeschichte sein, sondern gewissermaasson nur der Vorläufer derselben; es soll die typischen Objekte der einzelnen natürlichen Gruppen von Rohstoffen in das Bereich seiner Aufgabe ziehen und an diesen die allgemeinen Cliarakterc der betreffenden Gruppen dcinonstriren. Wenn nun aber trotz- dem duich kurze Mittheilungen über Herkunft, Gewinnung, Ver- arbeitung und Vorwendung der Untersuchungsobjecte Excurse in ilie Rohstoff'kunde gemacht werden mussten, so geschali dies nicht so sehr aus dem Grunde, um die Darstellung abzurunden, als vielmehr um auf den Einfluss hinzuweisen, welchen Verar- beitung und Gebrauch auf den inneren Bau des Rohstoffes aus- üben oder um festzustellen, inwiefern die Eigenschaften des Roh- stoffes eine technische Verwendung ermöglichen. Langjährige, in seiner Eigenschaft als Lehrer und Begut- achter erworbene Erfahrung, hat den Verf. bei der Bearbeitung , aller Getässe und Utensilien fiü- ^y I ehem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand nnd zur j Ausstellung natarwissenschaftlicher Präparate. PrettTierxetchniaa gi-nti» und franvo. !♦♦♦♦♦♦» ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦ ♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦< Ferd. Dümmlers Terlagsbuchhandtung in Berlin SW.12. Sorben erschien: Eine mechanische Theorie der Reibunj in kontinuierlichen Massensystemen. Von Dr. Arthur Korn, l'rivatdozent an der k. L'niversitiit Jliiuchoii. Mit ■< in den Text gedruckten Figuren. 231 Seiten gross Octav. Geh. 6 M., in Leinen geb, 7 M. ^^^— — Prospecte gratis und franco. ^^^-^^^ Zu bezielicn rtnrcli jede Biicliliauillung. Ausserordentliche Preisermässigung' "^j für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift' In F(ili;v vjflfarher aus dem Alionnentcnkrcisr li de-r iVüIieren üändr .I.t ..Xaturwisseiiscliaftliclicu Wucli.- L;vtivtcniT W'ünsi-lic betr. Krlriditeruno- des J5ezug> ift" liabfu wir uns zu einer ausserordentlichen Preisermässigung der seither erselüenenen .lahroänge entschlossen. AVii- ofi'eriren daher die Bände I— XV (Jahrg. 1887—1900) mit Au.schhiss ler Nummern 14 2G von Band IV, w.khev.rgriflen sind, Statt dCS Ladenpreises von 183 Mark ungebunden für 60 Mark ferner einzeln die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK fUr je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 16 Mark für je 8 Mark. Diese Preiserniiissio-img erliselit, sobahl der hierfür liestiinnite N'orratli erschöpft ist. ferd* Dttmmim l^erlagsbucbbandluns in BltHii SVV. 1'2. Zimiuerstrasse 94. Verantwortlicher Redacteur: Profe.^sor Dr. Henry Potonie, Gr. Licht erfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. \i- Verlag: Ferd. Dü-inmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. { Sonntag, den ± Juni 1901. Nr 2l>. Abonnement: Man abonnirt bei allen Uuchhandlungen und Post- y anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.- (*> Brinsegeld bei der Post 15 ^, extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. j[ Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 -.'v. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinki.ift. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expeditron. Abdruck i»«t, nnr mit volIstäiidig:ei Quellenangabe sestattet. Der Biber. Skizz,- von Dl-. P. D.- (Mit zwei Aljbildungen.) Die letzte Zeit hat uns wiedeiholt g-rüssere und kleinere Notizen über den Eückgaug- und das Aussterben des Bibers gebraclit. Das einst so weitvcrbeitete Tliier ist nieiir und mein- zurückgedi-ängt worden und steht jetzt sogar vor seinem gänzlichen Aussterben. Bald wurde es geschätzt, gepriesen und auf Wappen und Wcrthzeichen geführt, bald wurde es gehasst und vernichtet — man stellte ihm wegen seiner werthvollen Thcile nach; Fürsten nahmen sich seiner an, erklärten ihn als Regal oder erwähnten seiner in Ver- niächtiiissen und Gesetzen. Dann aber kamen andere Zeiten für das Thicr. Man sah in ihm einen argen Räuber und Schädiger der Fischzucht, erklärte ihn für vogelfrei und war gleichzeitig froh, dass er den verübten .Schaden so reichlich zu vergütigen vermochte. Doch nicht gleich- massig gehen dem Orte und der Zeit nach diese Wechsel in der Auffassung vor sich, vielmehr schwankt beständig „sein Charakterbild in der Geschichte", und schliesslich sieht man in ihm nur noch einen Feind jeder Kultur. Er schädigt den Forstmann und Landwirth, stellt sich der Anlage von Wasserbauten feindlieh gegenüber und wird je nach Laune oder üeberlegung bald gepdegt, bald ge- waltsam vernichtet, bis er in einigen wenigen Exemplaren, wie zur Zeit, vor dem Untergange steht. In Folgendem sollen seine Beziehungen zum Menschen und seine Be- deutung in kulturgeschichtlicher Hinsicht mit Zügen geschildert werden. Das Alter des Bibers auf unserem Planeten ist kein allzu hohes. Fossile Arten von castor kommen vom Miocaen an vor.*) Im Pliocaen von Toscana fanden sieh Reste von castor (c. plicidcus, Rosinae Forsyth Major), *) Carus, C. Victor: Hiindbueli der Zoologie von Cariis und Gerstaecicer. Leipzig, Willielm Engelinann. i:siJ.S— IST.'). Bsind I, S. 99. ebenso bei Perpignan.*) Auch in den Knochenh(ihlen des Diluvium von Europa und Nordamerika lässt sich die frühere Existenz dieses Thieres nachweisen. So stammen Funde von castor fiber aus der Lehmschicht vom Zwerg- loch bei Pottenstein (bayrisch. Oberfranken), aus der Hoesch'-Höhle im Ailsbachthal (bayrisch. Oberfranken), aus einer Kiilturscliiclit der Räuberhöhle am Schelmen- graben zwisclicii Xürnberg und Regensburg, welche neben echt- fossilen KikicIicii auch mehr oder weniger recente Harttheile beigemischt enthielt, und aus der Höhle von Balve in Westfalen.'-'*) Nach dem Rückgänge der älteren Gletscher lebte der Mensch in der Gegend von Taubaeh mit den Thieren eines milderen Himmelsstriches zusammen. Freilich gehörten da- mals noch Höhlenlöwe, Höhlenhyäne und andere zur Thier- gesellschaft Mitteldeutschlands, doch waren die nordischen Typen, vor allem das Rennthier und die kleinen Nager, verschwunden. Auch unter den damaligen Genossen des Menschen findet sich der Biber vor. Verschiedenartige umstände weisen darauf hin, dass sein Verbreitungsgebiet seit der Diluvialzeit recht ausgedehnt war. Bis in die nördlichsten Gegenden finden sich in Mooren nicht selten Knochenreste von ihm, respektive charakteristisch benagte Höl/,ci-. Es ist eigenartig, dass man in Deutschland trotz der rci.liliclicn Knochenreste fast niemals benagte oder gcsciniittene lldlzer antrifft. Umgekehrt ist die Beziehung *) Zittel, Karl A.: Handbuch der Paläontologie, iv. oam. Palaozoologie (Mammalia). München und Leipzig. Oldenboin-g 1S91-1S93, S. 532. *') Nehring, Alfred: Uebersicht über vierundzwanzig europäische Quartär-Faunen. Zeitschrift der deutsch, geoh 32. Band. It-NU. S. 47.S, -ISl, 4S8, 504. _ ^ tnittel- geoloff. Ges Naturwissenschaftliche Wnclienschrit't. XV r. Nr. 22. im Norden; hier sind die bearbeiteten Ueberbleibsel häufig, thieriselie Reste fehlen dag:egen. Das westpreussische Frovinzialmusenni entliält eine reiclie Menge von liibcrresten, vvcleiie zum Tlieil beim J5aggern in Flüssen emporgehoben wurden, zum Tlicil Torfbrüchen oder Süsswasserablagerungen verschiedener Art entstammen. Vom einfachen Zahn und einer Reiiie von Unterkieferhälfteu finden wir, aufwärtsscineitcnd, mehrere Schädel ohne Unterkiefer, sowie andere Hart- tbeile des Thieres vor. Der schönste Fund, dessen Ur- sprung nenerdings als diluvial bezeichnet wird, ent- stammt dem weissen Sande in Charlottenthal am Schwarzwasser im Kreise Schwetz, zwischen Klinger und Altfliess. Er wurde bei Anlage eines Weges im dortigen Forstrevier 0,5 m tief und zwar 2 m über dem jetzigen Meeresspiegel gemacht. Ausser dem vollständigen Schädel liegen auch die Schulterblätter, vcrsiliicdLiie Becken- und Extremitätentheile, sowie zahlreiche Wirbel und Rippen in guter Erhaltung vor. Dieses Skelct ge- hört, obschon einzelne Theile dieses Thieres auch sonst in der Provinz gefunden sind, zu den beiherkenswerthesten Seltenheiten. Ans der Steinzeit sind Knochen- und Feuersteinspitzen bekannt, welche theilweisc zu Fisclispeercn gedient haben mögen, wie später auseinandergesetzt werden soll, höchst wahrscheinlich aber auch zur Jagd auf den Biber ver- wendet worden sind. Wie von vornherein zu verniuthen ist, fand das Speeren nur bei grösseren Fischen Anwen- dung, und ein prähistorischer Fund in Westpreussen be- stätigt diese Annahme. Bei Barnewitz, unweit Oliva in der Nähe von Danzig, wurden in einer Tiefe von 3 m aus dem dortigen Wiesenmergel zahlreiche Schädel und Wirbelreste von gewaltigen Hechten gefunden und zwar in Gemeinschaft mit einer aus Knochen hergestellten Harpun- spitze mit Widerhaken, einem Hammer aus Hirschhorn, einem Getreidequetscher und einem an den Pfahlbauhund erinnern- den Schädel.*) Die reichlichen Funde an Biberknochen aus der Zeit der Pfahlbaucrn und die bis in unsere Zeit hineinreichende Jagdmethode des P>iberspiessens und -Spcerens geben uns einen nicht zu übergehenden Anhalt dafür, dass auch in der Steinzeit auf diese Weise die Jagd betrieben wurde. Der Mensch der jüngeren Steinzeit war ein rüstiger Jäger; seine aus Pfahlbauten und Landansiedclungcn her- rührenden Trophäen füllen heute noch ganze Museen. Mit Pfeilschüssen und Lanzenwürfen erlegte er Edelhirsch und Reh, Bär und Wildschwein, Fuchs, Wolf, Biber und andere Thiere, z. B. Vögel. Fast jede Fauna, welche bei der Beschreibung derartiger Fundstellen gegeben wird, führt den Biber, wenn auch nicht gerade immer als reich- lich vorhanden.**) Unter den hier gefundenen Fischerei geräthen finden .sich neben Netzen, Angeln aus Knochen, Stein und Hörn, Fischkörben und Reusen auch wieder Harpunen und Fischspeere. Auch verstand der Pfahlbauer bereits in Holz zu schnitzen. So stanmit aus der Schweiz ein Rinderjocb; häufiger angetroffen werden Einbäume, W< *) Conweiitz, Vorgcschichtlielie Fiscliei in. Deutscli. Fiaclieroitug. Danzif,' ISliO. S. 7(i, 77. **) Virchow. Und.: Dio Pfahlbauten im nördlichen Doutsch- land. Zeitschr. f. Ethnologie etc. Berlin 1869, Bd. 1, S. lU. — Hörig: Die Jagd in der Urzeit in Verbindung mit der Rntwickc- lung der Gesellschaft in Centraleiuopa. Leipzig. Verl:in der lUustrivten Jagdzeitung. S. 60, (14. — Neliring, A. : Die j'amiii eines masurischen Pfahlbaus. Naturwissenschaft!. Wochi'iisc liiift 188S, 111. Bd., No. 2, S. 9 ff. - Stnic-kmann. ('.: Lieber ,11.. \ er- breitung des Reniithiers in der Gegenwart und in -iltiMci- Zeil, nach Maassgabe seiner fossilen llesto etc. Zoitschr dci- dint-^ch goolog. Ges. 1880, 3-2. Bd., S. 7.56. — Lue(l,.,-ko, (».: |Ic1).t .lic Ausgrabungen am Schweizerbild bei Schiiil'hausen. Lcon,,l,liiKi. Halle a. S. Heft 3',. No. 1, 2, 3 1899. .S, 36, 37, 31i, ü'.'. iDi.sc letzte Arbeit betrifft Funde aus der alten Steinzeit.) welche auch ein grösseres Veibreitungsgebiet haben, so- wie Fragmente von Gegenständen aus dem Haushalte, wie von Tischen, Bänken, Thüren etc.*) Am interessantesten sind für uns jedoch die Biberfallen, sowohl ihrer Kon- struktion wie ihrer Geschichte wegen; von ihnen soll weiterhin im Zusannnenhangc gehandelt werden. — Die Pfahlbauten blieben freilich auch in der nunmehr folgenden Epoche der Bnin/.e/.eit bestehen; auch aus dieser liegen Angelhaken der versehiedcnsten Gnisse uihI Stärke, sowie Netzstrieknadeln aus dieser Legirung vor; aus dieser Periode einer bereits höheren Kultur treten die Funde von ßiberrestcn bereits zurück.**) Virchow beschreibt in seiner archäologischen Reise nach Livland die Erforschung des Rinnehügels, eines Muschelberges des „Rinnekaln", dessen Alter bis in die Steinzeit zurückreicht.***) Unter den Thierresten fanden sich neben anderem bearbeitete Knochen vom Biber, Wild- schwein, Hund etc. Biberreste waren unter allen anderen am reichlichsten vertreten, wunderbarer Weise freilieh fast nur Unterkiefer neben überaus wenig anderen Skelet- stücken. Die 90 bis 9ö von Rütimeycr untersuchten Unter- kieferhälfteu dieses Thieres sind nicht zu Werkzeugen ver- arbeitet. Das zahlengemässe Vcrhältniss dieser Stücke hatte bereits Sieversf) angegeben, nach dem von 1(55 Unterkiefern jener Fundstätte, welche meist bezahnt waren, 83 vom Biber stanunten. Virchow theilt uns ferner mit, dass die Mehrzahl der Biberknochen nicht gespalten, höchstens gebroclien war, und meint, dass das Auftreten des Thieres in dieser domi- nirenden Weise für die Frage entscheidend sei, weshalb jene Ansiedelung bestand. Die ältesten Familien, die hier zeitweilig zum Biber-, Fisch- und Muscbelfang Aufent- halt nahmen, gehörten einer brachycephalen, wahrschein- lich finnischen Rasse an. . Der Pfahlbau am Arraschsee ist nicht älter als die Pfahlbauten Deutschlands, doch mögen seine Bewohner noch die Ankunft der deutschen Ritter gesehen haben; jede Spur von Steingeräth fehlt, dagegen sind in massiger Menge Thierknochen, namentlich wieder die vom Biber vorhanden. Die Hauptmenge der Burgwälle Deutschlands, die bereits der reinen Eisenzeit angehört, steht mit dem Pfahl- bauwesen in engster Beziehung, und beide, Burgwall und Pfahlbau, sind auf ein den Fischfang liebendes und viel- fach auf denselben angewiesenes Volk zurückzufühien. Unter der überaus reichen Menge der verschiedenartigsten Fanggeräthe werden auch hier wieder die Fischotter-, respektive Biberfallen aufgeführt. Zur jüngeren Steinzeit führten die Anwohner der nordischen Seeküste ein eigcnthUmliches Leben; von ihnen gewinnen wir durch ihre Küchenrestc, die sogenannten Kjökkenmöddinger, wie sie an der dänischen Ostseeküste genannt werden, Kenntniss. Die verschollene Bevölkerung jener Gegenden, welche uns ausgedehnte Reste ihrer Mahlzeiten hinterlicss, war vorwiegend an den Küsten sesshaft und lebte vom Ertrage des Meeres. Neben den Resten von Musehein und Fischen sind die von Hirsch, Reh und Wildschwein am häufigsten vertreten. Doch auch andere 'l'hiere wurden gefangen und verzehrt, man könnte sagen, alles was irgendwie zu erreichen war, darunter auch der Biber.ff) Die Kjökkenmöddinger von der St. Margaretbenbay, südwestlich von Halifa.x, sind ■) Helenes, Moritz: Dio Urgescliiclite dos Mensch. -n rtc ll.irt- \ohouR \..rlag. Wien, Pest, Leipzig. 181Ö. S. 2.^0. '') Friodel, Ernst: Aus der \'orzeit der Fisclierei. Samm- lung Vii-chow-Holtzendorff Serie XIX. Heft Hl, 412. 1884. S. 34. ^ i*) Zeitschrift für Ethnologi.^. 1877. Berlin. Bd. 9. S. 408 ff. t) Sievers, Karl Georg: Ein normannisches SchifFsgrab bei If.inni'bnrg mid die Ausgrabung de.s ninnehiigels am Bnrtnecksee (Livland)' Zeitschr. f. Ethnohiiri.'. 1S7.".. Berlin. Bd. 7. S. 219. li) Hörnes. 1. c. S. 228. XVJ. Ni Natar\vissciis(aiiiftliclir \V( den (länischoii aullallcinl üluilicli. Auch iii iliueu kommen hcIk'ii A[iis(liclscliMleii und den Gebeineu verschiedener anderer Wiiljellliiere diejenigen des Bibers vor, ferner Quarzit- und Fünti^eriithe, sowie Wohnstellen und Feuer- stätten.*) Im Verlaute der prähistorischen Zeit tritt uns der Biber noch einmal in der slavischen Epoche enti;ei;en, welche nach dem Vorherrschen der arabiselien Handels- beziehungen aucii Arabisch -Nordische Epoche genannt \vird. Unter den Tauschobjekten und Waareu des Nor- dens nehmen in jener Zeit die Biberfelle eine hervor- ragende Stelle ein. Dieser Zeitabschnitt beginnt mit dem Anfange des 8. Jahrhunderts und reicht bis zum Auf- treten des deutschen Ritterordens in Freusseu, d. h. un- gefähr bis zum Jaiire 1230. Wie Fraas bei der uralten Opferstätte auf dem Lochen- stein in Schwaben nachwies, diente der Biber den Ger- manen als Opferthier. Zähne dieses Thieres finden sich nach Collett auch häufig in den Gräbern der heidnischen Finnen und bei alten Opferstätten in Norwegen; so ist es bei Bantasten nahe Mortensnäs möglich, ganze Hände voll davon aufzulesen, wobei dieselben jedoch bereits zerfallen. Sein Verbreitungsgebiet ist ein recht ausgedehntes, denn es umfasst sowohl Europa und Nordamerika als auch Nordasien. Freilich besitzt es vielfach Unter- lirechungen, denn der Biber hat mit dem Vordringen der Kniüir überall weichen müssen, wie es auch heute noch der Fall ist. Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln, dass die Grenzen seiner X'crln-eitiing in früherer Zeit weiter aus- gedelint waren, es ist ni(iglich, dass er in Afrika vor- gek(»mmeu ist, iber die Stelle desselben ein. Er muss vor dem Auftreten der Weissen in den nördlichen Weidegründen in ungeheuren Mengen vorhanden gewesen sein, wie der Bison seiner Zeit in den südlichen. Besonders da gerade Amerika in reichlicher Menge Wasserwege besass, bot der Biber den ins Innere des Landes vordringenden Indianern, Trappern und Reisenden die bequemste Nahrungs(inelle. Er gab ihnen die tägliche Speise, lieferte ferner Kleidungsstücke, Riemen etc. und soll in früheren Zeiten, im eigenen Felle gebraten, ein geschätzter Leckerbissen gewesen sein. Wenn schliesslich eine tiefe Schneedecke im Winter oder mit Beginn des Frühlings die Jagd auf grösseres Wild unmöglich machte, so boten die Biberburgen eine nie ver- sagende Hilfe; mit Netzen wurden die Bewohner derselben leicht gefangen oder in dem geöffneten Bau selbst erlegt. Seitdem die Seide als Ersatz des Biberhaarcs auf- getreten ist und die Pelze der Moschusratte (Fiber zibe- thicus Cuv., Zibethratte, Ondatra) in Nordamerika und die des Coypu (Mj'opotamus eoypus Geoffr., Kripu, Sumpf-, Schweif- oder südamerikanischer Biber, Nutria der Spanier) aus Brasilien in der Weise wie Biberbälge verwendet werden, hat die Verfolgung etwas nachgelassen. So erhält er sich lioffentiicli noch ' längere Zeit in dem Lande Kanada, für welches der Handel mit Biberfellen die historische Entwickelung bedingt hat, und wo auch fast ausschliesslich bis in die jüngste Zeit dieser Handel die Bewohner ernährte. Die Jagd auf unser Tliier ist in der verschieden- artigsten Weise betrieben worden. Die älteste Methode ist jedenfalls die des Speerens. Der Fischer fuhr zur jüngeren Steinzeit im kleinen Nachen vorsichtig am Fluss- rande dahin und spiesstc mit seiner knöchernen oder hörnernen Harpune grössere Lachsforellen, Biber oder Fischottern.*) Robe Fischspeere werden noch heute in Nordamerika in einem Flussschlamm von tief blauer Farbe und starrer Beschaffenheit, welcher fast frei von Geröll ist, aufgefunden. Derselbe hat eine Mächtigkeit von 4 bis 20 Fuss (er. 1,3 bis 6,2 m) und stellt nach seinen Einschlüssen ein Glied zwischen den ältesten Spuren des Mensehen und der historischen Zeit dar. Der Stoff, aus dem die Speersjjitzen in dieser Schicht gefertigt sind, be- steht aus Tlionschiefer (argillite). Mit derartigen Waffen wurden zweifellos die Geschöpfe gejagt, welche damals in grosser Menge die Ströme bevölkerten: Biber, Ondatra, Otter, Nörz, Scliildkröten und Geflügel.**) Forer***) giebt die Jagdmethode derart an, dass die Jäger einen Bau zu finden trachten, von oben her graben, bis sie auf das Innere stossen und dann einen kleinen Hund hineinsetzen. Dieser treibt den Biber aus dem Bau und in die vor- gelegten Netze, in denen die Jäger den Fang mit Kolben- schlägen tödten. Diese Biberhunde wurden besonders zur Jagd auf Biber und Dachs verwendet, hatten von diesen oft einen mehr oder minder heftigen Widerstand zu er- warten und führten in den Jagdgesetzen der verschiedenen deutschen Volksstämme verschiedene Benennungen. In Preussen soll die Jagd vorzugsweise mit Reusen betrieben worden sein, wobei die Rinde solcher Bäume, welche vom Biber gern angenommen wird, als Köder diente. Da das Thier ferner nicht lange unter Wasser zu bleiben vermag und oft an die Oberfläche konnnen muss, um Luft zu schöpfen, so kann es beim Jagen auf dem Wasser ebenso leicht geschossen, wie mit langen Piken bei Fackelschein ge- stochen werden. Bei seiner grossen Wachsanüceit lässt es den Jäger nur schwer bis auf Schussweite heran- kommen, und deshalb hat man es auch Nachts vor der Hütte in dem Augenblicke geschossen, wo es mit dem Ausbau seiner Hütte beschäftigt war. In Amerika sucht man weniger durch das unsichere Schiessen als durch allerlei Fallen zum Ziele zu konnnen. Im Winter haut mau auch Wuhnen ins Eis und schlägt die Biber tot, die dorthin kommen, um zu athmen. Auch eist man in der Nähe des Baues ein Stück des Flusses auf, spannt darüber ein starkes Netz, öffnet die Hütte und jagt die er- schreckten Thiere in die Netze hinein. Der Fang mit der Falle (trap) wird von den Trajjpern betrieben. Wie schwer es ist, die vorsichtigen Biber mit denselben zu fangen, ersehen wir aus einer Schilderung Nellenburg's,t) in welcher die Einzelheiten und anzuwendenden Vorsichts- maasregeln ausfuhrlich beschrieben sind. Neben diesen Jagdmetboden sind noch verschiedene andere in Gebrauch gewesen, z. B. die mittels einer dreizackigen, an den Spitzen mit Widerhaken versehenen Gabel, der „Biber- stich", doch lassen sich alle auf vier Hauptarten zurück- führen: auf den Fang mit dem Netz, mit der Falle und mittels Schiessens und Spiessens. *) Hoernes, 1. c. S. '262. **) Abl)ott, Charles C: Primitive Imhistry etc. Salem, Mass., George A. Bates. 1881. S. 276, 277. '**) Foier, Konrad: Gesnerus redivivus auctus et omendatus oder AllgRmeines Thierbucli. Fraiickfiirt am Mayn. 1669. S. 42, 43. i) Nelienburo-, Rod.: Der Biber. Die Natur. Jahrg. 34, \. F. 11, 1885, No. 4, S. Gl ff. XVI. Ni isscnscluiftliclie Wocli' 253 Die selegentlich aufgeftitulenen Biber- (respektive Otter-) Fallen siud in ihrem Hau und in Hinsicht auf die Geschichte ihrer Auffindung- und Deutung- so interessant, dass sie mehr als eine blosse Erwähnung- verdienen. Die ersten derartigen Stücke vFurden in einem ausgedehnten Torfmoor nahe der Stadt Laibach,*) welches in früherer Zeit ein See gewesen ist, gemaclit. Man wusste aber nicht, wie man sie deuten sollte, und legte sie deshall) vorläufig bei Seite. Der darauf folgende Fand stammt aus Tribsees in Neu Vorpommern**) ans einer Tiefe von etwa i-/:j bis 2 m. Er besteht aus schwarzem, ver- wittertem Eichenbolz, besitzt eine Länge von 75 cm und eine Breite von 15 cm. Er wurde mit einem Schitt'smodell oder der Imitation eines Fischerkahns verglichen und der Greifswalder archäologischen Samndung einverleibt. Kurze Zeit darauf wurde ein Fund von vollständig ül)crein- stimmcnder Form aber grösseren Dimensionen auf dem Gute Samow*bei Gnoien, etwa 2 bis 2'/s m tief im Torf, gemacht und an das Museum nach Rostock abgeliefert.***) Es ist interessant, dass der Besitzers des Bruches, viel- leicht weil in der Gegend von Samow früher der Fisch- otter sehr häufig war, dieses Geräth bereits als Falle an- sprach , jedoch ohne den modus operandi anzu- geben Doch beicits die diittt \ciotttntlichMn^ ubei diesen (ic ^enst.md ^^lebt uns Lin un;.,L lalius liild M,u i\n llandliilmn^ (litNCs Appaiatcs. Im Torfe von Friedrichsbruch ZweiklappigejOttei-luUc aus'Ekheuholz von Adamsl) Kreis Flatow (Wstpr.), fand man etwa 2-/., m unter Terrain ein weiteres derartiges Geräth, das niit den beiden vorigen Stücken in so hohem Maasse übereinstimmte, dass Friedelf) bei seiner Beschreibung auf eine Abbildung desselben verzichten konnte, indem er einfach auf die Illustrationen in den Beschreibungen der vorigen beiden Fundstücke hinwies. Ein Sportsmanu, Major von Heister, erklärte, ohne von den beiden vorigen Funden zu -wissen, das Stück für eine Fiseherotterfalie und gab sogar in grossen Zügen an, wie diese seiner Zeit fängisch gestellt worden sei. — Auf diese Beschreibung hin erinnerte man sich in Laibach jener bei Seite gelegten Funde und fragte sich, ob die Fallentheorie sich auch auf sie anwenden lasse. Dabei zog man die reiche Ausbeute an Knochenresten mit in Betracht, welche man aus den Abfällen der Pfahlbauern aufgelesen hatte und welche in charakteristischer Weise Harttheile wild lebender Thiere enthielt. Es ergab sich dabei, dass Biberknochen ungewöhnlich zahlreich waren und wenigstens 140 Individuen entstammten, während '■) Miini-o, Robert: Notii-o of soiiie t-iu-ioiislv c-onsti-ucted ■11 nliicts founrl in pi-nf )m.-s in vaiicuis parts of Eui-npf, \r 1 1, ntt.'v HiMl Ih.:i\.'i- Inips. ri-occodiiiss of niitii|Mari.-s ,.r .Sr,,llaii.l, .lanuarv l'J. 181)1. S. 77. 'M lliMcin-aiidt, (',.: Hcs.-lirrjlmim eines im 'l'uif gufundenen, iHilzenieu Fisohl;:i.stens. Zeitschr. f. ' Etluiologie 187S. Band 5. Berlin. S. 119. ^" ) iMorkel, Fr., Beschreibung einer im Torf gefundenen liölzerncn Fiachottert'alle. Zeitschr. f. Ethnologie 1874. Band 6. Berlin. S. 180 ff. t) Friedel, Ein in einem Torfmoore bei Friedrichsbrnch nahe l<"latow in der Provinz Westprenssen gefundenes Goräth. Zeitschr. f. Ethnologie 1877. Band 9. Berlin. S. 1G2. vom Otter auch nicht ein einziger vorlag. Daraus sehloss man, dass die bisher unerklärbaren Geräthe Fallen seien, mit denen die Bewohner der Pfahlbauten manchen Biber fingen, und dass andererseits dieses Thier in nicht unbeträchtlichem Maasse den Bewohnern jener Kolonie als Nahrung gedient habe. Seit dieser Zeit haben sich die Fallen in den Laibacher Sammlungen einen Ehrenplatz unter den selteneren Gegenständen der Pfähl- bautenzeit errungen. Die nebenstehende Abbildung*) zeigt uns eine so- genannten Biber- oder Otterfalle, welche ungefähr 0,(55 m unter Terrain im Torfe auf dem zur Herrschaft Sypniewo, Kr. Flatow, gehörigen Vorwerk Adamshof gefunden wurde. Das Geräth hat 64 cm Länge, 20 cm Breite und l)esteht aus einem Eichenklotz von 5 bis 6 cm Dicke. Oben sind zwei Läng-srinnen ausgehöhlt, die sich nach der Mitte hin verflachen, nach den Enden aber vertiefen. An dem einen Ende laufen sie blind aus, am anderen in eine unregel- mässige Durchlochung. Zwischen den Rinnen ist ein schmaler Steg stehen geblieben. Das mittlere Drittel des Stückes enthält einen 20 cm langen und 11,5 cm breiten Ausschnitt rechteckiger B^rm, welcher durch zwei mittels zapfenartiger Vorsprünge be- wegliche Klap- pen von oben geschlossen wer- den kann. Die letzteren tragen an ihrem Innen- rande je drei entsprechend ge- legene recht- eckige Ausschnit- te und haben an ihrem äusse- ren Rande eine wulstförmigeVer- dickung. Nahe jedem Ende ist das Stück quer durcblocht, sodass je drei in einer Richtung liegende, durch Steg und Seitenwände führende Oefifnungen entstanden. Um nun die Falle zu stellen, musste man ungefähr folgendermaassen verfahren. Auf jeder Klappe ruhte ein biegsamer, elastischer Stab, welcher mit seinen Enden in den Vertiefungen der Rinnen ruhte, an einem durch die in der Dreizahl vorhandenen Queröffnungen gezogenen Holz Halt fand und von den Klappen selbst wegen der wulstförmigen Erhebungen des Aussenrandes nicht ab- gleiten konnte. Wurden nun die Klappen in die Höhe gerichtet und durch ein Holzstück auseinander gespreizt, so übten die elastischen Stäbe einen solchen Druck auf .sie aus, dass sie kräftig zusammenschlagen mussteu, so- bald nur die Sperrvorrichtung entfernt wurde. Die Fallen wurden wohl in der Nähe des Ufers, wo die Thiere ans Land zu steigen pflegten, und zwar senkrecht und mit den Klappen dem Lande zugerichtet, aufgestellt. In die gewünschte Lage konnte das Geräth auf verschiedene Weise gebracht werden. Man konnte die seitwärts durch- getriebenen Stäbe mit ihren Verlängerungen in den Boden des Gewässers eintreiben oder auch an den vorspringenden Enden der letzteren Stricke befestigen und die Falle dann an benachbarten Bäumen und Sträuchern in richtiger Stellung festbinden.**) — Kam nun ein Otter oder Biber, vielleicht durch einen am Querholz befestigten Köder an- '/, der iiat. Gr. *) 18. Amtlicher Bericht des Westpr. Prov.-Mus. zu Danzig für das Jahr 1897. S 44. **) Kumm, Paul: Eine vorgeschichtliche Biber- oder ^'tter- falle aus Westprcussen. ßeclam's Universum. Leipzig 1897, 1898. XIV. Jahrgang. Heft 3. S. 291. aftliul XVI. Ni. -ll gelucUt, heran uucl lösste diese Spreize ans, so tassteii die selineil ztifalleuden Klapjjcii das Tliier am Halse und er- würgten es oder hielten es solange luitcr Wasser, bis es erstickt war. Immerhin ist sowohl bei diesem wie bei ähnlichen anderen Funden iicrvorzuheben, dass die zur Aufnahme des Kopfes eii>es i;efang-cncn Thieres bestimmte Oeffnung nicht immer hinreichend gross zu sein scheint. Bevor man den wahren Charakter dieser Fallen festgestellt hatte, er- ging man sich in den verschiedenartigsten Verumthungen und meinte die absonderlichsten Geräthe in ihnen zu sehen. Ausser als Schiffsmodell, Spielzeug (Schiffchen), Former für Torfziegel, Käsepresse, Fischbehälter, Falle zum Fangen solcher Wasserthicre (Fische), die unaus- gesetzt in einer Richtung wandern, Schwimmer beim liecht- fang und Jäthacke, hat man sie als Apparate zur künst- lichen Vertheilung des Wassers (sluise-boxes),*) Pumpen und sogar als Reste musikalischer Instrumente, sogenannter „Welscher Harfen", gedeutet. Neben diesen zuerst aufgefundenen zweiklappigen Kxcm])hucn konmien jedoch auch einklappige vor, welche den Hälften der vorigen gleichen, wenn man sich die Schnittlinie längs des Steges verlaufend denkt. Lange Zeit schien die Vertheilung der Funde nach der Zahl der Klappen sich in der Weise anordnen zu lassen, dass die Lage der Fundorte bei den letzteren auf die Britischen Inseln zu beschränken war. Diese Schematisirung niusste jedoch aufgegeben werden, als man sich eines Fundes von einem einklappigen Exemplar erinnerte, das etwa vor 22 Jahren in Westpreussen, und zwar 1 ni tief im Torf der Feldmark Lubochin, Kreis Schweiz, gemacht war. Die angenonmiene Vertheilung der Fallen trifft deshalb nicht mehr ganz zu, so dass Dr. Munro, der diesen Gegen- stand bearbeitet hat, nunnlehr seine Wahrnehmungen da- hin einschränken musste, dass alle fallenartigeu Fund- stücke Grossbritanniens einklappig seien. Die Zahl der bis jetzt aufgefundenen Stücke ist keine grosse; die aus Adamsdorf stammende Falle stellt die 36. ihrer Art dar. Die Mehrzahl derselben besitzt wohl das königliche Museum für Völkerkunde in Berlin, das vor ungefähr drei Jahren sechs Stück auf einmal von einer Stelle in Gross - Lichterfelde erhielt. Das Vcr- lireitungsgebiet dieser Geräthe reicht nördlich bis Irland und Wales, südlich bis Krain und Italien.**) Nacii den mit ihnen aufgefundenen sonstigen Artifakten gehören sie der llauptmenge nach der Bronzezeit oder dem Anfang der Kiscnzeit (etwa um 400 v. Chr.) an. Der Kurator des .Museums in Laibach, Alfous Müller, war wohl der erste, welcher seine Zweifel ausdrückte, dass einige dieser Funde bis zur Zeit der Pfahlbaueru zurückreichten; immer- hin deutet der Umstand, dass die meisten ungefähr sechs bis acht Fuss tief im Torfe eingebettet lagen, auf ein recht bedeutendes Alter hin. Wieweit jedoch auch ihre Existenz in die Vorzeit zurückreichen mag, interessanter ist es jedenfalls, dass derartige Fallen noch bis vor ungefähr einem Jahrhundert im Gebrauch gewesen sind. So besitzt die Socicte d'accliniatation in Paris eine Biberfalle in der Sannnlung von Geräthen für Jagd und Fischerei, welche isyi in Arles, an den RhonemUndungcu, erworben wurde.***) Dieses Stück ist alterthümlich aber nicht prä- historisch, denn man bediente sich solcher Fallen, wie be- *) Munro, Robert: Soiiio fiu-tlier iiutes oii ottcr- auil buiivor- traps. The Journal of tlio procoudiugs of tho Royal Society of Antiquaries of Ireland. Part 3, Vol. 8, 5 th Scries, 3 rd Quarter. Sept. 1898. S. 248. **) T.,ioy, Paolo: Lc misteriose barehctte dcUa Fontega (Fimou). Atti del i\. Institute Voneto di seionzo, lettere od arti. T. VI. Sei-. VII. Vcnezia 18Ü5. S. 1102. ***) Lioy, Paolo: Ulteriori notizic snllc eniminaticbo barehette di Pontüga (Fiuion). Ebenda. T. \'ll, Ser. VU, LsfUI. S. Kil. reits erwäiint, vor ungefähr 100 Jahren, um die Biber, deren es damals in der Rhone noch sein- viele gab, zu fangen. Das Geräth ist ganz reeent; in der Umgebung von Arles, wo diese Fallen sehr beliebt waren, findet man aber viel ältere. Alle diese stimmen ebenso, wie das in Paris aufbewahrte, mit dem von P. Lioy (Le misteriose barehette etc. 1. c. S. 1096) abgebildten Uberein. Dass derartige Geräthe, wie sie Jäger und Fischer sich selbst herstellen konnten, bis fast in die neueste Zeit im Gebrauch waren, ist weniger verwunderlich, wenn wir einen Blick auf den Verbleib der Pfahlbauten werfen. Derartige An- lagen finden nämlich auch heute noch l)ei Fischern als vorübergehende Wohnstätten während der sommerlichen Ahfischung von Seeen Verwendung. Zur Feststellung eines früheren Vorkommens hat man verschiedene Mittel zu benutzen gewusst. Das gebräuch- lichste lehnt sich an die geographischen Bezeichnungen von Städten, Ortschal'ten, Wasserläufen und anderen Gewässern an. In Westpreussen haben wir z. B. die Bezeichnung Biber- zug für einen kleinen MüiHlung.> = — 3» 27' Melbourne: April 24 • 370 AR = 21« 37' X» = - 3» 52' Am 4. Mai hat Gills in Capetown den Kometen be- obachtet und denselben als rundliches Object mit einem ungefähr 1' betragenden Durchmesser gefunden. Er war damals heller, ats die Sterne dritter Grösse und hatte einen gut begrenzten Kern. Der leicht sichtbare Schweif hatte eine Länge von mehr als 2". Vor einiger Zeit konnte man in den Tageszeitungen lesen, dass der Komet auf der Yerkesternwarte am 27. April bei Sonnenauf- gang 15« nördlich von der Sonne gesehen worden sei. Diese Nachricht erscheint aus mehreren Gründen un- glaubwürdig und kann sich überhaupt schwerlich auf den von Halls entdeckten Kometen beziehen. Uebrigens ist bis jetzt noch keine diesbezügliche Meldung der „Astronomischen Centralstelle in Kiel" zugegangen. (Astro- nomische Nachrichten Bd. 155.) Vor Kurzem hat Pickering in den „Astronomischen Nachrichten" drei Photographien betreffend das Spectrum Naturwissensohaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 22. fiel- Nova Persei und der Nova Aurigae veröffentlicht. Die Aufnahmen des Spectrums der Nova Persei datiren vom 22. und 24. Fehruar 1. J. und wurden auf isochro- matischen Phatten gemaclit. Ein Vergleich der beiden Auf- nahmen zeigt zur Geniige die ungeheuren Veränderungen, welche mit fast unglaublicher Schnelligkeit in dem neuen Stern vorgegangen waren und ihn zu so plötzlichem Auf- leuchten gebracht hatten. Während die erste Aufnahme noch gar keine Achnlichkeit mit dem Spectrum der Nova Aurigae, wie es am 5. Februar 1892 mit gewöhnlicher Platte auf dem Harvardcollege observatory photographirt worden war, zeigt, weist die zweite Aufnahme bereits bedeutende Uebereinstimmungen auf. Die Nova Aurigae zeigt die Linien etwas schärfer und schmäler als die Nova Persei. Weitere Photographieen zeigen wieder zahlreiche Veränderungen im Spectrum und geben einige Male recht gut begrenzte dunkle und helle Linien. Wir haben in No. 17 dieser Wochenschrift von Stratonoffs Untersuchungen über die Vertheilung der Fix- sterne in den Declinatiouen von H- 90» bis —20» be- richtet, welche dieser an der Hand der Bonner Durch- musterung ausgeführt hat. Nun hat Stratonoff in der letzten Nummer der „Astronomischen Nachrichten" auch die provisorischen Resultate einer gleichen an der Hand der „Cape Photographie Durchmusterung" für die südliclie Hemisphäre unternommenen Arbeit publicirt. Es war hier schwer, einen einwandfreien Anschluss zwischen den beiden Untersuchungen herzustellen, da die „Bonner Durch- musterung" und die „Cape Photographie Durchmnsterung" natürlich nicht gleichartig gearbeitet sind. Ebenso wie für die nördliche Hemisphäre tritt auch für die südliche Halbkugel die erwartete Condensation der Sterne gegen die Milchstrasse nicht hervor. Sie ist zwar bei der ersten Gruppe (die Gruppeneintheilung ist dieselbe wie bei der in No. 17 besprochenen Arbeit Stratonoffs) sehr gut sichtbar, verschwindet aber in der zweiten und dritten gänzlich, um dann nach und nach hervortretend zur rechten Deutlichkeit erst wieder in der sechsten G-ruppe zu gelangen. Die Linie grösster Sterndichte bildet in der ersten Gruppe einen grössten Kugelkreis, der die Galaxis unter einem Winkel von 20" schneidet. In der zweiten und dritten Gruppe sind die dichteren Stellen überall ver- streut. Erst in der vierten Klasse zeigt sich wieder eine Linie grösserer Dichte, welche im Aequator bei 6'' und 20*' ihre Endpunkte besitzt und sich bei // Navis der Milehstrasse nähert. In der fünften Gruppe lagern sicli die Sterne ziemlich symmetrisch zur Milchstrasse, docii verschwindet die Symmetrie schon in den nächsten Gruppen derart, dass nur mehr die Steruleerc am Pol der Galaxis von ihrer Anwesenheit zeugt. Stratonoff findet auch auf der südlichen Halbkugel mehrere Sternanhäufungen. Hier ist der Bau unseres Sternensystems bedeutend complizirter gestaltet, wie für die nördliche Hemisphäre. Die Sternwolken sind folgende: a) Canis major-Crux. Dehnt sich gegen den Südpol etwas aus und umfasst nur die Sterne der ersten Gruppen. b) Seorpion. Die Verdichtung umfasst die Gruppen III-VI. c) Puppis. Die Condensation erstreckt sich über die Klassen III-VII. d) t] Navis. In der II. und 111. Gruppe nur sehr un- deutlich, von der IV. bis zur VIII. Klasse sehr stark und deutlich. e) § Puppis. Die Sternwolke umfasst alle Sterne von der VI. bis zur XI. Gruppe; ebenso die nächste Condensation f) f) Norma, welche aber nur schwach angedeutet ist. g) Sagittarius-Scorpion. Diese schwache Condensation erstreckt sich über die Sterne der Gruppen VI— VIII. Stratonoff kommt zu dem Endergebniss, dass die Milchstrasse nur eine Anhäufung von Sternwolken sei, welche sich gegenseitig berühreu und überdecken. Die Sonne selbst steht in einer grossen am nördlichen Himmel, welche zwischen Lyra und Cassiopeia liegt und .sich bis zu den schwächsten Sternen ausdehnt. Ihre Breite dürfte ungefähr doppelt so gross sein, wie die Entfernung der Sterne von der Grösse 6 • 5. Nach Süden reicht die Wolke, in der die Sonne steht, nur bis zu den Sternen der sechsten oder siebenten Grösse, so dass sich also unser Planetensystem nahe dem Rande derselben befindet. Stratoudtl hat die Stcrnwolken nach ihrer Entfernung von der Erde zusammengestellt. Wir geben hier seine Tabelle, in welcher sich auch Al\' und 1> des scheinbaren Mittelpunktes der Condensation und die Grössenklassen der Sterne linden, über welche sich die Verdichtung erstreckt: 1. Auriga .I/,' = 5''-5 yv= + 85» Sternc6-6 — S-5.Gr. 2. Puppis 8-0 -50 „ f. -6- 9-0 „ 3. Scorpio 16-0 —45 ,, (i-6 - 8-5 „ JR- 4. Geniini i>. //Navis 6. S Puppis 7. Norma 8. Sagittarius-Scor Die Verdichtungen 1. Z)=-t-10» Sterne7-6 — 9-[ —60 „ 7-6 — 9-i: Gr. 5 i> = — 25" Sterue8-1 — 9-5.Gr. — 55 „ 8-1- 9-5 „ -35 „ 8- 1-9-5 „ stehen uns also, wie aus den Grössen der Sterne, von denen sie gebildet werden, hervorgeht, am nächsten, während die Condensationen 6. — 8. "bereits in ungeheuren Entfernungen von uns erst ihren Beginn nehmen. Wir geben von nun an das Verzeiehniss der dem- nächst in das Maximum kommenden veränderlichen Sterne chronologisch geordnet und mit genauer Angabe des Datums. Es wird sieh aber empfehlen, schon einige Tage vorher mit den Beobachtungen zu beginnen, da die Perio- den Schwankungen unterliegen und daher die berechneten Daten nur näherungsweise Giltigkcit beanspruchen können. Im Monat Juni gelangen folgende Veränderliche vom Miratypus in ihr grösstes Licht: Datum Stern R 18 i5 • 0 O 1855-0 Gross 1. Juni /,'Cygni 191' 32- bii" + 49' 25'- 5 7-01 1- „ V'.Vquarii 20 42 17 - 5 40-9 7-0 8. „ .s'Bootis 14 IS 1 + 54 28-3 8-0 8. „ rCassiopciae 23 5 27 + 58 53 • 8 8-0 9. „ M'egasi 23 13 13 + 8 7 -6 7-8 12. „ .S'Serpentis 15 14 52 + 14 50-3 8-0 14. „ A'Ophinciii 16 59 27 - 15 53 • 7 7-8 15. „ NUrsue min. 15 35 19 + 79 7-2 7-8 IG. „ A'Mlcrculis 17 15 3S + 23 3-9 8-0 17. „ A'Ceti 2 18 38 — 0 50-1 8-0 21. „ y\'Dracoiiis 16 32 17 + 67 3-5 7.8 26. „ A'Cassiopciac 23 51 4 + 50 34-9 6-0 27. „ I'Bootis 14 23 54 + 39 30-5 7-0 28. „ Mira 2 21 1 - 3 38 . 3 3-4 Adolf llnatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Programm der städtischen Veranstaltungen Berlins zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den höheren Lehranstalten für das Sommerhalbjahr 1901. A. Vor- Th"!vio''iMl,l\''i'nxU a^B Beieu,'l,l.m'-sNv.^,.!l^, ' M,J^ h-l" üln- im Saale A der Post- und Telegraniiontchide, Artüleriestrasse H XVI. Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 259 2 Treppen. 6. Mai. 1. Uebeiblick über die Geschichte des Be louchtiingswesens. Die Fabrikation der Kcrzoii. Eiitslehmig und Leiu'htkral't der Flamme. 13 Slai. 'J. Fabrikation und Verwcndnnf; des (i.>lj:i,r„ Die ,S|..iiik.>hlrn iiihl iin;itii>ii drs ll..l/,r.s, .!.■..; Toi-IVs und der Di-aiinkulden. 20. .Mni. :'.. I »as \ ErdoLs. Üie Produkt r ilaflin^ I'etroleundampcn. Hie Fabrik,! i;ase8. 3. Juni. 4 Die Fabrik Gewinnung des Acetyleiis Dii' Benutzung des Rcgenerati\ pi im Petroleundampen. 10. Juni :<. I .seh.' Bp'nner. Die ll.-rstelliin- A X' >\ Innung des • truction der des Wasser- id.s und die t.ren. Die lii' Gas- und I )('r Bunsen- 1 1»T und die iihlirht und I.Juli. 8. F.vkursinii n.ieli rii, er linluHT Gas-Anstalt. Meldungen bei dem Unterzeielinii.n .nl. i- liri llniii Oberlehrer Dr. Liipke, N. Invalidenstr. 'JÜ. 11. l'inlVsM.i- Di. Keilhaek: Die Eiszeit in Norddcutschland (.s. unter (J. V.). B. Uebungen. III. Geodätischer Rur.sus. Der Kursus findet von Anfang Mai an ü bis 8 Sonnabcnd- Naelimittagcn statt. Die Uebungen werden im Friedrichshain und im \'iktoriai)ark abgehalten und voraussichtlich von einem Landmesser des städtischen Vermessungsamtes geleitet werden. Sie uuifassi 11 eiiu' P2rklärung und Prüfung der Messgeräthe, des Alisti'ckens von Linien und Winkeln durch Fluchtstäbe und \ViMkrls|ii.ui'l; .Me.ssungen von Linien durch Messband und Mess- lati'ii; l''l;nliiiiuiessung 1. mit Fluchtstäben, Mcsslatten und \\■illkl•l-)^K•^.'i•, 'J. durch Polygonaufnahnie unter Benutzung eines 'l'lirdil.ilili'ii. l''(stlegung eines Polvgonzuges im Anschluss an ciiicu unzugäiiglielicn Drcii'eks|iuukt und einen zugänglichen Piily,i;(in|iunkt di>i- BiTliurr Sladfvermessung. Ausführung eines rräi'isionsiiivelli'Micnts. 'rrii;iiuoinetrisi-lic Höhenmessung. Kar- tirungsuibritrii. Middiuif^i'u und .\nfragcn sind zu richten an Herrn Pr(.f.->,,i- ll,.vnr. W. Zirtcnstr. 3. IV. Glastechnische Uebungen untr,- L..ituiiu dr,, ( ilasfr, luiikers Herrn W. Niehls, N. SclKinliausei- Allee ITI. l'.ogiuu der Uebungen nach den Sommerferien an (j bis 7 Donnerstagen von 5 bis 7 Uhr. Zahl der Theilnehmer höchstens 8. Es sollen in diesem Kursus die zur Glastechnik ci forderlichen Einrichtungen und Geiäthe, sowie die Behandlung, Reinigung, Härte und Eigenschaften der Glas- röhren zur Besprechung kommen; geübt wird das Schneiden, Sprengen, Bohren, Biegen, Ausziehen, Zusammensetzen und An- setzen von Röhren (T-Röhren), sowie das Blasen von Kugeln, Sii'dekolben, Reagir- und Präparatengläschcn und dgl. mehr. Meldungen bei dem Unterzeichneten. C. Ausflüge. V. Ausflug in die Glaciallandschaft um Stettin unter Leitung des Landesgeologen llrnu Professor Dr. Keilhack zu Pfingsten l'JOl. Dem Ausfluge gehi'ii drei iikiutenide Nortilige iili.i- die Eiszeit der norddeutschen Tielidirnr \..r,nis. mit tul-end.'m 1 'i ..-inmiii : Montag den 20. Mai. Die Instorisrhe i;iitu iekeluiig drr Anscliauuugen über die Ent- stellung der lösen Ablagerungen Xorddeutsehlauds. — Die Glacial- theorie Torells. — Die Ablagerungen des Inlandeises: Grund- iiuiräiien, ICndmoränen und fluvio-glaeiale Sedimente. — Die Gliede- iiiiig der Quartärzeit in drei Eiszeiten. — Die Interglacialzeiten, ilui' Thier- und Pflanzenwelt. Mittwoch den 22. Mai. Die Ober- Hiiehenlormen Norddeutsehlands. A. Die glacialen Aufschüttungs- fuiiiien; Grundmoränenebene, Grundmoränenlandschaft, Drumlin- laudschaft B. Die fluvioglacialen Aufschüttungsformen: Sandobenen, Asar, Staubecken, Terrassen. Die Einwirkungen des Inlandeises auf den Untergrund und die dadurch geschaffenen Oberflächen- formen. Freitag den 24. Mai. Die hydrographische Entwickelung Nnnldoutselihinds. Die Entstehung der ostwestlichen Längs- und drr iLutisudlirlien Querthäler. Die Urstromthäler Norddeutschlands. Dil' .Staiisi'een. Die Entwickelungsgeschichte der heutigen Ströme. Die n.nddeutschen Seeen, ihre Entstehung und ihr Versehwinden. Die Geschichte des Ostseebeckens und die Entstehung der heutigen Küstenforinen. Die Vorträge finden an den genannten Tagen von V28 bis 9 Uhr Abends in der geologischen Landesaustalt, Invalidenstr. 44 statt. Der Ausflug dauert von Sonnabend den 25. Ins Montag den 27. Mai. Sonnabend den 25. i\Iai, R Flu- fiiih. Abfahrt vom "Stettiner Bahnhof nach Stettin (die 'riieiluebiner vrrsaiinaeln sich bis ^iS in der Vorhalle des Bahnhofs zur Euipfang- mibmc dm- P';i hi'karten). Von Stettin mit Schift" oder ßalin nach CaMdwiMh, dann zu Fugs nach Messenthin und Pölitz. Zurück iiu.b Si.tim und nach Stargard (Nachtquartier). Sonntag den 2t;. Mai tVtili von Stargard nach Ruhnow-VVaugerin, Nörenberg, Jaeobshagen, Stargard (Nachtquartier). Montag den 27. Mai früh nach Finkenwalde, Rückkehr nach Berlin. IJie Zahl der Theil- nehmer an den Vorträgen ist unbeschränkt; an den Ausflügen können 2.3—30 Herren theilnehmen. Meldungen bei dem Unter- zeichneten. VI. In den Monaten August und Septeniber: Be- sichtigung städtischer Werke unter Leitung dos Herrn Professor Heyne, an welchen Anfragen und Meldungen zu richten sind. Vll. Für die Michaelisferieu ist ein grösserer Ausflug in das Industriegebiet Westfalens und der Rheinpiovinz unter Führung des Herrn Goh.-Ratlis Professor Dr. Weeren in Aussieht gi>- nommen. Das ausführliche Programm für diese Exkursion wird nach den Sommerferien veröff'entlicht werden. Zahl der Theil- nehmer etwa 20. Meldungen bei dem Unterzeichneten. Berlin, im April 1901. Professor Dr. 0. Reinhardt, Direktor der 11. Realschule, N. 37, Weissenburgerstr. 4 a. Deutsche Gesellschaft fUr volksthümliche Naturkunde zu Berlin. — In d.^r Dmitsrbmi ( irs.dlsrbaft Hir v.dkstliiimli.die Natur- kunde herrsclit g..geiiwiirlig ein aiissrr.irdeiitlii li rrges Leben. Das beweist die grosse Zahl neu eingetretener Mitglieder, sowie auch die starke Betheiligung an allen Veranstaltungen der Gesellschaft, die sich die Aufgabe gestellt hat, naturwissenschaftliche Kennt- nisse in den weitesten Schichten unseres Volkes zu verbreiten und die Lust und Liebe zur Beobachtung in der Natur zu erwecken. Die Gesellschaft wird von dem Vorstande aufs Treft'lichste ge- leitet, der gegenwärtig aus folgenden Herren besteht: Geheimer Regicrungsrath Professor Dr. Kny, erster Vorsitzender ; Professor Dr. Jäkel, zweiter Vorsitzender; Professor Dr. W ,1 h nscli äffe, Königlicher Landesgeologe und .\btledlmigsdirigcnt tVir die geo- logischen Aufnahmen im l'dai, lilandi\ dritter \ lehrerDr. Grrif.m.sterSrbriftlVdnvr; Fn.tVssnr Sehriftfulnvr; PrulVssor Dr. 1 ' n t ,. n i r , K.iniglie erster llrisil/.rr ; Dirrkl or dm' Stm-iiwarte 11, Tre|) zweiter B.'isilzm-, CmiMil K. Sei tV it . Kassmilul K. Müllenboff. K'raUrbul Dir.'klnr, /.« eitm' I' AmS.mnIa'. dmi .; Ma, inilm-nalim d,.'(„; Führungdes lim ra Tridr^sur Dr. W a h n sc b a I ti Ausflug in dasEndmoränengebiet der Gegend vonCliurni, an dem sich 202 Personen betheiligten. Vom Bahnhote Chonu wanderte man über den Boden des alten Stausees zudem Endmoränen- wall, der sich unmittelbar hinter dem DorfeChorinchen erhebt und in geschwungenem halbkreisförmigen Bogen die Umgegend des Dorfes mit ihren Torfniederungen und dem Amtssee umschliesst Vom Kamme der Endmoräne aus boten sich schöne Aussichtspinikte auf das Vor- und Hinterland derselben. Das Mittagsmahl wurde in der Neuen und Alten Klosterschenke eingenommen, woran sich eine Besichtigung der herrlichen Ruine des Marionklostcrs anschloss. Von hier ging die Wanderung zum Theil durch schönen Buchen- wald nach den Steingruben bei Liepe, die den inneren Aufbau der Endmoränen deutlich erkennen lassen und von der Höhe aus einen klaren LTcberblick über die Hoehterrasse des alten Thorn- Eberswalder Urstromthales gewähren. Diese Terrasse mid die in dieselbe eingeschnittene jüngere Rinne des Finowkanals wurde überschritten und die andere Seite des Diluvial-Plateaus erreicdit. Vom Struwenberge aus bot sich hier ein schöner Rückblick iiber die 'nordwärts gelegenen Eiidmoräiieii Kämme von (^lionu-Liepc- Oderberg, die Hochterrasse des Tlmni-I'd.erswal.lm- l'rstromthales, die weite Alluvialebene des jüngeren ( )d.'rtlial.s, dm N.menhagener Insel mit ihrem Endmoränenkaminc und du- Kiiiii" d.'S P inow- Kanals. Im Gasthofe zur schönen Aussieht am Struwmdi -rge wurde bei schönstem Wetter der Kaftee im Frrbn mngenoimiimi uiiil sichtlich befriedigt von den schönen Laiulseliattsljildeni und d.'ii geologischen Erklärungen, die der Führer über die Oberlläclien- gestaltung und den geologischen Bau der Gegend gegeben hatte, kehrten alle Theilnehmer vom Bahnhofe Niederfinow ■■■■■■ "^■"■ Eberswalde nach Berlin zurück. orsitzeiider; Ober- Dr. PI ate, zweiter ler Landesgeologe, low Archonhold , iror. Professor Dr. :,assrntulin.r. .rlls.diart inilrr der über Falkenberg, Prof. Dr. P., Die Rhodomelaccen des Golfes von Neapel untl der angrenzenden Meeresabschnitte. Berlin. — Fischer, Bealgymn.-Oberlehr. Dr. Paul, Sedimentbildung am heutigen .Meeresboden. Leipzig. - 1 Mark. Keller, Gust. Tliiere ilrr Vorwelt. Kassel. — 1 Mark. Lindau. Kust. Priv.-Doc. Dr. Gast., Hilfsbuch tur das bammeln Naturwissenschaftliches uml Geschichtliches vom Seeberg. Gotha. - ■■! Mark. „ ,„„ t i, , 1 . Kohn Karl, u. Erwin Papperitz, Froff. DDr., Lehrbuch der darstellenden Geometrie. 1. Bd. 2. Aufl. Leipzig. - 13 Mark. Speiser, Paul, Ueber die Nyct.eribiiden, Fledermausparasiten aias der Gruppe der pupipareu Dipteren. Königsberg. — 3 Mark. Inhalt: Dr. P. Dahms: Der Biber. — Ueber ein Mardernest Astronomische Spalte. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. unterm Dach - Auf dem Meeresspiegel schwimmende Schiefer. — — Liste. 260 Natuiwissenschaftliclie Woclienschiü't. Dr. Robert Muencke : Luiseustr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. X » Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate « ♦ und Geräthschafton im Gesammtgcbiote der Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Dfiminlers Terlagsbuchhandlung in Berlin SW.12. Soeben erschien: Eine mechanische Theorie der Reibung in kontinuierlichen Massensystemen. Dr. Arthur Korn, l'rivatilozuul au iler k. riiivcisilat Müiichcu. Mit 5 in den Te.vt gedruckten Figuren. 331 Seiten gross Octav. 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Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 *''-. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständigei- Quellenangabe gestattet. Der Biber. (Fortsetzung.) Das Fell des Bibers trägt zwei Arten von Haaren; (las längere Oberhaar ist am Grunde heller und derb, das Unterhaar dagegen sammtartig weich. Dadurch kommt eine Pclzfarbe zu Stande, welche hauptsächlich zwischen schwarzbraun und hellgrau spielt. Die gewöhnliche Farbe ist matt hellbraun, gemässigt durch das durchschimmernde Grau des feinen und seidenartigen Wollliaares, welches seinerseits an der Wurzel mehr silberfarben, gegen die Spitze bin mehr braun abgetönt ist. Die allgemeine Fär- bung geht bald mehr in das Schwarze, dann in das Graue, das Gelbliche oder mehr ins Röthlich weisse; weisse oder bunte Felle, welche weisse und röthliche Fiecknng aufweisen, sind dagegen sehr selten. Die Färbung der Unterseite ist heller. Albinos sind bisweilen in der Beresina angetroffen worden. Ein Balg von schneeweisser Farbe und äusserst zarten Haaren wurde nach Dresden an das königliche und kurfürstliche Museum als Rarität gesandt.*) Die verschiedene Färbung des Felles hat Veranlassung zu einer eigenartigen Werthschätzung und zur Entstehung einer Reihe eigenartiger Märchen gegeben. Gessner theiit uns mit, dass der Balg um so höher geschätzt werde, je dunkler er gefärbt sei. Nach Hellwing''*) berichten die Jäger, dass die schwarzen Biber in Strömen hausten, die röthlichcn und braunen aber in Brüchen. Dann sollten aber nach anderen die Männchen schwarz, die Weibehen aber braun gefärbt sein. Bock***) macht dieselben An- *) Ruaczynski, P. Gabriel: Auctarium historiae naturalis ■cnriosae regni Poloniae, magni tlucatus Lithuaniae, annexariiinniio provinciarum. Gedani 1745. Punctum Vltl. 4. S. 308. ■ •■ ) Kauoki, .Johann: Curii'Use und nutzbare Anmerkungen von Natur- und Kunstgeschichten. Supplemontum 1. Buddissiui i7'2ri, Artic. y. Ausführliche Relationes von den Bibern, nebst deren anatomischen Section, und vom Bibergeil. S. 97. **^) Bock, Friedr. Sam.: Versuch einer wirthschaftliclien Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und Westpreussen. Bd. 4; Dessau 1784. S. 72. I gaben und fügt hinzu, dass der Pelz vorzüglich warm und schön, aber sehr schwer sei und zu Wintermützen und Muffen verarbeitet werde. Wegen seiner Schwere sei er deshalb auch nicht in roher Form beliebt; er werde erst verwendet, wenn man ihn von seinen längeren Haaren befreit hätte. Nach den Angaben von Jonston*) und Rzaczynski**) sind die Thiere sogar je nach ihrem Pelze verschieden benannt worden. Diejenigen, welche sich durch die Vortrefflicbkeit, Weichheit und Schwärze ihres Felles auszeichneten, gaben werthvollere Bälge, die denen des Zobels gleichgeschäzt wurden, und führten die Be- zeichnung Nobiles oder Domini. Diejenigen von mehr röthlieher Färbung lieferten minderwerthige Pelze und hiesseii Servi oder Rustici. Wie bei vielen Jägermärchen , liegt auch dieser Benennung eine bestimmte Beobachtung zu Grunde. Bauen die Bieber doch dort, wo ihrer Lebensweise sich keine Hemmnisse bieten, ihre Hütten und Dämme und leben vollkommen ihrer Natur gemäss. Müssen sie sich den Verhältnissen anpassen, so hausen sie in einfachen Höiilen und führen ein kümmerliches Dasein. Das Fell ent- wickelt sich, was Farbe und Dichtigkeit betriftt, nicht zu der sonstigen Schönheit, und bei der Bewegung in den engen Erdhöhlen wird das Haar auch sonst wohl sich nicht so entwickeln, wie bei den hüttenbauenden Thieren. Auch in grösseren Colonieen finden sich Biber, die schlechteres Raucbwerk liefern. Es sind das Griesgrame, wie man meint, träge, alte oder verwittwete Thiere, wahrscheinlich aber wohl kranke Exemplare, welche für sich allein hausen und ebenfalls in Höhlen leben. Der Jäger hat in seiner Phantasie das, was er sah und zu sehen meinte, verschmolzen und zu eigenartigen Fabeln abgerundet. *) Jonstonus, Joannes: Historiae naturalis de quadrujiedibus libri. Francofurti ad Moenum. Art. III, Cap. VII. S. 150. **) 1. c. S. a07. 262 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Ni Albertus Magnus hat dieselben theilweise zuerst, wie folgt, berichtet. Wohnen viele Biber am Wasser und ist nicht Holz genug zum Anlegen der Bauten vorhanden, so ziehen sie iu das nächste Gehölz, legen einen aus ihrer Schaar auf den Rücken, strecken und binden ihm die Beine, so dass er ungefähr demObertheile eines Frachtwagens gleicht, laden Holz auf, soviel der Liegende nur zu tragen ver- mag, und ziehen ihn am Schwänze dorthin, wo sie das Holz verwenden wollen. Eine derartige Behandlung eines der Ihren muss den Bibern schimpflich scheinen, deshalb verwenden sie zu dieser Verrichtung keinen, der einheimisch ist oder aus dem Nachbargebiete stammt. Sie suchen dazu vielmehr einen, der aus anderen Landen verjagt wurde und sich bei ihnen eingenistet hat. Dieser vermag ja mehr Schmach als andere zu erdulden, weil er keinen Beistand und keinen Vertheidiger besitzt, und diesen Dienst leisten muss, weil er die Weideplätze mit ihnen theilt. — Andere Schriftsteller weisen diese Behandlung der Biber den Fremdlingen gegenüber zurück; sie theileu uns mit, dass die alten Thiere, deren abgenutzte Nagezähne nicht mehr zum Fällen der Bäume verwendet werden kön- nen, sich in dieser Weise ihren Genossen nützlich machten. Biber, die der- artige Arbeit verrichten, haben — wie die Jäger berichten — einen ab- geschabten Rücken, der ganz schwielig und dick- häutig ist. Deshalb, aus Mitleid, lassen sie der- artige Geschöpfe wieder frei, wenn sie solche fangen. Dieses hat, so fährt Gessner fort, Al- bertus Magnus von Jägern gehört, und da Ülaus Magnus diese Meinung bestätigt, so ist sie „fast der Wahrheit gleich" zu achten. Im Laufe der Zeit haben diese Anekdoten verschie- dentlich Abänderungen erfahren, welche freilich nicht immer dazu angepasst sind, den Kern der Sache blosszu- legen. So erzählt Kulm*), wie es scheint, freilich mit Vorbehalt, dass der Biber seine „Gattin" auf den Rücken lege, mit Holz belade und am Schwänze nach Hause schleife. Noch weiter schweift Jonston**) von den zu Grunde liegenden Thatsachen ab. Nach ihm sammeln die Thiere, welche als Sklaven gelten, Früchte und Rinde ein. Diese Ernte wird auf den Rücken zweier anderer Arbeitsthiere, welche gemeinsam einen aus Reisern her- gestellten Korb tragen, geworfen und von diesen heim- getragen. Die Fabel von diesem eigenartigen Holztransporte mag auch dadurch leichter glaubwürdig geworden sein, dass beim Schleppen des Holzes bei der natürlichen Art der Beförderung auf dem Boden Spuren zurückblieben und dass die Einsiedler oft, vielleicht iu Folge von Para- siten, einen kahlen Rücken haben. Auf der Karte des Olaus Magnus sehen wir ein derartiges Fortschaffen des Holzes dargestellt, wobei freilich das als Fuhrwerk dienende Thier nicht am Schwänze, sondern am Kopfe vorwärts gezogen wird.''-**) Ausser zur Herstellung von Pelzen und Muffs wurden *) Kanold: 1. c. S. 102. **) 1. c. S. 149. ***) Brenner, Oskar: Die echte Karte des Olaus Magnus vom Jahre 1539. Christiania. A. W. Brögger's BucLdruckerei. 1886. Holztransport der Biher nach der Karte des Ol die Bälge auf Hauben und Mützen verarbeitet. Die- jenigen, welche der Schlag getroffen hat, tinden „eine gute Artznei daran", wenn sie sich mit den Fellen be- kleiden. Stiefel aus den Bälgen sollten gegen Podagra helfen. Dem Biber ist wegen seines Felles auch seit frühen Zeiten nachgestellt worden; bestanden während der nordisch-arabischen Zeit doch bereits recht rege Handels- beziehungen zwischen den slavischen Völkern uud den Arabern, und wurden bei dieser Gelegenheit unter den gewünschten Producten der Ostseeländer doch be- deutende Mengen von Biberfellen nach dem Oriente aus- geführt. Auch später, zur Ordeuszeit, wurden sie auf den Markt gebracht und feilgeboten. So sandte der Hoch- meister Conrad von Jungingen zum Weihnachtsfeste 1402 jedenfalls auf den Danziger Markt uud Hess für 22 m (= 286 Mk.) Biberbälge (beberbeige) einkaufen.*) Zur Hansa-Zeit kamen die Felle dann als bevere, bever- wamme, pelles castorini in den Handel.**) In letzterer Zeit kommen die Felle vorzugsweise als fette, trockene und frische in den Handel.***) Die voll- haarigsten, schönsten und feinsten sind die Winter- oder frischen Felle (Per- gamentbiber) und die der zwei- bis dreijährigen Thiere. Der Winterbiber führt auch den Namen Moskowitischer Biber, weil er zu grösseren Mengen gesammelt und dann nach Moskau ge- schickt wurde, andere meinen, auch deshalb, weil er so schön wie der russische sei; bei seinem vollständigen Haar ver- wandte man ihn vorzugs- weise zu schönen Unter- futteru. Die trockenen, mageren oder Sommerfelle können für gewöhnlich nur vom Hutmacher mit Vortheil verwendet werden. Sehr geschätzt sind auch die fetten oder Pelzbiber. Diese sind von den nordamerikauischen Eingeborenen bereits, mit den Haaren uach innen, getragen und von ihrem Schweiss und ihren Ausdünstungen gleichsam durch- drungen. Obgleich sie bereits gelitten haben, stehen sie in hohem Ansehen; man meint nämlich, dass sie weniger als die anderen von den Motten angegriffen würden. In früherer Zeit wurden sie auf Hüte verarbeitet. Schliess- lich unterscheidet man noch Seidenbiber mit schönen braunen, glänzenden und weichen Haaren; „sie heissen auch Fischotter- oder Seehundsfelle." Die Zahl der jährlich zum Verkaufe gestellten Felle wuchs später in manchen Jahren bis auf ungefähr 150000 an. Nach Schulz sollen in manchen Jahren aus Amerika sogar 160 000 ausgeführt worden sein; Leunisf) giebt die Zahl der jährlich in den Handel komniendrn Felle *) Das Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399—1409. Herausgegeben von Archivrath Dr. Joachim. Königsberg i. Pr. Verlag von Thomas und Oppermann. 1896. S. 216. **) Stida, Ludwig: Ueber die Namen der Pelzthiere und die Bezeichnungen der Pelzwerksorten zur Hansa-Zeit. Altpreuss. Monatsschrift. 24. Band. Königsberg. 1887. S. 626. ***) Kopezki, Benedikt: Naturgeschichte der Thiere in^ ihrer Anwendung auf Handel und Gewerbe etc. Wien. 1851. S. 189. — Schulz, Johann Heinrich: Fauna Marchica. Berlin 1845. Eyssen- hard'sche Buchliandlung, S. 44. t) Leunis, Johannes: Synopsis der Thierkunde. Umge- arbeitet von Ludwig, Hubert. Hannover 1883. Bd. I. S. 216. Magn XVI. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 263 auf 150 000 an. Genauer werden wir von Altum') über diese Werthe unterrichtet. Er zeigt an einer Tabelle aus Zahleuwerthen für die Zeit von 1860 bis 1871, dass in London von der Hudsonbay-Conipagnie und in sonstigen Auctionen im ganzen, d. h. für die ganze Zeit, 1 830 847, also jährlich über 152 570 Felle im Durchschnitt ver- steigert wurden. Um 1871 schienen diese Zahlen nicht abzunehmen, sondern vielmehr zu steigen; die Zahl für 1871 betrug sogar 229 322. Daraus wollte Altum den Schluss ziehen, dass an eine bedeutende Verminderung oder gar beginnende Ausrottung vor der Hand noch nicht zu denken sei (1876). Die gün.stigen Zahleuverhältnisse versuchte er darauf zurückzuführen, dass in Amerika eine zweckmässige Anordnung der Jagden, VorvoUkomnmung der Jagdmethoden, Schusswatfen, Instrumente, besonders der Netze vorläge. Wie wir heute wissen, geht jedoch auch in Amerika bereits der Biber seinem Untergange entgegen. Aus den ersten Jagdzügen und dem kleinen Handel, welchen die ersten Missionäre Nordamerikas neben ihren Bekehrungsversuchen betrieben, erwuchsen jene gewal- tigen Verbände, welche den Biberfang und das Sammeln von Biberfellen im grossen betrieben. Die wichtigsten Forts für diesen Pelzhandel waren Quebec und Montreal. In den Preisverzeichnissen (staudarts) dieser Vereinigungen fand man nicht nur den Werth aller Waaren, welche zum Eintauschen verwendet wurden, sondern auch den Werth aller anderen Felle durch Biberbälge angegeben, sodass das Biberfell, so zu sagen, die Wertheinheit Nordamerikas in der damaligen Zeit darstellt.*'') Ungefähr 1777 berichtet uns d'Auberton,***) dass bei der Menge der Biber in Nordamerika, von denen bis zu 18 000 jährlich gefangen werden sollten, nicht nur die Franzosen mit den Bälgen einen regen Handel trieben, sondern dass auch in England eine sogenannte Biber- Compagnie bestände. Dieselbe war vom Prinzen Rup- recht gestiftet und zog von diesem Handel grosse Vor- theile. Eine andere Gesellschaft bestand damals in Frankreich, welche sonst auch „die Compagnie von Kanada" hiess, und eine dritte in Archangel. Diejenigen Bälge, welche wegen ihrer weniger guten Behaarung zum Hutniacher wanderten, kamen später nach Beraubung ihrer Haare zu den Täschnern; hier wurden sie zum Beschlagen von Koft'ern und Reisekasten, oder von Schuhmachern zur Herstellung von Pantoffeln ver- wendet. Die Indianer stellten aus den enthaarten Fellen Mokassins, Fausthandschuhe, Lederstrümpfe, Lenden- und Schultergürtel, Feuerzeugbehälter, Köcher, Riemen und wahrscheinlich auch — wie ihre Brüder in den Büffel- Distrikten aus Büffelfell — Zeltdecken her. Die Haare selbst sind in der verschiedenartigsten Weise verwendet worden. Die Grannenhaare erreichen ungefähr eine Länge von 3,9 cm, die seidenweichen Wollhaare dagegen nur eine von 2,6 cm. Die Grannen- haare erinnern an die Haare des Fischotters und wurden auf Handschuhe, Strümpfe, Tücher, Malerpinsel ver- arbeitet. Dagegen wurde das feine Wollhaar zur Her- stellung eines Filzes für Castorhüte sehr geschätzt. Das Tragen von Hüten, Mützen und Hauben aus dem Felle oder den Haaren des Bibers hat eine kultur- geschichtlich interessante Eutwickclung gehabt. Selbst- verständlich waren die ersten derartigen Stücke aus Fell und erst später aus den Wollhaaren allein gefertigt; sie wurden seit Alters deshalb gepriesen, weil sie Kopf- *) Altum, Bernard: Forstzoologie. I. Säugethiere. Berlin. Julius Springer. 1876. S. 115, 116. **) Martin: 1. c. S. 102 ff. ***) V. Bufi'on: Naturgeschichte der vierfüssigen Thiere. Mit Vermehrungen aus dem Französischen übersetzt. Berlin. 1777, Bd. V, S. 174. sehmerzen, Vergesslichkeit u. s. w. beseitigen sollten. Auch hier haben wir in derartigen Lobpreisungen und Vorschriften nach den Fingerzeigen der Natur zu suchen, welche solche Wunderkräfte in die Hauptbedeckung des Bibers gelegt hat. Der Kunstsinn dieses Thieres gab Veranlassung, ihm Ueberlegung und Denkvermögen zuzu- schreiben. So nahm man an, „dass jede Colonie oder Repubhk Biber ihren Präsidenten, jeder Stamm seinen Aufseher, die ganze Baugemeinde ihren Baudirector habe u. A. m.'*) Die Burgen sollten verschiedene Räume zum Essen, Schlafen, Aufspeichern von Vorräthen und anderen Zwecken enthalten, Fenster besitzen, sodass man das spöttische Worte Hearues**) seiner Zeit (1772) wohl ver- stehen kann: es sei soviel über den Biber zusammen- getragen worden, dass wenig mehr hinzuzufügen sei als sein Wörterbuch, sein Gesetzbuch und ein Ueberblick über seine Religion in allgemeinen Zügen. Auch das ver- mnthete, regelmässige, senkrechte Einrammen von gleich- langen, zugespitzten Pfählen als Kern der über die Fluss- läufe gezogenen Dämme, welche auf manchen Bildern ein zierliches Geländer tragen, sowie der Gebrauch der Kelle, d. i. des Schwanzes als Bau- und Handwerkzeug, die streng geordnete Vertheilung der Arbeit unter einzelne Gruppen u. s. w. Hess in ihm eine ungewöhnliche Menge geistiger Kräfte annehmen. Deshalb war es ersichtlich, dass man unter der Biberhaut — also zum Theil in einen Biber verwandelt — wenigstens theilweise an den Gaben, welche der Schöpfer diesem Thiere so reichlich gespendet hatte, theilnehmen konnte. Diese Vermehrung der eigenen Geisteskräfte musste alle „Kopfschwachheiten" hindern oder gar beseitigen. Die aus dem Haare gefertigten Hüte werden bei ihrem geringen Gewichte, das bis auf 42 g hinabgehen konnte, und ihrer Durchlässigkeit dagegen wohl recht bequem und gesundheitlich vortheilhaft gewesen sein. Es ist interessant, dass das Marienburger Tresslerbuch'**) diese Hüte und zwar an drei Stellen erwähnt; je nach der Herkunft derselben war der Preis verschieden, die russischen waren ungefähr 3V2 mal so theuer als die heimischen. Die Herstellung solcher Hüte hat mit dem Auf- kommen des Seidenlilzes und der Cylinderhüte bedeutend nachgelassen. Ein Fell gah im Durchschnitte 750 bis 875 g Haare, und je nach der Feinheit derselben hatte ein kg davon den Werth von 40 bis 100 Mk. Mit der Feinheit wuchs auch der Preis der Hüte, sodass im Jahre 1663 ein guter Biberhut in England nach unserem G-elde etwa 85 Mk. kostete. Die Nachfrage nach Castor- hüten ist in letzterer Zeit zurückgegangen, so dass die Verfolgung des Bibers nicht mehr so lohnend ist, wie früher, und die Hudsonbay- Compagnie hat deshalb wohl auch in neuester Zeit (1892) verschiedene ihrer vorge- schobensten Posten eingehen lassen. Gebrannte Biberhaare wurden, wie d'Auberton sehreibt, noch vor ungefähr 100 Jahren gegen Nasenbluten ver- ordnet. Unser Thier wurde, wie bereits erwähnt, von den Germanen auf dem Loehenstein in Schwaben den Göttern geopfert; ein halbes Jahrtausend nach den weihevollen Ceremonieen und Gebeten der Sehwabenpriester finden wir den Biber als beliebte Fastenspeise der Mönche des Klosters zu St. Gallen wieder. Wir erfahren Näheres darüber aus den „Benedictiones ad mensas", den Tisch- *) Müller, Adolf und Karl: Wohnungen, Leben und Eigen- thümlichkeiten in der höheren Thierwelt. Leipzig. Otto Spamer. 1869. S. 182. , . A r **) Samuel Hearnes account of the beaver etc. Appendix B zu Martins Castorologia (1. c.) S. 224. ***) 1. c. S. 495. 506. 264 Naturwissenschaftliche Wocheuschrift. XVI. Nr. 23. gebeten und Speisesegnungen, welche Ekkehard IV, der Verfasser des Waltariliedes, aufgezeichnet hat. In diesem vor nahezu 900 Jahren niedergeschriebenen Verzeichniss lernen wir alle Thieie, welche auf die reichbesetzte Tafel des berühmten und mächtigen Klosters kamen, sowie ihre Zubereitung kennen. Hier ist denn auch dem Biber ein Vers des Inhaltes gewidmet: „Gesegnet sei des tisch- ähnlichen Bibers Fleisch." Anfangs des 15. Jahrhunderts hören wir bei Gelegenheit des Costnitzer Concils (1414 bis 1418) wieder, dass der Biber auf die Tafel kam, und zwar aus der „Ordnung und Tax der Essenspeisen"; dort heisst es: „Biber, Dachs, Otter — Alls gnug."*) Auch die Missionäre, welche das neu entdeckte Amerika auf- suchten, nahmen das Fleisch des Bibers in die Reihe der Fastenspeisen auf. Immer folgte man der dunklen Vor- aussetzung, dass dieses Thier Fische verzehre und des- lialb selbst ein Fisch sei. — Doch nicht überall und zu allen Zeiten hat man das Fleiscli besonders geschätzt. Nach Gessner gehen die Meinungen über diese Speise auseinander; während Rzaczynski mit v. Schöneveld diesem Gerichte, welches sie als fest und dem Braten eines feisten Rindes nahekommend schildern, einen hässlichen Ge- schmack zuschreiben, rühmen Angaben aus der neueren Zeit seinen Wohlgeschmack. Das absprechende Urtheil ist jedenfalls in den meisten Fällen auf falsche Zuberei- tung zurückzuführen. Das Fleisch hat nämlich, wahr scheinlich in Folge der Rindennahrung des Thieres, einen eigenartigen Geschmack, den ausserdem noch ein unan- genehmer Geruch begleitet. Durch Sieden und nachträg- liche Zubereitung in offener Pfanne sollen diese wenig schönen Eigenartigkeiten sich verlieren, so dase der Braten nur gelobt werden kann. Bei dem amerikanischen Biber, dessen Nahrung freilich anders zusammengesetzt ist als die seines europäischen Artgeuossen, hat man frei- lich das Fleisch nur loben gehört. Biberbraten durfte deshalb auch bei keinem Bankett des Biberklubs in Montreal fehlen. Den Braten schildert man als zart und in seinem Geschmack an Schweinebraten erinnernd. Seine Zurichtung wurde in früherer Zeit in dem Felle des Thieres selbst gemacht; eine Methode, welche sich bis in die letzte Zeit hin erhielt, nur dass man zum Rösten in dieser Weise den werthloseren Sommerbiber wählte. Nach d'Auberton '*) wurde das Fleisch in katholischen Orten von den Klöstern, besonders von den Kartheusern, welche gar kein Fleisch essen durften, gern angekauft und ein schmackhaftes Essen daraus bereitet. Am Spiesse ge- braten, soll es ohne weitere Zubereitung geniessbar sein. Die Wilden Amerikas wissen es durch Räuchern und Trocknen zu conserviren, so dass es sich bequem aut- bewahren lässt. Verhältnissmässig viel Mühe hat es seiner Zeit ge- niaclit, dem Biber im System des Thierreiches den rechten Platz anzuweisen, d. h. zu entscheiden, ob dieses Thier den Fischen zuzurechnen sei oder nicht. Die medicinische Fakultät zu Paris hat zuerst den Schluss dahin forraulirt, dass man den Biber als Fisch anzusehen hätte, und der Clerus nahm deshalb keinen Anstand, ihn ganz oder theilweise statt der Fischspeisen während der Fastenzeit als Speise freizugeben. Zu ähn- lichem Ergebnisse kam der Rechtsgelehrte Noe Meurer, welcher einstmals in seinem Jagd- und Forstrechte be- hauptete, dass der Fischotter nicht zur Jagd, sondern als ein bloss von Fischen lebendes Amphibium zur Fischerei *) Girtaiiner, A.: Geschichtliches und Naturgeschichtliches über den Biber (Castor Fiber L.) etc. Bericht über die Thittig- keit der St. Gallischen natnrw. Go.s. während des Vereinsjahres 1883/1884. St. Gallon. 1885. 8. 124 ff. **) V. Buffou: 1. c. S. 177. 178, gehöre.'') Da man den Biber in früherer Zeit für ein von Fischen lebendes Geschöpf hielt, so Hess sich seine Zu- gehörigkeit zu diesen in entsprechender Weise begründen. Thatsächlich haben im Kalender der Kaitheuser Otter und Biber neben einander als Fisch während des Fastens paradirt. In ähnlicher Weise haben wir uns die Nennung dieses Nagers in von Schoenevelds Ichtyologie''*) zu er- klären: wir finden ihn hier in der eigenartigen Gesell- schaft der verschiedenartigsten Fische wieder, denen aber auch Otter, Wasserratte, Wal, Seehund, Schildkröte, Krebs und Frosch zugerechnet sind. Später freilich hat man eine Einengung der Fischnatur beim Biber für nöthig erachtet. Man sah ihn am Rande der Gewässer, mit dem Schwänze im Wasser, abgebildet; man bemerkte, dass der Schwanz wie bei einem Karpfen mit schuppigen Gebilden bedeckt war, und hörte das Märchen, dass das Thier sterben müsse, sobald es sein Körperende nicht mehr ins Wasser bringen könnte; des- halb, erzählte man, habe das Thier am Wasser Häuser mit kleinen Treppen und klimme — wie schon erwähnt — auf und nieder, je nach dem Wasserstande, um nur den Zusammenbang mit dem nassen Elemente nicht zu verlieren. Es äusserte sich in diesem Thiere also ein „Zwiespalt der Natur", und so wird dann gelegentlich besprochen, wo das Landthier aufhöre und der Fisch anfange. Bald sah man die Grenze durch das Zwerch- fell gegeben, bald durch die Nieren oder ein ganz be- stimmtes Rippenpaar; in letzter Zeit nahm man allein den Schwanz mit den anhängenden Hinterbeinen, welche be- kanntlich im Gegensatz zu den vorderen Schwimmhäute tragen, als fischartig an, während man den vorderen Theil aus der Reihe der zur Fastenzeit gestatteten Speisen ausschloss.*'"'') Der Schwanz hat ungefähr eine Länge von 30 cm, eine Breite von 15 cm und 5 cm Dicke; sein Gewicht erreicht unter Umständen 2 kg. Das Innere besteht in frischem Zustande aus einem rosa gefärbten, fettigen Bindegewebe, welches in seinem Aussehen an Lachstlcisch erinnert. Dieses ist von einer grossen Anzahl von Sehnen durchzogen und wurde, als das beste Stück des Thieres, zur llerstelhmg einer leckeren Speise verwendet. Wie Forer"|") uns mittheilt, wurden Schwanz und Hinterfüsse gewühniich in gelber Brühe gekocht. Er sehreibt: „Es ist ein liebliches, süsses, zartes und gar feistes Essen drumb, gleichwie umb ein hartes Fett oder Speck, und eben wie ein Aal und Hausen. Aber man muss dasselbe auch erst sieden, ehe man es sonst zubereitet, jedoch nicht gar, sondern nur etliche Walle darüber gehen lassen." Er fügt hinzu, dass Schleckermäuler auch gern die Haut zwischen den Zehen verzehrten und dass das J^leisch da am geschmackvollsten sei, wo es eigentlich als Fleisch nicht mehr angesehen werden könnte, denn der Schwanz und die hintern Extremitäten seien mehr Fisch als Fleisch: deshalb dürfe man auch zur Fasten- zeit davon essen. Einige brieten auch die Biberkelle und bereiteten sie stets mit Ingwer, andere sotten ihn und machten dann eine Pfeffer- oder scbwary.e Brühe darüber. Nach Frank legt man ihn „einige Tage in Essig, zieht die Haut ab, siedet und bratet ihn geschickt mit Speck, Nägelein und Citronenschalen, schmort ihn auch in weissem Wein mit Ingwer, Pfeffer, Zimmt, Co- *) ßujack, J. G.: Was Johann Sigismund, Markgraf zu Brandenburg etc., von 1612— IGl!) an allei-lei Wildpret geschlagen und gefangen. Preusa. Prov.-Bl. Königsberg. 1839; Bd. 21, S. 253. **) V. Schoeneveld, Stephan: Ichthyologia et nomenclatura animalium marinorum, fluviatilium, lacustrium etc. Hamburgia. 1624. ***) Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey- Händler etc. Leipzig. 1717. S. 489. t) Foror 1 c. S. 43. XYT. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrüt. 265 rintheii, Mandelu und Safran." Nach Jonston*) hat der gut zubereitete Schwanz den Geschmack einer Muräne, und Gessner zieht ihn dem Fleische von Thunfisch oder Aal vor. Wie sehr dieses schmackhafte Gericht gescliätzt wurde, zeigt uns eine Eeihe von Daten. Unter den ver- schiedenartigsten Gaben, welche dem Hochmeister des Deutschen Ritterordens bei seinen Reisen durch das Land dargebracht wurden, fehlt auch der Biberschwanz (beberzäyle = Biberzagel) nicht; und wie hoch der Meister dieses Geschenk anschlug, zeigt uns die Grösse der Gegengabe. Er Hess dem Geber eine Mark, nach unserem Gelde etwa 12,30 Mark, aushändigen. ■■■) In Bayern mussten im 16. Jahrhundert die Küsse und Schwänze der Biber an die fürstliche Hofküche abge- liefert werden, wofür dem Jäger 15 Kreuzer und die Haut zugestanden wurden.*'*) Doch nicht nur in diesem Jahrhundert galt, wie einige meinen, die Kelle als Lecker- bissen, sondern auch späterhin. Nach Angaben von Frank wurde der Schwanz um 1685 in den Klöstern mit je 6 Gulden bezahlt, und als der König Stanislaus von Polen sich 1734 mit seinem Gefolge in Königsberg auf- hielt, liess er sich mehrere Male einen derartigen Braten mit den daran hängenden Hinterbeinen zubereiten. Der dafür gezahlte Preis betrug einen, doch auch zwei Du- katen.!) Es wäre nunmehr noch zu erwähnen, inwiefern der Schwanz dem Thiere von Nutzen ist. Offenbar leistet er dem Biber bei seinen Bewegungen im Wasser die besten Dienste, doch bereits seine Bezeichnung als „Kelle" deutet auf eine in früherer Zeit gemuthmaasste Ver- wendung dieses Apparates hin. Der Biber sollte sich nämlich desselben zum Feststampfen und Anstreichen von Lehm und Schlamm bei der Herstellung seiner Hütten und Dämme bedienen. Auch v. Buffon wieder- holt diese Angabe, ja sogar Neuenbürg, der uns sonst so werthvolle Angaben über dieses Tliier macht. ff) Sein Gewälu'smann hat freilich mehrmals den unverkennbaren Eindruck vom Schwänze auf dem Lehmmörtel gesehen, (loch scheint es geraten, diese Frage so lange in der Schwebe zu lassen, bis der Biber einmal bei dieser eigenartigen Arbeit überrascht wird und uns somit auch die geringste Veranlassung zu weiterem Zweifel ge- nommen wird. Aus der Zeit, wo mau im Biber ein sich von Fischen ernährendes Raubthier erblickte, stammt so- gar die Fabel, dass die Kelle als Angelruthe benutzt werde. Amman und Bockspergei'ftf) geben uns in ihrem Thierbuche eine Abbildung von diesem Thiere, wie es sich beim Fischen befindet, und setzen darunter neben anderem die Verse: „Sein Schwantz hengt er ins Wasser nein, Damit er fehet die Speise sein." In wiefern sonst noch Theile des Bibers Verwendung fanden, sei in folgendem angedeutet. Das Blut wurde als das beste Heilmittel gegen Epilepsie gepriesen, doch auch zu verschiedenen anderen Zwecken gebraucht. Auch das B^ett war officinel; es wurde ausgeschmolzen und gegen Nervenkrankheiten, Gliederreisscu, Krampf u. s. w. warm applicirt. Die Indianer stellen aus dem Fette eine Salbe dar, welche viele heilkräftige Eigenarten haben sollte. Unter anderem sollte sie die Stellen des Körpers, *) I. c. S. 149. **) Marienburger Tresslerbuch: 1. c. S. 539. ***) Friedrich, H.: Der Biber an der mittleren Elbe- Dessan. 1894. Paul Baumann. S. 14. t) Bock: 1. c. S. 72. tt) Neuenbürg: 1. c. S. 56. ttt) Amman, Jost und Bockspirger, Hans: Thierbuch etc. Franckfurt am Mayn. 1579. welche der kalten Luft ausgesetzt waren, auch bei dem stärksten Froste vor dem Erfrieren schützen. Ebenso verwendete man Harn und Lab in der Medicin, des- gleichen die Asche des Felles und der Haare. Der Harn galt als Gegengift, wahrscheinlich im Hinblick auf das Castoreura, das ja zu demselben Ziele angewendet wurde. Um die Haare gegen Nasenbluten zu verwenden, drehte man sie nicht etwa zu Tampons zusammen, sondern brannte sie in Asche und stellte aus dieser mittels Harz und Lauchsaft Kugeln her, welche man vorkommenden Falls in das Nasloch steckte. Eine eigenartige Ver- wendung erfuhr noch die Kniescheibe, welche vor Fuss- schmerzen schützen sollte. Diese wenigen Daten geben keineswegs ein erschöpfendes Bild von der bedeutsamen Stellung, welche der Biber früher in der Heilkunde ein- nahm, doch gewähren sie uns einen allgemeinen Eiublick in die Art und Weise, wie ein Geschöpf mit allen seinen Theilen heilkräftig dem Menschen dienen konnte. Die biberartigen Thiere stehen unter den Nagethieren deshalb isolirt da, weil bei ihnen Penes resp. Vagina gemeinschaftlich mit dem Darm in eine Kloake münden. Während deshalb auf der einen Seite jeder äussere Ge- schlechtsuntcrschied fehlt, sind andererseits Präputial- drüsen, d. h. Ausstülpungen der Vorhaut vorhanden, welche die beiden Geschlechtern gemeinsamen Castor- säcke darstellen.*) Diese Gebilde wurden früher für Testes gehalten und als solche auch ausführlich be- schrieben. Während bereits Albertus Magnus bemerkt, dass Geilen mit Hoden nichts zu thun hätten, erwähnt Andr. Hellwing**) 1726 die seltsame Eigenart der Biber, dass beide Geschlechter Hoden hätten, wie auch Ijei beiden Geschlechtern das Castoreum oder Bibergeil an- getroffen werden könne; das wirkliche Geschlecht könne deshalb bei diesem Thiere nur mit Hilfe der Anatomie festgestellt werden. Die Geilsubstanz ist ein im frischen Zustande gelb- liches, halbflüssiges oder salbenartiges Sekret von eigen- artigem, an Carbolsäure erinnerndem Geruch. Es kommt, im Schatten oder im Rauch getrocknet, in den Handel und besitzt nunmehr eine bald hellere, bald dunkelere braune Färbung. Das Gefüge ist homogen und durch die Bildung sich schuppig absondernder Aggregate be- dingt. Dieses früher wegen seiner Wirkung auf das Urogenitalsystem und wegen seiner krampfstillendeu Wirkung in der Pharmacie verwendete Mittel hat in der letzten Zeit mehr und mehr an Bedeutung verloren; aus der deutschen Pharmacopöe ist es verschwunden. Wegen seines hohen Werthes wurde es vielfach verfälscht. Da aber Farbe und Consistenz nach dem Himmelsstriche, in dem der Biber lebt, sowie nach den Nahrungsmitteln und dem Alter wechseln, so war eine solche Täuschung schwer nachzuweisen. Während uns gelegentlich die Merkmale mitgetheilt werden, mittels derer man echtes Geil von seinen Nach- ahmungen unterscheiden kann, muss erwähnt werden, dass der Biber noch zwei weitere Säcke bei sich trägt, welche gelegentlich ebenfalls als Geilbeutel bezeichnet werden. Es sind dieses die Analdrüsen, welche wegen ihres öligen Exkretes „Oelsäcke" heisseu. Was zunächst den Nutzen der eigentlichen Geildrüsen für das Thier selbst angeht, so gehen die Meinungen darüber auseinander, jedenfalls ist ihre Bedeutung in dieser Richtung noch nicht genügend erkannt. Früher gab man meist an, dass der Biber den Inhalt dieser Drüsen mit den Füssen niederdrücke und bald zur Er- j *) Eckstein, Karl: Forstliclie Zoologie. Berlin. Paul Parey. I 1897. S. 127. I **) Kanold: 1. c. S. 98. 266 Natarwissenschaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 23. regung des Appetits davon geniesse, bald sich im Winter davon nähre, baUl sich damit einöle, um das Eindringen des Wassers in den Körper zu verhindern. Der letztere Erklärungsgrnnd ist wohl ohne weiteres auf eine Verwechslung mit den Oelsäcken zurück- zuführen, dagegen sei die Ansicht des Danziger Pro- fessors Kulnv-) angeführt, welcher die Frage nach dem Zwecke des Geils bereits mit Hilfe des Experimentes beantwortet wissen wollte. Er erwähnt 1726, dass man in den vier Beuteln des Bibers, welche mit Geil und öligem Inhalte gefüllt seien, gleichsam concentrirte Ex- tracte „seiner Säfte und Feuclitigkeiten" sehen wolle. Diese sollten für den Winter einen Vorrath geben, welchen dass Thier durch Saugen für sich ausnutzen könne. Da die Biber diese Theile oft lecken, so wäre eine derartige Annahme in gewisser Hinsicht gerechtfertigt gewesen, doch verlangt Kulm zur Klärung dieser Angelegenheit eine Untersuchung der Beutel auf die Menge des Inhalts zur Herbst- und folgenden Frühlingszeit. — Diejenige Hypothese, welche heutigen Tages die meisten Anhänger hat, lässt die Geilsubstanz zur xVnlocknng der Geschlechter dienen. Jedenfalls ist bei der Lage der Drüsen eine Entleerung ihrer Stoffe leicht möglich, auch liegt die Mittheilung eines Biberjägers vor, welcher gesehen haben will, dass dieses Thier an bestimmten Orten seine Drüsen leerte und dadurch andere Biber herbeilockte. Die Wilden bestrichen mit dieser Substanz als Lockmittel ihre Schlingen, in denen sie Biber fingen.*'-') Heute noch wird von Trappern das Geil als Witterung, zum Locken der Thiere nach den Fangplätzen verwendet. Diese Anziehungskraft ist so gross, dass Biber, welche sich mit der schlecht befestigten Falle davon gemacht hatten, oder solche, welche in die Falle gerathen und nach Selbst-Amputation des Fusses cutflohen waren, der lockenden Kraft nicht widerstehen konnten, zurückkehrten und schliesslich eine Beute des Jägers wurden. Während das Geil jedem Fallensteller späterer Zeit als unerlässliche, sichere Witterung galt und heute als Bestandtheil der Witterung beim Fange des Fischotters***) mittels Eisen angegeben wird, findet es noch eine eigenartige Verwendung bei den Indianern. Diese benutzen es als Zusatz zum Killikinic-Tabak, der in Ermangelung wirklichen Tabaks aus der Rinde ver- schiedener Bäume hergestellt und im Nordwesten vielfach geraucht wird. Seinen vorzüglichsten Werth fand jedoch dasGeil seiner Zeit als Heilmittel gegen fast alle Krankheiten. Bereits IMiniust) giebt uns eine grosse Menge derselben an, gegen welche es Heilung bringt; besonders werthvoll ist es nach ihm als Gegenmittel gegen den giftigen Stich und Biss ver- schiedener Thiere, z. B. dem von Skorpion, Tarantel, Schlangen und Spinnen. Für den wirksamsten hielt er den aus Galatien, resp. Afrika stammenden, welcher durch seinen Duft Niesen erregt. Es liegt nicht im Kahmen dieser Skizze alle die Krankheiten aufzuzählen, deren Heilung ihm möglich sein sollte. Die hauptsächlichsten seien hier kurz erwähnt. Es half gegen Ohrenschmerzen und beseitigte die Taubheit, es half gegen Gichtschmerzen inid Geschwüre, Kopfschmerzen, Epilepsie und Kolik, Zahnschmerzen, Geschwülste der Leber und Schlafsucht, sowie gegen HUftschmerzen; es stellte das verloren ge- gangene Gedächtniss wieder her und erhielt dasselbe, ent- fernte Seitenstechen und Schnucken, brachte Schlaf und verscheuchte die Schlaflosigkeit, stärkte die Augen, *) Kcanold: I. c. S. 110. **) V. Buffon: 1. c. S. 167. ***) Cerny: Einige Worte über die Lebensweise, die Jagd und den Fang der Fischotter. Jagdzeitung. Prag. 18!I8. Jalir- gang 4, No. 2, S. 21. f) Lib. 32, Cap. III. veranlasste Niesen und erhellte so das Gehirn. Es diente zur Magenstärkuug und vernichtete die schädlichen Wir- kungen des Opiums und der Pest. Die einzelnen Theile des Bibers, vorzugsweise jedoch immer wieder der Inhalt der Castorsäcke, sollten in ihrer Wirkung so heilkräftig sein, dass man in dem Thiere eine wandelnde Apotheke zu sehen hatte. So entstand denn auch die von dem Augsburger Physikus .loannes Marius verfasste und von Joannes Francus vervollständigte Castorologia,*) ein Werk, welches alle Leiden und deren Heilung durch den Biber aufzuzählen weiss und uns zeigt, dass kein Theil von ihm ohne medicinischc Bedeutung ist. Die Bedeutung des Geils zeigt sich auch in anderer Weise. Wenn z. B. Forer**) die medicinischen Wirkungen von Harn, Galle, Fett, Haut und Geil mehr oder weniger umständlich auf rund 6V2 Folioseiten beschreibt, so widmet er dem letzteren allein 6 Folioseiten. Er beschreibt auf diesen die zahlreichen Heilkräfte desselben, namentlich gegen Vergiftungen, Krankheiten sexueller Natur u. s. w. Bei dieser grossen Bedeutung, die man ihm beilegte, ist es nicht verwunderlich, dass es unter die Universal-Heil- mittel gerechnet wurde. Es findet sich deshalb auch in dem öfter citirten Merkreim: „Sunt sex in medicis, quae vincunt robore tauiuui, Succinum, castoreuni, raars, camphora, tartarus, aunim. In den Officinen wurden deshalb auch verschiedene Präparate aus dem Geil dargestellt, wie das Preisverzeich- niss,***) das auf Veranlassung des Danziger Bürgermeisters und Rathes von Danzig herausgegeben wurde, zeigt. Wir finden hier neben Biberfett und Bibergeil auch Pillen, Essenz und Extract aus dem letzteren, ferner ein Magiste- rium und Bibergeilöl, welches jedenfalls aber den bereits erwähnten Analdrüsen entstammle. Eine nicht zu unteischätzende Bedeutung hatte das Geil seiner Zeit noch dadurch, dass es zu den Bestand- theilen der zwei bedeutsamsten Medicamente des Alter- thums und des Mittelalters, nämlich der Theriak und des Jlithridat gehörtet) Nicht uninteressant ist es, dass die nördlichen Ostjäken die scheinbaren Heilkräfte dieser Substanz kennen. Jede Familie besitzt einen Casforbeutel, aus welchem man den Wöchnerinnen klci.ie Gaben reicht, um sie schnell zu stärken. Nach Collett schreiben alte Autoren dem Geil die Kraft zu, Wale zurückzuschrecken, welche sich einem Boote näherten. In einigen Gegenden wird es auch am Strumpfband als Specificum gegen Würmer getragen. Zu Gessners Zeiten galt das Bibergeil aus wärmeren Ländern als nicht sonderlich wirksam, dagegen war das aus kälteren Gegenden um so geschätzter, so das „dess Teutschen, Schweitzerischen, und Moscowitschen ßibers". Später galt im allgemeinen das aus Russland und Sibirien stammende als das beste, dann kam das Preussische und zuletzt das Cauadische. So sagt Pomet,tt) dass das aus Danzig stammende Geil viel dicker sei und viel stärker als das Canadische dufte, mithin das bessere sei; und viele Autoren wiederholen diese Ansicht. Das Castoreum kam aus Litthauen und Polen, wo es von den Landleuten billig eingekauft wurde, nach Danzig und Königsberg und wurde von hier exportirt. Auch die Weichselstädtc brachten reichliche Mengen davon auf den Markt. x\^usscr den beiden ungefähr faustgrossen Castorsäcken *) Augustaü Vindol. 1865. **) Forer: 1. c. S. 43 ff. ***) Designatio et valor omnium inatcrialium et medicamen- toruin, tarn simplicium, quam compositorum, quae in officinis Ge- dauensibus reperiuntur et venduntur etc. Dantzig. 1668. S. 35, 38, 71, 74, 83, 88, 92. t) Marshall, William: Neueröffnetes, wundersames Arzenei- Kästlein etc. Leipzig. A. Twietmeyer. 1891 S. 34, 35, 37, 63. tt) 1. c. S. 495. XVI. Nr. 23. Naturwissenseliaftliche Wochenschrift. 267 sind — wie hereits erwähnt — noch zwei andere vorhanden, die ciu dem Bienenhonig ähnUches Ocl zur Absondcrun;;- bringen. Ob der Biber damit sein Haar einfettet, ist nicht mit genügender Sicherheit festgestellt; dagegen ist bekannt, dass die in diesen Oelsäcken enthaltene Substanz eben- falls als Bibergeil in medicinischem Gebrauche war. Diese Säcke wurden nach Ernian auch, als sog. „Paschki", in Sibirien verwendet; man gab sie als Brüste des Weib- chens aus und gebrauchte sie bei rheumathischen Uebeln zum Einreiben der kranken Theile. Der Preis des echten Bibergeils hat je nach Ort, Zeit und äusseren Umständen sehr geschwankt. Im allgemeinen lässt sich erkennen, dass er im Vergleich zu fiüheren Zeiten mehr und mehr gestiegen ist. Bei dem Versuche, eine vergleichende Uebersichf über die verschiedenen Preise zu geben, macht es sich ausserdem unangenehm bemerkbar, dass von einigen Autoren, resp. in einigen Quellen die Werthaugabe auf Gewichtsgrossen, von anderen auf die Grösse der Geilen selbst bezogen wird. Diese letztere Art der Taxe will sich nur schwer auf die erstere zurückführen lassen, besonders da nur selten zu er- sehen ist, ob die Säcke frisch oder bereits zur Aufbewahrung getrocknet waren, und da andererseits diese Gebilde je nach dem Alter und der körperlichen Beschaffenheit der Thiere ein verschiedenes Gewicht zeigen. Pomet') sagt direct, dass getrocknete Geilen 4, 6, 8 und 12, einige sogar 16 Unzen wiegen. Wenn sieh hiernach für die getrockneten Geile ein Gewicht von '/g bis Va kg ergiebt, gehören nach Friedrich**) zu 1 kg wenigstens 10 Biber, während nach Adolf und Karl Müller***) Castorsäcke bis '/4 kg, nach Brandt und Ratzeburg sogar bis über '/2 kg schwer werden. Von Okenf) stammt die Notiz, dass (5 Bibergeilbeutel uugefähr 1 kg wiegen und dass einer davou 4 Reichsthaler, also 12 Mk., kostet. Diese Angabe scheint nicht dem Jahre der Herausgabc des Werkes (1838), sondern einer früheren Zeit zu entsprechen, da der Preis von 72 Mk. pro kg recht vereinzelt dasteht und einige Jahre später ein Förster in Dessau für ll'/j Loth Geil sogar 276 Mk. erhielt,tt) was einem Werthe von 1536 Mk. pro kg gleichkommt. Auch Engros- und Detail- preis zeigen niclit unbedeutende Schwankungen, und oft- mals hat die Geilsubstanz aus einer ganz bestimmten Gegend die Preise der anderen Herkunftsorte nicht un- erheblich überflügelt. In dem Preisverzeichnisse, das 1668 vom Danziger Bürgermeister und Rathe herausgegeben ist, wird der Preis für ein Geilenpaar (castorei) mit nur 4 Gulden (=8 Mk.) notirt, während nach Erwanttt) im Jahre 1827 das Kilogramm sibirischen Geils 3240 Mk. kostete. Diese Substanz bezahlte man noch 1892 doppelt so theuer als die amerikanische; 1894 hatten beide nahe- zu gleichen Preis. Die Hudson-Compagnie lieferte im Laute der letzten Jahre immer weniger, sodass bei Lon- doner Auktionen eine bedeutende Preissteigerung eintrat; diese hatte wieder zur Folge, dass man dem sibirischen Castoreum mehr Aufmerksamkeit schenkte, und deshalb hob sich sein Preis um volle 40 7o- Der Engrospreis für das Sibirische Geil betrug im Juni 1894 pro Kilo- gramm 240 Mk., für Canadisches 247—248 Mk. Es unterliegt keinem Zweifel, dass vorzugsweise der hohe Preis des Bibergeils Veranlassung zur Ausrottung dieses Thieres gegeben hat. Das Deutsche und Sibirische Pro- duet war früher ja viel theurer, und damit erwuchsen dem Biber fortgesetzt Verfolgungen von Jägern und Wilddieben. *)~rc. S.492. **) Der Biber au der mittleren Elbe. 1. c. S. 6, 16. ***) 1. c. S. 181. t) Oken: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. Band VIT, 2. Stuttgart. 1838. S. 744. tt) Klittke- 1. c. S. 44G. ttt) Schulz: 1. c. S. 46. Auch in Bezug auf die Gewinnung des Geils sind einige Fabeln im Schwange, welche für das geistige Leben des Thieres sprechen. Gessner giebt dieselben ungefähr, wie folgt: Wird der Biber gejagt und in die Enge getrieben, so dass er seine Gefangennahme zu er- warten hat, so haut er sich die Geilen aus und wirft sie dem Jäger als Lösegeld hin. Dagegen sagen andere, er sei so neidisch, dass er jene dem Menschen nicht gönne; würde er bedrängt, so iiisse er sieh deshalb die Geilen, d. h. die Castorsäcke, aus und verschlinge sie. Eine Einigung dieser Meinungen sei vielleicht derart möglich, dass der Jäger durch schnelles Hinzukommen das Ver- schlucken der vom Biber bereits herausgebissenen Geilen verhindere. Hat der Biber sich einmal bereits diese Castorbeutel herausgebissen, so zeigt er den Jägern, falls er wieder gejagt wird, dass er diese Gebilde bereits ver- loren hat. Andere entgegnen: der Biber thue solches nur aus dem Grunde, um mit dem starken Gerüche seiner Geilen die Hunde fernzuhalten, denen er zuwider ist. Andererseits wird geschrieben, dass der Biber seine Geilen derart zu verbergen vermöge, dass er diejenigen, welche ihm nachsetzen, betrügen könne. Er deute dann fälschlich an, dass ihm dieselben herausgeschnitten worden seien. Gessner selbst aber fügt hinzu, dass das Thier seine Geilen im Innern derart unerreichbar angebracht habe, dass sie ihm, ohne getödtet zu werden, nicht heraus- geschnitten werden könnten. Aus dieser Reihe von Fabeln ist jedenfalls auch die- jenige hervorgegangen, welche uns Hellwing*) bringt. Er schreibt, die Biber Hessen sich deshalb wenig sehen, weil sie vor dem Menschen grosse Furcht' hätten. Ge- schehe CS dennoch, dass der Mensch sie von ungefähr an einem Orte autreffe, wo ihnen ein Entfliehen unmög- lich sei, so setzten sie sich auf die Hinterbeine, legten die Vorderfüsse zusammen, sähen den Verfolger traurig an und Hessen auch Thräneu fliesseu, als ob sie um ihr Lehen bitten wollten. Die Geschichte, dass das verfolgte Thier seine Tes- tikel abbeisst und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig ziehen lassen, stammt aus dem Physiologus**) und bezieht sich hauptsächlich auf den pontischen Biber; mehrere alte Schriftsteller erzählen sie nach. Ja man ging sogar soweit, den Gattungsnamen castor von castrare abzuleiten, weil der von den Jägern bedrängte Biber sich selbst castrire. Nach Olaus Magnus ist diese Erklärung des Wortes, wenigstens für den im Norden wohnenden Biber nicht zutreffend, da der Castorbeutel sich nur unter gleichzeitiger Tödtung des Thieres abschneiden lasse; doch bereits Plinius weist, auf die Autorität des Sextius gestützt, jede Möglichkeit einer solchen Amputation ohne weiteres zurück. Albertus Magnus will die Bezeichnung castor nur darauf zurückführen, dass der Mensch danach trachte, die Geilen auszuschneiden; auch weist er bereits das Gerücht von der Hand, dass der verfolgte Biber den Verlust der Castorbeutel in irgend welcher Weise be- merklich mache. Eine gute Ableitung für die Bezeich- nung „castor" ist die von yaoT/jp, was mit der Bezeich- nung unseres Nagethieres von selten verschiedener älterer Autoren als „Bauchthier" im Einklänge steht, während Walther Prellwitz in seinem etymologischen Wörterbuche der Griechischen Sprache***) augiebt, dass •/.7.atu>p (xao- T(up) soviel wie „Beisser" bedeute. (Schluss folgt.) *) Kanold: 1. c. S. 100. **) Carus, C. Victor: Geschicte der Zoologie bis auf Joh. Müller und Charl. Darwin. München. R. Oldenbuig. 1872. S. 125. — KoUoff, Eduard : Die sagenhafte und symbolische Thiergeschichte des Mittelalters. Raumers historisches Taschenbuch. 4. Folge; Jahrgang 8; 1SG7, S. 190fl'. und 233, 234. ***) Göttingen. Vandenhoeck und Ruprecht. 1892. 268 Naturwissenschaftlichd Wochenschrift, XVI. Nr. 23. Topographisch - geologische Studien in Fjord- gebieten veröffcutlicht Otto Nordenskjöld (Bulletin of tlie Geolog. Institution of tlie University of Upsala Nr. 8), welche eine werthvoUe Ergänzung- zu P. Dinse's zu- sammenfassender Abhandlung über die "P'jordbildungen" (Zeitschr. d. Ges. f. Erdkdc , Berlin, Bd. 2!)) bildet, um so mehr, als Nordenskjöld Gelegenheit hatte, Fjordiinter- suchungen sowohl in Norwegen als Alaschka und Pata- gonien zu unternehmen. Dinse hat das Ergcbniss seiner Untersuchungen in folgende Definition zusammengefasst: „Fjorde sind in der Regel gewundene, steile und tiefe Buchten und Meeres- strassen an gebirgigen Festlands- oder Inselküsten, die im Querschnitt eine Troglbrm, im Längsschnitt ein zwischen sanften Wölbungen und seichten Mulden unruhig wechselndes Bodenrelief aufweisen." Im Allgemeinen aceeptirt Nordenskjöld dieselbe, wenn er auch auf die Muldenform der Fjordbecken besonderes Gewicht legt und einleitend betont, dass alle bekannten Fjorde ohne Ausnahme, wenn sie über die Meeresoberfläche gehoben würden, sich als Seen oder Systeme von Seen dar- stellen würden. Dadurch deutet er schon die innige Verbindung zwischen den Fjorden und den in der Ver- längerung der Fjorde belegeneu eigentlichen Fjordseen an, welche sowohl im Längs- als im Querprofil dieselben Reliefverhältnisse wie die Fjorde aufweisen und bei einer unbedeutenden positiven Strandlinienverschiebung selbst Fjorde bilden würden. An die Fjorde schliesst er ferner gewisse typisch ausgebildete Felsenbecken, welche jetzt ganz oder theilweise leer sind, weil spätere Erosion den noch in seiner Hauptmasse bestehenden Thalriegel an einer Stelle durchgesägt hat, und die sog. Randseen, d. h. Seen, welche mau in sehr vielen Gebirgsgegenden im Grenzgebiete gegen die Ebenen trifft und die sich sowohl durch äussere Begrenzung als durch ober- und unterseeische Reliefverhältnisse an die Fjorde anschliessen. Diese Randseen sind nach der von Ramsay zuerst aus- gesprochenen und von Penck unterstützten Auffassung wenigstens theilweise durch die Erosion ehemaliger Gletscher ausgehöhlt worden. Damit stimmt es gut übereiu, dass alle Gebiete von echten Randseen in solchen Gegenden liegen, welche einst mit Eis bedeckt waren, wie auch die Fjorde in allen au ein Meeresbecken grenzenden Gebirgs- gegenden auftreten, wo die Gletscher einst bis an das jetzige Meeresniveau reichten, und wirkliche Fjordgebiete nur in solchen Gegenden vorkommen. Die norwegischen oder westskandinavischen Fjorde umfassen längs der ganzen norwegischen Küste und am nördlichsten Thcile der schwedischen Westküste etwa bis Götaborg etwa 2800 km. Au der ganzen offenen Westküste sind sie gleichmässig gut ausgebildet; wo aber die Küste nach Osten undiegt, werden sie sowohl im Norden als im Süden weniger zahlreich und weniger hervortretend. Die Studien Nordenskjöld's stützen sich hier, abgesehen von der Strecke zwischen dem Trondhjeras- Fjord und dem Saiten-Fjord, ausschliesslich auf die norwegischen Seekarten, welche leider die inneren, interessantesten Theile der meisten grösseren Fjorde unberücksichtigt lassen. Eine Eintheilung der Fjorde allein auf Grund der geographischen Lage lässt sich kaum durchführen; vielmehr sind verschiedene Principicn neben einander zu berücksichtigen. Nordenskjöld unterscheidet: A. Beckenförmige Einsenkungeu der untermeerischen KUstentafel. B. Fjorde der Gebirgsgegenden. I. Fjorde der Faltungszone. 1. Radialfjorde: a) das Fjordthal läuft dem Streichen parallel, b) das Fjordthal überquert die Streichrichtung, c) Fjorde in massigen Gesteinen. 2. Parallelfjorde und Parallelstrasscn (Kanäle). II. Fjorde in Gegenden mit wenig metamorphosirten, bankföruiig lagernden Gesteinen (Finmark-Typus). C. Fjorde des niedrigen Rumpflandes. In der der skandinavischen Halbinsel vorgelagerten unterseeischen Küstcntafel haben die Lotungen viele unter- seeische Becken nachgewiesen, welche immer in der Nähe der Küsteulinie liegen, deren Entstehung jedoch in manchen Beziehungen räthselhaft ist, sodass Nordenskjöld sie nur mit starken Zweifeln zu den Fjordbildungen rechnet, ob- wohl sie zahlreiche Analogieen mit diesen aufzuweisen haben. Derartige Einsenkungen kommen fast überall vor der norwegischen Küste vor, namentlich zwischen dem Soguc-Fjord und dem West-Fjord. Auch die „Norwegische Rinne" darf nicht ohne Weiteres als Fjord aufgefasst werden, obwohl sie auf den ersten Blick als ein grosser Fjord erster Ordnung erscheint, von dem alle Fjorde des südlichen Norwegens Nebenfjorde bilden; aber es liegen noch keine Beweise vor, dass sie ihre Entstehung ähn- lichen Kräften zu verdanken hat, wie die echten Fjorde. An Gletscher-Erosion ist hier wohl unter keinen Um- ständen zu denken. Gewisse Uebereinstimmung mit der Norwegischen Rinne zeigt der West-Fjord. Vielleicht sind alle diese der Küstenlinie parallelen Vertiefungen Reste einer grossen Eiusenkung, welche zur Zeit der Gcbirgskettenfaltung durch tektonische Ursachen ent- standen ist, wenn auch zugegeben werden muss, dass sie mit den Fjordkanälen durch Uebergängc verbunden sind, obwohl sie selbst in Uebereinstimmung mit dem sanfteren Oberflächencharakter ihrer Umgebungen weniger tief sind. Die Fjorde der Faltungszone, die typischen Fjord- bildungen, umfassen fast alle norwegischen Fjorde, die- jenigen der nordöstlichsten Halbinsel ausgenommen. Geringe Breite und bedeutende Tiefe zeichneu sie aus; der Sogne- Fjord, der tiefste Querfjord der Welt, erreicht 1240 m; aber selbst in den kleinsten findet man Tiefen von etwa .000 m, und einige wenige erreichen 700—800 m. Wie Nordenskjöld zeigt, passen die Fjorde sich in ihrem Ver- laufe und ihren Biegungen möglichst genau den Wechseln des Schichtenstreichens an, sodass sie immer danach streben, so weit als möglich als Längsthäler aufzutreten, und demnach die vielfach geäusserte Ansicht, dass die Fjorde meistens rechtwinklig zur Streichrichtung der um- gebenen Gesteine verlaufen, unrichtig ist. Die der Küsten- linie parallelen Meeresstrasseu erweisen sich fast sämmtlich als Längsfjorde. Sie trennen häufig äussere Inselgruppen von dem Festlande ab. Ihre Form ist durch- weg die des Beckens, indem Schwellen, deren Lage oft durch emporrragende Felsinseln angedeutet wird, tiefere Theile derselben von einander trennen. Immer sind aber diese Tiefen geringer als die der angrenzenden Radial- fjorde, welche mit ihrem Hauptstamm die Küsteulinie senk- recht oder unter einem steilen Winkel treffen. Unter diesen kommen sowohl Längs- als Quertjorde vor, während viele andere in ihrer Richtung von dem Streichen der Schichten beeinflusst werden, ohne demselben genau zu folgen; leider sind aber vielfach die Streichrichtungen der Schichten an der norwegischen Küste nur ungenügend festgestellt. Von echten Längstjorden erster Ordnung, welche genau dem Streichen folgen, kennt N. kein einziges sicheres Beispiel; denn der von Brögger beschriebene Langesundstjord mit dem Frierfjord ist zu kurz, der Christiana-Fjord aber wird grösstentheils durch massige Gesteine begrenzt; wo jedoch am Christiana-Fjord ältere oder jüngere Gesteine mit aus- geprägter Streichrichtung auftreten, folgt der Fjord ge- XVI. Nr. 23. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. wohnlich der Richtung derselben. Die übrigen Fjorde der Südküste treten gewöhnlich in granitischen Gesteinen auf, oder sie sind Quertjorde. Die Quertjorde bilden in ihrem Hanjjtverlauf einen bedeutenden Winkel mit dem durchschnittlichen Schichtenstreichen. Sänuntlich in Folge der ausgesprochenen Beckenform als echte Fjorde anzu- sehen, zerfallen sie der Hauptsache nach in drei Gruppen: 1. die langen, schmalen, gewundenen Fjorde, z. B. die inneren Fortsetzungen des Bukken-Fjords, der Jöring- Fjord und der Nordais- Fjord; 2. die relativ breiteren Fjorde, namentlich im nördlichen Norwegen; 3. einige kurze, breite Buchten, wie der Bukken- P'jord und der Björne-Fjord. Die Fjorde in massigen Gesteinen, z. B. Eruptiv- gesteinen, Granit etc., sind meistens sehr schön ausgebildet, tief, durchweg kurz und schmal, häufig gewunden, aber mit parallelen Wänden und frei von Inseln. Die Fjorde des Finmark-Typus sind weit breiter als alle anderen ähnlichen Bildungen in Norwegen. Die durchschnittliche Breite des Laxe- Fjord (l-ö km bei 70 km Länge) wird selbst nicht von dem Bukken-Fjord erreicht. Die Begrenzungslinien sind sehr einfach, auf grossen Strecken kommen gar keine Nebenfjorde vor, und der Küste parallele Strassen, welche Inseln abschnüren, fehlen fast gänzlich, wenn auch einzelne Anfänge vorhanden sind. Hinsichtlich der Tiefenverhältnisse betrachtet Norden- skjöld wenigstens den inneren Theil des Varanger-Fjords mit einer Maximaltiefe von 424 m gegen eine Schwelle von 200 — 250 m Tiefe als abgeschlossenes Becken und somit als echten Fjord. — Die diese Fjordbecken be- grenzenden Gesteine gehören der Gaisa-Gruppe an und bestehen aus Sandstein, Conglomerat und Thonschiefer mit Dolomiteinlagerungen, in der unteren Abtheilung auch aus Qnarzit, Glimmerschiefer und sogar aus gneisähnlichen Gesteinen. Dieselben sind durchweg annähernd horizontal gelagert, wenn auch einzelne Störungen vorkommen, und treten wie viele jtingere, nicht metamorphosirte Sediment- gesteine in dicken, bankförmigen Schichten auf. Welchem dieser beiden Umstände die abweichende Form der Finmarken-Fjorde zuzuschreiben ist, wagt Nordenskjöld nicht zu unterscheiden; dass sie aber durch die Beschaffen- heit des Untergrundes verursacht ist, lehrt ein Vergleich zwischen der Nord- und der Südseite des Varanger-Fjords. Die Südseite desselben wird vom Grundgebirge gebildet, und die Fjordlandschaft erinnert hier stark an die nor- wegische Westküste. Die ausserhalb der Gebirgsgegenden liegen- den Fjorde, deren Umgegend dem stark abradirten ost- skandinavischen Rumpfgebiete angehört und aus archäischen Gesteinen gebildet wird, haben in Uebereinstimmung mit der fast stets unter 100 m bleibenden Höhe ihrer Um- gebung durchschnittlich eine bedeutend geringere Tiefe, sodass sie gewöhnlich nicht als Fjorde anerkannt werden. Zu dieser Gruppe werden mehrere der kurzen Fjord- buchten der norwegischen Südkuste gerechnet, während einige der Einbuchtungen an der Küste der schwedischen Landschaft Bohuslän als typische Beispiele angeführt werden (Gulluiar-Fjord, Kolje-Fjord mit By-Fjord). Die Längen- und Breiten-, wie auch die Tiefenverhältnisse zeigen die Fjordähnlichkeit derselben; bei einigen der- selben fehlen zwar die Schwellen, aber dieselben sind wahrscheinlich bei späterer Sedimentation versteckt. Im Anschluss hieran bespricht Nordenskjöld auch die schwe- dischen Fjärde, welche nach Dinse (Zeitschr. Ges. f. Erdkde., Berlin, Bd. 29, S. 239—41) schmale, gewundene Meeresstrassen sind, die sich häufig sehr weit in das Innere hinein verzweigen und wie die Fjorde meist senk- recht zur Küstenlinie in das Land eingeschnitten sind, deren Parallelismus sich aber auf den allgemeinen Zug der Wasserstrassen beschränkt, während die Inseln, Riffe und untermccrischen Bänke zwar oft in Reihen angeordnet sind, ohne dass jedoch die Richtungen der Einzelformen übereinstimmen. Die Landzungen, die langgestreckten Inseln mit ]>arallelen Ufern leiden im Fjordgebiet, wo breite, seeartige Erweiterungen mit den schmälsten Engen wechseln, während die Inseln die unregelmässigsten Formen haben. Dinse sucht also den Unterschied zwischen den Fjorden und den Fjärden in erster Linie in der äusseren Formenbegrenzung. Wie Nordenskjöld zeigt, kommen aber plötzliche Erweiterungen auch bei Fjorden vor, wenn sich mehrere beinahe parallele Thäler vereinigen; dass die Einwirkung der überquerenden Strassen in den Fjärd- gebieten einen weit grösseren Einfluss üben kann, führt Nordenskjöld auf die geringe Höhe der umgebenden Landschaft zurück. Im übrigen findet er den Unterschied zwischen den Fjorden und den Fjärden hauptsächlich in den Tiefenverhältnissen, indem die Fjärde nur selten als durch untermeerische Schwellen abgeschlossene Becken erscheinen. Allerdings kommen Schwellen häufig vor, aber es läs.st sich nicht beweisen, dass sie aus anstehendem Fels bestehen, und das angrenzende Meer ist meistens schon in der Nähe der Küste ebenso tief oder tiefer als die inneren Einsenkungen. Aus diesen Gründen empfiehlt Nordenskjöld, die Fjärde den eigentlichen Fjorden als besondere Gruppen zu coordiniren, wie dies auch bisher geschehen ist. Die von Dinse angeführten Beispiele aus dem nördlichsten Schweden verwirft er als nicht typisch und betrachtet das Gebiet zwischen dem nördlichen Smä- land (57" 80') und der Gegend von Stockholm als das typische Fjärdgebiet. Ausser den norwegischen Fjorden zieht Nordenskjöld die Fjordgebiete in Alaschka, Westpatagonien und dem Feuerlande, Grönland, Spitzbergen, Island, wenn auch nicht so eingehend, in den Bereich seiner Untersuchungen, welche zeigen, dass in den Gegenden, wo auch aus anderen Gründen eine frühere ausgedehnte Eisbedeckung nach- gewiesen worden ist, an allen Küsten der Faltungs- und Abrasionsgebirgsländer, ferner an sehr vielen der höheren Tafelländer sowie ausserdem der Gebiete mit archäischem Untergründe überhaupt, in überaus grosser Menge becken- förmige Einbuchtungen vorkommen, welche mit einem gemeinsamen Namen als Fjordbildungen zusammengefasst werden können und dadurch charakterisirt sind, dass sie gesellig auftreten, auf grössere Strecken wenigstens eine Annäherung zur Parallelität zeigen und dieselbe Breite beibehalten, meistens ohne von Seitenthälern beeinflusst zu werden, und endlich dass sie im Verhältniss zu ihrer Breite lang (5- bis 40 mal so lang als breit) und tief, im Verhältniss zwischen 1:2 und 1:15 wechselnd, sind. In derselben Gegend sind sie durchweg ähnlich; in ver- schiedenen Gegenden sind sie häufig verschieden. Den grössten Einfluss auf die Fjordform übt die Beschaffenheit des Gebirgsuntergrundes; daneben ist auch die Topo- graphie der Umgebung von grossem Einfluss auf Aussehen und Tiefe der Fjorde: je flacher die Umgegend wird, desto breiter und weniger tief werden die Fjordbuchten, dagegen sind die tiefsten Fjorde fast immer schmal, be- sitzen auch überseeisch steile und hoch aufragende Ab- hänge und sind in harte, gleichförmige Gesteine ein- geschnitten. Die Fjorde und fjordartigen Bildungen — abgesehen von den Förden und Einbuchtungen der Schwemmlands- küsten — lassen sich in drei Gruppen theilen, deren typische Vorkommen und Begrenzungen umstehende Ta- belle zeigt: Die reinen Radialfjorde zeigen im Längs-Profil ein unruhig wechselndes Bodenrelief mit hoch ansteigenden Schwellen, Die reinen Parallelstrassen sind wenigstens 270 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI, zuweilen, so in West- Patagonien, sehr tief, ihre grössten Tiefen liegen aber da, wo die Kanäle gegen das Meer abzweigen; überhaupt werden die Kanäle in ihrer Rich- tung, nicht aber in ihrer Form stark vou bedeutenden Radialtjorden des inneren Landes beeinflusst. An den Längsküsten besteht ein Fjordsystem oft aus mehreren Längsthälern, die durch kurze Quertbäler verbunden sind, welche enger und tiefer sind als jene. Auch sonst sind die allermeisten Fjorde Systeme von in verschiedenen Richtungen laufenden Thälern und Nebenthälern, wobei die Seitenthäier sich fast immer durch ihre Beckenform als selbstständige Fjorde erweisen. Auch ganz kurze Gruppe Bezeichnung Typische Vorkommnisse Gebirgsuntergrund I. ..Kchte" Fjorde ilei- Kaltungsge- hirgo und höhe- ren Abiasions- gebirge. Radialfjorde Parallel- strassen Kombina- tionsfjorde West-Grönland NeuZeeland N.W.-Amerika Patagonien Norwegen Granit, Gneis u. s. w. Längsketten- gebirge Abrasiousgebirge mit wechselnden Gesteinen. II. Fjorde in bank- förmigen oder horizontal la- gernden Ge- steinen. Finmarks- typus Breite Buchten Fiumarken Spitzbergen Disco, Golfo de Penas Bankförmige Ge- steine in nicht steiler Lage. Jüneere Gesteine meistens mit Ba- salt. III. Fjordartige Bil- dimgen ausser- halb der Ge- birgsgegenden. Mainetypus Fjärde Maine, Bohusläu die dstsee- küsten Massige und alt- krystallinische Gesteine. Fjorde erreichen häufig schon am inneren Ende bedeutende Tiefen, welche jedoch niemals so gross werden, wie die- jenigen der langen Hauptfjorde in Gebirgsländern. Während die Tiefenverhältnisse der langen und schmalen Buchten vom Finmarktypus wenig bekannt sind, sind die Tiefen der breiteren Oeffnungen in den Fjordküsten gross, aber nicht übergross (in der Disco-Bucht etwa 500 m). In Gegenden, wo die Schueelinie tief liegt, werden die Fjorde häufig unmittelbar von einer steilen Karenwand begrenzt; gewöimlich aljer liegen in ihrer Fortsetzung tiefe Thäler, in denen häufig langgestreckte und tiefe Seeen vorkommen, welche entweder durch Sehuttmassen oder durch Felsenschwellen abgedämmt sind. Nicht selten steigen die Thäler, welche als Fortsetzung der Fjorde anzusehen sind, terrassenförmig an und enden landeinwärts an einem kurzen, steilen Abhang; sehr selten (in Rata- gouienj durchbrechen sie die ganze Gebirgskette, etwas häufiger durchbrechen sie eine erste Hügelkette und setzen sich dann als Längsthäler fort. Echte Fjorde kommen niemals ausserhalb der gegen- wärtig oder Irüiier vereisten Gebiete vor; wo andere Auf- fassungen geäussert sind, hat man den Umstand nicht genügend berücksichtigt, dass die Fjorde gesellig auf- tretende tiefe Becken sind. In Europa kommen keine Fjorde südlich von etwa öf;" n. Br. vor. Zwar findet man an mehreren Stellen schmale, untergetauchte Thäler, sowohl Radialthäler vom Riastypus als Längsthäler vom Dalmatischen Typus; aber selbst wenn sie überhaupt die Beckenform zeigen, sind die relativen Tiefenunterschiede sehr gering, sodass anzunehmen ist, dass die Schwellen nur aus angeschwemmtem, losem Material gebildet sind. Da die Fjorde nur in den ehemals vereisten Gebieten vorkommen, muss die Bildung der für die Fjorde charakte- ristischen Beckenform in irgend einem Zusammenhange mit der Eisbedeckung steilen, was auch schon allgemein anerkannt worden ist. Für die Beantwortung der Frage, ob die Fjordbecken als echte Felsenljccken oder nur als heilvveise zugeschüttete Pseudobeckcn anzusehen sind. vermag Nordenskjöld zwar auch keine direkt entscheidenden Momente beizubringen; er macht es aber wahrscheinlich, dass die meisten Fjorde Felsenbecken sind. Wie er nach- weist, haben diese ihre Form nicht durch unregelmässige Bewegungen der Erdkruste, auch nicht durch Verwerfungen oder Grabenseukungen erhalten, sodass nur die Möglich- keit übrig bleibt, dass sie durch die Erosion der Gletscher ausgehöhlt seien. Beachtet man, dass die eigentliche Thalbilduug schon vor der Eisbedeckung erfolgt ist, sodass die meisten Thäler, in denen jetzt Fjorde liegen, schon in präglacialer Zeit existirten und dass die Gletscher eben diesen präglacialen Flussthälern folgten, beachtet man ferner, dass ein bedeutender Theil der Differenzen zwischen den Tiefen der Fjorde und denjenigen der Schwellen von dem auf letzteren abgelagerten Moränenmaterial herrührt, sodass die Tiefen der wirklichen Felsenbecken sich nicht feststellen lassen, so ist mau mit Hilfe dieser Hypothese im Staude, die meisten Erscheinungen bei dem Aufreten der Fjorde zu erklären. So wird es begreiflich, dass die Flussthäler und deshalb auch die Fjorde den Verwerfungs- spalteu und der Streichrichtung der Schichten folgen, namentlich in Gegenden mit weichem Gesteinsgrunde vorkonmien und hier breiter, aber zugleich weniger tief werden, da eine Vertiefung des Bettes nicht so nothwendig war, um Platz zu gewinnen. Im breiten Thale des Christiania-Fjords wurden die im Hintergrunde desselben liegenden Inseln, welche aus losen paläozoischen Gesteinen bestehen, nicht hinwegerodirt, zumal sie von den Hügeln des Hinterlandes geschützt wurden; in schmalen Rinnen fehlen dagegen alle Inseln auch von den härtesten Ge- steinen. — Die Erosioustheorie vermag auch die Entstehung der Schwellen zu erklären. Waren in einem engen Bette grosse Eismassen vorhanden, so musste zunächst die Erosion um so stärker sein, je schmäler das Bett war. Wenn jedoch nun die Eismasse in das flachere Vorland hinaustrat, so konnte sie allerdings ihr tiefes Bett ein wenig verschieben, zuweilen sogar eine Strecke in das ganz flache Küstenplateau hinaus, aber die Tiefe musste hier schnell abnehmen, sodass eine Schwelle entstand. Die enorme Tiefe einiger Fjordbecken lässt darauf scbliessen, dass zu ihrer Ausbildung auch noch andere Ursachen mitgewirkt haben mögen. Nordenskjöld macht hier darauf aufmerksam, dass die Fjorde genau den früher existireuden Flussthälern und Depressionen folgen, die aber immer die am wenigsten widerstandskräftigen Stellen des Gebirgsgrundes aufgesucht haben; darum sind die Fjorde so häufig in den Schichtenantiklinalen und in Gebieten mit Verwerfungen oder mit weicherem Gesteins- grunde. Noch viel wichtiger ist ihm jedoch die Gesteins- zerklüftung, und er hält es für sehr wahrscheinlich, dass Fjorde von bedeutender Beckentiefe nur an solchen Stellen vorkommen können, wo das Gestein nach gewissen Ricli tungen durch tiefgehende Zerklüftung mit oder ohne Ver- werfungen hinreichend aufgelockert war. A. Ln. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : Bei dem Geodätischen Institut bei Potsdam der ständige Mitarbeiter Prof. Dr. Emil Borras s zum Ab- theilungsvorstehor und der wissenschaftliche Hilfsarbeiter Dr. Os- kar Hecker zum ständigen Mitarbeiter; Prof. Dr. med. Fritz Strassuiann Tcxlli-urni. S a in iii 1 u ng G tischen , No. i:;i, i:i:' l,^'i|>.n"^- (';. .1. <"<>r\<-u) 1;hm. l-reis geb. je 80 Pf. Das i-i>ri' Ka|iitt>,lirift heranse-egeben v..n der k. k. „eeln-i.eh- botanisrliei, r.esellseliaft in Wien unliisslieh der F<'iei- ilues f.mf/.iu- jährigen Bestandes. Mit 3S Tafeln und :'. Abliildnnuen im Texte. Wien 1901. Alfred Holder, k. u. k. Hof- u. rni\ eiMtais- l'.neh- händlor. — Preis 16 Kronen (für Mitglieder der ( ;. selJMliaf't 8 Kronen). — Das schöne, reich illustrirte Werk Inldei einen st:itt- lichen Band von 620 Seiten in Lexikon-Octav und beliaiidelt die Entwickelung der von der im Titel genannten Gesellschaft ge- pflegten Disciplinen während der letzten 50 Jahre in eingehender Weise. Die Fülle der beigegebenen Litteraturcitate ist geeignet, dem Werke auch einen bleibenden bibliographischen Werth zu sichern und es zu einem wichtigen Nachschlagebuch zu machen. Das Erscl'.einen des Werkes wurde nur dadurch ermöglicht, dass die Gesellschaft die Deckung eines grossen Theiles der in Folge der schönen Ausstattung, des reichen Bilderschmuckes nnd der vielen beigegebenen Citate sehr hohen Herstellungskosten über nahm. Der Band enthält die folgenden Abschnitte: A. Geschichte der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft. Von Dr. C. Brunner V. Wattenwyl. B. Geschichte der Institute und Corporatiouen, welche in Oesterreich von 18511 bis 1900 der Pflege der Botanikund Zoologie dienton. Von Prof. Dr. Carl Fritsch. C. Geschichte der Botanik in Oesterreich von 1850 bis 1900. L Die Entwicke- lung der Pflanzengeographie in Oesterreich. Von Prof. Dr. G. Ritter Beck V. Mannagetta. II. Die Entwickelung der Morpho- logie, Entwickelungsgeschichte und Systematik der Krvptnrramen von Dr. Alex. Zahl br uc kner, Dr. "C. v. Keis.sler und Hr. Fr. Krasser. III. Die Entwicklung der Morphologie, laitw i( kelnuics geschichte und Systematik der Phanerogamen. \'nn l'rnl. Dr. K. V. Wettstein. IV. Entwickelung der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Von Prof. Dr. A. Burgerstein. D. Geschichte der Zoologie in Oesterreich von 1860 bis 1900. I. Morphologisch- systematische Richtung mit Einschluss der Biologie und Thier- geographie. (Nach systematischen Gruppen geordnet.) ^'o^ Hof- rath Dr. L. v. Graff, Prof. Dr. R. v. Lendenfeld, Cnstos Dr. E. v. Marenzeller, Dr. R. Sturany, Dr. Ad. Steuer, Dr. Arn. Pent'her, Dr. Carl Graf Attems, A. Handlirseh, Hofrath Dr. C. Brunner v. Wattenwyl, Dr. H. Rebel, Prof Dr. Fr. Brauer, Custos L. Ganglbauer, Custos Fr. Kohl, Hofrath Dr. Fr. Steindac hner, Custos Fr. Siebenrock und Custos Dr. L. Ijorenz v. Liburnau. II. Morphologische und phvsio- logische Richtung. Von Prof. Dr. Carl Gro bben. E. Die natur- historisehen Programmaufsätzc der österreichiscdien Unterrichts- anstalten. Von Prof. Dr. C. W. v. Dalla-Torre. Zoologisches Adressbuch. Namen und Adressen der lebenden Zoologen, Anatomen, Physiologen und Zoopalaeontologen wie der künstlerischen und technischen Hülfskräfte. Theil II enthaltend die seit September 1895 eingetretenen \'eränderungen (Todesfälle, Ergänzungen, Adressenänderungen). Herausgeg(d3en im Auftrage der Deutschen zoologischen ( lesell^ihafi \ on K. l-^-iedlander & Sohn. Berlin, Februar 1901. Verla- ^ nn !;. I Vie,llamle,- ,v S,. Im. — Preis 6 Mark. — Der eingehende Titel ..hen ei.-bt eieentln h das an, was wir .sachlich über das umfangreiclie Buch von äl, .Seiten sagen können. Den I. Theil haben wir seiner Zeit besprochen und können nur wiederholen, dass es sich um eine mustergültige Zusammenstellung und für den Fachkreis, für den sie bestimmt ist, geradezu unentbehrliches \'erzeiohniss bildet. Wir wünschten, dass auch die anderen naturhistorisehen Disciplinen gleich sorgfältig bearbeitete Adressbiielier aufzuweisen hätten. Inhalt: Dr. P. Dahms: Der Biber. — Topographisch-geologische Studien in Fjordgebieten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben- Litteratur: Prof. Dr. Heiuiieh Simroth, Abriss der Biologie der Thiere. — A. Engler, Die Pflanzenformationen und die liflanzengeographische GlieLleriirig der Alpenkette. — Botanik und Zoologie in Oesterreich in den Jahren 18oO bis 1900. - Zoologisches Adressbuch. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 23. ifflWillielin St'lilueter t Halle a. 8.. 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Der lieutigen Nuiuuier liegt ein illustrirter I'rospelvt der Verlagsbuchhandlung Chr. Herrn. Tauctanitz in Leipzig, betreuend Kobelt, Die Vcrlireifiiiig der Tierwelt, bei. Ausserordentliche Pr eiser mässiguiig für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift". In Folge vielfacher aus dem Abonnentenkreise hervorgetretener Wünsche betr. Erleiclitenmg des Bezugs der frülieren Bände der „NaturwissenschaftUchen Wochenschrift" haben wir uns zu einer ausserordentlichen Preisermässigung der seither erschienenen .Jahrgänge entschlossen. Wir offeriren daher die Bände I— XV (Jahrg. 1887—1900) „dt Ausschlu.ss der Nu.nmemU -26 von Band IV, weiche vergritlen sind. Statt deS Ladenpreises von 183 Mark ungebunden für 60 Mark ferner einzeln die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK für je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 16 Mark für je 8 Mark. Diese Preiserniässigung erlischt, sobald der liiei'für bestiniiiitc N'urrath erschöpft ist. f erl Diimmlers Oerla9$bucl)l)ai)dlunfl in Berlin SW. 1"3, Ziminerstrasse 94. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potoni6, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inser.atentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Düramlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. l-'' Redaktion: Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr, 94. XVI. Band. Sonntag, den Kl. Juni 1901. Nr 24. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 »".. Grössere Aufträge ( sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannal bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnok ist nnr luit vollständig^er Qaellenangabe getütattet. Der Biber.. Eine kiiltiirliistonsche Skizze von Dr. P. Dahi (Schliiss.) Der Biber trägt sowohl im Ober- wie im Unterkiefer je zwei kräftige Nagczäiine, deren untere zwischen den Lippen iiervorbiicken und dadnrcli dem Kopfe ein ganz eigenartiges Gepräge geben. So finden wir denn auch in der Beschreibung dieses Tiiieres noch in der Mitte des liS. Jahrhunderts folgende typische Beschreibung:*) „animal ferura, iracundum et mordax fert dentcs duos majores inflexos prominentes ex ore." Diese Zähne dienen verschiedenem Gebrauche, vor- zugsweise als Werkzeug, um die Holztheile zu gewinnen, welche als Nahrung oder Baumaterial dienen. Mit ihnen nagt der Biber Bäume derart an, dass sie sich an der Frassstelle nach Art eines Stundenglases in der Form eines Doppelkegels verjüngen. Früher war man der Meinung, dass das Anschneiden in planmässig überlegter Weise derart vor sich gehe, dass der Baum an der Stelle seiner grössteu Verdünnung breche und dann stets in das Wasser falle, sodass sein späteres Fortschaffen verhältniss- mässig wenig Schwierigkeiten böte. Auch hier hat man der Weisheit des Thieres mehr als nöthig zugetraut. Bäume, welche weite Strecken vom Wasser entfernt sind und vom Biber angegangen werden, zeigen durchaus keine Gesetzmässigkeit in der Richtung ihres Fallcns. Desgleichen weisen Stämme, welche bei hohem Schnee- fall angeschnitten wurden, gelegentlich eine mehr ein- seitige Bearbeitung auf, ohne dass eine Fällung erfolgte und ohne dass für ein solches Vorgehen ein Grund an- gegeben werden könnte. Besonders wenn der Schnee !)ald höher, bald tiefer lag und der Biber zu den ver- schiedenen Winterzeiten den Baum benagte, findet man — wie Abbildungen neueren Datums zeigen — , dass die *) Rzaczynski: 1. c. S. einzelnen Schnittstellen an demselben Stamme der Haupt- sache nach in ganz verschiedenen, sogar entgegengesetzten Richtungen augelegt waren. Mau hat schliesslich Thiere angetroffen, welche bei der Arbeit des Fällens ihren Kopf nicht schnell genug aus der genagten Verjüngung herausziehen konnten, um der Wucht des umbrechenden Baumes zu entgehen. Man fand sie zerschmettert oder mit eingeklemmtem Kopfe in einer Lage vor, welche sie zum Verhungern gezwungen hatte. Nun wird der Biber freilich nur im Nothfalle sich weiterhin auf das Land wagen, um für Nahrung nnd Baummaterial zu sorgen, am liebsten macht er sich an solche Bäume, welche nahe am Ufer stehen. Hier freilieh ist es ihm leicht, die Bäume ins Wasser zu stürzen. Besonders wo dichte Be- stände sind, beugt sich der Baum über das Wasser hin, um möglichst viel Licht für sich zu erhaschen. Werden solche Bäume gefällt, so wird die Lage ihres Schwer- punktes dafür sorgen, dass der Fall ins Wasser oder nach dem Wasser hin erfolgt; auch mit der grössten Intelligenz könnte der Biber diesen Vorgang nicht hindern. Auch anderen Zwecken haben die Zähne geleg-entlicli zu dienen und zwar als furchtgebietende Vertheidigungs- wafife. Bereits Plinius weiss uns, freilich in übertriebener Weise, darüber zu berichten. Nach ihm beisst der Biber stark zu und lässt die gepackten Menschen nicht los, be- vor er ihnen die Knochen zerbrochen hat. Wenn diese Notiz auch nicht die Regel, sondern nur einzelne Aus- nahmsfälle angiebt, so sind diese letzteren doch nichts weniger als interessant. Aus einem Briefe des Guts- besitzers Oej, auf dessen Boden die oberste Kolonie von Aamli liegt, erfahren wir durch Collett folgendes. Eine Hütte wurde auf diesem Grundbesitze aufgegraben, worauf das Männchen herausbrach und sich zur Wehr setzen 274 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 24. wollte. Nachdem es erlegt worden war, kam auch das Weibchen zum Vorschein und wollte ebenfalls die Hütte vertheidigen, in deren Innerem man noch ein Junges fand. Ausser diesem Falle, bei welchem die Kampflust der Thiere aus dem Vorhandensein des Jungen leicht zu er- klaren ist, werden noch verschiedene andere erwähnt, nach denen das Thier in der äussersten Noth von seinen Zahnen Gebrauch macht und schreckliche Wunden schlägt. Unter anderem theilt uns Cartwright-) mit, dass der Labradorbiber sich gegen die Hunde zu vertheidigen wisse und ihnen die Beine abbeisse. Nach den Erfahrungen an diesem Thiere, das in früheren Zeiten noch reichlich in Deutschland vorhanden war, schien es doch wunderbar, dass die Zähne den Biber nicht vorzüglich befähigen sollten, Beute zu machen. „Schlägt" der Biber mit ihnen Bäume „um", so wird er sie auch ohne Zweifel wie „Hacken" in die Fische schlagen. So wird dieses friedliche Geschöpf zu einem ebenso schäd- lichen oder noch schädlicheren Thiere wie der Otter ge- stempelt und soll Fischen und Krebsen nachstellen „als wie die Mörder an der Strassen". Wilde Völker wie die Indianer Nordamerikas und die Eskimos wussten die Arbeitsfähigkeit der Biberzähne auf ihre Instrumente zu übertragen und sich so Messer zum Holzschueiden und Aushöhlen herzustellen, deren Schneide von einem solchen Zahn gebildet wird. Sonstige Verwendung finden die Zähne zum Polireu und bei der Vergoldung. Bis auf den heutigen Tag werden sie in Finnmarken als Amulette, als Schmuck oder als Schutz- mittel gegen Krankheit getragen. Namentlich in letzterer Beziehung sind sie erwähnenswerth, weil sie durch ihre Festigkeit, Kraft und dauernde Gesundheit von vornherein darauf hinwiesen, was für Kräfte in ihnen schlummerten. Sie dienen noch heute als Heilmittel gegen Zahnschmerz und werden den Kindern um den Hals gehängt, um ihnen das Zahnen zu erleichtern. Geschmeide aus solchen Zähnen als Vorbeugungsmittel gegen Zahnschmerz tragen auch die Frauen in Sibirien, wie denn im ganzen das dort lebende Thier mit dem europäischen nicht nur in Aus- sehen und Lebensweise, sondern auch was die Verwendung seiner Theile angeht, vollständig übereinstimmt. Erwähnt mag noch werden, dass Zähne, welche man am Halse trägt, gegen Fallsucht schützen sollen, und auch gegen Seitenstiche zur Anwendung gekommen sind.**) Wegen der aus dem Maule hervorschauenden Zähne hielt man ihn — wie erwähnt — für einen argen Fisch- räuber. Rzaczynski***) schreibt in seiner Historia natu- ralis, dass er von Rinde, Früchten und Fischen lebe, während von Bufifont) »och 1777 Fische und Krebse als Hauptbestandtheile seiner Nahrung anführt. Diese An- gaben gehen auf frühere Autoren zurück, die im wesent- lichen dieselben Angaben machen wie v. Buftbn. Albertus Magnus lässt den Biber besonders von einem Fische „Melica" leben, und die Autorität dieses Mannes hat sich bis ungefähr an die Grenzen des 19. Jahrhunderts be- merkbar gemacht. War es verhältnissmässig schwierig, den vorsichtigen und furchtsamen Biber in der Freiheit zu beobachten, so konnte man doch mit gefangenen jungen Exemplaren die betretfenden Versuche vornehmen. Be- reits Pelicerius, der Bisehof von Montpellier, fand, dass die Biber kein Fleisch verzehren. Die ihnen vorgelegten *) Blasius, J. H.: Naturgeschichte der Säugethiere Deutach- lands etc. Braunschweig. Friedrieh Vieweg und Sohn. 1857. **') Hellwing in Kanold: 1. c. S. 101. ***) Rzaczynski, P. Gabriel: Historia naturalis curiosa regni Poloniae, magni diicatus Lituaniae, annexarumque provinciarum, etc. Sandomiriao. 1721. Tractatus VIll, sect. I, S. 215. t) 1. c. S. 158. todten und lebenden Usche berochen sie nicht einmal, vielweniger frassen sie dieselben. Auch Gessner*) weiss uns zu berichten, dass ihre Lieblingsuahrung in der Rinde von „Falben, Weiden, Scharweiden, Erlen und Aspen" bestünde „und fast von allen Bäumen, so bitteres Laub und bittere Rinden haben." Später führt Rzaczynski**) in seinem Auctarium historiae naturalis an, dass der Biber sich nach Ansicht der einen wie der Fischotter von Fischen ernähre, dagegen nach Ansicht der anderen — eben.so wie Gessner angiebt — Pflanzenkost zu sich nehme. Bei seinen anatomischen Untersuchungen fand Wagner in dem Magen dieses Thieres nur geringe Spuren von Baumrinde, von Fischen und Krebsen aber nicht die Spur. Der Inhalt entsandte auch nicht den widerlichen Geruch, wie der des von Fischen lebenden Otters. Aehnliches ergiebt sich, wenn man die Losung dieses Nagethieres prüft. In derselben befinden sich nie Gräten und Krebs- schalen, selbst an solchen Orten nicht, wo die Wasser- läufe sehr reich an Fischen und Krebsen sind, wie z. B. an der Nuthe.***) Ueberall geht der Biber bei seinem Holzverbrauch vorzugsweise weiche Baumarten an, wie Weide, Birke, Espe, Pappel, Erle u. s. f. Harte Hölzer, wie das der Eiche, ebenso wie das unangenehm harzreiche der Nadel- hölzer schneidet er nur, um sieh die Zähne scharf und arbeitsfähig zu erhalten, oder um ihm hinderliche Pflanzen- theile aus dem Wege zu schatten. Die frische Rinde von Laubhölzern mit dem Splint scheint die Hauptnahrung zu sein und die Rinde der feinsten Zweige den Vorzug zu haben. Die zartesten Zweige werden mit den Blättern zusammen verzehrt, aber wenn sie auch nur die Dicke eines Fingers erreichen, so werden sie nur noch geschält. Die grobe Rinde von Stämmen selbst bleibt, wenigstens gewöhnlich, unberührt. Ferner werden als Nahrung an- genommen: die Wnrzelstöcke von Seerose, Schilfarten, Kalmus und Schachtelhalmen, sowie die Stengel der See- rose. In Amerika gehen die Biber ausserdem an Magnolia glauca /.. (Biberbaum, Sumpfsassafras), Fraxiuus ameri- cana 7.. (Weissesche), Laurus Sassafras L. (Sassafras- lorbeer), Liquidambar Styraciflua L. (Guldenbaum, amerik. Storaxbaum) und verschiedene süsses Gummi enthaltende Holzarten. t) Es ist recht wohl möglich, dass diese an ätherischen Oeleu und Harzen so reichen Nahrungsmittel auf die Entwickelung und die Funktion des Castorbeutels einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausüben. Hat doch das der Luft ausgesetzte amerikanische Castoreum mehr oder weniger ein glänzendes, harzartiges Aussehen, während das europäische dagegen wachsartig und glanz- los aussieht. Desgleichen ergiebt ein Blick auf die chemischen Analysen des russischen und canadischen Castoreums, dass der Gehalt des letzteren an flüchtigen Oelen ungefähr doppelt und der Gehalt an harziger Ma- terie sogar ungefähr 4V2mal so gross als bei dem ersteren sei.tt) Die Art und Weise, wie der Biber die Hölzer an- schneidet, ist so eigenartig und erinnert in so hohem Maasse an rohe Arbeit des Menschen, dass bei oberfläch- licher Betrachtung eine Verwechslung leicht möglich ist. Ein interessantes Beispiel dafür liefern die Wetzikon- Stäbe. In einigen Theilen der östlichen Schweiz, namentlich am Ostufer des Züricher Sees von Wetzikon bis Utznach, *) 1. c. S. 40. *♦) 1. c. S. 307. ^1**) Schulz: 1. c. S. 45. t) Eckstein: 1. c. S. 127. — Bla 1. c. S. 408. — Altuni: 1. c. S. 120. - der mittleren Elbe: 1. c. S. 46. tt) Martin: 1. c. S. 92. ins: Naturgeschichte etc.: Friedrich: Der Biber an XVI. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 275 ferner in der Nachbarschaft des Bodensees werden Schiefer- kohlen ausgebeutet. Diese liegen zwischen zwei Gletscher- ablagerungen und entbalteu reichlich Thier- und Pflauzeu- reste. Von der Stelle, wo die Einlagerung zwischen zwei Gletscherablageruugen am vollständigsten belegt ist, von Wetzikon, stammen zugespitzte Stäbe, die in einem grossen Block der Kohle, von dieser bei flüchtiger Betrachtung nicht verschieden, neben einander eingebettet waren. Diese Fundstücke, welche aus dem Holze der Lärche oder der Kothtanne bestehen, beschrieb Rütimeyer*) als Reste eines rohen, korbartigen Geflechtes und deutete sie als die älteste Spur des Menschen. Gegen diese Deutung machte Steenstrup**) Front, indem er die Stäbe als „Biberstöcke" ansprach. Es sind das sowohl kürzere wie längere, mehr oder weniger dicke Holzstücke, die vom Biber zur Herstellung seiner Bauten und Dämme abgenagt und zusammengeschleppt sind, als auch diejenigen, die als Nahrungsvorrath dienen sollen und gewöhnlich in der Nähe der Biberwohnungen zusammengebracht sind. Beim Annagen und Schälen der Rinde, welche ja das einzige Nahrungsmittel des Bibers ist, wird immer in der Weise verfahren, dass das be- treffende Zweig- oder Stammstück langsam vom Thiere mit den Vorderpfoten um die Läugsaxe gedreht wird. Dadurch wird erreicht, dass immer ein neuer mit Rinde bedeckter Theil des Holzes nach oben gerichtet ist. Gleichzeitig entstehen hierbei sehr regelmässige Eindrücke, welche von den schwach convexen Schneidezähnen her- rühren. Diese gehen rings um das Holzstück herum und verleihen diesem ein Aussehen, als wäre es auf einer Drechslerbank ganz leicht behandelt \vorden. Durch solche ([uergehenden Schnitte sind auch die Wetzikonstäbe zu- gespitzt. Der Biber führt gleichzeitig mit je zwei Zähneu die Bearbeitung des Holzes aus; die dabei entstehenden Ein- drücke sind von gleicher Stärke. Wo wirkliche Schnitte gemacht oder Späne — welche bei der Arbeit des Fällens bis 24 cm Länge erreichen können — abgelöst sind, ist die gleichzeitige doppelte Arbeit nicht zu verkennen. Dabei bemerkt man bei jeder breiteren Furche in der Mitte eine schwach erhabene Leiste, die von dem Zwischen- raum zwischen den Nagezähneu herrührt. Im Gegensatze zu dieser Anbringung der Schnitte findet man auf grossen Knochenlanzen und anderen Ge- räthen der Eskimos, bei deren Herstellung Biberzähne als Instrumente verwendet worden sind, eine solche Quer- stellung der Zwillingsschnitte nur ausnahmsweise, sie ver- laufen hauptsächlich der Länge der Faserung nach. Auch das parallele Zusammenliegen der Stäbe, sowie das Vor- liandeuseiu eines Stückes Laubholzrinde, die eine Seite eines der Stäbe umgab, als wenn es theilweise damit umwickelt worden wäre, schliesst nach den Erfahrungen, die Steenstrup bei seiner Durchforschung der dänischen Torfmoore gesammelt hat, keineswegs die Möglichkeit aus, dass einfache Biberstöcke vorliegen. Dieser Deutung der Stäbe als „Biberstäbe" steht freilich der Umstand entgegen, dass der Biber Nadelholz weder zur Herstellung seiner Bauten noch zu Nahruugs- zvvecken fällt. Trotzdem es von einigen Seiten direkt bestritten wird, dass diese Hölzer geschnitten werden, liegen wenige Fälle vor, welche eine gewisse Ein- schränkung dieser Behauptung zu fordern scheinen. Doch auch bei diesen Ausnahmen zeigt sich, dass der Biber *) Rütimeyer, L.: Spuren des Menschen aus intergliiciären Ablafcerungou in der Scliweiz. Archiv für Anthropologie. Brauu- schweig 1875, Bd. 8, S. 133 ff. **) Steenstrup, Japetus: Hat man in den interglaciären Abhigerungen in der Schweiz wirkliche Spuren von Menschen gefunden etc. Ebenda 1876, Bd. 9, S. 77 S. das Schneiden nur vornahm, weil die betreffenden Nadel- hölzer ihm hindernd im Wege standen. Vom Elbe-Biber liegen verschiedene Aststücke von Fichten vor; dieselben hingen jedenfalls ins Wasser und waren dem Thiere bei seinem Flösserei-Geschäfte hinderlich. Deshalb waren sie durch Abbeissen beseitigt, aber weder als Baumaterial verwendet noch ihrer Rinde beraubt worden. In einer Sammlung von Hölzern, welche der Biber benagt hatte, waren alle bis auf ein Fichten- und ein Eichenstück und einige dicke Strünke durch Queruagen sauber geschält. Nach Collett benutzt der norwegische Biber höchst- wahrscheinlich ebenfalls kein Nadelholz, nicht einmal als Baumaterial. Nur einmal wurde bei einer Hütte in Drangedal bei Törenaes eine junge Tanne von ungefähr 4 cm Durch- messer angetrofi'en. Sie war geschält, in mehrere Stücke zerschnitten und lag mit ihren Aesten da, ohne weiter benutzt worden zu sein. Wie vermuthet wird, fällte der Biher das junge Nadelholz, um hierdurch zu einer hinter ihm stehenden Birke gelangen zu können, welche ebenfalls gefällt bei Seite lag. Dieser Umstand scheint zur Genüge dafür zu sprechen, dass die Stäbe nicht durch Biber hergerichtet sind ; anderer- seits scheint es erwähnenswerth, dass die Nagezähue in früher Zeit auch wohl als Arbeitsgeräth Verwendung er- fuhren. In der Beschreibung, welche Virchow von seiner archäologischen Reise nach Livland*) giebt, erhalten wir ein Bild des bereits erwähnten Rinnehügels. Nach einer Skizze lag bei dem einen im Untergründe befindlichen menschlichen Skelett die rechte Hand über der Beckeu- gegend und an der Ellenbeuge ein Biberzahn. Solche Zähne wurden nach Collett in Finmarken den Göttern als Opfer dargebracht und den heidnischen Lappen als Bei- gabe ins Grab gelegt. Die Wetzikonstäbe haben längere Zeit die Aufmerk- samkeit der Anthropologen erregt und zu den verschieden- artigsten Erklärungen Veranlassung gegeben, ohne dass dieselben zufrieden gestellt hätten. Unter anderem hat man auch die Thätigkeit von Eis und Sand zu Hilfe ge- nommen**;, bis endlich Schröter**') eine Deutung lieferte, welche diese Angelegenheit zum Abschluss gebracht haben dürfte. Nach ihm sind die Stäbe Aststücke von Fichte und Kiefer, die in dem Stamme eingewachsen gewesen und dann herausgewittert sind. Die natürliche Verjüngung des Astansatzes, der abgerollt und dadurch geglättet ist, entspricht der Zuspitzung. Auch heute noch entstehen Gebilde von dem Aussehen der Wetzikonstäbe, sodass diese mithin nicht mehr als Beweis für die Existenz des Menschen zur Interglacialzeit gelten können. Noch d'Auberton, welcher Bufibns Zoologie mit einem Anhange versah (1777), vermochte seine Meinung dahin zu äussern, dass der Schaden, welchen dieses merkwürdige Thier anrichtet, durch den vortheilhaften Gebrauch seiner Theile vielfältig wieder ersetzt werden könnte. Es ist dieses ein Ausspruch, der in früheren Jahrhunderten viel- fach mit Recht gethan wurde, als Forstwesen und Land- wirthschaft noch in der Entwickeluug begrift'en waren und noch nicht durch das eigenartige Treiben des Bibers in dem Maasse beeinträchtigt werden konnten, wie es heute der Fall ist. Gleichzeitig mit der Zunahme der Schädigung ist aber der Werth von Castoreum und Fell geringer geworden. Das erstere ist nahe daran in Ver- gessenheit zu geraten, das letztere hat eine emptindliche Berlin 877, Bd. 9, S. 408, ältesten Werkzeuge *) Zeitschrift für Ethnologie. 409, 415, *') Förtsch, Oskar: Die Entstehung der und Geräthe. Dissert. Halle 1892, S. 12 ff. *■ ■! Schröter, C: Die Wetzikonstäbe (Coniferenholzstücke aus den interglacialen Schieferkohlen von Wetzikon). Viertel- jahrsschrift d. Naturf. Ges. in Zürich 1896, Jahrg. 41. S. 407 ff. 276 Naturwissenschaftliclie Wochenschri'ft. XVI. Nr. 24. Rivalität von anderem amerikanischem Raucbwerk er- t'abren und verliert deshalb, wie das Geil, von seiner I früheren Wichtigkeit, abgesehen von dem jetzigen Er.satz der Wollhaare bei der Hutt'abrikation durch Seideutilz. Schädlich ist das Thier jedenfalls dadurch, dass es nicht nur Hölzer für seinen Bedarf an Baumaterial sondern auch aus blossem Nagebedürfniss schneidet. Dieses lässt sich wie bei anderen Nagern auf das fortgesetzte Wachs- thum der Nagezähne zurückführen und giebt dem Biber Veranlassung, sogar Hartholzstämnie anzugehen und sie nach dem Fällen unbenutzt liegen zu lassen. Selbst dicke Bäume erleiden ein solches Schicksal; so berichtet Friedrich von einer Kopfpappel aus der Nähe von Ranies bei Schönebeck, welche an der Schnittstelle 72 cm Durch- messer hatte. — Freilich wird der so den Holzbeständen zugefügte Schaden oft übertrieben, doch muss immerhin mit ihm gerechnet werden. Oefter wird die Klage er- hoben, dass Eichenpflanzungen in der Nähe der Ansiede- lungen in der empfindlichsten Weise beschädigt und sogar zerstört würden. Wieweit Vorschläge, derartige Anlagen durch niedrige Drahtgehege zu schützen, sich verwirk- lichen lassen, da der plumpe Gesell sie freiUch nicht zu übersteigen, wohl aber zu unterwühlen vermag, ist nicht zu übersehen. Während der Forstbeamte aus diesen Gründen unserem Nagethiere nicht zugethan sein kann, sind in jüngster Zeit Beobachtungen gemacht worden, welche geeignet sind, ihm auch den Jäger zum Feinde zu machen. Bei Hochwasser irrt es auf den Gewässern undier und sucht trockene Stellen, an denen ihm ein Landen möglich ist. So hat man den Biber auf Pappeln gefunden, wohin er in seiner Noth geflüchtet war. Er landet aber auch an den Rettungsbergen, die im üeberschwemmungsgebiete der Elbe'") errichtet sind. Hier hinauf eilt das Wild, vorzugsweise die Rehe, wenn das AVasser steigt. Der Biber setzt die ängstlich zusammengeschaarten Thiere in die höchste Verwirrung; sie stürzen sich, jedenfalls in der Meinung, einen Hund vor sich zu haben, in das Wasser, sodass dadurch namentlich dem Rehstande zuweilen ein recht erheblicher Schaden zugefügt wird. Es sind daher bereits Stimmen laut geworden, dass der Biber ausgerottet werden müsse. Auch seine Ansiedelung in Eibdeichen ist nicht zu dulden, da schon Kauinchenbaue, sogar Mäuselöcher bei Hochwasser zu DammbrUchen geführt haben. In den östlichen Theilen des Elbbiber-Gebietes scheint der Ab- schuss als einfachstes Mittel zur Entfernung unseres Thieres angewendet zu sein. Als es sich vor ungefähr y bis 11 Jahren in einem Deiche bei Wartenburg ein- nistete, war das ein Signal zu einem förmlichen Kriege gegen ihn, der mit der gänzlichen Ausrottung des Bibers an diesem Orte endete. — Auf die Klagen der Deich- beamten hin schlug bereits 1729 die Magdeburger Kammer zur Aufmunterung der Forstbeamten zwecks schnelleren Abschusses ein Schussgeld von einem Thaler vor. Als dann dem Prester'schen Damme durch solche Wühlarbeit Ge- fahren erwuchsen, wurde 17 87 dem Kloster Berg bei Magdeburg der Auftrag gegeben, durch einen Schützen die Thiere tödten zu lassen. Aehnliche Behandlung wurde dem Rhone-Biber von dem Deich-Syndikat von Beaucaire zu Theil, welches 1855 für jedes geschossene Thier eine Prämie von 15 Francs zahlte. Auf die dringenden Bitten von M. Valery Mayet hat man freilich im Jahre 1891 von der Auszahlung weiterer Prämien abgesehen und damit dem Biber in diesem Gebiete noch eine kurze Lebensfrist zugestanden.**) *) Friedrieh: Beitrag zur Konntiiiss etc., 1. c. S. 100. **) Le castor du Rhone. Revue sciontifiriue. Paris, (e serie, tome 10, No. IG, 1898. S. 504. In Folge der eigenartigen Wühlarbeiten des Bibers, die an gewissen Stellen zur Anlage von Gruben gemacht werden, nimmt das Terrain gelegentlich eine ganz eigenar- tige Beschaffenheit an. Wo viele solcher Bauten den Boden durchsetzen, wie z. B. an der Saalemündung, erhält er durch die vielen Ein- und Ausgänge und durch die lang- sam entstandenen Erdauhäufungen das Aussehen, als ob er von Dachsen durchhöhlt sei. Wagen und Pferde werden dadurch gefährdet, besonders wenn bei Hochfluth das Wasser in die Gruben dringt und Regen die oberen Erdschichten durchweicht. — Als im Sommer 1878 sich Biber beim Gehöft Röras Grund in Solum, dicht beim Voldsfjord in Norwegen, an einem Bache angesiedelt hatten, gruben sie grosse Höhlen in das Ufer. Die Be- wohner des Gehöftes fürchteten, dass die Pferde beim Begehen der Ufer durchtreten könnten, verstopften die in den Uferbänken in grosser Zahl angelegten Bauten und vertrieben den Biber so aus ihrem Gebiete. Von einer ähnlich verunstalteten Wiese berichtet der Regierungsrath Wutzke 1796, gelegentlich einer Bereisung des Drewenz- flusses in Westpreussen am rechten Ufer unterhalb Neu- mark; dieselbe war von Gängen nach allen Richtungen hin durchzogen. Auch wegen seines Dammbaues hat der Biber sich unbequem gezeigt. Als in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts beim Vorwerke Legehnen im Amte Kaymen (Ostpr.) geröteten Wiesen die Dunau'sche Beek gekrautet und gereinigt werden sollte, wurden auf An- ordnung der kgl. Regierung die Dämme anseinander- gerissen und zerstört, die Thiere selbst aber getödtet und ausgerottet.*) Fassen wir nunmehr Nutzen und Schaden des Bibers zusammen, so ergiebt sich Folgendes. Von Fell, Fleisch und Geil ist eine einträgliche Verwerthung kaum mehr zu erwarten. Dagegen geht er starke Stämme von Hart- hölzern an, verscheucht das Wild von den Rettungsbergen und unterwühlt Deiche und Ufer. Ferner verbaut er den Fischern mit seinen Dämmen die Gräben, wirft Stämme ins Wasser und zerreisst die Netze. Zerstört der Biber bei seiner eigenartigen Lebens- weise bauliche und forstliche Anlagen, und macht er sich hierdurch zum erbitterten Feinde des Menschen, so muss auch bedacht werden, dass der Kulturfortschritt fort- gesetzt die Lebensbedingungen des Bibers einschränkt. Hauptsächlich machen sich dabei die ununterbrochenen Störungen der Gewässer bemerkbar, wie Fischen, Flössen und die Umwandlung der kaum einen nennenswerthen Ertrag bietenden Flusswerder in Weide- und Gartenland. Beim Flössen stampfen die längs des Ufers ihrer Arbeit obliegenden Männer unablässig um die Hütte herum und stören das an die äusserstc Ruhe gewöhnte Thier, anderer- seits vermögen die Hölzer den Biber selbst tödtlich zu verwunden und zu erdrücken. Gelegentlich gerathen die Biber bei ihren nächtlichen Streifereien in Fischottereisen oder werden unbeabsichtigt in Garnsäcken fortgefangen. Andererseits führt sie das Hochwasser, falls Weiden, Reisighaufen oder Wildrettungsberge ihnen keinen Halt gewähren, durch anhaltendes Schwimmen ermattet, mit sich fort, sodass sie eine leichte Beute von Fischern, Fährleuten und Jagdpächtern werden. Treibeis führt die Thiere auf den Schollen zu Thal, wo sie geschossen oder erschlagen werden ; oder sie werden bei dieser Gelegenheit erdrückt und später ans Ufer geschwemmt. Für den Eibbiber ist schliesslich noch der Umstand bedeutungsvoll, dass die Ufer mit jedem Jalirc weiter abgepflastert werden, *) Bujack, J. G.: Ein ik'u.m Biber unweit Kaymen, i. J. 174:i 1836, Bd. 16, S. 593. Beitrag das Vorkommen der betreffend. Preuss. Prov.-Bl. XYl. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 277 sodass dem Thicre schliesslich sogar jede Gelegenheit genommeu sein wird, eine Höhle auzulegeu luul in der Nähe die nöthige Aetzung zu finden. Erwähnenswerth ist es, dass die Kiber bei der Un- gunst der Verhältnisse ihre Wohnplätze verlassen und neue Orte zur Ansiedelung aufsuchen. Bekannt ist schon seit längerer Zeit die Thatsache, dass bei Uebervölkerung einer Kolonie oder, wie genauere Beobachtungen zeigten, bei Uebervölkerung eines Baues ein derartiger Wechsel der Wohnstelle vor sich geht. Die jüngeren Thiere ver- lassen die alten, vielleicht um auch eine Familie zu gründen, und zwar soll diese Trennung nach Altum mit dem vollendeten dritten Lebensjahre vor sich gehen. Die Gründe zur Auswanderung lassen sich kurz auf drei zurückführen: wenn die Umgegend Lebensmittel nicht in genügender Menge liefert, wenn Uebervölkerung ein- getreten ist, und wenn Jäger oder andere Feinde sie zu hart bedrängen. Nach sicheren Berichten gehen die Wanderungen stets stromabwärts — nie stromaufwärts; auch hierbei gehen die Thiere meist dem Verderben entgegen, indem sie entweder in ungünstig gelegene Orte kommen oder in solche Gegenden, wo der Meriseh ihnen feindlich gesinnt ist. Sehr schädlich wird ihnen hierbei auch das Frühjahrshochwasser, besonders wenn es mit schwerem Eisgange verbunden ist. Während der Biber sich sonst kaum einige Schritte vom Ufer entfernt, unternehmen zwecks Aufsuchung eines eigenen Heims einzelne Indi- viduen weite Fusswanderungen; so wurde z. B. nach Oollctt bei Naes-Eisenwerk in Norwegen, einige Kilometer vom Wasser entfernt, ein junges Exemplar in einer Falle gefangen, die für einen Sturmvogel aufgestellt war. So können weit abgelegene Thäler jdötzlich von einem oder mehreren Individuen aufgesucht werden, welche sich gerne ansiedeln möchten. — Auch halb erwachsene Thiere sind auf der Wanderung angetroffen worden. Bei dem früheren hohen Werthe der verschiedenen Theile des Bibers ist es nicht zu verwundern, wenn der Fang zu den Regalien gerechnet und Privatpersonen bei schwerer Strafe verboten wurde; dabei war man sich freilich in verschiedenen Fällen nicht einig, ob er dem Forstrechte oder der Fischerei zuzu- rechnen sei. In alten Urkunden und Verbriefungen kommt dieser Tbiername deshalb öfters vor, je nachdem man den Biber bei etwaigen Schenkungen und Vermächtnissen zurückbehält oder als besondere Vergünstigung mitgiebt. In einer deutschen Urkunde vom Jahre 1103 wird die Hibcijagd zusammen mit anderen Jagd- und Fischereigercciitigkeiten übertragen. Dagegen wird in der Oulmer Handfeste, welche die Rechte und Freiheiten der ersten Ansiedler in Preussen verbrieft (1232), der Stadt Thorn genau das Gebiet angegeben, das den Bürgern und den Fremden zu gemeinschaftlichem Gebrauche übergeben wird; aus- genommen davon waren aber die Inseln und die Biber. Eine derartige Beschränkung lässt in späterer Zeit sich auch an anderen Stellen nachweisen. Bei Stiftungen von Klöstern wird dagegen auch der Biber bei der Schenkung nicht ausgeschlossen; so verlieh der Papst Lucius III. in einer Bulle vom Jahre 1182 einem Kloster das Eigenthumsrecht über die Biber innerhalb seiner Gebietsgrenzen.'') Aehn- liches linden wir auch in der Schenkungsurkunde bei der Stiftung des Klosters Carthaus (Paradisus Bae Mariae), durch Conrad von Masovien (12o4)''') und bei einer Schenkung an das Kloster Stolpe in Hinterponiniern, *) Martin: 1. c. S. 28. **) Dahms, P.: Der Biber iu Westpreussen. Der Zoolog. Garten. 1900. Nr. 3, 4. Frankfurt a. Main. welches vier Dörfer zwischen der Tradaune und Stolpe im Jahre 1209 „cum castoribus" erhielt.*) Auch später wird das Thier bei Verbriefungen er- wähnt, aber in anderer Weise. Die Aufmerksamkeit und Sorgfalt, die ihm und seiner Pflege von den Landesfürsten seit dem 13. Jahrhundert zugewandt wurde, ist im Ab- nehmen begriffen. Man weiss die aus dem Maule hervor- lugenden, rothgelbeu Nagezähne nicht anders zu deuten, als dass sie der Fischerei mit Verderben drohen. Des- halb sieht man von Hegung und Pflege ab und schätzt das Thier nur noch soweit, als man den Verdienst ins Auge fasst, welchen sein Fang abwirft. In den Ver- schreibungen wird deshalb die Jagd auf ihn nicht ver- boten, die werthvoUen Theile werden dagegen zurück- verlangt und als Entschädigung dafür Prämien in Aus- sicht gestellt. So wird den Beuthnern aus Kutzl)urg und Willenberg'''*) in einer Erbverschreibung zur Zeit der Hocli- meister von jedem erlegten Biber der Schwanz, das Geil und „die Haut" zurückverlangt und gleichzeitig ein Ersatz von 8 Scott (etwa 4 Mk.) zugesichert. Etwas älmliches findet sich in einer Verschreibung, in welcher der Bischof Paulus Speratus dem früheren Müller in Graudenz Martin Rytzke im Jahre 1533 die Hammermiihle bei Graudenz verleiht. Nach derselben soll jeder gefangene Biber ab- geliel'ert und mit einem Fürdung, etwa 3 Mk., entschädigt werden. Es folgt dann eine Periode, wo die Einhaltung und Sicherung des Regals nur wenig strenge gehandhabt wird, jedenfalls in Folge der creignissreichen Zeiten, welche über Europa hereinbrechen. Ob man ihn bereits damals nach dem AVaidspruch „Otter und Biber haben keine Hege" für vogelfrei erklärte, mag unentschieden bleiben. Erst später wendet sich dem Thiere wieder das Interesse der Landesherren zu. Mit Anfang des 18. Jahr- hunderts wird man auf den Biber am Eibsfrome, in der Altmark und Priegnitz, aufmerksam und zieht ihn, gleich- sam als ein Wasserwild, zum königlichen Besitz. Ein Patent vom 16. August 1706 schärft ausdrücklich seine Schonung ein. Der Befehl, dass er erhalten und seine Vermehrung nach Möglichkeit befördert werden sollte, wird mit der grossen Wirksamkeit des Geils begründet und knüpft eine Strafe von 10 Fl. Ungar, au jedes ge- tödtete Thier.***) Nach der Königlichen Verordnung vom 8. Dezember 1707 wurde dieses Thier nicht allein ge- schont, sondern sogar zum Theil gefangen „und durch die Nudow (Nuthe) und Havel bei Potsdam, Oranienburg, Liebenwalde, Trebbin, durchs Holländerbruch ausgesetzet . . . und solche zu schiessen oder fangen bei 200 Rthlr. Strafe verboten."!) Auch Ende 1713 und Anfang 1714 wurden bei Potsdam und Oharlottenburg Biber ausgesetzt und in jeder Hinsicht geschützt, ohne dass eine nennens werthe Vermehrung von ihnen bekannt geworden wäre. Später (1765) gab Friedrich der Grosse freilich die Biber- jagd frei, sodass dieses Thier mehr und mehr zurück- gedrängt wurde. — Interessant ist es, dass noch 1857 die Thiere in Bayern und Sachsen nur für den Hof geschossen werden durften. Am ersichtlichsten ist die Werthschätzung unseres Thieres jedenfalls aber aus einigen weiteren historischen Daten. Erzbiscliof Johann Ernst von Salzburg wollte die wenigen Biber, welche er in Hegung hatte, vor dem Ab- *) Struck, Carl: Die Säugetliiere Mecklenburgs mit Be- viicksichtigiiug ausgestorbener Arten. Archiv des Vereins der Freinide der Naturgescliichte in Mecklenburg. 30. Jahrg. Neu- brandenbiirg. 1876. S. 78, 79. * ■ ) Bujack, J. G.: „Ueber die Zeit des Verscliwindens der Biber tCas'tur über) in Preussen. Preuss. Prov.-BI. Bd. 16. Königs- berg. 1836. S. 16.5. ***) Bujack: Ebenda. S. 161, 162. t) Hiith: 1. c S. 10. 278 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 24. schiiss bewahren und setzte deshalb auf die Erlegung jedes Thieres Galeerenstrafe. Selbst diese strenge An- drohung- erwiess sich als fruchtlos, die Thiere wurden ihm alle getödtet.'--) Noch drastischer ist eine andere Notiz in den Mit- theilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte, nach welcher Fürst Leopold von Anhalt 1714 mit dem Land- grafen von Hessen-Kassel einen Tauschhandel abschloss, wonach er für jeden ihm übersandten Rekruten einen Biber eintauschte. Bei dem reichen Ertrage, welchen jeder erlegte Biber gewährte, ist wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob eine kunstliche Heguug nicht von wirthschafthchem Vortheil sein könnte. Von verschiedenen Grundbesitzern ist deshalb ein Versuch in dieser Richtung gemacht worden, und zwar oft mit recht bedeutendem Erfolge. Andere wieder hielten das Thier, um sich zu überzeugen, was von all den Gerüchten über seine eigenartige Lebens- weise zu halten sei, oder um ihre Wissbegier zu stillen und sein Benehmen zu studiren. Auch seitens der Jagd- liebhaber zeigt sich für den Biber Interesse, und so knninit es, dass zahlreiche Berichte über Hege und Zm-Iitvcrsurlic vorliegen. Im folgenden sollen nur die wichtigsten und interessantesten aufgeführt werden. Die Stadt l'ultusk, welche früher durch ihren be- deutenden Getreidehandel bekannt war, besass im 14. und 15. Jahrhundert einen Thiergarten für Biber. '•'■^■) — Poutop- pidan***) berichtet über einen Ansiedelungsversuch von Seiten des Herzogs Hans Adolf zu Gottorf, vermag frei- lich nicht mitzutheilen, ob ein derartiges Bestreben irgend welchen Erfolg gehabt hat. Er entnimmt die Notiz der Ichthyologie v. Schoeneveld'sf), welcher uns eingebender darüber berichtet. Johann Adolf erhielt auf seine Bitten Biber aus dem Inneren Deutschlands und setzte sie in seinem Lande, im Bezirke Hütten bei Gottorf (Gottorp), dem berühmten Schloss an der Nordwestseite der Stadt Schleswig, welches seit 1544 Residenz der Herzoge von Schleswig-Holsteiu-Gottorp war, aus. An geeigneten Orten fand eine jährliche Zunahme der Kopfzahl statt; die An- siedelung selbst geschah zum Zwecke der Jagd; es sollte in dem Busen der Schlei an der Ostsee, mehr noch in dem Flusse selbst, welcher bereits wegen seiner günstigen SchiflTahrtsverhältnisse und seiner verschiedenartigen, vor- züglichen Fische weithin berühmt war, auch dieses Ge- schöpf nicht fehlen. Von den Tliieren, welciie König Friedrich Wilhelm I. Ende 171H und Anfang 1714 aussetzen iiess, ist eine nennens- werthe Vermehrung nicht zu verzeichnen ; das letzte Exemplar der Potsdamer Colonie scheint ausgewandert und mit dem- jenigen identisch zu sein, welches 1734 bei Luckenwalde be- merkt wurde, tt) — In den dreissiger Jahren des 19. Jahr- hunderts wurde auf Befehl des Königs Friedrich Wilhelm III. ein Ansiedelungsversuch mit Eibbibern auf der Pfaueuinsel bei Potsdam gemacht; es wurde beabsichtigt, eine neue Ausbreitung desselben von dieser Stelle aus zu veranlassen. Doch auch dieses Unternehmen misslaug, denn die Thiere bissen einander todt oder gingen in anderer Weise ein. Eine Vermehrung erfolgte nicht, da sich nacii dem Tode die einzelnen Exemplare alle als Männchen auswiesen. ■) liivl,,,,: l'!,,.!],.!,,.,,. Bd. IL Leipzig. 1877. S. 326. ) l''i;iiiil>i:iiri . l'iMii/,: Die WeichseL Marienwerder. 1855. l<.;iijtri.M-lir ll,,fhurl„ln,rlv(;i-ei. S. 416. ' ■) l'uiitu))piil;ni, Erich : Kiirzgefasste Nauhrichten, die Natur- liistoiie in Däuemailc betrett'end. Aus dem Dänischen übersetzt. Kopenliagen und Hamburg. 17li5. S. 161 Anm. r) V. Schoeneveld: 1. c. S. 34, 35. it) Grirtanner: l c. S. 257, 258. — Die ergänzende Notiz von Altum (S. 125) kann sich, entsprechend den beigegebenen Jahres- zahlen, nur auf König Fried. Wilh. L beziehen. — Vergl. auch Huth. S. 10. Dieses Versehen ist in Folge des Vorhandenseins der Kloake bei diesem Thiere leicht erklärlich. Ende des 18. Jahrhunderts starben die Biber, welche schon in den ältesten Zeiten im südlichen Böhmen auf der fürstlichen Schwarzenberg'schen Herrschaft Wittiugau häufig gewesen waren, aus und wurden durch neue aus Polen eingeführte 1773 ersetzt. Diese brachen aus dem Zwinger aus und vermehrten sich stark, bis sie im Jahre 1833, als sie den Damm am Neubache gefährdeten, eine allgemeine Verfolgung erfuhren. Die Vernichtung dieser Thiere wurde durch die Zustände des Jahres 1848 be- schleunigt, und als 1865 noch etwa 10 Stück vorhanden waren, stellte sieh die Wilddieberei deren Vermehrung entgegen.''') Künstliche Hege sind ferner angelegt worden, um den Biber vor gänzlicher Ausrottung zu bewahren, so in t)esterreich auf den grossen Schlossteichen von Hallbrunn und Schönau und bei Rothenhof in Böhmen. 1863 warf August Müller**) die Frage auf, ob es nicht ökonomisch rathsam sei, den Biber in Preussen zu hegen. Es wären verhältnissmässig wenig Schwierigkeiten zu überwinden gewesen. Ein Gehölz von Weiden, Pappeln, Eschen und Birken mit einem kleinen Flüsschen würde vollkommen zur Anlage genügt haben. Die Schwierigkeit lag darin, das ganze Gebiet derart einzuzäunen, dass ein Ent- schlüpfen unmöglich gemacht worden wäre; diese Schwierig- keit ist aber recht gross, wenn man bedenkt, das der Biber eben so gut schwimmen wie graben kann. Die Anlage wäre recht lohnend gewesen, da man beim Ver- kaufe recht wohl auf 50 Thaler, also 150 Mk., pro Kopf rechnen durfte, während Polen, Russland, Lithauen leicht den Grundstock zu einer solchen Colonie geliefert hätten. In den achtziger Jahren machte man in verschiedenen Gegenden, wie z. B. in Schottland, Versuche, den Biber wieder einzubürgern***); in äijnlicher Absicht wurden vor wenigen Jahren von dem /.iiiiloi;isclieu Garten auf Hög- holmen bei Helsingfors tinnisclic Sumpfbiber nach Schweden gebracht und auf der Ingar-Oc bei Stockholm ausgesetzt. Man wünschte der schwedischen Fauna ein „hinreichend wetterfestes Wild" einzuverleiben, dessen Hege sich bei dem Werthe seines Pelzes in grösserem Maassstabe lohnen dürftet) Nicht unerwähnt darf bleiben, dass Galieu Mingaud vor kurzem den Besitzer an der grossen und kleinen Rhone und dem Gardon den Vorschlag machte, den Biber zu züchten. ft) Er weist dabei darauf hin, dass dadurch nicht nur eine neue Einnahmequelle ge- schaffen, sondern dass auch für diese Gegenden ein Geschöpf erhalten würde, welches dem Naturforscher in mehr als einer Hinsicht interessant sei. Alle Nachstellungen und Gefahren, welche unser Thier bedrohen, sowie andere Umstände, haben Gesetze ent- stehen lassen, die es schützen sollen. Es sind hier nicht nur die Verordnungen zu besprechen, welche den Biber als ein nutzbringendes Thier schonten, sondern auch die- jenigen, welche die Stunde seines gänzlichen Absterbens hinausrücken sollen. War die Vernichtung der Biber in Preussen noch 1706 bei 10 Pfund verboten, so wurde sie nach den Forstverordnungen der Jahre 1739 und 1775 freigegeben; für alles Wild setzte mau die Schusszeit auf den Raum *) Friedrich: Beitrag zur Kenntniss etc. 1. c. S. 93. **) Müller, August: Fauna höherer Thiere. Die Provinz Preussen. Festgabe für die Mitglieder der 24. Versammlung Deutsch. Land- und Forstwirthe zu Königsberg i. Fr. 1863. S. 159. ***) MüUor, Rieh.: Untergegangene und dem Untergänge ent- gegengehende Jagdthiere Europas. Illustrirto Jagd - Zeitung. Leipzig. XV. Jahrgang. 1888. Nr. 2, S. 252. +) St. Huberthus. Cöthen (Anhalt) und Berlin. XV. Jahrg. Nr. 39. tt) Le castor du Rhone: 1. c. S. 504. XVI. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 279 vom 24. August Ijis zum 1. März fest; ausgenommen war der Biber, der Dachs, sämmtliches Raubzeug etc.*) In eigenartiger Weise prägt sich die Schonung der Biber im Eibgebiete aus.**) Nach dem Jagdpolizeigesetz vom 26. Mai 1882 ist für sie im anhaltischen Gebiete eine dreimonatliche Schonzeit vom 15. März bis 15. Juni au- gesetzt, in den lierzoglichen Privatforsten aber wird er auf besonderen Befehl das ganze Jabr bindurch geschont. In Preu.ssen bingegen wird er in den Königlichen Be- sitzungen laut Kabinetsordre freilich auch für die Dauer des ganzen Jahres geschont, in den übrigen fällt er je- doch dem freien Thierfange auheim. Diese Gebiete mit verschiedener Schonzeit folgen in buntem Wechsel an der vom Biber bewohnten Eibstrecke aufeinander; was daher in dem einen geschont wird, wird in dem anderen ohne weiteres abgeschossen. In Norwegen ist mit dem Schutze dieser Nagethiere am Anfange der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts be- gonnen worden. Damals brachte ein Bauer aus Thele- marken gleichzeitig 12 Paar Bibergeilsäcke auf den Markt von Cbristiania und erzählte, dass er sich eben so gut mehr davon hätte verschaffen können. Durch voll- ständige Ruhe, die man dem Thiere hier jahrelang ge- währte, durch hohe Geldbussen, die man dem Schützen sowohl wie den Jagdtheilnebmern auflegte, hat man seit jenen Jahren dem Biber jede mögliche Schonung ent- *) V. Pannewitz, .Julius: Das Forstwesen von Westpreussen etc. Berlin. Rücker. 182;). S. 2-26. 392. **) Friedrich: Die Biber an der mittleren Elbe. 1. c. S. 32, 33. gcgengebraeht. Wie es scheint, haben diese Maassnahmen auch gute Erfolge erzielt. Wurde die Zahl der uorwegi sehen Biber 1880 auf ungefähr 60 geschätzt, so ergab ein Ueberschlag im Jahre 1883 rund 100 Exemplare. Auch im Mündungsgebiet der Rhone scheinen sich die Zahlen- verhältnissc nach der oben erwähnten Aufhebung der Schiesspräraie gebessert zu haben. Im Jahre 1883 kamen nach Mingaud 5 Individuen zum Abschuss, in der letzten Zeit dagegen 8 bis 10 im Jahre. Am sebhmmsten steht unter den europäischen Artgenossen der Eibbiber. Bei der bereits geschilderten Eigenart der Jagdgesetze und äusseren Umstände ist an einen eigentUehen Schutz niclit zu denken. Als H. Friedrich 1891 die Zahl feststellte, fand er noch ca. 200 Thiere, 1894 dagegen deren nur ca. 160, sodass also eine Abnahme von 20% fest- zustellen war. Hoffentlich gelingt es bei event. Schaffung eines deutsehen Nationalparkes*) noch die Trümmer dieses einst so verbreiteten und geschätzten Thieres an eine Stelle hin zu retten, wo es vom Getriebe der Welt abge- schlossen, sich ungestört weiter bewegen kann. Noch manche Frage über seine Lebensweise wäre dann zu lösen, welche unter den natürlichen Umständen sich selbst be- antworten würde. Als Vorbild wäre dabei die Colonie im National-Park in Washington zu nehmen, welche aus- gezeichnet gedeiht und sogar unter den Augen der Zu- schauer sich unbekümmert der Ausführung ihrer Arbeiten hingiebt. *) Globus. Bd. 74. Nr. 20. 1898. S. 330. Ueber die Familie der Aquifoliaceeii ist vor kurzem eine Monographie von Loesener*) erschienen, die nach mancher Richtung hin einige Beachtung verdient. Vor- läufig liegt nur der rein systematische Theil vor, die Pflanzengeograpbie und Morj)hologie werden einem später erseheinenden zweiten Theile vorbehalten. Da mit verschwindenden Ausnahmen die Vertreter der Familie tropische und subtropische Länder bewohnen, so würden wohl weitere Kreise schwerlich ein Interesse dafür haben, wenn nicht eine sehr bekannte Art, die Stechpalme, die auch im Westen und Norden unseres Vaterlandes sieh findet, dazu gehörte. Ausserdem aber beginnt sich der Genuss des Mate, zu dessen Herstellung die Blätter mehrerer südamerikanischer Arten genommen werden, auch bei uns allmählich einzubürgern. Natürlich kann er in unseren Zonen kaum die Bedeutung erlangen, die er in Brasilien hat, aber für letzteres Land ist der Matetrank so wichtig, wie in China der Thee und in Deutschland das Bier. Da auf die Verwendung der Blätter zur Bereitung des Mate der zweite Tbeil ausführlicher eingehen wird, so soll hier nur von der Stechpalme gesprochen werden. Wer den immergrünen Strauch oder Baum zum ersten Male in Westfalen, Oldenburg oder auf Rügen siebt, den muthet er wie ein Fremdling an. Hex Aquifolium ist in unseren Breiten auch an der Grenze seines Vorkommens, sein Hauptverbreitungsgebiet liegt im sonnigen Süden, namentlich im Mittelmeergebiet. Bei uns fristet er als niedriges Unterholz in den westfälischen Wäldern ein kümmerliches Dasein, oft in strengen Wintern bis zur Wurzel herunterfrierend und niemals blühend. Wer den kleinen Strauch so gesehen bat, wird es kaum für niög- ') Loesener, Tb., Monographia .\i(uifoliaceariim in Nova Acta vol. LXXVIII, li»01. lieh halten, dass er einen stattlichen Baum bilden kann. An einigen Stellen des Münsterlandes und in Oldenburg stehen noch prächtige mehrhundertjäbrige Bäume wie die Reste einer untergegangenen Flora. Auch am Wege von Detmold zur Grotenburg hinauf stehen wunderschöne jün- gere Bäume. Der Name „Stechpalme" leitet sich von den stacbelrandigen Blättern her. Diese producirt der Baum aber nur in der Jugend; sobald er eine gewisse Höhe erreicht hat verschwindet die Bestachelung und die Blätter zeigen sich so glatt wie die eines Lorbeers. Dieses Gewächs ist schon lange in gärtnerischer Kultur und bat sich in so viele Varietäten und Formen gespalten, dass es schwer wird, sich in der Mannigfaltig- keit zurec.ht zu finden. Loesener unterscheidet eine An- zahl wildwachsender Formen und daneben 17 Garten- varietäten, bemerkt aber ausdrücklich, dass er nur die wichtigsten herausgehoben bat. Beim Erseheinen des zweiten Theiles wird auf das vortreffliche Werk zurückzukommen sein. G. Lindau. Ueber das Leben der Ameisen im Bismarck- Archipel bat Friedrich Dahl in den „Mittheilungen aus dem zoologischen Museum in Berlin" (II. Bd., Berlin 1901) eine sehr interessante Arbeit veröffentlicht, worin er seine aus eigener Beobachtung an Ort und Stelle ge- wonnenen Forschungsresultate über die Lebensweise der Ameisen auf jener Inselgruppe niederlegte. Diese Publi- kation hat umsomehr Werth für die Wissenschaft, als die darin enthaltenen Angaben auf direkter Beobachtung be- ruhen. Der Autor befolgt in seiner Arbeit eine eigene Me- thode der Vergleichung der Lebensweise der Thiere, die er schon bei Besprechung der Vögel des Bismarek-Archi- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 24. pels im I. Baiule der erwähuteii Mittheilung-en anwandte. Da dem Verfasser vorgeworfen wurde, dass die von ihm befolgte Methode der Darstelhing wohl für Wirbelthiere, nicht aber für niedere Thiere verwendbar sei, so sucht er diese Behauptung durch die Bearbeitung der Ameisen, als einer Thiergruppc, welche mit der der Vögel im Ge- gensatz steht, zu entkräftigen. Als Zweck der Bearbeitung seines Materiales führt Dahl an, dass er das Wenige, was er beobachten konnte, in einer Form giebt, welche auch Nicht-Spezialisten ge- stattet, auf einer gegebenen C4rundlage systematisch weiter zu bauen. Die systematische Bestimmung des vom Verfasser gesammelten Ameisenraateriales wurde von dem bekannten schweizer Gelehrten, Professor Forcl, vor- genommen. Um das Bestimmen der im Bismarck-Archipel vor- kommenden Ameisen zu erleichtern, giebt Dahl eine ana- lytische Uebersiclit aller bisher dort nachgewiesenen Ameisen. Dieselbe ist in zwei Abtheilungen gegliedert, von denen die erste die Gattungen nach leicht erkenn- baren Formenmerkmalen, die zweite die Arten nach leicht erkennbaren Form- und Farbenmerkmalen umfasst. Es werden 34 Gattungen mit 90 Arten aufgezählt. Auf diese analytischen Register lässt der Autor vier Fangtabelleii folgen, auf denen Fundort und Art des Vor- kommens, sowie die Zeit des Fundes genau angegeben sind. Auf die Fundorte beim Sammeln ist grosse Sorg- falt und Mühe verwendet; die Fänge wurden zum aller- grössten Theil von Dahl persönlich oder doch unter seiner dauernden Aufsicht ausgeführt. Um die Beziehungen der Ameisen zur Um- gebung zu entwickeln, stellt der Autor eine kurze Registratur der Lebensbedingungen im Bismarck-Archipel voran, wobei er sich auf seine ausführliche Schilderung der Lebensbedingungen auf dieser Inselwelt im 3. Heft der „Mittheilungen", welche er den Betrachtungen über (las Leben der Vögel vorausschickte, beruft. Nach ihm kann man folgende verschiedene Geländeformen unter- scheiden: Das Festland (oder eigentlich die grösseren Inseln) und die kleinen Inseln, von denen das erstere in das offene halbschattige und schattige Gelände zerfällt, welche wieder jedes in verschiedene Unterabthei- Inngen zergliedert werden. Obwohl es keine zweite Thier- gruppc giebt, deren Arten sich an so verschiedenen Orten linden und welche in Folge ihrer geselligen Lebensweise und der Flügellosigkeit der Arbeiter, in dem ihnen zu- sagenden Gebiet so ungleichmässig vertheilt sind, wie gerade die Ameisen, so werden sich dennoch bei fort- gesetzter Statistik ihrer Fundorte einheitliche Züge bei den einzelnen Arten herausstellen. Für den Bismarck-Archipel kann nacli Dahl das vor- stehende Fangregister als erster Anfang einer Statistik gelten. Aus diesem ergiebt sich schon jetzt, dass der schattige Wald einerseits und das sonnige Grasland andererseits, sich in Bezug auf sänmitliche sie bewohnen- den Ameisenarten gegenseitig völlig ausschliessen. Um die Beziehungen der Ameisen zur Jahres- zeit zu verstehen, bedarf es einer kurzen Darstellung der klimatischen Verhältnisse im Bismarck-Archipel. Die 'reniperaturmittel der einzelnen Monate sind dort fast gleich. Sie schwanken nur um einen Grad C (von 25,3" l)is 2(),4" C). Das Temperatur -Maximum stellte sich während der beiden Jahre 1895 und 189(') auf 35,6", das Minimum auf 19,1" C. Demnach sind die Schwankungen also äusserst gering. Die Regenmenge vertheilt sich dagegen nicht so gleichmässig auf alle Monate des Jahres, sie pflegt nach Dahl zur Zeit des Nordwest-Mousums, von Dezember bis April, bedeutend grösser za sein als zur Zeit des Sttdost- von Mai bis November. Von einer Trocken- starre, wie diese in manchen Tropeugegenden sich geltend macht, ist dagegen nie die Rede, da auch in der trock- neren Jahreszeit genügend Regen fällt. Was die Thätigkeit der Ameisenarbeiter an- betrifft, so ergeben Dahls quantitative Köderfänge, dass ein merklicher Zahlenuuterschied in den verschiedenen Jahreszeiten hcrv.ntritt. (ienau dasselbe licsnltat liefert auch die direkt. • Im (•liachtiing. Die Schwärnizcilcn der Ameisen sind im Bismarck- Archipel keineswegs so scharf bcgrcn/.t, wie bei uns. Dahl empfiehlt zur Feststellung der Scliwärni/.eiten eine quantitative Methode durch Aufstellen eines von ihm kon- struirten Fangapiiarates zu befolgen. Es ist dieses eine mit schrägen Milchglasscheiben versehene Laterne, welche unten einen Alkoholbehälter als Fangapparat besitzt. Dieser Apparat wird Nachts in bestimmten Intervallen, etwa jede Woche einmal, aufgestellt. Es würden sich hiermit vorzügliche Zahlen für die Flugzeit der verschie- denen Nachtinsekten an dem betreffenden Orte gewinnen lassen. Da im Bismarck-Archipel viele Ameisenarten zn den Nachtfliegern gehören, wäre für diese damit ihr Zweck erreicht. Dem Autor stand während seines Auf- enthaltes dort leider noch kein solcher Apparat zur Ver- fügung, und er war somit auf Schätzungen angewiesen. Nach seinen Beobachtungen und Aufzeichnungen ergab sich, dass die trockene Jahreszeit die Hauptschwärmzeit der Ameisen ist, doch scheinen die Schwärmzeiten dort keines- wegs so scharf begrenzt, wie bei uns zu sein. Es scheint, dass der Anfang der Trockenzeit, der April und Anfang Mai für viele Arten als Schwärmzeit gelten kann, denn sonst hätten sich von weit mehr Ameisenarten schwär- mende Geschlechtsthiere finden müssen. Auffallend war die Erscheinung, dass manche Arten mit Vorliebe während der Dunkelheit fliegen, andere zum Theil nahe verwandte Arten nur bei heiterem Sonnenschein hoch in die Luft emporsteigen und hier von Schwalben und sehwalben- artigen Vögeln eifrig verfolgt werden. Was den Nestbau der Ameisen angeht, so sehliesst sich Dahl eng an Forel's übersichtliche Darstellung des Nestbaues an. Nach letzterem Forscher erfolgt der Nest- bau der Ameisen weit weniger nach einem freistehenden Schema als der der Bienen und Wespen, da die Ameisen sich in Lebensweise und Nestbau in weitestem Maasse an die äusseren Lebcnslicdingnngen anpassen. Die meisten Arten vermögen sowohl zn graben, wie zu meisseln und zu mauern und je nach dem ausgewählten Nistplatz tritt bald die eine, bald die andere Fähigkeit mehr in den Vorder- grund. Immerhin waltet bei jeder Ameisenart eine be- stimmte Bauart vor. So findet man das Nest mancher Arten gewöhnlich in der Erde und nur selten in einem Baumstumpf, während andere Arten gerade die Baum- stümpfe vorziehen. Der Autor lässt nun eine Tabelle der Nester folgen, in welcher er zunächst zwei grosse Gruppen unterscheidet. Es sind dieses Kunst- und Natur-Nester. AVährend bei den Kunstnestern die Nest-Höhlung von den Thieren künstlich hergestellt wird, wird das Nest bei der anderen Gruppe in vorgefundener Höhlung angelegt. Die erstere Abtheilung gliedert sich in Erd-, Holz-, Mark-, Mörtel- und Blattnester, die zweite in Spalt-, Röhren- und Kammernester. Erdnester hatten im Bismarck-Archipel zahlreiche Ameisenarten, doch nicht in dem Maasse, als bei uns. Selbst im schattigsten Walde, in dem man bei uns wohl nie ein Ameisennest findet, giebt es dort des warmen Klimas halber viele Nester. Die einzige Abänderung des Erdnestes, die Dahl im Bismarck-Archipel häufig beob- achten konnte, war eine oberirdische Fortsetzung des XVI. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 281 Nestes iu das Wurzelwerk und in die bodenständigen Blattscheiden der Kokospalmen, Bananen etc. hinein. In diesem oberirdischen Theil kommt dann einerseits die Benutzung von Hohlräumen, andererseits die Mauerthätig- keit der Ameise zur Geltung. Die allermeisten Erdnester sind dort aber rein minirte. In festes Holz eingenagte Nester hat Dahl nicht ge- funden, bezweifelt indessen nicht, dass sie dort vor- kommen. Als Marknester bezeichnet der Autor die Nester des mit Endospermum formicaram Becc, einem Baum des Bisraarck-Archipels, in Symbiose lebenden Camponotus quadriceps. Das befruchtete Weibchen frisst sich hier durch die junge Stengelwand in das Innere hinein. Nach- dem das Weibchen eingedrungen ist, verwächst die Oeif- nung allmählich durch Wucherungen vom Rande her und wird später von den Arbeitern nur soweit offen gehalten, dass sie für diese passierbar ist. An der Wurzel jeder Blattfläche der Pflanze befinden sich kleine, glatte Kissen. Dahl beobachtete wiederholt, wie die Arbeiter, wenn sie bei Beunruhigung des Stockes aus den Oefl'uungen hervorkamen, gelegentlich die Polster betasteten und beleckten, doch konnte er trotz sorgfältig- ster Untersuchung, an denselben keinen festen Nährstoff, wie ihn Fritz Müller auf den Polstercheu am Blattstiel von Cccropia nachwies, entdecken. Erwiesen scheint es zu sein, dass die Arbeiter die von ihnen bewohnte Pflanze nicht verlassen. Dahl bildet auf einer beigefügten Tafel einen Theil der erwähnten Pflanzen mit Ameisennest und darin und daran befindlichen Thieren ab. Die Frage, ob in diesem Falle eine echte Symbiose vorliegt, d. h. ob Thier und Pflanze sich au einander an- gepasst haben, um Vortheil von einander zu haben, muss nach dem Autor entschieden bejaht weiden. Als Mörtelbauten bezeichnet Dahl diejenigen Hohl- räume, welche von den Ameisen aus verkitteten kleinen Theilcheu anfgemauert werden, welche meist aus Halm- thoilchen, trockenen ßlutentheilchen, Insektentod n. s. w. bestehen. Vor allem gehören hierher die zahlreichen Gänge von Techusmyrmex albipes, welche besonders auf Wald- lichtungen viele niedere Pflanzen überziehen und theiiweise bis in die Kronen mittelhoher Bäume führen. Die Gänge enden gewöhnlich als geräumige, kammerartige Erweite- rungen, die sich zwischen Blüthenschuppen, in Blatt- schciden etc. befinden und gewöhnlich Pflanzenläuse be- herbergen. Ameisenlarven fand der Autor nie iu den Gängen und Kammern, es liefert demnach hier die Ameise selbst, nicht etwa die Larve das Klebematerial. Blattnester werden in der Abhandlung diejenigen Ameisenbauten genannt, die durch ein papierartiges Ge- spinnst zusammengehalten werden, von einer Masse, die nach Forel ausschliesslich aus Drüsenabsonderuugen be- steht. Diese Nestform fand sich nur im Laube lebender Pflanzen und stets bildeten Blattflächen einen Theil der Nestwände. Ausser dem grossen Nest für die Aufzucht der Brut baut die Ameisengesellschaft meist eine grosse Zald von Futterhäusern. Nicht nur Ställe für Blattläuse wenlen beobachtet, sondern auch Futterhäuser mit pflanz- licher Nahrung. Als Spaltnester werden nach dem Autor diejenigen Ameisenuester bezeichnet, welche in schmalen, spalt- förmigen Hohlräumen angelegt sind. In diesem Falle be- steht die Arbeit der Ameise darin, etwaige kleine Hinder- nisse hinwegzuräumen und die seitlichen Abgrenzungen zu schaffen. Spaltnester werden von kleinen Formen bewohnt und kommen auch in unserem Klima häufig vor. Als Rö brenn est er werden die in gewissen röhren- förmigen, von Insekten ausgenagten Höhlungen angelegten Nester bezeichnet. Meist handelt es sieh hier um kleine oder sehr kleine Ameisen, da die Röhren gewöhnlich recht klein sind. Mit dem Namen Kammernester werden die theils einkammerigen, theils in mehrere Kammern getheilten, mehr oder minder weiten und rundlichen Räume be- zeichnet, welche von Ameisen bewohnt, nicht aber von ihnen hergestellt sind. Die Höhlungen rühren theils von Thieren her, theils von Pflanzen und zwar entweder von trockenen oder ab- gestorbenen Pflanzeutheilen, oder von lebenden Pflanzen, die sich ihrerseits den Ameisen angepasst haben. Als zweite Abbildung giebt der Autor eine epiphytisch wachsende Myrmecodia mit ihrem Knollenlabyrinth, das mau stets von Ameisen bewohnt findet. Bisher hatten die Forscher sich in der Beantwortung der Frage nicht einigen können, ob es sich hier um eine echte Symbiose handelt. Treul) führte den interessanten Nachweis, dass sich die labyrinthartigen Gänge in der Knolle der Myrmecodia ohne Zuthun der Ameisen bei der jungen Pflanze ent- wickeln. Pflanzenknollen sind Aufspeicherungen von Nähr- stoffen und Wasser für die weniger günstige Jahreszeit. In den Tropen sind derartige Vorrathskammern gewöhn- lich für die trockene Jahreszeit bestimmt. Diese Auf- speicherungen werden von Thieren aller Art aufgesucht und besitzen daher gewöhnlich Schutzeinrichtungen gegen jene, ihre Feinde. Vielleicht hat wiederum die Pflanze ausser dem Schutz noch einen zweiten Vortheil von den Ameisen. Nach Dahl's Meinung wäre es möglich, dass die Ameisen vielleicht auch die Wechselbestäubung voll- ziehen. Ob die Myrmecodia ihrem Beschützer ausser der Wohnung auch Nahrung gewährt, ist unerwiesen. Es fanden sich zwei Arten von Myrmecodia: eine kleinere und häufigere Art: M. pentasperma K. Seh. und eine grössere M. dahli K. Seh. Schliesslich fand der Autor in dem erdigen Wurzel- bündel eines mächtigen Exemplares von Asplenura nidus L. hoch oben auf einer Laportea sessiliflora Warb, die Nester von Polyrhachis litigiosa und Pheidole sexspinosa völlig in einander verschlungen. Es handelte sich hier demnach um zusammengesetzte Nester. Auch wurde das Nest von Solenopsis dahli durch Dahl's Leute beide Male zusammen mit dem von Prenolepis bismarckensis aus- gegraben. Eine für die Praxis werthvolle Tabelle ist die Gruppi- rung der Ameisen nach der Lebensweise, welche Dahl für den Zweck zusammengestellt hat, um einem Nicht- specialisten, der sich im Bismarck-Archipel aufhält, das Wiederauffinden und Wiedererkennen der Arten zu er- leichtern. Diese Tabelle enthält viele interessante bio- logische Notizen, welche für spätere Forschungen in dieser Richtung die Grundlage bieten werden. Was die Feinde der Ameisen anbetrifft, so hält Dahl entgegengesetzt der Ansicht Forel's, welcher sagt: „Die gefährlichsten Feinde der Ameisen sind stets andere Ameisen, wie es für den Menschen andere Menschen sind", die Vögel für die schlimmsten Feinde. Wenn man die Vögel bisher nicht genügend als Feinde der Ameisen würdigte, so scheint es daran zu liegen, dass man die Mageninhalte der Vögel nicht genau untersuchte. Die Zahl der ameisenvertilgenden Vogelarten beläuft sich auf 28 Stück; sie werden vom biologischen Gesichtspunkte aus in solche eingetheilt, welche ganze Nester von erd- bewohueudcn Ameisen rauben und in solche, welche sich der Ameisen ausserhalb ihres Nestes bemächtigen. Die 282 Naturwissenschaftliche Wocheusclirift. 24. letztere Gruppe lässt sich wieder in verschiedene Unter abtheiluugen auflösen, auf die ich hier nicht weiter ein gehen will. Dahl tritt der Ansicht, nach welcher die Ameisen im allgemeinen für sehr nützliche Thiere gehalten werden, entgegen; nach ihm darf man allenfalls die Mehrzahl der Ameisen zu denjenigen Thierarten rechnen, welche dem Menschen ebenso viel nützen wie sie schaden. Steht es einerseits auch ausser Zweifel, dass die Ameisen manchen Pflanzenschädling, namentlich manche schädliche Insekten- larve vertilgen, so werden andererseits gewisse Schäd- linge doch geradezu von den Ameisen gegen alle Angriffe in Schutz genommen. Es sind dieses Schild-, Blatt- und Wurzeliäuse, Cikadeularven und einige Schmetterlings- raupen, welche sämmtlich als Pflanzenschädlinge gelten. Bekannt ist, dass die Ameisen diese Thiere als „Milch- kühe" benutzen, sie schützen, sie an geeignete, futter- reiche Plätze bringen und erforderlichen Falles sogar Ställe für sie bauen. Die Frage der Nützlicldieit oder Schädlichkeit einer Ameise ist dadurch erschwert, dass die Pflanzenschädlinge, welche von den Ameisen ent- weder gefressen oder beschützt werden, theils auf Nutz- pflanzen, theils auf Unkräutern leben. Sehr lehrreich ist der Vergleich der Ameisenfauna des Bismarck-Archipels mit der Norddeutschlands. Im Gegensatz zu der viel besser erfoischten norddeutschen Ameisenfauna wissen wir von der des Bismarck-Archipels in Bezug auf das Zusammenleben verschiedener Arten, das Vorkommen der Sklaven, Schmarotzer und Gäste im fremden Neste noch fast gar nichts. Als zweiter Punkt springt bei dem Vergleich der beiden aufgestellten Tabellen der grosse Unterschied der Artenzahlen in die Augen. In Norddeutschland würde sich als Sammelresultat bei gleicher Ausdehnung des Ge- bietes, sowie bei gleicher Zeitdauer der Fang von 15 bis 18 Arten ergeben, im Bismarck-Archipel sammelte Dahl dagegen 90 Arten. Mithin ist hier die Fauna 5— 6 mal artenreicher an Ameisen. Am Schluss seiner Abhandlung geht Dahl auf einen Vergleich des Individuenreichthums in den beiden be- zeichneten Gebieten nach quantitativen Fängen ein. Es handelt sich hierbei um den Erfahrungssatz: Wenn eine Falle mit demselben Köder an demselben Orte, in der- selben Jahreszeit und bei demselben Wetter aufgestellt wird, so erhält man stets annähernd dieselben Insekten- arten und zwar in der gleichen Zeitdauer annähernd die- selbe Individuenzahl. Als Köder benutzte der Autor eine stets annähernd gleich grosse Vogelleiche und als Falle ein bis zum Rande in die Erde versenktes Trinkglas mit senkrechten Wänden. Zum gleichzeitigen Fange fliegender Insekten wurde eine glockenförmige Glasfliegenfalle über das Trinkglas gestellt. Als Hauptresultat dieser Methode ergab sich, dass die Ameisenfauna des Bismarck-Archipels etwa 30 mal iudividuenreicher als die Norddeutschlands ist, dass, wie in Norddeutschland, so auch im Bismarck-Archipel die verschiedenen Oertlichkeiten verschieden reich an Ameisen sind und dass in beiden Orten die Ameisenfäuge in den verschiedenen Jahreszeiten verschieden reich sind. In der Zusammenfassung seiner Arbeit hebt der Autor am Schlüsse noch hervor, dass die „Methode der ver- gleichenden Ethologie sowie auf die Vögel so auf die Ameisen anwendbar ist. Dr. A. Sokolowsky. Wetter-Monatsbericht. (Mai.) — Der diesjährige Mai brachte Deutschland sehr viel Sonnenschein und wenig Niederschläge, während seine Wärmeverhältnisse sich mehrfach änderten. Wie das Beispiel von Berlin in der nebenstehenden Zeichnung erscheu lässt, wichen die Dnrchschnittstemperaturen der ersten neun Tage nur wenig von ihren der Jahreszeit entsprechenden Werthen ab. Dann überstiegen sie dieselben ziemlich bedeutend. Doch um die Mitte des Monats trat eine länger anhaltende Ab- kühlung ein und erst in seinen letzten Tagen wurde es wieder sehr warm. Im Mittel überschritt die Temperatur zu Berlin, wie auf dem ganzen Gebiete östlich der Elbe, um reichlich einen Grad ihre normale Höhe, während hier insgesammt 272 Stundpn mit Sonnenschein, etwa 40 mehr als im Durchschnitte der früheren Maimonate ge- messen wurden. In Nordwest- und Süddeutschland blieben im Gcgen- theil die Temperatunnittel um mehr als einen Grad hinter den normalen Maiteni))craturcn zurück. Im NiMHiwesten Tempzraiürm im JVlai 1901. Q ]■ Täjlirhpc Marimi.m h»7 Minimum. lagesmifrel, 190t ........ Tagesrairtei,«! ' ■■ 6. 11. 1S 21. 26. Tempepatup-Maxima verschiedener Optz. ' Mai. 6. 1t 16. 2t 26 31. BERlINERWETrcReufiaW, erhob sich das Thermometer nur sehr selten bis auf 25" C. Süddeutschland hatte zwar am Ende des Monats einige heisse Tage, au denen verschiedentlich 30" C. er- reicht wurden, vorher aber noch oft recht kühle Nächte. Die Schwankungen der Temperatur waren aber nirgends so bedeutend, wie Jm Nordosten. In der Pro- vinz Ostpreussen kamen am Anfange des Monats ver- schiedentlich Nachtfröste vor. Zu Königberg stieg das Thermometer am 5. Mai sogar Mittags nicht höher als bis 7", fünf Tage später dagegen bis 26" C. In der kühlen Zeit mit trockenen Nordwinden während der zweiten Hälfte des Monats ging die Lufttemperatur am 18. zu Königberg nochmals beinahe auf den Gefrierpunkt herab und der Erdboden erkaltete bis — SVa" C. Noch am 21. wurde bei Frankfurt a. 0. Reif beobachtet, in welcher Nacht dort Kartoffeln und Bohnen erfroren. Während der ersten Hälfte des Monats fanden ziem- lich zahlreiche Niederschläge statt, die aber, der um- stehenden Zeichnung zufolge, nur in einzelnen Theilen Nordwest- und Mitteldeutschlands grössere Regenmengen erbrachten. Meist waren- es Gewitterregen, denen sich in Süddeutschland bisweilen Hagel zugesellte. In Ostpreussen fiel auch mehrmals etwas Schnee. Vom 14. bis 24. Mai blieb es im Nordwesten gänz- lich trocken und auch in den übrigen Landestheilen fiel selten und meist nur leichter Regen. Erst kurz vor dem Pfingstfeste traten stärkere Gewitter ein, die sich bis zum XVT. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 283 Hclihisse des Mouats, besonders au der Küste und iu MitteUleutsehland, häufig wiederholten. Der Gcsammtertrag der Niederscliläge, der sicli t'iir den Uurelischnitt der berichteliden Stationen auf :>2,() Miiiiineter belief, war so gering, wie es in keinem Mainionat während des vorigen Jahrzehntes in IXntsehland vorgekommen ist. Im Mai 1898 wurde von den gleichen Stationen sogar fast die dreifache Nieder- schlagshöhe gemessen. Wie es in der warmen Jahreszeit gewöhnlich der Fall ist, änderte sich die allgemeine Luftdruckvertheilung OA5 ÖERUNtR WfrrfRBuPEAU in der Regel uur langsam von einem Tage zum anilern. Zu Beginn des Mai vvurde der grösste Theil Europas von lioliem" Luftdruck bedeckt, vom 4. bis 7. Russland von einer tieferen Depression durchzogen, die das Wetter in Deutschland aber nur noch wenig beeiuflusste. Dann er- schien ein tiefes Minimum auf dem Ocean, das langsam südostwärts vorrückte und sich dabei mehr und mehr ver- flachte. In Nordrussland setzte sich am 9. Mai ein hohes Barometermaximum fest, dessen trockene Ostwinde sich allmählich nach Westen aasbreiteten. Nachdem dann ein zweites Maximum auf dem norwegischen Meere hinzu- gekommen war, drehten sich die Winde bei uns nach Nord und führten eine allgemeine Abkühlung herbei. Erst am 25. Mai vermochte eine umfangreiche, wenn auch Hache Depression mit danipfgesättigten Südwestwinden in Mitteleuropa einzudringen, der kurz vor Schluss des Monats eine tiefere vom atlantischen Ocean nachfolgte. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Karl Groos in Basel zum ausser ordentlichen Professor der Philosophie an die U der ChiMnikei- Dr. Fritz R---1-K" "■• --.^ Kieriinf;sr:i f li : m Ur. W. \"'H^I anatoniii^ilii'ii li zmn Mediz.-Assi in Breslau (Un Aasistenten am von M. Kinnei .„. -... _-sität Giessen ; i;or zum Kaiserlichen Rc- .Mr,li . Mi, (jM-aktischer Arzt) zi 11 Institut als Nachfolf ini-ikulturchoniischen u Inhalt: Dr. P. Dahms: Der Biber. — Ueber diu Famihe der Ai — Wetter-Monatsbericht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben Botanik. bakterioluKisohen Instituts Dr. Th. Pfeiffer zum Professor des neuen Lelirstnhls für Agrikulturohemie, sowie Privatdocent Dr. H. Sachs (Nurvenheilh.) zum ausserordentlichen Professor; in München Privatdocent Dr. A. Klein zum Leiter der Uuiversi- täts-Poliklinik für Frauenkrankheiten; für die durch Professor Heineck's Tod erledigte ordentliche Professur der Chirurgie an der Universität Erlangen ist Heineck's langjähriger Assistent Prof. Graser auseisidirii, dn- jüngst den Lehrstuhl der Chirurgie in Rostock iibernr n. n li.tt; in Leipzig der erste Bibliothekar V. Gebhardt zum hir^kiui-, dio Bibliothekare Gardthausen und Helssig zu i Mn rliil]|i..tlirkaren; in München (technische Hocl.srlinl.l i'iiviif,I.M-,Li Dr. V. Aminoii ((ndl. u. Palaeontol.) zum IkiiM.iar I'imIVs.-cii-; in Cni/. (riiix.) rri\:itdocent Dr. K. A. Pi. rkr (i.-mI. n. /.rHi-1'.ikirnnt.) /iiiii aiissrnjrdentlichen Pro- frssui-; in Ihii-I.iiirk iTiiis.) 1 ' 1 n a f. I. .,-. Hr. V.. Kitt. V. Oppolzer- Pni" /.Min an — Toid^ailllrlnn 1 ■r..|Vs.o,- drr Aslronnmio; m Wien (Univ) .anssmoiJ.nllirlnr l>,nr,v,-nr .1. von 1 1 n ,,,,,. rger-Graz (Astrnii.l zum ,n'dnnllirlH.|i I 'niiVssin-. Verlielien wurden: Dem Privatdocenteu der Zoologie der Universität zu Kiel Dr. Ernst Vanhöffen das Prädikat Pro- fessor; in Breslau (Univ.) Privatdocent Dr. N. Neisser der Titel Professor. Es habilitirten sich: An der Berliner rni\ arsitat Prof. Dr. Arthur Nicolaier, früher Docent in (.lottiiiLuni. tiir Jledizin; Dr. Job. Friedonthal, ebenfalls für Medizin und Dr. (i. llessen- berg für darst.ll.m-le Oeomotrie; in Heidelberg (Universität) Dr. C. Herbst tiir /..mlogie; in Halle a. S. Dr. Gebhardt vom patholngisch' für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift". hl Folge vielfacher aus dem ALonnentenkreise hervorgetretener W'ünselie betr. Erleiehterimg des Hezug^ ler früheren Bände der „Natitrwissenschafthehen Wochenschrift" haben wir uns zu einer ausserordentlichen Preisermässigung ler seither erschienenen .Jalirgänge entschlossen. Wir offei dah die Bände I— XV (Jahrg. 1887—1900) ,„;, Ausschluss d. Ladenpreises von 183 Mark ferner einzeln Nummern 14~2(i von B:uul IV, widc uiuebundiM für 60 Mark rgritlc Kl, statt des die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK für je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 16 Mark für je 8 Mark. Diese P igung rrbsrlit, snl.ild d, bestiuinitc \^ y^erd. Dümmlers Üerla8$bucl)l)an(llunfl in Berlin SW. VI, /imiiietstrasse i)4. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potonie, Gr. Lichtorfeldo -West bei Berlin, Potsdamcrstr. 35, für deu luseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Düinmlera Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: Q Bernstein, Berlin SW. l-- _ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, XVI. Band. Sonntag, den 23. Juni 1901. Nr. Abonnement : Man abonnirt bei allen Huchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 J, extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^ . Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagennach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abclrnek ist nnr luit vollständiger Qnellonangabe {jestattet. Beiträge zur Morphologie des Farnwedels. Vorbcraerkiuig-. Die liiev zum Abdruck kommeufle Arbeit stammt bereits aus den FriUdiugsmonatcn des Jabres 1866. Sie war zu einer Inaugural-Di.ssertation bestimmt, fand aber nicht den Beifall von Schieiden . Mettenius und Alexander Braun, denen sie nacheinander münd- lich vorgetragen oder schriftlich dargelegt wurde. Da der von seinem Schüler hochverehrte und ihm im übrigen sehr freundlich gesinnte, mit Ratb und That behilfliche Alexander Braun unabänderlich bei der Ansicht be- iiarrte, der Farnwedel sei als Blatt und in keiner Rich- tung als Achsenorgan zu betrachten, so wurde die Ab- handlung zurückgelegt, und die Promotion erfolgte später auf Griuid einer anderen Arbeit. Allein in Folge fortge- setzter Studien an Primordialwedeln und vergleichend morphologischer Betrachtungen verhärtete sich der Ver- fasser in seiner Ketzerei, und gab seinen Ansichten unter anderem in der ersten Auflage seines Buches „Werden und Vergehen" (Berlin 1876) ganz entschiedenen Ausdruck, natürlich ohne damit die Fachgelehrten zu gewinnen. Der Umstand, dass der Herausgeber dieser Zeitschrift, vou ])aläüphytoIogischen Studien ausgehend, zu verwandten .Vnsichten gelangt war und dies dem Verfasser gelegent- lich mittheilte, veranlasste die Hervorsucbung des gegen- wärtig natürlich in manchen Beziehungen veralteten Manu- skriptes und Abdruck desselben als quasi-historischen Do- kumentes, da der Gerechtigkeitssinn des Herausgebers nicht die ersten Andeutungen einer vielleicht zukunftsreichen Auffassung im Verborgenen lassen wollte. — Im Uebrigen ist das Manuskript unverändert geblieben, und nur einige weitere Ausführungen sind fortgelassen worden. Es existirt, so weit meiue Nachforschung gegangen, bisher keine Arbeit, welche die so überaus mannigfachen Formen der Faruwedel einer vergleichenden Betrachtuni;' Krause. unterzieht, in der Absicht, das Gemeiusame dieser Gestal- ten nachzuweisen. Um diesem Zwecke zu dienen, schien es zuerst erforderlich, der Art und Weise nachzuspüren, wie sich diese meist nicht einfach gebauten Wedel bilden, Vorgänge, die in dieser besonderen Richtung bisher viel- leicht nicht untersucht wurden. Für ein derartiges Vor- haben eignen sich natürlich am meisten die äusserlieh am wenigsten differeucirten Farne, zumal, wenn noch ihre anatomischen Verbältnisse einfach sind, und ich bedauere, hierfür nicht lebende Hymenophyllum-Arten zur Hand ge- habt zu haben, welche den leichtesten und klarsten Auf- schluss versprachen. In gewisser Beziehung kann man nicht wohl einen günstigeren Fall auffinden, als ihn für derartige Betrachtung das in allen bergigen Gegenden Deutschlands verbreitete Asplenium septentrionale Hoffm. darbietet. Die Untersuchung der morphologischen Entwiekelung des Wedels dieser Pflanze ergiebt in kurzer Uebersicht Folgendes: Die jungen Wedel, aller Seitentheile entbehrend, sind spiralig eingerollt in eiuer Richtung, wie ein Ammons- horn oder ein SchmetterlingsrUssel. Bei der Aufroll ung ziemlich junger Wedel findet man, dass sie vorerst nur ein fadenförmig gestrecktes Organ darstellen, welches in eine kegelartig abgerundete Spitze nach oben endet, die bei Wedeln von sechs bis acht Millimetern (nach Um- ständen auch bedeutend mehr) noch keine Spur einer Theilung daselbst unter der Lupe zeigt. In der Mitte des jungen Wedels bemerkt man einen heller gefärbten Cambialstrang, und das Wachsthum durch Zeilentheilung geht an seinem oberen Ende dicht unter der Wedelspitze vor sich. Anfangs besteht dasselbe nur in einer einfachen Verlängerung am oberen Ende. Nach Maassgabe dieses Fortschrittes verwandelt sieh der centrale Strang länger gestreckter Zellen von unten nach obeu in ein zusammen- hängendes Gefässbündel. Darauf sieht man bald das 286 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 25. Endcamhiuiu durch Abscheidung eines nicht weiter tort- zeugenden Zellgewebes iu seinem Innern, sich in zwei Bildungshecrde theilen, worauf sich der junge Wedel bald gabelt und das Wachsthuni nun an beiden Spitzen ge- sondert fortschreitet. Nachdem beide Gabelenden eine kurze Zeit lang an der Spitze fortgewachsen sind, wol)ei sich sehr bald eine Verschiedenheit iu dem Fortschritte gegeneinander zu erkennen giebt, wiederholt sich derselbe Theilungsvorgang entweder in beiden oder doch in dem weiter vorangeschrittenen Ende, und diese Theilung kann liei üppigen Exemplaren noch einmal wiederkehren. Alicr es pflegt zuletzt die Fortbildung au zwei Canibiimistcllen keine Gabelung weiter herbeizuführen, und die Folge dieses Fortschreitens der bildenden Thätigkeit von meh- reren Punkten aus, besteht dann nur in einer bandförmigen Verbreiterung der Wedelspitzen, welche eine oberfläch- liche Aebnlichkeit mit den sogenannten Fasciationen der Fflanzenachsen darbietet. Das Weitcrwachsthum erstirbt endlich au der Spitze, wo man alsdann noch die Thätig- keit der mehrfachen Vegetationsstellen in dem gefranzten und gezipfelten Eudtheile erkennt. Während aller dieser Wachsthumsvorgänge war der obere Theil des Wedels noch eingerollt, und so zwar, dass die neuen Theile sich in diesem Zustande bilden, während das untere Stück, iu welchem alsdann alle wesentlichen Organe angelegt sind, sich fast in demselben Maassstabe aufrollt. Dieses Verhalten hat seine Ursache iu einem ungleichen Bau de« Zellgewebes nach oben und unten, wonach eine Schicht nach oben liegender mehr pallisadenartig zusammengedrängter cylindrischer Zellen sich langsamer entwickelt, als das mehr lockere und sehwammförmige Parenchym im unteren Theil, sodass die Unterseite eine etwas grössere Aus- dehnung hat, als die obere. Nach und nach gleicht sich dieser Unterschied aus, die Zellen wachsen schnell zur bestimmten Grösse heran, und der Wedel erscheint gänzlich ausgestreckt. In gleichem Schritte mit der äusseren Gliederung, die mithin nur in einer wiederholten Gabe- lung besteht, entwickelt sich das Gefässbündel, welches sich noch unterhalb der äusseren Theilung in zwei Aeste trennt und sich völlig entsprechend der äusseren Gestal- tung von neuem gabelt, und selbst noch in der oberen unzertheilten spateiförmigen Spitze in zwei Enden aus- läuft. Man kann diese ganze Figuration des Gefäss- bündels in dem oberen Theile mit Leichtigkeit erkennen, wenn man iini im durchgehenden Lichte mit der Lupe betrachtet. Zum Theil noch vor dem Abschluss der Wachsthums- zeit und vielleicht als Veranlassung desselben, beginnt nun auf der Unterseite jener verbreiterten Endtheile, zu- erst von dem Orte der Gefässbündel, zuletzt die ganze Platte bedeckend, die Bildung der Sporenhäufchen, welcher Vorgang in seinen Einzelheiten bekannt und auch für den Zweck vorliegender Blätter ohne Be- deutung ist. Dieselbe, hier nur in den allgemeinsten Zügen an- gedeutete Entwickelungswei.se findet, wie dies hinlänglich bekannt ist, bei allen Farnen in analoger, nur meist etwas eomplicirterer und modificirter Art statt, stets aber liegt das Endcambium in allen äussersten Ausläufern des Wedels, und das Wachsthum iindet an allen diesen hervor- ragenden Theilen, au der ganzen Peripherie statt, wenn der Wedel sich nach mehreren Richtungen verbreitert. Die angedeutete Wachsthunisart ist ziemlieh verschieden von derjenigen eines Blattes, worauf hinzudeuten ist, weil unsere er.stcn Autoritäten (Braun, Mettenius, Mohl, Seh leiden, J. Milde und viele andere) den Farnwedel als ein Blattorgan bezeichnen, während Hofmeister in seiner Auffassung des Wedels als Achsenorgan ziemlich vereinzelt dasteht. Soviel auch in besonderen Punkten Abweichendes stattfinden mag, inuner folgt doch das Blatt in seiner Entwickelung dem von Robert Brown zuerst erkanntem Grundsatze, dass seinem begrenzten Wachsthume ent- sprechend, der Vegetationsprocess zuerst an seiner Spitze erlischt, dann aber rüekschreitend nach dem Grunde vor sich geht und, dort angelangt, aufhört. Die Blattspitze ist der bald unverändert stehen bleibende, zuerst voll- endete Theil, und es . treten sodann die iiir zunächst liegenden Punkte des Umrisses, seien es Zahne oder tiefere Auszackungeu, als die nächst fertigen hervor. Und zwar bleibt sich diese Entwickelungsweise bei allen Blattarten iu den Grundzügen gleich; das Blatt des Laub- mooses unterscheidet sich hierin nicht von dem der Phane- rogame. In sämmtlichen Hauptpunkten verschieden sehen wir die Entwickelung des Farnwedels vor sich gehen; hier ist die Spitze wohl vollendet, wenn alles Weitcr- wachsthum aufhört, bis dahin ändert sie sich fortwachsend stets, und eine Weitervergrösserung geht von den Spitzen aller Haupt- und Seitenfiedern aus. Die ersten Höcker, welche, bei jungen Wedeln von trigonalem Unn-iss, neben dem Endkegel zu beiden Seiten auftauchen, wachsen nicht wie beim Blatte zu den obersten Auszackungeu neben der Endspitze aus, sondern sie werden hier zu Grundlagen der untersten Seitenfiedern des Wedels. Man kann bei verfrüht in ihrer Entwickelung ant>;elialtcnen Wedeln sehen, wie die später augelegten obcien Ficdcru in ihrer Entwickelung gegen die vollendeten unteren zni1U-k- bleiben. Dagegen ist das Wachsthum des Wedels von Asple- nium septentrionale Hoffm. so sehr entsprechend der Art, wie sich die Achsenorgane der Pflanzen entwickeln, dass wenn mit ähnlicher Einfachheit bei allen Farn- gattungen der Entwickelungsverlauf sich darstellte, man wahrscheinlich zu der Ansicht gelangt sein würde, der Farnwedel sei ein Achsenorgan. Am ähnlichsten ist der besprochene Wachsthumsvorgang demjenigen bei dem so- genannten Thallus einiger Lebermoose und Algen (Fucoi- deen), wo ebenfalls die an der Spitze fortwachsende Achse durch Theilung des Endcambiums sich dichotom verästelt, während zugleich bei einigen Lebermoosen wirk- liche Blätter auf der Unterseite des Thallus auftreten. In ähnlicher Weise verästeln sich gabelförmig an der Spitze die Stammtheile der Farne selbst (z. B. bei Poly- podium ramosum), während ein Aehnliches auch bei einigen Rhizokarpeen (Pilularia, Marsilia) von meh- reren Beobachtern behauptet wird. Derselbe Fall, (durch- aus verschieden von der Gabelung bei Achsenorganen mit end.ständiger Blüthe wie bei Viscum) zeigt sich bei den Lycopodiaceen, welche den Farnen nahe stehen. Wirft man alsdann einen Blick auf die Gefässbündel, welche die Nerven der Farnwedel durchziehen, so findet man, dass ihre Richtung und Vertbeiluugsweise sich voll- ständig abhängig zeigt von der Differenziruug der äusseren Gestalt. Sie theilen sich in zwei Arme, wo eine äussere Theilung stattgefunden hat und verlängern sich contiunir- lieh bis in die äussersten Ausbieguugen des Wedels. Be- kanntlich sind die Botaniker noch sehr wenig einig über die eigentliche Bedeutung der Gefässbündel in Achse und Blatt. Während noch De Candolle glaubte, die Richtung der früh in der Anlage vorhandenen Blattgefässbündel bestimme auch die Form des Blattes, wies Schieiden nach, dass umgekehrt die Richtung der sich erst später vom Grunde her entwickelnden Gefässbündel durch die bereits vorhandene Blattform bestimmt weide. Indessen liegt wohl die Wahrheit in der Mitte beider Ansichten. Es ist kaum eine andere Annahme möglich, als dass in den jungen Anlagen von Blatt und Stengel eine gesetzraässig formulirte vegetative Thätigkeit in bestinnnten Richtungen XVI. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 287 vom Grunde aus stattfinden muss, welche die sich erst später ausbildende Nerventigur antieipirt, sodass diese wirklich, im Sinne einer vernünftigen Entelechienlehre, als vorher voriiauden gedacht werden kann. Zwei gleiche UmrissCormen von Blättern können je nach der ungleichen iVeisc ihrer Entstehung sehr verschiedene Nervenfigura- tionen nach sich ziehen, und es dürfte z. B. schwer er- sichtlich sein, warum das Platanenblatt eine fussförmige, das in der Form so ähnliche Blatt einiger Ahorne (Acer pseudoplatanus L., A. platanoides L. u. A.), aber eine iiandformige Nerveuvertheilung erhält, wenn man nicht diese Gefässbündel geradezu als den Verlauf eines organischen Bildungsprozesses darstellend betrachtet, der in beiden Fällen verschieden war. Wenn eine solche Bedeutung der Nervaturverhältnisse bei den Farnwedeln mit giösstcr Deutlichkeit entgegentritt, so kann man nicht das Gh^chc von den Blättern der meisten Phanerogamen behaupten, zumal wenn durch Bildung zahlreicher Querver- i)indungen der Nerven, die ursprüngliche Anlage in einer Weise verändert wird, dass man die Ursache davon für jetzt nicht im Stande ist, sicher anzugeben. Bei den P\arnen dagegen folgt die Nervatur vollständig der äusseren Zertheilung des Wedels, und da liier im normalen Wachs- tlinm niemals eine Verbindung früher freier Theile statt- lindet, so verbinden sich auch die Nerven nicht mit ein- ander; eine echte netzartige Verästelung derselben findet in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle bei Farnwedeln nicht .statt. Mitunter sieht man durch Verschiebung der Tlieilc ausnahmsweise zwei Gefässbündel auf einander treffen, dann wachsen sie, ohne sich gegenseitig im ge- ringsten in ihrer Entwickelung zu stören, übereinander weg, wie sieh kreuzende Zweige eines Baumes. Andere Male gehen solche Gefässbündel, wenn sie in einer schmalen Parenchymlage auf einander treffen, dicht neben einander fort, als seien sie verbunden ; gewöhnlich trennen sie sich alsdann bald wieder, wie man dies bei Marsilia aegyptiaca beobachtet. Sehr vereinzelt ist das Auftreten einer netzartigen Verästelung, wie bei mehreren Ophio- glosseen, für deren genauere Untersuchung mir frisches Material gefehlt hat. Auch über die Bedeutung der Gefässbündel im Lehen und Ernährung der Pflanze ist man noch keineswegs hin- reichend aufgeklärt und einig. Wenn mit Unrecht einige Botaniker ihnen die Leitung aller Pflanzensäfte über- tragen zu können glaubten, so gehtauch Schieiden auf der anderen Seite zu weit, wenn er sie gleich den Gängen der Holzkäferlarven in Stämmen, bloss als die zurückgelassenen Spuren einer ehemals in diesen Rich- tungen lebhaft fortgeschrittenen Thätigkeit betrachten will, völlig ungeeignet Säfte zu leiten und fernere Bil- (luugsprozesse anzubahnen. Dies widerlegen zumal die Farnwedel, wo eine höchst lebhafte Production neuer Theile sich örtlich stets an die letzten Verzweigungs- enden der lauge vorher ausgebildeten Gefässbündel knüpft. Man kann indess den morphologisch wichtigen Schluss nuichen, dass die Richtungen der Gefässbündel noch in dem vollendeten Wedel die Wege bezeichnen, welche die bildende Thätigkeit bei Entstehung desselben eingeschlagen hat, so dass sie ein Bild liefern, wie durch allmähliches Weiterwachsen aus einem ungetheilten einfachen Vege- tatiouskegel dieses oft so wunderbar zusammengesetzte Gebilde entstanden ist. Wird dieses aber zugegeben, so muss man auch zugleich die ausserordentliche Wichtig- keit erkennen, welche das Studium der Nervaturverhält- nisse insbesondere für die morphologische Betrachtung des Farnwedels besitzt. Vermöge der Nervenzeichnung werden wir auch noch in den Partieen des Wedels, dessen Ab- theilnngen sich nicht weiter differenzirt haben, das Fort- schreiten der vegetativen Thätigkeit in bcstinnntcn Rich- tungen nachweisen können, und dass das Gesetz der Bildung auch noch da, wo es der äussere Umriss nicht mehr verräth, dasselbe geblieben ist wie in der ersten Anlage. Die Bilduugsweise mancher Wedel markirt sich theilweise äusserlieh gar nicht, und erst das Studium der Nervatur belehrt uns, dass der einfach in die Länge ge- streckte Wedel von Scolopendrium officinarum Sw. keineswegs durch einfaches Fortwachsen in die Länge entstanden ist, wie derjenige von Asplenium septen- trionale Hoffm. Es muss natürlich vor allem bedenklich erscheinen, die Betrachtung nur auf das Vollendete anzuwenden, statt das Werden zu erforschen. Denn überaus ver- schied('n kann das Endergebniss ausfallen, in Folge der Einwirkung secundärer Wachsthumsprocesse, die mit der Bildungsgrundlage in keinerlei Connex stehen, sodass man einfach das Gegebene als solches auffassend in die mannig- fachsten Irrthümer verfallen muss und z. B. bei einer ganzen Fornienreihe von Farnen glauben kann, sie ent- stünde durch wiederholte Dreitheilung des Eudcambiunis. So ist die Trennung des centralen Hauptgefässbündels der Wedel in zwei und mehr Bündel eine sccundäre Wirkung, durch eine Entwickelung von parenchymatösem Gewebe zwischen den einzelnen Theilen. Man kann keine Veranlassung hierzu finden in der Anlage der Theile, sie scheint vielmehr erst bedingt zu werden durch Ver- hältnisse des Fortlebens. Schon hieraus geht hervor, dass man am siciiersten wird der Nervenformation in den letzten Verzweigungen des Wedels vertrauen können, wo so nahe am Schlüsse der Vegetationsperiode nur noch geringe Umänderungen der ursprünglichen Anlage ver- nmthet werden können. Gewöhnlich wird man von hier zurüekschliessen können auf das Werden der älteren Theile, da in der Regel ein conformes Bildungsgesetz die Entstehung der Wedel vom Anfange bis zum Ende leitet, wenn auch einige Modificatiouen während des Ver- laufs eintreten. Schon in diesem Sinne kann man auf die allen Botanikern aufgefallene dichotome Verzweigung, welche bei den letzten Nervenendungen der Ueberzahl von Farnwedeln aller Gattungen stattfindet, hindeuten, um darin bedeutsam ein allgemeines Bildungsgesetz dieser Pflanzengruppe ausgedrückt zu finden. Denn in der That, wenn man den Bildungsgang der Farnwedel verfolgt, so erbhckt man gleichmässig die noch so verschiedenen Gestalten, entstehend dadurch, dass sich der Vegetationskegel an der Spitze in zwei Cambial- zellen theilt, worauf diese getrennt fortwachsen, um sieh fort und fort, in bestimmten regelmässig abnehmenden Perioden des '.Veiterwaclisthums abermals zu theilen, bis mit dem Auftreten der Sporenliäufehen der Schluss des Wachsthums eintritt. Der Farnkrautwedel ist mithin seiner Bildung nach ein ursprünglich dichotomes Ge- wächs, so auffallend sich auch oftmals seine spätem Er- scheinungsformen von dieser ideellen Grundform entfernen mögen. Es verdient darauf hingewiesen zu werden, wie tief ahnungsvoll und bedeutsam die alten Römer den Typus dieser Gewächsgruppe mit dem Namen filix belegt haben, denn alle Etymologen belehren uns, dass dieses Wort sich, wie filum (der Faden), herleite von findo zer- spalten, zertheilen. Und so benennt entsprechend der Araber das Farnkraut mit dem Namen feledschun, was sich nach Humboldt wahrscheinlich ableitet von falad- scha: er zertheilt. Wenn nun alle Farnwedelformen sich zurückführen lassen auf dichotome Verweigungen , so müssen sich spätere Ungleichheiten nachweisen lassen in der Fortent- wiekelung, die eine veränderte Architektonik zu Stande brachten. Diese finden sich, wie wir sogleich sehen Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 25. werden, in der gleichen oder ungleichen Entwickelung der Gabelenden. Hierbei sind nur drei Grundfälle möglich: es können sich nämlich entwickeln stets beide Gabel- zweige gleichmässig, oder immer derjenige auf derselben Seite vorherrschend, oder abwechselnd der eine mit dem andern vorherrschend. Diese drei Fälle sind nacheinander zu betrachten. I. Gleichseitig entwickelte Wedel (Frondes aeqnilaterales). Diese einfach das allgemeine Gesetz ihrer Bildung verkörpernde Form ist ausgedrückt durch ein Schema, welches uuisomehr abweicht von der Natur, wenn die Gabelung gezeichnet ist, unter Annahme eines stets gleichen Trennungswinkels der Gabelscheukel und durch eine feste Progression in der allmählichen Ab- nahme der Theilungspunkte von einander. Dieses reinste Verhältniss findet nur bei einer beschränkten Anzahl von Farnkräutern statt, hauptsächlich aus der ünterfarailie der Schizaeaceen. Alsdann sind vielleicht noch die Marsiliaceen als Vertreter dieser Form zu nennen. Dagegen zeigen nicht selten die ersten Anlagen von Wedeln, die sich später ganz von dieser Form entfernen, eine gleichmässig dicliotomischc Entwickelung, wovon weiter unten ein Fall näher zu erwähnen sein wird, und ebenso bieten alle letzten Verzweigungen der Nerven bei allen Farnen mehr oder weniger eine Annäherung an diese Grundform ihrer Entwickelung, eine Folge der, durch nunmehriges Aufhören der Wciterhildung, abge- schnittenen Weiterveränderung. Man erblickt dies nament- lich bei vielen Fteris-Arten, bei Osuiunda regalis L. Scolopendrium offieinarum Sw. und sehr vielen an- deren Wedeln, wie denn auch hiermit die als Ausnahme vorkommende Gabelung mancher nicht gleichseitig ge- bauten Wedel an der Spitze in Verbindung zu biingeu sein dürfte, wie man sie insbesondere häufig bei Scolojjcn- drium beobachtet, wo sie die Varietät erzeugt, die man als var. daedaleum bezeichnet. Sehr weit zurück greift die Enddichotomie bei Adiantum capillus Ve- ne ris L., bei welchem häufig die Nervenfiguration ganzer Fiedern völlig regelmässig dichotom gefunden wird, wo alsdann die äusseren Randeinschnitte den Abtheilungen der Hauptäste mit ihren Nervendeltas entsprechen, lliiutig aber entfernen sich die Bildungen von dieser Figur und zeigen eine Annäherung an das Scliema des ganzen Wedels dieser Farnart, welches zu der dritten Hauptabtheilung unserer Eintheilung gehört. n. Einseitig entwickelte Wedel (Frondes unilaterales). Eine ungleich grössere Zahl von Ge- stalten sahen wir hervorgehen durch ungleiche Ent- wickelung der beiden Wachsthumsspitzen. Der gewöhn- liche Fall nämlich ist der, dass der eine der beiden Gabeltheile sich lebhafter vorwärts entwickelt als der andere, wodurch dann dieses zwar nicht absterbende, aber doch zurückbleibende Vegetationsende, tibertroffen und in den meisten Fällen zur Seite gedrängt wird. Man kann dies, ebenso wie einen ähnlichen Vorgang, bei Phanerogamen- Achsen, wo sogar Hauptzweige durcii Nebenzweige verdrängt werden, eine Usurpation nennen, um so einen bezeichnenden Unterschied in der Benennung des usurpirenden und des verdrängten Zweiges (Nerven) zu gewinnen. Eine solche Usurpation entscheidet bei ge- wissen Farngruppen über den ganzen Habitus, indem sich gleich anfangs der Wedel in zwei Theile spaltet, von denen der eine die Sporen entwickelt, der andere, übrigens gleich organisirte, zum unfruchtbaren Wedcltlieil wird. Im anderen Falle lässt sieli nur sagen, dass der usurpirende Theil stets den llauptast des Gefäss.systcnis in sich entwickelt, während der zur Seite gedrängte, zur Grundlage der Nebenfiedcr wird. Dadurch aber, dass nun die ferneren Tiieilungen beider Zweige zur ersten in einer gesetzlichen Uebereiüstimmung bleiben imd nicht regellos bald rechts bald links die Usurpation stattfindet, entstehen auch hier völlig regelmässige Formen. Man sieht leicht ein, dass nur eine beschränkte Zahl von Schematen sich nach diesem Bildungsgesetze werden ableiten lassen, und wirklich sind es eigentlich nur zwei. Diese bestehen darin, wie oben schon kurz angedeutet, dass 1. vorwiegend nur der Ast derselben Seite sich zum Hauptaste entwickelt und alle anderen Fiedern auf der entgegengcset/.teii Seite zurückbleiben und 2. dass ab- wechselnd der rechte und der linke Zweig usurpiren und jedesmal den entgegengesetzten zur Seite drängen. In diese drei (den ersten Fall eingerechnet) Abtheilungen, und ihre unendlichen Variations- und Conibinationsfälle, fallen wirklich die Formen fast aller Farnwedel, so dass auch hierin eine Bestätigung der obigen Entwickelungs- hypothese liegt. Der nächst zu betrachtende Fall würde nunmehr der sein, wo immer dieselbe Seite des Wedels sich vor- herrschend entwickelt, .ilsn alle Seitenfiedern auf dieselbe Seite fallen. Solclic \\'c(lcir(iriuen, welche wahrscheinlich eine nach der ticdeiidseii Seite gekrümmte Hauptachse haben würden, sind mir nicht bekannt. Vielleicht exi- stiren sie gar nicht, da sie den Fall einer völligen Asym- metrie liefern würden, den die bildende Natur in den Ne beut heilen der l'tlanze, wie im Thierreiche über- haupt, autfällig vermeidet. Dagegen giebt es eine ziem- liche Anzahl von Fällen, wo sich der Wedel erst regel- mässig in zwei (gewöhnlich nicht ganz glciehci Theile gabelt, und nachdem so für die weiteren Thcilungen der beiden Zweige eine doppelte Beziehung geschaffen ist nach innen und aussen, wachsen entweder: a) alle nach aussen fallenden Endungen zum Haupt- ast, alle nach innen liegenden zu Seitenfiedern aus, oder b) umgekehrt. Fälschlich und unpassend werden die Fiedern hierher- gehöriger Farne, wie z. B. bei Adiantum pedatum in den Diagnosen liiinlig „halbiit" (i)inna dimidiata) genannt, aber diese l'icdern sind ihrer Natur nach voll- ständig und eiits|)rcclien(l der Architektonik des ganzen Wedels ausgebildet; es ist nicht die Hälfte verloren ge- gangen. Eigentlich sollten hierbei sjiinmtliebe Fiederchen auf der inneren Seite der Wedclzweige liegen, was bei dem genannten Wedel nicht zutrifft. Sehr unrichtig ist das Beiwort „pedatum", welches VVilldenow dem Farne gegeben, denn bei den Confignrationen der Blätter, die man sonst fussförmig genannt hat, ist stets eine Mittel- heit vorhanden (z. B. dem Blatte von Helleborus niger L.), welches hier fehlt. Man würde besser ein anderes Beiwort wählen, z. B. fächerförmig, oder zum Unterschiede von den sogleich zu besprechenden trigo- nalen Wedeln, trapezoale oder trapeziforme, welches Adjeetiv schon anderen in diese Kategorie gehörigen Formen (z. B. Asplenium trapeziforme L.) Adian- tum trapeziforme L. beigelegt ist. Combinationsformen beider Arten findet man nicht selten; durch alle Uebergangsformen geht die reine Dicho- tomie über in diejenige, wo sich die äusseren oder inneren Zweige*) herrschend entwickeln; dadurch entstehen als- dann hirschgeweihartige Formen. oiinii ich diejeniiien, welctie V.mIcIs odci-'dev'Hauptfieder gericliii'i --i'iil :iii -.■!■.■ ,~iiHl 'li.' i iiiui-,.inj:esotzten. Reclits und links MT-iilnri -irii ;iii Jriii mit 1 1 ^ 1 S | , i t /.(^ iiach oben gericlitetpii, mit der iHmi..iI.> .|,.|ii llcscli, r /ii-.kelirten Wedel, als die seiner i-cc-litci] und linken Seite entsprechenden. XVI. Nr. 25. Naturwissenscliaftliohe Wochenschrift. 2«9 III. Fiederförtnig entwickelte Wedel (Fiondes iilterndlaterale.s seu Frondes trigouae). Die iiber- i;ros.sc Abtheilung' der Faruarteu gehört dieser Form an, welche vielfacher Abwandlung' fähig ist und bei oft wieder- holter Theiluug herrliche Wedel erzeugt, die oft an Grösse den Falmenblättern nicht nachstehen, sie an Zierlichkeit der Bildung aber weit übertreffen. Durch die gleich- iu;\ssige Abnahme der Wachsthumsgrösse in den aufein- ander folgenden Gliedern, sowohl der Mittelachse als der Fiederu , erhält der Wedel die charakteristische tri- gouale Gestalt. Wegen des Ueberwiegens dieser Form in der Arten- zahl hält mau sie wohl allgemein für den Ausdruck des Farnkrauttypus, von dem sie sich indessen gerade am weitesten entfernt, wenn man als Grundform die dicho lome aequilaterale Entwickclung anerkennt. Auch ist es in der That dem ungeübten Auge schwierig, diese Form auf die erstere zurückzuführen, zumal wenn das Studium der Entwickeluugsgeschichte vernachlässigt wird. Es giebt indessen Beispiele, an denen man leicht die Entstehung dieser Form aus der dichotomischen Grund- form nachweisen kann, und wovon ein Beispiel hier genauer betrachtet werden ii:ag, da es bei einer ein- heimischen Pflanze vorkommend von Jedermann beobachtet werden kann. Vorher bleibt jedoch zu erwähnen, dass hier eine besondere Entwickelungsweise in Betracht kommt, die in Folgendem besteht. Der Farnwedel wächst im zusammengerollten Zustande bis zu seiner letzten Ver- zweigung aus, aber alle Theile sind nun anfangs noch klein, weil die jungen Zellen noch nicht ihre vollständige Ausdehnung erlangt haben. Der so vollkommen und in allen Theilen angelegte Wedel wächst inzwischen durch Vergrösserung dieser Zellen zur normalen Grösse von unten herauf aus, und die unteren älteren Fiedern sind deshalb schon vollendet, während die oberen sich noch bilden. In demselben Maassc streckt sieh der Wedel gerade, und zuletzt rollen sich auch die Fiedern der äussersten Eänder und Spitzen auf. Wenn nun in später vorgerückter Jahreszeit noch junge Wedel sich anlegen und es tritt anhaltend kaltes oder überhaupt für das Wachsthum der Pflanze ungünstiges Wetter ein, so hört bei einigen Arten, die durch die Kälte nicht zerstört werden, alle weitere Zellenbildnng und das Wachsthum an den Endtheilen gänzlich auf, "und der Wedel bleibt in seiner Gestalt auf einer frühen Eutwiekelungsstufe stehen. Da aber die Pflanze nicht zugleich abstirbt, sondern weiterlebt, so wachsen die bereits angelegten Zellen zu ihrer normalen Grösse aus, der Wedel rollt sieh auf, und man erhält nun ein leicht zu untersuchendes, gleichsam vergrössertes Bild des Zustandes, in welchem sieh der Wedel in einer Periode befunden hat, die wegen der Kleinheit und des zusammengerollten Zustandes viel schwerer zu untersuchen war. Ganz allgemein kommt diese Entwickelungsweise vor bei Asplenium Ruta muraria L. und bei Asplenium Breynii Retz. (Aspl. germanicum Weiss.). Ihre Form ist so unähnlich derjenigen des völlig ausgebildeten Wedels, dass wer mit dem Vorkommen unbekannt im Herbar nicht fruetiticireude Pflänzehen eher für eine Droseracee mit eingerollton Blüthenästen ansieht als für eine Nebenform der Mauerraute. Untersucht man solche Wedel genauer, so wird man finden, dass ihre Nervatur mehr oder weniger eine regel- mässig dichotomische ist. Allein bei etwas weiter vor- geschrittenen Exemplaren sieht man nicht mehr die regel- mässige Abrundung des stumpf keilfömigeu Wedels, son- dern die Platte nimmt eine schiefe Gestalt an, während sich zugleich die Nervenfigur wesentlich verändert hat. Noch ist die Dichotomie der ganzen Anlage nicht zu ver- kennen, aber die rechte Partie, der rechte Nerv nut allen seinen Derivaten hat sieh stärker entwickelt als der linke und tritt deshalb stärker hervor. Wenn dieses eine Zeit lang fortschreitet, so wird es zuletzt der Cohärenz des Zellgewebes der jungen Anlage schädlich, und es ent- steht in radialer Richtung eine Auflösung und Trennung des Zwischenparencbyms und in Folge dessen ein tiefer Riss*), und die linke in der Ausbildung zurückgebliebene Abtheilung wird allmählich zur Seite gedrängt. Aber auch in dem System des usurpirendeu Nervs wiederholt sich alsbald derselbe Vorgang, diesmal ist die linke Ab- theilung die vorauseilende, und sie tritt nun stärker hervor in der Mitte der beiden zurückbleibenden Theile. Bald darauf tritt die mittlere nun frei gewordene Keilfieder innuer deutlicher hervor. Derselbe Usurpationsvoi'gang wiederholt sich nun noch zu mehreren Malen in der näm- lichen Reihenfolge sowohl in der Endfieder als auch, wiewohl in beschränkterem Maassstabc, in den zur Seite gedrängten Fiedern, wodurch zuletzt eine Gestalt entsteht, die der anfänglichen völlig unähnlich ist. Alles dies geht nati^irlieh in einer sehr frühen Periode im zusammen- gerollten Zustande des Wedels vor sich. Noch an dem normal ausgebildeten Wedel erkennt mau in den letzten Fiedern (deren Nervenvertheilung, wie oben erwähnt, immer der Grundform näher bleibt) leicht die Aehnlich- keit der Contiguration, welche sich auch in der Schief- heit der Endblättchen deutlich ausprägt. Dass aber ein wirkliches Zerreissen des Zwischenparenchyms bei der regulären Entwickclung in jenen frühen Zuständen statt- findet, könnte man nur schliesseu aus der sehr genau ein- ander entsprechenden und zusammen passenden Bildung der Ränder beider von einander geschiedenen Theile. So bietet uns dieser Wedel das Beispiel eines in den ver- schiedenen Phasen seines Wachsthums bis zur Unkennt- lichkeit verschieden aussehenden Gewächses. Sehr wenige Farnarten gleichen in dieser demon- strativen Entwickelungsweise der genannten Art, bei den meisten beginnt die Usurpation sofort bei der ersten Theilung und überhaupt in so frühen Zuständen, dass dabei nicht leicht die Verwandtschaft mit der regelmässig diehotomen Entwickelungsweise erkannt werden kann. Doch lässt das Wachsthum auch verschiedener anderer Farnkräuter den Vorgang der Usurpation deutlich er- kennen, z. B. Aspl. septentriouale Hoffm., wodurch die meist dreispitzigeu Wedel entstehen, wiewohl man auch ziemlich häufig fast dichotom verästelte Exemplare antrifft. Der äussere Charakter dieser Gruppe wird nun ausser durch den meist zugespitzt dreieckigen Urariss noch ganz bcsiuiders dadurch bezeichnet, dass die Fiedern in Folge ihrer alteruireuden Usurpation nicht gegenüber- stehen, sondern miteinander abwechseln. Gewisse zu- sammengesetzte Phanerogamcnblätter, die den reichver- zweigten Farnwedeln noch äus.serlich, d. h. physiognomisch am meisten gleichen (aus den Familien der Umbelliferen, Geraniaceen, Ranunculaceen u. a.) haben fast immer gegenüberstehende Fiedertheile, und das beständige Sich- ausweichen derselben bei den Farnwedeln hat daher einen grossen Antheil an dem Eindruck von Besonderheit, und man kann selbst sagen des Geheimnissvollen, welchen sie auf die meisten Beobachter machen. Hierauf bezichen sich auch der alte griechische Namen Pteris und der lateinische Avia (bei Columella). Am häufigsten tritt diese scheinbare Ver- schiebung einer ganzen Hälfte, diese Unsymmetrie, her- vor bei möglichst schmalen Wedeln, und daher mögen solche, wie z.B. Grammitis Geterach Swartz für Muster- *) Ein i-ealos Einrcissen wie beim Bambusa- Blatt z. B. ist hier aljer nicht zu constatiren. — P. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 25. typen der Gruppe gelten. Ihnen werden alsdann nicht selten tiefeingcschuittene Phaneroganienblätter mit abwechseln- den Seitennerven ähnlich, wenn sie so schmal sind, dass das Alterniren ihrer Fiedern in die Augen fällt, wie %. B. bei Comptonia Ceterach Duh., bei Senecio-, Cineraria- Arten etc. Bei solchen Farngattungen, deren Arten sich genau nach diesem Schema entwickeln, erfolgt mit der äussersten Regelmässigkeit vom Grunde bis zur Spitze und bis in die Seitentheile die Alternation der Fiedern, und zu den seltensten Ausnahmen gehört dann ein Umspringen der Kegel. Als streng in diesem Sinne gebaute Wedel sind von einheimischen Arten Aspidium tilix mas L., Asplenium filix feniina L., Asplen. Adiantum nigrum L. und viele andere zu nennen. Da nun der Mittelnerv abwechselnd aus den rechten und linken Zweigen der Zwiselung entstellt und diese in Rich- tungen abgehen, die miteinander gewöhnlich einen kleinen Winkel bilden, so wird in vielen Fällen derselbe eine Wellen- üder Zickzacklinie beschreiben, die sich freilich beim Aus- wachsen meist verwischt, aber in den letzten Verzwei- gungen gewöhnlieh erkennbar bleibt. Sehr deutlich pflegt dies in Wedeln von Polyp odium vulgare L. und bei Adiantum capillus Veneris L. hervorzutreten. Ge- wöhnlicii freilich bildet dies Hauptgefässbündel die strenge gerade Mittellinie des Wedels, und während es in den jüngeren Theilen (gegen die Spitzen) stets einen ein- fachen Strang bildet, so zertheilt es sich später gewöhn- lieh in zwei (auch mehr) Hauptbündel, von denen dann jedes nach der entsprechenden Seite die Seitenstränge aussendet, wodurch eine höchlichst von' der einfachen Bildungsweisc abweichende Figur entsteht. Betrachtet man den Wedel von Botrychium Lunaria Sw. im ausgebildeten Zustande, so erblickt man vom Grunde auf vier dünne Gefässstränge, von denen zwei in den sterilen, zwei in den fertilen Theil eintreten. Diese beiden schwachen Gefässstränge, von denen jeder iu die ihm zu- nächst liegenden Seitentheile Gefässbündel aussendet, sind ebenfalls aus einem Bündel hervorgegangen, wenn man nicht annehmen will, es fände hier ein abweichender Bildungs- fall statt. Die weitere Verästelung des Nervs in den Seitentheilen bietetEigenthümlichkeiten, die erst weiter unten zu erwähnen sein werden. Kaum jemals hört in den zur Seite gedrängten Theilen die Gabelung sofort auf, sodass die seithclie Fieder nur noch einen unzertheilten Mittelnerv erhält. Man könnte eine derartige Bildung bei Grammites Ceterach Sw. vermutheu, allein die Betrachtung der Nervenfigur in den Fiedern widerlegt dies. Zu den einfachsten Formen dieser Art gehört immer noch Scolopendrium officinarum, welche in den Seitennerven schon mit der zweiten und dritten Theilung abschliesst, im grellen Gegensatze zu Cyathea- und Alsophila-Artcn, oder selbst nur un- serem As])lenium fil. feniina L., wo die Zwisekstheilung sich 50-, 60- und mehrmals wiederholt. Wenn sich Hanpt- und Seitentheile in analoger Weise in vielen Gliedern entwickeln, so entstehen jene wunderbar verzweigten und ausgezackten Wedel, die an SchönheitsfUlle von keinem Fhanerogamcnblatt erreicht werden. In den letzten Nervenvcrästelungen verliert man zu- weilen in den vielen Fiederzcrtheilungen die Richtung des Mittelnervs, namenthch wenn dieselbe eine gebogene ist, z.B. bei Polypodinm Pliegopteris L. In solchen Fällen ist stets der häutigst verästelte Zweig der Mittel- nerv, mithin hier nicht die gerade Fortsetzung, sondern die seitlich abgehende. Man kann die Frage aufwerten, auf wclclier Seite die Usurpation beginnen werde, und ob hierin der Zufall entseiieidet, oder für den bestinnnten Fall ein constantes Verhältniss obwaltet. Allein man sieht bei verschiedenen Exemplaren derselben Art, bald auf der linken, bald auf der rechten Seite die unterste Fieder ausgehen. Auch die Wedel desselben Individuums zeigen hierin keine üebereinstinnuung: Wurzelstöcke von Bleehnnm borealeSw., die bis zu 20 Wedeln im Kreise trieben, schienen bald eine gewisse Regelnlässigkeit anzudeuten, bald fehlte die- selbe durchaus. Dasselbe ergab sich mir bei Strutio- pteris germanica Willd., welches sich wie das vorige zu solcher Untersuchung besonders empfiehlt.*) Wenn also die Richtung der ersten Seitenfieder dem Zufall anheimfällt, so ist dies nicht mehr der Fall bei der weiteren Entwickelung des Wedels. Denn von der ersten Theilung ab findet nun alle fernere Gliederung in gesetzmässiger Schlussfolge .statt, die Alternation schlägt bei den eigentlich hierhergehörigen Arten nicht oder doch nur sehr selten um. Mit derselben Gesetzmässigkeit schliesst sich die Formbildung der Seitenfiedern an die Entwickelung der Mittellinie des Wedels. Ein Umstand ist hier besonders auffallend, da man ihn noch am völlig ausgebildeten Wedel als einen Beweis ansehen kann, dass in der That das Wachsthuni dieser Farnarten auf der alternirenden Usurpation beruht. Findet nämlieh dieser Prozess in gesetzmässiger Folge statt, so muss, gleichviel ob der linke oder rechte Zweig des Hauptastes zur Seite gedrängt wurde, in der dadurch entstandenen Seitenfieder stets die erste weitere Verzweigung nacii oben und innen gerichtet sein, weil auf der rechten Fieder die linke Seite nach innen, bei der linken Fieder die rechte Seite nach innen fällt, jedesmal aber nach der entgegengesetzten Seite sich der nächste Hauptzweig bildet. Dies geht consequent bis zu den letzten Nervenverästelungen durch, so dass immer (bei Wedeln dieser Gruppe) der erste Seitenzweig jedes Mittelnervs irgend einer Haupt- oder Nebenfieder nach oben oder innen derselben gerichtet ist. Man findet dieses Gesetz bei allen Wedeln bestätigt, deren Fieder in streng regelmässiger Alteruation (ohne grössere und ungleiche Absätze) an der Mittellinie ent- springen. Beispiele hierzu geben unter unzähligen an- deren Farnen alle einheimischen Asplenium- und die meisten Aspidium- Arten. Besonders in die Augen fallend und gut zu Studiren ist dies Verhalten bei Farnarten, deren Fiedern nicht zu dicht auf einander folgen, wie z. B. bei Asplenium Ruta muraria L., Asplen. Adiantum nigrnni L,, Cysto pteris fragilis u. s. w. Würde nicht durch das Bildungsgesetz des Farns die Nothwendig- keit dieser Lage nachgewiesen, so müsste sie sonderbar erscheinen, da, wenn es gleichgültig wäre, ob oben oder unten, diese Wahl der Zweckmässigkeit und Schönheit am wenigsten entspräche. Es müssten nämlieh umgekehrt bei allen Wedeln, wo die Seitenfiedern mit der Spitze convergiren, die ersten Seiteufiedei'ii nach aussen fallen, wegen des freieren Raumes, der sich ihnen dort öftnet, und der auszufüllen wäre. Mit sehr wenigen Ausnahmen nehmen bei den Wedeln die Zwischenräume zwischen den einzelnen Theilungen umgekehrt zu ihrer Entfernung von der ersten Gabelung ab, gleichviel ob man den Mittelnerv verfolgt oder von diesem in eine Seitenfieder einbiegt, und dies bestimmt die graduirte Abnahme der Grösse aller Fiedern nach den Spitzen zu. Da nun bei den streng nach diesem Gesetz gebauten Wedeln diese Gradation nicht in unregelmässigen Absätzen, sondern nach einer regelmässigen Progression er- folgt, so fallen alle die Spitzen und Spitzchen der Fiedern in gerade oder Wellen- (nicht Zickzack- j Linien, und die unend- lich fein zerbrochene Arbeit (man denke z. B. an Aspidium alpin um Sw.) (irdnet sich unter dem (Jesannutbilde des *) Proi: A. B r a 11 n cui|ifalil in eima- KaiuUiemci-kiins^ /-u diosor Arbeit ilie Weiterbcobaclitunj,' dieses V^erhaltens. K. XVI. Nr. 25, Naturwis.senschaftliclie Wochenschrift. 291 cinfacli gleichschenkligen Dreiecks. Gleichwohl zeigt häufig der erste Seitennerv jeder Hauptfieder eine über die ihm nach der Abstufung zukommende, herausgehende Grösse, in Folge einer unschwer zu erklärenden Bildungs- unrcgehuässigkeit. Dies Verhalten erzeugt die sogenannten Oeiimngen, welche in den meisten hierhergehörigen Fällen nach oben gerichtet sind, z. B. bei Aspidium Lonchitis Sw., A. aculeatuni Sw., A. lobatum Sw. und sehr vielen anderen. Bei Blättern ist dies meist umgekehrt, z. B. bei den Undjcllifercn- Blättern, die bei oberflächlicher Ansicht häutig den Farnwedeln gleichen, meist befindet sich hier die Oeluiuii;- auf der unteren Seite, wo ihr ein freier Raum sich bietet (z. B. bei Aegopodinm Podagraria L., Pastinaca sativa L., Heracleum .Spondylium L. etc.). Eine später zu besprechende Gonibinationsform dieser Gruppe kommt in diesem Punkte den ümbelliferen- Blättern eher gleich. Man kann mit dem Obigen einen Zusammenhang der längst bekannten Erscheinung vermuthen, dass es gewöhn- lich unter den letzten Nervenverzweigungen dieser erste und innere Nebenast ist, welcher den Sorus trägt. Dieses aber ist der Fall bei den meisten der in diese Kategorie fallenden Farnarten, und deshalb nicht, wie es öfters ge- schieht, in der Diagnose einzelner Arten besonders zu er- wähnen. Auch ist in der Weise wie soeben, die That- sache nicht ganz richtig dargestellt, es sollte vielmehr überall nur heissen, dass auf dieser Nervenendung die ersten Sori auftreten. Bei manchen Arten bleiben es freilich die einzigen, wenn inzwischen die Vegetation ab- schliesst, häufig aber erscheinen später auch noch auf den anderen Zweigen Sporenhäufchen. Seine natürliche Erklärung findet diese Erscheinung wohl darin, dass dieser besprochene Zweig die erste vollendete Nerveu- endung im ganzen Wedel ist; während der ihn verdrän- gende Hauptzweig noch an der Spitze weiterwächst und sich verzweigt, ist bei ihm der Prozess des Weiterwachs- thuras schon geschlossen, und die Sporenbildung nimmt ihren Anfang. Ich bemerke noch, dass letzteres, wenn auch für sehr viele, hierher gehörige Farne, doch nicht für alle gilt, wie denn mehrere ihre Sori längs des letzten Mittelnervs, andere am Rande der Fiedern, und noch an- dere wieder anders ihre Sporen hervorbringen. Man beobachtet von den im Obigen hervorgehobenen Kennzeichen der streng in diese Gruppe gehörigen Wedel, zuweilen bei völlig unzweifelhaften Exemplaren Bildungs- ausnahmen und Unregelmässigkeiten, von denen ich auf einige noch besonders aufmerksam machen muss, die theilweise nur scheinbar sind. Mitunter, wiewohl ziendich selten, kommt ein Umspringen der Alternation vor, sodass zweimal hintereinander nach derselben Seite der Seiten- nerv verdrängt wurde. Bei der demnächst zu besprechen- den Untergruppe kommt dies aus dort zu erwähnenden Gründen häufig vor. Die erste Seitenfieder, welche nach oben abgehen soll, entwickelt sich zuweilen aus Mangel an Raum gar nicht, und der Seitennerv, dessen Rudiment sich dann gewöhn- lich nachweisen lässt, erscheint natürlich ebenfalls nicht. Dadurch wird dann die nächste äussere Fieder zur ersten. Da solches aber gewöhlich nicht bei allen Seiten- fiedern desselben Exemplars stattfindet, so erkennt man alsbald, dass nur ein Ausnahmefall vorliegt. Sehr häufig geschieht ferner, dass der Stand einer Anzahl oberer Fiedern am Mittelnerv hcraufgerückt er- scheint, wodurch wiederum die erste Fieder nach unten fällt. Macht man hier einen Längsduichschnitt, so bemerkt man, dass sich der Nerv der oberen Fieder schon vor dem unteren von dem Mittelnerv getrennt hat, aber noch ein Stück unmittelbar neben demselben vor der Abbiegung herläuft, wodurch die Verschiebung entsteht. Bei der nächsten oder nächstnächsten Fieder ist dann gewöhnlich auch das ursprüngliche regelrechte Verhältniss wiederher- gestellt. Dieses Nebenherlaufen der seitlichen Gefässbündel neben dem Hauptbiiudcl ist bei Farnen und namentlich auch den Lycopodiaceen eine sehr gewöhnliche und wohl noch nicht völlig gedeutete Erscheinung: man sieht bei Durch- schnitten in den meisten Fällen, das zu einer Fieder ge- hörige Nervenbündel weit vor ihrem Grunde schon von dem Mittelbündel getrennt, was zum Theil in der con- vergirendeu Lage der Fiedern gegen die Spitze, zum Theil aber in der ganzen Bildungsweise begründet sein mag. All diese letztgenannten Unregchii;c'>igkc]ten konunen aber gewöhnlich nur vor bei einer ('iiiati(insform, die eine sehr grosse Reihe von Wedeln umfasst, welche man IV. Pseudo-zygomorphe Trigonal-Wedel nennen könnte, weil sie entgegen den eben besprochenen, ganz unsymmetrischen Wedeln, eine wenigstens scheinbare Symmetrie nach zwei Seiten zeigen. Ihre zuerst auf- fallende Eigenthümlichkeit besteht darin, dass in regel- mässig abnehmenden weitereu Zwischenräumen je zwei Theilungen mit abwechselnder Usurpation dicht aufein- ander stattfinden, wodurch zwei Fiedern in ihrem Ur- sprünge nahegerückt und fast opponirt erscheinen. Wedel, au denen abwechselnde Fiedern in grossen Abständen auftreten, würden nicht angenehm ins Auge fallen, und mau kann für eine Forderung des Gleichgewichts- und Schönheitsstrebens der bildenden Natur ansehen, dass in solchen Fällen je zwei Fiedern einander näher rücken, z. B. bei Asplenium Trichomanes L. Bei den ausgesprocheneren Formen dieser Gruppe tritt noch ein sehr charakteristischer Umstand hinzu, die Ränderentwickelung aller nach aussen fallenden Fiedern gegen die gleichgestellten inneren. Besonders auffallend findet sich dies bei der sehr häufigen Wedelform, an der sich das untere oder die beiden untersten Fiederpaare vorherrschend entwickelt haben, den drei- und füni- getheilten Wedelformen, wohin die meisten Pteris- Arten und viele Polypodium-Arten (z. B. P. Dryopteris L.) sowie die echt fussförmigen Wedel gehören. Mit dieser vorherrschenden Entwickeluug der nach aussen fallenden Fiedertheile hängt die Bildung nach aussen fallender Gehrungen zusammen, hier ähnlich den Anhängseln der gefiederten Phanerogamenblätter. Auch kommt den aus- gesprochensten Formen dieser Gruppe die Eigenthümlich- keit zu, dass der erste und unterste Seitenuerv jeder Fieder bis in die letzten Glieder nach aussen und unten gerichtet ist, sodass hier auch der erste Sorus nach aussen fällt. In einer laugen Reihe von Ueber- gangsgestalten entfernt sich diese Form zuletzt bis zur Unkenntlichkeit von ihrer Grundform, dem unsymmetrisch trigonalen Wedel. Betrachtet man diese Form oberflächlich, so wird man in vielen Fällen eine wirkliche Opposition der Fiederu wahrzunehmen glauben, die bei dieser Wachsthumsart nur auf einer wiederholten Dreitheilung des Cambialstrangs beruhen könnte. Allein genauere Untersuchung und Durch- schnitte lassen keinen Zweifel daran, dass dieses schein- bare Gegenüberstehen stets nur durch die schnelle Auf- einanderfolge der Gabelungen erzeugt ist. Es wird dies auch dadurch bewahrheitet, dass, wenn eine Fieder in einem Falle deutlieh höher steht als die andere, dasselbe in allen Gliedern bis zur Spitze sieh wiederholt, ein Be- weis für die alternative Entwiekehuig. Wenn man das Wachsthum genauer verfolgt, so geht durch die ganze Entwickelungsweise der Grundzug, dass ausser der abwechselnden Usurpation noch sämmtliche nach aussen gedrängten Theile nebenher usurpiren gegen die inneren und dadurch selbst das Wachsthum des 292 Natui-^nssenschaftliclie Wochenschrift, XVI. Nr. 2ö. Ilaiijjtzweiges hemmen. Es ist dies mithin eine Combi- nation der Eiitwickelungsform III mit IIa. Dadurch entsteht die stärkere Entwickelung' der äusseren Fiedern gegen die inneren, dadurch das Hervortreten der ersten Verzweigung nach aussen, weil nunmein- die Seitentieder erster Ord- nung gleichsam zum usurpireuden Zweig gegen den Haupt- ast wird. Dieser Theorie entspricht völlig die sonderbare Art und Weise des Wachsthums der ausgesprochenen Formen, d. h. der drei- und fünfgetheilten Wedel. Man sieht z. B. l)ei Pteris aquilina L. das Wachsthum der später noch so reich verzweigten mittleren Theile erst recht beginnen, wenn die beiden grossen ersten Seitenflügel völlig vollendet sind, und ebenso sind letztere beide schon völlig entfaltet, wenn die gesammte Mittelpartie noch ganz zusammen- gerollt ist. Niemals findet bei regulär alternircnd gebauten Wedeln eine derartige Ungleichheit in der Anlage und Ausbildung der Theile statt, stets sind dort die unteren Fiedern an der Spitze noch ebensogut eingerollt wie die oberen. Ja diese couträre Usurpation der Seiteu- fiedcrn kann so weit gehen, dass bei einigen Arten die Eutwiekelung des Mittelastes dadurch wirklich nach der zweiten Theilung unterdrückt wird und derselbe abstirbt, eine sehr eigenthümliche und ohne diese Auffassung unver- ständliche Farnform erzeugend. In der Vorwelt scheint diese Form, die man eine Missgeburt durch Fehlschlagen nennen könnte, häufiger gewesen zu sein als jetzt, in besonders prägnanter Weise zeigt sie Pecopteris Pluckenetii Schlotheira sp. aus der Steinkohlenformation. Dasselbe Verbalten des absterbenden Mittelnervs beobachtet man bei dem eben- falls fossilen Pecopteris aquilina Brongu. Diese beiden Entwickelungswcisen, welche sich hier verschmelzen, zeigen einen gewissen Antagonismus gegen einander, und man findet deshalb eine ganze Reihe von Formen, in denen bald die eine Grundform vorwiegt, bald die andere. Bei Polypodium vulgare L. ist die tri- gonale Grundform kaum verändert, aber es giebt Exemplare, wo die Fiedern zu zwei und zwei gegenttberrückeu, als- dann geht in der ersten Theilung der Nerv nach aussen, die letzte Verzweigung kehrt wieder zum normalen Zu- stande zurück, während bei anderen Exemplaren die un- symmetrische Grundfojni siegt und die Bildung völlig normal bleibt. Eine viel bestimmtere Uebergangsform ist Polypodium Phegopteris L., wo dennoch in der wei- teren Verzweigung bald die Grundform, bald die modifi- cirende vorherrscht, welcher Fall selbst noch bei Poly- l)odium Dryopteris L. eintritt, einer sonst schon .sehr nach der anderen Seite hinUberncigenden Mittelforni. Bei Osmunda regalis L., vielen Pteris-Arten u. s. w. überwiegt endlich die Ilauptform IIa völlig. Aus diesem inneren Streite der beiden verschiedenen Bildungsvorgänge um die Vorherrschaft erklärt sich dann auch das bei weniger verschiedenen Formen vorkommende Umschlagen des Systems. Gewöhnlich beginnt, wie Aehnliches schon oben in anderer Riclitung bemerkt wurde, in einer späteren Wachsthumsperiode wieder ein Zurückschlagen und eine grössere Annäherung zu der trigonalen (iriind- form. Damit ist ein Umwenden der Alternatiou ver- bunden, wobei der Seitennerv, wie ein marschircnder Soldat, der „aus dem Schritt" gekommen ist, zweimal hintereinander nach derselben Seite ausschreitet. Damit ist dann das Grundgesetz wieder zum Durchbruch gc- konnnen, und niemals erfolgt bei derselben Fieder eine zweite Umsclialtung. Aus denselben Gründen neutrali- siren sich die beiden im seihen Individuum thätigcn Entwickchnii^ssystcine zuweilen völlig, nirgends ist das gänzliche Fehlschlagen einiger Fiedern (besonders am Grunde der llauptfiederzwcige) so häufig wie hier, wie es denn bei den unregelmässig trigonalen Wedeln fast gar nicht vorkommt. Bei Polypodium Dryopteris L. er- blickt man bei einer grossen Anzahl von Exemplaren die Rudimente solcher unterdrückten Ficdern; bei den drei- und fünffach getheilten Pteris-Arten erstreckt sich oft das Fehlschlagen auf drei und mehr Fiedern neben ein ander, bis das eine Entwickelungsgcsetz unterdrückt ist' eine Erscheinung, die so ihre völlig befriedigende Er klärnng findet. iMit dieser gegenseitigen Ncutralisirung von Wachs- thum.'^richtungen hängt vielleicht die lei Arten derselben Kategorie vorzugsweise vorkommende Erscheinung einer Entwickelung in bestimmten Absätzen zusammen, wobei einer, oder eine grössere Anzahl von Seitennerven ersten Grades sich nur bis zur ersten, zweiten oder dritten Theilung ausbildet, bis dann wieder ein solcher Sciten- nerv sich zum Gegenusurpator entwickelt. Sehr auf- fallend i.st diese Bildung bei mehreren exctisehen Pteris-Arten, deren in drei oder fünf Hauptfic-'ern auslaufender Mittelast alsdann hierdurch geflügelt er- scheint. Sehr charakteristisch für die hierhergehörigen Farne ist folgende Eigenheit ihrer Nervenverästelung, die nament- lich für die letzten Verzweigungen gilt. Wie erwähnt, entsteht der Schein einer Gegenüberstellung der Zweige und Ficdern hierbei dadurch, dass sich das Eudcambium des Hauptzweiges unmittelbar zweimal nacheinander theilt. Für jeden der beiden zur Seite getretenen Zweige ist aber damit diese Gabelung nun erst beziehungsweise ein- mal eingetreten, da die Doppeltheilung nur auf den Mittel- nerv bezogen werden kann. Deshalb theilcn sich die Seitenäste sofort nach ihrer Trennung noch einmal, und der Seitennerv tritt dadurch in der Theilung begriffen oder schon getheilt aus dem Mittelnerven hervor. Dies verleitet vielleicht zu der unbegiündeten Annahme, als wenn hier nicht ein und ein Seitennerv, sondern je zwei und zwei parallele Nerven mit einander alternirten. Ein solcher Anschein wiid diiich genauere Prüfung sofort widerlegt, da viele cnlsprcilieuden Nerven an derselben Fieder gefunden werden, die erst nach der Trennung vom Hauptast eine Zwisel bilden. Man beobachtet diese Configuration sehr allgemein bei allen ausgesprochenen Formen dieser Kategorie, z.B. bei Osmunda regalis L. bei vielen Pteris-Arten, und dient dieses Bildungsvor- kommen ebenfalls sehr zur Bestätigung unserer Auffassung des Wachsthums dieser Gruppe. Es war nöthig, den besonderen Bildungsgang der obigen Combiuationsformen genauer zu besprechen, weil in der That sein Verständuiss mehr Schwierigkeiten bietet, als andere Mittelbildungen. Leichter verständlich sind Combinationsformen von IIb mit III, weil in ihnen kaum ein Antagonismus hervortreten kann in der Bildung, und man kann die nach oben geöhrten Wedel, von denen früher die Rede war, zu ihnen rechnen. Ebenso leicht zu erkennen sind Mittelformen von I und III, (wozu man auch den Jugendzustand von Asplenium Ruta muraria L. rechnen kann), die man namentlich bei Adiantum- und Acrostichum- Arten findet. So sehen wir nach drei höchst einfachen Schemateu, die wieder Ausflüsse eines einzigen Grundgesetzes sind, die Bildung aller Farnwedel vor sich gehen, in einer Mannigfaltigkeit, die Tausende verschiedener Gestalten umfasst. Die Möglichkeit so zahlreicher Abwandlungen der Grundform liegt einestheils in den unzähligen Com- binationsformen, die aus Uebergängen von dem einen zum anderen Bildungsschema sich ergeben, anderentheils in den Variationen, deren jede besondere Grund- oder Mittelform noch wieder an sich unterworfen ist. Die Variation aber wird bedingt durch die sehr wechselnde XVI. Nr. 2b. Naturwissenschaf tlichp Wochenschiift. 293 Zahl der GHeder, auf welche sich die Verästelung er- streckt, und zwar in den Ficdeitlieilen erster, zweiter, dritter bis vierter Stufe, durch die Länge der Zwischen- räume und das Verhältniss ihrer Abnalinie, und durch die Richtungswinkel der Aeste. Diese Wachsthumsverhält- nisse consfruiren die Nervenfigur, gleichsam das Gerippe des Wedels, und es ist zu bemerken, dass hierbei gewöhn- licli das Verhalten der zur Seite gedrängten Aeste mehr Vcrsciiiedenheiten herbeiführt als das der usurpirenden. Weitere Mannigfaltigkeit veranlasst hierauf die Eigeu- thiinilichkeit der Entwickelung des parenchymatösen Zwischengewebes. Ob es nämlich so reichlich erzeugt wird, dass nach allen Richtungen die Zwischenräume der Bildungslinien ausgefüllt werden, oder ob es weniger reichlich nur in sciiraaleren Grenzen diesen Linien folgt, oder ob es zuletzt, tlieilweis ganz spärlich entwickelt, die entstehenden Nervenbündel zwar mit knapper Schicht einhüllt, übrigens aber an vielen Stellen gar nicht, wie sonst flügelartig, neben demselben sich verbreitert. Im crstcren Falle entstehen die nach aussen wenig dift'e- rcnzirten Formen, im zweiten die reiehgegiiederten durch- Itrnciiencn Formen der meisten Trigonal- Wedel, im dritten die mehr astartig verzweigten nur an den Spitzen der Aeste Fiederchen tragend, Wedel vieler Adiantuni-Arten und andere. Wie, wo und wann die Entwickelung des parenchymatösen Zwischengewebes, welches mindestens die letzten Verzweigungen flughautartig verbindet, beginnt, sehen wir ebenfalls im höchsten Grade bestimmend für die äussere Gestalt. Die charakteristischsten Verschiedenheiten werden aber alsdann hervorgebracht durch den Modus der Sporen- l)ildung, ob dieselbe mit oder ohne Veränderung des Wedelparenchyms auf der Fläche des Wedels, am Rande oder über denselben hinaus, wenn auf der Fläche, in welcher öitlichen Vertheilung, ob geschleiert odev nicht etc. vor sich geht, und ferner durch die verschiedene Gestal- tung der Sporangien und ihres Aufbrechens. Ohne Zweifel sind für die systematische Botanik letztere Ver- schiedenheiten, weil sehr beständig, wichtiger als die ziemlich variabele Wedelform. Denn da trotz aller Mannig- faltigeit der Entwickelung doch alle diese möglichen Formen nur Abwandlungen des einzigen Gesetzes der dichotoniischen Verzweigung sind, so darf es nicht er- staunen, wenn die Arten einer unbedingt als natürlich erkannten Gattung, die unter sich unähnlichsten Ver- körperungen des Gesetzes zur Erscheinung bringen. Der Hauptzweck des Studiums dieser Gestaltungsverhältnisse wird also die Feststellung einer kurzen und doch Zweifel aussehliessenden Diagnose sein, dagegen die Wichtigkeit für die Classification sieh auf ziemlich enge Grenzen be- schränken. Aus der bisherigen Darstellung ist hervorgegangen, dass wir den Farnwedel auffassen nicht als ein Blatt, sondern als ein Aehsenorgan, welches nur physiologisch die Rolle des Blattes vertritt, wie die Phyllodien vieler Pflanzen, und zwar als einen blattartig verbreiterten, blatt- losen Seitenast, der sich vom Phyllodium dadurch unter- scheidet, dass er sich weithin dichotom verzweigt, sodass seine oft durch ein flughautförmiges Parenchymgewehc ver- l)nndenen Zweige in einer Ebene liegen, die nicht verti- kal gespreitet ist, dass seine Gefässbündel nicht neben- einander die ganze Masse durchziehen, sondern in den Nerven liegen, dass er endlich nach oben und unten un- gleich gebaut ist und aus keiuei- Blattaehsel entpringt. Man kann diesen Ast nach der Schimper'schen Bezeich- nungsweise einen hyponastischen nennen, weil das Maxi- mum der vegetativen Thätigkeit nach unten gerichtet ist, wo die Sporen zweckmässig geschützt vor Sonne und Regen sich über eigenthümliehen Nervengeflechten kurz- gegliederter Spiroiden entwickeln. Aehnliche Ansichten sind schon öfter und namentlich neuerdings von Hofmeister vertheidigt worden, sie sind jedesmal von der Mehrzahl der Botaniker energisch zurück- gewiesen worden, so dass es nöthig sein wird, die Gründe genauer hervorzuheben, welche uns von neuem zu dieser Auffassung drängen. Das wichtigste Kriterium, welches wir zur Unter- scheidung von Blatt und Achse besitzen, ja nach R. Brown und Sehleiden das einzige, auf welches hin mit Sicher- heit eine Entscheidung getroffen werden kann, ist die verschiedene Art des Wachsthums dieser Theile. Die- jenige des Farnwedels kommt aber überein mit dem Spitzen vvachsthum des Stammes der Moose, Farne, Lyco- podiaceen und Equisetaeeen. Will man daher überhaupt einen wirklichen Unterschied anerkennen zwischen Achseu- und Blattorganen bei diesen Gewächsen, so muss mau auch aus Consequenz selbst gegen den äusseren Anschein die Farnwedel für Aehsenbildungen erklären. Zusammengesetzten Blättern sind die Farnwedel schon darin unähnlich, dass niemals von ihrem Grunde bis zur Spitze eine Unterbrechung in ihrer Continuität durch Artikulation eintritt. Bei manchen Wedeln, z. B. vielen Adiantum-Arten, ist selbst der Habitus völlig blatt- unähnlich und gleicht eher dem verästelter, beblätterter Zweige. In der Eigenheit, sich an der Spitze gabelförmig zu theilen, welche auch in einem hohen Grade dem Vorkeim der Farne zukommt, schliessen sieh die Wedel dem Ver- halten der Stanmitheile bei Farnen, Lycopodiaceen und Lebermoosen an. Die Fähigkeit der Hervorbringung von Sporen, welche niemals an einem anderen Theile der Pflanze auftreten, vergleicht den Wedel der unbeblätterten Seta der Moose, dem wiederholt gabeligen, beblätterten Aehrenträger der Bärlappe, dem kätzchenartigen Sporophorum der Schachtel- halme. Kurz, bei allen Gewächsen, die man den Farnen vergleichen darf, ist das sporentragende Organ niemals ein Blatt. Die Sporen bezeichnete der Entdecker der Avebe- gonien (Suminsky) bekanntlich als Blübknöspchen, eine Auffassung, die zwar hartnäckig angegriffen und jetzt fast beseitigt, dennoch nicht alles inneren Werthes ent- behrt. Man kann völlig mit der dafür eingeführten Theorie des Generationswechsels einverstanden sein und dennoch die Ansicht von der Knospennatur (im weiteren Sinne) der Spore theilen. Natürlich darf man nicht die Definition einer Phanerogamenknospe (zusammengeschobe- nen Stamm mit Blattansätzen) anwenden wollen, bei einer Pflanzenabtheilung, wo oft Stamm und Blatt noch gar nicht geschieden sind. Aber schon lange hat man, ohne Anstoss zu erregen, die Bezeichnung Knöspchen oder Brut- knospe auf einzelne sich ablösende Fortpflanzungszellen oder Zellenconglomerate bei Kryptogamen angewendet, j wie man ja auch die Phanerogamenknospe in ihrer ersten Anlage als einfache Zelle denken muss, sodass von dieser i Seite kein Bedenken der Sache entgegensteht. Was aber I hauptsächlich bewegen darf, jener Bezeichnungsweise das j Wort zu reden, ist die ausserordentliche Aehnlichkeit der sporentragenden Organe mit dem Blüthenstande zunächst ' höherer sich hier anschliessender phanerogamischer Ge- I wachse. Denkt man sich diese Sporen schon an dem I Orte ihrer Entstehung zu den Blüthenorganen entwickelt, ! die sie sonst erst gewöhnlich auf dem Boden hervor- I bringen, so würden wir von jenen kaum zu unterscheidende [ Blüthenstande erhalten. So sind z. B. die der Aehnlich- keit wegen sogar Sporophora genannten Träger der 294 Naturwissenschaftliche Woclienschrift. XVI. Nr. 25. nackten Eichen bei Cycas- Arten gewissen Farnwedeln, die am Rande ihre Sporen tragen, vergleichbar, das >Sporophorum von Equisctum ist nach Schleidcn „morpho- logisch und anatomisch" nicht zu unterscheiden von dem männlichen Blütheustande bei Taxus, und ebenso ana- log dem Kätzchen bei Zamia etc. Ein ferner nicht unwichtiger Einwand gegen die Auf- fassung der Farnwedel als Blätter, erhebt sich aus der Betrachtung der systematischen Stellung der Farnfamilien. Vergleicht man die durch ihre Entwickelungsart als solche bestätigten Blätter der Moose und Lycopodiaceen, als den Farnen am meisten vergleichbare Gewächsgrnppen mit den Wedeln, so zeigen .sich beide aller Aehnlichkeit der Bildung bar. Die Blätter jener zum Theil vollkommener organisirten Familien sind stets klein, einnervig oder nervenlos, gewöhnlich ungestielt selten an ihrer Spitze gabelig zcrtheilt, überhaupt meist höchst einfach gebildet. Die im Allgemeinen als richtig anerkannte Hypothese einer Stufenfolge der Entwickclung in den Organen von den niederen zu den höheren Gewächsen, sträubt sich gegen die Annahme, dass eine Familie, deren all- gemeine Entwickclung noch derjenigen der Lycopodia- ceen nachsteht, Blattorgane entwickeln sollte, welche diejenigen der hochststehenden Gewächse meist an Oom- plicirtheit des Baues übertreffen. Für die Entwickclung der Stammverästelung naturlich liegt hierin nicht entfernt ein Einwand, und im Gcgentheil als solche aufgefasst, ist sie im Farnwedel eine höchst einfache, durchaus der- jenigen anderer niederer Gewächse conforme. Meines Erachtens kann hier nur das Eine noch offene Frage bleiben, oli diese dichotom verästelten Zweige als blattlos oder beblättert zu betrachten sind. Bekanntlich haben ältere Autoren, namentlich Link, den Farnwedel angesehen als ein dem Thallus niederer Gewächse ähn- liches noch Achse und Blatt verschmelzendes Organ, wo- bei sie auf die Entwickclung eines doppelten Gefäss- systcms im Wedel, auf den Ansehein und die Stellung hingewiesen haben. Hugo von Mohl ist dieser Ansicht kräftig entgegengetreten, und man wird auch wahrschein- lich keine Ursache haben, sie wieder hervorzusuchen. Denn wenn dort die flügelartige Verbreiterung des Parcn- chyms um die öefässbündel als Blattantheil angesprochen wurde, so ist dies in allen Punkten unhaltbar. Der grüne Stammtheil hat natürlich auf seiner Fläche Stomata und sonst blattartigen Bau, weil er das Athmungsgeschäft mit versehen muss, wie dies in vielen ähnlichen Fällen vorkommt und stets als unverfänglich angeschen ist. Wenn man den in der fiederartigen, gabelspaltigen Ver- breitung dem Faruwedel sehr ähnlichen Wedel einiger Lebermoose und Selaginellen betrachtet, so bemerkt man auf der Unterseite an der Mittellinie alternirendc Blatt- ansätze, die dem Farnwedel fehlen. Ein ähnliches Auf- treten würde man beim Farnwedel zu erwarten haben, wenn beblätterte Arten noch entdeckt würden. Hofmeister hält die meist bräimlichen, aus einer Zellenlage bestehenden Schuppen und Spreublätter, welche dem Laufe der Nerven folgen und mitunter nur den Jugendzustand des Wedels begleiten und nachher ge- wöhnlich abfallen, für wirkliche Blätter. Sie besitzen auch die Entwickelungsart der Blätter, da .sie aber weder eine bestimmte Stellung, noch Athmung, noch die Andeutungen von Blattnerven, die selbst die Moosblätter durch länger gestreckte Zellen und mehrfache Schichtung derselben aufweisen, besitzen, so halten andere Botaniker dieselben für blosse appendiculaire Organe, den mehizelligen Haaren, Stacheln und Anhängseln (z. B, der Begoniaceen blätter) vergleichbar. Schieiden sieht den Farnwedcl, welchen er Sporen- blatt (Sporophyll) nennt, um deswillen für ein Blattorgan an, weil er in ihm ein Analogon der Anthere phanero gamischer Gewächse findet. Der Unterschied bestehe nur darin, dass er statt der Pollenkörner die nach ihm glcichwerthigen Sporen hervorbringt. Diese Motivirung ist durch spätere Untersuchungen entkräftet. Wichtiger erscheint der Einwurf AI. Braun's, dass die Wedel am Stamme völlig diejenige spiralige Stellung einnehmen, welche den Blättern angehört, während sonst Aeste nur aus Blattvvinkeln hervorbrechen, dass sie also Stelle und Function der Blätter innehaben. Da ich die Farne für blattlose Gewächse halte, so können natürlich seitliche Aeste nicht von Blättern unterstützt sein, wie auch Seitenäste bei Equisetaceen, Coniferen und anderen Familien vorkommen, welche nicht von Blättern unter- stützt sind, ja Aeste und Adventivknospen sind es über- haupt nie. Das spiralige Auftreten der Aeste (Wedel) der Farne beweist aber nichts weiter, als dass das vor- hergehende Dasein eines Blattes nicht unbedingt nöthig ist für die Bildung eines .\stes. Man wurde sonst ein ähnliches Recht haben, zu sagen: der Wedel kann kein Blatt sein, weil sich in seiner Achsel keine Zweige ent- wickeln. Die gewichtigsten Einwürfe, welche man gegen die Zweignatur der Wedel erheben kann, sind die aus der Vcr- gleichung sehr ähnlich gebauten Theilc anderer Pflanzen, deren Blattnatnr weniger zweifelhaft ist, abgeleiteten. Da- hin gehören vor allem die gefiederten .'-Jeitentheilc der Cycadeen, welche Linne Wedel nannte, Link als Zweige, und die neueren Botaniker als Blätter bezeichnen. Linnc's Benennung wurde vcrmuthlich nur durch die spiralige Anf- rollung in der Jugend veranlasst, Link hatte nicht genau zugesehen und geglaubt, dass sie noch von Blattschuppen unterstützt seien; Karsten meinte, einen neuen Beweis für ihre Achsennatur aus dem Keimungsvorgange von Zamien herleiten zu können, wobei zwischen den Cotylen der „Wedel" als Ast aufsteigen sollte etc. Ich habe keine Ursache, diese Streitfrage hier weiter zu verfolgen und bemerke nur, dass die eben besprochenen Thcile keineswegs vollkommene Analoga der Farnwedel sind, welche man höchstens in den sogenannten Sporophoren der Cycadeen zu suchen berechtigt ist. Ebensowenig können die zuweilen in der Nervatur sehr ähnlichen Seitcn- theile anderer phanerogamischcn Pflanzen, z. B. das Blatt von Salisburia adiantifolia Sni., welches streng dichotome Nerven hat, und das von Oyclanthus, welches ein ähnliches Veihalten zeigt, oder andere, in Parallelismus mit dem Farnwedel gesetzt werden. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wunlcn: Der Hc/.iiks-tieologe Dr. Knrt Gagel zun) Lande.s-Geologen bei der cnologischen Landesaustalt zu Berlin und der Hilfsgeologe Dr Joliannes Korn zum Bezirks- Geologen; Dr. Walther v. Lingclshcini, Privatdocent der Hj'gienc an der Universität Marburg, zum Direktor der bakterio- logischen Staatsanstalt in Boutlion; der ausserordentliche Pro- fessor an der Universität Leipzig Dr. Wilhelm His der Jüngere, ein Sohn des Anatomen, als Nachfolger Geheimrath Dr. Fiedlers, zum leitenden Arzt der inneren Abthoiluiig des Stadtkranken- hauses in Dresden. Es wurden ausgezeichnet: Dr. pliil. E \v a 1 d Ho r n in Berlin durch den Titel Pi'ofcssor; Prof. Dr. Thomas von der medi- zinischen Fakultät zu Freiburg in Baden durch den Titel Hofrath. Es starben: Prof. Wilhelm v. Fr ick er, Direktor der tiiiiräiztliclien Hochschule, in Stuttgart; der Geheime Sanitäts- lalb l'rul. K a r 1 L a n g e n b u c h , Chefarzt der Lazarus-Kranken- und Diakonissenhauses in Berlin. XVI Nr. 25. Naturwissenscliaftliclio Wochonschrift. 295 L i 1 1 e r a t u r. Alfred Möller, Phycomyceten und Ascomyceten. Unter- suchungen aus Hi-.isilii'ii. .Mit 11 TatVIn iiiid 2 Tr.\tal)bil .\iiiei;iint,' zu weiteren Studien über die behandelten iun|i|'en. d:L~> hiei- nur wenige Dinge hervor- sehoben werden seilen, tiir di.' ein allgemeineres Interesse vor- liegt. Von Phycomyceten hat Möller nur wenige Formen ge- nauer untersucht und sich bei den anderen auf die systematische Festlegung beschränkt. Es ergicbt sich aber daraus die That- sache, dass die häufigen Pilze auf Mist und anderen Abfallstoffen mit den in unseren Breiten vorkommenden identisch sind, während wieder andere mit unseren Formen in engster verwandscliaftlicher Bezieluino stehen. Es sind also gerade unsere e,. meinst, ii Sehirnnud- |)il/..' K,,Mii..]M,lifen. die sich überall tln.|..n.' uo ilin.'i, ^u■ \:,l,,- ^f,,tie zn (i.liele stohcu. Auch .li.' reliei.'iiistnnnnine .l.'isii.l- brasili^ch.Mi Pdzflora mit der von Siidasien verdient Beaelitunu;, so findet sich Choancpliora amoricana bei Blumenau als nächster und bisher einziger Verwandter der beiden indischen Arten, so stimmt Pen ic illio])sis brasiliensis beinahe über- .■in mit der javanischen Art. Den Mittelpunkt des Buches bilden die Untersucluingen iiber die Ilypocreaceen. Bekanntlich ist dies eine Gruppe der Pyrenomyc.'ten, welche sich durch die nicht schwarzen, sondern iii'ei~t hellfarbigen, meist weichen Stromata und Peritheci.ii von .leii .iiientlichi'u Sphaoriales mit schwarzen und ki>ldigi'n Feri- thceien unterscheidet. Man ordnete die Gattung. u iiünjrhalb .lieser Gruppe bisher nach der Höhe der Diffurcnzirnng des Stromas an und gab den Sporencharakteren untergeordnct(! Be- ileutung. Möller dreht die Sache jetzt um und stellt die Sporen- charakt.'re an die Spitze. Er erhält damit eine Anzahl von Reihen, .lie di.'Mdli.. S|i..reiir.n III besitz, n; in j.'der Reihe entscheidet nun die .Str.in.aaiisliil.huiu iil„.i- .li.' Stidlnng der Gattung. Im All- g.Miieiii.-n sin.l .lii. ni.MliTst.'ii l'.ifni.'ii jeder Reihe ohne Stroma, alliiialilich bil.let sich dies weiter ans. bis es mit grossen kuollen- förinigen Gebilden endet, die das Porithecienhymenium oft streng hdcalisirt tragen. Besonderes Interesse bieten die beiden Reihen mit zweizeiligen und mit fadenförmigen Sporen. Betrachten wir die ' erste Gruppe. Sie beginnt mit der Gattung Hypomyces. Das Stroma dieser Gattung besteht aus mehr oder weniger locker verflochtenen Fäden, zwischen denen die Peritheeien stehen. Die Arten kommen auf faulenden Hut- pilzen vor und finden sich auch häufig bei uns. Die Gattung Hypocrea bringt bereits eine weitere Stromadiffcrenzirung. Einige .\rten haben noch ein lockeres Geflecht, bei anderen sehliessen 'ieh die Fäden schon zu festeren Polstern zusammen, bei .len li... hsS.ii .M.lli.li linden sich luitförmige, keulige oder geweih- artiu \'i.;u.iut.' Stnnnata. Neben dieser Gruppe von zwei ( i.iltiiiieeii fiiiilin sich nun eine Anzahl anderer, die wieder einen Verwandtschaftskreis mit ansteigender Stromaausbildung dar- stellen. An die Gattung Nectria, deren Arten noch mannig- fach gebildete Stromata besitzen, sehliessen sich Oorallomyces und Sphaerostiihe an, ausgezeichnet durch die ho.di ditfo- renzirten Stromata D.mi ll.diepuukt der Ditfer. le ; n ._ reicht aber das Stroma in M \ ..'.m- i tr ns, der apfelfirm- , -.:• innen Aesten sitzende Str.)niata l.esitzt, die allseiti:; .!;.■ I '.i n li.'cien tragen. Ueber Ci)rall.Hn\ e.> .Fi 1 1 (.j.li tu- und die letztgenannte (iattung seien noch eini-.' r..'in.'i;;in]-.'n ^.'stattet. Der erstere Pilz eiz. nul .in.' e,.| .n,, lieh.' Krankheit des bei Blum. Miau sehr häufig -eliauten Aipini (.Jatiopba Aipi). dessen Wnrz.'ln .r zerstört. Diese gefährliche und .•nisseror.l.Mitlich si liadiij.'ii.l.' Wiuzolfäule trat zuerst am Eii.l.' .I.r a.iitziger Jahr.' anl' I )ie Aipimpflanzen wurden aber über oU .lalir.' iViUier von Nord- Brasilien her eingef.ährt und aussehlies>lich durch Stecklinge vermehrt. Dass der Parasit also gleichzeitig mit ein- geschleppt sein sollte, erschien ganz unwahrscheinlich, es war vielmehr anzunehmen, dass der Pilz sich allmählich erst dem Aipim angepasst bat und im Walde auf anderen Substraten zu finden ist. Der Pilz wurde denn auch auf faulender Rinde ge- funden. Möller unternahm nun Infectionsversuehe am Aipim, aber obwohl er unter den verschiedensten Be.lin2:nnir<'n impfte, so zeigte sich doch niemals der geringste Erfdu. Ih.' l'Hinzen erkranken also wohl nur. wenn eine ganz bestimmie Fiadi |..i,-ilioii zur Krankheit besteht. Er verw.dst auf .dnen ^anz aiial..een Fall in Deutschland. Um die durch Polyporus anuosus verursachte Krankheit an den Kiefern zu studiren, impfte er eine grosse Zahl von Stämmen unter den verschiedensten änsseren Verhältnissen. Aber niemals zeigte sich ein Erfolg, und es ist deshalb auch hier anzunehmen, dass der Pilz nur dann zum Krankheitserroger wird, wenn die Nährpflanze sich unter bestimmten äusseren Verhält- nissen, die wir nicht kennen, befindet. Mycocitrus aurantium, dem noch einige Worte gewidmet sein mögen, bildet orangerothe knollige Stromata, die an ganz dünnen Bambuszweigen sitzen. Ein E.xemplar maass 11,5 cm im Durchmesser. Seine ganze Oberfläche war dicht von Peritheeien besetzt, ungefähr 2500 pro Quadratcentimeter. Bei rund 270 qcm Oberfläche ergäbe dies also etwa I'OO 000 Peritheeien. Jedes Peri- thecium hat mindestens 50 Schläuche und in jedem 8 Sporen, also werden im Ganzen 360 Millionen Sporen producirt. Da aber die Peritheeien in 3 — 4facher Schicht übereinander liegen, so ergiebt sich für das "einzige E.xemplar die ungeheure Sunune von etwa 1 Milliarde Sporen. Trotzdem ist der Pilz bei Blumenau nicht all- zu häufig, und man kann daher wieder die grosse Verschwendung sehen, die dieNatur treibt. Ganz ähnliche Knollenstromata finden sich auch in den Reihen der leitersporigeu (Peloronectria)!, netzsporigen (Shiraia) und fadensporigen (Mycomalus, Asco po ly po rus). Die letztere A litli.'iliing bietet wieder nach vieler Richtung hin Interesse. F. Hin. 11 wie Claviceps und Cordycops, die auch dem Nicht- iincol.igen bekannt sind, bilden mit einer ganzen Reihe von tro- pischen" Gattungen eine sehr natürliidn' (Inippe, di.' sich durch die Ausbildung des Stromas in .•iie' .Vnzihl \.iii Ferinonkreisen zerlegen lässt. Gerade von diesen Filzen l)eii;.'n die Tropen einen ungeahnten Formenreichthum. Das zeigt sich so recht bei der insektenbewohnenden Gattung Cordycops, von der Möller eine grosse Anzahl von neuen Arten beobachtet hat. Man kann sich schwer von der Zierlichkeit der Gestalt, welche diese Insektenpilze besitzen, eine Vorstellung machen. Abgesehen von den prächtif,en leuchtenden Farben fallen die Pilze durh ihre zierlichen Höcker, Keulen oder andere Gestalten ins Auge. Von ganz hervorragendem Interesse ist eine Form, Cordyceps Volkiana, die ein hollgelbes, höckeriges Stroma besitzt, das in seiner Form täuschend einer kauernden Spinne, dem Eripus heterogaster, ähnlich sieht. Es ist gewiss schwer, sich darüber eine Vorstellung zu machen, was der Spinne diese Mimicry nützen soll, aber gerade von Spinnen sind noch andere Fälle der Nachahmung bekannt geworden, die nicht weniger wunderbar als der vorliegende sind. Möller's E.\em- plare, die der Autor hochherzig dem botanischen Museum über- wiesen hat, sind mit anderen tropischen Arten zu einer einzig dastehenden Sammlung im Schaumuseum tGrunewaldstrasse 6/7) vereinigt, deren Besichtigung auch dem Nichtfachmann vielfache Belehrung und Anregung bietet. Ganz ähnliche Stromabildungen, wie die Hypoceaceen, be- sitzt auch die Familie der Xylariaceen. Sie ist durch schwarze, harte Stromata und einzellige dunkle Sporen ausgezeichnet. Diese bisher ausreichende Definition muss jetzt erweitert werd(in. In Entonaema wird uns von Möller ein Pilz vorgeführt, der weiche, hohle, mattscliwarze Stromata besitzt, deren Oberfläche mit vertieften, gewundenen Linien bedeckt ist. Xylocrea hat ein gelbliches Stroma, das fast birnenförmig gestaltet ist und das Hymenium nur auf einer scharf umschriebenen Stelle der Spitze trägt. Zweizeilige Sporen zeigt Trachyxylar'ia, die eine wei- tere Eigenthümlichkeit darin besitzt, dass die Peritheeien am keuligen Stroma frei stehen. Endlich sei noch der Henning- sinia gedacht, die knopfförmige, gestielte Stromata besitzt, auf deren Oberfläche die Peritheeien eingesenkt sitzen. Sie bleiben von einer harten Schicht bedeckt und die Sporen können erst durch Verwitteriuig frei werden. Obgl.d. li hier nur wenige Thatsachen aus dem reichen Inhalt des Buch. 'S li.rausgi'ei-itfeu werden konnten, so sei noch kurz darauf hiii,e..\\ i.'sen, dass sich noch eine grosse Zahl nicht minder interessant. 'r ISe.di.-uditungen darin findet. Die allgemeinen Kapi- tel und die Erörterungen, die über systematische oder morpho- logische Fragen hier und da eingestreut sind, bieten besonders dem Mycologen reiche Anregung, aber auch der Nichtfachmann wird so viel Interessantes finden, dass er mit Befriedigung das Buch immer wieder zur Hand nehmen wird. Die künstlerisch ausgeführten Tafeln gereichen dem Texte zur besonderen Zierde und ergänzen ihn aufs trefflichste. G. Lindau. Wedekind, Priv.-Doc. Dr. Edg., Die heterocyklischen Verbin- .luiiiii'n .l.'r oru'aiiiscbeu Chemie. Leipzig. — 13 Mark. Werner Assist. Priv.-Doc. Dr. Frz., Die Reptilien und Batrachier- fauna .les Bismarck- Archip.ds. Berlin. - H Mark. Nietzki, Prof. Dr. Rud., Chemie der organischen Farbstoffe. 4. Aufl. Berlin. - S Mark. [nhalt: Ernst Krause: Beiträge zur Morphologie Möller, Phycomyceten und Ascomyten. — Liste. Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: — Alfred 296 Niiturwissenschaftliclie Wochenschrift. XVT. Nr. 25. ■▲▲▲▲▲▲▲▲▲ ▲ AAAAAAAAAI "^ I^mmI 7oisS Optische Werkstaette, ► -^ **rtl ■ ^Cl^^y ^^ Jena. ^ ► ■^ Berlin NW., London W., ^ ^ Doiotlieenstr. ^9. i9 Margaretstreet, Rfgoiitstreet. ^ ^ Mikroskope ^ ^ in liekaDiitiT orstklassiger Aasfiihniiig ^ ^neti: Stercoskopische Präparirmikroskope ; s,,,, iaimodeiie ► ^Mikrophotottrapliischc und rnMcrlicmsapparalr ; Makro- ^ ^ projcctioiisiipparafe. Grosser rrojcciioiisapparat für ^ .^ aiiffalloudcs Licht. ^ ^ Photographische Objective Zeiss-FehlstecJier ^ ^ (Protare, I'lanar, ri.ar.) (mit gostdscitci- Plastik der BiWcr). ^ ■^ Neue Sfandfernrohre (AuKsiciitsfeniroliiv ) ► ^ Stereoskopische Entfernungsmesser |l> i; l'. Xn. s'2 57i). ^ ^Optische fflessinstrumente (i;itV:u-t(Mnrtrr, SpriV. 12 erseliien soeben: Veröifeiitliciliiiigeii Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zu Berlin. Formeln und Hülfstafeln zur Reduktion von MoiulbeobiU'htuiigoii u. Jloiulpliotojirapliieii. Für selenographische Zwecke zusammengestellt Dr. K. Graff. 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T>uvdujcfcf)cn uiib lu'vtu'i | ert Dr. % Potottte nb Dr. |l, %tm\^- Wit +(»'> ^lliiftrntioiicn 1\ itilc in 4 f3b. ütolit). 12 JMnrk, in 4 cltg. ftinculib. 1« «lorh. ^Xiid) iu uad)[tef)en&eii ©ünbcv»*J(u-Sgal)cn ju 6e,^ic()fii: ■J^cv .^ujrtiiniu'iifiniuT her 'iliatuvfrSfte. 28itteruitg'Shtitbc- S3Iütc mib J^-riid)t, -.ti'aluinuvMiiittol. Seil 1, 174 ©., gb. 1 9J». — ®ie Er» luiliniiuv ^iHuu ^Miftiiift ber 2tcrc. Seil 2, 108 S., geb. O.fiO 9!Rt. — ^ilii5iol)iiiuivfratt iinb Cflcftriäitöt. 2cil 3, 12.) @ , geb. 0,60 93Jf. — ®ic eii-ftnsitiit Ml ilim- Olnumibuitg. Seit 4, 104 ©., geb. U.GO Wf. — Süll heu dieiniidioii Hriuir.i uuh (Jlcttrod)cmic. Seil 5, 10« ®., geb. 0,60 aic'f. — («luniie. Jeil d. 79©., geb. 0,50 9M— Ülugeitniiihte eiicnüe. i^rthevtauBc, Jed 7, 116 ®., geb. 0,60 9Kf. — *oiii Vllter her erhc ((;«eologic). S5üu her Umbrcl)mig ber drbc. ©ie ®c» jdimiubiqfeit bee; Sid)t§. Seit 8, 152 @., geb. 1 9Jif. — »n-S ."pü^ndjcu iui tS-i. iHHu .yiipuoti^mug Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 9«f. — 93au imb bellen imu %\\M\-si imb Sier. Seil 10, 163 ©., geb. 1 9Kf. — ®a§ (SioiftcvlclH-ii mm ^ifeiiid) uuh 2f)icr. Seil 11, 100 ©., geb. 0,60 9Kf. — ••;j)i)d)L'lügif iiiih Vltmniui. leil 12, 124 ©., geb. 0,80 9.TJf. — |ierä unb ^Jluge. 4eil i.o, Ki:! S., geh. 0,80 Wf. — 9(u!eitiiug ju d)emifd)eu ejjiun-imenteu. '■iUiifliidie .viei.vmg. Teil 14, 192 ©.."aoO. 1 aiff. — «iitiirfraft uiih C«ciftf'>U)alteu. 4(eifi-uiivtiduiitlidu-> 'iHun Spiriti.JuuK^. Seil 15, Kio ©., gel), l IVf. - l^'iiic ifliaiiuiiien-ije im S'oeltnll (Ülftnmoiuiel. 'Jedld, 271 ©., <\<;\> 1,60 Wf — Tie (iii[terteubeii Srnufl)eiteu uith hio ^Jintuvien, Jie »Jiflaii.^eimHli uujver .vieimat foiift uuh jelit. ©ie epitlvalaiudiiie uuh hie A-iviterimudl. 1n\\l, 178©., geb. 1 Wf. - flliftaiiimuiuivlelive uiih Tnruniiiomu-v ieil 18, 128 ©., geb. 0,80 93if. — inm her ISvlialmug her Sivafl. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 9»f. — ©ie euimideluug her ^i^eleuddiiug-Mediuif. Stliuiiv tolugie. Seil 20, 162 ©,, geb. TWl. - Sic ^.Vatiirmifieuidinft im grmcrb'Slehcu. Sii")enidiaii uuh *;^lnUlill^'lltc- leil 2i, '.'2 ©., geb. O.dO mi Verantwortlicher Kedacteur: Prot'e.-sor Dr. Henry l'otonie, Ur. tliigo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbi .iehterfcldo-West bei Berlin, rotsdamerstr. o5, für den Inserateiitheil: Abhandlung, Berlin SVV. 12. - Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. LIBRARY): Verlag: Ferd. Dtunmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. 1 Sonntag, den 30. Juni 1901. Nr. 2(). Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergSRpaltene Petitzeile 40^'. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4-- (JS) sprecbeuden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuift. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extr.x Postzeitungsliste Nr. 5112. £ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Gährung und Enzymwirkung, wahrscheinliche Natur der Enzyme. Von TU Bokoi-ny. Die beiden Arten von Fermenten, geformte und lui- geformte Fermente, werden erst seit relativ kurzer Zeit unterschieden. Seit Leuvvenlioek zeigte, dass sich der bei der Gährung entstehende Niederschlag aus kleinen eif(irniigen oder runden Kiigelchen zusammensetzt, deren Natur erst später aufgeklärt werden sollte, sind zwei Jahr- hunderte verstrichen. Jetzt, seit etwa 50 Jahren, weiss man, dass es Hefezellen sind, rauss aber gleichzeitig in manchen Fällen anerkennen, dass nicht diese selbst die fcrmentativen Veränderungen hervorrufen, sondern gewisse in ihnen (durch den Lebensprozess) gebildete Stoffe, die Enzyme; letztere kann man von dem lebenden Organismus trennen, und sie werden jetzt als ungeformte Fermente von den geformten Fermenten, den fermentkräftigen Orga- nismen selbst, unterschieden. Man bat bis vor kurzem unterschieden zwischen Spaltpilz- und Sprosspilzgährungen und hat dabei unter Gährung eine massenhafte Zersetzung organischen Materiales durch ein geformtes Ferment verstanden, dessen Menge beliebig klein sein kann und dessen Wirkung unbe- grenzt gross ist. In neuester Zeit scheint der Begriff Spross- pilzgährung ganz wegfallen zu sollen, da nun auch die alkoholische Gährung, die man bisher dem Sprosspilzproto- plasma zugeschrieben hat, auf ein ungeformtes Ferment oder Enzym zurückgeführt ist. E. Buchner hat die Zymase aus der Hefe isolirt und als pulverigen Stoff dargestellt, der freilich nur drei Wochen lang seine Wirk- samkeit behält. Nach den Versuchen des Verfassers er- trägt die Zymase den trockenen Zustand länger, wenn sie in der Hefezelle und somit in ihrer natürlichen Umgebung belassen wird; bei gewöhnlicher Temperatur rasch ge- trocknete Hefe behält ihre Gährkraft S Wochen lang bei. Es bleiben demnach als echte Wirkungen geformter Fermente noch die Spaltpilzgährungen übrig; freilich kann für diese noch der Tag kommen, wo das Gährungs- phänomen auf ein Enzym zurückgeführt wird. Auf die bekannteren Spaltpilzgährungen sei hier nui' ganz kurz verwiesen; so auf die faulige Gährung, für die man bis jetzt drei Gährungserreger gefunden hat; sie kann auch als Eiweissgährung bezeichnet werden, weil sie auf eine complicirte Zersetzung des Eiweissmoleküles unter Production zahlreicher organischer und unorgani- scher Verbindungen (darunter einige übelriechende), hin- ausläuft. Der Erreger der Buttersäuregährung, Clostridium butyricum, verwandelt Milchsäure in Buttersäure unter Entwickelung verschiedener Nebenproducte, wie Wasser- stoff und Kohlensäure. Welche eigenthümliche Beschaffenheit befähigt das Plasma dieser Organismen zu so specifischen Wirkungen? Das Protoplasma ist in den Gährungserregern meist nicht gut ersichtlich. Die Kleinheit dieser Organismen macht jedenfalls ein genaueres Studium des Protoplasmas derselben unmöglich. Wir müssen uns also auf das be- ziehen, was man sonst über das Pflanzenprotoplasma auf Grund der Untersuchung grösserer Pflanzenzeilen weiss. Das Protoplasma stellt dort eine mehr oder weniger dicke Auskleidung der Zellmembran dar; ganz erfüllt ist die von der Zellhaut eingeschlossene Höhlung nur an jungen Zellen. Später treten Vakuolen, d. i. Safträume, auf, welche immer grösser werden und meist in einen ver- schmelzen; das Protoplasma wird dabei zu einem Wand- beleg, den man oft nur durch Contraktion (mittels starker Zuckerlösung oder Salzlösung) oder auch durch Färbung sichtbar machen kann. Die mikrochemische Untersuchung ergiebt, dass das Protoplasma im wesentlichen aus Eiweiss und Wasser be- steht; die Eiweissstoffe desselben gehören zu der Classe der Nukleoalbumine, sie können durch Pepsinsalzsäure nur zum Theil verdaut werden. Im Uebrigen lässt sich nur noch von dem Proto plasmaeiweiss aussagen, dass es eine sehr active chemi- Naturwisseuseliaftlielio Woclicus XVI. Nr. 26 sehe Bescliaffenheit haben muss, weil so viele ehemische Körper in Berührung mit ihm sogleich umgewandelt werden. Das ist da« Gemeinsame. Dift'erenzeu müssen wir nothgcdrungen auch aunelimen, wegen der so verschie- denen Wirkung der einzelnen Protoplasmaarten, wovon uns gerade wieder die Gährungserreger gute Beispiele liefern. Der Milchsäurebacillus, das ist der Erreger der Milchsäuregährung, bewirkt die Säuerung und Ge- rinnung der Milch. Indem von seinem Protoplasma immer- während Milchsäure durch Vergährung des Milchzuckers der Milch producirt wird, nimmt die Milch schliesslich jenen Säuregehalt (0,2—0,5 "/(,) an, welcher nöthig ist, um die Gerinnung des Milchkaseins hervorzurufen. Versetzt man einen andern Gährungserreger in die Milch, so ist derselbe nicht im Staude, die Säuerung und Gerinnung zu bewirken. Nur das Protoplasma des Milchsäurebacillus ist also im Stande, jene eigenthümliche Verwandlung des Milchzuckers, welche mit der Entstehung von Milchsäure endigt, hervorzurufen. Bemerkt sei übrigens hier auch sogleich, dass man die Milchgerinnuug auch durch ein im Kälbermagen enthaltenes Enzyni, das Labferment, her- vorrufen kann. Die schleimige Gährung. Die Zuckersäfte der Zuckerfabriken weisen oft gallertige Schleimbil- dungen auf, deren Aussehen an Froschlaich erinnert; die selben können unter Umständen zu grossen Massen von einem Cubikfuss und mehr heranwachsen. Untersuchungen ver- schiedener Bacteriologen haben gezeigt, dass dieselben An- sanmilungcn eines Spaltpilzes, Leuconostoc mesenterioides, sind, dessen Zellen sich in zuckerhaltigen Flüssigkeiten mit einer dicken Schleimhülle (aus Dextran?) umgeben. Uebrigens sind schou mehrere Bacterienarten als Er- leger der schleimigen Gärung von Zuckersäften erkannt worden. So verwandelt nach F. Glaser das Bacterium gelatinosum betae, den Rohrzucker, nach vorausgegangener Inversiv)n, in Schleim (Dextran) und Aethylaikohol. Dass auch die Milch schleimig und fadenziehend werden kann, ist schon lauge bekannt. In neuerer Zeit sind verschiedene Bacterien (Bacillus mesentericus vulgatus Flügge, Bacillus pituitosi Loetfler, Bacillus lactis viscosus Adametz u. s. w.) als Ursache dieser Erscheinung erkannt worden. Der stoffliche Vorgang hierbei kann von dreifacher Art sein. Entweder liegt eine Verquellung der Bacterien- membran vor; oder der Milchzucker wird in eine schleimige Substanz umgewandelt; oder die fadenzieheude Substanz wird aus dem Casei'u der Milch abgespalten. Das „Zähewerden des Weines" sowie das „Lang werden von Würze und Bier" gehört ebenfalls hierher. Manche Bacterien bilden durch ihre Lebensthätigkeit Farbstoffe, rothen, gelben, blauen, grünen etc. Sie werden unter der Bezeichnung „chromogene Bacterien" zu- sammengefasst. So wird das Blauwerden der Käse, woran be- sonders die holländische Milchwirthschaft leidet, zum Thcil durch den Bacillus cyaneo-fuscus hervorgerufen (Beyerinck); zum Theil aber auch durch Schwefelcisen, welches durch den bei der Käsegährung entstehenden Schwefelwasserstoff sicii l)ild(>t (Eisen kann aus den Ap])a- raten, wie Centrifugen, hineingelangen). Die blauen Stellen bilden meist zerstreute Körner, daher die Bezeichnung „Hlaukörnigkeit" des Käses. Das „Blauwerden der Milch", diese von altcrsher bekannte Erscheinung, i.st nach Hueppe auf die Thätig- keit des Bacillus lactis cyagenus, einen streng aeroben (das ist luftbedürftigen) Spaltpilz zurückzuführen Weil dieser Pilz zu seiner Entwickeiuiig unbedingt des Sauer- stoffes bedarf, so entsteht die Itiaue Farbe immer an der Oberfläche der Milch und diffuudirt von dort aus in das Innere der Flüssigkeit. Dieselbe bildet .sich dem Gesagten gemäss nur beim Stehen der Milch an der Luft aus und kann durch grosse Reinlichkeit in der Milchwirthschaft beseitigt werden. Bisweilen hat aber die Milch schon von Haus aus bläuliche Farbe, nämlich, wenn die Kuh grosse Quantitäten Blumenbinse (Butomus umbellatus) ver- zehrt hat, welche etwas blauen Farbstoff (Indigotin":*) enthält. Solche Blaufärbung hat also mit Mikroben nichts zu thun. Auch die Indigobereitung bedarf der Mitwirkung und Gährthätigkeit von Bacterien. Denn in der Indigo- pflanze ist das Glykosid Indikan enthalten, welches erst durch Gährung Indigoweiss abspaltet; letzteres geht durch Oxydation leicht in Indigoblau über. NachAlvarcz wird diese Gährung durch den Bacillus indigogenus hervor- gerufen. Auch eine rothe Farbe kann durch Bacterien hervor- gebracht werden. So wird Brod und andere Nahrungs- mittel oft rothflockig, indem es vom Bacillus prodigiosus befallen wird. Milch wird durch diesen oder auch durch andere Spaltpilze roth: desgleichen Käse; ferner Stock- flsche durch einen demTctanusbacillus ähnlichcii Pilz u.s. w. Gelben Farbstoff' erzeugt z. B. die Sarcina flava. Sarcina aurantiaea u. A. Beim „Rösten" von Flachs und Hanf findet el)cn- falls eine Gährung statt; sie wird durch einen relativ grossen Bacillus, den Erreger der Pe ktingährung (S. Wino- gradsky und V. Fribes), verursacht; Cellulose wird dabei nicht verändert, sondern uur die vorhandenen Pektin- stoft'e. Manche Gährungserreger bewirken eine Oxydation, so der Essig pilz, mit dessen Hilfe bekanntlich der Essig aus verdünntem wässerigen Alkohol hergestellt wird. Der üebergaug von Alkohol zu Essigsäure ist eine Oxydation und nur bei Gegenwart von viel Luft iiiöglicji. Aehnliche Oxj'dationen können lihiiizens iiidit bloss durch Gährungserreger (Pilze), sondern auch (Inrcii unge- formte Fermente, Enzyme, herbeigeführt werden, welche in den verschiedensten Pflanzen aus dem lebenden Proto- plasma entstehen. So hat G. Bertrand an dem so rasch erhärtenden japanischen Lack gezeigt, dass das Erhärten auf einer Oxydation durch die in ihm enthaltene (vom Lackbaum stammende) Oxydase, die Laccase, beruht. Das Verfärben roher Aepfel, das Duukelweiden der Rüben- säfte ist ebenfalls eine Oxydation unterm Einfluss von „Oxydasen" (oxydirendeu Enzymen). Eine der wichtigsten Oxydationsgährungeu ist die Nitrification im Ackerboden. Schon im Jahre 1877 wurde von Schloesing und Müntz die Behauptung aufgestellt, dass die im Boden vor sich gehende Sali)ctcrl)il(lung herbeigeführt werde, durch die Lebensthätigkeit organisirter Wesen, der Boden- bacterien. Nach ihnen ist der Salpeterbildungsprozess iiuch von der Temperatur abhängig; bei 5° gleich Null, merklich bei 12°, am kräftigsten bei 37° C; bei 55° hört der Vorgang auf. H. Plath zeigte später, dass bei Ausschluss lebender Organismen, nämlich wenn man den Ackerboden zuvor vollständig sterilisirt, die Nitrification unterbleibt. Winogradsky gelang es in neuester Zeit, die in Betracht kommenden Bacterien in Kiescisäuregelatine rein zu züchten; oder noch besser mit Nitrit-Agar, das ist einer mit 1,5 7o Agar versetzten Nitrit-haltigen minerali- schen Nährlösung. Diese Beispiele mögen genügen, um die Mannigfaltig- keit der Gährungsvorgäuge und damit die Verschieden- artigkeit der Gähr Protopiasiiien selbst zu illu- XVI. Nr. 2(i Wocliensclu-jlt 299 striren. Unmöglicb freilieli ist es bis jetzt, eineu inneren Grund anzugeben, warum das eine Protoplasma gerade so, das andere anders wirkt. Dazu haben wir noch lange nicht tief genug in die geheimuissreiche Natur des Gährungs- organismus und des Protoplasmas überhaupt geblickt! Was die äusseren Bedingungen der Fermentation durch Mikroorganismen anlangt, so kann man im Allge- meinen sagen, dass Bruttemperatur günstig für das Zu- standekonmien der Gärung ist-, dass ferner alle Einwir- kungen, welche die Lebensthätigkeit des Gährungserregers ungünstig beeinflussen, wie zu niedere und zu liohe Tempe- ratur, zu starke Beleuchtung, Gifte u. s. \v. auch die Gähruug mehr oder weniger unterdrücken. Ferner übt auch ein Gährungserreger auf den neben ihm vorhandenen zweiten einen oft wesentlichen Ein- fiuss aus. Ein schönes Beispiel dafür sind die in dem Weiu- moste sich einstellenden Zersetzungen. In ihm finden sich von Anfang an sehr verschiedenartige Gährungserreger neben einander ein, welche tlieils den Trauben auf- sassen, theiis aus der Luft und von den Geräthsehaften zur Mostbereitung stammen. Zuerst entwickeln sich nun immer die Erreger der alkoholischen Gährung, Sacharo- myces ellipsoideus und dergleichen, weil für sie die Zu- sammensetzung des Nährsubstrates am günstigsten ist. Ist der Zucker grösstentheils in alkoholische Gährung ein- getreten, so entwickelt sich in dieser weingeistig ge- wordenen Flüssigkeit der Essigpilz, welcher Alkohol zu Essigsäure oxydirt; er war schon lange da, konnte sich aber nicht entwickeln wegen der Ungunst der Verhält- nisse. Wenn nun die Flüssigkeit essigsauer geworden luul der meiste Alkohol in Essigsäure übergegangen ist, dann kommen Fadeupilze auf, die die Essigsäure zu Kohlensäure und Wasser verbrennen. Endlich, wenn auch dies geschehen ist, tritt Fäulniss auf, die Fäulnissbakterieu bemächtigen sich der vorhandenen Nährstoffe, nachdem die für sie schädliche Essigsäure verschwunden ist. Einen ähnlichen Wechsel von Pilzvegetationen haben schon Nägcli und Loew bei ihren Versuchen mit kunst- lichen Näinflüssigkeiten beobachtet. Man nennt die Verhinderung einer Pilzvegetation durch die andere einen Antagonismus zwischen den Pilzarten. Ganz ähnliche Dinge beobachten wir nun merkwürdiger Weise auch bei den ungeformten Fermenten oder Enzymen. Vernichtung des einen durch das andere (Trypsin zerstört die andere Enzyme der Hefe im Hefepresssaft), günstige und ungünstige sogar tödtliche Temperaturen, Unwirksam werden durch Gifte, starkes Licht, Steigerung der Ak- tivität durch geringe Zusätze etc. Bevor ich auf diese eigenthümlichen Verhältnisse etwas eingehe, seien zunächst in aller Kürze die ver- schiedenen Enzyme, die man bis jetzt kennt, aufgezählt nach J. Reinhold Green, die Enzyme). I. Diastase. Sie kann pflanzlicher Natur sein (Amylase) oder thierischer (thierische Diastase, Speichel- und Leberdiastase). Sie ist besonders im Pflanzenreich sehr häufig und bewirkt Verzuckerung der Stärke. Die Veränderungen, die sich in 1 bis 2 procentigem Stärke- kleister bei Zusatz von etwas Diastase abspielen, sind offenbar sehr complicirter Natur; es ist ein hydrolytischer langwieriger Prozess, der mit Zuckerbildung (Maltose) endigt. Daran schliesst sich die von J. R. Green entdeckte Inulase an, welche bei der Keimung der InuHn haltigen Knollen, z. B. Artisehoken, das Inulin verzuckert. Ferner die Cytase, das Cellulose lösende Ferment, welches zuerst von de Bary in einem Pilz entdeckt und nachher auch in höheren Pflanzen vorgefunden wurde, so von Brown und Morris in der keimenden Gerste, von Gardiner im Endosperm von Tamus communis. Die Produkte der Cytasethätigkeit sind bis heute noch nicht in zufriedenstellender Weise erforscht. II. Zuekerspalteude Enzyme, wozu dieluvertase (Rohrzucker in Dextrose und Laevulose spaltend), ferner die Maltase oder Glucase (Maltose in 2 Mol. Dextrose spaltend) gehören. Beide sind in der Hefe enthalten. III. Glykosid spaltende Enzyme; so dasEmulsin in Amygdaleen (Amygdalin in Benzaldehyd, Blausäure und Dextrose spaltend); Myrosin in Senf und anderen Cruciferen und anderen Familien (myronsaures Kali in Senföl, Dextrose und saures Kaliumsulfat spaltend). Die Gaultherase in Gaultheria proeumbens und anderen spaltet Gaultherin in Methylsalicylat und Dextrose; die Rhamnase in Rhamnus infectorius spaltet das Xantho- rhamnin der Früchte in Rhamnin und Dextrose. IV. Proteolytische Enzyme. Dazu gehört das Pepsin im thierischen Magen, das Eiweiss bei Gegen- wart von 0,1 bis 0,5 '^o Säure in Pepton verwandelt. Vom Verfasser wurde die Gegenwart von Pepsin in der Hefe wahrscheinlich gemacht (Wettendorfer's Zeitschrift Spir. Ind. 1900); ferner das Trypsin, welches im Pankreas vorkommt und Eiweissstoffe bis zu einfachen Amidosäuren spaltet. Pflanzentrypsiue sind das Bromelin in der Ananas, das Papain in Carica Papaya. In der Hefe ist auch Trypsin gefunden worden. V. Fettspaltende Enzyme, wozu die Lipase im Darmkanal gehört; es spaltet Stearin in Glyceriu und Stearinsäure. Auch in ölhaltigen Samen (Ricinus) fand J. R. Green ein fettspaltcndes Enzym vor; Penieillium glaueum enthält ebenfalls ein solches. VI. Gerinnungsenzyme (Lab) kommen im Thier- reich vor wie auch im Pflanzenreich. Das bekannte Lab- ferment aus dem Kälbermagen bewirkt die Gerinnung des Milchkaseins. Die Blätter von Pinguieula vulgaris bringen ebenfalls Milch zum Coaguliren; sehr häufig scheint das Labenzym auch in Samen vorzukommen. Ferner gehört hierher das Fibrinferment im Blute, Thrombase genannt; dann die Pectase, welche bei der Bildung pflanzlicher Gallerten betheiligt ist. VII. Die Urease, das Enzym in den Organismen der ammoniakalischen Harngärung. Vni. Oxydasen. Dazu gehört die Laccase, von Yoshida im Lackbaum aufgefunden, von Bertrand be- stätigt und auch in andern Pflanzen gefunden; dann einige andere pflanzliche und thierische oxydirende Fermente; endlieh die Katalase 0. Loew's (spaltet H.,0.j). IX. Zymase von E. Büchner, die alkoholische Gährung bewirkend. Es ist schon neulich vom Verfasser hervorgehoben worden (Chem. Ztg. 1901), dass zwischen Protoplasma und Enzym gewisse frappante Aehnlichkeiten bestehen. Hier sollen nur die wichtigsten Ergebnisse der bis- herigen Untersuchungen kurz zusammengefasst werden. (Vergl. auch V^erf. in Pflüg. Archiv der ges. Physio- logie 1901). In der Litteratur der Enzyme wird öfters hervor- gehoben, dass durch gewisse Zusätze die Wirkung der- selben gesteigert werden könne. Auch Verfasser bat einige hierher gehörige Beobachtungen gemacht. Säuren und Basen können in ganz geringer Menge zugesetzt eine Steigerung der Fermentthätigkeit hervor- rufen. So hat Verfasser beobachtet, dass durch 0,02 "/o Natriumhydroxyd die Fermentkraft der Hefe maltase ge- steigert wird. Nach O'Sullivan und Thompson begünstigen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 26. sein- kleine Mengen von Schwefelsäure (0,02 bis 0,01 7o) die Wirkung der Hefeninvertase. Geringe Mengen Salzsäure, Schweielsäure, Phosphor- säure (0,001%) begünstigen die Wirkung der Diastase. Vom Pepsin ist es längst bekannt, dass dasselbe seine Wirkung bei Gegenwart einer nicht unerheblichen Säuremenge am besten entfaltet. 0,2 — 0,6 "/g Salzsäure sind am günstigsten, im Magen ist diese Säure auch vor- handen. Es scheint, dass das Pepsin überhaupt nur bei Säuregegenwart wirken kann (Bildung von Acidalbumin?), und wohl erscheint es möglich, dass diese Säurewirkung von der vorhin gemeinten unterschieden werden muss. Statt Salzsäure können auch andere Säuren eintreten. Aehnlich wie mit obigen Enzymen ist es nun auch mit der Lebensthätigkeit der Pflanzen- und wohl auch der thierischen Zelle. Nimmt man nach Pfeffer's Vorgang kleine Mengen Aep feisäure und lässt dieselbe einseitig auf Spermatozoiden der Farne wirken, so werden diese veranlasst, sich nach der Richtung hin zu bewegen, von welcher die Aepfelsäure kommt, d. h. nach der Stelle grösster Concentration der Aepfelsäurelösung, voraus- gesetzt, dass diese ein gewisses Maass nicht überschreitet. Von andersartigen chemischen Reizen sei hervorgehoben, dass durch Rohrzucker die Spermatozoiden der Moose, durch Nährstoffe überhaupt die Plasmodien der Myxomy- ceten angezogen werden. Mit schwachen Basen hat Verfasser selbst Versuche angestellt, welche eine augenfällige Steigerung der Be- wegung durch geringe Mengen jener Steife erweisen. Nimmt mau 0,1 procentige oder noch schwächere wässerige Catfeinlösungen und verbringt in dieselben Paramäcien (Infusorien), so stellt sich bald eine auffallende Steigerung der Beweglichkeit ein, die lange anhält, gleichzeitig scheint der Infusorienleib eine etwas dichtere Beschaffenheit an- zunehmen, indem die Vakuolen sich vergrössern. Dass geringe Mengen von Alkaloiden und anderen basischen Stoffen die „Aggregation" genannte Lebens- äusserung bei den verdauenden Organen der fleisch- fressenden Pflanzen hervorrufen, wurde von Ch. Darwin schon hervorgehoben (insectenfressende Pflanzen, 1876). Die Wirkung geringer Mengen Säure oder Base auf das Protoplasma wie auf das Enzym ist wohl nur als Reiz Wirkung zu erklären. Bezüglich des Protoplasmas ist diese Erklärung schon lange gegeben worden; die Steigerung der Enzymthätigkeit durch Spuren von Säure oder Base muss wohl ebenso aufgefasst werden. Denn eine andere Erklärung bietet sich nicht dar, während die gegebene wohl annehmbar erscheint. Warum sollte nicht durch sehr geringe Säure- und Alkalimengen eine Steige- rung der chemischen Bewegung in den Enzymmolekülen ebenso gut stattfinden können, wie in dem Protoplasma, während grössere Mengen schaden, ja sogar tödten? Dass beide auch sonst viel mit einander gemein haben, wird noch in Folgendem gezeigt werden. Sogar gewisse Salze vermögen eine gesteigerte Enzymthätigkeit hervorzurufen, ebenso aber auch eine ge- steigerte Protoplasmathätigkeit. Ganz geringe Mengen von Fluornatrium sind nach Effront ein Anreiz zu intensiverer Gährthätigkeit, also wird die Function der Zymase dadurch gesteigert. Ammonsalze wirken beschleunigend auf die Thätig- keit der Hefeninvertase. Phosphate vergrössern die Wirkung der Diastase (Effront). Die Eiweissverdauung durch Pepsin ist eine raschere bei Gegenwart von 0,02 und t),t4", Chlornatrium. Hinsichtlich der Protcipliisiiiiirniictionen sei hier zu- nächst hervorgehoben, dass Knliiimsal/.e (z. B. Chlorkalium) die KohlensäurcH.ssiniiiation iM)Cliliii-o|iliyllkorn l)cgü listigen. Ferner sei auf die durch Darwin entdeckte Einwir- kung gewisser Salze auf Droseratentakel hingewiesen. Bringt man eine Lösung von sehr wenig Ammonium- salz (etwa eine 0,005 procentige Lösung) mit den Drüsen- Köpfchen der Tentakel von Drosera-Blättern (welche be- kanntüche Fleisch verdauen), in Berührung, so tritt sehr bald eine Bewegung der Drüsenhaare ein, sie neigen sich in der bekannten Weise und sondern zugleich unter eigen- thümliehen „Aggregations"-Erscheiuungen ihrer Zellen ver- dauende Säfte ab. Nach Ch. Darwin's Untersuchungen genügt 0,000423 mg Ammoniumphosphat, um eine Be wegung zu bewirken; statt diesem kann man auch 0,0025 gr Ammoniumnitrat oder 0,0675 Ammoniumkarbonat ver- wenden. Letzteres Salz ruft indessen die Ausscheidung von Saft und die damit verbundene „Aggregation" des Zellinhaltes, die theils in einer Contraction und Theilung des Tonoplasten (der Vakuolenwand), theils in der Aus- scheidung von Eiweisskugeln im Zellsafte und im Proto- plasma besteht, leichter als jedes andere Ammoniaksalz hervor, und es werden durch dieses ungleiche Verhalten wie auch durch andere Beobachtungen Bewegung und Ausscheidung im Tentakel von Drosera als besondere Vor- gänge charakterisirt. Das Ammoniumkarbonat wirkt wohl deswegen be- sonders stark auf die „Aggregation" des Zellinhaltes hin, weil es eine alkalische Reaction besitzt. Dass geringe Mengen basischer Stoffe „Aggregations"-Erseheinungeii nicht bloss bei Drosera-Tentakeln, sondern auch an zahl- reichen andern Pflanzenzellen hervorrufen, hat Verfasser früher hervorgehoben (über „Aggregation, Pringsh. Jahr- bücher 1889, Bd. XX, Heft 4). ^ Die Wirkung geringer Salzmengen auf das Proto- plasma ist von den Pflanzenphysiologen immer als „Reiz- wirkung" aufgefasst worden, wobei unter Reiz die Aus- lösung von Vorgängen verschiedenster Art im Protoplasma und dann auch an ganzen Organen verstanden wird, die entweder augenblicklich oder allmählich eintreten und im Vergleich zu dem auslösenden Reiz oft von unverhältniss- mässig grossem Umfang sind. Eine ernährende Wirkung können ja Salze auch auf das Pflanzenprotoplasma aus- üben, allein das gilt nicht von allen, und dann ist ja die Wirkung oft eine so plötzliche und eigenartige, dass der Gedanke an Ernährung ausgeschlossen ist. Im Uebrigen ist die ernährende Wirkung gewisser Salze auch als Steigerung der Protoplasmathätigkeit aufzufassen. Ganz und garnicht kann natürlich die günstige Wirkung von Spuren von Salzen, Säuren etc. auf die Enzyme unter diesem Gesichtspunkte der Ernährung ver- standen werden; es ist zweifellos auch eine Reizwirkung. Wie geringe Temperaturerhöhung, so können auch die besondern chemischen Bewegungszustände der genannten Stoffe anregend auf die Enzymthätigkeit wirken. Von der Temperatur ist ja schon lange bekannt, dass sie auf Enzyme ähnlich wirkt wie auf das Proto- plasma. Setzt man Hefe mit Gährlösung an und beobachtet die auftretenden Erscheinungen bei verschiedenen Tempe- raluren, so bemerkt man grosse Unterschiede. Bei 25 ° ist die Gährung am stärksten, unterhalb und oberhalb dieser Temperatur sinkt die Gährthätigkeit; sie hört selbst bei 0" noch nicht auf, bei 53" erlischt sie auf immer, weil das Gährungsferment (Zymase) durch diese Wärme vernichtet wird. Ungefähr bei derselben Temperatur sterben auch die Hefezellen selbst ab, was man erkennt, wenn man eine Spur solcher Hefe in gute Nährlösung verbringt. Die Hefespur vermehrt sich nicht, es tritt keine fortschreitende Trübung der Nährflüssigkeit ein; die Hefe- zellen sind nicht im Stande, sich durch Sprossung zu ver- mehren, sie sind todt. XVI. Nr. 2() N;itur\vissenscluiftlicliP Wocliouj- 301 Hefein vertage wirkt nach A. Mayer am besten bei 31", bei 70" liegt die Tödtung-stemperatiir. Die (Malz-) Diastase soll ihr Wirkinigs-Optinmni bei 50 bis 55 " haben, bei 75 " absterben. Emulsin wirkt am stärksten zwischen 45 und 50 "; die Zerstörungstemperatur liegt bei 70 ". Pepsin wirkt am besten bei 35 bis 40". Tödtungs- temperatur, bei 0,02 "/o Salzsäuregehalt, 55 bis 60". Die angegebenen Tödtungstemperaturen sind immer als feuchte Hitze zu verstehen. Im trockenen Zustand ertragen Enzyme oft Temperaturen über 100 ", ohne un- wirksam zu werden. Ganz ähnlich verhält sich das Protoplasma. Luft- trockne Samen oder Sporen ertragen viel höhere Tempe- raturen als 50 bis 55 ", welches sonst die Tödtungstempe- ratur für Protoplasma ist. Optinialtemperaturen sind beim Protoplasma für seine einzelnen Functionen ebenfalls bekannt. So athmeu Wcizenkeimlinge binnen einer Stunde bei 5 " = 3,30 mg Kohlensäure, bei 10" = 5,28, bei 25 " = 17,82, bei 35" = 28,38", bei 40" = 37,60 mg Kohlensäure aus. Dann sinkt die Athmung. Bei der Wasserpflanze Hottonia hat man als Optimal- temperatur für die Kohlensäure- Assimilation 31 " gefunden; bei 50 " ist sie nur noch ein Viertel so stark, bei 56 " hört sie gänzlich auf. Eine sehr merkwürdige Erscheinung ist die Schädi- gung, welche viele Enzyme durch Entfernung der natür- lichen Beimengungen erleiden. Dahin ist zunächst die Abtödtung mancher Enzyme durch Trocknen zu rechnen. In der Bier- hefe ist das Malzzuckerferment Maltase oder Glucase wahrscheinlich als wässerige Lösung (im Vakuolensaft) enthalten. Trocknet mau nun Bierhefe bei 20 ", bis sie völlig lufttrocken und hart geworden ist, so bemerkt man, dass damit die malzzuckerspaltende Kraft beeinträchtigt wird. Trockne Hefe ist nicht mehr so gut im Stande, Maltose in Dextrose zu verwandeln, was auf zweierlei Weise nachgewiesen werden kann. Entweder versetzt man die etwa zwei Wochen lang ausgetrocknete Pressliefe in 5 "/q Maltoselösung und beob- achtet den Eintritt der Gährung. Es wird sich keine oder geringere Gährung einstellen, weil die Diglykose nicht (in zwei Moleküle Dextrose gespalten werden kann. Dextrose wird von solcher Hefe vergohren, ein Zeichen, dass die Zymase durch das Eintrocknen der Hefe nicht unwirksam geworden ist. Das Malzzucker spaltende Enzym wird also durch Trocknen geschädigt. Oder man könnte die Reaction mit einer schwachen essigsauren-Lösung von Kupferacetat anwenden, welche von Dextrose beim Kochen reducirt wird unter Ahschei- dung rothen Kupferoxyduls, von Maltose nicht. Es tritt keine Reduetion ein. Dass auch das Protoplasma gegen Austrocknen meist sehr empfindlich ist, gehört zu den bekanntesten Thatsachen; die meisten Thiere und Pflanzen sterben ab, wenn sie anhaltender Trockenheit preisgegeben und nicht durch besonders starke Schutzmittel gegen Wasserab- dunstung geschützt sind (Wüstenpflanzen). Einzelne Pflanzentheile freilich vertragen ein längeres wirkliches Austrocknen, so die Samen der Pflanzen, welche ja bekanntlich Jahre lang im lufttrocknen Zustande ver- harren können, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüssen. Sporen von Pilzen können auch lange Zeit trocken liegen, ohne abzusterben. In diesen Fällen übernehmen meist fettartige Stoffe oder andere Reservestofte den Schutz des Protdjjlasmas durch Zwischenlagcrung statt des Wassers. Die Wirkung absoluten oder starken Alkohols gehört wohl auch theilweise zum Kapitel „Wassereutziehung" I (zum Thcil wirkt er auch giftig). Beim Protoplasma tritt bekanntlicii augcnl)licklicli der Tt>d unter Erstarrung ein, die Enzyme werden ebenfalls zum Theil vernichtet. So verliert das Myrosin seine Fermentationskraft, wenn es 24 Stunden in absolutem oder 5') procentigem Alkohol ge- legen hat. Maltase wird durch Alkohol sehr leicht ver- nichtet. Hingegen erträgt die Zymase absoluten Alkohol einige Zeit. Andere Aehnlichkeiten zwischen Enzym und Proto- plasma, auf die zum Theil schon früher hingewiesen wurde, sind folgende: Das Protoplasma wird durch dieselben Gifte getödtet oder geschädigt, durch welche Enzyme ver- nichtet werden. Bekannte allgemeine Protoplasniagifte sind For- maldehyd, Sublimat und Silbernitrat. Die Katalase wird durch 4 bis 5 " „ Fornuddciiyd rasch zerstört. 0,1 "/q Sublimat ist sehr schädlich fiu- die Katalase. Grössere Mengen Wasserstoffsuperoxyd schaden. 0,1 "/„ Sublimat tödtet das Myrosin binnen wenigen Stunden, desgleichen 0,1 "/„ Silbernitrat. 5 "/q Formal- dehyd tödtet binnen 24 Stunden, 1 " „ nicht. Hefenmaltase wird durch 0,-01 " ,,, Süljornitratlösung binnen 24 Stunden für immer unwirksam, desgleichen durch 0,02 "/o Sublimat. 0,1 "/„ Formaldehyd schädigt das Ferment binnen 24 Stunden, 1 "/„ vernichtet. 0,1 "/u Sublimat hindert die Inversion des Rohr- zuckers nicht ganz, wohl aber 0,5 "/„. 0,1 "/„ Silbernitrat hindert ebenfalls, nicht aber 0,02 "/„. Das Protoplasma ist empfindlicher gegen diese Gifte. Sublimat von 0,1 "/o ist bereits ein ganz sicheres Desinfectionsmittel bei einmaliger Applikation (R. Koch); schon 0,02 "/„ genügt meistens. Mit Silber- nitrat ist es ähnlich. Formaldehyd wirkt in der Stärke 0,1 "/„ tödtlich auf Pilze wie auf andere Organismen. Auch die bekannteren Antiseptica und Auästhe tica greifen zum Theil bei den Enzymen scharf an. 1 procentige Carbolsäure vernichtet bei 24 stündiger Einwirkung auf Hefe die Gährkraft derselben, tödtet also die Zymase. Hefen-Maltase wird ebenfalls durch 1 pro- centige Carbolsäure unwirksam. Pepsin wird durch ge- ringe Mengen Carbolsäure in seiner Wirkung gestört. Thymol ist für das Labferment bei Sättigungsconzen- tration (1:1100) tödtlich. 2 "/(, Salicylsäure macht das Myrosin wirkungslos. Das Protoplasma wird bekanntlich durcii diese Mittel beträchtlich gestört, wenn nicht getödtet. Schon 0, 1 "/„ Carbolsäure tödtet Presshefe binnen 24 Stunden. Chloro- form tödtet die Hefe, ebenso auch Algen. 0,5 "/q Carbol- säure tödtet Milzbrandbazillen. Von recht auffallender Uebereinstimmung ist auch die Wirkung von Säuren und Basen auf Protoplasma und Enzym. Das Protoplasma ist recht verschieden empfindlich, Enzyme auch; beide werden durch grössere Mengen Säure oder Base (mehrere Procente) sicher getödtet. Schimmel erti'ägt bis zu 1 "/o Säure, Bacterien ent- wickeln sich in Nährlösungen, welche nur 0,25 "/q Säure enthalten, meist nicht. Spirogyren werden durch 0,1 pro- centige Säuren binnen 30 Minuten getödtet. Die Zymase erträgt 0, 1 7o Schwefelsäure einige Zeit, binnen 5 Tagen aber wird sie dadurch dauernd unwirksam. 0,5 "/o Schwefelsäure vernichtet die Zymase binnen 24 Stunden, 1 procentige Essigsäure erst in 5 Tagen. Hefeninvertase wird durch 0,.5 procentige Schwefelsäure binnen 24 Stunden nicht ganz vernichtet. Pepsin erträgt bis zu 1 ",o Salzsäure. Bacterien wachsen in schwach alkalischen Lösungen; Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 26. Spirogyren sterben in Lösungen V(jn U,l ",o freiem Alkali sehr bald ab. Hefe erträgt 0,1 % freies Alkali 24 Stunden laug, in 0,5 % stirbt sie al). Für Zymase ist 0,5 "/o Aetznatron bei 24 stündiger Einwirkung nicht ganz tödtlich, auch für Hefenmaltase niciif; beide werden aber stark geschädigt. Hefeninvertase erträgt 0,5 "/o NaOH selbst 4 Tage lang. Was endlich die allgemeine chemische Natur des Protoplasmas und der Enzyme anlangt, so ist das Proto- plasma zweifellos aus Protein d. i. Eiweissstoffen (nach neueren Untersuchungen aus Nukleoalbumiuen) aufgebaut. Die Eiweissnatur der Enzyme ist bis jetzt nicht überall erwiesen, bei manchen aber ziemlich festgestellt. Dass die Diastase ein Proteinstoff sei, schliesst Wroblewski aus der Zersetzung mit Salzsäure, ferner aus den damit erhältlichen Proteinreactionen, Lintncr aus den Analysen- ergebnissen. Trypsiu stimmt nach 0. Loew mit der Zusammensetzung der Eiweissstoife ziemlich nahe überein, desgleichen das Papa in nach Würtz und Bouchut. Wenn Verfasser seine Ansicht über diesen Punkt äussern soll, kann dieselbe nach obigen Ausführungen wohl keinem Zweifel unterliegen. Die Enzyme sind active Proteinstoffe von der Natur des Protoplasma- proteins, also active Nukleoalbuniine. Die Inactivi- ruug durch schädliche Einflüsse beruht auf der ümlage- rung der activen Atomgruppen. Dass die Enzyme Nucleo- Albumine sind, ist z. B. von Halliburton bezüglich der Thrombase behauptet worden. Pekelharing vermuthet, dass das Nucleoalbuniin das Zymogen des Enzyms (Thrombase) und letzteres eine Kalkverbindung des Nucleo-Albuniins sei. Beide wiesen nach, dass das Enzym bei der künstlichen Magenverdauung einen Rückstand von Nuclein hinterlässt und dass die Analyse über 1 % Phosphor ergiebt. Auch gereinigtes Pepsin enthält nach Pekelharing Phosphor. O'Sulivau und Thompson fanden in der Asche der luvertase Phospiior. Nach Lintner enthalten selbst die reinsten Diastasepräparate eine beträchtliche Menge von Phosphorsäure in der Asche. J. R. Green hat in seinem trefflichen Buche über Enzyme die einschlägigen Thatsachen zusammengestellt und die Nucleo-Albumine-Natur der Enzyme als nicht un- | wahrscheinlich hingestellt. | Was mau aber in dem Capitel über die „Constitution der Enzyme" vermisst, ist der Hinweis auf die activen Atomgruppen, die zweifellos in jedem wirksamen Enzym vorhanden sein müssen. Actives Enzym und Protoplasma sind nicht Nucleo-Albumine in dem gewöhnlichen Sinne der Chemiker; denn der Nncleo-Albumin-Charakter ist ja auch noch vorhanden, wenn Enzym und Protoplasma durch Austrocknen oder durch 24 .stündigen Contact mit 0,01 pro- ccntiger Höllensteinlösung oder durch Erhitzen auf 75" gänzlich unwirksam geworden sind; das Nucleo-Albumin ist noch da, die fermentative Kraft aber für immer ver- schwunden. Letztere ruht offenbar in gewissen activen, sehr labilen Atonigruppen, welche durch Temperaturen von 70 bis 75", durch Gifte, durch Lichtwirkung und der- gleichen zur Umlageruug gebracht werden. Ich verweise bierin auf 0. Loew 's Ausführungen über active und in- active Proteinstoffe. Mit Recht hebt Green hervor, dass auch dem Proto- plasma selbst fermentative Kraft zukomme, dass es hydrati- sireude Wirkungen, eiweiss zerspaltende Kraft und der- gleichen habeu müsse, was aus zahlreichen Beobachtungen hervorgeht. Wenn die Enzyme Abkönmilinge des Proto- plasmas sind, gewissermaassen losgelöste Protoplasmamole- küle und -Mieelle, dann versteht sich von selbst, dass das Protoplasma alles kann, was die Enzyme vermögen. Nur wird die Protoplasmawirkung bei der kunstvollen Organi- sation dieses wunderbaren Gebildes noch weiter gehen. Das Protoplasma vollzieht Leistungen, die kein Enzym vermag. Das Unwirksamwerden der Enzyme beim Erhitzen auf 70 bis 75" bringt Green in Beziehung zu der Gerinnung, was wohl nicht zutreffen dürfte. Ganz abgesehen von der sehr verschieden hohen Gerinnungstemperatur der Proteiue, würde wohl der blosse Uebergang in den unlöslichen Zu- stand nicht nothwendig eine Inactivität zur Folge haben müssen. Es handelt sich um einen grösseren Unterschied, um den Unterschied zwischen labilen und stabilen chemi- schen Substanzen. Zum Sehluss seien einige der erwähnten Bezie- hungen zwischen Protoplasma und Enzym tabellarisch dargestellt, nach einem neulich vom Verfasser in der Allgemeinen Brauer- und Hopfenzeitung, 1901, publicirten Aufsatz. Wirkung von Temperatur und Licht Austrocknen Entfernung sonstiger Beimengungen Fiirderuug durch Spuren von Salzen, Säuren, Basen u. A. Schädigung durch Gifte Bacterien und Schimmel Manche Bacterien- sporeu können längere Zeit in Wasser gekocht werden, ohne Schaden zu nehmen. Im vege- tativenZustand werden die Bacterien meist durch Temperaturen von Ö5 bis 60 Grad getödtet. — Aehnlich Schimmel. — Licht schädigt viele Bacte- rien, divectes starkes SoniKMllicht tö.Uot Sporen vertragen das Austrocknen; vegetative Zellen nicht Verbrauch der auf- gespeicherten Nähr- stoffe macht d. Pro- toplasma empfind- licher Geringe Mengen Phosphate, Kali- salze u. A. wirken ernährend, also för- dernd , grössere schädlich. Bakte- rien lieben seh wach alkalische lieaction des Nährsubstra- tes, Schimmelpilze saure Reactiou Sublimat von 0,1 pCt. tödtet alle Bakterien und Schimmel- pilze. — Silbernitrat ist min- destens ebenso giftiij. — For- maldehyd wirkt bei (1,1 pCt. Concentration tödtlich. — Carbolsäuro 0,1 pCt. hindert die Entwickelung, tödtet aber nicht; erst durch 0,5 pCt. werden vegetative Zellen getödtet, Sporen brauchen mindestens .5 pCt. Lösung. — Terpentinöl wirkt bei 0,002 pCt. schon sehr schädlich. Spi-osshefe (Sac- charomyces - Ar- ten (tri- Presshefe) gün^llL'^l.•l, (uV ,|ir l';ntwirklu„ii-.l,.HI..f,.. Jung,, vegetative Zel- len sterben bei bO bis 60 Grad, Sporen bei 60 bis 65 Grad; in trockenem Zustand er- tragen letztere bis 100 Grad (Kaiser). Stiil.l beim Aus- rrockiH.n ab; nur ilic Spuren dauern aus do. Salze wie vorhin. Geringe Säure- niengon, wie z. B. 0,02 pCt. Schwefel- säure, fördern die Hefeentwickelung Sublimat von 0.02 pCt. tödtet Hefe binnen 24 Stunden. — Silbernitrat do. — Formal- dehyd von 0,1 pCt. wirkt binnen 16 Stunden tödtlich, 0,05 pCt. sehr schädlich. — Terpentinölwasser d. i. 0,002 pCt.) vernichtet binnen 24 Stunden die Vermehrungs- fähigkeit. — Thymolwasser (0,1 pCt.) do. — Carbolsäure 1 pCt. oder sogar O.I pCt. tödtet binnen 24 Stunden. XVT. Nr. -jr, Nal-nrvvi.ssdnscliaftliche Wochpnschril't. Wirkung von Temperatur und Licht Entfernung sonstiger Beimengungen Förderung durch Spuren von Salzen, Säuren, Basen u. A. Schädigung durch Gifte Zj'maso (Gäh- rungsfennont) Bei 25 Grad arbeitet das Enzym am besten, bei 53 Grad erlischt die Fermentkraft, bei 0 Grad hört sie nicht auf lli'fd - Invertase (Invi'rtin oder Kiihizucker spal- ti^ndes Enzym) liefemaltase (nicho liierüber Verf. in \V.-tt.'ud. Zeit.srhr. S,,ir.- ln,l. 1IH)1) Bei 70 Grad feuchter Hitze schnell zerstört, bei 50 Grad erst nach längerer Zeit. — Wir- kung.soptinuiin nach A. Mayer bei 31 Grad, nach Kjeldahl bei 52 bis 56 Grad (die An- gaben beziehen sich wohl auf Invertascn verschiedener Her- kunft?) Tödtungstemperatur 55 Grad Eingetrockneter Hefepresssaft ver- liert die Gährkraft nach drei Wochen (E. Buchner). — Trockenes Hefe- pulver behält sie acht Wochen lang. Mit absolutem Al- kohol behandelte Hefe hat nach acht Tagen etwas Gähr- kraft, wenn Alkohol entfernt wird Erträgt das Aus- trocknen Entfernung der na- türlichen Beimen- gungen schadet Ganz geringe Men- gen Fluornatrium sind nach EfFront ein Anreiz inten- siverer Gährthätig- keit Sublimat von 0,02 pCt. an tödtet das Enzym binnen wenigen Stunden. — Silber- nitrat wirkt noch etwas stärker. — Formaldehyd ist bei 24stiindiger Einwirkung tödtlich, wenn 0,2 pCt. be- tragend. — Carbolsäure ver- nichtet bei 1 pCt. binnen 24 Stunden, bei 0,1 pCt noeli nicht. — 0,1 pCt. Thyuiul vernichtet binnen 24Stundcn. — Terpentinölwasser do. Alkohol schadet um so mehr, je reiner die Invertase (O.'Sullivan und Thompson). In Rohrzucker - Lö sung kann Inver tase um 2.5 pCt höher erhitzt wer- den, bis zur Zer Störung, als Ai-einem Wass Ammonsalze wir- ken beschleuni- gend. — 0,001 bis 0,02 pCt. Schwefel- säure begünstigt Ertiägt das Aus- trocknen sclilecht Schädlich 0,0i ])Ct. Natrium- hydro.\yd wirkt günstig Diastaso au.s Malz Tödtungstemperatur 75 Grad (bei Gegen- wart vonFeuchtigkeit). — Trockene Diastase erträgt 100 Grad und darüber. — Optimal- temperatur zwischen 50 u. 55 Grad (Lintner und Eckhardt) Erträgt das Aus- trocknen Eiweissbeimengung mindert die schäd- liche Wirkung des Lichtes Phosphate wirken günstig (Etfront). — 0,24 pCt. Koch- salz wirkt fördernd. — Geringe Mengen Salzsäure, Schwe- felsäure, Phosphor- säure (0,002 pCt.) befördern die Fer- mentation. — Pep- tonzusatz (1 pCt.) wirkt günstig 0,1 pCt. Sublimat hindert die Inversion des Rohrzuckers nicht ganz, wohl aber 0,5 pCt. — 0,1 pCt. Silbernitrat hin- dert. — Fornialdehyd ver- nichtet selbst bei 5 ))Ct. binnen 24 Stunden nicht. — 1 pCt. Carbolsäure schadet binnen 24 Stunden nicht, desgl. 0,1 pCt. Thymol. — Borax schadet. — Selbst absoluter Alkohol tiidti't bei 20tägiger Eiuwirknn- i.ii-ht. 0,01 pCt. SillMMnilrMl iiiaeht die Hefenmaltuse liinrn -14 Stunden für imuu^r unwirk- sam; desgl. 0,02 pCt. .Subli- mat. 0,1 pCt. Fornuihleliyd schädigt binnen 24 Stiuiden, 1 pCt. vernichtet. — 1 pCt. Carbolsäure tödtet binnen 24 Stunden, 0,1 pCt. schadet nicht. — Terpentinölwasser schädigt stark. — 0,1 pCt. Thymol vernichtet die Fer- mentkraft binnen 24 Stunden. 0,01 pCt. Sublimat oder Ö^)! pCt. Silbernitrat wirken binnen 24 Stunden tödtlich. — 0,01 pCt. Formaldehyd vernichtet die Feruu'utkiaft nicht ganz. — Alkolud wirkt schwach hemmend. Peps Trypsin Optimum zwischen 35 | Hält sich als Pulver und40Grad.Tödti\ngs- j längere Zeit wirk- temperatur (bei0,2pCt. : sam Salzsäuregelialt) 55 bis (iO Grad. Trocken er trägt es KiO Grad Optimaltemperatur 40 Grad. — Tödtungs- temperatur 69 bis 70 Grad (0. Loew). — Trocken kann es auf 160 Grad erhitzt wor- den, ohne seine Wir- kung zu verlieren Gegenwart lös- licher Eiweissstoft'o macht es weniger empfindlich, z. B. gegen Soda 0,02 bis 0,04 pCt. Kochsalz wirkt be- schleunigend. — Grössere Mengen schaden. — Etwas Coffein oder Theo- bromin wirkt gün- stig. — 0,2 bis 0,4 pCt. freie Säure günstig zur Ver- dauung Bis 0,4 pCt. Sublimat beein- trächtigt die Wirkung nicht. Immerhin stören Metallsalze von einer gewissen Concen- tration an. — Carbolsäure stört schon in geringer Menge. Salicylsäurc stört," aber ver- nichtet nicht. Chloroform stört. Alkohol setzt die Wir- kung herab, wenn 20 pCt. oder mehr betragend. Wird als Pulver in den Handel ge- Gegenwart lös- licher Eiweissstoffe macht es weniger empfindlich Kleine Mengen Alkalisalze sind förderlich, beson- ders alkalisch rea- girende (Soda) Quecksilber- und Eiaensalz schaden. Tödtungstemperati 72 bis 75 Grad Kann als hergestellt Schwach alkalische Reaction begün- stigt die Wirkung auf Wasserstoff- snpoi-o.\yd sehr 0,1 pCt. Sublimat schädigt sehr stark. — 4 bis 5 pCt. Formaldehyd zerstört sehr rasch. — Grössere Mengen Wasserstoffsuperoxyd scha- den. — Alkohol, selbst ab- soluter unschädlich. ;^.()4 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 26. Ueber die Bodendecke der Wälder und die Kolle dei-Regeiiwürmer hat sich E. Henry (Journal d'Agriculture pratique 1900, S. 778) geäussert. Wir entuehmeu einem Referat von Richter in Bieclermaun's Centralbl. f. Agri- kulturcbeuiie (Leipzig 1901) hierüber das Folgende: Die Decke des Waldbodens setzt sich zusammen aus den von den Bäumen herabfallenden dürren Blättern, Zweigen und Früchten, sowie aus den Moosen und den Rückständen der verschiedenen Pflanzen, welche spontan unter den Bäumen gedeihen. Nach den Untersnclinngen Ebermayer's beträgt das Gesanmitgewicht der im Laufe eines Jahres sich bildenden ßodcndecke ungefähr 4000 kg pro Hektar. Wenn man indessen nach Verlauf einer bcstinnnten An- zahl von Jahren die Gesammtmenge der Bodendecke be- stimmt, so lindet man, dass dieselbe nicht der Summe der in den einzelnen Jahren herabgefallenen Blätter, Zweige u. s. w. entspricht, sondern erheblich geringer ist. Diese fortschreitende Verminderung der Bodendecke hat man lange Zeit einer langsamen Verbrennung der orga- nischen Substanz beim Kontakt mit der Luft zugeschrieben, bis von Henry auf die bedeutende Rolle, welche die Bakterien bei der Zerstörung der dürren Blätter spielen, aufmerksam gemacht wurde. Wenn man die Mikroorga- nismen durch Hitze oder Behandlung mit Chloroform ab- tödtete, so wurde dadurch die Zersetzung der Blätter fast vollkonmien aufgehoben. Die Bakterien sind aber nicht die einzigen in Betracht kommenden Zerstörer der Boden- deekc ; einen wesentlichen Antheil bei der Umwandlung der organischen Substanz nehmen die Regenwürmer und andere Invertebraten, welche in so reichlichen Mengen im Waldbodcn anzutreffen sind. Bezüglich der Betheiligung der Regenwürmer an der Zersetzung der Bodendecke wurden vom Verfasser die folgenden interessanten Wahrnehmungen gemacht: Er hatte inmitten eines Waldkomplexes 4 Bretterrahmen von 50 cm Seitenlänge aufgestellt, welche er mit je 100 g Blättern der vier Hauptbaumarten des Waldes beschickte, nämlich Eiciie, Buche, Hainbuche und Espe. Am 10. März 1898 kiinstatirte er das Vorhandensein zahlreicher von Würmern herrührender Löcher in dem Boden unterhalb der Rahmen. Bei der Untersuchung des Inhalts der Rahmen ergab sich nun, dass von den Hainbuchenblättern fast nichts mehr übrig war, während die Eichen-, Buchen- und Espen- blätter noch in beträchtlicher Menge vorhanden waren. Dieselben waren mehr oder weniger stark angenagt und zu soviel Häufehen vereinigt, als grosse Würmer gezählt wurden. Aus diesem Befunde niusste der Schluss abge- leitet werden, dass die Würmer unter der ihnen darge- reichten Nahrung eine Auswahl getroffen und dabei be- sonders die Blätter der Hainbuche bevorzugt hatten. Ein Kontroiversuch lehrte, dass in 66 Tagen fünf Würmer 6,745 g Blätter, d. h. mehr als ein Drittel der ihnen dargereichten Nahrung aufgezehrt hatten. Jeder Wurm zerstörte in zwei Monaten 1,55 g organischer Trockensubstanz. Dies würde für 10 Monate 7,75 g be- deuten, und wenn man annimmt, dass im ganzen Walde soviel Würmer existiren wie in den Versuchsparzellen, nämlich 30 pro qm, so würde sich die Zahl von 300 0(X) Würmern pro Hektar ergeben, welche 250 kg, d. h. un- gefähr den zehnten Theil der jährlieh fallenden Blätter zu verarbeiten im Stande wären. Diese Zahl würde nach Verfasser noch als ein Minimum zu betrachten sein, da bei dem obigen Versuche die vielen anderen kleinen Würmer, Larven u. s. w., welche die Bodendecke neben den Regenwürmern beherbergt, nicht mit berücksichtigt wurden. — Bei weiteren Versuchen des Verfassers zeigte sich, dass von 100 den Würmern zur Verfügung gestellten Blättern nach zwei Monaten 73 Buchen-, 71 Eichen- und nur 10 Hainbuchenbiätter übrig geblieben waren. Es scheint also durch die Untersuchungen des Ver- fassers die Thatsache bewiesen, dass die Regenwürmer unter der ihnen dargereichten Nahrung eine Auswahl zu treffen pflegen und dass dieselben eine ganz besondere Vorliebe für die Blätter der Hainbuche zeigen. Danach würde es in Anbetracht der grossen Nützlichkeit dieser 'riiierc im Interesse der Forstwirthschaft lic.i;cn, mögliehst viele solche P>äume anzupflanzen, deren Blätter ein Lieb- liugslutter derselben bilden. Man würde durch die hier- durch bewirkte Heranziehung und stärkere Vermehrung der Würmer eine wesentliche Verbesserung der physika- lischen Eigenschaften des Bodens (Auflockerung) und eine sehnellere Umwandlung der Bodendecke in Humus, also Nutzbarmachung der in derselben enthaltenen Stickstofl- und Mineralsubstanzen herbeiführen. Die Bipolarität in der Verbreitung der Meeres- Organismen. — Die bemerkenswertiie Erscheinung, dass einige Arten der Meeresthiere sowohl in dem arktischen als dem antarktischen Meere vertreten sind, hat Professor Kj almar Theel in Stockiiohn in einem am 31. März 1900 in der Königl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften gehaltenen Festvortrage erörtert. (Ymer, 1900.) Die Bfpolarität besein-änkt sich nicht auf die Be- wohner der Tiefsee, in der die grösste Einförmigkeit herrscht, nicht nur hinsichtlich der n;ächtigen Schlamm- ablagerungen, sondern auch bezüglich der Temperatur, die überall annähernd gleich und niedrig ist und keine nennenswerthe Schwankungen unter dem Einfluss der Jahreszeiten aufzuweisen hat; ebenso ist der Salzgehalt fast überall constant und ohne erhebliche lokale Ab- weichungen, wie auch der kolossale Druck, die geringe Bewegung des Wassers und die nur durch die von den thierischen Organismen hervorgerufene Phosphorescenz unterbrochene gleichmässige Finsterniss den Organismen eiu gleichmässiges Gepräge geben, sodass die eigentliche Tiefseefauna einen kosmopolitischen Charakter trägt, der durch die Unterschiede in der geographischen Breite nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Irgend eine Eintheilung der Tiefseefauna in Zonen nach Breitengraden ist darum gegenwärtig kaum denkbar. Tiiiere, welche ihr Ver- breitungscentrum im nördlichen oder südlichen Polarbecken oder in der Tiefe unter dem Aequator haben, können auf dem Boden aller übrigen Meere mit den gleichen mono- tonen Verbältnissen leben und sich verbreiten, so dass die Tiefseefauna der Polarmeere bei der Beurtheilung der Bipolarität nicht in Frage kommt. Die Abweichungen kommen in erster Linie bei der pelagisehen oder der Planktonfauna und der Flachsee- fauna zum Ausdruck; aber auch hier herrscht eine grosse Uebereinstimmimg. Chun und Ortmann haben ange- nonmien, dass ein Austausch der Plauktonorganismen zwischen den beiden Polarmeereu stetig durch die tiefen, kalten Wasserschichten in den tropischen und subtropi- schen Zonen erfolgt. Die Existenz derartiger Tiefsee- strömungen hält Theel zwar nicht für erwiesen, aber in beiden Polarmeeren kommen so grosse Massen von Dia- tomaccen vor, dass das Wasser auf weite Strecken von ihnen dunkel gefärbt ist. Nordische Wurzelfüsser (Globi- gerina), nordische Quallen (Cyanea) und Rippenquallen (Pleurobrachia, Mertensia und Lobaten), kleine nordische Krebsthiere aus den Ordnungen der Copepoden (Calanus und Metridia) und Amphipoden (Vibilia, Hyperia, Euthe- misto etc.), nordische Borstenkiefer (Sagitta) und Mantel- thiere (Fritillaria), sowie gewisse für das arktische Meer charakteristische Ptciopoden haben sämmtlich nahe ver- wandte oder vikariirende Formen in dem antarktischen Ocean. Die Planktonfaunen der beiden Eismeere zeigen XVI. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 305 also, dass auch hier ähuhche Lebensbedingungen einen Paialiehsnius in der faunistisehen Eutwickehing zur Folge gehabt haben. Die Uebereinstimniung gestaltet sich jedoch noch schlagender, wenn man erwägt, dass gewisse Formen durch ihr massenhaftes Auftreten weiten Gebieten ein be- sonders eigenthümliches Gepräge verleihen. Den arkti- schen Meeren geben ungeheure Schwärme von kleinen Krebsthieren, Calanus finmarchicus und C. byperboreus, auf meilenlange Strecken eine eigenthümliche rothe Farbe. In der Antarktis tritt eine nahe verwandte vikariirende Form, Calanus propinguus, ebenfalls in kolossalen Schwär- men auf. Die Uebereinstimmung zwischen den Planktonorga- nismen der beiden Polarmeere ist so in die Augen fallend und so gross, dass dieselbe kaum durch die blosse An- nahme eines Parallelismus der Entwickelung, durch über- einstimmende Lebensverhältnisse hervorgerufen, erklärt werden kann. Dass hier thatsächlich die enge Verwandt- schaft in Frage kommt, beweist das gleichzeitige Auf- treten identischer Arten in beiden Eismeeren. Nach Stein- haus wurde die im nördlichen Polarbecken gemeine Sa- gitta hamata im südlichen Eismeer unter 40" südlicher Breite aufgefunden, und Michaelsen fand auf seiner Expedition nach dem Feuerlande die nordische Fritillaria borealis allgemein an diesen Küsten. Schon diese Bei- spiele zeigen, dass die Planktonorganismen thatsächlich bipolare Verbreitung haben. Am schlagendsten kommt jedoch naturgemass die Bipolarität bei der Flachseefauua zum Ausdruck, und dieselbe ist von vielen Forschern bezeugt und durch einzelne Belege erwiesen; so in den Ergebnissen der Hamburger Magalhaensischen Sammelreise von Ehlers, ferner von Murray, Chun und Pfeffer. Ehlers ver- zeichnet z. B. fünf bipolare Borstenwürmer: Nephthys longisetosa, Glycera americana, Scolecolepis vulgaris, Arenicola assimilis und Notomastus latericeus, welche nicht in den dazwischen liegenden tropischen uud sub- tropischen Meeren gefunden werden. Auf eine bei den Seewalzen vorkommende sehr inter- essante Erscheinung lenkt Theel die Aufmerksamkeit. Das nördliche und das südliche Eismeer beherbergen je eine Holothurienart, Cucumaria glacialis und C. laevigata, welche in den zwischenliegenden Meeren fehlen. Bei beiden ist das frei schwimmende Larvenstadium unter- drückt, so dass die jungen Cucumarien sich direkt ent- wickeln, ohne eine Metamorphose durchzumachen. Um die Nachkommenschaft zu beherbergen und zu schützen, sind beim Mutterthiere zwei Säcke entstanden, welche in der Körperhöhle liegen und deren jeder mit einer Geff- nung an der unteren Seite des Vorderkörpers zur ent- gegengesetzten Seite des unpaarigen Nerven mündet. Diese Säcke nehmen die Eier auf, aus denen sich dort Junge entwickeln, die bei einer gewissen Altersstufe das Mutterthier verlassen, um fernerhin selbstständig zu leben. Derartige Organe fehlen bei allen übrigen, zu Hunderten zählenden Seewalzenarten. Diese I>scJf]eiuung zwingt zu der Annahme, dass die beiden Arten von einer gemein- samen Form abstammen, welche mit solchen sackartigen Organen versehen gewesen sind, da nach den gegen- wärtigen phylogenetischen Anschauungen nur so zwei in allen Einzelheiten gleiche Organe entstehen können. Zur Erklärung der Bipolarität sind verschiedene Momente herangezogen, die wesentlich auf der Voraus- setzung fussen, dass noch gegenwärtig ein Austausch zwischen dem arktischen und antarktischen Faunengebiet stattfinde. Theel, der scharf die Kosmopoliten von den Arten mit eng begrenztem Verbreitungsgebiet sondert, findet die Wahrscheinlichkeit, dass pelagische Plankton- organismen durch Meeresströmungen von einem Eismeere zum anderen geführt werden sollten, gleich Null, da die ihnen unterwegs gebotenen Lebensbedingungen ihren Untergang herbeiführen würden. Bezüglich der Flach- seeorganismen glaubt er ebensowenig annehmen zu können, dass dieselben ihren Weg durch die Tiefsee nehmen, denn die Tiefsee bildet ein unüberwindliches Hinderniss für die Verbreitung der meisten Formen, welche gegen- wärtig der arktischen wie der antarktischen Fauna ihr charakteristisches Gepräge geben. Eine Verbreitung der Flacbseeorganismen nach aussen und darauf folgende Wanderung von einem Eismeere zum anderen in massigen Tiefen ist ebenso ausgeschlossen, denn auch an den west- lichen Küsten Afrikas und Amerikas, wo rift'bildende Korallen fehlen, bereiten die besonderen Verhältnisse, und namentlich die Temperaturverhältnisse, einer derartigen Verbreitung grosse Hindernisse, und zudem gewähren die allgemeine Zusammensetzung und der Charakter der Fauna der Auffassung, dass die Verbindungswege zwischen den P^lachseefaunen der beiden Eismeerfaunen längs den Westküsten der Continente führen, keine Stütze. Auch die Wanderung der Larven ist sehr unwahrscheinlich; denn vor allem hat das Larvenstadium bei den in Be- tracht kommenden Thieren keine genügende Dauer, um diese Wanderung während des Larvenstadiums zu ermög- lichen. Im Anschluss an Mnrray und Pfeffer betrachtet Theel vielmehr die Mehrzahl der thierischen Organismen, welche gegenwärtig die beiden Eismeere bewohnen, als Ueberreste oder Relikten früherer Zeiten, da eine tropische Fauna gleichmässig über die ganze Erde vertheilt war. Es fehlt nicht an Stimmen, welche einer früheren höheren Temperatur in den arktischen Gegenden und einer gleichmässigeren Vertheilung der Temperatur über die ganze Erde das Wort geredet haben. Eingehende Untersuchungen über die Thier- und Pflanzenwelt der Vorzeit in den Polarländern haben dargethan, dass das Klima dort früher erheblich wärmer gewesen ist, als gegenwärtig. Während der Kreideperiode soll in Grön- land unter 70 " nördlicher Breite ein tropisches Klima ge- lierrscht haben. Wenn auch nicht identisch, so sind doch die fossilen Pflanzenarten der Steinkohlenperiode in Europa, Sibirien, Spitzbergen, der Bäreninsel, Nordamerika, Bra- silien, dem Kaplande und Australien nahe verwandt. Neuere Untersuchungen von Murray und Irvine haben ergeben, dass eine erhebliche Kalkabsonderung durch riff- bauende Korallenthiere nur in einem warmen Klima mög- lich ist. Wenn jedoch das Klima in höheren Breiten ein warmes oder tropisches war, so brauchte die Temperatur darum nicht, wie bisweilen behauptet worden ist, unter dem Aeiiuator so hoch zu sein, dass kein Thierleben da- selbst existiren konnte. N. Ekholm hat (Ymer, 1899) in einer Abhandlung die Ursachen der Aenderungen des Klimas in geolo- gischer und historischer Zeit unter Bezugnahme auf die Theorie von Svante Arrhenius (Bihaug K. Sv. Vet.- Akad. Handlingar Bd. 22, Afd. I No. 1, 1896) untersucht. Nach derselben ist die Kohlensäure für die Wärmestrahlen der Sonne fast ebenso durchlässig als die atmosphärische Luft, für die von der Erdoberfläche und den unteren wärmeren Luftschichten ausstrahlende Wärme dagegen fast undurchdringHch. In Folge dessen wirkt der Koblen- säuregehalt der Atmosphäre fast in gleicher Weise wie ein Treibhausfenster, das die einstrahlende Sonnenwärme fast ganz durchlässt, die ausstrahlende Erdwärme dagegen zum grossen Theile zurückhält. Wenn nun der Kohlen- säuregehalt der Atmosphäre vermehrt wird, so steigt in Folge dessen die Temperatur der Erdoberfläche und der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 26. unteren Lul'tscbicliten, bis die durch die Temperatnr- erhöhuug bewirkte Steigerung der Wärmeausstrahlung das Gleichgewicht zwischen Ein- und Ausstrahlung her- gestellt hat. Der schützende Einfluss der Kohlensäure ist stärker in den von der Natur weniger begünstigten Gegenden und Jahres- und Tageszeiten, stärker an den Polen und allmählich nach dem Aequator hin abnehmend, stärker im Winter und in der Nacht, als im Sommer und am Tage. Sie ist mit einem Worte bemüht, nicht nur ein an sich wärmeres, sondern auch ein für die ganze Erde gleichmässiges Klima zu erzeugen. Ist die Temperatur über die ganze Erdoberfläche gleich gewesen, so folgt daraus mit grösster Wahrschein- lichkeit, dass das Thicrlebcn des Meeres überall gleich- förmig und nicht in Zonen eingetheilt gewesen ist. Da- mals lebten riffbildende Koralleutbiere unter hohen Breiten- graden gemeinschaftlich mit der eigenthümlichen Fauna, welche sieh dem Zusammenleben mit ihnen angepasst hatte, und neben ihnen fand man eine andere Fauna, welche, von den Korallenthieren unabhängig, sich den Lebensverhältnissen unterhalb des Korallengebietes, d. h. bei 40 m Tiefe oder darunter, wo Temperatur und ßodeu- beschaffenheit gänzlich verschieden sind, angepasst hatte. Am Anfang derTertiärperiode erfolgte eine Veränderung, die klimatische Ditferenzirung an den beiden Polen. Die Tempe- ratur sank fortwährend, bis während der Quartärperiode die Eiszeit ermöglicht wurde. Gleichzeitig mit der Ent- stehung der klimatischen Zone erfuhr aber auch die Thier- welt in den Meeren eine zonare Vertheilung. Die riflf- bauenden Korallen und alle Thierformen, welche von ihnen abhängig waren, vermochten nicht dem Sinken der Temperatur Widerstand zu leisten, sondern starben ans oder wanderten von den Polargebieten nach dem Aequator. Solche Formen, welche schon sich an ein tieferes, kälteres Wasser gewöhnt hatten, blieben dagegen am Leben, und obwohl ursprünglich Glieder einer über die Meere der ganzen Erde verbreiteten Fauna mit tropischem Charakter, haben sie sich den Aenderungen des Klimas angepasst, so dass an beiden Polen eine gleichartige Fauna sich von derjenigen abtrennte, welche sich nach dem Aequator hin zurückzog. Die veränderten, aber gleichartigen Lebens- bedingungen an- beiden Polen wirkten parallel auf die Umgestaltung derjenigen Thierformen, welche dort zurück- blieben. Schliesslich übten die allgemeine Abkühlung der Polargebiete und eine grössere Einförmigkeit der Lebens- verhältnisse einen hemmenden Einfluss auf das Anpassungs- vermögen der Thiere, so dass die ursprüngliche üeber- einstimmung zwischen den Arten in beiden Polarmeeren besser bewahrt werden konnte, während die üeberein- stimmung mit den anderen tropischen Ahnen mehr und mehr verloren gegangen war. Im Anschluss au den Vortrag sprach Professor Otto Pettersson sich dahin aus, dass die Ergebnisse der hydro- graphischen Unteisuchungen dargethan hätten, dass die breite Zone tropischen Wassers mit einer Temperatur bis zu 26 — 28°, welche die beiden ai-ktischen Meere trennt, nur anscheinend eine so grosse Rolle spiele, da unter derselben die Tiefen des Oceaus mit mächtigen tempe- rirten oder kalten Wassermassen angefüllt seien, welche unzweifelhaft aus dem südlichen Eismeere stammen. Bis an die Linie Shetland-Iusehi — Faröer — Island stehe diesen Strömungen die Bahn nach dem Norden, abge- sehen von einigen Schwellen in einer Tiefe von 3000 bis 4000 m unter dem Meeress])iegel, offen, so dass die ant- arktischen Strömungen mit ihrem l'lankton sehr wohl die nordischen Meere erreichen köinien, und die Thatsache, dass Chun eine derartige gleichzeitig arktische und ant- arktische Planktonform (Sagitta) in dem äcjuatorialen Theilc des Atlantisclieu Oceaus gefunden habe, bcstäligc die Ergebnisse der hydrographischen Forschung. Die nach Professor Cleves neuesten Untersuchungen besonders grosse Anzahl der in beiden Meeren identischen Plankton- formen lasse kaum die „Relikten-Theorie" bezüglich der Plankton-Organismen als zutreffend anerkannt werden. A. Ln. Astronomische Spalte. — Ueber die Helligkeitsschwan- kungen des Planeten Eros, über die wir bereits gelegent- lich ihrer Entdeckung durch Egon von Oppolzer berichtet haben, hat Prof. Dr. Deichmüller in Bonn der dortigen „Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde" eingehend berichtet. (4. März 1901.) Deichmüller hebt hervor, dass es höchst sonderbar erseheint, dass zu einer Zeit, wo Eros in Folge seiner Erdnähe von vielen Beob- achtern in ihr Programm aufgenommen worden war. Niemand die Schwankungen, welche dieser merkwürdige Planet in seiner Helligkeit aufweist, bemerkt hat. Schon in der ersten Nacht die Deichmüller diesem Objecte wid- mete, konnte er die raschen, von Oppolzer fast zwei Mo- nate nach der Opposition entdeckten Lichtschwankungen unzweifelhaft feststellen. Am 21. Februar 1. J. constatirte Deichmüller einen ziemlich regelmässigen Lichtwechsel, der sich über fast zwei Grössenklassen erstreckte. Der- selbe umfasste während des Beobachtuugszeitraumes von fünf Stunden drei Maxima und zwei Minima der Hellig- keit. Es ergab sich daraus eine Periode von 2,5 Stunden. Am nächsten Abend gelang Deichmüller eine weitere, fünf Stunden umfassende Beobachtungsreihe. Aus beiden Systemen leitete nun Deichmüller als genauen Wertb der Lichtperiode 2 Stunden 37 Minuten ab. Der Verlauf der Lichtschwankung scheint nach Deichmüllers Beobachtungen nur im Maximum regelmässig vor sich zu gehen, im Mini- mum zeigt die Beobachtungsreihe vom 22. Februar ganz bemerkenswerthe über mehr als eine halbe Grössenklasse reichende Störungen, welche nach Deichmüller durchaus nicht Beobachtungsfehlern zugeschrieben werden können und vollkommen auf Realität beruhen. Prof. Andree in Lyon hat nunmehr den Planeten Eros neuerdings auf seine Helligkeitsschwankungen hin unter- sucht und den Werth der Periode des Lichtwechsels ab- geleitet. Der Planet erreicht 1 Stunde 20 Minuten nach seinem ersten Minimum ein Maximum der Lichtstärke, von welchem er in 1 Stunde 31 Minuten neuerdings zum zweiten Minimum abfällt. Diese erste Periode des Licht- wechsels vollzieht sich also in 2 Stunden, 51 Minuten. Nun nimmt die Helligkeit des Planeten wieder zu, bis er nach 1 Stunde 18 Min. neuerdings sein zweites Maximum erreicht. Dann vergehen aber nur 1 Stunde 8 Min. bis zum dritten Minimum, mit welchem der zweite Theil der Gesammtperiode abschliesst. Letzterer dauert also nur zwei Stunden, 26 Min. Dieser Theilperiode folgt nunmehr wieder eine Schwankung, welche 2 Stunden, 51 Min. be- ansprucht, so dass also das Spiel von neuem beginnt. Die Gesammti)eriode dauert also nach Andree 5 Stunden 17 Minuten und umfasst die zwei Theilperioden von 2 Stunden 51 Min. und 2 Stunden 26 Min. Dauer. Andree weist darauf hin, dass bei gewissen spektroskopischen Doppelsternen ähnliche Verhältnisse der Lichtperioden beobachtet werden können und schliesst daraus, dass bei Eros möglicherweise ähnliche Verhältnisse obwalten. Die beiden Körper, welche das Erossystem bedeuten, müssten nahezu gleich gross und stark abgeplattet sein und könnten kaum 1.5 Planetenhalbmesser von einander entferut stehen. Unter solchen Verhältnissen wäre aber höchst wahrschein- lich von seiner Stabilität keine Rede mehr. Andree's Ver- muthung scheint damit hinfällig geworden. Angeregt durch die eigenthümlichen Beobachtungen, XVI Nr. L'6. Ncilurwissi'iiscliai'lhclie W'^ 307 die der Planet Eros anstellen licss und die wir soeben l)espr(pflien hal)eu, hat Prof. Wulf in Heidelberg- Wahr- nehmungen mitgetheilt, die er bei Gelegenheit seiner pbo- tographischen Untersuchungen gemacht hat und die CS nicht unwahrscheinlich machen, dass Eros nicht das einzige Object der Planetoidengruppe bleiben wird, welches Schwankungen seiner Lichtstärke aufweist. Wolf hatte schon mehrere Male bemerkt, dass die Stricbelchen, welche auf den photographischen Platten das Vorhandensein eines Planeten kennzeichnen, keine gleichraässige Schwärzung zeigen und diese Thatsache dem Umstände zugeschrieben, dass während der Zeit der Beobachtufig- dünne Wolken oder Luftströmungen von geringerer Luftdurchlässigkeit zeitweise das Bild des Planeten überdeckt haben. Be- sonders auffällig waren diese Schwankungen des Schwär- zungsgrades bei dem Planeten (345) Tereidina. Wolf hat nun speciell diesen Planeten genauer mit Hilfe der Photo- graphie untersucht und dabei ganz besonders auf den Luftzustand während der Zeit der Beobachtung geachtet. Tereidina zeigte nun folgende mit Luftunruhen nicht in Zusammenhang zu bringende Licbtminima: 10 Uhr 19 Min. Mittl. Zeit Heidelberg, 1899 Oct. 26 . . 10 Uhr 19 „ Nov. 2 . . 8 2 „ Nov. 4 . . 12 V Ö „ Nov. 4 . . 13 „ 54 „ Nov. 5 . . 14 „ 34 „ Nov. 6 . . .8 „ 4 „ Nov. 6 . . 10 „ 1 Die beiden Minima vom 4. und 6. November waren unter sich verschieden. Am4.Noveniber war das erste kürzer, am 6. November war das erste länger. Auch die gegen- seitigen Abstände der Minima von einander sind nicht gleich. Es liegen also ähnliche Verhältnisse vor wie bei Eros. Die Gesammtperiode beträgt bei Tereidina drei Stunden 49 Min. Auch andere Planetoiden zeigen nach Wolf solche Schwankungen, so z. B. der Planet (116) Sirona. Das merkwürdigste ist aber, dass die Planetenstriche meist nicht geradlinig verlaufen, sondern genau mit der Lichtschwankung zusammenhängende Abweichungen zei- gen. Wenn Wolf anfangs an ein ungenaues Pointiren gedacht hatte, so Hess ihn nun der Zusammenhang mit den Helligkeitsänderungen nicht mehr an der Realität dieser Beobachtung zweifeln. Tereidina erhebt sich regel- mässig im Maximum ihrer Helligkeit über ihre Bahn nach Norden hin, um während des Minimums unter dieselbe nach Süden herabzusinken. Vielleicht weisen diese inter- essanten Beobachtungen darauf hin, dass die kleinen Pla- neten nicht runde Körper, sondern als Bruchstücke eines grösseren Himmelskörpers unregelmässig gestaltet sind. Weitere Untersuchungen werden hoffentlich das Wesen dieser Sonderheiten klarlegen. Adolf Hnatek. L i 1 1 e r a t u r. ■ de Ijettrcs et fies Scifiu-cs Niiuvelle Classification des ipor Adrien Naville, iloyent ili> l;i sociales ä ,rUiiiversit(' ilr (1 Sciences, Etüde philos(.|ilii.|i 1 vol. in-12 de la Bibli<>lln''.|iin dr plulosopliiu c.i 2 fr. 50. (Felix Alcan, e.Uteur ä Paris.) Verf. bemüht sich, die Beziehungen der Disciplinen zu ein ander klar zu legen. Er gruppirt I. „Thcorematiijue" oder Wissen Schäften der Gesetze. IL Geschichte oder Wissenschaft der That- Sachen. III. „Canoni(iue" oder „seiences des r^gles ideales d'action." Dr. J. E V. Boas. Loctor der Zoologie und Vorstand des zoolog. Iiistitiitos an der Kijnigl. Landwirtlischaftlichen Iloelischnle Koiitnhagon, Xiehrbuch der Zoologie für Studirende. Dritte vermehrte und verbesserte Autlage. Mit 498 Abbihlungen. Gustav Fischer in Jena UJOl. — Preis 10 M. Die Verbesserungen der 3. Auflage des vorliegenden guten Buches beziehen sich nicht nur auf den Te.xt, sondern und zwar besonders weitgehend auf die Abbildungen, von denen eine ganze Anzahl durch bessere ersetzt worden ist und andere, zum grossen Theil originale, neu hinzugekommen sind. Im Uebrigen könnten wir hier nur die lobende Anerkennung, die wir früher dem Buche zollen mussten, wiederholen. Professor an der Universität Rostock Oswald Seeliger, TMer leben der Tiefsee. Mit einer farbigen Tafel. Wilhelm Engel- mann in Leipzig 1901. — Preis 2 M. Es handelt sich um eine kurze Uebersicht der thierischen Organismen-Welt der Tiefsee in Anknüpfung an die Resultate der Chun'schen deutschen Tiefsee-E.xpodition. B. von Fisclier-Benzon, Die Flechten Schleswig -Holsteins. Nebst einer Abhandluug über die Naturgeschichte der ein- heimischen Flechten von O. v. Darbishire. Mit 61 Text- figuren. Kiel und Leipzig. Verlag von Lipsius & Fischer, 1901. — Preis S,m M. Die Schrift Fischer - Benzon's und Darbishire's über die Flechten kann als treffliches Hilfsmittel dienen als gediegene Einführung in das Studium der Flechten niclit nur hinsichtlich der Kenntniss der Arten, sondern auch derjenigen iliri's niiljeren Baues. Das Heft (von 103 Seiten) ist dabei sehr gut ^mkIi für dii' anderen Provinzen des Königreichs Preussen benutzliar, da Ja das Gros der Arten in allen das gleiche ist. Die Verf. unterrichten in ihrer Arbeit über den Aufbau, die Vermehrung, das Vorkommen und die Lebensweise, die systematische Eintheilung, das Bestimmen und Sammeln der Flechten, um sodann speciell auf die Fh^chtun Schleswig-Holsteins einzugehen. Vorher wird hier eine historische Uebersicht geboten; es folgt ein Verzeichniss der Flechten und zum Schluss werden Bestimmungstabellen gegeben. Prof. Dr. R. Börnstein, Leitfaden der Wetterkunde. Gemein- verstandlich bearbeitet. .Mit 52 Textabbildungen und 17 Tafeln. Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. lUOl. — Preis 5 M. Das Buch ist als Einführung in das Wesentlichste und Wesentliche der Meteorologie trefflich geeignet, nicht nur für denjenigen, der schon naturwissenschaftliche Kenntnisse besitzt, sondern auch für den Laien, da Verf. möglichst wenige Kenntnisse voraussetzt; ja den Meteorologen von Fach wird es sogar dienlich sein, so durch die in dem Buch gebotene Zusammenstellung des in den verschiedenen Liindeni Vdrliundenen Witteningsdirnstes. Nach einer Einleitung belianili-lt Virf. die reinpeiMtiii , Luft- feuchtigkeit, Bewölkung, den Ni(!(lersi-Iilag, Lnftd; uek. Wind, .las Wetter, den Witterungsdieust und gieht einige uielitige rnlieilen. Eine Litteratur-Listo und ein alphabetisches Register beschliessen das Buch. Seminardirektor K. Meyer, Naturlehre (Physik und Chemie) für höhere Mädchenschulen, Lehrerinnen-Seminarien und Mittelschulen. .Mit 286 Abbildungen. G. Frevtag in Leipzig 1901. ^ Preis geb. 2,20 M. Das Buch kann für die im Titel genannten Anstalten durch- aus empfohlen werden: es nimmt mit Hinblick auf diese in ge- bührender Weise Rücksicht auf die Vorkommnisse des Alltag.s; so finden wir in dem Abschnitt „Chemie" das letzte Kapitel „Or- ganische Verbindungen" in die Paragraphen gegliedert: § 106 In der Küche; § 107 Im Keller; § 108 in der Waschküche; S 109 Die Kleidung. Fischer- Benzen, R. v., Die Flechten Schleswig -Holsteins. Kiel. - 3,60 M.nk. Jack, Dr. Jos. B . Flora des badischen Kreises Konstanz. Karls- ruhe. :; .Mark. Keilhack, Landesgeol. Prof. Dr. Konr., Einführung in das Ver- ständniss der geologisch-agronomischen Specialkarten des nord- deutschen Flachlandes. Berlin. — 2 Mark. Inhalt: Th. Boknmy: Gährung und Enzymwirkung, wahrscheinliche Natur der Enzyme. — Ueber die Bodendecke der Wälder und die Ridle der Kei^enw m ner. — Die Bipolaritiit in der Verbreitung der Meeresorganismen. — Astronomische Spalte. — Litteratur: Adrien Xaville, N.niMdle Classification des Sciences. — Dr. J. E. V. Boas, Lehrbuch der Zoologie für Studirende. — Prof. Oswal.l Se,.|iger, TIn.uleben der Tiefsee. - R. von Fischer-Benzon, Die Flechten Schleswig- Holsteins. — Prof. Dr. Börnstein, Leitfaden der Wetterkunde. — K. Meyer, Naturlehre (Physik und Chemie) für höhere Mädchenschulen, Lehrerinnen- Seminarien und Mittelschulen. — Liste. 308 Niitvirwissenschafthche Wochensclirift. XVI. Nr. 2(j ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦■ »♦♦♦♦♦«i von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpuickerstr, BERLII^ SO., Köpnickerstr. 54. /-— t i'a^tiik lind Lager ---^ s^ aller Gefässt- uud Utensilien für V' - / ehem.. |iharm. physical., electro- u. a. techn. 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Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypothe- rium bei Ultima Esperanza mhi Hob Lehmann- Xitsebe. 1 M. 12 a 1.20 M., Heft 13—29 ä 1 M. „ 2ö. , 24, Veraulworthcher liedacl Hugo Bernstein in Berl Prote.-sor D.. lienry Potonie, (..r. LicIiterfeKle -\Ve..t bei Berlin Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. >-> r>ü ^^•^-^.^^ Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. BjukI. I Sonnuig. den / -hili 19U1. Nr 27. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Huchhandlungen und Post- ,(• anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4.- e;& Brinsegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. £ Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 .-. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Bellagennach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abk Ist nnr mit vollständige! Qnellenang^abe gestattet. Mechanische Theorie der Blattstellungen. ■^) Vom Dr. pliil. II P'inleituii!;-. Uebov die Tlieoric der Blattstellungen 1 tiiuleu sich in den allgemein gebrilucliliclien Lehrhüchern der Botanik nur wenige Angaben; auf einer hi.s zwei ( »ktavseiten ist alles gesagt, was für den Studirendeii zur Orientirung über diese Frage genügen soll. Und die wenigen Notizen sind obendrein meist noch sehr ungenau und fehlerhaft. Ohne Auswahl sind veraltete, falsche Anschauungen mit sicher bewiesenen Resultaten neuerer Untersuchungen vermischt, wodurch natürlich das Bild an Klarheit und Verständlichkeit keineswegs gewinnt. Dieser Uebelsfand ist um so fühlbarer, als seine Folgen sich nicht nur in den Kreisen der Studirenden geltend machen, sondern auch unter den Botanikern. Nicht selten tritt ein vollständiges Verkennen dessen, worauf es ankommt, in den diesen Punkt behandelnden Arbeiten zu Tage. Um diesem Mangel abzuhelfen, unternahm es daher vor einigen Jahren A. Weisse-Berlin, auf ein Anerbieten Göbels-München hin, in dessen „Orgauographie" in Kürze die Hauptpunkte der mechanischen Theorie der Blatt- stellungcn darzulegen. Hat diese Arbeit nun aueii zur Verbreitung der Kenntniss dieser Frage unter den Faeh- botanikern viel beigetragen, so ist sie doch weiteren naturwissenschaftlichen Kreisen unbekannt geblieben, und es verlohnt sich sehr wohl, diese ebenso wichtige, wie interessante Frage noch einmal vor einem grösseren Kreise zu erörtern. Ist es doch eine Frage, die wegen ihrer mathematischen Seite auch dem Nichtbotaniker von Inter- esse sein wird. Im Jahre 1878 veröffentlichte Seh wendener nach ■■) Herr Geh. Regierungsrath Seh wendener-Berlin hat die gi-dsse Liebenswürdigkeit gehabt, das Manuskript der vorliegen- den Arbeit vor der Drucklegung seiner Durchsicht zu unter- ziehen und dem Verfasser seine Wünsche betreffs Aenderungen, F.rgänzungen u. s. w. niitzutheilen. wofür ii-li ihm meinen auf- richtigsten Dank ausspreche. jahrelanger Arbeit sein Werk „Mechanische Theorie der Blattstellungen"*), weiter fortschreitend auf dem zuerst durch Hofmeister betretenen Wege, die Vorgänge beim VVachsthum des Pflanzenkörpers durch die Wirkung mecha- nischer Faetoren zu erklären. Drei Jahrzehnte vor Hof- meister hatten schon die Gebrüder L. und A. Bravais'-*) damit begonnen, nachzuweisen, dass die Anordnung der Blätter sich rechnerisch zum Ausdruck bringen Hesse. Etwa gleichzeitig mit den genannten französischen Autoren hatten sich in Deutschland C. Schimper und, in An- lehnung an ihn, Alexander Braun mit der Blattstel- lungsfrage beschäftigt. Beide stehen vollkommen auf dem Boden idealistischer Naturanschauung, erblicken in den organischen Formen Nachbilder ewiger Ideen und glauben mithin, die Wirkung natürlicher Ursachen bei der Bildung der pflanzlichen Organismen und bei ihren Gestaltungs- prozessen nicht annehmen zu dürfen. Der erste, der die Fehler der Schimper Brau nschen Blattstellungstheorie erkannte, war der bereits genannte Wilhelm Hofmeister, der 1868 in seiner „Allgemeinen Morphologie der Gewächse" zum ersten Male den Versuch machte, die Stellungsverhältnisse auf mechanische Fae- toren zurückzuführen. Ist nun auch dieser Versuch keines- wegs in allen Punkten befriedigend und in manchen gerade- zu verfehlt, so ist es doch Hofmeisters grosses Verdienst, die naturphilosophische Betrachtungsweise als gänzlich verkehrt charakterisirt und durch die causalmechanische • ersetzt zu haben. Ueber die Arbeiten einiger anderer Autoren kann ich hinweggehen, da durch sie die Frage nach den Stellungs- verhältnissen keinerlei Förderung erfahren hat, und will *) Leipzig, Verlag von Wilhelm Engclmann. **) „Essai sur la disposition des feuilles eurviseriees" in den Annales des sciences naturelles, Jahrgang 1837. ;!]( Naturwissenschaftliclie Wochenschrift, XVI. Nr. 27. uuu auf die klassischen Untersueluingen Schwendener's näher eingehen, in denen eine wirkliche Begründung der angedeuteten Verhältnisse gegeben wird. Ausgehend von der Beobachtung der durch gegen- seitigen Druck bedingten Verschiebungen seitlicher Organe, sowie der Stellungsänderungen, welche durch allmäliliclie Grössenabnahme der Organe hervorgerufen werden, nahm Schwendencr Veranlassung, „auch diejenigen Seiten der Blattstellungsfrage, welche einer exakt-wissenschaftlielien Behandlung am wenigsten fähig sind, der mechanischen | Betrachtungsweise zu unterziehen", wie z. B. die Anlegung neuer Organe im Anschluss an bereits vorhandene Ver- hältnisse im Bau der Blüthen u. a. Bei der Betrachtung irgend eines Systems von spiralig angeordneten seitlichen Organen, wie z. B. eines Tannen- zapfens, Compositenköpfchens u. s. w., fällt zuerst ins Auge, dass die Glieder in rechts- und linksläufigen, un- gleich geneigten Schrägzeilen, sogenannten „Parastichen", stehen, die spiralig um die Achse verlaufen. Sie lassen sich mit Leichtigkeit abzählen, während dagegen der Verlauf der Grundspirale oft schwierig zu erkennen ist. So finden wir z. B. bei einem Coniferenzapfen die Zahl der Parastichen linksherum 5, in entgegengesetzter Richtung 8, bei einem anderen 8 und 13 (die Zahl ist natürlich den grössten Schwankungen unterworfen); oder es zeigen die Schuppen oder Nadeln eines Kiefernzweiges, die Blätter eines Laubsprosses eine 2- und o-, oder auch 3- und 5- zeilige Anordnung; oder wir sehen auch viel höhere ZiffcTn zur Geltung kommen, etwa 13 Zeilen nach einer, 21 nach der anderen Seite, oder 21 und 34 u. s. w. Ordnet man alle diese Zahlen der Grösse nach von links nach rechts ansteigeml, so ergicbt sieh eine Reihe, in der jedes folgende Glied gleich der Summe der beiden vor- hergehenden ist: 1, 2, 3, 5, S, 13, 21, 34, 55, 89, Wird eine der genannten Stellungen aus dieser Reihe ins Auge gefasst, und werden besonders die Blätter be- achtet, die genau oder wenigstens nahezu in der Längs- linie übereinander liegen, eine sog. „Oitiiosticbe" bilden, so nehmen wir z. B. bei dreikantigen Cacteen und Cypcr- aceen wahr, dass das nächste senkrecht über einem als 0 bezeichneten Ausgangsblatt liegende Organ das Blatt 3 ist, dass mithin der Abstand, die Divergenz von einem Blatt bis zum nächstfolgenden auf der Grundspirale v, des Stanunnmfanges, also 1200 beträgt, auf einen Kreis projiciit. Sind zwei Orthostichen vorhanden, so ist die 1 2^ Grundspirale, dass Blatt 5 in der Längslinie über 0 liegt, so sind zwei Umläufe erforderlich, um von 0 zu 5 zu gelangen, die Divergenz zwischen zwei aufeinander fol- genden Organen beträgt also " = -y =144". Liegt 8 über 0, so divergirci 5 8 umfanges. Ebenso lassen sich die Divergenzen ^^, ,v- 13 21 34' 55 Brüche, deren Zähler die Anzahl der Stammumläufe von einem Blatt bis zum nächsten auf der Orthostiche über ihm stehenden angiebt, während der Nenner die Zahl der auf diesem Wege vorhandenen F)lätter bezeichnet. Aus diesen Brüchen, die, wie ersichtlich, dieselben Ziffern ent- halten, wie die oben genannte Reihe, lässt sich nun eben- falls eine Reihe konstruiren, und zwar ist der Zähler u. s. f. ermitteln. Es ergeben sich also stets jedes Gliedes gleich der Summe der Zähler der beiden vorhergehenden Brüche, und ebenso verhält es sich mit den Nennern. Die Reihe lautet also : 112 3 5 8 13 2' 3' 5' 8' 13' 21' 34 ■ • ■ ■ Die Angabe der Lehrbücher, dass diese Reiiie die am häufigsten vorkommenden Divergenzen darstelle, ist ungenau; denn beliebige Zwisehenwertlic sind wenigstens ebenso oft zu beobachten, wie diese Brüche. Eine ein- fache mathematische Betrachtung lehrt nun, dass diese Divergenzen die Näheruugswerthe eines Kettenbruches darstellen von der Form: 1 2+^1 1 + 1 1 + ... und zwar sind die Brüche alternirend grösser und kleiner als der wahre Werth dieses Kettenbruches. Sie conver- gircn nach einem Grenzwerth, der sieh durch eine quadratische Gleichung berechnen lässt; er beträgt 137" .30' 28".*) Neben der genannten Reihe 1, 2, 3, 5, S . . . sind gelegentlich, allerdings viel seltener, andere, nach dem gleichen Gesetz konstrairte Reihen zu beobachten, die man wohl der Seltenheit ihres Vorkommens halber als „Neben- reihen" bezeichnet, im Gegensatz zu jener, der „Haupt- reihe". Hierher gehört z. B. die Reihe 1, 3, 4, 7, 11, 18 . . . Auch hier beträgt die Divergenz .,, wenn die Dreicrzeilen genau longitudinal gestellt sind, ., wenn die Viererzeilen, Z, wenn die j 'Siebenerzeilen Orthostichen bilden u. s. w. Weitere Reihen siuil: 1, 4, 5, i), 14, 23 . . . 1, 5, G. 11, 17, 28 . . . 1, G, 7, 13, 20, 33 . . . n. s. w. Ferner kommen Reihen vor,;weIehe mit einer höheren Ziffer als 1 beginnen, wie z. B.: *" 2, 5, 7, 12, 19, 31 . . . 2, 7, 9, IG, 25, 41 . . . u. s. f. auch solche, die mit 3 irad 4 u. s. w. anfangen. Reihen, wie 2, 4, 6, 10 . . . oder 2, G, 8, 14 . . . sind r nicht möglich, da sie Doppelspiralcn darstellen (1, 2, 3, 5 . . . oder 1, 3, 4, 7 . . .). Alle diese Reihen wurden schon von den Gebrüdern Bravais aufgestellt, und es wurden die Grenzwerthe aller berechnet. Viele von ihnen kommen nun aber in der Natur nur selten vor, oft nur in Folge von zufälligen, durch mechanische Einwirkungen|verursachten Störungen in den bis dahin herrsehenden Stellungsverhältnissen. Welche hervorragende Rolle mechanische Faktoren in der vorliegenden Frage spielen, war ja schon oben kurz an- gedeutetjwordcn und soU^im ^Folgenden näher ausgeführt werden. *) Die Borofliming dieses Kcttoiibr Mansetzt — , , =x; tlanii crliä Hieraus ergiftbt .sicli x hin x + x-=l, woraus fii ■n Wcrtli (Irs Kctfonbrncbns —^-— fol^t. 3-Va XVI. Ni Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. 311 Geht man von irgend einer Spiralstellung aus und bezieht die Darstellung auf eine abgerollte Cylinder- fläche*), so erscheint die sämmtliche Blätter in sich auf- nehmende Spirale als ein System von parallelen, gegen die Horizontale etwas geneigten geraden Linien. Es handelt sich nun darum, zu zeigen, dass die Annäherung der Divergenzen an den Grenzvverth durch die in Folge von Druckwirkung entstehenden Vei-sehiebungen, also aus mechanischen Gründen, nothweudig erfolgen muss. Wir betrachten in Fig. 1 die durch denselben Punkt, 12 gehenden, im Bilde deutlich gemachten Schrägzeilen, die Dreier- und die Fünferlinie, die sich in 27 schneiden, von dem Gesichts- punkte aus, wie man einen aus zwei ungleich langen Sparren zusanmien- gefügten Dachstuhl zu betrachten ])flegt. Die beiden Linien bilden also die Sparren eines Dachstuhles, dessen Giebel in 27 liegt. Wie ersichtlich, han- delt es sich um einen Dachstuhl mit ungleich langen und ungleich steilen Sparren. In jedem *'°' '" Falle stellt die höher bewerthete Zeile — im vorliegenden Falle die Fünferzeile — den steileren Sparren dar. Der Winkel an der Spitze ist veränderlieh, kann ^ R sein. Um die theoretischen Vorbetrachtungen nach Möglichkeit zu ver- einfachen und dadurch die genaue Berechnung leichter verständlich zu machen, sei vorausgesetzt, dass die Organe .■iiiiii-n angeordnet. Anders verhält es sich mit Stellungen, die bei Aroideen, besonders den zwittcrbUithigen Anthnriuniarteu, zu beob- achten sind. Dort sind die mehrere Zoll langen Aehren ibrer ganzen Länge nach dicht mit ßliithcu oder in späteren Stadien mit Früchten bedeckt. Da tritt auch Mangel au Raum ein; denn der Quer-Durchmesser der Früchte nimmt nicht im gleichen Verhältuiss ab, wie der Umfang der kegelförmigen Sprossaehse. Dann zeigen sich nach oben hin gesetzuiässige Stelhingsänderungen, die wir noch etwas näher ins Auge fassen wollen. Unten am Kolben alterniren z. B. fünfzählige Quirle miteinander, sodass sich zehn Längszeilen ergeben. Weiter oberhalb zeigen sich nur noch neun Längsreihen, die nicht mehr mit der Quirlstellung im Zusammenhang stehen, und die Beobachtung lehrt, dass jetzt Spiralstellung mit der Divergenz " vorliegt. Noch höher geht die Zahl der Orthostiehen in 8 über, wobei wieder eine Quirlstellung rcsultirt. Es folgen sieben Längszeilen mit der Divergenz Z, dann sechs Orthostichcn. Es wechseln also Quirle mit Spiralstellungen ab, ein Wechsel, der natürlich im Dach- stuhl und seinen Verschiebungen nicht begründet ist. Die Spiralstellungen bilden also die arithmetischen Zwischen- stellungen zweier Quirle, die genau dem vorhandenen Raum entsprechen. Derartige Störungen sind nur mög- lich, wenn die Organe nicht kreisförmig oder rundlich .sind, sondern, wie im vorliegenden Falle, viereckig. Be- sässen sie dagegen die genannte Gestalt, so würden ge- setzmässige Daehstuhlverschiebungen sich beobachten lassen. Die geschilderten Stellungen und ihre Acndernngen kommen auch noch bei Lycopodiumarten vor. Auf Grund aller der bisher aufgeführten Divergenzen und Verschiebungen ist nun die Frage aufgeworfen worden, was denn der Grund dafür sei, dass in der Natur so häufig die Hauptreihe mit den zugehörigen Divergenzen vertreten sei, die Nebenreihen dagegen seltener. Eine einfache Formel, um die in der Natur vorkommenden Verhältnisse und ihr Zustandekommen zu erklären, giebt CS bis jetzt nicht. Speciell für die Keimpflanzen von Conifcren hat Seh wendener bereits 1879 diese Frage be- handelt. Bei ihnen sind stets 5 bis 8 Cotyledonen vor- handen, die anscheinend einen Quirl bilden. Die an die Keimblätter sich anschliessenden Nadeln stehen häufig noch eine mehr oder weniger lange Strecke ganz unregel- mässig; allmählich aber wird das Verhältniss zwischen • Organdurchmesser und Sfanunumfang ein constantes, so- dass schliesslich eine regelmässige Spirale mit Divergenzen der Haui)treihe zu Stande kommt. Etwas anders ver- halten sieh Laubs))r<>ssc, bei denen unten vier- oder fünf- zäliligc Quirle vorhanden sind, die nach oben in eine Spiralstellung Uitergehen. Aus ihnen entsteht leicht die zweite Reihe, 1, 3, 4, 7, 11 . . . Bilden dagegen die B.lätter des unteren Endes gekreuzte Paare, so gehen diese bald in die Ilauptreihe über. Es lässt sich nicht von vornherein bestimmen, welche Stellung resultiren wird, weil der Wechsel nicht regelmässig vor sieh geht. Auf die Entstehungsverhältnisse der Blattspirale bei Axillar- knospen und -Sprossen werden wir weiter unten noch näher eingehen. VII. Sprungweise (irössenabnahmc der Organe. Alle bisher betrachteten Stellungsändcrnngeu beruhten auf der Voraussetzung, dass die Grössenabnahrae der Orgaue eine allmähliche wäre. Nun giebt es aber Fälle, wo" auf grosse Organe plötzlich, d. h. unvermittelt, vielmal kleinere folgen. Es sei z. B. an die Stanbgefässe erinnert, die sich beim Mohn au die breiten grossen Kronenblätter an- schliessen. Auch bei den Blüthen der Magnolien und bei vielen anderen Familien finden sich ähnliche Verhältnisse vor. Es ist leicht einzusehen, dass, da die kleinen Ge- bilde sich nicht nach hestiinnitin Gesetzen an die gi'osscn, quirlig angeordneten anschlicssen krmnen. die Stellungs- verhältnisse innerhalb der Blnmcnkrono zunächst voll- ständig regellose sind, zumal in den am weitesten nach aussen gelegenen Partieen. Weiter nach dem Centrum zu kommt allerdings wieder eine bestimmte Ordnung zu Stande und mit ihr in der Mehrzahl der Fälle eine Diver- genz der Hauptreihe. Es ist also, nebenbei bemerkt, in systematischer Hinsicht auf die Anordnung der Stanb- gefässe nicht allzuviel Werth zu legen. So ist z. B: die Unterscheidung von eyklischen und aphanocyklischen Blüthen nicht streng durchführbar, da bei der Anlage, wie sich denken lässt, dem Spiele des Zufalles ein weites Feld gclas.sen ist. Noch ein anderes Beispiel sei angeführt. Die Bractee, Spatha der Aroideen ist stengelumfassend und gewöhnlich schief zur Kolben- (spadix-) Achse eingefügt. Die Frucht- knoten in der Gegend der Spatha-.\nsatzstellc können nun natürlich nur an der freien Seite /.um \"()iscliein kommen, und zwar in beliebiger Anortlnniig. Erst allmählich findet ein Uebergang von der regellosen Stellung in bestimmte Spirallinien .statt. Es sei erwähnt, dass Braun annahm, die Blüthen seien ringsherum um die ganze Achse an- gelegt, kämen jedoch innerhalb der Spatha in Folge von Abortus nicht zum Vorschein. Die Unregelmässigkeit in der Stellung der Blüthen erklärt sich aus der Kleinheit der Blüthen in Bezug auf die Grösse der stengelum- fassenden Spatha. An diese Betrachtungen mögen einige Fälle von be- merkenswerthen Stellungen innerhalb der Blüthen ange- schlossen sein, Verhältnisse, bei denen eine genaue mathe- matische Darlegung zum mindesten ausserordentlich schwierig, wenn nicht gar gänzlich unmöglich ist. Bei anderen Familien und Arten ist hingegen eine solche Regelmässigkeit im Bau der Blüthe, in der Zahl der Kelch-, Kronn-, Staub- und Fruchtblätter wahrzunehmen, dass Abweichungen gar nicht constatirt werden können. Allerdings ist es bei Dikotylen selbst in vollkommen regel- mässig gebauten Blüthen eine sehr häufige Erscheinung, dass die Zahl der Carpelle kleiner ist als die der übrigen Blätter. Nun zeigen sich aber in vielen Blüthen Abweichungen. So werden besonders durch Al)ortns (Fehlschlagen) eines Organcs Störungen hervorgerufen. Als Beispiel sei die Familie der Serophulariaceen angeführt. Hier ist das Vor- handensein der normalen Fünfzahl der Staubblätter allein auf die Gattung Verbascum beschränkt, während bei den übrigen einheimischen Gliedern dieser Familie nur vier fertile Stanbgefässe vorhanden sind, das fünfte ist zu einem Staminodium rüekgebildet. In der verwandten Familie der i>abiaten ist dann das fünfte Staubblatt ganz verschwunden. Eine ähnliche Erscheinung ist die allmäh- lich erfolgende Rückbildung und das schliessliche Ver- schwinden eines der fünf Kelchblätter bei den Arten der Gattung Veronica. Es war, wie aus obigem hervorgeht, ein durchaus verfehlter Gedanke, Stellungsverhältnisse zuerst an der Blüthe erklären zu wollen und dann auf die Laubregion überzugehen; dazu sind die Verhältnisse in iler Blüthe zu complicirte. XYI. Nr. 27 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 317 VIII. Verzweigungen. Bei der Betrachtung der Verzweigungen und der durch sie hervorgerufenen -SteUungsäuderungen wollen wir mit der Dichotomie be- ginnen, wie sie uns bei Bärlappgewächsen, vorweltlichen Lepidodendronarten u. A. entgegentritt. Die Braun'sche Schule nahm an, dass von den beiden Aesten der Gabel der eine die Blattspirale des Hauptsprosses gleichsam erb- lich übernehme, d. h. sie fortsetze; der andere dagegen sollte eine neue, selbständige Spirale bekommen. Von einem solchen Gegensatze zwischen den beiden Gabel- ästen ist jedoch in Wirklichkeit gar nicht zu reden. Viel- mehr geht die Stellung in die beiden Aeste so über, wie es durch die Auschlussverhältnisse bestimmt ist. Oft geht dieselbe Stellung auf die beiden Gabelzweigc mit gleicher Regelmässigkeit über, und zwar setzt sich das vorher herrschende Stellungsverhältniss um so sicherer nach der Gabelung fort, je schärfer es ausgeprägt ist, was be- sonders bei Quirlstellung deutlich wird, wo auch in den beiden Aesten dieselbe Stellung sichtbar wird. Zur Veranschaulichung kann man sich einen runden Thurm denken, dessen Quadern in regelmässigen Reihen angeordnet sind. Von diesem Unterbau erheben sich zwei Rundbaue, deren Durchmesser gleich dem Radius des Hauptthurmcs sind. Dann ist leicht zu erkennen, dass die Quaderzeilen des unteren Baues nicht in einen der aufgesetzten Thürme allein übergehen, sodass dieser die Reihen fortsetzt, sondern sich auf beide in gleicher Weise vertheilen. Wichtiger als die Dichotomie, weil häufiger vor- kommend und weniger deutlich von Anfang an zu über- sehen, ist die bei Mono- und Dicotylen, sowie bei den Conifereu zu beobachtende Art der Verzweigung, die Axillarverzweigung. Hier zeigt sieh gewöhnlieh, dass die ersten Blätter, die sogenannten Primordialblätter eines in einem Blattwinkel stehenden Axillarsprosses auf dessen rechter und linker Seite auftreten, da nur dort Raum für ihre Anlage ist; denn auf der Innen- und Aussen-, bezw. Rücken- und Vorderseite hindert der vom Stamm und Trag- blatt ausgeübte Druck. Ist damit die Frage nach der Stellung der beiden ersten Blätter gelöst, so bleibt doch noch unentschieden, an welcher Stelle das dritte Blatt entsteht, durch dessen Stellung die Wendung der Spirale im Allgemeinen vollständig bestimmt ist. Hierbei kommt in Betracht, ob das Blatt auf der Innen- oder Aussenseite der Axillarknospe entspringt und ob, wie das vielfach der Fall ist, das Tragblatt der Knospe eine seitliche Ver- schiebung in Bezug auf die durch Stamm und Knospe gelegte Mediane zeigt. Was den erstgenannten Punkt betrifft, ob das dritte Blatt dem Stamme zugewendet entsteht, oder ob es auf der Aussenseite der Knospe seinen Ursprung nimmt, so hängt das davon ab, ob der Stamm oder das Tragblatt einen grösseren Druck ausübt. Ist ersteres der Fall, ist die Knospe steil aufgerichtet und an den Stamm eng an- gelehnt, das Tragblatt dagegen, wie das häufig vorkommt, mehr oder weniger weit von der Knospe abgehoben, zurückgeschlagen, so wird natürlich das fragliche Blatt auf der Aussenseite der Knospe hervorspriessen. Ist je- doch die Stellung der Knospe weniger steil und daher der Raum zwischen Stamm und Knospe etwas weiter, und tritt das Tragblatt enger an die Axillarknospe heran, so ist, wie leicht einzusehen, der Druck auf der Innenseite der Knospe, also auf der dem Stamm zugekehrten Seite, geringer als auf der Aussenseite. Daher ist jene dem Hervorsprossen des dritten Blattes günstiger, das BJat wird also zwischen Knospe und Stamm erscheinen. Soll nun eine Spiralstellung zu Stande kommen, so kann das dritte Blatt nicht genau in der Mitte zwischen Blatt 1 und 2 entstehen, sondern muss eine Annäherung an eins der beiden Blätter zeigen. Dies wird in der Natur so eri eicht, dass das Tragblatt nicht genau auf der durch Stamm und Axillarknospe gelegten Mediane steht, sondern jine seitliche Verschiebung zu dieser zeigt. Durch diese asymmetrische Ausbildung des Blattwinkels wird ein un- gleicher Druck hervorgerufen, der für die Stellung des dritten Blattes von ausschlaggebender Bedeutung ist. Nicht alle Dicotylen verhalten sich in Beziehung auf die soeben berührte Frage gleich. Es kann sogar vor- kommen, dass verschiedene Species derselben Gattung ein abweichendes Verhalten zeigen. Worauf das beruht, lässt sich nicht eigentlich begründen, da Messungen der Druck- verhältnisse nicht möglich sind. Bei den Monocotyleu tritt das erste Blatt des Axillarspro.sses, das sogen, adossirte Blatt, dem Stamm zugewandt auf. Diese Stellung hat ihren Grund in der stengelumfassenden Beschaffenheit des Tragblattes und dem schräg nach vorn gerichteten Wachs- thum der Knospe. Durch dieses Verhalten ist ein Hervor- spriessen des fraglichen Blattes nach den Seiten oder nach aussen so gut wie unmöglich gemacht, und es bleibt als Ort der Entstehung nur die Innenseite übrig. Die Stellung des zweiten Blattes und mit ihm die Wendung der Spirale ist natürlich auch in diesem Falle von den durch Asymmetrie des Blattwinkels bedingten Druck- verschiedenheiten abhängig. Bei Dicotylen bietet die Blüthe in ihrem Aufbau ähn- liehe Verhältnisse dar, wie in der Regel der Axillarspross in der vegetativen Region. Es entsprechen sich zwei Vorblätter; das erste Kelchblatt steht schief nach aussen gekehrt. Durch dieses ist die Spirale bestimmt. Fehlt ein Vorblatt, so tritt das erste Kelchblatt an die Stelle des fehlenden. An diese Betrachtungen lassen sich die Adventiv- verzweigungen anreihen, auf die noch in Kürze einge- gangen werden soll. Man spricht von Adventivverzwei- gungen, wenn aus gestutzten Zweigen seitliche Triebe her- vorgehen, die zu neuen Sprossen aufwachsen. Es sind dies keine Axiilartriebe, da sie nicht durch normale Ver- zweigung entstehen. Die Frage, die für uns von Inter- esse ist, lässt sich so fassen: In welcher Anordnung er- folgt bei Adventivverzweigungen die Anlage der ersten Blätter? Die Stellung ergiebt sich als durch die Beschaffen- heit der Sprossoberfläche bedingt. Ist diese gewölbt, oder ist sie durch Borkenschuppen und sonstige Hervor- ragungen unregelmässig, so wird dadurch zweifelsohne ein Eiiifluss auf die Anlage der ersten, dicht über dieser Oberfläche zum Vorschein kommenden Blätter des Seiten- triebes ausgeübt. Ist dagegen der Mutterspross von glatter Rinde bedeckt, so können die ersten Blätter sehr ver- schieden gestellt sein, da kein Grund vorliegt, dass sie in bestimmter Orientirung stehen sollten. Die Beobachtungen sprechen also auch bei den Axillar- und den Adventivknospen sicher zu Gunsten der mechani- schen Momente, wenn diese auch vielleicht nicht allein maassgebend sind. Doch sehen wir stets, dass überall die jungen Blätter, sobald sie sich vorwölben, miteinander im Contact stehen. Daher ergiebt sich also immer die resultirende Blattspirale aus mechanischen Ursachen. Es sei nun noch ein Punkt erwähnt, der bisweilen Veranlassung ist, die mechanische Blattstellungstheorie als unrichtig hinzustellen, nämlich die sogenannte Verbände- rung (Fasciation). Diese Erscheinung, l)ei der^ Stengel oder Seitensprosse beliebiger Pflanzen, z. B. der Fritillaria imperialis, Pinus silvestris u. v. a., bandartig flach werden, gehört thatsächlich aber gar nicht in die Theorie hinein, sie hebt vielmehr cigenthch alle Regelmässigkeit auf. An den Bändern zeigen sieh häufig Furchen, Rinnen, die oft über die ganze Länge des Triebes verlaufen, sodass schon 318 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 27. durch dieses ungewöhnliche Verhalten Unregelmässigkeiten in der Stellung entstehen. Ist auch Anfangs noch eine gesetzmässige Fortführung der im Mutterspross herrschen- den Blattspirale in den Bändern zu constatieren, so geht diese doch bald in aspiralige Anordnung und häufig in völlige Regellosigkeit über. Mau sieht also, dass hier die Verhältnisse wesentlich anders liegen, als bei allen bisher betrachteten Objecten, dass überhaupt die wirksamen mechanischen Factoren sich nicht mehr übersehen lassen. Ein Einwurf gegen Seh w eu den ers Blattstellungstheorie ist daher aus der geschilderten Erscheinung nicht zu machen. Eile wir die vorstehenden Betrachtungen abschliessen, möge nicht unterlassen werden, noeli auf Unregelmässig- keiten hinzuweisen, die sich mitunter an Blüthenständen, besonders an Dipsacusköpfen, zeigen, und die ein neues Licht auf die Stelluugsfrage werfen. Charakteristisch ist, dass es sich um eine Erscheinung handelt, die sich bisher fast nur an in Gärten gezogenen Exemplaren gezeigt hat, während die in der Natur vorkommenden Pflanzen vor- wiegend regelmässig gebaute Biüthenköpfe aufweisen. Diese Abweichungen sind nun derart, dass die Hüllblätter, augenscheinlich in Folge mechanischer, vielleicht durch einen unbeabsichtigten Schlag oder Schnitt mit einem gärtnerischen Instrument herbeigeführter Verletzungen, unten am Biüthenköpfe, auffällige Verschiebungen zeigen ; und zwar muss eine solche Verletzung stattgefunden haben, bevor die BlUthen, besonders die oberen, zur Ausbildimg gelangt waren. Dadurch werden innerhalb des Blüthenstandes wesentliche Störungen verursacht, in- dem z. B. eine Schrägzeile sehr früh aufhört, andere sich über ihr zusammenschliessen und dergl. Wir bekommen dadurch Erscheinungen, die den früher besprochenen Unregelmässigkeiten durch plötzliches Abbrechen einer Parastiche gleichen. Dieses Vorkommniss erweist nun ganz offenbar die Unrichtigkeit der, obwohl veralteten, doch immer wieder aufgefrischten Anschauung, als ob die Stellen, an denen ein Organ entstehen soll, durch einen Bauplan vorge- zeichnet wären. Auch aus ihm geht deutlich hervor, dass lediglich mechanische Factoren dabei maassgebend sind. Will man also Blattstellnngcu erklären, so kann dies nur durch die „mechanische Theorie" geschehen. Und wir sind fest davon überzeugt, dass sie trotz aller An- fechtungen doch endlich durchdringen und zu allgemeiner Anerkennung kommen wird. Das kontinuirliche Strahlungs vermögen der ra- dioaktiven Substanzen und seine Erklärung. — Die radioaktiven Substanzen Radium, Polonium und Aktinium gehören zu den jüngst entdeckten, äusserst werthvollen Elementen, die aus den Uranerzen und der Pechblende gewonnen werden. Alle haben die merkwürdige Eigen- schaft, unsichtbare Strahlen auszusenden. Am wichtigsten ist das Radium, dessen Wertb sogar den des Diamanten übcr.steigt. Ein Gramm dieser Substanz in völlig reinem Zustande kostet etwa 500 Mark. Bringen wir ein Stückchen Radium in einen dunklen Raum, so bemerken wir, dass es ein bläuliches Licht ausstrahlt, und zwar geschieht dies immer mit unge- schwächter Kraft. Es scheint, als ob Energie aus nichts geschaffen würde; denn es ist keine bemerkbare Energie- quelle vorhanden, weil die Substanz des Radiums unver- ändert bleibt. Die Energie, die ein kleines Stückchen Radium in Gestalt von Lichtstrahlen aussendet, mUsste eigentlich immer mehr und mehr abnehmen und schliess- lich ganz verschwinden. Dies ist aber, wie bereits be- merkt, nicht der Fall. Die Energie bleibt konstant. An einer befriedigenden Erklärung dieser Erscheinung hat es l)isher gefehlt, da sie zu den Gesetzen der Physik, be- sonders dem Satz von der Erhaltung der Energie, dia- metral im Gegensatz steht. Es soll in folgendem ver- sucht werden, diesen Widerspruch zu beseitigen. Denken wir uns den ganzen Raum kontinuirlieh von einer einzigen Strahlengattung, wir wollen sie Urstrahlen nennen, erfüllt. Je nachdem diese Urstrahlen auf ver- schiedene Körper auftrcffen, werden sie in andere Stralilen- sorten umgewandelt. Dies geschieht folgeudermassen. Nehmen wir an, diese Urstrahlen iiaben eine bestimmte Sciiwingungszahl, d. h. sie vollführen eine bestimmte An- zahl Schwingungen in der Sekunde. Treffen nun diese Urstrahlen auf irgend einen Körper auf, so bietet der- selbe ihnen einen Widerstand dar, d. h. ihre Geschwindig- keit wird etwas verlangsamt. Sie machen also, wenn sie durch den Körper hindurchgegangen sind, weniger Scliwin- gungen in der Sekunde als \()rher. Damit ist eine neue Strahlengattung entstanden. Wir würden nun bemerken, dass der betreffende Köiper natürlich von seiner ganzen Oberfläche jene neuen oder sekundären Strahlen aus- sendet. Es geschieht dies von allen Seiten, da ja die primären oder Urstrahlen auch von allen Seiten auf den Körper auftreff'en. Es können nun von diesen sekundären Strahlen unter gewissen Bedingungen auch wieder tertiäre gebildet werden, indem die sekundären Strahlen auf einen bestimmten Körper auftreff'en und sich in andere Strahlen von geringerer oder grösserer Sciiwingungszahl verwandeln. Natürlich ist hierbei eine bestimmte Grenze vorhanden. Ein Beispiel für die Richtigkeit der Theorie und besonders auch dafür, dass aus den Urstrahlen auch sekundäre, tertiäre u. s. w. gebildet werden, ist folgendes. Nehmen wir an, dass sich sämmtliche vorhandenen Arten von Strahlen auf die Urstrahlen zurückführen lassen, also auch die elektrischen Strahlen. Leiten wir hoch- gespannte elektrische Strahlen durch eine fast luftleere Glasröhre, so wandeln sieh letztere in die Kathoden- strahlen um. Diese treffen nun auf die gegenüberliegende Glaswand und bringen sie zur Fluoreszenz in grüner Farbe. Dadurch, dass die Kathodenstrahlen auf diesen Widerstand, die Glaswand, auftreffen, wird ihre Schwin- gungszahl verändert. Sie werden also in eine andere Strahlengattung umgewandelt. Letztere sind die Röntgen- strahlen, die von der fluoreszirenden Glaswand ausgehen. So hätten wir hier eine ganze Reihe von Strahlen- arteu, die der Reihe nach aus den Urstrahlen gebildet werden. Kehren wir nun zur Betrachtung der Radiurastrahlen zurück. Dadurch, dass die Urstrahlen auf das Radium auftreff'en, entstehen die Radiumstrahlen. Die Urstrahlen sind nun in unendlicher Menge im Räume vorhanden; daher werden sie auch fortwährend auf das Radium auf- treffen und Radiumstrahlen erzeugen. Es ist also ledig- lich eine besondere Eigenthümlichkeit des Radiums, die unsichtbaren Urstrahlen in andere sichtbare Strahlen um- zuwandeln. Auf diese Weise dürfte jene Erscheinung der dauernden Leuchtkraft des Radiums vollständig erklärt sein. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie hat sich daher auch in diesem Falle als richtig erwiesen, weil die Energie der Urstrahlen in die Energie der Ra- diumstrahlen umgewandelt wird. (Nachdruck verboten.) R. Zachen, stud. med. XVI. Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschritt. 319 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Am 1. .April ]'.)()[ wunlo zu Brrlin die Kgl. Preussische Versuchs- und Prufungsanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung begründet. Dieselbe ist der Medizinal- abtheiliiiii;- des Kultusministeriums unterstellt und hat die Auf- gabe, diueli wisseuschaftliche und praktische Untersuchungen in allen oben näher bezeichneten Wasserfragen, welche ein ötfent- liches Interesse beanspruchen, eingehende Sachkcnntniss zu schaffen. Anlass zur Gründung dieser Anstalt gaben Erwägungen, welche in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen, 3. Folge, Bd. XXI Suppl.-Heft näher auseinandergesetzt sind. Das Institut soll zugleich den Staats- behörden, Communen und Industrieen etc. die Möglichkeit für die Einholung von objectiver, sachkundiger, nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Praxis einzurichtender Auskunft gewähren. Das wissenschaftliche Personal der neuen Anstalt besteht aus einem Vorsteher, wissenschaftlichen Mitgliedern, Mitarbeitern und Hilfsarbeitern. Es sind besonders Fragen aus dem Gebiet der Chemie, Physik, Technik, und Biologie, welche näheren und eingehenderen wissenschaftlichen Studien unterworfen werden sollen. Während die ersten drei Wissenschaften sowohl bei der Wasserversorgung wie bei der Aliu .■i>^i'il)es(itiuun^' eine wichtige Holle spielen, wird die Biologie mit iln-n rnt.r-inhungen wesent- lich bei der Abwasserbeseiti,i;uiii; riii/.ii-riiiVu li( rufen sein. Es steht zu hoffen, dass . viele Mikrociigitnismcu für bestimmte Ver- unreinigungen als charakteristisch erkannt werden und ein näheres Studium ihrer Physiologie gerade diejenigen Substanzen kennen lehren wird, welche eine ev. lästige Entwickelung von Mikro- organismen besonders begünstigen. Dadurch werden begreiflicher Weise Fingerzeige gegeben, wie man am besten solchen Belästi- gungen abhelfen kann. L 1 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. W. tTle, I'rivntdocent an der Universität Halh'. Der Wurmsee in Oberbayern, eine limnologische Studie. (Wiss. Veröffentl. d. Ver. f. Kidk, zu Leipzig, Bd. V.) Mit 15 Texttigureii. 5 Autotypien und eineiii Atlas von 8 Tafeln. Leipzig, Dnucker 6 Humblot. 1901. ITle, der sich seit dem Jahre 1893 wiederholt und lange mit dem Wurmsee beschäftigt hat, hat uns mit einem Werk beschenkt, das wolil :iii die Spilzc der liuiiiolngischen Litteratur Deutsch- lands zu strllni i.-t Die ^jcdlM-ischen, hydrographischen und physikalisrln II \erli;iltiii.sse iliors Sees haben eine dem gegen- wärtigen .Si;iiid)iiiiikt der Scieiiluinde durchaus entsprechende Darstellung und Behandlung erfahren. Wiewohl auch die auf die Temperatur, Farbe und Durchsichtigkeit sich beziehenden, zahlreichen Messungen und die daraus gezogenen Schlussfolge- rungen mit vollem Recht ein grosses Interesse für sich in An- spruch nehmen können, ebenso die aus den Pegelbeobachtungen und Regenmessungen sicher hervorgehende Thatsacho, dass der Wurmsee vorwiegend unmittelbar durch das Regenwassor gespeist wird im Gegensatz zu den meisten eigentliidu-ii AI|m nsi'ecn, so verdienen doch in erster Linie diejenigen rntersuehun-eii Ulr's hervorgehoben zu werden, welche sich njit der l-;iit>t'-liin]f;.s- geschichte des Seees beschäftigen, welcher bekanntlieli im Streit um die Wirkung der Glacialerosion eine historische Bedeutung erlangt hat. Mit Penck war man nun übereingekommen, den Wurmsee als ein tvpisches Beispiel der erodirenden Kraft eines Gletschi rs .iiiziiM.li'rii, zum Theil veranlasst durch die unzuläng- lichen Lurliiiii^i II ( M'istbeek's, welche auf eine völlig gleichmässige EinseukiMiv lii s TMi-liens in die Umgebung schliessen Hessen. Die neue, auf Oniud zahlreicher sehr sorgfältiger Lotliungen her- gestellte TiefenUante des Sees ui^lif .ii, -auz .-uidires Hild von dem Relief des Seees. Der ih iilu-li >ik.uiii!iar.' „Srliwrl," nimuit keineswegs die Mitte ein, suiuli-rn l^i .lii-ht an das ( l.-l ul'.u- h^Tan- gedrängt, wo das steile Ufergeliiiuge »ich unmittelbar in den See fortsetzt; sie schwankt in ihrer Breite nicht mehr, wie in jedem recenten Flussthal. Ferner kehren die treppenartigen Aufein- anderfolgen der Terrassen auf der Westseite des Seees, die stets von Norden nach Süden geneigt sind, im Relief des Untergrundes des Seees genau wieder und endlich entsprechen auch im Süd- theil, wo die grösseren Höhen an dem Ufer weiter zurüektrt.iten, die Gehänge einen s.anfteu Ald'all haben, die Bodenforuieu des Seees denen iles uiiilii'ueniliai I^amles durchaus. Sprechen narh IIp stii.in di^se morphologischen Verhältnisse für die Bildung; d.r llohltorui durcli Wasser- und nicht durch G I e t s c h e r erosion, so deuten die geologischen darauf hin, dass das Wasser durch eine spätere Niveauänderuug des Bodens auf- gestaut worden ist, sodass der Würmsee erst durch Abdämmung einer durch fliessendes Wasser geschaffenen Rinne gebildet wurde. Die Gesteinsschichten der Moräne der letzten Vergletscherung befinden sich nämlich nicht mehr in ungestörter Lage und steigen nach den Alpen zu ein wenig an, ausserdem deutet die geringe Ausdehnung des Zuflussareals darauf hin, dass die allgemeinen Gefällverhältnisse postglaciale Veränderungen erfahren haben müssen. Wir können uns hier natürlich auf Einzelheiten nicht einlassen, jedenfalls hat Ule's Schrift in glänzender Weise gezeigt, dass bei der Untersuchung der Entstehungsgeschichte eines Seees Geologen und Limnologeu zusammenwirken müssen, um möglichst unanfechtbare Resultate zu erzielen. Als sehr dankenswerth ist noch hervorzuheben, dass Ule, der stets liebevoll auf die Technik der Seeenforschuug eingeht, ihr Instrumentarium durch einige sehr werthvoUe Verbesserungen bereichert und dass ein vorzüglich ausgearbeitetes Sach- und Namenregister die Benutzung des Buches wesentlich erleichtert. Die Tafeln des Atlasses umfassen neben einer Uebersichts- karte des ganzen Gebietes, die bis zum Valchensee reicht, eine Lothungskarte, in der sämmtliche Peilungen aufgenommen sind, in 1 : 50 000, mit zahlreichen Profileu in 1 : 10 000, eine Höhen- und Tiefenkarte des Seees und seiner nächsten Umgebung im gleichen Maassstab gleichfalls mit Profilen, eine geologische Karte in 1:100 000, sowie graphische Darstellungen der Temperatur und der morphometrischen Verhältnisse, endlich der Schwankungen des Wasserstandes im See, des Niederschlages und des Grund- wasserstandes. Halbfass. („Das Pflanzenreich''; Regni ipzig, Wilh. Engelmann.) vege- O. Warburg, Pandanaceae. tabitis conspectus IV, ;», L' In dieser Lieferung liegt uns bereits das dritte Heft des erst kürzlich ins Leben gerufenen, grossen Unternehmens, eine Be- schreibung aller bisher bekannten Pflanzen zu liefern, vor. Die Familie der Pandanaceae hat nicht nur für den beschreibenden Systematiker Interesse. Ihre Arten zählen zu den Charakter- pflanzen der Tropenländer der alten Welt, wo sie auch jedem Rei- senden sofort in die Augen fallen. Aus dem der Artenaufzählung vorangehenden allgemeinen Theil sei die interessante Beobachtung des Verf. hervorgehoben, dass den Pandanaceen ein ähnliches secundäres Dickenwachsthum zukommt wie manchen baumartigen Liliaceen (Dracaena etc.), freilich ohne dass eine ausgesprochene Cambialzone voi-handen wäre, sondern lediglich durch diffuse Ver- mehrung der Parenchymelemente und Gefässbündel von den Aussentheilen des Stammes her. Der specielle Theil bringt hier- auf im Wesentlichen eine Aufzählung von 62 Arten der graziös kletternden Gattung Freycinetia und 140 Arten der meist aufrecht baumförmigen Gattung Pandanus, die beide in Pa- puasien und Malesien das Centrum ihrer Verbreitung haben. Ver- treter beider Gattungen sind nicht nur in analytischen Detail- zeichnungen, sondern auch in schönen Reproductionen nach Land- schaftsphotographieen, die der Verf. von seinen grossen Reisen in jenen Gegenden mitbrachte, dargestellt. Rd. Lorenz v. Liburnau sen., Dr. J. R. Ritter, Zur Deutung der fossilen Fucoiden-( ;attunfj,en Taenidiuiu und Gyrophyllites Wien. - 7,50 Mark. liOrey, Realgymn. Oberlehr. Wilh., Ueber das geometrische Mittel insbesondere über eine dadurch bewirkte Annäherung kubischer Irrationalitäten. Halle. — 1 Mark. Möller, Alfr., Phycomyceten und Asomyceten. Untersuchungen aus Brasilien. Jena. — 24 Mark. Ott, stud. phil. Emma, Untersuchungen über den Chromatophoreu- bau der Süsswasser-Diatomaceen und dessen Beziehungen zur Systematik. Wien. — 2,30 Mark. Peter, Dir. Prof. Dr. Alb., Flora von Südhannover nebst den angrenzenden (Gebieten, umfassend: das südhannoversche Berg- und Hügelland, das Eichsfeld, das nördliche Hessen mit dem Reinhardswalde und dem Meissner, das Harzgebirge nebst Vor- land, das nordwestliche Thüringen und deren nächste Grenz- gebiete. 2. ThI. Göttingen. — 9,25 Mark. Philippi, Dr. E., Die Ceratiten des oberen deutschen Muschel- kalkes. Jena. — 40 Mark. Philippson, Prof. Dr. Alfr., Beiträge zur griechischen Inselwelt. Gotha. — 10 Mark. Stolley, Dr. E., Geologische Mitteilungen von der Insel Sylt. HL Kiel. - 3,60 Mark. TJeberweg's Frdr., Grundriss der Geschichte der Philosophie. 3. Thl.; Die Neuzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Berlin. - s,50 Mark. Inhalt: Dr. phil. Haus Seckt; Mechanische Theorie der Blattstellungen. — Da radioaktiven Substanzen und seine Erklärung. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. - see in Oberbayern. — O. Warburg, Pandanaceae. — Liste. kontinuirliche Strahlungsvermögen der Litteratur: Prof. Dr. W. Ule, Der Wurm- 320 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 2< jffiWilhelm Sclilucter • Halle a.S.. Naturwissensehaftliehes Institut naturalien- und Cel)rmittell)andlung l.irirrant vif-lcr Mii-e.-ii uiul Lplivanstalten des lu- und Auslandes, riiiliiirlilt siin iiiisscrst r<'i('lilialtij>;<>s Liaeer natumissrnsohart- lirlKT Ob.icUtc. :iK: S;iuu:ctiere. Vögel (ausgestopfte, Halbprä]iai.ite, ^kilftfi', l;:il-,' .(,■ ICi'iitilicii. Aniphiliieii, Fische (aussestupite, Ilalli!ira]i:ir;iif, slöli-ilc, spirifusexemplaie etc.); Vog^elciei*. Xester. !>«i'liail<'l. «;<'«i-i!ir «'to.: iiienMOhlii-h-anatoniiHi'lK- MixU-II«- aus l':ipieniKi~-r; :i ii.'Uiiiiiisch-zootoniisclie Prä|>ai'ali' in Spii iius (Blut- i;c-riis';iiiir.ti..iicn Situs- und Nervenpräparale); systoiii:«! isclic I iisokten- ••ainiiiligiiui'ii. liiMcktenverwandliiiigen (in spiiiius nn'l tiotken). «i-ustaci-in. iiieiltTO Si'pHerc in Spiritus; ( »iioli.vlioii : Her- barien: botaiiisclie lloilelle aus Papiermasse; In!4ti'iiinente zur Präparation: kUnstliolic Tii'i- iiiul Vtigelaiigen von Glas etc. etc. Pretaverxi-/c/inix\i' linstriilos und iiorlofret ! Aeltestes ii. grösstes natiirwissenschaftl. Institut Deutschlands PräiiiHrt mit vielen r/oldenen und silbernen Medaillen. PATENTBUREAU Ölrich R. jVlaerz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW.. Luisenstr. 22. yyilllj^^^gliyill^llllll^^ Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Kalisalzlager Otto Lang-, 4S Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. In Ferd. Düiiiralers Vcrlagsbiuhhaiidhiug in Hürliii SW. 12 erschien soeben: Veröff'eiitlicliuiigeii des Königlichen Astronomischen Rechen -Instituts zu Berlin. Xi-. 11. Formeln und Hülfstafeln zur Reduktion von 31oiull)eol)aclitimgcii ii. Moiulpliotograpliien. Für selenographische Zwecke zusammengestellt Dr. K. Graff. Preis geheftet 2 Mark. Lelirbücher aus Ferd, Dümmlers^ Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Einführung in die Blütenbiologie auf historiselier Grundlagre Von E. Loew, l'iufi »»..r »m KiMiiglicbcn BcalKViiinaBium zu B, rlln Mit zahlreichen Abbililungcn. 6 M., geb. 7 M. Lehrbuch der Pflaiizeupalaeontologie mit besonderer Küclvsicht auf die Bedürfnisse des Geolog-cn. Lehrbiicli der Differentialrechnung. Zum Gebrauche Viel Vorlesungen an Iniversitiiten und technischen Hochschulen. Prof. Dr. Harry Gravelius. Einführung in die Kenntnis der Insekten. Von H. J. KolbB, Mit 324 HQlzschnitteii. 14 M., geb. 15 M. Isehrbuch der Potcntialtheorie. Von Dr. Arthur Korn, I. Teil: Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen im Ranine, Mit «4 in den Text gedruckten Figuren. !t M., geb. 10 M. lUieine Theorie des logarithiuischen Potentials und der Polenlialfiinktionen in der Ebene. Mit 5» in den Text gedruckten Fign M., geb. lU M. Eine Theorie der Gravitation und der elek- trischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. Dr. Arthur Korn. H M., geb. 7 91. Eine mechanische Theorie der Reibung in kontinuierliclien Masseiisystenieii. Von Dr. Arthur Korn. Mit .-. in den Text gedruckten Figuren. )i M., geb. 7 .M. Verantwortlicher Redacteur: Profe.ssor Dr. Heiny Pofonie, Gr. Liohterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. öö, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SV\^. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag: Ferd. Diiimnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. Sonntag, den 14. Juli 1901. Nr, 28. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Poät- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitunesliste Nr. 5112. * Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 ,1.^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Kabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inserateuannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die neuen Sterne. Von Adolf Hnatek (Wien). Wie wir sclion vor einiger Zeit in der „Astronomischen Spalte" berichtet haben, ist am 21. Februar d. J. von Dr. Thomas Anderson im Sternbild des Perseus ein sogenannter „Neuer Stern" entdeckt worden. Bei dem Umstände, dass sich diese Entdeckung noch lebhaft in aller Erinnerung befindet, mag es nicht untbunlich scheinen, wenn wir dieser Art von „veränderlichen Sternen", bei welchen der Begriff der Veränderlichkeit nach seinem vollen Inhalte beansprucht wird, einer eingehenderen Be- sprechung würdigen. Man wäre vielleicht geneigt, das Attribut „variabel" oder „veränderlich" nur jenen Sternen zuauerkennen, welche einen Lichtwechsel mit einer be- stimmten Regelmässigkeit, sei es in der Dauer der Periode oder in ihrer Helligkeit oder gar in beiden Factoren, durchmachen. Wenn man aber aus dem Begriffe Ver- änderlichkeit alles das herausholt, was in ihm enthalten ist, so gehören ohne Zweifel auch alle jene Objecte hierher, welche, bisher unsichtbar geblieben, durch irgend welche äussere Einflüsse veranlasst worden sind, ihre Helligkeit derart 7ai verändern, dass sie dem mensch- lichen Auge sichtbar werden. Es wäre aber nichts desto weniger weit verfehlt, wollte man deshalb, weil jene Objecte unter die variablen Sterne gezählt werden müssen, behaupten, die Astronomie der veränderlichen Sterne habe mit der ersten beglaubigten Nachricht von einem neu aufgeleuchteten Stern ihren Beginn genommen. Man muss hier eben unterscheiden zwischen einer gelegent- lichen, oberflächlichen Beobachtung und einer im vollen Bewusstsein ihrer Tragweite unternommenen Untersuchung. Die erste uns überlieferte Erscheinung dieser Art dürfte wohl die im Buche Wen-Chiang-tung-kao ver- zeichnete sein, dessen Verfasser der Chinese Ma-duan-lin ist. Darnach soll im Jahre 134 v. Chr. zwischen ^ und p Scorpii ein neuer Stern aufgeleuchtet haben, welcher vielleicht mit dem nach dem Gewährsmann Plinius von Hipparch beobachteten neuen Stern identisch sein mag. Bezeichnend ist, dass Hipparch durch die von ihm ent- deckte Nova zur Verfassung seines berühmten Stern- kataloges angeregt wurde, da er vermuthete, dass sich solche Erscheinungen öfter wiederholen dürften und daher eine genaue Kenntniss aller sichtbaren Sterne wünschens- werth sei. Auch für das Jahr 123 n. Chr. verzeichnet Ma-duan-lin einen neuen Stern zwischen den Hauptsternen des Hercules und Ophinchus. Ebenso soll fünfzig Jahre später, also 173 n. Chr., ein Stern zwischen a und /9 Centauri auf- geleuchtet haben, der sehr hell gewesen sein soll und nach acht Monaten wieder verschwand. In den chinesischen Annalen wird über diesen letzteren Stern von Farben- änderungen berichtet, doch bleibt es zweifelhaft, ob die- selben wirklich reelle Variationen im Laufe der Sicht- barkeitsperiode darstellten oder nur momentane Aende- rungen in Folge starker Scintillation waren. Nach chinesischen Berichten stand wieder im Jahre 369 n. Chr. eine Nova sechs Monate hindurch (März— August) am Himmel, ebendort finden sich Aufzeichnungen, welche einen neuen Stern vom Jahre 386 betreffen, der im Sternbilde des Schützen aufgeleuchtet hatte und von April bis Juli sichtbar geblieben war. Drei Jahre später im Jahre 389 sah Cuspinianus wieder einen neuen Stern von Venusgrösse nahe bei «Aquilae, der schon nach drei Wochen wieder ver- schwunden war. Vier Jahre darnach, 393 n. Chr., leuchtete nach chinesischen Berichten neuerdings ein heller Stern im Sterubilde des Scorpions auf. I Wir ersehen aus diesen Berichten, die uns gnisstcn- ! theils im faltenreichen Gewände von wunderl)aren Mythen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 2S. und mit allerlei Zuthateu versehen entgegentreten, dass schon in früher Zeit, wo die Kenntniss des gestirnten Himmels sich nur auf das alleruothwendigste beschränkte, solche Erscheinungen verhältnissmässig häufig beobachtet wurden und daher keineswegs zu den grössten Selten- heiten gerechnet werden können. Nebenbei deuten diese Aufzeichnungen darauf hin, dass mau damals, besonders in China, recht emsig auf die Vorgänge am Himmel be- dacht war. Umsomehr verwundert uns aber die fast plötzliche Stagnation, die nach der letzten der erwähnten Erscheinungen eingetreten zu sein schien. Fast fünf Jahrhunderte verstrichen, ohne das ein derartiges Ereigniss der Aufzeichnung werth befunden worden wäre. Erst in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts gelang den beiden arabischen Astronomen Haly und Albumazar zu Babylon wieder eine derartige Beobachtung. Damals soll im Sternbilde des Scorpions wieder ein Steri^ von solcher Helligkeit erschienen sein, dass er mit dem Monde in seineu Vierteln verglichen werden konnte. Ungefähr um dieselbe Zeit, vielleicht etwas später, soll, wie Leovitius aus einer alten Handschrift nachwies, in der Cassiopeia ein neuer Stern aufgeleuchtet haben. Gleich zu Beginn des nächsten Jahrhunderts (1U06 oder 1012) erschien nach dem Berichte des Mönches Hepidannus im Sternbild des Widders ein Stern von geradezu blendender Helligkeit. Er soll auffallende, bis zur ünsichtbarkeit gehende Helligkeitsschwankungen gezeigt haben und nach drei Monaten gänzlich verschwunden sein 1203 berichten chinesische Annalen neuerdings von einer Nova im Scorpion. Ebeudort findet sieh ein heller Stern erwähnt, der im Dezember 1230 zwischen Ophinchus und Schlange aufgeflammt hat und im März des folgenden Jahres verschwand. Leovitius berichtet später, dass 1264 neuerdings ein neuer, unbekannter Stern im Sternbilde der Cassiopeia erschienen sei. Die erste beglaubigte Nachricht liefert uns der be- rühmte Astronom des Mittelalters Tycho de Brahe über den neuen Stern in der Cassiopeia vom Jahre 1572. Tycho de Brahe, welcher den Stern zum ersten Male am Abend des 11. November erblickte, kann nicht der Ent- decker desselben genannt werden, da die Nova schon vier Tage früher von Lindauer in Winterthur gesehen worden war. Der Stern leuchtete wie Venus in ihrem grössten Glänze, sodass er von manchen Personen sogar am Mittag wahrgenommen werden konnte. Tycho de Brahe maass sorgfältig die Abstände des Sternes von bekannten Fixsternen und fand ihn vollständig unbeweglich. Schon im Dezember 1572 begann die Helligkeit des Gestirnes abzunehmen. Februar und März 1573 glich er nur mehr den Fixsternen erster Grösse, dann wurde er langsam zweiter und dritter Grösse, bis er im Oktober und No- vember 1873 bereits vierter Grösse geworden war. Im März 1874 war der Stern endlich ganz unsichtbar ge- worden. Auch Farbenänderungen wurden an dieser Nova beobachtet. Während er in der ersten Zeit in reinstem Weiss erglänzte, näherte sieh seine Farbe über weissgelb und gelb umsomehr dem Roth, je lichtschwächer er wurde. Im Mai 1573 trat wieder eine bleichere Färbung ein, die bis zum Schlüsse seiner Sichtbarkeit anhielt. Die nächste Nova erschien im Jahre 1600 im Schwan und wurde zuerst von Wilhelm Janson bemerkt. Als zwei Jahre später Kepler von ihm hörte, war er schon zweiter Grösse. Bis zum Jahre 1621 konnte dieser Stern am Himmel beobachtet werden. Er leuchtete aber neuerdings im Jahre 1655 als Stern dritter Grösse auf und verschwand bald darauf wieder. Aber schon im November 1665 wurde er wieder nach und nach sichtbar, erreichte aber dieses Mal nach rlevel's Zeugniss nicht mehr die dritte Grösscn- klasse. Seit dieser Zeit ist diese Nova sichtbar geblieben und leuchtet auch jetzt noch als Sternchen fünfter Grösse. Am 27. Dezember 1604 bemerkte David Herlicius wieder einen neuen Stern im < )phiuchus, der fast Venus- grösse erreichte und heller als Jupiter war. Ein Schüler Kepler's, Brunowski, erblickte ihn früher als Herlicius zum ersten Male am 10. Oktober. Der Stern wurde langsam schwächer, war zu Anfang des Jahres 1605 ungefähr so hell wie Autares oder Arcturus und ver- schwand endlich im ersten Viertel des Jahres 1606. Mehr als sechzig Jahre später, am 20. Juni 1670, entdeckte der Karthäusermönch Anthelme wieder einen neuen Stern im Sternbild des Fuchses. Derselbe war anfangs dritter Grösse, nahm aber rasch ab, sodass er im August nur noch fünfter Grösse war. Nach drei Monaten war er verschwunden, leuchtete aber im März 1871 neuerdings als Stern vierter Grösse auf. Er verschwand wieder und erschien ein Jahr später nochmals als Stern sechster Grösse. Dann blieb er verschwunden bis auf den heutigen Tag. Vielleicht ist ein Sternchen elfter Grösse, das jetzt in der Nähe des Ortes dieser Nova steht, mit ihm identisch. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurden wieder mehrfach neue Sterne beobachtet. Die- selben ergeben sich aus folgender Zusammenstellung, in welcher auch der Name des ersten Entdecker beigefügt ist. Es wurde dabei nur auf die in unseren Breiten sicht- baren Sterne Rücksicht genommen Nova Ophinchi entdeckt im Jahre 1848 durch Rüssel Hind „ Scorpii „ „ „ Coronae „ „ „ Cygui „ „ „ Andromedae „ „ „ Aurigae „ „ „ Persei „ „ Der erste dieser Sterne, die Nova Öphiuchi, wurde am 28. April 1848 als Stern vierter bis fünfter Grösse entdeckt und bheb einige Zeit ziemHch gut sichtbar. Im Jahre 1850 war er bereits bis zur elften Grösse herabgesunken. Seine Farbe war röthlich. Der erste neue Stern welcher spectroskopisch unter- sucht wurde, war die 1866 entdeckte Nova Coronae. Er erschien ganz plötzhch in der zweiten Grösse und machte in weniger als zwei Wochen alle Stufen bis zur sechsten Grösse durch. Das Spectrum wurde zuerst von Huggins und Miller und kurz darnach von Wolf, Rayet, Stone und Carpenter untersucht und zeigte die Wasserstofflinien ' C und F in besonderer Deutlichkeit. Damals war aber die Technik der Spectroskopie noch viel zu wenig vor- geschritten, als dass man mit ihrer Hilfe ein sicheres Resultat hätte erreichen können. Weit besser standen die Dinge bereits um die Zeit, wo Schmidt die Nova Cygni entdeckte, im Jahre 1876. Schmidt entdeckte diese Nova als röthlichen Stern dritter Grösse in der Nacht des 24. November 1876. Vogel begann unverziiglich spectroskopische Beobachtungen an dem neuen Stern anzustellen und konnte sofort constatiren, dass auch bei dieser Nova der Wasserstoff eine grosse Rolle gespielt habe. Hier waren es die Wasserstofflinien Ha und llß, welche ganz besonders auffielen. Doch bald nahm der Stern an Glanz ab, sodass Vogel's interessante Untersuchungen ein vorzeitiges Ende finden mussten. Trotz der Raschheit der Abnahme konnte Vogel aber beobachten, dass das Spectrum nicht gleichmässig an Intensität verlor, sondern dass die blauen und violetten Strahlen viel früher ihre Intensität einbüssteu wie die gelben und grünen Partieen des Spectrums. Der rothe Tlieil war gleich anfangs sehr schwach und war deshalb auch nur kurze Zeit walnnchmbar. 1860 ^ Auwers 1866 „ Birmingham 1876 Schmidt 1885 n Hartwig 1892 1901 n Anderson Anderson. XVI. Nr. 28. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 323 Der ungeheure Aufschwung, den die pbotographischen Methoden in den letzten Decennien des verflossenen Jahr- hunderts genommen hatten, gestattete viel genauere Unter- suchungen, wie dies früher möglich war, wo man die Lage der Linien im Spectrum mit äusserster Mühe am Mil 1855-0 Grösse 5. Juli /.TVirginis 12^39 ■»54« + 4» 56'-l S'O™ 8. ., .S'Herculis 16 45 18 +15 11-4 6.7 11. „ irAquilte 19 7 34 - 7 17-6 7-8 12. „ TArietis 2 40 15 +16 54-1 8-0 12. „ /Mquilfe 18 59 23 + 8 0-8 7-0 13. „ ßCorvi 12 12 8 -18 26-9 7-0 13. „ S'Virginis 13 25 26-6 26-8 7-0 27. „ i^Camelopardali 14 28 54 +84 29-2 8-0 28. „ ÄComfe 11 56 49 +19 35-4 7-8 29. „ THerculis 18 3 37 +30 59-9 7-8 Adolf Hnatek. Wetter-Mouatsübersicht. (Juni 1901.) — Am Anfang und Ende des vergangenen Juni trug das Wetter einen sehr freundlichen, sommerlichen Charakter an sich, während es in der Mitte in ganz Deutschland trübe und kühl war. Wie aus beistehender Zeichnung ersichtlich ist, begann der Monat überall mit starker Hitze, die im Osten zu- nächst noch zunahm. Dort erhob sich das Tliermometer Tempcräfüren im eFuni 190t:. ßjpjjj^. ___ lagliches Maximum, haMinimum. Juni. ^ 11. 1 6. 21 26 ^' ' 1.1^^ ' ' ' ' 1 ' ' ' ^ 1 1 1 \ /-l x-vL ^ -U^ r;^/^N./^ W>A^ ^ r.%^ ^ ^^ ^.^ ^w^^:^ > 1 f 1 , IVn/> 1 1 1 1 1 Temperafur- Maxima verschiedenen Qptz. i IL 16. 21 am Nachmittage des 2. Juni zu Grttnberg in Schlesien bis auf ,35, zu Königsberg i. Pr. und Marienburg auf 34, zu Frankfurt a. 0. und Posen auf 33" C. Dann kühlte die Luft sich mehr und mehr, wenn auch mit kurzen Unterbrechungen, ab und erwärmte sich für längere Zeit erst wieder in der zweiten Hälfte des Monats. Wie die vorangegangene Abkühlung, so begann auch die neue Erwärmung im Osten etwas später als im Westen und im Süden später als im Norden Deutschlands. Doch stiegen die Temperaturen dann in Süddeutschland besonders schnell. Die Mitteltemperaturen des vergangenen Juni blieben in West- und Süddeutschland um mehr als einen Grad hinter ihren langjährigen Durchschnittswerthen zurück, wogegen sie nordöstlich der Eibe dieselben um mehrere Zehntelgrade tibertrafen. Zu Berlin, wo die Temperatur zwischen dem 11. und 19. Juni dauernd unter, vorher und nachher häufiger über dem Normalwerthe lag, wurde dieser im Monatsmittel mit 17,5*' C. nicht ganz erreicht. Bedeutender aber war der Mangel an Sonnenstrahlung, da hier im letzten Juni insgesammt nur 238 Stunden mit Sonnenschein, 28 weniger als in den vergangenen Juni- monaten gemessen wurden. Der zu starken Bewölkung entsprach jedoch keines- wegs ein Ueberschuss an Regen. Im Gegentheil wurden zu Berlin im ganzen Monat nur 44 Millimeter, zwei Drittel der normalen Niedersehlagshöhe erhalten. Da aber andere Theile Deutschlands viel reicher an Niederschlägen waren, so stimmte ihr mittlerer Ertrag, der sich auf rund 68 Milli- meter bezifterte, mit seinem Durchschnitt aus den letzten zehn Jahren gerade überein. In den ersten Tagen des Monats gingen, wie die nebenstehende Darstellung erkennen lässt, im ganzen Lande starke Gewitterregen hernieder. Am gewaltigsten waren dieselben in Mitteldeutschland, wo vom 2. Abends bis zum 4. Mittags in Kottbus 108, in Chemnitz 74, in Torgau 68 Millimeter fielen und sie vorübergehende Unterbrechungen des Eisenbahnverkehrs zur Folge hatten. Vom 6. bis 9. war es im Binnenlande fast gänzlich trocken, während längs der Ostseeküste ziendich ergiebige Regenfälle stattfanden. Dann folgte eine längere Regen- zeit, in der, besonders im Alpenvorlande, die Nieder- schläge bei nasskaltem Wetter fast ohne Unterbrechung ä, ^t t P.4 • «$| ^ cfj UlifnererWerffifur ^ 5s . -5; 2.^ .2 .-^^H Deuhschland, Monarssummen im Juni ;ii-s:.Äi£ssi^GmcQSi:iiV. 12 erschien soeben: Veröffeiitlichiiiigen lies Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zu Berlin. Formeln und Hülfstafeln zur Reduktion von Mon(lbeobaclituiis;eii ii. 3Ioii(li)lioto8rapliicii. Für selenographische Zwecke Dr. K. Graff. JP)-eis geheßet 2 Mark. jelirbücher aus Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlagre Von E. Iioew, I'i-of.ssor am Kijniylichen Rcalf^ymnaBuim zu Bi-rliii. Mit zahlreichen Abbildungen. (> M., geb. 1 M. Lehrbuch der Pflaiizeiipalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potonie, iiftragt mit Vorlpsur akademic zu Berlii Pflan/.cnpalaeontologic Lelirbuch der Differentialrechimug. 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Seil 7, 116 ©., geb. 0,60 Wt. — 58om Stlter bcr grbc (®cologie). Sßon ber Umbre^uug ber Erbe. Sic (5)e= fd)tt)inbinfeit bcg Sid)t§. Seil 8, 152 ©., geb. 1 Wt. — Saä ,s>ü[)nd)fu im Si. 5ßom §i)puoti§mug. Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 9JH. - ißau uub Scbcn oon «Pftmiäe uub Sier. Seil 10, 163 ©., geb. 1 9Kf. — %ai (Scifteälcbeu üou 9Ken)d) uub St)ier. Seil 11, 100 ©., geb. 0,60 mt. — $il)d)ologie uub ?(tmuug. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 9IKt. — ,'perä uub '.'luge. Seil 13, 133 6., geb. 0,80 2Kt. — Slulcitung ju d)cmifd)eu lij;lH-rinu-iiini. *;!nittijrtir -tieiäung. Seil 14, 192 ©., geb. 1 TOt. — ^li'ntuvfvnfi imb Clnitcviiuiltcu. s8olf§uiirtfd)aftlid)eä. «out ©piritiämuä. Seil 15, K;:', e.. m'b. l aJJf. — (Sine in den Text gedruckten Figuren. (> M., geb. 7 M. Verantwortlicher Redacteur: Professor Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichtcrfelde -West bei B( Hugo Bernstein in Berlin. ~ Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. rlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dü-oimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. | Sonntag, den 21. Juli 1901. Nr 29. Abonnement: Man abonnirt bei allen liuchhandlungen unü Post- y Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 ^V Grössere Aufträge en»- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.- A sprechenden Rabatt. Beilasen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnrk ist nnr mit vollständiger QaellenanKabe gestattet. Das Vorkommen von Säuren bei den Honigbienen. Seit Jahren ist das Vorlvoinuien der Ameisensäure bei den Bienen nachgewiesen, und dementsprechend wurde ijei fast allen dahin zielenden Forschungen nur jene be- rechnet, von der man annahm, dass sie entweder aus dem Stachelajjparat oder der Giftblase der Arbeiter her- stamme oder im Speichel dieser Insekten enthalten sei. Nun hat sich schon seit geraumer Zeit Lehrer Ph. Reiden- bach, ein hervorragender Bienenkenner und Herausgeber der „Pfälzer Bienenzucht" mit speciellen Untersuchungen über die in der Bienenökonomie vorhandenen Säuren be- schäftigt und ist dabei zu neuen bemerkenswerthen Er- gebnissen gelangt. Die hierzu erforderlichen chemischen Untersuchungen sind von Genanntem zu oft wiederholten Malen und mit hinreichender Sorgfalt ausgeführt worden. Bekanntlich besitzen alte (mehrjährige) Bienenzellen- waben eine dunkelbraune, oft schwärzliche Färbung, während neues frisches Zellenwerk hellweisslich erscheint. Es besteht nämlich nur aus reinem Bienenwachs, während in einer alten leereu Brutwabe neben dem Wachse mancherlei Stoffe enthalten sind, wie z. B.: Nymphen- häutchen (Cocous), Reste von Brutfutter u. s. w., wovon sich einiges schon im Wasser auflösen lässt, das dann eine braune, dunkle Farbe annimmt. Ausserdem aber lässt sich nach Reidenbach in alten ßrutwaben leicht eine Säure nachweisen. Giesst man nämlich Wasser in die Zellen einer solchen Wabe, so reagirt dasselbe bald sauer. Noch einfacher kann die saure Reaction gezeigt werden durch Eingiessen blauer Lackmustinktur, die bereits nach 24 Stunden rotli ge- worden ist. Durch R. wurde nun jene saure in deu alten Brut- waben vorhandene Substanz direkt als Weinsäure nach- gewiesen. Nach vielen Versuchen fand er als einfachstes und bestes Verfahren zur Darstellung der reinen Wein- säure aus dem Wachswerk der Bienen das Folgende, das ich nach seinen eigenen Berichten in seinem Blatte hier wiedergeben will. „Die Waben werden in einem neuen, gut glasirten, irdenen Gefäss mit viel Regenwasser etwa eine halbe Stunde lang gekocht. Die erkaltete Flüssigkeit, welche stark sauer reagirt, wird alsdann, um sie von den Wachs- theilen zu trennen, durch reines Leinen gepresst und filtrirt. Dem Filtrat wird darauf solange klares Kalk- wasser zugesetzt, bis sich eingetauchtes Curcumapapier deutlich bräunt. In der alkalischen Flüssigkeit bildet sich nun nach und nach ein voluminöser Niederschlag von weinsaurem Calcium, der allerdings von den mit- gerissenen Farbstoffen eine braune Farbe hat. Nach einer Stunde wird er abfiltrirt und gut ausgewaschen. Man bringt nun auf das Filter mit dem Niederschlag, nachdem man vorläufig durch Verstopfen der Trichter- röhre dem Abfliessen der Flüssigkeit vorgebeugt hat, ganz schwach mit Schwefelsäure angesäuertes Wasser und setzt solange tropfenweise Schwefelsäure zu, bis durch eine kleine Probe der Flüssigkeit (Tropfen) eine sehr ver- dünnte Zuckerlösung, welche sich in einer über kochendem Wasser stehenden Porzellanschale befindet, an den Rändern eine deutlich grünlich schwarze Färbung annimmt. Diese deutet auf einen kleinen Ueberscbuss von freier Schwefel- säure, welcher die vollständige Zersetzung des weinsauren Kalkes anzeigt. „Zu der uöthigenfalls abfiltriten und eingekochten Lösung setzt man nun das doppelte Volumen Alkohol, um den gelösten schwefelsauren Kalk zu fallen, filtrirt nach einiger Zeit wieder und setzt zu dem Filtrat so lange Barytwasser, bis kein Niederschlag mehr erfolgt. Dieser wird abfiltrirt, Wasser und Alkohol durch Abdampfen ver- I jagt, sodass als Rückstand die reine Weinsäure verbleibt. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 29. Zum Nachweise der Weinsäure dienten folgende Reaetionen : 1. Kalkwasser erzeugte in einer conceutrirten Lösung des Rückstandes sofort, in einer verdünnten erst nach einiger Zeit einen weissen Niederschlag (weinsaures Calcium), der, mit Ammoniak und festem salpetersaurem Silber in einem Reagenzgläschen erliitzt, aus dem Silber- salz Silber ausschied, wodurch an den Wänden des Gläs- chens ein Silberspiegel entstand. — 2. Setzte ich zu der sehr concentrirteu Lösung eine Lösung von essigsaurem Kalium, so bildete sich sofort ein weisser Niederschlag (saures weinsaures Kalium). Wurde zu einer verdünnten Lösung eine Lösung von essigsaurem Kalium gesetzt und kräftig geschüttelt, so entstand durch Zusatz von einem gleichen Volumen absolutem Alkohol ebenfalls plötzlich ein weisser flockiger Niederschlag. Jeder Chemiker weiss, dass diese Reaction, so charakteristisch sie für Weinsteiu- säure auch ist, nicht immer gut gelingt. Nach meiner Beobachtung wird die Weinsäure sofort durch Alkohol- zusatz gefüllt, wenn man die mit essigsaurem Kalium versetzte verdünnte Lösung nicht nach, sondern vor dem Zusetzen des Alkohols kräftig schüttelt. — 3. Der durch Kalkwasser entstandene, ausgewaschene Nieder- schlag löste sich grösstentheils in kalter Kalilauge auf, wurde aber beim Kochen der Kahlauge wieder ausge- schieden." — Nach solchen üntersuchungsergebnissen war die An- nahme nun eine leichte, dass nämlich die Weinsäure in die ßrutwabenwände durch das Brutfutter oder den sog. „Futtersaft" hineingelange, welchen die Nährbienen in die Zellen an die Maden abgeben, um so mehr, als die saure Reaction der Substanz sich schon durch die ein- fache Geschmacksprobe ergiebt. Früher hatte man diese Säure immer ebenfalls nur als Ameisensäure angesprochen, während Reidenbach sie jetzt wiederholt aus frischem Brutfutter direkt gewinnen konnte. Zu dem Zwecke sammelte er z. B. im Sommer 1896 das Brutfutter aus wohl über 100 Königinzellen. Die Darstellung der Weinsäure aus dem Brutfutter ist nun viel leichter und einfacher wie aus den Waben, welche die Reindarstelluug wegen Färb- und anderer Stoffe er- schweren. Auch findet sich im Brutfutter die Säure in grösserer Menge. Man erhält aus der klaren filtrirten, durch Kochen des Brutfutters mit "Wasser zubereiteten Lösung bei Zusatz von Kalkwasser bis zur alkalischen Reaction, sofort einen starken, hellen, weissen Nieder- schlag von weinsaurem Kalk, den man sich absetzen lässt und einige Male auswäscht, um ihn alsdann zur weiteren Prüfung zu verwenden. Alle Prüfungen ergeben aus dem Niederschlag mit voller Sicherheit das Vorhanden- sein von Weinsäure. Die quantitative Bestimmung derselben im Brutfutter ergab einen Gehalt von 3,9%, gewiss also einen überraschend hohen Proeentsatz. Da der Futtersaft aber in den Speicheldrüsen der Bienen entsteht und letztere sich im Kopfe der Arbeiter befinden oder doch daselbst ihre Ausgänge haben, so muss jene Säure sich dort ebenfalls vorfinden. Und R. hat dieselbe denn auch thatsächlich wiederholt in wässrigen Auszügen von Bieneuköpfen nachgewiesen. Er kochte einmal 5800 von den letzteren, um zu erproben, ob auch im Destillat eine Säure vorhanden sei. In demselben fand er jedoch nur Spuren, wahrscheinlich von Essig- säure — „während der im Kochfläschchen gebliebene Rückstand stark sauer war und reichlich Weinsäure enthielt, von derem Vorkommen in den Speicheldrüsen der Bienen, überhaupt im Thierkörper, man bisher noch keine Ahnung hatte." — Bei der quantitativen Bestimmung der Weinsäure aus einem alten schwarzen 43 g schweren Wabenstück, das im September aus dem Brutlager eines Stockes aus- geschnitten worden war, wurden 0,15 g reine Säure in Form eines gelblich weissen Pulvers gewonnen, wonach also jene Wabe einen Gehalt von 0,35% besass. Reidenbach gebührt ausserdem das Verdienst, die eigentliche Quelle oder den Erzeugungsort der Ameisen- säure im Bienenstaat fe.stgestellt zu haben. Bekanntlich ist nach den Forschungen des Dr. Langei' der Gehalt des Bienengiftes an Ameisensäure nur gering. Jenes be- steht vielmehr vorherrschend aus einem bitteren Alkaloid. Dass aber die in der Ausdünstung des Bienennestes nach- gewiesene flüchtige Säure nicht direkt vom Bienenkörper erzeugt werde, bewies R. in folgender Weise: Ein angefeuchteter blauer Lackmuspapieistreifcn, der innerhalb einer Drahthülse ausgespannt war, wurde in den Klumpen eines Bienenschwarmes gesteckt, wo die blaue Farbe unverändert blieb. Wenn jener hingegen dieselbe Vorrichtung wiederholt an dem Flugloch eines stark brütenden Volkes während einer stillen thaufrischen Nacht anbrachte, so färbte sich, in dem aus dem Stocke herausgefächelten und ventilirten Luftstrom der Streifen stark roth. Als die Hauptquelle und den eigentlichen Entstehuugs- ort der flüchtigen Ameisensäure im „Bien" sind nach Reidenbaeh's Forschungen die Brutwaben anzusehen. In dem eigentlichen Brutfutter selbst konnte schon ein Dr. von Planta nicht die Spur jeuer Substanz nachweisen. All die mannigfaltigen und oft wiederholten Unter- suchungen Reidenbaeh's über das Vorkommen der Ameisen- säure in den Brutwaben wiederzugeben, ist nicht nöthig. Wiederholt übergoss er z. B. zerstückelte alte Brutwaben mit destillirtem Wasser und unterwarf die Mischung in einem entsprechenden Apparate der Destillation. Dann sammelte sich immer in der gut gekühlten Vorlage bald ein saures, stechend nach Ameisensäure riechendes Destillat. R. schreibt: „Eine grössere Probe des Destillates wurde mit Natronlauge beinahe neutralisirt und bis zur Trockene eingedampft, um die flüchtigen aromatischen Stoffe zu verjagen, die in erheblicher Menge in einem solchen Destillat enthalten sind. Der salzige Rückstand wurde nun mit Wasser aufgenommen und die Lösung filtrirt. Alsdann wurden dem klaren Filtrat, ^■on dem man annehmen konnte, dass er ameisensaures Natrium enthalte, zur Prüfung auf Ameisensäure einige Tropfen einer Silbernitratlösung zugesetzt. Dabei blieb das Filtrat zunächst vollständig klar. Als ich jedoch erwärmte, wurde es zuerst braun, alsdann tief schwarz und es entstand ein Niederschlag von reducirtem Silber. — — Es war also damit der volle Beweis geliefert, dass das Destillat erhebliche Mengen von Ameisensäure enthielt, die aus den Brutwaben stammte. — „Auch habe ich (bei späteren Destillationen) aus dem ameisensauren Natrium, das ich durch Neutralisiren des Destillates mit Natronlauge und Eindampfen ge- wonnen hatte, die Ameisensäure mit verdünnter Schwefel- säure wieder in Freiheit gesetzt und ans der schwefel- säurehaltigen Flüssigkeit zum zweiten Male abdestillirt, wodurch ich eine Lösung von reiner Ameisensäure bekam. Diese Lösung habe ich alsdann auf Ameisensäure mit den verschiedenen Reagentien: Eisenchlorid, Silbernitrat, salpetersaurem Quecksilberoxydul und Quecksilberchlorid geprüft, wobei sich in jedem Falle die Anwesenheit einer grösseren Menge Ameisensäure ergab." — „Dass das Destillat keine Essigsäure enthielt, ergab ebenfalls die Prüfung mit Silbernitrat, das schon in einer verdünnten Lösung eines essigsauren Alkalis einen weissen Niederschlag von essigsaurem Silber erzeugt, der sich jedoch hier nicht bildete." „Alsdann konnte ich feststellen, dass aus den Brut- XVI Nr. 29. Natui'wissenschaftliche Wochenschrift. 335 vvaben Ameisensäure nicht allein in der Siedehitze ent- weicht, sondern auch bei gewöhnlicher Temperatur, ja sogar bei grosser Kälte. Die betieflfenden Versuche sind sehr einfach uud überzeugend." R. benutzt zu diesen drei weisse Arzneigläser von je 250 ccni Inhalt mit weitem Halse, der durch einen grossen Korkpfropfen verschlossen werden konnte. Von drei ver- schiedenen Waben wurden je 20 g abgewogen, zerstückelt und in je ein Glas gefiilh. In Nummer 1 kam von einer ganz jungen Wabe, in der noch nicht gebrütet und auch kein Honig aufgespeichert war; Nummer 2 enthielt von einer einjährigen Brutwabe und Nummer 3 von einer Wabe, die fünf Jahre sich im Brutraum eines Stockes befunden hatte. Die Wabeustiickchen wurden mit einem Holz etwas zusammengedrückt, sodass ^/g des Inhaltes der Gläser leer blieb. In jedes Glas Hess darauf der Versuchsansteller sowohl einen Lackmuspapierstreifen, wie auch einen mit Silbernitratlösung getränkten Filtrirpapier- streifen frei und getrennt hinabhängen, indem jeder Streifen in einen mit dem Messer hergestellten Spalt des Pfropfens eingeklemmt wurde. Das Ergebniss war Folgendes: Die Lackmuspapier- streifen über den ältesten Brutwabenstücken röthetcn sich immer zuerst und zwar bald. Oft waren sie schon nach einer Stunde vollständig geröthet. lieber Nacht waren sie tief roth und der Filtrirpapierstreifen daneben in Folge Eeduction des Silbersalzes dunkelbraun. Dagegen blieben in Gläsern wie Nummer 1, mit noch unbebrüteten Waben- stückchen, beide Streifen dauernd unverändert, ein Zeichen, dass sich aus Waben, die nie mit Brut besetzt waren, keine Ameisensäure entwickelt. In Gläsern wie Nummer 2 tritt die Reaction ein ganz wie bei 3, nur etwas weniger schnell. Der Pfälzer Bienenforscber ist der Ansicht, die Ameisensäure der Bienenbrutwaben entwickele sich vor- zugsweise aus den Nymphenhäutehen, d. i. dem Cocon oder Gespinnst der Larve, das dicht an den Waehswänden haftend in der Zelle zurückbleibt. Er konnte nämlich mit Evidenz feststellen, dass jene Säure ebenfalls im Gewebe der Spinnen wie in den Waben der Hummeln enthalten ist. Man wird jedoch nicht fehlgehen mit der Annahme, sie entstehe überhaupt als Oxydationsprodukt bei den Ernährungs- und Wachsthumsvorgängen der Bienen- und anderer Insektenbrut. Wahrscheinlich entwickelt sie sich auch in Folge Oxydation der Weinsäure, welche sich bekanntlich durch Aufnahme von Sauerstoff in Kohlen- säure und Ameisensäure spaltet. Diese entströmt übrigens am reichlichsten solchen Bienenwaben, die kurz vorher dauernd zur Bruterziehung benutzt worden sind, wo also an den üeberbleibseln von letzteren Vorgängen die Zer- setzungsprocesse noch am intensivsten sich vollziehen. Das Entweichen von flüchtiger Säure kann daher lange Zeit andauern, sofern nicht in Folge von Feuchtigkeit und Schimmelbildung auf den Waben die Zersetzungs- vorgänge in andere Bahnen gelenkt werden. Darnach dürfte es auch kaum möglich sein, die Säure quantitativ zu bestimmen, welche ein Wabenstück überhaupt nach und nach zu liefern im Stande i.st. Reideubach hat freilich eine Art quantitativer Bestimmung geliefert. Er schreibt: „Zu dieser Bestimmung habe ich im September von einem ein Quadratdecimeter grossen und genau 41 g schweren dunklen, leeren Wabenstück von einer Arbeiter- brutwabe, die ich mitten aus dem Brutnest eines mehrere Jahre vollständig unberührt gebliebenen Stockes genommen hatte, mit 1.55 g destillirtem Wasser ein Destillat her- gestellt und das Wasser in einer Stunde beinahe voll- ständig abdestillirt. Das Destillat reagirte stark sauer. Von 20 pcm des Destillates wurde nun mehrmals mit Normalnatronlauge und Phenolphthalein als Indicator die Säure nach der bereist angegebenen Weise bestimmt und in jedem Falle für das ganze Destillat 0,03665 g Ameisen- säure berechnet, also aimähernd 36 mg Ameisensäure, welche in einer Stunde bei 100° C aus dem 1 qdm grossen 41 g schweren Brutwabenstück entwichen sind. Die Wabe entwickelte demnach in der Siedehitze in einer Stunde 0,088 7o Ameisensäure. Es ist leicht einzusehen, dass die in den Bratwaben sich entwickelnde Ameisensäure die sehr wichtige Be- stimmung hat, Fäulniss- und schädliche Zersetzungs- vorgänge aus den Zellen und besonders von der Brut fern zu halten. Die Säure ist ja als ein sehr energisch wirkendes Desinticiens allgemein bekannt. Die Arbeiten des Pfälzer Bienenkenners dürften es werth sein, durch wissenschaftlich gebildete Fachleute nach- geprüft zu werden, um so eher als sie geeignet scheinen, zu ähnlichen Forschungen auch bei anderen, den Honig- bienen verwandten Insektenfamilien anzuregen. Lieber die künstliche Darstellung der Mineralien im Lichte der modernen chemischen Theorieen. Von F. M. Jaeger. Doct. der Chemie an der Universität Leiden. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, dass bei der Bildung der Mineralien in der Natur dieselben Gesetze und Regeln maassgebend sind, welche sich im Laufe der Zeit bei den Untersuchungen über die Aende- rungen und Umsetzungen der leblosen Materie im Labora- torium herausgestellt haben, und dass die Unterschiede, welche die natürliche Bildung und die künstliche auf- weisen, nicht als qualitative, sondern nur als quanti- tative aufgefasst werden dürfen, — in Einklang mit dem ungeheuren Aufwand an Energie und Zeit, welche die Natur zu liefern im Stande ist, den nur ganz beschränkten Verhältnissen des menschlichen Experimentes gegenülter. Zweck des vorliegenden Aufsatzes ist, aus dem ganz enormen üntersuchungsmaterial über die künstliche Bildung der Mineralien, so wie es jetzt schon vorliegt, einige Pro- cesse herauszugreifen, welche als eklatante Beispiele dienen können für einige in den letzten Jahrzehnten stu- dirte physikalisch -chemische Erscheinungen, und zu zeigen, wie man die chemischen Methoden der Jetztzeit bei mineral-chemischen Thatsachen in Betracht ziehen kann. — Es tritt bekanntlich öfters der Fall ein, dass wir in der Natur eine und dieselbe chemische Verbindung in ganz verschiedenen Moditicationen antretfen, welche bald einigen, bald alDcr auch gar keinen Zusammenhang mit einander zu zeigen pflegen. Bekannte Beispiele für diese That- sache bieten u. A. viele Metallsulfide, wie Zinkblende und Wurtzit, Kupfer- und Silberglanz, einige Oxyde, z. B. die des Titans und Siliciums: Carbonate, wie die 336 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 29. des Calciums, Bariums, Zinks u. s. w. und auch einige Elemente. Diese Erscheinung ist auch im chemischen Labora- torium schon lange bekannt, und die Fälle solcher „Poly- morphie'' oder „Allotropie" sind ausserordentlich zahlreich, und in den letzten Decennien mehrfach der Untersuchung unterzogen worden. Dabei hat es sich herausgestellt, dass man in allen diesen Fällen eine gewisse Temperatur- grenze anzunehmen hat, oberhalb welcher die eine, — unterhalb welcher die andere Form, die stabilere ist, m. a. W., dass die theoretische Möglichkeit immer da sein soll, durch Temperaturänderung die eine Modilication in die andere i;iberzuftihren, wobei man enantiotrope oder monotrope Umwandlungen unterscheidet, je nachdem diese Aenderung nur in einem Sinne, oder auch hin und rückgängig gemacht werden kann. Mau soll sich dabei aber nicht irre führen lassen durch die Meinung, dass die Enantiotropie nur bei einigen, die Monotropie aber speciell nur bei anderen Substanzen vorkommen kann, und sie sich beide ausschliessen; denn die Lehre vom chemischen Gleichgewicht lässt es als durch- aus wahrscheinlich erscheinen, dass diese beiden Fälle durch Aendeiung des Druckes in einander überzuführen sind. So berechnete Bakhuys Roozeboom den Druck, welcher dazu nöthig ist, um den monoklinen Schwefel monotrop zu machen, zu ungefähr 400 Atmosphären, und diese Thatsache macht es auch erklärlich, warum die Natur uns die rhombische Modification des Schwefels, die doch bei gewöhnlichem Atmosphärendruck die labilere ist, in so wohl ausgebildeten Krystallen erscheinen lässt. — Wenn wir nun beobachten, dass das Siliciumdioxyd das eine Mal iu der Form des hexagonalen, trapezoedrisch- tetartoedrischen Quarzes, das andere Mal in der des rhom- l)ischen Tridymits vorkommt, liegt die Frage nahe: Ist auch für das Siliciumdioxyd eine solche Uebergangs- tcmperatur nachzuweisen? Es ist die Miueralsynthese, die die Antwort in be- jahendem Sinne gebracht hat. Margottet und Hautefeuille beobachteten, wie das Siliciumdioxyd, in Lithiumchlorid gelöst, zu dem etwas Lithiumhydroxyd zugesetzt war, sich in der Rothglühhitze als Quarz absetzte, in der Weissglühhitze aber als Tridymit. Dass wirklich der Quarz auch bei niedrigeren Temperaturen entstehen kann, geht aus einem Versuch Senarmont's hervor, welcher zeigte, wie das mit Kohlensäure gesättigte Wasser schon bei 350 <* C. die colloidale Kieselsäure in Quarz umzuwandeln im Stande ist, wenn nur der Druck hoch genug ist. Sehr lehrreich und beweisend für das Vor- handensein einer Uebergangsgrenze ist die Beobachtung llautcfcuille's, nach der sich aus einer Lösung von Siliciumdioxyd in Natriumphosphat bei hoher Temperatur Tridymit ausscheidet, die Tridymit-Bildung aber beim Erkalten aufhört und die Bildung von Quarz beginnt. Daher ist der Tridymit die stabilere Form des Silicium- dioxyds oberhalb der Grenztemperatur, der Quarz der stabilere Form unterhalb derselben. Selbstverständlich ist diese Uebergangstemperatur veränderlich mit der An- wesenheit fremder Hestandtheile im Magma und mit dem Druck, bei dem der Krystallisationsvorgang sich abspielt. Parmentier nahm wahr, dass aus dem geschmolzenen Na- triummolybdat, worin er Kieselsäure gelöst hatte, gleich- zeitig sich Tridymit und Quarz abschieden; m. a. W., man hat in diesem, durch die Anwesenheit des Silicium- dioxyds herabgesetzten Schmelzpunkte des Natriummolyb- dats die redncirte Temperaturgrenze der beiden Moditi- cationen zu erblicken. Schöner noch gestaltet sich die Erscheinung beim Titandioxyd, das in der Natur in drei Modificationen auf- tritt, nämlich als quadratischer Rutil und Anatas, und rhombisch als Brookit. Als Hautefeuille den Dampf des Titandichlorids mit Salzsäuregas oder Luft, und Wasserdampf bei Rothglüh- hitze zusammenbrachte, sah er, wie sich Brookit bildete. Auch wenn Salzsäuregas oder Wasserdämpfe auf amorphes Titandioxyd bei Gegenwart von Calciumfluorid oder Kaliumchlorid einwirkten, entstand Brookit; aber an jenen Stellen, wo die Temperatur niedriger war, bemerkte er die Ausscheidung von Anatas! Deshalb machte er den folgenden bemerkenswerthen Versuch: Er nahm ein langes Verticalrohr, welches an der Unterseite einen weiss- glühenden Platintiegel führte, welcher angefüllt war mit eiuem Gemische von Titandioxyd, Calciumfluorid und Kaliumchlorid. Oben trat Wasserdampf ein, unten Chlor- wasserstoffgas, dem etwas Fluorsilicium zugemischt war; die Temperatur im Rohre sank langsam herab, sodass sie im Gipfel nicht höher als 1040" C. war. Jetzt bildeten .sich die drei Varietäten gleichzeitig, und zwar unten im Rohre, bei der höchsten Temperatur der Rutil, in der Mitte der Brookit und am Gipfel der Anatas! In der Natur ist die meist vorkommende Form des Titandioxyds der Rutil, was wohl seine Erklärung in einer relativ hohen, mit der reducirten Umsetzungsteiuperatur des Rutils zusammenfallenden Bildungstemperatur finden dürfte; die seltenste Form aber ist der Brookit, eine That- sache, die durchaus verständHch ist, wenn man bedenkt, dass die Bildungsmöglichkeit des Brookits in einem durch zwei Uebergangstemperaturen abgegrenzten, verhältniss- mässig kleinen Temperaturintervall liegt, und daher die Wahrscheinlichkeit grösser ist, dass der Uebergang in die eine oder andere Richtung stattfinden wird. Eine wohlbekannte Thatsache ist übrigens noch, das der Anatas beim Glühen erst das specifische Gewicht des Brookits, nachher das des Rutils annimmt. — Ein nicht weniger wichtiges Beispiel ist das Calcium- carbonat, welches sich in ungeheuren Massen in der Natur vorfindet, als Calcit und Arragonit, von denen ersterer hexagonal-rhoniboödrisch, letzterer rhombisch ist. Schon am Anfang des 19. Jahrhunderts gelang es James Hall in Edinburg, dem wir glänzende Unter- suchungen über die Bildung der Basalte und der Eruptiv- magmen verdanken, das amorphe Calciumcarbonat bei starker Rothglühhitze und unter iiohem Drucke, in Calcit umzuwandeln. — Nach den Untersuchungen von Rose fällt eine Lösung des Calciumbicarbonats bei langsamer Ver- dampfung das Calciumcarbonat in der Form des Arragonits, wenn die Concentration der Lösung gross und die Verdampfungstemperatur relativ hoch ist, dagegen als Calcit, wenn die Coucentration nur schwach und die Temperatur niedrig ist, — eine Thatsache, die überaus wichtig sein muss für die Wirkungsweise der heissen Mineralquellen! Becquerel beobachtete, dass, weim er auf Gyps- kryställchen sehr langsam eine kalte Calciumhydroxyd- lösung uuter Zutritt der kohlensäurehaltigen Luft, oder auch wohl eine Calciumbicarbonatlösung einwirken Hess, sich eine Pseudomorphose von Calcit nach Gyps bildete, dass aber bei hohem Druck oder bei höherer Temperatur oder grösserer Concentration der Lösung sich Arragonit abschied. Merkwürdig ist die Beobachtung Rose's, nach welcher ein, mit Ammoniumcarbonat gefälltes Calciumsalz sich im Momente der Entstehung ganz in der Form des Arragonits ausscheidet, welche Form aber die labilere ist, so dass sich das Präcipitat nach einiger Zeit in Contact mit der Mutterlauge plötzlich in Calcit umwandelt! — XVI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 337 Schon bei Hantefeuille's Versuchen über die Bildung des krystallisirten Titandioxyds begegneten wir dem Fall, dasä sich ein Gas, wie hier z. ß. die Chlorwasserstoif- säure als ein krystallisationsbefördevndes Agens heraus- stellt, ohne dass es also eigentlich an der ganzen Reaction Theil zu nelinien scheint! Diese merkwürdige Thatsache ist von den französischen Mineralsynthetikern schon früh- zeitig beobachtet worden, und derartige Körper wurden mit dem Namen „agents mineralisateurs" belegt. Ich will hier nicht behaupten, dass die Wirkung solcher „agents mineralisateurs", in allen Fällen auf eine nämliche Ursache zurückzuführen sein würde; nur glaube ich sagen zu dürfen, dass man in den meisten Fällen wohl in diesen Processen einen Vorgang zu er- blicken hat, welcher in der modernen Chemie unter den reversibelen, chemischen Reactionen zu classificiren ist. Im Grunde ist vielleicht jede chemische Reaction reversibel, d. h. sie kann ihre Wirkungsrichtung unter gewissen Umstände auch umkehren, und wird sich wohl deshalb niemals ganz in einer Richtung abspielen; aber bevor sie beendet ist, wird sich ein chemisches Gleich- gewicht zwischen den ursprünglichen und den ueugebil- deten Compouenten einstellen, das sich schon bei äusserst geringen Schwankungen der Temperatur oder des Druckes nach der einen oder anderen Richtung verschieben wird. Als Beispiel für diese Thatsachen will ich hier die zwei Untersuchungen anführen von St. Claire-Deville und von Gay-Lussac, zur Aufklärung der Bildung des Eisen- glanzes in den Vulkanen; — Untersuchungen, welche ein- ander überaus glücklich ergänzen. Nachdem St. Claire-Deville gezeigt hatte, wie das amorphe Eisenoxyd in der Rothglühhitze von einem äusserst langsamen Strome Cblorwasserstoifgas in den schön kry- stallisirten Eisenglanz der Elba'schen Combination über- geführt wurde, wobei hier die Salzsäure die Rolle eines „agent mineralisateur" spielte, — bewies Gay-Lussac, dass in der RothglUhhitze der Wasserdampf das Eisen- trichlorid in Eisenglanz verwandelte, und gleichzeitig wies er nach, wie das Chlornatrium in Gegenwart von Silicaten und W'asserdampf in den Vulkanen das freie Chlorwasser- stoffgas zu liefern vermag! Die Reaction Gay-Lussac's ist eben die inverse Re- action St. Claire-Deville's und die Erklärung des „agent mineralisateur" entspricht zweifelsohne in diesem Falle der Gleichung: 6HCl + 2FeO ^ > 2FeCl, + 3H,>0. Dass wirklich diese Erklärung hier die richtige ist, glaube ich auch daraus schliessen zu dürfen, dass liier derselbe Fall vorliegt wie beim Titandioxyd, und es eine bekannte mineralogische Erscheinung ist, wie oft man auf den Eisenglanzkrystallen regelmässig orientirte Säulchen von Brookit antrifft, welche gleichzeitig mit dem Eisen- glanze durch den nämlichen Vorgang aus dem Titan- Eisen-Erz gebildet sein müssen! Schon St. Claire-Deville machte darauf aufmerksam, dass bei einer schnelleren Strömung des Salzsäuregases, seine Wirkung als „agent mineralisateur" aufhört, und sieh im Gegentheil Eisen- trichlorid und Wasserdampf bilden! Eine andere Art KrystaUisirung amorpher Substanzen besteht in der wechselnden Erhitzung und Abkühlung mit einer Flüssigkeit. So machte St. Claire-Deville viele Salze, wie z. B. Baryumsulfat, Silberchlorid, krystallinisch durch wiederholtes Aufkochen und schnell Wiederabktthlen mit Wasser, und Debray führte auf diese Weise präcipitirtes Eisenphosphat in die Form des Vivianits über. — Wie die Theorie der Lösungen das ihrige dazu ge- than hat, die mineralogischen Probleme der Auflösung näher zu bringen, ist in den letzten Jahren immer deut- licher geworden. Erfolgt doch jetzt, nach den Untersuchungen Bakhuys Roozeboom's über den Astrakanit, Van der Heyde's über den Schönit u. s. w., eine strenge Durchführung der er- haltenen Resultate zur Aufklärung des Baues der Stass- furter Salzlagerstätten durch Van't Hoff und seine Mit- arbeiter, und wird man wohl in der Lehre des chemischen Gleichgewichtes den Ariadne-Faden zu erblicken haben, der den Weg ausfindig machen wird in diesem Labyrinth, dessen Bau und Gesetzmässigkeit schon so lange ein offenes mineralogisches Problem war. Die thermodynamischen Untersuchungen der Jetztzeit und ihre Einführung in die Chemie haben aber ausser dem jetzt vorwiegend betrachteten Temperaturfactor auch da- neben den Einfluss des Druckes auf den Gleichgewichts- zustand deutlich gemacht, und es fragt sich deshalb, wie auch dieser bei mineralogischen Synthesen in Betracht kommen wird! In letzterer Zeit sind von OetHng Ver- suche angestellt worden, um den Einfluss des Druckes auf den Krystallisationsprocess zu studiren, — jedoch ohne erheblichen Erfolg. Er benutzte dabei eine mit Steinen gefüllte eiserne Kugel, in deren Mittelpunkte sich ein Tiegel mit dem geschmolzenen Magma befand, das sich da langsam abkühlen sollte. Der Druck wurde hergestellt durch Einführung von flüssiger Kohlensäure, wonach er den ganzen Apparat in heisses Wasser stellte. Als wichtigstes der sehr wenigen Resultate kann man die Thatsache bezeichnen, dass der Druck die Krystallisation keineswegs zu befördern, eher zu ver- hindern scheint. Die Bildung der Silicate bei hohem Wasserdampf- druck ist sehr wichtig für die Constitution und den Bau der zeolithischen Silicate, worin doch, nach den letzten physikalisch-chemischen Untersuchungen von Tammanu, das Wasser eine so sonderbare Rolle spielt, so dass es bei einigen dieser Körper sich als Hydrat-Wasser be- trachten lässt, bei anderen dagegen sein Einfluss allein mit der Phasenregel in Einklang gebracht werden kann, wenn man annimmt, dass das Wasser hier eine Art „feste Lösung" bildet, eine Thatsache, die in der Zukunft auch wohl krystallographisch von hoher Bedeutung sein wird für die Structur dieser Körper. Friede! und Sarasin Hessen die Elemente des Albits unter hohem Drucke des Wasserdampfes viele Tage auf 4000 C. verbleiben, und beobachteten also die Bildung des Analcims in der bekannten Icositetraederform; De Schulten bewies ebenfalls die Bildung dieses Körpers unter diesen Umständen und wies die Nothwendigkeit des hohen Wasserdampfdruckes hierbei nach. Friedel und Sarasin stellten ebenso aus basischem Kaliumsilicat und präcipitirtem Aluminiumsilicat den Adular als Carlsbader Zwilling und den Sanidin als Baveuo- Zwilling dar, — neben Quarz und Tridymit, sodass man hier auch wieder den Einfluss des Druckes auf die Uebergangstemperatur des Siliciumdioxyds sieht. Auch der „zeitliche" Verlauf der Reaction ist heut- zutage in das Gebiet der chemischen Forschung herein- gezogen worden, und hat sieh in der chemischen Kinetik als ein durchaus zu berücksichtigender Gesichtspunkt erwiesen. Dass auch die Laboratoriumsproducte durch längere Bildungszeit zu vervollkommnen sein würden und mit den natürlichen Producten concurrirend gemacht werden könnten, unterliegt wohl kaum einem Zweifel; ebenso wenig der Einfluss des zeitlichen Verlaufes der Processe auf mineralogische und petrographische Bildungsformen. Becquerel konnte das Bleisulfat in Anglesit ver- wandeln; — allein die Krystallisation dauerte sieben Jahre! Naturwässenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 29. Jetzt sind auch in den letzten Jahren die Versuche zur Bildung der Mineralien aus ihren Magmen wieder aufgenommen worden, und zwar ganz aas dem Gesichts- punkte der neueren chemischen Gleichgewichtstheorieen durch Morozewicz. Schon Fouque und Michel-Levy hatten bei ihren be- rühmten Synthesen Beobachtungen gemacht über That- sacheu, welche ihrer Art nach eigentlich in das Gebiet der Gleichgewichtserscheinungeu fallen. So bemerkten sie schon, dass die Ausscheidung der Mineralien aus den Magmen bedingt wird durch viele Factoreu, unter denen die „grössere oder geringere Stabilität bestimmter Molekel- Complexe" und die „Diiferenzen in der Schmelzbarkeit" wohl die vornehmsten sein dürften, und beobachteten sie u. A. die beiden, durch ein bestimmtes Intervall uuterbrochenen Aus- scheidungspei'ioden des Magnetits im Basaltniagma, und den äusser.st stabilen Bildungsvorgang des Augits. Auch rühren von diesen beiden Forschern die Versuche her, um Tschermak's Hypothese über den Zusammenhang der triklinen Feldspathe experimentell zu prüfen, welche aber nicht zu einem positiven Resultat führten. Lagorio hatte schon 1887 gezeigt, wie das Magma wirklich ganz als eine „Lösung" mehrerer Componenten aufzufassen sei, und wie das Auskrystallisiren der verschiedenen Mineralien thatsäcblich von statten geht, wie das sich Absetzen von Doppelsalzen aus einer Lösung von vielen Componenten; schon Lagorio macht darauf aufmerksam, dass hier ausser der chemischen Verwandtschaft, in erster Linie das chemische Massenwirkungsgesetz in Frage kommt, und dass die Reihenfolge der Krystallisation bedingt wird durch die Neigung zur Bildung übersättigter Lösungen. Morozewicz hat in seiner letzten Abhandlung diese Thatsachen durch eine Reihe schöner Versuche bestätigt und theilweise vervollkommnet. Auf die Einzelheiten dieser Untersuchung hier näher einzugehen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes überschreiten; die wesentlichsten Resultate derselben fasst er dahin zusammen, dass die Reihenfolge der Mineralausscheidungen nicht allein, wie Fouque und Levy meinen, abhängig ist von der grösseren oder ge- ringeren „Schmelzbarkeit" oder „Acidität" des Magmas, sondern dass sie das Resultat vieler Factoren ist; in erster Linie hängt sie „von den relativen Quantitäten der Componenten", und der „Neigung zur Bildung übersättigter Lösungen" ab. Ich habe im obigen Aufsatze eine kurze Skizzirung geben wollen von der Art, wie man die Ansichten der modernen chemischen Forschung verwenden kann zur Aufklärung mineralgenetischer Processe, und zeigen wollen, wie unentbehrlich das Studium der physikalisch-chemischen Erscheinungen und Denkweisen heut zu Tage für den Mineralogen und Petrographen geworden ist. — Die Entstehung der Arten behandelte bereits ein Buch von H. de Vries, über welches hier erst kürzlich referirt wurde. — In gleicher, sehr übersichtlicher Weise behandelt dasselbe Thema eine Arbeit von R. von Wett- stein: „Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse, be- treffend die Neubildung von Formen im Pflanzenreiche" in den Berichten der Deutschen Botanischen Gesellschaft, 18. Jahrgang (1900), Generalversannnlungsheft S. (184) — (200). Verf. hebt hervor, dass es einseitig wäre, zu be- haupten, immer derselbe Factor bewirke die Veränderung der Arten; es giebt eben nach Verf. verschiedene Wege, auf welchen die Umgestaltung der Form möglich ist. Naegeli unterschied sehr treffend Organisationsmerk- male und Anpassungsmerkmale. Die letztgenannten ent- springen dem räthseihaften Vermögen der Organismen, auf äussere Einflüsse, wie beispielsweise die durch den Standort bedingten, zweckmässig zu reagiren. Werden auf diese Weise hervorirebrachte Merkmale erblich und dadurch trotz Wechsel der äusseren Einflüsse constant, so sind aus den Anpassungsmerkmalen Organisationsmerk- niale geworden. So entstandene Organisationsraerkmale lassen den zweckmässigen Zusammenhang zwischen Bau und Leistung erkennen, andere dagegen ])leiben uns un- verständlich, so beispielsweise der Bau vieler Blütheu nach der Fünfzahl. Es ist schlechterdings nicht einzu- sehen, welchen Nutzen gerade dieses Zahlenverhältniss mit sich bringt, und doch hält die Pflanze zäh au ihrem Bau- plan fest. Die Veränderung der Organisationsmerkmale kann sprungweise erfolgen (durch Mutation oder Heterogcnesis). Beispiele dafür sind Robinia Pseudacacia f. monophylla, Sedum reflexum mit Fasciationen, Saxifraga Aizoon mit behaarten Blättern etc. Die letztgenannte Pflanze liefert zugleich ein Beispiel dafür, dass durch sprungweise Ab- änderung auch Zweckmässiges entstehen kann, denn die Behaarung der Blätter wirkt bei Saxifraga Aizoon günstig. Die Selection Darwin 's wird gänzlich verworfen. Dagegen räumt Wettstein der Bastardirung einige, wenn auch geringe Bedeutung bei der Entstehung neuer Arten ein, z. B. für Tulipa, Rubus, Mentha, Erophila, Sempervivum rhaeticum u. a. m. Die letztgenannte, im Schweizer Eugadin sehr verbreitete Pflanze stellte Verf. künstlich durch Bastardirung von Sempervivum alpinum mit S. arachuoideum her. Dabei stellte sich zugleich heraus, dass die Sempervivum-Bastarde erst ziemlich steril waren, bei längerer Kultur aber immer mehr an Frucht- barkeit gewannen. R. K. Neue Entdeckungen auf dem Gebiet der Sexualitäts- lehre im Pilaiizenreicli. — Die in den letzten Jahren gemachten Entdeckungen über die Vorgänge bei der ge- schlechtlichen Vermehrung im Pflanzenreiche sind so über- raschend interessant und eröffnen der dem Wesen der geschlechtlichen Fortpflanzung nachgehenden Forschung einen so weiten Horizont, dass ich den Versuch machen möchte, in kurzen Zügen und in mögliehst leicht ver- ständlicher Form darzulegen, welch bedeutende Fortschritte auch die Biologie der Pflanzen in dieser Zeit der „wunder- baren Entdeckungen" gemacht hat. Für eine grosse Gruppe von Pflanzen — die höheren Pilze — z. B. Hutpilze, Rostpilze etc. — ist bis in die neueste Zeit die Fähigkeit der geschlechtlichen Fort- pflanzung von den meisten Specialforschern rundweg ge- leugnet worden. Freilich sind im Gegensatz zu anderen Pflanzen, z. B. Algen, niederen Pilzen, Moosen etc. besondere der ge- schlechtlichen Fortpflanzung dienende Organe nicht zu entdecken. Trotzdem besteht höchstwahrscheinlich auch bei diesen Organismen ein dem Sexualact anderer Pflanzen analoger Process, wenn auch in äusserst einfacher, aber trotzdem nicht weniger wirksamer Form. In einem ge- wissen Stadium ihrer Entwickeluug, meist vor oder nach einer längeren Ruheperiode — eine bemerkenswerthe Analogie zu verwandten Erscheinungen höherer Pflanzen — kommt nämlich bei diesen Gewächsen eine Verschmelzung XVI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 339 zweier, allerdings einer und derselben Zelle angehörigen Zellkerne zu Stande (die Zellen sehr vieler Pilze sind i zwei- bis vielkernig). Allgemein betrachtet man ja den | Vorgang der Verschmelzung zweier Zellkerne als wesent- liches Kriterium für einen geschlechtlichen Vorgang, vor- ausgesetzt dass der so entstandene Copulationskern den Ausgang für ein mehr oder weniger selbstständiges pflanz- liches Individuum bildet. Dies trifft aber in der That bei den hier in Rede stehenden Pilzen zu. Der durch Verschmelzung der zwei Kerne entstandene Copulations- kern beginnt nach kurzer Zeit sich lebhaft zu theilen, die Tochterkerne umgeben sich mit Zellhaut und ent- wickeln sich zu neuen selbststäudigeu Individuen. Die Gegner der Sexualitätslehre werfen nun ein: „Die Kernverschmelzung hat nur dann den Werth eines ge- schlechtHchen Aktes, wenn die beiden Kerne sehr ver- schiedenen Ursprungs, d. h. nicht oder nur sehr entfernt mit einander verwandt sind", was freilich auf den ersten Blick nicht zu- zutreffen scheint, wenn man sieh erinnert, dass beide Kerne der gleichen Zelle an- gehören. Da hat sich aber die Natur wunderbar zu helfen gewusst, diesem ohne Zweifel in der organischen Welt weitverbreiteten Princip der fernen Verwandtschaft gerecht zu werden, ohne von der für jene Pflanzen einmal zweckmässigsten Organisation der einfachen, beide Gameten (Kerne) von An- fang an umschliessenden Zelle abzugehen. Dies trifft z. B. bei jenen alibekannten, auf zahlreichen höheren Gewächsen Krank- heiten verursachenden Pilzen, den soge- nannten Rostpilzen, und verschiedenen anderen höheren Pilzen zu*). Diese Pflanzen enthalten bald nach ihrer Entstehung aus der Spore je 2 Kerne in jeder Zelle. Das Wachsthum eines Rostpilzfadens findet nun in der Weise statt, dass an der Spitze sich sueeesive neue Zellen bilden, deren jede wieder 2 Kerne enthält. Diese Kerne entstehen aber nicht durch fortschreitende Theilung eines Kernes in 2 Tochterkerne, sondern dadurch, dass die 2 Kerne einer Zelle sich gleichzeitig theilen, so dass, wenn die beiden Kerne der ersten Zelle Brüder sind (d. h. aus einem Kern durch einfache Theilung hervor- gegangen), diejenigen der zweiten Zelle als Vettern zu be- zeichnen wären; diejenigen der dritten Zelle besitzen nur noch gemeinsamen Urgrossvater u. s. w. Die Zahl der Zell- theilungen aber welche stattfindet, letzteren durch Entleerung des unbeweglichen Inhalts des Polleuschlauches erfolgt. Die Sehranke zwischen jenen zwei grossen Gruppen des Pflanzenreiches musste fallen, nachdem zwei Japaner (Hirase und Ikeno) 1897 die interessante Entdeckung ge- macht hatten, dass bei Gingko biloba und Cycas re- voluta (zwei Cycadeen) die Befruchtung durch zwei im Pollenschlauch entstehende Spermatozoiden ausgeführt wird, welche frei beweglich — wie die Spermatozoiden der Thiere und höheren Sporenpflauzen — sich mit dem Eikern des weiblichen Geschlechtsapparates vereinigen. Das überraschendste, was in der letzten Zeit auf dem Gebiet der Fortpflanzungsphysiologie der Gewächse geleistet wurde, ist jedenfalls die Entdeckung der „doppel- ten Befruchtung" welche mit wenigen Ausnahmen für alle bedecktsamigen Pflanzen (Angiospermen) zutrifft. Figuren-Erklärung: ^ = Schematische Zeichnung einer Samenanlage. — 5 = Embryosack von HeUanthua annuus (der der Micropyle zugewendete Theil). Nach Nawaschin. — fun = Funiculus (Samenstrang, mit Hülfe dessen die Samenanlage im Innern des Fruchtknotens befestigt ist). — Ol und ii = äusseres und inneres Integument. - nuc = Nucellus. — enitß = Embryosack. — rw = Eizelle. — sj/n = Synergiden. — ant = Antipoden. — pk = Polkerne (in B schon ver- schmolzen). — ps Pollenschlauctj, welcher durch die Micropyle eintritt. — S, = Spermatozoid, welches mit der Eizelle kopulirt. — Sj = Spermatozoid, welches mit dem Polkern kopulirt. bildung schreitet, ist ausserordentlich gross, und so kommt es, dass schliesslich in der Spore 2 Kerne nebeneinander liegen, welche durch ungezählte Generationen von ein- ander getrennt sind und kaum mehr als verwandt be- zeichnet werden können. Es leuchtet wohl ein, dass zwei in ihrer Abstammung einander so fern stehende Kerne durch ihre Verschmelzung sehr wohl ein Geschlechtsprodukt liefern können, welches denjenigen anderer Pflanzen mit unzweifelhaft geschlecht- licher Fortpflanzung an Entwickelungsfähigkeit und ver- jüngter Lebenskraft nicht nachsteht. Bis vor einigen Jahren hat man die Moose und Faru- pflanzen einerseits und die Phanerogamen andererseits derart charakterisirt, dass bei ersteren die Befruchtung der Eizelle durch frei bewegliche Spermatozoiden, bei *) Sappin-Trouffy, La psendofeeondation chez les Urtidinees et los phenomenes qui s'y rattachcnt. (Le Botaniste, IIP, 1893— 1S94.) Um auf diesen Gegenstand einzugehen, ist es unum- gänglich nothwendig, etwas weiter auszugreifen. Durchschneidet man ein Weizeukorn, dessen Spitze an den am einen Ende befindlichen kurzen Haaren — bis der Pilz zur Sporen- | den Resten der Narbe — zu erkennen ist, der Länge nach in der Weise, dass das Messer an der auf einer Seite des Kornes befindlichen Furche ansetzt, so erkennt man schon mit blossem Auge, besser mit einer Lupe, dass im unteren Ende der sehr kleine, der Wand anpepresste Embryo (Keim) liegt, während der weitaus grösste Theil des Kornes von einer mehligen oder glasigen Masse erfüllt ist, welch' letztere dem beim Keimen heranwachsenden Embryo so lange zur Nahrung dient, als derselbe nicht durch Wurzeln und Assimilationsorgane sich selbständig zu ernähren vermag. Man nennt deshalb jene mehlig-glasige Masse „das Nährgewebe oder Endosperm". Sie ist es, wegen deren der Mensch die Getreidefrüchte baut, indem er die von der Natur für die keimende Pflanze bestimmten Reserve- nährstoffe sich nutzbar macht. Es giebt Samen, bei welchen der Keim dem Endo- sperm nicht (wie beim Weizen) seitlich anliegt, sondern von letzterem mehr oder weniger vollkommen um- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 29. schlössen wird, wie z. B. bei den bekannten geflügelten Schliessfriichten der Esche, welche einen einzigen Samen enthalten, in dessen hornig- lederartiges Endosperm der Keim in der oberen Hälfte eingebettet erscheint. Fragen wir uns nun, wie kommt der Keim, wie das Endosperm zu Staude? Beide bilden zusannnen den von einer Haut umgebenen Samen, dieser aber entwickelt sich nach erfolgter Be- fruchtung — einem später zu erläuternden Vorgang — aus der Samenanlage. Durchschneidet man z. B. den Fruchtknoten eines Schneeglöckchens, oder einer Lilie, oder einer anderen Pflanze, deren Blüthen sich eben erst geöffnet haben, so findet man in den Fächern desselben zahlreiche winzig kleine Körnchen, welche je nach der untersuchten Art in verschiedener Weise an einer der Nähte des Fruchtknoten oder eventuell auch an einer Mittelsäule (z. B. bei Primeln) befestigt sind. Diese kleinen weissen Körnchen sind Samenanlagen. Ein Längsschnitt durch ein solches Gebilde, im Mikro- skop betrachtet, zeigt, dass dasselbe aus folgenden Theilen besteht: Einem länglichen Körper (Nucellus), umgeben von einer oder zwei Hüllen (Integumenten), welche an der Spitze nicht ganz zusammenschliessen, sondern eine kleine Oettnung frei lassen — die Micropyle, durch welche der Pollenschlauch gewöhnlich eindringt; im Innern des Nucellus befindet sich ein sackartiger Körper — der Embryosack — welcher die Bestandtheile des weib- lichen Geschlechtsapparates enthält, nämlich im oberen Theil drei Zellen, deren eine die Eizelle darstellt, aus welcher der Embr}0 hervorgeht, während die beiden anderen, deren Bedeutung noch nicht vollkommen auf- geklärt ist — die sogenannten Synergiden — nach er- folgter Befruchtung verschwinden, ferner im unteren Theil gleichfalls drei Zellen — Antipoden genannt — über deren Funktion die Ansichten auch getheilt sind, und endlich in der Mitte des Embryosackes zwei Kerne, welche als Polkerne bezeichnet werden. Man hat nun früher ge- glaubt, die Befruchtung der Eizelle erfolge im Wesent- bchen in der Weise, dass der Pollenschlauch, welcher aus dem auf die Narbe des Fruchtknotens gefallenen Pollen entsteht und durch den Griffel und die Micropyle bis in den Embryosack wächst, einen Theil seines plasmatischen Inhalts in die Eizelle ergiesst und letztere hierdurch zu lebhafter Theilung und schliesslich zur Bildung des Em- bryos angeregt werde. (Der Vorgang der Embryoent- wickelung ist ziemlich complicirt und möge als für unsere Zwecke unwesentlich hier übergangen werden.) Nun aber haben in den letzten Jahren unabhängig von einander zwei Forscher, Nawaschin in Russland und Guignard in Frankreich beobachtet, dass bei der Entleerung des Pollenschlauches in den Embryosack zwei spermatozoidartige Gebilde auftreten, deren eines mit der Eizelle verschmilzt und dadurch diese befruchtet, während das andere sich dem einen Polkern anlegt und schliess- lich mit diesem und dem zweiten Polkern in eine homo- gene Kernmasse zusammcnfliesst (Liliaceen) [bei anderen Pflanzen, z. B. Ranuculaceen, vereinigen sich zuerst die l'olkcrne untereinander und dann mit dem zweiten Sperma- tozoidj. Aus der befruchteten Eizelle geht der Embryo hervor, der durch Cüi)ulation der Polkerne mit dem zweiten Spermatozoid entstandene Kern aber bildet den Ausgangs- punkt für die Bildung des Endospcrms. So lag demnach die Auffassung nahe, dass bei dieser doppelten Befruchtung gewissermaassen zwei neue Individuen entstehen, deren eines — das aus der Eizelle hervorgegangene — sich zu einer selbstständigeu Pflanze entwickeln kann. während das andere sehr bald seine Selbst- ständigkeit aufgiebt und sich ganz in den Dienst des ersten stellt, indem es diesem in der ersten Zeit seines nach der Samenruhe eintretenden Wachsthums die zum Aufbau des Körpers nöthi- gen Stoffe liefert. Bestätigt wurde diese Auffassung — dass die Bildung des Endosperms auf einen echten Befruchtungsprocess zurückzuführen sei — durch eine Beobachtung Nawa- schin's an Orchideensamen. Diese entbehren normaler Weise alles Endosperms, und in der That konnte Nawa- schin nachweisen, dass hier die beiden Polkerne weder unter sich noch mit dem zweiten Spermatozoid ver- schmelzen, eine doppelte Befruchtung hier also nicht statt- findet. Eine weitere Stütze erhält die Nawaschin 'sehe Lehre von der „Doppelbefruchtung" durch die inter- essanten Versuche von de Vries und Correns, nach welchen bei verschiedenen Maisrassen durch Bestäubung mit Pollen einer fremden Rasse nicht nur ein „Bastard- embryo", sondern auch ein „Bastardendosperm" zur Aus- bildung kommt; die Bastardeigenschaft des letzteren findet ihren Ausdruck besonders in der Farbenmischung, wenn als Componenten Maisrassen von verschieden gefärbtem Endosperm verwendet werden. In auffallendem Gegensatz zu dieser „geschlecht- lichen" Erzeugung des Endosperms bei den Angiospermen steht die Bildung des Nährgewebes bei den Gymno- spermen, Selaginellaceen, Marsilia. Hier findet nämlich die Bildung des Endosperms ungeschlechtlich, und zwar in bemerkenswerthem Gegensatz zu den höheren Pflanzen, ziemlich lange vor der Befruchtung der Ei- zelle statt. So sind durch die neuen Forschungen auf dem Ge- biet der Fortpflanzungsphysiologie unsere Anschauungen ganz andere geworden, die Klult, welche Gefäss-Krypto- gamen und Phanerogamen früher trennte, ist ausgefüllt; hingegen hat sich mehr und mehr gezeigt, dass die Gymnospermen (Nadelholzpflanzen) viel eher den ersteren als den letzteren zuzuzählen sind, wenn man überhaupt diese veraltete Eintheilung des Pflanzenreiches noch bei- behalten will. F. W. Neger. Die Eiitwickelung dos Gehirns im Laufe der Zeiten. Besonders auf Grund von Untersuchungen des neulich verstorbenen amerikanischen Naturforschers 0. C. Marsh ist es nachgewiesen, — so schreibt H. H. in „Frem", Nordiske Forlag Kjöbenhavn, — dass das Gehirn der Thiere im Laufe der Zeiten an Grösse sehr zuge- nommen hat. Diese Vergleiche werden am leichtesten vorgenommen, indem man sich Gyps- oder Wachsabgüsse des Inneren der Hirnschale verschafft, die sich selbst von ausgestorbenen Thierarten herstellen lassen, wenn nur die Hirnschale wohl erhalten ist. Mit Hilfe dieser Methode konnte man bei vielen Thierfamilien, namentlich unter Kriechthieren, Vögeln und Säugethicren constatiren, dass die ältesten, das soll heissen, die am ersten aufgetretenen Mitglieder einer Familie, wie z. B. bei Pferden, ein viel kleineres Gehirn hatten als die jüngeren Nachkommen. So hatte das längst ausgestorbene Titauotherium des Nas- horngeschlechtes nur ein fünftel der Gehirnmasse, welche das Nashorn der Gegenwart besitzt. Auch beim Menschen scheint das Gehirn nachweisbar gewachsen zu sein seit seinem ersten Auftreten auf der Erde. In der Jubiläumsschrift der biologischen (Gesellschaft zu Paris hat Professor C Ray-Lankester näher die Be- deutung und Erklärung dieser Verhältnisse behandelt. I Zuerst sucht er zu erklären, was die grössere Gehirn- XYI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 341 masse eigentlich bedeutet für das Leben des Thieres und sein Verhältniss zur umgebenden Welt. Könnten wir ein Titanotherium lebendig an die Seite eines Nashorns unserer Tage stellen, würden wir höchst wahrscheinlich keinen weiteren Unterschied in ihrem Benehmen gewahr werden, der auf eine geringere geistige Fähigkeit des ersteren schliessen Hesse, ebenso wenig wie wir z. B. in dem Be- nehmen einer Maus oder einer Eidechse eine offenbare geistige Ueberlegenheit der ersteren bemerken. Ein Ver- gleich zwischen der Entwickelung der Fähigkeiten beim Mensclien und beim Affen oder anderen Thieren leitet uns indessen auf den Weg zur Beantwortung der Frage. Ein Mensch kommt auf die Welt mit einer geringeren Ausrüstung an ererbten Instinkten als jedes Thier; es kann sogar eine recht bedeutende Geduld kosten, ein Kind das Trinken bei der Mutter zu lehren; und die einfachsten und noth- wendigsten Bewegungen muss es lernen. Dagegen kann ein selbst künstlich ausgebrütetes Kücken schon am dritten Tag, nachdem es das li^i verlassen hat, sogar mit ver- bundenen Augen direct auf eine gluckende Henne los- gehen, obwohl es nie zuvor weder eine Henne gesehen noch gehört hat. Als Ersatz hierfür hat der Mensch aber in weit höherem Grade als jedes Thier die Fähigkeit, die verschiedensten Fertigkeiten durch üebung und durch Festhalten persönlicher Erfahrungen auszubilden, kurz: die Fähigkeit, erzogen zu werden. Dieser Unterschied steht offenbar in genauem Zu- sammenhang mit dem Bau des Gehirns. Das Gehirn ist die grosse Centralstation des Nervensystems; in ihm endigen die Sinnesnerven, die äussere Eindrücke zum Be- wusstsein führen; von ihm gehen die motorischen Nerven aus, welche Befehle für die Bewegungen der Muskeln aus- senden. Wir können das Gehirn vergleichen mit einer Telegraphen- oder Telephonstation mit einer ungeheuren Menge von Drähten. Die Telegramme, die durcii einen Draht einlaufen, sollen durch einen anderen weiter be- fördert werden, oder sollen vielleicht nach mehreren Stellen auf einmal hinbefördert werden. Wenn nun bestimmte Gruppen besonders häufig mit einander in Verbin- dung gesetzt werden sollen, ist es erklärlich, dass man sie so ordnet, dass diese Verbindungen mit der mindest möglichen Last für das Personal zu Stande kommen; ja, man kann sogar einige Drähte auf die Dauer so ver- binden, dass ein Telegramm durch einen derselben sofort weiter geht zu einem anderen, ohne dass das Personal etwas dazu beizutragen braucht. Wenn man zum Beispiel schreiben lernt, muss man Anfangs bei jedem Buch- staben sich überlegen, welche Bewegungen die Hand aus- führen muss, und ol"t sendet man Nerventelegranime nach verkehrten Muskeln; aber nach und nach wird eine so leichte und praktische Verbindung zwischen den ver- schiedenen motorischen Nerven, die während des Schreibens in Betracht kommen, hergestellt, dass es fast von selbst geht. Bei Thieren mit ausgeprägten Instinkten findet sich schon bei der Geburt eine genaue Verbindung zwischen gewissen Nervengruppen. Bei einer kurz zuvor aus- gebrüteten Ente erregt der Anblick des Wassers gewisse Nervenströme in den einzelnen Drähten des Gesichts- nerven, und ihr Gehirn ist nun so eingerichtet, dass die Ströme sofort weiter gehen nach den Nerven, die die Beinmuskel in Bewegung setzen, die Beine bewegen sieh auf eine bestimmte Weise und führen die Ente zum Wasser hin. Man kann im Grossen und Ganzen wohl behaupten, dass die Thiere, deren Fertigkeiten sich besonders auf Uebung und persönliche Erfahrung gründen, ein mehr entwickeltes Gehirn besitzen, als die, deren Fertigkeiten zum grössten Theile ererbt, oder, wie man sagt, dem Instinkte zuzuschreiben sind. Die Insekten, bei denen die Instinkte in so wunderbarem Grade entwickelt sind, aber bei denen das Vermögen, neue Fertigkeiten zu ent- wickeln, erzogen zu werden, überhaupt schwer nachzu- weisen ist, haben ein so wenig ceutralisirtes Nervensystem, dass man kaum von einem Gehirn im eigentlichen Sinne des Wortes sprechen kann, wenn auch die Nerven und Nervenknoten um den Schlund herum zum Theil die Rolle eines Gehirns spielen. Innerhalb einer bestimmten Familie ist es nun wohl möglich, dass die Grösse des Gehirns im Verhältniss steht zur Entwickelung derselben, und Ray- Lankester hat daher die Anschauung, dass die Ver- grösserung des Gehirns, die bei so vielen Fami- lien im Laufe ihrer Entwickelung nachweisbar ist, bedeutet, dass die Instinkte zum Theil er- setzt sind durch eine grössere Fähigkeit, er- zogen zu werden. Ein kleiner Klumpen Gehirnmasse genügt, um reichliche und höchst wirksame Instinkt- mechanismen von Geschlecht zu Geschlecht zu überliefern, aber, damit das einzelne Individuum die Fähigkeit haben soll, neue Gehirnmechanismen auszubilden auf Grund per- sönlicher Erfahrungen, muss es eine viel grössere Gehirn- masse besitzen. Jetzt steht aber noch die zweite Frage für die Be- antwortung offen : Kann man sich erklären, wie es kommt, dass die Entwickelung bei so vielen Familien, besonders bei Säugethieren, in der besprochenen Richtung verlaufen ist? Ist es mit anderen Worten möglich, dass der Kampf ums Dasein und die aus dieser sich ergebende natürliche Auswahl bewirkt, dass die Fähigkeit, auf eigene Faust zu handeln, sich auf Kosten der Instinkte entwickelt? Dass wohlentwickelte Instinkte auf Grund der Sicherheit und Unmittelbarkeit, mit der sie wirken, ausgezeiehnete Mittel im Kampfe ums Dasein sein können, steht ja ausser allem Zweifel, und wenn die äusseren Bedingungen, unter denen eine Thierart lebt, durch lange Zeiten hindurch sich un- verändert erhalten, kann man sich wohl denken, dass sich die Instinkte entwickeln und befestigen, und dass Fertig- keiten, die ursprünglich durch Uebung erworben wurden, nach und nach ganz instinktmässig ausgeübt werden, so dass das Thier sich zu einem immer tüchtigeren Automaten ausbildet. Aber wo die Bedingungen anders werden, z. B. bei Aenderung des Klimas, bei Einwanderung neuer Arten u. s. w. ist es offenbar von grosser Bedeutung für ein Thier, dass sein -Benehmen nicht ausschliesslich bestimmt wird durch Instinkte, ererbt von Vorfahren, sondern dass es sicli selbst Fertigkeiten aneignet, die besser zu den neuen Verhältnissen j)assen. Man kann wohl verstehen, dass die Individuen, die in höherem Grade diese Fähig- keit besitzen, also nach Ray-Lankesters Annahme die- jenigen, welche das grösste Gehirn besitzen, am tüchtigsten sind im Kampfe ums Dasein und die meiste Aussicht haben, ihre Art fortzupflanzen. Die Vergrösserung der Gehirnmasse und damit der selbstständigen Gehirnthätig- keit ist natürlich nicht der einzige Weg:, den die Ent- wickelung einschlagen kann. Wenn z. B. in einer Gegend die Nahrung für die Thiere knapp würde, die von den Blättern der Bäume leben, könnte die Natur einer Thierart zu Hilfe kommen, entweder dadurch, dass sie ihr einen langen Hals (wie bei der Giraffe) gäbe, so dass sie auch die hochsitzenden grünen Zweige erreichen könnte, oder dadurch, dass sie ihr einen starken Rüssel schenkte, so dass sie in den Stand gesetzt würde, die Bäume auszureissen oder abzubrechen; oder sie könnte das Gehirn der Thierart entwickeln, so dass sie den Ein- fall bekäme, den Erdboden zu verlassen und lernte, sich ihre Nahrung durch Klettern zu erwerben, oder, wenn ihr Körperbau das Klettern nicht zuliesse, auf anderem Wege. Die drei Methoden könnten vielleicht in dem vorliegenden Falle gleich wirksam sein, aber während der lange Hals 342 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 29. nur in diesem bestimmten Falle helfen könnte, würde das grosse Gehirn unter den mannigfachsten Verhältnissen von Nutzen sein. Wir verstehen nun, wie es unter den grossen Veränderungen, die auf der Erde vor sich gegangen sind, ein gemeinsamer Zug bei der Entwickelung so vieler ver- schiedener Thierklassen, die sonst nichts mit einander zu thun haben, ist, dass das Gehirn grösser geworden ist. Ueber die Athmung ruhender Samen hat R. Kolk- witz Versuche angestellt, die er in den Berichten der Dtsch. Botan.-Gesellsch. (Bd. XIX, Heft 4, 1901) rait- theilt, und die zum Theil überraschende Resultate ergeben haben. K. bestätigte zunächst die Richtigkeit der Beob- achtung, dass die Kohlensäureausscheidung ruhender Gerstenkörner — er verwandte für seine Versuche Körner von Hordeum distichum — wesentlich beeinflusst wird durch den Feuchtigkeitsgehalt. Die Körner, wie sie in den Getreidespeichern lagern, besitzen einen Feuchtigkeits- gehalt von ca. 15" 0, der beim Liegen an der trocknen Zimmerluft allmählich auf etwa W/o sinkt. In diesem Zustande ist die Athmung sehr schwach: in 24 Stunden werden pro Kilogramm nur '/s l'is l'/g mg COo ausge- schieden. Sobald indessen der Wassergehalt der Körner über 157o gesteigert wird, steigt auch die Athmungs- Intensität schnell an, wobei durch Temperaturerhöhung noch eine erhebliche Verstärkung erzielt werden kann. Beispielsweise beträgt die Kohlensäureabgabe pro Kilo- gramm bei 330/0 Feuchtigkeitsgehalt schon ca. 2000 mg in 24 Stunden, und sie erreicht etwa die zehnfache Hohe, wenn zugleich mit der Steigerung der Temperatur der Sauerstoffgehalt der Athemluft erhöht wird. Auch durch das Zerkleinern der Körner durch Zerraahlen steigt die Athmung. Hierbei muss unentschieden bleiben, ob diese Steigerung auf Wundreiz oder erleichtertes Eindringen von Sauerstoff zurückzuführen ist; vielleicht kommen beide Factoren in Betracht. Interessant sind die Angaben, die K. betreffs der Lebenszähigkeit des ruhenden Plasmas macht. Es wurde schon erwähnt, dass durch Zermahlen der Körner zu einem groben Mehl ihre Lebensthätigkeit nicht beeinträchtigt wird, im Gegentheil die Athmnngsintensität noch zunimmt. Das Mehl verträgt sogar ein stundenlanges Erhitzen auf 100", ohne seine Athmungsfähigkeit zu verlieren, wie sich beim Wiederbefeuchten zeigt. Es erinnert dieses Ver- halten an die bekannte Erscheinung, dass die unver- seiirten Gerstenkörner dieselbe Behandlung vertragen und trotzdem keimfähig bleiben. Auch Uebergiessen mit ab- .solutem Alkohol und längeres (1 bis 2 Tage langes) darin Stehenlassen bleibt ohne wesentliche Wirkung auf die Athmung. Verf. hebt noch kurz hervor, dass durch diese Be- funde künftig möglicherweise über das Protoplasma der Samen ähnliche Erörterungen Platz greifen werden, wie sie die Studien Ed. Buchncr's über das Hefezymase- ferment angeregt haben. Se. Interessante Versuche über das Wachsthum höherer Pflanzen in sauerstofiffreiem Räume thcilt A. Nabokich in den Berichten der Dtsch. Botan. Gesellsch. (Bd. XIX, Heft 4, 1901) mit. N. geht von Versuchen aus, die bis- her über diesen Gegenstand angestellt wurden, und be- merkt, dass es unrichtig sei, zu behaupten, das Aufhören des Wachsthums sei durch Sauerstoffmangel bedingt. Nach seiner Ansieht ist der Grund dafür vielmehr darin zu suchen, dass die Pflanzen bei ihrem Verweilen im Wasser- stoffstrom — ein solcher wird ja meist zur Entfernung des Sauerstoffs verwandt — im Laufe des ganzen Ver- suches sich nicht in dem Zustande des Turgors erhalten Hessen, welcher bei der ersten Messung beobachtet wurde; auch ignorirte man in fast allen Versuchen die Ernährung der Objecte mit organischen Stoffen, z. B. mit Zucker. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Pflanzen ohne Zweifel durch den raschen Wechsel der normalen mit der sauerstofffreien Atmosphäre litten. Um alle diese Störungen zu vermeiden, verfuhr N. so, dass er kleine Destillirkolben, an deren Hals ein Seitenrohr angeschmolzen war, mit einer Rohrzuckerlösung beschickte. Hier hinein wurden etiolirte Keimlinge von Zea Mays, Helianthus, Alliuni Cepa u. dergi. gebracht, deren Länge zuvor genau mit Zirkel und Lineal fest- gestellt wurde. Sodann wurde der Hals des Kolbens zu- geschmolzen und dieser durch das seitliche Ansatzrohr cvacuirt. Nachdem dann durch Erhitzen in kochendem Wasser bei fortwährendem Weiterarbeiten der Luftpumpe die letzten Spuren etwa noch vorhandenen Sauerstoffs beseitigt waren, wurde auch das Seitenrohr zugeschmolzen. (In ähnlicher Weise hat Pasteur seine classischen Ver- suche mit sauerstofffreien Kulturen von Hefe und anderen Mikroorganismen ausgeführt.) Bei allen Untersuchungsobjecten fand sich nun nach mehrtägigem Verweilen im Kolben ein deutlich messbarer Zuwachs; die Zwiebeln hatten an der sorgfältig ange- schnittenen Basis eine grosse Anzahl von Würzelchen ge- bildet. Es geht also aus den Versuchen hervor, dass die Wachsthumsprocesse bei den meisten Pflanzen im sauer- stofffreien Raum nicht aufhören. Wie es scheint, hängt die Grösse des Zuwachses vom Alter der Versuehspflanzen ab; sehr junge Keimlinge wachsen weniger als grössere, welche wiederum nur bis zu einem gewissen Maasse sich gut entwickeln. Chlorophyllbildung tritt im sauerstofffreien Räume nicht ein, wenn die Pflanzen auch dem Lichte ausgesetzt werden. Sc. Neues über die Deviation der Kompasse theilt die „Revista Maritima" mit (nach der Technischen Rund- schau in Berlin). — Der italienische Dampfer ,,D. Bernar- dino", ein kleines Schiff von 170 ; Wasserverdrängung und 12 Knoten Geschwindigkeit, bemerkte bei einer seiner gewöhnlichen Fahrten auf den italienischen Seen, dass bei gerader Kurshaltung auf einen nicht entfernten und gut sichtbaren üferpunkt der Kompass plötzlich vom Kurse abfiel, als man die Fahrt verlangsamte. Voll- kommenes Anhalten des Fahrzeuges machte diesen Kompass- ausschlag noch grösser. Darauf fuhr man unter strenger Richtung wieder an, und sofort ging die Nadel zurück, um bei erreichter Erstgeschwindigkeit wieder bei ihrer früheren Lage anzulangen. Diese Erscheinung beobachtete man in ganz gleicher Weise beim Anlaufen des Schiffes aus seiner Ruhestellung, und zwar waren die Resultate die gleichen, oh man nun auf ein festes Landziel, oder aber irgend einen Stern als Fixpunkt lossteuerte. Die Schwankungen, welche die Magnetnadel aus diesem Grunde erlitt, lagen zwischen 20 5' NW. und 3" NO., also im Ganzen von fünf Längen- graden. Ueber die Gründe dieser eigcnthümliehen Merk- male stellt die „Revista Maritima" die Vermuthung auf, dass dieselbe wohl in der Erzeugung elektrischer Neben- ströme zu suchen ist, welche durch" di^ heftige Reibung des Wassers an der eisernen Schiffswandungund ferner durch die Maschinenbewegung mit den Stössen, Torsionen, Erzitteruiigcn u. s. w. erzeugt werden. XVI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 343 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der vortragende Ratli, Geh. Ober-Keg.- Kath Naumann zum Verwaltungs-Direktor des UniversitätsKliui- kums zu Berlin; Pfannensc limi dt, Repetitor au der chirur- gischen Klinik der thierärztlichen Hochschule zum komm. Kreis- thierarzt in Oletzko; ausserordentlicher Professor R. Rieder-Bonn zum Generalinspektor sämmtlicher türkischer Medizinschulen; ordentlicher Professor M. Nö ther-Erlangen zum korrespondiren- (len Mitglied des Reale Ist. Lombardo di scienze e lett. in Mailand; Apotheker F. Weiss zum Verwalter der akademischen Krankenhaus- Apotheke in Heidelberg; ausserordentlicher Professor W. His jun. aus Leipzig als Nachfolger Fiedlers zum Oberarzt des Dresdener neuen städtischen Krankenhauses; Privatdocent W. V. LingelsheimMarburg zum Leiter der bakteriologischen Staatsanstalt Beuthen; O. Walk hoff, II. Lehrer am zahnärzt- lichen Institut in München und Leiter der Abtheilung für conserv. Zahnheilkunde zum I. Lehrer; approbirter Zahnarzt F. J. Med er zum II. Lehrer und Leiter der zahntochnischen Abtheilung; A. Kirchnor-Oberhausen zum I. Assistenten und J. Beck- Weissen- born zum II. Assistenten an der chirurgischen Klinik München; Tit. ausserordentlicher Professor Privatdocent K. Bülow zum ausserordentlichen Professor mit dem Lehrauftrag für organische Chemie in Tübingen; der Kgl. Bozirksgeologe Dr. Zeise zum Landesgeologen und der Kgl. Hilfsgeologe Dr. Krause zum Be- zirksgelogen an der Kgl. geologischen Landesanstalt zu Berlin; W. Hammer zum Assistenten der geologischen Reichsanstalt zu Wien; ausserordentlicher Professor L. v. Tetmajer (Baumechan.) aus Zürich zum ordentlichen Professor an der technischen Hoch- schule Wien; H. Winkler zum I. Assistenten am botanischen Garten in Breslau; an der Bergakademie zu Freiburg Professor H. Un deutsch zum Oberborgrath und Prof. F. Kolbeck (Probirk.) zum Nachfolger Weisbach's; Privatdocent A. Waag in Karlsruhe zum ausserordentlichen Professor; Privatdocent K. Vanhöffen in Kiel zum TitularProfessor; ausseTordentlicher Professor Klecki in Krakau zum ordentlichen Professor; Assistent A. Franke zum II. Adjunkten am II. chemischen Laboratorium. Charakterisirungen : Ordentlicher Professor L Thomas in Freiburg wurde zum Hofrath ernannt; Prof. 0. v. Grovo- München (techn. Hochschule) zum Dr.-Ingenieur ehrenhalber. Es habilitirten sich: Titular-Professor A. Nicolaier, früher in Göttingen, für innere Medizin in Berlin; J. Friedenthal für Physiologie; Schröder für Zahnheilkunde in Greifswald; R. Borr- mann an der medizinischen Fakultät zu Marburg; Gymnasial- Professor H.Stadler für Geschichte der beschreibenden Natur- wissenschaft in München; F. v. Sölder für Psychiatrie und Neu- rologie, E. Kittl für Paläontologie und praktische Geologie in Wien; E. Bauer für physikalische und unorganische Chemie in Marburg. Es starben: Privatdocent H. Bauer in Giessen; Direktor a. D. W. V. Frickcr in Stuttgart; R. Müller, Bibliothekar a. D., in Graz. L i 1 1 e r a t u r. L. Duparc et L. Mrazec, Carte geologique du Massif du Mont- Blanc. (Genf, Coinptoir mineralogique et geologif|UO Suisse.) Die Verfasser dieser Karte haben sich vom Jahre 1890 au beinahe ein Jahrzehnt lang der geologisch-mineralogischen Er- forschung der Mont-Blanc-Gruppe gewidmet. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen sind in zahlreichen kleineren Abhandlungen, die meist in den ,.Archives" der naturforschenden Gesellschaft von Genf veröffentlicht sind, mitgetheilt worden Ein umfangreiches Werk „Recherches geologiques et petrographiques sur le Massif du Mont-Blanc", im Jahre 1898 in den „Memoires" derselben Ge- sellschaft erschienen, fasst alle diese einzelnen Ergebnisse zu- sammen. Noch aber fehlte es an einer modernen, auf Grund der Untersuchungen der ^'erf. aufgenommenen Karte in gros.som Maass- stabe, die es gestattet, die zahllosen, mühsamen Einzelbeob- achtungen schnell zu übersehen, sieh eine klare Vorstellung von dem Bau des ganzen Gebirges zu machen und eventuell auf Wanderungen die interessantesten Punkte aufzusuchen. Welche enormen Schwierigkeiten sich einem solchen Unternehmen im Hochgebirge entgegenstellen, das kann nur der verstehen, der aus eigener Erfahrung weiss, welche kolossalen Anforderungen geo- logische Aufnahmen in solchen Höhen auch an den Körper des Forschers stellen. Er darf sich nicht damit begnügen, die be- kanntesten Gipfel auf den relativ bequemen Wegrouten zu be- steigen, sondern muss gerade die unzugänglichsten Felspai-tieeu aufsuchen und in dem Augenblick, wo der Tourist sich ermüdet ausruht, unter Aufbietung aller körperlichen und geistigen Kräfte an die Lösung seiner Aufgabe herantreten. Und alle diese Schwierigkeiten vergrössern sich noch in der Mont-Blanc-Gruppe durch die riesigen Höhendifferenzen! Nur unter diesem Gesichts- punkte kann man verstehen, welchen Dank man den Verfassern einer solchen Karte schuldet. Die Mont-Blanc -Karte ist im Maassstabe 1:50000 ent- worfen. Als topographische Grundlage diente die Karte von Albert Barbey. Sie umfasst das Gebirge von Martigny im Nord- osten bis zum Cül du Bonhomme im Südwesten, von der Arve im Nordwesten bis Courraayeur im Südosten. Mit besonderen Farben, bezw. Signaturen sind dargestellt die granitischen Ge- steine, die an Aplitadern reichen granitischen Gesteine, die „granulitischen", d. h. nach der Auffassung der Verf. von dem Granit aus mit granitischem Material durchtränkten Glimmer- schiefer, die Amphibolite, die Quarzporphyre, die Quarzite und grünen Schiefer der Trias, die Dolomite, Rauchwacken und Gypse der Trias, die Sandsteine und Conglomerate des Rhät (Infralias), die sogenannten ^schistes lusttes'' der Ostseite des Massivs, die wahrscheinlich gleichfalls zum Rhät zu stellen sind, — dann die Kalkfacies des Lias, seine Schiefer-Facies, Dogger, Malm und Quartär. Die Verfasser haben sich übrigens bei ihren Aufnahmen auch der Theil-Aufnahmen von Pearce, Michel-Levy und Ritter bedient. Ihr Hauptaugenmerk haben sie im Gegensatz zu den meisten früheren Aufnahmen gerade auf die krystallinischen Ge- steine geworfen und besonders deren Contactverhältnisse an zahl- reichen Stellen genau untersucht und festgelegt. Wer sich übrigens der Karte bedienen will, wird nicht umhin können, auch die in dem oben angeführten zusammenfassenden Werke mitgetheilten Profile mitzubenutzen und im Text über die Auffassung der Verfasser nachzulesen. Wilhelm Salomon. Cantor, Mor., Vorlesungen über Geschichte der Mathematik III. Bd. 2. Abtlg. Abschn. XVII. Leipzig. — 6 Mark. Flacher, Prof. Dr. Otto, Chemische Studien der Alkaloide der Stoppi>nraute. Leipzig. — 0,80 Mark. Koenigsberger, Prof. Leo, Die Prineipien der Mechanik. Leipzig. — 9 Mark. Korn, Priv.-Doz. Dr. Arth., Eine mechanische Theorie der Rei- bung in koiitinuirliclien Massensystemen. Berlin. — 7 Mark. liehmann, Hofr. Prof. Dr. O., Physik und Politik. Karlsruhe. — 1,20 Mark. Lenk, Prof. Dr. Hans, Die glacialen und postglacialen Bildungen des rririitlml.^. Leipzig. — 1,60 Mark. Mach, Prof. Dr. Ernst, Die Mechanik in ihrer Entwickeluug historisch -kritisol] dargestellt. Leipzig. 4. Aufl. — 9 Mark. Maurer, Dr. Hans, Meteorologische Beobachtungen in Deutsch- (lst-.\frika. 1. Thl. Hamburg. — 10 Mark. Opitz, Hans R. G, Studie über die Rudioschen Flächen. Berlin. — 1 Mark. Paal, Prof. Dr. Karl, Zur Kenntnis der Albuminpeptone. Leipzig. — 1 Mark. Papst, Frdr. Bob., Zur Kenntnis der Derivate des 2-Jod-ü-Nitro- li-Xylols mit mehrwertigem Jod. Freiburg i. B. — 1 Mark. r.einke, Prosekt. Dr. Frdr., Grundzüge der allgemeinen Anatomie. Wiesbad. '11. - 7,00 Mark. Buge, Marine Oberstabsarzt 1. Kl. Dr. Beinh., Einführung in das Studium der Malariakrankheiten mit besonderer Berück- sichtigung der Technik. Jena. — .5 Mark. Rupp. Php. M. D.. Zur Kenntnis der aromatischen Aldehyde. FreibLirg. i. Br. - 1 Mark. Schafheitlin, Dr. Paul, Einige Sätze der elementaren Raumlehre. Berlin. — 1 Mark. Schilling, Alb. Carl, Graphische Darstellungen zur Psychologie. Leipzig. — 1,20 Mark. Schultz, Priv.-Doc. Assist. Dr. Paul, Compendium der Physio- logie des Menschen. 2. Aufl. Berlin. — 6,80 Mark. Seeliger, Prof. Osw., Thierlebon der Tiefsee. Leipzig. — 2 Mark. Servus, Dr. Herrn., Die Störungen der Atmosphäre und des Erd- innern durch Sonne und Mond. Neue Grundlagen der Meteoro- logie. ■-'. Thl. Berlin. — 1 Mark. Study, Prof. E, Geometrie der Dynamen. 1. Lfg. Leipzig. — 7,60 Mark. TJexküll-Gyllenband, M. v., Phylogenie der Blütenformen und der Geschlechtsverteilung bei den Compositen. Stuttgart. — 18 Mark. Wiedemann, Prof. Dr. Eilhard, lieber Lumineszenz. Leipzig. — 1 .Mark. ■ halt: N. Ludwig. Das Vorkommen von Säuren bei den Honigbienen. ~ F. M. Jaeger: Ueber die kün.stliche D^irstellung der Mineralien im Lichte der modernen chemischen Theorieen. — Die Entstehung der Arten. — Neue Entdeckungen auf dem Gebiet der Se.xualitätslehre im Pflanzenreich. — Die Entwickelung des Gehirns im Laufe der Zeiten. — Athmung ruhender Samen. — Wachsthum höherer Pflanzen in sauerstofffreiem Räume. — Neues über die Deviation der Kompasse. — Aus dem t«issen- schaftlichen Leben. — Litteratur: L. Duparc et L. Mrazec, Carte geologique du Massif du Mont-Blanc. — Liste. 344 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XYI. Nr. 29. Ferd. Dttmmlers Verlagsbh. Berlin. Kalisalzlager Otto l^ang-. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. immmnnmimm Ferd. jflmmlers Verlagsbh. Berlin. Soeben erschien: Yeröffeutllchungen des Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zw Berlin. l^r. 15. Illustrierter Geschenkkatalog i (JeuälierleOpDositioiis-Eplieineriiieii Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. PATENTBUREAU airich R. JVlaerz Jnh:C.Schmidtlein.Jn9enieur von 59 kleinen Planeten für 1901 Juli bis December. Unter Mitwirkung mehrerer Astronomen, insbeson- dere der Herren A. Berber ich und P. V. Neugebauer herausgegeben von J. Bauschinger, üirector des Königl. Rechei-.-Instituts. 22 Seiten kl. 4". Preis 1 Mark 20 Pf. In Ferd. Dümmlers Yerlagrsbnchhandliing: iu Berlin (SW. 12 erschien: Veröffeiitliclmiigen .les Königlichen Astronomischen Rechen -Instituts zu Berlin. Xr. 14, Formeln und Hülfstafeln zur Reduktion von 31(Hinii ?rtiätf(fl. flte. 4 5aft. Idlllbtrl im «0 Otrlalltt, btt cot »uritm con (tinet IRelft um bit Srbc ... ./. ..i„w... ;_ m-.„,„„ ,i,„r (tianntnben (StjfiSluna I im neuen bcutfdjen ©ebict ba- nracljeiib Icnnen neltrnl bat. ein HC« Sapittl btä Budlti (liebt eint nutbcnlifdlt ffotfltnuna Ulltctflanfl be* Olli«. ;u ircld)cr bad Welrfje « lltarineaml rctt «illVtr jut ÜJctfUnuna fltnit. S)tn |l.itlliif)cn ».inb llijliiUdtn aauftrrttioncn, ju bencli audj JJtnu ©aronin bon ^eyfinfl, bie 'lin un(ert-liule;Diohl,()l.erl,..hr( lerli-lirer, Kaiser Friedricl Professor Dr. Brittni'r.Klin.ü Klingeroberrealschulr ; 1 »om'iili, Gymnasium; .Müller. Dr. l'i ..tVs<<.r. K:iisur Frie.lriclis-OMniia.sium ; Rausenbergi'r, Dr., l'inl'.'s^oi', i;r:ilL;\ iun:i-iiiiii-M iistci scljulc: F.irh- horn, Dr.. ( Mn-,1. .!,,.,■ , U.:,\;^ ,„„:,< WiiliLTsrliulr : D.-I.nn.^r, Dr., Oberiellivr. i.l :lri,| ..-rhr \l.:,\rr„u\.-- l.rv\. Dr, n\,rv\rhvr,; israelitische Real^chuU-; Fmk, Dr., (ilHiK-lii..r, isr.i, litiselie Keal schule. Die Leiter des Cursus hatten die Erlaubniss zum Resuch der Vorlesungen noch Herrn Privatdocent Dr. Seliauni aus Marburg, zwei . Privatgelehrteu und 28 Studenten und Praktikanten des chemischen Laboratoriums des Physikalischen Vereins ertheilt. Zur Eröffnung des Cursus, die am 1. Üetober Mor- gens 9 Uhr erfolgte, war Herr Oberpräsident Graf Zed- litz-Trützschler Excellenz als Vertreter der Staatsregierung anwesend. Von Seiten der Städtischen Behörden er- schienen der Herr Oberbürgermeister, der Vorsitzende des Städtischen Curatorinms, Herr Stadtrath Grimm, Herr Stadtrath Schradei-, Herr Stadtrath Meyer, der Stadt- schulrath Herr Dr. Lungen, Directoren von hiesigen hö- heren Schulen, die Vorsitzenden, sowie die Docenten der anderen naturwissenschaftlichen Vereine. Der Vor- sitzende des Physikalischen Vereins, Herr Commerzien- rath Dr. Gans, begrüsste die Anwesenden und hob her- vor, wie der Verein aus kleinen Anfängen zu einer hervor ragenden Pflegestätte der exacten Naturwissenschaften sich entwickelt habe, so dass das vor noch nicht zwei Decennien erbaute Vereinshaus für die erweiterte Aul'- gabe des Vereins viel zu eng geworden und ein grosser Neubau, dessen Pläne ausgelegt waren, ins Auge gefasst werden musste. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Herren, die aus allen Theilen des Vaterlandes iiier- her gekommen seien, in diesem Cursus neue Anregung und Frische zu ihrem schweren Beruf finden möchten. Der Herr Oberpräsident betonte in seiner Ansprache, dass sein Erscheinen beweisen solle, in welch' hohem Maasse die Staatsregierung an der Fortbildung des hö- heren Lehrerstandes Interesse nehme. Er drückte dem Physikalischen Verein die besondere Anerkennung dafür aus, was er in dieser Richtung bisher geschaffen habe. Nach Eröffnung des Cursus durch den Herrn Ober- l)räsidenten begrüsste der Leiter des Cursus, Herr Di- rector Dr. Bode, die auswärtigen Herren, vor Allem die jenigen, die zum zweiten, resp. dritten Male au dem Ferieneursus theilnahmen. Er gab einen kurzen Ueberbliek über das Programm und hob hervor, dass auch in diesem Jahre wieder eine Concentration des Stoffes stattgefunden habe, da dieselbe bei den früheren Cursen durchaus den Beifall der Amtsgenossen gefunden hatte. Die im Lehrplan angekündigten Vorlesungen wur(k'n gehalten mit Ausnahme des Vortrags: Chemische und phy- sikalische Beschaffenheit der Laven — Oberflächenstructur der Ströme — die Steiuheimer Anamesitdecken, da Herr Oberlehrer Dr. Sc häuf schwer erkrankte. Aus gleichem Grunde musste auch die von ihm zu leitende geologische Excursion nach Klein -Steinheim und Dittersheim aus- fallen. Die elektrotechnischen Uebungen fanden von 10 bis 1 Uhr an sieben Tagen statt. Da zu denselben nur 20 Herren zugelassen werden konnten, waren für die anderen Theilnehmer Besichtigungen vorgesehen: Die Beschäftigung dieser Herren während der Uebungstage war folgende: XVI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 347 1. Besuch des Museums der Senckenbergischen natur- forsclienden Gesellschaft unter Führung des ersten Di- rcctors, Herrn Oberlehrers Blum. 2. Besichtigung des Palmengartens. 3. Besichtigung des Zoologischen Gartens unter Füh- rung des Directors desselben, Herrn Dr. Seitz. 4. Besichtigung der Sammlungen des Goethe-Gymna- siums und der Adlerflychtschule. Den Besuchern des Senckenbergischen Museums wurden im Namen der Gesellschaft ein Führer durch das Museum sowie einige in den Berichten erschienene inter- essante Abhandlungen überreicht. Wie in den früheren Cursen, so stand auch dieses Jahr wieder das meteorologische Zimmer des Vereins den Besuchern als Privatarbeits- und Leseraum zur Verfügung. Eine Ausstellung von wissenschaftlichen Werken und Lehrbüchern war hier veranstaltet. Dieselbe umfasste ausser der vollständigen Sammlung Ostwald'seher Klas- siker in 113 Bänden noch 207 neuere und klassische Werke aus allen Zweigen der Physik, Chemie und Elektro techuik. Herr Ingenieur Professor Hartmann hatte zu seinem Vortrag „üeber die den elektrischen Strommessern zu Grunde liegenden Konstruktionsprincipien" aus seiner Privatsammlung, aus dem wissenschaftlichen Laboratorium der Firma Hartmann & Braun und aus dem Apparat des Physikalischen Vereins eine Fülle von Instrumenten ausgestellt, die in solcher Reichhaltigkeit nirgends zu finden sein dürfte. Ein von der Firma Hartmann und Braun für den Feriencursus hergestellter Carton mit Eisenkern von verringerter magnetischer Remanenz für elektromagnetische Instrumente, sowie eine Zweiwegfeder mit Umkehrpunkt wird den Zuhörern ein bleibendes An- denken und ein werthvolles Anschauungsobjeet in den physikalischen Sammlungen sein. Die elektrotechnische Fabrik von 0hl und Diete- rich in Hanau, ferner die mechanische Werkstatt von Fentzloff in Sachsenhausen hatten eine Reihe von Schulapparaten, di? sich im Unterricht nach Aussage der Docenten bewährt hatten, ausgestellt. Für die ganze Dauer des Cursus war den Theilnehmern desselben der Besuch des Zoologischen Gartens, des Goethehauses und des Museums der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft kostenlos gestattet; die Intendanz der Schau- spiele und des Opernhauses hatte für alle Plätze halbe Preise bewilligt; ebenso war der Eintritt in den Palmcn- garten auf die Hälfte ermässigt. Die Gesellschaftsräume des Bürgervereins standen den Theilnehmern zu jeder Zeit offen. Ein kleiner Saal war den Herren Abends besonders reservirt. Hier ver- sammelte sich ein grosser Theil der Herren nach den Vorlesungen zu gemüthlichem Zusammensein mit den Do- centen und Assistenten. Unklar gebliebene Punkte der Vorlesungen und des Prakticums wurden besprochen und mannigfache Erfahrungen des Unterrichts gegenseitig aus- getauscht. In Anschluss an die Besichtigung des Rödelheimer Kohlensäurewerks wurde ein Ausflug in den Taunus nach Cronberg unternommen. Sonntag, der 7. October, ver- einigte die meisten Theilnehmer bei einem Ausfluge nach lugenheim und Auerbach an der Bergstrasse. Endlich war den Theilnehmern des Cursus für den 11. October eine Einladung zu der durch Sc. Majestät vollzogenen Grundsteinlegung des Saalburg-Museums von dem Comite gütigst zugegangen. Den aus allen Theilen unseres Vaterlands einberufenen Collegen wird dieser Tag, an dem sie auf den waldgekrönten Höhen des schönen Taunusgebirges den markigen Worten unseres erlauchten Kaisers lauschen konnten, ein unvergesslicher sein. Nach dem Festact wurde unter Führung des Herrn Directors Blümlein aus Homburg die Saalburg be- sichtigt. Die chemische Gesellschaft zu Frankfurt a. M. hatte die Herren zu einem Vortrag des Herrn Dr. Hoepfner „üeber elekrolytische directe Metallgewinnung aus Erzen" eingeladen. Am Freitag, den 11. October, versammelte ein Abendessen im Hotel Drexel sämratliche Theilnehmer, Docenten und Assistenten. Auch Herr Stadtrath Grimm, der Vorsitzende des Curatoriums der höheren Schulen Frankfurts, bewies durch seine Anwesenheit in wie hohem Maasse er und die städtische Schulverwaltung an dem Werke der Lehrerfortbildung Interesse hat. Am Morgen des 12. October wurde der Cursus durch Herrn Director Bode geschlossen. Nur ein Mi.sston störte den Cursus. Herr Oberlehrer K ersten aus Luckau hatte nach einer sehr arbeitsreichen Woche den Sonntag zu einem Besuche in Heidelberg be- nutzt. Am Montag war er nicht an seinem Platze. Als die Kunde von dem Heidelberger Eisenbahnunglück uns erreichte, zeigte ein Blick in die Zeitung, dass der arme College durch einen Oberschenkelbruch schwer verletzt sei. Inzwischen ist er aus dem akademischen Kranken- haus in Heidelberg entlassen und sieht seiner baldigen vollen Genesung entgegen. Die folgenden Referate über die Vorlesungen und Exkursionen mögen einen UeberbUck über den wissen- schaftlichen Inhalt des Cursus geben. (Fortsetzung folgt.) Die Rohrweihe (Circus aeruginosus). Beobachtiinuen von A. L. W. Muiuiiche. Deuts L. Olufs Da der Aufenthaltsort, die Brutstätten u. s. w. der Rohrvveihe ziemlich unzugänglich und so die Beobachtungen dieses Vogels sehr erschwert sind, ist es ohne allen Zweifel nur den wenigsten Ornithologen geglückt, eine eingehende Bekanntschaft mit ihm zu machen. Ich will dabei- im Folgenden die übrigens ziemlich genauen Beobachtungen niitthcilen, die ich im Laufe einer längeren Reihe von Jahren über diesen eigenthümlichen Raubvogel gemacht habe. Sowohl als Jäger wie auch als ornithologischer Forscher habe ich mehrere Jahre hindurch reiche Ge- legenheit gehabt, meine Aufmerksamkeit auf die Rohr- weihe zu lenken und ihre von der der anderen Raubvögel etwas abweichende Lebensweise zu studiren, indem ich auf Gundsömagle-See — ca. IV2 Meilen von Roeskilde auf Seeland — nicht wenige brütende Paare getroffen habe, die den Aufenthaltsort hier recht zu bevorzugen scheinen, da sie am genannten See die günstigsten Be- dingungen für eine sichere und bequeme Existenz finden. Die Rohrweihe ist etwas kleiner als der gewöhnliche Mäusebussard; der Körper ist schlanker als bei diesem, die Flügel und der Schwanz sind länger. Au der Farbe 348 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 30. kann man leicht aus ziemlich grosser Entfernung die zwei Geschlechter unterscheiden, wie man auch, und vielleicht noch leichter, den jungen Vogel vom alten unterscheiden kann. Das alte Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch seine mehr gleiehmässig ge- färbte, röthlichdunkeibraune Federbedeckung-, der Mittel- fuss des flugfertigen jungen Vogels ist hell bis citronengelb; beim alten Thier mehr dunkel bis grüngelb. Scheitel und Vorderhals sind bei der jungen Rohrweihe durchaus gleich- massig gelb gefärbt; vielleicht kann man sagen „mit weiss- lichem Anflug". Bei der Betrachtung der Füsse sieht man sofort, dass diese wohl dazu eingerichtet sind, Beute auf dem Wasser zu ergreifen; der Mittelfuss ist lang — circa 3V2 Zoll — nackt und ziemlich dünn; die Zehen sind ebenfalls lang und schwach und die Krallen ver- hältnissmässig wenig gekrümmt. — Die Rohrweihe ist ein Zugvogel, der zu uns Ende März und Anfang April kommt und uns wieder am Ausgang des Oktobers oder Anfang November verlässt. Sein Lieblingsaufenthaltsort sind Binnenseen, deren Ufer mit hohem Schilf, Binsen und anderen Wasserpflanzen bewachsen sind, deren Umgebung niedrig und sumpfig ist und am liebsten mit Erlengebüsch, Weidengesträuch und anderem Buschwerk bewachsen ist. Doch hält sie sich auch, wenn auch nicht auf die Dauer, in grösseren Mooren, Föhrden und Teichen auf; da sie aber sehr scheu und vorsichtig ist, duldet sie nicht gerne viel Menschenverkehr auf ihren Jagdrevieren, und man findet sie deshalb selten oder nie an verkehrsreichen oder leicht zugänglichen Stellen brütend. Ich habe z. B. nur zu ganz vereinzelten Malen auf der Föhrde von Randers eine Rohrweihe gesehen, obwohl die Lokalität hier au verschiedenen Stellen für sie recht einladend zu sein scheint. Die Dampfschiiifsfahrten und der Verkehr von kleineren Fahrzeugen bewirkt, dass der Vogel zu oft weggescheucht und aus dem Kurs vertrieben wird, den er bei dem merkwürdig planmässigen Absuchen seines Jagdterraiiis nimmt. Im Anfang oder Mitte Mai sieht man die Rohrweihe ihr Nest bauen, eine Arbeit, welche das Weibchen allein besorgt. Das Nest wird entweder in einem Dickicht von Schilf in sehr niedrigem Wasser an der Wurzel eines Strauches oder an einem kleinen Baume am Rande des Röhrichts angelegt. Am liebsten wird es an einem Weiden- busch, der von allen Seiten von Schilf umgeben ist, an- gebracht, vielleicht weil die Jungen dort, wenn sie grösser werden, sich auf die wagerecht auslaufenden Zweige setzen können. Das Material, welches sie beim Nestbau verwendet, besteht aus steifem, vorjährigem Schilf, langen Zweigen und trockenem Gras, welches letztere die un- mittelbare Unterlage für die Eier bildet. Die Nestver- tiefung selbst ist nur verhältnissraässig klein, sie ist aber umgeben von einer grossen Menge verschlungener Wasser- pflanzen, worauf die Nahrung für die Jungen gelegt wird und auf die sich die Alten setzen, wenn sie sich ausruhen. Der Nestbau dauert gewöhnlich mehrere Tage, und da- durch, dass man darauf achtet, wo die Rohrweihe sich niederlässt, wenn sie die Krallen voll von genanntem Nestmaterial hat, kann man das Nest finden, das sonst sehr sciiwer zu entdecken ist, eben weil es im dichtesten Gebüsch an Stellen angebracht ist, die mehr oder weniger unzugänglich sind. Doch darf man sich nicht gleich zu (lern eventuellen Neste hinbegeben, sondern muss die Zeit all warten, bis man annimmt, dass der Vogel angefangen hat, Eier zu legen, da er leicht das leere Nest im Stiche lässt. Die Rohrweihe legt in das Nest 4 Eier, die so gross sind, wie ein kleines Hühnerei; die Form ist wie bei den meisten Raubvögeln kugelrund, die Schale sehr dick und rauh, oder gekörnt auf der Oberfläche. Die Farbe der Aussenseite ist weiss mit einem Stich ins Bläulichgrüne, auf der Innenseite ist sie blaugrün. Wenn ich in „Skandinaviens Fugle" für die Rohrweihe an- gegeben finde: „3—4, seltener 6 Eier", muss ich hierzu bemerken, dass ich in mindestens 10 Nestern 4 Eier ge- funden habe, in einem einzigen 5, aber nie 3 oder 6. Ich glaube daher, dass die Normalanzahl 4 Eier ist, eine Annahme, die noch dadurch begründet wird, dass man fast immer 4 junge Rohrweihen zusammenfliegen sieht im Anfange des August. Die Brutzeit habe ich leider nicht festgestellt, ein Versäumniss, das mir vielleicht wegen der recht unbehaglichen Beschaffenheit der betreftenden Lokalitäten verziehen werden kann, wie auch des Um- standes wegen, dass ein so häufiger Besuch, wie ihn die genannte Beobachtung nothwendig mit sich führen würde, ohne Zweifel den Vogel zwingen würde, sein Nest zu ver- lassen. Ein Huhn die Eier ausbrüten zu lassen, würde auch nie ein genaues Resultat liefern, da ja die Brutzeit zum grossen Theil abhängig ist von dem Wärmegrad, den der brütende Vogel den Eiern zuführt; aber man würde auf diesem Wege doch ein annähernd richtiges Resultat erzielen können. So lange die Jungen in oder bei dem Neste sich be- finden, wird ihnen von den beiden alten Weihen Nahrung zugetragen, die fast ausschliesslich vom Felde hergeholt wird und in jungen Vögeln, Mäusen, Maulwürfen u. s. w. besteht. Man kann während dieser Zeit ein Paar Weihen immer dieselbe Richtung über die Felder hin einschlagen sehen, nicht selten eine ganze Meile entfernt vom Brutplatze. Die Rohrweihe bewegt sich in dieser Zeit niedrig hin über dem Boden in einem merkwürdig wackelnden und schlingern- den Flug, der übrigens im Ganzen sehr charakteristisch für diesen Vogel ist. Während der Zeit, wo die Jungen nicht fliegen können, verhalten sie sicli vollständig ruhig, und nur, wenn man dicht an das Nest herankommt oder anfängt, nach ihnen zu greifen, legen sie sich auf den Rücken, strecken die Krallen hervor und stossen einige schnell aufeinander folgende Triller aus, etwa wie Ti, ti, ti, ti. Diesen Laut hört man auch von den älteren Vögeln, wenn sie plötzlich überrascht werden, oder wenn man sie z. B. flügellahm schiesst, in welchem letzteren Falle sie den Laut ausstossen, während sie aus der Höhe hinabstürzen, und der Hund in ihre Nähe kommt. Die meisten Hunde wollen den Vogel nur ungern apportiren, weil er, so lauge noch Leben in ihm ist, seinen Schnabel und seine Krallen mit verzweifelter Tapferkeit gebraucht. Ein alter Jagdhund, den ich besass, fasste immer die angeschossene Weihe an der äussersten Flügelspitze an, und entging so eiuigermaassen den unangenehmen Au- griffen. Die häufigsten Laute, welche die Rohrvveihe von sich giebt, sind einige langgezogene, durchdringende Schreie; diese stösst sie oft während des Fluges aus. Wenn die Jungen sich kräftig genug fühlen, das Nest zu verlassen, gewöhnlich am Schlüsse des Juli, fliegen sie nach dem Rande des Buschwerks und setzen sich ins Gras, auf einen Busch, einen Haufen Heu oder dergl. und werden noch 14 Tage von den Alten gefüttert. Die immer hungrigen Jungen sitzen dann und starren nach der Gegend hin, woher sie die Alten erwarten; und während diese noch mehrere hundert Meter entfernt sind, werden sie schon von den Jungen bemerkt, die ihnen schreiend entgegenfliegen, indem jedes sich bemüht, bei der Aus- theilung der mitgebrachten Leckerbissen begünstigt zu werden. Meistens findet diese Austheiluug erst statt auf dem erwähnten Tummelplatz. Darauf verschwinden die Alten wieder; die Jungen fliegen noch einige Minuten umher, ihre langgezogenen, feinen, monotonen, pfeifenden Töne ausstossend, worauf sie sich wieder hinsetzen und sieh ganz ruhig verhalten, bis die Eltern wieder in Sicht sind, bei deren Ankunft sich dann dieselbe Scene wieder XVI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 349 abspielt. Oft vergeht ea. '/a Stunde zwischen jedem Ausiiug-. Im Monat August sieht man die jungen Rohrweihen ihre Streifzüge auf eigener Hand unternehmen, uud an dem Orte, wo ich meine wesentHchen Beobachtungen ge- macht habe — dem schon erwähnten Gundsömagler See — ist es namentlich das Wasserhuhn, die Grau- und Krickente, welche herhalten müssen. Ich habe jedoch nie gesehen, dass sich die Rohrweihe erwachsener Indi- viduen der genannten Enten bemächtigt hat, ohne dass diese krank oder angeschossen waren; aber dann sind sie auch eine sichere Beute der Weihe. Oft habe ich Abends eine (itrauente angeschossen und am nächsten Morgen sie in der Nähe der Stelle gefunden, theilweise verzehrt von der Rohrweihe. Die Wasserratte ist auch ein beliebter Gegenstand der Jagden der Weihe; dagegen habe ich sie noch nie einen Fisch nehmen sehen, wie ich ebensowenig jemals bei ihrem Neste oder der Stelle, wo sie ihre Mahl- zeit zu verzehren pflegt, Reste gefunden habe, die an- deuten könnten, dass hier ein Fisch verzehrt worden wäre. Zwei Mal habe ich Rohrweihen geschossen, deren Kropf, Speiseröhre und Rachen mit Fleisch von Feldmäusen uud Maulwürfen gefüllt war und in einem vereinzelten Falle mit kleinen Kibitzjungen. Wie schon oben gesagt, unter- nimmt die Rohrweihe ihre Jagdzüge nach einem schein- bar wohlüberlegten Plane, und sie duldet nicht gerne, dass sie zu oft darin gestört wird. Auf dem genannten Binnen- see, der von allen Seiten mit einem ca. 100 m breiten Ring von Schilf, Binsen u. dergl. umgeben war, verlief das Ab- suchen auf folgende Weise: die Rohrweihe hatte für ge- wöhnlich ihre ganz bestimmten Ruheplätze, und von diesen sah man sie auffliegen, immer dieselbe Richtung ein- schlagend längs der einen Seite des Sees, und das Terrain kreuzend, wie wenn ein Hund ein Rübenfeld absucht. War das eine Ufer auf diese Weise abgesucht, so kam das zweite an die Reihe, indem dieselben praktischen Regeln befolgt wurden. — Hat sich die Rohrweihe einer Beute bemächtigt, die nicht grösser ist, als dass sie damit fliegen kann, wird sie gerne an einem der Lieblingsplätze verzehrt, wo sie in ungestörter Ruhe sitzen und die Mahl- zeit verdauen kann. Ist es hingegen ein grösseres Thier, so wird es an Ort und Stelle verzehrt oder in unmittelbarer Nähe, uud ein provisorischer Ruheort wird dadurch her- gestellt, dass die Weihe eine Wasserpflanze hinunter nach der Wasseroberfläche beugt, wodurch ein einigermaassen bequemer Sitz eingerichtet wird. Die Rohrweihe will doch am liebsten ihre Beute verzehren und sich darauf ausruhen auf einem Haufen zusammengetriebener Binsen, welkem Schilf, einem Erdhaufen oder einer anderen trockenen Erhöhung, die sich am Rande des klaren Wassers findet, z. B. an einem Bache, einer Rinne oder anderen Durchbrechung des Buschwerks. Ein alter Holz- pfahl oder Erlenstumpf wird auch oft benutzt. — Wäh- rend der Mahlzeit und solange die Verdauung dauert, ist die Rohrweihe wie die meisten anderen Raubvögel träge und weniger scheu als sonst, weshalb sie oft in solchen Fällen mit dem Leben büssen muss, wenn der Jäger sieh vorsichtig heranschleicht. Da ich auf das Wasserhuhn als Beute der Rohrweihe hingedeutet habe, will ich in kurzen Zügen berichten, was ich in dem Kampf beider mit einander beobachtet habe. Diese Beobachtungen sind auf demselben See gemacht, wo beide Vögel sehr häufig sind. Es ist durchaus nijht immer die Rohrweihe, die der absolute Sieger in einem solchen Kampfe ist oder besser: der Rohrweihe gelingt es durchaus nicht immer, sich des Wasserhuhns oder deren Jungen zu bemächtigen, da die Natur diesen Vogel mit recht brauchbaren Waffen gegen einen solchen Feind ausgerüstet hat. So lange die Jungen des Wasserhuhns noch jung sind, hält sich die Mutter mit ihnen in dem unzugänglichsten und dichtesten Schilf auf, wo es auch sehr schwer ist, sie zu entdecken, und wo sie deshalb auch schwer von ihrem Feinde ergriffen werden. Es sind daher auch namentlich die halberwachsenen Jungen, die Gegenstand seiner Verfolgung sind; denn diese suchen immer die klaren, sonnigen Stellen des Seees auf und können daher der Aufmerksamkeit des Raubvogels nicht entgehen. Hat die Rohr weihe nun eine solche Schaar von jungen Wasserhühnern erblickt, die sich im Vereine mit der Mutter entweder auf einem dazu eingerichteten Neste strecken oder auf dem niedrigen Wasser umher- schwimmen, um Nahrung zu suchen, so fliegt sie ganz niedrig nach der Stelle hin, um nicht zu früh bemerkt zu werden, und stürzt sich dann plötzlich auf die Gesellschaft nieder, um womöghch ein Thier von den anderen abzuschneiden. Jedes Mal, wenn die Weihe niederstösst, kann man das ängsthche, aber zornige Glucken des alten Huhnes hören. Der Raubvogel verweilt jedoch nur wenige Sekunden an der Wasseroberfläche, da die sorgsame Mutter den Friedens- störer mit kühnem Muth angreift uud ihn mit ihren langen scharfen Krallen und ihrem spitzen Schnabel bearbeitet. Erreicht die Rohrweihe aber ihre Absicht, nämlich eins der Jungen von der Schaar wegzutreiben und dadurch der unbehaglichen Begegnung, die ihr beim Scheinangriffe zu Theil wurde, zu entgehen, so wird man in der Regel beobachten können, wie das unglückliche Indivi- duum weggeschnappt und davongetragen wird. Meistens gelingt die beschriebene Kriegslist, wenn sie ausgeführt wird von einer alten, rutinirten Rohrweihe. Dagegen habe ich den Kampf oft ca. Vi Stunde dauern sehen, wenn der Angriff von einem Dilettanten im Jagen unter- nommen wurde; eine junge, unerfahrene Weihe muss oft den Kampfplatz unverrichteter Sache verlassen und ihren Appetit nach Wasserhühnern an kranken oder todten Thieren stillen. Diese Scenen finden besonders im Juli, August und der ersten Hälfte des September statt. Im letztgenannten Monat sucht das Wasserhuhn das tiefere und klarere Wasser auf und wird hier, selten von der Rohrweihe belästigt, da es durch Tauchen der Gefahr vollkommen entgeht. Da die Rohrweihe ja durchaus als ein schädlicher Raubvogel angesehen werden muss, besonders wenn man in seiner Eigenschaft als Jäger ihre Verfolgung jagd- barer Vögel in Betracht zieht, so muss man dafür sorgen, dass sie nirgends zu zahlreich auftritt, und dadurch, dass man die nothwendigen Verhaltungsmaassregeln auf der Jagd dem Thier gegenüber beobachtet, kann man das Ziel auch erreichen. Die Jagdmethode, die ich am häufigsten angewendet habe und die mir am besten geglückt ist, ist die, die Rohrweihe auf Anstand zu schiessen. In den Monaten, die ich als Angriffszeit auf Wasserhühner genannt habe, ruderte ich in einem kleinen, flachen Boote nach dem Buschwerk hin und wartete dort auf die Ankunft des Räubers. Da am genannten Orte sich viele Rohrweihe fanden, brauchte ich gewöhnlich nicht lange zu warten, bevor ich eine auf mich zukommen sah, wie sie be- ständig das Terrain durchkreuzte, und nur 6—8 m über der Wasseroberfläche hinflog. Man hat nur eine Vorsichtsmaassregel während dieser Jagd wahrzunehmen, nämlich die, sich gut im Buschwerk zu versteken. Denn sobald der Raubvogel den Jäger entdeckt, selbst in ziem- lich grossem Abstände, kommt er nicht auf Schussweite heran. Während man sich gut verkriecht, darf man jedoch nicht vergessen, dem Vogel mit den Augen zu folgen, indem man zwischen den Pflanzenstengeln hin- durchspäht, da er sonst oft plötzlich in die Nähe kommt 350 Naturwissenschaftlicho "Wochenschrift. XVI. Nr. 30. von einer ganz anderen Seite, als man ihn erwartet hatte, wodurch mau eine mehr oder weniger ungünstige Schuss- stellung bekommt. Man thut gut, sich nicht zum Schusse zu erheben, bevor er vorbeigeflogen ist oder doch gerade über der Stelle sich befindet, wo mau sich versteckt hat, da er sonst mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit seit- wärts fährt und ausser Schussweite kommt. Man schiesst ihn am besten mit grossem Hühnerhagel, da man ihn auf ea. 10 — 20 m heranbekommen kann. Diese Jagdmethode benutzend, schoss ich in einem Jahre z. B. 24 Stück, da- von 3 — 4 alte Thiere. Die Rohrweihe auf ihrer Ruhe- stätte, zu überraschen und zu schiessen, kann, wie schon gesagt, auch gelingen, aber nur dann, wenn mau einige Uebung darin besitzt, das Boot lautlos heranzubringen. Auf diese Weise habe ich auch viele erlegt; doch fast immer nur junge Individuen. Hat man einen Hund, der den Raubvogel apportiren will, so kann man das Vergnügen haben, ein Thier nach Hause mitzubringen, das am Futter- platze geschossen ist, sonst in der Regel nicht, da es meistens an Stellen hinfällt, die für das Boot und für watende Personen unzugänglich sind. Die Rohrweihe „zieht" in den Morgen- und Abend- stunden am Besten bei Auf- und Untergang der Sonne. Ich habe oft mit Vergnügen einem Manöver in der Luft zwischen der Rohrweihe und einem Haufen Staaren zu- gesehen. Die letztgenannten Vögel, die im Vertrauen auf ihre Tüchtigkeit im Fliegen den Raubvogel gering- achteten, wirbelten in verschiedenen Richtungen um ihn herum, augenscheinlich in seiner unmittelbaren Nähe, so dass es ihm ein Leichtes zu sein schien, eins der kleinen naseweisen Thiere zu ergreifen, ich habe es ihn jedoch nie thun sehen. Das Manöver begann gewöhnlich, während sich die Vögel noch ganz dicht über dem Schilfe befanden und endigte mitunter mehrere hundert Meter hoch oben in der Luft. Eine ähnliche Verfolgung der Rolnweihe wird auch oft von grossen Schwalbenschaaren unter- nonmieu, wenn diese, wie Staare, Abends an den See hinkommen, um hier im Schilf Nachtquartier zu nehmen. Dadurch, dass man darauf achtet, wo die flugfertigen Jungen ihren obengenannten Tummelplatz haben, kann man auch an diese in gute Schussweite herankommen. Ich habe so an einem Nachmittage eine ganze Brut er- wachsener Jungen weggeschossen; die Alten hielten sich wohhveisslich in gebührendem Abstände von mir. Mit- unter kann man sieh auch an die Rohrweihe heran- .schleichen, wenn sie über dem Felde hinfliegt oder auf diesem sitzt; da sie aber hier weit scheuer und vor- sichtiger ist als am Wasser, ist ein glücklicher Schuss mehr ein Zufall als eine Frucht der Vorsichtsmaassregeln und der Jagdlist eines tüchtigen Jägers. — Im Frühjahr ist die Rohrweihe sehr schwer zu schiessen, selbst auf dem Wasser, da das Uferbuschwerk noch nicht hoch genug ist, um die nothwendige Deckung für den Jäger zu gewähren. In dieser Jahreszeit kann sie in Fangeisen gefangen werden, die zwischen den Schilfstoppelu ausgestellt werden, mit einem todten Vogel oder einem Hühnerei als Lockspeise; da ich aber diese Fangmethode selbst noch nicht ver- sucht habe, unterlasse ich ihre Beschreibung. Polyphem — ein Gorilla? Von Dr. F. Matthias, Kgl. Oberlehrer in Charlottenburg. Vor kurzem erschien die Abhandlung „Polyphem ein Gorilla. Eine naturwissenschaftliche und staatsrechtliche Untersuchung von Homer's Odyssee, Buch IX V. 105 ff. Von Dr. Th. Zell. Berlin 1901, Verlag v. W. Junk (184 S.)." Da von dieser Schrift, besonders in der Tages- presse, viel Aufhebens gemacht und dabei natürlich die Gelegenheit, der strengen Fachgelehrsamkeit etwas anzu- hängen, nicht versäumt wird, so dürfte es angemessen sein, auch an dieser Stelle darauf einzugehen. Der Verfasser tritt zunächst unter Zurückweisung der Lehren Darwins mit der Behauptung hervor, so wie es sicher zwerghaft kleine Menschen gegeben habe und nocii gebe, so müsse auch, der Analogie halber, ein riesiger, über die Durchschnittsgrösse emporragender Menschen- schlag vorhanden gewesen sein, der unter den Menschen eine ähnliche Stellung eingenommen habe wie der Gorilla unter den Affen, — und den der Verfasser als Gorilla- iiH'iisclien bezeichnet. Die Kunde von dem /usaiiinien- trctfeii mit einem solchen liege auch der Polypiiem-Kpisode im neunten Buch von Homers Odyssee zu Grunde; l'oly- phem sei eben ein solcher „Gorillamensch" gewesen. Da der Verfasser jedoch diese leere Vcrmuthung durch keinerlei Beweismaterial zu stützen vermag, so ist die- selbe kurzweg abzulehnen, um so mehr, als er selber im Verlauf seiner Darlegung unsicher wird und es dem Leser überlässt — wie gütig! — , den Polyphem nur als einen gewöhnlichen Gorilla anzusehen. Sodann wird dazu übergegangen aufzuzeigen, dass der deutsche Gelehrte „den Dingen fremd gegenübersteht, deren Kenntnisse man sich nicht durch Bücher, sondern durch eigene Beobachtungen anzueignen pflegt." Ver- geblich aber erwartet man dafür Belege aus den Schriften bedeutender Fachgelehrten, im vorliegenden Falle in erster Reihe der Zoologen: Statt dessen begnügt sieh Herr Pseudo-Zell, nach seiner Meinung falsche Ansichten und Beobachtungen über zoologische Fragen bei dem Mediciner Schrauth, den Philosophen Kant und Hegel, dem Philologen Wilamowitz - Möllendorff, bei einigen Pädagogen und schliesslich — man höre und staune! — im Kladderadatsch anzufüiu'en. Den viel citirten „Gelehrten des Kladderadatsch" an dieser Stelle zu begegnen, ist geradezu köstlich. Nach dieser Abkanzelung der deutschen Gelehrten im Allgemeinen werden, da „unseren Philologen gerade kein Ueberfluss an Natnrkenntniss nachgesagt werden kann", zu deren Belehrung — wie gütig! — einige Mythen des Alterthums auf naturwissenschaftlicher Grund- lage zu deuten versucht, und zwar zum grossen Theil unter Benutzung einer Schrift — des Philologen Krichen- bauer. Einige der vorgetragenen Ansichten mögen einer genaueren Prüfung werth sein, haben aber mit der Poly- phem-Gorillafrage nichts zu thun. Zu dieser geht der Verfasser vielmehr über, indem er zunächst des grossen Germanisten Wilhelm Grinnn geistvollen, tiefgelehrten Versuch, als Grundlage der Sage von Polyphem einen Sonnenmythus zu erweisen, verwirft. Wenn aber nun Herr Pseudo-Zell schon selbst (S. 60) zugiebt, dass zahl- reiche Mythen Personificationen von Naturerscheinungen sind, so ist dieses sicher in ganz augenfälliger Weise bei den Kyklopen der Fall. Denn als solche Personificationen werden sie noch in der ältesten 'griechischen Sage, wie sie uns in der Theogonie Hesiods V. 139 ff. erhalten ist, ausdrücklich bezeichnet: Sie erscheinen dort als die Söhne des Uranos und der Gaia, also des Himmels und der XVI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 351 Erde, als ein gewaltiges Titauengeschlecht und älter als Zeus. Ihre Namen Arges d. i. der Leuchtende, Steropes oder Asteropaios d. i. der Blitz, Brontes d. i. der Donner, ferner die Erzählung der Sage, dass sie dem Zeus den Donnerkeil gaben und die Blitze schmiedeten, beweisen ganz deutlich, dass die Kyklopeu Personificationen des Gewitters darstellen. Es wird ferner berichtet, iiir Name rühre davon her,^ dass sie nur ein kreis- förmig-gedrehtes Auge (xvxXoiiQ^g o(f0^cdfi6c) in der Stirn trugen; ferner seien sie gewaltthätig und stark ge- wesen und hätten Kunstfertigkeit [prjxavai) besessen. Von diesen ungeheuren Himmelsriesen, als welche sie gewiss noch der arischen Urmythologie entstammen, sind dann die viehzüchtenden Kyklopen bei Homer, die unter dem Aetna schmiedenden kyklopischen Gehülfen des He- jihaistos, sowie die Erbauer der mächtigen „kyklopischen .Mauern", von denen die spätere griechische Sage kündete, nur Abschwächungen — geradeso wie, was auch Herr ..Zell" zugiebt, unsere Volksmärchen von Rothkäppchen und Dornröschen nur der letzte verklingende Nachhall gewaltiger germanischer Himmelsmythen sind. So ergiebt sich schon aus diesen Darlegungen die Unrichtigkeit der Behauptung, der Kyklop Folyphem sei ein „Gorilla- mensch" oder wenigstens ein Gorilla gewesen; die Ky- klopen bei Homer stellen keine Uebcrtreibung durch die schatfende Sage, sondern vielmehr Abschwächungen ge- waltiger uralter Gottermythen dar. Der Abschnitt X der Abhandlung bietet sodann eine meist wörtlich aus Brehm's „Thierleben" geschöpfte Be- schreibung des Gorilla und des Orang-Utang, — aber auffallender Weise nicht des Schimpansen, der doch auch ein grosser Menschenaffe ist und mit dem Gorilla sogar dieselben Gebiete bewohnt! Sollte dessen Vorhandensein dem Verfasser für seine Beweisführung etwa unbequem gewesen sein? Nach einer weiten Abschweifung erfolgt dann end- lich der Uebergang auf das eigentliche Thema, die Fo- lyphem - Episode. Nachdem die Schilderung Homers, Odyssee Buch IX, V. 105 ff., nach der Uebersetzung von Voss zum Abdruck gebracht ist, wird für den Kernpunkt der Erzählung S. 151 folgendes erklärt: „Man gerieth mit einem solchen Unhold zusammen und entrann dem- selben dadurch glücklich, weil er unter den in Stich ge- lassenen Vorräthen Wein fand und sich daran berauschte." Aus der Homerischen Erzählung werden nun eine ganze Reihe von zum Theil gerade charakteristischen Zügen als „Phantasiegebilde und Ausschmückungen" einfach aus- gemerzt, so die Einäugigkeit, die Fähigkeit zu sprechen, der Name Niemand. Ferner wird behauptet, unwahr- scheinlich sei, dass Odysscus nicht sofort gefressen worden sei; unwahrscheinlich sei die Flucht durch die Widder, die doppelte Rufweite, das Werfen mit Steinen, ferner das Beten zum Meergott Poseidon, die Erzählung von der dem Polyphem einst gewordenen Prophezeiung, sowie auch das Konnuen der anderen Kyklopen. Vor allem wird auch die Thatsache übergangen, dass der Riese bei Homer eine hochentwickelte Viehzucht und Milchwirth- schaft betreibt; desgleichen, dass er eine Höhle bewohnt, während Gorilla, Schimpanse und Orang - Utang doch Nester auf Bäumen errichten. Durch ein solches Ver- fahren werden dem Polyphem nur folgende Charakter- züge belassen: 1. er ist sehr gross und stark; 2. er lebt staatlos; o. er ist behaart (wenn das griechische Wort V. 191 vXijfig darauf zu deuten ist); 4. er liebt den Wein; 5. er ist ein gewaltiger Brüller (Polyphemos soll nämlich nach einigen Gelehrten „der Brüller", nicht der „Weit- berühmte" bedeuten). Ausschlaggebend soll jedoch der Umstand sein, dass Polyphem 6. ein Kyklops war. Herr „Zell" geht nämlich von der gewöhnlichen Deutung dieses griechischen Wortes als „rund äugig, kr eis - äugig" aus und glaubt, in Bezug darauf eine grossartige Entdeckung gemacht zu haben: Er erklärt S. 158, wie Schuppen sei es ihm von den Augen gefallen: Rund- äugig seien alle Thierc, weil sie kein Weisses im Auge haben, denn die Sklerotika sei bedeckt. Er fährt fort: „Die alten Griechen haben also wieder einmal vor- züglich beobachtet .... Aber wie beschämt müssen wir überhaupt alle gesteheu, was für stümperhafte Beob- achter wir sind. Hunderttausende und abermals Hundert- tausende haben den Homer gelesen und sich gefragt: Was sind die Kyklopen? . . . Und obwohl wir täglich Hunde und andere Thiere sehen, die alle rundäugig sind, ist noch Niemand auf diesen so nahe liegenden Gedanken gekonnuen." — Nach diesen tönenden Worten fährt der Verfasser dann allerdings schon bescheidener S. 159 fort, dass auch wer seine Ansicht nicht theile, zugeben müsse, dass „Kyklops" übersetzt werden müsse: ein Geschöpf mit Thieraugen! — Obgleich nun die Zeitungskritiker, z. B. in der „Vossischen Zeitung" und in der „Täglichen Rundschau", diese vorgeblich grossartige Entdeckung wie eine neue Ofl'eubarung begrüssen, können wir, — selbst auf die Gefahr hin, für einen ebenso stümperhaften Beobachter zu gelten wie alle bisherigen Ausleger des Homer, — die Richtigkeit derselben nicht anerkennen. Gerade beim Anblick des menschlichen Auges erhalten wir den Eindruck des Kreisrunden, weil die runde Iris von dem Weissen im Auge, der Sklerotika, sich abhebt. Da wir beim Auge des Säugethiers das Weisse nicht sehen, so er- scheint uns jenes gerade in den meisten Fällen als mandel- förmig, nicht kreisförmig. Nach eingehender Be- trachtung der Augen bei den Säugethieren des Berliner Zoologischen Gartens bestreiten wir hiermit auf das entschiedenste jene Behauptung. Bei allen be- trachteten Säugethieren, vom grössten bis zum kleinsten, vor allem bei allen Affen, erscheint das Auge nicht rund, sondern mandelförmig. NatürUch giebt es, sowie auch Menschen mit sogenannten Froschaugen vorkommen, ein- zelne Arten und Varietäten, bei denen in Folge weiterer Oelfnung der Augenlider der sichtbare Theil des Auges rundlicher erscheint als bei anderen; ebenso nimmt auch bei den Thieren, gerade wie beim Mensehen, bei aufmerksamem Blicken das (sichtbare) Auge eine grössere, rundlichere Gestalt an. Das ändert aber nichts an der Thatsache, dass alle Säugethieraugen mandelförmig und nicht rund sind, während z. B. die Augen der Vögel meist kreisrund erscheinen. Zwar treten bei vielen Säuge- thieren die Augen aus der Höhle stärker heraus und er- scheinen so gewölbter als bei uns: Das aber können die Griechen, die ja von dem Verfasser der Abhandlung als so ausserordentlich scharfe Beobachter angesprochen werden, nicht gemeint haben, denn ein Wesen mit solchen Augen würden sie Sphairops-kugeläugig genannt haben. In der That haben die Griechen sich offenbar die Kyklopen mit einem grossen, kreisförmigen Auge versehen gedacht, das diese abweichende Gestalt hatte, weil es das einzige und somit aus zwei zusammengelegten, gewöhnlichen Augen gebildet war. So nennt, wie oben erwähnt, schon der alte Hesiod die Kyklopenaugen v. 145 „rundgedreht"; und der aus griechischen Quellen schöpfende römische Dichter Ovid lässt in den Metamorphosen XIII, 851 und 852 den Polyphem selbst sein Auge mit einem ungeheuren Rundschilde (instar ingentis clipei) imd der Sonnen- scheibe (solis orbis) vergleichen, und XIV, 200 redet derselbe Dichter von dem „leeren Augenkreise" (inanem luminis orbem) des verstümmelten Polyphem. Zu- dem vergleichen die griechischen Dichter, sowohl Homer als auch Euripides in seinem umfangreichen Satyrspiel 352 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. HO. Kyklops und Theokrit in seinem Gesang des Polyphem an Galathca niemals das Kyklopenauge mit dem des Thieres, obgleich doch die griechische Dichtung Gleich- nisse und vergleichende Beiwörter so sehr liebt. — Zu- letzt sei auch nocli erwähnt, dass die landläufige Deutung des Wortes Kyklops als „Rundauge" von neueren Forschern bestritten wird; besonders hat die durchaus mögliche Deutung Bigges „Rollauge" von dem griechi- schen Verbum -/.uxÄiio oder /u/Aöcu = rollen Beistimmung gefunden. Auch so würde die Zeirsche Beziehung auf die angeblich runden Thieraugen des Polyphem in sich zu- sannneiit'allcn. Al)er selbst wenn man die Richtigkeit der Auslegung des Wortes Kyklops als „thieräugig" zugäbe, reichte dieses und die übrigen dem Polyphem von dem Verfasser der besprochenen Schrift belassenen Attribute nicht aus, um in dem Kyklopen einen Gorilla zu erkennen. Denn wer wird folgendes als eine unterscheidende Wesens- bestimmung gelten lassen: „Ein grosses, menschenähn- liches, staatlos und einzeln lebendes, behaartes, laut brüllendes, sich gern berauschendes Geschöpf mit Thier- augen ist ein Gorilla!" — Warum denn nicht auch ein Schimpanse, ein Orang-Utang oder ein grosser Pavian, auf welchen letzteren sogar das Steinschleudern des Kyklopen besser passen würde als auf einen Gorilla? Doch kommen wir zum Schluss: Obgleich der Ver- fasser der Abhandlung „Polyphem ein Gorilla" mit grosser Zuversicht und noch grösserem Selbstbewusstsein auftritt und aus seiner Geringschätzung der „Buchgelehrten", also hier der Naturforscher und der Philologen, gar kein Hehl macht, ist es ihm durchaus nicht gelungen, durch seine Darlegungen die Wissenschaft zu bereichern: Kyklops heisst nicht „thieräugig", und Polyphera ist kein Gorilla und noch weniger ein „Gorillamensch", welche Art von Geschöpfen bloss in der Phantasie des Herrn Pseudo-Zell spukt, gewesen. Die Abhandlung „Polyphem ein Gorilla" kann trotz der PrätensioU; mit der sie auftritt, weder dem Inhalt noch der geradezu burschikos-nachlässigen, oft in weite Abschweifungen sich verlierenden Darstellung nach, darauf Anspruch machen, für eine wissenschaftliche zu gelten. Der Verfasser ist ein aufmerksamer, unterrichteter Beob- achter und nicht ohne Geist, wie der prächtig gelungene parodistische Versuch S. 67, aus Bisraarck's Lebensgang einen Sonnenmythus zu construiren, beweist. Aber dieser Verfasser ist ein Dilettant, und als solcher sollte er, auch wenn er Jurist ist, sich hüten, ohne ernstes und ein- dringendes Studium über schwierige Fragen so kurz ab- ziiurtheilen und die Fachgelehrten so zu verunglimpfen, wie er es gethan hat, noch dazu aus dem unrühmlichen Hinterhalt der Pseudonymität hervor; ■ denn nach einer Bemerkung der Vossischen Zeitung versteckt sich hinter dem Namen ,,Dr. Zell" ein juristischer Schriftsteller. Das Gesammturtheil über die Schrift dieses Ano- nymus kann man leider nur in dieselben Worte kleiden, die er selbst von dem deutschen Gelehrten zu brauchen sich nicht scheut, nämlich dass der Verfasser „Urtheile abgiebt, bei denen man im Zweifel ist, was man mehr bewundern soll: die völlige ünkenntniss oder die Sicher- heit, mit der total unrichtige Dinge behauptet werden." Der Ursprung der Arier in geographischem Licht. Nicht durchaus neu zwar ist es, dass die Thatsacben der Erdgeschichte in den Streit über unsere Frage hinein- gezogen werden, doch hat der Vortrag des berühmten Leijjziger Anthropogeographen auf dem letzten inter- nationalen Geographencongresse, der jetzt in dessen Ver- handlungen gedruckt voriiegt, dem oft behandelten Pro- bleme erst so ganz und öffentlich Heimathrecht auf dem (jebiete der Erdkunde verschafft. Ratzel nimmt zuerst als Ganzes, woraus die weisse Rasse hervorgegangen sei, eine hellere Rasse in weiterem Sinne an, deren Ursprung und Ausbildung er in die Eiszeit setzt, in eine Periode, als auch im Süden die Mittelmeerländer bereits durch die Wüste von Afrika geschieden waren, sie also in der That ein relativ abgeschlossenes Ganze bildeten, nur nach Osten zu mit der übrigen Menschheit zusammenhingen. Nach dem Rückzngc des Eises sei dann auf dem Neuland das Extrem der hellen, die weisse Rasse entstanden, habe sich dort kräftig entwickelt, ihre Kultur auf dem stets offenen Wege von Mesopotamien her erhalten. Beim Vordringen nach Süden habe dann Mischung mit anderen Theilen "der hellen Rasse stattgefunden, die mehr und mehr schon mit afrikanischen Bestandtheilen versetzt waren. Aus den asiatisch-europäischen Steppen kamen die Nomadenvölker, die Staaten bildeten, wo es vorher nur Familienverbände gab, kamen auch die Urväter der europäischen Arier, die „langsam, oft verweilend, sich zertheilcnd und wieder verschmelzend, ihre Wege aus dem Südosten nach Norden, von Pontus zur Ostsee, durch den ganzen Erdtheil ge- macht haben." Da nach Ratzel zur Zeit der Entstehung der hellen Rasse Europa nur durch Vorderasien mit Asien zusammen- hing, konnten nicht wohl aus den russisch-asiatischen Steppen die Urväter der Arier kommen, die doch der hellen Rasse angehören sollen. Es greifen hier anscheinend unbemerkt zwei Auffassungen in einander, die eine, die in den Ariern eine anthropologische Einheit sieht, die andere, die sie als Minderheit der ihnen fremden, weissen Rasse Herrschaft, Kultur und Sprache aufdringen lässt, etwa in der Art, wie das schon der alte Adelung an- nahm. Wer je tiefere Blicke in Sprachverwandtschaften gethan hat, wird freilich nicht im Zweifel sein, was da- von zu halten sei, dass ein Volk „einfach" die Sprache eines anderen annimmt, und nicht anders ist es mit Religion, Recht und Sitte. Wie es mit Ratzel's Cirenealogic der Rassen steht, ist eine Frage, die nicht wesentlich den Geographen angeht; wenn aber für die Entstehung der hellen Rasse bereits der südliche Abschluss durch die Sahara nothwendig war, so lässt sich nicht nachher wieder für deren Mischung mit afrikanischen Elementen die Be- wohnbarkeit der Wüste annehmen, „wo damals statt des Sandmeeres ein Völkermeer fiuthen konnte," ganz ab- gesehen davon, dass die jetzige Bevölkerungsvertheilung in Afrika das Ergebniss ziemlich junger, grosser Ver- schiebungen ist, wir also kaum wissen, mit welchen Ele- menten sich die helle Rasse in alter Zeit dort hätte mischen können. Ratzel bemerkt mit Recht, dass noch eine bedeutende Anzahl von Vorarbeiten uöthig sei, um mit grösserer Sicherheit an das Problem herantreten zu können. In der That stehen nicht nur die von ihm genannten Fragen noch offen: Wie verhalten sich chronologisch die Zeiten der Trennung Europas von Asien, der Entstehung der Wüste, des Mittclmeeres, der Nord- und Ostsee? Alles ist hier eigentlich noch zweifelhaft: Gab es nicht nur interglaciale, sondern auch direkt glaciale Menschen in Mitteleuropa ? Mehr und mehr scheint die Wissenschaft sich der Verneinung zuzuwenden; wir werden uns doch den Raum zwischen dem grossen nördlichen Gletschergcbiete und dem der Alpen und Pyrenäen, durch- XVI. Nr. 30. Natiir wissenschaftliche "Wochenschrift. 353 setzt von zahh'eichen kleinen Verg-letsclierungscentren in Dentschland und Frankreich, in der Hauptsache als Tundrenlandschaft denken müssen, nur von kleineren Steppen unterbrochen. War aber Mitteleuropa eine Zeit lang unhewoliubar, so tritt für das Wiedereinrücken des Menschen eine andere Frage in den Vordergrund, die Beschaffenheit der nördlichen Balkanhalbinsel während und zu Ende der Eiszeit, nicht nur ihre Vergletscherung, sondern ihr Gesaramtzustand; war dieser breite Gebirgs- gürtel eher gangbar oder die Uferlande des Pontus, d. h. gewannen die Völker des Südens zuerst den Donauweg nach Mitteleuropa oder die des Nordostens? Natürlich erscheint, dass das Gebiet nördlich der Karpathen bis zur Ostsee beim Rückzüge des Eises aus den russisch- pontischen Gegenden her sich besiedelte. In jeder Be- ziehung dunkel noch ist auch die gleichzeitige oder wenig spätere üeberschreitung der Pyrenäen, mu' schwach er- kennbar das Zusammentrerten beider Siedelungswellen in der Rheingegend, noch ein vollständiges Problem ein etwaiges Vordringen über die niedrigeren Theile der Alpen von Süden her und die brachycephale Bevölkerung jener Gegenden. Für welchen Weg sich eine genauere Untersuchung in Bezug auf die Hauptmasse der europäischen Bevölkerung entscheiden wird, für den Geographen ist es dann eine Frage zweiter Ordnung, ob diese vordringende Bevölke- rung bereits ausgesprochen arischen Typus trug oder ob sie, je weiter sie vordrang, einen um so reineren eigenen Typus ausbildete; unwahrscheinlich wird ihm nur sein, dass nach der vollzogenen Besicdelung au irgend einer Stelle eine in sich geschlossene, von allen umwohnenden durchaus verschiedene Rasse sich ausgebildet habe; be- sonders aber weiss er, was von einer fingirten Abge- schlossenheit Skandinaviens zu halten sei. Fritz Graebner. Zur Unter.sucliung von Menschen- und Thierblut mit Hilfe eine.s speciflsHien Serums betitelt sich eine Veröffentlichung von Dr. Ernst Ziemke in der „Deutschen medicinischcn Wochenschrift." — In der Februarsitzung der physiologischen Gesellschaft zu Berlin hat Wassermann Mittheilung über ein von ihm und Schütze gefundenes Verfahren gemacht, mit welchem es gelingen soll, das Blut der verschiedenen Thierarten von einander, ins- besondere Menschen- von Thierblut, zu unterscheiden. Ein Thier, welches mit dem Blutserum einer anderen Thierart in Intervallen von mehreren Tagen subkutan vorbehaudelt wird, liefert nach einigen Wochen ein Serum, das in Blutlösungcn der zur Vorbehandlung benutzten Thierart eine Ausfälluug verursacht, welche sich durch baldige Trübung der anfangs klaren Lösung kundgiebt. So ruft z. B. das Blutserum eines mit Menschcnblutserura vorbebandelten Kaninchens nur wieder im Menschenblut eine Trübung hervor, die sich allmählich zu einem flockigen Niederschlag verdichtet, während das Blut aller bis jetzt untersuchten Thiere keine Ausfällung zeigen soll. Zu gleichen Resultaten ist Uhlenhuth gekommen. U. wendet zur Vorbehandlung der Thiere an Stelle des Serums defibrinirtes Blut an und applicirt dieses den Kaninchen intraperitoneal. Fasst man die bisher auch von anderen Seiten ge- sammelten Erfahrungen kurz zusammen, so ergiebt sich aus denselben Folgendes: Man erhält von Kaninchen schon nach zwei- bis dreiwöchiger Vorbehandlung ein wirksames Serum, welclies die erwähnten präcipitirenden Eigenschaften besitzt. Je- doch steigt der Wirkungswertli desto höher, je länger man die Vorbehandlung fortsetzt. Fügt man von dem gewonnenen Serum geringe Mengen, ca. 6 bis 8 Tropfen auf 2 ccm zu einer grösseren Zahl verschiedener Blut- arteu, welche mit physiologischer Kochsalzlösung so stark verdünnt worden sind, dass sie nur ganz schwach röth- lieh gefärbte und absolut klare Lösungen darstellen, so tritt sciion bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich schnell, noch schneller bei 37*" C im Brütschrank, in der Men.schen- blutlösung eine Trübung auf, welche sich allmählich zu einem Niederschlag verdichtet, der unter schliesslicher Klärung des Blutes zu Boden sinkt. Diese Reaction ist nach den bisherigen Untersuchungen mit einer Ausnahme für den Menschen specifisch. Nur der Affe zeigt sie ebenfalls, wenn auch retardirt und weniger intensiv, eine vom entwickelungsgeschichtlichen Standpunkte aus höchst interessante Beobachtung. Alle anderen bis jetzt unter- suchten Thierblutlösungen verhalten sich diesem „Anti- serum" gegenüber indifferent, sie bleiben selbst bei Zu- satz grösserer Mengen klar, ein Beweis dafür, dass die Reaction in der That eine specifische ist, die nicht, wie die Serumreaction beim Typhus etc., auf quantitativen, sondern auf qualitativen Unterschieden beruht. Geprüft wurde bisher das Blut von Rind, Esel, Schwein, Hammel, Hund, Katze, Hirsch, Dammhirsch, Hase, Meerschweinchen, Ratte, Maus, Kaninchen, Huhn, Gaus, Puter, Taube. Ebenso wie an frischen Blutlösungen ist es auch an mehrere Wochen alten Blutflecken in Leine wand, an Blut, welches längere Zeit, bis zu drei Monaten, angetrocknet war, an gefaultem Blut, an gefrorenen Blutspuren, an Kohlenoxydblutlösungen, im Menstrualharn und im Blut- Seifenwaschwasser gelungen, das Menschenblut vom Thier- blut ohne Schwierigkeiten zu unterscheiden. Nach den neuesten Erfahrungen lässt sich zur Vorbehandlung der Thiere anstatt des Menschenblutes, resp. Menschenblut- serums mit Erfolg auch eiweisshaltiger Harn oder Pleura- exsudatflüssigkeit vom Menschen verwenden. So vor- behandelte Kaninchen ermöglichen den Nachweis des Menschenblutes ebenfalls, jedoch fällt die Reaction mit diesem Serum schwächer und weniger deutlich aus. Zur praktischen Vcrwerthung wird das neue Ver- fahren jedocli nur weiter empfohlen werden dürfen, wenn eine grössere Reihe von Erfahrungen auch unter den mannigfachen Bedingungen, welche für die forensische Medicin in Frage kommen können, die absolute Giltigkeit desselben dargethan hat. Aus Versuchen, die nun Z. angestellt hat, geht hervor, dass in der That das Serum eines mit Menschenblutserum vorbehandelten Kaninchens eben nur wieder im Menschen- blut präcipitirend wirkt und diese Erscheinung auch unter den manniKfachen Verhältni-ssen der Praxis zu Tage tritt. lieber die Wirkung des Tuberkulins macht Pro- fessor Robert Koch als „Nachschrift einer Arbeit von Dr. Goetsch" über den Gegenstand in der „Deutschen medicinischcn Wochenschrift" die folgende Bemerkung: Die meisten Aerzte sind der Meinung, dass die Behand- lung der Lungentuberkulose mit specifiscben Mitteln, ins- be.sondere mit Tuberkulin, nutzlos und ausserdem gefahr- voll sei. Diese irrige Meinung ist dadurch entstanden, dass man das Tuberkulin vielfach in Krankheitsfällen angewendet hat, bei denen es sich nicht mehr um reine Tuberkulose handelte, sondern um Complikationen der- selben mit Eiterungsproeessen. In solchen Fällen kann die specifische Wirkung des Tuberkulin u möglich zur Geltung kommen. Alle Aerzte, weh/he über grössere Er- fahrung in Bezug auf Tuberkulinbehandlung verfügen und dieselbe veröffentlicht haben, wie Spengler, Turban, Petruschky, Krause, Thorner, Hcron, Rembold, Baudelier sprechen sich dahin aus, dass, wenn man nur reine, nicht 354 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 30. zu weit vorgeschritteue, d. h. vollkommen fieberfreie Fälle von Lungentuberkulose mit Tuberkulin behandelt, diese ausnahmslos günstig beeiuflusst werden. Ausserdem ist man auch darüber einig geworden, und leb kann dem aus meiner eigenen Erfahrung nur beistimmen, dass es zweckmässig ist, alle stärkeren Reactionen zu vermeiden. Geh.-Rath Goetsch ist in dieser Beziehung noch weiter gegangen. Er hat die Reactionen möglichst ganz ver- mieden, ist aber schliesslich doch zu sehr hohen Dosen gelangt. Er hat mit diesem Verfahren auffallend gute Resultate erzielt, wovon ich mich persönlich im Kranken- hause zu Slawentzitz vor Kurzem überzeugt habe. Um anderen Aerzten zu ähnlichen Versuchen Anregung zu geben, hat er sich auf meine Veranlassung zur vorstehenden Veröffentlichung entscl Das überseeische Kabelnetz der Erde. — Das „Bureau International des Administrations Telegraphiques" in Bern hat im Mai 1901 zum achten Mal eine Zusammen- stellung alier gegenwärtig verlegten, in staatlichem oder privatem Besitz befindlichen Seekabel publicirt, welche eine Reihe höchst interessanter Daten enthält. In staat- lichem Besitz befinden sich insgesammt 1380 Kabel — dagegen nur 370 in den Händen privater Gesellschaften; sieht man sich jedoch die Längen der vorhandenen Kabel an, so ergiebt sich ein völlig anderes Bild: auf rund 314700 km privater Kabel entfallen nur 39850 km staat- licher Kabel. — Aus einem Vergleich dieser Zahlen ist bereits die Thatsache zu folgern, dass die staatlichen Kabel, fast ohne jede Ausnahme, relativ nur sehr kurz sind, während all die grossen eigentlichen Ueberseekabel im Besitz privater Kabelgesellscbaften sind. Nachfolgende zwei Tabellen geben einen genauen üeberblick über die Betheiligung der einzelnen Regierungen uud Privatunternehmer au den gegenwärtig verlegten Seekabeln. Kabel in staatlichem Besitz. Frankreich .... Deutschland Orossbritannien u. Irland Japan Spanien Brit. Indien (Indo-Eiiropean Tel. Departement) Italien Nieder!. Indien Gochinchina n. Tonkin Norwegen Türkei Dänemai'k Neu-Seeland Niederlande Oesterreich Bahama-Inseln 1 Schweden 16 Brit. Amerika 1 Egypten 1 Russland Eiiropäiach 8 „ Asiatisch 2 Portugal 4 Brit. Indien (Direct. gen. d. tdlegr.) ... 1 Argentien 13 Griechenland 46 Belgien 2 Queensland IS Süd-Australien . ;J Brasilien 27 Neu-Südwales 4 Siam 3 Schweiz 2 Senegal 1 Ma(;fto 1 Neu-Caledonien 1 Summa 1380 Zahl Länge r Kabel in km 63 9 334 G9 4 882 173 3 828 HS 3 745 15 3 229 4 3183 .39 19G4 7 1651 2 1433 536 1 0(17 23 638 86 535 472 32 447 44 404 284 213 123 111 103 100 93 90 74 Kabel in privatem Besitz. R p a ; t 7 p r ^*''' Länge der ^ '^ » ' "^ ^ *^ ' der Kabel Kabel in ki Eastern Telegraph Company ...... 92 70037 ,, Extension Australasia and China „ Telegr. Company 36 33 674 Western Telegraph Company ...... 27 32 018 Compagnie fran^aise des ci'ibles telegra- phiques 32 22 413 Commercial Cable Company 9 21 609 Anglo American Telegraph Company . . 14 17 695 Eastern ii. South African Telegr. Company 15 16 839 Store Nordiske Telegraf Selskab .... 29 14 340 Central u. South American Telegr. Company 14 13 891 Western Union Telegraph Company ... 13 13850 West India and Panama Telegraph Company 24 8 591 Deutsch-Atlant. Telegr. Gesellschaft ... 2 7 671 Direct United States Cable Company . . 2 5 742 West African Telegraph Company. ... 11 5566 African Direct. „ „ .... 8 5460 South American Cable „ .... 2 3 795 West Coast of American Telegr. Company 7 3 671 Mexican Telegraph Company 3 2 831 United States and Hayti Tel. and Cable Company 1 2 576 Direct West India Cable Company ... 2 2 347 Cuba Submarine Telegraph Company . . 10 2 117 Deutsche Seekabel-Gesellschaft 1 2 060 Europe and Aijores Telegraph Company . 2 1 953 Halifax and Bermudas „ „ . 1 1 574 Direct Spanish „ „ . 4 1 329 Black Sea „ „ . 1 625 India Rubber, Guttapercha and Telegr. Works Company 3 270 River Plate Telegraph Company .... 1 59 Compafiia telegräfico-telefönico del Pinta . 1 52 Indo. -European Telegraph Company . ._^ 3 39 Summa 370 314 696 Die Tabellen sind in mehr als einer Hinsicht höchst interessant. Weitaus die grösste Anzahl von staatlichen Seekabeln, 536, besitzt charakteristischer Weise das so ungemein inselreiche Norwegen, doch beträgt die Durch- schnittslänge aller dieser Kabel noch nicht einmal zwei Kilometer. Die beiden Inselreiche Grossbritannien und Japan stehen hinsichtlich der Anzahl der Kabel an zweiter und dritter Stelle, allerdings in weitem Abstand hinter Nor- wegen; dann folgt bezeichnenderweise zunächst Dänemark, und dann erst Deutschland und Frankreich. — Was die Gesammtlänge der staatlichen Kabel anbetrifft, so steht Frankreich, das zur Zeit weitere grossartige und weit- schauende Kabelverlegungen plant, an der Spitze, während Deutschland mit nur etwa halb so viel Kabellänge die zweite Stelle einnimmt. Grossbritannien, das, wie all- gemein bekannt, den Kabelverkehr der ganzen Welt in geradezu gefährlicher Weise beherrscht, steht erst au dritter Stelle; diese Thatsache könnte Verwunderung er- regen — doch wer da weiss, dass England seine Macht unter Umständen auch auf die in privatem Besitz be- findlichen englischen Kabel erstrecken kann, die z. Th. von der Regierung unterstützt werden, wird zunächst einen Blick auf die zweite Tabelle werfen und hier die Erklärung für das scheinbare Räthsel finden: Das erdrückende üebergewicht der englischen Kabel über jede ausländische Conkurrenz geht aus den Namen und den Zahlen dieser zweiten Tabelle in klarster Weise hervor. Die englische Regierung überlässt eben die An- fertigung und Verlegung der Kabel, den Betriet, den Verdienst den privaten Unternehmern, hat sich aber durch geradezu genial entworfene Contrakte, bei welchen beide Theile gleich gut fahren, ein Vorbenutzungsrecht und im Kriegsfall das zeitweilig ausschliessliche Verfügungsrecht über die Kabel gesichert, so dass sie faktisch ein: Herr- schaft über den weitaus grössten und wichtigsten Theil der Ueberseekabel ausübt, welche für alle anderen XVI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 355 europäischen Kolonial-Mächte eine schwere Gefahr in sieb birgt. Das äUeste aller Kabel ist das im Jahre 1851 ver- legte, 41 '/2 km lange, vieradrige Kabel zwischen Dover und Calais, das zur Hälfte der französischen, zur Hälfte der englischen Regierung gehört. Das längste Kabel ist dasjenige, das im Jahre 1898 von der „Compagnie fran- g.aise des cäbles telegraphiques" zwischen Deolen bei Brest und Cap Cod in Massachusetts verlegt wurde und das die gewaltige Länge von 5878 km aufweist, während alle anderen zwischen Nordamerika und d^n europäischen Kontinent verlegten Kabel irgendwo eine Zwischenstation, d. h. eine Unterbrechung haben, in Irland, in Neufund- land, auf den Azoren (deutsch-amerikanisches Kabel) oder anderswo. — Das längste Telephonkabel liegt zwischen Sangatte bei Calais und Abbots bei Dover und ist 40,7 km lang. H. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Arnold Brass, Der Körper des Menschen im Entstehen, gesund, krank. 0.sterwi.'L'k n. H., \. W. Zickfcldt, 3G-J Seiten. Preis ö M., geb. t),20 M. Dieses Werk ist der erste Band eines von Brass geplanten Gesammtwerkes „Der Körper des Mensehen". Brass behandelt hier Mann und Weib, die geschichtliche Entwickelung des Menschen bis zur Geburt, Schwangerschaft, Frauenleiden, Geburt, Wochen- bett und Behandlung der Neugeborenen. Das klar und glänzend geschriebene und in jeder Hinsicht decent gehaltene Buch be- zeugt eine eingehende Forschungsarbeit seines Verfassers. Er bringt nicht bloss Thatsachen und Beschreibungen, sondern er- örtert die betreflFenden Organe in ihren Functionen, verfolgt ihre Erzeugnisse im causalen Zusammenhang und deckt überall, so- weit die Wissenschaft dazu im Stande ist, Grund und Folge auf. Manche von oberflächlichen Forschern als Thesen hingestellte Hypothesen werden in ihrer Haltlosigkeit vor Augen geführt. Wir können das lehrreiche un^ doch leicht verständliche Werk allen denen empfehlen, welche selbständig in das Leben und die Thätigkeit weiterer Kreise eingreifen müssen. Die beigefügten Karten sind sehr lehrreich und instructiv. Dr. 0. Siebert, Fermersloben. Dr. E. F. Wyneken, Das Ding an sich und das Naturgesetz der Seele. Heidelberg, Karl Winter, 1901. 446 Seiten. Preis 15 M. Was der Verfasser in diesem Buche darbietet, ist die Aus- fuhrung dessen, was er bereits vor mehr als 30 Jahren in seiner Inauguraldissertation der wissenschaftlichen Welt vorlegte. Die 12 lehrreichen Capitel handeln über folgende Themata: 1. wie kommt der Mensch auf das Ding an sichV 2. Kant und das Ding au sich; 3. das Ding an sieh und die Naturwissenschaft; 4. das Ding an sich als Hypothese; 5. das Ding an sich von zwei Seiten, Vergleichung von Dubois- Key mond und Kant; 6. das Ding an sich unter dem Gesetz; 7. das Ding an sich und der Vor- stellungsverlauf; 8. das Ding an sich und sein Apriori; 9. das Ding an sich und die Kategorieen des Verstandes; 10. das Ding an sich als menschliche Seele; 11. die menschliche Seele und der Zweck; 12. das menschliche Erkennen in Kunst und Wi -sen- schaft. — Die Frage nach dem unbekannten Ding an sich führt Wyneken zu der Erkenntniss, dass Kant das Ding an sich als völlig unbekanntes nicht festzuhalten vermochte, und ein kri- tischer Üeberblick über den gegenwärtigen Stand der Naturwissen- schaft, wobei sich Wyneken besonders mit Victor Moyer, Wilh. Ostwald und j. v. Helmholtz auseinandersetzt, beweist ihm, dass die von ihr statt des unbekannten Dings an sich an- genommenen Atome und Molecüle unhaltbare Annahmen seien, sofern die fortgesetzte Theilung des Stoffs auf letzte, wirklich un- theilbare Theile nicht führen kann, während doch das Postulat unserer Vernunft solche unabweislich fordert. Wyneken setzt dann auseinander, dass im gesammten Erfahrungsgebiete uns nur ein einziger Gegenstand als ein wirklich untheilbarer bekannt sei, nämlich unsere Seele als untheilbare Bewusstseinseinheit. Daraus ergiebt sich ihm die wissenschaftliche Nothwendigkeit der Hvpo- "■ "~ '^--'~- seien, welche der Erscheinungswelt zu these , dass Seele Grunde liegen. Wenn aber diese Welt als aus Seelenmonaden bestehend angenommen werden soll, so ist dieser Weltzusammen- hang als steter Wechsel im Beharrlichen der Erscheinung nur zu erklären durch eine gegenseitige Einwirkung der Monaden auf- einander als Kräfte, jedoch unter Annahme einer Erschöpfung der Kraft in der Einwirkung, die den Wechsel möglich macht. Und hier nimmt nun Wyneken, dem Vorbild der Naturwissen- schaften folgend, die weitere Hypothese zu Hilfe, indem er sich den denkbar einfachsten Fall solcher Einwirkung seitens zweier Monaden vorstellt, welcher an sich nicht aufzeigbar ist. Daraus ergiebt sich ihm für jede der beiden Monaden die dreifache Mög- lichkeit des Ueberwältigtwerdens, des Ueberwältigens nud des Gleichgewichts. Die Frage: wie werden diese objectiven Lagen von der Einzelmonade subjectiv erlebt, beantwortet er mit Hilfe der empirischen Psychologie. Diese führt alle Seelenäusserungen auf drei zurück, nämlich Erkennen, Fühlen und Wollen. Eine nähere Betrachtung ergiebt, dass sich das Fühlen als ein Ueber- wältigtwerden, das Wollen als ein Ueberwältigen und das Er- kennen als ein Auseinanderhalten darstellt. Das ist das Natur- gesetz der Seele des Verfassers. So einfach das erscheint, er- geben sich doch Wyneken aus diesem Naturgesetz die weitest- gehenden Forderungen, welche er durch Anwendung seines Ge- setzes auf den verschiedensten Gebieten vor Augen stellt, wie z. B. der Psychologie, Logik, Philologie, Anthropologie, Kunst u. s. w. Wir können diese Wyneken'schen Gedanken hier natürlich nicht näher entwickeln; jedenfalls enthält das Buch eine Fülle von lehrreichen Untersuchungen und Ideen. Besonders sind die Auseinandersetzungen mit Kant als dem hervorragendsten erkenntnisstheoretischen Philosophen von einer Gründlichkeit, wie sie bisher wohl noch nicht gegeben wurden. Wie die Philosophie, so kann auch die Naturwissenschaft viel aus diesem Buche lernen ; man wird es sicherlich nicht ignoriren können. Wir weisen den Naturforscher besonders auf das dritte, vierte, achte und zwölfte Capitel hin; er wird zwar Wyneken nicht selten widersprechen, aber um so reicheren Ertrag für sein Specialfach aus dem Werke ziehen können. Der hohe Preis des Buches erklärt sich daraus, dass fast die Hälfte in Petit gesetzt ist. Es Hess sich das in Folge der eingehenden Auseinandersetzungen mit den Gegnern nicht vermeiden. Wir empfehlen das lehrreiche Buch zu ein- dringlichem Studium; die hier gebotene neue Erkenntnisstheorie bietet viel Ueberraschendes und Neues. Dr. 0. Siebert, Fermersleben. Dr. A. Bliedner, Goethe und die Urpfianze. Mit 4 Tafeln. Ab- bildungen. Frankfurt a. M. Litterarische Anstalt: Rütten und Loening 1901. — Preis 2,25 M. Das Verdienst der Arbeit beruht darin, ein gewissenhaftes Referat zu bieten über das, was Goethe unter der Urpflanze vor- standen hat. Verf. macht insbesondere darauf aufmerksam, dass kein Recht dafür vorliege anzunehmen, Goethe habe mit seiner „Urpflanze" eine phylogenetische Frage vorgeschwebt. Disponirt ist die Schrift in drei Abschnitte: in dem ersten wird das Quellen- material studirt, der 2. ist „Philosophisch-Botanisches" überschrieben, und der 3. beschäftigt sich mit der Litteratur, jedoch nur soweit, als in derselben Aeusserungen über die Urpflanze vorkommen. Hätte Verfasser auch die übrige Litteratur verfolgt, die sich mit Goethe's botanischen Studien beschäftigt (freilich ist diese Litteratur sehr gross), so hätte es durch mancherlei Anregungen, die er empfangen hätte, seine Arbeit nicht unwesentlich vertiefen können. Boas, Lekt. Vorst. Dr. J. E. V., Lehrbuch der Zoologie für Studi.nvii.le. 3. Aufl. Jena. — 12 Mark. Fechner, Gust. Thdr., Zend-Avesta oder über die Dinge des Himnirls und des Jenseits. 2. Aufl. Besorgt von Kurd Lasswitz. 1. Bd. Hamburg. — 6 Mark. Gedicus. Fr. Wilh., Kinetik. Wiesbaden. — 2,40 Mark. Gobineau, Graf, Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen. 4. (Schlus3-)Bd. Stuttgart. — 5,50 Mark. Hartig, Prof. Dr. Bob., Holzuntersuchungen. Berlin. — 3 Mark. Lassar-Cohn, Prof. Dr., Arbeitsmethoden für organisch-chemische Laboratorien. 3. Aufl. Allgemeiner Thl. Hamburg. — 7 Mark. Nagel, Prof. Dr. Wilib., Der Farbensinn der Thiere. Wiesbaden. — 0,80 Mark. Staudinger, O., u. H. Bebel, DD., Catalog der Lepidopteren des palaearctischen Faunengebietes. 3. Aufl. des Cataloges der Lepidopteren des europäischen Faunengebietes. Berlin. — 16 Mark. Inhalt: Der vierte naturwissenschaftliche Feriencursi aeruginosus). — Dr. F. Matthias: Polyphem — Untersuchung von Menschen- und Thierblut mit Hilfe eines specifischen Serums. — Ueber die Wirkung des Tuberkulins, Das überseeische Kabelnetz der Erde. — Litteratur: Dr. Arnold Brass, Der Körper des Menschen im Entstehen, gesund, krank Dr E. F. Wyneken, Das Ding an sich und das Naturgesetz der Seele. — Dr. A. Bliedner, Goethe und die Urpflanze. — Liste Ür Lelirer an höheren Schulen. — L Olufsen: Die Rohrweiho (Cireus Gorilla? — Der Ursprung der Arier in geographischem Licht. — Zur 3öß Naturwissenschaftliclie Wochonschrilt, XVI. Nr. 30. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦•♦♦♦♦♦♦♦♦♦ l Dr. Robert Muencke : t Luiseiistr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. | « Tochnisches Institut für Anfertigung wissenschaftlichor Apparate « ♦ und Geräthschaften im Oosammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ «♦«««#♦«♦♦♦♦#♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpaiclserstr. BERLIN £0., Kopnickerstr. 54. ^ Kahrik und Lager ~" aller Gefässe und Utensilien für \^ ^ ) ehem.. pharm, physical., electro- 11. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. rlifinl»» ginlt» untl fi-nnc-o. ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦! Lehi-bficher aus Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung In SW. 12. 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Eine mechanische Theorie der Reibung in koiitiiiiiierliclicii Masseiisystemeii. Von Dr. Arthur Korn. Mit .'> in den Text gedruckten Figuren. <> M., geb. 7 !»I. tlugo Bernstein in Berli ProtV'^sor Dr. Ilem-y Potonie, Gr. Lieliterfeldo -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentlu Verlag: Ferd. Uünnnlera Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. Verlag: Ferd. Dilüunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. j Sonntag, den 4 August 1901. Nr 31. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Huchhandlungen uml Post- y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40*",. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ^M.- A) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkuaft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. j[ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi-nck ist iinr mit voll8tändig:er QnellenaiiKabe gestattet. Der vierte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgelialten vom Physikalischen Verein in Frankfurt a. M. vom I.— 13. October 1900. Bericht, ziis.immengestellt von Direetor Dr. Paul Bode unil Oberlehrer Dr. Wilhelm Boller. (Fortsetzung. I. Vorlesungen. A, Physik. Dr. H. Th.^ Simon: Neuere physikalische Demou- I stratiouen. a) Strahlende Energie und ihre Gesetze. (Zwei Stunden.) Die Körper können auf zweierlei Weise Lichtstrahlen (im weitesten Sinne, d. h. elektromagnetische Wellen) aussenden, durch Luminescenz und durch Temperatur. Durch Luminescenz strahlen z. B. die evacuirten Geissler- Röhren, die man in ein schnellwechselndes elektrisches Feld (Tesla) bringt. Während die Gesetze dieser letzteren Strahlung noch ziemlich im Dunkel liegen, sind die Ge- setze der Temperaturstrahlung durch die Forschungen der letzten Jahre in dasjenige Stadium von Einfachheit und Endgültigkeit getreten, in welchem sie als „unter- richtsreif" angesehen werden müssen, wo sie also dem regelrechten Lehrstoff der höheren Schulen einzureihen sind; um so mehr, als es sich hier um Gesetze von einer einsehneidenden praktischen Bedeutung für die Frage einer rationellen Beleuchtung handelt. Vor nicht allzulanger Zeit war der sogenannte Dra- per'sehe Satz alles, was man von Gesetzmässigkeiten der Strahlung wusste: Alle Körper beginnen bei der- selben Temperatur zu leuchten und zwar "zuerst mit lang- welligen (rothen) Strahlen, zu denen mit wachsender Temperatur die kürzeren Wellen nach und nach hinzu- treten. Im Anschluss au die Entdeckung der Spektral- analyse hat dann Kirch hoff sein berühmtes Gesetz auf- gestellt, dass das Verhältniss des Emissionsvermögens L' eines Körpers für eine bestimmte Wellenlänge X zu seinem Absorptionsvermögen A für alle Körper von derselben Temperatur dasselbe ist und zwar gleich dem Emissions- vermögen e eines bestimmten idealen Körpers, des „ab- solut schwarzen" Körpers, für dieselbe Wellenlänge Ex bei derselben Temperatur. Man hat also — = e oder Ex ■Ax = Ax ex (1). (Es wird die physikalische Bedeutung der Grössen E und A auseinandergesetzt und der Beweis des Kirch- hoff'sehen Gesetzes mit Hülfe des zweiten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie veranschaulicht.) Der Kirchhoff' sehe „absolut schwarze" Körper ist dadurch charakterisirt, dass er alle auftreftenden Strahlen jeder Wellenlänge vollständig absorbirt, d. h., dass A für ihn = 1 wird. Demnach besagt die Gleichung (I), dass die Strahlung E irgend eines Körpers bei einer be- stimmten Temperatur für jede Wellenlänge nur ein Bruch- theil der entsprechenden Strahlung des „schwarzen" Körpers ist: Der „schwarze" Körper strahlt unter gleichen Bedingungen immer mehr Energie aus, als jeder andere, seine Strahlung stellt den Grenzfall dar, dem die Strahlung der gewöhnlichen Körper mehr oder weniger nahe kommt. Der Bruchtheil A ist für verschiedene Körper und für denselben Körper bei verschiedener Beschaffenheit seiner Oberfläche verschieden-, entsprechend verhält es sich mit der Strahlung E, wie durch Versuche mit Leslie'schem Würfel und Thermosäule, und an einem glühenden Platinbleeh gezeigt wird, auf dem ein mit 358 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 31. cliinesiscber Tusche gezeichuetes Kreuz heller erscheint, wie die blanke Umgebung. Nun lehrt die Erfahrung, das.s die Strahlung irgend eines erwärmten Körpers: 1. in ihrer Gesammtheit von der Temperatur abhängt. {E = f (T), Temperaturgesetz der Gesammtstrahlung); dass sie 2. bei jeder Tempe- ratur aus einem Gemisch von Strahlen verschiedenster Wellenlänge in bestimmter Inteusitätsvertheilung besteht (£t=/(A); Gesetz der Euergievertheilung im Spectrum); dass 3. diese Intensitätsvertheilung mit der Temperatur sich ändert, sodass 3 a) eine bestimmte Strahlungsintensi- tät sich mit zunehmender Temperatur nach der Richtung der abnehmenden Wellenlängen verschiebt (vergl. den Drap er 'sehen Satz) ß^ = f (T), = Verschiebungsgesetz der Strahlungsintensität) 3 b) die Strahlungsintensität für jede Wellenlänge mit der Temperatur wächst (i\ = f{T), Temperaturgesetz der Theilstrahlung, isochromatische Curve). Ist von diesen Gesetzen z. B. 2. Et = /' ß) und 3a) lE = fiT} bekannt, so ergeben sich alle übrigen daraus. . Gemäss seiner Definition als Grenzfall darf man bei dem „schwarzen" Körper eine relativ einfache und jeden- falls typische Form aller dieser Gesetze erwarten, wie schon Kirchhoff betont hat. Wären sie für ihn genau bekannt, so bedürfte es für die Kenntniss der Strahlungsgesetze aller übrigen Körper nur noch der Kenntuiss ihrer Coustante A (Absorptions- vermögen) für jede Wellenlänge und bei jeder Tempe- ratur, die aber relativ leicht zu gewinnen ist. Seit mau das klar erkannt hatte, waren daher die Bestrebungen der Physiker auf die Erforschung dieser Gesetze der „schwarzen Strahlung" gerichtet. Bis vor Kurzem war es aber nicht möglich, die Strahlung eines „schwarzen" Körpers thatsächlich zu rea- lisireu. Immerhin förderten auch die Untersuchungen an Körpern, die dem „schwarzen" nahe kamen, Kohle, Platin- moor, Metalloxyd etc. wenigstens das Temperaturgesetz der Gesammtstrahlung (1) zu Tage (Stefan). Durch Wien und Lummer ist dann vor einigen Jahren als Folgerung aus dem Kirchhoff' sehen Gesetze gezeigt worden, dass die aus einer kleinen Oeffnung in der Wand eines Hohlraums, dessen Wände auf constanter Temperatur gehalten werden, herausdringende Strahlung alle Eigenschaften der „schwarzen Strahlung" besitzen muss. (Das wird des Näheren ausgeführt und durch eine glüheude Röhre mit einer Oeffnung in der Wand demon- strirt; die Oeffnung strahlt heller als die Umgebung.) — Damit waren die Gesetze der schwarzen Strahlung der directen experimentellen Untersuchung zugänglich ge- macht. Die Instrumente, die für diese Untersuchungen zu einem hohen Grade von Vollkommenheit ausgebildet worden sind, sind die Melloni'sche Thermosäule, das Bolonietcr, das Radiometer, und die Rubens 'sehe lineare Thermosäule. Dieselben werden discutirt und vorgeführt. Das Gesammtresultat dieser feinen und eifrigen Forschungen sind nun folgende einfachen Gesetze der Strahlung eines schwarzen Körpers: 1 . das Temperaturgesetz der Gesammtstrahlung wurde von Stefan empirisch, von Boltzniann theoretisch ge- funden zu E = lc'T*.T ist die absolute Temperatur. Misst man E in cal., so hat k den Wert 123, 8.10-'»- 2. Für das Gesetz der Euergievertheilung wurden schon früher verschiedene empirische Formeln angegeben. Am besten bewährt sich bisher die von Paschen empirisch ermittelte, dann von W. Wien und Planck theoretisch fundirtc Formel welche die Beobachtungen recht gut wiedergiebt, ob- schon auch sie nach den neuesten Untersuchungen von Lummer und Pringsheim im Gebiete der grossen Wellenlängen noch versagt.*) Ihre Constanten haben den Werth C = 629 100 c = 14 450 3a) Das Verschiebungsgesetz der Strahlungsintensität ist von W. Wien theoretisch abgeleitet und durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt worden: A T= Const. Z. B. ver- schiebt sich die Wellenlänge Xra, der bei einer bestimmten Temperatur T die maximale Strahlung zukommt, nach diesem Gesetze nach den abnehmenden Wellenlängen hin so, dass A„, T = 2940. 3 b) Ais Temperaturgesetz der Theilstrahlung er- . „ ^ ,, Const. giebt sich durch Combinatiou von 2. mit 3a) (/. = — j, — in 2. eingesetzt) Ei = KT'", wobei Ä' den Werth 2188 ■ 10-" hat. (Diese Gesetze werden graphisch dargestellt und in ihren Consequenzeu discutirt.) Was jetzt das Verhalten der gewöhnlichen Körper im Lichte dieser Gesetze der schwarzen Strahlung betrifft, so sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) das Absorptionsvermögen ist bei jeder Temperatur für alle Wellenlängen dasselbe; dann werden die Strah- lungsgesetze des schwarzen Körpers auch hier gelten, nur sind die Constanten der Gleichungen entsprechend zu verändern (normale oder graue Strahlung; z. B. ange- nähert Kohle, überhaupt alle im gewöhnlichen Sinne schwarzen Körper). Oder b) das Absorptionsvermögen ist für die verschiedenen Wellenlängen verschieden (anomale Strahlung). Beispiele hierfür bieten alle farbigen Substanzen.^ Ein für die Beleuchtung wichtiges Beispiel wird vfeiter* unten berührt. Damit wird auf die praktische Bedeutung der Strahlungsgesetze für die Gesichtspunkte einer ratio- nellen Beleuchtung übergegangen. Turalirz hat 1889 das mechanische Aequivalent der Lichteinheit (Hefnerkerze) zu 0,0446 cal. sec. - i = 0,189 Watt bestimmt. Um das einer Kerzenstärke entsprechende Licht zu erzeugen, wären demnach nur 0,189 Watt er- forderlich, wenn es gelänge, alle Strahlung als optische Strahlung zu erhalten. Danach berechnet sich der Wir- kungsgrad einer Oellampe von 9,4 Kerzenstärke bei einem Oelverbrauche von 42 g pro Stunde (Verbrennungswärme 9500 cal) zu 0,4 «/o- Fi»" eine Glühlampe ist derselbe (Wattverbrauch 3,5) 5,6 "o! für ^'^^^ Bogenlampe (V2 Watt pro Kerze) 40 7o- Die Gesetze der Strahlung geben über die Ursache dieses so ungünstigen Resultates Aufschluss und zeigen auch die Gesichtspunkte, nach denen man höhere Nutz- effecte zu erzielen erwarten darf. Sie zeigen, dass die ■•■) Seitdem sind weitere Formehi aufgestellt, von denen die neueste von Planck E = -^^- (C = 029 1(X), ,■ = 4,965 • 2890 ) endgültig das Veitlieilungsgesetz darzustellen scheint, weil sie so- wohl den ganzen Bereich der Beobachtungen äusserst genau dar- stellt, als auch theoretisch einfach und einwandsfrei hergeleitet werden kann. (Vergl. H. Rubens und F. Kurlbauin, Ann. der Physik 4, 6I;), 1901.) XVI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 359 Strahlung bei den Temperaturen unserer gewöhnlichen Lichtquellen zum überwiegenden Theile dem infrarotheu Gebiete angehört und nur mit kleinem Betrage dem sicht- baren. Sie lehren, dass dieses Verhältniss immer besser wird, je höhere Strahlungstemperaturen man verwendet, wie bei der Bogenlampe und dem Auerstrumpfe. Bei letzterem wird ein Material mit möglichst grosser Ober- fläche und kleiner specifischer Wärme in die heisse, nicht leuchtende Gasflamme gebracht und nimmt dadurch die höchste Temperatur au, die wir beim Verbrennen von Leuchtgas erzielen können. Die hohe Temperatur ist es hier aber nicht allein, welche den hoben Nutzeifect des Auerlichtes erklärt, sondern wir haben es hier gleichzeitig mit einem Körper von anomaler Strahlung zu thun, bei dem die Emission der Wärmestrahlung gegen diejenige der optischen re- lativ zurücktritt. Dieselben Gesichtspunkte führten zur Construction der Nernstlampe, bei der auf elektrischem Wege eine be- sonders hohe Strahlungstemperatur an Körpern mit der er- wähnten Strahlungsanomalie erzeugt wird. Ihr Nutzeifect ist (Wattverbrauch pro Kerze 1) 20 7o- Eine besondere bei diesen Körpern zuweilen vermuthete, neben der Tempe- raturstrahlung vorhandene Luminescenzstrahlung ist nach den neueren Forschungen nicht dabei im Spiele. Schliesslich wird gezeigt, wie man aus der Messung der Energievertheilung eines Körpers, z. B. der Sonne, mit Hülfe der Strahlungsgesctze ihre Temperatur be- rechnen kann (wobei vorausgesetzt wird, dass der Körper „schwarz" sei). Bei der Luminescenzstrahlung scheint alle zugeführte P^nergie allein als optische Strahlung zu Tage zu treten, daher setzt man stellenweise auf diese Strahlung grosse Hoffnungen für Beleuchtungszwecke (Licht der Zukunft). Doch die praktischen Erfolge entsprechen einstweilen noch nicht diesen Erwartungen. (Demonstration der Ebert'schen Lampe.) b) Lichtelektrische Erscheinungen und lonen- leitung in Gasen. (4 Stunden.) Durch eine einleitende Uebersicht über die Max- well'sehe Theorie der Elektricität wird der Gruppe der lichtelektrischen Erscheinungen ihre theoretische Stellung und Bedeutung zugewiesen. Dann wird, von den Hertz' sehen Grundversuchen an, bei denen eine mit ultraviolettem Lichte bestrahlte Funkenstrecke leichter anspricht, wie unbelichtet, die ex- perimentelle Entwickelung des Gebietes durch E. Wiede- mann und Ebert, Hallwaehs, Righi, Stoletow, Elster und Geitel, Lenard, Warburg u. A. an zahl- reichen Experimenten vorgeführt. Bei allen diesen Versuchen ist das gemeinsame, dass durch Bestrahlung gewisser, negativ elektrisirter Substanzen (meist Metalle), in einer von der Natur derselben, sowie der Art und dem Zustande des auffallenden Lichtes ab- hängigen Weise, eine Anzahl von Wirkungen hervor- gebracht wird, wie sie für ein Leitendwerden der um- gebenden Gase charakteristisch sind: die Substanzen ver- lieren ihre Ladung mit einer von der Natur und dem Drucke des umgebenden Gases abhängenden Intensität: sie beeinflussen dabei den Aitken-Helmholtz'schen Dampfstrahl; die Wirkung wird von magnetischen und von elektrostatischen Kräften abgelenkt; sie übt beim Auftreffen auf leichtbewegliche Körper einen Druck aus; sie erleichtert den elektrischen Ausgleich in einer Funken- strecke und verwandelt unter bestimmten Verhältnissen eine Fuukenentladung in eine Büschelentladung etc. Analoge Wirkungen sind nun bei einer Reihe von son- stigen Erscheinungen beobachtet, bei denen Gase aus Nichtleitern zu Leitern der Elektricität werden: Katb- odenstrahlen (Crookes, Hittorf, Lenard, etc.); Glühelektrische Erscheinungen (Elster und Geitel), Röntgenstrahlen; Uran-, Radium und Poloniumstrahlen (Becquerel, Curie). Es werden die entsprechenden Versuche vorgeführt, aus denen die weitgehende Analogie zwischen allen diesen und den lichtelektrischen Erschei- nungen hervorgeht. Nun kann nach den neueren Forschungen kaum mehr ein Zweifel sein, dass die Kathodenstrahlen mit grosser Geschwindigkeit bewegte negativ elektrisirte Theilehen sind, deren Masse auf mehreren ganz verschiedenen Wegen übereinstimmend zu ca. ',,„0^, eines Wasserstoffatoms be- stimmt worden ist (J. J. Thomson, Kaufmann) und deren Geschwindigkeit von mancherlei umständen ab- hängt, aber gemessen werden kann (Des Coudres, Wiechert). Sie zeigen alle obengenannten Wirkungen in der reinsten, auch quantitativ relativ einfach zu über- sehenden Weise, während ihre Wechselwirkung mit ma- teriellen Molecülen verwickeitere Erscheinungen zur Folge hat analog denen, wie sie bei den demonstrirten licht- elektrischen Versuchen in Erscheinung traten. Somit liegt es nahe, in allen diesen Fällen die näm- lichen Wirkungen jener Kathodenstrahltheilchen zu suchen, in jedem besonderen Falle modificirt durch Besonder- heiten der jeweiligen Versuchsbedingungeu. Die An- schauung, welche sich so entwickelt hat und innner mehr an Boden gewinnt, bezeichnet man als die Theorie der lonenleitung in Gasen. Sie ist noch weit entfernt davon, nach allen Seiten hin klar entwickelt zu sein, doch haben eine Reihe geistvoller Arbeiten, namentlich aus der Schule J. J. Thomson's in Cambridge, sie schon jetzt zu einer Hypothese von grosser Fruchtbarkeit ausgestaltet. Als starke Stütze ist ihr neuerdings der Nachweis Lenard 's gekommen, dass die lichtelektrischen Erscheinungen bei sehr tiefen Drucken durchaus mit Kathodenstrahlerschei- nungen identisch werden. Aehnlich liegt es nach neueren Versuchen mit den von radioactiven Substanzen ausgehen- den Becquerel strahlen. Dass durch eine solche Anschauung auch die übrigen auf der Grenze zwischen Licht und Elektricität stehenden Erscheinungen, elektromagnetische Drehung der Polari- sationsebene, Zeeman Phänomen, ja auch die Leucht- processe selbst in ein neues fruchtbares Stadium versetzt und zu einer grossen Einheit zusammengefügt werden, hat namentlich Lorentz in seinen berühmten Arbeiten gezeigt. Doch kann das hier nur angedeutet werden. Was die Natur der Kathodenstrahltheilchen angeht, so ist hier der Hypothese ein weiter Spielraum eröffnet. Im Interesse einer einheitlichen Naturauffassung befrie- digt am meisten wohl die Anschauung J. J. Thomson's, dass wir hier die kleinsten Theilehen der Elektricität unter den Händen haben, Elektrons, Korpuskeln, oder wie man sie nennen will, die im Stande sind, mit den körperliehen Molecülen gleichsam chemische Verbindungen, Ionen, zu bilden. Die Aufgabe der nächsten Zeit ist, die Gesetze und Bedingungen dieser Verbindungen streng zu ermitteln, und man ist hier mit einer Fülle wundervoller Arbeiten bereits weit vorgedrungen. Jedenfalls dürfen wir auf diesem Gebiete in den nächsten Jahren die überraschendsten Entdeckungen und theoretischen Fortschritte erwarten. c) Die Entwickelung der Inductovien und Stromunterbrecher (2 Stunden). Die Hauptbestandtheile eines Inductoriums sind Primär- spule mit Eisenkern (wenige Windungen dicken Drahtes), Seeundärspule (sehr viele Windungen dünnen Drahtes), Unterbrecher, Condensator. 360 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 31. Ein Inductorium dient zur Umwandlung eines niedrig gespannten Gleich- oder Wechselstromes in möglichst hochgespannte und möglichst oft erfolgende Stromstösse. Wir verlangen von einem guten Inductorium, dass es diese Umwandlung bei möglichst kleinem Materialaufwand, also möglichst billigem Instrumentarium, möglichst öko- nomisch leistet. Die Gesichtspunkte, nach denen diese Bedingungen erfüllt werden können, zeigt eine an der Hand der Er- fahrung aufgebaute Theorie des luductoriums, die mit Hülfe des Kraftlinienbegrifts in ihren Grundzügen ent- wickelt wird. Dieselbe lehrt gleichzeitig die Bedin- gungen kennen, die zum richtigen und rationellen Be- triebe eines Inductoriums erfüllt sein müssen. Sie zeigt z. B., dass jedes Inductorium, falls es mit einer gege- benen Spannung betrieben werden soll, einen bestimmten Unterbrecher erfordert, oder, falls dieser gegeben ist, eine bestimmte Betriebsspannung, um das zu leisten, was es kann und soll.*) Legt man an die Primärspule, deren Selbstinduction und Widerstand L und w seien, eine Spannung E an, so wächst der Strom i nach der Beziehung Fig. 2 zeigt das Verhalten ein und desselben Induk- toriums, wenn verschiedene Spannungen angelegt werden. L = 0,1 Henry, w = 0,5 Ohm, — = 0,2 Secunden. In allen ! J> ' ' tu ' 2 Fällen ist nach 0,2 Secunden .j des endgültigen Werthes erreicht, der durch die Spannung E bestimmt ist. Da nun zur Erzieluug der maximalen Funkenlänge bei jedem Inductorium eine bestimmte primäre Strom- stärke /„ nothwendig ist, so uiuss der Stromschluss vor jeder Unterbrechung jedesmal mindestens so lange dauern, "bis das i gemäss der Gleichung (1) den Werth /„ erreicht hat. Das ist, wie die Gleichung (1) und Fig. 2 lehrt, für ein ge- -( (1) zeitHch an, erreicht also praktisch erst nach einer ge- wissen Zeit den endgültigen Werth — . Nach der Zeit ist der Strom auf 1 dieses Endwerthes gewachsen und es ist dieses Verhältniss - (sogenannte Zeit- constante) gevvissermaassen eine für jedes Induktorium charaktei'istische Wirkungsgrösse. Fig. 1 erläutert in den Kurven /, II, III z. B., wie der Strom in verschiedenen CUnf. l'riMiärspulcn anwächst, nachdem jedesmal dieselbe Spannung angelegt wurde. Kurve 1 entspricht L = 0,10 Henry, (« = 0,5 Ohm, ^ = 0,2 Secunden. Kurve II L = 0,20 Henry , 0,.ö Ohm, L 0,4 Secunden. Kurve /// L ^ 0,30 Henry, «- = 0,5 Ohm, =0,6 Se- ir Der schliesslich erreichte End werth ist immer cunden. E 10 20 Amjjere. *) Vgl. B. Walter, Wiedem., Ann. 62, 300, 1897. gebenes Inductorium um so schneller der Fall, je grösser die Betriebsspannung E ist. Die Betriebsspannung eines Inductoriums ist daher der Zeitdauer der Stromschlüsse anzupassen, die der verwendete Unterbrecher bewirkt, die sich andrerseits bei einem guten Unterbrecher regu- liren und der Betriebsspannung anpassen lassen muss. Umgekehrt hat es keinen Sinn, Unterbrecher mit grosser Frequenz, also auch kurzer Stronischlussdauer zu verwenden, wenn nur kleine Betriebsspannung zu Gebote steht. Die Funkenlänge bleibt dann hinter der maximalen weit zurück. Wenn z. ß. / „ für das Beispiel der Fig. 2 4 Ampere ist, so zeigt Curve i, dass man diesen Werth schon mit 2 Volt Betriebsspannung erreichen kann, es muss aber dann der Strom mindestens 0,7 Secunden geschlossen bleiben. Bei 4 Volt würde nach Curve II der Werth /„ = 4 schon nach ca. 0,1 Secuude erreicht, bei 10 Volt nach 0,05, bei 15 Volt nach 0,02 Secunden. Hier würde man also noch mit einem Unterbrecher von 50 Unterbrechungen pro Secunde die volle Funken- länge erreichen können. Hat man nur 10 Volt zur Ver- fügung, so darf der Unterbrecher nicht mehr als 20 Unterbrechungen machen und muss so eingerichtet sein, dass der Strom mindestens 0,05 Secunden geschlossen ist n. s. f. (Das ganze skizzirte Verhalten einer Primärspule wird mit Hülfe der Brauu'schen Kathodenstrahlröhre demonstrirt. Dieselbe zeigt im rotircnden Spiegel direct die Curven der Fig. 1 und 2*). Ein weiterer sehr wesentlicher und wichtiger Bestand- theil eines Inductoriums ist der zur Unterbrechungsstelle parallel geschaltete Condensator. (Fizeau 1853.) Der- selbe fängt gleichsam die bei der Unterbrechung ent- stehenden Oeff'nungsextraströme der Primärspule auf und M. Reich, PhysikalisclK *) Vgl. daijn H. Th. Simon Zeitschrift 8, 284; 1901. XVI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 361 bewirkt einen sonst nicht erreichbaren möglichst steilen Abfall des Primärstroms nach der Unterbrechung, wie er nach dem Inductionsgesetze zur Erzielung hoher Secundär- spanuungen erforderlich ist. Es wird gezeigt, dass dazu bei gegebener Selbstinduction der Primärspule eine ganz bestimmte, nicht zu grosse und nicht zu kleine, Capacität erforderlich ist, was durch die in dem Systeme auf- tretenden gedämpften elektrischen Oscillationeu seine Be- gründung findet. Durch den Oeffnungsextrastrom wird nämlich der Condeusator zu einer bestimmten Spannung geladen und entladet sich gleich darauf rückwärts durch die Primärspule. Je plötzlicher und vollständiger er die Ladung aufnimmt, desto wirksamer ist die durch das Unterbrechen bewirkte Induction auf die Secundärspule. Nun findet die Entladung eines aus Condensator, Widerstand und Selbstinduction be- stehenden elektrischen Systems bekanntlich entweder perio- disch oder aperiodisch statt, je nach dem Verhältniss der drei genannten Bestimmungsgrösseu.*) Fig. 3 zeigt schematisch, wie sich der zeitliche Verlauf der Entladung ändert, wenn man bei einer gegebenen Primärspule die Capacität des Condensators mehr und mehr wachsen lässt. Bei sehr kleiner Capacität (Fig. 3 a) fällt der Strom aperiodisch ziemlich langsam auf o. Bei wachsender Capacität ( fällt die Curve immer steiler (Fig. 3 b), geht schliesslich über die Nulllinie hinaus in das Stadium der periodischen Ent- ladung mit der Schwingungszeit = 2 tt VZT^ (2) über (Fig. 3 c). Mit wachsender Capacität wächst nach *) Siehe z. B. Drude, Physik de.s Aethers, S. 351 flf. Gleichung 2) jetzt die Schwingungszeit, damit wird aber auch der Stromabfall wieder flacher (Fig. 3d). Diejenigen Capacität nun, welche die kleinste Schwingungszeit be- wirkt, wird die beste Wirkung des Induktoriums ergeben, weil sie den „OefiTnungsextrastrom am schnellsten aufzu- saugen" vermag. Dadurch schneiden die Kraftlinien des Primärstromes die Drähte der Sekundärspule in der unter den gegebenen Bedingungen kürzesten Zeit. Von den genannten theoretischen Gesichtspunkten aus wurde die Construction moderner Inductorien an d er Hand eines reichhaltigen Demoustrationsmateri'als d's- cutirt, welches z. Th. von der Siemens & Halske- Actiengesellschaft und der Allgemeinen Elektricitäts- Ge- sellschaft in Berlin in entgegenkommendster Weise zur Ver- fügung gestellt war. Ferner wurde ein historisch-kritischer Ueberblick über die Stromunterbrecher gegeben unter Vorführung ziemlieh aller existirenden Constructionen. Von den Motorunterbrecheru erfüllt der Boas'sche Quecksilberstrahlunterbrecher alle theoretischen Anforde- rungen: hohe und regulirbare Unterbrechungszahl, exact regulirbare Dauer des Stromschlusses. — Sehr viel ein- facher erreichen das die elektrolytischen Unterbrecher von (Wehnelt*) und Simon'*'*), die sich gleichsam selbst- thätig den Betriebsbedingungen anpassen und neben ihren geringen Herstellungskosten den Vortheil haben, dass sie einen besonderen Condensator entbehrlich machen, weil sie selbst nach der Unterbrechung einen Condensator dar- stellen. Sie lassen sich von einer bestimmten Mindest- spannung an ohne Weiteres an jede Betriebsspannung ansehhessen. Der Wehnelt-Ünterbrecher (Siemens und Halske, Berlin i eignet sich am besten, wenn Spannungen zwischen 50 und 100 Volt zur Verfügung stehen, der Simon 'sehe Lochunterbrecher (Siemens und Halske, Berlin) für Spannungen über 100 Volt. Die Theorie dieser Unterbrecher ist von H. Th. Simon***) entwickelt worden und führt zu dem durch die Erfahrung be- stätigten Wirkungsgesetze ^ ~2 10^ E-^' wo T die Unterbrechungszeit, E die Betriebsspannung, ü eine Constante ist. d) Neue Demonstrationsversuche. (2 Stunden.) Zunächst wurde der von dem Vortragenden ent- deckte sprechende Flammenbogen vorgeführt: Ueber- trägt man mittelst einer geeigneten Transformatorspule die Ströme eines Mikrophons auf einen Bogenlampen- Stromkreis, so giebt der Flammenbogen das in das Mikro- phon Gesprochene oder Gesungene laut wieder. Um- gekehrt hört man alles gegen den Flammeubogen Ge- sprochene mit überraschender Deutlichkeit in einem an Stelle des Mikrophons geschalteten Telephone. — Dann wurde die von dem Vortragenden neuerdings gefundene Thatsache vorgeführt, dass man das Licht des „sprechen- den Flammenbogens" zu einer Telephonie ohne Draht verwenden kann. Lässt man dasselbe auf eine mit Batterie und Telephon zusammengeschaltete Selenzelle fallen, so giebt das Telephon alle auf den Lichtbogen übertrageneu Klänge deutlich wieder, f) Des Weiteren wurden Versuche mit den Funken des mit elektrolytischem Unterbrecher betriebenen Inducto- riums vorgeführt. Lässt man den Funkenstrom eines In- *) Wied,, Ann. 68, 262, 1899. **) Wied., Ann. 68, 86i), 1899. I ***) Wied., Ann. 68, 273, 1899. ( t) Die Versuche sind eingehend beschrieben : H. Th. Simon, I Wied. Ann. 64, 233, 1898; Physik. Zeitschr. 2, 253, 1901: Elektrot. I Zeitschr. 1901, Heft 25. 362 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. .31. ductoriums in einem kräftigen Magnetfelde zwischen einer Scheibe und einem coneentrisclien Ringe senkrecht zu den Kraftlinien überströmen, so wird der Funke parallel sich selbst und senkrecht zu den Kraftlinien verschoben und rotirt um die Seheibe herum (Leeher, Wied., Ann. 68, ()23, 1899). Der Versuch lässt sich in mannigfacher Weise variiren. Ferner werden die Um ow 'sehen Versuche zur ob- jeetiven Darstellung der Linear- und Cireularpolarisatiou gezeigt (Ann. d. Phys. 2, 72, 1900). Die linear pola- risirten Strahlen einer Bogenlampe werden auf einen po- lirten Glaskegel geleitet, sodass sie in der Richtung der Axe auffallen und von dem Kegelmantel unter dem Po- larisationswinkel reflectirt werden. Dann erscheint das vom Kegel reflectirte Licht von zwei schwarzen Büscheln durchsetzt. Wird das linear polarisirte Licht durch Spiege- lung in einen Cylinder mit getrübtem Wasser längs der Axe eingeleitet, so erscheint das Wasser in einer be- stimmten Richtung gesehen dunkel, in der dazu senk- rechten hell. Ersetzt man das Wasser durch concentrirte getrübte Zuckerlösung, so erscheinen wegen der Rota- tionspolarisation mit weissem Lichte farbige, mit mono- chromatischem schwarze Spiralen in dem Flüssigkeits- cylinder. Durch Einschaltung von senkrecht zur Axe ge- schnittenen Quarzplatten erhält man in Folge der Cir- eularpolarisatiou des Quarzes in allen diesen Fällen reiz- volle Farbenerscheinungen. Zum Schliiss werden nach den verschiedenartigen Methoden der Farbenphotographie hergestellte Photo- graphieen denionstrirt (Lippmann, Joly, Ives, Seile)*) B. Elektrotechnik. Dr. Deguisue: Elemente der Wechselstromtechnik. Nach einem Hinweis auf die grosse Bedeutung der Kraftlinientheorie bei der Eutwickelung der Dynamo- maschine, sowie auf die durch sie geschaffene Erleich- terung des elektrotechnischen Studiums, insbesondere auch beim Schulunterricht, wird der Begriff der Kraftlinien definirt und werden mit Hilfe von Eisenfeilcurven die Felder permanenter Magneten und von Strom durchflossener Spulen untersucht. Die au letzteren erhaltenen Bilder zeigen die Kraftlinien in ihrem ganzen Verlauf als ge- schlossene Linien im Einklang mit der Definition und führen zur Unterscheidung zwischen gleichförmigen und ungleichförmigen Feldern. Die Stärke des magnetischen Feldes wird durch die auf den Einheitspol ausgeübte Kraft gemessen, während die Richtung dieser Kraft den Sinn der Kraftlinien wiedergiebt. Der Versuch zeigt das Entstehen einer elektromoto- rischen Kraft in einem durch ein Feld bewegten Draht, deren Richtung von der Bewegungs und der Kraftünien- richtung abhängt (Regel der rechten Hand) und deren Grösse der Feldstärke, der Länge des Drahtes und der Bewegungsgeschwindigkeit, mit anderen Worten der An- zahl der pro Secunde geschnittenen Kraftlinien, propor- tional erhalten wird. Zur Festlegung der Einheit der elektromotorischen Kraft wird der Proportionalitätsfactor = 1 gesetzt. (Absolute Einheit; Volt.) Die algebraische Sunnne der von einer Windung, welche in einem beliebigen Felde beliebig bewogt wird, geschnittenen Kraftlinien ist gleichbedeutend mit der pro Secunde eintretenden Gesammtänderung der die Windung durchsetzenden Kraftlinienzahl : ( o, --^ ). *) Vgl. Natuiw. Wochenschrift XIV U, S. 155. Die Bewegung eines Drahtes auf einem Cylinder- mantel in einem gleichmässigen Felde liefert eine sinus- förmig sich ändernde elektromotorische Kraft. (Graphische Darstellung derselben durch Siuuscurve: Momentan werthe, Maximalwerthe, Perioden, Phasen). Diese elektromoto- rische Kraft erzeugt in einem geschlossenen Stromkreis einen ebenso verlaufenden Strom. Die Rechnung ergiebt, dass sämmtliche Instrumente, welche auf das Quadrat der Stromstärke ansprechen, sich beim Durchgang eines sinus- förmigen Stromes, sobald sie mit Gleichstrom geaicht sind, auf einen Werth einstellen, welcher das 0,707 fache des Maxinialwerthes ist: Efifectiv werth des Stromes oder der Spannung. Die Aufnahme einer Wechselspannungscurve mit der Joubert'schen Scheibe beweist die Richtigkeit der Theorie. Bei der Behandlung der Zusammensetzung mehrerer Sinuscurven, Wechselströme oder Wechselspanuungen dar- stellend, wird unterschieden zwischen Curven mit un- gleicher und solchen mit gleicher Periodenzahl, im letzteren Falle wiederum zwischen phasengleichen und gegen- einander verschobenen Curven (Kirchhoff'sches Gesetz bei Gleichstrom und bei Wechselstrom). Die Klemmenspannung einer von Wechselstrom durch- Hossenen Spule besteht aus zwei Compouenten, deren eine den Ohm' sehen Spannungsabfall bestreitet, während die andere die auftretende Gegenspannung der Selbstinduction compeusirt. Die Klemmenspannung ist daher gegen den Strom verschoben um einen Winkel, welcher zwischen 0 und 90" liegt. (Ohm'sches Gesetz bei Gleichstrom und bei Wechselstrom; scheinbarer Widerstand.) Ebenso wie der Spannungsabfall durch das Product des Stromes mit dem Ohm 'sehen Widerstand und die Klemmenspannung durch das Product des Stromes mit dem scheinbaren Widerstand dargestellt wird, lässt sich der für die Selbst- induction erhaltene Ausdruck in Factoren zerlegen, von welchen die der Spule eigeuthümlichen Grössen als Selbst- inductionscoefficient zusammengefasst werden, sodass dieser multiplicirt mit der Wechselzahl die Dimension eines Widerstandes liefert. Im Anschluss an die graphische Construction der Klemmenspannung mit Hilfe von Sinuscurven wird die Grösse des scheinbaren Widerstandes und des Phasen- verschiebungswinkels rechnerisch abgeleitet. Werden Klemmspannung und Strom durch Sinus- curven über derselben Abscisse dargestellt und die Mo- mentanwerthe der Leistung aufgetragen, so erhellt sofort, dass diese bald positives, bald negatives Vorzeichen haben, sobald der Strom gegen die Klemmspannung verschoben ist; dass ferner die relative Anzahl und Grösse der nega- tiven Momentanwerthe der Leistung abnimmt, sobald die Phasenverschiebung zurückgeht. Die Rechnung liefert als mittleren Effect den Ausdruck A'-/-cos y, wenn die Eflfectivwerthe der Klemmspannung durch K, des Stromes durch / und der Verschiebungswinkel durch y bezeichnet wird. (Zerlegung der Stromcurven in die Watt-Com- ponente und die wattlose Componente.) Das ("nrvendiagramm der Selbstinductionsspule lässt sich zum Diagramm des unbelasteten Transformators er- weitern durch Einzeichnen der secundären Spannungs- curve (ümsetzungsverhältniss, Leerlaufstrom); für den belasteten Transformator ist weiter einzuzeichnen die Curve der Anipörewindungen der secundären Seite und mit gleichen, aber entgegengesetzten Momentanwerthen die Curve der ])riniären Amperewindnngen (die Streuung der Kraftlinien = 0 angenommen). Da die Ampere- windungen in der Primär- und Secundärspule einander gleich sind, verhalten sich die entsprechenden Ströme um- gekehrt wie die Windungszahlen; sie sind mit den Curven XVI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. der Aiuperewinduugen phasengleich. Mit dem für die Frimärspule sich ergebenden Strom setzt sich der Leer- laufstrom zu einer Resultirenden, Primärstroni genannt, zusammen. An Hand des Diagramms lassen sich die Be- ziehungen der Klemmspannung, der Phasenverschiebung und des Effects auf der primären Seite zu den ent- sprechenden Grössen auf der secundären Seite ableiten. An Hand eines Pappmodells wird das Verhalten des synchronen Wechselstrommotors besprochen. Das Entstehen eines Drehfeldes durch zweiphasigen, sowie durch dreiphasigen Wechselstrom lässt sich ver- mittelst Gleichstrom und Magnetnadel an einem mit Spulen bewiciielten Eisenring demonstriren und die Abhängigkeit des Drehungssinnes und der Rotationsgcschwindigkeit des Drehfeldes von der Schaltung der Spulen und der Perioden- zahl des Wechselstroms ableiten. Die Benutzung des Drehfeldes zum Betrieb von Mehr- phasenmotoren wird durch Versuche mit einem Modell eines Kurzschlussankers erklärt, ebenso das Verhalten des Kurzschlussankers im einphasigen Wechselfeld. Da eine Differenz zwischen der Tourenzahl des Ankers und der- jenigen des Drehfeides eine Grundbedingung für das Functioniren des Motoren ist, werden dieselben auch „asynchrone Motoren" genannt. Ingenieur Prof. Eugen Hartmaiiu: 1. Ueber die den elektrischen Strommessern zu Grunde liegenden Constructionsprincipien. Zu diesem Vortrage, dessen Inhalt der Vortragende untenstehend genauer wiedergegeben hat, war den Zu- höhrern vorher die folgende Disposition zugestellt worden: Elektrische Strommesser. I. Für Gleich- und Wechselstrom. A) Elektromagnetische, mit beweglichem Kern aus weichem Eisen und Solenoid. 1. mit ein- tauchendem Kern (Krizik, Fr. Kohlrausch, H. & B., Ayrtou & Perry, Dolrowolski A. E. G., Siemens und Halske, Hörn); 2. mit asymmetrisch gelagertem Kern (üppenborn, Hummel, Schulz, Imhoff); 3. mit von fest gelagertem Eisen abstossenden oder anzieiienden Kernen (Siemens, Fischer H. & B., Chauvin, Edel- mann, Javaux). B) Elektrodynamische (Weber, Sie- mens, Kopp, Bruger, H. & B.). C) Elektrokalorische (Cordew, Ash, H. & B.). D) Elektrostatische (Braun, H. & B., Lord Kelwin, A. E. G.). II. Nur für Gleichstrom. A) mit beweglichem Eisen (Deprez, Carpentier, Ayrton & Perry); B) mit beweglicher Spule (Thomson, Deprez - d'Ärsouval, Westen H. & B.). III. Nur für Wechselstrom. A) mit Ferraris- schem Drehfeld (Benischke, A.E. G., Görner, H. & B.). In der Einleitung knüpft der Vortragende an das jüngst vom Reichstag verabschiedete Gesetz, betreifend die elektrischen Maasse an, das bei dem enorm wachsen- den Handelsverkehr mit elektrischer Energie so noth- wendig geworden ist, wie die Maass- und Gewichts- ordnung, wenn auch im Volke für jenes Gesetz noch nicht so schnell auf ein volles Verständniss zu rechnen ist, ob- wohl bei der Definition der elektrischen Gruudmaasse auf die nämlichen Grössen zurückgegangen ist, die ihnen als solche für Länge und Gewicht durchaus geläufig sind. Um so wichtiger für den Lehrer scheint die Kenntniss der Stromwaagen in ihren mannigfachen Constructionen, um aus diesen diejenige Ausfiihrungsform wählen zu können, die dem Verständniss des Schülers am nächsten tritt. So ziemlich alle Wirkungen, die der elektrische Strom auszuüben vermag, sind für die Coustruction eines Strommesseis ausgenützt worden. In erster Linie finden wir die elektrolytische Wirkung, z. B. im Silbervoltameter, welches uns unter Beobachtung von gewissen, durch die Physikalisch -Technische Reichsanstalt festgesetzten Kau- telen das Maass für einen Ampere abgiebt, wenn ein un- veränderlicher elektrischer Strom beim Durchgang durch eine wässerige Silbernitratlösung in der Zeiteinheit (Se- cunde) 0-001118 Gramm Silber abscheidet. Für die praktischen Zwecke im täglichen Verkehr mit Elektricität würde diese klassische Methode der Strommessung nicht brauchbar sein, auch wenn wir uns hierfür mit einer er- heblich geringeren Genauigkeit begnügen wollen, wie sie durch das Kohl raus eh 'sehe Wasser voltameter darge- boten wird, das die Stiomstärke durch die directe Ab- lesung des Volumens vom Knallgas zu messen gestattet, in welches das vom Strom durchflossene angesäuerte Wasser in der Zeiteinheit zerlegt wird. Auch eine andere Wirkung des Stromes, die Ab- lenkung der Magnetnadel durch einen festen, sie um- gebenden Leiter, die wir im Galvanometer und für stärkere Ströme besonders in der Tangentenboussole zur Messung anwenden, kann für die Herstellung praktischer Strom- messer nicht in Betracht kommen, weil hierbei nicht bloss die Richtung des magnetischen Meridians, sondern die erdmagnetischen Coustanten überhaupt, sowie verschiedene andere Einflüsse berücksichtigt werden müssen. Dagegen wird besonders in neuerer Zeit die Umkehr dieser Stromwirkung, die Ablenkung eines beweglichen stromdurchflossenen Leiters in dem Felde eines perma- nenten Magneten mit Vorliebe für die Construction von Strommessern benützt. Das Vorbild hierfür hat ohne Zweifel das Elektrodyuamomcter von Wilhelm Weber abgegeben. Die erste praktische Anwendung finden wir aber nicht auf dem Messgebiete, sondern bei dem trans- atlantischen Kabeltelegraphen, dem sogenannten Syphon- Recorder von William Thomson (Lord Kelvin) und dann erst von Deprez und d'Arsonval für ein empfind- liches Galvanometer verwendet, nachdem vorher Deprez, im Verein mit Carpentier, und Ayrton im Verein mit Paterson-Cooper Instrumente construirt hatten, bei welchen unter Umgehung der Schwierigkeit der Strom- zufuhrung zu einem beweglichen Leiter, dieser durch einen beweglichen Eisenkern ersetzt ist, der von den Polen des festen Magnets polarisirt und nun aus seiner hierdurch bedingten Richtung von einer ihn umgebenden Strom- spule abgelenkt wird. Seit aber Westen das Dreh- spulenprineip constructiv ausserordentlich geschickt durch- gebildet bat und zwar unter Benützung der die Richt- kraft abgebenden flachen Spiralfedern zur Stromzuführung für die bewegliche Spule, welche behufs JVIessung stärkerer Ströme einem anderen Stromleiter vom negativ sehr kleinen Widerstand parallel gestaltet wird, seither beherrscht dieses Coustructionsprincip, das in der Folge von Hart- mann & Braun, von Siemens & Halske u. A. nach verschiedenen Richtungen weiter ausgebildet wurde, den Markt. Die elektrolytischen und die mit permanenten Magneten ausgerüsteten Strommesser eignen sich nur für Gleich- strom; die letzteren können so vorbereitet werden, dass sie durch den Sinn der Ablenkung ihres beweglichen, mit einem Zeiger versehenen Organs auch die Stromrichtung anzeigen. Eine andere Wirkung des Stroms als Construetions- princip für Strommesser kommt dem allgemeinen Ver- ständniss viel näher. Es ist die magnetisirende Wirkung des Stroms auf weiches Eisen, die zu den mannigfaltigsten Constructionen von sogenannten elektromagnetischen Strom- messern gefuhrt hat. Sie bestehen iu.sgemein aus einem 364 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 31. Solenoid und einem bewej^lichen, entweder unter dem Eiufluss der Schwere, oder von Federkraft stehenden Eisenkern, der mit zunehmender Magnetisirung durch den \vaclisenden Strom je nach seiner Anordnung sich in der Richtung der Kraftlinien des Stroms, oder senkreclit /Ai | denselben verschiebt. Die elektromagnetischen Strommesser haben den i Vorzug, für Gleichstrom oder für Wechselstrom geaicht werden zu können. | Bei der am häufigsten angewendeten Ausfiihrungs- 1 form taucht der Eisenkern in den Hohlraum des Solenoids. Krizik, der Erfinder der Schuck ert 'sehen Bogenlampe mit den konischen Eisenkernen ersetzt z. B. die längere bewegliche Seite des Parallelogranmis einer oberschaligen I^ricfwaage durch einen solchen, von einem Solenoid um- gebenen konischen Eisenkern, der, wie sonst die Waag- schale, durch ein Gegengewicht ausbalancirt ist. Wie bei der Waage das Gleichgewicht durch die aufgelegte Last gestört und die Grösse der letzteren empirisch auf eine Skale, vor der die Zunge schwingt, aufgetragen ist, so wird hier der Zug des durch die Stromwindungen magnetisirten Eisenkerns, bezw. der einer bestimmten Stromstärke entsprechende Hub des Gegengewichts am Zeiger der zur Stromwaage umgearbeiteten Briefwaage ab- gelesen. Fr, Kohlrausch hat sofort den schwachen Punkt eines derartigen Systems mit vier Drehaxen entdeckt und das Vorbild der Sallers'schen Briefwaage zur Constiuction einer Stromwaage benutzt; er belastet eine vielgängige, eylindrische Spiralfeder, die zweckmässigerweise als so- genannte Zweiwegfeder, d. h. zur Hälfte in dem einen, zur anderen Hälfte im entgegengesetzten Windungssinn gewickelt, in der Mitte also mit einem Umkehrpunet ver- sehen ist, mit einer oben geschlossenen Röhre aus dünnem Eisenblech, deren unteres Ende in ein etwa eben so langes Solenoid eintaucht, und von diesem je nach der Stärke des durchtiiessenden Stroms weiter eingezogen wird, wobei die Verlängerung der Feder das fast gänz- lich proportionale Maass für die Stromstärke abgiebt. Der Eisenkern durchsetzt hierbei ein ganz homogenes Strom- feld; durch einen von unten in die Röhre eintretenden Stab wird beim Einziehen das Entweichen der Luft ge- hemmt und dadurch eine wirksame Dämpfung erzielt, im übrigen arbeitet diese Stromwaage, wenn einigermaassen senkrecht aufgestellt, vollständig reibungslos. Ayrton und Perry verwenden die nämlichen Theile; während aber Kohlrausch eine möglichst grosse Ver- schiebung unter Vermeidung der Torsion der Eisenröhre im Solenoid zu erreichen sucht, lassen sie nur eine ganz geringe geradlinige Bewegung derselben zu, dadurch, dass sie dieselbe mit ihrem geschlossenen unteren Ende an eine Feder befestigen, die mit ganz kleinem Durch- messer aus schmalem Band von Phosphorbronce her- gestellt, der Ausdehnung einen grossen Widerstand ent- gegensetzt, hierbei aber stark tordirt wird. Die geringe Längenausdehnung von wenigen Millimetern wird so auf eine Winkelbewegung von uugefähr drei Quadranten über- tragen; das Maass der Stromstärke ist an einem mit dem oberen Ende der Eisenröhie verbundenen radialen Zeiger an der Peripherie eines horizontalen Kreises abzulesen. Das Princip des geradlinig eintauchenden Kernes ist ausserdem noch in Verbindung des archimedischen Auf- triebs als Gegenkraft verwendet worden, indem der Eisen- kern als Aräometerspindel ausgebildet und das Stand- glas mit Stromvvindungen umgeben wurde, so von Dett- mar, Lalande u. A. Der Eisenkern wurde auch in Form eines Bogens (Brückner, Ross u. Comp.), oder eines grösseren Theils einer Peripherie (Siemens) drehbar um das zugehörige Centrum ausgebildet, wobei die Tiefe der Einziehung in eine entsprechend bogenförmige, oder auch kurze ey- lindrische Spule durch die Winkelgrösse bestimmt wird. Später ist aber bei eintauchenden Eisenkernen in Folge der Forderung, den Strommessern äusserlich die durch die Manometer üblich gewordene Dosenform zu geben, das Briefwaagensysteni allgemeiner geworden, je- doch mehr nach der unterschaligen Anordnung, wobei nur zwar Drehaxen nothwendig sind. Die verschiedenen Ansführungsformen unterscheiden sich hauptsächlich nur noch nach der Form der Eisenkerne. So benutzt Dobro- wolsky (Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft) eine dünne Haarnadel, deren beide Schäfte zusammengedrillt sind, Bruger (Hart mann & Braun) einen doppelkonischen, aus dünnem Blech gerollten Kern, woliei eine auf Torsion beanspruchte eylindrische Feder als Gegenkraft dient; Gong es (Sieniens & Halske) kuppelt nebeneinander zweiim Verhältniss zur Spulenlänge kurze Eisencylinder, und Hörn lässt schmale Ringe paarweise nacheinander, sowohl von oben als von unten, also doppelt wirkend in das Solenoid einziehen, wobei allerdings nicht weniger als sieben Drehaxen nothwendig werden. Als weiteres Constructionsprincip für elektromagne- tische Strommesser finden wir dann weiches Eisen asym- metrisch im Stromfeld gelagert, das sich mit wachsender Stromstärke in das dichtere Kraftlinienbereich hinein- bewegt, so von Uppenborn, der eine runde Eisenscheibe excentrisch drehbar um eine zu den Kraftlinien senkrecht stehende Axe, lagert, eine Anordnung, die neuerdings auch von Raps (Siemens «.^ Halske) adoptirt wurde, ferner von Hummel, der ein winkelig gebogenes, ausser- ordentlich dünnes Eisenblech um eine parallel mit den Kraftlinien stehende, im Hohlraum des Solenoids excen- trisch gelagerte Axe sich drehen lässt. Eine ähnliche Anordnung findet sich auch bei Strommessern von Ini- hoff, von Fischinger (Kummer) u. A. Endlich hat sich noch die Anordnung von zwei oder mehreren Eisenkernen innerhalb eines Solenoids bewährt, von welchen einer um eine parallel zur Kraftlinienrichtung liegende Axe beweglich ist und je nach der gegen- seitigen Lage von den im gleichen Sinne polarischen festen Eisenkernen abgestosseii oder angezogen wird. Strommesser dieser Art sind ctinstruirt von Siemens, Scharnweber, Peschel, Edelmann U.A. in den ver- schiedensten Formen, hauptsächlich verbreitet ist eine Construction von Fischer durch Hartmann & Braun. Eine störende Eigenschaft der Weicheiseuinstrumente ist ihre Beeinflussung durch benachbarte magnetische Felder, ein anderer Mangel die magnetische Remanenz. Der ersteren kann man mit der Stefan'schen Schirm- wirkung durch Weicheisenmäntel begegnen, die letztere durch möglichst kurze magnetische Axen der Eisenkerne auf ein praktisch zulässiges Maass verringern. Ein Vortheil ist ihr geringer Eigenstromverbrauch, sowie ihre Unabhängigkeit von der Stromrichtung. Als vierte für Strommesser benützte Stromwirkung stellt sich die Stromwärme dar. Sie ist schon vor einem halben Jahrhundert von Hanke 1 zur Messung des Stroms benutzt worden. Cardur überträgt die geringe gerad- linige Ausdehnung, die ein fast zwei Meter langer, sehr dünner stromdurehflossener Platinsilberdraht, in Folge seiner Erwärmung erfährt, dadurch auf eine beträchtliche kreisförmige Bewegung, dass das eine Ende des Drahts, bezw. eines daran befestigten Coconfadens um eine, auf einer Zeigeraxe sitzeiulen Rolle von kleinem Durchmesser geschlungen und durch eine Feder gespannt ist. In seiner Mitte ist der lange Draht über eine zweite Rolle ge- schlungen, um das Instrument auf die Hälfte zu ver- kürzen. Es ist verdrängt worden durch eine Construction XVI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 365 von Asch (Hartmann & Braun); bei dieser wird die Durchbiegung eines ganz kurzen, zwischen zwei festen Punkten gespannten, stromdurehflossenen Drahts aufge- nommen von einem in der Mitte angeknüpften stromlosen Draht, der wiederum auf Durchbiegung beansprucht ist, jedoch in erheblich höherem Maasse als der stromführende Draht. Die geradlinigen Weglängen dieser Durchbiegungen werden dann in bekannter Weise durch einen um eine Rolle gelegten Faden unter der Gegenwirkung einer ge- spannten Feder auf eine Drehaxe übertragen. Für höhere Stromstärken ist der Messdraht an einen Nebenschluss von geringem Widerstand und entsprechender Dimensionirung gelegt, so dass ersterer nur einen kleinen Theilstrom aufzunehmen hat. Zur Verminderung des Spau- nungsabfalles wird dem Messpunkt der Strom an fünf Stellen zugeführt, so dass er gewissermaassen in vier parallel geschaltete Theile zerlegt ist. Die Hitzdrahtinstrumente haben den Vorzug, für Gleich- und Wechselstrom jeder beliebigen Polwechsel- zahl*) verwendet werden zu können, aber sie verlangen die Vorsieht, dass sie nicht mit unzulässig hohem Strom beschickt werden. Als ein Nachtheil könnte empfunden werden, dass sie einen relativ hohen Strom verbrauchen. Endlich ist auch noch die Inductionswirkung des Stroms für die Construction von Strommessern in An- spruch genommen worden, die allerdings ausschliesslich nur für Wechselstrom brauchbar sind. Ein solcher Strom- inhalt von Peukert basirt auf dem bekannten schönen Elihn Thomson'schen Experiment der von einer Wechselstrom führenden Spule abgestosseuen Kupfer- scheibe; Benischke (A. E. S.) und Görner (Hartmann und Braun) benutzen das Ferraris'sche Drehfeld, das man leicht erhält, wenn man zwischen den Polen eines Blättermagneten eine Aluminiumscheibe drehbar lagert, in der nicht bloss primäre, von den erregenden Win- dungen herrührenden Wirbelströme, sondern auch se- cundäre, in der Phase verschobene Ströme durch Armi- rung der Pole mit einseitigen Kupferstücken, bezw. Kurz- schlussringeu inducirt werden. Die Angaben derartiger Strommesser sind aber in hohem Maasse sowohl von der Polweehselzahl, als von der Stromcurvenform abhängig. Die Ansprüche, die an Strom-, bezw. Span- nungsmesser**) gestellt, aber wohl von keiner der be- kannten Constructioncn völlig erfüllt werden, sind fol- gende: Der Zeiger soll ohne jede weitere Manijjulation di- rect die Messgrösse angeben. — Der Zeiger soll Strom- schwankungen sofort folgen und sich aperiodisch ein- stellen. — Der Zeiger soll bei zunehmender, wie bei ab- nehmender Stromstärke die nämlichen Werthc angeben (Hysteresis, magnetische und mechanische Remanenz). — Das bewegliche System soll auf äussere magnetische Ein- flüsse nicht reagiren. — Die Skale für Strommesser soll über die ganze Ausdehnung proportionale Intervalle haben, für Spannungsuiesser dagegen sollen die Intervalle an der Gebraiu'lisstelle besonders gross sein. — Strommesser sollen ni()gliclist kleinen Widerstand haben (kleiner Span- nungsabfall an den Klemmen). — Bei Spannungsmessern ist grosser Widerstand erwünscht (geringer Eigenverbrauch an Stromstärke). — Der Querschnitt der Windungen soll bei Strom- und Spannungsmessern genügend gross sein (Stromdichte klein), um schädliche Erwärmung auszu- *) Diesen Vorzug haben auch die elektrostatischen Instru- mente, die aber nur als Spannungpmesser benutzt werden. **) Die in der Technik gebräuchlichen Spannungsmessei (Voltmeter) sind nichts anderes als Amperenieter für sch\v;iclie Ströme. schliessen. — Spannungsmesser insbesondere sollen dauernd im Stromkreis verbleiben können; weder die Erwärmung durch den Strom noch Aenderungen der äusseren Tempe- ratur dürfen die Zeigereinstellung beeinträchtigen (grosse Ballastwiderstände mit geringem Temperaturcoel'ficient). — Für technische Zwecke wird bei Strommessern eine Genauigkeit von ',2 bis 1 "0 des Maximalwerthes der Skale für sämmtliehe Skalenwerthe als genügend er- achtet; bei Spannungsmessern muss mindestens die näm- liche Genauigkeit für die der Normalspannung benach- barten Spannungswerthe gefordert werden. 2. Schulinstrumentarinm für elektrische Messungen. Im Anschluss an seine Vorträge über die Galvano- meter hielt Herr Hartmann eine im Programm nicht vorhergesehene Demonstration eines Schulinstrumentariums für elektrische Messungen ab. Im Berieht des dritten Feriencursus wurde dasselbe eingehend beschrieben und verweisen wir daher auf den- selben. cf. Naturw. Rundschau Bd. XIV, No. 14, S. 1.59. C. Chemie. Prof. Dr. Freund: a) üeber die Entdeckung neuer Elemente im letzten Jahrzehnt. Der Vortragende bespricht zuerst die Geschichte der Entdeckung des Argons durch Rayleigh und Ramsay, demonstrirt die Methoden zur Abscheidung dieses Gases aus der Luft und erläutert seine Eigenschaften , sowie das Spectrum desselben. Der Redner zeigt alsdann ver- schiedene seltene Mineralien, wie z. B. ßröggerit vor, von denen bekannt war, dass sie beim Erhitzen Stick- stotf entwickeln und bespricht die Forschungen von Ram- say, welcher bei näherer Untersuchung dieses Gases He- lium darin nachwies. — Das Spectrum desselben wurde projicirt, sein Volumgewicht und die Versuche zur Er- mittelung des Atomgewichts eingehend erörtert. Bringt mau Helium mit dem Atomgewicht 4 und Argon mit dem Atomgewicht 38 in die VIII. Gruppe des Systems der Elemente, so war die Entdeckung noch anderer in die- selbe Gruppe gehörender Elemente vorauszusehen. Der Vortragende ging nunmehr zu den neuesten Forschungen von Ramsay über, dem es in der That gelang, aus der Luft ein Gas mit dem Volumgewicht 10 und dem Atom- gewicht 20 zu isoliren, welches den Namen Neon er- halten hat. Die Forschungen Ramsay 's machen die Existenz noch eines anderen gasförmigen Elementes mit dem Atomgewicht 80 wahrscheinlich. Der Redner schil- dert ausführlich das Verfahren, welches zur Isolirung und Reindarstellung jener Gase geführt hat, ihre Eigenschaften und Stellung im periodischen System. b) über die neueren physikalisch - chemischen Theorieeu; van't Hoff's Theorie der Lösungen; Theorie der clektrolytischen Dissociation von Arrhenius; osmotische Theorie des Stroms df Volta'schen Kette. Man vergleiche Bericht des dritten naturwi liehen Feriencursus: Naturw. Rundschau Bd. XIV, S. 170. In demselben sind obige Themata sc' handelt. 366 Naturwissenscliaftliclie Woclieiischrift. XVI. Nr. 31. Einen Beitrag zur Kenutniss des Vorkommens des Pferdes In Schweden wälirend des Steinalters liefert Guiiuar Anderssou (Ymer. 1901, Heft 1). Den Anlass bietet ein in der Üllstorps-Au (Län Kristiansstad in Schonen) o-efundeuer oberer Theil eines Pferde-Kraniunis, das sich jetzt im Museum zu Ystadt befindet und von doppeltem Interesse ist. Denn einerseits sitzt darin ein sorg- fältig gearbeiteter Feuersteindolch von 10,9 cm Länge, der ungefähr an seiner breitesten Stelle abgebrochen ist, fest. Die im Verhältniss zur Breite beträchtliche Dicke (33 mm und 11 nmi) beweist, dass es sich um eine Hand- waffe und nicht, wie anfänglich vermuthet wurde, um eine Lanzenspitze handelt, durch welche das Thier ge- tödfet wurde. Dass der Dolch, dessen vollständige Länge auf 20 cm geschätzt wird, schon lauge abgebrochen ge- wesen ist, sehr wahrscheinlich seit der Zeit, da er in das Thier gestossen wurde, geht daraus hervor, dass die Bruchfläche denselben Oxydationsveränderungen nach Farbe und Glanz unterworfen gewesen ist, wie die übri- gen Oberflächentheile. Die ganze Form und Bearbeitung beweist, dass der Dolch der neolitischen Periode, der jüngeren Abtheilnngdes schwedischen Steinalters, entstammt. Die Art und Weise, wie der Dolch in den Schädel hinein- getrieben ist, zeigt, dass dies von geübter Hand und mit grosser Kraft zu den Lebzeiten des Thieres geschehen ist; denn erhat dieNaht zwischen den Scheitelbeinen unmittelbar hinter der Naht zwischen diesen und dem Stirnbein getroffen und ist mit derartiger Kraft eingetrieben, dass er, ohne die Knochen auch nur im geringsten zu splittern — nur an der Innenseite sind einige Splitter herausgeschlagen — , 4,7 cm ins Gehirn gedrungen ist, augenblicklich tödtend gewirkt hat und noch gegenwärtig so fest sitzt, dass er nur mit erheblichem Kraftaufwande zu lösen wäre. Nach dem ürtheile Sachverständiger würde das Eintreiben einer Handwatte in den Schädel kaum möglich gewesen sein, wenn das Thier nicht lebendig gewesen wäre und die Knochen nicht durch die darunterliegenden Gewebe vor Zersplitterung geschützt wären. Auch ist nicht an- zunehmen, dass selbst ein starker Mann durch ausschliess- liche Handkraft eine so kurze und verhältnissmässig stumpfe Handwaffe hätte hineintreiben können, so dass nur die Möglichkeit übrig bleibt, dass dies durch einen Keulenschlag geschehen, der gleichzeitig den Dolch ab- gebrochen hat, oder mit anderen Worten, dass das Thier geschlachtet worden ist. Nach Untersuchung der ausser- dem in Betracht kommenden Nebenumstände gelangt .Vndersson zu dem sicheren Resultat, dass hier ein un- widerleglicher Fall vorliegt, dass ein Pferd in der jüngeren Steinzeit mit Feuersteinwaffen ge- tödtet ist. Eingehende Untersuchungen werden des weiteren darthun, ob hier, wie es den Anschein bat, ein vorgeschichtlicher Opferplatz entdeckt ist. In der nordischen archäologischen Litteratur liegen bisher nur Berichte über drei Fälle vor, in denen Tliiere von einer Fcuersteinwaffe getroffen sind, ohne dass die Verletzung jedoch direkt den Tod zur Folge hatte. Sven Nilsso n erwähnt (Skandinaviska nordens ur-invä- nare. 2. Aufl., Bd. 1. Stockholm 186.5, S. 96), dass im Sonmier 1840 in seiner Gegenwart ein Skelett von Hok prliniiieniKu Blunienb. vom Boden eines tiefen Torfmoores aufgenommen wurde, das 1—2 Jahre vor seinem Tode von einem mit Feuersteiuspitze versehenen Wurfspiesse getroffen war. Auch Japetus Steenstrup berichtet (O versigt K. D. Vidensk. Heisk. ForhandUnger, 1870) über zwei Fälle, in denen Hirsche von Wurfwaft'en mit Flintenspitzen getrotten wurden, aber entkamen, obwohl S))litter der an den Knochen zertrümmerten Spitze noch in den Knochen sitzen blieben. In allen diesen Fällen hat sich also ein Heilungsprozess vollzogen, während in dem von Andersson beschriebenen Falle das Thier that- sächlich erlegt ist. Andererseits bietet der Fund dadurch l)esondercs Interesse, dass dnrch denselben das Vorkommen des Pferdes im südlichsten Schweden während des jüngeren Steinalters erwiesen wird. Die auf klimatische Verbält- nisse gegi-ündete Annahme, dass das Pferd höchst wahr- scheinlich niemals während der Quartärperiode in Schweden wild gewesen ist, erfährt eine weitere Stütze dadurch, dass keine mit derselben in Widerspruch stehende Funde vorliegen und dass das wilde Pferd anch in den übrigen Theilen von Nordeuropa während der Postglacialzeit augenscheinlich nur ganz selten vorgekommen ist. Bisher liegen drei Funde von Pferden der Steinzeit aus Schweden vor, deren zwei Gräberfunde sind, während der dritte in der Höhle Storar Förvar auf Stora Karlsöu westlich von Gotland gemacht wurde. In Dänemark ist das Vor- kommen des Pferdes während des Steinalters nicht fest- gestellt, wenn auch wahrscheinlich. Die wenigen und un- bedeutenden Reste, welche bisher vom Pferde der Stein- zeit vorliegen, lassen die Frage unentschieden, welcher der beiden Rassentypen das Pferd des jüngeren Stein- alters angehört. A. Ln. Die Süsswasseralgen von Franz Josephs -Land, welche von der Jackson-Harmsworth'schen Expedition ge- sammelt wurden, sind von 0. Borge (Oefv. K. Sv. Vet.- Akad. Förh. 56) bestimmt worden. Bis dahin waren von Franz Josepbs-Land nur Diatomeen bekannt, sodass die von Borge bestimmten Süsswasseralgen die ersten bekannt gewordenen Vertreter der Gruppen Chlorophyceeu und Cyanophyceen auf Franz Josephs-Land sind. Im Ganzen hat Borge 43 Arten und Varietäten festgestellt, deren 32 schon früher von Nowaja Seinlja, Spitzbergen oder Grön- land bekannt sind, wovon 23 auf Nowaja Seralja, 21 auf Spitzbergen und 24 auf Grönland vorkommen. Mehrere der gefundenen Arten kommen ausschliesslich oder haupt- sächlich in arktischen oder alpinen Gegenden vor, näm- lich: Schizogonium disciferum (Kjcllnian) Nob., Prasiola fluviatilis (Sonmierf) Lagerst., P. velutina (Lyngb.) Wille, Sphaerella nivalis Sommerf., Sphaerella nivalis ßlateritia Wittr., Ancylonema Nordenskioeldii Berggr., Cosmarium speciosum abiforme Nordst., C. sp. ßrectangnlare Borge, C. microsphinctum Nordst., C. arctonm Nordst., V. sub- reniforme Nordst., C. protumidum aellipticum Nordst., ('. pr. [":ievolutum Nordst., C. costatum Nordst., Staurastruni niinutissinium Reinsch, St. acarides Nordst. A. Ln. Aus dem wissenschaftlichen Leben. 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Hamburg. (22. bis 28. Soptomber 1901.) — Oeiuäss einem Bcscliliis.«o ikvs Vorstandes der CTCsellschaft wird die Organisation der bevor.stcliendon .I.ahiesversammlung gegenüber don bisherigen Versamiriliiiii,'eii rinii;.' A.ii.leningün erfaliren, um, soweit wie mög- licli, iiii'l'i rirlini WiiM^rlicu zu entsprechen, die während der letzten .hilire ^r:ni, , n »,,i.l..n sinil. Der Beschluss des Vorstandes betrifft ilii' l..l!;vii,l,ii hi.jib.n Punkte: Erstens. Es soll versucht u.'idcii. . iiiri- im Laufe der Jahre eingetretenen zu weit gehenden /.ris|ililt.riiii- der wissenschaftlichen Interessen der Versammlung ihm h \ ri ,iiiif;ung nahestehender Abtheilungen entgegenzuwirken. \c)ii den ins jetzt bestehenden Abtheiluugen sind demgemäss ver- scliniolzon worden: 1. in der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe: die Geodäsie mit Mathematik und Astronomie, die Kartographie und Hydrographie mit Geographie, die Instriimentenkunde und die wissonsehaftlielh' I '1, i .. ji .i ]iiiii ii.ii l'li\.~il., die Oeupli ysik mit Meteorologie, di.' .\^'1)I,m: ;• l ■ n, ■ i n, hM.'lli-.!,,i|>li.'ln ■, Vei-suchs- wesen und iinidwirtli . ■ -lii,!,. ,, ».,!,,■ :-..« h- Niilininixsuiittel- Untersucluing inil ^iieb !- u i> . hm-, h . iMiiiisrlh.u (■..■l.i:teii zu einer Abtheilung „angewandte Chemie'', die Kntomologie mit Zoologie. 2. in der mediciuischen Hauptgruppe: die Physiologie mit Anatomie, Histologie und Embryologie, die Balneologie und Hydrotherapie XYI. Nr. 31. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 367 mit Innerer Medicin und Pharmakologie, die Ohrenheilkunde mit Nasen- und Halskrankheiteii, die Hygiene und Bakteriologie mit Tropenhygiene. Ferner haben die von der AbtheiUing für mathe- matischen und naturwissenschaftlichen Unterricht in Aussicht ge- nommenen Einführenden vorgeschlagen, diese Abtheilung nicht mehr selbständig weiter zu führen, da die Interessen des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichtes weit besser gewahrt würden, wenn einzelne Vorträge aus diesem Gebiete in gemein- samen Sitzungen aller oder mehrerer der in Betracht kommen- den mathematisch-naturwissenschaftlichen Abtheilungen gehalten würdan' wie dies ja auch bereits mehrfach geschehen ist. Herr Professor Thaer, Direktor der Oberrealschule am Holstenglacis, hat sich bereit erklärt, Wünsche betreffs der Behandlung von Unterrichtsfragen entgegen zu nehmen und das Erforderliche mit den betre ffenden Abtheilungen zu vereinbaren. Eine besondere Abtheilung für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter rieht wird daher nicht gebildet werden. Aus ähnlichen Gründen ist auch von der weiteren Bildung eigener Abtheilungen für Geschichte der Medicin und medicinische Geographie, sowie für Unfallheilkunde abgesehen worden. Etwaige Wünsche betreffend Vorträge aus diesen Gebieten bitten wir dem Schriftführer für die medicinische Hauptgruppp, Herrn Physikus Dr. Abel, Stadt- haus, Neuerwall, mitzutheilen, der das Erforderliche durch Rück- sprache mit den in Betracht kommenden Abtheilungen veranlassen wird. Infolge dieser Aenderungen sind für die Versammlung in Hamburg statt der bisherigen 38 nur noch 27 AbtheiUingen in Aussicht genommen, deren Verzeichniss untenstehend folgt. Zweitens. Es sollen nicht nur, wie dies schon seit einigen Jahren geschehen ist, Themata von umfassenderem Interesse in geraein- samen Sitzungen mehrerer oder aller Abtheilungon einer Haupt- gruppe behandelt werden, sondern es sollen auch — abgesehen von den beiden unverändert l)eibehaltenen allgemeinen Sitzungen bei Beginn und Schluss der Versammlung — Verhandlungen über Fragen von allgemeiner Wichtigkeit, für welche bei allen Theil- nehmern an den Jahresversammlungen Interesse vorausgesetzt werden darf, in Aussicht genommen werden. Demgemäss ist für den Mittwoch der Versammlungswoche eine Gesammtsitzung beider Hauptgruppen angesetzt vordeu, in welcher für dieses erste Jahr ein naturwissenschaftliches Thema, nämlich die moderne Ent- wickelung der Atomistik, wie sie in der Lehre von den Jonen, Gas-Jonen und Elektronen enthalten ist, von mehreren Referenten dargelegt und zur Erörterung gestellt werden soll. Die Vorstände der einzelnen Abtheilungen werden gebeten, während dieser Ge- sammtsitzung keine besonderen Abtheilungssitzungen halten zu wollen. In ähnlicher Weise sind auch für jede der beiden Haupt- gruppen gemeinsame Sitzungen für den Donnerstag vorgesehen; in der medicinischen Hauptgruppe soll die Lehre von den Schutz- stoffen des Blutes, in der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe der gegenwärtige Stand der Descendenzlehro behandelt werden. Auch hierfür sind bereits bestimmte Referenten gewonnen worden. Gelegentlich der Versammlung wird im physikalischen Staats- laboratorium in Hamburg (Jungiusstrasse) eine das ganze Röntgen- fach umfassende, vom 22.-29. September dauernde Ausstellung stattfinden. Im Auftrage des Comitees ist die Leitung der Ausstel- lung in ihrem wissenschaftlichen Theil von Dr. Albers-Schönberg, Dr. Walter und Dr. Hahn, sowie in ihrem litterarischen Theil von der Verlagsbuchhandlung Lucas Gräfe & Sillem übernommen worden. Es wird von der gesammten Ausstellung ein Katalog gedruckt werden. Verzeichniss der Abtheilungen. Naturwissenschaftliche Ilauptgruppe: 1. Mathematik, Astronomie und Geodäsie; ■2. Physik einschliesslich Instrumentenkunde und wissenschaftliclie Photographie; 3. Angewandte Mathematik und Phvsik (Elektro- technik einschliesslich Elektrochemie und Ingenieurwi'ssenschaften | ; 4. Chemie; 5. Angewandte Chemie einschliesslich Agrikultur- chemie und Nahrungsmittel-Untersuchung; 6. Geophysik einschliess- lich Meteorologie; 7. Geographie, Hydrographie und Kartographie; 8. Mineralogie und Geologie; 9. Botanik; 10. Zoologie einschliess- lich Entomologie; 11. Anthropologie und Ethnologie. Medi- cinische Hauptgruppe: 1. Anatomie, Histologie, Embryologie und Physiologie; 2. Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie; 3. Innere Medicin, Pharmakologie. Balneologie und Hydrotherapie; 4. Chirurgie; 5. Geburtshülfe und Gynäkologie; 6. Kinderheilkunde; 7. Neurologie und Psychiatrie; 8. Augenheil- kunde; 9. Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten; 10. Dermatologie und Syphilidologie; 11. Zahnheilkuude; 12. Militär-Sanitätswcscn; 13. Gerichtliche Medicin; 14. Hygiene einschliesslich Bakteriologie und Tropenhygiene; 15. Thierheilkunde; 16. Pharmacie und Pliar- inakognosie. Mit Wahrnehmung der Geschäfte als Vorsteher der am 1. April d. J. in Thätigkeit getretenen Königlichen Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbe- seitigung in Berlin S. W. 12, Kochstrasse 73, ist von dem vor- gesetzten Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medi- cinalangelegenheiten der ausserordentliche Professor der Hygiene an der hiesigen Universität, Dr. Günther, beauftragt worden. Derselbe hat diese Stelle, welche bis dahin im Auftrage des Herrn Ministers von dem Leiter der genannten Anstalt, Geheimen Ober-Medicinalrath und vortragenden Rath Dr. Schmidtmann nebenamtlich verwaltet wurde, am 1. August d. J. angetreten. L i 1 1 e r a t u r. L. J. Celakovsky, Ueber den phylogenetischen Entwickelungs- gang der Blüthe und über den Ursprung der Blumenkrone. II. Aus den Sitzungsberichten der königlich böhmischen Gesell- schaft der Wissenschaften in Prag 1900. Verlag der königlich bömischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag, 19U0. Im Theil I (1896) hatte Verfasser versucht, das im Titel ge- nannte Thema für die Pteridophyten, Gymnospermen und Mono- cotyledonen zu behandeln, in dem vorliegenden werden die Ver- hältnisse bei den Dicotyledonen besprochen. Da wir der Palaeo- botanik über die Angiospermen für die Frage aus Mangel an hinreichend erhaltenen Objecten zur Sache nichts zu entnehmen vermögen, muss sich Verfasser auf den Vergleich der recenten Pflanzen beschränken, um zu Theorien über den Gegenstand zu gelangen. Walter F. Wislicenus. Astronomischer Jahresbericht, mit Unter- stützung der astroiiiiriiisfhen('.t's(dlscliat't lierausgegeben. II. Band, enthaltend die Litteratur des Jahres UXJU. Berlin 1901, Georg Reimer. Preis 19 M. Der erfreulich früh fertiggestellte, zweite Band des „astro- nomischen Jahresberichts" weist trotz der im grossen Ganzen un- verändert gelassenen Anordnung einige recht dankenswertlie Ver- besserungen gegen das Vorjahr auf. Vor Allem ist der nautischen Astronomie ein besonderer, gegen hundert Referate umfassender Paragraph gewidmet worden, der fast durchweg der Mitarbeit des Dr. Fulst zu verdanken ist. Ferner ist es der Redaction ge- lungen, einen besonderen Mitarbeiter (Dr. Davis) zu gewinnen, der über die in Amerika in Buchform oder in nicht astronomi- schen Zeitschriften erscheinende Litteratur referirt, die in Europa nur sehr unvollständig überblickt werden kann. Dadurch, sowie durch die erhebliche Vermehrung der durchgesehenen Zeitschriften und Publicationen um fast zwei Drittel ist eine viel grössere Voll- ständigkeit der Berichterstattung erzielt worden, die sich auch in der Erhöhung der Gesammtzahl der Referate um mehr als 500 kundgiebt. Recht zweckmässig ist die am Schluss jedes Para- graphen zu findende Aufzählung solcher Referate aus anderen Paragraphen, deren Inhalt in irgend einer Beziehung sich mit der im vorliegenden Abschnitt behandelten Materie berührt. — So möge denn von dem mit unvermindertem Eifer fortgeführten Unternehmen eine entsprechende Wirksamkeit zur Förderung und Erleichterung astronomischer Studien ausgehen! F. Kbr. Cesaro, Prof. Ernesto, Vorlesungen über natürliche Geometrie. Lei pzig 1-J .Mark. Egger. Ober Medicinal-Rath a. D. Dr. Jos. Geo., Ostrakoden aus Mci'n'sgrund-Proben. München. — 5 Mark. Fricke, Rob., u. Fei. Klein, Vorlesungen über die Theorie der aütomiiiphi'n Functionen, ll. Bd. 1 Lfg. Leipzig. — 10 Mark. Kaufmann, Prof. Dr. Ed., Lehrbuch der speciellen pathologischen Anatomie für Studirende und Aerzte. 2. AuH. Berlin. — 20 Mark. Kobell's, Frz. v., Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche auf trockenem und nassem Weg. 14. Aufl. München. — 2,80 Mark. Kohlrausch, Präs. Prof. Dr. F., Lehrbucli der praktischen Physik. ;i. Aufl. Leipzig. — 8,6U Mark. Nernst, W., u. Ä. Schönflies, Prof., Einführung in die mathe- matische Behandlung der Naturwissenschaften. 3. Aufl. München. - 11,50 Mark. Neuhoff, Dr. Otto, Adiabatische Zustandsänderungen feuchter Luft und deren rechnerische und graphische Bestimmung. Berlin. 3 Mark. Pick, Dr. Adf. Jos., Die elementaren Grundlagen der astrono- mischen Geographie. Wien. — 3 Mark. Inhalt: Der vierte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. — kommeiis des Pferdes in Schweden während des Steinalters. — Die Susswasseralgen von Fr schaftlichen Leben. — Litteratur: L. J. Celakovsky, Ueber den phylogenetischen En Ursprung der Blumeukrone. — Walter F. Wislicenus, Astronomischer Jahresbericht. — Liste. Ein Beitrag zur Kenntniss des Vor- iz Josephs-Land. — Aus dem wissen- phylogenetischen Entwickelungsgang der Blüthe und über den ische N aturwissenschaftliche "Wochenschrift . XVI. Nr. 31. Xcitung der naturgeschichtlichen yibthcilung unserer Lehrmittel-Anstalt siu'lieii wir einen Herrn, welcher über entsprechende Kenntnisse aus den naturwissenschaftlichen Fächern (einschliesslich Chemie) verfügt und genug praktische Veranlagung be- sitzt, um sich in die geschäftlichen Obliegenheiten des Postens, welcher, den Anforderungen entsprechend, gut dotirt ist. rasch einzuarbeiten. Anträge mit Darlegung des Lebenslaufes unter Beifügung einer Abschrift der Zeugnisse und eines Bildes werden erbeten an A. Pichlers Witwe & Solin, Buchhandlung- und Lehrmittel-Anstalt in Wien, V., Margaretenplatz 2. PATENTBUREAU -a!ricKR.>laerz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. mn m rnnfHiTirr ♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Stth. lümraltrs IltrlapbudiljanDlimd fiiis iudi Jßfus. ric Uvcoangclien. 3Jcii burd)ge> fcljcii, neu übevfegt, georbiiet iiiib auö beii llrfpriici)cii cvtliirt üoii Cftiui = «ii6giibt' lS-1 5. 1,5Ü m., cicg. geb. 2,25 m. «olfg-Slußgube 156 S. gebuiiben 70 *|3fennig. JDas [cfirfc lß|*us? Jiuci Ureüangclicn. 'Hon piolf- gane ^trdibnii). 2.56 (Seiten Ot= tiiu .'i m., lieg, gcbunben 6 ä)(. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Stieben erschien: Veröffentlichungen Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zu B e 1- 1 i n. Nr. lo. GeiiälierleOpiiosltioiis-EBlieDierlilei] von 59 kleinen Planeten für l'.)OI Juli liis »ccenibor. Unter Mitwirkung melirerer Astronomen, insboson- dure der Herren A. Berberich und P. V. Nengebauer herausgegeben von J. Bauschinger, Director des Königl. Rechen-Instituts. 22 Seiten kl. 4". Preis 1 Mark 20 Pf. Lelirbücher aus Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlagre E. Loew, Profcs.or am Königlichen Realt-vmnasii.n. zu Berlin, Mit zahlreichen Abbililungcu. 6 M., geb. 7 M. Lehrbuch der Pflaiizenpalaeoiitologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. ■ Kgl. Uti-gakaden ngen über PftanKpnpa Lehrbiuh der Differentialrechnung. Zum (iebrauclie bei \'orlesungen an UniversitiAten und technisclien Hochschulen. ♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦ Prof. Dr. Harry Gravelius. 6 M. Einführung in die Kenntnis der Insekten. Villi H. J. Kolbe. Mit 324 Holzschnitten. 14 M., geb. li M. Vinant wortlicher Kedactf Uugu Bernstein in Berlin Lehrbuch der Potentialtheoric. Von Dr. Arthur Korn, l'rCval.locnt nn der Kgl. Ullivcrsiliit MUucUi... I. Teil: Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen im Räume, Mit »4 in den Text gedruckten Figuren. !l M., «ili. Kl M. II. Teil: Allgemeine Theorie des iogarithmischen Potentials und dor Potentialfiinktlonen in der Ebene. Mit !'>H in ileii Text gedrurliten Figuren. II M., geb. Kl M. Eine Theorie der Gravitation und der elek- trischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. Von Dr. Arthur Korn, li ,M.. geb. 7 M. Eine mechanische Theorie der Reibung in kontiniiicrliclicn Massensystemen. Von Dr. Arthur Korn. Mit 5 in den Text gedi'uelcten Figuren, (i M., geb. 7 M. y PotoniÄ, (Ir. Lichtorfekle -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil: i. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G Bernstein, Berlin SW. 12. ■f^^chenscf " ''5-4 Verlag : ^^^v^ Redaktion: ? Prof. Dr. H. Potonie. Ferd. Diitninlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimtnerstr. 94. XVI. Band. j Sonntag, den 11 August 190], Nr 32. Abonnement: Man abonnirt bei allen liuchhandlungen und Post- y angtalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- e& Brinsegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X Inserate: Die viergaspaltene Petitzeile 40 ^^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoneenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständig^er Quellenangabe gestattet. Ueber Winderosion. Von Dr. S. Pas g arge. Während des Mai 1901 wehten mehrere Tage lang .starke Nordostwinde, die in einigen Sandgruben Ijei Lychen iu der Uckermark sehr interes.sante nnd instructive Eiosions- erscheinungen ver- ursacht haben. Die- selben konnten in einer der Gruben in ihrer Entstehung und Entwickehing verfolgt werden und dürften daher von Interesse sein. An dem Wege vom Bahnhof zur Stadt liegt links ein langer Ziptel oberen diluvialen Sandes, an dessen östlichstem Ende eine Sandgrube an- gelegt worden ist. Dieselbe hat zwei Schenkel. Der eine derselben ist 25 ni lang und streicht von SW. nach NO., der andere 8 ni lang und verläuft NW.— SO. In dem 6 m mächtigen Sand lässt sich folgen- de Gliederung er kennen : .-^^ä»-: '^M Das Bild oben di( Schiebt ( Furchen 1. Oben liegt eine 20—25 cm mächtige Schicht grauen bis bräunlichen humosen Sandes mit vereinzelten bis wallnussgrossen Steinen, die ohne Schichtung in der Grundmasse liegen. Zahlreiche Wurzeln und Ameisengänge durchsetzen den Sand. Die Ober- fläche dieser Schicht ist mit Gräsern, Moosen, Potentilla, Sedum, Hieracium etc. bedeckt, die eine filzige Matte bilden. Die untere Grenze ist im all- gemeinen uneben und nicht sehr scharf, sodass die Mäch- tigkeit schwankt. Abbild, la.) 2. üngeschich- teter gelblichbräun- licher Sand mit ver- einzelten bis wall- nussgrossen Steinen, ohne Humus, da- gegen reich an Gängen von Amei- sen und Höhlun- gen überwintern- der Käferlarven und Schmetterlings- puppen. Die Mäch- \ ■. Flg. 1. die nordöstliche Hälfte des langen Schenkels der Grube vor. Deutlich erkennbar ist lere Vegetationsschicht «, die etwas vorspringt. Darunter liegt die ungeschichtete iniogclinässiger Mächtigkeit. Die Wand diagonal geschichteten Sandes mit den tiefen eil Mirspringenden Leisten hebt sich scharf von der Böschung herabgerutschten Sandes Uli II liegen Kalkstücke, stellenweise kommt der geschichtete Sand unter der Ucber- Vcir-chein, x und y bezeichnen die beiden Kalktuffbänke, in denen zimi Theil deutliche verkalkte Wurzeln erkennbar sind, : bezeichnet die GeröUbank. 370 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. .32. ti^keit dieser Schicht schwankt sehr, nämlich zwischen 5 und 30 cm, ist aber im allgemeinen 20 bis 30 cm gross, sodass Schicht 1 und 2 durchschnittlich 0,50 m Mächtigkeit erreichen. (Abbild. Ib.) 3. Diese Schicht entwickelt sich ohne scharfe Grenze aus der vorigen, indem in dem structurlosen Sand 1 bis 3 mm starke Lagen auftreten, die an Eisenhydroxyd reiciier und etwas fester sind als der gewöhnliche Sand. Diese anfangs hier und dort auftretenden braunen Bänder nehmen nach unten hin schnell an Zahl zu, sodass ein gescliichtcter und gebänderter Sand entsteht. Die Bänder verlaufen zum Theil hori- zontal, z. Tb. bringen sie aber eine deutliche Diagonal- structur zum Ausdruck. Die einzelnen Bänder selbst bilden nicht etwa ebene Flächen, sondern sind gewellt und durchsetzen auch häufig die Schichtung gangförmig (Ab bildung 2). Ihr gegenseitiger Abstand ist derartig, dass im allgemeinen 5 — 8 Lagen innerhalb 10 cm liegen. Innerhalb dieser ge- scliichteten Sande liegen nun einige Bänke von abweichen- der Structur oder petrogra- phischer Beschaffeniieit. a) Kurze Bänke struc- turlosen eisenschüssi- gen Sandes, bis 20 cm mächtig; b) vertikale Röhren von kohlensaurem Kalk. Dieselben erreiciien bis Armdicke und sind namentlich in dem kurzen Schenkel der Grube entwickelt. Es sind, wie man an der Structur deutlich erkennen kann, ver- kalkte Baumwurzeln. 0) Zwei steil einfallende Gänge von weissem, z. Tb. stark sandigem Kalktuff mit vielen vegetabilischen, brau- nen huraosen Fasern. Derselbe hat 5 -15 cm Mächtigkeit und an- scheinend keine erhebliche Länge, da die eine der Bänke sieh bereits innerhalb der Grube ver- schmälert. (Abb. 1, .r und //.) d) Eine Bank groben Gerölls' an dem Nordostende des langen Schenkels, innerhalb der Sandboschung. (Abb. 1, :.) __ Die geschichteten Sande bilden oben eine 1,50 bis 1,75 ni hohe vertikale Wand und sind dann von einer 4 ni hohen Sandböschung verdeckt. Unter der 25 — 30 cm mächtigen Schicht abgerutschten Sandes stehen aber die- selben Sande wie oben an. Der abgerutschte Sand weist schöne Uebcrgussscliiehtung auf. Auf die Entstehung der einzelnen Schicliten sei hier nur ganz kurz eingegangen. Die Sande haben nach den bisher unveröffentlichten Aufnahmen der geologischen Landesanstalt ein oberdiln- vialcs Alter. Die an Eisenhydroxyd reicheren Lasen Das Bild steUt einen Theil der steih Leisten, die zum Theil die Schiclit lagerungen lockeren Sandes auf l = 3934; >l=3969 scharf begrenzt und gestatteten, die Geschwindigkeit zu -f 18 km gegen die Sonne zu bestimmen. Eine andere, auf einer Aufnahme von Vogel sichtbare Linie von massiger Schärfe dürfte mit der Heliumlinie identisch sein und würde auf eine Geschwindigkeit von 10 km bis 20 km führen. Eine ganz enorme Geschwindigkeit zeigen die Wasserstofflinien ( — 700 km). Aufnahmen, die Eber- hard, Hartmann und Ludendorff am 26. Februar machen konnten, zeigten bereits helle Emissionslinien, die den Absorptionslinien auf der weniger brechbaren Seite an- gelagert waren und gegen Roth etwas Verwaschenheit zeigten. Das Spectrum, das nun dem von Wilsing dar- gestellten künstlichen Spectruui gleichkam (vgl. den Auf- satz: „Neue Sterne") erklärt sich damit, dass die Druck- verhältnisse in der Atmosphäre der Nova am 23. Februar noch derart waren, dass die schwachen Emissionslinien in den dunklen Bändern unsichtbar blieben, während später die ersteren in Folge des hohen Atmosphären- druckes auf der rothen Seite der dunklen Bänder sichtbar wurden, sodass es den Anschein gewann, als hätten sich die Absorptionsstreifen noch weiter verschoben. Die Caleiumlinien erklärt Vogel durch doppelte Umkehrung. Die hellere dieser beiden Linien zeigte gerade noch merk- bar in der Mitte die Absorption der Calciumdämpfe. Die Ursache der Verdoppelung der Linien im Spectrum der neuen Sterne niuss, wie Vogel betont, .nicht immer auf das Zusammentreffen zweier heterogener Weltkörper zurück- geführt werden, sondern kann auf dem Sterne selbst zu suchen sein. Auf der Yerkes-Sternwarte hat E. F. Niebülls die Wärmestrahlung einiger Fixsteine mit einem sehr empfind- lichen Radiometer zu messen versucht. Vega, Arcturus und Jupiter ergaben positive Werthc und zwar fand sich unter der Annahme, dass die Wärmestrahlung der Vega == 1 gesetzt werde: Arcturus 2.2 Jupiter 4.7 Saturn ergab kein positives Resultat. Bei der Unter- suchung wurden die erhaltenen Werthe für Absorption in XVI. Nr. 32. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 379 der Atmosphäre nach der Müller'.sehen Extinctionstabelle corrigirt. Im Monate Augnst 1901 gelangen folgende veränder- liche Sterne vom Miratypus in ihr Maximum : Datum Stern .4ß (1855) ß(1855) Grösse 1. August ÄPiscis australis 22h 9" 45^ - 30° 19'.6 5.6 o. ^ FAquarii 20 39 29 + 1 54 .G 8.0 4. „ ACygni 19 45 0+32 33.0 5.6 6. „ rUrsae majoris 12 29 47 +60 17.2 7.8 29. „ ii'Serpentis 15 44 1+15 34.6 6.7 Adolf Hnatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: t »licibiblintlickar W. Seelinann zum Oberbibliothekar der Kiiiiisl. Bibli.iMiek in Berlin; Bibliotheks- Direktor W. Erman (Berlin) zum Bibliotheks-Direktor in Breslau; Hilfsbibliothekar K. Pretsch (Berlin) zum Bibliothekar iu Breslau; Hilfsbibliothekar G. Nätebus zum Bibliothekar in Berlin; Biblio- theks-Assistent P. Frommsdorf f zum Hilfsbibliothekar in Berlin; Bibliothekar M. Blumenthal der Königl. Bibliothek zum Uni- versitätsbibliothek.ir; Bibliothekar J. Kfemke aus Berlin zum Bibliothekar in Göttingen; Oberbibliothekar R. Focke aus Göttingen zum Oberbibliothekar in Greifswald; Bibliotheks-Assi- .stent A Küster aus Criliinii.n :;i,iii Hilfsliibliothekar an der Berliner Königl. Bibliollnk; 1 1 ih ,1,11,11, .thi-kar H. Ohlrieh in Königsberg zum Bibliothrk,,i . I ,iM.m1 ii.kar V. Hirsch aus Münster Zinn P.ibliothpkarder K.inml. I ;il,li,,ii„.k in Berlin; Hilfsbiblicthekar A. H,.nMT in Minist, i-z K.Miüthekar; der Assistent der Königl. V,vv\\u,;- l',il.li.,tl„'k G. r,,iM-;Ml zum Universitäts-Hilfsbibliothekar 111 .\Iiin>t,T; lliltsl,il,li„tli,'kMi- V. Kuhn in Breslau zum Biblio- thekar; llilt'sbiblidthrkar <>, Schultz (Breslau) zum Bibliothekar der Kgl. Bibliothek in Berlin; an der technischen Hochschule in Dresden der Regierur.gs-Baunnisti'r L Böhm zum ordentlichen Professor für Hochbau und Entwerfen; Constructions-Iugenieur Romberg zum etatsmässigen Professor der neuerricht,ten Pro- fessur für Masehinenelemente an der technischen Hochscliule in Berlin; der ausserordentliche Professor W. König (Physik) in (ireifswald zum orden fessor M. v. Rudzki (maik in Krakau zum ordentluli, G e i 1 1 e r V. A r m i n g e n i I ' I an der deutschen Univei>ii Berufen wurden: Bibl als Bibliotheks-Direktor na als Oberarzt an der medini P,-,,f,>s,, :'utliche Pro- ,i Meteorologie) ,l,,cent .J. Ritt. liL-heu Professor ktor J. Staender (Breslau) praktischer Arzt P. Krause ik und Poliklinik in Breslau; der ordentliche Professor E. Gräser (Chirurgie) von Rostock nach Erlangen; der Privatdocent G. Bredig aus Leipzig als ordentlicher Professor für physikalische Chemie nach Heidelberg; .lei- aussen, i-,l,.ntli.h,. Professor Th. Des Coudres aus Göttingen ant ilas mann rirhtit,' Extraortinariat für Physik (theoretische l'hysik) nach \V „iv.hnrg. In ilcii Ruhestand tritt: G. A. Pesehka an der technischen liochschnle in Wien. Es habnitirten sich: E. Landau (Mathematik) in Berlin; U. .St ick er für Gynäkologie in Breslau; 0. Aichel für Geburts- hülte und Gynäkologie in Erlangen: J. Hegener und M. Jaco- bya an der medizinischen Fakultät in Heidelberg; Assistenzarzt J. A. Grober für innere Medizin und H. Berger für Psychologie m Jena; E. We inno Id t, Professor an der Marine-Akad'emie, für Mathematik an der Universität iu Kiel; A. Jodlbauer, Assistent am pharmakologischen Institut in München; H. Mache für Physik und R. Kraus für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien. Es starben : Der Titular-Professor, Privatdocent für Mine- Uogie Dr. August Tenne in Berlin; der ausserordentli rofessor E. Lamp (Astronomie) aus Kiel in Afrika L j 1 1 e r a t u r. S. Prowazek, Zur positiven Naturanschauung. G. Seh« etschki scher Verlag in Halle a. S., lüOl. — Preis 0,75 Mark. Die Regung von Seiten naturforschender Gelehrten, eine philosophische Grundlage zu finden, wird auch durch das vor- liegende Heft kundgethan. Es ist ein Glück für die Wissenschaft, dass allmählich wieder begonnen wird, sich mehr darauf zu be- sinnen, dass die Naturwissenschaften zu ihrer wesentlichsten Er- gänzung und Zusammenfassung der Naturphilosophie bedürfen. Freilich ist das Finden einer allgemein anerkannten Grundlage jetzt nicht mehr möglich ohne vorher eingehend von den funda- mentalen Untersuchungen des verstorbenen Philosophen Richard Avenarius Kenntniss genommen zu haben, was bei Verfasser nicht der Fall ist; er ist jedoch auf dem richtigen Wege, und wir freuen uns, dass er wenigstens den dem Avenarius cougenialen E. Mach in seinen Werken kennt, Dr. Hermann Haefcke, Städtische und Fabrik-Abwässer. Ihre Natur, Schädlichkeit und Reinigung. (Chemisch - technische Bibliothek, Bd. 245.) Mit 80 Abbildungen. A. Hartleben's Ver- lag, Wien, Pest und Leipzig. 32 Bogen. Octav. Geh. 8 K 80 h = 8 Mark. Elegant gebd. 9 K 70 h = 8,80 Mark. Die Frage der Beseitigung, beziehungsweise Reinigung der städtischen und Fabrik-Abwässer interessirt gegenwärtig weite Kreise; sie ist für viele Orte eine geradezu brennende Frage ge- worden. Es sind deshalb neben den Sachverständigen vielfach Beamte und Privatpersonen gezwungen, zu dieser Frage Stellung zu nehmen Die bisherige Fachlitteratur macht es im Allgemeinen und ganz besonders den Nichtfachleuten recht schwer, sich die nöthige Ürientirung zur Bildung eines selbstständigen Urtheils zu verschaffen. Neben umfangreichen Quellenwerken bietet die Ab- wässerlitteratur eine grosse Zahl kleinerer Arbeiten und Aufsätze, welche theils als selbstständige Schriften herausgegeben, theils in den bezüglichen Zeitschriften zerstreut veröffentlicht sind. Eine Schrift, welche in knapper Form möglichst alles Nothwendige enthält, ist nun die vorliegende. Es werden in derselben z. B. auch beliandelt die Selbstreinigung der Flüsse und das biologische Reinigungsverfahren, zweites Kapitel, die auch den Naturforscher, der sonst ein näheres praktisches Interesse au der Unschädlich- machung der Abwässer nicht hat, interessiren müssen. Prof. an der Universität Greifswald Dr. W. Deecke, Geologischer Führer durch Campanien. Mit 28 Abbililungeii. Sammln ug geologischer Führer VIII. Gebrüder Borntraeger in Berlin, 19U1. — Preis gebd. 4 Mark Der vorliegende Führer durch das für die Lehre vom Vulkanis- mus klassische Gebiet Campaniens wird allseitig freudig begrüsst werden: wird doch gerade dieses Gebiet von Geologen und Natur- freunden überhaupt ausserordentlich viel besucht, sodass ein Führer, der geschickt wie der vorliegende auf die geologischen Sehenswürdigkeiten aufmerksam macht und dieselben gleichzeitig wissenschaftlich erläutert, ein besonderes Bedürfniss war. Es sinil ausser den phlegräischen Feldern und dein Vesuv noch dieSorrentiner Kette und Capri behandelt worden. Am Schluss ist eine aus- führliche Litteraturliste gegeben, besonders als Vervollständigung dev 1857 von Roth zusammengestellten Litteratur. Verhandlungen der Abtheilung Berlin - Charlottenburg der Deutschen Kolonial-Gesellschaft 1900/01. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) in Berlin. \'on den im Titel genannten Verhandlungen liegen uns die Hefte 2, 3 und 4 vor, drei \'orträge, die vor der Gesellschaft ge- halten worden sind; es sind: Heft 2: Stabsarzt Dr. F. Fülleborn, Ueber die Nyassa-Liinder, Heft 3: Prof Dr. E. Tavel, Sechs Wochen in Marokko, Heft 4: Bergassessor und Hütteninspektor Bruno Knochenhauer, Korea. Alle Hefte sind durch gute Abbildungen resp. Karten belebt und geben wie alle bisher er- schienenen treffliche Einblicke in die behandelten Gegenstände. Sie sind nicht nur für den Kolonialfreund, sondern auch für den Geographen eine ausgezeichnete Fundgrube. Messtischblätter des Preussischen Staates. 1 : 25.000. Nr. 1297. Holm. — 129L). Kirehgellersen. — 1533. Eimke. — 1.535. Uelzen. — 1(304. Unterlüss. — 1744. Winsen a. d. Aller. — 1816. Fuhrberg. — 1890. Meinersen. — 2093. Barum. - 2258. Bobers- berg. - 247'.!. Sagan. — 2482. Neustädtel. — 3038. Weyerbusch. — 3159. Dierdoi-f. Berlin. — k 1 Mark. Schimper, Prof. Dr. A. F. W., Repetitorium der pflanzlichen Pharniacognosie und officinellen Botanik. 3. Aufl. Strassburg. - 2 Mark. Vries, Prof. Hugo de, Die Mutationstheorie. 1. 1 Leipzig. — 6 .Mark. Lfg. Inhalt: Dr. S. Passarge: Ueber Winderosin. — Der vierte naturwi Die Nase der im Wasser lebenden Schlangen als Luftwei;' und Ge Wiegm. — Astronomische Spalte. — Aus dem wissenschaftlichen anschauung. — Dr. Hermann Haefke, Städtische und Fabrik Ab« Geologischer Führer durch Campanien. — Verhandlungen «l.i- Gesellschaft 1900,01. — Liste. schaftlicl • Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen. — nch^iirj^an. — Uebi.'r die giftige Eidechse Heloderma horridum Leben. — Litteratur: — S. Prowazek, Zur positiven Natur- iss.'i-. — Fia,f. an der Universität Greifswald Dr. W. Deecke, Abthciking Berlin-Charlottenburg der Deutschen Kolonial- 380 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XVI. Nr. 32. ♦♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦«•♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦•♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ i Dr. Robert Muencke : * l.nisenstr. 58. BERLIN NW. Luiseiistr. 58. X # Technisches Institut für Anfertigung wisscnschaftliclier Apparate # I iin.1 Geriithschaftpn im Gosammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ ««♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦«♦»♦♦♦♦♦♦♦ f rrb. fliimiiilf 10 ilnlngsliiiriilifliibluiisi« ^gtliit SW. 12. |iinmer|tr.94. 9Jatmliiiffcnfcf)aftlirfjc S.^oIf§büd)cr. ^iinfit', tet(^ ilTuftrtcrtc tAuffagc. ®iircl)ßcic()cii iiub ücrßefferl ton Dl'. ^. ^ötöttte mib Dr. p» i^nntg- Wit 40.'i ^^Uiiftrotioucii 21 $:rilc in 4 ßi. bmld). 12 Mark, in 4 ricg. ftincnb!). 1(> Pnrh. Sinei) in nacl)fte£)enben SonbcrsSliiägnbcn ä'i beäiet)en: 'Der 3iifi"»"ienl)rtiig bcr 9?aturfräftc. 3Sitterung§!unbe- S3Iüte unb ^vnidit. «iifinuiqSmith'L Icil 1, 174 @., 136. 1 9Kt. — Sie (Sv» iiiifinnui, iHiiu >liiitiiift bcr Jicrc. Jcil 2, 108 (g., geti. 0,R0 9M — «iijiclliiiiavfniit iiiib eicftvi.-iitat. Seil 3, 120 ©, geb. Ü,ÜO ffljf. — Sic Ci-U'ftviäitrtt in if)ver ^'Imuoiibima. Seil 4, 104 ®., geb. Ü.ÖO W. — ilfoii bell d)cmiid)cn .«niftcii unb meflvodH'iiiic. Seil 5, lOS ä., geb. 0,60 5Wf.— gfiemic. Seil 6, 71» 2,. goD. 0,50 aU't - ^Hiuioiuaiibto Üliemic. Snbevfunbe. Seil 7, llfi 2 , inb. O.OO Äiif. — ifuiu ^.'lltcr bev ISrbe ((Sieologiel. 9!pn bcv Umbrrliimg bcr Üibc. Die (i)c= jcbiuinbigfcit bcc- {'uDi-. 3nt H, L".2 r , geb. 1 W(. — Siv^ öül)nd)eu im ei. äüom .tiDimoliviituo 2eil :i, 127 ®., geb. 0,80 3Kf. - 58au unb «eben üon i)3fi"",v "iifi iur. 2iil lu, 103 ©., ijeb. 1 SOff. — ®aä ®eiftcgleben Don Mnijri) uiib Jliicv. Seil 11, 100 S.. geb. 0,60 OTf. — *ßn)d)ologic unb yiimuiig. Iiil 12, 124 ©., geb. 0,80 9Jff. — .s^crä unb ?(ugc. 2ei( 13, l.".;; S., geb. 0,«0 •Jüfr. — Einleitung ju dieniifdieti ei-pcrtmeutcn. *i5vattijd)c .tieiäuug. Seil 14, 192 ©., geb. 1 IKt. — ••Jinturfraft unb Güciftesmaltcn. S3üifi'Wirtid)aftIic^cä. SSoni ©piritivinu-S. Seil 15, 163 ©., geb. I Wt — giuc ipiiantofiereifc im äl>cltaü (\>lftrunomie). Seil 16, 271 @., geb. 1,60 9Kf. — ®ic anftcdcubcn Srrtnfi)eiten unb bic Snftcricn. 5}ic ^Pflanjcnroelt unfrcr .slieinuu jouft unb jcUt. 3)ie ©feftralnuiiliiie nnb bic 5i):ftcrutuctt. Sciri7, 178©., geb. 1 Wl. — 9-tbftammnugc-lc()vc unb Tnrioiniäiinuv. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 9Wt. — «on bcr C-rI)altung bcr traft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 SKf. — 35ic entroietelnng bcr 33eleud)tung§tec^mf. tlima= tolugic. Seil 20, 162 ©., geb. l'SOlt. — 2)ic 9?oturroiffenid)aft im (Srmcrbsleben. 3Biffenfd)a t unb *ßt)ilufopr)ie. Seil 21, 92 ©., geb. 0,60 mi Lehrbücher aus Ferd. DiimmlersVerla^sbuchhaDdlung^iD BerliD^W.J2. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlag:e Von E. Loew, Prof. ssor ain Königlichen R.al?.vmnaaiim, zu Bprli.i. Mit zahlreichen Abbildnngen. ü M., geb. 7 M. Lehrbuch der Pflaiizenpalaeoiitologie mit besonderer Riieksieht auf die Bedüiini.sse iles Ge(.)lng-en. Von H. Fotonie, Lehrbuch der Diifereiitialrechuimg-. Zum (iebnuiche bei Vorlesungen an l'nivei'.sit;ilen und technischen Hochschulen. Prof. Dr. Harry Gravelius. Einführiing in die Kenntnis der Insekten. Von H. J. Kolbe, Mit 324 Holzschnitten. 14 M., geb. 15 M. Ischrbuch der Potentialthcorie. Von Dr. Arthur Korn, I. Teil: Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen Im Räume. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. !l ül., geb. 10 M. Allgemeine Theorie des logarithmisclien Poteutials und dor Potentialfunktionen in der Ebene. Mit 5S in den Text gedruckten Figuren, i) M., geb. 1<» M. Eine Theorie der Gravitation und der elek- trischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. Von Dr. Arthur Korn. <1 :;i.. geb. 7 M. Eine mechanische Theorie der Reibung in lioiitiiiiiierlichcu Miisseiisysstenien. Von Dr. Arthur Korn. Mit .'i in den Text gedruckten Figuren, t) M., geb. 7 i>I. Verantwortlicher Kedaetuu Hugo Bernstein in Berlin. ■: l>rufu.-,öor Dr. lleury Potonie, Gr. Lichlerfeldo -West bei Berlin, Potsdame: — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: str. ö5, für den luseratentheil- G Bernstein, Berlin SW. 12- Redaktion: 7 Prof. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Pili n ml er s VerlagsbuchJiandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. tSonniag, don 18. August 1901. Nr 33. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 »V Grössere Aufträge enfr- anstaltea, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Mi-— rt a sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. X bei allen Annoni;enburcau3 wie bei der Expedition. Abdrnrk ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Eigenschaften der festen Körper. Ein Ueferat von Dr. Ü. Lang. Eine der ersten Unterscheidungen, die der sich ent- wickelnde Menschengeist zu machen lernt, ist die der Aggregatzustände, und erscheinen diese angeborenen Kate- gorieen so gut bestimmt, dass jeder Zweifel, ob ein frag- licher Gegenstand fest, flüssig oder gasförmig ist, ausge- schlossen erscheint. Auch glaubt ein Jeder die wesent- lichen Eigenschaften, die den Körpern in Folge ihres Aggregatzustandes zukommen, aus den alltäglichen Er- fahrungen sicher und bestimmt zu kennen, zumal die Ab- hängigkeit der Zustände von der Wärme sich beim Wasser auch dem ungebildetsten einprägen müsste. Bald erkannte man, dass auch der Druck hierbei sehr eiuflussreich sei und die Wärmewirkungen modificire. Immerhin galt für die Ueberführung des Festen ins Flüssige die Wärme- zufuhrung als wesentlich und unentbehrlich. Umsomehr erstaunte man, als W. Spring in Lüttieh nachwies, dass man auch ohne solche und allein durch Druck feines Pulver mit einander verschweissen könne. Diese That- sache schon allein wird bei Vielen das Bedürfniss er- weckt haben, sich die charakteristischen Eigenschaften des Festen wieder einmal zu vergegenwärtigen, die zweifelhaften Punkte ins Auge zu fassen und die mo- derneu wissenschaftlichen Feststellungen hierüber kennen zu lernen-, um so freudiger aber wird man es begrüssen, dass gerade W. Spring, der dieses Wissensgebiet so er- heblich bereichert hat, für den Internationalen Physiker- Congress in Paris einen Bericht verfasst hat über die Eigenschaften des Festen unter Druck, über die Diffusion festen Stoffes und die inneren Bewegungen in ihm, der obigem Wunsch entgegenkommt und im Folgenden aus- genutzt worden ist. Die Plasticität fester Körper ist an sich keine neue Entdeckung, da ja schon unser Sprachgebrauch zwischen fest und starr unterscheidet; wohl hat aber die Anwen- dung grossen Drucks gelehrt, dass die Plasticität unter den festen Substanzen, allerdings in sehr verschiedenen Abstufungen, weiter verbreitet ist, als man glaubte. Ge- wisse Substanzen, wie Glas, Quarz u. a. widerstehen jedoch hierin selbst den grössten Druckeinwirkungen und lassen sich von ihm nicht formen oder zum Fliessen zwingen. Dagegen erweisen sich die Metalle sehr füg- sam. Tresca unterwarf verschiedenartige, aufeinander liegende Metallblätter in einem am Boden duichloehten Cylinder dem Drucke einer hydraulischen Pres.se ; da wurden die durch die Bodenöffnung hindurchgedrückten Bleche zu ineinander geschachtelten Röhren. Auf Grund eines ähnlichen, mit Ziegellehm ausgeführten Experimentes, bei dem das zusammengepresste Material durch eine seit- liche, rechteckige Oeffnung des Cylinders dem Drucke aus- weichen konnte und eine der Oeffnungsform entsprechende Schieferung annahm, behauptete Daubree, dass solche durch die fliessende Bewegung des Materials entstehe; — zum Unterschied von Flüssigkeiten darf man daher den festen Körpern nur zuschreiben, dass ihre innere Reibung grösser ist, im Uebrigen aber auf sie, wenn sie einem starken Drucke unterworfen werden, die Ge- setze der Hydrostatik und Hydrodynamik auch anwend- bar sind, dass mithin ein an beliebigem Punkte auf sie ausgeübter Druck sich gleichmässig durch die ganze Masse fortpflanzt und an der Stelle des geringsten Widerstandes einen Ausfluss bewirkt. Wohlbemerkt gelten jedoch diese Regeln nicht für alle festen Körper, näm- lich nicht für die auch unter starkem Drucke starr blei- benden. Die Elasticität gedrückter fester Körper ist ver- schieden gross, je nachdem der gedrückte Körper dem Drucke seitlich auszuweichen vermag, oder ihn im ge- schlossenen Räume erleidet. In jedem Falle wechselt der 382 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 33. Körper unter der Einwirkung meebanischer Kräfte seine Gestalt und zwar dauernd in dem Falle, dass die Elasti- citätsgrenze überschritten ist. Hiervon macht bekannt- lich die Metalltechnik alltäglich Gebrauch, und bat die vielfältige Verwendung vermuthlich die, zumal unter Tech- nikern verbreitete Meinung erzeugt, dass man die blei- benden Umformungen ausser durch Zug, Biegung und Torsion auch durch einheitliche, genügend starke Com- pression erzeugen könne; man bat schliesslich geglaubt. dass der feste Zustand der Materie ebensowohl eine blei- bende Volunienniinderung zuliesse, wie eine bleibende Ver- längerung oder Abplattung. Diese Annahme wurde an- scheinend gestärkt durch die Erfahrung, dass die stark comprimiiten Körper meist höhere Dichte aufwiesen, was man nicht sowohl der Ausmerzung von Poren und Hohl- räumen, als vielmehr einer Verdichtung des Stofiies zu- sehrieb, mit der eine mehr oder weniger tiefgreifende Veränderung von dessen Härte und Hämmerbarkeit ver- bunden sei. Kühnere Geister hielten sogar für möglieb, dass mit Hilfe äusserster Compression ein gegebener ein- facher Körper in einen anderen dichteren, z. B. Schwefel in Selen, Arsen in Antimon verwandelt werden könne. Demgegenüber führte W. Spring den Nachweis, dass beim Comprimiren fester Körper im geschlossenen Räume, wo sie einem allseitig gleichen, also hydrostatischen Drucke unterworfen sind, die hervorgerufene Volumen minde- rung keine bleibende ist, so gross auch die aus- geübte Gewalt sein mag. Es giebt da keine Elasti- citätsgrenze in der Volumenminderung, sondern es giebt nur für jeden gegebenen Druck eine Grenze der Zu- sammendrückbarkeit (Compressibilität); eine wie grosse Volumenminderung auch während der Druckwirkungen eintritt, so nimmt die Materie dennoch, sobald die Com- pression aufhört, genau ihr ursprüngliches Volumen wieder ein. Die festen Körper besitzen also da eine vollkom- mene Elasticität, während sie begrenzte Elasticität aufweisen in den Fällen, wo sie dem Druck seitlich aus- weichen können. Jenes Verhalten wurde ganz übereinstimmend an allen erprobten Substanzen (Blei, Zinn, Wismuth, Antimon, Cadmium, Aluminium, Zink, Kaliumsulfat, Ammonium- sulfat, Alaun) festgestellt, die man in einem kleinen Cy- linder aus hartem Stahl der Untersuchung unterwarf. Der Cylinder von 40 mm äusserem und 8 mm innerem Durchmesser war noch von einem 90 mm Durchmesser erreiciienden eisernen Ringe umschlossen; ein ihn scbliessen- der Stempel drang in ihn ein mit Hilfe eines willkürlich 2nden Hebelarms. Das zu prüfende Material, Dichte zuvor ermittelt worden war, wurde zu- nächst einer etwa drei Wochen dauernden ersten Com- pression unterworfen, worauf man seine Dichte von neuem bestimmte. Dann wurde es nochmals zusammengedrückt und während dieser Compression erkannte man die einge- tretene Volumenminderung an dem Niedersinken des freien Hebelarm-Endes. Entfernte man die den Hebel belasten- den Gewichte, so stieg der Hebelarm in seine frühere Lage zurück, zum Beweis, dass die zusammengedrückte Materie ihr ursprüngliches Volumen wieder einnahm. Unterschiede von ganz geringem Betrage waren nur in- sofern erkennbar, dass die Dichte einzelner Metalle (Zinn, Wismuth, Antimon), sowie die der nichtmetallischen Krystalle nach der zweiten Compression etwas grösser befunden wurde, als nach der ersten. RUcksichtlich der Elasticität verhalten sich also die untersuchten festen Substanzen unter Druck ganz so wie die Flüssig- keiten und Gase, von welchen letzteren sie sich durch den Mangel an Ausdehnungsfähigkeit unterscheiden, wäh- rend die Flüssigkeiten eine beträchtlich grössere Flüchtig- keit als wie die festen Körper besitzen. Jedoch haben Spring's Versuche auch ergeben, dass es ausser mit unbegrenzter Elasticität ausgestatteten noch solche feste Substanzen giebt, die durch Zusammen- pressen eine dauernde Verdichtung erfahren, bei denen mitbin die Elasticität des hydraulicben Druckes begrenzt ist : das sind diejenigen, welche im festen Zustande mehrere allotropisehe und durch einen erheblichen Unterschied der Dichte gekennzeichnete Zustände besitzen. Hiermit ge- langen wir zu einer Betrachtung der allo tropischen Umwandlung der festen Körper. Die bierfür gel- tenden Gesetze erinnern an diejenigen der Umwandlung der Aggregatzustände, da auch liier die Temperatur der Hauptfactor ist; das erkennt man besonders deutlich an dem als Beispiel beliebten Schwefel, der bei einer über '95,6'' liegenden Temperatur erstarrend prismatisch kry- stallisirt, während bei jeder niedrigeren Temperatur die als octaedrische bezeichnete Modification die allein sta- bile ist. Die gleichen Verhältnisse herrschen beim Schmelzen und Sieden. Oberhalb des Gefrierpunktes 0" ist das flüssige Wasser stabil, darunter das feste Eis; bei U* selbst können Eis und Wasser neben einander existiren, in Berührung mit ihrem Verdunstungsdampfe; sie befinden sich in diesem „Umwandlungspunkte" im Gleichgewichte; ein solcher ist aber, wie das im Besonderen am Schmelz- und am Siedepunkte zu erkennen, auch eine Function des Druckes. Die Thermodynamik giebt für den Wechsel der ümwandlungstemperatur und des Druckes folgendes Verhältniss an: l _s-a dP T" 1 ' er" worin / die latente Umwandlungswärme, .s- und a die für die beiden allotropischen Zustände geltenden specifiscben dP Volumina, ^-^., der partielle Differentialcocfficient des Druckes im Verhältniss zur Temperatur bei constantem Volumen und / das mechanische Wärmeäquivalent be- deuten. Man kann die Formel auch schreiben: s SP T l und erkennt hieraus, dass das zweite Glied der Gleichung positives Vorzeichen hat für alle die Körper, deren latente Umwandlungswärme positiv ist, und mithin auch das erste dP Glied positiv sein muss, was erfordert, dass (s — a) und -^tttt immer das gleiche Vorzeichen besitzen. Es ergiebt sich mithin, dass bei den Körpern, die in einen weniger dichten Zustand übergehen, eine Drueksteige- rung die Erhöhung des Um wandlungspuuktes zur Folge haben wird, und umgekehrt. Die theoretischen und experimentellen Untersuchungen Van 'tHoff's und Reichers haben dieses Verhalten für die Umwandlung des octaedrischen in prismatischen Schwefel bestätigt, wobei sie den Werth von ^,^ ziem- lich ganz übereinstinmiend fanden, durch Versuche näm- lich zu 0,050 und durch Rechnung zu 0,049 g für die Atmosphäre. Der umgekehrte Fall ist an sich seltener, und ist zu- erst eingehender bei der Umwandlung des hexagonalen Jodsilbers in cubisches von Mallard und Le Chatelier geprüft worden; diese Umwandlung tritt unter dem Drucke von einer Atmosphäre erst bei 146" ein, unter dem von 2475 Atmosphären jedoch schon bei 20"; die Contraction beträgt alsdann 0,16 der Volumeneinheit und ist zehnmal grösser als bei 146". XVI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Die Analogie zwischen den allotropischen Umwand- lungen und denen des Aggi'egatzustandes gebt aber noch weiter; auch bei diesen gilt im Allgemeinen die Regel, dass bei gleicher Temperatur und gleichem Drucke das specifische Volumen im flüssigen Zustande grösser ist als im festen. Driickt man einen festen Körper zusammen, so beobachtet man eine Erhöhung des Schmelzpunktes. Das hat schon Bunsen am Paraffin und Wallrath nach- gewiesen, wo eine Drucksteigerung um 100 Atm. den Schmelzpunkt des Paraffin um 2,6" und den des Wall- rath um -ijO" steigen machte. Im Gegensatz hierzu ver- suchte man schon seit 1851 durch genügende Druck- erhöhung die Flüssigkeiten zu verfestigen. Unter 60 Atm. Druck verfestigt sich Olivenöl zum grossen Theil; bei Nachlass des Druckes auf 35 Atm. nimmt es aber seinen flüssigen Zustand und seine Durchsichtigkeit wieder an. Amagat hat mittels Druck Kohlenchlorid (C.2CI4) ver- festigt und zwar bei — 19,5" unter einem Drucke von 210 Atm. 0 " „ „ „ „ 62U „ „ +10 " „ „ „ „ 900 „ „ +19,5» „ „ „ „ 1160 „ Die vorstehend angeführten I'älle betreffen Materialien, die sich im stabilen Gleichgewichtszustände be- fanden, was z. B. vom octaedrischen Schwefel bei allen unter 95,6" belegenen, vom prismatischen dagegen bei höheren Temperaturen gilt: es ist nun die Frage, wie sich die festen Körper im instabilen oder labilen Zu- stande gegen Druck verhalten. Den labilen Zustand kann mau am leichtesten eben- falls beim Schwefel bestimmen; er tritt beim prismatisch erstarrten Schwefel ein, wenn man ihn unter 95" und bis zur gewöhnlichen Temperatur abkühlt, ebenso beim unter den Gefrierpunkt erkalteten Wasser, wenn mau die Eis- bildung vorsichtig hintanhälf. Er herrscht also im All- gemeinen bei „überkalteten" Substanzen. Die Wirkungen des Druckes in diesem Zustande hat Spring näher geprüft. Ein Druck von 5000 Atmosphären wandelt den' prismatischen sehr schnell in octaedri- schen Schwefel um, langsamer dagegen die plastische Varietät, die man erhält, wenn man auf 300" erhitzte Schwefelschmelze in kaltes Wasser giesst; noch nach mehrstündigem Drucke zeigt sich ein aus ihr bestehender Druckcylinder in seinen inneren Theilen weich; doch ist er nach mehrtägigem Drucke ganz in die octaedrische Modification umgewandelt, während sich eine zur Coutrole daneben unbedrückt belassene Probe noch nicht in er- kennbarer Weise verändert zeigt. — Amorphes Arsenik von 4,71 Dichte verwandelt sich unter den gleichen Be- dingungen in die dichtere krystallinische Varietät; wenig- stens besass die gedrückte Probe nach einigen Tagen 4,9 Dichte, was anzunehmen gestattet, dass bis dahin etwa V4 der Masse krystallinisch wurde mit der ihm in diesem Zustande zukommenden Dichte von 5,71. Wichtiger erscheint folgendes Ergebniss. Von den festen Chlor-, Brom- und Jodverbindungen des Kalium war bisher nur ein Zustand bekannt. Die Compression hat einen zweiten zu entdecken geholfen. In der That nehmen diese Salze, die man durch langsame Erkaltung ihres Schmelzflusses fest erhalten hat, unter einem Drucke von 10 000 Atm. bei gewöhnlicher Temperatur auf die Dauer ein kleineres specitisches Volumen an und werden krystallinisch. Demnach waren sie vorher im glasigen Zustande. Die Volumenminderung ist so bedeutend, dass z. ß. ein Liter des Kaliumbromids nach dem Zusammen- pressen 2,704 kg wiegt gegen 2,505 kg zuvor. Diese drei Substanzen werden also, falls sie nicht einem starken Drucke unterworfen werden, sehr lange, wenn nicht für immer ihren glasigen Zustand bewahren, während die Compression in wenigen Augenblicken den labilen Gleich- gewichtszustand umstösst. Die Existenz des Allotropismus bei den Halogen- salzen des Kaliums hat übrigens J. S. Stas bestätigt bei seinen Untersuchungen des Verhaltens von Silber zu Kalium- chlorid. Diese Umwandlungen unter Einwirkung von Druck scheinen zu belegen, dass die Materie denjenigen Zu- stand annimmt, welcher dem Volumen entspricht, das auszufüllen mau sie zwing t. Unter gewöhnlichen Druck- verhältuissen modificiren sich die festen Körper und kry- stallisiren manchmal aus eigenem Antriebe mit sehr ver- schiedener Schnelligkeit, wenn sie sich im labilen Zustande befinden; werden sie hierbei aber stark gedrückt, so gehen sie viel geschwinder in die andere Modification über, indem der Druck nur die an sich schon mögliche Umwandlung in Gang bringt. Doch ist Zurückhaltung in der Abschätzung der Rolle, die der Druck hierbei spielt, geboten, denn W. Spring hatte trotz bis zum Aeussersten angestremgten Druckes doch auch negative Erfolge zu verzeichnen; so misslang es ihm voll- kommen, schwarzen Zinnober in rothen zu verwandeln, obwohl das specifische Volumen des schwarzen Sulfides 9 "/o grösser -ist als das des rothen; und ähnliche Miss- erfolge ergaben sich bei der Compression von glasiger, arseniger Säure und von Glas. Dafür ist Moissan glücklicher gewesen mit seiner bekannten Umwandlung von in Eisenguss aufgelöstem Kohlenstoff mittels Druck in Diamant. Kurz, wenn auch die Compression nicht vermag, alle mehrerer allotropischen Zustände fähigen festen Körper zur Annahme des Dichtesten zu zwingen, so ist doch nicht weniger wahr, dass sie eine bleibende Verdichtung der Materie nur bewirkt, falls dieser ein dichterer Zu- stand eigen ist, Deshalb wird es von Interesse sein, die Compression fester Stoffe im labilen Zustande zu verfolgen, wo sie dem Zustande der Ueberschmelzung oder der Uebersätti- gung zu vergleichen sind. Sicherlich wird man Angaben über ihre relative Unbeständigkeit sammeln können, zu- mal wenn man die Temperatur wechseln lässt, 0, Leh- mann hat bereits nachgewiesen, dass keinesfalls die Ver- festigung eines krystailisirten Körpers unter Druck diesen in den amorphen Zustand überzuführen vermag; demnach eröffnet die umgekehrte Aufgabe, die der Umwandlung des amorphen in den krystaliinischen Zustand, eine an- ziehende Perspective, wenn man sie nach einigen neuer- dings ermittelten Thatsachen beurtheilen darf. Dahin ge- hören vielleicht auch die interessanten Beobachtungen von A. Villiers über die Umwandlung von amorphen in krystallisirte Sulfide während des Gefrierens oder Ge- rinnens der Flüssigkeit, in der sie suspendirt waren, die möglicher Weise dem durch das Gefrieren ausgeübten Drucke zu verdanken ist. Nach Spring tritt übrigens die Krystallisation fester Körper auch ohne Anwendung von Druck ein. Steigert man die Temperatur auf etwa 250", so erkennt man sie schon leicht an amorphen Pulvern von Metallsulfideu, von denen die meisten nur mikroskopische Krystalle, einige aber, wie Silber- und Antimonsulfid, mit blossem Auge sichtbare liefern. Es handelt sich hier nicht nur um eine molekulare Umwandlung eines amorphen Pulvers, sondern um einen wirklichen Ortswechsel der Moleküle, welche die Krystalle aufbauen. Mithin ist nicht alles in Ruhe in einem festen Körper. Bei einer gewissen Temperatur haben die Moleküle eine genügend grosse Beweglichkeit, um sich zu Orientiren und sich zu gruppiren, wie sie es beim Uebergang aus dem gasigen oder flüssigen in den 384 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 33. festen Zustand thun. Bei verschiedenen Temperaturen angestellte Versuche haben ausserdem gelehrt, dass diese Molekular - Beweglichkeit auch noch bei gewöhnlicher Temperatur besteht und sich da eben nur mit grösserer Langsamkeit äussert; so brauchte ein Stück Wismuth- sulfid bei gewöhnlicher Temperatur 1 1 Jahre zu derjenigen Umwandlung, für welche bei 265" 90 Stunden genügen. Diese eben erwähnten Zustands-Umwandlungen sind jedoch, was wohl zu beachten ist, streng zu unterscheiden von der langsamen Krystallisatiou, die man manchmal ohne jeden Druck an feuchten, amorphen Substanzen beobachtet und die von Büchner, Kuhlmann, Leh- mann und Wink 1er untersucht wurde. Diese Physiker haben gezeigt, wie ein auf die Oberfläche des Körpers gebrachter Flüssigkeitstropfen dessen Modification in Gang bringen kann. Der Grund hiervon liegt in der oft grösseren Löslichkeit der amorphen Varietät als der kry- stallinischen. Die Lösung der amorphen Art wirkt dann nothwendig wie eine übersättigte Lösung in Berührung mit einem zuvor vorhandenen Krystallkeime, und liefert diesem den nöthigen Stoff zu seinem Wachsthum. Die Druck- Verschweissung fester Körper wird nach dem oben geführten Nachweiss, dass dieselben, wenn sie in ihrem stabilen, allotropischeu Zustande einer hydrostatischen Compression unterworfen werden, aus- fliessen und wie die Flüssigkeiten eine unbegrenzte Elasti- cität besitzen, weniger wunderbar erscheinen; mit den letzteren theilen sie eben auch die Eigenschaft, unter nor- malen Temperaturverhältnissen sich zu vermischen und zusamraenzusch weissen, wenn sie in wirkliche physische Berührung (Contact) mit einander gebracht werden. Schon die ersten, 1878 — 1880 von Spring ausge- führten Versuche lehrten aber auch, dass die Fähigkeit, bei genügend hohem Drucke zusammenzuschweissen, in weiten Grenzen bei den verschiedenen festen Substanzen variirt und bei gewissen Körpern sogar ganz erloschen erscheint. Der Nachweis wurde geführt durch Einfuhrung fein gepulverter Substanz in den Cylinder des Compressors, in den hierauf der Stempel langsam mittels des belasteten Hebels gedrückt wurde bis zur Ausübung eines Druckes von in den äussersten Fällen 20 000 Atm.; im Allgemeinen genügten aber schon lOOOO Atm. und sogar weniger. Diesen Versuchen wurden 83 verschiedenartige Substanzen unterworfen. Auf Grund der Ergebnisse darf man be- haupten, dass alle die Körper, welche unter Druck sich bruchlos zu deformiren vermögen, auch fest mit einander verschmelzen (agglutiniren), als ob sie flüssig gewesen wären, während diejenigen, welche selbst unter dem höchsten Drucke starr und ungeschmeidig oder unfügsam (nicht hämmerbar) bleiben, aus dem Com- pressor in dem gleichen pulverförmigen Zustande heraus- kommen, in welchem sie hineingethan wurden. Im Besonderen lieferten die Metalle (Blei, Wismuth, Zinn, Zink, Cadniium, Aluminium, Kupfer, Antimon, Pla- tin) Ergebnisse, die in direktem Verhältnisse zu ihrer Sciuniegsamkeit (malleabilite) stehen. Die Verschweissung war in allen den Theilen vollkommen, in denen das Me- tall hatte fliessen können, z. B. an der Oberfläche und in den Spalten des Compressors, wogegen sie zu wünschen übrig Hess im mittleren Theile des Cyiinders, wo die Verfestigung nicht im gleichen Maasse hatte stattfinden können wie an der Oberfläche. Die Salze, nämlich die Chloride, Bromide, Jodide, Nitrate, Sulfate, Hyposulfite, und Pho.sphate der Alkalien zeigten sich beträchtlich zu- sammengebacken (agglutinirt) und ergaben Blöcke, in denen die Spur der ursprünglichen Körner verschwunden war; manchmal Hessen sie sogar den Beginn von Durch- sichtigkeit erkennen. Bei den Salzen der Schwermetalle bot sich ein befriedigendes Ergebniss nur an der Ober- fläche, wo die Substanz längs der Cylinderwand geglitten war; da hatte sich nämlich eine glasige, durchsichtige Kruste gebildet, welche völlig den als „Spiegeln" oder „Harnische" bezeichneten Gleitflächen in von Lagerungs- störungen betroffenen Gesteinen glich. Endlich zeigten wenig oder gar keine Verbindung Substanzen wie Glas, Kreide, Thonerde, Kohle und eine Anzahl von Carbo- naten; ihr Pulver war vollständig beweglich geblieben oder hatte bestenfalls eine Masse ohne Festigkeit gebildet. — Diese Ergebnisse sind z. Th. sowohl von W. C. Ro- berts Austen als auch von Ch. A. Fawsitt bestätigt worden. Dem diesen Erscheinungen gegenüber geäusserten Zweifel, ob der Druck direct die Verschweissungen be- wirkt habe und nicht vielmehr die vom Drucke erzeugte Temperatursteigerung, die zu einer oberflächlichen Schmel- zung der Pulverkörner genügt habe, weist Spring mit dem Hinweise zurück, dass .sich keine Abhängigkeit von dem Schmelzbarkeitsgrade offenbart habe; die am leich- testen schmelzbaren Substanzen verschweissen sich nicht immer am besten unter Druck; auch war unter den Be- dingungen, unter denen die Compression stattfand, eine Temperatursteigerung durchaus nicht nachzuweisen; zu diesem Zwecke hat Spring nämlich bei 28" schmelzendes Phoron (C9H,40j comprimirt, dem eine Bleikugel aufge- lagert war; wäre nun die Substanz zum Schmelzen ge- kommen, so hätte die Bleikugel auf dem Boden des Cy- iinders fallen müssen, was nicht geschah. Bei eingehender Prüfung der Umstände, die einen Einfluss auf die Verschweissung ausüben könnten, er- kennt man jedoch, dass die Compression in Wahrheit nicht deren einzige Ursache sein kann, falls es nicht gelingt, sämmtliche feste Körper unter einem gegebenen Drucke zu verschweissen. Dass die Plasticität der Materie mit in Frage kommt, ist nach Obigem zweifel- los, aber auch sie genügt noch nicht zur Erklärung, in Anbetracht der Erscheinung, dass dermaassen spröde Substanzen, wie das Wismuth, ebenso leicht verschweissen, wie das Blei. Es muss also noch einen weiteren, ein- flussreichen Factor geben. Da nun die Verschweissung erfolgt, wenn durch den Druck die Moleküle mit einander in so innige Berührung gebracht sind, dass sie sich an der Oberfläche der Fugen (des Pulvers) so stellen, wie in der Tiefe ihrer Masse, mithin die Cohäsion wieder erweckt wird, wird dadurch angeregt die Betrachtung der Diffu- sion fester Substanzen. Die ersten, wie auch die wichtigsten Beobachtungen einer Diffusion eines festen Stoffes in einem anderen festen Körper sind wiederum Spring zu verdanken. Um sie gehörig zu würdigen, empfiehlt sich, bei der Betrachtung von der Diuck-Verschweissung auszugehen. Wenn nämlich die Diffusion der Moleküle durch die Berührungsflächen eine ihrer Ursachen in Wirklichkeit sein sollte, muss bei der Compression verschiedenartiger Metalle eine Legirung derselben entstehen und nicht etwa nur ein einfaches Agglomerat von Partikeln, die ihre individuellen Eigenschaften bewahrt haben. Und dem ist in der That so, wie die Versuche be- stätigt haben. Durch Zusammenpressen eines Gemenges von Zinn- und Kupfer-Pulver erhält man Bronze, Zink und Kupfer liefern Messing, gekennzeichnet durch seine gelbe Farbe; Kupfer und Antimon geben eine eigenthüm- liche violette Legirung; ein Gemenge von Wismuth, Zinn, Blei und Kadmium bildet eine Legirung, die in kochen- dem Wasser ebenso schmilzt wie die von Lipowitz durch Zusammenschmelzen erhaltene. Die Bildung dieser Legirungen beweist also, dass die festen Körper langsam in einander diftundiren gerade so, wie irgend welcher XVI. Nr. 3r5 Naturwissenschaftliche Woclienschrift. 385 lösliche Körper in seinem Lösungsmittel diflFundirt. Des- halb dürfen die festen Körper betrachtet werden als be- gabt mit der Fähigkeit, sich gegenseitig und unterhalb ihres Schmelzpunktes aufzulösen, um feste Lösungen zu geben, was auch Van 't Hoff behauptet auf Grund von bei der Gewinnung gewisser Lösungen beobachteten Anomalieen. Aber wie nicht alle Körper in einer gegebenen Flüssigkeit löslich sind, ebenso werden nicht alle mit gleicher Leichtigkeit in eine gegebene feste Substanz diffundiren. Wenn nun die Verschweissung wirklich die Folgeerscheinung einer festen Lösung ist, ergiebt sich hieraus die unbedingte Nothwendigkeit, dass die nicht in einander diflfundirbaren Substanzen unter Druck weder eine Legirung bilden, noch mit einander verschweissen. Auch dies wird vom Experiment bestätigt. Blei und Zink, die im Schmelzfluss nicht iu einander löslich sind (abgesehen von äusserst hohen Temperaturen), sondern sich bei Vermeugung von einander trennen wie Oel und Wasser, bilden auch bei der Compression ihrer Pulver in der Kälte keine homogene Masse, sondern nur ein Hauf- werk aus von Blei umkleidetem Zinn. Gleiches gilt von Wismuth und Zink, da sich Wismuth dem Zink gegen- über auch im Schmelzflusse ähnlich wie Blei verhält. Den Beweis, dass die Diffusion der festen Substanzen eine der Ursachen ihrer Verschweissung unter Druck ist, kann man aber auch aus den Lehren der kinetischen Theorie der Materie ableiten, denen zufolge solche Dif- fusion, ebenso wie die von festen Stoffen in Flüssigkeiten, von der Beweglichkeit der Moleküle abhängig sein muss. Die beweglichsten Moleküle sind sicherlich die am wenig- sten polymerisirten, so zumal die Moleküle der Gase. In dem Maasse, als die Polymerisation fortschreitet, verlieren die Substanzen nachweislich im Allgemeinen an Flüchtig- keit, Schmelzbarkeit und sogar Schmiegsamkeit. Die härtesten Körper, wie Diamant, Korund, Quarz u. a. m. gehören auch zu den schwierigst schmelzbaren. Während die grosse Polymerisation der Moleküle dieser harten Körper noch nicht sicher erwiesen ist, geschah dies von L. Henry, für die Mehrzahl der Metalloxyde, die aus sehr complizirten Molekülen gebildet werden; hierzu stimmt, dass keines der Pulver aus diesen Substanzen sich bei Compression verschweisst. Daran ist höchstwahr- scheinlich die Hypertrophie ihrer Moleküle schuld, indem sie die Diffusion verhindert und hiermit die Grundursache der Agglutination unterdrückt. Ueberdies hat aber W. Spring noch nachgewiesen, dass die Verschweissung der Metalle und die der zu- sammengesetzten Körper auch ohne jede Compression stattfinden kann unter den bei der Bildung von Legirun- gen gegebenen Verhältnissen, sodass nur die Diffusion als Ursache der Verschweissung gelten kann. Zu dem Zwecke zerschnitt er vorher hierzu geformte Cylinder aus Gold, Platin, Silber, Kupfer, Zink, Blei, Antimon, Wismuth u. a., von denen die aus Gold und Platin nur 3 mm, die aus den anderen Metallen aber 5 cm Höhe bei 2 cm Durch- messer besassen; mit den rechtwinkligen, geebneten und ganz frischen Schnittflächen wurden dann die beiden Cylinderhälften auf einandergelegt, ohne Anwendung eines Druckes ausser dem vom Gewichte der Substanzen ausgeübten. Um eine die Diffusion der Stoffe in sehr hohem Maasse beschleunigende Temperatursteigerung zu benutzen, brachte man die Metall -Paare in einen er- wärmten Trockenschrank, wobei jedoch die Temperatur immer erheblich tiefer gehalten wurde, als wie die Schmelzpunkte der betreffenden Metalle liegen, z. B. für Platin um 1600", fiir Gold und Kupfer ungefähr 800" und für die leichter schmelzbaren Metalle etwa 200" unter deren Schmelzpunkten. Je nach der Härte des Metalls dauerte der Contact zwischen 3 und 12 Stunden. Darnach zeigten sich die aufeinander gelegten Metallstücke von gleicher Art so fest verschweisst, dass sie eine einheitliche Masse darstellten, und die Fuge war nicht einmal mehr sichtbar nach Ueberarbeitung der Cylinderfläche auf der Drehbank. Andererseits hatten sich die Paare aus ver- schiedenartigen Metallen mit einander legirt; so hatten Zink und Kupfer zwischen sich eine 74 ffi™ dicke Messing- schicht gebildet und das Paar Zinn-Blei war sogar auf 6 mm Dicke legirt. Dagegen Hessen die nicht ineinander lösbaren Metallpaare Zink-Blei und Zink-Wismuth nur den Beginn einer Verbindung ohne irgend welche Festig- keit erkennen. Diese Thatsachen in ihrer Gesammtheit beweisen wohl die Eigenschaft fester Körper, in einander zu dif- fundiren, sowie dass diese Diffusion bei der Erscheinung der Verschweissung die Hauptrolle spielt. Solche Diffu- sion wurde übrigens noch von Anderen erkannt. So zeigte A. Colson, dass in Russ erhitztes Eisen in ihn diffundirt und umgekehrt auch der Kohlenstoff in das Eisen; während unter gleichen Umständen mit Platin angestellte Versuche nicht glückten; ferner dass Silberchlorid in Natriumchlorid diffundirt, dass Silber theilweise auf letzteres reagirt und Silberchlorid bildet, das hierauf diffundirt, und dass po- lirtes Eisensulfid auf Kupfer erwärmt geringe Mengen von Schwefel abgiebt, die sich mit dem Kupfer verbinden. Ein inmitten eines mit Siiicium freiem Russ erfüllten (irdenen) Tiegels erhitzter Platindraht wurde nach einiger Zeit Siiicium-haltig befunden. Aehnliche Beobachtungen wurden auch von Violle gemacht beim Schmelzen von Palladium in einem Porzellantiegel, der in einen Graphit- tiegel eingefügt war; jener bot da äusserlich das Aus- sehen eines Kohlentiegels und war die Kohle um so tiefer iu ihu hinein diffundirt, je länger das Erhitzen gedauert hatte. Die Diffusion von Kohle wurde auch von Sydney Marsden und von Pernotel festgestellt. Spring zeigte 1888 die Diffusion in festen Körpern mit Hilfe von chemischen Erscheinungen. Er verschloss in einer gut ausgetrockneten Glasröhre Quecksilberchlorid und Kupfer in Pulverform, und in einer anderen Röhre vollständig trockenes Kaliumnitrat und Natriumacetat; nach einiger Zeit enthielt jene Röhre Quecksilberchlorür und Kupferchlorid, und die zweite Kaliumacetat und Natriumnitrat. Demnach ist im Widerspruche zu dem alten Lehrsatze der Alchymisten: nullum corpus agit nisi solutum, der flüssige Aggregatzustand nicht immer unent- behrlich zum Vollzug einer chemischen Wirkung in der Kälte; der feste Stoff ist ebenso wie der flüssige der Sitz innerer Bewegungen, die zwar erheblich geschwächt, doch nicht aufgehoben sind. Am Eingehendsten hat der Direktor der Londoner Münze, W. C. Robe rts- Aasten, die Diffusion von Me- tallen untensucht, wobei er ihre Geschwindigkeit bei ver- schiedenen Metallen maass, die bei constanter Temperatur in einen anderen Metallguss diffundirten, und sie erheblich höher fand als bei Salzen. Um die Diffussion fester Me- talle nachzuweisen, legte er bei verschiedenen Tempera- turen einen Goldcylinder auf eine Bleiplatte ; nach 31 Tagen konnte er eiue messbare Diffusion bei 40" feststellen; ähnlicher Art ist die Diffusion von Gold in Silber bei 800 ". Die Diffusion in festen Körpern unter dem Einflüsse der Elektricität muss jeden Zweifel ver- stummen machen, den man wegen der Möglichkeit oder richtiger der Wirklichkeit von inneren Bewegungen in festen Körpern hegen könnte. Als allgemein giltigen Lehrsatz hat man früher hin- genommen, dass die Metalle und deren Legirungen allein die Elektricität leiten, ohne hierbei eine tiefgreifende 386 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 33. chemische Veränderung zu erfahren, während die Lösun- gen von Säuren oder Salzen den Durchgang der Elek- tricität mit ihrer Zersetzung bezahlen müssen. Diese Behauptung ist zu absolut oder zu beschränkt. Schon Faraday hat ja gezeigt, dass einige krystallisirte natür- liche Schwefelverbindungen wie Blende, Bleiglanz, Schwefel- kies, Kupferkies u. a., die Elektricität ganz nach Art der Metalle, nur bei grösserem Widerstände leiten, und später hat Hittorf die Elektrolytnatur des Silbersulfid und Kupfersulfür nachgewiesen. Seitdem ist Gleiches von Gross für eine grosse Zahl fester Salze festgestellt worden, die mit den Eiektrolytflüssigkeiten die Eigenschaft theilen, die Elektricität in der Wärme besser zu leiten, als in der Kälte, während das Umgekehrte von den Metallen gilt. Wenn man nun nach den Lehren der Jonen-Theorie annimmt, dass in jedem Elektrolyt die Elektricität sich fortpflanzt mittels eines Marschiren (cheniinement) der Jonen, wird mau auch eine innere Bewegung in festen Körpern, wenigstens für die jonisirte Materie einräumen müssen, die sich auch auf experimentellem Wege nach- weisen lässt. Nach Hittorf wird das feste Kupfersulfür derart elektrolysirt, dass sich der Schwefel an der Anode und das Kupfer an der Kathode ablagert, und zwar dieses, was noch besonders interessant ist, nicht etwa als üeberzug, sondern in Gestalt feiner, sich mit einander verschlingender Fäden, die schliesslich einen Haarbüschel nachahmen, der aus der festen Masse hervorgewachsen scheint. Um diese Gestalt anzunehmen, musste sich also nothwendig das Metall gepresst befinden infolge der An- häufung seiner Jonen nach der Kathode hin, und in Wirklichkeit eine innerliche Ortsveränderung in der Materie vor sich gehen. Vielleicht lässt sich hieraus auch das nicht seltene Vorkommen der Fadenform bei natürlichen, gediegenen Metallen erklären als zurückführbar auf thermo- elektrische Vorgänge, die durch das Zusammentreffen von natürlichen Sulfiden mit andern Körpern in die Wege ge- leit wurden. Eine Reihe sehr interessanter Nachweise der unter dem Antriebe der Elektricität stattfindenden Wanderung von Metall-Atomen durch Glas hindurch verdanken wir E. Warburg. Dieser Forscher schüttete Natriumamalgam in ein dünnwandiges Reagenzgläschen, tauchte dieses in reines Quecksilber ein und verband einerseits das Amal- gam, andererseits das Quecksilber mit einer Batterie von .30 Bunsen-Elementen so, dass das Quecksilber die Ka- thode bildete. Unter diesen Umständen Hess der elektri- sche Strom Natrium zum Quecksilber durchdringen in einer Menge, die dem Gewichte an Silber entsprach, welches sich in gleicher Zeit aus seiner Nitratlösung würde niedergeschlagen haben. Das Natriumamalgam im Reagenzgläschen entäusserte sich also seines Alkalimetalls und dieses durchquerte das Glas, indem es das hier ur- sprünglich vorhandene vor sich her trieb; daraus, dass diis (;iäschcn sein Gewicht nicht veränderte, trotz dieser Wanderung des Natrium, iat zu schliesseu, dass sich an der Anode keine Kieselsäure absetzte. Mithin hat die Elektrolyse in der Weise stattgefunden, dass das Kation allein (das Natrium) sich einen Weg durch die Maschen des Silicatni't/.cs bahnte. Dabei bewahrte das Glas auch seine Ihnclisiijitigkcit, selbst nachdem es einer beträcht- lichen MtMige von Natrium den Durchgang gewährt hatte, und eine mikroskopische Prüfung eines Scherben von dem Heagenzgläschen Hess auch nicht die geringste Structur- änderung erkennen. Machte man bei dem Versuche statt des Natrium- anialgums umgekehrt das Quecksilber zur Anode, so stockte der Strom bald, nicht aber iu Folge einer Polarisation der Elektroden, sondern weil das Glas an der Anoden- seite seine Natrium -Jonen verlor; dabei bildet sich im j Glase ein Kieselsäure-Häutchen, das die Elektricität nicht leitet. Dieses Häutchen verräth sich durch Irisiren, wie solches dünne Blättchen thun. Demnach muss man ein- räumen, dass eine Wanderung der Natrium-Jonen in dem festen Glase wirklich stattfindet. Eine andere, ebenso interessante Beobachtung gleicher Art hat 0. Lehmann bei der Elektrolyse von festem Silberjodid gemacht; er stellte fest, dass hierbei die Silber- Jonen allein ihren Ort wechseln und dem Strome in posi- tivem Sinne folgen, während die Jod -Jonen stationär bleiben. Legt man einen Silberjodid -Krystall zwischen zwei silberne Elektroden auf einen Objectträger unter das Mikroskop, so erkennt man, wie bei geschlossenem Stromkreise die Anode kleiner wird, während sich Silber an der Kathode anhäuft; hierbei bewahrt der Silberjodid- krystall selbst seine Structur, seine Durchsichtigkeit und seine Farbe, aber er scheint sich langsam in der nega- tiven Stromrichtung zu verschieben ; legt man ihm da ein Hinderniss in den Weg, so deformirt er sich, als ob er einem Schub von der Kathodenseite und einem Zuge von der Anodenseite gehorche. Legt man den Silberjodidkrystall statt zwischen Silberelektroden auf geschmolzenes Jodid, so bewirkt der elektrische Strom sein Vorrücken gegen die Kathode, obwohl in dem Bad von geschmolzenem Jodid hierbei keineswegs eine materielle Strömung statt- findet. So lange als der Krystall durch Regionen treibt, iu denen der elektrische Strom homogen ist, wechselt seine Gestalt nicht, dagegen formt er sich um, sobald er eine Stelle erreicht, an der die Stromdichte nicht mehr gleich ist, weil die dem dichteren Strome ausgesetzten Theile seiner Oberfläche den anderen voraneilen. Diese Umgestaltung kann der Wirkung einer mechanischen Kraft nicht zugeschrieben werden, denn wo der Krystall eine kleine Luftblase auf seinem Wege trifft, schiebt er sie nicht vor sich her, sondern umzieht sie ohne die ge- ringste Bewegung in der Flüssigkeit zu erregen. Des- halb darf man behaupten, der Silberjodidkrystall scheine nur seinen Ort zu wechseln, weil er in Folge der Wande- rung der Silber-Jonen andauernd nach der einen Seite zu wächst, nach der anderen aber abnimmt. Ein anderes Experiment Lehmanns, das allerdings mit einer Substanz ausgeführt wurde, die nicht im vollem Sinne des Wortes als fest bezeichnet werden kann, näm- lich mit mehr oder weniger consistenten Gallerten, offen- bart noch deutlicher die elektrische Diffusion. Lehmann goss eine warme, durch Malachitgrün oder durch ein anderes Benzolderivat gefärbte Gelatinelösuug in einen gläsernen Trog, und tauchte dann zwei Platin- drähte als Elektroden ein. Nach dem Erkalten der Ge- latine Hess er einen elektrischen Strom hindurchgehen, der bei weicher Gelatine nur etwa 70 Volt Spannung be- sass, bei harter dagegen bis zu 10 000 Volt verlangte. Alsdann bildete sich an der Kathode eine farblose Schicht, die aus im Sinne des Stroms verlängerten Knoten zu- sammengesetzt zu sein schien, während sich an der Anode eine Schicht dickerer, jedoch nicht entfärbter Sprösslinge entwickelte. Die beiden Schichten schritten gegen ein- ander vor mit einer Geschwindigkeit von etwa 2 mm in der Minut'^ und Hessen bei ihrer Berührung inmitten des Trogs schnell einen tiefgrünen Niederschlag entstehen. Zu gleicher Zeit traten lokale Strömungen in der Gela- tine auf und die Temperatur stieg soweit, dass die Ge- latine in einer Schicht von einigen Millimetern zum Schmelzen kam. Lehmann erklärt diese Erscheinungen daraus, dass an der Kathode die färbende Substanz eine chemische Reduction erfährt, in deren Folge sie sich entfärbt, während sie an der Anode einer Oxydation unter- liegt ohne merkliche Entfärbung. Die beiden chemisch veränderten Schichten werden von ihren Elektroden zu- XVI. Nr. 33. Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. 387 rückgestossen und marschiren mit deren Elektricität ge- laden dem Potentialgefälle folgend in der Gallert, bis sie bei ihrem Zusammentreffen ihre Ladungen neutralisiren. Es entstehen da starke lokale Strömungen und das Farb- mittel wird chemisch wieder hergestellt. Mit anderen Worten kann man es dahin ausdrücken, dass in der Ge- latine eine Wanderung der elektrisch geladenen Moleküle .stattfindet, von denen die einen längs des Stromes auf- wärts, die anderen abwärts steigen, ohne dass die Gela- tine selbst dabei in Bewegung geräth. Das ist also eine Molekularbewegung gerade so wie die Diffusion einer Substanz in einer anderen und über- trifi"t ihre Geschwindigkeit die der eigentlichen Diffusion. Da hier die Elektricität die bewegende Kraft ist, wird natürlich die Geschwindigkeit um so grösser sein, als das Potentialgefälle tiefer wird, doch wird sie andererseits gemindert, je mehr die Festigkeit der Materie erhöht wird. Diese elektrische Diffusion wird sehr wahrscheinlich noch gute Dienste thun, um die Theorie von Spring über die Verschweissung fester Körper zu bestätigen und zu festigen. In der That darf man erwarten, dass, wenn die wirkliche Ursache dieser Verschweissung die Diffu- sion der Materie durch die Coutact-Oberfläche der au einander gefugten festen Theile ist, zwei sich berührende Silberjodidkrystalle nach dem Durchgänge eines elektri- schen Stroms zusammenhängen. Sogar vom Glase ist es nicht unwahrscheinlich, dass es entsprechende Erscheinun- gen erkennen lassen wird, wenn es nur erst gelingt, einen vollkommenen physischen Contact seiner Partikel herzu- stellen, was eine unvermeidliche Vorbedingung ist. Nachdem durch die Diffusiouserseheinungen die Existenz von inneren Bewegungen in festen Körpern nachgewiesen ist, bleiben nun noch die chemischen Vorgänge in ihnen zu prüfen und deren Beziehungen zu den inneren Bewegungen in Flüssigkeiten und Gasen. Auch das kann mit Hilfe der Compression geschehen. Aus allem dem, was über die Wirkung des Druckes auf Flüssigkeiten und Gase bekannt ist, kann hier nur der allgemeine Erfahrungssatz herangezogen werden, dass der Druck einen chemischen Vorgang öfters bindert als begünstigt. Die chemischen Verbindungen und Zersetzungen scheinen im Allgemeinen eine bestimmte Temperatur für ihren Eintritt zu verlangen, die nach der Art der auf- einander wirkenden Stoffe wechselt. Diese oft Verbin- dungspunkt genannte Temperatur ist übrigens nicht genau zu bestimmen, da sie sich in weiten Grenzen mit dem physikalischen Zustand der reagirenden Stoffe verschiebt. Deshalb räumen mehrere Chemiker gar nicht ein, dass die Reactionen bei einer bestimmten Temperatur ihren Anfang nehmen, .sondern meinen, dass sie bei jeder Tem- peratur stattfinden, aber sich mit abnehmender Wärme bis zum Aeussersten verzögern. Wie dem auch sei, so ist es doch wohl gestattet, den Verbindungspunkt mit dem oben erwähnten Umwandlungspunkte in Parallele zu stellen, wenigstens in dem Sinne, dass oberhalb dieses Punktes ein chemisches System, z. B. Metall und Schwefel, sich nicht im Gleichgewichte befinden kann, sondern in den Zustand der Verbindung eintreten muss; hierbei ist jedoch als eine wesentliche Verschiedenheit zu beachten, dass unterhalb des Verbindungspunktes sowohl das che- mische System als auch die Verbindung existiren können, wobei sich letztere zweifellos stabil zeigt, während solches von der Mengung der Elemente zweifelhaft ist. Um diesen Zweifel zu beseitigen, hat Spring verschiedene Versuche angestellt, wobei er sich von folgenden Erwä- gungen leiten Hess. Das specifische Volumen einer Verbindung von zwei oder mehreren Elementen ist im Allgemeinen verschieden von der Summe ihrer specifischen Volumina; meist ist sie geringer. Z. B. wird die Bildung von Silbersulfid be- gleitet von einer Contraction um 6,3 "/o- d. h. 100 Volu- mina eines Gemenges von Schwefel und Silber, zusammen- gesetzt nach der Formel Ag.j -{- S, werden nur 93,7 Vo- lumina von AgaS geben. Das vorausgesetzt, lehrt die Erfahrung, dass, wenn man bei gewöhnlicher Temperatur Gemenge zusammenpresst, welche diese Volumenbedingung erfüllen, der chemische Vorgang um so mehr erleichtert wird, je grösser die gegenseitige Diff'undirbarkeit oder feste Löslich keit ist. So bilden sich z. B. Silbersulfid sowie Kupiersulfür leicht, wenn man ein inniges Gemenge ihrer Elemente comprimirt; dagegen vereinigen sich Zink und Schwefel, die man bekanntlich zusammenschmelzen kann, ohne das eine merkliche Menge von Zinksulfid entsteht, auch nicht unter Druck, obwohl die bei der Verbindung eintretende Contraction beinahe 5 % des ursprünglichen Volumens des Elenientengemenges beträgt. Die Diffusion spielt also ersichtlich eine Hauptrolle bei diesen Vorgängen; hieraus ergiebt sich mit Sicherheit, dass die Menge der entstandeneu Verbindungen bei kurzer Compressionsdauer nur gering sein kann. E. Jannettaz der ebendeshalb bei den Wiederholungen der Spring- schen Experimente nur geringe Quantitäten von Schwefel- verbindungen des Eisens, Kupfers, Bleis und Wismuths erhielt, glaubte diese überhaupt nur der Verbindungs- wärme und nicht dem Drucke selbst zu verdanken; dass diese Meinung irrig ist, ergiebt sich daraus, dass mit der monatlichen Dauer der Compression die Mengen der ge- bildeten Sulfide zunehmen, während die Wärmeent Wicke- lung nur beim Beginn der Compression eintritt. Wenn umgekehrt das specifische Volumen der Ver- bindung grösser ist als die Summe der Volumina der Elemente, dann hat der Druck gar keine Wirkung. Spring hat sogar gefunden, dass er alsdann zusam- mengesetzte Körper in ihre Bestandtheile auf- zulösen strebt; so konnte er nämlich das Kupfer- Calcium-Doppelacetat, das nach Van 't Hoff unter Aus- dehnung entsteht, zerlegen; das an sich blaue Salz wird unter Druck grün und setzt sich in grünes Kupferacetat. Calciumacetat und Krystallwasser um. Bei dem von Spring hergestellten Hydrate des Arsentrisulfids (AsgSg 6- HoO), das ebenfalls unter Ausdehnung entsteht mit 4 7o Differenz gegen die ursprüngliche Volumensumme, bewirkte Druck die Zersetzung in wenigen Augenblicken (in Krystall- wasser und wasserfreies Trisulfid). Aehnliche Ergebnisse erhielt vor einigen Jahren auch Carey Lea, als er Silbersulfat, Silbersalicylat , Goldoxyd, Quecksilberoxyd unter einem für 70000 Atm. Druck berechneten Com- pressionsapparate behandelte , sowie auch schon beim heftigen Zerstampfen der Substanzen in einem Porzellau- mörser; allerdings ist auf sie nur bedingter Bezug zu nehmen, weil die Angaben der Volumina fehlen und weil bei Zersetzung der Oxyde der Sauerstoff' sich gasförmig ausschied. Grössere Beweiskraft besitzen die Versuche von Clemandot über die Compression des Stahls; die da lehren, dass man durch sie dem Stahle alle Härte- grade ertheilen kann, wenn man ihn auf Rothgluth bringt und ihn alsdann bis zur völligen Erkaltung einem starken Drucke unterwirft. Die Erklärung bietet der Umstand, dass sich bei Rothgluth Kohlenstoff" und Eisen unter Volumen Verminderung verbinden; die Zersetzung dieses harten Carbids oder das Ausglühen ist umgekehrt von einer Ausdehnung begleitet. Wenn man nun diese auf mechanischem Wege verhindert, wird man auch die Verbindung, das Carbid, vor Zersetzung bewahren, wie man ihren Bestand auch durch jähes Erkalten (beim Härten) erhält, das die Moleküle in ihren relativen Lagen fixirt. 388 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 33. Hieraus ersieht man auch den Grund, warum die Compression diejenigen Umsetzungen verhindert, bei denen sich Gase entwickeln. Spring hat auch feuchte Pulver comprimirt: alle Stoffe, die mit Wasser Lösungen bilden, deren specifisches Volumen kleiner ist als diejenigen der Bestandtheile zu- sammen, liefern unter Druck solche, die man im Verhält- niss zu den bei gewöhnlichem Atmosphärendruck er- haltenen als übersättigte bezeichnen kann, bei der Verminderung oder dem Aufhören des Druckes findet dann Krystallisation statt und es entstehen sehr feste Blöcke (im Compressionseylinder) ; . es ist das eine Art von „Abbinden" •'•) wie bei dem mit Wasser angemachten Gips. Umgekehrt geben die Stoffe, deren Ijö.snngen grösseres specifisches Volumen besitzen, unter Druck keine festen Massen; es vermindert sich da die Löslichkeit mit zunehmendem Druck, aber die ausgeschiedene Materie wird bei dessen Nachlass vom Wasser wieder gelöst. Endlich ist noch des chemischen Gleichgewichts zu gedenken, das sich bei Reactionen fester J^örper auf einander anscheinend ebenso einstellt wie bei der von Lösungen. Mischt man zwei verschiedene Lösungen, die in Wechselwirkung Umsetzungsprodukte ergeben, welche gelöst bleiben, so tritt jedesmal ein Stillstand der chemi- schen Umsetzung noch vor der völligen Erschöpfung des Umsetzungsmaterials ein; man sagt, dass sich da die auf einander wirkenden Stoffe und ihre Produkte im chemi- schen Gleichgewicht befinden. Nach den hierfür von Guldberg und Waage ermittelten Gesetzen stellt sich dieser Zustand ein, sobald der Ertrag an Umsetzungs- produkteu einen für die bestimmten Stoffpaare constant bleibenden Werth erreicht. Ob solcher Stillstand in der Reactiou auch bei festen Körpern stattfindet, hat Spring untersucht beim Zusammenpressen einerseits eines Ge- menges von Bariumsulfat und Natriumearbonat, anderer- seits eines solchen von Bariumcarbonat und Natrium- sulfat. Jenes besitzt ein specifisches Volumen von 0,277, dieses dagegen von 0,293; man durfte also erwarten, dass in jenem gar keine Umsetzung erzielt wurde, dafür dieses sich mit der Zeit vollständig in jenes umwandeln werde. Das war indess nicht der Fall; Umsetzungen fanden viel- mehr in beiden Gemengen statt, aber von beschränkter Art. Soweit man darüber urtheilen konnte, war deren Grenze in beiden Fällen die gleiche. Eine genaue Be- stimmung war nicht ausführbar wegen der Schwierigkeit, die gemengten Substanzen quantitativ zu trennen. Mit der Steigerung der Temperatur verschiebt sich die bei 20 "/o belegene Grenze, die doch wohl das Vorhandensein eines chemischen Gleichgewichts genügend beweist. Bei Zusammenfassung der mitgetheilten Ermitte- lungen sieht sich Spring zu dem Geständniss genöthigt, dass die Versuchs- Ergebnisse noch zu unvollständig sind, um definitive Schlussfolgerungen zu erlauben. Eine be- stimmte Definition für den festen Aggregat- zustand könne noch nicht gegeben werden. Vor- läufig dürfe jedoch folgenden Lehrsätzen Anerkennung einzuräumen sein. 1. Der feste Zustand der Materie ist kein wirklich verschiedener, sondern eher, wenn dieser Ausdruck ge- stattet wird, eine Verlängerung des flüssigen Zustandes. Zu sagen, die festen Körper bewahren ihre Gestalt, ist wie Tresca's Versuche lehren, nicht immer wahr, und von ihnen zu behaupten, dass sie nur eine beschränkte Elasticität besitzen, ist auch eine ungenügende Definition, nachdem Spring selbst einen Fall gezeigt hat, in welchem *) Das erklärt auch die bossero Ausbildung vom festem Kalkspatli in den Spalten von hinfälligerem Kalksteine; das aus Regionen höheren Druckes ausgelaugte Calciumcarbonat wird eben in denen von niedrigerem Drucke wieder ausgeschieden, eine geologisch sehr wichtige Erscheinung. ihre Elasticität unbegrenzt ist. Man hat geglaubt, jede Schwierigkeit zu vermeiden, indem man die Eigenschaft „fest" den krystallisirten Körpern vorbehielt und die amorphen Körper als bis zum Aeussersten zähflüssig (visqueux) betrachtete; aber nach 0. Lehmann giebt es auch „flüssige Krystalle" und ist die Natur eines Krystalls nicht beeinflusst durch einen Wechsel in der Moleluüar- ordnung.'--) In Ermangelung einer erschöpfenden Definition wird man jedoch gut thun, in der Praxis (mit 0. Lehmann) die festen Körper als durch den Besitz einer Elasti- citätsgrenze bei ihren einseitigen Umgestaltun- gen gekennzeichnet hinzustellen. 2. Die festen Körper besitzen die Fähigkeit, mit ein- ander zu verschweissen, sobald sie miteinander in voll- ständiger Berührung sind. Diese Fähigkeit scheint zwei Bedingungen unterworfen zu sein, nämlich einerseits bis zu gewissem Maasse der Schmiegsamkeit (malleabilite), die eine vollständige Berührung ermöglicht, andererseits der Diffusionsfähigkeit. Zwischen den einander ganz angenäherten Bruchstücken einer Metallmasse entwickelt sich eine Wiederherstellungsarbeit, die durch Erwärmung über eine bestimmte Temperatur hinaus beschleunigt wird. Die Fähigkeit der Verschweissung ist nicht etwa nur den amorphen festen Körpern eigenthümlich, die man den überschmolzenen Körpern verglichen hat, sondern sie wird von ihnen gleichmässig mit den Krystallen getheilt (auch Lehmanns „flüssige Krj'stalle" verschmelzen mit einander bei ihrer Berührung zu einem „Krystall" von normaler Structur und Gestalt). 3. Die festen Körper können unter den gewöhnlichen Temperatur- und Druckverhältnissen in einem labilen Zustande existiren. der an die Zustände der Ueber- schmelzung und Uebersättigung von Flüssigkeiten und Lösungen erinnert. Ein Wechsel in der Temperatur oder im Drucke kann eine Modification dieses Zustands her- vorrufen und ohne vorhergehende Verflüssigung der Materie den stabilen (im Allgemeinen krystallinischen) Zustand herbeiführen. Die Moleki:ile der festen Körper können sich in diesen noch bewegen, und sich von Aussen gestellten Bedingungen anpassen. Doch ist zu beachten, dass hierbei die Zeit als ein Hauptfactor mit zur Geltung kommt. 4. Die festen Körper besitzen die Fähigkeit zu dif- fundiren, die jedoch untergeordnet erscheint einer ge- wissen chemischen und physikalischen Affinität der gegen- wärtigen Stoffe; sie äussert sich nämlich nur, wenn die Körpermoleküle sich gegenseitig in der Berührungsregion der festen Partikel ersetzen können. Die hierbei ent- stehenden festen Lösungen scheinen aus gleichem Grunde hervorzugehen wie die Lösung eines festen Körpers in einer Flüssigkeit oder die gegenseitige Lösung von Flüssigkeiten. 5. Die Thätigkeit der chemischen Affinität erscheint den Volumenbedingungen der festen Körper untergeordnet. Zum wenigsten verhält es sich so bei den Molekular- verbindungen, die sich in ihre constituirenden Molekeln auflösen, sobald sie den für ihre Existenz nöthigeu Raum nicht mehr finden. Umgekehrt bilden sich zusammen- gesetzte Körper aus ihren festen Bestandtheilen um so leichter, von je bedeutenderer Volumenverminderung die Verbindung begleitet wird ; die Materie strebt eben die- jenige At()nidisi)osition einzunehmen, die sie zum Minimum von Anstrengung oder von Kampf gegen äussere Gewalten nöthigt, oder die sie, mit anderen "Worten ausgedrückt, den Bedingungen anpasst, unter denen sie sich befindet. *) Hierbei hat Lehmann jedoch den Begriff Krystall anders definirt als bei Mineralogen und Krystallographen üblich ist, und zwar einzig die Fähigkeit geregelten Wachsthums als wesent- I Hohes Kennzeichen hingestellt; das Netz von Molekularpunkten I gilt ihm als untergeordnete Erscheinung. XVI. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 389 Das Standbild dfs Pithfcanthropus erectus in der Niederländisclien Colonialabtheilung der Pariser Welt- HHSStellHiig. — Ob es klug und zweckmässig war, ein wiederhergestelltes lebensgrosses Bild des Vormeuscheu' von Java den Augen der durch die Weltausstellung flutheuden urtheilslosen Menge preiszugeben, darüber lässt sich streiten. Der französische Anthropologe Hamy be- dauert lebhaft eine solche Schaustellung, die nur geeignet sei, die an sich hochwichtige Entdeckung, in „Verruf" zu bringen. Jedenfalls war für den Fachmann das körper- lich gewordene Bild, wie es sich in der Einbildungskraft des Entdeckers Diibois verdichtet und gestaltet hat, in hohem Maasse anregend und belehrend. Das neueste Doppelheft der Zeitschrift L'Anthropologie, XII, 1 bis 2, bringt unter der Ueberschrift „A propos de la reconstruction plastique du Pithecauthropus" den genauen Wortlaut von Manouvricr's Aeusserungen über diesen Gegenstand auf dem vorjährigen Internationalen Anthropologencongress in Paris. Zunächst findet dieser Anthropologe den Versuch, aus so wenigen Knochentheilen, dem Schädeldach, einem Oberschenkel, drei Zähnen und einem neuerdings ge- fundenen kleinen Bruchstück des Unterkiefers, dessen Zu- gehörigkeit nicht einmal ganz sicher ist, die ganze Ge- stalt des Urmenschen oder Vormenschen von Trinil wieder- herzustellen, „etwas kühn". Selbstverständlich richtet sich die Beurtheilung im Einzelnen nach der Auffassung des Fundes im Allgemeinen. Da Manouvrier das merk- würdige Geschöpf als einen richtigen Menschen, wenn auch auf „ältester Entwickelungsstufe" und den Gross- affen „so nahe als möglieh" stehend, auffasst, muss er ihm auch einen nicht sehr thierischen Kiefer und massig- entwickelte Eckzähne zuschreiben. Der Oberschenkel zeigt nach seiner Ansieht zwar vollständige Anpassung an den aufrechten Gang, lässt es aber nach einigen Merk- malen doch als möglich erscheinen, dass sein Träger auch noch ein guter Kletterer war. Dubois hat sich die grosse Zehe offenbar noch ganz beweglich gedacht und daher daumenähnlich abstehend gebildet. Da der Bericht- erstatter, aus dem geringen Schädelraum auf eine noch sehr rückständige Entwickelung des Gehirns und der geistigen Fähigkeiten schliessend, den Pithecanthropus nur als Vorstufe des Menschen, eine vorläufige, früh aus- gestorbene Welle, ansehen kann, möchte er seinerseits die Kiefer eher etwas thierischer, die Stirn flacher, den Kopf niederer gestaltet wissen, als dies in der Nach- bildung der Fall ist. Auch das Haarkleid, das dieser tiefstehende Vorläufer des Menschen zweifellos noch be- sessen hat, dürfte etwas kräftiger angedeutet sein. Ludwig Wilser. Yererbuiig erworbener Eigenschaften. — Für die entwickelungsgeschichtlich so wichtige Frage, ob sich erworbene Eigenschaften vererben oder nicht, ist ein von Dr. Derbys in Nikosi veröffentlichter Fall von nicht geringer Bedeutung. Einem jungen Manne von 27 Jahren, der mit einem Gewehr spielte, flog ein Stück des Zündhütchens ins Auge und durchbohrte die Horn- haut. Der Fremdkörper wurde zwar durch eine Operation entfernt, es blieb aber auf der Hornhaut dauernd eine weisse Narbe zurück. Zwei Jahre nach dem Unfall ver- heirathete sich der Mann, und sein erstes Kind brachte auf dem gleichen Auge und an derselben Stelle eine Narbe mit auf die Welt, die der seines Vaters vollkommen ähn- lich war. Eine solche sicher beglaubigte Thatsache be- weist selbstverständlich mehr als zahlreiche andere Fälle, in denen eine derartige Uebertragung nicht beobachtet werden konnte. Im Aligemeinen werden sich Verstümme- lungen und Verletzungen nicht vererben, jedenfalls viel schwerer als irgend welche durch Gebrauch oder Nicht- gebrauch, durch Anpassung an äussere Verhältnisse und dergleichen allmählich entstandene Veränderungen. Im ersteren Fall seheint immer ein länger dauernder Reiz, Entzündung oder Eiterung, wie er bei unserem Beispiel wahrscheinlich dem ärztlichen Eingriff vorausgegangen ist, bezw. sich ihm angeschlossen hat, nöthig zu seil), um eine erbliche Uebertragung möglich zu machen. L. W. Wetter-Monatsübersicht. (Juli 1901.) — Der dies- jährige Juli brachte Norddeutschland Hitze und Dürre in viel grösserem Maasse, als sie, auch im Hochsommer, bei uns gewöhnlieh sind. Wie die beistehenden Auf- zeichnungen von Berlin erkennen lassen, stieg zwar das Thermometer an den Mittagen nicht gerade übermässig Tcmperaftiren im 5uli 1001 Ogj,i:„.^— Tägliches Maximum, ta Minimum. Mi. Temperatur -Maxima verschiedener Gnfe. 11 16. 2^. 26. a. c. : , 1 1 M . 1 1 1 3i,.i ^ ' '' 3*3.^ ' ' ' ' e. Hamburg..^ y^v-^-M«. '>< :?t— ^ / "< / "X>: r-N/'" X W y^ V Königsberg y») »annovp.r. 36° i-y r4 •-^/"^y ... ..♦-V V^ \^\^ e" zc ...Y.,.-'N^'" \ ^^v-' Breslau, j ^sr-- Frankfur;*!^^-^ " ^'^sd ''"^-^ 1r^ 2g» 21 ^c. ,. — * '"1 ' ' ,.-•»,,'■"' Muntt;?;:: 1 1 1 1 1 1 1 1 _LJ_I 1 1 1 1 1 1 « BfBlINER V»f m RBURE/ll/. hoch. Aber während meistens im Juli längere oder kürzere Reihen heisser und verhältnissmässig kühler Tage mit einander abzuwechseln pflegen, lagen diesmal die Tem- peraturen fast ausnahmslos über ihren Normal- werthen. Deshalb wurde auch das an sich schon recht hohe vieljährige Julimittel Berlins: 18,9" C. um 2,1 Grade übertroflfen. Das Monatsmittel erreichte nämlich 21" C, noch 0,4" mehr als im vorjährigen Juli, in dessen zweiter Hälfte die Hitze bedeutend grösser als in diesem Jahre war. Ebenso übertraf die Zahl der Sonnenscheinstunden, deren es im Laufe des Monats im ganzen 307 gab, um fast ein Drittel diejenigen, die hier in den früheren Juli- monaten durchschnittlich erhalten wurden, und um 26 Stunden die des Juli 1900. Während der ersten Hälfte des Juli wurde das warme Wetter durch nördliche Winde erträglicher gemacht, denen es zu verdanken war, dass den heissen Tagen angenehm frische Abende folgten. In manchen Gegenden Deutsch- lands war die Abkühlung während der Nächte bei der ausserordentlichen Trockenheit des Erdbodens sogar so gross, dass sie den Sommerfrüchten verderblich wurde. Dagegen herrschten während der zweiten Monatshälfte Winde aus südlicher Richtung vor, deren Schwüle die Wirkung des brennenden Sonnenscheins noch bedeutend steigern musste. Am ausgiebigsten war die Hitze im Gebiete der Oder und weiter nordöstlich, wo gegen Mitte und in der zweiten Hälfte des Monats 30" C. sehr häufig überschritten wurden. Dagegen war in Süddeutschland, besonders am 390 Natui-wdssenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 33. Anfang und gegen Ende Juli, das Wetter verhältniss- niässig kühl und blieben auch die Mitteltemperaturen des ganzen Monats um fast einen Grad hinter ihren durch- schnittlichen Werthen zurück. Aehnliche Unterschiede wie in den Temperaturen, machten sich in den beistehend wiedergegebenen Nieder- schlagsverhältnissen zwischen dem Norden und Süden des Reiches geltend. In Süddeutschland, namentlich in iiiiiiiiiiiiiiiiiii :n Ol. zperlVerthfür Jtschland. suiymen imJuli 60 10 20' 1-6. Juli. K^+Bb-ti 1 :[ :, : : ] 1 1 L' ' 1 ■ p»! |. 1 H -HLÜ^ 1 1 B 1 ij [ U_ - — anfiRi Hl I - - — -mMMm -JU 1 20 1 7. -13. Juli. '11' rnMl M ^°H -- -111 1 1 1 Lil ^TiÜ Jl J^n r T 1 n.-zo.jur,. ^ 11 20 tt ■ -KJiJHi^i^ -H - ^J B • - ™2 i r 1 IM 1 1 1 1 1 -•" 1 ] 1 saBl ., 21. -31. Juli. > ' '. II OJ 1 H ! ..■■ i 1 ' " llll '^ ' ' ' 1 '^"'^^ 20 Hitl lililuHl an l _ ^^ASöEsu« R IVEriEBSUftU.. einer anderen, schon in Russlaud befindlichen Depression mitwirkten. Vom atlantischen Ocean rückte ihnen ein neues Maximum nach und breitete sein Gebiet allmäh- lich über die ganze westliche Hälfte Europas aus. Durch dieses Hochdruckgebiet, dessen Kern sieh bis nach Mitte des Monats in Westeuropa befand, wurde hier den oce- anischen Depressionen der Zugang für längere Zeit ver- schlossen, so dass nur einzelne flache Minima aus Süden bei uns einzudringen vermochten. Auch als sich das Maximum am 19. in Schweden und am 22. in Finnland festsetzte, reichten die von ihm ausgehenden, überaus I trockenen östlichen Winde Mitteleuropas noch in so grosse Höhen hinauf, dass eine umfangreichere Depression, die am 21. mit dampfgesättigten Westwinden vom Ocean nach der Nordsee vorrückte, äusserst langsam weiter nach Osten gelangen konnte. In der Umgebung dieser De- pression fanden sehr reichliche und immer weiter aus- gedehnte Niederschläge statt, die in Deutschland erst auf- hörten, als kurz vor Schluss des Monats wieder ein Hoch- druckgebiet vom Ocean nach Mitteleuropa vordrang. Dr. E. Less. Bayern, gingen während der ersten Tage des Monats lange anhaltende, wolkenbruchartige Regen her- nieder, die zwar auch einzelne Hagelschläge, Dammbrüche und andere Schädigungen mit sich brachten, im Ganzen aber den Saatenstand ausserordentlich verbessert haben. Sonst waren die Niederschläge nur noch in einem Theil des nordwestlichen Binnenlandes bedeutend, blieben hin- gegen im Nordosten und längs der Küste beinahe gänz- lich aus. Fast völlig regenloses Wetter herrschte in ganz Deutschland während der zweiten Juliwoche, vom 7. — 13. Am Ende derselben traten zahlreiche Gewitter ein, die sich in den folgenden Tagen oftmals wiederholten, aber zunächst nur spärliche, sehr langsam wachsende Regen- mengen lieferten. Erst wieder eine Woche später be- gannen in West- und Suddeutschland ungewöhnlich starke, mehrtägige Gussregen, die sich allmählich weiter ostwärts verbreiteten. Beispielsweise fielen in Celle vom 23. bis 24. Abends 89 Millimeter Regen, eine Menge, die von einem Tage nur selten in der deutschen Niederung ge- messen worden ist. In Folge dieser letzten Regenzeit er- reichte die Monatssumme der Niederschläge für den Durch- schnitt der berichtenden Stationen noch 62,5 Millimeter, drei Viertel der Niederschlagshöhe, welche die gleichen Stationen während des letzten Jahrzehntes durchschnittlich im Juli ergeben haben. Da sie jedoch in Norddcntsch- land fast ausschliesslich als Gewitterregen fielen, so drang die Nässe erst spät in den durch die vorangegangene lange Dürre hart gewordenen Boden ein. Die allgemeine Anordnung des Luftdruckes änderte sieh während des vergangenen Monats von einem Tage zum anderen immer nur sehr wenig. Im Anfange lagerte ein barometrisehes Maximum über dem norwegischen Meere, während flache Depressionen sich von England über Mitteleuropa nach Osten begaben und dann zur Vertiefung Aus dem wissenschaftlichen Leben. Der vierte italienische pädiatrische Congress wird vom 15. bis 20. Oktober in Flort-nz stutttimleii. Italienischer General- sekretär ist Luigi Concetti in Neapel, Präsident Francesco F e d e. Der französische Congress für Chirurgie wird in Paris vom 21. bis 26. Oktober stattfinden. Programm für den Michaelis 1901 und zwar in der Zeit vom 1. Iiis !■_'. (iktober in Berlin abzuhaltenden naturwissen- schaftlichen Feiieukursus für Lehrer höherer Schulen. Er- öffnung: Dienstag, den 1. Oktober 10 7ä in dem Theatei;saal der Alten Urania, Invalidenstrasse 57 b2, durch den Proviuzial-Schul- rath. Geheimen Regierungsrath Dr. Vogel. I. Vorträge. 1. Professor Dr. Lummer; „Die neuesten Ergebnisse aus den Strahlungsmessungen als Grundlage einer neuen Temperaturskala bis zu den höchsten Temperaturen" {.j Stunden). 2. Dr. Martens: ,Ueber ultraviolette Strahlung" (3 Std.). 3. Geheimer Medicinal- rath Professor Dr. Fritsch: „Die Verhältnisse des menschlichen Körpers nach Rasse und Geschlecht" (3 Std.). 4. Dr. med. Abelsdorff: „Die Hygiene des Auges" (3 Std.). 5. Professor Dr. Pfuhl: „Ueber Pflauzengärten, ihre Anlage und ihre Ver- werthung an den höheren Schulen" (2 Std.). 6. Oberlehrer Fischer: Die Antarktis und die bevorstehende Südpolarkundfahrt Erich von Drygalski's" (1-2 Std.). II. Uebungen. 1. Mechaniker und Optiker Hintze unter Beirath von Professor Heyne: „Praktische Uebungen in der mechanischen Werkstatt". In diesen Uebungen sollen einige der wichtigsten Arbeiten des praktischen Mechanikers gelehrt werden, soweit sie für den Lehrer der Physik von Werth sind, sei es um leichte Reparaturen selbst vornehmen, sei es um einfache Apparate sich selbst herstellen und zusammeen- setzen zu können. Demgemäss sind in Aussicht genommen. VVeich- und Hartlöthen verschiedener Gegenstände aus Messing, Zink, Weissblech u. s. f. — Glasbearbeitung, insbesondere Sprengen, Bohren, Schleifen, Einschmelzen von Platindraht. Stanniolkleben, Kitten, Leimen, Sägen und Bohren verschiedener Stoffe, letzteres auch mittelst der Drehbank. Einfache Reparaturen, dabei ver- schiedene Arbeiten, z. B. Behandlung von Blattgold, Coconfäden u. dcrgl. 2. Professor Dr. Szy manski: „Elektrische und magne tische Messungen mit besonderer Berücksichtigung der in der Elektrotechnik gebräuchlichen Methoden und Apparate." Die Theilnehnicr sollen durch diese Uebungen eingeführt werden in die Teciiiiik der Fuiidamontalmessungen des Schwach- und Stark- stromes niit Anwendung der modernen Messapparate und unter Berücksichtigung der gebräuchlichsten Messmethoden der Praxis. Gleichzeitig sollen sie einen Einblick gewinnen in das Gesammt- gebiet der modernen Anwendung der Eloktricität. Die Uebungen werden daher umfassen: a) Gleichstrom. Fundamentalmessungen (von Widerständen, Spannungen, Stromstärken, indirekte Wider- standsmessung.) Aichungen (von Voltmetern, AmpÄremetern). Anwendungen (Messungen an Akkumulatoren und an Glüh- und Bogenlampen, Elektricitätszähler, Elektromotor- und Generator- Messungen), b) Wechselstrom (Aichungen einiger Wechselstrom- Messapparate; Strom- Spannungs- und Arbeitsbestimmungen an Wechselstrom ■ Maschinen, Messungen von Transformatoren, XVI Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 391 Spannungskurven von Wechselstrom-Maschinen), c) Magnetische und Kondensator ■ Messungen (Hysteresis - Curve, Feldstärke, Kapacitätsmessung der Kondensatoren). 3. Dr. P. Spiess: „Uebungen im Projiziren und in der objektiven Darstellung physikalischer Erscheinungen." Da es für den Erfolg des natur- wissenschaftlichen Unterrichts von besonderer Wichtigkeit ist, die Erscheinungen der ganzen Klasse gleichzeitig und möglichst deutlich vor Augen zu führen, wird dieser Kursus sich auf Fol- gendes erstrecken. Demonstration und Besprechung von Pro- joctionsapparaten für elektrisches Licht und andere Lichtquellen. Uebungen im Gebrauch der Proj(Mtions,i|.|.,irate, Projiciren von Diapositiven und von mikroskopisdirn l'r.ip.n.iten. Uebungen in der objectiven Darstellung physiU:ilischcr Ki.-<( heinungen aus dem Gebiet der Mechanik, Optik, Wilrnie- und Elektricitätslehre. Uebungen in der Aufstellung und im Gebrauch des Spiegelgalvano- nieters. 4. Oberlehrer Dr. Eöseler unter BeihUlfe eines Präpara- tors: „Uebungen in Anfertigung zoologischer Präparate." In diesem Kursus sollen die wichtigsten Methoden zur Herstellung, Aufstellung und Konservirung zoologischer Präparate geübt werden und zwar mit besonderer Rücksicht auf die zur Ergän- zung und Instandhaltung einer zoologischen Schulsammlung er- forderlichen Fertigkeiten. Demgemäss wird folgendes berück- sichtigt werden: Skelettiren und Aufstellen einzelner Theile von Skeletten. Herstellung entomologischer (Trocken-) Präparate aus den Gebieten der Anatomie und Biologie, Aufstellung der Prä- parate. Anfertigung von Spiritus -Präparaten, für welche das Material aus der Königlichen Biologischen Anstalt auf Helgoland bezogen werden soll. Im Anschluss hieran die wichtigsten Me- thoden der Konservirung. 5. Privatdocent Dr. Kolkwitz: „Uebungen aus dem Gebiet der Mikroskopie und Physiologie der Pflanzen." Die Theilnehmer sollen in diesem Kursus vertraut gemacht werden mit dem Gebrauch der neueren, vervollkomm- neten Mikroskope, den wichtigsten Methoden der Anfertigung und Konservirung mikroskopischer Präparate, der Ausführung ein- facher, für den Unterricht geeigneter physiologischer Experimente, der Herstellung von Reinkulturen. Die mikroskopischen Uebungen werden sich sowohl auf die einzelligen, lebenden Organismen, wie auf die Anatomie der höheren Gewächse erstrecken und zwar unter steter Berücksichtigung des Zusammi nhanges zwischen Bau und Leistung. Bei den physiologischen Experimenten wird haupt- sächlich die Ernährung der Pflanzen berüksichtigt werden. Be- züglich der Fortpflanzung soll insbesondere der Generations- wechsel der Moose und Farnkräuter Gegenstand der Beobachtung werden. Bemerkung: Für jede der unter 1 — 5 angeführten Uebungen sind je 8 Doppelstunden bestimmt. Die unter No. 1 genannte LTebung wird aber, falls es erforderlich sein sollte, in zwei parallelen Cöten abgehalten werden. Da die Zahh der gleichzeitig Uebenden nur eine beschränkte sein kann, ist die Bildung von Gruppen beabsichtigt und zwar umfasst: Gruppe A: Uebungen No. 1 und 2, Gruppe B: Uebungen No. 1 u. 3, Gruppe C: Uebungen No. 4 und 5. Bei der Meldujig ist bestimmt anzu- geben, für welche dieser drei Gruppen un'd für welche Nummer oder Nummern derselben die Theilnahme gewünscht wird. — III. Besichtigungen und Excursion. 1. Besichtigung der in der Alten Urania veranstalteten Ausstellung physikalischer und chemischer Lehrmittel unter Führung von Professor Heyne. 2. Besichtigung des physiologischen Institutes, der Berliner Elek- tricitätswerke, der im Bau begriffenen Untergrund- und Hoch- bahn. Auf Wunsch der Theilnehmer anderweitig Besichtigungen je nach der zur Verfügung stehenden Zeit. ; '3. Ein tind eiahalb- • tägige geologische Excursion nach dem Harz (Bodethal) unter Führung des Königlichen Landesgeologen Professors Dr. Potonie. Schluss des Kursus in Thale Sonnabend, den 12. Öctober (Mittags) durch den Piovinzial-Schulrach Geh. Regierungsratli Dr. Vogel. L i 1 1 e r a t u r. Edmund Michael, Führer für Pilzfreunde. Die am häufigsten vorkommenden essbaren, verdächtigen und giftigen Filze. Mit 107 Pilzgruppen. Nach der Natur von A. Schmalfuss gemalt und photomechaniscli für Dreifarbendruck naturgetreu reproducirt. II. Band. Verlag von Förster & Borries in Zwickau in Sachsen 19U1. — Preis gebunden 0 Mark. Schon der im .Jahre 1895 herausgegebene I. Band mit 68 Gruppen der verbreitetsten essbaren, verdächtigen und giftigen Pilze machte es bei den wirklich künstlerisch ausgeführten, vor- trefflichen, naturgetreuen Abbildungen selbst für noch ganz un- erfahrene Pilzsucher möglich, die schmackhaftesten und am häufig- sten vorkommenden Pilzsorten zu erkennen. Der jetzt vorliegende IL Band bildet mit seinen 107 Pilzgruppen eine werthvolle Er- weiterung und Ergänzung des I. Bandes. Während der I. Band unter anderem 48 essbare Pilzsorten veranschaulicht, zeigt der zweite deren G4, sodass beide Bände zusammen neben G3 un- ind giftigen Sorten 112 essbare Arten enthalten. Dr. G. Bohn, Agrege des Sciences Naturelles Preparateur ä la Sorbonne, TEvolution du Pigment. (Serie Biologique Scientia) I vdlüine In b" ccu cartounage special. (Georges Carre et C. Naud. Editeurs, Paris). - Prix 2 Frs. Die die Pigmente bildenden Granula ähneln insofern den Bacterien u. s. w. als sie die Hauptfunction der Lebewesen, die Fähigkeit zu assimiliren, besitzen. Um zu zeigen, wie Verfasser sein Thema behandelt und was er vorbringt, seien die Inhalte der Kapitel angegeben. Es werden nach einer Einleitung die Pigmente in chemischer Hinsicht besprochen, sodann die pig- mentirten Granula, die Biologie der chromogenen Bacterien, der Chloroleuciten und der pigmentirten thierischen Granula, das Auftreten der letzteren in den Organen, die Wanderung der Pig- mente, Infection und Contagion durch dieselben u. s. w. An der Wende des Jahrhunderts. Eine Sammlung von acht Vorträgen. Herausgegeben von Seminaroberlehrer M. Kohl er, Esslingen. Verlag von Wilh. Langguth in Esslingen a. N. — Preis gebunden 3 Mark. Es handelt sich also — wie schon im Titel gesagt — um eine Sammlung von 8 Vorträgen. Durch Veranstaltung des Lehrer- vereins für Naturkunde und des Gewerbevereins in Esslingen ist diese Vortragsreihe zustande gekommen. Professor Weiler bietet eine Abhandlung über „Die Elektricität und ihre Anwendung in der Praxis", der veranschaulichende Zeichnungen, z. B. über Marconis Wellentelegraphie, Röntgenstrahlen u. s. w. beigegeben ist. Der zweite Aufsatz von Medicinalrath Dr. Späth handelt über „Die Heilkunde im 19. Jahrhundert." In das Verständniss der grossartigen technischen Fortschritte führen ein der Vortrag über Chemie von Dr. Kauffmann, Privatdozent an der tech- nischen Hochschule in Stuttgart; weiter der von Überbaurath Gross über die Technik im 19. Jahrhundert". Ein Vortrag von Rektor Haage behandelt „Die Entwicklung der Physik im 19. Jahr- hundert". Die Forschungen bezüglich unserer organischen Mit- bewohner der Erde legen in zusammenhängendem Ueberblick dar stud. rer. nat. Reinöhl (jetzt Seminaroberlehrer in Künzelsau) in seinem Vortrag „Die Thier- und Pflanzenwelt" und Dr. F. Schaible in dem zum guten Theil aus eigenen Untersuchungen während seines Aufenthalts auf der zoologischen Station in Neapel geschöpften Vortrag über „Meeresforschungen im 19. Jahrhundert". Endlich bietet der durch sein geologisches Werk über Württem- berg vortheilhaft bekannte Pfarrer Dr. Engel in Esslingen einen Vortrag, den er „Entstehen und Vergehen der Welt" betitelt hat. Beushausen, L., Das Devon des nördlichen Oberharzes mit be- sonderer Berücksichtigung der Gegend zwischen Zellerfeld und Goslar. Berlin. — 12 Mark. Bliedüer, Dr. A., Goethe und die Urpflanze. Frankfurt a. M. — 2,2.5 Mark. Branco, W., und Prof. Dr. E. Fraas, Das vulcanisohe Ries bei Nördlingen in seiner Bedeutung für Fragen der allgemeinen Geologie. Berlin. — 8 Mark. Burgerstein, Dr. Alfr., Materialien zu einer Monographie betreffend die Erscheinungen der Transpiration der Pflanzen. 3. Tbl. Wien. - 1 Mark. Ereutz, Heinr., Untersuchungen über diis System der Cometen 1843 I, 1880 I und 1882 II. 3. Tbl. Kiel. - 9 Mark. Küstner, F., Veröffentlichungen der königlichen Starnwarte in Bonn: Beobachtungen von 4292 Sternen zwischen 18° und 19° nördlicher Declination , am Repsold'schen Meridiankreise der Boiuier Sternwarte. Bonn. — 8 Mark. Perkins, Jenat, und Ernst Gilg, Monimiaceae. Leipzig. — 6 Mark. Pfeffer, Prof. Dr. W., Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 2. Bd. I.Hälfte. Leipzig. — 1 1 Mark. Piersig, R. u. H. Lohmann, DD.. Das Thierreich : Hydrachnidae und Halacaridae. 13. Lfg. Berlin. — 21 Mark. Sartori, Dr. A., Tabellen zur Berechnung quantitativer chemischer Ai.alvsen. Wifsbaden. — 4 Mark. Schniewind-Thies, J., Die Reduktion der Chromosomenzahl und die ihr fulgeuden Kerntheilungen in den Embryosackmutterzellen der Angiospermen. Jena. — 7 Mark. ) Verworn, Prof. Dr. Max, Allgemeine Physiologie. 3. Aufl. I Jena. — 17 Mark. Inhalt: Dr. O. Lang: Die Eigenschaften der festen Körper. — iDas Standbild des Pithecanthropus erectus in der Niederländischen Colonialabtheilung der Pariser Weltausstellung. — Vererbung erworbener Eigenschaften. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lltteratur: Edmund Michael, Führer für Pilzfreunde — Dr. G. Bohn, Agrege des Sc Naturelles Preparateur ä la Sarboune, l'Evolution du Pigment. — An der Wende des Jahrhunderts. — Liste. 392 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 33. PATENTBUREAU airich R. JVlaerz Berlin NW., Luisenstr.22. |tri). piimnUfrs gErlnsfituidiljanöliinß 3)tt8 Sttdi lel'tts. •Die llreoangelien. 9Jeu i)urd)ge= fe^eii, neu überjegt, georbnet uub niig bcn llvfprnd)eii ertliirt Don Polfgane ftir4)bail). Dttau-aiuggabe IS-i S. 1,50 3.11, eleg. geb. 2,25 m «om^Stuggabe 156 ®. gebunben 70 *13fennig. lUas lefirfß lefus? 3a)ei UreDongelicn. SSon piolf- San$ firdibmJi. 256 (Seiten DE= tau 5 93!., eleg. gebunben 6 ü)}. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Soeben erschien: YeröfFeutlichungen .les Königlichen Astronomischen Rechen-Institnts z IT Berlin. Nr. 15. ßenälierteOpBositiöus-Eiiliemenileii von 59 kleinen Planeten für 1901 Juli bis »eceiiiber. Unter Mitwirkung meiirerer Astronomen, insbeson- dere der Herren A. Berberich und P. V. Neugebauer herausgegeben von J. Bauschinger, Director des Königl. Rcchen-Instituls. 22 Seiten Icl. 4". Preis 1 Mark 20 Pf. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦ In Ferd Dümmlers Verlagsbuchhandlvine in Berlin SW. 12 erschien: Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. J. E. Poritzky. 364 Seiten. 8". Preis geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. Die Charakteristik der Tonarten. Historiscli, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiolog'ischeii und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. SIC Scit.-n Ortav. Preis 2.40 Mark. iF Elesj. seb. I(i .Mark. '^,| Mit 14 litho- grapliLcl.on Tafoln lind 15: Lehrbücher ans Ferd. Diimmlers VerlagsbncbbandluDg In SW. 12. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlag-e Von E. lioew, ProffßBor am Könife'lichcn Realt^ymnaBium zu Berlin. Mit zahlreichen Abbildungen. 6 M., geb. 7 M. Lehrbuch der Pflaiizenpalaeontologie iiit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potoniö, Kgl. Landcfceologen, beauftragt mit Vorlesungen über Ptlanzenpalaeontolngie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. Lehrbuch der Diiferentialrechnung. Zum Gebrauche bei Vorlesungen an Universitäten und technischen Hochschulen. Prof. Dr. Harry Gxavelius. 6 M. Einführung in die Kenntnis der Insekten. Von H. J. Kolbe, Prof. an dtr zoologischen Sammlung des Kgl. MuBeuros für Naturkunde zu Berlin. mit 324 Holzschnitten. 14 m., geb. 15 m. Isehrbuch der Potcntialtheoric. Von Dr. Arthur Korn, I. Teil: Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen Im Räume. Mit 94 in den Text gedrucliten Figuren. !) M., geb. 10 M. II. Teil: Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. Mit 58 in den Text gedruckten Figuren. 9 M., geb. 10 M. Eine Theorie der Gravitation und der elek- trischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik, Von Dr. Arthur Korn. 6 M., geb. 7 M. Eine mechanische Theorie der Reibung in koiitiniiierlicheii Massensjstemen. Von Dr. Arthur Korn. Mit r> in den Text gedruckten Figuren. 6 M., geb. 7 M. ViTiinlunrtlichei- Uedactrur: ProCssiir Di. Henry Potoiiiti, (ir. Lieliterfelde -West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentheil Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck; G. Bernstein, Berlin SW. li Verlag: Ferd. Düüunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Bmid. Sonntag, den 25. August 1901. Nr. 34. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y Inserate: Die viergeflpaltene Petitzeile 40 »^. Grössere Aufträge ent- anstauen, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- X sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5U2. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger liondo Unterstützung, die sie der Itnlii./fiiiii ^.f^ls .■nii^ci^rimcl.i-.-trlit hat. Niemals ist in der langen Z'-it ilm- '/nsaniiiien.iiheit iliisc aiieli mir durch ein fern heraufziehendes Wölkchen getrübt gewesen. Nur mit den angenehmsten Empfindungen werde ich an die Zeit /.Hiiickdenkon, in der ich als ReJacteur mit der genannten Verlags- buchhandlung zusammenwirken durfte. H. Potonie. L i 1 1 e r a t u r. J. Zacharias, Elektrische Verbrauchsmesser der Neuzeit, für (lr„ prMkti.-i-li.'H Gebrauch dura.'.'^tellt. Mit 194 Abbildungen im T.xt und /.aldreiehen Tabellen/ Halle a. S., Verlag von Wilhelm Knapp. lÜUl. 350 Seiten. — Preis 15 Mark. Zu einem hochinteressanten Kapitel der Elektrotechnik ist die Lehre von den Elektricitätszählern im Laufe der letzten 15 Jalire erwachseu. Seit Aron im Jahre 1884 mit seinem ersten Pcnd('l/.;ilili'r au die Oeffentlicbkeit trat, sind nicht nur diese einer Regulatorulir .■ihidich gestalteten, inventiösen Apparate von ihrem orston l.rliiidci- in hohem Grade vervollkommnet und den ver- schioden.stcu Kudürfnissen angepasst worden, sondern auch ganz andere Systeme haben sich daneben Anerkennung und sehr weite Verbreitung verschafft. So werden z. B. von der Berliner Elek- tricitiitsgesellschaft ausschliesslich Motorwattstundenzähler nach Elihu Thomson zur Anwendung gebracht und wieder andere, höchst interessante Construktionen wurden speziell für Wechselstrom und Drehstrom erfunden. Liegt es doch im eigensten Interesse sowohl der Produzenten als auch der Consuraenten von Elektricität, dass eine möglichst zuverlässige Messung der verbrauchten Energie der haaren Vergütung zu Grunde gelegt werde. Im Vergleich zu dem hohen ökonomischen Interesse, das der Zählerbau besitzt, ist ilerselbe sogar zeitlich gegen die sonstigen Fortschritte der Elektrotechnik nicht unerheblich zurückgeblieben. Nunmehr aber hat man einsehen gelernt, wie wichtig auch beim elektrischen Energieverbrauch eine weise Sparsamkeit ist und dass die Höhe der Verzinsung von Anlagekapital elektrischer Centralen ganz wesentlich von der Zuverlässigkeit der elektrischen Verbrauchs- messer mitbestimmt wird. — Längst nicht alle existirenden, wohl aber alle wichtigeren und insbesondere die von deutschen Firmen gebauten und in Deutschland verbreiteten Formen der Elektricitäts- zählcr werden nun in dem vorliegenden Buche ausführlich be- schrieben und abgebildet. Der beschreibende Test lässt aller- dings an manchen Stellen, z. B. bei dem Aron'scheu Dift'eren- tialwerk (Seite 19), melir D.'utliehkeit zu wünschen, anderer- seits kommen Wiederholungen und unnothig elementare Er- örterungen (z B. der Exkurs über Pendeluhren Seite 15 — 18) gelegentlich vor; gleichwohl wird das Buch seiner ganzen Anlage nach und als einziges Spezialwerk neueren Datums seinen Interessentenkreisen von hohem Nutzen sein. Der Be- schreibung der Verbrauchsmesser folgen noch Kapitel über die Aufstellung, Ablesung und Aichung der Zähler, sowie kurze Be- merkungen in Bezug auf die Auswahl der verschiedenen Systeme. Als Anhang folgen endlich 144 Seiten Patentauszüge. Mit ßück- aicht darauf, dass diese letzteren doch nur abgedruckt sind und dass die Clichös zu de» Abbildungen der Verlagshandlung doch jedenfalls zum grossen Tbeile kostenfrei seitens der betreffenden Firmen zur Verfügung gestellt sein werden, erscheint uns der Preis des Buches unverhältnissmässig hoch bemessen. F. Kbr. Bigourdan, Iie Systeme metrique des poids et mesures. Paris Gautliier-Villars, 1901. 458 p. Prix 10 Frs. Ein volles Jahrhundert ist nunmehr seit der Erfindung des metrischen Maasssystems verflossen, und wenn auch seine Einfüh- rung leider noch nicht in allen Staaten obligatorisch durchgeführt ist, so bedienen sich doch gegenwärtig 300 Millionen Menschen aus- schliesslich metrischer Maasse und es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, dass auch die heute noch widerstrebenden Nationen, vor Allem die brittische und russische, sich gänzlich zu dem einzig rationellen Maasssystem bekehren werden. Die Begründung des metrischen Systems bleibt demnach ein unvergänglicher Ehren- titel der französischen Nation und insbesondere eine von den wohlthätigen Folgen der grossen Revolution. Die Säcularfeier dieses grossen Werkes durch eine ausführliche Darstellung seiner geschichtlichen Entwickelung und Vollendung zu markiren, halten wir für einen sein- glücklichen Gedanken. Wahrlich ein weiter und mühevoller Weg war es von der ersten Conception der Idee eines von dem Erdkörper abzuleitenden, durchweg decimal zu theilenden Längenmasses im Jahre 1790 bis zur Constituirung des „Bureau international des poids et mesures" am Park von St. Cloud im Jahre 1873. Schon die Thatsache, dass Männer wie Delambre, Lavoisier, Mechain und andere, deren Portait das vorliegende Werk wiedergiebt, ihre Kraft der Bestimmung metrischer Maasse gewidmet haben, beweist, dass hierbei eine grosse und schwierige Aufgabe zu lösen war. Wie dieselbe bewältigt wurde, und wie alle sich entgegenstellenden Schwierigkeiten schliesslich glänzend besiegt wurden, schildert uns der Verfasser vorliegenden Buches an der Hand der betreffenden, historischen Dokumente. Wir ver- folgen die französischen Gradmessungsarbeiten (Meridianbogen Dünnkirchen-Barcelona), wir hören von den erheblichen Wider- ständen, die das neue Masssystem namentlich beim Publikum zu überwinden hatte, ehe seine obligatorische Einführung in Frank- reich durch das Gesetz vom 4, Juli 1837 zur Thatsache wurde. Wir verfolgen ferner mit Interesse, wie die metrischen Maasse, von den Gelehrten rückhaltlos als ein grosser Fortschritt erkannt, allmählich trotz der entgegenstehenden, politischen Gründe auch das Ausland eroberten, wie hier und da die Aichungs-Coramissionen zur Verification der im Gebrauch befindlichen Maasse entstanden und die gleichartigen Prototype für die einzelnen beteiligten Nationen durch das Pariser Bureau fertiggestellt wurden. Den Abschluss des Buches bildet die Besprechung der Untersuchungen Michelsous zur Zurückführung des Aleters auf Wellenlängen des Lichts und der Bestimmungen der Masse des Cubikdeciraeters Wasser durch Guillaume. F. Kbr. Geologische Karte von Preussen und den Thüringischen Staaten im Maassstabe 1 : 25 000. Herausgegeben von der Königlichen geologischen L.andesanstalt und Bergakademie. Lie- ferung 99. Berlin 1900. — Die aus den Blättern Obornik, Lukowo, Schoken, Murowana-Goslin, Dombrowka und Gurtschin bestehende Lieferung stellt zusammen mit der früher erschienenen Lieferung SS den nördlichen Theil des sog. Warthediirchbruchcs von Posen und seiner näheren Umgebung dar. Wie aus den vielfarbigen Kartenblättern und den beigefügten Erläuterungen hevorgeht, be- theiligen sich am Bau dieses Gebietes neben den verschiedensten Alluvialbildungen in buntem Wechsel alle Stufen des Tertiärs und Diluviums vom Mioeän (der Zeit der Braunkohlenbildung) an. Im Laufe der geologischen Entwickelungsgeschichte des Landstriclies machten sich die verschiedensten Kiufliisse auf die Bodengestaltung gellend. So bestanden hier -chdii sieher zur Interglaciazeit tektoniseh vorgebildete Tlialziip.-, Wir spiiter, nur z. T. ausgefüllt, den diluvialen Schmelzwas.si ru als Alillussrinnen zu den grossen Urstromthülern dienten, und unter Benutzung, solcher längst vorgebildeter Rinnen entwickelte sich das tiefe Durchbruchstlial der Warthe, indem durch deutlich erhaltene Terrassen die verschiedenen Stadien dieses Durchbruchs, die all- mähliche Vertiefung der wahrscheinlich einer zu dem aus anderen Theilen Nord- und Mitteldeutschlands wohlbekannten Systeme der Nordsüdbrüche gehörigen Spalte entsprechenden Stromrinne. Fortgesetzt mehren sich die Beweise für interglaciale und jüngere tektonische Veränderungen im norddeutschen Flachlande und die auffallenden Richtungen der Thalzüge der Umgegend von Posen, die vorwiegend der Nordwest- Südost- bezw. der Nordsüdrichtung folgen, dürften bald als vollgültige Beweise solcher Veränderungen gelten, eine Ansicht, die wenn auch noch nicht in bestimmter Form, in einigen der Erläuterungen zur Lieferung 99 der Spezial- karte zum Ausdruck gebracht wurde. Manches Räthsel bleibt in der Gegend von Posen allerdings noch zu lösen und die vielfachen Fragen, die sieh bei dem Studium der vorliegenden Karte mit Nothwendigkeit ergeben, lassen eine baldige eingehende und aus- gedehnte Fortsetzung der geologischen Aufnahme gerade in diesem Gebiete in hohem Grade wünschenswerth erscheinen. Die Karten sind einschliesslich der zugehörigen Erläuterungen zum Preise von 2 Mark pro Blatt von der Vertriebsstelle der Königlichen geologischen Landesanstalt, Berlin N. 4, Invalidenstrasse 44, zu beziehen. In halt: Dr. P. G Kommission zi den Pflanzen. Leben. — Litteratur ebner: Ein botanischer Ausflug nach Rügen. — Briefe als Krankheitsvormittler. — Die Königl. Preussische wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere, — Ueber die Wahrnehmung des Schwerkraftreizes bei Ueber die echte Angosturarinde. — Beiträge zur Geologie Nordost-Grönlands. — Aus dem wissenschaftlichen J. Zacharias, Elektrische Verbrauchsmesser der Neuzeit. — Bigourdan, Le .Systeme metrique des poits et mesures, — Geologische Karte von Preussen und den Thüringischen Staaten. 404 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 34. !♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpaickerstr. BERLIN SO., Kopnickerstr. 54. V-- K.ihrik und Lager alier Gelasse und Utensilien für < lieiu., pharm, physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand nnd zur Ausstellung natnrwissenschaftlictier Präparate. §*re1averxeiehni»s grntin und franco. !♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦» ♦♦♦♦ ♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦»♦♦I *«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦ \ Dr. Robert Muencke : % Luiseustr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. 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Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. K. Locw. 5. Das „glaziale" Dwykakonglomerat Südafrikas von Dr. F. M. .Staprt'. ti. Die Bakterien und die Art Ihrer Untersuchung von 7. Die systematische Zugehörigkeit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den palaeo- litischen Formationen von JJr. 11. Putonie. Mit 8. Lieber die wichtigen Funktionen der Wanderzellen im thierlschen Körper von Dr. E. Korscheit. .Mit 10 ll<.lzMlioitteii. !). lieber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. F. Frecli. .Mit Alibildungen und Karten. 10. lieber Laubfärbungen von I.. Knv. -Mit 7 Holz- schnitten. 11. Ueber das Causalltätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bols-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Fugen Dreher. 12. Das Räthsel des HypnotismuR und seine Lösung von Dr. Karl Friedr. .lordan 13. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. II. Potonie. Mit ■.' Tafeln. 11. Untersuchungen über das Ranzigwerdender Fette von Dr. Ed. Ritsert. Preis: Heft 1—4 a 50 Pf.. Heft S-U s n 1 M, „ 23. , 24. „ 28. „ 29. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Di-. Hermann Credner in Leiiizi-. .Mit vielen Abliildungen. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Hebl)er. Mit i Tafel und r, HolzM-lniitten. Kalisalzlager Min Otto Lang. Mit 4 Abbildungen. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologlscher Thatsachen von Dr. H. Potonie. Mit 14 Fi-nren. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. .Svhlrichert. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten mhi II. Putunie. Mit Versuch eines Ueberbllcks über die Vegetation der Diluvialzelt in den mittleren Regionen Europas von Dr. C. A. Weber. Die Mathematik der Oceanier von L. Frobenius. Die Schilde der Oceanier von L. J'robenius. Mit H) Abbildungen. 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Postzeitungsliste Nr. 5112. i Inserate: Die viergenpaltene Petitzeile 40 ..■".. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebe^einl^l.^ft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnok ist nnr mit vollständiger Qnellenangnbe jjostattet. Der Ursprung des Lebens. Nach I'. En gelbreth sen.*) Unter diesem Titel versuchte ich in „Naturen" 1895 ganz l- CH3 - C - CH 1 H \ CH CIHC X,/ '\//^ C-CH3 CCl Pinen 1 CH3 CH, CHg CH /^ \^^ H,C y^ \ — -y CH3-( :^-CH3 CIHC TCH2 CH2 C I CH3 sog. künstl. Campho Zur Bildung von Camphen aus dem Pinenchlorhydrat muss Salzsäure HCl abgespalten werden und zwar nach Semmler so, dass zunächst eine Bruckenbindung geschaffen wird und dass in dem intermediär gebildeten Kohlen- wasserstoff durch Einwirkung von Säure der entstandene Dreiring gesprengt wird: CH C HC ClHCv CH3 - C - CH, CH, H,C CH2 HC. XVI. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 409 CH, CH -y C< CCCHa), Camphen CHg CH., Für das Isobürocol kämen dann folgende beiden Schemata in Betracht: CH3 CH / '^CH, OHC und COH H.jC ^CH.i ■-C- CHo HoCn CHo C I CH, C I CH3 Sammler vertritt die Ansicht, dass im Isoborneoi eventuell beide Modificatiouen vorliegen. Der Uebergang des tertiären Alkohols Isoborneoi in das Keton Camphen ist nach seiner Meinung analog dem Uebergang des ter- tiären Alkohols Linalool in dem Aldehyd Citral, er kann in beiden Fällen durch Wasseranlagerung und Abspaltung unter gleichzeitiger Oxydation erklärt werden. Einen neuen Alkohol CioHigO, Limonenol, hat P. Gcno- resse durch Einleiten von Stickstoffdioxyd in Limonen unter Eiskühlung dargestellt. Der rohe Alkohol wird durch Schütteln mit conc. Natriumsalicylatlosung und Destillation mit Wasserdampf gereinigt. Er ist eine an- genehm riechende farblose Flüssigkeit. Bei der Oxydation mit Chromsäuregemisch geht er in ein Keton CiqHi^O, das Limonen über. Schon vor mehreren Jahren hatte Bialobrzesky ge- funden, dass das Buccoblätteröl aus mindestens drei Be- standtheilen zusammengesetzt ist. Bei einer sorgfältigen Controlle seiner Angaben hat sich jetzt ergeben, "dass der im Buccoblätteröl enthaltenene Kohlenwasserstoff die Formel C10H16 besitzt und somit der Terpenreihe angehört. Er ist aber nicht einheitlich, sondern vorwiegend ein Gemisch von (/-Limonen mit Dipenten. Das ebenfalls im Buccoblätteröl sich vorfindende Keton ist nach den Untersuchungen der Verfasser iden- tisch mit /-Menthon. Das in der Kälte aus Buccoblätteröl auskrystallisirende Stearopten, das Diosphenol, ist von Kondakow und Bacht- seliew eingehend untersucht worden. Auch sie halten den Körper für ein Aldehydphenol und bestätigen damit die Untersuchungen früherer Forscher. Auf Grund der Natur der durch Eeductionsversuche erhaltenen Abbauprodukte halten sie die Constitution des Diosphenols einer der fol- genden Formeln entsprechend: CH3CH HoCf iCHo CH3CH HC iCH.i oder i H,cl iCOH HoCl JCOH CHoCH - CHO CH CH3CH - CHO Aus kürzlich in den Berichten der deutschen chemi- schen Gesellschaft veröffentlichten Untersuchungen Tie- mann's und seiner Mitarbeiter ergiebt sieb, dass nicht nur Pseudoionon, sondern auch alle anderen Glieder der Citral- reihe bei der Einwirkung von Säuren ein Gemisch zweier cykliscber Verbindungen liefern, deren Isomerie nicht, wie man anfangs vermuthete, auf Stereoisomerie beruht, son- dern durch die verschiedene Lage der Doppelbindung im Ring zu erklären ist. Die sogen. a-Cyklocitralverbindungen lassen sich auf die Isogeronsäure und /S^-Dimethyladipin- säure, diejenige der ß-Reihe aber auf die Geronsäure und schliesslich die aa-Dimethyladipinsäure zurückbeziehen. Eine neue Synthese für das natürliche Methvlheptenon (CH3).3C = CH - CH. - CH2 - CO - CH3 hat Ipatiew an- gegeben. Durch Einwirkung von Natriumacetessigester auf das Bibromid des gem. Diraethyltrimethylens entsteht der Ester der ungesättigten Dimethylallylacetessigsäure: (CH3)oBrCCH2CH2Br + CHsCOCHNaCOOCsHs = HBr + NaBr + (<^^^\Q = CH - CH^ - CH<^ocH3."^ Beim Erhitzen dieses Esters mit Barytwasser oder alkoholischem Kali tritt Ketonspaltung und Bildung eines Ketons C8H14O ein, das mit dem natürlichen Methyl- heptenon identisch ist. Im Gegensatz zu anderen Terpenen nimmt man gegen- wärtig an, dass im Pinen, Camphen und Fenchen zwei Kohlenstoffringe vorhanden sind. Als neues, bicychisches Terpen gesellt sich zu diesem Kohlenwasserstoff das Thujeu hinzu. Man erhält dasselbe nach Tschugaeff' durch trockene Destillation des Thujyixanthogensäuremethylesters, es ist eine leicht bewegliche Flüssigkeit von zartem, au Thuja und Tanne erinnernden Geruch. Das Thujen unterscheidet sich sowohl durch seine physikalischen als durch seine chemischen Eigenschaften von allen bekannten Terpenen. Es ist ein äusserst unbeständiges Terpen, das an der Luft sehr bald unter theilweiser Verharzung oxydirt wird, von Säuren, selbst in verdünntem Zustande, wird es sehr leicht angegriffen, Permanganat reducirt es fast augen- blicklich. Neuere Untersuchungen von Kondakow und Lutschinin haben die schon früher von ihnen geäusserte Vermuthung bestätigt, dass das sogenannte Fenchen aus zwei Isomeren besteht, die beim Addiren von Jodwasserstoff ein Gemisch von tertiärem und secundärem Jodid geben. Das tertiäre Jodid bildet sich ihrer Meinung nach aus demjenigen Fenchen, welches die grösste Reactionsfähigkeit, d. h. die Doppelbindung in der Seitenkette besitzt. Ebenso ist es nach den Verfassern nicht zweifelhaft, das auch das käuf- liche Camphen, wie das Fenchen, ein Gemisch von Kohlen- wasserstoffen ist, von denen einer, der den Hauptbestand- theil des käuflichen Camphens ausmacht, die Doppel- bindung in der Seitenkette hat, während sie sich bei dem anderen im Benzolring befinden muss. Das am Ende des Processes der Darstellung von Sulfitcellulose im Kocher enthaltene ätherische Oel ist von P. Klason untersucht worden. Klason wies nach, dass dasselbe zum grössten Theil aus Cymol besteht. Der 410 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. ^r. 35. Verfasser ist deshalb der Ansieht, dass das im Holz ur- sprünglich enthaltene Terpen durch die lange Berührung mit der Luft zu Cymol oxydirt wurde. Waln'sclieinlicher ist aber die Annahme, dass diese Umwandlung erst durch die Behandluug mit Säuren im Kocher stattfindet. Wird Tanacetou (Thujon) längere Zeit auf höhere Temperatur erhitzt, so geht es in das carvonähnlich riechende Carvotanacetou über. Nach Semmler hat dieser Körper mit dem Carvon die Eigenschaft gemein, sich mit Schwefelwasserstoff zu verbinden und ist identisch mit dem von Wallach in den hochsiedenden Autheilen des Thujaöls gefundenen Ketons. Oxydirt man Carvotan- acetou mit Permangauat, so entstehen als Abbauprodukte Brenztraubensäure und Isopropylbernsteiusäure, das be- weist, dass diesem Ketou die Formel eines in der Seiten- kelte hydrirten Dihydrocarvons zukommen niuss: (CH3),,CH - CH H2C1 1CH2 HCl ,'co CH3 laceton Das ihm entsprechende Keton der Pseudoreihe ist wahrscheinlich identisch mit dem von Bayer aus Tetra- hydrocarvon erhaltenen Terpenon CioHi^O. (CH3),,CH CH H2C1 [CH; H^cl^ JcO C = CHo Wäiirend die Constitution des crystallisirten Terpin- öls vom Schmelzpunkt 35° besonders durch die Arbeiten von Wallach und Bayer sicher festgestellt ist, war man über die Zusammensetzung des flüssigen Terpineols, das jetzt in grossen Jlengen in der Parfumerie V^erwendung findet nicht im Klaren. Neuere Untersuchungen, welche im Laboratorium von Schimmel & Cie ausgeführt wurden, führten zu folgenden Resultaten. Durch wiederholtes Fractioniren einer grösseren Menge von flüssigem Terpineol, konnte dieses in 2Fractionen getheilt werden. Beide Fractionen werden bei andauernder Abkühlung fest. Nach Umkrystallisiren aus Alkohol ergab die erste Fraction ein neues Terpinöl vom Szhmelzpunnt 32—33°, die zweite Fraction ergab das bekannte und in der Natur sehr verbreitete Terpineol vom Schmelzpunkt 35 —36°. Der Geruch der beiden Körper ist etwas verschieden. Da das bei 35° [schmelzende Terpineol die gleichen chemischen und physikalischen Eigschafteu besitzt wie das Terpineol aus Cajeputöl, so muss es auch die gleiche Constitution wie dieses haben. Das bei 32 — 33° schmelzende Terpineol zeigt jedoch bei der Oxydation ein von dem bei 35° schmelzenden Terpineol abweichendes Verhalten. Bei der Oxydation mit Permanganat und nachher mit Chromsäurc wird kein Ketolaceton, sondern ein Oxyketon CriHigOa erhalten. Zum Zwecke des weiteren Abbaues wurde das Keton mit Brom und Natronlange behandelt und dabei unter Ab- spaltung von Bromoform eine Oxysäure erhalten. Diese Oxysäure geht beim Erwärmen mit conc. Schwefelsäure in Paratoluylsäure vom Schmelzpunkt 176° über. Da sich vom Terpin 4 Terpineole ableiten lassen und von diesen zwei ihrer Constitution noch genau bekannt sind, so bleiben für das Terpineol vom Schmelzpunkt 32— 33° nur folgende beiden Formeln übrig: CH3 CHo CH3 CH3 C COH L Ah H2C^^CH2 H2C|^'^^CH2 H2C. /CH2 VoH H^C'^ /CH2 C CH3 !l CH., (1) ^2) Da aber aus dem nach Schema 2 constituirten Körper weder eine Oxysäure CgHi^Og, noch schliesslich Para- toluylsäure entstehen könnte, so kann nur Formel I in Betracht kommen. Durch die Schimmerschen Untersuchungen ist nun- mehr festgesellt, dass das flüssige Terpineol in der Haupt- sache aus einem Gemenge der beiden bei 35° und bei 32° schmelzenden Terpineole besteht. Ueber Lichtwirkunsj auf den menschliclien Körper mit Rücksicht auf die Kleidung handelt ein im Corrc- spondcnzblatt der deutschen Gesellschaft f. Anthropoloijie, Ethnologie und Urgeschichte (XXXI. Jahrg., No. 7, 1900) wiedergegebener Vortrag von Ritter v. S eh m aedel. Nachdem v. Seh. mit wenigen Worten der Bedeutung des Lichtes für die dauernde Existenz der Organismen gedacht hat, bespricht er die Einwirkungen der Lieht- wellen auf den Organismus des Menschen und weist darauf hin, dass unsere Kenntnisse in dieser Beziehung noch viel zu wünschen übrig lassen, dagegen anderer- seits auch feststehe, dass in ähnlicher Weise wie die Kathodenstrahlcn auch die cheniisehcn Strahlen des Lichtes in solche Körper hinein- oder durch sie hindurchzudringen im Stande sind, die man gewöhnlich als undurchlässig für Licht bezeichnet. Bei hinreichender Intensität gehen die chemischen Strahlen durch die Haut und die tiefer He- genden Gewebe und äussern ihre Wirkung sogar durch den Knochen hindurch, indem es gelang, auf Chlor- silberpapier bei eineinhalbstündiger Exposition im Sonnen- lieht durch ein Schädelfragment hindurch einen kräftigen Chlorsilberniedcrschlag zu erzeugen. Die rothen Blut- körper ziehen sich nach v. Seh. unter dem Einfluss der chemischen Lichtstrahlen zusammen und pressen giftige, im Stoffwechsel stets, im kranken Körper aber noch in grösserer Menge sicli bildende Substanzen in das Blut- serum aus, welche durch die oxydireiiden Eigenschaften des Lichtes dann in einfachere und vor allem unschäd- liche Stoffe zerlegt werden, die den Körper auf den nor- malen Wegen verlassen. Mit Recht, meint Redner, habe man in neuester Zeit die chemisch wirkenden Wellen des Lichtes unter Ausschluss der Wärmestrahlen als einen wirksamen lleilfaetor in die ärztliche Praxis eingeführt. Es sei bewiesen, dass das Lieht die Zellenfunktioneu be- XVT. Nr. 35. Natiirwissenschaftliche "Wochenschrift. 411 lebt und damit den gesammten Stoffwechsel bedeutend erhöht, wie umgekehrt Lichtmangel nachtheilig wirkt. Auch für die Reinigung der atmosphärischen Luft sei das Licht von ausserordentlichem Werth, da durch dasselbe sowohl die Kohlensäure als auch andere sehr giftige gasförmige, wohl den Ptomarismen der Leichenverwesung nahestehende Produkte des Athmungsprocesses der Menschen unil Thicrc zerstöit werden. In jüngster Zeit sei durch das Studium des Verhaltens der Hactcrien gegenüber den chemisch wirksamen Strahlen (los Liclitcs und den Röntgenstrahlen unsere Erkenntniss betr. die Einwirkung des Lichtes auf die Organismen crhel)iieh erweitert worden; denn man habe den Nach- weis geführt, dass die chemisch wirksamen Lichtwellen auf die Eutwickelung der Erreger der gefürchtetsten In- feetionskrankheiten hemmend einwii'ken, ja nach längerer Zeit dieselben abtödten. Dann weist v. Seh. darauf hin, dass man bisher, besonders im praktischen Leben, noch viel zu wenig in zielbe wusster Weise die naclithciligen Wirkungen des Lichtes auf unseren Organismus berück- sichtigt habe und sagt: Auf Grund meiner vielfachen Er- fahrungen auf photochemischem Gebiete glaube ich be- haupten zu dürfen, dass die chemischen Wirkungen der Lichtwellen nur dann von ausschliesslich günstigem Ein- flüsse auf den lebenden Organismus sind, wenn ein ge- wisses Gleichgewicht zwischen ihnen und den durch sie hervorgerufenen Reactionen aufrecht erhalten bleibt." Weiterliin betont v. Seh., dass wie der Organismus nur innerhalb gewisser Temperaturgrenzen zu bestehen ver- möge, so auch die Menge der chemisch wirkenden Licht- strahlen und die Dauer der Einwirkungen derselben von grösstem Einfluss seien und glaubt die Hypothese auf- stellen zu dürfen, dass durch langandauernde chemische Einwirkungen des Lichtes unser Organismus allmählich mit unlöslichen Oxydationsprodukteu überlastet wird, welche schliesslich der normalen Ausscheidungsthätigkeit derselben unüberwindliche Hindernisse entgegenstellen, die ferner die Widerstandsfähigkeit des Serums gegen In- fectiouen herabdrücken, Störungen der Blutbildung ver- anlassen, Stauungen verursachen u. s. w." Für die Richtig- keit dieser Vermuthungen, deren volle Bestätigung durch exaete Versuche noch aussteht, scheint dem Redner die Thatsache zu sprechen, dass der Weisse, der sich nach der heissen Zone begiebt, dort unter der Intensität des Sonnenlichtes sehr leidet und dauernd daselbst nicht ohne Schädigung seiner Gesundheit zu leben vermag. Eine weitere Beleuchtung erfährt nach v. Seh. dieser Umstand noch durch die Erscheinung, dass diejenigen Menschenrassen, welche Gegenden bewohnen, in denen die Intensität des Lichtes eine besonders hochgradige ist, mit mehr oder weniger dunklen Hauptpigmenten verschen sind, die man als Schutzmittel gegen ein zu starkes Ein- dringen der chemisch wirkenden Lichtstrahlen betrachten müsse. Hierdurch sei von der Natur selbst der Weg ge- wiesen, welchen man einzuschlagen habe, um sich vor Schädigungen durch die in Rede stehenden Lichtwellen zu bewahren. „Die Natur macht es also wie der Photo- graph, wenn er seine lichtempfindlichen Platten vor den chemischen Eiuflüs.scn des Lichtes schützen will. Sie um- giebt die Organismen mit einer Art Dunkelkammer, um allzuheftige Lichtwirkungen zu paralysiren." Es neutrali- sirten Pigmente, deren Farben dem zwischen den Fraun- hofer'schen Linien F und H und dahinter gelegenen Tiieil des Spectrums angehörten, welcher vorzugsweise chemisch wirkende Strahlen enthält, jene Lichtwellen, die vornehmlich Wärme erzeugten, und vor bezw. zwischen A und F lägen, während umgekehrt Pigmente, deren Farl)eu dem vorzugsweise Wärme erzeugenden Theil des Spectrunis angehörten, die vornehmlich chemische Wir- kungen erzeugenden Wellen des Spectrums paralysiren. Pigmente von weisser Färbung Hessen die chemisch wirkenden Strahlen hindurch und neutralisirten die Wärme- strahlen. Pigmente von schwarzer Färbung Hessen die Wärmestralilen hindurch, neutralisirten aber die chemisch wirkenden Strahlen. Dementsprechend könne sich ein Weisser in den Tropen weisser bezw. blauer Kleidung wohl gegen die Wärmestrahlen mit Vortheil bedienen, aber gegen die chemisch wirkenden Wellen des Lichtes seien derartige Kleidungsstücke kein genügender Schutz. Umgekehrt seien dunkle Stoffe ein wirksamer Schutz gegen den violetten Theil des Spectrums, während die Wärme- strahlen durch dieselben ungehindert hindurch konnten, um nnn allerdings ihrerseits nachtheilig auf das Allge- meinbefinden einzuwirken. „Es ist dafür, sagt v. Seh., „von Wichtigkeit und meiner unmaassgeblichen Ansicht nach für die Culturentwickelung in heissen Ländern von allerhöchster Bedeutung, für die weissen Rassen ein Be- kleidungssysteni zu construiren, durch welches in ziel- bewusster Weise die oben erwähnten Schädigungen des Organismus ausgeschlossen werden." Das könne dadurch erreicht werden, dass die nach aussen liegenden Flächen (der Kleidung) durchgehends eine einfache oder gemischte oder gemusterte Färbung enthalten, welche die Wärme erzeugenden Wellen des Lichtes reflectirt, während die inneren Flächen durchgehends eine einfache oder ge- mischte oder gemu.sterte Färbung erhalten, welche die chemisch wirkenden Wellen des Lichtes ueutralisirt. Die- selben Gesichtspunkte müssten auch bei der Herstellung von Zelten, Stoffdächern, Schirmen etc. zur Richtschnur dienen. Alfred Liedke. Ueber fossile Menschenivste sprach W. Brauco (Berlin) auf dem V. internationalen Zoologen-Congress in Berlin (vgl. Tageblatt des Cougresses). — Im Gegensatz zu einem grossen Theile der anderen Säugethiere, welcher lange fossile Ahnenreihen in tertiärer Zeit besitzt, er- scheint bisher die Gattung Homo plötzlich, ahnenlos, in diluvialer Zeit, bei Absehen von dem in seiner Stellung doch stark umstrittenen Pithecanthropus. Tertiäre Men- schenreste fehlen noch; tertiäre Spuren der Thätigkeit eines denkenden Wesens scheinen jedoch vorhanden zu sein, wenn man A. Rutots Deutung gelten lässt. Doch auch die Zahl der sicher diluvialen Menschenreste ist sehr gering. Der grössfe Theil der „alten" Menschen war in seinem Knochenbau schon ganz so wie der heutige Mensch. Ein sehr geringer Theil derselben aber, vielleicht der letzte Rest einer schon damals aussterbenden Rasse oder Art, stand tiefer, in seinem Schädelbau den üeber- gang zum Pithecanthropus und damit zu den Menschen- affen bildend. Da Mensch und Menschenafi'e ausserdem nur eine Placenta discoidalis besitzen; da ferner beide gleiche.s Blut in sich tragen, ganz in demselben Maasse wie beispielsweise Pferd und Esel, Hund und Wolf, so sind sie beide buchstäblich „blutsverwandt". Daran lässt sich nicht rütteln. Ist dem aber so, dann bilden Mensch und Menschenaffe eine Familie, bilden sie zwei Zweige, die erst seit kürzerer Zeit einem gemeinsamen Stamme entsprangen, nicht aber schon seit palaeozoischer Epoche parallel und fremd neben einander emporwuchsen. Sehr wohl könnten jene fünfzehigen Fussspuren mit opponir- barem Daumen des Palaeo- und Mesozoicums der ge- meinsamen Ahnenreihe von Mensch und Menschenaffe angehören. hei dieser Blutsverwandtschaft beider ergiebt sich für Pithecanthropus vieUeicht noch eine vierte Lösung: Nicht Mensch; nicht Affe; nicht Bindeglied zwischen beiden; sondern ein Bastard aus pliocaeuem Mensch und Menschenaffen. 41! Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 3r In dem soeben erscliienenen Ergänzungsbande zum Jahrgang 1901 der „Flora" ist eine Arbeit von Gregor Mendel zum Abdruck gelangt, die zuerst im Jahre 1865 in den „Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Biiinn (IV. Bd. 18(55. erschienen 1866) veröffentlicht worden war. Sie lietrifft A^ersiK'he über Pflanzeubjbriden, und ist den Botanikern über dreissig Jahre unbekannt ge- hlieben. Erst in neuerer Zeit wurde auf ihre erhebliclie Hcdeutung von einigen Forschern aufmerksam gemacht. Uebcr künstliche Befruchtungen, die an Zierpflanzen zum Zwcke der Erziclung neuer Farbenvarianten vorge- nommen «urden, sind seit langer Zeit von verschiedenen Autoren mit unermüdlicher Geduld und Sorgfalt, und mit Ueberwiudung der grösstcu Schwierigkeiten immer wieder Versuche angestellt worden. Trotzdem gelang es nicht, ein allgemein giltiges Gesetz für die Bildung und Ent- wickelung der Hybriden aufzustellen, ein Ziel, das erst dann erreichbar schien, wenn eine Reihe von Detail- versuchen aus den verschiedensten Pflanzenfamilien vor- lag. Die Mcndel'schc Abhandlung bespricht nun die l'robc eines solchen Detailversuciies, wie er während eines Zeitraumes von acht Jahren unter Beschränkung auf eine kleinere Pflanzengruppe ausgeführt wurde. Als Voraussetzung für ein erfolgreiches Operiren musste natür- lich die Erfüllung folgender Bedingungen gelten. Es war erforderlich, dass 1. die Versuchspflanzen constant differirende Merk- male besassen; 2. die Hybriden während ihrer Blüthezeit vor der Einwirkung jedes fremdartigen Pollens geschützt waren; 3. die Hybriden und ihre Nachkommen in den auf- einanderfolgenden Generationen keine merkliche Störung in der Fruchtbarkeit erlitten. Von Anfang an wurden die Leguminosen ihres eigenthUmlichen Blüthenbaues halber als für diese Ver- suche vorzüglich geeignet erkannt, und speziell die Gattung Pisum als Versuehspflanze gewählt, da erstens einige ganz selbstständige Formen aus diesem Genus constante, leicht und sicher zu unterscheidende Merkmale besitzen, zum andern diese bei der Kreuzung vollkommen frucht- bare Hybriden ergeben. Auch verhütet der Blüthenbau leicht eine fremdartige Bestäubung, da die Befruchtungs- organe vom sogen. Schiffchen umschlossen sind, und die Antheren schon in der Knospe platzen, wodurch die Narbe noch vor dem Aufblühen mit Pollen überdeckt wird. Ausser den genannten Vorzügen begünstigte die leichte Kultur der Pflanze in Töpfen oder auch im freien Lande die Versuche. Werden zwei Pflanzen, welche in einem oder mehre- ren Merkmalen c(mstant verschieden sind, durch Be- fruchtung verbunden, so gehen, wie zahlreiche Versuche beweisen, die gemeinsamen Merkmale ohne Veränderung auf die Hybriden und deren Nachkommen über. Je zwei differirende Merkmale dagegen vereinigen sieh an der Hybride zu einem neuen Merkmal, das gewöhnlich an ihren Nachkommen Veränderungen unterworfen ist. Es galt nun, diese Veränderungen für je zwei diffe- rirende Merkmale zu beobachten, und das Gesetz zu er- mitteln, nach welchem dieselben in den aufeinanderfolgen- den Generationen eintreten. Für die Versuche mit den Erbsenformen wurden als deutlieh und entschieden hervortretende Merkmale Unter- schiede in der Gestalt der reifen Samen, in der Färbung des Endosperms und der Samenschale angesehen, ferner solche in der Farbe der unreifen und in der Form der reifen HUl.se, in der Stellung der BHUhcn, sowie in der Achsenlänge. Es würde zu weit führen, auf alle die vom Verfasser aufgezählten Kennzeichen näher einzugehen. Sämmtliche Kreuzungen wurden nur an den kräftigsten Exemplaren, und zwar stets wechselseitig vorgenommen. Die aus der Kreuzung hervorgegangene Bastardpflanze stellt in der Regel nicht die genaue Mittelform zwischen den Stammarten dar; meist überwiegt das eine der Stammmerkmale, es „dominirt", während das andere zurücktritt, oft ganz latent, „recessiv" wird. Derartige reccssive Merkmale kommen dann unter den Nachkommen der Hybriden unverändert wieder zum Vorschein. Sic treten in der ersten Generation der Hybriden in ihrer vollen Eigenthümlichkeit wieder auf, in dem entschieden ausgesprochenen Durchschnitts verhältniss 3:1, d.h. unter je vier Pflanzen aus dieser Generation erhalten drei den dominirenden, eine den recessiven Charakter. Dieser letztere bleibt alsdann in den Nachkommen constant; die Form, welche in der ersten Generation den recessiven Charakter erhalten hat, variirt also in den nachfolgenden Generationen nicht mehr. Das dominirende Merkmal in der ersten Hybriden- generation kann eine doppelte Bedeutung haben; ent- weder die des Stammescharakters oder des Hybridenmerk- mals. In welcher Bedeutung es im einzelnen Falle auf- tritt, darüber kann erst die nächste Generation Auskunft geben. Ist es Stammesmerkmal, so mnss es unverändert auf alle nachfolgenden Generationen übergehen; als Hy- bridenmerkmal dagegen zeigt es in der nächsten Gene- ration das' gleiche Verhalten, wie in der ersten. Zwei Theile der Pflanzen geben in diesem Falle Nachkommen, welche in demselben Verhältniss wie früher, nämlich 3 : 1, das dominirende und das reccssive Merkmal an sich tragen, und nur ein Theil behält das dominirende Merkmal als con- stanten Charakter bei. Aus den Samen der Hybriden je zweier differirender Merkmale gehen also Pflanzen hervor, die zur Hälfte sich wieder zur Hybridform herausbilden, zur anderen Hälfte sich zu Formen entwickeln, die zu gleichen Theilen den dominirenden und den recessiven Charakter constant erhalten, oder mit anderen Worten, den Charakter der Samen- und der Polienpflanzc. Die Nachkommen der Hybriden theilen sich also in jeder Generation nach dem Verhältniss 2:1:1 in Hybride und constunte Formen. Aus diesem Resultat geht die Richtigkeit der be- kannten Wahrnehmung deutlicii hervor, dass Kreuzungs- formen die Neigung haben, zu den Stammarten zurück- zukehren. Mendel hat seine Versuche auch auf Nachkommen von Hybriden ausgedehnt, in welchen mehrere diffe- rirende Merkmale verbunden sind. In diesem Falle stellen die Nachkommen derselben die Glieder einer Com- binationsreihe dar, in welcher die Entwickelungsreihen für je zwei differirende Merkmale vereinigt sind. Es ist also das Verhalten je zweier differirender Merkmale in hybrider Verbindung unabhängig von den anderweitigen Unterschieden an den beiden Stammpflanzen. Der Verfasser stellte auch mit anderen Pflanzen Ver- suche an, z. B. mit einigen Species von Phaseolus, die in den meisten Fällen das Resultat ergaben, dass das für Pisum gefundene Entwickelungsgesetz auch bei den Hy- briden anderer Pflanzen Geltung hat. Se. Absolute Härte der Metalle. — Man darf sich ver- wundern, dass die Metallteehnik, die von der Mineralogie die Mobs 'sehe Härteskala willig übernahm, sieh bislang gegen die absoluten Härtebestimmungen ziemlich theil- nahmslos gezeigt hat, während diese seitens der Minera- logie bald als die entschieden wissenschaftlicheren ge- würdigt wurden. Das Bedürfniss nach mögliehst genauen XVI. Nr. 35. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 413 Ermittelungen der Härte ist doch in der Metalltechuik nicht geringer als dort, wie das schon die in tech- nischen Laboratorien gepflegten zahlreichen Methoden znr Messung der „relativen" Härte, d. h. des Härteverhält- nisses zwischen Prüfungsinstrument und geprüftem Körper, und noch mehr die Zuhilfenahme von Magnetisirbarkeit und elektrischem Leitungsvermögen bezeugen. Nun kann allerdings, da ja in der Welt nichts vollkommen ist, auch die 1896 von F. Auerbach in den Annalen d. Phys. dargelegte Methode der absoluten Härtebestimmung dieses höchste Lob nicht beanspruchen und machen sich als UnVollkommenheiten einerseits eine bedeutende Umständ- lichkeit geltend, andererseits aber und ganz besonders der leidige, von der Natur gegebene Umstand, der die Bestimmungen von Eigenschaften fester Körper durchweg erschwert, dass es unter diesen bleibend starre sowohl, wie plastische und auch noch solche starre giebt, die unter grösserer Beanspruchung plastisch werden. Viel- leicht ist schon die dem Verfahren zu Grunde liegende Definition der Härte von Heinrich Hertz als .,die Festigkeit, welche ein Körper derjenigen Defor- mation entgegensetzt, die einer Berührung mit kreis- förmiger Druckfläche entspricht, und die gemessen wird durch den Normaldruck auf die Flächeneinheit, welcher im Mittelpunkt einer kreisförmigen Druckfläche herrschen muss, damit in einem Punkte des Körpers die Spannungen eben die Elasticitätsgrenze erreichen", über- haupt nicht oder wenigstens nicht ganz zutreffend, doch ge- niesst sie eben grosse Anerkennung. Das Attribut „absolut" aber beansprucht das Verfahren für die von ihm ermittelten Grössen, weil diese unter Anwendung von gleichartigen Körpern gewonnen werden und keine fremde Substanz als Normalkörper oder Maass mitwirkt. Hierdurch unter- scheidet es sich also wesentlich von allen üblichen, die „relative" Härte bestimmenden Eindruck- und Einkerbe- methoden, da ja auch Brinell's Apparat die absolute Härte einzig für ein Stahlstück anzugeben vermag, das nicht nur ganz gleichen chemischen Bestand besitzt, wie die Stahlkugel des Apparats, sondern auch dieselbe ther- mische und mechanische Behandlung erfahren hat. Als Auerbach vor vier Jahren mit seiner Methode zugleich die auf diesem Wege für die Normalkörper der Mohs'schen Härteskala (mit Ausnahme des Diamant) und einige Jenaer Nornialgläser, welche mehrere allzuweit klatfende Intervalle jener Skala ausgleichen sollen, ge- fundenen Werthe verößentlichte, die der Vergleichung halber, zugleich mit ein paar neueren Angaben, in die unten folgende Tabelle aufgenommen wurden, hielt er selbst jene nur für auf durchsichtige Körper anwendbar, weil man die Druckwirkungen im mikroskoiiischen Ge- sichtsfelde beobachten und verfolgen müsse. Dass diese Beschränkung uunöthig sei, zeigts aber schon damals A. Töppel in München, der mit einfacherer Apparatur die absolute Härte zweier Stahlsorten bestimmt hatte (die der härteren entsprach einem Druck von 3500 kg, die der weicheren einem von nur 350 kg auf das qmm). So hat denn Auerbach, dem Beispiele Töppl's und dann auch Schwendt's folgend, seine Untersuchungen nun auch auf die Metalle ausgedehnt und ihre Ergebnisse in den Ann. d. Phys. 1900, No. 9 mitgetheilt. Der Werth von absoluten Härtebestimmungen an Metallen, der im Allgemeinen etwas ungenau ist, schon deshalb, weil abgesehen von den äusserst harten Stahl- sorten, alle Metalle wenigstens bei gewöhnlicher Tempe- ratur plastisch sind, und die absolute Härte da dem Grenz- werthe entspricht, den bei wachsendem Drucke einer Linse gegen eine Platte aus gleichem Material die Belastung für die Flächeneinheit erreicht, ohne die Elasticitätsgrenze wenigstens bei vorsichtiger Drucksteigerung zu über- schreiten, wird in Rücksicht auf die praktischen Bedürf- nisse ganz beträchtlich bedingt durch das Erforderniss, dass das untersuchte Metall genau und ausreichend ge- kennzeichnet ist, nach seinem chemischen Bestände, sowie seiner thermischen und mechanischen Bearbeitung; wir verlangen, da die Härte erfahrungsgemäss hiervon ab- hängt, die Angabe des chemischen Bestandes bis zu den untergeordnetsten Beimengungen hinab, wir müssen Guss- haut und Inneres unterscheiden, ausgeglühten und be- arbeiteten Zustand, natürliche und künstliche Härte u. s. w.; dafür verspricht ja eben die Härtebestimmung, die an denselben Versuchskörpern vor und nach den verschiedenen Behandlungsverfahren vorgenommen werden kann, dem Metalltechniker tiefern Einblick iu deren Wirkung zu ge- währen. Diesen Anforderungen entspricht aber leider das von Auerbach zu seinen Untersuchungen benutzte Material zumeist nicht einmal im bescheidensten Maasse, wie aus nachstehender Uebersicht zu erkennen sein wird; mit dem Bedauern, da.ss eine so mühevolle Arbeit auf grösstentheils unzuverlässige Substanz verwandt wurde, wird sich deshalb der Wunsch verbinden, dass die un- sicheren Bestimmungen an besserem Materiale wiederholt werden. Dabei wird man auch den, durch die zum Schluss mitgetheilten Resultate wiederum bestätigten Erfahrungs- satz, dass Legirungen härter sind, als jeder ihrer Be- standtheile, im Einzelnen und genauer bestimmen können. Die von Auerbach untersuchten Metallstücke waren: Aluminium, das mit 6 % Kupfer legirt war, aus der Fabrik Neuhausen. Blei, gewöhnliche Handelswaare, deren Gehalt an Silber,Kupfer undAntiraon zusammen wenigeralslVo^etrug. Bronze, Rothguss, aus 15 Tb. Rohkupfer, 2 Th. Roh- zink, V 2 Th. Rohzinn. Gold, Feingold mit höhstens Vi Tausendstel an frem- den Bestandtheilen. Weichkupfer, Kupfergnss von der Mansfelder Metall- industrie in Eisleben, aus Rohkupfer mit 4 "/o Phosphor- kupfer (mit 10 7o Phosphor auf 90 "/„ Kupfer) bestehend. Hartkupfer, 12 mm dicker Kupferdraht, der etwas Phosphorkupfer enthält. Messing, ebenfalls Draht, aus -/g Weichkupfer von er- wähntem Bestände und '/g ziemlich reinem Zink. Silber, Feinsilber mit 1 Tausendstel fremder Metalle (Kupfer, Antimon, Blei). Stahl, mittelharter, englischer Werkzeugstahl. In der folgenden Tabelle ist die absolute Härte aus- gedrückt in der die Eindringungs-Beanspruchung angeben- den Kilogrammzahl für das Quadratmillimeter. Mittelharter Stahl Hartkupfer Messiug Gold Weichkupfer Silber Aluminiiun kg 11.50 525 3G1 253 237 230 223 210 170 143 127 113 110 107 97 95 92 91 52 Nichtmetallische Körper Korund, || zur Achse gedr. Topas, _L zur Basis Quarz (Bergkrystall), || z. Achse Borosilicatkronglas Quarz (Bergkrystall), im Mittel Adular-Feldspath, ± zur Basis Apatit, II zur Achse ' Quarz (Bergkrystall), X z. Achse Amorpher, geschmolzener Quarz Leichtes Flintglas Schwerstes Silicatflintglas Opal Flussspath, II zur Octaederfläche Kalkspath, ± zur Spaltfl. Steinsalz, ± zur Würfelfl. GipSj _L und || zur Spaltfl. 0. L. 414 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 35. Welche Bedeutung hat das Kali für den Getreide- hau} — In einem landwiithschaftlichen Lexikon vom .lalire 1800 heisst es: „Der Bauer behauptet, dass durch Düngen mit Holzasche Klee auf der Wiese entsteht." Wir wissen jetzt nicht bloss, dass diese Behauptung auf richtiger Beobachtung beruht, sondern wir kennen auch die Stofife in der Asche, die speciell den Kieewuchs fördern: das Kali und die Phosphorsäure. Doch ist das Kali in der Holzasche nur in kleinen Mengen vorhanden. Wir wenden jetzt Düngesalze an, in denen bis 40 "/o ^^'i enthalten ist und erzielen dadurch in der Landwirthschaft bedeutende Erfolge. Das Kali spielt bei den Lebensvorgängen der Pflanze eine wichtige Rolle, und es kann die Bildung der leben- den Moleküle ohne Kali nicht stattfinden. Dieser Nähr- stoff kann auch durch kein anderes Element, wie durch Natrium, ersetzt werden und steht wahrscheinlich mit der Bildung des Protoplasmas in Verbindung. Bereits Saussure und später Schimper haben nachgewiesen, dass das Kali namentlich in allen jungen Pfianzenorganen vorkommt und unter jene Nährstofl'e zählt, die aus der Wurzel in die Blätter, aus diesen in die Blüthe und schliesslich in die Frucht wandern. Es ist Thatsaehe, dass ohne Kali, das stets von Magnesium begleitet wird, eine Entwicke- lung neuer Organe, der Wurzel und der Blätter, nicht stattfindet. Aus den neuesten physiologischen Beob- achtungen geht hervor, dass die Umwandlung der Kohle- hydrate von der Anwesenheit des Kali abhängt. Die Bildung der Saccharose in der Zuckerrübe und der Stärke in Kartoffeln, sowie in den Getreidearten steht immer in gewisser Beziehung zu dem in der Pflanzenzelle ent- haltenen Kali. Prof. Stocklasa in Prag machte bei der Beobachtung der Wirkung des Kali auf die Entwickelung des Getreides wichtige Entdeckungen. Bei der Düngung mit Phosphor- säure und Stickstoff allein betrug die Wurzellänge der reifen Gerste 1,32 m und das Gewicht der Trocken- substanz 0,89 g. Bei der Düngung mit Phosphorsäure, Stickstoff und Chlorkalium betrug um dieselbe Zeit die Wurzellänge 1,80 m und das Gewicht der Trockensubstanz 1,34 g. Es sind das die Durchschnittszahlen von 10 Ver- suchen. Aus ihnen ist zu ersehen, dass das Kali einen bedeutenden Einfluss auf die Entwickelung der Wurzel hat, was wieder eine raschere und intensivere Assimi- lation der übrigen Nährstoffe aus dem Boden und eine beschleunigte Pflanzenproduktion zur Folge hat. Stocklasa stellte sodann in seinem Vegetationshause Versuche über den Einfluss des Chlorkaliums auf die Ent- wickelung der Gerste unter besonderer Rücksichtnahme auf die Braugerste an und fand dabei, dass das Vor- handensein des Chlorkaliums thatsächlich eine vorztigliche Entwickelung des Korns in Bezug auf den Stärkegehalt zur Folge hat. Zu diesen Vegetationsversuchen wurden 40 Gefässe mit je 16 kg Lehmboden benutzt. Die Düngung dieser Gefässe war folgende: L 10 Gefässe blieben ohne Düngung. II. 15 Gefässe wurden mit je 0,158 g PjOg und 0,078g N gedüngt. III. 15 Gefässe wurden wie bei der II. Versuchsreihe gedüngt, und ausserdem erhielt jedes Gefäss noch 0,5 g ("hlorkalium. K r g e b n i 8 8 Korngewicht Strohgewiclit 72,85 g 75,25 g I. UngedUngt II. Gedüngt mit PjOj und N . 129,15 _ 124,68 III. Gedüngt mit P206,N'und Chlor- kalium 156,20 „ 136,68. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass der grösste Er- trag bei Anwendung von P20ä, N und Chlorkalium erzielt wurde. Der Einfluss des zuletzt genannten Düngestoffe, kommt aber auch in der Qualität der Gerste zum Vor- scheins wie dies folgende Zahlen beweisen: Art der Düngung ,^^)rt$!l' ^°" ^'"'Tn^n"'"''!,' Spelzen- ^ ^ lOOO Kornern von 1000 cm 3 gewicht Ungedüngt . . 36,6 g P2O5 und N . . 43,16 „ P,05, N und K . 44,47 „ 70,6 g 12,14 g 71,3 „ 9,22 „ 70,9 „ 7,96 „ Das grösste Gewicht von 1000 Körnern von 44,47 g und das kleinste Spelzengewicht von 7,96 g ergab sich somit bei der Düngung mit Phosphorsäure, Stickstoff und Kali. Die im Vegetationshause erzielten Resultate wurden durch Feldversuche mit Weizen bestätigt. Diese Ver- suche fanden auf 12 Parzellen von je 1 a statt und wurden zur Düngung PjOg, N und K verwendet. Das Ergebniss dieser Versuche war folgendes: Art der Düngung Körner Stroh Ungedüngt . . . 11,80 kg 23,60 kg PoOä und N . . 20,98 „ 48,30 ,. P3O5, N und K . 26,84 „ 56,84 „ Aus diesen Versuchsergebnissen ist wiederum die grosse, durch das Kali bewirkte Wirkung ersichtlich. Ein weiterer Unterschied zeigt sich in der Qualität der Frucht, was aus dem Vergleiche der Gewichte von 1000 Körnern hervorgeht: Gewicht von 1000 Körnern Ungedüngt 27,32 g PsOe und K 34,00 „ P2O5, N und K ... 38,22 „ Es ist das Streben des Landwirthes, schweres und vollkörniges Getreide zu erzielen, da in Folge des ge- ringen Schalenantheiles nicht nur eine grössere Ausbeute an Mehl erreicht wird, sondern auch "die Qualität des- selben eine bessere ist. Diese Versuche haben gezeigt, dass die Düngung mit Kali nicht nur eine Steigerung des Ertrages und Hebung der Qualität sowohl bei der Gerste als auch beim Weizen bewirkte, sondern sich auch vor- züglich zur Hebung der Gersten- und Weizenkultur eignet. Obgleich diese Versuche auf Urgebirgsboden, der schon viel Kali enthält, ausgeführt wurden, so erweist sich doch noch die Kalidüngung als erfolgreich. Bei einem Felddüngungsversuche mit Gerste auf Mergelboden brachte der Acker ungedüngten Feldes IS Centner Körner und 23 Centner Stroh, auf dem mit 8 Cenfnern Thomasmehl, 4 Centnern 407oigem Kali- düngesalz und 4 Centnern Chilisalpeter gedüngten Acker wurden dagegen 43 Centner Körner und 60 Centner Stroh erbaut, was einem Reingewinn von 149 Mark für den Acker entspricht. L. Herrmann, Oelsnitz i. V. Astronomische Spalte. — Prof. f^ampbell ist es ge- lungen, aus Spectralaufuahmen des Polarsternes nachzu- weisen, dass dieser Stern ein Binärsystem darstellt (Astrophysical J. X). Die uns sichtbare Componente des Polarsternes bildet mit einem dunklen Begleiter ein System mit einer Revolutionsperiode von nur 3 Tagen 23 Stunden 15 Minuten um den gemeinsamen Schwerpunkt. Die Geschwindigkeit .schwankt zwischen ± 3 km pro Sekunde. Diese Bewegung zeigt jedoch eine, wie Dr. Hartmann sagt, säcularc Aenderung, welche auf das Vorhandensein eines dritten, störenden Körpers schliessen lässt. In einer Arbeit, welche in den Sitzungsberichten der Königl. XVI. Nr. 35. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 415 Preussischeu Akademie der Wissenschaften 1901 publicirt ist, berichtet Hartmann über seine Untersuchungen über den Polarstern, welche er mit Hilfe des neuen Potsdamer Eefractors angestellt hat. Zunächst zeigte sich, dass die Schwankungen der Lufttemperatur von grossem Einfiuss auf die Messungen sind. Der Spectralapparat wurde da- her mit einem leichten Holzkasten umgeben, innerhalb dessen die Temperatur auf elektrischem Wege constant erhalten wurde. Erst im Januar 1901 konnte Hartmann wieder eine grosse Beobachtungsreihe gewinnen, da die Reparaturen des Apparates ziemlich viel Zeit bean- sprucht hatten. Hartniann leitete nun aus seinen und aus CampbeH's Beobachtungen übereinstimmend mit dem letzte- ren den Werth der Periode zu 3 Tagen 23 Stunden 14 Minuten 21 Sekunden ab. Eine genaue Discussion aller vorhandenen Geschwindigkeitsbestimmungen ergab, dass 1899 eine Umkehr der säcularen Bewegung ein- getreten war. Dabei wurden mit Ausschluss der Be- stimmungen von Frost, welche nur auf drei Beobachtungen beruhen, und der Messungen von Belopolsky, welche mit systematischen Fehlern behaftet zu sein scheinen, nur folgende Werthe benutzt: 1888 Nov. 25 (Vogel und Scheiner) 1896 Oct. 17 (Campbell) . . . . 1899 Aug. 29 „ . . . . 1900 Nov. 12 (Hartmann) . . . . 1901 Jan. 13 „ . . . . - 25.35 km -17.97 „ -11.75 „ - 12.07 ., -13.29 „ Nimmt man an, dass der sichtbare Stern mit seinem dunklen Begleiter in ca. 15 Jahren um das dritte Glied des Systems umläuft und dies mit einer Geschwindigkeit von 6 km, so würde folgen, dass der Durchmesser dieser Bahn mindestens dreimal so gross sein muss, wie der Erdbahnradius. Mit dem grossen Mills'schen Spectrographen hat Campbell auf der Licksternwarte eine Reihe von Sternen mit sehr grossen Geschwindigkeiten in der Gesichtslinie untersucht. Diese Sterne und ihre Geschwindigkeiten sind folgende : fAudromedae nach Aufnahmen von Wright . —83,7 km dLeporis nach Messungen CanipbeU's . . . — 96 „ jii Cassiopeiae (Wright und Camphell) . . . —97.4 „ i^Canis majoris (Wright und Campbell) . . +95.8 „ tPegasi (Wright und Campbell) — 75,9 „ /liSagittarii nach Messungen von Wright . . —75.5 „ Der Stern Groombridge No. 1830 fällt durch seine ungemein starke Eigenbewegung auf, welche 7". 05 im Jahre beträgt. Nach Untersuchungen Newcombs ist die Parallaxe gewiss nicht grösser als 0".14. Daraus folgt nun, dass sich der Stern senkrecht zum Visionsradius um 240 km pro Sekunde fortbewegt. Die Vermuthung, dass auch die Bewegung in der Gesichtslinie gross sei, hat sich nach Campbell's Messungen bestätigt. Der Stern hat eine Geschwindigkeit von — 95 km in der Sekunde gegen die Erde. In den Jahren 1897—1899 hat Campbell den spectro- skopischen Doppelstern tPegasi untersucht. Er bestimmte die äussersten Grenzen der veränderlichen Geschwindig- keit zu + 37 und — 52 km in der Sekunde. Die Periode beträgt ungefähr 10.2 Tage, sodass dieser Doppelstern ein äusserst enges Binärsysteni darstellt. Ueber den spectrosköpischen Doppelstern Mizar hat Vogel der Preussischeu Akademie der Wissenschaften eine vorläufige Mittheilung gemacht. Nach älteren Har- vard-Aufnahmen ist die hellere Componente dieses Stern- paares selbst doppelt. Die Duplicität des helleren Theiles äussert sich nur durch eine zeitweilige Verdoppelung der Linien, deren Periode rund 52 Tage betragen sollte, aber nach Vogels Feststellungen in Wahrheit nur gleich 20,6 Tagen ist. Die grösste relative Geschwindigkeit der beiden Componenten beträgt gegen 160 km. Pickering meint, dass die Bahn eine stark excentrische Ellipse sei, deren grosse Achse senkrecht zum Visionsradius liege. Dann werden die Linien im Periastron in Folge der grossen Geschwindigkeit der beiden Körper gegeneinander doppelt erscheinen, im Apastron aber treten die Linien wegen der langsameren Bewegung nur so wenig aus- einander, dass ihre Duplicität mit den heutigen Instru- menten noch nicht erkannt werden kann. Gewisse in Cambridger Messungen auttreteude Unregelmässigkeiten bedürfen noch der Erklärung. Adolf Hnatek. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Das Projekt einer schwimmenden biologischen Station zur Erforschung der Fauna und Flora unserer Ströme setzte Dr. Lauterborn (Ludwigshafen) auf dem V. internationalen Zoologen -Congress in Berlin auseinander. Das neu erweckte Interesse für die Thier- und Pflanzenwelt des Süsswassers hat in einer Reihe von Staaten zur Gründung von biologischen Stationen geführt, von denen eine möglichst umfassende Erforschung der Fauna und Flora ausgehen soll. Mit einer Ausnahme wurden diese Stationen an Seeen und Teichen erriclitet und ihr Arbeits- programm erstreckt sich darum auch naturgemäss auf Organismen des stehenden Wassers. Im Gegensatz dazu ist die Thier- und Pflanzenwelt des fliessenden Walsers, die „rheophile" Fauna und Flora, bis jetzt im Allgemeinen reclit stiefmütterlich behandelt worden, obwohl sie eine ganze Reihe charakteristischer Züge und biologischer Eigenthümlichkeiten aufweist. Eine planmässige und intensive Erforschung derselben ist kaum von einer festen, dauernd an ein und denselben Ort gebundenen Station auszuführen. Dagegen wäre eine schwimmende Station, ein als Laboratorium ausgerüstetes Schiff wohl im Stande, selbst einen mehrere hundert Kilometer langen Strom nach und nach überall mit gleicher Gründlichkeit zu untersuchen. Die 46. allgemeine Versammlung der Deutschen Geolo- gischen Gesellschaft findet in Halle a. d. S. vom 4—7. Oktober statt. Geschäftsführer Geheimer Rath Professor Dr. Freiherr K. von Fritsch in Halle. Excursionen vor der Versammlung von Halle aus sind beabsichtigt nach Bernburg, Freyburg a. U., Wettin und Cönnern, sowie nach Eisleben. Während der Allge- meinen Versammlung in Halle finden Ausflüge statt in die Gegend von Nietleben , nach dem Goldberg, Galgenberg und Reilsberg. Excursionen nach der Versammlung sind beabsichtigt nach dem Kyffhäuser über Ilfeld, dem Brocken nach Harzburg'. — Ausserdem wird eine Excursion zwischen dem 26. September und dem 4. Oktober in das Vogtländisch - Thüringische Schiefergebirge stattfinden. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Nie. Bödige, Das Archimedische Prinzip als Grundlage physikalisch-praktischer Uebungen. 52 Seiten. Osnabrück 1901, Verlag v6n Weinders und Elstermann. Die kleine Schrift enthält ausser einer historischen Einleitung eine recht vollständige Zusammenstellung der Versuche, die zur Ableitung und Demonstration der Anwendungen des Archimedischen Prinzips bei Schülerübungen mit zumeist ganz einfachen Hilfs- mitteln angestellt werden können. Eine Reihe von Uebungs- und Denkaufgaben ist, deren zahlenmässige Resultate am Schluss gegeben sind, vervollständigt die Beschreibung der in mannig- fachster Weise variirten Versuche, sodass strebsame Schüler aus dem Schriftchen gewiss werden Nutzen ziehen können. F. Kbr. ihalt: P. Engelbrethsen: Der Ursprung des Lebens. — Dr. H Wirkung auf den menschlichen Körper mi reste. — Versuche über Pflanzonhybriden. — Absolute Härte der Metall Neuere wissenschaftliche Arbeiten über Terpene und Astronomische Spalte. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Welche Bedeutung hat das Kali für den Getreide- Litteratur: Dr. Nie. Bödige, Das Archimedische Princip. 416 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XVI. Nr. 35. fff Ausserordentliche Preisermässigung "Hj für die Abonnenten der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift". In Folge vielfacher aus dem Abonnentenkreise hervorgetretener Wünsche betr. ErleicJiterung des Bezugs der frülieren Bände der „Xaturwissenscliaftliclien Wochenschrift" haben wir uns zu einer ausserordentlichen Preisermässigung der seither erschienenen Jahrgänge entschlossen. Wir offeriren daher die Bände I XV (Jahrg. 1887 1900) mit Ausschluss der Nummern 14-2G von Band IV, welche vergriffen sind, Statt dCS Ladenpreises von 183 Marl< ungebunden für 60 Mark ferner einzeln die Bände V, VI, VII (Jahrg. 1890—1892 statt je 12 MarK fUr je 6 Mark, die Bände VIII— XV (Jahrg. 1893—1900) statt je 18 Mark für je 8 Mark. Diese Prcisennässigung erlisclit, sobald der luerfür bestimmte Vorrath erschöpft ist. ferd. Diimmkrs I>erla9$bu(l)l)an(llun9 in Berlin SW. 12, Ziinmerstrasse 94. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin sind erschienen: Allgemein -verständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen. (Seiiaratabdi'ücke aus der ..Naturwissenschaftlichen Wochenschrift.") ; 1. Ueber den sogenannten vierdimensionalen Raum von Dr. V. Schlegel. 2. Das Rechnen an den Fingern und Maschinen von 3. Die Bedeutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen Museen von Professor Dr. Karl Kraepelin. 4. Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. E. Loew. 5. Das „glaziale" Dwykakonglomerat Südafrikas von Dr. F. M. Stapff. 6. Die Bakterien und die Art ihrer Untersuchung von Dr. Kol.. Mittüuum. .Mit 8 llolz:') Im Gf liegen 80 Beiiclito Der Ringel Spinner, Gastropacha neustria L., trat nur in der Rheinprovinz, wo Apfelbäume stellenweise fast entblättert wurden, Bayern und Elsass-Lothringen schäd- lich -auf. Der Kirschenspinner, G. lauestris L., war nur im Unter-Elsass an Kirsch-, Zwetschen- und Pflaumen- bäumen und Schwarzdorn ziemlich häufig. Die Kupfer- glucke, 6. quercifolia L., war nicht selten bei Weihen- stephan und schadete an Zwerg- und jungen Ob.stbäumcn im Elsass. Ebenfalls nur aus Bayern und Elsass-Lothringen werden als zwar häufig, aber nur vereinzelt auftretend gemeldet, Orgyia autiqua L. und gouostigma Fb., Dasychira pudibunda L., Porthesia chysorrhoea L. und auriflua Fb., Phalera bucephala L. Der Schwammspinner, Ocneria dispar L., dagegen tritt in Mecklenburg-Strelitz seit 1898 in ungeheuren Mengen auf. — Erdraupen [fa.st immer als Raupen von Agrotis segetum angeführt], schadeten besonders in l^sen, an Rüben und Kartoffel-Knollen (2 — 50 °/g), und in Schlesien, wo sie an Rüben 2 — 20 "/^ vernichtet, stellenweise „ent- setzlich gehaust" haben: in der Gemarkung Gallowitz wurden 28 ha vernichtet, 15 davon in 4 Nächten; an 10 Rüben wurden 35 Raupen gefunden; eine Person sammelte in 3 Stunden 268 Stück. Bei Premslaff in Pommern schadeten Erdraupen bedeutend an Roggen, in Brandenburg an Rüben und Kartoffeln; in der Provinz Sachsen waren einmal sämmtliche Kartoffeln angefressen, vom Raps wurde zweimal die Aussaat vernichtet (auf 1 Dm fand man 362 Raupen), und Tomaten wurden massenhaft davon befallen. Im Königreich Sachsen hatten nur Rüben einmal stark zu leiden; in Schleswig-Holstein thaten sie an Kartoffeln bis 25 7o Schaden; in Mecklen- burg-Schwerin wurden grosse Flächen frisch gesäeten Rapses fast gänzlich kahl gefressen; von Koburg wird aussergewöhnliches Auftreten an Kartoffeln gemeldet, von denen sie in Anhalt 10% vernichteten; in Greiz frassen sie 6 ha Raps kahl; im Ünter-Elsass traten sie sehr nachtheilig auf an Getreide, Rüben, Garten- und Handels- gewächsen, dagegen nur vereinzelt an Kartoffeln; in Baden haben sie zweimal Rüben befallen. Als Folge- Erscheinung ihres Frasses trat bei Zaborowo in Posen Bacteriose der Rüben auf, indem in die Frassstellen der Raupen sich die entsprechenden Bacterien einnisteten. Unter den verschiedenen Sorten von Kartoffeln scheinen die Erdraupeu eine Auswahl zu treffen. In Schlesien machte man die Erfahrung, dass ein Acker, bei dem der Dünger vor Winter untergeackert und der zeitig bestellt worden war, ohne Raupen blieb, während zwei benach- barte, die erst im Winter gedüngt und im Frühjahre ge- ackert und spät bestellt worden waren, stark befallen wurden. Während die Raupe der Kohleule, Mamestra brassi- cae L., in Schleswig und Oldenburg geringer auftrat, wie in den Vorjahren, hat sie auf einem Gute in Sachsen, auf dem sie seit 22 Jahren nicht beobachtet war, 50 ", ^ der Rapssaat vernichtet. In Bayern war sie nur stellenweise schädlich, im Unter-Elsass in der gleich nachtheiligen Weise, wie in den Vorjahren. — Die Raupe der Quecken- eule, Iladena basihnea WV., hatte bei Wesendahl in Brandenburg 1 % der geernteten Weizeukörner angebohrt und befressen, bei Göttingen 3—5 "/j. — Die Raupen der Gammaeule, Plusia gamma L., haben in Posen und in der Provinz Sachsen die Rüben unbedeutend geschä- digt, in letzterer auch den Kümmel; bei Meissen i. S. hatten sie dagegen auf Rübenfeldern von 46 ha alle Blätter dermaassen zerfressen, dass sie aussahen, wie von Hagelschag durchlöchert. Die Kaupen des Stachelbeerspanners, Abraxas grossulariafa L., haben bei Greiz Johaunis- und Stachel- XVI. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 421 beersträucher völlig kahl gefressen, erstere ebenfalls bei Magdeburg, worauf sie an Schatteumorellen übergingen und das Fleisch der balbwüehsigen I^'rüchte bis auf die Steine abnagten. Der kleine Frost Spanner, Cheima- tobia brumata L., soll bei der Aumühle bei Friedrichsruh und im Sachsenwalde an Apfel-, Birn-, Ptlauiuenbäunien, Linde, Blütheuknospen der Rose, Eiche, Buche und Eber- esche so zahlreich aufgetreten sein, dass im Walde der Raupenkoth förmlich von den Bäumen herabrieselte. An einer Gartenlinde sollen die Blattstiele von der Raupe benagt worden sein, so dass sie vertrockneten und die Blätter massenhaft abfielen. Im übrigen Deutschland war er nicht besonders zahlreich. Bei Lübeck flog der Schmetterling Mitte Dezember sehr lebhaft. Der Gliedwurm, die Raupe des Hirsezünslers, Botys lupulina Gl. [wird hier unter zwei Namen: Botys nubilalis und Pyralis silacealis L., aufgeführt] trat bei Hersbruck in Bayern ziemlich häufig auf, sodass er etwas Schaden verursachte, während bei Custerbof in der Schweiz 70 — 80 "/o tler Maispflanzen davon befallen waren. Die Larve der amerikanischen Mehlmotte, Ephestia kuehniella Zell., zeigte sich in mehreren Mühlen bei Po-sen massenhaft und vermutblich dieselbe Art nimmt in der Provinz Sachsen überhand. Die Larven des amerikanischen Mehlkäfers, Tribolium confusum (s. oben), scheinen die Puppen der Motte anzugreifen. Der Springwurmwickler, Tortrix piileriana Zell., scheint in Rheinhessen, der Rheinprovinz, der Haardt und Lothringen in der Zunahme begriffen zu sein; in beiden letzteren Ländern war sein Auftreten besorgnisserregend. Heu- und Sau er wurm, Conchylis ambiguella Hübn., traten am Rhein nur lokal zahlreicher auf. Bei Nieder- lahnstein zerstörte der Sauerwurm 50 «/o der Ernte, im übrigen Hessen-Nassau zeigte er sich zahlreich, aber nur stellenweise. Während er in Rheinhessen nach einer Meldung empfindlich geschädigt hat, machte er sich im Kreise Oppenheim weniger bemerkbar als in frühereu Jahren. Ebenso widersprechen sich zum Theil die Meldungen aus den anderen Gegenden des Rheines; bei Meissen in Sachsen richtete er aber wie alljährlich grossen Schaden an. Als Bekämpfungsmittel hat sich das Duibur'sche Wurni- gift gut bewährt, ist aber ziemlich theuer. Die Winter- puppe scheint sich nicht unter die Stroh- und Weiden bänder zurückzuziehen, da auf einem stark heimgesuchten Weinberge von 400 Klafter nur 4 Puppen daselbst ge- funden wurden. Ein Versuch, die Puppen dadurch zu tödten, dass man die Rebpfähle den ganzen Winter in einen Teich legte, hatte keinen Erfolg; beinahe sämmt- liche Puppen, die zur Controlle im Frühjahr abgelöst und aufgehoben wurden, schlüpften aus. Mittels Fanglateruen wurden Massen der Schmetterlinge gefangen, namentlich beim zweiten Fluge im Juli. — Die Erbsen wickler, Grapholitha nebiitana u. s. w., haben nur bei Hannover (50 7o) geschadet; bei Kuhnau in Schlesien hat in Folge dieser Beschädigungen der früher sehr starke Erbsenbau fast gänzlich aufgehört oder liefert Missernten. — Der Pflaumen Wickler, Grapholitha funebrana Tr., wird nur aus Posen, Bayern und dem Elsass gemeldet. Gr. Woe- beriana WV., soll nach v. SchiUing (s. diese Zeitschrift 1900, S. 129, 439) der hauptsächlichste Erreger des otfenen Krebses der Apfelbäume sein; nach" Unter- suchungen von Sorauer findet man ihn allerdings häufig in den Ueberwallungsrändern der Krebswundeu, aber auch in Rindenwucherungen anderer Art (Blutlaus, Frostplatten), ohne dass aber je eine krebsartige üeberwallung der Bohrgänge gefunden worden wäre; die Wickler wären daher nur als häufige Besiedler der üeberwalluugsräuder der Krebswunden, nicht als ihre Erzeuger anzusehen. — Die Raupen von Tmetocera (Penthina) ochroleu- cana Hb. beschädigten in Obergütter in der Provinz Sachsen die Süsskirschcn-Anlagen, indem sie die Blätter zu Wickeln zusammenspannen und ihres Blattgrüns be- raubten. — Der Apfelwickler, Carpocapsa pomonella L. verursachte in Posen und in den Vierlanden viel Fallobst; zahlreich war er in der Rheinprovinz und Bayern; in Oldenburg und Elsass-Lothringen that er den dortigen grossen Obsternten keinen nenneuswerthen Abbruch. Choreutes (Simaethis) parialis Tr. war in der Provinz Sachsen allgemein verbreitet; die Apfelbäume verloren anfangs August theilweise ihre grüne Farbe und machten den Eindruck, als sei plötzlich grosse Dürre über sie gekommen. Ursache war das Räupchen dieser Motte, das das Epi- und Mesophyll der Blätter abnagte und sieh schliesslich in ein seidenglänzendes, rein weisses, zartes Gespinnst einspann, wobei sich das Blatt kahnförmig faltete. Im Elsass zeigte sie sich häufiger als in den Vorjahren. — Der weisse Korn wurm, Tinea granella L., schädigte das Getreide auf den Speichern bei Möttingcn in Bayern und im Unter-Elsass. — Die Raupe von Ochsenheimeria taurella SV. verursachte Weissährig- keit in Weizenfeldern bei Groningen in der Provinz Sachsen. — Gespinnstmotten, Hyponomeuta spp., waren, wie immer, überall vorhanden, am Steinobst mehr wie am Kernobst; von Schlehen, Weiss- und Rothdorn sollen sie überall an die Obstbäume übergehen. Verheerend trat H. maHnella Zell, in der Rheinprovinz, bei Solingen, auf, H. padella S. in Rheinhessen; letztere bildete auch bei Hersbruck in Bayern eine Landplage. Spritzen mit der Nessler'schen Schwefelseife oder mit Quassia-Seifen- Brühe hilft gegen die noch nicht stark versponnenen Raupen; gegen die Gespinnste ist nur Abbrennen, bezw. Sengen erfolgreich. — Von Miniermotten werden er- wähnt: Gelechia rhombella Hb. (Oberbayern); Coleophora flavipennella F. R. (Schlesien), hemerobiella Scop. (sehr stark an Zwetschen und Kirschen in der Pfalz auftretend), nigricella Stepb. (Elsass, nicht selten; Oberbayern, oft sehr erheblich an Obstbäumen schadend), Lyonetia cler- kella L. (Schlesien, Bayern, in der Pfalz bedeutend an Obstbäumen schadend, bei Gebweiler im Ober-Elsass die Blätter der jungen Apfelbäume in grossem Umfange be- fallend und arg schädigend); Lithocolletis corylifoliella Haw. (Ober-Elsass, an Birnen in starker Verbreitung, wesentlich schädigend); Cemiostoma seitella Zell. (Bayern und Württemberg, ziemlich bedeutend schadend); Nepti- cula pygmaeella Haw. (die junge Rinde und Blätter von Apfelbäumen in Mecklenburg-Schwerin benagend). ZAveiflügler. Schnaken- Larven (Tipula spp.) bil- deten namentlich in Oldenburg, besonders auf und am Moorboden und da, wo Stallmist gedüngt war, eine arge Plage für den Ackerbau. Getreide, Wiesen und Kartoft'eln litten besonders; von letzteren wurden die ge- legten Knollen zerfressen. Auch in Hannover waren viele Larven in Wiesen und Weiden. Bei Sprottau in Schlesien war der Winterroggen so zerfressen, dass er welk und abgestorben auf der Erde lag und nur noch durch einige Wurzelfasern am Boden festhing; bei Schweidnitz in Schlesien vernichten sie seit einigen Jahren den Kopf- salat. — Die Hessenfliege, Cecidomyia destructor Say., machte sieh besonders bemerkbar in Schlesien, wo sie ein- mal sogar in grosser Anzahl vorhanden war, und der Prov. Sachsen, wo sie einmal Hafer bis zu 5 "/i, schädigte; in Oldenburg zeigte sie gegen 1899 einen bedeutenden Rück- gang, Cec. trifolii F. Loew zeigte sieh bei Colmar überall, aber vereinzelt. — Die Birntrauermücke, Sciara piri Schmidb., trat bei Sahouberg in Mecklenburg- Schwerin gefährlich auf; einzelne Bäume hatte keine ein- zige Frucht; auch im Elsass hat sie vielfach den Abfall der jungen Früchte verursacht. — Gartenhaarmücken, 422 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. Bibio hortulainis L., werden nur aus Schlesien und Pro- vinz Sachsen g-emeldet, wo sie an Getreide schadeten, und aus der Rheinprovinz, wo sie eine Spargel-Neuanlage stark beschädigten. Mondfliegen, Eumerus lunulatus M., befielen sehr stark von Raupen und einer Pilzkranheit beschädigte Kartofl'elpflanzen bei Uscikowo in Posen. — Als Ge- treide-Blunienf liegen, Hylomyia coarctata Fall., werden Fliegenlarven angesprochen, die in Posen und Branden- burg an Weizen, in der Provinz Sachsen an Weizen und Roggen grossen bis sehr grossen Schaden verursachten, in- dem sie die Stengel dicht am Boden durchnagten. Die Zwiebelfliege, Anthomyia antiqua Meig. (ceparum Bebe.), wurde in Oldenburg häufig angetroffen; ebenda war die Kohl fliege, A. brassicac Bebe., so häufig, dass die Kohlpflauzen stellenweise 3- bis 4mal nachgepfianzt werden niusstcn; diese Art schadete auch beträchtlich in Brandenburg, Königreich Sachsen und bei Offeubach in Baden. Die Rüben fliege, A. conformis Meig., schadete bedeutend (30 — fiO 7u) i" Hannover; in Posen, Schleswig- Holstein, Oldenburg, Rheinprovinz, Rheiuhessen, König- reich Sachsen und Bayern war sie minder zahlreich, immer aber noch merkbar schädlich. — Die Spargel- fliege, Trypeta fulminans Meig., beeinträchtigte in Rheinhessen den Spargelbau ganz beträchtlich; in Bayern und im Elsass trat sie seither nur vereinzelt auf; doch hat sie sich bei Colniar im letzten Jahre in zunehmender Menge gezeigt. — Möhrenfliegen, Psila rosae Fb., griffen Mohrrüben in der Provinz Sachsen in erhöhtem Maasse an; gemeldet werden sie auch vom Königreich Sachsen. Halmfliegen, Chlorops taeniopus Meig., be- fielen namentlich Weizen, in Ost- und Westpreussen, Schlesien, Hannover, Oldenburg, Provinz Sachsen (10"/,, Schaden), Hessen und Bayern; in Bayern und Wüttem- berg zeigten sie sich auch an Gerste. — üeber die Frit- fl legen, Oscinis frit L. und pusilla Meig., liegen 103 Be- richte vorwiegend aus Nord- und Ostdeutschland vor: 49 aus Ost- und Westpreussen, 4 aus Posen, 15 aus Schlesien, 10 aus Brandenburg, 5 aus Pommern, 6 aus Hannover, 2 aus Oldenburg, 8 aus der Provinz Sachsen, .je 1 aus Anhalt und der Rheinprovinz, 2 aus Württemberg: ein Beweis, wie schädlich diese Fliegen in Deutschland sind. Befallen wurden alle Getreide-Arten, der Hafer am meisten (30 Berichte), dann Roggen (21 Ber.), Gerste (8 Ber.) und zuletzt Weizen (6 Ber.). Der Schaden be- trug bis zu 75 "zo und darüber. Meistens allerdings be- theiligten sich noch andere Insekten: Zwergzikade und Thrips-Arten, auch Aeichen an dem Schaden; fast immer waren die Plianzen zugleich von Rost befallen. Einige Fälle deuten darauf hin, dass anderweite Beschädigungen des Getreides das Auftreten der Fritfliegen begünstigen. — Schädigungen unbestimmter Fliegen -Arten werden Gmal von Getreide berichtet. Halhllügler. Die Hopfenwanze*), Capsus vanda- licus Rossi, tritt überall bei Hersbruck in Bayern auf. — Die Hirn- Buckel wanze, Tingis piri Fb., zeigte sich bei Colniar in soiclier Menge, dass die Birnbauniblätter durch ihre Auswnrfsstoffe ganz braun wurden und ver- dorrten; Bespritzung mit Schmierseife-Lösung soll erfolg- reich gewesen sein. Die „Hopfenzikade", [Euacanthus interruptus L. ?, Reh] ist in Bayern weit verbreitet. — Die Zwerg- zikade, Jassus sexnotatus Fall., war ähnlich wie die Fritfliegen vorwiegend im Norden und Osten verbreitet. Aus Posen liegt nur 1 Berieht vor, aus Schlesien liefen *) Dio im vorigen Buriclito (siehe tlieso Zeitschrift l'JDO, Seito 354) orwiilinte Hopfeiiwanzc ans Böhmen ist, wie Referent inzwischen feststellen konnte, eine j;anz andere Art, nämlieli Pachymerus vulgaris Schll. dagegen 10 ein, aus Brandenburg 11, aus der Provinz Sachsen 6, aus dem Königreich 3, je 1 aus Schleswig- Holstein, Hannover, Anhalt, Braunschweig. Sämmtliche Getreide-Arten wurden befallen. Eine unbekannte Zirpe beschädigte 374 ba Roggen auf einem Gute in Posen. Ebenfalls der Zwergzikade werden Schäden an Wicken und Klee in Schlesien zugeschrieben, an denen Zirpen in zahllosen Mengen vorhanden waren. — Eine „Kartoffel- zikade", [Typhlocyba Solani tuberosi KoU. ?, Reh], trat auf einem Gute in Oberbayern sehr schädlich auf. — Eine andere Typblocyba-Art suchte in Bayern vielfach Zwetschen- und z. Th. auch Apfelbäume heim. Birnsauger, Psylla piri L., waren in Brandenburg an Apfelbäumen, bei Ziemetshausen in Bayern und bei Colniar und Gebweiler im Ober-Elsass an Birnbäumen sehr häufig bis massenhaft; in den beiden letzten Kreisen sind über 2000 Bäume davon befallen. — Die Berichte über Blattläuse sind wiederum zoologisch kaum zu ver- werthen; die meisten werden als Aphis bezeiciinet; als Artname wird der der befallenen Pflanze beigefügt. Ge- treide-Blattläuse (Siphonopbora cerealis Kaltb., Aphis avenaeFb.) schadeten in Posen, bei Kiel und in Schles- wig. Der Schaden wird folgendermaassen beschrieben: „Die befallenen Pflanzen öffnen das oberste Blatt fast gar nicht; es bleibt vielmehr futteralartig geschlossen, so dass das oberste Halmglied und häufig auch die halbe bezw. ganze Aehre nicht sichtbar werden. Im äusseren Anblick ähnelt der Schaden sehr dem von Chlorops tae- niopus. Die von der Laus befallenen Aehren bildeten fast gar kein Korn aus." An Rüben schadeten Blatt- läuse (meist A. papaveris Fb.) in Posen, Schlesien, Pro- vinz Sachsen, Rheinprovinz; an Pferde-Bohnen in Schlesien, Brandenburg (25 **,(,), Pommern (so stark, dass das Fort- bestehen der Kulturen in Frage gestellt wurde), auf Fehmarn, in Schleswig-Holstein, Oldenburg, Rheinprovinz (bei Waldbröl die ganze Ernte vernichtet), dem Unter- Elsass (nur stellenweise); an Erbsen in Pommern (s. oben), bei Wismar, auf Fehmarn (Ernte sehr bescheiden), Schles- wig-Holstein (geringer Ertrag); an Wicken auf Fehmarn. Gurken und Melonen wurden in den Vierlauden und in Bayern von Blattläusen (Aphis dauci Fb. ?) befallen, Kohl von A. brassicae L. in Oldenburg, Bayern und dem Elsass. Tychea setariae Pass. wurde bei Ham- burg und in Oberbayern au den Wurzeln von Kopfsalat gefunden, Hopfenblattläuse (Phorodon humuli Schrk.?) in Posen, bei Berlin, in Bayern und dem Ünter-Elsass. Die Blattläuse an Obstbäumen und -sträuchern machten sieh in diesem Jahre weniger bemerkbar als sonst; nur vereinzelt werden grössere Schäden berichtet; so wurden Obst- spaliere bei Wiedenest in der Rheinprovinz so stark be- fallen, dass sie nach einigen Wochen entblättert da- standen; Birnpyramiden bei Hersbruck in Bayern gingen durch Blattlaus- Befall ein. Die an Apfelblättern bei starkem Befall auftretenden rothen Blasen werden auf Verletzungen der Blätter in den Knospenanlagen in der Nähe der Rippen durch die erste Frühjahrsgencration der Blattläuse zurückgeführt. Als Bekäiiipluiigsniittel be- währte sich vor Allem Abschneiden der l)el'allenen Spitzen bei Bohnen, Johannisbeeren, Apfelbäumen u. s. w. Eine Abkochung von Quassiaholz (2"/„) und Scliiiiierseife ('A, %) vernichtete auf Bohnen die Blattläuse vollständig. Halali und Tabaksstauli waren :iii Mistbeet-Gurken und Melonen erfolgreieli : Si limiei -,, iii l(ismig an Birnpyramiden. Auch die Ncssler seile .Schwel Iseile soll sich vorzüglich bewährt haben. In einem l''alle wird berichtet, dass ein starker Regen die Blattläuse von Pflaumenzweigen abgewaschen hat. — Blutlaus- Berichte liegen vor aus Ostpreussen, Schlesien, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Reuss ä. L., Württemberg je 1, aus Hamburg, Provinz Sachsen, West- XVI. Nr. 36. Nahirwissenschaftliche Wochenschrift. 423 taleii, Königreich Sachsen je 2, aus Brandenburg; und Hannover je 3, aus Hessen und dem Eisass je 4, aus der Rheinproviuz und Bayern je 6. Etwas abgenommen hat sie in Schlesien, bei Hamburg, in Reuss ä. L. und der Rheinprovinz. ' Aus Oldenburg, Provinz und König- reich Sachsen, rfessen, Bayern sind Zunahme, z. Th. auch „verheerendes", „erschreckendes", „unheimliches" u. s. w. Auftreten berichtet. Stellenweise sollen die Bäume ganz weiss gewesen sein. Mehrfach wurden Blutläuse auch auf Birnbäumen l)coI)achtet; auch wilde Apfelbäume waren stark befallen. Selbst Pflaumenbäume, Mirabellen und andere Steinfrüchte sollen bei Michelstadt in Hessen wie beschneit ausgesehen haben. Gegenmittel werden eine ganze Menge als wirksam empfohlen: Halali, Pe- troleum rein oder in Emulsion mit Wasser, oder als Petrolseifenbrühe, Lysolseifenbriihe, Nessler'sche Flüssig- keit, Benzin, Schwefelkohlenstoff, Sapocarbol, Spiritus, Leinöl, Rüböl, Fischthran, flüssiges Baumwachs, Harzöl- seife, Waschlauge, kräftiger Wasserstrahl, Abbürsten. Mehrfach wird betont, dass nur gewisse Apfelsorten be- fallen, andere ganz oder fast ganz verschont werden, einmal, dass Bäume auf kalk- und mineralnährstofl- armeni Boden besonders befallen wurden. Bei Fried- berg in Oberhessen war ein Apfelbaum, der 1899 ganz weiss von der Blutlaus und nicht behandelt worden war, trotzdem 1900 völlig frei von ihr. Ebenda wurden am 30. Januar 1900 an unterirdischen Wurzelschösslingen zahl- reiche sogenannte „Ammen" aller Altersgenerationen ge- funden, sodass auf eine Vermehrung auch im Winter ge- schlossen wurde. Als Feinde der Blutlaus werden er- wähnt: Coccinellen, Syrpbiden und Johanniswürmchen [wohl Coccinellen-Larven gemeint, Reh]. — Die Stachel- beer-Wurzellaus, Schizoneura grossulariae Schule [wohl Schiz. fodiens Buekt. gemeint, Reh.] wurde in Ünter-Elsass an Stachel- und Johannisbeeren beobachtet. — Eine Chermes- [!] Art soll bei Kassel stellenweise sehr häufig als Schädling der Apfelbäume auftreten [doch wohl ein Dactylopius, Reh]. — Der äusserst unvollständige Bericht über Reblaus enthält nur 2 Berichte aus Meissen i. S. und Elsass-Lothringen; Ünter-Elsass ist demnach noch ganz frei davon. — Dactylopius adonidum soll in Breslau von Zimmer- und Treibhaus-Pflanzen auf wilden Wein übergegangen sein.*) — Eine Da ct. sp. siedelte sich beiKemberg in der Pro v. Sachsen unter den Lehm- Verbänden an, mit denen die Obstbäume gegen Hasenfrass umgeben waren, und vermehrte sich da sehr stark; in den Vier- lauden befiel sie Apfel, Kirsche, Pflaumen, Johannis- beeren. — Bezüglich der Leeanien-Schildläuse herrscht immer noch der alte Durcheinander. Erwähnt werden solche von Apfel (Schlesien), Birne (Rheinprovinz), Pflaumen (Posen, Schlesien, Provinz Sachsen), Pfirsich (Schlesien, Greiz), Obstbäume im Allgemeinen (Vierlanden, Reuss j. L., Rheinprovinz, Bayern), Stachelbeeren (Hamburg, Aachen, Bayern), Johannisbeere (Bayern), Rebe (Lecanium vini Bebe und Pulvinaria vitis L. von Hamburg, Holstein, Provinz Sachsen, Rheinhesseu, Greiz, Westfalen, Rhein- provinz, Königreich Sachsen, Bayern, Elsass-Lothringen); in Bergedorf wurde Lee. vini auch auf Vitis labruscus beobachtet. Lee. bituberculatum Targ. [eine mehr süd- liche Form, Reh) wurde bei Colmar auf Apfelbäumen ge- funden. Dass Bäume von Lecanien-Schildläusen einge- gangen seien, wird nur von Spalierpfirsichen aus Greiz gemeldet; bei Oppenheim war Lee. vini so zahlreich, dass Blätter und Beeren von einem dicken, schwarzen lau-Belag überzogen waren, wodurch natürlich die *) Mit solchen „Uebergängen" inuss man selir vorsiclitig sein. Vielleicht handelt es sich hier doch um den einheimisclien Dactylopius vitis Nied. Reh. Entwickehing der Reben wesentlich gehennnt wurde. Be- träufeln der Lecanien mit Ncssler'scher Flüssigkeit soll sie im Königreich Sachsen getödtet haben. — Komma- Schildläuse, Mytilaspis pomorum Bebe., wurden vor wiegend an Apfelbäumen beobachtet, nur bei Hübsch in der Rheinprovinz und in den Vierlanden an Birnbäumen, in letzteren noch an allen anderen Obsthölzern; mehrfach sollen Obstbäume durch sie eingegangen oder doch sicht- bar geschädigt worden sein. Abkratzen, Abbürsten mit Petroleum-Emulsion und gute Düngung waren von Erfolg begleitet. — Diaspis ostreaeformis Sign. (= fallax Horv.) wird nur aus Elsass-Lothringen von Birnbäumen und aus der Pfalz gemeldet. — Bezüglich der Gattung Aspidiotus ist die Klarheit kaum grösser als bei Le- canium. Aspid. ostreaeformis Ourt. [z. Th. in dem Bericht noch als A. ancylus bezeichnet, Reh] wird berichtet aus den Vierlanden bei Hamburg (Apfel, Birne, Pflaume) aus Friedberg i. Oberhessen, Gernsheim in Rheinhessen (Apfel), Rott a. Inn (Weichsel), Rufach i. E. (Schlehe); Aspidiotus pyri Licht ans Friedberg, Kalk bei Köln (Reineclaude); zweifelhafte Arten aus Rheinhessen (Birne), Bayern, Col- mar i. E. In Friedberg wird festgestellt, dass A. pyri Lieht, die Embr^'onen rascher auszubilden scheint, als A. ostreaeformis, dass letztere Art sich unter dem Kalke gekalkter Bäume stärker vermehrt habe als sonst, dass auf einem Rindenstückchen von 1:2 cm 58 Larven der letzteren Art sassen, von denen 12 "/o von Schlupfwespen aufgefressen, 63 % gesund, 25 % vertrocknet waren. In Rheinhessen und im Eisass sollen Bäume oder Aeste durch den Befall mit diesen Läusen zu Grunde gegangen sein (in dem Kreise Gebweiler allein 100 Obstbäume von 4000 befallenen, wobei allerdings auch die Mytilaspis und Diaspis betheiligt waren). Spritzen und Waschen mit Petrolseifenbrühe, Sapocarbol, Abbürsten mit Messiugdraht- bürste. Schröpfen vor Eintritt der Vegetation und Anstrich mit Baummörtel sollen mehr oder weniger günstigen Er- folg gehabt haben. Guradflügler. Heuschrecken richteten auf den Wiesen Elsass-Lothringeus im Nachsommer unermesslichen Schaden an, sodass der Grummet-Ertrag in einzelnen Gegenden ein sehr spärlicher war. Die Maulwurfs- grille, Gryllotalpa vulgaris Latr, beschädigte Wiesen in Posen, Getreide in Bayern und Süd-Oldenburg, Gurken in Bayern, im Siegkries in der Rheinprovinz und im Ünter- Elsass. Im Siegkreis bleibt die Werre seit 1893 auf die Gärten von Weiler beschränkt, wo sie allerdings fast alle Gemüsepflanzen vernichtet. Pseudoneuropteren. Blasenfüsse befielen die End- triebe von Erbsen bei Göttingen, Bohnenblätter bei Dresden, kranke Kleepflanzen bei Köln. Den grössten Schaden richteten sie aber an Getreide (Kahlährigkeit) an. Es gingen ein: je 3 Berichte aus Ost- und West- preussen, 2 von Posen, 8 aus Schlesien, 11 aus Branden- burg, 2 aus Mecklenburg - Schwerin, 9 aus Hannover, 1 aus Oldenburg, 8 aus Provinz Sachsen, je 2 aus Sachsen- Weimar und Anhalt, 5 aus Braunschweig, 1 aus Waldeck, je 2 aus Westfalen und der Rheinprovinz, 6 aus dem Königreich Sachsen. Weitaus am schlimmsten leidet Hafer, von dem 37 Mal Schädigungen bis 40, 50 und selbst 75 "/o gemeldet werden; dann kommt Roggen 14 Mal (5—250/0), Weizen 10 Mal (— 5 "/p) und Gerste 6 Mal ( — 5 "/„). Mehrmals wird darauf hingewiesen, dass die befallenen Pflanzen durch Frost und Pilze bereits be- schädigt waren, einige Male auch, dass auf schwerem Boden sich der stärkste Befall zeigte. Auch Düngung mit Kainit u. s. w. scheint den Befall eher zu begünstigen als zu verhindern. Spät bestelltes Getreide litt mehr als früh bestelltes. Pflanzen mit dicken, kräftigen, vollen Halmen werden scheinbar von denBlasenfüssen vorgezogen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 36 Bei Rostock soll der Getreide-Blasenfuss in früheren Jahren in so ungeheuren Mengen vorgekommen sein, dass er auf dem Lande und den Wohnungen lästig wurde; dabei wurden aber keine Schädigungen an Kulturpflanzen beobachtet, ausser im letzten Jahre. In Oldenburg war ihre Menge .so gross, dass bei der Ernte Menschen und Thiere erheb- lich durch sie belästigt wurden. Tanseiidfüsse. Der gemeine Tausendfuss, Julus fallax Mein, (tcrrestris L.). trat im Kreise Thann im Ober- Elsass in ungeheuren Mengen auf und schädigte be- sonders die Rüben. Wiederholt wurden Eiseubalinzüge bei Station Sennheim von solchen aufgehalten, die in einer Länge von 1 km die Geleise l>edecktcn. Auch an Kartoffeln schadeten Taussendfüsse bei Kemnitz in Brandenburg. AIill)en. Milbenspinnen, Tetranychu.s spp. [hier immer telarius L. genannt, Reh], schadeten etwas an Gartenbohnen im Unter-Elsass, am Lein bei Trebnitz in Schlesien (werden Ende Juni selten, so dass vermuthet wird, sie wären vom starkem Regen abgewaschen), an Gurken bei Liegnitz in Schlesien, in den Vierlanden (nin- in Mistbeeten) und in Oldenburg, an Hopfen in Bayern und dem Ünter-Elsass, an Apfel- und Birnbäumen in den Vier- landeu, an deusellien und besonders stark an Pflaumen und Zwetschen in Bayern, an Reben bei Minden i. W., in der Pfalz und im Elsass. Besonders bei Reben wird ein Unterschied in dem Befall der verschiedenen Sorten gemeidet, sowie dass schwachtriebige Sorten und Stöcke besonicrs leiden. Räucherung der Mistbeete mit Tabak er- wies sich in den Vierlanden als völlig unwirksam; Spritzen mit Halali beseitigte die Milben völlig von einer Spalier- birnc. Von den Gallmilben, Phytoptus (jetzt Eriophyes), war E. piri Na), überall verbreitet; beim Apfelbaume, bei dem leider meist keine Unterscheidung zwischen den Pocken (E. piri) und dem Filze (E. malinus Nal.) statt- findet, zeigten sich Milbengallen in den Vierlanden und in Bayern. E. similis Nal. trat in den Vierlanden, bei Fried- berg und in Bayern an Pflaumen auf. Bei Breslau sollen die sich sonst auf Pruns padus findenden Beutelgallen vou E. padi Nal. [in Berichten fälschlich auch Ph. similis ge- nannt, Reh] in Menge auf Süsskirschen auftreten, deren Blätter knorpelig entstellend. E. tristriatus Nal. (juglan- dis Am.) wird berichtet aus Hamburg, Friedberg, Bayern, E. vitis Land, aus Brandenburg, Oldenburg, Provinz und Königreich Sachsen, Sachsen-Weimar, Rheinhessen, Rhein- provinz, Bayern, Elsass-Lothringen. Fast immer wird namentlich bei der letzteren Art betont, dass ein nennens- werther Schaden nicht verursacht wurde; nur einmal heisst es, dass ein Weinstock durch die Gallmilben stark ge- schädigt wurde. Rundwürmer. Das Stockälchen, Tylenchus deva- statri.K Kühn, schadete in der Provinz Sachsen an Roggen (bis zu 2ü %), Hafer (Ib'^lo) und Wintergerste, in der Rheinprovinz an Roggen und in Bayern (Getreide). Ferner befiel es Stengel pilzkranker Kartoffeln bei Jeckenbach in der Rheinprovinz und Klee in Schlesien, bei Hildesheim (30 "/„), Geilenkirchen in der Rheinprovinz und Neumarkt in Bayern. Bei Geilenkirchen war es nicht von Rothklee auf benachbarte Getreidefelder übergegangen, was als eine Stütze der Ansicht von Ritz. Bos angesehen wird, dass diese Thiere sich örtlich an eine, bestimmte Nähr- pflanze gewöhnen. — Das Weizenälchen, T. .scandens Sehn., wird angeführt aus Jst- u. Westpreussen, Hannover und Jcrichow in Sachsen. — Das Rübenälchen, Hete- rodera Schachtii Schm., machte sich an Rüben nur be- mcrkltar in Posen, der Provinz Sachsen (6 Berichte; Schaden einmal bis 20 "/o), Anhalt und bei Giessen in Hessen; schlimmer schädigte es an Hafer in Schlesien (4 Berichte; einmal .'■)()'' ,,), Brandenburg (1 Bericht), Schles- wig-Holstein (3 Bericiite, einmal 3(1 — 50, einmal 30— 400/o), Provinz Sachsen (3 Berichte), Westfalen und Bayern (je 1 Bericht). Unbestimmte Aeichen wurden beobachtet in Gerste (Brandenburg und Provinz Sachsen), Spinat (weitgehende Schädigungen bei Aachen) und Sellerie (unge- zählte Tausende von Aeichen in den Knollen, bei Augsburg). Schädigungen, die durch „unbestimmt« Thiere" verursacht wurden, und z. Th. recht beträchtlich waren (30, 50, 60, 70 "/o etc.), werden eine beträchtliche Anzahl angeführt, 10 von Getreide, 4 von Kartoffeln, 4 von Hülsenfrüchten, 11 von Rüben u. s. w., 6 von Obstbäumen. In den meisten Fällen handelt es sich um Insektenlarven oder Milben, die öfters ohne Weiteres bestimmbar sind. Wohl zur Genüge wird man aus vorstehender Zu- sammenstellung den Einfluss der neueren Veröffentlichungen des einen der Herausgeber des Jahresberichts, Professor Dr. Sorauer, ersehen haben, die energische Betonung der Prädisposition im weiteren Sinne. Als solche ist vor Allem anzusehen, dass gewisse Varietäten von Pflanzen von gewissen Krankheitserregern pflanzlicher wie thierischer Natur besonders bevorzugt werden; ferner, dass lokale Einflüsse verschiedenster Art (Spalierpflanzung, feuchte oder trockene, warme oder kalte Stellung u. s. w.) von Wirkung sind einerseits auf die Kulturpflanzen, anderer- seits auf die Schädlinge, wodurch die richtige Erkennt- niss des Krankheitsfalles ungemein erschwert wird; schliess- lich kann die Prädisposition teratologischer Natur sein, indem gewisse Kränkelten die Entstehung anderer be- günstigen, oder äussere Schädigungen (Verletzungen u. s.w.) Witterungs-Einflüsse u. s. w. eine Pflanze für Angriffe von Parasiten empfindlicher machen. Für fast alle diese Fälle finden sich Beispiele in Vorstehendem, und es bedeutet einen wesentlichen Schritt vorwärts in der Phytopatholo- gie, dass man auf solche Krankheitsursachen achtet. Allerdings ist von dem Achten bis zum Erkennen noch ein weiterer, grösserer Schritt; hier können nur genaue, oft sehr zeitraubende lokale Untersuchungen durch ge- schulte Fachmänner fördern, Untersuchungen, wie sie von einem Central-Institut nur in den seltensten Fällen, von den landwirthschaftlichen Lehranstalten fast nie vor- genommen werden können. Wir kommen also auch hier wieder dazu, den Ruf nach lokalen Pflanzenschutz-Sta- tionen zu erheben, wie sie in Amerika seit vielen Jahren schon in so reichlicher Anzahl, vorzüglicher Einrichtung und Segen bringender Thätigkeit bestehen. Unsere Land- wirthschaft bedarf dieses Schutzes ganz besonders. Uel»er den Begriff der mit dem Nackten ver- bundenen Scham hei den Ainos und Japanern giebt E. Baelz in der Zeitschrift für Ethnologie (Berlin 1901) als Episode in einem Artikel, der sich mit den Menschen- Rassen Ostasiens beschäftigt, das Folgende an: Wie weit die Scheu der Aino-Frauen vor der Ent- blössung geht, habe ich einst in sehr charakteristischer Weise erfahren. Ich kam in eine Missionsschule, in der Aino-Kinder unterrichtet wurden; dort sah ich ein Mädchen, das auf einem Bein hinkte und einen schmerzhaften Buckel hatte, also offenbar an Wirbelentzündung litt. Ich wurde gefragt, ob man da etwas thun könne; natürlich sagte ich, erst müsse ich das Mädchen untersuchen. Darauf erklärte dasselbe, das bereits 7 Jahre in der Missions- XVI Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 425 Schule war, lieber würde es sterben, ehe es seinen Rücken entblössen und einem Manne, auch wenn er Arzt sei, zeigen würde. Diese übertriebene Angst vor Ent- blössung ist um so auffallender, als sie zur japanischen Auffassung in schroffem Gegensatz steht, denn in Japan gilt die Nacktheit an und für sich durchaus nicht als un- anständig. Aber allerdings, w;;nn die Japanerin Kleider trägt, so thut sie es, um den Körper zu verhüllen, und das eigenthümlichste japanische Kleidungsstück, der be- kannte Gürtel (Obi) hat den Zweck, die weiblichen Formen unsichtbar zu machen, indem er die Taille aus- gleicht, und der grosse Lappen, der hinten herunterhängt, hat ebenfalls einen verhüllenden Zweck. In Ost-Asien findet man überall, nicht bloss bei den Japanern, sondern ancli bei den Chinesen, eine Kleidung, welche die Körper- form verhüllt und verdeckt; ein „Zurschautragen der weib- lichen Geschlechtsabzeicheu", um einen schopenhauerischen Ausdruck zu gebrauchen, widerstrebt allen dortigen An- schauungen. In der That hat mir einmal ein vornehmer Chinese, der lange Zeit in Europa war, gesagt: „Ich habe allmählich eure Auffassungen verstehen gelernt; aber in die Köpfe meiner Landsleute zu Hause wird es niemals hinein- gehen, dass ein Wesen, welches die Kleider benutzt, nicht um die weiblichen Formen zu verhüllen, sondern um sie zu zeigen und so zu sagen dem Blick eines jeden Mannes auf der Strasse preiszugeben, auch nur eine Spur von Schamhaftigkeit haben könne." Dies ist auch einer der Gründe für die besondere Abneigung gegen die weiblichen Missionare. Die Japanerinnen aber sind mit Unrecht häufig verurtheilt worden, weil sie die der unserigen entgegengesetzte An- schauung haben, dass die Nacktheit an und für sich nicht unsittlich sei. Wenn man so auf der einen Seite die Aino-Frauen, auf der anderen die Japanerin sieht, nnd dann in Ost-Asien wieder europäische Frauen findet, die selbst stark decolletirt zum Balle gehen und doch an dem halbnackten Kuli Anstoss nehmen, dem Kleider seine ohnehin anstrengende Arbeit in der Sommerhitze er- schweren, dann muss man sich wirklich fragen, wie sich Nacktheit und Sittlichkeit zu einander verhalten. Ich glaube, man kann diese Frage einfach so beantworten: die Nacktheit, so lange sie unhewusst ist (wie bei Adam und Eva vor dem Fall), ist absolut harmlos und unge- fährlich; von dem Augenblick an, wo sie bewusst wird, ist sie verführerisch und fängt an, unsittlich zu werden. Ein geistreicher Franzose hat daher auch von der Ja- panerin gesagt, sie sei Eva vor dem Sündenfall. In dieser Beziehung ist mir namentlich auch das Urtheil einer englischen berühmten Schriftstellerin, der viel ge- reisten Mrs. Bishop, vorher Miss Bird, sehr interessant gewesen. Diese Dame hatte in ihrem weit verbreiteten, auch ins Deutsche übersetzten Buche: „Unbetretene Pfade in Japan", sehr hart über den Mangel an Schamhaftigkeit der Japanerinnen geurthcilt. Zwanzig Jahre später, nach- dem sie in allen möglichen Ländern der Weit gewesen war, traf ich sie in einem japanischen Gebirgs-Badcorte. Wir wohnten in demselben Hotel, und als wir einst beide zufällig Zeugen einer Sceue von fast unglaublicher Naivi- tät waren, sagte Frau Bishop: „Ich fürchte, ich habe diesen Menschen Unrecht gethan; ich weiss jetzt, dass man nackt sein und sich doch wie eine Lady benehmen kann." Gerade aus dem Munde einer Frau, die, so lange sie in ihren europäischen Vorurtheilen von Prüderie befangen war, so herb geurtheilt hatte, ist ein solches Wort doppelt bedeutungsvoll. lieber die formativen Beziehungen zwischen Nervensystem und Regenerations - Produkt spricht C. Herbst (Heidelberg) auf dem V. internationalen Zoo- iogen-Congress in Berlin (No. 6 des Congress-Tageblattes). — Der Vortragende hatte im Jahre 1896 festgestellt, dass Vertreter der Gattungen Palaemon und Sicyonia an Stelle total mit dem Stiel exstirpirter^Augen nie wieder Augen, sondern, sofern überhaupt Regeneration eintritt, stets ein fiihlerartiges Organ erzeugen, das mit dem distalen Theile einer normalen Antennula übereinstimmt. Diese That- sache konnte dann später noch bei fünf weiteren Krebs- gattungen mit gestielten Augen festgestellt werden. Ausserdem fand der Vortragende, dass an Stelle solcher Augen, deren Stiel bei der Operation geschont worden ist, wieder neue Augen entstehen, dass also eine Diffe- renz in der Qualität des Regenerationsproductes besteht, je nachdem man den Schnitt au der Basis des Augen- stieles oder an dessen distalem Ende führt. Durch die erste Sclinittführung wird der Augenträger und die in ihm liegenden Sehcentren mit entfernt; bei der zweiten Operationsweise aber bleiben letztere erhalten. Der Vortragende kam in Folge dieser Thatsachen auf den Gedanken, dass die Alternative, ob an Stelle eines verloren gegangenen Auges wieder ein Auge oder ein Fühler regenerirt wird, davon abhängt, ob die Seh- centren erhalten bleiben oder nicht. Die nervösen Central- organe entscheiden also über ^die Qualität des Regene- rationsproduktes. Als Beweise für seine Auffassung konnte der Vor- tragende bereits früher folgende Thatsachen anführen: L Die Gattung Porcellana, deren Augengangiien wie bei sitzäugigen Krebsen dem Gehirn anliegen und nicht gänzlich in die Augenstiele hineingerückt sind, regene- riren neue Augen, auch wenn der Stiel total mit ent- fernt wird. 2. Die sitzäugigen Krebse, deren Augenganglien bei Amputation der Augen ebenfalls erhalten bleiben, regene- riren ebenfalls wieder Augen und keine Antennula. Neuerdings konnte der Vortragende noch weitere Be- weise für die Richtigkeit seiner Ansicht beibringen. Es ist ihm nämlich gelungen, aus dem distalen Theile des Augenstieles nach calottenförmiger Abtragung eines Theiles vom eigentlichen Auge und vom Augeustiel ein antennen- ähnliches Organ hervorwachsen zu lassen, wenn er die Sehcentren aus dem Augenstiele entfernte. Da er nun schon früher fand, dass auf d,"n distalen Theilen der Augenstiele nach Amputation de| eigentlichen Augen miter Schonung der Augenganglien die Ansätze zu neuen Augen entstehen, so ist durch die neuen Experimente sicher be- wiesen, dass dieselben Zellen, je nachdem sie dem forma- tiven Einfluss der Augenganglien ausgesetzt werden oder nicht, entweder ein neues Auge oder ein ganz anderes Organ, eine Antennula, wiedererzeugen können. Der Vortragende sprach sich ausserdem gegen die Auffassung der von ihm entdeckten Thatsachen als Ata- vismen und entgegen der Ansicht von 0. Kupffer !üi- die Zweckmässigkeit der von ihm entdeckten Heteru- morphose aus. Die Revision des Meridianhogens von Quito ist das erste grosse, wissenschaftliche ünteruehnieu, dessen Ausführung die französische Nation am Beginn des neuen Jahrhunderts als Ehrenpflicht übernommen hat. Bekannt- lich waren es französische Gelehrte, die im Jahre 1735 durch eine Gradmessuug in Peru und eine andere in Lapp- land die Thatsache der Abplattung der Erdkugel, welche von Newton auf Grund der theoretischen Mechanik be- hauptet worden war, bestätigten und dadurch einen lange 426 Naturwissenschaftliclie "Wochenschrift. XVI. Nr. 36. unentschieden gebliebenen Streit zum Ruhme der durch Newton so machtvoll gewordenen analytischen Mechanik zu Ende führten. — Gewaltige Fortschritte sind nun in den seitdem fast verflossenen zwei Jahrhunderten wie auf allen Gebieten, so auch auf dem der Geodäsie gemacht worden. Die Methoden wurden durch Gauss, Bessel, Airy und Clarke sehr wesentlich vervollkommnet und auch die Genauigkeit des Vermessuugswesens wurde auf eine viel höhere Stufe gehoben und bestand bei zahlreichen, namentlich von England und Nordamerika unternommenen Gradmessungen glänzend die Probe. Indessen liegen alle diese in neuerer Zeit mit grösster Schärfe ausgemessenen Meridianbögen in mittleren Breiten, während für die ge- nauere Bestimmung der Gestalt des Erdkörpers Messungen nahe dem Aequator und den Polen von unvergleichlich viel höherem Werthe sind. Darum ist es nunmehr im Interesse der geodätischen Wissenschai't sehr an der Zeit, die Arbeiten des Jahres 1735 mit den Mitteln des gegen- wärtigen Könnens zu wiederholen. Schon ist auch be- reits eine russisch - schwedische Expedition nach Spitz- bergen abgegangen, um in möglichst hohem Norden einen Bogen von 4 — 5 Grad auszumessen, der an die Stelle des Lappländischen Bogens von 1735 zu treten haben wird; die Revision des seiner Zeit von Bouguer und La- condamine vermessenen, sogenannten peruanischen Grad- bogens, dessen Gebiet zur Zeit allerdings grossentheils der Republik Ecuador angehört, hat sich jedoch die fran- zösische Regierung nicht nehmen lassen wollen. Im ver- vergangenen Frühjahr hat dieselbe eine grossartig aus- gerüstete Expedition nach Südamerika entsendet, über deren Aufgaben Namens der Akademie der Wissenschaften M. H. Poincare im Pariser „Annuaire pour 1901" ausführlich belichtet. In Anlehnung an diesen Bericht mögen auch hier die Grundsätze des Frankreich zur Ehre gereichen- den Unternehmens dargelegt werden. Bereits im vorigen Jahre sind die Vorarbeiten für die Expedition durch eine Reise der Herren Maurain und Lacombe mit anerkennenswertheni Geschick erledigt worden. Mit Unterstützung der Regierung von Ecuador und besonders ihres derzeitigen Präsidenten Alfaro konnten die genannten Officiere in vier Monaten ihren weiten Weg von 3500 km durch schwieriges Terrain zurücklegen und dabei die Stationen für die neue Gradmessung, sowie auch geeignete Strecken zur Basismessung auswählen. Ebenso wie diese Vorarbeiten wird auch die eigentliche Ausführung der Gradmessung dem „Service geographique de rArmee" übertragen werden, da diese Körperschaft für derartige Arbeiten als ganz besonders geeignet gilt und auch bereits den Meridian von Frankreich gemessen hat. Die Akademie wird jedoch das Patronat und die wissenschaftliche ControUe der Arbeiten der Expedition übernehmen. Grundlinien von je etwa 8500 m Länge sollen im Ganzen drei ausgemessen werden, deren eine als Haupt- basis nahe der Mitte des Bogens bei Rio-Bamba liegt, während sieh die beiden anderen an den Endpunkten auf columliischcm und peruanischem Gebiet befinden. Zur Ausmessung dieser Grundlinien wird derselbe ßasismess- apparat dienen, der schon bei der französischen Grad- messung benutzt worden ist, so dass die äquatorialen Messungen mit den europäischen direkt vergleichbar sein werden. Von der Anwendung des Nickelstahls als Ma- terial für die Messlineale ist noch Abstand genonuuen worden, da die Eigenschaften dieser bekanntlich durch die Wärme nur sehr wenig beeinflussten Legierung doch noch nicht so genau bekannt sind, wie es bei einem so wichtigen Unternehmen erforderlich wäre. Für die Triangulation sind im Ganzen 52 Stationen in oft mehr als 4000 m Meereshöhe vorgesehen, von denen 28 dem alten Netz von Bouguer und Lacondamine ange- hören. Die Seitenlangen der einzelnen Dreiecke betragen 40 bis 50 km. Die Dreieckskette folgt dem Laufe der Cordilleren und ist daher nicht genau nordsüdlich ge- richtet, vielmehr weisen die äussersten Stationen einen Längenunterschied von etwa 3" auf. Die mittlere Basis wird mit dem Stillen Ocean durch ein Präcisionsnivellc- ment verbunden werden, das von einem nahe bei Guaya- quil im alten Leuchtthurm zu Playas anzubringenden Fluthmesser aus dem Zuge der projektirten Eisenbahn nach Quito auf einer Länge von 280 km folgen wird. Die gesammte Triangulationskette, die sich über einen Bogen von ß° erstrecken wird, greift sowohl nördlich als auch südlich erheblich über den im Jahre 1735 ge- messenen Bogen von nurS'/s" hinaus. Die astronomische Bestimmung von Länge und Breite soll an drei Punkten in der Nähe der drei Grundlinien mit möglichster Prä- cision erfolgen. Als mittlere astronomische Station ist die Sternwarte von Quito gewählt worden, welche wäh- rend der Dauer der Gradmessung unter der Direction von M. Gonnessiat aus Lyon stehen wird, Die Längendiffe- renzen der astronomischen Hauptstationen werden auf telegraphischem Wege bestimmt werden. Neben den eigentlichen Gradmessungsarbeiten werden an einer Reihe von Stationen auch Schwerebestimmungen mittels des Pendels ausgeführt werden, die bei dem ge- birgigen Terrain von ganz besonderer Wichtigkeit sind. Durch sie wird die Gestalt des Geoids in diesem Theile der Erde festgestellt werden; es wird sich zeigen, ob hier wie in den Alpen und im Himalaya die Wirkungen der Bergmassen durch entsprechende Massendefekte im Erd- innern nahezu compensirt werden, sodass die Erhöhung des Geoids vielleicht auch in den Cordilleren nur eine geringe ist. Jedenfalls ist die Bestimmung des Verlaufs der Geoidfläche (ideelle Meeresoberfläche oder Fläche gleicher Schwerkraft) ebenso wie der Lotstörungen an den Endpunkten des Meridianbogens von grösster Wichtig- keit für die Exactheit des Ergebnisses der ganzen Unter- nehmung. So wünschen wir denn der verdienstlichen Expedition vollen Erfolg. Ihre Arbeit wird dann sicherlich einen Markstein in der Geschichte der Erdmessung bilden. F. Kbr. L i 1 1 e r a t u r. Rudolf Ausfeld, Z:iliii:nzt iD Beiliu, Wie schaffen und erhalten wir uns gesunde Zähne? Berlin S. W., Hugo Steinitz Voilag. 1901. Das Heft br^cliuftigt sich mit der Entwicklung der Zähne, dem Milch- und dem bleibenden Gebiss, der häuslichen Pflege der Zähne, mit Zahn-Erkrankungen, dem Füllen der Zähne, dem Zahnziehen und Zahnersatz. Aus dem Text spricht der erfahrene Zahnarzt und wir würden daher gern näher auf den Inhalt des empfehlenswerthen Werkchens eingehen, wenn der Gegenstand nicht der „Naturwissenschaftliehen Wochenschrift" fernläge. 4iieiMeiiivei-Htäiidlirlic üarwinistisch«' Vorträge und Abliandliini>'eil. Herausgegeben von Dr. Willulm Breitenbacli, Odenkirchen, 1901. Heft 1: Prof. Dr. L. Plate. Die Abstammungslehre. Mit 8 Abbildungen, nebst einem Brief Ernst Haeckel's an den Herausgeber und einem Glossarium von Heinrich Schmidt. — Preis 1 Mark. Heft 2: Dr. W. Breitenbach. Die Biologie im 19. Jahrhundert. — Preis 75 Pfg. Heft 1 ist sehr geeignet, um die Grundzüge der Descendenz- lehre kennen zu lernen : es beschränkt sich auf Thatsachen aus dem Thierreich, die als Beispiele zur Begründung dieser Lehre herangezogen werden. Heft 2 enthält eine historische Betrachtung über die Bio- logie im 19. Jahrhundert, wie sie sich für einen Häckelianer darstellt. XVI. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 427 F. W. Paul Lelunann, Länder- und Völkerkunde. Bd. I. Europa. 791 S. Bd. II. Aussereuropa. 854 S. Neudiimm (Neumaiin). Mit dem vor Kurzem erschienenen 2. Bande dieses Werkes liegt wieder ein werthvoller Tlieil aus der schönen Sammlung „Hausschatz des Wissens" vollendet vor. Der erste, Europa be- liandelnde Theil erschien vor einigen Jahren (merkwürdigerweise tragen beide keine Jahreszahl). Wie der erste Band, so ist auch dieser unbedingt gut, ob- wohl er naturgemäss weit mehr als der erste ein Litteraturbuch ist, der Verfasser selbst bezeichnet sich hierfür als „Stubengeo- graph". Verfasser behandelt zuerst Afrika, dann Asien, Australien und Amerika und zum Schluss die Polarländer. Bei den einzelnen Theilen geht er von der Entdeckungsgeschichte aus und schildert daun die einzelnen Theile in zusammenhängender Sprache. Da- durch ist das Buch wie es der Zweck der ganzen Sammlung ist, geeignet, ein echtes Hausbuch zu werden. Doch auch für die Vorbereitung von Lehrern und für die Weiterbildung von Schülern ist es sehr brauchbar. Zahlreich sind die in den Text eingestreuten Bilder und der 2. Band hat allein 11 Farbendrucktafein. Pflanzen- und Thier- welt der Länder, Ländschafts- und Städtebilder werden uns ver- anschaulicht, vor allem aber Mensehen. Dass vielfach die Bilder Nachbildungen alter bekannter sind, ist kein Schade, da fast immer recht bezeichnende ausgewählt sind. Ein Eingehen auf Einzelheiten hat keinen Werth; Bericht- erstatter hat nicht allem Gelesenen beistimmen können, immer aber die Art der Darstellung klar und anregend gefunden, und unbedingte Unrichtigkeiten sind ihm bei seinen Stichproben nicht entgegentreten; er empfiehlt daher das Werk wie alle Bände der Sammlung, die er bisher gesehen. Dr. F. Hock, Luckenwalde. Kolilrausch, Lehrbuch der praktischen Physik. 9. umgearbeitete Auflage des Leitfadens der praktischen Physik. Leipzig und Berlin, Verlag von B. G. Teubner. 1901. 610 Seiten 8°. — Preis 8,00 Mark. Das vorliegende, in den Kreisen der Studirenden sehr be- kannte und gern gebrauchte Buch stellt in seinen aufeinander- folgenden Auflagen ein Stück Geschichte der modernen, wissen- schaftlichen Entwickelung dar. Als 1869 die aus wenigen Bogen bestehende erste Auflage erschien, war dieselbe zunächst nur für die Göttinger Praktikanten des Verfassers bestimmt, zumal physi- kalisch-praktische Uebungen damals noch durchaus nicht an vielen Orten eingerichtet waren. Bald erkannte man indessen an allen Universitäten die Nothwendigkeit, künftige Physiker und Physik- lehrer nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu unter- weisen, und mit Freuden benutzte man bei den so ins Leben tretenden Cursen den handlichen und für den Studenten nicht unerschwinglichen Kohlrausch'schen Leitfaden. Nun setzte aber die grosse Entwickelung der technischen Hochschulen und ver- wandten Anstalten höheren und nWderen Grades ein, u^d alle verlangten für ihre Uebuugett'nach einem Hilfsmittel wie dem vorliegenden. Dass es dabei nicht an mehr oder minder glück- lichen ConcurrenzunterueJhmungen fehlen konnte, ist selbstver- ständlich, und es gereicht-dfem vorliegenden Buche zum Ruhme, trotzdem seinen Platz bis auf den heutigen Tag behauptet zu haben Allerdings war dies nur durch eine dem immensen Fort- schritt gerade der praktischen Wissenschaft Rechnung tragende, beständige Vermehrung seines Inhalts möglich, und so ist denn nunmehr aus dem „Leitfaden" ein „Lehrbuch" geworden, dessen Umfang selbst demjenigen der fünften Auflage (1884) gegenüber fast verdoppelt ist; um aber auch dem Anfänger pin nur das Wichtigste enthaltendes Vademocum in die Hand zu geben, wurde auch eine Art Auszug unter dem Titel des „kleinen Leit- fadens" veröfi'entlicht. Dem Verfasser kam es bei der Verbesse- rung seines Buches sehr zu Statten, dass ihm zahlreiche, noch in der Praxis des Hoclisrhiilnntm-richts stehende Collegen Anregungen und Beiträge lief'iti n. ulihriMid ihn andererseit-i seine Stellung als Leiter der pli\ ■ ik;ilisrli fxdmischen Reichsanstalt mit Fach- gelehrten in enge iiirülirunti- brachte, deren grosse Erfahrung auf gewissen Specialgebieton er oft mit Vortheil zu Rathe ziehen konnte. So ist denn ein Werk entstanden, das in dem Gebotenen stets zuverlässig dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft ent- spricht, wenn auch mitunter absichtlich noch Messungsmethoden besprochen werden, die die gegenwärtige Praxis für veraltet hält, sofern dieselben nur einen didaktischen Werth haben oder au.s anderen Gründen es verdienen , nicht vergessen zu werden. Andererseits ist Verfasser der neuesten Entwickelung der messenden Praxis, besonders auf elektrotechnischem Gebiete, vielfach desshalb nicht ganz gefolgt, weil das in der Praxis benutzte Verfahren die didaktische Durchsichtigkeit oft vermissen lässt und ausserdem einem gar zu schnellen Wandel unterworfen ist. Was die sonstige Auswahl des Stoffes betrifft, so wird die Spektralanalyse unseres Erachtens etwas gar zu kurz abgethan, es werden hier nur die Methoden der Beobachtung kurz angegeben, aber die saclilichen Angaben beschränken sich ^uf das in den Tabellen gegebene, geringfügige Material. Das so interessante und für die Praxis wichtige Kapitel über Absorptionsspectra wird Seite 256 nur mit 5 Zeilen behandelt. Den Anhang des Buches bilden 54 Tabellen physikalischer Constanten, die sich auf die zuverlässigsten, existiren- den Quellen stützen. F. Kbr. Professor Dr. J. W. Otto Richter in Berlin und Gymnasial- Oberlehrer Constantiu Schulteis in Bonn, Bichters Atlas für höhere Schulen. Völlig neu bearbeitet. 45 Karten mit 4(» Neben- karten. Dreiuudzwanzigste Auflage (64. bis 70. Tausend). Carl Flemming, Verlag, Buch- und Kunstdruckerei, A. G-, Glogau. Gebunden 5 Mark. Der Richter'sche Atlas für höhere Schulen ist bei seinem ersten Erscheinen mit vielfachem Beifall aufgenommen, seitdem an zahlreichen Schulen eingeführt und in schnell aufeinander folgenden starken Auflagen weithin verbreitet worden. Aber die Verlagshandlung wollte sich nicht mit dem oft vernommenen an- erkennenden Urtheile begnügen, dass sich dieses W^erk als ein brauchbares Unterrichtsmittel bewähre, sondern war von dem Streben beseelt, dasselbe zu immer grösserer Vollkommenheit fort- zuentwickeln. Zu diesem Zwecke fasste sie eine völlige Neube- arbeitung ins Auge. Auf ihren Wunsch verband sich zu diesem Zwecke der erste Herausgeber mit dem Gymnasial-Oberlehrer Constantin Schulteis, der sich bereits durch kartographische Ar- beiten iiber seine engere Heimat bekannt gemacht hat. Die Verfasser waren ernstlich bestrebt, überall den neuesten Standpunkt des Wissens zum Ausdruck zu bringen. Sie suchten den Atlas immer mehr den Bedürfnissen der höheren Schulen an- zupassen und schieden daher noch vieles aus, was nicht vom Schüler gelernt werden soll, oder was sich zur Besprechung im Unterricht nicht eignet. Z. B. wurden von den Eisenbahnen nur die wichtigsten Linien aufgenommen. Klarheit und Uebersicht- lichkeit des Kartenbildes sind sehr zu loben. Da die Karte den Gebrauch des Lehrbuches einschränken soll, haben die Verfasser manches Interessante und Wichtige durch Zeichen angedeutet. Z. B. geben die Höhenzahlen an den Stromläufen Gelegenheit zu anregenden Messungen und Vergleichen, während die Hervor- hebung der Kampfplätze und der für grosse Heere wichtigen Durchgangsgebiete den Atlas zur Förderung des Geschichtsunter- richts geeignet macht. Die Orte sind nach ihrer Einwohnerzahl gezeichnet, wodurch ihre wirthschaftliche Bedeutung, auf die es vor allem ankommt, besser in die Augen fällt. Die Orte über 100 000 Einwohner sind als Brennpunkte des Lebens allenthalben durch eine rothe Färbung vor den übrigen hervorgehoben worden. — Der Förderung des Verständnisses für Handel und Industrie sollen die Blätter 11 und 17 und die Hafenkärt- chen dienen. Die Tiefenverhältnisse der verschiedenen Meere sind ebenfalls berücksichtigt worden. Ein einheitlicher Maassstab ist angestrebt worden. Eine Karte vereinigt alle deutschen Kolonialgebiete und Deutschland selbst auf einem Blatte und in einem Maassstabe. Andreae, Dr., Wandtafel für den Anschauungsunterricht. Cassel. - 1 Mark. Chelius, C, Lindenfols. Darmstadt. — . — , C, Neunkirchon. Ebenda. Deecke, Prof. Dr. W., Geologisclnr Führer durch Campaiiiun. Berlin. — 4 Mark. Fischer, Prof. £mil, und Landbauinspektor Max Gush, Der Neubau des ersten chemischen Instituts der Universität Berlin. Berlin. — 11 Mark. Frech, Prof. Dr. F., Geologie der Radstädter Tauern. Jena. — 18 Mark. Karte, geologische, des Grossherzogthums Hessen. 1 : 25,000. Darmstadt. Klemm, G, Beerfelden. Darmstadt. — . — , Kelsterbach und Nen-Isenburg Ebenda. Wundt, Wilh., Gustav Theodor Fechner. Rede zur Feier seines lOOiiihrigen Geburtstages. Leipzig. — 2 Mark. Ziegier, Jul., u. Prof. Walt. König, DD, Das Klima von Frank- furt am Main. Frankfurt a. M. - 4 Mark. Inhalt: Dr. L. Reh: Schädigung der Landwirthschaft durch Thierfrass im Jahre IIJUO. — Ueber den Begriff der mit dem Nackten verbundenen Scham bei den Ainos und Japanern. — Ueber die formativen Beziehungen zwischen Nervensystem und Regeuerations- Produkt. — Die Revision des Meridianbogens von Quito. — Litteratur: Rudolf Ausfeld, Wie schaffen und erhalten wir uns gesunde Zähne ? — Gemeinverständliche Darwinistische Vorträge und Abhandlungen. — F. W. Paul Lehmann, Länder- und Völkerkunde. Bd. I: Europa. — Kohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik. — Prof. Dr. J. W. Otto Richter und Constantin Schulteis, Richters Atlas für höhere Schulen. — Liste. 428 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 36. ♦*♦♦♦♦*♦ ^♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦J : Dr. Robert Muencke : X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ♦ i Technisches Institut für Anfertigimg wissenscliaftlicher Apparate * ♦ nndGeriithscliaftiMi iniOcsainmtgobieto fior Naturwissenschaften. ♦ ♦♦♦»♦♦♦♦♦» .♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Düiiimlers Yerlagsbuchhandlung in Berlin SW.12. Einleitung höhere mathematische Physik. Dr. B. Weinstein, Uiiiversitätsprofessor in Berlin. Mit 12 in den Text gedruckten Figuren. 413 Seitenjgross Oktav. In Leinen gebunden 7 Mark. Von den bereits vorhandenen Werken, welche zusammenfassend in die Theorien der Physik einleiten, niiterseheidet sich das vorliegende Werk dadurch, dass es diese Theorien auf Grund der höheren mathematischen Analyse allgemein entwickelt. Ks ist nicht allein für Lernende, sondern auch für Lesende ge- schrieben und verfolgt überhaupt den Zweck, eine Übersicht über den gegen- wärtigen Besitzstand der Physik an mathematischen Hilfsmitteln zu gewähren ^hancllungen zur potentialtheorie. Dr.f Artliur Korn. l'iivatdozent an der k. Universität München. III. Über die zweite und dritte Randwertaufgabe und ihre Lösung. IV. Über die Differentialgleichung AU + kf-U = f und die harmonischen Funktionen Poincares. Vor kurzem erschienen: I Ein allgemeiner Beweis der Methoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Dirichletschen Problemes im Räume. 11. Eine weitere Verallgemeinerung der Methode des arithme- tischen Mittels. Preis jeden Heftes'.liMark. Zu beziehen durchfalle Buehhandlung-en. Ferd. »ümmlers Verlagsbucliliandiung in liirlin S>V. flödjft oriflinfU» — oornelm» oiiagtggttcte guatnbfdirift! |ri| §nt\Hn. giDiirsiunfltn in iiautrdioii. fnul f inomorrg. »98 $tlttn Btofe (»lila ?ttistftg. flBraftif(6e« »cvbalten. Wott uuli SBclt. - IV. ©bofeiparee «mmkt. - V. ®oetb£ä Sauft. ~ VI. *B»ton§ TOaufreb. — VIL ©djopenbauev unb ©siiiosJ. - VIU. ©briftuS unb SButbba. - IX. äUcrauber, (äälar, 5i(iboleon. — X. I5artt)in uub aombroio. - XL gtiruer, s)iice(d)c unb Sbfen. — XU. öd)lu6betvad)tuu9. fünfte wcrmctjrte Shiflagc. (ßtl)tftct 4, SO iBntk, citijniit ocbiinbtn 0 iHnrIi. ;3u bi'jicbcu biirdb alle SöucbtjanMmigcii. hl Ferd Dttmmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 orsclüon: Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. Von J. E. Poritzky. ■XA Soitc-n. 8°. Preis Rehoftet 4 Murk, i,'<'l)un.lei. 5 Mark. Ft'i Ehlen lang, ist aber nicht halb so dick als eine Schreibfeder, hat einen kleinen Magen, worinn ich anders nicht gefunden als Fischgränen. Dieser Vogel hat die Natur, dass er die Speiss langsam verdaue und kan auch ziemlich laug ohne Speiss seyn, dass gibt sein Gedärm zu erkennen, welches ich sonst an keinem Vogel also habe gesehen undt wahrgenommen. Hatt eine zimblich breyte Zung, sonsten ist dieser Vogel auch gutt zu essen. Für Jäger ist gewiss die Beschreibung interessant, die Baldner von der Stockeute (Anas boscas L.) gicbt. Er sciiildi-rt sie folgenden Ein Antvogel. (Anas boscas L.) Ein Antvogel ist der beste in der Speiss unter dem wilden Endtengeschlecht. Sie fressen wenig Fischlein, nehren sich mehrentheils mit Saat, Wurtzeln, Eicheln undt dergleichen. Je grösser die Wasser sind, je fetter und besser sie werden, als die heimischen Antvogel oder der- selben Geschlecht; und seynd Sie besser vor Weynachten, dann zu End des Aprilis fangen Sie schon au zu brüeten, machen ihre Nester zu Zeiten uff' die Bäum bei den Wassern. Under dem ganzen Antvogclgeschlecht sindt keine die so viel Vögeln und uffsitzen als eben diese Art: haben auch die grössten Hödlin. Ihr Gedärm sampt dem Schhint ist vierthalb Ehlen lang. In dem Magen haben sie allzeit kleine Steiulin; undt wenn ihre Füess gar roth sindt, so sindt sie alt, wenn sie aber schwartzlecht, so sindt sie jung. Auch haben sie ein gar scharfen Geruch und können schon von ferne jemand riechen, ob sie ihn schon nicht sehen, wann sie nur den Wind von einem haben, Im Winter sind sie im Rhein, wo sie ihr Läger haben, bey drey oder vierhundert da anzutreffen, alle in einer Heerd. Die Färb dess Schnabels ist gelb, der Kopff grün, die Brust braun, der Bauch aschenfarb und der Rücken dunkler, die Fettich mit etlich blohen Federn, die Füess roth. Und wann sie anfangen sich zu baden und under das Wasser zu sehlieffen, so ist gewiss den andern Tag regen oder Wind zu gewarten. Ich habe solcher Antvogel gehabt, die mit sampt den Federn bis in drey Pfundt und ein VierUng gewogen haben. M. H., wollen wir nun zu der Abtheilung des Buches übergehen, die für Sie naturgemäss das grösste Interesse haben muss, zu dem Fischbuch. Aus diesem will ich er- wähnen, dass Balducr im Jahre 1666 bereits so ziemlich sämmtliclie im Oberrhein überhaupt vorkommenden Fisch- arten gekannt hat, mit Ausnahme der Karausche (Ca- rassius vulgaris) und des Strömers (Telestes Agassizü), von den Cyprinoidenbastarden natürlich abgesehen. Seine Angaben sind hier, wie zu erwarten, besonders zuver- lässig und genau. Mit grosser Sorgsamkeit giebt er über- all die Laichstellen und die Laiclizeit an und mit liebe- vollster Sorgfalt macht er auch stets darauf aufmerksam, in weichen Monaten jeder Fisch am besten zu essen ist. Hören wir beispielsweise, was Baldner über einen unserer interessantesten Fische, den Rheinlachs oder Salm sagt: Ein Salmen. (Salmo salar L.) „Der Salmen ist ein Herren-Fisch und köstlich in der Speiss; vom Mertzen an undt je länger je besser bis in den Brachmonat, da seind sie am allerbesten und werden auch zu der Zeit am meisten gefangen, also dass anno 1647 zu Strassburg in einem Tag sindt verkauftet worden 143 Salmen, und dass ein Zeihl Salmen gölten hat 6 auch 4 djf. Die grössten Salmen bey uns konnnen bis uff ein halben Centner schwer. In Hornuug fangen Sie an und schwimmen hinauft'werts und im Augstmonat kommen Sic widrumb hinunder und wird ein Lachs genannt vom End des Augusti biss wieder in den Horaung, dieweil Sie der- selben Zeit gar schlecht zur Speiss sindt. Sie haben ihren Leych um St. Catherinen tag. In strengen Wassern Ulf den Steinboden machen Sie grosse Gruben dass Sie XVI. Nr. 37. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 435 darein Leychen. In dem Winter und Christmonat werden vSie bei uns verbotten damit der Leych wohl könne fort- kommen, nnd viel junge Sälmling- giebt, es wird der Rogen erst lebendig im Meyen. In dem Leych bat der Lacbs .-«chöne Blumen und ist hiipsch von Farben, hat ein Haken in dem nudern Küff'el. Sie sind oiftmals so begierig im Leychen, dass Sie einander selber beschädigen und et- liche davron sterben. Im Leych werden ihrer auch viel gefangen. Ihre Nahrung ist schleim. In einem Sahnen, (1er im 20. Aprilis ist uffgeschnitten worden, bab ich ge- funden, dass er 2 Fisch in dem Magen gehabt. Der Salmen, die Eschen, das Elbel, die Waldforell und VVeiss- forell, haben hinter der Ruckfeder ein ander klein Ruck- federlin, dieweil Sie alle 5 gute Fisch sindt, und wird sonst an keinem Fisch also gesehen". Ganz besonders interessant sind die Angaben, die Baldner über die Neunaugen, die Gattung Petromyzon macht. Baldner unterscheidet drei Arten von Neunaugen: die grosse Meerlamprete (Petromyzon marinus L.), dann das Flussneunauge (Petromyzon fluviatis L.) und das Bach- neunauge (Petromyzon Planeri Bloch.). Es ist vielleicht einer Anzahl von Ihnen bekannt, dass man bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts noch eine vierte Art annahm, den blinden sogenannten Querder (Ammocoetes branchialis). Erst im Jahre 1856 bat Professor August Müller in Berlin durch Beobachtungen in der Panke festgestellt, dass der Querder keine eigene Art noch viel weniger Gattung, sondern nichts weiter ist als die blinde Larve des Bach- neunauges. Als Müller dies Resultat seiner Forschungen veröffentlichte, fand er damit anfangs in wissenschaftlichen Kreisen keine besondere Anerkennung, ja man hat sichsogar anfangs dagegen recht skeptisch verhalten.*) Erst Siebold**) in seinem Werke über die Fische Mitteleuropas hat die Entdeckung Müiler's zu Ehren gebracht und bestätigt. Er war um so mehr geneigt, die Beobachtungen Müiler's für richtig zu halten, als er zu seiner ausserordentlichen Ueberraschung fand, dass Baldner bereits 1666 diese Ent- wickelung der Neunaugen aus den blinden in die sehen- den gekannt und richtig geschildert hat. Diese That- sache ist zu interessant, als dass ich mit versagen sollte, Sie mit der Beschreibung dieser drei Neunaugenarten nach Baldner's eigenen Worten bekannt zu machen. Baldner schildert beispielsweise die Lamprete (Petromyzon marinus) folgendermaassen: Ein Lampreth. (Petromyzon marinus L.) „Ein Lampreth, diese Fische werden nicht alle Zeit bey uns gefangen, sondern im Mertzen konnnen Sie das Wasser heraulf und sindt zur selbigen Zeit am besten und voll Rogen. Sie haben ein hart Fleisch und ist grünlecht, haben keine kränen müssen aber wol gesotten werden. Sie haben ihren Leyeh im Aprillen in strengen Wassern uff dem Steinboden. Sie machen Gruben, tragen mit den Mäulern 2 pfundige Stein unb die Gruben hcrumb, kleiner und grösser, dass Sie darein leychen auch mit grosser Meng darinn gefangen werden, also, dass der Fischer mit dem Wurffgarn Sie überwirfft, dass garn aber lassen Sie über den Kopff hienstreichen diweil Sie so stark an den steinen saugen. In etlichen Orthen, wo es nicht dieff ist, kann mann Sie sehen in den Gruben bencken." Es folgt darauf die Beschreibung des Flussneunauges (Petromyzon fluviatilis). Ein Perel oder Priek. (Petromyzon fluviatilis L.) „Ein Perel wird dieser Fisch bey uns genannt und in Niderlandt ein Brücken; diese werden bey uns im *) Vei'gl. Heckel und Kiiei" Süsswasserfische der öster- reichischen Monarchie (1858) S.2383— 384. **) Siebold: Süsswassei-fische von Mitteltraropa (18G3) S. 378. Hornung und Mertzen viel gefangen, da schwimmen sie das Wasser immer auifwerts, zu dieser Zeit seind Sie am besten. Sie halten sich gern allein in den strengen Wassern; ihren Leyeh haben sie im Aprill, wo dass Wasser streng lautt't, uff dem Steinboden machen Sic grüblein, und hängen sich mit den Mäulern an die Stein etlichnial 6 oder 10 auch biss in 20 Stuck beysaunnen. Zu End des Aprilis seind Sie am allersehlechsten zu essen sonst seind Sie trefflich gutt gesotten oder eingebeitzt. Sie geleben allein des saugens, haben kein gedärm oder eyngeweydt, dann ein einiges äderlin gehet vom Man! strack binden auss, haben ein klein Hertz, und eine lange Isabellenfarbe Leber. Nach dem Leych werden wenig mehr gefangen, schwimmen dass Wasser widrumb hin- underwerts, etliche verschlieflfen sich in den dieffcn Wassern im Holtz oder Krauthäuffen. Die grössten dieser Fisch werden einer Eblen lang und eines Daumes dickh. Diese Art ist die Mittelgattung zwischen den Lampreten und Neunhocken." Dreyerley*) sehender Neunhocken. Ein blinder Neun hocken. (Petromyzon Planeri Bloch. Ammocoetes branchialis Cur.) „Ein Neunhocken oder Neunaugen wird dieser Fisch bey uns genent, und kompt dieser Nammen her, dieweil die sieben Löcher und zwey Augen für Neun Augen ge- zehlt werden. Dieser Neunhocken oder Neunaug hatt seinen Leych im Mertzen und Aprill. Sie henken an den Steinen hauffecht bey einander; wo dass Wasser starkh laufft, da machen Sie dieflfe grüblein, darein thut sich dass paar mit den Bäuchen zusammen ihre Geylheit zu verrichten, welches ich sonsten von keinem Fisch also gesehen, alss von den Neunhocken, dieweil Sie in dem Wasser, da es nicht dieff, Leychen, dass maus wol sehen kan. Nach dem Leych seind Sie nicht mehr sonderlich gutt zur Speiss, aber im Jenner und Hornung bis in Anfang Mertzens da- seind Sie am besten. Nach dem Leych verschlieffen Sie sich wieder in den Muhrsandt und Krauthäuffen im Wasser, bis ihre Zeit vorüber, dann sie brauchen gar wenig speis, behelffen sich nur mit dem sugen und essen sehr wenig in dieser Zeit. Vom Augusto bis in den letzten Christmonat so werden dieser gattung nicht viel gesehen oder gar wenig gefangen, aber der Blinden Neuhocken giebt es ein gantzes Jahr genung. Die gesehenden und die Blinden sind sonst einerlej' art, dann die Jungen von Anfang alle Blindt sein, und verschlieflfen sich gleich in den Muhr, wenn Sie vom Rogen lebendig werden. Die blinden bekommen keinen Rogen bis Sie gesebendt werden. Die gesehenden Neu- hocken werden sonderlich gelobt, aber die Blinden kauflft mann nicht gern, undt werden nicht viel geacht sondern werden gebraucht zum aas an die Angel, ähl undt andere Fisch damit zu fangen. Die gesehenden Neunhoeken sind theurer bey uns im Hornung und schwimmen den stärcksteu Wassern nach. Die grüsten werden einer Hand lang, zu nacht, wann es finster, werden sie in Körben gefangen. Ich bab deren gehabt mit 2 Schweiffen, auch bab ich gesehen, dass ein Neunhocken im Maul ein steinlin einer halben Nüssen gross getragen hat. Sie henken mit den Mäulern an den Steinen und mit dem schweift' schlagen Sie die andere weg, machen also darmit ein Grübel." — Mitten unter den Fischen erscheint bei Baldner auch der Krebs, von dem 2 Arten, Edelkrebs und Steinkrebs, unterschieden werden. Vielleicht erlauben Sie, m. H., ob- *) Baldner nennt die kleinere Art auch Neunhocken und be- schreibt dreierlei „Arten", weil er neben den gewöhnlichen Indi- viduen auch solche gesehen hat, die zwei Schwänze hatten, und solche, die ganz roth gefärbt waren. 436 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 37. schon die Zeit weit vorgeschritten ist, dass ich Ihnen, da dieses Thier ja jetzt im Vordergrunde des Interessses steht, diese .Stelle aus dem Buelie auch noch wörtlich mittheile: Kin Edelkrch.«. (Astacus fluviatilis Fal)ricius — nobilis Huxley.) „Ein Edelkrehs, diese seiudt besser als die Steiu- krebs, und seind auch wol füreinander zu erkennen, dann die Edelkrehs sind unden au den Scheeren roth, aber die Steinkrebs undcn an den Scheeren weiss und bleiben woiss wann .Sie schon gesotten sindt. Es gibt auch der Edelkrehs, die bloh sind, wann Sie gesotten, werden sie weiss. Dass aber die Krebs so schön roth werden von Färb, wann Sie gesotten konipt daher, dieweil Sie ihre Färb in allen Schalen und nicht an einem Orth allein iiahen; auch haben Sie 2 breyte Zahn, ein kleines Mägel und ein äderiin geht grad hinauss, das ist in all sein gcdärm. Der Hau halt inwendig zu beeden seithen 2 weisse fädlin, das ist die Milch, alss dass Männel. Er halt auch sein männlich glied doppelt, dass seind die zwey spitzlen bey den hindersten Füssen dagegen hatt das Weibel sein weiblich glied auch doppelt, dass ist zu finden mitten zwischen den Füessen 2 iöchlin gar klein, gehen bis uff die Schaal. da kommen die Eyer zu ersten beim Ko])ff und je länger je weiter hinder sich, und zu letst unter den Wadel, da behalten Sie die Eyer und Be- schirmen Sie, bis die jungen lebendig werden. Ihre alten Schalen legen Sie ab im Jahr 2 mal, vor Johanni und im Angstmonat, bekommen auch zu der Zeit Krebsaugen und sind am grö.-ten, wann Sie die alte Schaal wegstosseu; alsbald die neue Schaal anfangt hart zu werden, so ver gehen die Krebsäuglen wieder. Es lässt auch kein Krebs die Krebsäuglen von sich selbs fallen, er werde dann von den andern gefressen, und fressen also einander selber, wo harte und weyche beyeinander sindt. Die Krebs sindt am besten in dem Augstmonat, undt am allerschlimmsten im Jenner und Hornung. In diesem haben die Krebs ein gross glückh: wann Sie ein Scheer abgestossen, so wachset alsbald ein andere wider. Die jungen werden lebendig im Meyen, wann es warm ist." Dann schildert Haldner noch den Steinkrebs, dessen Beschreibung ich hier übergehe. In der letzten Al)tlieiiung seines Werkes, dem Thier buch, fasst Baldner eine Ui)eraus bunte Gesellschaft von Thicren zusammen. Wu- finden da friedlich nclicneinander zunächst die Thierc, die wir heute als Sänget liiere unter- scheiden, von denen Baldner vier im Wasser vdikommendc Arten aufzählt: Biber, Otter, Wasserratte und Wasserspitz maus. Daneben hat er in fröhlichem Verein aucli die Frösche und Kröten sowie den Wassersaiamander (Triton cristatus Laur.) aufgeführt. Von ganz besonderem Inter- esse ist nicht nur für Zoologen, dass wir in Baldncr's Werk eine Schilderung des Bibers vorfinden, der um jene Zeit noch bei Strassburg seine Burgen am Wasser baute, während lieutc sein Bestand in I)eutschland auf die we- nigen Exemplare an der Elbe zusammengeschrumpft ist. Ich kann mir nicht versagen, Ihnen diese Schilderung des Bibers vorzuführen: Ein Biber (Castor fiber L.). ..Ein Biber, dieser hatt sein Wolnumg am Wasser, und macht sein Nest an die Däm am Wasser also: Er trägt viel ReUss und Iloltz zusanmien an den Orthen, wo nicht viel Lenth hinkommen und wo Stock oder Bäum liegen im Wasser. f]r maciit, dass er im Nest an zwey orthen ins Wasser und an einem utTs Land kommen kan; wann er etwas spürt oder inne wird, so macht er sich geschwind ins Wasser umb Sicherheit zu suchen. Er frLsst keine Fisch, aber eitel Rind von den Bäumen, Beylen und Weyden. Die vörderstee Füess sehen schier wie die Hundtsfiatzen, und die hindersten fast wie die Ganssfüess, zu lauffen und zu schwimmen gutt; auf dem Land können Sie mit den vordem Füessen alss ein Hund lauffen. Diese Biber haben ein Schupechten Schweiff 3 Zwerchhand lang und zwo breit. Wann Sie uff dem Land, sitzen Sie uff die hindersten Füess aufrecht, und butzen sich mit den vordersten Füessen alss ein Aft'. Haben auch 4 scharffe Zahn, gehn hart uffeinandcr, darmit können Sie wol einen Baum und dicke Stangen umbhauen; die andere Zahn im Backen sind unden und oben uff beeden seithen uff' 16 stukh und doppelt, oben seindt Sie schön schneck- echt. Mann kann sonsten kein Unterschied unter ihn finden. Sie haben allesampt Bibergeylen, und solches bey dem Weydioch stekeu in der Haut, gestalt wie ein Beinel, doch mit Haut überzogen, gehet heraus eines Fingers lang. Das Fleisch ist gutt zur Speiss, der Schweiff noch besser. Ich habe in Händen gehabt, die ein halben C'entuer gewogen. Die, so junge tragen, haben ihre 3 Düttlen hart bey den vordem Füessen. Sie haben eine grosse Leber, Lung, 2 grosse Nieren, und ein kurtze Zung." Den Fischotter, der einer grossen Zahl von Ihnen in unliebsamster Weise bekannt ist, schildert Baldeit folgeu- dermaassen : Ein Otter (Lutra vulgaris Erxl). „Ein Otter ist auch ein rechtes Wasserthier, nehrt sich allein mit Fischen und auch Fröschen. Seine Hüelen macht er am Wasser in den Hamm'''), unden gehen zwei Löcher ins Wasser, oben ist ein kleines Luftlöchel. Am Tag liegen Sie in der Holen, dess Nachts kommen Sie heraus ins Wasser undt Fischen biss Sie genung gefressen haben, und wann Sie einen Fisch gefangen, den Sie nicht mehr fressen mögen oder können, so beissen Sie die Gallen herauss undt lassen das übrige liegen, wie ich dann deren viel gefunden und auch ähl. Bissweilen pfeiifen Sie einander laut zu undt schwimmen im Wasser dieft', dass man nicht mehr alss nur den halben kopff sehen kann, und sobald Sie einen Menschen sehen, schlieffen Sie unders Wasser. Zu Nacht haben Sie ihre besondere örther, wohien Sie ihren ünrath machen, und dass thun Sie gar offtraals, also dass man ihr fartzen leichtlich hören kau- daher kompt das Sprichwort bey inis, dass mann sagt, du seheüssest oder fartzest wie ein Otter. Ihr Nest machen Sie gemeiniglich ins Rohr da nicht leichtlich die leuth können dahin kommen. Sie machen auch zu- mahl nicht mehr als 2 oder 3 Junge. Ich habe der jungen gehabt, und wann man solche gar jung aufziehen will, muss man ihnen gar wohl abwarten und mit guter Milchspeise erhalten; undt wann Sie aber jung ufferzogen werden, kan man Sie gewöhnen, dass Sie zam werden, ihre Fisch im Wasser selber fangen und wider heim kommen.'- Von Kr()ten und Fröschen erwähnt Baldner 6 Arten. Ein kleine Krott (Bombinator pachypus Fitz., Unke), ein grosse Krott (Bufo vulgaris Laur., Graue Kröte), ein Laub freschcl (Hyla arborea L., Laubfrosch), ein griene Fresch (Rana esculenta L.) ein Geitz oder geele Garten-Frösch (Rana temj)oraria aut.) und schliesslich noch einen grobe Frosch, der Anfangs April laicht und der nach dieser Angabe sowie nach der in der Bibliothek zu Cassel be- findlichen, j)rächtig in Farben ausgeführten, naturwahren Abbildung nicht anders ist als Rana arvalis Nilsson (R. oxyrhynus Steenstrup) der Moorfrosch, welcher erst 1842 vom braunen Gartenfrosch als besondere Art abgetrennt ''■-) Uferabhaog. XVI. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wurde! Rana arvalis ist auch heute noch im Gehiete des Oberrheins häufig; ich kenne eine Anzahl von Fundorten zu beiden Seiten des Rheins. Der Frosch fällt besonders zur Laichzeit durch eine bläuliche Bereifung seiner Ober- fläche auf, von der sich auch noch Spuren auf der Ab- bildung zu Cassel erkennen lassen. Von den oben ge- nannten Arten ist auch die Laichablage, die allmähliche Eutwickelung der Larven etc. geschildert. Auf Fröschen und Kröten folgen die Schnecken und Muscheln mit 5 Arten. An sie schliessen sich die In- sekten an, von welchen Wasserkäfer, Fliegen, Wanzen, Libellen, Ephoraeriden, Phryganiden, Wassermilben, Crusta- ceen etc. in bunter Reihe vorgeführt werden. An Libellen kennt Baldner 4 Arten, die er mit ihren wasserbewohnenden Larven schildert und abbildet. Seine Darstellung der allbekannten Calopteryx virgo L. und C. splendens Harr, jener schönen blauen Libellen, welche im Sommer mit schwankendem Fluge sich über bebuschten Gräben und Bächen wiegen, mag eine Vorstellung davon geben, wie Baldner die Insekten behandelt hat. Ein bloher Pfaff. (Calopteryx virgo L. u. splendens Harr.). Ein Mittelmässiger und bloher Pfaff. Der kriecht gegen den Winter auch im Wasser in eine Hülss und zur Frühlingszeit im Meyen kompt er mit der Hülss widrumb ans Landt und schlupfft herauss wann die Sonn warm scheint, dass die Hülss trocken wird. Es gibt dieser art auch grüne Pfaffen, Sie henken sich auch zusammen und paaren sich, es seindt die blohen die Männlin, die grünen die WeibUn; machen ihre Jungen mit Leych undt henken ihn an dass Grass im Wasser am Eud dcss Meyen, und werden die jungen in einem Monat lebendig. Sie be- kommen die Hülss gleich und in zwei Jahren schlieffen Sie widrumb anss der Hülss und machen junge. Diese Mucken sindt auch eine Speiss der Fisch, wann Sie noch in der Hülsen, und eine Speiss der Vögel, wann Sie aus- gesehloffen. Sie thun auch keinem Menschen weder leyd noch schaden. Sie halten oder nehren sich von gar kleinem Ding; es lebt keins länger als den Sommer, dann gegen den Winter wird keiner mehr gesehen. Von den niederen Crustaceen ist die Erwähnung von ArguluS und Apus hervorzuheben; von den Würmern die des Gordius aquaticus, welchen Baldner anschaulich als das „Lebendig Rosshaar" bezeichnet. Wenn Baldner in der letzten Abtheilung seines Werkes nicht so ausführlich ist als in den beiden ersten und sich hei manchen Thieren nur mit Namen und Abbildung be- gnügt, so liegt dies in der Natur des Gegenstandes, in der Vielheit der Objekte begründet, welche eine auch nur einigerraaassen erschöpfende Darstellung völlig un- möglich macht. Trotz alledem dürfen wir ihm auch hier unsere Anerkennung nicht versagen für die Sorgfalt, mit welcher er auch jene Thiere beobachtete und darstellte, die mit seinem eigentlichen Berufe zum Theil nur wenig Berührung hatten. Mit voller Absicht habe ich unsern alten Freund und Kollegen aus Strassburg möglichst oft in eigener Person sprechen lassen, damit man sich ein selbst- ständiges Urtheil über den Werth seiner Leistungen bilden kann. Aus dem Dargebotenen hat der Leser wohl auch ersehen, dass, wie ich eingangs schon betonte, Baldner's Werk nicht nur für den rheinischen Zoologen von hoher Bedeutung ist, sondern auch in weiteren Kreisen Interesse beanspruchen darf. Ein Studium Baldner's, eine weitgehende Verbreitung seines Werkes war bisher dadurch erschwert, dass das- selbe nur in Manuskripten vorliegt. Wir haben ein solches in Strassburg, eins in London im British Museum und eins in Kassel. Das Handexemplar des Verfassers, welches derselbe bis fast zu seinem Tode fortgeführt hat, ist während des Bombardements von Strassburg am 24. August 1870 beim Brande der Bibliothek zu Grunde gegangen. Zum Glück besitzten wir aber eine genaue Copie davon, welche Professor Hermann*) in Strassburg einst zum Zwecke einer Publikation durch seinen Sohn hatte anfertigen lassen. Das interessanteste und schönste Exemplar (auch vom künstlerischen Standpunkte aus) in Deutschland ist die Copie in Kassel. In diesem Werk sind alle Vögel, Fische, Insekten u. s. w. oft mit künst- lerischer Auffassung sehr naturgetreu in Farben wieder- gegeben, so dass es eine Leichtigkeit ist, die Thiere nach jenem Werk zu bestimmen. Es sind Abbildungen darin, die man ganz gut selbst heutzutage noch in streng wissen- schaftlichen Werken reproducireu könnte. Hoffentlich finden sich auch einmal Mittel und Wege, um diesen Schatz unserer heimischen Bibliothek auch einem grösseren Publikum bekannt zu machen. Verdienen würde dies Baldner's Werk sicherlich! Von gelegentlichen Benutzungen abgesehen, ist es bis jetzt nur ein Mal versucht worden, Baldner's Werk durch den Druck der Allgemeinheit zugänglich zu machen nämlich durch F. Reiber**), der in dem Bulletin de la societe d'histoire naturelle in Colmar einen Auszug daraus gegeben hat, leider aber in französischer Sprache. Ich sage ausdrücklich: Leider; denn was Baldner uns auch heute noch so anziehend macht, seine ürsprünglichkeit, seine Naivität, das kerndeutsche Wesen des Mannes, muss bei einer Uebertragung in eine Sprache wie die fran- zösische vollständig verloren gehen. Unter diesen Um- ständen schien es mir, der ich mich seit langer Zeit mit derselben Thierwelt beschäftige wie Baldner, eine Pflicht der Pietät, dem Werk des bahnbrechenden Vorgängers, auf dem Gebiet der rheinischen Zoologie die gebührende weitere Verbreitung durch eine Drucklegung zu geben. Ich habe mir die Mühe genommen, die verschiedenen in unserem Vaterlande vorhandenen Exemplare durchzusehen und zu copiren und hoffe, dass ich im Stande sein werde, Ende dieses Jahres Baldner's Werk vollständig im Druck erscheinen zu lassen. *) Johann Hermann, geb. 1738, gest. 1800, einer der trefflichsten Zoologen des 18. Jahrhunderts. **) F. Reiber: L'histoire naturelle des eaux strasbougeoisis de Leonhard Baldner. In: Bull. Hist. Nat. Colmar 1886 bis 1888, S. 1 bis 114. Wetter-Monatsübcrsicht. (August.) — Der dies- I Zeichnung ersehen lässt, nach mehreren verhältnissmässig jährige August machte in seinem grösseren Theile noch kühlen, trüben Tagen plötzlich am 10. sehr grosse Hitze den Eindruck eines recht warmen und trockenen Monats, ein. Zu Köln und Herford stieg das Thermometer bis obwohl nur an wenig Tagen die Temperaturen ihre 32*, am folgenden Tage in der Stadt Berlin bis 33° C. normalen Werthe bedeutend überschritten und oft ausser- Dann fand, wenngleich unter mancherlei Schwankungen, ordentlich starke Gewitter zum Ausbruch kamen. In der eine langsame Abnahme der Temperaturen statt, und seit westlichen Hälfte Deutschlands trat, wie die umstehende dem 18. August kühlte sich die Luft bei Nacht oft schon 43S Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 37. unter 10" C. ab. Länger hielt die Hitze im Nordosten an, wo es noch am 16. Marienburg auf 33, Königs- berg auf 31" C. brachte. Aber seit dem 26. erfolgte überall eine stärkere Abkühlung, und der Monat endigte mit vollständig herbstlichem Charakter. Berlin: Temperaturen im j^tijust 19ÖI. _^ TäglicliJS Maximum, ba Minimum. Tagesmirtel.lSOl. . — ...Jagesmitt«!, normal. Aud. G. 1 16. 21. 26. 3». ^^^-:^^T,;^-^— I i 1 !to ^^ |30 -V''^ /'^"'^'^ -- ::>^k. -1^° ^^^K^%:i^ — —-y-^ '-i^ ^^. 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ^^ T^tm Temper-afun - Adaxima verschiedener Qv\e. Im Monatsmittel übertraf die Temperatur in Nordost- deutschland um reichlich einen Grac ihre normale Höhe, blieb aber hinter derselben westlicL der Elbe durch- schnittlich um einen halben Grad zurü 'k. Berlin hatte, seiner mittleren Lage in Norddeutschland entsprechend, mit 18,6* C. eine um einen halben Grad zu hohe August- ^11 ^ mttlmrWmh für Deurschland. 158 97 96 im — r 90M tcmperatur, wie hier auch die Zahl der Sonnenschein- stunden, deren es im Monat 250 gab, etwas grösser als gewöhnlich war. Dagegen herrschten in Süddeutschland, im Vergleich mit anderen Jahren, viel gemässigtere Temperaturen, denn es fehlten dort fast zwei Grade an der normalen Augustteniperatur. Ganz ähnliche Unterschiede zwischen dem Osten und Westen, besonders aber zwischen dem Norden und Süden Deutschlands weist die in unserer zweiten Zeichnung dar- gestellte Vertheilung der Niederschläge auf. Diese fielen in Süddeutschland während der ersten Hälfte des Monats in ungewöhnlichen Mengen. Namentlich gingen in der Nacht zum 2. August in Bayern sehr starke Wolken- brüche hernieder, die sich dann auch auf Thüringen, Sachsen und Schlesien ausdehnten und vielfach Hoch- wasser zur Folge hatten. Beispielsweise wurden am 2. zu Bamberg 52, am 3. zu Breslau 45 Millimeter Regen gemessen. In den übrigen Theilen Norddeutsch- lands herrschte dagegen während der ersten Augusttage grosse Trockenheit, die erst seit dem 7. durch häufige Gewitterregen unterbrochen wurde. Bald nach Mitte des Monats stellte sich beinahe in ganz Deutschland trockenes Wetter ein, das acht Tage lang fortdauerte. • Innerhalb derselben kamen allein in den Provinzen Ost- und Westpreusseu mehrmals starke Regengüsse vor. Eine allgemeine Regenzeit, in der die Regen sich nicht nur in Begleitung kurzer Gewitter er- gossen, sondern Stunden lang anhielten, begann am 26. August und dauerte bis zum Ende des Monats. Die Monatssumme der Niederschläge berechnete sich für den Durchschnitt der Stationen zu 78,7 Millimetern, 8,4 mehr, als die gleichen Orte im Mittel der letzten zehn Augustmonate ergeben haben. Bei dieser Summe war aber Süddeutschland in sehr viel stärkerem Maasse als Norddeutschland, fast doppelt so stark als Nordwestdeutschland betheiligt. Auch die Monate Juni und Juli haben dem Süden des Deutschen Reiches erheblich reichlichere Rcgenfälle als dem Norden ge- bracht, wodurch die ungleich günstigeren Ernteer- gebnisse Süddeutschlands eine Erklärung finden. Die Wolkenbrüche zu Beginn des Monats traten im Gebiete einer flachen Barometerdepression auf, die von Sudfrankreich durch die Schweiz und Süddeutschland nach Oesterreich zog und überall ausserordentlich starke Niederschläge verbreitete. Ihr folgte ein barometrisches Maximum vom atlantischen Ocean, das bis zum 8. August, während Norwegen von ziemlich tiefen Depressionen durchzogen wurde, in oder bei Frankreich verweilte und sich dann über Deutschland zu längerem Aufenthalte nach Nordrussland begab. Gleichzeitig erschien bei den bri- tischen Inseln vom Ocean ein umfangreicheres Minimum, dessen Hauptgebiet nicht in das euro])äische Festland einzudringen vermochte. Jedoch gelangte dahin von ihm eine flache Tlieildepression, die sich mit einer nur wenig tieferen Depression aus Südrussland in Verbindung setzte und darauf langsam unter heftigen Gewittern nordwärts vorrückte. Westdeutschland wurde seit dem 13. August von mehreren Hochdruckgebieten eingenommen, die zuerst aus Frankreich, dann aus England kamen und in weitem Umkreise dem Wetter einen trockenen Charakter gaben. Das letzte derselben wurde am 25. mit grosser Ge- schwindigkeit nach Russland verschoben, als sich nämlich ein tiefes und weit nach Süden ausgedehntes Barometer- minimum vom Ocean dem norwegischen Meere näherte. Aber auch dies Minimum drang nur sehr langsam weiter ostwärts vor, während an seiner Südseite nach einander mehrere Theildepressionen mit stürmischen Westwinden und ausgebreiteten Regenfälleu das Gebiet der Nordsee und Ostsee durcheilten. Dr. E. Less. Astronomische Spalte. — Prof. Campbell hat im „Astrophysical Journal" XIII, S. 80— SU, über seine Ver- suche, den Apex der Sonneubewegung aus den bis jetzt bestimmten Eigenbewegungen von Fixsternen in der Ge- siclitslinie zu bestimmen, berichtet und zugleich als End- position für diesen Punkt den Ort AR = 21 7°.5 ± 4°.8 D= + 20°. 0 ± 5°.9 XVI. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. angegeben. Nun hat Prof. J. C. Kapteyn in Groningen eine ähnliche Arbeit auf Grund der Eigenbewegungen von 2640 Sternen aus dem Auwers-Bradley'schen Katalog, so- wie von 699 von Porter in den „Publications of tbe Cin- cinnati Observatory No." 12" hinsichthch ihrer Eigen- bewegung bestimmten Sternen ausgeführt und in den „Astronomischen Nachrichten No. 3721" darüber berichtet. Kapteyn's Position für den Apex der Sonnenbewegung ist: AR = 273°.6 ± 1°.3 D = + 29°.5 ± l°.l und deckt sich recht gut mit der Campbeiischen. W. Viliiger von der Münchener Sternwarte hat über die Excentricitäten der Satuniringe Untersuchungen an- gestellt, welche ergaben, dass die Perisaturnien der ein- zelnen Ringe Veränderungen unterworfen sind. Die Ge- schwindigkeiten der Bewegungen schwanken mit der Ent- fernung der Perisaturnien vom Centrura des Hauptkörpers. In Folge dieser Veränderungen ist auch die Breite des Ringsystems Schwankungen unterworfen. Die von Villiger beobachteten Veränderungen scheinen theilweise auch säcu- laren Charakters zu sein. Die hellen Doppellinien in den Spectren der neuen Sterne versucht J. Halm in Edinburg durch eine Modi- ticatiou der Seeliger'schen Theorie der neuen Sterne zu erklären. Nach der Seeliger'schen Theorie (vide den Aufsatz: Die neuen Sterne) entstehen neue Sterne dadurch, dass bisher unbeachtet gebliebene, oder gar bereits erkaltete, also dunkle Sterne auf ihrem Laufe in einen ausgedehnten Nebel eintreten und durch die Reibung an den Nebel- tlieilchen neuerdings oder stärker aufflanmien. Halm meint nun, dass jeder Nebel gegen seinen Schwerpunkt hin dichter werden müsse. Daher muss jeder Stern, der in die Nebelmaterie nicht central, sondern in schiefer Rich- tung eindringt, auf der einen Seite (gegen das Nebel- centrum) einen giössereu Widerstand erfahren, als auf der anderen und dergestalt in Rotation versetzt werden. Die stark erhitzten Theile der Sternoberttäche werden ver- dampfen und eine hohe Atmosphäre bilden, welche bestrebt sein wird, der erzwungenen Rotation des Himmelskörpers zu folgen. Nebentheile werden mitgerissen und bald wird sich um den Eindringling ein Wirbelring gebildet haben, der mit ihm den Nebelball durcheilt. Während die hellen Spectrallinien, welche von Licht herrühren, dass von der durch die Rotation sich uns nähernden Seite des neuen Sternes ausgestrahlt wird, sich gegen das violette Ende des Spectrums verschieben werden, findet das Umgekehrte auf der anderen Seite des Himmelskörpers statt, so dass für die von dort ausgehenden Strahlen die Wellenlängen vergrössert, die Spectrallinien also gegen das rothe Ende des Spectrams verschoben werden. Die verschiedensten Modificationen ergeben sich aus der Verbindung der Ge- schwindigkeiten der glühenden Oberfläche des neuen Sternes und der Rotationsgeschwindigkeit seiner dampf- förmigen Atmosphäre. Halm gelingt es auf diese Weise vollkommen, die eigenartigen Phänomene, welche die Spectra neuer Sterne darbieten, zu erklären. Auch die öfters beobachteten mehrfachen Intensitätsmaxima breiter Emissionslinien in den Spectren neuer Sterne lassen eine Erklärung nach der Halm'schen Theorie leicht zu. Halm's Theorie gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man be- denkt, dass die meisten neuen Sterne — viele wurden allerdings jetzt noch nicht in dieser Hinsicht untersucht — äusserst complicirte Spectra, mit verschiedenen oft un- geheure Geschwindigkeiten ergebenden Linienverschie- bungen zeigen, und wenn man angesichts dieser That- saehe erwägt, dass eigentlich nur ein radiales Eintreten des Himmelskörpers in eine nach ihrem Mittelpunkt hin verdichtete Nebelmasse von keinen Rotationsbewegungen begleitet sein kann. Ein centrales Auftreften muss aber bei den zahllosen anderen möglichen Richtungen von mindestens gleicher Wahrscheinlichkeit geradezu als un- wahrscheinlich bezeichnet werden. Halm erwähnt, dass dies bei der Nova im Andromedanebel vom Jahre 1895 der Fall gewesen zu sein scheine. Die Nova hat nämlich ein äussert einfaches Spectrum gezeigt. Im Monat September d. J. gelangen folgende ver- änderliche Sterne vom Miratypus in ihr grösstes Licht: Daten Stern AR 1855.0 D 1855.0 Grosso I.September iiLeonismin. 9^ Sg-^.ß +.34° 58' 7.0 15. „ TCassiopeiae 0 17 .8 +55 14 7.5 23. .. ßTrianguli 2 31 .0 +33 50 6.0 24. „ KOphinchi 16 21 .2 -12 12 7.0 25. „ -SCassiopciae 1 12 .3 +72 5 7.5 25. „ UCeü 2 28 .9 -13 35 7.0 Adolf Hnatek. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Eugen Englisch, Das Schwärzungsgesetz für Bromsilber- gelatine. 4.T Seiten. Gross Quart. Halle a. S. Willi. Knapp. — Preis 3 Mark. Die Monographie bildet in ihrem grösseren Umfange eine willkommene Zusammenstellung von Arbeiten des Herrn Verfassers, die in verschiedenen Zeitschriften bereits veröffentlicht sind. Vorausgeschickt wird eine Besprechung der Arbeiten anderer Autoren über denselben Gegenstand. Die erste Hälfte der Arbeit giebt Untersuchungen der Schwärzung bei intermittirender Be- lichtung mit zusammengesetztem Licht und solchem verschiedener Wellenlängen. Es werden dabei interessante Erscheinungen der photoehemischen Induktion beschrieben, davon sind praktisch wichtig die Angaben über die Energiemengen, welche der Brom- silbergelatine zugeführt worden müssen um die Schicht möglichst empfindlich zu machen, sowie die Mittheilungen über die Zeit, welche diese Wirkungen wieder abklingen lassen. Das wissen- schaftlich-wichtigste Resultat ist wohl das, dass das Bunsen-Ros- coesche Gesetz nicht gilt, nach welchem gleiche Produkte aus Lichtintensität und Bestrahlungsdauer gleiche Schwärzung ergeben sollen. Vielmehr ist nur die Lichtintensität, nicht die Energie- menge für die photochemische Wirkung maassgebend. Die zweite Hälfte des Werkchens ist dem Studium der Solarisationserschei- nungen gewidmet. Die ausgedehnten mitgetheilten Versuchsreihen sind im wesentlichen an Platten einer Sorte gemacht worden, die an Papiernegativen gemachten Erfahrungen, kurz angedeutet, stützen das folgende Hauptresultat: es lagern sich zwei Veränderungen über einander, eine solarisirende über die normale. Kann der Entwickler auch von der Rückseite wie bei Papiernegativen an die der Unterlage anliegenden Schichten angreifen, so tritt die Solarisationserscheinung am fertigen Negativ zurück. Die solarisirte Schicht hat ihre Quellbarkeit und damit Durchdring- barkeit für Flüssigkeiten eingebüsst. Der Grund hierfür stellt nicht sicher fest, doch ist die allgemeine Annahme richtig, dass in den solarisirten Schichten die Substanz des Bildes durch ein bromärmeres Produkt gebildet wird. Das freiwerdende Brom wird vielleicht zur Gerbung der Haut verbraucht. Bng. Cantor, Mor., Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. HL Band. 3. Abtheilung. Abschnitt XVIII. (1725-1758). 2. Auflage. Leipzig. — 12,40 Mark. Caradja, Äristides v., Die Microlepidopteren Rumäniens. Buca- rest. — 4 Mark. Dalla Torre, Prof. Dr. K. W. v., und Ludw. Graf v. Sarntheim. Flora der gefürsteten Grafschaft Tirol, des Landes Vorarlberg und des Fürstenthum Liechtenstein. Innsbruck. — 6 Mark. Hjelt, Edvard, Prof, und Ossian Aschaa, Die Kohlenwasser- stoffe und ihre Derivate, oder organische Chemie. VIII. Band. 6. Theil. Braunschweig. — 24 Mark. Inhalt: Th. Bokorny: Gährungsferment und intramolekulare Atbmiing. — Johannes Walther: Ueber die geologische Thätigkeit des Windes. — Dr. R. Lauterborn: Das Vogel-, Fisch- und Thier-Buch des Strassburger Fischers Leonhard Baldner. — Wettermonatsübersicht Astronomische Spalte. — Litteralur: Dr. Eugen Englisch, Das Schwärzungsgesetz für Bromsilbergelatine. — Liste. 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrüt. XVI. Nr. 37. Ferd. Dümmlers Yerlassbuchhandjung in Berlin S W. 12. Soeben neu cisch: Einleitung höhere mathematische Physik. Von Dr. B. Weinstein, Universitätsprofessor in Berlin. Mit 12 in den Text gedruckten Figuren. 413 Seiten'gross Oktav. In Iieinen gebunden 7 Mark. Von den bereits vorhandenen Werken , welche zusammenfassend in die Tüeorien der Physik einleiten, unterscheidet sich das vorliegende Werk dadurch, dass es diese Theorien auf Grund der höheren mathematischen Analyse allgemein entwickelt. Es ist nicht allein für Lernende, sondern auch für Lesende ge- schrieben und verfolgt überhaupt den Zweck, eine Übersicht über den gegen- wärtigen Besitzstand der Physik an mathematischen Hilfsmit'eln zu gewähren. yibhanDlungen zur potentialtheorie. I>r. Arthur Korn, Privatdozent an der k. Universität München. III. Über die zweite und dritte Randwertaufgabe und ihre Lösung. IV. Über die Differentialgleichung AU kf-U = f und die harmonischen Funktionen Poincares. Vor kurzem erschienen: I Ein allgemeiner Beweis der lllethoden des alternierenden Verfahrens und der Existenz der Lösungen des Diricbletscben Problemes im Räume. II Eine weitere Verallgemeinei ang der Dlethode des arithme- tischen mittels. Preis jeden Heftes I Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlung-en. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Soeben erschien: Veröffentlichungen .Ics Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zu. 13 e 1" 1 i n. von 59 kleinen Planeten Inr 1001 .liili liis Kcccnihcr. Unter M i t w i r k u ii g mclirercr Astronomen, insbeson (loro der Herren A. Borbcricl: und P. V. Nougebaiior herausgegeben von J. Bauschinger, Dircctor des Königl. Rechen-Instituts. 22 Seiten Id. 4". Preis 1 Mark 20 Pf. Sni. pmntlm f erlagsbudi^anülung J)as iurft Ißfus. Die Ureünngelicii. $Rcit biivdiflC' fcl)cn, neu übevfctjt, geuvbnet iiiib mi6 bell UrfpiMd)cii cvtlärt üon ptotfgang §ird)brtil|. OttdU.Sliiggabe 184 S. 1,50 W , elec). pcb. 2,2,5 3)!. '"Boltg • 3lui?gok> 15() (£ gcbimbeii 70 *l.cx* c^ctxiaXc ^Cictxfd} asou geriininii ®iiriii. .Inhalt: I. .ftünftlerifcficii ©cnicfecn. - II/>Bi)iloiDi'bii*ce ©tvebcu. - III. l'i^aftitdjE« «erD.ilteii. (»Ott unb ffielt. - IV. Sbafeii'arcä «mtnlct. - V. (äoetbeä jiauit. -- VI. »«rou« aüanfrcb. - VII. ©dioDcnbauer unb ©tinoga. - VIII. (JDnitnä unb 3-iiuttc lu'rniclirtc Vlnjlngc. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Kalisalzlager von Otto I^ang. •18 S,.itrn mit 4 Abbildiinspn. Preis 1 iMaik. (ßrl)tftct 4,SÜ illntk, clcijnnt gcbmiöni (> iHiuh. 3u bcjtcbc« buvdt aüe il^iid)baitMtinflcn. In Ferd Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 18 Juiien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. Von J. E. Poritzky. •Ml Sritrn. 8". Preis -..lioftet 4 Mark, -..•biin.lon 5 M:irli. =T In Kerd. nilninilers Vciiob-sliuilihaiidlung = 111 Berlin SW. r.>. Zimmi_r.stra.sso M, ist r /C i iie. immelsj !^ Reich illnstrierl. |F Eloy. sei). IG Mark. If = Zu bezielien ilurch alle E ik ^'"e""an.Uun,»n. J = HirameLskiiiide. grapliLschon Tafeln und 15,' Verantwortliciier Kedactour: Professor Dr. Henry Potoni6, Gr. Licbterfelde-West bei Berlin, Potsdamerstr. 35, für den Inseratentiieil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12, _ £-"^ " Redaktion: ? Prof. Dr. H Potonie. Verlag: Ferd. Diiaiinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XVI. Band. den 22. September 1901. Nr 38. Abonnement : Man abonnirt bei allen Huchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Brinsegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5112. Inserate: Die viergespaltenc Petitzeile 40 *'.. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit vollständiger Qaellenangabe get^tattet. Die erste Entwickelung unserer Erde. Nach I^. Kn ge 1 1)1-0 th so n aus „Naturen'- Borgen. Nach der Laplace'sclicii Nehtilai-tlioorie entstaiul die Erde als selbstständiger Hinimel^k(h-i)er in dem Augen- blick, als die Mondmasse sieb am Aequatcn' als ein ring- förmiger Gürtel abschnürte, in dem Augenblick also, als jeder direkte Zusammenbang zwischen Erdmasse und Mondmasse aufhörte. Damals wurde die Erde geboren — wenn eine solche Bezeichnung für den kosmischen Tiieilungsprocess angewendet wertlen darf, der doch eine gewisse innere Aehnlichkeit mit den einfachsten Formen biologischer Fortpflanzung bat. Die Erde hatte von dem Augenblicke an ihre eigene Individualität bekommen, sie war, so zu sagen, eine selbstständigc Persönlichkeit unter den vielen mehr oder minder leuchtenden Grössen im Weltenraum geworden. Man rechnet das Alter des Mensehen vom Augen- blick seiner Geburt an, und dasselbe muss man natürlich auch bei der Erde thun. Ihr Alter muss von dem Augen- blicke an gerechnet werden, als der Mondring sich ab- schnürte. Fragt man aber nach der Grösse dieses Alters, l)leibt die Autwort aus. Die Geologen und Physiker haben vergebens versucht, die Zeit, die verlaufen ist, seitdem die Erde entstand, in Jahren anzugeben. Die Geologen haben ihre Zeugen in der Erde selbst gesucht, in der Dicke abgelagerter Erdschichten und anderweitig, und sie sind geneigt, wenn sie das Alter der Erde an- geben sollen, die Jahre nach hundert Millionen zu zählen. Die Physiker dagegen sind hauptsächlich von dem Wärmeverlust der Sonne ausgegangen und haben mit Hülfe davon zu berechnen versucht, wie lange Zeit ver- gehen würde, unter gegebenen Verbältnissen einen Ball in Erdgrösse von der Gluthitze bis zur gegenwärtigen Temperatur abzukühlen. Sie begnügen sich mit kleineren Zahlengrössen und scheinen bei jeder neuen Berechnung bescheidener zu werden. Lord Kelvin giebt so im ver- gangenen Jahr in „Science" für das Alter der Erde eine Zeit von 20—30 Millionen an. Obgleich eine grosse Mei- nungsverschiedenheit also vorhanden ist, sind doch die Geologen und Physiker sich darüber einig, dass das Alter der Erde ungeheuer gross sein muss. Wenn man nicht einmal annähernd bestimmen kann, wie alt die Erde ist, kann es vielleicht ganz hoffnungs- los erscheinen, die Frage zu beantworten, in welchem Zustande sie sich in dem Augenblicke ihrer Entstehung befand. Kann man eine einigermaassen begründete Vor- stellung von der Form des Erdballes, seinem Dichte- grad, seiner Temperatur und anderen physischen Ver- hältnissen für eine so weit zurückliegende Zeit haben? Direkt lässt es sich nicht machen. Wir haben weder Mittel noch Methoden, die hier ausreichen würden. Selbst die feinsten Berechnungen würden nichts helfen, wenn in der Rechnung Faktoren vorkommen, die man nicht kennt, und nicht einmal mit in Betracht ziehen kann. Aber es giebt nichtsdestoweniger doch eine Reihe von Vor- gängen, über die wir vollkommen sichere Kenntniss haben, und die bei vernünftiger Zusammenstellung dazu beitragen können, Licht auf die allerersten Abschnitte der Erdgeschichte zu werfen. Es sind diese Vorgänge, die wir hier etwas näher in Augenschein nehmen wollen. Unsere hauptsächlichste Kenntniss über die Ent- wickeluugsgeschichte der Erde ist durch geologische Untersueiuuigen , besonders in neuerer Zeit, gewonnen. Die Reste vorzeitlicher Organismen, die sich in den Erd- schichten finden, und die gruppenweise auftreten, oft mit sehr verschiedenem Aussehen, sind bei diesen Unter- suchungen als sogenannte „Leitfossilien" von ungeheurem Werth bei der Bestimmung der Reihenfolge in den Ent- wickelungsstufen und deren relativer Dauer gewesen. Als Resultat der Untersuchungen theilt man die Geschichte 442 Naturwissenschaf tlicbe Wochenschrift. XVI. Nr. 3S. der Erde iu fünf Zeiten oder Alter ein: Die Priniordialzeit, die Primärzeit, die Sekundärzeit, die Tertiärzeit, die Qnar- tärzeit und die Jetztzeit. Von diesen sind die letzten vier versteinerungsführend, die Piimordialzeit dagegen hat keine Versteinerungen aufzuweisen und wird deshalb auch wohl die leblose oder azoische Zeit genannt, obwohl es ziendich fest steht, dass die jüngsten Bildungen der Priniordialzeit von eiueui weit späteren Datum als die Entstehung des Lebens auf der Erde sind. Dies kanu man mit grosser Sicherheit aus den Eutwickelungsformen, welche unter den Versteinerungen in den ältesten For- mationen der Primärzeit vorkommen, schliessen. Im All- gemeinen kann man wohl sagen, dass unsere Kenntnisse über die verschiedenen Zeiten und ihre geologischen Ver- hältnisse und Begebenheiten um so grösser und umfang- reicher werden, je näher der in Betracht kommende Zeitraum unserer eigenen Zeit liegt. Wir wissen weit mehr von der Quartärzeit als von der Tertiärzeit und wieder mehr von dieser als von der Sekundärzeit. Auf diese Weise bleibt auch die Priniordialzeit oder der früheste Abschnitt der Erdgeschichte der dunkelste und unbekannteste. Was die Geologie uns über diesen Abschnitt hat lehren können, was uns ja hier gerade interessirt, ist bis vor Kurzem von sehr geringer Bedeutung gewesen. Wie wir aber sehen werden, haben sich die Verhältnisse in den letzten Jahren doch in nicht unerheblichem Grade geändert. Ueber die allererste Entwickelung der Erde bekommt man einen gewissen Bcgrifif durch Analogieschlüsse von anderen Himmelskörpern. Man weiss aus spektralaua- lytischen Untersuchungen, dass die Stoffe im ganzen Himmelsraume wesentlich dieselben sind, und man kann mit grosser Sicherheit auch voraussetzen, dass die Kraft- gesetze und Kraftwirkungen auch dieselben sind, dass das ganze Universum mit anderen Worten ein einziges physisches Ganzes ausmacht. Die Entwickelung der ver- schiedenen Himmelskörper wird daher in ihren Haupt- zügen dieselbe sein. Wie man durch das Studium des Embryos in den verschiedenen Entwickelungsstufen sich Kenntniss über die früheste Entwickelung des erwachseneu Menschen verschaffen kann, ebenso ist es auch möglich, durch das Studium eines jüngeren Himmelskörpers eine Vorstellung über längst zurückgelegte Stadien in der Ge- schichte eines älteren Himmelskörpers zu bekommen. Wo es sich nur um die Hauptzuge handelt, ist es gleich- gültig, ob man einen Menschen-, ein Säugethier- oder Vogelembryo benutzt, um die Entwickelung des Menschen daran zu studiren. Und ebenso ist es auch gleichgültig, wenn es die Erdgeschichte gilt, ob man Vergleiche mit einem Trabanten, einem Planeten oder einem Fixstern anstellt. Die Hauptzüge in der Entwickelung sind die- selben. Durch vergleichende Untersuchungen anderer Himmels- körper ist man zu dem Schlüsse gekommen, dass die Erde eiimial ein gasförmiger oder flüssiger, sclbstleuch- tender Körper war, der sich bei der Abkühlung zu- sammenzog, grössere Dichtigkeit bekam und durch Axen- drehung eine eigenthümliche Sphäroidgestalt erhielt. Ueber die Richtigkeit dieser Schlüsse kann kaum ein Zweifel sein. — Die Geologie belehrt uns also über die späteren Ab- schnitte der Erdgeschichte, die vergleichende Astrophysik über die allerersten Abschnitte; aber zwischen beiden Abschnitten, in der sogenannten Priniordialzeit, bleibt eine Leere in unserem Wissen, ein grosser und bedeuten- der Thcil unserer Erdgeschichte, von der wir abso- lut nichts wissen. Die Frage ist: Können wir diese Scharte gar nicht auswetzen? Können wir uns nicht cingerraaassen sichere Nachrichten verschalfen darüber, was im Erdballe von dem vorläufigen Ende der astro- nomischen Entwickelung au bis zum Beginn derjenigen Entwickelung, die zum Gegenstand geologischer Unter- suchungen gemacht werden kann, vor sich ging. — Es ist die Beantwortung dieser Frage, die hier unsere Haupt- aufgabe bildet. Wenn man wissen will, wie ein Prozess verläuft, i.st CS nicht genug, die Hauptzüge des Processes und sein endliciies Resultat zu kennen. Man inuss auch den An- fangszustand kennen. Man muss wissen, wo der Proccss beginnt, um ein wahres Bild von ihm haben zu können. Sollen wir uns eine adäquate Vorstellung von der frühe- sten Entwickelung der Erde bilden können, so müssen wir also das Anfangsstadiuni dieser Entwickelung kennen lernen. Die erste Frage positiver Art, die zu beant- worten ist, muss denniach sein: In welchem Zustande l)e- fand sich die Erde im Geburtsaugenblick, in dem Augen- blick, als ihre selbstständige Entwickelung begann? Die vergleichende Astrophysik hat die Erde iu den Weltraum als gasförmige oder flüssige, selbstleuchtende Kugel schlüpfen lassen, und die geologische Wissenschaft belehrt uns nur über die Vorgänge auf der Oberfläche. War diese Kugel gasförmig, flüssig oder beides? Dar- über schweigt die Geschichte und diese Frage ist für die spätere Entwickelung von der allergrössten Wichtigkeit. Die Lösung unserer Aufgabe hängt also davon ab, ob diese Frage beantwortet werden kann oder nicht. Die Hauptzüge aus der Entwickelung eines Himmels- körpers kann man, wie schon erwähnt ist, dadurch kennen lernen, dass man die Hauptzüge der Entwickelung anderer Himmelskörper studirt. Aus dem Zustande der Sonne nun kann mau wichtige Schlüsse, was den Zustand der Erde iu seiner Vorzeit anbetrifft, ziehen. Will man aber nähere Einzelheiten erfahren, so muss man Vergleiche zwischen Himmelskörpern, die einander in der Entwickelung nahe stehen, anstellen. Da Venus jünger als unsere Erde und Merkur jünger als Venus ist, würde man aus einem eingehenden Studium dieser beiden Himmels- körper werthvolle Aufschlüsse über die Entwickelun,<;- be- kommen können. Aber unsere Kenntnisse über beide sind leider äusserst gering,'. Es thut natürlich nichts zur Sache, ob der Körper, mit dem man veruleicht, dem an- deren in der Entwickehm.>;- voraus oder hinter ihm zurück ist, da man ebenso sicher rückwärts wie vorwärts schliessen kann. Was nun die Erde angeht, haben wir einen Himmelskörper, der vor allen anderen sich zum Ver- gleichen eignet, nämlich den Mond. Er ist der nächste aller Himmelskörper, seine astronomischen und physischen Verhältnisse sind äusserst sorgfältig studirt. Ausserdem ist er ja sozusagen Fleisch vom Fleische der Erde, Bein von ihrem Bein. Kann der Mond uns eine Vorstellung geben von dem Zustande der Erde in dem Augenblick, als die Mondmasse sich abschnürte? — Wir werden sehen. Das Eigengewicht des Mondes ist ungefähr 'Vs von dem der Erde. In der Entwickelung ist er der Erde voraus, indem er nun scheinbar einen todtcn, leblosen Körper darstellt, wo so gut wie alle flüssigen und gas- förmigen Stoffe eine feste Form angenommen haben. Wenn er überhaupt eine Atmosphäre hat, was die meisten Selenologen bezweifeln, ist diese äusserst dünn und ätherisch. Wir müssen einen Augenblick bei diesen zwei Tbatsachcn verweilen: dass das Eigengewicht des Mondes kleiner ist als das der Erde, und dass er der Erde in der Entwickelung voraus ist. Vorausgesetzt, dass die Laplace'sche Theorie richtig ist, repräseutirt der Mond einen Theil der ursprünglichen Stoflfmasse der Erde. Diese beiden Massen haben einmal ein zusammenhängendes Ganzes gebildet. Hieraus lassen XVI. Nr. 38. Naturwissensuhaftliche Wochenschrift. 443 sieli hcdeutuug'svolle SehUissc iu Beziij;- auf den Zustand der Gesamnitmasse in dem Augenblick, als die Abscluiü- rung des Mondriug-es vor sich ging, ziehen. Erstens kann mau mit Sicherheit sehHessen, dass es keine durch und durch gleichniässige Gasmasse war, aus der der Mond gebildet wurde. Sein Eigengewicht würde in diesem Falle nicht nur gleich, sondern grösser sein als das der Erde, aus dem Grunde nämlich, weil die Concentration des Mondes weiter fortgeschritten ist, als die der Erde. In der Stoffmasse, welche zusammen Erde und Mond bildete, mu.ss vor der Abschnürung eine gewisse Uugleich- artigkeit in Uebereinstimmung mit herrschenden Tempe- ratur- und Druckverhältnissen eingetreten sein, die nur durch Verdichtung der schwereren und minder flüchtigen Stoffe gedacht werden kann. Solange die Masse durch und durch gasartig war, würde die Diffusion in Ver- l)indung mit der durch die hohe Temperatur bedingten Molekulargeschwiudigkeit der ganzen Masse eine ziemlich ausgeprägte Gleichartigkeit gegeben haben. Ein be- deutender Unterschied im speeifischeu Gewichte der Masse auf der Oberfläche und im Inneren konnte erst auftreten, nachdem ein Theil der Masse zu einem flüssigen Kern verdichtet war. Die Erde war also nicht gasartig, als sie ein selbst- stäudiger Himmelskörper wurde. Andererseits konnte auch die Verdichtung der Masse, „die natürliche Auswahl", so zu sagen, in Uebereiu- stimmung mit Temperatur- und Druckverhältnissen nicht sonderlich weif fortgeschritten sein. Das deutet erstens das verhältnissmässig grosse Eigengewicht des Mondes an, das grösser ist als das durchschnittliche Eigengewicht derjenigen StotTc, welche die Erdoberfläche bilden. Wäre die Verdichtung weit fortgeschritten gewesen, würde die äussere Schicht nur aus leichten, verhältnissmässig flüch- tigen Stoffen bestanden haben, und das Eigengewicht würde bedeutend geringer geworden sein. Dasselbe beweist auch die Thatsache, dass der Mond der Erde in der Entwickelung voraus ist. Bestände er nämlich nur aus leichten, verhältnissmässig flüchtigen •Stoffen, würde seine Entwickelung langsamer gewesen sein. Freilich bedingt die geringe Grösse des Mondes eine schnellere Abkühlung und also auch eine schnellere Zusammenziehung der Masse; aber es muss auch daran erinnert werden, dass die weit geringere Schwerkraft auf der Mondoberfläche einen weit geringeren Druck reprä- scntirt, welche Verhältnisse wieder in einem gewissen Grade der C!onceutration entgegenarbeitet oder sie doch allenfalls verlangsamt haben. Schade, dass das Spectro- skziniiiits;iurc, Guaiii- din, Sulfoharnstoff, Indol, Skatol, Mcthyloxycliini.'.iii, Anilin, Pyridin, Antipyrin, Cyanhydrin des Methylens, pikrin- saurem Kali, nitranilsaurein Kalium, luosit, Rattinose, Erythrit. Bakterien (gewöhnliche Wasser- und Luft-Bakterien) können folgende Stoffe als Kohlenstofthahrung benutzen: Ameisensäure (kann nur einer Bakterieuart als Kohlen- stoftquelle dienen), Essigsäure, Milchsäure, Bernsteinsäure, Weinsäure, Propionsäure, Asparaginsäure, Essigäther, Glyoxalsäure, Brenztraubensäure, Lävuliusäure, Salicyl- säure, Paraoxybenzoesäure, Benzoesäure, Buttersäure, Acetessigester, forraaldehydschwefligsaures Natron (in der wässerigen Auflösung gedeiht ein rötlilicher Bacillus), Methylal, Hexamethylenamin, Aceton, Aethylaldehyd, Rohrzucker, Lävulose, Dextrose, Galaktose, Milchzucker, Arabinose, Sorbose, Rhamnose, Inosit, Mannose, Xylose, Acetamid, Leucin, Harnstoff (ernährt schlecht), Methylamin, Propylamin (ernährt schlecht), Asparagin, Glykokoll, Pepton (vorzüglich), Kreatin, Para-Anisidin (schwache Kohlenstoffnahrung), Para-Nitranilin (schwach). Untaug- lich als Kohlenstoffnahrung selbst für Bakterien wurden gefunden: Oxalsäure, Glyoxal, Baldriansäure, Citrakon- säure, Amidobenzoesäure, Nitrobenzoesäure, Hydrozimmt- säure, Phtalsäure, Paraldehyd, Benzaldehyd, Aethylen- diamin, Diacetonamin, Trimethylamin, Rhodankalium, Cyanursäure, (Xxamid, Ortho-Toluidin. Die Hefe kann bei weitem nicht so viel Kohlenstoff- quellen benutzen wie die Bakterien. Methylalkohol und Aethylalkohol z. B. von deren Auflösungen sieh Spaltpilze ernähren können, sind keine Kohlenstoflnahrung für Sprosshefe. Chinasäure ernährt Schimmel- und Spaltpilze gut, ist aber keine Nahrung für Sprosshefe; von Propion- säure kann sich Schimmel ernähren, nicht aber Hefe. Es scheint, dass die Hefe in viel geringerem Grade die Fähigkeit besitzt, organische Stoffe zu oxydiren und so zu zerspalten, dass sie zur Ernährung tauglich werden. Es ernähren Hefe: Rohrzucker, Dextrose, Lävulose, Galaktose, Milchzucker, Arabinose, Xylose, Rhamnose, Sorbin (etwas), Maltose, Inosit, Mannose, Xylose, Mannit, Erythrit (schwach), Erythrodextriu, Salicin, Amygdalin, Pepton, Asparagin, Leucin (etwas), Asparaginsäure, Glu- taminsäure, Glutamin, Albumin (aus Eiern), Essigsäure, Citronensäure, Weinsäure. Keine Kohlenstoffnahrung für Hefe sind: Anilin, Ortho-Toludiu, Anisidiu, Nitra- niliu, Methylamin, Aethylamin, Propylamin, Formamid, Acetamid, Aethylaldehyd, Formaldehyd, Oxybenzaldchyd, Orthonitrobenzaldehyd, Glyoxal, Propionsäure, Bernstein- säure (kaum), Chinasäure, Paraoxybenzoesäure. Für Schimmel fehlen leider noch ausreichende An- gaben. Doch dürfen wir von diesen ubiquitären Pilzarten wohl eine erstaunliche Leistungsfähigkeit in Bezug auf Verwerthung organischen Materiales erwarten. Das bei grünen Pflanzen, Bakterien und Hefe vor- liegende Ergebniss dürfte zwar noch viel umfangreicher sein. Immerhin aber lässt sich, wenn mau auch noch die in obiger Aufzählung wenig berücksichtigte Abstufung in dem Ernährungsvermögen berücksichtigt, manches All- gemeine herausschälen. Wir folgen hierin 0. Loew, der folgende Gesetzmässig- keiten gefunden hat (Chem. Energie d. lebend. Zellen, München 1899, S. 63): 44S Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XVI. Nr. 3fi. 1. Die Eniäliniug-.staliif;kcit vuii AlkuliüU'ii und Säuren der aliphatischen Classe nimmt mit deren Steigen in den homologen Reihen ah. Amylalkohol und Valeriausäure sind schlechtere Nährmedia als Aethylalkohol und Essig- säure. 2. Durch Einführung von Hydroxylgruppen wird der Nährettekt begünstigt. Glycerin ist besser als Propyl- alkohol, Milchsäure besser als Propionsäure, Schleirasäurc besser als Adipinsäure. Nur bei der ohnedies leicht assi- miiirbaren Essigsäure liegt die Sache anders, indem sie günstiger ist als Olykolsäurc. 3. Die Einführung einer Keton- oder Aldehydgruppe begünstigt den Nähreffekt. Acetessigäther (0,1%) ist besser als Essigäther und ßuttersäureäther; Mannose ist besser als Mannit, Lävulinsäure besser als Valeriansäure. 4. Das Ueberwiegcn der Aldehydgruppe in einer Verbindung ist ungünstig. In verdünnten Lösungen von Fonnaldehyd oder Glyoxal entwickeln sich keine Mikroben. Erstercs wirkt direkt giftig, letzteres aber nicht. 5. Die Anhäufung von Mctliylgruppen wirkt in vielen Fällen ungünstig. Pinakon (Tetramethylglykol) ist kein Nährstoff, Glykol dagegen ein guter, Triniethylamin ist weniger günstig als Methylamin (Loew), Isobuttersäure weniger günstig als normale Buttersäure (Bokorny). Di- acetonamin ist ungünstiger als Aceton. 6. Verbindungen von ringförmiger Structur, besonders ungesättigte und nicht hydroxylirte sind ungünstig. Pyridin, Antipyrin, Theobromin, Coffein ernähren nicht; Benzoe- säure, Amidobenzoesäure, Salicylsäure sehr schlecht. Die Ernährungsfähigkeit ist zu unterscheiden von der Verathmungsfähigkeit. Ernährende Stoffe liefern Material zum Aufbau von Zellen; verathembare werden möglicherweise nur durch Oxydation zerstört, ohne Ma- terial /.um Zcllenaufbau zu liefern. Oder es kann .auch das Umgekclirte stattfinden; das Material kann durch die lebende Zelle in irgend einer Weise (direkt oder durch Spaltung und Wiederaufbau) zu Eruährungszwecken ge- braucht werden, aber nicht der Verathmung anheim fallen. In letzterer Beziehung sind einige Versuche des Ver- fassers von Interesse (über das Verhalten einiger Pcntoscn gegen Hefe, Wettendorfers Zeitschr. Spir. Ind. 1. I. 19Ü1). Die Pentosen Rhamnose, Arabinose, Xylose dienen der Hefe zur Nahrung; denn in Lösungen, welche keine andere Kohlenstoflfquelle als diese enthalten, wächst Hefe, sie vermehrt sich. Dagegen sind diese Kohlehydrate (Pentosen) nicht gährungsfähig, also nicht zur intramolekularen Athmung verwendbar. Ob die Gährung durch ein Enzym oder durch das Protoplasma bewirkt wird, ist in vorliegendem Falle gleichgiltig, umsomehr als ja auch die Enzyme Plasmastoff sind. Jedenfalls sehen wir, wie ein und derselbe Stoff vom Ernährungsplasma erfasst und synthetisirt wird (nach vorausgehender Zerspaltung), vom Gährplasma oder j Gährungsenzyme aber uuverwendet gelassen wird. lieber ornithologische Eigenthümlichkeiten des Jahres IS1)!> in Schweden berichtet Gustav Kolthoff, der unermüdliche Erforscher der nordischen Vogelwelt (Sv. Jägareförb. Nya Tidskr. 1900). Das Jahr 1899 Hess sich anfangs ebenso an, wie das Jahr 1867, da die empfindlichsten Singvögel an mehreren Stellen im süd- lichen Schweden gänzlich ausstarben. Um die Zeit, da die Zugvögel ankamen, lag noch hoher Schnee in den Waldungen Lipplands und durch die Kälteperiode, welche im Mai einsetzte, wurden Tausende von gefiederten Sängern vernichtet. Wider Erwarten erwies sich aber das Frühlings -Vogelleben in Uppland in der Umgegend von Stockholm so reichhaltig und abwechselnd, wie Kolt- hoff es während seiner sich nunmehr über 20 Jahre er- streckenden Beobachtungen nicht gefunden hat. Die Ursache dieser Erscheinung, welche er durch zahlreiche Beispiele belegt, sucht Kolthoff in dem Um- stände, dass der ganze Norden bis tief in den Sommer hinein in hohen Schnee gehüllt ward, sodass viele Vögel, welche sonst nördlichere Brutplätze hatten, weiter nach dem Süden gezogen sind, um hier zu nisten, sodass die Verspätung des Frülilingsanfangs eine Verschiebung der Nist- und Brut])lätze zur Folge hatte. Aucii an seltenen Gästen war das Jahr 1899 reich. Die Emberiza rnstica Pall., Alcedo ispida L. und Larus niinutus wurden als Nist- und Brutvögcl beobachtet. Erlegt wurde ausserdem ein weisser isländischer Falke (Falco islandicus Gmcl,), der von Island über den Atlantischen ücean und Nurwegen nach Uppland verschlagen war. A.Ln. Technische Verwendung des Ozons. — Jedem, der einmal Versuche mit einer kralligen Elektrisirmaschiue angestellt hat, ist Jener eigeutliündiche Geruch bekannt, welcher bei elektrischen Entladungen auftritt, und durch «♦♦««♦♦♦♦♦♦♦« Dr. Robert Mueucke LuiseiLstr. 58. BERLIN NW. Lnisenstr. 58. n'cliMi.si'lies Institut fii uniUicTatlischafton im ■ wisscnscliaftlielierApp.-uati ete der Naturwissenscluit'ten •♦♦«♦♦♦♦♦♦ J«^*««««*«« «##«♦•«««»«*«•««««««« ffii). Diimuilfro üfrlngsbiidiliniibliiiig in Öfrliii SW. 12, 3iuimfrllr. !)4. viik-t'cii cridiioMcu in iiiiimu 5!ctlaiie: SBoii fxol Dr. Oütnr Sl^cificitfclv. Ukhrftct 5 illntl:, ijtbiiiiJicii (i iHnrh. an t'ino juiicjo ^lluttor oiorid^tet. Dr. ilv Ü^iiiiic. tnilicttrt ',10 nUnU, iicliiiiiöcii 11,2(1 illiitl:. ^cv c^cnialc ^^IcnifVl) gfrmiuiu ®üiifi. I. .ttfiumcrlJAciJ Wiiiicficii. - II. «hiloioi'ljifdje« Sttcbcii. III. iiialtiid ?lfrbiilttn. Wott uiib Sl\dt. IV. ©bahiüntce inmlcl. - V. Woctbcä ;^nu(t. VII. ediopenbnuer uiib Sjiino.w. - VIII. (Sbviftns VI. »Dtoii« TOüiifttb. - VII. cärtiopenbnuer uiib ©iiii Wiibbba. - IX. ülIcMiibct. iSiw, «Jlai'olcoii. - X. railoiii mi {'öiiil'Vi'jo .M. totitiicr, 'JlicUld)« iiiib Sl'U'». - XII. e*lu6bclracl)tuiiii. Süiiflc ücriiior)vtc 9liiflrtflc. 0\tl|tftcf 1,S0 ftlnrlt, ticijniit gclniiibcn Ci illntl;. »•{u bleiche» bind) tiUc ^Viid^bitiiMiiitfliMi. !♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦»♦♦♦ »♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦» ♦♦♦♦♦♦♦ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpaickerstr. BERLIKI £0., Köpuickerstr. 54, Kabrik und Lager ^^' aller Gefässe und Utensilien für "^ ■ ^y , ehem., pharm, physical., electro- u. a. techn. Zwecke. 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