This volume has been digitized, and is available online through the Biodiversity Heritage Library. For access, g0 to: www.biodiversitylibrary.org. E 1 De en END a er NER EI Saal D “ [2 vu ” L . ” u y e Ei Pr . “ 72 URS . } % LH . ‘ } > . im. 12, Neue Denkschriften der alleemeinen schweizerischen Gesellschaft für die aefammlen Haturwillenfchaften. 0,9500 NOUVEAUX MEMOIRES DE LA SOCIETE MELVETIQUE DES SCIENCES NATURELLEN. Yierte Dekade. Band IX. ZURICH fh ten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes Druck von Zürcher & Furrer. In Commission bei Georg & Co. in Basel, Geneve und Lyon. 1904. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen &esellschaft für die aefanımden Haturwillenfhaften. »0:9300 NOUVEAUX MEMOIRES SOCIETE HELVETIOUE SCIENCES NATURELLENS. Band XXI anf Kosten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes Druck von Zürcher & Furrer. In Commission bei Georg & Co. in Basel, Geneve und Lyon. 1904. Inhaltsverzeichnis. 2 Bogen. Seiten. Jakob Nüesch, Der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neo- lithischer Zeit, bei Herblingen, Kanton Schaffhausen 17 VIII & 126 Jakob Nüesch, Das Kesslerloch, eine Höhle aus paläo- lithischer Zeit 17 VIII & 128 Tafeln. VI XXXIV Der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neolithischer Zeit, bei Herblingen, Kanton Schaffhausen. Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen. Mit Beiträgen von Prof. Dr. J. Kollmann in Basel, Dr. 0. Schötensack in Heidelberg, Dr. M. Schlosser in München und Prof. Dr. S. Singer in Bern. Mit 6 Tafeln und 14 Figuren im Text. Druck von ZÜRCHER & FURRER in Zürich. Vorwort. An die Monographie über das „Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit“, reiht sich hier eine solche an über die aus dem Beginn der neo- lithischen Zeit stammenden Funde aus der Höhle zum Dachsenbüel bei Herblingen, Kanton Schaffhausen. Die neue Publikation möchte zu der Urgeschichte des Menschen in unserer Gegend und zu der „Frage aller Fragen“, der Herkunft und dem Ursprung des Menschen, einen weiteren Beitrag liefern; möge derselbe ebenfalls in wohlwollender Weise aufgenommen werden. Die Untersuchung einzelner spezieller Fundgegenstände und die daran sich knüpfenden Erörterungen haben in zuvorkommender Weise die Herren Mitarbeiter übernommen; Herr Professor Dr. Jul. Kollmann in Basel hat in umfassender Weise die m der Höhle zum Dachsenbüel gefundenen Skelettreste des Menschen und die Frage der Abstammung desselben behandelt; Herr Dr. OÖ. Schötensack in Heidelberg beschrieb die Thonscherben; Herr Dr. M. Schlosser in München bestimmte die paläontologischen Funde aus dem Dachsenbüel und Herr Professor Dr. S. Singer in Bern bearbeitete die Zwergsagen der Schweiz. Den Herren Mitarbeitern spreche ich auch an dieser Stelle den herzlichsten Dank aus. Schaffhausen, im Januar 1902. Dr. Jakob Nüesch. u f N ka 2 > su MESZ ARe2, Y allem Inh » Pe . an E 42622579 (i 7 uH kariert m Mi Inh ak: Seite Vorwort. ‘1. Der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neolithischer Zeit, von Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen, mit 2 Tafeln und 3 Figuren im Text : 1 \ 2. Die in der Höhle zum Dachsenbüel gefundenen Skelettreste des Menschen von Professor Dr. Jul. Kollmann in Basel, mit 4 Tafeln und 11 Figuren im Text . ; : > : - $ ; : : i 2237 * ’ f P ae? ? Po 4 BamEZIT ’ E hi = u Big { beit BER dis er rt saychual 24 n i Pr ‚ " DD m ebenfalls Skelettreste von einer Zwergrasse aus der neolithischen Zeit nachgewiesen worden. Nachdem Prof. Dr. Kollmann ') unter den menschlichen Knochen aus der grauen Kulturschicht am Schweizersbild solche von Pygmäen festgestellt hatte, erinnerte sich Dr. J. Nüesch sogleich an die Skelette in der Steinkiste aus der Grabhöhle im Dachsen- büel, welche Dr. Fr. von Mandach ?) im Jahre 1874 ausgegraben hatte, und vermutete, dass in jener kleinen Steinkiste von 1,5 m. innerer Länge nicht Menschen der grossen Rasse Raum haben konnten und dies um so weniger, als Mandach in seinem Berichte von zwei ausgewachsenen Menschen spricht, welche er in ganz ausgestreckter Lage im Grabe ruhend, wie er sie vorfand, zeichnete. Die Vermutung, es möchten die Skelett- reste vom Dachsenbüel auch von Pygmäen herrühren, wurde schon im Jahre 1895 zu wiederholten Malen Herrn Dr. v. Mandach mündlich mitgeteilt; er wurde gebeten, diese Skelette gütigst behufs einer näheren Prüfung vorlegen zu wollen. Leider erinnerte er sich aber infolge des vorgerückten Alters nicht mehr, wohin sie gekommen seien; er wollte sie an einen der bedeutendsten Anthropologen der Gegenwart behufs genauer Bestimmung der Schädelkapazität weggegeben haben. Eine Anfrage bei dem letzteren führte zu einem negativen Resultat. Nun war Herr Dr. v. Mandach lange Jahre Vor- stand und bis an sein Lebensende Mitglied des Vereins zum Unterhalt und zur Aeufnung der Sammlungen des naturhistorischen Museums in der Stadt Schaffhausen, um welches Institut er sich durch seine Tätigkeit und mannigfachen Schenkungen grosse Verdienste erworben hat. Nach seinem Tode im Frühjahr 1899 durchsuchte Dr. J. Nüesch in Be- gleitung des Herrn Dr. Fr. v. Mandach, jun., die Schränke im Museum von Schaffhausen nach den erwähnten menschlichen Überresten und fand in der letzten Schublade, die er öffnete, die von ihm so lang gewünschten Skelettreste samt den übrigen Funden aus der Grabhöhle zum Dachsenbüel sorgfältig aufbewahrt und gut erhalten. Die Schublade war wohl seit 25 Jabren nicht mehr geöffnet worden, denn die darin vorhandenen Gegenstände waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Die zwei bei den Fund- gegenständen liegenden, von der Hand des Verstorbenen geschriebenen Etiquetten mussten, bevor man sie lesen konnte, zuerst vom Staub befreit werden. Sie lauten in fac-simile wie nebenstehend auf Seite 3 ersichtlich. Aus diesen Etiquetten und den vorgefundenen Gegenständen geht unzweifelhaft hervor, dass die in der Schublade aufbewahrten Objekte wirklich aus der Grabhöhle im Dachsenbüel stammen. Leider fehlten unter denselben die Schädelknochen der Skelette aus dem Grab, von denen Mandach folgendes berichtet: „Von dem einen Schädel war nur das rechte Seitenwandbein übrig; der andere liess sich aus den Fragmenten mit einiger Mühe wieder herstellen; es fehlten indessen ’) Kollmann, Jul., der Mensch vorm Schweizersbild; Denkschriften der schweiz. naturf. Ges, Band XXXV, 1896, und 2. Auflage, pg. 204, 1902. *) Dr. von Mandach, Bericht über eine im April 1874 im Dachsenbüel unweit Schaffhausen unter- suchte Grabhöhle, in Mitteilungen der antiquarischen Ges. in Zürich, Bd. XVII, Heft 7, pg. 165, 1874. 6} — 3 — das Gesicht, die Basis und ein Teil der rechten Seitenwand; genaue Messungen waren daher unmöglich. Es war ein länglich-ovaler Schädel von 0,195 m. Länge, mit abge- rundeter, stark gewölbter Stirne, etwas kräftig entwickelten Wülsten über den Augenbrauen, flach gewölbter Scheitellinie, verwischten und etwas tief stehenden Scheitel- höckern und einem abgerundeten, kräftig in der Richtung von vorn nach hinten ent- wickelten Hinterhaupte. Die Kronennaht war durch voraneilende Verknöcherung in ihrem ganzen Verlaufe etwas eingezogen; das Stirnbein daher mehr als gewöhnlich ge- rundet, etwas kompensatorisch aufgebläht. Im ganzen gehörte der Kopf der Form an, die His und Rütimeyer als Sion-Typus bezeichnet haben, der, in unserer jetzigen Be- völkerung zahlreich vorkommend, in der Mehrzahl der aus keltischen Gräbern stammen- den Schädeln vertreten ist.“ Es waren nur noch die ausserhalb der Grabkammer s. Z. De 74 EZ Lese fi - | V len&hAe:., | rt. —— fi, | [4 < ER = ar brzesAee \ f £ RER el $ f 7 “ Tel E n R Bi F Nrhn ID, Yauıahlı e / aufgefundenen Fragmente eines Schädels vorhanden, dem Stirn-, Scheitel- und Hinter- hauptsbein angehörend, die ganz deutlich angebrannt waren. Die Verkohlung erstreckt sich bald nur auf die eine Fläche, bald nur über die halbe Dicke des schwammigen Zwischengewebes zwischen beiden äussern Flächen. Trotz mehrfach angestellter Nachforschungen konnte weder der wohlerhaltene Schädel noch das Seitenwandbein des andern Schädels aus der Grabkammer im Nachlass des Verstorbenen, auch nicht im Museum, aufgefunden werden. 2. Die Ausgrabungen der Höhle zum Dachsenbüel und der Fundbericht. Das Auffinden im Jahre 1874 eines reichen Lagers alter, durch Menschenhand zerschlagener Knochen in der Höhle Kesslerloch bei Thayngen durch Herrn Merk und die bald darauf durch die Herren Prof. Dr. Karsten, Dr. Emil Joos und Dr. J. Nüesch a in Angriff genommene Ausräumung einer ähnlichen Höhle im Freudental') bei Schaff- hausen erregten, so erzählt Dr. v. Mandach in seinem Fundbericht, neben dem lebhafte- sten Interesse für diese natürlichen Denkmäler, welche die ersten Pioniere der Zivili- sation in unserer Gegend ihren späteren Nachfolgern zur Enträtselung hinterlassen hatten, auch seine Neugierde und den Wunsch, die vielen andern, kleineren Höhlen des Schaff- hauser Jura zu durchsuchen. Die nächste, bei der dieses ihm möglich war, liegt °/s Stunden nordöstlich von Schaffhausen zwischen dem Dorfe Herblingen im Osten einerseits, sowie dem oben ge- nannten Freudental und dem Schweizersbild im Westen anderseits; hier schneiden zwei kleine Täler buchtartig in den niedern, bewaldeten Bergabhang des Jura ein, welche in der Richtung von $.-S.-W. nach N.-N.-O. ansteigen. In dem einen derselben erheben sich an der nordöstlichen Seite und fast am Fusse des Abhanges zwei frei- stehende Felsenvorsprünge, welche durch einen etwa 3 m. breiten Einschnitt von einander getrennt sind; der grössere, rückwärts gelegene, Dachsenbüel genannt, enthält die kleine Höhle zum Dachsenbüel, deren Eingang nach Osten gerichtet ist und von kleineren, vorderen Felsen wie durch eine Bastion verdeckt wird; er bildet einen mächtigen, pyramidenartigen Block und ist durch mehrere Spalten, besonders in der Richtung nach oben, zerklüftet (vergl. Tafel 1 und den Grundriss der Höhle zum Dachsenbüel auf Seite 5.) Ein bequemer, kurzer Eingang, welcher nach der Ausräumung 2,5 m. hoch und 1,2 m. breit wurde, führt in die Kammer, die sich nach oben und nach beiden Seiten hin fast um das Dreifache erweitert und hinten mit einer halbkreisförmigen Wand ab- schliesst; gegen den Scheitel spitzt sie sich in eine klaffende Spalte zu, durch welche der Regen herabdringen kann; mitten im Hintergrunde öffnet sich ein kurzer, kaum 50 cm hoher Gang noch etwas weiter in den Felsen hinein, so dass dadurch ein Schlupf- winkel für Füchse und Dachse entsteht. Beim Beginn der Ausgrabung dieser Höhle zum Dachsenbüel wurde vom Eingang an bis in die halbe Tiefe ein 40 cm. breiter Graben gezogen, welcher die den Boden bedeckende Schuttmasse blosslegte. Zu oberst lag eine, am Eingange 5 cm. dicke Schicht eines schwarzen, mit Kalk- splittern durchsetzten und von Wurzelwerk durchflochtenen Humus, der ausser einigen eisernen Nägeln und gewöhnlichen Dachziegeln die Knochen kleiner Nager enthielt. Darauf folgte eine 50—80 em. dicke Schicht von humusartigem Lehm mit grösseren Kalkbrocken und unter diesen der ursprüngliche Boden der Höhle, ein rötlich gelber Lehm. Zunächst wurde von Dr. von Mandach die schwarze Schicht in ihrer ganzen Aus- breitung abgetragen, dann die zweite vom Eingang bis zur hintern Wand in ihrer ganzen Breite Schritt für Schritt entfernt; in ihr traten von Zeit zu Zeit grössere, lose Steine und Felsbänke zu Tage, im Grundriss mit Nr. 3 bezeichnet; wo anstehende Fels- ') Vergleiche: H. Karsten, Studie zur Urgeschichte des Menschen in einer Höhle des Schaffhauser Jura; Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 1874. massen blossgelegt wurden, sind dieselben mit punktierten Linien im Grundriss an- gedeutet. Ausschliesslich in dieser Schicht wurden Spuren vom Dasein des Menschen zur Grundriss der Höhle zum Dachsenbüel. neolithischen Zeit gefunden; der tiefer gelegene Höhlenlehm enthielt weder menschliche noch tierische Ueberreste. 6b — Gleich beim Ausräumen des Eingangs fanden sich längs der Seitenwandungen Scherben zerbrochener Töpfe, einige Fragmente von Tierknochen und auch solche von Menschen; links lag ein Feuersteinmesser, Nr. 1 und 2 des Grundrisses. Beim weiteren Vordringen nun stiess Mandach im Vordergrunde der Höhle auf eine quere Reihe etwas grösserer Steine, welche mit Nr. 3 im Grundriss bezeichnet sind und deren Lagerung an eine absichtliche Einfriedigung des inneren Raumes denken liess. Jenseits derselben fanden sich auf beiden Seiten Fragmente menschlicher Knochen ; darunter einige Stücke von einem Schädel, ohne weitere Beigaben und ohne dass die- selben durch eine erkennbare Einfassung, Nr. 4 des Grundrisses, eingefriedigt waren. Im Hintergrund auf der linken Seite wurde ein über den Boden hervorstehender Fels- block, Nr. 5, blossgelegt, auf welchem zerbrochene Tier- und Menschenknochen, sowie einige Topfscherben lagen; er machte den Eindruck, als hätte er als eine Opferbank oder als ein Altar gedient. Das Bedeutungsvollste vom Inhalte der Höhle aber bildete eine Grabkammer, Nr. 6 des Grundrisses, welche in der Mitte, im Hintergrunde der Höhle, also ziemlich von Westen nach Osten angelegt war. Rohe Kalksteine, welche ohne alles Bindemittel neben einander gelegt waren, bildeten die Einfassung des länglich, viereckigen Raumes, dessen hinteres Ende 20 cm. tief in den niederen, hinteren Schlupfwinkel hineinragte; eine ähnliche Lage von Kalksteinen bildete die einfache Decke. Die Länge der ganzen Grabkiste betrug 1,8 m., die Breite 60 cm.; die Lichtung dagegen mass nur 1,5 m. Länge auf 40 cm. Breite. Nach sorgfältiger Wegräumung der Decke des Grabes kamen die Reste zweier noch in richtiger, relativer Lage befindlicher, menschlicher Skelette zu Tage, welche in Asche eingebettet lagen; sie waren auf Bauch und Gesicht gelagert und hatten den Kopf im Osten beim Eingang in die Höhle; die Beine, welche über einander gekreuzt waren, ragten in den hintern Gang der Höhle nach Westen hinein. (Siehe Fig. 2.) In dem Grabe fanden sich als Beigaben: l. In der Gegend des Bauches ein Halsband von Steinperlen, bestehend aus einer Reihe von 28—30 Stück kleiner Röhrchen von 1—2,5 em. Länge und 5 mm. Dicke. — Zu diesem Halsbande gehörte auch ein am stumpfen Ende durchlöcherter Hauer eines Schweines, 5 cm. lang und hinten 2 cm. breit. 2. Zur Seite des einen Skelettes lag eine linsenförmige, rote, 1 cm. lange und 5 mm. breite Steinperle, welche an beiden Enden durchbohrt ist. 3. Neben dem einen Schienbeine lag ein aus hartem weisslich-gelbem Knochen gearbeitetes, meisselföürmiges Werkzeug, welches 9 em. lang, an seinem hinteren, breiteren Ende 2 cm. breit und 15 mm. dick ist; dieses ist geebnet und geglättet und erweist sich als eine frühere Gelenkfläche; die eine der breiteren Seiten bildet die unten noch unbearbeitete äussere Fläche des Knochens; die andere ist sorgfältig glatt geschabt und zeigt eine 4 cm. lange Aushöhlung, ein Teil der früheren Markhöhle; die Spitze ist von beiden Seiten meisselförmig zugeschärft und geglättet. -Yv Rechts neben der Grabkammer fand sich ein 10 cm. langes, der Länge nach in zwei Hälften gespaltenes Stück Hirschhorn, mehrere Knochenfragmente, von denen eines den Gelenkhöcker des Hinterhauptes eines grösseren Fio 9 Wiederkäuers (Hirsch oder Rind) darstellt, das an- Osten. dere die glatt geschliffene Wand eines grösseren Röhrenknochens. Ferner wurde ausserhalb des Grabes ein hart- knöchernes Stechwerkzeug, ein Pfriemen oder eine Pfeilspitze von 6 cm. Länge mit glatter, scharfer Spitze, aufgefunden; sie war sicher aus demselben Knochenstück gearbeitet wie der Meissel und zeigte ebenfalls einen Abschnitt der Markhöhle. Endlich lagen noch Splitter und angeschlagene Knollen von Silex daneben. Die Feuersteinmesser, welche in der Höhle gefunden worden waren, gehörten der kleineren Art an von 3—7 cm. Länge. Einige grössere, mit Ritzen versehene, rundliche Geröll- steine, ebenfalls in dieser Ecke der Höhle liegend, hatten wohl als Sehlagsteine zum Zerschlagen des Feuersteines gedient. Um die Frage zu entscheiden, ob in der Höhle zum Dachsenbüel möglicherweise die gleiche oder eine ähnliche Schichtenfolge von sechs verschiedenen Ablagerungen wie beim Schweizersbild nachzu- weisen sei, liess Dr. Nüesch quer vor dem Eingang der Höhle einen Graben von 1,5 m. Tiefe ausheben und in der Höhle in die Tiefe hinuntergraben. Vor der Höhle lag eine Schichte von 1 m. Mäch- tigkeit mit lockerem Jurageschiebe, vermischt mit dem Aushub aus der Höhle während der früheren Grabungen; unterhalb desselben trat ein homogenes Bachgeschiebe mit an den Kanten abgerundeten Kalksteinen zu Tage; es ist die gleiche Schichte, welche die Ablagerungen am Schweizersbild unter- teuft, und welche hier noch nie angeschnitten worden war; sie war vollständig rein von fremden Einschlüssen irgend welcher Art. Eine Schichten- folge war also nicht vorhanden; die paläolithischen Ablagerungen fehlten vollständig, sowohl vor der a a Hell Höhle als auch in derselben. Der sog. Höhlenlehm Mann und Pygmäenfrau. W. = Bu in der Felsennische war nur wenige Centimeter tief und ruhte überall in der ganzen Ausdehnung des Bodens der Höhle auf festgelagerten Kalksteinschichten auf. 3. Das relative Alter der Funde vom Dachsenbüel. A. Die Feuerstein- und Knochenartefakte, sowie die Beigaben. Über das relative Alter der Fundgegenstände aus der Grabhöhle, namentlich der in der Steinkiste sich befindlichen Skelette, geben die Feuerstein- und Geweihartefakte, die Beigaben der im Grab bestatteten Toten, die Tonscherben und die paläontologischen Funde genügend Aufschluss, dahin gehend, dass diese menschlichen Überreste gleich- altrig sind wie die Skelette aus der grauen Kulturschicht am Schweizersbild, demnach bis zum Anfang der Neolithik hinaufreichen, in eine Zeit, welche den Übergang aus der paläolithischen zu der neolithischen Zeit darstellt. Die Feuersteinartefakte entsprechen nämlich ganz den, nur durch Schlag und Druck hergestellten Manufakten in den paläolithischen und neolithischen Ablagerungen am Schweizersbild: ausser den von Mandach abgebildeten sechs kleinen Feuersteinmesserchen fanden sich noch bei den Funden im Museum ein sehr schöner Doppelschaber mit kon- vexen Enden und viel benützter Seitenkante, Tafel II, Fig. 6, ferner zwei einfache Schaber,. wovon der eine derselben eine konvexe Schabkante, Tafel II, Fig. 5, und der andere dagegen eine konkave viel benutzte Seitenkante, Tafel II, Fig. 7, besitzt; auch eine flache, breite, vierkantige Säge, Tafel II, Fig. 3, und ein dreikantiges, an der linken Seite mit sehr scharfer Kante versehenes, grösseres Messer Fig. 4 waren vorhanden; ein schöner Nukleus mit vielen Sprengflächen vervollständigt das Inventar der Feuerstein- Instrumente von Dachsenbüel. Wenn auch Dr. von Mandach in seinem Bericht keine weiteren Feuersteinartefakte als nur einige Messerchen und einen Nukleus abbildet, so ist doch mit Sicherheit anzunehmen, dass die eben erwähnten kunstvolleren Steinartefakte auch aus der Grabhöhle, aber nicht aus dem Grabe selbst, stammen; sie lagen in der- selben Schachtel mit den von ihm abgebildeten Messerchen und dem Feuersteinkern zusammen. Es ist noch zu berücksichtigen, dass die eingehende Kenntnis der Feuer- stein-Instrumente damals noch sehr beschränkt war; am meisten fielen die messerscharfen Lamellen auf; hat doch der Entdecker der Höhle zum Kesslerloch in seiner Abhandlung (l. e. pg. 4%, Tafel I) von den daselbst gefundenen 12,000 Feuersteinartefakten nur fünf Stück abgebildet und einen Schaber irrtümlicherweise als Bohrer, einen anderen Schaber als Messer und eine Säge als Lanzenspitze bezeichnet. Die Knochenartefakte in der Grabhöhle zum Dachsenbüel waren, wie diejenigen am Schweizersbild in den neolithischen Schichten, nur aus dem Geweih des Edelbirsches hergestellt; sie sind schön bearbeitet, aber kein Artefakt ist vollständig erhalten; auf Tafel II, Fig. 9, ist ein der Länge nach entzwei geschnittenes Stück Geweih vom Edel- hirsch dargestellt. welches an dem oberen Ende kunstvoll abgerundet ist und an den beiden Längsseiten deutliche Bearbeitung aufweist; die Abbildung zeigt uns die innere Fläche des Geweihs. An dem der Länge nach scharf angeschnittenen Geweihstück, ebenfalls vom Edelhirsch, Taf. II, Fig. 12, ist die äussere, zum Teil noch mit den Un- ebenheiten des Geweihs versehene Fläche sichtbar; es ist abgebrochen, und es hätte wahrschemlich ein vierkantiger Pfeil daraus gemacht werden sollen. Eine kunstvollere Bearbeitung zeigt der 9 cm. lange Meissel, Taf. II, Fig. 10, dessen Breit- und Schmal- seiten angeschliffen sind; derselbe wurde aus einem harten, weisslich-gelben Knochen hergestellt und er ist mit einer sehr scharfen Schneide versehen. Der konisch zulaufende Pfriemen, Taf. II, Fig. 11, ist ebenfalls aus hartem Knochen hergestellt, sorgfältig ge- glättet und ausserdem noch angeschliffen. Ein besonderes Interesse nimmt die linsenförmige, rote, 10 mm. lange und 5 mm. breite Steinperle, Taf. II, Fig, 2, in Anspruch, welche an beiden Enden durchlöchert ist und aus rotem Kiesel besteht; wahrscheinlich gehörte sie zum Halsschmuck und weist auf eine etwas vorgeschrittene Kultur der neolithischen Zeit hin; zwei ganz ähn- liche, rote Steinperlen mit doppelter Durchbohrung sind im Pfahlbau Robenhausen von Messikommer aufgefunden worden. In den paläolithischen Schichten am Schweizersbild (Nüesch, das Schweizersbild, 2. Auflage, pag. 94, Fig. 3 und 8, 1902) haben sich zwei ganz ähnlich bearbeitete, biskuitförmige, an den beiden abgerundeten Enden mit je einem Loch versehene Perlen vorgefunden; sie bestehen aber nicht aus Stein, sondern aus Braunkohle in der Abart Pechkohle. Der Eberzahn, Taf. II, Fig. 8, ist an der Wurzel durchlöechert und war wohl ebenfalls eine Zubehörde des Halsbandes. Die angeschliffenen Knochen-Geräte deuten darauf hin, dass die Bewohner des Dachsenbüels die Kunst des Schleifens schon kannten; es fanden sich aber hier wie beim Schweizersbild in den neo- lithischen Ablagerungen keine geschliffenen Steinäxte oder Beile vor; auch Gegenstände aus Bronze oder Eisen waren nicht vorhanden. Den sichersten Anhaltspunkt zur Lösung der Frage, aus welcher Kulturepoche die menschlichen Skelette in der Grabkiste stammen, gibt uns ausser den angeschliffenen Knochenartefakten, von denen eines neben dem Schienbein eines Toten im Grabe lag, und der roten, zweifach durchbohrten, angeschliffenen Steinperle, ganz besonders noch das Halsband von Steinperlen, welches der Pygmäenfrau mit in das Grab gegeben wor- den war. Diese sogen. Steinperlen sind nichts anderes als die Kalkschalen des an den Ufern des Mittelmeeres noch jetzt und in früheren Zeiten in Italien lebenden Röhren- wurmes (teredo mediterranea); merkwürdig aber ist, dass sich die Serpularöhrchen nir- gends in der Schweiz oder in Süddeutschland, dagegen haufenweise am Südfuss der Alpen und in den Apeninnen finden. Das Halsband ist auf Taf. II, Fig. 1, abgebildet; es fanden sich 25 solcher Röhrchen von 10—25 mm. Länge und 5 mm. Dicke im Mu- seum in Schaffhausen bei den Funden aus dem Dachsenbüel vor. In der grauen oder neolithischen Schicht am Schweizersbild haben sich solche Serpularöhrchen vereinzelt umherliegend vorgefunden, und in nicht weniger als acht Grabstätten, Nr. 7, 10, 11, 17, 18, 19, 20, 21, waren sie als Halsschmuck den Toten ebenfalls in das Grab mitgegeben worden; in dem Kindergrab Nr. 21, welches dort in die Breccienschicht, in die Schicht zwischen der paläolithischen und neolithischen Zeit, 2) — 10 hinunterzesenkt war, hatte der Tote 31 solcher Serpularinge um den Hals. Stets war die Zahl der Röhrchen, welche ein Halsband der den Wald bewohnenden Neolithiker am Schweizersbild bildeten, zwischen 20 und 30 solcher Perlen. Die Serpularöhrchen kamen beim Schweizersbild weder in den paläolithischen Schichten noch in denjenigen der Bronze- und Eisenzeit, sondern einzig und allein in den neolithischen Ablagerungen oder in den, von den waldbewohnenden Neolithikern in tiefere Schichten hinunter- gesenkten Gräbern ihrer Toten vor, welche meistens ebenfalls sorgfältig angelegt und mit einer Trockenmauer umgeben waren, wie das im Dachsenbüel. Die Steinperlen aus der Grabkiste im Dachsenbüel stimmen in ihrer Form, Grösse und dem Erhaltungszustand ganz genau mit denjenigen vom Schweizersbild überein. Dadurch ist das Alter der menschlichen Überreste in dem Grabe im Dachsenbüel, bezw. die Zeit, aus welcher sie stammen, mit Sicherheit bestimmt. Es ist demnach die Grabstätte im Dachsenbüel ') gleichaltrig wie die früh-neolithischen Gräber am Schweizersbild mit ähnlichen Beigaben in Knochenartefakten und Steinperlen. Hier wie dort fanden sich keine geschliffenen fertigen Steinwerkzeuge, keine Steinäxte, auch keine Topfscherben und keine Bronze- Gegenstände in den Gräbern als Beigaben; daraus schliessen Schötensack, Woldrich und andere auf ein sehr hohes Alter solcher Gräber aus der neolithischen Zeit. Die zylindrischen Stücke der Kalkschale des Röhrenwurmes wurden überdies schon früher auch in einzelnen Pfahlbauten, so am Bodensee bei Bodmann in einem rein steinzeitlichen Pfahlbau (vergl. Mitteilungen der antiq. Ges. in Zürich, Bd. XV, Bericht IV, über die Pfahlbauten, S. 289, mit Abbildungen auf Taf. XVI, Fig. 7), gefunden. B. Die Thonscherben. Über die Thongefäss-Scherben, deren Untersuchung Herr Dr. O. Schötensack in Heidelberg in zuvorkommendster Weise übernahm, schreibt derselbe Folgendes: „Von Herrn Dr. J. Nüesch wurden mir Topfscherben zur Begutachtung übergeben, die aus der im April 1874 von Herrn Dr. med. von Mandach untersuchten Grabhöhle im Dachsenbüel, unweit Schaffhausen, stammen (Mitt. d. Antiquar. Ges. in Zürich, Bd. XVII, Heft 7, Zürich 1874). Dem Fundberichte zufolge sind die Gefässreste nicht der im Hintergrunde der Höhle aufgedeckten neolithischen Grabkammer entnommen, sondern ein Teil wurde auf- zefunden 4'/s Fuss davon entfernt auf einem „über den Boden anstehenden Felsblock* mit „zerbrochenen Tier- und Menschenknochen ?) vermengt*‘, ein anderer Teil 20 Fuss !) Die Funde im Dachsenbüel sind daher nicht älter als diejenigen in der Höhle an der Rosenhalde im Freudenthal und als die in den paläolithischen Schichten am Schweizersbild, wie J. Meister irrtümlicherweise in seinen „Neueren Beobachtungen aus den glacialen und postglacialen Bildungen um Schaffhausen“ 1897, voraussetzt, sondern im Gegenteil sie sind jünger, *), In dem Berichte von Hrn. M. Schlosser sind diese Menschenknochen nicht erwähnt. In dem Briefe desselben an Herrn J. Nüesch, d. d. 11. April 1900, ist aber ausdrücklich bemerkt: „jedoch schliesse ich die Paar Menschenknochen, die noch unter dem Materiale sind, von der Untersuchung ganz aus‘. Übrigens wurden auch in der Freudenthaler Höhle und zwar hier in der paläoliihischen Kulturschicht Tier- und) Menschenknochenfragmente zusammen aufgefunden. (Mitt. d. Antiquar. Ges. Zürich 1874, pg. 149. A davon entfernt „gleich beim Ausräumen des Einganges längs der Seitenwandungen‘ nebst einigen „Fragmenten von Tierknochen und wenigen von Menschen‘, sowie auch einem Feuersteinmesser. Man darf die Scherben daher auch nicht ohne weiteres in Beziehung zu den in der Grabkammer bestatteten beiden Toten bringen. Eine solche Höhle wurde eben wiederholt und zu sehr verschiedenen Zeiten‘) als Unterschlupf benutzt, worauf auch die in der Dachsenbüeler Höhle aufgefundenen Tierknochen, die z. T. sogar aus jüngster Zeit stammen (man vergleiche den Bericht des Herrn M. Schlosser), hinweisen. Die uns vorliegenden Scherben, die zumeist aus sehr kleinen Bruchstücken bestehen, machen ganz den Eindruck, dass sie bei dem Gebrauch der Gefässe zufällig ausgebrochen sind. Die beschädigten Töpfe wurden deshalb noch nicht weggeworfen, sondern von den- jenigen, die sich hier in der Nähe der nötigenfalls ein Refugium darbietenden Höhle zeitweilig niedergelassen hatten, bei dem Wechsel des Domizils mitgenommen. Die von Herrn von Mandach gegebene Beschreibung bezüglich der gröberen Topf- scherben trifft völlig zu: „Die zahlreichen Topfscherben, 6 bis 8 mm. diek und 2 bis 4 m. 8 cm. lang, bestanden aus graulichem, mehr oder weniger schwärzlichem Ton, die grösseren aus einem mehr grau-rötlichen; alle enthielten grobe Quarzkörner eingesprengt; an einzelnen war ein Stück des flachen, ebenen Bodens zu erkennen, der in sehr ein- facher Weise in die gewölbte Seitenwand umbog; an der äusseren und inneren Fläche liessen sich hin und wieder feine Streifungen bemerken; diese waren aber sehr unregel- mässig, oft unterbrochen, nie parallel, innen mehr in vertikaler, aussen in horizontaler Richtung verlaufend; Verzierungen waren keine vorhanden. Die innere Seite ist fast bei allen Exemplaren schwärzlich, die äussere dagegen graulich oder rötlich — ein Umstand, der davon herrührt, dass diese Geschirre, wie die aus Pfahlbauten und Grab- hügeln herstammenden, nur an der Aussenseite am freien Feuer gehärtet wurden.“ Über die Anzahl und Gestalt der Gefässe, denen diese Bruchstücke angehört haben, lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Die Anzahl derselben (34) könnte vermuten lassen, dass es sich um einen grossen Haufen Topfgeschirr handelt. Es sind jedoch meist nur ganz kleine Brocken, die zusammengelegt eine Fläche von nur etwa 17 em. im Quadrat einnehmen. Der Technik nach gehören diese Scherben der praehistorischen Zeit an, die sich indess, da charakteristische Stücke fehlen, nicht näher bestimmen lässt. Sie können sehr wohl aus verschiedenen Perioden stammen. Die von Herrn von Mandach ebenfalls beschriebenen sechs Fragmente „von feinerem Material und etwas besserer Arbeit“ aus „grauem sandigem auf den Bruchflächen etwas porösem Thon“ nehmen zusammengelegt einen Raum von etwa 8 cm. im Quadrat ein. Da sie nicht aneinander passen, so kann man auch nicht feststellen, von wie vielen !) Auch die Freudenthaler Höhle enthielt ausser einer paläolithischen Schicht eine höher gelegene mit neolithischen Scherben und zu oberst schliesslich Fragmente von Gefässen, die mit der Drehscheibe hergestellt waren. (Mitt. d. Antiquar. Ges. Zürich 187%, pg. 156.) ee (ae Gefässen sie herrühren. Fünf Scherben, darunter der mit einem Henkel versehene, haben die gleiche Farbe (Radde 31 n—o) und zeigen keine Verzierung; der sechste ist namentlich im Innern einige Töne dunkler. Dieser (Fig. 3,a) trägt am innern Rande als Örnament drei in gleichem Abstande angebrachte ziemlich tiefe Eindrücke von drei- eckiger Form, wie sie auch in der Keramik der Pfahlbauten') vorkommen. Wir geben auch eine Skizze des vorhandenen Henkelstückes (Fig. 3,b) und bemerken, dass nach der Rundung des Scherbens das Gefäss einen Durchmesser von etwa 15 cm. gehabt haben dürfte, was mit der von Herrn von Mandach versuchten bildlichen Rekonstruktion übereinstimmt. Diese wäre besser unterblieben, da sich Höhe, Rand und Boden des Ge- fässes nicht mehr feststellen lassen. Das einzige vorhandene Randstück (Fig. 3,a) gehört, Fig. 3. Thonscherben aus der Höhle zum Dachsenbüel. _ wie bereits erwähnt, einem anderen Gefässe an. Nach dem vorhandenen Henkelstücke (Fig. 3,b) hatte das Gefäss eine mehr oder weniger bikonvexe Form. Der 7 mm. dicke und 27 mm. breite Henkel geht glatt in die Gefässwandung über. Auch am Schweizersbild konnte keine Beziehung zwischen den über die ganze graue Kulturschicht zerstreut gefundenen Thongefässcherben und den neolithischen Gräbern festgestellt werden. Dagegen fanden sich in letzteren, wie im Grabe im Dachsenbüel, als Beigabe ähnlich gestaltete Feuerstein- bezw. Hornsteinartefakte und Serpularöhrchen als Halsschmuck verwendet. Auch die Steinsetzung (Trockenmauer) des Grabes am Dachsenbüel findet sich bei der Grabstätte Nr. 18 am Schweizersbild (vergl. die Publikation ') Wir ziehen hier zum Vergleiche selbstverständlich die Keramik der dem Fundorte zunächst liegenden Gebiete (Pfahlbauten ete.) in Betracht. von J. Nüesch, Zürich 1896, p. 292). Es ist also sehr wahrscheinlich, dass das Grab im Dachsenbüel der gleichen Zeit wie die wenige Minuten davon ent- fernt gelegenen Gräber am Schweizersbild angehört. Es ist eine höchst bemerkenswerte Tatsache, dass diesen neolithischen Gräbern keine Thongefässe beigegeben sind. Verfasser hat diesen Umstand bereits bei der Beschreibung der Thongefässcherben aus der neolithischen Schicht vom Schweizers- bild (Verh. d. Berl. anthrop. Ges. 1598, pg. 232) hervorgehoben. Diese Ansicht wird von Herrn A. Götze in einem Referate (Zentralblatt f. Anthrop., Jena 1899, pg. 295) folgen- dermassen besprochen: „Was das Fehlen von Beigefässen anlangt, so kann es auch in lokalen oder sozialen Verhältnissen begründet sein; vielleicht hat man auch Beigefässe aus vergänglichem Material (Holz) mitgegeben. Beispielsweise sei auf ein Grab hinge- wiesen, welches wegen der Form eines darin gefundenen Axthammers sicher der Kultur der Schnurkeramik angehört, aber auch keine Beigefässe enthielt (Verh. d. Berl. anthrop. Ges. 1893, pg. 140). Und Beispiele dafür, dass eine primitivere Erscheinung nicht immer die ältere ist, brauchen aus dem Gebiete der Vorgeschichte wohl nicht angeführt zu werden.“ In dem von dem Referenten angezogenen von ihm herrührenden Artikel be- züglich eines neolithischen Grabfundes aus Sachsen- Weimar bemerkt derselbe selbst: „Auffallend ist nur, dass keine Thongefässe beigegeben waren, da solche zu dem stehenden Inventar der Gräber dieser Kultur gehören.“ Bei den neolithischen Gräbern vom Schweizersbild liegt nun die höchst auffällige Tatsache vor, dass sämt- lichen der neolithischen Kultur angehörigen Gräbern keine Thongefässe beigegeben sind, Da einwandsfreie Funde von Thongefässen aus paläolithischer Zeit nicht bekannt sind, diese aber in der neolithischen und in den späteren prähistorischen Perioden den Toten fast allgemein mitgegeben werden (auch bei den Brandurnen befinden sich oft Beigefässe), so erscheint uns der Schluss erlaubt (keine Regel ohne Ausnahme), dass das Fehlen von Thongefässen in Gräbern der jüngeren Steinzeit für eine sehr frühe Phase dieser Kulturepoche spricht. Diese unsere Annahme wird auch bestätigt durch den Umstand, dass geschliffene Steingeräte sowohl bei den Skeletten vom Schweizersbild als bei denjenigen im Dachsen- büel nicht gefunden sind. Anstatt dessen befand sich in letztgenanntem Grabe ein meisselartiges angeschliffenes Knochenartefakt (Mitt. d. antiquar. Ges. 1874, Taf. II, Fig. 4) und neben der Grabkammer ein Pfriemen (a. a. 0. Fig. 5) „aus demselben Knochenstück gearbeitet“, ferner Feuerstein- resp. Hornsteinmesser von Formen, die sich von den spätpaläolithischen (Epoque magdalenienne) kaum unterscheiden lassen '). Diese fanden sich auch in den neolithischen Gräbern am Schweizersbild. Herr J.N. Woldrich (Sitzungsber. vom 6. März 1896 d. K. böhm. Ges. d. Wissensch., Mathem. !) Die zur Seite des einen Skeletts gefundene an beiden Enden durchbohrte linsenförmige rote Steinperle konnte mir leider nicht zur genaueren Untersuchung zugesandt werden, weshalb ich mich be- züglich dieser jedes Urteils enthalte. —— ]4 — naturw. Kl.) hat bereits darauf hingewiesen, „dass der Mensch gegen das Ende des mitteleuropäischen Diluviums Beinartefakte nicht nur zugeschärft, sondern auch zuge- schliffen hat und notwendig, so gut in Europa wie anderwärts, auf den Gedanken kommen musste, auch die harten Stein werkzeuge zuzuschleifen“. Wenn nun zugeschliffene meisselfürmige Knochenartefakte auch noch in spätneolithischer Zeit, z. B. in dem Pfahlbau von Gerolfingen (Bieler See), vorkommen, so scheinen sie uns doch in einem Grabe der jüngeren Steinzeit, in welchem geschliffene Steinwerkzeuge’und Thongefässe ganz fehlen, auf eine verhältnismässig frühe Zeit hinzuweisen, wie denn die Grabbeigaben überhaupt erst in der Epoque Chass&o-Robenhausienne (cf. Philippe Salmon, Age de la Pierre, Division palethnologique en six epoques) aufkommen, während nach demselben Autor „Aucun instrument de l’Epoque Campignienne n’a te jusqu’a present recueilli dans les s£pultures neolithiques par inhumation“. Es ist ja auch ganz naturgemäss, dass man den Toten zuerst nur einige Gegenstände, welche für dieselben einen be- sonderen Affektionswert hatten — Halsschmuck u. dergl. — mitgab und dass sich daraus ganz allmählich ein vollkommenes Grabinventar mit zahlreichen Gefässen u. s. w. entwickelte. Wir glauben deshalb zu der Aufstellung des Satzes als Regel berechtigt zu sein: Je ärmer die Ausstattung der neolithischen Gräber ist, desto älter sind sie. Auch am Genfer See, östlich von Lausanne bei Pully und Lutry, sind dem An- zeiger für Schweiz. Altertumskunde (Zürich 1880, pg. 45, u. 1882, pg. 221 u. 225) zu- folge neolithische Gräber aufgefunden, die sich durch ihre Beigaben als ausserordentlich alt charakterisieren: U. a. befanden sich in einem Grabe von Chätelard bei Lutry zwei etwa 20 cm. lange grob zugeschlagene Feuersteinbeile (davon ist eines im Museum von Lausanne), die den „Haches dites pr&pardes pour le polissage, mais ayant servi sans £etre polies*, der Epoque Campignienne von Philippe Salmon, entsprechen oder auch wohl an die in Italien längs der adriatischen Küste vom Po-Gebiete an bis zum Golf von Taranto aufgefundenen vom Type Chellden erinnern. Auch diese Gräber bei Lausanne enthielten, soweit wir dies feststellen konnten, keine Thongefässe '). ©. Die paläontologischen Funde. Die paläontologischen Funde aus dem Dachsenbüel wurden der Vollständigkeit wegen ebenfalls einer genauen Prüfung unterworfen; dabei ist aber nicht zu vergessen, dass dieselben nicht aus der Grabkiste stammen, sondern einzig und allein in den Ab- lagerungen ausserhalb derselben aufgefunden worden sind; auch ist das Knochenmaterial nicht nach Schichten geordnet aufgehoben, sondern es ist alles durcheinander geworfen - ) Die im Museum von Lausanne neben dem oben erwähnten Feuersteinbeile liegenden Thongefäss- scherben gehören, wie Herr Professor F. Forell bei seiner liebenswürdigen Führung durch die Sammlung uns mitzuteilen die Güte hatte, nicht zu dem Grabfunde. worden. Aus der Untersuchung der tierischen Knochenreste geht ebenfalls hervor, dass die Fundgegenstände der Grabhöhle nicht aus der paläolithischen Zeit stammen, dass sie vielmehr zu einer Zeit erst bewohnt, bezw. als Grabstätte benutzt wurde, wo neben der Waldfauna schon einzelne Haustiere vorkamen. Der durch seine osteologischen Arbeiten rühmlichst bekannte Forscher Dr. Max Schlosser in München fasst die Ergebnisse seiner Untersuchungen folgendermassen zusammen: „Die Tierknochen vom Dachsenbüel, welche Herr Dr. J. Nüesch mir zur Bestim- mung übersandte, zeigen einen sehr frischen Erhaltungszustand, so dass man, wenn nicht an dieser Lokalität die Spuren eines ziemlich alten, prähistorischen Menschen zum Vorschein gekommen wären, vielleicht kaum daran denken würde, dass man es mit Knochen aus einer etwas weiter zurückliegenden Periode zu tun haben dürfte. Ein Teil dieser tierischen Überreste, namentlich die Reste vom Haushuhn, ein Wirbel vom Hund und die wenigen Knochen von jungen Raubtierindividuen, dürfte auch wirklich aus jüngster Zeit stammen. Für genauere osteologische Studien ist das vorliegende Material zu ärmlich, sowohl der Menge nach als auch hinsichtlich des Erhaltungszustandes; ganze Röhrenknochen von grösseren Tieren fehlen fast vollständig, so dass ich mich auf die Aufzählung der bestimmbaren Stücke beschränken kann. Es liessen sich folgende Arten nachweisen: 1. Vulpes vulgaris, Fuchs, ein fragmentärer Schädel, ein rechter und ein linker Unter- kiefer, ein Fragment eines rechten Unterkiefers, ein rechter, oberer P4-Reisszahn, ein rechter, oberer M», ein rechtes und ein linkes Calcaneum, ein Lendenwirbel, eine rechte Tibia, ein rechtes Ileum, eine linke Tibia, ein rechtes Femur, junges Tier; 2. Hund, mittelgross, drei Lendenwirbel; eine rechte Tibia, junges Tier; 3. Meles taxus, Dachs, Metacarpale III und IV rechts; 4. Mustela foina, Edelmarder, linkes Femur, linke Tibia, junges Tier; 5. Felis catus domestica, Hauskatze, linker Oberkiefer, rechter oberer Eckzahn, altes Tier; ein rechter Radius, rechter oberer Reisszahn, linker Unterkiefer, rechter Humerus und rechte Ulna, junges Tier; Oricetus frumentarius, Hamster, rechter Femur; 7. Lepus timidus, Feldhase, zwei rechte und ein linker Radius, ein linkes Metacarpale III, eine rechte Beckenhälfte, die Unterenden einer rechten und einer linken. Tibia, drei linke Calcaneum, zwei Lendenwirbel, ein rechter Unterkiefergelenkkopf; 8. Sus scrofa domesticus, zahmes Schwein, ein rechtes Öberkieferfragment mit den drei Milchzähnen, ein linkes Unterkieferfragment mit dem letzten Milchzahn und dem ersten Molar, ein rechter Oberkiefer mit Ps-Ms, ein isolierter oberer Molar Mı, ein Fragment des rechten Unterkiefers mit den Praemolaren mit Ausnahme des ersten, ein isolierter zweiter Molar des rechten Unterkiefers und zwei Bruch- stücke des aufsteigenden Astes von rechten Unterkiefern, ein rechter erster unterer Milchschneidezahn, die beiden unteren Eckzähne, drei rechte untere Ulna, eine linke {er} — 16 Tibia, das Oberende eines Humerus und das Unterende eines Radius von einem jungen Individuum, ein linker Radius eines kleinen Ferkels, drei Lendenwirbel, eine Atlashälfte sehr jung, Tibia-Fragment, aufgebrochen. Es lässt sich nicht entscheiden, ob diese Reste vom Torfschwein herrühren, sicher stammen sie jedoch nicht vom Wildschwein, hierfür sind sie wohl sämtlich zu klein; 9. Bos taurus, zahmes Rind, Kronfortsatz des rechten Unterkiefers, Oberende des rechten Metacarpus, Gelenkpfanne der rechten Beckenhälfte, obere Epiphyse der linken Tibia und zwei Wirbelkörper von Lendenwirbeln? Rippenfragment. Die Rasse dieses Rindes lässt sich wohl nicht näher bestimmen; 10. Capra hircus, Ziege, zwei Klauen und ein linkes Femur; 11. Cervus elaphus, Edelhirsch, ein linker unterer letzter Milchzahn; 12. Gallus domesticus, Haushuhn, Sternum, linkes Coracoid, rechter und linker Humerus, linker Metacarpus, linke Scapula; 13. Vogel, gross, Sternum; 14. Vogel, klein, Sternum, Ulna, Coracoid. Wie schon oben angedeutet wurde, ist das Material zu dürftig, um daraus be- sondere Schlüsse zu ziehen. Ich halte es höchstens für statthaft, wegen der Kleinheit der einzelnen Knochen und Zähne vom Schwein, sowie wegen der Kleinheit des Rinder- metacarpus die Existenz von Hausschwein und Hausrind anzunehmen. Dass ein Teil der Fauna aus wirklichen Haustieren besteht, ergibt sich unzweifelhaft aus der Anwesen- heit der Ziegenklauen und den Wirbeln vom Hund, die wenigstens bis auf einen, wohl doch ein relativ hohes Alter besitzen dürften. Die Anwesenheit vom Hund ist überdies bewiesen durch die Benagung eines Knochens. Ganz sicher fehlt jedoch das Rentier. Die relativ zahlreichen Ueberreste von Fuchs und Hase haben wohl verschiedenes Alter. Für sehr jung halte ich die Hühnerknochen. Die Lokalität bietet daher eigentlich nur wegen der dortigen Funde von Resten des prähistorischen Menschen grösseres Interesse.“ Bemerkenswert ist noch, dass in der Höhle zum Dachsenbüel gar keine Rentierknochen sich vorgefunden, dass demnach die Tundra- und die Steppenfauna schon zur Zeit der Bildung der untersten Ablagerung aus der Gegend von Schaffhausen verschwunden waren, dass hier auch einige Knochen eines jungen Hundes und ein vom Hunde benagter Knochen vorhanden sind, während seine Anwesenheit in keiner Schicht am Schweizersbild sich nachweisen liess. 4. Die menschlichen Skelettreste. Die menschlichen Skelettreste vom Dachsenbüel hat Herr Prof. Dr. Kollmann einer einlässlichen Untersuchung unterzogen und eine genaue Beschreibung mit naturgetreuen Abbildungen derselben gegeben. Schon aus den Angaben Mandachs geht hervor, dass — Hg ze sich menschliche Knochenreste nicht nur in der Grabkiste vorfanden, sondern dass auch ausserhalb derselben in den Fundschichten der Höhle überall solche zerstreut herum lagen. Unter welchen Umständen sie so verzettelt wurden, lässt sich nicht mehr fest- stellen; ebenso wenig ist eine sichere Erklärung darüber zu geben, warum mehrere Schädelknochen Brandspuren an sich tragen. Nach Kollmann sind Knochen von sechs Menschen in den Ablagerungen der Höhle ausserhalb der Steinkiste vorhanden gewesen ; darunter waren die von drei hochgewachsenen Leuten und einem männlichen Pygmäen, ausserdem noch solche von zwei Kindern zwischen 1—3 Jahren. Von den beiden Ske- letten in der Steinkiste gehörte eines einer Pygmäenfrau an und das andere einem hochgewachsenen Individuum, so dass im ganzen aus der Höhle zum Dachsenbüel von acht Personen Skelettreste vorhanden sind, welche von vier Erwachsenen der grossen Rasse, von zwei Pygmäen und von zwei jungen Kindern herrühren. Der männliche Pygmäe, dessen Knochen ausserhalb der Steinkiste sich vorfanden, hatte ein Alter von zirka 40 Jahren, war 1,46 m hoch und litt an der Höhlengicht, an der Arthritis defor- mans, welche eine sehr schmerzhafte Steifigkeit und Verbiegung des Rückens und fast sämtlicher Gelenke, namentlich der Hände und Finger, hervorbringt. Der weibliche Pygmäe, der mit einem Individuum der grossen Rasse in der Steinkiste zur ewigen Ruhe gebettet war, hatte einen äusserst zarten Körperbau mit hyperplatyknemem, säbel- scheideartigem, nach vorn gebogenem Schienbein und erreichte nur eine Höhe von 1,3 m. Die Menschen der grossen Rasse vom Dachsenbüel waren kräftig gebaut und weit über 1,6 m gross; auch einer von diesen litt an der oben genannten Krankheit in hohem Grade. Bezüglich der Frage, ob wir in den auffallend kleinen Skeletten, welche am Schweizers- bild zum ersten Mal und nun auch im Dachsenbüel, zu Tage gefördert wurden, wirklich die Ueberreste einer besondern, kleinen Menschenrasse, Pygmäen, vor uns haben, oder ob es sich lediglich um ungewöhnlich kleine Individuen anderer weit verbreiteter grosser Menschenrassen handelt, wird man die betreffenden Skelettreste daraufhin zu prüfen haben, ob sie gewisse, spezifische Merkmale besitzen, welche an und für sich nichts mit der Kleinheit zu tun haben. Nur in diesem Fall lässt sich der Einwand beseitigen, dass man es mit einem einfachen Zwergwuchs, mit pathologischen Verkümmerungen zu tun habe. Schon die Betrachtung der Stücke aus Grab Nr. 14 vom Schweizersbild zeigt, dass der Oberschenkelknochen wirkliche Abweichungen von dem jetzt allgemein herr- schenden Typus offenbart. Derselbe zeigt eine starke Verschmälerung der Diaphyse im oberen Drittel und eine starke, seitliche Abplattung, wie sie nur an niederen Rassen vor- kommt. Der Gelenkkopf ist ziemlich gross und wird von dem übrigen Knochen durch einen auffallend kleinen, nach vorn gerichteten Hals getrennt. Der Verlauf der Knochen- knorpelgrenze am oberen Ende, auf welche Eigentümlichkeit namentlich Herr Prof. Dr. Klaatsch bei seinem Besuch in Schaffhausen hingewiesen hat, bildet emen gleichmässigen Bogen, dessen höchster Punkt annähernd in der Mitte gelegen ist. Der Oberarmknochen der Pygmäen vom Schweizersbild und Dachsenbüel, überhaupt der Urrassen, zeigt am unteren Ende eine natürliche, vollständige Perforation oder ist doch wenigstens in der 5) 12} Fossa oleerani durchscheinend; die tiefe Lage des Gelenkkopfes am Oberarm der Pygmäen vom Schweizersbild und Dachsenbüel ist geradezu auffallend und neben der Rleinheit der Statur ein Hauptmerkmal der Pygmäenskelette. Die Unterarmknochen sind, nach Kollmanns Untersuchungen, iM Vergleich zum Oberarm länger bei den neolithischen und bei den gegenwärtig noch lebenden Pygmäen als bei den grossen Menschen ; der ganze Arm soll länger sein bei den Vertretern der kleinen Rassen als bei den übrigen Menschen- rassen; eine Eigentümlichkeit, welche auch bei den Weddas, Andamanen, Negritos und andern primitiven Rassen vorkommt. Eine weitere Eigentümlichkeit der Pygmäen- skelette besteht darin, dass die Epiphysen, die Knorpelenden der Knochen, frühzeitig wie bei den normal sich entwickelnden Individuen der grossen Rasse verknöchern. Bei den auf krankhafter Anlage beruhenden, in ihrem Wachstum mehr oder weniger gehin- derten, verkümmerten Leuten der grossen Rasse, im gewöhnlichen Leben gemeinhin „Zwerge“ genannt, sind selbst bei einem Alter von 30—36 Jahren die Epiphysen oder Wachstumsknorpel noch in vollster Deutlichkeit erhalten, also nicht verknöchert, selbst in einem Alter, in welchem die normalen Wachstumsvorgänge schon längst ihr Ende und den Abschluss erreicht haben. Dieses Verhalten wurde bei lebenden Kümmerzwergen durch Diagramme festgestellt, indem man sie durch Röntgenstrahlen durchleuchtete und so das Skelett derselben photographisch aufnahm. Schon früher hatte Prof. Dr. Toldt auf die Tatsache hingewiesen, dass bei den in der Wiener anatomischen Sammlung vor- handenen Skeletten von Kümmerzwergen die Epi- und Diaphysen noch getrennt sind, trotzdem die Individuen die Wachstumsgrenze schon längst überschritten hatten. Die Knorpel der Epiphysen verknöchern bei den wegen krankhafter Anlage im Wachstum zurückgebliebenen Menschen nicht, oder erst im ganz hohen Alter; auch wachsen die Knochenfügungen am Schädelgrund nicht oder aber sehr spät zusammen. Seit dem erstmaligen Auffinden') von Pygmäen am Schweizersbild oder von Rassen- ‘) Es scheint mit der Auffindung von Pygmäenresten ähnlich wie mit dem Bekanntwerden des Bac- terium lucens Nüesch (vide Karsten, Hermann, Deutsche Flora, pag. 14, Berlin 1880; Nüesch, J., Ueber leuchtendes Fleisch geschlachteter Tiere, in Gaea, Zentralorgan zur Verbreitung naturwissenschaftl. und geographischer Kenntnisse, Nr. 9, 1877; Nüesch, J., Ueber leuchtende Bakterien, in der Zeitschrift Helvetia, Basel 1885; Gadeau de Kerville, die leuchtenden Tiere u. Pflanzen, Deutsch von Marshall, pg. 10 u. 18, 1895) zu gehen; als derselbe zum ersten Mal wieder seit Hieronimus Fabricius ab Aqua pendente, welcher zur Osterzeit 1592 Stücke eines aus der Fleischbank zu Padua gekauften Lammes leuchten sah und der das- selbe in seinem Werke de Oculo visus organo, cap. IV, 1593 beschrieb, das Leuchten des Fleisches ge- schlachteter Tiere im Frühjahr 1876 zu untersuchen die Gelegenheit hatte und das Leuchten auf die Lebenstätigkeit einer bisher unbekannten Bakterienspezies zurückführen konnte, verhielt man sich anfangs wissentlich beinahe ablehnend dagegen; als aber Nüesch den unzweifelhaften Nachweis durch Fütterungs- versuche an Tieren erbrachte, dass die auf dem Fleisch vegetierende, leuchtende Substanz nicht gesund- heitsschädlich sei, bekam derselbe in der Folgezeit von einer grossen Zahl von Schlächtereien in der Schweiz, in Baden, Württemberg, Hannover, Preussen, Oesterreich, Dänemark u. s. w. solch leuchtendes Fleisch mit entsprechenden Dankesschreiben zugeschickt; bis dahin wurde nämlich dieses Phänomen von den Verkäufern des Fleisches geschlachteter Tiere möglichst verschwiegen, um ihren Kredit nicht zu schä- 2 zwergen, wie Kollmann solche kleine Menschen künftig zu benennen vorschlägt, sind nur wenige Jahre verflossen und doch kennen wir jetzt schon fünf weitere Fundorte von dieser Urrasse allein in der Schweiz. In der Nähe von Lausanne, in Chamblandes bei Pully, sind in einem Gräberfeld mit hochgewachsenen Leuten zusammen auch zwei Skelette von Pygmäen gefunden worden. Die Herren Studer und Bannwart haben in der Cranica helvetica darauf hin- gewiesen und neuerdings ist der Inhalt jener Gräber durch Dr. Schenk (l. e.) in Lausanne ausführlich geschildert worden. Als Bestattungsweise wurden wie im Dachsenbüel und teilweise am Schweizersbild auch in Chamblandes künstlich hergestellte Steinkisten be- nützt und in dieselben die Toten so gelegt, dass der Kopf im Osten und die Füsse nach Westen lagen. Unter den Beigaben fanden sich an dem letzteren Ort ebenfalls Hauer des Wildschweins mit Löchern wie im Dachsenbüel, ferner Stücke von gelbem und rotem Ocker, auch Muscheln von den Ufern des Mittelmeeres (Tritonium nod. ferum und Pectunculus pilosus L.) ebenfalls durchbohrt und Amulette aus Knochen des mensch- lichen Schädels angefertigt; jedoch wie beim Schweizersbild und im Dachsenbüel keine Topfscherben und keine polierten Steinwerkzeuge in den Gräbern. Die Funde in Chamblandes sollen wegen des gänzlichen Mangels an Thonscherben und geschliffenen Steinartefakten noch älter sem als die vom Schweizersbild und Dachsenbüel. Die Skelette der kleinen Menschen aus Chamblandes gehörten einer alten Frau und einem Mann an; die erstere erreichte eine Körperhöhe von 1,42 m, der letztere eine solche von 1,5 m. In dem Pfahlbau Moosseedorf zwischen Bern und Burgdorf sind Reste von einem Menschen gefunden worden, welcher nur 1,51 m gross war und im Sommer 1901 ist im Ergolzwyler-Moos, Kt. Baselland, ein Grabfeld aufgedeckt worden, das ebenfalls kleine Menschen enthielt, ganz ähnlich denjenigen vom Schweizersbild. Die Kapazität des von Prof. R. Martin am XIII. Kongress der schweiz. geogr. Gesellschaften in Zürich d. 24. Sep- tember 1901 vorgewiesenen Schädels eines solchen kleinen Menschen hatte nur 1144 cm? Inhalt gegenüber von zirka 1540 cm?” bei der grossen Rasse; die Oberarme waren am untern Ende ebenfalls durchlöchert und die Körperhöhe einer Frau erreichte, nach deren Oberschenkel zu schliessen und nach Manouvrier berechnet, nur 1330 mm. Im Wallis wurde im Jahr 1891 ein Gräberfeld mit kleinen und grossen Menschen blossgelest. Bei der Anlage eines Weinberges an dem vor dem Eingang im das Ein- fischtal gelegenen Hügel Gerunda stiess man dort (Anzeiger für schweiz. Altertums- kunde Nr. 3, 1891) in den letzten Jahren auf mehrere Reihen alter Gräber, wovon etwa 50 geöffnet und ausgegraben wurden. Die einen bestanden einfach aus rohen Steinplatten, andere hingegen aus rohem Gemäuer. Oefters befanden sich in einem Grab bis vier Skelette. Während die einen Gerippe grossen und starken Menschen angehört haben digen, und als etwas ganz geheimnisvolles angesehen. Die späteren Untersuchungen von leuchtenden toten Fischen, vom Meeresleuchten, von leuchtenden toten Seetieren aller Art in den verschiedensten Zonen, von leuchtendem Holz und Fleisch durch Pflüger, Lassar, B. Fischer, Ludwig, Bancel, Husson, Giard, Rapha&l Dubois, de Bary, Tulasne u. a.m. bestätigten die von Nüesch zuerst angegebenen Tatsachen in allen Teilen. — 20 müssen, stammen andere von wahrhaften Zwergen von 1 m Höhe. Es handelt sich durchaus nicht um Kinder, sondern um erwachsene Menschen mit vollständigem Gebiss und erstarkten Knochen. Eine Anzahl vorhistorischer Objekte von der Gerunda befindet sich im Museum von Sitten. Wie es scheint, hat man damals leider die Knochenfunde weniger zu schätzen gewusst und hauptsächlich nur die Beigaben gesammelt, Steinbeile, Armbänder und dergl. ‚Jedenfalls aber geht aus dieser ‘Notiz hervor, dass die Rassen- zwerge oder Pygmäen nicht nur im Norden und Südwesten der Schweiz, sondern auch in der schweiz. Hochebene und in den Alpen selbst wohnhaft waren. Daher kommt es denn wohl auch, dass die Zwergsagen in der Schweiz nicht nur in den Alpen, sondern auch in der Mittelschweiz vom Bodensee bis zum Lemansee in gleicher Weise verbreitet sind, wie Herr Prof. Dr. Singer in seiner verdienstvollen Arbeit „Die Zwergsagen in der Schweiz“ nachgewiesen hat. Der bekannte französische Anthropologe G. de Lapouge!) hat eine kleine Menschen- rasse aus der neolithischen Zeit als homo eontractus beschrieben, deren Ueberreste er in den Höhlen von Thoran, Aveze, Rousson, Bramalian in den Cevennen, und in den Grab- stätten von Castelnau, Gignac, Restinclieres in den Ebenen von Südfrankreich gefunden hat. In seiner späteren Publikation?) berichtet derselbe über drei ebenfalls der jüngeren Steinzeit angehörende Skelette von Pygmäen aus der Höhle von Soubes, im Departement Herault, welche nur die Grösse von 7—8-jährigen Kindern der grossen Rasse erreichen. Die langen, grazilen Knochen sind im Mittel '/ kürzer als die der gegenwärtigen Men- schen. Die Epiphysen vollständig verknöchert, die Oberarmknochen am untern Ende durchlöchert und die Backenzähne abgenutzt. Er betrachtet die Pygmäen von Soubes verwandt mit seinem homo contractus, obgleich jene durch die noch geringere Grösse und das Fehlen des Kinnvorsprunges am Unterkiefer etwas verschieden seien von diesem. Diese zwei kleinen Pygmäenrassen, zwischen welche hinein nach Lapouge wahrscheinlich diejenige vom Schweizersbild geschoben werden müsse, stellen nach demselben ebenfalls die Ureinwohner von Europa dar und seien wahrscheinlich die Nachkommen jener kleinen steatopygenen Rasse ähnlich den Buschmännern und Negritos, von welcher der franzö- sische Forscher E. Piette aus der Mammutzeit mehrere Gravüren und Skulpturen, sowie die Venus von Brassempouie, aus einer Höhle an der Dordogne besitzt. Diese an ver- schiedenen Orten in Frankreich und der Schweiz aus der neolithischen Zeit aufgefundenen Pygmäen seien die europäischen Repräsentanten jener grossen, weitverbreiteten Gruppe von jetzt noch lebenden Pygmäen in Asien, der Nilgiris auf den Andamanen, der Weddas auf Öeylon, der Dravidas in Vorder-Indien, der Susier, der Aitas, und in Afrika der Afkas, Obongos, Buschmänner, welche sich durch ihre sehr kleine Gestalt, dunklere Farbe, grazilen Knochenbau, kleine Schädelkapazität u. s. w. von den grossen Rassen unterscheiden. ’, G. de Lapouge,-homo eontraetus, in Materiaux pour la Palethnologie des Cevennes, Nimes 1883. — *) 6. de Lapouge, les Pygmees n£olithiques de Soubes, Herault ; bulletin de la societ& scientifique et medicale de l’Ouest du 1° trimestre 1896. ot Durch eine genaue Prüfung der übrigen anthropologischen Literatur über die fran- zösischen Höhlenfunde hat Herr Prof. Dr. Kollmann die interessante Tatsache feststellen können, dass wie in der Schweiz unter der neolithischen Bevölkerung Frankreichs noch mehr Pygmäen gelebt haben und dass ihre geringe Körperhöhe von angesehenen franzö- sischen Anthropologen festgestellt wurde, ohne dass allerdings die kleinen Leute als Pygmäen bezeichnet worden sind. Manouvrier beschreibt in seinen Arbeiten über den neolithischen Menschen in der Cave aux Fees bei Brueil, Dep. Seine et Oise, fünf Rassenzwerge von nur 1,42 m Körperhöhe, welche mit Vertretern der hochgewachsenen Varietäten des Menschenge- schlechtes daselbst wie am Schweizersbild und im Dachsenbüel zusammen lebten; ebenso hat Dr. Verneau in der Grotte von Merceaux mehrere Oberschenkelknochen von aus- gewachsenen Individuen entdeckt und beschrieben, welche die pygmäenhafte Körperhöhe von 1,48 und 1,52 m ergaben. Das neolithische Gräberfeld bei Chälons-sur-Marne, das im Jahre 1892 ausgebeutet wurde und dessen Inhalt ebenfalls Manouvrier unter Beihülfe von Pokrowsky wissen- schaftlich bearbeitet hat, lieferte gleichfalls den Beweis von dem Vorkommen von Pyg- mäen mit 1,44 m Körperhöhe, deren Schädelkapazität ganz ungewöhnlich klein ist. Die Ergebnisse seiner einlässlichen Untersuchungen über die neolithischen und über die jetzt noch lebenden Pygmäen fasst Prof. Dr. Kollmann in seiner Arbeit über „die in der Grabhöhle zum Dachsenbüel vorgefundenen Skelettreste* in folgender Weise zusammen: 1. Unter dem Namen Zwerge sind zwei verschiedene Menschen bezeichnet worden: a) kleine Leute, welche durch Degeneration klein geblieben sind; b) kleine Leute, die dagegen auf rassenanatomischer Grundlage entstanden sind. Für die durch Degeneration klein gebliebenen Menschen wird sich die Bezeich- nung „Kümmerzwerge“ für die Zukunft empfehlen; für die auf rassenanatomischer Grundlage entstandenen, kleinen Leute ist die Bezeichnung „Rassenzwerge“ oder Pygmäen vorzuziehen. Die Rassenzwerge Europas sind keine durch Degeneration entstandenen Kümmerformen der hochgewachsenen Rassen, sondern sie sind als eine Abart der europäischen Menschheit aufzufassen. 3. die neolithischen Pygmäen der Schweiz und Frankreichs gehören so gut wie jene der andern Kontinente zu den sog. primitiven oder Urmenschenrassen. 4. Die Pygmäen der verschiedenen Kontinente sind direkt miteinander verwandt, aber sie sind nicht alle gleich. Die Verschiedenheit ist unter ihnen sehr ansehnlich. Die Pygmäen Afrikas gleichen den Negern, jene Siziliens den Europäern, diejenigen der Nikobaren sollen mongolische Typen aufweisen, und wieder verschieden von denen der Andamanen und Nikobaren sind die Weddas auf Ceylon und die Negritos auf den Philippinen. In der Schweiz sind bisher mindestens an fünf verschiedenen Orten Pygmäen aus der neolithischen Zeit nachgewiesen. ID or 22 In Frankreich weisen viele neolithische Stationen ebenfalls Pygmäen unter der hoch- gewachsenen Bevölkerung auf. In der jüngsten Zeit haben der Abbe Tournier') und Ch. Guillon in der Höhle des Hoteaux im Departement de l’Ain, in Savoyen, in einer Tiefe von 2 Metern ein sorgfältig angelegtes Grab aufgefunden, das nach den Beigaben zu schliessen sogar aus der Rentierzeit stammen soll und in welchem sich die Knochen eben- falls von einem Rassenzwerg von 1,35 m Höhe vorfanden. Die Beine desselben waren eekreuzt: der kleine Tote hatte ganz ähnliche Beigaben mit in das Grab erhalten wie die Pygmäen vom Schweizersbild und vom Dachsenbüel: neben dem Kopf lag ein durchlöcherter Hirschzahn und ein grosser Feuersteinhammer, neben der Schulter ein 9 cm langes scharfes Feuersteinmesser, weiter unten eine Lanzenspitze und andere Werk- zeuge aus demselben Material, sowie ein vielgebrauchter, abgenutzter Kommandostab, welcher mit einem runden Loch versehen ist. In dem Museum schlesischer Altertümer in Breslau hat Professor Dr. G. Thilenius?) bei der Durchsicht der prähistorischen Skelettreste eine Reihe von Individuen von so geringer Körperlänge aufgefunden, dass dieselben gleichfalls als Pygmäen zu bezeichnen sind. Diese fraglichen Reste stammen aus der fruchtbarsten Gegend Schlesiens zwischen Breslau und dem Zobten, die eine kontinuierliche Besiedlung von der neolithischen Zeit an erkennen lässt. Eine Altersbestimmung ergibt sich aus den Röhrenknochen, die von vollständig ausgewachsenen Individuen herrühren. Die Körperlänge wurde aus den Femurhöhen für die Pygmäen von Schwanowitz auf 142,9 cm, von Rochschloss auf 152,3 cm und 149,6 em, von Jordansmühl auf 150,6 cm berechnet. Zum Vergleich können herangezogen werden die Pygmäen vom Schweizersbild mit 1355, 1416, 1424, 1500 mm Körperlänge und vom Dachsenbüel mit 1300 und 1460 mm, ferner die Funde von Egisheim im Elsass, welche nach Gutmann 120, 125, 150 und 152 cm messen, end- lich beträgt die Femurhöhe eines im Museum zu Worms befindlichen Hokers etwa 375 mn, was einer Körperhöhe von 144,5 cm entspricht. Wie im Schweizersbild und Dachsen- büel, so zeigen nach Thilenius die eben angeführten Skelettreste aus Schlesien wohl schlanke gut profilierte Formen, aber keine Spuren von pathologischen Veränderungen; es kann daher wohl von Pygmäen, nicht aber von „Kümmer-Zwergen* die Rede sein. Auch in Schlesien finden sich neben den kleinen Individuen ebenfalls Vertreter einer grossen Varietät des Menschengeschlechtes wie in der Schweiz und am Rhein zu der- selben Zeit. Auch in Amerika, namentlich in Peru, konnten aus dem altberühmten Totenfeld von Ancon und in den Ruinen Pachacamac eine grosse Zahl Menschen von ganz kleiner Statur und mit sehr kleinen Köpfen, Pygmäen, nachgewiesen werden; die Prinzessin Therese von Baiern hat das Beweismaterial auf ihren Reisen daselbst gesammelt und nach Europa gebracht. ’) Abbe Tournier und Ch. Guillon, Les hommes prehist: dans l’Ain, Anthropologie, 1895, und Schaudel, Louis, Le prehistorique en Savoie, 1902. — *) Thilenius, G. Prähistorische Pygmäen in Schlesien, in Globus, Bd. LXXXI, Nr. 17, 1902. = 23 a Die Zwergvölker der Urwaldregion Afrikas, die Akkas, die Batua, die Ewe-Ewe und auch die Buschmänner, sowie diejenigen in Asien, die Andamanen, die Nikobaren, die Weddas, die Nilgiris, die Dravidas u.s. w. leben heute noch mitten und neben den hochgewachsenen Rassen als Rassenzwerge fort, wie das, nach den Gräberfunden zu urteilen, in Europa und Amerika zu der neolithischen Zeit ebenfalls der Fall war. Auch in Europa sind gegenwärtig noch nach den Untersuchungen von Sergi in Rom auf der Insel Sizilien lebende Pygmäen vorhanden, die durchaus nicht verkümmerte Individuen der grossen Rasse sind. Die Pygmäen der Gegenwart in den verschiedenen Kontinenten sind vielmehr die Vertreter von kleinen Urrassen und leben wie jene der grossen Men- schen in Asien, Afrika, dem Inselarchipel und Europa unter denselben klimatischen Lebens- bedingungen und Verhältnissen. Nach den Analogien der Descendenz bei den Pflanzen und den Tieren wird man zu der Annahme gedrängt, dass die Pygmäen die Vorläufer der grossen Menschen waren und dass die hochgewachsenen Rassen höchst wahrscheinlich durch Mutation eine weitere Entwicklung dieser Urmenschenrassen darstellen. 5. Die Zwergensagen der Schweiz. Von Professor Dr. S. Singer in Bern. „In Afrika begegnet uns die Erscheinung, dass, oft unabhängig von geographischer oder ethnographischer Gruppierung, die Schmiede bald tief verachtet, bald hoch verehrt sind. Ob sie aber auch verachtet werden, stets klebt ihrer Beschäftigung etwas Ge- heimnisvolles an, so dass sie auch in ihrer Pariastellung mit einer gewissen Scheu an- gesehen werden. Die Erklärung, dass die Schmiede, als eine besondere Kaste bildend, von anderer Abstammung als die übrigen Mitbewohner des Landes seien, wird hier nicht immer ausreichen, wenn schon dieselbe sehr oft zutrifft. Wenn ein eroberndes Volk, welches das Schmiedehandwerk nicht!) kennt, in dem von ihm besetzten Lande bereits Schmiede vorfand, welche das Metall zu bearbeiten verstanden, so musste es natürlich die ihm fremde, geheimnisvoll erscheinende Kunst bewundern, aber auch fürchten. Wegen der augenscheinlichen Nützlichkeit liess es aber die Unterjochten bei ihrem Gewerbe... und betrachtete sie gleichsam mit Scheu als Zauberer und Träger überirdischer Kräfte.“ °) „Wo.. die Eisenbereitung aus dem Erze, die ja meist eng mit der Schmiedekunst ver- knüpft ist, in grösserem Umfange betrieben wird, da ist sie.. eine an den Ort geknüpfte Tätigkeit, und das ganze Gewerbe ist weniger beweglich als das übrige Volk. So kann es sich ereignen, dass ein fremdes Volk erobernd eindringt und die bisherigen Bewohner aus ihrer Heimat vertreibt, dass dagegen die Schmiede zurückbleiben und als nützliche Kaste geschont, aber freilich dabei in eine Art Helotenstellung hinabgedrückt werden. Das scheint besonders oft den ältern Bewohnern des erzreichen Altaigebirges geschehen !) „oder nur mangelhaft“ möchte ich hinzusetzen. — ?) R. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Stuttgart 1878. S. 155. BER Wr zu sein. Auch der entgegengesetzte Fall ist möglich: man schont im Kriege die ge- fanzenen Schmiede, führt sie aber mit weg und siedelt sie anderswo an.“') „Es wäre seltsam. wenn sich bei alledem nicht wieder jener Glaube an unheimliche Mächte geltend machen sollte... nicht nur das Volk wird in der Tätigkeit des Schmiedes, in seinem vertrauten Umgang mit dem feindlichen Element des Feuers, in dem Sprühen der Funken und den dumpfen Schlägen des Hammers leicht etwas Geheimnisvolles sehn, auch der Schmied selbst.. wird geneigt sein durch Zaubermittel und wunderliche Bräuche aller Art den Unfällen und Störungen entgegenzutreten, denen sein Gewerbe mehr ausgesetzt ist als die meisten andern: er wird sich schliesslich zu einem Spezialisten in allerlei Zauberwerk und Kurpfuscherei heranbilden.“*) Nicht viel anders werden wir uns wohl die frühesten Zustände in Europa zu denken haben. Der Bergbau ist daselbst alt, die indogermanischen Völker haben ihn wohl beim Einrücken in ihre jetzigen Wohnsitze schon vorgefunden. Wie es in der Schweiz damit steht, weiss ich nicht, aber im benachbarten Tirol hat man Spuren des Bergbaus ge- funden, die man noch dem Ende der jüngern Steinzeit zuzuschreiben sich berechtigt glaubt.”) Wie wäre es, wenn eben die oben geschilderten Pygmäenvölker der neolithischen Periode die Lehrer der spätern Bewohner gewesen wären? Eines hohen Kulturgrades bedurfte es dazu durchaus nicht. Hätten wir dann nicht in ihnen die Urbilder jener uns aus der Sage vertrauten bergbewohnenden, metallschmiedenden, zauber- und (was für jene Zeit dasselbe ist) heilkundigen Zwerge zu erblicken? Zwerggestaltete Dämonen, das Doggeli (den dem Schläfer aufhockenden Alp) und das Heinzelmännchen (den hülf- reichen Hausgeist) haben freilich die Indogermanen schon in ihrer Urheimat gekannt. Auch die Vorstellung des zwerghaften dämonischen Schmiedes findet sich bei verschiedenen derselben‘), hat sich aber vielleicht bei jedem einzelnen selbständig von denselben oder verschiedenen Grundlagen aus entwickelt, mag auch bei benachbarten Völkern vom einen dem andern abgeborgt sein. Von diesem Standpunkt aus wollen wir im folgenden die Zwergensagen der Schweiz (mit Ausschluss der für unsere Frage nicht in Betracht kommenden) Revue passieren lassen. In dem Tobel am Seez bei Mels in St. Gallen fliesst eine Quelle mit gediegenem Golde. Oft kam ein altes „Chrütermändli* zu einem Bewohner von Wysstannen und erhielt dort gastfrei Nachtlager und Speise. Mit einem braunen Kruge ausgerüstet, begab es sich dann zu der (Quelle, füllte ihn und zog von dannen. Der Sohn dieses Wysstanners zog in den Mailänder Krieg, kam dabei nach Venedig und wurde von einem vornehmen Venetianer sehr freundlich aufgenommen und bewirtet. Endlich gab sich ihm dieser zu erkennen als eben jenes alte „Chrütermändli‘. Es werde seinen Krug noch zweimal füllen und es dann nicht mehr nötig haben. „Als es damit des Jungen Heimweh erregte, '‘, H. Schurtz, Urgeschichte der Kultur 1900 S. 161. — 2) Ebenda 161 ff. — ?) M. Much, die Kupfer- zeit in Europa, 2. Aufl. 248. — *) O. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte. Jena 1883. S. 223 ff. (Ich habe leider nur die 1. Auflage zur Verfügung.) zeigte es ihm in seinem Bergspiegel!) die alten Leute zu Wysstannen in der Stube an ihrem „Chli-z-Obet‘.) Ganz ähnliches erzählt man in Glarus von einem Venediger- mändli”) und auf dem Stierenseeberg im Simmental®), im Sörenberg im Entlebuch’), zu Gurtnellen im Kanton Uri und im Stürviser Tal in Graubünden.°) In der Ruine Wilden- burg in St. Gallen sollen Schätze vergraben sein. Keiner der Einheimischen wagte sie zu heben. „Da geschah es, dass aus den Laguneninseln des adriatischen Meeres viele Menschen auswanderten und sich in alle Winkel der Erde zerstreuten. In Wildhaus, wohin sie auch kamen, kannte man sie unter dem Namen Venediger und sie wurden als Hexenmeister und Tausendkünstler geehrt und gefürchtet.“ Einer von diesen stieg mit der geisterbannenden, schlössersprengenden weissen Ziegenkrautblume versehen in die Ruine hinunter, raffte von den Schätzen, die er dort fand, zusammen so viel er tragen konnte und achtete nicht auf eine warnende Stimme, die ihm zurief: „Lass s’Best nicht liegen“. Erst als er draussen war, bemerkte er, dass er die seltene Blume drin vergessen hatte.‘) Im Arniloch ob Engelberg sollen Goldgräber aus Venedig grosse Schätze gefunden haben. Einst nahm ein solcher Italiener einen Bauernburschen mit unter der Bedingung, dass er kein lautes Wort rede. Er begann aus einem grossen Buche in fremder Sprache laut zu lesen, worauf sich so unheimliche Geräusche erhoben, dass der Bursche einen lauten Schrei ausstiess. Darauf wurde unter einem starken Donnerschlag der Knabe aus der Höhle geschleudert und blieb von da ab ein „Noggel“. Der Venediger war verschwunden.‘) Auch im schwyzerischen Sihltal und an verschiedenen Orten St. Gallens wird von goldsuchenden Venedigern erzählt.”) Anderwärts heisst es, in Venedig hätten viele Leute das Goldmachen verstanden. Diesen war die Auswanderung verboten, damit der Nutzen ihrer Kunst der Stadt allein zu Gute käme. Einer aber kam trotz des Verbotes nach Luzern. Da verlangte Venedig unter dem Vorgeben, er habe ein Verbrechen begangen, seine Verhaftung. Umsonst versprach der Angeklagte den Luzernern eine goldene Kette mit zolldicken Ringen, die um die Stadt herum reiche, !) Bergspiegel nennt das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm II, 1518 einen „Zauberspiegel, durch den man ins Eingeweide der Erde schauen und Schätze finden kann“. Hier ist es allgemeiner ein Zauberspiegel, der alles Entfernte sehen lässt; über solche Spiegel s. Wackernagel, kl. Schriften I, 130. W. Hertz, Parzival Stuttgart 1898 S. 535. Comparetti, Virgil im Mittelalter S. 256 ff. Hartland, The legend of Perseus II, 13ff. Auf der Burg Bischofstein in Baselland fand einmal ein Holzhauer einen grossen Spiegel: als er hineinschaute, blickte ihm das Antlitz eines zornigen Zwerges entgegen, so dass er erschreckt davon lief (Lenggenhager, Die Schlösser und Burgen in Baselland. Liestal 1848. S. 51f.). — °?) Die Schweiz in ihren Ritterburgen und Bergschlössern historisch dargestellt von vaterländischen Schriftstellern. Mit einer historischen Einleitung von J. J. Hottinger und herausg. v. Gustav Schwab, II, Chur 1830. J. F. J. Dalp, Begründer und Verleger dieses Werkes. S. 348. — °) Frommann, die deutschen Mundarten VI, 253. — *) H. Gempeler, Sagen und Sagengeschichten aus dem Simmental. I, 3. Aufl. Thun 1890. S. 95ff. — °) A. Lütolf, Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten. Lucern 1865. S. 508ff. — °) D. Jecklin, Volks- tümliches aus Graubünden, II, 58. Vernaleken, Alpensagen. Wien 1858. S. 168f. — ?) Die Schweiz in ihren Ritterburgen, II, 442ff. — °) Lütolf, S. 6Sf. Verwandt die Graubündner Sage, Jecklin a. a.0.S.57. — %) Lütolf, a. a. O. Vernaleken 170. Kuoni, Sagen des Kantons St. Gallen. St. Gallen 1903. Nr. 70. 196. 222. 9357. 293. 347. 348. 360. = ww zu machen: er wurde hingerichtet. Auf dem Weg zum Richtplatze warf er eine Flüssig- keit oder einen Stein in die Reuss, die das Wasser weithin zum Kochen brachten.') Wieder an andern Orten standen die Venediger im Ruf, mit kleinen Teufelchen, spärötus familiares genannt, Handel zu treiben.”) In Graubünden haben sich die Venediger den Reichtum zoldhaltiger Quellen durch besondere Prozeduren anzueignen verstanden, anderer- seits werden daselbst die wilden Männer da und dort Vinetier genannt‘). Wie ander- wärts die Zwerge, erscheinen in St. Gallen Venediger auf einem Drachen reitend oder im Kampf mit einem Drachen.) Ebendort treten auch Venedigerinnen auf mit bekannten Zügen aus der Hexen- und Geisterwelt.) Neben den Bergmännlein erscheinen die Venediger im „Florz“. dem Fastnachtsumzug im Kanton Schwyz.‘) Das sind die hauptsächlichsten Venedigersagen, die mir aus der Schweiz bekannt sind. Sie sind aber auch ausserhalb derselben weit verbreitet: ihre Helden heissen Vene- diger oder Walen d.i. Wälsche.‘) Charakteristisch ist für sie meistens ihre kleine Gestalt. weshalb sie mit Recht allgemein als eine Abart der Zwerge aufgefasst werden. Dass wandernde Italiener auf den Bergbau da und dort Einfluss genommen haben können, ist nicht von vornherein auszuschliessen. Schatzgräberei und Goldmacherkunst sind später damit vermischt. Andererseits mögen diese Italiener in der Phantasie des Volkes an die Stelle jener älteren Italiener getreten sein, der ersten Vertreter einer höhern Kultur in der Schweiz: der Römer. An sie mag man denken, wenn im St. Gallischen die Vene- diger als Heiden, im Aargau die Zwerge als Heidenzwerge, Heidemandli, im Kanton Luzern die Zwerginnen als Heidewybli bezeichnet werden°), wenn im Wallis auf der Heidenplatte scheinbare Fussabdrücke auf die Tänze der Heiden (wie anderwärts auf die der Zwerge, Elfen, Hexen) zurückgeführt werden ®), wenn im Emmental Zwergsagen speziell dort lokalisiert erscheinen, wo man grosse Mengen von den „unter dem Namen Heideneisen bekannten antiken Hufeisen gefunden hat“ !"), während in den Heiden- löchern bei Triengen, auf dem Heidehus genannten Acker im Kanton Zürich antike Münzen gefunden und im St. Gallischen die „Vineder“ mit allerhand Ausgrabungen in Zusammenhang gebracht werden.'') Freilich werden als Heiden mit Vorliebe die Zi- geuner bezeichnet: so mag es nicht Wunder nehmen, wenn ungläubige Leute im Kanton Zug behaupten, „diese Bergmännchen seien nichts anderes gewesen als braune Zigeuner, die ehemals bandenweise beim Zuger Landvolke sich herumtrieben als Kessler, Huf- *) Lütolf 510 ff. Auch in Lichtensteig in St.Gallen und in Zürich versprach ein wegen seiner Zaube- reien zum Tode verurteilter Venediger eine goldene Kelte, um die Stadt schmieden zu wollen, falls er begnadigt würde (D. Schweiz. i. i. Ritterb. II, 443: Kueni Nr. 413). — *) Lütolf 191. — ?) Jecklin S.58 1. Schweiz. Idiotikon 1, 867. — *) Kuoni Nr. 196, 361. Laistner, Nebelsagen. Stuttgart 1879. S.342. — *) Kuoni Nr. 272 und 273. — *) Schweiz. Archiv f. Volkskunde 1, 269. *) H. Schurtz, Der Seifenbergbau im Erzgebirge und die Walensagen. (Forschungen z. deutschen Landes- und Volkskunde V, 3.) S.12%0 [36] ff. — *)E. L. Roch- holz, Schweizersagen aus dem Aargau I. Aarau 1856. 5.363 fl. Lütolf S.369. Kuoni S.56. — *) Walliser Sagen, gesammelt u. herausg. v. Sagenfreunden. Sitten 1872 S.56. — *") A. Jahn, Emmentaler Altertümer und Sagen. Bern 1865. 5.62. — "!) Lütolf, S.272. Schweiz. Idiotikon II, 1711. Kuoni Nr. 452. schmiede und Kleinmetzger und durch ihre Verschmitztheit in den Ruf von Zauberern kamen“.!) Auch mag hier etwas Tatsächliches zu Grunde liegen.?) Aber andere Spuren führen uns in ein noch höheres Altertum hinauf. „Wer die Ureinwohner der Alpen gewesen sind, wissen wir nicht,“ sagt A. Wäber (JJahrb. d. schweiz. Alpenklub XIV, 495). „Nur die zahlreichen, in allen Gegenden der Alpen heimischen Sagen von Zwergen, Trollen, Waldmenschen, wilden Leuten, die in den meisten Gegenden übereinstimmend als klein und hässlich geschildert werden, scheinen auf eine frühere. vielleicht den heutigen Lappen ähnliche Bevölkerung hinzuweisen.“ Wie auf jener Heiden- platte im Wallis, so sieht man auf dem Heidenkilchli, einem „Felsblock oder Hügel von sonderbar hartem Gestein“ auf einer Alp hinter dem Giswyler-Stock in Unterwalden, Eindrücke, die in gleicher Weise gedeutet werden. Wie weit wir es hier und dort mit den rätselhaften Schalensteinen zu tun haben, müsste der Augenschein lehren. ‚Jeden- falls geht die Sage, dass in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts „Gerätschaften jener Urbewohner von den Älplern gefunden worden seien, wie Dreifüsse, Kochlöffel, Kellen, Pfeile u. dgl.“ „In Uri haben sich die Sagen von einer vorchristlichen (rätoromanischen ?) Bevölkerung mit denjenigen von den Erdmännchen gemischt. Im Heidenstäfeli. wo noch jetzt Gemäuer sichtbar ist, pflegten sie zu käsen.“”) Das Wort (Heiden) in zahl- losen Flurnamen, meist Örtlichkeiten bezeichnend, an welche sich Sagen von einer unter- gegangenen Bevölkerung knüpfen, wie auch Funde von Altertümern seither den Volks- glauben vielfach bestätigt haben.“‘) „Als man den Heidenstein umwarf. der im Längen- walde stand zwischen Mett und Brügg (Jahn, Kant. Bern) fanden sich in der Grundlage Aschenspuren vor.“’) Unterhalb des Dorfes Tegerfelden im Aargau, wo einstmals die untergegangene Stadt Kronweissenburg gestanden haben soll, traf man überall in der Tiefe des Bodens Mauerüberreste und in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde daselbst ein ganzer sonderbar gebauter Feuerherd ausgegraben.*) „Das Heilbad im Dorfe Walterswil mit seinen kalten und warmen Quellen gehörte damals noch den Zwergen, und daher rühren auch die Benennungen dortiger Wege und Plätze: Heidengass, Heiden- stube, Herdmandliloch. Am Eingang dieser letztgenannten Höhle findet sich rechter Hand sogar eine Art Felseninschrift: es sind Linien wunderlicher Charaktere, welche man teils für eine noch unerklärte Inschrift, teils für ein blosses Naturspiel hält.“ Auf der Walchwiler Allmend gegen die Gnippenfluh hausten die Erdmännlein und haben ihre Spur auf der Baarburg durch hieroglyphenartige in das Felsgestein eingegrabene In- 1) E.L. Rochholz, Naturmythen. Leipzig 1862. S 121. — °) „Unter den leichten Arbeiten, zu denen die Angehörigen des ruhelosen Völkchens sich hie und da namentlich in Rumänien und Ungarn bereit finden lassen, ist das Goldwaschen nicht an letzter Stelle zu nennen. Was liegt näher, als dass sie auf ihren Wanderungen die Kunst an geeignet erscheinenden Stellen zu üben versuchten? (H. Schurtz a. a. 0. 131 [47].) 3) Lütolf 258 f. — *) Schweiz. Idiot. II, 986. Was aber weiter von ihnen hier und IV, 272 (vgl. Kuoni Nr. 288; Schweiz. Archiv f. Volkskunde II S.2) erzählt wird „Auf einem Heustock feuerten sie ohne Gefahr“, weist wieder auf die Zigeuner, zu deren Kunststücken das gehört haben soll. — °)Rochholz, Sagen aus d. Aargau 336. — °) Rochholz a.a.0.241. IS schriften beim „Härdmandliloch* zurückgelassen.') Man denkt wieder an die Schalen- steine. Im Eifischtal heisst ein solcher Pierre des Servaggios und soll der Kraft der Zwerge seine heutige Gestalt verdanken.) „Heidenhäuslein heisst man eine Zelge im Gelände des Fricktaler Dorfes Zuzgen“. Ehemals sollen Erdmännchen dort gewohnt haben. „Man hat seit einem Jahrzehnt“ (also in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts) „auf dieser Zelge zu verschiedenen Malen Heidengräber aufgepflügt. Die vorgefundenen Gerippe waren gross, von gutem Zahnbau, mit kriegerischen Ehren bestattet, denn ein jedes hatte dreierlei Schwerter zur Seite liegen und am Ellenbogen des Einen fand sich ein sogenannter Nabel, eine eiserne schalenförmige Einfassung, die zur Schildbuckel diente. /weierlei Lanzenspitzen aus Bronze und aus Eisen, Schnallen von verfaultem Riemwerk, und ein an beiden Enden zugespitzter Nagel von sechs Zoll Länge, in der Mitte mit einer Messingzwinge lagen dabei.“') Das alles führt uns freilich noch nicht auf unsere Pygmäen. Aber wenn wir sehen, dass, was von den Venedigern erzählt wird, früher von den Römern und noch früher von ältern Bewohnern des Landes erzählt wurde, sollte uns der Schritt zu den ältesten verwehrt sein, insofern (was sich meiner Beurteilung entzieht) wir als diese die Pyg- mäen betrachten dürfen, die mit den Helden der betreffenden Sagen eben die Zwerg- zestalt teilen? Zufall ist es natürlich, wenn mir gerade aus der Umgegend von Schweizers- bild und Herblingen keine Zwergsagen bekannt sind. Was ich hier biete soll keine irgendwie festbegründete Hypothese sein, sondern nur die Klarlegung einer Reihe immerhin erwägenswerter Möglichkeiten. Wenn die Indoger- manen sich die Seelen ihrer Vorfahren zwerggestaltig vorstellten, wenn sie ihre Toten in Erd- und Berghöhlen beisetzten, wenn sie dann die in den Bergen ruhenden Metall- schätze erkannten, so mussten Zwerge die Bewohner des Innern der Erde und der Berge und die Hüter dieser Metallschätze werden. Das ist ein Weg, und auf diesem sind wohl verschiedene indogermanische Völker zu den betreffenden Vorstellungen gekommen. Wenn andere aber, bevor ihre Phantasie diesen Weg zurückgelegt hatte, in dem Lande, in das sie einrückten, ein anderes bergbauendes, höhlenbewohnendes Pygmäenvolk antrafen (und diese Möglichkeit scheint mir allerdings vorhanden) und von ihnen den Bergbau lernten, so konnten sie auch auf diesem andern Wege selbständig zu den gleichen Vorstellungen gelangen. Dass die Zwerge in den Bergen wohnen, deren Schätze besitzen und behüten, aber auch manchmal den Menschen davon mitteilen, ist zu bekannt, als dass ich dafür Belege anzuführen nötig hätte. Manchmal treten, wie bei den gomos im Waadtland‘), von den Menschen vergrabene und versenkte Schätze an Stelle derjenigen, die die Natur in den Adern der Gebirge darbietet. Als Herren der Berge hegen sie das Gewild derselben ', Rochholz, Naturmythen S. 121. Schweiz. Archiv f. Volkskunde II S.2. — ?) Heierli, Urgeschichte der Schweiz. Zürich 1901. 8.193. — *) Rochholz, Naturmythen S. 127 £.; vgl. noch das Heidenloch als Wohnort der „wilden Leute“ im St. Galler Oberland (Schweiz. Arch. f. Volkskunde VI, 138). — *) A. Gere- sole, Legendes des Alpes Vaudoises. Lausanne 1885. S. 248 fl. 29 unter ihrem besondern Schutz.') Auch treten sie als Schmiede in den Dienst der Men- schen.) „Vor alten Zeiten kam viele Jahre nacheinauder zur Sommerszeit ein schein- bar armes Männlein auf den Stierenseeberg ...... Von früh morgens bis spät abends grub es mit emsigem Fleiss aus den Felsen und Felsklippen der Spillgerte Steine hervor, wurde aber dafür von den Sennen, bei denen es nach vollendetem Tagewerk einkehrte, nur ausgelacht .. . Einmal aber... gab es mit bedeutungsvollen Blicken zur Antwort: „Ihr mögt wohl lachen zu meiner Arbeit; ihr werft euern Kühen oft Steine nach, allein wenn ihr wüsstet, dass diese Steine oft mehr wert sind, als die Kühe, denen ihr sie nachwerft, so würdet ihr mich weniger auslachen.“ *) Hier erscheint der Zwerg direkt als Lehrer des Bergbaues, indem er die verblendeten Hirten auf den Metallreichtum ihres Gestein aufmerksam macht. Einen ähnlichen Sinn mögen die vielen Sagen haben, in denen Menschen von Zwergen, denen sie einen Dienst geleistet haben, mit Kohlen, Steinen oder Erdschollen (an deren Stelle freilich manchmal dürre Blätter, Strohhalme u. a. m. treten) belohnt, und als sie das Geschenkte als wertloses Zeug achtlos fortwarfen, mit dem Rufe gewarnt werden: „Je mehr du zerstreust, je mehr du bereust“ oder ähnlich, worauf sich das Zurückbehaltene als Metallklumpen ausweist.*) Auf die Funde praehistorischer Feuerherde mag man die Sagen vom unterirdischen Kochen und Backen der Zwerge zurückführen.’) Auf die Stellung des Schmiedes als Zauber- und Heilkünstler bei wilden Völker- schaften habe ich schon oben hingewiesen. Nicht anders war und ist es in Europa, worauf schon das Wort „Kurschmied“ führt. „Ein mit der englischen Krankheit be- haftetes Kind wurde früher in Schottland von Schmieden behandelt.“‘) Hans Sachs erzählt: „Frü schickt der Abt nach seinem Schmidt Und sprach zu dem Schmidt: sag du mir, Ich hab gehöret offt von dir, Wie du kannst mancherley Artzney, Sag ob dir !) Vgl. die von Schiller behandelte Sage vom Alpenjäger: C. Kohlrusch, Schweizer. Sagenbuch. Leipzig 1854. S.17. K.V. v. Bonstetten, Schriften herausg. v. F. Matthisson. Zürich 1793. S.118S ff. Die Schweiz. Illustr. Monatsschr. III, 142. Lütolf S.48. Bridel in Le Conservateur IV, 201. Walliser Sagen S. 39. J. Genoud, Legendes Fribourgeoises. Fribourg 1892. p. 284. Schweiz. Idiot. IV, 273. Sie leben auch von Gemsenmilch und den daraus bereiteten Gemskäslein: Kohlrusch 15. Jecklin 22. 88. — ?} Rochholz, Natur- mythen S.116. Der Zug, dass der Zwerg für seine Dienste durch das Geschenk von Kleidern belohnt, nicht mehr wiederkommt, ist weit verbreitet: H. Herzog, Schweizersagen für Jung und Alt dargestellt. 2. Aufl. 1. Aarau 1887. S.61. Tscharner, Der Kanton Graubünden S. 149. Vonbun, Beiträge zur deutschen Mythologie, gesammelt in Churrhaetien. Chur 1862. S. 60 ff. Walliser Sagen S. 163. Lütolf S. 475. 478. Rochholz, Natur- mythen S. 118: Sagen aus dem Aargau S. 286, 355. Kuoni Nr. 292. 345. 419. 467. Eine Erklärung dieses merkwürdigen Zuges versucht W. Mannhardt, Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme. Berlin 1875. S.SO f. — °) Gempeler a.a.O.: ähnlich im Kanton St. Gallen, Kuoni Nr. 116. 349; vgl. „Zu- nächst ist ein altes Sprichwort zu erwähnen, das immer wiederholt wird: Im Gebirge werfe der Bauer oft mit einem Stein nach der Kuh, der mehr wert sei, als die Kuh“ (H. Schurtz, Der Seifenbergbau S. 138 [154]) *) Herzog 46. Kohlrusch 23. Ceresole 74. SA. 90. Lütolf 53. 65. 68. Lenggenhager 50. Vonbun 51. Walliser- sagen 46. 164. Rochholz, Schweizersagen 266. 270. 277. 279. Naturmythen 114. 119. 120. 121. 125. Kuoni Nr. 190. 210. 289. 419. Schweiz. Archiv f. Volkskunde II S.3. — °) Vernaleken 184. Vonbun 66 fi. Quin- querez, Coup d’eil sur les travaux de la societe Jurassienne 1879. Rochholz, Naturmythen 103. 106. 110. Schweizersagen I, 336. J. R. Wyss, Idyllen, Volkssagen, Legenden und Erzählungen aus der Schweiz. Bern und Leipzig 1815. I.9. Kuoni Nr. 121. 461. 467. 500. J. Schild, der Grossätti us’ em Leberberg. 11. 2. Aufl. Burgdorf 1881. S.68. — °) Andree 154. — 30 „auch bewisset sey Die Artzeney für das Zahnweh.“ ') Damit hängt die Heilkunde der Zwerge zusammen: ich will nur auf die verschiedenen Sagen hinweisen, in denen sie lie Medizin gegen die Pest angeben.”) Das Aussehen der Zwerge wird verschieden geschildert, je nachdem sie mehr als Dümonen betrachtet werden, wobei wie bei andern indogermanischen und semitischen Dümonen (Satyrn, Faune, Aschmedai im Talmud etc.) vor allem die tierischen Füsse charakteristisch sind, deren sie sich aber schämen’), oder mehr als kleine Menschen, bei deren Schilderung da und dort das Vorbild zwerghafter Cretins massgebend gewesen sein mag. Ich will nur zwei derartige hervorheben: Im Jahre 1595 erzählt jemand dem Stadtschreiber R. Oysat in Luzern, er habe die Herdmännlin gesehen: „Ihr gstalt sye ge- wesen wie ein allter wyssgrauer Mann mit Langen har und bart, doch gar kurz und klein anzesehen alls ein Kneblin von 6 oder 7 Jaren, ettwan haben sy sich sehen lassen in wysser Kleidung.“ ') Im Greyerzer Land erschien in einer Alphütte öfters ein kleines fremdes Männlein. „Dieses hatte eine blassgelbe Gesichtsfarbe, aschgraue, blinzelnde, tief- liegende Augen, rotes, buschiges Haar, eine grüne Kappe auf dem Kopfe; es trug einen zrauen Kittel, lange, enge Hosen von hellblauem Zeug und kurze Stiefel.“ „Wenn man es munter machen wollte, gab man ihm zu essen und zu trinken. Es dankte dann in einer sonderbaren, fremden Sprache, wovon man nur ein paar Worte verstehen konnte.“ °) Diese Sprachmischung lässt an ein fremdes Volk denken, das sich nur wenig der zegenwärtigen Bevölkerung assimiliert hat. Nicht im Sinne der sicher modern erfundenen Sage, als ob die Zwerge aus Asien eingewandert wären,®) sondern in dem Sinne, dass die Zwerge die Urbevölkerung des Landes vorstellten, die von den „Menschen“ verdrängt worden ist. Eine ähnliche Sprachmischung, nur mit verschiedener Proportion der beiden Sprachelemente zeigt uns der Dialekt der Graubündener Waldfänken. Ihre Sprache „war durchschnittlich gutes Graubündner deutsch ...... doch kamen in ihrer Sprache auch zanz eigentümliche Worte und Wortformen vor; so hiess bei ihnen die Gemse gazi, eine Frau muter, ein Mann bamba, ein Mädchen puppa, ein ganz junges Mädchen landla, ein Knabe masi, gutes Wetter heitrige, schlechtes rühe, eine Höhle balma; für gehen hatten sie kein Wort, weil sie stets liefen; laufen hiess gomben, essen worgen, trinken schlucken.“’) Man wird hier natürlich keine echten Nachrichten über das fremde Idiom erwarten, die meisten der Worte sind ohne weiteres als deutsch oder ro- manisch zu erkennen: nur die Tatsache der Fremdsprachigkeit ist festzuhalten: Vonbun verweist a. a. O. auf eine in unserm Zusammenhang höchst wichtige Stelle des jüngern Plinius VII, 23: Summae et praecipites Rhaeticarum alpium vertices partim indigenis inco- luntur, nunguam conubiüs aliarum gentium mistis. Parvuli sunt, ignari et imbelles, fu- ’) Deutsches Wörterbuch IX, 1056. — ?) Vonbun, 55. 132. Herzog 47. Gempeler 1, 87. Lütolf 126. Walliser Sagen 136. 137, Zeitschr. f. deutsche Mythologie 4, 174. Kuoni Nr. 292, — °)Conservateur XII, 140. Quinquerez 4,0. 14%. Jecklin II, 128. Rochholz, Schweizersagen I, 265. 268. 270. 273. 277. 278. Naturmythen 103. 109. 110.122. 126,120. Wyss, I, 112. Walliser Sagen 251. Lenggenhager 57. Schweiz. Idiot. IV, 272 f. Schild IL S.70. Herzog I1 5. 125. — +) Lütolf 49. — °) Vernaleken 193. — °) Rochholz Naturmythen 107. — ?) Vonbun 62. ET gaces velocesque veluti rupicaprae, quia infantes illarım uberibus aluntur (s. Anm.) S. 29). Subterraneas specus aperire solent, veluti mures alpini, suffugia hiemi et receptacula cibis. Als ein stammfremdes, kleines Volk erscheinen die Zwerge, dessen Gutmütigkeit von den „Menschen“ missbraucht und das schliesslich verdrängt und durch Misshand- lungen zum Auszuge gezwungen wird.!) Mit diesem Auszug der Zwerge vermischt sich anderwärts die Überfahrt der zwerghaft gedachten Seelen ins Totenland.?) Von einem König der Zwerge ist in der Schweiz seltener als anderwärts die Rede, was sich wohl daraus erklärt, dass man überall ihre Verhältnisse den eigenen möglichst gleich gestaltet denkt. In einem komischen Epos des Thurgauers Heinrich Wittenweiler °) aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts greifen zwar die Zwerge auf Rehböcken reitend in den Krieg der Dörfer Lappenhausen und Nissingen unter dem Befehl ihres Königs Laurin ein: aber das ist sicher literarische Übertragung aus der Sage des benachbarten Tyrol. Merkwürdig sind die Berührungen zwischen Zwergen und Riesen. Besonders in den Fänggen Graubündens und Vorarlbergs gehen beide Gattungen aussermenschlicher Wesen durchemander. Das Polyphemmärchen, anderwärts von Riesen erzählt, gilt hier von zwerghaften Dämonen.‘) An die frühern Einwohner der von den jetzigen Sagenerzählern besetzten (Gebiete hat man bei den Zwergensagen schon mehrfach erinnert. Man sprach von Kelten, ja von Finnen. Man wird zugestehen, dass die Pygmäen, auf die in neuester Zeit Kollmann und Nüesch hingewiesen haben’), in gewisser Weise den Vorzug verdienen. Mit Sicher- heit nachgewiesen sind sie innerhalb Europas bisher freilich nur in der Schweiz, in Deutsch- hland und in Frankreich (s. 0.3.20 ff). Manche Zwergensagen mögen von hier ausge- wandert sein; denn die meisten derselben finden sich inhaltlich fast vollständig überein- stimmend in ganz Europa‘), ja sogar über dessen Grenzen hinaus verbreitet. Doch mögen neue Forschungen auch an anderen Orten Pygmäengräber zutage fördern. !) Vgl. Anm.°) auf Seite 30. Ausserdem B. Wyss, Aus Schule und Leben. Solothurn 1865. S. 181. H. Runge, Die Schweiz in Originalansichten. Darmstadt 1863. II, 21. Alpenrosen 1826, S. 15. Ceresole 4. Deutsche Sagen herausgeg. v.d. Brüdern Grimm. 3. Aufl. Berlin 1891. Nr. 148. Gempeler I, 104. Walliser Sagen 163 (vgl. Cosquin, Contes populaires de Lorraine. Paris s.d.II, 288 f.) Rochholz, Naturmythen 107. Kuoni Nr. 153. 500. Herzog II, 126. — ?) Aus der Schweiz kenne ich nur die Überfahrt einer verdammten Seele: A. Birrcher, Das Friektal. Aarau 1859. S.59. — °)Der Ring von Heinrich Wittenweiler, herause. v. L. Bechstein. Stuttg. 1851. Die „Elfenkönigin* in einer St. Gallischen Sage (Kuoni Nr. 221) ist mir ver- dächtig: hingegen erscheint allerdings ein König der Bergmännlein in einer Appenzeller und einer bernischen Sage (Herzog 1. S.29. II. S. 111.) *) Vonbun 58. 67 f. Kohlrusch 26. Schweiz. Arch. f. Volkskunde V, 288. (vgl. Anz. f. schweiz. Altertumskunde 1893. S. 178. Jecklin II, 127. Rochholz, Schweizersagen I, 267.) — °) Koll- mann in Nüesch, Das Schweizersbild. Denkschr. d. schweiz. naturforschenden Gesellschaft S. 82 ff. (daselbst auch Literaturangaben). Nüesch, Neuer Fund von Pygmäen ausd. neolithischen Zeit. Anz. f. schweiz. Alter- tumskunde 1900. Nr. 1. — °) Unvollständige Zusammenstellung bei Fr. Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen. Neue billige Ausgabe. Freiberg in Sachsen o0.)J. SO TI VG» DD Krklärung der "Tafeln. Tafel I. Ansicht der Höhle zum Dachsenbüel zur Zeit der Ausgrabungen. Tafel Il. Die Halskette von Serpula-Röhrchen. Doppelt durchbohrte, rote Steinperle. Flache, vierkantige Säge aus Feuerstein. Dreikantiges Feuersteinmesser. Einfacher Schaber mit konvexer Schabkante. Doppelschaber aus graulichem Feuerstein. Schaber mit konkaver, vielbenutzter Seitenkante. An der Wurzel durchbohrter Eberzahn. Der Länge nach entzwei geschnittenes, am obern Ende abgerundetes Geweih- stück vom Edelhirsch. . Knochenmeissel aus einem Röhrenknochen, an den Breit- und den Schmalseiten angeschliffen. . Konisch zulaufender Pfriemen aus einem Knochenstück. 2. Geweihstück vom Edelhirsch, an den beiden Längsseiten angeschnitten, Bruch- stück eines Pfeils. onqussypeq umz 9TUQH FIG "yoepuew YOeN S x x x » S 8 SQ BI RN < S 7) SQ S ® oa So © S oO RS] < Ö S S 17) S S 3 S ® S S S S 2} 2 < ® N © x PS S D7} & 3 S & Q S S o x Q S Q © en} Kö < 5 & „“ - ‘ ’ & * * A d - » & ey # = «BD = A f un Na ® - “ £ Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft Bd. XXXIX. 1. Hälfte. Bes; K. a , INg® £ 4 Ä RL Lichtdruck von H. Speiser, Basel. Schmuckgegenstände und Artefakte aus der Höhle zum Dachsenbüel. (srösse DD m 1 Haaren Ar: . Das Wiederauffinden der Skelettreste vom Dachsenbüel ; . Die Ausgrabungen der Höhle zum Dachsenbüel und der Fundbericht . . Das relative Alter der Funde: a) Die Feuerstein- und Knochenartefakte, sowie die Beigaben b) Die Thonscherben von Dr. ©. Schötensack in Heidelberg c) Die paläontologischen Funde von Dr. M. Schlosser in München . Die menschlichen Skelettreste vom Dachsenbüel von Prof. Dr. Kollmann in Basel . Die Zwergsagen der Schweiz von Professor Dr. S. Singer in Bern . . Erklärung der Tafeln or Die inder Höhle vom Dachsenbüel gefundenen Skelettreste des Menschen. Dr. med, et phil. J. Kollmann Professor der Anatomie. Mit £& Tafeln und 11 Texlfiguren STIER IT IT I. Einleitung. Unter den in der Höhle vom Dachsenbüel gefundenen Menschenknochen sind, wie am Schweizersbild, Reste von Pygmäen und Reste der grossen europäischen Menschen nebeneinander vorgekommen. Die Reste dieser. beiden Abarten werden getrennt geschildert. In den letzten Jahren ist die Frage von der Veränderlichkeit der Menschenrassen wiederholt diskutiert worden. Die im Dachsenbüel gefundenen Reste eignen sich wegen der sichern Herkunft und wegen des hohen Alters sehr gut für eine Prüfung, wie weit die Annahme von der Veränderlichkeit der Menschenrassen Berechtigung hat. Was hier- über gesagt werden musste, findet sich in dem letzten Abschnitt zusammengestellt. Die Erklärung der Tafeln bildet den Schluss; die Benennungen sind auf den Figuren selber vermerkt, weil dadurch die Bedeutung jeder Einzelheit direkt abgelesen werden kann, und es nicht nötig ist, auf den entfernten Text hinzuweisen. Die Herstellung solcher Tafeln ist kostspielig und ich bin der Denkschriftenkommission sehr zu Dank verpflichtet, dass sie die Genehmigung zu dieser Art der Ausführung gegeben hat. Die photographischen Aufnahmen sind ebenso wie die Reproduktionen von der Firma Henri Besson in Basel hergestellt. Die wichtigste Forderung bestand darin, naturgetreue Bilder zu liefern. Denn die meisten dieser Abbildungen sollten zur Vergleichung der Knochen der Neolithiker mit den Knochen der Europäer von heute dienen. Die vor- liegenden Abbildungen dürfen, wie ich schon hier bemerken will, als Belegstücke für die Konstanz der europäischen Varietäten des Menschen seit der neolithischen Periode angesehen werden. Die von dem verstorbenen Dr. von Mandach im Dachsenbüel im Jahre 1874 aus- gegrabenen Knochen sind im Frühjahr 1899 in der Sammlung des Museumvereins der Stadt Schaffhausen von Dr. J. Nüesch wieder aufgefunden worden. In welcher Weise es Herrn Dr. Nüesch gelungen ist, die Indentität des in einem Kasten aufbewahrten Mate- riales festzustellen, ist von ihm selbst in seiner Abhandlung erzählt worden. Ich darf hierauf verweisen und bemerke, dass, wie in den meisten ähnlichen Fällen, so auch bei diesem Fund, die Menschenreste recht unvollkommen erhalten sind. Es hängt dies mit zwei Umständen zusammen. Es waren viele menschliche Knochen in der eigentlichen Fundschicht über den ganzen Boden der Höhle, offenbar schon in prähistorischer Zeit regellos zerstreut worden, wie dies aus den Angaben Mandachs deutlich hervorgeht. Es fanden sich vereinzelte Knochen längs den Rändern und in der Mitte der Höhle. Unter welchen Umständen sie so verzettelt wurden, lässt sich heute nicht mehr fest- stellen; ebensowenig ist eine sichere Aufklärung darüber zu erhalten, warum ein paar Schädelfragmente Brandspuren an sich tragen.*) Es ist kaum anzunehmen, dass, wie dies von andern Höhlen berichtet wird, Raubtiere die Leichen verzehrt und die Knochen ver- schleppt hätten. Denn dann wären doch Zahnspuren irgendwelcher Art vorhanden, welche als unverkennbare Zeichen den Knochen aufgeprägt worden wären. Allein ich habe nichts wahrgenommen. So nehme ich denn an, die offen daliegenden Skelette der ersten Höhlen- bewohner seien von späteren zertrümmert und über den Raum der Höhle zerstreut worden. Mandach meint, es seien die Knochen von etwa vier Erwachsenen und zwei Kindern auf solche Weise in die Fundschicht hineingeraten. Das ist nur im allgemeinen zu- treffend. Das genauere Verhalten ist folgendes. Die Knochen von vier Menschen waren über den Boden der Höhle zerstreut. darunter die von drei hochgewachsenen Leuten und einem Pygmäen. Dazu kommen noch Knochen von zwei Kindern zwischen 1—3 Jahren. Weitgehende Pietät für Menschenreste darf man bei Naturvölkern nicht voraussetzen, es sei denn, es handle sich um einen hervorragenden Stammesgenossen oder einen nahen Verwandten, dessen Verlust sie unmittelbar berührt. Herumliegende Skelettreste werden übrigens auch von den Kulturmenschen wenig beachtet. Das lehren alle Erfahrungen, ja sogar die aus wissenschaftlichen Gründen unternommenen Ausgrabungen. Topfscherben, Steingeräte, kurz die Artefakte werden viel vorsichtiger gesammelt, für die Skelettreste ist aber die Sorge gering. Es rührt dies teilweise davon her, dass nach so vielen Er- örterungen die stumme Sprache der Artefakte menschlicher Kultur schon in weiten Kreisen verstanden wird. Die Beurteilung der Skelette ist dagegen viel schwieriger. Sie erfordert ein langes und mühsames Studium, dessen Resultate dem Laien nur in den Hauptum- rissen zugänglich werden. Wie viel Hunderte von Schädeln sind schon abgebildet worden, und doch ist mit Ausnahme von ein paar Tatsachen, welche die Form der Hirnkapsel betreffen, blutwenig über die Varietäten der europäischen Menschheit in die allgemeine Vorstellung eingedrungen. Das hängt, wie schon erwähnt, mit der Schwierigkeit der Materie zusammen und damit steht und fällt das Interesse, die Knochentrümmer des Menschen umsichtig zu sammeln und aufzubewahren. Die in der Höhle aufgefundenen Knochen haben verschiedenes Aussehen. Die mit den Buchstaben M. S. (Mandach -Sammlung) und einer Nummer bezeichneten Knochen sind nach den Angaben des Entdeckers aus einer Grabkammer. Diese haben alle ein recht *), Mandach dachte an ein Menschenopfer. Man wird vielleicht auch mit folgender Annahme sich abfinden können. In der Höhle vom Dachsenbüel sind, wie auch in anderen Höhlen, Menschen gestorben, in Verwesung übergegangen und die Knochen von spätern Bewohnern in dem Raume der Höhle verschleppt worden. Wurde Feuer angezündet, so konnte leicht eines der herumliegenden Schädelfragmente durch die Flamme geschwärzt werden. altes Aussehen. Allein da sind andere z. B. vier Lendenwirbel von einer hochgewachsenen europäischen Rasse und ebenso eine platykneme Tibia, die zuerst den Eindruck machten, als seien sie jünger, es fehlen auch die vertrauenerweckenden Bezeichnungen. Allein sie wurden in der betreffenden Kiste des naturhistorischen Museums aufgefunden, welche die Knochen aus dem Dachsenbüel enthielt; schliesslich habe ich, wie an dem betreffenden Orte zu lesen ist, doch alle Bedenken fallen lassen. Die Knochen lagen wahrscheinlich an einem sehr geschützten Ort der Höhle und haben sich dadurch besser erhalten. Abgesehen von den zerstreut in der Fundschicht gesammelten und erwähnten Knochen wurden auch noch zwei Skelette ausgehoben aus ungestörter Lagerung. In der Mitte der Höhle, von Westen nach Osten gerichtet, waren rohe Kalksteine als Um- fassung eines länglich viereckigen Raumes. Die Länge dieser Grabeskammer betrug nur 1,8 m., die Breite 0,6, die Lichtung 1,5 m. Länge. Nach Wegräumung der Erde kamen die Reste zweier menschlicher Skelette zutage, sie waren auf die Bauchseite gelagert, der Kopf dem Eingang der Höhle, dem Osten, zugewendet, die Beine gekreuzt. Von diesen zwei Skeletten gehörte das eine einem Pygmäen an. Es sind in der Höhle also im ganzen Reste von vier grossen Leuten, von zwei Pygmäen und von zwei Kindern gefunden worden. Die Knochen sollen sich in der Mehrzahl durch Brüchigkeit ausgezeichnet haben, berichtet Mandach. „Manche zerfielen unter den Fingern zu kreideartigem Staub oder brachen in Stücke, nur wenige waren noch festgeblieben.“ Das soll wohl die schliesslich recht arme Ausbeute verständlich machen. Aber die vorhandenen Knochen sind gar nicht in so hohem Grade brüchig, manche besitzen sogar einen relativ ansehnlichen Grad von Festigkeit. Bei grosser Sorgfalt konnte zweifellos mehr erhalten werden. Es soll dies kein Vorwurf sein, denn die Erfahrung, solche Ausgrabungen mit Umsicht durchzuführen, fehlte noch; sie wird nicht schon bei dem ersten Unternehmen dieser Art gewonnen. Allein es ist Pflicht, auf diese Anforderungen der Forschung auf dem Gebiet der Ur- geschichte hinzuweisen, damit in Zukunft mit ebenso grosser Sorgfalt verfahren werde, wie dies am Schweizersbild von Seiten des Hrn. Dr. Nüesch und von Seiten des Museums in Lausanne in Chamblandes geschehen ist. Jene Knochen, die von Hrn. von Mandach im Jahr 1874 erwähnt werden, sind nicht alle in dem historischen Museum wieder aufgefunden worden. Damit hängen manche Verschiedenheiten der Ergebnisse zusammen, zu denen Mandach und ich gekommen sind. Mandach erwähnt einen länglich-ovalen Schädel von 195 mm. Länge, mit abgerundeter, stark gewölbter Stirne, etwas kräftig entwickelten Augenbrauenwülsten, flachen Schläfen, schwach entwickelten Scheitelhöckern und einem ausgezogenen Hinterhaupt. Von solchen Schädeln bemerken His und Rütimeyer, dass sie schon in den Gräbern der vorrömi- schen Zeit, dann in der römischen Periode, ferner in der alemanisch-burgundischen Zeit und endlich auch in den Gräbern der neuesten Zeit gefunden wurden. Aber damit schliesst das Vorkommen nicht ab. Diese Schädelform kommt auch in der Bronzeperiode der Pfahlbauten vor, wäre also nach dem Schädel aus dem Dachsenbüel sehr alt. Ich halte I °— Hrn. von Mandach für völlie kompetent zu einer richtigen Bestimmung der Schädelform und konstatiere hier in erster Linie, dass sich diese europäische Varietät seit der neo- lithischen Periode nicht verändert hat, denn sonst wäre es ja unmöglich gewesen, sie mit den noch heute vorkommenden Menschen zu identifizieren.*) Dieser Schädel ist nicht mehr aufzufinden. Es wird ferner von zwei Beckenhälften dieser Grabkammer berichtet „die nicht zusammengehörten“. Nun sind mir allerdings zwei Fragmente eingeliefert worden, allein sie stammen beide von einem und demselben Individium und zwar von einem Weibe. Ob noch eine dritte Beckenhälfte vorhanden war, lässt sich heute nicht mehr entscheiden. Il. Die Reste von zwei, in der Höhle vom Dachsenbüel gefundenen Pygmäenskeletten: 1. Mehrere Wirbel, darunter vorzugsweise Halswirbel. 2. Von oberen Extremitäten: das rechte Schlüsselbein, das obere Drittel des Humerus und der Gelenkkopf eines zweiten Oberarmknochens. Von Vorderarmknochen das distale Ende einer Ulna und ein ziemlich gut erhaltener Radius. Von den Händen nur ein paar Mittelhandknochen und Fingerglieder. 3. Von den untern Extremitäten sind erhalten a) ein Oberschenkelknochen, vollständig und deshalb besonders wertvoll für die Bestim- mung der Körperhöhe dieses pygmäenhaften Individiums. b) ein Unterschenkelknochen platyknem. c) Zwei Sprungbeine von einem und demselben pygmäenhaften Menschen. d) Zwei Kahnbeine, Navicularia, von zwei verschiedenen pygmäenhaften Individuen und endlich ein paar Mittelfussknochen und Phalangen. In der Höhle vom Dachsenbüel sind also Reste von zwei Pygmäenskeletten gefunden worden. Es wurde diese Tatsache von Hrn. Dr. Nüesch auf dem Kongress der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Lindau 1899 bereits mitgeteilt und schon damals (99) hervorgehoben, dass es sich nicht um Kinderskelette handle, sondern um die Knochen von ausgewachsenen pygmäenhaften Individuen ähnlich denen des Schweizersbildes oder der in andern Weltteilen entdeckten Pygmäen. An keinem Knochen waren Epiphysen- grenzen zu finden. Diese Angaben bezüglich zweier Pygmäen sind von Herrn Kollegen Klaatsch bestätigt worden, der im September 1899 die Knochen in Schaffhausen be- sichtigt hat. Ich führe sein Zeugnis hier an, weil er bei der Betrachtung der Pygmäen- skelette vom Schweizersbild, die sich in dem schweizerischen Nationalmuseum befinden, *, Diese Schädelform heisst bei andern Craniologen: Hügelgräberform (A. Ecker) Mesorrhine Dolicho- cephalen (Broca,, Schädel der altbritischen Periode Davis and Thurnam. Germanische Stufe I (Hölder). u ll, aus einem Saulus zu einem Paulus geworden war. Ihm ist es ebenso wie vielen andern ergangen, die bei der Nachricht vom Vorkommen von Pygmäen in Europa zur neolithi- schen Periode ungläubig das Haupt schüttelten, doch hat er mit der Publikation eines Urteils gewartet, bis er sich durch den Augenschein von dem Sachverhalt überzeugt hatte. Weniger Zurückhaltung hat Nehring an den Tag gelegt. Er hat seine Theorie von Kümmerformen unter den domestizierten Tieren auch auf die Pygmäen vom Schweizers- bild übertragen. Man darf annehmen, dass eine ähnliche naheliegende Vermutung schon oft ausgesprochen wurde; es ist deshalb wohl am Platze, etwas näher darauf einzugehen. Da heute in der Anthropologie vielfach von dem Vorkommen besonderer europäischer /,wergrassen die Rede ist, und als Beweis namentlich die von mir beschriebenen Funde vom Schweizersbild bei Schaffhausen angeführt werden, so verweist Nehring zunächst auf die Angabe von Herberstains, eines seinerzeit berühmten und weitgereisten öster- reichischen Diplomaten, der zwischen 1516 bis 1526 zwei Gesandtschaftsreisen nach Moskau ausgeführt hat und darüber u.a. berichtet, dass in Samogithien, wie er es nennt, neben den grossen Leuten auch zwerghafte vorhanden seien und zwar als Kinder derselben Eltern. So ist denn mein verehrter Gegner geneigt, auch die Pygmäen der neolithischen Periode vom Schweizersbild als „Kümmerformen“ zu betrachten, als verkümmerte krank- hafte Kinder der hochgewachsenen Leute. Dass es Zwergrassen gegeben hat und noch heute gibt (z. B. in Indien, in Afrika), steht auch für Nehring wissenschaftlich fest, aber ob auch in Europa solche vorkamen, das erscheint ihm doch fraglich. Man wäre dann zu der Annahme veranlasst, dass es sich bei den Funden am Schweizersbild um zwei gesonderte, gleichzeitig nebeneinander lebende Rassen, eine grosse und eine kleine handelt. Ein solches Nebeneinanderleben zweier besonderer Rassen, welche der Grösse nach so sehr verschieden sind, an gleichem Ort errege ihm doch gerechte Bedenken und man könnte das Nebeneinandervorkommen von grossen und kleinen Individuen an derselben Begräbnisstätte viel einfacher durch die Annahme ähnlicher Verhältnisse, wie sie nach Herberstain im 16. Jahrhundert bei den Samogethen vorlagen, erklären. Zunächst sei bemerkt, dass es allerdings pathologische Zwerge gibt, die m der Sprache der Jäger recht wohl als Kümmerformen oder als Kümmerer bezeichnet werden können, aber sie haben nichts gemein mit den Rassenzwergen, die durchaus nichts patholo- gisches an sich haben. Wie schon in meiner Arbeit über die Funde am Schweizersbild ausgeführt, habe ich die Knochen der dort gefundenen Pygmäen den Anatomen auf dem internationalen Kongress in Rom, dann den deutschen Anatomen auf dem Kongress in Strassburg (94) ferner dem Kongress der British Association in Oxford (94) und vor allem Rudolf Virchow vorgelegt, der sie selbstverständlich auch vom Standpunkt des patho- logischen Anatomen aus beurteilt hat, aber weder von ihm, noch von irgend einem andern Kenner der Menschen- und Tierknochen ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass es sich bei diesem Funde am Schweizersbild um krankhafte Knochen, um Kümmerformen des hochgewachsenen Menschen Europas handle. In unserer Sprache wird die Bezeich- nung Zwerg leider sowohl für normale als für pathologische kleine Menschen ange- 6 ns 412 = wendet, und daraus entstehen leicht Missverständnisse. Ich werde deshalb im Laufe der folgenden Betrachtungen die Pygmäen als „Rassenzwerge“ den „Kümmerzwergen* gegenüberstellen. Die Kümmerzwerge entstehen isoliert und unter pathologischen Einflüssen ; die Rassen- zwerge sind dagegen als Abkömmlinge einer Rasse zahlreich und folgen sich in regel- mässiger Reihe. Es ist nicht zu verkennen, dass isolierte Funde, welche Rassenzwergen zugeschrieben werden, leicht zu Zweifeln Veranlassung geben mögen und zunächst den Verdacht auf Kümmerzwerge erregen. Allein wenn es auch anfangs noch nicht sofort möglich war, jede Sicherheit dafür zu bieten, dass es sich bei den Rassenzwergen Europas um eine natürliche Abart des Menschengeschlechtes handle, so sind doch in der jüngsten Zeit mehrere Kriterien gefunden worden, welche die Unterscheidung von Rassen- und Kümmerzwergen heute schärfer durchführen lassen, als dies vor zehn Jahren der Fall war. Bei den sog. Kümmerzwergen sind selbst bei einem Alter von 30 bis »6 Jahren die Epiphysen oder Wachstumsknorpel noch in vollster Deutlichkeit erhalten, also in einem Zeitabschnitt, in welchem die normalen Wachstumsvorgänge längst ihr Ende erreicht haben sollten. Dieses Verhalten wurde durch Skiagramme an den Lebenden festgestellt bei dem sog. Zwergwuchs und zwar bei der in Berlin gastierenden Liliputaner-Gruppe (Joachimsthal 99). Die Kümmerzwerge haben ferner an der Schädelbasis noch offene Knorpelfugen weit über das 21. Jahr hinaus. Noch ehe diese Tatsachen bekannt geworden waren (1899), hatte Toldt (94) mitgeteilt, dass an den in der Wiener anatomischen Sammlung vorhandenen Skeletten von Kümmerzwergen die Epi- und Diaphysen noch getrennt sind, trotzdem die Individuen die Wachstums- grenzen weit überschritten hatten. Es besteht also eine noch nicht aufgeklärte Be- ziehung zwischen dem Wachstum der Kümmerzwerge und ihren Epiphysenknorpeln. Diese Beziehung ist das Pathologische. Siehe hierüber auch Marchand (99). Man sieht aus alledem, dass die Anatomen ein gutes Kriterium besitzen, neue Kümmerformen des Menschen, die gewöhnlich als Zwerge oder als Liliputaner bezeichnet werden, von Rassenzwergen zu unterscheiden. In dem einen Fall ist das Knochensystem gesund, in dem andern ist es krankhaft und in seiner Entwicklung zurückgeblieben. Mit diesem Fortschritt in der Beurteilung des Skelettes der Kümmerzwerge ist ein Teil der Einwürfe Nehrings widerlegt und auch gleichzeitig der weitgehende Gebrauch, den er von dem Worte Kümmerer und- Kümmerformen macht, durch bestimmte anatomisch- pathologische Tatsachen eingeschränkt. Übereinstimmend sind die von Nehring neben- einandergestellten Vergleiche zwischen der Entwicklung des Wildschweins und des Menschen keineswegs, wie hier hervorgehoben sei. In dem angeführten Artikel bemerkt er in dieser Hinsicht: „Meistens entstammen solche zwerghafte Individuen bei den Wildschweinen einem Herbstwurfe. Die normale Wurfzeit ist bei unserm Klima der Frühling. Zuweilen werden aber auch im Herbst Frischlinge geworfen. Diese sind beim Eintritt des Winters noch zu schwach, um Hunger und Kälte ohne Schaden zu ertragen; sie gehen entweder zu Grunde oder bleiben zeitlebens in der Grösse zurück. Er denkt sich nun, dass bei den Samogethen diejenigen Kinder, welche zu Beginn der guten Jahreszeit geboren wurden und somit ihre ersten Lebensmonate unter günstigen Ent- wicklungsverhältnissen zubrachten, ein kräftigeres Wachstum zeigten als diejenigen, welche in der kalten Jahreszeit geboren wurden, ihre ersten Lebensmonate wohl meistens in den stallartigen niedrigen Hütten mitten zwischen dem Vieh zubringen mussten. Letztere Individuen konnten dadurch für zeitlebens in ihrem Wachstum beeinflusst werden. Ähnliche Verhältnisse dürften wohl bei der neolithischen Bevölkerung am Schweizersbild vorgelegen haben“ — allein Nehring vergisst zweierlei, erstens, dass die Kümmerzwerge des Menschen nicht von den Ernährungsverhältnissen abhängen, sie kommen in ganz gut sitwierten Familien vor, in denen kein Nahrungsmangel besteht und die hinreichend geschützt sind gegen “die Unbilden des Winters, und er vergisst ferner den günstigen Einfluss des Heranwachsens der Kinder an der Mutterbrust. Bei den Naturvölkern dauert das Stillen oft 2—5 Jahre und hilft über eine Menge Schwierigkeiten hinweg, denen oft die Kinder der Kulturmenschen unterliegen. Wer den grossen Wert des Stillens für das Gedeihen der Kinder richtig abschätzen will, der lese die Schriften von Bollinger (99), Bunge (00) und Hirth (00). Er wird daraus gleichzeitig erfahren, dass die schweren Folgen ungenügender Muttermilch und unvollkommener Ernährung nicht Kümmerzwerge erzeugen, wie Nehring voraussetzt, sondern den Tod der Kinder nach sich ziehen und zwar innerhalb des ersten Jahres zwischen 30—40 °/o aller Kinder ver- nichten. Welche Unzahl von Kümmerzwergen müsste sich doch aller Orten finden, wenn bei den im Herbst gebornen Kindern mangelhafte Ernährung ebenso wirken sollte, wie dies von den Wildschweinen berichtet wird. Man würde bei jedem Schritt und Tritt auf Kümmerzwerge stossen, während sie doch in Wirklichkeit zu den Seltenheiten gehören. An derselben Stelle hat Nehring noch ein anderes Bedenken dagegen er- hoben, dass die Zwerge am Schweizersbild als Rassenzwerge anzusehen seien, nämlich die Körperhöhe der bis jetzt in Europa gefundenen diluvialen Menschen. Die diluvialen Bewohner Mitteleuropas hätten durchschnittlich eine anselhnliche Grösse gehabt und wären nicht von zwerghafter Gestalt gewesen. Die Menschen von Spy in Belgien und von Predmost in Mähren seien keine Zwerge; sie sprächen also gegen die Ansicht, dass die Vorfahren des Menschen von pygmäenhafter Natur gewesen. Damit soll abermals gesagt sein, dass die Pygmäen vom Schweizersbild krankhaft, also verkümmerte Nachkommen der hochgewachsenen Rassen gewesen seien. Ich kann diese Schlussfolgerung nicht anerkennen. Allerdings sind die bis jetzt aufgefundenen Skelette der diluvialen Menschen nicht zwerghaft klein gewesen, aber man bedenke doch, wie gering die Zahl dieser Skelette ist, die wirklich für diluvial gelten dürfen; sie lassen sich an den Fingern herzählen. Vorerst sind einmal Rassenzwerge in den Wohnplätzen der neolithischen Periode gefunden; man warte doch erst ab, ob sich nicht auch solche im Diluvium finden werden; die Urgeschichte des Menschen ist noch viel lückenhafter als die der Säugetiere, weil man sich so spät für seine Vergangenheit in- teressiert hat. Überdies sind viele Beobachter noch nicht genügend mit der Tatsache _ 4 von der Existenz der Pygmäen vertraut, sehen also die Knochen gar nicht von diesem Gesichtspunkt aus an, wovon ich zwei Beispiele beibringen kann; das eine davon betrifft Frankreich, das andere (siehe den vorletzten Abschnitt) Zentralamerika. Frankreich hat durch seine Höhlenforschungen wichtige Beiträge für die Urge- schichte des Menschen geliefert. In besonderem Grade gilt dies für die neolithische Periode. In der Sammlung der Ecole d’Anthropologie in Paris ist ein Material an Schädeln und Knochen vorhanden, wie es in solcher Menge und Vollständigkeit wohl nirgends zu finden ist. Dennoch fehlt bisher jeder Hinweis auf Pygmäen, obwohl bald zehn Jahre seit den ersten Angaben über ihr Vorkommen in Europa verflossen sind und es billig in Erstaunen versetzen musste, dass Pygmäen bisher nur in der Schweiz zefunden worden sind. Eine analytische Betrachtung der Literatur hat nun die in- teressante Tatsache ergeben, dass unter der neolithischen Bevölkerung Frank- reichs ebenfalls Pygmäen gelebt haben wie in der Schweiz, dass ihre geringe Körperhöhe von einem angesehenen französischen Anthropologen festgestellt wurde, aber ohne dass man die kleinen Leute als Pygmäen bezeichnet hätte. Die auffallend kleinen Knochen der Extremitäten und die daraus berechnete Körperhöhe wurde lediglich als Beweis für eine kleine Statur der neolithischen Bevölkerung verwendet. Manouvrier (94 und 96) hat in seinen Abhandlungen die Körperhöhe von 43 Männern im Mittel auf 1620 mm. bestimmt (94 S. 3 oben); er fand darunter auch Körperhöhen von 1,48 und I,42 m.! Die erstere Zahl ist mit Hilfe eines Oberschenkelknochens be- stimmt, also wohl als zuverlässige Angabe zu betrachten, die letztere auf Grundlage eines Öberarmknochens ist vielleicht nicht ebenso genau, liegt aber jedenfalls im Bereich der Körperhöhe von Rassenzwergen. Was die Körperhöhe der neolithischen Frauen betrifft, so wurde bei 22 Individuen eine mittlere Körperhöhe von 1,50 m. der Lebenden festge- stellt mit Minima von 1365 mm. Das sind aber durchaus pygmäenhafte Körperhöhen. Manouvrier hat nun nicht nur die von ihm berechneten Höhen mitgeteilt, sondern auch die absoluten Zahlen, aus denen sie berechnet wurden. Darunter finden sich nun fünf Oberschenkelknochen, deren Länge nach Broca gemessen, zwischen 359 und 389 mm. schwankt. Das sind aber Längendimensionen, welche mit den von mir am Schweizers- bild gefundenen Oberschenkelknochen, mit denen der Weddas (Thomson und Sarasin), mit denen der Andamanen (Flower) der Halbinsel Malakka (Rudolf Virchow) überein- stimmen. Ich stelle also hiemit fest, dass in Frankreich, in einer neolithischen Station genannt Cave aux F&es bei Brucil (Dep. Seine et Oise) Knochen von Pygmäen neben Knochen der hochgewachsenen Rassen gefunden worden sind und zwar unter 56 grossen Leuten mindestens fünf Rassenzwerge, also beinahe 9°/o, womit nur ein ungeführes Bild von der, Häufigkeit gegeben werden soll; denn es ist gar nicht anzunehmen, dass gerade die Oberschenkelknochen der Pygmäen in der zutreffenden Zahl gesammelt worden sind. An einer zweiten neolithischen Station ist das Verhalten übereinstimmend. Die langen Knochen von Mureaux (die Schädel sind von Hrn. Dr. Ver- neau beschrieben worden, befinden sich zwei weibliche Oberschenkelknochen, von denen — 43 — beide die pygmäenhafte Körperhöhe von 1,48 und 1,52 m. ergeben. Wer die berechtigte Klage Manouvriers liest, die er (96 S. 188) laut werden lässt, über die unglaubliche Verschleuderung des osteologischen Materiales aus den neolithischen Fundstellen Frank- reichs, der wird ein zahlreicheres Vorhandensein von Pygmäen auch in der Station Mu- reaux voraussetzen, als dies durch die beiden Oberschenkelknochen erwiesen wird. Ein anderes neolithisches Gräberfeld bei Chälons-sur Marne, das im Jahre 1892 entdeckt und dessen Inhalt von Manouvrier unter Beihilfe von Pokrowsky bekannt gemacht wurde, liefert ebenfalls den Beweis von dem Vorkommen von Pygmäen. Unter den Oberschenkel- knochen finden sich solche von 372, 380, 397 mm. Länge, wobei ein Minimum von 1,44 m. festgestellt wurde und überdies andere Körperhöhen von 1,48 und 1,54 m.*) Alle diese Zahlen beweisen das Vorkommen von Rassenzwergen. In Frankreich haben also in der neolithischen Periode an drei verschiedenen Orten Pygmäen zusammen mit den hochgewachsenen Rassen gelebt! Von Amerika werde ich das Vorkommen von Pygmäen und zwar im Süden, in den berühmten Totenfeldern von Peru, im vierten Abschnitt nachweisen. Zunächst lag mir daran, hervorzuheben, dass nicht allein im der neolithischen Periode in der Schweiz Pygmäen vorkamen, sondern auch in Frankreich. Bei einer Revision der alten Knochenbestände dürften auch in andern Ländern Pygmäenreste zum Vorschein kommen. Halten wir unterdessen daran fest, dass die Zwerge am Schweizersbild, am Dachsenbüel, in Lausanne und in Frank- reich keine Kümmerer im Sinne Nehrings waren, sondern Rassenzwerge, so gut wie jene Lebenden, die Sergi und Mantia (95) in Sizilien gefunden haben, oder wie jene, die seit lange aus anderen Weltteilen bekannt geworden sind. Protokoll über die vorhandenen Skeletireste zweier P’ygmäen vom Dachsenbüel. a) Wirbel. Unter den Wirbeln sind mehr Halswirbel, als einem Individium zu- gehören können. Da ist ein Drehwirbel (Epistropheus) und dazu drei andere Halswirbel, der dritte vierte und fünfte. Nach dem Aussehen stammen von demselben Individuum noch drei Brustwirbel. Ein dritter und vierter Halswirbel von anderer Farbe sind stärker verwittert als die vorerwähnten; sie stammen von einem zweiten pygmäenhaften Individium, dessen Knochen wohl nicht in dem Grab, sondern zerstreut in der Fund- schichte zusammengelesen wurden. In der Grabkammer ist, wie Hr. Nüesch richtig annimmt, einer der Pygmäen be- stattet gewesen. Einige Pygmäenknochen sind nämlich von mehr gelbgrauer Farbe, weil sie in der Grabkammer mehr geschützt waren. Ueberdies ist eine Speiche (Radius) *) Schädel sind aus diesen neolithischen Gräbern in verhältnismässig geringer Zahl gereltet worden. Das Bedauern über die zerschlagenen Schädel findet wiederholten Ausdruck bei Manouvrier (z. B. 94 S. 17). Die Kapazilät konnte nur selten festgestellt werden und so fehlt ein Hauptkriterium für die kleinen Pygmäen- schädel, deren Rauminhalt 1200 em® nieht übersteigt. Aus absoluten und aus Relativzahlen lässt sich aber der Beweis für das Vorkommen von Pygmäenschädelm nur sehr schwer herausschälen. mit roter Tinte von Mandachs Hand gezeichnet, der den Skelettresten in der Grabkammer begreiflicherweise mehr Sorgfalt zugewendet hat, als den übrigen. Die in der Fund- schichte zerstreuten Knochen sind bisweilen stärker verwittert und zeichnen sich auch durch eine graue Farbe aus, die bisweilen wie eine dünne Kruste anhängt. Diese Kruste rührt von Asche her, die wahrscheinlich hier auch in Menge vorhanden war, wie am Schweizers- bild. Dort ist dieselbe graue Kruste auf den Knochen wiederholt beobachtet worden. Die Pygmäennatur der Wirbel geht aus einigen vergleichenden Messungen hervor, die ich an dem Drehwirbel des Dachsenbüeler Pygmäen, demjenigen eines Wedda und zweier Drehwirbel der anatomischen Sammlung von Basel ausgeführt habe. Das Weddaskelett wurde mir in zuvorkommender Weise von den Herren Sarasin zur Verfügung gestellt, wofür ich hier den verbindlichsten Dank ausspreche. Von der Basler Sammlung wählte ich zwei Drehwirbel verschiedener Grösse. Es ergibt die Tabelle, dass der Dachsenbüeler Rassenzwerg in allen Stücken eine grössere Übereinstimmung mit dem Pygmäen Indiens aufweist, als mit den Vertretern der hochgewachsenen Rasse Europas. Wenn die Über- einstimmung nicht vollkommen ist, so beruht dies auf dem Umstand, dass ich einen der kleinsten Rassenzwerge Indiens aus der Sarasinschen Sammlung zum Vergleich herangezogen habe, während der Dachsenbüeler Rassenzwerg grösser ist. Der Drehwirbel wurde gewählt, weil er am vollständigsten erhalten ist und weil er bei seiner wichtigen Funktion wohl am meisten eine konstante Beschaffenheit aufweist. Trotz alledem sind die individuellen Schwankungen noch sehr beträchtlich, wie die Vergleichung der beiden Basler Drehwirbel deutlich aufweist. Die übrigen Wirbel aus dem Dachsenbüel eigneten sich nicht zu Messungen wegen zahlreicher Defekte. Um die Grössenunterschiede auch direkt vergleichen zu können, wurden zwei Drehwirbel, jener des Dachsenbüeler Rassen- zwerges und eines Baslers von hohem Wuchs gleichzeitig, nebeneinander aufgestellt, photographiert und in Lichtdruck wiedergegeben (Taf. IV). Die Grössenunterschiede treten durch das Auge deutlicher in den Kreis der Vorstellung als durch die Überlegung der Zahlen. Man bemerkt überdies, dass der Drehwirbel des Rassenzwerges, abgesehen von der Asymmetrie, etwas plumpe Formen besitzt, im Vergleich mit dem Drehwirbel der hochgewachsenen Rasse. Bei dieser ist der Wirbelbogen vollkommener in seinen Kanten und Flächen ausgearbeitet, an dem Dornfortsatz ist dies besonders auffallend, aber nicht minder an der Stellung der obern Gelenkfläche. Diese weist in ihrem Längs- durchmesser eine schiefe Stellung zur Sagittalebene bei der hochgewachsenen Rasse auf, während der Längsdurchmesser der oberen Gelenkfläche des Dachsenbüeler Rassenzwerges parallel mit der Sagittalebene orientiert ist. Dieser Unterschied ist beträchtlich, ich stellte durch direkte Messung einen Winkel von 70° bei dem Basler fest. Ob damit auch eine veränderte Funktion verbunden ist, müssen weitere Untersuchungen lehren. Ich begnüge mich hier mit der Feststellung des Factums, das an sich bemerkenswert genug ist. Von unten betrachtet ist der Unterschied der beiden Wirbel nicht minder auffallend. Auch hier ist die Modellierung der Teile vollkommener bei dem Basler Mann als bei dem Dachsenbüeler Pygmäen. Die untern Gelenkfortsätze sind bei der hochgewachsenen Rasse = m bekamntlich scharf abgesetzt, denn der Gelenkfortsaiz tritt über die Ebene des Wirbel- bogens heraus, während er bei dem Dachsenbüeler Pygmäen als Fortsatz strenggenommen fehlt, gleichsam von dem untern Rand des Wirbelbogens nur wenig abgesetzt ist und die untere Gelenkfläche des Drehwirbels in den Wirbelbogen hinein verlegt ist. In der anatomischen Sammlung von Basel findet sich ein Drehwirbel, der ebenso unvollkommen modelliert ist wie der Dachsenbüeler Rassenzwerg; andererseits zeigt der Drehwirbel eines Weddamannes die nämliche scharfe Modellierung wie der in Fig. 6 abgebildete Basler, obwohl er beinahe um '/s kleiner ist und aus einem andern Weltteil stammt. Diese Merkmale verlieren nichts an ihrem Werte dadurch, dass sie bisweilen auch bei den hochgewachsenen Rassen vorkommen. Im Gegenteil, solehe übereinstimmenden Merk- male erhalten eine grosse Bedeutung für das Abstammungsproblem der grossen Rassen. Was die Reste des Kreuzbeins betrifft, die von einem der Pygmäen stammen, so bestehen dieselben, wie schon erwähnt, aus einem ansehnlichen Teil der dorsalen Platte des Kreuzbeines, von der die ventrale vollständig abgetrennt, aber noch teilweise vor- handen ist. Diese seltsame Art der Abtrennung gestattet den Einblick in den Wirbel- kanal, wobei sich eine vollständige Verwachsung der einzelnen Sakralwinkel herausstellt. Dieses Verhalten ist wertvoll, denn damit ist festgestellt, dass dieser Knochen von einem erwachsenen Individuum stammt. Gerade die Zwischenknorpel des Kreuzbeines bleiben sehr lange erhalten, sie verschwinden erst völlig mit dem 30. Lebensjahre. Es lässt sich also damit jeder Zweifel über Kümmerzwergwuchs beseitigen, denn stammte dieses Kreuz- bein von einem Kümmerzwerg, dann fänden sich noch die Zwischenknorpel. Durch die Trennung des Kreuzbeines in eine dorsale und ventrale Platte ist gleich- zeitig der Einblick auch in die schwammige Knochensubstanz möglich geworden. Sie zeichnet sich durch sehr weite Räume aus. Überdies sind die vordern und hintern Kreuz- beinlöcher sehr weit. Das oberste derselben misst 16 mm. an seinem vordern Eingang. Die Weite des Wirbelkanales, der Kreuzbeinlöcher und der schwammigen Knochensub- stanz führen in Verbindung mit der Beschaffenheit mancher Wirbel dahin, das Alter des einen Rassenzwerges vom Dachsenbüel auf etwa 40 Jahre festzusetzen. Die Körper einzelner Rückenwirbel sind sehr porös und auf der Oberfläche münden weite und zahl- reiche Gefässlöcher. Das ist das Aussehen von Knochen betagter Leute, wobei ich be- merke, dass ein Alter von 40 Jahren für einen Rassenzwerg als ansehnlich gelten darf. . Sarasin 92). Bei den Naturvölkern ist bekanntlich die Lebensdauer kürzer als bei den Kulturmenschen. Es kommt aber noch eine Eigentümlichkeit hinzu, welche annehmen lässt, dass der eine Rassenzwerg das oben angegebene Alter erreicht hat. Es ist dies die Höhlengicht, die R. Virchow bei Höhlenbären zuerst beschrieben hat. Sie kommt also auch an einzelnen Wirbeln der Rassenzwerge vom Dachsenbüel vor in Form von Knochenauflagerungen einerseits und Einschmelzung der Knochensubstanz andererseits namentlich im Bereich der Gelenkflächen. An manchen Stellen treten supracartilaginäre Exostosen auf (Osteophyten), wie sie bei chronischer Entzündung der Wirbel vorkommen, die als Spondylitis deformans bezeichnet wird. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass — 48 An die Veränderungen durch Höhlengicht keinen Schluss gestatten auf Kümmerer oder Kümmerzwerge. b) Obere Extremitäten. Von den Armknochen der beiden Pygmäen sei zuerst des rechten Schlüsselbeines gedacht. Es trägt die Zeichen M S 11, stammt also wohl aus der sogenannten Grabkammer. Die Farbe ist gelblich-weiss, das Brustbeinende gut erhalten, dagegen das Schulterblattende des Knochens bei der Herausnahme des Skelettes abgeschlagen. Es geht dies daraus hervor, dass die schwammige Knochensubstanz nicht mit Erde gefüllt ist, wie es der Fall sein würde, wenn das Knochenende durch Verwitte- rung in der Erde, im Lauf der Jahrhunderte zerstört worden wäre. Das Schlüsselbein ist sehr gracil die Muskelleisten mässig ausgesprochen, der Knochen noch ansehnlich fest, die Oberfläche glatt, klebt nicht an der Zunge. Die Festigkeit des Knochens trotz des Liegens in der Erde seit vielen Jahrhunderten, ist sehr bemerkenswert und beruht auf mehreren günstigen Umständen, zu denen eine geschützte Lage der Grabkammer und die Kompaktheit der Substanz gehört, welche wilden Rassen der Menschen und Tiere eigen ist. Kulturmenschen und domestizierte Tiere haben Knochen, welche der Verwitte- rung nicht lange widerstehen. Rütimeyer lehrten es die Untersuchungen der Tier- knochen und Pfitzner hat das nämliche vom Menschen berichtet, eine Erfahrung, die übrigens jeder Anatom bestätigen wird, der sich mit Macerieren beschäftigt. Die Knochen der Städter gehen im Erdreich rasch zu Grunde und vertragen das Macerieren schlecht, die Knochen der Landbewohner halten dagegen viel länger aus ebenso wie die Knochen der wilden Tiere. Von den Oberarmknochen der beiden Pygmäen ist sehr wenig vorhanden. Von einem rechten Oberarmknochen ist nur das 6'/» cm. lange obere Endstück mit dem Ge- lenkkopf erhalten. Der Gelenkkopf und der grosse Höcker (Tuberculum majus) sind zum Teil entfernt. Um die vordere Seite des Knochens läuft vom Tuberculum majus aus- gehend, ein 3 cm. langes und 1 cm. hohes unregelmässiges Loch. Man sieht dabei, dass die schwammige Substanz im Innern grösstenteils entfernt ist. Die Zerstörung ist bei der Ausgrabung erfolgt, der Gelenkkopf wurde abgeschlagen und später angeleimt. Die Spongiosa ist frei von Asche und Erde geblieben. Nirgends sind Zahnspuren von Nagern oder dergl. zu erkennen. Die dorsale Fläche dieses Knochenstückes wurde abgebildet, Taf. IV Fig. 2, der sonst mit Knorpel überzogene Gelenkkopf (Caput anatomicum humeri) ist deutlich gegen die übrigen Teile abgesetzt. Die Insertionsstelle für den Unterschulter- . blattmuskel (Musculus subeapularis) ist gross und deutlich, deutlicher wie bei manchem der hochgewachsenen Rasse und zwar 23 mm. lang, 16 mm. breit, wie die Abbildung zeigt, dabei namentlich nach unten scharf abgesetzt. Dasselbe gilt von dem grossen Höcker (Tuberculum majus), soweit er erhalten ist. Dazwischen findet sich die Rinne für die Sehne des zweiköpfigen Armmuskels (Sulcus intertubereularis), welche ansehnlich breit ist (in der Höhe des Randes des kleinen Höckers misst die Rinne 11 mm.). Die Spina tuberculi majoris und minoris sehen schon wegen der Tiefe der Rinne kräftig aus, überdies ist die Rauhigkeit für den Ansatz des Deltamuskels, Tuberositas humeri, mit 2. An manchen Vertiefungen versehen, lauter Zeichen, welche für eine kräftige Entwicklung der Muskeln sprechen und gegen die mehr glatte, fast stumpfe Beschaffenheit derselben Teile bei dem neuzeitlichen Oberarmknochen deutlich abstechen. Klaatsch hebt von den Knochen des Schweizersbildes hervor, dass der Gelenkkopf der Oberarmknochen nicht so stark vom grossen Höcker abgesetzt sei wie bei den rezenten Rassen. Ähnlich ist das Oberarmfragment des Pygmäen vom Dachsenbüel beschaffen; dabei ergibt sich aber, dass dies ein alter und nicht etwa ein rezenter Unterschied ist. Ein Vergleich der beiden Abbildungen auf Taf. 4 lässt dies erkennen. Die Fig. 1 ist nämlich ein ent- sprechendes Stück eines neolithischen Öberarmknochens der grossen Rasse, Nr. 2 der Öberarmknochen des Pygmäen genau in derselben Stellung photographiert. Bei Fig. 1 ist im Bereich des grossen Höckers der Oberarmknochen scharf abgesetzt, ein tiefe Ein- senkung trennt den Gelenkkopf. In der Fig. 2 bei dem Pygämen fehlt die nämliche Einsenkung, der Gelenkkopf erscheint nach abwärts gedrückt. Er ist in grösserer Aus- dehnung medianwärts gedreht, während der Gelenkkopf der hochgewachsenen neolithischen Rasse (Fig. 1) mehr nach oben gewendet ist (die betreffenden Einsenkungen sind durch Pfeile bezeichnet). So sind manche Unterschiede bemerkbar, von denen die tiefe Lage des Gelenkkopfes bei den Pygmäen gegenüber den hochgewachsenen Rassen wohl als das wichtigste Unterscheidungsmerkmal bezeichnet werden darf, denn es ist pithekoid. Vorderarmknochen. Es ist eine linke Speiche (Radius) vorhanden. Sie trägt wieder von Mandachs Hand die Bezeichnung M.S 10, stammt also aus der sog. Grab- kammer. Die Farbe des Knochens ist gelblich, an einzelnen Stellen etwas geschwärzt, der obere Rand des Gelenkkopfes an dem dorsalen Umfang etwas defekt, sonst ist der Knochen gut erhalten. Die Oberfläche glatt, das Mittelstück ist noch recht fest und klebt wenig an der Zunge. Die ganze Länge des Knochens beträgt, samt dem Pro- cessus styloideus radii gemessen, 205 mm. Nach der Methode von Manouvrier würde sich darnach eine Gesamthöhe von 1,30 m. ergeben. Ich werde später auf dieses Mass zurückkommen und erwähne zunächst von andern Eigenschaften dieses Radius nachfolgende: Die Krümmung des Mittelstückes ist als mässig zu bezeichnen, der Hals ist sehr stark von dem capitulum radii abgesetzt und die Rauhigkeit für den Ansatz des Biceps (das Tuberculum radii) unverhältnismässig stark entwickelt im Vergleich mit dem übrigen schlanken Bau des Knochens. Ob das eine allgemeine Erscheinung bei den Pygmäen Europas ist, kann nur durch weitere Untersuchungen aufgeklärt werden. Bei all diesen Erörterungen geht das Ziel der Untersuchung nebenbei dahin, pithekoide Eigenschaften an den Skeletteilen zu entdecken. Der ganze Gedankengang der Naturforschung drängt dahin; denn wenn die Pygmäen, was allgemein angenommen wird, eine primitive Rasse darstellen, so sollten sich bei ihnen mehr pithekoide Merkmale finden, als bei den hoch- gewachsenen Rassen. Man hat festgestellt, dass der Vorderarm länger sei, als der Ober- arm, wie dies bei den Anthropoiden allgemein der Fall ist. Bei unsern Skelettresten fehlt ein unversehrter Oberarmknochen. Ich kann also nur hervorheben, dass Meyer und Tüngel, Hamy und Turner den Vorderarm im Vergleich zum Oberarm länger 7 50 eefunden haben. Turner gibt den Radio-Humeral-Index auf 80-2 oder dolichokerkik an. Siehe Turner (01). wo sich auch viele Citate namentlich der Abhandlungen von A.B. Mever u. A. finden, die sich mit Pygmäen-Untersuchungen beschäftigen. Für eine richtige Beurteilung der veränderten Proportionen bei den Ceyloneser Pygmäen und wahr- scheinlich bei allen Pygmäen ist jedoch wohl zu be- achten, dass sie diese Eigenschaft noch mit einer Anzahl niederer Stämme teilen, welche hierin also von den Europäern abweichen. Von Humphry, Broca und Topinard bis Fritsch, Thomson, Sarasin, Turner und Hagen (98) ist dieses Er- gebnis durch zahlreiche Untersuchungen festgestellt. Nicht nur die Proportionen des Vorderarmes zum Oberarm sind in der Art verschieden, dass der Vorder- Figur 1, Bischoff Tucker mit zwei 2 > = IE 3 & Premäen erwachsene Frau und Kind aus arm länger ist im Verhältnis mit dem der weissen Uganda 1898). Kopie vonW.L.H.Duck- Rasse, der ganze Arm an sich ist bei den Negern, rth. Malayen, Javanen u. a. länger als bei den Weissen. Die Weissen haben sich am meisten von den Urrassen entfernt, zu denen sicher die Weddas, die Andamanen, die Negritos und die Pygmäen Afrikas gehören. Bezüglich der grösseren Länge des Arms bei den Rassenzwergen ist zu bemerken. dass sie bei den Weddas 3 cm. beträgt, die Spitze des Mittelfingers er- reicht aber unter solchen Umständen den oberen Rand der Kniescheibe noch lange nicht, was ich hier bemerke, um allzu weit gehenden Vorstellungen entgegen zu treten. Übrigens wird auch die Betrachtung der kleinen Photographie vor einer übertriebenen Voraussetzung schützen. Sie stellt zwei Pygmäen aus Uganda dar und in der Mitte einen Europäer. Die erwachsene Frau (links) hat die Arme ‘gerade herunterhängend, während der Körper in guter aufrechter Haltung sich befindet, die Beine, wie bei der soldatischen Stellung, aneinander stehen und zwar so, dass die Fersen genähert sind. Die Arme sind bei der Frau gut entwickelt und sind offenbar lang, länger als bei einer Europäerin, soweit sich dies an einer so kleinen Photographie beurteilen lässt. Diese Photographie ist noch deshalb lehrreich, weil ein hochgewachsener Europäer und die Urrasse Afrikas nebeneinander stehen, beide von der Sonne gezeichnet; die Grössen- verhältnisse erscheinen vor unsern Augen ohne irgend menschliche Hilfe wiedergegeben. Dies ist aber wertvoll, um sich den Unterschied klar zu machen, der zwischen der Ur- rasse und den vervollkommneten Rassen besteht. Von Vorderarmknochen ist aus dem Dachsenbüel nur noch ein 9 cm. langes, unteres Endstück einer Elle vorhanden, die wahrscheinlich dem nämlichen Individuum angehörte, von dem die Speiche stammt. Die Kante für die Insertion des Zwischen- knochenbandes ist wie bei der Pygmäen-Speiche scharf geschnitten, der Griffelfortsatz von dem Köpfchen durch eine Rinne getrennt; das Köpfchen selbst zeigt die Grenze der Gelenkfläche mit der Speiche und dem carpus besser ausgesprochen als die rezenten Knochen, so dass ich glaube, man vermöchte wohl einen Pygmäenknochen dieser Art von einer rezenten Elle zu unterscheiden. — Die distale Epiphyse der Ulna verschmilzt mit dem Mittelstück erst im 20. Jahre. Damit ist der Ausspruch gesichert, dass dieser Knochen von einem Erwachsenen stammt. Weder an dem Fragment noch an der oben beschriebenen Speiche ist das geringste Zeichen jener Knorpelfugen vorhanden, welche so charakteristisch sind für Kümmerzwerge. Überhaupt lassen sich nirgends Spuren von Degeneration erkennen, die Knochen machen vielmehr den Eindruck, dass sie einem charakteristischen Individuum angehört haben. Knochen der Hand. Von Knochen der Hand, die mit einiger Sicherheit auf die Pygmäen vom Dachsenbüel bezogen werden können, nenne ich zwei Mondbeine (Lunata), zwei Kahnbeine (Navicularia) und zwei Kopfbeine (Capitata), dazu einige Metacarpalia. Ich verzichte jedoch, Einzelheiten darüber mitzuteilen, weil sich keine nennenswerten Ergebnisse durch die Untersuchung erreichen liessen. Nur das sei bemerkt, dass sich alle diese Knochen durch scharfe Details auszeichnen. Vielleicht bietet die Vergleichung mit andern Pygmäenskeletten emem spätern Beobachter nach dieser Seite noch einige Ausbeute. ec. Untere Extremität. Von den vorhandenen Resten hebe ich in erster Linie einen Oberschenkelknochen hervor. Von zwei Pygmäen ist also em einziges Femur übrig geblieben! Farbe gelblich wie viele Knochen aus der Höhle; klebt wenig an der Zunge, war bei der Herausnahme in der Mitte der Diaphyse getrennt worden. Die beiden Teile, mit M. S. 1° und 1° bezeichnet, wurden von mir wieder vereinigt, um die Totallänge des Oberschenkelknochens feststellen zu können, die für die Bestimmung der Körperhöhe so ausserordentlich wichtig ist. Der mediale Höcker (Condylus medjalis) ist bei der Herausnahme beschädigt worden. In welcher Ausdehnung dies geschehen, zeigt die Taf. 3 Fig. 3 unten. Dass die Zerstörung bei der Herausnahme stattfand, er- gibt sich wieder daraus, dass die freigelegte schwammige Knochensubstanz nicht von Erde oder Asche verunreinigt ist. Nirgends sind Spuren von Raubtierknochen zu be- obachten oder Spuren von Epiphysenknorpeln. Weder am oberen noch am unteren Knochenende ist irgend etwas zu finden, was als eine abnorme Verzögerung des Ossifi- kationsprozesses zu deuten wäre. Nirgends sind degenerative Zeichen irgend welcher Art. Der Knochen ist auch frei von irgend welchen Spuren der Höhlengicht. Sowohl die Messungen als die Vergleichung ergeben, dass der Rassenzwerg von Dachsenbüel recht robust war, wie am Schweizersbild nur einer von gleicher Stärke gefunden wurde. Er stimmt darin mehr mit dem Rassenzwerg von Chamblandes bei Lausanne überein, von dem später noch die Rede sein wird. Eine Photographie des oberen Endstückes des Dachsenbüeler Pygmäen in natürlicher Grösse Taf. 1 Fig. 1 und 2 gibt eine An- sicht dieses wertvollen Fundstückes. Die Länge beträgt mit dem Apparat von Broca gemessen 386 mm. Daraus ergibt sich eine Körperhöhe des Lebenden von 146 cm. Nach allen Zeichen, nach der Stärke des Knochens, der Richtung des Schenkelhalses und der Muskelleisten, stammt der Oberschenkelknochen von einem männlichen Indivi- er } 54 — duum. Die Insertionsmarken der Kapsel des Hüftgelenkes sind vorn und hinten stark ausgeprägt (Taf. 2 Fig. 1 vw. 2). Die rauhe Linie (Linea aspera) ist so hervortretend, dass der Ausdruck „Pilaster* gerechtfertigt ist. Der Trochanter tertius ist ein 6 cm. langer Kamm und lateral von ihm findet sich eine 3'/s cm. lange flache Fossa trochan- terica. Die Linea aspera erreicht in ihrer Fortsetzung als ein deutlicher Kamm den Condylus externus; bei dem Condylus internus ist dies ebenso, wenn auch in geringerem Grade, der Fall: freilich erfährt die Linie eine Unterbrechung von 3 cm. Es ist dies jene Stelle, an der sich am Lebenden der Canalis adductorius findet, durch den die Schenkelvene und die Schenkelschlagader hindurch ziehen. Ich hebe diese an sich un- bedeutende Beschaffenheit der Linea aspera hervor, weil daraus bezüglich der Anzieher des Schenkels dieselbe Anordnung der Muskulatur hervorgeht, welche bei den hochge- wachsenen Rassen Europas beobachtet ist. Der Oberschenkelknochen ist im oberen Drittel abgeplattet und verbreitert, eine Erscheinung, die auch bei den grossen Rassen vorkommt und als Platymerie*) be- zeichnet wird. Die Verbreiterung begleitet hinten ein Kamm, der schon erwähnte Pi- laster. Der Schaft besitzt am platten Teil eine Dicke von 20 mm. (Sagitaldurchmesser) und an der Stelle der stärksten Verbreiterung eine Ausdehnung von 28 mm. Diese Abplattung ändert das Aussehen recht auffallend. Statt der gerundeten Form des Schaftes existieren an dieser Stelle zwei Flächen, eine hintere und eine vordere, be- grenzt von zwei Rändern, einem äussern und innern. Durch einen Index ausgedrückt, beträgt der Grad dieser Abflachung 71,4 cm., der Pilasterindex beträgt 91,6 cm. Die Abbildung auf Taf.3 zeigt in Fig. 2 diesen Oberschenkel des Pygmäen aus dem Dachsen- biel um '/s kleiner als seine natürliche Grösse, von der medialen Seite gesehen. Bei dieser Ansicht lässt sich am besten die leichte Krümmung erkennen, welche das Mittel- stück aufweist. Die Krümmung ist allerdings nicht beträchtlich, allein man muss doch zugeben, dass ein geringer Grad unverkennbar ist, der Knochen also etwas von jener gefälligen Form besitzt, welche im der Regel die rezenten Oberschenkelknochen aus- zeichnet. Ich bemerke dies, weil bisweilen selbst diese leichte Krümmung vollständig fehlt. Unsere Sammlung besitzt solche Exemplare. Auf Taf. 3 ist ferner das untere Ende dieses Knochens so abgebildet worden, dass die beiden Condylen, die Incisura intercondyloidea und die Superfieies patellaris, dem Beschauer direkt entgegensehen. Vergleicht man damit dieselben Abschnitte rezenter Knochen, so ergibt sich, abgesehen von dem Grössenunterschied, keine Differenz. Die mechanischen Bedürfnisse des aufrechten Ganges haben für den Menschen diese Formen herausentwickelt und es scheint in dieser Beziehung kaum eine Variabilität vorzukommen, die bemerkenswerte Änderungen erzeugte. **) *) riarvs platt und ungos Öberschenkelknochen; Manouvrier hat dieser Erscheinung ihren Namen gegeben. **) Die Superficies patellaris erscheint bei dieser Stellung für die photographische Wiedergabe flach. Diese Stellung wurde gewählt, damit die Ineisura intereondyloidea besser zum Vorschein komme. Damit musste aber der Knochen so gedreht werden, dass die Kniescheibenfläche kaum winklig geknickt zu sein scheint. In Wirklichkeit ist auch am Oberschenkel des Pygmäen der laterale Rand hoch, der mediale Rand niedrig. Schienbein, Tibia. Ein Schienbein von 317 mm. Länge ist pygmäenhaft, leider das einzige von den zwei Rassenzwergen, die in der Höhle bestattet worden sind. Es stammt wohl ebenso wie der Oberschenkel aus der sog. Grabkammer, denn es trägt die Buchstaben M.S. 2. Der Knochen besitzt noch eine ansehnliche Festigkeit, gleicht in Farbe und sonstigen Eigenschaften dem Oberschenkel und gehört aller Wahrschein- lichkeit nach zu ihm, was wertvoll wird für die Bestimmung der Körperhöhe; denn man erreicht durch die Verwendung der beiden Knochen eine grössere Sicherheit des Ergeb- nisses. Die obere Gelenkfläche ist nur teilweise erhalten, der Rand ist zerstört an dem lateralen Condylus, an dem medialen sogar in ansehnlicher Ausdehnung, wie aus der Fig. 3 Taf. 4 hervorgeht, welche den Knochen in etwas mehr als ?/s seiner natürlichen Grösse darstellt. Ich verzichte darauf, die einzelnen Teile dieses Schienbeines zu be- schreiben. Es hat viele Merkmale gemeinsam mit den identischen Knochen der grossen europäischen Rassen, die hier als selbstverständlich keiner Erwähnung bedürfen. Zwei Eigenschaften sind jedoch zu berücksichtigen. Das Schienbein des Pygmäen hat 17 mm. im queren und 30 mm. im sagittalen Durchmesser, ist also hochgradig platyknemisch mit eimem Index von 55,6 mm., wodurch es in die Kategorie der extrem oder „hyper- platyknemen“ Tibien verwiesen wird. Aus einer grösseren Untersuchungsreihe, für welche 208 Schienbeme der grossen Rasse gemessen wurden und 63 Masse von Schien- beinen von Pygmäen vorlagen, geht hervor, dass die Platyknemie bei den Pygmäen häufiger ist als bei den grossen Rassen. Unter 900 Schienbeinen aus dem neolithischen Europa, Afrika, dem Westen Amerikas und den Philippinen sind über 58 °/o platyknem und 17 °/o sogar hyperplatyknem. In der Jetztzeit hat sich das Verhältnis umgekehrt. Die Platyknemie hat abgenommen. Manouvrier und die Herren Sarasin sind bei ihren Untersuchungen zu demselben Ergebnisse gekommen. Manche Schienbeine werden so platt, dass sie nur einen Index von 49,0 auf- weisen, also in eimem recht ansehnlichen Grade einer sagittal gestellten Säbelscheibe gleichen, womit man diese Form der Schienbeine so oft verglichen hat. Bei den Nesritos der Philippinen wiederholt sich eine ausgezeichnete Platyknemie mit der grössten Gleichmässigkeit (R. Virchow). Zu den Pygmäenskeletten gehören zwei Kniescheiben, die von emem und demselben Körper stammen. Die eine ist gut erhalten und trägt die Zeichen M. S.4, die andere ist am untern Rande defekt. Die gut erhaltene besitzt einen Sagittaldurchmesser von 36 mm., eine grösste Breite von 37 mm. Die Gelenkfläche hat in der Sagittallinie 27 mm. Höhe und eine grösste Breite von 35 mm. Die Form zeigt keine Verschiedenheit mit denen der grossen Rasse; die Spitze der Kniescheibe misst, an der hintern Seite bestimmt, 11 mm. (in der Sagittallinie); die Insertionsfläche für den Strecker des Unterschenkels ist scharf geprägt und die Insertionsstreifen auf der vordern Fläche zahlreich und recht tief. Auf Taf. II Fig. 3 wurde die Kniescheibe eines Wedda, daneben eine Kniescheibe der hochgewachsenen Rasse vom Dachsenbüel, beide in natürlicher Grösse abgebildet, wobei zu bemerken ist, dass das Individuum der hochgewachsenen Dachsenbüeler 54 Leute keineswegs durch besondere Grösse ausgezeichnet war. Aus der Basler anatomi- schen Sammlung wie aus jeder andern hätten sich leicht grössere Exemplare von Knie- scheiben neben diejenige des Pygmäen setzen lassen, aber es handelt sich vor allem darum, neben den Skelettresten von Pygmäen auch solche der Leute vom Dachsenbüel aufzuführen, damit man sich überzeugen möge, dass die Leute der neolithischen Periode sich von den heutigen nicht unterscheiden, soweit die hochgewachsenen Rassen in Betracht kommen. Wie schon oben angegeben, beträgt die Länge der Tibia 317 mm., den innern Knöchel mitgemessen. Daraus berechnet sich eine Körperhöhe von 147 cm., eine Zahl, welche sehr gut mit derjenigen stimmt, die aus der Länge 'des Oberschenkels mit 146 em. berechnet wurde. Damit erhöht sich gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass die Körperhöhe im ganzen richtig bestimmt wurde und dass Schienbein und Ober- schenkelknochen von dem nämlichen Rassenzwerg stammen, wie oben vorausgesetzt wurde. Die Körperhöhe von 146—147 cm. ist für einen männlichen Pygmäen recht be- scheiden; rechnen wir aber 5 cm. dazu, so darf man sicher sein, dass die Körperhöhe keinesfalls zu gering angegeben ist. Dass sie mit der Zahl von 150—151 cm. jeden- falls reichlich bemessen ist, unterliegt keinem Zweifel. Auf 50 mm. ist die Bestimmung nach der Methode von Manouvrier sicher richtig. Dass dies der Fall, dafür gibt es noch einen andern Grund. Die Ober- und Unterlänge der Rassenzwerge ist allerdings verschieden von derjenigen der hochgewachsenen Rassen, aber es handelt sich doch nur um 4—5 cm. Bei den grossen Rassen liegt die Körpermitte in der Schambeinfuge (Symphysis ossium pubis), bald am oberen Rand oder in der Mitte. Nehmen wir einmal an, bei den Pygmäen sei dies ebenfalls zutreffend, und berechnen wir durch Addition der Länge des Oberschenkelknochens und des Schienbeins die Länge des Unterkörpers, so ergibt sich folgendes: Länge des Oberschenkelknochens . - h 5 £ : - 388 mm. Länge des Schienbeins . 2 s B R . f 319.7; Entfernung des Schienbeins von der Standfläche-Höhe des Fusses 30/25 Summa dieser drei Längen B £ 737 mm. Diese Zahl multipliziert mit 2, weil die Oberhöhe gleich der Unterhöhe ange- nommen wird, ergibt 147 cm. als Körperhöhe, welche jener Zahl entspricht, die sich durch die Berechnung aus der Schienbeinlänge ergeben hat.*) *) Bei dieser Berechnung ist nur die Zahl 30 als Distanz von der Standfläche zum Schienbein ab- geschätzt, kommt aber sicherlich der Wahrheit sehr nahe. Für die Knorpeldicke wurden sowohl dem Oberschenkelknochen als dem Schienbein 2 mm., also im ganzen 4 mm., der Zahl zugefügt, worauf Manouvrier hingewiesen hat. Das Ergebnis der Berechnung, wie es die Anwendung zweier ganz ver- schiedener Methoden geliefert hat, ist selbstverständlich noch immer nicht so genau, als wenn die Messung an der Leiche direkt vorgenommen worden wäre, aber jedenfalls gibt sie im grossen und ganzen ein zu- treffendes Bild von der Körpergrösse der Pygmäen vom Dachsenbüel. Pfitzner (99) ist bei seinen zahl- reichen Messungen zu dem Resultat gekommen, dass alle solche Zahlen höchst zweifelhaft seien. Die Länge der Extremitätenknochen gebe nicht den geringsten Anhalt zur Abschätzung der Körperlänge. Das Tabelle 1. Extremitätenknochen des Pygmäen mm. | Index Speiche (Radius) des linken Armes samt dem Griflelfortsatz gemessen . : - 208 - Rechter Oberschenkelknochen gemessen in der nat. Position . : r : & 386 _ Breite desselben unterhalb des Trochanter minor . B = 2 : a 5 cn Dicke : £ E A = (sap) De Fu Ma Schienbein samt dem innern Knöchel gemessen : } t e : 2 B 317 5 Diameter sagittalis . < A F 3 i E 5 - i : 300) Er 5 Diameter transversus £ 2 z - 2 i i - : Su 5770} ==S Sprungbein grösste Länge . © i P B e 3 ; 1 . P Sul 48 R grösste Breite . P R - : ; 2 e 2 ; = ul. 3% Bestimmung der Körperhöhe.*) Bependl Leiche Berechnung nach der Länge der Speiche allein ; : 5 : - ; 2 1423 | 1443 = E a - des Oberschenkelknochens . : : : E - 1 1460 | 1476 3 e B - des Unterschenkelknochens . R . 1. 1459 1469 Mittel aus diesen drei Zahlen: es ergibt sich eine Körper höhe 1 nanehe Pygmäen vom Dachsenbüel von . { E : : c = . - 1450 | 1470 Äusserste Grenze für die Körperhöhe dieser Den 5 - & P . { 1510 | — ! *) Methode von Manouvrier. Determination de la taille d’apres les grands os des membres. Memoires de la Societe d’Anthropologie de Paris. 2° serie t. IV 1892. Es wurde die Grösse des lebenden und aufrechtstehenden Pygmäen in der ersten Kolumne angegeben und deshalb nach der Angabe von Manouvrier die Reduktion vorgenommen. Weil es sich um Pygmäen handelt, wurden zwischen 10—20 mm. für die Länge der Leiche hinzugezählt, wie aus der Vergleichung der Zahlen über die Körperhöhe in der ersten und zweiten Kolumne der obenstehenden Tabelle hervorgeht. ist für abnorme, pathologische Individuen wohl richtig, aber nicht für die Durchschnittsmenschen und für die Durchschnittspygmäen, die wir wohlgebaut nennen. Ich verweise, was die Pygmäen betrifft, auf die Fig. 1. Photographische Aufnahmen solcher Art mögen noch so viele Mängel aufweisen, die Vergleich- barkeit mit einem hochgewachsenen Menschen ist dennoch im stande, manche irrige Vorstellung zu zer- streuen. Vor allem die Meinung, als ob die Vertreter dieser Urrassen durchaus pathologisch seien, wie ja auch schon behauptet wurde, dann als ob die Länge der Arme eine so horrende wäre, dass diese Menschen äffisch im hohen Grade erscheinen. Es zeigt sich sofort, dass die Verlängerung weder des ganzen Arms noch des Vorderarms sehr auffällt, ja so wenig bemerkbar ist, dass nur die Messung voll- kommen Sicherheit bietet über den Grad der Verlängerung. Zu weiterer Orientierung verweise ich noch auf die zahlreichen Figuren, welche ebenfalls auf photographischem Wege hergestellt worden sind in dem grossen Werk der Herren Sarasin. Nach den Angaben dieser Forscher sind die Beine der Weddas länger als beim Europäer; überdies besitzt die Tibia der Weddas eine grössere Länge im Verhältnis zum Femur. Der Index aus Femur und Tibialänge betrug bei den Männern der Weddas rund 52,0 cm., also etwas mehr als die Hälfte der Körperhöhe. Man darf diese Zahl nicht ohne weiteres auf europäische Rassenzwerge übertragen, aber so viel Gültigkeit darf sie beanspruchen, dass die Körperhöhe unseres Dachsenbüelers, berechnet aus der Länge eines Ober- und eines Unterschenkelknochens, im ganzen zwischen 1450—1500 mm., im äussersten mit 1510 richtig abgeschätzt ist. 56 Eine zweite Eigenschaft des säbelscheideartigen Schienbeins besteht in der stark S-förmigen Krümmung der vordern Schienbeinkante. Dieses Verhalten ist leider in der Fig. 3 Taf. 4 nicht mit hinreichender Schärfe zum Ausdruck gekommen. Von dem Schienbeinstachel angefangen, wendet sich die Kante stark nach innen, um dann seitlich (nach aussen) zu ziehen und von dort aus wieder nach dem innern Knöchel hinzustreben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieses Verhalten mit der starken Entwicklung des vorderen Schienbeinmuskels zusammenhängt. R. Virchow (88) hat die Platyknemie mit einer übermässigen Entwicklung des vorderen Schienbeinmuskels in Zusammenhang gebracht. Eine Reihe von Untersuchungen hatte ergeben, dass die Platyknemie nicht schon in der Kindheit vorhanden ist, sondern sich erst in den ‚Jünglingsjahren entwickelt. Daraus und aus dem Umstande, dass sie bei Frauen seltener ist, darf man vermuten, dass eine bestimmte Art der Verwendung der Unterschenkelmuskeln oder ihre vermehrte Anstrengung diese Form der Tibia be- dinge. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es mechanische Vorgänge sind, welche ein platyknemes Schienbein hervorbringen, und es ist zutreffend nicht bloss den vordern Schienbeinmuskel, sondern auch den hintern samt dem langen Beuger der Zehen und den Beuger der grossen Zehe dafür verantwortlich zu machen (Manouvrier 88); aber der volle Einblick wird doch erst dann erreicht sein, wenn es gelungen ist, die Muskeln abgeflachter Schienbeine mit denen normaler Tibien zu vergleichen. (Vergl. eine Be- merkung über Platyknemie weiter unten.) An der Tibia des Pygmäen vom Dachsenbüel tritt noch eine andere Eigenschaft auffallend hervor, nämlich eine starke Ausbiegung des ganzen Schaftes nach vorn. Sie hängt mit der Erscheinung der Retroversion zusammen, wovon in einem späteren Abschnitt die- Rede sein wird, dort, wo es sich um eine ebenfalls platykneme Tibia der hochgewachsenen Rasse aus dem Dachsenbüel handelt. Knochen des Fusses. Zwei ziemlich gut erhaltene Sprungbeine haben oflenbar demselben Rassenzwerg angehört, denn es fand sich ein linkes und ein rechtes Sprung- bein von gleicher Farbe und gleichem Erhaltungszustand vor. Die grösste Länge des Knochens beträgt 48 mm., die grösste Breite 34 mm. Das sind sehr kleine Masse im Vergleich zu einem Sprungbein der rezenten hochgewachsenen Rasse, das 68:44 misst. Wären sonst gar keine Pygmäenknochen gefunden worden, ein einziges Sprungbein dieser Art hätte genügt, um mit Sicherheit auf die Anwesenheit von Pygmäen in der Höhle vom Dachsenbüel zu schliessen. Die Formen der beiden sind ebenso charakte- ristisch wie jene rezenter Leute; ich hebe namentlich die Beschaffenheit der oberen Ge- lenkfläche, die Trochlea tali, hervor, welche von vorn nach hinten gut gewölbt und zu- gleich verschmälert ist. Der Gelenkkopf ist durch den Hals gut abgesetzt und die Rinne an der untern Fläche (Suleus tali) vorhanden, so dass der Bandapparat und damit die Art der Bewegung eine ebenso vollkommene Entwicklung besassen wie die rezent gebauten Gelenke. Ja, vielleicht darf man annehmen, dass dieselbe in mancher Be- BEN ziehung vollkommener war. Ich glaube an der obern Gelenkfläche (Trochlea tali) Zeichen jener Eigenschaften zu erkennen, welche durch jene bei Naturvölkern so weit ver- breiteten Art des Hockens (squatting position der Engländer) an dem Talus zum Vor- schein kommen. Es ist dies die Erhaltung der embryonalen Form der Trochlea tali, die sich weiter dorsal erstreckt, als dies bei dem Sprungbein des Erwachsenen der Fall ist. Eine unbedingte Sicherheit für meine Angabe vermag ich nicht zu bieten, dazu sind die macerierten und vielfach beschädigten Knochen nicht geeignet. Zu einer un- bedingten Feststellung ist das frische Objekt unerlässlich, weil die Ausdehnung des Knorpelüberzuges den entscheidenden Beweis liefert. Allein es lässt sich immerhin so viel an den Sprungbeinen vom Dachsenbüel erkennen, dass sich die Gelenkfläche weit nach hinten, bis zum hintern Fortsatz des Sprungbeins (Processus posterior talı), fort- gesetzt hat. Daraus ergäbe sich aber der Schluss, dass die Pygmäen der neolithischen Periode, wie diejenigen von heute, sehr häufig die Hockstellung eingenommen haben, wie dies die HH. Sarasin bei den Weddas beobachteten. Von andern Knochen des Fuss- skelettes ist noch ein linkes Kahnbein (navieulare) vorhanden und einige Metatarsalia und Phalangen. Aber der Mittelfussknochen der grossen Zehe fehlt und so lässt sich nicht untersuchen, ob die von den HH. Sarasin beschriebene pithekoide Stellung der grossen Zehe auch bei den Pygmäen vom Dachsenbüel vorkommt. Überblicken wir das Gesamtresultat aller der Studien, so liest ihr Hauptwert in folgenden Ergebnissen: Die Rassenzwerge Europas sind nicht bloss in Sizilien noch lebend vor- handen (Sergi, Mantia), sondern kamen auch schon in neolithischer Zeit in Europa vor. Sie sind am Schweizersbild und in der Höhle vom Dachsenbüel nachgewiesen. Die europäischen Rassenzwerge sind keine Kümmerform, durch Degeneration der hochgewachsenen Rassen entstanden, sondern sind Rassenzwerge wie jene von Asien, Afrıka und dem Inselarchipel, klein, weil sie einer besonderen Abart des Menschen- geschlechtes angehören. Der vereinzelte Nachweis hat offenbar dazu beigetragen, dass das Vorkommen von Rassenzwergen in Europa bestritten wurde, allein sorgfältige Ausgrabungen werden noch Spuren aufdecken. Man wird sie sicherlich finden, wenn die menschlichen Reste besser beachtet werden, als dies bisher der Fall war. Ich möchte auch hier wieder, wie in der Arbeit über das Schweizersbild, daran erinnern, dass in der Nähe von Lau- sanne, in Chamblandes, in den Gräbern hochgewachsener Leute das Skelett eines, viel- leicht sogar zweier, Pygmäen gefunden wurde. Die HH. Studer und Bannwarth haben in den Crania helvetica antiqua (94) darauf hingewiesen und neuerdings ist der Inhalt jener Gräber durch Schenk (01) ausführlich geschildert worden. F. A. Forel, Colomb, A. Morel-Fatio u.a. halten die Gräber für älter als jene vom Schweizers- bild und vom Dachsenbüel, also aus der Mitte oder vielleicht sogar aus dem Beginn der neolithischen Periode. Als Bestattungsart wurden Steinkisten festgestellt; die Wände bestanden aus gut bearbeiteten Massen des Alpenkalkes (1 m. lang und etwa 8 on >0 cm. breit). Die Gräber enthielten manchmal zwei, drei und selbst fünf Leichen, ohne dass doch die Dimension der Gräber deshalb grösser gewesen wäre. Unter den Beigaben fanden sich die Gewehre des Wildschweines (Hauer) mit Löchern durch die beiden Enden, dann Stücke von gelbem und rotem Ocker, Muscheln von den Ufern des Mittelmeeres (Tritonium nodiferum Lam. und Pectunculus pilosus L.) ebenfalls durch- bohrt, Amulette aus Knochen des menschlichen Schädels hergestellt u. dergl., jedoch keine Topfscherben und keine polierten Steinwerkzeuge. Damit stellen sich diese Gräber in dieselbe Reihe wie die neolithischen Gräber von Nord- und Mitteleuropa. Von einem der Skelette berechnet nun Schenk eine Körperhöhe von 1,488 m. des Lebenden und eine Körperhöhe der Leiche (— 20 mm. von 1,508 m.) Ich kenne aus eigener An- schauung dieses Skelett; der Konservator des Museums, Herr Colomb, hatte mir in zuvorkommender Weise gestattet, die Knochen von Chamblandes im Museum zu unter- suchen. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle den verbindlichsten Dank für seine Freundlichkeit aus, und ich selbst und Studer und Bannwarth haben ebenfalls die Bestimmung der Körperhöhe vorgenommen und sind zu einem verwandten Resultat (Körperhöhe von 1,46 m. nach dem einen Schienbein, 1,51 m. nach dem zweiten Schien- bein) gekommen (94). Ich habe gleichzeitig die Überzeugung gewonnen, dass hier das Skelett eines männlichen Pygmäen vorliegt. Aus der Kleinheit des Skelettes geht also mit Sicherheit hervor, dass wir es hier mit einem Pygmäen zu tun haben, obwohl die Kapazität des Schädels durchaus nicht pygmäenhaft ist, die Schenk nach hinlänglich genauen Methoden auf 1505 cm. berechnet hat. Nachdem die mittlere Kapazität des weiblichen europäischen Schädels ungefähr 1400 cm. beträgt, so geht der Schädel von Chamblandes bezüglich der Kapazität und damit auch bezüglich der Grösse weit über das Mass bei Pygmäen hinaus. Nach den zahlreichen Erfahrungen, die ich von den Grössenverhältnissen zwischen Schädel und Körperhöhe bei Pygmäen besitze, muss eine Verwechslung vorausgesetzt werden; der Schädel, der jetzt bei dem Skelett liegt, stammt von einem Individuum der hochgewachsenen Rasse aus derselben Zeit. Ich nehme an, dass bei der Ausgrabung und bei der Bergung des Materiales der Inhalt der Gräber nicht genügend getrennt wurde, vielleicht auch nicht genügend getrennt werden konnte. Denn wenn zwei bis fünf Individuen in einem Grab bestattet waren, dann ist kein Fachmann mehr im stande, die richtigen Teile zusammen zu finden. Sobald zwei Leichen in einem so kleinen Raum vermodert sind, fallen die einzelnen Skeletteile durcheinander und es braucht Übung, Scharfblick, Ausdauer und noch dazu eine sehr gute Ausrüstung mit zahlreichen Kisten und Packmaterial, soll der Fund wohlgeordnet nach dem Museum gelangen. Zwischen dem Fundort und dem Museum wird viel Unordnung entstehen, wenn eine einzige dieser Bedingungen fehlt. Und selbst dann drohen noch zahlreiche Gefahren. Wer schon selbst Ausgrabungen gemacht und die Aufbewahrung der mensch- lichen Überreste beachtet hat, weiss die ganze Grösse dieser Gefahren abzuschätzen, namentlich wenn Raummangel in den Sammlungen dazu kommt. Die Beurteilung des Skelettes von Chamblandes lautet also nach den eben ge- u machten Bemerkungen für mich: der eigentliche Schädel des Pygmäenskelettes ist ver- loren, der vorhandene Schädel gehört einem Weib der hochgewachsenen Rasse.*) Die Untersuchung der Skelettreste hat manches Merkmal der Pygmäen aufgedeckt, das eine Verschiedenheit mit den Skeletten der hochgewachsenen neolithischen wie der rezenten Menschenrassen aufweist. Weitere Untersuchungen werden noch andere Ver- schiedenheiten aufdecken, allein es wird sich in dieser Hinsicht Geduld empfehlen, denn sowohl Skelettmaterial als Weichteile rezenter Pygmäen sind nur schwer erreichbar. Man darf freilich mit Sicherheit annehmen, dass die Ausbeute sehr wertvoll sein wird, wie dies auch die HH. Sarasin hervorheben. Die Umschau in der Literatur enthält hiefür genug Belege. Die ganze Grösse der Ausbeute wird sich aber erst dann über- blicken lassen, wenn es einem Anatomen vergönnt war, eine systematische Anatomie der Pygmäen zu veröffentlichen, ähnlich der systematischen Anatomie der hochgewach- senen rezenten Spezies des Homo sapiens. Eine solche Anatomie der europäischen Pyg- mäen wird allerdings noch sehr lange, vielleicht für immer lückenhaft bleiben, obwohl nach Sergi und Mantia in Sizilien noch lebende Rassenzwerge zu finden sind. So schmerzlich auch diese Lücke für die Wissenschaft sein wird, teilweise wird sie sich ausfüllen lassen durch die Anatomie der Pygmäen anderer Weltteile. Denn man wird mit Recht dann von Bekanntem auf Unbekanntes schliessen dürfen und die Anatomie der Pygmäen Europas vervollständigen durch die Anatomie der Pygmäen Afrikas und Indiens. Wie vielversprechend der Ausblick sich gestalten wird, der auf diese Weise ge- wonnen werden kann, möchte ich an ein paar Beispielen aus der Anatomie des Muskel- systems zeigen. Im Laufe der früheren Ausführungen ist wiederholt von den Zeichen die Rede gewesen, welche die Muskeln den Knochen aufprägen; es reihen sich deshalb Nachrichten über die Beschaffenheit des Muskelsystems bei Pygmäen ungezwungen hier an. Ich beziehe mich dabei auf eine Arbeit von Murie und Flower (67) und von Testut (84). Diese drei Forscher haben über das Muskelsystem von Buschleuten wert- volle Mitteilungen veröffentlicht und zwar die ersten über ein Buschweib. Seit der Veröffentlichung hat, und dies ist hier vor allem zu bemerken, die Auffassung der Buschmänner in Bezug auf ihre Stellung in dem anthropologischen System eine be- trächtliche Änderung erfahren. Als man in ganz Afrika nur sie und die Hottentotten kannte, hielt man diese beiden Gruppen zwar stets für primitive Rassen, glaubte sie jedoch den Negern angliedern zu müssen. Seit die Akkas, die Andamanen, die Minco- pies u. a. genauer bekannt geworden sind, rechnen wohl alle Anthropologen die Busch- männer zu den Pygmäen, als Glieder jener merkwürdigen Menschengruppe, welche vor *) Es gibt noch andere Möglichkeiten, dem Widerspruch zwischen Körperhöhe des Pygmäenskelettes und dem grossen Schädel aus dem Wege zu gehen, nämlich die Annahme einer Kreuzung zwischen einem Pygmäen und einem hochgewachsenen Neolithiker, aber die andere Voraussetzung scheint mir zunächst die einfachste und gleichzeitig die wahrscheinlichste. Ein zweites pygmäenhaftes Skelett ist nicht sicher bestimmbar; die Anschauungen der HH. Studer und Bannwarth und Schenk gehen bezüglich der Angaben über die Körperhöhe aus einander. 60° — allem durch geringe Körperhöhe ausgezeichnet sind. Wer sich auf den Boden dieser neuen Auffassung stellt, dass die Pygmäen überall als Reste von primitiven Menschen- rassen zu betrachten sind, denen die hochgewachsenen Rassen gegenüberstehen als weiterentwickelte Vertreter des Menschengeschlechtes, der wird notwendig dahin ge- langen, den Unterschieden, welche bestehen, eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. So werde auch ich in den folgenden Angaben über das Verhalten der Muskeln den meisten Nachdruck auf die Unterschiede legen, obwohl ich voraussetze, dass im ganzen das Muskelsystem der Pygmäenrassen mit demjenigen der hochgewachsenen Menschen übereinstimmt. An dem von Testut zergliederten Buschmann fand sich in der Achselhöhle ein kleiner viereckiger Muskel, der von der Sehne des breitesten Rückenmuskels des (Musculus latissimus dorsi) ausging. Er zog senkrecht nach abwärts und verschmolz mit dem langen Kopf des dreiköpfigen Vorderarmstreckers (des Musculus triceps brach). Dieser Muskel kommt bei einer grossen Zahl von Säugetieren vor und wird beim Orang-Utang, bei dem Chimpanze, bei Makaken regelmässig gefunden. — Dem Trapez- muskel fehlte seine Schädelportion vollständig; die Nackenportion war beträchtlich ver- kümmert und infolge davon auch die Ansatzstelle an dem Schlüsselbein. Eine ähnliche Anordnung findet sich wieder bei denjenigen Säugetieren, bei denen der Trapezmuskel schwach entwickelt ist. Für unsere Betrachtung ist besonders wichtig, dass diese redu- zierte Form des Muskels sich bei den Lemuren von Madagaskar findet, von denen angenommen werden darf, dass ihre Stammesvorfahren auf der direkten Descendenzlinie des Menschen sich befanden. — An dem Hals findet sich zwischen dem vordern und mittlern Rippenheber ein muskulöses Zwischenbündel, das von dem vordern Höcker des sechsten und siebenten Halswirbels entspringt, sich zur ersten Rippe begibt und die Nervenstränge des Plexus brachialis von der Arterie trennt. Dieser „Scalenus inter- medius“ findet sich nach Testut normalerweise bei dem Gorilla, dem ÖOrang-Utang, dem Gibbon, dem Schweinsaffen, dem Chimpanze u. a., also wieder bei Tieren, deren Urform mit derjenigen des Menschen offenbar einen Zusammenhang hatte. An dem Arm fand sich unter dem Musculus coraco-brachialis (dem Rabenschnabel Fortsatzmuskel) noch ein zweiter, aber kurzer Coracobrachialis, der ebenfalls von dem Rabenschnabelfortsatz entsprang wie der Hauptmuskel, um sich in der Höhe des Ober- armkopfes in die Sehne des Unterschulterblattmuskels (Musculus subscapularis) zu inserieren. Schon Meckel hat darauf hingewiesen, dass dieser kleine Coracobrachialis u. a. bei den Halbaffen (Ouistiti) vorkommt. Dass er auch bei anderen Affen vorkommt, hat Testut hervorgehoben. Ich begnüge mich mit der Aufführung dieser drei Abnormitäten und verweise be- züglich anderer auf die zitierten Arbeiten; dagegen führe ich eine Schlussbemerkung Testuts wörtlich an, die hier an dieser Stelle ein besonderes Interesse bietet. „Alle Abnormitäten, mit Ausnahme einer einzigen, die bei Nagern und Carnivoren vorkommt, wiederholen einen Zustand, der für verschiedene Affenspezies typisch ist; 61 diese Abnormitäten verdienen ein hervorragendes Interesse, nicht allein vom Standpunkt der vergleichenden Anatomie der Muskeln aus, sondern, wie ich hinzufüge, auch von dem Standpunkt der gemeinsamen Organisation der Affen und des Menschen. Überdies fallen sie ins Gewicht für das Problem der Abstammung sowohl der Pyg- mäen als der hochgewachsenen Rassen. Quatrefages hat damals, als er die Auseinandersetzungen des Herrn Testut der Pariser Akademie vorlegte, "gerade diese mehrfache fundamentale Bedeutung bestritten und behauptet, selbst vom Standpunkt des Transformismus aus könne man diese Anomalien nicht als Beweis zu Gunsten eines tierischen Ursprunges des Menschen oder gar seiner Abstammung von den Quadrumanen auffassen. Der von ihm angeführte Grund für solche ablehnende Haltung ist jedoch nicht stichhaltig. Er meint, alle Anomalien hätten gleiche Bedeutung; man müsse des- halb, wenn der Wert der Anomalien so hoch taxiert werde, alle Wirbeltiere als Vor- fahren des Menschen erklären, weil der menschliche Organismus nicht bloss Eigen- schaften der Lemuren, Halbaffen und der Quadrumanen überhaupt wiederhole, sondern auch solche der Fleischfresser, Wiederkäuer und Nager. Der Stammbaum des Menschen würde auf diese Weise eine sehr sonderbare Form annehmen und mit den Konsequenzen der transformistischen Lehren direkt in Widerspruch geraten. Seit dem Jahr 1884 ist aber die Wissenschaft in dem Studium der Anomalien weiter fortgeschritten, als dies damals der Fall war. Man erkannte, dass es Anomalien gibt, welche atavistisch oder retrospectiv sind und also ein Zeichen gemeinsamer Abstammung darstellen und andere, die prospectiv, auf einen spätern Zustand hinweisen, dem das Menschengeschlecht durch Variation entgegengehen kann. Den letztern Anomalien fehlt jeder atavistische Hinter- grund, während die ersteren entweder direkt auf die Stammform der Quadrumanen zu- rückweisen, als auf die gemeinsame Wurzel, oder noch weiter zurück auf die Beutel- tiere, deren Urformen die Grundlage für die Weiterentwicklung der verschiedenen Säugetierabteilungen geworden sind. Eine dritte Art von Anomalien ist vielleicht auf pathologische Einflüsse zurückzuführen in der Art, dass Störungen der Entwicklung Aberrationen hervorrufen, welche im Bereich des Muskelsystems zu selbständigen Muskeln führen, die sich dann auf mechanistische Weise erklären lassen, weil sie in letzter Linie auf Störungen der Entwicklungsmechanik zurückzuführen sind. Ein Anfang, in dieser Richtung einzelne Anomalien aufzuklären, z. B. diejenigen des Musculus sternalis, ist durch Eisler (01) gemacht worden. Das Menschengeschlecht kommt also nicht in Gefahr, Raubtiere, Wiederkäuer und Nager in seiner Ahnenreihe aufzuweisen, wie de Quatrefages seiner Zeit meinte. Wenn auch manche Anomalien mit Merkmalen dieser weitverzweigten Ordnungen übereinstimmen, so weisen die Anomalien doch nur auf den gemeinsamen Ausgangs- punkt aller Säugetiere zurück, der in den Stammformen der Marsupialier zu suchen ist. — Wenn im Laufe der Jahre der Widerspruch de Quatrefages’ sich als unberechtigt erwiesen hat, so kann auch einer Bemerkung Testuts aus jener Zeit nicht mehr jene Geltung zukommen, die ihr der Autor damals beigelegt hat. Er meinte, diese Ano- malien charakterisierten keineswegs die Buschmannrasse oder die Negerrasse, weil alle diese Anomalien gelegentlich einmal auch bei Europäern gefunden werden. Allein die Frage liegt heute anders und lautet: Haben nicht die Buschmänner vielleicht zahl- reichere Anomalien als die Neger oder die Europäer? Diese Frage ist noch nicht ent- schieden; wir stehen erst am Anfang der Untersuchung. Dass die Pygmäen viele Zeichen einer niedern Organisation an sich tragen, gestehen alle zu, die sich jemals mit dieser Untersuchung beschäftigt haben. Es sind Eigentümlichkeiten am Skelett, an den Muskeln, den Eingeweiden und im Zentralnervensystem (geringes Hirnvolumen) ge- funden, welche schon sehr bemerkenswert sind. Aus der Monographie Testuts ge- winnt man den Eindruck, dass die Anomalien in dem Muskelsystem zahlreich und auf- fallend sind, zahlreicher und auffallender als bei Individuen hochgewachsener Rassen. Bei dem ersten Rassenzwerg, den er untersuchte, fand er sofort eine beträchtliche Re- duktion des Trapezius, welche allerdings auch bei der hochgewachsenen Rasse vor- kommen kann, allein sie ist bei ihr doch selten in jenem bedeutenden Grad zu finden, den schon das erste Exemplar der Pygmäen dargeboten hat. Noch fehlt eine Übersicht all der Unterschiede zwischen Pygmäen und hochgewachsenen Rassen. Hoffen wir, dass in absehbarer Zeit eine Anatomie der Pygmäen diese Lücke ausfüllen werde. Was immer bisher bekannt geworden ist, berechtigt zu der Annahme, dass zwischen den Pygmäen und hochgewachsenen Rassen Unterschiede vorhanden sind, welche eine Ur- rasse charakterisieren.*) Dass die Pygmäen andere Anomalien aufweisen sollten als die spätern Rassen, ist nicht vorauszusetzen, denn die Urrasse muss in der Hauptsache die nämlichen Muskeln besitzen wie die nachfolgenden Rassen, die ja von den Urrassen abstammen. Das Ske- lett der Pygmäen, das in der Hauptsache übereinstimmend gebaut ist mit dem der hochgewachsenen Rassen, bedingt durch die Gleichheit seiner Mechanik, dass auch die Muskeln bei den Pygmäen ebenso angeordnet sind wie bei den Menschen von heute. Wir dürfen hier von Bekanntem auf Unbekanntes zurückschliessen. Die Unterschiede sind, soweit wir sie bis jetzt kennen, graduell, nicht fundamental. Was wir jetzt als Anomalien der Urrassen bezeichnen (Murie-Flower, Testut, de Quatrefages), sind zu einem Teile wenigstens Zeichen einer niedrigen Organisation und sie kehren nach dem Gesetz der Vererbung auch bei späteren Nachkommen wieder. Die Meinung, die Anomalien seien identisch auf beiden Seiten, ist vollkommen richtig innerhalb derjenigen Grenzen, welche die reversiven Anomalien charakterisieren, aber falsch ist es, die Be- dentung deshalb schmälern zu wollen, weil die Anomalien auch bei den grossen Rassen *) In der Literatur sind bis zum Jahre 1882 von Testut nur zwei ähnliche Anomalien des Trapezius beschrieben, wie eine solche der von ihm präparierte Buschmann aufgewiesen hat. Die eine der mitge- teilten Anomalien findet sich bei Macalister (66), die andere bei Zagorski (90) beschrieben. Mir ist diese Anomalie bei meiner bald jährigen Praxis auf dem Seziersaal nie begegnet. Der Trapezius variiert an sich zwar sehr stark, aber gerade jene besondere Anomalie, die Testut bei dem Buschmann beschrieben, ist bei den hochgewachsenen Rassen nicht häufig. ee — 09 — vorkommen. Im Gegenteil, sie müssen unbedingt vorkommen, wenn die Theorie unserer Abstammung richtig ist, die ich hier vertrete. Wenn wir von den Urrassen abstammen, was wohl allgemein zugegeben wird, dann müssen wir auch ihre Merkmale an unserm Körper tragen. Der Begriff „Urrasse“ schliesst die Vorstellung im sich, dass wir die Nachkommen sind. Man hat sich die ganze Bedeutung dieses Wortes vielleicht früher nicht vollkommen klargelegt, heute muss auch diese Aufgabe erledigt werden und zwar in dem Sinne, dass wir uns als Nachkommen der Urrassen betrachten. Es ist nicht anzunehmen, dass der schaffenden Naturkraft zweimal der Triumph gelungen wäre, erst die Urrassen und dann erst die spätern hochgewachsenen Rassen, beide unabhängig von einander, von niedern Tierformen aus, in die Erscheinung zu rufen. Wir werden viel- mehr, nach allen Analogien der Descendenz bei den Pflanzen und Tieren, zu der An- nahme gedrängt, dass die hochgewachsenen Rassen eine lediglich weitere, eine höhere Entwicklung der Urrassen darstellen. Die wesentlichen Ergebnisse über die Pygmäen fasse ich in folgender Weise zu- sammen: 1. Unter dem Namen Zwerge sind zwei ganz verschiedene Menschensorten be- zeichnet worden: 1) kleine Leute, welche durch Degeneration klein geblieben sind, und 2) kleine Leute von kleinem Wuchs, die aber auf rassenanatomischer Grundlage ent- standen sind. Für die durch Degeneration klein gebliebenen Leute wird sich die Be- zeichnung „Kümmerzwerge* für die Zukunft empfehlen, für die auf rassenanatomischer Grundlage entstandenen kleinen Leute ist die Bezeichnung „Rassenzwerge“ oder „Pygmäen“ vorzuziehen. 2. Die Rassenzwerge Europas sind keine Kümmerform, durch Degeneration der hochgewachsenen. Rassen entstanden, wie schon behauptet wurde, sondern sind als eine Abart der europäischen Menschheit aufzufassen. 3. Die neolithischen Pygmäen der Schweiz und Frankreichs gehören so gut wie jene der andern Kontinente zu den sog. primitiven oder Urmenschenrassen. 4. Die Pygmäen der verschiedenen Kontinente sind direkt mit einander verwandt, aber sie sind nicht alle gleich. Die Verschiedenheit ist unter ihnen sehr ansehnlich. Die Pygmäen Afrikas gleichen den Negern, jene Siziliens den Europäern, die der Niko- baren sollen mongolische Typen aufweisen, und wieder verschieden von denen der An- damanen und Nikobaren sind die Weddas auf Ceylon und die Negritos der Philippinen. 5. In der Schweiz sind bisher an drei verschiedenen Orten Pygmäen aus der neolithischen Zeit nachgewiesen worden: Schweizersbild, Dachsenbüel und Chamblandes. Ein alter pygmäenhafter Mann unter ihnen litt an Höhlengieht. In Frankreich weisen drei neolithische Stationen ebenfalls Pygmäen unter der hochgewachsenen Bevölkerung auf. 64 — Ill. Der Stammbaum des Menschengeschlechtes mit Rücksicht auf die Pygmäen. Bei den wichtigen Erörterungen über die Verwandtschaft der einzelnen Rassen mit- einander wurden in der Literatur bisher die Pygmäen nicht berücksichtigt, obwohl sie stets in einen ganz direkten genetischen Zusammenhang mit den grossen Rassen gebracht wurden. Man hat diese Beziehung in der Regel etwas kurz mit dem Aus- I! 2 = druck „Urrassen“ erledigt. Ich habe i m schon wiederholt diese Stellung be- 5 ? Aa stimmter dargelegt (III 94, 95), allein 3 5 : Pr sie ist noch kaum einer eingehenderen 2 Z we Diskussion unterworfen worden. Nur Rudolf Virchow hat in einem Vor- trag mit weitem Blick die augen- blicklicheSachlage treffend geschildert. Das höchste Interesse, führt er u.a. aus, kulminiert in der Frage, wie ver- halten sich ihrer Abstammung Fig. 2. Schädel eines Pygmäen aus Sizilien (Norma nach die Zwergvölker zu den verticalis,) Kapazität 1031 cm’und Schädel eines Europäers, andern Stämmen, unter und ee ee neben denen sie leben?*) Wenn es unzweifelhaft ist, dass die Akka, die Batua und die Ewwe Neger und zwar Zwergneger sind, so dürfen wir sie nicht für sich allein betrachten, sondern nur im Zusammenhang mit den andern Negern, denn eine Ver- wandtschaft zwischen ihnen muss vor- handen sein. Es bleiben für ihre Be- trachtung zwei Möglichkeiten: Man s kann sich denken, dass regelmässig Fig. 3. Schädel des Pygmäen aus Sizilien und Schädel gebaute Menschen, wenn sie unter sehr el Europäers der grossen Rasse, beide von vorn gesehen ungünstige äussere Verhältnisse ge- 5 raten, nicht mehr wachsen, dass sie Schaden an ihrer Gesundheit leiden, dass sie zurückbleiben in der Ausbildung ihrer Or- gane. Dann fielen die Pygmäen unter den Begriff degenerierter Rassen. Man kann sich *) Diese Worte sind auch im Original unterstrichen. Bun a % . f a5 Eee aber auch vorstellen, die Menschen waren ursprünglich klein und sind erst im Laufe vieler Generationen zu den grossen Formen ausgewachsen, wie wir sie gegenwärtig sehen. Schon früher und seit diesem Vortrag hat Rudolf Virchow unausgesetzt Materialien gesammelt, um diese interessante Frage nach allen Seiten hin zu prüfen. Ihm ist nament- lich der Überblick über die weite Verbreitung der Pygmäen zu verdanken, den ich hier benütze. Auf der Wasserscheide zwischen Nil und Kongo stiess Schweinfurth zuerst auf ein Zwergvolk, die als die Akka bezeichnet werden. Es stellte sich heraus, dass ganze Scharen davon in die Armee des Königs der Monbutta aufgenommen waren, weil sie aus- gezeichnete Bogenschützen von grosser Beweglichkeit sind. Eine solche Verwendung zum Kriegsdienst lässt sich doch wohl schwer mit der Vorstellung von Kümmerzwergen vereinigen; diese kleinen Leute leben unter den hochgewachsenen, in dem nämlichen Land und unter den nämlichen Lebensbedingungen. Sie sind Krieger und werden wohl ebenso ernährt wie die hochgewachsenen, das dürfen wir sicher voraussetzen. Der König der Monbutta lässt wohl seine ausgezeichneten Bogenschützen durch schlechte Ernährung nicht verkümmern. Ich hebe dies besonders hervor, weil Rudolf Virchow mit Recht darauf hinweist, dass noch der strenge Beweis ausstehe, diese Zwerge seien rassenhaft völlig echt. Es sei denkbar, dass sie durch gute Ernährung zu wirklichen hochgewachsenen Negern herangezüchtet werden könnten. Wir in Europa werden schwerlich dahin gelangen, ein Massenexperiment anstellen zu können, aber wir dürfen die Erfahrungen in andern Weltteilen zur Entscheidung heranziehen. Und da hat die Nachricht über die Bogen- schützen in dem Heere des Königs der Monbutta grossen Wert. Könnte durch gute Ernährung jeder Pygmäe im Laufe seiner Wachstumsperiode zu einem Vollblutneger heranwachsen, dann hätte Schweinfurth auf der erwähnten Wasserscheide wohl kaum noch so kleine Leute gefunden. Sind die Lebensbedingungen, so schliesse ich, für die hochgewachsenen Neger ausreichend, dann sind sie es auch für die Pygmäen. Ähnliches berichtet Fritsch a.a. 0.8.399, wenn er sagt, die Theorie von dem Verkümmern der Buschmänner sei unrichtig; gut gepflegte Kinder unter den Buschmännern zeigen unter den günstigsten Verhältnissen dieselben Merkmale, wie jene, welche unter schwierigen Bedingungen in der Kalahariwüste leben. Nun ist bekannt, dass Fritsch über diese Dinge als Augenzeuge berichtet. Unter diesen Umständen sind die Verhält- nisse der Monbutta ebenso wie die von Fritsch erwähnten über die gut- und über die schlechtgepflegten Buschleute grossen Experimenten vergleichbar, um zu entscheiden, ob bei guter Nahrung der Zwergwuchs verschwindet. Der Versuch im Grossen ist in Afrika zu Ungunsten jener Auffassung entschieden worden, welche in den Pygmäen Kümmer- zwerge sehen will. Bezüglich der europäischen Pygmäen der neolithischen Periode scheint es mir erlaubt, von Bekanntem auf Unbekanntes zu schliessen und folgende Annahme zu machen: die Pygmäen Afrikas leben mitten und neben den hochgewachsenen Rassen noch heute als Zwerge fort, wie das einst, nach den Gräberfunden zu urteilen, in der neolithischen Periode in Europa der Fall war. Aus den Erfahrungen an den Zwergvölkern Afrikas geht ferner hervor, dass die Nahrung ohne 9 Y. 6b Einfluss ist auf ihre Körperhöhe. Aus den kleinen eigenartigen Pygmäen entstehen auch bei guter Ernährung keine grossen Neger. Die Zwergneger Afrikas sind also 'ächte Kassenzwerge, verschieden von den grossen Negern. Was für die afrikanischen Pygmäen gilt, gilt auch für diejenigen der Neuzeit und der Vergangenheit in den übrigen Konti- nenten auch für Europa, und auch für die Pygmäen am Schweizersbild und Dachsenbüel. Es ist für unsere Betrachtung wertvoll, auch die übrigen Zwergvölker kurz anzu- führen, da es sich ja um eine Frage handelt, welche die ganze Naturgeschichte des betrifft. An erwähnte Wasserscheide zwischen Nil und Kongo stösst fast unmittelbar das weitere Gebiet, das durch Stanleys letzte Reise erschlossen worden ist, die grosse Urwaldregion Zentralafrikas mit dem grossen Schneeberg Ruwenzoro. Hier stiess Stanley auf seinem Marsch durch e Menschen die oben die Wildnis immer aufs Neue auf Menschen der Zwergrasse. Emin Pascha und Stuhl- mann am Ituri, von den Seen aus ins Innere vordringend, einen Stamm von Pygmäen, die sich Ewwe nannten. Einer fanden grossen Fig. 4. Schädel eines Pygmäen und Schädel eines Nord-Afrikaners, beide aus den Gräbern von Abydos in Oberägypten, etwa 4000 Jahre alt. Nach Mac Iver. Von Vorkommen von Rassenzwergen am obern Nil wusste schon das Alter- prähistorischen dem dritten neuen Gruppe ist Wissmann mitseinen Kollegen begegnet, die vom Westen quer durch den Kontinent gingen, nämlich den Batua. Das sind die drei Hauptgruppen, welche die zentralafrikanischen Gebiete um- fassen, dazu kommen die Buschmänner Süd- afrikas, die gegenwärtig nur noch in zersprengten Horden existieren. Pygmäen kommen aber bekanntlich über Afrika hinaus vor. An verschiedenen Stellen der asiatischen Landschaften werden Zwergvölker angetroffen. So auf dem Andamanen- Archipel, einer verlassenen Inselgruppe im Golf von Bengalen. Die ersten Nachrichten über die dort wohnenden kleinen schwarzen Leute rühren aus dem 17. Jahrhundert her, seither sind sie ziemlich genau bekannt geworden, nachdem die Engländer daselbst eine Strafkolonie eingerichtet hatten, wobei eine Anzahl von Ärzten und Regierungsbeamten sie genauer beobachteten. Skelette, die nach Europa gesandt wurden, gaben namentlich englischen Gelehrten wertvolles Material in die Hände. Mehrere Bearbeitungen sind all- gemeiner bekannt geworden, wie jene von Flower (79). Ich selbst hatte die Gelegenheit, in Oxford mehrere Andamanenschädel durch die Freundlichkeit des Herrn Kollegen A. Thomson und unter Beihilfe des Herrn Prof. L. Manouvrier messen zu können.*) tum: Aristoteles, Homer, Hesiod u.a. Die Angaben der Alten sind also in diesem Punkte zutreffend. *) Ich bin den genannten Herren zu grossem Danke verpflichtet, besonders dem leider schon ver- storbenen Direktor Flower, der mir in dem Museum of Natural History die beiden Skelette zeigte, die 2. Emin Pascha zum Geschenk gemacht hat. Sie sind zur Seite eines Negerskelettes von ansehnlicher Länge posliert und wirken ungemein lehrreich durch diese Nebeneinanderstellung. Was hier vor allem hervorgehoben werden muss, ist der Umstand, dass auf den Andamanen-Inseln nicht nur Pygmäen lebten, sondern daneben auch Eingeborene von hohem Wuchs. Unter den in Oxford befindlichen „Andamanen-Schädeln“ finden sich auch solche mit grosser Kapazität, die von hochgewachsenen Leuten stammen. Die Körperlänge der Andamanenzwerge schwankt zwischen 4 engl. Fuss, 8'/s Zoll für Männer und 4,6'/s Fuss für Frauen; die Haare sind wie die der Neger, fein gerollt und oval im Querschnitt, die Hautfarbe dunkel, doch nicht direkt schwarz. Die Schädelform ist brachycephal; der Index beträgt ungefähr 82,0; die Gesichter zeigen jedoch wenig Übereinstimmung mit denjenigen der Neger; es fehlen namentlich die dicken Lippen, die flache Negernase, obwohl andere Merkmale, die Kürze des Humerus und die Länge des Vorderarms doch wieder negerartig sind. Eine zweite Inselgruppe, deren Oberfläche, wie diejenige der Andamanen, vielfach durch Anschwemmungen gebildet ist, sind die Nikobaren. Auf ihnen finden sich neben Leuten der hochgewachsenen Rassen ebenfalls Pygmäen. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Pygmäen-Bevölkerung mit derjenigen der Andamanen keine Ähnlichkeit hat, vielmehr mit der Landbevölkerung der mongolischen Rasse übereinstimmt (Rudolf Virchow). Die Pygmäen der Nikobaren sind also verschieden von denen Afrikas und der Andamanen. Für die Deutung der Deszendenz ist es ungemein wertvoll, einen so ansehnlichen Grad von Variabilität unter den Pygmäen zu kennen, denn aus den bisher “ erwähnten Angaben geht unzweifelhaft hervor, dass die Pygmäen von heute recht ver- schiedene körperliche Beschaffenheit aufweisen. Diejenigen Afrikas sind verschieden von den übrigen und alle die bisher genannten zusammengenommen verschieden von denen Europas. Denn die von Sergi und Mantia geschilderten lebenden Pygmäen Siziliens haben europäische Farbe der Augen, der Haare und der Haut. Die Variabilität innerhalb der Pygmäen hat damit aber noch nicht ihr Ende erreicht. Die Weddas auf Ceylon, welche durch die HH. Sarasin genau bekannt geworden sind, so dass wir mehr von diesen Pygmäen Indiens wissen als von irgend welchen anderen dieser Urrassen, sind ganz verschieden von denen der Nikobaren, denjenigen Europas und Afrikas. Die Körpergrösse schwankt bei Männern zwischen 1460, 1500—1550 mm., bei Frauen zwischen 1355—1500 mm. Im allgemeinen sehen die Weddas fast immer kräftig und wohlgenährt aus. Die Brust zeigt einen starken Bau, während die Extremitäten lang und dünn sind. Sie können bedeutend körperliche Anstrengungen aushalten. Das Haar ist gänzlich verschieden vom Neger; „es ist grob und derb wie Pferdehaar“, wellig dabei, die Hautfarbe schwankend von hell und dunkelbraun, die Schädel dolicho- cephal. Der mittlere Index von 17 Männern aus dem Innern beträgt 70,5 Es hat sich herausgestellt, dass sie nichts Negerhaftes an sich tragen. Verschieden von den Weddas sind wieder die Pygmäen der Halbinsel Malakka. Sie ‚gleichen nach der Beschaffenheit der Haare mehr den afrikanischen Pygmäen (Rudolf Virchow, Martin (00), Turner (01), und so hat man denn geschlossen, dass diese Bevölkerung mit den Negritos der Philippinen zusammengehöre, die man in den —i ae zentralen Gebirgen von Luzon und andern benachbarten Inseln antrifft. In der Tat be- sitzen diese eine schwarze Farbe, wolliges Haar und geringe Körpergrösse. Ausserdem gibt es noch einige zerstreute Angaben über das Vorkommen von Zwergen in Indien, am persischen Meerbusen bis Susa, in Belutschistan und in den Nilgiris von Vorder- indien; allein hier fehlen noch vergleichende Angaben, um den Grad der Übereinstim- mung oder der Verschiedenheit mit den übrigen Pygmäenstämmen beurteilen zu können. Das wäre also ihr bis jetzt bekanntes Gebiet. Es wird sich jedoch in Bälde zeigen, dass die Ausbreitung noch grösser ist. Sergi glaubt in der anthropologischen Sammlung von Moskau Schädel von Pygmäen gesehen zu haben. Zwergsagen sind sehr weit verbreitet, haben aber nirgends, vielleicht in deutschen Landen, eine so plastische Form angenommen wie in der Lausitz, wo die Ludki oder Lutki, welche in den Lutchenbergen hausen, allgemein dem Volke wie wabrhaftige Wesen erscheinen, die auf greifbare Wahrnehmungen zurückzuführen seien. Über Amerika stehen Nachrichten von Autoritäten des Landes noch aus. Einzelne Hinweise, die bis jetzt gemacht wurden, sind noch nicht entscheidend. Brinton (98) verweist sogar die Angaben über Pygmäen, welche in dem Journal l’Anthropologie ge- macht wurden, auch jene von Humboldt, Martius u.a., in das Bereich der Fabel. In dem kurzen Artikel sind alle Nachrichten hierüber zusammengestellt, worauf ich verweise. Ich kann mich dem ablehnenden Urteil Brintons nicht anschliessen; für ° mich existieren folgende Tatsachen, dass Amerika einst Pygmäen besass: Auf dem alt- berühmten Totenfeld von Ancon und in den Ruinen von Pachacamäc hat Prinzessin Therese von Bayern altperuanische Schädel persönlich gesammelt. Der bei der Samm- lung leitende Gesichtspunkt war, womöglich alle an den beiden altperuanischen Gräber- stätten sich findenden Schädelformen zu gewinnen. J. Ranke (00), der sie eingehend beschrieben, bemerkt: Es gelang wirklich, zwei in sich geschlossene Parallelreihen von Schädeln verschiedener Form zu gewinnen, welche einen möglichst vollkommenen Über- blick geben über die individuellen Variationen dieser Gruppen, die der überwiegenden Mehrzahl nach künstlich deformierte Schädel sind. Aus den Zahlen geht nun hervor, dass auch „Nanocephale Schädel“ darunter gefunden werden mit einer Kapazität zwi- schen 1000 und 1200 cm®. Nach meinen Erfahrungen an Wedda-, Negrito-, Andamanen-, Buschmänner- und Europäerschädeln stammen die gefundenen Kleinköpfe von Rassen- zwergen Amerikas, die unter den hochgewachsenen Rassen der Alt-Peruaner gelebt haben und mit jenen bestattet wurden. Aus dem Totenfeld von Pachacamäc stammen folgende nanocephale Schädel, die von Pygmäen herrühren: Schädel Nr. 3 (16)2 Kapazität 1180 cm? brachycephal, leptoprosop, Nr. 7(8)3 1155 „ hyporbrachycephal, mesoprosop, Nr. 9 (17) 1135 „ hyporbrachycephal, chamaeprosop, Nr. 11 (14)2 1175 „ ultrabrachycephal, chamaeprosop, Nr. 12 (12) 1190 „ ultrabrachycephal, ınesoprosop, Nr. 14 (13) 1130 „ extrembrachycephal, mesoprosop. u 0 2 0 Be IT ms Zr I I BC m | — Mi) — Aus dem Totenfeld von Ancon: 7. Schädel Nr.18 (33)2 Kapazität 1080 cm? hypordolichocephal, mesoprosop, S. : Nr. 19 (29) & . 1200 „ brachycephal, mesoprosop, 9: - Nr.21 (28)2 z 1165 „ brachycephal, mesoprosop, 10. : Nr. 22 (30) 5 £ 1000 „ brachycephal, chamaeprosop, 11. ; Nr.27 (923) - 1050 „ hyporbrachycephal, mesoprosop, 12. - Nr. 28 (19) 5 > 1190 „ ultrabrachycephal, chamaeprosop, 3. = Nr.29 (21)2 - 1060 „ ultrabrachycephal, leptoprosop, 14. S Nr. 30 (22).& = 1070 _„ extrem brachycephal, chamaeprosop, 15. = Nr. 31 (20) 2 e 1090 „ extrem brachycephal, chamaeprosop. Diese Nanocephalen sind ursprüngliche Bildungen, und nicht durch Kompression des Schädels entstanden, wie Ranke richtig ausgeführt hat. Sie sind in höherem oder geringerem Grade der Kopfdeformierung unterworfen gewesen, aber der Schädel ist da- durch nur in seiner Form, nicht in seinen Grössenverhältnissen be- einflusst worden. R. Virchow hatte schon bei seinen ersten Untersuchungen 1856 dies gezeigt, indem er darauf hinwies, dass stets Kompensationen eintreten. Schädel unter 1200 cm? Kapazität, die nicht klein sind auf patho- logischer Grundlage, dürfen unbe- dingt für Schädel von Rassen- zwergen erklärt werden, denn die Kleinheit des Gehirnraumes rührt von der geringen Körpergrösse Fig. 5. Schädel eines Pygmäen, Kapazität 1070 cm? (nach Ranke), Schädel eines Mannes der grossen Rasse, Kapazität 1484 SR En ENTE Arahfaldar Are der Individuen her. Von den (nach R. Virchow). Beide von den Grabfeldern Perus. . Gräberfeldern wurden auch zwei Oberschenkelbeine erwachsener Personen gesammelt und was sehr wertvoll war, ein männlicher Oberschenkelknochen, grösste Länge 398 mm. und ein weiblicher Oberschenkel- knochen Länge 316 mm. Ranke hat daraus die Körpergrösse des erwachsenen Mannes auf 1463 mm., die- jenige des erwachsenen weiblichen Individuums auf 1161 mm. berechnet, Masse, die pygmäenhaft sind wie jene der Weddas, der zentralafrikanischen Pygmäenvölker u. s. w. Es konnte kein glücklicherer Griff gemacht werden als der nach den beiden Ober- schenkelknochen, denn sie sind die stärksten Beweise für den Satz, dass Kleinheit des Rassenschädels von der Kleinheit der Individuen abhänge. Überdies sind dadurch Pyg- mäen in Amerika durch anatomische Belege nachgewiesen, die unbestreitbar sind. Ich habe diesen einen Fund zuerst angeführt, weil er durch die Oberschenkelknochen in so unzweifelhafter Weise die wahre Bedeutung dieser Kleinköpfe klarlegt. Damit erhalten 70 überdies viele Angaben anderer Forscher einen neuen und unerwarteten Hintergrund. Nach d’Orbigny (zitiert bei Ranke) beträgt die Mittelgrösse des modernen Peruaners 1597 mm., ein Mass, das nahezu pygmäenhaft ist und zur berechtigten Vermutung ver- anlasst, dass noch heute unter den Peruanern Pygmäen zu finden sind. Die Kleinheit der Peruanerschädel ist übrigens schon längst aufgefallen. Morton (zitiert bei Ranke) fand bei den Peruanern die kleinsten Masse der „innern Kapazität“ der Schädel unter allen Amerikanern. Rud. Virchow hat in mehreren Arbeiten die kleinen Schädel ebenfalls hervorgehoben. Unter der ansehnlichen Zahl von Peruaner-Schädeln, die er untersucht hat, und es sind darunter auch viele aus den alten Gräberfeldern, namentlich von Ancon, sind ausgemachte Nanocephalen ohne alle Deformation sehr häufig. Drei Schädel von Pachacamäc haben einen Rauminhalt von nur 1060, 1100 und 1192 CC. So viel von anatomischen Beweisen auf Grund von Schädel-Skeletteilen. — Nun sei noch auf einige neuere Berichte verwiesen, welche Zwergrassen in Amerika erwähnen. Sie sind zusammengefasst in einem Artikel von R. G. Haliburton (94). Sie sind ebenso, wie die Hinweise von Mac Ritschie (95), von manchen Seiten abfällig beurteilt worden. Jetzt dürfte es doch geraten sein, diese Nachrichten über Pygmäen Amerikas mit etwas mehr Aufmerksamkeit zu beachten. Denn die zahlreichen kleinen Schädel und der anatomische Nachweis ihrer geringen Kapazität, ferner der anatomische Beweis ihrer geringen Körperhöhe sind ebenso viele unumstössliche Beweise, dass unter den Alt-Peruanern Pygmäen — Rassenzwerge gelebt haben, eben solche, wie sie in Afrika oder Asien heute noch vorkommen, dass also Amerika auch seine Pygmäen be- sass. Für die Beurteilung der Wanderung der Pygmäen halte ich diesen Nachweis für sehr wichtig; er ist ferner von unbestrittenem Wert für die Angaben von A. v. Hum- boldt, Martius, Mac Ritschie (95) u.a. Sie erhalten dadurch einen gesicherten Hintergrund und rücken aus dem Dunstkreis der unverbürgten Nachrichten mehr und mehr in das helle Gebiet der Tatsachen. Denn wenn unter einer Sammlung von 33 Schädeln 15 Pygmäen nachgewiesen werden, dann ist mit gutem Grund anzunehmen, dass zur Zeit der Alt-Peruaner noch bedeutende Mengen solcher Rassenzwerge vor- handen waren. Es wird dann aber auch sehr wahrscheinlich, dass A. v. Humboldt davon hörte oder darüber hören konnte. Bei weiterer Umschau liessen sich solche Beweise noch in grösserer Zahl bei- bringen; ich will aber nur noch eine Angabe aus Südamerika heranziehen. Ten Kate (96) hat aus dem Museum von La Plata über die Grösse der Kniescheiben berichtet, die an den Skeletten verschiedener Völkerschaften bekannter und unbekannter, im ganzen aber südamerikanischer Herkunft gefunden wurden. Er bemerkt sehr richtig, dass die Kniescheibe in einem bestimmten proportionalen Verhältnis zur Körpergrösse des Indivi- duums stehe; sie ist klein bei kleinen Leuten und gross bei grossen. Diese Tatsache werden Anatomen wie Laien unbedingt anerkennen. In der dieser Abhandlung beige- gebenen Taf. 2 findet sich überdies ein durchschlagender Beweis hiefür durch die Neben- einanderstellung der Kniescheibe eines Wedda und eines hochgewachsenen neolithischen Dachsenbüelers von etwa 1620 mm. Körperhöhe. Die Kniescheibe des Pygmäen ist = klein, die des grossen Mannes gross. Ten Kate hat nun in der Sammlung von La Plata zweierlei Kniescheiben gefunden, solche, die gross sind, wie die der hochgewach- senen Europäer, und kleine, wie die der Pygmäen. Ich gebe nur ein paar charakte- ristische Zahlenbelege. Grosse Kniescheiben aus dem Museum von La Plata 50:51 mm. nach Höhe und Breite, Kleine Kniescheiben . ! 2 : : #30)23 A er h r h Das sind also Unterschiede von nahezu zwei Öentimetern! Der Verfasser jener interessanten Mitteilung hat nur die Tatsache als solche veröffentlicht und mehrere dieser Kniescheiben in tadellosen Abbildungen wiedergegeben, wodurch die Kleinheit derselben noch besonders bemerkbar wird. Ich meinerseits ziehe aus den gegebenen Zahlen nunmehr, im Zusammenhang mit den vorausgegangenen Betrachtungen, den nahe- liegenden Schluss, dass die kleinen Kniescheiben von Pygmäen herrühren und dass das Museum in La Plata im Besitz von Belegstücken ist, welche das Vorhandensein von Pygmäen in Südamerika unzweifelhaft dartun. Die Aufmerksamkeit muss erst einmal auf die Pygmäen hingelenkt werden; an der Entdeckung mehrerer Standorte zweifle ich dann nicht. Für mich ist es keinem Zweifel unterworfen, dass z.B. P. Ehrenreich Pygmäen unter den Botokuden ange- troffen hat (87). Ich schliesse dies aus den Körpermessungen. Da ist ein Mann von 30 Jahren nur 146 cm. hoch, ein anderer von 40 Jahren nur 153!/s cm. Andere, die ebenso gross sind, will ich nicht anführen, weil sie erst zwischen dem 17. und 20. Jahre stehen. Männer von 146 cm. Höhe sind pygmäenhaft, darüber kann kein Zweifel be- stehen. Von den Skeletten, deren Masse R. Virchow veröffentlicht hat, sind zwei pygmäenhaft, nämlich von nur 1485 und 1400 mm. ganzer Höhe. Porte (70) findet die Körperhöhe der Botokuden zwischen 1,85 bis 1,18 m. bei Männern schwanken und jene von Frauen zwischen 1,35 und 1,16 m. Daraus ergibt sich, dass die grossen Boto- kuden noch heute mit Pygmäen zusammenleben. Den Einwurf, Ehrenreich und R. Virchow hätten Kümmerzwerge gemessen, wird diesen Beobachtern gegenüber wohl niemand erheben und so bleibt nichts anderes übrig als der Schluss, dass in den brasi- lianischen Provinzen um das Jahr 1878 noch Rassenzwerge gelebt haben, die Ehren- reich gesehen, aber als solche nicht bezeichnet hat. Andere Bemerkungen deuten darauf hin, dass die verschiedene Körperhöhe ihm allerdings aufgefallen ist, ebenso die geringe Kapazität der Schädel, welche bei mehreren Männern nicht viel über 1200 m? steigt. Die Angaben über die Kapazität der Botokudenschädel stammen von andern Forschern, so dass also durch mehrere Zeugen die Tatsachen des kleinen Hirnvolumens und damit auch kleiner Schädel verbürgt sind. Ich verweise in dieser Hinsicht auf die bei Ehrenreich genannten Autoren und nenne nur die Namen: Rey, Lacerda und Peixoto, Canestrini e Moschen, R. Virchow.*) *) In dem Katalog von Otis finden sich von S. Cruz Island viele Schädel mit einer Kapazität zwischen 1000 und 1200 em®, ebenso von Santa Barbara (California) Männer und Frauen mit einer Kapazität von 1110-1190 em?. Das sind aber Masse, welche Rassenzwergen angehören. Wie schon früher einmal bezüglich amerikanischer Zwergvölker, so möchte ich hier wieder darauf ni So viel über das Vorkommen von Pygmäen in Amerika und über die Verbreitung dieser Urrasse auf der Oberfläche der Erde. Aus allen Erörterungen über die körperliche Beschaffenheit der Pygmäen hat sich die nahezu allgemeine wissenschaftliche Überzeugung entwickelt, dass diese kleinen Menschen Urrassen oder primitive Rassen darstellen. Ein genetischer Zusammenhang mit den grossen Rassen ist damit von selbst anerkannt in des Wortes weitester Be- deutung. Nachdem die Darstellung durch nichts begründet ist, die Pygmäen seien aus den grossen Rassen durch Degeneration hervorgegangen, bleiben nur noch zwei Möglich- keiten, die ich in folgender Weise formuliere: Erste Möglichkeit: aus dem Urstamme haben sich gleichzeitig die kleinen und die hochgewachsenen Rassen entwickelt, haben sich nebeneinander vermehrt und sind miteinander von dem gemeinsamen Wohnsitz in die Kontinente eingewandert, in denen wir sie heute finden. Diese Voraussetzung widerspricht allen Erfahrungstatsachen über die Entstehung der Arten. Für die Arten gibt es als Abkömmlinge einer bestimmten Stammform nur ein nacheinander, nicht ein gleichzeitiges Werden. Die zweite Möglichkeit ist die der Entwicklung der hochgewachsenen Rassen aus den Pygmäen in der Weise, dass die Pygmäen zuerst in die Erscheinung traten, durch lange Zeiten hindurch die einzigen Herren der Welt waren und dass sich dann aus ihnen heraus durch Mutation die hochgewachsenen Rassen entwickelten. Von dieser Auffassung aus sind die hochgewachsenen Rassen körperlich und intellektuell eine höhere Entwicklungsstufe, die aus den Pygmäen sich entwickelt hat. Der Annahme der ersteren Möglichkeit stellen sich, wie erwähnt, grosse Schwierig- keiten entgegen. Vor allem sind es die Erfahrungen über das Pflanzen- und Tierreich. Niemals treten die vollkommenen Formen zuerst auf. Nachdem wir den Menschen hier im Zusammenhang mit der übrigen Schöpfung betrachten, gelten für ihn auch die Ge- setze des Werdens, soweit sie bis jetzt erkannt sind, und eines dieser ersten Gesetze ist, dass die höhern Formen aus den tiefern hervorgehen und nicht umgekehrt. Dieser hinweisen, dass man auch Expeditionen aussenden soll, um die Menschenrassen zu studieren. Die Pyg- mäen wären wert, dass sie ebenso untersucht würden wie das Polarlicht und die augenlosen Fische. Die Pygmäen hängen mit der alten Grundfrage zusammen, woher stammt der Mensch? Einzelnes ist schon geschehen, aber die Mittel von Privaten oder einzelnen Gesellschaften reichen nicht aus. Miclucho- Maclay ist einer der ersten, der sich auch der Anthropologie auf seinen weiten Reisen gewidmet hat. Die Herren Sarasin haben sich dann verdient gemacht um die Weddas, Martin und Stevens um die Pygmäen Malakkas, wobei der Name Rudolf Virchow in erste Reihe zu stellen ist, der schon im An- fang der Wer-Jahre das Problem von der Erforschung der Pygmäen ins Auge fasste, Vaughan Stevens nach dem Östen sandte und unausgesetzt Mittel dafür bereit stellte. Leider ist der kühne Reisende Stevens dem mörderischen Klima erlegen, ehe er seine Aufgabe vollenden konnte. Um die Pygmäen der Philippinen hat sich Schadenberg, leider ebenfalls schon tot, Verdienste erworben. Diese privaten Unternehmungen verdienen die höchste Anerkennung, aber nun ist es Zeit, dass die Kulturvölker ebenfalls die Aufgabe in die Hand nehmen, ehe die Pygmäen der Vernichtung anheimfallen. 2, 7EIRER allgemeinen Regel ist auch die Menschheit unterworfen bezüglich ihrer Entwicklung. Das Gegenteil wäre eine geradezu widersinnige Annahme, der alle Erfahrungen der Paläontologie entgegenstehen, einer Wissenschaft, welche gerade für dieses oberste aller Entwicklungsgesetze die wichtigsten und durchschlagensten Beweise zusammen mit der Geologie beigebracht hat. Der ersten Möglichkeit, dass sich beide Menschenformen gleichzeitig aus der Ur- horde entwickelt haben, widerspricht auch die direkte Beobachtung und Tradition. Von den Philippinen wird allgemein behauptet, dass die Negritos den ganzen Archipel ausschliesslich inne hatten, 2500—3000 Jahre früher; dann wurden die Ufergebiete von den Malayen in Besitz genommen. Die kleinen schwarzen Leute wurden entweder ge- tötet oder flüchteten in die Berge, wo sie in dem Dschungel Schutz fanden. Das nämliche wird von der Halbinsel Malakka berichtet (Martin), von den An- damanen (E. H. Man*), von den Weddas (Rudolf Virchow (81) und Sarasin**) und wird wohl für alle Gebiete zutreffen. Doch ich will der Untersuchung dieser Frage nicht vorgreifen, es genügt zu wissen, dass in drei Gebieten die Pygmäen die ersten Bewohner waren und dass die grossen Menschen erst später kamen. Denn damit ist, wie ich glaube, der ersten Möglichkeit jede Grundlage entzogen und es bleibt nur die mit allen Entwicklungsvorgängen übereinstimmende zweite Möglichkeit der Entstehung der hochgewachsenen Rassen aus den Pygmäen. Den Vorgang verdeutlicht am schnellsten eine schematische Figur, der ich folgende Bemerkungen beifüge: Die erste Stamm- oder Urhorde des Menschengeschlechtes, die aus der schöpferischen Tätigkeit der Natur hervorging, war pygmäenhaft. Diese Ur- horde ist im Bereiche des Tropengürtels entstanden, wo sich die günstigsten Lebens- bedingungen finden. Die Tatsachen der geographischen Verbreitung der Tierwelt und die der Paläontologie drängen ferner dahin, für diese Urhorde von Pygmäen eine Aus- gangsform und einen Ursprungsort anzunehmen. Diese Urhorde war zunächst aus lauter gleichartigen Vertretern der Spezies Homo sapiens Pygmaeus zusammengesetzt. Ich nenne dies die erste Form in der Entwieklung des Menschengeschlechtes (Fig. 6 Nr. I) und habe sie schematisch durch ein Quadrat aus lauter gleichartigen Linien versinnlicht, welche die Gleichartigkeit der einzelnen Individuen bedeuten. Variabilität wird damals schon aufgetreten sein, aber es ist nach den Erfahrungen von heute unwahrscheinlich, dass sofort neue Formen von verschiedener Haar- und Hautfarbe, von Lang- und Kurz- schädeln und dergl. m. entstanden sind. Die Urhorde der Pygmäen trat dann in eine Periode der Mutation ein, in welcher sich die Entstehung von Pygmäenrassen vor- bereitete. Dieser Prozess ist in nachfolgendem Schema (Fig. 6 unten I) dadurch an- gedeutet, dass sich aus der Mitte eine Pyramide erhebt, die jene Individuen umfasst, welche für die Umänderung vorbereitet wurden. *) Zitat bei Flower. **) Ausführliche Begründung siehe (92) Seite 592. A 0 V. Die jetzige Bevölkerung der Erde aus hochge- wachsenen Rassen und Pygmäen bestehend, im- mutabel konstant . also aus Dauertypen be- ft e, \ K aaa \ \ stehend, wenn auch sehr f . w' Br YA variabel. Rad H . “ “ u ’ > kl IV. Pygmäenrassen und Rassen hochgewachse- ner Leute. Die letzteren durch Mutation aus den Pygmäen hervorgegan- 1 ! ! $ x gen; variabel, aber die Aa ol ARE Fe N Mulabilität erlischt. Die = ‚ A . ! H 5 x punktierten Linien deu- f . Aulk? ! a! ten die Reihe der Gene- vu ae je :ationen : Re 29) 08 ee Uhl rationen an. \ I : Oil; “ ie ei mn \ n : ; IIT. Subspezies des Men- schengeschlechtes, die A a erste uns bekannte 2 er « ar SR or Form, die Pygmäen. N ‚ BER 2 an at a h Te or Variabel und mutabel. x ö s ‘ ‘ an 3 ww. # r oe‘ . . 1 07 r u N Ki a, > . $ r 5. B y ge LION R RR a ah vn e% A ei ; \ : ll. Urhorde der Pygmäen, S DR en variabel und mutabel; == I 5 en . - NH, —_— e m mit beginnender Dil- = = nt ——— ferenzierung in einzelne en me ee ——— Rassen. Fig. 6. Stammbaum des Menschengeschlechtes mit Berücksichtigung der Pygmäen. 1 | -ı or | Eine zweite Periode der Entwicklung des Menschengeschlechtes begann damit, dass mehrere Pygmäensubspezies entstanden, welche sich durch Haar- und Hautfarbe und durch verschiedene Schädelformen von einander unterschieden. Auf die beträchtlichen Verschiedenheiten innerhalb der Pygmäen von Asien und Afrika wurde weiter oben mit besonderem Nachdruck hingewiesen und möchte ich hier nur an die betreffenden Stellen erinnern. Rechnen wir noch die Pygmäen Europas hinzu, von denen noch einige Zeugen uns den Grad der Abänderung deutlich erkennen lassen, so ergibt sich eine Divergenz in verschiedene Subspezies, die vollkommen ausreicht, um daraus die sämtlichen pyg- mäenhaften Menschen und ihre Abteilungen abzuleiten. Ehe die Pygmäen Europas ent- deckt wurden, war ich, wie so viele andere der Ansicht, die Menschenrassen hätten sich unmittelbar von der Urhorde aus entwickelt, damals seien die woll-, straff und schlicht- haarigen Abteilungen auf dem Wege der Divergenz entstanden. Allein diese Annahme lässt sich nicht länger festhalten, seitdem es festgestellt ist, dass die Divergenz schon bei den Pygmäen auftritt, dass unter ihnen schon die für Rasseneinteilung entscheidenden Unterschiede bestehen. Diese Erscheinung ist in der schematischen Figur in folgender Weise zum Ausdruck gebracht. Von der zweiten Entwicklungsstufe der Menschen (Fig 6 römisch II) führen divergierende Linien hinauf zu kleinen Rechtecken, welche die Entwicklung der Subspezies der Pygmäen durch allmähliche Divergenz andeuten. Diese Rechtecke sind verschieden, um die Verschiedenheit innerhalb der Subspezies anzudeuten. Sicher sind drei grosse Abteilungen zu unterscheiden, die sich geographisch auf Europa, Asien und Afrika verteilen. Wo bei den letzt erwähnten Gebieten die Grenzen der straffhaarigen und der wollhaarigen sich schliesslich herausstellen werden, ist heute noch nicht zu sagen. Der Verwandtschaftsgrad der afrikanischen Pygmäen mit denjenigen der Philippinen ist noch nicht endgiltig festgestellt, ebensowenig die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen diesen und den Pygmäen Malakkas. Allein all diese Schwierigkeiten kommen hier nieht in Betracht, wo es sich nur um die grosse Tatsache der vorhandenen Unterschiede und ihrer Verwertung für die Syste- matik handelt. An der schematischen Figur sind noch zwei Erscheinungen ausgeprägt, welche er- wähnt werden sollen. Die untere aus welligen Linien hergestellte Lage (römisch II) soll im Gegensatz zu römisch I darauf hinweisen, dass in der Urhorde der Pygmäen, da die Zahl der Individuen zugenommen und über weite Länderstrecken sich ausgebreitet hat, die Variabilität stärker hervortritt. Das ist, abgesehen von den welligen Linien, auch noch dadurch angedeutet, dass von diesen Linien kleine Seitenzweige hervortreten, welche die Varietäten andeuten, die da und dort bei einzelnen Individuen der Horde auftauchten. Variabilität ist eine Eigenschaft aller Organismen, also auch der Pygmäen, ohne sie ist die Entstehung neuer Formen undenkbar. Wo die Variabilität erloschen ist, tritt Entwicklungsstarre ein, d. h. der Organismus bleibt stationär und die Spezies wird unwandelbar, ein Dauertypus im vollsten Sinne des Wortes. Derselbe Hinweis auf die Variabilität kehrt wieder in Form von kleinen Seitenästen der divergierenden Linien. Sie deuten zu jenen Rechtecken hin, welche die neu entstandenen Formen der Pygmäen versinnlichen sollen, die unter dem Namen der Subspezies aufgeführt sind (Fig. 6 römisch III). Wir dürfen mit aller Sicherheit auf dem ganzen Wege bis zur Entstehung der Subspezies beständig die Variabilität voraussetzen, die ja noch heute eine hervor- razende Eigenschaft des menschlichen Organismus ist, obwohl seit lange keine neuen Formen mehr entstehen. Das Wort „Subspezies“, das weiter oben im Text und dann gleichzeitig in der Fizur angewendet ist, soll andeuten, dass diese noch immer primitiven Pygmäen Kollek- tivformen darstellen, aus denen sich die spätern Pygmäen und die hochgewachsenen Menschenrassen entwickelt haben. Der Ausdruck Kollektivformen stammt aus der Paläonto- logie, allein ich bin der Ansicht, dass er hier völlig am Platz ist, um jene Entwicklungs- stufe des Menschen zu bezeichnen, die in erster Linie bedeutungsvoll wird für die Ur- geschichte und für die Stammesgeschichte der Menschheit. Diese Bedeutung der Subspezies als einer Kollektivform tritt auf der schematischen Fig. 6 in den Abteilungen römisch III und IV hervor. Aus den Subspezies der Figuren II und IV sind Menschenrassen hervorgegangen, die beträchtlich von einander ver- schieden sind. Ein gleichseitiges und ein ungleichseitiges Viereck neben einander ge- stellt, deuten die Tatsache an, dass nunmehr zwei verschiedene Subspezies entstanden sind, eine solche von hohem Wuchs und eine pygmäenhafte, welche nicht erloschen ist, sondern neben der hochgewachsenen fortbesteht. Zu dieser Annahme drängen alle Be- obachtungen hin. Die Zusammensetzung der Menschheit erschien uns allen früher ein- heitlicher. Sie schien nur aus der Subspezies von hochgewachsenen Leuten zu bestehen, welche allerdings in mehrere Rassen zerfielen, aber die Einheit war doch gewahrt. Aber jetzt ergibt sich folgendes: Aus der Subspezies der Pygmäüen entsteht die neue Subspezies der hochgewachsenen Rassen, entsteht ein neuer Menschen- schlag, aber nur ein Teil der Pygmäen wandelt sich um, ein anderer noch ansehnlicher Teil wandelt sich nicht um, sondern bleibt persistent und ver- jüngt sich unausgesetzt, so wie wir dies bei Pflanzen und Tieren sehen. Die Umwandlung der Pygmäen in eine hochgewachsene Subspezies nenne ich mit de Vries Mutation.*) *, Die Regeln der Mutation sind von de Vries speziell aus Kulturversuchen mit einer Pllanze (Önothera Lamarkiana) aufgestellt worden. Sie erscheinen hier direkt auf die Entstehungsgeschichte des Menschen übertragen; diese Gesetze entsprechen den Vorstellungen, die ich mir seit Jahren über die Ent- stehung der Menschenrassen gemacht habe. Wem es zu gewagt erscheinen sollte, die Ergebnisse der Ex- perimente an Pflanzen in dieser Hinsicht auf den Menschen zu übertragen, der möge sich erinnern, dass das Prinzipielle des Vorganges identisch ist bei Pflanzen wie bei Tieren und dass die Anwendung dieser Gesetze hier geschehen kann, vorbehaltlich weiterer experimenteller Versuche, die nicht ausbleiben werden. Überdies ist der Paläontologe und vergleichende Anatom Scott gleichfalls zur Annahme der Mutation unter denselben Bedingungen gelangt, durch paläontologische Tatsachen. Er meint ebenfalls, die Mutabilität müsse in grossen Gruppen von Individuen aufgetreten sein, und die Ursachen dieser Transformation müssten durch längere Zeiten in derselben Richtung wirksam gewesen sein. Die artenbildende Variabilität a Solche Umwandlungen entstehen plötzlich, ohne Übergänge. Die neuen Formen sind, wie die Experimente lehren, meist völlig konstant vom ersten Augenblick ihrer Entstehung an. Diese neuen Formen, wir müssen hier an die hochgewachsenen Menschen denken, unterscheiden sich von der Horde, aus der sie hervorgegangen, in allen ihren Merkmalen. Sie treten meist in einer bedeutenden Anzahl von Individuen gleichzeitig oder doch in derselben Periode auf, in ungefähr 3 °o. Denken wir uns eine Horde von hunderttausend Pygmäen, so würden etwa 3000 hochgewachsene Individuen mit einem- male entstehen, der Rest würde nur teilweise in der nämlichen Weise mutieren. Ein ansehnlicher Teil blieb konstant und veränderte sich trotz der hervorragenden Eigen- schaft der Variabilität nicht weiter, sondern rettet seine charakteristischen Eigenschaften über das Diluvium hinaus bis in die Jetztzeit herein. Das ist durch die Nummer V der schematischen Figur angedeutet, ebenso durch die Linien, welche zwischen IV und V hinziehen. Nachdem die hochgewachsenen Rassen durch Mutation aus den Pygmäen entstanden waren, sind wohl beide Subspezies in die verschiedenen Kontinente eingewandert. Es bildeten sich dort die Rassen und die Lokal- varietäten. Trotz der Variabilität haben sie sich bis heute erhalten und sind konstant geblieben, sie selbst und die Pygmäen. Diese Betrachtung der Menschheit lehrt also bezüglich ihrer Entwicklung folgendes: die Urhorde des Menschengeschlechtes bestand aus Pygmäen. Aus dieser Urhorde ent- wickelten sich mehrere deutlich unterscheidbare Formen, wie Lang- und Kurzschädel, solche mit wolligem und andere mit straffem und wieder andere mit welligem Haar. Diese Pygmäen wurden die Stammväter der grossen Rassen. Mit dieser Auffassung ändern sich im wesentlichen Punkten unsere Ansichten von den Genesis der hochgewach- senen Rassen. Sie selbst stammen ja nicht von Quadrumanen, die Frage wird vielmehr erst für die Pygmäen brennend, wobei nicht grosse Anthropoiden in Betracht kommen können, sondern nur kleine Formen. Diesen wichtigen Umstand habe ich schon früher hervorgehoben (85). Grosse Anthropoiden des Tertiär sind als Endglieder einer Reihe keiner Mutation mehr fähig. ‚Jene Formen, welche mit dem Menschengeschlecht in genetischer Beziehung standen, waren nicht von hoher Statur, sondern pygmäenhaft wie die Pygmäen. Ferner ergibt sich: Die Menschheit hat mehrere Perioden der Mutation durchgemacht, bis sie die heutigen Formen erreicht hat und zwar, wie aus der schematischen Figur hervorgeht, mindestens vier Perioden. Durch sie schritt sie zu immer neuen Formen, sich weiter entwickelnd, während sie jetzt in die wird in dem Werke von de Vries (01) mit dem alten von Darwin gebräuchlichen Worte Mutabilität bezeichnet. Die von ihr bedingten Vorgänge heissen Mutationen. Man nennt die infolge der Mutationen entstandenen neuen Varieläten auch wohl Sprungvariationen. Mit der Erkenntnis dieses Vorganges wird manche Schwierigkeit beseitigt, welche der richtigen Auffassung der Deszendenz im Wege stand, wie das später bei der Frage von der Persistenz der Rassen gezeigt werden wird. Dies zur Aufklärung für das im Laufe dieser Abhandlung wiederholt gebrauchte Wort: Mutation, n Epoche des Gleichgewichtes, der Persistenz eingetreten ist. Sie ist jetzt, um einen Satz von de Vries hier zu gebrauchen, „.immutabel, wenn auch sehr variabel‘. Die ganze Menschheit befand sich einst in einem Stadium der Mutation. Es wurde mir schon oft vorgeworfen, dass ich die Menschenrassen /als Dauertypen bezeichnet hätte, obwohl der Transformismus doch als erste Bedingung die Umwandlung voraus- setzen müsse, Aber meine Gegner haben stets nur das Schlagwort vom Dauertypus ins Auge gefasst und haben sich vor sittlicher Entrüstung geschüttelt vor einem Deszen- denztheoretiker, der sich gegen eine fundamentale Regel aller Deszendenz auflehnt. Sie haben niemals beachtet, dass der Mensch, wie alle Wesen der Schöpfung, Perioden der Umwandlung besass, nach deren Abschluss er in eine Periode der Konstanz eintrat, in der er noch heute verharrt trotz der Variabilität seines Organismus, und dass ich stets auch auf diese erste Periode, auf seine Umwandlungsperiode hingewiesen habe. Es sei jetzt ganz besonders aufmerksam gemacht, dass sowohl die Pygmäen als die hochgewachsenen Rassen, ehe sie zu Dauertypen geworden sind, eine Periode der Umwandlung durchgemacht haben, wie dies in der Fig. 6 durch die diver- gierenden Linien angedeutet ist, während die parallel verlaufenden Linien zwischen IV und V die Periode der Konstanz andeuten sollen. Die progressive Entwicklung von der Urhorde zu den Pygmäen und von den Pyg- mäen zu den hochgewachsenen Rassen ist hier durch die Fig. 6 nur in den allgemeinsten Zügen angedeutet. Spezielle Fälle bleiben völlig ausserhalb der Diskussion, wie z. B. folgender: Rudolf Virchow hat sich früher ablehnend gegen einen genetischen Zu- sammenhang der Pygmäen und der hochgewachsenen Rassen Indiens, besonders der Hindus, ausgesprochen. Er fügt hinzu, eine derartige Erklärung würde ebenso wenig auf das Verhältnis der Weddas zu den Sinhalesen passen. „Wie sie nicht durch regressive Degeneration aus Sinhalesen hervorgegangen sind, so haben sie sich sicherlich nicht durch einfache progressive Evolution zu Sinhalesen umgestaltet. Gegen einen solchen einfachen Zusammenhang sprechen namentlich die Unterschiede im Gesichtsbau, welche alle Beobachter gleichmässig bezeugen.“ Ich muss diesen Vorbehalt vollständig anerkennen und will hinzufügen, dass ich weit entfernt bin, die Herkunft der Hindus oder der Sinhalesen durch die Weddas aufklären zu wollen. Nichts liegt mir ferner als eine solche vorschnelle Angabe. Ich habe lediglich im allgemeinen die hochgewach- senen Rassen mit Pygmäen in eine genetische Beziehung gebracht. Die Sinhalesen sind wie die Tamilen Abkömmlinge der hochgewachsenen Rassen, aus ihnen direkt hervor- gegangen durch Differenzierung, in erster Linie also verwandt mit den hochgewachsenen Rassen Indiens und erst in zweiter, weit zurückliegender Linie mit den Urrassen, den Pygmäen. Das lehrt die ganze Betrachtung und Überlegung des Stammbaumes der Menschheit. Wie sich der Vorgang im einzelnen gestaltet haben mag, bleibe zunächst noch unentschieden; so viel darf allerdings nach meiner Meinung auf Grund der vor- liegenden Tatsachen über die Verschiedenheit unter den Pygmäen schon heute ausgesagt werden, dass Völker Europas, jene Asiens und jene Afrikas von verschiedenen Pyg- — I/II — mäenhorden abstammen, die schon in der Urzeit durch Mutation aus den Urhorden entstanden sind. Diesen Vorgang deuten die verschiedenen Vierecke, die in der Fig. 6 röm. III entweder schwarz oder gestreift oder punktiert gewählt wurden, wohl hin- reichend an. Über die Verbreitung der Pygmäen in der Urzeit gestattet unser Besitz an Tatsachen kaum weitere Angaben, als sie oben gemacht wurden, aber so viel lässt sich heute schon aussprechen, dass die Neger aus negerartigen Pygmäen, die Inder aus indischen Pyg- mäen und die weissen Rassen aus verwandten weissen Zwerghorden hervorgegangen sind. Dieser Stammbaum (Fig. 6) schliesst sich an denjenigen an, der im Korrespondenz- blatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft wiedergegeben ist, und der die Ver- zweigung lediglich teilweise erläutern sollte. Ich habe schon damals hervorgehoben, dass er auf Grund der wichtigen Schriften von Darwin, Haeckel, Wallace, Rüti- meyer, Zittel, Romanes, Huxley, C.E.v. Baer u.a. entworfen wurde. Bezüglich der Fig. 6 muss ich an die Ausführungen derselben Gelehrten wieder erinnern, hebe aber hier besonders Haeckel hervor, der erst neuestens die wichtigsten Linien des Stammbaumes des Menschengeschlechtes wieder gezogen hat. Ich bin mit ihm der Meinung, dass der reiche Schatz von Kenntnissen, welche wir in der vergleichenden Anatomie und in der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere besitzen, uns gestattet, die wichtigsten Fragen mit annähernder Sicherheit zu beantworten. Die zahlreichen Entdeckungen, mit denen uns die ausgedehnten Untersuchungen der letzten Dezennien über die Urgeschichte des Menschengeschlechtes beschenkt haben, stellen die wichtige Tatsache ausser Zweifel, dass die Existenz des Menschengeschlechts in Europa jeden- falls auf zwanzigtausend Jahre zurückgeht. In Europa ist aber der Mensch keinesfalls entstanden, sondern in wärmeren Zonen, und wie lange es gedauert hat, bis er Europa bevölkert hat, lässt sich wohl ebenfalls nur nach Jahrtausenden abschätzen. Eine andere fundamentale Frage ist heute ebenfalls durch die Diskussion der letzten dreissig Jahre als abgeklärt zu betrachten, die von dem einheitlichen oder vielheitlichen Ursprung des Menschengeschlechtes. In meiner Auffassung des Stammbaumes Fig. 6 vertrete ich den Standpunkt der Monogenisten (oder Monophyleten), welche den einheit- lichen Ursprung und damit die Blutsverwandtschaft aller Menschenrassen annehmen. Nach all den genealogischen Untersuchungen jener Gelehrten, die ich oben genannt und denen sich noch viele anreihen, ist es nicht mehr zweifelhaft, dass die monophyletische Ansicht die richtige ist. Es ist durchaus unwahrscheinlich, dass die Umbildung menschen- ähnlicher Affen zu Menschen mehrmals stattgefunden habe. Dieser grossartige Prozess hat sich jedenfalls nur einmal ereignet für den Menschen wie für jede beliebige Art, die aus einem Genus oder für irgend welche Rassen, die aus einer Art hervorgegangen sind. Diese Blutsverwandtschaft aller Rassen, von der Urhorde der Pygmäen ange- fangen bis zu den hellen und dunkeln Rassen der Jetztzeit, ist durch die Fig. 6 ver- deutlicht. Ich füge dazu Haeckels Darlegung an, die auf der Grundlage der Zoologie aufgebaut und auf das Überzeugendste den Sachverhalt ausdrückt: „Immer erfolgt die Entstehung einer neuen Art in der Weise, dass eine lange Kette von vielen verschie- Sn —- denen Individuen den Neubildungsprozess vorbereitet.“ Dann tritt, wie dies de Vries neuerdings aus vielen Beobachtungen herausgefunden hat, der Schöpfungsakt ein: mit einmal erfolgt der Umbildungsprozess. Immer ist zwar Variabilität vorhanden, ohne doch damit eine neue Form zu stande zu bringen, mit einmal wird aber dann die neue Rasse geboren, aus der Horde heraus, mehrere Individuen mit einemmale — verschieden von den andern, zwar noch Genossen der Horde, aber doch verschieden nicht in einem, sondern in vielen Merkmalen. Aus meinem in Fig. 6 gegebenen Stammbaum geht ferner nicht allein die Bluts- verwandtschaft der Menschenrassen mit einander im allgemeinen hervor, sondern auch der genauere Grad dieser Blutsverwandtschaft. Nach den Resultaten der Urgeschichte ist es sicher, dass die Europäer in Europa schon seit mindestens zwanzigtausend Jahren existieren und zwar gerade so, wie wir sie heute noch sehen mit allen körperlichen Eigenschaften der Menschen von heute. Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass die ersten Einwanderer keine Neger waren, dass die Neger schon damals ihre Wohnsitze in Afrika inne hatten und dass dasselbe mit Asien und den asiatischen Rassen der Fall war. Daraus folgt, dass vor zwanzigtausend Jahren die Trennung der Menschheit in die verschiedenen Rassen schon vollzogen war. So lange ist es also sicher her, dass einst Blutsverwandtschaft bestanden hat, wahrscheinlich aber noch viel länger. Man muss ferner, wie die Fig. 6 zeigt, bis auf die Urhorde der Pygmäen zurückgehen, um die Blutsverwandtschaft aufzuweisen. Im Schoss der Urhorde lag der Keim der grossen Rassen und dort auch allein die Blutsverwandtschaft. Von da ab trennten sich die Formen und damit hat die Blutsverwandtschaft streng genommen ihr Ende erreicht. Das Ende der Blutsverwandtschaft beginnt mit der Trennung. Diese ist in der Fig. 6 durch die divergierenden Linien veranschaulicht. Diejenigen, welche jede Blutsverwandtschaft mit den schwarzen Rassen mit tiefer Entrüstung erfüllt, in die zum grossen Teil aus einem solchen Grunde in das Lager der Polygenisten oder Polyphyleten übergetreten sind, mögen sich beruhigen. Der ganze Vorgang hat sich vor mindestens zwanzigtausend Jahren abgespielt und lange vor jener Zeit ist die Mutation tätig gewesen und hat die Kluft geschaffen, welche heute zwischen den grossen Rassen der Menschheit besteht. Mit dieser Auffassung ist auch der Mythus der Abstammung von einem Paare un- vereinbar. Die grossen Rassen stammen von ebenso vielen Pygmäenhorden ab und diese wieder sind die Abkömmlinge einer Horde, die sich aus irgend einem anthropoiden Affenstamm entwickelt hat und zwar, wie die Erfahrungen der Mutation zeigen, sofort in grösserer Zahl, nicht in einem Paare: Ein erstes Menschenpaar oder ein erster Mensch hat unter solchen Umständen niemals existiert, wie Haeckel richtig hervorhebt (89, S. 721). Eine Klassifikation der verschiedenen Menschenrassen zu geben, liegt nicht in der Absicht dieser Darstellung. Es sollte lediglich die Art des Zusammenhanges der grossen Rassen mit den Pygmäen dargelegt und der fernliegende Grad der Blutsverwandtschaft der Rassen unter einander betrachtet werden. IV. Die in der Höhle vom Dachsenbüel gefundenen Knochen hochgewachsener Menschen Europas. Von den grossen hassen Europas sind in der Höhle vom Dachsenbüel Reste von vier erwachsenen Individuen und von zwei Kindern gefunden worden, also im ganzen von sechs Personen. Was weiter oben von den Resten der Pygmäen mitgeteilt wurde, gilt auch für die Reste der hochgewachsenen Menschen; die Ausbeute ist sehr gering. Ein Teil der Knochen stammt aus der Grabkammer, der andere wurde im Boden der Höhle aufgefunden, die Hauptmasse ist aber schon in prähistorischer Zeit verschwunden, auf welche Weise ist nicht nachzuweisen. Ein Verschleppen durch Raubtiere ist aus- geschlossen, Zahnspuren sind, wie schon eingangs erwähnt wurde, nicht zu finden. Die übersichtliche Aufzählung der vorhandenen Knochen zeigt, wie wenig von sechs Individuen bis auf unsere Tage herab gerettet wurde: Von den sechs Schädeln: das linke Felsenbein eines Erwachsenen, ein 3 cm. grosses Stück vom untern Augenhöhlenrand, neun Stückchen einer angebrannten Schädel- decke; die Grösse der Stücke schwankt zwischen 1 und 4 cm. Die Unterkieferfragmente und einige Zähne deuten auf Individuen von mitt- lerer Grösse mit starker Abnutzung der Zähne. Ein Fragment mit MS. 13 bezeichnet (Körper des Unterkiefers, rechte Hälfte) ist 6 cm. lang, der erste Molar ist noch vor- handen, die übrigen Zähne nach dem Tod ausgefallen, der Knochen gelblich, klebt wenig an der Zunge und ist im ganzen noch recht fest. In der Form ist nichts Fremdartiges zu sehen. Zwei andere Fragmente sind gänzlich unbedeutend für eine rassenanatomische Untersuchung, ein viertes, mit Nr. 1 markiert, stammt von einem ältern, weiblichen Individuum, die ganze Höhe des Unterkieferkörpers beträgt nur 17 mm., denn die Al- veolen sind vollständig resorbiert, nachdem vorher die Zähne längst ausgefallen waren. Dieses Verhalten hat insofern einiges Interesse, als man daraus schliessen darf, dass auch alte Leute mit gänzlich zahnlosem Kiefer sich noch ernähren konnten. Man stellt sich doch in der Regel vor, dass nur Leute mit robustem Körperbau und guten Zähnen die Nahrung der neolithischen Periode vertragen konnten. Das zahnlose Unterkiefer- fragment einer ältern Frau beweist, dass sie jahrelang gelebt hat, obwohl die Zähne längst ausgefallen waren, dass sie also trotz des Mangels der Zahnbewaffnung doch ge- nügende und brauchbare Nahrung sich verschaffen konnte. Von den Schädeln vier er- wachsener Menschen, die in der Höhle vom Dachsenbüel zu grunde gingen und teilweise bestattet wurden, sind dies die ärmlichen Überreste. Wirbelsäule. Von den Wirbelsäulen der vier Erwachsenen sind folgende Teile er- halten: zwei nahezu vollständige Halswirbel (Atlas) und zwei Atlas-Fragmente. Es ist also durch diese vier ersten Halswirbel die Zahl der in der Höhle bestatteten Personen aufs neue festgestellt; dann wurden gefunden Hals-, Brust- und Lendenwirbel, teils 11 En 82 = vollständig, teils in Fragmenten. Manche von heller Farbe und festem Gefüge, viele von dunkler Farbe und zerschlagen, offenbar bei der Ausgrabung. Nirgends sind Zahn- spuren von Tieren zu beobachten, was wohl auch davon herrühren mag, dass die Wirbel aus der Grundschichte stammen, also mit Erde bedeckt waren. Die Wirbel von heller Farbe stammen, wie ich annehme, aus der Grabkammer, weil ihr Aussehen mit jenen Knochen übereinstimmt, welche Mandach als Teile der Grabkammer bezeichnet hat. Die Wirbel von schmutzig grauer Farbe waren, wie die übrigen Knochen, über den Boden der Höhle zerstreut. Einige der Wirbel stammen von Individuen, die an Höhlen- sicht zelitten haben. Nachdem die Arthritis deformans oder, wie sie jetzt genannt wird, Spondylitis deformans, längere Zeit braucht zu ihrer Entwicklung, d. h. manche Jahre vergehen, bis die Wucherungen und Auflagerungen von neuer Knochensubstanz und die Abschmelzungserscheinungen vollendet sind, darf man annehmen, dass zwei der bestatteten Personen doch wohl über fünfzig Jahre alt waren. Diese Annahme steht im Einklang mit dem völlig zahnlosen Unterkiefer, der schon ernährt wurde. Rudolf Virchow hat die „Höhlengicht“ nicht allein bei Menschen, sondern auch bei Tieren der Vorzeit, wie z. B. beim Höhlenbären, wiederholt gefunden.*) An einem Lendenwirbel ist die Wirkung der Krankheit sehr auffallend. Vom Wirbelkörper er- heben sich nach aufwärts breite Ausladungen, supracartilaginäre Exostosen, die von vor- springenden Säulen gestützt werden. Die untern Gelenkfortsätze sind beträchtlich ver- diekt, die Processus mamillares und accessorii warzig vergrössert, lauter Veränderungen, welche eine steife Wirbelsäule bedingten. Besonders stark ist die Höhlengicht an einem Halswirbel ausgeprägt; die Fläche des rechten obern Gelenkfortsatzes ist fast um das Doppelte vergrössert durch einen langdauernden Entzündungsprozess, wobei der Knorpel- überzug grösstenteils zugrunde ging. Die übrigen Gelenkfortsätze sind ziemlich un- verändert, dagegen ist die untere Fläche des Körpers stark eingeschmolzen, der Zwischen- wirbelknorpel durch die schleichende Entzündung grösstenteils zerstört und ein über- hängender Rand, kraus geformt, erstreckt sich, vorstehend, längs des ganzen vordern Kandes des Wirbelkörpers. Dieser Wirbel ist in Fig. 7 von vorn abgebildet worden und in der Fig. 8 von hinten, um einen krankhaften Prozess in seinem ganzen Umfang vor Augen zu führen, der für die Beurteilung der sozialen Verhältnisse insofern von Bedeutung ist, als die Menschen, trotz des Aufenthaltes in Höhlen und trotz warmer Bekleidung durch Tierfelle und genügender Ernährung, an Höhlengicht litten, dabei aber alt wurden und trotz der Abnahme der Beweglichkeit dennoch unter den Stammes- genossen geduldet wurden.**) Obere Extremitäten. Von den acht Schlüsselbeinen ist nur eines vorhanden ; das Brustbeinende desselben ist abgebrochen; an dem Schulterblattende ist die Tuberositas coracoiden kräftig entwickelt, was auf eine starke Bandverbindung mit dem Raben- *) Über das Altertum der Knochenkrankheiten existieren viele Angaben, die Saurier, Rinder, Wölfe, Rhinozeros u. a. betreffen, Zeis (56), Cliff (23), Walther (25), Schmerling (34) u. s. w. **) Die Spuren der Höhlengicht erwähnt auch Herr von Mandach. schnabelfortsatz (Ligamentum coraco-claviculare) hinweist. Die Biegung des Knochens ist elegant und gleicht darin den besten Formen unserer Zeit. Das Mittelstück ist gracil geformt und lässt vermuten, dass es von einem Weibe der neolithischen Periode stammt. Von den acht Schulterblättern wurden nur noch drei Fragmente gefunden, nämlich die massivsten Teile, welche die flache Gelenkpfanne tragen. Die grösste Länge der Medialer 'leil des stark deformierten Gelenkfortsatzes Oberer deformierter Rand - =, - Unterer Gelenkfortsatz, de- Unterer Gelenkfortsatz 2 n Li % SLOEISARZ,T( : i ri 1 formiert stark deformiert Querfortsatz, teilweise ab- Querfortsatz, teilweise abge- gebrochen brochen Vordere Fläche des Wirbel- Oberer Gelenkfortsatz de- körpers formiert Unterer deformierter Rand Dornfortsatz abgebrochen ZEN 2 des Wirbelkörpers Fig. 7. Halswirbel von einem Menschen der hochge- wachsenen Rasse vom Dachsenbüel, mit Höhlengicht, Spondy- litis deformans. Von vorn gesehen. Am Wirbelkörper die deformierenden Wucherungen. Oberer defurmierter Rand des Wirbelkörpers Rand der Gelenkfläche de- formiert Oberer Gelenkfortsatz nahe- zu normal Starke Abschmelzung des Sa Knorpels u. des Knochens a Querfortsatz, abgebrochen Wirbelbogen mm Dornfortsatz abgebrochen Fig. S. Der nämliche Halswirbel wie in Fig. 7, von der hochgewachsenen Rasse der Höhle im Dachsenbüel, mit Höhlengicht, Spondylitis deformans, von hinten gesehen. Auf dem Gelenkfortsatz rechts ist die Abschmelzung besondersstark. Pfanne beträgt 37 mm., die grösste Breite 16 mm. An dem Acromion, dem Raben- schnabelfortsatz und dem Hals wurde nichts bemerkt, was einen Unterschied mit Schulterblättern von heute bezeichnet hätte. Keines dieser Fragmente zeigt Spuren der Benagung durch Raubtiere. Von den Oberarmknochen ist einer unversehrt, ein anderer konnte aus drei Stücken wieder zusammengefügt werden. Sie sind von Mandachs Hand mit MS5 und MS6 bezeichnet. Von zwei andern Oberarmknochen sind nur die untern Hälften vor- — MON handen. Sie sind wohl schon in alter Zeit zertrümmert worden, wie die Bruchfläche vermuten lässt; Schlagmarken sind keine daran zu sehen, sie sind also nicht aufge- schlagen worden, um das Mark zu gewinnen. Das obere Endstück eines linken, männ- lichen Oberarmknochens ist auf Tafel 4 von vorn so abgebildet, dass das Tubereulum majus, minus, das Caput bumeri, der Suleus intertubereularis, ebenso die Crista tubereuli majoris et minoris sichtbar sind. Zum Vergleich ist daneben das obere Drittel des linken Oberarmknochens des Pygmäen aus der Höhle vom Dachsenbüel sichtbar. Auf die Verschiedenheiten zwischen beiden wurde schon weiter oben aufmerksam gemacht, hier verweise ich auf die Fig. 1, grosse Rasse, weil aus der Figur wie aus dem Original hervorgeht, dass der Oberarmknochen bezüglich des Gelenkkopfes und der angrenzenden Teile die nämlichen Merkmale besitzt wie die entsprechenden Knochen der heutigen Bevölkerung Europas. Von demselben Oberarmknochen ist auch das untere Endstück abgebildet worden (Taf. 1, Fig. 1 u. 2) in natürlicher Grösse, um ebenfalls zu zeigen, dass die knöchernen Teile bei den Neolithikern schon ebenso beschaffen sind wie bei uns. Eine gewisse Stumpfheit der Formen ist zwar vorhanden, aber sie rührt von der Verwitterung her, welche die scharfen Linien etwas verwischt. Abgesehen davon sind alle Einzelheiten genau wiederzufinden, welche die Anatomie heute beschreibt: die Fossa oleerani, coro- noidea, radialis, der Epicondylus lateralis und medialis, die Trochlea humeri und das Capitulum humeri und alle diese Teile in denselben Beziehungen zu einander — un- verändert in der Vorzeit wie in der Jetztzeit. An dem Öberarmknochen (M S 6) ist ein Processus trochlearis ossis humeri zu finden, d.h. eine Knochenleiste, welche den Sulcus spiralis begrenzt. In stark ent- wickelten Fällen, wie in dem unsrigen, legt sich dieser Processus trochlearis an das untere Ende der Spina tuberculi majoris und erstreckt sich dann in einer Länge von 40 mm., dazu 9mm. breit und bis 5 mm. hoch, schief nach abwärts. Rudolf Virchow hat einen ähnlichen Oberarmknochen unter den Knochen der dritten Stadt.von Hissarlik, also auf dem Boden des alten Troja gefunden, dann in einem Hünengrab in der Nähe von Stargard (Pommern). An einem rechten Oberarmknochen (gezeichnet M S 5), der wahrscheinlich demselben Individuum aus der Grabkammer angehörte, sind diese Einzel- heiten weniger deutlich ausgeprägt. Aber der Sulcus spiralis und der Processus troch- learis sind vorhanden, daraus ergibt sich, dass der Nervus radialis bei dem Menschen der neolithischen Periode denselben Verlauf hatte wie bei den Menschen der Jetztzeit, dass sich der Verlauf des Nerven ebenso wenig geändert hat wie seine Verbreitung an den Muskeln. Nachdem die direkte Untersuchung der Weichteile von Menschen der Steinzeit unausführbar ist, gewinnen die Muskel- und Nervenspuren erhöhte Bedeutung, denn sie gestatten einen Rückschluss auf die Anordnung der Weichteile. In diesem Fall zeigen alle die erwähnten Merkmale des Knochens, dass die Neolithiker, die Tro- janer, die Leute der Hünengräber und die Menschen von heute in dem Bau des Arms, in Knochen, Bändern, Muskeln und Nerven identisch gebaut waren und zwar hinein bis — 8 in die feinsten Einzelheiten, wofür ich folgendes Beispiel anführe: Die Trochlea ist in der Mitte bekanntlich vertieft, siehe Fig. 1, Taf. 1. Die Richtung dieser Rinne ist schief bei den modernen Menschen und dieser schiefe Verlauf ist stärker ausgeprägt auf der hintern als auf der vordern Seite. Die Rolle stellt also allerdings eine quer- liegende Schraubenfläche dar, aber die Rinne bildet streng genommen eine halbe Spirale, welche die Beugung und die Streckung in bestimmter Weise als Führungslinie beein- flusst. Nun, diese Spirale beschreibt auch die Rinne an dem Ellbogengelenk des Neo- lithikers. Sie zeigt, dass die Führungslinie bei Beugung und Streckung des Vorderarmes die nämliche ist in der alten wie in der neuen Zeit. — Keiner der Oberarmknochen ist mit einer Perforatio olecrani versehen. Der Torsionswinkel des Oberarmknochens. Die Lehre Martins, und die Untersuchungen Gegenbaurs über die Drehung des Oberarms (68) haben Broca ver- Herkunft und Torsionswinkel Dachsenbüel, Mann rechts . e Ä ! £ h : 4 132 Dachsenbüel, Mann links . - ; . ; : ; £ 16° Basler Mann (Anatomie) . $ : - 3 2 e - 18° Europäer, Gegenbaur 2 2 5 . : > F & 122 Schweden, Hultkrantz, Neuzeit : : . : | . 19,2° Neger, Broca R r 2 a Bin Schweden, Hultkrantz, Steinzeit i % R e ; : 98,5° Weddaweiber, Sarasin a : e e £ - : E 992 Weddamänner, Sarasin . 3 a £ E 4 } b al.aS anlasst, dieses Verhalten auch bei den Menschenrassen zu untersuchen und seit dieser Zeit ist diese Frage von den verschiedensten Seiten aufgenommen worden, zuletzt von Hultkrantz (97). Das Resultat ergab, soweit es sich bisher überblicken lässt, eine allmähliche Steigerung des Winkels von den Naturvölkern hinauf bis zu. den Kultur- völkern weisser Rasse, überdies eine Verkleinerung bei der Frau und am rechten Arm. Aus dem letztern Umstand ergibt sich, dass hier gleichzeitig ererbte und mechanische Einwirkungen eine Rolle spielen. Ich gebe oben eine kleine Tabelle, welche dieses Resultat illustriert, und bemerke hiezu folgendes: Hultkrantz hat Steinalterskelette untersucht und dabei einen Winkel von 28,5° im Mittel festgestellt, wobei sich am rechten Arm ein Winkel von 32,4° ergab, am linken ein solcher von 24,9°. Es wurden 17 Rechte und 18 Linke gemessen. Der Unterschied zwischen rechts und links beträgt 7,5°, ein Unterschied, der ansehnlich ist und der offenbar mit der starken Beanspruchung zusammenhängt, also mit einem mechanischen Moment mit der höheren oder tieferen Stellung der Rassen aber nichts zu tun hat. Der Torsionswinkel des Neolithikers vom Dachsenbüel beträgt rechts 15°, links 16°, Zahlen, welche mehr mit denen Gegen- — Aa baurs als mit denen Hultkrantz’ übereinstimmen. Variabilität zeigt sich bei der Torsion des Humerus im weitesten Umfang. Das lehren alle Zahlenreihen. So ziehe ich denn auch aus diesem Ergebnis nunmehr den Schluss, dass der Dachsenbüeler einen Torsionswinkel besitzt, der mit demjenigen der Menschen von heute gut übereinstimmt.*) Aus der kleinern Tabelle geht ferner hervor, dass die Weddas einen grössern Torsionswinkel besitzen, sich also auch in dieser Hinsicht wesentlich von den grossen Rassen unterscheiden. Vorderarmknochen der grossen Rasse. Von den vier Erwachsenen sind einige Reste der Vorderarmknochen vorhanden. Vor allem zwei vollständige Ellen (Ulnae). gezeichnet M.S.7 und S und zwei vollständige Speichen (eine davon gezeichnet M. S. 9), die andere trägt kein Zeichen. Diese vier Stücke stammen von einem und demselben Manne, der in der Grabkammer bestattet war. Trotz der Kürze der Kammer, nur 1,5 m Länge war also doch ein Mann der grossen Rasse darin beerdigt worden. Abgesehen von den zwei gut erhaltenen Ellen sind noch sechs obere Endstücke erhalten. Von Speichen sind neben den kompletten Exemplaren noch fünf Fragmente eingeliefert Die Farbe der meisten ist gelblich, die Festigkeit noch sehr ansehnlich, die Modellierung der Kanten und Flächen scharf wie bei Wilden. Der Bau der Gelenkkörper ist identisch mit den Gelenkkörpern der heutigen europäischen Menschheit. Um davon einen Beweis zu geben, habe ich das obere Endstück einer rechten Elle in natür- licher Grösse auf photographischem Wege von vorn und von der Seite abbilden lassen und es auf Tafel 1 unter das Endstück des Oberarmknochens gesetzt. Auf der Fig. 3 bemerkt der Beschauer den halbmondförmigen Ausschnitt, (Incisura semilunaris), welcher dazu bestimmt ist, die Rolle des Oberarmknochens zu umfassen. Der dem Ellbogen (Oberarm) angehörige Teil dieser Fläche ist von dem des Processus coronoideus (Kronen- fortsatz) angehörigen durch eine quer über die Gelenkfläche verlaufende rauhe Furche ab- gegrenzt, wie dies bei den rezenten Formen so häufig vorkommt, dass Henle diese Furche als Regel beschrieb. Der Processus coronoideus bildet mit seiner vordern, abwärts geneigten, vierseitigen Masse eine Fortsetzung des Körpers der Elle. Dort, wo sich dieser Kronenfortsatz allmählich aus dem Knochenschaft erhebt, ist eine erhabene rauhe Stelle, von allen Anatomen der Jetztzeit als Tuberositas ulnae (Rauhigkeit der Elle Fig. 3) bezeichnet. Sie ist die Anheftungsstelle eines Armmuskels (des Brachialis internus) und ein Beweis, dass dieser Muskel seine Insertion seit Jahrtausenden nicht verändert hat. An der äussern Seite des Kronenfortsatzes und der Elle ist eine kleine, ovale, quergestellte Gelenkfläche, die Spitze des Ovales ist nach vorn gewendet. Es ist dies *; Woher der Unterschied zwischen den Neolithikern von Schweden und dem Dachsenbüeler stammt, lässt sich zur Zeit nicht entscheiden. Ich konstatiere nur die Übereinstimmung des Dachsenbüelers mit den Menschen der Gegenwart des zentralen Europa. — Ich habe mich für die Bestimmung des Torsions- winkels an das von Hultkrantz eingeschlagene Verfahren gehalten, das in der Hauptsache identisch ist mit demjenigen der übrigen Autoren, nur habe ich ebenso wie die Deutschen den kleinern Winkel angegeben, weil das Resultat übersichtlicher wird. Eine zweistellige Zahl ist leichter zu merken als eine dreistellige. = Tone der Speichenausschnitt (Ineisura radialis Fig. 4), längs dessen bei den Drehungen der Seitenwand das Speichenköpfchen sich bewegt. Auch dieser Teil des Ellenbogengelenkes hat seit Jahrtausenden keinen Wechsel erfahren. Die kleine Gelenkfläche ist wie heute noch in vertikaler und sagittaler Richtung schwach ausgehöhlt, sie war auch überknorpelt, das zeigt deutlich das Verhalten des Knochens. Die aus der Höhle vorliegenden Speichen sind ebenso gebaut, wie diejenigen von heute und besitzen einen überknorpelten Rand, Circumferentia articularis an der medialen Hälfte, der mit dem Knorpelüberzug der Endfläche kontinuierlich zusammenhängt. Auf der hintern Fläche des Ellbogens sind ebenfalls alle Einzelheiten vorhanden, welche von den modernen Knochen in unsern anatomischen Lehrbüchern verzeichnet sind: da ist die mediale Kante, von der der Musculus ulnaris internus (der innere Ellbeuger) und die laterale, an der sich der Musculus anconaeus quartus befestigt, dazwischen das lang- gezogene-spitzwinklige Dreieck nach unten, kurz die Muskeln, die Ursprünge und die Ansätze der Muskeln, die Formen der Gelenke und ihre Mechanik, die Kanten wie die Crista interossea und die Crista musculi supinatoris (Tafelfigur 4) waren damals, in der Steinzeit, ebenso wie sie noch heute gefunden werden. Bei dem ältesten Skelett, dem von Testut beschriebenen Skelett von Chancelade- Dordogne (89) fand sich die Längsachse der Elle verschieden von der gewöhnlichen Form. Eine Krümmung befand sich lateral und im untern Drittel, eine andere im obern Drittel nach vorn. Beide Krümmungen sind an den Abbildungen (Testut Tafel XI) gut wieder zu erkennen. Die Krümmung nach vorn ist so stark, dass dafür 50 mm. Entfernung von der senkrechten bis zur vordern Lippe des Ellbogens beobachtet wurden. An den beiden Ellen des Mannes vom Dachsenbüel ist diese Biegung ebenfalls recht ansehnlich, ich konnte 42 mm. feststellen. Sie wird von vielen Skeletten der Steinzeit beschrieben, besonders von dem Alten von Cromagnon, aber kommt doch auch noch in der Neuzeit vor, wie schon Testut der Beschreibung dieses Verhaltens hinzufügt. Es bedarf langer Untersuchungen, ähnlich wie bei der Platyknemie, um festzustellen, ob hier wirklich eine Richtungsänderung der Achse eingetreten ist seit dem Diluvium, bedingt durch mechanische Umstände bei dem Gebrauche des Armes, oder ob Variabilität vorliegt. — Die Knochen der Hand sind in ansehnlicher Zahl erhalten; diese dünnen Teile des Skelettes haben die lange Zeit überdauert, ohne „in Staub zu zerfallen“. Ich betrachte es nicht als meine Aufgabe, die vorhandenen Knochen der Handwurzel, der Mittelhand und der Finger zu beschreiben, sondern begnüge mich mit dem Hinweis, dass die vorhandenen Teile mit denen europäischer Menschen von heute übereinstimmen und mit ein paar überzeugenden Beispielen. Die Mittelhandknochen sind auch in jener weit zurückliegenden Zeit Röhrenknochen mit verdicktem obern und untern Ende. Indem die Enden im horizontalen Durchmesser die Mittelstücke überragen, entstehen zwischen den mit den Enden genau aneinander ge- fügten Knochen die nach oben und unten sich zuspitzenden Zwischenknochenräume, Spatia interossea. Wie in der Jetztzeit, so waren auch schon in der neolithischen Periode die Enden im sagittalen Durchmesser verdickt und zwar vorzugsweise gegen die Volar- ER nn fläche, damals wie heute wurde dadurch die Mittelhand von oben nach unten ausgehöhlt. In geringem Grade sind zu allen Zeiten auch die Mittelstücke nach diesem Sinne gebogen gewesen. — Eine allen Anatomen bekannte Tatsache besteht darin, dass jeder Knochen der Hand seine besondere Eigenart besitzt. Mit einiger Übung kann man alle von einander unterscheiden, selbst jene, welche für den unbefangenen Beobachter im Bau völlig übereinstimmen. Der zweite Mittelhandknochen, derjenige des Zeigefingers, ist am obern (proximalen) Endstück sattelförmig und vierseitig, dabei transversal tief konkav, sagittal konvex, durch scharfe Kanten von dem kleineren, vorwärtsschauenden lateralen Nebenfelde und dem grösseren medialen Nebenfelde gesondert. Das letztere dient zur Verbindung mit dem grössern vielwinkeligen Handwurzelknochen (Os multangulum majus), das laterale Nebenfeld zur Anlagerung an den dritten Mittelhandknochen des (Mittelfingers). Genau so sind die zwei Mittelhandknochen des Zeigfingers aus dem Dachsenbüel be- schaffen. — Das Endstück des dritten Mittelhandknochens (des Mittelfingers) verlängert sich bei dem heutigen Geschlecht an. der hintern lateralen Ecke in eine Spitze, Processus styloideus (Griffelfortsatz) genannt. Die Gelenkfläche des Endstückes zieht sich diesem Griffelfortsatz entlang und verbindet sich mit einer entsprechenden Gelenkfläche an dem Kopfbein. (Genau ebenso war es schon in der neolithischen Periode. Diese zwei Proben mögen genügen. Ich finde lediglich Übereinstimmung zwischen den anatomischen Eigen- schaften von einst und jetzt. Variabilität ist auch an den Knochen der Hand, wie in allen Teilen des Skelettes aufgetreten, davon gibt es Beispiele genug, aber im ganzen ist die Beschaffenheit des menschlichen Organismus die nämliche geblieben. Man kann nicht einmal sagen, die Menschen der neolithischen Periode seien plumper, roher geformt gewesen, wie diejenigen von heute. Beobachter, welche die Aufmerksamkeit auf diese Seite der Anthropologie lenken, vermögen sehr gut an den Knochenformen elegante körperliche Bildung von roher zu unterscheiden und damit auf die Erscheinung des Lebenden zurückzuschliessen, denn der Knochen ist die Grundlage der Gestalt und be- dingt in erster Linie ihre Beschaffenheit. Die Vergleichung ergibt in unserm Fall, dass die Neolithiker vom Dachsenbüel ebenso hübsche Hände hatten, wie sie jetzt vorkommen; das lehren deutlich die feingeformten Knochen. Sie lassen auf kräftig entwickelte Muskeln schliessen bei guten Proportionen, aber damit ist nicht Plumpheit der Individuen unbe- dingt verbunden. Jagdvölker sind bei kräftiger Muskulatur von schönerer körperlicher Beschaffenheit, als die Scharen der Taglöhner, die jahraus, jahrein zu schwerer Arbeit gezwungen sind. Es ist ganz richtig erkannt worden, dass die Jäger im ganzen schlanker sind, während die Arbeiter eine mehr gedrungene Gestalt besitzen. In der Literatur finden sich zahlreiche Angaben hierüber. Eine Zusammenstellung siehe bei Buschan (99). So möchte ich denn schon hier feststellen, dass man sich unter Männern und Frauen der Steinzeit nicht plumpe Subjekte vorstellen darf, bar aller menschlich edleren Züge, sondern Leute, unter denen jedenfalls ein ansehnlicher Teil sich dem Auge durchaus an- nehmbar darstellen würde. Man hat schon oft darauf hingewiesen, dass Völker anderer Kontinente, welche noch heute in der Steinzeit leben, mit denen der Steinzeit Europas vergleichbar seien in den Sitten, in der Lebensführung und in der Art und im Gebrauch der Waffen und Geräte. Dasselbe gilt auch, füge ich hinzu, in Bezug auf die Gestalt des Körpers. Nach meiner Überzeugung, die sich auf das Studium des Skelettes gründet, sind. die Körper unserer neolithischen Vorfahren ebenso schön gewesen, wie die der oft gerühmten Somali oder der Samoaner, unter denen wahre Prachtkerle und zwar in nicht geringer Zahl zu finden sind. Ja selbst, was ich von den wilden Stämmen Australiens gelegentlich gesehen habe, darf zum Vergleich herangezogen werden. Da sind, was den Körper betrifft, Formen zu finden, die jedem Nobleman unserer europäischen Gesellschaft gut anstehen würden. Unter den Frauen, die wegen der Hässlichkeit ganz mit Unrecht so sehr verschrieen sind, lassen sich auch manche finden, die selbst in unseren Kreisen für recht annehmbar gelten würden, wenn sie helle Haut besässen. Ich führe diese Einzelheiten an, um von den steinzeitlichen Menschen den Fluch der Hässlichkeit abzu- wälzen, der irrtümlicherweise auf ihnen lastet. Man schliesst von dem niedern Zustand der Kultur ganz mit Unrecht auf eine hässliche Menschenrasse, obwohl die Steinzeit der Naturvölker unserer Tage das Gegenteil deutlich beweist. Untere Extremitäten der hochgewachsenen Menschen. Hüftbeine, Ossa coxae. Statt acht solcher Knochen der vier Individuen sind nur zwei defekte Hüftbeine vorhanden, die einem Weibe angehörten, wie aus der ge- ringen Höhe der Darmbeinschaufeln und der Richtung des freilich sehr defekten Scham- bogens hervorgeht (Fig. 1 auf Taf. 3 von aussen). An beiden Hüftknochen sind die dorsalen Abschnitte zerstört worden bei der Herausnahme aus der Höhle. Die Spongiosa liegt deshalb an vielen Stellen frei, allein sie ist nirgends mit Erde gefüllt, was unaus- bleiblich eingetreten wäre, wenn die Zerstörung schon in der Vorzeit stattgefunden hätte. Jahrtausende hatte die Erde diese Knochen unversehrt erhalten, bei der Aus- grabung sind sie zerstört worden. — An beiden findet sich folgende Abnormität: Aussen, neben der Spina anterior inferior, kommt eine rundliche Grube vor, nach oben tiefer als unten, 16 mm. breit, 14 mm. hoch. Weil sie dicht neben der Spina anterior inferior liegt, soll sie Fossa paraspinata heissen. Diese Grube wird nach oben durch einen 5 mm. breiten Knochenkamm begrenzt, der von dem vordern obern Darmbein- stachel (spina anterior inferior) schräg herabläuft, um nach einer Ausdehnung von 40 mm. sich allmählich in der äussern Fläche zu verlieren: Crista paraspinata; dort, wo er die Grube berührt, findet sich eine 3 mm. weite Venenöffnung. Sie kommt auch an rezenten Knochen vor. An 12 Hüftbeinen war sie zehnmal zu finden, vollkommen übereinstimmend viermal, bisweilen auch doppelt; statt einer grossen Venenmündung können auch mehrere kleinere vorhanden sein. Die Fossa paraspinata ist in abgeschwächtem Zustande auch an rezenten Hüft- beinen zu finden. An dem linken Hüftbein eines grossen Mannes aus der Basler ana- tomischen Sammlung liegt diese Venenmündung als ein ansehnliches Loch (Foramen 12 = Ben paraspinatum) in der Fossa paraspinata und über ihr der Knochenkamm: Teile, die an der Frau vom Dachsenbüel auffallend stark hervortreten. Als ich diese Eigenschaften zum erstenmal samt den unregelmässigen Rauhigkeiten in der Umgebung wahrnahm, vermutete ich eine pathologische Erscheinung, vielleicht hervorgerufen durch einen par- tiellen Bruch. Allein die Annahme musste aufgegeben werden, da die Knochenfläche der Innenwand völlig glatt aussieht und nicht die leiseste Spur einer Verletzung wahr- genommen werden konnte. Es bleibt also nichts übrig, als eine Varietät zu kon- statieren. An dem linken Hüftbein findet sich an der äussern Fläche eine zweite Ab- normität, bestehend in einer 8 mm. breiten Rinne an der Grenze zwischen dem zweiten Nr. 1 Robenhausen. Nr. 2 Dachsenbüel. Nr. 3 Frankreich. Fig. 9. Drei Querschnitte durch drei Oberschenkelknochen mit Pilaster. Natürliche Grösse. Nr.1. Querschnitt eines linken Oberschenkelknochens von Robenhausen. Der Pilaster ist nahezu 1 em, breit. Die innere Lippe ragt etwas stärker vor als die äussere. Nr.2. Querschnitt eines rechten Oberschenkelknochens vom Dachsenbüel. Um die Vergleichung zu erleichtern, wurde die Abbildung des Querschnittes herumgedreht, damit sie aussehe, als ob sie von einem linken Oberschenkelknochen stamme. Nr. 3. Querschnitt eines ebenfalls prähistorischen männlichen Oberschenkelknochens. Die punktierte Linie deutet die Ausdehnung des Pilasters an und grenzt gleichzeitig den Querschnitt des gewöhnlichen gerundeten Schaftes an. und letzten Drittel der Linea glutae anterior. In der Tiefe dieser Rinne befindet sich ebenfalls eine Venenmündung. In unserer anatomischen Sammlung hat sich an keinem Hüftbein derartiges wiedergefunden. Im übrigen zeigt sich deutlich, dass der Knochen von einem Menschen stammt, der in der freien Natur gelebt hat. Der Sitzhöcker ist schmal, kantig; Pecten ossis pubis, Labium externum, internum und intermedium sind schärfer gezeichnet als bei den Kulturmenschen und die Umgebung des Foramen obtu- ratum zeichnet sich durch eine Begrenzung mit scharfen Kanten aus. Tief gehöhlt ist der Suleus obturatorius mit seinem Tuberculum obturatum anterius und posterius. Alle andern Merkmale, namentlich auch der Pfanne, stimmen mit den Merkmalen rezenter Hüftknochen überein. Bedauerlich gering an Zahl sind die Reste der Oberschenkelknochen. Von den acht untern Extremitäten ist nur ein einziges Fragment von 30 cm. Länge übrig ge- blieben: Die Diaphyse eines rechten männlichen Oberschenkelknochens. Die Gelenkenden = fehlen oben und unten, am untern Ende ist Erde in die Markhöhle eingedrungen, schon in alter Zeit; denn sie sass festverwachsen mit der Wand und füllte die Höhle auf eine Strecke von etwa 5 cm. fest aus. An dem obern Ende war keine Erde in die Spongiosa und den weitgeöffneten Raum der Markhöhle eingedrungen. Schlagmarken oder Zahn- spuren sind nirgends zu sehen. Im übrigen ist die Knochensubstanz noch fest. An diesem Fragment wurden zwei Varietäten gefunden: der Pilaster und die Ab- flachung des obern Endstückes, Platymerie genannt. Bei dem „Femur & pilastre“ ist der Schaft in sagittaler Richtung vergrössert, während er dabei zugleich relativ schmäler wird und die Seitenflächen sich leicht konkav aushöhlen. Dieses Verhalten tritt am deutlichsten auf Querschnitten hervor, wie in Fig.9. Es sind drei nebeneinandergestellt: Nr. 1 stammt von dem Öberschenkelknochen eines Mannes aus einem der ältesten Pfahlbauten der Schweiz, aus Robenhausen, No. 2 von dem Femurfragment vom Dachsen- büel, Nr. 3 aus Frankreich. Die Linea aspera, denn an ihrer Stelle entsteht durch be- sonders starke Entwicklung der Pilaster, ist sehr variabel, sie ist bald nur eine schwach Nr. 1 Creey-en-Brie. Nr. 2 Dachsenbüel. Nr. 3 Basel. Fig. 10. Verschiedene Grade von Abflachung des Schaftes an dem Oberschenkelknoehen (Platymerie) Durch Querschnitte unterhalb des kleinen Rollhügels nachgewiesen. Natürliche Grösse. In allen drei Fällen ist der sagittale Durchmesser des Knochens verkürzt im Vergleich zum queren. Nr. 1. Sehr starker Grad der Abflachung von einem Neolithiker Frankreichs. Nr. 2. Starker Grad der Abflachung von einem Neolithiker der Schweiz, Dachsenbüel. Nr. 3. Starker Grad der Abflachung von einem Manne der Neuzeit (Basel, Anatomie). vorspringende Leiste, bald einfach oder doppelt. Eine Variante stellt den Pilaster dar, der, wie die Abbildungen ergeben, selbst wieder in Breite und Form variiert. Unter vier Fragmenten von Robenhausen haben drei diesen Pilaster; eines derselben hat lediglich eine stark entwickelte Linea aspera, wie sie auch bei uns vorkommt. Man darf als sicher betrachten, dass die Entstehung der Pilasterform mit einer besonderen Entwicklung des Quadriceps femoris zusammenhängt. Allein worin diese besteht, ist noch gänzlich unbekannt, und es eröffnet sich ein ausgedehntes Gebiet für Forschungen über jene Form der Oberschenkelmuskeln, welche zum Auftreten eines Pi- lasters führen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Bedeutung dieser Varietät hier weiter zu erörtern, doch möchte ich daran erinnern, dass die Pilasterform der Linea aspera auch bei den Pygmäen vorkommt. Eingehende Angaben hierüber wie über ihre Be- =, IT deutung finden sich bei Sarasin (92), Manouvrier (93), Lehmann-Nitsche (95), Bumüller (99) u.a. An dem Fragment des Oberschenkelknochens vom Dachsenbüel war auch jene Ab- plattung an dem obern Drittel des Oberschenkelknochens unterhalb des kleinen Roll- hügels vorhanden, die als Platymerie bezeichnet wird. In der Fig. 10 sind drei Quer- schnitte von Oberschenkelknochen abgebildet, um diese Art der Variabilität zu zeigen. In allen drei Fällen ist, im Gegensatz zu der runden Form des Schaftes, der sagittale Durchmesser des Knochens kurz, der Querdurchmesser dagegen lang. Der Unterschied ist beträchtlich bei dem ersten Querschnitt (links), der eine starke Abflachung aufweist. Der OÖberschenkelknochen stammt aus einem neolithischen Grabe Frankreichs (Creey en Brie) und die Abbildung des Querschnittes Nr. 1 von Manouvrier. Nr. 2 gibt die Abflachung des Oberschenkelknochens vom Dachsenbüel und Nr. 3 diejenige von einem Öberschenkelknochen der Neuzeit (aus der Basler anatomischen Sammlung). Die Indexzahlen dieser drei Arten von Platymerie betragen: Hochgewachsener Europäer (neolithische Periode) Crecy-en-Brie . - 56,4 Hochgewachsener Europäer (neolithische Periode) Dachsenbüel . 64,2 Hochgewachsener Europäer (Neuzeit) Basel . > A ; 2 E 65,7 Hochgewachsener Europäer (neolithische Periode) Guanche . £ - 100,0 In diesen wenigen Zahlen ist ein sehr hoher Grad von Variabilität ausgedrückt, der innerhalb hochgewachsener Rassen vorkommt. Der Index kann sogar bis auf 113 steigen, wobei der Schaft seitlich zusammengedrückt ist (Stenomerie genannt). Eine zufriedenstellende Deutung fehlt noch. Wie für den Pilaster, so wird auch für die Platymerie die Muskulatur am Oberschenkel verantwortlich gemacht und Manouvrier hat auf einzelne Anzeichen hin geschlossen, dass starke Platymerie durch starken Pi- laster bedingt werde. Soweit diese Frage an dem anthropologischen Institut in München geprüft wurde, stellt sich auch dort eine Abhängigkeit beider Erscheinungen von der Muskulatur heraus, aber kompensatorisch, insofern beim schwachen Pilaster starke Pla- tymerie vorkommen soll — und umgekelirt bei starkem Pilaster schwache Platymerie.*) Die ganze Angelegenheit verlangt eben genaue Studien an der Leiche, um sichern Boden zu gewinnen. So lange nicht die angenommenen Verschiedenheiten in der Mus- kulatur tatsächlich nachgewiesen sind, bleiben beide Erscheinungen dunkel. Ich hebe, als für unsere Betrachtungen wertvoll, hier nur die Variabilität des Oberschenkel- knochens hervor, ihre Verbreitung bei allen Rassen des Menschengeschlechts und durch alle Perioden der Menschengeschichte von den Pygmäen an bis zu den hochgewachsenen Rassen der Neuzeit. Schienbein. Von den acht Schienbeinen, die in der Höhle vom Dachsenbüel hätten gefunden werden sollen, ist nur ein vollständiges Exemplar vorhanden von *) Eine andere Vermutung hat Sir W. Turner ausgesprochen (86); er meint, die Abplattung des Femur rühre von der Hocke (squatting position) her, also von jener Haltung, die weitverbreitet bei Natur- völkern vorkommt und von den Franzosen als l’habitude de s’aceroupir oder als l’aceroupissement be- zeichnet wird. 361 mm. Länge und ein Fragment der Diaphyse von 9 em. Länge, beide platyknem. Das vollständige Exemplar wiegt 225 gr., solche gleicher Länge aus der Neuzeit, wie sie in den anatomischen Sammlungen aufbewahrt sind, haben ungefähr dasselbe Gewicht.*) So sind mir denn Zweifel über die Echtheit dieses Schienbeins aufgetaucht, die ich aber schliesslich fallen liess, weil Knochen aus der neolithischen Periode in manchen Fällen wenig von ihrem Gewicht verlieren. Durch welche chemischen Prozesse dies vermittelt wird, müssen andere Untersuchungen dartun. Manouvrier (96, S. 166) gibt eine kleine Tabelle mit dem Gewicht von 23 Schienbeinen der neolithischen Höhlenbewohner Frank- reichs, wobei sich im Mittel ein Gewicht von 237 gr. herausgestellt hat. An der Tibia vom Dachsenbüel sind gleichzeitig drei Eigenschaften ausgeprägt: die Platyknemie, die Retroversion und die Krümmung der Diaphyse. Grad der Abflachung des unversehrten Schienbeins aus dem Dachsenbüel = Platy- knemie: Diameter transversus 20; Diameter antero-posterior 31; Index platyenemicus 64,5; Schienbeinfragment: Diameter transversus 20; Diameter antero-posterior 30; Index platyenemicus 66,6. Die beiden Indices zeigen eine hochgradige Abflachung des Knochens an, welche in die Kategorie der Hyperplatyknemie gehört. Die Abflachung wurde nach der Methode von Broca und Kuhff in der Höhe des Ernährungsloches bei dem unversehrten Exemplar gemessen; an dem Fragment etwa 5 cm. tiefer, denn das obere Endstück fehlt in grösserer Ausdehnung als das untere; ich hebe das hervor, weil nach den Ta- bellen von Lehmann-Nitsche, je nach der tiefern Abnahme der Durchmesser, der Unterschied bis zu 3,7 mm. betragen kann, rechts sogar 4,78 mm., was bei Vergleichung mit andern Schienbeinen von Wert ist. Die Frage über die Herkunft der Platyknemie, ob ein vererbtes Rassenmerkmal oder eine Folge des Muskeldruckes und des -zuges namentlich der beiden Schienbein- muskeln oder eine Folge von Vererbung und des Muskeldruckes zusammengenommen, hat dazu geführt, diese Erscheinung auch vom mechanischen Standpunkt aus zu prüfen. Es hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Formen auf das engste von der verschiedenen Verwendung des Beines abhängen. Das platyknemische Schienbein hat nach den Be- trachtungen von HH. Hirsch (95) eine grössere Leistungsfähigkeit als das gewöhnliche Schienbein in Bezug auf das Laufen und Springen. Das Vorkommen der säbelscheiden- förmigen Schienbeine, vorzugsweise bei Naturvölkern, soll mit diesen bestimmten Gang- arten zusammenhängen, eine Vermutung, die auch schon Rudolf Virchow ausge- sprochen hat. Jedoch kommt auch die Vererbung dieser erworbenen Eigenschaft dabei in Betracht. Die Retroversion besteht darin, dass die obere Gelenkfläche der beiden Condylen nach hinten geneigt ist und dass der ganze Knochen dabei eine Krümmung erfährt, *) Das Gewicht von sechs Schienbeinen der Neuzeit schwankt zwischen 190 und 240 gr., eines darunter wiegt ebenso viel wie dasjenige aus dem Dachsenbüel, — 94 wobei der Schaft nach vorn konvex wird. Der Grad der Abbiegung und der Neigung der Gelenkfläche kann zahlenmässig bestimmt werden und ergibt folgendes: Dachsenbüel Schienbein: Inklinationswinkel der Gelenkfläche . 16° Fig. 11. Schienbein eines Mannes der hoch- gewachsenen Rasse v. Dachsenbüel. Natürl. Länge des Knochens 317 mm. Retroversionswinkel . : ; : 20° Es ist dies ein Verhalten, wie es bei Feuerländern (Martin) und Kaliforniern (Manouvrier) vorkommt. Den höchsten Grad, der bei Schweizern der Neuzeit gefunden wurde, beträgt im Mittel für die Inklination a £ : Dee für die Retroversion . £ 2 7,60° (Martin) Man sieht daraus, dass diese Tibia vom Dachsenbüel einzelne Eigenschaften entwickelt hat, die bei alten Bevölkerungen stärker ausgeprägt und häufiger sind, als bei denen der Neuzeit. Ich füge bei, dass die Retroversion samt der starken Ausbiegung des ganzen Schaftes nach vorn besonders verbreitet ist bei den Weddas, wie dies von den HH. Sarasin angeführt und in mehreren Abbildungen dargestellt wurde. Auch das Schienbein des Pygmäen aus dem Dachsenbüel zeigt die Krümmung des Schaftes nach vorn und die Retroversion, nach meiner Schätzung in demselben Grad wie das Schienbein des hochgewachsenen Menschen, allein die direkte Bestimmung ist wegen des Defektes an dem innern Gelenkhöcker (Taf. IV Fig. 3) nicht ausführbar. Zuletzt sei die ungewöhnlich starke S-förmige Biegung der vordern Schienbeinkante besonders hervorgehoben und durch eine Abbildung illustriert. Die starke Ausbiegung der Kante in der obern Hälfte (Fig. 11) hängt von der starken Entwicklung des Bauches des vordern Schienbeinmuskels und die entgegengesetzte Biegung in der untern Hälfte von der Sehne desselben Muskels und der Strecksehne des Extensor hallucis longus ab. Die ganze Biegung ist auch an dem Schienbein des Dachsenbüeler Pygmäen Fig. 3 Taf. IV gut ausgeprägt, aber das Schienbein des hochgewachsenen Mannes ist besonders bemerkenswert wegen des Einflusses des Muskels auf den harten Knochen. Die Abbildung ist vollkommen naturgetreu, denn sie wurde auf folgende Weise genommen: Zunächst wurde eine photographische Aufnahme von 10 cm. Länge hergestellt, dann mit Hilfe eines photographischen Apparates vergrössert, die Vergrösserung mit Hilfe von Pauspapier kopiert und die Kopie auf Zeichnungs- papier übertragen und mit Tusche ausgeführt. Die Zinkographie gibt also ein möglichst korrektes Bild, das zur Vergleichung mit Formen verwandter Art sehr wohl dienen kann. —ı 95, — Das Wadenbein, Fibula. Von Wadenbeinen sind nur Fragmente vorhanden, drei obere Endstücke zwischen 8 und 14 cm. Länge, vier untere Endstücke zwischen 12 und 23 em. Länge. Ein Fragment ist 32 cm. lang und stark kanelliert (Taf. IV, Fig. 4), das heisst, der Schaft hat eine Rinne, welche die äussere Fläche des Wadenbeins vom obern Endstück angefangen, bis zum untern begleitet. Die Crista interossea ist ebenso wie die andern Kanten scharf ausgezogen und die Flächen sehr ausgeprägt. Die Rinne tritt am deutlichsten auf Durchschnitten hervor. Ich erwähne Abbildungen bei Rudolf Virchow (82), die aus den Nachgrabungen auf dem Boden von Hissarlik (Troja) her- rühren und bei Tarenetzky (00). Kanellierung ist weit verbreitet bei Kultur-, wie bei Naturmenschen. Lehmann- Nitsche berichtet darüber an den alten Knochen der Bajuvaren, Schwaben und Alle- mannen, wo sie in drei verschiedenen Ausbildungsgraden stark, mittel und schwach ange- troffen wird und alle Grade ziemlich gleichmässig vertreten sind. Ein zweites Waden- beinfragment zeigt ebenfalls Kanellierung; die übrigen sind zu reduziert, als dass man darüber genaues sagen könnte, ich bemerke nur aufs neue, dass keiner dieser Knochen Zahnspuren von wilden Tieren zeigt oder Schlagmarken aus prähistorischer Zeit; die Zertrümmerung ist bei der Herausnahme erfolgt. — Der grösste Querdurchmesser des Wadenbeinfragmentes von 32 cm. Länge beträgt 14 mm., der Querdurchmesser des Frag- mentes von 23 cm. Länge beträgt 17 mm., doch sieht gerade dieses Fragment an der dicksten Stelle wie aufgebläht aus, als ob im Innern eine eiterige Entzündung bestanden hätte. Ein 25 mm. langes Loch, das bei der Ausgrabung entstanden ist, gestattet, die innere Struktur des Knochens gerade an dieser Stelle zu betrachten, allein es sind keinerlei pathologische Prozesse bemerkbar ausser einer auffallenden Verdünnung der Wand der Markhöhle, welche freilich darauf hinweist, dass abnorme Verhältnisse vor- liegen. Ich schliesse die Betrachtung der Wadenbeine ab und bemerke, dass die starke Kanellierung mit der neolithischen Herkunft der Knochen wohl übereinstimmt, dass sie aber kein spezifisches Merkmal derselben darstellt. — Knochen des Fusses. Es ist ein interessantes Faktum, dass Knochen des Fusses recht gut erhalten sind im Vergleich zu den langen Knochen. Die Dauerbarkeit der Fusswurzel wird allgemein sehr gering angeschlagen und ihre Zerstörung im Laufe von ein paar Jahrtausenden als sicher vorausgesetzt. Im diesem Fall zeigt sich das Gegen- teil. Da sind noch ein paar Kahn- und Würfelbeine, ferner noch Mittelfuss- und Zehen- knochen erhalten, welche alle zu der Hoffnung berechtigen, dass es einst noch gelingen werde, vollständige Skelette aus der neolithischen Periode zu erhalten, wenn erst einmal die Methode der Ausgrabungen eine bessere geworden ist. — Die Farbe der Knochen stimmt mit denjenigen der übrigen aus dieser Fundstätte überein und die Variabilität ist sehr beträchtlich. An fünf Fersenbeinen sind die Flächen des untern Talusgelenkes auf zwei reduziert, auf die hintern (Facies articularis post) und auf die mediale (Facies articularis medialis), insofern als die mediale nicht getrennt wird in zwei, von denen die vordern als Facies articularis anterior in der systematischen Anatomie aufgeführt Ne wird, sondern eine einheitliche, zusammenhängende elliptische Gelenkfläche darstellt, welche vom Sustentaculum tali breit beginnt und sich allmählich verschmälert. Zwei andere Fersenbeine besitzen jedoch diese dritte Gelenkfläche, welche neuerdings als das „Normale“ hingestellt wird. Doch ist diese Auffassung durchaus nicht allgemein aner- kannt. Gegenbaur, Testut und Toldt sprechen nur von einer hiutern und vordern Gelenkfläche, der Atlas von Spalteholz bildet dagegen drei Gelenkflächen ab, während Henle, Poirier und Chabry (99), auch Testut (93) hervorheben, dass die mediale Gelenkfläche durch eine Rinne auch in zwei Flächen geteilt sein könne. Diese Varietät ist also, wie man sieht, uralt, aber die Mehrzahl der alten Fälle besitzt nur eine mediale Gelenkfläche. Eines der ältesten Skelette, das von Chancelade (Testut 89), das wie schon erwähnt, aus dem Diluvium stammt, besitzt auch nur eine mediale Gelenkfläche. Die Osteologie zeigt hier, dass diese Variabilität des Fersenbeines schon lange Zeit dauert, und dass es dennoch nicht gelungen ist, die eine oder die andere Eigenschaft zu fixieren; das ist eine wertvolle Erfahrung aus der Naturgeschichte des Menschen. Sie zeigt, dass die natürliche Auslese auf solche Verhältnisse keinen Einfluss besitzt, wohl deshalb, weil es völlig gleichgiltig ist, ob die erwähnte Gelenkfläche kontinuierlich ver- läuft oder durch eine Rinne getrennt ist. Von den übrigen Knochen des Fusskelettes sei nur hervorgehoben, dass sie ebenso geformt sind wie die der rezenten europäischen Rassen; der Sulcus taliı, die Rinne für die langen Beuger der grossen Zehe, der Hals des Sprungbeines, die Gelenkfläche für die Verbindung mit dem Kahnbein (Facies articularis navicularis), das alles zeigt die nämliche Konstruktion im einzelnen wie im ganzen, nur ist manche Kante schärfer aus- geschnitten bei den Naturmenschen als bei den Knochen unserer anatomischen Anstalten, die von Kulturrassen herrühren. Was von den Fusswurzelknochen eben gesagt wurde, gilt auch für die Mittelfussknochen und die Phalangen, die nämliche Konstruktion bei den Menschen von einst und jetzt. Körperhöhe des hochgewachsenen Mannes aus der Höhle vom Dachsen- büel. Die Länge des Schienbeins, gemessen mit Brocas’ Tafel und der von Manouvrier (92) angegebenen Methode, beträgt 360 mm. Es ergibt sich daraus eine Körperhöhe zwischen 1650 und 1660 mm. Beim Schweizersbild wurde der Oberschenkelknochen eines Mannes gefunden und eine Körperhöhe von 1662 mm. ermittelt, Kollmann (95). Von Baumes-Chaudes und Chamblandes hat Schenk (01) Körperhöhen von 1579 bis 1683 mm. mitgeteilt. Die aus der Schweiz vorliegenden Zahlen sind sehr spärlich, ich füge deshalb die Körperhöhe von Neolithikern aus Frankreich an, die aus verschiedenen Höhlen stammen. Manouvrier (94 u. 96) hat die betreffenden Zahlen veröffentlicht, wobei es sich um 176 Männer und 104 Weiber handelt. Ich gebe die Körperhöhe der Lebenden, die um 2 cm. geringer ist als die der Leichen. 176 Männer aus den Gräbern von Mureaux, Brueil und Chälons-sur-Marne im Mittel . 1628 mm. 104 Weiber aus den Gräbern von Mureaux, Brueil und Chälons-sur-Marne im Mittel . 15% „ Bezüglich der geringen Körperhöhe der Frauen bemerke ich, dass darunter die — 91° — Körperhöhen von Pygmäen mit eingerechnet sind, wodurch die eigentliche Zahl jeden- falls ansehnlich herabgedrückt wird. Gleichwohl will ich das allgemeine Resultat über die Körperhöhe, zu dem Rahon und Manouvrier gelangt sind, nicht in Frage stellen. Sie zeigen nämlich aus einem für die neolithische Periode immerhin umfangreichen Material, dass die mittlere Körpergrösse der Männer um 1620 mm. herum liegt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass auch Körperhöhen von 1,72 m., wenn auch selten, vorge- kommen sind. Das ist aber eine Tatsache von ausserordentlicher Wichtigkeit, denn sie beweist, dass schon in der neolithischen Periode, abgesehen von den Pygmäen, noch zwei nach ihrer Körperhöhe verschiedene Rassen im westlichen Europa vorhanden waren, wie dies durch die Rekrutierungslisten auch für das westliche Europa von heute fest- gestellt ist. Für alle Rassenfragen und für die Wanderungen der Rassen insbesondere kann das Vorkommen von grossen Leuten von 1,70 m. und darüber in der neolithischen Periode nicht hoch genug angeschlagen werden. Knochen eines etwa dreijährigen Kindes. 1. Ein Unterkieferfragment, rechte Hälfte, die zwei Milch-Backzähne an ihrem Platz, die übrigen Milchzähne post mortem ausgefallen. Die Höhe des Unterkiefers be- trägt in der Mitte 21 mm., hinter dem letzten Molaren 14 mm. Der Knochen ist glatt, sehr wenig verändert; an der Stelle, wo der Unterkieferfortsatz abgebrochen, drang viel Erde in das Innere. Es geht .daraus hervor, dass der Bruch schon in vorhistorischer Zeit entstanden ist. 2. Ein Fragment der Hinterhauptschuppe desselben Kindes durch Mandach aus drei Teilen zusammengesetzt, Höhe S cm., Breite 7,5 cm. Knochen glatt, noch ansehn- lich fest. 3. Vier Rippenfragmente darunter die letzte Rippe, ziemlich gut erhalten, abge- sehen von den Knorpeln, die selbstverständlich fehlen. 4. Die Epiphyse eines Lendenwirbels, ein hervorragendes Zeichen der Dauerbar- keit selbst so jugendlicher und deshalb noch wenig fester Knochenblättchen. 5. Der linke Oberschenkelknochen 16!/s cm. lang, ohne Epiphysen, ohne Pilaster und ohne Platymerie. Ich führe diesen Mangel ausführlich an in Übereinstimmung mit den Beobachtungen zahlreicher Forscher, um daran zu erinnern, dass die Kinder der Leute aus der neolithischen Periode ebenso gebaut waren wie diejenigen der Neuzeit. Man kann diese Tatsache nicht oft genug jenen Anschauungen gegenüberstellen, welche eine beständige Umwandlung der Rassen voraussetzen und annehmen, dass dieser Prozess schon Jahrtausende fortdauere, während doch nichts von alledem zu bemerken ist. Die Knochen der Kinder und der Erwachsenen und, soweit sich zeigen lässt, auch die Pro- portionen der einzelnen Teile zueinander sind immer dieselben geblieben trotz der Variabilität, welche als Platymerie, Pilasterform der Linea aspera femoris, verschiedener Krümmung des Schaftes so häufig in alter Zeit, auftreten. Dasselbe gilt auch in Bezug auf das Mittelstück eines Schienbeines, das 13 cm. lang ist. Es zeigt, wie dies allge- mein bei Kindern der Fall ist, eine mehr rundliche Beschaffenheit. Die vordere Kante 13 A ist schon erkennbar, aber noch fast vollkommen gerade. Selbst bei dem dreijährigen Kind hat der vordere Schienbeinmuskel noch keine mechanische Wirkung auf die vor- dere Schienbeinkante ausgeübt, obwohl Gehen und Laufen sicher seit zwei Jahren geübt wurden. Ganz ebenso ist das Verhalten des kindlichen Schienbeins in der Neuzeit. Erst mit dem vierten Jahre beginnt, nach einem aus der anatomischen Anstalt vor- liegenden Kinderskelett, die Wirkung des Muskels etwas hervorzutreten. Auch dieser Prozess wird aber individuellen Schwankungen unterworfen sein und je nach der physi- schen Beschaffenheit des Kindes variieren. Das Basler Präparat stammt von einem kräftig entwickelten, auf einem Dorfe aufgewachsenen Mädchen, was ich ausdrücklich hervorheben möchte. In der Bemerkung, dass das Schienbein des Kindes aus dem Dachsenbüel ein rundliches Schienbein besass, geht schon hervor, dass Platyknemie fehlte, wie dies immer in der Jugend der Fall ist. Einige andere unbedeutende Knochenteile, wie die untere Epiphyse eines Femur, ein defektes Felsenbein u. dgl., sind allzu fragmentarisch, als dass eine eingehende Be- schreibung am Platze wäre. Dasselbe gilt von den Knochenresten eines etwa einjährigen Kindes, die auch Herrn von Mandach schon aufgefallen waren. Vielleicht gelingt es einem spätern Beobachter, daran Besonderheiten zu entdecken, wenn die Anthropologie ihre Wissenskreise noch mehr erweitert hat.*) Begnügen wir uns unterdessen mit der Tatsache, dass in der Höhle vom Dachsen- büel auch die Reste von Kindern zwischen ein und drei Jahren gefunden wurden. Ergebnisse der Untersuchung an den Skelettresten der hochgewachsenen Rassen Europas. Es sind Reste von vier erwachsenen Personen gefunden worden. Das Unterkiefer- fragment einer alten Frau ist ausgezeichnet durch Mangel der Zähne und gänzlichem Schwund der Alveolen. An einzelnen Wirbeln ist Höhlengicht, Spondylitis deformans nachweisbar. (Mandach.**) Die Körperhöhe eines Mannes betrug 1650—1660 mm., danach stimmt die Körper- höhe der Neolithiker vom Dachsenbüel mit jener der hochgewachsenen Menschen vom Schweizersbild, von Lausanne und dem neolithischen Frankreich überein. Doch kommen in Frankreich um dieselbe Zeit auch Männer von 1700 mm. und darüber vor, ebenso wie heute im westlichen Europa. Eine genaue Vergleichung ergibt Übereinstimmung zwischen den Skeletteilen der Neolithiker und der neuzeitlichen Europäer. Der Neolithiker vom Dachsenbüel hat *) Sämtliche hier erwähnten menschlichen Knochenreste sind in dem naturhistorischen Museum von Schaffhausen aufbewahrt. **) Herr Prof. Kaufmann (Basel) hat mich bei der Feststellung der Spondylitis freundlichst unterstützt. =: (ggf 8 einen Torsionswinkel wie der Europäer von heute. Die Configuration der Oberarm- knochen stimmt in allen Einzelheiten mit dem Oberarmknochen der grossen Menschen- rassen von heute überein. (Taf. 1, Fig. I—4.) Eine Ulna zeigt starke Krümmung der Längsachse nach vorn, ähnlich wie das diluviale Skelett von Chancelade (Dordogne). An dem Hüftbein findet sich eine Abnormität, bestehend in einer Fossa paraspinata. (Taf. 3). Der Öberschenkelknochen eines Mannes der hochgewachsenen Rasse zeigt Platy- merie und den Pilaster. Das Schienbein zeigt Platyknemie, Retroversion, starke Aus- biegung des ganzen Schaftes nach vorn und ungewöhnlich starke S-förmige Biegung der vordern Schienbeinkante. Die Abnahme einiger der eben erwähnten Eigenschaften in der Neuzeit deuten darauf hin, dass entweder die Variabilität abnimmt oder bestimmte Gebrauchsarten der Muskeln in Wegfall kommen. Die zahlreichen nanocephalen Schädel und die kleinen Extremitäten-Knochen be- weisen das Vorkommen von Pygmäen in Südamerika, namentlich unter den alten Peruanern. In allen Kontinenten sind somit jetzt Urrassen, Pygmäen, nachgewiesen. V. Sind die Menschenrassen der Gegenwart persistent oder mutabel ? Das Problem, das ich in Form einer Frage an die Spitze dieses Abschnittes ge- stellt habe, gehört zu den schwierigsten der Naturgeschichte des Menschen. Es stehen sich seit langer Zeit zwei verschiedene Ansichten gegenüber, die eine sieht die Rassen, wenn auch in langsamer, doch in beständiger Umwandlung begriffen, die andere be- hauptet das Gegenteil, nach ihr bleiben sie seit Jahrtausenden konstant. Die extremste Auffassung von einer Umwandlung der Rassen hat neuestens Fritsch (Berlin) ausge- sprochen. Er versichert, dass sich in Ägypten im Laufe von 30 Jahren eine gewisse Abänderung des Typus vollzogen habe, hier wie wohl stets veranlasst durch die Ver- änderung der Verhältnisse. Es sei nicht anzunehmen, dass sich dieser Typus unmittel- bar weiter verändern werde, sondern er wird sich befestigen und bleiben, so lange die gleichen Verhältnisse der Kultur, Lebensweise und des Klimas bleiben; aber die ganze Verteilung der verschiedenen Typen des Nillandes sei gar nicht anders zu verstehen als durch die Einwirkung verschiedener Lebensweise und des Klimas. Für eine solche Auffassung sprechen scheinbar viele Erfahrungen, die augenblick- lich unsere ganze wissenschaftliche Betrachtung der Tier- und Pflanzenformen beherr- schen, vor allem der Nachweis der Variabilität innerhalb eines sehr grossen Umfanges bei der ganzen belebten Welt und auch bei dem Menschen. Es ist eine der bedeutungs- vollsten Erfahrungen, dass die Spezies etwas Veränderliches ist. Durch sein grosses Werk über das Variieren der Pflanzen und Tiere im Zustand der Domestikation hat Darwin die Veränderlichkeit der Formen so sicher bewiesen und so tief in die ver- schiedensten Richtungen hineinverfolgt, dass dadurch bei vielen die Meinung entstanden ist, als sei der Mensch und alle lebenden Wesen in einer beständigen Umwandlung be- 108. = eriffen. Diese weitverbreitete Meinung ist deshalb irrig, weil sie ohne weiteres die Erfolge der Domestikation auf die im Freien lebenden Wesen überträgt. Diese ändern sich aber durchaus nicht immer im Naturzustande. Das Reh, der Hirsch, die Wild- taube, die Wildgans und ungezählte andere haben sich seit Jahrtausenden nicht geändert, wie die Knochen ihrer Vorfahren beweisen, die man zum Vergleich mit den Verwandten von heute heranzieht. Die Haustiere und Hauspflanzen stehen bekanntlich unter der künstlichen Auslese des Menschen, der ihre Eigenschaften nach seinen Wünschen modi- fiziert. Allein alle neuen Eigenschaften, die er den Haustieren anzüchtet, sitzen nicht tief, sind fluktuierend, verschwinden wieder, sobald die künstliche Auslese aufhört. Das ist schon oft ausgesprochen und bewiesen worden, so u.a. von Rütimeyer. Die Tat- sache der Rückkehr der gezüchteten Rassen zur wilden Stammform mit dem Aufhören der künstlichen Auslese ist jedoch schon so allgemein bekannt, dass nicht bloss die Botaniker und Zoologen vom Fach darüber des genauesten untewichtet sind, sondern alle Gärtner und Tierzüchter. Die Dauerbarkeit der gezüchteten Formen ist nur zu erreichen unter beständiger Anwendung der Auslese. Ohne sie erfolgt die Rückkehr zur Stammform, deren Beharrlichkeit und Widerstandskraft trotz jahrtausendlanger Züchtung nicht zu erschüttern ist. Für den Menschen gilt, wie sich zeigen wird und schon oben hervorgehoben wurde, dasselbe. Die europäischen Menschenrassen haben sich, das zeigt die Vergleichung der Knochen aus der Urzeit mit denen von heute in ihren somatischen Eigenschaften, welche die Rassen charakterisieren, nicht geändert. Der Neger, der in den Vereinigten Staaten geboren wird, hat dieselben Rassenmerkmale wie sein Bruder in Afrika. Die Versetzung in einen andern Weltteil prallt völlig ab an der Widerstandskraft seiner Rassennatur. Genau dasselbe gilt von den Weissen. Sie setzen sich auf dem ganzen Erdball fest, aber die Rassenmerkmale bleiben die- selben, bleiben persistent. Trotz dieser unbestreitbaren Tatsachen stösst die Annahme einer Persistenz der Menschenrassen auf immer neuen Widerspruch. Es sind viele Erscheinungen, von denen man fälschlich annimmt, sie sprächen für das Gegenteil, so die Lehre von den geogra- phischen Provinzen. Von Buffon, Cuvier, Alex. von Humboldt angefangen bis herauf zu Rütimeyer haben die Forscher auf dem weiten Gebiet der Pflanzen- und Tiergeographie den fruchtbringenden Gedanken verfolgt, dass die Verbreitung der Or- ganismen auf der Erde von bestimmten Punkten ausging und dass sie sich innerhalb tiergeographischer Provinzen, um von den Tieren allein zu reden, ausgebreitet und fest- gesetzt haben. Die in einer Provinz vorhandenen Tiere sollten ihre spezifischen Eigen- schaften der Abhängigkeit des Organismus von seiner Umgebung, seinem „Milieu“ ver- danken. Damit war der Satz aufgestellt, dass die Tiere der betreffenden Provinzen in der Entwicklung zu Familien, Gattungen und Arten von der umgebenden Natur beein- flusst sind. Wie weit, ist hier nicht zu untersuchen, ich bemerke nur, dass Darwins Theorie von der natürlichen Auslese und M. Wagners Migrationstheorie (89) die An- nahme der Existenz tiergeographischer Provinzen nur noch gefestigt haben. Es war — 101 — eine logische Konsequenz, für das Menschengeschlecht ebenfalls Rassen-Provinzen fest- zustellen. Haeckel (a.a. OÖ. Nr. IV), Bastian und Ratzel (28) haben die anthropo- geographischen Provinzen nach verschiedenen Seiten hin umgrenzt und Haeckel ist am bestimmtesten mit dem Gedanken von einem einzigen Ausgangspunkt der Menschheit und von der Wanderung über den Erdball hervorgetreten.*) Neuerdings ist er, wie viele andere, der Ansicht, dass der Ursprung des Menschengeschlechts monophyletisch war. Anthropo-geographische und tiergeographische Provinzen halte ich für einen un- bestreitbaren Besitz unserer Erkenntnis über die Geschichte des Menschen und der Tiere, nicht minder die Überzeugung, dass die Verbreitung des Menschen von einem einzigen Punkte aus ihren Anfang genommen habe. Die Säugetiere haben dabei eine Geschichte hinter sich, die nach geologischen Epochen gerechnet wird durch alle Formen hindurch mit Einschluss der Primaten, mit denen die Naturgeschichte des Menschen eben doch zusammenhängt. Wie die Säuge- tiere, so hat sich auch der Mensch in seinen anthropo-geographischen Provinzen all- mählich zu den verschiedenen Rassen umgewandelt. Dieser Satz kann von niemand ernstlich. in Zweifel gezogen werden. Aber diese Umwandlung hatte ihre Zeit und ihr Ende, bei dem Menschen wie bei den ihm nahestehenden Formen. Das beweisen alle die zahlreichen Tatsachen, welche oben für die Persistenz angeführt wurden oder für die Übereinstimmung der Organisation des Menschen von einst und jetzt. Während nun für die Mehrzahl der Säugetiere die Tatsache zugegeben wird, dass sie sich seit dem Diluvium nicht mehr umgewandelt haben, glaubt man irriger Weise, bei dem Menschen verhalte sich dies anders, er bilde noch immer neue Rassen. Es ist dies aber eine Verwechslung mit ganz oberflächlichen Einflüssen des Milieu, denen der Mensch unterworfen ist, die aber ebenso wenig wie bei den Tieren die Spezies- und die Rassencharaktere ändern. Allein die irrige Ansicht ist nicht auszurotten, obwohl die auffallendsten Experimente, an denen das Leben der Völker so reich ist, bisher wirkungs- los geblieben sind. Die Versetzung der schwarzen Rasse nach Amerika, die der weissen nach Afrika und Australien haben keine Umänderung der Rassenmerkmale hervorgerufen. Die mit dieser Versetzung verbundenen Faktoren der Isolierung und des Kampfes ums Dasein, welche bisweilen bei Tieren wirksam sind,**) bleiben auf die Rassen des Menschen wirkungslos wie auf die Anhänger der falschen Lehre. Aber die Besiedelung von Australien ist im Sinne der Persistenz der weissen Rasse ausgefallen, obwohl die Ansiedler der Isolierung unterworfen waren, welche Moritz Wagner als einen wesentlichen Faktor für die Umwandlung der Rassen bezeichnet. Dasselbe ist in Südafrika der Fall. Die Boers sind durch den Kampf ums Dasein tapfere Männer geworden, aber es hat sich keine neue Rasse gebildet. In Amerika ist dieselbe Zähigkeit der schwarzen und der weissen Rasse und ihrer Varietäten nachge- *) Auch Pickering (38). **) Siehe solche Fälle bei M. Wagner (89). — wiesen seit drei Jahrhunderten. Wenn man auch behauptet, dass der Nordamerikaner eine erkennbare Veränderung nicht bloss seines geistigen Wesens sondern auch der körperlichen Eigenschaften erfahren habe, so ist doch kein Individuum daraus hervor- gegangen, welches sich direkt mit einer Rothaut vergleichen liesse. Es gibt weder in Nord- noch in Südamerika eine neue amerikanische Rasse. Vom rein biologischen Stand- punkt aus sind die Wanderungen der Völker grossartigen Experimenten zu vergleichen, welche in der wissenschaftlichen Werkstätte der Natur angestellt werden, um die Dauer- barkeit der Vererbung zu prüfen. Alle diese Versuche sind im Sinne der Persistenz der Rassen und der Varietäten ausgefallen. Für die Zähigkeit der Vererbung sind namentlich auch die ägyptischen Denkmäler von Bedeutung geworden. Wie schon von anderen, nicht europäischen Forschern (Nott und Gliddon aus Amerika), so ist jetzt, gerade im Hinblick auf die neuen Diskussionen über die Vererbung körperlicher Eigenschaften von R. Virchow darauf hingewiesen worden, dass aus verschiedenen Perioden der Vorzeit, selbst aus solchen, die bei uns prähistorisch sein würden, Abbildungen der Völker er- halten sind, die sich auf dem Boden Ägyptens begegneten. Sie sind so charakteristisch dargestellt, dass sie auch dem Auge des Neulings die Verschiedenheit der Rassen be- weisen. Da sind neben zweifellosen Negern auch Semiten und Arier dargestellt, zum Teil sogar in Farben, aber es gibt keine Übergänge zwischen ihnen (96). Mit anderen Worten, sie sind heute noch dieselben wie damals, unverändert dieselben in ihrer körperlichen Erscheinung. Bei diesen Angaben Virchows ist noch besonders ein Passus von Interesse. Die Abbildungen auf den ägyptischen Monumenten rücken nach ihm zeit- lich an die neolithische Periode Zentral- und Westeuropas heran und daraus ergibt sich in Verbindung mit der Übereinstimmung der Abbildungen der Neger, der Semiten und Arier, dass die Merkmale der Rassen und der Varietäten Europas heute noch die näm- lichen sind, wie vor fünf- oder sechstausend Jahren. Also auch mehrere Jahrtausende haben an den erwähnten Menschenrassen nichts geändert. Nun mag es manche geben, welche sich vor dem Gewicht dieser Tatsachen beugen und sie anerkennen, aber jede neue Betrachtung ist im Stande, die mühsam erreichte Festigkeit wieder zu erschüttern. Das ist z.B. der Fall bei dem Hinweis auf die Resul- tate der Kreuzung bei den Tieren und bei den Menschen. Die Kreuzung verschiedener Individuen untereinander ist eines der mächtigsten Mittel der Züchtung. Nicht nur die künstliche Auswahl bei der Züchtung, sondern die Züchtung selbst liefert an sich schon eine Verschiedenheit der Nachkommen. Das ist eine allgemeine Erfahrung, allein oft macht man sich eine gänzlich falsche Vorstellung von der Wirkung der Kreuzung. Es besteht u. a. die Ansicht, es entstehe eine neue Rasse; allein dies ist durchaus nicht der Fall, es entsteht nur eine Mischung, in der die Qualitäten der beiden Komponenten deutlich nachweisbar sind bis ins Einzelne. Ebenso verhält es sich bei dem Menschen. Auch hiefür ist schon eine reiche Summe von Tatsachen gesammelt und Beweis auf Beweis aufgetürmt in der bekannten Statistik über die Farbe der Augen, der Haare und der Haut der Schulkinder. Seit der durch R. Virchow in Deutschland durchge- 1065 — führten Statistik, dann jener aus Oesterreich von Schimmer, aus der Schweiz von mir, aus Belgien durch van der Kindere u.s. w. sollte der Mythus wohl für immer beseitigt sein, als ob durch Kreuzung neue Typen in Europa entstünden. Es haben sich seit Jahrtausenden Blonde und Brünette unzähligemale mit einander gekreuzt, aber nirgends ist dadurch ein neuer Typus entstanden. Es ist an Millionen untersuchter Kinder nach- gewiesen,“) wie viel in den einzelnen Bezirken Blonde und Brünette und Mischlinge zwischen diesen beiden Varietäten vorhanden sind, aber nirgends, weder in Deutschland, noch in Oesterreich, noch in der Schweiz noch in Belgien ist ein neuer Typus aufgefunden worden. Manche Beobachter haben dann einzelne dieser Merkmale bis in die Familien hinein und zwar auch bei Erwachsenen verfolgt, so z. B. in der Schweiz A. de Candolle (85), im Grossherzogtum Baden Ammon (99), in Elsass-Lothringen Pfitzner (97), aber nirgends hat sich eine neue Rasse oder ein neuer „Typus“ gefunden. In Frankreich hat Broca (71), in Italien Livi (96, 97) die Aufmerksamkeit den Rekrutierungslisten zuge- wendet und die Verhältnisse der im Lande vorkommenden Typen d. h. Varietäten in bezug auf die Grössenverhältnisse untersucht. Sie sind zu dem nämlichen Ergebnis ge- kommen, die Kreuzung schafft keine neuen Typen in Europa. Dieses Ergebnis hat namentlich Broca mit aller Klarheit über die Fragestellung ausdrücklich diskutiert. Nun könnte man sagen, das alte Europa sei in dieser Hinsicht nicht mehr mass- gebend, es sei steril, es produziere keine neuen Varietäten mehr; unfruchtbar in dieser einen Beziehung, zeige es die Erscheinung eines alten Weltteiles und die Degeneration der weissen Rasse beginne gerade damit in die Erscheinung zu treten. In andern Welt- teilen verhielten sich die Rassen anders. Allein genaue Untersuchungen, in dieser Richtung angestellt, haben ein vollkommen negatives Resultat ergeben. Amerika sollte doch in jeder Beziehung, sowohl im Norden wie im Süden, einen ausserordentlich günstigen Boden für die Bildung neuer Rassen darstellen. Europäer, der verschiedensten Art, Engländer und Spanier haben sich dort mit Indianern vermischt, seit Jahrhunderten. Seit der Einfuhr der Neger ist noch eine dritte Rasse hinzuge- kommen und damit die Gelegenheit zu neuen Kreuzungen zwischen den verschiedenen Rassen im ausgiebigsten Masse geboten worden. Bastarde aller Art sind entstanden und in allen Abstufungen, aber keine neue Varietät und kein neuer Typus. Weder die Körperhöhe, noch die Länge des Schädels, noch die Proportionen des Gesichtes, noch die Schnelligkeit des Wachstumes z. B. der reinblütigen Indianerkinder mit dem der Halbblut- kinder verglichen, noch die Fruchtbarkeit der Familien; keine dieser Eigenschaften deutet in irgend einer Weise auf die Entstehung eines neuen Typus hin, ebensowenig wie alle die Eigenschaften miteinander, wenn sie ihrer Gesamtheit in Betracht gezogen werden. Boas (94) hat diesen Nachweis mit der grössten Umsicht erbracht, die Zahlenangaben und Resultate sind entscheidend. Hagen (98), der lange Zeit unter ostasiatischen und melanesischen Völkern gelebt hat, sind wohl zahlreiche Mischlinge begegnet, aber kein neuer Typus, der durch Kreu- *, An mehr als zehn Millionen. 104 zung entstanden wäre. Seine Angaben sind gerade über die Mischlinge eingehend, aber nirgends findet sich ein Hinweis auf die Entstehung einer neuen Rasse, wohl aber wieder- holte Bemerkungen, welche zeigen, dass die Komponenten scharf hervortreten. Das Er- gebnis ist also auch in Ostasien: Mischlinge, aber keine neue Rasse. Finsch hat das nämliche Faktum festgestellt. Wenn nun Kreuzung weder in Europa, noch in Afrika, auch nicht in Ostasien und Melanesien neue Typen zustande bringt, wird sich die Sache in Ägypten wohl ebenso verhalten. Aus Ägypten liegt übrigens noch eine besondere negative Tatsache vor. Es bleibt unerklärbar, dass wir seit den ältesten Zeiten ganz an denselben Orten, ganz unter denselben Lebensbedingungen durchaus verschiedene Schädelformen nebeneinander bestehen sehen, wenn man den äussern Einflüssen einen so breiten Spielraum zugesteht, wie dies Fritsch tut. Ist es Ägypten, welches die läng- lichen etwas schmalen Hirnschädel, das kleine wohl proportionierte Gesicht geformt hat, wie kommt es, dass der Nubier sein plumpes Gesicht, seine breite Nase, dass der aus den Hochlanden Westasiens eingewanderte Fremde seine kurze Hirnkapsel, sein hohes Gesicht, seine vorspringende schmale Nase in demselben Ägypten durch alle Zeiten festhält. Das spricht, sagt Schmidt (85), wenig für eine den Schädel umformende Kraft äusserer Einflüsse, aber sehr laut zu Gunsten einer die Form beharrlich festhaltenden Energie der Vererbung. Das ist das Resultat von zahlreichen genauen Schädelmessungen aus allen Zeiten der ägyptischen Geschichte — keine Umwandlung der Rassen. Das schon oben erwähnte Völkerbild in den Königsgräbern von Deir-el-bähri mit der scharfen Charakter- istik mehrerer Rassen ist für Fritsch deshalb von keiner Beweiskraft, weil er meint, persönlich, mit eigenen Augen, im Laufe von 30 Jahren, Umänderungen gesehen zu haben. Nachdem, wie wir beweisen konnten, keine Umänderung der Rassen stattgefunden, müssen die Beobachtungen von Fritsch eine andere Deutung erfahren. Wir wollen gern glauben, dass sich der Fellache und der Araber und der Bedauin früher ziemlich schroff gegen- über standen und heute nicht mehr. Dies rührt aber von keiner Änderung der Rasse her, sondern ist eine Folge wiederholter Kreuzungen, eines zahlreichen Zuzuges, besserer sozialer Bedingungen u. dgl. Wer sich übrigens die Mühe gibt, die Angaben über die Beziehungen der umgebenden Völker zueinander aufmerksam zu vergleichen, wird finden, dass Fritsch nur die Erscheinungen des Zuzuges verschiedener Rassen und die Er- scheinungen der Kreuzung vor sich hatte und keine Umwandlung der Rassen, denn S. 136 unten gesteht er selber zu, „die Altägypter hätten in der Tat ihren besonderen Typus mit bemerkenswerter Zähigkeit bis in die neuere Zeit festgehalten“. Ferner er- wähnt er selbst wiederholt die Kreuzung der Rassen des Nillandes untereinander in den letzten dreissig Jahren; die bessern sozialen Verhältnisse, die ich hervorgehoben, sind eine Tatsache, die von allen Seiten erwähnt wird. So kann man wohl sagen, in Ägypten sind die Rassen ebenso beharrlich wie anderswo, und ihre angebliche Umwandlung wird lediglich vorgetäuscht durch Mischlinge und durch die Verbesserung der sozialen Lage der armen Bevölkerung, welche jetzt besser genährt ist als früher. Nach diesen zahlreichen Beweisen für die Beharrlichkeit der Menschenrassen trotz = 105. == der Kreuzung, wende ich mich zu einer andern Betrachtung, zu derjenigen der Varia- bilität. Wenn alle Beweise für die beständige Umwandlung der Menschenrassen im Stiche lassen, dann wird auf die grosse Tatsache hingedeutet, dass an dem Organismus des Menschen neue Eigenschaften auftreten und zwar in allen Systemen, im Knochen-, Muskel-, Gefäss- und Nervensystem und ebenso in den einzelnen Apparaten des Darm- systems. Man hat versucht, in die grosse Zahl der Varietäten, die auch oft als Ab- normitäten bezeichnet werden, von einem weiten Gesichtspunkt aus eine Einteilung zu versuchen, allein eine jede derselben hat mit den grössten Schwierigkeiten zu kämpfen. An dieser Stelle ziehe ich vor, alle neu auftretenden Merkmale als fluktuierende zu bezeichnen, ein Ausdruck, der darauf hindeutet, wie vergänglich diese neuen Bigen- schaften sind, und wie es trotz ihrer grossen Zahl noch nicht dazu gekommen ist, eine neue hasse zu erzeugen. Wenn neue Merkmale unvermittelt an einer grossen Zahl, also an Tausenden von Individuen aufträten und sich vererben würden, wäre eine solche Neubildung erreicht. Aber dieser Fall ist noch nirgends, soweit die Beobachtung reicht, eingetroffen, weil neue Merkmale nur bei einzelnen Individuen auftreten, bisweilen sich ein paar Generationen erhalten und dann wieder verschwinden.*) Zu den fluktuierenden Merkmalen, deren ephemere Natur von allen anerkannt wird, gehört die Zunahme des Fettes, der Muskulatur und der Körperhöhe der Individuen und ganzer Bevölkerungsklassen unter dem Einflusse besserer Lebensverhältnisse oder die Abnahme dieser Rigenschaften unter dem Einflusse schlechter Ernährung. Ganze Distrikte, weitgedehnte Länderstrecken der Ebene, oder gebirgige Gegenden können diese Ände- rungen der Bevölkerung aufweisen. Viele sind geneigt, unter solchen Umständen eine Umwandlung „der Rasse“ anzunehmen, allein von einem strengeren Standpunkt aus ist eine solche Deutung unzulässig. Die „Bevölkerung“ ist besser ernährt im Vergleich zu früher, aber durchaus nicht der Kern, das heisst die eigentliche innere Natur und Be- schaffenheit dessen, was im zoologisch-anthropologischen Sinne die Rassenqualität eines jeden Individuums ausmacht. Nur oberflächliche Eigenschaften sind berührt worden, keine Merkmale der jahrtausend alten Rassen. Dasselbe ist der Fall, wenn der Umfang des Brustkorbes durch die Arbeit in den Fabriken oder den Aufenthalt in der Schule, an dem Schreibtisch, in den Bureaux bei hunderttausenden der heranwachsenden jungen Männer abnimmt, oder derselbe Umfang zunimmt bei der Arbeit im Freien, wie dies schon oft durch weitreichende und gewissen- hafte Untersuchungen erwiesen wurde. Es entsteht dadurch keine Rasse mit flachem Brustkorb, weil durch einen Wechsel der Berufsart, durch die Übungen im Militärdienst u. dergl. der Brustkorb zwischen dem 20.—25. Lebensjahr wieder erweitert werden kann, so dass er während des ganzen Lebens weit bleibt. Überdies lehrt die genauere Betrach- *) Nicht alle fluktuierenden Eigenschaften sind von gleichem Werle, mehrere sind rein physiologischer Natur, betreffen also nur die Funktion einzelner Organe, aber hier müssen wir auf eine Erörterung physio- logischer Merkmale verzichten. " — 106 — tung, dass durch die Abflachung des Brustkorbes zwar Hunderttausende in der Gesund- heit und in der Widerstandsfähigkeit gegen die Anstrengungen des Lebens geschwächt werden, aber dennoch Kaukasier bleiben und keineswegs aus der weissen Rasse aus- scheiden. Es ergibt sich daraus wiederum, dass solche selbst verhältnismässig tief in das Geschick der Individualität eingreifenden Veränderungen dennoch oberflächlich liegen und die essentiellen Eigenschaften einer Rasse oder einer Varietät nicht im mindesten alterieren. Die oben angeführten Beispiele von einer Umwandlung einzelner Organe des Menschen sind allgemein unter der Annahme zusammengefasst worden, dass es sich hier- bei um eine Wirkung der äussern Einflüsse, des Milieu handle. In Amerika hat be- kanntlich Gould, in Italien Livi (96. 97) in Baden Ammon (99) mit besonderer Aus- führlichkeit nachgewiesen, dass der Mensch unter dem Einfluss des Milieu stehe und dass der Einzelne dadurch eine gewisse Summe von Veränderungen erfahre. Halten wir uns an die Arbeiten Livis, weil viele von uns das Land und die Leute aus eigener An- schauung kennen, was bei solchen Fragen, bei denen die persönliche Anschauung und Erfahrung eine so grosse Rolle spielt, von unschätzbarem Werte ist. Amerika ist uns im Vergleich damit fremd, und das Grossherzogtum vielleicht wegen der Gleichheit der Verhältnisse von den Reisenden mit weniger Aufmerksamkeit betrachtet worden. Für einzelne Gebiete Italiens und für einzelne Berufsarten, denn auch diese gehören zu dem Milieu, ist es nun nachgewiesen, dass die Menschen durch schlechte Lebenslage kleiner und elender werden, aber die Rassenmerkmale werden nicht geändert. Die Zahl der Leute mit dunkeln Augen, dunkeln Haaren und dunkler Haut nehmen dadurch nicht ab, die Form der Gesichtszüge ändert sich nicht, die Mechanik der Muskeln bleibt die- selbe, weil die Mechanik der Gelenke die nämliche bleibt. Man kann nun allerdings darauf hinweisen, dass innerhalb einzelner Gebiete und durch bestimmte Berufsarten die Körpergrösse abnehme und sich diese Abnahme vererbe, aber es darf diese letztere Er- scheinung nicht als Umänderung der Rasse betrachtet, sondern lediglich als Erscheinung der Degeneration der Bevölkerung und zwar aus zwei Gründen: weil erstens die Merkmale der kaukasischen Rasse Italiens dabei nicht im mindesten verändert werden und weil zweitens diese neuen, teilweise sogar krankhaften Eigenschaften nur oberfläch- lich in dem Organismus der Bevölkerung enthalten sind, da sie bei guter Lebenslage in ein paar (renerationen wieder verschwinden, also die frühere Körperhöhe wieder zum Vorschein kommt. Manche werden nun wohl die Richtigkeit dieser Auffassung anerkennen, aber viele werden ähnlich wie Fritsch annelımen, hier könne man die Entstehung eines neuen Typus mit Händen greifen. Um die letzteren von der Unrichtigkeit ihrer Auffassung zu überzeugen, sei zunächst an die merkwürdige Eigenschaft der Rassen erinnert, die ich als Persistenz bezeichnet habe. Sie gipfelt nicht allein in einer Jangen unveränderten Dauer, sondern auch darin, dass die Rassenmerkmale stets wieder durchbrechen und sieg- reich jene Nachteile beseitigen, welche ihre volle Entfaltung unterdrückt haben. Wird also das schlechte Milieu günstig umgestaltet, so steigert sich die Durchschnittskörper- — N höhe um einige Centimeter, die Muskulatur nimmt an Umfang zu, die Haut zeigt wieder lebhaftere Farbe und grössere Fülle. Die Krankheiten nehmen ab, die Zahl der Ehen und der Kinder vermehrt sich und eine solche Bevölkerung wird im Vergleich zu früher, wo sie armselig und degeneriert erschien, den Eindruck hervorbringen können, als sei ein neuer „Typus“ entstanden. Man wird auch oft genug die Bemerkung hören, die „Rasse“ habe sich verbessert, aber diese Ausdrucksweise ist durchaus falsch, es muss gesagt werden, die „Bevölkerung“ befindet sich in einer bessern ökonomischen Lage, die einzelnen Individuen sind deshalb runder und wohler aussehend im Vergleich zu früher, aber die eigentlichen Rasseneigenschaften sind nicht im mindesten verändert worden. Über eine richtige Bezeichnung dieser Vorgänge im Leben der Völker muss eine Einigung erzielt werden, um in Zukunft die Sprache des täglichen Lebens mit der- jenigen der Wissenschaft in Einklang zu bringen. Das ist noch ganz besonders notwendig gegenüber den Einflüssen der Kultur, welche das soziale Leben beeinflusst. Ihr Fortschritt bringt neue Lebensbedingungen, neue Formen der menschlichen Gesellschaft und damit gewaltige Umwälzungen des sozialen Lebens in Form neuer Kulturstufen, allein er ändert nicht das geringste an den Rasseneigenschaften. Wie haben sich die europäischen Verhältnisse geändert seit der Steinzeit! Kulturperioden folgten sich, immer höher stieg die Summe der neu gewonnenen Hilfsmittel, aber der Europäer blieb immer derselbe. Über die Lang- und Kurzschädel, die langen und breiten Gesichter, die Blonden und die Brünetten sind wir noch immer nicht hinausgekommen. Selbst die höchste bis jetzt erreichte Kulturstufe der europäischen Völker hat daran nicht das mindeste geändert. Vor dem mächtigen Faktor der Kultur beugen sich aber nur zu oft selbst wetterfeste Denker. Wenn verkündet wird, die kulturellen Einflüsse stellten den Menschen unter ähnliche Bedingungen der künstlichen Auslese, wie der Tierzüchter die Tiere, diese Einflüsse züchteten ihn nicht bloss geistig, sondern auch körperlich zu einem andern Wesen heran, er würde dadurch allmählich umgewandelt, dann gehen selbst die Beherzten in sich und nicken gläubig mit dem Haupte. Die Auseinandersetzungen O0. Ammons in seinem Buche, „Die Gesellschaftsord- nung und ihre natürliche Auslese“, werden die Abschnitte 4 und 5 bei jedem Leser den Eindruck hinterlassen, dass die Menschenrassen sich beständig umändern,*) denn was die Variabilität nicht vollbringt, bringt der Kampf ums Dasein zustande mit seiner natür- lichen Auslese. So glaubt der Leser schliesslich, die ganze europäische Menschheit sei in der Umwandlung begriffen. Denn wenn diese Faktoren miteinander, vor allem der Kampf ums Dasein in seinen verschiedenen Formen es dahin bringt, dass die Kräftigen bestehen, die Unkräftigen vergehen, der Tüchtige siegen und der Untüchtige erliegen wird, dann denkt sich jeder dazu, dass dies nur geschehen werde durch eine Umwand- lung der Rasse. Das Wort „Rasse“ führt jeder im Munde, es ist ihm oft die Gesamt- heit des Volkes, es wird auch als gleichbedeutend mit Stamm und Nationalität gebraucht *) 0. Ammon ist gleichwohl für die Persistenz der Rassen. (Briefliche Mitteilung.) — 108 — und sollte streng genommen doch nur eine bestimmte Summe von physischen Eigenschaften bezeichnen, weil es ein rein zoologischer Begriff ist. Aber diese Auffassung des Wortes Rasse als eines zoologischen Begriffes ist längst verlassen, seit Napoleon III. die Rassen- frage aufgerollt und die falsche Vorstellung von einer romanischen, germanischen, slavi- schen Rasse in die Welt geschleudert hat, während es in Wirklichkeit doch nur solche Völkerkomplexe gibt. Um in dem unaufhörlichen Für und Wider endlich zu einer objektiven Betrachtung des menschlichen Körpers zu kommen, muss man dessen Natur etwas schärfer berück- sichtigen. Sie steht unter dem Banne einer dreifachen Eigenschaft, die aus einer einzigen zu bestehen scheint, die wir aber, um sie richtig zu beurteilen, in drei verschiedene Qualitäten zerlegen müssen: in die Individualität, in die Sexualität und in die Rasse. Obwohl in einem einheitlichen Organismus zusammengedrängt, verhalten sie sich doch wie drei verschiedene Wesen. Am deutlichsten ist dies mit der Sexualität der Fall. Sie steckt in dem Individuum, drückt ihm ihren Stempel auf, ohne doch die Rasseneigenschaften irgendwie zu ändern. Es wird weder die Haar-, noch die Hautfarbe, noch die Form des Schädels oder des Gesichtes in wesentlichen Eigenschaften abgeändert. *) Wollte man den Vergleich der drei fundamentalen Eigenschaften mit geologischen Schichten gestatten, so könnte man die Sexualität mit mesolithischen Formationen ver- gleichen, welche die Erdoberfläche ausmachen helfen. Der Vergleich hinkt insofern, als die Sexualität nicht wie ein geologisches Stratum abgegrenzt ist, sondern den ganzen Körper durchdringt, wie das Licht die Atmosphäre, oder wie das Wasser den Sand. Man kann die Sexualität zerstören z. B. durch Entfernung der Keimdrüsen, das Wesen der Rasse, die in dem Individuum steckt, wird dadurch nicht alteriert. Johannes Müller hebt scharf hervor, dass bei den höhern Tieren trotz der getrennten Geschlechter die Individuen doch alle Eigenschaften der Spezies besitzen. Das gilt auch für den Menschen und seine Rassen. Und doch sind die Abkömmlinge der Rassen in Beziehung auf die Sexualität so gehemmt und so einseitig formiert, dass sie einander suchen, um sich gegenseitig zu vervollständigen. — Die grosse Unabhängigkeit der Sexualität von den übrigen Eigenschaften, namentlich auch von der Rasse ist eine Tatsache, die all- gemein feststeht, wenn auch die Art und Weise, wie die Natur dieses schwierige Prob- lem gelöst, für uns noch unbegreiflich ist. Durch die Erkenntnis der feinen Vorgänge im_Ei bei der Befruchtung sind wir freilich dem Verständnis dieses Vorganges näher gerückt, doch von der völligen Erkenntnis noch weit entfernt. Aber die Feststellung der Tatsache”an sich ist schon ein grosser Gewinn. Viel tiefer liegen in der menschlichen Natur die Eigenschaften der Spezies und der Rasse, die wir jetzt zu betrachten haben. Sie sind das dauernde; sie kehren in allen Generationen wieder, so viele sich folgen und werden durch die Erzeugung ähn- *) Die Abweichungen vom männlichen Typus im Skelett wie in den Weichteilen sind allgemein be- kannt. Es genügt also der Hinweis, siehe überdies Pfitzner (97). — 7109 — licher Individuen konstant wieder zum Vorschein gebracht. Ich verweise auf das von vielen Seiten und schon oft zitierte Völkergemälde in den Königsgräbern Ägyptens, auf eine der ältesten Urkunden, auf der die Rassen mit den nämlichen Rassenmerkmalen dargestellt sind, die wir noch heute an ihnen sehen und aus einer Zeit, die Jahrtausende hinter uns liegt. An der Bedeutung des Rassengemäldes aus den ägyptischen Königsgräbern darf die Anthropologie unbedingt festhalten, seit ich nachweisen konnte durch die Rekon- struktion der Weichteile, dass in den Pfahlbauten der Steinzeit der Schweiz Menschen lebten, welche gerade so aussahen wie die aus der Zeit des Dampfes und des Tele- graphen. Dabei ist überdies zu beachten, dass die Steinzeit Westeuropas und die Rassenporträte der ägyptischen Königsgräber nahezu aus derselben Periode der Menschen- geschichte herrühren. Der Rekonstruktionsmethode (Kollmann u. Büchly 98) darf man volles Vertrauen entgegensetzen, seit Merkel (00) das Verfahren einer Probe unter- zogen hat und zwar an einem Reihengräberschädel aus Rossdorf (germanisches Grabfeld) einer strengen Probe, die in bestätigendem Sinne ausgefallen ist. Ebenso hat Fürst (00) mit Erfolg eine solche Rekonstruktion ausgeführt. Alle diese Rekonstruktionen sprechen mit den Rassenporträten aus den ägyptischen Königsgräbern dieselbe Sprache von der Dauerbarkeit der Rassen und dem Irrtum jener Ansichten, die da meinen, der Mensch sei heute noch, wie in der Periode seines Werdens, in einer beständigen Umwandlung begriffen. Die Rasseneigenschaften haben sich aber nicht geändert, seit jene Periode zum Abschluss gelangt ist. Zu diesen Beweisstücken von der Dauerbarkeit der Rassen gehören auch die Fingerspitzen aus dem Pfahlbau von Corcelettes (Neuenburger See), die ich im Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, Nr. 9, 1899, Kongress in Lindau, erwähnt und ebenda in Nr. 10, 1900, Kongress in Halle a. S., ab- gebildet habe. Auch die Abdrücke der Fingerknöchel aus demselben Pfahlbau gehören hieher.*) Sie stammen aus der Bronzeperiode. Ihre Entstehung liegt also mehrere tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung, wie Montelius bei dieser Gelegenheit (Kon- gress in Lindau) erwähnt hat, und doch sind die Fingerspitzen, die Nägel und die Ge- lenklinien ebenso geformt wie bei Menschen von heute. Selbst der grosse Faktor Zeit hat hieran nichts geändert. — Wann die grosse Periode der Umwandlung (Mutation) zum Abschluss kam, entzieht sich einer exakten Angabe, man kann nur im allge- meinen aussagen, dass die Periode der Mutation seit Jahrtausenden abgeschlossen ist. Seit dieser Zeit herrscht Konstanz der Rassenmerkmale (02). Das ist die Beständigkeit der menschlichen Rassen, die ich mit Dauertypen be- zeichnet habe, mit einem Wort, das Huxley für dieselbe Erscheinung gebraucht hat, auf welche Paläontologie und Zoologie hinweisen, wenn sie die unveränderte Dauer so vieler Tierspezies seit dem Diluvium hervorheben. Auch der Mensch gehört zu diesen dauernden Formen. Im besonderen habe ich den Ausdruck „Dauertypen* angewendet *) Siehe auch Meisner (00). tn auf die weisse Rasse und zahlreiche Beweise dafür angeführt (81—S6), welche zeigen, dass die Schädelformen, welche die weisse Rasse in Europa besitzt, seit Jahrtausenden die nämlichen geblieben sind. Diese Angaben haben niemals ernsten Widerspruch er- fahren. In dem vierten Abschnitt dieser Abhandlung habe ich weitere Beweise in erosser Zahl beigebracht, welche den Knochen aus dem Dachsenbüel entnommen sind. An allen Knochen konnte gezeigt werden (siehe die Tafeln), dass die wichtigen Formen der Gelenke die nämlichen geblieben sind. Die Gelenkachsen und ihre Stellung zu- einander sind identisch in der Gegenwart und in der Vergangenheit, wie durch die Be- trachtung über die Torsion des Humerus im besonderen erwiesen wurde. Damit ist aber gleichzeitig dargetan, dass auch die Muskeln und ihre Mechanik dieselben geblieben sind trotz der grossen Kulturperiode, welche die europäische Menschheit durchlaufen hat und in denen sie die Bronze und das Eisen kennen lernte und nun seit einem Jahr- tausend solche Fortschritte gemacht hat, dass neue Entdeckungen auf allen Gebieten neue Daseinsbedingungen geschaffen haben, an welche vorher niemand gedacht hat. Die Industrie allein ernährt in reichlichem Masse Tausende und Tausende, für welche früher die Existenzbedingungen völlig gefehlt haben. Und dennoch trotz zahlreicher neuer Beschäftigungen und Erwerbsarten, anderer sozialer Zustände im Vergleiche zu früher und einem Kampf ums Dasein ohnegleichen sind die Merkmale und die Eigenschaften der Rassen nicht abgeändert worden. Wie das Urgebirge die eigentliche Grundlage darstellt, auf die sich alle übrigen geologischen Schichten aufgelagert haben, wobei es durch innere Vorgänge doch an den verschiedensten Stellen zum Vorschein kommt und bestimmend und formgebend die Gestalt der Erde in hervorragendem Grade beeinflusst, so auch die Rasseneigenschaften. Sie sind die Grundlage, der feste Kern des Organis- mus, welcher die wesentliche und charakteristische Form bestimmt, — einst — während der Entwicklung des Menschengeschlechts langsam und allmählich geworden, sind sie jetzt immutabel, beständig, dauernd. Zu den Rasseneigenschaften sind folgende Merkmale zu rechnen: Farbe der Haare, Farbe der Haut, Irisfarbe, Längenbreitenindex des Kopfes, Breitenhöhenindex des Gesichtes, Relative Länge der Gliedmassen, die Körpergrössen um 1500 mm. (Pygmäen), die Körpergrössen um 1600 mm. (die brünette Rasse Europas), die Körpergrösse um 1700 mm. (die blonde Rasse Europas). Siehe auch Pfitzner (III 99). Die individuellen Merkmale haben im Gegensatz zu denen der Rasse etwas Be- wegliches, sie sind ohne systematischen Wert und können lediglich zur spezifischen Bestimmung der einzelnen Individuen verwendet werden. Sie kommen, um entweder in der nächsten Generation oder erst nach einigen Generationen zu verschwinden. Aber — 11° — wie dem auch sei, sie sind fluktuierend insofern, als die Kinder bekanntlich niemals in allen Teilen den Eltern gleichen, sondern in einzelnen Merkmalen verschieden sind. Diese kleinen Abänderungen sind die Zeichen der Individualität, die mit ihr entstehen und zugrunde gehen. Sie sitzen weder so tief wie die Eigenschaften der Sexualität, noch so tief wie die der Rasse, auch dann nicht, wenn sie als atavistische Zeichen auf- treten und zwar gleichgiltig, ob sie auf die kurz vorausgegangenen Generationen zurückweisen, oder ob sie pithekoide Merkmale darstellen aus uralter Vergangenheit. Sie liegen dennoch oberflächlich und sind von kurzer Dauer. Man könnte sie mit den Alluvial- formationen vergleichen, welche einzelne Orte durch Ablagerung von Quellen, Flüssen oder Niederschlägen immer etwas abändern. Dennoch bleibt die Gestalt des Landes dieselbe. Den individuellen fluktuierenden Merkmalen begegnet der unbefangene Beobachter am häufigsten, die sexuellen werden im ganzen wenig beobachtet, Änderungen der Rasseneigenschaften werden dagegen in der Regel nur dem Kenner oder dem Zer- gliederer des menschlichen Organismus dem wahren Wesen nach bekannt. Dies ergibt sich daraus, dass die individuellen und die Rassenmerkmale noch beständig der Ver- wechslung ausgesetzt sind, wodurch die Erörterung des Vererbungsproblemes ausser- ordentlich erschwert wird. Ein Beispiel wird dies deutlich machen. Fritsch (99) unterscheidet im Nillande: „den Typus des trainierten Wüstenbewohners, die arabischen Bedauin einerseits, mit den dürren, häufig nach auswärts gekrümmten Beinen, der leicht gebeugten Haltung und der zähen, aber dünn angelegten Muskulatur“; den „Typus der Fellachen andererseits“, der auch hagere, schlanke Glieder aufweist, häufig von beträcht- licher Länge, die Muskeln durch die schwere Arbeit mächtiger, die Gesichter ziemlich lang mit der vorspringenden dicklichen Nase. Werden diese eben mitgeteilten Merkmale nach den aufgestellten Kategorien ab gewogen, so ergibt sich sofort, dass der Typus der arabischen Bedauin nur durch wert- lose, fluktuierende Merkmale charakterisiert wurde, denn die dünnen und gekrümmten Beine, die leicht gebeugte Haltung und die dünne Muskulatur sind keine Rassenmerk- male, sie stellen nichts Unterscheidendes dar, sie treten bei allen Völkern der Erde bei mangelhafter Ernährung auf. Nur von den Fellachen wurden neben fluktuierenden Eigenschaften, wie hagere, schlanke Glieder, auch kurze Gesichter und damit ein Rassen- merkmal hervorgehoben, wozu auch die vorspringende, dickliche Nase zu rechnen ist. Die Kürze des Gesichtes ist Jahrtausende alt, wie ich wiederholt nachgewiesen; sie hängt von der gleichen Beschaffenheit des Gesichtsskelettes ab. Dasselbe gilt von der vorspringenden Nase, weil sie ein Teil des Gesichtes ist. Man sieht, individuelle und Rassen- eigenschaften sind ungenügend auseinandergehalten. — Das ist nur ein Beispiel statt vieler. Um die Erörterung über Entstehung von „Typen“ in Zukunft auf etwas höheren Boden zu stellen, scheint es mir unbedingt notwendig, die in Betracht kommenden Merkmale in drei Kategorien zu sondern: 1. Die Kategorie der morphologischen Merkmale; sie drücken der Rasse und der Varietät ihren unauslöschlichen Stempel auf. Der weisse Mann zeugt Weisse, der — a Neger zeugt Neger, das Gegenteil ist noch nie vorgekommen. Beständig durch Jahr- tausende sind alle jene Zeichen, die oben erwähnt wurden, unverändert erhalten. 2. Die Kategorie der sexuellen Merkmale; sie unterscheiden die Geschlech- ter, Unterschiede, die tief in das individuelle Gepräge einschneiden, aber deshalb nicht für die Rassenlehre in Betracht kommen, weil sie bei allen Rassen vorkommen und doch nicht tiefgehend genug sind, um das Gepräge der Rasseneigenschaften zu verwischen. 3. Die Kategorie der individuellen Eigenschaften; sie haften an den In- dividuen, helfen zur Unterscheidung des Einzelnen, sie können zwar auch Generationen ausdauern und so einen Familientypus zum Ausdruck bringen durch eine bestimmte Form der Unterlippe (Habsburger), des Bartwuchses, der Hände u. s. w., aber niemals wird dadurch die Rasse und die Varietät beeinflusst oder abgeändert. Diese drei Kategorien sind in alle Zellen des menschlichen Körpers eingefügt und wohl an besondere Moleküle gebunden, die von einander unabhängig sich verändern können, denn sonst wäre es nicht denkbar, dass normale und pathologische Verschieden- heiten sich hervorbilden, ohne dass die sexuellen oder die Rassenmerkmale irgendwie beeinflusst werden. Man wird also zu der Annahme gedrängt, dass die Moleküle, die als Träger der Rassenmerkmale funktionieren, unter dem Einfluss des Milieu nicht verän- dert werden, während die Träger der individuellen Merkmale sich unter dem Einfluss des Milieu umgestalten. Jene Moleküle, welche die Träger der sexuellen Eigenschaften sind, stehen nach den vorliegenden Erfahrungen in der Mitte. Die Unabhängigkeit der Moleküle dieser drei verschiedenen Kategorien in dem menschlichen Organismus ist sehr bedeutend; dies lässt sich an einem Experiment zeigen, das früher oft aufgeführt wurde, die Kastration. Wenn sie früh genug vorgenommen wird, wie es dann geschah, wenn es galt, zur grössern Ehre Gottes in Italien weiblich klingende Gesangsstimmen mit männlicher Stärke zu erzielen, dann verkümmern die sexuellen Moleküle des männlichen Individuums, während die Rassen-Moleküle gänzlich intakt bleiben und die individuellen kaum alteriert erscheinen. Die Veränderungen des menschlichen Organismus sind hin- reichend nach dieser Richtung studiert worden, um die vollkommenste Unabhängigkeit der Rasseneigenschaften darzutun. Der Kastrat wird weder eine Rothaut noch ein Mongole oder Indianer, er erhält keine anderen somatischen Eigenschaften als die Kau- kasier, dagegen ist alles, was den Mann sonst auszeichnet, die Grösse des Kehlkopfes, die Entwicklung des Bartes, die Stärke der Muskulatur, die Fettarmut der Haut, be- seitigt, die sekundären sexuellen Merkmale sind entfernt. Das Bild der molekulären Veränderung wird doppelt lehrreich, wenn wir die Kastration bei unsern Haustieren ins Auge fassen, wozu sich so reiche Gelegenheit gibt. Die Rassenmerkmale bleiben gänzlich unverändert. Trotz der eben vorgeschlagenen Sonderung bleiben noch immer genug Schwierig- keiten zu überwinden. Der Organismus des Menschen zeigt nicht bloss die drei er- wähnten Kategorien von somatischen Eigenschaften (söu@ der Körper), die in das Ge- biet der Anatomie verwiesen werden können, insofern ihre Zergliederung durch das — 8) — Messer erfolgen kann, er besitzt dieselben Kategorien auch als physiologische Qualitäten, wie z. B. die Anpassung an die Extreme des Klimas. Aber dieses Gebiet ist noch viel dunkler als das derjenigen Eigenschaften, die man in ihrer Gesamtheit als somatische zusammenfassen kann. Ich begnüge mich deshalb mit diesem kurzen Hinweis. Dagegen muss einer andern Schwierigkeit gedacht werden, die in der grossen Variabilität des Menschengeschlechtes liegt, an der alle Organe teilnehmen können. Man nimmt mit Recht an, dass manche Varietäten zu neuen Rassen hinführen werden, also progressiv sind, die übrigen dürfen wohl meist nur vom Standpunkt des Atavismus aus beurteilt werden. Allein alle sind so bedeutungsvoll, dass ein paar Bei- spiele zur Aufklärung notwendig sind. Eine bekannte Varietät ist die Hyperdaktylie, wobei sechs Finger und sechs Zehen treten. Sie ist erblich*) und kann durch mehrere Generationen hindurch wieder- kehren, sie ist insofern noch weiter interessant, als es sich um das Auftreten von kom- plizierten Gebilden handelt. Bei gut entwickelten Formen der Hyperdaktylie treten Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder, Gefässe und Nerven auf. Selbstverständlich fehlen. auch die Nägel nicht. Die Natur produziert also mit einemmale ein zusammen- gesetztes Organ, das unvermittelt auftritt und so tief in dem Wesen der Individualität darinnen steckt, dass diese Anomalie den Nachkommen übertragen werden kann. Und dennoch muss diese Anomalie zu den fluktuierenden Eigenschaften gerechnet werden, weil sie schliesslich immer wieder verschwindet. So oft auch schon Sechsfingerigkeit aufgetreten ist, es kommt zu keiner Menschenrasse mit sechs Fingern. Die Abnormität wird nach wenigen Generationen unterdrückt, sie verschwindet aus der Familie und aus dem Bezirk, um in einer andern Familie, weit entfernt, gelegentlich wieder aufzutreten. Ebenso überraschend wie die Hyperdaktylie ist das Auftreten von einer grössern Wirbelzahl, ist die Vermehrung der Rippen, die Vermehrung und Verminderung der Schneidezähne, der Backzähne u. s. w. Alle diese Varietäten, zu denen noch eine Menge anderer kommen im Bereich sowohl der harten als der weichen Teile des Organismus, sind aus verschiedenen Gründen interessant, ja oft auch medizinisch und chirurgisch sehr wichtig wie die Gefässanomalien, aber trotz ihrer Häufigkeit ist doch noch keine neue Menschenrasse entstanden. Ob das immer so bleiben wird, kann niemand mit Be- stimmtheit voraussagen, aber sicher ist, dass trotz dieser Variabilität bis jetzt noch keine neue Rasse entstanden ist, weder in Europa noch, so viel wir wissen, an einem anderen Punkte der Erde.**) *) An die Degeneration der Brustdrüse und ihre Folgen, sowie die Erblichkeit der Degeneration wurde schon erinnert (Bollinger, Bunge, Hirth a.a. 0. S. 43). Dennoch entsteht keine neue „Rasse* von europäischen Frauen. **) Es ist wohl notwendig, dass man sich über das Wesen der Variabilität verständige. Die Varia- bilität besteht unzweifelhaft und dennoch sind die Menschenrassen konstant. Das scheint ein Widerspruch, ist aber doch ein Faktum, das de Vries auf Grund von vielfachen Erfahrungen zu dem Ausspruch geführt hat, die Menschenrassen sind wie viele andere Arten und Unterarten variabel, aber nicht mutabel. 15 114 ° — Rosenberg (95) hat u.a. die Zahnanomalien im Bereich der Schneidezähne des Menschen genau untersucht und festgestellt, welcher Art diese Anomalien sind. Seine Ausführungen lassen es denkbar erscheinen, dass eine Reduktion des Gebisses in Zukunft eintritt, wobei im Oberkiefer die seitlichen, im Unterkiefer die innern Incisoren ver- schwinden und dann eine Menschenrasse mit 28 Zähnen und mit nur vier Schneidezähnen im Öber- und Unterkiefer zum Vorschein kommen würde. Wie weit diese Erwägungen bereits gediehen sind, mag man daraus entnehmen, dass Cope meint, die Zahnformel, die jetzt das Genus Homo charakterisiert, werde in Zukunft nur bei niedern Rassen fortbestehen, diese repräsentieren dann das Genus Homo, während eine Menschenrasse, mit der Zahnformel J 5 c- Pın 3 MI das Genus Metanthropos darstellen und die = M> ein Genus Epanthropos charakterisieren würde. Das Zahnformel J C Pm zweite Menschengeschlecht hätte nach dieser Voraussetzung im Öberkiefer nur zwei, im Unterkiefer vier Schneidezähne, das dritte Menschengeschlecht dagegen im Ober- und Unterkiefer nur je zwei Schneidezähne. Dieses Beispiel zeigt, dass das Zahnsystem genaue und scharf analysierte Tatsachen in grosser Zahl bietet. und in einen logischen Zusammenhang gebracht, verdienen sie die grösste Aufmerksamkeit. Alle die von Rosenberg, Lech&, Cope, Busch, Zuckerkandl, Scheef, Baume u.a. gemachten Angaben beziehen sich auf Objekte, die einzeln, für sich festgestellt sind und eine un- antastbare Reihe von Tatsachen darstellen, im Vergleich zu jenen unsichern Angaben über gekrümmte Beine, leicht gebeugte Haltung und dünn angelegte Muskulatur, die niemals ausreichen werden, um einen neuen Typus festzustellen. Und dennoch sind diese Zahnanomalien, trotz ihrer grossen morphologischen Wichtigkeit, so lange unter die fluktuierenden Produkte der Variabilität des Menschen einzureihen, bis diese Ano- malien zu einem konstanten Merkmal durchgedrungen sind und dadurch eine neue europäische Spezies entstanden ist mit der schon oben gegebenen Zahnreihe.*) R) 3 *) Untersuchungen über alte primitive und über neu auftretende Merkmale im Bereich der Wirbel- säule sind nicht minder wertvoll. Ich verweise auch hier auf Rosenberg (99). In den beiden zitierten Abhandlungen ist auf die vielen Autoren hingewiesen, welche sich mit dem Problem der Variabilität dieser oder anderer Organe beschäftigen, von J. F. Meckel bis Gegenbaur und Turner. Für uns ist hier bemerkenswert, dass die Varialionsbreite der menschlichen Wirbelsäule sehr beträchtlich ist. R. Virchow hat eine andere Reihe von Variationen berücksichtigt, die am Schädel vorkommen (97), desgleichen Ranke (99), Stieda (9) u.a. Was fluktuierende Merkmale der Extremitäten betrifft, so verweise ich auf die Arbeiten von Gegenbaur und jene von Pfitzner, die letzteren in mehreren Jahrgängen der morpho” logischen Arbeiten enthalten, herausgegeben von G. Schwalbe. Alle diese Untersuchungen bereichern in hohem Grade unsere Kenntnisse über die Variabilität des menschlichen Organismus und zeigen, dass dieser wichtige Faktor für eine spätere Umwandlung noch beständig seine Wirksamkeit besitzt, aber die Rassen der Gegenwart sind durch die ausgibigste Variabilität doch nicht umgeändert worden. Berichtigung: In dem schon zitierten Artikel (00) habe ich eine Ansicht Rosenbergs irrtüm- lich wiedergegeben. Nicht die Sechszahl der Ineisoren und nicht die Sechszahl der Lumbalwirbel ist von ihm als eine Zukunftsform aufgefasst, sondern die Vierzahl. Er war so gütig, mich bei Gelegenheit eines Besuches in Utrecht auf diesen Lapsus calami aufmerksam zu machen, wofür ich ihm hier verbind- lichst danke. Aus dieser Betrachtung über die Variabilität des menschlichen Gebisses und über die Variabilität überhaupt geht wohl zur Genüge hervor, dass ich weder das Menschen- geschlecht noch die einzelnen Rassen und noch weniger die Individuen für unwandelbar halte. Im Gegenteil, ich nehme an, dass eine Veränderung, ja sogar das Auftreten neuer Rassen mit Hilfe der Variabilität möglich sei, ich bestreite nur, dass dies innerhalb dreissig Jahren möglich sei, nicht einmal dreihundert, auch nicht zehntausend Jahre haben es vermocht, eine Umwandlung der europäischen Menschenrassen hervorzubringen. Die Beweise für die Persistenz liegen so zahlreich vor uns, dass daran nicht zu zweifeln ist. Wir werden dadurch zu dem Schluss hingeführt, dass die fluktuierende Variation, der wir in allen Organen des Menschen begegnen, an sich wohl die Mittel zur Bildung von neuen Rassen enthält, aber tatsächlich zur Bildung neuer Art- und Rassenmerkmale doch nicht ausreicht. Es gehört dazu z. B., dass die Europäer in eine Periode der Mutation geraten wie in den ersten Entwicklungsperioden der Menschheit, wobei die fluktuierenden Eigenschaften fixiert bleiben. Wie de Vries zu dem Ergebnis kam, dass die Artbildung in der Natur keineswegs immer stattfindet, so komme auch ich zu dem nämlichen Ergebnis bezüglich des Menschengeschlechtes. Trotz einer bedeutenden Variabilität, die der Mensch besitzt, sind in den angegebenen Zeiträumen doch keine neuen Rassen, keine Typen u. dgl. gebildet worden, obwohl fluktuierende Eigenschaften in hohem Grade der Vererbung unterliegen. Trotz dieser Tatsache lassen neue Rassen des Menschen noch immer auf sich warten. Vielleicht kommt eine Zeit, in welcher neue Rassen in die Erscheinung treten und nach einer relativ kurzen und vorüber- gehenden Mutationsperiode plötzlich und unvermittelt entstehen. Was eine solche Periode herbeiführen kann, ist völlig dunkel, wir wissen nur, dass wir uns jetzt in keiner solchen Periode befinden. Ich wiederhole zum Schluss folgende Sätze, die unser heutiges Wissen richtig wiedergeben dürften: Der Mensch der Jetztzeit ist variabel, aber nicht mutabel. Dies stimmt mit den Erfahrungen von de Vries an Pflanzen und mit den an der Paläontologie der Wirbel- tiere gewonnenen Anschauungen Scotts überein. Die Variabilität des Menschen er- streckt sich auf alle Systeme seines Körpers; selbst das älteste System, das Zahnsystem, ist variabel. Einzelne Varietäten können sich durch mehrere Generationen hindurch vererben, dennoch entstehen jetzt keine neuen Rassen und sind seit mindestens zehntausend Jahren keine neuen entstanden. Solches wäre, nach den jetzigen Erfahrungen, nur möglich, wenn die Rassen wieder in eine Periode der Umwandlung (Mutation) versetzt würden, ähnlich derjenigen, welche bei ihrer Entstehung durchlaufen wurde. In der Jugendperiode der Menschheit, in der sie die grossen Wanderungen rings um die Erde vollendet hat, mag die Migration und die natürliche Auslese eine ansehnliche — Rolle für die Entstehung von Rassen gespielt haben, aber in den letzten zehntausend Jahren sind diese Faktoren für die Bildung neuer Menschenrassen wirkungslos geblieben. Trotz der Variabilität befinden sich die Menschenrassen in einer Periode der Dauerbarkeit. Der Mensch ist zu einem Dauertypus geworden und seine Rassen sind persistent. Änderungen, welche jetzt das Milieu hervorbringt, berühren nur die indivi- duellen Eigenschaften, aber nicht die Rassenmerkmale. Es ist notwendig, die Merkmale der Rasse von den sexuellen Eigenschaften und von den fluktuierenden Varietäten scharf zu trennen, sowohl bei der Betrachtung der Völker als der Indiyiduen. Individuen und Völker können unter dem Einfluss des Milieu (Malaria, Hunger) herunterkommen, aber ihre Rasseneigenschaften werden dadurch nicht abgeändert. — Die Kreuzung ist bei dem Menschengeschlecht kein Faktor für die Bildung neuer Rassen. Die Missverständnisse, denen diese Ausführungen beständig begegnen, beruhen darin, dass die individuellen Beziehungen des Menschen zu der Natur nicht von denen der Rasse getrennt werden. Um Veränderungen der Rasse wahrzunehmen, muss man den Standpunkt etwas hoch nehmen. Jahrtausende haben die Rassen unverändert durchlebt, wie die Knochen vom Dachsenbüel und anderer neolithischer Stationen deut- lich beweisen. Die Erblichkeit einer Anomalie (Überzahl der Finger, der Rippen, der Wirbel u. dgl.) genügt an sich nicht. Die Anomalie muss für die ganze Lebensdauer der Spezies oder der Rasse fixiert werden. Pen Erklärung der Tafeln. Tafel 1. Fig. 1. Oberarm von vorn, unteres Endstück, hochgewachsene Rasse vom Dachsen- büel, neolithisch. Natürliche Grösse. Fig. 2. Öberarmknochen von hinten, unteres Endstück, hochgewachsene Rasse ebendaher. Natürliche Grösse. Fig. 3. Rechte Elle, oberes Endstück von vorn; hochgewachsene Rasse ebendaher. Natürliche Grösse. Fig. 4. Rechte Elle, oberes Endstück, etwas von der Seite gesehen, hochgewachsene Rasse ebendaher. Natürliche Grösse. Tatel 2. Fig. 1. Oberschenkelknochen, oberes Endstück von hinten, von einem Pygmäen vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 2. Oberschenkelknochen, oberes Endstück von hinten, von einem Pygmäen vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 3. Kniescheibe von vorn, von einem Pygmäen (Wedda). Natürliche Grösse. Fig. 4. Kniescheibe von vorn, von der hochgewachsenen Rasse vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 5. Sprungbein von oben gesehen, von einem Pygmäen vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 6. Sprungbein von oben gesehen, von der hochgewachsenen Rasse der Neuzeit. Natürliche Grösse. Tafel 3. Fig. 1. Hüftbeinfragment einer Frau aus dem Dachsenbüel, hochgewachsene Rasse; von der rechten Körperseite, mit Gelenkpfanne und einer abnormen Grube: Fossa para- spinata, von aussen gesehen. Fig. 2. Oberschenkelknochen eines Pygmäen aus dem Dachsenbüel, um die Krüm- mung des Schaftes zu zeigen. Fig. 3. Oberschenkelknochen eines Pygmäen aus dem Dachsenbüel, unteres End- stück, um die Form der Condylen, die Incisura intercondyloidea und die Superficies patellaris zu sehen. Natürliche Grösse. - 118 — Tafel 4. Fig. 1. OÖberarmknochen, oberes Endstück, hochgewachsene Rasse, vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 2. Oberarmknochen, oberes Endstück, Pygmäe vom Dachsenbüel. Natürliche Grösse. Fig. 3. Platyknemes Schienbein, von vorn gesehen, von einem Pygmäen vom Dachsenbüel. Die Schlangenlinie der vordern Kante erkennbar. Verkleinert. Die na- türliche Länge des Knochens beträgt 317 mm. Fig. 4. Kanelliertes Wadenbein. Hochgewachsene Rasse, vom Dachsenbüel, neolithisch. Fig. 5. Der Drehwirbel des Halses eines Pygmäen vom Dachsenbüel, von oben gesehen. Natürliche Grösse. Fig. 6. Der Drehwirbel eines hochgewachsenen Mannes der Neuzeit, von oben gesehen. Natürliche Grösse. Nachtrag. Seit der Fertigstellung dieser Abhandlung sind in Europa noch an mehreren Orten, in Gräben und Höhlen, Pygmäenskelette entdeckt worden, die mit einigen Worten er- wähnt werden sollen. Solange solche Funde nur vereinzelt vorkamen, war das Interesse kaum lebhafter erregt worden, denn so ein paar Zwerge konnten ja am Ende auch patho- logisch sein und als Erscheinungen der Degeneration aufgefasst werden. Das wird sich allmählich ändern mit der Häufigkeit genau beschriebener Fälle. Ich hebe also folgendes hervor. Durch Prof. Thilenius sind in Worms und Egisheim am Rhein, ebenso in Schlesien und zwar zwischen Breslau und den Zobten Pygmäen in Gräberfunden nach- gewiesen worden (Globus Bd. 81. 1902 Nr. 17). Auf die Bedeutung dieser Entdeckung habe ich dann u. a. hingewiesen in einem Artikel: Pygmäen in Europa und Amerika (Globus Bd. 81. 1902 Nr. 21). Dies zur Ergänzung der vorstehenden Angaben auf S. 48. Unter Nehrings Einwendungen gegen meine Auffassung der systematischen Stel- lung der Pygmäen kehrt die Bemerkung wieder, die diluvialen Bewohner Mitteleuropas seien nicht von zwerghafter Natur gewesen. Das ist nur teilweise richtig. Jetzt zeigt sich nämlich, dass pygmäenhafte Leute auch damals schon unter den Hochgewachsenen gelebt haben. Vor kurzem sind in diluvialen Schichten — aus der Rentierperiode — Pygmäenskelette gefunden worden, eine Entdeckung von höchster Bedeutung für die Natur- geschichte des Menschen. Der für die Naturwissenschaften begeisterte Fürst von Monaco hat in den Grotten von Baousse-Rousse in der Nähe von Nizza Ausgrabungen vornehmen lassen, über deren Erfolg Herr Dr. Verneau berichtet hat (L’Anthropologie Tom. XII — 119 — Paris 1902 Nr. 5). In einer Tiefe von 1,90 m. fanden sich zwei Skelette, von denen das messbare eine Körperhöhe von nur 1.45 m. aufweist, die pygmäenhaft ist. In einer Tiefe von 7,05 m. kam ein Skelett zum Vorschein mit dem Typus des Alten von Cro-Magnon in einer Körperhöhe von 1,92 m. Noch tiefer 0,70 m. und getrennt durch eine intakte Schichte fanden sich zwei weitere Skelette, deren Schädel „negroiden Typus“ zeigen und von pygmäenhafter Körperhöhe sind, nämlich 1,54 m. und 1,58 m. Leichenmass, das sich bekanntlich am Lebenden um 20 mm. reduziert. Verneau bezeichnet „diese neue Rasse als Type de Grimaldi“, ohne jedoch ihre Pygmäennatur hervorzuheben. Ich muss mir versagen, hier auf weitere Einzelheiten einzugehen. Eine ausführliche Mono- graphie des Fürsten von Monaco ist in Vorbereitung, ich komme nur auf den Einwurf Nehrings zurück, den ich S. 43 erwähnt habe mit dem Hinweis, dass nunmehr auch das Diluvium Pygmäen besitzt*) und dadurch Nehrings Einwendung hinfällig wird. Zu den Abbildungen auf S. 66 und 67 (Figur 1, 2, 3) sei erwähnt, dass sie aus einer Arbeit stammen, die unter dem Titel „Die Pygmäen und ihre systematische Stel- lung innerhalb des Menschengeschlechtes“ erschienen ist (Festschrift für Prof. Hagenbach- Bischoff, Verh. Naturf. Ges. Basel, Bd. XVI. 1902. 8°). Neben jeden Pygmäenschädel wurde stets ein solcher der grossen Rasse gestellt, weil nur durch Vergleichung der be- deutende Unterschied hervortritt. Die Anschauungen, welche Nyström (Archiv f. Anthropologie 1902. Bd. 27 8. 317) ausgesprochen hat: Der langgestreckte und der kurze Typus des Hirnschädels seien durch verschiedenen Zug der Nackenmuskeln hervorgehoben, sind falsch. Ich verweise den Autor auf Seite 10l u. ff. und auf den Nachtrag in meiner oben zitierten Abhandlung im Archiv für Anthropologie (02). Was Walkhoff betrifft (Unterkiefer der Anthropomorphen und des Menschen u. s. w. Wiesbaden 1902. Mit 59 Abbildungen), der meint, die Thesis von der Persistenz der Menschenrassen lasse sich nicht aufrecht erhalten, so habe ich ihm schon früher ent- gegnet, (Arch. f. Anthr. 02), er überschätze, wie so viele, die Variabilität des Menschen in ihrer Wirkung. Die Variabilität für sich erzeugt keine neuen Formen (siehe S. 134 der vorliegenden Abhandlung). Die Auffassung v. Luschans (Ziele und Wege der Völkerkunde in den deutschen Schutzgebieten, Verhandlungen des deutschen Kolonialkongresses 1902. 8°. S. 163): es handle sich bei sehr vielen dieser wirklichen und scheinbaren Pygmäen um Konvergenz- erscheinungen, lässt sich zunächst nur als eine von kurzer Hand ausgesprochene Bemer- kung hier anführen, bis die umfangreiche Arbeit erschienen ist, in der sich der Autor eingehend mit Pygmäen befassen wird. Auch als Konvergenzerscheinung bleiben die Pygmäen eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Zusammensetzung des Menschen- geschlechtes. *) Ueber diesen Fund hat sich schon Gaudry vernehmen lassen und noch andere Gelehrte wie Boule, Cartailhac und Capitan haben dem wichtigen Gegenstand ihre Aufmerksamkeit geschenkt. 1599, 1894, 1895, . 1895, 1599, 1366, 1874, 1888, literatur. Abschnitt II. Bollinger O., Ueber Säuglings-Sterblichkeit und die erbliche funktionelle Atrophie der menschlichen Milchdrüse. Korrespondenzblatt der deutschen anthr. Gesellschaft 1899 Nr. 10. Bericht über die Ver- sammlung in Lindau. Brinton D.E., The Peoples of the Philippines. The American Anthropologist. Oct. 1898. Brinton D. E., The dwarf tribe of the Upper Amazon. American Anthropologist. September 1898. Bunge @.v., Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder zu stillen. München 1900. 8°- Eisler P., Der Musculus sternalis. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie. Bd. III. Heft 1. 1901. Mit Tafeln und Figuren im Text. Flower (Sir) William, On the Osteology and Affinities of the Natives of the Andaman Islands. Journal Anthropological Institute. Vol. IX. 1879. Vol. XIV. 1884, Vol. XVII 1888. Siehe dort weitere Literaturangaben. Fritsch Gust. Die Eingebornen Süd-Afrikas. Ethnologisch und anatomisch beschrieben. Mit 2% Tafeln und einem Atlas. 1872. 8°, Haliburton R. G., Survivals of Dwarf Races in the New World. From the proceedings of the American Association for the Advancement of Science. Vol. 43. 189. , Hirth Georg, Ideen zu einer Enqu&te über die Unersetzlichkeit der Mutterbrust. München 1900. 8°, Joachimsthal, Verhandlungen der Berliner anthrop. Gesellschaft. Ausserordentliche Sitzung vom 28. Jan. 1899. In der Zeitschrift für Ethnologie. Ferner deutsche medizinische Wochenschrift 1899. Nr. 17 und 18. Das unterdessen mit Abbildungen erschienene Werk ist mir nicht zugänglich gewesen. Kollmann J.. Pygmäen in Europa. Verhandlungen des Anatomen-Kongresses in Strassburg. VII. Ver- sammlung 189%. In dem Anatomischen Anzeiger desselben Jahres, mit 4 Figuren im Text. Kollmann J., Pygmies in Europe. Report on the 64 Meeting of the British Association for the Advancement of Science held at Oxford. August 1894. London S. 781. Kollmann J., Der Mensch in Nüesch das Schweizersbild, eine Niederlassung aus palaeolithischer und neolithischer Zeit. Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Bd. XXXV 1895. Klaatsch H., Die fossilen Knochenreste des Menschen und ihre Bedeutung für das Abstammungs- problem. Mit 20 Textabbildungen. In Merkel und Bonnet Ergebnisse der Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte. Bd. IX. 1899. Wiesbaden 1900. Macalister, Notes on anomalies in human anatomy Proceedings Royal Irish Accademy 1866. 8°. pag. 21. Mandach D.v., Bericht über eine im April 1874 im Dachsenbüel bei Schaffhausen untersuchte Grabhöhle. Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft. Zürich 1874. 4°. Mit 3 Tafeln. Manouvrier L., Memoire sur la platyenemie chez l’homme et chez les Anthropoides. M&moires de la Societ# d’Anthropologie 1888, Neue Denkschriften der Schwer:. Fossa radialis Capıtulum humer Jneisura senttlunaris lneisura radıalis Tuberositas ulnae Endstück des Naturf. Gesellschaft, Bd. NAXNZIN, z. Hälfte. Oberes Endstück di links von Seite gesehen. Natürliche Grösse. Aus dem vorn, rechts von der äussern Dachsenbüel. Grosse Rasse. Neoli- thısche Periode. Taf. 1. Fossa cramı na Senoe= Processus eoronvidens en Incisura radıtalts “orcases Crista musculi suptnaltorıs Crista interossea Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XNXXINX, r. Hälfte. Trochanter minor Abflachung (Platyınerie) Oberschenkelknochen, oberes Endstick von einem Pygmäen aus dem Dachsenbüel. Nat. Grösse. von Vorn von Hinten Kniescheibe von einem Pygmäen. Nat. Grösse. (Ceylon.) Kniescheibe der hochgewachsenen Rasse Sprungbein eines Pygsden aus dem vom Dachsenbüel. Nat. Grösse. Dachsenbüel. Nat. Grösse. Sprungbein der hochge wachsenen Rasse. Neuzeit, Nat. Grösse, Neue Denkschriften der Sch« Naturf. Gesellschaft, Bd. NXAINX, r. Hälfte, Taf. 5 Fig. ı Hüftknochen, Fragment. Nat. Grösse Spina amt. sup. ‚rosser Rollhügel kleiner Rollhügel ıste saraspınal Crista paraspinata Fossa paraspinata Spina ant. m/f. Fig. 2 Pygmäe aus dem Dachsenbüel,. Pilaster ZEREETE e. a Fig. 3 Nat. Grösse Medialer Condylus Lateraler Condylus Incisma intercondyloidea 11: Tuberculum minus Vene Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Fig. I Grosse Rasse Fig. 6 Drehwirbel Dachsenbüel Grosse Rasse Drehwirbel Basel Fig. 5 >, F vgimae Ba. XXAIN, r. Hälfte. Dornfortsatz I. Bogen Gelenkfortsatz Gelenkfläche Fig. 3 Pyssnäe vom Dachsenbüel Fig. 4 Grosse Rasse vom Dachsenbü 1399, 1900, 1867, 1597, 1588, 1599, 1854, 1900, 1593, 1595, 1898, 1901, 1894, 1882, 1834, 1854, 1894, 1890, 1901, 1856, 1881, 1892, 1894, — 121 — Marchand, Ueber einen Fall von Zwergwuchs. Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg. März 1599. Mit Literaturhinweisen auf die Arbeiten von R. Virchow, Paltauf, Langhans. Martin, Ueber eine Reise durch die Malayische Halbinsel; Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Winterthur. Heft IT 1900. Murie and Flower, Account of the dissection of a Bushwoman. Journal of Anatomy and Physiology A. 1 1867 pap. 189. Nehring A., Ueber das Vorkommen von Zwergen neben grossen Leuten in demselben Volke. Ver- handlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. Sitzung vom 20. Februar 1897. Nehring A., Ueber das sogenannte Torfschwein (sus palustris Rütimeyer). Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft. Sitzung vom 28. April 1888. Nüesch J., Neuer Fund von Pygmäen der neolithischen Zeit aus der Grabhöhle beim Dachsenbüel bei Herblingen, Kanton Schaffhausen. Bericht über den Anthropologen-Kongress in Lindau. 4.—7. Sept. 1899 im Korresp. Bl. der deutschen anthr. Ges. XXX. Jahrgang Nr. 11 und 12. Quatrefages de, Bemerkungen zu der Note des Herrn Testut. Comptes rendus de l’Academie des Sciences. Paris. Tom. 99, 1884 pag. 50. Ranke J., Ueber Altperuanische Schädel von Ancon und Pachacamäc, gesammelt von I.K.H. Prinzessin Therese von Bayern. Abh.d.k.b. Akademie d. Wiss. Math.-nat. Klasse Bd. XX III. Abt. 1900. Sarasin Paul und Fritz, Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon. III. Bd. mit Atlas von 84 Tafeln. Wiesbaden 1892—93. 2°, Sergi @., Varietä umane microcefaliche. Pigmei di Europa. Bolletino Regia Accademia di Medieina di Roma. Bd. XIX 1893. Siehe auch in Travaux du Congres international d’Archeologie et d’Anthro- pologie prehistorique 11m® Sess. a Moscou 1892, publie 1893. S. 305. Schenk A., Description des restes humains provenant de sepultures neolithiques des environs de Lausanne. Bulletin Societe vaudoise de Sciences naturelles Vol. XXXIV Nr. 127. 1898. 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Okt. 1894. 16 11, 18090, 1871, 1889, 1891, 1899, 1863, 1899, 1859, 1891, 1899, 1823, 1887, 1868, 1899, 1898, 1897, 1895, 1895, 1888, 1892, 1893, 1894, Vries Hugo de, Die Mutationstheorie. J. Band. 1. Liefg. Leipzig 1901. Zagorsky, Observationes analomicae de musculorum varietate. M&moires de l’Academy de St.-Peters- bourg. A.1I. 1809 pag. 359. Abschnitt III. Darwin Ch., Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl; übersetzt von J. V. Carus, Stuttgart 1871. — Siehe dort die Kapitel über Gen&alogie des Menschen und Angaben über die ausgedehnte Literatur. Haeckel E., Natürliche Schöpfungsgeschichte. 8. Auflage. Berlin 1889. Mit 20 Tafeln und Holz- schnitten im Text. Haeckel E., Anthropogenie und Entwicklungsgeschichte des Menschen. Mit 20 Tafeln, 400 Holz- schnitten und 52 genetischen Tafeln. 4. Aufl. Leipzig 1891. Haeckel E., Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. Bonn 1899, (Enthält im zweiten Kapitel eine kurze und treffende Darstellung der Uebereinstimmung unserer Organisation mit derjenigen der Primaten. Huxley Th. H., Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Braunschweig 1863. 8°. Mit Figuren im Text. Klaatsch, a.a. 0. Literatur des Abschnittes II. Waitz Th., Anthropologie der Naturvölker, I. Teil. Leipzig 1859. — Die Fragen über den Einfluss des Klimas und über die Arteinheit sind dort nach dem frühern Standpunkt naturwissenschaftlicher Anschauungen vortrefflich erörtert und die ältere Literatur ausführlich berücksichtigt. Abschnitt IV. Bertaux A., L’'Humerus et le Femur consideres dans l’especes et dans les races humaines. These Lille. Bumüller, Das menschliche Femur nebst Beiträgen zur Kenntnis der Affenfemora. Augsburg 1899. S°, Buschan, Körperlänge in Real-encyclopaedie der gesamten Heilkunde von A. Eulenburg. 3. Aufl. Clift W., Philosophieal Transactions. London 1823. part. I. pag. 78. Ehrenreich Dr. P., Ueber die Botocudos der brasilianischen Provinzen Espiritu santo und Minas Geraes. Mit 2 Tafeln. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. XIX 1887. S.1 und 49. Gegenbaur C., Ueber die Drehung des Humerus. Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissen- schaften. Bd. IV. 1868. Gegenbauer, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. VII. Aufl. Leipzig 1899. Hagen B., Anthropologischer Atlas ostasiatischer und melanesischer Völker. Wiesbaden 1898. 4°. Hultkrantz J. W., Das Ellenbogengelenk und seine Mechanik. Mit 21 Textfiguren und 4 Tafeln. Jena 1897. 8°. Lehmann-Nitsche, Untersuchungen über die langen Knochen der südbayrischen Reihengräberbe- völkerung. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. XI 1895. Hirsch H.H., Die mechanische Bedeutung der Schienbeinform. Mit besonderer Berücksichtigung der Platyknemie. Berlin 1895. Citat aus Reinike Grundzüge der allg. Anatomie. Wiesbaden 1901. Mit 64 Abbildungen. 8°. Manouvrier L., Mömoire sur la Platyenemie chez l’homme et chez les anthropoides. Memoires de la Societe d’Anthropologie de Paris. 2me ser. Tom. Ill. 1888. 8°. Manouvrier L., La determination de la taille. Memoires de la Societe d’Anthropologie de Paris. gme serie tom. IV. 1892. Manouvrier L., Etudes sur les variations morphologiques du eorps du femur dans l'&spece humaine. Paris 1893. Manouvrier, L., Etudes de eranes et ossements humaines recueillis dans la sepulture neolithique dite la cave aux Fees, a Brueil (Seine et Oise). M&moires de la Soci&te de Sciences naturelles et Arch&o- logiques de la Creuse, 2me serie tom, II, 2me Bulletin (1894). 1898, 1599, 1899, 1870, 1892, 1898, 1834, 1896, 1900, 1896, 1889, 1893, 1900, 1886, 1882, 1873, 1825, 1867, 1856, 1893 1899 1871, 1894, 1595, 1885, 1900, 1899, 1900, ne Martin Rudolf, Zur physischen Anthropologie der Feuerländer. Arch. f. Anthr. Bd. XXV. 1898, Pfitzner W., Sozial-anthropologische Studien. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie I. 1899. Poirier et Chabry, Traite d’Anatomie humaine. 2. Auflage. Tom. 1. Paris 1899, Porte, Diese Angabe findet sich bei Hartt Ch. Fred.: Seientific results of a Journey in Brazil. Boston und London 1870 8°. — (Appendix). Hartt, der Botocuden gesehen, teilt diese Angabe bestätigend mit; demnach sind Weiber der Botocuden pygmäenhaft! und ebenso einige der Männer. Sarasin Fritz und Paul, a. a. O. des Abschnittes II. Schenk A., Description des restes humaines provenant de sepulture neolithique des environs de Lausanne. Bulletin de la Societe vaudoise de Seiences naturelles. Vol. XXXIV Nr. 127. Lausanne 1898, 80, Schmerling, Recherches sur les ossemens fossiles. Liege 1834. Mit Atlas. Spalteholz, Handatlas der Anatomie des Menschen. Leipzig 1896. 1. Band. Tarenetzky A., Beiträge zur Skelett- und Schädelkunde der Aleuten, Konaegen, Kenai und Kol- zuschen ete. Memoires de l’Academie imperiale de Sciences de St-Petersbourg 1900. Ten Kate, Sur quelques points d’osteologie ethnique. Revista del Museo de La Plata. Tom. VI, S.263 u. ff. La Plata 1896. 8°. „Mit 1 Tafel. Testut L., Recherches anthropologiques sur le squelette quaternaire de Chancelade (Dordogne). Bulletin de la Soeciete d’Anthropologie de Lyon. T. VII, 1889. Mit 14 Tafeln. Testut L., Trait& d’anatomie humaine. 2. Aufl. Tom. I. Paris 1893. Toldt C., Anatomischer Atlas. Wien 1900. I. Band. Osteologie. Turner (Sir) W., On Variability in human structure as displayed in different races of men, with especial reference to the skeleton. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXI 1886. Virchow R., Alttrojanische Gräber und Schädel. Abhandlungen der Berliner Akademie 1882. 4°. Mit Tafeln und Figuren im Text. Virchow R., Ueber Negrito- und Igorrotenschädel von den Philippinen. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1872. (S. 204.) Walther Ph. 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Mit einem Atlas der anthropo- logischen Geographie von Italien. 7, Livi K., Dello sviluppo del Corpo in rapporto colla professione e colla condizione sociale Roma 1897. 8°. . Meisner (Altona), Scherben mit Fingereindrücken. Korrespondenzblatt der deutschen anthropologi- schen Gesellschaft XXXL Jahrg. Kongress in Halle 1900. S. 117. , Merkel Fr.. Rekonstruktion der Büste eines Bewohners des Leinegaues. Archiv für Anthropologie, Bd. XXVI 1900. Mit sechs Abbildungen. 7. Pfitzuer W., Ein Beitrag zur Kenntnis der sekundären Geschlechtsunterschiede. Mit vier Abbildungen im Text. Morphologische Arbeiten, herausgegeben von G. Schwalbe, VI. Bd. 1897. Pickering Charles, Geographische Verbreitung der Menschenrassen in U. S. Exploring Expedition 1838 —42. Vol. IX. Citat nach Ratzel. Ratzel Fr., Anthropo-Geographie oder Grundzüge der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte. Stuttgart 1882. Rosenberg E., Ueber Umformungen an den Ineisiven der zweiten Zahngeneration des Menschen. 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Wagner Moriz, Die Entstehung der Arten durch räumliche Sonderung. Gesammelte Aufsätze. Basel 1889. 8°, Wiedersheim R., Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Vergangenheit. Zweite A, Mit 109 Figuren im Text. 1893. 3 Inhaltsübersicht. I. Einleitung. Seite Menschenknochen in der Fundschichte . ; 2 > : : ; B > ‘ ; 37 Keine Spuren von Raubtierzähnen . = 5 - 5 : 2 e ; : : & 38 Grabkammern . B : : : 5 : : o ; . : 3 B : : 39 Schädel . ; L s . : : : : 5 5 - : ; ; : - 39 Il. Zwei Pygmäenskelette > e > 2 ; : £ 5 ä 3 > : g ; 6 40 Kümmerzwerge und Rassenzwerge . N 3 e e E - s o R A e 42 Pygmäen in Frankreich in der neolithischen Periode . : : 5 : - 5 2 44 Beschreibung der vorhandenen Skelettreste zweier Pygmäen vom Dachsenbüel . ; z 45 Höhlengicht im Dachsenbüel . B 2 3 - a < : c & 5 : 5 47 Pygmäe von Chamblandes (Lausanne) . : 5 5 2 - - b > : : 57 Muskeln der Pygmäen und der hochgewachsenen Menschen . B 5 : ; B R 59 Zusammenfassung . s - ; : 2 . © E a = : ; E R 63 Ill. Der Stammbaum des Menschengeschlechtes mit Rücksicht auf die Pygmäen. Ihr Verhalten zu den andern Stämmen - . $ : . e a : 5 e e : 2 c E 64 Pygmäen in Afrika . ; 2 ; x ? ; i £ e : 5 : 2 e 65 Pygmäen auf den Andamanen und Nikobaren : e i : - B 6 . : 66 Die Weddas auf CGeylon und Malakka . B . : 5 i : - © c 2 66 Pygmäen in Amerika o © < © e - B e 2 . : > 5 : 68 Genetischer Zusammenhang mit den grossen Rassen . - B R 2 2 ö R 72 Der Stammbaum © 5 . E > B ; > 2 B ; . : ; : 73 Die Menschenrassen der Gegenwart sind immutabel, wenn auch sehr variabel . E & 78 Einheitlicher Ursprung des Menschengeschlechtes . 2 £ B 5 B e a : 79 IV. Die in der Höhle vom Dachsenbüel gefundenen Knochen hochgewachsener Menschen Europas 5 R si Wirbelsäule und Wirbel mit Höhlengicht : > : > : h : 6 : : s3 Torsionswinkel . & : 3 : i > ; : B i : ; i : 5 s5 Hände der Neolithiker vom Dachsenbüel und die Körperform : 3 6 6 5 : 87 Hüftbeine und Fossa paraspinata . - e : E e 5 © : k - ü sg Platymerie 2 : : : 5 R 5 ; i 2 ; : b : 5 4 9 Platyknemie, Retroversion und Krümmung der Diaphyse © 2 > B b b Q 93 Körperhöhe der Neolithiker . e ; 5 h : : n ; 5 b £ 4 96 Zusammenfassung . 8 - o : - ; h - - : - B > - 98 — 16 — V. Sind die Menschenrassen der Gegenwart persistent oder mutabel? f N i 1 fi Geographische Provinzen . . f i Das Milieu und die Rasseneigenschaften Kreuzung erzeugt keine neuen Rassen Neue Kulturformen ändern die Rassen nicht . Individualität, Sexualität und Rasse Rasseneigenschaften . 5 5 Variabilität, Metanthropus, rue R Zusammenfassung Erklärung der Tafeln Nachtrag . 5 Literaturverzeichnis “ “ “ . . . D . . . haut Eh Er ar 12, u 4 Tee an, N un a > ERW NBLYEPCeZ \ ‘ \ 12 » ü [ ' . Bi . 4 v ’ v * Das Kesslerloech, eine Höhle aus paläolithischer Zeit. —se Neue Grabungen und Funde Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Th. Studer in Bern und Dr. Otto Schötensack in Heidelberg. Mit 34 Tafeln und 6 Textfiguren. ————s Tg ——— Auf Kosten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes gedruckt von Zürcher & Furrer in Zürich Kommissions-Verlag von Georg & Co. in Basel, Geneve und Lyon. 1904. » VOoErEWOorkE Der vorliegende dritte Bericht über die Höhlen im Kanton Schaffhausen ist ver- anlasst worden durch meine neuen Grabungen und Funde im Kesslerloch bei Thayngen in den Jahren 1895, 1898 und 1899; verschiedene Umstände verzögerten die Heraus- gabe desselben. Die Untersuchung der zahlreichen zoologischen Objekte hat in zuvorkommender Weise abermals Herr Professor Dr. Th. Studer in Bern übernommen; die Zeichnungen und Skulpturen unterzog Herr Dr. O. Schötensack in Heidelberg einer einlässlichen Be- trachtung und Vergleichung mit solchen aus südfranzösischen Höhlen. Die Grabungen und die Untersuchung der Fundobjekte haben folgende Resultate ergeben: 1. Das Kesslerloch und das Schweizersbild sind postglacial in Bezug auf das Maximum der letzten grossen Vergletscherung der Alpen. Das Kesslerloch ist älter als das Schweizersbild; das Kesslerloch war nur bewohnt am Ende der Mammutzeit und im Anfang der Renntierepoche; das Schweizersbild dagegen erst am Ende der Renntierzeit und von da an bis zur Gegenwart; die paläolithischen Schichten desselben fallen in das Bühlstadium; das Kesslerloch fällt in die Achenschwankung. 2. Beide Niederlassungen sind das Bindeglied einerseits zwischen den paläolithischen Stationen in Frankreich und in Belgien, anderseits zwischen den paläolithischen Nieder- lassungen in Schussenried und den mährischen Siedelungen, sowie denen in Südrussland. 3. Das Kesslerloch hat den untrüglichen Beweis für die Gleichzeitigkeit der Existenz des Menschen mit dem Mammut und dem Rhinozeros erbracht; der Mammut- jäger der Schweiz ist entdeckt. 4. Es hat einen weiteren Beweis geliefert für das Vorhandensein einer kleinen Menschenrasse, von Pygmäen, am Ende der paläolithischen, sowie in der früh-neolithi- schen Zeit in Europa. 5. Das Kesslerloch hat mit dem Schweizersbilde den Beweis gebracht, dass die paläolithische Periode sehr lange Zeit gedauert hat. 6. Das Kesslerloch nimmt in Bezug auf seine Zeichnungen, Ornamente, Skulp- turen und Schnitzereien, wenn nicht die erste, so doch eine ganz hervorragende und durch die gespaltenen Geweihe eine besondere Stelle unter den prähistorischen Nieder- lassungen der älteren Steinzeit ein. \ Den Herren Mitarbeitern spreche ich für ihre Beiträge auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. Schaffhausen, im Oktober 1903. Dr. Jakob Nüesch. Inhalt. Seite Vorwort . : II ! 1. Neue Grabungen und dr im Beileh bei ee. Kt. en. von Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen, mit 30 Tafeln und 5 Abbildungen im Text 1-72 “ 2. Die Knochenreste aus der Höhle zum Kesslerloch bei Thayngen, von Prof. Dr. Theophil Studer in Bern, mit 2 Tafeln-Abbildungen . - Ta Rt v 3. Ueber die Kunst der Thaynger Höhlenbewohner, von Dr. Otto Re in Heidel- berg, mit 2 Tafeln und 1 Textabbildung . E a s : 5 . 115—128 PN \ X 2 i ) - > Er: u, a! . T j iui ne ß r , rd MT ir 5 ner! a un N wi, Rn ch ee Te a ar REN Erte BETT HUT EEE IE 4 ENTER i T aha None das u Saal Bay Ei 3 A . als, ak dee er N Me Bu Be w Y B -- z fi w; » j @ j - vr » ; u an E en ui „> 7 >, f za Neue Grabungen und Funde im 7 z n 4 Kesslerloch bei Thayngen, Kt. Schaffhausen, Von Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen. Mit 30 Tafeln und 5 Textabbildungen. Druck von ZÜRCHER & FURRER in Zürich. eo % jr Or © row Enyault: Einleitung Die Die Die Die Die Die Die Lage der Höhle und das relative A der Niederlassung . Schichtenfolge in der Höhle und in dem Schuttkegel Tierwelt vom Kesslerloch . menschlichen Skelettreste vom Kesslerloch Artefakte vom Kesslerloch: a) Die Skulpturen und die Zeichnungen b) Die Schnitzereien c) Die Nadeln P d) Die Pfeile und die Sehmuekgegenkiande Feuerstein-Instrumente Das gegenseitige Alter vom Kesslerloch und Schweizersbild Erklärung der Tafeln Einleitung. Nachdem durch die weitschichtigen Untersuchungen am Schweizersbild, wo sich die Kulturschichten am Fuss eines überhängenden Felsens befanden, festgestellt werden konnte, dass sich Gegenstände selbst aus der ältesten Steinzeit, wie Knochen und Zähne von Tieren, Artefakte aus Knochen und Geweih, unter gewissen Bedingungen auch in unserem Klima, 47,5° n. Br., im Freien erhalten haben können, vermutete Dr. Nüesch, es möchten sich in dem grossen Schuttkegel, vor dem südöstlichen Eingang in das Kessler- loch bei Thayngen, Kanton Schaffhausen, auch noch Überreste der Mahlzeiten und Arte- fakte der Renntierjäger finden, wie in der Höhle solche gehoben wurden. Bisher hatte man allgemein geglaubt, dass sich Rnochen und Knochenartefakte aus so fern entlegener Zeit in den nördlichen, den verschiedensten Witterungsverhältnissen ausgesetzten Gegenden nur durch das beständige Liegen im Wasser oder an sonst stets feuchten Orten, wie in Torfmooren, oder in den den Temperatureinflüssen nicht unterworfenen Orten, wie in Höhlen, erhalten haben können. Seit beinahe 30 Jahren pilgerte er Jahr für Jahr nach dieser ältesten Siedelungs- stätte im Kanton Schaffhausen und überzeugte sich schon vor langer Zeit, dass die Höhle zum Kesslerloch, welche im Jahre 1873 von K. Merk, damals Reallehrer in Thayngen, entdeckt wurde, durch die Grabungen in derselben im Frühjahr 1874 nicht vollständig ausgeräumt wurde, dass der oben erwähnte Schuttkegel bei den damaligen Grabungen nur an seiner obersten Spitze angeschnitten worden und in seinen untern Partien völlig unversehrt sei. Im Jahre 1893 liess Dr. Nüesch in dem Schuttkegel einen Graben aufwerfen und einige Schürfungen in der Höhle selbst vornehmen. Seine Vermutungen wurden durch diese vorläufigen Grabungen bestätigt; jedoch verzögerte sich wegen Krankheit desselben die einlässliche und genaue Untersuchung der Höhle und des Schuttkegels bis zu den Jahren 1898 und 1899. Im ersten Jahre dauerten die Grabungen vom 20. Juli bis 24. Oktober und im letzteren vom 10. Juli bis 20. November ohne Unterbrechung fort. Er schloss mit dem Besitzer der Höhle, von welchem er mündlich die Erlaubnis zu Grabungen schon 1893 eingeholt hatte, im Jahre 1898 einen schriftlichen Vertrag ab, nach welchem Dr. Nüesch a) das alleinige und ausschliessliche Recht auf unbeschränkte Zeit sich erwarb, Grabungen in und vor dem Kesslerloch zu machen; b) die sämtlichen schon bei seinen früheren Schürfungen gefundenen und bei den künftigen Grabungen noch zu findenden Gegenstände als sein Eigentum behalten konnte; c) eine einmalige sofort zu bezahlende Pachtsumme zu bezahlen hatte und ferner die Verpflichtung eingehen musste, dass, wenn bei den umfassenden, in Aussicht genommenen späteren Grabungen um das Kesslerloch herum, die an dem Schuttkegel stehenden, eschenen Stöcke und das daselbst wachsende Kleinholz entfernt werden müssten, er in diesem Fall eine weitere Entschädigung an den Besitzer der Höhle zu bezahlen habe. Die neuen Ausgrabungen in und vor dem Kesslerloch, sowie in dem Schuttkegel vor demselben wurden mit derselben Sorgfalt und Umsicht durchgeführt wie diejenigen am Schweizersbild (vergl.: Nüesch, das Schweizersbild, 2. Aufl., 1902, Seite 12 und 13); es konnten die gleichen zuverlässigen, gewissenhaften Arbeiter, welche am Schweizers- bild jahrelang tätig waren, für diese Grabungen wieder gewonnen werden; sie erhielten auch hier einen höheren Taglohn als der landesübliche betrug; dagegen wurde nie etwa ein Trinkgeld an dieselben verabreicht, selbst auch dann nicht, wenn sie ein noch so schönes, seltenes Stück fanden, um sie nicht durch materielle Vorteile etwa zu Unter- schiebungen indirekt zu veranlassen; sie waren stets in den Arbeiten überwacht und genau kontrolliert; sie verdienen wegen ihrer Sorgfalt, mit der sie die Arbeiten aus- führten, auch hier gebührend erwähnt zu werden. u I— I. Die Lage der Höhle und das relative Alter der Niederlassung. Das Kesslerloch, zwei Stunden von Schaffhausen entfernt und 10 Minuten west- wärts von Thayngen an der Bahnlinie von Schaffhausen nach Konstanz gelegen, ist, eine „Balmgrotte“ im oberen weissen Jurakalk des Randens, dem nordöstlichen Ausläufer des schweizerischen Jura, und befindet sich in dem ziemlich engen Tal der Fulach, einem kleinen Zuflüsschen des Rheins. Durch das Fulachtal selbst floss der Rhein nach der letzten Vergletscherung der Alpen in der Richtung nach Schaffhausen zu, bevor seine Wasser die Moränenbarrieren bei Stiegen am Untersee beseitigt und er sag, sich sein neues Bett über Stein AUSH, = nach Schaffhausen gegraben hatte; ID € S en “ck EI aus ON er zog bei senem Rückzug den RUN MEERE & 2 x UD> > Zufluss der Biber nach sich, welche IN N nun nicht mehr in das Tal der Hıyy ı S & Fulach sich ergiesst, sondern in == o .. . . Qt . a ! östlicher Richtung gegen Stein RSS ihren vielfach gewundenen Lauf dem Rheine zu nimmt. Die Höhle hat zwei Öffnungen, eine gegen Nordosten und eine gegen Südosten. Vor dem nord- östlichen grossen Eingang in die Höhle liegt ein 300 m. langes und nur 60 m. breites beinahe recht- winklig auf das lange Fulach- tal stossendes Seitentälchen, von === dessen Talsohle man ganz eben Bahnlinie von Schaffhausen nach Thayngen jetzt in die Niederlassung hinein- Fig. 1. Situationsplan der,Höhle zum Kesslerloch. gelangen kann; hier erhebt sich der etwa 9 m. hohe Kesslerlochfelsen, in welchem sich die Höhle befindet und dessen oberer Saum schön bewaldet ist (Tafel I). Der Eingang selbst ist 12,5 m. breit und 3,5 bis 4 m. hoch; die Decke wölbt sich nach Westen und Osten gleichmässig' gegen die beinahe senkrecht stehenden Seitenwände. Gegen das Innere der 15,5 m. tiefen Höhle nimmt sowohl die Breite als auch die Höhe infolge des ansteigenden Höhlenbodens, der aus Jurafelsen besteht, gleichmässig ab, sodass bei 7,5 m. Tiefe die Höhe nur noch 1,8 m. beträgt. Ungefähr in der Mitte der Höhle steht ein aus verwitterten Kalk- NUM] MM {N 7 NG j Ilıız, Ill), OHM many AR =) Bi ee steinen gebildeter Pfeiler (Fig. 1 und 4), dessen eckige Breceienstücke durch Kalksinter fest zementiert sind; unter demselben hindurch erstreckt sich heute noch sichtbar die alte Kulturschicht, welche ringsum durch die früheren Grabungen entfernt wurde. Hinter diesem Pfeiler ragt in den Höhlenraum hinein von Westen her eine etwa 30 cm. dicke Scheidewand, sodass der hintere Raum in zwei Abteilungen, eine westliche und eine östliche, getrennt ist. Die westliche ist vollständig gegen Süden, Westen und Osten abgeschlossen; sie hat eine Breite von 5,8 m. und eine Tiefe von ungefähr 6 m. und diente wohl hauptsächlich den Troglodyten als warmer und geschützter Lagerraum. Die östliche Abteilung hat ungefähr dieselbe Ausdehnung wie die westliche; auch in ihr steigt der Felsboden rasch gegen das Innere der Höhle empor; sie hat aber an ihrem obern Ende eine allerdings nur sehr niedere Öffnupg nach Südosten, wo ein mächtiger Schuttkegel den ungehinderten Ausgang nach Süden in das Freie vor der Wegräumung desselben versperrte. Diese kleine Öffnung der Höhle (Fig. 2) bildet den südöstlichen Eingang zu derselben und liegt 4 m. über der Talsohle, in der gleichen Höhe wie die Schwellen des davorliegenden Eisenbahndammes. Die Wände und die Decke der Höhle sind vielfach zerklüftet. In die Seitenwände hinein gehen viele kleine niedrige Nischen, in welchen die paläolithischen Gegenstände beinahe an der Oberfläche liegend gefunden worden sind. Die Felswände und die Decke sind an diesen Stellen, im tiefen Innern der Höhle, vor den atmosphärischen Einflüssen vollständig geschützt. Das Gestein kann hier kaum verwittern und beinahe nicht abwittern. Die Seitenwände der Höhle und die Decke derselben sind sehr uneben durch die splittrigen Bruchflächen des herunter- gefallenen Materials. Es fehlt ihnen vollständig der Wandschmuck, wie er in jüngster Zeit in den Höhlen im Tale der Vezere in Südfrankreich von Capitan aufgefunden wurde; dagegen ragen an vielen Stellen. grössere und kleinere Feuersteinknollen aus dem Gestein heraus. Das Material za der Herstellung der Feuersteininstrumente fiel den paläolithischen Bewohnern der Höhle des Kesslerlochs geradezu in den ‚Schoss; es fand sich auch überall auf den nächstliegenden Randenhöhen herum zerstreut. Von der Talsohle am westlichen Gehänge gegen das Dorf Lohn emporsteigend, erreicht man 35 m. über derselben von der letzten grossen Vergletscherung der Alpen herrührende Moränen in einer Höhe von 430 m. über dem Meer, unter welchen die Jurakalkbänke durch die Gletscher abgeschliffen sind. Diese Gletscherschliffe zeigten sich auch in allerneuester Zeit wieder bei Anlage eines Steinbruches, dessen Material zur Gewinnung von gebranntem Kalk benützt wird; sie finden sich sofort nach Abräumung des über den Kalkbänken liegenden Schuttes. Das gleiche Profil wiederholt sich am östlichen Gehänge des Fulachtales. Das Tal ist daher ein Einschnitt in die in der Gegend von Thayngen und Schaftlhausen herrschenden jüngeren Moränen und darum erst nach deren Ablagerung entstanden. Die Höhle selbst befindet sich überdies an einer Prallstelle, aus welcher alles weg- geschwemmt worden wäre, wenn schon vorher in der Höhle irgend welche Gegenstände gelegen hätten. Die paläolithischen Bewohner des Kesslerlochs können demnach, wie diejenigen der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild, erst nach dem Rückzug der letzten Vergletscherung der Alpen aus der Gegend hier gelebt haben. Das Kesslerloch und das Schweizersbild sind postglacial in Bezug auf das Maximum der letzten grossen Vergletscherung der Alpen. 2. Die Schichtenfolge in der Höhle und in dem Schuttkegel. In den neu untersuchten Partien des Höhlenbodens, sowie in den mehr oder weniger feinsplittrigen Kalktrümmern, aus denen der Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang der Höhle zusammengesetzt ist und in welchem sämtliche Objekte an primärer Lager- stätte sich befanden, kamen nur paläolithische Gegenstände zum Vorschein; nicht ein einziger -Topfscherben und keine geschliffenen Steinäxte und -hämmer, auch keine an- geschnittenen oder bearbeiteten Geweihe vom Edelhirsch wurden gefunden. Der Schutt- kegel war bei den ersten Ausgrabungen nur 40 cm. an dem obern Rande, an der Spitze, angeschnitten und abgehoben worden. In der Höhle selbst fehlten ebenso überall die obersten Schichten. Über die ursprüngliche Schichtenfolge in derselben schreibt Herr Prof. Dr. A. Heim in seimer Mitteilung „Über einen Fund aus der Renntierzeit, Mit- teilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band XVIII, Heft 5, 1874“ folgendes: „Zunächst wurde im untern Teil der grossen Höhle weiter gegraben. Die obere Schicht bestand aus zum Teil sehr grossen von der Decke losgefrorenen, hellgelben Kalksteinstücken, die zunächst der Oberfläche mit Erde gemischt sind. Sie ist stellen- weise bis 0,6 m. mächtig. Darunter folgte eine von verfaulten organischen Stoffen schwarzgefärbte Schicht, in welcher massenhaft Knochen und andere Reste lagen. Nur nahe an den Wandungen der Höhle zeigte sich Verkittung der Bruchstücke durch Travertin. Diese schwarze Fundschicht reichte an den Stellen, an denen wir gegraben haben, bis etwa 1 m. unter die Oberfläche. Darunter folgte eine Fundschicht, in der alles durch eine rötelfarbige Erde stark gefärbt war. Diese rote Fundschicht reichte so tief, als wir überhaupt gruben, wohl bis 2 m. unter die Oberfläche. Tiefer konnten wir wegen Grundwasser nicht kommen. Mitten in der roten Schicht lagen stellenweise noch schwarze und braune Partien. Die schwarze wie die rote Fundschicht sind nach dem Ausgang der Höhle zu parallel mit der Oberfläche geneigt. Ihre Lage, sowie die Gegenstände, die darin gefunden wurden, legten die Annahme nahe, dass in der oberen Höhle die Menschen gewohnt und in die untere ihre Abfälle geworfen hätten, sodass hier von diesen eine Art Schuttkegel mit geneigten Schichten entstanden ist.“ „In der untern roten und der obern schwarzen Fundschicht liegen jedenfalls die Reste verschiedener Zeiten, und es müssen dieselben besser auseinander gehalten werden, als wir bisher getan haben. Ob in denselben eigentlich zwei verschiedene Perioden vertreten sind, ist noch nicht zu entscheiden — in dem obern wie untern haben wir vielfach die gleichen Tiere, die gleichen Produkte von Menschenhand gefunden; nur die relativen Mengen scheinen verschieden zu sein.“ Über die Schichtenfolge bei den ersten Ausgrabungen in der Höhle berichtet K. Merk in seiner Arbeit „Der Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen, Kt. Schaff- hausen, Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 1875* wie folgt: „Zu den Lagerungsverhältnissen der verschiedenen Schichten übergehend, treffen wir als oberste Schicht eine aus kleinen und grössern eckigen Steinen gebildete Schuttmasse an, die gleich den die Höhle einschliessenden Felsen aus weissem Jurakalk besteht. Unzweifelhaft bildeten diese Kalktrümmer einen Teil der Felswände, die durch das Gefrieren des eingedrungenen Wassers zerklüftet und zerbröckelt wurden, sodass sich allmählich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende eine Schuttmasse von ver- schiedener Dicke bildete. Dieselbe erreichte begreiflicherweise vorne, wo die Kalkfelsen am meisten der Verwitterung preisgegeben waren, ihre grösste Mächtigkeit, indem sie 1,2 bis 1,4 m. betrug, während sie rasch nach hinten immer mehr abnahm, sodass sie in der Mitte nur noch 1,05 m., im hintersten, nördlichen Raum noch 0,9 m., in dem gegen den südlichen Eingang hin liegenden Teil auf kaum noch 0,6 m. zu stehen kam, was in der starken Neigung der Unterlage dieses Höhlenteils teilweise auch seinen Grund haben mag. In dieser Schuttmasse und namentlich vorn gegen den östlichen Eingang hin lag eine Menge gewaltiger Steine, welche ebenfalls aus weissem Jurakalk bestehen. Unter diesen Steinen zeichnete sich einer durch einen ganz bedeutenden Umfang besonders aus, indem er eine Länge von 1,86 m., eine Breite von 1,5 m. und eine Höhe von 1,35 m. besass, sodass sein Gewicht auf etwa 5000 kg. zu stehen kam. Das Abräumen der annähernd 121,5 m? starken Schuttmasse nahm sehr viel Zeit in Anspruch. An verschiedenen Stellen dieser Schuttmasse- lagen einige Zoll unter derselben zwei Sinter- schichten; die eine dehnte sich auf der nördlichen Seite der nördlich gelegenen Abteilung mit einer Mächtigkeit von 30—45 cm. über eine Fläche von 5,04 m? aus; die andere zog sich bandartig längs der südlichen Wand hin und erreichte eine Dicke von 45—48 cm. Der Sinter war so hart, das er mittelst Pulvergewalt von der hart unter ihr liegenden Kulturschicht abgelöst werden musste. Beide Sinterschichten enthielten in ihren untersten Teilen eine ziemlich grosse Anzahl Knochen und einzelne Feuersteine, die deutlich darauf hinwiesen, dass die Bildung dieser Sinterschicht schon zur Zeit der Bewohnung der Höhle ihren Anfang genommen hat. „Unter dieser Schuttmasse lag eine schwarze Schicht, Kulturschicht genannt, weil sie eine Menge Repräsentanten einstiger Kultur und eine Masse von Tierknochen aus längst entschwundener Zeit enthielt. Diese toten Zeugen vorgeschichtlicher Zeiten lagen in einer aus kleinen und grösseren, von oben abgebröckelten Jurakalksteinen bestehenden Schicht bunt durcheinander. Die Mächtigkeit dieser Schicht betrug beim Eingang 39 cm., in der Mitte 27 em. und im hintersten Raum kaum noch 10 cm. Diese sichtliche Abnahme der Dicke der Kulturschicht hat einerseits ihren Grund in der grösseren und rascheren Verwitterung der vorderen Felsenpartien und anderseits in den Par nach dem Innern der Höhle zu abnehmenden Knochenanhäufungen, welcher Umstand zu der begründeten Ansicht führt, dass die einstigen Bewohner der Höhle den grössten Teil ihrer Arbeitszeit m dem vorderen Teil derselben zubrachten und als Schlafstätte den hintersten vor Wind und Wetter geschütztern, wärmeren Raum ausgesucht haben. Die Kulturschicht, deren schwarze Färbung von der Verwesung tierischer Substanzen herrührt, erstreckte sich über die ganze Basis der Höhle, selbst unter einem Pfeiler hindurch, der im hinteren Raum der Höhle steht. Was man nicht essen konnte, warf man weg ohne Rücksicht auf die üblen Gerüche, die hernach bei der Fäulnis entstehen mochten. „Der Erhaltungszustand der gelblichweiss gefärbten Knochen aus dieser Schicht war im allgemeinen ein ziemlich guter zu nennen. Einzelne Geweihstücke waren aller- dings so mürbe, dass sie in der Hand zerbröckelten. Eine Menge von Knochen war ganz oder teilweise mit Eisen und Mangan enthaltenden Dentriten besetzt. Auf ver- schiedenen Stellen der Kulturschicht fanden sich grössere und kleinere Feuerplätze vor, um welche herum in der Regel mehrere Platten — ähnlich wie es nachher beim Schweizersbild auch der Fall war — gelegt waren, die wahrscheinlich als Sitzplatten den Renntierjägern gedient haben. Auf der rechten Seite des nördlichen Eingangs waren und sind jetzt noch grosse, vorstehende, in einer fetten Lehmmasse stehende Juraplatten vorhanden, welche als erhöhte Ruheplätze dienen konnten. Eigentümlich und sehr interessant ist der Umstand, dass sich die Kulturschicht nach vorn tief unter der jetzigen Talsohle hinzieht, was zu verschiedenen Reflexionen über Altersbestimmung dieser Schicht Veranlassung gab. Unter der schwarzen Kulturschicht lag eine durch RBisenoxyd rötlich gefärbte, ebenfalls wieder aus zerbröckelten Kalksteinen bestehende und über die ganze Höhle sich erstreckende Schicht. Auch diese enthielt eine Menge von Knochen und Gerätschaften, die besser erhalten waren als die übrigen, weil sie durch sogenanntes Grundwasser beständig umgeben und so weniger den zersetzenden Einflüssen der atmosphärischen Luft ausgesetzt waren. Die Mächtigkeit dieser zweiten Kulturschicht variierte zwischen 36 und 6 cm. Die Unterlage dieser roten Kulturschicht ist eine gelbe Lehmmasse, die nach der Ostseite hin eine bedeutende, nicht ergründete Mächtigkeit besitzt, weil dem tiefern Eindringen allzufrüh das Wasser hinderlich in den Weg trat. Sie erstreckte sich nicht über die ganze Höhle, sodass im hintern Teil der- selben die rote Kulturschicht unmittelbar auf dem festen Gestein auflag. So tief wir auch, sagt Merk ferner, in diese Lehmschichte gedrungen sind, so zeigte sich auch nicht die leiseste Spur eines Knochens, wohl aber lagen auf ihrer Oberfläche einzelne Knochen und Gerätschaften, nebst etlichen Feuersteinsplittern eingedrückt, welche den besten Beweis liefern, dass der Mensch der erste Besitzer der Höhle war. Sämtliche Schichten waren etwas geneigt. Die grösste Neigung zeigte sich vom südlichen Eingang bis zur Mitte der Höhle hin, sodass der Neigungswinkel daselbst annähernd 25° betrug. Nach aussen fallen die Schichten steil ab.“ Anfangs hielt Merk die genannten beiden Kulturschichten für die Produkte zweier verschiedener Zeitepochen. Allein die Übereinstimmung der in beiden liegenden paläon- er tologischen Einschlüsse und die ganz gleichartigen Gerätschaften widerlegte seine Ver- mutung; man hat es hier nur mit einer, an einigen Stellen verschieden gefärbten Kulturschicht zu tun. Die Mächtigkeit der von Merk untersuchten Kulturschichten variierte zwischen 75 em. im Hintergrund der Höhle und 162 cm. beim nördlichen Ein- sang zu derselben, sodass Merk am nördlichen Eingang der Höhle, wenn man die bei den ersten Ausgrabungen daselbst lagernde sog. Schuttmasse auf 1,4 m. Mächtigkeit annimmt, in’eine Tiefe von ca. 3 m. hinunter gelangte. Die neuen Ausgrabungen im Kesslerloch begannen damit, dass zunächst die Höhle von dem hintersten Teil bis zum Eingang in dieselbe vollständig bis auf den Felsboden ausgeräumt wurde. An den hintersten Wänden derselben besteht jetzt noch an vielen Orten die Kalksinterdecke, unter welcher früher die Kulturschichten begraben lagen. Sie bedeckt gegenwärtig an diesen Stellen einen gelben Lehm, der ohne irgend welche Einschlüsse ist. Nach dem erstmaligen Ausräumen der Höhle im Jahre 1874 wurde der Abraum teilweise zum verebnen verwendet und musste nun wieder heraus- geworfen werden. Selbstverständlich konnte hier gar keine Schichtung des Materials zum Vorschein kommen. Der unebene Felsboden hatte aber an einigen Stellen grössere und kleinere Ver- tiefungen, welche bei der ersten Ausgrabung übersehen oder nicht erkannt wurden. In diesen verschieden tiefen Mulden lagen die sämtlichen Gegenstände an primärer Lagerstätte. Aus einer solchen, welche in der Nähe des Pfeilers sich befindet, unter welchem hindurch die Kulturschichten sich fortsetzen, wurden sehr schöne Gegenstände, einige Pfeile, Pfeilspitzen, Nadeln und auch die meisten mit Rhomben verzierten Schnitzereien aus Geweihstangen des Renntiers hervorgehoben. In der wagrecht in den Felsen hinein sich ausdehnenden grossen Nische auf der nordwestlichen Seite in der Höhle fand sich eine 60 cm. tiefe, noch ganz unversehrte Lehmablagerung, aus welcher mehrere grosse, angeschnittene, wohlerhaltene Geweihstangen vom Renntier herrühren. Je weiter man bei den Grabungen vom Innern der Höhle nach aussen kam, desto rascher fiel der Felsboden gegen die Talsohle ab, desto tiefer wurden die durcheinander gewürfelten Schuttmassen der ehemaligen Kulturschichten. Vorn an der rechten und linken, beinahe senkrechten Seitenwand der Höhle, welche an einzelnen Stellen nach einwärts verläuft, standen noch einzelne Partien der untersten Kulturschicht unversehrt am Felsen, welche reich an Einschlüssen aller Art waren. In einer Tiefe von 3 m. zeigte sich beim Eingang eine wagrecht gegen die Höhle zu und in dieselbe sich er- streckende, gelbe Lehmschicht. In derselben lagen eine Reihe grösserer Steine ein- gebettet; sie schienen einen absichtlich hergestellten Abschluss nach aussen zu bilden. Die Steine waren ziemlich regelmässig an einander gestellt und bildeten eine etwas nach aussen gebogene Schutzwehr. Unter der ca. 10 cm. dicken Lehmbank setzte sich die Kulturschicht in die Tiefe fort; auch ragte sie unter der Humus- und Torfschicht der Talsohle hinaus in die dort befindliche Wiese. Die Einschlüsse menschlicher Tätigkeit SKI = waren in der unversehrten Kulturschicht gegen die Tiefe zu sehr zahlreich. Der ausser- ordentlich trockene Sommer des Jahres 1899, sowie die beinahe regenlose, sehr bestän- dige, trockene Witterung der Monate Oktober und November ermöglichten, dass bei den damaligen Grabungen eine völlig unversehrte Kulturschichte in der Tiefe ange- schnitten und herausgehoben werden konnte. In einer Tiefe von 3,6 m. unterhalb des ursprünglichen Niveaus des Höhleneinganges kam aber das Grundwasser stark zum Vorschein, welches das weitere Vordringen nach unten, ohne Anwendung von Pumpen, beinahe unmöglich machte. Immerhin zeigten das Spärlicherwerden der Funde und das Auftreten von neuen Lehmablagerungen ganz unzweifelhaft an, dass das unterste Ende der Kulturschichte beinahe erreicht sei. An einzelnen Stellen gelang es noch tiefer hinunter zu kommen; man stiess auf eine kompakte gelbe Lehmablagerung, auf welcher die Kulturschichten aufruhten. In dem Lehm selbst waren Feuerstein- und Knochen- abfälle eingedrückt, ein Beweis, dass die ersten Bewohner kurz nach Ablagerung des Lehms von der Höhle Besitz ergriffen hatten. Vor der Höhle zeigten sich in der Wiese vielfach torfähnliche, schwarze Ablagerungen von bedeutender Mächtigkeit, welche sich in ihren oberen Lagen erst nach der Besiedelung des Kesslerlochs gebildet haben müssen. Das Fulachtal bildet einen sehr sumpfigen, wenig geneigten Abfluss für das Wasser. Heute noch sind Stellen in demselben, die das ganze Jahr nie austrocknen, trotzdem der Lauf der Fulach in ihrem gegen Schaffhausen zu gelegenen Teil schon seit Jahren korrigiert worden ist. Überdies liegt das ganze Tal nicht höher als das Bett der Biber bei Thayngen, deren Wasser bei Hochgang mit Leichtigkeit in das Fulachtal abfliessen und nachträgliche Anschüttungen verursachen konnten. Beim Bau der Eisenbahn durch das Tal fanden sich Stellen, an denen man grosse, mächtige Tannenstämme senkrecht in die lockere Torferde hineinrammen musste, um den nötigen Halt für den Bahnkörper zu gewinnen. Die Grabungen im Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang (Fig. 2 s. folgende Seite) konnten wegen der völligen Trockenheit der Ablagerungen viel leichter und noch sorgfältiger ausgeführt werden, als die in der Tiefe vor der Höhle, wo alles feucht und von Wasser durchtränkt war. An der Spitze des Schuttkegels war derselbe angeschnitten und das Material bei den ersten Grabungen weggeschafft worden. Der ganze Schuttkegel bestand zum grössten Teil aus kleinen eckigen Kalksteinsplittern, dem herabgewitterten Material des Felsens selbst, welcher an dieser Stelle früher 1 bis 1,5 m. überhängend gewesen sein muss und der gegen Wind und Wetter ein schützendes Dach bildete. In diesem Gehängeschutt, welcher die gleiche Zusammen- setzung wie die Breccienschicht am Schweizersbild hatte, lagen die Abfälle der Mahl- zeiten der Bewohner der Steinzeit, sowie die Artefakte aus Knochen, Geweih und Feuerstein an primärer Lagerstätte nebst den Feuerstellen, den Sitzplatten aus Stein, den Hämmern und Abfällen der Silexbearbeitung. Es konnten keine durch die Farbe oder durch die Zusammensetzung des Materials von einander deutlich verschiedene Horizonte in dem Schuttkegel erkannt werden. n Die kulturhistorischen und die paläontologischen Einschlüsse zeigten auch keinen Unterschied: der Schuttkegel und die Höhle waren zu der gleichen Zeit von denselben Menschen bewohnt; sie sind gleichaltrig. Alle Manufakte aus Feuerstein, alle Artefakte aus Knochen und Geweih im Schuttkegel gehören der ältern Steinzeit, der epoque magda- löndenne, wie die in der Höhle gefundenen an. In einer Tiefe von 2,2 m. war die Schiehtung im Schuttkegel unterbrochen durch ein Band von 10 cm. Mächtigkeit von einem hellzelben, trockenen Lehm, auf welchem mehrere Feuerstätten an verschiedenen Stellen lagen. Unter diesen letzteren waren die Ablagerungen rötlich gefärbt; einzelne Kalksplitter waren ganz mürbe. Sie zerfielen zu weissem Pulver beim Wegnehmen. In diesem gelblichen Lehm des Schuttkegels befanden sich die schönsten Feuerstein-Instru- Süd-Ost. Nord-Ost. Osten. Fig. 2. Die Höhle zum Kesslerloch von Osten mit,den beiden Eingängen und dem Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang, vor den Ausgrabungen. mente. Die Knochen- und die Geweihartefakte zeigten sich an diesen Stellen ganz besonders bröckelig und mussten gewöhnlich vor dem Wegnehmen mit einer Lösung von Schellack in Spiritus getränkt werden, um ihnen die nötige Konsistenz zum Weg- heben zu geben. Mehrere, ganz grosse Blöcke von Kalkfelsen lagen in diesem Schutt- kegel; unter denselben waren die Artefakte aus Knochen und Geweih viel besser er- halten als an den andern Stellen in dieser Breecie. ? Eine kleine zierliche Harpune mit spitzen Widerhaken konnte unversehrt unter einem solchen Block hervorgezogen werden. Es durften im dem Schuttkegel, ebenso wie vor der Höhle in der Tiefe, keine Grabungen mit Pickel, Karst und Schaufel vorgenommen werden; durch solche heftige Eingriffe würden alle Gegenstände ausser den Steinen zertrümmert und zerfallen sein. Man löste die Fundobjekte mit spitzen Nägeln los und befreite sie sorgfältig von der sie umschliessenden Breccie. Dadurch gelang es, sehr viele Knochenartefakte, wie Nadeln aus Knochen und Geweih, Pfeile und Pfeilspitzen, Harpunen und Pfriemen, Glätter und Lanzenspitzen, Stechinstrumente, angeschnittene und bearbeitete Geweih- staugen unversehrt zu erhalten. In 3 m. Tiefe wurde ein grosser, runder Feuerherd mit viel Asche, Wärmsteinen und angebrannten Knochen vom Mammut, vom Rhinozeros, Fig. 3. Ansicht des südöstlichen Eingangs in die Höhle, nach den Ausgrabungen. vom Wildpferd, vom Renntier und Alpenhasen freigelegt. Ebenso konnten in derselben Tiefe grosse Backenzähne vom Mammut und ein beinahe vollständig erhaltener Schädel vom Renntier (siehe Abbildung auf Tafel II in Studers Arbeit über die Knochenreste) gehoben werden. Der Felsboden trat in diesem Schuttkegel an verschiedenen Stellen weit vor und senkte sich rasch nach aussen hin ab, sodass die Kulturschichten im Schuttkegel eigentlich nur als ein Mantel an dem Felsen hingen. Über denselben hinunter konnten schon bei der Entstehung der Kulturschicht leicht Gegenstände nach aussen in den tiefer liegenden Talboden hinunter gefallen sein, wo sie bei noch tieferen Grabungen gefunden werden können. 3. Die Tierwelt vom Kesslerloch. Bei den ersten Ausgrabungen im Kesslerloch fanden sich in der Höhle nach Merk ca. 1500 kg. zerschlagene Tierknochen vor, von den Abfällen der Mahlzeiten der Troglodyten herrührend. RKütimeyer bestimmte dieselben und fand Reste von 28 Arten; darunter waren 23 Arten Säugetiere und 5 Arten Vöeel. Die Reste der Säugetiere eehörten meistens grösseren Arten, vom Mammut bis zum Schneehasen an. Kleinere Fir. 4. Ansicht des südöstlichen Eingangs in die Höhle nach Wegräumung des Schuttkegels: der Pfeiler in der Höhle sichtbar Tiere, kleine Nager und Insektenfresser fehlten damals beinahe vollkommen. Es war ferner fraglich geblieben, ob alle Tierreste einer und derselben Epoche angehörten und nicht etwa verschiedenen Alters seien. Die neuen Ausgrabungen förderten in der Höhle und besonders in dem Schutt- kegel vor dem südlichen Eingang abermals viele Knochenreste zu Tage; mehr als 40 Kisten voll Knochen wurden gesammelt. Besondere durch ihre Farbe oder- durch ihre kulturhistorischen Einschlüsse von einander verschiedene Schichten konnten nicht unterschieden werden. Die Farbe der Knochen im Schuttkegel war eine gelbliche ; die Knochen selbst waren sehr mürbe; diejenigen, welche im Wasser in der Tiefe vor dem nordöstlichen Eingang aufgefunden wurden, hatten eine mehr dunkelbraune Farbe und zeigten eine grössere Konsistenz. Alle Knochen waren zerschlagen. Nicht ein einziger ganzer Knochen von einem Säugetier kam zu Tage; selbst die Kiefer und die Geweihe der Tiere waren von den Troglodyten zum grössten Teil zertrümmert worden. Nur die Knochen der Vögel, welche kein Mark enthalten, entgingen der Zerstörung und sind ganz erhalten geblieben. Die neu aufgefundenen Tierknochen gehören einer und der- selben Zeitepoche an, trotz ihrer eigentümlichen Zusammensetzung aus Tundra-, Steppen- und Waldtieren. Die Untersuchung der Knochen, der Geweih- und Hornstücke, der Hufe und Krallen hat Hr. Prof. Dr. Th. Studer in Bern in verdankenswertester Weise abermals übernommen. Sie ergab eine Vermehrung der Arten gegenüber der Liste von Rüti- meyer im ganzen um 17 verschiedene Spezies; die Zahl der aufgefundenen Tierarten stieg auf 45 Spezies und zwar waren vorhanden: 33 Arten Säugetiere ; 10 Arten Vögel; 1 Art von Reptilien; 1 Art von Amphibien. Die folgende Liste und Zusammenstellung der Tiere gibt über die vorhandenen Arten Aufschluss, sowie über die Anzahl der Exemplare einer Spezies. Ein Kreuz (+) bedeutet das Vorhandensein von nur einem Exemplar; zwei Kreuze das Vorhandensein von mehr als einem Exemplar; drei und vier Kreuze das Vorhandensein von zahl- reichen, resp. von sehr zahlreichen Individuen der gleichen Spezies. Zusammenstellung der Tierarten vom Kesslerloch nach den Untersuchungen von Prof. Dr. Rütimeyer (1874) und Prof. Dr. Studer (1903). Wirbeltiere: Carnivora: Fleischfresser:: Rütimeyer Studer 1574. 1903. 1. Felis leo L. Der Höhlenlöwe rar _ 5 Pe catus L. Die Wildkatze Sr — | Felis manul Pall. Die Manulkatze _ + 3. Lyncus Iynz 1. Der Luchs =5 3 — 4. Canis lupus L. Der Wolf So rer tal: 5. Leucocyon lagopus L. Der Eisfuchs SE 3+ 3b 3 =+ 6. Vulpes alopex L. Der gemeine Fuchs 4 + ch 7. Gulo luseus L. Der Vielfrass Far _ 8. Mustela martes L. Der Edelmarder (Zobel?) — 353 9. Lutra vulgaris L. Der Fischotter — Ar 10. Ursus wrctos L. Der braune Bär a3 Ir Insectivora: . Crocidura araneus L. Rodentia: 2. Lepus timidus L. > Lepus europaeus L. Arctomys marmotla L. : Spermophilus quttatus Pall. Perissodactyla: 3. Elephas primigenius Pall. . Rlhinozeros tichorhinus Cuv. . Equus caballus L. ;. Asinus hemionus Pall. Artiodactyla: . Sus serofa L. Ss, Rangifer tarandus L. . Cervus elaphus L. . Rupicapra traqus Gray. . Capra iber L. . Bison priscus Rüt. . Bos primigenius Bey. Aves: . Corvus eorax L. 5. Corvus eorone L. . Turdus iliacus L. - Turdus pilaris . Pandion haliaetus L. 89. . Lagopus albus Gm. Lagopus alpinus Nilss. ee Insektenfresser: Die Hausspitzmaus Nagetiere: Der Schneehase, Alpenhase +++++ Der Feldhase Das Murmeltier Der gemeine Ziesel . Spermophilus rufescens Keys-Blas. Der rötliche Ziesel . Oricetus vulgaris des m. . Microtus terrestris L. . Miecrotus nivalis Mart. . Dierostonix torquatus Pall. s Myozus glis L. . Castor fiber L. Der gemeine Hamster Die Erdmaus Die Schneemaus Der Halsbandlemming Der Siebenschläfer Der Biber Unpaarzeher: Das Mammut Das Rhinozeros Das Wildpferd Der Wildesel Paarzeher: Das Schwein Das Renntier Der Hirsch Das Reh Der Steinbock Der Bison Der Urstier Vögel: Der Kalkrabe Die Rabenkrähe Die Drossel Die Wachholderdrossel Der Fischadler Das Alpenschneehuhn Das Moorschneehuhn Rütimeyer: Zn Studer: i + + + + + at 1 +++++++++ ZN Aves: Vögel: Rütimeyer: Studer: 41. Oygnus musicus L. Der Singschwan air — 42. Anser cinereus Die Wildgans mar — 43. Anas boschas L. Die Wildente — + Reptilia et Amphibia: Reptilien und Amphibien: 44. Tropidonotus natrix L. Die Natter + 45. Rana sp. Der Frosch SF _ Die Fauna des Kesslerlochs stimmt zum grossen Teil mit der Steppenfauna der gelben Kulturschicht am Schweizersbild überein. Es haben sich auch hier die kleinen charakteristischen Nager der Tundra, doch in geringer Zahl und Menge, der Halsbandlemming, die Schneemaus, der gemeine und der rötliche Ziesel, sowie die Spitzmaus eingestellt. Dagegen fanden sich noch Vertreter der Waldfauna im Kesslerloch wie der Edelhirsch, das Reh und der Bär, doch alle drei ebenfalls in geringer Zahl. Besonders wichtig erscheint für die Bestimmung der Zeit, in welcher die Höhle zum Kesslerloch bewohnt war, das Vorkommen von ziemlich zahlreichen Überresten des wollhaarigen Mammuts und des Rkhinozeros. Im Schweizersbild waren von diesen grossen Tieren kaum noch Spuren nachzuweisen; von dem Rhinozeros kam nur eine Rippe vor; von dem Mammut war nur auf einer Kalksteinplatte eine eingeritzte, schwer erkennbare Umrisszeichnung desselben vorhanden. Schon bei den Untersuchungen im Jahre 1874 fand sich im Kesslerloch eine bedeutende Zahl von Knochen des Mammuts vor, unter denen mehrere Schädelstücke junger Tiere, verschiedene Skeletteile von mehreren jungen Mammutkälbern ver- schiedenen Alters, Phalangen von einigen erwachsenen Tieren und eine Anzahl Splitter zerschlagener, grosser Knochen waren. Die Mehrzahl dieser Mammutknochen, schreibt Merk in seinem Bericht, stammen aus der untersten Kulturschicht; einzelne derselben lagen unmittelbar auf dem Lehm. Die meisten waren, wie viele Knochen des Pferdes, des Vielfrasses und des Wolfes, mit Sinter überzogen. Dass die Knochen dieses Dick- häuters nicht nur den tiefern Schichten, sondern auch der obersten, schwarzen Kultur- schicht angehörten, bewiesen zwei damals gefundene Backenzähne, ein Stosszahn und einige wahrscheinlich von diesem einen Stosszahn herrührende Splitter fossilen Elfenbeins. Der eine Backenzahn war gänzlich zerschlagen und nur in zwei Lamellen nachweisbar gewesen, während der andere vollkommen erhalten war bis an die Wurzel. Derselbe zeigte deutlich neun Lamellen und gehört deshalb einem jungen Tiere an. Der Stoss- zahn lag in der Nähe des Pfeilers, kaum 6 cm. unter der Oberfläche der obersten Kulturschicht. Er hatte eine Länge von 1,35 m. und ein Gewicht von 19 kg. Er war in einem sehr verwitterten Zustand, sodass er trotz der grossen Sorgfalt und trotz Umbindens mit schmalen Tuchstreifen in eine Menge von Bruchstücken zerfiel. An- fänglich war Merk der Ansicht, dass die Überreste dieses vorweltlichen Tieres in Fluss- — 16 — ablagerungen, wie dies hie und da noch im Geschiebe des Rheins der Fall ist, gefunden und als Kuriositäten nach der Höhle geschleppt worden seien. Allein da die Unter- suchung auch viele andere Mammutknochen von alten und von jungen Tieren kon- statieren Konnte, so war es für ihn sicher, dass die Tiere da gelebt haben, gejagt und erlegt worden sind. „Denn ich sehe keinen Grund ein,“ sagt er wörtlich, „warum die Höhlenbewohner nutzlos, durch Zufall aufgefundene Knochen dieses Diekhäuters in die Höhle geschleppt und zerschlagen hätten; oder warum mehrere junge Tiere den Tod zefunden haben, wenn derselbe nicht von Menschenhand absichtlich herbeigeführt worden wäre. Das Kesslerloch bestätigt also neuerdings wieder das Zusammenleben des Menschen mit dem Mammut.“ Der interessanteste paläontologische Fund, welcher ein weiteres neues Licht auf das Zusammenleben von Mammut und Mensch in diese Höhle wirft, wurde bei den neuen Ausgrabungen gemacht. Es fand sich, wie oben erwähnt, im Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang in die Höhle in einer Tiefe von ca. 3 m. unterhalb der ursprünglichen Spitze und 2 m. innerhalb des Schuttmantels eine grosse Feuerstätte mit viel Asche und Kohle. In der Asche dieses Herdes und um die Feuerstelle herum zerstreut, lagen eine grosse Anzahl angebrannter und calcinierter Knochen von jungen und alten Individuen des Mammuts, sowie Knochen vom Rhinozeros. Ein Oberschenkelknochen, der teilweise zerschlagen ist, und ein Stück eines Schulterblattes von einem jungen Mammut (Tafel XXVII, Fig. 1 und 2) befanden sich in der Asche selbst. Sie sind durch das Feuer rötlich gefärbt, zum Teil ealciniert und angekohlt. Eine Anzahl Wirbel von jungen Individuen lagen neben der Feuer- stätte und zeigen ebenfalls Brandspuren. Viele zerschlagene und angebrannte Knochen von alten und jungen Tieren waren zerstreut um den Herd herum in demselben Niveau des Schuttwalles. Zwei grosse, mehr als 2 kg. schwere Backenzähne (Tafel XXVII, Fig. 3), welche noch mit Bruchstücken des Kiefers umgeben waren, sowie Bruch- stücke von Stosszähnen, vom Kiefer, von Rippen und langen Knochen, die alle zer- splittert und zerschlagen sind, befanden sich ebenfalls in der Nähe des Herdes und waren zum Teil caleiniert, angebrannt und geschwärzt. Der eine rechte Backenzahn ist 204 mm. lang, 76 mm. breit und zeigt 21 Lamellen; die Höhe des Zahnes beträgt 141 mm. Der linke Molar hat eine Länge von 199 mm., eine Breite von 74 mm. und eine Höhe von 145 mm. Er besitzt 20 Lamellen. Einer Menge, vom Liegen im Feuer durch und durch rötlich gefärbter Wirbel von jungen Tieren sind die Dornfortsätze und die Seitenfortsätze abgeschlagen, sodass nur der Wirbelkörper übrig geblieben ist, von welchem die Ossifikationsplatten an beiden Enden sich trennten. Aus allen diesen Tatsachen geht zur Evidenz hervor, dass das Mammut nicht nur mit dem Menschen zusammenlebte und von ihm erlegt wurde, sondern dass er sein Fleisch briet und auch verzehrte. Der Troglodyte vom Kesslerloch war nicht nur ein Renntierjäger, sondern auch ein Mammutjäger. Durch diesen Fund ist die Existenz des Mammut- Jägers auch in der Schweiz nachgewiesen. ar — Aber nicht nur grosse und alte Exemplare des Mammuts, sondern auch ganz junge Tiere erlegte der Bewohner des Kesslerlochs.. Mehrere Bruchstücke von nur finger- dicken Stosszähnen vom Mammut, eine Menge getrennter Lamellen von Milchmolaren eines gleichen Tieres, sowie Röhrenknochen und Wirbelknochen, welche ohne Epiphysen sind, weisen auf ganz jugendliche Tiere hin, welche ihre Nahrung kaum selber auf- suchen konnten; höchst wahrscheinlich brachte der Mammutjäger leichter weibliche, geschwächte Mammute mit ihren Jungen in seine Gewalt als ältere, ausgewachsene, kräftige, männliche Tiere. Die in der Höhle vorkommenden Artefakte versetzen, wie später einlässlich gezeigt wird, unsere Funde von Tierresten in beinahe dieselbe Epoche, wie das Schweizersbild, d. h. in die „Epoque 'Magdaleneenne* nach Mortillet. Mit dieser Epoche stimmt auch nach Studers Untersuchungen die Fauna im wesentlichen überein; sie gleicht der Fauna von Vöklinshofen im Öberelsass, welche von Döderlein und Schumacher beschrieben worden ist. Die gleichen Tiere finden sich im Kesslerloch wie am letzteren Orte und zwar ziemlich in denselben relativen Verhältnissen; nur fehlt in den Schaffhauser-Stationen gegenüber Vöklinshofen die Hyäne und der Höhlenbär. Nach Mortillet ist das Mammut im Magdaleneenne im Verschwinden begriffen, das Rhinozeros bereits ausgestorben. Es reicht in Frankreich bis in den Anfang der Epoque solutreenne, und wir treffen es dort noch inmitten der Epoque Magdaleneenne; ebenso in dem Hohlefels im Aachtal bei Ulm, nicht mehr aber bei Schussenried und beim Schweizersbild. Die Reste des Rhinozeros liegen im Kesslerloch neben denen des Mammuts, um die Feuerstellen der alten Bewohner herum; das Tier musste also hier noch zu gleicher Zeit mit den andern gelebt haben. Übersehen wir die Tierfauna im ganzen, so kommen im Kesslerloch, nach Prof. Dr. Studers Ausführungen, Repräsentanten von sechs Faunen unter einander ge- mischt vor. Es gehören: 1. Zu der alten, präglacialen Ebenenfauna folgende: Felis Leo L. Der Löwe Canis lupus L. Der Wolf Vulpes alopex L. Der gem. Fuchs Castor fiber L. Der Biber Sus scrofa L. Das Wildschwein, Cervus elaphus L. Der Edelhirsch Bison priscus Rüt. Der Bison Bos primigenius Boy. Der Urstier 2. Zu der alpinen Fauna folgende: Arctomys marmotta L. Das Murmeltier Rupicapra tragus Gray. Das Reh Capra ibex L. Der Steinbock 3. Zu den 4. Zu den 5. Zu den folgende: 6. Zu den Steppentieren folgende: Felis leo L. Felis manul Pall. Spermophilus guttatus P. Spermophilus rufuscens Keys. Blas. Oricetus vulgaris Desm. Equus caballus L. Asinus hemionus Pall. Tundrabewohnern folgende: Leucocyon lagopus L. Gulo luteus L. Lepus timidus L. Dierostonyz torquatus Elephas primigenius Pall. Rhinozeros tichorhinus Cuv. Rangifer tarandus L. Lagopus alpinus Nilss. Lagopus albus Gm. Der Löwe Die Manulkatze Der gemeine Ziesel Der rötliche Ziesel Der gem. Hamster Das Wildpferd Der Wildesel Der Eisfuchs Der Vielfrass Der Alpenhase Der Halsbandlemming Das Mammut Das Rhinozeros Das Renntier Das Alpenschneehuhn Das Moorschneehuhn Tieren, die an den Aufenthalt in oder am Wasser gebunden sind, Castor fiber Pındion haliaetus L. Cygnus musicus L. Anser einereus L. Anas boschas L, Waldtieren folgende: Lynceus Iynz L. Vulpes alopes L. Ursus arctos L. Mustela martes L. ‚Myoxzus glis L. Sus scrofa L. Cervus elaphus L. Der Biber Der Fischadler Der Singschwan Die Wildgans Die Wildente Der Luchs Der Wolf Der Bär Der Edelmarder Der Siebenschläfer Das Wildschwein Der Edelhirsch Unter den letzteren gehören mehrere der alten präglacialen Fauna an, so der Fuchs, das Schwein und der Hirsch. Eine Anzahl Tierformen mögen verschiedenen Gebieten angepasst sein; so der Steppe: Der Wolf, der Fuchs, der Hase, der Bison und Bos primigenius; dem Wald: Der Luchs und das Renntier; und endlich der Tundra oder gar allen dreien: Der Wolf, der Fuchs, der Bär und der Hase. N 19 _ Wie kommt nun, fragt Prof. Dr. Studer in seiner Abhandlung, eine so mannig- faltigem Boden angepasste Tiergesellschaft, deren Glieder wenigstens in Europa durch weite Zwischenräume von einander getrennt sind, hier auf einem so kleinen Gebiet zusammen vor? Nehring hat gezeigt, dass noch heute im subarktischen Gebiete Sibiriens ähnliche Vermengung der Faunen stattfinden kann, wo Tundra und Steppe unterbrochen von Flusstälern, deren Ränder mit Wald bewachsen sind, zusammenstossen. Vergegenwärtigen wir uns, sagt Studer, ferner die Verhältnisse von Thayngen am Ende der Glacialzeit, in welche Epoche Penck und Gutzwiller auch die gelbe Kultur- schicht vom Schweizersbild verlegt haben. „Das Kesslerloch liegt am Rande eines mässig breiten Tales, das durch eine süd- liche Hügelreihe von dem tiefen Rheintale getrennt wird; ein Bach, die Biber, fliesst durch dasselbe, um zwischen Stein und Diessenhofen in den Rhein zu münden. In dieser bewässerten Hügelgegend mit sonnigen nach Süden geneigten Abhängen, mit wasser- durchrauschten Tälern konnte schon Wald erspriessen und Schutz bieten für wald- liebende Tiere, während in den Gewässern der Biber hauste und der Fischotter seiner Beute nachging. Der aus der Ebene noch nicht ganz zurückgezogene Gletscher liess im Norden seiner breiten Front ein ungeheures steinbesätes Feld; hie und da von Sümpfen und tief eingegrabenen Wasserläufen durchschnitten; spärlich bewachsen mit Moosen und Flechten, Alpenpflanzen, Krüppelfichten, Zwergweiden und Zwergbirken. Vielfach mochte das Eis in der Tiefe noch nicht ganz geschwunden sein; aber darüber auf den Höhen lag Schutt und Humus, auf dem eine alpine Vegetation ihr Dasein behauptete. Es war eine Tundra, die sich mit dem Gletscher immer weiter nach Süden zurückzog, um zunächst an ihren ganz freien Nordrändern der Steppe oder an feuchten Stellen dem Walde Platz zu machen. Nördlich von der Jurakette dürfte die Steppe die ebeneren Gegenden bedeckt haben. So konnten neben einander, erreichbar für den primitiven Jäger, die Steppen-, Wald- und Tundratiere seine Beute werden. Die allmähliche Wanderung der Tundratiere nach Süden, den Alpen zu, können wir auf ihren Etappen verfolgen, so in Luzern, bei Steiden im Emmental, bei Olten, bei Nieder- weningen im Wehntal, wo ebenfalls Mammutreste aus der postglacialen Zeit gefunden wurden. Auch vom Rhinozeros fanden sich Überreste in fluvioglaeialen Ablagerungen bei Rupperswil, Kt. Bern, bei Herzogenbuchsee und bei Freiburg im Üchtland. Das Renntier fand sich in der grotte de Scee bei Villeneuve und am Saleve bei Genf. Aus allen Untersuchungen und Funden in der Schweiz aber geht hervor, dass die Tundra- tiere, welche Frankreich und Belgien schon zur Zeit der epoque mousterienne ver- liessen oder verlassen hatten, in Süddeutschland und der Nordschweiz noch länger existierten und nach dem Rückzug der Gletscher noch die ihnen passenden tundren- artigen Gebiete vor der Front der Gletscher bevölkerten. Ihr Eindringen in die innere Schweiz fällt also in die für das übrige Europa postglaciale Zeit, während sich in Frank- reich, Beigien und Mitteldeutschland schon eine Steppen- oder gar eine Weide- Waldfauna an Stelle der nach Norden und Nordwesten zurückgezogenen Glacialfauna gesetzt hatte.“ — 20 4. Die menschlichen Skelettreste. Im Anschluss an die faunistischen Ergebnisse ist die sehr bemerkenswerte Tat- sache noch zu erwähnen, dass auch aus der Höhle zum Kesslerloch menschliche Skelettreste von einer ganz kleinen Menschenrasse vorhanden sind. Zwar wurden die menschlichen Skelettreste nicht bei den neuen Ausgrabungen, sondern schon bei der früheren Ausbeute der Höhle in einer Nische derselben gefunden. Der ver- storbene Dr. Franz von Mandach legte sie der naturforschenden Gesellschaft des Kantons Schaffhausen laut Protokoll in der Sitzung vom März 1874 vor und bezeichnete sie in seiner Mitteilung damals schon als von einem jungen, aber doch beinahe aus- gewachsenen Menschen herrührend. In derselben Nische Jagen nach seiner Angabe auch noch einige Topfscherben und Knochen des Wildschweins. Diese menschlichen Überreste vom Kesslerloch ') stammen demnach, wie diejenigen vom Schweizersbild und vom Dachsenbüel, aus der früh neolithischen Periode oder der spät paläolithischen Zeit. Die Überreste des Menschen vom Kesslerloch befanden sich, wie die aus der Höhle zum Dachsenbüel, seit mehr als einem Vierteljahrhundert in dem Museum der Stadt Schaffhausen, wo sie bei dem grossen Raummangel, welcher schon damals in den betreffenden Räumlichkeiten herrschte, in einer dunkeln Ecke eines unverschlossenen, wagrecht liegenden Glaskastens seither beinahe verborgen lagen. Vor dem Glaskasten steht, ohne irgendwie vor Staub geschützt zu sein, das Skelett eines Bären, dessen Kopf auf dem etwas schräg liegenden Glas des Kastens aufruht, und der mit seinen fletschenden Zähnen bisher jene für die Urgeschichte des Menschen so wichtigen Zeugen einer längst in der Gegend verschwundenen, kleinen Menschenrasse vor den neidischen Blicken des Besuchers der Sammlungen sorgsam behütet hat. Erst durch das Auffinden von Pygmäen am Schweizersbild und im Dachsenbüel erinnerte sich Dr. J. Nüesch, als ehemaliger Sekretär der naturforschenden Gesellschaft, an die menschlichen Überreste aus dem Kesslerloch und es gelang ihm im August 1899 dieselben wieder aufzufinden. Neben den Skelettresten lagen in dem Glaskasten im Museum zwei Zettel, welche von der Hand des verstorbenen Dr. von Mandach beschrieben sind. Der eine lautet: „Menschliche Überreste mit Knochen von Hirsch und Schwein aus einer Seitennische der Höhle Kesslerloch bei Thayngen; stammen aus der späteren Steinzeit, 1874.* ') Beim Bau der Eisenbahn von Schaffhausen nach Konstanz im Jahr 1863 wurden in einer 40 m. südlich vom Kesslerloch gelegenen und in ihrem vorderen Teil durch die Bauten angeschnittenen Höhle ebenfalls menschliche Skeletireste ausgegraben, welche aber damals weiter nicht beachtet und in den Batınkörper geworfen wurden. Der andere dagegen lautet: „Überreste menschlicher Leichen, nebst Beigaben von Tongefässcherben und Totenopfern ; stammen aus einer Seitennische der Höhle Kesslerloch bei Thayngen; aus der späteren Steinzeit.“ Von diesen menschlichen Überresten sind im Museum vorhanden: 1. Vom Kopfskelett: Ein Stück eines Schädeldaches und ein fast vollständiger Unterkiefer. 2. Vom Rumpfskelett: 5 Rippenfragmente, der 1. und 2. Halswirbel und 3 Lenden- wirbel. 3. Vom Gliedmassenskelett: Ein beinahe vollständig erhaltener linker Oberschenkel und die Epiphyse der rechten Tibia. Ausserdem lagen neben denselben mehrere Skelettstücke von einem Säugetier, wahrscheinlich dem Schwein zugehörig; vom Topfscherben war nichts mehr vorhanden. Die sämtlichen Wirbel stimmen in ihren auffallend kleinen Dimensionen mit ein- ander überein; der Atlas und der Epistropheus passen vollkommen auf eimander. Sie gehören demnach einem und demselben Individuum an. Von den 5 Rippen ist eine bedeutend grösser als die andern, welche ebenfalls ausserordentlich klein sind und an ihrem hintern Ende nur eine einzige Artikulationsfläche besitzen. Die bedeutend grössere Rippe dürfte einem zweiten Individuum angehört haben. Beim Unterkiefer fällt sofort dessen abnorme Kleinheit auf. Die Entfernung vom Kinn in gerader Linie bis zum Unterkieferwinkel beträgt jederseits nur 8 cm.; ein eigentliches Kinn ist nicht ausgeprägt und der Kinnwinkel beträgt beinahe einen rechten Winkel; es fehlt jede Spur der Prognathie; der Kiefer ist sehr schmal und wenig hoch. Das dauernde Gebiss ist durchgebrochen und vollständig entwickelt. Die vorderen Zähne zeigen keine stärkere Abnützung; dagegen haben die beiden gut erhaltenen ersten Molaren eine stark abgenützte Kaufläche, was auf ein jugendliches Individuum von un- gefähr 25 Jahren schliessen lässt. Die sämtlichen vorhandenen Knochen, die Wirbel, die Rippen und der Unterkiefer sind ausserordentlich grazil und klein. Die Reste der Extremitätenknochen, so spärlich sie auch vorhanden sind, liefern dennoch einen äusserst wichtigen Beitrag zu der Kenntnis der Pygmäen vom Kessler- loch. Das interessanteste Objekt ist der beinahe ganz erhaltene, rechte Oberschenkel- knochen. Es fehlt an demselben nur die distale Epiphyse und zwar ist hier der Schaft zerbrochen in einer zackigen Linie, welche den Eindruck erweckt, als sei die Zerstörung erst bei der Ausgrabung entstanden. Die tatsächliche Länge des noch vorhandenen Stückes ergibt sich zu 28 em.; ergänzt man das kleine, fehlende Stück, so würde man auf eine Länge von höchstens 32 cm. kommen. Diese Dimensionen sind ganz ausser- ordentlich gering. Die Körperhöhe des Pygmäen vom Kesslerloch betrug daher nur etwa 120 cm. Dieser Rassenzwerg erreichte bei weitem noch nicht die Grösse der 22 Pygmäen vom Dachsenbüel, noch weniger diejenige der kleinen Menschen vom Schweizersbild. Die Oberschenkel vom Schweizersbild massen: a) 35,5 cm., was einer Körperhöhe von 135,5 em. lebend entspricht. b) 36,9 em., was eine Körperhöhe von 141,6 em. lebend bedingt und c) 39,3 em., was eine Körperhöhe von 150,5 em. lebend ergibt. Der Oberschenkel des männlichen Pygmäen vom Dachsenbüel hatte eine Länge von: 38,6 cm., welches eine Körperhöhe von 145 cm. lebend ausmacht. Die linke Speiche des weiblichen Pygmäen vom Dachsenbüel war nur: 20,8 em. lang, was annähernd einer Körperhöhe von 130 em. entspricht. Aus der Gegend von Schaffhausen allein sind nun vom Schweizersbild 5 Rassen- zwerge mit einer durchschnittlichen Körperhöhe von 142 cm., vom Dachsenbüel 2 Rassen- zwerze mit durchschnittlich 137 em. und vom Kesslerloch ein solcher mit nur 120 cm. bekannt. Der Rassenzwerg vom Kesslerloch ist der kleinste unter ihnen. Es darf hier noch, wie der Referent auch in semer Arbeit über die Höhle zum Dachsenbüel ausgeführt hat, darauf hingewiesen werden, dass seit dem erstmaligen Auffinden von Pygmäen'!) in der Niederlassung am Schweizersbild nun auch solche in der Höhle zum Dachsenbüel?), in Chamblandes bei Lausanne, in Glis im Kanton Wallis, im Pfahlbau Moosseedorf im Kanton Bern und in Ergozwil, Kanton Baselland aufgefunden worden sind. Es hat ferner G. de Lapouge °) eine kleine Menschenrasse aus der neolithischen Zeit als homo contractus beschrieben, deren Überreste er in den Höhlen von Thoran, Aveze, Bramalian in den Cevennen und in den Grabstätten von Castelnan, Gignac, Restinclieres in den Ebenen Südfrankreichs gefunden hat. In seinen späteren Publi- kationen berichtet er über drei, ebenfalls der jüngern Steinzeit angehörende Skelette von Pygmäen aus der Höhle von Soubes, im Departement Herault, welche ähnlich dem Rassenzwerg vom Kesslerloch nur die Grösse von 7 bis S-jährigen Kindern der grossen Rasse erreichen. Er betrachtet die Pygmäen von Soubes verwandt mit seinem homo contractus, obgleich jene durch die noch geringere Grösse und durch das Fehlen des Kinnvorsprunges am Unterkiefer etwas verschieden seien von diesem. Diese zwei kleinen Pygmäenrassen, zwischen welche hinein nach Lapouge diejenige vom Schweizers- bild geschoben werden müsse, stellen nach demselben im Sinne Kollmanns ebenfalls die Ureinwohner von Europa dar. Sie seien wahrscheinlich die Nachkommen jener kleinen ') Nüesch, J. Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolith. Zeit; Denk- schriften der schweiz. nat. Ges. Band XXXV, 1. Aufl. 1896, 2. Aufl. 1902; und Nüesch, J. Neuer Fund von Pygmäen aus der neolith. Zeit, Correspondenzblatt der deutschen anthrop. Ges. Nr. 12 1899 und Anzeiger für schweiz. Altertumskunde, Jahrgang II, pag. 1, 1900. ®) Kollmann. Die in der Höhle z. Dachsenbüel aufgefundenen Skelettreste des Menschen in Nüesch; der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neolith. Zeit, 1903. ?) Lapouge, G. de. Les Pygmees neolithiques de Soubes, Herault, bulletin scientifique et medicale de l’Ouest du 1° trimestre 1896. mo, steatopygenen Rasse, ähnlich den Buschmännern und Negritos, von welchen der fran- zösische Forscher E. Piette aus der Mammutzeit mehrere Skulpturen, sowie die Venus von Brassempouie, aus einer Höhle an der Dordogne, besitzt. Diese an verschiedenen Orten in Frankreich und der Schweiz aus der neolithischen und früh paläolithischen Zeit stammenden Pygmäen seien die europäischen Repräsentanten jener grossen, weit verzweigten Gruppe der jetzt noch lebenden Pygmäen in Asien, der Nilgiris auf den Andamanen, der Weddas auf Öeylon, der Drawidas in Vorder-Indien, der Susier, der Aitas, und in Afrika der Akkas, Obongos, Buschmänner und der im breiten Urwald- gürtel der heissen Zone lebenden Zwergstämme, welche sich alle durch ihre sehr kleine Gestalt, durch die dunklere Hautfarbe, durch den grazilen Körperbau und durch die kleine Schädelkapazität von den grossen Rassen unterscheiden. Durch die genaue Prüfung der übrigen anthropologischen Literatur über die fran- zösischen Höhlenfunde hat Hr. Prof. Dr. Kollmann die interessante Tatsache feststellen können, dass wie in der Schweiz so auch unter der steinzeitlichen Bevölkerung von Frankreich noch mehr Pygmäen gelebt haben und dass ihre geringe Körperhöhe von angesehenen französischen Anthropologen festgestellt wurde, ohne dass allerdings diese kleinen Leute als Pygmäen bezeichnet worden sind. Manouvrier beschreibt in -seinen Arbeiten über die neolithischen Menschen in der Cave aux Fees bei Brueil, Dep. Seine et Oise, fünf Rassenzwerge von nur 142 cm. Körperhöhe, welche mit Vertretern des hochgewachsenen Menschengeschlechtes daselbst wie am Schweizersbild und im Dachsen- büel zusammen lebten. Ebenso hat Dr. Verneau in der Grotte von Merceaux mehrere Öberschenkelknochen von ausgewachsenen Individuen entdeckt und beschrieben, welche die ebenfalls pygmäenhafte Körperhöhe von 148 em. und 152 cm. ergaben. Das neolithische Gräberfeld bei Chälons-sur-Marne, das im Jahr 1892 ausgebeutet wurde und dessen Inhalt Manouvrier unter Beihülfe von Prokrowsky wissenschaftlich bearbeitet hat, lieferte gleichfalls den Beweis von dem Vorkommen von Pygmäen mit 144 cm. Körperhöhe, deren Schädelkapazität ganz ungewöhnlich klein war. In der jüngsten Zeit haben der Abbe Tournier und Ch. Guillon in der Höhle des Höteaux, Dep. de l’Ain, in Savoien in einer Tiefe von 2 m. ein sorgfältig angelegtes Grab auf- gefunden, das nach den Beigaben zu schliessen, aus der eigentlichen Renntierzeit stammen soll und in welchem sich die Knochen von einem hassenzwerg von nur 135 cm. Höhe vorfanden. Die Beine desselben waren gekreuzt; der kleine Tote hatte ganz ähnliche Beigaben mit in das Grab erhalten wie die Pygmäen vom Schweizersbild und vom Dachsenbüel. Neben dem Kopf desselben lag ein durchlöcherter Hirschzahn und ein grosser Feuersteinhammer; neben der Schulter ein 9 cm. langes, scharfes Feuerstein- messer; weiter unten eine Lanzenspitze und andere Werkzeuge aus demselben Material, sowie ein vielgebrauchter abgenutzter, mit einem runden Loch versehener Kommandostab. In Deutschland sind Rassenzwerge aus der jüngeren Steinzeit aus dem Elsass und aus Schlesien bekannt. In den Kurganen Südrusslands sollen ebenfalls kleine Menschen mit kleinen Schädeln gefunden worden sein. In Italien hat Sergi auf die a jetzt noch lebenden Zwerge in Sizilien aufmerksam gemacht. Es war somit in der früh neolithischen und teilweise auch während der paläolithischen Zeit eine kleine Menschenrasse, nicht nur in der Schweiz, im Jura, in der Hochebene und in den Alpen, sondern auch in Frankreich, in den Pyrenäen und in den Cevennen, in der Tiefebene und in den Alpen, in der Champagne und im Innern des Landes, ferner in Deutschland, im Elsass, in Schlesien, sowie in Südrussland vorhanden. Es drängt sich demnach die Überzeugung auf, dass im Anfang der jüngern und höchst wahr- scheinlich auch während der ältesten Steinzeit in ganz Europa eine Zwerg- rasse lebte, wie heute noch solche Zwergvölker lebend in den verschiedenen Kontinenten in kleiner Zahl vorkommen. Das Kesslerloch hat einen neuen weitern Beitrag zu dem Vorhandensein einer solchen Zwergrasse in Europa in der Steinzeit geliefert. In der soeben erschienenen Arbeit: Les sepultures et les populations pr&historiques von Chamblandes bei Lausanne, von Prof. Dr. Alex. Schenk, schliesst sich derselbe dieser Ansicht an. Die Untersuchung der prähistorischen Gräber von Chamblandes durch den- selben hat ebenfalls wichtige anthropologische und archäologische Resultate ergeben; die 26 Skelette von diesem Orte füllen in einem gewissen Masse eine der Lücken aus, welche in der Erkenntnis des vorhistorischen Menschen in der Schweiz noch vorhanden war. Es konnte durch die Untersuchung derselben nachgewiesen werden, dass die Männer von Chamblandes im Mittel eine Grösse von nur 1,582 m. und die Frauen eine solche von 1,486 m. hatten, dass also Menschen von kleinem Wuchs mit besonderen anderweitigen Eigenschaften im Bau des Skelettes, durch welche sie sich an die paläo- lithische Bevölkerung Südfrankreichs anschliessen, auch an den Ufern des Genfer- sees, wie an denjenigen des Bodensees und des Oberrheins in der frühneolithischen Zeit, noch vor den ersten Pfahlbauern, lebten. Sie bestatteten in Chamblandes ihre Toten in künstlich erstellten Gräbern, wie am Schweizersbild und im Dachsenbüel, mit dem Kopf im Osten gelegen. Am ersteren Orte lagen zwei Menschen, Mann und Frau, gewöhnlich beisammen wie im Dachsenbüel; hie und da war in Chamblandes auch noch das Skelett eines Kindes in demselben Grab, wie im Schweizersbild, wo eine Frau mit ihrem neugeborenen Kinde in einem Grab auch beisammen lag. In Chamblandes wurde die gleiche Steinkiste zu wiederholten Malen zur Beerdigung benutzt; im Schweizers- bild und im Dachsenbüel dagegen das gleiche Grab nur einmal verwendet. Die Grab- stätten an den beiden letztgenannten Orten waren nicht mit Steinplatten bedeckt, wohl aber hatten sie sorgfältig trocken gemauerte Wände ringsherum. Die Steinäxte von der Form derjenigen von St. Acheul, der Feuersteinschaber, die durchlöcherten Zähne, die Muscheln aus dem Mittelmeer, die Perlen aus Gagat, die Korallen, der gelbe und rote Ocker versetzen die Gräber von Chamblandes in die paläo- lithische Zeit; dagegen rücken die geschliffene und durchlöcherte Steinaxt aus Serpentin und das durchlöcherte Steinmesser dieselben der neolithischen Zeit näher. Aus dem Vorhandensein von aus dem Osten stammenden Perlen aus Gagat, von Korallen und von Muscheln des Mittelmeeres lässt sich schliessen, dass die Bewohner von Chamblandes mit dem Osten und mit dem Mittelmeer in Handelsbeziehungen standen, wie solche auch von den den Wald bewohnenden Neolithikern des Schweizersbildes und der früh- neolithischen Bevölkerung vom Dachsenbüel nachgewiesen werden konnten. Die kleinen Skelette von Chamblandes sind gleichaltrig mit den Rassenzwergen vom Schweizershild, Dachsenbüel und Kesslerloch und gehören wohl der gleichen, kleinen Menschenrasse an. Wie sehr die Sage von den Zwergen, welche in den Bergen hausen sollen, heute noch verbreitet und geglaubt wird, konnte der Referent persönlich bei einem, in den letzten Jahren in Passug, in der Nähe von Chur, Kt. Graubünden gemachten Kur- aufenthalt erfahren. Eine alte Frau aus dem Fundaitälchen erzählte ihm, dass in ihrer Heimat, einer ganz wild romantischen und heute noch vom Verkehr beinahe ganz abgeschlossenen Gegend, weit oben auf den Bergen in Höhlen Zwerge leben, die sich von Wild und Wurzeln nähren und äusserst menschenscheu seien. Nur einmal habe sie ihr Vater gesehen, der bei der Gemsjagd durch einen Fall verunglückt sei und wegen eines gebrochenen Beines mehrere Tage weit entfernt von Menschen habe liegen bleiben müssen. Da seien plötzlich Zwerge mit langen Bärten erschienen, haben dem Ver- unglückten grosse, kühle Blätter von Huflattich mehrmals auf die brennende Wunde gelegt, wodurch es ihm nachher möglich geworden sei, sich ins Tal hinunter nach Hause zu schleppen. Zum Dank für diesen Samariterdienst der Zwerge habe der Vater selbst in seinen alten Tagen noch von Zeit zu Zeit an die Stelle, wo er krank gelegen, Käse, Brot und getrocknetes Fleisch getragen, von wo es die Zwerge dann später abgeholt und verzehrt hätten. Stets sei die Nahrung bei seinem Wiederkommen verschwunden gewesen; aber die hülfereichen Zwerge habe er nie wieder gesehen! Bis auf die heutigen Tage hat sich demnach in der Volksseele die frühere Existenz dieser kleinen Wesen in der Schweiz lebendig erhalten, was auch Prof. Dr. Singer in seiner Arbeit über die Zwergsagen der Schweiz in Nüesch, der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neolithischer Zeit, einlässlich nachgewiesen hat. 5. Die Artefakte vom Kesslerloch. a. Die Skulpturen und die Zeichnungen. An Einschlüssen, welche von menschlicher Tätigkeit herrühren, fanden sich bei den neuen Ausgrabungen in dem Schuttkegel, in und vor der Höhle zum Kesslerloch eine grosse Zahl. Ausser der grossen Menge paläontologischer Gegenstände, den Abfällen der Mahlzeiten der Höhlenbewohner, ausser den zerschlagenen Knochen, Gelenkenden, Geweihen und Hornstücken, Kiefern und Zähnen, Hufen und Krallen, Epiphysen und Diaphysen der Knochen, ferner ausser den Klopfern und Hämmern, welche zum Öffnen und zur Zertrümmerung der Röhrenknochen dienten, den Sitzplatten um die Feuerstellen 4 „u — herum, den Feuerherden mit der darauf liegenden Asche, den angebrannten und cal- einierten Knochen. den aus der Ferne hergetragenen Feuersteinknollen, den vom Randen stammenden Versteinerungen, den Muscheln und Ammoniten, den Belemniten und Gryphaea- Arten u. s. w. waren noch eine grosse Zahl Manufakte aus Feuerstein und Arte- fakte aus Knochen und Geweih vorhanden. Die eigentlichen Artefakte wurden zum grössten Teil aus den Knochen und dem Geweih des Renntiers, sowie aus den Röhrenknochen des Alpenhasen hergestellt. Sie waren im Innern der Höhle, wo sie in Lehm eingebettet lagen und dadurch der Verwitterung entzogen waren, gut und einzelne sogar vortrefflich erhalten. Die Farbe derselben war eine grau-gelbliche bis dunkelgraue. In der Tiefe vor der Höhle zeigten die Artefakte nicht mehr so grosse Konsistenz; sie zerbrachen leicht und hatten meistens eine dunkelbraune Farbe infolge des Liegens in dem, an Humussäure reichhaltigen Wasser der Talsohle und wegen der in Verwesung übergegangenen Abfälle der Küche aller Art. Die Artefakte aus den untersten Schichten vor der Höhle, welche eine hell- graue Farbe besassen, hatten mehr das Aussehen derjenigen Gegenstände, welche aus dem Schuttkegel stammten. Sie waren aber immerhin noch konsistenter als diese. Im Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang wirkten die direkten atmosphärischen Ein- flüsse, Wärme und Kälte, Regen und Trockenheit, Wind und Wetter ungünstig auf die Erhaltung der Einschlüsse, sodass beim Wegheben der Gegenstände sie häufig sogar zerbröckelten; es bedurfte der grössten Vorsicht, sie unversehrt weg zu nehmen. Ihr Erhaltungszustand glich demjenigen der Artefakte in der gelben Kulturschicht am Schweizersbild, welche unter ähnlichen Bedingungen durch Liegen in der Breccie den Einflüssen des Klimas seit Jahrtausenden ausgesetzt waren. Nur diejenigen Gegenstände, welche im Schuttkegel unter den grossen, bereits erwähnten Felsblöcken, in und unter dem hell gelblichen Lehmband lagen, zeichneten sich durch eine weitergehende Konsistenz aus. Die nur einige Centimeter dicke Lehmschicht genügte schon, um die darunter liegenden Gegenstände zu schützen und gut zu erhalten. Unter den mehr als 600 Artefakten aus Knochen und Geweih waren vorhanden: 2 eigentliche Rundbildungen, Skulpturen aus Geweih, Mensch und Fisch; 6 Zeichnungen, Tiere und Pflanzen; 13 durch Linienornamente verzierte Knochen und Geweihstücke, Ornament-Zeichnungen : S Pfeile aus fossilem Elfenbein und Bruchstücke von solchen; 2 Schnitzereien aus fossilem Elfenbein, mit Zeichnungen versehen; 11 bearbeitete Mammutknochen, zum Teil mit Ornamentverzierungen; S Schnitzereien aus gespaltenen Renntiergeweihstangen, mit erhabenen und vertieften Khomben und mit Ornamentzeichnungen versehen; 43 gespaltene Geweihstangen und Bruchstücke von solchen; 13 angeschnittene Geweihe; 5 angeschnittene Geweihsprossen ; 8 runde, lange Pfeile, Lanzenspitzen und Speere; 5 kantige, grosse, lange Pfeile, Lanzenspitzen und Speere; o ganze, kleine, schöne Pfeilspitzen ; 15 abgebrochene Pfeilspitzen; 10 halbrunde Pfeile aus gespaltenen Geweihstangen ; 4 Spateln, Glättinstrumente aus Renntiergeweih und Bruchstücke von solchen; 2 sehr schön bearbeitete, verzierte Harpunen mit spitzen Widerhaken, Blutrinnen und vertieften Ornamentverzierungen; 3 roh bearbeitete Harpunen, Angeln; 28 Nadeln und Bruchstücke derselben aus Knochen und Geweih vom Renntier, sowie Nadeln aus Knochen vom Alpenhasen; 33 gerade Pfriemen aus Knochen und Geweih; 16 krumme Pfriemen aus Knochen und Geweih; 11 durchlöcherte Knochen und Geweihstücke; 24 Renntierpfeifen und als solche benutzte, geöffnete Phalangen; 4 Kommandostäbe und Bruchstücke derselben ; 57 angeschnittene Knochenstücke; 35 verschiedene Schmuckgegenstände, als durchlöcherte Zähne, Muscheln, Ver- steinerungen; 10 bearbeitete Braunkohlenstücke, Gagatperlen und durchlöcherte Stücke; sowie sehr viele kleinere, bearbeitete, mit geraden, krummen und gebogenen Linien ver- zierte Gegenstände aller Art. Zu den interessantesten neuen Funden im Kesslerloch gehören die eigentlichen Rundbildungen, die Skulpturen, ferner die figuralen Zeichnungen und die mit Örramentverzierungen versehenen Schnitzereien. Von den ersteren ist die Darstellung eines Menschen und eines Fisches vorhanden. Die Skulptur aus dem Kesslerloch, welche wohl einen Menschen (siehe Tafel IIi, Fig. 8 u. Tafel V, Fig. 1) en miniature darstellen soll, ist aus Renntiergeweih ver- fertigt, einem schwieriger zu bearbeitenden Material als das fossile Elfenbein. Es ist daher auch nicht zu verwundern, wenn die Darstellung nicht so charakteristisch aus- gefallen ist, wie die einen weiblichen Torso darstellende sog. Venus von Brassempouy. welche aus Elfenbein geschnitzt ist. Diese Skulptur vom Kesslerloch stellt einen Menschen mit Kopf, Hals und Rumpf dar; die Beine fehlen. Der Kopf ist deutlich vom Rumpf durch den Hals getrennt. Der Kopf ist im Seitenprofil von links als Längsschnitt dar- gestellt; es lassen sich daran das Kinn, der Mund, die Stirn und der Scheitel samt Hinterhaupt erkennen. Durch den mehr hohen als breiten Kopf sollte wohl ein hoher, langer Schädel zur Darstellung gebracht werden. Das Kinn springt nur ganz wenig über das Profil des Gesichtes hervor und zieht sich unten rasch nach dem Hals zurück. Die Brust ist leicht nach aussen gewölbt und verläuft in gleicher Richtung flach nach abwärts. Den ziemlich breiten Rumpf hat der Künstler mit vielen Strichlein vorn versehen, besonders da wo sich die unteren Partien des Körpers anschliessen. Die Beine sind in der Skulptur vorn unten durch eine leichte Vertiefung und seitlich durch die Abflachung des Rumpfes gegen den Oberschenkel des linken Beines etwas angegeben. Auf der linken Seite des Körpers unmittelbar unterhalb des Kopfes steht, getrennt von ihm, aber gegen denselben etwas nach rück- und aufwärts gerichtet, ein Vorsprung, welcher die empor- zehobene linke Hand wohl darstellen soll. Der Rücken verläuft oben gerade nach ab- wärts; unten ist er etwas nach einwärts gekrümmt. Die ganze Skulptur hat eine Länge von 64 mm.; die grösste Tiefe von der Brust nach dem Rücken beträgt 10 mm. und die Breite über der Brust 9 mm. Die rechte Seite des Körpers ist nicht dargestellt. Das Geweih tritt hier ohne weitere Bearbeitung hervor. Die Skulptur ist unten abge- brochen; aber schon früher, denn diese Stellen zeigen keine frischen Bruchflächen. Weit vollkommener ist die vollständig erhaltene Skulptur eines Fisches (siehe Tafel V, Fig. 8, S*), welche eine Länge von 68 mm., einen Durchmesser am Anfang des Rumpfes von oben nach unten von 14 mm. und einen Querdurchmesser an derselben Stelle von 6 mm. hat. Der vom Rumpf deutlich getrennte Kopf nimmt ungefähr einen Drittel der ganzen Länge des Körpers ein. Vorn bei dem Mund ist er etwas ab- gestumpft; der Kopf und der Rumpf sind von den Seiten etwas zusammengedrückt und beide schmäler als hoch. Legt man den Fisch in die natürliche Lage (Fig. 8“), sodass der Kopf nach links gerichtet ist, so finden sich auf der dem Beschauer zugekehrten Seitenfläche des Kopfes, drei von rechts oben nach links unten verlaufende, breite Furchen, welche die Kiemen des Fisches darstellen sollen. Auf dem Rumpf, welcher anfangs ziemlich dick ist und etwas gerundet erscheint, der aber gegen das hintere Ende des- selben von den beiden etwas seitlich zusammengedrückten Flächen immer mehr sich verjüngt, befinden sich der ganzen Länge nach auf der Seite zwei breite, etwa 0,5 mm. tiefe Furchen, welche durch äusserst feine, parallel zu einander angeordnete Strichlein verziert sind, die in den Furchen von links oben nach rechts unten durch dieselben hindurehgehen. Zwischen den äusserst zierlichen Strichlein finden sich oben in beiden Furchen noch kleine, feine Vertiefungen, welche die Schleimdrüsen des Fisches wohl an- deuten sollen, durch deren Sekretion die Fische bekanntlich so schlüpfrig werden. Am hintern Ende verlaufen auf dem zwischen den Furchen befindlichen gerundeten, erhöhten Teil des Leibes, ebenfalls zierliche nach aussen divergierende Strichlein, wohl die Schwanz- flosse andeutend. Von der Mitte des Rumpfes, ebenfalls nach rückwärts verlaufend, sind zwei ganz zarte, etwas gebogene Linien auf dem erhabenen Teil desselben, die Furchen durchschneidend, sichtbar, welche die seitlichen Flossen anzeigen. Dreht man den Fisch um, sodass der Kopf nach rechts zu liegen kommt, so zeigen sich auf der Seitenfläche des letzteren ebenfalls die von rechts oben nach links unten rückwärts verlaufenden, drei breiten etwa 0,5 mm. tiefen Furchen, die Kiemen darstellend. Auch hier ist der Rumpf deutlich getrennt vom Kopf; er schwillt aber nach unten etwas mehr an als auf der gegenüber liegenden Seite und ist nach abwärts mehr gewölbt. Die beiden gleichen Längsfurchen wie auf der andern Seite, mit den feinen Strichlein und Punkten dazwischen, finden sich auch hier; aber die Strichlein verlaufen nicht von 29 rechts nach links unten, sondern umgekehrt, von links oben nach rechts unten; sie sind auf der vordern Hälfte des Rumpfes kaum noch siehtbar. Die Furchen selbst sind weniger tief vorn auf dieser Seite als hinten; dagegen verlaufen hier zwei von der obern Furche von vorn kommende, beinahe parallel schief nach rückwärts bis auf die Mitte des Rumpfes reichende Linien, welche durch zwei unten vom Bauche herkommende Linien geschnitten werden. Es sollen dieselben wohl die seitlich stehenden Brust- und Bauchflossen des Fisches anzeigen. Auf dem 5 mm. breiten Rücken des Fisches ver- laufen äusserst zierliche, parallele Linien gegen die Schwanzflosse zu; oben auf dem Rücken unmittelbar hinter der Einschnürung des Halses ist eine etwas vertiefte 7 mm. lange Stelle, in welcher auf ganz ähnliche Weise wie auf der Seite des Rumpfes, die Rückenflossen angegeben sind. Die ganze Skulptur ist ausserordentlich zierlich und fein gearbeitet; nirgends ist eine Unmebenheit vorhanden, sodass sich diese Skulptur beinahe ebenso schlüpfrig anfühlt, wie der lebende Fisch selbst. Unter den bearbeiteten Gegenständen nehmen vor allem auch diejenigen Objekte unser Interesse in Anspruch, welche aus fossilem Elfenbein hergestellt sind. Darunter sind zunächst Instrumente, welche im praktischen, täglichen Leben dienlich waren und zur Erlegsung des Wildes gebraucht wurden, nämlich Pfeile und Pfeilspitzen. Es sind deren 8 aus fossilem Elfenbein vorhanden, welche allerdings meistens in Bruchstücken uns erhalten blieben; doch zeigen sie eine sehr schöne und saubere Bearbeitung, wie die Pfeilspitze auf Tafel IX, Fig. #, deutlich erkennen lässt. Eine etwas gekrümmte Lanze aus demselben Material ist dreikantig bearbeitet (Tafel XXIII, Fig. 5) und hat eine Länge von 21 cm. auf 12 mm. Breite. Die übrigen Stücke aus Elfenbein sind zylindrisch bearbeitet und dürften die Mittelstücke von runden Pfeilen sein. Ein anderes Stück (Tafel IX, Fig. 1) läuft in eine etwas gekrümmte Spitze aus und konnte als Stech- instrument dienen; ein ähnliches Werkzeug (Tafel IX, Fig. 3) ist dreikantig bearbeitet. Ein 7,5 cm. langes, 3 cm. breites und am einen Ende 2,8 cm., am andern 1,5 cm. dickes bearbeitetes Stück fossiles Elfenbein (Tafel IX, Fig. 2 und Tafel VIII, Fig. 1) trägt auf der oberen Seite eine Zeichnung. Was dieselpe aber bedeuten soll, ist mit Sicherheit nicht anzugeben. Ob die ganze Skulptur den Kopf eines Tieres, dessen Ohren in der Zeichnung dargestellt wären, vorstellt, oder ob die Zeichnung ein phan- tastisches, etwa schlangenähnliches Tier wiedergeben soll, ist schwer zu entscheiden. Immerhin ist das Stück an und für sich eine Rundplastik, welche noch nicht vollendet sein dürfte. Ein anderes, ähnlich bearbeitetes Stück Elfenbein ist ebenfalls mit einer Zeichnung versehen, die nicht genauer gedeutet werden kann. Nicht nur die Stosszähne des Mammuts haben die Bewohner des Kesslerlochs zu Werkzeugen benutzt; auch aus den grossen, langen Knochen dieses Tieres stellten sie Instrumente her. Ein grosses Stück eines Röhrenknochens ist zu emem dolchartigen Instrument (Tafel XVI, Fig. 1) verwendet worden; dasselbe ist 33 cm. lang und am hintern, dicken Ende 7,5 em. breit; gegen vorn läuft es gleichmässig in eine Spitze zu und ist an den Seitenflächen bearbeitet. Das Werkzeug liegt sehr gut in der Hand und — 2: — konnte als vorzüzliche Stich- und Stosswaffe verwendet werden. Das hintere Ende auf der Rückseite ist quer angeschnitten. Ein ebensolches, bearbeitetes Stück von einem langen Mammutknochen (Tafel XVI, Fig. 2) ist an den beiden Enden zugespitzt. Es hat eine Länge von 28,5 cm.. in der Mitte eine Dicke von 5,5 cm. und liegt ebenfalls sehr gut in der Hand. An Dicke nimmt es nach beiden Enden hin von der Mitte aus zu, sodass es bei einem Schlag mit der Spitze gegen irgend eine Seite absolut nicht aus der Hand hinausfahren konnte. Es diente als vortreffliche Stich-, Stoss- und Verteidigungswaffe zegen Menschen und Tiere. Ein nicht minder dienliches Instrument ist das auf Tafel XV, Fig. 3 abgebildete 16 cm. lange, 2 cm. breite und 0,5 cm. dieke, ganz ähnlich bearbeitete Stück aus einem Mammutknochen, das vorn eine scharfe, hinten eine stumpfe Spitze trägt. Auf der obern, der äusseren Seite des Knochens ist es ganz glatt poliert. Sechs andere Knochenstücke vom Mammut (Tafel XV, Fig. 1, 2, 4, 6, 7) sind ebenfalls ganz fein poliert an der Oberfläche; eines derselben ist mit einer vertieften Oberfläche ver- sehen und hat eine Menge Längsfurchen und Linien, durch welche es schön verziert erscheint (Tafel XV, Fig. 4). Zwei weitere Werkzeuge aus Knochen dieses Tieres laufen am einen Ende in eine kurze Spitze aus (Tafel XV, Fig. 1 und 2) und konnten als Stechwaffe benützt werden. Ein kurzer, dicker anderer Mammutknochen hat hübsche Linien-Ornamentverzierungen (Tafel VIII, Fig. 6). Ein ebensolches, etwas konisch bear- beitetes Stück ist quer abgeschnitten (Tafel XV, Fig. 5) und ringsherum fein geglättet. Eine Masse anderer Knochenstücke vom Mammut, welche zerstreut herum lagen, weisen keine weitere Bearbeitung auf, als dass sie in kleine Stücke zerschlagen wurden; die Schlagmarken sind noch deutlich sichtbar an einzelnen Stücken. Von eigentlichen Zeichnungen sind bei den neuen Grabungen sechs solche zum Vorschein gekommen und zwar zwei figurale Zeichnungen und vier Zeichnungen von Pflanzen. Eine figurale Zeichnung befindet sich auf einer sehr bröckeligen zylin- drischen, etwas gebogenen Geweihstange (Tafel VI, Fig. 2 und 2°), welche beim Heraus- nehmen aus der Erde in vier Stücke zerbrochen ist, aber wieder zusammengesetzt werden konnte; sie wurde in dem Schuttkegel vor dem südöstlichen Eingang gefunden. Diese Geweihstange ist ein Stück eines Kommandostabes; es befindet sich nämlich auf der Rückseite am oberen Ende desselben ein Teil eines runden loches, welches beinahe bis in die Mitte des Geweihes noch vorhanden ist; auch zeigen sich unterhalb des Loches quere Anschnitte auf der gleichen Seite des Zierstabes: er ist 150 mm. lang und hat in der Mitte einen Durchmesser von 17 mm. Wenn man das Stück in die senkrechte Lage bringt, sodass die schiefe Bruchfläche oben ist, so glaubt man, das Gesicht eines Mannes mit langen herabhängenden Barthaaren erkennen zu können, wie es in der ersten Mit- teilung über die neuen Grabungen und Funde angegeben wurde. Dreht man aber das Stück um, sodass der Kopf unten sich befindet, oder auch wenn man das Geweih so wagrecht vor sich legt, dass der Kopf nach links gerichtet ist wie in der beistehenden photographischen Wiedergabe (Fig. 5), so stellt die Zeichnung unzweifelhaft ein Tier dar, wohl einen Cerviden mit ziemlich langen Ohren, anliegendem Geweih, der mit a nie vorgestreckten Vorderbeinen gedacht ist. Man sieht deutlich den Umriss des Kopfes, die beiden Nasenlöcher, die Ohren, sowie das linke Auge; das rechte Auge ist weniger gut erkenntlich. Oberhalb des Ansatzes der Ohren befindet sich auf beiden Seiten je eine in der Längsrichtung des Stückes angegebene starke Vertiefung, zwischen welchen das anliegende Geweih des Cerviden hervorragt. Unten auf dem Geweihstab verläuft der Länge nach eine ziemlich tiefe, 15 mm. lange Furche bis an das Ende desselben; am oberen Ende scheint durch zwei Linien ein vorgestrecktes Bein angedeutet zu sein. Fig.5. Zeichnung eines Cerviden. Auf einem dieken Knochenstück (Tafel XXVI, Fig. 5) findet sich ebenfalls noch eine figurale Zeichnung, welche den Kopf und den Hals eines Tieres darstellt. Der Kopf ist herabhängend, an dem Hals ganz anliegend gezeichnet. Eine natürliche Vertiefung im Knochen ist als Auge benutzt worden; oben auf dem Kopf sind kurze Ohren und krause Haare angegeben; der Hals ist lang und schmal. Ausser den Skulpturen und Zeichnungen von Menschen und Tieren kommen unter den neuen Funden auch noch Zeichnungen von Pflanzen vor. Auf einem Braun- kohlenstück ist (Tafel VII, Fig. 4) die Zeichnung einer zierlichen, kleinen Pflanze mit vielen Blättern; ebenso befindet sich auf einem bearbeiteten Geweihstück (Tafel VIII, Fig. S) die Abbildung einer Grasart mit langen, spitzen Blättern, sowie auf einem gebogenen, gespaltenen Geweihstück (Tafel XI, Fig. 11) der Stengel einer Pflanze, von welchem grosse, breite Blätter abzweigen. b. Die Schnitzereien. Zu den hervorragenden, neu vorliegenden Funden aus unserer Niederlassung gehören die Schnitzereien aus Renntiergeweih und die gespaltenen Geweihstangen des- selben Tieres. Die schon früher aufgefundenen Zeichnungen des weidenden Renntiers (Tafel II, Fig. 1 und 2), des Steppenpferdes bezw. Wildesels (Tafel II, Fig. 3) und der Pferde, ferner die Skulpturen des sog. Moschusochsenkopfes und des Alpenhasen, sowie die bei den neuen Ausgrabungen gefundenen plastischen Darstellungen des Menschen und eines Fisches, die Zeichnungen von Cerviden und Pflanzen, ferner die Verzierungen aller Art, geben uns einen hohen Begriff von der Kunstfertigkeit des Renntier- und Mammut- jägers vom Kesslerloch. Unsere Bewunderung steigert sich aber noch durch die bei den letzten Ausgrabungen gefundenen kunstvollen Schnitzereien mit erhabenen und vertieften Rhomben, mit prächtigen geometrischen Ornamenten und Verzierungen auf denselben. 32 — Zu den Schnitzereien sind gespaltene Geweihstangen des Renntiers verwendet worden. Die Hauptstange des Geweihs wurde zu diesem Zweck der Länge nach an zwei einander zegenüberliegenden Seiten angeschnitien und auf jeder Seite mit einer bis auf das Mark der Stange vordringenden Furche versehen und dann entzweigesprengt. gespalten. Es ergaben sich durch dieses Vorgehen zunächst zwei gleich lange Stücke Geweih, von denen jedes eine flache und eine halbkreisförmig gewölbte Fläche (Tafel XIII, Fig. 1: Tafel XVII, Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 10) als Begrenzung hatte. Ein solches gespaltenes Stück (Tafel XVII Fig. 9) ist noch mit einer Kruste von Kalksinter überzogen, sodass die Art und Weise der Bearbeitung auf beiden Flächen deutlich erhalten ge- blieben ist. An anderen Stücken (Tafel XVII, Fig. 1, 3, 5. 7, 8), bei welchen die ebene Seitenfläche dem Beschauer zugekehrt ist, sind die scharfen Anschnitte auf den Längsseiten ebenfalls noch sichtbar und dazwischen lässt sich das spongiöse Gewebe im Innern des Geweihs erkennen. Durch ein solches Entzweispalten der Geweihstange entstanden zwei ungefähr gleich grosse und gleich lange Stücke, die dann durch weiteres Spalten der Länge nach in beliebig viele Streifen zerlegt werden konnten, aus denen durch geeignete weitere Bearbeitung die Geweihartefakte hergestellt wurden. Die meisten neu aufgefundenen, langen Geweihinstrumente, als Speere, Lanzen, Lanzen- und Pfeilspitzen, Meissel, Stechinustrumente u. s. w. bestehen aus solchen gespaltenen Geweih- stangen. Die Querschnitte bei den Figuren auf den Tafeln lassen dies deutlich erkennen. Noch bei keinem Funde aus der Renntierzeit kamen eine solche Menge der Länge nach ent- zweigeschnittene und gespaltene Geweihstangen und daraus verfertigte Geräte vor. Die entzweigeschnittenen Stücke sind verschieden lang, je nach der Länge der verwendeten Hauptstange:; es gibt Stücke (Tafel XII, Fig. 2) von 46 mm. bis zu 320 mm. Länge mit entsprechender Dicke von 16 mm. bis zu 28 mm. Eine ähnliche Bearbeitung ist an der Stange Fig. 1, 1“, 1° auf Tafel XII zu erkennen; hier wurde aber zuerst ein langer Streifen auf der rechten Seite des Stückes weggeschnitten und dann der übrig gebliebene Teil durch tiefe Einschnitte (Tafel XII, Fig. 1” und 1*) weiter zerlegt. Die Schnitzereien aus solchen, auf die oben angegebene Art und Weise gespaltenen Geweihstangen sind auf Tafel III, Fig. 1, 2, 2", 3, 3®, 4, 6, 10 in Photographie repro- duziert. Da die eigentliche Bearbeitung aber aus dieser Wiedergabe nicht leicht er- sichtlich ist, so wurden sie noch gezeichnet, wobei die halbzylindrische Mantelfläche abgerollt dargestellt ist. Die schönste Schnitzerei (Tafel IV, Fig. 3, 3*, 3°) zeigt auf der gewölbten Oberfläche drei Reihen von 0,5 mm. über den Stab hervorstehenden erhabenen Rhomben, welche längs des Stückes so angeordnet sind, dass je 25 in einer ganz geraden Linie an den beiden Seiten stehen und in der Mitte derselben 21 solcher so gestellt sind. dass sie quer über das Stück ebenfalls beinahe in gerader, aber schiefer Reihe stehen. Längs der rechten Seitenkante verlaufen parallel zu einander vier Längs- furchen; auf der linken Seite dagegen nur drei solche von je etwa 1 mm. Breite und 0,5 mm. Tiefe. Zwischen den äusseren zwei Reihen und der mittleren, auf der höchsten Wölbung des Stabes sich befindenden Serie von Rauten, sind auf beiden Seiten noch er Sa. ER vertiefte Verzierungen angebracht; gegen das obere Ende laufen diese Verzierungen in gebogener Linie ineinander. Das gleiche Motiv der vertieften Ornamentalverzierungen wiederholt sich in umgekehrter Weise am obern Ende des Stabes, doch so, dass sie nicht aneinander stossen, sondern einen Zwischenraum von 8 mm. frei lassen. Der letztere ist ausgefüllt durch ein blumenförmiges, vertieftes Ornament. Die flache Rück- seite des Stabes ist durch eine Reihe von schiefen parallel zu einander laufenden Furchen verziert, von denen sich einige in der Mitte treffen; das obere und untere Ende des Stückes haben alte Brüche. Der ganze Stab macht einen sehr gefälligen Eindruck durch die erhabenen, symmetrisch angeordnete Stellung der zahlreichen geometrischen Rhomben, durch die vertieften Verzierungen zwischen denselben, durch die doppelte Volute am obern Ende und durch die genau gleich tiefen und breiten Längsfurchen an den beiden Seiten. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, wie ist die Herstellung eines solchen Kunstwerkes mit so primitiven Werkzeugen, wie die Bewohner des Kesslerlochs sie besassen, möglich gewesen, und wie ist es gemacht worden? Die Antwort auf diese Frage geben die übrigen mit erhabenen Rhomben versehenen Stücke, sodass man ein vollständiges Bild von der Technik, der Bearbeitung des Stabes, nachweisen kann. Zuerst wurde allem Anschein nach ein gespaltenes Geweihstück (Tafel III, Fig. 1, 1", 2, 2") auf der flachen Rückseite durch verschieden tiefe und verschieden gegeneinander gestellte Furchen verziert, sowie die ganze gewölbte Oberfläche sorgfältig poliert; dann die Furchen längs den Seitenkanten derselben eingegraben; hernach durch einen beinahe rechtwinklig zu den Vertiefungen gehenden Schnitt etwas Geweihmasse auf den Seiten des Stückes entfernt, wodurch eine der Kanten des Rhombus entstand (Tafel IV, Fig. 2»). Durch einen zweiten Schnitt in der entgegengesetzten Richtung und in der dem Rhombus entsprechenden Breite entfernt vom ersten brachte man eine zweite Seitenkante an. Die dritte Kante wird gebildet durch die früher schon hergestellte Längsfurche (Tafel IV, Fig. 1° und 2). Durch Wegschnitzen des Geweihs mit einem scharfen Feuerstein- instrument auf der weiter oben liegenden gewölbten Fläche wurde wohl die vierte Kante hervorgebracht, und in ähnlicher Weise die mittlere Reihe der Rauten, sowie die ver- tieften Ornamentverzierungen fertiggestellt. Es war das eine Arbeit, welche weit mehr Kunstsinn und Fertigkeit im Handhaben der Instrumente erforderte, als die Herstellung von Umrisszeichnungen. Eine Schnitzerei (Tafel V, Fig. 7) hat auf der gewölbten Oberfläche neben den Rhomben noch mehr parallele Furchen und auf der ebenen Spaltfläche (Tafel II, Fig. 3) nicht ganz über dieselbe hinüberreichende Furchen, sondern solche, welche sich in der Mitte unter einem spitzen Winkel treffen. Das ebenfalls mit zwei Reihen erhabener Rhomben ver- zierte Stück auf Tafel V, Fig. 6 hat ausser denselben noch eine weitere Ornamentierung mit vertieften, krummen Linien zwischen den Rauten. Das ähnliche Motiv der er- habenen Vierecke ist auf einem andern Stück (Tafel V, Fig. 2) gleichfalls vorhanden, doch fehlt die mittlere Reihe von Rhomben, an deren Stelle sind Furchen getreten. 5] — 34 — Das Rhomben-Motiv findet sich auch auf einem fein polierten Geweihstück (Tafel V, Fig. 3) auf den beiden Längsseiten angewendet; doch stehen die Rauten nicht über die polierte Fläche hervor; sie sind nicht erhaben, wie bei den eben beschriebenen Geweihstangen, sondern sie sind durch 1 mm. tiefe Einschnitte in das Geweih ein- zerraben. Auf der wenig gewölbten, obern Fläche trägt das Stück noch vertiefte blumenartige Ornamentverzierungen. Es sind bei den letzten Grabungen acht Stück Schnitzereien mit erhabenen und vertieften Rhomben zu Tage gefördert worden. Bei den ersten Grabungen im Kesslerloch im Jahre 18574 hat Merk nur ein solches mit erhabenen Rhomben verziertes Stück (Merk, K., Der Höhlenfund im Kesslerloch, Tafel IV, Fig. 29) aufgefunden; es trägt dasselbe bloss zwei Reihen Rauten auf der gewölbten Oberfläche und an den beiden Längskanten auch nur zwei Längsfurchen; von Merk wird dasselbe als verzierter Schaber bezeichnet. Unter den Funden aus der Höhle im Freudental bildet H. Karsten in seiner Studie der Urgeschichte des Menschen in einer Höhle des Schaffhauser Jura (Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band XVIII, Heft 6, 1574) ebenfalls ein solches mit erhabenen Rhomben ver- ziertes Stück Geweih als Lanzen- oder Pfeilspitze ab, dessen Skulptur an die von Lartet und Christy (Reliquiae aquitanicae, Tafel BB, XXIII und B XVIII, 1) gezeichneten, bei La Madeleine und Laugerie-Basse gefundenen, erinnern soll; es trägt dieses 7,3 cm. lange, nicht gespaltene, sondern konisch zulaufende Stück Geweih drei Reihen erhabener Rhomben; in der grössten sind neun solcher Rauten vorhanden. Einige Anklänge an die vollständig stilisierten Ornamente mit den erhabenen, geometrischen Rauten vom Kesslerloch sind in französischen Höhlen an der Dordogne und in einer mährischen Niederlassung aus der Renntierzeit aufgefunden worden. Von Laugerie-Basse an der Dordogne bilden Girod und Massenat in: „Les stations de l’äge du Renne*, 1901, ein Gerät (Tafel XXVI, Fig. 1) mit Erhöhungen (mammelons) an der Oberfläche ab, welche unregelmässig verteilt und ohne geradlinige Kanten sind; es erinnert dasselbe ganz an die knorrige Rinde der mit Borken versehenen, alten Eichen und Föhren. Ein anderes Artefakt aus der gleichen südfranzösischen Niederlassung trägt eine weitergehende stilisierte Rhombenverzierung als das eben erwähnte, hat aber an den Seiten keine Längsfurchen, nur zwei Reihen unvollständig begrenzter Rauten und keine vertieften Verzierungen. Im Hofmuseum in Wien soll aus der Diravica-Höhle in Mähren, nach Angabe des Hrn. Archäologen Obermeier, ein Pendant zu dieser Art von Verzierung mit Rhomben liegen. Keine aber von den anderwärts gefundenen Schnitzereien mit erhabenen Rhomben erreicht an Schönheit die neulich aufgefundenen Schnitzereien vom Kesslerloch. Im fernen Osten und im fernen Westen vom Kesslerloch haben demnach die Renn- tierjäger gewisse Instrumente auf die ähnliche Art und Weise verziert. Es deutet dies darauf hin, dass die Renntierjäger in Mähren und diejenigen von Südfrankreich mit denen vom Kesslerloch in Verkehr mit einander standen; denn es ist nicht wohl anzunehmen, dass dasselbe Motiv der Verzierung der Geräte an drei und mehr so weit von einander gelegenen Niederlassungen jeweils autochthon entstanden sei. Die Renntierjäger der Steinzeit haben grosse Wanderungen gemacht, wie heutzutuge noch die Eskimos weit herumziehen mit ihren Herden. Eine eigenartige Schnitzerei mit ganz besonderen Verzierungen bildet das hintere Ende eines Kommandostabes (Tafel VII, Fig. 1, 1%, 1’, 1°, mit den Quer- schnitten 1%, 1°, 19). Am Rande aussen herum befinden sich nebst dem halben Umfang des grossen Loches noch eigentümlicher Weise vier weitere halbkreisförmige, abgebrochene Überreste von Löchern, von denen jedes auf der Vorder- und Rückseite mit mehreren schönen kreisförmigen Furchen umgeben ist. Sowohl die Breitseiten des 65 mm. langen, 52 mm. breiten und ungefähr 16 mm. dicken Stückes, als auch die Schmalseiten sind durch viele Furchen, Linien, Striche, Strichlein, symmetrisch angeordnete Vertiefungen, Halbkreise, Ovale und Ellipsen verziert. Auf dem längern Seitenarm des Stückes ist auch das Rhomben-Motiv in vertiefter Darstellung als Verzierung angebracht (Tafel VII, Fig. 1’) und von langgestreckten Ellipsen umrahmt. Ein weiteres, schönes Artefakt aus Geweih mit Verzierungen, auf welchem das- selbe Rhomben-Motiv, nicht erhaben, sondern ebenfalls vertieft vorkommt, ist die auf Tafel VI, Fig. 4, 4%, 4», 4°, 4% gezeichnete und auf Tafel III, Fig. 5 photographisch reproduzierte Schnitzerei aus Renntiergeweih. Es ist anscheinend eine Harpune von ausserordentlieher Grösse; ein ebenso grosses, aber nur ganz roh bearbeitetes Knochenstück (Tafel XIV, Fig. 5) ist der Form nach derselben etwas ähnlich. Es ist dieses vermeintliche Bruchstück einer ausserordentlich grossen, schön verzierten Harpune aber höchst wahrscheinlich das Endstück eines Speerwurfstockes — ein Unikum in seiner Art — wie solche die Eingeborenen Australiens noch heute verwenden, um die Durchschlagskraft des Speeres zu erhöhen. In seiner Abhandlung m der Zeit- schrift für Ethnologie 1901, p. 127 u. f. beschreibt Dr. O. Schötensack die Wurfstöcke der Australier und gibt auch Abbildungen von ähnlichen paläolithischen Gegenständen aus Laugerie-Basse, Gourdon und Mas-d’Azil. Der Fund eines Wurfstockes im Kessler- loch ist ein Beleg für die Verwendung solcher Hülfsmittel schon in der älteren Steinzeit in Europa. Der vorliegende Wurfstock ist 68 mm. lang, 19 mm. breit beim Widerhaken und 12 mm. dick. Auf allen vier Seiten zeigt er eine schöne Ornamentierung; oben und unten sind alte Bruchflächen vorhanden. Legt man die Schnitzerei so, dass der einzig vorhandene Widerhaken nach rechts (Tafel VI, Fig. 4) zu liegen kommt, so zeigt die Breitseite einen der Länge nach 7 mm. breiten, über dem seitlichen Rande und über dem Widerhaken 2 mm. erhabenen Rücken, der durch rechtwinklig aufeinander stehende Einschnitte acht vertiefte Rhomben trägt, deren obere Flächen mit derjenigen des Wurf- stockes in der gleichen Ebene liegen. Durch eine Reihe paralleler schiefer Einschnitte längs der Erhöhung und davon gegen den Widerhaken schräg verlaufender Striche und Furchen wird diese Seite reich verziert. Die Rückseite des Stückes (Tafel VI, Fig. 4*) zeigt eine ganz ähnliche Ornamentierung mit Furchen, Strichen, Strichlein und zarten 3 — Linien; doch sind die vertieften Rhomben weniger deutlich ausgeprägt. Auf der einen Schmalseite (Tafel VI, Fig. 4°) kommt der Länge nach in der Mitte das etwas schwammige Gewebe des Geweihs zum Vorschein; von demselben verlaufen gegen die beiden Breit- seiten eine Reihe von schiefen kleinen parallelen Linien. Die andere Schmalseite (Tafel VI, Fig. 4”), an welcher der 5 mm. vorstehende Widerhaken angebracht ist, trägt auf dem Längsschaft sechs, gleichfalls vertieft angegebene Rhomben und auf dem Widerhaken schiefe parallele Striche und Strichlein. An eigentlichen Harpunen sind zwei schöne, beinahe vollständig erhaltene Exemplare, eine grosse und eine kleine, vorhanden. Es fehlt beiden nur die Spitze. Die grosse Harpune, aus Renntiergeweih geschnitzt, ist auf Tafel XI, Fig. 3 photographisch und auf Tafel VI, Fig. 1 in Zeichnung wiedergegeben; letzteres, um die kunstvolle Bearbeitung derselben besser zur Anschauung zu bringen. Sie hat eine Länge von 1285 mm. Die Breite des Schaftes beträgt in der Mitte 11 mm. und die grösste Dicke etwa S mm. Auf der linken Seite sind drei sehr spitze Widerhaken angebracht, von denen der hinterste zwei Rinnen, die übrigen nur eine solche tragen, durch welche das Blut des angeschossenen Tieres abfliessen konnte. Die Rinnen sollen auch zur Aufnahme von Giftstoffen gedient haben, durch welche das angeschossene Tier rasch verendet haben soll. Auf der rechten Seite trägt die Harpune zwei Hacken, von denen einer ganz erhalten ist. Das hinten flach erweiterte Ende hat auf der linken Längsseite zwei, auf der rechten drei Vorsprünge. Die ganze Harpune ist sehr schön durch -verschiedenartige Linienornamente verziert. Die Verzierung durch Kerben, Strichlein, Längsschnitte, Rinnen, Ornamente in Dreiecksform und Einschnitten erstreckt sich auf den Schaft der Harpune, auf die Widerhaken und auf die seitlichen Vorsprünge am Ende derselben. Die Rückseite ist schön poliert, trägt aber keine weitere Verzierung. Die kleine, aus Knochen hergestellte Harpune (Tafel XI, Fig. 12), 54 mm. lang, 3 mm. breit und 2 mm. diek, hat ebenfalls sehr spitze Widerhaken; auf der linken Seite drei solche, von denen die vorderste abgebrochen ist, und auf der rechten drei ganz erhaltene. Am hintern Ende ist sie ebenfalls flach erweitert und läuft in eine scharfe Spitze aus. Die beiden auf Tafel XI, Fig. 6 und 7 abgebildeten bearbeiteten Knochenstücke haben ganz die Form von Angelhaken und können als Geräte zum Fangen von Fischen gebraucht worden sein. Viele Gegenstände zeigen parallele Linien, Furchen- und Kerben-Verzierungen (Tafel III, Fig. 2”; Tafel IV, Fig. 2; Tafel V, Fig. 4 und 5; Tafel VII, Fig. 10, 10°; Tafel VIII, Fig. 2, 3, 3*, 13; Tafel XI, Fig. 1, 4; Tafel XIV, Fig. 2; Tafel XXII, Fig. 2, 11; Tafel XXIV, Fig. 7, 8, 10). Auf andern Objekten schneiden sich die Linien und Furchen unter verschiedenen Winkeln, wie die Eigentumsmarken auf den Pfeilen (Tafel VI, Fig. 3) und auf anderen Objekten (Tafel III, Fig. 3’ und Tafel V, Fig. 4 und 5) zeigen. Eine Rippe (Tafel XI, Fig. 5) hat eine tiefe, mit der Krümmung parallel laufende Furche, gegen welche eine Reihe kleinerer Linien schief gerichtet sind. Ein schief ab- geschnittenes Röhrenknochenstück (Tafel VII, Fig. 10, 10°) besitzt eine grosse Anzahl Be ganz feiner, paralleler, wagrechter Strichlein, welche dem Stück ein zierliches Ansehen verleihen. Aus der bisherigen Beschreibung der neuen Funde in unserer Höhle geht hervor, dass durch dieselben die ganze Kunstentwieklung der diluvialen Zeit, wie sie M. Hoernes in seinem klassischen Werk über die Urgeschichte der diluvialen Kunst in Europa beschreibt, im Kesslerloch, in ein und derselben Niederlassung aus der ältesten Steinzeit, in allen Stadien vertreten ist. Nach dem Vorgang von E. Piette weist er nämlich nach, dass die Entwicklung der Kunst in dieser Epoche mit "der Rund- plastik beginnt, auf welche dann die figuralen Zeichnungen und schliesslich die Örnamentik, als letzte und höchste Stufe der Kunst, folgen. Die Rundplastik, die primäre Bildkunst, ist vertreten im Kesslerloch durch die bei den neuen Ausgrabungen gefundene menschliche Darstellung und den Fisch aus Remntiergeweih, ferner durch das bearbeitete fossile Elfenbein, sowie durch den schon früher gefundenen sog. Moschusochsenkopf und durch den Kopf eines Alpenhasen, ebenfalls beide aus Renntiergeweih. Die figuralen Zeichnungen sind sehr zahlreich aus dem Kesslerloch vorhanden durch die bei den letzten Grabungen gefundenen Abbildungen von Cerviden und Pflanzen, sowie durch die schon früher gehobenen Zeichnungen des weidenden Renntiers, des Pferdes bezw. des Wildesels, der vorwärts schreitenden ver- schiedenen Renntiere, der Pferdeköpfe und anderer Tiere mehr. Die Ornamentik ist entwickelt auf dem mit Kreisen, Ellipsen, Ovalen, Rhomben, Voluten reich verzierten Kommandostab, auf dem an allen Seiten- flächen verzierten Wurfstock, auf den mit erhabenen und vertieften Rhomben versehenen gespaltenen Geweihstangen der verschiedensten Art, sowie auf den schon früher und jetzt auch gefundenen grossen und kleinen Harpunen, auf den mit Blutrinnen und Eigentumsmarken versehenen Speeren, Lanzen und Lanzen- spitzen, Pfeilen und Pfeilspitzen. Es kommt allerdings unter den angeführten Kunstleistungen des Kesslerloches nicht in erster Linie das Weib in plastischer Darstellung vor, welche Darstellung E. Piette und M. Hoernes als älteste Kunstleistung annehmen; allein das Kesslerloch gehört nicht in das Mousterien und nicht in das Chell&en, auch nicht in das eigentliche Solutreen, und doch wird bei der grossen Kunsttätigkeit in dieser Station wohl auch das Weib neben dem Wild seinen Bildner gefunden haben. Die plastische Darstellung des Weibes aber ist möglicherweise aus dieser Station mit vielen anderen Dingen auf der Jagd oder anderswie verloren gegangen und nicht auf uns gekommen. c. Die Nadeln. Die zahlreich aufgefundenen Nadeln bestätigen neuerdings, dass sich die Höhlenbewohner vor den Unbillen der Witterung schützen mussten, indem sie sich in die Felle der erlegten Tiere kleideten. Sie benutzten die Nadeln sowie die geraden und = 38 — krummen Pfriemen zum Durchstechen und zum Zusammennähen der Felle, der Pelze und der Vogelbälge. Von Nadeln und Bruchstücken derselben sind 38 Stück vor- handen, darunter sehr schöne, ganze Nadeln mit rundem Öhr (Tafel IX. Fig. 25, 26, 28; Tafel XVII, Fig. 13, 33); ferner solche ohne oder mit abgebrochenem Öhr (Tafel IX, Fig. 27: Tafel XVII, Fig. 17, 18, 25, 27, 34, 34°, 34°) und eine ganze Reihe Nadel- spitzen und Mittelstücke, sowie angefangene Nadeln (Tafel IX, Fig. 24; Tafel XVII, Fig. 11, 12, 14, 15, 16, 22, 24, 25). Zu der Herstellung der Nadeln wurden entweder Röhrenknochen des Alpenhasen oder die langen Knochen des Renntiers benutzt. Der Oberschenkel des Alpenhasen hat eine ausserordentliche Festigkeit; die Wände des mittleren Teils der Diaphyse desselben haben schon die für Nadeln erforderliche Dicke. Es brauchten dieselben nur der Länge nach entzweigeschnitten, poliert, mit Spitze und Öhr versehen zu werden. Auf Tafel XVII, Fig. 1 bis 27 ist die Herstellungsweise der Nadeln aus den Knochen des Alpenhasen anschaulich zusammengestellt. Es gelang, alle Stadien der Bearbeitung aufzufinden. In Fig. 1. 1°, 1”, Tafel XVII, sehen wir drei Bruch- stücke des Femur vom Alpenhasen mit den beiden Gelenkenden und dem dazwischen liegenden mittlern Teil. Alle drei Stücke zeigen der Länge nach zwei parallel ver- laufende Schnitte; ebenso sind in Fig. 2 und 3 solche parallele, noch etwas tiefere Längskerben sichtbar. Durch weiteres Vordringen gegen die Markhöhle fällt ein breites, langes, mit gleichlaufenden Kanten versehenes Knochenstück heraus (Tafel XVII, Fig. 6, 7, 8, 10, 22, 23, 26, 27). Von den in Arbeit genommenen Röhrenknochen bleiben Stücke übrig, wie die in Fig. 9, 20 und 27, Tafel XVII abgebildeten, welche weiter geteilt werden können. Die schmalen, langen Röhrenstreifen wurden nochmals geteilt, vorn zugespitzt, dann poliert (Tafel XVII, Fig. 11, 12, 22, 23, 26 und 27) und mussten endlich am hintern Ende mit einem Öhr versehen werden, weshalb dasselbe zum Durchbohren (Tafel XVII, Fig 11) etwas breiter gelassen wurde. Die aus dem Knochen des Schneehasen verfertigten Nadeln sind nicht ganz rund, sondern etwas flach; die Öhre wurden von beiden Seiten gebohrt und dann gleichmässig ausgerundet. Diese zierlichen Nadeln haben eine Länge von 32 mm. bis 56 mm. Die Nadeln aus den Knochen des Renntiers waren schwieriger herzu- stellen; ein langer dieker Knochen desselben wurde entweder der Länge nach, auf einer Seite zuerst scharf angeschnitten (Tafel XVIII, Fig. 28, 29 und 30), dann eine zu dem Längsschnitte parallele Furche herausgearbeitet, bis ein entsprechender Knochen- streifen wegfiel; hernach wurde letzterer gerundet, poliert und weiter bearbeitet; oder, es wurde aus einem zur Nadelfabrikation geeigneten festen, dicken Renntierknochen ein Stück der Länge nach herausgeschnitten, indem zwei etwa 4 mm. von einander ab- stehende parallele Furchen in den Knochen so lange hineingeritzt und geschnitten wurden (Tafel XVII, Fig. 31 und 32), bis ein dem Zwecke entsprechender, langer Knochen- streifen herausgearbeitet war. Derselbe gab dann, weiter bearbeitet, das so wertvolle Instrument zum Nähen. Diese Nadeln sind breit und dick (Tafel XVII, Fig. 33, 34, 34° und 34°). Das Öhr einer auf diese Weise hergestellten Nadel (Tafel XVII, Fig. 33) ist schön rund; unterhalb desselben befindet sich noch eine rundliche Vertiefung, ein Zeichen, dass das frühere Öhr abgebrochen war und das jetzige an seine Stelle vorrücken musste. Die am Öhr abgebrochenen Nadeln wurden demnach nicht weggeworfen, sondern sorgfältig repariert. Zur Herstellung der Nadeln wurden nicht nur die Knochen, sondern auch das Geweih des Renntiers verwendet. Diese Nadeln sind noch schöner bearbeitet als die Knochennadeln. Es sind zwei solche, vollständig erhaltene Nadeln mit Öhr und Spitze auf uns gekommen (Tafel IX, Fig. 26 und 28). Eine gleiche ist an der Spitze abge- brochen, hat aber ein vollständig erhaltenes, rundes Öhr (Tafel IX, Fig. 25); eine weitere ist beinahe fertig gearbeitet, poliert und mit Spitze versehen, aber das Öhr fehlt noch (Tafel IX, Fig. 27). Die neu aufgefundenen beschriebenen Nadeln unterscheiden sich von den früher zu Tage geförderten und auch von denen im Schweizersbild in einem wesentlichen Punkt. Die vom letztgenannten Orte haben nämlich an ihrem hintern Ende gewöhnlich wegen der konisch nach rückwärts sich erweiternden Form den grössten Umfang. sodass die durch das Öhr gezogenen Sehnen oder die Haare der Mähne des Wildpferdes beim Durchziehen durch die zu nähenden Felle vorstanden und das Nähen erschwerten. Der Querschnitt dieser Nadeln bildet im der Mitte wie am hintern Ende einen Kreis; doch ist dieser Querschnitt beim Öhr am grössten. Bei den Nadeln aus dem Kesslerloch, welche aus Renntiergeweih oder aus einem dicken Knochen gefertigt sind, ist dagegen das hintere Ende derselben von zwei einander gegenüberliegenden Seiten meisselförmig zugeschärft und das Öhr geht durch dieses verdünnte, hintere Ende hindurch. Die Nadel erhielt selbst dann, wenn der Zwirn, bezw. die Haare der Mähne vom Wildpferd oder die Sehnen, eingefädelt waren, keinen grösseren Umfang; dieselbe konnte durch die von den vordern Partien der Nadel gemachte, runde Öffnung in den Fellen mit Leichtigkeit hindurchgezogen werden. Der Querschnitt einer solchen Nadel bildet in der Mitte einen Kreis; an der Stelle dagegen, wo das Öhr sich befindet, ein flaches Oval. Genau dieselbe Form, wie die eben beschriebenen Knochen- und Geweihnadeln vom Kesslerloch haben heute noch die englischen Nähnadeln aus Stahl. Zum Durchlöchern der Felle dienten ausser den Nadeln, welche nur zum Durchstechen von wenig dicken Häuten verwendet werden konnten, auch noch die Pfriemen, die entweder gerade verlaufen oder vorn gekrümmt sind. Die krummen wurden aus flachen, breiten und wenig dieken Knochen, besonders aus dem Schulter- blatt des Renntiers (Tafel XIX, Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14; Tafel XX, Fig. 6, 7, 8, 9) hergestellt; zu den geraden benützte man die Afterklauen des Renn- tiers (Tafel XIX, Fig. 15, 16, 17, 18, 19), indem man die etwas verdickten vorderen Enden dieser Knochen abschabte und noch völlig konisch zuspitzte, oder man stellte sun sie aus dem Griffelbein des Wildpferdes (Tafel XVI, Fig. 10; Tafel XX, Fig. 10, 11, 12, 13), oder dem Sprungbein des Renntiers (Tafel XX, Fig. 1, 5) her, dadurch dass man diese Knochen an ihrem vordern Ende ganz kegelförmig in eine scharfe Spitze verlaufen liess; auch grössere, dicke Knochenstücke (Tafel XX, Fig. 2 und 14) wurden zu Pfriemen verarbeitet. d. Die Pfeile und die Schmuckgegenstände. Von den bearbeiteten Gegenständen aller Art aus Knochen und Geweih verdienen auch diejenigen Werkzeuge noch eine besondere Aufmerksamkeit, welche die Troglodyten brauchten, um sich ihren Unterhalt zu verschaffen und ihr Leben zu fristen. Es sind das die Speere, Lanzen, Lanzenspitzen, Pfeile und Pfeilspitzen, die Harpunen, Spateln und auch die Abfälle, welche bei der Herstellung dieser verschiedenartigen Instrumente zurückblieben und welche uns einen Einblick gestatten in die Herstellungs- weise der täglichen Gebrauchsinstrumente. Erst nach Erlegung des Wildes und nach Befriedigung der Nahrungsbedürfnisse konnte sich der Jäger weiteren Kunstleistungen hingeben. Er verfertigte daher zuerst seine Lanzen und Pfeile. Zu den gewöhnlichen Werkzeugen aus Knochen und Geweihen waren im Kesslerloch, wie im Schweizersbild, hauptsächlich die Knochen des Renntiers und diejenigen des Alpenhasen benützt worden. Die angeschnittenen, angesägten, durchbohrten, polierten, verzierten, entzweigespaltenen, die mit erhabenen und ver- tieften Schnitzereien, sowie die mit Zeichnungen versehenen Geweihstücke stammen einzie und allein vom Renntier her. Es ist kein Artefakt bei den neuen Aus- grabungen aufgefunden worden, welches aus. dem Geweih des Edelhirsches verfertigt worden wäre; es wurde der Edelhirsch auch nicht mehr unter den von Studer beschriebenen und bestimmten Tieren der Niederlassung aufgefunden. Die Zahl der als Speere, Pfeile und Lanzen erkannten Instrumente betrug 43 Stück. Die Länge derselben variiert zwischen 30 und 210 mm. Die Lanzen sind am hintern Ende von zwei Seiten gegen die Mitte meisselförmig bearbeitet und vorn konisch zugespitzt. Die meisselförmigen Enden haben auf den flachen Seitenflächen gewöhnlich schräg verlaufende Kerben und am hintern Ende eine scharfe Kante, die aber bei den meisten Lanzenspitzen beim Herausnehmen abgebrochen ist. Es sind von den- selben sehr schöne ganze Exemplare vorhanden, ebenso von den Pfeilen und Pfeil- spitzen. Die Pfeile sind vorn ebenfalls konisch zulaufend und meistens mit schöner Spitze versehen. Am hintern Ende dagegen sind sie nicht meisselföürmig, sondern ein- fach schief abgeschnitten. Nach der Art der Bearbeitung lassen sich vierkantige (Tafel IX, Fig. 6, 7, 10; Tafel X, Fig. 1, 4, 11, 15; Tafel XI, Fig. 1, 8, 10; Tafel XVI, Fig. 6, 7, 9, 11; Tafel XXI. Fig.1, 6; Tafel XXIV, Fig. 1, 6, 10; Tafel XXV, Fig. 5, 7) und runde (Tafel VII, Fig. 4, 9, 11; Tafel IX, Fig. 8, 19, 22; Tafel X, Fig. 2, 6, 10; Tafel XXIII, Fig. 9; Tafel XXIV, Fig. 4; Tafel XVI, Fig. 3, 5) Lanzen und Pfeile unterscheiden. Eine besondere Erwähnung verdienen die halbrunden Pfeile und = Lanzenspitzen (Tafel X, Fig. 3, 8; Tafel XXII, Fig. 2, 8, 10; Tafel XXV, Fig. 6, 9, 10, 11, 13), welche aus gespaltenen Renntiergeweihstangen hergestellt wurden, sowie endlich die dreikantigen Instrumente dieser Art (Tafel X, Fig. 9). Einige von den Pfeilen haben auf der Breitseite der Länge nach eine oder mehrere Millimeter tiefe Längsfurchen, Blutrinnen (Tafel XI, Fig. 8; Tafel XVI, Fig.4, 7, 11; Tafel XXIIL, Fig. 1, 2; Tafel XXIV, Fig. 4), durch welche das Blut der angeschossenen Tiere ab- fliessen konnte und welche offenbar zu dem Zwecke angebracht wurden, damit letztere durch den Blutverlust rascher verendeten. Mehrere Pfeilspitzen und Lanzen haben an ihrem hintern, keilförmigen, dieken Ende auch noch schräg verlaufende Quer- furchen (Tafel X, Fig. 9; Tafel XXIV, Fig. 4; Tafel XXIII, Fig. 2). Eine sehr zierlich bearbeitete Pfeilspitze (Tafel IV, Fig. 4, 4*, 4, 4°) besitzt eine flache und eine gewölbte Seitenfläche; sie hat auf beiden Flächen gegen die Spitze zu verlaufende 0,5 mm. tiefe Furchen, welche gegen dieselbe immer weniger tief werden. Die übrigen queren Striche geben den Flächen ein gegittertes Ansehen. Solehe quere Kerben zeigen auch noch andere Pfeile. Ein langer, runder Pfeil (Tafel VII, Fig. 11) hat noch tiefere quere Einschnitte; ein ebensolcher (Tafel XVI, Fig. 9) besitzt an seinem hintern Ende parallele Längskerben und auf der linken Schmalseite quere, schief nach abwärts verlaufende Furchen. Eine schöne Verzierung bilden jene schief gegen die Spitze zu- laufenden Furchen auf der dicken, runden Lanzenspitze (Fig. 5, Tafel XVI). Viele von den Speer- und Lanzenspitzen, sowie von den Pfeilen und Pfeilspitzen haben besondere Eigentumszeichen, bestehend in schiefen Kreuzen (Tafel XI, Fig. 10), in einem oder mehreren schiefen Winkeln (Tafel XI, Fig. S; Tafel XXIV, Fig. 1,6; Tafel XXV, Fig. 5). Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese Zeichen an den Lanzen, Speeren und Pfeilen wirkliche Eigentumsmarken sind. Es berichtet nämlich John Lubbock in seinem Buch „Entstehung der Zivilisation“ Seite 377, von den Grönländern: „Erlegen auf einer Renntierjagd mehrere Jäger gemeinsam ein Wild, so gehört es demjenigen, dessen Pfeil dem Herzen des Tieres am nächsten eingedrungen ist. Die Pfeile alle tragen Abzeichen, sodass kein Zweifel entstehen kann, wem das erlegte Wild gehört. Seit der Einführung der Gewehre ist jedoch schon mancher Streit vorgekommen.“ Nicht zu verwechseln mit den Eigentumsmarken auf den Pfeilen sind die eigent- lichen ornamentalen Verzierungen auf denselben, wie sie auf dem oben angegebenen Pfeil (Fig. 5, Tafel XVD), ebenso auf dem runden Pfeil (Fig. 4, Tafel V), dem vier- eckigen Pfeil auf Tafel V, Fig. 5 und Tafel XI, Fig. 1, sowie auf den Pfeilen Fig. 9 auf Tafel XVI; Fig. 7, 8 und 10 auf Tafel XXIV vorkommen. Diese Verzierungen gehen über in die eigentliche Ornamentik. Der Nährboden der letzteren ist, wie M. Hoernes in seiner Urgeschichte ausführt, die industrielle Tätigkeit überhaupt; im Kesslerloch speziell die Herstellung der zahlreichen Jagdgeräte. Wo diese Tätigkeit gering ist, bleibt auch die Ornamentik in den Anfängen zurück. Ganz rohe Völkerstämme der Gegenwart besitzen sogar noch keinen Geräteschmuck; bei andern kommen erst die Anfänge der sog. geometrischen Dekoration vor. Im Kesslerloch dagegen steht 6 u auch diese Tätigkeit, wie wir bei den Schnitzereien bereits gesehen, schon in’ voller Entwicklung und höchster Blüte. Sehr schöne, ebenfalls aus gespaltenem Renntiergeweih hergestellte, lanzenähnliche Instrumente (Tafel X, Fig. 5, 12; Tafel XXIV, Fig. 3, 5, 11) müssen als Stech- instrumente bezeichnet werden. Der Querschnitt derselben bildet beinahe einen Halbkreis; die flache und die gewölbte Seitenfläche sind sehr fein poliert und am vordern Ende befindet sich eine Spitze, die aber nicht in der Mitte, wie bei den Lanzen und Pfeilen, sondern auf der Seite sich befindet; das vordere Ende ist nur einerseits schief abgeschnitten. Die Art und Weise, wie die Speere, Lanzen, Pfeile und Pfeilspitzen gemacht worden sind, geht aus den vorhandenen, grossen, angeschnittenen Geweihstücken hervor. Ein solches angeschnittenes, mit dem Rosenstock noch versehenes Geweih (Tafel XII, Fig. S) hat eine Länge von 28 cm. und eine Dicke von 52 mm. am untern Ende. Es trägt auf der linken Seite noch die erste und zweite Seitensprosse, welche unversehrt sind. Die Hauptstange dagegen trägt auf der vordern und hintern Seite je zwei scharfe Längsschnitte, durch welche zwei lange, starke Streifen Geweih herausgeschnitten wurden. Auf der vorderen Seite ist die untere Spitze der herausgeschnittenen Lanze abgebrochen und sitzt noch an dem ursprünglichen Stück. Auf der hintern Seite des Geweihes dagegen konnte das durch die Schnitte von der Stange befreite Stück als Ganzes weg- genommen werden. Die seitlichen Geweihsprossen wurden bei genügender Dicke zu Kommando- stäben verwendet. Eine solche 16,5 cm. lange Seitensprosse (Tafel XIV, Fig. 1, 1°) zeigt uns, wie die Löcher in die Kommandostäbe hineingetrieben wurden. An derselben haftet noch ein Teil der Hauptstange, welche quer abgesägt und abgeschnitten ist. An der Abzweigungsstelle befinden sich auf beiden Seiten 2,5 mm. tiefe und 27 mm. breite, runde Vertiefungen, welche nicht durch Bohren, wohl aber durch Herausstemmen der Geweihmasse hervorgebracht worden sind. Die mit dem spitzen Feuersteininstrument verursachten Stechflächen verlaufen alle gegen die Mitte der Aushöhlung, weiche hier einander beinahe erreichen. Durch Ausrundung nach Durchbrechung der dünnen Scheide- wand konnte das Loch fertig gemacht werden. Die drei weiteren Seitensprossen (Tafel XII, Fig. 5, 6, 7) zeigen an ihren untern Rändern scharfe Anschnitte auf beiden Seiten; dadurch konnte das Stück von der Hauptsprosse abgebrochen werden. Eine 53 em. lange, etwas gekrümmte Hauptstange ist am untern Ende schief abgeschnitten und wurde als Instrument zum Graben und Herausheben wohl von essbaren Wurzeln benützt. Es fällt dieses Werkzeug sehr gut in die Hand; mit Leichtigkeit konnte auch eine Fallgrube für die zu erlegenden Tiere mit der sehr starken, grossen und bequemen Grabschaufel gemacht werden. Die Glättinstramente (Tafel X, Fig. 7, 13, 14, 16) haben die Form eines Papiermessers; sie dienten zum Glätten der Felle und Bälge der Vögel, und bestehen ebenfalls aus Geweih. Das ganze Instrument ist breit und wenig dick; am vorderen dünnen Ende sind die Ränder fein abgerundet. Die meisten vorhandenen Geweihüberreste, welche nicht zu fertigen Instrumenten verarbeitet wurden, zeigen Anschnitte der Länge nach oder sind auch quer bearbeitet, nur wenige sind ohne jeg- liche Spur von Anschnitten. Eine grosse Anzahl von Knochen sind wie die Geweihe auf einer oder zwei Seiten angeschnitten, angesägt, mit Längsfurchen versehen, abgerundet zuge- spitzt, pfriemen- und spatelförmig bearbeitet, ohne dass mit Bestimmtheit angegeben werden kann, wozu sie gedient haben konnten oder zu welcher Kategorie von Instru- menten man sie zu rechnen hat. Die in grosser Zahl vorhandenen Zehenknochen sind zum grössten Teil quer ab- und aufgeschlagen und zwar derart, dass häufig der hintere, dicke Teil der Phalange fehlt und der vordere dünne Teil (Tafel XXI, Fig. 17—25) derselben noch vorhanden ist. Viele Zehenglieder (Tafel XXI, Fig. 6, 7, 8, 9, 10, 11) sind auch seitlich der Länge nach geöffnet, andere dagegen wurden am hintern Ende oder in der Mitte der Schmalseite künstlich durchbohrt (Tafel XXII, Fig. 1, 2, 6, 8, 10; Tafel XXV, Fig. 1, 2, 3, 4) und als Renntierpfeifen gebraucht. Einige dieser Pfeifen sind am dünnern Ende nochmals durchbohrt (Tafel XXII, Fig. 1), um sie anhängen und mittragen zu können. Die meisten mit Löchern versehenen und einfach geöffneten Phalangen geben beim Hineinblasen schrille Töne und verdienen ihren Namen „Renn- tierpfeifen“ mit vollem Recht. Ausser den Phalangen des Renns durchlöcherte der Höhlenbewohner des Kesslerlochs, wie der vom Schweizersbild, aber auch noch andere Knochen des gleichen Tieres. so das Zungenbein (Tafel XI, Fig. 2), den OÖber- schenkelknochen des Alpenhasen (Tafel XI, Fig. 4; Tafel XXI, Fig. 9), das Sprungbein vom Renntier (Tafel XXI, Fig. 12), das Schulterblatt und den Öber- schenkel desselben Tieres (Tafel XXII, Fig. 13 und 14). Eine Phalange (Tafel XXII, Fig. 3) weist den Sehnenschnitt auf und an einem Knochen (Tafel XXI, Fig. 5) er- sieht man, wie an dem angefangenen oben beschriebenen Kommandostab, auf welche Art und Weise ein Loch in das Ende eines solchen festen, harten Knochens durch Heraus- stemmen der Knochenmasse hineingetrieben wurde. An Gegenständen, welche als Schmuck oder Zierat getragen wurden, fehlte es, wie beim Schweizersbild, im Kesslerloch ebenfalls nicht. Auch die Bewohner dieser Niederlassung hatten ein Interesse an allen Gegenständen, welche durch ihre Form, Farbe, sonstige Beschaffenheit und durch ihr besonderes Aussehen ihre Aufmerksamkeit erregten, und brachten sie von ihren Jagdzügen nach der Höhle zurück. Vom Jura holten sie ausser dem Feuerstein noch eine Reihe von Versteinerungen wie Belem- niten, kleine und grosse, schwarze und graue Ammoniten, Terebrateln, Rhinchonellen, Seesterne, Encriniten, sowie Bohnerzkügelchen, Oker zum Färben der Haut, und aus dem Morängeschiebe verschiedenfarbige rundliche und eiförmige Steine, welche als Schleudersteine oder als Hämmer und Klopfer zum Öffnen der Röhrenknochen dienten; ebenso grosse und kleine, flache und kantige Steine, welche als Sitzsteine verwendet wurden. Als eigentliche Schmuckgegenstände (Tafel IX, Fig. 9, 11, 12) sind aufgefunden worden drei durchlöcherte Zähne und zwar zwei ug \ Ay vom Eisfuchs und einer vom Bär, sowie drei Schalen von Peetunculus obovatus (Tafel IX, Fig. 18, 20,°21),fvon denen zwei am Buckel durch Abschleifen desselben ein Loch, die dritte Schale dagegen in der Mitte noch ein solches trägt. Ausser diesen Gegenständen verwendete der Troglodyt vom Kesslerloch auch noch zur Herstellung von Artefakten Braunkohle, in der Abart der Pechkokle; eine Gagatperle mit Loch (Tafel XI, Fig. 13) ist sorgfältig bearbeitet. Ein Stück Gagat hat die Form eines kleinen Rüssels (Tafel XI, Fig. 14); ein anderes ist pyramiden- förmig vielfach bearbeitet; es trägt oben ein sehr kleines Loch zum Anhängen (Tafel VII, Fig. 2) und auf den Seiten hübsche parallellinige Verzierungen. Ausserdem fanden sich noch eine Reihe mehr oder weniger bearbeiteter Stücke von Gagat, Pechkohle. Von Holzkohle hat sich nichts erhalten. Die neuen Funde mit den plastischen Darstellungen, den Schnitzereien, den ver- schiedenartigen figuralen und Ornamentzeichnungen, den zahlreichen Waffen und Geräten aller Art aus Knochen und Geweih, den massenhaften Überresten vom Mammut und Renntier und den übrigen Jagdtieren, den Feuerstätten, den Schmuckgegenständen, den vielgebrauchten, zahlreichen Feuerstein-Instrumenten, den Sitz- und Herdplatten, den Klopfern, den Hämmern, den Schleudersteinen u. s. w. geben uns ein vollständiges Bild von dem Kulturzustand des Mammut- und Renntierjägers zur Diluvialzeit. 6. Feuerstein-Instrumente. Von Feuersteininstrumenten, Messern, Sägen, Schabern, Bohrern, Sticheln, Polierinstrumenten, Nuclei und Abfällen sind an 10,000 Stück neu ausgegraben worden. Sie zeigen alle den Typus der rein paläolithischen Werkzeuge und entsprechen in der Bearbeitung und in der Form genau denjenigen in den südfranzösischen Stationen: La Madeleine und les Eyzies, sowie den zahlreichen Werkzeugen vom Schweizersbild. Die ältern Typen von St-Acheul und le Moustier fehlen ganz; ebenso fehlen die Formen der jüngern Steinzeit, der Pfahlbauten und der Kyökkenmöddinger von Dänemark. Die Herstellungsweise durch Druck und Schlag ist bei allen dieselbe; es fehlen die geschliffenen und durchbohrten Steinwerkzeuge vollständig. Die Feuersteinwerkzeuge waren in der Höhle und in dem Schuttkegel sehr gut erhalten; nur wenige waren mit einer Sinterkruste überzogen. Die Krusten von Erde, Asche, Lehm, von den verwesten Substanzen im moorigem Boden vor der Höhle und die andern Substanzen konnten durch Waschen leicht entfernt werden. Die Herstellung der Steinwerkzeuge geschah auf die gleiche Art wie am Schweizersbild; die zahlreichen Nuclei, die Splitter und sonstigen Abfälle legen Zeugnis davon ab. Die Silexknollen- und Knauer, welche zur Herstellung der Instrumente gebraucht wurden, fanden sich in unmittelbarer Nähe der Niederlassung; nur wenige von denselben sind noch ganz erhalten. Diejenigen, welche sich durch ihren muscheligen Bruch zur Bearbeitung gut eigneten, sind nur noch in ganz kleinen Nuclei vorhanden; diese weisen eine grosse Anzahl von Sprengflächen, Schlagmarken und Schlaghügel auf. Durch geeignete Schläge auf die Feuersteinknollen mit einem Steinhammer sprangen von denselben verschieden geformte, Kleine und grosse, längliche, gewölbte Feuersteinspähne, die Messer oder Klingen, ab, welche sehr scharfe Kanten besitzen. Mit diesen Messern und Klingen aus Feuerstein löste der Ansiedler des Kesslerloches die Häute der erlegten Tiere, zerlegte die fleischigen Teile desselben, schnitt die Sehnen entzwei, schabte die Knochen und Geweihe; polierte, ritzte, zerschnitt sie quer oder der Länge nach, verarbeitete die Knochen und Geweihe zu Ahlen, Pfriemen, Nadeln, Lanzen, Pfeilen, Speeren; schnitt die Felle zu Riemen und zu Kleidern; bohrte die Löcher in die Knochen, Zähne, Muscheln, Versteinerungen und Kohlen; ritzte die Verzierungen aller Art, sowie die Zeichnungen in die Geweihe und Knochen; stellte überhaupt alle Knochenartefakte mit denselben her. Die Werkzeuge vom Kesslerloch zeigen eine weit grössere Abnutzung durch den Gebrauch als die vom Schweizersbild; hier fanden sich eine Menge noch ungebrauchter Feuersteinwerkzeuge. Im Kesslerloch dagegen hatten alle an den Kanten mehr oder weniger tief gehende, durch die Benutzung erfolgte, kleine Sprungflächen. Selbst die unscheinbarsten Splitter haben bei genauerer Betrachtung noch viele charakteristische, ganz kleine Sprengflächen (encoches), herrührend vom (Gebrauch derselben. Bei den Feuersteininstrumenten vom Kesslerloch können nach der Bearbeitung und der Form ebenfalls Messer oder Klingen, Sägen, Schaber, Bohrer und Polierinstrumente unter- schieden werden. Die meisten Messer (Tafel XXIX, Fig. 8, 9, 14, 16, 17) sind dünn, lanzett- förmig, mehr oder weniger gekrümmt mit einem drei- und mehrkantigen Querschnitt. Sie besitzen sehr scharfe Seitenkanten, welche vielfach abgenutzt und abgearbeitet sind. Häufig ist eine der Seitenkanten ganz abgenutzt von dem Gebrauch, während die andere noch ganz scharf ist. Die meisten Messer besitzen eine oder mehrere sorgfältig ange- legte, halbkreisförmige Einbuchtungen, durch welche die langen Knochenstreifen, welche zu Nadeln, Pfriemen, Pfeilen und Lanzenspitzen verwendet wurden, gezogen resp. ab- gehobelt werden konnten. Derartige Messer dienten als Polierinstrumente; trägt eine Kante zwei oder mehrere solcher konkaver Einschnitte, so entstehen die säge- artigen Formen der Klingen (Tafel XXIX, Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 10, 11, 12, 13, 15, 18, 19, 20, 21, 22). Zum ‘Schaben und Glätten von Stäben und Spitzen aus Geweih oder Knochen, sowie zum Walken der Felle dienten die sorgfältig bearbeiteten, kunstvoll hergestellten, zahlreichen Schaber und Kratzer, von denen die wichtigsten Typen auf Tafel XXVII dargestellt sind. Sie besitzen gewöhnlich am vordern Ende eine mehr oder weniger halbkreisförmige Kante, welche durch zahlreiche, kleine, nach aufwärts laufende Spreng- flächen gebildet ist. Das hintere Ende läuft häufig in eine dreieckige Spitze aus, = Me welche noch ganz erhalten (Tafel XXVII, Fig. 1, 2, 4, 5, 10, 12) oder abgebrochen ist (Tafel XXVIH, Fig. 9, 11). Nicht so zahlreich wie die Rundschaber sind die Hohl- schaber, deren Schabkante nicht nach auswärts, sondern nach innen gerichtet ist. Noch weniger häufig kommen die Doppelschaber vor (Tafel XXVIU, Fig. 3, 6, 7, 8), welche an beiden Enden gleichgeformte, halbkreisförmige, ebenfalls durch zalılreiche, kleine Sprengflächen gebildete Schabkanten besitzen. Ein eigentümliches bisher noch nicht bekanntes Instrument ist auf Tafel XXVIIL, Fig. 2 abgebildet. Es hat die Form eines am hintern Ende spitz zulaufenden Schabers, aber an der vordern Schabkante besitzt es in der Mitte derselben einen Vorsprung von 0,5 mm. Höhe, der eine scharfe, etwas verbreiterte Spitze trägt. Mit diesem Instrument konnten die langen Furchen an den mit Rhomben versehenen Schnitzereien mit Leichtig- keit gemacht werden. Die Seitenkanten von vielen Schabern konnten auch als Messer oder Sägen oder Polierinstrumente benützt werden (Tafel XXVIIL, Fig. 1, 3, 4, 6, 9, 10, 11, 12). Eine besondere Form haben diejenigen Werkzeuge, welche zum Gravieren, Eingraben der Zeichnungen und Ornamente dienten (Tafel XXIX, Fig. 23, 24, 25). Es sind gewöhnlich etwas gewölbte Instrumente, welche oben dick sind und eine scharfe, starke Spitze an einer quer verlaufenden Kante besitzen. Mit der Spitze kann die Gravierung ausgeführt werden, ohne dass sie durch den auszuübenden Druck abbricht. Weniger häufig als die Schaber sind die Bohrer, von denen auch hier im Kesslerloch einfache und Doppelbohrer vorkamen. Die einfachen Bohrer tragen nur an einem Ende eine in gerader Richtung verlaufende, der Rückenkante folgende Bohrerspitze, welche man als Zentrumsbohrer (Tafel XXX, Fig. 1, 3, 6, 8, 9) bezeichnen kann; die Bohrerspitze kann nach rechts (Tafel XXX, Fig. 4, 14, 15, 16) oder nach links (Tafel NXVIH, Fig. 2 und 12) gekrümmt sein. Die Doppelbohrer, von denen sehr schöne Exemplare in verschiedenen Grössen gefunden wurden, besitzen an beiden Enden (Tafel XXX, Fig. 5, 7, 9, 10) ähnlich geformte durch Drehen ent- standene Bohrerspitzen. 7. Das gegenseitige Alter vom Kesslerloch und Schweizersbild. Was die Frage anbetriftt, welche von den beiden prähistorischen Stationen Schweizersbild und Kesslerloch die ältere'), d. h. die von Menschen früher bewohnte ') Zu der Lösung und- Aufklärung der Frage über das gegenseitige Alter der Niederlassung am Schweizersbild und im Kesslerloch fand im Frühjahr 1903 eine Konferenz in Schaffhausen statt, an welcher die HH. Hofrat Professor Dr. A. Penck aus Wien, Professor Dr. Brückner aus Bern, Professor Dr. J. Ranke, Generalsekretär der deutschen anthropologischen Gesellschaft, aus München, Professor Dr. Weule, Direktor des Völkermuseums, aus Leipzig und der Referent teilgenommen haben. Niederlassung sei, so sind bei der Beantwortung derselben sowohl die geologischen und paläontologischen Ergebnisse als auch die kulturgeschichtlichen Funde zu berücksichtigen. Nach den geologischen Untersuchungen sind jedenfalls beide Niederlassungen erst nach der letzten, grossen Vergletscherung der Alpen besiedelt worden; sie sind nach den früheren Ausführungen selbst jünger als die letzten Staugebilde in der Gegend von Schaffhausen, die Lehmablagerungen unter dem Bachschotter im untern Merishauser- und Hemmenthaler-Tal, sowie die grossen Lehmlager östlich von Thayngen. Nach Prof. Dr. Penck '), dem besten Kenner der Eiszeiten und der Vergletscherungen der Alpen, haben aber seit dem Maximum der Würm-Eiszeit, also seit der letzten, grossen Vergletscherung der Alpen, mehrere Schwankungen, bezw. neue Vorstösse und Rückzüge der Gletscher infolge von Klimaänderungen stattgefunden. Er hat innerhalb der Jung- moränen, den Moränen der letzten grossen Eiszeit, vier solche Vorstösse oder Stadien nachweisen können, welche er die Achenschwankung, das Bühlstadium, das Gschnitz- stadium und das Daunstadium nennt. Die Höhen der Schneegrenzen waren in diesen einzelnen Stadien ziemlich ver- schieden; sie werden bis auf 1200 Meter gegenüber der jetzigen in den Alpen angegeben. Nichts deutet darauf hin, dass nach dem Magdalenien nochmals ein grösserer Kälte- rückfall in Europa stattgefunden habe. Wir können daher die Kulturstufe des Magda- lenien nicht unmittelbar nach dem Maximum der Würm-Eiszeit ansetzen, dem die beträchtliche Achenschwankung folgte; sondern das Magdalenien fällt wohl in das Bühlstadium, ausserhalb von dessen Grenzen die eigentlichen Magdalenien-Stationen, Schweizersbild, Schussenried, Veyrier bei Genf, das in Luftlinie nicht weniger als 85, bezw. 160 Kilometer von den Jung-Endmoränen des Rhonegletschers entfernt ist, sowie die Grotte aux Höteaux bei Culoz in Savoien, liegen. In diesen Siedelungen fehlen die grossen Diekhäuter beinahe gänzlich oder vollständig. Wenn die Renntierstation des Schweizersbildes, welche in die Zeit des Erlöschens von Mammut und Rhinozeros fällt, in das Bühlstadium gesetzt wird, so fällt das durch zahlreiche Mammutreste ausgezeichnete Kesslerloch in die mittlere, etwas wärmere Zeit der Achenschwankung, während welcher sich die Gletscher so weit in das Gebirge zurückgezogen hatten, wie später im Gschnitzstadium. Wir hätten demnach zwischen Kesslerloch und Schweizersbild eine retrograde Kunstentwicklung infolge von Verschlechterung des Klimas; die geographische Verschiedenheit der Umgebung der beiden Wohnstätten ist nicht so bedeutend, dass der kulturelle und paläontologische Unterschied der beiden Stationen dadurch völlig erklärt werden könnte. Penck versetzt daher die prähistorischen, postglacialen Stationen der Schweiz in folgende Zeitabschnitte nach der letzten, grossen Vergletscherung der Alpen: !) Penck, A. Die alpinen Eiszeitbildungen und der prähistorische Mensch, Vortrag, gehalten in der Münchener anthrop. Gesellschaft. Archiv für Anthropologie, Neue Folge, Band 1, 1903. — Aue Die alpinen Eiszeitbildungen und der prähistorische Mensch. Geologische Prähistorisch-archäologische Zeit- Zeitabschnitte Ablagerungen y Seen : 2 " abschnitte Ablagerungen Netallzeit, Geol. Gegenwart Neolithische | | Zeit Moränen des Daunstadium || Hirschzeit d. Schweizersbild, T arassien Moränen des Gschnitzstadium Pygmäen bei Schaffhausen u. oder im Rhonedurchbruch Cervidien Post- en — - ser = iii _ re .— Moränen des Bühlstadium || Renntierzeit d. Schweizers- Magülalenien bild, Schussenried. „der Letzte grosse Schotter der Achenschwankung | Mammutzeit d. Kesslerloch | Tarandien Vergletscherung _— — — = — — der Alpen Jung-Endmoränen | oder Maxi- | Schotter der | Laufenschwankung und Schieferkohlen von Utznach | Jung-Endmoränen Würm-Eiszeit | mum Hangende | Prä- | Funde v. Solutreen | Solutre oder Eburneen Letzte Interglacialzeit. Mit dieser Einreihung des Schweizersbildes und des Kesslerlochs in die post- glaciale Zeit stimmen die bei den Ausgrabungen am Schweizersbild gemachten Beobachtungen, sowie die bei den neuen Grabungen im Kesslerloch zu Tage getretenen Erscheinungen, über das erstmalige Auftreten des Menschen in den beiden Nieder- lassungen überein. Das Schweizersbild enthält nämlich in der auf dem Bachschotter aufrnhenden 50 em. mächtigen untersten Breccienschicht nur in den obern Lagen dieser Schicht Überreste von menschlicher Tätigkeit in den zerschlagenen Knochen, den Abfällen der Mahlzeiten, und den wenigen Artefakten aus Knochen und Feuerstein. Der Renntier- jäger kam also erst sehr lange nach dem Rückzug der Gletscher aus der Gegend in dieselbe und zwar hielt er sich anfangs nicht dauernd, sondern nur vorüber- gehend hier auf. Erst nach der Abwitterung der 50 em. mächtigen untern Breccien- schicht, wozu ein sehr langer Zeitraum erforderlich war, siedelte er sich endlich bleibend am Schweizersbild-Felsen an und harrte längere Zeit daselbst aus. Die grossen Tiere, wie das Mammut, das Rhinozeros und der Höhlenlöwe fehlen am Schweizersbild voll- ständig; sie waren zur Zeit der Anwesenheit des Renntierjägers daselbst längst aus der au e Gegend verschwunden. Das Schweizersbild gehört daher an das Ende der Renntierzeit und bildet in seinen oberen Ablagerungen den Übergang zu der neolithischen und zur Metallzeit. Im Kesslerloch dagegen kamen unmittelbar auf dem Boden der Höhle und im Schuttkegel auf dem Lehm der Talsohle Überreste der Mahlzeiten der Troglodyten und Feuersteininstrumente schon vor; hier sind das Mammut, das Rhinozeros und der Höhlen- löwe sogar noch Jagdtiere des Menschen gewesen. Der Mensch siedelte sich also beinahe unmittelbar nach dem Rückzug der Gletscher der letzten, grossen Eiszeit im Kessler- loch an. Es ist daher früher bewohnt gewesen als das Schweizersbild und gehört dem Ende der Mammutzeit und dem Anfang der Renntierzeit an. Wenn man nur die kulturhistorischen Funde in den beiden Stationen, ohne Rücksicht auf die in Südfrankreich gehobenen Artefakte und die Ergebnisse der Untersuchungen daselbst, mit einander vergleicht, so könnte man zu der Ansicht gelangen, das Schweizersbild möchte älter sein als das Kesslerloch, wie es in der ersten Mitteilung über die neuen Grabungen im Kesslerloch geschah. Im Schweizersbild sind nämlich alle Artefakte ausserordentlich primitiv. Es fehlen hier zunächst die eigentlichen Skulpturen vollständig. Zeichnungen sind im Schweizersbild vorhanden, aber es sind einfache Umrisszeichnungen von Tieren. Wohl sind die durch die Zeichnungen dargestellten Tiere leicht erkennbar; sie sind ganz naturalistisch aufgefasst, aber die Zeichnungen selbst sind ohne weitergehende künstlerische Ausführung. Der Wildesel, das Renntier und das junge Füllen auf der einen Seite der Kalksteinplatte vom Schweizersbild, sowie die Pferde und das Mammut auf der Rückseite derselben sind in völliger Ruhe, ganz steif gezeichnet. Die Beine sind bei allen diesen Tieren ohne Gliederung und ohne genauere Darstellung der untern Partien, der Füsse, welche nur angedeutet sind. Die Behaarung des Körpers ist nirgends genauer angegeben. Nur bei dem im Schritt sich befindlichen Pferd auf dem Kommando- stab vom Schweizersbild ist die Mähne etwas deutlicher gezeichnet und die nach hinten abwärts verlaufenden Strichlein an den Beinen, dem Bauch und dem Hals deuten auf eine lange Behaarung hin, welche bei dem Steppenklima zum Schutze der Tiere wohl nötig war, aber von einer Behaarung des ganzen Körpers oder gar einer plastischen Darstellung der einzelnen Teile desselben durch Strichlen wie beim Wildesel vom Kesslerloch ist nichts vorhanden. Skulpturen in Elfenbein oder Schnitzereien in Geweih und Knochen fehlen ganz im Schweizersbild. Nur wenige Pfeile oder Lanzen zeigen etwelche Verzierung; keine haben deutliche Eigentumsmarken. Die vom Schweizersbild einzig vorhandene ganze Harpune ist roh bearbeitet; sie hat stumpfe Widerhaken, keinen künstlerischen Schmuck auf den Seiten, auch keine Blutrinnen und ist nicht poliert. Die Bearbeitung der Pfeile ist hier ebenfalls eine einfache und nur wenige sind fein geglättet. Die Geweihe sind nicht gespalten worden. Die eingefädelten Nadeln können nur schwierig durch die Felle gezogen werden, weil die Sehnen, die Flechsen oder auch die Pferdehaare, beim Durchziehen vorstehen; das hintere Ende der Nadeln ist bei keiner verjüngt. Wenige Gegenstände sind mit Ornamentverzierungen versehen. 7 — 50 Im Kesslerloch dagegen standen die figuralen Zeichnungen, die Örnament- verzierungen und die Schnitzereien geradezu in voller Blüte. Auch die Rund- plastik hinterliess uns im Kesslerloch in dem sog. Moschusochsenkopf mit den nach rückwärts gelegten Hörnern und in dem charakteristischen Alpenhasenkopf, welche bei den früheren Ausgrabungen gefunden worden sind, sowie in den bei den neuen Ausgrabungen gefundenen Skulpturen, dem Fisch und der menschlichen Dar- stellung, in der grossen schönen Harpune bezw. in dem mit geradlinigen, in ver- schiedenster Richtung angeordneten Linienornamenten, mit vertieften Rhomben, mit breiten geraden und krummen Kerben versehenen Wurfstock, in dem mit. vertieften konzentrischen Kreisen, regelmässigen Ovalen, parallelen Furchen, vertieften Rauten reich verzierten Kommandostabe, sowie in den grossen und kleinen Harpunen mit den feinen Widerhaken und Verzierungen, in den prachtvollen Schnitzereien aus gespaltenen Renntiergeweihstangen mit den erhabenen, geometrisch genauen Rhomben, in den ebenfalls aus gespaltenen Geweihstangen sorgfältig geschnitzten, fein polierten Speeren, Lanzen und Lanzenspitzen mit den Eigentumsmarken eine Reihe von her- vorragenden Kunstwerken dieser Epoche. Die Zeit der Rundplastik geht nach den Untersuchungen E. Piette’'s in den südfranzösischen Höhlen und den einlässlichen Erörterungen von M. Hoernes (vergl. Hoernes, Urgeschichte der bildenden Kunst, 1900) der Periode der Zeichnungen in der paläolithischen Zeit voraus. Noch weit schönere Kunstwerke als die eigentlichen plastischen Darstellungen sind aber die lebensfrischen Zeichnungen vom Kesslerloch, wie das weidende Renn- tier, der Steppenesel, die Pferde auf den Gagatplatten; ferner die Zeichnungen der Cerviden und der Pflanzen, sowie die einer noch höheren Kunststufe ange- hörenden Ornamente, wie sie bei den neuen Grabungen zahlreich aufgefunden wurden, die wohl über alles hinausreichen, was bisher von diluvialer Ornamentik bekannt ist. Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass an der V&zere in Südfrankreich und im Kesslerloch am Oberrhein ungewöhnlich zusammengesetzte Ziermuster so völlig ähnlicher Art auftreten, dass ein innerer Zusammenhang dieser Kunst dadurch festgestellt ist. Über die Zeichnungen aus der Renntierzeit und besonders über die am Oberrhein, fügen wir zum Schluss das Urteil eines Fachmannes an; Professor Dr. Woermann, der die Zeichnungen vom Kesslerloch und vom Schweizersbild in Schaffhausen selber besichtigte, sagt in seiner Geschichte der „Kunst aller Zeiten und Völker“ darüber: „Alle Tiere aus der Renntierzeit sind streng in Profilstellung gezeichnet; ausserordentlich bewundernswert ist es dabei, wie richtig die bessern Künstler es verstanden haben, bei den Tieren in schreitender Bewegung die dem Beschauer zugewandten Beine von den zurückliegenden sich abheben zu lassen. Die reifsten Tierzeichnungen dieser Art schmücken einige der im Kesslerloch gefundenen Gegenstände. Das auf einem Zier- stab äusserst natürlich und lebendig eingeritzte „weidende Renntier* (Tafel II, Fig. 1 und 2) im Rosgarten-Museum in Konstanz wird in den meisten englischen und französischen Schriften über diesen Gegenstand als das schönste Werk seiner Art aus der Renntierzeit abgebildet. Der Wildesel auf dem Zierstab im Museum in Schaff- hausen (Tafel II, Fig. 3) steht dem Renntier aber kaum nach, und von besonderem Reize sind die beiden Tierköpfe auf beiden Seiten einer Gagatplatte, die ebenfalls zu den Zierden des Rosgarten-Museums gehören. Die besten Zeichnungen von Thayngen stehen in ihrer schlichten, feiner empfundenen Natürlichkeit auf einem andern Boden als die phantasie- vollen Schöpfungen der Pyrenäengegend und den einfacheren Arbeiten der Dordogne. Nachdrücklicher als alle Verschiedenheit der Kunstleistungen in den verschiedenen Gegenden tritt uns aber doch die Gleichartigkeit des Grundtons dieser ganzen Kunstübung von den Pyrenäen bis zum Bodensee und bis nach Mähren hinunter, entgegen. Wir empfinden, dass es Menschen gleichen Sinnes gewesen sind, die in diesem ganzen Gebiet gehaust, gejagt, gefischt, in Höhlen oder in anderen Schlupfwinkeln gelebt und sich das einfache, allem Anschein nach friedliche Leben durch künstlerische Übungen verschönt haben. Es war wohl dieselbe kleine Menschen- rasse, deren Skelettreste uns im Schweizersbild, im Dachsenbüel, Kesslerloch, in Cham- blandes, in der Grotte aux Höteaux in Savoien, an vielen Orten in Südfrankreich, in den Pyrenäen, im Elsass und in Schlesien erhalten geblieben sind. Die Kunstwissenschaft hat zu betonen, führt Professor Woermann weiter aus, dass ihr diese ganze Kunstübung der diluvialen Urzeit, wenn sie auch ausser allem Zusammenhang mit jeder nachfolgenden Kunstübung stehen sollte, doch schon ihr blosses Dasein als eine Erscheinung von grösster Bedeutsamkeit entgegentritt. Zeigt sie doch deutlicher als irgend eine jüngere geschichtliche oder vorgeschichtliche Kunstübung, welche Stufe von Naturwahrheit in schlichten Nachbildungen aus der Welt der Erscheinungen, und welche Höhe des Stilgefühls im der kunstgewerb- lichen Verwertung solcher Gebilde und einfacher Zierweisen bei den bescheidensten technischen Mitteln und in einer eng umgrenzten Anschauungsweise von der Menschheit im ursprünglichen Zustand unberührter Einfalt erreicht werden konnte. Eine besondere Gattung von Zeichnungen bilden einige Steinplatten, auf denen in wirrem Durcheinander und ohne Rücksicht auf unten und oben, Tierzeiehnungen ein- geritzt sind, die nur mit Mühe auseinander zu halten sind. Hiezu gehört vor allen Dingen die merkwürdige Kalksteinplatte vom Schweizersbild, jetzt im Zürcher Museum, die ohne Rücksicht auf die sich willkürlich schneidenden Umrisslinien, auf der einen Seite ein Renntier und zwei Wildesel, auf der anderen Seite zwei Wildpferde, einen Steppenesel und einen Elefanten, wohl Mammut, darstellt. Diese Steine scheinen Übungstafeln gewesen zu sein, auf denen die Künstler sich versuchten, ehe sie an die Ausarbeitung der Zierstäbe und ähnlicher Werke gingen. Aus kulturhistorischen Gründen und den angegebenen Erfahrungstatsachen geht ebenso wie aus den geologischen und paläontologischen Ergebnissen demnach unzweifelhaft hervor, dass das Kesslerloch älter ist als die paläolithischen Ablagerungen am Schweizersbild. Das Kesslerloch gehört dem Ende der Mammutzeit und dem Anfang der Kenntierepoche an; es fällt in die Blütezeit der diluvialen Kunstentwicklung. Die paläolithischen Schichten am Schweizersbild fallen dagegen in das Ende der Renntierzeit, in eine Epoche, welche etwas weniger warm und weniger günstig für Kunstleistungen war. Das Kesslerloch war nur in der paläolithischen Zeit bewohnt, das Schweizersbild dagegen vom Ende der Renntierzeit bis zur Gegenwart. | Am Schweizersbild konnte in den sechs übereinander liegenden Schichten mit den mehr als 60,000 zoologischen Objekten in denselben die Veränderung der Tierwelt seit der letzten grossen Vergletscherung bis auf die Gegenwart nachgewiesen werden und die Aufeinanderfolge einer Tundren-, Steppen-, Weide-, Wald- und Haustierfauna, zusammen mit 117 Spezies, in einer bisher noch an keinem anderen Ort so klar zu Tage tretenden Weise festgestellt werden. In den Artefakten dieser Station konnte die bei- nahe lückenlose Folge der verschiedenen Kulturepochen von dem Ende der Renn- tierzeit bis auf die Gegenwart erwiesen werden. DieSchichten bilden geradezu einen Quer- schnitt durch die historische und vorhistorische Zeit, bis zur letzten Eiszeit. Die Ablagerungen geben uns in dieser Station ferner Aufschluss über die klimatologischen Verhältnisse Mitteleuropas während eines Zeitraumes von mehr als 20,000 Jahren. Die neuen Funde im Kesslerloch dagegen ergänzen, in Verbindung mit den früheren aus dieser Höhle gehobenen Gegenständen, unsere Kenntnisse der paläo- lithischen Zeit nach rückwärts vom Ende der Renntierzeit bis zu der eigentlichen Mammutzeit um viele Jahrtausende und geben uns Aufschluss über einen etwas wärmeren Zeitabschnitt, in welchem der Bewohner der Gegend des Kesslerloches in den grössten und kleinsten Vertretern einer zahlreichen Fauna die Hülfsmittel zur Fristung des Lebens in reichem Masse hatte und sich daher auch den Kunstleistungen weit mehr widmen konnte als der arme Troglodyte des Schweizersbild. Die Kunsterzeugnisse vom Kesslerloch fallen in die Blütezeit der diluvialen Kunst und gehören zu dem Schönsten, was bisher aus dieser Zeit gefunden worden ist; sie zeigen uns die ganze Entwicklung der Kunst zur ältesten Steinzeit von der eigentlichen Rund- bildung, der Plastik und den figuralen Zeichnungen bis zu den geometrischen Örnamenten. Die neuen Funde vom Kesslerloch füllen eine der Lücken vom Schweizersbild in paläontologischer, klimatologischer, zoogeographischer, anthropologischer und kulturgeschiehtlicher Hinsicht aus und weisen darauf hin, dass die paläolithische Kulturepoche einen sehr langen Zeitraum umfasst hat. Das Schweizersbild und das Kesslerloch zusammen geben uns in ihren Schichten, ihren Ablagerungen und den Einschlüssen aller Art in überraschender Weise zuver- lässige Nachrichten von dem Wandel der Tierwelten und der Vegetations- formen, von dem Wechsel des Klimas und des Kulturzustandes, sowie von der Folge des Menschengeschlechtes während des langen Zeitraumes, welcher seit der letzten grossen Vergletscherung der Alpen bis auf die Gegenwart verflossen ist. Erklärung der Tafeln. Tafel I. Die Höhle zum Kesslerloch mit dem Nordeingang. Tafel 11. Grösse der Figuren: '/ı natürlicher Grösse. Fig. 1. Die Zeichnung eines weidenden Renntiers auf einem Kommandostab, die gewölbte Fläche in eine Ebene ausgebreitet, nach Heim, ein Fund aus der Renntierzeit, 1874. Fig. 2. Die Zeichnung des gleichen Renntiers auf dem Stabe selbst. Fig. 3. Die Zeichnung eines Pferdes, bezw. Wildesels, auf einer Geweihstange, zwei photographische Aufnahmen zusammengesetzt. Tafel III. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse; photographische Aufnahme. Fig. 1. Ein der Länge nach entzwei geschnittenes Geweihstück vom Renntier mit drei Reihen erhabener Rhomben verziert, auf der rechten Seite mit drei parallel zu einander laufenden Längsfurchen und auf der linken Seite mit vier parallel zu ein- ander laufenden Längsfurchen versehen; auf der gewölbten Oberfläche zwischen den erhabenen Rhomben sind vertiefte Verzierungen; die Rückseite ist flach ohne Ver- zierungen. Fig. 2. Eine der Länge nach entzwei geschnittene, polierte Geweihstange vom Renntier mit drei Reihen ganz regelmässig gearbeiteter, erhabener Rhomben verziert; auf der rechten Seite mit vier parallel zu einander laufenden Längsfurchen, auf der linken Seite mit drei parallel zu einander laufenden Längsfurchen versehen; zwischen den drei Reihen Rhomben sind der Länge nach eingeschnittene Verzierungen, welche am obern Ende konisch zusammenlaufen und sich oberhalb in umgekehrter Form wiederholen. Fig. 2*. Der Querschnitt desselben Stabes. Fig. 2. Die flache Rückseite desselben Stabes mit schiefen, parallel zu einander laufenden Furchen. Fig. 3. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier mit drei Reihen erhabener Rhomben verziert; auf der rechten Seite mit vier Längs- furchen, auf der linken Seite mit drei Längsfurchen versehen; auf der gewölbten Ober- fläche zwischen den Rhomben sind am untern Ende parallele Längsfurchen. Fig. 3°. Der Querschnitt desselben Stabes. — 54 — Fig. 3°. Die flache Rückseite desselben Stabes mit von beiden Längsseiten gegen die Mitte zu parallel verlaufenden Furchen, die sich jeweils in der Mitte treffen. Fig. 4. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier mit polierter, gewölbter Oberfläche; auf der rechten und linken Seite zu äusserst befinden sich je zwei parallele Längsfurchen, längs derselben sind die Anfangsstadien der erhabenen Rhomben mit erst drei sichtbaren Kanten; die Rückseite ist flach und mit Längsfurchen versehen. Fig. 5. Eine Harpune, Wurfstock, mit Linienornamenten und vertieften Rhomben, auf allen vier Seiten verziert, aus Renntiergeweih. Fig. 5*. Die Rückseite desselben Wurfstockes mit gleicher Verzierung. Fig. 6. Ein der Länge nach entzwei geschnittenes Stück einer Geweihstange vom Renntier mit polierter, gewölbter Oberfläche; auf der rechten und linken Seite zu äusserst befinden sich je zwei parallele Längsfurchen; längs derselben sind die Anfangsstadien der erhabenen Rhomben mit erst ein bis zwei Kanten versehen; die Rückseite ist flach und ohne Verzierungen. Fig. 7. Eine Pfeilspitze aus Knochen mit einer gewölbten und einer flachen Seite: die flache Seite ist mit gegen die Spitze zulaufenden Längsfurchen und beide Seiten sind mit parallel laufenden, schiefen Querschnitten versehen. Fig. 8. Eine Skulptur aus Renntiergeweih, menschliche Darstellung, Kopf im Längsschnitt. Fig. 9. Ein glattes, flaches Knochenstück, das auf der obern Seite mit vertieften Rhomben, Längsfurchen und blumenartigen, vertieften Verzierungen versehen ist. Fig. 9. Der Querschnitt des gleichen Knochenstückes. Fig. 10. Ein Bruchstück einer der Länge nach entzwei geschnittenen Geweih- stange vom Renntier mit Längsfurchen auf der gewölbten Fläche und den Anfangs- stadien der Rhomben. Tafel IV. Grösse der Fig.: "ı nat. Grösse. Fig. 1. Die Rückseite der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 6, in natürlicher Grösse abgezeichnet. Fig. 1° und 1°. Die Querschnitte desselben Knochenstückes. Fig. 1°. Die gewölbte Oberfläche der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 6, ın eıme Ebene ausgebreitet gezeichnet. Fig. 2. Die Rückseite der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 4 in natürlicher Grösse gezeichnet; sie ist mit vielen parallelen Längsfurchen versehen. Fig. 2° und 2°. Die Querschnitte derselben. Fig. 2”. Die gewölbte Oberfläche der Geweihstange auf Tafel III, Ei 4, in eine Ebene ausgebreitet gezeichnet. Fig. 3°. Die Rückseite der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 2. in natürlicher Grösse gezeichnet. i Fig. 3. Die gewölbte Oberfläche der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 2, in eine Ebene ausgebreitet gezeichnet. Fig. 4. Die flache Seite des Pfeils auf Tafel III, Fig. 7, gezeichnet. Fig. 4* und 4°. Die Querschnitte desselben. Fig. 4’. Die gewölbte Fläche des gleichen Pfeils gezeichnet, Tafel V. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Die menschliche Skulptur auf Tafel III, Fig. 3 gezeichnet. Fig. 1%, 1°, 1°. Die dazugehörigen Querschnitte. Fig. 2. Die gewölbte Oberfläche des Geweihstückes auf Tafel III, Fig. 10, abge- wickelt gezeichnet. Fig. 3. Das Knochenstück auf Tafel III, Fig. 9, abgewickelt gezeichnet. Fig. 3°. Der Querschnitt desselben Knochenstückes. Fig. 4. Ein Bruchstück eines runden Pfeils mit quer verlaufenden Verzierungen. Fig. 4°. Der Querschnitt desselben. Fig. 5. Ein Bruchstück eines vierkantigen Pfeils mit schiefen, parallel verlaufenden Einschnitten. Fig. 5°. Der Querschnitt desselben. Fig. 6. Die gewölbte Oberfläche der Schnitzerei der Geweihstange auf Tafel III, Fig. 1, abgewickelt gezeichnet. Fig. 6. Der Querschnitt derselben Geweihstange. Fig. 7. Die gewölbte Oberfläche der Geweihstange auf Tafel IH, Fig. 3, gezeichnet. Fig. 7°. Der Querschnitt derselben Geweihstange. Fig. 8. Die Skulptur eines Fisches, der Kopf nach rechts gerichtet; gezeichnet. Fig. 8. Die Skulptur desselben Fiscbes mit dem Kopf nach links gerichtet, aus Renntiergeweih. Fig. 8°, 8°, 81. Die Querschnitte der Skulptur des Fisches. Tafel VI. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Eine mit scharfen Widerhaken versehene, sehr schön gearbeitete und ver- zierte, grosse Harpune. Fig. 1° und 1”. Die Querschnitte derselben. Fig. 2. Eine bröckelige Geweihstange des Renntiers mit eingravierter Zeiehnung eines Cerviden mit deutlichem Umriss des Kopfes, der Nasenlöcher, der Augen, und des am Kopf anliegenden Geweihes; der Cervide ist wohl mit vorgestreckten Beinen gedacht, welche vorn durch 2 Linien angegeben zu sein scheinen. Fig. 2°. Die Querschnitte derselben Geweihstange. Fig. 3. Ein vierkantiger Pfeil mit winkelförmigen Verzierungen, Eigentumsmarken. Fig. 3°. Der Querschnitt desselben. 6 — Fig. 4. Eine dicke, grosse Harpune, Wurfstock, von der Vorderseite gezeichnet: auf Tafel III, Fig. 5, photographisch wiedergegeben. Fig. 4*. Die gleiche Harpune von der Rückseite gezeichnet. Fig. 4”. Die Harpune, Wurfstock, auf Tafel III, Fig. 5, von der einen Schmalseite gezeichnet. Fig. 4°. Dieselbe Harpune von der andern Schmalseite gezeichnet. Fig. 4. Der Querschnitt der Harpune oberhalb des Widerhakens. Fig. 5. Ein kegelförmig bearbeitetes Braunkoblenstück, Gagat, dem verkürzten Rüssel des Mammuts ähnlich. Tafel VII. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Das hintere Ende eines Kommandostabes aus Renntiergeweih mit kunst- vollen Ornamentverzierungen; ausser dem grossen Loch sind noch vier kleinere Löcher am untern und seitlichen Rande sichtbar. Fig. 1*. Die Rückseite desselben Kommandostabes mit kunstvollen Örnament- verzierungen. Fig. 1’. Die Schmalseite des längeren Teiles vom gleichen Stück mit kunst- vollen Ornamentverzierungen und vertieft angegebenen Rhomben. Fig. 1°. Die Ansicht desselben Stückes von der andern Schmalseite. Fig. 1%, 1°, 1. Die dazugehörigen Querschnitte des Stabes. Fig. 2. Ein sehr schön bearbeitetes, am obern Ende künstlich durchlöchertes pyramidenförmiges Braunkohlenstück, Gagat, mit vielen horizontal und vertikal ver- laufenden Linienverzierungen auf den Seiten. Fig. 3. Ein bearbeitetes flaches Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 4. Ein bearbeitetes Braunkohlenstück mit einer pflanzenähnlichen Zeichnung auf der Schmalseite. Fig. 5. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 6. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 7. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. Ss. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 9. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 10. Ein schief abgeschnittener Röhrenknochen mit feinen parallelen Linien- verzierungen auf den Seitenflächen. Fig. 10°. Die Rückseite des gleichen Knochenstückes mit ähnlichen Verzierungen. Fig. 11. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Fig. 12. Ein Knochenstück mit parallelen Linienverzierungen. Fig. 13. Ein Knochenstück mit Linienverzierungen. Tafel VIL. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Ein bearbeitetes Stück fossiles Elfenbein mit Zeichnungen. Fig. 2. Ein Knochenstück mit queren Kerbschnitten. Fig. 3. Ein flaches Knochenstück mit parallelen Furchen und Verzierungen der Länge nach. Fig. 3°. Die Rückseite desselben Knochenstückes mit schrägen Furchen. Fig. 4. Das hintere Ende eines runden Pfeils aus Renntiergeweih, hinten auf beiden Seiten meisselföürmig zugeschärft und in der Mitte vertieft. Fig. 5. Ein mit vielen Linien versehenes Knochenstück. Fig. 6. Ein bearbeitetes Knochenstück vom Mammut mit Furchen und Linien auf der flachen Seite. Fig. 7. Ein Knochenstück vom Renntier mit Linienverzierungen. Fig. 8. Eine schön bearbeitete, runde, mit Längsschnitten verzierte Geweihstange mit einer rundlichen Vertiefung versehen. Fig. 9. Ein konisch bearbeiteter Pfeil mit polierter Oberfläche, am hintern Ende schief abgeschnitten. Fig. 10. Ein flaches Knochenstück mit am obern Rande eingesägten Vertiefungen. Fig. 11. Ein zierlich bearbeiteter, konisch zulaufender, runder Pfeil aus Renntier- geweih mit seitlichen Kerben. Fig. 12. Ein bearbeitetes Braunkohlenstück mit rundlicher Ausarbeitung auf dem oberen Querschnitt. Fig. 13. Ein von allen Seiten angeschnittenes Knochenstück mit zahlreichen Ver- tiefungen ringsherum. Fig. 14. Eine erst roh bearbeitete grosse Harpune aus Knochen. Tafel IX, Grösse der Fig.: ?/s nat. Grösse. Fig. 1. Ein Stück fossiles Elfenbein, von drei Seiten spitz zulaufend bearbeitet. Fig. 2. Das auf Tafel VIII, Fig. 1 gezeichnete, bearbeitete Stück fossiles Elfen- bein in photographischer Wiedergabe. Fig. 3. Ein Stück bearbeitetes, fossiles Elfenbein, der Länge nach angeschnitten. Fig. 4. Ein runder, schön polierter Pfeil aus fossilem Elfenbein mit meisselförmig zulaufender Spitze. Fig. 5. Ein quer abgeschnittenes Knochenstück vom Alpenhasen. Fig. 6. Eine meisselförmig bearbeitete, vierkantige Pfeilspitze aus Geweih vom Renntier. Fig. 7. Das hintere Ende eines rundlichen Pfeils aus Renntiergeweih, hinten schief abgeschnitten und schön poliert. Fig. 8. Ein sehr schön bearbeiteter, zierlicher, rundlicher Pfeil aus Renntier- geweih mit sehr scharfer Spitze. Fig. 9. Ein an der Wurzel künstlich durchbohrter Zahn vom gemeinen Bären. Fig. 10. Ein vierkantiger Pfeil aus Renntiergeweih mit schiefen Kerben versehen. Fig. 11. Ein an der Wurzel künstlich durehbohrter Zahn vom Eisfuchs. 8 — ».- — Ein an der Wurzel künstlich durchbohrter, kleiner Zahn vom Eisfuchs. Ein kahnförmig bearbeitetes Knochenstück. Eine Cerithium-Art. Ein natürlich durchlöcherter, brauner Ammonit. Ein natürlich durchlöcherter, schwarzbrauner Ammonit. Eine durchlöcherte Gryphäa-Art. Eine in der Mitte künstlich durchlöcherte Schale von Peetuneulus obovatus. Ein runder, an beiden Enden spitz zulaufender Pfeil aus fossilem Elfenbein. Eine am Buckel abgeschliffene, mit einem Loch versehene Muschel von Eine in der Mitte der Schale durchbohrte Muschel von Pectunculus Ein Bruchstück eines Pfeils, am hintern Ende schief abgeschnitten und Ein kleiner Röhrenknochen mit sieben quer verlaufenden Einschnitten. Das vordere, schön bearbeitete Ende eines sehr feinen, rundlichen Pfeiles. Das hintere Ende einer Nadel aus Renntiergeweih mit vollständigem Öhr. Eine Nadel aus Renntiergeweih mit vollständigem Öhr und scharfer Spitze. Eine Knochennadel ohne Öhr. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Pectunculus obovatus. Fig. 21. obovatus. Fig. 22. poliert. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Eine vollständig erhaltene, schön polierte Nadel aus Renntiergeweih mit rundem Öhr und ganz scharfer Spitze. Fig. 1. Fig. 1*. Fig. 2. und poliert. Fig. 3. Fig. 3*. Fig. 4. Fig. 4°. Fig. 5. Tafel X. Grösse der Fig.: ?/s nat. Grösse. Ein vierkantiger Pfeil aus Renntiergeweih. Der Querschnitt desselben. Eine runde Pfeilspitze aus Renntiergeweih, hinten schief abgeschnitten Ein grosser Pfeil aus Renntiergeweih. Der Querschnitt desselben. Eine vierkantige Lanze aus Renntiergeweih. Der Querschnitt derselben. Ein Stechinstrument aus einer gespaltenen Renntiergeweihstange, die zewölbte Oberfläche schön poliert, mit scharfer Spitze. Fig. 5*. Fig. 6. Fig. 7. Fig. Fig. =] » m Fig. 8°. Der (uerschnitt desselben. Eine konisch verlaufende Pfeilspitze, hinten schief abgeschnitten. Eine schön polierte, breite, dünne Spatel aus Knochen, zum Glätten der Felle. Der Querschnitt derselben. Eine Pfeilspitze aus Renntiergeweih. Der @Qnerschnitt derselben. — 59 — Fig. 9. Eine dreikantige Pfeilspitze aus Knochen, das hintere Ende mit tiefen Furchen versehen. Fig. 9°. Der Querschnitt derselben. Fig. 10. Eine runde Pfeilspitze aus Renntiergeweih. Fig. 11. Ein vierkantiger, stumpfer Pfeil aus Renntiergeweih. Fig. 12. Ein kleineres Stechinstrument aus gespaltener Geweihstange vom Renn- tier, mit abgebrochener Spitze; der Querschnitt desselben ist halbkreisförmig wie bei Fig. 5%. Fig. 13. Das vordere, sehr glatte Ende einer polierten, dünnen Spatel. Fig. 14. Das vordere, sehr glatte Ende einer Spatel. Fig. 15. Eine vierkantige Pfeilspitze mit schief abgeschnittenem, hinterem Ende. Fig. 16. Das vordere, dünne Ende einer Spatel. Tafel XI. Grösse der Fig.: !/ı nat. Grösse. Fig. 1. Ein Bruchstück eines vierkantigen Pfeils mit vielen schiefen, parallelen Furchen. Fig. 2. Das am obern Ende durchlöcherte, fein geglättete Zungenbein vom Renn- tier mit parallel-linigen Verzierungen. Fig. 3. Eine schön gearbeitete, grosse Harpune aus Renntiergeweih mit scharfen Widerhaken und vielen Linien- und Furchen-Verzierungen. Fig. 4. Ein durchlöcherter Knochen vom Alpenhasen mit zwei Parallelfurchen. Fig. 5. Eine lange, bearbeitete Rippe vom Renntier mit Ornamentverzierungen. Fig. 6. Eine grob bearbeitete Harpune aus Knochen, auch Angel. Fig. 7. Eine kleinere, grob bearbeitete Harpune aus Knochen, auch Angel. Fig. 8. Ein vierkantiger, langer, dicker Pfeil aus Renntiergeweih mit Blutrinne und winkelförmiger Verzierung. Fig. 9. Ein pfeilförmig bearbeitetes Stück Braunkohle, Gagat. Fig. 10. Ein vierkantiger, dicker Pfeil aus Renntiergeweih mit zwei schief- winkligen Kreuzen auf der vorderen Fläche. Fig. 11. Ein bearbeitetes, gekrümmtes Stück einer gespaltenen Renntiergeweih- stange mit blattähnlichen Verzierungen. Fig. 12. Eine kleine, zierliche, mit scharfen Widerhaken versehene Harpune aus Knochen. Fig. 13. Ein durchlöchertes, rundlich bearbeitetes Stück Braunkohle, Perle aus Gagat. Fig. 14. Ein rüsselförmig bearbeitetes Gagatstück. Tafel XII. Grösse der Fig.: t/s nat. Grösse. Fig. 1. Eine bearbeitete, geglättete Geweihstange vom Renntier, mit zwei parallel verlaufenden Furchen auf der vorderen Fläche: die Vorbereitung zum Heraus- — 6° — schneiden eines Pfeils; auf der rechten Seite ist der Länge nach schon ein Stück weg- geschnitten. Fig. 1%. Dieselbe Geweihstange von der abgeschnittenen Seite sichtbar. Fig. 1”. Dieselbe Geweihstange von der Rückseite sichtbar, in der Mitte ist ein Stück herausgeschnitten. Fig. 2. Eine unten quer abgeschnittene, der Länge nach entzwei gespaltene, gerade Geweihstange vom Renntier; die scharfen Schnittflächen auf beiden Seiten und das spongiöse Gewebe in der Mitte deutlich sichtbar. Tafel XII. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse, Fig. 1—7. Fig. 1. Eine der Länge nach entzwei gespaltene, krumme Geweihstange vom Renntier. Fig. 2. Eine bearbeitete Geweihstange vom Renntier, auf der linken Seite ange- schnitten. Fig. 3. Eine bearbeitete Geweihstange vom Renntier, mit einer viereckigen Ver- tiefung in der Mitte versehen. Fig. 4. Eine oben scharf angeschnittene Geweihstange vom Renntier mit von links oben nach rechts unten quer darüber verlaufender Furche. Fig. 5. Eine Seitensprosse vom Geweih des Renntiers, unten scharf angeschnitten. Fig. 6. Eine Seitensprosse vom Geweih des Renntiers, unten scharf angeschnitten. Fig. 7. Eine grössere Seitensprosse vom Geweih des Renntiers, unten auf beiden Seiten scharf angeschnitten. Fig. 8. Ein grosses Stück Renntiergeweih mit zwei Seitensprossen, die Haupt- stange ist der Länge nach auf der Vorder- und Rückseite angeschnitten worden, behufs Herausnahme von zwei Längsstücken; °/s nat. Grösse. Tafel XIV. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Ein Stück einer Hauptstange des Geweihs vom Renntier mit Seiten- sprosse, die Hauptstange ist an beiden Enden sorgfältig abgeschnitten und in der Mitte mit einer herausgestemmten Vertiefung, behufs Anbringung eines Loches, versehen. Fig. 1°. Dieselbe Geweihstange von der Rückseite, ebenfalls mit einem ange- fangenen Loch. Fig. 2. Ein grosses, dickes Stück Renntiergeweih, unten angeschnitten und mit parallel verlaufenden, schiefen Furchen. Fig. 3. Eine Stange vom Renntiergeweih, unten scharf angeschnitten, mit Linien- ornamenten versehen. Fig. 4. Eine Seitensprosse vom Renntiergeweih, unten scharf angeschnitten. Fig. 5. Eine Harpune aus Knochen, grob bearbeitet. Fig. 6. Das hintere Ende eines Kommandostabes mit schön bearbeitetem Loch. — 61 — Fig. 7. Das hintere Ende eines grösseren Kommandostabes mit schön be- arbeitetem Loch. Tafel XY. Grösse der Fig.: 'Jı nat. Grösse. Fig. 1. Ein bearbeitetes, schön poliertes Knochenstück vom Mammut, auf der obern Fläche mit Linien versehen. Fig. 2. Ein auf der Oberfläche bearbeitetes, schön poliertes Knochenstück vom Mammut mit schiefen Linien. Fig. 3. Ein langes, auf der vordern Fläche schön bearbeitetes, poliertes Knochen- stück vom Mammut. Fig. 4 Ein dickes Knochenstück vom Mammut mit vielen Längsfurchen und Kritzen auf der vordern, vertieften Fläche. Fig. 5. Ein dickes Knochenstück vom Mammut, am oberen Ende quer abge- schnitten und die vordere Fläche schön poliert. Fig. 6. Ein kleineres, dickes Stück Mammutknochen mit mehreren Längsfurchen und Kritzen versehen. Fig. 7. Ein grösseres, dickes Stück Mammutknochen, die vordere Seite glatt poliert und mit einer tiefen, schräg verlaufenden Querfurche versehen. Tafel XVI. Grösse der Fig.: !Jı nat. Grösse. Fig. 1. Ein grosses, dickes, konisch zulaufendes, bearbeitetes Stück Mammut- knochen, als Dolch zu gebrauchen. Fig. 2. Ein grosses, dickes, bearbeitetes Stück Mammutknochen, an beiden Enden zugespitzt, als Dolch zu gebrauchen. Fig. 3. Ein Bruchstück eines runden, dicken Pfeils aus Renntiergeweih mit schräg verlaufenden Furchen. Fig. 4. Ein bearbeitetes Knochenstück vom Renntier, am obern Ende mit einer tiefen Furche versehen. Fig. 5. Das obere Ende eines schön bearbeiteten, runden Pfeiles aus Renntier- geweih mit vielen parallelen, schräg verlaufenden Furchen ringsherum. Fig. 6. Der mittlere Teil eines vierkantigen Pfeils aus Renntiergeweih, die Seitenflächen ganz glatt gearbeitet. Fig. 7. Das vordere Ende eines vierkantigen, dicken Pfeils aus Renntiergeweih mit einer Blutrinne versehen. Fig. 8. Das Gelenkende vom Humerus des Alpenhasen mit einem künstlichen Loch. Fig. 9. Ein langer, vierkantiger Pfeil, schön bearbeitet aus Renntiergeweih; die linke Seitenfläche ist mit vielen parallel verlaufenden, schrägen Furchen versehen. Fig. 10. Das hintere Ende eines geraden Pfriemens aus dem Griffelbein des Pferdes, schön bearbeitet. Fig. 11. Der mittlere Teil eines vierkantigen Pfeils, mit einer Blutrinne versehen. - 9 — Tafel XV. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse, Fig. 1. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Remntier; die scharfen Längsschnitte auf beiden Seiten und in der Mitte die spongiöse Masse des Gewebes deutlich sichtbar. Fig. 2. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier; die flache Seite ist mit Längsfurchen versehen; die ganze Oberfläche des Stückes ist mit einer Kruste von Kalksinter überzogen. Fig. 2*. Der Querschnitt derselben. Fig. 3. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier ; an den beiden Seiten die scharfen Schnitte und in der Mitte das spongiöse Gewebe deutlich sichtbar, am obern flachen Ende quer angeschnitten. Fig. 4. Ein der Länge nach entzwei geschnittenes Bruchstück vom Renntier- geweih, die vordere, gewölbte Seite der Länge nach geschabt. Fig. 5. Ein der Länge nach entzwei geschnittenes, langes Stück Renntiergeweih, die scharfen Längsschnitte auf beiden Seiten und in der Mitte die spongiöse Masse des Geweihs deutlich sichtbar. Fig. 6. Ein Bruchstück eines Pfeiles von gespaltenem Renntiergeweih. Fig. 7. Eine kürzere, der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier; die scharfen Längsschnitte auf beiden Seiten und in der Mitte die spongiöse Masse des Geweihs deutlich sichtbar. Fig. 7°. Der Querschnitt derselben. Fig. 8. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier; die scharfen Längsschnitte auf beiden Seiten und in der Mitte die spongiöse Masse des Geweihs deutlich sichtbar. Fig. 8°. Der Querschnitt derselben. Fig. 9. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier, die ganze Oberfläche des Stückes ist mit einer Kruste von Kalksinter überzogen, auf der flachen Längsseite sind durch die Seitenkruste hindurch mehrere deutlich sichtbare Längsfurchen vorhanden; auf der gewölbten Oberfläche fehlt an einigen Stellen die Sinterkruste und es sind Längsfurchen und Linien, die Anfangsstadien der Schnitzerei mit erhabenen Rhomben sichtbar, wie auf Tafel IV. Fig. 9. Der Querschnitt des gleichen Stückes. Fig. 10. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier, die gewölbte Oberfläche sichtbar. Fig. 10°. Der Querschnitt derselben. Tafel XVII. Grösse der Fig.: 'Yı nat. Grösse. Fig. 1. Das obere Ende des Oberschenkelknochens vom Alpenhasen, mit Kritzen der Länge nach. u Fig. 1°. Das Mittelstück desselben Knochens mit zwei Längsfurchen behufs Heraus- schneidens eines Stückes zur Nadelfabrikation. Fig. 1°. Das untere Ende des gleichen Knochens mit Kritzen der Länge nach und mit einem künstlichen Loch. Fig. 2. Ein grosses Mittelstück des ÖOberschenkels vom Alpenhasen mit einer Längsfurche. Fig. 3. Das Mittelstück des Oberschenkels vom Alpenhasen mit zwei Längsfurchen. Fig. 4. Ein gleiches Stück mit noch tieferen Längsfurchen. Fig. 5. Ein ähnliches Stück mit einer Längsfurche und oben schief abgeschnitten. Fig. 6. Ein herausgeschnittenes Stück aus dem Oberschenkel des Alpenhasen, die Markhöhle sichtbar. Fig. 7. Ein schmaleres, ähnlich bearbeitetes Stück wie Fig. 6. Fig. 8. Ein kürzeres Stück Knochen, herausgeschnitten aus dem mittleren Teil des Oberschenkels vom Alpenhasen. Fig. 9. Ein längeres Stück Knochen, herausgeschnitten aus dem mittleren Teil des Oberschenkels vom Alpenhasen. Fig. 10. Ein weiter bearbeitetes, ähnliches Stück. Fig. 11. Eine noch unvollständig bearbeitete Knochennadel mit Spitze, ohne Öhr. Fig. 12. Eine polierte Knochennadel ohne Spitze und ohne Öhr. Fig. 13. Eine runde, ganz erhaltene Knochennadel mit Spitze und Öhr. Fig. 14 und 15. Vierkantige Knochennadeln mit abgebrochenem Öhr. Fig. 16. Eine runde Knochennadel mit angefangenem Öhr. Fig. 17 und 18. Knochennadeln mit rundem Öhr. Fig. 19 und 20. Die Hälfte des Mittelstückes eines Oberschenkels vom Alpen- hasen, der Länge nach entzwei geschnitten. Fig. 21. Ein Bruchstück des gleichen Röhrenknochens, auf der linken Seite schief abgeschnitten. Fig. 22—27. Abfälle der Nadelfabrikation aus Knochen vom Alpenhasen. Fig. 28. Ein auf der rechten Seite der Länge nach schief angeschnittenes Knochen- stück vom Alpenhasen. Fig. 29. Ein Röhrenknochen vom Renntier, mit einer tiefen Längsfurche auf der linken Seite behufs Wegschneidens eines zur Nadelbereitung geeigneten Stück Knochens. Fig. 30. Ein Knochen vom Renntier, links scharf angeschnitten und mit einer 4 mm. davon abstehenden, 0,3 mm. tiefen Längsfurche behufs Wegschneidens eines zur Nadelfabrikation geeigneten Knochenstückes. Fig. 31. Ein Knochenstück vom Renntier mit zwei 3 mm. tiefen Längsfurchen, zwischen welchen ein zur Nadelfabrikation geeignetes Stück Knochen hervorragt. Fig. 32. Ein Knochenstück vom Renntier mit zwei tiefen Längsfurchen, zwischen welchen ein zur Nadelfabrikation bestimmtes Stück Knochen hervorragt. =. Bd Fig. 33. Eine 4 mm. dicke, fertige, runde, polierte Nadel aus Renntierknochen mit rundem Öhr. Fig. 34, 34° und 34". Eine runde Nadel aus Renntierknochen mit Spitze und abgebrochenem Öhr. Tafel INX. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse, Fig. 1. Ein krummer Pfriemen oder Stechinstrument aus dem Schulterblatt vom Renntier mit scharfer Spitze, auf der rechten Seite oben eine scharf geschnittene, kleine Einbuchtung. Fig. 2. Ein krummer Pfriemen oder Stechinstrument aus Renntierknochen. Fig. 3. Ein breiter, krummer Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renntiers, auf der rechten Längsseite unten eine runde, scharf geschnittene Einbuchtung. Fig. 4. Ein gerader Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renntiers mit abge- brochener Spitze. ö Fig. 5. Ein krummer, breiter Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renntiers. Fig. 6. Ein gerader Pfriemen aus einem flachen Renntierknochen. Fig. 7. Ein gerader, langer Pfriemen aus einem dieken Knochen des Remntiers. Fig. S, 9, 10, 11. Krumme, verschieden bearbeitete Pfriemen aus dem Schulter- blatt des Renntiers mit abgebrochenen Spitzen, sehr gebrauchte Instrumente. Fig. 12. Ein krummer Pfriemen aus einem dieken Knochen des Renntiers. Fig. 13 und 14. Ganz erhaltene, krumme Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renntiers mit schön bearbeiteten Spitzen. Fig. 15. Ein sehr stark abgearbeiteter Pfriemen, hergestellt aus der Afterklaue des Renntiers, am vorderen Ende ganz rund poliert. Fig. 16. Ein sehr schön bearbeiteter Pfriemen, hergestellt aus der Afterklaue des Renntiers, auf der rechten Seite schief zugeschnitten. Fig. 17. Ein ganz erhaltener, viel gebrauchter Pfriemen aus der Afterklaue des Renntiers. Fig. 18. Ein schön bearbeiteter Pfriemen aus der Afterklaue des Renntiers mit abgebrochener Spitze. Fig. 19. Ein dieker, schön bearbeiteter Pfriemen aus Renntierknochen mit abge- brochener Spitze, das hintere Ende kolbenförmig bearbeitet. Fig. 20. Ein dieker, schön bearbeiteter Pfriemen aus Renntierknochen mit abge- brochener Spitze; das hintere Ende kolbenförmig bearbeitet. Fig. 21. Ein langer, schön bearbeiteter, schmaler Knochenpfriemen, das hintere Ende kolbenförmig bearbeitet. Tafel XX. Grösse der Fig.: "/ı nat. Grösse. Fig. 1. Ein gerader Pfriemen aus Renntierknochen, das vordere Ende schön bearbeitet. a Fig. 2. Ein gerader Pfriemen aus Renntierknochen, die Seitenflächen schön bearbeitet und poliert. Fig. 3. Ein langer, > =) Fig. 4. Ein langer, brochener Spitze. Fig. 5. Ein leicht gekrümmter, langer Pfriemen aus Knochen, der obere Teil schön bearbeitet. erader Pfriemen aus: Knochen mit scharfer Spitze. erader Pfriemen aus Knochen, konisch zulaufend, mit abge- oO, oO ©‘ oO Fig. 6. Ein gut gearbeiteter, kurzer Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renn- tiers, unten auf der linken Seite mit einer rundlichen Einbuchtung versehen. Fig. 7. Ein breiter, krummer Pfriemen aus einem flachen Knochenstück, am untern Ende mit einer rundlichen Einbuchtung versehen. Fig. 8. Ein schön bearbeiteter, krummer Pfriemen aus dem Schulterblatt des Renntiers, auf der untern Seite mit einem scharfen, rundlichen Anschnitt versehen. Fig. 9. Ein pfriemenförmig bearbeitetes Knochenstück, auf der rechten Seite scharf angeschnitten. Fig. 10. Ein gerader, abgebrochener Pfriemen aus dem Griffelbein des Pferdes, die rechte Seite schön bearbeitet. Fig. 11. Ein längerer, gerader Pfriemen aus dem Griffelbein des Pferdes. Fig. 12. Ein sehr schön bearbeiteter, langer, konisch zulaufender Pfriemen, her- gestellt aus dem Griffelbein des Pferdes. Fig. 13. Ein gerader Pfriemen aus Renntierknochen, das hintere Ende quer an- geschnitten, die Spitze abgebrochen. ? Fig. 14. Ein breiter, gerader Pfriemen aus Renntierknochen mit schöner Spitze. Tafel XXI. Grösse der Fig.: "/ı nat. Grösse. Fig. 1. Eine am obern Ende angeschnittene Phalange vom Renntier. Fig. 2. Eine kleinere Phalange vom Renntier, Seitenansicht. Fig. 3—26. Aufgeschlagene und verschieden bearbeitete Phalangen vom Renntier, meistenteils als Pfeifen benützt. Tafel XXI. Grösse der Fig.: !/ı nat. Grösse. Fig. 1. Eine grosse Phalange vom Renntier, am hintern Ende mit einem grossen, künstlichen, länglichen Loch versehen, am vordern Ende zum Anhängen durchlöchert: Renntierpfeife. Fig. 2. Eine kleinere Phalange vom Renntier mit seitlicher, runder Öffnung: Renntierpfeife. Fig. 3. Eine längliche Phalange vom Renntier mit zwei tiefen, queren Sehnen- schnitten versehen. Fig. 4. Ein Knochenstück vom Renntier mit Linienverzierungen. 66 Fig. 5. Ein länglicher Knochen vom Bären, mit einem angefangenem, ausge- stemmtem Loch auf der Breitseite am obern Ende versehen. Fig. 6. Eine Renntierpfeife aus einer Phalange, mit rundlichem Loch auf der Schmalseite am Gelenkende versehen. Fig. 7. Eine runde, bearbeitete Geweihstange vom Renntier, mit vielen Kritzen der Länge nach und einer Querfurche versehen. Fig. 8. Eine kleinere Phalange vom Renntier mit einem Loch auf der Breitseite: Renntierpfeife. Fig. 9. Das untere Ende des Humerus vom Alpenhasen mit einem künstlichen Loch unten in der Nähe der Gelenkfläche: Musikinstrument. Fig. 10. Eine Phalange vom Renntier, an der obern Gelenkfläche mit künstlichem Loch versehen: Renntierpfeife. Fig. 11. Ein langes, von beiden Seiten nach oben zulaufendes Stück Renntier- geweih, welches an beiden Seiten eine scharf angeschnittene Fläche besitzt. Fig. 12. Das Sprungbein des Renntiers mit künstlicher, länglicher Öffnung, an beiden Enden abgeschnitten. Fig. 13. Das Schulterblatt des Renntiers, am hintern Ende mit einem rundlichen Loch versehen. Fig. 14. Das untere Ende eines Oberschenkelknochens vom Renntier, mit einem querliegenden, länglich runden Loch versehen. Tafel XXIII. Grösse der Fig,: ?/s nat. Grösse. Fig. 1. Das mittlere Stück einer vierkantigen, langen, schön bearbeiteten Lanze aus Renntiergeweih, die obere Seite in der Mitte mit einer Längsfurche, einer ange- fangenen Blutrinne, versehen. Fig. 2. Das hintere Ende einer langen, halbrunden Lanze aus gespaltenem Renn- tiergeweih; die gewölbte Oberfläche ist mit zwei Längsfurchen versehen; das hintere Ende des Pfeils schräg abgeschnitten. Fig. 2*. Der Querschnitt derselben. Fig. 3. Ein lanzenförmig bearbeitetes Knochenstück vom Renntier. Fig. 4. Eine bearbeitete Rippe vom Renntier mit vielen Linien der Länge nach; das obere Ende läuft in eine gebogene Spitze aus: Stechinstrument. Fig. 5. Ein lanzenförmig bearbeitetes Stück fossiles Elfenbein mit vielen der Länge nach verlaufenden Linien. Fig. 6. Das mittlere Stück einer grossen, vierkantigen Lanze, auf den beiden Schmalseiten schön bearbeitet und poliert, die Breitseite mit Kritzen versehen. Fig. 7. Ein Bruchstück einer gespaltenen Renntiergeweihstange, hinten schief abgeschnitten. Fig. Ss. Ein halbrunder, polierter Pfeil aus gespaltenem Renntiergeweih. Fig. 85°. Der Querschnitt desselben. Fig. 9. Das hintere Ende eines runden Pfeils aus Knochen. Fig. 10. Das vordere Ende eines halbrunden Pfeils aus Renntiergeweih mit einer tiefen Blutrinne versehen. Fig. 10°. Der Querschnitt desselben. Fig. 11. Der mittlere Teil eines runden, dicken Pfeils mit vielen der Spitze zu- laufenden, parallelen Linien. Tafel XXIV. Grösse der Fig.: */s nat. Grösse. Fig. 1. Der mittlere Teil eines vierkantigen Pfeiles aus Renntiergeweih mit einer künstlichen Vertiefung am hintern Ende und vielen der Länge nach verlaufenden Linien und Furchen. Fig. 2. Ein breites, langes Stechinstrument aus Renntiergeweih, die beiden Schmal- seiten haben schön bearbeitete Flächen, am vordern Ende ist es schief abgeschnitten, mit vom Gebrauch abgenutzter Spitze. Fig. 3. Ein langes Stechinstrument aus Renntiergeweih. Fig. 4. Ein schöner, ganzer, dicker, rundlicher Pfeil mit einer tiefen Blutrinne und am hintern, meisselförmig zugespitzten Ende mit Querfurchen versehen. Fig. 5. Ein halbrundes Stechinstrument aus gespaltenem Renntiergeweih mit vom vielfachen Gebrauch abgenutzter Spitze, die obere Spaltfläche und die gewölbte Seiten- fläche sind schön poliert. Fig. 6. Ein vierkantiger, langer Pfeil, mit winkelförmigen Zeichen und parallelen Furchen versehen. Fig. 7. Der mittlere Teil des Humerus vom Alpenhasen, mit sechzehn Quer- und zwei Längskerben versehen. Fig. S. Ein flaches Knochenstück mit parallelen Linienverzierungen. Fig. 9. Der mittlere Teil des Humerus vom Alpenhasen mit zwei Längsfurchen. Fig. 10. Ein schön bearbeiteter, vierkantiger Pfeil mit schief verlaufenden Ein- schnitten als Verzierung. Fig. 11. Ein halbzylindrisches Stechinstrument, ähnlich dem Fig. 5 abgebildeten. Tafel XXV. Grösse der Fig.: ?/, nat. Grösse. Fig. 1. Eine kurze Renntierpfeife mit oben an der Gelenksfläche angebrachtem, rundem Loch. Fig. 2. Eine längliche Pfeife aus der Phalange vom Renntier mit ganz rundem, kleinem Loch auf der Schmalseite oben. Fig. 3. Eine Renntierpfeife mit rundem Loch in der Mitte der Schmalseite. Fig. 4. Eine kurze, dicke Renntierpfeife mit länglichrundem Loch am obern Ende der Breitseite. 6 — Fiz. 5. Das mittlere Stück eines vierkantigen, schmalen Pfeils mit Winkelzeichen auf der Breitseite, aus gespaltenem Renntiergeweih. Fig. 6. Das vordere Ende eines gewölbten Pfeils aus gespaltenem Renntiergeweih mit einer Längsfurche. Fig. 7. Der mittlere Teil eines vierkantigen Pfeils, mit einer Längsfurche versehen. Fig. 8. Ein glatt poliertes Knochenstück, mit drei queren Kerben versehen. Fig. 9. Der mittlere Teil einer langen Lanze aus gespaltenem Renntiergeweih, mit einer Anzahl Querfurchen versehen auf der gewölbten Fläche. Fig. 9*. Der Querschnitt derselben. Fig. 10. Ein breites, langes Stück einer gespaltenen Renntiergeweihstange, auf beiden Seiten der Länge nach schön angeschnitten, in der Mitte vertieft und das spongiöse Gewebe des Geweihs sichtbar. s Fig. 10°. Der Querschnitt des gleichen Stückes. Fig. 11. Eine Lanzenspitze aus gespaltenem Renntiergeweih. Fig. 11°. Der Querschnitt derselben. Fig. 12. Ein der Länge nach mit tiefen Furchen auf beiden Seiten ver- sehenes Knochenstück, behufs Wegschneidens eines schmalen, langen Knochen- stückes. Fig. 13. Eine der Länge nach entzwei geschnittene Geweihstange vom Renntier, an den Seitenflächen poliert. Fig. 13°. Der Querschnitt derselben. Tafel XXVI. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse, . Fig. 1. Ein auf der linken Längsseite scharf angeschnittenes Geweihstück vom Renntier. Fig. 2. Ein pfeilförmig bearbeitetes Geweihstück vom Renntier, auf der vordern Fläche oben mit vielen Kritzen versehen. Fig. 3. Ein Geweihstück vom Renntier, am untern Ende konisch bearbeitet, auf der vordern Fläche viele Kritze der Länge nach. Fig. 4. Ein bearbeitetes Stück Knochen vom Renntier. Fig. 5. Die Zeichnung eines Tieres mit langem Hals, herabhängendem Kopf, nach vorn gerichtetem Ohr und krausen Haaren auf dem Kopf. Fig. 6. Ein bearbeitetes Stück Knochen mit vielen Kritzen auf der vorderen Fläche. Fig. 7. Ein Geweihstück vom Renntier, auf den beiden Schmalseiten scharf an- geschnitten, auf der Breitseite unten ein angefangenes Loch. Fig. 8. Ein vielfach bearbeiteter Fusswurzelknochen vom Renntier. Fig. 9. Ein bearbeitetes Geweihstück vom Renntier. — 69 — Tafel XXVI. Grösse der Fig.: !/g nat. Grösse. Fig. 1. Das untere Ende eines angebrannten, vom Feuer rötlich gefärbten Ober- schenkelknochens eines jungen Mammuts. Fig. 2. Bruchstück eines angebrannten, caleinierten, vom Feuer innen rötlich gefärbten und aussen geschwärzten Schulterblattes eines jungen Mammuts. Fig. 3. Ein Backenzahn eines jungen Mammuts; Überreste der Mahlzeiten des Mammutjägers. Tafel XXVII. Grösse der Fig.: Y/ı nat. Grösse. Feuerstein-Instrumente. Fig. 1. Flacher, vierkantiger, ganz erhaltener, sehr gebrauchter Schaber (Kratzer) aus gelbem Feuerstein; die rechten und linken Seitenkanten konnten als Messer und Säge benutzt werden; die Sprengflächen am obern Ende laufen in einen gemeinsamen Punkt zusammen. Fig. 2. Etwas gewölbter, vierkantiger, ganz erhaltener Schaber, aus milchblauem Feuerstein; das hintere Ende ist mit einer spitzigen Kante versehen, welche zum gravieren gebraucht wurde; das vordere Ende besitzt eine 4 mm. hervorragende Spitze, welche zum eingravieren der Längsfurchen auf den mit Rhomben versehenen Geweih- stangen diente; die beiden Seiten haben der ganzen Länge nach zahlreiche Retouchen und konnten zum polieren dienen. Fig. 3. Vierkantiger, ganzer, etwas gewölbter Schaber aus gelbem Feuerstein; die vordere Kante ist halbkreisförmig bearbeitet, die Sprengflächen laufen in zwei Punkten zusammen, die linke und rechte Seitenkante mit vielen Retouchen versehen. Fig. 4. Vollständig erhaltener, fünfkantiger, schön bearbeiteter, hinten spitz zu- laufender Schaber aus graumeliertem Feuerstein; die Seitenflächen konnten als Messer benützt werden. Fig. 5. Vollständig erhaltener, etwas gewölbter, flacher, breiter Schaber aus ‚Jaspis mit scharfen Seitenkanten und stumpfem, hinterem Ende. Fig. 6. Ein fünfkantiger Doppvelschaber aus gelbem Feuerstein; das obere und untere Ende mit einer grossen Anzahl von Sprengflächen versehen; die beiden Längs- kanten konnten als Säge dienen. Fig. 7. Schön bearbeiteter, vierkantiger Schaber aus gebändertem hellgrauem Jaspis; die rechte Seitenkante konnte als Säge, die linke als Messer benützt werden. Fig. 8. Vierkantiger Doppelschaber aus grauweissem Feuerstein; die vorderen Sprengflächen der Schabkante schief emporsteigend. Fig. 9. Vierkantiger, langer Schaber aus dunkelgrauem Feuerstein; die rechte Längsseite besteht aus der Kruste des ursprünglichen Feuersteinknollens; die linke Längsseite ist sägeförmig bearbeitet. _- 70 — Fig. 10. Dicker, flacher, vierkantiger Schaber aus braunem Feuerstein; das hintere Ende konnte als Gravierinstrument benützt werden, die rechte, gewölbte Seiten- kante als Polierinstrument. Fig. 11. Langer, flacher, vierkantiger Schaber aus hellgrauem Jaspis; das vordere Ende oval bearbeitet mit vielen Sprengflächen; die linke Seitenkante ist stark abgenutzt und hat mehrere Einbuchtungen, welche zum polieren der Nadeln benützt werden konnten; die rechte Seitenkante ist sägeförmig bearbeitet. Fig. 12. Langer, gewölbter, dreikantiger Schaber aus gelblichem Feuerstein; das vordere Ende rund bearbeitet mit vielen Sprengflächen; die beiden Längskanten zeigen viele kleine Retouchen und dienten als Säge. Tafel XXIX. Grösse der Fig.: '/ı nat. Grösse. Fig. 1. Kleine, vierkantige, flache Säge (gezähnte Klinge) aus grauem Feuerstein; die rechte Längsseite ganz abgenutzt, die linke Seite mit Zähnen versehen. Fig. 2. Etwas grössere Säge (gezähnte Klinge) aus graulichem Feuerstein, beide Seitenkanten als Säge benutzt. Fig. 3. Vierkantige, kleine Säge aus gelbem Feuerstein; die rechte Seitenkante diente als Säge, die linke dagegen als Messer, sehr scharf schneidend; das hintere Ende zu einer Handhabe ausgearbeitet. Fig. 4. Flache, dreikantige, ziemlich abgenützte Säge aus graumeliertem Feuerstein. Fig. 5. Vierkantige Säge aus grauem Feuerstein, die linke Längskante mit vielen Zähnen versehen; die rechte Seitenkante zeigt am untern Ende eine Einbuchtung und wurde als Polierinstrument benützt. Fig. 6. Lange, schmale, dreikantige Säge aus gelbem Feuerstein; die rechte Längskante vollständig abgenützt; die linke Seitenkante diente als Säge und Messer. Fig. 7. Sehr schön bearbeitete, vierkantige, lange, flache Säge aus gelblichem Feuerstein. Fig. 8. Vierkäntiges, sehr scharfes Messer (Klinge) aus dunkelgelbem Feuerstein. Fig. 10. Flaches, vierkantiges, breites Feuersteininstrument aus weissgrauem Feuerstein; die linke Seite als Messer, die rechte Seite als Säge benützt. Fig. 11. Flaches, vierkantiges, vorn spitz zulaufendes Feuersteininstrument, dessen linke Seitenkante als Messer und die rechte als Säge gebraucht wurden. Fig. 12. Etwas gewölbtes, dreikantiges Feuersteininstrument, dessen Seitenkanten in eine Spitze zulaufen und vorn schöne Zähne besitzen, konnte als Messer und Säge benützt werden. Fig. 13. Vielkantiges, gewölbtes Instrument aus gelbem Feuerstein, dessen Seiten- kanten am obern Ende gezähnt sind; es konnte als Messer, Säge und am untern Ende als Polierinstrument benützt werden. 1 — Fig. 14. Sehr feines, flaches Messer aus weissem Feuerstein; der Rücken mit Retouchen versehen. Fig. 15. Dreikantiges, etwas gewölbtes Instrument aus dunkelgelbem Feuerstein, brauchbar zum sägen und schneiden. Fig. 16. Vierkantiges, flaches Feuersteininstrument aus graulichem Feuerstein; die rechte Seitenkante konnte als Polierinstrument benutzt werden. Fig. 17. Sägeartiges, feines Instrument aus dunkelgelbem Feuerstein mit Hand- habe und feiner Bohrerspitze. Fig. 18. Sägeartiges Instrument aus dunkelgelbem Feuerstein mit scharfer Bohrer- spitze; das hintere Ende in eine Handhabe ausgearbeitet. Fig. 19 und 20. Säge- und messerartige Feuersteininstrumente mit abgebrochener Spitze; das hintere Ende in eine Handhabe ausgearbeitet. Fig. 21. Vierkantiges, flaches Instrument aus dunkelgelbem Feuerstein; die linke Seitenkante als Messer und die rechte als Säge bearbeitet. Fig. 22. Lange, flache, vierkantige Säge aus grauweiss-meliertem Feuerstein. Fig. 23. Gravierinstrument aus dunkelgelbem Feuerstein, das obere doppelkantige Ende abgenutzt. Fig. 24. Gravierinstrument aus gelbem, gebändertem Feuerstein, die obere und die untere Kante konnten zum gravieren dienen. Fig. 25. Gravierinstrument aus dunkelgelbem Feuerstein, die obere Spitze ist scharf doppelkantig. Tafel XXX. U nat. Grösse. Grösse der Fig.: Fig. 1. Kleiner, schön gearbeiteter, dreikantiger Bohrer aus grauem Feuerstein, die linke Seite als Säge gebraucht. Fig. 2. Flacher, vierkantiger Bohrer aus grauem Feuerstein mit abgenutzter Bohrerspitze. Fig. 3. Flacher, gewölbter, dreikantiger Bohrer aus gelblichem Feuerstein mit sehr scharfer Spitze. Fig. 4. Feiner, flacher Bohrer aus weissgrauem Feuerstein. Fig. 5. Leicht gewölbter, vierkantiger Doppelbohrer aus graumeliertem Feuer- stein, die untere Spitze abgebrochen. Fig. 6. Flacher, breiter, dreikantiger Bohrer aus gelbem Feuerstein mit schöner Bohrerspitze oben in der Mitte, welche in der Verlängerung der mittleren Kante ver- läuft: Centrumsbohrer. Fig. 7. Sehr schön bearbeiteter Doppelbohrer aus graulichem Feuerstein mit langen Bohrerspitzen. Fig. 8. Flacher, leicht gewölbter Bohrer aus grünlichem Feuerstein, die sehr feine Bohrerspitze befindet sich in der Mitte: Centrumsbohrer. ga. Fig. 9. Schöner, sehr langer, vierkantiger, leicht gewölbter Doppelbohrer aus dunkelgrauem Feuerstein, die linke Kante trägt am hintern Ende eine Einbuchtung; konnte als Bohrer, Säge, Messer und Polierinstrument benutzt werden. Fig. 10. Flacher, dreikantiger Doppelbohrer aus graulichem Feuerstein. Fig. 11. Flacher, mehrkantiger Doppelbohrer aus gelblichem Feuerstein, die Bohrer- spitze vielfach abgenutzt. Fig. 12. Flacher, langer Bohrer aus grauem Feuerstein, mit nach links gebogener Bohrerspitze; die rechte Seitenkante vorn mit vielen Retouchen versehen. Fig. 13. Flacher, etwas gewölbter, dicker Bohrer aus hellgelbem Feuerstein mit abgebrochener Spitze. Fig. 14. Flacher, dreikantiger Doppelbohrer aus graulichem Feuerstein, die obere Bohrerspitze sehr fein bearbeitet und nach rechts gerichtet; die untere Bohrerspitze beinahe in der Verlängerung der Mittelkante und abgebrochen. Fig. 15. Sehr schöner, flacher Bohrer aus graumeliertem Feuerstein. Fig. 16. Gewölbter, breiter, dreikantiger Bohrer aus gelbem Feuerstein mit sehr schön bearbeiteter, langer Bohrerspitze. Errata: pag. 15, Zeile 12 von unten, ist zu lesen Gemse statt Reh. pag. 17, Zeile 2 von unten, ist zu lesen Gemse statt Reh. pag. 51, Zeile 6 von oben, ist zu lesen die statt den. -Zuedurg AJaydıjpıou ‘NaZ Aayasıyyıoejed sne ayoyg auıg -uasneyjjeyag uomey 'uaduseyL Ioq YPOLIO[JSSIM Seq 1 12fo1 "ASIPIL '& NINXX PG oypsmaseg "Faroyr zumıps dap uorfıayosguag may] Neue Denkschriften der Schweis. Naturf. Gesellschaft, Bd. XXXIX, 2. Hälfte. Fig. 3 Weidendes Renntier und Pferd, bez. Wildesel, !/ı nat. Grösse. auf Commandostäben. Tafel IT. Schnitzereien und Rundbildungen aus Renntiergeweih. l,ı nat. Grösse, Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XXXIX, 2. Hälfte. Tafel IV. Zu, UN Fig. La. (Querschnitt) Fig. 4a. (Querschnitt) Fig. 4e. Q. 4C. Fig. 2c. Fig. 3a. (Querschnitt) Schnitzereien aus Geweihstangen vom Renntier. t/ı nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Ba. XXAIA, 2. Hälfte. Tafel V. ag <> Fıg. 2b. (Querschnitt) Fig &S*’ Fig. Ta. - Ali ) (oueschnit) MM Fig. IC. (Querschnitt) Fig. ıb. (Querschnitt) Fig. 4a. (Querschnitt) Fig. 5 a. Fig. 1. (Querschnitt) Mensch. Fig. 6a. (Querschnitt) Fig. 8b. z ot 4C, (Querschnitt) Fig. &c. (Querschnitt) Fig. Sa. (Querschnitt) Skulpturen, Mensch und Fisch, aus Renntiergeweih, sowie Schnitzereien. ii . ‚ “ 3 m. - . B D ’ 3 > - 5 Li ” D ® Ei > a . Fi P. Fig. 3a. (Querschnitt) a \d NND > unse. sa Fig. Te. (Querschnitt) Fig. 2a. (Querschnitt) ZIAN 27 IN} ZA, = N VG |, LH. : A 2 \\ 5. Fig. 4d. ZA (Querschnitt) \ AR Fig. 5: Fig. ga. Zeichnungen und Schnitzereien aus Geweihstangen vom Renntier. 1/ı nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Ba. XXXIX, 2. Hälfte. Tafel VI. Fig. ıb. 7 Fig. Te. (Querschnitt) Fig. 1d. (Querschnitt) Fig. If. (Querschnitt) Fig. 10a. Schnitzereien mit Ornamentverzierungen. 1/ı nat. Grösse, Tafel VII. Hälfte. > turf. Gesellschaft, Bd. XNXXIN, veiz. Na T »ue Denkschriften der Sch N x SINN, KUN I4. Fig. Fig. II. Fig. 13. g. Fig. Mit Linienornamenten verzierte Knochen und Instrumente. 1/ı nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XXAINX, 2. Hä 22 24 25 26 Fig. 1-4, bearbeitetes fossiles Elfenbein; Pfeile, Nadeln; Schmuckgegenstände. 2/3 nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XXAIX, 2. Hälfte. Lanzen, Speere und Pfeilspitzen aus Geweih des Renntiers. P} 2/3 nat. Grösse. Tafel \ KH; Y+ Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Ba. XXAIX, 2. Hälfte. Tafel XI. re a nn TER % Rn $ 1,4 x Harpunen, Angeln, Pfeile und mit Linienornamenten verzierte Knochenartefakte; Perlen aus Gagat l/ı nat. Grösse, le du Renntier. Gespaltene und angeschnittene Geweihstangen vom nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. NXAIN, 2. Hälfte. Tafel XIT. Angeschnittene und entzweigeschnittene Geweihe vom Renntier. Fig. 1—7: !/ı nat. Grösse; Fig. $S: ®/; nat. Grösse, gs g LICHTDRUCK ALF. DITISHE NACHI Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XAXIX, 2. Hälfte. Tafel XIV. Commandostäbe mit angefangener Durchlöcherung, Harpune und mit Linien verzierte Geweihstücke. 1/ı nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweız. Natur. Gesettschajt, Da. AANLA, 2. LER TE 6 Bearbeitete Knochen vom Mammut. !/ı nat. Grösse. LICHTDRUCK ALF. DITISH Neue Denkschriften der Schweiz, Naturf. Gesellschaft, Bd. XXXIX, 2. Hälfte Tafel XV. Bi & Y En) \ en Links zwei dolchartige Instrumente aus Knochen vom Mammut; mit Linienornamenten verzierte Pfeile und Lanzenspitzen. s nat. Grösse. LICHTDRUCK ALF. DITISHEIM. NACHT. v. Hi Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. NNAIX, 2. Halfte, Tafel NVL, = 9a Der Länge nach entzweigeschnittene und gespaltene Renntierstangen, > - D {=} !,ı nat, Grösse, LICHTDRUCK ALF, DITISHEIM, NACHI V, HENRI DI ON, DASEL, ATI. Tafel [7] \S I, 3JI fie Haälfi AAAIN, eise der Nadeln aus Knochen vom Alpenhasen und vom Renntier, Naturf. Gesellschaft, Bad. Herstellungsw Neue Denkschriften der Schwer © a RB Grö */ı nat. HENRI BE NACHF. V DITISHEIM, LICHTDRUCK ALF. Neue Denkschri, en der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XXXINX, 2. Hälft Gerade und krumme Pfriemen aus Knochen vom Renntier. - ı nat. Grösse. LICHTDEUCK ALF. DITISHEIM #Yebte LIEFERSCHERSLEFE GEF U DCHMErS. LVCEHF]. SIEeSsesischa]t, Da, AAALA, 2. Halfte. Tafel XXX. I2 If Gerade Pfriemen aus Knochen vom Renntier. 1/ı nat. Grösse. 24 25 Aufgeschlagene Phalangen vom Renntier, teilweise als Pfeifen benutzt. l,ı nat. Grösse. Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bad. NXAIX, 2. Hälfte. E Tafel XXI. Durchlöcherte und angeschnittene Knochen. l,ı nat. Grösse, LICHTDRUCK ALF. DITISHEIM. NACHE. V. HENRI BESSON. RAsSYr II EX Tafel Hälft I Derkschriften Neue 5 aus fossilem Elfenbein. Lanzen und Pfeile aus Geweih vom Renntier; No. Grösse. /s3 nat. NAAIX, Bd. Gesellschaft, s. Naturf. Schwerz Denkschriften der Neue [r} Pfeile mit Verzierungen und Stechinstrumente. 2. Hälfte. 7 IToa Renntierpfeifen; Pfeile, Lanzenspitzen und der Länge nach entzweigeschnittene Geweihe vom Renntier. 2/3 nat. Grösse. LICHTDRUCK ALF. bat ’ . 7 4 7 R u Neue Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, Bd. XNXAIX, 2. Hälfte. Tafel AXVI. LICHTDRUCK ALI. DITISEHEIM, NACHT, V. HENRI BESSON, BASEL. Angebrannte Knochen und ein Zahn vom Mammut; Überreste der Mahlzeiten des Mammutjägers. l/a nat. Grösse, iVette LIeNRSchriften der Schweiz. Nalurf. Gesellschaft, Bd. NAAINX, 2. Hälfte. 9 zo Ir (2 Einfache Schaber und Doppelschaber aus Feuerstein. !/ı nat. Grösse. LICHTDRUCK ALF,. DITISHEIM, NACHI AVEME ZLIEMHROCFHTESEETE GEF ODCHWE IS. ZNAEHF]. Gesetischaft, Dd. AXAIA, 2. Halfte, I ax 2I 22 237 10 [0 2) {r {a} n, Messer, Gravierinstrumente aus Feuerstein. !/ı nat. Grösse. LICHTDRUCK ALF Neue Denkschriften der Schweiz, Naturf. Gesellschaft, Bd. XNXIN, 2, Hälfte. Tafel XXX 13 14 Einfache Bohrer, Centrumsbohrer und Doppelbohrer aus Feuerstein. !/ı nat. Grösse. LICHTDRUCK ALI DITISHEIM, NACHI v HENRI BESSON, DASEL. Die Knochenreste aus der Höhle zum Kesslerloch bei Thayngen Von Professor Dr. Th. Studer in Bern. Mit zwei Tafeln. ea; Auf Kosten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes gedruckt von Zürcher & Furrer in Zürich Kommissions-Verlag von Georg & Co. in Basel, Geneve und Lyon. 1904. Das Kesslerloch bei Thayngen wurde schon im Jahre 1874 durch Herrn Lehrer Merck ausgebeutet, dabei kam ein reiches Material von Artefakten aus der Epoque Magdaleneenne und von Tierknochen, nach Merck (41) zirka 1500 Kg., zu Tage. Die Knochen wurden von Rütimeyer genauer bestimmt, es ergaben sich Reste von 28 Arten, darunter 23 Säugetiere und 5 Vögel. Die Reste der Säugetiere gehörten meist grösseren Arten vom Mammut bis zum Schneehasen an, kleinere Tiere, kleine Nager und Insekten- fresser fehlten fast vollkommen. Ferner war noch fraglich geblieben, ob alle Tierreste einer und derselben Epoche angehörten und nicht etwa Schichten verschiedenen Alters. Es war daher ein guter Gedanke von Herrn Dr. Nüesch, die noch nicht untersuchten Teile der Höhle mit der gewissenhaften Sorgfalt, welche am Schweizersbild so schöne Resultate ergeben hatte, weiter auszubeuten und auch den vor dem südöstlichen Ein- gang der Höhle gebildeten Schuttkegel genauer zu untersuchen. Das letztere geschah in der richtigen Voraussetzung, dass die Höhlenbewohner nicht alle Speiseabfälle in der Höhle, die zugleich bewohnt wurde, gelassen, sondern einen beträchtlichen Teil aus der- selben entfernt haben. Es fanden sich denn auch in dem Schuttkegel eine ganz be- trächtliche Zahl von Knochen und, was das interessanteste war, eine alte Feuerstätte, bei welcher zahlreiche calcinierte Knochen von Mammut, Rhinozeros ete. lagen, der beste Beweis dafür, dass diese Tiere zur Zeit der Höhlenbewohner existierten und gejagt wurden. Zugleich zeigte sich, dass die aufgefundene Tierwelt einer und der- selben Zeitepoche angehörte, trotz ihrer eigentümlichen Zusammensetzung aus Tun- dra-, Steppen- und Waldtieren. Die Untersuchung derselben, welche mir Herr Dr. Nüesch anvertraute, ergab nun eine kleine Vermehrung der Arten gegenüber der Liste Rütimeyers. Die Zahl der Säugetiere stieg auf 33 Arten, die der Vögel auf 10. Namentlich gelang es, wenn auch spärliche Reste einer Microfauna nachzuweisen, so von Lemming, Hamster, Ziesel, Spitzmaus ete., die für die Altersbestimmung und für die Beurteilung der äusseren Verhältnisse zur Zeit der Ablagerung von so bedeu- tender Wichtigkeit sind. Was das Verhältnis der Fauna zu derjenigen des Schweizers- bildes betrifft, so sehen wir auch hier noch ein Gemisch von arktischen und Steppen- tieren, wie in der gelben Kulturschicht des Schweizersbild, nur sind hier noch Reste 10 von Nagern, wie z. B. vom Halsbandlemming vorhanden, dessen Vorkommen am Schwei- zersbild auf die untere Nagetierschicht beschränkt ist; ob im Kesslerloch eine Vermengung von älteren und jüngeren Ablagerungen stattgefunden hat, oder, wie ich aus den am Schlusse angeführten Gründen vermute, der Lemming noch neben den übrigen Tieren existierte, ist mit Sicherheit nicht festzustellen. Es folgt hier die Aufzählung der beobachteten Tierformen. Säugetiere. Felis manul (Tafel I, Fig. 1) Eine linke Unterkieferhälfte und zwei distale Humerusenden eines grossen und sehr kräftigen Tieres. Gegenüber der lebenden Wildkatze erscheinen namentlich die Backzähne relativ gross. Bei einer Länge des Kiefers von 62 mm. hat der Fleischzahn 8,5 mm. Länge, während bei einer Wildkatze aus dem Jura die Länge des Fleischzahnes bei einer Kieferlänge von 64 mm. nur 7,5 mm. beträgt. Bei einem in einer Kiesgrube in der Nähe von Zimmerwald gefundenen Wildkatzenschädel ist die Länge des Fleisch- zahnes 7 mm. auf eine Kieferlänge von 62 mm., auch erscheint die Höhe des horizon- talen Astes geringer. Nach den Angaben von Radde (75) und Nehring (55) ist dieses stärkere Gebiss bei gleicher Kieferlänge charakteristisch für Felis manul. Nehring findet bei Manul eine Kieferlänge von 59—55 mm. und die Länge des Fleischzahnes 4,5—9 mm., Radde eine Kieferlänge von 60 mm. und die des Reisszahnes 9,5 mm, eine Länge, welche bei einer Wildkatze aus dem Kaukasus erst bei 71 mm. Kieferlänge er- F. ratas Woldrich #. Inslavits ren - Wildkatze halblossil ben Wildkatıe Biel Wildkatze Länge v. Vorderrd. der Schneidez. alv. \ | bis Winkel . . . 2 3-51 | 69) 63 | 64 |57 | | 7160 Länge v. Vorderrd. d. u bis Hin- | | | | | | terrd. d. Condylus . . . 63 53765 )6 59 1599-55 67 Höhe v. Winkel bis Coronoidfortsatz .130 | 20,8 3 3 | 6 123,5] | 33 130 Entferng. v. Vorderrd. der Ineisivalveole | | \ \ | | | zum Hinterrd. des Fleischzahnes . . | 34 | 29,3—30 | 36 35,35 | 32 Länge der Backenzahnreihe . . . 19 ‚17, 9—19,5 BZ 2.1291|19|19 Höhe des horizontal. Astes vor d. ee N Lückenz. . . . 2. Piohssers 10] | 10 6 u Dto. hinter dem Fleischzaho .-. ... „|11.| 98-86 | 13 [12 |.42 )a1.| [etscul Länge d. hinteren Lückenz. . . ..] 6 6—6,6 7 6 | »6:),,6 | \ 79175 Länge d. Fleischzahn. -. -. . ... 7|\ 73-76 85] -8 1 751 7195-9] 95 1 951 95 Breite des Gondyus . . .. 2... | 14.5| 14 | 14 | 14 | 15,517 eher grüus. I | I R deleht I \ Breite des unteren Humerusendes von | \ | | Condyl. zu Condyl.. . 2.2... | 16-5595 || | | I ee reicht wird. Schon bei Behandlung der Tierreste vom Schweizersbildl kam in der gelben Schicht das Oberkieferfragment einer Wildkatze vor, das ich glaubte nach der starken Entwicklung des Sectorius, 11,5 mm., der Felis manul zuschreiben zu dürfen. Der Fund vom Kesslerloch dürfte diese Ansicht weiter unterstützen. Die Humerusepiphyse ist in diesem Falle auch breiter und stärker, als bei der Wildkatze 20,5 mm., das foramen entepiecondyleum länger und enger, mehr schlitzartig, wie ich auch an einem entsprechenden Humerus aus dem Schweizersbild konstatieren konnte. Canidae. Canis lTupus L. Zwei Oberkiefer und ein rechter Unterkieferast, zu demselben Individuum ge- hörend; wahrscheinlich stammen von demselben Calcaneus, Astragalus und Cuboid nebst vier Metatarsalia und Phalangen des rechten Hinterfusses, die zusammenpassen, ebenso vier Metacarpen und Phalangen des linken Vorderfusses, zwei proximale rechte und linke Ulnarenden und Schwanzwirbel. Ein linkes Unterkieferfragment mit M. 1, Pm. 3 und 4 stark abgekaut, vier zahnlose Kieferfragmente, ein Oberkieferbruchstück mit einem her- vorbrechenden Eckzahn, fünf Calcanei, zwei proximale Ulnarenden, ein Radiusende und vereinzelte Metatarsal- und Phalangenknochen. Im ganzen dürften es Reste von fünf Wölfen sein. Sie lassen auf kräftige Tiere von Mittelgrösse schliessen, ınit sehr stark entwickeltem Reisszahn. In der Grösse stimmen sie mit einem polnischen Wolf unserer Sammlung, dessen Schädel eine Basilarlänge von 221 mm. besitzt. Das Gebiss erscheint sehr gedrungen. Die Zähne berühren sich alle mit den Rändern, nicht einmal zwischen dem vordersten Lückenzahn und dem Eckzahn ist eine Lücke. Die Erscheinung, welche an dem vollkommensten Kiefer zu Tage tritt, dürfte mit dem jugendlichen Alter des Individuums zusammenhängen, indem das Wachstum des Gesichtsteils noch nicht vollendet ist. Die Zähne zeigen noch keine Usur, Zwischenkiefer- und Gaumen- nähte sind noch offen, es dürfte der Wolf noch nicht das erste Jahr erreicht haben. Bei Hunden ist nach dem ersten Zahnwechsel das Gebiss in gleicher Weise gedrungen und erst mit dem vollendeten Wachstum treten die Zähne mehr auseinander, wenn nicht durch künstliche Züchtung die Jugendform des Schädels erhalten bleibt. Wie die beifolgende Tabelle zeigt, stimmen die Masse im allgemeinen mit denen rezenter Wölfe überein. Gegenüber den zahlreichen diluvialen Abarten des Woltes, Lupus vulgaris fossilis Woldfich, spelaeus Goldfuss, Suess; Woldrich, Cawis ferus Bourgignat, welche von Goldfuss, Bourgignat, Woldrich aufgestellt wurden, haben Nehring(56), Gaudry (20) und in neuerer Zeit wieder Hagmann (27) gezeigt, dass alle die für die Unterscheidung dieser Arten oder Abarten aufgestellten Merkmale sich auch bei den rezenten Wölfen wiederholen, ohne zu Artunterschieden zu berechtigen. In der Tat variiert der rezente Canis lupus, wie ich auch anderwärts gezeigt habe (96), und wie die Tabelle illustriert, in ungemeinem Masse. Grosse und kleine Rassen kommen neben einander in derselben 78 Lopus | Canis Ierus Oberkiefer. & E ey Ba 2 Fe Suessi | Bourgignat 22 Hagmanı | 5, yaldıich Mh | ala) | 3. Woldrich Länge d. Oberkief.-Molaren | 85 0186 95 90-095 0 7s| 71] 9 Länge d. Reisszzahns . . 1735| 3 26,5-29 | 25 28-355 25 | 20-22 2 | 20 26 Grösste Breite d.Reisszahns | 15 14 14 t1-12,5 13,5 1217 11 11 Länge d. beiden Höckerz. | 25 24 26-29 | 7 24,5 28-30 26 223,5 20 | 24 Länge v.M.I .. . 116 15 17-19 | 16 18,5-20 17 3,8 13,51 13,5) 17 (Juerdurchm. v. M. 1 21 33-35 | 19 1IS,5-21 18,5 117,5-19| 18 17) 2 Länge v.M.2. . . . .[10 9 | 85-10 10-115 9 S 8 4a7nlla89 Querdurchm.v.M.2 . .| 14 13,5) 14-15,5| 12 12-13 | 12 12 ie? Länge v. Pm. 3 5) 16 15-155] 16,5 | 185 15 12,8 14 | 11,5) 16 “+ » 2 Alveole . | 15 15 16 | | 17-17,5| 14 1351 11 | 15 Be ee U en | s | 8-95 Ss 1007 Zul 38 Längev.P.4+M.1 + M.2 ]|49 47 147,5-94 42 40 | 45 Ecekzahn sagittal. Durchm. | 14 16 | | 13] 12 | 16 Unterkiefer. Länge d. Backzahnreihe . |97 97 100-118) 88-96 | 97-102 96-98? 85 | 78 | 98 Länge v. Pm. 2 12 13 | el | 10 | 10| 13 > Be: PER 145113 | 14 16-17 | 13-15 13-16 | 14 13 12 14 - ee N I a9 1 153557 1, Br Ko | Ks br fe Ba 155 3 | 16,5 15 13.171558 Länge v.M.1 . . . .|30 |28) 99 | 28-34: | 27-30 98,5-32 | 29,5 35|5|30 Grösste Breite v.M.1. .[12 |11 | 12 11-14 10-112! 12-13 | 10 10-110 Banve yıM. 27502 ee | 12 11,5-13,5) 10-12 11-1935 12 | 11 10 | 11,5 Breiter. MI3. VW E95 9 | 85-10 | 75-9 I 6-7 | Ss 7 1") Länge v.M.3 (Alveole) . | 5 | 5 | | Sullail ne Höhe d. Unterkieferastes | | unter Mitte v.M.1 . .]30 30 133,5-39 26-30 133,9-35,5| 36 98 25 34 Höhe d. Unterkieferastes | | | | NORIBIM IR Ahr 35 26,5-30 | | 23 | 24 | 29 Höhe d. Unterkieferastes in | ' | | 0% Länge v.M. 1 21100 ‚103,4 95-128 | 93-103,5 104-108 | 122 112 193217173 Gegend vor und es ist auch nach den Massen, welche von Canis ferus Bourgignat (9), nach Woldrich die Urform des Cunis fam. intermedius, vorliegen, kein Grund vorhanden, diese Art nicht als kleine Varietät des Wolfes aufzufassen, wie solche nach beiliegender Tabelle noch heute vorkommen, wenn es sich nicht wirklich um die kleine Wolfsart handelt, welche wir als Stammform der Haushunde der nördlichen Hemisphäre ansehen dürfen. Erst der vollkommene Schädel des Canis ferus Bourgignat könnte die Entscheidung, ob wir es mit dem einen oder anderen zu tun haben, herbeiführen. Wölfe verhalten sich in dieser Beziehung wie die Bären, deren Grössenverhält- nisse ebenfalls ungemein variieren. Ich führe hier als Beispiel zwei Bärenschädel an, die von wilden Tieren stammen, die beide in demselben Gebirgstale, dem Engadin, er- legt wurden. Der eine Schädel hat eine Basilarlänge von 256 mm. Der obere Reiss- zahn 13,2 mm. Der letzte Höckerzahn 28 mm. Die Höhe des Kieferastes verhält sich zur Länge des Reisszahnes — 176: 100, der zweite eine Basilarlänge von 281 mm. Reisszahn 15 mm., letzter Höckerzahn 33 mm. Die Höhe des Kieferastes zur Länge des Reisszahnes — 191 : 100. Vulpes alopex 1. . Von den 21 Unterkieferfragmenten von Füchsen, welche vorliegen, gehören 15 dem gemeinen Fuchse an. Nach der Grösse der Zähne, namentlich des Reisszahnes und der Höckerzähne, waren es kräftige Tiere, entsprechende Dimensionen finde ich unter unseren einheimischen Fuchsschädeln nur wenige, bei denen die Basilarlänge 140 mm. beträgt, dagegen ganz übereinstimmende Masse bei deutschen Füchsen, 4 Schädel aus München, einem Schädel aus dem sächs. Vogtland und einem aus Holstein, dessen Basilarlänge 144 mm. beträgt. Alle diese, sowie die Füchse der Schweizerebene gehören zu der roten, weissbäuchigen Form. Die Füchse in den Alpen und Voralpen zeigen im allgemeinen kleinere Dimensionen und gehören meist der schwarzbäuchigen Varietät. Die Oberseite ist weniger rot, mehr mit schwarz meliert. Diese Formen beginnen schon im voralpinen Hügellande. Ihre Schädellängen betragen 124-130 mm. Die Länge des Reisszahnes im Unterkiefer bei den Thaynger Füchsen beträgt 16 mm., das Mass, das Hagmann auch bei den diluvialen Füchsen von Voelkinshofen gefunden hat. Für die Rotfüchse des mitteldeutschen Flachlandes finde ich 15—17 mm., am häufigsten 16. Leuecocyon lagopus L. 6 Unterkieferfragmente. Die Unterschiede zwischen den Unterkiefern von Lexeocyon lagopus und Vulpes «alopex sind, wenn man beide nebeneinander hat, nicht schwer zu finden. Der Schädel von L. lagopus, namentlich der Gesichtsschädel ist kürzer, stumpfer und höher, die Zahnreihe daher mehr gedrungen, der horizontale Ast des Unterkiefers ist kürzer und massiver, absolut und relativ höher, das foramen mentale ist beim Fuchs unter dem vor- dersten Prämolaren klein und schlitzartig, beim Eisfuchs unter der vorderen Wurzel des zweiten Pm. gross und weit, die Öffnung nahezu kreisförmig. Der erste Höckerzahn ist rela- tiv und absolut beim Eisfuchs kleiner, namentlich schmaler, der zweite sehr klein. Die Zähne stehen beim Eisfuchs dicht aneinander gereiht, beim gemeinen Fuchs sind Lücken zwischen den Prämolaren. Hagmann (27) findet, dass der M. 2 bei L. lagopus eine deutlich rechteckige Form habe, die beiden vorderen Höcker stehen einander direkt gegenüber, der äussere ist etwas stärker entwickelt, bei Valpes alopex ist der innere Vorderhöcker etwas nach hinten verschoben und stärker ausgebildet als der äussere Höcker. Dadurch erhält der ganze Zahn eine breite, bauchige Gestalt, der Talon ver- schmälert sich nach hinten auffallend stark, während derselbe bei Z. lagopus nur un- bedeutend schmäler ist, als der Vorderteil des Zahnes. Ich kann dieses im ganzen bestätigen, doch kommen auch Lagopuskiefer vor, bei denen der Talon sich nach hinten verschmälert. Das Kennzeichen, welches Woldrich für den Talon des Reisszahnes an- a Vnims Leueer. | Leuene. | Leuree.| Lem. Leucocyon lagopus Valpes Tulpen | Valpes Völkim- SEEE Ma Tune ig a ar EEE Länge des Unterkiefers v. Angulus max. z. Schnei- dezahn alveole . . . [111|100| 98) 91 5| %| S| — Höhe d. Unterkiefers unter | \ N d. Mitte des Reisszahns | 15) 13| 13| 15| 14 | 14| 15 | 14) 16| 15 1515 Höhe d. Unterkiefers unter ir u d. Mitte v.Pm.92. .; - 141 12,5] 12,5] 13] 13 | 1323| 14 1135| 13 14,5) 14 | 13113 Länge d. Backzahnreihe . | 60) 60| 56) 52| 47 | 51| 48 | 54 | | | 63] Tans® cd. Day. 7 EMI, Ss N S 7 7 7 7 S 7,9 Ss | 9 < HRS zu MR ‘ 9| 82 S S | Ss | Ss 9 Ss | 951 851 10] , RE AR LT D) 91.821 -.9 85] 10|. 9,2) 9,5 Bl) 10,5) 9,5 Länge d. Reisszahns M. 1 16| 15|14,5| 14| 13.| 14 13 | 14| 1& | 14 15 | 16/16 Grösste Breite . . . - 6| 6| 55 6| 6 > b| 55 5 5 531 6 Länge d. 1. Höckerz. M. 2 S 64269 7) >| 5 5.2 6 6 0,2 | va: Breite d. 1. a 6 51551 45 4% 4 4 t 4 45 6166 Länge d. 2. Höckerz. M. 3 3,5] 3,5 831797 5 | 2 | 4 Höhe des Kiefers im Ver- | | | hältnis zum Reisszahn . 87,5] 86,6 89,6. 107 | 107,6! 100 | 107,6, 100 | 107.6. 107 \ | | | | | | gibt, der bei Vulpes zwischen dem innern Talonhöcker und der kleinen Nebenspitze der Hauptspitze einen kleinen Nebenhöcker trägt, der bei lagopus fehlt oder schwach ist, passt nicht auf alle Füchse, ich finde diesen Nebenhöcker auch bei kleinen Fuchs- schädeln verkümmert. Für die oben angeführten Masse nehme ich zum Vergleich zwei kleine Schädel von re- zenten Füchsen, welche an Grösse die der vorliegenden rezenten Eisfüchse wenig übertreffen. Die Thaynger Eisfüchse gehören etwas grösseren Tieren an als die mir vor- liegenden rezenten von Grönland und Lappland, doch fallen sie in die Grenze der von Hagmann ausgemessenen rezenten und pleistocänen Eisfüchse, wir haben keinen Grund, sie einer anderen Rasse oder gar Art als dem rezenten Leucoeyon lagopus zu- zuschreiben. Das gleichzeitige Vorkommen von Vulpes alopex und Leucoceyon lagopus kann uns nicht befremden, da wir wissen, dass in Sibirien beide Verbreitungszonen zu- sammentreffen. Nach Middendorf (42 p. 73) kommen in der Nähe des Jenisej in den Tundren Eisfüchse bis 69° nördlicher Breite, in der Gegend von Igarskoje 68° nördlicher Breite im Winter, während der gemeine Fuchs bis an den unteren Jenisej sich verfolgen lässt und ebenso an den Küsten des Ochotskischen Meeres vorkommt, wo er mit dem Eisfuchs zusammentrifft. Nach Baer (1) streift der Eisfuchs bisweilen bis Finnland und in die Umgegend von St. Petersburg. Fe re Nehring (57) sagt: Der gemeine Fuchs ist den Tundren keineswegs fremd und so kommt er neben dem Eisfuchse auch in den Tundren, wenngleich relativ selten, vor. Greve (25) gibt die Verbreitung des Eisfuchses in Eurasien bis zum 60° süd- licher Breite an, er vermengt sein Verbreitungsgebiet mit dem des gemeinen Fuchses in Nordskandinavien, Novaja Sembla, Nordsibirien, Labrador, längs des ochotskischen Meerbusens. In Amerika, wo der Eisfuchs bis in die Küstengegenden der Hudsonsbay, auf 55° nördlicher Breite vorkommt, vermengt er in ähnlicher Weise sein Gebiet mit dem von Valpes fulvus, der seinerseits bis nördlich vom Polarkreis vorkommt. Mustelidae. Mustela martes 1. Ein linker Unterkiefer und ein Radius von einem kräftigen Baummarder, der keine Abweichung von rezenten Formen zeigt, trotzdem kann man sich fragen, ob die an verschiedenen Orten zusammen mit Eisfuchs und Renntier gefundenen als Mustela martes bezeichneten Reste nicht dem Zobel, Mustela zübellina angehören. Middendorf (42), welcher auf Tafel II Fig. 12 den Schädel des Zobels abbildet, sagt: „es ist un- möglich, das Skelett, abgesehen vom Schwanze, eines Baummarders oder gar dessen Schädel von dem eines Zobels zu unterscheiden. Beim Zobel ist die Basalhälfte der Aussenseite jedes Hauers mit bisweilen sehr ausgeprägten Längsrunzeln bedeckt; bei den Baummardern, die ich gesehen, war sie glatt“. In der Abbildung ist der untere Eckzahn bis nahe zur Spitze mit scharf ausgeprägten Längsrunzeln versehen. Ich finde bei unserm Baummarder diese Runzeln auch, doch meist schwach ausgeprägt, sie laufen von der Basis nach der Spitze und lassen ungefähr ein Dritteil der Zahnkrone bis zur Spitze frei. Bei dem fossilen Kiefer sind diese Runzeln sehr scharf ausgeprägt, von der 10 mm. langen Krone sind nur 3 mm. der Spitze glatt, während beim Baummarder 4—5 mm. frei von Runzeln bleiben. Der Zahn des Thaynger Kiefers entspricht vollkommen dem von Middendorf abgebildeten des Zobels. Bei rezenten Mardern finde ich den unteren Eckzahn entweder glatt oder nur an der Basis mit Runzeln versehen oder bis zur Hälfte, bei keinem so weit wie bei dem fossilen und dem M. zöbellina von Middendorf. Der Marder ist bekanntlich über Europa und in der Umgebung des Casp. Meeres, Kaukasusländer, Persien, Turkestan, Syr Daria, Altai und Mandschurei verbreitet. Nehring (57) führt ihn unter den Tieren der subarktischen Steppen Russlands und Südwestsibiriens an, soweit Baumwuchs an Flusstälern oder in Waldinseln ent- wickelt ist, auch in den gebirgigen Teilen der Region. Kessler führt ihn im Kiew- schen, ©zernay im Charkowschen und Poltawschen Gouvernement, Eversmann im Kasanschen, Wätkischen, Permschen und Orenburgschen Gouvernement, Pallas in den Gehölzen der Samarasteppe an. u. a Fe Im Gebiete von Südostsibirien, Transbaikalien und Amurgebiet wird er von Radde (75) nicht angeführt, ebensowenig von Middendorf (42). 3 Dagegen findet sich der Zobel über ganz Nord- und Nordostasien bis Kamtschatka und die Kurilen verbreitet. Middendorf findet ihn am .Jenisej bis über den 67° hinaus. Radde findet ihn im Bureja Gebirge, in den Hochgebirgen des südwestlichen Baikals, im Amurgebiet, auf Sachalin, im mandschurischen Küstengebiete und im Stano- woigebirge, im Quellgebiet des Jenisej. Aus diluvialen Ablagerungen von Europa wird der Edelmarder erwähnt vom Schweizersbild, gelbe Kulturschicht. Woldrich (107) fand ihn in einer Höhle Vypustek in Mähren, Nehring fand Reste in den Höhlen von Ojcow, Ossowski in der Höhle von Na Gaiku (11). Schlosser (88) fand ihn bei Velburg in der Oberpfalz mit Knochen von Zeueo- eyon lagopus, Lepus timidus, Lagomys pusillus, Myodes torquatus, Lagopus albus und alpinus u. 4. Reste von Mustela zibellina fand Brandt (11) in altaischen Höhlen mit Zlephas primigenius, Rhinoceros tichorhinus. Lutra vulgaris Erzl. Ein linker Unterkiefer von einem grossen, kräftigen Tier. Länge vom Angul. Max. bis Incis. alveole 68 mm., Länge des Reisszalıns 13 mm. Bekanntlich hat der Fischotter eine ungemein ausgedehnte geographische Ver- breitung, ganz Europa, Zentral- und Nordasien bis Kamtschatka und Sachalin, Nord- afrika. Himalaya, China, Birma ete. Nach Norden dringt er bis zum Polarkreis vor. Ursus arctos L. Zwei obere Eckzähne, ein rechter oberer Reisszahn, zwei Schneidezähne, ein distales rechtes Humerusende, 6 Phalangen. Die Reste gehören einem kräftigen. grossen Bären an. Tanee, 058. Em. AL Eu Ne ar a vl - „ vorderen, äusseren Höckerss . . .. 8 - - hinteren, E “ REIN | Grösste BreitpsyarsM. A sa neun ee Nach der von Hagmann (27) gegebenen Tabelle fällt der Zahn in den Rahmen des Ursus arctos. Da am Humerusende der innere Knorren abgebrochen ist, so kann eine vergleichende Messung nicht stattfinden, doch ergibt die Vergleichung der Reste mit dem Skelett eines russischen Bären unsrer Sammlung von 102 cm. Schulterhöhe ganz entsprechende Masse. Insectivora. Crocidura araneus L. Nur ein Becken, Humerus und Tibia einer kleinen Sorieide sind vorhanden, deren Dimensionen mit denen der oben genannten Art genau übereinstimmen. Die Art wurde auch in der gelben Kulturschicht des Schweizersbild gefunden. Rodentia. Lepus timidus L. Variabilis Aut. Schneehase. Weitaus die zahlreichsten Reste neben dem Renntier hat der Schneehase hinter- lassen. Es sind Knochen vom ganzen Skelett, am wenigsten sind Wirbel vertreten, da- gegen zahlreiche lange Knochen, meist zerbrochen, nur die Fussknochen sind ganz ge- lassen; zahlreiche Beckenknochen. Viele Knochen sind schwarz gebrannt, ein Zeichen, dass sie dem Feuer ausgesetzt waren. Im ganzen sind 78 Unterkieferhälften vorhanden, während Schädel und Ober- kieferfragmente selten sind, nur 5 Öberkieferbruchstücke, 64 Calcanei, 69 Beckenhälften etc. Schon die frühere Ausgrabung hatte 424 rechte und 502 linke Unterkiefer zu Tage gefördert, so dass der Konsum an Hasen ein ganz bedeutender gewesen sein muss. Über die Unterscheidung der Unterkiefer von Lepus timidus und europaeus habe ich schon bei Beschreibung der Knochen vom Schweizersbild (98 pag. 128) gehandelt, nach derselben können alle vorhandenen Hasenknochen dem Lepus timidus zugeschrieben werden. Im allgemeinen gehören auch hier die Knochen stärkeren Tieren an als unsre Alpenhasen. Auch das von Liebe (35) angegebene Unterscheidungszeichen, wonach der quere Kamm in der hinteren unteren Ecke, welcher dem Bogenrand des Angulus ma- xillae inferioris aufliegt, beim Schneehasen im Verhältnis beträchtlich kürzer ist als beim Feldhasen, stimmt bei unseren Kiefern, wo der Kamm erhalten ist, vollkommen. Was bei den Hasen von Thayngen auffällt, ist namentlich die massivere Form und grössere Höhe des horizontalen Kieferastes gegenüber dem Alpenhasen, ich finde das Analogon bei dem grönländischen Schneehasen, Lepus glacialis, der sich von Lepus timidus durch den verkürzten Gesichtsteil, die kürzeren, aber nicht breiteren Nasenbeine, den hinter den processus orbitales höckerartig aufgetriebenen Schädel unterscheidet. | Alpenhase | Zuslavitz Lepuss | Lepus Thayogen | Alpen In. Woldfich | europaeus glacialis Länge der Backzahnreihe im Unterkiefer . 17—20 17—19 | 18.2— 18,6 20 15 Höhe d. horizontalen Astes am Aussenrand | | | zwischen d. ersten und zweiten Backzahn 15—1S 14—15 | 14 | 16 16 Breite des dritten Backzahnes. . . . . 4 | 4 | 3,8 | 4 | 4 Länge d. Kiefers vom Angulus zur Schneide- | | | . zatmalyenler BE u. e: 38... , 66 \ 64-66 | 68 | 64 Länge des Diastema -. . » ..2..- 1992 | 23 | N Bag Dort erlangt aber der Kamm am Angulus des Unterkiefers eine analoge Ausdehnung wie beim Lepus europaeus, vor allem aber ist der vertikale Ast viel steiler gestellt als bei Lepus timidus und europaeus, der horizontale Ast des Unterkiefers ist relativ höher als bei beiden und das Diastema kürzer. Bei einem Thaynger Kiefer, wo wenigstens ein Teil des vertikalen Astes erhalten ist, verhält sich der Bogenrand des Angulus wie beim Alpenhasen ebenso das Diastema, auch die Stellung des vertikalen Astes ist analog. Arctomys marmotta L. Nur ein rechter oberer Schneidezahn und eine Tibia. Schon bei der früheren Ausgzrabung im Kesslerloch wurden Reste des Murmeltiers gefunden (41). Die in der Schweiz gemachten Funde vom Murmeltier in den alten Moränen der sich zurückziehenden Gletscher illustrieren in klarer Weise die allmähliche Wande- rung des Murmeltieres nach Süden und endlich auf die Höhen der Alpen. Häufig fand man in dem alten Moränenschotter im Tale. so bei Stettlen bei Bern, noch die Flucht- röhren und darin die Skelette von ganzen Familien dieser Tiere enthalten (93. 32—98). Spermophilus gutitatus Pall.? Es sind Reste von zwei Arten Ziesel vorhanden. Das eine ist ein Unterkiefer ohne Zähne und mit abgebrochenem Coronoid und Angularfortsatz. Die Länge vom Gelenk zur Schneidezahnalveole beträgt 23 mm., kleiner als Sp. citillus, bei dem ich 26 mm. messe. Das Diastema erscheint auch etwas kürzer, der Ansatz des Angular- fortsatzes schmaler. Die Länge der Zahnreihe beträgt nach den Alveolen gemessen 7 mm., bei Sp. eitillus 8.7 mm. Ich stelle diesen Rest einstweilen zu Spermophilus guttatus Pall. Spermophilus qguttatus wurde schon mehrfach in pleistocänen Ablagerungen an- getroffen, so nach Nehring (48) in Nussdorf bei Wien, in Westeregeln bei Magdeburg. Spermophilus rufescens Keys und Blas. Eine untere Humerushälfte, eine halbe Ulna, ein Femur und 4 Tibien gehören einer grösseren Zieselart und dürften Sp. rufescens, das von Nehring schon in den Ab- lagerungen des Schweizersbild gefunden wurde, zuzurechnen sein. Die Dimensionen stimmen auch gut zu den von Nehring und Woldrich ge- machten Angaben. Thayngen | Nehring | Woldfich Femur ohne untere Epiphye . . » 2» 2 2 2 22. 40 ı . ca.40 zn Di FE RE NEE 12H Querdurchmesser der distalen Humerusepiphyse . . . . 94 | SZ | [0 2] en Reste von Spermophilus rufescens sind in den pleistocänen Ablagerungen Europas ungemein verbreitet. Nehring fand es bei Thiede in Braunschweig, Westeregeln, Quedlinburg am Harz, Oppurg, Pösneck und Jena in Thüringen, Neumühle (Oberfran- ken), Würzburg, Praunheim bei Frankfurt, Weilbach, Curve bei Wiesbaden, Steeten an der Lahn, Eppelsheim, Tübingen, Schweizersbild bei Schaffhausen, in den belgischen Höhlen, Woldrich in Spalte I bei Zuzlawitz in Böhmen, unter der fossilen Steppenfauna aus der Bulovka nächst Kosir bei Prag etc. Siehe Nehring (47, 48, 53, 54, 60, 61, 62). Blasius (4, 5). Woldrich (103, 105, 107, 108). Spermophilus rufescens lebt in den Steppendistrikten, welche sich an den südlichen Teil des Ural anschliessen 49—50° N. bis 56° N. sehr häufig in den Örenburger Steppen auf dem rechten und linken Ufer des Ural westwärts bis Uralsk und darüber hinaus bis an die Wolga, nordwärts bis an die Wolga und darüber, überall im Kasan- schen Gouvernement. Spermophilus guttatus kommt in Süd-Russland am Don und südlich der Wolga vor, ın Westsibirien bis zur Lena. Cricetus vulgaris Desm. Ein Unterkiefer. Nehring (61) fand die Art, wenn auch in spärlichen Resten, in der unteren Nagetierschicht und in der gelben Kulturschicht am Schweizersbild. Der gemeine Hamster kommt in der Schweiz nicht mehr vor, ebenso fehlt er ın Frankreich, Holland und dem grössten Teil Belgiens. Nach Nehring (59) verbreitet er sich gegenwärtig von den Vogesen und den östlichen Teilen Belgiens über Deutsch- land, Österreich-Ungarn, das mittlere und südliche Russland bis in das südliche West- sibirien etwa bis zum Ob. Die nördlichen Länder Europas, Dänemark, Skandinavien, Nordrussland, werden vom Hamster nicht mehr bewohnt. Miecrotus terrestris L. Femur und Tibia gehören der Grösse nach zu dieser Form. Dieselbe fand sich auch am Schweizersbild in der tiefern Nagetierschicht und in der gelben Kulturschicht. Microtius sp. : Das Becken einer Microtusart an Grösse zwischen M. arvalis und terrestris dürfte von M. nivalis stammen. Dierostonyx torquatus (Pall). Der Halsbandlemming lieferte 4 linke Unterkieferhälften und zwei Fragmente von solchen. Am Schweizersbild wurden seine Reste nur in der tieferen Nagetierschicht gefunden und sein Vorkommen unter den Thaynger Resten ist daher sehr auffallend. u Entweder gehören diese Lemmingreste einer älteren Periode an und lagen im Grunde des Schuttkegels, wie auch Herr Dr. Nüesch aussagt, dass die kleinen Nager- kiefer in der Tiefe vorkamen, oder es lebte der Lemming damals noch in den Tundren- gebieten auf der Gletschermoräne. Myoxrus qlis L. Drei lädierte Unterkiefer, leider nur einer mit erhaltenem vorderstem Backzahn, doch stimmt die Form und Grösse des Kiefers, die 7 Alveolenöffnungen, die Form des erhaltenen Backzahnes vollkommen mit der genannten Art. Das gleichzeitige Vorkommen von Resten des Myoxus glis mit solchen von Elephas primigenius, Leucoeyon lagopus, Distrostonyx torquatus und Tarandus steht nicht vereinzelt da. Nehring, in seiner Übersicht über vierundzwanzig mitteleuropäische Quartärfaunen (48), führt in dieser Gesellschaft M. ylis an von einer Knochenhöhle bei Ojtow in russ. Polen, vom Hohlefels im Achtal bei Ulm u.a. Woldrich (103) fand ihn in der Spalte II von Zuslawitz, deren Fauna allerdings der Waldweidefauna angehört, am Schweizers- bild fand sich die Art in der oberen Breccien resp. Nagetierschicht, deren Periode der der Waldweidefauna Woldrichs entspricht. Dass die Kiefer übrigens in den Schuttkegel bei der Höhle später hinzugekommen sind z. B. zur Zeit der Ablagerung der oberen Breecienschicht am Schweizersbild, ist nicht ausgeschlossen. Nehring (57) führt ihn im Verzeichnis der Tierwelt der subark- tischen Steppen Russlands und Südwestsibiriens an. Er kommt zuweilen in den Steppen- landschaften der Wolga vor, so nach Pallas in den Felsen der Berge östlich von Samara. Castor fiber L. Der Biber. Ein Humerus mit Brandspuren. Die letzteren beweisen, dass der Biber von den Bewohnern des Kesslerloches gegessen wurde und also zur Renntierzeit vorkam. Schon im Schweizersbild fand ich in der gelben Kulturschicht Reste des Bibers, von welchen ich glaubte, dass sie auf fremder Lagerstätte ruhen und von einer höheren Schicht in die Tiefe gelangt seien. Der oben erwähnte Humerus zeigt, dass der Biber zur Rentierzeit vorkam. Ungulata. Proboseidea. Elephas primigenius Pall. (Taf. I Fig. 2.) Reste vom Mammut kamen schon bei der ersten Ausgrabung im Kesslerloch durclı Merk zum Vorschein. Rütimeyer erkannte Schädelstücke junger Tiere, verschiedene Skeletteile verschiedenen Alters, Phalangen von einigen erwachsenen Tieren und eine Anzahl zerschlagener Splitter von grossen Knochen. Die meisten lagen in der unter- sten Kulturschicht, einzelne unmittelbar auf dem Letten, die meisten mit Tuff über- zogen, doch kamen auch in der obersten, schwarzen Kulturschicht zwei Backenzähne, Bu, ein Stosszahn und von einem solchen herrührende Splitter vor. Später wurden mir noch die Spitze und eine Anzahl Splitter von einem Stosszahn, der in der hintersten Abteilung der Höhle eingebettet lag, von Herrn Dr. Heierli zur Begutachtung mit- geteilt. Die von Herrn Dr. Nüesch ausgebeuteten Mammutreste lagen in dem Schuttkegel ausserhalb der Höhle, es waren zwei Backzähne eines erwachsenen Tieres und stark zerschlagene Knochen eines solchen, dann Wirbel. Backzahnlamellen eines ganz jungen Tieres. In der Tiefe von drei Metern unter der Oberfläche wurde in demselben Schuttkegel eine grosse Fenerstätte mit Asche und Kohle aufgedeckt. In der Asche dieses Herdes und um die Feuerstelle herum zerstreut, lagen eine Menge angebrannter und caleinierter Knochen von jungen und alten Individuen des Mammut. In der Höhle selbst fanden sich noch Schnitzereien von Elfenbein und zahlreiche Splitter von Stosszähnen. Der Feuerherd mit den caleinierten und angebrannten Knochen des Mammut beweist zur Genüge, dass wir es hier mit einem Tier zu tun haben. das von den Bewohnern der Höhle gejagt und gegessen wurde. Vom alten Tiere sind erhalten ein rechter und ein linker dritter Mandibelmolar. Die Länge des rechten beträgt 204 mm. Die Breite 76 mm. Die Kaufläche ist 161 mm. lang und zeigt 15 Lamellen, von denen die 12. und 13. in der Abrasionsfläche geminale Figuren zeigen, die 14. und 15. noch Mamillen aufweisen, von denen je zwei verschmolzen erscheinen. Im ganzen sind 21 Lamellen vorhanden. Die Höhe des Zahns beträgt 141 mm., die der Krone im Maximum 111 mm. Der linke Molar hat eine Länge von 199 mm. Breite 74 mm. Die Abrasions- fläche beträgt 154 mm. mit 14 Lamellen, wovon die 12. und 13. mit geminalen Figuren, die 14. mit Mamillen, im ganzen sind 20 Lamellen vorhanden. Maximalhöhe 145 mm. Kronenhöhe 111 mm. Ausserdem sind vorhanden: Bruchstücke von Stosszähnen, Kieferfragmente mit Alveolarrinnen, Teile von Rippen und langen Knochen, die aber alle zersplittert und zerschlagen sind, zum Teil caleiniert und vom Feuer geschwärzt. Solche lagen auch auf dem Feuerherd. Ferner einzelne Phalangen. Von einem jungen Mammut, vielleicht noch einem Fötus, findet sich ein unterer erster Milchmolar (Tafel I, Fig. 2), getrennte Lamellen von Milchmolaren, Wirbel z. T. angebrannt, eine Tibia und ein Humerus noch ganz ohne Epiphysen. Humerus und Tibia lassen auf sehr junge, vielleicht noch fötale Tiere schliessen. Der Humerus ohne Epiphysen hat 129 mm. Länge. Breite des distalen Endes 57 mm. Bei dem Skelett eines Mamutkalbes, welches bei Unterwenigen, Kanton Zürich, mit dem eines erwachsenen Mammutes gefunden wurde und von Pohlig (72) als das eines kaum gebornen Kälbchens bezeichnet wird, hatte der Humerus ohne Epiphyse 240 mm. Länge. Die Tibia zeigt eine Länge von 154 mm., proximaler Querdurchmesser 62,5 mm., distaler 5l mm., bei dem Zürcher Exemplar ist die Länge nach Pohlig 192 mm. Beim Ele- fanten und dem Mammut ist der Humerus länger als die Tibia, die beiden Stücke müssen also zwei verschieden grosse Tiere hier repräsentiert haben. Nach den Dimen- sionen des kaum gebornen Zürcher Exemplares müssten es fötale Tiere sein. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Bewohner vom Kesslerloch gerade immer trächtige Mammutmütter erlegt haben, dagegen waren die weiblichen Mammute wohl für die primitiven Menschen am leichtesten zu bewältigen kurz nachdem sie Junge geworfen hatten. Dann war die Mutter geschwächt und konnte sich mit dem kleinen Säugling wenizer leicht durch die Flucht vor Verfolgern retten. Vielleicht fielen auch solche Tiere Raubtieren z. B. Löwen zur Beute und dem Menschen gelang es dabei, einen Teil derselben für sich zu sichern. Sehr interessant ist ein linker unterer Milchmolar. Derselbe gehört, mit den Schilderungen und Abbildungen Pohligs verglichen, der linken Unterkieferhälfte; dem Unterkiefer nach seiner Kleinheit und dem Verhalten der Wurzeln, die, obschon stark divergierend, auf eine Strecke mit einander vereinigt sind. Die Länge beträgt an der Krone 12,5 mm. Die Breite 10 mm. Die Höhe an der vorderen Wurzel 28 mm., an der Vereinigung der Wurzeln 12 mm. Aussen ist die Krone ohne Zement oder Cortical, an der Innenfläche zieht es sich etwas höher hinauf. Eine Abrasion der Krone ist nur an den höchsten Stellen derselben wahrzunehmen. Die Krone ist am höchsten in der Gegend der ersten Lamelle, von da senkt sie sich nach hinten. Die Kronenform X. 3. X., deren Lamellen eine deutlich mamilläre Struktur zeigen, stimmt ganz mit den von Pohlig gegebenen Darstellungen. Nur an der höchsten Stelle ist eine minimale Abrasion wahr- zunehmen. An Grösse steht er noch hinter dem kleinsten von Pohlig p. 319 beschrie- benen 3. M.M. von der neusibirischen Insel Lachoff zurück. Von weiteren Molaren sind nur getrennte Lamellen vorhanden, die Zahnkeimen angehören und von drei Zähnen stammen. Die vorhandenen Wirbelkörper mit noch getrennten Epiphysen gehören jungen Tieren von verschiedenem Alter. Bei einem solchen von 78 mm. Länge und 115 mm. Querdurchmesser ist die äussere Schicht des Knochens z. T. abgeblättert und verkohlt. Nach der Grösse der Molaren des erwachsenen Tieres und der Milchmolaren des Jungen möchte man annehmen, dass bei Thayngen eine kleinere Rasse des Mammutes lebte. Perissodaectyla. Rhinoceros tichorhinus ÜGuv. Von dem wollhaarigen Rhinoceros fanden sich nur spärliche Reste, die wahr- scheinlich nur einem einzigen Tiere angehören. Die Knochen sind nach den Epiphysen zu rötlich gefärbt und wie caleiniert. Die Aussenseite der Diaphyse ist glatt; gelblich, weniger an der Zunge klebend. Vorhanden sind Bruchstücke der Aussenwand des vierten oberen Prämolars, nach Beschaffenheit des Kronenrandes hatte derselbe das Zahnfleisch noch nieht durchbrochen. Ein Femur mit abgebrochener oberer Epiphyse, in mehrere Bruchstücke zerschlagen, die sich aber zusammenfügen liessen, Beckenfragment und der letzte Halswirbel mit noch unverwachsenen Epiphysen. Schon von Rütimeyer wurden 89 - nach der früheren Ausgrabung Zähne und einige Schädelstücke dieser Art konstatiert. Das Rhinoceros fehlt in den Höhlen der Epoque magdaleneenne von Frankreich, es soll dort zu jener Zeit schon ausgestorben sein, dagegen fand es sich bei Vöklinshofen im Öberelsass in ganz übereinstimmender Tiergesellschaft, wie in Thayngen (Doederlein, Schumacher und Hagmann 15, 16, 17, 27). Woldrich (103) fand es noch in Spalte II von Zuzlawitz unter der Mischfauna der Weide- und Woaldzeit. In der Schweiz scheint es mit dem Elefanten den sich zurückziehenden Gletschern südwärts nach den Alpen gefolgt zu sein, seine Funde im Innern der Schweiz in gla- zialen und fluvioglazialen Ablagerungen mehren sich. Ueber den Unterkiefer eines jungen Tieres im fluvioglazialen Schotter von Rapperswyl (Kt. Bern) habe ich schon früher be- richtet (94, 98), seither erhielt ich einen wohlerhaltenen Unterkieferzahn aus Glazial- schutt von Herzogenbuchsee und einen Oberkieferzahn aus Glazialschotter unter dem Bahnhof von Freiburg. Am Schweizersbild fand sich ein Rest des Rhinoceros nur in der untersten Nagetierschicht. Equus caballus L. Wildpferd (Taf. Il, Fig. 1). Das diluviale Pferd speziell von Thayngen hat durch Rütimeyer (77, 79) schon eine vorzügliche Bearbeitung erfahren und ist von anderen Orten besonders durch Owen (6, 7), Forsyth Major, Woldrich (105), Nehring (50), in so eingehender Weise be- schrieben worden, dass die hier noch hinzuzufügenden Tatsachen nicht mehr viel Neues bringen können. Es liegen vor, eine ganze Backzahnreihe des linken Oberkiefers, zahl- reiche vereinzelte Ober- und Unterkieferzähne, Fragmente von Fussknochen, Phalangen, zwei Halswirbel und eine fast vollständige Scapula. Reste von Füllen sind wenige vorhanden in einigen Milchzähnen. In meiner früheren Arbeit über die Tierreste vom Schweizersbild (98) habe ich schon gezeigt, dass das Schaffhauser Wildpferd sich im Bau im ganzen an die bis jetzt beschriebenen diluvialen Wildpferde Frankreichs und Deutschlands anschliesse, dass wir es hier mit einer Art zu tun haben, die allerdings an einzelnen Orten wieder in grössere und kleinere Rassen zerfällt, so konnte schon damals konstatiert werden, dass die Rasse von Schaffhausen an Grösse etwas hinter der von Solutre und von Norddeutsch- land zurückstand. Ich gebe hier zur Ergänzung früherer Mitteilungen noch die Dimen- sionen der wichtigsten vorhandenen Stücke. Ganze Zahnreihe des linken Oberkiefers. Die Zähne sind noch durch die Knochenlamellen der Kieferwand zusammenge- halten. Wie bei den Diluvialpferden überhaupt, sind die Zahnsäulen auffallend hoch bis 83 mm. An den Zahnflächen zeigt der Schmelz Fältelung. Der Sporn findet sich auf allen Zähnen. Länge der Zahnreihe 177 mm. 0 °— Länge Breite Vereinzelte Zähne Pm. 3 33 26 Länge Breite Länge Breite 3 30 =S 36 26 35 5 l u 28 0 IS M 1 7 97 0 BrS a 28 =7 97 27 25 24 24 29 Unterkiefer Schneidezähne. nur vereinzelte Zähne. Länge Breite Pm. 3 Länge Breite Länge Breite Zwischenk. J.ı 29-93 13 3 32 16 > 17 13 Bu 33 1S 29 17 16 34 16 Von Knochen des Schädels findet sich nur der das Hinterhauptsloch um- zebende Knochenring, Basioccipitale, die zwei Condyli und die Ansätze der Processus jugulares. Von Dimensionen liessen sich folgende Masse nehmen: Breite des re I EENIRRER. 1: 3b Höhe des & IE Grösste Breite der Condy “ zusammen .....8 Von Wirbeln findet sich ein Atlas und ein Epistropheus. Vom Atlas ist die seit- liche Partie der Flügel im hinteren Teil defekt, doch lässt sich an dem noch vorhandenen erkennen, dass die Flügelfortsätze, wie bei dem von Nehring aus Westeregeln be- schriebenen Stücke sich nach hinten nicht verbreitern. Die Dimensionen sind folgende: Länge des oberen Bogens . . . He nur. {48 Flügelbreite im Niveau der a Flügellöcher 120 Breite der Gelenkfläche für die Condyl. oceip. . 83 Breite der Gelenkfläche für den Epistropheus . . 85 Rückenmarksloch: Breite vom . . . ....2.....40 HOnasze 2 ke 2 are lee 2 u 2 el en en a 238 Epistropheus. Nur im Neuralteil etwas defekt. Das Foramen intertransversarium ist relativ eng und der von dort nach hinten laufende Halbkanal seicht. Der vordere Ausschnitt der Neurapophyse ist vollkommen überbrückt, wie bei den meisten Pferden. Die Dimensionen sind: Länge des Wirbelkörpers bis zum vorderen Rand des Processus odontoideus . . ar ae li) Breite des Gelenkkopfes für den las ade re Breite zwischen den Gelenkfortsätzen . . -: . . 66 Scapula. Eine rechte Scapula. Soweit der defekte Zustand zu urteilen erlaubt, weicht sie nicht von der des Hauspferdes ab. Leider ist der Rand der Spina im oberen Teil abgebrochen und ebenso sind die Ränder abgesplittert. Der Processus coracoideus ist schwach entwickelt, springt nur etwas über den Rand vor, ohne einen eigentlichen Hacken zu bilden. Das Tuber- culum supraglenoidale ist dick und rauh. Die Crista scapulae geht nicht soweit nach unten bis zur Gelenkgegend, wie bei der von Nehring geschilderten Scapula des Pferdes von Westeregeln. Von Dimensionen liessen sich feststellen: Inmi (Kanzepliängertage u Seen aan die. 820 Grösste Breite des Gelenkteiles . . . . ...2...9 känsosder Gelenkpfanner Ban. rer 52 Breite „ r Inch u A Metatarsus. mm. Breite der distalen Gelenkrole . . . . . . 5 klesselbeınsebhalaly Tänser ee Ten) Proxim Breite ©. 2.256 Distale Breiten re A, KronenbemsaEnal 290 ange war rg Broxim Breiter 2 AA Distale@Breite 7 22087256 Eiutbeinse bhalsoammBreitemes SE rg) Höhe der Vorderwand . 53 (ungenau) Tibia. Distales Ende. Querdurchmesser . . . 71 Astragalus. mm. Grösste Diagonallänge der Gelenkrolle 79—78 Breite der Gelenkfläche für das Navieulare . . . . . 54-51 Höhe der Gelenkfläche für das Naviculare a 35 —35 Kronenbem. Länge . . . ... 46 Brosım Bretten) Distale Breite . . . . 46 Seit der Entdeckung eines Wildpferdes in Asien durch Przewalski (Zquus Przewalski Polj.) ist schon wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob nicht das diluviale Wildpferd mit diesem Tiere identisch sei. So lange man zur Vergleichung nur über das durch Przewalski der Petersburger Akademie zugesandte und durch Poljakoff beschriebene Tier kannte, das noch nicht ausgewachsen war, war die Frage schwer zu lösen. Seither sind zahlreiche Wildpferde verschiedenen Alters teils lebend, teils in Häuten und vollständigen Skeletten nach Europa gelangt, treffliche Photographien, Abbildungen und Beschreibungen darüber erschienen. Noack (63, 64) hat Beschrei- bungen des Schädels erwachsener Tiere geliefert, durch die Güte von Professor Noack 12 pm standen mir auch Photographien des Schädels vom alten Tiere und vom Füllen zur Disposition, auch verdanke ich ihm briefliche Erläuterungen, die mir von grossem Nutzen waren. In letzter Zeit erschien die ausführliche Beschreibung von Salensky (81) gestützt auf die Untersuchung von 13 Fellen und 9 Schädeln verschiedener Alters- stadien der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Petersburg, ein Skelett und lebendes Material, das in den kaiserlichen Stallungen von Tsarskoe Seloe sich befindet. Das nun vorhandene Material, es befindet sich solches auch in Hamburg, Berlin, Paris, London, wird denjenigen Forschern, welche über vollständigere Reste von dilu- vialen Wildpferden verfügen, als sie mir vorliegen und denen das rezente Material leichter zugänglich ist, Gelegenheit geben, die Frage über den Zusammenhang des dilu- vialen Pferdes mit E. Przewalski endgültig zu lösen. Hier möchte ich nur auf einige Punkte aufmerksam machen, welche wenigstens für eine nahe Verwandtschaft beider Tiere sprechen. Vergleichen wir die von dem Diluvialmenschen gelieferten Abbildungen des Diluvialpferdes, so die Zeichnung auf Renntierhorn bei Merk (41) Taf. VII Fig. 63a oder die von Nüesch (65) Schweizers- bild Taf. VII, f.1 reproduzierte, mit der von Salensky Taf. I und pg. 12 reproduzierten und der in Proc. Zool. Soc. March 4, 1902 Pl. XIII wiedergegebenen Zeichnung des Winter- kleides von E. Przewalski, so springt eine gewisse Ähnlichkeit beider sogleich in die Augen, so der plumpe Kopf, die aufrechte Mähne, der Kinnbart, die Form des Halses, der auch hier niedrig getragen wird, die gerade Rückenlinie ete. Was die osteolo- gischen Merkmale betrifft, so hat Salensky als Eigentümlichkeiten im Bau des Schädels gegenüber dem Hauspferd folgendes gefunden: Das Przewalskische Pferd besitzt einen sehr grossen Kopf. Der Länge des Schädels nach übertrifft es in mittleren Zahlen die Schädel der übrigen Arten von Equus, der Umfang (Breite, Länge und Höhe) der Gehirnregion des Schädels übertrifft den Umfang der Gehirnregion bei den anderen Arten der Gattung Equus. Die Schnauzen- breite ist grösser, als bei den übrigen Pferdearten. Der Länge des Diastema und der Höhe des Schädels nach schliesst sich E. Przewalski näher an die Halbesel, als an die Pferde an. In allen übrigen Verhältnissen schliesst sich das Wildpferd an die der eigentlichen Pferde. Im Gebiss ist vor allem die Grösse der Schneidezähne auffallend, dieselben übertreffen die der anderen Pferde an Grösse. Ein Wolfszahn ist in der Regel im Oberkiefer bei jungen Tieren vorhanden. Die Länge der Backzahnreihe im Oberkiefer beträgt 170—185 mm., im Unter- kiefer 167—186. Im Vergleich mit anderen Pferdearten ist diese Länge sehr bedeutend; sie übertrifft die gleiche Länge bei den Hauspferden, Eseln, Halbeseln und bleibt nur hinter derjenigen von Zquwus Grevyi zurück. Vergleichen wir mit diesen Tatsachen unsere Pferdereste, so müssen wir hier auch konstatieren, dass die Zahnreihe gegenüber einem relativ kleinen Pferde, wie das Diluvialpferd von Thayngen war, auffallend lang ist, die Zähne gross und hoch waren, was auf hohe plumpe Kiefer schliessen lässt. Die Länge der Zahnreihe des Oberkiefers beträgt 177 mm., bei dem von Nehring gemessenen Schädel von Remagen 172, bei E. Przewalski nach Salensky 170-185. Auch die Grössen der einzelnen Zähne fallen in die von Salensky angegebenen Masse. E. Przewalski Diluvialpferd Thayngen 2 Schweizersbild Solutre Länge Breite | Länge Breite | Länge | Breite | Länge | Breite | Länge | Breite P.3 | 37-41,5 | 35-385 | 39 96 37 a | ss5 | a |ame| 38 RB 28-31,5 29-31 30 28 29 38 EB 26,5-30 | 29-30,5 28 98 M.1 21-26,4 | 23-30 27 27 31 20) 3 30 M.2 1|21,5-36,5 |92,5-285| 28-29 | 27-29 30 3% 39 95 30 98 M. 3 | 38,5-30 23-25 28 24 98 315 26-37 | 23-94 Unterkiefer: | E. Pızewalkii | _ Thayngen y Schweizersbild Solutre Br3 32,5-34,5 | 16,5-17,5 32 16 Pa 27.5-31,5 15,5-19 31-33 18-20 31 18,5 31 20 BR 4 15,5-19 27,3-29 Bat N 1 a M. 1 sans | > 1 | M. 2 23,5-39 | 12-17 39 17 31ı | 1 Sr M.3 31 5-35 12-145 | 30-3# 14-16 31,5 | 14 la | 14 Die Schneidezähne sind auch bei dem Thaynger Pferd relativ gross, wenn sie auch nicht die Grösse derer von E. Przewalski erreichen. Ineisiven 3 aus dem Zwischenkiefer haben 20—23 mm. Länge auf 12—13 mm. Breite. Incisiv 1 von 17 auf 13 mm. Bei E. Przewalski allerdings 23—35 Länge auf 13—18 mm. Breite. Ineisiv 1 von 22 auf 29 mm. Breite. Auch Nehring erwähnt, dass bei seinem Diluvialpferde die Schneidezähne sehr kräftig entwickelt sind, wie bei unseren schweren Pferden. Der Zwischenkiefer ist so breit, wie heutzutage kaum bei den schwersten Rassen der Fall ist. Der Atlas unseres Pferdes stimmt mit dem des Pferdes von Remagen nahe über- ein, da die Flügel desselben sich nach hinten auch nicht zu verbreitern scheinen, was jedoch bei E. Przewalski der Fall ist, auch ist die Länge des oberen Bogens bedeutender, 48 mm. gegenüber 39 mm., bei E. Przewalski auch die Breite der Gelenkflächen für Condyl. oceip. 83 gegenüber 76. Für den Epistropheus findet Salensky bei dem asiatischen Wildpferd, dass die Knochenplatten, welche von dem oberen Bogen bis zum Dornfortsatz verlaufen und am a vorderen Wirbelrand jederseits eine Öffnung begrenzen, hier nicht bis zum Dornfortsatz reichen, weshalb die Öffnung unverschlossen bleibt. Das ist bei unserem Pferde nicht der Fall, die Öffnung ist geschlossen. Ob aber das von Salensky gefundene Verhalten nicht auf einer individuellen Eigentümlichkeit beruht, ist um so eher zu vermuten, als Salensky bei einem Tarpan diese Öffnung rechterseits geschlossen, linkerseits offen fand. Der Wirbel ist kürzer als bei E. Przewalski, Länge 130 mm. gegenüber 141 bei E. Przewalskt. Die Scapula zeigt in ihren Dimensionen die Verhältnisse des E. Przewalski: | Thayngen E. Przewalski Ganze; Länge! I ER 320 321 Grösste Breite d. Gelenkteiles 90 80-82 Länge der Gelenkpfanne . . 52 55-59 Breite . . ER 45 46-48 Der Metacarpus ist nach Salensky gross und zeichnet sich im Vergleich mit den übrigen Knochen der vorderen Extremitäten durch bedeutende Grösse aus. Das scheint bei den diluvialen Pferden auch der Fall zu sein, wo ausserdem die Gelenkenden dick und plump erscheinen und zwar in noch höherem Masse als bei E. Przewalski. Dasselbe ist der Fall bei den Pferden von Solutr@ und in noch höherem Masse bei den norddeutschen Diluvialpferden. Für das Pferd von Solutre gebe ich die Dimensionen der in hiesiger Sammlung befindlichen Reste. Metacarpus. Fesselbein. | E. Przew. | Solutr& | Thayngen Schweinersh. E. Przew.) Solutr& | Thayng. | | Grösste Länge -. . . .| 215 203-218) | Länge an der Aussenseite 206 198-211 1 \ Länge . - . 70 |77-78 | 70 Breite oben . -. - . . 48 | 43-52 | | Breite oben. | 46 |54-59| 56 Breite in der Mitte . - 32 35 Breite unten . . - -» 4 | 47-48 Breite unten. 43 |49-51| 47 Kronenbein. Astragalus. E Przew.| Solutre | Thayng. Grösste Diagonallänged Gelenkr. Breite oben . ; ‚49-5 5 Breite d. Gelenkfl. für Naviculare Breite unten . ; Höhe d. Gelenkfl. für Naviculare Tibia. Metatarsus. —_— ———————— le Przew. | Thayngen E. Przew. Solutre | Thayngen | Sehweizersbild mm—————— Distales Ende 65 71 Grösste Länge . . . . 262 | 259-263 | Vordere Länge in der Mittelllmie a 0 5. 258 Länge an d. Aussenseite 252 Breite oben . . .. . 49 Breite in der Mitte . . 31 37 Breitesunten. ..,.. . 47 41-53 50-52 49-51 Diese vergleichenden Zahlen zeigen, dass zwischen dem Diluvialpferd Frankreichs und der Schweiz gewisse Analogien bestanden. Bei beiden der schwere Kopf mit sehr langer Zahnreihe und hohen plumpen Kiefern, grossen Schneidezähnen und deshalb breiter Schnauze. Dazu relativ dicke Extremitäten. Dazu kommt eine Uebereinstimmung im Habitus, aufrechte Mähne, Kinnbart und niedrig getragener Hals. Vielleicht dass eine Vergleichung reicheren fossilen Materiales mit zahlreicheren Skeletten des Ey. Przewalski, Salensky verfügte nur über ein einziges nicht vollständiges Skelett, noch weitere Ana- logien zu Tage fördern wird. Noack fand beim Vergleich zahlreicher fossiler Pferde- zähne, die in einem Tonlager bei Wolfenbüttel gefunden wurden, eine absolute Ueber- einstimmung mit #. Przewalski, die so gross ist, dass ein fossiler M. 1 links bis in die feinsten Details, auch der Kräuselung und der Grösse nicht von dem entsprechenden Zahn des E. Przewalski zu unterscheiden ist. Eqwus hemionus Pall. (Taf. Il, Fig. 2 und 3.) In seiner Schrift über Pferde der Quaternärepoche (77), worin das Pferd von Thayngen besonders geschildert wird, erwähnt Rütimeyer einer Anzahl Zähne, welche nicht in den Rahmen des normalen fossilen Pferdes passen, dieselben sind auf Tafel I u. II, Fig. 18 und 19 abgebildet. Pg. 21 sagt Rütimeyer wörtlich: „Eine einzige kleine Partie, überdies nur von Oberkieferzähnen, welche höchstens von zwei oder drei Indi- viduen abstammen können, blieb bei jeder Art der Vergleichung immer wieder übrig, ohne dass sich ihre Eigentümlichkeiten auf Altersmerkmale zurückführen liessen. Ob- schon die Zahnsäulen noch sehr wenig abgetragen sind, so sind sie doch relativ niedrig und von der Wurzel bis zur Kaufläche von auffallend gleichmässigem, fast quadratischem Durchmesser. An der Kaufläche ist der Dentinkörper tief ausgehöhlt, das Schmelzrelief also kräftig vorstehend. Ueberdies und dies ist fast das auffälligste, ist der accessorische Innenpfeiler an diesen Zähnen auffallend stark von dem übrigen Zahnkörper abgelöst. An transversalem Durchmesser übertrifft er die normalen Zähne, an longitudinalen steht er hinter denselben zurück und ist auch in seinem vertikalen Verlauf äusserst unregel- mässig“. Unter den Knochenresten vom Schweizersbild fand ich ebenfalls kleine Pferde- zähne mit relativ niedrigen Säulen auch bei geringer Abtragung, die ich Eguus hemionus — 96 — zuschrieb. Auf die Gegenwart dieses Tieres glaubte ich schliessen zu können aus einer auf einer Kalkplatte eingeritzten Zeichnung, welche unverkennbar das Bild eines Steppen- esels darstellt. Die geäusserte Hypothese ist mir nun zur Gewissheit geworden, nach- dem sich in den Resten von Thayngen ganze Zahnreihen und die für den Esel sehr charakteristischen Schneidezähne mit einem ganzen Incisivlöffel gefunden haben. Vorhanden ist eine ganze Zahnreihe des linken Öberkiefers, die drei Molaren eines linken Oberkiefers noch von Knochen umschlossen, drei weitere Molaren des linken Öberkiefers vereinzelt und noch vereinzelte Zähne von diversen Individuen, darunter sind zwei bis auf die Wurzeln abgekaut, sonst gehören sie alle jüngeren Tieren, deren Usuren noch nicht weit vorgeschritten sind. Unterkieferzähne sind weniger zahlreich vorhanden. Ferner ein Incisivlöffel des Unterkiefers mit den Schneidezähnen ünd noch vereinzelte Schneidezähne und ein Hufbein. Was an den Öberkieferzähnen zunächst auffällt, ist die Kürze der Zahnsäulen. Während diese bei dem Pferde 78—90 mm. hoch sind, beträgt ihre Höhe hier 50 bis 60 mm. im Maximum. Auffallend ist die Dicke des Schmelzbleches, das weniger gefältelt ist, als beim Pferde. Bei den Zähnen der ganzen Zahnreihe ist ein sehr schwach ent- wickelter Sporn vorhanden, am stärksten bei Pm. 2 und 1, den drei noch im Kiefer steckenden Molaren fehlt er. Unter drei demselben Kiefer angehörenden Molaren ist nur an M. 1 eine Spur davon vorhanden, an anderen Zähnen ist gar nichts davon zu sehen. Bei allen Zähnen ist der Dentinteil stark ausgehöhlt, so dass die Schmelzsubstanz vorspringt. Der Innenpfeiler des Vorjoches ist sehr unsymmetrisch und glatt, doch nicht zweilappig. Frank hat als Unterschied zwischen Pferd und Esel unter anderem hervorgehoben, dass bei den Eseln im allgemeinen die Schmelzlinien wenig oder gar nicht gefältelt sind und der Sporn stets fehlt. Nehring zeigte, dass dieses nicht auf jedes Individuum passe, sondern dass z. B. gerade in der Abbildung des Gebisses von einem männlichen Esel bei Owen sowohl das Schmelzblech gefältelt, als auch ein Sporn wohl entwickelt sei, dasselbe beobachtete er an einem Asinus taeniopus seiner Sammlung. Es folgen hier die Masse der Zähne, verglichen mit denen von E. hemionus nach Salensky. E, hemionus n. Salensky Länge | Breite | Länge | Breite | Länge | Breite | Länge |Breite | Länge | Breite Thayngen 3l8|3/| || 4| % oo | | 30 | siseivle | 3135| 82|353|1|5/|31317|4 | 8 | 5 | 5/35 / m l#l ss || | 2% III la || | 3 wo — 10 1 > SEI EEE Te Am Unterkiefer fällt an den Zähnen auch die verhältnismässige Dicke des Schmelz- bleches auf, sowie die Kürze der Zahnsäulen. Dieselbe beträgt bei dem Wildpferde 70—-83 mm., was auf sehr hohe Unterkieferäste schliessen lässt, hier bloss 57 mm. im Maximum. E, hemionus n. Salensky Thayngen Schweizersbild Länge | Breite Länge Breite Länge Breite 3 32 ) 31 15 Ben 2 27 17 26 17 24 17 B. 1 26 16 25 15 23 17 Me] 24 14 Me 2 26 13 26 17 M. 3 27 12 Der Incisivlöffel, stark verwittert und zum Teil von einer tuffartigen Masse um- hüllt, enthält noch vier intakte Schneidezähne, die zwei äusseren der rechten Hälfte sind verwittert. Länge der Symphyse 70 mm. Breite des Incisivteils am äusseren Rand der Wurzel der J.3 65mm. Nehring gibt für den E. hemionus aus Tibet 63 mm. Die Zähne sind im Gegensatz zu denen des Wildpferdes schmal und dick, der J. 3 zeigt keine Kunde, sondern nur eine Furche am inneren Rand, die beiden anderen haben Kunden von breit ovalem Querschnitt. Das Stück entspricht ganz der Abbildung, welche Wilkens, Pferdegebiss, (101), Taf. 8, Fig. 50 und 51, von dem Ineisivteil des Unterkiefers von Zguus hemippus gibt, nur ist der Kiefer breiter und sind die Zähne grösser, im Verhältnis der Grösse von E. hemippus zu E. hemionus. Nach Wilkens (101 p. 273) kommt der Fall, dass der dritte J. ohne Kunden ist, bei Eseln am häufigsten vor. Auch bei #. hemionus zeigte nach dem Exemplar der Sammlung des landwirtschaftlichen Museums in Berlin der dritte untere Schneidezahn nur offene Spalten, auch bei dem von Wilkens |. c. abgebildeten Unterkiefer des Ep. hemippus scheinen am äussersten Incisiv geschlossene Marken zu fehlen. Was die Form der Zähne betrifft, so weicht dieselbe bedeutend von der des Wildpferdes ab, wie die vorliegende Tabelle zeigt. Die abgeschliffene Zahnkrone ist diek in sagittaler Richtung fast so lang, wie in frontaler, die Kunden sind an den Unter- kieferincisiven von breit ovalem, an den Öberkieferineisiven von kreisförmigem Querschnitt. Oberkiefer Unterkiefer Frontal Sagittal Frontal Sagittal Aa 14,5 12 an al 11 11 J. 2 14,5 11 J. 2 13 10 J. 3 | d. 3 14 10 gu ze Ich möchte dem Steppenesel noch zuschreiben ein Hufbein, das sich durch seine geringe Breite und die Höhe der Vorderwand sehr von dem des Wildpferdes unterscheidet. Grösste “Breite HIN. E a EHI PR IB An! Höhe der: Vorderwand #7.:7 ‚Eis Er tn Breite des Gelenks mit dem Kronenbein . . . 43 „ Artiodaectyla. Sus scrofa L. Vom Schwein liegt mir nur die Humerusdiaphyse eines jungen Tieres vor. Die Beschaffenheit des Knochens weicht von der der übrigen Tierreste etwas ab, der Knochen ist bräunlich, weniger spröde und klebt nicht an der Zunge. Es könnte derselbe daher aus späterer Zeit stammen. Rangifer tarandus L. Taf. I, Fig. 3 und Taf. II, Fig. 4. Wie schon bei der früheren Ausbeutung der Höhle, sind auch hier die Reste des Renntieres neben denen des Schneehasen am. zahlreichsten vertreten. Merk schätzt die Zahl der Tiere, die durch Knochenreste repräsentiert waren, auf 250. Es mögen, wenn man noch die zahlreichen Artefakte aus Rentierknochen dazurechnet, hier etwa 50 In- dividuen noch dazu kommen. Die meisten Knochen sind arg zerschlagen, nur das Schä- deldach eines jungen Tieres mit vollständig erhaltenen Frontalia und Hornansätzen, wovon der rechte schon abgeschlagen war und ein rechter und linker vollkommener Ober- kiefer mit ganzer Zahnreihe von verschieden alten Tieren, in einem Falle mit noch kaum von der Usur beeinflussten Pm. 3 und M.3 sind etwas vollständiger erhalten, sonst finden sich nur Kieferbruchstücke und vereinzelte Zähne, Geweihfragmente, sehr zahlreiche Bruchstücke von Metatarsen und Metacarpen, Fusswurzel und Zehenknochen, seltener Teile der grösseren Röhrenknochen, namentlich untere Gelenkenden vom Humerus, nur wenig Teile von Beckenknochen und sehr vereinzelte Wirbel. Man gewinnt, wie auch bei den anderen grösseren Tieren, die Ueberzeugung, dass diese ausserhalb der Höhle schon zerlegt wurden und dann nur das für die Nahrung bestimmte Fleisch mit den darin steckenden Knochen und etwa das Fell, in dem noch Fussknochen und Schädel- fragmente zurückblieben, zu den Feuerstätten gebracht wurden. Die vorhandenen Zähne deuten auf Tiere sehr verschiedenen Alters. Es sind Milchzähne, kaum gewechselte und tief abgenutzte alter Tiere vorhanden. In Bezug auf die Grösse stimmen die vorhandenen Ueberreste vollkommen mit den von Hagmann (27) gemessenen von Vöklinshofen überein. In den beiden vollstän- digen Kiefern beträgt die Länge der Backzahnreihe 103 und 105 mm., die von Hag- mann gemessenen hatten 104 mm. Auch die Länge der einzelnen Zähne stimmt mit der von solchen aus Vöklinshofen. Hagmann schliesst aus dem Umstand, dass die diluvialen Rentiere bedeutend stärker sind, als die gezähmten europäischen, ich kann dieses an zwei Rentierschädeln m aus der Gegend von Archangelsk bestätigen, dass man es mit wilden Tieren zu tun hat, die im allgemeinen stärker sind, als die gezähmten. Meine Schädel zahmer Renntiere sind zwar stärker als die von Hagmann gemessenen, die Dimensionen erreichen aber die des fossilen Tieres noch lange nicht. Nach John Dean Caton (12) wird von allen Renntieren das amerikanische Wald- karibu am grössten und zwar im Durchschnitt '/ı bis Ys grösser als das europäische wilde Tier, die grössten kommen auf der atlantischen Seite des Kontinents vor. Kleiner als das europäische wilde Renntier ist dasjenige der Barren-grounds. Auch in Nord-Öst-Asien sollen die Renntiere eine bedeutendere Grösse erreichen. Wahrscheinlich ist das überall der Fall, wo das Tier gute Weideplätze hat und dieselben ungehindert nach Bedürfnis wechseln kann. Von der Jagd auf das Barren Ground Caribu in den Tundrengebieten Nordame- rikas berichtet Caton nach Richardson: Das Caribu wandert in Herden von 8-—-10 bis zu 2300 Stück, die täglichen Wanderungen folgen in der Regel der Richtung gegen den Wind. Die Indianer töten es mit dem Pfeil oder Gewehr, fangen es in Schlingen oder erlegen es beim durchkreuzen eines Flusslaufes mit dem Speer. Die Esquimaux fangen sie auch in Fallen, die in ingeniöser Weise aus Eisblöcken oder Schnee hergestellt werden. Von allen Hirscharten Nord-Amerikas kann man dem Renntier am leichtesten beikommen und so wird es in grosser Zahl getötet. Eine ein- zige Indianerfamilie vernichtet mitunter zwei oder dreihundert innerhalb weniger Wochen und in vielen Fällen werden sie nur getötet zur Gewinnung ihrer Zungen. Grosse Mengen werden auch von den Indianern erlangt, indem die Herden in eigene Hürden aus Buschwerk oder Steinen, die auf dem Wechsel der Renntiere ange- legt werden und nur einen schmalen Eingang haben, hineingetrieben werden. Sobald eine Herde sich dieser Umzäunung nähert, stürzt sich der ganze Stamm, von einem Wächter benachrichtigt, auf die Herde, die umzingelt und dann in den Raum hinein- getrieben wird. Einmal gefangen, werden sie mit Speeren und Keulen niedergemacht. Bei dieser Gelegenheit fallen Tiere jeden Alters und Geschlechtes zum Opfer. Wenn unsere prähistorischen Jäger ähnliche Methoden angewandt haben, so liesse sich das Vorkommen von Resten alter und junger Tiere leicht erklären. Zum Schluss noch einige vergleichende Messungen. 1 Russl. rezent.| Thayngen | Vöklinshofen Länge der Stirnbeine in der Mittellinie . . . re ey 114 juv. 117 Breite der Stirnbeine zwischen den en MAR, 87 | juv. 68 Grösste Breite der Stirnbeine am oberen Rande der Augenhähle 152 juv. 143 Länge der oberen Backenzahnreihe . . » . » 2 2.2 .. 92 103-105 104 Banresdersdrei@Molarenı ve. 0100 u a Der 50 55-97 58-62,5 Taneesdersdreibramolarenier Pre DRIN SEHEN. Een ber. 42 AS—AS 49 Länge der unteren drei Molaren . ». » 2 2 2.222. . 59 64-57 | 61-62 Länge der unteren drei Prämolaren . » . 2 2 2. 2.» 4 Aa = Rupicapra tragus Gray. Gemse. Nur ein Oberkieferstück mit zwei Backzähnen, je ein distaler Teil des Metacarpus und Metatarsus, die distale Hälfte der Tibia, ein Hufphalange. Die Teile gehören einem sehr starken Tier, etwas grösser, als der Durchschnitt der lebenden Gemsen, aber im übrigen in keiner Weise abweichend. Ganz ähnliche Verhältnisse fand auch Hagmann bei den Gemsenresten aus Vöklinshofen. Bei der früheren Ausgrabung fand sich der Hornzapfen einer Gemse. Am Schwei- zersbild kamen in der gelben Kulturschicht keine Gemsreste zu Tage, was aber nicht beweist, dass das Tier nicht trotzdem dort vorkam. Nach den sehr spärlichen Resten in Thayngen, im ganzen ein Hornzapfen, ein Oberkieferbruchstück mit M. 2 und M. 3, ein Metacarpus, ein Metatarsus, eine Tibia und ein Hufbein, scheint sie zu der selteneren Jagdbeute gehört zu haben. Capra iber L. Steinbock. Vom Steinbock sind nur einige Ober- und Unterkieferzähne, eine vordere Hälfte des rechten Unterkiefers, ein Astragalus und ein zerspaltener noch an einem Teil des Stirnbeins haftender Hornzapfen vorhanden, die frühere Ausgrabung brachte auch nur ein Dutzend Zähne und eine Scapula. Der Unterkiefer, welcher M. 1 und Pm. 3 enthält, zeigt in seinen Dimensionen das Verhalten moderner Steinböcke, dagegen übertreffen die Dimensionen einzelner Oberkieferbackzähne und unterer diejenigen moderner Steinböcke um ein bedeutendes, so hat ein zweiter Molar des Oberkiefers 19 mm. Länge auf 11 mm. Breite des vorderen Prismas, die drei Prämolaren zusammen 29 mm., ein zweiter Molar des Unterkiefers 19 mm. Dazu kommt noch eine auffallende Länge der Prismen, was auf sehr hohe Kiefer schliessen lässt. Das Zahnprisma des Unterkiefermolaren hat 52 mm. Höhe, das des Oberkiefermolaren 47 mm. Bei sehr starken lebenden Steinböcken misst die Höhe des Unterkieferastes unter M. 2 höchstens 33—40 mm. Bei den grössten und ältesten der 16 Steinbockschädel unserer Sammlung, deren Hörner eine Bogenlänge von 91 cm. haben, misst der M. 2 nur 16 mm. Länge. Dass aber noch in der neolithischen Zeit der Steinbock eine bedeutendere Grösse erreichte, als in neuerer Zeit, beweisen zwei aus der Pfahlbaustation Greng im Murten- see stammende Hornzapfen unserer Sammlung, deren Hornscheiden der Dieke und Länge der Hornzapfen nach über einen Meter Länge haben mussten (95). Bison priscus Rütim. Bei der ersten Grabung durch Merck wurden zahlreiche Reste dieses Tieres ge- funden, in Fussknochen, Zähnen, Hüft- und Armknochen, Fragmenten von Schädel- knochen und Hornzapfen. Ich möchte unter den vorliegenden Resten demselben zu- schreiben: Zwei Oberkieferzähne und einen vollständigen Metacarpus, sowie eine Zehen- phalange. Die kompakte Form der oberen Backenzähne, die fast quadratische Form, das geringe Hervortreten der accessorischen Säule über den Umriss des Zahnes — 101 — sprechen für Zugehöriskeit zu Bison, demselben möchte ich auch einen vollständigen Metacarpus zuschreiben, der zwar kleiner, als bei Bos primigenius aber grösser als bei Bisonten aus den Pfahlbauten ist, sich dabei durch grössere Schlankheit der Diaphyse auszeichnet. | Thayngen Pfahlbau Robenhausen ae a Er En Te se ae a Grösste Länge 9237 218 Breite proximal . 74 14 „ distal 71 69 „ Diaphyse . 44 46 Bos primigenius Bo). Von diesem grossen Wildiinde fanden sich bei der ersten Ausgrabung bereits einige Knochenreste, von der neuen können ihm zugeschrieben werden das distale Ende eines Metacarpus, zwei zweite Zehen- und eine Hufphalange. Das Metacarpalende über- trifft fast dasjenige des Urstieres aus den Pfahlbauten. Der Querdurchmesser be- trägt: S4 mm., die Zehen und Hufphalangen entsprechen in der Grösse demselben Tier, die zweite Zehenphalange hat eine Länge von 53 mm., obere Breite 49, untere Breite 43 mm. Das Hufglied hat eine Sohlenfläche von S2 mm. Länge, Höhe des Gelenks 39 mm. Breite 35 mm. Vögel. Corvus corax L. Kolkrabe. Ein Coracoid, zwei proximale Humerusenden und ein Metacarpus. Schon bei der früheren Ausgrabung kamen 6 Oberschenkelknochen zum Vorschein. Corvus corone L. an cornix L. Rabenkrähe. 3 Tarsometatarsen. Turdus pilaris L.? Femur. Turdus sp. Grösse der Rotdrossel. Lagopus alpinus Nilss. Knochen von zirka 12 Individuen, besonders Flügel und Fussknochen. Merck schätzt die Zahl der bei der früheren Ausgrabung gefundenen Schneehühner auf 80 Stück. Lagopus albus Gm. Knochen von nur etwa 4 Individuen. Im Gegensatz zu den Verhältnissen am Schweizersbild sind hier die Reste von Lagopus alpinus häufiger als die von L. albus. Das relative Vorkommen der einen und der anderen Art mag wie noch jetzt ab- hängig gewesen sein von den Nährpflanzen. Lagopus albus nährt sich hauptsächlich von Birkenknospen und Zweigen. — 12 — Ich verdanke Herrn Dr. Fr. v. Tavel Magen- und Kropfinhalt einer Anzahl Moorschnee- hühner aus Livland. Bei allen bestand derselbe aus Knospen und Zweigstücken von Betula tomentosa und nana. Waren bei Thayngen die Birkenbestände geringer als am Schweizersbild, so waren auch die Moorschneehühner seltener. Anas boschas L. Ein Humerus. Reptilia. Tropidonotus natrix (L.). Wirbel, Unterkiefer und ein Stück Oberkiefer. Übersehen wir noch einmal die Fauna von Thayngen, so kommen zu den schon bei der früheren Ausgrabung von Rütimeyer konstatierten 23 Säugetieren 10 neue Arten, so dass sich die bis jetzt bekannte Säugetierfauna auf 33 Spezies beläuft. In vorliegendem Verzeichnis sind die neugefundenen kursiv gedruckt, die von mir nicht mehr angetroffenen mit ° bezeichnet. 1. Felis leo L. 23. Elephas primigenius Pall. „ Felis catus L.° | wahrschl. fallen 24. Rhinoceros tichorhinus Cuv. Felis manul Pall. beide zusammen. 25. Equus caballus L. 3. Lyneus Iynx (L.)° 26. Asinus hemionus Pall. 4. Canis lupus L. 27. Sus scrofa L. 5. Leucocyon lagopus (L.) 28. Rangifer tarandus (L.) 6. Vulpes aloper (L.) 29. Cervus elaphus L.° 7. Gulo luscus (L.)° | 30. Rupicapra tragus Gray. 8. Mustela martes L. 31. Capra ibex L. 9. Lutra vulgaris L. 32. Bison priscus Rütim. 10. Ursus arctos L. 33. Bos primigenius Bo). 11. Oroeidura araneus L. | 34. Corvus corax L. 12. Lepus timidus L. | 35. Corvus corone L. 13. Lepus europaeus. ° ı 36. ? Turdus pilaris L. 14. Arctomys marmotta L. 37. ? Turdus an iliacus L.? 15. Spermophilus quttatus Pall? 38. Pandion haliaetus (L.)° 16. Spermophilus rufescens Keys. Blas. 39. Lagopus alpinus Nilss. 17. Cricetus vulgaris Desm. 40. Lagopus albus Gm. 18. Mierotus terrestris L. 41. Cygnus musicus L.° 19. Microtus an nivalis Mart.? 42. Anser cinereus L.° 20. Dierostonyz torquatus (Pall.) 43. Anas boschas L. 21. Myoxus glis L. 44. Tropidonotus natrix (L.) ein . Castor fiber L. Danach sind bis jetzt 45 Tierspezies bekannt geworden, 33 Säugetiere, 10 Vögel, Reptil und ein Amphib. . Rana sp.° — 18 — Ich habe hier mit Fleiss Ovibos moschatus, der in den Verzeichnissen von Rüti- meyer und Merck angeführt wird, ausgelassen. Die Angabe beruht nur auf dem Fund eines geschnitzten Renntierhornes, das den Kopf eines behornten Tieres darstellt. der allerdings eine grosse Ähnlichkeit mit dem eines Moschusochsen hat (s. Merck Taf. VII., Fig. 66 und Rütimeyer (77) pag. IS). Es ist nämlich bis jetzt kein Knochen des Moschusochsen weder in Thayngen, noch am Schweizersbild zum Vorschein gekommen, so dass man sich fragen kann, ob die Schnitzerei wirklich einen solchen darstellen soll. Die Darstellung der Hörner, die dicht am Kopfe anliegen und bis zum Scheitel reichen, spricht allerdings dafür, dagegen sind die auffallend ausgearbeiteten Ohren, die beim Moschusochsen von den langen Haaren fast verdeckt werden, nicht für die Deutung günstig. Es wäre möglich, dass die Schnitzerei einen Bison darstellen soll, an dem die Hörner aus technischen Grün- den, wenn dieselbe z. B. einen Messer- oder Schabergriff bilden sollte, an den Kopf angelegt wurden. Aus denselben Gründen wurden z. B. bei Schnitzereien von Stein- böcken oder Hirschen die Hörner nicht abstehend, sondern an den Kopf und Hals an- gelegt ausgearbeitet. Während der Moschusochse in der Postglacialzeit in der Schweiz nicht mehr vorkam, so ist er doch neuerdings in älteren Glacialablagerungen gefunden worden. Vor einigen Monaten erhielt ich durch Herrn J. Wiedmer in Niederönz die Nachricht, dass in einer Kiesgrube am Neuhaus bei Bettenhausen unweit Thöringen südöstlich von Herzogenbuchsee Knochen und Hornzapfen eines grossen Tieres gefunden wurden. Herr Dr. Volz, welcher die Fundstelle untersuchte und die Knochenreste abholte, fand, dass die Ablagerung ziemlich hoch über der Talsohle aus Hochterrassenschotter bestand, der der zweiten grossen Eiszeit entstammt. Die Knochen bestanden aus abgeplatteten grossen Hornzapfen, einer Schädelbasis und einem Zwischenkiefer, die, wie die Vergleichung mit zwei Moschusochsenschädeln hiesiger Sammlung bewies, wahrscheinlich diesem Tier gehören. Die Form der Schädelbasis gleicht mehr der des Bison doch lässt die Form der Hornzapfen kaum eine andere Deutung als die auf Ovibos zu. Es würde das Vor- kommen des Moschusochsen in der Schweiz also wie in Frankreich und England in die zweite grosse Eiszeit, die Epoque mousterienne Mortillets fallen. Die in der Höhle vorkommenden Artefakten versetzen unsere Funde in dieselbe Epoche, wie das Schweizersbild, d. h. in die Epoque Magdaleneenne von Mortillet, mit dieser Epoche stimmt auch die Fauna im wesentlichen überein, ebenso mit der zuerst von Döderlein und Schumacher beschriebenen Fauna von Vöklinshofen im Öber- Elsass. Dieselben Tiere finden sich hier ziemlich in denselben relativen Verhältnissen, nur fehlt in den Schaffhauser Stationen gegenüber Vöklinshofen die Hyäne und der Höhlenbär. Nach Mortillet ist in der Epoque Magdaleneenne das Mammut im Ver- schwinden begriffen, das Rhinozeros bereits ausgestorben, es reicht in Frankreich bis in den Anfang der Epoque Solutreenne, hier treffen wir es inmitten der Epoque Magdaleneenne, ebenso in dem Hohlefels im Achtal bei Ulm, nicht mehr aber bei Schussenried. — 104 — Die Reste vom Rhinozeros lagen hier neben denen des Elefanten um die Feuer- stätte der alten Bewohner herum, das Tier musste also hier zu gleicher Zeit mit den anderen gelebt haben. Übersehen wir die Tiergesellschaft im ganzen, so können wir Repräsentanten von sechs Faunen unter einander gemischt erkennen. 1. Die alte präglaciale Ebenenfauna, wohin gehören: Felis leo L. | Sus serofa L. Canis lupus L. Cervus elaphus L. Vulpes alopex (L.) Bison priscus Rütim. Castor fiber L. Bos primigenius Boj. 2. Die alpine Fauna: Arctomys marmotta L. | Rupicapra tragus Gray. Capra ibex L. Wenn schon keine direkten Beweise dafür vorliegen, so möchte ich doch an- nehmen, dass wir es bei letzterer Fauna mit Tieren zu tun haben, welche sich schon vor der Glacialzeit im Gebiete der grossen europäischen Gebirgsmassive aufgehalten haben und durch das Vordringen der Gletscher erst in die Ebene gedrängt wurden, zur Zeit der Epoque magdaleneenne sehen wir dieselben sowohl am Nord- wie am Südfuss der Alpen bis auf eine gewisse Entfernung davon sich ausdehnen. Die Gemse findet sich zu dieser Zeit nur bis Sigmaringen (Langenbrunn) in Süd- deutschland verbreitet, im Elsass bis Vöklinshofen im Oberelsass. In Frankreich findet sie sich besonders in den Grotten und Höhlen am Nordfuss der Pyrenäen, geht aber im Norden bis zum Bassin des Tarn (Bruniquel) und der Dordogne (Eyzies und Langerie-Basse). In englischen Ablagerungen fehlt sie vollkommen. In Böhmen, Mähren und Niederösterreich (Sipka-Höhle, Certova dira). Fraglich ist noch, ob die der Gemse zugeschriebenen Reste des Trou du Sureau in Belgien wirklich diesem Tiere angehören. Südlich der Alpen fanden sich Gemsenreste im Magdaleneen der Höhlen von Mentone, den Grotten des Monte Pisani in Toskana. In Russland kam sie bei Odessa vor, entweder vom Balkan oder vom Kaukasus her nach der Ebene verdrängt. Der Steinbock teilt zur selben Zeit das Verbreitungsgebiet der Gemse, war so- gar noch häufiger, er kommt von der Epoque mousterienne an vor, am häufigsten aber in der Epoque magdaleneenne, in Frankreich entfernt er sich ebenso weit von den Alpen und Pyrenäen, wie die Gemse, bis in die Departements Herault und Lot et Garonne, (Les Eyzies, Langerie-Basse, Bruniquel, Aurensan etc.) im Oberelsass (Vöklinshofen), in Süddeutschland bis Sigmaringen (Langenbrunn), in Österreich in Böhmen, Mähren (Certova dira) und Niederösterreich (Zuzlawitz, Punglitz, Prag) in Böhmen, in der Höhle Vypustek in Mähren. Südlich der Alpen kamen Reste in den Höhlen von Mentone, in der Grotte von Levrange, Provinz Brescia, endlich in der Grotte de Campagna, Neapel vor. BER. 105 = Das Alpenmurmeltier, Arctomys marmotta, hat sich weiter vom Gebirge entfernt, es konnte noch im Rheintal bei Unkelstein, Aachen, Remagen und bei Mayen in der Eifel nachgewiesen werden, nördlichere und östliche Fundorte scheinen. soweit eine genaue Vergleichung stattgefunden hat, den Bobac zu enthalten (Schäff 85, Nehring 57). Südlich den Alpen verbreitete es sich bis Toskana. In Frankreich war es bis zum Seine- bassin und selbst in der Epoque mousterienne bis zum Meer in der Bretagne (Station du Mont-Dol, Ille et Vilaine) verbreitet. Steppentiere: Felis leo L. ı Spermophilus rufescens Kays. Blas. Felis manul Pall. Cricetus vulgaris Desm. Spermophilus guttatus Pall. Egwus caballus L. Asinus hemionus Pall. Tundrabewohner: Leucoeyon lagopus (L.) Elephas primigenius Pall. @Gulo lbusceus (L.) Fehinoceros tichorhinus Cuv. Lepus timidus L. Rangifer tarandus (L.) Dierostonyz torquatus (Pall.) Lagopus alpinus Nilss. Lagopus albus Gm. Tiere, die an den Aufenthalt im oder am Wasser gebunden sind: Lutra vulgaris L. Anser cinereus L. Castor fiber L. \ Anas boschas L. Pandion haliaetus (L.) \ Tropidonotus natrixz (L.) Cygnus musicus L. \ Rana sp. Waldtiere: Lyneus Iynz (L.) | Mustela martes L. Vulpes alopex (L.) Myozus glis L. Ursus arctos (L.) \ Sus scrofa L. Cervus elaphus L. Unter den letzteren gehören mehrere zur alten präglacialen Fauna, so Fuchs, Schwein, Hirsch. Eine Anzahl Tierformen mögen verschiedenen Gebieten angepasst sein, Steppe und Wald, so der Wolf, Fuchs, Hase, Bison und Bos primigenius, der Luchs, das Renntier dem Walde und der Tundra, oder gar allen dreien, Steppe, Wald und Tundra, wie Wolf, Fuchs, Bär und Hase. Wie kommt nun eine so mannigfaltigem Boden angepasste Tiergesellschaft, deren Glieder, in Europa wenigstens, durch weite Zwischenräume von einander getrennt sind, hier auf einem kleinen Gebiet zusammen? — 106 — Nehring (57) hat gezeigt, dass noch heute im subarktischen Gebiete Sibiriesn ähnliche Vermengung der Faunen stattfinden kann, wo Tundra und Steppe, unterbrochen von Flusstälern, deren Ränder mit Wald bewachsen sind, zusammenstossen. Vergegenwärtigen wir uns die Verhältnisse von Thayngen am Ende der Glacial- zeit, in welche Penck und Gutzwyler (68 und 26) auch die gelbe Kulturschicht am Schweizersbild verlegt haben. Das Kesslerloch liegt am Rande eines mässig breiten Tales, das durch eine südliche Hügelreihe von dem tiefen Rheintal getrennt wird, ein Bach, die Biber, fliesst durch dasselbe, um zwischen Stein und Diessenhofen in den Rhein zu münden. In dieser bewässerten Hügelgegend, mit sonnigen, nach Süden geneigten Abhängen, mit wasserdurchrauschten Tälern, konnte schon Wald aufspriessen und Schutz bieten für waldliebende Tiere, während in den Gewässern der Biber baute und der Fischotter seiner Beute nachging. Der aus der Ebene noch nicht ganz zurückgezogene Gletscher liess im Süden vor seiner breiten Front ein ungeheures, steinbesätes Feld, hier und da von Sümpfen und tief eingegrabenen Wasserläufen durchschnitten, spärlich bewachsen mit Moosen und Flechten, Alpenpflanzen, Krüppelfichten, Zwergweiden und Zwergbirken, vielfach mochte das Eis in der Tiefe noch nicht ganz geschwunden sein, aber darüber lag Schutt und Humus, auf dem eine alpine Vegetation ihr Dasein fristete, es war eine Tundra, die sich mit dem Gletscher immer weiter nach den Alpen zurückzog, um zunächst an ihren ganz eisfreien Nordrändern der Steppe oder an feuchten Stellen dem Walde Platz zu machen. Nördlich von der Jurakette dürfte die Steppe die ebeneren Gegenden bedeckt haben. So konnten nebeneinander erreichbar für den primitiven Jäger Steppen-, Wald- und Tundratiere seine Beute werden. Die allmähliche Wanderung der Tundratiere nach Süden, den Alpen zu, können wir aus ihren Etappen verfolgen. Mammutreste in fluvioglacialen Ablagerungen der letzten Eiszeit sind bis Luzern, Bern, bis in das bernische Emmental gefunden worden. Berühmt ist der Fund von Knochen des Mammuts unter den Wurzeln einer vom Sturm entwurzelten Eiche in Reiden, Kanton Luzern, im Jahre 1577, aus denen der Arzt und Anatom Felix Platter die Reste eines Riesen konstruierte, der nachher Veranlassung gab, den wilden Riesen von Luzern als Schildhalter des Luzerner Wappens einzuführen. Aus einem spätglacialen Torfmoor in Niederweningen im Wehntal fanden sich im Jahre 1890 Überreste von mindestens 5 verschieden grossen Individuen, darunter ein Neu- geborenes, aus denen sich ein nahezu vollständiges Skelett zusammenstellen liess, mit diesen Resten fanden sich solche von Wolf, Arvicola amphibius, Bison, Pferd (Lang 33). Ein Schädel mit eingedrücktem Scheitel wurde im Jahre 1901, an der Hardegg, Olten ausgegraben. Derselbe lag nach den Schilderungen Stingelins (91, 92) auf Nieder- terrassenkies der letzten Eiszeit von Gehänglöss bedeckt. Stingelin versetzt ihn in die Zeit, wo der grosse Gletscher schon bis Wangen sich zurückgezogen hatte. Andere weniger vollständige Mammutfunde aus der letzten Glacialzeit wurden bei Basel, AN — if}, se Pruntrut, im Aargau bei Laufenburg, Windisch und Koblenz in jungen Flussterrassen gemacht. Im Kanton Bern fanden sich ein Mammutzahn auf dem Boden des Neuen Bundes- rathauses im Schutt der jüngsten Aaremoräne, ein Radius im Kies einer jungen Flussterrasse bei der Neubrück. Die südlichste und wohl auch am höchsten gelegene Fundstelle, war die eines Stosszahnes am Ramisberg, oberhalb der Station Ramsei- Sumiswald im Emmental in 6350 m. Höhe (Baltzer 2). Reste des Ahinoceros tichorhinus sind seltener, doch fehlt es nicht an Anzeichen, dass dasselbe mit dem Mammut noch dem Tundragebiet vor den @letschern folgend, weit nach Süden vorgedrungen ist. Der Kiefer eines jungen Rhinozeros in einer fluvio- glacialen Ablagerung bei Rapperswyl, Kanton Bern, ein Unterkiefermolar bei Herzogen- buchsee (Studer 94), ein Oberkiefermolar in dem Kiesboden, auf welchem der Bahnhof von Freiburg steht, sind wohl die letzten Spuren seines Daseins in unserem Lande, bis sein ihm passendes Gebiet infolge des Rückzuges der Gletscher und des Vordringens der Wälder sich so verengte, dass es schliesslich erliegen musste. Länger hat sich das Rentier erhalten, dessen Reste wir bis in die Alpen ver- folgen können, wo es noch an der Mündung des Rhonetales in der Grotte du Sc& bei Villeneuve seine Reste mit denen des Steinbocks und der Gemse hinterliess, wohl zu einer Zeit, als der Rhonegletscher sich bereits in sein ursprüngliches Tal, das obere Rhonetal zurückgezogen hatte, zu eben der Zeit lebte es noch in der Gegend des Saleve, gejagt von den ihm folgenden Diluvialmenschen. Auch bei ihm lassen sich die Etappen seines Rückzuges von Nord nach Süd verfolgen. In fluvioglacialen Ablagerungen fand es sich bei Langenthal, Herzogenbuchsee, neuerdings in verschwemmtem Kies vor der Front der Aaregletschermoräne bei Bern, in einer Kiesgrube an der Worblaufenstrasse, wo eine Geweihstange gefunden wurde, im Torf des Lerchenbühls bei Luzern (s. Studer 97, 98). Alle diese Tiere gingen aber noch vor der neolithischen Zeit zu Grunde. Nicht so der Schneehase, der sich, weniger. anspruchsvoll, den Höhenverhältnissen an- passte. Ob und wie weit der Halsbandlemming den Gletschern folgte, lässt sich bis jetzt aus Mangel an Material nicht konstatieren. Aus allem aber geht hervor, dass die Tundratiere, welche Frankreich und Belgien schon zur Zeit der Epoque mousterienne verliessen oder verlassen hatten, in Süddeutschland und der Nordschweiz noch länger existierten und nach dem Rückzug der Gletscher noch die ihnen passenden tundrenartigen Gebiete vor der Front der Gletscher bevölkerten, ihr Eindringen in die innere Schweiz fällt also in die für das übrige Europa postglaciale Zeit, als in Frankreich, Belgien und Mitteldeutschland eine Steppen- oder gar eine Weide-Waldfauna sich an Stelle der nach Nord- und Nordosten zurückgezogenen Glacialfauna gesetzt hatte. 14 19. Literatur. Bär K. E. v., Über die Verbreitung des Eisfuchses. Bullet. Scientif. de l’Acad. Imper. de St. Peters- bourg. 1. Ser., T. IX. Petersburg 1841. Baltzer A.. Ein Mammutrest in den Voralpen. Mitteilgn. der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus d. Jahre 1886. Bern 1887. Blasius J. H., Naturgeschichte der Säugetiere Deutschlands. Braunschweig 1857. 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Ueber die Kunst der Thaynger Höhlenbewohner —_—<. —— Von Dr. Otto Schötensack in Heidelberg. Mit 2 Tafeln und 1 Textabbildung. Auf Kosten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes gedruckt von Zürcher & Furrer in Zürich Kommissions-Verlag von Georg & Go. in Basel, Geneve und Lyon. 1904. Die von Herrn Dr. J. Nüesch in den Jahren 1898 und 1899 im Kesslerloch bei Thayngen (Kt. Schaffhausen) ausgeführten Grabungen haben ausser zahlreichen Tierresten auch Erzeugnisse der Kunst und Technik des paläolithischen Menschen ergeben, die in dankenswerter Weise die durch K. Merk in den siebziger Jahren veröffentlichten Funde vervollständigen !). Das zuerst von A. Heim?) bekannt gemachte „weidende Renntier*“ von Thayngen ist jedem, der sich auch nur oberflächlich mit der Kunst des reinen Jägertums befasst hat, so geläufig, dass neue zuverlässige”) Funde der gleichen Herkunft ein allgemeines Interesse beanspruchen dürfen. Seit der Zeit, in welcher auch das grundlegende Werk von E. Lartet und H. Christy „Reliquiae aquitanicae, being contributions to the archaeology and palaeontology of Perigord and the adjoining provinces of southern France“ (London 1875) erschienen ist, haben sich unsere Kenntnisse über diese eigen- artige Kunstepoche durch die ebenso unermüdliche wie zielbewusste Tätigkeit namentlich französischer Forscher *), unter welchen Ed. Piette in erster Linie zu nennen ist, sodann aber auch durch die von Herrn Nüesch veröffentlichten Funde des wenige Kilometer von Thayngen entfernten Schweizersbildes derartig erweitert, dass es sich der Mühe lohnen dürfte, die Thaynger Skulpturen, einschliesslich der neuen, im Zusammenhange mit dem gesamten uns jetzt zugänglichen Material zu betrachten. ') Konrad Merk, der Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen. Mitteil. d. antiqu. Ges. Zürich 1875. Siehe ferner den Bericht über die VIII. Versammlung d. deutsch. anthropolog. Gesellschaft. Korr.-Bl. 1877. 2) Albert Heim, Über einen Fund aus der Renntierzeit in der Schweiz. 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Hl Es ist das Verdienst von Alois Riegl in seinen Stilfragen, Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik (Berlin 1893), die Bedeutung der Kunst der Mammut- und Renntierzeit, die von Ed. Piette als glyptische Periode bezeichnet wird, für die Kunstwissenschaft in das richtige Licht gestellt zu haben, nachdem schon vorher Richard Andree in seiner Abhandlung „über das Zeichnen der Naturvölker* Ethno- graphische Parallelen und Vergleiche (Leipzig 1889) auf diese für das Verständnis der primitiven Kunst so bedeutungsvolle Erscheinung aufmerksam gemacht hatte. Alois Rieg] weist darauf hin, dass das technische Moment bei weitem nicht jene führende Rolle bei der Entstehung der Kunst der Troglodyten Aquitaniens gespielt habe, wie sie ihm die Anhänger der technisch-materiellen Entstehungstheorie ganz allgemein vin- dizieren möchten. „Der Anstoss ging vielmehr nicht von der Technik, sondern von dem bestimmten Kunstwollen aus. Man wollte das Abbild eines Naturwesens in totem Material schaffen und erfand sich hierzu die nötige Technik. Zum Zwecke des hand- sameren Greifens war die Rundfigur eines Renntieres als Dolchgriff gewiss nicht not- wendig. Ein immanenter künstlerischer Trieb, der im Menschen rege und nach Durch- bruch ringend vorhanden war vor aller Erfindung textiler Schutzwehren für den Körper, musste ihn dazu geführt haben, den beinernen Griff in Form eines Renntieres zu bilden.“ Wie Piettes Forschungen im südwestlichen Frankreich ergeben haben, beginnt die zlyptische Periode mit Rundfiguren und entsprechenden Zierstücken aus Elfenbein. Hierzu forderte das in den Stosszähnen des Mammut anfangs noch reichlich vorhandene Rohmaterial gewissermassen auf, das, zur Darstellung weiblicher Figuren, wie die Funde von Brassempouy (Landes) dartun, sich vorzüglich eignete. Man ging dann über zur skulpturalen Darstellung der Jagdtiere, wobei man infolge Seltenwerdens des Elfenbeins hauptsächlich auf das Renngeweih angewiesen war, das in der naturbraunen Farbe gut zu dem Dargestellten passte. Dieses Rohmaterial gestattete nur noch in beschränktem Masse die Anfertigung von vollem Rundwerk, eignete sich im übrigen aber mehr zur Herstellung flach gehaltener Skulpturen und gravierter Umrisszeichnung. Neben dem doppelseitigen Relief, das am Rücken und Bauche der dargestellten Tiere oft ziemlich unbeholfen verbunden ist, erscheint auch das eigentliche Relief, das meist ziemlich flach erscheint, dagegen aber gewisse Teile des Tierkopfes, insbesondere die Augen, stärker hervortreten lässt. Die gravierte Umrisszeichnung auf Geweih und Knochen, die anfangs auch wohl rundum ausgeschnitten wird, gelangte nun zur höchsten Blüte. Man wendete sich jetzt auch der kunstvollen Schnitzerei von Knochengeräten, Harpunen und anderen zum Teil reich verzierten Gegenständen zu. Schliesslich fertigte man auch Ritzzeichnungen auf Stein, die sich aber zum grossen Teil nicht mehr mit den früher gefertigten auf Bein messen können. Das Renntier wird nun seltener, und das Geweih des Hirsches, das sich schon wegen seiner äusserlich rauhen Flächen wenig zu Skulpturen eignet, vermag keinen Ersatz für das zur Neige gehende Rohmaterial zu bieten. Mit dem Verschwinden desselben erlischt auch die Kunst der glyptischen Periode, die deshalb auch von den französischen Forschern wohl als L’art pendant läge du renne bezeichnet wird. — 119 — Diese verschiedenen Entwicklungsphasen treten uns nur entgegen, wenn wir, wie in Frankreich, das Gesamtbild dieser eigenartigen Kunstepoche zu überschauen ver- mögen. An einzelnen Fundstellen und besonders an den so weit vom eigentlichen Ent- wicklungszentrum entfernt gelegenen, wie am Mont Saleve und am Oberrhein, sind uns oft nur Episoden daraus überliefert, deren relative Chronologie infolge der viel- fachen Übergänge von einer Phase in die andere und infolge der Überlieferung der Kunstweise nach Art einer Schule von Generation zu Generation oft schwierig zu be- stimmen ist !). Versuchen wir es, an der Hand der Fundobjekte aus der Thaynger Höhle und derjenigen aus der paläolithischen Schicht am Schweizersbild uns darüber klar zu werden, welcher Stufe des obigen Schemas wir diese zuteilen müssen, so ergibt sich, dass wir es an letzterem Fundorte ausschliesslich, an ersterem hauptsächlich mit der gravierten Umrisszeichnung zu tun haben. In Thayngen wurde dieselbe sehr viel ausgeübt und stand in höchster Blüte; das weidende Renntier, die Wildpferde und die übrigen ein- fachen lebenswahren Tierdarstellungen (Merk a.a.0. Taf. VII und VIII) gehören zu dem besten, was diese Phase der glyptischen Periode hervorgebracht hat. Vom Schweizersbild sind uns nur ganz vereinzelt Ritzzeichnungen auf Bein überliefert. Während die Linien der Thaynger Tierbilder kräftig und sicher ausgeführt sind, er- scheinen sie auf der Fibula?) vom Schweizersbild (J. Nüesch, Das Schweizersbild, Taf. VII, Fig. 1, 2. Auflage, 1902) schwach und zaghaft, sodass das Landesmuseum in Zürich, in dessen Besitz dieselbe übergegangen ist, sich veranlasst gesehen hat, den Umriss der beiden dargestellten Wildpferde mit Sepia nachzuziehen, um denselben zu deutlicher Erscheinung zu bringen. Während im übrigen aber wohl kaum ein Unterschied in der Auffassung und lebensvollen Wiedergabe des Dargestellten zwischen der Fibula vom Schweizersbild und denjenigen von Thayngen festzustellen ist, tritt ein solcher deutlich hervor in den Ritzzeichnungen auf anorganischem Material. Man vergleiche nur die beiden auf Gagat gezeichneten Equidenköpfe (Merk a.a. 0. Taf. VI, Fig. 92 u. 93) mit den Gravierungen auf der Kalksteinplatte vom Schweizersbild (J. Nüesch a. a. O. Taf. V u. VI), die zum Teil unentwirrbare Kritzeleien darstellen. Der Kopf des Wildesels ist ausdruckslos, und die Beine des Tieres laufen nach unten ganz unbestimmt aus. Diese !) Man kann hier ebenso wie bei der Kunst gewisser Naturvölker einen durchgebildeten Stil in den Zeichnungen und Ornamenten beobachten. Richard Andree a.a. 0.5.60 sagt darüber: „Wo dieser bei den Naturvölkern vorhanden ist, da darf man mit Sicherheit annehmen, dass er das Ergebnis der künst- lerischen Tätigkeit vieler Geschlechter ist. Jahrhunderte mussten vergangen sein, ehe er aus rohen An- fängen heraus sich bildete und festsetzte, fertig trat er nicht aus dem künstlerischen Gehirn eines ein- zelnen heraus. Wenn aber einmal ausgeprägt und feststehend, dann scheint er überall dauernd gehaftet zu haben, ohne dass neue Formen, ein neuer Stil entstand, wenigstens vermag ich Mischungen oder Nebeneinanderlaufen verschiedener Stile bei Naturvölkern nicht nachzuweisen.“ 2) Wir setzen diese Bezeichnung, die wir zum Schlusse näher begründen werden, an Stelle der- jenigen als Kommandostäbe. 120° — Elaborate des Paläolithithers vom Schweizersbild weisen nach Analogie der französischen Funde !) mit ziemlicher Sicherheit darauf hin, dass wir hier die Ausgangsphase der glyptischen Periode vor uns haben. Diese Annahme wird auch bestätigt durch den Umstand, dass die Tierbildnerei in Relief, die doch, wie wir oben gesehen haben, der gravierten Umrisszeichnung vorausgeht, am Schweizersbild überhaupt nicht mehr ver- treten ist. Aber auch in Thayngen ist die erstere nur in wenigen Exemplaren vor- handen, von welchen wir den sogen. Moschusochsen sowie den Kopf eines Cerviden (Merk a. a. O. Taf. VII, Fig. 66, und Taf. V, Fig. 51) erwähnen. Beide sind in doppel- seitigem Flachrelief ausgeführt. K. Woermann a.a.0.S.11 bemerkt hinsichtlich der erstgenannten Skulptur, dass sie, wie das ebenfalls aus Renngeweih geschnittene Mammuth von Bruniquel (Tarne-et-Garonne), bei Piette a. a. O. Taf. V, Fig. 1 und la, in natür- licher Grösse von zwei Seiten wiedergegeben, eine gewisse archaische Gebundenheit in der Auffassung und Wiedergabe der Körperformen zeige. Den Ausdruck „archaisch“ möchten wir im Hinblick auf die Skulptur des Moschusochsen beanstanden, falls er nämlich so gemeint sein soll, dass sich hierin noch eine ältere Entwicklungsstufe der Figuralskulptur dokumentiert. Es ist vielmehr eine ziemlich späte Phase derselben durch dieses Bildwerk dargestellt. Der Künstler, dem die Gravure geläufiger war, wagte sich nicht mehr heran an die Herstellung einer Vollfigur und wählte dementsprechend als Rohmaterial den flachsten Teil des Renngeweihes. Die Hörner des sog. Moschusochsen sind eigentlich auch nur durch tiefe Ritzzeichnung hergestellt. Wie ganz anders wusste der Künstler des bekannten Dolchgriffes aus der Dordogne (Rel. Aquit. B. Taf. XIX und XX, Fig. 3), auf dem ein Renntier mit an den Rumpf gelegten Vorderextremitäten in grosser Natürlichkeit plastisch dargestellt ist, das Zurücklegen des Geweihes durch ent- sprechende Haltung des Kopfes zu motivieren und zur Darstellung zu bringen! Dass der Paläolithiker von Thayngen in der plastischen Wiedergabe der Natur- wesen nicht mehr auf der Höhe stand, ergibt sich auch aus dem bei den neuesten Ausgrabungen des Hrn. Nüesch aufgefundenen Tierbilde ?), dessen getreue Reproduktion in Fig. 1 wir der Güte des Hrn. Guido Schmitt in Heidelberg verdanken. Dasselbe, auf einer zylindrischen oberen Renngeweih-Sprosse (dieselbe ist 150 mm. lang und hat einen Durchmesser von etwa 17 mm.) zärt eingraviert, bietet insofern ein besonderes Inter- esse, als der Künstler sich offenbar die Aufgabe gestellt hatte, mit gravierter Umriss- linie den Schein der Rundplastik zu erwecken. Es ist wohl die Darstellung eines Cer- viden beabsichtigt, der mit vorgestreckten Vorderbeinen gedacht ist. Man sieht deut- lich den Umriss des Kopfes, die Nasenlöcher, sowie ein Auge. Auf dieser Seite ist auch ein Ohr vollkommen ausgezeichnet. Die Darstellung gelang dem mit der Ritz- zeichnung wohl vertrauten Künstler soweit recht gut. Aber die Schwierigkeiten stellten ') Vergl. Piette Taf. XCVII, Fig. 1, 4, 5 und 6. *) In der vorläufigen Publikation im Anzeiger für schweizerische Altertumskunde 1900, $.4, ist dasselbe als das Gesicht eines Mannes darstellend gedeutet. — 121 — sich sofort ein, als er auch an die Auszeichnung der anderen Seite des Tieres durch Gravierung herantrat. Hier stellte sich bald heraus, dass er sich eine unlösbare Auf- gabe gestellt hatte. Der zylindrische Stab war eben unmöglich durch einfache Einrit- zung in eine Rundfigur zu verwandeln. Es hätte der Wegnahme des überflüssizen Materials bedurft, ohne das nur ein Zerrbild entstehen konnte. Diese Manipulation scheint der Künstler auch oberhalb des Kopfes versucht zu haben, ohne indes zu einem befriedigenden Resultate gelangt ‚zu sein. Man könnte hier auch an die Anlaee eines Gehörnes denken. Er unterliess schliesslich in der Erkenntnis der Unausführbarkeit seines Beginnens die Anlage des zweiten Auges, das auf dem nahezu kreisrunden Stabe nicht richtig anzubringen war. Auch die weitere Auszeichnung des zweiten Ohres und die Anlage des anderen Vorderbeines unterblieb. Es ist von Interesse. zu sehen, wie Fig. 1. Ritzzeichnung auf Renngeweih von Thayngen. Nat. Gr. sich ein Künstler Aquitaniens, auf den wir noch zurückkommen werden, in der Behand- lung des Rundstabes verhielt, den er auf beiden Seiten mit dem Kopfe einer Wildziege in Relief schmückte. Er vermied es von vornherein, den Schein einer Rundfigur zu erwecken und brachte deshalb den Kopf im Profil auf jeder Seite des Stabes nach einer anderen Richtung schauend an. In der die Waffen und Geräte betreffenden Schnitzkunst leistete der Thaynger Höhlenbewohner dagegen Ausgezeichnetes, wofür die zierlich gearbeiteten Harpunen, darunter eine mit umlaufendem erhabenem Bande, sowie zahlreiche andere Beingeräte, zum Teil mit reicher linearer Verzierung in Relief und Gravierung, Zeugnis ablegen. Am Schweizersbild stehen auch diese hinsichtlich kunstvoller Arbeit denjenigen von Thayngen bedeutend nach. Eine Ausnahme machen indes die Nadeln mit Öhr, die auch am Schweizersbild höchst sauber gearbeitet wurden, wie denn auch die Geräte aus Feuerstein bezw. Quarzvarietäten hier mit ebenso grosser Sorgfalt hergestellt sind wie im Kesslerloch. Den Paläolithiker vom Schweizersbild beseelte offenbar schon ein 12° — mehr auf das Praktische gerichteter Sinn, er wendete sich mehr der Technik als der Kunst zu. Auch die faunistischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die paläolithische Niederlassung im Kesslerloch älter als diejenige am Schweizersbild ist. Während näm- lich an letztgenannter Fundstätte das Mammuth nur durch ganz vereinzelt auftretende kleine Stücke von Elfenbein, sowie durch eine Ritzzeichnung auf einer Kalkplatte in recht unbestimmten Umrissen überliefert ist, sind in Thayngen Mammuth und Rhinoceros, ersteres sogar durch zahlreiche angebrannte Knochen, festgestellt. Auch sind hier Gegenstände aus Elfenbein geschnitzt, sowohl früher als auch bei den jüngsten Ausgrabungen aufgefunden, unter ersteren Nr. 47 des Konstanzer Museums, ein etwa 70 mm. langes und 17 mm. dickes zylindrisches Stück, das an dem einen Ende etwa wie ein Dolchgriff ausläuft. Hier zeigt es eine Anzahl paralleler Strichlein, die in der Richtung der Längsachse eingeritzt sind. Das andere Stück. Nr. 48, ist eine etwa 55 mm. lange und an dem abgebrochenen Ende einen Durchmesser von 13 mm. auf- weisende schön gerundete Spitze. Die Bestimmung des Moschusochsen, der für die Charakterisierung des Klimas, das zur Zeit der Ablagerung der Höhlenschicht von Thayngen herrschte, von Bedeutung wäre, auf Grund der bereits besprochenen Skulptur, welche die Hörner eines Cavicornier abwärts gebogen und anliegend zeigt, ist dagegen höchst unsicher, worauf auch M. Cartailhace auf dem diesjährigen‘) internationalen Kongress für Anthropologie und prähistorische Archäologie hingewiesen hat. Wir wissen nämlich durch Funde aus dem südwestlichen Frankreich (vergl. u. a. Piette a. a. O. Taf. LXXX, Fig. 2), dass oftmals die Hörner von Tieren, welche dieselben aufrecht tragen, in Anpassung an den verfüg- baren Raum ähnlich wie diejenigen des sog. Moschusochsen dargestellt wurden. Den besten Beweis hierfür liefert die Skulptur des bereits erwähnten Wildziegenkopfes auf einer Fibula von Arudi (Basses Pyrenees), bei Piette Taf. VIII, Fig. 2 und 2a, die auf der einen Seite ein frei- und hochstehendes Gehörn, auf der anderen ein niedergebogenes anliegendes zeigt. Schon A. Ecker machte im Archiv für Anthropologie XI (1879), S. 141, darauf aufmerksam, dass die Hörner auf der Thaynger Skulptur nur den knöchernen Hornzapfen am Schädel des Moschusochsen entsprechen würden, keineswegs aber den Hornscheiden, die sich über die Spitze hinaus nach vorn und oben krümmen. Diese Stellung der Hörner ist aber für das Tier so charakteristisch, dass, wie Ecker treffend hinzufügt, ein Zeichner oder Bildschnitzer nach dem Leben dieselbe darzustellen - %) Diese Abhandlung war bereits im November 1900 in Händen des Hrn. Nüesch vor der Bestimmung der Tierreste durch Hrn. Studer. Durch letztere ist die von uns auf Grund archäologischer Erwägungen erfolgte, im Vergleich zum Kesslerloch, spätere Datierung der Schweizersbildniederlassung bestätigt worden. Es konnte nicht ausbleiben, dass Hr. Nüesch sich in der Beschreibung der Skulpturen und Zeichnungen mehrfach unserer Auffassung anschloss. Wir möchten dies hier erwähnen, weil es sonst den Anschein haben würde, wir könnten uns in unserer Abhandlung, die in der Reihenfolge nach derjenigen des Hrn. Nüesch zum Abdruck gelangt, nach dieser gerichtet haben. In einigen Punkten differieren aber unsere Auffassungen doch etwas, was dem aufmerksamen Leser nicht entgehen wird. — 123 nicht unterlassen haben würde. So lange also der Ovibos moschatus nicht unter den Tierresten von Thayngen nachgewiesen werden kann, darf er nur noch als sog. Moschus- ochs in der Literatur fortgeführt werden. In Ansehung des Herdenlebens und der leichten Jagdbarkeit des Tieres hätten sich wohl Knochen desselben in der Kultur- schicht der Höhle vorgefunden, wenn es überhaupt zur Zeit des Thaynger Paläolithikers dort gelebt hätte.') Abgesehen von einer bis zum gewissen Grade eigenartigen Entfaltung des Kunst- schaffens seitens der Thaynger Höhlenbewohner, das sich besonders in einer einfachen fein empfundenen Natürlichkeit der Tierdarstellungen betätigt, findet sich hier so viel Übereinstimmendes mit den Funden der glyptischen Periode aus der Dordogne und den Pyrenäen. dass man berechtigt ist, auch in Ansehung der übrigen gleichartigen Kultur- reste einen ethnologischen Zusammenhang der Paläolithiker beider Gebiete als sehr wahrscheinlich hinzustellen. Einen Fingerzeig in dieser Beziehung gibt uns die Nieder- lassung aus der gleichen Periode bei Veyrier am Mont Saleve?) und L’Abri des Hoteaux°) bei Bossillon (Ain), ebenfalls im Flussgebiete der Rhone zwischen Genf und Lyon gelegen, die, wie man aus den in der unten angegebenen Literatur beschriebenen Gegenständen ersehen kann, ein Bindeglied zwischen den oben angeführten örtlich so weit getrennten Fundstätten darstellen. Die Parallelen erstrecken sich oft auf grosse Einzelheiten in der Zeichnung. So sind die feinen gleichlaufenden Strichlein, durch welche die Behaarung des Tierkörpers angedeutet wird, hier wie dort in ganz ähnlicher Weise dekorativ verwendet. Die Skulptur des sog. Moschusochsen, sowie die Ritzzeichnung der Wildpferde von Thayngen !) Diese fehlen in der Tat, wie die nun beendete Untersuchung der Tierreste durch Studer ergeben hat. 2) F. Troyon, Indicateur d’histoire et d’antiquites suisses, 1855 No. 4. id. L’homme fossile, Lausanne 1867 p. 94. E. Lartet, Annales des sc. nat., zoologie, 1861, XV p. 227 et 231. F. Thioly, L’epoque du renne au pied du Mont Saleve, Revue savoisienne 1868. id. Une nouvelle station de l’äge du renne, ibid. id. L’epoque du renne dans la vallee du Leman, Indicateur d’hist. et d’antig. suisses, 1868 No. 2. id. Documents sur les epoques du renne et de la pierre polie dans les environs de Geneve, avec introd. de €. Voigt, Bull. de l’inst. nat. genevois, 1869, XV. A. Favre, Station de l’homme de l’äge de la pierre, Archives des se. phys. et nat., mai 1868. id. L’homme prehistorique, description geologique de Geneve, Bull. de la classe d’agrieulture et de la soc. des arts de Genöve, II, 1879. Materiaux pour l’histoire primitive ete. de l’homme 1868 (IV) p.33, 91, 93, 94, 152, 154, 324; 1873 (VII) p. 352. L. Rütimeyer, Über die Renntierstation von Veyrier am Saleve, Archiv f. Anthropologie 1873, IL L. Revon, La Haute-Savoie avant les Romains, Revue savoisienne, 1875. Th. Studer, Pleistocäne Knochenreste aus einer paläolith. Station in den Steinbrüchen von Veyrier am Saleve (Ausgrabungen von B. Reber in Genf). Mitt. d. naturf. Ges.. Bern 18%. E. Thury, Saleve prehistorique dans le Saleve, descript. seientifique et pittoresque, publie par la section genevoise du club Alpin suisse, Geneve 1849. ) Tournier et Ch. Guillon. Les hommes prehistoriques dans l’Ain, 1895. = ae zeigen diese eigenartige Ausschmückung, die, wie die in Fig. 6, Taf. XXX, bei Piette wiedergegebene Gravür eines Wildpferdes von Arudy (Basses Pyrendes) ausserordentlich derjenigen des in Fig. 67, Taf. VIII, bei Merk abgebildeten Pferdekopfes aus dem Kesslerloch gleicht. M. Hoernes in seiner Urgeschichte der Kunst behandelt dieses Kapitel der geo- metrischen Dekoration in Verbindung mit naturalistischer Tierdarstellung mit bekannter Meisterschaft. Zu den von ihm angeführten Beispielen sind inzwischen durch die Her- ausgabe des Pietteschen Werkes vortreffliche Belege hinzugekommen, worunter die auf Taf. XI abgebildete Rundfigur eines Equiden besonders beachtenswert ist. Die Be- haarung des Körpers schliesst der natürlichen Anordnung am Tiere folgend nach unten in Guirlanden ab. Sodann ist auf Taf. LXV ein Steinbock ebenfalls in voller Plastik wiedergegeben, dessen Körper in feiner Strichefung ebenfalls in Anlehnung an die natürliche Verteilung der Haargruppen mit zierlichen Bändern geschmückt ist. Eine solche stilisierte Wiedergabe der Behaarung findet sich auch an dem geschnitzten Cervidenkopfe von Thayngen (Merk Taf. V, Fig. 51) in recht ansprechender Weise ausgeführt. Ausser fein gestrichelten Bändern erscheinen hier noch drei Kerbeinschnitte als Ornament. Im Pietteschen Werke ist diese Skulptur auf Taf. VI, Fig. 7, wieder- zegeben, und zwar sind hier ausgesprochene Rhomben gezeichnet, während sie nach Merk mehr eine tupfen- oder blättchenartige Gestalt besitzen. Unter den linearen Verzierungen, die in auffälliger Weise mit den in den aquita- nischen Höhlen aufgefundenen übereinstimmen, sind besonders die in gerader Linie an- gebrachten Relief-Rauten zu nennen, die bereits bei den Thaynger Ausgrabungen aus den siebziger Jahren resultierten (vergl. Merk Taf. IV, Fig. 29) und auch jetzt wiederum durch Hrn. Nüesch in mehreren Exemplaren aufgefunden wurden (Taf. I, Fig. 5 und 6). Wir fügen die Abbildungen einiger Parallelstücke aus Höhlenfunden Frankreichs bei (Taf. I, Fig. 2—4) und verweisen bezüglich weiterer Belege auf Reliquiae AquitanicaeB. Taf. XXIII, Fig. 7, 8, 9, 10 und 11, sowie auf Girod et Mass&@nat Taf. XVII, XX u. LX und auf Piette Taf. IV, Fig. 4. Es ist interessant, zu verfolgen, wie sich dieses ÖOrnament sehr wahrscheinlich aus der Nachbildung des natürlichen Reliefs der Rinde gewisser Holzarten entwickelt hat. Auf dem in Taf. I, Fig. 2 (nach Girod et Massenat Taf. XXVI) abgebildeten Beingeräte ist noch unverkennbar ein Rindenrelief imitiert, während auf den übrigen Stücken dasselbe stilisiert erscheint. Auf den Thaynger Exem- plaren sind aber noch Linien vorhanden, die an die Rindenskulptur erinnern. Auch sonst sind in der Örnamentik der Beingeräte aus dem südwestlichen Frankreich mannigfache Anklänge an Naturobjekte vorhanden, die als Vorlage gedient haben. In einzelnen Fällen sind sogar direkte Übergänge von der Tierzeichnung zur Verzierung zu beobachten. So ist ein Gerät, Reliquiae Aquitanicae B. Taf. IX, Fig. 4, mit der Zeichnung eines ausge- breiteten Tierfells, sowie mit zwei Sternen bezw. Rosetten geschmückt. Am Oberrhein, im Kesslerloch, dagegen sind die Ornamente bereits alle stilisiert und gehören dem geometrischen Stil an. Im übrigen stimmen aber die Geräte aus den Fundstätten beider Gegenden ausser- ordentlich überein. Es ist hier besonders auf die mit zahlreichen Widerhaken ver- sehenen Harpunen hinzuweisen, welche wie nach dem gleichen Modell geschnitzt er- scheinen. Man vergleiche nur die bei Merk Taf: IV, Fig. 35, und Taf. VI, Fig. 94, ab- gebildeten und die von Hrn. Nüesch im Kesslerloch und am Schweizersbild aufgefundenen mit den in den Rel. Aquit. Taf. I, VI, XIV, XXIL, XXVI und XXIX wiedergegebenen. Auch die Furchung der Widerhaken, die, wie man annimmt, dazu diente, um eine giftige bezw. betäubende Substanz aufzunehmen, stimmt zum Teil genau überein, vergl. Merk Taf. VI, Fig. 94, und Piette Taf. LX, während sie z. B. bei den Harpunen der Eskimos fehlt. Schliesslich möchten wir noch auf eine andere Parallele zwischen den Artefakten der Paläolithiker am Oberrhein und in den Flussgebieten der Garonne und des Adour näher eingehen, wobei uns wiederum die Fundstätten im Rhonegebiet als Bindeglied gute Dienste leisten. Es sind dies die bekannten durchlochten Zierstäbe aus Renn- geweih, die auch in Thayngen und am Schweizersbild in ziemlicher Anzahl, an letzterem Orte freilich zumeist recht fragmentarisch, aufgefunden sind. Die Länge der Stäbe variiert zwischen 8 bis zu 42 cm., der Durchmesser der vollkommen runden Löcher von 9 bis zu 32 mm. Man wählte zur Durchbohrung hauptsächlich diejenigen Stellen am Geweih, an welchen sich die Sprossen abzweigen, da hier die Stange jeweils am breitesten ist. Demnach findet sich sowohl der untere Teil der Hauptstange, an welcher bisweilen noch die Rose und ein Stück der zweiten Sprosse zu sehen ist, zu dem eigenartigen Gerät verwendet, als auch der obere Teil bis zu der Stelle, wo die dicke Sprosse abzweigt, und die Stange sich nach vorn wendet. Für kleinere Stäbe sind auch wohl nur einzelne Sprossen und für die mehrfach durchlochten Stäbe das sich oft schaufelartig erweiternde Geweihende verwendet. Zu letzterem Fall bieten der Reliquiae Aquitanicae B. Taf. XV und XVI, Fig. 1, abgebildete Stab aus der Dordogne. der in nicht ganz gleichmässigen Zwischenräumen vier Durchbohrungen in einer Reihe aufweist, und derjenige von Thayngen mit zwei Löchern (Merk Taf. V, Fig. 45) Bei- spiele, während Fig. 63b, Taf. VII, und Fig. 67 und 68, Taf. VIII bei Merk, sowie der jetzt im Schweizer. Landesmuseum in Zürich befindliche Stab vom Schweizersbild eine übliche Form der nur mit einem Loch versehenen Stäbe darstellen. Da diese Gegenstände in den meisten Niederlassungen aus der Epoque magdale- nienne, zuweilen unverziert und nur 8 cm. lang, oft in grösserer Anzahl beisammen vorkommen !), so liegt es auf der Hand, dass sie nicht Häuptlingszeichen, sogen. Kom- mandostäbe, gewesen sein können. Ebenso wenig können sie einem Zwecke gedient haben, der, wie Halfter für Renn oder Pferd, eine Haltbarkeit erfordert, die durch die Durchlochung des Gegenstandes ausserordentlich beeinträchtigt gewesen wäre. Zudem 1) Nach G. und A. de Mortillet, Le prehistorique (Paris 1900), wurden sie gefunden im Gebiete folgender Flüsse: Charente: Le Placard und Montgaudier; Dordogne: La Madeleine, Laugerie-Basse, Souey und Raymonden; Garonne: Mareamps, Conduche, Cambous, Bruniquel und Gourdan; Rhöne: Hoteaux (Ain) und am Saleve; Oberrhein: Schussenried, Thayngen, Schweizersbild; Maas: Goyet. — 16 — finden sich bei den mit einem Loche versehenen Stäben am anderen Ende niemals Einschnitte vor, die zum Anknüpfen einer Zaumschnur gedient haben könnten. Schliesslich ist ja die von einigen Autoren angenommene Halbdomestikation der oben genannten Tiere zur paläolithischen Zeit ein sehr bestrittener Punkt. Die Parallele mit den Pfeilstreckern der Eskimos ist ebenfalls nicht stichhaltig, insofern diese Geräte ein einem vierstrahligen Sterne ähnliches Loch aufweisen, das für den besagten Zweck wohl geeignet sein mag. Ein vollkommen rundes Loch dagegen, wie es unsere Stäbe zeigen, würde nur dann die genannte Verwendung finden können, wenn jeder Pfeil genau den Durchmesser des Loches hätte, sodass man ihn hindurchzwingen müsste. Der Umstand, dass auf die reiche skulpturale Ausschmückung der durchlochten Stäbe aus Renngeweih eine ausserordentliche Sorgfalt verwendet wurde, sodass schliess- lich die Kunstbetätigung des Paläolithikers sich ganz vorzugsweise diesem Gegenstande zuwendete, sowie ferner der Umstand, dass hauptsächlich Jagdtiere darauf zur Darstel- lung gebracht sind, die, wie es scheint, jeweils das Lieblingswild des betreffenden Jägers bildeten '), lässt vermuten. dass es sich hier um einen persönlichen Schmuck handelt. Dieser Anforderung, sowie zugleich einem hervorragend praktischen Zwecke entsprechen die durchlochten Stäbe, wenn wir sie als Fibulae deuten. Wir wollen nun versuchen, unsere Auffassung zu begründen, die wir bereits dem diesjährigen internationalen Kongress für Anthropologie in Paris vorgelegt haben, und der sich u.a. auch Ed. Piette, wie er uns mitzuteilen die Güte hatte. in einem Zusatze zu seinem Werke L’art pendant l’äge du renne angeschlossen hat. Auf der beifolgenden Tafel II, welche wir Herrn Guido Schmitt in Heidelberg ver- danken, sind eskimoide Typen mit der Fibula palaeolithica verticalis und hori- zontalis geschmückt dargestellt. Die nur mit einem Loche versehenen Stäbe trug man aufrecht, die mit mehreren Durchbohrungen konnten auch wagrecht getragen werden. Beide dienten zum Zusammenhalten des über die Schultern geworfenen Felles*) vorn auf der Brust. Zu diesem Zwecke zog man durch den rings um den Hals liegen- den Teil desselben eine Schnur und befestigte an jedem Ende ein Querhölzchen °), ') Auf einer Fibula von Veyrier ist sogar eine Schnur mit Tierzähnen, worunter deutlich Eckzähne des Hirschen zu erkennen sind, dargestellt, also eine Jagdtrophäe, wie sie noch heutigen Tages bei Jägern in Ansehen steht. Diese Ritzzeichnung wurde bisher irrtümlich als Pflanzenzweig gedeutet. ?) Die Menschen der glyptischen Periode nähten sich offenbar auch Gewänder aus Tierfellen, wie die zahlreichen aufgefundenen zierlichen Knochennadeln dartun, doch diente ihnen jedenfalls, wie heutigen Tags noch zahlreichen Naturvölkern, ein übergeworfenes Fell als Schutzmantel. ‘ ®) Anstatt dieser scheint man auch Stäbchen aus Bein für den Zweck geschnitzt zu haben, die in der Mitte eine Einbuchtung zeigen. Wir verweisen auf das an den Enden abgerundete und verzierte Elfenbeinstäbehen von Gourdan (Haute-Garonne) bei Piette Taf. VII, Fig. 4, und auf ein anderes aus Knochen, das einem Doppelbecher in der Form gleicht, von Laugerie-Basse (Dordogne) bei G. und A. de Mortillet, Le prehistorique (Paris 1900), Fig. 68. Diese Stäbchen konnten selbstverständlich auch als ein- fache Knöpfe verwendet werden. Sie beweisen, dass ein solcher Verschluss, wie wir ihn bei den Fibeln annehmen, in der glyptischen Periode in Gebrauch war. die, durch den durchlochten Stab gesteckt, die Stelle von Knöpfen vertreten. Durch das untere Ende des Stabes konnte der mit dem Fell Bekleidete dieses auch in der Magengegend zusammenhalten, wenn er das Stabende, das bei der Fibula vom Schwei- zersbild absichtlich abgeschrägt ist!), in einen an dem hier übereinandergreifenden Fell angebrachten Schlitz steckte. Die horizontale Fibula, die übrigens, wie bereits er- wähnt, auch wie die vertikale angewendet werden konnte, gestattete, das Fell vorn auf der Brust offen zu tragen. Die einzelnen Löcher dienten hier dem gleichen Zwecke wie die Glieder einer an den Zipfel eines Mantelkragens befestigten Kette, in die ein an dem anderen Zipfel haftender Haken eingreift. Selbstverständlich würde eine ein- fache Schlinge oder ein Ring denselben Zweck wie der durchlochte Stab erfüllt haben, wie denn auch später Ringe aus Stein und Ton?) hierzu verwendet wurden; aber ab- gesehen davon, dass die Herstellung eines grösseren Ringes aus den harten Röhren- knochen des Wildes für den Paläolithiker keine leichte Aufgabe war und ein Ring aus Geweih nicht haltbar genug ist, liebte es der Mensch der Renntierzeit, der ein passio- nierter Skulpteur und Jäger war, seine Kunst zu zeigen. Dazu bot sich ihm durch einen solchen Schmuck, der allen sichtbar vorn auf der Brust getragen wurde, die beste Gelegenheit. Die Fibeln überliefern uns denn auch aus der glyptischen Periode eine grosse Anzahl der besten Erzeugnisse der Reliefskulptur und gravierten Umriss- zeichnung. Unter den Kunstwerken der letzteren Art nimmt bekanntlich die Fibel von Thayngen, auf welcher das weidende Renntier dargestellt ist (A. Heim, Mitt. d. antiquar. Ges. Bd. XVII, Heft 5, Zürich 1874, und Merk Taf. VIII, Fig. 68), einen hervorragen- den Platz ein. Auf einer anderen Fibula des gleichen Fundortes (Merk Taf. VII, Fig. 63a) ist ausserdem ein Diluvialpferd ausserordentlich lebenswahr dargestellt; ebenso auf der Taf. VIII, Fig. 67, bei Merk abgebildeten Fibula. Auf Taf. III, Fig. 17, bei Merk ist ein Stab gezeichnet, der sich durch die zur Hälfte noch erhaltene Bohrung als Fibula kenn- zeichnet. Dieser trägt nur eine Linearverzierung, die sich ganz ähnlich auf einer Fibula von Veyrier vorfindet. Von Horizontalfibeln sind bei Merk zwei auf Taf. V ab- gebildet: Fig. 45 hat zwei Durchbohrungen und zeigt in der Mitte die stilisierte Ritz- ) Die meisten Fibeln sind an diesem Ende nicht erhalten, weil die schräg abgeschnittene Fläche den Eintritt der Feuchtigkeit in das spongiöse Innere begünstigte. ?2) Wir führen zum Beweise dessen folgende Stelle aus „Perrot et Chipiez, La Grece primitive“ (Paris 1894) p. 905 an: „Les fusaioles decorees — un tres grand nombre offrant des dessins de toute espece — ont du servir de bijoux. (est une hypothese que l’on ne saurait verifier pour Troie, puisque les tombes n’y ont pas &t& retrouvees; mais pour l’Italie on a plusieurs observations qui concordent; la place oü les fusaioles ont &t& reeueillies sur le cadavre, dans la sepulture, indique qu’elles servaient ä parer le mort.“ Wir sind nun ebenfalls der Meinung, dass ein gewisser Teil der z.B. in den Pfahl- bauten gefundenen verzierten Tonringe nicht als Spinnwirtel oder Netzbeschwerer, deren es ja sicher auch darunter gibt, sondern als Fibeln gedient hat. Diese Ringe aus Ton oder Stein erfüllten dem Neolithiker denselben Zweck wie die durchlochten Stäbe dem Paläolithiker. Über die Schultern geworfene Felle wurden auch dann noch getragen, als man schon Gewänder aus gewebtem Stoffe fertigte. = Be zeichnung eines springenden Hirsches, Fig. 42 dagegen wieder eine geometrische Ver- zierung in Form eines schräg liegenden Kreuzes. Beide Fibeln sind an der Durch- bohrung abgebrochen. Während Fig. 45 nur zwei Durchbohrungen gehabt zu haben scheint (sie ist aus dem obersten schaufelartigen Ende eines Renngeweihes gefertigt), wird Fig. 42 wahrscheinlich mehr Löcher gezeigt haben, soweit wir dies aus dem Ver- gleich mit den Horizontalfibeln der Dordogne vermuten können. Die Fibula wäre näm- lich sonst unverhältnismässig kurz und hätte den oben angedeuteten Zweck, vermittelst derselben das Fell vorn auf der Brust auch offen tragen zu können, kaum erfüllt. Von Interesse ist auch ein von Hrn. Nüesch im Kesslerloch aufgefundenes Frag- ment einer vertikalen Fibula, die den Anfang der Durchbohrung aufweist, Taf. XIV, Fig. 1 und 1a. Wie man nämlich an verschiedenen Exemplaren aus Frankreich fest- gestellt hat (vergl. ein solches von Mas d’Azil [Ariege], Piette Taf. LV, Fig. 2), durch- bohrte man diese in der Weise, dass man von beiden Seiten die betreffende Stelle aus- höhlte. Erst wenn diese durchbrochen war, schnitt man säuberlich das Loch voll- kommen rund zu. Aus der paläolithischen Schicht vom Schweizersbild liegt sodann die bekannte Vertikalfibula vor, welche, mit der Gravierung zweier Wildpferde geschmückt, ein her- vorragendes Schaustück des Schweiz. Landesmuseums in Zürich bildet. Aus dem gleichen Fundorte stammen auch noch zahlreiche unbedeutende Bruchstücke von Fibeln, die sich nur durch die zum Teil noch sichtbare Durchbohrung als solche kenntlich machen. Vergl. J. Nüesch, Das Schweizersbild (Zürich 1896), S. 318, Taf. VII, Fig. 1, und Taf. X, Fig. 5, 12—14, 16—18 und 20—25. So zeigen uns denn die in den paläolithischen Niederlassungen am Oberrhein ge- machten Funde Ausstrahlungen einer Kunsttätigkeit, die sich in dem milderen Klima Aquitaniens zu bedeutender Höhe erhob, als noch im nördlichen und östlichen Europa der Mensch den Kampf mit den gewaltigen Klimaschwankungen im Gefolge der Eiszeit zu bestehen hatte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass noch mehr Zwischenstationen, als die wenigen bekannt gewordenen, zwischen dem atlantischen Ozean und dem Bodensee bestanden haben. Möchten doch alle zu diesen Gegenden in näherer Beziehung stehenden Forscher das Auge gleich offen dafür halten wie der Entdecker der Fundstätte am Schweizersbild! Tafel 1. 2. Hälfte. Naturf. Gesellschaft, Bd. NAXIX, Neue Denkschriften der Schweiz. ” & ARSAT er Ag EN S PIERIN NEIN Ir Pe Te! RIO I INNERER EEE N LEN. SE 7, FREE Sn R Nat. Gr. Aus Renngeweih geschnitzte Gegenstände. Fig. 2 und 4. Laugerie-Basse (Dordogne): Fig. 3. Gourdan (Haute-Garonne); Fig. 5 und 6. Thayngen. 17 Vaturf. Sch Denkschriften de» te Neu sack. ens aeolithica nach Dr. Schöt al Fibula p Fig. 1-4 verticalis, Fig. 5"horizontalis. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft | für die gefammten Haturwillenfhaften. —o0o0 — NOUTEAUX MEMOIRES DE LA SOCHETE MELVETIQUE DES SCIENCES NATURELLEN. Band XXXIX, Abt. 1. Vol. XXXIX, 1° livraison. Auf Kosten der Gesellschaft und mit Subvention des Bundes gedruckt von Zürcher & Furrer in Zürich. Commissions-Verlag von Georg & Cie. in Basel, Geneve & Lyon.