j

Neue

JAHRBOGHER

für

Philologie und Paedagogik.

Begründcl

von

i\1. Johann Christian Jahn.

Gegenwärtig herausgegeben

villi

Rcinhold Klotz Rudolph Dielsch

Professor in Ijcipzig Professoi' in (irimiiKi

^ * und

Alfred Fleckeisen

Professor in Franlvfiirt am Main.

FUi\FU?iDZWAXZI€ii.STi:R JAHRGWO.

Zwcilindsiebenziffster Band.

Leipzig 1855.

Dnick iiiid Wrluf; von 13. G. Tcub

Neue

JAHRBÜGHER

für

Philologie und Paedagogik.

Z^Ycitc Abthciluiig.

Herausgegeben

Rudolph Dietsch.

URETER JAHROAWG 1§55

oder

(1er Jahnschen Jahrbücher für Philologie und Paedagogik zvveiundsiebeiizigster Band.

Leipzig

Druck und Verlasr von B. G. Teubner,

Zweite Abtheilung

hcftiiisgcgcbcn von Rudolph Rietscb.

1.

Die Grundlagen der Gymnasialbildung. Rede am Geburts- tage des Königs, 12. Deebr. 1854, in der Landesschule zu Grimma gehalten von Rudolph D i e t s c h *),

Soll der heutige Tag dazu dienen, dasz wir uns durch Rück- blicke in die Vergangenheit der Segnungen, welche uns Gott durch unseren holicn Ilerscherstanini erwiesen, und der für uns daraus her- vorgehenden Pflichten lebendiger bewust werden, welches Verdienst unserer Fürsten liegt da wohl unserer Betrachtung näher, als dasje- nige, welches sie sich durch Errichtung, Erhaltung und Ausbildung der Gelehrlenschulen erworben haben? Wir stehen ja hier in einer der Anstallen, deren Gründung in den Annalen der Geschichte als Epoche machend verzeichnet steht, weil durch sie nicht allein Sachsen zu einer Höhe und Tüchtigkeit geistiger Bildung, wie kein anderes Land, emporstieg, sondern weil sie auch das Muster waren, nach dem sich gestaltend, alle evangelische Schulen einen noch immer bestehenden und von ihnen selbst anerkannten Vorzug vor denen anderer Confes- sionen erlangten. Da auch ihr Wesen umzugestalten der Geist der Zeit mit gewaltigem Andrang versucht hat und auch ferner nicht ab- stehen wird an ihm zu rütteln, so gilt es vor allem, über das, was sie nachdem Willen der Stifter sein sollten, ein klares Bewustsein zu gewinnen. Je tiefer und inniger wir von der Wahrheit der jene leitenden Gedanken überzeugt werden, um so freudiger wird unsere Wirksamkeit sein und um so vollständiger werden wir die Pflichten erfüllen, welche wir an unserer Stelle dem Könige und dem Vater- lande zu leisten haben. Schenken Sie deshalb, hochgeehrteste Anwe- sende, mir Ihre gütige Aufmerksamkeit, wenn ich zu zeigen versuche, dasz die Grundlagen, aufweiche der grosze Kurfürst Moriz die Gym-

*) Der Vf. lässt diese Rede hier nur desliall> abdrucken, weil sie das von ihm in der Gymnasialpaedagogik zu vertretende Princip ent- hält und demnach gewisserniaszen da.s Programm seiner Wirk.samkeit bildet.

r/. Jahrb. f. Phil. II. Paed. Hil. I^XXII. Hft. I. l

2 Rede von R. Dietscli.

nasiulbildung gebaut wissen wollte , mit Recht bis auf den heutigen Tag festgehalten worden sind und dasz sie auch ferner bleiben müssen, soll nicht dem Lande ein groszer Segen entzogen werden.

Ist es für jedes "NVirken der gröszte Gewinn, wenn ihm ein eini- ges, klar und fest bestimmtes Ziel gegeben ist, so erkennen wir zu- erst die Weisheit des erhabenen Stifters unserer Schule und aller, welche seinem Vorgange folgten, darin, dasz sie den Anstalten nur den Zweck vorschrieben, für die Universität vorzubereiten: den Jüng- ling zu einer solchen Kraft des Geistes und zu einer solchen Festig- keit des Herzens zu entwickeln, dasz er im Stande sei mit eigener Hand die goldenen Früchte vom Baume der Wissenschaft zu pllücken. In der Thal nur eine Zeit, welche das Gefühl für die Ilerlichkeit des Dienens aus freier Liebe verloren hat, konnte Stimmen laut werden lassen, welche die Gymnasien als durch eine solche Zweckbestimmung zu Mägden einer andi-rn Anstalt herabgewürdigt höhnten. Denn kann es wohl ein würdigeres Ziel geben als die Entwicklung des gesamm- len iMenschen für die edelste geistige Thätigkeil? Und ist die Lösung dieser Aufgabe auch nicht, wie das Facit eines Rechenexempels, zu formulieren, so ist doch gewis nicht unklar, was sie fordert und was sie ausschlieszt. Indem sie von einer höhern Anstalt fest abgrenzt und ein von ihnen allein vollständig zu erreichendes Ziel aufstellt, gewährt sie den Gymnasien die gröszte innere Selbständigkeit und Freiheit der Bewegung und Gestallung. Zwar ist es den Gründern unserer evangelischen Gymnasien gewis nicht in den Sinn gekommen, alle, welche nicht ausschlieszlich den Wissenschaften sich widmen wollten, von denselben auszusciilieszcn, aber von allen, welche in sie einträten, forderten sie dasselbe und boten allen dasselbe. Frei- lich war damals noch nicht eine so grosze Zerspaltung im Leben vor- handen als jetzt. Man kannte keine andere Bildung, keine andere Zu- rüstung des Geistes für die höheren Kreise des Lebens, als die, wel- che in den Gehrtenschulen gegeben wurde. Jetzt sind eine Menge neuer Bildungselemenle erschlossen worden, jetzt fordert man eine höhere Bildung von Ständen, von denen man sie damals nicht ver- langte, jetzt ist für die meisten Bcrufsarlen des gewöhnlichen Lebens eine weit ausgedehnlere und tiefere Vorbereitung noihwendig, als früher. Ilaben denn nun aber desiialb die Stimmen Recht, welche ent- weder eine Erweiterung des Zweckes der Gelehrtenschulen fordern, damit sie auch solchen, welche nicht studieren wollen, Bildungs- stätten werden kDunen , oder zwar die Zwecke getrennt wissen, aber dennoch zwei Anstalten vereinigt auf gleichem (irundc ruhend und erst dann je länger, je weiter auseinander gehend wollen? .Mag man dies thun, wo es die Nolhwcndigkeit erfordert, aber will man die Forde- rung zu einer aligemeinen maciien, so verberge nian sich nicht die dabei zu fürchtenden Gefahren. Wer vielen dienen will, dient ja leicht keinem recht und ist es einerseits offenbar, dasz je früher eine Rich- tung eingeschlagen und je bestimmter und fester sie verfolgt wird, man desto leichler und sicliercr zum Ziele kommt, so wird anderseits

Hede von R. Dietsch. 3

durch die Erfahrung der grosze Schaden besläligl, welclier daraus erwächst, •Nvenn man die Jugend zeitig in Schwanken oder doch in Reflexion über ihren Bildungsweg versetzt. Kann aber dieses ganz verhütet werden, wenn man verschiedene Zwecke Verfolgende als gleich neben einander stellt? \^'äre jedoch auch dies nicht, verrin- gert man nicht mindestens den Segen, der aus dem Bewusfsein eines Ziels und eines Slrebens für Lehrer und Schüler hervorgeht? Ist nach der BeschalTenheit der menschlichen Natur Zwiespalt kaum zu ver- meiden, wenn Leute verschiedenen Berufes in einem Räume sich ver- einigt sehen, musz man nicht, wenn auch vielleicht nicht Zwietracht, so doch Unbehagen fürchten, wenn verschiedenes Erstrebende als Glieder einer und derselben Anstalt dastehen sollen? Wir empfinden es demnach mit lebhafter Dankbarkeit, dasz durch die Weisheit un- serer Fürsten und ihrer erleuchteten Rathgeber in Sachsen noch Gym- nasien bestehen, welche dem Zwecke, zu dem sie gegründet wurden, nicht nur nicht entzogen sind, sondern ein Ziel mit allen Kräften in einträchtigstem Streben verfolgen können, nicht mehreren getheilt und unbefriedigt nachzujagen sich gezwungen sehen. Und erkennen wir dies an, wie sollten wir nicht an die Erreichung jenes freudig alles setzen, wie sollten wir nicht zu jener Bescheidenheit und Be- geisterung verschmelzenden Seelenstimmung gelangen, dasz wir nicht mehr, aber auch nicht weniger wollen?

IN'och weit heller leuchtend tritt uns die Weisheit der erhabenen Stifter unserer Gelehrtenschulen entgegen, wenn wir den Weg be- trachten , den sie denselben zur Erreichung ihres Zweckes vorzeich- neten. Wer die Stiftungsurkunden aufmerksam durchgelesen hat, wird damit übereinstimmen, dasz man ihre Grundgedanken nicht kürzer und treffender zusammenfassen kann, als in den Worten, welche der ehrwHirdige Meister Sturm vor länger als 300 Jahren über die Ein- gangspforte seiner Schule schrieb: 'Sapiens atque eloquens piefas.' Pietas ist das Hauptwort. Die Frömmigkeit sollte das erste und letzte, sollte der Grundzug der Bildung sein, welche der Jüngling aus diesen Anstalten mitnähme, sollte sein ganzes Fühlen, Denken und Thun durchdringen. Frömmigkeit aber war jenen Vätern der Reformation nicht ein dunkles religiöses Gefühl, ein bloszes Sichhingezogen empfinden zum Götllichen oder eine gewisse Scheu vor Unrechtthun und gutmüthige Nächstenliebe, sondern das feste und lebendige Ste- hen in Gottes Wort. Sie kannten keine Tugend auszer die um Gottes willen geübt würde, keine Liebe, die nicht aus dem Glauben stammte, keine Hoffnung, auszer die sich auf Gottes Gnade verliesze. Nach ihrem Willen sollte daher die Jugend -in Gottes Wort fleiszig gelehrt und unterwiesen, zum Gebete um den heiligen Geist angehalten, in christlicher Zucht geübt werden. Wer da meinen sollte, dasz eine wahre höhere Bildung des Geistes ohne Christenthum möglich sei, den dürfen wir, wenn ihn des alten Griechenlands und Roms Un- tergang nicht überzeugen sollte, nur auf die englischen Schulen in Ostindien verweisen, in welchen die Hiudujugend alles, nur nicht

1*

4 Hede von |{. Dielscli.

den Clirislenglauben lernt. Die in ihnen gebildeten Jünglinge sind lüsjnerisclier, anssclnveifender, boshafter, als alle ihre Brüder und liaben nur mehr 3Iill('l zur Befriedigung und Beschönigung ihrer Tiieke gewonnen. Goll sei her/,lic!isl gedankt, dasz die Ueberzengung, ^\ ie der Mensch ohne Glauben, und hatte er die höchsten Stufen mensch- lichen Könnens und menscliliehen \\'isseus erkiiuiuit, für sich selbst der elendigsic sei und für die 31it- und Nachwelt niemals ein Segen werden könne, in unseren Tagen sich wieder allgemeiner, lauter und entschiedener ausspricht! Golt sei herzlichst gedankt, dasz die Er- kenntnis, wie man der Jugend durch nichts anderes die Kraft zur Ueberwindung der Welt und zum treuen Dienste am Nächsten geben könne, als indem man sie zu Christi Kreuze hinführt, wieder mächti- gem Einllusz gewonnen hati Wir brauchen nicht diejenigen anzu- führen, welche Vernichtung des Chrislcnlluims und zwar zunächst in den Schulen olfcn als ihren Zweck aussprachen. Sie haben am wenig- sten, aiiszer sich selbst gcscliadct. Aber bezeuget nicht eben jenes lautere Dringen auf die Chrisllichkeil der Schulen, bezeugt nicht der Umstand, dasz man besondere christliche Gymnasien errichten zu müssen geglaubt hat, bezeugen nicht die an den Zöglingen wahrge- nommenen Früchte, dasz es geheimere Feinde gibt, denen es gelun- gen, das, was die Stifter unserer Schulen als das erste und wichtigste betrachteten, unmerklicher zu verkürzen und zu verdrangen? ^^ ie sollten wir also nicht die überschwengliche Gnade Gottes preisen, dasz unsere Fürsten unseren Schulen, obgleich auch in sie der (icist des Widerparts unter verschiedenen Gestalten sich einzudrängen versuchte, den christlichen Charakter nicht rauben lieszen? Und wer da weisz, >vas es heiszt in der Gemeinschaft einer Kirche stehen, wer des Vor- zugs, welche unsere Kirche durch die Heinheit der Lehre und des Sacramenls besitzt, sich recht bewust ist, und wahrnimmt, welciie liefe Wunden in manchen Ländern die Zerreiszung des kirchlichen Bandes geschlagen hat, der niusz in dankbarster Freude seine Kniee beugen, dasz unsere Schulen nicht blos christlich, sondern evange- lisch-lutherisch sind, Als solche hat Kurfürst Moriz die Landesschu- len und unter seinem Schulz, Ualh und Beistaml die Väter ihre Stadt- schulen gegründet, solche sind sie unter der Obhut unserer erhabenen Hegenten geblieben, ja evangelisch lutherische sollen sie mit Gottes Hilfe bleibeji. Uasz dies also werde, dazn ist wol das wichtigste ein Kirchlicher, das V»'ort Gottes rein und lauter verkündender und in die Herzen hinein predigender Beligionsunlerrichl , das tägliche Gebet und da^i Führen der Jugend ins Gotteshaus und zu dem Tische des Herrn, aber wird dies allein ausreichen, wenn nicht derselbe Geist das (ian/.c durchdringt? Man sagt freilich, es gibt keine christlieho Mathemulik, keine ciirisiliche Grammatik usw., und man miisz aner- kennen, dasz gewisse Wissenschaften nicht in unmittelbarer Bezic- hnng zum Christenthum stehen. Aber der Herr selbst sagt: wer nicht mit sammelt, der zerstreut, und es gibt, es g'ibt eine unchristliche Art jede >>'issenschaft zu lehren und zu treiben, ^^■o das Herz mit

Hede voll H. Diclscli. 5

iler slülzcii üefiicdii^uiig durch Erkeniilnis irdisclier Walirlioit erfiillt und diircli Viclwisseii gehlülit, wo der Geist un oljerilachlklics Auf- fassen, an >villkiirlio!ies Zureclillegen, Deuten und Zusiinuneiireinicn, an vorsclnielles und leiclilsinniges Urilieilcn, an Zersireunng- und Flatterhufiiifkeit gcwölna wird, da gescliielit dem Evanjrelinm Ab- brncli. Denn dieses fordert demiilliii,^e Aufgabe der cii^nen Weisheit, williges und ernstes Vertiefen, völlige Aneignung ohne eigne Zuthat, ohne Weglassnug und eigne Begründung, auszer auf dem Grunde, der in ihm selbst gelegt ist. Es könnte nur schaden, wollte man überall das Wort Gottes mit Gewalt herbeiziehn, durcii Vergleichung mit allem seine Erhabenheit beweisen, alles auf dasselbe zurückführen und an demselben messen. Ein solches Stürmen utid Drängen würde ebenso sehr für das Christenthum die Gcmülher abstumpfen, wie die Lust und Kraft zu allem anderen nützlichen schwachen, ebenso der Würde des Evangeliums Eintrag thun, v.ie zu lieblosem Urtheilen über alles irdische und weltliche führen. Je objecliver und concreter jede Wahrheit dem wSchüler entgegentritt, je fester er zu der völligen Aneignung derselben geleitet, in je gründlicherem, ernsterem Denken er geübt wird, um so mehr wird dem Glauben gedient, der eiiuiial im Herzen lebendig, alles mit seinem Lichte durchdringt. Und wie denn überall das Beispiel am wirksamsten ist, welches Fach auch der Lehrer vertrete, so musz er seinen Schülern gegenüberstehen, dasz sie ihn sich ohne festen Bibelglauben, anders als sein Reden, Denken und Thun aus dieser Quelle schöpfend gar nicht denken können. Kann es etwas herlicheres und erhabeneres geben , als eine Lehrergemein- schaft, die einig ist durch das Band der Liebe zu Christo alles zu Gottes Ehre zu thun und von ihm allen Segen zu erwarten, die sich in inniger V^erbindung weisz mit dem groszen Ganzen der Kirche und wie sie dieser eifrig dient, so von ihr Licht, Kraft, Trost und Er- quickung empfangt? Welche Kraft wird der Unterricht einer solchen auf die ihr anvertraute Jugend üben, und wie wird in ihrer Zucht sich der Ernst des Gesetzes mit der geduldigen, sanftmüthigen Liebe zu einem Ganzen verbinden? Eine solche Lehrergemeinschaft sollen wir sein. Dies wollte Kurfürst 3Ioriz , dies will auch sein erhabener iNachkomme, unser jetziger König. Denn er Aveisz ja, dasz wer sei- ner Kirche untreu wird, auch zum Verrathe an der welllichen Obrig- keit fähig ist und dasz ihm am besten geholfen ist mit Dienern, die fest im Glauben, unbewegt von jedem Winde der Meiüung, um Gottes willen unterlhan sind. Dazu aber kann uns die Kraft nicht aus uns, niclit von Menschen kommen, sondern von dem heiligen Geiste Gottes allein und das herzliche Seufzen und Bingen um sein Kommen ist des- liulb die erste Bedingung einer gesegneten Wirksamkeit.

Das, >vas böswillige von den Schulen, die sich christliche nen- nen, (lenken und reden, es werde in ihnen nur gepredigt und gebetet, aber nicht gearbeitet, es werde die Jugend für den Himmel erzogen, aber ungeschickt für die Welt gelassen, es walte in ihnen ein trüber freudeloser, nicht ein lebensfrischcr fröhlicher Geist, das lag wenig-

6 Rede von li. Üietsch.

stens von der Absicht der Stifter unserer Schulen ganz fern. Der Grundsatz Melanclillions : "^in der Welt, nicht von der Welt' erfüllte ihr ganzes Tliun. üasz sie stets zum Himmel schauten, schwächte ihren Blick nicht für die Erde und stets an Gott denkend, versäumten sie >vissentlich keine irdische Pllicht und verschmähten keine irdische Freude, die sie mit gutem Gewissen und Danksagung genieszen konn- ten. Und so wollten sie denn auch, dasz die Jugend der Schulen iiiclit allein in Gottes Wort fest, sondern auch zu nützlichen Avelt- lichen Wissenschaften geschickt gemacht würden; sie setzten zum ora das labora, und gesellten der pielas die sapienlia und die elo- quentia bei. Es versteht sich von selbst, dasz damit nicht jene voll- kommene Weisiieit gemeint sei, welche nur die Frucht der umfas- sendsten Forschung, des längsten tiefsten Denkens und der vielsei- tigsten Erfahrung sein kann; ebenso, dasz die von ihnen im Sinne gehabte Beredtsamkeil nicht jene vollkommene Meisterschaft über das Wort sein kann, welche die gröszte Fülle und Tiefe der Gedanken und Anschauungen voraussetzt, noch weniger jene Dreistigkeit, wel- che oiine Zögern über alles einen Wortschwall auszugieszen versteht; es ist darunter nur die zum völligen Eigenlhume gewordene richtige Methode klaren Denkens und die Befähigung dem erfassten und ge- dachten angemessenen Ausdruck zu verleihen verslanden. Sehen wir nun auf die Lehrpläne jener Zeit, so finden wir in denselben auszer und neben der Keligion fast nur solches, was Fertigkeit verleiht, dem AN'issen ist nur ein sehr beschränkter Raum angewiesen; wir sehen die ganze Kraft des Schülers fast nur von einem einzigen Gegenstande hingenommen; von der Vielheit und Buntheit der Lehrfächer, wie sie jetzt in so vielen Schulen zur Schau getragen wird, zeigt sich keine Spur. A>'ir können dabei zwar keineswegs in Abrede stellen, dasz seit der Hcformation die ^^'issenschaft und der Verkehr viele Gebiete erschlossen und erobert haben, in denen gänzlich unbekannt zu sein dem gebildeten Jüngling zum Kachtheile und zur Schande gereichen würde, ebenso, dasz jeder einzelne wissenschaftliche Beruf jetzt Kenntnisse verlangt, von denen die damalige Zeit keine Ahnung halte, aber da Jahrhunderte lang die sächsischen Gelehrlenschulen allgemein als diejenigen erkannt worden sind, welche die tüchtigste Jugendbil- dung verliehen, da derjenige sich olTenbar versündigt, welcher das, was die Väter für das heilsamste erkannt, leichtsinnig wegwirft, wenn es nicht durch olfene und deutliche Gründe als falsch erwiesen oder durch besseres ersetzt ist, so haben wir die Verpllichtung, dar- nach zu fragen, ob denn unsere Vorfahren Keciit gehabt, wenn sie auf das ^Vissen einen geringern \> erlli gelegt, als auf das Können, wenn sie einer einseitigen Beschränkung vor einer weiten Vielseitigkeit den Vorzug gaben. Es ist ein höchst schädlicher, aber leider weit verbreiteter >N'ahn, dasz die Jugend vieles leicht und spielend erlerne, erklärlich daraus, dasz man die Anstrengung nach der Zeil, welche zu ihrer Vollbringung geluhl, und nach den sichtlich wahrnehmbaren Spuren derselben miszt. Man belrachlet in Folge davon wol die Seele

Rede von R. Dielsch. 7

wie ein dehnbares Gefafz , in »elches man beliebig hineinfüllen könne, das wenn es noch so viel lasse, nicht an Haltbarkeit verliere. Man kann nnd niusz der Jugend etwas zuniuthen , es ist Ihöriclile AlTen- liebe, wenn man von jedem Lernen, was sie nicht spielend vollbringt, eine Gefahr fürchtet. Aber man darf nicht vergessen, dasz die Seele nichls ohne Anstrengung in sich aufnimmt und festhält, und dasz ge- rade je mehr man sie dazu zwingt, je mehr man namentlich nicht oder nicht vollständig verstandenes und begriffenes, oder nicht durch fortwährende Verwendung befestigtes ihr aufbürdet, man um so mehr ihre Kraft für ihren edelsten Beruf, das Denken, mindert, und die Er- fahrung kann jeden überzeugen, dasz die Gewöhnung an ein Vielerlei und raschen AVechsel der Beschäftigung ihr leicht die Möglichkeit raubt, bei irgend etwas mit ausdauernder Anstrengung zu verweilen. Jenem Wahne aber scheinen diejenigen verfallen , welche begehren, dasz die Jugend möglichst bald und möglichst viel wisse. Nicht Iheil- ten ihn die ehrwürdigen Stifter unserer Schulen , welche wollten, dasz erst die Seelen gekräftigt würden, ehe man ihnen die Auffas- sung der groszen Menge wissenswerther Gegenstände zumuthe. Man verläszt sich freilich wol auf ' gute Unterrichtsmethode' und in der That zauberhaft kann deren Wirkung sein , aber hinter dem glän- zenden Schein verbirgt sich oft der Wurm des Todes und die Natur der Seele vermag kein Mensch zu ändern. Ein unbestreitbar richtiger Satz ist ferner, dasz die Jugend lernen müsse, was sie dereinst im Leben brauche, aber man gibt ihm die verkehrteste Anwendung, wenn man aus ihm die Folgerung ableitet, dasz jedes, was in einem prak- tischen Berufe zu wissen einmal wünschenswerth erscheinen könne, in der Schule zu berücksichtigen sei. Man würde dabei endlich dahin kommen, dasz die Jugend alles lernen müsse, eine Aufgabe, die zu lösen menschlicher Kraft unmöglich ist. Will man die Forderung auch auf gewisse ßerufsarten und auf ihre häufiger vorkommenden oder allgemeinen praktischen Bedürfnisse beschränken , so wird man immer entweder alle zu lernen zwingen, was nur einigen dient, oder die Anstalten in viele Fachschulen zerfallen müssen. Unseren Vor- eltern war es gewis nicht verborgen , dasz die akademische Laufbahn nicht unwesentlich erleichtert werde, wenn der Studierende gewisse specielle Vorkenntnisse für seinen Beruf mitbringe, aber sie erkann- ten aufs deutlichste, dasz eine Schule nur das lehren könne und dürfe, was allen gleicherweise dienlich sei, und dasz es eine gemeinsame Grundlage gebe, die keinem fehlen dürfe, welcher dereinst im Reiche des Geistes durch irgend eine Wissenschaft zu wirken berufen sei, dasz je fester und sicherer diese sei, um so gewisser die besten und schönsten Früchte zur Reife kommen werden. Wol umfasst diese Grundlage auch gewisse allgemeine Kenntnisse, aber das Wissen ist todt, wenn nicht die rechte Verwendung hinzutritt. Keine Wissen- schaft, welchen Namen sie auch führt, wenn sie nur den der Wissen- schaft mit Recht trägt, kann verstanden werden, ohne die Fähigkeit jedes geistige ganz nnd voll aufzufassen, die Begriffe scharf zu son-

S Rede von R. Dielsch.

(lern, das gleichartige zu verbinden, aus dem besondern das allge- meine zu erkennen, die Gründe sie!» deutlich zu machen und an das gegebene selbständig denkend anzuknüpl'en. Und wer hätte nicht im Leben die Beobaclitung gemacht, dasz ein Mann von dem ausgebrei- tetsten und vielseitigsten Wissen dennoch an keiner Stelle brauchbar sein kann, während der, welcher scharf zu denken geübt ist, auch bei geringeren Kenntnissen sich viel nützlicher, als jener erweist, dasz also der reclite Praktiker nicht der ist, welcher viel weisz, son- dern welcher viel kann. Ohne jene Fähigkeit ist also das Wissen ein werthloser Besitz, mit dieser aber wird sich jeder ebenso leicht das Ichlende aneignen, wie das brauchbare und notinvendige von dem unwichtigeren und nutzlosen scheiden. Halten also die Stifter unserer Schulen Recht, wenn sie die sapientia und ihre Folge und Bewährung, die eloquentia, als das wichtigste in der Vorbildung derer, die im Reiche des Geistes zu Mirken berufen seien, ansahen und dagegen das \N issen als das später leichter und sicherer zu gewinnende zurück- stellten? Betrachten wir nun die Mittel, wodurch jene Güter erwor- ben werden sollten. Des Geistes Verkörperung ist die Sprache. Wie es unmöglich ist ohne das Verständnis dieser seiner Erscheinungsform und von deren Gesetzen etwas von ihm zu begreifen, so ist wiederum nur das eine wirkliche vollkommene Schöpfung von ihm, was in dem Inhalte entsprechender sprachlicher Form ausgeprägt ist. Es ist eine wunderbare geheimnisvolle Verbindung zwischen Sprache und Geist, wie zwischen Seele und Körper, aber eben deshalb auch über allem Zweifel erhaben, dasz nichts so sehr das Wesen und A>'irken des Geistes erschlieszt und nichts so sehr wiederum seine Thätigkeit weckt, übt und regelt, als das Studium einer Sprache, nicht der Muttersprache, weil in ihr der Mensch das richtige zu linden und zu tliun gewohnt ist und deshalb von einer zergliedernden Retlexion Stö- rung der geistigen Unmittelbarkeit die Folge sein musz, sondern einer fremden, weil hier eine Schöpfung des Geistes zu ihrer Aneignung bis in die ersten Anfänge zurück und in regelrechtestem stufenmäszi- gem Fortschreiten verfolgt werden musz. Seine edelsten und besten Schätze legt ferner der Geist nieder in den Litteraturen der Völker. Sie sind nicht die Werke einzelner, sundern in ihnen sind die Blüten der Bildung ganzer Stämme, die Errungenschaften ganzer Zeitaller niedergelegt. Alle erhabenen und groszcn Ideen , alle Anschauungen und Empllndungen, alles Glauben, Lieben und IlolTen , kurz das ganze ü:eistige Leben und Wesen spiegelt sich in dem wieder, was wir Lit- leralur nennen. Was vermag nun wohl besser den Sinn des Jüng- lings auf das ewig wahre, schöne und gute zu richten, was mehr sein Herz zu veredeln, kurz was mehr ihn über das Alltagsleben zu den höchsten Stufen der Menschheit emporzuziehen, als die Beschäftigung mit dem erhabensten und besten, was der menschliche Geist her- vorgebracht? So linden wir denn Grund Kctiug die >>eisheit unserer Vater zu bewundern, dasz sie das Studium der Sprachen und der Litteraturen als die beste Vorbildung dessen uusahen, der einst ein

Hede von R. Dietsch. 9

Führer und Leiter anderer im Heielic des Geistes sein sollte. Sie wählten dazu die allen .Sprachen und vorzugsweise die laleinisciie. Vielleicht nur weil damals die neueren Sprachen noch roh und unge- schickt und in ihnen keine classischen Litleraturwerke vorhanden Avaren? Wir können darauf nicht mit einem einfachen Nein antwor- ten, weil das Vorhandensein jeuer Thatsache sich nicht ableugnen läszt. Wir müssen auch anerkennen, dasz jetzt nicht mehr, wie damals alle ^^■issensclulfteu aus den Allen als ihrer unmittelbaren Ouclle schöpfen und dasz die lateinische Sprache damals eine Bedeu- tung für das Leben hatte, welche ihr jetzt nicht mehr beizulegen ist, dasz sie das einzige Verkehrsmittel zwischen den Völkern verschie- dener Zunge, ja die alleinige Sprache der Wissenschaft war. Aber fragen wir nun, warum denn, auch nachdem sich längst die Sprachen der neueren Völker zur Schönheit und Angemessenheit der Form für alles geistige ausgebildet, nachdem in ihnen langst Litleraluren ge- schaffen, die sich den alten als ebenbürtig zur Seite stellen, doch immer das Studium der Alten seinen Platz in der Jugendbildung be- hauptet hat, so können wir den Grund nicht in einem gedankenlosen Hangen an dem hergebrachten und gewohnten, sondern in dem uner- setzbaren Nutzen derselben vermuthen. Und in der That der Jung- ling wird hier zuerst in eine Litteratur eingeführt, in welcher alles das enthalten ist, was die Menschheit sich zuerst schalfen und aneig- nen niuste, um überhaupt zu einer höheren menschlichen Bildung und Gesittung zu gelangen. Durch ihr Studium werden die Grundlagen ge- wonnen, aufweichen unsere heutige Bildung wesentlich mit aufgebaut ist, die jeder besitzen miisz, welcher diese sich aneignen, ja sich auf die Höhe derselben emporschwingen will. Zweitens sind die Spra- chen der Alten zu einer so festen und klaren, aber die freie Bewe- gung des Geistes nicht hemmenden Gesetzmäszigkeit ausgebildet, wie keine andere sich rühmen kann und es haben die Alten ihren Schö- pfungen eine so vollkommen dem Inhalte entsprechende, Kraft und Würde mit Aumuth und Lieblichkeit, Lebendigkeit und Beweglichkeit mit Ruhe und Ernst vereinende, in allem so streng und doch so natür- lich das rechte Masz haltende Form aufgeprägt, dasz sie für alle Zei- ten als unübertreffbare Muster dastehen. Und endlich drittens steht ihre Bildung unserer Zeit so fern und ist von der unsrigen so wesentlich verschieden, dasz die Beschäftigung mit ihnen die trefflichste und allseitigste Uebung des Geistes bildet. Um dies zu beweisen, dürfen wir zuerst nur hinweisen auf den Ungeheuern umgestaltenden Einllusz, den seit der Mitte des 14. Jahrhunderts das sogenannte Wiederauf- leben der Wissenschaften, d.h. die Wiederzurückführung der alten Litteraturen ausgeübt hat. Wer einmal erkannt hat, wie diese Er- scheinung nach dem Zerfallen der in sich herlichen und glanzvollen Cultur des 3Iittolalters der in allen Gebieten des Lebens eingetretenen Erschlaffung, Zerrissenheit, materiellen Selbstsucht und Maszlosig- keit entgegentrat und einen neuen frischen Hauch geistigen Lebens verbreitete , und wie die antike Bildung einer der Factoren wurde.

10 Hede von K. Diestch.

durch welche das Product einer neuen sich bildete, der kann nicht in Zweifel darüber sein, dasz sie noch jetzt bildende Elemente in Fülle bietet. Wer da fürchtet, dasz durch die alten Schriftsteller die Ju- gend vom Christenthume abgezogen werde, der kann im Ernste nur die Ueberschätzung, nur die heidnische vom christlichen Geiste nicht durchdrungene Beschäftigung mit denselben als gefiihrlicli betrachten. Denn um darauf das geringere Gewiclit zu legen, dasz wir im Alter- tbume Zügen einer so innigen Sehnsucht nach Gott, einer so tiefen Ehrfurcht vor dem heiligen, einer so freudigen Selbstentäuszerung und Selbstüberwindung, ja einer so vorgeschrittenen Erkenntnis finden, dasz ein Christ wol durch sie beschämt und erweckt werden kann, wie denn Augustinus bekennt, dasz das Lesen einer heidnischen Schrift das erste Mittel zu seiner Bekehrung gewesen sei, um darauf also das geringere Gewicht zu legen, musz nicht gerade das unbefriedigte Hingen und Suchen, das Verlassensein, das trostlose Versinken in den Verfall trotz der edelsten Bemühungen und Schöpfungen das Evangelium durch den Gegensalz um so herlicher erscheinen lassen und dem Herzen um so theurer machen? Dasz die Alten durch einzelne Stellen einen entsittlichenden Einllusz ausüben müsten, kann nur der behaupten, welcher meint alles verführende von der Jugend fern hal- ten zu können und nicht erwägt, dasz die Alten derselben ganz an- ders gegenüberstehen, als die modernen Giftverbreiter und Lasterver- raehrer. Glaubt man in den Allen Anschauungen zu vermissen, welche der Jugend zeitig vorgehalten werden müslen, so vergiszt man einer- seits, dasz dieselben ja von anderer Seile her an jene herantreten, andererseits, dasz für jene nichts mehr heilsam ist als das Zurückzie- hen in einen enger beschränkten, aber mit aller Energie bearbeiteten Schauplatz geistigen Wirkens. Wenn endlich jemand die Ansicht hegen sollte, dasz aus den Alten genug in die neuen Lilteraturen übergegangen sei, dasz man sich aus üebersetzungen ihres Inhaltes in genügender Weise bemächtigen könne, so übersieht er, dasz der Geist eben nur in der Form, in welcher er sich selbst olTenbart hat, vollständig verstanden und bogrilTen werden kann. Wer dann zwei- tens nicht aus eigner Anschauung die Muslcrgilligkeit der allen Schrift- steller kennt, dem werden, wenn er überhaupt zu einem Urtheile fähig ist, die Aeuszerungen dankbarer Ehrfurcht, welche die Meister unserer deutschen Lilteratur: ein Klopstock, Lessing, Goethe, Schil- ler, anderer nicht zu gedenken, getban haben, gewis als eine Bürg- schaft für dieselbe gellen. Aber wollen wir den (icwinn, welchen der Inhalt und die Schönheil der alten Litlerulur bieten, fallen lassen, die Zucht des Geistes, welche die Beschäfligung mit ihr gewährt, wird sie allein in <ler Jugendbildung als wiclili<res Mitlei halten. Einer unserer tiefsten Denker, dem man wahrlich nicbt Einseiligkeit und Unbekanntschaft mit den weiten Beichen des Wissens zum Vorwurfe machen wird, Schelling sagt: Mn der Thal nichts, selbst nicht der Unterricht in den mulhematischen Wissenschaften, der zwar an ein nolhwondiges stufenweises Fortschreiten, aber nicht ebenso zu-

Kede von R. Dielsch. 11

gleich an freie Bewegung- gewöhnt, kann jene strenge, Dünkel und falsclie Einbildung frühzeitig niederhaltende Zucht des Geistes, jene Gewöhnung an Stetigkeit und gleichmäsziges Fortschreiten ersetzen, welche ein gründlicher Unterricht in den alten Sprachen gewährt.' Es lieszen sich Stimmen von Männern, welche als die ausgezeich- netsten Förderer der realen Wissenschaften allgemein anerkannt sind, in Menge anführen, welche alle den reichen den klassischen Studien verdankten Gewinn auf das freudigste rühmen, und wenn hier und da mancher, der selbst durch diese Schule hindurch gegangen, den Wertli der genossenen Vorbereitung für seinen Beruf verkennt, so kann man darin nur den Mangel des Bewustseins über den eigenen Bildungsgang finden. Dasz endlich diese Zurüstung des Geistes jedem praktischen Interesse dient, könnten Avir durch Hinweisungen auf die ausgezeichneten Staats- und Geschäftsmänner des englischen Vol- kes darthun, aber wir haben einen für uns viel bedeutsameren Zeu- gen, Sr. Majestät unsern König. Wer hätte nicht in ihm längst vor seiner Thronbesteigung den Fürsten im Reiche des Geistes, den tiefsten Kenner des Rechts und der Geschichte, den einsichtsvoll- sten Staatsmann, den gründlichsten Beurtheiler der Kunst, den glück- lichsten Nachbildner des tiefsinnigsten Gedichtes geehrt? Und mit welchem Fleisze hat er, der für den Thron geborene, das Stu- dium der Alten getrieben und wie kehrte er nicht mitten unter den wichtigsten und bedeutungsvollsten Arbeiten zu seiner Erquickung und Kräftigung zu demselben zurück! Freilich kann es uns nicht wunder nehmen, wenn unsere dem Genüsse nachjagende, nur das un- mittelbar zu verwendende oder besser in Geld umzusetzende achtende, dem materiellen Streben verfallene Zeit einen Weg nicht begreifen kann, der langjährige Mühe mit einem längstvergangenen Zeitalter fordert. Noch mehr. Der hohlen Oberflächlichkeit, der vermessenen Selbstüberschätzung, der leichtsinnigen Zerstörungs- und Zertrüm- merungssucht musz eine Erziehung zuwider sein, die den Geist demüthigt, ihn an gründliches Auffassen und Forschen gewöhnt, ihn mit Ehrfurcht vor den Weisen der Vorzeit, mit Begeisterung für das ewig wahre und schöne, mit Aufopferungsfähigkeit für die ideellen Interessen erfüllt. Was vor dem Kirchentage in Elberfeld ein gewis vorurtheilsloser Redner aussprach: 'Welchen ärgern Feind hat die christliche Bildung, als die ausschlieszliche Richtung der Geister auf das handgreifliche, auf den Bedarf des sinnlichen Lebens, als den Utilitarismus, der vom Materialismus ausgeht und im Materialismus endet? Und was kann dieser Richtung stärker vor und neben dem Evangelium entgegenwirken als eine zu liebender Vertrautheit sich erhebende Beschäftigung der Jugend mit dem Unterrichtsgegenstande, der weiter als alle andern abliegt von der ölöglichkeit im Alltags- dienst des Lebens verbraucht zu werden, mit den Alten? Das christ- liche Volk sollte den Dienst nie vergessen, den ihm und seinen Heilig- thümern gegen das Versinken in jene Richtung und in die daran hangende chinesische Erstarrung noch vor zwei Menschenalteru die

12 Rede von 15. Dietsch.

Classiker, der Huinaiiismus geleistet haben und fort und fort leisten' nuisz dies nicht als für alle höheren Interessen der Menschheit i^cltend anerkannt werden? Ja glänzend strahlt uns die ^^ eisheit des Kur- fürsten Moriz und seines Zeitalters entgeg'en daraus, dasz sie das können über das Wissen stellten, dasz sie für jenes das geeig-netste Mittel wählten und dafür treiilicii sorgten, dasz aus ihm durch stetige unablässige Beschäftigung die rechte, volle, reife Frucht hervorgehen könne. AV'ol haben unsere Schulen vieles neue in sich aufnehmen müssen, wol ist dadurch die Concentration erschwert worden, aber wir wissen zu unsrer Freude, "svie auch unsre gegenwärtige liegierung darauf den gröszten ^^'erlh und .Nachdruck legt, dasz die Jugend durch uns zu jener sapieniia und eloqiieulia gebildet werde, welche die Vor- fahren als die herlichste Fruciit der weltlichen Krziehung ansaiien. Viel, ja das meiste liegt in unsrer Hand. Au uns wird es liegen, ob aus dem Studium des .\lterthums und aller übrigen Unterrichtsfächer kräftiges Denken und Können oder lodtes Wissen hervorgeht, ob die Jugend gewöhnt wird, jede Viertelstunde von etwas anderem zu na- schen oder anhaltend und gründlich mit einem sich zu bemühen, ob sie in einer Saciie eine relative .Meisterschaft und das aus ihr hervor- gehende Bewustseiu empfängt oder zum Pfuschen in vielem geleitet wird. \\ ie köriuen w ir die Ehrfurcht und Liebe zu unserem erhabenen Könige besser beweisen, als wenn wir die Jünglinge, die seine Sorge unserer Hand anvertraut, nach dem Vorbilde zu erziehen eifrig trach- ten, das er selbst gegeben hat und gibt? .\uch für Kuch, geliebte Schüler, hat es grosze Bedeutung, dasz auf dem Tiironc ein llerscher sitzt, der die Bildung, welche Hir Euch erwerben wollt und sollt, sich in reichstem Masze selbst angeeignet hat und welcher einst an un- serem Jubelfeste durch Wort und That bewies, welch ein Herz er habe für die Jugend des Vaterlands und wie hoch er die Erziehung zur Frömmigkeit, Weisheit und Kunstfertigkeit schätze. Möge Euch dies eine Stütze sein gegen die manigfaltige, sich der gleisnerischsten Vorwände bedienende Verlockung von innen und auszeu, welche Euch den Weg, auf dem Hir allein zu den edelsten Geistesschätzen gelangen könnt, verleiden will. Je fesler und entschlossener Ihr diesen Pfad wandelt, mit je lebendigerer Liebe und Begeisterung Hir gegen die Euch aufstoszenden Hindernisse ankämpft, je frömmer und lleisziger Ihr seit, je gewisseidiafler Ihr luuh im (iehorsam übt, desto besser wer- det Ihr an Eurer Stelle bezeugen, dasz Liebe und Ehrfurcht zu un- serem erhabenen Monarchen Eure Brust beseelt, l'nd diese Liebe und l'Mirfurcht nn ird Euch auch zu einem anderen antreiben. In den ersten Zeiten der Schule unterschrieb jeder Alumnus bei seinem Eintritt fol- gendes Angelobiiis: Mch bekenne mit dieser meiner Handschrift, nachdem der durchlauchtigste hochgeborne Churfürst und Herr, mein unudigcr Herr, mich aus Gnaden in die Schule zu Grimma hat nehmen lassen, dasz ich seiner Gnade zugesagt habe, zusage und verspreche, diisz ich diese Zeil über, weil ich in der Schule bin, (iolt lleiszig lultcu \Nill um <ler ganzen Christenheit und seiner «hurfürsllichen

L. Ilerrig: Sammlung englischer Schriftslcllcr. 13

Gnaden Wulilfalirl.' Ist Euer Verliiillnis zu dem Landesfiirslen ein anderes geworden? Verdankt Ilir dem Könige und seinem Hause we- niger das nnxälilige gute, Avas llir liier geniezst, ist des Königs Heil weniger Euer und pures ganzen Volkes Heil? Unterschreibt denn dies Angelöbnis in Euren Herzen und stimmt auch heute mit herz- licher Andacht in das Gebet, das wir jetzt darbringen.

2.

Englische Litteralur.

Sammlung englischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen. Herausgegeben von Ludioig Herrig. Berlin. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin. 1853.

Vorliegende von dem rühmlichst bekannten Herausgeber des Ar- chivs für neuere Sprachen veranstaltete Sammlung ist gewis von jedem Freunde englischer Litleratur mit Freuden begrüszt worden. Angeregt, wie es scheint, durch den Vorgang der Sammlung griechischer und rö- mischer Klassiker von Haupt und Sauppe und nach demselben Principe angelegt, entspricht sie nach Zweck und Plan vollkommen dem Bedürf- nis der Zeit. Dieser ist, wie sich Ilcrri^ in der Vorrede darüber aus- spriclit, einen guten Text der Meisterwerke englischer Litteratur zu geben, dazu kurze, übersichtliche und nur die Sache ins Auge fas- sende Einleitungen und forllaufende deutsche Anmerkungen, welche den Ballast der Trivialgrammalik und spinöser Krilik in gleicher Weise verschmähend, die nöthigen sachlichen Erleuterungen enthalten, Licht über den Gedankenzusammenhang verbreiten und Schwierigkeilen der Dielion aufhellen sollen. Wie weit dieser Zweck von den verschie- denen Erkltirern bei den einzelnen Ausgaben erreicht ist, wird sich aus einer nahern Besprechung ergeben. Die Auswahl der aufgenom- menen Werke kann man übrigens nur eine höchst glückliche nennen. Gehen wir sie jetzt der Heihe nach durch, wobei wir, um zusammen- gehöriges nicht zu trennen, die Shakspeareschen Stücke unmittelbar auf einander folgen lassen. Es sind dies Macbeth, erklart von Herrig, Romeo and Juliet von Heussi, Othello von Sievers. Das 4te, The Marchant of Venice von Herrig, war Recensenten beim Schreiben dieser Zeilen nicht zur Hand.

Macbeth, erklärt von Herr ig.

Die Reihe wird mit Recht mit Shakspeare eröffnet; mit gleichem Recht sollen uns zuerst diejenigen seiner Kunstwerke geboten werden, welche auf der Höhe seiner tragischen Kunst stehen und an die wir unwillkürlich zuerst denken, sobald der Name des groszen Brillen

14 Sliakspeares Macbeth von Herrig.

genannt wird. Von diesen bietet Macbeth trotz seiner hochpoelischen und zuweilen gesuchten und künstlichen Diction vcrhältnisinäszig die wenigsten Schwierigkeiten, weil in ihm, die unbedeutende Rede des Pförtners und das noch unbedeutendere Geschwütz des kleinen Mac- dulT abgerechnet, die Prosa niederer wie feinerer Komik und damit die das Verständnis oft so erschwerenden Witz- und Wortspiele gänz- lich fehlen. Vorliegendes Bändchen nun enthält das Vorwort des Vf., darauf die Einleitung. Diese gibt die historische Grundlage der Tragoedie nach der Ciironik von Holinshed, entwickelt den Grundge- danken des Stückes nebst kurzer Charakteristik der Hauptpersonen, ohne hier etwas neues zu bieten (was bei der in der ganzen Anlage so klaren und durchsichtigen und von den namhaftesten Kritikern der neueren Zeit so allseitig behandelten Tragoedie auch kaum möglich sein mochte), und schlieszt mit einer Angabe über die wahrscheinliche Abfassungszeit. Dann folgt der Text mit den Anmerkungen. Der Text ist im allgemeinen gut und correct ; Druckfehler sind uns nicht vor- gekommen; nur in der Interpunction ist S. 34 das Kolon hinter dead mit dem Komma hinter know't zu verlauschen; und S. 16 die Anfüh- rungszeichen hinter Iiove it statt hinter and one zu stellen. Letzteres Versehen ist sinnentstellend; die schwierige Stelle (statt it sollte man me erwarten) scheint übrigens noihwendigerweisc die, so viel uns bekannt, noch von keinem Kritiker geforderte Einschiebung eines Mt vor harl zu verlangen. Die Verbesserungen des CoUicrschen Cor- reclors sind mcistenlheils, doch nicht immer mit Hecht, slillsclnvei- gend aufgenommen. Die A^imerkungen selbst sind etwas knapp ge- halten, fast zu knapp. Hauptsächlich vermissen wir Parallelen aus Shakespeare selbst; nur an zwei Stellen, S. 70 Anm. 19, und S. 83 Aum.3, lindet sich eine solche. Wie nahe lag aber z.B. zu grappleS.42 an Hamlet Act I Sc. 3 , tlic friend thou hast . . . grapple him to thy soul. S. 79 when all that is witliin him does condemn itself for being there an die berühmte Stelle in hichard 111, Act V Sc. 3 zu erinnern. Gern hätten wir auch hie und da eine Hinweisung gesehn, wie Mo- tive aus Sh. von neueren Dichtern benutzt und dann weiter ausgeführt sind. So Aväre bei dem Hexeniluche S. 8 eine Hinweisung auf die Machahnuing in Byrons Manfred Act I Sei, S.41 eine Erinnerung, wie Schiller im Wallenslcin dasselbe Motiv benutzt, um Buller's Abfall und Vcrralh zu erklären, und S. 44 eine Vergleichung der Schiller- sclicn Heüexionen in der Elegie auf den Tod eines Jünglings mit de- nen Macbeihs, aus denen sie fast ^^'o^t für ^^()rt entlehnt sind, sehr am Orte gewesen. Endlich ist ein Punkt, der unserer .Vnsicht nach ganz besonderer Beachtung verdient, in den Anmerkungen fast ganz übergangen; wir meinen die Nachweisung der Incongruenzen und \N'idersprüchc, deren sich Shakspcare in seinen Dramen schuldig macht. Durch offene Aufdeckung derselben wird wahrlich sein poe- tisches Verdienst nicht um ein Haar breit geschmälert, wol aber ge- winnt man durcli eine Zusammenslelliin<r alles liicher ffohürigcn eine überraschende Einsicht in die Art und NN eise seines dicIilerisclieM

Sliakspeares Homeo and Jiiliet von Heussi. 15

Schaffens. Act I Sc. 3 (S. 11) erklärt sich Angus als unwissend, wel- cher Art das Verbrechen des Ihane of Cauwdor gewesen sei, da doch Sc. 2 (S. 6) Hossc in Gemeinschaft mit ihm die Nachricht von der be- stimmten Schuld des Thanes brachte. Act II Sc. 1 (S. 25) spricht Banquo: 1 drcamt last night of Ihc three weird sisters, da doch auf die Begegnung mit den letzteren überhaupt erst eine Nacht gefolgt ist, nemlich die, in welcher sich die handelnden Personen den 2len Act hindurch befinden. Act III Sc. 6 (S. 56) fragt Lenox nach dem, was er selbst wenige Zeilen vorher erzählt halte, vgl. Sent he to Macduff ? nebst dem folgenden mit: 'cause he faiPd bis presence ....; wenn hier nicht die Kritik einen Machtspruch zu thun hat; denn diese ganze Scene steht endlich im entschiedensten Widerspruch mit Act IV Sc. 2 (S. 63), ein Widerspruch, den Ilerrig umsonst zu lösen sucht. So ist auch Act V Sc. 1 (Anm. 1) durchaus als Flüchtigkeitsfehler an- zuerkennen, und hätte von Herrig nicht vertheidigt werden sollen. Dies wäre das, was wir an vorliegender Ausgabe vermissen und worauf wir in Zukunft die Aufmerksamkeit der Herausgeber gerichtet wünschen. W'as aber gegeben ist, ist gut; liesze sich auch hie und da über einzelnes streiten, so sind doch im allgemeinen die Schwierig- keiten der Dielion, der kühnen Bilder und Metaphern, des Gedanken- zusammenhanges gut und richtig erleulert. Besonders heben wir die sachlichen Anmerkungen über historische und geographische That- sachen hervor, die Nachweisungen über den Volksglauben, welcher der Darstellung der Hexen zum Grunde liegt, wie die gelegentlich verstreuten feinen und interessanlen etymologischen Bemerkungen. Als alles zum Verständnis Avesentliche in kurzer und angemessenster Form in sich begreifend, eignet sich daher das Buch ganz vorzüglich zum Schulgebrauch und ist allen denen, welche mit dem groszen Dich- ter bekannt und vertraut werden wollen, ohne Zeit und Lust zu haben, sich durch die breiten und weitschweifigen Commentare englischer Erklärer durchzuarbeiten, dringend anzuempfehlen.

Romeo and Jnliet, erklärt von Heussi.

Die Einleitung gibt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Quellen der Shakspearekritik. Colliers Fund wird namhaft gemacht und nach Gebühr geschätzt. Zu überschätzen aber scheint H. die 2fe Quarto, wenn er die Aenderungen derselben für authentische Verbes- serungen von Shakspeares eigener Hand hält; auch gegen seine Be- rechnung der Zeit der ersten Aufführung unseres Stückes möchte sich manches Bedenken geltend machen. . Demnächst werden die verschie- denen Bearbeitungen desselben Themas von früheren der Reihe nach aufgeführt, einiges über die Zeit der Begebenheit gesagt, und endlich eine Entwicklung des Dramas wie eine Charakteristik der Hauptper- sonen gegeben. H. folgt in der ganzen Auffassung Gervinus; nur macht sich eine gewisse Nüchternheit und Trockenheit in unangeneh- mer Weise bemerkbar. Urtheile wie das über Merculio 'sein ge- schwätziges und gemüthloses Wesen stoszen ab ' möchten wol wenige

16 Sbakspoares Homco aiul Jiilicf von Henssi

unlerschreiben und solllen hilligerweise nicht mehr vorkommen; die Polemik gegen die Sidcnrichter war überflüssig. Was den im ganzen guten und corrccten Text anbelangt, so verfährt H. liinsicbtlich der Collierscben Verbesserungen liöclist ungleichmäszig. Die meisten sind aufgenommen und zugleicli die Gründe dafür angeführt; doch findet man sowol einige aufgenommen ohne Angabe der Quelle, als auch andere, und zwar sehr gute, völlig unberücksicliligt. An den An- merkungen vermissen wir dasselbe, wie beim Ilerrigschen Macbeth. Act V Sc. 3 S. 12-t hebt H. A. 37 selbst die Inconcinniiät in der Bestim- mung des Alters der lady Capulet hervor; warum nicht auch die, dasz es nach Act IV Sc. 5 S. J04 Nachtzeit ist ('tis now near night), wiilirend Julie so eben von der Frühmesse gekommen ist? Sic lial sich doch nicht etwa den ganzen Tag auf der Sirasze herumgetrie- ben? S. 40 A. 60 weist der Erklärer auf die häufigen Scherze und \\'orlspiele der unglücklichen bei Sli. hin. Dazu gehörte nothwendig die ("italion der classischcn Stelle in Hicliard II, Sc. 1 (vgl. besonders: wisely makcr sport lo mock itself) wie auch Uomeo selbst Act III, Sc. 3 S. 85 zur Erleuterung dienen könnte. Man kann nie genug darin Ihun, einen Schriftsteller durch sich selbst zu erklären. Sehen wir nun auf das positive, was die Anmerkungen bieten, so ist des Lobes viel zu sagen. Sehr viel ist geschehen für die Auslegung der schwierigeren Partien, in denen ein Witzwort wie ein Fuszball hin und her geschleudert wird. Mir machen besonders aufmerksam auf die schöne Erklärung S. 22 A. 4. S. 24 A. 9. S. 41 A. 69. S. 60 A. 32. S. 76 A. 26. Auch etymologische Anmerkungen linden sich in Menge, wie sie als angenehme Zugabe zumal den in die Geheimnisse der Sprachvergleichung weniger eingeweihten sehr willkommen sein müssen. An manchen Stellen können wir dem Herausgeber in der Erklärung nicht beipllichlen. Act V Sc. 1 A. 2 ist my bosom''s lord siclier nicht 'Amor', sondern der Geist, das Herz, die Seele, A. 3 love itself possessed nicht: 'Liebe, die im Besitze ihres Gegenstandes ist', sondern 'der Voligenusz der Liebe' im Gegensatz zu dem we- senlosen Schattenbild der Träumereien des liebenden. Act II S. 52 wird but tliou love falsch erklärt: 'so du mich nun liebst', da doch der ganze Zusammenhang lehrt, dasz es, grammatisch richtig, heiszen musz: 'so du mich nicht liebst'. Mehr derlei anzuführen, erlaubt der Hanm nicht. llic und da sind Schwierigkeiten übergangen oder nicht genuii' hervorgehoben. So war z. B. zu der mit liecht aufge- nommenen Verbesserung des Collierscben J^nendators in Act II Sc. 2, S. 50 white und ij r e e ii eine sachliche y\nmerkung durchaus noth- wendig. — Schiicszlirh können wir es nicht unterlassen, einige leichte uns nölhig scheinendi' Aenderungen des Textes anzuführen. Act I Sc. 2, S. 35 ist wol statt: 'lady's love', lady love zu lesen, Act III Sc. 5, S. 03 oben vor feeling ein but einzuschalten, Act III Sc. 5, S. 9H oben stall yon no mc of liim . your.<t no . . . , und Act V Sc. 3, S. ]20 statt dea///, lie liiou liiere; by a dead man inlerrcd, de«d lie . . . zu lesen.

Sliakspeare''s Othello crklärf von Sievers. 17

Othello , erklärt von Sieners.

Dies Bändchen hefricdigt weniger. Schon die Einleitung, welche ohne sich üher die Quellen des Stückes oder die im Texte befolgten krilischen Grundsätze und Grundlagen auszulassen, nur die Idee des Dramas entwickelt, macht keinen günstigen Eindruck. Als Grundge- danke wird der Sieg der Natur d. h. der natürlichen Seite im Men- schen über den Geist angegeben und nun gezeigt, wie sich dieser in Charakter und Schicksal der drei Hauptpersonen manifestiere. Ist nun hierin allerdings etwas Mahres, so kann doch eine solche leere Abs- traction bei einem Shakspeareschen Drama nie genügen, und am we- nigstens, wo zur Vergleichung eine so klare, lebensfrische Darstel- lung und Entwicklung wie die von Gervinus vorliegt, dessen vortreff- liche ^^'inke (vgl. besonders Theil III, S. 227) übrigens den Anlasz zur Sieverschen Auffassung gegeben zu haben scheinen. Im Texte sind meistens die gangbaren Lesarten beibehalten, geg&n den CoUier- schen Corrector wird fast immer, zum Theil mit Recht, polemisiert. In den Anmerkungen geht das Hauptaugenmerk des Herausgebers, und das ist nur zu loben, dahin, die feineren Beziehungen der Shakspea- reschen Dielion zu erläutern, und besonders ungewöhnlichere und seltsame Ausdrücke aus dem Charakter und der Situation der jedes- mal redenden Person herzuleiten. So viel hübsches sich nun auch dabei im einzelnen findet, und so richtig gewis das zu Grunde lie- gende Principist, so ist doch die Erklärung nur zu oft allzugesucht, ja zum Theil völlig verfehlt und verkehrt. So hat Hr. S. eine wahre Sucht gehabt, in den Reden Jago's, hier und da auch in denen Othel- lo*'s und Cassio"'s Komik zu finden, und das an Stellen, wo Shakspeare sicher an nichts weniger als an komischen Effect gedacht hat, so dasz schlieszlich das komische nur in den Anmerkungen des Erklärers zu finden ist. Statt vieler Belege nur einen. In der grausigen Stelle Act III Sc. 3, S. 92, wo Othello Rache schnaubt, und Jago in furchtbarer Mischung von Heuchelei und Wahrheit ein gleiches Gelübde thnt, sich mit Hand, Herz und Verstand nur dem Dienste dieser Rache zu wid- men, sieht S. auf Jago''s Seite Komik! ! dies eine genüge! Sehr gut ist die Bemerkung Act III Sc. 3, S. 85, wie der Dichter unbemerkt die Zeit der Handlung ausdehne. Es hätten nur noch mehr sämmt- liche, hier einschlagende Stellen zusammengefaszt werden sollen, aus denen sich ergibt, dasz die Handlung, alle Angaben genau berechnet, auf Cypern summa summarum nur iVg Tage dauert, während sie doch andrerseits als sich über einen ungleich längeren Zeitraum von minde- stens mehreren \^'üchcn erstreckend gedacht werden soll. Ist es nun schon ganz richtig, ^dasz die innere, ideale Wahrheit in der Leidenschaft Othello's, die an sich an keine Zeit gebunden ist, uns über diesen Widerspruch heraushebt', so haben wir doch hierin, wie schon bei Gelegenheit bemerkt, einen Schlüssel zu der Art und^Veise von Shak- speare^s dichterischer Thätigkeit. Er hat allerdings, und dies bedarf keines Wortes weiter, seine meisterhaften Schöpfungen im groszen

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hil. LXXM, f/ft. 1. 2

18 Shakspeare's Sotnmernaclilslraum von Hense.

lind ganzen scharf und tief durchdacht, die einzelnen Scenen aber hat er stückweise gearbeitet, ja hingeworfen, Avie ihn grade sein Genius (rieb, ohne dasz er daran gedacht dieselben, sei es während der Arbeit, sei es nach derselben, auch nur im geringsten zu revi- dieren. Der Strom der Handlung erfaszt ihn selbst mächtig, und bestrebt der Zeit nach weit getrennte Begebenheiten innerlich zu verbinden und ihren Zusammenhang zu motivieren, sucht er sie auch äuszerlich zu verknüpfen, ohne zu beachten, in welche Wider- sprüche er sich dadurch verwickelt, und wie die zeitliche Perspective - eine ganz falsche wird. Belege hierfür Avird jeder aufmerksame Leser fast in jedem Stücke Shakspeare's finden. Wir erinnern nur an Boineo und Julie, wo von fast allen Aesthetikern in der ungemein schnellen Aufeinanderfolge der Begebenheiten eine besondere Absicbtlichkeit und Schönheit gefunden ist, während der wahre Grund in dem so eben entwickelten liegt, wie dies auf das bündigste der Umstand beweist, dasz wir in anderen Dramen, wie in unserem Othello, dieselbe Er- scheinung finden. Haben die englischen Conimentatoren , zumal in der früheren Zeit, auf solche einmal nicht fortzuleugnenden und forlzuer- klärenden Incongruenzen und Widersprüche ein zu groszes Gewicht zum Nachtheil des Dichters gelegt, so scheint man sie dagegen jetzt zu sehr zu übersehen und gering anzuschlagen. Durch eine klare Einsicht aber in diese Mängel der äuszern Oekonomie und ihre Ent- stehung wird wahrlich der Bewunderung, die wir dem erhabenen und reichen Genius des gröszlen dramatischen Dichters aller Zeiten zol- len, nicht der mindeste Eintrag gethan. Eine dankenswerthe Zu- gabe zu vorliegendem Bändclien ist der Anbang, bestehend aus einem der Percyschen Sammlung entlehnten Liede, von dem Jago eine Strophe singt (dem Vorbilde zu unseres Voss: ^Und zieh den alten Flausrock an') und einer kurzen Zusammenstellung der wesentlichsten und gc- wölinliclisten Eigenthümlicbkeiten der Shakspeareschen Sprache in Formlehre und Syntax.

Ehe wir zur Besprechung der anderen Bändchen dieser Samm- lung übergehn, nehmen wir Gelegenheit, auf ein dem Publicum, wie es scheint, nicht nach Verdienst bekanntes, im Jahre ]851 über Shakspeare erschienenes Buch aufmerksam zu machen. Es ist dies:

Shakspenre's Sommemachtstranm erläutert von Dr. Conrad Hense. Halle. Verlag der Waisenhausbuchhandlung 1851.

In diesem Buche hat der als gründlicher und feiner Kenner Shak- spearo's bekannte Verfasser (wir verweisen nur auf seinen Artikel über die Sliuksi)eare-I>iltcratur in den Blättern für lillerarische Unter- iiaitiiii«; iiimI seine Geschiclito des Sommernacbtslraiimes in Ilcrrig^s Archiv) (;iiie wahre Mustersliidiü geliefert. Die reizende Schöpfung des Dichters wird aiisführlieh nach allen Seiten in HücUsicht auf Plan, ("omposition und Charaktere erläutert und beleuchtet, wie es bis daliiii nt)ch von keinem anderen Kritiker geschehn, und wir in ein

Shakspeare"'« Sommernachtstraum von Ilense. 19

durchdringendes Verslandnis derselben eingeführt, ohne dasz von dem zarten Schmelz, der über der lieblichen Dichtung- ruht, auch nur das geringste verwischt wird. In der Einleitung wird die Idee des Stückes in der Kürze angegeben, und sodann entwickelt, wie sich diese in den verschiedenen Charakteren und ihren Schicksalen ver- körpert. Demgemäsz werden die Elfen, die Gruppe der Liebenden, die der Handwerker und die des Theseus und der llippolyfa der Reihe nach behandelt, und ihr Verhältnis zur Idee und zu einander klar und trelTend entwickelt. Es folgt der 6e Abschnitt 'der Traum' über- schrieben, den wir für die schönste Partie des ganzen halten. An den Hauptsatz 'der Dichter vergleicht die Verirrungen der Einbil- dungskraft und Leidenschaft mit den Vorstellungen eines Traumes' reiben sich die sinnigsten Betrachtungen über das Wesen des Traumes, wie über Behandlung und Anwendung des Traumes bei Sbakspeare. Es folgt die ' Composition' und nächstdem 'das Verhältnis des Som- niernacbtslraumes zu den übrigen Komoedien und Schauspielen', in welchem Abschnitt der Verfasser, wie es scheint, in stillschweigen- dem Gegensatz gegen Gervinus hie und da ans nüchterne streifende Darstellung besonders den Reichthum der Phantasie hervorhebt, der sich in diesen Stücken findet. Es folgt ein mit philologischer Akribie geschriebener Abschnitt über das Drama von Pyramus und Thisbe, sodann eine gleich gründliche Abhandlung über die Elfenmythologie. Den Schlusz macht ein llr Abschnitt: 'Historische Beziehungen.' Schon aus diesem kurzen Abrisz geht hervor, wie gründlich und all- seitig der Verfasser seinen Stoff behandelt. Einen Hauptvorzug sei- ner Arbeit haben wir aber noch nicht erwähnt. Es sind dies die überall verstreuten, umfangreichen philologischen Anmerkungen, welche überall von den gründlichsten Studien zeugen und für den Sprachgebrauch Shakspeare's , der durch reiche und sorgfältige Pa- rallelen oder Vergleichung mit Zeitgenossen des Dichters erleutert wird, eine wahre Fundgrube bilden. So wird in verschiedenen An- merkungen von der Bedeutung der Worte knave, shrewd, bumour, pageant argument gehandelt, in einer anderen der Gebrauch, welchen der Dichter von der personificierten Zeit macht, erläutert, in andern bestimmte Anspielungen auf Gebräuche und Sitten erklärt. Erklä- rungen einzelner Stellen finden sich gleichfalls nicht selten. Es ist in diesen Anmerkungen, und darum heben wir sie ganz besonders hervor, der oben von uns ausgesprochene Grundsatz, den Dichter aus sich selbst zu erleutern, mit ebenso groszer Consequenz wie gutem Erfolg zur Geltung gebracht. Schlieszlich bemerken wir, dasz das ganze in schöner, geschmackvoller, zuweilen ans poetische strei- fender, aber nie das Masz überschreitender Sprache geschrieben ist, die sich dem zu behandelnden Stoffe aufs innigste anschlieszt, ja an- schmiegt. Wir halten es für unsere Pflicht, dieses nicht umfang-, wol aber inhaltsreiche Buch allen denen, welchen es nicht um oberfläch- liche Leetüre des Sbakspeare und vagen aeslhetischen Dilettantismus, sondern um ein ernstes, eingehendes und gründliches Verständnis

2*

20 Byron''s Marino Faliero erklärt von Brockerlioff.

seiner Werke zu tliun ist, noch einmal auf das nachdrücklichste an- zuempfehlen,

ByroiCs Marino Faliero erklärt von Brockerhoff.

An Shakspcare schlicszt sich in der Herrigschen Sammlung wiir- di» Byron an, dessen Hleislerwerkc wir um so lieber in derselben erläutert zu sehen wünschen, als dadurch holTentlich diesem poeti- schen Genie, dem groszten, welches die Welt auszer Milton, Schiller und Goethe seit Shakspeare gesehen , ein gröszerer Leserkreis er- wächst und viele vertrauter mit ihm werden, die, durch die Mangel- haftigkeit der elenden deutschen Ueberselzungen abgestoszen , sich au die Schwierigkeit des Originals nicht gelrautcn. Begonnen ist auffallender ^^'eise mit Marino Faliero, einem ürama, das keineswegs zu den hervorragendsten Werken des Dichters gerechnet wird, und das mit Recht. Zwar der Charakter des Dogen ist vorlrefilich ge- zeichnet und sein Schicksal echt tragisch. Er geht zu Grunde, weil er nur aus persönlicher Gereiztheit und nach eigner Kränkung in den Kampf für die Freiheit des Volkes geht, und für den Fall des Sieges ein Blutbad mit schonungsloser Grausamkeit beabsichtigt. Die Zügo des Alten, die Mischung von wahrem und falschem Stolz, seine edlen Tugenden, die seinen Fehlern mehr als das Gleichgewicht halten, sind auf das vortrefllichstc geschildert. Sein Verluillnis aber zur Augiolina schwebt völlig in der Luft, und ist ohne innere AN'aiirheit ; die Scenen, welche zur Exposition dieses Verhältnisses dienen, sind trotz einzelner Schönheiten, die man freilich bei Byron immer linden wird, schlep- pend, leblos, verfehlt; die Rede Angiolina's endlich kurz vor dem Tode des Marino enthält, wie dies die englischen Kritiker mit Recht {adelnd hervorheben, für eine Frau in dieser Situation viel zu viel Geschichte und Moral. Immerhin aber eignet sich für Schulzwecke kaum ein anderes \\'erk Byrons so wie dieses. Die Einleitung enlliült eine Darslellung der äuszern Lage Venedigs um die Zeit der Handlung des Stücks, so wie der historischen Anlecedcnlien Marinos, grösztcnthcils nach Michel Sanuto und Byron selbst; ihr entspricht ein Anhang, der sicli in kurzer Uebersichl über die Verfassung und Behörden Venedigs ausläszt, und besonders zeigt, \Nic sich allmälig das Uebergcwicht der Patricier über die Tlebejcr, endlich über den Dogen, entwickelte. Der Text bietet verhältnismäszig wenig Schwie- rigkeiten. Die Anmerkungen beschäftigen sich hauptsächlich damit, auf Feinheiten in der Sprache hinzuweisen und verstecktere Bezie- huuy:eii ans Licht zu stellen. In dieser Hinsicht ist sehr viel hübsches in dem Hiiclilein zu linden, nur, meinen wir, zuweilen etwas zuviel am nnreclili'U Orte. Namentlich hat der Herausgeber die an sich rich- tige Wahrnehmung, wie die Dielion Byrons oft so einüericiilet ist, dasz dieselben Worte, anders gelaszt oder anders consiruirl, einen ganz verschiedenen und doch gleich passenden Sinn geben, sehr oft verleitet, auch da einen Doppelsinn anzunehmen, wo er nicht nur nicht am Platze und vom Dichter sicher nicht beabsichtigt, sondern

Byroirs Chililo IlaioUl orklärl von Brockcrhoir. 21

sogar rein unmöglich ist. Statt aller nur ein Beispiel. Act V Sc. 1, S. 147 sagt Caiendaro: MVhatI niust we not even say farewell to some fond friend?' Dazu Ijeinerkt Br. ^ "^dürren wW niclil', aber auch: 'müssen wir nicht?' (ist es unter diesen Umständen niciit nö- thig, eine uns obliegende Pllicht?)', da doch letztere Erklärung durch das evon völlig unmöglich gemacht wird. Denn was wäre das für ein Gedanke: 'ist es nicht unsere Pflicht, sogar einem Freunde l.ebe- wol zu sagen?'!!! Druckfehler linden sich einige wenige ganz uner- hebliche.

Bijron's Childe Harold. I. und II. Gesang. Erklärt von Bro- ckerhoff.

Die mit Schwung und Liebe geschriebene Einleitung- gibt eine wol gelungene Charakteristik der Byronschen Poesie überhaupt, wie insbesondere des berühmten Gedichtes, dessen erste Gesänge erklärt sind, und der in diesem niedergelegten Weltanschauung. Nur hätten wir etwas weniger Rhetorik gewünscht, wie auch die Farben etwas zu düster aufgetragen und die Lichtseiten im Childe Harold, nament- lich die meisterhafte Naturschilderung, zu wenige hervorgehoben sind. Auf den Zusammenhang endlich, in welchem das Gedicht mit dem Lehen des Dichters steht, ist nirgends hingewiesen. Vielleicht be- absichtigte der Herausgeber, dies in der Einleitung zum folgenden Bändchen nachzuholen. An den in allem sachlichen trefflichen Anmerkungen ist leider nur noch in weit höherem Grade das auszu- setzen, was wir schon bei Marino Faliero tadelnd erwähnten. Der Erklärer bietet ein Uebermasz von Scharfsinn auf, um an allen mög- lichen Stellen einen doppelten Sinn herauszufinden; darin sieht er eine besondere Feinheit und Kunst des Dichters. Nun ergibt sich aber bei näherer Prüfung, dasz ein solcher im Childe Harold mit Ausnahme einiger ganz vereinzelten Stellen ganz unmöglich ist, wenn man dem Dichter nicht Abgeschmacktheiten, ja haaren Unsinn in den Mund legen oder der Sprache unerhörte Gewalt anthun will. Es wäre leicht, dies in jedem einzelnen Falle zu beweisen, wir begnügen uns mit einigen schlagenden Belegen. In der ersten Strophe der Widmung lautet der 4e Vers ' Forms w hieb it sighs but to have only dreamM.' Dazu lau- tet die Anm. 'which .... im doppelten Sinne von: 'dasz . . .', und 'wenn' oder 'wie wol es sie nur geträumt hat', bei welcher letz- teren sprachlich unmöglichen Erklärung alle Construction aufhört. Canto 1 Str. 5, in welchem der Dichter in schmerzlicher Bitterkeit die Geliebte des Childe glücklich preist, den Umarmungen eines Wüst- lings und Verschwenders entronnen zu sein, Avird durch 'die feine Ironie', und 'den Doppelsinn der einzelnen Wörter', welchen Br. glücklich wieder herausfindet, abscheulich entstellt und verdreht. Die Anführung und Widerlegung der ganzen Anmerkung würde zu weit führen. Str. 41 heiszt es: 'three hosts combine to olfer sacrifice'; dazu die Anmerkung: host im doppelten Sinne von 'Herr' und 'Opfer', wo denn für den 2n Fall der schöne Sinn herauskömmt: 'Opfer be-

22 Tennyson's Gedichte erklärt von Fischer.

reiten sich Opfer zu bringe».' Str. 42 soll in dem 5n Vers ; ' Can despots compass aught that hails their sway' , that sowol Subject als Objcct und hails auszer seiner an dieser Stelle einzig richtigen und natürlichen Bedeutung auch noch "^ niederhagcln' heiszen können!! Canto II Str. 2 vers 1 Avird unter den ' son of the morning', uas dem ganzen Zusammenhang nach nichts weiter sein kann und ist, als ein poe- tischer Ausdruck für 'Bewohner des Morgenlandes', von Br. die Sonne verstanden, aber auch der Mensch, das vergängliche Kind des Tages. 'Son erinnert an das lautlich verwandte Sol und morning an das par- ticipiale Substantiv mourning.' ! I Diese Proben, denen wir unzäiiligc gleiche hinzufügen könnten, Avenn es Raum und Zweck dieser Zeilen erlaubten, mögen genügen. Will der Herausgeber seine übrigen Bänd- chen, auf die wir uns übrigens aufrichtig frcun, brauchbarer machen, so kann er sich vor solch unnützer Verschwendung seines Scharfsinns nicht genug hüten.

Tennyson's ausgewählte Gedichte. Erklärt von Heinrich Fische r. Der liebenswürdige Dichter, dessen ausgewählte Gedichte in vorliegendem Bändchen erklärt Averden sollen, war Referenten bis dahin nur durch einige Lieder in der Ilerrigschen und anderen Chre- stomathieen bekannt. Um so willkommener war uns diese Sammlung. Vorzüglich schön sind die Lieder, in welchen der elegische Ton vor- herseht, so Oriana, Lockley-IIall, May-Queen, wie auch die Schilde- rungen und Gesänge der Meermädchen, Sirenen, Lolophagen, in denen schon die unendliche Weiche und Anmuth der Sprache und der me- lodische Flusz des Verses entzückt, in ihrer Art unübertrefflich sind. Nicht ganz so wollten uns die vom Herausgeher am höchsten gestell- ten Idyllen gefallen, am wenigsten die allegorischen Gedichte, in denen neben manchen einzelnen wahriiaft poetischen Zügen und Bildern das bombastische und wüst phanlaslisehe zu sehr dominiert, als dasz ein geläuterter Geschmack daran Gefallen linden könnte. Das Ver- dienst des Erklärers nun besteht auszer der geschmackvollen Aus- wahl der Stücke nur in der Einleitung. Sie enthält eine kurze bio- graphische Skizze über Tennysou, an die sich eine Charakteristik und W^ürdigung seiner dichterischen Wirksamkeit anschlieszt. AN'armc Liebe zu dem Dichter vereint sich in ihr mit besonnenem und unbe- stochenem Urtheil. Um so weniger befriedigen die Anmerkungen, die unglaublich dürftig sind. Auszer einzelnen der gewöhnlichen Grammatik entlehnten Bemerkungen (wie z. B. mehrmals die Auslas- sung des Relalivs ausdrücklich erwähnt ist !) und hier und da aesthe- tischen Raisonnements ist zur Erklärung des Dichters fast gar nichts gelhan, über alle schwierigen und dunkeln Stellen, die sich bei Ten- nysou in groszcr Menge finden, wird stillschweigend hinweggegangen, und man darf sicher sein, dasz man gerade da, wo einem eine gründ^ lichero Erläuterung am liebsten wäre, beim Erklärer nichts ündel. Nicht den yVnmcrkunirLMi also hat es Fischer zu verdanken, wenn es ihm schon durch die blosze Verunstaltung dieser einem gröszcrcn

Belm-Escheuburg; Scluilgranunatik der englischen Sprache. 23

Leserkreise zugänglichen Auswahl gelungen ist, seinen Hauptzweck zu erreichen, d. h. '^ Liebe zu erwecken für den Dichter Alfred Ten- iiyson.'

Schulgrammattk der englischen Sprache für alle Stufen des Un- terrichts berechnet. Von Hermann Behn- Eschenburg, Professor an der Universität und Kantonsschule zu Zürich. Zürich , Druck und Verlag von Fr. Schulthess. 1854.

Bei der Masse von seichten Machwerken, welche sich in neuester Zeit ohne eine Spur von Selbständigkeit, nur für das oberflächlichste Bedürfnis berechnet, mit den Ansprüchen einer englischen Grammatik auf den litterarischen Markt drängen, ist es doppelt erquicklich auf ein wirklich gediegenes, auf eignen Studien gegründetes, echt wis- senschaftliches und doch zugleich so praktisches Bucii wie vorliegen- des zu stoszen, und es anzuzeigen für den Recensenten nur eine angenehme Pflicht. Das Buch zerfällt, dem auf dem Titel angegebenen Zweck gemäsz, in 4 Abschnitte. Der erste, Einführung in die Spra- che, gibt in der ers ten Abtheilung das nöthigste aus der Formen- lehre, über die Aussprache nur die allgemeinsten Regeln, vom star- ken oder unregelmäszigen Verbum nur die gangbarsten Wörter, in der zweiten, Sprachübung, Lesestücke und Uebungen zum Ueber- setzen aus dem Deutschen ins Englische nebst den dazu nöthigen Vocabeln. Dabei wird einerseits beständig auf die Paragraphen der ersten Abiheilung zurückgewiesen, andrerseits laufen diese selbst fort, anknüpfend an die in den Uebungen vorkommenden Ausdrücke und Formen. Immer sind hier und da Rückblicke auf das bis dahin gelernte verstreut, wie z. B. eine Uebersicht über die vorgekomme- nen englischen Laute, starken Verba, Ausdrücke für 'Herr', das Gerundium, Stellung des Adverbs. Ein Ueberblick über sämmtli- che englische Laute erfolgt §. 175, wo deren 48 sammt ihren Schrift- zeichen aufgestellt werden, auf die sich der Verfasser denn auch spä- terhin zurückbezieht. Endlich sind vorzüglich praktisch die hier und da zusammengestellten Fragen, die der Schüler aus den vorange- gangenen Pensen deutsch und englisch zu beantworten hat. Der 2e Abschnitt, 'erweiterte Formenlehre', vervollständigt in der ersten Abllieilung 'weitere Biegungsformen englischer Wörter', den etymo- logischen Theil des In Abschnittes; die zweite enthält wieder ganz in derselben Weise wie im In Abschnitt Lesestücke und Uebungen, wobei in den Anmerkungen überall die feinsten sprachlichen Bemer- . kungen verstreut sind. Die Auswahl der poetischen w ie prosaischen Lesestücke ist wahrhaft vorzüglich, und die Uebungsstücke in jeder \^'eise geeignet, das Gedächtnis des Schülers mit den nöthigen Voca- beln zu bereichern und ihn allmälig und unmerklich in den Geist der englischen Sprache einzuführen. Der 3e Abschnitt , Syntax, in wel- chem die Lesestücke wegfallen, bietet manch eigenlhümliches. Nach einer eignen Eintheilung der Redelheile wird gleich mit dem Verbum

24 M. Weishaupt : die englischen Praepositionen.

begonnen, und erst nacli diesem Substantiv und Adjcctiv behandelt. Hauplsächlicl» in diesem Absclinitt zeigt sich ein Ilauptvorzug des Buches in gliinzendstem Lichte, Klarheit, Faszlichlieit und Bestimmt- heit des Ausdrucks, welche uns zuweilen an Wilhelm Krüger mahnte. Ein anderer ist die beständige Hinzuziehung des Deutschen zur Ver- gleichung , welche ebenso sehr zum tieferen Verständnis des Geistes der englischen Sprache wie zum richtigen Gebrauch derselben in der Praxis zweckdienlich ist. So euüiält es eine Masse Regeln für eng- lische Stilistik. Wir verweisen besonders auf die vorzüglich ge- arbeiteten Abschnitte über die Hilfszeitwörter, Praepositionen und Conjunctionen. Nimmt man hierzu noch, dasz überall, wo es nölhig oder thunlich ist, zur Elrläuterung englischer Formen oder Fügungen auf das Angelsächsische zurückgegangen wird, so haben wir die drei Punkte, durch welche sich diese Grammatik zu ihrem Vortheil von der allein in Betracht kommenden Wagnerschen unter- scheidet, die ihrerseits als ein sämmtliciie, auch die entlegenen und abnormen Erscheinungen der englischen Sprache umfassendes Lehr- gebäude durch systematische Vollständigkeit wie durch die Fülle ihrer treiriich gewählten Beispiele die unsrige übcrtrilTt, und somit durch sie noch keineswegs entbehrlich gemacht wird. Ganz vorzüglich ist endlich der 4c Abschnitt, der über Wortbildung, Accent, Schrift und Aussprache handelt. Die Wortbildung zerfällt in die 'Bildung englischer Wörter aus deutschen und französischen', und in * Wort- bildung innerhalb des Englischen'. Namentlich aufmerksam zu ma- chen ist auf die ' Vergleicliung englischer und deutscher Worte nach Vocalcn, Halbvocalen und Consonanlcn' ; die für das Verhältnis des Neuhochdeutschen zum Englischen entwickelten Gesetze sind für den Laien klar und faszlich und die Beispiele höchst instrucliv. Für den Accent ist ein neues Gesetz aufgestellt, welches den lernenden gleich- wol über die Schwierigkeiten dieses Punktes nicht hinweghelfen wird. Hier kann nur die Uebuiig helfen. Ganz am Schlusz wird in mehreren Capiteln von der Ausspraclie und Schrift gehandelt, mit Recht, da die Erfahrung lehrt, dasz alles andere eher und leichter erlernt wird, als richtige Aussprache des Englischen. Einzelnheiten, die wir hie und da anders wünschten, tadelnd hervorzuiicbeu haben wir uns bei der ungewöhnlichen Güte des ganzen gern eiilluiiteu und wollen somit zum Schlusz so dem Lehrer wie dem Schüler, iusgesammt allen denen, wclclie es mit der Erlernung der englischen Sprache ernstlich meinen , das Buch auf das dringendste empfohlen haben.

Die enf/lisr/ien Praeposilionen. Ein theoretisches und praktisches Ililfsmitlel für öffetUliche Schulen und zum. Vriratgebrauch (jecitjnel ^ ron J)r. M. Weishaitpt, Prof. der griechischen und Lehrer der enf/lischcn Sprache an der höhern Lehran- stalt in Sululhurn. Hern 1853. Verlag von Jeiit und Rcinerl. Eine flciszige und dankenswertiie Monographie, welche die

Schüfe: englische Chreslomalie. 25

englischen Praepositionen nach Ursprung, Gebrauch, Construction, Bedeutung allseilig behandelt. Vorangeht nach einigen allgemeinen Bemerkungen, Eintheilung der Praepositionen in eigentliche und un- cigentliche, und Auflührung einiger angelsächsischer, in §. 4 eine *Erleuterung der Praepositionen', in welcher ihr Ursprung aus dem Romanischen und Angelsächsischen mit Hinzuziehung der verwandten Sprachen erörtert, ihre verschiedenen Bedeutungen, ihr Gegensatz und ihre Synonyma angegeben werden. Es folgen in einem beson- deren Abschnitte Beispiele für alle Praepositionen in ihren verschie- deneu Bedeutungen. Ein eigner Paragraph handelt von den Synonymen, wobei natürlich viel auf §. 4 recurriert wird, und endlich erfolgt das Verzeichnis der Praepositionen, die von Substantiven, Adjectiven und Verben regiert werden, wozu noch als Anhang ein alphabetisches Verzeichnis dieser Wörter kommt, nachdem vorher noch in einem besondern Abschnitt gelehrt worden ist, wie die deutschen Praeposi- tionen durch englische widerzugeben sind. Schon aus diesem Ver- zeichnis erhellt, Avie reichhaltig und in jeder Hinsicht brauchbar das Büchlein ist. Besonders gut ist der etymologische Theil, wenn er auch zum gröszten Theil nur eine Zusammenstellung des in gröszeren sprachvergleichenden Werken anderweitig verstreuten ist. Der Un- terschied der Synonyma ist oft nicht scharf genug gefaszt, wie bei der Aufzählung der verschiedenen Bedeutungen Klarheit und Bestimmt- heit vermiszt wird. Mit dem musterhaften Abschnitt in Behn-Eschen- burgs Grammatik kann sich das Buch in dieser Hinsicht nicht ver- gleichen.

Englische Chrestomaihie. In sechs Büchern. Episch^ lyrisch., dramatisch., historisch, rhetorisch, didaktisch. Von Her- rn arm Schüfe. Erster Band. Erste Abtheilung. (Episch). Siegen 1851.

Mit englischen Chrestomathieen wie Grammatiken sind wir jetzt etwas zu reichlich gesegnet. Das Bedürfnis dazu ist seit Herrig's Mustersammlung niclit mehr vorhanden; es gibt jetzt zu interpretieren und die classischen Autoren Englands unserem deutschen Publicum durch tüchtige erklärende Ausgaben näher zu bringen. Davon abge- sehen ist vorliegende, in groszartigem Maszstabe angelegte Samm- lung, wenigstens die erste Abiheilung derselben nicht übel. Sehr glücklich ist die Auswahl der prosaischen Stücke, in welcher beson- ders Charles Lamb und Dickens vertreten sind, wie die der alten und neuen Balladen, die den zweiten Theil der Rubrik: ^poetische Erzäh- lungen', bilden; dagegen vermiszten wir in dem ersten Theil dersel- ben den Namen Byrons , von dessen Gedichten im ganzen Bande nur ein kleines Bruchstück aus dem Childe Harold, das Stiergefecht in Spanien, aufgenommen ist; und doch war gerade hier der Ort für eine gröszere Probe von der Poesie dieses Meisters in poetischer Er- zählung !

26 L. Ganller: Sludy aiul Recrealion.

Study and Recrealion. Englische Chrestomathie bearbeitet von Ludwig Gantter. Erster Cursus. Stuttgart 1852.

Eine, M'ie schon der Titel sagt, mit der gutgemeinten, al)er verkehrten Absiciit veranstaltete Sammlung, der Jugend bei ihrer englischen Lecliire nicht blosz angenehme Unlerhaltnng zu bieten, sondern auch allerlei gemeinnützige Kenntnisse beizubringen. Das Buch handelt dcmf^emäsz zunäciist von allem möglichen, Pflanzen, Thieren, Steinen, Städten, Handel usw.; es folgen für kindliche Her- zen geschriebene dramatische Scenen, Erzählungen, Bilder aus der Nalur, Geschichte. So ist das ganze ein englisciier Kinderfreund für Kinder von JO 14 Jahren. Einen Anhang bildet l) ein höchst läppisches allegorisches Schauspiel in 6 Acten, das die Schicksale zweier von zwei Genien beschützten Schulkameraden, eines höchst gescheuten, aber übermüthigen, und eines mäszig begabten, aber bescheidenen behandelt , und 2) eine kleine Auswahl der bekannlesleu lyrischen Gedichte. Den Sclilusz macht ein kleines Wörterver- zeichnis.

Halle. VK. Wolterstorff.

Scliulprogramme mathematischen Inhalts.

1. Progr. des her:,ngl. nassauischen Paedagogiums zu Dillenbnrg. Theorie der Meridianbestimnning von R. llyen Conrector. 1854.

In der Einleitung bespricht der Vf. zunächst die Wichtigkeit der Meridianbcslimmung als Grundlage für die Ort- und Zeitbestimmung, und knüpft daran einige für die Erweiterung des Gesichtskreises jun- ger Leute recht zweckmäszige Bemerkungen über die culliirgeschicht- liche Bedeutung jenes Problems. Mit kurzen ^^■orten werden dann die Ilaupllormeln aus der Lehre von den ebenen und räumlichen Po- larcoordinalen erörtert und daran die wiciiligsteu Methoden der iMeri- diaiibeslimmung geknüpft, nemlich a) die Methode der correspondie- rendcn Höhen, b) die Beobachtung grösster Digrcssiouen, c) dio Beobachtung einzelner Höhen, d) die Beobachtung der AzimutaldilTe- renz eines Sternes und eines terrestrischen Objects, e) dio Beobach- tung der Passaffen eines Circnmpolarslerns durch dieselbe Verlical- ebene. Den Kinfluss der Aberration und Mutation hat der Vf. nur historisch erwähnt, nicht aber näher begründet, was sich durch die Natur der Sclirift vollkommen rechtfertigt. Im Ganzen scheint uns Wahl und Ausführung des Gegenstandes sehr zwecknuiszig zu sein.

Schulprogramme mathematischen Inhalts. 27

2. Progr. des herzogt, nassamschen Realgymnasiwns zu Wies-

baden. Bestimmung der Richtung , in welcher sich ein Punkt der Erdoberfläche in einem gegebenen Zeitmomente durch den Raum bewegt, von Prof. Eben au. 1854.

Der Vf. gibt zunächst ohne Formeln eine sehr ausführliche und klare Darstellung der drei verschiedenen Bewegungen der Erde und deren Einllüsse auf Beleuchtung, Klima usw. Dann folgt die mathe- malische Behandlung der Frage, welche sich auf das Problem redu- ciert: denjenigen Punkt der Erdbahn, der von dem augenblicklichen Staude der Sonne um 90° westlich absteht, durch Azimut und Höhe zu bestimmen. Die Lösung dieser Aufgabe bietet ein gutes Beispiel für den unmittelbaren Gebrauch der Neperschen Analogieen *). Je schwerer es gewöhnlich für den Schüler ist jene drei Bewegungen der Erde vor der geistigen Anschauung festzuhalten, um so passen- der erscheint die Wahl des Themas, dem hier eine sorgfältige Aus- führung zu Theil geworden ist.

3. Progr des k. k. Gymnasiums in Meran. Goniometrie vom

Classenlehrer Magnus Tschenett. 1854.

Eine überaus gewöhnliche Ableitung der hauptsächlichsten go- niometrischen Formeln, wie man sie aus älteren Büchern hinlänglich kennt. Nur in einem Punkte weicht der Vf. von seinen Vorgängern ab; nachdem er nemlich die Formeln für sin («+ b) und cos (a + b) unter den Voraussetzungen b <i a <^ 90° und a -\- b <Z 90° auf die althergebrachte Weise abgeleittt hat, erklärt er, zum Beweis ihrer Allgemeingiltigkeit für beliebige a und b reiche die Bemerkung hin, dass nach jenen Formeln

[sin + Ä)]2 + [cos (a + 6)]^ = l ""'^ [sin 6)j2 + [cos (a b)]^ = 1 werde, wie es sein müsse. Diese seltsame Bechnungsprobe ist zu- gleich eine Probe von dem wissenschaftlichen Standpunkte des Ver- fassers. Die interessanten Deductionen mancher goniometrischen For- meln , welche man nach des Vf. Bemerkung ' nicht vermissen wird', hat Ref. nicht zu entdecken vermocht.

4. Progr. des Gymnasium Fridericianum in Schwerin. Beitrüge

zur Elementarmathematik vom Oberlehrer Dr. Dippe.

Der ziemlich reiche Inhalt ist nach des Vf. eigner Angabe we-

*) Warum der Vf. fs statt sin schreibt , begreift sich nicht recht ; entweder benutze man consequent zwei Buchstaben und bezeichne die trigonometrischen Functionen mit sn, es, tg, et usw., oder man nehme wie gewöhnlich drei Buchstaben. Auf jeden Fall ist es aber ein pae- dagogischer Misgriff, die Schüler an Bezeichnungen zu gewöhnen, die sonst Niemand anwendet; man erschwert ihnen damit unnöthigerweise das Eindringen in die Litteratur. Ebendeswegen zieht auch Ref. die herkömmliche Bezeichnung vor, obschon sie die längere ist.

28 Schiilprogramme mallicinatischen Inhalt.

der hinsichtlich der Gegenstände noch bezüglich der üarslollungsforni neu, er soll bloss zeigen Avie sich die abgehandelten Lehren nach des Vf, Erfahrungen am besten darstellen lassen, und ausserdem ein Supplement zu dem eingeführten Lehrbuche (von R. Weber) bil- den. Was nun den ersten Abschnitt ^die Binomialreihe' anlangt, so kann ihn lief, nicht für gelungen halten, in so fern nemlich der Vf. oline alle und jede Begründung voraussetzt, dass (l + x).«' nicht nur bei ganzen positiven, sondern auch bei beliebigen anderen fi in eine Poteiizeiueiho verwandelt werden könne (Methode der unbe- stimmten Coefilcienten); die Vorfrage nach der Möglichkeit der Ueihe ist aber gerade die wiclitigere und nach ihrer Erledigung würde man in der Wahl der Mittel zur Coefücientcnbestimmung nicht mehr ängstlich zu sein brauchen, wie sich namentlich in schwereren Fäl- len (s. z. B. Moigno calcul diiTerentiel p. 170 nr. 90) unwiderleglich zeigt. Es hat freilich für den Schulmann einen eignen Heiz den Schü- lern die allgemeine Binomialreihe und einige ähnliche Entwicklungen mitzulheilen, aber "es scheint nicht gerathen dies auf Kosten der Strenge zu lluin. lief, würde in diesem Falle entweder die Allgemein- giltigkeit des binomischen Satzes nur historisch anführen und durch

Divisionen wie ; , 7 ; r^ und Wurzelausziehungen auf gewöhn- 1+x (1+x)^

lichem Wege Proben dazu geben, oder, wenn es der Standpunkt der Schüler erlaubt, einen strengen Beweis füiiren , sei es nach Cauchy durch Summierung der lieilie oder nach Grelle durch identische Trans- formation und Uesthelrachtung. Dieselben Bemerkungen trelTen auch den zweiten Abschnitt ^die Logarillin1%n', wo die Methode der uubo- stimmlen Coeflicienten in gleicli unmotivierter Weise angewendet worden ist. Besser hat sich lief, mit den übrigen Abschnitten (Glei- chungen des 3n und 4n Grades, Combinationslehre und Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung) befreunden können; sie geben ein gutes Zeugnis von der klaren Darstellung, welche dem Vf. zu Gebote steht.

5. Progr. des hambnrgischen Johannetims. Ueber die räumliche Darstellung der imaginären Grössen von Prof. Biibendey. 1^54.

Die geometrische Bedeutung der imaginären und allgemeiner der complexen Zalilcn hat man bis jetzt auf zwei versciiiedcne Arten nachzuwoiscu «resudit. Man geht entweder mit Gauss von den Be- grill'en des Gegensatzes und der Ablenkung aus und gelangt durch ntelir oder minder befriedigende Baisonnomenfs zu dem Schlüsse, dass, wenn •{- l = ( l)° die ursprünglidie Lage einer «geraden = 1,

und 1 :^^- ( 1)' dio entgegengesetzte Lage derselben bedeutet,

II jtido Zwischcnlage durch ( l)m ausgedrückt worden kann, wobei sich die Zahlen n und m verhalten wie J(Sü° zu dem in Graden ausge- drückten Winkel, den die Zwischenlage der geraden mit der Anfangslage

Programme mathemalischen Inhalts. 29

einsehliesst. Dieser in mancher Beziehung nicht rein malhemalischen Deduclion hat Drob isch *) eine analytische Ableitung entgegenge- stellt, welche im wesentlichen auf Folgendes hinauskommt. Bezeichnet man mit </„ eine Gerade von der Länge?/, welche mit ihrer Anfangslage den ^^ inkel u bildet, so ist y^ = yz=y(^-\- 1), ferner yit = »/ = y ( l); hierdurch wird man zu der Analogie veranlaszt, »/„ = y f(u) zu setzen, wo /"(«) von dem "Winkel u allein abhängt. Bei zwei aufeinander folgenden Drehungen um die Winkel u und v ist einer- seits y„ ^^Tz= y^ f(p) = y f(u) /"(f), andrerseits unmittelbar i/„ ^ = y f(" + *') 5 niithin f(u) /'(«) r= f(u + ») ; hieraus folgt f(u) =^ a" und hier bestimmt sich a durch die Bemerkung, dass iär u = 7t die Gleichung [(n) = 1 zum Vorschein kommen muss. Ueber diese Ableitung bemerkt der Vf. richtig, dass jene Analogie, ?/„ = y /"(«) zu setzen, einer näheren Begründung bedürfe, dass namentlich der Begriff der Multiplication erst tiefer untersucht werden müsse. Dem entsprechend werden im Folgenden die geometrischen Bedeutun- gen der arithmetischen Grundoperationen für complexe Zahlen festge- stellt, wobei der Vf. den schon von Möbius eingeführten Begriff der geometrischen Addition zum Ausgangspunkte nimmt. Ref. hält diese Erörterung für eine sehr gelungene, kann aber nicht umhin zu bemerken, dass die Darstellung an Klarheit wesentlich gewonnen ha- ben dürfte, wenn der Vf. sich weniger im Baue grosser und künst- licher Perioden gefallen halte. 6. Progr. des Gymnasiums zu So7'au. Ueber die elementar-geo-

mctrische Behandlung der Kegelschnitte vom Oberlehrer

Scoppewer. 1854.

Der Vf. spricht in der Einleitung die Ansicht ans, dass bei rich- tiger Zeiteintheilung und hinreichendem Fleisse der Schüler immer noch etwas von der Zeit übrig bleibe, welche auf dem Gymnasium zur Absolvierung des reglementmässigen mathematischen Pensums ge- lassen ist; er taxiert jenen in Prima resultierenden Ueberschuss auf 2 3 Monate bei wöchentlich 4 Stunden. Diese Zeit könne man mit irgend einem Theile der Planimetrie, entweder mit einem Stück neuerer Geometrie oder mit der Lehre von den Kegelschnitten aus- kaufen und der Vf. entscheidet sich für das letztere wegen der physi- calischen Wichtigkeit derselben. Wenn Rf. auch diese Entscheidung vollkommen billigt, so kann er andrerseits doch seine Verwunderung darüber nicht verhehlen, dasz der Vf. nicht an die so nahe liegende Stereometrie gedacht hat, die Schüler werden ohnehin mit pla- nimetrischen Details genug überschüttet. Eine solche stereometri- trische Zugabe wäre die descriptive Geometrie, das vortreff- lichste Mittel zur Uebung der figürlichen Anschauung. Jene vom Vf.

♦) Der Vf. citiert die 2e Aufi. von des Ref. Handbuch der alge- braischen Analysis, die eigentliche Quelle ist aber: Berichte über die Verhandlungen der K. S. Gesellschaft der Wissensch. zu Leipzig 2r Band S. 171 (Sitzung vom 5n Sept. 1848).

30 Programme mathematischeu Inhalts.

angegebene Zeit reicht vollständig aus um die Grundzüge der descrip- liven Geometrie (Darstellung von Grundriss und Aufriss beliebiger Körper in beliebigen Lagen, Durchschnitte der Ebenen mit Kugel, Cylinder und Kegel, perspeclivischc Darstellung der vorigen Gebilde) theoretisch zu begründen und durch Avirkliche Ausführung der Zeich- nung (in den Lehrstunden) einzuüben. Der Gewinn hierbei besteht in der Fertigkeit räumliche Gebilde (auch selbst aus freier Hand) annä- hernd riclitig darzustellen und umgekehrt aus einer Zeichnung das entsprechende Phanlasicbild abzuleiten oder, wie man zu sagen pflegt, sich in eine Zeichnung hineinzufiiulen. Uf. hat dieses Experiment in einem bekannten, hauptsächlich von hochgeborenen und sehr bla- sierten Schülern besuchten Gymnasialerziehuugshause gemacht, als er, um eine Lücke auszufüllen, während eines Semesters daselbst einige Stunden ertheilte, und kann versichern, dass die Schüler nach Kurzem viel Geschmack am Zeichnen fanden und mit einer an jenem Orte nicht sehr gewöhnlichen Vorliebe dem Unterrichte folgten. Beson- ders überraschte es sie, dass die nach den Methoden der dcscriptiven Geometrie ausgeführte Zeichnung nicht selten (iiamentlich bei Durch- schnitten zweier Flächen) ein anderes Bild lieferte als sie sich ge- dacht halten, bei näherem Nachdenken überzeugten sie sich von der Bichtigkcit des Ergebnisses und corrigierten auf diese Weise die An- ticipationen ihrer slereometrischen Phantasie; darin liegt aber gerade das Bildende. Auch die auf Brennpunkte und Tangenten Bezüglichen Eigenschaften der Kegelschnitte finden hierbei gelegentlich ihre Erle- digung und zwar bedarf es hierzu keiner künstlichen Proportionen, sondern nur ein paar congruenter Dreiecke, wie Bf. in 2n Bande seiner ' Grundzüge der Geometrie' gezeigt bat. Der Vf. definiert die Kegelschnitte als den geometrischen Ort eines Punktes, dessen Ent- fernungen von einem festen Punkte und von einer festen Geraden in constantem Verhältnisse zu einander stehen; daraus werden die auf Achsen und Brennpunkte bezüglichen Eigenschaften der Kegelschnitte durch Anwendung von Proportionen, pythagoreischen Satz und der- gleichen abgeleitet. Die Tangenten sind nicht betrachtet, obgleich die Sache keine Mühe macht. Besondere Eigenlhümlichkeiten sind dem Bf. nicht aufgestoszen.

7. Progr des röhiischen Realgymnasiums in Berlin. I. Con- strnrlion der rrffclmdssigen Körper nach einer für alle über- einstimmenden Melhiule rom Direclar A inj nsf ,• II. Ueber das l'ascalsrhe Sechseck ron Dr. Hermes. 18 ')4.

Die Conslruction der rcirulären Körper wird in den Lehrbüchern der Stereometrie meistens so behandelt, dass für jeden derselben ein besonderes aus seinen Eigenschaften hergeleitetes Verfaliren zur An- wendung kommt. Der Vf. daffegen betrachtet die fragliche Construc- lion als Seitenstüek der planimelrischen Aufgabe 'in einen gegebenen Kreis ein reguläres Polygon zu beschreiben' und stellt daher das

Programme malhemallschen InhaUs. 31

Problem * in eine gegebene Kugel einen regulären Körper zu con- stniieren.' Es handelt sich daher nicht, wie man aus dem Titel schlies- sen könnte, um eine neue Conslruclion ab ovo, vielmelir muss die Existenz und Entstehung der regulären Körper vorher gezeigt und bewiesen sein, dass um jeden derselben eine Kugelfläche beschrieben werden kann. Die Augustsche Construcfion wird daher in der Sphaerik ihren Platz linden und durch Einfachheit und Eleganz zu behaupten wissen. Von Interesse ist noch ein neuer in einer Anmerkung mitge- theilten Beweis für den Eulerschen Satz von den Polyedern *).

Die zweite Abhandlung betrinkt das Pascalsche Sechseck in sei- ner ganzen Vollständigkeit, wobei jede der möglichen 60 Verbindun- gen von 6 Punkten eines Kegelschnitts als eingeschriebenes Sechseck betrachtet wird **). Mit sehr geringen Hilfsmitteln (hauptsächlich mittelst des Carnotschen Salzes, ein von einem Kegelschnitt durch- schnittenes Dreieck betreffend) beweist der Vf. den Pascalschen Satz sammt den von neueren Geometern hinzugefügten Ergänzungen. Letz- tere sind l) die 60 Pascalschen Geraden (g) schneiden sich einer- seits zu je 4 in 45 Punkten ausserdem, zu je 3 in 20 (den sog. Stei-

*) Für das Vierflach (dreiseitige Pyramide) ister=::4, f=4, k=:6, mithin e + f = k-t-2. Legt man an eine Fläche dieses Körpers ein zweites Vierfilach , so kommen eine Ecke, zwei Flächen und drei Kan- ten hinzu und es ist für den neuen Körper (trianguläres Sechsflach) wiederum e+ f = k4-2; der nochmalige Zusatz eines Vierflachs ver- mehrt wiederum die Ecken um eine, die Flächen um zwei, die Kanten um drei usw. Der Satz bleibt demnach immer richtig, wenn man Vier- üaclie in beliebiger Zahl zusetzt, er gilt also für jeden von Dreiecken eingeschlossenen Körper. Da bei dieser Zählung auf die Neigungswin- kel nichts ankommt, so können einzelne derselben ohne Störung des Satzes in gestreckte Winkel übergehen, so dass zwei oder mehrere Dreiecke zusammen (in Form eines Vielecks) als eine Seitenfläche gel- ten. Die Eckenzahl bleibt dabei ungeändert, aber die Diagonalen je- ner Vielecke hören auf Kanten zu sein; so viele von den früheren Sei- tenflächen wegfallen, so viele Kanten werden zu Diagonalen, es ver- mindern sich also f und k um gleichviel, was auf das Bestehen der Gleichung keinen Einfluss hat.

♦) Vielleicht ist hier der Ort, um ein in dieser Lehre entstande- nes Misverständnis aufzuklären. In dem Lehrbuch der Geometrie von Prof. Kunze wird nemlich Steiner getadelt, weil er übersehen habe, dass jene 60 Sechsecke nicht ebensoviele Arten von Sechsecken bilden; die einfache Antwort hierauf ist, dass es der Steinersche Satz nicht mit den verschiedenen Arten, sondern mit den verschiedenen Individuen zu thun hat und daher jene Unterscheidung gar nicht beachten darf. Dies übersieht sich noch einfacher beim Viereck; die Punkte A, B, C, D bestimmen die drei Vierecke ABCD, ABDCA und ACBDA als wirklich verschiedene Individuen; diese ordnen sich dann wieder in zwei Arten, in sofern unter ihnen ein gewöhnliches Viereck und zwei überschlagene Vierecke vorkommen. So wie es hier zwei Arten mit zusammen drei Individuen gibt, so sind beim Sechseck 12 Arten mit 60 Individuen vorhanden. Für eine Formenlehre würde diese Unterscheidung in Arten oder Classen einigen Werth besitzen, für den Steinerschen Satz aber hat sie durchaus keine Bedeutung.

32 ; . •; A. Schaefcr: Tabelle zur sächsischen Geschichte.

II er sehen) Piinkfen (P): 2) die Iclzlcren vertheilen sich zu je 4 auf 15 (die sog. P 1 ü ck ersehen) Geraden (G), von denen je 3 durch einen Sleinerschcn Punkt gehen; 3) die 60 Pascalschen Geraden schneiden sich ausser in den Sleinerschcn noch in 60 anderen (den Kirkmann- schcn) Punkten d»), \velcho sich zu drei auf jene 50 Geraden ver- theilen; 4) die 60 kirkuiaunschen Punkte (p) liegen zu drei, ausser auf den 60 Pascalschen, noch auf 20 neuen (den Cayley sehen) Gera- den (G); 5) die 20 Cayleyschen Geraden gehen zn vier durch 15 neue (die S alnionschen) Punkte (P), von denen je drei auf einer Geraden G liegen. Hf. kann diese tiiclitige Arbeit Allen empfehlen die sich für weitere Ausbildung der neueren Geometrie interessieren.

Dresden. Schlüm'dch.

Tabelle zur sächsischen Geschichte von D. Arnold Schae- fcr, Professor an der hönicjl. sächsischen Landesschule zn Grimma. Leipzig. Arnoldsche Bucliliandlung 1855. 8. (16 S. 8. u. ein Blatt in 4).

Die vorliegende Tabelle ist dazu bestimmt eine Ergänzung zu meinen * Geschichtstabellen zum Auswendiglernen' zu bilden, die eben jetzt von neuem durchgcsehn und verbessert in 5r Auflage er- schienen sind [vgl. die Anzeigen der früheren Auflagen N'.lhrb. Bd. LXllI, S. 86 ir. Bd. I.XVllI S. 198j. Denn wenn auch bei diesen die bedeutendsten iMonienle unserer Landcsgescliichle gehörigen Ortes zu berüeksicliligen waren, so folille doch eine übersichtliche Zusammen- fassung, und an vielen Stellen blieb ein näheres Eingeben wünschens- werth. Aus diesen Gründen habe ich schon vor mehr als sechs Jah- ren zunächst zu eignem Gebrauche die Tabelle entworfen und nach wiederholter Prüfung und Sichtung des Ulalerials, mit sorgfältiger Benutzung der neuerdings gel)0lenen Hilfsmittel sie gegenwärtig in Druck gegeben. Mein llaupisireben war darauf gerichtet eine klare Uebersiclit zu ge!)en und die llauplmomenlc hervorzuheben: darum war in der Auswahl des Stolfes die Bcsclirunkuiig auf das wesent- lichste geboten. Uebrigens will ich nicht einem besonderen Lehrcur- sus der valerländi.schen Geschichte an unseren Gymnasien das Wort reden, sondern halte mit voller Ueberzeugung an dem fest, was durch die Verordnung des h. iMinisleriuuis über den Lehrgang des Geschiehtsunlerrichls auf gelehrten Schulen ('5^. 7) vorgeschrieben ist, dasz die säelisische (iescliichte in Verbindung mit dem Cursus der iilliifenieiueu (jcstliichle zu Lhren sei. Der .lugend musz ein klares lüld in feslm Züg(!U \orgtfülirl werdiu. ihr IMick haftet nur auf Perso- m II , die eine bestimmte Gestalt gewiniun, drrcn fluilcu ilircu AiiIIkII

A. Schaefer: Tabellen zur sächsischen Geschichte. 33

erregen. Nichts ermüdet sie mehr und spannt ihre Theilnahme ab als wenn sie von vornherein durch Genealogien und schwankende unbe- festigte Verhältnisse geführt wird. Das aber läszt sich nur vermei- den, wenn der Unterricht in der deutschen Geschichte den leidenden Faden bildet und die engen Beziehungen der 3Iark Meissen mit dem Thüringerlande festgehalten werden. Dann sind die östlichen Marken der Schauplatz Jahriiuuderto währender Kämpfe, in welchen unsere gröszten Kaiser und kühnsten Helden das Schwert führen und Stätten chrisllich-deulscher Cultur gründen. Da tritt aus dem Gewirre wüster Fehden endlich in Meissen das wettinische, in Thüringen das ludowin- gische Haus hervor und begründen eine festere Ordnung; und aus den Stiftungen, die sie neu ins Leben rufen und mit Liebe pflegen, erwächst eine höhere Gesittung, in ihrem Gefolge Wohlstand und Reich- thum. Das aber kann nur dem anschaulich werden, der dem Zustande Deutschlands unter Heinrich IV. und Heinrich V. kennen gelernt hat. Und weiterhin in der Epoche der Hohenstaufen spricht es lebhaft zum jugendlichen Herzen, wenn in der Zeit des Thronstreites und der Par- teiungen Markgraf Dietrich geschildert wird, ^der stolze Meiszner' treu und beständig, wie Walther von der Vogehveide ihn preist, oder wenn dasselbe Lob später seinem Sohne Heinrich dem erlauchten in den Zeiten des Abfalls von Kaiser Friedrich IL gebührendermaszen gespendet wird ; vor allem aber, wenn an dem Untergange der Hohenstaufen auch eine Ahnmutter unseres Fürstenhauses mitzuleiden hat und ihre Söhne, die Erben des Ruhmes der Hohenstaufen und des Fluches, den über sie die feindselige Hierarchie verhängt hatte, den langen, schweren Kampf durchzufechten haben. Alles das kann nur von dem verstanden und gewürdigt werden , der in der deutschen Geschichte gehörig zu Hause ist und jene Begebenheiten in ihrem Zusammenhang kennen lernt. Nicht anders ist es mit der Geschichte der Reformation oder der spä- teren Zeiten: ich will hier an die Türkenschlacht vor Wien und die ferneren Türkenkriege erinnern. Aber es bietet nicht blosz die allge- meine Geschichte fortwährend Gelegenheit, was dem Schüler aus der Landesgeschichte wissenswerth ist, zu lehren, sondern auch die deut- sche Litteraturgeschichte: hat doch unser Fürstenhaus stets, im Mittel- alter wie in der neueren Zeit, der Wissenschaft und Kunst Huld und Pflege angedeihen lassen und die ernestinische Linie trotz der Zer- splitterung ihres Erbes eben auf diesem Felde unvergänglichen Ruhm erworben. Das also ist die Aufgabe eines treuen und verständigen Lehrers stets darauf Bedacht zu nehmen, dasz der Schüler am rechten Orte und in dem gehörigen Zusammenhange von dem Wesen und den Thaten der Vorfahren und ihrer Fürsten höre und lerne, und zwar von guten und schlimmen Zeiten mit gleicher Offenheit und Wahrheit: denn das allein bringt Segen.

Es hat also die hohe Behörde aus den triftigsten Gründen von einem besonderen Lehrcursus der vaterländischen Geschichte an den Gymnasien abgesehen und diesen der Universität vorbehalten. Denn bei der studierenden Jugend darf eine hinlängliche Bekanntschaft mit

N. Jahrb. f. Phü. u. Paed. Bd. LXXII. Hfl. I. 3

3A Auszüge aus Zeitschriften.

der allgemeinen üeschichle vorausgesclzt ^\ erden, dasz besondere Vorträge über die Landesgeschiclilc mit Erfolg gehört werden kön- nen: und auf dieser Stufe der Ausbildung ist es für jeden, der künftig dem Vaterlaude dienen soll, notliwendig sich mit dem ganzen Gange seiner Entwicklung vertraut zu machen.

Nach dem, was ich im allgemeinen über den Unterricht in der sächsischen Geschichte bemerkt habe, brauche ich über die Anlage der Tabelle nur wenig hinzuzufügen. In kurzen Umrissen umfaszt sie wie in der älteren Zeit Thüringen und Mciszen so auch später das Ge- sammthaus Sachsen und die ihm untergebenen Landschaften. Zu leich- terer Orientierung sind die Regierungen der deutschen Kaiser, die wichtigsten Veränderungen in den Nachbarländern und die Begeben- heiten, welche in ihrer allgemeinen Bedeutung auch auf Sachsen ein- wirkten, in Cursivschrifl beigefügt. Die Geschlechlstafel geht von Friedricii dem streitbaren aus und führt von diesem ersten Kurfürsten den erlauchten Wettinerslamm nach seinen Ilauptverzweigungen auf die jetzt blühenden Uegenteiihäuser herab. Bald erloschene Nebenlinien, wie Sachsen-^^'eiszeufels, Merseburg, Zeitz, sind nur in ihren Stiftern verzeichnet, unter Beifügung der Zeit ihres Erlöschens oder, wenn sie schon mit der ersten Generalion absterben (wie die Söhne Ernsts des frommen zu Coburg, Römhild, Eisenberg), unerwähnt gelassen; überhaupt sind bei den Verzweigungen des jüngeren gothaischen Hau- ses nur die Stammhalter aufgeführt. Denn es kam mir darauf an theils die Ilauplthoilungen, welche von längerem Bestände gewesen sind, zu verdeullichen, theils die Abkunft der jetzt regierenden Fürstenhäuser von dem gemeinsamen Stammvater überblicken zu lassen. 31ögen denn diese Blätter sich als ein brauclibarer Leitfaden bei dem Unterrichte und der Wiederholung bewähren.

Grimma. Arnold Schaefer.

Auszüge aus Zeil Schriften.

Zeitschrift für das C!i/i)iTiasia}wcseii, hrsg. r. MiUzeV. VIII. Jahrg. 1S.')4 (S. Bd.LXiX. S. 44:i— 150). "

Märzlioft, INI fi 11 c n h o f f : die deutsche Philologie, die Schule und die cla.s.'iische Philologie (S. 177— I1'9" tlieilwoise veränderter und um^^earheiteter Aufsatz aus <ler deutschen Vierteljahrschrift 18öl Oc- toberlieft. Nacliilcm die Aufgabe des deutschen Unterrichts dahin be- stimmt ist, dasz er den .Schüler zu einem richtif^ei» und würdigen Ge- l)rauclie der lMutter.spraclie anleite und seinen Sinn, so wie seine Fä- lii{ik(ut dafür in einem seiner übrigen Ausbildnnp; entsprechenden Ver- hältnis na(iir{,'emäsz entwickle, wird gezeigt, wie f;rammatischer Unter- richt in den unteren Classen nichts gutes wirken könne, sondern an der l.,ecliire eines fluten Leselmclis durch mündliche und schriftlidic Ucliungen die Festigkeit im richtigen Gebrauche der Sprache erreicht

Auszüge aus Zeilschriflcn. 35

werden müsse. Sodaiui wird die Bedeutung des mittelhochdeutschen für die Erkenntnis des neuhochdeutschen gezeigt und Leetüre der ech- ten Lieder des Nihelungenliedes, hierauf aber erst die Betrachtung neuhochdeutscher Poesie und Prosa zur F>kenntnis der Kunstfornien vorgeschlagen. Eingehend erörtert der Vf. die Forderungen, welche an den Lehrer des deutschen zu stellen seien, sowie die Mittel zu de- ren Erfüllung, und weist schlieszlich darauf hin, wie die classische Philologie unendlich viel gewinnen werde, wenn sie bei der deutschen in die Schule gehe). Litterarische Berichte. Thüringische Programme V. 1853. Von Hartmann (S. 200 207: Inhaltsangaben und kurze Beurtheilungen von Rittweger: die philosophische Propaedeutik und der deutsche Unterricht in den obern Classen. Märcker: Auflösung der diophantischen Gleichung zweiten Grades mit zwei unbenannten. Oswald: über einige Hemmungen der Wissenschaft. Fischer: über das Uebersetzen in die Muttersprache. Richter: Gaea von Saalfeld. Mayer: Euripides, Racine und Goethe. 3e Abtheilung. Herzog: Wanderungen durch das Gebiet der Schule. Apel: Disp. de iis, quae C. Miititius cum Luthero egerit, p. IL Forberg: zur Erklärung des Thukydides. Juch: über die deutschen Bildungssilben). Schwarz: Versuch einer Philosophie der Mathematik, verbunden mit einer Kritik der Aufstellung Hegels über den Zweck und die Natur der höhern Ana- lysis. Von Winkler in Stettin (S.i207 217: sehr anerkennende und empfehlende, den Inhalt vollständig darlegende Recension). Kützing, die Elemente der Geographie. 2. Aufl. Von Campe (S. 217 ff.: eini- ges tadelnde, aber im ganzen lobende Beurtheilung). Beck: Leit- faden beim ersten Unterrichte in der Geschichte. 7e Aufl. Von dems. (S. 218 220: anerkennende Beurtheilung. Getadelt wii'd der univer- sal-historische Charakter, die Fortführung bis auf die neueste Zeit und die dem Schüler zu keinem Urtheil verhelfende Behandlung mancher besser ganz zu übergehender Personen und Thatsachen). - Klopp: deutsche Geschichtsbibliothek. Is Heft. Von dems. (S. 220 f.: es sei nicht einzusehen, wie das Unternehmen den Gymnasialschülern nützlich werden könne). Sophokles. Erklärt von Schneidewin. Is Bdchn. Aias. Philoktetes. 2e Aufl. Von Gust. Wolff (S. 221 225 : Unter vollster Anerkennung des in der neuen Auflage geleisteten spricht der Rec. abweichende Ansichten über das zweite Epeisodion des Ai., die Zeit der Handlung, die Lesarten 802, 1296, die Verthei- hing der Verse 866 ff. unter die Choreuten, die 1190 aufgenommene Conjectur von Alirens abweichende Ansichten aus). Isler: Eclogae Ovidianae. Von Kindscher (S. 225 234: sehr tadelnde und na- mentlich die Anmerkungen durchaus als unzweckmäszig verwerfende Beurtheilung). v. Jan: Entgegnung (S. 234 f.: die von Rührmund im Juli-Augnstheft des vorigen Jahrgangs über Bibaculus vorgetragene Ansicht wird bekämpft und gegen einige Bemerkungen desselben pro- testiert, worauf Hr. Rührmund S. 236 erwiedert). Miscellen. Hu- demann: über häusliche Zucht. Sendschreiben an Hrn. Prof. G. Thau- low in Kiel (S. 237— 247: in Bezug auf eine Stelle in Thaulow's Schrift: wie man in Frankreich mit der deutschen Philosophie umgeht. Kiel 1852 S. 40 f., in welcher der Grund, dasz uns eine Nationaler- ziehung gänzlich mangelt, in der Viellernerei und der auf den Schulen gewährten, den Charakter nicht durch Gehorsam bildenden Freiheit gefunden wird, sucht Hr. H. nachzuweisen, dasz die häusliche Erzie- hung vielmehr Schuld trage und von dieser aus allein eine Besserung kommen könne). Lehmann: religiöse Bildung und Religionsunter- richt auf den Gymnasien (S. 247—253: nach einer eingehenden Erör- terung wird die Verordnung vom 10. Aug. 1853 mit Freuden begrüszt; weil aber gegen deren Erfolg noch Bedenken vorliegen, um einstweilen

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36 Auszüge aus Zeitschriften.

in den Lehrercollegien zur Erthellung des Religionsunterrichts befä- higte Mitglieder zu erhalten, die Wirksamkeit der paedagogischen Se- minarien, die strenge Anwendung des <%". 21 für die Prüfung pro facul- tate docendi und die Thätigkeit der Directoren in Anspruch genom- men). — Häckermann: zu Vergilius (S. 253 263: Aen. II, 145 wird vor ultra zu interpungieren und dies Wort zu dem folgenden zu ziehen vorgeschlagen, I, 74l die Lesart der Handschriften fjuem und Hie cunit vertheidigt, 11, 54 55 erklärt: si fata deum 7ion fuisscnt, si mens laeva non fuissct, II, 97—99, gedeutet conseius = scius; dissimula- vit scientiani suain in quaerendo Ulisses vel potius simulavit inscien- tiani). Hol scher: Bemerkung zum Supplementband 1853 S. 205 (S. 2(j3: es wird das Verfahren geschildert, wodurch in Herford die gerügten Unterschleife bei der schriftlichen Maturitätsprüfung verhin- dert werden, und bemerkt, dasz die Kosten der Directoren-Conferen- zen aus einem besonderen Fonds bestritten werden, in den von den IMaturitätsprüfungsgebühren je 1 Thir. Hieszt). Vermischte Nach- richten. Volckmar: Aus Hannover (S. 264—272: Auszug aus der dem Oberschulrath Kohlrausch zugeschriebenen Schrift: musz die jetzige Unterrichtsordnung der gelehrten Sciuilen geändert und müs- sen die Maturitätsprüfungen abgeschafft werden? Hannover 1853, wo- mit ein Aufsatz von Wiese: ein Blick in das Schulleben der Gegen- wart, in den Protestantischen Monatsblättern 1853 Novbr. S. 291 ff. zusammengestellt wird. Der Rf. eifert besonders gegen die Corps auf der Landesuniversität Göttingen).

Aprilheft. Abhandlungen. Heiland: die Leetüre und das Privatstudium (S. 273 286: zwar zunächst gegen einige Aeuszerungen des Rf. über die Programme der evangel. Gymnasien in Schlesien im Januarheft gerichtet, aber zugleich eine ausführliche und eingehende, auf die Anordnungen der höchsten Behörde überall Rücksicht nehmende Auseinandersetzung über die Möglichkeit des Privatstudiunis unil des- sen zweckmäszige Einrichtung). Litterarische Berichte. Rheinische Programme vom Jahre 1853 und Nachtrag zu den west})hälischen Pro- gramnten von 1852. Von Hölscher (S. 287 291: auszer Schulnach- richlen kurze Inhaltsangaben von folgenden Abhandlungen: Älenge: Erinnerung an Kriedr. Leü|)olds Grafen zu Stolberg Jugendjahre. 2e Abthlg, und Hilgers: sind nicht in Shakspeare noch manche Verse wiederherzustellen, welche alle Ausgaben als Prosa haben V Aachen. Becker: de Aetoliae fiuibus ac regionibus P. II. Bedburg. Scho- pen: über die Pariser Handschriften des Eugraphius, und Ritschi: <le titulo Aletrinatium. Bonn. Schwalb: de hymnis Graecorum. CJleve. Niemeyer: Niclasens von Weyl XI Translation: Proce.-s des Hieronymus auf dem Concil zu Costnitz. Crefeld. Köttgen: die geo- metrischen Oerter der ausgezeichneten Puncte <ies l<]lli|)sen- un<l Hy- perbel-Dreiecks. Duisburg, l^a nge n d o r f f: die Religionen des Hei- denthums in ihrer Entwicklung. Düsseldorf. Bouterweck: Leben und Wirken Rudolfs von Rodt, Missionars in Indien, und Wacker- nagel : Fortsetzung d. Abb. über die Zerlegung des Icosaeders in fünf 'i'etraeder. Elberfelil. Litzin ger: die Verfassung des Hochstifts Es- sen nach dem N'ergleich von 1794. Essen. Knebel: aus Rudolfs von Ems Wilhelm von Orlens und Garthe: Prüfung der Leistungsfähig- keit eines Dampfschiires. Köln. Grabow: Lösung zweier Dreiecks- aufgaben. Kreuznach. Katzfey: IMittheilung der Dispo.sition einer <iesclii( hte von Münstereifel. Münstereifel. Wassmuth: de ali- «|Ui)t liK:is, (|ui ad Ari.stotelis de tragoediae vi ac natura doctrinam pcrtinenl. Saarbrü« kcn. Schmidt: über die Ebene. Trier. Fied- It^r: de Homero miiliiscio al(|ue naturae conscio. Wesel, l'.lsermann: über die furlachrcitcndc Verallgemeinerung der arithmetischen Opera-

Auszüge aus Zeifschriflen. 37

tionsbegriffe, Wetzlar). Dittes: das menscIiHclie Bewusztseiii. Von Wagner in Anclam (S. '292 297: selir anerkennende Beurtheilung; nur die im Buche geübte Polemik wird bekämpft). Das Kvangelium der Natur. Von Fresenius in Eisenacli (8. '297 300: als durchaus Widerwillen erregend und die Auszeichnung eines Verbots, wie es in einigen Ländern erfolgt, nicht verdienend geschildert). Saal- schutz: Korm und Geist der biblisch - hebraeischen Poesie. Von W. H. in B. (S. 301 303: der Beweis, dasz es bei den Hebraeern wirklich Metra gegeben habe, wird zwar für nicht genügend erklärt, aber das Buch doch sehr geloht und empfohlen). 8üpfle: Aufgaben zu la- teinischen Stilübungen. 2r Thl. 6e AuH. Von Wagner in Anclam (S. 303 f. : es wird besonders die auf die Verbesserung gewendete Sorgfalt gerühmt). Seyffert: Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische für Secunda. 3e Auflage, Von dems. (S. 303 f.: anerkennende Beurtheilung; namentlich wird der Anhang mit den Firnhaber'schen Materialien verglichen und ihm einiger Vor- zug eingeräumt). Ausgewählte Fabeln des Phaedrus. Erklärt von Rasch ig. Von Hartmann in Sondershausen (S. 307 309: bei allem Lobe wird doch die Behandlung als für die Schüler, n\it welchen ge- wöhnlich Phaedrus gelesen werde, zu hoch bezeichnet. Gegen einige Textveränderungen erhebt der Rec. Widerspruch). Cacsaris coin- mentarii de bello Gallico, erklärt von Kraner. Von dems. (S. 309 313: unter einzelnen Bemerkungen lobende Anzeige; namentlich wird die Handhabung der Kritik gerühmt). Scholz: Gegenbemerkungen zur Recension seiner Schrift: exempla sermonis Latini etc. Juli August- heft 1853 und Antwort von Schütz darauf (S. 313— 318). Telfy: Studien über die Alt- und Neugriechen und über die Lautgeschichte der griechischen Buchstaben. Von Mullach (S. 318 320: trotz mancher Ausstellungen im einzelnen, doch im allgemeinen als gewis manches gute stiftend empfohlen). Gies: Leitfaden für einen gründlichen Unter- richt im Rechnen. Von Arndt (S. 320 324: es werden wieder nicht unerhebliche Ausstellungen gemacht). Goethe's und Schiller's Balla- den und Romanzen, erläutert von Saupe. Von Noire (S. 324 329: sehr anerkennende, zu einzelnen Gedichten und Stellen manche Bemer- kungen bietende Beurtheilung), Krause: Uebungsbuch zum Ueber- setzen aus dem Deutschen ins Lateinische. Von Planer (S. 330 f.: das Buch enthalte zwar viel nützliches und brauchbares , sei indes in seiner jetzigen Gestalt erst am Ende des Cursus zur Repetition des ganzen zu brauchen; in der Auswahl der angegebenen Vocabeln sei kein richtiges Princip befolgt). Bemerkung des Ref. über die Pro- gramme der evang. Gymn. Schlesiens (S. 332 f. : gegen Heilands Mei- nung einer persönlichen Gereiztheit wird protestiert und das Misver- ständnis (s. oben) bedauert). M. Schmidt in Oels: Varia (S. 334 337: coniiciert wird Aesch. Choeph, 56: [itvsi xQOVL^ovza Icc^rj, 67: tpövov ■lia&cdaatovvTcc , lovaig 8g udzrjv, 118: nccrQoicov d^iudzcov ini- azoTCOvg, 244: Iviv, 410 412: orav ö' avv' iital-iiis &QO)]Tca aoo£v, ciTtiatciosv ci%og cpmg x6 fioi (pav^v nalcSg , 476: cpvaäv fitya tzqooQ'elguv Ai'yiG&ov ).i%!:i 1 650: xciyov%og , 657: öi-AdCav dco^dtcov naQOvaca, 685: ■f]v Ttaoova K^fff/tarp/j oder riv TtccQog, cvvsay.äcpq, 1037: Itcog £-/.aaQzvQoi: oder mit Umstellung; ■aal fiUQtvQOL j.iOL nag dv 'Afjystog Isatg xü8' iv ^gövo} alv oig £7tooavv&r] v.av,ä , 340: cpiäXav vso-iigäta ■aoui^oi ^ sodann Soph, fr. 183 Wagn, : ywatTta ö e^sXovzBg , rjv &QCiaa8i ytvvv (^ysvvv) foDjg tcolog yQccÖLOLg tvrjfitvog. Bekk. Anecd. I, 344, 6 soll bei Xen. Cyrop, II, 2, 26 vorgefunden haben dÖL-aovg imtovg, aSitioiidxovg aber

dem Glossem därAovg entstanden sein). Fnnkhänel: zu Demosthe- nes (S. 338— 340: Erläuterungen der Stellen Philipp, I §. 38, 42 u, 48),

38 Auszüge aus Zeitschriften.

Vermischte Nachrichten. Aus Westfalen (S. 341 f.: Mittheilung der für die Directoren-Conferenz vorliegenden Berathungsgegenstände und Frequenz der Anstalten). Die Schiilanstalten zu Überschützen in Ungarn. Von Th. B. (S. 34'i 351: ausführliche historische und paeda- gogische Darstellung).

Maiheft. Abhandlungen. Campe: Andeutungen aus der Sphaere des geschichtlichen Unterrichts' (S. 353 374: nachdem das Anschwel- len der Litteratur für den geschichtlichen Unterricht als den Verlust der Objectivität in demselben gefährlich bedrohend bezeichnet ist, wird in eingehender Erörterung unter Berücksichtigung von As s mann: Handbuch der allgemeinen Geschichte, Chr. Hoffmann: Grundriss der Weltgeschichte und .Schwartz: Handbuch für den biographischen Geschichtsunterricht gezeigt, nach welchen Grundsätzen die Auswahl für die einzelnen Stufen des Unterrichts vorgenommen werden, so- dann dasz man, um den geschichtlichen Unterricht mit Erfolg zu be- treiben, der Weltgeschichte entsagen müsse. Am Schlusze werden der historische Schulatlas von R. Gross und die dazu gehörige Schrift von Schiller als für den Schulgebrauch zweckmäszig empfohlen). Litterarische Berichte. Programme der Provinz Brandenburg. Ostern 1853. Von Planer (S. 375 378: aiiszer den Schulnachrichten Inhalts- angaben über folgende Abhandlungen: Dub: die Gesetze des Elektro- magnetismus, Runge: Pascals zwei Abhandhingen von der Cykloide, Kersten: quo iure Kantius Aristotelis catogorias relecerit, Kaiisch: über die Versetzung der Schüler, ob jährlich oder halbjährlich^, Köh- ler: der Onofrit, Klautsc h : über Herodorus von Heraclea. le Abth.).

Programme der Gymnasien Hannovers. Ostern 1853. Von Schmidt in Göttingen (S. 379 380: der Inhalt wird kurz mitgethcilt von Langen reuter: num orationes Thucydidiae revera habitae sint, an ex ipsa scriptoris mente manaverint, Rempen: die Sagenkönige von •Sikyon, Schlüter: Rückblicke auf die französiche Gesetzgebung über den höheren Unterricht, Schöning: über die olynlhischen Redendes Demosthenes , Ahrens: Simonidis lamentatio Danaae emendata, C al- lin: die Landenge von Suez in handelspolitischer Rücksicht, Jathe: zur Chronologie der ältesten Geschichte der INIenschheit, Volger: der 30jähr. Krieg im Fürstenthum Lüneburg. "Je Abth., INIeyer: calenda- rium et nccrologium ecclesiae cathedralis Osnabrugensis, Schädel: epistola de Sojjhoclis Oedipi in Colono locis nonnullis ad Schneidewi- num). Mnemosyne. Tijdschrift voor classieke Litterateur. Ley- den. Ir u. 'ir Deel, von Mullach (S. 381 401: ausführliche Angabe des Inhalts dieser Zeitschrift. In der kretischen Inschrift Z. 98 con- jiciert der Rf. ntr^a ^«px«'« ==: cc^y-lu, wie XsCßoi neben ft]ico, vertheidigt st i/uundo umquain bei Livius, xcoqu bei Xcn. Anab. V^, 7, 28 und den Inf. aor. 11 3, 20 u. VI 4, 17, rov Xiorrcc l)ei Lucian quom. bist, conscr. 10, billigt die Ableitung des Namens Fabins von faba). Aus- gewählte Komoodien des Aristophanes. Erklärt von Theod. Keck. 2s Uändchen: Die Ritter. Von R. Enger (S. 401—409: Rec. be- merkt, dasz der Standpunkt von dem Herausgeber nicht zweckmäszig genommen sei, da Aristophanes zur Schullectüre nicht passe. Sonst wird die Ausgabe gelobt, aber in der Kritik Willkürlichkeit gerügt und das Verfahren auslührlirh an V. 918 erleuterl. Dasz der Vf. sich den Vorwurf, er habe fremdes für eignes benützt, nicht ganz mit Un- recht zugezogen, gibt der Rec. zu und bestreitet die Ansichten über die Chorcgie und den Aiitheil des Eupolis am Stücke). Capell- niann: griechisches Elenientarbuch. N ein Hartmann in Sonders- iiausen (S. 409 417: das IJiich wird Ekuuntarlehrern, wenn auch nicht zur Einführung in die Classe empfohlen ; auszerdem finden sich eine Menge Bemerkungen zur Vervollständigung und Verbesserung bei einer

Auszüge aus Zeilschriften. ^

2n Auflage). Deutsche Art und Kunst in Gedichten für die rei- fere Jugend christlicher Schalen. Gütersloh 18J3. Von Hölscher (S. 4J7 419: unter einigen Gegenbemerkungen in Bezug auf Ortho graplue und einzelne aulgenominene Gedichte lobende und empfehlende Beurtheilung). Revid orte Ordnung der lateinischen Sc hiilen und der Gymnasien im Königreiche Bayern v. 24. Febr. 1854 (S. 420 440). Miscellen. Häckermaiin: zu Vergilius (S. 441 446. Aen I 544, 54J u. L)47 bestreitet der Vf. die vom unterzeichneten in diesen NJahrb. Bd. LXVIII Hft. 4 aufgestellten Ansichten. Ref. hatte die Anzeige auf Hrn. Häckermanns Wunsch, der dabei nur Gerechtigkeit wünschte, unternommen, ludicent aliü). Uebersicht über die im J. 1853 im Lehrerpersonale im Königr. Hannover vorgekommenen Veränderungen (S. 446 f.).

Juniheft. Abhandlungen. Schmidt in Stettin: alte Grammatik und neue Syntax (S. 449 474: durch Erörterung der Lehre von den Modis der Tempora und des Begriffs (xv&vnuraKTOv , so wie an eini- gen anderen Beispielen wird zu zeigen gesucht, die Wissenschaft werde einen groszen Gewinn machen, wenn man sich entschlieszen könnte zu den alten Grammatikern zurückzukehren). Litterarische Berichte. Programme der pommerschen Gymnasien vom Jahre 1853. Von Leh- mann (S. 475 487: auszer Auszügen aus den TSchulnachrichten aus- führliche Inhaltsangaben folgender Abhandlungen: Peter: das Verhält- nis des Livius und Dionysius von Halikaruass zu einander und zu den älteren Annalisten; Grieben: die Entbehrlichkeit der philosophischen Propaedeutik als einer besondern Lection in den Gymnasien; Campe: Andeutungen zur Geschichte des ersten messenischen Kriegs ; Häcker- mann: Explicationum Vergilianarum specimen; Beyer: Probeab- schnitte eines neuen Lehrbuchs der Arithmetik; Bournot: Platonica Aristotelis opuscula; Engel: Xenophons politische Stellung und Wirk- samkeit; Balsam: die Construction der Kegelschnitte aus gegebenen Bestimmungsstücken nach Newton; Gramer: dissertationis de Graecis medii aevi studiis p. 11). Programme der katholischen Gymnasien der Provinz Schlesien, Von Hoffmann (S. 488 493: Inhaltsangabe über folgende Abhandlungen. Wiss o wa: Beiträge zur innern Geschichte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts aus den Schriften Lncians. 2e Abth.; Hein isch: adnotationes ad locos quosdam Taciti difficilio- res ; Kabath: Schulreden; Knötel: der opisch-latinische Volksstamm, seine Einwanderung und Verbreitung in Italien; Otto: über Schil- lers Don Carlos, wobei Rec. gegen die Sittlichkeit und Zuverläs- sigkeit Llorentes Einspruch thut; Ochmann: wie soll man die Schü- ler vor den gewöhnlichen Verstöszen gegen die Quantität im Lateini- schen verwahren?, welche Abhandlung der Rec. zwar dankbar an- nimmt, aber die Methode für zu umständlich erklärt; Flögel: Bei- träge zur Geschichte des Saganer Gymnasiums). Friederichs; chorus Euripideus comparatus cum Sophocleo. Von L. Schiller (S. 493 f.: sowohl einzelne Behauptungen, als das Resultat werden be- stritten). — Hau Schild: Elementarbuch der deutschen Sprache nach der calculierenden Methode und Walther von Aquitanien, übers, und er- läutert von San-Marte, Von Kehr ein (S. 495 498: über Nr. 1 wird referiert und kein eigentliches Urtheil ausgesprochen, Nr. 2 aber der gereifteren deutschen Jugend in der Uebersetzung empfohlen). Starke: Erzählungen aus der Geschichte des Mittelalters in biogra- phischer Form. Von Hölscher (S. 498 f.: sehr günstig beurtheilt). Römer: Mineralogie und Geognosie. 3r Tbl. vonLeunis; Synopsis der drei iVaturreiche. Von Wunschmann (S. 499—501: wegen der wis- senschaftlichen Gründlichkeit empfohlen). Koppe: Leitfaden für den Unterricht in der Naturgeschichte. Von dems. (S. 501: kurzes Re-

40 Auszüge aus Zeitschriften.

ferat). Lüben: Leitfaden zu einem methodischen Unterricht in der Naturgeschichte. 2r u. 3r Cursus. Von dems. (S. 502: Angabe der Sy- steme, wornach gearbeitet istj. Baumann: Naturgeschichte für Volksschulen, durchgesehen von Curtmann. Von dems. (S. 502: em- pfohlen).— Leu n is : Schulnaturgeschichte. 3r Thl. Von dems. (S. 503: empfohlen). Astronomie für Alle. Von dems. (S. 503: leicht Ter- ständlich für jedermann). Giebel undHeintz, Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Von dems. (S. 504: das Unterneh- men wird dankbar anerkannt). Lindem ann: Entgegnung auf den Bericht über die Ausgabe der Metamorphosen Ovids, und Kinds c her: Antwort darauf (S. 505 510). Rudolf v. Raumer: Erklärung (S. 510 f.: Rechtfertigung gegen Aeuszerungen, welche Hr. Müllenhoft" in dem Aufsatze des Märzheftes gethan).

Juiiheft. Abhandlungen. Holzapfel in Magdeburg: über den Gleichklang bei Homer (S. 513—537: wie in zwei früheren Aufsätzen aus der Odyssee, werden hier aus der Ilias und den Hymnen die Stel- len nach Kategorien geordnet zusammengestellt, um zu beweisen, dasz die Erscheinungen nicht blosze Zufälligkeiten sein können). Litte- rarische Berichte. Etienne: Versuch eines Cursus der Mathematik für höhere Lehranstalten. Von Rühle (S. 538 543: das Buch wird für Gewerbschulen brauchbar, für gelehrte unbrauchbar befunden). Beez: Elemente der niederen Analysis. Von dems. (S. 543 f.: den Leh- rern an Gymnasien empfohlen, so fern ihnen der Gegenstand für die gelehrten Schulen zu gehören scheine, was der Rec. nicht geradezu verneint). Piatons sämmtliche Werke. Uebersetzt von Hier. Mül- ler, mit Einleitungen von K. Steinhart. 2r Bd. Von Varges (S. 544 551 : über den Inhalt der Einleitungen wird ausführlich re- feriert, an der Uebersetzung aber unter Anführung von Stellen aus dem Kratylos ein gröszerer Mangel an Sorgfalt als in dem In Bande gerügt). Röpe: Schillers Götter Griechenlands, ein Zeugnis für die gute Sache des Christenthums. Von Pabst in Arnstadt (S. 552 559: die Auffassung des Vf. wird als richtig bezeichnet und für die- selbe manches bestätigende beigebracht). Isler: ein Wort über die Recension der Eclogae Ovidianae, und Kindscher: Antwort darauf (S. 559 562). Miscellen. Hudemann: die Vereinfachung des Un- terrichts auf Gymnasien. 2s Sendschreiben an Prof. Thaulow in Kiel (S. 563 ÖHO: nach ausführlicher Darstellung des Schadens, welchen die Ueberladung der Schulen mit Lehrgegenständen stifte, werden zur leichten Vereinfachung Vorschläge gethan, welche der unteren Stufe den realen , der oberen den sprachlichen Unterricht zuweisen und für jene besonders die Einheit des Lehrers betonen. In der Vorschule (8 10 J.) werden angesetzt: Religion 6 St., Deutsch 6 8 St., Rechneu 4 6 St., Schreiben 6 Stunden. In VI (Curs. Ijähr.): Religion 6, Rechnen und Schreiben je 4—6 St., Deutsch 10 St. (weil dieser Un- terricht Geschichte, Geographie und Naturgeschichte in sich aufneh- men soll); V (Ijähr. Curs.): Religion 6 St., Deutsch H St., Schreiben 4, Rechnen 4, Naturgeschichte 4, Geographie 2; IV (Ijähr. Curs.) Re- ligion 4, Schreiben 2, Rechnen 4, Deutsch 6, Naturgeschichte 2, Geo- graphie 1, vaterländische Geschichte 2, Kranzösisch 4 6; III (2jähr. Curs.) Religion 2, Latein 10 12 (aber in 2 Coetus), Geographie 2, Ma- thematik 5, allgemeine Geschichte ü, Französisi h 6 4 St.; II (Curs. 2jähr. und auch mit 2 Coetus) Religion 2, Latein 9, Griechisch 8, Deutsch 2, Kranzösisch 2, Geographie 2, Geschichte 3, Mathematik 4 St.; emllich I (2jähr. , bisweilen auch 3jähr. Curs.) Religion 2, La- tein 9, Griechisch H, zu den übrigen Lelirfächern Physik, HebraeiscU aUBzerhalb des gewöhnlichen (Kursus. Ueher die Methode uerden viele Andeutungen gegeben, am Schlusze die Ausdehnung der Geschichte gc-

Auszüge aus Zeitschriften. 41

rechtfertigt und über den Religionsunterricht gesprochen, dabei die Befürchtung ausgesprochen, dasz es bei den christlichen Gymnasien nicht auf Erziehung, sondern auf das Wissen abgesehen sein möge). Obbarius: Bemerkung zu Horat. Kp. I 1, 8 u. 9 (S. 580—582: ilia ducat wird wiederholt gegen den Uebersetzer Neumann und gegen Dö- derlein durch Keuchen erklärt. Sodann wird des letzteren Ansicht über Ep. II 2, 134 bekämpft). V^ermischte Nachrichten. Auszüge aus den Protocollen des Gymnasiallehrervereins, mitgeth. von Schirr- niacher (S. 583 586. Zumpt: über die Statthalter der römischen Provinz Syrien zur Zeit der Geburt Christi, mit specieller Beziehung auf Ev. Luc. c. 2; Bonne 11: über die schriftlichen Lebensläufe der Abi- turienten; Böhm: über Döderleins Vocabularium für den lateinischen Elementaruuterricht). Anzahl der Prüfungen bei den wissenschaft- lichen Prüfungscommissionen im J. 1853. Practica est multiplex (S. 587 591: der Umstand, dasz man auf manchen Schulen beim Ex- temporale das deutsch-lateinische ^texikon gestattet, an andern nicht, wird als ein Uebelstand gerügt. Zwei darauf bezügliche Verordnungen vom J. 1835 u. 1838 werden mitgetheilt).

August-Septemberheft. Abhandlungen. Schmidt inSchweid- nitz: über die Verbindung des geschichtlichen Elements mit der Erd- kunde beim Gymnasialunterricht (S. 593 604: der Vf. stellt folgenden Lehrplan auf, dasz in Sexta und Quinta bei drei wöchentlichen Stun- den in dem In Halbjahr der Geographie 2, der Geschichte 1, im 2n im umgekehrten Verhältnisse zugewiesen und in VI allgemeine Erd- kunde mit vorzugsweiser Berücksichtigung des topischen und physi- schen Elements, und Biographien aus der alten Geschichte, in V all- gemeine Erdkunde mit vorzugsweiser Berücksichtigung des politischen Elements und Biographien aus der mittlem und neueren Zelt, vorzugs- weise der christlich-germanischen Welt, gelehrt werden sollen. In IV sind 2 Stunden der Geschichte der alten Welt im Zusammenhange, der Geographie nur Wiederholungen zugetheilt. In III werden die 3 St. auf die Geographie und Geschichte Deutschlands mit Episoden aus der allgemeinen Geschichte verwendet, in II im ersten Jahre ein vollstän- diger Cursus der Geographie mit Einwebung des geschichtlichen Ele- ments, im 2n preuszische Geschichte in Verbindung mit allgemeiner Geschichte, in I endlich alte Geschichte und alte Geographie nebst Wiederholungen aus dem Gesammtgebiete der Geschichte und Geogra- phie vorgeschlagen. Wie sich der Vf. die Verbindung denke, wird theils durch Bemerkungen, theils durch ein Beispiel an Ungarn und Siebenbürgen klar gemacht). Litterarische Berichte. Döderlein: Homerisches Glossarium. Von Am eis (S. 603 663: ganz vollständig das Buch durchgehende, dasselbe zwar als Epoche machend anerken- nende, aber gegen sehr vieles vom Standpunkte des Homer aus Beden- ken erhebende Beurtheilung). C. lulll Caesaris commentarii de hello civill. Für Schüler herausgeg. von A. Doberenz. Von Hartmann in Sondershausen (S. 664 f.: die grosze Brauchbarkelt des Buches wird unter einzelnen Bemerkungen hervorgehoben). T. Livii historiar. libri I IV. Mit Anmerkungen von Crusius. 2e umgearbeitete Aus- gabe von G. hl mann. Von Kl ix (S. 666 677: eingehende Be- urtheilung, welche indes Planlosigkeit der Anlage und zu wenig scharfe Erfassung der Aufgabe und auch sonst manche Unrichtigkeit zum Vor- wurfe macht). M. TuUii Ciccronis de legibus libri tres. Ed. Feld- hügel. Von Obbarius (S. 678f.: Im ganzen lobende Beurtheilung). Seyffert: Lesestücke aus griechischen und lateinischen Schrift- stellern. Von Sauppe in Liegnitz (S. 679 682: das Buch wird durchaus als eine dankenswerthe Gabe bezeichnet). Miscellen. J. Schmidt in Schweidnitz: über den Unterricht in der preuszischen

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Geschichte auf Gymnasien und J. F. Schmidts Geschiclite der Ent- wicklung des preuszischen Staats (S. 683 689: so lange nicht ein Lehr- buch der mittleren und neueren Geschichte, in vaterländischem Geiste verfaszt und rein zum Zwecke für die preuszischen Gymnasien geschrie- ben, vorhanden sei, müsse nothwendig ein besonderer Cursus in der preuszischen Geschichte statt finden; sodann werden die bei der Ab- fassung des oben genannten Lehrbuchs leitenden Grundsätze dargelegt und gerechtfertigt). Kawerau: JMittheilungen, das Turnen betref- fend (S. 690 69 J: Bericht über die Leistungen der Central -Turnan- stalt in Berlin, durch welchen nachgewiesen wird, dasz mit ihrer Er- richtung eine neue Aera für das Turnen begonnen habe, weil man die Sache richtig angegriffen). Gott hold: über den Schluszcreticus des iambischen Trimeters der Griechen und Römer (S. 695 700: nach- dem die von Porsun ad Eur. Hec. 543 u. Hermami Kl. d. m. p. Hoff, gegebene Regel dahin erweitert ist, dasz auch der Apostroph zur Mil- derung des Creticns beitrage, zeigt» der Vf. durch Beispiele, wie die groszen Dramatiker diesen Ausgang sorgfältig gemieden oder doch den Misklang beseitigt haben, geht dann die von den lateinischen Dichtern beobachteten Gesetze durch und tadelt zuletzt das Streben der Deut- schen, auch hierin die Alten nachzuahmen, weil es zu anderen stören- deren Inconvenienzen führe). Ho ff mann in Neisze: Emendationen (S. 700 f. Tac. Ann. XIV 7: exporgerent für expergens ; XIV 16: aetas ornati f. aetatis nati. XV 74: quorum damno ad omen ac Vo- tum sui cxitus vcrtcrctur. XVI 9: periinere f. permittere. Agric. 30: recessus ipse capacissimus famnc. Cic. d. N. D. IT 37, 95: sidcrumque f. eorumque. Plin. H. N. XVIII 80: autumnum serenum ac tersum). B'unkhänel: zu Deniosthenes' Aristocratea §. 138 (S. 701 f.: tto'- 2.17' OLUSiv an d. angef, Stelle wird durch: in einem geordneten Staate wohnen erklärt, unter Zuziehung von Phil. III, 32). Schmidt in Oels : zu Aeschylus (S. 702 11: Agam. 1558 1568 Herm. schreibt der Vf. unter Umsetzung von Vs. 1562 u. 1563: TtaQtoxF daCta, ncci- dsi'cov 7iQf(ßv ^dorja. o o avzcöv avzi% äyvoCu ?.aßcöv, dann ov ■nataC- Giov xa utv TcoSrjiyr] "Atsvag y.ogvcpccg r ccvco&sv dvÖQiccg (od. avÖQO- ßgcog) y,ad'rjfi^vog ciuco^fv. Eum. 49 52 H. : siSov Ttorr\öbv ^ivicog. Hb unter Verwerfung einer Lücke und Umstellung von dem in eini- gen Handschriften fehlenden Verse 482: (pövcov öriiaatccg opxt'cov, at- dovfiivovg OQ-/.UV, TiBQoivrag [.irjöl^v s-ndiKOig cpg^aiv, &rja(o zov (lg aitavx fyw Q-fG^uv xQorov, dann wird aber nach /j'^a) Vs. 481 eine Lücke an- genommen. 556 für die Lücke ^Ttvrrjg. 510: i'ßQ'' onov to Öfivov fv- Tug cpQfvcöv t7ttGv.oitov Set (.lävstv yia&rjiievov. 252 soll in der Urhand-, Schrift zwischen TtQODGfXä und TtQOGyeXd die Lesart geschwankt haben. 171 wird vermutet f-'xQC(v\ «V avTÖGGvtog. 421: all' oq-aov ov öe^cet ccv, ov düvvca ^slco ; 194: UIbigtloigl statt Wieselers ■/.ItiGioici, wo-

ders. Tragoedie Vs, 352—355 werden meiirere Veruiutungen vorge- tragen. Suppl. 809: ofiotffjuov ^tt' «u«^«, zugleich mit einerneuen An- ordnung des Chorgesangs. Noch wird der (.'iutrgesang 794 f. behan- delt). — Pabst: Miscellen (S. 712—714: eine Reihe Stellen von Ho- raz wird mit solchen aus Dichtern anderer Völker verglichen und durch ähnliche Parallelen Tac. Ann. V 33; I 55, 61; II 6 u. (i9 erlcutert). Vermischte Naclirichtcn. Lehmann: zur Keni\tnis des Erzichungs- und Unterriclitswesens auf den ponimerschen Gymnasien. 3r .\rtikel (8. 715—726: bes|trochen wird I) dasz Knaben vor vollendetem lOn

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Jahre und ohne den Besitz der vorgeschriebenen Kenntnisse in die Sexta aufgenommen Averden; 2) dasz die Versetzungen in Folge davon in den unteren Classen nicht nur alljährlich vorgenommen werden; 3) dasz in den Gymnasien noch nicht überall die für die alten Sprachen gesetz- lich bestimmte Stundenzahl gewonnen, 4) auch die eben so von der Behörde empfohlene Concentration in der Hand eines Lehrers nicht durch- geführt sei). Hense: die am *28. Mai i854 gehaltene Lehrerversamra- lung in Oschersleben (S. 727 732: ausführlicher Bericht über die De- batte, deren Gegenstand war: 'deutsche Themata, wie sie auf Gymnasien aufgegeben werden oder aufgegeben werden sollten'). S.: die Ge- lehrtenschulen Holsteins und Lauenburgs. Ostern ]854 (S. 732 734: Uebersicht über die in den Lehrerpersonalen vorgekommenen Verände- rungen und Angaben über die Programmabhandlungen).

Octoberheft. Abhandlungen. A. Göbel in Trier: über den innigen Zusammenhang des In nnd 2n Buches der Iliade, so wie über die Bedeutung der Thersites-Scene (S. 737 769: T. Versuch nachzu- weisen, dasz alles, Avas im Anfange des zweiten Buches erzählt ist, nothwendig sei, damit Agamemnon, der durch des Achilles Kränkung in eine schiefe Stellung zum Heere gekommen, wieder das demselben werde, was er ihm vorher gewesen, und dasz Thersites als Abbild der im Heere herschenden hässlichen Stimmung zu deren Beschwichtigung als abschreckendes verhasstes Gegenbild diene. Unter II wird der Ver- such gemacht, Lachmanns Gründe zur Auflösung des 2n Buchs und un- ter III Grotes Ansicht von der Ilias zu widerlegen und zu entkräften. IV zählt dann die Ansichten der Gelehx'ten über die Thersites-Scene beurtheilend auf und begründet die eigene weiter). Litterarische Berichte. Des Horatius Oden und Epoden , erklärt von C. W. Nauck. Von Trompheller (S. 770 781: es wird anerkannt, dasz der Herausg. die Aufgabe ganz richtig bezeichnet, auch im einzelnen manches gute geleistet habe, aber wie an anderen Beispielen, so ins- besondere an einer eingehenden Zergliederung von Od. I 1 nachgewie- sen, dasz die Aufgabe nicht befriedigend gelöst sei). Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weiszenborn. Ir u. 2r Bd. Von Löwe in ZüUichau (S. 782 793: unter vollster Anerkennung der Trefflichkeit wird doch bemerkt, dasz die Ausgabe keine Schulausgabe in vollem Sinne des Wortes sei. Zuerst werden die neuen Leistungen für die Textkritik angeführt, dann die Einleitung, zuletzt die erklä- renden Anmerkungen besprochen. Abweichende Ansichten werden über I 33, 6. 43, 1. 45, 2. V 46, 11 u. 39, 4 vorgetragen). Cornelii Ne- potis vitae excellentium impei'atorum. Mit Wörterbuch von Horstig. Von Täuber (S. 793 795: das Wörterbuch hat nach des Rec. Ur- theil vor dem von Sichert noch vieles voraus). Eichendorff: zur Geschichte des Dramas. Von Kehrein (S. 796 f.: kurze Skizze des Inhalts unter Anerkennung der Vortrefflichkeit). Grüner, Eisen- mann und Wildermuth: deutsche Musterstücke. Von Philipp (S. 797 799: als sehr nutzbar empfohlen). Herrig: Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Englische. 3e Aufl. Von dems. (S. 799: belobt). Verordnungen. Erlasz des Königl. Schul -Colle- gium der Provinz Brandenburg vom 1. Juli 1854, wodurch der Erlasz vom 24. Oct. 1837 in Betreff der häuslichen Arbeiten der Schüler in Erinnerung gebracht wird (S. 800 f.) Vermischte Nachrichten. Steudener: das 300jähr. Jubelfest der Klosterschule Rosleben (S. 802 —809). n: Grofzherzogthum Hessen (S. 808—812: Bericht über die Verhältnisse der Gymnasien und die erschienenen Programmabhand- lungen). — Müllen hoff: Erwiederung an Herrn R. von Raum er (S. 813 815: gegen die im Juniheft enthaltene Entgegnung gerichtet).

Novemberheft. Abhandlungen. Schirrmacher: über Beut-

44 Auszüge aus Zeitschriften.

leys Predigten gegen den Atheismus (S. 817 847: Schilderung der Ver- hältnisse, unter welchen die Predigten gehalten wurden, und dann ausfiihrllclie Darlegung ihres Inhaltes und Ganges). Litterarische Berichte. Schmidt in Göttiiigen: Programme der gelehrten Schulen des Königreichs Hannover (S. 34H 355: auszer der IMittheilung von Schuhuichrichten Inhaltsangaben von folgenden Abhandlungen : Nöl- deke: ([Uaestionum philologicarum spicileg. I. Lingen. ßuchholz: de personaruin descriptione in Jphigenia Aulidensi Euripidis exhi- bita. Clausthal. Tepe: die praktischen Ideen. Nach Herbart. Em- den. Geifers: de deo ex machina in Philocteta Sophoclis interve- niente. Göttingen. Ahrens: liionis Smyrnaei epitaphius Adonidis und IJärens: der zweite Theil und insbesondere die Schluszscene der Goetheschen Fansttragoedie. Göttingen. Fisciier: über den Unter- richt in der Mineralogie auf Gymnasien. Hildesheim. Volckmar: Laurentius Rhodomanns Lobgedicht auf lifeld. Ilfeld. Volger: der äOjähr. Krieg im Fürstenthume Lüneburg. Lüneburg. Ringelmann: über den Unterricht in der Geometrie in den mittleren Gymnasialclas- sen. Osnabrück. Kiene: der deutsche Unterricht auf Gymnasien. Stade). Hölscher: Bericht über das Gymnasium zu Detmold und Clemen: Ossian und seine Werke (S. 855 f.). Hartmann in Son- dershausen: thüringische Programme vom J. 1854 (S. 856 863: Schul- nachrichten und bald mehr, bald weniger ausführliche Inhaltsangaben von folgenden Abhandlungen: Hoschke: die elementaren Reihen. Arn- stadt. Eberhard: Hugo Riemann. Schlegel: chemische Verwandt- schaft der Grundstoffe, Forberg: zur Erklärung des Thukydides. 2s Heft. Coburg. Funkhänel: de comparationis forma cjuadam ab Horatio usurpata. Eisenach. Mayer: Euripides, Racine und Goethe. 4r Beitrag, und Herzog: commentariorum particula XXIV, (jua bre- vis continetur disputatio de grata quadam et commendabili studiorum variatione. Gera. Giese: de Christianae doctrinae praeceptis , (juae quidem ab ipso Jesu Christo eiusijue apostolis tradita sunt, ad artem revocandis. Gotha. Schneider: Andeutungen über einige Haupt- mängel der Erziehung in Schule und Familie, und Stürenburg: ei- nige Materialien zu einem Lexicon Ciceroniannm aus dem Buchstaben

A. Hildburghauseil. Knoch en h a ue r : Versuche über den Strom der Nebenbatterie, und Passow: Lucian und die Geschichte. INleiningen. Müller: commentarii lunilii Flagrii, T. Galli et Gaudentii in Virgilii Georgicorum libros. Partie. IV. Rudolstadt. Heim an n: über die physische Resciiaffenheit der Sonne. Saalfeld. Göbel: Grundlage zur Kenntnis der um Sondershausen vorkommenden Käfer. Sondershaa- sen). Ruprecht: die deutsche Rechtschreibung vom Standpunkte der historischen Grammatik. Von Stier in Wittenberg (S. 8()4 871: eingehende und viele selbständige Bemerkungen enthaltende Beurthei- lung. Namentlich wird der Gebrauch der groszen .Vnfangsbuchstaben bekäm|)ft, und am Schlusze wird der Vorschlag gemacht, dasz nach Vollendung <les Griunuschen Wörterbuchs die Schulbehörden die darin eingeführte Schreibweise nicht anbefehlen, aber erlauben n\öchten).

B. VVitzs<-iiel: die Physik faszli<:h dargestellt. Von Fresenius (S. 871 874: zum Selljst.sludium und zur Vurlx-reitung der in die wis- senschaftliche Behandlung eintretenden empfohlen). Hildebrand: lateinische (.'hrestomatiiie für Realgymnasien. Von Hartmann in Son- dershausen (^. H75 ^877: unter dein Wunsche, dasz dem ersten Theile ein Wörterbuch, dem überhaupt zu hoch gehaltenen zweiten Theile auch poetistdit" Stücke beigegeben werden möchten, empfohlen). Misccilen. Hölscher: Schillers Götter Griechenlands (S. H78: zudem im Juliheft entlialtenen Aufsatz von Pabst wird eine damit überein- niendc Acuszcrung aus Perthes' Briefen mitgctheilt). . . . . ,.t in

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Berlin: die Mathematik auf den Gymnasien (S. 979 883: nachdem der Mathematik als nothwendi^em Bildiinosmittel neben den alten S])rachen ihr Platz vindiciert ist, wird die Geometrie vor der Arithmetik her- vorgehoben und ein Cursus vorgeschlagen, der in Quinta mit dem An- schauungsunterricht beginnt, dann bis zum 2n Halbjahr von Tertia den ersten Theil der Planimetrie absolviert und hierauf wechselnd Arithme- tik und Geometrie folgen läszt. In Prima werden eine Repetition der Planimetrie und die Elemente der Kegelschnitte gefordert, aber sphae- vische Trigonometrie und die Gleichungen 3n Grades ausgeschlossen. Am Schlusze bemerkt der Vf., dafz nicht die Mathematik die Einheit im Gymnasium beeinträchtige, sondern vielmehr die übrigen Realien). Funkhänel: zu Demosthenes (S. 884 886: besprochen werden de pace §. 11. Phil- II 13, Ol. I 9. Phil. I 36. III 21 u. 59). Ver- mischte Nachrichten. Albani: Tabelle über die Verhältnisse der ba- denschen Gymna-sien (S. 887 889). - Schirrmacher: Auszüge aus den Protocollen des Gymnasiallehrer- Vereins (S. 890 894: der Inhalt wird von folgenden Vorträgen gegeben: G. Wolff: über die Reaction des Heidenthums gegen das Christenthum und Porphyrius' Schrift tzüqI tr]g i-/. XoyLcov cpiXoaocpiaq. Strack: über die französischen Lyceen und deren Unterrichtsplan. George: über den Unterschied der alten und neuem Sprachen als Bildungsmittel). Mutz eil: die I4e Philo- logen-Versammlung in Altenburg (S. 894 f.). D.

Berichte über crelehrte Anstalten.

Die Gelehrfensc/mlen des Grossherzogthums Baden im Schuljahre

1853—1854.

Am Lyceum zu Carlsruhe trat während des bezeichneten Schul» Jahrs im Lehrercollegium nur die Veränderung ein, dasz der pro- visorische Lehrer der 2n Classe der Vorschule Schneider wegen Un- wohlseins abgieng und Jul. Zeuner prov. an seine Stelle trat. Das- selbe bestand aus dem Director Geh. Hofr. Dr. E. Kärcher, den ordentlichen Lehrern Hofräthen K. Frdr. Vierordt, Chr. F^rdr. Gockel, W. Eisenlohr, K. Frdr. Süpfl e, den Proff. A. Gerst- ner, L. Böckh, E. Zandt, K. Bissinger, O. Eisenlohr, den Lyceumslehrern A. Schmidt, kathol. Religionslebrer Prof. K. Kirn, Dr. Ad. Hauser, W. Hofmann (Mathem. provis.), Jo. Fossler, Gli. Zeuner, Lud. Beck (prov.) und Jul. Zeuner (prov.), dem Turnlehrer Willi ard, Zeichenlehrer Steinbach, dem Gesanglehrer Organist Gaa. Später wurde der Lehrer Schmid t versetzt (s. Mann- heim) und der Hofrath Platz vom Generallandesarchiv an das Ly- ceum berufen (Bd. LXX S. 567). Die Klage wegen der zahlreichen Gesuche um Dispensation vom Griechischen wird in den Schulnach- richten erneuert. Für die Vorschule (Alter 6 10 Jahre) ist Turnun- tnrricht eingei'ichtet worden, an welchem die Theilnahme, obgleich freiwillig, sehr zahlreich war. Ueber die Abiturienten v. J. 1853 s, Bd. LXIX S. 458. Die Frequenz betrug 664 (VP: 20, VI": 26 umt 3 Gäste, V^: 22, V>>: 23, IV': 47, IV'': 64, III A: 55, ß: 35 (Paral- lelabtheilungen), II: 86, I: 80, Vorschule III: 72, II: 57, I in 3 Ab- theilungen: 92). Den Schulnachrichten beigegeben ist die Abhandlung vom Director Dr. E. Kärcher: Beiträge zur lat. Etymolofi;ie und Lexikograi^hie. Vierte Lieferung. INlit einem grammatischen Excurse (59 S. 8}. Inhalt: Rechtfertigung der Schreibart artus und conditio,

46 Berichte über gelehrte Anstalten.

dagegen diclo, Ergänzungen und Berichtijiuiigen zu Forcellinl (dabei eine kritische Bemerkung über Plaut. Stich. I 3, lOo und Ammian. 29, 1). Anhang über die Bedeutung und Bildung der Adjective, wel- che sich auf -6i7«s und -bundus endigen. Von dem Lyceum zu Con- ST.\>Z wurde die seit Novbr. 1834 mit ihm vereinigt gewesene höhere Bürgerschule mit Beginn des Sommersemesters l»o4 wieder getrennt. Die Anstalt erhielt eine höchst werthvolle Naturalien-, namentlich Mi- neralien- und Petrefactensammlung von dem Geh. Hofrath von Sey- fried zum Geschenk. Es unterrichteten an ihr der Director geistl. Rath Schmeiszer, die Prot'f. Fr. AI. Hoffmann, Frdr. Reesz, Fr. Ant. Kreuz, J. E. Wörl, geistl. Lehrer 11. Hummelsheim, die Lehramtspraktikanten Const. Kern, Fr. X. Frühe, H. Seid- ner, der Reallehrer Lehmann, Musik- und Zeichenlehrer Schmal- holz, Lehrer der Piiysik Prof. Seiz, evangel. Religionslehrer Stadt- pfarrer Partenheimer. Die Schülerzahl betrug 223 (I: 23, H: 23, Jlf: 31, IV'': 30, IV^: 19, V^: 20, V-: 23, VI": 25, VI»: 29. S. auch die oben angef. Stelle). Die wissenschaftliche Beilage enthält eine Abiiandlung vom Dir. J. N. Schmeiszer: über den Ursprung des deutschen Schauspiels (66 S. 8), hauptsächlich aus Mones altdeut- schen Schauspielen und Schauspielen des Mittelalters geschöpfte le- bendige und allseitige Darstellung des Gegenstandes, bei der indes mehrere neu herausgegebene Schauspiele benutzt werden konnten. Vom Lyceum zu Fkkiijlrg im Breisgau gieng Lyceallehrer Schmidt an das Lyceum zu Heidelberg, während der geistliche Lehrer Bi- se hoff von dem Lyceum zu Wertheim , wohin er zur Besorgung des Religionsunterrichts berufen worden war, zurückkehrte. Der Lyceal- lehrer Wörter sah sich durch seine Beschäftigung an der Universität zur Aufgabe seines Unterrichts genöthigt. Der Volontär Lehramts- praktikant Walz ward an die höhere Bürgerschule in Buchen berufen. Das LehrercoUegium bestand aus dem Director Hofrath Nokk, den Proff. Weiszgerber, Furtwängler, Intlekofer, den Lehrern Eble, Kappes und Zipp, den Lehramtspraktikanten Rheinauer und Ammann, den geistl. Lehrern Bischoff und provisorisch Hau- ser, dem Keallehrer Keller, auszer denen nocli Unterricht ertheilten Dir. Prof. Dr. Frick, evaiig. Stadtpfarrer Helbing, Vicar Bahr, Lchranits|traktikant Trunk und Zeichnuiigslehrer G es zier. Die Schülerzahl betrug 329 (I: 34, II: 31, III: 40, IV" : 38, I : 30, V»-: 38, V»: 23, VI'': 43, VI'': 41). Die wissenschaftliche Beilage zu dem Programm ist: Aristarchos über die Gröszen und Entfernungen der Sonne und des Mondes. Uebersetzt und erläutert von A. Nokk (42 S. 8 und 1 Taf.). Von den an dem Lyceum zu Hi;imiLBHRG vorge- konvmenen Veränderungen ist die eine oben unter Freiburg, die andere Bd. LXIX S. 577 berichtet. Die Lehramispraktikanten Frz. Kremp und Rud. Kuhn wurden nach OlVenburg und Tauberbiscliorisheim be- rufen, nur kurze Zeit waren die Lehramtspraktikanten Leop. Däm- mert und Dr. Winnefeld thätig. Das l/ehrcrpersiinal bestand aus den beiden alternierenden Directoren Prüf. Cadenbach und Geh. llofr. Hautz, den Proff. Behaghel, Helferich, Dr. Arneth, den Ly- ceumslelirern Dr. llabermehl, Dr. Schmitt, geistl. Leiner Kös- sing, Dr. Süpfle, Reallehrer Riegel, evang. Stadt jifarrer H o 1 tz- mann, Turnlehrer W asz mannsd o r f f, Zeichenlehrer Volck und dem neu angestellten Gesanglehrer akad. Miisikdirector Schletterer. Den Israelit is<;heii Religionsunterricht ertheilten der Bezirksrabbiner Fürst und llauptlehrer Bessels. Die wissenschaftliche Beigabezum Programm enthält vom Prof. G. Helferich: Miscclleu (23 S. 8). Der Hr. Vf. sucht darin zuerst die Stelle Plat. Mcnex. p. 242 B gegen die Verdächtigungen zu rechtfertigen, indem er aus Diodorus Siculus eine

Berichte über gelehrte Anstalten. 47

zweite, von Thukydides nicht erwähnte, am 59n Tage nach der ersten stattgefundene Schlacht bei Tanagra nachweist, wobei ersieh in einem Anhange gegen Kd. Zeilcrs Ansicht entschieden erklärt. Im 2n Ab- schnitt wird Plat. Menex. p. 240 B roicoös ZQOTtcp mit einigen Hand- schritten aufgenommen, im 3n endlich Julian. Opp. p. 453 f. Sylb. in- terpungiert und gelesen: 'A?.l' ovzol ^iv tv imsqsl ■i^Boa^ßsts övzfg, tnsi- TTfp, ov TLUCJCLV [^vc( XtyovGiv ('9'füi')], all alri&ojg ovra övvatcöratov V.CCI aya^cörarov, 6g tniTQOTrfvii xbv ULG&rjTOV y.6afiov ovitSQ sv old^ o'ri xk) ri^if tg dlloig ^egansvo^fv ovö^aaLV ' siv.6ra not öokovcl noLftv, rovg v6i.iovg ^tj Ttagaßcii'vovrsg , iKi'ivo fiövov cciiaQxävsiv , ort fi/} Y,cit Tovg älXovg Q'Bovg aQsa-aovTsg avrcß ^ciliata reo -ö-fco &£QUTtsvovaLV ■a.ts,

Das Lehrercollegium des Lyceums zu Mannheim, in dem keine Ver- änderung eingetreten war, bestand aus dem DIrector Prof. Eehaghel, dem alternierenden Director Hofrath Gräff, dem Hofrath Scharpf, geistl. Rath Rappenegger, Hofr. Kilian, den Proff. Dr. Fi ek- ler, Bau mann, Ebner, Dr. Lamey, den Lyceumslehrern Deim- ling und Rapp (s. Bd. LXIX S. 703), dem kathol. Religionslehrer Spitalpfarrer Schmitt, dem Lehramtspraktikanten Bauer, Realleh- rer Heckmann, Zeichenlehrer Hausser und Gesanglehrer Wi czek. Ueber die später eingetretenen Veränderungen s. Bd. LXX S. 567 u. S. 569 Pforzheim. Die Schülerzahl betrug am Schlusz des Schul- jahrs 231 (I: 26, II: 47, III: 2, 2IV": 25, IV«: 22. V: 27. V'': 23, VP: 22, VI": 17). Die wissenschaftliche Beilage enthält vom Prof, K. Bau mann: Erklärung einiger Stellen in dem Agricola des Tacitus, zugleich als Beitrag zur Methodik der Interpretation (26 S. 8). Nach- dem in der Einleitung die Forderung aufgestellt ist, dasz der Schüler denkend lesen lerne und demnach schon bei der Praeparation auf das Verständnis des Zusammenhangs und Gedankenganges zu sehen ange- halten werde, geht der Hr. Vf. als Beispiele einige Stellen der ge- nannten Schrift theils erleuternd, theils durch Fragen Andeutungen gebend durch. Beiläufig sei erwähnt, dasz die Satiren und Episteln des Horaz von Krüger nicht zur Weidmannschen Sammlung gehören.

Am Lyceum zu Rastatt unterrichteten der DIrector J. Schraut, die Proff. geistl. Rath Grieshaber (während seiner Landtagsthätig- keit durch Lehramtspraktikanten Seidenadel vertreten), Nicolai, Dr. Holzherr, Donsbach, Scheyder (nach Ostern wegen Krank- heit beurlaubt). Eisin ger, Dr. Rauch (s. Bd. LXIX S. 580), die Lehramtspraktikanten Forster, Stephan und Mayer, der Real- lehrer Santo, der Lehrer Merz, die evang. Religionslehrer Stadt- pfarrer Lindemeyer und Vicarius Schm it thenne r, der Zeichen- lehrer Kaufmann und der iMusiklehrer Bender. Die Schulerzahl be- trug am Schlusz des Schuljahrs 153 (I: 26, II: 29, III: 33, IV»: 22, IV«: 6, yb: 6, V«: 5, VI^:^ 14, VP : 10). Die wissenschaftliche Bei- lage schrieb Prof. L. Eisinger: Beitrüge zur Topographie und Ge schichte der Stadt Rastatt (64 S. 8). Die Topographie nimmt auf alles Rücksicht, was zu einem anschaulichen Bilde der Naturumgebung gehört; die geschichtliche Darstellung, welche bis zur Erhebung zur Residenz 1689 fortgeführt wird, erölfnet unter Mittheilung vieles ur- kundlichen einen interessanten Blick in das Gemeindeleben. Eine sau- ber gestochene Karte gibt ein Bild der Stadt und Gemarkung im J. 1790. Das Lehrerpersonal des Lyceums zu Wertheim bestand aus dem Geh. Rath Dr. Föhlisch (der nach seiner Bd. LXX S. 231 ge- meldeten Pensionierung noch zwei Stunden in VP' ertheilte), dem mit der DirectioH beauftragten Prof. He rtlein, den Proff. Dr. Neuber und Föhlisch, den Lyceumslehrern Gas pari und Müller (s. diese NJahrb. a. a. O.), dem Reallehrer Ströber, dem Lehramtspraktikan- ten von La ngsdor ff (vorher am Benderschen Institut in Weinheim,

48 Berichte über gelehrte Anstalten.

nach dem Abgang des Lehranitspraktikanten Salzer Ostern 185-t dem Lyceum überwiesen (s. Bd. LXX S. 670), dem protest. Religlonslebrer Pfarrer Maur er, dem katbol. Pfarrverweser Gerber (nach Bischoffs Rückgang nadi Freiburg, s. o., vom Gymnasium zu Tauberbischofs- heim liierher versetzt), dem israelitischen Lehrer Faller, dem Zei- chenlehrer Fries und dem Gesanglehrer Feigenbutz. Die Schüler- lerzabl war am Schlusz des Schuljahres 121 (I: 31, II: 22, III: 17, IV'': 15, IV^: 7, V': 4, V^: 3, VI'': 9, VP: 13). Die wissenschaftliche Beilage lieferte der Director Prof. K. Fr. Her t lein: Beitrüge zur Kritik des Polyaenus (23 S. 8). Nachdem in der Einleitung drei Stellen bezeichnet sind, in denen evidente Conjecturen noch nicht Auf- nahme gefunden, emendiert der Hr. Vf. I, 2 dö^av für rjxov , I, 3, 4 mit Casaubonus rjörj öörzag, dann dnocptQfiv und für das handschrift- liche y.uTca'oovaa -iiaTaTiTOOvGCi , I, 9 tov öov.^tv, I, 10 jjoi&rjaav für das handschriftliche jjoiaav oder ri^t^iauv , I, 17 tni rivag cv.VTuXCSuq,

I, 18 riuag dviörjcav (oder cevr'iipcev) t«s tcov tjqcocov , vertheidigt I, 21, 1 die Lesart gegen Wyttenbach, emendiert I, 29, 1 mit Valck. Kai xi- f^rjacig TCQOfÖQt'a, streicht I, 30, 4 mit zwei Hss. ovvog , ändert I, 37 t^aiQcöv, I, 38, 45 ini(pc<v8iT] , wie V, 13, 1 tl ^f-v nQoaüyoi , I, 40, 4 avTov x(äv oder nur avzöv , I, 40, 6 avtotg in 'A&rjvca'oig , I, 41, 2 ot Fiaavd'ig in acpi'aiv avrotg, wie auch IV, 3, 7 für rpaclv avxoig vor- geschlagen wird. 1, 43, 1 wird äovlcav vor tnuvuGxüvxcov au.sgefallen angenommen und weiter l'iSr] XQ^ rjy.SLV verbessert, I, 45, 4 Jt6i.ii, nach iv HQCculioi'g gestrichen, II, 1, 22 verbessert n).riv 6).i'yov xov , 8i ov axö^cc, dann der Artikel vor y-aigog gestrichen und x«r oliyovg für oux oli'yovg geschrieben, dagegen I, 38,1 TtciQtjyysLls xov ■nuiqov vertheidigt. Fernere Vermutungen sind II, 1, 26 lög TcciQa ÄK^ipa^tj- rot"? Tiävzfg, II, 3, 1 sia^lQ'övxeg, II, 3, 3 tiii^cclövxog für i^ißcdövxsg,

II, 3, 7 diat.iaxoi^xo , II, 3, 9 naqisvai und mit cod. Flor, wg fi£X?.av, II, 3, 11 xijg dh ^c'ixtjg v.QaxfQag yivotiivrjg , noV.cov aacpoxi^coQsv tis- covxcov, vvKXug yfvotj.tvrjg, r] x6 xtJ.og xrjg vi-Atig a^fü.exo , avi%(äQriGav,

II, 9 InSLCBv für tnOLtiCfv und dann v.cd (og yviivovg, II, 10, 2 Til- gung von tv vor rrj axfvörrjxi. II, 31, 3 wird nuQcoififiivcp jetzt ver- theidigt, III, 9, 2 nach ^«^^o'^'rfs der Ausfall von savxovg vermutet, III, 9, 7 toCg TtoAf tt/'ois in xoig noXloig geändert, 9, 23 Xöyov üiiöcoyiiv, 9, 43 xij dvvciufi Gv^ßaXäv und oca toxi, 9, b9 f-ir^vvGccvxcov, 62 ttiixGTco, 63 01^1 cci^ivovg emendiert. An die Conjectnr III, 10, 4 x6 9tLOV schlieszt der Hr. Vf. bei Hyperid. pr. Euxcnippo p. 7, 3 Schneidew. den Vor- .<;clilag: aXXa f.icc di'a canög xoi ov'xto xco TiQcr/uaTi ov v.ixQriGtti, Po- haen. V, 1, 3 v.c<xa xug GvvQ'riv.ag, Themist. or. IV p. 69, 24 Dind. öaov tv avxM. Sodann folgende Kmendationen bei Polyaen. III, II, 3 XaßQiag vavg Aci-noiViv.cig -ACixucyiönovg öiödav.cc icpoQixovaag, ov firjv iTttxvax^rjvai &c(QQOVGc<g i^eHccXiGaxo ovxcog ncog' avxog ccvrlx^r} vuvgI iiey.aSvo, y.cnd ovo ^i-v^ag yial xd ioxi'a xcöv övoiv tnl uidg ei^ciiisvog,

III, 11, 5: OGa t'(iwv.av , 8 xßi agQcoGxi'av, 10 uvtßißäGaxo, 15 Kctxa- ftgn^cöv für ■naxaXaßäv , IV, 2, 3 ciXXci v-axaiiu^üiv , 3, 3 x6 ;twua für jjojyt«, 9 Sicißflvca, IV, 4 ccv&ig tcqogtjX&ov (beiläufig bei Hyperid. })r. Euxenippo p. 3, 13 kXX' avrt'y,' (pxovtn), 6, 21 TCQOtdiäciGKtxo , 19 icäQuaftv, 9, 2 wj uvxmuQfG-AfvuG^ivri oj'ix t^f^cigQtjGfv iTTi&tc&ctL, 11, 4 -naxucpavi tg ovGug für v.cnnrponrrJGaGuv , V, 1, 1 xai aAAws öcicog ccv i'xov und x6v yr]Qv^ovxc< für xov iir]Viyaovxc< , 2, 6 J'nd rrj itfQtfxovGjj ccy.Qcc , 2, II civayoQf^vBi und im folg. noi fitXXfi nXtiv . V, 9 Gvvijipav für ovvr'iyov, 13, 1 i'va f{ (ii-v rj noXhiiia XQitJQrjg TTQOGÜyoi xy viji, vno T(üv iv xcug Gixf^yoig TTQOGßäXXotxo , V, 23 Gyiäcpceg XQtig (y') (lovo^v- Ao7>s , 32, I dvuyiictiinuivotg Ttoieia&ai für dvaKo^i^o^ivotg, 33, 3 avxovg rJHOvxag oder xovg fjiiovxag , ovxag noXXox^g, 44, 3 fifrä TtaGrjg xi'ig dvvceui^iog, V, 47 tiqcüxov (ilv und rori; tvnÖQotg, VI, 1,3 füüj;|;t'«f

Berichte tiber gelehrte Anstalten. 4D

für svxvv, VI, 10 rcc xcoqlu Gißgavi TtaQaSovg, 16, 3 TrQOLduvzBg , 5 ncii TiLGta dövzsg, VI, 17 ft's tov öiaxsxayiBvov uvIigkov cpvccovrtg (bei- läufig bei Hero de rep. obs. p. 324 dicöoavras für TrAfioaWz'Tas und aus dem Codex auf dem Berge Athos noch mehrere Emendationen be- stätigt), VI, 24 tivCy.' ccv OQVLd-fg, VII, 11, 6 rcov ös Zav.-A(6v ^cavTcov al6vT(ov , 14, 2 (ivQiovg inniccg fxovzLy 16, 1 ßovlsvaac&ai öeov, VII, 48 wird nach Plut. Mor, p. 248 f. rotg civÖQaai ra ^icpi] TcciQtÖoi'nuv und Toüs fihv KKttßalov xovg ös STQaipavzo gebessert (umgekehrt VIII, 57 y.azaXaß6vzcov x«i zag Tti^Xccg). Ev ificczioi gibt zu einer sprach- lichen Bemerkung über die Weglassung des Zahlwortes Veranlassung. Wie VII, 49 das F'utur ÖLaccoad^svai verworfen w ird , so wird dage- gen VIII, 31 Xovao/MBvoi , Xen. vectig. 2, 6 olHoöojx.rjao^bvovg , Plat. Phaed. p. 107 d öicidt.y.aaofi£vovg geschrieben. VllI, 14, 1 werden die Worte zovzo ö' ccv sirj Msyt-Ozog für eine Interpolation erklärt; ferner emendiert 23, 3 ovk «tto tioXIov , 36 dvsivzo (is&rj, 39 ßiäaeab-cci, 40 STtSKvltGSV, 41 Gvvodog für avlXoyog, 42 oiioiov ^öcodi^o), 45 ijv ovv 'AQiGzoysizovi, 46 zovzo (irjn^a und vorher tTtezslsi zov yäfiov, 55 iyrjfiazo 'E-nazaia), 46 cci öh yvvaiKig nüaai ^tcpog tv za v-ölncp v.ofii- ^ovaai ävÖQa SKccGzr} ^a&i^ävovoiv, endlich VIII, 30 l^rjzovv für i^r'izovv, Das Gymnasium zu Bruchsal hatte als Lehrer den Director Prof. Scherm, Prof. Dr. Hirt (seitdem pensioniert. S. Bd. LXX S. 560), den Gymnasiallehrer Rivola, die Lehramtspraktikan- ten Seidenadel (an Büchlers Stelle berufen, s. oben Rastatt), Wolf und Hermann (nachdem Müller nach Tauberbischoffsheim versetzt ■war, von dorther berufen), die Reallehrer Dr. Schlechter und Schleyer (beide definitiv angestellt, ersterer, nachdem seine Beru- fung nach Ettlingen zurückgenommen war), die Religionslehrer Hofpfar- rer Küstner (kath.), Hofdiaconus W öl fei (evang.), Bezirksrabbiner Präger. Die Schülerzal betrug 204 (I: 45, II: 50, III: 39, IV^: 40, IV^: 10, V^: 18, V": 12). Zu der Untersexta eines Lyceums waren 14 entlassen worden. Die wissenschaftliche Beigabe schrieb Dr. Schlech- ter: das körperliche Dreieck (30 S. u. 6 Figurentafeln). Ueber das Gymnasium zu Donaueschingen ist bereits Bd. LXX S. 346 berichtet. Von dem Gymnasium zu Lahr erwähnen wir auszer den schon Bd. LXIX S. 702 und Bd. LXX S. 228 berichteten Veränderungen , den Abgang des Realiehrers Selz und die Anstellung des Reallehrers Hillert (vorher Vorstand der aufgelösten höhern Bürgerschule in Schwetzingen), so wie der Lehramtspraktikanten Roth und Deim- ling. In den Schulnachrichten S. 9 16 hat der Director Gebhard eine Statistik der Anstalten, welche 1804 mit einem Paedagogium ge- gründet wurden, mitgetheilt. Die Schülerzahl betrug im Gymnasium 122, in der höhern Bürgerschule 17. Von dem Gymnasium zu Or- FENBURG war der Reallehrer Brunner an die höhere Bürgerschule in Baden versetzt worden. Das Lehrerpersonal bestand aus dem Director Prof. Trotter, aus den Prof f. Prediger Stumpf und Schwab, dem geistlichen Lehrer X. Eckert, den Gymnasiumslehrern Blatz und Schlegel, dem Lehramtspraktikunten Kremp (s. oben Heidelberg), dem Schreib- und Zeichenlehrer Geiges, dem Gesanglehrer Mösz- ner, Musiklehrer Kohl er und dem Volontär Lehramtspraktikanten Rothermel; den evang. Religionsunterricht ertheilte der Pfarrer Fr. Müller. Die Schülerzahl betrug 164 (I: 39, II: 33, III: 35, IV^: 19, IV»: 22, V^: 9, V**: 7.) Sämmtliche Oberquintaner, 9 an Zahl, waren für die Untersexta eines Lyceums promoviert worden. Die wissen- schaftliche Beilage zum Programm lieferte J. H. Schlegel unter dem Titel: Viatonis dialogum, qui ' Phacdrus' inscribHur, cxposuit atque explanavit (50 S. 8), eine ausführliche Entwicklung des Gedanken- gangs mit einigen auf Vergleichungen und Erklärung sich beziehenden

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Tid. LXXII. Hft. 1. 4

50 Berichte iil)cv gelclirle Anslallen.

Anmerkungen. Von dem Gymnasium zn Tauberbischoffsheim sind zwei Versetziinf;en oben bei Wertheim und Bruchsal erwähnt worden. Das Lehrerpcrsoiial bestand aus dem Director Prof. Reinhard, dem Prof. Weber, den i^eliramtspraktikantcn 1 1er (s. Bruchsal), Kuhn (s. Heidelberg) und Gnirs, dem Reallehrer Seh üss ler und dem Cap- lan Benz (nach Gerbers Abgang). Die Schüierzahl betrug J36 (\ : 'i'2, II: 10, III: 22, IV^: 22, l\^: 16, V->: 21, V': 13). Dem Programm ist eine wissenschaftliche Beilage nicht beigegeben. Von den mit höheren Bürgerschulen verbundenen Paedagogien zählte am Schlusz des Schul- jahres das zu Driii.ACH 74 Schüler (I: 21, 11: 16, IUP: 14, B: 2, IV P: 8, B: 3, VP: 6, B: 2), das zu Lörrach 87 (I: 50, II: 17, HIB: 3, P: 6, IV'B: 2, P: 6, IV^P: 3), das zu Pforzhiim 121 (IP: 14, B: 30, IIP: 10, B: 26, IUP: 9, B: 19, IV'P: 6, B: 13, IV^P: 2, B: 1). Die Schülerzahl der höhern Bürgerschulen betrug Baden: 94, CoNSTANZ: 134, Kmmk.ndince.n : 68, Kppi.N(;en : 29, Ettemieim: 169, Ettlingen : 31 , Freuscug im Breisgau: 108, Mannheim: 250, Mos- bach: 81, MiT-i.HEi.M: 77, Schopfhkim : 35, Sinsheim: 96, Uebehlingen : 41, WalI'SHCT: 33. In den Schulnachrichten von Ettenheim befindet sich ein Vortrag des Vorstandes Grub er (11 S. 8), Avelcher sich über das Wesen der Bildung und namentlich der Berufsbildung verbreitet. Dem Jahresbericht von Schopfheim ist beigegeben die Abhandlung vom Vorstände Lic. J. D. Seisen: einleitende Bemerk un gen zu J. F. He- bels alemannischen Dichtungen (S. 17 38), welche, an Vilmars und Barthcis Urtheile anknüpfend und sich über die Sprache, die Compo- sition, den religiös sittlichen und poetischen Sinn des Dichters ver- breitend, uns für eine richtigere Würdigung <les Dichters , für den eine warme Vorliebe vorhanden ist, recht werthvol! erscheint, zumal da sie aus genauer Bekanntschaft mit dem Volkstheile, dem Hebel seine Spraclie und die Einkleiilung entnahm, hervorgegangen ist.

Danzig. Nach dem Ostern 1854 ausgegebenen Programme des dasigen städtischen Gymnasiums war im Lehrercollegium (s. Bd. LXVII S. 723) nur die Veränderung vorgekommen, dasz der Schulamtscandi- dat Forste mann Mich. 1853 nach Salzwedel berufen wurde und an seine Stelle der das Probejahr abhaltende Schulamtscandidat Hein- richs die volle Stundenzahl eines ordentlichen Ijchrers übernahm, auszerdem wegen der Erkrankung des Schulamtscandidatcii Stein der Caudidat Hoff mann wieder in einige Stunden eintrat. Die Schüler- zahl betrug ohne die Elementarclassc 471 (I: 40, IIa: 3*^, Hb: 45, lila: 58, Illb: 49, IVa: 38, IVb : 76, V: 59, VI: 68). Abiturienten 15. Den Schulnachrichteu voraus geht eine Abhandlung des Prof. Dr. J. Mar(|uardt: zur Statistik der römischen Provinzen , ein Nachtrag zu Ilecker-Marquardt Uiindbuch der römischen Alterthümcr III, l (26 S. 4), welche auch im Buchhan<lel erschienen ist.

Eiii.AN'.EN. Zum Prorecloratswechsel ward von der Universität das Programm ausgegeben von <lem Studienrector Prof. Dr. L. Dö- derlein: Intcrpretatio orationis Perieleae extremac ex Thuc>ididc, 1\, 60 sqq. (13 S. 4), in welchem, nachdem in einer Einleitung die Vorwüife des Dionysius Halicarnassensis gegen die Rede ziirückgewie- .sen sind, der griechische 'l'ext mit einigen untergesetzten kritischen Bemerkungen <ler deutschen Uebersetzung gegenübergestellt ist (vgl. Bd. LXIX S. II!)).

Gotha. Das Ostern 1854 ausgegebene Programm des dasigen her- zoglichen Realgymnasiums enthält eine Abhandlung vom Lehrer Ceti: deutsche und französische Sprichwörter vergleichend zusumme7igc- stelll (14 S. 4). Es werden hier unter 3H0 Nummern Si)richwörter der beiden Sprachen gegenübergestellt. Eine Fortsetzung wird verspro- chen und können wir dieselbe nur für sehr wünachenswcrth erklären.

Bcriclitc über gelehrte Anslallen. 51

Es tritt schon hier deutlicli zu Tage, wie das deutsche Sprichwort mehr Geradheit, Derbheit und Gemiitliliclikeit, das französische mehr Gewandtheil, Witz und praktischen 8inn beweist, wie dieses zwar auch religiösen und sittlichen Ernst streng hinstellt, aber doch auch zuweilen Fehler zu beschönigen sucht, welche grosze Uebereinstini- mung, selbst in den halbwahren und geradezu falschen Sätzen zwi- schen den beiden Völkern herscht. Die eine Behauptung, dasz das französische Sprichwort mehr nach Kürze strebe, möchten wir wenig- stens nach den bis jetzt gegebenen Vergleichungen nicht so unbedingt zugeben. Theilweise ist die gröszere Kürze bei den F^ranzosen eine Folge der ganzen ßeschaffenheit der Sprache, theilweise scheint sie uns auf dem Mangel gröszerer Innigkeit zu beruhen, so z. B. wenn de^ Deutsche sagt: Tröste Gott den Kranken, der den Arzt zum Erben einsetzt, der Franzose: c'est folie de faire de son medecin son heri- tier. Wenn die französischen Sprichwörter theilweise kühne, der Schriftsprache fremde Constructionen aufweisen, so dürfte darin ein Beweis zu finden sein, wie sehr sich diese vom Volke zurückgedrängt hat. Interessant wird es auch sein zu erfahren, für welche Gegen- stände die eine Sprache mehr Sprichwörter hat als die andere. Die Arbeit des Hrn. Vf. ist jedenfalls ein schätzbarer Beitrag zur näheren Kenntnis der Sprichwörter, zu welcher freilich noch die Untersuchung über das Alter und die Ursprungsgegenden gehören wird.

Grimma. Das Lehrercollegium der königlichen Landesschule hatte im Scluiljahre Mich. 1853 54 keine Veränderung erfahren. Es be- steht aus dem Rector Prof. Dr. Ed. Wunder, den Proff. M. Lo- renz, Fleischer, Dr. Petersen, Dr. Dietsch, Licent. theol. Dr. Müller, Oberlehrer Löwe, Prof. Dr. Schaef er und Oberlehrer Pöthko, auszerdem unterrichten der Turnlehrer Haugwitz, Zei- chenlehrer Luther und Schreiblehrer Arlandt. Die Schülerzahl be- trug im Winterhalbjahre 136, im Sommer 140 (I: 27, II: 36, HI: 38, IVa: 22, IVb: 17). Abiturienten waren Mich. 1853 4, 0.stern 1854 7. Den Schulnachrichten vorausgeschickt ist Lorenzii series ministrorum ecclesiae cvangelico-lutheranae Grimensis (36 S. 4). Diese mit unge- meinem Fleisse geschriebene, auf die speciellsten Vei'hältnisse in ge- nauster Weise eingehende Schrift bietet, abgesehn von dem localen Interesse, manche Aufschlüsse und Beiträge zur sächsischen Kirchenge- schichte, namentlich rücksichtlich der Einführung der Reformation.

KitAKAU. Das der Redaction erst vor kurzem zugekommene Pro- gramm des k. k. vollständigen Gymnasiums für das Schuljahr 1853 ent- hält zuerst S. 3 19 eine Chronik der im J. 1586 gegründeten Anstalt, eine deutsche Bearbeitung des im Programm von 1849 in polnischer Sprache abgedruckten Aufsatzes des Universitätsprof. Dr. Mucz- kowski. Dieselbe gibt ein interessantes Bild von einer lange blühen- den und durch hochherzige Opfer geförderten, dann aber durch den Wechsel der politischen Schicksale heruntergekommenen Anstalt und ist für die Culturgeschichte Polens ein wichtiger Beitrag. Auf sie folgen S. 20 26 die von dem Schulrathe Dr. Czerkawski und dem Landespraesidenten Grafen von Mercandin bei der Aufstellung des Bildes des Kaisers am 24. Juni 1853 gehaltenen Reden. An sie schlieszt sich S. 27 37 ein in polnischer Sprache verfaszter wissenschafsl icher Aufsatz, vermuthlich, da kein Verf. genannt ist, vom Director. Den zuletzt angefügten Schulnachrichten zufolge bestand der Lehrkörper aus dem provis. Director Ludw. Klem e n si e wicz , den wirklichen f^eh- rern Dr. theol. S. Pi tj,t ko wski, J. Gralewski (s. Bd. LXVIII S. 565), A. Oskard, J. Sarnecki, E. lanota, den Sup|)lentea Jo. S taroniewi cz, S. Sawczynski, L. Za wadzii'i sk i , V. Ja- blonski, Jo. Skorut, Fr. Fuk und K. Brzezinski (vom Gynuia-

52 Berichte über gelehrte Anstalten,

sium zu Przeinysl hierher versetzt), zu denen noch die Lehrer für die nicht obligaten Fächer hinzutreten. Die Schüierzahl betrug am Schlusz des Schuljahres 352 (I: 67, II: 47, III: 53, IV: 34, V: 50, VI: 37, VII: 39, Vllf: 34). Bei den IMaturitätsprüfungen wurden 20 für reif erklärt , 10, darunter 3 für immer, zurückgewiesen.

Prag. Bei dem k. k. Gymnasium auf der Kleinseite wurde im Anfang des Schuljahres 1853 54 der vorherige Prof. am altstädter Gymnasium Joh. Ott angestellt. Die Proff. Schlenkrich und Ull- rich wurden definitiv bestätigt, desgleichen später der Director (s. Bd. LXX S. 360). An der Stelle des Schulamtscandidaten Netuka wurden zwei Frz. Herzik und Ant. Zeithammer dem Gymnasium überwiesen. Unter den auszerordentlichen Lehrern finden wir als Re- ligionslehrer für die evangelischen Schüler W. Martius, für die is- raelitischen Dr. Is. Lowositz aufgeführt. Die Schülerzahl betrug am Schlusz des Schuljahres 481 (I: 65, II: 80, III: 71, IV : 58, V: 50, VI: 53, VII: 53, VIII: 51). Zu den Maturitätsprüfungen meldeten sich 53 öir. Seh, 9 Privat. 26 Hxternen. Bei der Prüfung erschienen nicht 20, während derselben traten 4 zurück, 38 wurden für reif er- klärt, 24 für eine Zeit, 2 für immer zurückgewiesen. Die wissen- schaftliche Beilage schrieb der Prof, Ant, Schlenkrich: über die Wichüfrkcit des Studiums der altern deutschen Sprache und Liltcra- tur (20 S. 4). Der Hr. Vf, bespricht, welche hohe Bedeutung das ge- nannte Studium für die Wissenschaft und zwar nicht blosz für die Wissenschaft der deutschen Sprache und Litteratur an sich, sondern auch für die Geschichte, Theologie und Jurisprudenz, denen es als Hilfs- und Ergänzungswissenschaft interessantes zu bieten vermöge, habe, und wie es ein bildendes Element besitze, indem es die Ver- Etandeskräfte bilde und vervollkommne, das Gefühl für das schöne Verfeinere, den Willen auf das gute und höhere hinlenke und endlich dazu diene die Freude an dem herlichen Vaterlande Osterreich zu er- höhen. Wir erkennen gern die umfängliche und gründliche Sachkennt- nis sowie die warme Begeisterung des Hrn. Vf. an und halten die Schrift für ganz geeignet, den Sinn der Jugend auf jenes so hoch- wichtige Studium zu lenken und für dasselbe zu beleben. Theilen wir nun auch seine Ansichten in manchen Punkten, so vermissen wir doch die Bestimmung des Zieles, welches im Gymnasium erreicht wer- den musz und kann. Der Hr. Vf. erkennt selbst, dasz man nach sei- nen Auseinandersetzungen einen gröszern Umfang des Studiums in den Gymnasien fordern könne, und baut dem am Schlusze vor, aber den Beweis, dasz in dem Masze und auf die Weise, welche der Organisa- tionsentwurf bestimmt, dasjenige erreicht werde, was zur höhern all- gemeinen Kenntnis nothwendig ist, wie namentlich so viel erreicht werde, dasz die später in specielle Berufsarten übergegangenen sich selbständig auf <Iem Gebiete orientieren können, zu führen hat er unterlassen, was um so nieiir nothwendig war, als ja das Lesen von Schriftdenkmälern keineiifalls einen bedeutenden Umfang haben kann, damit aber von iler bildenden Kraft auch weniger zum Vorschein kommen musz.

Si'KYKii. Am 14. Decbr. 1854 wurde das 50jährige Dienstjubilaeum des k. Hofraths und Rectors des Lyceums und Gymnasiums Dr. Georg von Jäger solenn gefeiert. Derselbe war früher Rector des Gymna- siums zu Kempten und bekleidet seit 1HI7 sein jetziges Amt.

WisKL. Vom dasigen Gymnasium (s, Ud. lAVIII S. 574) schied der Gynina.siallehrer Dr. Liesegang, einem Rufe an das Gymnasium in Bielcffld folgend. In seine Stelle (die He) trat Dr. Pröllcr, vor- her llilf.slelirer am Kriedrich-Wilhelms CJymnasium in Köln, Vorher scIkhi war eine neu errichtete Hilfslehrerstelle dem Cand. Dr. AI. Richter Übertragen worden. Cand. Buch mann wurde noch weiter

Berichte über gelehrte Anstalten. h3

am Gymnasliini beschäftigt. Das Probejahr trat der Cand. Kork an. Das Lehrercollegiuin bestand demnach aus dem Director Domherr Dr. Blume, dem Prof. Dr, Fiedler, den Oberlehrern Dr. Wisseier und Dr. Heidemann, den Gymnasiallehrern Müller (theilweise durch den Rector Fischer vertreten), Ehrlich, Tetsch, Dr. Pro 11 er und dem wissensch. Hilfslehrer Dr. Richter. Als auszeror- dentlithe Lehrer fungierten der evang. Pfarrer Dr. Lohmann, Cap- lan Schürmann, Gesanglehrer Lange, Zeichenlehrer Du ms, aus- serdem die Candidaten Buchmann und Kork. Die Schülerzahl be- trug 192 (I: 16, H: 23, HI: 45, IV: 26, V: 41, VI: 41). Zu Ostern 1854 wurde ein Abiturient entlassen. Die wissenschaftliche Abhand- lung lieferte Gymnasiallehrer Ehrlich: de continua linguarum, quae in scholis doceri solent, comparatione cum utilissima tum nostris tem- poi-ibus vel maxime necessaria (15 S. 4). Der Hr. Vf. beklagt den Verfall der classischen Studien und namentlich des Lateinschreibens, und sucht, da er weder denen, welche die Zahl der Unterrichtsfächer, namentlich die neuern Sprachen beschränkt wissen wollen, noch denen, welche auf den Gebrauch der lateinischen Sprache als Umgangssprache dringen, beistimmen kann, eine Hilfe in der vergleichenden^ Behand- lung der Sprachen, welche er nach drei Stufen, der ersten, in wel- cher die Wörter, der zweiten, auf welcher die grammatischen Regeln, der dritten, wo die Schriftsteller verglichen werden, darlegt. Es läszt sich nicht verkennen, dasz in den Vorschlägen viel gutes und richtiges enthalten ist, und jeder einsichtsvolle Lehrer wird wohl schon von manchem Gebrauch gemacht haben. Liegt doch bekanntlich be- reits der Versuch der Parallelgrammatik für das Lateinische und Grie- chische von Rost und Kritz vor. Allein Ref. kann das Bedenken nicht zurückhalten , dasz der Hr. Vf. die Verwandtschaft und das Ueber- gehen der Worte aus einer Sprache in die andere als einen so leicht faszlichen Vorgang ansieht. Ist es doch eine Warnung, welche die Heroen der sprachvergleichenden Wissenschaft oft genug predigen, durch den Gleichklang sich nicht über die Verwandtschaft der Worte täuschen zu lassen. Wir fürchten, die Schüler werden bei dem, was der Hr. Vf. vorschlägt, vieles lernen, was vor der Wissenschaft nicht bestehen kann, wie denn schon die Ableitung des Lateinischen aus dem aeolischen Dialekt schwerlich so, wie der Vf. gethan, hingestellt •werden darf. Und abgesehen davon, welche Mittelglieder sind doch nothwendig, um die Verwandtschaft zu beweisen und begreiflich zuma- chen! Diese können doch bei dem Unterrichte nicht gegeben werden und was hat ohne ihre Kenntnis in vielen Fällen der Schüler? Wir besorgen, es wird dadurch nicht viel für das gründliche Verständnis der einzelnen Sprache gewonnen. Der ganze Vorschlag scheint uns an die Methode sich anzulehnen, welche für das Sprechen der neuern Sprachen angewendet wird, wie denn der Hr. Vf. die schriftlichen Uebungen zu Gunsten der mündlichen beschränkt sehen will, eine sol- che Methode will uns aber der Vertiefung, welche der Unterricht in den alten Sprachen fordert, nicht entsprechend scheinen, so sehr wir auch die gänzliche Zurückdrängung der mündlichen Uebungen, wo sie vorkommt, beklagen. Doch wir empfehlen die gut geschriebene Ab handlung, da sie jedenfalls beachtenswerthes bietet.

Personalnachrichten.

Versetzt wurden: Buerbaum, Oberlehrer am Gymnasium zu Paderborn als erster ordentlicher Lehrer an das Gymnasium zu Cösfeld.

54 Fersonalnaclirichten.

Decker, Supplent am k. k. Gymnas. zu Brunn, als wirkliclier Leh- rer an das Gynin. zu S am bor.

Dr. Dollen, Lehrer an den Realclassen des Gynin. zu Torgau, als 5r Oberlehrer an die könij^städtische Realschule in Rerlin.

Fischer, Supplent am Gymnas. zu Klattau, als wirklicher Lehrer an das Gymn. zu Przeniysl.

Guttmann, Prorector am Gymn. zu Ratibor, in gleicher Eigen- schaft an das Gymn. zu Schweidnitz.

Dr. W. Hupfeld, Gymnasiallehrer zu Marburg in Kurhessen, als Pfarrer nach Friedewald in der Classe Rotenburg.

Rehberg, Schreib- und Zeichenlehrer am Gymn. zu Marien Wer- der, in gleicher Eigenschaft an das Gymn. zu Tilsit.

Rohdewald, Lehrer am fiirstl. IJppischen Gymn. in Detmold, als 2r Oberlehrer an das Gnihu. in li u rgs te i n f u rt.

Steudel, Vorsteher eines Privatinstituts in Ileilbronn, als 2r Dia- conus und Lehrer am Lyceum nach Ravensburg.

Lic. Ulli hörn, Privatdocent an der Universität Göttingen, als Hof- und Schloszprediger nach Hannover.

Ernannt wurden: Bader, Hilfslehrer, zum 5n ordentlichen Lehrer für die mittleren

Classen an der königstädtisciien Realschule in Berlin. Beer, Andr., Piaristenordenspriester, zum provisorisciien Director des

Untergymnasiums in Hörn. Bernhardy, Dr. G., Prof. zu Halle, zum Correspondenten der histo- risch-philologischen Classe der k. Gesellschaft der Wissenschaften

in Göttingen. Bopp, Dr. Frz., Prof. zu Berlin, zum auswärtigen IMitgliede der- selben. Canal, P., Weltpriester, Prof. am Gymn. Sta Catterina, zum wirkl.

unbesoldeten Mitgliede des Instituts der Wissenschaften zu Venedig. Cavedoni, Don Celestino, Vorsteher der herzogliciien Sanuulungen

zu Modena, zum auswärtigen IMitglied der hist. philol. Classe der

k. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Codazza,Dr. Giov., Prof. zu Pavia, zum wirklichen unbesoldeten

IMitgliede des Lstituto delle scienze zu iMailand. Danel, Frz., Weltpriester, Supplent, zum wirklichen Lehrer am

kathol. Gymnasium zu l'eschen. Dieckhoff, Jjic. A. W., Privatdocent, zum ao. Prof. in der theolog.

Facultät an der Universität Göttingen. Döderlein, Dr. L. Prof. in l'Jrlangen, zum ausw. IVIitgl. der bist-

piiilol. Classe der k. Gesellschaft d. W. in GÖttingen. Duncker, Dr. L., ao. Prof., zum ordentl. Prof. an der Universität

zu Göttingen. Förster, K. W. J., Schulamtscand., zum Adjuncten am Gymnasium

zu Wittenberg. Frisiani, Noh. Paol., Prof. der Astronomie zu Mailand, zum besol

deten Mitgl. des lstituto dellc scienze daselbst. Hammer li Mg, llupr., Sup()lent am Gratzer Gymnasium, zum wirkl.

Lehrer für das Gymn. zu Cilli, mit einstweiliger Verwendung am

(»ratzer Gymn. Kinzel, INL C. J., Schulamtscand., zum 7n ordentl. Lehrer am Gymn.

zu Ratibor. K I ein cn s i e w i( z, Dr. L., provis. Director, zum wirkl. Director ties

Gymn. zu Krakau. Ko'/acs, Marc, Praeiuonstr., zum provis. Director des kalh. Gymn.

zu Rosenau.

Personalnaclirichten. 55

Limprlcht, Dr. H., Privatdoc, zum ao. Prof. in der philos. Faciil-

tät an der Universität Göttingen. Jjobpreis, Jo., zum Directionsadjuncten an der k. k. tlieresianisclien

Akademie zu Wien. Mainardi, Dr. G., Prof. der Math, an der Univ. Pavia, zum wirk- lichen unbes. IMitgl. des Istitnto delle scienze zu Mailand. Meier, Dr. Ed., Prof. zu Halle, zum Correspond. der hist. phil, Cl.

der k. Gesellsch. der W. zu Göttingen. Menin, Abb. Dr. L., Bibliothekar zu Padua, zum besoldeten Mitgl.

und Vicepraes. des Instituts der W. zu Venedig. Mommsen, Dr. F., Privatdoc., zum ao. Prof. in der jur. Facultät

der Universität Göttingen. Offenberg, Dr., Hilfslehrer, zum ordentl. Lehrer am kathol. Gymn.

zu Münster. Poli, Dr. B., provis. Generalgymnasialdirector der venet. Provin- zen, zumbesold. Mitgl. und Praes. des Instituts der W. zu Venedig. Ritschi, Dr. Fr,, Prof. zu Bonn, zum Correspondenten der histor.-

philol. Cl. der k. Gesellsch. der W. zu Göttingen. Rossi, Dr. Franc, Vorstand der Bibliothek Brera, zum besoldeten

Mitgl. und Vicepraesidenten des Istituto d. sc. zu Mailand. Saltzmann, Dr., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer beim kath.

Gymn. zu Münster. Schnaidt, Lehi-amtscand. , zeither. Verweser, zum Praeceptor in

Bietigheim. Sehr oll, B., Benedict., Suppl., zum wirklichen Lehrer am Gymn. zu

St. Paul. Schultze, Dr. Ru d., Schulamtscand., zum 12n ord, Lehrer an der

k. Realschule in Berlin. Schulze, Dr. F. W. L,, Schulamtscand., zum oi'dentl. Lehrer an den

Realclassen des Gymn. zu Torgan. Schunck, Dr., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gymn. zu

Hedingen. Siegl, Ed., zum wirklichen Lehrer am kath. Gymn. zu Teschen. Turazzi, Dr. Dom., Prof. an der Universität zu Padua, zum be-

sold. Mitglied des Instit. der W. zu Venedig. Wahlenberg, Dr., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gymn.

zu Hedingen. Wer necke, Dr., Schulamtscand., zum 5n oi'dentl. Lehrer am Gymn.

zu Cösfeld. Wilms, Dr. M., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gymn. in

Burgsteinfurt.

Zambelli *r. V. B., Prof. an der Univers.| ^^ unbes. Mitglied, des

zu Fadua. c. n 4+ 1 Instituts der Wissen-

Zambra B Prof. am Gymn. Sta Catterinaj ^^j^^^^^^ ^^ ^^^^^ _

zu Venedig. *=

Praediciert wurden :

Oberlehrer Dr. Dewischeit am Gymn. zu Gumbinnen als Professor. Prof. jur. Dr. C Seil an der Universität zu Bonn als Geh. Justizrath.

In Ruhestand versetzt oder ihrer Functionen enthoben:

Farinati, B., Lehrer am Gymnas. zu Trient.

Dr. Fröhlich, ord. Prof. in der philos. Facultät zu Würzburg, un- ter Anerkennung seiner geleisteten Dienste. Globocnik, J., Katechet am Gymn. zu Laibach. Orsi, P., Director des Gymn. zu Roveredo,

§6 Personalnachrichtcn.

Dr. O. V. Redwitz, Prof. der allgem. Litteraturgeschichte und Ae- sthetik an der Univ. zu Wien , auf sein Nachsuchen.

Verstorben sind :

am 2. Oct. 1854 Alex. Kaltenbrun ner, Benedict., Director des Gymnas. zu Gratz.

am 27. Oct. zu Wien der fiirstbisch. Rath, J, S. Ebersberg, geb. 1799, fruchtbarer Jugendschriftsteller und Begründer des zuerst paedagog., dann politischen Blattes 'Feierstunden.'

am 29. Nov. zu Athen Prof. J. Benthylos und kurz vorher der Gymnasiarch G. Gennadios.

am 4. Dec. zu Weimar Hofrath Dr. Eckermann, Verf. der 'Ge- spräche mit Goethe', geb. 1792.

am 6. Dec. zu Stuttgart der emerit. Rector des dasigen Gymnasiums von Uebelen, 73 J. alt.

am 13. Dec. zu München der geistl. Rath und Universitätsprof, Dr. Büchner, bekannt als vaterländischer Geschichtschreiber.

Zweite Abtheilung

herausgegeben von Rudolph Dietseh.

5.

Shahspere's Weiche. Eeransgegehen und erklärt von Dr. Nico- laus De lins. Erster Band. Erstes Stück: Hamlet., Prince of Denmarh. Elberfeld , K. L. Friedrichs. 1854. X u. 166 S. Lex.-8.

Erster Artikel. Wenn die deutsche Philologie leistete was die englisehe seit anderthalb Jahrhunderten mit groszer Anstrengung erstrebt und doch nicht vollkomnien erreicht hat, wenn sie eine den wissenschaftlichen Forderungen genügende kritische Ausgabe Shakespeares *) lieferte, welch eine Freude, welch eine Ehre würde das für uns Deutsche sein. Die vorliegende Ausgabe verfolgt dies Ziel, ein Bestreben, das an sich alle Anerkennung verdient, aber um so mehr auffordert zuzusehen, in wie weit das Ziel erreicht ist.

Die erste Forderung an kritische Bemerkungen ist Richtig- keit, Genauigkeit und im wesentlichen Vollständigkeit der Variantenangabe.

Diese ist aber bei Hrn. D. nicht selten ganz falsch, oft ungenau, immer aber so lückenhaft dasz dabei oft das in kritischer Beziehung wichtigste übersprungen, unwesentliches beredet ist.

I. Falsche Angaben sind, nach meinen Hilfsmitteln zu schlie- szen **), folgende :

l) S. 19 die Bühnenanweisung the Cache crowes (so qu. 5) steht nicht in qu. 1.

*) Ich schreibe den Namen mit e; zufällig blieb in dem P. Sh. Shakspeare (ohne e) auf dem ersten Bogen Stehen, daher liesz ich es, da es keine Sache von Bedeutung ist, durch das ganze Buch stehen.

♦*) Ich verstehe unter qu. 1 den Reprint der Skizze von 1603 (Q. A. bei Delius) ; unter qu. 2 ff, die qu. von 1604 ff, (nach den An- gaben von Steevens , Malone und Collier); unter qu. 5 die Originalqu. von 1611; unter qu. 6 die von 1637 (nach den Angaben anderer); un- ter Ff. die Ueberelnstimmung des Reprints der Fol. 1 mit der Fol. 4, wobei ich voraussetze, dasz dann es wirklich so in allen vier Folio- ausgaben steht. Mit al. qu. meine ich die von Steevens (1766) zum Abdruck der qu. 5 gegebenen Varianten aus qu. 3. 4 und 6.

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 2. 5

58 Shakespeare''s Hamlet herausg. u. erkl. von üeliiis. Erster Artikel.

2) S. 23 findet sicli zu folgenden >Vorlen des Pülonins: Pol. He halli, niy lord, uriing from nie my slow leave;

By laboursome pelilion; and, at last,

Upon bis will 1 sealM niy hard consent:

I do beseech you, givc bim leave to go. mit einer Hinweisung vor irnivr/ folgende Note: ' die folgenden Worte des PoloniiLS fobion in den Qs.' Diese Worte feblen aber in der allein- seligmaclienden l'ol. 1 nnd allen ibren Wiedcrbolungen, und zwar ancb nicbt einmal ganz, sondern nur bis consent; die letzte Zeile stellt in allen allen Ausgaben. Ancb die Lesart von qu. 1, die doili liier ge- rade von besonderem kritiscbem Interesse war:

Cor. He batli, my lord, wrung from nie a forced graun

And I beseecb you grant your Higbnesse leaue. bleibt nnerwiibnt. Halte Hr. D. docb Colliers Note nur ricbtig über- setzt! Collier ist bier wie fast überall durchaus ricbtig, genau nnd zuverlässig.

3) Auf derselben Seite stellt die fast wörtlich aus dem Sh. Lex. p. 179 wiederboUe Bemerkung: 'so (nemlicb lires) Fol. u. Qs., von den Herausgebern willkürlicb und stillschweigend in //«e umgeändert.' Dies ist falsch, da schon F. 4 (vermullich auch F. 2. 3) l/'i^e haben. Auch ungenau ist diese Stelle behandelt, da die Weglassung des Zei- chens nach common in qu. (5) und die Setzung eines bloszen Komma in Ff. Steevens Meinung dasz das Semikolon falsch sei , sehr unter- stützt.

4) S. 35: * viele Herausgeber lesen nwmenCs leisure ohne Auto- rität.' Qu. 5 hat aber (Blatt D Vorderseile, Zeile 1) grosz und breit moments leasure^ wahrscheinlich hat dies sogar, wenn Slccvens nicht es übersah, qu. 3. 4, vielleicht auch qu. 2; dann lesen die Hgg. also dies na,ch der besten Autorität. Auch Colliers Angabe ist ebenso falsch (denn auch die besten können einmal irren), aber brauchte Hr. D. diesen Irthum zu wiederholen? Ich selbst habe, Colliers Angabe für richtig haltend, im Perkins-Shaksp. es so angegeben; ich hatte damals weder die Twenty Floijs von Steevens noch die Originalqu. 5, aber ich würde mir auch nicht angeniaszl haben, eine neue Sh.- Recension nach so ungenügenden liilfsniillein machen zu wollen. Warum sah Hr. D. nicht bei Slccvens nach?

5) S. 44 zu irliivling im Text die Note: 'So Q. A. und Qs., von to whirl etc.' Aber qu. 1 hat tckerling, qu. (5) irfiurh'nrf, woraus sich der Druckfehler (mehr ist es nicht) der Ff. Inirling leichler er- klärt.

6) S. 59 zu cxccpt mij l/fe, cxcepl viij l/f(\ except tni/ h'fc. Die Note: 'die Qs haben nur except my life. mij ///c' Die Folios, sollte es heiszen. Diese falsche Angabe ist um so übler, als sie den Leser zu dem Irlhum viMlcilel, das/, hier nur die Ff. eine ihrer vielen cr- bärnilicben W iederboluii^ou haben, während, «^jerade unigckelirl, diese bedeutsame und schwermulsvolle >\'iederliolung ((,'üleridgo nannte sie

Shakcspeare's Hamlet herausg. u. erkl. von Deliiis. Erster Arlikel. 59

'■wundervoll') sich nur in den echten Qs befindet, in den Ff. aber ruiniert ist.

7) Why anu l/iinr/. Biil lo the pnrpose. You etc. 'So die Fol., deren Intcrpunclion Hamids A\'orten eine beiszende Ironie verleilit. Die Qs. inlerpnngiercn \V/nj any thing, bul to the purpose ^ d. h. antwortet irgend etwas, wenn es nur zur Sache gehört.' Qu. 5 (ver- mutlich auch qu. 2 IT.) hat aber:

Harn. Any Ihing but to'lh purpose; you wcre sent for, and clc. also weder Wky noch ein Komma. Dasz aucli die gegebene Erklä- rung dem Sprachgebrauch zuwiderläuft, wird jeder einräumen, der weisz dasz any thing but that 'alles, nur das nicht' Iieiszt. Wie viel besser Franke. Dasz es nur eine der unzähligen falschen Interpunc- tionstrennungen in der Fol. I ist, enlgieng dem etwas blöden Auge des Ilg.

8) S. 63 zu pious chanson die Note; 'Einige Qs. und die Fol. haben FoKS chanson^ Q. A. verständlicher yuäly bcdlad.' Qu. 5 (ver- mutlich auch qu. 2 ff.) hat pious chanson, natürlich nicht ciirsiv ; F. 1 Paus chanson cursiv ; F. 4 (vermutlich auch F. 2. 3) Fans chanson^ auch cursiv. Steevens gab 1766 iai pious die Variante ;;r/ws an; diese könnte in qu. 6 von 1637 stehen, welche nach einer altern mit einigen aus F. 2 (1632) stammenden Correcturen versehenen Quarto abgedruckt wurde. Johnson sagte: ' It is pons chansons (wenn dies kein Druck- fehler ist) in the quarto (in welcher?) too.' Woher nun aber auch der 'Pansgesang' stammen mag, Hr. D. verwirft durch seine Angabc nur die Sache, während er die Unklarheit hätte beseitigen sollen. Oder warum unterdrückte er nicht lieber diese Angabe, wie er über viele Druckfehler der F. 1 (auch über die die er in den Text aufnahm) schwieg? Warum wählte er nicht lieber die Angabe der nicht unin- teressanten Variante friendly (qu. 2 fi".) für French (qu. 1 und Ff.) an derselben Stelle?

9) S. 68. On Mars his armour^^^^ forg'd for proof eterne^ '138) So die Fol.' (was Qs. haben wird nicht gesagt). Aber die Fol. 1 (Re- print) und F. i (vermutlich also alle) haben On Mars his Armours: qu. 5 hat Marses Armor : qu. I fehlt hier.

10) S. 71 eine falsche Darstellung des kritischen Sachverhalts: s. später.

11) S. 73 ^ ab out the court ist ungefähr Ortsbestimmung: irgend- wo am Hofe. Die Qs. haben dafür: they are here.^ Collier Vol. VII p. 259: they are about the court;] So the folio: the quartos read merely(?) 'they are here' etc. Hr. D. übersah in Colliers Note das etc., sah nicht im Reprint von St. nach und gab daher falsch an; qu. 5 hat t'iey are heere ahout the Court.

12) S. 77 zu Kneels die Note: 'In den Qs., die allein eine Biili- uenanweisung haben , steht nur : he kneels.' Vermutlich eine Confu- sion. Qs. haben gar keine B. A., d. h. weder qu. 5, noch finde ich eine Variantenangabe bei Steevens u. a. Aber qu. 1 hat hce l.nee-lcs.

60 Sliakespeare''s Hamlet herausg. « orkl. von Dclius. Ersler Artikel.

13) S. 101 zu on this broto die Note : ' So die Qs. Die Fol. liat his hrow.* Aber auch qii. 5 hat on his broicc, also ein gemein- samer Fehler der spatern (Js. und der Ff., der, da er an sich sehr na- türlich ist, auch zweimal (oliiie Zusammenhang) begangen werden konnte. Steevens gil)t. als Variante (176G) this an, vcrmuUich ans qn. 3. Hr. D. brauchte nur bei Sieevens nachzusehen.

14) S. 90. ' Die Lesart der Qs. und der Fol. So yon viislake your /iiishfnids.' Dies ist falsch, nur die Qs. Iiabcn your ^ welches in den Ff. fehlt.

15) Auf derselben Seile: '^ die Herausgeber verbinden Salz mit dem folgenden, als ob to scan ^r^ deulen, stehen könni Das Ihnn aber die Herausgeber nicht, sondern sie folgen nur den allen Quellen, die so verbinden:

i\\\. 5. And so am I rcuendge, Ihat wonld be scand

A villaine etc. Fol. 1. And so am 1 reucngM: Ihat would be scann'd,

A Villaine elc.

16) S. 109. M)ie ^^■orle so hapJy shindcr ^ ohne welche die fol- genden Verse unverständlich bleiben, sind eine sinnreiche Ergänzung von Theo bald.' Hr. D. halle abermals das Malheur sich ohne wei- ter nachzusehen nach Colliers etwas unbestimmterem Ausdrucke zu richten: 'These words are of Theobald''s inlroducing.' Theob. schlug ncmlich For hnply shmder vor, woraus Maloiie und Mason gleichzeitig So^ haply^ sUnider machten. Soll man denn nicht auch in Kleinereu Dingen zuverlässig sein?

17) S. 116 zu Eitler Queen and Ilorafio. die Note: 'So die Fol. Nach den Qs. tritt auszer den beiden noch ein Gentlemon als Bericht- erstaller über Ophelias Befinden auf. Dieser spricht die beiden ersten, dem Horalio in der Fol. zuerlheillen Reden, und die Bede des Horatio (in den Qs.); 'Twere good bis ill-hrceding minds, theilt die Fol. der Königin zu.' Diese Angabe ist werthlos, da sie in einem wesent- lichen Tunkt den Sachverhalt falsch darstellt. Die Rede (los Horatio geht in den Qs. nicht von Ttrere r/oud bis fll-brecd/nf/ ntindes, son- dern von Twere good bis Lef her coiiie in. (incl.), umfaszt also noch diese letzten ^^'orlc, die vermutlich der Königin gehören. Nur da- durch erhellt, dasz die Bollenvertiiciluug in F. 1, wodurch der 'Gent- leman' gespart wird, mit einer durch ein Versehen des Setzens entstan- denen falschen Ablheiliing in den echten Qs. zusammentrifft, so dasz wir vielleicht in den Ff. eine auf den To\t der Qs. gestützte beschränktere Bollenverlheilung oder einen falschen Besserungsversud. haben, und Blackstone. iMalone und Collier erst rirlitiir besserten, indem sie den Qs. folgten mit der Ausnahme dasz sie die AN'orle l.el her coiiie in zu der Bede der Königin zoii^en.

Hr. 1). scheint, ohne im Beprint von St. nachgesehen Zu haben, nur die erste Note Colliers Vol. Vil p. 303, die etwas unbestimmt gehalten ist, benutzt zu haben, während er doch ans der dritten Note auf derselben Seile, also sehr mühelos, das richlis:e lernen Konnte.

SIjakespeare"'s Ihmilet licraiisg. (i. eikl. von Dclius. Ersler Artikel. Ol

Sic Ituilct wörüicli: Hör. ''Twerc good , slie \>ere spokeii witli.J Tliis advicc seeins to coiuc propcriy froin Iloratio, as it is giveii in llie quartos , and llie Qnccifs reply ouglit lo conimence at Ihe oider, '^ Let her conie in.' In Ihc quartos lliese latter words are, however, er- roneously madc tlie cnd of what Iloratio says. The desire lo employ fcw aclors, in all prohabilily , led to Ihis confusion of the dialogue.' Die ziirechtniachciide Edilorcnliand in F. 1 zeigt sich auch noch darin, dasz die einlache Bühnenanweisung Etiler Ophelia in den qu. Nvie meistens in den alten Ausgaben etwas zu früh (nemlich wo der Schau- spieler angesagt wurde) steht (nach Lei her vorne in.y, Avährend in Ff. nach lo be spät folgt Enter Ophelia dislracted.

18) S. 122. ^So {sensible) die Fol Die Herausgeber lesen

meistens mit den Qs. sensibly.^ Falsch, denn sencible (so qu. 5) ist erst ein Fehler der späteren Qs., wahrscheinlich der Smethwicke- schen. Ilr. D. hätte dies aus Malones Note und aus dem Steevenschen Reprint lernen können. Der Leser wird also hier wieder getäuscht, da, w enn sf«s/6/e recht wäre, dies nicht erst der Fol. 1, sondern auch schon den spätem Qs. zu verdanken wäre. Sollte man es glau- ben dasz Ilr. D. auf derselben Seite die praeclara lectio jenes infalli- beln Codex lihe the hinde Life-rend^ritiy Politician statt lil;e the liind iife-renderinri Pelican, obgleich sie ein klares Beispiel der Verunstaltung durch Setzerdummheit (wie Paconcies p. 128 für Pun- cies) oder durch die Recitalion eines unwissenden Schauspielers (Laer- tes'' Rolle) ist, verschweigt, und zwar nachdem 10 Jahre vorher Collier zu dieser Stelle bemerkte : Hife-rendering pelican,] This is the reading of every quarto(qu. 1 fehlt hier): the folio absurdly misprinis it politi- cian, and mortem editors silently adopt the vvord in the eurlier impres- sions , as in many other instances, leaving people to i mag ine Ihat the folio, 1623, is niuch more accurately printed than it is in reality.' Gerade ebenso verschweigt Hr. D. S. 141 eine der abgeschmacktesten Speciallesarten der Fol. 1 im ganzen Hamlet: O lerrible woer Qicooer F. 4) für 0 trebble woe (Laertes' Worte), trotz derWarnungCoUiers p.330: 'The folio introducesa stränge corruption Iiere, of which some modern editors have taken no notice , but have quietly adopted the reading of the quartos.' Warum bediente sich Hr. D. in solcheu Fällen der Collierschen Noten nicht, die er sonst selbst mit, Einschlusz der in ihnen enthaltenen Irtluimer ausschrieb?

19) S. 128. Zu '^As checking at '^ his voyarje', die Note: '17) so die Fol. . . . Die Qs. haben dafür gröstenlheils den olTenbaren Druck- fehler: As the hing his royatje, was eine spätere unedierte Q. auf blosze Vermutung in As liliinff not his voyage umändert.' Diese An- gabe ist ungenau und (vermutlich nur durch einen Druckfehler der De- linsschen Ausgabe) falsch. Qu. 2 und 3 haben as Ute hing at his vo- yatjC ; Qu. 4. 5. 6 As lihhuj not his twyage (in qu. 5 ist zwischen no und / eine Lücke, so: no /). Qu. 1 fehlt hier.

20) S. 142 zu wisencss die Angabe: 'So die Fol.; die Qs. iris- doms.' Keine Qu. hat toisdoms, sondern alle (auch qu. 1) wisedome.

62 Shakespeare's Hamlet herausg. ii. erkl. von Deliiis. Erster Artikel.

Es ist wohl nur einer der vielen von Hrn. D. übersehenen Druckfehler. Trotz der Uebereinslimmung- von qu. 2 ff. und qu. l schreibt Hr. D. also mit Ff. irtsenesse, und in einer und derselben Zeile gegen Ff. (die Awoy tfiy /land haben) und in Uebereinstimmung mit q«. 1 und qu. 2 IT. Huld oj]' ihij hand. AVelche Kritik !

21) S. 14H zu in (jood fa/th.^'^ Sii\ liere is etc. die Note: '42) In der Folio fahrt Usrick hier fort: You are not ifjnorant of what ex- cellence Laerles is at his weapon: worauf Hamlet fragt: WliaCs his loeopon? Alles dazwischenliegende haben nur die Qs.' Diese An- gabe ist um ein kleines, aber ist doch falsch. Denn F. 1 hat Sir, you are not etc* Unglücklicherweise übersetzte Hr. D. nur Coli. Note, die auch in dieser Kleinigkeit feiilt. Auch ist, wenigstens nach qu. 5 zu sclilieszen, der Druckfehler der Qs. or für for auf derselben Seite um so ersichtlicher, wenn qu. 2. If. auch (wie qu. 5) nac!» complexion einen Punkt iiaben. Dann hüllen qu. 2 If. keine andere Lesart, son- dern klürlich einen Druckfehler. Umgekehrt ist auf der folgen- den Seite durch Nichtbeachtung der Orthographie der Qs. impaund (so qu. 5. Coli, gab intpauned als Lesart der 'quartos' an) die Möglich- keit, dasz das impon''d der Ff. nur eine falsche Auslegung der Hollen- abschreiber, Schauspieler oder Setzer für diese Ausgabe sei, in Schatten gestellt*). Doch man hätte viel zu thun, wenn man alle Un- aufmerksamkeiten des Hrn. Hg. nachweisen wollte.

22) S. 151. Zu tke readiness is all. Since no man has auyht of what he leares, has^"^'^) what ist to leaiie hetimes? Lei be. die Note: *72) So die Fol. mit einfach klarem Sinn: da niemand etwas besitzt von dem, was er hinterläszl; was liegt also daran, früh zu scheiden? Die Herausgeber lesen meistens mit den Qs. Since no man, of auyht, he leaves, Imows, what is''t to leave betimes'l Das folgende let be, das keineswegs zu dem vorhergehenden Satze gehört, fehlt in der Fol. ohne Schaden.' Die Fol. 1 aber hat: . . .; the readinesse is all, since 710 man ha^s onf//it of irhaf he Icaues. What is't to leaiie beti- mes? also weder das obige zweite unsinnige has (vermutlich nur ein Druckfehler der Deliussclicn Ausgabe), noch die obige Interpunction (wieder schrieb Hr. D. ohne nachzusehen hier die ungenaue Angabe C.s ab), sondern eine ganz andere, gewis, wie so oft, eine sorgfäl- tige aber ganz falsche. Die ([u. 5 hat so: . . ., the retidines is all, since no man of oiKjht hee leaiics, fmowes wfiat ist to Icaue betimes, let bee. also freilich eine nachlässige und unvollsläudige , aber keine direct falsche Inlcrpuuction. So, wie qu. 5 die Stelle gibt, kann sie in der Originalhandschrift gestanden haben; so, wie F. 1 sie gibt, un-

». *) Auf derselt)t'U Seife kommt das Wort iJ/iyifHj'r/ (so Kl.) uorli rininai vor. Hr. D. .schweigt darüber. K.s fuiilt, wie Coli, angibt, in (li'ii 'quarto.s'. Qu. ü hat whij in this all ijitu call il .' Wenn <|ii. 2 IIS hat -statt all, so ist es nur Driitkrcliiir <lir (|ii. 2 (die das Wort ül)er.^^idug) und Desseruiig auf eigne Hand in i|ii. .") ; sonst aber sind e.s z\>ci verschiedene Ije.sarten.

Shakespeare"'« Ilainlel hcrausg. u. crkl. von Delius. Erster Artikel. 63

möglich, CS miisz wcnigslciis einige falsche Zulliat daran sein. Ein Fingerzeig für den Kritiker dasz die Fol. 1 Ziirechtinachung des ech- ten Textes ist, und dasz es nicht unmöglich ist dasz mehr als die falsche Interpunclion aus verändernder Schauspielerkritik stamme. Die Weglassung des nach unserer Ansicht (doch >vir markten nicht gern mit solchen subjectiven Gründen , sie sind wie Wachs und lassen sich so und anders gestalten) recht charakteristischen let be hängt also vielleicht mit jenem unglücklichen Besserungsversuch zusammen, üen Sinn ^ da niemand (nach dem Tode noch) weisz was er verläszt; was hat es auf sich, es früh zu verlassen? Lasz doch gut sein' hal- ten wir für sehr schön.

23) Auf derselben Seite (15i) zu Enter King ^ Queen ^ Laertes, Lords^ Osricli, and Allendanis wilh Foils etc. ^^) die Note: '73) die Bühnenanweisung ist modern. In den Qs. steht dafür: A table prepa- red, trumpets, drums and ofßcers icith cushions , hing, Queen, and all the State (d. h. der Hofstaat), foils, daggers and Laertes. In der Fol. werden zu table auch noch ßagons of icine ofi il erwähnt.' Welcii eine Verwirrung! Die obige Bühnenanweisung ist nicht modern, sondern die der Fol. J, nur etwas verkürzt und dadurch vermehrt, dasz Osrick auch genannt wird, dessen keine der alten Bühnenan- weisungen erwähnt. Die folgende Bühnenanweisung The King piits the hond of Laertes into tliat of Hatnlet ist allerdings modern; aber da für haben doch Qs. nicht ^4 table prepared etc.? Es ist also nicht einmal durch einen der vielen üblen Druckfehler bei Hrn. D. zu entschuldigen, sondern ist seine eigene Confusion.

Selbst Steevens, Blalone (z. B. zu S. J36 über spendthrifts sigh, welches nur qu. 4. 5 bieten, s. Collier) und Collier versahen sich bis- weilen und machten irrige Variantenangaben. Wiv müssen solche Fehler bei diesen Männern mit Nachsicht beurtheilen, eingedenk der unsäglichen Jlühe , die sie sich mit Vergleichung der Originalausgaben machten, und in Verhältnis zu dem groszen dadurch erworbenen Ver- dienst. Bedauernswerth aber ist es, dasz der erste deutsche Philolog, welcher mit dem Anspruch auftritt eine neue Recension Shakespeares zu liefern, statt die früheren Collationen zu vervollständigen und zu berichtigen (wodurch er sich ein kleines aber sicheres Verdienst hätte erwerben können), diese nur benutzt und zwar so schlecht be- nutzt, dasz er niclit nur die Irthämer seiner Vorgänger wiederholt, sondern auch noch eine Menge neuer hinzufügt.

11. Viel mehr Angaben sind ungenau. Wir gehen von vorn die kritischen Anmerkungen durch, obgleich zu Anfang noch etwas mehr Sorgfalt herscht.

S. 13. Beide kritische Anmerkungen richtig.

S. 14. Eine, aber ungenau. Es fehlt dasz qu. 2 ff. den Vers dein Horalio zulheilen.

S. 15. Von drei Angaben eine ungenau. Qu. 2 ff. (wenigstens qu. 5) hat horruices.

S. 16. Von drei Angaben zwei (die beiden wichtigen, die dritte

64 Sliakespeare's Hamlet heraiisg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel.

ist ohne Interesse) ungenau. Denn die allen Ausgaben drucken alle pollax (qu. 1, qu. 5, vermullich auch qu, 2 IT.), Pollax (F. l) oder Po- leaxe (F. 4, vermullicli auch F. 2. 3) nicht cursiv, während z. B. qu. 5 IV, -t Pullache und V, 2 Pollock so, d. h. cursiv, druckt *). Dasz auch qu. 1 iump ^ nicht tust hat, welches sehr für die Echtheit der Quartolesart spricht, vcrgiszt Hr. ü. anzugeben.

S. 17 sind zwei Angaben richtig, eine ungenau, da auch qu. 1 lawlesse bietet, was angeführt werden inuste, da es wieder gegen die Wahl von Landlesse (F. l) spricht.

S. 18. Zwei Angaben, eine ungenau: 'die Schreibart rowff//e.' Ff. Romage. qu. 5 romeuge. Wollte Hr. D. einmal von solchen Mi- nulien sprechen, so musle er genau sein.

S. 19. Drei Angaben, eine zum Theil falsch, s. oben.

S. 20. Von 5 Angaben mindestens (denn auch die BA. der qu. (5) hat ein Florisk mehr und die Angabe, wo in der F. 1 die Gesandten eintreten, feiilt) zwei nur halbrichtig: die Lesart der qu. 1 wird ge- nau {dare walke) angegeben, die der qu. 2 If. ungenau durch dure slir, da qu. 2 6 Iheils spirä dares (slurre), theils(qu. 5) spirit dare sturre^ theils (qu. 6) spirits dare (stiirre?) haben. Bei der Angabe *die Qs, thal time' ist versäumt zu erwähnen, dasz qu. l auch that Urne bietet, was abermals gegen die vom Hg. getroffene Wahl stimmt.

S. 21. Eine richtige Angabe.

S. 22. Beide Angaben ungenau. Hr. D. durfte nicht uner- wähnt lassen dasz auch qu. 1 ¥or hearers hat, da es wieder gegen ihn spricht, auch die Lesart einiger ([u. (al. qu. bei Steevens), wel- che nicht unpoetisch '\sl (üiir bearers)^ fehlt. Die unerwähnt gelas- sene Lesart der qu. 1 Mt/ grafious Lurd spricht wieder ein wenig ge- gen des Hg. Wahl.

S. 23. Unter 6 Anm. sind 2 zugleich falsch und ungenau (s. oben), eine nicht praecis, da bei der Erwähnung der Quartolesart {in the) sonne ^ die der Foliolesart i'th'' sim mit dem Beifügen hätte gegenüber- gestellt werden müssen , dasz die übliche Schreibart für siin damals sänne gewesen sei. Das Beispiel für die Orthographie sonne = stin brauchte nicht so weit hergeholt zu werden: cf. Perk. Shakesp. p. 217.

S. 2-i. Die eine Anm. ist ziemlich ungenau, da qu. (5) nioodes^ Ff. Moods lesen; dasz mit jener Orthographie tnoods gemeint sei, ist

♦) Der Cursivdruck (den Steevcn.s Reprint vernachlässigt) i.st nicht iiiimer f;leicli{;iltiK (P. Sh. p. XI). So iiätte Hr. D. S. 23 Note 24 seine IMeiiuinj;. «la>.z unter Deniiiarke der Köiii;^, nicht das Land ge- meint hei, durch di-a {;eraile an dieser *Stelle in |qu. 5 (und F. 4) be- findlichen Cursivdruck .stützen können, fcion.st hat (|U. 5 überall Den- inarke, auch wo e.s sichtlich die Person bedeutet, nicht cursiv, wäh- rend andere liiiudei nainen wie Norway, Norniandy etc. ^ewöhniitli cursiv sind. Vtrinuliic li sollte ein stilcher Unterschied des Landes und der Person durch den Druck {jeniaclit werden, wovon aber in ijU. ö nur noch yerin;;e .S|(uren ini .Anlang des Stückes übrig sing. Ist <ju. 2 {jrnauir Y Vi lumllich.

Sliakespeare's Hamlet herausg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel. 65

möglich (cf. IV, 5 Her moode will needes he piltied)^ aber nicht ge- wis: 2 II. IV, 4, 4 qu. and noio my decitk \ Changes tlie iiioud ; F. 1 And now my death \ Changes the Moode; erst F. 4 bietet Mode (viel- leicht schon F. 2. 3).

S. 25. Eine Angabe, die der Orthographie cannon für canon. Es entgieng dem Hg. dasz die qu. (5) dies Wort von The grent Cannon (ebenso S. 149 qu. (5) carry a Cannon) durch nichtgroszschrciben unterschied. Die Ff. in ihrer gezierten Weise schreiben beide Wör- ter grosz.

S. 26. 27 keine Angaben.

S. 28. Vier Angaben, alle mehr oder weniger incorrect. l) Qs. und Fol. lesen nicht "^eigentlich wast\ denn al. qu. bei Steevens bie- tet (wie qu. l) vasl und F. 4 (vielleicht auch schon F. 2. 3) waste^ also nur ein Theil der qu. und F. 1 trast. Auch ist es eine falsche Darstellung der Sache, wenn Hr. D. hinzufügt, dasz die meisten Hg. daraus icaist emendieren, da 3Ialone die Orthographie tcast für tcaisl aus einer Reihe von Beispielen und aus Minsheu nachwies, ßa- ret (dessen Lex. Rec. nachgeschlagen hat) schreibt waist. 2) Der Hg. vergasz wieder anzugeben, dasz qu. 1 Armed to poynt für die Quartolesart Armed at poynt und gegen ihn und die Foliolesart Arni'd at aUpoints (vielleicht nur aus modernisierterer Messung von Arni^d entsprungen) spricht. 3) F. 4 hat be stiWd, F. 1 bestWd^ qu. destWd. Dasz auch qu.l rf2"s<///erf hat, fehlt ganz. 4) Die alten Ausgaben lassen nicht blosz das Komma vor bolh weg, sondern auch vor as (ja mei- stens verbinden sie -sogar Whereas)^ thun aber (abgesehn von dieser falschen Verbindung) darin ganz ihrer Praxis gemäsz , dasz sie oft kleine Einschiebsel (Vocative, Zwischensätze, Betheurungen u. dgl.) gar nicht abtrennen, es folgt also aus dem nichtstehen des Kommas nichts. So ist nicht nur die Angabe des Hrn. D. ungenau, sondern auch das daraus gefolgerte Unheil falsch.

S. 29. Eine Angabe von derselben Art. Denn nicht blosz haben die Qs. kein t/o«, sondern sie lesen auch metrisch genau warn''t für Warrant, welches keine andere qu. als qu. 1 hat, die jedoch in der Weglassung des yoii mit qu. 5 (2 IT.) übereinstimmt. Beides wegge- lassene spricht gegen Hrn. D.

S. 30. Drei Angaben, ziemlich unvollständig. Auch qu. 1 hat lenlhle (so); auch F. 4 (F. 2?) Forward ; bei der Angabe, dasz per- fume and '^zufällig' Inder Fol. 1 ausgefallen sei, vergiszt Hr. D. zu sagen, dasz sie erst (nicht qu. 5) die Worte No rnore zu diesem Verse zieht, woraus ein Zweifler an der Authenticität dieser Ausgabe den Schlusz ziehen könnte, dasz einer metrisch modernisierenden Hand das Substantiv perfume als Paroxylonon (Sh. Sonnet 104. 130. W. T. 4, 3. K. J. 4, 2. A. Cl. 2, 3. Ha. 3, 1) anstöszig gewesen sein könnle, wie es denn schon bei Milton dem neueren Gebrauch gemäsz Oxylonon ist: P. L. 4, 148.

Native perfümes, and whisper \\Iience Ihey stole während das Verb bei Sh. immer Oxylonon ist:

66 Shakespeare''s Hamlet herausg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel.

1) As the perfiimed tincluro of the roses Sonnet 54.

2) Wilh Mhose sweet smcU the Ayre shall be perfi'uu'd 2 II. VI, I, 1.

3) And »itli her brealh shc did perfiime the ayre, T. S. 1, 1. i) Ile was perfiimed like a Jlilliner 1 H. IV. 1, 3.

5) Perfümes the Chamber thiis: the Flame o^th^ Taper Cymb. 2, 2.

6) (qu.) Wliose smoke like incense dolh perfiime the skie T. A. 1, 2 da 2 H. IV. 3, 1. Fol. 1 ((iii. fehlt hier),

Then in the perfum'd Chambers of the Great? vermutlich i'tW perfiimed zu lesen ist. ((iegen Nares, Elem. of Orlh. p. 354 f.). Freilich linden sich auch drei Stellen

For she is sweeter then perfiime it seife T. S. 1, 2.

Hugge Iheir diseas'd rerliimes, and haue forgot Tim. 4, 3.

To niake Perfümes? Dislill? Preserue? Yea so, Cymb. 1, 6 >vo das Substantiv schon bei Sb. üxytonon ist, obgleich eine jener Paroxylonicrungen des Substantivs:

A Strange inuisible perfume hits the sense (Ä. Cl. 2, 3) dicht neben

Purple the Sailes: and so perfiimed Ihat deutlich beweist, dasz Sh. noch in seiner letzten Zeit diesen Unter- schied festhielt, so dasz in jenen drei Stellen das ^\'ort vielleicht (die aus T. S. darf überhaupt nicht mitzählen) trochaeisch zu' fassen, oder der Vers corrupt ist. Doch ich vergesse dasz ich recensieren w ill.

S. 31. Von den 4 Angaben sind 2 sonderbar llüchlig. ücnn in derselben Zeile, wo die Variante safefy angegeben wird, sind noch zwei Varianten mehr, die doch dazu dienen auch die Lesart samtily als Drucjifehler wahrscheinlich zu machen, und welche unerwähnt bleiben; (ju. 5 hat tiiis whole , F. 1 the weole, letzleres Wort ist ein Druckfehler, ersteres (t/ie) auch eher aus t/iis verderbt, als umge- kehrt lliis aus the. Für die gewählte Foliolesart sect and furce (Collier: Sect und [urce niay be strained into a nieaning, Ilr. D. er- klärt es nicht) wird die Variante der Os- <iet and place angegeben Verschwiegen wird, dasz die ganze Foliülesart)^ff«/<V/r Sect and force, die ganze Quarlolesart parttciiler acf and place ist, verdeckt dadurch das concilialorische Veriahren des llg., der das Adjecliv aus der einen und die Substantive aus der andern Onelle schöpfte.

S. 32. Von 3 Angaben 2 ungenau; Qs. iiilerpungieren for, Ihcre /»//, und ebenso qu. l. Po])es (nicht Malones) Conjectur houhs wird auch durch qu. 1 a hoope of steele widerlegt.

S. 33. Line Angabe, sehr incorrect. Nach Hrn. D. haben die allen Ausgaben :

Are of a mosl solect and generous chicf in that. liier kam es, zumal da sich ilr. 1>. gezwiiiiucu sah eine Conjeclur in den Text zu nehmen, vor allem auf (ienauigkeil , besonders auf die hier wichtige Inlerpiiiiclion an, qu. 1 hat: Are of a nioat select and i/merall chivfe in that: qu. 2 11".*) Are of a viosl sclect and ijcue-

*) Nacii Alalonc , mit luoderiii.siertcr Ortluigraphie.

Shakespeare's Hamlet herausg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel. 67

roits Chief, in Ihat. qu. b Ar of a most select and generous, cheefe in that: wo Steevens im Reprint zu Ar die ^Variante (al. qu.) Or angab. Ff. haben:

Are of a most select and generous chelT in that. Denn wenn Jlalones Angabe der Interpunction richtig ist, stimmt die älteste echte Ueherlieferung sehr für das clioice des Correctors, wel- ches wenn es in dem ÜriginalMs. etwas undeutlich choife geschrieben war, bei der Aehnlichkeit des o und e, des f und f, leicht zu dem gleichen verlesen des ersten Setzers und Rollenabschreibers führen konnte, so dasz dies auch von Anfang an eine Bühnenverderbnis blieb, während den von allen alten Ausgaben überlieferten Alexandriner durch ausstreichen des of a zu tilgen ein weit gewagteres Mittel ist.

S. 34. Beide Angaben ungenau. Bei der ersten fehlt nicht nur die Angabe, dasz qu. 5 die Worte not bis pfirase, qu. 2 ff. (nach Ma- lone und Steevens) die Worte not bis tfius eingeklammert haben, und erst die Ff. keine Klammern haben, sondern auch dasz qu. 1 Or ten- dring thtis (mit Verdrehung und Versetzung des Verses, aber offen- barer Erinnerung an denselben) liest. Um die Verderbnis in Fol. 1 anschaulich zu machen, genügte nicht zu sagen, dasz sie almost und holy auslasse, sondern es niusle hinzugefügt werden, dasz sie Mg Lord zu demselben Verse zog ; ein Wink, wie jene Auslassung entstand.

Es wird uns jeder zugeben, dasz wenn auf den ersten 12 Seiten einer neuen kritischen Ausgabe unter ungefähr 50 Variantenangaben bedeutend über die Hälfte theils falsch theils ungenau und unvollstän- dig ist, ein Mistrauen gegen die übrigen 130 Seiten gerechtfertigt ist, wie wir denn leicht, wenn wir blosz die schlagendsten Beispiele, nach der beliebten Recensentenmanier , heraussuchen wollten, dieses 3Iis- trauen verstärken könnten. Ein Dutzend jener Angaben sind in der Art unvollständig, dasz sie das gegen des Hg. Wahl sprechende ver- schweigen. Wir sind weit entfernt Hrn. D. eine bewuste Absicht zu- zuschreiben, aber wol dürfen wir sagen, dasz er ein wenig parteiisch ist, und dasz ihm die für einen Philologen nöthige Schärfe des Auges abgeht, welche unbeirrt von vorgefaszten Meinungen genau und all- seitig erwägt.

Man könnte einwenden Hr. D. habe ja nicht so umständlich und genau sein wollen. Er soll es aber wollen, antworte ich. Denn die meisten jener Varianten sind nur in kritischer Hinsicht wichtig, sonst aber für den nur das Stück verstehen wollenden Leser ein unnützer Bettel. Was kann es z. B. diesem verschlagen zu erfahren, dasz Fran- cisco in der einen Ausgabe Stand, ho! Wko is Ihere? und in der an- dern Stand.' Who's there? sagt, (obgleich dies als ein Bw^piel der Verunstaltungen des Metrums in F. 1 nicht gleichgiltig ist), oder dasz die qu. 1 emiilous für emtilate liest, welches dem die kritische Frage prüfenden allerdings interessant ist, da es einer der vielen triviale- ren Ausdrücke ist , die jene zusammengepfuschte Ausgabe darbietet. Wollte der Vf. sich aber den Dank und das Vertrauen philologischer Leser erwerben , so war Gewissenhaftigkeit und Vollständigkeit der

68 Shakespeare''s Hamlet hcrausg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel.

Angaben mindestens bei den ausgewählten Stellen unumgänglich noth- •\vendig, ja selbst ohne grosze Umständlichkeit erreichbar, wie Hr. D. an den musterhaft praecisen Noten Colliers hätte lernen können. Mangel an Hilfsmitteln entschuldigt ihn gar nicht, da eine sorgiällige Benutzung selbst nur des Reprints und Colliers ihn vor den meisten INachlässigkeiten hätte schützen können. Aber freilich, nachdem so mühsame, aber doch nicht vollständige Arbeiten, wie die Col- liers vorlagen, hätte ein deutscher Philolog, wenn er nicht unendlich weit unter dem schon geleisteten bleiben wollte, auch die Originalaus- gaben, so weit es möglich ist, collationieren müssen.

III. Natürlich ist dieselbe tlüchtige und die wahre Lage der Kri- tik verhüllende Willkür in noch höherem 3Iasze darin sichtbar, dasz wichtige kritische Fälle übersprungen, verhältnismäszig geringfügiges besprochen ist.

So ist es S. 17 in kritischer Hinsicht wichtiger, dasz die Lesart der Jüngern Folios Artk'le ücsüjnd in den Text genommen wird, als ob lundh'ss oder Imrk'ss richtiger ist; ebenso p. 20 nicht einzusehn, warum die Verwerfung zweier Foliolesarten (stnjes und lallies für say und takes) stillschweigend geschieht, die Verwerfung von vier Quar- tolesarfen dagegen, selbst von den für den Zusammenhang durchaus gleichgiltigen wie Ihis bird und that time ^ angegeben wird; S. 27 nicht, warum die Wahl der Foliolesart Ere 1 angegeben, die der Fo- liolesart to drinhe decpe (für das aUcrlhümlichere for lo drinhe von qu. 2 ff.) und der Quarlolesart heare (für das trivialere haue der Ff.) verschwiegen wird, noch warum bei Anm. 60 nicht angegeben wird, dasz zuerst die Ff. die falsche Interpuuction haben, wie S. 28 qu. v\c\\{\g stalely btj tkem ; thrice, während Ff. falsch statehj: By thein thrice und in hundert und aberhundert andern Fällen; S. 29 nicht ein- zusehen warum nur llüchlig erwähnt wird, dasz die Qs. you haben, um den in Fol. 1 beliiidliclien Aloxaiidriuor zu stützen, während ver- gehwiegen wird dasz dieselbe Ausgabe auch den vorhergehouden lUank- vers durch l!e für / icill verdirbt und noch au (fersolhen Stelle man- ches andere dumme Zeug hat; S. 3J fünf schlechte Foliolesarlen (///s, /■<v/re, //<p, wcuh\ peciiliar von denen Hr. D. sogar eine wählt) unerwähnt bleiben, auch die Varianten Craiie und Cariie, während wir doch auf der vorigen Seite einer solchen Minulie wie des Druckfeh- lers Froward für Forward Erwähnung gethan linden. Die Nichterwäh- nung so mancher nur in Ff. beliudlicher matleu Synonyma, wie S. 32 See für Lonhc, S. 34 Uiiics für /.cnds, 45 /"' //i*' f/idiiitd für /77t carlh^ und andrer ganz schlechler Lesarien derselben Quelle, z. 15. S. 34 For tliis itui^Dtnii/litir ; S. 3j /.s" it rcry ('(jldY; S. 37 ciiciils für i/iteuls; fheiul. ///('(',• rcdcln'S; S. 68 (issnnics ; ebend. huud; S. 39 Ixiiofty; S.-iO vitshalk; S. 44 Comc uiie you; S. 45 for für onr ; ebend. or ihus^ livad shiihe; ; S. 46 tnnnicls wisely ; S. 47 Aud (/ins; S. 48 seeue. In llie ; S. 50 Zeile 5 die Auslassung von Comc, welches der Hr. Hg. aufnimmt, während er zu Z. 25 die Auslassung des Conn\ die er gut- heiszl, angibt; ebend. ui U Uvtlvr sjiccd ; ebend. fcarc l'iir /'(v//\/ usw.

Shakespeare"'s Hamlet heraus^. x\. erkl. von Delius. Erster Artikel. 69

us\\. ; unzähliger Varianten, die aus ungenauer Rccilafion entsprungen zu sein scheinen, wie S. 32 t/ie für t/ieir und The für Tliose; S. 34 his für f fiese; S. 46 h/'s für this ; ebend. you für to (jenes ist eine sa- loppere Conslruction) ; S. 52 (he für these ; S. 53 his für this; ferner das stillschweigende übergehen vieler bedeutsamer Speciallesarten der Quartos, z. B. S. 33 iiiuesfs für inuites; S. 33 coiiräye für Com- rdde; S. 39 fearefiill für frcffitll ; S. 42 Sir/p/y/ für sliffely ; S. 45 //«e?/ für there; S. 46 ///^se /»po notes für //<ese notes; S. 47 ?c///< teorkinff (= usu) für «7/r irorliiiir/; S. 51 /!«(/ s//A für v4«rf since, während dieselbe Variante Zeile 3 erwähnt wird (es fiel dem Hg. nicht ein, dasz Sh. den König diese aitertiuimlich-steife Form des Wortes in seiner feierlichen Rede habe brauchen lassen wollen (wie S. 126 der König wieder Silh sagt, da in Uebereinstimniung mit allen alten Ausgaben), während die Bühnenrecitation diese Feinheit stellenweise verwischte), ja bisweilen sogar das verschweigen der Aufnahme von Lesarten aus der schlechtesten Quelle, z. B. S. 25 des Oh ße (so F. 4); S 37 des Repisit'sf (so F. 4. Wie interessant die ältere Ueberlieferung Reuisils in grammatischer Hinsicht, übereinstimmend mit so vielen andern For- men derselben Art) alles dies kann dem Leser , der sich von dem Werlhe der alten Ausgaben unterrichten will, nur ein ganz falsches Bild davon geben. Nur S. 40 und 43 begegnen wir einer Anmerkung, die uns eine der Eigenlhümlichkeiten der F. 1 mit einiger Treue an- gibt, nemlich die Wiederholung der Exclamationen Oä, OA, Oh fie , ße Haste, hnste she, enen she etc., obgleich man sich von der groszen Ausdehnung dieser declamatorischen Verderbnis nach den wenigen Stellen, in denen sie von Hrn. D. angegeben ist, keinen Be- griff machen kann. Aber Hr. D. selbst sieht (S. 40) ein, dasz dies wiederholen 'wenn auch vielleicht nicht nach dem ursprünglichen Texte Sh.'s, doch nach der gewöhnlichen Darstellung zu Sh.'s Zeil' geschehe. Und doch bemüht er sich au jeder Stelle, w^o er sich ein- fallen läszt einer solchen Wiederholung Erwähnung zu thun (z. B. S. 57), in einem und demselben Athem uns die feinsten psychologischen Motive, wie 'Ungeduld', 'wirre Hast', 'angenommener Wahnsinn' für diese 'echt dramatische' Wiederholung nachzuweisen. Ist das an- genommener Wahnsinn oder anzunehmen Wahnsinn?

Wie parteiisch der Hr. Hg. die Wahl seiner Angaben gelrolTen, geht noch schlagender hervor, wenn man einige Einzelheiten beleuchtet.

S. 39 wird der arme Geist (wie wir durch Hrn. D.s Shakespeare- kritik) verdammt nicht nur im Feuer zu brennen, sondern in Feuern zu fasten (/o fast in ßres). S. 162 wird des Correctors Lesart und Heaths Conjectur lasting mit einigen unbedeutenden AVorten abgefer- tigt. Aber es fällt Hrn. D. nicht ein zu erwähnen dasz qu. 1 Conßnde flamiiiff ßre eine indirekte Bestätigung derselben ist, da sie hier wie in hundert andern Fällen ein synonymes Epitheton für das echte hat, die Verderbnis fast in vermutlich also nicht einmal bei den er- sten Aufführungen des Hamlet auf der Bühne existiert hat.

S. 53 wird die Verderbung des Verses durch den Zusatz von

70 Shakespeare's Hamlet herausg. u. erkl. von Delius. Erster Artikel.

score in den Qs. (nicht in qii. 1, dies fehlt) angegeben, aber ver- schwiegen dasz die Ff. sowohl wie qii. 1 kurz darauf einen andern Vers durch Einflickung des malten renj vor well verderben.

S. 58. Es werden einige Lesarten der Qs. erwähnt, die Hr. D. glaubt verwerfen zu müssen. Dasz er mit der Lesart Beliceen tchom? den Jüngern Foiioaiisgaben (F. 4 z. B.) folgt, während alle alten Aus- gaben tcko haben (was er an einer andern Stelle, wo die Hede edler, wenn nicht poelisch ist (S. 27), gut heiszt, hier aber also mitten in der Prosa verwirft); dasz er mit der Aufnahme der Foliolesart should he old die indirekte Uebereinslimnuing von qu. 2 ff. (shall grow old) mit qu. 1 {shathe aide) verwirft, bleibt verschwiegen.

S. 06. Es wird die Quartolesart (iflection angeführt, auch dasz die Worte as wliolesome bis jine in der Fol. fehlen. Dasz gegen die Autorität der allen Ausgaben indict für iiidäe, catv'are für cauiary, the Hijrcanian für iW Hyrcanian; gegen die der Fol. were für was (das doch auch qu. 1 hat), jvdqme,nts für jndgment^ total gules für das unsinnige to take genlles (so Ff.) geschrieben, und vor speech gegen dieselbe Autorität cheefe ausgelassen wird; dasz gegen die ge- wählte Lesart der Fol. 1 und qu. 1 tnle die qu. 2 ff. das recht wol haltbqre l/ilke bieten, alle diese Kleinigkeiten bleiben unerwähnt. Aber einem aufmerksamen Kritiker Märe es nicht entgangen, dasz jene in der Fol. 1 ausgelassenen "Worte (von denen qu. 1 eine Spur bietet) in qu. (ö) gerade eine Zeile ausmachen, welche beim abschreiben leicht überschlagen werden konnte, vielleicht eines jener Indicien, dasz der in Folio 1 enthaltene Hamlette.xt wenigstens zum Theil von den echten Quartes*) abhängt, und ziem- lich wcrthlos ist. Gesetzt etwa, die Abschrift, nach der der Hamlet in Fol. 1 gedruckt wurde, sei aus den Rollen des Globuslhea- ters zusammengewoben (dann vermutlich noch von Schauspielcrhand durchcorrigiert) , so konnten diese Hollen verschiedener Art sein, und es wäre sehr natürlich, wenn ein Thei.l derselben aus den bereits seit ungefähr 20 .lahren gedruckten Texten ausgeschrieben oder, wenn die geschriebenen Rollen Lücken halten (z. B. durch ein fehlendes Blatt), aus denselben ergänzt worden wäre. Denn allerdings ist es unmög- lich, dasz die ganze Hamlelrolle in F. 1 aus einer qu. stamme. Hierdurch würde sich die oft seilsame Uebcreinslimmung der I'ol. 1 mit Ki<,MMilliümlichkeilen des Druckes der echten Ouarlos erklären, an- dernlliciis die unsägliche Masse der in Fol. 1 enlhallenen Bülincnver- derbnis und die tlieilweise, aber sicher in ihr cnliiallonen Moderni- sierungen, auf die der besonnene Malone schon aufmerksam machte.

♦) Nicht etwa nur von rpi. 5. Denn da die echten Quartos (min- destens qu. 2. '6. 4. .'>) alle gliMcliviel Uliitter (')1) haben, werden sie sieh aucli Zeile um Zeile in dem Frosadruck entsprechen. So wissen wir au.s der Angabe von Steevens (^ITlili) <lasz in ipi. [\ das jle Blatt mit demselben Verse (You irom the Vollack warres, and you from F<^n<!;laii(l) anfängt, wie da.s b\c Blatt in qn. ö. Die meisten Spuren fiilucn auch auf eine Niclit-Smetiiwickesche Quarto.

Shakespcare*'s Hamlet heraiisg-. u. crkl. von Delius. Erster Artikel. 71

^^'ie sich diese Ansicht mit echten Zusätzen in Fol. 1 und den nicht sellenen Uebcreinslinflniingon von Speciallesarlen der F. 1 mit denen von qu. 1 vertrage, niiisz eine gründlichere Untersuchung lehren als Ilr. l). sie bislier angestellt zu haben scheint. Freilich konnte er jenen wichtigen Umstand nicht dem Sleevenschen Reprint entnehmen. Aber wer hiesz ihn sich einer kritischen Ausgabe unterfangen ohne Ein- sicht in die Originalausgaben?

S. 69. Ilr. ü. gibt uns die an sich durchaus unerheblichen Va- rianten in der Stellung von abstraft oder absiracts an und einige (un- genaue) Notizen über Gocfs bodiliin (F. 1 Gods bodijliins. F. 4 Gods bodihins; qu. 5 (2 IT.) Gods bodkin); dazwischen erwähnt er nicht, dasz er gegen die Uebereinsliinmung von qu. 1 mit qu. 2 IT. Ih^ed für Ute mit den Ff. liest. Whether für wltsre (so Ff. qu.) zu schreiben ist ohne Autorität; Polonius braucht die saloppere Form; ebenso unten in Hamlets Rede ist die conversationelle Zusammenziehung haut (qu. 5) oder haU (Ff.) (einige Qs. machten daraus hate) überliefert, nicht aber havc it, wie Hr. D. schreibt. Doch wollte man alle solche Flüch- tigkeiten aufrechnen, so hätte man viel zu thun.

S. 71. Der albern-pathetische Ausrui 0 vengeance! W/io? und das eingeflickte nichtssagende Ay sure werden vertheidigt (Hr. D. hätte hier bedenken sollen was er S. 40 bedachte); in der zweiten richtigeren kritischen Anm. vergiszt Hr. D. zu erwähnen, dasz ja die altern Quartos nicht of the dear tnurdered (wie er es darstellt), son- dern of a deere mnrthered haben (er konute dies schon aus sorgfältiger Benutzung von Collier und Steevens lernen), woraus die Fol. 1 of the Deere tmirthered machte, vermutlich deer als Substantiv fassend (eine unglückliche Reminiscenz), so dasz seine Wahl erst mit den spätem Folioausgaben (F. 4 of the dear tnurthered') übereinstimmt, und dasz qu. 1 of mij deare father gegen ihn spricht. Wie konnte Hr. D. den so viel schönem und poetischeren unbestimmten Artikel nicht vorzie- hen I Will man sich von dem Verhältnis der D. sehen Kritik zu der CoUierschen einen Begriff machen, so vergleiche man die falsche und ungenaue Angabe, die verkehrte ugd doch zuversichtliche Wahl des ersteren mit den sorgfälligen, lehrreiche« ;Angaben und der beschei- denen und besonnenen Wahl des letzteren. Dasz auch er den Ueber- gang von a deere zu the Deere übersah, ist wahr, wer aber auf den Schultern eines andern steht, kann wohl benutzen und ergänzen, sollte aber nicht so dankenswerthe Mittheilungen verwirren und verp fusch en.

S. 73. Wir finden hier nur eine einen sehr unbedeutenden Punkt betrelTcnde (noch dazu total falsche s. oben) Angabe, während recht interessante Fälle wie dasz die das Metrum ruinierenden und sehr müszigen \^'orte lawful espials nur in den Ff. stehen, dasz Qs. Wee'le (:r= Well) für Will lesen u. a. m. (z. B. die nicht uninteressante Les- art der Smelhwickeschen Quartos (wenigstens von qu. 5) for my part) übergangen sind.

S. 76. Hr. D. verunstaltet zwar eingeslandenermaszen den Text

72 Sliakespeare''s Hamlet lierausg:. n. crkl. von Pclius. Erster Artikel.

durch Aufnahme der falschen Foliolesarfen awatj und / hnotc für airry und yon fmoir, gibt aber von dem Verse, den (Tie Qs. so haben:

As made tliesc tliings more rieh: their perfume lost, durch Nichlang-abe der in Ff. veriinderleu Interpiinclion und dasz sie t/ie für l/iese lial)cn. eine falsche Vorstellung. Denn F. 1 liest:

As made llic tliings more ricli , then perfume left : und zeigt dadurcii, dasz ihre Ilg. durch zurechtmachen der in ihrem MS. vorgefundeneu Fehler aus diesem Verse einen sehr alber- nen Sinn herauszwickten: 'und machten mehr die Sachen reich, als dasz sie Duft hinterlieszen.' So passierte dem Hrn. D. das Unglück eine Spcciallesart seiner geliebten F. 1 nicht zu verstehen, oder das Glück, denn ich fürchte, er hätte sie uns sonst gar in den Text gesetzt, be- gleitet von einer scharfsinnigcjv Verlheidigung. Vermutlicii ist nicht das erste these der qu., sondern das zweite eine Ditlotypie, und für dasselbe t/iem zu lesen , vorausgesetzt dasz nicht nur qu. 5, sondern auch (ju. 2 IT. beidemal l/iese haben.

S. 77. 78. \Mr begegnen hier der Krwiibnung einer der zalilrei- chen unbedeutenden Auslassungen (dasz yo in den Qs. fehl!) und einer ziemlich unerheblichen Variante {time und lune) ., während das in dijjlomatischer Hinsicht so interessante Beispiel eines progressiven Druckfehlers (qu. 2. (3)) eiiocutat, qu. 5 (4?) euacual, qu. 6 eva- cuale aus dem ersten Verlesen des Setzers der qu. 2, der vermutlich euociihit^ ein ihm unbekanntes AVort, vorfand; F. 1 (corrigiereud mit Sachkunde) hinoccnlalc\ F. 4 (2. 3?) t/iociinlle (abermals in dem ge- lehrten Worte fehlend)), die Verderbnis ins Trivialere in F. 1 tw way für 110 where^ und das so interessante Beispiel der progressiven Mo- dernisierung in den Folioausgaben (nemlich dasz F. 1 statt for to pre- iient, wie Qs. haben und wie es nothwendig, des Metrums wegen, hei- szen musz (auch Hr. D. so) nur fo preuenf und F. 4 (vermutlich F. 2. 3) how fo prenetH schreibt: S. 78 Z. 4 v. u.) mit Stillschweigen übergangen werden. Dagegen hält sich Hr. D. mit der unnützen Ar- beit auf, ein paar liandgreilliche Verunstaltungen des Textes in Fol. 1, die er doch selbst durch Mcbtaufnabme in den Text als solche aner- kennt, in den Anmerkungen zu verlhcidigcn. Derselben unnützen Mühe begegnen wir S. 80, ohne dasz erwähnt Mird dasz die Ff. in die- ser und der folgenden Hede Hamlets noch 6 olTenbare Fehler (miich ijour ohne w«7/t, the wliirlwmd , could, ore-stop., er Noini(/ii (auch diesen seltsamsten aller Fehler der F. l (für vor \ man der Qs.) über- geht Hr. D. mit Stillschweigen), Itnicrncy-mcn) haben, von denen einer {coiild für iroiild) von derselben Art ist, wie sce für /icar zu schreiben, wodurch auch der leiseste Zweifel an der Unrichtigkeit des trivialeren .sfc geboben, und auch die Wahl von yoiir für nur (S. 79), wie iif Ihe trhich für i>f whnli (S. 81) sehr bedenklich wird. S. 82. In dieser Hede Hamlets werden 5 vermeinilicho schlechte Lesarten der Quartos (zum Theil in llüchtigster >\eiso angegeben) be- s|)rochen, dagegen fünf oileubar schlechte Lesarten der Folios yer- scln\icgcn. Neuilich tdiniiic, lilic für loiiyne licli ; faiii/iiy? (F. 4 fi'iy-

Shakespcare's Hamlet herausg. u. erkl. von Deliiis. Erster Artikel. 73

vhh)?) für fauning ; Hath ' Uine für Hast tane ; slijthe (F. 4 slijtli) für slithij; needfull für heedfuU.

S. 94 werden zwei vermeintlich schlechte Varianten der Qs. an- gegeben, und bei einer dritten Stelle M'ird ein Versuch gemacht eine olTenbare Dittotypie in F. 1, trotz der ISichlaufnahme in den Text, zu vertheidigen:

'Thal spirit, upon whose wcal*'^ depend and rest *) 3) So die Qs. Für iceal liest die Fol. zum zweitenmal spirit, das dann h i e r = H a u c h o d e r L e b e n s m u t s t ü n d e.' Aber ver- schwiegen bleibt auf derselben Seile eine der erheblichsten Varianten der Qs. im ganzen Hamlet, die einen sehr guten Sinn gibt, dasz nem- lich Hamlet, ohne von Polonius unierbrochen zu werden, sagt: Harn. Then I will come to my mother by and by,

They foole me to Ibe top of my beut, i will come by and by,

Leaue me friends.

I will, say so. By and by is easily said,

Tis now the very Nvitching time of night, etc. woraus die Fol. 1 macht: Harn. Then will I come to my Mother, by and by :

They foole me to the top of my bent.

I will come by and by. Polon. I will say so. Exil.

Harn. By and by, is easily said. Leaue me Friends:

'Tis now the verie wilching time of night etc. Die Qs. also lassen Hamlet bald zu Polonius, bald zu Rosenkranz und Güldenstern, bald zu sich selbst gewandt, sprechen: Dana will ich zu meiner Mutter kommen, gleich. Sie narren mich, dasz mir die Ge- duld beinah reiszt. Ich will gleich kommen. Verlaszt mich, Freunde. Ich wills, sagt ihr das. Gleich ist leicht gesagt (aber schwer gethan, der ewig-zaudernde Hamlet, dem auch dieser Schritt schwer wird.) Qu. l könnte diese Fassung unterstützen, da sie Corambis nach den Worten Very like a xthale (sie meinte wol nach Hamlets Etj and by) abgehen läszt. Bei Angabe der Variante 'die Qs. haben weniger gut (warum?) Hazard so near iis' wird verschwie- gen, dasz dieselben echten Qs. in der folgenden Zeile browes statt lunacies haben, ohne welche Angabe die Natur dieser Varianten ver- schleiert wird, da nun beide Quartolesarten metrisch richtig, beide Foliolesarten metrisch weniger correct sind, Uebrigens hat qu. 5 die Verse so

Hazerd so neer's as dolh hourely grow. Out of bis browes so dasz bei etwa von einem Kritiker bei Sh. gutgeheiszener zweisil- biger Messung von hower man sogar in der Foliolesart eine Moderni- sierung erkennen könnte.

♦) Die qu. 5 und Ff. haben (alle?) depends and rests; Hr. D. gibt dies nicht an.

A'. Jahrb. f. PhU. u. Paed. Ji<l. LXXir. Hft. ■>. 6

74 Shakespeare''s Hamlet herausg. u. erkl. von Deliiis. Erster Artikel.

S. 97. Hr. D. gibt zwar durch Anführung der trivialen Folio- varianle fresh für das hochpoelische ßiish einmal ein richtiges Beispiel und dann in Bezug auf eine Bühnenanweisung eine (falsche, s. oben) Angabe: wie konnte er aber daneben die nach des Bec. Meinung un- fehlbar richtigen, wenigstens viel bedeulsauieren Qiiartovarianten but

für pal, hase and silltj not reuendge *) für hyre and Sal-

lery, not Reuenije, mit Stillschweigen übergehn?

S. 100. 101. Wir begegnen hier einer unbedeutenden (sels für makei) und einer zugleich unbedeutenden und lalschen Angabe (A?s für this als Speciallesarl der Ff. s. oben): aber die sehr crlieblichen Varianten heated für ivislfvU^ die, so viel ich sehe in allen alten Aus- gaben (qu. 1 feiilt hier) vorhandene Lesart Aijic) ine für Ah ;«e, die sehr bedeutsame Zuertheilung des Verses Tliat roars so loiid etc. an Hamlet in den Qs., die interessante Verderbnis der Ff. breatk. für bro- Iher: werden mit Stillschweigen übergangen. Dies würde im letzten Falle um so parteiischer sein, wenn wir aus der Andeutung Colliers in den N. et Hm. p. 427 (=441) schlieszen durften, dasz der Corrector diesen sehr üblen Feliler der Ff., übereinstimmend mit den Qs., zu bessern verstand.

Ich glaube es wird nicht nöthig sein die noch übrigen Beispiele dieser UnvollständigUeit aufzuführen, sondern es wird genugsam er- hellen, dasz sie nicht von der Art ist um dem Leser ein anderes als verwirrtes und falsches Bild von dem Werthe der Quellen und dem Stande der ganzen Shakespcarekrilik zu geben. Für wen schrieb der Hr. Vf. eigentlich seine kritischen Bemerkungen? für den Forscher? Dann war es nicht recht ihm die Mühe zu machen , durch Vergleichung mit Collier n. a. die Körnchen wahres und selbständiges unter einem Haufen von Nachlässigkeiten, Verdreiiungen und AN'iederiioliingen her- auszupicken. Für den Freund und Bewunderer des Dichters? Dann hätte er sie sich, da dieser nur verstehen und durch verstehen gcnie- szen will, ganz sparen können. Für den gewölinlichcn Sprachmei- ster? Dann hätte er sie in der Weise beschränken müssen, dasz das sprachlich wichtige in den Vordergrund (etwa die Modernisierung der Sprache in den spätem Ausgaben) getreten wäre, denn was ver- steht ein solcher von Kritik? Für das gebildete Publicum? Das soll aber entweder gar nichts von dergleichen Dingen wissen, oder ordent- lich belehrt werden, nicht aber durch llalblieilen zu gleichen Halb- heilen veranlaszt werden. Fs bleibt nichts übrig, als da.-z der Vf. für Schüler hat schreiben wollen, denen es am Ende gleichgillig sein kann, ob eine Variante hier oder dort steht, die nicht so weil kom- men können, in der Sh.kritik au fait zu sein, und denen ein geschick- ter Lehrer jede Variante (selbst eine falsche und willkürlich ausge- wählte) für die Entwicklung ihres Urtheils fruchtbar machen kann. Für solche freilich ist weder der Preis des Buches noch der anmaszende, prahlerische Zuschnitt der * neuen Becension ' berechnet, und der An-

♦) So, mit 8 kleinen Stridieti nadi .-«illy, die qu. 5.

A. Baskerville: the Poetry of Germany. 75

kün(lig:un£f des Verlegers /-ufolge, dasz 'das wesentlichste in einem für das tiefere Studium des Dichters ausreichenden Masze' gegeben sei, wird ein höheres Ziel erstrebt. Von diesem aber wird, fürchte ich, der Leser durch die kritischen Anmerkungen des Vf. nur weiter und weiter abkommen, wenn er nicht schon vorher durch die notae variorum un<l Collier. Knight usw. sehen und urtheilen gelernt hat. (Fortsetzung folgt im nächsten Heft.) Eisenach. Tycho Mommsen.

6.

The Poetrij of Germany. Consisüng of Selecliom front npwards of secenty ofthe mosl celebrated Poets translaled into Eng- lisli Verse., with the Originaltext on the opposite page. by Alfred Baskerville. Leipzig, published by G. Mayer. XXIV u. 663 S. 8.

Erst gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts fieng man in Eng- land ernstlich an, auf das Vorhandensein einer Litteratur seine Auf- merksamkeit zu wenden, welche, obgleich sie aus einer dem Engli- schen nahe verwandten Sprache hervorgegangen war und nach Ab- werfung des lästigen Zwanges französischer Fesseln eine auszeror- dentliche schöpferische Kraft und Fülle nach allen Seiten hin ent- wickelt hatte, doch nur einzelne Strahlen ihres Glanzes nach der benachbarten Insel warf. Walter Scott gibt in einer anziehenden Abhandlung 'über die Nachahmungen der alten Ballade' als genauen Anfang des bekanntwerdens deutscher Litteratur in England den 21. April 1788 an, an welchem Tage der bekannte Henry Mackenzie in der Royal Society zu Edinburg eine Vorlesung über die Bedeut- samkeit der deutschen dramatischen Dichtkunst, sowie der deutschen Litteratur im allgemeinen hielt, welche allgemeines Aufsehen erregte und wesentlich dazu beitrug, die deutsche Litteratur in England hei- misch zu machen. Zwar war Mackenzie, wie W. Scott selbst sagt, nicht der erste in England, welcher von deutscher Litteratur ange- zogen wurde, wie manigfache Uebersetzungen einzelner Werke deut- scher Classiker (Proben aus Kleist [1755|, Klopstock [1760], Lessing [1780], Geliert [I776j, Geszner [1762], Goethe [1779], Wieland [1773], Zimmermann [l77l] u. a.) beweisen, welche schon seit der Mitte vori- gen Jahrhunderts erschienen waren , freilich oft genug schlechte und anonyme Erzeugnisse oder Uebersetzungen aus zweiter Hand, denen französische Uebersetzungen zu Grunde lagen, wie denn Mackenzie damals wenigstens aus halbgetrübter französischer Quelle schöpfte. Aber abgesehn von diesen Uebersetzungen machte sich deutsche Litteratur, anfangs mehr in Privatkreisen geschätzt, allmählich den er«

6*

76 A. Baskerville: tlie Poelry of Germany.

slen Geistern der Zeit ininicr notlnveiuliger und unentbehrlicher: dies zeio't schon die grosze Zahl und der Name der Uebersetzer, welche damals, wie W. Scott dies eindringlich schildert, noch— seltsam ge,ji,o- mit der iiuszerlichen Schwierigkeit zu kämpfen hatten, sich deulsclic Biiclicr überliaupt zu vcrschairen! So kam es z. B. dasz Bürgers Leonore, welche im Jahre 1775 geschrieben wurde, doch erst nach mehr als 20 Jahren in England bekannt wurde , obwohl sie so- gleich nach iiireni bekanntwerden den gröszten Reiz auf alle engli- schen Leser ausübte, von denen fast niemand, wie sich W. Scott aus- drückt die Augen auf diese Ballade warf ohne den Wunsch zu empfin- den sie durch Uebersetzung seinen Landsleulen bekannt zu machen. So kam es dasz seclis oder sieben Uebersetzungcn fast gleichzeitig- erschienen, unter ihnen die gelungensten von William Taylor aus ISorwich, sowie eine von W. Scott selbst, der sie jedoch ganz offen als Jugendarbeit anerkennt. Beide sind aber nicht Ucbersetzungen im eiaenllichen Sinne des Worts, sondern ziemlich freie Uebertragungen des llaupliiihaltes. Neuere Uebersetzer wie Miss Julia- M. Cameron und der Verfasser der vorliegenden Anthologie haben treuere und folglich gelungnere Uebersetzungen geliefert.

Ob nun gleich die Verehrer deutscher Litteratur in England fast läo"lich an Zahl bedeutend zunehmen, und Uebersetzungen so zahlreich werden, dasz z. B. Goethes Faust in mehr als dreiszig englischen Ue- bersetzungen existiert und unter diesen Ueberselzcrn linden sich Namen wie Shelley, Gower, Anstey, Hayward, Blackie, Syme, Birch, Capt. Knox n. a. so ist es doch begreiflich, dasz eine grosze An- zahl allgemeiner Leser weder Zeit noch Mittel hat, eine Bibliothek der hier einschlagenden Litteratur zu verarbeiten und sich begnügen niusz, der in Blumenlesen gegebenen l'roben sich zu erfreuen, viel- leicht auch von diesem oder jenem Schriftsteller angezogen, seine Werke als besonderes Studium zu er\viihlcn. Es sind daher auch in neuerer Zeit zahlreiche Schriften dieser Art erschienen; so gehören zu den bessern die von Joseph Gostick, J. C. Morgan, beide 1845 er- schienen, die des Amerikaners lledge usw.

Auch Deutschland hat eine Anzahl dieser Blumenlesen hervorge- bracht, von denen eine der hervorragenderen Dr. J. G. Flügels Flow- ers of German Poetry ist (Leipzig 1Ö35- J. Klinkhardt. IV n. 315 S. 8). Sie gil)l eine Auswahl von Ueberselznngen verschiedener engli- scher Verfasser aus etwa 26 deirtschen Diciilern (von Mopstock bis auf Uhlaud) und nimmt besonders auch auf die wenig-cr oft über- setzten Dichter und Mustersflicke dculsclier Dichter Hück.sicht. wie schon einige bei Baskerville nicht vertretene Namen (Burmann, de la Motle-Fouque, Gotter, Kolzebuc, Müchler, Overbeck, Schikaneder) darthun. Zur Vergleichung ist der deutsche Text auf der gcgenüher- slehenden Seite beigefügt.

Noch umfangreicher und bis auf die Dichter der neusten Zeit lierabgehend ist das ^^ erk von Alfred Baskerville. zu dessen kur- zer Beurtheilung wir uns nun wenden. Was zuvörderst die Auswahl

A. Baskerville: tlie Poelry of Germany. 77

be{ri(Tl, so sclilieszl sie sicli mit Recht dein Gescliinack deutscher Mu- stersanimliiiigcii an und gibt uns viele Perlen aus den Erzeugnissen von 73 üiciUern , von Hagedorn an bis auf lieduitzs Amaranlli. Im ganzen lassen sich die Ueberselzungen, welche das Versniasz der Ori- ginale soviel als möglich beibehalten, höchst gelungen nennen; ein- zelne Gedichte sind sogar mit meisterhafter Beibehaltung des ursprüng- lichen Gehaltes und Tones übersetzt, so z. ß. das scherzhafte Gedicht- chen '^Thier und Menschen schliefen feste' von Lichlvver, aber auch in bedeutenderen Sachen, uie Bürgers Leonore, Schillers Glocke usw. schlieszt sich die Ueberselzung den friihern würdig an und über- trifl't sie in einzelnen Punkten, weil Hr. Baskerville tiefer in die Fein- iieiten der deutsciien Sprache eingedrungen ist, als z. B. selbst Biil- wer. Wenn wir daher in aller Kürze einiges hervoriieben , was uns in der Form oder im Gedanken verfehlt oder weggelassen zu sein scheint, so ist dies eben durch die meistentheils an den Tag gelegte gründliche Kenntnis des Hrn. Uebersetzers veranlaszt. Um mit weni- gen Worten das minder wesentliche, die Form, abzuthun , so hat Hr. B. mit Recht sich möglichst genau an das Original angeschlossen, in- dem er den Bulwerschen Irlluim vermied, wo die Form schwierig v^ar, das Versmasz und mit ihm einen guten Theil des ursprünglichen Gei- stes des Originals aufzugeben. Nur in einzelnen Gedichten finden wir Abweichungen, so hat Hr. Dr. Hildebrand in einer Beurtheilung des Baskervilleschen Werkes (Centralblatt 1854 Nr. 17) bereits darauf hin- gewiesen, dasz durch allzuhäufige Anwendung des Anapaestes, der doch mehr balladenartig, als lyrisch klingt, z. B. die Heineschen Lieder wahre Einbusze erlitten haben. Es ist, um ein anderes Beispiel zu geben, gerade eine Schönheit in Uhlands '^ des Sängers Fluch' dasz die nachschlagende Silbe nach dem dritten lanibus in der Mitte des Verses die unausstehliche Einförmigkeit der hackenden Alexan- driner vermeidet; die Schwierigkeit im ilexionsarmen Englisch andere als einsilbige Wörter zu finden, hat Hrn. B. veranlaszt, die Senkung aufzugeben und so haben wir die ganze Eintönigkeit des in der 3Htte wie zerhackten Verses: hierbei ist öfters die Caesur nicht eingehalten, was einen sehr Übeln Eindruck macht; so gut folgender Vers sein würde: For what he broods is terror, and rage bis eyeball lights, so hinkend ist seine jetzige Form: For what he broods is ter | ror, rage bis eyeball lights; ähnliche Misslande finden sich in: Of freedom, and of hon I our, failh, and holiness, ferner: The queen dissolved in rap| tures, and in sailness sweet, und so noch an zwei Stellen desselben Ge- dichts. — - Besonders häufig sind überhaupt miinnliche statt der weib- lichen Reime, was in manchen Gedichten, deren Schönheit durch prächtige klingende Reime sehr erhöht wird, wie z. B. Freiligraths * Löwenritt', besonders störend ist. Freilich ist die Armut des engli- schen an weiblichen Reimen Ursache dieses Uebelstandes ; denn selbst wo Hr. B., wie in der gelungenen Ueberselzung von Püzers Dolce far nicnte, die Form des Originals streng beibehält, rinden wir, dasz von 24 weiblichen Reimpaaren nicht weniger als 11 auf die Parlici-

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pialform in -ing ausgehen ! Noch erhöht wurden diese Schwierig-- keiten in den Uebersetzungen der antiken 3Ielra der Klopstockschen Oden und der Hexameter, von denen viele den Accent und die Caesu- ren so wenig innelialten, dasz bei dem 3Iangel dieser einzigen Ersatz- mittel der Quantität der alten das iMetrum für den unkundigen ganz verloren geht, was sich freilich häufig genug bei den deutschen Ori- ginalen seihst lindet. Die allgemeine Einführung der alkaeischen, saii- phischen und anderer ahnlicher Versmasze wird sicher weder bei uns noch in England je gelingen. Dagegen beweisen manche lobenswerthe Versuche englischer Dichter, z. B. die herlichen Uebersetzungen Shad- wells aus der Odyssee und Uias und andere Versuche, dasz schöne englische Hexameter ebenso möglich sind, als gute deutsche, eine Meinung, die auch Hr. ß. in der V^orrede mit üecht gegen Bulwer verficht.

Was nun die Art und \^'eise anlangt, in welcher der Wortgehalt wiedergegeben ist, so ist sie, wie schon oben gesagt, meist getreu und in gewandtem englisch. Einzelnes verfehlte wollen wir jedoch bemerken, was der Hr. Uebersetzer, dem wir recht viele neue Auf- lagen wünschen und voraussagen können, als Zeichen ansehen möge, dasz es uns um gründliche Kenntnis des schönen Buches zu thun war. Die Grundsätze, welche Hr. B. in der Vorrede seines Buchs als masz- gebcnd für Uebersetzungen vorausschickt, zeigen ein klares Bewust- sein seiner Aufgabe; doch scheint er , wenn auch weit entfernt von bulwerschen Freiheiten, doch zuweilen mehr besorgt gewesen zu sein, etwas dem Engländer versländliches und bekanntes, als das Original zu geben. Der deutsche und jeder andere Leser musz zuerst eine so weit es der Geist des englischen zulässt, ge treue Uebertragung verlangen, denn nur so kann der Geist des Originals bewahrt wer- den; auch verträgt sich Wörtlichkeit der Uebertragung und gutes englisch vollkommen wol , wie Hr. B. selbst uns reichlich beweist. Der Geist eines Schiller, eines Goethe gehört der Menschheit an: es wäre also eine V^'illkürlicllkcit, die durch nichts sich entschuldigen liesze, wenn der Uebersetzer, wie z. B. Coleridsje in seiner im allge- meinen treftlichen Bearbeitung des ^^a!lenstein, sich oft nicht be- gnügt, sein Vorbild gelreu wiederzugeben, sondern selbstschatfeud oft gerade feine Züge verwischt, von mancher durchaus misverstandcnen Stelle ganz zu schweigen. Dalier kommt es, dasz trotz mancher klei- ner Härten J. H. Merivales Uebersetznng schillerscher Gedichte oft die bulwersche übertrilft; in der letztem linden wir zu viel Bulwer und zu wenig Schiller. yVuch hei Hrn. 15. liiuleu wir hier und da Mis- versläudnisse und wenn ihm auch solche Ueberset/.uui^ssiindcn wie sie früher allzuluiiilig waren und sich noch bei enülisclu'ii Uebersetzern finden *), nicht begegnen, so linden wir doch zuweilen einzelne Schwie- rigkeiten des Originals umgangen. \N ir können Hrn. B. ni<ht gc-

*) Fn einer von den iinz,ihl!giMi Ueber.'setzungen von <ler Clo< ko (Specimens froui Schiller iind lllilaiul. liy C». C Swayne, M. A. Ox-

A. Baskerville ; the Poetry of Gcrniany. 79

stallen, in einem so durch und durch deutschen Liede wie Arndts 'Was ist des «deutschen Vaterland?' die Zeile ' wo Eide schwört der Druck der Hand' so zu iil)ersetzen: where oaths are sworu bat by the band, die fast unfehlbar eine falsche Auffassung des Originals veran- lassen müssen; es klingt diese Ueberlragung wie eine trockne Angabe der Thalsache, dasx man in Deutschland nicht wie in England beim schwören die Bibel küszt, sondern 'nur' mit der Hand schwört, wäh- rend doch Arndt sagen will, dasz der blosze Druck der Hand, also eine scheinbar geringe Bürgschaft, einem Eide gleich kommt; in ßent- leys 3Iiscellany, Juni 1848, war diese Stelle richtiger, wörtlicher und schöner so gegeben: \N liere oaths are sworn by clasped band. Schwieriger ist freilich die Uebertragung in solchen Fällen, wo die wörtliche Ueberselzung ein dem Geschmack der Nation widerstreben- des Bild oder Wort verlangt. Wie oft geht es uns so, wenn wir sol- che Ausdrücke wie to fidget, buslle und hundert andere höchst be- zeichnende Worte, deren entsprechende deutsche Aequivalenle nicht wie im englischen in gutem Gebrauch sind, unübersetzt lassen oder durch matte Umschreibungen ersetzen müssen. Es ist z. B. sehr rich- tig, dasz eine wörtliche Uebersetzung der Zeile 'iVun klappern die reisenden Störche' in Hagedorns Mailiede nicht nur unpoetisch, son- dern lächerlich sein würde: Now clapper (chatter, rattle, clalter etc.) the travelling storks läszt sich einmal nicht sagen. Ob aber nicht den- noch der Ton wenigstens annähernd hätte beschrieben werden sollen, zumal da auch die Eigenthümlichkeit des Storchs als Zugvogel in der Zeile The stork comes flapping its wings kaum angedeutet ist, ist eine andere Frage; Thomson beschreibt den noch viel auffallenderen Ton der Rohrdommel, welche im engtischen neben höchst undichteri- schen Namen wie butter-bump, miredrum etc. noch einen andern, bittern, führt, auf folgende zierliche Weise: scarce the bittern knows his time with bill ingulfM To shake the sounding marsh. Auszeror- dentlich mühselig ist es freilich, einen ähnlichen Inhalt in 7 Silben zusammenpressen zu sollen; Hr. B. hat aber selbst erheblichere Schwierigkeifen mit Glück überwunden, warum nicht auch diese? Auch in der nächtlichen Heerschau von Zedlitz ist es Schade, dasz die genaue Zeichnung von Napoleons äuszerm, das 'kleine Hütchen' des Originals, welches uns sogleich die Persönlichkeit vergegenwär- tigt, als undichterisch aufgegeben \a erden muste (ist es in der That unumgänglich?); wie verschieden ist hier der Eindruck: 'Er trägt ein kleines Hütchen, Er trägt ein einfach Kleid, Und einen kleinen De- gen trägt er an seiner Seit', und der ungenauen Uebersetzung: No plume his helm(!) adorneth, His garb no regaj priile, And small is the polished sabre That''s girded to his side.

Auf solche Weise ist mancher schöne Zug äuszeren Gründen zum

ford) finden wir u. a. die 'zähe Glockenspeise' mit clammy bell-con- fection ül)ertragen; bekannt ist die lächerliche Uebersetzung von Her- weghs 'Ihr Dichter laszt das Versesch w eiszei» % 'ye poets cease to sweat at verse-s ! '

80 A. Baskerville: the Poelry o( Germany.

Opfer gefallen, zuweilen ohne Noth; z. B. ist das Bild des Mondes in der *Reue' von Plalen besonders schön (der Mond in beruhigter Pracht), weil er die Ruhe, die grosze feierliche Ruhe der Natur den tobenden Schmerzen der Reue gegenüberstellt; daher die schöne Wie- derholung des "^ sacht' in jedem der vier Verse, welche dreimal in der Ueberscizung ganz unberücksichtigt gelassen ist, einmal nur halb angedeutet; statt des Mondes in beruhigter Pracht haben wir the moon in her silvenj light, ein etwas abgebrauchtes, wenigstens hier das Original durchaus nicht deckendes Bild. Auch die letzten Zeilen, in welchen sich der Dichter mit schmerzlichem Vorwurfe anredet: ^Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht Im pochenden Herzen die Reuel' In dieser Aufforderung liegt zugleich die Vergeblichkeit aller Versuche die Reue zu beschwichtigen, und dieser schöne Schlusz ist in der Uebersetznng als verfehlt zu bezeichnen: '^ Still, slilll though contrile, In the night, in the night, In my bosom repenlance dolh glow I'

Am Schlusze des Gedichts macht sicli eine falsche Auffassung wie diese besonders störend, da gleichsam die letzte Abrunduiig fehlt und im vorliegenden Falle sogar ein Hauptgedanke nicht ausgedrückt ist. Aehnlich linden wir den Schlusz des Löwenrittes von Freiligrath verfehlt; Hr. B. hat den Ton ül)erselin, welcher auf dem So liegt in 'So (auf die erzählte Weise) durchsprengt der Thiere König nächt- lich seines Reiches Grenzen', was er übersetzt mit ü'er liie frontiers of bis realms the king of bcasts piirsucs bis way.

Es ist Schade, dasz uns der Raum nicht gestattet, diesen Aus- stellungen auch eine Auswahl trefflich gelungener Stellen folgen zu lassen, wozu die Vcrgleichung zahlreicher Erzeugnisse anderer Ue- bersetzer gar oft einladet. Genug, dasz ^Yir mit vollem Rechte diese gutgewählte und von dichterischem Geiste durchweiite Samm- lung dem deutschen wie dem englischen Publicum empfehlen können. Die äuszere Ausstattung ist des Inhalles würdig.

Leipzig. Dr. Fol ix Flügel.

7. Hilfsbücher für den lateinischen Unterricht.

Elementa LaÜnilalis von Dr. Ailnlf 11 auser. Karlsruhe 18 '>-}-.

VII u. 71 S. 8. SammluiKi laleinischej' ]y'ürter von Dr. M. MeiriiKj. ie Jiiß.

Bonn ISO.-). XIII u. ll.S S. 8. Vocabula linQuae latinae primitica ron Fried rieh Wigyert.

lOe Auß. Magdeburg 1854. XVI u. 165 S. 8. Vocahidarium für den lateimsclien Klcwenlar Unterricht von Dr.

Ludwig Düderlcin. ^e Auß. Erlangen 1834. 102 S. 8,

Lateinische Vocabularien. 81

Diese Bücher darf man als erfreuliche Zeichen der Umkehr von unfruchtbaren Theorien zu einer soliden Praxis begriiszen. Alle vier gehen von der Ueberzeusung aus, dasz der lateinische Unterriciit mit geordneten Gedächtnisübungen beginnen musz : und sicher musz auch hier dem kennen ein können vorangehn, und vor allen Dingen zum bauen das Material, nicht etwa das 3laterial im Baue geboten werden.

Gerade dies ist es, was ich vor einigen Jahren gegen die gene- tische Grammatik von Graser hervorhob, und auch darin pHichte ich deii Vff. der genannten Voc<.bularien ganz unbedenklich bei, dasz das vocabcllernen von Haus aus mit aller Entschiedenheit betrieben wer- den musz. Nur ob es als eine besondere Uebung selbständig zu be- treiben sei, das ist die Frage. Noch habe ich nicht das Bedürfnis einer solchen Uebung empfunden, und ich wüste kaum wo und wann sie vorgenommen werden sollte, dasz nicht planmäszigeres und er- sprieszlicheres zu thun wäre.

So lange der Schüler noch nicht die ganzen Paradigmen gelernt hat , so lange möchte ich ihm nicht statt der Grammatik oder neben der Grammatik das Vocabelbuch in die Hend geben; denn is ea id, sum es est, nialo mavis mavult gehört enger zusammen und wird leichter gelernt und hilft weiter, als aer ager ala bei \Mggert, als abies absurdus accipiter bei Meiring und Döderlein, als acuo ago ango bei Hauser. 'Eine geordnetere VVecUung und Stärkung der Ge- dächtniskraft am Objecte der classischen Sprachen' als durch die Er- lernung der Paradigmen gibt es nicht, und ist dieser nach allen Er- fahrungen für die Kräfte des Anfängers nicht zu geringe Gedächtnis- stoir glücklich bewältigt, dann auch nicht viel früher wird es an der Zeit sein denselben durch das übersetzen zunächst aus dem lateinischen in das deutsche allmählich lebendig und llüszig zu ma- chen. Jetzt werden die für die jedesmalige Uebersetzung erforder- lichen Vocabeln gelernt, und wie durch das Interesse welches durch die augenblickliche Anwendung hervorgerufen wird, so namentlich auch durch das auswendiglernen eines guten Theiles des übersetzten Fensums, welches man wohlthun wird abwechselnd lateinisch und deutsch aufsagen zu lassen, dem Gedächtnisse um so unvergeszlicher eingeprägt. Es scheint aber, um auch hier ein praktisches Beispiel anzuführen, zweckmäsziger , und in mehr als einer Beziehung, in Ver- bindung mit dem Satze Verae amicitiae sempiteinae sunt die Vocabeln verus -a -um, amicilia -ae, sempilernus -a -um, als mit Hauser cado cadaver casus, mit Döderlein caballus calo cachinnus, mit Meiring balbus balbutio balueum, oder gar mit Wiggert Wörter wie alula brassica cantherius und noch ganz andere lernen zu lassen.

Ohne nun mit der Bestimmung eines Buches einverstanden zu sein, kann man doch der Art und ^^'eise, wie es für seine Bestim- mung verfaszt ist, seinen ganzen Beifall zollen. In diesem Falle habe ich mich aber zunächst bei den Elementen des Hrn. II aus er durch- aus nicht befunden

Schon der Ausspruch p. IV machte mich bedenklich: 'wenn der

82 Lateinisclie Vocabularien.

Schüler einer Gelehrtenscluile mit dem Beginn der Cicero- und Livius- lectüre nicht schon die ganze Pein des Praeparierens des gehäszig- 8ten onus für das zur Phantasie und Idealität sich entwickelnde Jüng- lingsalter — hinter sich hat, so ist es freilich kein Wunder, dasz er in den ohern Classen dann nur mit Mühe über den Buchstabenqnark hinaus in den Geist der Autoren eindringt.' Von der Arbeit der Vor- bereitung, das allerdings auch unbequeme nachschlagen des Lexikons mit einbegriiren , entbinde ich meine Schüler so wenig als mich selbst, und noch nie habe ich mich unterfangen auch nur ein Capitel des Com. Nepos oder eine Fabel des Phaedrus erklären zu wollen, ohne micfi auch der ganzen Arbeit der allersorgfältigslen Vorbereitung recht gern zu unterziehn. Und den Buchslabenquark? Es ist mir nicht recht klar, ob der Hr. Dr. H. den Biiclislabenquark im Sinne seiner Schüler setzt oder in seinem eignen Sinne; aber bei Cicero und Li- vius linde ich überhaupt keinen Quark. Vielmehr bin ich von der Ue- berzeugung durchdrungen und diese Uebcrzeugung nuisz auch der Schüler gewinnen , und sie wird ihm dienlicher sein als hundert Vo- cabeln, zumal wenn er diese für Quark hält dasz bei den classi- schen Autoren schöne und edle Gedanken den entsprechenden Ausdruck gefunden haben, und dasz es kaum etwas verkehrteres, kaum auch etwas verderblicheres gibt als Geist und Schrift, die Seele des Ge- dankens und den Körper des "\>'ortes von einander trennen zu wollen. Wo möglich noch bedenklicher scheint mir S. VI die Erklärung oder das Eingeständnis: niinsichllich der Phraseologie möchte ich keinen Lehrer gebunden wissen, der vielmehr den darin gebotenen LehrstolT um- und zubildend cum grano salis benützen oder gänzlich ignorieren mag.' Als ob die Phraseologie wenn mit dieser etwas unbestimmten Bezeichnung der deutsche Ausdruck, und nicht vielmehr die lateinischen Beispiele gemeint sind etwas zufälliges'und will- kürliches wäre, was je nach belieben gemacht, geändert und gewech- selt werden könnte; als ob nicht die deutsche Bedculung in dem latei- nischen Worte cnlhallen , und durch das lateinische mit einer gewis- sen Nothwendigkeit geboten wäre, llinsichllich der Phraseologie in diesem Sinne obwohl sie iiuch in dem andern nichls weniger als gleichgillig wäre möchte ich jeden Lehrer, möchte ich namentlich den Verfasser eines Vocabulariums ganz auszerordentlich gebunden wissen. Jedes lateinische Wort, meine ich, hat sein entsprechendstes deutsches , und je entsprechender die Angabe, um so anwendbarer und um so behaltbarer. Darum wird besser lehren und erfolgreicher wer für cernere scheiden, für ccrlus und cerle entschieden, für de- ceruere entscheiden gibt, als wer für cernere 'I) absondern, 2) se- hen (deutlich wahrnehuien)'. für certus 'gewis, zuverlässig' und für cerle 'sicherlich, gewis', für deceruere ' 1) beschlieszen, 2) streiten' bringt; ausspannen oder anspannen für Icndere ist nicht besser als f//lcudere spannen, und urerc verbrennen wenigstens niclil viel besser als cowburere brennen sein würde; ähnlicher Art ist exigero ' 1) heraustreiben, 2) fo r de rn' (pccunias) für 2) beilreiben, de-

Lateinische Vocabularien. 83

sinere und desistere au f hören für ablassen und abstehn, oriri 'l) geboren werden, 2) entstehn' (von einem Sturme) für oriri sich erheben, struere bauen für schichten (strucs Schicht, exslruere emporschichten). Ein denkender Lehrer wird für caput lieber Haupt als K opf geben, für carcer lieber Kerker als Gefängnis, für scamnum lieber Schämel als Bank, für scrinium Schrein als Schrank; für eximius wird er lieber ausnehmend als ausge- zeichnet schön, für praedator lieber Freibeuter als Räuber, für sagittarius lieber Pfeil schütze als Bogenschütze, für valde lie- ber stark als sehr (valdius stärker), für vicissim lieber wechsel- seitig als gegenseitig, für virilim lieber mänui glich als Mann füriUann, für volumen lieber Bücherrolle als Buch sagen, und wie für vesci sich nähren, so auch für uti gern das mediale sich bedi en en verwenden ; für trux wird er trutzig vor graus oder grimmig, für spuere spucken vor speien vorziehn, wäre es auch nur aus mnemonischen Rücksichten. Er wird nichts unbeachtet lassen, was dazu dienen kann den Schüler der üriginalanschauung der alten näher zu bringen, und sich freuen wenn derselbe in eques den Roszgänger, in limes den Quergänger, in trames den Hinübergänger, in semita die Sondergängeriu erkennt; desgleichen in erndire das ent- rohen, in exsequiae das hinausfülgen , in lingua die leckende, in ser- pens die schleichende, in mensa die abgemessene Tafel, in t^aTts^a die vierfüszige Vorrichtung, in paeninsula die Fastinsel (presqu-ile), in xeQGoinjöog die Festlandsinsel, in sciurus den Schattenschweif (axtoD^og), in rj^iovog den Halbesel. Ueberall wird er verwandtes, analoges und irgendwie zusammengeh riges in eine zweckmäszige Verbindung zu setzen wissen, und nicht nur dem Schüler sondern auch der Sprache einen Dienst erweisen, wenn er z. B. legare durch fu- gere fugare als Caussativum zu legere (viam, einen Weg zurück- legen), wenn er parere = in liicem edere durch alere alere (un- gebr.), candere (ungebr.) candere, iacere iacere, pendere pendere als Caussativum zu parere ::= erscheinen , und parare durch albare albere, placare placere, sedare sedere als Caussativum zu demselben Verbo, oder wenn er pala als breite Fläche, von einem Siegelringe die Platte, von pandere durch mala von nian- dere, scalae von scandere nachweist. (So wahrscheinlich auch tela Aufzug und telum Geschosz von tendere). Bei arena arere wird er an habena habere, bei educere und educare an dicere und dicare, bei c«dere und caedere an das gleiche Verhältnis zwischen fallen und fällen erinnern, und auf solche Weise den Unterricht im glei- chen Masze bildend, anregend und unvergeszlich machen.

Ein Vocabularium , welches nach den hier angedeuteten Rück- sichten mit Sorgfalt und Sachkenntnis ausgearbeitet wäre, könnte Leh- rern und lernenden erhebliche Dienste leisten, ohne dasz es gerade zum memorieren als einer selbständig betriebenen Uebung benutzt würde. Aber von allen diesen Rücksichten hat Hr. H. keine genom- men. Vielmehr hat seine Geringschätzung der Phraseologie, mög-

84 Lateinische Vocabularien.

lichorweise aiicli die Alsquarkbeliandlnng des Wortes überhaupt, eine solclie Sorglosigkeit der Behandlung seines Gegenstandes zur Folge gehabt, dasz das Buch, wenn es wirklich benutzt werden sollte, auf jeder Seile Berichtigungen, Erläuterungen und Zusätze nothwen- dig machen würde. Da lesen wir, ganz ahgesehn davon dasz eine Anzahl der oben angeführten Beispiele wie man nicht lehren soll allein aus seinem Buche enllohnl sind: cogcrc 1) zusaninienlreiben, vis ven- torum in j)orlwm navim cocgit; da soll csca, die Speise sofern sie zur Befriedigung der Eszhist dient, dah. die Lockspeise, ein Miünsllichos Gericht' bedeuten; da wird inlerpungiert vides, illum multa, perfi- cere, nos conari , oder proprium humani ingenii est, odisse, quem laeseris; da wird perfidus oiine weiteres mit fidus und infidus zusam- mengestellt, während es otl'enbar zu fides gehört und von fidus nur * perfidus sehr treu' heiszen könnte; da soll mores oratoris eflingit oratio, gibt ein ausgeprägtes Bild -- dcpingit sein, gibt eine genaue Schilderung; da wird mit keinem Worte gesagt, ob fundere in der Verbindung mit fugare den Feind werfen oder ob es die Feinde zerstreuen bedeutet; da wird debere ^t= dchabere durch '^ etwas von einem haben' erklärt, und medicina in alicui medici-nam facerc für 'Arznei' (Phaedr. I 8 9 periculosam fecit medicinam liipo : 'machte die gefährliche Arznei'? ); da soll potare zechen, 'eig. saufen, dah. trinken' und das Frequentalivum zu bibere sein (wenn noch zu trin- ken.'); pudor soll in est tibi pudori die 'Schande' heiszen; neben sallus wird ganz unvermiüelt der 'Sprung, der Bergwald' gestellt, statt '2) ein hervorspringender ürl, dtJOiG^io.^ Tredloio ^ nam. ein Wald- gehirg'; unter sedere und sidere \\ird insiderc und possidcre, nicht aber insidere und possidere angegeben; in a le id quod suesli peto wird suesli zu sueo statt zu suesco genommen; zu tenlo war nüthiger zu bemerken dasz es Frequenlalivum zu leneo (Forcellini: diu et mul- tum teuere ac Iractare, ut solcnt quippiam exploraturÜ), als zu tracto dasz es Frequenlalivum zu traho ist, und verso zu verto fehlt, wie vieles andere der Art, ganz und gar. Selbst odisse 'hassen', petere 'bitten', vadere 'gehen', corrigere 'gerade richten' ist für hlcmcnla Latinitatis ungenau: odisse hciszt so gut einen A\'iderwillen gefaszt haben, wie novi ich habe kennen gelernt; geradezu für bitten steht petere nirgends, auch nicht in Fällen wie Nep. Them. I\ -i tiiam petens amiciliam ('und werbe um deine Freundschaft'!) ; was vadere bedeutet wird am besten aus cvadere entrinnen erkannt, und ge- rade richten heiszt corrigere so wenig als co/wponcre gerade le- gen (auf cnlsprecheiide \>'eise, zurech tl).

Druck- und andere Fehler sind restm für restim, limeo für timeo, regula (nach rogol) für regula, loga für \6xi\^ moes-tilia für moe- stilia, desgleiciien tignuni für lignum; denn hier ist das i, wie die Verglcichung von ligillum lehrt, blosz durch die l'o.-^iliou ueiioben, nicht wie in diguus (aus (Jciy.i'O;,' =: monsirabilis , insigniendus) von Nalur lang.

Einen ganz andern Kiiidi ii'-k al^^ die Elemcnle des llrn. Dr. Hau-

Lateinische Vocabularien. 85

ser macht die Wörtersammlung- von Meiring-. Die Wahl der Wörter zeugt von Avirklicher Einsicht in das Bedürfnis der Schüler, die Phra- seologie ist in den meisten Fällen entsprechend. Sollte das vocabel- lernen einmal in der von den Verfassern beabsichtigten Weise betrie- ben werden, so würde ich von den vorhandenen Sammlungen am lieb- sten die von Meiring benutzen ; aber den Anhang- seltnerer und dich- terischer Wörter, unter denen auch änus, moechus, nothus mit aufeeführt sind, würde ich doch nicht lernen lassen. Entschieden falsch ist unter manchem andern praestare vorstehen für vor- anstehen, fucus Hummel für Drohne, torrens ein austrocknender Strom für ein reiszender oder ein Sturzbach. Druckfehler sind Tgitur für igitur, merus für merus, regula (nach regio!) für regula, linnilus für tinnitus, Avol auch rudere gaben für yahen.

Das Primitivenbuch von Wiggerl zeugt von gründlichen Stu- dien und hat den meisten Anspruch auf wissenschaftliche Geltung, dürfte aber vorzugsweise mehr zum nachschlagen als zuiu auswendig- lernen, und mehr dem Lehrer zu empfehlen sein als dem Schüler. Gar viele der hier aufgeführten ^^'örfer, unter denen sich auch scorlum mit der stärksten deutschen Bezeichnung findet, ürden selbst einem gt'bornen Lateiner so fremd vorgekommen sein, wie uns in Heyses Handwörterbuche äbichten, abkimmen, ablaschen, bail- brechen,Bake, Balche, Döbel, Dogger, Dögling. Wäre es nicht schrecklich, wenn deutschlernende Auslandskinder derglei- chen ^\'örte^, deren es mehr gibt als man meinen sollte, auswendig lernen müsten?

Es kann nicht fehlen dasz ein Buch, welches so viel selbständi- ges und neues enthält, auch manches unrichtige und manches befremd- liche bietet. Was änus , wenn es denn doch gelehrt werden soll, ^ ei- geutl.' bedeutet, ist in dem Handwörterbuche von Georges zu lesen; über qucque auch, was sonderbarerweise 'eigenfl. quöque wohin auch' sein soll, steht das richtige in Reisigs Vorles. §. 246. Per- cunctari ist wol nicht von contus abzuleiten (percontari), sondern ganz analog dem griechischen (.lezallaoi aus >.ict cAAa, aus per cuncta (ire) gebildet: vgl. Verg. Aen. H 570. Fere und ferme möchte icli weder für gleichbedeutend halten noch mit firme zusammenstellen; fere scheint wie forte zu ferre zu gehören, 'wie es eben kommt'; ferme aber zieht den Kreis, welchen fere um den Punkt einer Vor- stellung frei läszt, enger, und scheint von jenem ein Superlativ zu sein (aus ferime); wenigstens entspricht es bei Zahlangaben genau dem griech. (.lalLOTCi (cenlesimo ferme anno, sret e-Karoörco (.läXiOTal). Wenn fulvus Möwenfarbig' bedeutet, wie soll man dann übersetzen fulvum leoneni? Das vielversuchte pessum '^ zu Grunde', was hier zu peius gezogen wird, dürfte sich am einfachsten aus dem griech. rci- öovös erklären lassen. Nach 'rudere brüllen (besond. vom Esel)' gäbe es brüllende Esel. In absens und praesens ist das erste s radi- cal (für ab-esens, prae-esens); daher war nicht abscws und praesPws, sondern ixhseiis und praesens zu schreiben.

86 Lateinische Vocabularien,

Solcher Ausstellungen und Bedenken gäbe es wohl noch mehr; dessen ungeachtet ist das Buch beachtenswerth und bedeutend, und demselben immer weitere Vervollkommnung und Verbreitung zu wün- schen. Plus habet operis quam ostentationis.

Prosodiscbc und zum Tlicil uITenbare Druckfehler sind peregri- nus für peregriniis (ager), apricus für äpricus, bölus für bolus (j3ö- Aog), cedrus für cedrus {'Aed^og), dynasles für dynastes, Glemenlum für elementum, lanum für fatium, febris für febris, flagro und llagrum für flagro und flagrum (llagellum), idea für idea (löia), lucrum für lücrum, mens mentis für mentis, pharetra für pharetra (^q}aQerQcx), po- ples für pöples, retro für relro, salebra für salebra u. a. Die Posi- tion kann zwar die metrische Geltung der Silbe , aber nie die starke so wenig als die scbwache die natürliche Quantität des Vocals verändern.

Das V^ocabularium von Döderlein bat eine wissenschaftliche Bedeutung luid praktischen Werlh für den Lehrer, indem es durch Unterordnung und Zusammenstellung den innern Zusammenbang von Wörtern wie lungere iugum iugulum iugulare, wie urere urgere ursus, bald erkennen bald ahnen läszt. Aber zum aus- wendiglernen für den Anfanger wäre es schon darum nicht brauchbar, weil die Angabe der Bedeutung oft ganz fehlt, in andern Fällen un- genau und wenig zum behalten gemacht ist. Dahin gehört aestimare taxieren, existimare meinen, für aestimare a eilten (wofür), existimare erachten; fulgur das Welterleuchten , fulmen der Blitz- strahl für fulmen der ^^ e((er s t ra h I. Ptilare beschneiden und pu- tare meinen halte ich für ein Wort: putzen, ins reine bringen, E re- gione heiszt nicht pa rallel, sondern gegenüber: eig. der Kich- lung entsprechend. Trivium ist nicht der Kreuzweg, sondern der Drei weg; der Kreuzweg ist quadrivium, und compilum sowol Dreiweg als Kreuzweg. Anderes ist im vorhergehenden beiläulig mit zur Sprache gekommen.

Königsberg in d. N. Karl Natick.

8.

Jnhrimch für detifsrhe Litferalurgesrliirltfe. Jlerauac/efjeben von August Ilenneberger. Erster Jahrgang. Meiningen, Verlag der herzogl. llofbuchiiandhuig von Brückner u. Renner.

18:3:)." VIII u. 190 s.

Die deutsche I.illeraturgeschicble wird jetzt rüsliir angohaiil ; die wissenschaftliche Förderung derselben im ganzen und einzelnen wird lebendig betrieben und zufjleich dem Bedürfnis nach populärerer Dar- stellung, wie recht und billig, Genüge gelcislel. in neuster Zeit ha-

Henneberger: Jahrbuch für deiilsclie Lilferalurgeschichte, 87

ben sich denn auch mehrere Zeilschrit'len bejj rundet, um den auf va- lerläiulische Sprache und Lilleratur gerichteten Bestrebungen zum Mittelpunkte zu dienen, um welchen sich dieselben sammeln und zu einer energischeren ^^ irkung verbinden können. Ein solches neues Unternehmen begrüszen wir in dem oben genannten Werke: es wird allen Freunden deutscher Litteratur, dem Lehrer wie dem nicht blosz nach oberllaclilichem Genusz strebenden gebildeten Leser willkom- men sein.

Bei dem auftreten einer neuen Zeitsciirifl fragen wir billigerweise nach dem Ziele das sie verfolgt und wenden uns deshalb im vorlie- genden Falle zunächst zu dem kurzen einleitenden Vorworte des Her- ausgebers. Dasselbe beginnt damit dasz der Vf. meint, die wissen- schaftlichen Resultate, welche die Forschung auf dem Gebiete der deutschen Litteraturgeschichte bis heute zu Tage gefördert, seien in den groszen Arbeiten von Gervinus, Koberstein, Wackernagel voll- ständig und umfassend dargelegt, weshalb eine neue Bearbeitung des gesamten Materials gegenwartig kaum ein Bedürfnis sein dürfe. Dieser Meinung treten wir vollkommen bei: die Leistungen der genannten ausgezeichneten Männer sind so bedeutend, dasz, was immerhin noch in der einen oder andern Beziehung zu wünschen übrig bleibt, eine neue wissenschaftliche Behandlung des Gesamfgebietes zunächst sich wesentlich auf sie stützen müste und schwerlich über dieselben weil hinausgehen würde. Anders würde schon die Antwort lauten, wenn es sich um das durchführen eines besondern Gesichtspunktes handelte, wie dies noch kürzlich von Cholevius in Bezug auf die antiken Ele- mente der deutschen Poesie versucht w orden ist. Auch ist nur für die wissenschaftliche Behandlung die Frage nach dem Bedürfnis einer neuen Gesamtdarstellung zu verneinen: eine allgemeiner zugängliche, anregend geschriebene, die wichtigsten Gesichtspunkte zusammenfas- sende deutsche Litteraturgeschichte wäre trotz der Anzahl von diesen Titel führenden Büchern und trotz der verdienstlichsten Bemühungen einzelner noch immer nichts weniger als überflüssig.

Stimmen wir aber dem Herausgeber des Jahrbuchs hinsichtlich jener Ansicht bei, so ist dies nicht minder der Fall, wenn er als den zunächst einzuschlagenden Weg für die wissenschaftliche Behandlung der Litteraturgeschichte die Vertiefung in das einzelne bezeichnet, wenn er sagt, dasz litteralurgeschichtliche 3{onographien jetzt am dringendsten erfordert werden. Das ist gevvis hier wie auf manchem andern Gebiete der Fall, dasz es der Thäligkeit des einzelnen im ein- zelnen bedarf, dasz das ganze einstweilen ruhen und nur mittelbar durch die Einzelforschung wachsen musz, bis dann einmal das von vielen nach allen Seilen hin und in allen seinen Theilen durchgeschüt- telte, gesichtete ganze durch die Hand des Genius eine neue Gestal- tung findet. Denn in der gesammten historischen Wissenschaft möchte jetzt zweierlei gelten: einmal ist die Wissenschaft zu einem solchen Umfang angewachsen, dasz von einem umfassen derselben nicht mehr die Rede sein kann, sondern das streben des einzelnen sich auf das

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einzelne zu energischer Förderung werfen musz , und dann fehlt es unserer Zeit weniger an Gelehrsamkeit als an Produclioiiskraft; viel- leicht hängt das eine mit dem andern zusammen.

Bietet sich nun das Henuciicrgcrsche Jahrbuch als ein Stapelplatz für Abliandlungcn üher einzelne Scliriftsteller, Scliriften , Gruppen der deutschen Litleratur dar, indem es sowol der historischen ^\ie der aesthelischen Betrachtungsweise Baum geben zu wollen verspricht, so mag es als ein glückliches, förderliches Unternehmen begrüszt wer- den, welches der Theilnahnie gelehrter und gebildeler Kreise, hier insbesondere den mit deutscher Sprache und Litteratur verkehrenden Schulmännern warm empfohlen werden kann. Wenn dagegen ange- kündigt wird, es solle jälirlich einmal in einem Bande von der Stärke des vorliegenden (196 S.) ersclicincn, so möchten wir damit nicht ein- verstanden sein. Dies erscheint utis als eine das gedeihen der Unter- nehmung wie des vorgesteckten Zieles hindernde Beschränkung; auf diese Weise werden von vornherein Grenzen gezogen, welche unserer Erwartung die Spitze abbrechen. Halbes Leben ist kein Leben:, ein Organ für die Förderung der deutschen Litteralurgeschichte durch Ein- zelforschung musz ganzes Leben in sich haben, welches einen zwölf- monallichen Schlummer nicht verträgt. In dieser Art des erscheinens möchte ein Jahresbericht über das innerhalb des Jahres geleistete, ein Bepertorium verbunden mit gründlicher Kritik gedacht werden, nicht ein Unternehmen, Avelches sich thälig in die Mitte der Sache hinein- stellen will. AVir würden hier einer Vierleljahrschrift unbedenklich den Vorzug geben und bedauern, dasz der Herausgeber ein öfteres erscheinen nicht einmal in Aussicht gestellt hat. Der Wunsch und das bedauern ist um so natürlicher, als auf dem Titel uns in den Namen der Mitarbeiter (deren Zahl wol nicht als eine geschlossene zu be- trachten ist) Männer entgegentreten, von deren Betheiligung das beste und gediey;enste zu erwarten steht. Es sind genannt: Carriere, Üün- zer, Gervinus, J. Grimm, Ilelbig, Heltncr, Holland, Kahlerl, Keller, Klopp, Koberstein, Marggralf, Müller, l'assow, v. Plönnies, Prutz, R. V. llaumer, Kieger, Schäfer, J. Schmidt, K. Schmitt, Scholl, Ad. Stahr.

Der vorliegende erste Jahrgang nun bringt zuerst eine Abhand- lung zur Litteratur des Volksdramas von W. v. Plönnies. Dieser hat durch den Professor Zamminer in Gieszen die Abschrift eines Schau- spiels erhalten, das noch heute im Vispthale öflers zur Aufführung kommt. Zwar wird als Verfasser des Stücks Herr Lukas de Schal- len genannt, aber es gehört in den Kreis der Volk^lilteratur , wie PI. meint, tlieils weil es in jenem Thalc ueheii entschieden echten Volks- schauspielen noch immer dargestellt V)ird, tlieils weil zwei unserer schönsten und ältesten, auch in Wallis localisierlen Sagen seinen In- iialt bilden, endlich weil es als die Umarbeitung eines alten Volks- schauspiels erscheint. Die Kraft des ersten Grundes ist nicht hoch anzuschlagen und die letzte Vermutung' ist durch Beweise zu stützen. Das Stück selbst führt den Titel: "^ Die (Jrafen Phililiert und llodolph von Paciueville, oder Bruderliebe und l-lhetrcue.' Die (ie.seliichle

Heniieberger: Jalirhiicli für deutsche Litteralurgeschichte. 89

Philibcrls und seiner Gemahlin Mechlilde ist identisch mit der Hein- richs des Löwen , Gerhards von Ilolcnbacli und des Blöringers: nach langer Abwesenheit kehren sie durch übermenschliciie Hilfe gerade an dem Tage nacli Hause zurück, da die verlassene Gattin sich aufs neue vermählen will; dagegen enthält die Geschichte des in der Türkei ge- fangenen, durch seine Gattin geretteten Bruders getreu den Inhalt der Sagen von Alexander von Metz und von dem Grafen von Rom. Das Drama bat Prolog und Epilog und zerfällt in fünf Handlungen, deren jede von einer * Vorbedeutung' eingeleitet wird; diese Vorbedeutun- gen sind aus dem Sagenkreise des Ulysses und der Penelope entnom- men. Der Aufsatz tbeilt sehr interessante Bruchstücke mit; überra- schend wirkt im z\>eiten Acte das auftreten Christi, Mahomets und der katholischen Kirche, welche letztere mit der 3Iaria identificiert scheint. Vielleicht erfolgt an einer andern Stelle die Mitlheilung des ganzen, wobei dann eine Berücksichtigung des scenischen erwünscht sein wird. Stimmen wir nun auch mit dem Vf. in das Lob des milgetheilten, als eines neuen erquicklichen Zeugnisses der Geistesfrische, der Sittlich- keit und der dichterischen Kraft unserer südlichen Stammesgenossen, gern ein, so bedauern wir doch dasz er auf eine Untersuchung des Verhältnisses der vorliegenden Dichtung zu einer etwa schon vorhan- denen altern nicht weiter eingegangen ist: es möchte dies aber zur litterarhistorischen Würdigung des Schauspiels unerläszlich sein. Als zweiter Beitrag begegnet uns eine Miltheilung von K. G. Heibig in Dresden zur Biographie und Charakteristik Jacob Ayrers. Der Vf. war durch ein im J. 1846 in Dresden aufgefundenes Blannscript, 22 dra- matische Erzeugnisse Ayrers enthaltend, in den Stand gesetzt worden, die Zeit der Abfassung der Dramen gegen Tieck (deutsches Theater XVII sq.) dahin festzustellen, dasz viele Stücke schon in den letzten Jahren des 16n Jh. geschrieben, die englischen Komoedianten daher schon vor 1600 in Deutschland herumgezogen seien. Während diese schätzenswerthe Berichtigung allgemein anerkannt worden ist, hat man eine andere Notiz des Vf., Ayrers Todesjahr betreffend, über- sehn, als welches sich das J. 1605 durch eine Nachricht des Nürn- berger Archivs bezeichnet. Den Hauptgegenstand der vorliegenden mit Geschmack geschriebenen Abhandlung bildet die Vergleichung einer ungedruckten Komoedie Ayrers vom verlornen Sohne (aus dem dresdner Manuscript) mit dem gleichnamigen Stücke des Hans Sachs, Der Inhalt des Stücks des Vorgängers ist erweitert, aber das aus- spinnen der Handlung ermangelt der Kunst der Composition, dagegen zeigt sich ein nicht erfolgloses streben nach Charakterisierung, und der Ausdruck ist hie und da auf glückliche Weise gebessert. Dem- nächst stoszen wir auf Mittheilungen über Simon Dach, nach Hand- schriften der Rhedigerschen Bibliothek in Breslau von Dr. August Kahlert, der jüngst eine treffliche Monographie über Angelus Silesius veröffentlicht hat, ein Beitrag eben so anziehend durch die biogra- phischen Notizen wie durch die zehn beigegebenen, bisher, soweit uns bekannt, nicht veröffentlichten Gedichte Simon Dachs. Dieser ge-

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90 Ilenneberger: Jahrbuch für deutsche Litteraturgeschichte,

hört zu den auch in weiteren Kreisen bekannteren Dichtern des I7n Jh., allerdings mehr diircli sein ^Aennchen von Tliarau', als durch seine werlhvollen religiüsen Lieder. In Bezug auf jenes vielgesungene Lied sei bemerkt, dasz es keineswegs aus einer tiefern Neigung Dachs zur Pfarrerstücliter von Tharau entsprungen, sondern zu ihrem lloclizeits- (age, als sie einen andern heiratete, "^ zur Kurzweil' gedichtet ist. Si- mon Dach selbst geb. am 29. Juli IGOo, erst CoUaborator ander Dom- schule, dann Professor der Dichtkunst an der Universität zu Königs- berg, gestorben daselbst 1659 den 15. April, verheiratete sich 1641 mit Hegina Fohle, welche ihm 8 Kinder gebar. Der Vf. gibt einige IVotizen in Bezug auf die anfauglicii sehr dürftigen Verhältnisse des Dichters. Ein Dankgedicht desselben an einen helfenden Freund gibt zu einer interessanten Vcrgleichung mit einer Stelle des Faust Anlasz. Dach sagt: so viel Tropfen Blut es hegt (jener Freund hatte dem ar- men Dicliter einen Ochsen geschenkt), so viel sei dir zugelegt hier an guten Stunden; bei Goethe im Faust heiszt es (Goethes Werke, Ausg. V. 1851 Bd. 10 S. 39): die Zahl der Tropfen die er hegt, sei euern Jahren zugelegt. Die beigefügten 10 Gedichte Dachs werden- den Lesern höchst willkommen sein. Der vierte Beitrag handelt von Friedrich von Hagedorn, dessen poetische und litterargescliiehlliche Bedeutung Dr. Karl Schmitt in Marburg einer sorgfältigen Betrach- tung unterwirft. Auf einige einleitende Bemerkungen folgt ein kurzer Umrisz von Hagedorns Leben (geb. 23. April 1708, gest. 28. Oet. 1754), hierauf die Angabe seiner Schriften und eine eingehende Musterung derselben. Fls ist dies eine sehr verdienstliche Bemühung und ein Gewinn für unsere Littcralurgeschichte, durchaus diesen oben ausge- sprochenen Ansichten entsprechend: möchten in ähnlicher AVeise meh- sere einzelne Dichter oder Dichlergruppcn bcliandclt werden I Hier- auf folgt eine Abhandlung des Herausgebers: Joii. Ant. Leisewitz'' Julius von Tarent , ein Breitrag zur Geschichte und Kritik des deut- schen Dramas. Unter den einzelnen Gebieten der poetischen Litteraliir dürfte das Drama dasjenige sein, welches dem Litterarhistoriker noch den gröszteu Spielraum läszt: es ist für die Geschichte des deutschen Drama verhältnismäszig noch wenig geschehn, und des vielschrciben- den Job. Kehreiu Versuch einer Geschichte der dramatischen Poesie hat im Grunde nichts bewirkt, als dasz er den Mangel noch fühlbarer gema.cht hat. In neuster Zeit hat auch Job. v. Eicliendorlf einen Bei- trag gtdiel'ert (zur Geschichte des Drama , Leipzig IS34), a])er Iheils beschränkt sich die verhällnismäszig kleine Scluift nicht auf die deut- sche Litteratur, theils ist die Belraclilungsweise des berühnüeu Dich- ters, wie schon frühere Werke litterarhistorischen Inhalts gezeigt haben, nicht frei von Einseitigkeit. Die Schwierigkeit des Unternehmens ist dadurch noch gesteigert, dasz sich eine Geschichte der dramatischen Poesie ohne stete Bezugnahme auf das Theater niclit wohl denken läszt. Auch hier empliehlt sich denn das ausgehen vom einzelnen, und eine solche Betrachtung eines einzelnen, in der Geschichte des Dramas viel genannten Stücks liegt vor uns. Wir können hier nicht

Henneberger: Jahrbuch für deutsche Lilleraliirgeschichle. 91

wol auf die Analyse des Julius von Tarent und die Vergleichung mit Klingers Zwillingen eingehn und beschränken uns darauf den Lesern die Berichtigung einer Notiz initzathcilen , die sich fast in allen litterarhistorischcn Handbüchern findet, und die dennoch nur auf einem Jlisversliindnis heruht. Es ergibt sich aus der uüfgetheilten Ankündigung von Sophie Charlotte Ackermann und Friedrich Ludwig Schröder (Hamburg den 28. Febr. I77j), dasz damals nicht ein Preis von zwanzig Louisd''or für das beste Trauerspiel ausgesetzt wurde, sondern dasz man eine dauernde Einrichtung beabsichtigte, welche jeden Dramatiker (denn man sclilosz weder das Lustspiel noch auch Ueberselzungen aus) aufmuntern und ihm einen Gewinn zusichern sollte. Als mit Klingers Zwillingen zugleich zwei ganz ähnliche Stoffe be- handelnde Dramen eingiengen, entschied man sich für das Stück von Klinger und schrieb in der 3Iolivierung des Entschlusses: 'das zweite (Julius von Tarent) war des Preises entschieden werth, bis ihm das dritte, die Zwillinge, denselben abgewann.' Diese Worte geben An- lasz zu dem Misverständnis, als sei ein eigentlicher Preis für das beste Stück ausgesetzt worden; es war vielmehr nur der Fall einge- ^ treten, welchen man wol für Uebcrsetznngen, nicht aber für Original- stücke vorhergesehen hatte, nemlich dasz verschiedene Verfasser den- selben Stoff behandelt hatten. Hier war eine Wahl nothwendiger- weise zu treffen, und man entschied sich für Klinger. Die nächste Stelle im Jahrbuche nimmt ein Aufsalz von Heinrich Düntzer über Goe- thes Satyros ein, der nach unserer Ansichtsich am wenigsten empfeh- lende Beitrag. Denn der Vf. ist nach und nach in eine unerquickliche Vielschreiberei hineingerathen , die seinen meist auf löbliche Intentio- nen und auszerordentlicher Detailkenntnis ruhenden Schriften zur Goethelitteratur einen guten Theil des Vv'erthes, den sie bei anderer Ausführung haben könnten , hinwegnimmt. Den Schlusz der Auf- sätze macht eine Untersuchung von Wilhelm Müller über die geschicht- liche Grundlage der Dietrichsage. Von der Ueberzeugung ausgehend, dasz die Sage von Dietrich von Bern im Gegensatz zu der wesentlich mythischen Siegfriedsage auf historischem Grunde ruht, bemüht er sich das Verhältnis des geschichtlichen Grundes und der mythischen Bestandtheile, welche sich an jenen angesetzt, nachzuweisen. De» Reigen schlieszt nun ein Bericht über die im Gebiete der deutschen Litteraturgeschichte im J. 1853 erschienenen Schriften von W. A. Pas- sow. Das Verzeichnis ist freilich nicht vollständig und weist nament- lich nicht das in Programmen, Zeilschriften usw. zerstreute nach, ein Mangel , den der Vf. von vornherein zugibt und entschuldigt. Die Art und Weise, wie das zusammengestellte Material in der Anordnung sowol wie in der Beurtheilung behandelt ist, berechtigt zu der Er- wartung, der nächste Jahrgang, wenns denn beim Jahrgang bleiben soll, werde eine werlhvoUe vollständige durch ein scharfes aber ge- diegenes Urtheil sich auszeichnende Arbeit über das J. 1854 bringen. Sollte es möglich sein, werthvoUere Programmabhandlungcn oder Zeit- schriflsarlikel nachträglich zu berücksichtigen, welche dem Jahrgang

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92 Auszüge ans Zcilscliriften.

1853 angehören, so würde die Zugabe nur willkommen sein, auch möchte das paedagogische Interesse mögliclist berücksichtigt werden!

So nehmen wir denn' von dem ersten Bande des neuen Unterneh- mens Abschied mit der HolTnung auf ein fröhliciics rüstiges Gedeihen und demseiheu eine recht allgemeine und warme Theilnahme wünschend.

Dresden. ' F. V.

Auszüge aus Zeitschriften.

Zeitschrift für die ösierreichischen Gymnasien. V. Jahrgang 1854 (s. Bd. LXIX S. 695—98).

2s Heft. Abhandlungen: G. Curtius: Andeutungen über den ge- genwärtigen Stand der homerisclien Frage. Fort.setzung und Schlusz (S. 89 115: nachdem die Vermittlungsversuche Fäsis, Grotes und Friedländers als unhaltbar bekämpft, beiläufig auch Puntschart: die liias und ihre Bedeutung berücksichtigt ist, werden die Resultate der Forschungen von Sengebusch, C. A. J. HolTuiann, 13. Giseke dargelegt, wobei gezeigt wird, dasz auf die kleinen sprachlichen Verschiedenhei- ten ein zu groszes Gewicht gelegt werde. Unter den Fortsetzern der Lachmannischen Forschungen werden als bedeutsam die '■Betrachtungen über die ilias' in den Blättern für litterarische Unterhaltung lb4i 1'26 29 hervorgehoben, obgleich gegen die Unterscheidung der beiden Massen Bedenken vorgebracht sind. Gleiche Einwände werden gegen Cauer erhoben, zuletzt auch Holms Bestrebungen anerkannt. Als Resultat des Ueberblicks erscheint, dasz kein stimmfähiger Forscher die Ilias, wie sie uns vorliegt, für das Werk eines Dichters erkenne. Der Verf. bekennt sich zur Liedertheorie, erkennt aber bestimmte Ele- mente der Einheit an und bezeichnet die Sage, die Dichter, die Nach- dichter, die Rhapsoden und die Ordner als die Factoreu, durch welche die Ilias zu dem ward, was sie den Griechen nach Peisistratos war). Jäger: Beiträge zur österreichischen Geschichte. Ueber die Grün- dung der babenbergischen Ostmark (S. llö 24: das schon von Meiller gefundene Resultat, dasz die Gründung im J. 975, sicher im Anfange 976 statt fand, wird durch die politischen Verhältnisse im südlichen Deutschland begründet). Litterarische Anzeigen. Lichner Pältöl Hellen nyeltvan. Von K. Halder. Erster Artikel (S. 125 36: ein- gehende Beurtheiinng dieser in magyarischer Spraclie geschriebenen (Grammatik, deren hohe Bedeutung für Ungarn anerkannt wird). Seyffert: Uebungsbuch zum Uebcrsetzcu aus dem Deutschen ins La- teinische für Secunda. iv. Aufl. Von Grysar (S. 137 39: unter Älitllieilung einiger Verbesserungsvorschläge durchaus anerkennende Bcurlht'ilung). C. Sallusti Crispl Historiarum fragmenta. Ed. Frid. Kritz. Von Linker (S. 139 14: na<;li Darlegung des Schick- sals der l''r:(gmente in der Litteratur werden die bedeutenden Ver- dienste <les Herausgebers gewürdigt). Orlando furioso di L. Ariosto, edito ad uso delie scuole, con note ed un indice, dal IJolza (S. I44 147: Selbstauzcige unter Angabe der für die Casiigation leitenden Grundsätze). Becker: Handkarte von Niederösterroich für Schulen. Von ¥v. Simony (S. 148 51: als höchst werthvoll l)ezeichnct). Schmarda: Grundzüge der Zoologie. Von INI. II. Schmidt (S. 151

Auszüge aus Zeilschriften. 93

60: es werden sehr viele Fehler und uiizweckmäszlge Stellen gerügt).

Verordnungen und Personal-Notizen (S. 161— 67j. Miscellen. A. Wilhelm: Bemerkungen zu der statistischen Uebersicht über <!\e Österr. Gymnasien: Classification. Schulgeld (S. 168 71: es werden einige genauere Angaben gewünscht und in Bezug auf die Befreiung vom Schulgeld strenge Beachtung der gesetzlichen Vorschriften gefor- dert). — Litterarische Notizen (S. 171 176: Auszüge aus diesen Jahrbb., wobei Ref. sich freut, die Absicht seiner Anzeige Bd. LXVIII S. 514 ff. freundlichst anerkannt zu sehen. Ueber das Princip ist freilich eine Einigung nicht herbeigeführt).

3s Heft. Abhandlungen. A. Wilhelm: zur Frage über Wahl und Behandlung der Aufgaben für deutsche Aufsätze, insbesondere im Obergymnasium (S. 177 85: die Zweckmäszigkeit der Bestimmungen im Organisationsentwurfe wird unter Hinzufügung einiger weiteren Bemerkungen nachgewiesen). E.V. Sydow: einige Worte über den Werth und die Verwendung der Karte beim geographischen Unter- richte (S. 185 94: Vortrag in der Versammlung der deutschen Real- schuUehrer in Gotha 1847. -Man müsse die Karte lesen lehren durch die Heimatskunde; die Wandkarte solle sich der Lehrer von dem Schüler vorlesen und erklären lassen; auch die Repetition müsse sich an die Karte anlehnen; das verstandene wiedergeben zu können, wird als Hauptpunkt bezeichnet). A. Martin: Beitrag zur FJntwicklung einer Elementartheorie der Fliehkraft für Schul- und Lehrbücher in Obergymnasien und Oberrealschulen (S. 194 99j. Litterarische Anzeigen. Hellen nyeltvan Lichner Pältöl. Von K. Hai der (S. 200 211: Fortsetzung der im vorhergehenden Heft begonnenen ein- gehenden Beurtheilung). Schultz: Lateinische Sprachlehre für Gym- nasien. 2e Au9. Von Grysar (S. 211 14: lobende Beurtheilung. Gegen einzelne Bestimmungen werden Bedenken erhoben , die Ueber- sicht der römischen Litteraturgeschichte als überflüssig bezeichnet). Dasselbe Werk. Von A. Wilhelm (S. 214 17: da die Frage, ob eine lateinische Grammatik ein Bedürfnis für die oberen Klassen sei, bejahend beantwortet wird, so erhält das vorliegende Buch zu diesem Zwecke Empfehlung). Orazioni scelte di M. T. Cicerone, con note del G. Marimonti. Milano 1854. Von Linker (S. 217—21: die Texteskritik wird als durchaus ungenügend, die Anmerkungen als dürftig und vielfach überflüssig nachgewiesen). E. Ho ff mann: zu Virgil (S. 221 24: die Aen. XII 285 von dem Verf. in der Epitome aufgenommene Lesart tcrunt wird zu rechtfertigen versucht, X, 186 in Cinyra der Name eines Ortes oder auch nuinero cum paucis vermu- thet, im darauf folgenden Verse crimen durch ccws« erklärt : 'eure Vei'- anlassung ist die Liebe und das Kennzeichen der väterlichen Gewalt = Veranlassung ist die Liebe zu euch, als dem Kennzeichen '). Kehr ein: Entwürfe zu deutschen Aufsätzen und Reden. Von A. Baum- garten (S. 225-35: das Feld hätte enger begrenzt sein sollen. Dis- positionsaufgaben werden Aerworfen, die zu grosze Zahl der religiösen Aufgaben als zweckwidrig getadelt, moralische Sätze nur zur Begrün- dung, nicht zur Beurtheilung und die Anknüpfung an concreto Fälle empfohlen, die Dispositionen öfters als zu oberflächlich getadelt, sonst aber vieles gute anerkannt. Während die iVIethode bei den Uebungen zum disponieren Beifall findet, wird die Einleitung in die Stilistik und Rhetorik verworfen). Leydolt und Machatsc hek : Anfangsgründe der Mineralogie. Von ^I. H. Schmidt (8. 235 40: zwar wird das Buch nur für Oberrealschulen tauglich, für diese aber die Methode und der Gang als zu sehr wissenschaftlich ungeeignet gefunden. Im übrigen aber von demselben nur günstiges gesagt). BIIT Grundrisz der Bo- tanik für Schulen. Von Unger (S. 240 f.: als sehr zweckmäszigdriu-

94 Aiiszüg-e aus Zeitschriften.

gend empfohlen). Verordniinoen und Statistik (S. 242 51). Mis- cellen. A. Wilhelm: über fertige Uebersetzungen als Hilfsmittel der Praeparation (8. 252 54: iler Gebrauch solcher wird als auf unrichtige Forderungen und unzweckniäszige Leitung der Praeparation hinweisend bezeichnet und auf die Wirkung des Unterrichts als einziges Gegen- mittel hingedeutet). Unterstützung der Gymnasien durch die Ge- meinden und Privaten (S. 254 f.: im Pest- Ofener Bistricte sind bis zum Schlusz des Jahres 1853 für die Gymnasien Augsb. und Helv. Conf. gestiftet worden an jährlichen Leistungen 17974 H. ]0 xr., an Capitalien 539357 fl. 33 xr.). Bibliographische Uebersicht über die Ausgaben lat. Kla.ssiker seit 1853 (S. 256—60).

4s Heft. Abhandlungen. Thomas: Ovidiana mit besonderer Rücksicht auf die Metamorphosen, erklärt von M.Haupt (S. 262 79: eingehende Würdigung der Verdienste des Herausgebers. Ueber die Wiederholung desselben oder derselben Worte wird eine längere Aus- einandersetzung gegeben und eigene Urtheiie über I, 10: wo Tellus vertheidigt wird, 1, 134 über insultare, 11,75: es sei zu interpungiren: (|uid ages? poterisne rotatis obvius ire polis? ne te citus anferat axis ! n, 760 ff., wo einige Andeutungen hinzugefügt werden, HI, 63, wo fuerat als Plusquamperf. gefaszt wird, lU, 658: praesens deus = urspr. der leibhaftige Gott, IV, 176 zusammengestellt mit Hom. Od. VIIl, 280—82; desgl. IV, 484 mit II. IV, 439. IV, 320 mit Od. VI, 150. V, 612 f. wird keine Anakoluthie angenommen, IV, 303: diriguit erklärt). Jäger: Beiträge zur österreichischen Geschichte. H. über die Pri- vilegien der Babenberger (S. 279 90: durch Darstellung der Litteratur wird nachgewiesen, dasz die Unechtheit sowohl des sogenannten maju.«, als auch der übrigen Privilegienurkunden feststehe, die Frage nach der Zeit und dem Urheber der Fälschung noch unerledigt sei und auch ohne Nachtheil unerledigt bleiben könne). Litterarische Anzeige. Hellen nyeltvau Lichner Pält()l Von K. Halder (S. 2*)l— 302: Schlusz der in den vorhergehenden Heften begonnenen Be'irtheilnng. Das End- resultat ist, dasz durch die Abweichungen von G. Curliu.s nichts ge- wonnen, sondern nur an Genauigkeit, Praecision und Richtigkeit einge- büszt worden sei). Emo: grammatica delia lingua greca. 3e edizione. Von Fr. Hochegger (S. 302 305: die Berücksichtigung gegen die frühere Ausgabe gemachter Bemerkungen wird anerkannt, aber eine gänz- liche Umarbeitung dringend empfohlen). Mo isz iss tzi g: lateinische Grammatik. 2e Auflage. Von Grysar (S. 305 308: als sehr brauch- bar bezeichnet, doch werden einige Berichtigungen gegeben). Bi- bliotheca scriptorum Graecorum et Ronianornm Teubneriana. Von G. Linker (S. 308 13: Babrii fabulae ed. Schneidewin, Diodor. Sicnlus ed. Bekker, Pausan. ed. Schubart, Quintus Smyrnaeus ed. Köchly, Plato ed. Hermann vol. VI., Plutarch ed. Sintenis vol. IV., Cicero ed. Klotz II f, 1, (lellius ed. Hertz werden anerkennend bes|)rochen und das Unternehmen dringend empfohlen). Schaefer, J. R.: Tabellen zur Geschichte der deutschen Litteratur, San Marte: Walther von Acjiii- tanien, K. Bart hei: Leben und Dichten Hartmann's von Ane. Von Weinhold (8. 31.3 Ki: Nr. 1 wird als zweckmäs/ig empfohlen. Ge- g(Mi Nr. 2 wild dem Fckehard I. in Antheil an der V'erfas.-er.^chaft vindiciert und die Mythe als eine historische genommen, sonst aber die Arbeit gt^lobt. Nr. 3 von bereits verstorbenem \'erf. wird als für Nichtfachgclehrte nützlich beurtheilt). ^leurer: Leitfaden für den Unterri<;ht in der Geogra[>hie. 2e Aufl. und kurze Uebersicht der Geo- gra[(hie. Von A. Steinhauser (8. 316 19: der l'mfang und die strenge Systeuiatisieruiig machen das sonst gelobte Hiieh für die öster- reichischen Gymnasien ungeeignet; die zeitige Rücksicht auf die Karte wird belobt. Am Sihliissc erläutert der Kec. an einem Bci.-picle, wie

Auszüge aus Zeilschriften. 95

auch auf der unteren Stufe bereits vergleichende Giograpliie getriieben werden könne). v. Littrow: die VVunder des Himmels. 4e Auflage. Von Kr eil (S. 320 f.: der fleiszigsten lieiiiitzung auch in der neuen Auflage empfohlen), Verordnungen und Statistik (S. 322 37). Bibliugr. Üebersicht. Ausgaben der lat. Classiker (S. 338 41). Litterarische Notizen (S. 34l 44: aus diesen N. Jhrbb. werden iMit- theiinngen über R. v. Raumers Selbstanzeige und Sclineidewins Artikel zur Sophokles- Litteratur gemacht). Böhm: liemerknngen zu der Beurtheilung seines kleinen logarithmischen Handbuchs und des Rec. Gernerth Gegenbemerkungen dazu (S. 344 48).

ÖS Heft. Abhandlungen. Revidierte Ordnung der lateinischen Schulen und der Gymnasien im Königreich Bayern (S. 339 95: unter Vergleicluing mit dem österreichischen Organisationsentvvurf werden zuerst die einzelnen Bestimmungen mitgetheilt und erläutert. Gegen die Lectüre von Ciceros philosophischen und rhetorischen, von Senecas und Xenophons philosophischen Schriften werden Bedenken erhoben, die des Isokrates nur kurz und vorübergehend gewünscht und bei der Kürze der Zeit nur ein Tragiker, Sophokles, empfohlen. Principieller Widerspruch ergibt sich gegen die Anordung des deutschen Unter- richts, in dem Zweckmäszigkeit und Angemessenheit für das Alter ver- miszt und die theoretische Behandlung der Dicht- und Redekunst, so wie die Lesung des Parcival entschieden getadelt wird. Auch der Lehr- plan für Geschichte und Geographie erfährt vielfache Ausstellungen. Als ganz verfehlt wird die Hinausschiebung des geometrischen Unterrichts bis zur letzten Stufe und dadurch der Unterricht in der Physik als unmöglich bezeichnet. Das durchgreifende Merkmal, dasz ausschliesz- lich lateinisch und griechisch die Grundlagen bilden, wird noch durch die Bestimmungen über die Location und Maturitätsprüfung und das Lehramtsexamen dargethan. Das Verfahren bei der Location, die Preise, das beibehalten der einmal eingeführten Lehrbücher für 5 Jahre, die Zusammenlegung aller Ferien werden bedenklich gefunden, übrigens aber vieles gute und namentlich mancher richtige methodische Wink anerkannt). Verordnungen und Statistik (S. 396—99). Miscellen. Vanic'ek: allgemeine Betrachtungen über den Vortrag der Vaterlands- kunde auf österreichischen Gymnasien (S. 400-^403: nachdem die Ein- richtung als ein sehr erfreulicher Fortschritt begrüszt ist, wird das bürgerlich-moralis^jhe IMoment als hauptsächlich zu berücksichtigen be- zeichnet). — Schulprogramme österreichischer Gymnasien und Real- schulen am Schlüsse des Schuljahrs 1850 (S. 403-22: von A. Wil- helm werden beurtheilt: Posselt: über Regelung der Lectüre bei studierenden und Foges: einige Worte über den Nutzen der französi- schen Sprache für Gymnasialschüler. Böhmisch-Leipa. Zbonek: über den Einflusz des altclassischen Studiums auf die sittlich-religiöse Bil- dung der studierenden Jugend. Klattau. Czajkovski: die heidni- schen Classiker als Biidungsmittel der jetzigen Gymnasialjugend. Boch- nia. Göbbel: Gründe, welche für die Beibehaltung der altclassischen Studien in unseren Gymnasien sprechen. Hermannstadt, Siegl: ein Wort über die Reform der Gymnasien in Ungarn. Leutschau. Dra- goni: über die religiös-sittliche Bildung an Gymnasien. Neusohl. Ein Wort über Aufklärung und IVIen-schenliebe. Oedenburg. Einiges über die frühzeitige Erwerbung naturhistorischer Kenntnisse. Güns. Bes- ser: über den Unterricht in der deutschen Sprache als Muttersprache. Oberschützen. Peinlich: Bemerkungen zur Satzlehre. Ofen. L au- kotsky: wie sollen fremde Sprachen gelehrt werden. Görz. ^lelzer: Bemerkungen über die auf religiöser Grundlage zu eszlelende harmo- nische Bildung der Seelenkräfte bei der Anleitung zum Geschichts- studiura. Laibach. Verualeken: die allgemeinen Bildungsmittel der

90 Auszüge aus Zeilschriften.

Realschule mit besonderer Rücksicht auf den deutschen Unterricht in den Oberclassen. Wien. Beleuchtungen einiger Einwürfe gegen das Wesen der jetzigen Realschule. Wien. Ueber den Humanismus an Realschulen. Reicheuberg. Von J. G. S ei d 1 wird besprochen Holz er: Winke für angehende Dichter und ihre Lehrer. Krems; von Kr eil: Gernerth: üher die Bestimmung der Schwingungsdauer eines einfachen oder mathematischen Pendels. Wien. Reslhuber: die Constanten von Kremsmünster. Kremsmünster; von Gernerth: Schöpf: zur Ableitung der Neperschen Analogien und der Gaussschen Formeln in der sphaerischen Trigonometrie. Prefsburg. ni gs ber g: über Zah- lenthe<)rie und deren Benützung am Gymnasium und über einige Eigen- schaften der geometrischen und arithmetischen Reihen. Olmütz. Fr a nze n shn Id: Entwicklung allgemeiner Gesetze für Dreieckseiten. Wien. Streinz: über Logarithmenberechnung. Marburg). Litte- rarische Notizen. G. Linker: zu den Fragmenten des Livius (S. ■i'2'1 f. : die Beweise für die Unechtheit der Fragmente Nr. 4 und 79 Weissenb. werden angeführt). Neue Fragmente von Ciceros Schrift de fato (S. 4-'3 25: -Miltiieilung der darüber ausgesprochenen Ansich- ten von Schneidewin und Ritschi). Breiter: Entgegnung auf Schenkls Beurtheilung von Spiess griechischen Uebungsbüchern und Schenkls Antwort darauf (S. 425 '28).

6s Heft. Abhandlungen. Jäger: Beiträge zur österreichischen Geschichte. H, § 3 (S. 4i9 41: es wird dargethan , dasz das Privi- legium von Heinrich IV. dd. Dürenbach 4. Oct. 1058 unecht sei). A. Wilhelm: das zu wenig nnd zu viel im deutschen Unterrichte (S. 441 49: unter I wird für die deutsche Leetüre zwar Prae|)aration des Schülers em[)fohlen, aber unter genauen Bestimmungen und Beschrän- kung für die einzelnen Fälle, so wie auf ge\>isse Lesestiicke, rück- sichtlich der Ueberblickung des gelesenen aber Theilung in Abschnitte und Beschränkung auf Hauptsachen gefordert und dies an Beispielen erläutert. Im zweiten Abschnitt verwirft der Verf. den Gebrauch von Lehrbüchern der Poetik und Rhetorik gänzlich und zeigt, wie man das, was man zu errelclien holfen dürfe und erreichen müsse, auf anderem Wege durchführen könne). Litterarische Anzeigen. C. Julii Cacsaris comm. d. b. c. libri HI. Für den Scliiilgebrauch von Qu eck. Von Kergel (.8. 450 57: die Ausgabe wird empfohlen. Auszer anderen kritischen Bemerkungen werden besprochen die Stellen 111, 77, '2, wo enim zu streichen gefordert wird; III, 81, 3, wo Rec. des Herausgebers Conjectur verwirft und plcnis frumevtorum zur Ausfüllung der Lücke vorschlägt; 1,1, I, wo die Worte a Fabio C. verworfen werden und I, 2, 3, wo eine neue Erklärung versucht wird). Hagen: Catillna. Von Linker (S. 458 62: beigestimmt wird der Ansicht über Ciceros vierte catilinarische Rede, dagegen nicht rücksichtlich der Schätzung der Quellen; auch wird einzelnen Behau|)tungen widersprochen und die Uebersichtlichkeit vermiszt, sonst aber der vScIiarfsinn und Fleisz an- erkannt). — Xenopliontis Anabasis. Commentariis instruxit R. Kühner und in deutsciier Sprache erläutert von dems. Von Sehen kl (S. 462 67: unter einzelnen abwelchendt-n Ansichten \^Ird das Verfahren rück- sichtlicli der 'I'fxte.-kritik g<'billigt, ilcr ('ommcntar der t rstiMi Ausgabe aber bei Anerkennung manches si hätzenswcrllien weder für Gelehrte iiocii für Srhiiler recht gelialleu gefunden; die z^^eite Ausgal)e wird als der Krügf-rsclien und Hertleins< hen uai hstehen«! bezeichnet). Her- zog: StotV zu stilistischen Uebungt-n in der AIiitterspra( he. 5e Aufl. Von A. Baumgarten (8. 467 HO: nach eingehender Prüfung dem Lehrer der deutschen S|)rache zur selbständigen freien Benützung einpfidileii). Hattala: I^autlehre des Alt- und Neuböhmischen und des Slovakischen. Von Si bleicher (S. 480 82: al.'i erster Versuch

Auszüge aus Zeitschriften. 97

einer wissenschaftlichen Behandlung empfohlen). Schmidt: Stati- stik des österreichischen Kaiserstaats und österreichische Vaterlands- kunde. Wien. Schulbüciierverlag. Von A. Steinhaus er (8. 482 92: beide Werke werden zwar als nicht genügend, aber doch als Bei- träge zur Erreichung eines guten Lehrbuchs bezeichnet). Verord- nungen und Statistik (S. 493 96). Miscellen. P. Zingerle in hieran: von der Einrichtung der Ausgaben deutscher Classiker zum Gebrauche für die Gyninasialjugend (S. 497 500: nach Darlegung des vielen gefährlichen, was die deutschen Classiker für Jünglinge, insbe- sondere für katholische enthalten, wird die Aufforderung gestellt: eine sorgfältig gewählte deutsche Jugendbibliothek aus dem bedeutendsten der deutschen Litteratur herauszugeben. In einer Nachschrift erklärt sich J. M(ozart) für die Zweckmäszigkeit des Vorschlags, macht aber auf die Schwierigkeit der Ausführung aufmerksam). A. Wilhelm; über die Höhe des Lebensalters der Gymnasialschüler (S. 500 504: es wird an drei Gymnasien gezeigt, wie sich die Durchschnittszahlen ermitteln lassen und darauf bezügliche Aufforderung an die Directoren der Gymnasien gestellt). Litterarische Notizen (S. 504 12: Mit- theilungen, z. Th. aus Zeitschriften, über die allgemeine Älonatsschrift für\Vissenschaft und Litteratur, Hirsch: Stimmen des Volks, Szlävik; Personalbestand des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht, Zell: Epigraphik, Kochs und Ingerslevs lateinische Schulwörter- bücher).,

7s Heft. Abhandlungen. Grysar: über die Formen und den Gebrauch des lateinischen Imperativs (S. 513 39: nachdem die Unter- scheidung nach Praesens und Futurum zurückgewiesen, dagegen in im- perativus und iussivus oder hortativus gebilligt ist', werden die Ge- brauchsweisen durchgegangen. Der Verf. bestreitet, dasz ne mit dem iussivus nur dichterisch sei und erkennt auch die von Madvig über ne mit dem coni. praes. und pf. aufgestellte Regel nicht an). Littera- rische Anzeigen. Sophokles Elektra. Erklärt von Schneidewin, und Aias und Philoktet. 2e Auti. Von E. Ho ff mann (S. 530 49: Rec. erhebt Einwendung gegen die gar zu abfällige Schätzung der Euripideischen Elektra und bespricht vs 152. 192. 337 (Vorschlag: roiccvtu nüV.ov '/.cd öe). 363. 371. 432. 451. 495 (TtQO tcövöi xoi 8£%ov und «J/^fipf's). 581 [zu dieser Stelle gibt H. ß. in einer Anmerkung eine Berichtigung wegen des Unterschieds von oga fj,^ tL&fjS und oqu yn] xiQ^rig]. 608. 668 (cux olöa rotaür' uvSQoq). 761. 783. 8i8 (t^oii statt Bßoa). 1075 {'Hls-ATQCi zog ail tiuxqÖs). Bei der zweiten Ausgabe des Aias vertheidigt Rec. einige schon früher ausgesprochene Ansichten, stimmt einigen Veränderungen bei und bespricht 645 (ov zco für ovTtco). IIV. 978 {ontrii.i7t6lriv.cig jj! caanc-Q). 1031 liyvänzBt, ccLavsg z' ccTttrpv^tv ßiov); im Philoctet 502. 852 ff. (sl ö' uv zuv zovzov yc6t.ic(v i'G%iLg und fiaAa zoi uTtoqä y tviSttv Tcd&rj). 862 (ßXtTt, sl 'AdLQici cfd-tyyo^ai). 864). La Metamorfosi di P. Ovidio Nasone, espurgate con note del prof. Gius. Rota. Von G, Linker (S. 549 52: zum Schulge- brauche ungeeignet). Volckmar: poematia latina. Von Grysar (S. 552: empfohlen). Wolf: die deutsche Götterlehre und Cols- horn: deutsche Mythologie. Von K. Weinhold (S. 552 54: beide dringend empfohlen). Petersen: Lehrbuch der Geographie und Schuberth: Schulatlas der alten und neuen Geographie. Von Stein- hau ser (S. 555 59: das erstere Buch trotz mancher Ausstellungen belobt, der Schulatlas aber unter der Stelle gefunden, welche ihm seine äuszere Ausstattung anweise). Kunze: Lehrbuch d. Geometrie. 2e Aufl. Koppe: die ebene Trigonometrie. 2e AuH. Brennecke: die Berührungsaufgabe für Kreis und Kugel. Von Gernerth (S. 559 64: Nr. 1 sehr gelobt, auch Nr. 2 und 3 empfohlen). Verordnungen

98 Auszüge aus Zeitschriflen.

und Statistik (S. ü6ö 77). ^Miscellen. Schulprogranime österreichi- scher Gymnasien und Realschulen am Schlüsse des Schulj. 1852 53 (S. 578 86: von Gernerth \Yerden besprochen: Lobpreis: über die Vertheilung des mathematischen Lehrstoffs auf Gymnasien. Wien, Theresianum. Leitgeb: die Yerschiedenen Methoden zur näherungs- weisen Berechnung der Ludolphischen Zahl. Triest. Von H. Bonitz: Dostai: kiirzgefaszte Zusammenstellung der Litteratur der Griechen von ihren Uranfängen bis zum Schlüsse des zweiten Zeltraums. Saaz. Steyskal: Kintlusz der homerischen Poesie auf die gesammte Cul- tur Griechenlands. Znaim. Schenkl: kritische und erklärende An- merkungen zu den Trachinierinnen des Sophokles. Prag. Hocheg- ger: de orationum in veteriim historiis origine et vi« brevis commen- tatio. Pressburg. Kahiert: Parallele zwischen der Platonischen und Aristotelischen Staatsidee. Ir Thl. Czernowitz. Schreyer: wie der Grieche und der Deutsche den Ablativ decken. Iglau. Von G. Cur- tius: Burkhard: über die Personalendungen des griech. Verburas und ihre Entstehung. Teschen. Ev. Gymn.) Unterstützung der Gymnasien von Seite der Gemeinden und Privaten (S. 587 89: wir erfahren mit Freude, dasz für die 8 evangelischen Privatgymnasien des Kaschauer Districts bis zum Schlüsse des Jahres 1853 die finan- zielle Aufhülfe 5855 fl. 2 xr. jährl. Leistung 268455 fl. 18 xr. Capital betrug). Litterarische Notiz. Bekker: de Ilomanorum censura scenica. Von Grysar (S. 580 92: Referat unter einigen Einwen- dungen).

8s Heft. Abhandlungen. A. Schmidt: über geographische Hilfsmittel (S. 593 98: um dem Lehrer das eigene Studium möglich zu machen, wird auf die Vortheile einer geographischen Gesellschaft und einer von ihr herausgegebenen Zeitschrift hingewiesen, bi^ eine solche aber in Oesterreich ins Leben treten werde, die Beachtung und Unterstützung der Berliner Zeitschrift für allgemeine Erdkunde em- pfohlen). — Büdinger: historische Aufsätze der 'allgemeinen ]Monats- schrift für Wissenschaft und Litteratur' vom Juli 1851 ^Decbr. 1853 (S. 599 624: ausl'ührliche Relationen, wobei die Aufsätze nach ihrer innern Verwandts<haft geordnet erscheinen, damit dadurch ein Bild der gegenwärtigen nestrel)nngen in der Gescluchtschreibung und Forschung gegeben werde). Litterarische Anzeigen. E^iripides Medea. Er- klärt von Schöne. Von Schenkl (S. 625 28: sehr anerkennende Beurtheilung. Auszer andern abweichenden Ansichten emendiert Rec. 215 Tor's d' bv ^VQCiioig' OL d' <xq)' rjav^ov Tcodog dvo'/ilsiciv iy.Trjoavto y.cd QCi&vi.iiag , 456 vn oder t^ KvavÖQLKg , 760 cog vmI öoy.c-i (loi xavxu Ticcyy.ciXcog f%iiv. An mehreren Stellen Avird die Vulgata durch Aende- rung der Interpunction zu retten gesucht). Schenkl: griechisches Elemcntarbuch. 2e Aufl. Von K. Enk (S. 629 f.: die Vervollkomm- nung wird rühmend anerkannt, einige Wünsche ausgesprochen). de Gravisi: italienisrlie Taschengrammatik. Von Bolza (S. 630 f.: unter einigen Bemerkungen als sehr eiiipfehlenswerth bezeichnet. Nur der Titel wird getadelt). Wy|)i.si Polskie. Von Bratranek (S. 631 3.^: sehr anerkennend. Für eine neue AufInge werden einige Vorschläge gemacht). Duncker: Geschichte dss Allerthums. 2r Bd. Von Thomas (S. 633— 3(): allen Lehrern zum Studium empfoh- len). — Seydlitz: Leitfaden für den Unterricht in der Ge(>graj)hic. 7e Aufl. von Gleim. Von Steinhauser (^N. 636 41: Lob und Ta- del fast in gleichem Verhältnisse). Simony: kleiner Schillatlas. Von Steinhauser (S. 641 f.: nicht gelobt). Verordnungen und Statistik (S. 643— 53). -- Miscellen. A. Wilhelm: die Lehrerconfe- ren/.en (S. 654 57: Anweisung, wie die Lehrerconferenzen gehandhnbt werden müssen, damit die l'rolokcdle ein Bild der Sciiule geben und

Auszüge aus Zeilschriften. 99

die früheren monatlichen Prüfungen ersetzen). Schniprogramme (S. 55g_6öl : von A. Gernerth werden besprochen: Pisko: Foucaults Beweis für die Axendrehiing der Erde. Brunn. Pegger: Parallelo- grammo delle forze. Zara. Radman: dell' uso de calcolo e della sua importanza nello studio della fisica. Udlne. Von Pokorny: Sa- ni arani: Suir importanza ed utilita delle scienze natural!. Creina. Cornaggia: Rapidi progressi, che feci la geologia. Monza. Ma- grini: della intluenza delle scienze naturali sulla cultura letteraria et sul carattere inorale della gioventii. Mailand Porta Nuova). Bibliographische Uebersiclit (S. 661 71: historische Litteratur). Litterarische Notizen (S. 671 f.: Giebels und Heintzs Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften und Giebels und Schallers Weltall). 9s Heft. Abhandlungen. Jäger: Beiträge zur österreichischen Geschichte (S, 673 96. 11,4: umständlicher und erschöpfender Beweis, dasz das sogenannte Privilegium malus unecht, dagegen das minus echt die von Kaiser Friedrich I. am 17. Sept. 1156 an Heinrich Jaso- mirgott verliehenen Privilegien enthalte). Litterarische Anzeigen. Bergk: poetae lyrici Graeci. Ed. II und dess. Anthologia lyrica. Von G. Linker (S. 697 702: die Bedeutsamkeit beider Arbeiten ein- gehend würdigende Beurtheilung). T. Spiess: teorica delle forme grecche pei principianti. Trento 1853. Von Hochegger (S. 702 f.: die Ausführung mit Ausnahme der Correctheit des Druckes gelobt. Die Absicht verfehlt gefunden). St. Wolf: die Flexion des griechischen Verbums. Von dems. (S. 704 f.: für den Schulgebrauch als Beigabe zu Curtius Grammatik ungeeignet). Daniel: Lehrbuch der Geo- graphie. 6e Aufl. und dess. Leitfaden für den Unterricht in der Geogr. Von Steinhauser (S. 705— 709: lobende Beurtheilung, obgleich einige Ausstellungen gemacht werden. Besonders wird, wie auch an so vielen anderen Lehrbüchern die Berücksichtigung der Karten vermiszt). E. V. Sydow: Schulatlas. 6e Aufl. Von dems. (S. 709 f.: ganz drin- gende Empfehlung unter Aussprache einiger Wünsche für Oesterreich).

Naturgeschichtlicher Schulatlas zum Gebrauche der k. k. Gymna- sien und Realschulen. Von Brücke (S. 710 13: im ganzen belobend, doch wird gegen die Auswahl, namentlich den physiologischen Anhang manches erinnert). Hojfsak: Bemerkungen zu zwei Schulbüchern über österreichische Vaterlandskunde (S. 713 16: sowohl in Schmitts Statistik, als in der österreichischen Vaterlandskunde werden Unrich- tigkeiten, welche auf Druckfehlern oder Misverständissen von Hains Statistik beruhen, nachgewiesen). Verordnungen und Statistik (S. 717 3'2). Miscellen. A. Wilhelm: Bemerkungen aus dem didakti- schen Gebiete (S. 733 39: I: da die jetzt eingeführten Prüfungen nur Mittel seien, um den Stand der Bildung zu erfahren, so thue eine Anstalt ihre Pflicht nicht gehörig, wenn sowohl zu den Locations- als insbesondere zu der Maturitätsprüfung eine besondere Vorbereitung nothwendig sei. II: die öffentlichen Prüfungen seien allenthalben noth- wendig und heilsam, doch müsse die paedagogische Rücksicht auf die Schüler dabei maszgebend sein. III: werden die an die Programme nothwendig zu stellenden Forderungen aufgestellt). Bibliograjjhische Uebersichten (S. 739 46: historische und physikalische Litteratur).

Litterarische Notizen (S. 746 48: über drei Recensionen unserer Jahrbücher).

10s Heft. Abhandlungen. Grysar: die Coniunction quum in temporeller und causaler Bedeutung (S. 749 63: die F'älle des Ge- brauchs werden aufgezählt und mit zahlreichen Beispielen belegt). Litterarische Anzeigen. Beduschi: la chiave Omerica. VonG. Lin- ker (S. 764—66: vernichtende Kritik). Ovidii Metamorjjhoses. Auswahl mit Anm. v. Siebeiis. Von K. Enk (S. 766—70: sehr gelobt,

100 Auszüge aus Zeitschriften.

nur wird bedauert, dasz die Auswahl für die Schüler der österreichi- schen Gymnasien nicht ganz geeignet sei). Stadelmann: varia variorum carmina latinis modis aptata. Von Thomas (S. 770 73: sehr empfohlen). Deutsche Lesebücher. Stifter und Aprent: Lesestücke zur Förderung humaner Bildung in Realschulen und K. A. Menzel: historische Lesestücke. Von Bratranek (S. 773 92: das erstere Buch wird eingehend als eine bedeutende, auf ethische Bildung hinwirkende Erscheinung gewürdigt, aber die zu geringe Berücksich- tigung der Bedürfnisse des deutschen Sprachunterrichts hervorgehoben. An dem zweiten wird die Durchführung eines würdig eingehaltenen gediegenen Plans vermiszt). A. ed E. Balbi: nuove elementi di geografia. 2de ediz. Von Steinhauser (S. 792 97: belobende Anzeige, doch wird das Buch als didaktisches Hilfsmittel ungeeignet gefunden). Ewald: Wandatlas. L Orographische Erdkarte in Mercators Projection. Von denis. (S. 797 99: für höhere Studien eine gute Uebersicht, für welche der Aufwand an Mitteln gröszer er- scheint, als er nothwendig bedingt war). Homeri Iliadis Epitome. P. IL Ed. Fr. Hochegger (S. 799-810: die Gründe für das Ver- fahren beim Ausscheiden darlegende Selbstanzeige). Verordnungen und Statistik (S. 811 22). Miscellen. Bibliographische Uebersich- ten (S. 822 32 : Naturhistorische Litteratur).

Paedagogische Reime. Jahrg. 1854 (s. Bd. LXX S. 103—109).

Juliheft. Allihn: zur Logik uud philosophischen Propaedeutik auf Gymnasien (S. 1 32: nachdem der Verf. sich für die von Eng- ländern, namentl. Whately, befolgte Methode, der eigentlichen syste- matischen Logik einen analytischen Umrisz als Vorbereitung vorauszu- schicken erklärt und auszerdeni die philosophische Propaedeutik auf den Gymnasien als einen nothwendigen Schutz gegen die auf den Univer- sitäten herrschenden philosophischen Spiegelfechtereien bezeichnet hat, bespricht er in rücksichtloser Weise viele Fehler aufweisend die Lehr- bücher von Matthiae und Jos. Beck). Langbein: gegen die Methode von Spiess im Turnunterricht (S. 33 46: es werden Beden- ken geltend gemacht, dasz das Spiesssche Turnen geistige, sittliche nnd sachliche Bedingungen bei Lehrern und Schülern voraussetze, Avelche unmöglich vorlianden sein können, dasz dasselbe nicht Erholung nach geistiger Anstrengung gewähre, vielmehr geistige Anstrengung sei, dasz demnach wohl in den untersten Klassen Lust und Liebe aus- dauern könne, aber gcwis nicht in den oberen vorhanden sein werde. Das, was an der Spiessschen Methode vermiszt wird, soll sich nach des V^erf. Erfahrungen bei den von ihm längst em|)fohlenen militäri- schen Uebungen V(ir(ii\den). X. in Z. : die Spiesssche Turnniethode (^S_ 4(3_,')] : derbe Einsprache gegen die Methode, wehhe nur als syste- matisch geregelte Langweiligkeit, als der .Stählung und Kräftigung des Körpers gar nicht IVirdcilicli hezeicluiet wird. Der Verf. hebt dage- gen das Jahn-Eiselnsclie Turnen hervor). Beiirtheilungen und An- zeigen. Lübben: Wörterbuch zu der Nibelunge not. Von H. Schweizer (S. 52— öG: im allgemeinen sehr lobende Beurtheilung ; die Nichtberücksichtigung der Etymologie wird neben einigen andern Ausstellungen getadelt und aus Lachmanns Vorlesungen Bemerkungen zur Berück.sichtigiing l)ei einer zweiten Auflage mitgelheilt). G ü n- tlier: die deutsche Litteratur in ihren INIeistern, mit einer Auswalil charakteristischer Beispiele. Von Schubart (S. j7 (il : in<lem in Bezug auf den ersten Theil auf W. Wackernagels sciutrfe Kritik in («elzers protestantischen Monatsblättern verwiesen wird, legt der Kec

Auszüge aus Zcitscliriffeii. 101

des Verf. Ideen dar und spricht sodann ernste Bedenken gegen die vorherrschende subjective .Stimmung aus). Eckard t: dramatur- gische Studien. I. Hamlet. Von dems. (S. 62 64: \venn srlion Rec. die Lösung der Aufgabe nur als annäiierungsvveise anerkennt, so em- pfiehlt er doch die Sciirift aufs dringendste). Braubach: Gram- matik des Styls und Organismus der Sprache. Von dems. (S. 64 66: einen fruchtbaren Gedanken in überraschender Conseqnenz durchfüh- rend und deshalb sehr lehrreich). Jost: die Schule des freien Ge- dankenausdrucks. Von dems. (S. 66 68: der praktische Theil gelobt, der theorethische verworfen). Scheibe rt: Revision der Litteratur für den Religionsunterricht (S. 68 84: nachdem in einer Einleitung folgende Sätze als allgemeine Resultate der Durchmusterung aufgestellt sind : dasz Schule und Kirche sich ferne stehen und nicht in einander greifen, dasz die meisten Schriftsteller trotz ihrer Rechtgläubigkeit doch noch tief in der Intelligenzschule stecken und deshalb die An- schaulichkeit mangle, dasz in fast allen eine eigentliche Furcht vor der Furcht vor Gott hersche, und nachdem der IMangel organisch ge- gliederter Unterrichtspläne beklagt ist, beurtheilt der Verf. 14 Bücher: biblische Geschichten' unter denen die biblische Geschichte von H, Kurtz als besonders bedeutsam hervorgehoben wird). Paedagogische Zeitung. Chronik der Schulen (S. 225 246: wir heben hervor die Mittheilungen über die Leetüre in Mühlhausen S. 225 f., aus dem Programme von Für.stenwalde über den Ehrtrieb als Zuchtmittel S. 227 232, über das Turnwesen in Darmstadt S. 243 f.). Frankreich (S. 246 252: Mittheilungen über die Reducierung der Akademien und das Turnen in den Schulen). Ueber die Auflösung des Wingolf (S. 253 255: aus der akademischen Monatsschrift). Verordnungen (S. 255—264). _ .

Augustheft. Rauchen stein: über das auswendiglernen la- teinischer Vocabeln und den Gebrauch von Vocabularien (S. 85 98: der Verf. begründet aus seiner reichen Erfahrung, wie vielen Nutzen ein tüchtiges lernen von Vocabeln nach einem Vocabularium gewahre und empfiehlt das zum Theil auf seine Anregung erschienene von Döder- lein, an dem er nur die Nichtangabe des Genus, der Declination und Conjugation als einen auch von andern erkannten Mangel bezeichnet). Ärenz: das Gesetz über den mittleren Unterricht in Belgien. 3r Artikel (S. 99-120: Fortsetzung v. Bd. XXXI S. 177. Interessante Darstellung der Debatten über den Begriff der Freiheit des Unterrichts und der Berechtigung des Staats und der Gemeinden in Sachen des Öffentlichen Unterrichts). Beurtheilungen und Anzeigen. Behn- Eschenburg: englische Grammatik für den Schulunterricht. Von Dräger (S. 121 f.: durchaus empfohlen). Weishaupt: die engli- schen Praepositionen. Von dems. (S. 122 f.: als sehr brauchbare Er- gänzung zu den Grammatiken bezeichnet). Schwarz: Handbuch für den biographischen Geschichtsunterricht. 2r Tbl. Von Schubart (S. 123 f. : gelobt, aber der Ton der Darstellung und die Auswahl des Stoffes nicht durchaus gebilligt). Scheibert: Revision der Litte- ratur für den Religionsunterricht (S. 133 144: Fortsetzung des im Juliheft begonnenen Artikels. Die Bücher über den Katechismusunter- richt für Schüler werden durchgemustert. Gelobt werden der kleine Katechismus Luthers, Stettin 1854, wegen der Methode. Purgoldts Luthers kleiner Katechismus, Bachmanns Handbüchlein für Katechu- menen , Roths hessischer Landeskatechismus, vorzüglich Kurtzs christliche Religionslehre, die aber gleichwohl den Realschulen nicht empfohlen wird, am Endes die Lehre Jesu; Tadel dagegen erfährt H. Palmer: der christliche Glaube und das christliche Leben). Vermischte Aufsätze. Schweizer: zur vergleichenden Syntax (S.

102 Auszüge aus Zeitschrifte.

159 f.: handelt von den Ausdrücken für das verglichene nach dem Com- parativ). Paedagogische Zeitung. Einweihung des neuen Schulge- bäudes in Hannover am 3. iMai IMj-i (8. 268 273). Revidierte Ord- nung der lateinischen Schulen und der Gymnasien im Königreiche Bayern (S. 277— i9H). \\ ürtenibergische Ällnisterialverfügungen in BetretV der Heranbildung von Candidaten des höhern Lehramts.

Septem her heft. All ihn: zur Logik und philosophischen Pro- paedeutik auf Gymnasien. 2r Art. (S. J61 J89. Fortsetzung vom Juli- heft S. 1 32. Das propaedeutische Lehrbuch von Hassler wird einer eini^ehenden Kritik unterworfen, die Logik >venigstens zum Unterrichte geeignet gefunden, die Psychologie und iMoral aber \yegen Principlosig- keit und vielfacher Mängel entschieden getadelt). Kleinpaul: der Volksunterricht in den Vereinigten Staaten (S. J90 202). Anzeigen. Döderlein: homerisches Glossarium. Von Am eis (S. 203 2i5: zu der in Miitzells Zeitschrift gegebenen Beurtheilung werden einige Nach- träge geliefert. Besprochen werden /ypojfg, [j.ic<a^Xrj, der Doppelpanzer (yvcila) , ßsXog , truQOi, ■AQarsvzrjg , x/yp, XrfCatög, datpiTtolog , dfioig, i'Mftfvo?, icpiog, 71VQV0V, BvcpQCiötag, Od. IV, 2ä8. Am Schlüsse wird die Nutzbarkeit für den Schulunterricht hervorgehoben). Schei- bert: Revision der Litteratur für den Religionsunterricht (S. 215—32. Fortsetzung vom Juli- und Augnstheft. Besprochen werden die Hand- bücher zum Katechismusunterricht für Lehrer. Kmpfohlen werden Kündigs biblischer Leitfaden zum ConHrmandenunterricht , Speners Erklärung der christlichen Leliren nach der Ordnung des kleinen Kate- chismus, Arndts Handbuch für Lehrer beim Unterricht nach Luthers kleinen Katechismus, Nissens Unterredungen, Bachmanns Hand- buch der christlichen Lehre, Maternes christliche Glaubens- und Sittenlehre). Paedagogische Zeitung. Bericht über die höheren Lehranstalten Würtembergs 1852—1853 (S. 309—315). Philologische Vorlesungen an der Universität zu Rom (S. 316 317: kein sehr er- freuliches Bild). Neydecker: über die Erziehung in Alumnaten. Abdruck aus dem Programme des Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Posen 1853 (S. 319-336).

October- und Novemberheft. Sclieibert: aus der Schul- stube. lOr Artikel (S. 233 248: Rathschläge für angehende Lehrer, wie durcii den Unterricht selbst die Disciplin erhalten werde . welche Grundsätze dal>ei zu befolgen ui\d welche Klippen zu vermeiden seien). B uchne r: die Pflege des Geschmacks und kunstgeschichtlicher Stu- dien als Bildungsmittel der Jugend (S. 249 261 : damit ein nationaler Charakter erzeugt und ein tieferes Verständnis der Geschichte erzielt werde, sollen die Schüler der Gymnasien in die Geschichte der deut- .schen und auch der antiken Kunst eingeführt werden, die auser- wählten der obersten Klasse sollen die Anschauung von Kunstwerken erhalten. Als Leitfaden für die dcutsciic Kunstgeschichte empfiehlt der Verf. den Abrisz, weichen er seinem Lehrbuch der Litteraturgeschichte (Mainz 1853) auf 19 Seiten beigefügt). Anzeigen. Schuster: lateinische Syntax nach den Grundsätzen Göttlings. Von Queck (S. 262 f.: durchaus nicht lobendes Urtheil). Älüller: mittel hoch- deutsches Wörterbuch. Ir Hand. Vou Schweizer (S. 2()3— 269: die Bedeutsamkeit «les Werks wird anerkannt, Plan und Einrichtung ge- billigt, einige Nachträge und Berichtigungen gegeben). Hauschild: die Lautleiire der deutschen Sprache. Von Buchner (S. 270: enthält zwar manche gute Bemerkung und viel Material, ist aber höchst un- nöthig und übertlüssig). Bibliotheca scriptorum graecorum et lati- norum Teui)neriana (S. 270; 276: ganz anerkennender Bericht über den Fortgang «les Unternehmens und seiner neuestens erschienenen Tlieile). De Castres: cliefs d'ocuvrc Uriques de la France, Anlei-

Auszüge aus Zeitschriften. 103

tnng zum praktischen Erlernen der französischen Sprache, Wiesba- den 8". Holzapfel: Auswahl französischer Gedichte. Rodowicz: essai d'une histoire de la litteratiire fran^aise. Von Buch mann (^S. 276 f.: Nr. 1 wird Lehrern angelegentlich empfohlen, für Schüler zu umfangreich und weitgreifend gefunden, Nr. 2 nur dem Inhalt nach charakterisiert, Nr. 3 gelobt, Nr. 4 mit Ausnahme der Vorrede für obere Klassen der Realschulen geeignet gefunden). Grüner, Ei- senmann und Wildermuth: deutsche Musterstücke zur stufen- niäszigen Uebung in der franz. Composition. 3e Abtheilung. Peschier: morceaux choisis de litterature allemande. Von Barbieux (S. 277 2tS2: beide Bücher werden empfohlen, namentlich die Peschiersche Ueber- setzung'als überaus wohl gelungen bezeichnet). Scholl: Zeittafeln der vaterländischen Litteratur. Von Buchner (S. 282 284: gelobt, aber viele F'ehler und Versehen nachgewiesen). Je st: Lehrbuch des hochdeutschen Ausdrucks. Von dems. (S. 284 f. : als recht nutzbar empfohlen). Th. Mommsen: römische Geschichte. ]r Bd. Von Schweizer (S. 289 300: anerkennende Würdigung des in jeder Hin- sicht bedeutenden Werkes, üeber einige Punkte werden aus der Sprachvergleichung Bemerkungen gemacht). 1) Cassian: Materia- lien für den biographischen Geschichtsunterricht. 2) Schlag: Welt- geschichte in dreifacher Stufenfolge. 3) Nöss elt: kleine AVeltgeschichte. 5e Aufl. 4) Schmidt: histor. Taschenbuch. 2e Aufl. 5) Lange: Leitfaden zur allgemeinen Geschichte. 3e Aufl. 6) Klippel: deutsche Lebens- und Charakterbilder. Ir Bd. 7) Dietsch: Lehrbuch der all- gemeinen Geschichte. 3r Bd. Von Miquel (S. 301—307: Nr. 1 als ein zweckmäsziges Vorbereitungsbuch allen Lehrern von Herzen em- pfohlen, Nr. 2 höchlichst gelobt, Nr. 3 zu den besseren Werken ge- zahlt, auch Nr. 4 brauchbar befunden, von Nr. 5 erfährt nur das 3e Heft unbedingtes Lob, bei Nr. 6 wird die Ausführung als den Erwar- tungen nicht entsprechend bezeichnet, Nr. 7 erfreut sich trotz ver- schiedenen Standpunktes doch der freundlichsten Anerkennung). 1) Ju ng c 1 aus se n : Leitfaden für den ersten Unterricht in der Geo- graphie. 2) Berlin: Elementaratlas und Lehrbuch der Geographie. 3) Holle: Schulwandatlas. 4) Ingerslev: kurzgefasztes Lehrbuch der Geographie. 5) Maurer: Leitfaden für den Unterricht in der Geographie. 2e Aufl. Von Gribel (S. 307 312: Nr. 1 wird trotz einiger Mängel auf das angelegentlichste empfohlen. Von Nr. 2 erhält der Atlas Lob, das Lehrbuch aber wird als höchst oberflächlich bezeichnet. Nr. 3 wird gelobt, Nr. 4 bestens empfohlen, an Nr. 5 aber sowohl die Anlage als die Ausführung sehr ungenügend gefunden). Paedagogische Zeitung. Hannover (S. 346 350: Etat des Ministe- riums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten und die ortho- graphische Conferenz). Kurhessen (S. 353 f. : die Stellung der Gym- nasien). — Neydecker: über die Erziehung in Alumnaten. Schlusz (S. 355 371, siehe das vorhergehende Heft). D.

Berichte über gelehrte Anstalten.

Bayern. Zu Neujahr erhielten das Ritterkreuz des Verdienstor- dens vom heil. Michael die Universitäts|)rofessoren Dr. Karl Wilh. Böttiger und Dr. Job. Christ. Hofmann in Erlangen, Dr. Hu- bert Beckers In München, Dr. Job. Jos. Scher er in Würzburg, der Rector und. Prof. am Maximilians -Gymnasium zu München Dr.

104 Berichte über gelehrte Anstalten,

Karl Halm und der Rector der polytechnischen Schule zu Nürnberg Jo h. Mich. Ro in ig.

Greifswald. Die Geburtstagsfeier des Königs von Seiten der Universität (15. Octoberj wurde durch ein Programm des Professors G. R. R. Schümann Aniiiiadversiones de nomotiictis Atheniensium 18 S. 4. angekündigt, die Festrede hielt Prof. Windscheid über 'Recht und Rechtswissenschaft'. Der Geburtstag Winckelinanns ward durch einen Vortrag des Privatdoc. Dr. Susemihl ''über die Stellung der Kunst in ihrer ßlütenperiode bei den Griechen zum Leben und zur Wissenschaft' gefeiert, zu welchem Prof. Urli('hs durch eine Fortsetzung der im vorigen Jahre zu einem gleichen Zwecke von ihm abgefaszten Schrift <^Skopas im Peioponnes' unter dem Titel ^Skopas in Attika' 27 S. 8. eingeladen hatte. Leider steht der Universität mit Wahrscheinlichkeit der Verlust des letzteren, da er einen Ruf nach Würzburg erhalten hat, zu dem schweren Verluste, der dieselbe jüngst wirklich durch den in der Nacht vom 17. auf den 18. December erfolgten Tod des Professors der praktischen Medicin und Geburts- hülfe. Geh. Medicinalraths Berndt bereits betroffen hat, in Aussicht. Der bisherige Privatdocent und Prosector Dr. Max S c h u Itze ist zum auszerordentlichen Professor der Anatomie in Halle befördert und an seiner Stelle der Dr. F. Hoppe wieder zum Prosector ernannt wor- den. Auch das Gymnasium verliert auszer dem verstorbenen Prorector Prof. Paldamus noch eine andere tüchtige Lehrkraft: Dr. Bnrg- hardt geht zu Ostern als Director der dortigen Realschule nach Nord hausen.

Ragusa. Die Uebernahme des bisher von Plansten versehenen Gymnasiums durch den mittelst a. h. Entschlieszung vom 14. Dec. 1853 wieder eingeführten Jesuitenorden ist durch Erlasz des Ministeriums für Cultus und Unterricht genehmigt worden.

Ungarn. Den evangelischen Privatlehranstalten zu Kun-Szent- Miklos, Mezö-Tur und Aszöd ist die Erlaubnis entzogen worden, län- ger noch als Gymnasien fortzubestehen, weil der Zustand derselben so beschalfen, dasz denselben jede dem Zwecke nur halbwegs ange- messene Lebensfähigkeit abgesprochen werden müsse.

Personalnaclirichten.

Ernannt oder versetzt wurden:

Arndts, Dr., Prof. des Civilrechts an der Universität zu München In

gleicher Eigenschaft an die Universität zu Wien. Berendt, Moriz, Maler in Berlin, als Zeichen- und Schreiblehror

an das Gymnasium zu Marieuw erder. Chalybäus, K. Th., Director der k. Antikensammlung und des Mengs-

schen Museums der Gypsabgüsse zu Dresden, zum Director des

grünen Gewölbes daselbst. Cornelius, Dr. C. A., anszerordtMitl. I'rof. an der Universität zu

Breslau, als ordentl. Prof. an die pliilos. Facultät der Universität

zu Bonn. Girschner, Dr. N. C. S., 01)erleiirer am Friedrich-P^-anz-Gymn. zu

Parchim, als Director an die Realschule zu ('(dberg. Grimm, J., Prof. in Berlin, zum correspondierenden Mitglied der k.

Akademi(i <ler Wissenschaften zu Petersburg. Hettner,Dr. Herrn., Prof. in Jena, als Director der k. Antiken-

Personalnaclirichteii. 105

ssammlung und des Mengsclien Musennis der GypsaLgiisse nach

Dresden (au Clialybäns Stelle). Jahn, Dr. Otto, in Leipzig, als ordentl. Prof. der classi'schen Plil-

lologie und Archaeoiogie au die Universität zu Bonn. Krausz, Dr. J. K., Scliulamt.scandidat, als auszerordentl. Lehrer am

Gymn. zu Elberfeld. Magnus, Prof. in Berlin, zum corresp. Mitglied der k. Akademie

der Wissenschaften zu Petersburg. Mo hl, Prof. in Tübingen, zum corresp. Mitglied derselben. Stimpel, Ant., Director des Gymn. zu Görz, in gleicher Eigenschaft

an das Gymn. zu Triest. Unger, G. Pr., Lehrer an der lateinischen Schule zu Wunsiedel, als

Studienlehrer an das Gymn. zu Hof (s. pensioniert, Bodack). Viditz, Steph., provis. Director des Gymn. zu Triest, auf eignen

Wunsch in gleicher Eigenschaft an das Gymn. zu Fiume. Wiedemann, Prof. in lleval, zum corresp. Mitgliede der k. Akade- mie der Wissenschaften zu Petersburg.

Befördert oder praediciert:

Königsberger, Fr., Benedictiuerordenspriester, Supplent am Salz- burger Gymn., zum wirkl. Lehrer befördert.

Körner, Fr. Aug., College an der Realschule in den Franckeschen Stiftungen zu Halle, als Oberlehrer praediciert.

MenzI, W., Lehrer am Gymn. zu Görz, zum provis. Director der- selben Anstalt befördert.

Nipperdey, Dr. K., ao. Prof. an der Univ. zu Jena, zum ordentl. Prof. in der philos. Facultät daselbst befördert.

Schumann, K. G., Hilfslehrer am Gymn. zu Salzwedel, zum 8n or- dentl. Lehrer an derselben Anstalt befördert.

T rot ha, Dr. Ad., College an der Realschule in den Franckeschen Stiftungen zu Halle, als Oberlehrer praediciert.

Veesenmeyer, Dr., bisher provis., definitiv zum Oberreallehrer in Ulm befördert unter Verleihung des Titels eines Professors der 8n Rangstufe.

Wiedasch, Dr., Collab. am Gymn. zu Aurich zum Oberlehrer be- fördert.

Bestätigt: Decsei, Pet., Priester, als Katechet am Gymn. zu Hermannstadt. Möller, Ed., desgl. ebenda. Strzelecki, Ad., Priester, als Katechet am Gymn. zu Czernowitz.

In Ruhestand versetzt: Bodack, K. Fr. Aug., Studienlehrer am Gymn. zu Hof.

Gestorben :

Am 27. Oct. 1854 zu Wien J. J. Hannusch, Verf. der Schrift 'Kai- ser Karl V, seine Zeit und seine Zeitgenossen.'

An dems. Tage zu Turin der Prof. der Physik Giov. Aless. Ma- jocchi.

Am 30. Novbr. zu Meilen am Zürcher See der dortige Pfarrer Hein- rich Gutmann, bekannt als Uebersetzer des Tacitus, geb. 20. Oct. 1776 zu Zürich, seit 1819 in Meilen (vgl. Worte des An- denkens an den sei. Hrn. H. G., Pfarrer in Meilen, von R. Fay, Pf. in Meilen und H, Hirzel, Pf. zu Höngg. Zürich, Meyer und Zeller. 1854). ,

Am 28. Dec. zu Schwerin der Oberlehrer am das. Gymn., Dr. Gottl. Hein r. Lud. Darius Heyer, geb. am 28. Aug. zu Helmstädt.

N. Jcüirb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 1. 8

106 Personalnachrichlen.

Am 3. Jan. 1855 Joh. Graf Mailath, bekannt als Verf. der Ge- schichte des österr. Kaiserstaats in der Heeren-Uckertschen Samm- lung, geb. 5. Oct. 1786. Derselbe wurde mit seiner Tochter im Starnberger See todt gefunden.

Am 4. Jan. zu Urach der Prof. am erang. Seminar, Renz, 42 J. alt.

Am l4. Jan. zu Dresden der Conrector an der Kreuzschule, Dr. K. Jul. Sillig, bekannt durch seinen Catalog. artificum , seine Aus- gaben des CatuU und der kleinen Gedichte des Vergil , besonders aber von Plinius H. N.

Am 18. Jan. zu Pirna der vormalige k, Oberbibliothekar zu Dresden, Hofrath Karl Konstantin Falken stein.

Am 27. Jan. zu Leipzig der ao. Prof. der Philosophie an der dasigcn Universität Dr. Wilh. Lud. Petermann.

Aus Brasilien wird der Tod des als Reisebeschi-eiber bekannten blin- den Jacques Arago gemeldet.

Zweite Abtheiliing

heraiisgegclicü von Riidoliih Dietsch.

(5.)

Shakspere's Werke. Herausgegeben imd erklärt von Dr. Nico- lai s De lins. Erster Band. Erstes Stück: Hamlet., Prince of Demnark. Elberfeld , K. L. Friedrichs. 1854. X u. 166 S. Lex. -8.

Zweiter Artikel.

Die zweite Forderung, welche man an einen guten kritischen Philologen stellen nuisz, ist die, dasz er sich eine richtige Ansicht über den Werth und das Verhältnis der Quellen bilde. Ihr gegenüber ist jene erste Forderung nur eine praeliminarische, in der Erfüllung der letzteren liegt der eigentliche Kern aller Kritik. Denkbar wäre es immerhin, dasz ein Kritiker ohne Fleisz , Gewissenhaftigkeit und Praecision in der Art verführe, wie wir es eben nachgewiesen zu ha- ben glauben, und dasz er uns doch eine leidliche Constitution des Textes lieferte , weil er richtige kritische Grundansichten hätte.

Die Ueberlieferung des Hamleltextes ist folgende:

I. Eine ganz unvollständige, poetisch, sprachlich, metrisch betrachtet fehlerhafte, dennoch nicht selten Wort für Wort mit der spätem Gestalt übereinstimmende Skizze des Textes, erhalten in der qu. 1 von 1603 (Delius: Q. A.)

II. Die vollständigeren Texte, in ZAvei Familien zerfallend:

A) Die echten oder vollständigen Einzelausgaben in Quart: qu. 2. 3. 4. 5. 6 (Del. Qs.). Sie zerfallen in 3 Unterarten: a) die bei- den ersten derselben (qu. 2. 3) von 1604 und 1605 ^ printed hy J. R. for N. L.' ; b) die zwei mittleren (qu. 4. 5) von 1607 (nach Colliers Vermulung, sie ist undatiert) und 1611; ^printed for John Smethwicke' c) die dritte Smethwickesche Ouartausgabe (qu. 6) von 1637, aufwei- che der Text der Folioausgaben, in specie der Fol. 2 von 1632, einen Einflusz übt, obwol einen geringen.

B) Die Folioausgaben, Gesammtausgaben der Sh. sehen Dramen. Hier sind zwei Unterarten zu scheiden: a) die erste Folioausgabe 1623; F. 1 (Del. Fol.) hgg. von Sh.s Freunden und Mitschauspielern Heminge

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. i. 9

108 Shakespeare's Hamlet heraiisg. u. erUl. v. Delius. Zweiter Artikel.

und Condell, angeblich nach den ccliten Originalhaudschriften; b) die drei späteren Folioausgaben von 1632, 1664 und 1685: Fol. 2. 3. 4.

Diese Quellen sind ziemlich zugänglich, da 1, II Ab und Ba in Wiederabdrucken vorliegen, U Aa und c sowie II ßb freilich nur in den sporadisch von Steevcns, 3Ialonc und Collier gemachten Milthei- lungen, so dasz sich immer noch jemand durch Wiederabdruck von qu. 2 (der ältesten voUsländigen Ausgabe) ein Verdienst erwerben könnte. Denn bei den von Sleevens 1766 zum Wiederabdruck der qu. 5 und qu. 3. 4 und 6 gegebenen Varianten ist man beständig un- sicher, welchem von diesen 3 Drucken die Variante angehöre, abge- sehen davon dasz ihm die wichtigste Quarto (qu. 2) damals noch fehlte. Das Verhältnis der Unterabiheilungen von A und ß ist im ganzen fest- gestellt, und zwar so dasz die jüngeren Ouarlausgaben den altern Quart- ausgaben, die jüngeren Folioausgaben der älteren Folioausgabe gegen- über ohne Autorität sind, obwol einzeln der Fall vorkommt, dasz Ab c und ßb offenbare Druckfehler in resp. Aa und ßa berichtigen.

Anders ist es mit dem Verhältnis der Gattungen und Familien selbst, welches sehr bestritten ist. Es fragt sich

1) ob I nur eine durch zuhören im Theater erschlichene, von einem gewinnsüchtigen ßuchliändler mit Hilfe eines ^^'inkelpoeten zu- rechtgestutzte, also nur insofern werlhvolle Version des echten Ham- let sei , dasz in den mehr wörtlich zusammentreffenden Stellen wir mulmaszen können, dasz der Text so schon vor 1603 auf der Bühne gelautet habe; oder ob I eine wenn auch vielfach verhunzte doch auf einer echten, aber viel unvollkommneren Bearbeitung des Hamlet be- ruhende Ausgabe sei, deren Uebereinstimmung mit den spätem Texten dann entscheidender wäre, insofern der Dichter selbst wörtlich man- che Stelle der ältesten Becension stehen gelassen haben würde. Jenes ist Colliers Ansicht, welche ich Iheile; diese Knighls und unter andern auch Hrn. Delius Meinung, obwol mit der verständigen Modilicalion, dasz auch der älteste Hamlet so nicht aus des Dichters Feder habe kommen können, sondern in der qu. 1 eine sehr ungeschickte Ueber- arbeitung erfahren habe.

2) ob B eine vom Dichter seli)st theils gesirichcuo Iheils ver- vollständigte Bühnenredaclion von A enthalte, also nach einer Origi- nalhandschrifl letzter Hand unmittelbar abgedruckt sei, oder ob B nicht wie A unmittelbar aus echter Quelle geflossen, sondern nach einem von Schauspielern und Begisseuren überarbeilelen Theater-MS. abgedruckt sei. im erstem Falle müsleii die in B eulhallenou Zusätze echt, die synonymischen Varianten in Sonderheit Verbesserun- ge n sein , andrerseits , da die gröszere typograpliisclie Sorgfalt von B dem A «leircnüber unzweil'elhalt ist, die hundert und aber hundert Buchstabcnälinlichkeit vcrrathenden Varianten in A als Druckfeliler, in ß als a u th entisch e Correcturen belrachlet werden. Im an- dern Falle müsten die in B enthallenen Zusätze unecht, die syno- nymischen Varianten durch Schauspielerwillkür oder nachlässige Büh- nenrecilation entstandene Verderbnisse und M ode rn is i er u n-

Sliakespeare's Hamlet Iicrausg-, n. crkl. v. Delhis. Zvveifer Arlikel. 100

gen, und die diplomalisclien Varianten in Bans wiederiioKem rollen- absclireiben und Scliaiispielcrkritik enlsprungcne Vcr u n s ta! t n ngen und Sohl i nimbess erun g en sein. Dies ist die scliroire Gegen- überstellung der divergierenden Grundansicblen ; beide lassen eine Milderung zu, indem bei einer der Quelle 15 zu Grunde liegenden ecbten ßübueiiredaclion die Möglichkeit nicbt ausgeschlossen ist, dasz diese in B nicht unmittelbar enihalten sei, sondern nur so, dasz eine Theatcrabschrift derselben abgedruckt und von den Ilgg. mit ängstlicher Sorgfalt redigiert sei; indem andrerseits bei einer in B enthaltenen Bühncnredaction von fremder Hand die Möglichkeit eines freilich nur indirecten Zusammenhanges mit dem Original-MS. des Dichters stehen bleibt, so weit nicht nachgewiesen werden kann, dasz die in B zu Grunde liegenden Rollen aus A abgeleitet worden sind. Nur in letzterem Falle würde B, abgeschn von der immer noch sehr wichtigen Theaferreminiscenz der Originalschauspieler, so werthlos sein, wie eine interpolierte unselbständige Handschrift.

Von diesen beiden Controversen ist die erstere zwar für die Ent- wicklungsgeschichte des Dichters sehr erheblich, dennoch für die Ge- stallung des zweiten Hamlettextes lange nicht von so groszer Bedeu- tung wie die zweite. Denn mag man über I denken wie man will, die Uebereinstimmung von 1 mit 11 wird von den Kritikern beider Art, den ß-Freunden wie den A-Freunden, als gewichtig betrachtet werden müssen, nur mit dem Unlerschiede, dasz letztere auf die Coincidenzen von I mit II B , da ihnen beide Quellen zunächst nicht der Handschrift sondern der Bühne entstammen, weniger geben werden, es sei denn als ein Correctiv von den in A enthaltenen Druckfehlern, während die ersteren jeder solchen Coiucidenz als dem zusammentreiTen der ersten und letzten Hand des Dichters unbedingt Folge leisten müssen, so dasz wir es nur als jener vorhin erwiesenen Nachlässigkeit des Hrn. D. an- gehörig befrachten dürfen, wenn er es nicht thut.

Aber von der Lösung der zweiten Frage hängt in der Hamletkri- (ik wie in der Shakespearekrilik überhaupt alles ab. Ich weisz nicht, ob Hr. I). sich dieselbe in ihrer ganzen Schärfe klar gemacht hat, wenn er in seiner Vorrede sagt: 'Die Abweichungen dieses Textes (des Foliofextes) von dem der Qs., die in Auslassungen, Zusätzen und Verbesserungen von der Hand des Dichters bestehen, sind in den An- merkungen unserer Ausgabe als die der Folio (Fol.) bezeichnet, auch (?) da, wo sie nicbt in die Textrecension selbst aufgenommen sind. Der grosze Werth der Folioausgabe besteht darin, dasz sie den Ham- let, nach dem aulhcMtischen Bühnenmannscript abgedruckt, so enthält, wie er auf deni Shakspere''schen Theater uach der Einrichtung des Dichters selbst zuletzt aufgeführt wurde ; ihr Text läszt sich also im ganzen und groszen füglich jeder neuen Ausgabe unseres Dramas zum Grunde legen, unbeschadet der gerade beim Hamlet zahlreichen Un- genanigkeiten und Incorrectheiten des Druckes, welche durch eine CoUation der Qs. ihr hinlängliches Correctiv erhalten.' Denn nach dieser etwas zweideutigen Angabe könnte der Leser glauben, als sei

9*

110 Shakespeare's Hamlet herausg. ii. erUI. v. Deliiis. Zweiler Artikel,

Hr. D. mir da wo er Druckfehler in Fol. 1 gefunden, den Qs. gefolgt, und als seien besonders viele Druckfehler in Fol. 1 , während es doch Hrn. D. wolbekannl sein niiiste, dasz die typographische Ungenauig- keit und Incorrccllieit , die sich au\ deutlichsten in der Vernachlässi- gung der Interpunclion und der groszen Initialen, in der Umkehr, AVeglassung, Versetzung einzelner Zeichen, Buchstaben und Wörter zeigt, in Fol. 1 ungleich geringer ist als in den Quartos, ja dasz im Gcgentheil in Fol. 1 viel falsche Sorgfalt herscht. Auch wüste er ja recht wol, dasz sehr viele der von ihm angegebenen und nicht ange- gebenen doch aber verworfenen Speciallesaricn der Fol. 1 keine Druck- fehler, sondern (ilossen sind, wie Lends für 6Vmcs, Für tli/s Urne, Dan (1 hier für trovi ihis time (S. 34), / l>ul dipl ftir that httt dippe (S. 131) und unzählige andere, die Hr. D. meistens wie diese bei- spielsweise herausgegrilTcnen mit stillschweigen übergehl. Aber wir wollen das beste annehmen, Hr. D. hatte wol ein Princip, war ihm aber nicht sonderlich getreu, beachtete die Art der Variante nicht im- mer oder dachte sich unler dem 'authentischen Bühnenmanuscripl' keins von Sh. eigner Hand, indem er der von ihm ausgesprochenen streuiren Ansicht sliilscliweigend etwas abdang. Ihiltc er aber ein Princip, so war es das, die Foliolcsart ü])erall, wo es nicht geradezu gegen den gesunden Menschen versland anlief, gegen die der Qs. fest- zuhalten.

Damit ke'irle er nun freilich die Sacjie geradezu auf den Kopf. Wir wollen nicht mit Autoritäten markten, sonst könnten wir sagen, es sei doch bedenklich, dasz gerade die beiden bescheidensten und gründlichsten Forsdier, Malonc und Collier, dit; ihr ganzes Leben die- sem Sludiiim widmeten , zu dem enigegengesctztcn ncsuilate gelang- ten, während Hr. D. einige talentvolle aber weil unmethodischere Kritiker auf seiner Seile hat, sondern wir wollen, statt zu behaupten, in der Kürze selbst den Beweis zu führen versnchen: dasz die F 0 1. 1 den s t ä r k s t e n V e r d a c h t erregt, einen d u r c h S c h a u- Spieler interpolierten Text zu enthalten.

DieEigenthümlichkeiten derFoliorecension bestehen in folgendem ; , l) in Zusätzen von Fxciamationen , Imperativen, Verslärkungs-

adverbien u. dgl., namentlich in geminierender V>'eise, welche dem Pathos des Schauspielers entsprungen zu sein scheinen.

Alles durch den Druck hervorgehobene in den folgenden Beispie- len steht nur in Fol. 1. X S. 2J Uis vanon tjainsl selfllaiKjhler. 0 (.'od, O (iod. X S. 25 Fie on't? Oh, fie^f/e. S. 26 lilie Mohe, all feares. Why she , euen shc. S. 29 iJain. Vcrij l/he, very filte: slakl il long? S. 29 itidecd, i/ideed, Sirs: hui this frouhles me. XS. 40 Hast, hast. XS. 43 yes, yes. X S. 37 Oh, oh. X S. 43 My Tahtcs, my Tables. S. 57 Exvellent, excellent irelt. S.5H far (/oiie, für gone. S. 50 hclpe ; help. X "i"'*^- ^■^ rerij irell. S. 91 farre more. -\-S. G8 ThaTs ijood , Mo hl cd Queen is f/ood. S. 76 well, irell., well. S. 77 O heancnly poircrs S. 99 Jlcfpe. helpe, hoa. Pul. ])'hal hoa .. helpe. helpe. hclpe. S.

Sliakespeare's Ilamlel herausg-. u. erkl. v. Dclius. Zweiloi- Artikel. 111

108 0h Oertntde, come airay. S. 118 Ophe. Indeed la? uulkout au oulh. S. 123 OÄ, tjOH inust (qii. you may [qii. 1 yo^i must\ ohne Oli). S. 131 This same Scull S/r, Ihis same Scull sir, was Yoricks Scull. S. 148 iVöJ/, in good faith, for miiie ease in good faitk: (qu. godd my Lord). S. 153 Harn. Come on sir. Laer. Come ou sir. (qu. Come my Lord.). +S. 153 A toucli, a loucli, I do con- fesse (qu. I doe coitfesl). S. 157 Tke rest is silence. O, o, o, o (F. 4 nur dreimal).

Obgleich von diesen pathetischen Verdopplungen und Verstär- kungen schon einige wenige in (|u. 1 enthalten sind (sie sind mit + bezeichnet), so läszl doch sowol die Häufigkeit; dieser Falle in einer von Schauspielern besorgten Ausgabe als auch die nicht seltene Ver- derbnis der metrischen Richtigkeit durch eben diese Ge- minationen (einige der deutlichsten Fülle sind mit X bezeichnet) uns keinen Zweifel übrig dasz sie hier nicht vom Dichter stammen, son- dern interpoliert sind, und wir halten es für Papierverschweudung an einzelnen dieser Stellen (wie Hr. ü. versucht) nachweisen zu wollen, dasz diese eingeflickte Wiederholung zur Malerei irgend einer Seelen- slimmung wie 'Unruhe', 'wirre Hast' u. dgl. vom Dichter beabsich- tigt sei. Es mag gern ein Burbadge, wahrlich kein unbedeutender Künstler, auch das 0, o, o, o des sterbenden fruchtbar gemacht haben, aber keiner wird uns glauben machen dasz Sli so geschrieben. Dasz ein paarmal durch solclie Einschiebsel das Metrum gebessert wird, wie S. 25 durch euen she , S. 152 durch Come on^ S. 155 durch das zweite Hamlet, darf uns die überwiegende Anzahl der durch dieselbe gebrachten Verschlechterungen des" Verses nicht vergessen lassen, da wol einmal eine falsche Haplotypie in den nachlässiger gedruckten Quartos, nicht aber solche üittographien in Fol. 1 ohne absicht- liehe Einwirkung- der Bühne entstanden sein können.

Demnach werden auch einige auffallend auszerhalb des Metrums siehende echt bühnenmäszige Exciamalionen, wie» das alberne O ven- geance! und Ay stirem Hamlets Monolog (S. 1\), das tawful espials in des Königs Rede (S. 73), das Jicsfasy! vor Hamlets Antwort (S. 104) [vielleicht auch das pathetische Oh royalj hnauery (statt /l r. K.) in Hamlets Worten (S. J44)J derselben Quelle ihren Ursprung- verdanken.

Umgekehrt ist es auffallend , dasz an einigen wenigen Stellen, in denen die Wiederholung besonders schön und passend ist, dieselbe nur von den Qu., nicht von F. 1 dargeboten wird, wie in dem von Coleridge mit Recht bewunderten dreimaligen excepl my life (S. 59); auch S. 49 (0 my Lord, my Lord), S. 60 {Come, come). Doch sind diese Fälle der Verwischung richtiger Geminationen bei weitem die seltneren.

2) Die nur in F. 1 enthaltenen Zusätze von ganzen Wörtern, Halbzeilen, Zeilen und ganzen Partien verralhen nicht selten einen Biihnenzweck.

Die Zusätze der Fol. I zerfallen in sechs Arten:

a) solche die sich unmittelbar auf das Bühncnarrangcmcnl be-

112 Shakespearc''s Hamlet herausg. u. erkl. v. Deliiis. Zweiter Artikel.

ziehen: i) S. 90 Harn. What? frig/ited with false fire?-\ 2) S.

98 Harn, [withiti] Mot/ier, lilolher, illother ! + 3) S. 109 Genl- lemanwithin. Hamlet^ Lord Hamlet. 4) S. 120 Qu. Ala- cke., uihal noijse is this? -\- ö) S. 127 How notc? Wluit JSetces'? Mcs Leiters mtj Lord from Hamlet. b) niüszige Zusätze, die der BiilinendeclamaliüM angehören können: S. 3-i Daitghter., S. 44 Loohe yuu. S. 48 At frieiia\ or s«, and Gentleman S. 48 with you. S. 111 Onildensferne (Anrede). S. 112 this deed of thine.

S. 123 Hey non nuny ^ nony , hey nony : S. 124 / pray God S. 127 and more Strange . . . Hamlet. S. 137 For such a Guesle is meete. S. 138 now adaies. S. 139 Let me see und As thiis.

S. 151 Yuu will lose this wager. c) einige Worte und Halb- verse, die aus Nachlässigkeit im Druck der Qs. ausgefallen scheinen: 1) S. 67 (Erster Schauspieler) Then senselesse Uium (nothwen- dig). 2) S. 76 (Ha ml et) uf rs all (sehr schön für Klang, Sinn und Vers). 3) S. 112 (König) trith (lerie Quiclmesse. 4) S. 140 (Priester) Shardes\ (wie of es all zu beurthcilcn). 5) S. 152 (Hamlet) this Audience. . d) ganze Zeilen, welche im Druck der Quartes (meist durch falsche Haplotypic) übersprungen zu sein scheinen. Folgende Verse fehlen in qu. 5: l) Ber. Loolies it not like Ihe King? Marke it H oratio (steht vermutlich in qu. 2). 2) S. 31 (Laert.) For hee hlmselfe is snbiect to his Birlh: 3) S. 58 (? ol oniüs) suddenhj contriite the meaiies of meeting beltreen him and . . . most humly. 4) S. 62 (Hamlet) the Clown shall make Ihose langh, whose längs are tickled a'tli' sere. + 5) S. 64 (Po- l o n i u s) tragicall-historicall , Iragicalt-comicall -historicall-pa- storall. 6) S. 84 Ham. / mean tny head vpon your lap? Oph. Ay my Lord. 7) S. 135 2 C 1. H7i!/, he had none. 1 Cl. What ar^l a heathen? How dost thou vnderstand the Scriptiire? The Scriptirre sags, Adam digged : could he digge wiihoiit armes? 8) S. 137 (Hamlet) is this the fme of his jines , and the recouery of his reco u eries (steht vermutlich in qu.2). 9) S. 146 (H amlet) Why man they did make loue to this employment. e) Zwei längere Prosapartien in der zweiten Sceiie des zweiten Acts, welche um be- stimmter Zwecke willen interpoliert sein können, l) Die weitere Aus- führung des Dialogs zwischen Hamlet und den beiden Hofleuten (S. 59. 60) von Let me queslion more in particutar bis / am most dread- fiitly atlcndcd iiicl. 2) Die ganze Stelle zwischen denselben Personen von den Kindcrschauspielen (S. 62. 63) von Ham. Hoir comes it? bis zu and his lo<td luo incl. f) Zwei längere poetische Stellen: ]) Die an La er les Hede (IV, 5) angehängte , nach Johnsons Urlheil dunkle und affectierte Sentenz: Nature is fme in lote; and where 'lis fine., It scnds some precious instance of ilself After the thing it lo- ves. 2) Das Finde des Gesprächs zwischen Hamlet und Horalio V, 2 von To guit him bis who comes here? (S. 146. 147) unauflöslich mit dem vorigen verininden , und zur iMotivierung der versöhnlichen Stimmung des Hamlel gegen Laertes nothwendig; \ernuillich sind diese

Shakespeare'*s Hamlet herausg. u. erkl. v. Dcliua. Zweiler Artikel. 113

14 Zeilen nur durch einen Zufall in qu. 2 ausgelassen worden; es wäre in der Beziehung- erwünscht zu wissen, ob auch qu. 2 (wie qu. 5) nach conscience ein Fraj^ezeichen setzt. Jlan könnte sich denken dasz mit dem auftreten Osricks im Original-MS. ein neues ßlalt angefangen habe, und diese letzten li Zeilen des vorigen oben auf einer Seite für sich standen und so überschlagen wurden, ein grobes Versehn, wie es aber gegen das Ende des Stücks bei der zunehmenden Eilfertigkeit des Setzers eher vorfallen konnte. Die schöne Zeile Wky-, man, tliey dkl mähe loue to this employmeiit überschlug er eben vorher. Diese Zusätze sind also von sehr verschiedenem Werthe.

Einerseits werden dadurch mehrere nicht unbeträchtliche Stellen, die in den Qs. durch Versehn ausgelassen sind, ergänzt. Dasz die Sache sich so verhält, und nicht etwa der Dichter etwas hinzuthat, dafür gibt nicht nur die Nothwendigkeit des zugesetzten für den Zu- sammenhang in den meisten Fällen den Beweis , sondern auch das vor- kommen dieser Fälle am Ende der iambischen Zeile, wo leichter weg- gelassen wird, namentlich aber die häufige Gelegenheit zu falschen Ilaplographien in den Qs. einen Wink. Denn von den unter d) aufge- führten 9 Fällen sind 6 von dieser Art. So schlössen 2 Zeilen nach- einander mit demselben Wort, resp. mit Horatio, htm and, histori- call-pastorall, yonr lap und my Lord, armes, his recoueries ; und selbst wenn in den Prosastellen diese Worte nicht am Ende standen, konnte das Auge des Abschreibers oder Setzers sich doch leicht nach dem zweiten verirren. Demnach wäre es sehr unkritisch, wenn man die 3 andern Zusätze Nr. 2. 4. 9 als absichtlich später vom Dichter gemachte Verbesserungen ansehen wollte , oder gar nur Nr. 9 allein (wie Hr. D. thut) , da es doch höchst unwahrscheinlich ist, dasz ein Poet, wenn er einmal sein Werk nachputzt, nur so ganz einzelne Klei- nigkeiten zusetzen sollte.

Andrerseits tragen einige Zusätze, die unter a und e2 aufge- führten, den Charakter von Bühneninterpolationen; und es wird nun bei mehr als einem Falle zweifelhaft bleiben müssen, ob er auch zu dieser Gattung (des absichtlich in F. 1 zugesetzten), oder zu jener Gattung (des zufällig in qu. 2 IT. ausgefallenen) zu rechnen ist. Dies gilt namentlich von a, 1. c, 3. 5. e, 1. f, 1 und 6.

Einer von Sh. selbst vorgenommenen Bühnenredaction einen Theil dieser Zusätze zuzuschreiben, finde ich keinen genügenden Grund. Man sollte denken, der Dichter würde z. B. die Scene II, 2 eher in Weise der qu. 2 gekürzt als in Weise der Fol. 1 erweitert haben, wenn auch eine Beziehung auf die Kinderschauspiele schon bei den ersten Aufführungen eingelegt sein musz, da qu. 1 Spuren davon zeigt. Eher doch wahrscheinlich , dasz hier dieselben Redactoren thätig waren , denen wir die pathetischen Varianten unter Nr. 1 verdanken.

3) Eine Menge der schönsten Partien (namentlich rellectierender Art) und Nebenscenen im ganzen gegen 220 Zeilen sind , offen- bar um bei der Aufführung zu kürzen und Nebenrollen zu ersparen,

114 Shakespeare''s Hamlet herausg. u. erkl. v. Deliiis. Zweiter Artikel.

nicht in die Foliorecension aufgenommen worden, also nur iu qu. 2 IT. enthalten.

Nur ein Thcil der Auslassungen in Fol. 1 läszt sicii auf Nachläs- si""keit zurückführen; selten sind dieselben gröszerer Art und entspre- chen dann den unter c und d aufgefdhrlen Auslassungen der qu. 2 If. ; z. B. S. 66 die Worte as wholesome bis than flne ; S. 57 So prucecd you ; vermutlich auch S. 51 die Zeile Whelher aitr/hl usw. Die mei- sten und bedeutendsten verralhen deutlich die vorhinerwähnte Bühnen- absicht. Allerdings sind diese Kürzungen mit Verstand und Bühnen- kenntnis gemacht; man (auch Hr. D. S. 114 Anm. 8) hat daraus den Schlusz ziehen wollen, dasz der Dichter selbst sie vorgenommen habe. Zu rasch, wie uns deucht, da auch Burbadge, Hemingc, Condell u. u. Ihcaterliundige und gescheidte Männer waren. Da aber dieses Ar- gument sicIi doch im ganzen in ulramque parfem brauchen lüszf, könnten wir uns des eingehens auf das einzelne füglicu überheben.

Diese Auslassungen und Tilgungen der Fol. 1 sind: S. 18 (Ber- nardo und Ho ratio, die Stelle von den Prodigien. Blosze Kürzung oder Editorenrücksicht auf Jacobs Aberglauben? fehlt auch in qu. l). 23 (Polonius. Kürzung. Fehlt nicht ganz in qu. 1). 30(Laer- tes. perftime and). 86 (Hamlet, die Völlerei der Dänen, reflectie- rend. Blosze Kürzung oder Rücksicht auf König Jacob? In qu. 1 fehlt genau dasselbe). 38 (H oratio. Sehr schöne psychologische Be- merkung). 46 (jico). 50 (Polonius. Conie). 51 (König. Whe- t/ier etc. S. oben. In qu. 5 ist dies die zweite Zeile auf der Vorder- seite von E3; bei dem Wechsel der Seiten werden die meisten Fehler von Abschreibern gemacht; ebenvorher das seltsame zusammcntreflen einer Variante Qmmour) mit einer Eigenthümlichkeit des Druckes der f\\\. b (Jiau r)). Q>\ {\\i\m\ et. firmnment). 62 (H am 1. s«cA). 63 (Haml. '6'Woorf. Edilorenrücksichl ?). 65 (IIa ml. H'Ay). 6GHaml. eine Zeile in Prosa, die in qu. 5 gerade eine Druckzeile füllt. S. frü- her). %1 {\\am\. So jiroceed you). 69 (Ha ml. 7rt»fA). 71 (Ha ml. l'ather ; qu. 1 hiü father). 78 (König, /or vor to prcuent., moderni- sierend). 80 (H a m 1. trilh nothwendig). 87 (Königin i m S c h a u - spiel. Sentenz). 88 (Königin im Schauspiel. Ausführung der Bcthenerung, Couplet). 92 (IIa ml. hupart). 93 (Haml. speake). lül f. (Haml. Kürzung der ersten Strafrede des Sohnes an die Mutter um einige sehr schöne Worte; fehlt auch in ([u. l). 10.') (Haml. Kürzung derselbe*!! Art (Kelle,\ionen) in der zweiten Strafrede; fehlt auch in ([u. l). 106 (Haml. oiie iroid iiiore . good Lady). 107 (II a ni 1. Fand H. Burbadge diese 9 Zeilen (die erst Pope wieder in den Text setzte) unnatürlich, sei es als Monolog bei Seile, sei es zur Muller gesprochen? Fehlt auch in (ju. 1). 108 (Königin fast wie qu. l). 109 (ein Grund des weglassens hätte sein können dasz diese Worte ohne Theobalds von Malonc verbesserten Zusatz So haphj slnn- der unverständlich waren; vielleicht war die Bolle des Königs, die bei dem zusa!niuens(liiL'ii)en des in Fol. I abgedruckten Bühneii- MS. zu Grunde lag, nicht selbständig aus deni MS. des Dichters.

Sliakespearc's Hamlet lieraiisg. ii. crUI. v. Deliiis. Zweifer Arlikel. 11')

sondern aus qii. 2 oder 3 geflossen. Die übersclihigene Zeile S. 51 triirt dieselbe Uolle). 111 (König | Hamlet. Editorenriicksicht?). 114 116 (die ganze Scene mit dem Hauptmann des Fortinbras, Hamlet und Rosenkranz und der darauf folgende herliobe Mono- log Hamlets. In qn. l felilt dieselbe Stelle. Hr. Collier sagt mit Recht, so scheint es: Tke abhrecialiüu tcas the icorli of tlie plr/ijers, and not uf tke puet). 119 (jind now beliuld in der Rolle des Königs). 120 (allend in der Rolle dos Königs). 127 (Bote. Falsche Haplo- graphie). 128 (/ w^ Lord, so you will in Laertes Rolle; F, 1 If so you l modernisierend). 128 f. (Laertes und der König, zum Theil sentenziös; fehlt mit vielem andern in qu. l). 130 (Rolle des Königs. Editorenriicksicht?). 130 f. (Rolle des Königs, reflec- tierend). [132 (But stay, what noyse (König), wofür F. 1 How sweet (Jueeiie, woraus F. 2 (3. 4) IJuw now s. Q. machen. Die Hgg. in ihrer Unkrilik (Hr. D. macht keine Ausnahme) packen alles zusam- men in den neuen Hamletlext, wahrend es doch zwei verschiedene Fassungen sind, von denen eine oder die andere, nicht aber eine und die andere richtig sein kann. Qu. 1 bietet sogar noch eine dritte Fassung: How now Gertrud'^ Uebrigens' scheint dem abändernden (dem Schauspieler der Königsrolle?) die Anrede siceel Queen in des Königs Jlunde besonders gefallen zu haben, da sie sich auch S. 52 als Speciallesart der Fol. 1 für das einfachere rfear Gertmd (qu. 5 hat da decree statt dear ; daher die Aeuderung in F. 1?) der qu. 2 ff. fin- det]. 138 (der ethische Dativ you). 142 (Horalio wird hier erspart). 148 {Bat yet). 148 f. (ungefähr 23 Zeilen in Prosa; Hamlets, Os- ricks und Horatios Rolle; Verkürzung der Verhöhnung Osricks, wo H. den Euphuisnnus carrikiert). 149 (Zwischenbemerkung Ho- ratios). 150 f. (kleine Scene zwischen Hamlet und dem Lord, der dadurch erspart wird. In qu. 1 eine Spur davon, doch ist da der Lord mit dem Bragart Gentleman (Osrick) verschmolzen).

Nur eine Auslassung scheint mir doppelter Art zu sein S. 87. 88.

For womens Feare and Louc, liolds

quaniitie., In neither oiight, or in extremitie.

For women feare too muck, euen

as they loue, And womens feare and toue hold

quanlify., Eitker none, in neither ought , or

in extremity,

Hier hatte Fol. 1 entweder nur den unvollständigen Text der qu. 2 oder 3 vor sich, oder schon das Original -MS., die Quelle beider Texte, halte- die auf loue reimende Zeile überschlagen. Es ist die Zeile For women die erste auf H. 2 in qu. 5 und auf p. 267 die letzte in Fol. 1. Entweder kam der Setzer der Fol. 1 hier abermals, durch den ähn- lichen Anfang irre geführt, in Confusion, oder er (oder seine Rolle) rückte (ohne Original-MS.) die Stelle so zurecht. Es wäre seltsam unkritisch zu behaupten, dasz die in allen echten Qs. enthaltene Zeile For women feare etc. unechtes Einschiebsel sei, während so oft Zei- len und Halbzeilen in denselben übersprungen v. erden , und gerade

116 Shakespeare's Hamlet herausg. u. erkl. v, Delius. Zwciler Artikel.

auch hier. Malone hatte also ganz recht. Es ist nichts im Wege, dasz diese TS'ehcuroilc (die Königin im Schauspiel) in F. 1 auf einer Ab- schrift aus qu. 2 11'. beruht; von dem König im Schauspiel ist es nicht gut denkbar.

Aus diesem Verzeichnis ergibt sich, dasz einige Auslassungen in der Holle des Königs den Verdaclit erwecken, als beruhe die Form derselben in Fol. 1 auf einer Quarto. Unter den nur in Fol. 1 befindlichen Zusätzen zu dieser Rolle ist keiner der mit Sicherheit diesen Verdacht widerlegte, da das willt fierie Quiclmesse S. 112 eine aus unglücklicher Reminiscenz dem (R 111, 4, 3) Tlien fierij expedilion be my tcing? vom Schauspieler nachgemachte Verschönerung sein könnte, >vie eben vorher das erbärmlich angellickte nf Ikine. Der hochtrabende Ausdruck passt hier nicht.

Ferner ergibt sich daraus, dasz alle längeren Partien auch in qu. 1 fehlen, was die Vermutung verstärkt, dasz, wenn die qu. 1 nur eine Verstümmelung des einen echten Hamlet ist, die ßühnenrecen- sion der Fol. 1 schon im wesentlichen ebenso von Anfang an bei dem Globuslheater existiert habe.

Allein hieraus folgt nicht, dasz Sh. auch nur einen Strich an dieser Rüluienrecension gethan habe.

4) Sehr viele Speciallesarten der Fol. 1 bieten einen flache- ren und gewöhnlicheren A u s d r u c k , eine nachlässigere Wen- dung, wie sie sich wol aus wiederholtem abschreiben, namentlich wenn dies von den Schausj)ielern selbst in Bezug auf ihre eigenen Rollen geschah und also den Einflusz der salopperen Bühnenrecita- lion erfuhr, aber unmöglich ans einer Theaterbearbeitung von der letzten Hand des Dichters und, den sorgfältigeren Druck der Fol. 1 erwogen, auch nur gezwungen und zum kleinsten Theil aus bloszer Setzernachlässigkeit erklären lassen.

I. Die auszerordentlich häufige Vertauschung kleiner Formwörter wie ciitd und but ^ as, ur, wie cuuld, irould^ s/iuuhL wie Ulis und l/ius, the, ihat und vieler Praeposilioneu spricht sehr dafür, dasz auf der einen oder andern Seile Nachlässigkeit der Grund des Fehlers war, und unterstützt in keiner Weise die Annahme dasz eine doppelte Rccension von des Dichters eigner Hand vorliegt. Im ganzen wahrscheinlicher ist es von vornherein, dasz solche Ver- derbnisse in den jüunercu Hnndschriften häufiger sind als in den älte- ren, wenn nicht deutlich jene das schärfere und eigenthümlichere, diese das mattere und allgemeinere ^^ Örtchen bieten. Aber es ist ja gerade umgükeliit. Die Foliorecension bietet uns den schwachen Artikel the an ei If Stellen, wo die Quartorecension die schärfern Demonslraliva und Possessiva haben: so S. 20 lliis liiid ^ tlial Urne ; 21 Ihis dreatne; il this tchule; 32 llieir butluns ; 32 Thuse (auch qn. l) ; 52 Ihese ; 76 l/iese; 132 thai*); 133 her ; lilj tkosc^ während ich das umgekehrte

♦) Auch S. 35 i^w. thal die F. t/ic eye isl aus (hui eye (Hörfeh- ler) .so corrumpicrt.

Sliakesi)care''s Hamlet licraiisg. u. crkl. v. Deliiis. Zweiter Artikel. Il7

mir zwei- oder dreimal gcfuiuleii liabc (131 Qu. the F. that; 150 Qu. tf. F. that; 153 Qu. llie F. thal). Das vulgäre ye für »/o« erscheint siebenmal im Foliolext (30. 52. 57. 68. 69. 74. 112) nirgends umge- kehrt; his für this nicht weniger häufig (31. 46. 53 (qu. 1 thaf). 67. 101. 108. 119), seilen umgekehrt (40 wo this Unsinn ist. 79); him für them (112); a für (hat (104); so für lhe7i (64); //*«« für yunder (93); //er für //ifä- (133); ijoh für »/««r sc//"e (150); his für /Äese (34); This iur These (l27); // für That (136); l»7<e/e für Whether (i. e. Whilher, wie hether für hilher, die stehende Schreibart der alten Zeil) (39); /"ür's für /br //«s (90); ahcaijes für «/so (159); die gramma- tisch incorrecten Formen Hath für //os/ (82); our seife für owr seines (111); pry fhee iür pray thee (25). Die grosze Menge der saloppe- ren weniger praegnanten Conslructionen, wie das polysyndetische ««(/ für cf(i'l); you für tu (46); and (Unsinn) für as (47); and für oi- (48); / haue für it hath (qu. 1 it had) (52); / i«^ dipt für //io< i«^ (/.7^/;e (l3l); And für Üw^ (57. 125); wuuld für /««V/A^ (117); tcould für worhe (126); ««f/ zweimal zugesetzt (134), so wie that (ib.); him für j/c*« (133); and zugesetzt (137); And für As (17) ; die in den be- stimmten Verbindungen gemeineren Praeposilionen on für of (17); of für <o (21); o/i für to (25); For für From (34); 2'//*' für w«7/i (47); Whereon für tcherein (55); für ore (131); «>«/o für to (139) usw. Auch die Varianten der Wortstellung (14. 35 (bis). 38. 52. 88. 93. 129. 131) gehören zum Tlieil in diese Kategorie.

Gegen eine solche Masse von Verschluderungen des praegnante- ren kommen einzelne Fälle des Gegenlheils für jeden der weisz dasz es bei Handschriften immer auf die Pluralität der Fälle ankommt, nicht in Betracht (z. B. 129 Qu. the F. our; 130 Qu. the (auch qu. 1 the) ?. our). Der auffallendste darunter ist der, dasz Fol. oft (48. 49. 98. 72. 108. 134 139. 150) he für das vulgäre a der Quartos bietet; da dies jedoch vorzugsweise in den losen Prosareden des Clown und Hamle ts , ferner in Polonius und Ophelias Reden geschieht, so ist vermutlich das a ursprünglich, das ja auch stellenweise ehendort von der Fol. 1 festgehalten wird. Dagegen scheint das von F. öfter als von Qu. gebotene the which für which kein in Qu. verdrängter Ar- chaismus, sondern ein in F. eingeschlichener Vulgarismus. Wie oft hat qu. 1, welche von allen Recensionen die trivialsten Ausdrücke liefert, dies the trhich! Auch das von Fol. S 68 gebotene Mars his Armour für ßlarses Armor ist ein in der Prosa jener Zeit sehr ge- wöhnlicher Vulgarismus , der nur ganz selten bei Shakespeare zu fin- den ist, vielleicht nirgends echt; eben dahin gehört der Solöcismus in Fol. 1 To who für To whome (104).

Es versieht sich dasz es in manchen Fällen einerlei sein kann, ob the oder that ^ ob should oder would ^ ob w/" oder to dastehe, und dasz die Entscheidung darüber nicht von subjeclivem Gefühl über das passendere so sinnverwandter und geringfügiger Wörter, sondern nur von der Entscheidung über die ganze Frage abhangen darf. Aber allerdings trägt zu dieser die oben gemachte Wahrnehmung bei. Denn

118 Shakespeare''s Hamlet Iieraiisg. u. crkl. v. Delius. Zweiler Artikel.

>vcnn z. B. in einer griechisclicn Handschrift rovrov häulig- für ravtou^ avTov für Tov avrov, ncä für yMinsQ, ')j für ■^'roi, in einer lateinischen «s für isle, quiim für quomam, non für nonne n. dgl. vorkommt, so wird, wenn es sich um Nachlässigkeit der librarii handelt, keine Frage sein, dasz sie eher auf dieser als auf jener Seile zu suchen ist. Auch slimnit damit das Factum überein, dasz in den meisten auf- gerechnelen Füllen dieHiig". schon stillschweigend der Qiiarlorecension gefolgt sind. Tdanclie solcher Verderbnisse in F. 1 sind ja auch tota- ler Unsinn, z. ß. Ihis statt A/s (40); icits^ halh für in'ts, witli (40) ; for für our (45); or Ums, für or this (ohne Komma) (45); thee für the (37) ; h/i^s für does (56) ; «« für lo (134) ; are ro (F. 4 are fu) für now to (158) u. a. m.

II. üasz diese Nachlässigkeit nicht sowol auf den Setzer der Fol. 1 als vielmehr auf dessen Original kommt , licsze sich eineslheils ans der verhällnismäszig viel groszeren typographischen Sorglosig- keit der (juarlausgahen (Nr. 8), die auch sonst feslsleht, folgern. Solche Folio-Varianlen dagegen, \\ie z. B. aus einer Stelle des 5n Acts

Qu. 139 and now hoic abhorred in niy

imafjination it is. 143 nov s hall you see

145 As loiie hclweene Ihem Hhe the palme mighl Jlorish.

146 Folded Ihe wiit rp in fhe foini of I h'' dlhcr

150 Shall I di'liuer you so? 154 Here Hamlet take my napkin riib t'ty broices

Fol.

And how abhoi^-ed nuj liiuKjina- tion is.

now le l me see

As laut' betueen thciit , a s Ihe Pal- me shoiild fluitrisk.

Fulded the irrit rj) in furiii of Ihe ölher

Shall I redeliner you ce'n so?

Heere' s a iSapkin , nib Ihy bro~ wes.

denen sich 100 andere an die Seite stellen licszcn, gehen Mcit hinaus über Setz er nachlässigkeit und vcrralhen viel gründlichere Verderbnis des Te.vles. Andernlheils zeigen ja sich diese Fehler gerade ebenso ciuf dem Gebiete inhaltsreicherer synonymer Ausdrücke, und das natürlichste bliebe immer, beide Arten , jene Verscliluderiing der FormwOrler und diese der wichtigeren Epitheta und Sub&lanliva, einer und derselben Quelle zuzuschreiben.

Denn dasz die letztere nicht aus bloszeti Druckfehlern enlslandcn sein kann, ist für eine gewisse Anzahl unbeslrcilbar. li'\n Setzer kann wol his für /A/s, Ihose für Ihcse (|7), Iha/ für Ihis (HO) drucken, aber nicht, wenigstens aus Versehen nicht, Ihal für yondcv (93), (Jueslion il für Speake lo it (15), day für iiioruc (19), con iralke für darcs s/y/r/<' (20), See für l.ooke (32), (Hites für l.ends (34), i/roiind für earlh (45), Chamber für clossel (49), icaile für mourne (56), [allen- falls Iwo für lenne {(\y\. 1 lenne) (57)], .spc für heare (80), hinavies für browes (94), tristfull für healed (100), <in old für a poor (122), hast für speed (125), pnsl niy für lopl nie (J29), coute für viakc (132), cold für riill -cold (133), linics ((|u. l) für toiides (133), o're Ofjices für ore -reachcs (136), leeriii;/ für <jriiiuiii(j (139), Choinbcr für labte

Shakespeare's Hamlet licransg. ii. crkl. v. Deliiis. Zvveilcr Artikel. 119

(139), (kaum 140 haue für been und 145 as für Uhe)^ Icacli für U-arn (144), Virrjin Riles und sage für resp. vircjin Cranis und a (140. 141), Away für lloJd olf(li2), Ue did Complie für A dkl so (150), Beavy für breede (J50), aß'eard für sure (154). Allein nun meint man, dies müslen Verbesserungen des Dichters sein. Wie gelit es denn zu dasz unter den Synonymen nur ein einziges sich enlscliieden dem Leser als solche empliehU (an old für a poor^ , während manche ganz gleichgiltig und andere olVeid)ar matter und schlechter sind? So day (es kommt 2 Zeilen darauf wieder), so das trivialere can iralke^ so . see (beidemal), Giues, auch nach englischem Sprachgebrauch ground, so past my, so give (way} und come ^ so die modcruisierten cold (vgl. Halliwell s. v. cull} und Innes, leeriny, so das modernisie- rende teacli. Trisffu/l ist auffallend geliert, o''re Offices feiner, aber nnkräfliger; bei Beavy mag man zweifeln. Zu dem >Viedergchrauch desselben Ausdrucks wie bei day sind noch einige Beispiele mehr da: idlc Viir iciciied (9S)^ maltes für sefs (lOO), Kcepes für Feeds (119) (vielleicht awch feare für n:ill (ol), Neices für friite (52), spirit für weale (94) und tonguc für turne (150)), welche schwerlich üiltoty- pien, viel eher üittomythien (s. P. Sh. S. 291) sind. Das niüste ein sonderbarer Poet sein, der seine Arbeit so verbesserte, dasz von 10 anders gewählten Ausdrücken nur etwa einer dem Leser besser gefällt. Räumen wir dagegen den Schauspielern einen verändernden Einllnsz auf ihre Rollen ein, so nuisle gerade so das Resultat sein , und stimmt vollkommen mit den vielen Verschhulerungen überein. Charakleri- slisch ist, dasz diese synonymen "Wendungen noch speciell luiiilig in der Anrede vorkommen, so dasz ein Imperativ mit einem Vocaliv, ein Vocativ mit dem andern, ein titou mit yon wechselt: da dies als Element der Bühnendeclamation immer wandelbar ist und ganz mit den unter Nr. 1 besprochenen Zusätzen harmoniert. So steht in F. 1 Ham- let für lisl (40) ; Hamlet für das dritte adieu (42) ; my Lord für Ho- ralio (44); Hectiba für her (ein ähnlicher Fall S. 70); my good Ham- let für 7)iy dear Hamlet (84); my good Lord für mhie oinie Lord (108); yoii üods für a God (124); your für thine ; Saylors^ my Lord für Seaf'arlnf] men (125); yood Lord für sireet Lord (136, vielleicht Diltotypie in qu. 2), you für t/iee (143), Comeon sir für Come my Lord .(153), Oh (jood Horatio für O God Horatio (157), denen sich vielleicht rjood Molher für coold mother (23) und come bird , come für boy co- me, and come (qu. 1 come boy, come) (43) anschlieszt. Das sind keine Dichterverbesserungen und (mit wenigen Ausnahmen) keine Setzerfehler , es sind auf flüchtiger oder absichtlich ändernder Decla- mation beruhende Fehler auf der einen oder der andern Seite.

III. Dazwischen steht die groszc Menge synonymer Varian- ten (oder doch Wörter von ähnlicher Paszliclikeit), welche, da sie eine äuszere A ehn li cli k e i t haben, immer einen Zweifel übrig lassen, ob sie auf eben dieselbe Weise entstanden sind, oder so dasz ein Druckfehler gröberer Art in Qn., oder auch (doch dürfte dies der seltenste Fall sein) in Fol. 1 begangen ist. Zunächst gehören dahin

120 Sliakespeare's Hamlet hcraiisg. u. crlil. v. Deliiis. Zwcilcr Artikel.

eine grosze Menge Wörter, die in den verschiedenen Recensionen verschiedene Endsilben haben. So hat F. ] compulsatine für compvl- sator}/ (17), Easlerne für Knshi-ard (20), heariiifj für bearers (22), imtiles für das ahsichllicli geschraubte (?) wnesls (33), snmetrhat für somef!n'/irj (34), posscf für posscsse (41; dies ist sicher in F. 1 riclitig-, in Qu. ein Druckfehler), zweimal vafls für iraiies (37. 38), crimefiill für cr/mi7ial (126): W/iij Uir. What (130); .SVr für sirra (137); Impe- riall für Impcrions (140); a^ide für rnrliile (140); irisoriesse für irise- dome (qu. l) (141), caoay für ö«t^ (76). Bei andern ist der Anfang- verschieden, z. B. in F. 1 Sect and force für Act and place (31), speed für heede (öO), /'o?//g für sole (i'7), ^Vr für Vor (l-{2), /7//».'<? für yawnc (11, wie es scheint Schreib- und Lesefehler hüben oder drü- ben), //«;/>/// für fiincra/l (124); adnise für denise (128); rau für can (129); rüde für ;»r/rf(l37); hardJij für scarcehj (137); Ä/Vcs für Crants (140); fiiendship für Lordshippe (147); ijestii für Ars^y (150); fand and viniioired {nr prophane and Irennoired (löOj. Die meisten jedoch variieren im innern des Wortes, im Worlstamm selbst, so in F. 1 Landiessc für lairlesse (qu. l) (I7), sheiresUlr shapes (24), sanc- fi/y für safely (ßl), pectdiar für pnrtivnlar (31), Conirade für coii- raf/e (ou. l) (33), enurn''d für inferr'd (37), frelfiil! l'iiv fearefnil (^9), sliffly für sirif'ihj (42), vr// für varrant (47), deeme für drcame (51), trinliinfi für vorkiny (55), cominr/led für comedied (82), exccUent für eloquent (93), thumb für <Ae innber (9'i)^ fresh für /.'».>;// (97), /.i/w/f/ für /i/o?r/ (106), conlunctiue für conch'ne (126), coni/rrint/ für co??- griiing (ll3), claimes für craites (113). safely für sü/"//^ (tl3), coh- uenience für comieiance (131), cumminfis für cvnnings (132), aslrinl für ascannt (i32), doubts (i. e. dovis) für drotrnes (133), sloope für sooyjc (135), canght für clawcd (136), /'«A iiirpoli (139), H7«/er.s- für iraters (140), f/(v//T für r/rpyu' (144), dehnte (rnsiiin) für defeal (146), impond für impavned (149), rnseale für rnfold (144).

^^'ir wollen über alle diese Folio-Varianlen nicht streiten, denn naiürlich sind darunter nuinche entschiedene Verbesscruug-en. >ur sind diese augenscheinlich keine zweiten Fassungen des Dichters, son- dern lediglich Verhes.serungcn der Druckfehler in der Quartoreccnsion. Andere mögen Druckfehler der Folioreccnsion sein , aber einige sind so auffallend modernisierend , wie She'^s so coviitnetiiie to my Itertrt and sollte (wer sollte wol aus bloszem Druckfehler auf das ganz sel- tene ^\()rt t'ö«(7/«t' (davor Sltels so) gefallen sein, das vermutlich ein astrologischer Ausdruck ist?), coniiiring (das congruhig ^ ein da- mals seltenes Wort, änderte Fol. 1 auch in II. V. cf. Coli. Ed. V p. 476) (126), ran (129), Hites (l40), Iwperiall (140), einige so sicht- lich malt und trivial wie bearivg (22)^' deeme (51), claimes (113), doubts (i:VÄ), canghf (136), excellent (93), fresh (97), dasz auch hier von Verbesserung gar keine Hede sein kann, wol aber von Ver- unstaltung durch solche, denen diese Ausdrücke muudjierechter waren. F,inii>c, Synonymen der TOI. I sind jedoch aiiri'allciid pathetisch oder geziert , wi(; /'^>///(' (97). (7////»"rf (37) , vriniefiiU (126) [wie tr/slfiilf

Shakespeare's Hamlet heraus^, ii. crkl, v. Delins. Zweiter Arlikcl. 121

S. 100], friendship (147), irisenesse (l42), Landlesse (|7). Dabei ■wird CS freilich vorcM-sl iincntscliieden bleiben, ob wir das gcwübn- liclicre ^^ ort in der ()u. einem Lesefehler des Setzers, oder das cii^en- Ihümlichere in F. 1 der affeclierten Verbesserung diircli unberufene Hände zuschreiben sollen. Die Annahme dasz diese letztern Aende- rungen vom Dichter ausgegangen seien, finde ich, die 3Iengö der übrigen Fülle und die äuszere Aehnlichkeit auch dieser \yörter ange- sehen, ungemein unwalirscheiniich.

Qu. 1 stimmt in iJezug auf die Synonymen nicht selten mit qu. 2 ff.; seltener mit F. 1 überein, z. B. hat sie Queslion il wie F. 1 (J3) und bald darauf morning fast wie qu. 2 (19), Lends wie qu. 2 ff. (34), earth wie qu. 2 ff. (45). Zuweilen hat sie auch einen dritten Aus- druck, z. B. dare wölke für das dares sturre der qu. 2 IT. und cafi iralke der Fol. 1 (20); gallery, wo qu. 2 ff. closset, F. 1 ff. Chamber geben (49). Es ergibt sich daraus dasz ein (geringer) Theil der in F. 1 erhaltenen Bühnenrecension alt, ein anderer (gröszerer) Theil aber späteren Ursprungs ist; also dasselbe wie aus Nr. 1.

5) Die geschraubte Verkehrtheit manclier Speciallesarten der Fol. 1 ist, während sie nicht unsinnig genug für blosze Setzernach- lüssigkeit ist, so wie sie in Jüngern, abgeleiteten Handschriften vor- zukommen pflegt, wie sie aber ein Original-3IS. des Dichters nicht enthalten haben kann. Einige Beispiele werden dies unzweifelhafte Factum nachzuweisen genügen.

S. 101 läszt Fol. 1 die Königin sagen: And mth Iheir cor po- rall ayre do hold discourse, welches eine contradictio in adiccto ist, auch von F. (2. 3) 4 in the Corporal verwandelt (dies vergiszt Hr. Collier zu bemerken), und von Southern (nach Colliers Angabe) be- richtigt (wie?) wird; vermutlich in fh" incorporall , die Lesart der Quartos.

S. 113 schlieszt der König in Fol. 1 die Scene mit dem Couplet: And thou nnist ctire me : Till I hnoic lis done, Hotn ere my happes^ my ioyes irere ne''re begun. Obgleich mit einiger Mühe ein Sinn diesen Worten abzugewinnen ist : 'Bis ich wcisz dasz es geschehen ist, wäre, wie auch mein Glück sein mag, meine Freude doch kaum begonnen', so wird doch jedermann einräumen, dasz die Quartolcs- art my ioyes irill nere beginne einen richtigeren und natürlicheren Ge- danken gibt: 'Bis ich weisz dasz es geschehen ist, wird, was auch mein Glück sein mag, meine Freude nicht ihren Anfang nehmen', und dasz (da weder hüben noch drüben Druckfehler sein kann) die Aen- derung aus einfachem Sinn zu Halbsinn unmöglich dem verbessern- den Dichter, dagegen sehr wol dem schlimmbcssernden Schauspieler zugetraut werden könnte, dem es gelegener war mit einem reimenden Trumpf abzumarschieren, wenn auch der Sinn der "Worte dadurch etwas nebelig würde.

S. 110 hat Fol. 1 in dem Verse des Königs But nercr bis offencc für das Wort neuer das völlig unverständliche neerer i. e. nearcr.

S. 127 hat Fol. I in Laertes Hede Who was . . . stood für

122 Shakespearc's Ilamlel heraiisg. u. erkl. v. üelius. Zweiler Artikel.

Whose wortft .... slood ; jenes als vullkomineii liybrid zu he- Irachten. so lange nicht etwa lo be bei lo stand als Hilfszeitwort nachzuweisen wäre. Ebenso sind die Foliolcsarten in derselben Holle S. 141 0 lerrihle iroer (für 0 Irebble woe) , S. 152 vngorrfd (für rrujor'd) geschraubter Unsinn; nicht minder in Osricks Rolle S. 150 IIc hath one tweltie for miiie, and that irould (für hee liath layd on tweltie for nine, and et irould).

Freilich sind einige unter diesen beispielsweise angcfüiirten Les- arten, z. B. their corporall, neerer offenbar aus falsch gelesenem the incorporally neuer, entstanden, aber dies sind doch keine Druck- fehler im engsten Sinne, sondern 31 is verstau dni sse, indem aus den richtigen andere, an der Stelle unrichtige Wörter gemacht wur- den. Die Iläuligkeit der Fälle, welche noch deutlicher eine aufs übel- ste z u r ec h tm a chcn de Hand beweisen, das zusamnienlrelfen der- selben in den IJollen des Königs, der Königin, Laerles , Osricks lassen uns auch für jene Fälle wie neerer eine andere Quelle als blosze Setzernachlässigkeit erkennen. ^^ ahrschcinlich fand der Setzer man- ches in den Rollen corrupt vor, und manches mag seine eigne Schlimm- besserung sein.

6) Die Speciallesarlen der Fol. l verraten einige aber sichere Spuren grammatischer und metrischer Modernisierung, wie die vorhergehenden Gattungen mehrere phraseologische darboten.

I. Fol. 1 verdrängt zweimal den allen Inüniliv mit for to, in- dem sie S. 27 (wie qu. i) lo drinhe deepe statt for lo drinlic und S. 78 to prenenl statt for to preucnl schreibt, wo dann F. (2. 3) 4 ein liow einschiebt, da das Metrum ohne for hinkt,

II. Die Fol. 1 verdrängt dreimal die poelisch gebildeten Parli- cipialien auf erf, und setzt statt dessen jM-osaischere Formen auf // und Uj. So schreibt sie grisly , fmofty, niyhlltj statt fjrissCd (r|u. 1 cyj'/s/f/d; die Synkope ist falsch), Unotted, niglited (29. 39. 23). S. l'crkins Sli. S. 139. J49. Die Polemik gegen das eine n/yhled ist also ganz pervers.

III. Das allerthümlich-feierliche s/fh (die gewöhnliche Form bei Spenser) linden wir zweimal in der Rede des Königs iu das moderne sitice verwandelt. An anderen Stellen wird sith gelassen, z. B. 126. Die Ausleger halten es da auch fest. Der Dichter charakterisierte da- mit die getragene Sprache, vgl. z. B. MfM. I, 4. 4, 1.

iV. Das allerlluimliche bei Spenser noch so häullge Kxpletiv do wird au vier SIelleii verdrängt, einmal sicher mit Zerstörung des Me- trums: S. 72 Jf he bat hleiieh statt If a do b/ench; S. 89 protests to stall doth prolest loo (also kein bloszer Druckfehler in F. 1, übri- gens scheinl Prosa beahsichligl) und S. 103 t/iol yon bciid stall IIkiI you doe hend ; ohne Schaden (eher zu Gunsten) des .Metrums, 154 you bul dally für yoti doe biit dalfy, welches sich metrisch hallen läszl.

V. >Vörler, in denen Sh. die der alten Zeit eigeulliümlicho Ab- werfung der Vorsilben (P. Sh. S. 129) zuläszt, werden mehrfach ver- drängt. Slalt sloiu'sf/ , ira/'fe, peare , //««/r^r schreibt Fol. 1 aslonis/i.

Shakespeares Hamlet hcrausg. u. erkl. v. Delius. Zweiter Artikel. 123

irarraiit, pierce ^ humour (92. 99. i2'2. öl). Später nimmt diese Mo- dernisierung- immer zu. So bietet Fol. (2. 3) 4 für das peace-parted (S. 141) peace-deparfed. Gehört auch aduise (Fol. 1) fdr dcuise (qu.) p. 128 dahin?

VI. Einige ältere Verbalformen werden verdrängt. So schreibt Fol. 1 Struck'', säte, sfruckeii (qu. 1, ganz modern sfrivhen) ^ inken, hörne für resp. sfrooke (145), sat (13j), stroken (90), tooke (138), l)ore (139), obgleicli im ganzen erst die jüngeren Folioausgaben diese Art der Modernisierung consequenter dnrchtühren. Doch hat z. ß. bei dem S. 158 vorkommenden s/rouke selbst Fol. 4 noch strook. Auch der in allen Folioausgaben wiederholte Solocismus shew^d (Parlicip) für sAoM?« (S. 55) ist zu bemerken, (so L. L. L. 5, 2 mis becoinPd; Jul. Caes. 3, 1 Vnshak''d. Aehnliche Solöcismen vom P. Sh. corri- giert cf. p. 148.) Auch die alterthümliche Anwendung des Ihink als Impersonale scheint einigemal verdrängt. So 129.

Qu. so [(irre he topt me thou g h t Thal I in forgery of shopes and

tricks Come Short of trkat he did.

und S. 146: Dooes it not thinke thee stand me now vppon ?

F. 1 so farre he pa st m if thoiiff ht , That I in forgery of shapes and

triches Come Short of what he did.

Does it not , t hinkst thee, stand me novi vpon

Avo die F. 1 einen widrigen Solocismus bietet. Diese impersonelle Wendung wird schon in Sh.s Zeit selten, früher sehr häufig, bei Chau- cer und noch früher, z. B. bei \\. Gl. I, 32 and that iras hire iho^te yno^. Alte'Inipersonalien bei Shakespeare sind T. G. 5 extr. That you shall wonder ichut hath fortuned ; C. E. 2, 1 Or eise, irhat lets it hut I would be here? ;.M. N. D. 1, 1 How chanc'e = wie geht es zu (5, 2); T. S. 3, 2 It skills not much (noch plttdsch. dat schilt nick rel = das macht nicht viel Unterschied); T. S. 4, 4 It likes me well; A. W. 4, 4 it halh fated her (es ist ihr bestimmt worden) u. a. m. Auch in unsern altern Sprachen waren viel mehr Impersonalien als in dem neueren Deutsch: Grimm IV p. 227 252.

VII. Manche alterthümliche seltene Wörter und Wertformen w er- den verdrängt. Auszer den schon erwähnten ascaunt, cull-cold , lau- des, the umher, cöncliue, can, Crants, learne (r= lehren), conqru- ing , inuest * ) , namentlich noch iu?np (16) und co-mart (l7); F. 1

*) Nicht uninteressant ist, dasz ein F^all die.ser Art auch inner- halb der Quartos vorkommt, so dasz die Smethwickesrhen einen obso- leten Ausdruck (inseamcd) durch einen gewöhnlicheren (incestuotis) er- .setzen (102). Die aus Editorenrücksicht oder aus Bedenkliclikeit der recitierenden entsprungenen Varianten in F. 1 (z. B. S. 142 Come für den F'iuch S'ivounds) sind oben nicht mitgerechnet. Sie stehen be- kanntlich durch die ganze Fol. 1 durch. So steht Ileauen für God

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXIF. Hft. ;j. 10

124 Shakespeares Hamlet herausg. u. erkl. v. Delius. Zweiter Artikel.

schreibt für jenes ./»si (ohw o\ junip damals nicht trivial war, wie es dennp. 158 von allen allen Ausgaben in feierlicherer Rede geboten und auch von den Ilgg. (welche Kritik I) gebilligt wird); für dieses Cou'- nant; ferner u e ic hat cht (F. 1 rnhalchH 32, cf. P. Sh. S. 230 new in diesem Sinne --= erst eben, kommt auch in den allerthümlichen Reden der Schauspieler % 1 A rovsed Venfieaiice sets him new a-worke vor; in einem von J448 datierten Prosa-MS. ebenso neire; noch frü- her (in dem altern BIS. von Roh. Gl. Saec. XIII ex*) stand nctre = no tchit, netter^ z. B. R. Gl. p. 468 Hearne: Ac neioe hadde god cas aber sie hatte nie Glück); an und a für one (2l). Bonds für Lands (21), Ere für Or (27. 145. Ilr. D. läs/.t seltsamerweise Or S. 26 gel- ten, weil Or ere da zusammenstehe, ohne zu l)edenken, dasz nach qu. 2 ff. es auch S. 27 Or euer l had (und nicht getrennt wie F. l hat: Ere I had ever) hciszt, und dasz also beides von dci^elben Mo- dernisierung zeugt); irhilst öfter für trh/le und nhiles (32. 54. 159 u-hiles für irhile); soinet/mcs für das ältere somelime (21) *) ; fowards für toward (25. 22). Die Verdrängung der allen 2 ps. Sing. Praes. auf vS, S. 42 pursuest für piirsves (anderswo haben nicht selten erst die jüngeren Folios st, z. B. S. 37 qu. 1 lieuissets; qu. 5 Reiiisit.es ; F. 1 Renisils; F. 4 aber Revisit''st (so M. N. D. 5, 1 Stands für standst Temp. 1, 2 ihoti vas\ ib. thott slro'ahst nie and niade niitch ofme; llaml. qu. 1 thon rsiirps)^ doch läszt sich dieser Fall auch anders jdculeu; die N'erdrängung des allen and (so iiimier die alte Orthogra- phie für an) durch //' (150) und des So = wenn, durch If so (128), des feineren Conjunctivs (turne) nach //// (122) und {bc) nach thal (^100); Ordinate für ordinant (146), wie Imperiall für Imperious; no other thing . . . than (auffallenderweise hier th'an , nicht then geschrieben) für nothing . . . hat (61).

lläulig dagegen bietet F. 1 he für r/, nicht ganz selten auch yoti für yee (49. 52), häiiüger umgekehrt i/e für ijou. Aber Princip der F. 1 ist nritie und th/ne vor Vocalen und stummem // zu schreiben, wahrend in qu. 2 ff. »ly und thy auch da sehr häuhg sind; zuweilen steht es in F. 1 jedoch auch (41. 64). O"- 2 ff. hat die Form Ilow- someuer zweimal, wo qu. 1 und F. 1 hoirsoeuer haben (42. 45); an einer andern hat auch F. 1 ff. someiier (94). Dasz F. 1 und qu. 1 stets vitde, qu. (5) und F. 4 slets rite schreiben, läszt sich verschie- den deuten. Richtiger ist r<7(', aber r<7f/e war eine sehr übliche Cor- riiption in Shakespeares Zeit.

Vlll. Auch altertliümliche Messung und Betonung scheint hin und wieder verdrängt, wenn auch <liese zarten Punkte der Sprachbildung

28. 40. 49. S. 40 /( scvmcs für Jhj hcnucn: 52 onc für and (wenn es als unheilig gnlt, zu denken inid zu .«afieii dasz nielit nur der Gelior- sain , .sondern aueli die Seele dein Könige gegel)en werdo) ; 71 ////_i/ für s'woitnds

*) S. 56 (in Prosa) sniiiclitncs in beiden Receiisionei', es war . schon diiinai.s die Form des tii''liciien Lebens.

Shakespeares Hamlet herausg. u. erkl. v. Delltis. Zweiler Artikel. 125

lange noch nicht geniig für dieses Gebiet durchforscht sind, um mit Sicherheit über jede Einzelheit urlheilen zu können. In folgenden Bei- spielen ist das erste die Quarto (5)-, das zweite die Folio (l)- Lesart: 31. The safety and health of this ichole State \ The sanc- tity and health of the weole State. 20. Where iree shall ßndhim

most CO nve nie nt (^oh auch qn. 2 4?) | conneniently (qu. l). 56. // vuiy bec vcry like. (Halbvers) | liheiy. 129. And for

your Rapier most esp e c'/'ä fl, (ob auch qu. 2 4?) ] especial-

hj (so Fol. I). 159. To haue pröoiied most röyall; und for hi's passäge (ob auch qu. 2 4?) | To haue proiCd most royally And for his pässage. 33. Of each new hatcht rnßedgd couräge; heware (auch qu. 1). | Of each vnhalclit.. rnfledg^l Com r ü de. Be- irare. — 32. Whiles a piift, and rechles lihertine., j Whilst like a puft and recklesse Libertine. 43. There's nener a villäine.. Dicelling in all Denmürke Bitt hees an arrant knc'ine*). | There's tiere a villaine direlling in all Denmarke Bttf hce's an arrant knaiie. b\. Of Hamlets Ir ans for niatTon. so call «7 (so nennt es) \ : so I call it. 47- Fayth as yoii may seasön it in the charge\ Faith no (das no ist weniger fein und praegnant in der Antwort: Ei, das ist alles wie ihr die Sache vortragt). 34. You must not tali't for fire: from this time \ You must not fake for fire. For this time üa u ghter. 56. And all tcee monrne for. Doe yvii thinke this? I And all we waile for. Do you thinke tis this? 155. In thee ihere is not hälfe an houres life | In thee , fhere is not hälfe an houre of life; 28. Armed at poynt, exactly Cap apea (qu. 1 Armed to point?) | Arm'd at all points. 127. Too slight'y tymbered for so loued armes., (qu. 2 ff. loued armd)\loud a Winde. 56. And hee repel d. (so qu. 5) a short tale to make, \ And he repulsed. A short Tale to muke., 57. Excellent

jrell., you äre a F/sA w? ow^er, (vielleicht Prosa) | Excellent., excel- lent vell: y^are ä Fishmönger. 126. She is so cöncliue to my life and soule, | She''s so conitinc tiue. 30. The perfume and suppliance öf a minute No more \ The süppliänce of ä minute? No möre.

Diese Stellen , welche aus dem Anfang und Ende des Stückes ausgewählt sind, lieszen sich leicht vermehren. Sicher ist, dasz Mes- sungen wie faery, safety., conven'ient ., espec'iall , transformalion., na- tion ., armed ^ loved^ repelled (oder shorte^ bei Spenser Regel sind, namentlich am Ende im Reim, während im Innern auch die syn- kopierten Formen häufig sind; sicher, dasz auch Zerdehnungen na- mentlich bei Consonantenverbindungen mit einer liquida wie fier, houres, mouren, juggeler ., beames (F. Q. 3 Introd. 4) **) Certes

*) Scheint Citat. **) Whiles und Whilest habe ich bei Spen.ser nicht anders als ein- silbig bemerkt.

10*

126 Shakespeares Hamlet herausg. u. erkl. v. Delius. ZvveÜcr Artikel.

(sehr ofl) vorkommen; sicher endlich, dasz von diesen archaistischen Messungen sich ein Theil trotz aller Jlodernisiernng der späteren Aus- gaben auch bei Sh. bewahrt hat, namentlich von Malone als solche erkannt, obwol sie, soweit wir jetzt uriheilen können, bei Sb. nicht Regel, sondern Ausnahme sind, und am häufigsten in den ältesten Stücken vorkommen, so wie die auf ed am liebsten am Ende des Verses und vor Vocalen. Vgl. P. Sh. S. 379 f. 365. Auch wissen wir (aui gründlichsten, obwol noch immer nur sehr mangelhaft, durcii die Forschungen von Na res), wie die bei Spenser noch ziem- lich häufigen französischen Betonungen wie coiiräfje, pnssär/e, villain^ seasün bei Sb. zwar, wie bei den Dramalikern überhaupt, seltner werden, aber doch auch noch vorkomuien , so wie umgekehrt Unter- schiede zwischen dem paroxytonicrten Adjecliv-Substanliv und dem oxytonierten Verbum sich festgehalten finden, welche bald nachher so oder so verscliw unden sind. Vgl. P. Sil. S. 24. 360 If. 406. Sollen wir demnach den Zuwachs an neueren Messungen und Betonungen der modernisierenden Hand des Dichters selbst, oder vielmehr der Schau- spiclerredaclion oder Scbauspielerrecitation zuschreiben? Wenn wir bedenken, dasz es ja gerade die Sprache des täglichen Lebens ist, die die volleren Formen synkopiert und die Betonung der Fremdwörter umbildet, so werden wir hier den Einllusz derselben auf den ßühnen- vorlrag erkennen. Denn wälirend der draniaüscho Dichter schon um desselben Grundes willen vieles von der Licenz der Doppeltouigkeit, die ein nur für die Leserwelt schreibender episch-lyrischer Diciiter be- nutzen konnte, nachlassen muste, so gilt das in noch viel höherem Grade von den recitiereuden Bühnenkünstlern, die immer mit der ge- sprochenen Sprache in Harmonie bleiben muslen. Und gewis war in dieser Zeit der Bewegung des Volkes manches um 16'23 schon so ver- altet, dasz es nicht mehr auf das Theater passte, was natürlich noch mehr von granimalischen , onomatologischen und i)brascologischcn Ar- chaismen gilt, da bei den melrisclien der Schauspieler immer den Aus- weg hatte, den Vers beim sprechen zu verletzen. Gieng doch gerade in solchen Dingen, wie Malone schön erwiesen hat, die Folio 2, nur neun Jahre später, iiitbt minder dreist zu Werke, indem sie die dop- pelten Comparalive , die doppelten Negationen n. a. m. verdrängte, und sie balle doch wenig oder gar keine aulheutische Millel den Text zu bessern *).

Manche einzelne jener Fälle sind noch von besonderem Interesse, z. B. der, wie es scheint, alle allilterierende Spruch von 3 kurzen Zeilen, eine Art Triplet. S. 43, dit; rlicldrische Betonung des yoii S. 56 (denkst du es? ich nicht), die Oxylonierung von F. 1 /is/nuon(/(''r: P. Sh. 360. 496, die Möglichkeit einer w egen des unverständlichen loued

*) Von (iineni dt-r wicht ij;stt'n Piinklo, <i<'r scluMiibart'ii Veil)iii(liing

dos Pliiralsuhjocts mit d«iu Pracdicat im 8iii{^ular habe ich absehen

iniissen, da dieser Kall mir, als meist nur auf einem s am Knde bc-

nilicn<l, kein klares Kesiiltat ergeben bat. S. Nr. 8 a. K.

Fr. Zanioke . zur iNibcluugeiilVugo. 127

ar/rtd erfundenen Variante in der Holle des Königs S. l-JT, und an- deres, wobei wir uns jetzt nicht aufhalten wollen. (Sclilusz folgt im nächsten Heft.) Eisenach. Tycko Mommsen.

9.

Zur Nibelungenfrage. Ein Vortrag , gehalten in der Aula der Universität Leipzig am 28. hdi von Friedrich Zarncke. Nebst zwei Anhängen und einer Tabelle. Leipzig, Verlag von S. Hirzel. 1854. 42 S. 8.

Der Vf. setzt im Eingange seines Vortrags es als bekannt vor- aus, dasz im Laufe des verfloszenen Jahres eine der Lacbmanuschen durchaus widersprechende Ansicht über das Nibelungenlied von Hrn. llofrat Holfzmann in Heidelberg aufgestellt ist gleiches kann also auch wol Ref. Der Vf. bezeichnet den Gegensatz beider Ansichten und beider Parteien als einen diametralen, gewis mit Recht doch holTt Ref. es sollen derer doch nur wenige sein, welche Holtznianns Unter- suchungen mit Geringschätzung, ja mit Ausdrücken der Entrüstung von sieb weisen vermag man auch die Holtzmannschen Untersu- chungen nicht anzuerkennen das Verdienst, die Frage neu ange- regt zu haben , kann ihnen nicht abgesprochen w erden und ebenso wenig das weitere, dasz durch diese Anregung die Sache noch einmal gründlich untersucht und villeicht entschieden wird. Der Vf. er- kennt Holtzmanns Ansichten als begründet, indem er durch eigene Studien fast zu denselben Resultaten gekommen ist und so kenn- zeichnet denn auch die ganze Auseinandersetzung eine Selbständigkeit, ein Streben unabhängig zu untersuchen und zu entscheiden, die eine ausfürlichere Resprechung dieses kleinen Schriftchens rechtfertigen wird.

Der Vf. beginnt mit einer Darlegung der Handschriften des Nibe- lungenliedes und ihres Verhältnisses zu einander, auf die Ref. nicht weiter einzugehn nötig hat, sodann geht er näher auf eine Beurteilung der Handschriften ein. Er betont die gute Beschaffenheit der Hand- schrift C, gibt aber selbst zu, dasz der ursprüngliche Text auch in einer spätem schlechten Hs. stehen könne trotzdem sagt er ein paar Zeilen weiter äuszere Gründe sprächen für C. Ref. hält diesen Schlusz für etwas zu rasch die äuszere Schönheit von C ist noch kein äuszerer Grund, der für die U r sprü n g li ch kei t ihres Textes spräche, wie ebensowenig die Nachlässigkeit, mit der A geschrieben ist, dagegen beweisen kann dasz diese Hs. nicht den ursprünglichen Text enthalte. Auch kann schwerlich der Stufengang allmähliger Ver- schlechterung der Hss. liier stattgefunden haben, da A eine von der

128 Fr. ZanicUe: zur Nibelungenfrage.

in C befindlichen ganz abweichende Recension des Textes enthält und ferner wol scliwerlich so viel später als C geschrieben ist, um einen solchen Schlusz begründen zu können, ^^'are der Text in A und C ohne die Verkürzungen ganz gleich und gehörte A dem I4n Jh. an, so stünde die Sache freilich anders aber so steht es eben nicht.

Doch der Vf. wird selbst auf die äuszcre BeschalTenheit der Hss. nicht viel AVert legen und lief, kann ihm also zu dem folgen, was er über den Innern Wert sagt. Mit Recht hebt er hervor, dasz C den am harmonischsten in sich zusammenhängenden Text enthalte aber widerum scheint dem Ref. zu rasch geschloszen, wenn er zufügt: die Kritik habe so lange C für die ursprüngliche Bearbeitung zu hallen, bis überzeugende Deweise geliefert worden seien, dasz in diesem Falle ein von dem sonstigen Vei fahren abweichendes einzuhalten sei. Handelte es sicli hier um ein Kunstgedicht, wie der Farcival ist, um das Erzeugnis eines einzelnen Dichters, so wäre diesz gewis richtig um so mehr, da die Kunsigcdichte der damaligen Zeit fast alle iiach einem fremden abgeschloszenen Gedicht gedichtet sind es han- delt sich hier aber um ein volksmäsziges Epos, dessen SlolTe nicht den liüchern, sondern dem Volksleben, dem Volks ge sang entnom- men sind und diesz ist im tiefsten Grunde eigentlich der Gegensatz der Lachmannschen und der Iloltzmannschcn Ansicht: Ist das Mbelun- genlied Volksgedicht oder Kunstgedicht? Lachmann hat das erste unbedingt festgehalten und weil ihm in der IIs. A das Mbelungenlied noch mehr als Volksgedicht entgegentrat , darum hat er ihr den Vor- zug gegeben , darum tritt seine Wahl dieser Hs. ohne Begründung auf, weil sie bei ihm auf dieser Anschauung ruhte, wie der Vf. diesz auch auf S. 10 mit Recht angibt. Ist aber diese Anschauung Lachmanns be- rechtigt, ist das Ps'ibelungeiilied ein Volksepos und gehört unter die Hauptkennzeichen volksmäsziger Darstellung die Einlachheit nuisz dann nicht eine IIs. als Grundlage der Kritik bedenklich erscheinen, die nicht ein einfach erzälendes Gedicht, sondern ein ritterlich-höli- sches, mit dem Glanz der Schilderungen, welche die Kunsipoesie da- maliger Zeit auszeichnen, ausgestattetes gibt?

Doch wir sind damit schon in den eigentlichen Gegenstand des Streites hineingelreten und folgen dem Vf. mit Uebcrgehung dessen was er über die Analogie des Homer sagt, zu den einzelnen Beweisen, welche er aufstellt. Er gibt zunächst zu dasz der Stolf der Mhelun- gen in kürzeren Liedern in mündlicher Tradition fortgelebt habe und diesz läszt dem Ref. den diametralen (Jegensatz doch als nicht gar zu sehr trennend erscheinen es ist damit doch ein gemeinsamer Boden zur Verständigung gegeben. Mit Recht setzt er weiter es als nalur- gemäsz auseinander, dasz am Ende des l'ln und im Anfang des J3n Jh. sich der Trieb gezeigt habe, diese einzelnen Lieder zu einem gan- zen zu verbinden dann färt er fort: ^NN'as ist das warscheinlichere, dasz dieser Trieb lebendig ward in einem groszen Dichter, der den StolT in einem ZiisammeMliaiige reproducierte oder dasz er erwaciile in einer pedantischen geschmacklosen Seele , die doch widrr sinnig

Fr. Zanicke: zur Nibelungenfrage. 129

genug war die bedeutende Anzal von zwanzig Liedern in verschie- denen Gegenden des Landes aufzuspüren, aus dem Volksinunde aufzu- nehmen, mit einer Sicherlicit und Correclheit, der icli im MiKclalter nichts ähnliches linde, sie aufzuschreiben, fast unbcrürt zusammen- zustellen, dann aber mit erbärmlichen eigenen Pfuschereien zu um- kleistern?' Das scheint dem lief, wider zu rasch gefragt. Die Ent- wicUelung unserer Lilleralur von der Mille des I3n Jh. war eine all- mählige: Compilalionen , wie das Annolied und die Kaiserchronik, sind eben bei dem ersten erwachen unserer Litterafur gedichtet worden; sind auch grosze Dichter aufgetreten, wie die PfalVen Lamprecht und Konrad, so leiden ihre Gedichte noch an einer gewissen Unbehiilflich- keit der Form, welche später zur Umdichlung in eine glättere Form Ursache gab; und auch in den gewaltigen Dichtungen dieser Männer ist es doch nicht die Person des Dichters, welche den StolT lebendig macht, sondern die Anwendung volksnuiszig überlieferter Schlacht- beschreibungen u. dgl. Mit dieser Entwickelung unserer Lilteratur stimmt aber die Lachmannsche Ansicht gut, die Hollzmannsche nicht sonderlich ihr fehlt eine Vorstufe, wie sie für Konrad von Würz- burg in Herbert von Fritzlar, für Gottfried von Straszburg in Eilhart von Oberg gegeben ist. Das ist eins. Das zweite, das Ref. zu jener Frage bemerken möchte, belrilft die Person des Sanders. Es ist doch wol damals nicht nötig gewesen, die Lieder, Avie heutzutage Volks- liedersamler für ihre dicken Bücher tluin , in verschiedenen Gegen- den aufzuspüren; die zalreichen Anspielungen auf die Helden des Nibelungenliedes , selbst auf unbedeutende, wie Rumold, zeigen uns, dasz diese Lieder damals jedem bekannt waren, gerade wie im 16» Jh. jeder den Benzenauer und vil andere Lieder auswendig konnte. Und hierin liegt der Grund zu der Sorgsamkeit und Genauigkeit, mit der der Samler zu Werke gieng: es war nicht sein Eigentum , mit dem er schallen und walten konnte, es war das Eigentum seines Volkes die Treue hat etwas herzbewegendes, mit der dieser Samler lieber einen inhaltslosen Vers anklebte, als andern überlieferten etwas änderte. In dem ^^'erke eines bedeutenden Dichters halte das Volk seine eignen Sagen nicht sogleich widererkannt und ich glaube, es ist vil warscheinlicher, es sei ein solcher, frei schallend mit dem Stoff, erst aufgetreten , als die Kunstpoesie an fremden Stoffen sich ihrer Kraft bewust geworden war und nun sich auch zurück zu den einheimischen Liedern wandte, nachdem diese durch die Samlung schon mehr dem Volksleben entrückt und in den Kreisz der mehr kunstmäszigen Dichtung gezogen waren.

aiit Recht sagt der Vf. weiter, dasz mit der Holtzmannschen An- sicht sich allerdings die Entstehung aus einzelnen Liedern noch immer verträgt aber wir sind dann auf die kahle Vermutung reduciert, dasz es solche -Lieder gegeben haben möge und die weitere Frage: woher nahm der Dichter der Nibelungen, wie das Gedicht in C vor- liegt, seinen Stoff? bleibt gänzlich unbeantwortet, wärend nach der Lachmannschen Ansicht diese Frage einfach beantwortet wird : er nahm

130 Fr. Zarncke: zur Nibeliingenfrage.

ihn aus bereits vorhandenen Bearbeitungen, diese aber nahmen ilin, wird die weitere Antwort lauten niiiszen, aus dem Volksmund. Die Hollzmannsche Ansicht stellt ein glänzendes Licht an den Anfang, das aher nicht einen Stral rückwärts wirft.

Der Vf. geht nun S. 13 näher ein auf das Verhältnis von C zu A, dem Zwecke des Vortrags gemäsz, nur übersichtlich. Zugegeben dasz C bei gleichen Heimen die seitnern Formen und Ausdrücke hat, folgt daraus mit Notwendigkeit, dasz das ganze Gedicht selbst älter ist? Könnte sich der Dichter nicht an ein älteres Original, das von A im einzelnen abwich, könnte er sich nicht an die Form, in der die Lieder im Volksmund in seiner Gegend lebten, angeschloszen haben? Be- warte villeiciit gerade sein Dialekt ältere Formen? Und mit Hecht urteilt der Vf. über die Motive der Aenderungen in A nicht mit voller Sicherheit, wenn er sagt, sie schienen auf ahnlichen Motiven zu beruhen, wie die Correcturen in den Umarbeitungen des 13n Jh., mit Recht nennt er dieses Gebiet sehr schlüpfrig, und mit Recht mahnt er hier zu Bescheidenheit des Urteils und des Ausdrucks. Der ganze Passus S. 14 verdient, namentlich gerade von den Gegnern des Vf. ge- lesen und beherzigt zu werden. Zu dem Beispil möchte sich Ref. doch eine Bemerkung erlauben. Sollte wol ein Schreiber, und wenn er noch so eilfertig wäre, die Notiz über den Sigfridsbrunnen, die in seine unmittelbare Gegenwart einschlug, ausgelaszen haben war- um hat er nicht an dem hin- und herreden zwischen llagcn Günther und Sigfrid, an der Jagd abgekürzt?

Etwas zu scliarf sagt der Vf. S. Ij gegen Lachmann und seine Schule., der Grundsatz, das bessere und edlere für das ursprüngliche zu halten, soUe für das Nibelungenlied nicht gelten und er wisse dann keinen Maszstab, nach welchem hier das ursprünglichere zu er- mitteln wäre. So steht die Sache doch holTentlich nicht und es wird niemand behauptet haben, es solle das gute und edle nicht auch im Nibelungenlied dafür gelten nein der einzige Maszstab, der anzu- legen ist, ist die Rücksicht auf das volksmäszige. Danach ist, wenn möglich, zu entscheiden. Was hilft es, den '^armselig' und ^dürftig' Lachmanns ein ^schön', '^anmutig', ^allerliebst ' entgegensetzen das fördert die Sache kein Haar, da blei!)t es bei der subjectivon Emplin- dung, die der Vf. mit Hecht als etwas ungewisses bezeichnet. \\'ir haben ja noch ein allitterierendes Volkslied alter Zeit aus der Helden- sage, wir haben noch diesem gleichzeitige volksmäszige allilterierende Gedichte christlichen Inhalts halle man doch immer das Nibelun- genlied neben diese und sehe man zu, ob die Schilderungen usw. zu dem raschen (Jang dieser Lieder passen, wir haben noch Volkslieder crzälenden Inhalts aus si)äterer Zeit, auch diese kann man als Masz- stab brauchen. Lachmann hat diesen Maszstab last immer vor Augen, wenn er es auch nicht aiisilrücklich safft, und das Hesnltat des begon- nenen Streites musz sein, dasz wir das Nibelungenlied noch einmal gründlich nach dieser Richtung hin prüfen und auf diesem Wege zu einem Verständnis, zu einem Urleil über das Lied selbst kommen

Fr. Zarnckc: zur Xibeliingcnfi-agc. 131

dann wird sich der Streit über die Handschriften schon entscheiden, der von diesen selbst aus nie zu entscheiden ist.

Uns armen Anhängern von A wird freilich jetzt schon vom Vf. der Beweis aufgelegt, dasz A nicht aus C entstanden sein könne und uns gleich gesagt, wir würden das nicbt beweisen können. Nun, das gibt Ref. gleich zu, beweisen, mathematisch beweisen, läszt sich das auch nicht, und er ist um so begiriger auf den Gegenbeweis. liier geht der Vf. ins einzelne und wir müszen ihm folgen. Die Anekdoten und Scherze, welche er anfiirt, scheinen dem Ref. Zeichen des bereits sinkenden Volksgesangs, wie denn der Hosengarten dergleichen genug hat und die Angabe Kriemhild habe ihren Sohn bringen laszen, um den Streit anzufangen, passt ganz zu dem Charakter der Kriemhild, wie er im Hosengarien vorligt. Diesz könnte also ein Beweis doch nein, der ist ja nicht möglich! wenigstens eine Warscheinlichkeit sein für die Vermutung, A habe unmittelbar aus dem Volksgesang damaliger Zeit, der seinem Ende nahe war, geschöpft. Und ist nun nicht der Schlnsz, ein Mann von Geist, wie der Dichter von C, habe diese Dinge aus poetischem Gefül weggelaszen, ebenso natürlich als die Vermutung, es habe sie ihm ein Schreiber hineincorrigiert? Doch es ist mit dergleichen Vermutungen nicht viel zu wirken eins aber möchte Ref. dem Vf. noch entgegenhalten. Er findet die Hin- ■weisungen auf das tragische Ende des Liedes so schön (S. 17) und nach unsern Begriffen ist es das auch. Aber ist eine solche Hinwei- sung auf die Zukunft der einfachen epischen, ist sie der Volkspoesie angemessen? Verrät sich nicht darin das reflectieren eines Dichters, der schon über dem Stoff steht? Und würden wol unwiszende Schrei- ber und schlechte Dichter damaliger Zeit, die sonst so gern mit ihrer Weisheit, mit den Büchern pralen, diese Gelegenheiten weggelaszen liaben, zu zeigen, dasz ihnen die Sache wol bekannt war, wärend doch gerade Strophen solchen Inhalts in C stehen, in A nicht? Dasz dergleichen Hinweisungen auf die Zukunft der einfach epischen Poesie nicht angemessen sind, das können wir aus Homer sehn, z. B. enthält Buch XVIII in der Odyssee , dessen Thatsachen fast alle zu einer Deutung auf die Zukunft auffordern, nicht eine vom Dich- ter ausgesprochene derartige Hinweisung. Dasz dieser Hinweisun- gen in C mehr sind als in A, dasz sie in C das ganze tragen und zusammenhalten, könnte wider für die Ursprünglichkeit von A spre- chen, aber freilich A ist nach dem Vf. eine ^gewissenlose stümper- hafte und naseweise Abschrift' und ^ ein verlorner Posten' für den, der über Te.xtüberliferung reden will. Zum Glück steht der Vf. auf S. 20 nicht an, auch in C Verderbnisse anzuerkennen und Ref. glaubt es werde in solchen Fällen der verlorne Posten doch_^ wider ein w'e- nig zu Ehren kommen. Wir wollen es abwarten jetzt ist, wie es scheint, die Richtung der deutschen Philologen der Merz;il nach für HoUzmann kann es nicht einen Umschlag geben, sobald wir uns von der ersten Aufregung erholt haben, in die uns die Art und Weise versetzt, mit der er die Sache der bisherigen Hichtuns' gerade ent-

132 Fr. Zarncke: zur Nibclungenfrage.

gegengesetzl angegriffen hat? Sehr richtig gibt übrigens der Vf. die lloltzniannschen Untersuchungen über die Entstehung des Gedichts und über den Zusammenhang mit dem indisclien Epos preis und diesz be- zeichnet »ider die Sclhstiindigkeil , die Unabhängigkeit von Aucto- rilälcn, mit der er auf die Sache eingegangen ist.

Dem Vortrage folgen zwei Anhänge. Der erste, Beiträge zur Be- urteilung der Texte von C und A, gibt zuerst eine kurze Uebersicht über die Abdrücke der verschiedenen Handschriften. Dann geht der Vf. über auf eine einzelne Stelle Str. 342 352 und beweist evident, dasz hier in A eine Lücke ist das scheint sicher aber musz man daraus schlieszen, wie der Vf. thut, dasz hier nun alle in C stehenden Strophen ausgefallen wären? Die eine Strophe, welche die Antwort Günthers auf Kriemhilden Frage enthält, genügt vollkommen, denn sie motiviert in der vierten Zeile hinlänglich die weitere Antwort Kriemhilds Sir. 349. Dasz diese oder eine ähnliche Strophe durch Nachläszigkeit ausgefallen ist., an dieser Stelle , ist recht gut möglich aber der Schlusz doch wieder zu geschwind, dasz hiermit ein Be- weis gegeben sei, A sei eine Kürzung von C. Der Vf. macht selbst darauf aufmerksam, dasz im ersten Theil des iSibelungenliedes eine 3Ienge Strophen, im zweiten nur wenige bei A fehlen. Dieser Um- stand aber scheint dem Uef. sehr gegen Iloltzmann zu sprechen. Der erste Schreiber von A, der bis 1639, 3 schrieb, hat also von Aven- tiure XII an noch etwa vierhundert Strophen geschrieben ohne vile Stroi>^ien wegzulaszcn war er aber eilfertig und gewiszenlos, ligt da nicht die Annahme sehr nahe, dasz er, je näher er dem Ende seiner Arbeit kam, auch mehr und mehr weggelaszen hätte? Bei dem Em- pfang, dem Leben Kriemhilds bei Ellzel, und sonst war Gelegenheit genug gegeben, warum wird der gewiszenlose Schreiber auf einmal gewisscrdiafler? Und wenn es überhaupt galt abzukürzen, warum kürzte der zweite Schreiber so wenig, dem doch auch z. B. in den Keden über die Leiche Hüdigers Gelegenheit genug dazu gegeben war? Auch im zweiten Theil will der Vf. eine Lücke nachweisen, gibt aber scll)st zu, dasz die Strophen sich erträglich an einander schlieszen. Erstellt hier als Beweis auf die Schönheit der weggelaszeuen Strophe, die er sehr gut ansfürt. Bei", hat nur das eine Bedenken gegen diese Ausfürung, dasz es doch noch schöner ist, wenn der Unterschied, der zwischen Giselher und Uiidiger, zwischen König und Lehnsmann besieht, nicht so ausdnicklich in den Vordergrund geslellt wird und dasz es deshalb immerliiii ini)glich ist, dasz ein spälerer Dichter aus den Andeutungen I(jl6, 2. Iül9, 4 diese Slrophe als He- sullat gezogen hat. Wenn der Vf. glaubt, durch diese eine Strophe werde das matte Gespräch zum vollendeten Ausdruck der tiefsten see- lischen Zuslämle, so ist das eben der liellex, der aus seiner ciauen .\nsclKiuung der Sache auf die einfachen Heden, welche das Lied gibt, zurückstralt.

Abermals fragt der Vf. zu vil, wenn er auf diese i)ciden Bei- spile gestützt, deren eines er seihsl nicht für yaii/. sicher hält, gleich

Fr. Zarnikc: zur Nibelungenfrage. 133

die Frage stellt, ob man nocli behaupten könne, A sei ein vollständig überlifertes Original? Eine Lücke jst ja erst bewiesen.

Der Vf. geht (S. 32) zu den Varianten über und auch hier fol- gen wir ihm am besten gleich in das einzelne, da ein hin- und herbe- haupten ins allgemeine nichts hilft. 342, 4 erregt die Lesart von C deshalb Bedenken, weil (jeineil gewönlich im Nibelungenlied von Hel- den gebraucht wird in beinahe feststehenden Formeln, selten in all- gemeiner Bedeutung es scheint eine Correctur, um den Scherz vregzubringen. 192 will Ref. den Ausdruck nicht verteidigen, 669 aber scheint er ganz gut das schwanken Günthers zu bezeichnen, der es nicht abweisen kann und es doch abweisen möchte Sigfrid einzu- laden. 19Jl, 1 gehört gar nicht in diese Kategorie, üasz Sigfrid 350 und 351 in A ungenannt bleibt, ist natürlich, weil er selbst dabei ist eine Albernheit sieht Ref. noch nicht darin. Dasz 352 so an- gehn müsze, wie in C, liegt doch nicht so gleich auf der Hand. Str. 349, 3 war genug versprochen und die sofortigen Anordnungen, wel- che uns 352 erzälf , lassen ein nochmaliges versprechen überflüszig er- scheinen. 1612, 1 kennzeichnet das allgemeine ^^'ort freuüen die Lesart in C als Correctur, namentlich wenn man hinzunimmt, dasz 1607, 3 ausdrücklich erwänt ist, dasz den Gästen guter Wein geschenkt wurde, worauf das .Wort getrunken zurückweist. 1615, 1 ist es sehr auffallend, dasz in C nicht steht des anltrtirte , während doch ge- rade in C die Rede Rüdigers vorausgeht, auf welche Gernot anfwortef, offenbar nur, weil in derselben Strophe Zeile 4 wider unltcurte steht; erkennen wir hierin nicht die Hand eines Dichters, der die Darstel- lung möglichst formgerecht machen Mollte?

Der Vf. geht nach diesen Beispilen zu dem Anfang des Liedes über. Von der ersten Strophe sagt er, sie bezeichne mit groszer la- pidarer Einfachheit den Inhalt des Gedichtes. Es kann nicht geleugnet werden, dasz dieser Eingang volksmäszig ist, namentlich da das An- nolied ähnlich angeht. Aber auch hier verrät die Lesart arebeit nur zu deutlich sich als Correctur, da f.iiener in der vierten Zeile wieder vorkommt und doch ist die Wiederholung nur in der Form, nicht in der Sache vermieden, denn was ist die grosze Arbeit anders , als eben das streiten kühner Recken? Der durchgehende Innenreim ist ferner ein Zeichen, dasz diese Strophe später ist, aus einer Zeit, in der die Nibelungenstrophe anfieng in den Hildebrandston überzugehn. In Str. 2 ist Hinweisung auf das spätere; wie schon oben bemerkt, ist diese jedoch dem Epos, dem Volksliede nicht eigen, deshalb gewis nicht ursprünglich. In Bezug auf Str. 3 stimmt der Vf., wenn auch aus ganz andern Gründen, mit Lachmann überein, der von dieser Strophe sagt: es war wol getan sie zu streichen. In Bezug auf 21 möchte Ref. dem Vf. aber wider aus ganz andern Gründen beistim- men.» Lachmann hat sie als echt beibehalten. Die abweichende Rei- henfolge der Strophen in C sieht wider aus wie eine Correctur (die Namen sollten zusammengebracht werden) welche aber den Zusam- menhang zerreiszt. Diesz ist ein kleiner Risz in den harmonisch zu-

134 Fr. Zarncke: zur MibcUuigenfrage.

sammenliängciidcii Text. Wenn der Vf. sagt, die Persönliclikeileu der königlichen Familie seien kurz und einfach vorgeführt , so ist das ein fast zai giinsliges Urleil. In Sir. 4 könnte man eher eine Häufung der Epitheta finden und dio ^^ ideriiolung des pllcgens entspricht nicht der Einfachheit ursprünglicher volksnüisziger Poesie. In Str. 3 wird nicht einmal auf den tragischen Schlusz hingewiesen, sondern nur auf die spätem Thaten der Könige aber steht diese Zeile nicht auffallend zwischen den Namen des Landes und der Stadt? Doch der Vf. sieht in diesen abgeriszenen Sätzen (deren erster auch durch das daniinbe, das auf eine Person bezogen nicht recht passt, auffallen kann) eine gule Exposition. Aber gerade diese Exposition könnte uns bedenklich machen. ^^ ir sind, von modernen Ansichten , namentlich über das ürama, ausgehend, gewohnt von einem jeden poetischen Werke eine Exposition zu verlangen. Gehört eine solche auch fiir ein Epos das volksmäszige, mithin allgemein bekannte Sagen enthält? Das Urteil des Vf. über Str. 8 zusammengestellt mit dem Lachmanns, beweist, dasz niit subjectiven Maszstäben zu meszen nie zum Ziele fürt. Der Vf. nennt sie mit Recht prosaisch, Lachmann '^an sich ganz gut'^ wem soll man glauben? Zu einer sichern Entscheidung ist hier nur zu kommen, wenn man das einzelne in der Strophe erwägt: die abermalige Nennung der Namen und namentlich das: als ich <je- scKjet liäv ist allerdings prosaisch und kann deshalb dem Compilator und seiner Nonchalance angerechnet werden, die andere Hälfte kann alt sein. Die breite Form des Nibelungenverses hat gewis hier und da auch in ganz gute Strophen Zusätze gebracht, welche nur dem Keim ihren Ursprung verdanken hierüber ausfürlicher zu spre- chen, musz ich einer andern Gelegenheit aufbehalten. Str. 10" und 11 versucht der Vf. mit (ilück gegen den Vorwurf der ^^'ide^bolung zu verteidigen, nur eins kann er doch w ol nicht wegleugnen, dasz der Ausdruck der ercu pfli'yen zweimal vorkommt. In Str. 12 ün- del er mit llechl das Ideal der Phantasie der Hitterzeit^ macht das aber nicht wider bedenklich in einem volksmäszigen Gedicht? Ist dieses Ideal nicht erst durch die glänzenden Zeiten der Hohenslaufen hervorgerufen, und wenn das, wie kommt eine solche Schilderung in ein Gedicht, das seinen Grundlagen nach von den Ansciiauungen uraller Zeit getragen wird? In Str. 13 verleidigt der Vf., seinem Standpunkt gemäs/., die Lesart in C als die. ursprüngliche aber bedenklich scheint, nach dem Jlaszslab des volksmäszigen gemessen, die Häurmig der Epi- theta: stark, schön, wilde. W\U\ allein den Falkiii zu nei;uen dagegen ist genügend und volksmäszig, ebenso ist auch der Ausdruck maiwyen lue volksmäszig. Das tu discn huhcu eren ist sehr allgemein, wenn man es mit dem Ausdruck tuffenden, der damals noch etwas bestim- tes bezeichnete, vergleicht; dio jungfräuliche Zucht und Ehre bezeich- net der lelzlere Ausdruck gewis trclliiuler. Die Verbindung mit der vorhergeilenden Sliophe ist wol eine Heszerung des Dichters, dem die Unverbiindenlieit der Scliildcriin«^' des Hofes und der (Jeschiihle \on Krionihild aufliel; was aber die Sache iiichl von selbst \erbindel, das

Fr. Zarnckc : zur Nibclungenfrage. 135

verbindcl das Volkslied auch nicht. Der Heim kricmhUdc irildc könnle ans dem Diaiekl des Diehlers von C (dem üstrcichisclien ?), der vil- Icicht alleres bewarl halle, erklärt werden.

Der Vf. faszt dann noch die Unterschiede der Lesarien innerhalb dieser Anfangsslrophen zusammen. Von des hofes hreflc (Sir. 12) kann Schreibfehler sein. Die ^^■iderholung der Formel ein vzeiwel- Icr degen Xküww von einem Volkssiinger hcrrüren, der immer densel- ben Trmnpf glaubte ausspielen zu miiszen, die >^'iderholung aber könnte ursprünglicher sein als die Beszerung, die gerade abgewech- selt hat (4 sieht vaelUch ., 10 iiz-erwelt, 11 wider uacflich). Sind die andern Abweichungen '^peinigende', nun warum sollten sie nicht schon einen Dicbler im 13n Jh. gepeinigt haben, so dasz er änderte? In 2, 1 behauptet der Vf., A habe edel in schoene verändert; aber Ref. glaubt, wer unbefangen liest, wird wegen des Comparalivs in der folgenden Zeile sckoen in der ersten für unbedingt notwendig hallen aber der Beszerer konnte , wenn er die dreimalige Widerholung vermeiden wollte, an keiner andern Stelle beszcrn, denn diu wart ein schoene wip muste so bleiben. Hier scheint die Beszerung der äuszern Form wegen evident hervorzuleuchten, weil. die Lesart von A, obwol der Form nacb unpassend, dem Zusammenhang nach not- wendig ist —7 oder sollte der eilfertige Schreiber hier in aller Eile das richtige gesetzt haben? In Lachmanns Schlusz vergiszt der Vf. eine Hauptsache, nämlich den zweiten Salz: neben diesen inhaltslosen und unklaren Strophen stehen nun klare und schöne, wegen dieses auffallenden Unterschiedes können beide nicht von einem Dichter sein, und auch der andere Schlusz: *weil A voller Ungereimtheiten' usw. (S. 37) heiszt in der Wirklichkeit so: das Gedicht von den Nibelun- gen ist entstanden aus einzelnen Liedern; mit dieser geschichtlich nachweisbaren (s. S. 12 die Aeuszerung des Vf.) Entstehung stimmt der Text in A, indem er als eine Compilation dieser überliferten Lie- der erscheint; also ist, bis das Gegenteil evident dargetan ist (und das ist der Ansicht des Ref. nach doch noch nicht geschehn), der Text von A für den ursprünglichen zu halten.

Im zweiten Anhang gibt der Vf. einen Mturzen Ueberblick über den Slufengang der Bearbeilungen von C zuA', der wie die ange- hängte Tabelle über die Handschriften, das Büchlein auch für den Geg- ner nicht blosz anregend, sondern sehr brauchbar macht. Auf die kurzen Notizen, die der Vf. hier eingestreut hat, einzugehn, würde die Grenzen einer Anzeige weit überschreiten, weil jedesmal nur eine längere Auseinandersetzung zu einer Verständigung führen könnte.

Hanau. Ollo Vilmar.

136 0. Lange: Grundrisz der Geschichte d. deutschen Litleralur.

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Grundrisz der Geschichte der deidschen Lifferatnr herausgege- ben von Dr. Otto Lange, Professor in Berlin. Zweite ver- besserte Auflage. Berlin 1854. Verlag von L. Nitze. VIII u. 96 S.

Die Zalil der Griitidrisse und Leitfaden der deutschen Lifleratur- geschiclile, welche mit dem Verlangon auftreten, dem litteraturge- scliichtliclien Unterrichte in den Schulen untergelegt zu werden, ist fortwährend im wachsen begriffen; die Jahre 1833 und 18j4 bieten eine ganze Reihe solcher neuen fiir den Unterricht überhaupt oder ein- zelner Sphacren desselben berechneten Schriften dar. Es ist das im ganzen kein erfreuliches bestreben, dasz jeder sich aus seinen eignen Forschungen und fiir die besondern Bedürfnisse seines Lehrberufes sein Handbuch oder Leitfadclien zusammenstellt. Man geht dabei von den Mängeln der schon vorhandenen Bücher aus und gibt ein neues Buch, wenn nicht mit denselben, so doch mit andern Mängeln; es wäre weit ersprieszlicher, wenn man sich an die vorhandenen guten, wenn auch nicht ganz makellosen Lesebücher anschlüsze und erst dann mit neuen Arbeiten Iiervorträle, wenn wirklich ein bedeutender Fortschritt durch dieselben erzielt würde. So in der Lilteralurgeschichte ; die Lehrbücher von Heibig und Schäfer dürften dem Bedürfnis auf Gym- nasien vollständig genügen, indem sich beide durch Vollständigkeit empfehlen, das erstere noch besonders durch Kürze.

Das Verdienst der Kürze und Reichhaltigkeit des StolTes mag dem oben angekündigten Werkchen nicht abgesprochen werden. Es hat auch die Prosa Berücksichtigung gefunden, aber nicht in ausrei- chender Vi'eise. Sollte die Geschichlschreibung in den Kreis der Be- trachtung gezogen werden, wie dies im Anschlusz an Schiller (S. 81) geschieht, so hallen auch andere Richtungen der \\issenscliaft nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Am wenigsten können wir uns mit der Behandlung der neusten Litteratur einverstanden erklären, ^^'ir möchten überhaupt einem für den Unterricht bestimmten Leitfaden nicht die Verpflichtung auferlegen, die Entwicklung der Litteratur bis auf die Gegenwart zu verfolgen ; denn einmal ist schon überhaupt hier eine historische Darstellung noch gar nicht recht möglich, tlieils scheint ein solches ausdelmeii uns nicht im Sinne des Unterrichts zu liegen. Dieser nemlich wird mil dem Abschlusz der classischen Lilte- raturperiode sein eigcnlliihes Ziel erreicht haben; darüber hinaus möchten allgemeine AndeuUingen der Fortenl\N icklung und der Ver- kehr mit einzelnen besonders ausgezeichneten Dichterpersönlichkeitcn genügen: eine eiijcntliche Geschichte der neusten Litteratur gehört nach unserm dafürhalten sowenig auf das Schulcalheder, als eine po- litische Geschichte der neusten Zeit: denn die Schule will nicht stoff- lich ersch(')pfen , sondern durch Vorfüliiiiiig des hislorischen zum Vor- btündnis des gegenwärtigen befähigen und anreihen. Sollen nun solche

0. Lange: Grundrisz der Gescliicble d. deutschen Litleraliir. 137

Bücher >vie das vorliei^ende sich bis auf die Gegenwart erstrecken, so finden sie niemals eine Grenze, jede Auflage sucht ängsllicli nach neuen Namen und iihcrladel sich mit noch gar nicht historisch reif ge- wordenem Stoffe. Mau braucht im Langescheu Grundrisz nur die letz- ten Paragraphen zu lesen, welche vom neusten Zeilaller handeln, die Behandlung der JJnlerbaUungsliüeralur, des Dramas und der Lyrik und man wird schwerlich befriedigt sein ; man vermiszt Namen, die nach dem Princip des Vf. nicht wohl fehlen dürften, und findet Avieder, wie z. B. bei der Lilteralur des Romans und Dramas, andere, die un- bedenklich wegbleiben konnlen. Es ist das die nolhwendige Folge einer Ausdehnung, Mclchcr der Stoif selbst widersteht. Können wir nun auch nicht der Ansicht sein, dasz man um des vorliegenden Grund- risses willen vom Gebrauche der oben bezeichneten Lehrbücher ab- gehen solle, so kann doch demselben nicht die Anerkennung versagt werden, dasz er mit Fleisz und Geschick gearbeitet, dasz er reich an Stoff, dasz die Anordnung im ganzen zweckmäszig und die Dar- stellung geläufig, nur selten der Praecision ermangelnd ist.

Dresden. t- P-

Sl.

Historischer Schulailas in nenn Blaffern. Von Rudolph Gross, hujenicur-geograph. (Querfolio.) Damit verbunden : Europa nnil die Nachbarländer in hidorisch-geographisclier Enf- loicklung ihrer Staaten und Reiche. Ein Iliilfsbuch für Un- . terricldsanstallen und Geschieh fs freunde \ on Dr. Ludw. Schiller., Stndienlehrer in Erlangen. Stuttgart, Schwei- zerbart. 1854 (152 S. 8;.

Je mehr das erzielen lebendiger Anschauung als ein Hauptzweck des Geschichtsunterrichts anerkannt worden ist, um so mehr hat man das Bedürfnis historischer Karten empfunden und mehrfache Be- mühungen dieses zu befriedigen geben ein erfreuliches Zeugnis von dem allgemeinen Interesse, welches an dem gedeihen der Schulen ge- nommen wird. Es wäre in der That auch zu verwundern, wenn die ausgezeichneten Materialien, welche die Geschichtsforschung zu Tage gefördert, und die ausgezeichnete charlographische Darstellung, welche dieselben hauptsächlich durch von Spruner gefunden, nicht für diu Schule benützt und bearbeitet worden wären. Wir können uns nur freuen, wenn mehrfache derartige Versuche gemacht werden, voraus- gesetzt, dasz nicht einer stets blos eine Copie des andern ist, weil das zw eckmäszigste sich immer erst nach vielen Erfahrungen und Prü- fungen an verschiedenen Maszsläben herausstellt. V/enn wir dem-

138 U. Gross : historischer Schulatlas in neun Blättern.

nach (las erscheinen des vorlieg-enden Atlas schon an und für sich als erfreulich belraciiten, so können wir dies noch mehr, weil er an Ge- nauigkeit, Hichtigkeit, Sauberkeit und Wohlfeiliieit die meisten der uns bekannten gleichartigen Werke übertrilTt. Wir nehmen keinen Anstand denselben als ein rCcht brauchbares und nützliches Hilfsmittel zu empfehlen. V>'enn w ir nun glcichwol denselben als seinem Zwecke nicht genügend bezeichnen und manche Ausstellungen machen, so soll dies nicht die Anerkennung des geleisteten schmälern, vielmehr nur zu späterer Vervollkommnung Beiträge und Winke liefern. Zuerst finden wir auf vielen Karten die Schrift in einer Kleinheit, dasz wir eben so sehr für die Augen der Schüler IVachlheil besorgen, wie Un- sicherheit der Auffassung befürchten. Zweitens ist öfter dadurch, dasz um zwei Namen auf denselben Raum zu bringen, dieselben durch- einanderlaufend geschrieben sind, die Ucbersichtlichkeit gestört und die Leichtigkeit des lesens erschwert. Wichtiger aber ist, dasz wir die Vollständigkeit vermissen, welche nach unserer Meinung ein der- artiger Schulatlas haben soll. Zwar wird mancher, welcher mit dem Atlas bereits Bekanntschaft gemacht, auf vielen Karten, wie z. B. auf der 111 und auf den folgenden, namentlich im östlichen Europa, eher eine zu grosze Vollständigkeit finden; wir aber tadeln dies nicht, weil >vir die Nutzbarkeit eines derartigen Hilfsmittels auch auf spätere hi- storische Studien ausgedehnt wünschen, die Brauchbarkeit für die Schule aber dadurch nicht gestört wird, wenn nur das für sie gehö- rige genug unterschieden hervortritt. Die Unvollständigkeit, welche wir an dem vorliegenden Merke bemerken, bezieht sich vielmehr auf den Mangel einiger Karten und einiger Angaben auf den gegebenen. Für die alle Geschichte sind nur folgende Karten gegeben: I. Bekannte Erde zur Zeit Alexander des Groszcn. Mit Cartons : 1. Griechische Staaten. 2. Eintheilung Palaestina's zur Zeit Jesu Christi und Zug der Israeliten aus Kanaan nach Aegypten (diese auf dem Umschlage etwas störende Verwechslung verzeihen wir gern). IL Das römische Reich in seiner gröszten Ausdehnung. Mit Cartons 3. Italien zur Zeit des zweiten punischen Kriegs. 4. Der Peloponnes und das eigentliche Hellas. Wenn in den Händen der Schüler ein historischer Atlas sich belindet, so sollte derselbe einen besonderu für die alte Geographie billigerweise enlbelulich machen. Bei dem vorliegenden wird dies nicht der Fall sein. Der Schüler wird sich weder von Griechenland noch von Italien durch die beigegebenen Cartons (olfen gesagt, liehen wir diese nicht, weil sie die Einheit der Karle immer stören. 1 müs- sen wir übrigens, da noch 4. i^-egeben wurde, für überllüszig hallen), eben so wenig durch die llau[itkarten von Kleinasien und dem Oriente (manche werden wegen Caesars Commentarien auch (iailien hinzuge- fügt wünschen, doch erscheint uns dies als ein zu specielles, bei Schulausgaben zu befriedigendes und auch bereits befriedigtes Bedürf- nis) diejenige Anschauung erwerben können, wie wir sie für die ge nanere Kenntnis der alten Geschichte, insbesondere aber für die Leclüre der allen Schriftsteller wünschen müssen. Freilich lindet sich das noth-

R. Gross: historischer ScIuiIaHas in nenn Blälfcrn. 139

wendigste alles auf den Karten, aber der Schüler nuisz erst in den beigefügten Verzeichnissen die INamen und dann auf der Karte seihst die Zahlen und Buchstaben suchen. Dem Schüler wird hier eine we- sentliche Erleichterung durch feste, am liebsten farbige Umrisse ge- boten. ^^ ürden wir demnach gröszere, genauere und ausgeführtere Karten von Griechenland und Italien für nolhwendig betrachten, so glauben wir, dasz allen andern Bedürfnissen genügt werden könnte, wenn eine Karte der Länder um das Mitteimeer vor der Zeit der Per- serkriege (vielleicht 560) gegeben wäre. Auf ihr lieszen sich z. B. die Länder Kleinasiens abgrenzen, und was das wichtigste die Verbreitung der griechischen Colonien, in der That eins der wich- tigsten Momente der alten Geschichte, zur Anschauung bringen. Wir glauben, dasz man dabei nicht zu ängstlich sein müsse, um jede erst nach 560 angelegte Colonie auszuscblieszen. Die drei folgenden Kar- ten MII. Wohnsitze der Deutschen und ihrer Nachbarn in den ersten Jahrhunderten ihres Auftretens. IV. Uebersicht der nach der Völker- wanderung entstandenen Reiche. Mit Carton : 5. Germanien um die Mitte des 5. Jahrhundert. V. Europa zur Zeit Karls des Groszen. Mit Car- ton: 6. Reiche der Franken um die Mitte des 6. Jahrhunderts' genügen dem Zwecke vollkommen, zumal dieTheilung des Frankenreichs durch den Vertrag zu Verdun auf der letzten anschaulich gemacht ist. Ob nicht anf der letzten Karte durch eine gröszere Ausdehnung der Gren- zen auch des weltgeschichtlich so wichtigen Khalifenreichs Ausdeh- nung zur Anschauung hätte gebracht werden können, lassen wir da- hin gestellt sein. Wenn wir nun Europa zur Zeit der Hohenstaufen folgen sehen, so vermissen wir allerdings die beiden burgundischen Reiche, deren Lage den Schülern einige Schwierigkeit zu machen pflegt, halten dies aber für weniger wesentlich; dagegen müssen wir eine specielle Karte für die Eintheilung Deutschlands im Jlittelaller wir würden dazu auch die Zeit der Hohenstaufen wählen und glau- ben, dasz die alten Herzogthümer zugleich mit deren Zertrümmerung recht gut zur Anschauung gebracht werden könnten; auch die beiden burgundischen Reiche konnten hier eine Stätte finden für ein Be- dürfnis erklären , dem in einem historischen Schulallas abgeholfen sein sollte. Wir denken, dasz jeder, welcher die deutsche Geschichte mit uns als den Mittelpunkt und Kern des Unterrichts über das Mittelalter er- kennt, diesen \N'unsch theilen wird. Die VII. Karte ^Europa zur Zeit Karls V. Mit Carton: 8. Amerika zur Zeit Karls V stellt einen be- deutenden Zeitpunkt dar. Die VIII. Karte ' Deutschland nach dem dreiszigjährigen Kriege"' nehmen wir keinen Anstand als ausgezeichnet zn bezeichnen. Wenn dagegen die letzte Karte Europa zur Zeit des Napoleonischen Kaiserreichs bringt, so würden wir lieber eine Dar- stellung des Territorialbesitzes vor der französischen Revolution ge- sehen haben. Dieselbe würde alle die seit dem dreiszigjährigen Kriege vorgegangenen Veränderungen, namentlich auch Preuszen , wie es durch Friedrich den Groszen gestaltet war, zur Anschauung bringen. Die Grenzen des französischen Kaiserreichs sind dann für den Schüler

y. Jahrb. f. P/äl. n. Paed. Bd. LXXII. Hft. 3. 11

140 R. Gross: lüslorischcr Scliulatlas in neun Blättern.

selbst ohne Karle nicht zu schwer aufzufassen und licszcn sich durch einen Carton leidit zur Anschauung bringen. Wenn wir nun so vier Karlen mehr fordern, so kann es allerdings scheinen, als würde da- durch der Wohlfeilheit Eintrag gelhan werden, allein sollte auch der Preis dabei um ein ürillel erhöht werden denn dagegen können einige Cartons wegfallen (selbst auf die Scliauplälze der Napoleoni- schen Kriege logen wir keinen ^^'erth, für die Schule ganz und gar nicht, weil für deren Bedürfnis jeder geographische Atlas genügt) so wird dies dadurch, dasz andere Hülfsmillel entbehrlich gemacht werden, mehr als ersetzt. Schwieriger dürfte dem zweiten Mangel an Vollständigkeit abzuhelfen sein, \\\v meinen der Angabe gewisser durch Thaten denkwürdig gewordener Punkte und in der Gesehichts- erzählung zu erwähnender Oerllichkeiten. Dieser Mangel wird sich deutlich herausstellen, wenn wir zur Besprecliung des begleitenden Buches kommen. Als einen Uebelsland geringerer Bedeutung erwäh- nen wir endlich, dasz auf der VI. Karle in der Erklärung nur die la- leinischen Namen gegeben sind. In allen uns bekannten Lehrbüchern sind dafür die modernen Bezeichnungen eingeführt. Lassen sich nun auch viele entsprechende lateinische leicht errathen, so wird doch der Schüler grosze Mühe haben z. B. Anjou, Auvergne, Treviso zu finden.

Dem Buche des Hrn. Dr. Schiller legen wir einen nicht unbe- deutenden Werlh bei. Ist eine übersichtliche Darstellung der Terri- torialveränderungen schon an und für sich dankenswerlh , weil man aller Augenblicke sich einen Ueberblick zu verschalTen genöthigl ist, das Material aber dazu an sehr zerstreuten Stellen zusammensuchen nuisz, so zeichnet sich die vorliegende durch den umsichtigsten allent- halben auf die Quellen zurückgehenden Fleisz und eine einfach klare, zuweilen nur fast zu gedrängte Darstellung aus. W'w empfehlen dasselbe Lehrern, Schülern und allen, welche Geschichte studieren, zu lleiszi- ger Benutzung. Ein Schulbuch im eigentlichen Sinne soll es nach des Hrn. Vf. Bestimmung gar nicht sein ; dazu enthält es des Materials und der Specialiläten zu viel. Wenn wir aber das Studium der Ge- schichte auf den Schulen nicht allein in der Aneignung des in der Lection vorgetragenen bestehen lassen wollen, wenn den Schüler zum fragen und suchen anregen ein Ziel, das nie aus den Augen ver- loren werden darf, weil eine aus eignem Trieb, durch eigne Kraft gewonnene Notiz mehr Werth hat , als viele ausM endig gelernte Da- ten • , so wird das vorliegende Buch für denselben ein recht nutz- l>ares Hilfsmittel sein.

Das Buch wird zwar als ein selbständiges betrachtet und dalier auch allein ohne den yVlIas verkauft, gleichwol ist sein Plan durch diesen bedingt und wir werden wol in der Voraussetzung nicht irren, dasz meistens, wenigstens von Schülern, beiile neben einander ge- braucht werden. Daher erscheint uns der N>'uiis(li gerechlferLiul, dasz bei einer zweiten y\uflage die Karten mit dem Buche in grösze- ren Einklang gebracht werden möchten, ^^'enu \>ir S. 2 lesen: 'Er zieht von Amphipolis über den Nestus und das Gebirge Bhodope durch

L. Schiller: Europa und die rvaclibarliinder. 141

das Gebiet der Odryser den Ilcbriis aiifwärls' oder in derselben Scliil- dernng von Alexanders Ziij? auf die Znsammenmiindung des Indus und Kophen ein groszes Gcwichf gelegt ist, so ist es unangenebm, das» der Schüler jenen Zug auf der Karte nicht verfolgen, diesen Punkt kaum zu Finden vermag. Achnlich im Buche erwähnt, auf den Karten nicht vorhanden, sind die Nilinsel Tachompso (S. 3ö), Dubis (S. 98), Poloczk (S. 99), INicopolis (S. JOO) u. a. Auch in der Schreibung einiger Namen, wie z. ß. Frisen und Friesen, wird sich bei einer zwei- ten Auflage der wünschenswerlhe Einklang zwischen dem Atlas und dem Buche herstellen lassen.

Bclrachtcn wir das letztere allein, so wird es der von uns hoch- geschätzle Vf. gewisz gestatten, ihm einige Wünsche und Bemer- kungen hier mitzutheilen. Zuerst will es uns scheinen, als könne die Brauchbarkeit seines Werkes noch wesentlich erhöht werden, wenn er eine gröszere Uebersichtlichkeit über den reichen Stoff herstellte. Dazu werden öftere Verweisungen auf die Seitenzahlen des schon er- wähnten, deutlichere Absätze im Drucke, kurze vorläufige Zusammen- stellungen der Hauptsachen dienen. Ganz besonders haben wir ein Register vermiszl . das bei der Bestimmung zum Privafsfudium kaum cufbehrf werden kann, um so weniger, als die Erklärung sich nicht allenthalben an den Zeitabschnitt der Karte bindet. Um nur ein Bei- spiel anzuführen, wie vieles aus dem Mittelalter wird erst im VIII. Abschnitte vorgetragen! Wird aber der Schüler, wenn er über der- artiges nachzuschlagen veranlaszt wird, nicht zunächst nach der Karte des Mittelalters und der dazu gehörigen Erläuterung greifen? Ganz vorlrefflich erscheint uns der erste Abschnitt, den Zug Alexanders des Groszen darstellend, derselbe setzt aber freilich schon beträcht- liche Kenntnisse voraus, z. B. vollständige Bekanntschaft mit der Geo- graphie des alten Griechenlands, wie denn der Hr. Vf. es gänzlich un- terlassen hat über die dies darstellenden Cartons etwas zu sagen. Aber auch sonst finden wir, da wir aus Erfahrung die Unsicherheit des Ge- dächtnisses recht wohl kennen, dasz an manchen Orten Hindeufungen auf die Lage einzelner Orte und Landschaften dem Schüler sehr will- kommen und nützlich sein würden. So könnte S. 3 zu laxartes, wohin er flieszt, eben da unten die Lage von Lycien (S. 4 von Cili- cien), S. 9 eine Angabe, welche Länder man turanische nennt, S. 8 die Ausdehnung des Elburusgebirges , ohne bedeutendere Anschwel- lung des Buches kurz bemerkt sein. Auch dürften Andeutungen über die Tiefländer und Hochländer zur Auffrischung der geographischen Kenntnisse und Anschauungen nicht unnützlich sein. Am meisten einer Aenderung bedürftig erscheint uns die Stelle S. 7: ^nachdem er ver- gebens auf jene Kadusier und ScyUicn gewartet hatte', da die Kadu- sier vorher gar nicht genannt sind, auf der Karle I aber in der Erklä- rung a. Carduchi sich findet. Wenn wir ebenso zu S. II: ^das Bergland Paraetacene am obern Oxus' eine Hinvveisung wünschen, welche die Verwechslung mit der gleichnamigen medischen Provinz, auf der Karte mit 16 bezeichnet, verhütet, so gehen wir vielleicht

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142 L. Schiller: Europa «lul die Nachbarländer.

etwas weit in Abgrenzung des praklisclicn, aber in einem Iiauplsäcli- lich dem eignen Studium gewidmeten Buche kann man 3Icnsehlichkei- ten des Schülers nicht genug verhüten. Bei dem II. Abschnille wür- Üen wir eine ücbersicht über die vorrömische Bevölkerung Italiens vorausgeschickt und namentlich auch der griechischen Colonien über- sichtlich gedacht haben. Am wenigsten vermögen wir zu billigen, dasz von den römischen Namen so häufig die praenomina weggelassen sind, da wir unsern Schülern gegenüber um strenge Beobachtung der römischen Sitte eifern. Am nolhwendigsten erscheint die Vorselzung von C. vor dem Namen des Cato S. , um Verwechslungen zu ver- hüten (Eulrop. Jl, 24). Eine Aenderung begehren wir S. 20 in dem Satze: 'Aber als das römische Volk, durch die licinischcn Gesetze zu einem Volke erstarkt, den vollen Gebrauch seiner Kraft nach aussen gewann, gelangle es bald dazu seine Herschaft auch über die Grenzen von Lalium und Tuscien hinaus über die Halbinsel auszu<lehnen.' Da man oifenbar nur an die damals (3ü7) bereits von Born bcherschlen Landstrichedenken kann, so wird der Schüler vielleicht verleitet, den südlichen Theil Efruriens (Vcji usw.) unter dem Sondernamen Tuscia sich zu denken. Ueberhaupt halten wir in einem für Schüler bestimm- ten Buche darauf, dasselbe immer mit demselben Namen und mit der- selben Form desselben zu bezeichnen. Sextus fürSexlius S. 23 ist nur ein Druckfehler, Wegen S. 25: Milyrien, das unter Teula und ihrem Sohne Demelrius von den r>ömern siegreich bckämj)ft wurde', verweisen wir auf Appian III 7 p. 427 Bekk. , wo der Sohn des Agron und der Teute Illvvtjg beiszt. Der Erreger des zweiten illyrischen Kriegs war Demetrius von Pharus. Unverstandlich sind für uns die Worte S. 27: 'kam das Gebiet östlich vom Nestus zu Thracien.' Dasz 146 nicht ganz Griechenland Provinz geworden sei, würden wir, ab- gesehen von den durch Gelehrte erhobenen begründeten Zweifeln, er- wähnt haben, weil die Schüler ja später noch Athen als selbständige Stadt gegen Sulla kämpfend finden. \>'aruni wir S. 31 bei dem bos- poranischen Beiche eine Erläuterung gern sähen, wird aus dem vor- her gesagten ersichtlich sein. Unsern vollen Beifall hat der gröszlen- theils auf Zeuss, aber auch auf eigne Quellenforschung gegründete III. Abschnilt. Der Consul des .1. lOJ (S. 3S) wird freilich in einigen Quellen iMallius genannt, allein es scheint keinem Zweifel zu unter- liegen, dasz er ein Manlius gewesen. Bekaiiullich wird ja (Druniann T. V. p, 417 n. 29) gezweifelt, ob Mallius übcrhaui)t ein römischer Name sei. Einige Inconvenienz für den Schüler wird die Schreibung Marsen und Marscr herbeifuhren. Bei dem IV. Abschnitte würde eine gröszcre Uebersichlliclikeit hergestellt werden , wenn der Hr. Vf. zuerst eine Zusammenstellung der IIaii|>lniomeule der Völkerwande- rung geben und dann die Schicksale der einzelneu Länder aureiheu wollte. Man wende nicht ein, dasz das ersten; schon in den Lehr- büchern und im Vortrage gegeben werde, es wird immer eine wesent- liche lüleii;hlerung sein, wenn der Ueberblick über die gleichzeitigen oder doch in causalcm Zusaninienhung stehenden Wanderungen in dem-

L. Schiller: Europa uiul die Nachbarlander. 143

selben Buche gefunden wird, wie die Tliafsachcn, welche die einzel- nen Länder belrelFen. Wir erwähnen , dasz ein Theil der Alanen in Gallien geblieben ist, wie auch Sprnner in seinem Atlas hat, eine An- gabe, welche wir bei der sonstigen Ausführlichkeit der Darstellung gern angebracht sahen, zumal da ein Kampf Allilas mit diesen Alanen 453 erwähnt wird. Dasz die britlische Bevölkerung im N^^'. Galliens erst in Folge der angelsächsischen Ansiedlungen im Heimalhlande ein- gewandert seien, vermissen wir ungern. Uebcr den Ursprung des Bayernvolkes (S. 61) folgt der llr. Vf. Zeuss. Ob ihm wol die Un- tersuchung von Neumann im Anhange zu der gekrönten Preisschrift: '^die Völker des südlichen Rusziands' S. 155 f. bekannt gewesen ist und ob er die dort gefundenen Resultate gänzlich verwirft? Eine gröszere Concinnilät w ürde zwischen dem IV. und V. Abschnitte statt- linden, N\ enn für jenen das Jahr 570 als Endpunkt angenommen und dann in diesem die Ausbreitung des Frankenreichs nachgeholt w orden w äre. Es ist unangenehm , dasz die Vernichtung des Vandalenreichs erst im V. Abschnitte S. 66 folgt, wo doch bereits viel späteres er- zählt ist. S. 63 hätten wir statt 'einst mit seinem Vater erobert hatte' gesagt: 'vier Jahre vorher.' Zu S. 67: 'und es blieb nur am südlichen Ende der mächtige Herzog von Benevent unangetastet' hät- ten wir bemerkt gewünscht, dasz Karl doch gegen diesen 787 einen Feldzug unternommen und ihn zur Lehensunterthänigkeit gezwungen habe. Den allen Streit wegen des Selzer Friedens (S. 6i) wollen wir nicht berühren, auch nicht die Verschiedenheit in der Schreibung Chro waten und Kroaten, aber hervorheben, dasz mit den auf S. 70 gegebenen Bestimmungen über die östliche Grenze des Franken- reichs die Karte nicht stimmt. Meiszen darf nicht zu den thüringi- schen Marken gezählt werden, wie S. 73 geschieht, während Erfurt S. 69 zu entschieden als Hauptort der südthüringischen Mark hinge- stellt ist. Von den Bemerkungen, welche wir uns gemacht haben und welche wir gern vor einer zweiten Auflage dem Hrn. Vf. mittheilen werden, heben wir, um nicht die Grenzen dieser Anzeige zu über- schreiten, nur noch einige hervor. S. 108 sollten die Herzoglhümer Sachsen-Weiszenfels , Sachsen-Merseburg und Sachsen-Zeitz erwähnt sein, da eines davon später vorkommt. Unter den Erwerbungen des Kurhauses Sachsen fehlt der Antbeil an der Grafschaft Henneberg. Da unseres vvissens die Mutter der Königin Victoria von England, eine geborene Prinzessin von Sachsen-Koburg, nur in ertser Ehe mit dem Fürsten von Leiningen vermählt war, so können wir den darauf be- züglichen Ausdruck S. 110 nicht gutheiszen. Die S. 116 gegebene Ableitung des Namens Reusz ist ganz sagenhaft und viel wahrschein- licher die von Limmer Geschichte des Voigllandes, Klüber genealogi- sches Staatshandbuch 1835 S. 199 gegebene, von v. Langenn : Herz. Al- brecht der Beherzte S. 46 angenommene Ableitung. Da übrigens die reuszischen Fürsten noch jetzt den Titel 'zu Plauen' führen, so hätte wohl ihr früheres Verhältnis zu der Voiglci, sowie das, was ihnen im 14n Jahrhundert die sächsichen Fürsten abgewannen, berührt sein

144 Auszüge aus Zeitschriften.

sollen. Doch genug ! möge die gegenwärtige Anzeige den Hrn. Vi. von der Theilnaiinie , die wir seinem schätzenswerthen ^\'e^ke gewid- met, überzeugen und zu einer recht weiten Verbreitung und Benützung desselben, wie des Atlas beilragen. U. Dietsch.

Auszüge aus Zeitschriften.

Philoloyus , herausgegeben von F. W. Schneideioin. IX. Jahrgang.

Erstes Heft. G. Röper: Coniecturen zn Laertius Diogenes (S. 1—42: in Anschlusz an die Bd. HI S. '21 IX. veröffentlichte Ab- handlung werden eine Reihe Stellen von H, 108 II, l-i-i kritisch er- örtert. Die Stelle II, 144 gibt zu einer ausfülirlichen Untensuihung über die chronologischen Daten im Leben des Stoikers Zenon und des Menedemus des Eretriers, so wie der gleichzeitigen Geschichte Veran- lassung. Zur letzten Stelle wird über die Versmasze des Laertius Biogenes gehandelt und beiläufig Auson. parent. "27 einendiert). Her- cher: zu Alciphron I, 'J'^ (S. 42: der ^ume Eo^ßLV&oXicov wird ver- llieidigt). W. Ribbeck: Zenodotea (S. 43—73: kritische Sichtung und Feststellung, sowie lieurtheilung der Ansichten Zenodots, so weit sie sich auf Erklärung der Worte und allgemeine Interpretation bezie- hen). — E. Kärcher: über einige Stellen aus Tacitus Annalen (S. 74 85: Interj)retation und Vertheidiguiif; angezweifelter Lesarten I 4?, 50, 55, 59, 61, 7), II 16, XIV 6) E. Wurm: emendata in Taciio JI (S. 86 105: nachdem einige Stellen aur<ieführt sind, an denen Euien- dationen von früheren gelehrten mit Uiire<:hL verworlVn o<!er nicht be- achtet worden, bringt der Verf. Emendationeii zu Ann. I 41, 50 [nn derselben Stelle, welche Hr. Kärcher vorher vertheidigt, wird indc ad saltus emendiort], XI 4, 8, 10, XH 3^ 4l, 65, 67, Xill 26 [auf die beiläufig XIV 7 gema<-hte Emendation exporgcrent ist auch Hoilmann in iMützells Zeitschr. VlJf, S 700 gekommen], 55, 58, XIV 61, XV 36, 65, Hist. I 56, 57, 70, III 57, III 30, IV 12, 16, 26, 55, V 5, Dial. 21). J. G. Raiter: ein Epigramm der Anthologie (S. 105: Anth. Pal. Vfl 692 wird 'E?J.äd\ toonanov emendiert). Cam|)e: über die ver- meintliche Rhetorik de:> Anaximene.«. Erste Abhandlung (S. 106—128: <lurch eine eingehende Erörterung und Würdigung des Inhalts wird der Reweis versucht, dasz die Schrift weder mit Lersch dem .Vristoteles, noch mit Spengel und I*'inckli dem Anaximenes zuziisciireiben sei, son- dern da.sz diesellx! in einer Zeit, wo man nicht mehr seihst schallen konnte, aus Stoffen verscliiedcner Art, welche thells aus alter {;uter Zeit stammen, theils dem spätem starren Schematismus anf^ehören von roher Hand zusaiiniienf;etü{;t sei. In UetreiV der von S[)engel nachge- wiesenen Stelle des S>rlanus (Rhet. Gr. ed. Walz IV, p, 60) behauptet der Vf., dasz dieser eine ähnliche auch den Namen i\ns Aristoteles an der Stirn tragende Rhetorik, nicht aber die hier bes|)rochene vor sich gehabt liabe). Schneidewin: Aeschyleische Briefe (S. 129 Kit): im ersten Br. interpretiert und emendiert der Vf. auf der von Welcker gej^ebenen Grundla;;e weiter bauend, das erste Stasimon des Ayam., orrigicrt auch ht'iläuiig Choeph. -(82, so wie er seine lOmeiulatlon zn So|di. El. 192 gegen Kaisers Eln\>endun>;cn vertheidigt. Im zweiten Briefe wird zuerst das Zwiegespräch des (Jhors und der Khtaomnestra Vs. 243 ir. behandelt, sodann Vs. 36-39, 593, 776 IL, lü't) ^beiläufig wird das Fragment des l'uirip. bei Stobtie. 29, 36 emendiert], UJj f. Am

Auszüge aus Zcilschriflen. 145

Sclilusz vorbessert der Vf, Siippl. 763 clnQÖgöfQy.TOi . Ag. \3'i ääntoi'i, 1349 aii-icerog ßcctpriv). Kirch ho IT: zu Aeschjlos (S. 161 163: es wird nacliyewieseii, dasz die Agaiii. 1011 im Flor, überlieferte Lesart die allein beglaubigte, die im Texte bis jetzt beibehaltene eine blosze Coniectur des Triklinios sei). A. Schäfer: des jüngeren Meidias Ehrendecret für Phocion (S. 163 167: das in den Vitt. X erat. Hy- pereid. zu Ende erwähnte Decret wird aus historischen Gründen in Ol. 118, 4 unter dem Archontate des Euxenippos gesetzt und die Bekäm- pfung dem Glaukippos, dem S. des Hypereides, zugeschrieben. Ebenso wird das Ehrendecret für Lykurgos auf Ol. 125, 2 herabdatiert. Aucii werden in den genannten Vitis noch andere Verwechselungen und dadurch veranlaszte Kinschiebsel nachgewiesen). A. Nauck: epigraphisches (S. 167 179: behandelt werden eine von Hrn. L. Stephani mitgetheilte Inschrift von der Akropolis zu Athen, ins vierte Jahrh. v. C. gehörig, VVeihgeschenke von PVauen betreffend, ferner die von Astypalaea in Rosz inscr. ined. m. 312, Corp. inscr. I 1907, III 3956, 3973, 4000, 4113, 4164, 4709, 4710, 4905, 6083, 6184, 6705, 6779, 3847, 6092. Un- tersuchungen finden sich über die Comparative und Superlative zweier Endungen, über rig für oattg und über dy7]QKTog , das allein gebilligt, während dyrJQavtog gänzlich verworfen wird). A. Baumeister: griechische Inschriften (S. 179 184: dreizehn unedirte Inschriften aus Hermione, Argos, Kleonae, Mantinea und Sparta werden mitgetheilt und von Schneidewin mit einigen Bemerkungen und kritischen Verbesserun- gen begleitet). Kärcher: Nachtrag zu den Catonianis Bd. VIII S. 727 (S. 184 f.: auszer einigem diplomatischen theilt der Vf. jetzt folgende Coniecturen mit. Vs. 10: nön exerceas ^ ^ tarnen robigo in- terlicit und Vs. 11 ff. : item exercendo homiues videmus cdnteri --— -ü; nil sl exerceas inertia äc torpedo plus facit detrimenti quam exercitio

_^ ^u). _ M. Schn\idt in Oels : Sminthes (S. 185 f.: Vit.

Arat. Bd. II p. 443 Buhl, wird Klsöaxoaxog 6 ZfLiv^ivg , Schol. ad Aristoph. Plut. 322 JiovvGodaQog als Verf. des (lovößißXov , endlich Ammon. de diff. p. 112 Valck. KaLV.iliog zag Ttsigaraig vermuthet).

P. R. Müller in Jena: zu Ciceros Reden und Briefen (S. 186 88: Coniecturen zu Phil. II 5 11, IV 5 13, V 4 2, 7 18, 11 29, XI 4 9, pr. Rabir. Post., pr. Rose. Am. 45 130, ad Farn. VIII 3 3 u. 4 2),

Hudemann: zu Lucret. V 1065 (S. 188 f.: districta wird gegen rcstricta als der Natur entsprechend und unter Hinweisung auf Ammian. 14 7 in Schutz genommen). Ders.: zu den scriptores historiae Au- gustae (S. 189 192: Verbe.'»serungsvorschläge zu Lamprid. AI. Sev. 14, Treb. Poll. Call. 4, trig. tyr. 13, Vopisc. Car. 4, Tacit. 71, Flor. 2).

Zweites Heft. Scholl: über Herodots Lebenszelt (S. 193 212: die Stellen, auf welche gestützt man die Lebenszeit bis 408 v. C. ausgedehnt hat, werden beseitigt, indem rücksichtlich I 130 auf eine durch die Inschrift von Bisitun erwiesene Empörung der Meder bezo- gen, III 15 aber die Unmöglichkeit an einen andern Amyrtaeos als den 449 oder 448 gestorbenen zu denken gezeigt wird. Weiter wird nach- gewiesen, dasz kein von Herodot erwähntes Datum über 424 hinaus- reiche; denn die IX 73 erwähnte Verschonung Dekeleia's könne nur auf die in dem ersten Abschnitte des peloponnesischen Kriegs vollzo- genen Verwüstungen Attika's bezogen werden, die Art aber, wie H. VII 170 von der Niederlage der Tarentlner spreche, beweise geradezu dasz er die sicilische Expedition nicht gekannt; die Annahme, dasz ge- rade das 7e Buch keine spätere Ueberarbeitung erfahren habe, sei un- zuläszig, weil gerade in Ihm die Anführung neuer Data verhältnismäszig am häufigsten sei; der nachtragende Fleisz zeige sich ferner l)esonders in der Zeit von Ol. 83—88, und es sei deshalb nicht anzunehmen dasz Herodot viel über 427 hinaus gelebt habe; der Einwand endlich dasz

146 Auszüge aus Zeitschriften.

er im nachtragen ein bestimmtes IVIasz festgehalten, werde durch die Beschalfenheit des Werks selbst widerlegt, welche gewisse Uneben- heiten der Abfassung offenbare; bei Vergleichung von VII 163 mit VI '26 könne man zwar annehmen, H. habe nur einer Verwechslung vor- zubeugen unterlassen , aber walirscheinlicher sei, dasz er das 7e Buch geschrieben gehabt, ehe er die im 8n erwähnten Umstände genauer kennen gelernt, wornach jenes früher abgefaszt sein würde als die- ses; eben so beweise der Widerspruch zwischen VIII 104 und I 175 eine frühere Abfassung des 8n Buchs ; IV 174 u. 183 ferner bewiesen die Nebeneinanderstellung von Nachrichten aus zwei verschiedenen Quellen zu späterer, dann aber unterbliebener Verarbeitung: die I 184 genannien 'Agovqlol Xöyoi seien nicht für eine besondere uns verlorne Schrift zu halten, sondern versprächen eine dann unterbliebene Berück- .sichtigung in dem uns erhaltenen Werke, gerade wie dies mit VII 213 der Fall sei. Das Geburtsjahr des Herodot wird 489 gesetzt). Schöne: kritische Bemerkungen zu Euripides (S. 213 222: kritische Behandlung der zweifelhaften Stellen in den ersten 350 Versen der PhoenissenJ. Köper: ^I. Terenti Varronis saturarum Menippearum quarundam reliquiae emendatae (S. 223 278: leitender Grundsatz ist dasz in allen Fragmenten sich Spuren von Versmaszen finden. Behan- delt werden die Aborigines [in der Kmendation des 2n fr. scheint ein Druckfehler vorzuliegen], Cave canem, Columna Herculis, Devicti, Her- cules Socraticus, Longe fugit qui suos fugit, Sescjuiulixes. Gelegent- lich werden viele Fragmente aus andern Gedichten emendiert und am Schlusz gezeigt, dasz auch Varro bereits Briefe in Versen geschrie- ben, sowie einige Stellen aus den logistoricis in Verse gebracht). Hu de mann: zu den scriptoribus historiae Augustae (S. 278: co7i- teinptor bei lul. Capit. Max. du. 2 wird erklärt). Campe: die an- gebliche Rhetorik des Anaximenes von Lampsaciis. 2e Hälfte (S. 279

310, Fortsetzung von S. 106 128: der Beweis dasz das Buch sich von Anfang bis zu Ende als das Flickwerk eines Spätlings erweise, der mit Willkür, Nachläszigkeit, sachlicher Unkenntnis aus verschie- denen Elementen ein ganzes zurecht gemacht, wiid zu Ende geführt).

Kayser in Sagan: Hom. Od. II 55 fS. 3J0: Big rjiitzfQOv wird so lange für richtig erklärt, bis für die andere fi's rjufrfoüv genügende Zeugnisse sich vorfänden). Düntzer: Zenodot und Aristarch (S. 311 323: gegen Hrn. Ribbeck (VIH 4) wird behauptet, dasz er die An- sichten des Vf, nicht allein in Hauptsachen, sondern auch im einzelnen ml» verstanden oder verdreht habe). Michaelis in Zütphen: notae ad Senecae naturalium quaestionum lib. Ilf VII (S. 324— 345, Fort- setzung von Jahrg. 1853 S. 446 if. : meist Empfehlung handschriftlicher Lesarten, aber auch viele auf solche gestützte Coniecturen). Schmidt in Oels: zu Stobaeus (S. 345: in der Stelle des Teles IV p. 343 wird die Interpunction geändert, in der des Plutarch I p. 70 äa-<iuvv, Stilp. p. 117 ipvxQtJ^tQov caujU-iert). Möller: über ilen gnomischen Aorist (S. 346 366: Vertheidigiing der VIII 113 ff. vorgetragenen Ai>- sichten gegen die F^inwendungen von Franke in den Schriften der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften). A. Nauck: <le Horilegio (|Uüdam Leidens! (S. 367 370: das von Beynen und B. ten Brink herausgegebene Florilegium ist schon früher von Walz hinter Arsenii foiviä aus einem münchinr Cod. abgedruckt. Aus diesem be- richtigt der Vf. in dem Titel Enfuzrjroi' für Etiihovqov , und weist sodann den Ursprung mehrerer Gnomen nach, so wie er zu anderen Emendationsvorscliläge thut). Ders.: zur Kritik des Tatian ttoo^- 'EXkiiv(t<i (S. 370 372: WMbesserungen von sieben Stellen des Olto- .schen Textes). Landsberg: Analecta ("iccro^iiana (S. 372 37^: tlieils erklärende, llieils emendierendc Bemerkungsn zu |ir. dorn. c. 19,

Auszüge aus Zeilschriflen. 147

d. harusp. resp. c. 22, pr. Plane, c. 2 u. 36, pr. Sest. c. 14, in Vat. c. 7, pr. Cael. c. 10, d. prov. cons. c. 3, pr. Rab. c. 2, Phil. XI, c. I, ad Att. I I. 14. 16, II 1. 17, IV 14, Kam. V 6, 19, ad Q. fr. I 1 c.8). L. Roth: Interpunction und Interpretation einer Stelle des Hora- tius (S. 378— 3cS0: Sat. I 9 26 fl". wird das Frap;ezeichen nach opus in einen Funkt verwandelt und nun die ganze Stelle als eine Rede des Horatius an den Schwätzer geta.«;zt). Kirchner: zur Erklärung von Hör. Sat. I 6 75 (S. 380 3«2: ohne die Erklärung K. Fr. Her- manns verwerfen zu wollen, erklärt sich der Vf. für die aus den Scho- liasten zu entnehmende Lesart uctonos aeris := octonos asses). Düntzer: Horat. A. P. 3.6 sqq. (S. 382—383: redire soll «'einkom- men' bedeuten). R. B. Hirschig: Platonica (S. 383 385: d. Rep. I 329 C werden die W^orte In oloq x el ywarAl Gi^yyLvfoQ'ai für ein Glos-sem erklärt, 348 C ov-aovv y ä j'idißzs corrigiert. Theaet. 171 D wird änoTQixo3V ausgestoszen, dagegen Cratyl. 388 E nach ttki-tÖs av- d^öq eingeschoben Igxlv. Charm. 176 13 emendiert der Vf. ooTjfitQUi, Phileb. 54 B snaveQWTcprjg uf). G. Wolff: zu den scholiis Didymi in Homerum (S. 385 388: Mittheilung von Lesarten aus dem Cod. Vat. 919 und über einen in demselben befindlichen cento homericus. Mehrere Stellen werden emendiert). A. Baumeister: Inschriften von den Inseln des aegaeischen Meeres (S. 388 394: drei aus Amorgos, sechs von Arkesine, drei aus Katapola, vier aus Herakleia, drei aus Thera, zwei von Melos , eine von Siphnos und eine von Keos). P. Bötticher: zwei Palimpseste in London (S. 394 f.: aufmerksam ge- macht wird auf die Handschrift des british museum Add. 17212, welche einen lateinischen Historiker enthält, und die der Evangelien in der Bibliothek der british and foreign bible society). Osann: die Mo- c^oi und Moskowiter (S. 395 f.: Nachweis eines curiosum In Th. v Wo- lanski Briefen über slavische Alterthümer. Gnesen 1846. Der Name Moo%oq auf den Münzen von Smyrna wird als der des mit der Prägung beauftragten Magistrats gedeutet und die an den Bildern gesehene rus- sische Kleidertracht abgewiesen. Ob die auf der Münze 1 9 befindliche weibliche Figur eine Nemesis vorstelle wird bezweifelt). Schmidt in Oels: zu Aratos (S. 396 400: Phaen. 268 wird für die früher ge- gebene Emendation jetzt eine andere substituiert, im Vs. 572 eine Lücke angenommen, auszerdem Conjecturen zu 13, 26, 69 mitgetheilt).

Rheinisches Museum für Philologie ^ herausgeg. v>. Welcher und Ritschi. X. Jahrgang.

Is Heft. Urlichs: über die älteste samische Künstlerschule, Sendschreiben an Brunn (S. 1 29: die von Müller Hdb. der Archaeol. §. 60 angenommene Genealogie und Zeitbestimmung der samischen Künstler wird gegen Brunn vertheidigt durch eine Betrachtung über die ihnen zugeschriebenen Werke; das Heraeon zu Samos, als dessen erster Baumeister Rhoekos genannt wird, sei nach Herod. IV 152 schon vor Ol. 40 so weit gefördert gewesen , dasz ein Weihgeschenk wel- ches übrigens der Vf. selbst für ein Werk des Rhoekos hält in ihm aufgestellt werden konnte; an ein besonderes Heraeon sei nach der son- stigen Bezeichnung Herodots nicht zu denken; dasselbe sei aber schon vor Polykrates vollendet und gewisz in Herodots Zeit noch unverän- dert vorhanden gewesen, da Pausan. [VII 5, 5] Erzählung aus histo- rischen Gründen keinen Glauben verdiene; der Tempel sei das älteste bekannte Denkmal der ionischen Ordnung, denn die entgegenstehenden Stellen Vitruv. IV 1, 5 und Plin. XXXVl 179 beruhten auf einer Ver- wechslung mit dem vorhistorischen Heiligthum zu Ephesos und Vitruv. praef. Vll 12 widerspreche seinen eignen sonst'gcn Angaben. Dasz

148 Auszüge aus Zeitschriften.

auch der ionische Bau in Olympia (nach Ol, 33. Paus. VI 19) von Rhoekos herrühren möge, wird aus der Erwähnung des tartessischen Erzes wegen Herod. I 163 vermutet. Durch den Nachweis, dasz der Iiranchidentem(iel zu Milet, den Paeonios der letzte Baumeister des ephesisclien Tempels erbaut, erst um Ol. 76 angefangen worden sei, wird in Verbindung mit Plin. XXX\'I 95 für Theodoros I., welcher den Grund zu diesem gelegt, die Zeit von 01.40 angenommen und dies mit allen Nachrichten, welche man einigermaszen sicher gewinnen könne, übereinstimmend gefunden. In gleicher Weise werden die übrigen Werke des altern Theodoros durchgegangen, namentlich die BeschalVenheit und der Zweck der spartanischen Skias erörtert. P'ür Theodoros Bruder wird Telekles gehalten und für dessen Sohn Theodoros II., dessen Thä- tigkeit als Bildner in seinen Werken veranschaulicht wird, aus wel- chen zugleich der Beweis verstärkt wird dasz dersell)e ein Mensclien- alter nach jenen gelebt habe. Interessant ist die Annahme eines Glos- sems bei Herod. HI 4H, die Auseinandersetzung über den Ring des Po- lykrates und .seine angebliche Niederlegung in Rom, so wie endlich die Vermutung, dasz Pythios (Herod. VH 27) ein Enkel des Kroesos ge- wesen sei. Am Schlusze wird die Bedeutsamkeit der gesammten Künst- ler für die Entwicklung der Kunst hervorgehoben), Welcker: Pnyx oder PelasgikonV (S. 30 76: zur Vertheidigung seiner auf Ulrichs sich stützenden in den Schriften der Akademie zu Berlin 1852 vorge- tragenen Ansicht gegen Rosz : die Pnyx und das Pelasgikon in Athen, ßraunschw. 1853 setzt der Vf. aus einander, dasz kein achtbares Zeug- nis der Alten die Pnyx einen Hügel nenne oder etwas auf den gemein- ten Hügel nothw endig zu beziehendes enthalte, dasz die Stelle bei Plut. Themist., wornach die 30 das Bema umgedreht, geradezu widerspreche, die NaturbeschalVenheit des Orts der Bestimmung zu V^olksversamm- lungen entgegen sei, die IMauer und die P^elsarbeit aber auf ein Hel- ligthum hinweisen , dasz die dort gefundenen V^otivinschriften an Zeus Hypsistos, wenn schon sie jung und nur um der Gesundheit willen ge- weiht sind, deiuioch nothwendig beweisen, Zeus Name habe an dem Orte von altersher gehaftet, dasz Stellen bei Thuc. Lucian u. a. die Existenz eines von dem Mauerbau an der Akrojjolis verschiedenen Pe- lasgikon evident darthun, dadurch die Ueberlieferungen über die Pe- lasger in Athen eine innere Wahrscheinlichkeit erhalten, die Grösze «les Raums endlich für eine Cultusstätte dem hohen Alterthun\e nicht unangemessen sei. Rücksichtlich der wirklichen Pnvx entscheidet sich der Vf. für die Ansicht von E. Curtius, dasz sie da gewesen, wo in der Kaiserzeit das Odeon erbaut worden sei. In einem Anhange wird Göttling, welcher zwar den Namen Pelasgikon annimmt, zugleich aber «Ion Platz für den Ort der Volksversammlungen erklärt, bekämpft). Hitzig: punisches mit Schrift und in Sprache der Lateiner (S. 77 10!): die Stellen Plaut. Poenulus V I, 2 u. 3 und der durch Columella aufbewahrtt! Anfang von Älugo's Buch über den Landbau ^^ erden in ein- gehender Untersuihung emendiert und erklärt). Schmitz: ortho episches und orthographisches (S. 110 118: aus griechischen Schrei- bungen und den a|>ices auf Inschriften wird die Länge der Vocale in den participiis |)raes., der l'hidungen cnsis , cnsius, vnsimus, 0H8US, so wie überhaupt vor vs, schlieszlich auch die Richtigkeit der apices als Bezeichnungen für die Naturlänge von Vocalen und des lan- gen i in andern Worten bewiesen und das grie« hische n für das T, wo sicl\ in den Handschriften S|inren davon linden, überall empfohlen). R. Engel: zu Aristophanes (S. 119 122: aus den Verszahlen, der Stellung und Verbindung mit andern Rhythmen wir<l gefolgert, dasz die (Jlioreulen und z\\ar je 4 aus einem Hali)cliore das Kpirrhema gespro- chen, Pac. 1251 iiPTido};n( y.uvii emendiert und in tlemsclbeu Stück eine

Auszüge aus Zeitschriften. 149

ümstoUung der Verse 960 u. 961 vorgeuonimeii, g^l' ovv av Taxiu)^; corrigiert und dies dem Diener beigelegt, wodurch nur ein Diener auf der Bühne nothwendig wird). Th. Mommsen: zum Prolog der Ca- sina (S. l'2'2 1'27 : nachdem nachge\viesen ist, dasz senioribus nicht noihvvendig auf die der ersten Aufführung beigewohnt habenden Zu- sciiauer, die F]r\vähnung Carlhagos keineswegs auf das noch stehende bezogen werden müsse, wird die Vermutung dasz der Prolog zwischen 660 u. 670 gefertigt sei, begründet durch die Erwähnung der antiqua opera, an welchen Interesse in Rom vor L. Aelius Stilo nicht ange- nommen werden könne, und der tiovi iiurnmi, welche grammatisch und historisch nur auf die von M. Drusus beantragten in der marianischen Zeit in Umlauf gekommenen plattierten Denare gedeutet werden können; beiläufig NNird das Verdienst des praetor INIarius Gratidianus erörtert. Die Uebereinstinnnung dieser Zeitannahme mit anderen Stellen des Pro- logs wird gezeigt, sowie aus ihm gefolgert, dasz zu jener Zeit in Apu- iieii noch der Hellenismus geherscht und dasz die Comoedien des Plau- tus, nach 600 durch die verfeinerte Comoedie verdrängt, nach etwa 30 40 Jahren wieder auf die Eühne zurückgebracht worden seien). IMähly: Horat. carm. I 28 (S. 127—136: der Behauptung dasz die Ode untergeschoben sei, folgt die zweite dasz sie nur als Monolog und zwar dfs über dem entseeltm Körper schwebenden Schattens des Ar- chytas gefaszt werden dürfe). T h. M o mm s e n : über die von Huschke herausgegebenen magistratuum et sacerdotiurum populi Romani exposi- tiones (S. 136 l4l : auszer andern Gründen wird durch den f. 24 a er- \N ahnten provisor canipi evident gemacht, dasz das Buch nur von einem mit den venetianischen Einrichtungen vertrauten Manne des 15. Jahr- hunderts verfaszt sein könne. Die Vermutung dasz Guarino von Ve- rona selbst der Verfasser sei, wird wenigstens als nicht unwahrschein- lich bezeichnet). Ders.: epigraphisches (S. l4l 148: der von Devit le antichi lapidi romane della provincia del Polesine. Venedig 1853 p. 11 16 mitgetheilte Meilenstein beweist, dasz die Schreibung des langen i und der Consonantengemination schon weit vor Augustus stattfand und dasz die fi über aufgestellte Vermutung über den Stein von Polla wegen des Cos. P. Popillius a. u. 6i2 begründet war. Popillius scheint der erste gewesen zu sein, der Meilensteine mit Weisungstafeln setzte- Die Stelle des Polyb. bei Strabo VI 3 10 (es wird nachgewiesen, dasz der Seeweg von Ravenna nach Altinum bei der Millienangabe nicht mit gerechnet worden sei) macht evident dasz er die von Popillius gebaute Strasze noch nicht kannte und demnach sein Geschichtswerk nicht in die Zeit des Tiberius Grachus hinabzurücken, andrerseits dasz die Ost- küstenstrasze im wesentlichen schon vor 622 vollendet gewesen sei). Leop. Schmidt: 'mittelalterliche' Inschrift des bonner IVIuseums (S. l48 f.: die von Lersch Centralmus. II S. 68 und Overbeck Catalog Nr. 70 mitgetheilte Inschrift wird für antik erklärt und gelesen: def] uncto m[iliti legiünis] decimae (juintae primigeniae militavit a[nnos tri-

gint] a et Miref J coniugi ipsius M. H[elbiiJ libertae obite [Hoc

sepulcrum] in heredem non transit). Schwenck: Hesychiiis (S. 150 152: P^mendationen zu den Artikeln "laa «Afg, Sqi's, dy[irjg6v, dcöXv- Tiov, cid), ciXötta). Zwei Nachträge und Berichtigungen zu den oben- stehenden Abhandlungen von Hitzig und Urlichs (S. 152). K. D.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnung-en ii. Miscelleii.

AUGsiiURC. Die Einladungsschrift zur Preisevertheiiung an der Stu- dienanstalt bei St. Anna enthält zwei Vortiäge vom Studienrcctor Dr. G. K. Mezger: zur Erinnerung an Johann Gullfricd Herder und

150' Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen u. Misccllen.

Heinrich Pestalozzi (^S Seiten 4), die wir zur Lectiire dringend empfeh- len. Gibt der erstere bei dem beschränkten Räume auch weniger ein vollständiges Bild von dem so umfangreichen wirken Herders, so legt er doch die Hauptrichtungen desselben recht klar dar, so dasz er dem Lehrer zur Vorbereitung auf den Unterricht in der Litteraturgeschichte recht gute Dienste leisten wird. Namentlich finden wir hier eine Seite hervorgehoben, die wir anderwärts öfters vermiszt haben , die Stellung zum positiven Christenthura und zur Theologie der Zeit. Der zweite Vortrag stellt uns ein tief ergreifendes Bild vor die Seele und wir ha- ben lange nichts so anregendes, bei aller Einfachheit und Natürlichkeit doch tiefen F^indruck hinterlassendes gelesen.'

Baden. Uebersicht der Studierenden auf den Universitäten Hei- delberg und Freiburg im Winterhalbjahr 185-4 55. A. Auf der Universität Heidelberg: 1) Theologen, immatriculierte und Se- minaristen, Inl. 51, Ausl. 24, im ganzen 75; 'i) Juristen Jnl. 84, Ausl. 'S'iS, im g. 422; 3) IMediciner, Chemiker und Chirurgen Inl. 56, Ausl. 68, im g. 124; 4) Cameralisten Inl. 9, Ausl. 4, im g. 13; 5) Philoso- phen und Philologen Inl. 13, Ausl. 27, im g. 40, Gesammtzahl Inl. 213, Ausl. 461, im g. 674. Auszerdem besuchen die akademischen Vorlesungen noch: Personen reiferen Alters Inl. 9, Ausl. 15, im g. 24; conditionie- rende Chirurgen und Pharmaceuten Inl. 7, Ausl. 12, im g. 19. Gesammt- zahl In'. 229, Ausl. 488, im g. 717. B. Auf der Universität Freiburg: 1) Theologen Inl. 163, Ausl. 28, im g. 191; 2) Juristen und Notariatscandidaten Inl. 73, Ausl. 2, im g. 75; 3) iMediciner, Phar- maceuten und höhere Chirurgen Inl. 54, Ausl. 8, im g. 62; 4) Camera- listen, Philosophen und Philologen Inl. 12, Ausl. 4, im g. 16. Summa Inl. 302, Ausl. 42, im g. 344. Hospitanten 7; niedei-e Chirurgen 17. Gesammtzahl 368. [=:f ]

B.VYRiiUTH. Im Lehrercollegium der dasigen k. Studienanstalt wa- ren während des Schuljahrs 1853 54 folgende Veränderungen vorge- gangen: Studienlelirer Raab (s. Bd. LXIX S. 117) wurde zum Leh- rer der 3. Cl. der latein. Schule ernannt und an seine Stelle rückte der vorherige Studienlehrer an der lat. Schule zu Wunsiedel Christ. Hesz. Nachdem an dessen Stelle der Gymnasialassistent G. Fr. Un- ger nach Wunsiedel versetzt worden war, wurde der Lehramtscand. Max Lechner ans Hof der Studienanstait als Gymnasialassistent über- wiesen. Die Schülerzahl betrug am Sciilusz des Schuljahrs im Gvm- nasium 83 (iV: 20, IH: 21, II: 23, I: 19), in der lat. Schule 193 ("iV: 30, III: 3:\ II: 33, IB: 53, lA: 45), im ganzen 276. Den Schulnach- richten ist die Abhandlung beigegeben vom Prof. Frdr. Hof mann: Sphuerische Trip^onometrie mit Anwenduvg;en auf .(stronomie (18 S. 4 und eine Figurentafel).

Hannonkc. Am 27, Jan. d, J. ist die vom königl. Oberschulcol- legium zu Hannover berufene Commission zur Regelung der deutschen Rechtschreibung von neuen» zusauimeiigetreteii, uu) ihr begDnnenes Werk zu Knde zu führen (vgl. N'Jahrb. Bd. LXX S. 347 f.). Sie be.stand aus denselben iMitgliedern . 8 praktischen Schulmännern, der Mehrzahl nach der deutschen Sprachwissenschaft kundig, welche im Beisein und unter thätiger Mitwirkung des Ober.vchulcollegiums und eines zur Ver- tretung der Volksschulen vom (y'onsistorium gesandten Mitgliedes die ausgearbeiteten Vorlagen beriethen und zum Drucke fertig machten. Diese umfaszten grannnatische Kegeln und ein Wörterverzeichnis; von einem <lrit(eu begründenden Tlicile, der nach einer früheren Ansicht beigegelien werden sollte, ward abgesehen, weil er nicht praktisch noth- wendig schien, dafür ward bei den einzelnen R<>gelii und Wörtern die Begründung mei.stens kurz angedeutet. Sollte eine au>l'ührli(here Wis- senschaft lieh«' Bi'grüiidung sich später als nötliig herausstellen, so ist zu

Bericlile über gclelirlc AnslaUen, Verordmingcn u. Misccllen. 151

erwarten dasz der Dir. Hoffiiiann, welclier and» bei der Ausarbei- tung der Vorlagen an» meisten thätij; gewesen ist, sie nacliträglich lie- fern >vird. Obfileicb man sieli schon bei der ersten Zusammenicunft Über die Grundsätze und auch viele Einzellieiten geeinigt hatte, so nahm diese Beratliung doch wieder zwei volle Tage in Anspruch, was beider Eigentluimlichkeit des Gegenstandes nicht zu verwundern ist. Wo es bei einer Sache nur auf die strenge Durchführung eines Princips an- kommt, wird man leichter fertig werden. Dies ist aber bei der vor- liegenden Frage nicht möglich , man mag das Princip stellen wie man \>ill. Angenommen der Giundsatz ''schreib wie Du sprichst' sollte durch- geführt werden, rücksichtslos gegen Usus und Abstammung, so würde sich bald zeigen dasz die Gebildetensprache, welche man doch zu Grunde legen müste, in vielen hundert Fällen gar nicht fest steht und noch unentschieden nach den Dialekten schwankt. Oder wollte man conse- qnent etymologisch schreiben, so würde man über die Berechtigung der jetzt bestehenden Sprachformen in schwanken sein und wieder hunderte von Fällen haben, wo die Wissenschaft eine Verderbnis der Sprache erkennen würde, die zu verbessern, der Usus eine berechtigte Sprach- entwicklung, die zu schützen wäre. Wenn aber endlich, wie es nun von obiger Commission geschehen ist, nicht eine neue Schreibweise geschallen sondern die herschende nur einer Revision unterworfen wer- den soll, um sie mit den Forderungen jener beiden Principe auszuglei- chen und dadurch von neuem zu befestigen, so musz wohl des einzel- nen gar viel sein, welches, so kleinlich es an und für sich scheinen mag, besprochen und erwogen sein will; denn da kommen ja vorzüglich gerade die Fälle in Frage, wo die Schreibweise schwankt. Bei dop- pelter Form hat man natürlich der sprachlich richtigeren den Vorzug gegeben, aber: ist die andre so verbreitet dasz sie wenigstens daneben erwähnt werden musz? wird sie durch die Aussprache geschützt? das sind Fragen, die nur durch eine Besprechung von Männern aus ver- .schiedenen Gegenden, Lebens- und Geschäftskreisen erledigt werden können, wenn anders Einseitigkeit und Irthum vermieden werden soll.

Auszer dieser Regelung einzelner Wörter sind aber auch die Forde- rungen der Sprachwissenschaft gebührend in Betracht gezogen und, wo es nöthig schien, berücksichtigt. Der Gebrauch der groszen Buchstaben ist fast ganz auf die Substantiva beschränkt, dem ie ist in der Endung

ieren zu seinem Rechte verhelfen, das falsche h ist in unbetonten Silben (Heimat, Zierat), in Wirt, Turm, iVIiete gestrichen, des- gleichen die Verdopplung des auslautenden Consonanten nach unbeton- ten kurzen Silben (Finsternis, Königin, Firnis, aber Finster- nisse, Königinnen, des PMrni sses j. Als consequente Neuerung ist nur die Einführung des historisch begründeten sz im Gegensatze zu .s und ff zu erwähnen, welche die sprachkundigen Mitglieder als eine gebieterische Forderung der Wissenschaft einstimmig anerkannten; in- dessen ward berücksichtigt dasz die alte Weise noch die herschende ist, dasz sie namentlich noch in den meisten Schulbüchern steht, dasz sie fast allen älteren Lehrern allein geläufig ist, darum wird sie in den Regeln in einer kurzen, praecisen Fassung daneben gedruckt werden. Freilich ist vorauszusehen dasz viele Anhänger der historischen Schule mit diesem Resultate nicht zufrieden sein werden, sie werden nament- lich tadeln dasz das th vor Diphthongen (Theil, Thau, Thier) und in thum (Irthum) beibehalten ist; doch sind wohl mit Recht solche gewaltsame Aenderungen vermieden worden. Auch ist der Schade so grosz nicht, wenn nur ausgesprochen wird dasz th kein besonderer Buchstabe ist. Das Verzeichnis enthält auszer den schwankenden auch viele seltenere und dunkle Wörter, die leicht dem Misverstande und in Folge davon falscher Schreibung ausgesetzt sind , dazu solche,

152 Bcriclitc liber gelcliric Anstallcn , Verordnungen ii. Miscellen.

die gleich oder ähnlich lauten aber verschiedener Abstammung sind, endlich sind als Anhang noch die Wörter aufgezählt, welche ein sz und ein ff haben und in welchen sich ein organisches h und ie findet. Meistentheils ist die Abstammung nebst der älteren Form dabei ange- geben. — Regeln und Verzeichnis sind zunächst für Lehrer und die Schüler oberer Klassen, sowie auch für Laien bestimmt. Ein ortho- graphisches Lehrl)nch für die untern Scluilklassen wird die Behörde wahrscheinlich gleich darnach ausarbeiten lassen, so dasz es vielleicht gleichzeitig mit der Arbeit der Commission erscheint. (Einges.)

Heii»elbi:ug Am 22, November 18J4, als dem Geburtstage des höchsts.'ligen Grosziierzogs Karl Eriedrichs, welchen die hiesige Hochschule mit Recht als ihren zweiten (rründer vcrelirt, hat in der Aula Wilhelmiana des Universiiätsgcbäudes die alljährliche Preisver- theilung statt gefunden. Die Feier begann, wie dieses gewöhnlich ist, mit einer musikalischen Aufführung, an welche sich die akademische Festrede des dermaligen Prorectors, Herrn Geheimen Hofraths und or- dentlichen Professors der Anatomie und Physiologie Dr. Arnold, an- schlosz. Derselbe erörterte nach einer kurzen Einleitung, in welcher er die Veranlassung und Bedeutung der Feier angab , in einem sehr gründlichen, deutsch gesprochenen Vortrage 'das rcrhällnis der Kraft zur Materie in den ihicrischen Organismen.'' Es ist hier nicht der Ort auf diese dem Inhalt und der Form nach gleicii ausgezeichnete Rede näher einzugehen; wohl aber glauben VNir den Bericht über die in dem verfloszenen Jahre an der hiesigen Hochschule statt gefundenen Ereignisse und Veränderungen, welche der Redner seinem Vortrage anschlosz, hier mittheilen zu dürfen. Der Wortlaut des Berichts ist folgender: 'Unsere Universität hat in diesem Jahre die Freude erlebt vier ihrer würdigsten Mitglieder, die geheimen Räthe Creuzer, Schlosser, Chelius und Tiedemann, in einer besonderen Wi-ise ausgezeichnet zu sehen. Creuzer und Schlosser wurden von Seiner Ma- jestät dem Könige von Bayern mit dem Maximiliansorden für Wissen- schaft und Kunst, Chelius von Seiner Majestät dem Kaiser der Fran- zosen mit dem Officierkreuz der Ehrenlegion geschmückt, Tiedeuiann erhielt an dem Tage seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums vielfache Beweise der Anerkennung für die groszen Verdienste um seine Wis- senschaft. Auch die Universität Heidelberg hat sich an dieser Feier durch abgesandte nach Frankfurt betheiligt. Der Juhilar wurde am 14. April 1854 durch den Prorector, den Prodecan un 1 den Senior der medicinischen Facultät begrüszt und es wurden ihm von diesen mit mehreren Abgeordnelen der Stadt Heidelberg die wärmsten Glückwün- sche dargebracht. Die Universität hat durch den Tod und den Ab- gang einiger Lehrer Verluste erlitten. Durch den Tod wurden ihr er- stens der Professor der Botanik und Direi^tor des botanischen Gartens Dr. Bischoff und zweitens der Privatdocent der medicinischen Fa- cultät Dr. Pickford entrissen IMehrcre Lehrer folgten ehrenvollen Rufen an andere Ho<hscliulen : Professor Jolly erhielt einen Ruf nach München und nahm die dortige Lehrkanzel der Physik an. Die Doc- toren Stinzing und l)erui)urg wurden als Professoren, crsterer nach Basel, letzterer nach Ziirich vociert. Der Privatdocent Dr. Raii v>ur<l(^ als Professor der Jjandw'rtiischnft an die königliche Academie der Land- und Forstvvissens<'haft in Hohenheim berufen. Dr. Mole- schott hat d<'r venia legendi freiwillig entsagt. Unsere Lehrkräfte hallen in diesem Jahre erfreulichen Zuwachs erhalten. Geh Kirchen- ralh Rothe, welcher im Jahre I'~<4n einem Rufe na< h Bonn folgte, ist zu Ostern 1H,')4 wieder der iinsrige geworden und hat den Verlu.it, «!en die Ihiiversilät dur( h d(-n Abgang des gi-heimen Kirclienralhs Pro- fessor Dr. Ullmann, jetzigen Praelaten in Karlsruhe . erlitt, ersetzt.

Rcriclilc iil)cr gclclirle Anslalfcn. Verordnungen ii. Miscellcn. 153

An Professor Jollv's Stelle wurde Professor Kirchhoff ans Breslau berufen; derselbe hat den Lehrstuhl der Physik au unserer Universität kürzlich übernoiiinien. In die Reihe der Pri^atdocenten ist Dr. Theod. V. Bufch neu eingetreten. J)er Verwalter des Universitätsanits, der groszherzogliche Assessor iVIors, wurde von hier abberufen und zum Verweser des Universitätsamts Rechtsanwalt Mays bestimmt. An die Stelle des akademischen IMusikdirectors Winkelmaier wurde der Mu- sikdirector Schletterer von Zweibrücken berufen. Die Gesainmt- zahl der Studierenden hat sowohl im Sommer wie auch im Winter- Semester keine Abnahme erlitten. Fiir das Jahr 1855 wurden von den verschiedenen Facultälen folgende Preisfragen gestellt: ]) Von der theologischen Facultät: Comparentur inter se Spenerus et Z in zen d orf i u s, itaque quidem iit pecnliaris pietatis christianae utriusque viri indoles et vis, (juain uterque in ecclesiam sui temporis exercuit, sedulo describantur.. 2) Von der j uri s tisc h en Facultät: Exponatur dillerentia stellionatus et criminis falsi. 3) Von der medi- cinischen Facultät: In typho s. d. abdominali urea majore copia ex organismo cum urina prodire seiet. Experimentis igitnr doceatur: primum, in quo morbi stadio haec secretio augeatur, deinde, quis esse soleat huius secretionis modus in catarrho intestinali. 4) Von der phiiosopischen Facultät: a) Disseratur secundum auctorum te- stimonia , numos, inscriptiones de rebus Ckersoncsi Tnuricae inde a primordiis coloniarum Graecarum usque ad finem regni Bosporitani : h) Untersuchung über rohen und reinen Bodenertrag und Grösze des landwirthschaftlichen Capitals bei gröszeren, mittleren und kleineren Landgütern in einer einzelnen Gegend von Deutschland nach Erkundi- gungen an Ort und Stelle. Wir theilen ferner mit die Gesetze für <lie Schüler des groszherzoglichen Lyceums in Heidel- berg.*) 1) Jeder Schüler ist sämmtlichen Lehrern der Anstalt Ge- horsam und Achtung schuldig, und wird auch in seiner äuszeren Haltung und in seinem Benehmen diese Achtung an den Tag legen. 2) Allen Anordnungen seiner Lehrer musz der Schüler nachzu- kommen suchen. Er wird daher a) alles zum Unterrichte erforderliche sich nicht nur anschaffen, sondern es auch da, wo es vom Lehrer an- geordnet ist, in die Schule mitbringen; b) er wird sich bemühen seine Aufgaben nach der Anweisung des Lehrers in jeder Beziehung sorgfäl- tig auszuarbeiten; c) er wird während des Unterrichts aufmerksam und ruhig sein und sich von allem störenden oder durch den Lehrer un- tersagten enthalten; d) er wird keine andern Bücher oder Gegenstände, die nicht zum LTnterrichte gehören, mit in die Schule bringen. .3) Auszer der Aufmerksamkeit und Ruhe während des Unterrichts gehört zu den Pflichten des Schülers: Fleisz, Ordnungsliebe und Rein- lichkeit in allen Dingen, Bescheidenheit in seinem ganzen Be- nehmen und Wahrheitsliebe in seinen Aussagen vor dem Director und den Lehrern. 4) Gegen seine Mitschüler hat jeder die Pflicht freundlicher Verträglichkeit. Kein Schüler darf den andern in irgend einer Weise durch Wort oder That beleidigen oder kränken. 5) Wer sich aber für beleidigt hält, darf sich nicht selbst Recht ver- schaffen wollen, sondern hat seine Klage vor den Lehrer oder Direc- tor zu bringen. 6) Kein Schüler wird seine Mitschüler durch mis- günstiges ausplaudern auszerhalb der Schule zu verkleinern suchen, während er in seinen Aussagen dem I^ehrer gegenüber Wahrheitsliebe als heilige Pflicht ansehen musz. 7) Die Schüler haben sich zu rech- ter Zeit, nicht zu spät und nicht zu frühe, höchstens iO iVlinuten vor

*) Diese Gesetze wurden durch einen Erlasz des groszherzoglichen Oberstudienraths in Karlsruhe genehmigt.

154 Berichle über gelehrte Anstalten, Verorduungen u. Miscellen.

der zum Beginne des Unterrichts festgesetzten Stunde, einzufinden. H) Bei dem eintreten in das Schiilgebäude und in dessen Gängen, so- wie bei dem herausgehen aus demselben haben die Schüler jeden Lärm zu meiden und sich anständig zu betragen. 9) Bei ihrem Eintritt in den Lehrsaal sollen sich die Schüler sofort an ihre Plätze begeben und in Stille und Ordnung die Ankunft des Lehrers erwarten. Seinen Platz oder den Lehrsaal darf kein Schüler ohne Erlaubnis des Lehrers ver- lassen, lü) Kein Schüler darf an dem Schulgebäude, in dessen Gängen oder den Lehrsälen und den darin belindlichen Geräthschaften, oder auch am Eigenthum seiner Mitschüler etwas verunreinigen oder besciiä- digen. 11) Kür jede Beschädigung ist der Urheber verantwortlich. Ist derselbe nicht zu ermitteln, so haftet die ganze Klasse für den Scha- den. 12) Kein Schüler darf (\en S ch ul u n te ri c h t versäumen. Wer aus statthaften Gründen veranlaszt ist eine Unterrichtsstunde nicht zu besuchen, hat sich dafür bei dem betreffenden Lehrer Erlaub- nis zu erbitten. Wer aber einen halben Tag oder länger den Unter- richt auszusetzen genothigt ist, hat auszerdem die Genehmigung des Directors nachzusuchen. Nach unvorgesehenem Schulversäumnisse hat <ler ^>iedereintretende Schüler bei allen Lehrern, deren L^nterricht er versäuTut hat, sich durch ein von <len Filtern oder dem Fürsorger eigen- händig geschriebenes (nicht blosz unterschriebenes) Zeugnis zu recht- fertigen. Bei länger andauernder Krankheit eines Schülers ist der Di- rector zeitig in Kenntnis zu setzen. 13) Insbesondere ist es den Schü- lern untersagt vor dem Beginne der Ferien sich zu entfernen, von den Prüfungen wegzubleiben, oder erst nach dem Anfange der fjectionen aus den Ferien zurückzukommen. 14) Jeder Schüler, der nicht bei sei- nen Eltern wohnt, musz einen geeigneten Fürsorger haben, der die PHicht übernimmt über den häuslichen Fleisz und das sittliche Be- tragen des Schülers zu wachen, lö) Alle Schüler sollen dem öffent- liclien Gottesdienste an jedem Sonn- und Feiertage des Vormit- tags nach der vorgtschriebenen Ordnung in Stille und Andacht bei- wohnen. Jede Versäumnis des Kirchenbesuchs ist durch ein schrift- liches Zeugnis der Eltern o<ler Fürsorger zu entschuldigen. 16) Ueberali wo die Schüler au szer h al b <le r Sc h u le öf fe n t li c h erscheinen, .sollen sie sich anständig und gesittet betragen und jedermann mit Be- scheidenheit und Achtung in gebürender Weise begegnen. 17) Kein Schüler, der nicht bei seinen Eltern wohnt, darf in einem Wirths- hause wohnen, oder seine Kost an einer Wirthstafel nehmen. Von jedem Wechsel der Wohnung oder des Fürsorgers ist dem Di- rector Anzeige zu machen und dessen Genehmigung einzuholen. J8) Das baden im freien Neckar ist eleu Schülern nur innerhalb des von der Polizei zum baden al)gesteckten Platzes erlaubt, und nicht vor der von dieser Behörde I)estimmten Zeit, sowie auch nur unter IJeachtung der Sittlichkeit und des Anstandes. I*)) Der Gehrauch des Schiesz- pulvers mit oder ohne Schieszgewehre ohne die gehörige Beaufsi(h- ti'Hing ist i\fn Schülern verboten. 20) Kein Schüler soll sich frühzei- tig <las T abak r an ch e n angewöhnen, das der CJesundheit injugen<l- ticliem Alter meist schädlich ist, und es ist jedem verboten mit einer 'J'abakspfeife oder (Jigarre sich an Fenstern oder sonst ölfentlich zu zeigen. 21) Aller Besuch der Wein-, Bier- und Kaffeehäuser in <ler Stadt und ihrer Umgebung ist sämmtlii heii Sciiülern seihst während der Ferien untersagt, atiszer in Ge>tlls( halt ihrer F<]ltern o<ler ihrer angehcirigen. Nur den Schülern der (d)er.steu beiden Jahres- ,.Qr^e der Sc\la ist es gestattet nach der von dtr Direction und fiehrerronferenz getrotlenen IJesliinmungen ein anständiges \V iithshaus in der Stadt zu In-suchen. 22) Ks ist den Schülern durchaus verboten, auch in Privathäusern des trinken« oder spielen s wegen oder

Berichte über g-elelirle AnstaUeii, Verordnungen ii. Miscellen. J55

zum Zwecke von F'echtüh n ngen Ziisammonkünfte zu halten oder dergleichen Zusamnienkiiiit'teii beizuwohnen. '26) Ks ist den Scluilerii nicht gestattet an andern als an den für die Scliüler selbst angeord- neten Turnübungen 'l'heil zu nehmen. 24) Nur in geschlossenen Gesellschaften, souohl in als auszerhalb der Stadt, ist den Schülern zu tanzen gestattet. '2b) Ks ist den Schülsrn untersagt sich durch eigene Kleidertracht auszuzeichnen und an irgend einer Gesell- schaft, die den Charakter einer geheimen trägt, welchen Namen und Zweck sie auch haben mag, Antheil zu nehmen. Alanchem Le- ser dieser Zeitschrift wertlen nicht unwillkommen sein die Statuten iür die Sciiülerbibliothek des groszherzogl. f^yceums zu Hei- delberg. *) 1. Zweck der Schülerbibliothek und Förderung dessel- ben. 1) Der Zweck der Schülerbibliothek ist belehrende und geistbil- dende Unterhaltung, sowie Erweiterung der Kenntnisse der Schüler in «'inzelnen wissenschaftlichen Flachem. Daher ist es Aufgabe der Schü- ierbibliothek, strebsamen Schülern Gelegenheit zu bieten si( h mit den besten Producten ausgezeic hneter vaterlandischer Schriftsteller und der Geschichte der Geistesentwicklung derselben, sowie roit Geschichte und Geographie und einzelnen Partien solcher Disciplinen, die nicht speciell Gegenstand des Unterrichts sind, genauer bekannt zu machen, und sich durch geeignete Leetüre eine gröszere Gewandtheit im schriftlichen und mündlichen Gebrauche der Muttersprache zu erwerben. 2) Die Bücher der S( hülerbibliothek sollen sich daher insbe.-ondere über folgende Fä- cher ausdehnen: a) die vorzüglichsten deutschen Classiker; b) Bücher aus dem Fache der Geschichte, Geographie (wozu auch Reisebeschrei- bungen von geeigneter F''orm kommen können) , Naturwissenschaft, deutschen Litteraturgeschichte und der classischen Alterthumskunde; c) Sammlungen deutscher Aufsätze zur Bildung des Styls , wozu auch gesammelte Briefe deutscher classischer Schriftsteller als geeignet er- achtet werden; d) zur Unterhaltungslectüre soll nur classisches aufge- ni mmen werden und etwa geeignete Sammlungen der Sagen des Alter- thums, der Sagen der deutschen Vorzeit und ähnliches, was zum Zweck der Jugendbildnng geeignet erscheint. 3) Die Lehrer werden darauf Bedacht nehmen die Schüler zur geeigneten Benutzung der Schüler- bibliothek anzuleiten und in einzelnen Unterrichtsstunden, wo es pas- send erscheint, von der Art der Benutzung sich näher zu überzeugen suchen. II. Bestand und Erweiterung der Schülerbibliothek. Den Be- stand der Schülerbibliothek bilden die seit dem Herbste 1849 gestifte- ten und von den Beiträgen der Schüler bisher angeschafften Bücher. ö) Erweitert wird die Schülerbibliothek: a) durch einen allmonatlich von jedem Älitgliede zu entrichtenden Beitrag von 4 kr. ; bj durch auszerordentliche Zuschüsse; c) durch freiwillige Gaben der Schüler und anderer Wohlthäter. Insbesondere dürfte dies für die Abiturien- ten eine angemessene Gelegenheit sein sich ein Andenken zu stiften. Doch können von ihnen sowohl als von andern Schülern nur solche Bücher als Geschenke aufgenommen werden, die dem Zwecke der Bi- bliothek wirklich entsprechen. Ungeeignete Bücher sind daher nicht in die Bibliothek einzureihen. MI. Benutzung der Schülerbibliothek. 6) Jeder Schüler der 4 obersten Jahrescurse ist zur Theilnahme, resp. zur Zahlung des mi natlichen Beitrags von 4 kr. verpflichtet. Auch kann er am Anfang des Semesters den ganzen halbjährigen Betrag mit 24 kr. auf einmal entrichten. 7) Auch den Schülern der Oberquarta ist die Benutzung der Schülerbibliothek gegen den mcnatlich zu zah- lenden Beitrag von 4 kr. gestattet. Doch kann deren Eintritt nur beim Beginne eines Semesters im Herbste oder zu Ostern, und der Wie-

') Auch diese Statuten erhielten durch einen Erlasz groszherzogl- Oberstudienrathes in Karlsruhe die Genehmigung.

iV. Ja/irfjf. Phil. II. Paed. Jid. LXXII. ffft. 3. 12

156 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen u. Miscellen.

deraustritt nur am Ende eines Semesters siatttinden. Auch erhalten sie aus der Bibliothek nur dasjenif;e Buch, das ihr Classeniehrer jeweils als zvveckmäszig für sie bezeichnet, dadurch dasz er ihrem Empfang- scheine seinen Namen beifügt. 8) Ganz dürftige Schüler aller Classen steht der Lehrerconfereuz frei von der Entrichtung des Beitrags zu befreien. 9) Allwöchentlich erhält jedes IMitglied Oberquartaner jedoch nur durch Vermittlung des Hauptlehrers gegen Schein eiu Buch, aber immer nur einen Band und nur auf 14 Tage. 10) Verspä- tete Ablieferung zieht eine Strafe von 4 kr. nach sich, welche der Bi- bliothekskasse zufällt. II) Jeder mitlesende ist veipfliclitet eine von ihm bemerkte Beschädigung des Buchs sofort dem das ganze beaufsich- tigenden Lehrer zur Anzeige zu bringen und bestimmt dieser bei et- waiger FJrmittlung des Thäters den zu leistenden Ersatz. IV. Aufsicht. Handhabung der Statuten. 12) Die Oberaufsicht über die Schüler- bibliothek führt der jeweilige Classeniehrer der Obersexta, der auch ben Ankauf der neu anzuschaifenden Bücher besorj^t. 13) Ueber die AnschalVungen der IJücher wird bei Verwendung groszerer Summen die Lehierconferenz berathen. Für den gewöhnlichen Geschäftsgang, wenn nur über geringere Summen zu disponieren ist, ist die Entscheidung über die Anschalfung drer Lehrern anheimgegeben, dem Classeniehrer der Obersexta , dem andern alternierenden Director und einem von dem Lehrercollegium dazu bestimmten Lehrer. Diese drei Lehrer werden in ihren Entscheidungen sowohl die Wünsche einzelner Lehrer als auch die geeigneten Wünsche der Schüler berücksichtigen. 14) Der Clas- seniehrer der Obersexta ernennt einen Obersextaner und einen Unter- sextaner als Bibliothekare und für jeden einen Stellvertreter, welche stets Verzeichnisse der vorhandenen Bücher bei sich führen, die Bei- träge ihrer Classen am ersten jeden Monats sammeln und an bestimm- ten Tagen an sämmtliche Mitglieder die Bücher ausgeben, wieder in Empfang nehn)en und im Schranke aufstellen, lö) Aus jeder der drei übrigen Classen bestimmt der Classeniehrer einen Sammler und einen Stellvertreter, welche ebenfalls Verzeichnisse der vorhandenen Bücher zur beliebigen Einsicht für ihre IMitschüler bei sich führen müssen und die Beiträge am ersten jedes Monats einsammeln. I(j) Am 15. jedes Monats liefern die Sammler sämmtliclier Classen die eingesammelten Beiträge an den Classeniehrer der Obersexta ab, bringen die säumigen zur Anzeige und tragen etwaige Wünsche ihrer Mitschüler vor. Jm geeigneten Falle wird der Classeniehrer sich mit den Schülern über die von ihnen geäuszerten Wünsche zu AnschalTungen näher besprechen, oder sie mit Zustiunnung der beiden andern im .<!). 13 bezeichneten Leh- rer einfa<h ablehnen. 17) Vor den Herhstferien sind sämmtliche Bü- cher abzuliefern und haben sich die zwei Bil)liothekare davon zu über- zeugen dasz nichts felile. W(>r am Ende des Schuljahres oder bei seinem Austritte, im Laufe des Schuljahres - die von der Bibliothek entliehenen Bü(-her nch nicht abgeliefert hai , erhält, bevor dies ge- schehen ist, kein Schulzeugnis. Die Bibliothekare sind daher verplli ch- tet vor der Anstheilung der Schulzeugnisse am Ende ili^s Jahres der Lyceuins-Direction oder dem mit der Anstheilung der Zeugnisse be auf- tragten Classeniehrer die jeweiligen Rückstände rechtzeitig anzuze gen. Während der Herbstferien kann ein Schüler nur ausnahmsweise und durch Vermittlung des Classenlehrers Büdier aus der Schülerbibli'thek erhalten. [5^=

SciiWKiNKiuT. Das Lehrercollegium «les dasigiMi Gvmnasiums IjU- dovicianum und der lateiii. Schule bestand während des Scliuljahrs iH')3 54 aus dem Studienreclor l'rof. Dr. Oelscb läger, den Pro- fessoren Dr. von Jan, Dr. Witt mann, Dr. I"! n d e r I e i n . Hart mann, den Studienlehrern Pfirsch, Zink, Dr. IM" äff (nach dem am 2. Nov. 1853 erfolgten Tode des Oberlelirers Ad. U I r i i- h aufgerückt

J

Personalnaclirichleii. 157

und Schmidt (von Menimiiij^en berufen), dem evang. Religionslehrer Stadtpraner Hei ms aller , dem katliol. Stadtkaplaii Lutz (nach Ver- setzung des Stadtkaplans Bonfig), Zeichenlehrer Stössel (nach Korn achers Enthebung), Schreib- und Gesangiehrer Christoph. Die Schiilerzahl betrug im Gymnasium 37 (IV: 6, HI: 6, II: 9, I: 16), in der iatein. Schule 72 (IV: 11, III: 17, H: 21, 1: 23), im ganzen 109. Den Schulnachrichten beigegeben ist eine Rede des Studienrectors Prof. Dr. Frz. Oelschläger: über religiöse Bildung (19 S. 4), eine recht klare und lebendige Wärme beweisende Entwicklung der Sache und der dahin einschlagenden F'ragen , zugleich ein ehrendes Zeugnis für den auf der Studienanstalt waltenden Geist.

Personalnachrichten.

Angestellt oder ernannt :

Brandis, Dr., Prof. in Bonn, an Schellings Stelle zum Mitgliede der academie des sciences politiques et morales zu Paris.

Burkhardt, Cand. theol., als Religionslehrer und Ordinarius der 6n Classe am Gymnasium zu Budissin.

von Gerber, Dr., Prof. und Vicekanzier der Universität Tübingen, zum Kanzler derselben.

Hempfing, Dr. Christoph, aus Eschwege, zum 3n Lehrer an der Realschule zu Marburg.

Knies, Dr. Karl, Prof. in Schaffhausen, zum ordentl. Prof. an der Universität zu Freiburg für die erledigte Lehrkanzel der Staats- wirthschaft.

Matzke, Paul, Weltgeistlicher, als Religionslehrer am Gymnasium zu Sagan.

Opitz, Lehrer an der Burgerschule zu Budissin, als Religionslehrer am Gymn. zu Zittau.

Ranke, Dr. Leop., Prof. und Historiograph zu Berlin, zum stimm- fähigen Ritter der Frledensclasse des k. preuszischen Ordens pour le merite.

Redner, Licent. , als Religionslehrer am Gymn. zu Conitz.

Reuscher, Dr. Arn., Schulamtscand., als ordentlicher Lehrer an der Realschule zu Perleberg.

Roszbach, Dr. Aug., Privatdocent an der Universität Tübingen, zum ao. Prof. an ders. Univ.

Scheibert, Dr., Director der Friedrich -Wilhelmsschule zu Stettin, zum Provinzialschulrathe und Mitgliede des Provinzialschulcolle- giums zu Breslau.

Söltl, Dr., Prof. in München, zum königl, bayerschen Geheimen Haus- archivar, mit der Erlaubnis geschichtliche Vorlesungen an der Uni- versität zu halten.

Wüstemann, Dr. E. Frdr. , Hofrath und Professor zu Gotha, zum Mitgliede des archaeologischen Instituts in Rom.

Zwolski, Dr. G e. , Schulamtscand., zum ord. Lehrer am Gymnasium, zu Ostroviro.

Praediciert :

ßerger, Dr. Frdr., Gymnasiallehrer zu Gotha, als Professor.

Braune, Ludw. , Prorector am Gymn. zu Cottbus, als Professor.

EUerts, Geh. Regierungsralh und vortragender Rath im Ministerium der geistl. Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten , als Gehei- mer Ober -Regierungsralh.

Gützlaff, Dr. K. Ed., Prorector am Gymn. zu Marienwerder, als Professor.

158 Personalnachrichlen.

Kloppe, Dr. Gn. Ad., ordentl. Lehrer am Paedapoginm im Kloster U. L. Fr. zu Mapdebiirg, als Oberlehrer.

Kühne, Dr. Herrn. The od., Gymnasiallehrer zu Gotha, als Professor.

Michaelis, Em. Rud., ordentl. Lehrer am Paedagogium im Kloster U. L. Fr. zu Magdeburg, als Oberlehrer.

Schneider, Dr. O. Herm., Gymnasiallehrer zu Gotha , als Professor.

Schröder, Dr. G u. Ad., Conrector am Gymn. zu Marienwerder, desgl.

Stiehl, Geh. Regierungsrath und vortragender Rath im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenlieiten in Ber- lin, als Geh. Ober- Regierungsrath. Verstorben:

Am 6. (IH.) Jan. zu Petersburg Dr. A n d r. Joh. Sjögren, seit i8"29 Mitglied der kais. Akademie, bekannt als Erforscher der finnischen und ossetischen Sprache und der älteren russischen Geschichte, geb. am 25. Apr. J794 im Gouv. Nyland.

Am 14. Jan. zu Florenz Paul Colomb de Bat in es, bekannt durch seine Verdienste um die Dante-Litteratur und italienische Biblio- graphie.

Am 19. Jan. zu Constanz der Director des das Lyceums, geistl. Rath Jos. Nicol. Schmeiszer, geb. am 9. Decbr. 1793 in Lands- hausen, Bezirksamt Eppingen, seit 1H48 in Constanz.

Am 20. Jan. auf seinem Gute Tscheidt bei Ratibor der unter dem Na- men Max Wald au bekannte Dichter Dr. Rieh. Ge. Spiller von Ha neu Schild, geb. am 2+. März 1H25.

Am 27. Jan. zu München Prof. Dr. Linde mann, Philosoj)h aus der Krause'schen Schule.

Am L P^ebr. zu Kiel der treue und kräftige Zeuge <ler evangelischen Wahrheit, Oberconsistorialrath Prof. Dr. Clans Harms, geb. zn Fahrstedt im Süderdithmarschen am 25 Mai I77W, seit 1816 in Kiel.

Am i. Febr. zu Elbing Dr Caesar von Lengerke, früher Profes- sor an der Universität zu Königsberg.

Am 9. Febr. zu Budissin Dr. ph. Karl Gfr. Gebauer, erster Col- lege am das. Gymn. , 80 Jahr und 8 Monate alt und erst seit einem halben Jahre emeritiert.

Am 10. Febr. in Göttingen der Prof. ord. med. Dr. Joh. Friedrich Oslander, geb. am 2. Febr. 1787 zu Kirchheim in Württemberg.

Am 14. Febr. zu Göttingen der berühmte Theolog, Prof. Abt Dr. Lücke.

B e r i c ii 1 i g u n g.

Um Misdeutungen vorzul)eugen, geben wir der von uns Bd. LXX S, 539 mitgetheilten Aeuszcrung des Hrn. Prof. Dr. He erwägen aus Bayreuth folgende genauere und richtigere Fassung:

'Was die speciclle Frage Ecksteins anlange, so seien die persön- lichen Verhältnisse (am Bayreuther Gymnasium) geändert. Der frühere Lehrer habe latein. Aufsätze über pliil(isoplii.>;che Gegen- stände verlaugt, und es sei möglich <]asz selbst diese hin und wie- der gutes getragen hätten, indem die iiH'n.><cliliche Natur zu ihrem Glücke sich nicht so leicht ^■er^^ii^ten lasse. Er möchte wissen, ob die norddeutschen Collegcn die Erfaliriing gemacht hätten da>'/ regelmäszig die Hälfte solcher Arbeiten befriedige und nicht oiwn nur 3 4. In Bayreuth habe man keine glänzenden Resultate in dieser Hinsicht erzielt, aber freilich habe die dortige Jugend mit dem Aus<hu<:ke bisweilen selbst im deutschen unszerordentlich zu ringen.' /^ f).

ZAveite Abtlieilung

licrniisgegelidi von R imI » 1 p h I) i c t s c li.

(5.)

Skahspere's Werke. Herausgegeben nnd erklärt iwn Dr. Nico- laus Del ins. Erster Band. Erstes Stück: Hamlet, Prince of Denmark. Elberfeld , K. L. Friedrichs. 1854. X u. 166 S. Lex.-8.

Dritter Artikel. (Schlusz von Seite 127.)

7) Das Jlelrum wird durch die Zusätze und Auslassungen der Fol. 1 häufig, durch die Varianten bisweilen verdorben.

Es ist dies einer der wichtigsten Punkte um zu beweisen, dasz die Foliorccension nicht vom Dichter sondern von den Schauspielern ausgegangen sei, da diese im ganzen weniger auf rhythmische Schön- heit und Genauigkeit halten, und daher ist schon im vorigen oft (so wie schon P. Sii. S. XV) darauf aufmerksam gemacht worden. Sei es erlaubt noch die Fälle aus den ersten 40 Seiten und einige aus dem übrigen Stück zusammenzustellen:

qu. 5. 13 / thinlie I heare them, stand ho,

trJio is there? 25 His cavnon yahist seale slaughfer, ö God., God,

25 Fie orCl., ah ^e, tis an vnweeded gar den.,

26 Possesse it meerely that it should come thns.

29 A sable sihierd. ] / icill tcatch

to night I Perchance twill walke

arjaine. \ I tcani't it icilJ.

(qu. 1. / iraiTont it trill). 34 And hafh (ßucn countenance to

his speech\My Lord, irifh almosl

all the hoUj vowes of heauen.

t\. Julirb. f. Phil. II. Paed. Bd. LXXII. Hft.

F. 1. / thinhe I heare them: Stand:

who''s there? (qu. 1 ebenso) His Cannon ''gainst Selfe-slangh-

ter. 0 God, 0 God! Fie on'^t? Oh ße, ße, ''tis an

vmreeded Garden Possesse it meerely. Thal it should

come to this: A Sable Siluer^d. Ile watch to Night; perchance

Uirill walke againe. I Warrant you it will. And hath g. c. t. h. speech, My Lord , with all the votres of

Heauen. 4 13

160 Shakespeare*s Hamlet heratisg. u. eikl. v. Delius. Dritter Artikel.

37 Kinj, father ^ royall Dane, d

answere mee^ 40 To eures of flesh and blood ; list,

list-, 0 list, iO Hast me to Imow't, Ihat I wilh

wings as steift^ 43 Vnmixt iritli baser matter^ yes

1)1/ heaucn.

43 Mij fahles , meel it is I sei Ü downe

44 / will (joe praij. (Monomeler)

48 And then sir doos a this^ a doos: whal was I aboiil to say?

By the masse I was about to say somethinff,

Where dkl I leaue?

108 Whips out /i/s Rapier cryeis a

Rat^ a Rat, 94 Out of his browes. j We will our

seines prouide, 112 Hamlet this deede for thine

especiall safety 121 Of your deere father, i'st writ

in your reitenge, 48 He closes fhus, I know the Gen- tleman 70 WhaCs H ev uba to htm, or he

lo her, 47 A sauagenes in vnreclatned blood, Of generali assault. \ ßnt my qood

Lord. I

50 Come , goe wilh me , I will goe seeke the King,

51 I Theu lo intreafy. | Bat we bolh obey, 1

52 rieäsant and helpfull lo htm. \ I Amen. \

52 Well, we shull sift him, welcome my good friends,

53 Most welcome home, \ This bnsi- lies is well ended,

LH Bring him. before rs. | Hoe, bring in the f.ord.

101 Blast ing his wholesome brolher: hane you eyes?

King, Falher, Royall Dane: Oh,

oh, anstcer me, To earcs of flesh and blond; list

Hamlet, oh list. Hast, hast me to know it, Thal with wings as steift, Vnmixt wilh baser matter; yes,

yes, by Heaiien! My Tables, my Tables; meel it is

1 set il downe, Loohe you , He goe pray. And then Sir does he this?

He does: what was I about to

say? I tcas about to say somlhing:

where did I leaue? He whips his Rapier out, and

cries a Rat, a Rat, Out of his Lunacies. | H'c will

cur seines prouide: Hamlet, Ihis deed of thine, for

thine especial safety Of your deere Falhers dealh , if

writ in your reuenge, He closes wilh you thus. I knuw

the Gentleman. What''s Hecuba to him, or he

lo U e cub a, A sanagenes in Tnreclaim''d blond

of generali assault. I Bnl my good Lord. \ Goe wilh me, I will goe seehe ihe

King Then to Entreatic. \ We both

obey, I Pleasaiit and helpfuU lo him. \

Amen. \ Well, we shall sift him. Wel- come good Frends: Most welcome home. This businesse is rery well ended. Bring him before rs. \ Hoa^

G uil de n s l e r n r ? bring in

my Lord. Blast ing his wholesome breafh.

Haue you eyes?

Shakespeare's flamlet herausg. ii. erkl. v. Dcüiis. DrilJcr Artikel. 161

98 Praij ijou he round, yon, feare nie nof,

Ile tcaäe

Wilh-draw^ l lieare hhii comminq. 97 / his sole sonne., doe ihis same

Villa ine send To heaiien. Wlnj^ this is base and siliy

not reuendfje^ 103 That you doe hend yonr eye on

vaconcy. 73 Affront Ophelia; her fal/icr

and my seife., 71 ^Vhy what an Asse am I? th'S is

most braue.

Pray you be round irith htm. Mother^ mother ., mother. Ue Warrant you., feare nie not. Vf'ithdraw, I heare h'm comminy. l his foule Sonne., do this same

Villaine send To heaven. Oh this is hyre and

Salter y., not Benenye.

That you bend yonr eye on va-

can de, Affront Ophelia: Her Falher,

and my seife (laicful espials) Oh Venyeance! Who? What an Asse am I? I

Sure, this is most braue., Thal /, the Sonne of the Deere

murthered., *

That I the sonne of a deere father

murthered ,

Dagegen lassen sich freilich eine Menge Fälle aufslellen, wo die Foliolesart metrisch richtiger ist als die Qiiartolesart. Allein beden- ken wir die Flüchtigkeit des Drucks der letzteren, so konnte das nicht anders sein. Und jene Falle beziehen sich gerade meistens auf Nichlbeobachtung der Synkope und Elision in der Quarto, welche mit fast ängstlicher Sorgfalt in Fol. 1, selten mit Auslassung der Apostro- phe, behandelt wird. Da entsteht nun die Frage, ob der Dichter selbst immer sorgfäUig P th\ by th\ Vhaue^ fürs, rtter\l., th^efj'ect, heaun (-13), oder vielmehr auch da in the., by the., to haue., for his, rttered, the effect, heanen geschrieben habe, wo er im sprechen elidiert und synkopiert haben v.ollte. Für das letztere freilich bietet qu. meist die Spensersche Orthographie ohne Apostroph, armd, scand, cald, puld, gleand, droirnd, referd, hild, offerd, seald, deuisd, temperd, fnrnd, proposd, staind, icilherd, falne, [auch mit Ausstoszung des Vokals der Bildungssilbe anstatt des Flexionsvokals muttred, vnma- stred, vtlred, wandriny, poysned,] hatcht, palch,% lookt, talhf, dech% scratcht, popt, punis'it, gropl, die einfachere und nafurgemäszere, mit Beobaclitung der Consonanlenassimilation, insofern nach lenuis und scharfem oder breitem Zischlaut meist tcnuis (/) eingetreten, nach li- quida und leiser spirans die in den sächsischen Sprachen vorhersehende media festgehalten ist. Dies Gesetz beobachtet die Fol. 1 weniger oft, und schiebt meist den (gaflz überflüssigen) Apostroph ein [der in qu. (5) seilen ist (vhor''d, ;)/<^-c'/)], selbst da wo er gar nicht hingehört z. B. in stricli'd (von strictvs), wo qu. richtig stricl hat. Wie manche der Orthographien der Qu. ist überhaupt älter und etymologisch rich- tiger als in Fol. 1: a leatien (eilf: Ags. endleofan), seauen (Ags.: seo- fon, sieben), Maister, ohne dasz die Herren Hgg. sich darum beküm- mern. — Aber auch von diesen Dingen abgesehen , ist nicht zu leug- nen, dasz die meisten Varianten in F. 1 metrisch ebenso gut passen,

13*

162 SIiakespeare"'s Hamlet hcrausg. ii. crkl. v. Dclius. Dritter Artikel.

als die Lesarien der qu. 5, Avas aber noch nicht beweist, dasz jene nicht blosz dem Theater ihre Enlsteluihg verdanken, da der Schau- spieler bei solchem verändern doch auch im Durchschnitt ein zweisil- biges Wort für ein zweisilbiges, ein dreisilbiges für ein dreisilbiges nehmen oder den Vers in seiner Weise schicklich zurcchlslulzen wird. Aber wie die oben verzeichneten, geben viele andere holprige Verse, namentlich die Zusälze lange, unschöne Alexandriner, die wir wol einer solchen Verderbnis, unmöglich einer Durchsicht des Dichters für die Bühne zuschreiben können. Wem kann es einfallen jene durch Geminationen von 0/i und fie, durch eingeilickte Anreden und müssige Belheurungen wie oye sure entstandenen llolprigkeilen der verbessern- den Feder des groszen Meisters zuzuschreiben? Es wäre da kein andrer Uath als zu meinen, die O'i'T'tos hätten diese Flickwörter aus- gelassen, der Dichter aber hätte von vornherein an diesen Stellen unmetrisch geschrieben. Seltsam doch, dasz die Drucke, die erwie- scncrmaszen die nachlässigslen sind, gerade so auslassen sollten, dasz sie die Verse ohne Schaden des Sinnes regulieren. Wir halten cinc^ solche Annahme für einen coup der Verzweillung, während die entgegenstehende, dasz die Fehler in F. 1 aus Thealervorlrag ent- standen sind, aufs vorlreiTliclisle mit allem übrigen übereinstimmt.

8) Die Fol. 1 enthält bedeutend^weniger Speciallesartcn, die au- genscheinliche typographische Fehler sind, als die Qu.

Die bei weitem gröszte Menge der falschen (Juartolesarten sind eigentliche Druckfehler, theils mechanische Fehler in einzelnen Buch- staben, theils Lesefehler des Setzers in scliwcreren namentlich ge- lehrten Wörtern. Umsetzungen von Wörtern wie llie are meu für the men are (138) u. a. m.; Umkehrungen von Buchslaben wie ribaud für riband (al. qu. 129); bnriall (134 St. Repr. falsch); Aus- lassungen von Buchslaben, wie the für thetj (öfter z. B. 62 (zweimal) 121), f/ut'ded iüv fiiu'lded (96), Äainsl für Against {\i^^ ^ sitier [iir sliuer (133); oiice für nonce (l32); muhe für marhe (140) ur für for (I48), und Ausfall von Wörtern wie and (142 Zeile i),(he top of (93), fi^ith (95), in (99), sfiall (128), hvt (148 Z. 3), 7iot (149 qu. 2 hat not), impannd (li9); inurdruus (156, vcranlaszt durch die dop- pelte Endung ous) ; Vertauscbungen von Bucbslaben, wie euocitlat fiir enoculat(e) (77 so qu. 2, daraus spätere qu. ciiacuat(c)) , rainc für Ruine (95), gam-giainfj (qu. 2. 3 qu. 5 game-giuinij) für f/ain-giiiiiiij (151), cuidence (Slcevens Heprint falsch) für euidence (96), heele nias für heeles mny (98), conuacatinn (Steevens Reprint falsch) für Couuo- catiun (lil), sif/hivi/ für fig/ifinf/ (l03), ficdi^e (Sleev. Hei)r. falsch) fiir Sicd;ic (128), consession für confcssion ( 129), /i;//if (Sleev. Repr. falsch) für siiiftt (130), scHinf/ly (qu. 2) für fcflinyli/ (qu. 3 5) (148), rair ((|n. 3 ir.) für j/air (i|u. 2 seltnes Wort) (l48). /n'slif ((pi. 2), /icsti/ ((|u. 3), misfi/ ({\n. j) für ycxl;/ (150), so olJ'cndrd für Sc o/f'cndn/do (134 Latein.), niy für tliij (155) Th th' für 'J'o /// (157); Verlauschun- gen von Endungen und Vorsilben wie possesse für posset (seltnes AN'ort), detcilcd für defccl/nr/. proposd für pitrposd (114), C/nistcn für C'/iri-

\

SIiakespeare''s Hamlet iierausg. ii. crkl. v. Deliiis. Dritter Artikel. 163

slian (135), unice (qu. 2, daraus qu. 3 IT. Onixe) für iiniun (153); falsche Trcmningeii ^vie heaue, a lussiiKj für lleauen Lissing (lOl), musly Olli- für mnst your (126), Ihe liiny at (qu. 2 daraus qu. 4. 5 Ubinij not) für checliivg al (128), or all für anjall (134), as sir für Assis (145), und sehr viele andere Fehler dieser Art verraten deut- lieh eine mehr mechanische Nachlässigkeit des Setzers, und sind durchweg als vollständigen Unsinn ergebend leicht zu erkennen, während die schlechten Foliovarianten (cf. i\r. 4. 5) mehr matte und geschraubte Ausdrücke, seltner vollkommenen, leicht erkennbaren Unsinn darbieten.

Einzelne Fälle des Gegeniheils können für die ganze Frage nichts beweisen.* Denn wie Fol. I. auch ganz unsinnige Varianten hat (cf. 4, I. a. E.) , so hat sie auch eigentliche Druckfehler, nur dasz diese seltner sind. Z. B. 104. To n-lto (für ichom) ; or (an); 105 ran/te (j-anchei-) ; tliis (these) ; 106 rriade (mad) ; 107 Noic QIow') notc; 119 Ballaliaes; 127 arni'd {ayni'd); 133 buy (loy); 134 himsele; 13S sixleene (^Sexton, könnte eine absichtliche Verdrehung "des Clown sein); 140 of ausgelassen; 142 Sir {For); 143 you (your); 146 sement {sequent) ; 147 saic (say) ; 149 The sir hing (The kiiig sir); 149 hut (bet); 150 niine (inaiiy) ; 155 otrne ausgelassen ; 157 r/iis (this) ; 158 ro (lo). Gegen Ende des Stückes wurde auch in Fol. 1 der Druck nachlässiger. Die meisten dieser Fehler finden sich in den jüngeren Ff. gebessert, aber nicht alle; ja zuweilen wird der Unsinn noch ver- gröszert z. B. S. 150 aus niine (für many) nine gemacht.

Namentlich findet sich in F. 1 eine grosze Verwirrung über das s finale, und zwar dies häufiger falsch zugesetzt als falsch wegge- lassen. So in dem 3n und 4n Act: S. 108 Seas ; let's; Molher Clos- sels; 119 sorrou-es contes; 120 persons (war nicht zu vertheidigen) ; comes dicht darunter; 121 Ihat calmes ; 122 turnes (statt des feineren Conjunclivs turne); 127 Occasions (?) ; 135 lasls ; 138 heeles; 141 Griefes Beares (F. 4^ Bear); 145 The effects; 149 Hangers; 150 Tryalls; 153 Trumpets. Umgekehrt 121 world ; 140 praier ; 141 Cuniure und makes; l-i'd Cupl et are; lb5 lleauen ; 157 cracke; 159 body. Ei- nige dieser Fälle hat man vertheidigen wollen, auch aus grammati- schen Gründen, aber es läszt sich über den etwa noch von Shake- speare gebrauchten alten Plural Praesentis auf s (th)^ und über die Ausdehnung der Verbindung eines Collectiv-Singulars mit dem Plural- Praedicat für den Augenblick nichts bestimmtes sagen. Einen Anfang zu dieser Untersuchung hatte Herr Delius im Sh. Lex. p. XVI ff. ge- macht, ohne jedoch auf die älteren Formen und auf den gleichzeitigen usus loquendi einzugchn. liier möge nur daran erinnert werden, dasz diese Verwirrung in der Praesens-Flexion ein noch beute gang- barer Vulgarismus ist (ähnlich dem frz. favons), und dasz, wenn er sich auch wie die meisten sog. Incorrectheiten des üialecfs aus ural- ten guten Gründen herschreibt, dennoch, wenn die Fol. 1 hauptsäch- lich die Bürgschaft dafür bei Sh. übernehmen soll, wol zu bedenken ist, dasz untergeordnelere Schauspieler denselben vielleicht vielfach

164 Shakespeare's Hamlet herausg. u. crkl. v. üelius. Dritter Artikel.

im Munde führten, sviilircnd der Dichter einer fesleren Wege] huldigte. Es könnte ein Fall sein wie mit dem -i, 1 in Fol. 1 häniiger bemerkten the tchich und Mars liis Annours und den Formen minc und thine vor Vücalen so wie dem viide für vile (cf. 6, Vil a. E.); alles dieses findet sich häufig in der gleichzeitigen Prosa, seltner in der Poesie. Jedenfalls ist die in F. 1 hcrschende Unordnung und Inconsequcjiz in Bezug auf das s finale überhaupt gröszer als sie dem Dichter zuge- traut werden kann, und legt, danieder des falschen zugetzens mein- als des weglassens zu sein scheint, abermals ein Körnchen dafür in die Wagsciiale , dasz F. 1 weniger eine nachlässige als eine ungeschickt z ur ech t m aclien d e Hand verrate: dasselbe Er- gebnis wie vorhin.

9) Die Interpunction in Fol. 1 ist durchweg sorj^fällig und genau, aber gerade in dieser Sorgfalt und Genauigkeit sehr oft im schreiend- sten Widerspruch mit dem Sinn und Zusammenhang; die interpunction der Qu. ist nachlässig, aber selten positiv falsch.

Wir können die Inlerpunctions-Genauigkcit von Fol. 1, nacii der nur anzulangen Auseinandersetzung im P. Sh. p. 326 338 und nach den schon im Verlaufe dieser Darstellung gegebenen Beispielen als bewiesen annehmen. Aber was ich Vorrede p. XV nur andeutete, ist die oft seltsam falsche Interp. dieser Ausgabe in Bezug auf den Sinn. Beispiele davon sind im Haralet fast auf jeder zweiten, dritten Seite zu finden :

Qu. (5). 21 His further gate heerein, in Ihat

the Icuics 25 Doe I impurl touard you for

yonr inten t,

27 Hora. 31 y Lord I Ihinhe I saw him yesterniyht.

Harn. Saw ^ ^Vho? Hora. My Lord the Kiny your father.

28 Goes slowe and stalely by them; thrice he tcalht

By usw.

32 And you are siiiied for, Ihere

iny hlessiny irilh thee, (so auch

qu. 1.) 34 yyhat is hetirccne you t/iue nie

vp the trulh. Zb^Tke ayre hitcs shrcntdi'y, it is

rery colde. 37t yynh thuuijhlcs hvyond t/ic rvti-

chi'sofour soH/t'i, (ähnlii'h (ju. 1.) 38 And drain you inlo niadnesse,

Ihinhe ofit, (ähnlich qu. 1.)

F. (1).

llis further gate herein. In Ihat the Leutes, (falsch)

Do I impart totcards you. For your intent, (vcrmullich falsch)

Hör. 3iy Lord, 1 Ihinhe I saw him ycsternigiit.

Harn. Saw? Who?

Hör. 3Iy Lord, the King your Fa- ther. (falsch)

Goes slow atid stalely: By thcui thrice he walht,

By usw. (falsch)

And you are slaid for Ihere: my blessing witli you; (falsch)

What is hclwcene you, giue nie rp

the trulh? (allenfalls hallbar) The Ayre liilcs shreirdly: is it rery

co'd? (Unsinn) W/th thoughls ticyund thve ; rca-

chcs of our Sonics., (Unsinn) And draw you inlo luadncssc ihinlie

of it? (Erst Fol. (2. 3) -i richtig)

Shakespeare's Hamlet herausg". u. crkl. v. Deliiis. Drilter Artikel, löf)

38 Still am I cald, tiihand me Gent-

leineii (ähnlich qn. l) Are burnl and piiiffd aitay: bul

that I am forbid

401/ Ihat incestuous^ that adul- terate beast

Wilh icitchcraft of his teils ^ loith traijterous gifts,

() iriched irit and giftes that haue Ihe power

So to sediice; wonne to hissharn- ftill inst

The will of mij inost seeming ver- tuous Queene ; (qu. 1 mangel- haft, aber nicht total falsch)

48 Hauing euer seene in the pre- nominat crimes

48. Zwei andere starke Beisp

zugleich Verderbungen des Maszes

54 by cause: Thus it remaines and the remain-

der thus Perpend, I haue usw.

55 And my yong Mistrisse Ihis I did bespeake, (so auch Fol. (2. 3) 4.)

7if With this Staues offall, bloody, baudy villaine,

76 / p^'ciy you now receiue them. (so F. 4.)

77 Heaiienly poicers restore tum. (Optativ?)

78 The courtiers, souldiers, schol- lers, eye, tongue, sword.

79 And Ile be plac''d (so please

you) in the eare 82 1 Where thrift may fol/ow fau-

ning , doost thou heare, 87 / doe heleeue you thitihe what

now you speahe, 100 And sets a hlister there, mahes

mariage vowes

Still am I caPd ? Vnhand me Gent- lernen: (allenfalls hallbar)

Are burnt and purg^l away? Btit that I am forbid (wenn? = !, allenfalls haltbar)

/ that incesluous , that adulterate Beast

With witchcraft of his wits , ha th Traitorous guifts.

Oh wicked Wit, and Gifts, that haue the power

So to sediice? Won toto this shamefull Lust

The will of my most seeming ver- tuous Queene: (auffallender Un- sinn) (Fol. (2. 3) 4 richtig)

Hauing euer seene. In the pre- nominate crimes, (falsch)

iele unsinniger Interpunction, die

sind. S. vorhin p. 160.

by cause,

Thus it remaines , and the remain- der thus. Perpend,

I haue usw. (vielleicht falsch)

And {my yong Mistris^ thus I did bespeake, (Unsinn)

With this Slaues Off all, bloudy: a Bawdy villaine, (so auch F. 4 doch vermutlich falsch)

/ pray you now, receiue them. (liesze sich halten)

0 heauenly Powers, restore him. (liesze sich halten)

The Courtiers, Saldier s. Schollers : Eye, fongue, sword, (ein Bei- spiel der unnötigen , ängstlichen Sorgfalt)

And He be plac''d so, please you in the eare (Unsinn)

Where thrift may follow faining? Dost thou heare, (falsch)

/ do beleeue you. Think what now you speak: (Unsinn)

And makes a hlister there, Makes marriage vowes

166 Shakespeare's Hamlet lierausg. u. crkl. v. Dclius. Dritter Artikel.

Asfalse as dicers oathes. Oh such

a deedl 94 Soft, now to ttrij mothe>\

119 Come mij Coach ^ Gud night Ladies, God night. \ Sweet Lai- desGodnifjht,God night. \ (Ver- mutlich nicht ohne Grund als zwei Verse gedruckt; Balladen- fragmenf :

------- )

120 Where is this King? sirs stand you all icithout. (so auch F. 4.)

129 f/ hnow him, well he is the

brooch indeed And Jem of all the Nation.

131 Will not peruse the foyles , so that with ease,

132 May fit vs to our shape if this shoiild fayle ., (falsch; nach shape sollte stark interpungicrt sein)

1391 Twere to consider too cu-

riously to consider so. 139 on a roare., not one now to

inocke your owne grinning., tjuite

chopfalne. Now usw.

141 Sweets to the sweet., fareweU,

141 f O trebble woe

Fall tenne times double on that

cursed head., Whose wiclied deede thy most in-

genious scnce Depriued thec o/", hold ojf etc.

141 Now pilc your dust rpon the

quicke and dcad, 154 Co7n for the third Laertes,

you doe but dally.

158 yire heere arriued., giue order

Asfalse as Dicers Oathes. Oh such a deed, (falsch)

Soft now., to my Mother : (doch wol falsch)

Come., my Coach: Goodnight La- dies: Goodnight sweet Ladies: Goodnight, goodnight. {als Prosa gedruckt)

Where is this King, sirs? Stand you all without. (doch gewis falsch)

[ know him well, he is the Brooch indeed,

And Jemme of all our Nation. (vielleicht richtig)

Will not peruse the Foiles? So that with ease, (falsch)

May fit vs to our shape, if this shouldfaile ; (genauer, aber ganz ebenso falsch, es ist, wol zu merken, die Rolle des Kö- nigs)

'Twere to consider: to curioüsly to consider so. (Unsinn)

on a Rore? No one now to mock your own Jeering? Quite chop- falne? Now usw. (Malone hielt diese Int. für falsch.)

Sweets, to the sweet farewell. (falsch)

Oh terrible woer,

Fällten times trebble , on that cur- sed head

Whose wicked deed, thy most In- gen ious sence

Pepriud thee of. Hold off etc. (Un- sinn)

Now pilc your dust, rpon the quicke, and dcad, (störend genau)

Come for the third.

Laertes, you but dally, (vermut- lich falscii)

Are hccre arriiicd. Giue ordcr that

Shakespeare''s Hamlet Iicraiisg. u. erkl. v. Dcliiis. Dritter Artikel. 167

that ihese bodies (F. 4 Kolon 1 these büdies (aiifi'alloiul falsch; vor Give) \ mit gice beginnt der iNaclisatz)

Unter diesen 40 Beispielen , welche die Bchanptung zur Genüge erNveisen , sind mehrere, die noch als Irtluimer im Texte stehen, na- mentlich S. 25 ist durch bloszcs einfaches zurückgehen auf die echtere Inlerpunclion das Object zu iinpart in dem Satz ü is most retro- grade to our desire gewonnen und statt der verzweifelten Annahme einer Anakoluthie erhallen wir nun eine für den sprechenden unge- mein passende wolstilisierte Periode. Auch unter den übrigen sind interessante Varianten: ich habe gerade auch eine zweifelhaftere ge- wählt, um zu zeigen, wie nothwendig die xVufmerksamkeit auf diese Dinge ist, w eiche die Hgg. meistens übersehen. Wenn z. B. S. 129 F. 1 Laerles das tcell zu Iniow ziehen läszt , so scheint dies eine Verschlu- derung, wie wenn ein Schüler in Goethes Sänger ^Gegrüszt, ihr schönen Damen' für das eigenthümlichere "^Gegrüszt ihr, schöne Damen' liest; denn wellkann sehr wol:=irÄ//, nun, ei, mit dem folgenden verbunden werden, und hat dann mehr Praegnanz als in der trivialen Verbin- dung / hnow him well. Dasselbe gilt von sirs p. 123; dagegen ist es zweifelhafter, wohin bloody S. 71 und Perpend S. 54 gehören. Allein die bei weitem meisten dieser Fälle sind falsche Trennungen in Fol. 1 (insonderheit durch Punkte), nicht selten (mit f bezeichnet) mit einer Verderbnis des Textes selbst verbunden.

Wie wären diese nun in ein vom Dichter selbst durchcorrigiertes Bühnen- oder Souffleur-MS. gekommen? Vielmehr stimmen sie mit der ganzen übermäszig genauen Interpunction , den ängstlichen Apo- strophierungen etc. überein, und verraten sich, obgleich unter 10 neu eingesetzten Zeichen 9 gut und für das lesen erleichternd sind, doch eben durch dieses Zehntheil auffallender Verkehrtheiten als das Product einer überarbeitenden Hand, die nicht immer des Verständnisses Herr war: P. Sh. p. XV. Fand sie nun einen sehr wenig interpungier- ten Text vor, wie man dies von Schauspielerrollen annehmen darf (cf. P. Sh. p. 330 Anm.), so musz man gestehen, dasz sie ihr schwieriges Geschäft doch im ganzen mit Verstand durchführte. Aber grosze Geister lieben selten solche Pedanterien; aller Wahrscheinlichkeit nach wird Sh. selbst ungefähr so interpungiert und geschrieben haben wie qu. 2 if. uns den Text darbieten, d. h. etwas cavaliermäszig. Wir erhalten also aus der ' verbesserten' Interpunction und Orthographie der Fol. 1 nicht nur kein neues Argument für ihren directen Zusam- menhang mit des Dichters Handschrift, sondern einen deutlichen Be- weis des zurechtmachens des Textes durch den Herausgeber oder den Setzer.

10) Die falschen Trennungen des Verses sind in Fol. 1 sehr häu- fig, namentlich gegen Ende des Stückes.

Offenbar ist diese Eigenlhümlichkeit von derselben Art wie die vorige. In einem MS. von des Dichters Hand, oder auch nur in einem von dem Dichter für die Bühne durchcorrigierten )IS. konnte wol in Prosa geschrieben sein was Vers sein sollte , aber nicht umgekehrt in

168 Shakespeare's Hamlet heraiisg. ii. eikl. v. Delius. Dritter Artikel.

Versen, was Prosa war, oder z. B. in sieben oder acht versartige Zeilen zerlegt sein , was in ^^'t!ll^lleit nur fünf Verse waren. Negative Fehler also sind liier gerade wie bei der Interpunclion wol von posi- tiven Fehlern zu unterscheiden, welche letztere wieder einer über- mäszig ängstlichen Sorgfalt die (vielleicht in den Rollen oder dem Theater-MS.) vorgefundene Unordnung zu bessern, ihr dasein ver- danken, oder auch nur flem bestreben des Setzers, mit den Zeilen in gefälligerer ^^'eise für das Auge auszukommen, da seine Colonne (die halbe Breite der Folioseile) um fast einen halben Zoll schmaler war als die ganze Breite der Quarto. Dasz solche Grüide einwirkten liesze sich sowol durch manciie Einzelheiten nachweisen, als noch besonders durch den Schlusz des Stücks, wo es unangenehm für das Auge gewesen wäre, wenn die letzte Seite (-280) nur ganz oben einige Zeilen enthalten hätte, wogegen sie nun durch Vermehrung der Zeilen bis auf das erste Drittel hinuntergcfiihrt werden honnle.

Folgendes ist der Schlusz in ([u. (ö) : ^yllu•l^ notp to claime my rantnfje doth invile me. \ Flora. Of lltal I shall haue also cause to speafiC, I Aiid from fris vionl/i, trhose voyce irilf draio no tnore, | ßut let this san/e he presently perfornid | Euen while mens mindes are wilde, leasf more mischance | (Ja plols and errors kappen. \ Fort. Let foure Caplaines \ Beare Hamlet lihe a souldier to the stage,

I For he was liheJij had he beene jnit an, [ To have pi'ooited most royall; ond for his passage, | The souldiers viusique and the right of tcarre | Speake loudly for htm: | Talie rp the bodies, such a sight as this, \ Becomes the fiehl, but heere shoires nmch amisse. \ Goe hid Ihe sould/'ers s'ioole. exeunl. \ Dagegen in Fol. 1 auf p. 2b0: Which arcro claime^ my vantage dotk \ Inuite me. | Hör. Of that I shall haue alwayes cause to speahe, \ And from his mouth \ Whose voyce will dratc an more: | But let this same be presently perforni'd,

I Etien whiles mens mindes are wilde, [ Lest more mischance \ On plols, and errors kappen: | For. Lei foure Caplaines | Beare Ham- let Hhe o Soldier to the Slage, \ For ke was lihely, kad he hcene put on j To kaue proud most royally: \ And for his passagc, j The Sovldiovrs lilusiche., and the rites of }Yarre | Speake lowdly for kirn.

j Talie rp tke body; Sack a sighl as Ikis \ Becomes tkc Ficld, but heere sheires much amis. \ Go,bid the Souldiers skoote. | Ejeuiil Mar- ching: after the wkick, a Pealc of | Ordenance are skot off. |

So erreichte es der Setzer durch Ausziehnng der Ij Zeilen zu 21, dasz er etwas tiefer herunterkam. Es sieht nun freilil-h auch die Bühnenanweisung mit dem trivialen tke which und dem a Peale are*), .so wie die vielen diimnu-ii Fehler in dorselhen Passaffe, die inconsc- quente Orthographie (z. B. dreierlei Art in dem einen ^\'orte soldier in derselben liode, wo qu. überall souldier), sehr nach der Einwir-

*) Solöcisnitii in iloii l'iihnonanucismigc-ii der l^'ol. ! wit- in der sorgfälti};oii lU'sciirfiijuiig des Dumb Show sind liosoiulors liäufig; ich denk«' wcinjistciis 8Ii. wird so viel Latein gekonnt lial)cn dasz er nitlit Kxila für Exil schrieb.

Shakcspeare's Ilaiiilot licraiisg. ». ci'kl. v. Delius. DriUcr Ailikcl. 169

kung wenig iiilelligciitcr Handc anderer Art aus: und es lieszc sich fragen, ob nicht sclion das Thoa(er-3IS. selbst auch die lalscheii Vcrs- trennungcn hatte. Doch ist zu beachten, dasz die Fol. 1 dieselben falschen Trennungen der Blankverse in Korn, and Jnl. und andern Stücken zeigt, welche unniillclbar nach den Quartausgaben abge- druckt wurden, und dasz letztere das wol öfter als Prosa drucken was Vers sein soll (z. B. die ganze Stelle von Queen Mab l\. J. 1, 4, auch in Fol. 1 als Prosa wiederholt), und mehr in einen Blankvers zie- hen als dazu gehört, aber sehr selten einen Blankvers fälschlich in zwei Zeilen zerlegen. Fälle also wie U. J. 1, 5.

Qu. 3: Capu. W/iy how now hinsman wherefore sforme you so? Fol. 1. Cap. W/iy how noic hinsman^ | Where fore slorme you so? sind, so viel ich bemerkt habe, im ganzen Shakespeare sehr häufig. Im Hamlet ist dies so häufig dasz z. B. auf S. 153 allein fünf, auf S. 154 vier Fälle von solchen falschen Trennungen der Fol. 1 sind. Auch die Sorgfalt in der Apostrophierung und Setzung der Verbindiingsslriche geht durch. Fol. 1 schreibt durchweg in R. ,1. e«/'rf, siippos'd., vprous'd, ''lis, ''iwill^ too''t, shee's, en''f., as''t, desir^st. shani'st^ repWst., caii'st., did^st, want'stj there^s, she''l, iDho''s^ (selbst schon einzelne Genitive wie Rotneo^s, Mei'culio''s) Rat-calcher , 7-un-atcayes , wo qu. (3 von lti09) eyde, svpposde, rprousd, (is, lirill , toote oder lo it, shees, ont, (ist, desirest. sliamest, repliesf., canst, didst^ wanfst, fhers oder theres oder fhere is, sheele, icliose oder iclioes, Romeos, Merculios, ratcalcher , runtiawayes, auch gedankenlos mechanisch da wo der Apostroph gar nicht hingehört, caWs (vocat), accur''sl (verflucht), %' fh\ I danst (= danced), riti'd (Binde), expetien''st (erfahren cf. F. Sh. p. 495), shrow''d (Leichengewand) statt des cals, accurst, bith {= by the), I danst, rinde, expr/'enst, shroicd der Quartos (wie wir oben strick'' d statt stricl so im Hamlet bemerkten), so wie auch da wo die Elision und Synkope (wie in Prosa) ganz überflüszig und selbst wo sie gegen das Metrum ist. Auch in der Orthographie läszt sich die Aehnlichkeit der Beliandlung nicht verkennen. Alte ety- mologische Spenserorthographicn (wie aleauen, secnien) finden sich in qu. 3 von R. J. z. B. fier, in Fol. 1 immer fire; dort neast, shead, spread, beare (= bier) reareward, heart, hier nest, slied, spred , beere, rere-ward, hart, umgekehrt dort hoe und ho, hier hoa, gerade wie in dem oben abgedruckten Schlusz des Hamlet in qii. Least, in Fol. 1 Lest und oft im Haml. in Fol. hoa, in qu. ho. Ebenso qu. Commaun- dement Fol; Command''merit im Haml. (92); qu. 3 demnund Fol. de- inand in R. J. und unzähliges anderes. Die Rubra sind in Fol. 1 fast immer als dreibuchstabig durchgeführt, während sie in den Quartos sehr wechseln. So Fol. 1 fast immer Rom. Jnl. Ham. Cap. Tib. Hör. Oph., während Quartos baldRo. bald Romeo bald Ha. bald Haml. bald Ho. bald Hora. usw. Auch die in Fol. 1 viel häufigere Abwerfung des e finale trifft sowol den Hamlet als Rom. u. Jul., sowie die Abkürzungen gctlemä u. dgl.; P. Sh. p. 336. Wenn wir nun auch in R. J. Vervollständigungen der Inlerpunction (darunter auch ganz

170 Shakespeare's Hamlet heraiisg. u. erkl. v. Delius. Dritter Artikel.

falsche), gramnialische Modernisierungen und andere Besserungen der miszlichstcn Art (z. B. pnltest iüv puls), namentlich auch bedenkliche Ausfüllungen des Metrums, welches in qu. 3 durch Nachlässigkeit unvollständig gelassen war, zugleich mit der Wiederholung der haar- sträubendsten Druckfehler (z. B. der Nichtwiedereinselzung der in qu. '6 ausgefalleneu Zeilen) und der Besserung nur der kleine- ren, auf der Hand liegenden linden, so kann vernünftiger ^^'eise das viele schlechte und das wenige gute (welches ihr eigen ist) mitsamt der pedantischen Sorgfalt nur einer und derselben Hand, der des Setzers oder Correctors (Herausgebers) zugeschrieben werden, und an ein benutzen von MS. (oder gar von einem authentischen MS. I) ist kein Gedanke. Da wir nun aber dieselben Züge, die kleinliche unauflöslich mit positiven Fehlern verbundene Sorgfalt in lulerpunc- tion, Orthographie, Versabtheiluiig, die Nicht- oder Schlimmbesse- rung in schwerereu Stellen auch im Hamlet linden, da ferner jenes zusammeujreffen in den Minulien der Orthographie mit H. J. deutlich die Hand desselben Setzers auch im Haml. verrät, so möchte mau glauben dasz einiges von den grammatischen Modernisierungen und den Varianten auch im Hamlet auf die Kappe des Setzers oder Cor- rectors komme, der Archaismen, corrupte Stellen und Lücken so bes- sern zu müssen wähnte. Freilich war der Fall unendlich viel besser bei R. u. J. , wo dem Setzer ein gedruckter im ganzen guter Text vorlag, als im Hamlet, wo er sich mit einer Jüngern Abschrift aus dem Archiv des Theaters begnügen musle, die, wenn sie auch in den meisten Rollen selbständig aus dem Üriginal-31S. des Dichters ab- stammte, doch noch viel schlechter iulcrpungiert , viel inconsetiuenter orthographiert, und, was das schlimmste, mit einer Masse Bühnen- fehlern ausgestattet war. Da wuchsen dann durch solche Ueberarbei- tung die Fehler wie eine LaAviue.

Somit kommen wir zu unserer Lösung der ganzen Controverse IL Wir erkennen in der Foliorecensiou deutlich zwei Elemente, die der zum Theil alten Bfihneiircdaclion für das Globuslhcater und die Ue- berarbeitung derselben für den Druck. Jene läszt sich, mit ^^'ahl und Vorsicht gebraucht, trell'lich als Correctiv der Fehler in den nach- lässig gedruckten Quarlos anwenden, und ist auch an sich von Inter- esse, diese ist ziemlich werthlos: beide müssen, insofern wir lieber wissen wollen was der Dichter schrieb als was seine Freunde für gut fanden auf der Bühne zu declamieren, im ganzen der einzigen unmittel- baren Ueberlieferung des Textes in qu. 2 IT. weichen.

Auf die erste Controverse, über die Bedeutung der qu. I , fällt durch diese Resultate einiges Licht. Fs ist auffallend, dasz die decla- matorischen Wiederholungen, die Bühnenkiir/.ungeu . die trivialen Zu- sätze, die ordinären synonymen Ausdrücke, die salopperen Wen- dungen, die Vernachlässigungen der metrischen Correcllieit alle sich in noch weit gröszerem Umfange in der qu. 1 im Verhältnis zu qu. 2 zeigen, als in Fol. I im Verhältnis zu qu. 2 If. Dadurch wird man von der Möglichkeil in (|ti. I eine Jugendarbeit des Dichters zu be

Sliakespearc''s Hamid Iicraiisg. ii. crkl. v. Dcliiiii. Drillcr Arlikcl. 171

.sitzen immer weiter abgefiilirf. Die qu. 1 ist eine Karrikaliir der in Fol. 1 zu Giuiulc liegenden Bülinenrcdaclion.

Andrerscils fällt aiieli auf die Fol. 2 ein Streiflicht. AN'ir be- merken die Modernisierung- und Uegulierung für den Druck dort fort- schreitend (S. Malone), >vie sie in Wahrheit schon (doch in sehr ge- ringem Grade) mit den spätem Wiederholungen der Quartos begann, wie sie sich in Kowe^'s Ausgabe fortsetzte und bis auf den heuligen Tag nicht aufgehört hat; weun auch woUhälige Heactionen, zuerst durch Thcobald, eintraten. Das/, nun an dieser Modernisierung und liegiilierung in der Fol. 1 die Bühne einen Anlheil genommen hat, steht fest, dasz der Dichter auf sie einen Einflusz gehabt habe, ist eine auf den schwächsten Füszen stehende Hypothese, insofern die Angabe der Hgg. in der V^orrede sehr verschiedene Deutung zuläszt, und auf keinen Fall auf alle Stücke passt.

Ein äuszerer Grund dafür, dasz wir in der Quarto von 1604 einen unmittelbar nach des Dichters MS. abgedruckten Text haben, ist, dasz ja die von 1603, als eine erschlichene und dem Vf. keine Ehre ma- chende Form, ohne Frage mit dem Willen und mitwirken des Vf. durch eine richtige Ausgabe zunichte gemacht werden sollte. Zu ihr wird der Vf. denn doch wol seine eigne Hs. hergegeben haben. Dasz der Verleger der qu. 2, welcher Mitverleger der qu. 1 gewesen war, diesen Stand der Dinge dadurch verschleierte, dasz er qu. 2 als eine 'auf das doppelte vermehrte' Ausgabe darstellte {^Netchj imprinted and enlarged lo almosl as much againe as it was^ accordinij to ihe true and perfect Coppie)^ war ein ganz natürlicher Kniff. Doch war der Zusatz ^accordinff to the true and perfect Coppie' für die, m eiche von der Sache Bescheid wuszten, hinreichend avisierend, während die meisten Käufer bei dem Glauben belassen wurden, nur einen 'bessern* Hamlet zu besitzen, obgleich sie in Wahrheit den einzigen hatten.

Endlich tritt man einer dritten Controverse, welche wir bisher unberührt gelassen haben, nun um einen Schritt näher. Be- ruhte die Perkins-Folio 2 auf den Abschriften des Drury-Lane Thea- ters (P. Sil. p. 464 482), so stehen diese, insofern sie vermutlich auch den Original-MSS. directer oder indirecter entstammten, so ziem- lich parallel mit denjenigen MSS. des Globustlieaters, welche auch nicht Originalhandschriffen sondern Abschriften Avaren, wie die des Hamlet. Dann können die Ueberresle beider Theatcr-MSS. in Fol. 1 wie Perkins-Fol. 2 vortrefflich als Correctiv der Druckfehler des Quartotextes benutzt werden , müssen aber im ganzen an Authcnticität der Qu. von 1604 weichen, da es gar nicht zu verwundern wäre, wen» die Recension des Drury-Lane auch Bühnenverderbnisse M'ie die des Globustlieaters enthalten hätte. Wir werden also füglich manche Vertheidigung der Lesarten des Correctors beanstanden können, ohne darum den groszen Wertli einer selbständigen zweiten Quelle namentlich für die in Fol. J zuerst cnthallenen Stücke zu verkennen, ^^'ir werden, wo zwischen drei Lesarten die ^^'ahl ist, immer bei dem Corrector zu bedenken haben, dasz seine Quelle eine» Fehler habe enthalten kön-

172 SIiakespeare''s Hamlet lierausg. u. erkl. v. Deliiis. Dritter Artikel.

nen, und dasz das Originahvort vielleicht etwas unleserlich >Yar; wir werden einzelne Varianten und Ausfüllungen oder Regulierungen des Metrums zugeben können, die nur dem Drury-Lane*) angehörten, ohne dasz darum die Nichlselhstiindigkeit jener Abschriften folgte. Dies gälte dann (gerade wie in Fol. l) namentlich von denen, die' sich am meisten von der Wahrscheinlichkeit eines Druckfehlers in den frühe- ren Ausgaben entfernen, von den undiplomatischeren, und es ist mir schon früher aufgefallen, dasz diese es sind, die am wenigstens schla- gend passen (P. Sh. p. 217. 294).

Wir haben also eine vierfache Ueherlieferung des Hamlet, von denen mindestens 3 selbständig einander gegenüber sind, l) die Quarto 2 von 1604, der tlüchtige Abdruck des ürigina!-MS. l) die Bühnen- redaction des Globustliealers. a) in der verslümmelten Auffassung eines Zuhörers von 1603. b) in der von Heminge und Condell geleiteten Uebcrarboitung von 1623. 3) die Heste eines Theater-MS. des Drury- Lane in den handschriftlichen Corrccturen der Perkinsfolio von 1632. Die erste Quelle ist jeder Ausgabe zu Grunde zu legen, die zweite und dritte bieten vielfach Ergänzung und Berichtigung der Nachläs- sigkeilsfehler der ersten.

Wir glauben damit ein kritisches Fundament gewonnen zu hai)en, von welchem aus die ü!)rigen Stücke mit Erfolg belraclitet werden können für welche Stücke ein gröszcrer Werlh der Fol. 1 sich erge- ben wird, wird dann erhellen und glauben zugleich bewiesen zu haben dasz Herr Delius, wenn er die zweite Quelle zu Grunde legen und die erste als deren Cörrectiv benutzen will, die Sache geradezu auf den Kopf kehrt. Es ist ihm gegangen, -wie so vielen classischen Philologen vordem, dasz sie die interpolierten, abgeleiteten Hand- schriften für die besten hielten **). Wie lange ist es denn her, dasz die Aldina des Pindar (die, auszer in den Olympioniken, auf dem Cod. Abbat. Florent. beruht, wie ich im Rh. 3Ius. vor Zeiten naciiwies) als interpoliert feststeht? oder gar wie lange dasz man in de linibus, pro Sulla, in der 3n Decadc des Livius nicht den jüngeren und inter- polierten Texten folgt? Hallen die unermüdlichen Bestrebungen von

♦) Ich bitte das Verselui P. Sit. 469 zu berichtigen, da die Pals- grave'.s Servants koiiie andere sind als die Spieler des Prinzen Pfülz- grafen , wie itli früiier meinte.

♦♦) Ks ist interessant zu sehen wie die einzelnen Kriterien inter- polierter llandsehriltcn sich gleichen. So hat jener interpolierte Pin- darcodex (nieist mit Par. B. übereinstimmend) ängstliclic, aber falsche Aulhebungen des Hiatus z. 13. Ol. 6, 33 durch eingeschobenes»/, ib. 68 durch ttktqus -0 statt natQt; dieselbe, llandsclirift hat eine Menge Modernisierungen alter dialektischer Formen: Trnca^ für Trnaaig, rjcv- liu für uavyia^ öi'öov für d'iöoi; dieselbe ordinärere Sviionymen n(<cö- rov für TtQokoig (Ol. 6, 75), i:vxi f""" i^,'/ .(^^'<''"- "+> '^l^' 7roXt)K«9«i'Ot,- t' für fxurü'y/pfaoi- (P. 8, 16), ßdlev für (ÖqüItV (ib. 90), Tf^ipiv nXov- T0(0 für ttIoi'itov (i Qiavav (ib. 96); auch liiinlig sorj^lält if;e aber ganz falsche fnterpunction, z. B. Ol. 5, 18 nach (udvtu (zugleich metrisch falsch), Ol. 6, 102 nach nconxoi, Pyth. 8, 103 nach UijlfC.

Shakespeare''s Hamlet hcrausg-. ii. crkl. v. üclius. Dritter Artikel. 173

Böckli , Niebuhr, Madviif, Im. Bekker, Laclimami und ilireii Jüngern Naclilülgern nicht den llandsclirit'lenFamilien naciigespiirt, so wären wir noch nicht besser daran. Somit brauchte auch Herr Uelins sicii seines Irthums nicht zu schämen, so wenig wie Herr Knight, obwol dieser als Engländer noch mehr Entschuldigung verdient. Denn wie England uns in den höchsten und gröszten Dingen des thäligen Lebens leider weit überlrilTt, so übertrelTen wir es in manchen Punkten der ■Wissenschaft, z. B. entschieden in der philologischen Kritik, wodurch diejenigen Engländer, welche aus gesundem Urllicil und ruhiger For- schung schon die rechte Bahn einschlugen, nur um so hölier zu stehen kommen. Zu bedauern bleibt es also immerhin, dasz der erste Deut- sche, der sich in diese Fragen einmischt, den Irweg gehen musz, und höchlich zu verwundern, wie er, nachdem schon die bessere Spur entdeckt war, doch mit sonderbarem Eifer die entgegengesetzte ver- folgte. Man möchte fast sagen, es wäre besser gewesen, wenn er weniger Geist und Scharfsinn und weniger lebhafte Ueberzeugung von der Richtigkeit seiner Meinung gehabt hätte, da alles dieses nur weiter und weiter von der Wahrheit abführt, je weniger in Deutsch- land sind, die auf diesem Gebiete nachrechnen können, schon wegen des Mangels an Hilfsmitteln.

Eine falsche Grundansicht erzeugt immer eine Menge neuer Ir- thümer. Wir sahen den Hg. sich bei der Vertheidigung der handgreif- lichsten Interpolationen der Fol. 1 auf das unglücklichste hin- und herwinden (wie schon früher bemerkt wurde) und die unhaltbarsten Foliovarianten mit den spitzfindigsten Gründen stützen. Man lese nur S. 152 die Gründe für die- Lesart Mot/ter, als eins der eclatanlsfen Bei- spiele dieser y\rt. Viel häufiger aber sah sich der Hg. gezwungen die Verkehrtheiten der Fol. 1 mit Stillschweigen zu übergehen, wie wir im ersten Abschnitt zur Genüge gezeigt haben. Aber er war nicht einmal seinem eigenen Princip getreu. Rec. hat sich den Spasz ge- macht, die in Hrn. D.s Text aufgenommenen Speciallesarten der Fol. 1 schwarz, die der Quartos roth zu notieren. Da geht es nun auf den ersten Seiten recht foliomäszig her , aber diese pechschwarze Conse- quenz geht bald unter in der blulrothsten Inconsequenz, mit und ohne Angabe unter dem Text. Wir haben das schon im ersten Absclinitt g-ezeigt. ^^'ie konnte ein guter Kritiker p. 61, wo qu. nuthing but, F. HO olher thincf ihan schreiben, so vermischen dasz er no ulher thinri hut schrieb? Wie konnte er p. 39 an end schreiben und p. 103 on end, obgleich dort wie hier die alten Ausgaben an end lesen? Wir nennen dies conciliatorischen Dilettantismus.

Im übrigen finden >vir den Commentar des Hrn. Hg. gut. Er ist sehr knapp und gut gefaszt, ohne unklar zu sein, und die meisten der Noten räumen wirklich dem gewöhnlichen Shakespeareleser die Schwierigkeiten des Verständnisses weg. Freilich möchte derjenige, der die Sprache Shakespeares kennen lernen will, manches schärfer und gründlicher wünschen, was dem dilettantischen Leser unnützer Ballast ist. So findet er nicht eine Spur wissenschafilicher Erklärung

174 Shakespeares Hoinlct heransg. u. orkl. v. Dellus. Driücr Artikel.

für das neulralc /üs, keine Aiuleufiing des interessanten Factums, dasz its sich erst in Shakespeares Rede zu bilden anfängt, wie die Les- arten :

qii. 5. F. 1. F. 4.

IlJifted vp it head it its

Foredoo it oirne iife il it'' s

auch schon im Hamlet erkennen lassen, so wie die nicht minder interessante alle Pluralform yeare, für die yeares erst in den Jün- gern Füliüs häufiger wird; wir vermissen S. 126 den Grund, Marum ichich das persönliche Relativ so gut wie das sacliliche in aller Zeit (nicht nur bei Sh.) war, so wie S. 77 die Schärfe der philologischen Begründung, da ein solches your mit dem ethischen üaliv (z. ß. S. 138 a tanner will last you nine yeare) hätte zusammengestellt wer- den und aus der Vorliebe für das Possessiv (wie 'er schnitt seinen Finger' für 'sich in den Finger') erklärt werden sollen; wir vermissen überhaupt alles eingehen auf die Orthographie Sh.'s, die doch z, Th. viel richtiger war als die heutige und jedenfalls interessant, auszer dasz stroonds und vilde geschrieben wird, keineswegs die wichtigsten Fälle. Die Erklärung (S. 38) von lel (hindern) = unterlassen ma- chen, ist falsch, Ettm. Lex. A. S. p. J67. 158, da let (lassen) von laetan , let (hindern) von letjan (dem Faclitiv zu litan) = tardare. impedire ist. Aber solche Einzelniiciten nehmen nicht weg, dasz der Commentar im ganzen^recht gut und brauchbar ist.

Sehr viele der Erklärungen, besonders der schwereren Stellen, sind nicht des Ilg. Eigenthum, sondern kurze und klare Auszüge aus den Psotis Variorum, aus Collier usw. Rec, würde solche nicht ge- macht haben ohne Angabe, woher er sie genommen, was durch ein eingeklammertes C. Mal. St. u. dgl. m. ohne grosze Beeinträchtigung des Raumes hätte geschehen können. Aber darin ist der Geschmack verschieden. Rec. hält nichts von dem litterarischen Conimunismus, der alle einmal gedruckten Meinungen für Gemeingut hält, das jeder, ohne einen Zettel daran zu kleben, in seiner Bude aushangen könne, und meint, je weniger sich die Shakespeareleser darum kümmern wollen von wem die Nolenweisheit komme, um so mehr müsse ein ordentlicher Hg. die Strenge wahren und es zu verhüten suchen, dasz ihm die Verdienste wie die Fehler seiner Vorgänger aufgebürdet wer- den. Rec. konnte dies noch weniger im Shake.<pearelcxikon desselben Vfs. (das doch niciil für jedermann beslimmt war) billigen, da ja doch das beste und wichtigste darin nicht sein Eigenthum war, und er, oITen gestanden, durch eine sorg fällige Uebersetzung der CoUier- schen Einleitungen, mit seinen Anm. begleitet, mehr genützt halte, als durch einen ungenauen mit seinen Ansichten (und mit bösen Feh- lern) durclnvebtcu Auszug, Das beste an jenem Ruche war die Vor- rede, das Lexikon selbst, fürchten wir, sehr mangelhaft, wäiirend die englisciien ilill'sniiltel dieser Art viel brauchbarer sind; die Noten, so weit sie iMillheiliingcn aus andern Cummentaren richtig wieder- holten, dankeuswerth, aber leider von dem auf eine verlorene Sache

Shakespeares Hamlet heraiisg-. u. erkl. v. Deliiis. Dritter Arlikel. 175

(die Reifung der Fol. l) verwandten Scharfsinn so durclizogfen, dasz ich, der ich anfangs das Buch mit groszcr Freude zur Hand nahm, es mit dem Bedauern niederlegte, Geist und Zeit so verschwendet zu sehen, während die in der Vorrede eingeschlagene Bahn gründlicher Durchforschung der Sh. sehen Sprache und Versknnst zu den wichtig- sten Aufschlüssen hiitte führen müssen. Das Bedauern wiederholt sich nun, wenn wir die alten Irlhümer in der Ausgabe oft verbotenus wie- dergebracht sehen, und dagegen keinen Fortschritt in der Belesenheit in den gleichzeitigen Quellen entdecken, sondern da, wo es die Spra- che und die Sachen angeht, immer den Spolien aus den englischen Commenlaren begegnen. Rec. hat für den usus loquendi in seinem P. Sh. den Malone etwas auszubeuten gesucht, aber wie viel würde ihm nach seiner Meinung noch durchzumustern obliegen, ehe er sich für befugt hielte eine neue kritische Ausgabe des Sh. zu liefern ! So kommt es, dasz wer die notae variorum benutzen kann, diese noch immer viel instructiver finden wird, als die Auszüge bei Hrn. D., trotz mancher hübschen Zuthat. Ein Beispiel ma? aus S. 145 genom- men werden, wo Malone's Anmerkung über die harte Aussprache von as und iras nicht nur das Wortspiel von as''s und asses besser erleu- tert, als Hrn. D.'s Note, sondern auch an sich lehrreich ist. Hätte doch der geehrte Vf. sich durch Weglassung aller seiner kriti- schen Anmerkungen Platz geschafft für eingehendere grammati- sche und onomatologische Nachweisungen, zu denen er gewis sehr befähigt war! Hätte er doch nicht den unglücklichen Einfall gehabt mit den schwersten Problemen der Shakespearekritik zu beginnen, mit Hamlet, Othello, Lear! Möchte er noch, das wünschen wir von Herzen, selbst wenn er in seinen kritischen Angaben in Zukunft we- niger unzuve'rläszig und incorrect sein wollte, sein schönes Talent nicht mit der eigensinnigen Verfechtung einer, auf mildeste gesagt, höchst misziichen Sache verzetteln, sondern da nützen und schaffen, wo es so sehr ordentlicher Arbeit bedarf, und wo der bescheidenste Forscher Ehre erwerben kann.

Die äuszere Ausstattung dieses Shakespeare ist recht schön und würdig. Die früher absichtlich so scharf vom Rec. ausgesprochene Rüge der Incorrecthcit des Druckes (P. Sh. S. 494 f.) hat schon gute Früchte getragen, da, wie wir vernehmen, der Verleger sich veran- laszt sehen wird Carlons zum ersten Heft drucken und ins künftige seine Bogen besser und öfter corrigieren zu lassen. Wir wünschen nun unsern vorhin gemachten tadelnden Bemerkungen denselben Er- folg, haben eine zu gute Meinung von dem Geist und dem wissenschaft- lichen Streben des Hrn. Hg. als dasz wir ihn nun nicht doppelt bemüht denken sollten sorgfältig zu arbeiten und seine ganze kritische An- sicht nochmals zu prüfen, und werden unsrerseits die ersten sein dies anzuerkennen, selbst wenn eine erneuerte Prüfung den Hrn. Hg. nicht davon überzeugen sollte, dasz des Rec. Ansicht eine gröszere innere

iV. Julirf). f. Phil. n. Paed. Bd. LXXII. H(t. 4. 14

176 Shakespeares Hamlel licraiisg. ii. crkl. v. Deliiis. Dritter Artikel.

Consequenz habe als die seinige. Wir verlangen nur eine bessere Durchführung.

Gewis hat fliese Ausgabe, da sie schon jetzt so viel treffliches enthält, der Shakespearelectüre genützt; dies kann uns nicht bestim- men das tadelnsweilhe zu verschweigen, denn sie wird ihr noch um weit niebr nützen, je sauberer sie weiter geführt wird. Populär soll nur das sein , was Resultat der Forschung ist. Warum forschte man sonst? Und dann hat die Sache noch eine ernstere und allgemeinere Seite. Die classische Philologie hat alle Nachlheile und Vorthcile zuni'lnüisziger Geschlossenheit. Da sind Altmeister, welche mit eini- ger Befangenheit nur ihre Gesellen prolegieren, Gesellen, die es für wolanständig hallen, die Meister mit allhergebrachlem Lobe zu über- schülten , Kleinmcisler welche auf dieselbe Ehre Anspruch machen und gewaltig zürnen wenn sie sie nicht empfangen, da ist Neid gegen das aufkommen jüngerer, Eifersucht unter den JIcistern selber und wie all die schönen Dinge heiszen. Aber trotz alledem liegt in eben dieser allerlhümliclien Verfassung der classischen Ph. ein Haupt- grund ihrer kernigen Kraft und Tüchtigkeit; das wirkliche Talent ar- beitet sich doch durch, und ein masziger Kopf kann durch Fleisz und gute Schulung sich Achtung erwerben, während kein durchaus flaches und schiefes Producl geduldet wird. Gerade umgekehrt ist die mo- derne Philologie ein freies Gewerbe; da kann jeder ohne philoso- phische, historische oder philologische Vorbildung hineinpfuschen, da gibt es keine Meister und keine Gesellen, keine Ilandwerksregel, keine Arbeitsprüfung, kein Ziel als höchstens die praktische Brauch- barkeit und zwar haiipisäclilich für Institute, deren Werlh nach ihrer jetzigen Einrichtung ziemlich zweifelhaft isl, insofern sie die eigent- lichen Pnanzstälteu der silllichen und geistigen Halbbildung sind, die schlimmer ist als A'ichlbildung. Ueberhaupt aber bestehen die Abneh- mer dieser \N'aaren fast ganz aus unwissenschaftlich gebildeten, und die 3Iangelhafligkcit dieses Publicums, welches am liebsten nach der bequemsten, schnellgefertigten, wolfeilstcn Waare greift, hat wieder eine gefährliche Rückwirkung auch auf die wenigen wissenschafilich strebenden, maclil sie schlaiTer und gleic'igiltiger gegen Strenge und mikrologische Geduld bei ihren eigenen Arbeiten und gegen die sorg- fällige Scheidung des eignen und fremden, da kaum einer ihnen diese vortrcinichen Eigenschaften danken wiirde. Wie schön wäre es z. B. wenn der deutsche Fleisz eine gute historische Grammatik der engli- schen Sprache zu Stande brächte: statt aber zu einer solchen Jahre lang zu sammeln, verfertigt man dutzendweise Schulgranunatiken, ohne den Sprachsloff aufs neue selbständig zusammenzubringen, und macht sich noch breit mit irgend einer neuerfundenen I\Iclhode die olle Brühe einzutrichtern, statt zu betrenken, dasz erst untersucht, und dann das Resultat so oder so pacdagogiscli zubereitet werden solle. Wem also daran liegt der NN'issenschafllielikeil auch auf die- sem Felde eine Stätte bereilet zu sehn, so dasz es sich der gesamm- Icn I-ingdistiK als ein untergeordneter Theil, aber docii ebenbürtig

Ueb. den hypolh. Gebrauch d. unabhäng. Conj. u. Indic. ohne si. 177

anschlieszcn dürfe, der niusz gerade die beslen und Missenscliafllich- slen an dieselbe zu halten versuchen. "Wir fanden kein würdigeres Ob- ject unseres Tadels als Herrn Delius, und darum sprachen wir so und nicht anders. Denn in der Thal die meisten zu tadeln ist nicht der Blühe werth. Man ist schon seit 100 Jahren *) 'unerbittlich' ge- gen jeden dem man die Fähigkeit zutraut mehr als mittelmäsziges zu leisten.

Eisenach. Tycho Mommsen.

12.

Ueber den hypothetischen Gebrauch des unabhängigen Con-

junctiv und Indicativ ohne si.

Ein Beitrag zu den lateinischen Schulgrammatiken.

Bekanntlich wird anstatt des Conjunctiv mit S2 in hypothetischen Sätzen bisweilen auch ohne si der blosze Conjunctiv gebraucht und z. B. anstatt si vendat aedes vir bonns bei Cicero de off. III 18 blosz gesagt: vendat aedes vir bonus propter aliqua vitia ^ quae ipse norit, ceteri ignore?}/ ; pestilentes sin t et hob eantur sahibres; ig- noretur in omnibus cubitnlis opparere serpentes ; male materiatae sint, ruinosae ; sed hoc praeter dominum nemo sciat. Quaero., si haec emploribus venditor non dixerit aedesque vendiderit pluris mvlto , quam se vendilurum putarit ^ num iniuste ant improbe fece- rit. Dieser Conjunctiv wird, eben weil er nicht durch si unterge- ordnet einen Nebensatz bildet, sondern unabhängig dem Hauptsätze des Folgerungsgliedes bei geordnet erscheint, als ein unabhängi- ger Conjunctiv betrachtet und mit Hilfe von gesetzt dasz, ange- nommen dasz übersetzt. Je weniger dieser Gebrauch des Con- junctiv einem Zweifel unterliegt, desto streitiger ist es immer noch, wie derselbe zu erklären und welcher Classe von unabhängigen Con- junctiven er unterzuordnen sei.

Ganz unzulänglich und schwankend ist was Zu mp t darüber sagt (S. 482 der 9n Ausgabe seiner Grammatik, §. 529 zu Ende der An- merkung): 'Einen andern unabhängigen Conjunctiv bei blosz gedachten Voraussetzungen, den man den hypothetischen Conjunctiv nennen kann (z. B. roges me ^ fragst du mich, d. h. wenn du mich fragst, gesetzt du fragest mich, dar es Uli aliquid ^ gäbest du ihm etwas, d. h. wenn du ihm etwas gäbest), ordnen wir lieber dem Conjunctiv in Bedin- gungssätzen unter und nehmen zur Erklärung die Ellipse si an, weil

*) Lessings Schriften. Zweiter Theil. S. 93 (1753).

14*

178 Ueb. den liypolh. Gebrauch d. iinabhäng. Coiij. ii. Indic. ohne si.

sich auch der Indicativ so gehrauchl findet, s. Synt. orn. §. 780.' Wenn Zumpt die Annahme der Ellipse si zur Erklärung des hypothe- tischen Conjunctiv blosz dadurch zu begründen weisz, dasz auch der Indicativ so gebraucht werde, so hat er damit offenbar einen Grund angeführt, der selbst erst wieder des Beweises bedarf, ja, was noch schlimmer ist, an den er selbst nicht recht zu glauben sciieint. Dasz Zumpt wenigstens nicht ganz mit sich einig gewesen sei, ob er beim hypothetischen Conjunctiv und Indicaliv wirklich die Ellipse si annehmen, oder vielmehr den Satz als Frage ansehn solle, das hat er, wenn es sich auch nicht schon durch seine interrogative Uebersetzung der angeführten Beispiele (i'oges ine ^ fragst du mich usw.) verriete, an einer andern Stelle ganz offen selbst eingestanden, indem er in jenem hier citierten §. 780 der synfaxis ornata ganz unum- wunden sagt: * die Conjunclion s* wird wie im deutschen oft ausge- lassen in Sätzen, die als Vordersatz zu einem Nachsätze dienen, wo es dann zweifelhaft wird, ob nicht der Salz als Frage anzu- sehn ist, da er in einem solchen Tone gesprochen wird, z. B. Cic. Rull. 11 2J: libet agros emi. Primum quaero ^ quos agrus? et quibus in locis? ihr wollt Aecker kaufen? d. h. wenn ihr Aecker kaufen wollt, so frage ich zuerst' usw. Da nun aber auch, wie wir später sehn werden , diese zweite Erklärungsart Zumpt s, dergleichen un- abhängige Sätze interrogativ zu fassen, nicht einmal für alle derartige Indicalivsätze stichhaltig ist, noch weniger aber auf die fraglichen Conjunctivsätze paszt, so sind mit Recht die namhaflesten der neueren Grammatiker weder der elliptischen noch der interrogativen Auffas- sung und Erklärung solcher hypothetischen Conjunctivsätze beigetre- ten. Dennoch aber scheint bei manchen Zumpts Vorgang immer noch insofern irreleitend gewesen zu sein, als sie den fraglichen Conjunctiv, den wir mit Zumpt den conjunctivus hypotheticus nennen wollen, als einen conjunctivus potenfialis ansehn. So ist z. B. gerade jene unse- rer Untersuchung zu Grunde gelegte Stelle aus Cicero (vendat aedes vir bonus) nicht allein bei Weiszenborn (S. 204 §. 177) und Küh- ner (S. 164 §. 108 5 a) unter den Belegen für den potenlialis aufge- führt, sondern auch bei Kritz (S. 274 §. 118) sogar piiino hco ci- tierl. Und allerdings kann es, wenn man den mit si verbundenen po- tenlialis (^si vciidul) JiXi einen Conjunctiv der Annahme bezeichnet, ganz passend scheinen diesem abhängigen potenlialis den fraglichen ebenfalls eine Aniiahine bezeichnenden Conjunctiv als einen unabhän- gigen potenlialis der Annahme an die Seile zu stellen. Deshalb habe auch ich noch in der 8ri Auflage meiner kleineren lateinischen Grani- Mialik diesen unabhängigen Conjuni liv der Annahme und das.selhe Bei- spiel aus Cicero dem conjunctivus potenlialis nnlergeordnel. Bei ge- nauerer Erwägung aber habe ich mich überzeugt . dasz dieser Con- jnncliv nicht sowol als potenlialis, sondern vielmehr als ein Conjunctiv des Willens zu fassen ist.

Gegen die potcntiale Auffassung des Conjunctiv rendal aedes rir boiiiis spricht schon die deutsche Uebersetzung, indem wir offen-

Ueb. den liypoth. Gebrauch d. unabhäiig. Conj. u. liulic. ohne si. 179

bar nicht den richtigen Sinn treffen würden, wenn wir wie beim ge- wöhnlichen potenlialis dafür sagen wollten: ein rechtschaffener Mann verkauft vielleicht ein Haus (möchte, dürfte, könnte ein Haus verkaufen), sondern dafür die viel entschiedenere ^^'endung brauchen : gesetzt oder angenommen, dasz ein rechtschaffener 3Iann ein Haus verkauft. Für die imperative Auffassung des fraglichen Con- junctiv dagegen spricht schon die nahe Verwandtschaft, welche der- selbe mit dem zum Conjunctiv des Willens gehörigen conjunctivus concessivus hat, worauf schon die ähnliche ebenfalls Imperativisch klingende Uebersetzung des letzteren durch zugegeben dasz hin- deutet und ausdrücklich Krüger aufmerksam macht, indem er (S. 616 seiner latein. Grammatik §. 462) bemerkt: 'verwandt mit dem Con- cessivsatze ist aber der Bedingungssatz, welcher ebenfalls insgemein vermittelst der conditionalen Conjunctionen auf den bedingten Satz (Nachsatz) bezogen wird, aber auch ohne diese zuweilen in der Form eines concessiven Satzes im Conjunctiv ausgesprochen wird, z. B. rex veiit honesta (d. i. angenommen, dasz der König das gute will, wenn er das gute will), nemo non eadem volet.' Während somit Krüger blosz die nahe zwischen dem conjunctivus hypotheticus und conces- sivus obwaltende Verw andtschaft anerkennt , ist Ferdinand Schulz noch einen Schritt weiter gegangen und hat unsere Stelle aus Cicero (vendat aedes vir bonus) an die Spitze der Beispiele vom conjuncti- vus concessivus gestellt, mithin den conjunctivus hypotheticus ge- radezu mit dem concessivus identiliciert, was sich auch aus der §.343 seiner gröszern latein. Grammatik beigefügten Anmerkung ergibt, wo er die deutschen Formeln angenommen dasz und zugegeben dasz unbekümmert um den zwischen ihnen bestehenden Unterschied beide ohne weiteres als Umschreibungen des conjunctivus concessivus bezeichnet. Gewis mit Unrecht. Denn offenbar besteht zwischen dem conjunctivus concessivus und hypotheticus der Unterschied, dasz der concessivus etwas blosz zugesteht, der conjunctivus hypotheticus dagegen zur Vorstellung eines Falles auffordert. Wenn nun schon das zugestehn ein Act des Willens ist, so musz die Aufforderung zur Vorstellung eines Falles noch viel entschiedener ein Willensact, mit- hin der Conjunctiv vendat aedes vir bonus ein Conjunctv des Wil- lens sein. Dafür spricht aber auch ferner, dasz nicht blosz die deut- sche und andere Sprachen die Annahme ebensowol wie das Zuge- ständnis oft Imperativisch ausdrücken, sondern dasz auch im lateini- schen der conjunctivus hypotheticus ebenso wie der concessivus bisweilen geradezu durch den eigentlichen Imperativ vertreten wird. Hinsichtlich des concessiven und hypothetischen Gebrauchs der Impe- rativform im deutschen wird es genügen an zwei Stellen in Goethes Faust zu erinnern, wo zuerst concessiv anstatt wenn auch gesagt wird:

Setz dir Perrücken auf von Millionen Locken,

Setz deinen Fusz auf ellenhohe Socken,

Du bleibst 4och immer, was du bist!

180 Ueb. den hypolh. Gebrauch d. uiuihhäng. Conj. u. liulic. ohne si.

bald darauf aber es hypothetisch anstatt wenn heiszt: Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, Des Menschen allerhöchste Kraft, Lasz nur in Blend- und Zanberwerken Dich von dem Lügengeist bestärken, S 0 hab'' ich dich schon unbedingt I Wie ferner im deutschen Sprichworte: 'sage mir, mit wem du um- gehstund ich sage dir, wer du bist' der Imperativ sage mir anstatt wenn du mir sagst .. so sage ich dir gebraucht ist, ebenso findet sich dieselbe Construction desselben Sprichworts auch im fran- zösischen (^(l/s-7noi qui tu frequentes^ et je te dirai qui tu es} und im englischen teil me tchom ijoii go with {lohom you keep Company wilh) and ni teil you irho you are; ja ebenso könnte dafür eine '.wi ioxivi Gvvet, y.ciya aul XeE,(i> oottg et auch im griechischen stehn. Verglei- che z. B. Demoslh. cor. §. -264: öei^arco, y.uya) ario'^to '/.cd aicomjao- (lai. Aeschin. III §. 209: mQiyQccTpaxi fis iy, TfjgnoXitelag- ovk eartv öitoc avc(Ttr}]6ouc(t.. Plat. Thcaet. p. 154 C : ö(.ukqov Xaßh 7tc(Qdöei,y^ia, KCil nävxa höh a ßovXofxai. Plat. Axioch. p. 366 C : Öog rt, ymX ka- ßoig TL Kcc (aus Epicharm, nach der Kmendation von Ahrens de dial. dor. p. 456). Aristoph. Nub. 1481: i^ol dk dad'' ivsyKarco xig 7jftf<e'- rtp, Kaya xiv uvxcov x7]aSQ0v Öovvai 8l%)]v ij.iol tioli'jGco. Find. Pyth. IV 165: xovxov cce&koi' ey.oiv xikeaov, y.cd xoi, ^lovaoyßv y.al ßctOLksve- (.lev oiiwi-ii 7ton]SELv. Pind. Nem. IV 37: ca'UTfiv' iTtißovUa, 6(p6öQa d6^o(.iev öa'tcov vrcioxcQOi. iv cpusi KcaaßcävELv. Siehe Dissen Com- ment. p. 400 ed. Goth. Uebcr den iiypothetischen Gebrauch des Im- perativ im lateinischen aber vergleiche man auszer den in meiner gröszern latciiuschen Grammatik (S, 348 >^. 321 Zusatz l) angeführten Stellen noch folgende: Ovid. fast. I 17: da mihi te placiduin: dede- ris in carmina vires. Liv. V 21: intuemini horum deinceps an- norum vel secundas res vel adversc/s: invenietis omnia prospere eve- nisse sequentibns deos, adversa spernentilms. Cic. Tusc. I 13: quis est., qui suornm mortem nou eo Inyeat, quod eos orbalos vitae com- modis arhitretur? Tolle haue opinionem: Itictum sustuleris. Cic. er. 70: quantum sit apte dicere., experiri licet., si compositi oratoris bene structam collocationem dissolvas perviiitatione verborttm, ut haec noslra in Corneliana: neque me diritiae moreut., quibus omnes Africanos et Laelios rmilti renalicii mercatoresque superarunt. Im- mutapaulum., ntsitmulti superarunt mercatores vena- liciique: perierit tota res . . . Verba per m Uta sie: ridesne, ut ad nihilum omnia recidant? Cic. Tusc. IV 24: tracta dcßnitiones fortitudinis: intelliges eam stomacho non indir/ere. Remote per- turbationes maximeque iracundiam: iam videbuntur monstra dicere Stoici. Nunc autem ila disserunt sie se dicere omnes stullos insanire, ut male olere omne coenum. Ät non semper. Commore: sen- ties. Sic iracundus non semper iratus est; lacesse: iam ridebis fnrentcm. Cic. Vcrr. V 65: liomincs Icuues hac una jiducia ciritatis non modo apud noslros maijistratus. neque apud cives solum Roma-

Ucb. den hypotli. Gebrauch d. unabhang-. Coiij. ii. Indic, ohne st. 181

tios fore se lutos arhilranlur ^ sed^ quocunque venerint; hanc sibi rem pracsidio sperant futuram. Tolle hanc span , tolle hoc proe- sidium civibus Romanis, constitue nihil esse opis in hac voce ^ ci- vis Ii Oman US sum': tarn oinnein orbem lervarum cicibus Romanis isla defensione praecluser/s. Cic. Mil. 33: excitate, excifate Clodium, si poteslis , a morluis: f ränge tis inipetum vivi^ cuius vix suslinelis furias iiisepiilli?

Wenn demnach der hypothetische Gebrauch des eigentlichen Im- perativ keinem Zweifel unterliegt, so ist es gewis folgerichtiger auch den hypothetischen Conjiinctiv nicht als potenlialis, sondern als Con- junctiv des Willens anzusehn. Eben deshalb musz auch die Negation beim conjunctivus hypolhelicus nicht durch non, sondern durch «e ausgedrückt werden, so dasz Cicero, wenn er in der ofterwähnten Stelle anstatt des zuletzt angewandten conditionalen Nebensatzes si haec empluribus venditor non dixerit mit dem unabhängigen Con- junctiv hätte fortfahren wollen, ohnfehlbar gesagt haben würde: sed haec emploribus venditor n e dixerit.

Nachdem wir somit zur Genüge dargelhan zu haben glauben, dasz der sogenannte unabhängige conjunctivus hypotheticus nicht dem potenlialis , sondern dem conjuncliv des AVillens unterzuordnen ist, so wird die Erklärung und Unterscheidung desselben vom abhän- gigen Conjunctiv der Annahme (s« vendat) nicht schwierig sein. OlTenbar verhält es sich damit ganz ähnlich wie mit dem hypotheti- schen Imperativ. Denn so wie in den oben citierten Worten aus Goe- thes Faust (verachte nur Vernunft und Wiss ens cha f t usw.) nicht blosz die Bedingung ausgedrückt wird, unter welcher Faust dem Bösen anheimfällt, sondern meisterhaft eben durch die Wahl des Im- perativs dem Mephistopheles zugleich der teuflische Wunsch in den Mund gelegt wird, dasz diese Bedingung sich realisieren und Faust den betretenen Weg verfolgend sich vom Lügengeiste immer mehr bestärken lassen möge: so unterscheidet sich auch in den nächstfol- genden der angeführten Stellen (sage mir; da mihi te placidum ; intuemini vel secundas res vcl adver sas; tolle hanc opinionem etc.) der Imperativ sage mir usw\ von dem rein logischen und eben deshalb viel matteren wenn du mir sagst usw. unverkennbar durch seine ethische Kraft, in welcher nicht blosz die Bedingung, unter welcher etwas geschieht, sondern zugleich das Verlangen nach Reali- sierung dieser Bedingung enthalten ist und wenn auch die Realisie- rung der Bedingung wie in den letzten Beispielen (tolle hanc spetnf excitale Clodium!^ dem wahren Wunsche des redenden nicht immer entspricht, so doch die Aufforderung ausgedrückt wird die Bedingung wenigstens versuchsweise zu verwirklichen um durch die übeln dar- aus hervorgehenden Folgen belehrt zu w^erden.

Ganz ähnliche Bewandtnis bat es mit dem hypothetischen Con- juncliv, indem auch dieser nicht blosz logisch (blosz mit dem Ver- stände) eine Bedingung setzt, sondern zugleich ethisch (mit dem Geniüte) dieselbe entweder herbeiwünscht oder eintreten zu lasse

182 Ueb. den hypoUi. Gebrauch d. unabhäng. Conj. u. Indic. ohne st.

auffordert und daher bald optativ-, bald p os tu 1 a t i v- hypothetiscli gebraucht wird. Als optativus hypolheticus ist der Conjuncliv da an- zusehn, wo der redende eine Bedingung in der Form eines Wunsches ausspricht. Wunsch und Bedingung nenilich sind ihrer Natur nach so nah verwandt, dasz nicht allein der Wunsch oft die Bedingungspar- tikeln si und el und somit hypothetische Form annimmt ') , sondern auch umgekehrt bisweilen eine Bedingung oplaliv in das Gewand eines Wunsches gekleidet wird, eine Construction, die nicht allein im deut- schen vorkommt, sondern auch im lateinischen da ganz unverkennbar ist, wo ausdrücklich die Wunschpartikel utinam dabei steht, z. B. Cic. Phil. VllI 7: utinam Caesar valeret, Serviiis Sulpicius vive- ret! multo melius haec causa agerelur a tribiis, quam nunc agitur ab uno ; oft aber auch mit Hilfe von dum ^ modo^ dummodo, dumne, modone , dummodune ausgedrückt wird, welche Partikeln nicht blosz in Optativ- fi na 1 e m Sinne für um nur, sondern auch in optativ- hypolhelischer Bedeutung für wenn nur stehn, z. B. Cic. sen. 7: inanent inyenia senihus , modo permancat Studium et iiidustria. Mithin musz selbstverständlich auch ohne dergleiclien Partikeln in diesem optativhypothelischcn Sinne auch der blosze Conjunctiv stehn können. Und wirklich findet er sich so bei Seneca Tliyest. 214: rex velit honesta: nemo non eadem volel, wo der Trabant dem Könige Atreus nicht blosz erwidern will: angenommen, dasz der Kö- nig das gute will (wenn der König das gute will), sondern zu- gleich seinen ^^'unsch, dasz dem so sein möge, an den Tag legt: der nig wo 11 e n ur das gute (möge nur das gute wollen)! Ebenso bei Lucan. X 191: spes sit mihi certa ridcndi iSiliacus foiites: bel- lum virile relinquam ^ wo der Conjunctiv nicht die blosze Bedingung, sondern zugleich den Wunsch des wiszbegierigen Caesar die Quellen des Nil zu entdecken ausdrückt. Pos t u la ti v- hypothetisch dagegen ist der Conjunctiv da aufzufassen , wo der angeredete geradezu auf- gefordert wird eine Bedingung eintreten zu lassen, also nicht blosz ein bescheidener ^^'unsch geäuszert wird, oder wo gar das wirkliche herbeiwünschen einer Bedingung widersinnig wäre. So ist dasselbe velis bei Ilor. sat. I 9 54 : relis tantummudo : quae tua rirtus, Ex- puynabis gewis schon mehr postulaliv als blo.sz optativ, und ebenso dasselbe sit spes nicht wie bei Lucan blosz optativ, sondern vielmehr postulaliv-hypothetisch zu fassen bei Hör. ep. I 16 24: sit spes fal- lendi: miscebis Sacra profanis. wenn man nicht dem wolwollcnden

*) z. J3. Ach! au.s dieses Thaies (üiiadon, Die der kalte Nebel drückt, Könnt' ich doch den Aus{;ang (inden, Ach! wie fühlt ich mich bej^lückt! oder O! war' ich eine Stunde nur Vor (lie.sem Unfall au.s der WeU gegangen, Ich war' ge.storben als ein fjlückliclier! (Schiller).

Vcrg. Aen. VIJI 060: o! mihi pravtcritos rvj'vnit si Jupiter annos! Honi. II. SI 74: all' ti' rtg naliatis ■ü'itJj' &hiv claaov ifitio.

Ueb. den hypolh. Gebrauch d. unabhäng. Conj. ii. Indic. ohne si. 183

und edcldenkenden Dichter eine gar zu misanthropische Gesinnung unterlegen will. Bei Properz aber cleg. IV 6 9: illu velit; poterit marines non ducere ferniin^ Et vdlncris nidis esse noverca suis, wo der Dichter, weit entfernt die Zauberkünste einer Kupplerin in Thä- tigkeit gesetzt zu wünschen, dieselben vielmehr verwünscht, würde die Optative Auffassung von velit ebenso widersinnig sein als wenn man vendat aedes vir bonus in der vieicitierten Stelle bei Ci- cero Optativ erklären wollte, da ja der Wunsch, dasz ein vir bonus ein Haus, dessen Fehler er verschweigt, für eine den wahren Werth desselben weit übersteigende Summe verkaufe, im Munde eines Leh- rers der Moral barer Unsinn wäre. Vielmehr drückt der Conjunctiv in den 3 letzten Stellen (sit spes faUendi ; illa velit ; vendat aedes vir bonus) ein Postulat aus, unterscheidet sich aber von dem Conjunctiv der viertletzten Stelle (velis tanfummodo) wieder dadurch, dasz er nicht wie dieser ein factisches oder practisches, sondern ein blosz logisches oder theoretisches Postulat ausdrückt, mithin in der letzten Stelle (vendat aedes) nicht zum Hausverkaufe in der Wirklichkeit, sondern nur zum Hausverkaufe in der Vorstellung auffordert. Offen- bar nemlich verhält sichs mit diesem postulativen Conjunctiv ganz ähnlich wie mit dem concessiven, so dasz wie z. B. exeat conces- siv nicht immer concedo , ut exeat, sondern oft blosz concedo eum exire *) bedeutet, so auch vendat postulativ nicht immer fac , ut ven- dat (lasz den Fall wirklich eintreten, dasz), sondern auch blosz fac ' vendere (lasz den Fall in deiner Vorstellung eintreten, d. i. setze den Fall, dasz) bedeuten kann.

Mag nun aber dieser hypothetische Conjunctiv je nach dem Zu- sammenhange entweder optativ- oder postulativ-hypothetisch gefaszt werden, und zwar wiederum entweder als Postulat einer wirklichen Handlung, oder einer bloszen Vorstellung jener Handlung: immer unterscheidet sich derselbe so wie der hypothetische Imperativ von dem viel ruhigem, eine blosze Verstandesthätigkeit bezeichnenden si vendat durch gröszere eben in der Beimischung der Gemütsthätig- keit begründete Lebhaftigkeit, und dies ist wol der Hauptgrund, wes- halb derselbe vorzugsweise in der alTectvolleren Sprache der Dichter und Redner oder in der gemütlicheren des Dialogs und Briefstils ge- funden wird. Vergleiche Caecilius Statins bei Cicero de nat. deor. III 29:

Aut tu illum fructu f alias, aut per litter as Avertas aliquod nomen^ aut per servolum

*) Auf diese doppelte Bedeutung des conjunctivus concessivus habe ich in meiner kleineren lateinischen Grammatik (S. 250 der lOn Auflage §. 97 in der Anmerkung unter dem Texte) meines Wissens zuerst aufmerksam gemacht. So wie nun aber diese doppelte Bedeu- tung des conjunctivus concessivus sich in der doppelten Construction von concedcre abspiegelt, ebenso weist wiederum die ebenfalls dop- pelte Construction der Imperativumschreibung fac (mit ut oder dem Acc. c. inf.) auf die doppelte Bedeutung des Imperativ und des impe- rativen (postulativen) Conjunctiv hin.

184 Ueb. den hypolli. Gebrauch d. unabhäng. Conj. u. liuiic. ohne si.

Percutias paciduui: postremo a parco patre Quud sitruas, quaiitu dissipas libentius! wo die 3 ersten Conjuriclive [alias, acerlas, percutias unabhängig hypothetische sind und erst der letzte alle 3 zusammenfassende quod SM/ttCfs vermöge einer etwas freieren Wendung der Construction die Stelle eines abhängig hypothetischen Conjunctiv (s« quod sumas) vertritt. Ferner Cic. fin. VI '25: roges Aristunem, bonane ei videanlur haec, vacuitas dolor is, divitiae , valeludo: nefjet. Quid? quae contraria sunt his, malane: nihilo nuifjis. Zenonem rorjes: respondcat toti- dcm vcrhis. Äd)nirantes quaer amus ah niroque, quonam modo vi tarn afjere possimus, si nihil Interesse nostra putetnus, valeamusne, aegrine simus: rives, inquit Aristo, magniflce. Cic. nat. deor. I 21: roges me , qualem deorum naturam esse dicam: nihil [or lasse re- spondeam.- Quaer as, putemne talem esse, qualis modo a te sit ex- posita: nihil dicam mihi videri minvs. Hinsichtlich des hypotheti- schen conjunctivus perfecti aber vergleiche man Hör. sat. II 6 39 : dixeris ^ experiur' ; si vis, potes, addit et instat. Hör. ib. II 7 32 : iusserit ad se Muecenas serum sub lumina prima venire convivam: ^ nen/on'' oleum fert ociiis? ecquis audit?' cum magno blaleras clamore fugisque. Pers. sat. V 189: dixeris haec in- ter varicosos centuriones: continuo crassum ridet Vulfenius ingens. Dabei soll jedoch keineswegs in Abrede gestellt werden, dasz die Wahl zwischen dem abhängigen Conjunctiv mit s< und dem unabhän- gigen ohne si, abgeschu von der dadurch entstehenden Verschieden- heit in der Färbung des Gedankens selbst, ebenso wie hinwiederum der Gebrauch dieses hypothetischen Conjunctiv anstatt des hypolheli- schen Imperativ oft auch durch formelle Uücksichten auf Deutlichkeit und Wolklang, oder auch bei Dichtern auf Kürze und Versmasz, bei Prosaikern auf Periodenbau und Ebenmasz bedingt worden sein mag. Denn so wie der verhällnismäszig öfter vorkommende Gebrauch des hypothetischen Conjunctiv gerade von velle gewis zum Theil in dem Umstände begründet ist, dasz diesem Verbum der sonst ebenfalls liy- polhetisch anwendbare Imperativ ganz abgeht, so hat wahrscheinlich Cicero dem si vciidat das blosze vendat vorgezogen um die Bildung einer einzigen Periode *) zu vermeiden, in welcher entweder quaero viel zu weit von uiim . . feccrit entfernt stehen, oder, wenn man es erst vor si haec venditor oder unmitlelbar vor num stellen wollte, jedenfalls der Vordersatz wegen der allzu häufigen '^^'iederholung von si lästig und im Vergleiche mit dem kurzen Nachsätze unverhällnis- mäszig lang sein würde. Dazu kommt, dasz durch diese Verschmel-

*) Quaero, si vendat acdcs vir bonus proptcr aliqua viliu, quae ipsc norit , ccteri i^norcnt, si pcstilcntes sint et habeantur salnbre.i , si ifrnorctur in omnibus cubiculis apparcrc scrpcntcs , si male niatcriutnc sint, si rainosac, sid hoc pnivtir dominum nemo ■sciat, si haec cviptoribus venditor noii dijceril aedcsqnc vcn di- dcrit pluris multo, quam se vcndilurum puluril, .num iniuslc aut imprnbc feccrit.

Ucb. den liypoth. Gebrauch d. unabhäng. Coiij. ii. Indic. oline si. 185

zung der nnabliängig ausgedrückten Annahme {vendat) mit der ab- hängig ausgedrückten {si haec emptorihus vendilor non dixerit) in eine einzige Periode zugleich die Möglichkeit verloren gegangen sein würde die letztere Annahme als eine der ersteren wieder untergeord- nete zu bezeichnen.

Was aber von dem conjunctivus hypotheticus des Praesens und Perfeet bei einer dauernden oder vollendeten Annahme der Gegenwart gilt, das musz bei der Annahme einer dauernden oder vollendeten Handlung der Vergangenheit auch von dem Iiypothetischen Gebrauche des conjunctivus imperfecti und plusquamperfecti gelten, so dasz wie vendat anstatt si vendat, vendiderit anstatt si vendiderit, ebenso auch venderel anstatt si venderet^ ingleichen vetididisset anstatt si vendidisset weder elliptisch noch potonlial zu erklären, sondern viel- mehr gleichermaszen als ein Conjunctiv des Willens, und zwar ebenfalls bald Optativ-, bald postulativ-hypothetisch gefaszt werden musz. Optativ hypothetisch wird z. B. das imperfectum con- jünctivi bei Vergil gebraucht Aen, VI 30: tu quoque marjnam pnriem opere in tanto, sin er et dolor ^ Icare, haberes, wo man sich im deutschen durch die interrogative Wortstellung: liesze es der Schmerz zu (hätte es der Schmerz zugelassen) durchaus nicht ver- leiten lassen darf sineret dolor als eine Frage zu fassen, weil man ja sonst consequentermaszen geuöthigt wäre fast alle deutsche Wunsch- sätze, in denen bekanntlich die interrogative Wortstellung die bei weitem vorhersehende ist, ebenfalls als Fragsätze anzusehn. Ebenso irrig aber, als hier die interrogative Auffassung von sineret sein würde, ist die elliptische, von welcher sich hier selbst Jladvig hat täuschen lassen, indem er (S. 310 Anmerkung 5 seiner lateinischen Grammatik) zwar richtig bemerkt: ''Statt eines Bedingungssatzes mit si wird bisweilen in lebhafter Rede die Bedingung in einem selbstän- digen Satze ausgesagt , auf welchen das bedingte ebenfalls in einem besondern Satze folgt. Dies geschieht im Indicativ, wenn von dem, was wirklich hin und wieder stattfindet, die Rede ist (bisweilen auch in fragender Form), sonst im Conjunctiv als eine erdichtete Annahme', dann aber hinzufügt: * In einem wirklichen (?) Bedingungssatze wird hingegen si nur einzelne 3Iale von den Dichtern ausgelassen, wo der Zusammenhang und die Form des Verbums das Verhältnis hinlänglich zeigen (Verg. Aen. 6, 30).' Offenbar wird durch diesen Ausnahme- zusatz die obige richtige Erklärung solcher selbständigen Sätze zum Theil wieder zurückgenommen und der leidigen Ellipse si wieder eine Hinterthür geöffnet. Denn, da ja eben s/ nicht steht, woraus ergibt sich denn, dasz sineret dolor ein wirklicher Bedingungssatz ist? Wie hier bei der Optativen Bezeichnung der Annahme einer dauern- den Handlung der Vergangenheit das Imperfect sineret seht, so ist bei der Optativen Annahme einer voll end e te n Handlung der Ver- gangenheit bei demselben Dichter das plusquamperfectum gebraucht, Verg. Aen. IV 678: eadem nie ad fata f)ocasses: ideni ambas ferro dolor atque eadem hora tulissel. Recht deutlich fällt dieser Optativ-

186 Ueb. den hypoth, Gebrauch d. unabhäng. Conj. ii. Indic. ohne si.

hypothetische Gebrauch des Imperfects in die Augen bei Cicero Verr. 111 97: negarel hie aestimatione seusum: vos id credidisse homini, non factum comprohasse videremini, wo die Richtigkeit der Optativen Auffassung von neijaret durch das §. 225 gleich darauf folgende vcl- lem etiam hoc possct dicere auszer allen Zweifel gesetzt wird. Ebenso unverkennbar ist die optalivhypolhetische Bedeutung des plusquani- perfectum conjunctivi bei Plinius epist. 112: dedisses huic animo par corpus: fecisset, quod optabat, wo durch die elliptische Auffas- sung von dedisses für si dedisses (wenn man gegeben hätte) eine kalte Rellexion ausgedrückt würde und die Gefülilswärme des über den Tod des Freundes ergriffenen verloren gienge , während dagegen durch die Optative Auffassung die Bedingung (wenn man ihm gegeben hätte) auf eine dem Affecte des ganzen Briefes so angemessene Weise in den Wunsch eingekleidet erscheint: hätte man ihm (doch) einen seiner Seelenstärko entsprechenden Körper gegeben: er würde (dann) gethan haben, was er wünschte.

Wo dagegen der angeredete geradezu aufgefordert wird eine Bedingung eintreten zu lassen, wo mithin nicht blosz ein bescheide- ner Wunsch geäuszert werden soll, oder wo die ausgedrückte Bedin- gung gar nichts dem redenden wünschenswerthes enthält, mithin das wirkliche herbeiwünschen einer Bedingung von Seiten des reden- den ganz widersinnig wäre, da ist der hypothetische Conjunctiv im- perfecti und plusquamperfecti nicht sowol als optativus, sondern wie in demselben Falle der hypothetische Conjunctiv praesenlis vielmehr als poslulalivus anzusehen, üasz aber der Conjunctiv des Willens nicht blosz auf das praesens beschränkt ist, noch auch das imper- feclum und plusquamperfectum desselben etwa blosz optativ stehn, sondern dasz sie auch imperativ (postulativ) gebraucht werden um auszudrücken, dasz etwas hätte geschehn sollen, dafür hat Zumpt selbst bereits (S. 489 §. 529 Anmerkung) einige Beispiele angeführt, welche leicht noch durch eine grosze Zahl anderer vermehrt werden könnten, wie Cic. Sest. 24: etsi 7neis incommodis laetahanlur con- sules^ urhis tarnen per iculo commover en tur ; Ter. llec. 11 1 33: in te omnis Itaerei culpa sola, Sostrala! Quae hie erant, curares; Cic. Süll. 8: at si ceteris patriciis me et vos peregrinos videri opor- teret, a Torquato tarnen hoc r>itium stier e tur ; Cic. nat. deor. 111 31: eam dedisset hominibus rationem! ib. 111 28: quid potius dii hominibus de dissen t? Um so befremdlicher ist es, dasz Zumpt diesen hier richtig erkannten Gebrauch des imperativen (postulativen) conjunclivus iniperfecli und plusquamperfecti in hypothetischen Sätzen verkennt und alsdann die Ellipse si zu Hilfe ruft, z. B. in der von ihm S. 671 §. 780 citierlen Stelle aus Cicero off. III 19: si rir bonus habeal haue rim, ut, si diyitis concrepuerit ., possil in locupletium teslamenta nomen eins irrepere, hac vi non ulatur, ne si esplora- lum quidein habeal id omniuo neminem nnquam suspicalurum. Al dar es hanc vim Crasso^ vi diijitorum percussione heres possei scri- plus esse : in foro, mihi crede, sallaret, wo schon B e i e r den Conjunctiv

Ueb. den liypotli. Gebraiicli d. imabliüng'. Conj. ii. Indic. obne si. 187

dares ricbliger als einen Conjiincliv des Willens gefaszt hat und nur darin irrl, dasz er ihn anstatt poslulaliv zu nehmen für einen Optativ erklärt C^ pro sidedisset, s a Itasse t, Optative loquüur Cicero'). OiTenbar aber würde hier einen Wunsch anzunehmen ebenso, sinnwi- drig wie bei vendat aedes sein, weil ja ein Lehrer der Moral und Tugendfreund nicht wünschen kann, dasz einem zu allem fähigen Be- trüger eine Teslamenlsfälschung so leicht gemacht worden wäre. Ge- wisist hier rforres nicht sowol Optativ h ättest d u gegeben , son- dern vielmehr postulativhypolhetisch du hättest geben sollen im Sinne von gesetzt oder angenommen du hättest gegeben zu übersetzen, wofür zur Bezeichnung der Annahme einer vollendeten Handlung der Vergangenheit (du hättest gegeben haben sol- len) das plusquamperfectum dedisses steht bei Hör. sat. II 3 15: de- cies centena dedisses Iniic parco paucis contenfo: quinque diebus nil erat in locnlis. Vergl. Cic. Verr. V65: cognosceret hominem: aliquid de summo supplicio remitteres; si ignorar et, tum, si ita tibi videretur, hoc iuris in omnes constitueres , ul, qui neque tibi nolus esset, neque cognitorem locnplelem darel, quanwis civis Ro- manus esset, in crucem toUeretur *). Ferner Sali. lug. 64, wo das affectvolle dieser Construction in den Worten des über die langsame Kriegführung des Metellus ungeduldigen und persönlich gereizten Ma- rius recht deutlich hervortritt: dimidia pars exercitus sibi p ermit- leretur: paucis diebus lugurtham in catenis habiturum, während dieser Affect in der von andern vorgezogenen Lesart si permitleretur bei weitem weniger zum Ausdruck kommt.

Fragt es sich nun aber endlich, wie dieser conjunctivus hypo- theticus von dem ebenfalls oft hypothetisch ohne si gebrauchten In- dicativ, und dieser indicativus hypotheticus wieder von dem mit si gebrauchten (vendat von vendit, und vendit von si vendit) sich un- terscheidet, so ist gewis klar, dasz, wenn vendit aedes zu si vendit aedes sich ebenso wie vendat za si vendat yerhiiU, die Ellipse von si, wie dieselbe beim Conjunctiv anzunehmen unzulässig, ebenso un- statthaft beim Indicativ erscheinen musz. Vielmehr haben beide For- meln (^vendat aedes vir bonus und vendit aedes vir bonus) das mit- einander gemein, dasz, während durch si vendat und si vendit der Conditionalsatz subordiniert Mird, derselbe durcli vendat und rendit coor diniert erscheint. Weit entfernt also den indicativus hypotheticus mit Zumpt §. 780 durch die Annahme der Ellipse von si auf einen abhängigen Indicativ zurückzufüliren , wodurch eine wahre Erklärung desselben geradezu abgeschnitten wird, kann ich nicht ein- mal der zweiten Ansicht Zunipts beitreten, welcher den hypotheti-

*) wo si ignoraret mit Recht von Halm wiederhergestellt wor- den ist, dem ich nur hinsichtlich der Erklärung von constitucrcs nicht beistimmen kann, welches er ebenso wie remitteres als den potentialis der Vergangenheit angesehn wissen will, während doch olfeiibar con- atitueres concessiv zu fassen (dann mochtest du meinetwegen,.) schon durch si ita tibi viderctur geboten wird.

188 Ueb. den hypoth. Gebrauch d. unabhäng. Conj. u. Indic. ohne si.

sehen Conjuncliv und Indicativ wo nicht elliplisch , so doch wenig- stens immer interrogativ aufgefaszt wissen will. Denn so wie die von Zumpt angeführten Beispiele des hypothetischen Conjuncliv (da- res hanc vim Crasso und dedisses knie animo par corpus) nach dem obigen ganz anders erklärt werden müssen, so sind auch die indica- tivischen Beispiele Zumpts nicht von der Art, dasz die interrogative Auffassung wenigstens bei der Mehrzahl als nothwendig, oder auch nur als völlig angemessen erscheint, ja einige derselben haben über- haupt nicht einmal hypothetischen Sinn. So ist gleich das erste Bei- spiel aus Cicero Rull. II 25: libet agros emi durchaus nicht mit Zumpt durch ihr wollt A e c k e r kaufen? oder wollt ihr A e k e r kau- fen? zu übersetzen, ja nicht einmal auf die Quirlten, sondern auf Rullus zu bezichn und nicht von einer bloszen Annahme, sondern von einer wirklichen Thatsache zu verstehn, welche der Redner c. 24 durch hac pecunia iubet agros emi ausgedrückt hat, jetzt aber um das Willkürverfahren des Rullus hervorzuheben durch das gehässigere Übet bezeichnet, weshalb auch Orelli nach emi richtiger ein Aus- rufungszeichen gesetzt hat. Ebenso wenig ist das vierte Beispiel Zumpts (aus Cicero Rull. II 15: commodum erit Pergamum . . totum denique Asiam popu/i Rotnafii faclam dicere: utrvm oratio ad eins rei dispulationem deerit, an impelli non poler it^ ut falsum tudicelT) hypothetisch oder auch nur interrogativ zu fassen, wenn man nicht die Stelle ihrer sarkastischen Kraft berauben lassen will. Denn da unmittelbar vorausgeht: quaero ^ qui tandem locus usqnam sit, quem non possint dicere decemriri populi Romani esse factum^ so würde zu dieser in Fragform eingekleideten Ueberzeugung, dasz alsdann jeder Ort für ein Eigenthum des röm. Volks erklärt werden könnte, schleclit die Frage der Ungewisheit passen: wird es ihnen bequem sein ganz Asien für ein Eigenthum des röm. Volks zu erklä- ren? sondern offenbar will der Redner sagen: wenn das Gesetz des Rullus durchgeht, so wird alles der Willkür der Decemvirn anheim- fallen. Es wird ihnen z. ß. bequem sein ganz Asien für ein Eigen- thum des röm. Volks zu erklären.

Wenn nun aber auch andere Beispiele Zumpts, wie r«V/es.- maiore cachinno conculitur, wirklich hypothetisch zu fassen sind, so ist doch dadurch noch nicht sofort die interrogative Auffassung derselben (lächelt man) gerechtfertigt. Vielmehr scheint Zumpt zu dieser Auffassung lediglich durch den deutschen Sprachgebrach bestimmt worden zu sein, welcher allerdings oft hypothetische Sätze in die Fragform einkleidet, z. B.

Und linden wir den Feind noch vor der Nacht,

So sieht der Morgen die geschlagne Schlacht (Schiller).

Gleichwol hiesze es selbst den deutschen Sprachgebrauch ver- kennen, wenn man den hypothetischen liidiciiliv uline wenn auch im deutschen blosz auf die Fragform beschränken wollte. Vielmehr fehlt es auch in deutschen Classikern nicht an Beispielen, wo der hypothe-

Ucb. den liypolli. Gebraiiclj d. iinabliäiig. Conj, ii. Indic. oliiie s/. 189

tisclie liidicaliv nitlil inferroffaliv, sondern unverkennbar affirmativ gebraiu-bt >vird, wie in Gcllerts Christ:

Er duldet frob die Schmach, mit der man ihm begegnet;

Mandrobt: er zittert nicht ; man fl uchet ihm : er segnet. So wie hier anstatt wenn man droht, fluchet, nicht droht man, flucht man, sondern noch treffender man droht, man fluchet ihm gesagt wird, so sind wir auch nicht gerade gezwungen r«YZes durch lachst du zu übersetzen, sondern dürften es vielleicht eben- falls angemessener durch du lachst wiedergeben. Es sind hier ncm- lich zwei Fälle zu unterscheiden. Offenbar ist die Fragform (lachst du) diejenige Form, welche sich der eigentlichen subordinierenden Bedin- gungsformel (wenn du lachst) am meisten nähert, eben weil durch die Frage wie durch wenn etwas nicht als gewis behauptet, sondern als ungewis bezeichnet wird. Deshalb ist die hypotlietische Fragform besonders da ganz an ihrem Platze, wo man auf einen Fall nicht mit Sicherheit rechnen kann und bei der Anwendung von wenn noch etwa, vielleicht, hinzugefügt werden könnte, oder auch da, wo ein Fall nicht die Regel, sondern nur die Ausnahme bildet und ein- mal, dann und wann, beigefügt werden könnte, so dasz z. B. in der oben citierten Stelle aus Schillers Macbeth die Vertauschung der interrogativen Form finden Avir mit der affirmativen W'ir fin de n wegen der Unsicherheit des trelTens ebenso unpassend Märe als aus demselben GrCinde in der Braut von Messina:

Aber treff ich dich drauszen im freien, Da mag der blutige Kampf sich erneuen, an einer zweiten Stelle in Macbeth aber die interrogative Form: Strauchelt der gute und fällt der gerechte. Dann jubilieren die höllischen Mächte, in die affirmative zu verwandeln (der gute strauchelt, der gerechte fällt) deshalb verwerflich wäre, weil sonst das doch nur biswei- ligc unterliegen des gerechten und guten als etwas gewöhnliches bezeichnet würde. Deshalb möchte ich auch im lateinischen den in- terrogativen Gebrauch des hypothetischen Indicativ nicht mit Hein- dorf zu Hör. sat. I 3 45 unbedingt verwerfen, sondern namenllicli da gelfea lassen, wo die Bedingung von dem nicht mit Gevvisheit zu ermittelnden "NNillen jemandes oder von der Laune des Zufalls abhängt, z. B. Liv. X 17: hacine rictoria sola au! hac pi-acda contcnti estis futiiri? vultis pro virhite spes gerere: omnes Sumnitium urhes for- tunaeque in urbibus relictae restrae sunt ^ wo Decius die Soldaten, welche sich mit der Beute der einen eroberten Stadt begnügen und überladen zu wollen schienen, davon abzubringen und mit der ihrer Tapferkeit entsprechenderen Hoffnung auf die Eroberung aller übri- gen Städte zu erfüllen sucht. Da nun Decius diese groszartigern Hoffnungen bis jetzt noch nicht voraussetzen, sondern erst wecken wollte, so ist die interrogative Betonung der ^^'orte im Sinne von wollt'' ihr Hoffnungen hegen der affirmativen im Sinne von ihr wollt Hoffnungen hegen gewis vorzuziehn, wenn auch um die

190 Ueb. den liypolh. Gebrauch d. unabhäng. Conj. ii. Indic. ohne si.

enge Beziehung der hypothetischen Frage mit dem Folgesatze anzu- deuten in allen dergleichen Fallen dem Fragzeichen, welches auch Gernhard zu Cic. Farad. V 2 36 und Obbarius zu Hör. ep. I 1 87 S. 92 verwerfen, ein Kolon vorzuziehn sein dürfte. Wo dagegen Fälle angenommen werden, die mit Gewisheit als wirklich vorausge- setzt werden können, deren wirkliches vorkommen im gewöhnlichen Leben keinem Zweifel unterliegt, da wird nicht allein im lateinischen, sondern auch im griechischen der hypothetische Indicativ selbst der Verba des woUens gewis viel passender affirmativ aufgefaszt , z. B. Hör. ep. 16 29: vis rede vivere: quis tioti? si virtiis hoc una pol- est dare, forlis omissis hoc age deliciis ; ep. Pauli ad Rom. 13, 3: Ol yaQ aQxovteg ov% eial cpoßog t(av aya&cöv egycov, aXXa rüv zancöv. &iXeig öh fir} (poßEiGd-ca rrjv e^ovaCav ro aya&bv noiu v,ul tt^ag k'Tiatvov i^ avvrjg. Ebenso im deutschen, z. B. Beleidigt handelt er noch als ein Menschenfreund. Sein Feind ist ohne B r o d : er speiset seinen Feind. Sein Feind geht blosz einher, der Christ erblickt

sein Leiden: Groszmütig läszt er den, der ihn verfolgte, kleiden. Er duldet froh die Schmach , mit der man ihm begegnet. Man droht: er zittert nicht; man fluchet ihm: er segnet, wo der Gedanke des Dichters durch die Fragform droht man usw. oder auch schon durch blosze Anwendung des Fragtones auszeror- dentlich verlieren würde, indem ja die Schmach nicht als ungewis, sondern als eine solche bezeichnet werden soll, die der Christ un- zweifelhaft so oft zu erdulden hat. Ja dieses oft, welches hier durch das affirmative Praesens nur angedeutet ist, findet sich biswei- len ausdrücklich vor, z. B. bei Schiller, wo er in der Huldigung der Künste die Malerei sagen läszt:

Mit des geliebten nachgeahmten Zügen Versüsz ich oft der Sehnsucht bittern Schmerz: Die sich getrennt nach Norden und nach Süden, Sie haben mich und^ sind ganz geschieden. Wenn demnach der affirmative Gebrauch des hypothetischen In- dicativ im deutschen ganz unbestreitbar ist, so fällt auch der letzte Grund zusammen, durch welchen Ziimpt bestimmt wortlen zu sein scheint denselben im lateinischen wo nicht als einen elliplischon , doch überall wenigstens als einen interrogativen anziisolin. Vielmehr würde die interrogative Auffassung des hypothetischen Indicativ an vielen Stellen ebenso effectschwächend wie im deutschen sein, na- mentlich da, wo er in der ersten Person steht, indem ja der re- dende über das, was er selbst thut, nicht in Ungewishcil schwe- bend fragt, wenn er aber nach dem fragen will, was er thun soll, den Conjuncliv braucht. Vgl. Cic. Tusc. II 12: rof/o liuc idem lipi- curum: viaiiis dicct esse vialuiit tnediocrci/i dolor cm (jitatii inaxiniiii/i dedeciis. Cic. Sest. 42: horiim utro ittt nolumns^ alteru est ntendui». Vim polumus extinyiii: ins valeat necesse est. ludicia dispUcent

Ueb. (Ion liypolli. Gebrauch d. nnabbäng. Coiij. ii. Indic. ohne si 191

(inl nulla sunt: vis dominelur necesse est. Doch nicht blosz in der ersten Person, sondern auch in der zweiten und dritten nuisz der hy- pothetische Indicaliv oft gaivA entscliieden aflirniativ gefaszt werden, so oft ncnilich dadurch Fälle bezeichnet werden, welche der wirk- lichen Erfahrung und der unmittelbaren Anschauung des äuszern oder Innern Lebens der Menschen überhaupt oder einzelner Classen oder bestimmter Individuen entlehnt sind. Vgl. Hör, ep. I 1 18: lectus cjenialis in aula est: nil ait esse prius, melius nil caelibe vita. Si 71 on est, iurat bene solis esse marilis. luv. III 100: rides: maiore cachinno concutilitr ; flet, si lacrimas conspexit amici. Ter. Eun. II 2 20: quidquid dicvnt, laudo ; id rursum si negant, laudo id quo- que ; necjat qui s: nego ; ait: aio ; posfremo imperari egomet mihi omnia assentiri. Cic. Rose. Am. 20: innocens est qiiispiam, vertim tarnen, quamquam ahest a culpa, suspicione tarnen non caret. Tametsi miserum est, tarnen ei, qui hunc accuset, possim aliquo modo ignoscere. Cic. Verr. V 71: inimicitiae sunt: suheantiir; la- bor: suscipiafur. So von den gewöhnlichen Launen einer herschsüch- ligen Frau Cic. parad. V 2 36: an iile mihi liber , cui tinilier impe- rat? cui leges impunit, praescribit, iubet, vetat, quod videtur? qui nihil imperanti negare polest , nihil recusare audet? Poscit: dan- dinn est: vocat: veniendum ; eiicit: abeundum ; minatur: exti- meseevdum. So von den gewöhnlichsten Fällen, welche der zu be- handeln hat, welcher über die Unannehmlichkeiten des Lebens trösten will, Cic. Tusc. III 24 57: similis est ea ratio consolandi , quae docet humana esse, quae ac eider int. De pavpertate agitur: multi patientes pauperes commemoranlur ; de con temnendo honore: mulli inhonorati profcnintur. So von den gewöhnlichen Gemütsbe- Avegungungen und Leidenschaften Cic. Tusc. II 24 58: ira exarde- scit, libido concilatur: in eamdem arcem confugiendutn est. Hör. sat. I 3 49 : parcius hie rivit: frugi dicatur. Ineptus et iactantior hie paulo est: concinnus amicis postulat ut videalur. At est frucu- lentior atque plus aequo liber: Simplex forlisque haheafur. Caldior est: acres inter numeretur. Hör. ep. I 1 33: fervei avaritia miseroque ciipidine pectus: sunt verba et voces, quibus hunc lenire dolorem possis et magnam morbi deponere partem. Landis amore tutnes: sunt certa piacula, quae te ter pure leclo poterunt recreare libello. Invidus, iracundus, iners, vinosus, amator: nemo adeo fervs est, ut non niifescere possil. So von der öfteren Verbreitung ungünstiger Gerüchte vom Forum aus Hör. sat. II 6 50: frigidus a rostris manat per compita rumor: quicumque oln^ixis est., me consulit. So von der regelmäszigen Wiederkehr des Winters Verg. Georg. II 529: venit hieins: terilur Sicyonia bacca trapefis. Wie hier findet sich das allerdings seltnere hypothetische Perfect des Indicativ auch noch Hör. sat. II 7 68: evasti: credo, melues do- vlusque cavcbis, woselbst Orelli zu vergleichen. Ebenso wird der hypothetische Indicativus im griechischen gebraucht, besonders häu- lig die dritte Person mit rig, z. B. Aeschin. III §. 246: ovx ai naXai-

JS. Ja/irh.f. Phil. n. Paed. Bd. LXXII. Hfl. 4. 15

192 Ueb. (Ion hypolli. Gebraiich d. iinabhäng. Conj. ti. Indic. ohne si.

(jTQai, ovös rci öiSaöy.aXstci i.i6i'0)> 7tca8cVci rovg vsarsQOvg , aXXa TtoXv (läXXov ra ö}jii6(jic< z}]Qvyi.icna. KijQvxretalrig iv tw ^earQU) ort at£(pavovxca aqn)]g e'vsr.a äv&QCOTiog aGyjji.icov coV reo ßla Kai ßöe- XvQog' 0 ÖS ys vEcorsQog tkut idav öiccp&aQ}]. ^r/.tjvrig öiöcoy.e TtovriQog Kcd TtOQvoßoay.og cogtisq KryjöLcpcov ol öe ye aXXoi Tcsnai- ösvvrcit. TavavrUc rig '^})q>i6cc!.i£vog räv '/mXcöv xal ötKaicov mavsX- a>coi; oX'ACiSe Ttaiö cvei rov viov o 6s ye Eir.orcog ov Trel&srca. De- mosUi. III §. 18: y.al vvv ov Xiyst rig ra ßiXxL6xcc avaGiag c4XXog £i7Taro}, fij) Touroi' cnriaG&co. ""'Ersfyog Xeyei rtg ßeXrlco' ravra Ttoislxs (iya'\y\] rv'/j]. AXX ov% ijöiu ravra' ovKtri rovQ' o Xiycov aÖLxei. üeinosth. XVIII $. 198: nQarr erat ri, rcov vf-uv dozovvrcov Gv^icpi- q£lv acpavog AiG%iV)]g. ^Avr skqovG i re Kai yiyovev olov ov% k'öei. TtageGriv AiG'jiivi]g. §. 274: a8iY.zl xig incov OQyrj nal rificoQia y.ara xovrov. 'E^-^jxa qx e rig azoov Gvyyvcoiitj avxl xrjg xi^icogiag rovro. 06't' adiKciv xig ov6^ i'^a[.iaQxavcov elg xa TtaGi öoKOVVxa Gv^icpiQELV iavxov öovg ov xßT w^O'coffc [x.ed' änavxav ovy. ovsiöi- ^£iv ovöe XoLÖoQEiGd'at, reo roiovKo ör/.aiov, aXXa Gvvay&eGO'ai. Epist. Jacobi 5 13: y.axoTTad'er xig iv vj-üv' TtQoGsvxaG&co. Ev&v i-isi rig' ifjaXXtrca- 'AGd-evei r ig iv iifiti^. 7r^0(7-/f<:^£(JaGi>a) rovg tcqs- cßvrsQovg rjjc iy.y,hfiiag y.al TfQOGsv'^aGQ-coGav in avrov. Epictel. e. 21: jLu'fivjjöo, ort (og iv Gv^inoGuo ÖEi ge ccvaGXQEcpEG&ai. ÜEQKpe- QO^iEvdv XI yiyova xard Gs' izreivag xijv XEiQa zoGiiiag [XExctXaßs.

nuQEQXEXai' ^f] XaXE^E. OvTtCO t]K£f (.lij ETtißaXs noQQco xr]v

OQE^iv, aXXa Tre^/ftEj'f ftf'x?'? ^^' y^^'H"^^!- y-axä gs. Aber auch die zweite Person des bypotbeliscbcn Indicaliv findet sich niclit selten, z. B. epist. Panli iul Coriiilh. 1 7 27: öiösGai yvvaiy.i' (.uj ^ijxsi XvGlv. yliXvGai ano yvvai"/iOg' firj ^ijxEi yi>vaiy.a. Menandri fr. bei Uilschl ind. lect. 1839 1840 S. VIII: xvyjjv sysig, ävd-QcoTtE' ^irj (.idxrjv XQspjg' eI'x ovk Eysig^ y.ad'SvSs, (.nj KSvöög ttovei. Endlich auch die erste Person Demoslh. XVIII §. 117: iniSdoy.a' iixaivov^iai öid xavxa, ovK cov av iitsöcoKa vnsv&vvog. 'Hgyov y.al öiöcoy.d ys £v- 'ö'Vfaj SKEcvcov., ovy^ (ov insdana. Ntq Ai.\ dXX aöixcog fjo^or* slra TtaQcov. oxE ft£ EiGtjyov Ol XoyiGxai, ov xari^yoQSig. Eiir. Or. 646: aöiKM' Xaßciv yoTi] jii avxl xovöe xov aay.ov döixov xi TtaQa Gov.

Docli ist der Gebrauch des indicalivn.>-: bypotlicficus im lateini- scheu keineswegs blosz auf das Praesens und Perfec(um boscbränkf, sondern ebenso liiuifi^- ersciieint derscll)e auch im Futurum, so das/. Zunipt den Gebrauch des Futiiri exacti in solciien Sätzen für beson- ders häufig erklärt, eine Behauptung, welche nicht allein durch den mindestens nicht seltenern Gebrauch des Praesens widerlegt wird, sondern auch zu dem Irlhnni vorleiten könnte, als wenn das Futurum in dergleichen Fällen sich durch nichts weiter unterscheide als eben durch die vorbcrscliende (icbräuchlichkeit. Vielmehr ist unverkennbar, dasz in der Hegel das Fuiiiruiu , und zwar nicht blt)sz das Futurum exactum, sondern auch das Futurum primum nur dann steht, wenn der Folgesalz sich auf die Ziikunn bc/.ielit, also von einen, erst abzuwar- tenden Falle die Kede ist, so dasz entweder in beiden Sätzen das

J

Ueb. den liypolh. Gebrauch d. unabliäng-. Conj. u. Indio, ohne si. 193

Futurum primum, oder in beiden das Futurum exactum, oder im Be- dingungssatze das Fut. exactum, im Folgerungssalze das Fut. primum steht. So bei Cicero Rull. II 16: volet esse popularis: populo Ro- mano adiudic ahn. Aon sumet sihi lantum ., non appetel: iu- dicahit Alexandriam regis esse., a populo Romano ab iu die ab it. Ter. Phorm. I 2 25: unum coynoris: omnes noris. Cic. fin. II 17: occiiltinn facinns esse poluerit: gaudebit. Hör. sat. I 1 45: milia frumenti tua triverit area centum: non tuus hoc capiet renfer plus ac meus. Ter. Heaut. III 1 78: dare deneg aris: ibit ad aliud illico. Hör. sat. II 3 292: casus medicusve levarit aegrum ex praecipiti: mater delira necabit. Cic. Verr. II 3 2: furem ali- fjuetn aut rapacem accusaris *).• vitanda tibi semper erit otnnis avariliae suspicio. ßlaleftcvm qnempiam adduxeris aut crude- lem: cacendum erit semper, ne qua in re asper ior aut inhumanior fuisse videare. Liv. XXI44: parum est., quod veterrimas provincias meas, Siciliam et Sardiniam adiinis? etiam Hispanias? Et inde ces- sero**): -in Äfricam tr anscendes. Cic, Acad. II 36: age., resti- tero Peripateticis, sustinuero Epicureos: Diodolo quid faciatn Stoico? Im griechischen wird in diesen Fällen gewöhnlich anstatt des fehlenden futuri secundi mit noch gröszerer Lebhaftigkeit des Gedanken und Ausdrucks das Perfect oder der Aorist, anstatt des fut. primi bisweilen das Praesens gebraucht. Vgl. Eur. Androm. 33j: r f&vjj'Ka rrj af] 'd-v'/argl Kai jit aTCoiXeße' ixuäcpovov [.lev ovKsr av (pvyot (.ivßog. rjv d ovk iyco fiev j-ir] cpavHv vns'A.ÖQcciKxi^ xov nulSa fxov y.TEvELTe; Hei. 1060: xct di] TtaQslzsv eira Tcciog ccvev vsag oco- '&tj6o^e6&a; Med. 387: '/icci o-i] x s&vaoi' rig jtts di'E,ETca noXig; Aesch. Eum. 394: y.al 6}j 6 ey^aat' rig ös (.lot rif-irj (.levei; Aristoph. Eccles. 174: ci'i&o(xcd re aal (piqa xa xijg rtohag aitavxa ßageag noay^axa. OQÜ yuQ avxtjv TtQOGxaxcuGi 'jiQa^ivriv ael TtovjjQOig ' '/mv reg ri^iqav fiiav 2Q7]öxog yivi]xcii^ dexa Ttov}]Q6g yiyvexaL. e7tixQ£i\)cig axeQCO. tiXelov k'rt ÖQaaec %ay.ci. Xenoph. Anab. V 7 9: noia ö vjxäg lE,cma- x)]\fivxc(g '/.cd y,axayoy]XEvd'ävxag v:r e;.iov rjzEiv slg 0d6iv xcd 67] %al ciTtoßaivo^Ev Eig xrjv i(ÖQav yvcaaeö&E öi^nov öxi ovk ev xri'EX- XdÖL E6XE, wo der bei der Annahme eines blosz gedachten Falles vom lateinischen abweichende Gebrauch des indicativus praesentis ano- ßalvo^Ev darin seine Erklärung findet, dasz ganz dem lateinischen facere entsprechend im Sinne von ich setze den Fall tiolÖ) vor- ausgeht und wenn auch nicht der Construclion nach (welche den vor- ausgehenden ViKEiv entsprechend Kai anoßcdvELv verlangte), doch dem Sinne nach auf dTtoßcdvofxEv noch fortwirkt.

Selbst dem Imperfectum und Plusquamperfectnm indicativi scheint der hypothetische Gebrauch ohne si nicht ganz fremd, wenn nemlich

*) wo Orelli sich nicht consequent geblieben ist und ein Frag- zeichen gesetzt hat.

**) Hier würde die mit der affirmativen Betonung verbundene Re.signation durch die Anwendung des Fragzeichens oder auch des bloszen Fragtones ganz verloren gehn.

15*

194 Ueb. den liypolli. Gebrauch d. iinabhäng. Conj. u. ludic. ohne si.

der Folgerungssalz der Vergangenheit angehört. Wenigstens wird ganz ähnlich zwischen mehreren durch sive und qmim subordinierten Plusquampcrfeclen das coordinierte ohne quum oder sive gebraucht um so oft auszudrücken bei Ovid. Metainorph. VIII 25 ff. : hac iudice Minos Seil cnpul ahdiderat cristala casside pennis, hl fjülca formosiis erat, seu sumpseral auro Ftilff entern clipeum, clipeum sumpsisse decebnt. Torseral adductis hastiliu lenta Incertis : Laudahat vlrgo innctam cum viribus artem. Imposilo palulos calanio sinuaveratarcus: Sic Phoehnm iuticfis iurahat sture sagillis. Quam rero focicin dcmplo nudaverat aere Purpureusfjue albi stratis insirfnia piclis Terga premebat eqiii spumantiaque ora regebat'. Vix sua , r/j* sanae virgo Nise'i'a compos Mentis erat. Ebenso findet sich dieses coordinierte Plusquamperfect ansialt des subordinierten bei Ilor. sal. II 6 40 IT. :

Septimus octaro propior iaiu fugerü anmis, Ex quo Maecenas me coepil habere svorum In namero, dunüaxat ad hoc, quem tollere rheda Vellet Her faciens et cui concredere niigas. Per totiim hoc tempus subiectior in diem et hör am Invidiae noster. Ludos spe ctaver at una, Luserat in campo: fortiinae plins! omnes. Freilich sind hier die neuesten Herausgeber, wie Haupt, Meineke, Krüger, vielleicht eben in Folge jener leicht irreführenden Bemer- kung Zumpts, dasz in solchen Fällen bc s o nd c rs geh r ii uc h li ch das futurum cxaclum sei, wieder zur Lesart Bentlcys spcctarerit und litscril zurückgekehrt, doch gewis mit Unrecht, und zwar nicht etwa blosz wegen der so schwachen handschriftlichen Beglaubigung, son- dern noch viel mehr deshalb, weil spectaverit und hiseril, mag mau CS nun mit Bentley als Futurum exaclum oder als Perfectum conjunc- livi ansehn, sinn- oder gar sprachwidrig sein würde. Dasz Bcniley spectaverit und luscrif als Futurum exaclum auffaszt, geht aus seinen cigeneu \N'orlen hervor, mit welchen er den Sinn dieser Stelle um- schreibt: Ego, iiiqnit, per tot um hoc tempus subiectior sum iiiri- diae: si ludos una cum Maccciiatc spc c lar ero, si in campo Martio vna ins ero: omnvs illico , qui adstant^ fortunae filius, sccum aiunt Inciti. Wenn nun aber, wie wir oben an vielen Stellen nachgewiesen haben, das hypothetische Futurum nur da gebraucht wird, wo der I'oljesatz der Zukunft angehört, hier aber nicht von der Zukunft, sondern olTenI)ar von der Vergangenheit {per totuin hoc tempus, ex quo Maecenas mc coepit habere suorum iit nuuiero) die Hede ist, milhiii zu subiectior weder ero noch fucro, zu omnes weder clumn- binil iiorli chnaarvriiit ergiinzl werden daif: so niöciile spcctarerit

Ucb. den hypoth. Gebrauch d. unabhäng. Coiij. ii. Iiidic. ohac si. 195

und luserit als Futurum cxacluni schwcrIicU zu rcclilferligen sein. Aber auch als Perl'ectuni conjunclivi gefaszt würde es, wenn auch nicht sprachwidrig, so doch an unserer Stelle nicht recht sinng-emäsx sein. Denn obgleich in Ije/.ieliung auf das Traesens suin , welches ßcntley zu subiectior, und in Beziehung auf aiunl, Avelches Benlley zu omnes ergänzt, das liypolhetische Perfect grammatisch ganz richtig wäre, so würde, da iloraz nicht eine blosz gedachte Annahme (gesetzt dasz er dann und wann mit ihm gespielt habe), son- dern wirklich dann und wann vorgekommene Fälle bezeichnen zu wollen scheint (vgl. Vers üO: frtijklus a rustris manat per coinpita rutnur, wo ja das Metrum, nicht aber der Sinn , ebenso gut den Con- juncliv erlaubt hätte), dennoch nicht sowol der Conjunctiv, son- dern vielmehr der Indicativ speclarit und lusä hier das sinnge- mäszeste sein. Da dies jedoch nicht in den Vers paszt, spectaverat und luserat aber von den meisten und besten Handschriften beglau- bigt wird, so ist die von Orelli festgehaltene Lesart spectaverat und Inserat im Sinne von quiim oder si quaiidn spectaverat^ luserat^ gewis die einzig richtige, zu subieclivr und omnes aber nicht sowol mit Bentley das Praesens sum und aüiut, sondern vielmehr mit Dö- ring *) piii und clamabaitt zu ergänzen.

Ist somit klar, dasz auch der indicativus bypotheticus weder clliptich, noch (in den meisen Fällen wenigstens) interrogativ aufzufassen ist, sondern sich dadurch von dem Indicativ mit si unter- scheidet, dasz z. B. si vcndit einen als wirklich angenommenen, mithin erst durch die Verstandesthätigkeit vermittelten Fall , vendit dagegen einen als aus der unmittelbaren Anschauung der Wirklichkeit entlehnten bezeichnet, so tritt damit zugleich deutlich der Unterschied zwischen dem hypothetischen Indicativ und Conjunctiv (zwischen vendit und vendat, vendidit und vendideril etc.) hervor, indem durch den Indicativ (rendif) ein Fall im Gegensatz zu einem als wirklich blosz angenommenen (si rendif) als ein der unmittelbaren Anschauung entlehnter, durch den Conjunctiv (vendal) dagegen ein Fall im Ge- gensalze zu einem blosz als möglich angenommenen {si vendat) als ein in die Wirklichkeit oder wenigstens in die Vorstellung einzufüh- render (als ein zu verwirklichender oder wenigstens vorzustellender) bezeichnet wird. Daher durfte eben Cicero in unserer Stelle anstatt vendat nicht vendit sagen, weil er ja sonst im Widerspruch mit seiner eignen Lehre den Fall, dasz ein vir bonus ein Haus wissentlich weit über dessen wahrem ^A'ertlle verkauft, als einen dem wirklichen Leben entlehnten und gewöhnlich vorkommenden bezeichnet haben würde.

Demnach kann man zwar in den früher angedeuteten Fällen die Conjunction si sowol mit dem Conjunctiv als mit dem Indicativ auch

♦) Ilunc locum cgo, sapl Döriiifj, inlerpnlor sie: ab ro inde tempore in dicm et horam ma^ts maßisque cxpositus fui inridiae; si Maecenas una mccunt ludos speclavcrat , vel una meciini in Campo Martio luserat, et sie shifi^ularem mihi ja vor ein probaverut, tum om- nes: lioratius fortunae estßlius, clamabun t.

196 Auszüge aus Zeitschriften.

weglassen, und umgekehrt da, wo sie zu fehlen scheint, auch hinzu- setzen (mithin z. B. anstatt si vendat, si vendiderä, si venderel, si rcndidissetj si rendit^ si rendidit etc. auch blosz veiidal, PCiidide^-it^ veiideret, vendidissel; rcndit^ vendidit etc. sagen), ohne jedoch des- halb im ersteren Falle zur Annahme einer eigentlichen E llipse be- rechtigter zu sein als derjenige, der etwa auf den Einfall käme im letzteren Falle umgekehrt die Beifügung von si für einen Pleonas- mus anzusciin. Vielmehr ist die erste Construction (mit si') von der letzteren (ohne s/), wenn auch der Gedanke wesentlich derselbe bleibt, nicht blosz grammatisch wie Subordination von Coordina- tion, sondern auch logisch wie blosze ruhige und kalte Verstan- dcsthätigkeit von der wärmeren und lebhafteren Mitbetheiligung des Willens (beim unabhängigen Conjunctiv) und der unmittelbaren An- schauung (beim unabhängigen Indicativ) verschieden.

>yeimar. Dr. C. E. Putsche^ Prof.

Auszüere aus Zeitschriften.

Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der k. preuss. Akademie d. W. zu Berlin. Aus dem J. 1854 (vgl. Bd. LXIX S. 450 f.).

12. Jan. Dirichlet: Bericht über F. Wöpcke: extrait du Fa- klii i , Traite d' Algebre par Abou Bekr Mohaiumed Ben Alha9au Al- karkhi (S. 15 17: die in Paris aufgefundene Handschrift beweist, dasz die Algebra der Araber sich auch mit den unbestimmten Problemen besclKiftigt hat. Der Tractat beruht wesentlich auf Diophantus, kennt aber die indischen Methoden nicht. Fibonacci hat vieles daraus, aber nicht alles und es bleibt zu erforschen, aus weichen arabischen Quel- len derselbe sonst noch geschöpft habe). 23. Jan. R. Lepsius: über den Werth einiger astronomischen Angaben auf aegyptischen Denk- mälern (S. 33 36: Widerlegung der von Biet recherclies de quelques dates absolues cet. Paris 1853 aufgestellten Behauptung, dasz von einer Sirius- oder Sothisperiode, die für ganz Aegypten festgehalten worden, nicht die Rede sein könne und dasz Menophres nicht den Könif; INIenophtes, sondern die Stadt Memphis bedeute). O. Rib- beck: über die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner italienischen Reise (S. 36 46: ausführliche Mittheilung über die groszen Gewinn ver- heiszenden Vergleichungen der codd. des Vergiiius, besonders des Pala- tinus, aus dem viele Lesarten mitgetheilt werden, über den Bembinus und IJa'silicanus des Terentius, ferner codd. des Servius, Donatus, Nonius und von Seneca's Tragoedien). 26. Jan. Homeyer: über das germanische loosen (S. 47: die in der lex Frisionum beschriebene «Sitte des looscns mit Stäbchen habe sich in einigen Gef;enden des nördlichen Deutschlands erhalten). - 2. Febr. Pinder: über die Zeit- l)estiiumung der römischen Münzen (S. 49 f.: durc!» Wä^iungen werde bewiesen, dasz der Semuncialfusz erst in den letzten Jaliizehenden des Freistaats in Rom ge|)räf;t worden sei. Ferner ist es sehr waiirscheiu- licli {rcmacht, dasz die Sitte das Tribunat der Kaiser vom I. Januar zu datieren in das Jahr 907 a. u., das 16. Regierungsjahr des Anto-

Auszüge aus Zeilschriflen. 197

iviaus Pias zu setzen sei). 20. Febr. Böckh: über das babyloni- sche Läiigenmasz an sich und im Verhältnis zu den andern vorzüg- lichsten Gewichten und Maszen des Alterthuins (S. 76—110: aus von Hrn. Oppert gemachten Messungen ergibt sich, dasz allerdings die babylonische Elle identisch mit der aegyptischen (Böcklis metrol. Un- ters. S. 227) und im Mittel zu 233. 21320 Par. Lin. anzunehmen .sei. Da sich durch Messungen an dem Birs-Nimrud (Belstempel) ein grösze- res Masz ergibt (= 'J36. 423 P. L) , an eine spätere Erbauung oder Wiederherstellung aber nicht zu denken, vielmehr eine gänzliche Zer- störung unwahrscheinlich ist und die vorhandenen Reste dem ursprüng- lichen Baue angehören, so musz man für die älteste Zeit eine groszere Länge der Elle (Nimrodsche) und ein späteres zurückgehen derselben um etwa 3 P. L- annehmen. Der früher auf theoretischem Wege ge- fundene avyeidritttheilige babylonische Längenfusz (% der Elle) erhält durch die neu entdeckten empirischen Thatsachen die glänzendste Be- stätigung. Daraus, dasz Oppert 360 Ellen als eine grosze Längen- einheit gefunden hat, welche im Verhältnis zum Stadium wie 3 : 3 steht, ergibt sich das ganz neue Resultat, dasz es in Babylon einen dreifünftheiligen Längenfusz gegeben. Einen dreifünftheiligen griechi- schen Doppelfusz findet Böckh auf einem Denkmal zu Ushak in Phry- gien und das Verhältnis in dem einen babylonischen Längenmaszsy- styme ist dasselbe, wie es sich zwischen dem kleineren und gröszeren Systeme im Gewicht und Körpermasz in Griechenland, Aegypten und Asien findet. Dieser letztere Fusz ist aber nicht als Grundlage des Körpermaszes und Gewichtes gebraucht worden, der Gebrauch des zweidritttheiligen in Babylon aber wird durch das Vorhandensein eines solchen In Aegypten, durch das.Philetaerische, ursprünglich persische und babylonische System und den syrischen Metretes genug erwiesen. Da nach Opf>ert die mittlere babylonische Mauer 440 Stadien beträgt (für die äuszerste wird Herodots Masz anerkannt, für die innere das des DIodor II 7 zu 360, nicht wie Kleitarchos berichtet, 365 Stadien), Strabo aber XVI 378 385 angibt, so können diese letztern nur Phile- taerische Stadien sein, und da Herod. auf den Parasanges 30 Stadien rechnet, was aber nicht olympische sein können, so ist die Ueberein- Stimmung von Herons Philetaerlschem Masz mit dem echt persischen evident. Das Verhältnis von 440 zu Strabo's Angabe ist das von Her. zwischen der babylonischen und griechischen Elle angegebene, 7 : 8, aber nach dem dreifünftheiligen Fusze ist es 10 : 9, ein Beweis dafür, dasz man, weil man den letztern in Griechenland nicht kannte, ihn mit dem zweidritttheiligen Philetaerischenidentlficierte, was um so leich- ter gieng, da der Unterschied kein sehr bedeutender ist. Durch eine ausgeführte und durch Tabellen veranschaulichte Vergleichung der ver- schiedenen Masz- und Gewichtsysteme des Alterthums wird nun das Resultat gezogen, dasz die älteste Gewichtbestimmung in Babylon mit dem ältesten Längenmasze, der Nimrodlschen Elle, gestimmt habe, das Gewicht aber stehen geblieben, während das Längenmasz herabgegan- gen sei. Ein später eingegangener Brief von Oppert, der sehr viel interessantes über die Entdeckungen namentlich auch von Inschriften enthält, gibt noch Veranlassung, aus der Bemerkung, die babylonische Elle habe aus 25, der Fusz aus 15 Fingern bestanden, zu folgern, dasz man im persischen Reiche jene babylonische Eintheilung habe fal- len lassen und zu der gewöhnlichen, womit Herod. II 149 stimmt, überge- gangen sei). Brunn: Reisebericht (S. 110—117: die im Königreiche Neapel unternommene epigraphische Reise bestätigte die Vortrefflichkeit des Mommsenschen Inschriflenwerks in jeder Weise und lieferte nur unbedeutende Berichtigungen, wovon einige Proben mitgetheilt werden). 9. März. He uzen: über die venusinischen Fasten (S. 128 134: durch

198 Auszüge aus Zeitschriften.

Untersuchungen, welche de Rossi angestellt, werden Momsisens Ansichten über die Fasten, Rh. Mus. X S. 4<S1 ff., vollkommen bestätigt). 16. iMärz. Haupt: über das registrum niultorum auctoruin von Hugo von Triniberg (?». l-t'l J64: das schon längst dem Titel nach bekannte, neuerdings in Gratz gefundene Uuch hat die Hoffnung Aufschlusz über die deutschen Dichter des Mittelalters zu bieten nicht erfüllt, da es nur von lateinischen Scliriftsteliern iiandelt und verdient auch durcli seinen Werth keinen Abdruck, da es aber eine Anschauung von der Ribliolhck eines deutschen Schulmeisters im Alittelalter bietet, so wer- den unter Mitlheiiung ausführlicher Proben und Ziifügung von Notizen die erwähnten Bücher der Reihe nach aufgezählt. Ueber Amarcius wird am Schlusze aus dem in der Dresdner Bibliothek befindlichen Manuscripte Aufschlusz gegeben und sein Leben in die Zeit nach 105-1 oder lOäb gesetzt, in seinem Gedichte wird der lateinische leich im 'modus Llebnic' erwähnt und erhält durch die Anführung der von Lachmann für diese leiche gebrauchte Name lateinischer Hofpoesie Bestätigung). 20. März. Homeyer: über den Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts (S. 171 175: als einleitend für die in den Denkschriften erscheinende Bearbeitung werden die Bedeutung der Glosse, die Absicht den Sachsenspiegel gegen das eindringen anderen Rechts zu schützen, die Betrachtung desselben als eines von Karl dem Gr. 810 verliehenen, von Re[)kovv dankeuswerth bearbeiteten Privile- giums und <lie Beweise für die Autorschaft Johanns von Buch hervor- gehoben). — 23. März. Kiepert: geographische Einleitung und Ir Theil einer Untersuchung über die in Ortsnamen und Mythen vorlie- genden Sprachreste des alten Kleinasiens, namentlich über die in hi- storischer Zeit fortdauernde Grenze zwischen arischen und semitischen Dialekten (^S. 175 f.: die geographische Beschaffenheit begründet die Theihmg der Bewohner in den Stufenländern in viele Stämme, wie das vorhersehen zweier gröszerer auf dem Innern Hochlande. In der Südhälfte nebst den Westküsten zeigt der häutige Anlaut / und r Ver- schiedenheit von dem arianischen, wie Verwandtschaft mit dem ara- maeischen Sprachsfamm, das gänzliche fehlen jenes Anlauts in den Na- men der Nortlhälfte die Verwandschaft der dort wohnenden Stämme, namentlich der Ka[){)adoker und Phryger mit den Westarianern , na- mentlich <\en Armeniern, womit das vorherxdien desselben Lautgesetzes und das fehlen <ler Aspiraten in den geringen phrygischen Sprach- resten stimmt. Die Verwandtschaft des phrygischen und griechischen wird dadurch widerlegt). Böckh: Nachtrag zur Abhandlung über das babylonische Längenmasz (S. 183 186: das Bedenken, dasz die mittlere Mauer von Babylon nicht von Oppert gemessen sondern aus Stral)os 350 Stadien geschlossen sei, bestimmt bei <lt'n obwaltenden unlösl)aren Schwierigkeiten zur Aufgal)e der aufgestellten Ansichten und zur Annahme dasz Strabo. wie Herodot, nur zwei Mauern ge- kannt habe und bei ihm mit Mcineke i^iJKOvrcc zu schreiben sei). 24. A|)ril', Kiepert: Fortsetzung der am 23. März begonnenen Ab- handlung (S. 196: die Verwandtschaft der Ka[)padoker mit den Aria- nern wird behauptet, die Spuren des semitischen Elements auf eine vorausgegangene Urbevölkerung und den Finllusz der assyrischen Her- schaft zurückgeführt ). 11. Mai. Ritter: über einige verschieden- artige aber charakteristische Denkmale für das nördliche Syrien (S. 214 f.: als solche werden aufgeführt: die massiven Sleinthüren der ältesten Zeit zur Sicherung der Felsenwohnuugen und liandesfesten, die ursprüngliche Anlage der Tempelhöfe, aus denen die (/'arawan- serais hervorgiengen , die Vcrbreitnnii des chaldaeischcn oder sabaeisi-.heii Astraldienstes mit dem syrischen Tempelcultus, die Construction der langen Säulenstraszen , die künstlichen Wasserbauten). IH. Mai.

Auszüge aus Zeitschriften. 199

Lepsius: Apisdafen neb.st Folgerungen daraus (S. 217 231: aus Mitthellungen, welche Mariette über die Apisdaten gemacht, wird die Existenz einer Apisperiode geleugnet, dagegen die Annahme dasz der Apisstier nicht sein 26s Lebensjahr habe überschreiten dürfen, >vas mit der 25j. Mondperiude des Ptolemacos stimmt, aufrecht erhal- ten. Kerner wird daraus das Resultat gewonnen dasz die Regierungs- zeit des persischen Königs Kamhyses nach seinem Antritt in Persien bestimmt worden sei und endlich durch ausführliche Erörterung der Zeugnisse von Schriftsteilern und der monumentalen Angaben folgende chronologische Reihe aufgestellt: XXVI Dyn. 8tephinatus 686—679. Nechepsos 679-73. Neko I 673—65. Psametich I 665—11. Neko II 611—5:6. Psametich II 596-90. Apries 590—71. Amasis 571—27. Psametich III >,;, J. S^XYII. Dyn, Kambyses 527—521. Der Wider- spruch zwischen Herodot und Jul. Afric. wird durch die Annahme dasz das Todesjahr, welches für den Nachfolger Antrittjahr war, beiden Regierungen zugezählt worden sei, erklärt). - Buschmann: über die Verwandtschaft der Kinai-Idiome des russischin Nordamerikas mit dem groszen athapaskischen Sprachstanune (S. 231 236: durch Zu- sammenstellung von 66 Worten und durch die Thatsache dasz der Name Kinai gleich ist mit dem von den Athapasken sich beigelegten Tinne d. i. INlenschen, wird bewiesen, dasz die Völkerschaften der Ugalen- zen , Atnah, Kinai, Inkilik, Inkalit und Kottschanen den 7 bekannten •Stämmen der Athapasken anzureihen seien). 22. Mai. Bekker: Nachlese von Varianten zu seinem Demosthenes (S. 252 260: Varian- ten zu 19 Reden aus einer zweiten 10 Jahre nach der ei'sten gemachten Coli, des cod. U). Böckh: drei lykische Inschriften (S. 261 263: drei von Berg in Lykien aufgefundene der Stadt Olympos werden mit- getheilt, emendiert und ergänzt. Die 2e ist im C. I. 4304 falsch un- ter Limyra gebracht). Ders. : über Cato's Carmen de moribus (S. 264 282: da über die Kärchersche von dem Vf. gebilligte Hypothese und die Emendation der Fragmente unser College Fleckeisen in Cato- nianae poesis reli(|uiae Lips. 1854 gehandelt hat, so erwähnen wir nur dasz S. 270 das Bentleysche Gesetz über die Uebereinstimmung des rhythmischen und sprachlichen Accents verworfen wird).— Lepsius: die aegyptischen Felsentafeln von Nabr el Kelb in Syrien (S. 338 346 nebst Abbildung: die von Oppert getheilte Behauptung de Saul- cy's, es seien am Nähr el Kelb keine aegyptisciien und hieroglyphischen Denkmäler vorhanden, wird durch historische Angaben und die eigne Anschauung widerlegt nnd auf der mittelsten Stele das J. 1389 v. Chr. gefunden). - 27. Jul. B öckh : über einige im Besitze des Herzogs de Luynes befindliche griechische Inschriften (S. 421 428 nebst einer Tafel: durch die iMittheilung von der nur wenige Buchstaben enthal- tenden Rückseite der Inschr. C. f. Nr. 141 wird dem Vf. Gelegenheit geboten, die Inschrift Nr. 140 vollständig und mit gröszter Sicherheit zu divinieren. Ebenso wird über die Zeit von Nr. 2919 jetzt die Müi- lersche Ansicht gebilligt und einige Berichtigungen vorgenommen). Lepsius: Nachtrag zu den Bemerkungen über die Apisdaten (S. 495 498: da der Vicomte de Rouge die Erwähnung des 4. Jahrs des Kam- byses auf einem Sarkophage auf das bestimmteste in Abrede gestellt hat, so falle jeder Grund hinweg die Einnahme Aegyptens vor 525 zu setzen und müssen demnach die früher gegebenen chronologischen An- gaben alle um zwei Jahre herabgerückt werden. Weil eine Angabe auf einer Apisstele zwischen dem 5n Jahre des Kambyses und dem 4n Jahre des Darius einen Zeitraum von 8 Jahren setzt, so wird wegen der Stelle des Herod. I 214 allerdings eine Dilfereiiz zwischen dem Anfang des persischen und aegyptischen Jahres statuiert, dies aber zur Erklärung der Widersprüche über die Regierungszeit des Darius

200 Auszüge aus Zeitschriften.

nicht ausreichend gefunden (wegen III 66), vielmehr angenommen dasz die 7 Monate der medischen Herschaft, weil sie über einen Jahresan- fang hinweggiengen, für ein volles Jahr gerechnet und dies, um die durch Betrug erdichtete Herschaft zu übergehen, im Kanon dem Kam- byses zugelegt worden sei). Haupt: über den althochdeutschen leich vom heiligen Georg (S. 501 512: nach einer eigenen Verglei- chuiig der Handschrift werden die neun erhaltenen Strophen emen- diert). Pinder: über die chronologische Bestimmung des Regie- rungsantritts Justinians (S. 512 514: die in dem Vorworte zur latei- nischen Uebersetzung der H. Sophia und des Ambon von Silentiarius Paulus bestrittene Angabe dasz Justinianus am 1. Apr. 527 als Mit- regent seines Oheims die Regierung angetreten habe, wird auszer anderen Gründen durch die Stelle Procop. bist. arc. c. 9 p. 67 ed. Bonn, als vollkommen gesichert bezeichnet). 26. Oct. J. Grimm: über Runen, welche in Frankreich gefunden worden (S. 527 530 nebst Abbildung: die von Lenormant im Thale der Risle in der Normandie aufgefundenen Runeninschriften werden durch die einigen beigefügten lateinischen Uebersetzungen und das auf einer erwähnte Consulat des Frankenkönigs Chludowig als dem sechsten Jahrhundert angehörig er- >viesen, wenn schon die Form einzelner Buchstaben nordisch ist. Das Vorhandensein der Runenschrift bei den Franken wäre darnach con- statiert). Von der Hagen: Nibelungen. Wailensteiner Handschrift. Mit einem Sciirifibilde (S. 573 588: auszer dem was über die Hand- schrift, die mit der Hohenems-Münchener sehr übereinstimmt, mitge- theilt ist, Avird die Holtzmannsche Widerlegung von Lachmanns An- sichten mit Freuden begrüszt). Spanische Briefe aus dem Ende des 13n Jahrhunderts (S. 630—635: von Hrn. Dr. Pauli aus dem Archive des Tower unter 105 andern Urkunden eingesandt, 9 an der Zahl). 7. Dec. 7 Inschriften von Amorgos und Tanais, eingesandt von Prof. Leontieff aus Moskau und mit einigen Bemerkungen begleitet (S. 683 693 nebst einem Facsimile. Eine Emendation hat Böckli beigefügt). 11. Dec. J. Grimm: über das vorkommen des Wortes 'Wörterbuch' im 17. Jahrhundert (S. 697 f.: als ältestes Datum wird Schottelius in der Vorrede zu seiner ausführlichen Arbeit von der deutschen Haupt- .sprache, Wolfenbüttel 1. März 1663, nachgewiesen). Theod. Momm- sen: Bericht über die Arbeiten an dem Corpus inscriptionum latina- rum (S. 698 700: den besten Erfolg verheiszend und die rühmlichste Thätigkeit darlegend). 14. Decbr. Spiegelthal: über die Fort- setzung der Untersuchungen im Grabhügel des Königs Alyattes (S. 700 703 nebst Abbildungen: Beschreibung der Innern Structur).

R. D.

Allgemeine Monatsschriß für Wissenschaft und Litteratnr. Jahrg. 1854. Schlusz *) (S. Bd. LXX S. 5.^)0).

Octoberheft. Benfey: Skizze des Organismus der indoger- manischen Sprachen. 2r Artikel (S. 713—764, Fortsetzung vom Ja- nuarheft: behandelt wivd die VerbalHexion und gezeigt, wie aus den zahlreicheren Verbalthemen und den an Zahl sehr beschränkten Prono- minalthemen und Interjectionen die Formen durch fünf primäre Mittel, •syntaktische Nebeneinanderstellung, Zusammensetzung, Umlautung, Kinschiebung, Accent, und zwei secundäre, DilTerenziirung und Ana- logie, entstehen). Von Quandt: geben Proportionslehren Auf-

*) Die Zeitschrift ist leider mit Schlusz dos Jahres eingegangen.

1

Auszüge aus Zeitschriften. 201

schlusz über das fjeheimnis volle der Schönheit? (S. 765— 78i: durch eine eingehende Priifun«;; der Werke: Röber: Beiträge zur Erforschung der geometrischen Grundformen in den alten Tempels Aegyptens und deren Beziehung zur alten Naturkenntnis, Carus: die Proportionslehre der menschlichen Gestalt, Zeising: neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers, wird die in der Ueberschrift gestellte Frage vollständig verneint. Auszer vielen Bemerkungen über antike Kunst- werke findet sich die interessante Ansiclit dasz Polyklet in dem Dia- dunienos und Doryphoros wol die äuszersten Grenzen von Jugendweich- heit und Knabenmännlichkeit habe darstellen wollen, dagegen unmög- lich den Versuch machen können den Kanon in einem Bilde darzu- stellen und dasz dieser, wenn er nach den schriftlichen Quellen nicht wegzuleugnen sei, einem spätem Polyklet angehören müsse). Haug: über den ältesten Namen der sogenannten Indogermanen und ihren Stammesgott (S. 785 791 : gegen die wenig passenden Namen wird der jetzt gewöhnlich gewordene 'arisch' als richtig bewiesen, indem er von den beiden ältesten cultivierten Stämmen, den Indern und dem Zend Volke, zu ihrer Bezeichnung gebi-aucht worden sei, aber auch bei den Osseten und im griechischen dgi-, SQt,- sich finde. Der Name wird auf die Wurzel ar, Heerd, zurückgeführt, und von dieser der indische Gott Arjaman, zend Airjaman, der armenische Arme- nak, der deutsche Irmin abgeleitet).

Nu V emberlie ft. Lange: die neuesten Darstellungen der ältesten Zeiten der römischen Geschichte (S. 793—859: eingehende Beurtheilung der Werke von Ger lach und Bachofen, Seh wegler, Peter und Th. Mommsen nach den drei Gesichtspunkten: wie unterscheiden sich die Verfasser in dem Begrilfe dessen , was sie Geschichte der Römer, römische Geschichte, Geschichte, Geschichte Roms nennen? wie un- terscheiden sie sich in ihrem kritischen Verhalten gegenüber der Ue- berlieferung? wie unterscheiden sie sich in der positiven Wiederher- stellung des geschichtlichen Gehalts der Ueberlieferung? Wegen der Verschiedenheit in der Vollendung der Werke beschränkt sich der Vf. zwar auf die Königszeit , greift aber doch auch in einzelnen Punkten über dieselbe hinaus und wenn auch der nächste Zweck nur der ist die Differenzen in den Standpunkten und den sich daraus ergebenden Resultaten nachzuweisen, so enthält doch auch die Abhandlung eigene positive Aufstellungen, z. B. über das römische Königthum, über das Patriciat, die Clientel und die Plebs. Während Gerlachs und Bach- ofens Principien die entschiedenste Verwerfung finden, würdigt doch der Vf. die den von ihm allein für berechtigt erklärten Standpunkt gemeinschaftlich festhaltenden drei anderen Gelehrten in unbefangen- ster Weise und während er Mommsens grosze Verdienste und Leistun- gen sowol in der Auffassung der Aufgabe, als auch in dem Verhalten gegen die äuszere Tradition, namentlich aber in der Darstellung der Civilisation anerkennt und hervorhebt, tritt er doch seiner Recon- struierung der alten Verfassungszustände entgegen und hofft dasz Schweglers skeptische Erwägungen der wolverdienten Autorität und der blendenden Form jenes gegenüber das erforderliche Gegengewicht in der Auffassung des Publicums geben werden). Stier: ist die albanische Sprache eine indogermanische? (S. 869 872: durch eine Behandlung sämmtlicher Zahlwörter und des Verbum substantivum wird die Behauptung gestützt dasz das albanesische zu dem indogermani- schen Sprachstamm gehöre, mit dem Kslavischen viele Analogie biete und weniger jenem Sprachstanime abgewandt sei, als z. B. das arme- nische).— Peez: die Hausmarke im südlichen Deutschland (S. 873 875: das Vorhandensein und der vielfältige Gebrauch im baierschen Hochgebirg wird nachgewiesen).

202 Berichte über gelelirtc Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.

Dece mber lieft. INI ii llen lioff : zur Geschichte der Nibelunge Not. Nebit Anliaiis: die Untersuthuiij;en über das Nibelungenlied von Holtznmnn und Zanicke: zur Frage über die Nibelungen (^S. 877 979: da diese Lachmanii vertheidigende, aber auch selbständig aufbauende Abhandlung im JJuchhandel besonders erschienen ist, so enthalten wir uns eines Auszugs). li. D.

Bericlite über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische

Notizen.

Croatien. Durch allerhöchste Entschlieszuugen vom 21. Nov. und 18. Dec. 1854 sind die Gymnasien zu Essegg, Fiume und Waras- din zu acht Classen vervollständigt und die Genehmigung ertheilt worden, dasz das Mehrerfordernis, beziehungsweise die Besoldung des Lehrerpersonals für FMume nach den Gehaltsstufen der 2n, für Essegg und Warasdiu nach den Gehaltsstufen der 3u Classe von dem croatiscli- slavonischen Studienfonds übernommen werde.

F"riei>land. Wir haben mehrmals ausgesprochen dasz Geschichten einzelner Lehranstalten, abgesehen von dem für sie selbst vorhandenen speciellen Interesse, für die Geschichte der Paedagogik und sofern diese ein Tlieil von ihr ist, der Cultur überhaupt Werth haben. Ueber das Gymnasium in Friedland liegt uns vor: Ein Ihitraf^ zur Geschichte des Fricdläitdischcn Gijinnasiums in Mecklenbuif^-Strelitz , von C Dietrich, Lehrer der Mathemat. an diesem G. Neubrandenburg, 1855 (46 S. 4). Der Vf. hat sich vorzugsweise die innere Entwicklung der Schule zur Aufgabe gemacht und durch IMittheilung wiclitiger Vorgänge, einiger Actenstücke und Lehrpläne sich den Anspruch auf Dank erwor- ben. Wenn auch die Quellen bis ins 19. Jahrhundert herab sehr spär- lich sind, so erkennt man doch dasz die genannte Lehranstalt im allge- meinen ganz denstdi)en Gang durchgemacht hat, wie wol alle nach der Reformation errichteten Stadtschulen des evangelischen Deutschlands. Wir finden in der älteren Zeit die aussrhlieszliche Gründung der Bil- dung auf die alten Sprachen oder vielmehr bei spärlichem bedenken des griecliischen auf das Latein und bei spärlifdien iNIitteln alles auf der Persönlichkeit der Lehrer, namentlich des Rectors beruhend, im vorigen Jahrhundert das eindringen von Realien, namentlich der Natur- kenntnisse, dann das sich herausstellende Bedürfnis einer gesonderten Elementar- und Bürgerschule und die Erweiterung der Gelehrtenschule durch Vermehrung der Lehrkräfte und der Classen zu einem wirklichen Gymnasium, endlich auch hier die von der Zeit erzwungene Einführung realistischen Unterrichts für diejenigen, welche nicht studieren wollen, aber eine höhere Ifildung verlangen (vgl. dse Jhrbb. Bd. JAVII S. 12"2). Die vorliegende Schrift aber hat etwas, was jeden l^estM- unangenehm berühren musz, sie enthält manches persönliche und zeigt eine ge\>isse Gereiztheit des Vf. Das S. 29 erwähnte Verbot des Patronats die Schrift im l'rogramme erscheinen zu lassen und ilie auf dieser un<i der folgenden Seite gegebenen Berichtigungen und Beuierkungen liefern davon i\i'i\ Beweis. Wir sind, weit entfeint von Ort und Stelle, nicht im Stande über die Berechtigung davon zu urlheilen, aber so viel kön- nen und inüssen wir au.-<sprecln'n dasz es nie w(d»lgethan ist, Dilferen- zeu im Schoosze eines Lehrer«;ollegiums an das laicht tler OelVenllichkeit zu bringen, am wenigsten wenn man nicht die Veranlassung derselben in aller Vollständigkeit herausstellt. Liest man S. f., su ^^ird jt'dem

Rcricille über gelcliric Anslallcn, Verordnungen, slalisl. Notizen. 203

iinbefaiifjonen das 'audiatur et altera pars' in die Ohren tönen. Der Vf. Ie»t einen groszen Accent auf den Mangel einer Schulordnung, ob aber eine derartige gesetzliche Vorschrift im Stande sein werde Diffe- renzen im Lehrercollegium zu verhüten und den Geist der wahren Ein- mütigkeit hervorzurufen, ob durch eine lieschränkung der Amtsgewalt des Directors die Einheit besser bewahrt und namentlich die Verschmel- zung des humanen und realen Princips, denn darauf scheint uns des Vf. streben gerichtet, zu einem wirklichen Segen angebahnt sein werde, darüber hegen wir Zweifel. Wir geben gern zu dasz in manchem, was der Vf. beibringt, z. li. in der Anstellung auf Kündigung, ein groszer Uebelstand liege, aber man musz doch immer erst wissen, was dazu gezwungen oder veranlaszt hat. R. J).

OicsTERRElcH. Wir theilen folgende höchst wichtige Erlasse im Wortlaut mit. I) Verordnung des INIi nist eri u ms für Cultus und Unterricht, wirksam für alle Kronläader, vom 16. Dec. 1854. Seine k. k. a. Majestät haben mit allerhöchstem Handschreiben vom 9. Dec. 1854 die in Folge allerhöchsten Auftrags dargestellten Erfahrungen hinsichtlich der Erfolge der provisorischen Organisation der Gymna- sien zur Kenntnis zu nehmen und die Vereinigung der ehedem bestan- denen philosophischen Jahrgänge mit den Gymnasien und demnach die Beibehaltung der achtjährigen Gymnasien mit der an denselben gegen- wärtig eingeführten Lehrmethode und mit den derzeit bestehenden Ein- richtungen überhaupt allergnädigst zu genehmigen geruht, insofern Ab- weichungen nicht durch die nachstehenden allerhöchsten Anordnungen hinsichtlich einzelner Punkte begründet werden. 1) Der Ausbildung der Schüler in der lateinischen Sprache ist besondere Sorgfalt zuzu- wenden, die philosophische Propaedentik ist mit gröszerer Ausführ- lichkeit zu behandeln als es bis jetzt der Fall Ist und dieselbe hat so- dann auch einen Gegenstand der Maturitätsprüfung zu bilden. 2) In Bezug auf die Unterrichtssprache hat als oberster Grundsatz zu gel- ten dasz der Unterricht immer und überall in der Sprache zu ertheilen ist, durch welche die Bildung der Schüler am besten gefördert werden kann, demnach ist sich unter allen Umständen einer Sprache zu bedie- nen, die den Schülern so bekannt und geläufig ist, dasz sie den Unter- richt mittels derselben mit ganzem Erfolge empfangen können : auch da wo infolge dessen die deutsche Sj)rache nicht ausschlieszliche Unter- richtssprache sein kann, ist der Unterricht in allen Gymnasien mit Ausnahme der lombardisch-venetianischen, in dem Masze, als es gründ- licher Bildung dienlich ist, und daher jedenfalls in den höheren Clas- sen vorhersehend. In deutscher Sprache zu ertheilen, welche ohnehin an allen, auch den lombardisch-venetianischen Gymnasien obligater Gegen- stand sein musz. Insoweit es mit diesen Grundsätzen vereinbar ist, können jedoch auch andere Landessprachen als Unterrichtssprache ge- braucht werden. Demgemäsz sind die jeweilig geeigneten Bestimmun- gen hinsichtlich der einzelnen Gymnasien von dem Minister für Cultus und Unterricht zu treffen. 3) Zum Behufe der Erlangung zweckmäszi- ger Lehrbücher, insoferne es an solchen für einzelne Gegenstände oder Classen noch mangelt, hat der Minister f. C. u. U. Programme ausar- beiten zu lassen, welche so zu verfassen sind, dasz darin die Zwecke, der Charakter des Unterrichts und die Ordnung desselben festgestellt erscheinen. Neue Lehrbücher sind der Genehmigung des Unterrichts- ministeriums zu unterziehen und unter den von demselben genehmigten Lehrbüchern ist den Lehrern die W^ahl für ihren Gebrauch, jedoch nur in der Art zu überlassen dasz ein Wechsel des Lehrbuches im Laufe eines Lehrcurses des bezüglichen Gegenstandes nicht stattfinden darf. 4) Im Jahre 1858, wo der bestehende Gymnasialplan in den deutsch- slavischen Kronländern und beziehungsweise auch im Königreiche Un-

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garn während eines achtjährigen Curses zur vollständigen Durchführung gekommen sein wird, ist aus vertrauenswürdigen und bewährten Fach- männern verschiedener Kronländer, sowie aus einigen Facultätsprofes- soren eine Commission zu bilden, welche die Wirkung der jetzigen Gyra- nasialeinrichtung zu prüfen und ihre Anträge über etwaige Verbesse- rungen zu erstatten haben wird. Nach dieser Bestimmung ist bei der fortschreitenden Einrichtung und Leitung des Gymnasialunterrichts im ganzen Reiche vorzugehn und sind die hierzu erforderlichen Anträge nunmehr auf dieser Grundlage zu erstatten. II) Circular des Mi- nisteriums vom 28. Dec. 1854. Die theilweise unzulänglichen Lei- stungen der Gymnasien im Latein, im Vergleich zu den befriedigenden Unterrichtsergebnissen in den anderen Gegenständen, haben zu öfteren Malen das Ministerium veranlaszt die Lehrkörper auf die Maszregeln aufmerksam zu machen, durch deren gewissenhafte Anwendung den be- klagten Mängeln abgeholfen werden soll. Hierher gehören insbesondere die Weisungen, welche mit dem hierortigen Erlasse v. IL iMärz 1854 mitgetheilt worden sind. Es ist daher nicht zu zweifeln dasz darnach die Directoren und die betreffenden Lehrer ihre didaktische Praxis ge- hörig vervollkommnen und in kurzem, sobald auch die Folgen der Ver- säumnisse früherer Zeiten sich nicht mehr bemerkbar machen werden, dahin gelangen ihrer Lehraufgabe den vollständigen Erfolg nach den maszgebenden Bestimmungen des Organisations-Entwurfes zu sichern. Wenn nun auch kein Grund vorhanden ist und es auch bedenklich wäre in dieser Beziehung eine Aenderung vorzunehmen , welche das Lehrsystem in seiner Gliederung alterieren könnte , so erscheint es doch nicht als überflüssig und ist der allerhöchsten Bestimmung ent- sprechend, nichts unberücksichtigt zu lassen, was dazu beitragen kann den bezeichneten Zweck zu fördern, ohne zugleich durch eine Vermeh- rung der Lehrstunden im ganzen die Gefahr der Ueberbürdung der Schüler nahe zu bringen, oder durch wesentliche Beeinträchtigung eines anderen Gegenstandes die Stellung des letzteren in Frage zu stellen. Den angedeuteten Rücksichten dürfte es daher genügen, wenn am Un- tergymnasium, wie es bei der Naturgeschichte der Fall ist, auch die Physik, bei welcher es sich ohnehin nur um die anschauliche Darle- gung des wichtigsten der Fassungskraft der Schüler sich anschlieszen- den Lchrstolfes handelt, auf zwei Lehrstunden in der Woche be- schränkt, und die hierdurch gewonnene eine Lehrstunde in der 3. und 4. Classe dem Latein zugelegt würde. Denn so viel aus den bisherigen Ergebnissen des Unterrichts entnommen wurde, scheint ein Uebcistand hauptsächlich darin zu liegen, dasz das Lehrziel welches vom Organi- sationsentwurfe dem U ntergym nas iu m vorgesteckt ist, nicht voll- kommen erreicht werde, indem geklagt wird, dasz häufig den Schülern des Obergymnasiums zu der Gründlichkeit und P"'ertigkeit im selbstthä- tigen lesen eines Classikers die gehörige grammatische Vorbildung ab- geiie und sie daher nicht dahin gebracht werden können einen für die Classicität dos lateinischen Ausdrucks entwickelten Sinn zu zeigen. Ein anderes Bedürfnis, welches sich in der Verbesserung des allgemei- nen Lehrplans den bisherigen Erfuhrungen zufolge herausgestellt hat, gehört der pliili)sophischen Propaedeutik an , für welchen Gegenstand eine Vermehrung der Lehrstunden daher als notluvcndig erscheint. Die Gliederung des allgemeinen l.,c!irplans gestattet nicht diesen Gegenstand theilweise schon in der 7. Cl. zu berücksichtigen; denn abgeseiien da- von dasz es bedenklich wäre zu Gunsten «iessf^Unn irgend einen andern Gegenstand in seiner keineswegs bedeutenden Stundenzahl zu verkürzen, .stellt hauptsächliih der Umstand im Wege dasz es nicht angienge die Anzahl ehr Lehrfächer noch mit einem neuen (neunten) (Gegenstände zu vermehren. Hingegen wäre es nicht unangemessen und dürfte für

Berichte über gclelirlo Anstallen, Verordnungen, sfatisl. Notizen. 205

(las betreffende Unterricbtsfach auslangen der philosophischen Propae- deutik in der 8, Cl. vier Stunden zu widmen. Der einzige Gegen- stand, auf dessen Kosten diese Aenderung vorzunehmen wäre, könnte das griechische sein. Es entsteht nur die Frage, ob der Bildungs- zweck, welcher mit dem griechischen Unterrichte verbunden ist, durch die Herabsetzung der diesem Gegenstande zugewiesenen Lehrstunden von sechs auf vier in der H. Cl. nicht erheblich gefährdet würde, oder ob dem griechischen nur eine Lehrstunde abgenommen und nebst einer zweiten (Mehr-) Stunde der philosophischen Propaedeutik zugewiesen werden sollte. Im ersteren Falle bliebe die vom O.-E. festgesetzte Gesammtzahl der Lehrstunden unverändert; im letzteren Falle würde sie (mit Einschlusz der zweiten Landessprache) 27 statt '2ß in der Woche betragen. Es ist mir daran gelegen über diese beabsichtigten Modificationen innerhalb der bezeichneten Grenzen ein wolerwogenes, für die Bedürfnisse und thatsächlichen Zustände der Gymnasien berech- netes Urthell von F^achmännern zu erlangen, um der erwähnten aller- höchsten Anordnung gemäsz die geeigneten Masznahmen zu treffen. III) Verordnung des Ministeriums, wodurch die Sprach- verhältnisse an den Gymnasien in Ungarn, Siebenbürgen und der serbischen Woiwodschaft mit dem Temescher Ba- nat geregelt werden, vom 1. Jan. 1855. Auf Grundlage der mit der Verordnung vom 16. Dec. 1854 kundgemachten allerhöchsten Bestim- mungen wird in Betreff der Sprachverhältnisse an den Gymnasien der bezeichneten Kronländer nachstehendes veror<lnet : § Jj» Die deutsche Sprache ist an allen Gymnasien als unbedingt obligater Lehrgegenstaml in allen Classen zu behandeln. § 2. Auch da, wo die deutsche Sprache nicht die Muttersprache der Schüler ist, sind, sobald die Schüler sie insoweit erlernt haben dasz sie sie ohne Schwierigkeit verstehen, Ave- nigstens einige Gegenstände deutsch und auf Grundlage deutscher Lehrbücher zu lehren. Die hierzu erforderliche Kenntnis der deutschen Sprache musz den Schülern auch in Orten, wo dieser Unterricht bisher ganz vernachlässigt wurde, in Zukunft jedenfalls im Untergymnasium beigebracht werden, so dasz unter allen Umständen in der ersten Classe des Obergymnasiums einige Gegenstände deutsch gelehrt werden, deren Zahl von Jahr zu Jahr so zu vermehren ist, dasz die deutsche Sprache in den obersten Classen die vorhersehende Unterrichtssprache sei, und den Schülern auch in ihrer Anwendung auf schwierige Gegenstände vollkommen geläufig werde. Es ist jedoch wünschenswerth, dasz mit dem Gebrauche der deutschen Sprache beim Unterrichte schon im Un- tergymnasium begonnen werde, was schon jetzt keinem Anstände unter- liegen kann, wo die Schüler in der Hauptschule bereits einigen Unter- richt im deutschen erhalten oder wo sie Gelegenheit haben sich diese Sprache als Umgangssprache anzueignen. § 3. Nebst der deutschen Sprache ist da, wo eine andere Sprache Muttersprache der groszen Mehrzahl der Schüler ist, auch diese und ihre Litteratur als unbedingt obligater Lehrgegenstand durch alle Classen des Gymnasiums für alle Schüler zu behandeln. § 4. Für diese Sprache und die deutsche Sprache zusammengenommen sind fünf Stunden wöchentlich zu verwenden, bei deren Vertheilung einerseits auf die zu einer gründlichen Erlernung beider Sprachen erforderliche Uebung, andrerseits auf den Grad der Rückhaltigkeit an bildendem Inhalte der Litteratur Rücksicht zu neh- men ist. § 5. Die Muttersprache der überwiegenden Mehrzahl der Schüler ist als Unterrichtssprache jedenfalls insolange anzuwenden, als nur durch sie ein gründliches Verständnis vermittelt werden kann, sie kann aber auch noch weiterhin bei dem Unterrichte angewendet wer- den, inso^^eit es mit der sub 2 erthellten Vorschrift vereinbar ist. § 6. Mehr als zwei lebende Sprachen können niemals an einem Gvm-

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nasiiim als Unterrichtsspraclien gebraucht werden. Eine dritte lebende Sprache dar! für Schüler, welche darin noch keine Kenntnis besitzen, nicht früher als in der er.sten Classe des Obergyixinasiums als Lehr- gegenstand eintreten. §. 7. Die obligaten Sprachfächer (§. 1 u. 3) bilden auch einen unerläszlichen Gegenstand bei den V'ersetz- und den Maturitätspriit'ungen und kein Schüler kann für reif erklärt werden, der nicht beider Spradien bis zu dem Grade des grammatisch und syntaktisch richtigen Gebrauchs derselben in Schrift und llede mäch- tig ist. §. H. Bei dem Sprachunterrichte ist überhaupt, insbesondere aber da, wo zwei lebende Sprachen obligater Lehrgegenstand sind, so viel als möglich eine vergleichende Methode anzuwenden und ist die Verglei('hung dieser Sprachen niciit nur unter einander, sondern auch mit den classischen Sprachen durchzuführen, zu welchem Ende sobald als möglich entweder die lateinische oder griechische Sprache auf Grundlage einer deutschen Grammatik zu lehren ist. ^^ 9. Die Bestim- mung, in welcher Weise die voranstehenden Grundsätze an den ein- zelnen Gymnasien mit Rücksicht auf die thatsächlichen ^"erhältnisse zur Geltung zu bringen sind, bleibt dem Rlinisterium für Cultus und Unterricht vorbehalten. §. ]0. Keinem Gymnasium, welches den vor- anstehenden Grundsätzen gemäsz sich nicht einrichtet oder in dieser Einrichtung nicht beharrt, kann der Charakter der Oeffenllichkeit und das Recht staatsgiltige Zeugnisse auszustellen zugestanden oder be- lassen werden. §. II. In Zukunft kann kein Lehrer an einem Gymna- sium angestelltr werden, welcher nicht in gesetzlicher Weise die Be- fähigung erprobt hat, sich der an dem fraglichen Gymnasium einge- führten Unterrichtsprachen zu bedienen und welcher demnach nicht auch wenigstens eine für die von ihm gewählten Lehrfächer ausrei- chende Kenntnis der deutschen Sprache und Litteratur besitzt. I\) Erlasz und Verordnung des INIinisteriums, die Schulferien der Gymnasien betr., giltig für sämmtliche Kronländer mit Ausnahme des lomb. venetianischen Königreichs und der Militärgrenze, vom IJ. Dec. 1854. Seine k. k. a. iMajestät haben mit allerhöchster Entschlie- szung vom 6. Dec. 1854 allergnädigst zu genehmigen geruht, dasz in Betreu' der Schulferien an den Gymnasien naclistehende Bestimmungen festgesetzt werden: Jj. 1. Jm Laufe des Schuljahrs sind auszer den Sonn- und Festtagen vom Unterrichte frei folgende Tage: a) zu Weihnachten der 24. Dec; b) im Fasching der letzte Montag und Dienstag; wo jedoch mit dieser Ferialzeit das erste Semester (§. 4) gesclilossen wird, ist derselben auch der Aschermittwoch und der dar- auf folgende Donnerstag beizugeben; c) zu Ostern vom iMittwoch vor bis einschlieszlich zum Dienstag nach dem Ostersonntage; d) wöchent- licli die Nachmittage am IMittwoch und Samstag oder statt derselben nach Umständen der ganze Donnerstag; e) vier Tajze im Laufe des Schuljahres, an welchen dem DIrector des Gymnasiums eingeräumt wird hei auszerordentlichen .Anlässen Ferien zu gewähren, jedoch mit der Beschränkung, dasz diese Ferialtage ohne zureichenden Grund nicht gewährt werden und weder in eine ununteihrocheue l''(dge fallen, noch «lazu benützt werden die oben bezeichneten Feriengrenzen (a— d) zu erweitern. §. 2. Die Haupt- oder Herbstferien dauern zwei Monate. An jenen Gymnasien Galiziens und der Bukowina je<l«ich, an welchen wegen der (Jeltung des <loppelten kirchlichen Kalenders mit ilücksicht auf die namhafte Frecjuenz vi»n Schülern verschiedenen Ki- tus sich eine gröszere Zahl von Felerlagen ergibt, verbleibt es bei der früheren sechswöchcnt liehen Feriendauer. Diese Bestimmung findet auch auf solche Gymnasien In Ungarn, Siebenln'irgeii und der Woi- wodschaft Serbien mit dem Teme.scher Banale An\\enilung, an wel- chem der gleiche Grund dieser Zeitbestimmung vor^allit. ^. 2. In

Berichte über gelehrle Anslallen, Verordmmg-en, slalist. Noiizcii. 207

Betreir der Zeit, in welche die Hauptferien in den einzelnen Kron- ländern und an den Gymnasien lallen, bleiben die früheren gesetzli- chen Anordnungen aufrecht, jedoch mit der Aenderung, dasz an den Gymnasien Galiziens und der Bukowina die Hauptferien in die Monate Juli und August verlegt werden. Demnach fiingt in der Regel das Schuljahr mit dem ]. Oct. an und schlieszt mit dem 31. Juli an den Gymnasien von Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steier- mark, Tirol (mit Ausnahme von Botzen und INIeran), Kärntheu, Kraiu, Croatien und Slavonien (mit Ausnahme von FLume), Böhmen, Mähren, Schlesien, der Woiwodschaft Serbien und dem Temescher Banate, Un- garn und Siebenbürgen, Im Küstenlande, in Dalmatien, dann in Fiume beginnt und schlieszt das Schuljahr um einen Monat später und dauert daher vom 1. Nov. 31. Aug., im Krakauer Verwaltungsgebiete, dann in Botzen und Meran um einen Monat früher und dauert daher vom 1. Sept. 30. Jun, An den Gymnasien, an welchen die Dauer der Hauptferien sechs Wochen beträgt, fällt der Anfang des Schuljahrs und zwar im Lemberger Verwaltungsgebiete und in der Bukowina auf den 1. Sept. an den im §. 2 bezeichneten Kronländern auf den 1. Oct. und der Schlusz des Schuljahrs auf den 15. Juli, beziehungs- weise auf den 15. Aug. §. 4. Das erste Semester ist derart abzu- schlieszen, dasz seine Dauer nicht mehr als fünf Monate betrage; sie kann aber kürzer sein. Demnach wird das erste Sem. an den Gym- nasien, an welchen das Schuljahr mit dem 1. Oct. beginnt, mit den Faschingsferien, welche in diesem Falle fünf Tage dauern (§. 1 b.), an welchen aber das Schulj. am 1. (2.) Nov. den Anfang nimmt, in der Regel mit den Osterferien geschlossen. Gymnasien, deren Haupt- ferien in die Monate Juli und August fallen, schlieszen das erste Se- mester gegen Ende Jänner; zwischen das erste und zweite Semester sind mit Einschlusz eines SonntajiS fünf Ferialtage zu legen. §. 5, Es ist keinem Gymnasium gestattet, einen durch die vorhergehenden Be- stimmungen nicht genehmigten Feiertag eintreten zu lassen und darf die vorgezeichnete Unterrichtszeit, mit Ausnahme der einzelnen dem Gottesdienste vorschriftsmäszig zu widmenden halben oder ganze Tage, weder im Beginne, noch im Laufe oder zu Ende des Schuljah- res irgendwie abgekürzt werden. Daher ist die Besorgung anderwei tiger Schulgeschäfte und namentlich die Abhaltung der Maturitäts , Privatisten und Aufnahmeprüfungen, in soweit sie im Laufe des Schul- jahrs nicht ohne irgend welche Beeinträchtigung der festgesetzten Unterrichtszeit vorgenommen werden können, jedenfalls in den Anfang und den Schlusz der Ferienzeit zu verlegen. Aus dem begleitenden Erlasse heben wir folgende Stelle hervor: Es ist zu empfehlen, dasz die Lehrer ihrem Schülern vor deren Abgange eine zweckdienliche Anleitung zu dem Behufe einer geistigen Beschäftigung während der groszen Ferien an die Hand geben, ohne jedoch daran die Forderung von Leistungen in F'orm exacter Hausaufgaben, über welche die Schule Rechenschaft verlangt, zu knüpfen. Die Erfahrung aus dem Schul- leben hat gelehrt, dasz B'erienaufgaben, welche zu schriftlichen Pflicht- arbeiten gemacht werden, und deren Revision und Correctur überdies zu einer erheblichen und ihrer Wirkung nach kaum ausgiebigen Arbeit für die Lehrer erwachsen würde, die paedagogischen Zwecke eher be- nachtheiligen als fördern , während eine Schule, die es verstanden hat, Interesse für den Lehrstoff und Geneigtheit zur selbstthätigen Fort- bildung in den Schülern zu erwecken, mit leitenden Andeutungen aus- langt, um die Schüler dahin zu bringen, dasz sie sich in dem gelernten auch noch nachträglich mit Befriedigung umsehen, daran Versuche der Vorbereitung für die nächste Classenaufgabe knüpfen und auf diese Weise sich vor den Nachtheilen bewahren, welche sonst aus der gänz-

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2üS ßoriclite über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slalist. Notizen.

liehen Uuterbrethung geistiger Ueschäftigung während der Ferienmo- nate entstehen würden. V) Eine Verordnung des Mini.sterinms vom 1. Jan. 1855, scUärit die rechte Führung und Benutzung der im O. E. §. 115 vorgeschriebenen Normalieubücher (d. h. Sammlung der ergan- genen Verordnungen) ein und macht die Ernennung, Beförderung, Versetzung und Bestätigung von Lehrern van der gewissenhaften Er- füllung der bezeichneten Anforderung abhängig. Zu wirklichen Schul- räthen sind für den Kaiserstaat ernannt worden: für Nieder-Oester- reich die provisorischen Schulräthe Dr. Carl Enk von der Burg und Dr. INI o r. Becker, für Oesterreich ob der Enns der provis. Schulrat h Adalbert Stifter, für Salzburjr der prov. Schulr. Job. Kurz mit Gestattung seiner gleichzeitigen Verwendung in Oesterreich ob der Enns, für Kärntlien der prov. Schulr. Sim. Rud marsch, für Krain der prov. Sihulr. Dr. Frz. Mocnik, für Steiermark der prov. Schulr. Frdr. Riegler mit Gestattung seiner gleichzeitigen Verwen- dung in Kärntlien und Krain, für Triest, das Küstenland und die Grafschaft Görz der prov. Schulr. Vinc. Koren mit Gestattung sei- ner gleichzeitigen Verwendung in Dalmatien, für Tirol der prov. Schul- rath Dr. Job. Köhler, für Böhmen die prov. Schulräthe Dr. Greg. Zeithamnier, Job. Marosch, Frz. Effenberger und der Be- zirkshauptmann Dr. iur. Job. Czerniak, für Mähren der prov. Schul- ratb Dr. Jos. Denkstein, für Galizien die prov. Schulräthe Dr. Eus. Czerkawski und Ed. Linzbauer mit Gestattung ihrer gleichzei- tigen Verwendung in der Bukowina; für das Krakauer Vervvaltungs- gcbiet der prov. Schul rath in Schlesien Andr. Wilhelm mit Gestat- tung seiner gleichzeitigen Verwendung in Schlesien und der Kreiscom- mi.ssär Dr. iur. Andreas Macher, für Croatien und Siavonien der prov. Schulr. Dr. Ant. Jarz, für Ungarn die prov. Schulräthe Dr. th. Abt. Jos. Kozacek, J. Paul Tomaschek, Dr. th. Ign. Nyi- rak, Job. Mikulas und Dr. ph. Michal Haas, dann die Gymna- sialdirectoren Piaristenordeuspriester Dr. tlu u. ph. Job. Grescliner, und Benedictinerordenspriester Sev. Schmidt.

KiImgr. Sächsln. Das Gymnasium zu Zittau hat eine gleiche Einrichtung und Erweiterung für den realistischen Unterricht erhal- ten, wie schon früher das zu Plauen (s. Bd. LXIX S. 580).

Personalnachrichten.

Ernannt oder bestätigt:

Beer, Ado., Supplent am Altstädter Gymn. zu Prag, zum wirklichen Gymnasiallehrer für das Gymnasium zu Eger mit einstweiliger Verwendung an dem erstgenannten Gymn.

Böttcher, Dr. th. et ph. , Tertius an der Krcuzschule zu Dresden, zum Conreclor an dcrs. Anstalt (an Silligs Stelle).

Dragoni, Jak., provis. Director des Gymnasium zu Kaschau, zum wirklichen Director ders. Anstalt.

Frapporti, Dr. Jos., Supplent am Lyccalgymn. zu Vicenza, zum ord. Gymnasiallehrer daselbst.

Vlöfig, Herrn., Schulamtscand. zum ordentl. Lehrer am Gymn. zu Krotoschin.

Jacobi, Dr. th., ord. Prof. der Theologie an der Univcrs. zu Königs- berg , in gleicher Eigenschuft an die Universität zu Halle.

Personalnachrichten. 209

Katkic, Ign., Welt priest er, Supplent am Gymn. zu Agram, zum wirkl. ]jehrer am Gymn. zu Fiume.

Kehre in, J., Gymnasialprof. zu Hadamar, zum Director des Schut- lehrerseminars in Montabaur.

Kern, Frz. G e. Gu., Schulamtscand., zum CoUaborator am Gymna- sium zu Stettin.

Kern stock, Bonif., ßenedictinerordenspr. , zum Religionslehrer am Untergymnasiuni zu Seitenstetten.

Kir.?chl)aum, Gymnasialprof. in Wiesbaden, zum Inspector des na- turhistor. Museums daselbst unter Belassung in seinen bisherigen Functionen.

Kotlins ki, Hilfslehrer am Gymn. zu Ostrowo, zum ordentl. Lehrer an ders. Anstalt.

Kubier, Dr. O. , Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gymn. zu Krotoschin.

Lüttgert, Dr. Gli. Aug., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gymn. zu Sorau.

Marimonti, Dr. ph. Jos., bishJ Lehrer am Communalgymn. zu Monza, zum ordentl. Lehrer am Staatsgymn. Portanuova, an welchem der.s. bisher schon verwendet war.

Märten, Hilfslehrer am Gymn. zu Osti'owo, zum ordentl. Lehrer eben- daselbst.

Mischiato, Job., Weltpriester, Suppl. am Gymn. zu Capo d'Istria, zum wirkl. Gymnasiallehrer ebendaselbst.

Petmecky, Decan und Pfarrer, unter Belassung in seiner bisherigen Stelle, provisor. zum Referenten in Schulsachen bei der herz, nas- sauischen Landesregierung.

Risch, Dr. Ferd., zum Dir. der Realschule in Stralsund.

Rumpel, Dr. Theod. , als Dir. am Gymn. zu Gütersloh bestätigt.

Siegl, Ant. Ed., prov. Dir. des kath. Gymn. zu Leutschau, zum wirkl. Director ders. Anstalt.

Sporer, Dr., Ordinariatsrath in Limburg, zum Prof. am Gymn, zu Hadamar.

Steblecki, Dr. Alb., Weltpriester, Supplent am 2nG}mn. zu Lem- berg, zum wirkl. Gymnasiallehrer.

Tkalec, Jak. Frz., Supplent am Gymn. zu Agram, zum wirkl. Gym- nasiallehrer ebend.

Urlichs, Dr. K. L., ordentl. Prof. an der Univers, zu Greifswald, für den zweiten ordentlichen Lehrstuhl für klassische Philologie an der Univ. zu Würzburg'(S. oben S. 104).

Weber, Dr. Wilh. Ed., Prof. der Physik an der Univ. zu Göttin- gen , zum provis. Director der Stei'nwarte an Gausz' Stelle.

Wolff, Job, Gli. W., Schulamtscand., zum ordentl. Lehrer am Gym- nasium zu Ratibor.

Praediciert :

Lex, Dr., Gymnasialdirector in Wiesbaden, als Oberschulrath. Metzier, Dr., Oberschulrath u. Gymnasialdir. in Weilburg, als Geh.

Regierungsrath, Müller, Schulrath und Dir. des Realgymnasiums in Wiesbaden, als

Oberschulrath. Röscher, Dr., ord. Prof. des Staatsrechts an der Univ. zu Leipzig,

als Hofrath.

Pensioniert oder entlassen: Boczek, Frz., Lehrer am Gymn. zu Brunn,

210 Persoiialnachrichten.

Hantschke, Dr., DIrector am Gymn. zu Wetzlar.

Kapp, Dr., Prof. und Oberlehrer am Gyiiui. zu Soest (ist nach Zürich

übergesiedelt um dort ein Institut für IMädchen einzurichten). Zell, Dr. K., Geh. Hofr. und Prof. an der Univ. zu Heidelberg.

Gestorben:

Am 24. Nov. 1854 auf der Insel S. Lazaro zu Venedig der Mechitarist P. P aschal Aue her, aus Anciria in Armenien, im 83 Lebensj., bekannt als Lexikograph und 8prachkenner.

Am 28. Debr. 18j4 zu Prag Dr. Joh. Prawoslaw Koubek, seit 1840. Prof. der böhm. Spr. und Litt, an der das. Univ.

Am 12. Febr. 1855 in Berlin der k. Hofrath Prof. Karl Stein im 82n Leben.sjahre.

Am 20. Febr. zu Paderborn der Justizrath Wilh. Rosenkranz, Vf. der Verfassung des Hochstifts Paderborn, der Gesch. der Grfsch. Rietberg und der Lebensbeschreibungen Mor. von Bürens und des General Spork.

Am 23. Febr. zu Göttingen der Geh. Hofr. und Prof. Dr. K. Frdr. Gausz, geb. am 30. Apr. 1777 zu Braunschweig, seit 1807 Prof. und Director der Sternwarte zu Göttingen, einer der bedeutend- sten INIathematiker und Astronomen aller Zeiten.

Am 3. JMärz zu Köln der Dir. des dortigen kathol. Gymn. Prof. Eng. Jac. Birnbaum.

Am 16. März zu Meersburg am Podensee Freiherr Joseph vonLasz- berg, bekannt durch seine Verdienste um die Litteratur des deut- schen Mittelalters.

Der ord. Prof. der Theol., Consistorialrath und Abt zu Bursfelde Dr. Gottfr. Christ. Frdr. Lücke, dessen Tod wir oben S. 158 gemeldet haben, war geb. zu Egeln bei Magdeburg am 23. Aug. 1791 und seit 1827 in Göttiugen.

Zweite Abtlieilung

herausgegeben von Rudolph Dictsch.

13.

Elementa Latinitatis in etymologischer Ordnung für die beiden untersten Classen gelehrter Sclmlen bearbeitet von Dr. Adolf Hauser. Karlsruhe bei Chr. Th. Groos. 1854. *)

Das so betitelte Buch enthält auf 71 Seiten alphabetisch geord- nete Stammwörter nebst ihren gangbarsten Ableitungen, die in 51 Pensa , von denen jedes 4 bis 5 Stammwörter nebst ihren Derivatis enthält, eingetheilt und zugleich mit der erforderlichen Phraseologie versehen sind. Dasselbe ist zwar^ wie der Vf. im Vorworte sagt, für einen bestimmten Zweck gearbeitet, um nemlich auf das etymo- logische Schulwörterbuch Kärchers, welches an den badischen Ge- lehrlenschulen zum auswendiglernen für die drei mittleren Jahres- curse vom lln bis zum 15n Lebensjahre der Schüler eingeführt ist, vorzubereiten und den für die beiden untersten Klassen vom 9n bis zum lln geeigneten Lehrstoff zu liefern; da dieser Zweck indes, wie der Vf. selbst erk^irt, nirgends so hervortritt, dasz er der ander- weitigen Brauchbarkeit des Buches Eintrag thäte, so darf es auch, ohne Rücksicht auf diesen besonderen Zweck, vom allgemeinen pae- dagogischen Standpunkte aus beurtheilt werden.

Die Nothwendigkeit, mit dem grammatischen Cursus des lateini- schen Sprachunterrichts gleich von vornherein auch ein methodisches Vocabellernen zu verbinden, wird jetzt wol ziemlich allgemein aner- kannt und factisch auch durch die Menge der in neuerer Zeit zu die- sem Zwecke erschienenen Vocabularien und Gedächtnisbucher von denen mir auszer dem zu beurtheilenden die von Wiggert, Nadermann, Maultzsch, Meiring, BischoiT, Herold und Döderlein vorliegen be- zeugt. Was nun aber die Einrichtung solcher Bücher betrilTt, so kommt hiebei zunächst das Princip der allgemeinen Anordnung in

*) Obgleich wir bereits eine Beurtheilung des vorliegenden Buchs gebracht haben oben S. 80 IF. , so wird doch die Wichtigkeit der gegen- wärtig schwebenden paedagogischen Frage die Aufnahme einer zweiten rechtfertigen. D. Red.

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. LXXII. /fft. 5. 17

212 Ilaiiscr: Eleiaenla Latinitalis.

Frage. In dem Hauserschen Buche ist, wie mit Ausnahme des Bi- scholTschen Gedächtnisbuches in allen genannten, die etymologische gewählt. Und dasz diese ein trelTliches Mittel zur Gymnastik des Geistes liefern und somit vorzugsweise der Bestimmung des Gymna- siums entspreche, darf nicht geleugnet werden. Dennoch aber können wir in Büchern, die wie das vorliegende für die untersten Klassen bestimmt sind, eine solche Anwendung nicht billigen. Wie ncmlich die Gymnasien selbst, je weiter nach oben hinauf, desto mehr und entschiedener die Idee eines Gymnasiums darzustellen und zu ver- wirklichen haben, so müssen auch die für sie bestimmten Schulbücher den eigentlichen und volleren Gymnasialcharakter erst nach den mitt- leren und oberen Klassen hinauf an sich tragen. In den unteren musz die Reflexion entschieden zurücktreten und Anschaulichkeit die vor- hersehende Form der üarstellung sein. Die etymologische Anordnung ist nun aber vorzugsweise auf ReÜexion gegründet, auf Reflexion über einen Stoff, den der in eine Sprache eben erst einzuführende Knabe noch nicht hat, sondern mit der Reflexion selbst erst gewinnen soll, und es fehlt diesem daher wie der Sinn und das Bedürfnis, so auch das Verständnis für dieselbe. Das Wort vielmehr als solches, nach seiner physischen Seile gefaszt und nach der Gesamtheit seiner Töne mit dem entsprechenden Worte der Muttersprache verglichen, ist es, was zunächst das Interesse des Knaben erregt, einen vollen sinn- lichen Eindruck auf ihn macht und eine kräftige Anschauung hervor- ruft. Mit dem r ealen Principe musz daher beim Vocabelleruen der Anfang gemacht werden, und wer es je mit seinen Schülern gethan, wird wissen, wie gern sie gerade die ihnen so gebotenen Vocabeln lernen und wie viel leichter sie lautlich ganz verschiedene Wörter behalten z. B. , equus , asinus, camelus, als solche, die nur durch, nicht einmal auf bestimmte Regeln zurückgeführte Endungen unter- schieden sind, z. B. equus, eques, equito. Hat, nun der angehende Lateiner sibh auf diese Weise einen gewissen Tact für Klang und Tonfall der lateinischen Wörter angeeignet, dann scblieszt sich hier- . an gleichÄtitig mit dem nun beginnenden grammatischen Cursus na- turgemäsz ein diesen vorbereitendes und zugleich begleitendes Vo- cabellerncn nach dem grammatischen Principe. Der Schüler hat hier eine -Masse gleich endender und deshalb leicht ins Gehör fallender Wörter vor sich, er erkennt bei jedem derselben sofort den Zweck, zu dem er es lernt, und kann jedes sofort auch für die Regel, die er gelernt hal, anwenden. Ist dieser die Flexionslehre umfassende Cur- sus beendigt, dann erst hat der Knabe die grainmalische und lexica- lische Grundlage, welche die nolhwendigo Bedingung zum wachwer- den seines Interesses an der Formationslehre ist, und nun auch erst, also von Quarta oder frühestens von Über-Ouinia, wird daher das c tymo I ogi s che Vocabellerne.i für ihn eine wahre, ihn zugleich erfreuende und fördernde Gymnastik des Geistes sein *). Und dasz

*) Die Grundziige des oben ausgcführlcu Ganges 'beim Vocabellcr

Häuser: Elementa Latinilalis. 213

in der That mit diesem nicht angefangen werden könne geben selbst alle die, welche dem Anfänger gleich etymologisch geordnete Voca- bularien in die Hände geben wollen, factisch dadurch zu, dasz sie für den Gebrauch derselben die Anweisung geben: der Lehrer solle zuerst, bei Döderleins Buch ein Jahr, bei Hausers ein Vierteljahr hin- durch nur Stammwörter lernen lassen. Mit diesem unwillkürlichen Abfall vom Principe ist nun aber freilich zugleich der grosze Ucbel- stand verbunden, dasz der Knabe Vocabeln lernen musz, die nach gar keinem Principe geordnet sondern blosz nach dem zufällig über- einstimmenden Anfangsbuchstaben zusammengestellt oder vielmehr, weil ja noch viele andere erst später zu lernende dazwischen treten, zur noch gröszern Erschwerung des lernens auseinandergerückt sind; bei Döderlein z. B. abies^ acuere^ adulari^ aeger ^ aequus , aer usw. bei Hauser: actio, ago , alo , ango, arceo usw. In den meisten jener Bücher sind überdies, um die Stufenfolge der zu erlernenden Voca- beln kenntlich zu machen, allerhand Zeichen angewandt. Wiggert hat Hände, Sterne und Zahlen, Hauser Sterne. Diese Zeichen wirken aber zunächst schon unangenehm auf das Auge, lenken überdies die Aufmerksamkeit von der Hauptsache ab und stören das Gefühl des etymologischen Zusammenhanges. Döderlein hat mit richtigem Tacte diese Zeichen verschmäht und seinem Buche dadurch schon äuszerlich den Vorzug eines reinlichen und einladenden Aussehens verschafft.

Ein zweiter Punct, der bei einem Vocabular in Betracht kommt, ist die Aus wähl des aufzunehmenden Stolfes. Hauser hat als Stamm- wörter blosz Verba aufgenommen, z. B. im In Pensum: acuo, ago, alo , ango^ während die Nomina: abies, aedes, aeger , aequus^ aer, aes, ager, alo, alaiida, albus, amnis, animus, atinus nebst ihren Derivatis ausgeschlossen sind; weshalb, wird nicht gesagt, aus dem speciellen Zwecke des Buches geht es auch nicht hervor, und aus der Sache selbst läszt sich so wenig ein Grund dafür auflinden, dasz von

nen habe ich bereits in meiner Programm-Abhandlung v. 1850: 'die Anschauung als Grundlage alles Unterrichts, mit besonderer Anwen- dung auf die Erklärung der lateinischen Sprache' angedeutet. Wenn ich aber auch in der zweiten Ausgabe meines lat. Elementarbuches gleich mit dem grammatischen Vocabellernen beginne, so leitete mich dabei die Ansicht, dasz das Vocabellernen nach einem realen Principe dem eigentlichen Gymnasialunterrichte schon vorausgehen müsse. Am besten nemlich werden jene ersten Vocabeln spielend ge- lernt und mehr durch hören als sehen und lesen. Da sich indes nicht jedes Kind in der glücklichen Lage befindet, durch lebendige Mitthei- lung im Umgange und Verkehre mit erwachsenen Vocabeln lernen zu können, so dürfte ich mich bei einer etwa nöthig werdenden neuen Auflage jenes Buches veranlaszt finden, dem grammatischen Cursus eine nach realem Principe geordnete Sammlung von Vocabeln vorauf- zuschicken. Diese würden aber nothwendig auf eine mäszige in weni- gen Wochen, am besten schon in der Vorbereitungsschule zu lernende Zahl zu beschränken und vorzugsweise dem sinnlichen Gesichtskreise zu entlehnen sein.

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214 Ilauscr: Elemcnla Lalinilalis.

liier aus vielmehr entschieden dag^egen Einspruch gelhan werden uiusz. Im Salze zwar ist das Siibslanlivum das starrere und abstrac- tere, das Verbum dagegen das flüssigere, conct eiere und lebendigere Element. Anders aber beim Vocabel lernen. Hier ist umgekehrt das ^omen und vorzugsweise das Substaniivum, eben weil es ein in sich abgeschlossenes Bild vorführt, das für den Knaben faszlichcre, an- schaulichere und zu Bezeichnungen im Leben verwendbarere, wäh- rend das Verbum ihm mit seiner nur im Zusammenhange Sinn und Verständnis habenden Handlung als etwas abslractes und nicht recht brauchbares enlgegentrilt. "Wie aber die "S^'ahl nur der Vcrba, so können wir auch die Auswahl unter diesen selbst deshalb nicht bil- ligen, weil wir durchaus keinen Grund einsehen, warum der Vf. so vielen der gebräucliliclislen regelmässigen Verba, als: amo^ uro, au- dio, clanio , cletieo , duleo, et/eu , crro , festiiio , (jubcnio^ (lusto , lior- lor, laudo und vielen anderen die Aufnahme versagt und dagegen vorzugsweise den unregclmäszigen, als: «/o, ardeo, audeo, augeu^ cado , caedo, cano , capto usw. dieselbe vergönnt hat. .Wie aber nach dieser Seite hin das Buch zu wenig gibt, so nach einer anderen zu viel. Was soll der neunjährige, eben Latein anfangende Knabe mit den ungebräuchlichen Stammwörlern fendo^ ßigo^ lavio, leoj nnoy perio^ pleo, speciu, sueo, temno? was mit den ebenfalls ungebräuch- lichen Nebenformen cubavi, domatu., fulijcre, hausivi^ hdusitum und hausumy elexi , metitus, necui, ostis sum^ peiji? y\as mit den ortho- graphischen Doppelformen haeres und heres, allicio und ad/icio, iii- lelligo und inlellego, nefjligo und neglego , loquiilus und loctiliis, moe- reo und maereo , ningit und ninguil, plaustmm und ploslrum, nrgeo und tirgueo, everto und evorlo, rererto und revorlo? was endlich mit den zum Tlieil sogar lateinisch gegebenen synonymischen Unter- scheidungen wie: ^ ciipio begehren (leidenschaftlich), vel/e (ruhig); dico sagen von der künstlich berechneten Hede, lu(jui vom gewöhn- lichen Gespräch; lo(jiü sprechen 0])p. tacere^ mulum esse ; insulcnlia Uebermut, als Misbrauoh der Ueberlegenheil, supcrbia Stolz, opp. modcsiia; splcndere glänzen (arle^ ut aurum: fulgeiit, quae natura lucem habent); contemnere geringschätzen (^conlemninius magna, opp. timcre, despicimus mfra nos posilay? Alles dieses dient nur dazu, den Knaben zu verwirren, das gebräuchliche über das unge- bräuchliche vergessen zu lassen, zu falschen Anwendungen zu verlei- ten und an ein mechanisches nachsprechen zu gewöhnen. Dödorlein ist in allen diesen Punkten, treu den gesunden und vortreiriichon Grundsätzen, die er in seinen Erleulerungon entwickelt iial, taclvol ler und praktischer gewesen; und wie er nach der einen Seile hin auch für den Anfänger mehr gegeben hat, so hat er nach der anderen, trotzdem dasz sein Buch auch für die spätem Klassen und Lebensaller berechnet ist, sich eine weise Beschränkung aufgelegt und jene selt- neren Slammverba, die in dem Hauserschen Buciie mit Sperrschrift als gleich zuerst auswendig zu lernende vorgeführt sind, mit kleiner Schrift und in Klammern drucKvu lussvn, die scUncicu Vcrbalformon

Ilauser: Elementa Laliiiilutis. 215

aber ganz unerwähnt gelassen, auch von den orlliograpliischen Doppel- fornicn nur die gcbränclilklic aurffcuommcn und endlich fast nirgends Synonymik gcocbcn, sondern den Unlersciiied synonymer Wörter durch eine '^ den slren<>slen Ansprüchen der Kyriologie ' genügende Uebersclzung dem Gefühle des Schülers nahe gebracht, llinsiclillicli des letzten VunUles meint llr. Ilauser zwar: 'jedenfalls sei das Alter bis zum fünfzehnten Jahre die Zeit, wo dem Knaben eine stufenweise sich eröffnende Hinsicht in die synonymischen Sprachunlerschiede schon an und für sich wahrhafte Erkenntnisfreude zu bereiten vermöge, später wende sich seine Vorliebe mehr den Sachen und dem stofflich interessanten zu.' Nach meiner Erfahrung aber, die durch die Natur der Sache bestätigt werden dürfte, ist gerade das spätere Alter das- jenige, für welches die Synonymik von Interesse und Nutzen ist. Der Schüler in den unteren Klassen spricht die ihm gegebenen Unter- schiede nach und gewinnt ein todtes Gut an ihnen, der in den oberen fühlt und denkt sie nach , das dunkel geahnte wird ihm durch sie zum klaren Bewnstsein, und das ist der Gang der Natur, und nur wo die- ser befolgt wird, kann in Wahrheit von Erkennlnisfreude die Rede sein. Fraglich kann nun aber noch hinsichtlich der Auswahl des stofflichen sein, ob die Bezeichnung der Declination und Conjugation durch Zahlen und Flexionsendungen für den Genetiv, das Perfeclum, Supinum und den Infinitiv, sowie die des Genus hinzuzufügen sei. Der Vf. des vorliegenden Buches hat es, mit einziger Ausnahme der Vcrba der In Conjugation, die blosz mit der Praesens-Eudung aufge- führt sind, gethan. Und doch durfte er es, bei der Bestimmnng und Einrichtung seines Buches , gerade am wenigsten thun. Der viertel- jährige Lateiner soll dasselbe zu benutzen anfangen. Mit welcher ir- gend wie rationellen grammatischen 3Ietliode nun will der Vf. es ver- einigen, dasz jenem zugemutet wird von den ihm gleich zuerst dar- gebotenen'Verbis acuo^ f'QO ^ fjlo, (H'OO^ arceo, ardeo, aiigeo, audeo, biho ^ cado, caedo usw. sofort auch die Perfect- Supin- und Infinitiv- formen milzulcrnen? Döderlein hatte in den beiden ersten Auflagen seines Vocabulars weder den Substantivis noch den Verbis derar- tige Bezeichnungen beigefügt, in der 3n hat er sich '^ auf vielfachen Wunsch achtbarer Schulmänner' entschlossen es, wicwol mit eini- gen Einschränkungen, zu thun. Sollte aber diesem Wunsche doch wol nicht eine momentane Verkennung der eigentlichen Bestimmung eines solchen Vocabulars zum Grunde liegen und Döderlein zum Schaden der Sache selber ihm seine Ueberzeugung geopfert haben? Ein Vocabular, und namentlich Döderleins Vocabular ist nicht darauf berechnet, dem Schüler ohne weiteres zum freien Gebrauche in die Hände gegeben zu werden, damit er sich etwa daraus auf ein Stück in seinem Lesebuche vorbereite, in~welchem Falle eine auf das unge- wöhnlichere sich beschränkende Bezeichnung des Genus, der Decli- nation und Conjugation ihren Sinn und ihre Berechtigung hat, son- dern es soll gemeinschaftlich vom Lehrer mit dem Schüler durchge- nommen und dabei' als Vehikel zur Gymnastik des jugendlichen Gei-

216 Häuser: Elementa Lalinitatis.

stes benutzt werden. Wozu also hier jene Bezeichnungen? Ist das vorkommende Wort nach seinem Genus und seiner Flexion dem Schü- ler aus seinem bislierigen grammatischen Unterrichte noch nicht be- kannt, so ist es gewis nicht gerathen, ihn in so sporadischer zufäl- liger Weise damit bekannt zu machen; es verwirrt und stört ihn nur, statt ihn sicher und fest zu machen und nimmt ihm zum Theil auch die Freudigkeit des lernens; denn hier tritt das ein, was Döderlein neulich in Altenburg gesagt hat: ^Wenn der Knabe hurt, dasz tempus die Zeit bedeute, so freut er sich; wenn er aber hört tempus, tem- poris, so freut er sich nicht mehr; denn dies bewahrt ihn nur vor einem Fehler, worüber sich niemand freut, während jenes ihm etwas neues bietet'. Ist es ihm aber bereits bekannt und da Döderleins Buch sich vorzugsweise zum Gebrauch für die initiieren Klassen eig- net, so wird dies fast durchweg der Fall sein nun so freue man sich, dadurch ein Mittel mehr zur Uebung der geistigen Kräfte zu haben und mute dem Schüler die Anstrengung zu, das schon gelernte in seinem Gedächtnisse wach zu rufen; vermag er dies nicht oder irrt er sich, so ist dann ja eben der Lehrer da, um seinem Gedächlnisso zu Hilfe zu kommen und dem falschen auf der Stelle das richtige ent- gegenzuhalten. Gewis werden daher mit mir auch manche andere Schulmänner schmerzlich die frühere Einrichtung des Buches vermis- sen und sich freuen, wenn der wie um die Wissenschaft so um die Gymnasialpaedagogik so hoch verdiente Mann sich bei einer neuen Aullage des Buches zu ihr zurückzukehren entschlieszen sollte.

Ein dritter Punkt ist die den Vocabeln beigegebene Bedeu- tung. Der Vf. unseres Buches hat die Grundbedeutung vorangestellt z. B. prodiijere: heraustreiben, certiere: absondern, ininari : empor- ragen, minax: hoch, steil, nu'nae: die Zinnen, mulu: wegbewegen, mit dem Beispiele : se non miifare loco , purere: erscheinen, repre- hendere: zurückhalten, rapere: schnell und gewaltsam firssen, ro- strum: Nagewerkzeug, tentare: berühren. Döderlein stellt dagegen die Hauptbedeutung d. h. die üblichste voran, was, wie er in den Erleuterungen sagt, zwar nicht wissenschaftlich aber für den rein praktischen Zweck des Vocabulars das allein zweckmäszige sei. Und der praktische Schulmann wird ihm beipilichten. Dem vorgerückten Schüler ist es eine Freude, wenn er für die ihm längst bekannten und fast allein gebräuchliciien abgeleiteten Bedeutungen eines ^\'ortes nun auch die fast ganz untergegangene Grundbedeutung desselben erfährt und so das herauswachsen jener Bedeutungen aus dieser denkend nachfühlen kann, den Anfänger aber beirrt es nur und verleitet ihn wieder zu falschen Anwendungen, ohne ihm den genuszreichen Nutzen zu verscIialTen , den die spätere, rechtzeitige Erkonnliiis der Wahr- heit mit sich führt. Ueberdies koniuun in dem llauserschen Buche auch mehrere UngtMiaiiigkeitcn in der Any^iibe der Bedeutungen vor wie; acccndo und iticcndoy beides anzünden, statt: anzünden und entzünden; aufugio und eß'ngioy beides: enlllieiien, statt: davon flie- hen und eniniehen ; fittnjor und defutnjor , beides : mit etwas fertig

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Hauser: Elemeuta Latinitatis. 217

werde», was doch el)cnfalls nur zu einem, dein zweiten, paszt; fer- vere mit der Grundbedeutung: glühen, statt: sieden; caedere: opfern statt: schlachten, da der Begriir des opferns erst durch viclimam hin- zukommt; nili: sich anspannen statt: sich anstrengen.

Es liegt uns nun noch als vierter Gegenstand für die Beurthei- lung des Buches die Seite vor, welche ihm vor den meisten anderen Vocahularien eigenthümlich ist, die phraseologische. Zunächst ist nun aber hier wieder eine Principienfrage zu entsciieidcn: ob nem- lich die Hinfügung einer Pliraseologie für derartige Bücher überhaupt sachgemäsz und zweckdienlich sei. Das lexicalische 3Iulerial, sagt man, musz sofort zur Verwendung gebraciit werden, weil es dadurch erst lebendig und anschaulich w ird , und deshalb musz den Vocabeln eine Phraseologie hinzugefügt werden. Man kann aber jene Behaup- tung zugeben, ohne die ^'olhwendigkeit dieser Folgerung anzuerken- nen. Legen wir die oben genannten drei Stufen des Vocabellernens zu Grunde, so bietet sicii für die erste, vom Inhalt entlehnte, die sich der Natur der Sache nach vorzugsweise auf Substanliva beschränken wird, bei jedem Schritt und Tritt, so zu sagen, die Anwendung von selber dar. Ueberall erblickt der Knabe die Gegenstände, für die er die lateinischen Benennungen gelernt hat, und diese anzuwenden ist ihm selbst die gröste Freude, sobald ihm nur die geringste Aufforde- rung und Gelegenheit dazu gegeben wird. Die zweite grammatische Stufe erhält in der vollständigsten Weise ihre Anwendung durch das die Grammatik begleitende Lesebuch. Kommt dann endlich der Schü- ler etwa in Quarta zur letzten, etymologischen Stufe, so hat er be- reits einen gewissen Vorralh von Kedensarten auf der vorhergehen- den Stufe gesammelt, durch die nun hinzutretende Leetüre des Nepos oder eines anderen neuen Lesebuches nimmt derselbe von Tag zu Tage an Umfang zu, und da, denke ich, ist es denn doch bildender und die Gymnastik des Geistes, die ein Hauptzweck eines solchen etymologischen Vocabulariums ist, fördernder, wenn der Lehrer beim durchgehen desselben den Schüler aus dem Schatze seines eigenen Gedächtnisses die erforderlichen Redensarten hervorsuchen oder auch auf der Stelle bilden läszt, als wenn sie ihm im Buche selbst wieder vorgeführt und fertig gegeben werden. Wendet man aber ein, dasz zum festeren haften und zu einer sicheren Aneignung der Redensarten doch auch eine äuszere, dem Knaben immer wieder vor Augen tre- tende Zusammenstellung derselben wünschenswerth sei, so ist das zuzugeben, allein hier findet dann das von Döderlein angeführte Wort Montesquieus seine Anwendung, dasz die grösten Unternehmungen oft dadurch scheitern, dasz man im vorbeigehen noch eine kleinere mit abmachen will. Fügt man einem etymologischen Vocabularium eine nur einigcrmaszen vollständige Phraseologie hinzu, so leidet so- fort, weil die etymologische Uebersicht selbst dann erschwert und die Aufmerksamkeit des Knaben von ihr abgezogen wird, der didak- tische Zweck des Buches. Die Phraseologie erfordert vielmehr für die in Frage stehenden Klassen , von Sexta bis Tertia hinauf, ihre

218 Hauser: Elementa Latinitatis.

eigene Zusammenstellung in eigenen Buchern nach eigenen Katego- rien, Nvie dies Bischoir in seinem lat. Gedächlnisbuclie mit einigem Glücke versucht und dabei mit Recht das Healvocabular zum Aus- gangspunkte genommen hat. Später, und auch schon von Tertia an, tritt dann das Lexicon als die Vereinigung des onomatischen und phraseologischen Theils der Sprache ein, so jedoch, dasz die Zusam- menstellung der Redensarten nach Kategorien von den Schülern selbst noch fortzusetzen ist.

Wenn also das Vocabellernen dem Begriffe der Sache gemäsz, wie wir ihn uns denken, getrieben wird, so dürfen die dazu bestimm- ten Vocabularien nicht zugleich mit einer Phraseologie versehen sein. Das vorliegende Buch weicht nun aber, als etymologisch eingerichtet und doch nur für die untersten Klassen berechnet, von jenem BegrilTe ab; vielleicht ist also für dieses doch die Hinzufügung einer Phra- seologie zu entschuldigen und sogar nothwendig. In gewisser Hin- sicht allerdings; denn die Vocabeln, die in demselben gegeben sind, gehen einestheils nicht Hand in Hand mit der Grammatik und einem grammatischen Lesebuch und hangen anderenlhoils in ihren ersten Pensen, wie wir gesehen, zu sehr in der Luft und entbehren zu sehr jeder Beziehung auf einen gemeinsamen und Licht auf sie werfenden Mittelpunkt, als dasz ihnen nicht irgend eine äuszere Stütze und ein sie einigermaszen noch belebendes Element nöthig wäre. Auf der an- deren Seite aber hat es doch auch wieder sein groszes Bedenken, dem Knaben, der eben erst anfängt, Vocabeln zu lernen, diese ihm unbekannten Gröszen durch andere, ihm ebenso unbekannte erleutern zu wollen. Das erste Wort z. B. , das hier der Schüler zu lernen hat, lautet: acuo^ ui^ utum, 6. schärfen, spitzen, ferrnm, nientein, indti- striam ; das zweite: ago, egi, acluni, 3. 1) führen, treiben, iumenta^ praedum (i. e. pecora), 2) etwas Ihnn, treiben; quid atjis? aliud agendi tempus, aiiud quiescendi. Statt zweier Vocabeln also liat hier der Schüler ganz abgesehen von den verschiedenen ihm noch unbekannten Flexionsformen gleich zwölf zu lernen, jene zwei absichtlich und die anderen zehn noch nebenbei. Wo bleibt da das methodische und wo vollends das etymologische Vocabellernen? lii solche Schwierigkeiten und Widersprüche verstrickt man sich aber, wenn man nicht von einem festen BegrilTe der Saciie ausgeht, sondern auf ein dunkles Gefühl hin dieselbe durchzuführen versiichl.

Sehen wir nun aber auch von dieser Principieufrage ab und be- trachten die Phraseologie des Buches an sich, so können wir die- selbe doch auch dann nicht billigen und sie keineswegs eine gut und zweckmäszig gewählte nennen. Fürs erste müssen wir in ihr die grosze Anzahl der ganz inhaltlosen Beispiele tadeln. Wenn einmal auszer den allgemeinen durch den InUiiiliv ausgedrückicn Redens- arten, wie neuere f'crrum^ agcre iuviciitti usw. auch vollsläniligo Sätze aufgenommen werden sollten, so musten diese nollnvendig einen Inhalt haben, aus dem der Knabe etwas lernen oder woran er seino Freude haben konnte. Statt dessen lesen wir aber bei cogo : vi coepi

Hauser: Eiementa Latinitatis. 219

cogere, utredirel; bei arf|^lo dartlnm: hoc Ha esse, nrfjuam; bei audeo: nunquam est ausiis optare; bei occido zu Boden schlagen: Marcus nie pugnis occidä; bei decipio: novem homines decepit ; bei decerrto: decreram, cum eo valde famiiiariter vivere; bei consulo: Galli, quid agant, consulunl; bei liaereo: in pede calceus haerel; bei iiubo: virgo nupsit ei, cui Caecilia nupta fueraf; bei pereo: parva per iil sorur ; bei interjiciü: eum insidiis interficere studuif, und so geht es das ganze Buch durch, während solche Siitze, die einen belehrenden und allgemein ansprechenden Sinn enthalten, ver- hältnisniäszig nur selten vorkommen. Wie nahe lag es, bei luvo zn geben: manus manum lavat ; dafür: manus lata et coena; wie nahe bei cedo : cede maiori; dafür: ego cedam et abibo, und so in vielen anderen Fällen.

Andere Beispiele sind für den Knaben unverständlich, weil sie entweder aus dem historischen Zusammenhange herausgerissen sind, wie: «////V/o niederschlagen , arbores pondere; claudo einschlieszen, Romanos flumina aut monfes claudebant; corrumpo verderben, fru- menta flumine atque incendio ; rideo: risi nivem afram, oder weil sie über den begrifflichen Horizont des Knaben hinausgehen, wie zu laedo : proprium kumani ingenii est, odisse, quem lueser is; zu me- mini: cui place t, obliciscitur, cui dolet, meminit; zu pendo: in p/ii- losophia res spectatur, non verba penduntur ; andere sind in ihrer Losgerissenheit vom ganzen nur halb wahr, wie zu gaudeo: cum pri- vamur dolore, liberatione omnis molestiae gaudemus, und zu lan- gueo: languet iuventus nee in laudis cupiditate versatur; noch an- dere durch ihren Inhalt überhaupt unpassend, wie zu prodigo: sues in lustra, ut vohitenlur in luto ; zu auf er o: stercus ab ianua; zu sus~ pendo: restem tibi cape et suspende te ; zu sumo: abibis ^ si fustem sumpsero ; zu poto: domus erat pleno ebriortim, totos dies potaba- tur ; zu succenseo: ex perfidia et malitia dii hominibus irasci et suc- censere consuerunt ; zu derideo: per iocum deos deridere. Noch andere passen nicht zu der angegebenen Bedeutung und bedurften eines entsprechenden deutschen Ausdrucks, wie, um von vielen nur einige anzuführen, zu accido: an etwas hinfallen, ad pedes (geiii- bus) alicuius accidere; zu accipio, empfangen, erhalten: iniuriam, dolorem; zu colUdo, zusammen, aneinander stoszen: collidere manus ; zu protno, hervorlangen: promere et exercere iusliHam; zu pro- mitto^ vorwärts schicken: tela, barbam; zu permitto, durchschicken: equos in hoslem, saxa, tela; zupario, gebären.- gallinae ova pa- riunt. Andere enthalten wieder statt der eigentlichen gleich die bild- liche Bedeutung z, B. zu elicio , herauslocken: e terrae cavernis fer~ rum; zu sido, sich niedersetzen: navis coepit sidere; zu insidior: haec sica insidiata Ponipeio est; oder die seltnere und mehr poe- tische, wie tnruo, niederstürzen: ruere rempublicam; zu cande^, glühend sein: haec loca aestale saevissime candent; zu pleclo, wen- den: vilulus monstrabat tauro, quo se modo plecteret, ein so einzig dastehendes Beispiel vom Gebrauche dieses Verbums, dasz die Kri-

220 Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung.

liker zum Theil flecteret eniendiert haben, und von Seiten seiner Pasz- lichkeit dürfte sich dasselbe doch in der That gerade auch nicht für ein Vocabularium empfehlen.

Nach allem diesem müssen wir das ganze vorliegende Buch'fiir ein in der Anlage sowol als in der Ausführung verfehltes erklären und können in demselben , wenn wir es mit dem Döderleinschea Vocabu- larium vergleichen, nur einen Rückschritt in der Methode erkennen.

Wittenberg. Dr. Herrn. Schmidt.

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Die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung vom Stand- punkle der Slolzeschen Stenographie beleuchtet^ mil beson- derer Rücksicht auf Grimms Vorrede zum deutschen Wör- terbnche und Weinholds deutsche Rechtschreibung nebst Proben aus der deutschen Liferahir in rereiufachfer Reclii- schreibnng von Dr. G. Michaelis., Lector der Stenographie an der Königl. Friedrich Wilhelms Universität und Steno- graph bei der Prcussisclten Zweileu Kammer. Berlin, Ver- lag von Franz Duncker (W. Bessers Verlagsiumdlung). 1854. 164 S. 8.

Vorschläge zur Vereinfachung unserer heuligen deutschen Recht- schreibung sind bereits viele und von vielen Seiten iicr gemacht wor- den, so das/, auch der entschiedenste Verehrer derselben die That- sache nicht ableugnen kann, dasz etwas faul sei an der Sache. Denn fänden sich keine Schwankungen, keine Zweifel in der Schreibung, keine Widersprüche zwischen Laut und Zeichen, enlliesze die Ele- mentarschule die Mehrzahl der Kinder orthographisch so eingeschult, dasz sie spüler eine Rechnung, eine Quittung, einen Rrief, eine Ein- gabe fehlerlos schrieben nun dann erschienen alle Vorschläge, alle Neuerungen geradezu widersinnig, da sie ganz zwecklos wären. Aber weitgefehlt, dasz die Elementarschule das eben angedeutcle Ziel erreichte, wovon sich wer in einen Briefeines Mannes aus dem Volke nur einen Blick Ihut, leicht überzeugen kann, selbst die ge- lehrten sind über die Sache keineswegs einig. Es scheint hier dem Gymnasium, obgleicii es zunächst nicht so wie die Volksschule hiebei belheiligl ist, die Rolle der Vermilllung zwischen gelelirlem wissen und der l'raxis der Elemenlarscliule anlioiui zu fallen, da die Lehrer der lelzteren die dazu nölhigen Kenntnisse nicht besitzen, die groszen deutschen Philologen aber an die Einführung der Neuerungen nicht Iland anlegen. Selbst .lacob Grimm hat erst in der neuesten Zeil die ganze Sache wegen Vereinfachung unserer herkömmlichen Ortho-

Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung. 221

graphic für spruchreif erklärt, ohne jedoch die für nölliig befun- denen Verbesserungen in sein deutsches Wörterbuch einzuführen.

Alle älteren Vorschläge zu Aenderungen, alle vor J. Grimm von einzelnen damit gemachten Versuche können wir auf sich beruhen lassen; als Einzelheiten, als neue Willkür für die alte haben sie für uns nur die eine trostlose Bedeutung, dasz sie unter der Jlasse der gelehrten ein tiefes Misirauen gegen alle, auch wol begründete Aen- derungen erzeugt haben. Aber von der historischen deutscheu Gram- matik ist die Verwirrung, die in unserer hergebrachten Rechtschrei- bung herscbt, gründlich dargelegt; sie ist zugleich für alle Aende- rungen maszgebend und diese sind sämtlich nicht sowol Neuerungen, als vielmehr Rückkehr zur älteren, einfacheren, für Kinder und Aus- länder leichteren Schreibweise.

Die Zahl derer, die Vereinfachungen unserer Orthographie wün- schen und diese entweder ganz oder zum Theil in ihren Büchern ver- wenden , wächst zusehends. Ihren rastlosen Bemühungen wird die irthümliche Ueberschätzung unserer Orthographie, das durch frühere planlose, unbegründete Vorschläge erzeugte Mistrauen gegen alle und jede Verbesserung, die Gleichgiltigkeit und die Trägheit weichen müssen; es wird das bessere zum Segen für tausende von Schulkin- dern endlich doch durchdringen.

Auch Hr. Dr. Michaelis tritt gegen diese Feinde der ihm theuren Sache mit seinem Buche in die Schranken; er führt die Stenographie als ßundesgenossin mit auf das Kampffeld. Wir können diese Bun- desgenossin nur willkommen heiszen; sie hat ja so recht eigentlich die Pflicht, überall bei der Hand zu sein, wo es gilt die Schreibung zu kürzen und zu vereinfachen und so das lesen und schreiben zu er- leichtern. Alle der Stenographie unkundigen mögen sich übrigens von der Leetüre des Buches nicht zurückschrecken lassen, weil der Verfasser sich auf den Standpunkt derselben gestellt hat; das Buch setzt überall keine genaue Bekanntschaft mit ihr beim lesen voraus. Wer es nebenbei kennen lernen will, wie die Stolzesche Stenogra- phie keine aus äuszerlichen Zeichen willkürlich abgekürzte Schrift ist, sondern vielmehr ein consequcntes System von Schriftzeichen, das auf der historischen deutschen Grammatik fuszt, der kann es aus dem Buche dieses Stenographen leicht abnehmen.

In der Einleitung des Buches S. 1 8 zählt der Verf. die Schriften auf, die er vorzugsweise berücksichtigt hat *) und spricht sich über das zeitgcmäsze einer Reform unserer Orthographie meist mit Worten J. Grimms und von der Hagens aus. S. 5 sagt er, nach meiner besten Kenntnis von der Sache mit vollem Recht: '^Die Stol-

♦) 1) J. Grimm: Ueber das pedantische in der deutschen sj)rache. 1) Olawsky: Der Vocal in den Wurzeln deutscher Wörter. 3) von der Hagen: Deutsche Rechtschreibung, Aussprache und Sprachgebrauch. 4) Weiühold: Ueber deutsche Rechtschreibung. 5) J. Grimm und W. Grimm: Deutsches wÖrterbuch. Vorrede.

222 Michaelis : die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung.

zesche Stenographie hat die wichtigsten von der Sprachwissenschaft geforderten vereinfacliungen der rechlschreihung bereits mit dem glücklichsten erfolge durchgefürt und die groszartigen ergebnisse der neuron Sprachforschung auf eine eigentümliche und höchst scharfsin- nige weise zum zwecke einer möglichst einfachen, naturgemiiszen und folgerichtigen schriftlichen darstellung unserer nuitlerspracho verarbeitet.'

S. 9 39 handelt vom Vokalismus. Die Verwirrung und die Schwierigkeiten für Kinder und Ausländer liegen beim Vokalismus vornemlich in der Bezeichnung der gedehnten Vokale. Was nun die Dehnung der Vocale l) durch Gemination, aa, ee, oo (S. 11 12) und 2) durch das unorganische /», ah, ili, ieh, e/i , oh, uh , (S. 32 36) anbelrilTt, so verlangt nicht blosz die historische Grammatik den Wegfall dieser ganz willkürlichen und wahrlich nicht leicht zu erler- nenden Dehnzeichen und es herscht in dieser llücksicht unter den Germanisten Uebereinslimmung sondern auch der Sache unkundige werden sich von der Verwernichkcit dieser Bezeichnung und von der Nothwendigkeit der Rückkehr zu der älteren, einfachen Schreibweise, die solche Dehnnüttel durch Gemination oder h fast ganz verschinäiite, leicht überzeugen. Die Grundregel für die Schärfung und Dehnung des Vokals im Nhd. wäre also so, wie sie der Verfasser S. 9 f. an- gibt. Schade, dasz derselbe die Formel ronog, Korcog und r6~i7tog, die Professor Olawsky im Programm des Lissaer Gymnasium l.Sj2 S. 24 aufgestellt, nicht gekannt hat; diese Formel bezeiciinet die Sache kurz und treffend. Nicht blosz das ganze Verhältnis der nhd. Wur- zelvokale zu den älteren, sondern auch zugleich die Grundregel für den nhd. Vokalismus selbst ist durch dieselbe aiisreiciiend angedeulef. Von der Wurzel vortog gibt es im Nhd. nur noch zeitig Fälle, viel- mehr wird sie in unserer heuligen Sprache entweder zu rcörtog d. h. sie wird unorganisch verlängert, oder zu ron^jroi,' d. h. der Conso- nant wird verdoppelt und die alte Kürze durch Schärfung des Vo- kals erhallen *). In manchen Wörtern von derselben Wurzel streiten sich gleichsam im Nhd. beide Principe, nemlich rcoTtog und roTt^rog z. B. ne/ane, nehmen (= tcottoj) und nimmst, nimmt, nimm (=^ TOTCTEog), golh. : ii<ma, nimati, nimis, nimith^ alle ^^= ronog, ebenso: trete, treten, tritt, der Tritt u. s. w. Die Grundregel, wie sie sich aucli durch alle BetnorknuKcn des Verfassers über den nhd. Voka- lismus biiidurch/.iohl, ist abo diese: einfache Consonauz der ^^'urzel bedeutet Debiiung, doppclle Consoiianz Scbärfiini»' des vorannoliondcn Vokals. iMilbin ist im Mal. weder die Geniinalion </i/ noch die Deh- nung h nöthig, sondern vielmehr als eine überllüssige Qual für Kin-

♦) Den Crniid für diese iUirfaliende lOrselieiiimif; in unserer Spra- ciic und S< liicil>unfr siehe bei Olawsky: der Voeal iit den Wurzeln deutscher Wörter 8. 3H 4'), wo beiderlei un«>i';;.iiiiselie Verändfrun- {;('n (rcJjroä und toitnos), die unsern nhd. Diclitern alle als Längen im Verse gelten, Acce n 1 1 an gen genannt werden.

Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung. 223

der und Ausliiiider durchweg zu verworfen. Allerdings haben wir noch ^^ örter mit der ßclonung roitog, nenilich a) ah, an, ob, in (vgl. ' innen, erinnern), von, mit, um, man, hin, un b) Lob, grob. Schlag, Glas, Gras; indes ist zu bemerken, dasz die Wörter unter a) Form- wörtcr sind, für welche das Princip der Gemination nicht consequent durchgeführt ist, und dasz die Kürzen o und a in den Wörtern unter b) wol nur landschafllich sind, S. Grimm Grammatik I 214. 3e Aus- g\ibe. Schlimmer steht es mit den Ausnahmen von der Formel zön- TTog. Es gibt nomlich im Mid. auch Fälle, die wir in Bezug auf Aussprache und Schreibung mit rtoTCTCog bezsichnen müssen d. h. auf ge deh n ten Vokal folgt Doppelconsonanz z. B. Art, Ilcrd, Geburt, Trost (S. 9 u.). Dies gilt insbesondere von Silben, in denen der letzte Consonant ein Zungenlaut (t, d, s, z) ist. Zu den von dem Verf. verzeichneten füge ich noch: erst, Erz, Krebs, Magd, nächst, Obst, nebst, Papst, Pferd, Probst, Spatz, stets, Vogt. Dazu kommen noch durch Flexion : schont, spart, usw. und gerade die nach dem Ver- fasser einzuführenden Veränderungen würden diese Ausnahmen von der regelmäszigcn Formel roTtTtog noch vermehren, z. B. lont, stilt. Der Verfasser scheidet zwar diese Fälle, wo die Doppelconsonanz durch Flexion (spar-t, slil-t) bewirkt ist, von jenen, wo ein Deriva- lionsconsonant hinzutritt (Bar-t, Schwer-t), dem Schulkinde ist aber der Unterschied kaum begreiflich zu machen und der Standpunkt der Elementarschule überall festzuhalten. Ich lasse es unentschieden, ob und welche Bezeichnung für diese Ausnahmen (janTtog statt xoTtTtog) von der Grundregel den Kindern und Ausländern noth Ihue, aufmerk- sam wollte ich aber den Verfasser darauf machen. Die Sache musz ins reine gebracht werden, ehe an eine Fibel nach der vereinfachten Orthographie gedacht werden kann.

Das unorganische h ist, wie auch der Vf. S. 32 36 will, als bloszes Dehnmiltel überall zu streichen und so fällt für die ler- nende Jugend eine grosze Qual weg, da ja nach der Formel raitog der einfache Consonant immer auf die Dehnung des Vokals zurück- deutet. Auch das h nach f = th (S. 40 42) ist zu tilgen, da unser heutiges th keine Aspirata, sondern Tennis ist. Die Uebereinstini- mung der kundigen in diesem Punkte ist so grosz , dasz nicht blosz die Mitarbeiter an Haupts Zeitschrift, sondern auch solche, die zaghaft an die Sache herangehen, z. B. Bauer in seiner nhd. Grammatik, mit der Verbannung dieses unnützen Dehnzeichens den Anfang in ihren Büchern gemacht haben. Die organischen h würde ich nur in den Wörtern beibehalten, in denen sie, wenn auch nur als schwacher Laut, durch die Flexion hörbar werden; ich schreibe also: Reh Rehe, geh, geht gehen, blüht blühen; ebenso aber auch BlüAte, DraAt, Na/st, nicht wie der Verfasser Avill: Blüte, ürat, Nat, da die Ableitung von blühen usw. am Tage liegt und auch dem Kinde kann begreiflich gemacht werden. Dagegen würde ich, freilich den Vor- wurf der Einseitigkeit nicht scheuend, im Interesse der Volksschule die nicht mehr hörbaren organischen h in den meist zusammen-

224 Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Rechischreibung.

gezogenen Wörtern: Aehre, Dohle, Gemahl, fahnden, Zähre usw. (S. 3ö) zu tilgen rathen, wie ja auch im Mhd. der Wegfall des h durch Zusammenziehung sehr ausgedehnt ist: zur (zäher); se (sehe), rers- man (rersrua/ie?)). Hingegen schreibe ich zc/mi, denn man spricht und schreibt statt dessen auch ze/ten, wie Jahrzehend.

Das üeiinzeiclien e hintere, also «e , hat der Verfasser von S. 12 32 sehr gründlich behandelt, wahrscheinlich getrieben von einer Vorahnung, dasz hier l) das physiologische und 2) das historiscjio Interesse *) leicht in Zwiespalt geratiien und so Unfrieden zwischen den Sachverständigen unter einander und zwischen diesen und der Volksschule gesät werden könnte. >\'ir müssen in dieser Hinsicht seine Gründlichkeit, die gern Frieden stiften und der Uneinigkeit vor- bauen möchte, höchlich billigen. Ist nun dieses ie, wie es im INhd. überall den Anschein hat, stets ein Diphthong? Antwort: Nein. Die- ses ie ist l) ein Diphthong gleich älteren in, ia z. B. zerstieben diffundi, 2) ein bloszes Dehnzeichen für älteres kurzes « z. B. sie- ben goth. sibun, also eine unorganische Längerung =: xwnog 3) eine Art von Brechung, die Grimm für das acjs. mit eu bezeichnet z. B. den Sieben cribris. Was nun tliun? Da die besten nhd. Dichter alle drei Arten: zerstieben («"«), sieben (rwTtog = e") und den Sieben (cribris, otjs. eu) reimen, so verlangt die Uücksiclit auf den Heim, die Volksschule und den physiologischen Standpunkt alle diese «-—Laute, durchweg mit « zu schreiben ; die Dehnung ist durch die einfache Con- sonanz (rcÜTtog) für das Nhd. genügend angedeutet. Der Verfasser nun tilgt in den Fällen 3) (Brechung) und 2) (ranog) das e als bloszes Dehnzeichen hinter i; ebenso schreibt er das imperfect. der VIII Klasse der starken Vcrba mit bloszem z: ich bleibe, ich bhb, wir bhbcn, da hier das« nicht gleich mhd. ei (_ivk blibe, ich bleip) son- dern gleich verlängertem mhd. riuralablaut \ (also gleich xünoq) ist. Dann ist aber auch zu schreiben nicht nur: scheide, gesch/den. Ab- sch«d , Untersch/d , sondern auch: ich sch«d, wir schc'den und nicht wie der Verfasser S. 23 will: ich sch/cd, wtr sch^'dcn , denn schei- den, welches im Goth. reduifliciert (skaida, shaislfaid) , ist im Nhd. ganz in die VIII Klasse ausgewichen, sonst müste ja das parlic. im IShd. gescheälen und nicht geschieden heiszen. Da aber, soll irgend eine durchgreifende Vereinfachung der nhd. Orthographie gelingen, praktische Brauchbarkeit und Golclirsamkeit Hand in Hand gehen müssen, so behält (lem<jemäsz der Verfasser <len Diphthong ie mit Recht bei 1) für die I\ Klasse der starken Verba : liegen, lliegen, llieszen usw. 2) für die reduplicierenden Verba mit Aiisschlusz von fing, ging, hing (S. 15) und 3) für die ebendaselbsl (Bier zier) auf- geführten VN'örter, die aber kaum vollsläntlig sind. Die allerlhümli- chen jetzt nur von Dichtern gebrauchten Nebenformen: lleuchsl, fleuch für fliehst, flieh deuten noch auf die diphthongische Natur das ie in den Verben der IX Klasse hin.

*) 1) Schreibe, wie du hörst. 2) Schreibe nach der .\b.stammung.

I

Michaelis: die Vereinfachung-en der deiUschen Rechtschreibung^. 225

Das ie in Fremdwörter (gieren: regieren, spazieren( S, 27 31 ist durchweg zu verwerten. Auch in Quartier, Ofücier, Barbier, Ue- vier usw. (S. 27) u. musz es fortfallen; wir Deutsche nehmen ja auf diese Fremdwörter Gott seis geklagt so schon eine Rücksicht, wie kein anderes Volk auf Erden. Der Verfasser schreibt S. 15 f. die ursprünglich romanischen, jetzt eingebürgerten Wörter: Fieber, Spie- gel, Ziegel, Brief usw. mit ie ^ ich würde auch hier bloszes i vorzie- lien , wie in: Sigel, Stifel. Was kümmert die Elementarschule die romanische Abkunft?

S. 38 erklärt der Verfasser einen der Diphthongen ai und ei für entbehrlich. Wir unterscheiden beide in der Aussprache nicht mehr, lassen wir daher auch von den Zeiciien eins fallen. Da in der Schrift das ai dem ei mehr und mehr weicht (die Heide, Getreide, Weizen), so scheint es ralhsam die Schreibung ei überall durchzuführen, wie- wol das Ohr durchgängig ai wünscht. Eine Verwechslung- wird da- durch nie entstehn; immer Avird der Zusammenhang zeigen, in wel- cher Bedeutung z. B. Rein, Seite, Weise, Leib zu nehmen sind. Zu bedauern ist, <lasz sich der Verfasser über die Inconsequenz der her- schenden Orthographie in Bezeichnung des kurzen Umlauts «e, wel- cher willkürlich unzählige mal mit bloszem e ausgedrückt wird, nicht ausgesprochen hat. Wir reimen setzen (satjan) und schätzen, Ende und Hände (Jiandjus). Die Geschichte der Sprache, die heutige Aus- sprache, die Schule endlich, sie alle fordern gebieterisch ein und dasselbe Zeichen. Am gerathensten schien es , wie im Mhd. immer, mit Verdrängung des kurzen ae durchweg e zu schreiben. 3Ian ver- gleiche darüber die trelTliche Auseinandersetzung von Olawsky am angef. 0. S. 13i— 38.

S. 39 70 handelt vom Konsonantismus. Veränderungen in den konsonantischen Elementen eines Wortes sind bei weitem stö- render, als die Fortlassung eines unnützen Buchstabens. Aus diesem Grunde weicht auch Hr. Dr. Michaelis hier von der gewöhnlichen Ortiiograpbie nur wenig ab; insbesondere wagt er nicht auf eigene Hand der Tyrannei des Schreibgebrauchs im anlautenden /", v und w entgegenzutreten (S. 42 f.) Der einzige Fall, wo er im konsonantischen Anlaut eine Veränderung vornimmt, ist die schon erwähnte Verein- fachung von th in ;, ebenso will er einfaches r für rh in dem niederd. rhede, rheder, usw. Länger verweilt der Verfasser bei Betrachtung des auslautenden Konsonanten. Die mhd. Schrift setzt im Auslaut den harten Konsonanten an die Stelle des weichen (lac, yi'ap , tot), läszt diesen hingegen bei der Verlängerung des Wortes eintreten, ge- mäsz der Regel: schreibe, wie du hörst. Anders ist es bei uns. Wir sprechen: Tak, Grap, Tot und schreiben trotzdem die 3Iedia: Tag, Grab, Tod. Mit Recht hält der Verfasser S. 4i f. an dieser unserer Schreibweise fest, um den Stamm soweit es zulässig ist in unverän- derter Gestalt vors Auge treten zu lassen, und um die Neuerun- gen möglichst zu beschränken; deshalb schreibt er auch: gescheit.

226 Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Rechtschreibung-.

Schwert, tot (ndj.), Schmid*); ebendeshalb: sandte, wandle, gesandt, gewandt, beredt (nicht sante usw.). Eine Schwierigkeit für das Kind entsteht dadurch nicht: es braucht nur entweder das Wort durch Flexion zu verlängern oder nach der nächsten Abstammung desselben zu fragen.

Eine sorgfältige Erörterung von S. 54 68 widmet der Verfasser den Zungenspiranten s und sz und deren Geminationen. Da wol nir- gends in unserer Orthographie die Ansichten der gelehrten mehr aus- einander gehen, als grade hier (vgl. das in dem Buche über Grimm, Ph. Wackernagel, Weiuhold und lleyse gesagte), so ist dem Verfas- ser zu danken für die ebenso besonnene als eindringende Prüfung, der er jene Ansichten unterzogen, nicht minder aber dafür, dasz er bei Entscheidung der Frage sich von der Rücksicht auf die jetzige Sprache ^die ja auch zur historischen Entwicklung gehört', hat bestimmen lassen. Was wäre auch gewonnen, licszen wir die Schreibung, wie sie sich in einer früheren Zeit festgesetzt hat, unverändert fortdauern? Allerdings ein feststehender nie wankender Schreibgebrauch. Aber dieser geriethe in einen stets zunehmenden, endlosen Widerstreit mit der Aussprache und dem Keime der Dichter, der ja doch auch ein Kriterium für die Schreibung ist; Zeichen und Laut würden sich zu- letzt nicht im entferntesten mehr entsprechen. Wir hören Ameise und sollten schreiben Ameisze, wir hören erbos:5en und sollten schreiben erbosen?

Das Resultat nun, zu dem der Verfasser gelangt ist folgendes: J) Für den einfachen weicheren Laut nach langem Vokal (rcoTTog) ge- brauche man das einfache [, am Ende der Wörter S, im lateinischen Druck in beiden Fällen s z. B. lafcn, laQ, lose», las. 2) Für den harten scliarfcn, die Aspirata von t vertretenden Laut, wo er einfach d. h. nach langem Vokal (Toortog) steht, setze man f; , im lateinischen Druck die Grimmsche Type i> oder, wo diese nicht vorhanden, ß: '<^u{], 5üf?e, Fufs, Fiifse. 3) Für die Verdoppelung des scharfen Lautes nach kurzem Vokal (roTCTtog), welche eigentlich durch |1 bezeichnet werden müszte, gebrauche man ff, am Ende der Wörter oder die von Heyse eingeführte aus f und ö zusammengezogene Type, im latei- nischen Druck sowol innerhalb als am Ende des Wortes. ss.- JUifK/ Stujj, IJiisse , fhiss **). Ausnahmen bilden nur Formwörter und Eu-

♦) Der Verfasser schreibt Brorf wahrscheinlich weil er Brode spricht; die Schlesier weni<jsteiis, auch wol die mcisteii Schriftsteller sprechen imd schreiben lirole, tianacli niiiste es lirul heiszen.

**) Hiezu käme noch 4) die seltene \ er(iop|>eiiing des weichen Konsonanten d. h. der weiche Laut iiacli kurzem X'okaie (tottttos). Da die hieiier gehörigen Wörter als Provinciaiisiiuu kaum in die höhere Schriftsprache eiii^^edrungen sind, so kann man «liesc Verdojipehinf; ebenfalls dur<h IT bezeichnen, also: (|uaffeln , drulTeln, oder man schreibe, will man sie unterscheiden: (|uaseln, druseln, im lateiiiischoii Druck, zum Unterschiede von ss, ff: quaffcin.

Michaelis: die Vereinfachungen der deutschen Reclilschreihnng. 227

düngen, namentlich: es, das, iras, his, ans, die Neutralendung es z. ß. (/rosz-es, gutes. Die Endung 7iiss schreibt der Verfasser, über- einstimmend mit den namhaftesten Vertretern der Sprachforschung, ft/s; 7iiss nur, >venn eine vokalisch anlautende Endung hinzutritt; ebenso mis als Vorsilbe, vor Konsonanten, statt 7niss.

Was die Abbrechung der Silben beim schreiben belrilTt, so ent- scheidet sich der Verf. für die hergebrachte, also: lia-ben, dek-ken, set-zen, obgleich die Etymologie, hab-en, deck-en, setz -en ver- langt.

Doppelte Konsonanz bedeutet, wie oben mehrfach gesagt, Schür- fung des vorangehenden Vokals; deshalb wird der einfache Konso- nant in dem Stamme nach kurzem Vokal geminiert. Soll nun die Ge- mination auch dann beibehalten werden, wenn auf die beiden Slamm- konsonanten noch ein oder zwei Konsonanten der Flexion, Derivation oder Composition folgen? In der Flexion hat sich der Sclireibge- brauch für Beibehaltung der Gemination entschieden, man schreibt: schaffen schaffst, kennen kennst, gewinnen gewinnst, ge- winnt. In der Derivation dagegen läszt man vor den Zungenlauten /, st, d die Gemination in der Regel fallen: Geschäft, Kunst, Kunde; Gespinnst, Gewinnst schwankt jetzt neben Gespinst, Gewinst. Der Verf. verlangt aber auch hier, wie es wol auch das zweckmaszigste ist, den einfachen Stammkonsonanten also Gespinst, Gewinst, wie Kunst, Geschäft, S. 68 f. Wo durch die Zusammensetzung gleiche Konsonanten zusammentreffen, müssen sie unverkürzt beibehalten werden, S. 70, also: Rohheit = raucus, Hohheit.

Mit dem, was der Verf. S. 71 und 72 über Fremdwörter und Eigennamen, S. 72 74 über den Misbrauch des Bindestrichs, des Apostrophs und der groszen Anfangsbuchstaben grösztentheils mit Worten Grimms und Weinholds sagt, erklären wir uns einverstanden. Vor der sogenannten deutschen Schrift, die nicht nur das Auge belei- digt, schreiben und Druck mühsamer macht, sondern auch die Ver- breitung unserer Litteratur im Auslande hindert (Grimm Gramm. I 27. 3. Ausg.), verdient die lateinische Schrift unbedingt den Vorzug S. 74 75. Wir wiederholen den Vorschlag von Prof. Olawsky: der Vokal in den Wurzeln S. 119: ^ Jetzt lernen die Schulkinder zuerst deutsch lesen und schreiben, erst später übt man sie im Gebrauche der lateinischen Buchstaben; könnte man die Sache nicht geradezu umkehren, die Elementarschüler zuerst lateinisch lesen und schreiben lehren und später erst deutsch?'

Im ^Schlusz' S. 67 80 weist der Verf. darauf hin, wie wenig seine Vorschläge zur Vereinfachung unserer Rechtschreibung von denen Grimms, von der Hagens und Weinholds abweichen und ver- theidigt seine Aenderungen gegen den Verdacht, als könnten sie uns die vorhandene Litteratur entfremden. ^Die dichtungen Klopstocks, Schillers, Goethes und der übrigen groszen Schriftsteller aus der blütezeit unserer literatur würden in dem neuen gewande, aus dem ja nur einige wenige überschüssige faden fortgefallen wären, uns ebenso

Pf. Juhrli. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 5. 18

228 Michaelis: die Vcreinfaclmngcn der deutschen Rechtschreibung.

heimisch enlgeg-enklingen, ebenso eingreifend zu unserm herzen re- den, als sie es bisher getan haben, und es (un werden, so lange es Deutsche gibt. '

S. 81 164 läszt der Verf. als zweiten Theil des Buches Proben aus der deutschen Litteralur in der von ilini angenommenen Recht- schreibung folgen. Sie gehören einundsechzig unserer nhd. Dichter und Prosaiker von Luther bis auf die neueste Zeit an. Dem Zwecke des Verf. an einem hinreichenden Material die vereinfachte Recht- schreibung vor Augen zu führen hiilte olTenbar eine geringere Anzahl Proben schon genügt; um dem Schüler als Aniialt beim Unterrichte in der neueren deutschen Littcratur zu dienen, ist die gegebene nicht grosz genug, abgesehen davon dasz das Buch für Schüler überhaupt nicht bestimmt sein kann. Gegen die Auswahl selbst dürfte nichts zu erinnern sein; man müszle denn den etwas derben Schwank 'die Landsknechte' von Job. Fischart S. 91 ff. ausnehmen wollen. Aber das müssen die Proben jedem unbefangenen zeigen, dasz die Abwei- chung von der hcrschenden Orthographie keineswegs so bedeutend ist, als die Gegner jeder Vereinfachung derselben gern möchten glau- ben machen. 3Ian liest oft 10 15 Zeilen, ehe das Auge einem ihm nach seiner Schreibung fremdartig seheinenden Worte begegnet. Dasz durch ^^'eglassung der unuölhigen ä, der e nach «, durch Schrei- bung der einfachen Vokale für ««, ee, oo eine Verwechselung oder Zweideutigkeit nirgend entstanden ist, können wir nach genauer Lek- türe der milgetheilten Probeslücke den ängstlichen versichern.

Es ist das grosze Verdienst der historischen Sprachforschung, die regellose Willkür in der bisherigen Orthographie aufgedeckt und eine einfachere auf die Geschichte der Sprache basierte Rechtschrei- bung nachgewiesen zu haben. Doch auch diese ist, wie die andern groszen Resultate der historischen Grammatik, liigenihum weniger geblieben. Der Slolzeschen Stenographie scheint die Aufgabe auiuini- gefallen zu sein, sie auch in weitere Kreise zu tragen. Gegründet auf die Einsicht von dem Bau und der Geschichte unserer deuJscIien Sprache hat sie die von Dr. Michaelis in seinem Buche vorgeschla- genen Aenderuugen im wesentlichen bereits praktisch durchgeführt; von Tage zu Tage verschallt sie sich mehr Anseilen und Verbreitung nicht nur unter den gelehrten und gebildeten , sondern selbst unter dem Volke und mit jedem Anhänger, den sie sich gewinnt, entzieht sie der herscliendon Tyriinnei des Scbreihgebrauchs einen Vcrlheidi- ger. *) Gerade denen, die mit dem System der Stolzescheu Sleno-

*) Da die erlangte Fertigkeit in der Kurzschrift nicht nur befä- higt alle Vortrüge auf der Hochschule, Predij^ten berühmter Geistii- chfM und Reden jeder andern Art leicht narlizusclirciljon, sondern auch beim eignen .Studium, l)ei Auszügen ans I{ii( liern sehr viel .Arbeit und Zeit erspart, da es lerner zu erwarten stellt, das/ <lie Stenoj^ra- phie auch auf das ges« Itiil'tliche Ijcben und auf die Vielschreiberei der ßeauilen Rinllusz und «ladurch Weitervert>reitung gewinnen wird, so thun die O'yuinasien, wie es scheint, Unrecht, wenn sie von der

Bumüller: Lehrbuch der Geogr. ii. Gescliichtc. 229

grapliie nicht bekannt sind, empfehlen wir das Büclilein des Hrn. Dr. Michaelis zur Lektüre; die Einsicht, dasz auch wir Deutsche noch eine Orthographie haben können, wenn wir nur ernstlich wollen, wird sich ihnen von selbst aufdrängen. 'Allerdings' wir schlieszen mit den Worten des Verf. ^mut und ausdauer gehört dazu eingeris- senen niisbräuchen entgegenzutreten. Doch, wie sich so vilos andere gute und schöne ban gebrochen hat, so wird auch hier der fortschritt nicht ausbleiben.'

Lissa. Dr. B. Günther.

19.

Lehrbuch der Geographie und Geschichte für die untern Klassen der Gymnasien und Realschulen von Johann Bumül- ler*). Wien, Gerold. 1J<55.

Unsere deutsche ScbuUitleratur besitzt- für jedes Gebiet des Un- terrichts gelungene oder doch brauchbare Bücher in dem Masze, dasz jedes neu erscheinende, um seine Existenz zu rechtfertigen, nicht nur von auffallenden Fehlern frei sein, sondern auch durch eigen- thümliche Vorzüge in irgend einer Richtung vor den bisher vorhan- denen sich auszeichnen musz. Ob das vorliegende, das nach Titel und Verlagsort zu schlieszen, für die Mittelschulen Oesterreichs be- stimmt ist, ein solches Recht zu existieren besitzt, wird sich unzwei- felhaft ergeben, wenn wir es nach einigen Hauptgesichtspunkten betrachten und überall wenigstens einige Belege beispielsweise an- führen.

1. Die geographische Darstellung. Einem aufmerksamen Schüler, welcher gewöhnt ist bei dem Studium der Geographie unausgesetzt die Landkarte zur Hand zu haben, wird nichts so schnell auffallen als geographische Fehler in dem Lehrbuche , welches ihm vorliegt. Man darf daher wol an ein solches in dieser Beziehung die strengsten Anforderungen machen, weil ohne deren Erfüllung die Auctorität des- selben in den Augen des Schülers am leichtesten untergraben wird. Die Klüngel, welche Bumüllers Lehrbuch gerade in seinen geographi- schen Theilen an sich trägt, sind aber so bedeutend, dasz der An- blick einer Landkarte für dasselbe immerhin sehr gefährlich sein

Sache gar keine Notiz nehmen. Meist liegt es wol daran, dasz man keinen Versuch anstellt. Hierorts hat Hr. Dr. Methner nicht blosz Gymnasiasten, sondern auch viele aus andern Ständen für die Kurz- schrift zu gewinnen verstanden.

*) Von einem geachteten Katholiken aus Oesterreich eingesandt. Wir behalten uns vor, von dem gröszeren Geschichtsbuche desselben Verf. eine besondere Beurtheilung zu bringen. D. Red.

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230 Buniüller: Lehrbuch der Geogr. n. Geschichte.

Avird. S. 6 heiszt es: 'westlich senkt sich von dem Central- und Hoch- lande, dem Laufe [des Oxiis und laxartes entlang, zum Aral-See und dem kaspischen Meere das asiatische Tiefland, das sich jenseits des kaspischen Meeres bis in das östliche Europa hinein erstreckt, von •woher das kaspisciie Meer die Wolga empfängt.' Wer dagegen eine Karte von Asien betrachtet, sieht leicht, dasz Hr. B. das wichtige sibirische Tiefland ganz vergessen hat. Nach der Darstellung des Hrn. B. möchte man glauben , dasz das angegebene Tiefland das ein- zige Asiens sei, er spricht weder in der geographischen Beschrei- bung von China S. 8 von dem chinesischen, noch S. 11 von dem hin- dostanischen. S. 7 miisle für 'arabische Wüste "" arabisches Hoch- land gesagt sein. Ebenda heiszt es: 'das Gebiet des Euphrat und Tigris gehört in dem obern Laufe der Flüsse dem arischen und armenischen Hochlande an.' Dagegen heiszt es S. 6: 'das arische Hochland kann keinen bedeutenderen Flusz dem Meere zuschicken.' S. 8 wird gesagt, dasz China in seinen Hochgebirgen der kalten Zone angehöre, ein Ausdruck, der wenigstens einer Erklärung be- darf um etwas richtiges zu besagen, und daher vielmehr durch einen an sich verständlichen zu ersetzen war. S. 11 ist bei der Be- schreibung Indiens das wichtige Kabulthal, das Plateau von Dekan und wie schon oben erwähnt das hindostanische Tiefland gar nicht erwähnt. Wollte aber jemand einwenden, dasz diese specielle Aus- führung nicht im Plane Hrn. B.s lag, so können wir freilich einer- seits auf das kleine Büchlein von Bellinger hinweisen, wo solche Dinge doch ihre Stelle gefunden haben, andererseits fragen wir, wo- zu Hr. B. , wenn er Raum gewinnen wollte, S. 24 und S. 29 ganz unerwartet eine Menge unbedeutender Völkerschaflen aufzählt, welche besser wegbleiben konnten. S. 24 ist behauptet, Medien grenze öst- lich an Assyrien und Armenien! S. 62 sagt Hr. B. : 'Thessalien besteht aus drei Thalbecken', und zählt sodann das des Peneus, Sper- cheus und Onchestus auf. Dem letzten beliebt es Hrn. B. seinen Ausflusz in den pagasaeischen Meerbusen anzuweisen. In diesem Punkte hat Hr. B. einen sichtbaren Widerspruch mit den Landkarten freilich nicht zu fürchten. S. 64 ist der Taygclus mit 7900 Fusz llölie angeführt, während dieselbe höchstens 7500 Fusz beträgt. Ebd. ist der Flusz IN e d a fälschlich nach Messenieii gesetzt. Die geo- graphische Beschreibung von Griechenland überiiaupt ist unsystema- tisch: bei der Aufzählung der Landschaften des Peloponnes sind die Städte meistens mitgenanni, bei der der Landschaften Mittelgriechen- lands nicht; so kommen Sparta, Olympia, Argos u. a. zu der Ehre genannt zu werden, aber Athen und Theben bleiben ganz unerwähnt. Ebenso willkürlich, zerfahren und nachlässig werden S. 65 unter den yllestcn Städten Argos, Athen, aticli 'Sycion'' (statt Sikyou), Theben und Larissa genannt, als ob dieser Name nur einer boslimmlen SladI zukäme. Bei Akarnanicn sind die ta|)IVrn Männer der griechi- schen Heldensage liervorgelioben, daliegen bei dem in jeder Bezie- hung verwandlen Aelolien nur die ' hnlbbarbarisclien und räuberischen

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Buraüller: Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte. 231

Einwohner' der historisclieu Zeit erwähnt. Die molossisclien Iliindo und Spartas Jagdhunde sind sorgsam hervorgehoben, aber dies ist auch alles, womit Ilr. ß. seine Schüler zu unterhalten weisz. Wer einmal die geschmackvolle und doch populäre Darstellung der grie- chischen Geographie in den Vorträgen von Friedrich Jakobs, welche er einst dem König Ludwig von ßaiern hielt, gelesen, bekommt eine» wahren Abscheu vor der Geschmacklosigkeit dieses Buches. Anstatt in schöner ^^'eise durch kurze Andeutungen der Sagen, welche sich an einen Ort knüpfen, dem Schüler den Ort selbst geläufig zu ma- ehen, spricht Hr. B. blosz von den 'stinkenden Lokrern' und von Cyti- nium, weil es den Beinamen 'das kothige' hat (s. S. 63). Noch schlechter ist es freilich mit der Geographie Italiens bestellt. Voa den Ebenen, Lagunen, Maremmen, ja selbst von den pomplinischen Sümpfen Italiens ist nicht die Bede. S. 127 128, wo die ältere Eth- nographie Italiens ohnehin ganz unklar bleibt, werden die Samniteii neben den Hirpinern und Frentanern als Sabeller, d. h. sabinische Stämme bezeichnet, als ob der Name der Samniten nicht die beiden folgenden kleinen Stämme mit umfaszte. Diese und viele andere Fehler werden immer bewirken, dasz ein Schüler, welcher die geo- graphische Darstellung des vorliegenden Buches mit einer guten Land- karte vergleicht, in das unangenehme Dilemma geräth, das Buch oder die Landkarte für schlecht zu halten. '

II. Einige auffallende Widersprüche in der historischen Darstel- lung. S. 7. ' Um das Jahr 2000 vor Christus beginnt die Geschichte der ältesten Völker.' S. 39. 'Soviel ist gewis, dasz um 2000 v. Chr. Aegypten ein wölbe völkertes, gut angebautes und mit Städten und Dörfern bedecktes Land war.' S. 16 wird Babylon als das älteste Reich bezeichnet. S. 42 lesen wir : ^Es ist noch nicht ausgemacht, ob Aegypten oder Meroe das Mutterland der alten Cultur war.' S. 22 wird die Geschichte von Ninus als griechi- sche Erfindung bezeichnet, dagegen S. 26 als Thatsache hingestellt: 'die Lyder waren ein semitischer Stamm, dessen erste Könige sich der Abstammung von Bei und Ninus rühmten, wie das assyri- sche Herscherhaus.' S. 39. ^Ob es (Aegypten) einem Könige oder mehreren gehorchte, ist ebenfalls unbekannt.' S. 36: 'zur Krie- gerkaste gehörte der König und die Fürsten.' S. 66 ist behauptet, dasz die Dorier ursprünglich in Doris 'hausten'. S. 7i 'der Stosz der Thessaler traf, auch die Dorier, welche sich nach manchem gewalt- samen Wechsel des Wohnsitzes zwischen dem Oeta und Parnass nie- gelassen hatten.'

III. Historische Irthümer. 'Die Pelasger, sagt Hr. B. S. 65, ha- ben einen ausgebildeten Göttercullus, Tempel und Orakel gehabt'; S. 66 'die Gescblechtsregister der Heldeufamilien sind mangelhaft.' Dies sind Dinge, von welchen sich besser das Gegentheil behaupten läszl, aber woher Hr. B. weisz, dasz die Odyssee um das Jahr 1000 v. Chr. (S. 71) entstanden ist, wären wir begierig zu hören. S. 77 würde es Hrn. B. schw er füllen 'einige Hundert unabhängige

232 ßumüller : Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte.

Staaten' in Griechenland aufzuzählen, wenn man ihn heim Wort nälune. Ebd. ist behauptet, dasz alle Bürger in den demokratischen Verfassungen ^gleiche Hechte und gleiche Pflichten' hallen. Diese Behauptung bezieht sich wol insbesondere auf die solonische Verfassung, und ist falsch: es müste heiszen: die Bürger hatten im Verhältnis zu ihren Pflichten angemessene Rechte. Eine auffallende Unrichtigkeit findet sich S. 78, wo gesagt ist, dasz zwölf Städte um die Ehre stritten, für den Geburtsort Homers zu gelten. S. 79 befindet sich Hr. B. in einer Täuschung, wenn er meint, dasz die sichere Zeitrechnung mit dem Jaiir 776 v. Chr. beginnt. Ebd. kann die Zahl von 39000 Kleren nicht für die Zeit Lykurgs, sondern -erst für die Zeit nach den niessenischen Kriegen gellen. Es ist ferner nicht wahr, dasz ein Familiengrundstück von 7 8 Heloten angebaut wurde; es musz heiszen Helolenfamilien (S. 80). S. 86 ist eine ganz falsche Auffassung von Prylaneia Schuld an einem Misverständnisse über die 'ständige Regierung Athens'. S. 89 ist es falsch, dasz Hippias in der Schlacht bei 3Iaralhon blieb, und da sich Hr. B. sonst bei der Darstellung der persischen Kriege bemüht gerade die Unge- reimtheiten des Hcrodot, wie z. B. die groszen Zahlen der persischen Heere, gewissenhaft nachzuerzählen, so nimmt es uns ^^'under, dasz bei jenem Factum das schweigen des Herodot nicht maszgehend war. Die Darstellung der persischen Kriege ist höchst langweilig: über die Schlacht von Marathon weisz Hr. B. nichts anderes zu sa- gen, als dies: S. 89 'die Athener hatten die Spartaner zur Hilfe auf- gefordert, aber diese zögerten aus einem abergläubischen Grunde, nur 1000 Plalaeer kamen rechtzeitig und halfen 10000 Athenern bei Maralhon die Perser besiegen.' Die Charakteristik des .Miitiades be- steht aus folgendem: 'Miltiades, ein vornehmer , reicher und unler- nelimungslusliger Athener.' Da aber S. 87 die Athener überhaupt als 'unternehmungslustige Leute' geschildert werden und die zwei an- dern Epitheta kaum zur Charakteristik etwas beilragen, so ist eigent- lich die ganze Phrase ganz inhaltslos. Ebenso ist aber Themistocles (S. 90) 'ein auszerordentlich kluger und ehrgeiziger 3Iann.' Gleich darauf ist von Aristides gesagt: 'auch er war ehrgeizig wie Themi- stocles.' Aber solchen Männern gegenüber wird eine Thal, wie des Zopyrus, nach Niebuhrs Urtheil 'eine Handtunsi- der höchsten Schänd- Hchkeit und iN'ichlswürdigkeit' als 'aufopfernde List' hervorirehoben (S. 57). S. 103 erscheint die Stadt Haliarfus in einen Feldiiern um- gewandelt: 'Lysander wurde von dem Haliartus fjcschlagen.'

Am schlimmsten steht es übrigens mit der römischen Geschichte, und wir wollen auch hier die wichligslen Punkte nur herausheben, denn wenn wir alle Fehler dieses Buches nachweisen wollten, so müslen wir dasselbe ganz abschreiben. Als das wichtigste werden bei der römischen Geschichte unzweifelhaft die Verfassungsverhäll- nisse betrachtet werden müssen. S. 131 'Servius Tullius . . . das wichtigste Werk dieses Königs ist aber seine neue Kinlheilung des römischen Volkes. Dieses bestand 1) aus Patriciern d. h. den AU-

BumuIIer: Lelirbucli dor Geogr. ii. Geschichte. 233

bürgern oder dem städtischen Adel, der alle Slaatsiimler verwaltete.' W'w müssen gleich fragen, von welcher Zeit diese Eintiieilung gilt. Gilt sie von der ältesten, so ist es eine Ungereimtheit von einem städtischen Adel%u sprechen, da der Xame, wie Hr. B. selbst anzu- nehmen scheint, die ganze städtische ursprüngliche Bevölkerung begreift, aber von dieser ursprünglichen Bevölkerung hat Hr. D. frei- lich nirgendwo gehandelt. ^\ eiler hoiszt est: '^2) den Plebejern d. h. den ^eubürgern, welche seit Tullus Uostilius freiwillig oder gezwungen sich aus den andern Städten in Uom niedergelassen hatten.' Warum gerade Tullus Hoslilius als der Schöpfer der Plebs bezeichnet wird, ist uns nicht klar geworden, man könnte mit gleichem Bechte auch jeden andern König nennen. Weiter beiszt es: ^Servius TuUius theilte die Stadt in ^ und das Land in 26 Bezirke (regioties) ; die einem Bezirke angehörigen Plebejer bildeten einen (statt eine) Tribus'; doch die Streitfrage über die Piichtigkeit dieser Behauptung wollen wir lieber ganz bei Seile lassen. Hierauf werden statt V wieder VI (Druck- fehler: IV) Classen der Centurien genannt; ein ganz grober Irthum ist es aber, wenn Hr. B meint, dasz die I. Classe 98 1 Centurien ge- habt habe, uiul dazu noch die eigenthüniliche Bemerkung macht: "^18 Centurien der 1. Classe dienten zu Pferd. ' Er hätte ebenso gut sagen können: die U. Classe hatte 40 Centurien und J8 dienten zu Pferd; in ^'\ abrlicit aber gehören die Bitlercenturien weder in die erste noch in eine andere Classe, weil sie mit dem Census der Classen gar nichts gemein haben. S. 133 heiszt es: ^die Consuln wurden von dem Senate gewählt.' Eine solche unerhörte Unwissenheit hätten wir dem Hrn. B. nicht zugemutet, weil wir eine solche Be- hauptung bei einem halbwegs gebildoten Manne des 19. Jahrhunderts kaum voraussetzen möchten. Einen Schüler, welcher bei der Maturi- tätsprüfung eine solche Behauptung aussprechen würde, könnte kein gewissenhafter Lehrer für reif erklären. Das ^>'esen des Senats begreift Hr. B. nicht im entferntesten, denn wer nur irgend einen Begriff von dem römischen Senate hat, der weisz vor allem andern, dasz es im \^ esen dieser Behörde lag Beschlüsse zu fassen, aber nie dieselben selbst zu executieren. Eine ganz gleiche Unkenntnis beweist es, wenn Hr. B. S. 134 behauptet, dasz die Volkstribunen gleich im Jahre 494 v. C. im Senate saszen. Andererseits aber bleiben nach der Darstel- lung des Hrn. B. die Volkstribunen auch durch die ganze römische Geschichte hindurch an der Thüre des Senats sitzen. Ebenso unrich- tig ist S. 13t), dasz nur Senatoren zum Decemvirat gewählt werden konnten. Im Jahre 367, sagt Hr. B. , wären die Plebejer zu allen Staatsämternzugelassen worden (S. 138), während ihnen damals nur erst das Consulat zugänglich wurde. Auch bei der darauf folgen- den Uebersicht über die höhern Staalsämter in Uom fehlt durchaus jede Genauigkeit sowol in der Angabe der Zeit der Einführung des Amtes, als auch in BetrelT des Umfangs der Geschäfte desselben. So ist die wichtigste Amtstbäligkeil der Censoren nichtcrwähut : das Sit- Icnrichteramt und die senatus leclio. Ein Lustrum dauert nicht, wie

234 BuinüUer: Lehrbuch der Geogr. ii. Geschichte.

Hr. B. will, 4 Jahre (I), sondern fünf u. dgl. ni. Dies mag genügen, um den Beweis zu liefern, wie wenig Hr. B. mit der römischen Ver- fassung vertraut ist. üb es vernünftig ist, die älteste Geschichte aller frühern Vulker mit Ausnahme der Juden, wie sich v%n selbst versteht, als 'ganz fabelhaft' zu erklären, und die älteste Geschichte Roms als ganz historisch darzustellen, darüber wollen wir mit ihm nicht rech- ten. Kaum dürfte sich dagegen vertheidigen lassen, dasz die Comi- lien der Curieu und die Comitien der Tribus, sowie die tribuni mililares consulari polestale, eine Behörde, welche beinahe ein Jahrhundert dauerte, ganz unerwähnt geblieben sind.

Kleinere Versehen erscheinen als unbedeutend gegenüber einer solchen Anzahl von Irlhümern der Art, durch welche nicht blosz Flüch- tigkeit in der Abfassung, sondern Mangel an klarer Einsicht in den wichligslen Punkten der alten Geschichte sicher erwiesen wird. Von kleinern Versehen nur einige Beispiele. S. 141: ' P. Decius Mus, der Sohn des am Gaurus gebliebenen Consuls', soll heiszen 'am Vesuv*. S. 143 soll der erste punische Krieg bis 241, auf S. 145 bis "240 ge- dauert haben. S. 146: 'der Kriegsschauplatz war nun (sc. nach dem mislingen der Expedition des Begulus) wieder auf Sicilien und dem nahen Meere; die Römer siegten zu Lande bei Panormus, zur See am hermaeischen Vorgebirge.' Aber dieses Vorgebirge gehört weder zu Sicilien, noch fällt die Schlacht an demselben nach der bei Panormus. S. 153: ' Scipio starb auf seinem Landgute Lilernum', als ob dieser Name dem Landgule zukäme! S. 175: Das unsittliche Verhältnis zwi- schen Antonius und Cleopatra kann doch nicht eine 'Heirat' genannt werden. S. 181. Bei der Angabe des Geburtsjahres Christi ist das Jahr 747 der Erbauung Roms mit dem 29. Jahre der Alleinherschal't des Au- gustus zusammengestellt. Dagegen ist S. 129 die Erbauung Roms auf 753 vor Christi Geburt angegeben, womit auch das 29. Jahr der Allein- herschaft des Augustus übereinstimmt. Wie es scheint, entspringt die- ser \Niderspruch aus der Benutzung verschiedener Hilfsmittel, deren entgegengesetzte Angaben Hr. B. nicht der Mühe werth gefunden hat in Einklang zu bringen.

IV. Anordnung, Jorm der Darstellung und Stil. Schon im groszen und ganzen entbehrt die Anordnung dieses Lehrbuches jedes vernünftigen Eintheilungsgrundes. In allhergebrachter Weise wird begonnen mit der Geschichte der Ciiinesen, welche sowie dio der Indier bis zur Gegenwart fortgeführt ist, dann folgen in bun- tester Reihe weder nach elhnograi)hischen Gesichtspunkten, noch nach der hiolorisciien Folge ihres auflrelens geordnet: Indien, das alle babylonische Reich, Assyrien, Medien, das neuhabylonische Reich, Lydien, Cilicien, Syrien, Phönicien, Aegyplen, das Volk Israel, end- lich die Perser, Griechen und Römer. Mitunter wird bei einem Volke der beireifende Volksstamm, zu dem es zählt, bemerkt, doch keines- wegs bei allen. Dazu musz der Name der Arier oder Indogermanen (S. 24 If.) ganz unverständlich bleiben, da die An^jabe fehlt, dasz er mit der S. 4 angewendeten Bezeichnung der Japhetilcn zusammenfalle.

Bumiiller : Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte. 235

Mail kann überhaupt die Bemerkung machen, dasz Ilr. H. Namen viele Seiten hindurch gebraucht, ehe er sich endlich herbeiliiszt ihre Bedeu- tung zu erklären. Um unter vielen Beispielen nur eins zu erwähnen, finden wir den Gebrauch griechischer Götternamen beständig ohne irgend eine nähere Bestimmung von Seite 65 78, erst auf der 78. Seite wird dann ein dürres Verzeichnis der hellenischen Gölter gegeben.

In Bezug auf die Form der Darstellung wird niemand bei einem Schulbuche poc'tische oder rhetorische Färbung des Stils beanspru- chen oder wünschen; aber die schlichte und edle Einfalt des Stils, die hier Gesetz sein nuisz , benimmt den Forderungen der stilistischen Correctheit nichts von ihrer Strenge und gibt kein Recht in gemeine Trivialität herabzusinken. Von einer Nachlässigkeit in der stilistischen Form, wie sie selbst einem Schüler des Untergymnasiums nicht dürfte ungerügt bleiben, nur einige kleine Proben: S. 46: 'Die Israeliten gaben an die Phönizier Wolle, Weizen, Balsam, Vieh u, dgl. ab, und empfiengen dafür Geld oder Tauschwaaren, aber in der Welt herum- wandern konnte der alte Israelite nicht, so lange er als Gottes Volk in» Jordanlande wohnte. Es war ihm geboten: bleibe im Lande und nähre dich redlich I und das thaten die alten Israeliten. Sie bau- ten jedes Pflanz eben an, wo nur eine zahme Frucht Wurzel fassen konnte' usw. S. 80: 'Die Ephoren waren Aufseher über Markt und Polizei.' 'Die curulischen Aedilen überwachten die Polizei der Stadt' (in beiden Fällen sind die Polizeibeamten selbst gemeint). S. 156 über das römische Consulal seit den Gracchen: 'wer Consul wurde, der kommandierte Heere, führte Kriege, eroberte und brandschatzte ganze Länder (ein jeder Consul?), verwaltete Pro- vinzen und wurde dadurch nicht nur ein hochangesehener (nobilis), sondern auch ein sehr reicher Mann, und seine Familie trat in die der ersten römischen Familien ein, sie gehörte zur Nobilität' (und abge- sehen von der Form dieses Passus, wird die Nobilität nur durch das Consulat erworben?). Dazu kommen öfter niedrige und vulgäre Ausdrücke, die wir in einem Lehrbuche für Gymnasien nicht leicht er- wartet hätten, Wiederholungen desselben Wortes und andere Nach- lässigkeiten. S. 8i: 'Die adeligen Geschlechter (in Athen) hoben endlich auch das lebenslängliche Archontat auf und setzten ein lOjäh- riges ein, endlich aber einen Archonlen für ein Jahr . . . .' S. 99; 'Die Spartaner boten Frieden an, die Athener hingegen schlugen ihn ab, bis ihr Stolz gekühlt wurde. Das geschab bei Delium in Boeotien.' S. 107: 'Bei dieser Thronbesteigung hatte Philipp mit Illyriern und Thraziern zu kämpfen, die Athener aber wollten Aniphipolis wieder haben.' S. 159: 'Die Cimbern, welche ein römisches Heer an der Etsch weggejagt hatten.' S. 175: 'Oktavian hielt den Lepidus für einen u n gefähr 1 ichen Wi cht.' S. 183: 'Nero wollte Musi- ker, Sänger und Dichter sein, und verübte daneben bübische Streiche.' Besondere Vorliebe scheint Hr. B. für das pronomen demonstrativum zu hegen; abgesehen von vielen Unterabtiieilungen beginnen allein 13 Hauptstückc des Buches mit 'dieser'. Auszerdem ist zu tadeln

236 BiinuiUer: Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte.

der häufige Gebrauch des '^luich', der jede Möglichkeit einer walirliaft erzähleiideu Fonii aiiniebt, und ebenso störend sind die beständigen ^usw.', wie auch die gcwöliuliche und unhistorische Form, >vo irgend ein allgeineiner Satz durch einige '^z. ß.' erläutert ist: ^ Den Griechen eigenlhümlich waren die Philosophen, z. B. die sieben Weisen;' und in ähnlicher Weise liesze sich noch manches zum Theil stöi'kere her- vorheben.

V. Schreibung und Druckfehler. Wenn w'w auch die überaus zahlreichen Druckfehler und manche erst in letzter Zeit berichtigte oder doch noch controverse Schreibungen, wie Mitylene oder Jlytilene, Larissa oder Larisa, Arginusen oder Arginussen u. dgl. unberührt las- sen wollen, so findet sich doch eine ganze Ueilie der otrenbarstcn Irrungen in der Schreibung der Eigennamen , und selbst bei man- chen zum Theil richtig geschriebenen Namen kehrt die falsche Form so oft wieder, dasz auch hier nicht alle Fälle zu den bloszen Druck- fehlern zu rechnen sind. So lesen wir S. 5 'das ägäischc 3Ieer', aber S. 33, 62, 88, 89, 106 das '^ägeischc Jleer'; ähnlich S. 75: MMiokea'; ebd. und überhaupt immer Moner, jonisch' statt 'loner, ionisch'; noch auffallender sind die Vertauschungen des i und y: S. 56 Mybisch', S. 65 '^Syphnus', ebd. und S. 95 'Sycioa', S. 76 und 124 'Stagyra', S. 160 'ßythinieu'. Aeliulich ist die rud-cwa S. 27 zur 'Cyther' ge- worden. S. 40 und 41 '^l'sumetich' neben 'Psammcnit', S. 64 Tepha- lenia ', S. 97 'Dyrhachium', S. 111 'Codomanns', S. 171 'eimerischer Bosporus'; die Vaterstadt des Ilesiod heiszt S. 78 'Askrae', als wäre der griechische Name derselben "Aan^ca; dem entsprechend S. 102 'Phylae' für MMiyle ', S. 62 ' Tesproter', S. 76 'ßorystenes ', S. 112 'Tapsacus', dagegen S. 126 'das thyrrenische Meer', S. 173 Hienus', aber S. 177 'Uhietien', S. 40 'Tulmosis'; der letzte König von Baby- lonienist S. 54 'iNabconid' statt SNabonetus' (Nabunita, Duncker Gesch. des All. I 475 Anm.); S. 64 'chelonylischer' für 'chelonalischer Meer- busen', S. 64 und 91 u. a. 0. 'Trözene', S. 93, 96 u. a. 0. 'Piraeus' für 'Piraeeus'. S. 137 hören wir von ' senonischcu', S. 142 'sennoni- scheu Galliern', S. 143 'M.' statt 'M.' (Manius) Curius Dcntalus', S. 158 Miochus' für ' Bocchus ', S. 159 'die carniischcn Alpen ', S. 161 'das acsquilinische Thor', S. 177 'Boiehenuim' für 'Boihemum', S. 102 'Sagdianus' für "^ Sogdianus ', S. 111 "^Bagoos' für '^Bagoas', S. 108 ^Abiae' f..r 'Abae', S. 128 "^Kreton' für Miroton' usw. üllenbar ist die Mehrzahl dieser Fehler mehr der Nuchlässigkcil des Schriflslcllors als der des Schriftsetzers zuzuschreiben. Dazu kommen sonstige In- consequenzen, wie, wenn zwischen den sonst aufgenommenen lateini- schen ISamensformen mitunter die griechische Form beibehalten wird: S. 75 die schon erwähnte Phokaca , S. 74 Cadmeionen, 82 Eira, 101 und 103 Acgos Potamos. Miscbformeu; 'Corsika' S. 61 u. a. 0. da- gegen 33: Corsica; S. 62 der n\aliakisclie Meerbusen neben dem am- bracischcn Meerbusen. Auch die Doricr S. 66 u. n. 0. wollen zu den liilcinisclien Formen nicht passen. y\uch sonst findet .sich mancherlei auffallendes bei den Enilnnge» der verdeutsdilen Vulksnamen. wie

BumüUer: Lclirbncli der Geor. ii. Gescliiclile. 237

uenn S. 76 die Ocoyaictg und S. i08 die OcoKsig in glciclier Weise als IMiocier benannt werden, endlicli im folgenden S. 9J gai" die letz- teren als Phocaeer vorkommen. Ebd. findet man die 4'ersier', S. 99 SMityleneer', S. 105 und 108 die 'Arcadier', S. 141 nebeneinander die q'elignt'/' und die ^\larse//', S. 146 die 'Kartbage;', S. 147 die 'Kar- tbagm'. Aucb die liezeicbnung der allitaliscben Völker als "^ Italie- ner' S. 66 ist neu. Das bebraeiscbe Cliet wird bald durch h bald durch ch gegeben (so S. 4 Noa/< neben r/iam), schin bald -durch s bald durch seh (S. 17 Scbinear, S. 40 Sissak) usw.

VI. Die Tendenz des ßumüllersclien Lehrbuchs. Ein Lehrbuch, welches darauf Anspruch macht, in katholischen Schulen einge- führt zu werden, hat eine schwierige und grosze Aufgabe zu lösen, "^^'iewol der Katholicismus aus jedem Kampf neugekräftigt hervorgegangen ist, so wird doch von keinem besonnenen geleug- net werden können, dasz derselbe seit der Aufhebung des Jesui- tenordens seine Stellung in der Wissenschaft andern Confessionen gegenüber nicht mehr so glänzend geltend gemacht hat. Es ist die Aufgabe der Gegen^^■art gleich jenem Orden, der seiner Zeit auf der Höhe der Wissenschaft stand, auch in dieser Beziehung dem Katho- licismus den alten Vorrang wieder zu gewinnen. Ein geschichtliches Lehrbuch, welches in katholischen Schulen eingeführt werden will, wird demnach nicht nur allen denjenigen wissenschaftlichen Anfor- derungen genügen müssen, welchen die zum Theil vorzüglichen prote- stantischen Schulbücher entsprechen, sondern es wird nolhw endig sein, dasz es dieselben weit übertrilTt. Wenn aber schon das vorliegende Buch durch seine vorhin nachgewiesenen Mängel kaum im Stande sein dürfte irgend einem protestantischen Lehrbuch an die Seite gesetzt zu werden, so möchten wir behaupten, dasz es in Hinsicht seines Gehalts nicht nur, sondern auch in Hinsicht seiner Tendenz die christliche und religiössittliche Gesinnung der Schüler zu stärken nicht geeignet ist. Die gröszten Päpste aller Jahrhunderte haben sich für die grosze Be- deutung des Studiums der Alten ausgesprochen. Namentlich hat Piiis II. Fürsten und Gelehrten das Studium der alten Geschichte mit begeister- ten Worten empfohlen, indem sich der Geist Gottes sichtbar in den Schicksalen der unerlösten Menschheit erkennen lasse (vgl. die Briefe Pius II. an Herzog Sigmund von Tyrol). Gerade an dem religiösen Bedürfnisse, welches die alte Vv'elt durchdrang und in den verschie- denartigsten Aeuszerungen zur Erscheinung kam, soll dem Schüler klar gemacht werden, dasz selbst die schönsten und edelsten Formen ihrer Religionsanschauungen ohne das /belebende Wort Gottes nicht zum Heil der Menschen ausschlagen konnten, sondern dasz das Bedürf- nis einer allgemeinen Religion in den Völkern, welche die Vor- sehung in einen groszen Staat verschmolzen hatte, immer lebendiger wurde und zur Auflösung des alten Cultus führte, der, nachdem er in einer Reihe von Entwicklungen alle Phasen seines Lebens durchge- macht, endlich fällig wurde das Christentiium zu empfangen. Wir dür- fen die Anforderung- einer solchen Darstellung an ein katholisches

238 ßumiiller: Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte.

Schulbuch um so eher stellen, als wir einen Gewährsmann wie Paulus Orosius fiir diese Auffassung anführen können. Von dem h. Augustin aufgefordert die Geschichte des Alterthums darzustellen, w uszte dieser 3Iann in bewunderungswürdiger Weise die historische ^^'ahrheit mit dem christlichen Sinne zu durchdringen, und er hat sich dabei keines- wegs des Mittels bedient die Ueligion der alten Volker als etwas ab- solut verächtliciies oder lächerliches darzustellen, sondern er sucht die guten und edlen Seiten derselben hervorzukehren, um zu zeigen, dasz trotz dieser das Christenthum das gröszle Bedürfnis für die Menschheit geworden war. Hr. BumüUer dagegen hat den entgegen- gesetzten Weg eingeschlagen; er hat das religiöse Gefühl der allen Völker herabzuziehn, ja! fast möchten wir sagen, geradezu in den Koth zu treten gesucht. Hierin liegt der Hauplvorwurf, welchen man dem BumüUerschen Lehrbuch vom katholischen Standpunkte aus leider machen musz. Gleich der Abschnitt über die Ueligion der lader ist so dargestellt, als ob dieselbe nur den allergröbslen Wahnsinn ^enlliielle. Gerade die bessern Theile derselben, welche eine dunkle Ahnung der wahren Ueligion schon verralhen, sind dabei gänzlich übergangen, so die Vorstellung der indischen Trimurti. Es wird im Gegentheil nur von den unzähligen Göttern gesprochen, während nach der Lehre der indischen Ueligion diese nur verschiedene Formen der Erscheinung der Gottheit sind. Gleich darauf wird dann behauptet, dasz in 'Waschungen und ähnlichen Dingen' das Wesen der indischen Religion bestehe. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist nur nebenbei erwähnt, dagegen die Seelenwanderungslchre auf die allertrivialste Weise dar- gestellt. Für den chrisllichen Unterricht wäre es, wie gesagt, gerade uölhig darauf hinzuweisen, wie achtungswerth an sich das starke reli- giöse Gefühl bei den alten Völkern war, wie aber der Mensch, der von Gott selbst nicht geleitet wird, MisgrilTe Ihut bei der Befriedigung seines religiösen Bedürfnisses. Dagegen zieht es Hr. BumuUer vor dieses religiöse Gefühl der alten Völker zu schmähen, indem er unter andern die ' braniinischo' Ueligion ganz ungerechtfertigt und unbe- gründet eine Mleligion des Hochmuts' nennt. Freilich um zu zeigen, wie das dem Menschen innewohnende religiöse Bedürfnis allmälig durch die Geschichte und die Schicksale der Völker geleufert, und diese so dem groszen Erlösungswerkc enlgegengeführl wurden, dazu freilich niüsle man nicht mit der Ueligion der luder beginnen, als mit einer von der einfachen ursi)rünglichcn Gestalt bereits weil eiilfcrnlen, vielmehr müsle eben jene Entwicklung des religiösen bewuslseins nachgewiesen werden, oder wenigstens der Gedanke derselben in der Darstellung und Anordnung als leitender zu erkennen sein. Davon findet sich bei Hrn. B. keine Spur, namentlich nichts von einer Ent- wicklung, die Darstellung ist vielmehr ganz uny^eordnel und wie zu- fällig durcheinander geworfen. Ueber die indische Uelinion ist ziem- lich viel gesagt, auch über den baby lonisciieu Ueligionscnllu> und über den [»höuizischen ; dann folyt dürl'lineres über den aeüypiischen Cullus; ausführlicher wird die Zeudreligion behandell, allein über die

Bnmüiler: Lehrbuch der Geogr. u. Geschichte. 239

griecliische Religion schreibt Hr. B. nur zwei Zeilen, wo, wie oben erwiihnt, die olympisclicn Gölter genannt sind, über die römische Religion sagt er gar nichts. Hr. B. widerspricht also in der That den von uns gestellten Anforderungen; je niedriger die Stufe des religiö- sen bewustseins eines Volkes ist, desto ausführlicher spricht er über die Religion desselben. MS'ie soll aus einer so verkehrten Darstel- lungsart einem Knaben die providcnlielle Nothwendigkeil des Christen- Ihums einleuchtend gemacht werden? ^^ ird er auch nur ahnen kön- nen, welche ^^'ohllhat das ^^'ort Gottes für die unerlöste Menschheit war, wenn er auch nicht im mindesten darauf aufmerksam gemacht wird, mit welcher 3Iacht sich bei den alten Völkern das religiöse Bedürfnis, und auf letzter Stufe geradezu das Bedürfnis nach der Er- lösung durch Christum geltend gemacht hat? AVir wollen uns kein Unheil darüber erlauben, aus welchen Gründen Hr. B. diesen Misgriff gemacht hat, so viel ist abergewis, dasz er überall dort, wo der edlere sittliche Geist eines Volkes zur Erscheinung kommt, eine unbegreif- liche Jlisachtung dessen an den Tag legt, was der menschlichen Natur als das heiligste innewohnt. So namentlich bei den Griechen, deren Heldensage er mit einer beispiellosen Trockenheit referiert. AN'ir be- gnügen uns insbesondere auf die Abschnitte über Herakles und Theseus hinzuweisen.

Besonders schneidend aber tritt die gerügte Geringschätzung der sittlichen Bestrebungen der Völker in dem Capitel: '^die Griechen als Nation' S. 77 hervor. Auf die höhere sittliche Bedeutung des Amphi- ktyonenbundes wird dort kein Gewicht gelegt, dagegen fast mit Hohn hervorgehoben, dasz "^ das Gericht der Amphiktyonen nie allgemeine Anerkennung seiner Aussprüche erlangte', was noch dazu an sich un- wahr ist. Ebenso ist bei den religiösen Festen der Griechen mit einer gewissen Absichtlichkeit die geistige Anregung, welche dieselben üb- len, die grosze Bedeutung, welche sie für Dichter und Schriftsteller hatten, verschwiegen, aber das Wettrennen, das Scheibenwerfen, ja sogar der Fauslkampf, der in der guten Zeit nie vorkam, ist scharf l)etont. V>"\r sprechen hier von Absichtlichkeit, weil wir nicht anneh- men können, dasz Hrn. B. die Beziehungen der gröszten Schriftsteller und Dichter Griechenlands (Herodot, Pindar usw.) zu den religiösen Festspielen unbekannt seien.

Auch die übrigen groszen Leistungen der Griechen in Lilteratur, Kunst und Philosophie werden (natürlich ebenfalls in der von uns characterisierten trivialen Weise) nur obenhin behandelt, doch ent- spricht hier die Kürze dem Zwecke eines für das Untergymnasium bestimmten Lehrbuchs, wenn aber von Sokrates, an einem Orte, wo die Sache gar nicht hingehört, nur nebenbei bemerkt ist: * der 399 den Giftbecher trinken muste', so ist dies ein neuer Beweis, dasz Hr. Bumüller die Schüler für die Groszthaten des Alterthums nicht em- pfiinglich machen wollte.

240 Ueber die Handbücher der Weltgeschiclite von Pütz.

16.

Ueher die Handbücher de?' Weltgeschichte von W. Pütz-. Eine offene Besprechung. Zweite Sendung. (Vgl. Suppleiu.- Bd. XIX S. 472 ff.)

Als der unterzeicbnete die ^ erste Sendung' seiner ßeurlbeihuig der bekannten PützschenGescbichlsbandbücber erscheinen liesz, glaubte er deutlich genug angegeben zu haben, dasz es keineswegs in seiner Absicht lüge, eine vollständige ßeurtlieilung dieser ^^'erke zu lie- fern. Wären jene Handbücher erst Irisch auf den Büchermarkt gekom- men, dann allerdings wäre es die Aufgabe des liecenseuten gewesen, auch auf die Vorz üge einzugehen; nun aber, wo dieselben in vielen Auflagen und Uebersetzungen vorlagen, bedurfte es des Lobes nicht, aber wol schien es an der Zeit zu sein, darauf aufmerksam zu machen, dasz trotz der vielen Auflagen jene Werke iiichl ohne Vorsicht ge- braucht werden dürften. Um dieses Urtheil zunächst in Bezug auf die geogr, und histor. Angaben zu erhärten, wurde eine Ueilie von Nachweisen geliefert. Damit sollte aber keinesw egs gesagt sein, dasz man alle übrigen historischen Angaben für unantastbar hielte. Beispielshalber wollen wir nur, ehe wir zu wichtigern Punkten über- gehen, eine kleine NachlesQ auf dem Gebiete der alten Geschichte anstellen.

<$ 64 heiszt es : ^ Die Spartaner v er m och len nicht d'ie Em- pörten unter das alte Joch zu beugen, denen die Athener das kurz vorher den ozolischen Locrern entrissene Naupactus einräumten.' Diese Worte scheinen fast eine freie Ueberselzung von Diod. XI 64 exir. zu bieten: oi ()' eikcüzsg 7tca'öiji.iBl T(bv Aa/.söaLiioviviv acpeoroöiig ()VVcj.ur/pvv roig MeGGijvloig, xai itozc ^lev svLnav, ttote dh ijZTLovto. ^Enl Ö£ exi] dexa tov nolij-iov jxyj dvvc(f.iei>ov Jiax^iO'/}i/c«, ÖLerikovv rovrov z6i>.%o6vov ccXhjkovg Kaxortotovvzsg. Allein hiermit hat Diodor nicht das Ende des Kriegs erzählt, und wollte man seiner Darstellung nun einmal folgen, so hätte auch XI 84 nicht unbeachtet bleiben dür- fen: zaza yciQ xov uvzov '^qovov ot ylaxedacixovtoi Tifjug rovg etkutag Kcd M.£(Jö)]viovg 7ie7tolei.ujy.6zsg e7tl 7Tletoi', roze HQazt'jGa vxag cifi- cpoxe(j(Ov^ xovg jxeu i^ l&cDj.iiig vTtoßTtouÖovg acpiiy.av., Y.ud^öxL rc^oel- Qijxca., xcov ö eik(özo3v xovg ccizCovg zijg ccTtoazuGscog KoXci- Gcivxeg xovg «AAovi; y.caeöovXcoGai'zo. Und hiermit slimmt vollkommen Thucyd. I JOS- Pausan. IV 24 exlr. In der Goscbiclitc des ersten niesseuischcn Kriegs 60) lesen wir, der König Aristodemus habe seine Tochter zum Opfer angeboten. Nun lebte aber damals noch Euphaes, König der Messenier; erst nach dessen Tode, der sechs Jahre später erfolgte, wurde Aristodemus zum Könige gewählt. Pausau. IV 9 u. 10. Dem 'j^ 61 zufolge wäre die Wahl der Arcliouton durilis Loos bereits unter Solon angeordnet worden. Abgesehen von der Unrichtigkeit (vgl. Hermann. Griech. Antit]. 1 § 103 IV. «5^ 112), steht

lieber die Ilandbüclier der Weltgeschichte von Pütz. 241

dieses aucli im aiisdnuklicheii Widerspriiclie mit dem, was etliche Seiten weiter über Klislhenes in unserm Iland!)uclie erzählt wird. § 53 c : ^ Schon die Urenkel des Danaus theilten das Reich in zwei: Arg' OS undTiryns, welches lelzlre unter den Söhnen des Perseus abermals in zwei Reiche: Tiryns und Mycenä zerüel ' undeut- liche und misverstiindliche Abkürzung des allerdings verwickelten Mythus I Es gewinnt nemlich hiernach den Anschein, «Is ob bei der Theilung zwischen den Urenkeln des Danaus, Acrisius und Proelus, ersterer, des Perseus Groszvatcr, eben Tiryns bekomnien hätte, wäh- rend das umgekehrte der Fall ist, und erst zwischen Perseus und 3Iega- pentlies eine andere Regulierung der Länderverhältnisse erfolgte. S. Jacobi llandwörterb. der griech. und röm. 3Iythol. s. v. Ebd. d: 'Pelops kam, nachdem sein Vater Tantalus, König in Sipylus, durch die Troer vertrieben worden war*), aus Phrygien, nahm Pisalis und Arcadien ein, und seine Söhne Atreus und Thyestes gewannen die Herschaft von Mycenä und Tiryns' . . . Um von letztrer Angabe, die zum mijidesten eine unklare ist (vgl. übrigens Jacobi s. v. Atreus), ganz abzusehen, so wäre doch noch nachzuweisen, wo denn eine Ein- nahme von Arcadien ausdrücklich erwähnt würde. Oder bieten die ^^'orte einen Druckfehler statt 'und Olympia' nach Pausan. Vi: TliXorp 8s uno^avovxog Oii'O^iaov rtjv ts niGaiav k'ay/ y.al OXv^ntiav ßTTOTfjuo/iiEj'Og xi]q Etcsiov %iC)QCig ouoQOv ovßciv ti] Tli6aL(x'? Möglich wäre es aber auch, dasz jene Angabe eine eigene Auslegung Aväre von Diod. IV 73 extr. : naQslaße r))v iv ÜLai] ßuGdsiav y.cd öia rrjv av- ÖQeCav Y.al avveöiv ad fiaXXov av'^6i.iSPog rovg nXdaxovg rwv 'aaxa xrjv IItXo-Ji6vv)]aov ohovvxcov TtQOGr^ydycXO. Im § 55 ist nicht abzu- sehen, warum der Verf. abweichend von den bewährteren und bekann- leren Klassikern, Homer, Ovid usw., den Mythus von Theseus und Ariadne nach der weniger beachtenswerlhen Version des Diodor und etlicher Scholiasten erzählt. Vgl. Preller griech. Mylhol. II S. 198. Jacobi s. v. Bei den Bedingungen des antalcidischen Friedens hätte wol der Vollständigkeit und Richtigkeit wegen da, wo es heiszt: '....dem Perserkönige das asiatische Festland überlassen'...., eingeschaltet werden können "^ nebst den Inseln Cypern und Clazo- menae' (welches letztere erst unter Alexander durch einen Damm mit dem Fesllande verbunden wurde; vgl. Schneider zu Xenoph. Hellen. V 1 31). In § 68 ist von einem dreimaligen Zuge der Thebaner gegen Alexander von Pherae die Rede, und zwar sei 'auf dem ersten Zuge Pelopidas in die Gefangenschaft des Tyrannen geralhen, auf dem zweiten durch Epaminondas befreit worden, auf dem dritten sie- gend bei Kynosl^ephalae gefallen.* Die Sache verhält sich jedoch ganz anders. Plutarch. Pelop. 26 32: I. Pelopidas fällt mit einem Heere in Thessalien ein, erobert Larissa, sucht die Eintracht zwischen Alexander und den Thessalern herzustellen usw. Nachdem er die

*) So, abweichend von der verb reitet ere n Be'iandliing dieses Mythus, nach Diodor IV 74 extr.

242 Ueber die Handbücher der Wellgescliichte von Pülz.

Tliessaler gegen Alexander sicher gestellt hat, dringt er nach Macedonien vor, wo Thronstreitigkeiten ausgehrochen waren. Als er auch dort die Verhältnisse geordnet hatte, kehrte er mit einer Anzahl Geiszeln, worunter auch der nachmalige Philip- pus IL, nach Theben zurück. II. Neue Klagen gegen Alexander veranlassen eine abermalige Intervention der Thebaner in Thessa- lien. Pelopidas und Ismenias werden als Gesandte und ohne Heer abgeschickt. Als sich aber die Lage der Dinge darnach ge- staltete, sammelte Pelopidas rusch ein ziemlich unbeträchtliches Heer von Thessalern, zieht mit diesem gegen Alexander, wird jedoch, als er, um mit dem Tyrannen zu unterhandeln, in einiger Enll'ernung vom Heere vorauf und jenem entgegengegangen war, verrälherischcr Weise gefangen genommen. III. Jetzt schicken die Thebaner ein Heer zur Befreiung des Pelopidas und Ismenias ab, und zwar zunächst unter andern Feldherrn, nicht unter Epaminondas. IV. Als diese jedoch nichts ausrichteten, wurde Epaminondas abgeschickt, Pelopidas und Ismenias frei. V. Neuer Zug des Pelopidas. Sein Tod bei Kynos- kephalae. VI. Rachezug der Thebaner mit 4000 M. zu Fusz und 700 M. Heilerei. Alexander gedemütigt. § 72 werden die Moeren mit Plu- ton zusammengestellt und zu Gottheiten der Unterwelt gemacht. Vgl. dagegen unter andern Preller griech. Jlythol. I 227. 'jj 105 wird gesagt, die comitia tribula seien überhaupt ohne Anspielen angestellt worden statt; ' die comitia tributa haben auch ohne Anstellung von Auspicien Gültigkeit.' Im § 1-iO läszt der Vf. den Sertorius in Africa, nachdem er aus Spanien dorthin entwichen war, 3Iaurelanien erobern. So wenig nach Plutarch. Sertor. 9, als nach irgend einem andern Schriftsteller hat Sertorius 3Iaurefanien erobert. Vielmehr nahm er bei Throuslreitigkeiten in Mauretanien gegen den von cilici- schen Seeräubern unterstützten Ascalis Partei, besiegte denselben, sowie auch den von Sulla gescliickten Uömer Paccianus, eroberte die Stadt Tingis, wohin sich Ascalis geflüchtet hatte, und ordnete darauf die Heichsangelcgcnheilen zur Zufriedenheit der Maurelanier. Die Schlacht bei den aegatischen Inseln wird im § 119 ins Jahr 241 statt ins J. 242 verlegt. Der Friedensabschlusz fällt ins Jahr 241, nicht aber zugleich die Schlacht. § 147: Moch Pompcjus . . . beharrte bei dem Plane, den Gegner durch Hunger aufzureiben, bis dieser durch ve r s t el 1 1 c (sie !) Flucht die entscheidende Schlacht bei Pharsalus 48 erzwang'. Vgl. damit Caesar b. civ. III 85: Caesar, nulla ra- lione ad puguani elici possc Ponipeium existimans, hanc sibi commo- dissimam belli ralionem iudiravit, uti casira ex eo loco nioveret sem- perquc esset in itineribus: hoc speclans, ut, mocendis cnslris pluri- buscjue adeuvdis lucis, romniodiore friimentariare ntereftir: sivinlqnc in itinvre iil aliijnain uccasioiiem diiuicandi lumciscerelur et insoh- lum ad lahurem Pompi'ii csercilum (jiiotidiattts ilinerihtts defat/i/arcf. Cap. 8(j: Pompeius ((uoiine, ut poslea cojiniliim a^l ^ suorum oninium horlalu slalueral jjroelio decerlare. § 151 : 'Zunäclisl erregle Anto- nius durch seine Leichenrede auf Caesar die >N ulh des Volkes gegen

lieber die Handbücher der Weltgeschicbte von Pütz. 243

dessen Mörder, woranf diese Hom verlieszen und in die ihnen von Caesar verlielienen Provinzen abgiengen: Dec. Brutus nach Gallia cisalpina, M. Brutus nach Macedonien, C. Cassius nach Syrien; dann trieb er mit Caesars Papieren .... den frechsten 3Iisbrauch.' Wenn auch die Geschichte gerade jener Zeit eine höchst verwickelte ist (vgl. Drumann), so kann doch schwerlich in dieser Weise die Sache übers Knie gebrochen werden. Um nicht zu weifläuftig zu wer- den, so lassen wir hier blosz einen kleinen Abschnitt aus Drumann No.XXII §3 folgen: 'Vergebens erwartete M. Brutus eine Bewegung zu seinen Gunsten, und als er um die Mitte des April sich entfernt hatte, verweilte er in gleich nichtiger Hoffnung in der Nähe auf sei- nen Gütern. Er fragte bei Antonius an, ob er am 1. Juni mit Sicher- heit im Senate erscheiiien könne, und durch die Antwort und den Zusammenflusz der Veteranen in Kom wenig ermutigt, durch die Bera- thungen mit Cicero, welcher ihn bei seiner Unthätigkeit lieber ganz gemieden hätte, und mit andern wenig gefördert, erfuhr er zu seinem grösten Misvergnügen, dasz er bestimmt sei, in Creta Getreide zu kaufen. Nun sollten die A|)ollinar- Spiele entscheiden; er gab sie im Juli als Praetor durch andre , während er auf der Insel Nesis bei Pu- teoli der Wirkung auf das Volk entgegensah; es unternahm nichts für ihn, Antonius drohte, und Brutus schiffte endlich im September von Velia nach Athen, um Macedonien, die ihm von Caesar überwiesene Provinz, in Besitz zu nehmen, und der Gewalt mit Gewalt zu wider- stehen' — usw. Auch Cassius bleibt bis zum September in der Nähe Roms (s. Drum.); nu r Decimus Brutus war damals gleich nach dem cisalpinischen Gallien abgezogen. Durch das 10 Zeilen weiter fol- gende: 'Als Antonius beim Volke durchsetzte, dasz D. Brutus das cisalp. Gallien gegen Macedonien (dem M. Brutus ward Creta statt Macedonien als Provinz angewiesen)' .... us>v. macht der Vf. unsres Handbuchs die Sache erst recht verworren, wie man aus den angeführten Worten Drumanns ersehen kann. Ob nicht vielleicht die Worte von Florus IV 7: ne tarnen publici doloris oculos ferrent, in provincins ah illo ipso, quem occideranf, Caesar e datas, Syriam et Macedoniam, concesserant ersterer Stelle des Handbuchs zu Grunde

liegen? Ebd. 'Der nuilinische Bürgerkrieg Pansa fiel

im ersten Gefechte, ebenso Hirtius in der Schlacht bei Mutina.' Am 15. April hatten 3 Gefechte statt; im dritten ward Pansa verwundet; er wurde nach Bononia gebracht (Cic. ad Fam. XI 13. Appian. III 570) , wo er gleich nach der Schlacht bei Mutina starb, etw^as später als Hirtius. Also nach Drumann und den Alten.

Sed haec hactenus. \\'ollte man noch solche Stelleu heranziehen, wo durch eigenthümlichc Ausdrucksw eise zu Misverständnissen Anlasz gegeben wird, so würde das Verzeichnis der Ungenauigkeiten noch um ein nicht unbedeutendes anwachsen. Doch da in solchen Fällen eine einfache Erklärung über die histor. ßedenklichkeiten hinweg- hilft, so schweigen wir lieber hiervon gänzlich. Indessen fällt uns hier eine Unbedachtsamkeit des Vf. ein, wo der Lehrer, wenn er die Sache A'. Jahrb. f. Phil. n. Paed, Bd. LXXII. Hft.ö. 19

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erklären sollte, den Schülern gegenüber in die allergrösle Verlegen- heit gerathen würde. Im Handbuche der neueren Geschichte § 32 ist zu lesen: . . . ^Pompadour, die Ludwig W. durch die manig- faltigslen Zerstreuungen (im Hirschpark) fortwährend zu fesseln wüste.' Wozu diese Parenthese? Soll der Lehrer die Sache erleu- tern?! Das kann Hr. P. nicht gewollt haben; denn er wird mit jedem gewissenhaften Erzieher einverstanden sein, dasz man sich im Lehr- fache kaum etwas schrecklicheres denken könne, als wenn der Lehrer vor der Phantasie seiner Zöglinge unzüchtige Bilder voriiberführen wollte, wodurch vielleicht manche unsciiuldige Seele mit dem Pest- hauche des schmählichsten Lasters inticiert würde. \> ird aber die Sache nicht erklärt, so wird dadurch erst recht die ungeordnete Neu- gierde manches jungen iMannes gereizt und er holt sich Aufklärung Gott weisz in was für Büchern !

Wenn der Geschichtsunterricht an den höhern Bildungsanstallen weniger zu dem Ende eingeführt ist, dasz die Schüler ein Conglomeral von einzelnen historischen Daten in ihr Gedächtnis aufnehmen, als zu dem Ende, dasz das Gemüt gebildet und veredelt, dasz sittlicher Ernst geweckt und genährt werde, dasz Gesinnungstüchtigkeit erwachse so in Beziehung auf die höchsten Interessen der Menschen, die Heli- gion, wie in Beziehung auf die allgemein-menschlichen Verhältnisse und das Vaterland: dann hat derjenige, der es übernommen, ein Schul- handbuch der Weltgeschichte zu schreiben, die unabweisbare Aufgabe, durch die Art und Weise seiner Darstellung für die Erreichung jenes schönen Zieles zu wirken; er hat seinem Werke einen Geist einzu- hauchen, oder vielmehr, sein Werk musz von einem Geiste durchweht sein, der jenem Endzwecke entspricht. Ist das bei unsern Handbüchern der Fall?

Die Gescliichtsstunden sind wesentlich auch dazu bestimmt, dasz die Zöglinge im mündlichen Vortrage geübt werden. Daher musz das Geschichtsbuch, was ihnen in die Hände gegeben wird, durchaus in einem correcten und gefälligen Stile geschrieben sein. Es mag ein Lehrer die höchst sonderbare Methode haben, die betreffenden Ab- schnitte des Handbuchs auswendig lernen zu lassen oder nicht, immer nimmt der Schüler unglaublich viel in Beziehung auf sprachliche Dar- stellung aus dem eingeführten Geschichlshandbuche an. ^^ ie ist denn der Stil unsers Handbuches? Proben werden dies wahrnehmen lassen; und diese Proben sind nicht etwa nach langem Suchen, sondern bei einem ganz flüchtigen Durchblällern gefunden worden. Komisches. ^ 21. B 2: 'Auf diese Nachricht eilte Camhyses nach Persis zurück und starb ohne Kinder in Folge einer Verwundung am Schenkel.' § 68: 'Agesilaus starb auf dem Rückwege von einem Zuge nach Aegypten, um dort eine Empörung gegen die Perser zu unterstützen.' '^119: . . . 'indem P. Claudius Pulcher (Appius des Blinden Sohn), welcher die heil. Hühner in die See werfen liesz, bei einem Angriffe auf diß panische Flotte geschlagen wurde.' § 147: '^ Einige Tage nach der Ermordung seines Schwiegersohnes erschien Caesar vor Alexandrien

Ueber die Handbücher der Weifgeschichte von Pütz. 245

und beweinte ilin.' § 155: 'So wurden, um Spanien zu beruhigen, die noch unbezwuugeiien Tanlabrer und Asturier von Agrippa völlig unterworfen.' Sonderbares. § 10: 'Berosus, Priester des Bei und Astrolog zu Babylon, schrieb BaßvXcoviKa, nach alten, einheimi- schen, zu Babylon aufbewahrten Schriften und nach bedruckten ge- brannten Steinen, und umfasste die babylonische, assyr. und med. Ge- schichte.' — »i^ 76: * Jenseits des Hydraotes betrat Alexander das Gebiet der freien Inder, Mclclie das Nomadenleben noch nicht gänzlich verlassen und keine Könige halten.' § 40: 'Die Feinde des Hamilcar klagten ihn (i. e. Hamilcar) an, als sei er' etc. § 124: 'Hannibal floh .... zum Könige Prusias von Bithynien und nahm, als er sich von diesem verralhen glaubte, Gift.' § 122: 'Dann zog er auf dem schwierigem und deshalb nicht geahnten Wege durch die Sümpfe am Arnus, erfocht einen dritten Sieg am See Trasimenus über die unge- übten Legionen des Consuls Flaminius, welcher mit dem gröslen Theile seines Heeres umkam , gieng dann aber nicht auf Rom los . . .' Und derartige 'Sonderbarkeiten' liefert jeder Abschnitt. Ungramma- tisches. § 6, V: 'Die gefangenen Krieger und die am letzten Auf- stände am meisten beiheiligten . . .' (statt: welche beiheiligt gewesen waren!) § 61: 'Solon declaniierfe im verstellten Wahnsinne.' § 147: 'Caesar erzwang durch verstellte Flucht die Schlacht.' § 65: 'Pericles liesz dem Areopag (auf den Vorschlag eines gewissen Ephial- tes) die Entscheidung in Rechlsfällen ' etc., d.h. 'Ephialtes schlug diese Masregeln dem Pericles vor', heiszt aber nicht: 'Ephialtes sei des Pericles Werkzeug gewesen', was der Vf. eigentlich sagen wollte. § 66: 'Der in Boeotien gereifte Plan' u. dgl. Ueberhaupt hat das bestreben, möglichst viele Angaben in einen Satz hineinzuzwängen, zu einem (schonend zu reden) höchst eigenlhümlichen Gebrauche der Participien und der Adverbialbeslimmungen Anlasz gegeben. Eben dieses 'streben nach Kürze' hat jenen dem Verfasser eigenlhümlichen Salzbau hervorgerufen, den wir ohne weiteres bezeichnen müssen als etwas unlogisches. Denn wenn die Hauptsache in Nebensätze ver- wiesen wird, wenn das, was in gar keinem logischen Zusammenhange untereinander steht, in grammatischen Zusammenhang gebracht resp. durch Relativa oder Partikeln aneinandergekittet wird, so wird man das doch nicht ein logisches Verfahren nennen wollen. Statt zahlloser Belege einige wenige ; auch in den bereits vorgekommenen und wei- ter unten folgenden Stellen wird man Beispiele finden. Theil I, § 21. 'Der lydische König Croesus, um sich wegen der Vertreibung seines Schwagers Astyages zu rächen und einen Orakelspruch zu sei- nen Gunsten deutend, gieng diesem über den Halys entgegen und fiel verheerend in Cappadocien ein, zog sich aber nach einer unentschie- denen Schlacht in seine Hauptstadt Sardes zurück, welche Cyrus nach einer neuen Schlacht belagerte, einnahm und verwüstete. Nach der Eroberung des lydischen Reiches, welches sich vom Halys bis zum aegaeischen Meere erstreckte, liesz Cyrus die griech. Küslenstädte Kleinasiens, welche gegen Tribut die Beibehaltung ihrer Verfassun-

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246 Ueber die Handbücher der Weltgeschichte von Pütz.

gen begehrten, durch Harpagus unterwerfen' usw. § 116: ^AIs diese Anträge auf den Hath des blinden Appius Claudius verworfen wurden, drang er (Pyrrhus) i)is Praenesle vor, um sich mit den Etrus- kern zu vereinigen, denen aber die Homer schleunigst einen günstigen Frieden bewilligt hatten.' § 21 : '^ Das Unternehmen des Darius gelang, er unterwarf die Anwohner des Indus, die auch noch seinem Sohne Xerxes gehorchten, aber von den spätem Achaemeniden unab- hängig erscheinen.' § 160: "^INach einem verheerenden Einfalle in das parthische Reich ward Caracalla ermordet auf Anstiften des Praef. praet. Macrinus, welcher folgte und von den Parthern, die, um Cara- callas Einfall in 3Iedien zu rächen, auf römischem Gebiete erschienen, den Frieden erkaufte.' § 156: ' Tiberius sättigte jetzt seinen Blut- durst durch die Verfolgung der Freunde des Sejanus, bis er mit Pol- stern erstickt ward, auf Veranlassung des Caligula, der ihm folgte. Caligula 37 41, welcher im ersten Jahre den ungeheuren Schatz des Tiberius durch Speisungen des Volkes usw. verschwendete und nach einer Krankheit allmälig in völlige Geisteszerrüttung verfiel, aber trotz seiner zahllosen Willkürlichkeiten und Grausamkeiten erst nach 4 .1. durch eine Verschwörung der Praetorianer gestürzt wurde.' Weiterhin noch Proben von der Schwerfälligkeit der Diction u. dgl. m. zugeben, halten wir für gänzlich übertlüssig; die Darstellungsweise des Vf. ist hinlänglich charakterisiert.

Unwillkürlich drängt sich uns jetzt die Frage auf: Woher einer- seits die Ungenauigkeiten in historischen und geographischen Anga- ben— und andrerseits dieser sonderbare Stil.' Antwort: das eine wie das andre rührt von der Entsttjhungsweise dieser Handbücher her. Proben werden hierüber nähere Aufschlüsse liefern; wir wollen aber statt vieler nur wenige geben. <:J 67 (nach der neuesten Aull.) zu- sammengestellt mit Sievers Geschichte Griechenlands vom Ende des peloponnesischen Kriegs bis zur Schlacht bei Mantinea. 1840. P. in- zwischen besiegten die Lacedaemonier schon die verbündeten, welche ihre Streitkräfte bei Korinth zusammengezogen halten, um den noch schwankenden Peloponnesiern zu der ersehnten Befreiung vom sparta- nischen .loche zu verhelfen.' Sievers S. 66: 'Darauf zogen die verbündeten ihre Streitkräfte bei Korinth zusammen, wol in der Ab- sicht, den Pelo))onnesiern zu der ersehnten Befreiuung vom spartani- schen Joche zu verhelfen.' P. 'Agesilaus siegte bei Koronea, wo- hin die verbündeten blos2 einen Thcil ihres in Korinth stehenden Heeres geschickt hatten.' Sievers S. 71: 'Denn jetzt hallen endlich die verbündeten wenigstens einen Theil ihres in Korinth stehenden Heeres dahin abgeschickt.' P. 'Konon slellle mit persischem Gelde die Mauern Athens wieder her und gewann seiner Vaterstadt für kurze Zeit die Seestaaten und die (von Sparta verlorene, von Persien auf- gegebene) Meeresherschaft wieder.' Sievers S. H3: 'Auch benutzte Konon diese Umstände, um die Vortheile, welche persisches Geld und persische SchilTe errungen hatten, seinen Athenern zuzuwenden: ihnen gewann er die Seestaaten, ihnen verschalfte er die von Persien auf-

Ueber die Handbücher der Welfg'eschichte von Pütz. 247

gegebene Mecrcslierscbaft^ P. (olynlbisclier Krieg) M^nd auf das Gesuch des Königs Amyntas von Macedonien sandten die Spartaner ein Heer dahin, welches erst im 3. .lahre und nach bedeutendem Ver- luste die Olynlhier nöthigte ihre Eroberungen aufzugehen und sich der spartanischen Synimachie anzuschlieszen , wogegen . sie ihre Unabhän- gigkeit behielten.' Sievers S. J55. 156: 'Sie behielten ihre Unab- hängigkeit, dagegen muslen sie sich der spartanischen Symmachie an- schlieszen und \vie es sich erwarten liiszt, ihre Eroberungen aufgeben.' Gleich im folgenden Paragrapiien haben wir ein Beispiel , wohin diese Abkürzungs- und Excerpicr- Methode in historischen Angaben führen kann. * Bald (nach Thebens Befreiung) erschienen die sparta- nischen Könige Kleombrolus und Agesilaus mit einem Heere in ßoeo- tien.' Beide zusammen mit einem Heere?!? Sievers S. 201: 'Denn noch ehe die Kadmeia gefallen war, hatten die Spartaner ein Heer zusammengebracht, mit welchem König Kleombrotus in Boeotien einfallen sollte. . . . Kleombrotus wandte sich nach Plataeä...' Und S. 204: 'Agesilaus rückte mit einem 18000 Mann starken Heere in Boeotien ein.' Andre Parallelstellen zu diesem § findet man bei Sie- vers S. 157. 166. 170. 174. 209 usw.

Wer mehr Beispiele aus Theil I verlangt, der braucht nur geringe Umschau zu halten. Wir gehen über zu etlichen Beispielen aus Th. II, Gesch. des M.A. § '21. 'Arnulf bewies seine Tüchtigkeit zunächst im Kampfe mit den Normannen, welche, aus Frankreich durch eine schwere Niederlage vertrieben, wieder in Lothringen eingefallen waren und die Gegenden an der Maas plünderten, indem er gerade dem tap- fersten aller normannischen Stämme bei Löwen eine so furchtbare Niederlage beibrachte, dasz sie wenigstens keine gröszeren Angriffe mehr versuchten. Schwieriger war der Krieg gegen den mährischen Fürsten Zwentibald, welcher alle slavischen Stämme im Norden der mittlem Donau vom Böhmerwalde bis zu den Karpathen zu einem groszen Reiche vereinigt hatte. Denn obgleich Arnulf mit einem Heere an der Donau nach Mähren hinabzog, während die Thüringer in Böhmen einbrachen und gleichzeitig die Ungarn oder Magyaren, ein finnisch- ugrischer Stamm (vom Ural und der Wolga), der sich damals dauernd an der Südostgrenze Deutschlands niederliesz, die mährische Grenze überschritten (auf Arnulfs Veranlassung?), so behauptete sich doch Zwentibald gegen die von allen Seiten andringenden Feinde' usw. Nun lese man F. H. Müller die deutschen Stämme, III. Theil (1842) S. 243: Arnulfs Tüchtigkeit im Kampfe offenbarte sich vornemlich gegen die so gefürchteten Normannen. Denn jene normannischen Schaaren, welche bis dahin das Land Francien unaufhörlich bedrängt hatten, brachen 891 wieder in Lothringen ein.' S. 244: 'Zwar hat- ten die Normannen bei Löwen an der Dyle . . . eine sehr feste . . . Stellung eingenommen, aber diese wurde erstürmt und den Normannen eine furchtbare Niederlage beigebracht.'^ S. 245: 'Wenigstens er- folgte seitdem kein gröszerer Angriff mehr.' S. 235 : ' Es ist dies die Zeit des groszmährischen Reiches, das aus einer Vereinigung aller

248 Ueber die Handbücher der VVelfg^eschichte von Pütz.

slavischen Stämme im iNorden der mittleren Donau von dem ßöhnier- vvalde an den baierschen Grenzen bis zu den Karpalhen hervorgieng.^

S. 248: ^Als Arnulf . . . mit den Heerschaaren ... an der Donau nach Mähren hinabzug . . . Um aber die Entscheidung des Kampfes so schnell als möglich herbeizufuhren, musfen auch die Thüringer gegen Böhmen vorrücken, und während zu gleicher Zeit die Ungarn von Osten her (S. 247: "Die Ungarn bilden das letzte Glied des finnischen oder ugrischen Volksstammes, dessen Heimat in den Gebieten am Ural und der Wolga erscheint'), sei es nun auf Arnulfs Veranlassung oder nicht, .... verheerend die mährischen Grenzmarken überschrit- ten — ' S. 249: . . . M)ehauptete sich doch Zwentibald gegen

die von allen Seiten andringenden Feinde Nur erst mit Zwen-

tibalds Tode im J. 894 brach diese mährische Macht zusammen . . .' Ueberliaupt ist das Werk von Müller seiner ganzen Länge nach in den betrelfenden Geschichtspartien excerpiert und zwar mit einer fast buch- stäblichen Treue, z. B. Pütz S. 77 (Vertrag von Morsen): 'So hatte das deutsche Heich grösztenlheils die ihm von Natur angewiesenen Grenzen u\ Westen erlangt, und der Rhein war wieder ein deulsiher Strom geworden von seinem Quellgebiel bis zu seinem Deltalande.' Dasselbe (mit etlichen genauem Bestimmungen mehr) buchstäblich bei Müller S. 189. Oder man vgl. Pütz <^ 13 und Müller Theil H S. -.'83. 324. 333. 334 usw. Mit Pütz S. 92. 93. 95 vgl. Bospatt die deutsche Königswahl. 1839. S. 33. 39. 46. 49. Ueberliaupt beliebe man nur die als Hülfsmitlei von P. angegebenen Werke genauer durchzugehen, wenn die hier gegebenen Beispiele zur Charakterisierung der Art und Weise der Abfassung genannter Schulbücher noch nicht genügen soll- ten; so unter andern namenllich auch Schmidt Gesch. von Frankreich

und in Bctrelf der hrandenijurgisch - preuszischen Geschichte (An- hang zum Gruiulrisz der denischen Geschichte von W. Pütz. 1852. 5e Aufl.) Lancizolle (iescli. der Bildung des preusz. Staats. 1828. Lelz- tres Werk führen wir lediglich deshalb an, weil sich hier wieder ein schlagendes Beispiel lindet von der Zuverlässigkeit der Excerpier-Me- fhode. Bei P. S. 167 ist zu lesen folgendes: ^ . Hier lernte er (Al- hrecht) Luther und Melanchthon kennen, liesz sich von diesen bewe- gen, den Orden aufzuheben ,• sich zu vermählen und Preuszen in ein weltliches Fürstenthum zu verwandeln. Die Ausführung dieses Halbes ward dadurch erleichtert dasz inzwischen die reformierte (.'*.') Lehre auch schon in Preuszen eingedrungen war und der Bischof von Sam- land zuerst von den Bischöfen zu ihr übertrat' usw. Vgl. Lancizolle S. 412. 414 und 407: 'Schon mehre .lahro vorher, bereits seit dem J. 1520, hatte die Beforniation in Preuszen Eingang gefunden' etc. Daraus ist von Hrn. P. 'die reformierte Lehre' gemacht worden, wäh- rend es die lulherisdie Lehre war (s. Alzog Kirchenuesch. «iji323); ja es bestand damals noch gar nicht die Scheidung in lutherische und 'reformierte' Lehre.

Sind nun in der genannten Weise die Geschichtsbücher des Hrn. P. entstanden, so ist es mehr als begreiflich, woher die histor. Unge-

lieber die Handbücher der Weltgeschichte von Pütz. 249

nauigkeiten , woher der dar cii g eben ds so eigenthiiinliche Stil. Dieser Stil übt jedoch nicht allein auf die Ausdrucksvveise der Schü- ler nachtheiligen Einllusz, sondern aucli auf den Geist selbst. Wir haben gesehen, dasz der Verfasser bemüht gewesen ist, in wenige Zeilen zusammenzudrängen, was anderswo ganze Seiten, Blätter, ja Bogen füllt. Durch diese unvergleichliche Zusammenhäufung von Da- ten wird das Gedächtnis in ärgster Weise überladen, noch mehr, es wird, da in Folge der dürren (nomenclatorischen) Behandlungs- weise weder die Phantasie in Anspruch genommen wird, noch von einem eigentlichen Antheile des Gefühls die Rede sein kann, somit jenes Vermögen ganz allein zum festhalten der Data thätig sein musz, in fast schrecklicher Weise angestrengt. Sobald nach einiger Zeit das eine oder das andere Glied aus jener Verkettung hi- storischer Einzelnheiten herausfällt, so kann es nicht fehlen, dasz V^erwirrung angerichtet wird; es wird dadurch Unklarheit des Geistes wesentlich gefördert.

Zum Schlusze noch eine Bemerkung. Wenn bei den vorgekom- menen Beispielen hier und da statt des Pronomens (^er', 'sie' . .) der Deutlichkeit halber, oder um weniger ^^'orte eitleren zu müszen, das betreffende Substantiv gesetzt worden ist, so wolle man darum nicht sophistischer Weise sagen, die Worte des Verfassers seien ver- dreht oder entstellt worden; es ist das nirgends der Fall gewesen. jNicht irgendwie persönliche Anlässe oder dgl. , sondern Liebe zur Wahrheit und Eifer für die gute Sache der Jugenderziehung haben uns bei vorstehender Auseinandersetzung die Worte geliehen. Ist das Urtheil nicht ausgefallen, wie es mancher geAVünscht, so ist dies nicht die Schuld des Referenten. Sollte aber ein Ausdruck unvor- sichtig gewählt und schärfer sein, als man gewollt hat, so bittet man mit Hinweisung auf die genannten Beweggründe bei der Auffassung dieser Besprechung aufrichtig um Verzeihung.

Düren in der preusz. Rheinprovinz. Oberl. Dr. A. Goebel.

17.

Hegels Ansichten über Erziehung und Unterricht. In drei T heilen. Als Fermente für wissenschaftliche Pae- dagogik., sowie zur Belehrung und Anregung für gebildete Eltern und Lehrer aller Art aus Hegels sämmtlichen Schrif- ten gesammelt und systematisch geordnet von Dr. GustatJ Thaulotö., Prof. a. d. Unirers. z. Kiel. Kiel, akademische Buchhandl. 1854. (IrTheil: Zum Begriff der Erziehung, zur anthropologisch-psychologischen und ethisch-politischen Basis, sowie zur Methodik der Erziehungslehre gehöriges. 2r Theil:

250 Thaulow: Hegels Ansichten über Erziehung.

Zur Geschichte der Erziehung, 3r Theil: Zur Gymnasialpaeda- gogik und zur Universität gehöriges.)

Wir sind überzeugt, dasz Hegels paedagogische Grundgedanken keinen Eingang in die neuere Paedagogik erlangen werden, und dasz, wenn es wirklich geschehen sollte, das gedeihen eines in gutem Fortgange begrilTenen Werkes gestört werden würde. Denn das ist nicht die rechte Sittlichkeit, deren Wesen in der Allgemeinheit und Substantialität des Willens besteht, und das ist auch nicht die rechte paedagogische Wirksamkeit, wenn vorzugsweise der Wellgeist, der sich in den substantiellen flächten der Familie, der Schule, des Stan- des, der Kirche, des Staates objectiviert hat, das Erziehungsgeschäft besorgt. Indes geziemt es sich, nach dem Ausspruche eines der aus- gezeichnetsten paedagogischen Schriftsteller, in einer praktischen Wissenschaft, wie die Paedagogik ist, nicht, den litterarischen Er- scheinungen auf dem paedagogischen Gebiete gegenüber die wissen- schaftlichen Gegensätze allzu scharf hervortreten zu lassen, sondern man musz vielmehr darauf hinweisen, wie die Erreichung des ge- meinsamen Zweckes von den verschiedensten Seiten her gefördert werden kann. In der That verdienen schon Hegels bekannte Gymna- sialreden die ernsteste Aufmerksamkeit. Aber auch die aphoristischen paedagogischen Bemerkungen, die in seinen Werken vorkommen, sind des erwägens und prüfens werth, und dieses nothwendige Geschäft hat uns Hr. Prof. Thaulow dadurch sehr erleichtert, dasz er sie ge- sammelt und einigermaszen geordnet hat. Man findet allerdings nicht einen vollständigen Erziehungsplan, aber manche feine paedagogische Beobachtung wird uns auf eine geistvolle, anregende Weise darge- boten. Sogar die Nothwendigkeit der Scheidung zAvischen Regierung und Zucht und die Wichtigkeit eines vielseitigen unmittelbaren In teresses wird angedeutet. Die Lehre von der Gewohnheit scheint auch Anklänge an die Forderung einer Charakterstärke der Sittlichkeit zu enthalten. Hegels Geringschätzung der Beschäftigung mit den Zahlen und ein absichtliches hinarbeiten auf eine solche abstracte Form ir- gend eines Unterrichts, dasz der Jugend dabei das 'sehen und hören vergehe und sie in die iVacht der Seele zurückgezogen werde', darf sich freilich die Paedagogik wie so manches andere nimmermehr an- eignen, und ebenso wenig darf sie völlig heterogenes mit den An sichten von Hegel vermengen, wie es z. B. Hr. Prof. Thaulow thut, indem er die Hegeische und die Platonische Auffassung vom Staate einander gleichstellt. tMe musz es auch verstehen, Vorschriften, wie die über das Raesonnieren mit den Kindern, auf ihr rechtes Masz zurückznführen, und Lehren, wie die über den unter verschiedene (Jesichlspnnkto fallenden Gehorsam, die einer fniben Mischung ver- gleichbar sind, durch Schcidiintj zu leulern.

Den Werth seiner Sammlung würde der Hr. Ile. hedeutond ge- steigert haben, wenn er alles das, was zur Sache nicht gebort, völ- lig abgesondert und i)ei Seile gelassen hatte. Es würde dann auch

Thaulow: Hegels Ansichten über Erziehung. 251

möglich gewesen sein, das ganze in einem einzigen mäszigen Bande zusammenzufassen. Aber augenscheinlich haHo sich in dem Geiste des Hrn. Hg., als er die Arbeit unternahm, sein nächster Zweck, die Ansichten Hegels über Erziehung und Unterricht zusammenzustellen, von andern, an sich vielleicht ganz löblichen Zwecken, die er gleich- falls verfolgte, noch nicht abgelöst. In seinen weitläufigen Vorreden und überall im Buche, wo er selbst redet, geht er zugleicli allen möglichen Nebengedanken nach. Alsdann faszt er die Aufgabe der Paedagogik in solcher zerflieszenden Allgemeinheit, dasz er, während er z. B. Hegels Lehre mit der biblischen Erzählung vom Sündenfall zu versöhnen sucht oder die Bedeutung des römischen Privatrechts erörtert, immer noch auf paedagogischem Gebiete sich zu bewegen meint. An der Verallgemeinerung des paedagogischen Gesichtskrei- ses, welche vielfach geradezu zu paedagogischem Nihilismus führt, trägt freilich das System von Hegel selbst einen nicht geringen Theil der Schuld. Steht es einmal fest, dasz die Geschichte mit der Erzie- hung zusammenfällt, so wird man auch den 2n Band, der einen Abrisz der Philosophie der Geschichte vom römischen Reiche an gibt, in der Sammlung nicht entbehren können. In Wahrheit enthält er, auszer einer Aeuszerung Hegels über Hamann und seiner Zustimmung zu Sotgers total verkehrtem Urtheil über Pestalozzi , kaum einen einzi- gen paedagogischen Gedanken. Indes hängt der zweite Band wenig- stens noch mit der Vorstellung zusammen, die der Hr. Hg. von Erzie- hung hat. Dagegen erscheint der 3e Band, abgesehen von den darin befindlichen Gymnasialreden Hegels und den auf den Unterricht in der Philosophie bezüglichen Aufsätzen, im Verhältnis zu dem Gegen- stand, um den es sich handelt, fast gänzlich als ein hors cPoeuvre. Es wird uns eine Biographie Hegels , zumeist nach der Darstellung von Rosenkranz, aufgedrängt, weil beiläufig auch nachgewiesen wer- den soll, dasz Hegel sich während seines ganzen Lebens mit Paeda- gogik beschäftigt habe. Zu diesem Zwecke hat es der Hr. Hg. sogar für nöthig befunden, auf S. 14 161 das Tagebuch Hegels und zahl- reiche Beispiele von seinen Excerpfen und eigenen Arbeiten aus sei- ner Gymnasialzeit mitzutheilen, mit deren Beschreibung Hr. Prof. Hosenkranz sich begnügt hatte. Dankbarer kann man dafür sein, dasz eine Gymnasialrede Hegels , die bei der Herausgabe von dessen ge- sammelten Werken übergangen worden ist, im 3n Bande ihre Stelle gefunden hat. Uebrigens ist derselbe zugleich zu einem Lesebuche für die oberen Klassen der Gymnasien bestimmt, wozu er sich jedoch nur zum allergeringsten Theile eignet. Manche Gymnasiallehrer sol- len allerdings schon bisher, wie Hr. Prof. Thaulow versichert, He- gels Gymnasialreden ihren Schülern in die Hände gegeben haben. Es bedarf indes kaum der Erinnerung, dasz jene Reden über den Ge- sichtskreis der Gymnasiasten hinausliegen.

Hr. Prof. Thaulow, der in seinen früheren, ziemlich zahlreichen kleineren Schriften sjch gleichsam nur mit den Auszenwerken der Paedagogik beschäftigt hat, stellt für die Zukunft auch gröszere selb-

252 Auszüg'e aus Zeitschriften.

ständige Werke auf dem Gebiete derselben in Aussicht. Für einen exciusiven Anhänger Hegels will er nicht gelten. Indes hält er daran fest, dasz Gegensätze in einer höhern Einheit ihre Ausgleichung fin- den können, dasz die Ethik abhängig sei von der Metaphysik, dasz bei der Erziehung das Verhältnis des einzelnen Erziehers zum Zög- ling zurücktreten müsse. Sein lebendiges paedagogische Interesse verdient volle Anerkennung.

Leipzig. <g.

Auszüge aus Zeitschriften.

Das Correspondenzblalt für die Gelehrten- und Real- schulen W ürttembevgs {monatlich 1 Bogen Haiiptblatt und IV2 Bogen hauptsächlich statistischen Inhalts) herausgegeben von Klaiber, Zimmer und Holze r, Professoren am li. Gymnasium zu Stuttgart. Jahrg. 1854.

Ueber die-ses Schulblatt läszt sich Dr. Freiherr von Reden in seinem »eue.stens erschienenen Aufsatz: Vergleichende Studien über Land, Volk und Staat Württembergs, aus Veranlassung seiner Quel- lenangaben, fülgendermaszen vernehmen: 'Eine in jeder Hinsicht ihrer ßestinunung genügende Zeitschrift, unter tüchtiger, umsichtiger Lei- tung fast nur ganz gediegene Darstellungen von unmittelbar prakti- schem Werthe liefernd. '

Durch Anführung dieses Urtbeils von einem in seinem Fach aner- kannten Meister ist es in den Augen solcher Leser, denen es um Kenntnis der Scbulstatistik zu thun ist, so>Yie namentlich gegenüber von Redactionen anderer Scliulzeitungen schon hinreichend gerechtfer- tigt, wenn wir hiemit dieses in bescheidener Stille sich haltende Blatt der Aufmerksamkeit auch anderer deutschen Provinzen empfehlen. Ue- brigens sind es nicht allein Beiträge zur Kunde des auswendigen Standes, der Geschichte und Einrichtungen der genannten Schulen Württembergs, was hier, und zwar unter unmittelbarer Mitwirkung der königlichen Schulbehörde, geboten wird, sondern in einer unseres Wissens sonst noci» nicht angewendeten Weise, durch Mittheilung und Besprechung der Prüfungsaufgaben für die Schüler der verschieden- sten Anstalten sowie für die betreflenden Lehrer ist ein besonders klarer Einblick in die an unsern Schulen gemachten Anforderungen und ebendamit in den gegenwärtigen Stand dieses Schulwesens über- liaupt gestattet.

Aber auch der übrige Inhalt dieser Zeitschrift verdient in der That nicht weniger die Beachtung der Lehrer an Gelehrten- und Real- schulen, theils wegen der VVichtigk»>it der Fragen aus der Wissen- schaft und dem Leben der Schule, die darin verhandelt werden, theils weil die vorhersehend praktische Tendenz \^eitaus der meisten Auf- .sätze, die so recht aus der Schule und für die Schule geschrieben sind, dem hier mitgetheilten fast durchaus den Charakter unmittelba- rer Anwendbarkeit gibt, ein Vorzug, den der praktische Schulmann an Büchern und Abhandlungen doch namentlich zu schätzen gewohnt ist. Die eben genannte Eigenthünilichkeit zeigt .sich insbesondere darin, dasz in dem Blatte auch die Paedagogik und Didaktik in verschiede- ner Form der Rede gebührend bedacht ist, indem neben abhandelnden

J

Auszüge aus Zeitschriften. 253

Krörterungen fortwährend Aufzeichnungen aus Tagebüchern eines ge- wiegten Schulmanns hergehen, den» man wird zugestehen müssen, dasz er's versteht: ridendo diccre verum^

Doch statt weiterer Worte der Empfehlung wird es genügen, ein- fach, aus dem vorliegenden ersten Jahrgang 1854 die wichtigsten Mit- theilungen hier zu verzeichnen.

Unter den amtlichen Erlassen heben wir hervor: den Erlasz dos k. Studieuraths über die bei den Visitationen gemachten Erfahrungen ; die Instruction für die Lehrerconvente zur ßeurtheilung dessen, was zur Reife für die Universität erfordert wird, sowie die Instruction zur Vornahme der Maturitätsprüfung für die hiezu bestellte Commission.

Von den philologischen Abhandlungen werden auch in weiteren Kreisen mit Interesse gelesen werden: Beiträge zur Berichtigung des Textes und zur Erklärung etlicher Stellen im Dialog des Tacitus von Dr. Roth in Stuttgart; von demselben: über zwei Stellen in des Tacitus Agricola und deren Deutung durch VVex, und: Beitrag zur Lösung eines alten Räthsels (des Grundes der Verbannung Ovids); Besprechung einzelner Stellen aus Ciceros Catilinarien mit besonde- rer Berücksichtigung der Halm'schen Ausgabe von Prof. Kraz; über die Sonneutinsternis beim Aufbruch des Xerxes aus Sardes und die Mondfinsternis am Tage vor der Schlacht bei Pydna von Prof. Zech in Tübingen.

Prüfungsaufgaben meist init beigefügter Uebersetzung der The- men — sind mitgetheilt von dem Professorats- und Praeceptoratsexa- men , von dem Oberreallehrer- und Reallehrer- Examen, von der Con- cursprüfung für das evangel. Seminar in Tübingen, von der Prüfung der Candidatea für das Studium der kathol. Theologie, von dem evan- gelischen und katholischen Landexamen zur Aufnahme in die niederen Seminarien.

Der Unterricht in der Mathematik, in der Naturgeschichte, im französischen ist in mehreren eingehenden Aufsätzen besprochen; über die Bedeutung des Griechischen für die Gymnasien ist eine längere Rede von Rector Schmid in Ulm aufgenommen. Desgleichen eine Abhandlung von Professor Frisch über die Realschule.

Die Bücjieranzeigen bringen, auszer der Angabe der württember- gischen Schulprogramme des Jahres 1853, längere oder kürzere Beur- theilungen von Rink Religion der Hellenen, Krais biblischer Ge- schichte in Poesien, Vogel griech. Formenlehre, Gaupp, lat. Antho- logie, Curtius griech. Schulgrammatik, Hermann lat. Elementar- grammatik, Reuse hie beschreibende Geographie, Plato vollstän- diger Lehrgang zur Erlernung der englischen Sprache, Beschäftigungen für die Jugend mit einem Vorwort v. Klumpp.

Von bleibendem Werthe sind in dem statistischen Theile : Ge- schichte und Statistik des württ. Realschulwesens vom Oberstudienrath v. Klumpp und: statistische Notizen über den Stand des gelehr- ten Schulwesens in W. im Schuljahr 1852 53 vom Oberstudienrath Hirzel. M.

Zeitschrift für das Gymnasialwesen. Hrg. v. W. J. C. Mutz eil. 8r Jahrgang 1854. (S. oben S. 34—45).

Decemberheft. Zinzow: die Mythologie auf den Gymnasien, Vortrag in der Berliner Gymnasiallehrer-Gesellschaft (S. 897 909: es wird von systematischer Faszung gänzlich abgesehn, aber darauf gedrungen , dasz der bei der Leetüre und sonst gewonnene Stoff in einer wahrhaft bildenden und erziehenden Weise zum Bewustsein ge-

254 Ausziiffe ans Zeitschriften.

bracltt werde. Der Verf. erörtert die genetische Entwicklung des Got- tesbegriffs bei den Griechen und Römern, um dadurch zu zeigen, in welche Anschauung der Lehrer und Schüler treten miisze, damit theils ein tieferes Verständnis des Altertliunis, theils die richtige Erfassung seines Verhältnisses zum Christenthnm erzielt werde. Die praktische Behandlung der Aufgabe wird einer andern Gelegenheit vorbehalten.) Prograunne der Provinz Sachsen. Ostern 1854. Von Jordan (S. 9J0 916: ausführlicher werden besprochen: Sciinlze: de iinaginibus et figurata Aeschyii elocutione. Halberstadt. Recke: über die Sprach- eigenthüinlichkeit Justins. Mühlhausen. Silber: über den Modus im Neuhochdeutschen. Naumburg. Hahn: systematisch geordnetes Ver- zeichnis der an den preusz. Gymnasien 1842 50 erschienenen Pro- gramme. Salzwedel. Schrader: über den Ursprung und die Bedeu- tung der Zahlwörter in den indogermanischen Sprachen. Stendal. Francke: über den deutschen Unterricht auf Gymnasien besonders in den beiden obern Klassen. Torgau. Schmidt: Piatos Phaedon, für den Schulzweck sachlich erklärt. Wittenberg). Vermischte Nach- richten über Gymnasien und Schulwesen. Von Merleker (S. 917 942: es werden I. die gesetzlichen Bestimmungen über die Programme angeführt, dann 2. die Gymnasien, \^ eiche in den Programmentausch eingetreten sind , aufgezählt, .S. die Titel der von J8ö0 Ostern 18ö8 erschienenen Programmabhandlungen nur nach ganz allgemeinen Be- griffen geordnet aufgezeichnet, endlich 4. über die Gymnasien und Progymnasien der Provinz Preuszen au^ dem J. 1853 nach den Pro- grammen Nachrichten mitgethellt). Aus Westphalen (S. 947: sta- tistische und Personalrichten). Personalnotizen (S. 948).

9r Jahrgang. Januarheft. Kühnast: über den Unterricht im lateinischen Stil (S. 1 30: die Nothwendigkeit der lateinischen Com- position auf dem Gymnasium wird darin begründet gefunden, dasz ohne Kenntnis des römischen Alterthums auf dem Höhestand seiner Ent- wicklung einsichtige Auffassung des nationalen Lebens in seiner Be- sonderheit und in seinen\ Zusammenhange mit der Gesamtentwicklung des Menschengeschlechts unmöglich i.st, Composition aber zur Loctüre sich verhält wie Analysis zur Synthesis. Indem nun dadurch zugleich die Grundlage für die Methodik gewonnen ist, zeigt de;- Verf., wie die Forderungen zu beschränken, aber zugleich zu vertiefen sind. Durch gelehrte Anführungen und Beurtheilung der gangbarsten Stilistiken wird dargestellt, wie schwierig es sei der Forderung der Correctheit und Deutlichkeit, geschweige der Schönheit zu genügen, deshalb aber der enge Anschlnsz der Composition an die Leetüre gefordert. Für diese wird strenge Auswahl in Bezug auf die Classicität der Schrift- steller, aber auch Umfänglichkeit und gründliche Interpretation der sprachlichen Kigentbümlichkeiten , jedoch ohne zu weite Ausdehnung verlangt, damit so der Schüler bei der Composition für den Ausdruck Vorbild und Regel gewinne. Am Srhiusz zeigt der Verf. kurz wie er anzuleiten sei, nach .Analogien über die Brauchbarkeit eines Ausdrucks zu entscheiden). = Litterarische Berichte. Programme der evange- lischen Gymnasien der Provinz Schlesien. Ostern 18.n4 (S. 31 50: eingehenfles zum Theil sj harf kritisierendes Referat über <lie Lehr- pläne, innern und äuszern Verhältnisse <ler Gymnasien und meist mit den eignen Worten gegebene Inhaltsanzeigen von: Fickert: Thucy- dides consulto ambignus. Hre.slau Elisabet. Palm: Christian Weise. Kbend. Magdal. Tobisch: über das Leben un<l die Schriften Bene detto Varchi's. Kbend. Kaiser: <le Melchiore Laubaiu). Brieg. Lucas dispntationis de ratione qua Livins »isus est opere Polybiano p. I. Glo- gau. Struve: einiges über (\en Unterricht im Lateinischen und An- ton: einiges aus dem Leben des Verf. Görlitz I. 1) Xenophons

Auszüg-e aus Zeitschriften. 255

Anabasis hrg. v. K. Mattliiae, 2) rec. et expl. R. Kühner,

A) durch grammatische und Sacherklärungeii in deutscher Spra- che sorgfältig erleutert von R. Kühner. Von Holienberg (S. 51 -57: dem kritischen Verfaiiren Matthias wird in vielen Punkten wi- dersprochen, dabei gibt der Ref. Proben aus drei von iiun in Venedig verglichenen Handschriften der Anabasis. Während dieselbe Ausgabe rücksichtlich der Krkläruiig für noch nicht hinreichend den Anforde- rungen entsprechend erklärt und namentlich gegen die Zweckmäszig- keit des grammatischen Anhangs Einwendungen erhoben werden, wird die Kühnersche entschieden höher gestellt^. Sophoclis Electra. Rec. et expl. Ed. Wundcrus. Ed. III. Von G. Wolff (S. 57 f.: kurze Angabe der vorgenommenen Veränderungen. 356 wird Kaysers Emendation gebilligt, 51 die Emendation zwar gutgeheiszen, aber die Vulgata beibehalten, auch 1439 die bisherige Interpunction verthei- digt). Sophokles Trachinierinnen. Erkl. v. Schneidewin. Von dems. (S. 59 64: die groszen Verdienste werden aufs lebhafteste an- erkannt. Rücksichtlich der Erklärung wird über 27- 30 und 674 wi- dersprochen , gebilligt werden die Conjecturen 57, 627, 632, dagegen verworfen 75, 418, wo Hr. W. ijv vm' äyvoCa anogäg emendiert, 526, wo £Q)'ü)v öh ^dtrjQ fifv ot' dcpgciOficov , . . . tlEy^ov nz£. vorgeschla- gen, 661, wo Köchlys TcJ und Haupt's cpccQOvg gebilligt wird, 1277, 835, 882, wo ein Dochmius gefunden wird, 972, wo die Figur der Kommen als regelmäszig bezeichnet wird). Georges: Thesau- rus der classischen Latinität. Von Obbarius (S. 64 66: empfeh- lendes Referat). = Verordnungen. Erlasz des Ministeriums des Innern in Nassau vom 19. März 1854, die höhern Lehranstalten betreffend (S. 67 69).= Miscellen. Kawerau: für die Methodik von A. Spiesz im Turnunterricht (S. 70 80: die in der paedagogischen Revue von Langbein und einem ungenannten, so wie in einem Artikel der Di- daskalia erhobenen Bedenken werden widerlegt, die beiden letztern entschieden verworfen). Funkhänel: zu Demosthenes (S. 81: Leptin. § 155 wird jA-rjös vertheidigt, ftr) Ö8 verworfen). Hirsch- felder: zu Horaz (S. 82 84: über die Verlängerung kurzer conso- nantisch und vocalisch auslautender Silben und die Zulassung des Hiatus werden die Gesetze erörtert und die einschlagenden Stellen kritisch geprüft). = Foss: Rede bei der Eröffnung der 14n Philolo- genversammlung (S, 85—99. S. NJhb. Bd. LXX S. 526). Aus Kur- hessen ( S. 99—103 : über das Disciplinarverfahren gegen einen Gym- nasiallehrer aus Hanau). Funkhänel: eine Notiz über die Klo- sterschule Rosleben vom J. 1578 (S. 103 f.: Mittheilung eines Briefes vom Cantor V^al. Funke an Christoph Wiiier). Uebersicht über die Maturitätsprüfungen an den preuszischen Gymnasien im J. 1853 (S. 105 f.) B. in E.: über die Externen (S. 106—108: es wird vor- geschlagen, dasz in den Abgangs-Zeugnissen derjenigen Schüler, wel- che wegen Nichtversetzung das Gymnasium verlassen, die Nichtreife für die höhere Klasse bemerkt, und dasz solche, welche mit einem Zeugnis der Unreife für Prima die Anstalt verlassen, erst nach drei Jahren zum Maturitätsexamen zugelassen werden). Aus dem Für- stenthum Waldeck (S. 109: Notizen über das Landesgymnasium zu CorbachJ. Aus dem Herzogthum Nassau (S. 109 f.: Anstellungen). P. in A. curiosum (S. HO: Mittheilung eines in classisches Latein zu verwandelnden Briefes, welcher den Abiturienten eines deutschen Gymnasiums aufgegeben worden). Personalnotizen (S. Ulf.).

Februarheft. Deuschle: über den Unterricht in der Philo- sophie auf Universitäten (S. 113 133: die Frage ob philosophische Propaedeutik auf dem Gymnasium zu lehren sei, hange von der über den philosophischen Unterricht auf der Universität ab; dasz dieser

256 Auszüge aus Zeitschriften.

einer Umgestaltung bedürftig sei, werde sattsam durch die Klagen über erkalteten Eifer von Seiten der studierenden erwiesen ; Mängel seien dasz man sofort in Systeme einführe, ohne leitendes Princip Vorträge halte, nichts bleibendes und sicheres überliefere und somit die erziehende Kraft vernachlässige, die nur durch die Weckung und Uebung des philoso|)his(;hen denkens, die Befähigung des Urtheils gegenüber den ^erschiodenen philosophischen und unphilosophischen VVeltansichten, endlich durch die Kenntnis dieser selbst, d. h, die Ge- schichte der Philosophie erreiciil werden könne. Deshalb schlägt der Verf. unter eingehender Begründung und Ausführung folgenden Lehr- gang vor: Erste Stufe. Leetüre und Interpretation der hervorragend- sten Schriften der beiden Hauptphilosophen des Alterthums, des Plato und zwar von Dialogen, weldie in den Kernpunkt seiner philosophi- schen Anschauung eindringen, und des Aristoteles und zwar einer Auswahl ans dem organon, nietaphysica, de anlma. Zweite Stufe. Kritische Interpretation von Spinozas Ethik und Kants Kritik der reinen Vernunft oder S( hriften ähnlicher Art. Dritte Stufe. Einzelne Fragen aus der Philosophie werden historisch kritisch durch alle Phi- losophieen hindurch behandelt. Vierte Stufe. Geschichte der Philo- sophie als ganzes. Psychologie. Philoso|)hischer Unterricht auf dem Gymnasium sei nicht in dem Wesen und Zwecke dieses selbst begrün- det gewesen , sondern allein in der Einrichtung des akademischen Un- terrichts in dieser Wissenschaft, genüge dieser in sich dem paedago- gischen Zwecke der Sache, so falle das Bedürfnis von selbst weg). -^^ Litterarische Berichte. Programme der evangelischen Gymnasien der Provinz Schlesien. Ostern 1854. Fortsetzung vom Januarheft S. 17 62 (S. 134 175: Inhaltsanzeigen werden gegeben von Brix: emen- dationes Plautinae. Hirschberg. Beisert: die lateinische Grammatik und die Gymnasien. Lauban. Balsam: Uebersetzung des Briefes an die Pisonen. Liegnitz. Platen: de fide et auctoritate Caesaris de hello Gallico comnientariorum. Ebend. Habe: commentatio de vita Hyperidis, oratoris Attici. Oels. Fülle: die Kometen. Ralibor. Held : observationes in difficiliores Sophociis Antigonae locos. Schweidnitz: Auszer einer Fre(|Uenztabelle folgt eine tabellarische Vergleichung der an den einzelnen («'jmnasien lür die einzelnen Lehrfächer angesetzten Stundenzahlen mit dem Normallehrplan, sowie der Einrichtung und Vertheilung der Lelirpensa des geographischen und geschichtlichen Un terrichts; sodann Ab- und Zugang von Lehrern von und nach Schlesien in dem Zeiträume von 1845 54, ferner die Abituriententbemata im Schuljahre 1853 54, endlich Nekrologe von Dr. J. C. H. A. Bartsch und C. Fr. Schneider). Thüringische Programme vom Jahre 1854. Von Hartmann (S. 176—178: angezeigt werden Cott: deutsche und französische Sprichwörter. Gotha. Herzog: Rückblick auf die Va- terlandsliebe Cicero's und Eisel: über die Wichtigkeit der Produc- tenkunde beim geographischen Unterrichte in den mittleren Klassen. Gera. Funkhänel: Beiträge zur Geschichte des Eisenacher Gym- nasiums. 3r Tbl. Eisenach). Giesebrecht: drei Schulreden und ein Fragment, betrelVend das Citristenthnm in den Gymnasien (S. I7H .180: ganz anerkennende Anzeige). Eilers: Ansichten über den Geschichtsunterricht an höhern Bildungsanstalten. Von Campe (S. 180—185: trotz mancher abweichender Ansichten im einzelnen drin- gend empfohlen). C. Sallusti Crispi historiaruiu fragmenta. Ed. Kritz. Von Wagner in Anclam (S. 186 199: eingehende die Ver- dienstlichkeit der ijcistungen ans Licht stellende Anzeige. Auszer an- deren Bemerkungen, z. B. Trennung der fr. 1, 27 und '28 und Nachtrag zu III 23, macht der Rec. folgende Verbesserungsvorschläge: III 37 faciles sunt, 81 : frustra fuit, I 41: poena Uim paucis proscriptis

Auszüge aus Zeitschriften. 257

Vera est aestumanda , 80: inclutam portu, specu , nemore, in quo cet., II 49: in (summum oder ipsum) Palatiuin, 60: e muris dam se sportis demittebant, III 6: diclu consultaque cum aemulatus erat, 82 15; modo zu streichen und quod für tjuo zu schreiben, IV 69: quia praedones oder praedatores). Süplle: Aufgaben zu lateinischen Stilübungen. Ir Thl. 7e Aufl. Von dems. (S. J99 f.: die Sorgfalt bei Verbesserung der neuen Aufl. ^vird gerüiiuil). - Dasselbe Buch. Von Hart mann (S, "200 f.: lobt auch die geiiiatliten Verbesserungen). Gaupp; lateinische Anthologie für Anfänger. Von denis. (S, 201 f.: gar nicht unbrauchbar). Bonneil: Uebungsstücke zum Uebersetzen aus dem Lateinischen ins Deutsche. 5e Aufl. Von dems. (S. 202 f.: belobend).

Ciceronis Cato maior. Erkl. von C VV. Nauck. Von dems. (S. 203 f.: sehr gelobt, wenn schon in den Anmerkungen öfter ein zuviel gefunden wird). Xenophontis Hellenicorum libri I et H. Recogu. et interpr. est. L. Breitenbach. Von dems. (S. 205 f.: über die Einleitung werden Mittlieiluugeu gemacht, die Arbeit ge- lobt). — Miscellen. B. in K.: zum Prüfungsreglement (S. 207: zur Meldung für das Maturitätsexameu sei zweckmäszig, wenn der einjäh- rige Aufenthalt in Prima superior als Bedingung festgestellt werde).

Braunhard: ein* Wort, die Vereinfachung des Unterrichts auf Gymnasien betreffend (S. 207 f.: an Hudemann wird die Bitte ge- stellt,- seine VIII S. 503 if. gemachten Vorschläge weiter auszufüh- ren). — Heinrichs: wann wurden die nemeischen Spiele gefeiert? (S. 208 215: es wird bewiesen dasz die Winter- und Sommernemeen in einem 8jährigen Cyclus so gefeiert worden seien, dasz zuerst je 2% J., dann je IVg Zwischenzeit gewesen). Unger: de Ciceronis loco, qui est er. pr. Sest. 8 19 (S. 215 217: unter gelehrten Nachweisun- gen wird gezeigt, dasz ut illo supercilio Maximus ille vinci videretur zu lesen und der Legat des Pompeius zu verstehen sei). Pabst: Miscellen (S. 218 f.: Bemerkungen zur Erklärung von Tac. Agric. 42, Hör. C. II 18 26, I 12 19, II 3 25, sat. I 4 81—85). Schmidt in Üels: Vermischtes (S. 219 f.: die Glosse bei Suidas p. 568 Bekk. Moipra S7caq)Q6diTog wird als aus Herod. II 135 genommen bezeichnet, und Mar. Plot. Sacerd. p. 271 Gaisf. aycövvfiov xi Movaa ngog lulC- ararov conjiciert). Funkhänel: Demosthenes de pace § 24 (S. 220 f.: Erklärung der Stelle). Vermischte Nachrichten (S. 222: Mittheilung über Stiftungen für die im Kl. Gaesdonk bei Cleve beste- hende Anstalt zur Heranbildung katholischer Geistlicher). Personal- notizen (S. 223 f.). R. D.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Nachrichten, Anzeigen von Programmen *).

Berlin] Am Gymnasium zum grauen Kloster unterrichteten im verflossenen Halbjahr der Dir. Dr. Bellermann, die Proff. Dr. Wilde, Dr. Zelle, Dr. Müller, Liebetreu, Lic. Dr. Larsow, die Oberlehrer Dr. Hartmann, Dr. Curth, Dr. Hofmann, Dr. B oll mann, die ordentl. Lehrer Dr. Kempf, Dr. Dub, Dr. Senge- busch, die Streitschen Lehrer Collaboratoren Dr. Bremiker und

*) Diejenigen Programme, von denen hier nur die Titel angeführt werden, sind anderweitiger Besprechung vorbehalten.

258 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen. Statist. Notizen.

Dr. Franz, Prof. Schnackenburg und Dr. Liesen, die Hülfsieh- rer Dr. Simon, Dr. Hoppe, Dr. Hirsch fei der, Dr. Heine, Wal- ter, Dr. Schulz, und die technischen Hülfslehrer Koller, Dr. Lö- sener und Bellermann U. Die Schülerzahl betrug 459 (I 46, H' -*0, II'' 41, IIP Gl, IIl'' A 32, III'' B 33, IV' 53, IV- A 31, IV' B 31,

V 53, VI 38). Abiturienten waren Mich. 1854 8, Oslera 1855 11. Das Programm enthält die Abhandlung vom ord. Lehrer Dr. Max. Sen- gebusch: Aristonicea. Frustula nonnulla derivata ex primo libro operis ab Aristonico scripti 718qI 'AQißxdQiov cruiKiav Odvaci^Lccs. (33 S. 4). Das Lehrercollegium des F r ied ri chs- Werderschen Gym- nasiums bestand, nachdem Ostern 1854 der Conr. Prof. Dr. K. H. L. Bauer in den Ruhestand getreten und Mich, der Hülfslehrer Dr. Schirrmacher um eine Stelle an der Ritteracademie zu Leignitz an- zutreten ausgeschieden war, Ostern 1855 aus dem Dir. Prof. Dr. Bon- neil, dem Pror. Prof. Salomon, Subr. Prof. Dr. Jungk 1, den Proff. Dr. Zimmermann und Dr. Köpke, den Oberlehrern Dr. Runge (Math.), Beeskow, Dr. Richter, Dr. Stechen, den Collabora- toren Dr. Jungk II, Dr. Schwartz, Dr. Wolff, Dr. Zi^nzow, dem Zeichen- und Schreiblelirer Schmidt, den Mitgliedern des kön. Seminars Dr. Eiselen und Dr. Lüttgert, den Hilf.slehrern Lang- kavel, Dr. Hermes, Schellbach, Dr. Wunsch mann, Musikdir. Neithardt, Geh. Justizr. Prof. Dr. Rudorff und den das Probe- jahr abhaltenden Candidaten Kloss, Dumas, Dr. deLagarde (vor- her Bött icher genannt). Die Schülerzahl betrug 461 (T A 22, B 34, IV 46, II'' 49, IIP A 28, B 28, IIP' A 34, B 36, IV A 32, B 34,

V 60, VI 47). Zur Universität wurden Ostern 1854 18, Mich. 16 ent- lassen. Die Abhandlung schrieb der Dir. Prof. D. K. E. Bonneil: Friedrichs des Groszcn Verhältnis zu Garve und dessen Ueber- setzung der Schrift Ciceros von den Pflichten nebst einer Betrach- tung über das verhalten der Schule gegen die Uebersctzungen der alten Classiker (21 S. 4). Nachdem der hochverehrte Hr. Verf. aus Garves und seiner Freunde Briefen die Entstehung der genannten Ue- bersetzung geschildert, den Werth derselben dargelegt, auch ein eben so gerecht anerkennendes wie nicht überschätzendes Urtheil über die Schrift Ciceros gefällt, endlich auch die Gründe, welche Friedrich den Gr. zu dem so überaus günstigen Urtheil über dieselbe bewogen, erörtert hat, führt ihn die Absicht, welciie der grosze König bei der Aufforderung, Garve bei der Arbeit der Uebersetzung gehabt, und der Nutzen, den sie gestiftet, auf die Leichtfertigkeit, mit welcher jetzt dergleichen gesudelt werden, und auf den Schaden, den sie in der Schule stiften. Dabei werden auch die dem Schüler jede Arbeit spa- ren wollenden Ausgaben, wie namentlich die von Freund, niciit ver- gessen. Indem der Hr. Verf., dem eine reiche Erfahrung zu Gebote steht, die Mittel, welche man um den Rlisbrauch schlechter L^eber- setzungen bei den Schülern zu verhüten angewandt oder vorgeschlagen hat, als unzureichend oder unzweckmäszig bezeichnet, thut er selbst einen Vors<hlag, der zumal er zugleich auf ein anderes paedagogisches Bedürfnis hinweist, gewis alle Beachtung verdient. Indem er nemlich die Nothwendigkeit nachweist, dasz die Lehrer statt selbst alles zu docieren, vielmehr zu der in England üblichen Unterrichtsweise, dem genauen und gründlichen abfriigen dessen, was tler Schüler gelernt und gefunden, zurückkehren und dasz deshalb Bücher und Ausgaben, welche jenes dem Schüler erleichtern, eingeführt werden müszen, zeigt er durch Angabe der Forderungen, welche man rücksichtlich der Prae- paration an den Schüler zu stellen habe, dasz und wie die Schule jene Uebersetzungeu, deren Misbrauch zu verhüten sie jetzt vergeb- lich strebe, sich dienst- und nutzbar machen könne. \m cöl-

Berichte über gelehrte Anslallen, Verordnungen, slatisl. Notizen. 259

nischen Realgymnaüiuin bestand, nachdem der Oberlehrer Dr. Busse am 25. Nov. 18J4 gestorben, die Hilfslehrer Dr. Bechmann, Dr. Erfurt und Dr. de Lagarde (s. oben), sowie der Schulamts- caudidat W. Teil an andre Lehranstalten übergegangen waren, das Lehrercollegium aus dem Dir. Dr. August, den Proff. Sei ck mann, Dr. Benary, Dr. Polsberw, Dr. Barentin, den Oberlehrern Dr. Kuhn und Dr. Hagen, den ordentl. Lehrern Prof. Dr. George, Kersten, Bertram und Dr. Kuhlmey, dem Predig. Eyssen- hardt, Zeichenlehrer Gennerich, Schreiblehrer S t ra h lendorf f, Gesangl. Dr. VValdästel, den Hülfslehrern Dr. Hermes, Dr. Tö- pfer und Hermann, den kön. Seminaristen Dr. B üchs ensc hii tz, Dr. Natani und Dr. Diitschke, endlich dem Schulamtscandidaten Gause. Die Schülerzahl betrug im letztvergangenen Wintersemester 494 (I 35, 11» 22, IP 32, HP 44, III" 55, IV» 35, IV^ 48, V (2 Coet.) 76, VI 47). Im Sept. 1854 waren 9, Ostern 1855 7 Abiturienten. Die Abhandlung für das Programm schrieb der ord. Lehrer Dr. Kuhl- mey: Schillers Eintritt in Weimar (23 S. 4). Mit groszem Fleisze und ausgebreiteter Gelehrsamkeit hat der Hr. Verf. alles, was sich auf den ersten Aufenthalt Schillers in Weimar und auf die ihm dort begegnenden Persönlichkeiten bezieht, gesammelt, übersichtlich geord- net und überall den Gründen der Verhältnisse und Stimmungen nach- spürend ein sehr werthvoUes Bild geliefert, das um so mehr den Leser fesseln musz, als es den Beginn einer innern Umwandlung des groszen Dichters vor die Seele stellt und die Energie seines Geistes und We- sens hell beleuchtet. Wie viel auch sonst die Abhandlung zur besse- ren Kenntnis der Heroen unserer Litteratur bietet, glauben wir nur andeuten zu müssen. = Dem Programme der höhern Gewerbschule ist vorausgestellt eine Abhandlung des Oberl. Dr. von Klöden: Bei- träge zur neuern Geographie von Abissinien (49 S. 8). Je wichtiger das genannte Land als Mittelpunkt des Verkehrs zwischen Nord- und Südafrica, Innerafrica und Asien, je interessanter es durch seine Ge- schichte und eigenthümliche Beschaffenheit ist, um so mehr müszen wir die fleiszige und geschickte Darstellung, welche uns der Hr. Verf. aus den zahlreichen neuesten und älteren Rei.seberichten geliefert hat, dankbar anerkennen und dürfen darauf, dasz manche Notiz unvermit- telt erscheint, wie z. B. der letzte von Menschenopfern berichtende Satz, und dasz man die Beigabe einer Karte vermiszt, keinen Nach- druck legen. Dem Programme der königlichen Realschule ist bei- gegeben eine Abhandlung des Dr. Krönig: über Mittel zur Vermei- dung und Auffindung von Rechenfehlern (64 S. 8).

Clausthal. Das Lehrercollegium des dasigen Gymnasiums be- stand am Schlusze des Schuljahrs Ost. 1854 55 aus dem Dir. El- ster, dem Rector Dr. Urban, Prof. Dr. Muhlert (dem Gymn. aggregiert), Conr. Zimmermann, Oberl. Schoof (Math.), Subconr. Vollbrecht, den Collaboratoren Rempen, Dr. Buchholz, Pertz und Morgenstern, Gesanglehrer Cantor Jacke, Zeichenlehrer Gutsmuths, Lehrer der Arithmetik und Kalligraphie Schwarze. Die Frequenz betrug 213. darunter 37 Realisten (I 19, II 17 G, 7 R, m 28 G,.8 R, IV 17 G, 21 R, V 47, VI 28). Abiturienten waren 4. Die Schulnachrichten enthalten einen vom Dir. verfaszten Nekrolog des am 12. Mal 1854 verstorbenen Generalsuperintendenten und Pa- stor Primarius K. Chr. Th. R. Steinmetz, welcher von 1825—30 selbst als Lehrer an der Anstalt gewirkt und zuletzt als Mitglied der Schul- und Prüfungs-Commission mit derselben in Verbindung gestan- den hatte. Derselbe gibt ein recht klares Lebensbild und bestätigt, indem er besonders auf die ausgezeichnete paedagogische Wirksamkeit des verblichenen eingeht, indirect die Ansicht derer, welche bei aus-

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft, 6. 20

260 Bericlite über gelehrte Ansfalteii, Verordnungen, Statist. Notizen,

gezeichneten Geistesgaben eine Vereinigung des theologischen und phi- lologischen Studiums für möglich halten und daraus eine gesegnete Wirksamkeit verheiszen. Auf die vorausgeschickte Abhandlung des CoUab. Dr. Buch holz: emendationum Sophoclearum specim. I (18 S. 4) wird anderwärts Rücksicht genommen werden.

Dresden. An dem Vitzt h umsehen Geschlechtsgymnasium und der damit vereinigten B 1 oc h m ann -B ezzer b erger sc he n Er- ziehungsanstalt wirkten im abgelaufenen Schulj., nachdem der Cand. Summa von der bayrischen Regierung in die Heimat zurück- berufen worden war, als ausschlieszlich der Anstalt angehörende Leh- rer [s. Bd. LXIX S. 575]: Geh. Schulr. Prof. Dr. B lochmann, Prof. Dr. Bezzen berger, Dr. Hübner, Heusinger, Dil Ion, Dr. K ri ppend 0 r ff, Dr. Grautoff, Guignard, Dr. Müller, Dr. Kammrath, Dr. Lehmann, Dr. Herm. Wunder, Morin, Sör- gel, Leidloff, Dr. O. Ro(|uette, Dr. Crecelius, Fürstenau, Co eh. Die Zahl der Schüler betrug 117 (Gymn. I 4, II 16, IH 19, JV 17, Realkl. I H, II 9, III 14, Prog. I 16, II A 7, II B 7). Zur Universität wurden zwei Abiturienten entlassen. Die Schulnachrichten enthalten S. 61 73 zwei am Geburtstage des Königs gehaltene Reden, die erste vom jetzt geschiedenen Collegen Summa mit dem Thema: deines Königs Bild sei ein Vorbild für deine Bestrebungen, die an- dere vom königl. Comniissar, Geh. Kirchenr. Dr. von Zobel: wie wird des Königs Geburtsfest fruchtvcrhciszend für die Anstalt'? Die wissenschaftliche Abhandlung zum Programn\ schrieb Dr. Jul. Leh- mann: allgemeine Betrachtungen über die Pilze und chemische Bei- träge zur näheren Kenntnis derselben (32 S. 8).

F^UTiN.j Das Bedürfnis denjenigen, welche ohne zu studieren den- noch eine höhere Schulbildung wünschen, Gelegenheit zur Erwerbung einer solchen zn gewähren, hat an der vereinigten Gelehrten- und Bürgerschule eine eigenthümliche Einrichtung veranlaszt, die zwar länger schon angebahnt, doch erst mit dem neuen Jahre 1855 voll ständig ins Leben getreten ist. Es bestehen nemlich zuerst zwei Ele- mentarkla.«sen , welche die Grundlagen der Bildung überhaupt geben. An diese schlieszt sich nach oben einerseits die II. Abtheilung der Oberklasse der Bürgerschule, andernseits «las Progymnasium an, welches durch die Einrichtung einer Quinta eine die sichrere Erreichung des Zwecks verbürgende Vervollständigung erhalten hat. Die Schüler die- ser beiden Klassen, welche nicht Latein lernen, haben in Parallel- stunden besonderen Unterricht im FVanzösischen, rechnen und schrei- ben, die der Quarta auch im Englischen. Die letzteren gehen nach absolvierter Quarta in die I. Abth. der Oberklasse der Bürgerschule über, während diejenigen, welche Latein gelernt, in die Gymnasial- tertia eintreten. In Tertia und Secunda nun erhalten wieder diejeni- gen Schüler, welche nicht Griechisch lernen, in Parallelstunden Un- terricht im Französischen, Englischen und rechnen. Die Prima end- lich enthält nur Schüler, welche auch das Griechische erlernt haben und demnach die volle Vorbereitung zu den Universitätsstudien suchen. So sind drei Arten von Schülern in derselben Anstalt vereinigt, solche die den Unterricht einer höhern Bürgerschule suchen ohne das Latein, solche, welche eine höhere Schulbildung mit Ausschlusz des Griechi- schen erstreben, endlich solche, welche die akademische Laufbahn zu ergreifen beabsichtigen. Die Bedenken, welche eine solche Vielheit der Zwecke und Verschiedenheit der Schüler erregen müszen, werden in dem Programme keineswegs verkannt, indes als dadurch beseitigt bezeichnet, dasz die einfachem Verhältnisse einer kleinern Stadt vie- les möglich machen, was in einer gröszern als ganz unthunlich er- scheine, und dasz langjährige Erfahrung einen guten Erfolg von der

Berichte über g-elehrle Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen. 261

vorher nur noch mangelhaften Einrirhtiing beweise. Die neue Kin- richtung wurde dadurch ermöglicht dasz zwei neue Lehrer proviso risch angestellt wurden, i)r. Jaep, vorher Collaborator am Piogyiu- »asium in Münden, und cand. lli. Kürschner, vorher Lehrer an der Gelehrtenschule in Meldorf. Dadurch ward ermöglicht, dasz der Fa- stor Müller seiner Thätigkeit an der Schule ganz enthoben, die des Pastor Drost auf 3 Stunden reduciert werde konnte. Das Lehrercol- legium bestand demnach aus dem Rector Dr. Pansch, Conr. Haus- dörffer, Collabor. Rottok, Collaborator Knorr, Dr. Jaep, Cand. Kürschner, Pastor Drost, den Oberlehrern Schmidt und Kruse, den Lehrern Kirch mann, VVoIberg und Detlefs, dem Hülfslehrer Tamm und Zeichenlehrer. Knoop. Die Schülerzahl betrug in den Gymnasialklassen 94 (I 13, II 15, III 22, IV'' 9, IV' 15, V^ 12, V" 8). Zur Universität wurde Mich. 1854 1, Ostern 1855 2 entlassen. (Jeber die dem Programme beigegebene Abhandlung vom Conrector H a us - dörffer: Aphorismen über Gymnasialbildung geben wir den Bericht eines geehrten Mitarbeiters:

Eine Schrift, die, obwol sie zunächst einem localen Zwecke die- nen soll, doch durch die Art, wie sie ihren Gegenstand behandelt, einer allgemeineren Kenntnisnahme in besonderem *Grade werth ist. Der Werth der Gymnasialbildung, dem Realismus und den Anstalten, die ihn vertreten und lehren, gegenüber, wird in lichtvollster und den Inhalt vollkommen beherschender Form dargestellt. Nach dem Verf. waren es zwei Mächte, die dem Princip des Gymnasiums schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts feindselig entgegentraten: zunächst die negative Richtung, welche allem hergebrachten und überlieferten die Berechtigung zur Existenz bestreitend auf allen Gebieten des gei- stigen Leben.s, und also auch auf dem der Schule mehr und mehr sich geltend machte, und dann, mit jener im Bunde und aus ihr erwach- sen, der materielle Sinn, der alles und also auch jedes Bildungsele ment nur nach der handgreiflichen Nutzbarkeit beurtheilte, zumal in- dem er durch den ungewöhnlichen Aufschwung der Industrie begün- stigt und genährt wurde. Die Gymnasien, betäubt von dem lauten Geschrei nach einer Bildung, die man mit Händen greifen könnte, verloren selbst den richtigen Gesichtspunkt und überluden sich mit Unterrichtsgegenständen, <leren Werth für die Schule man je nach dem Nutzen abschätzte. Bald machte man indes die Erfahrung, dasz in diesen Zugeständnissen noch gar nicht iin gründliches Abfindungs- niittel mit den Forderungen der Zeit, wie man es nannte, gewonnen sei. Eine ganz eigene Art von Schulen muste gestiftet werden: so entstanden die Realschulen. Der Verf. dringt nun mit Klarheit und Entschiedenheit auf Vereinfachung und Concentration des Gymnasialun- terrichts und verlangt, dasz die durch ihn gewährte Bildung die all- gemeine wissenschaftliche Grundlage für alle werden müsse, die sich über die Stufe der Elementar- und Volksschule erheben wollen. Dahin müsse es wieder kommen, weil eine gewisse Gemeinsamkeit der Le- bensanschauung für das ganze heilsam, weil aus praktischen und loka- len Ursachen eine Theilnng des Bildungsweges oft unausführbar und weil endlich das Gymnasium wirklich und in der That im Stande sei die Vorbereitung der höheren Stände für Wissenschaft und Leben zu gewähren und also die Real.«chule überflüszig zu machen. In wiefern nun die Lehrmittel des Gymnasiums geeignet sind diese Aufgabe zu lösen, wird im folgenden auseinandergesetzt. Insbesondere finden da die alten Sprachen, wie sie durch Form und Inhalt den Geist bilden und kräftigen, Klarheit und Ordnung in sein anschauen und denken, Wahrheit und Reinheit in seine Gefühle bringen und ihn für jede Thä- tigkeit geschickt machen, eine Erörterung, die jeden, der für den

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262 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slalisl. Notizen.

Gegenstand überhaupt eines Verständnisses fähig ist, in hohem Grade befriedigen wird. Dasz nur die beiden alten, nicht die modernen Sprachen die eigentliche Substanz des Gymnasialunterrichts bilden können, wird auf das anschaulichste dargethan. Gleichwol ist der Verf. weit entfernt, die Betreibung der neueren Sprachen im Gymna- sium zu gering anzuschlagen, er ist vielmehr ganz damit einverstan- den, dasz in den oberen Klassen in Parallelstunden neben dem Grie- chischen neuere Sprachen mit gesteigerter Energie getrieben werden, um denjenigen, ^^elche einem höheren Gev^erbe vom Gymnasium aus sich zuwenden wollen, Gelegenheit zu geben, sich bis zu einem ge- wissen Grade von Fertigkeit im Englischen und Französischen auszu- bilden. Ohne im einzelnen auf die Uebelstände eingehen zu wollen, welche bekanntlich für die gesamte Wirksamkeit des Gymnasiums mit solcher Einrichtung verbunden sind, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dasz der \ erf. hier seinem eigenen Princip untreu wird. Vom Griechischen sollte kein Gymnasiast dispensiert werden, auch nicht in den oberen Klassen, und da gerade am allerwenigsten, abgesehen von allen anderen Nachtheilen, schon um des einen Homers willen. Wer nicht den Homer in der Ursprache und mit dem Verständnis, wie es erst die oberen Klassen bieten, gelesen hat, den dürfte der Verf. nach seinen Praemissen am allerwenigsten zu den gebildeten zählen. Die- ses ist der einzige Tadel, den Ref. über die sonst durchaus treffliche, gediegene und in warmer Begeisterung für die Sache des Gymnasiums abgefaszte Schrift auszusprechen sich veranlaszt fühlt. An Ort und Stelle, wo sie geschrieben wurde, wird sie Misverständnissen uud Irthü mern gegenüber ihre Wirkung sicher nicht verfehlen. Dasz sie auch in weiteren Kreisen gelesen werde, das ist der Zweck dieser kurzen Anzeige.

Wittenberg. Breitenbach.

Frankkurt a. m.] lieber die im LehrercoUegium des dasigen Gymnasiums vorgekommene Veränderung und die eingeführten allge- meinen Vorschriften für die Schüler ist schon Bd. LXX S. 561 berich- tet worden. Zu den neuen Einrichtungen gehört die Einführung des Turnunterrichts in den vier untern Klassen, welche der Lehrer Di-. Schmidt, nachdem er in Darnistadt die Methode von Spiesz kennen gelernt hatte übernahm, und die Erweiterung der Schulbibliothek durch vorläufige Bewilligung von jährl. 300 fl. auf drei Jahre, so dasz von nun auch den Bedürfnissen der Schüler Rechnung getragen wer- den kann. Interessant sind die Bestimmungen wegen der Maturitäts- zeugnisse: 1) das Maturitätszeugnis wird nur nach vollständig absol- viertem Gymnasialcursus , also nach zweijährigem Besuche der ersten Klasse ertheilt. 2) zu Anfang des letzten Semesters hat der Abiturient dem Director das 'l'henia zu einer freien lateinischen Arbeit zu nen- nen, welche er nach dessen Billigung und mit seinem Rathe neben den regelmäszigen Schularbeiten auszuführen und vier Wochen vor dem Schlusz der Schule einzuliefern hat. A) auf Grund seiner gesam- ten Leistungen, so wie seines Botiagcns und KIciszes und mit Berück- sichtigung der eingelieferten Abgangsarbeit wird das Zeugnis von der Lehrer-Conferenz berathen und festgestellt. In demselben wird ihm über seine Kenntnisse in den obligatorischen Unterrichtsfächern des Gymnasiums, so wie für die künftigen Theologen im Hebraeischen ein Praedicat nach der fünffachen Stufenfolge ertheilt 1. Sehr gut. 2. Gut. 3. Genügend. 4. Nicht ganz genügend. 5. Gering. Das niedrigste für die Zuerkennung der Reife erforderliciie Masz ist die mittlere Stufe (Nr. 3.) in allen Unterrichtsgegenständen. Nach «diesem Masze erge- ben sich von selbst die höhern Stufen, wobei eine Compensation des einen Gegenstandes gegen den andern stattfindet. Doch schlieszt das

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, sfatist. Notizen. 263

Praedicat gering (Nr. 5) in S£«ei Fächern die Ertheilung des Matu- ritätszeugnisses aus.' Für die Schüler der drei nntern Classen, deren Aeltern es wünschen, sind in einem Lehrzimmer des Gymnasiums in zwei Abendstunden täglich Arbeitsstunden unter Beaufsichtigung eines I^ehrers (Schreiblehrer Zinndorf) eingerichtet worden. Die Frequenz betrug im Sommer 181, im Winter 171 (I 17, II 30, III 30, IV 29, V 24, VI 17, Vir 23). Im Herbst wurden 3, Ostern 18J5 4 zur Uni- versität entlassen. Dem Programm geht voran die Abhandlung vom Dir. Prof. Dr. J. Classen: Beobachtungen über den homerischen Sprach- gebrauch. Zweiter Th. (27 S. 4).

H.\r)AM.\u.] Das Lehrercollegium des dasigen herzoglichen Gymna- siums bestand nach den Bd. LXX S. 229 und oben S. 209 (Kehrein, Sporer) berichteten Veränderungen aus dem Dir. Reg.-R. Kreizner, den Proff. Schmidt, Müller, Dr. Sporer und Barbieux, den Conrectoren Bill und Meister, CoUabor. Colombel, Hülfslehrer Deutschmann, den Candidaten Biehl und Brandscheid, Elemen- tarl. Weppelmann, Zeichenl. Diefenbach, Musiklehrer Wa gner, Reitlehrer Stroh, dem Religionsl. für die katholischen Schüler Priester Schmelzeis, für die evangelischen Pfarrer Schelle nberg, für die israelitischen (1) Bezirksrabbiner Dr. Wormser. Die Schülerzahl betrug im verfloszenen Schuljahr 133 (VIII 18, VI! 20, VI 21, V 19, IV 15, III 10, II 7, I 3). Ostern 1854 waren 16, Mich. 2 Abiturien- ten. Die dem Programme beigegebene Abhandlung vom Conr. M. Mei- ster: über die klassischen Studien auf Gymnasien, vom christlichen Standpunkte (26 S. 4.) nöthigt uns zu ausführlicherer Besprechung. Zuerst müssen wir dem Eifer des Hrn. Vf., seiner Gründlichkeit und ausgebreiteten Gelehrsamkeit aufrichtige Anerkennung zu Theil werden lassen und aussprechen, dasz er der Sache der classischen Bildung auf den Gymnasien einen recht dankenswerthen Dienst geleistet hat. Nach- dem er in der Einleitung die Gegner der alten Klassiker charakteri- siert und die Gründe, auf welche sie sich berufen, angeführt hat, wo- bei er sofort hervorhebt, dasz die so vielfach benützten Aeuszerungen von Kirchenvätern in ihrem Zusammenhange viel von ihrer Härte ein- büszen und meist nur die Methode der Lesung, nicht den Inhalt der alten Klassiker selbst treffen, nachdem er auch in der Kürze sich da- für erklärt hat, dasz die Kirchenväter in den Schulen nicht als Bil- dungsmittel gelesen werden können, wol aber zur Privatlectüre benützt werden sollen eine Ansicht, gegen welche wir nichts einzuwenden haben würden, wenn wir dazu ausreichende Zeit vorhanden wüsten oder die Möglichkeit sie zu verschaffen einsähen, stellt er sich eine dreifache Aufgabe, zuerst nachzuweisen warum die alten Klassiker das Fundament unserer Gyninasiaibildung bleiben müssen. Die S. 6 9 darüber gegebene Auseinandersetzung bringt zwar im wesentlichen nichts neues, entwickelt aber die Gründe recht klar und lebendig und legt, was die Hauptsache ist, weil gegen jeden einzelnen sich immer Ein- wendungen machen lassen, auf ihr zusammenwirken gebührend Gewicht. Dei* zweite Theil (S. 9' 19), der Nachweis, dasz die Klassiker von den ersten christlichen Zeiten und während des ganzen Mittelalters, nicht erst seit der Renaissance, wie Gaume behauptet, für das Funda- ment aller höhern Bildung gegolten und unter dem Schutze der Kirche, soweit es unter gegebenen Verhältnissen möglich war, es gewesen sind, löst allerdings die erste Aufgabe recht gut, läszt jedoch die zweite weniger glücklich behandelt. Könnte man von einem Wiederaufleben der Humanitätsstudien nur reden, wenn nicht ein gänzlicher Verfall vorausgegangen wäre? Der Hr. Vf. aber scheint, wenn schon wir ein bewustes zurückstellen von Seite der Kirche nicht behaupten können, doch nicht ganz richtig diesen nur als eine zeitweilige durch Umstände

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herbeigeführte Vernachlässigung zu betrachten und es ist auffallend, dasz er gerade den stärksten Beweis für die Behauptung im ersten Theil aus dieser Zeit nicht genügend gezogen. Jener Verfall ist ja eben eine Erscheinung, welche die Gesunkenheit des Zeitalters ebenso offenbart, wie sie durch sie herbeigeführt wurde, und bietet somit die beste Gelegenheit, historisch nachzuweisen, wohin das aufgeben jener Studien führt, während die Wirkungen des sogenannten Wiederaufle- bens am stärksten die ihnen innewohnende Kraft bezeugen. Um zu diesem in vieler Hinsicht uns recht lehrreichen Abscluiitt einiges spe- cielle zu erinnern bemerken wir, dasz die in 'Meisen' bestandene Schule (S. 1'2), wenn darunter das in unserem Vaterlande gelegene zu ver- stehen ist, nach den darüber vorhandenen sicheren Nachrichten keines- wegs mit den übrigen dort genannten in Parallele gestellt zu werden verdient. Wie S. 13 die griechischen Studien im Orient von den klas- sischen des Occidents mehr gesondert sein sollten, so wird die Behaup- tung S. 16: 'Hat ja das Morgenland in Bezug auf die römische Litte- ratur nur gänzliche Unbekanntschaft aufzuweisen' nach Webers diss. de iatine scriptis quae Graeci veteres in linguam suam transtulerunt, einige Modification zu erfahren haben. Auch erlauben wir uns gegen den Ausspruch S. 15: 'dasz in der 'Zeit der Barbarei' für Erhaltung der klassischen Schriften wol mehr gesorgt worden ist, als in den letzten Zeiten des Alterthums selbst' Bedenken zu hegen. Mindestens scheint uns die Ungunst, welche die Verheerungen der Völkerwande- rung herbeiführten, in Anschlag gebracht werden zu müssen. Die nach dem Wiederaufleben eingetretene heidnische Richtung in der Betreibung führt den "Hrn. Vf. auf den dritten Theil, die Methode, wie die alten Klassiker in den Schulen behandelt werden müssen. Wenn er dabei äuszert: 'Mit l<.ücksi«:ht auf die Schwierigkeit der Beantwortung die- ser Frage erkläre ich im voraus, dasz ich nicht ohne Schüchternheit und im Bewustsein, eher das richtige zu fühlen, als es in klaren, be- stimmten Sätzen aussprechen zu können, die Lösung versuche', so hat Ref. durch die Art und Weise, wie seine Hd. LXVHF S. 5IH aufge- stellten Ansichten von dem Hrn. Vf. misverstanden worden sind, einen thatsächlichen Beweis erhalten, wie schwierig es ist über Methodik zu schreiben. Feh habe die Eiire mit denen zusammengestellt zu sein, weiche ohne gerade christenfeindliche Gesinnungen zu hegen, bei der Erklärung der Schriftsteller vom Christenthum nichts wissen wollen, weil eine christliche Anschauung entweder für die Schüler zu schwer oder nicht nothwendig sei oder gar das unbefangene objective Ver- ständnis unmöglich mache, das jugendliche Gemüt vSrvvirre und zu verkehrten Urtheilen verleite, ja dem Christenthum selbst schade' (Wiese Zeitsch. f. christl. Wissenschaft und christl. I..eben. 18.Ö1. Mai. Schmitz in Mützells Zeitschr. lHn2. Febr. und .März). .Allerdings scheint dem Hrn. Vf. das, was ich Bd. IjXIX S. 453 55 geschrieben, unbe- kannt geblieben zu sein, sonst würde er wol erkannt haben, dasz ich nicht gegen das gegenülierstellen Aon Heidenthuin und Christenthum überhaupt, sondern nur gegen ein 'fortwährendes' mich ausgesprochen und eben d;t.sjenige bekämpft habe, was er selbst S. '2] n. 107 als zu- rückzuweisen anerkennt. Wenn er ebendas. sagt: 'Hier [in obscoenen Stellen] hört die 'lautere Objectivität' auf und die unlautere beginnt', so glaube ich die Deutung, welche einem von mir gebrauchten .\nxlruck gegeben zu werden scheint, hinlänglich durch das, was ich Ud. LXIX S 519 am .Anfang gesagt habe, widerlegt, und ich brauche um so we- niger ein Wort darüber zu verlieren, als der Hr. Vf. auf der vor- hergehenden Seile ein richtigeres Verständnis <lavon selbst darlegt. Um aber vor ferneren .Misverständnissen jener nur gelegentlich und in Hinblick auf anderer Meinungen vorgetragenen Aeuszerungen bewahrt

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zu sein, will ich versuchen, meine Ansicht in möglichst kurzen und klar bestimmten Sätzen darzulegen. Lieber allem Zweifel erhaben steht, dasz auch das lesen der alten Schriftsteller christlich erziehend wirken müsse; dem Christenthum wird aber nur geschadet, wenn man es be- weisen und gegen Angriü'e ohne Noth vertheidlgen will, und wenn man überall und zu aller Zeit religiöse Vorstellungen, Gedanken und Ge- lüiile bei dem Schüler anzuregen strebt. [Dies erkennt der Hr. Vf. an. indem er S. 8 sagt: 'Bei dem ausschlieszlichen Gebrauch der Kir chenväter würde den Jünglingen zu viel zugemutet werden, wenn man von ihnen verlangte sich fortwährend zu Hause und in der Schule mit religiösen Dingen zu beschäftigen, religiöse Anschauungen und Gedan- ken in sich aufzunehmen. Der Geist müste nothwendig bald für das religiöse überhaupt abgestumpft werden']. Deshalb ist eine Erklärung der alten Schriftsteller, welche ihrtn Inhalt nur benützt, um daran die Wahrheit, Erhabenheit, Vortrefflichkeit des Christenthums zu erweisen, der also das Alterthum nur zur Folie für das Christenthum dient, zu verwerfen. Aber eine nur einigermaszen tiefere und bildendere Auf- fassung der alten Litteratur ist unmöglich ohne Kenntnis des religiö- sen Glaubens und der sittlichen Ansichten. Darum musz die Erkennt- nis des religiösen und sittlichen Lebens ein Zweck bei der Erklärung sein und noch viel mehr beachtet werden, als es bisher wol geschelien zu sein scheint. Diese Erkenntnis musz objectiv sein, d. h. es darf ebenso wenig in die Aeuszerungen der alten etwas hineingetragen, wie wesentliches übergangen und bei Seite gelassen werden. Dasz das Licht als Licht, der Schatten als Schatten vom Schüler erkannt und demnach vom Lehrer bezeichnet werden müssen und dasz dies nur von der christlichen Anschauung aus geschehen könne, ist selbstverständ- lich ; es wird dies aber weder durch polemisieren gegen das Heiden- thum, noch durch darstellen und beweisen der christlithen Lehre er- reicht werden, sondern am besten durch das zurückführen der einzel- nen Erscheinung und Aeuszerung auf die letzten Gründe geschehen. Wenn z. B. dem Schüler anschaulich wird, dasz die Idee der Molqk einen Versuch die vom Verstände geforderte Einheit des vielgestalteten Götterthums herzustellen beweise, und wenn er erkennt, wie unge- nügend derselbe ausgefallen, so wird er an einem concreten Beispiele das, was er im Religionsunterrichte gelernt haben musz, gesehen haben, wie vergeblich das ringen nach besserer Gotteskenntnis ohne Offenba- rung sei, und es bedarf demnach von Seiten des Lehrers nur einer Hin- weisung darauf, nicht aber einer Exposition von der Höhe und Herlich- keit des Christenthums, welche vom Schüler gewis als zu dem Zwecke der Stunde nicht gehörig betrachtet werden wird. Oder wenn wir den Ruhm als das höchste Ziel des strebens gepriesen finden, genügt nicht für den christlich von klein auf unterwiesenen Jüngling die Nachwei- sung wie diese falsche Ansicht aus der Verkennung des wahren Ver- hältnisses zu Gott und den unwahren Vorstellungen von einem jensei- tigen Leben hervorgehe, oder musz man dies erst nach christlicher Lehre auseinander setzen? Oder hält man es vielleicht für nöthig, wenn Homer die Gestalt des Zeus beschreibt, die Ungereimtheit Gott in menschlicher Gestalt zu denken zu beweisen? Dasz die erhabene Speculation, mit welcher die Kirchenväter das Christenthum dem Hei- denthum gegenüber vertheidigt haben und in welche jeder sich ein- lassen musz, der den gleichen Zweck verfolgt, nicht in die Schule ge- hört , darüber wird kein Zweifel obwalten, ebenso wenig aber auch darüber, dasz je entschiedener das Christenthum vom Lehrer dem Schü- ler als über allem Zweifel erhabene Wahrheit hingestellt wird, desto sichrer der Erfolg ist. Hat ja doch zu allen Zeiten das Zeugnis am meisten vermocht. Ja ich scheue mich nicht zu behaupten, dasz je zu-

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versirhtlicher der Lehrer bei dem Schüler christlichen Glauben und christliches wissen voraussetzt, je weniger er in denselben stürmt und drängt, desto ernster der Sinn des letztern auf die christliche Wahr- heit gerichtet sein wird. Und wenn ich natürlich nichts dagegen haben kann, wenn der Hr. VI". Erlenternng vom christlicben Standpunkt, sei es durch eine kurze Frage, durch einfache Darlegung des richtigen Verhältnisses, durch eine zum Verständnis führende Bibel stelle oder einen andern Kingerzeig fordert, so bleibe ich doch immer der Ueberzeugung, dasz eine Uebertreibung in dieser Hin- sicht Schaden stiftet und dasz in sehr vielen Fällen das gerathenste ist, objectiv klar und deutlich die religiöse und ethische Anschauung des Alterthums in ihrem genetischen Zusammenhang dem Schüler vor Augen zu stellen, einfach das gute als gut, das schlechte als schlecht, das wahre und falsche als solches zu bezenhnen und den Schüler in seinem eigenen Bewustsein die Vergleichuug mit dem Christenthum vollziehen zu lassen. Ich bin mit dem von Zinzow (Ztschr, f. d. G. W. VIII S. 897 ff.) aufgestellten im wesentlichen einverstanden, ob wir in der Praxis überall zusammentrelfen, kann ich nicht voiaussehen, aber in ihr entscheidet ja vieles die Individualität. Wir können nur vor zu falschem und schädlichem führendem warnen. Und wie ich denn mit Hrn. Dr. Geier in herzliches Einvernehmen gekommen bin, so hoffe ich auch den Hrn. Vf. durch meine Selbstvertheidigung nicht verletzt zu haben und scheide von ihm mit der aufrichtigen Versicherung der Hochachtung.

H.s.NNOVER.] Obgleich wir schon oben S. 150 f. über die dritte orthographische Conferenz einen Bericht gegeben haben, so halten wir uns doch verpflichtet, hier mitzutheilen das dritte Rundschreiben des königl, Ober-Schul-Cüllegiums an die Lehrer- Collegien der höheren Schulanstalten des Königreichs, den Unterricht über deutsche Recht- schreibung betreffend: Unsere beiden Rundschreiben vom 9. Nov. 1853 und 6. Juni 1854 haben unsere Absicht ausgesprochen, die möglichste Uebereinstimmung in dem Unterrichte über deutsche Rechtschreibung in den höheren Schulanstalten des Königreichs herbeizuführen. Die Arbeiten der für diesen Zweck berufenen Commission liegen in der bei- kommenden Druckschrift vor; sie enthält eine Zusammenstellung der Regeln über deutsche Rechtschreibung und ein Verzeichnis derjenigen Wörter, deren Schreibung ins schwanken gerathen oder überhaupt zwei- felhaft, zum Theil auch weniger bekannt ist, mit Angabe der durch Ge- brauch oder wissenschaftliche Folgerichtigkeit gerechtfertigten Schreib- weise. In dem ganzen wird die Durchführung des von uns von Anfang an festgehaltenen Grundsatzes nicht verkannt werden, die im allgemei neu übliche Schreibweise, wo eine solche sich findet, beizubehalten, in den Fällen aber, wo eine solche nicht mehr besteht, diejenige hinzu stellen, die nach Ableitung, Analogie und Zweckmäszigkeit den Vorzug verdient. Es ist gelungen, über die fraglichen Punkte einen endgilli- gen Beschlu.sz der Commission zu erzielen, der unsere Zustimmung er- lialten konnte; nur in den Regeln über die Schreibung der S- Laute hat die Mehrheit der Commission die auf historische Forschung gegrün- dete strenge Scheidung des sz vom ss f;eltend machen zu müssen ge- {;laubt, während eine INIinderheit mit uns der Ansicht war. dasz die etwa seit der Mitte des voric,en Jahrhunderts in (Jebrauch gekommene Schreibung joner Laute, die sich auf die herschendc \ussprache zu stützen sucht, zu fest ftewurzelt und zufjleich so einfach in Regeln zu fassen sei, dasz es bedenklich sein müsse, sie für den allgemeinen Schul- unterricht gegen eine neue, nach unserem l'rtheile vrrwickeltere Theo- rie zu vertauschen, norii bevor letztere eine überwiegende Geltung im Gebrauche sich verschafft hat. Denn auf die möglichst allgemeine

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen, 267

Brauchbarkeit der von uns angebahnten B'eststellungen, selbst für den Kreis der niederen Schulen, haben wir bei der weiteren Entwicklung der Sache immer mehr unser Augenmerk gerichtet. Auf der an- dern Seite musten wir Bedenken tragen, die entschieden ausgesprochene und auch bereits von einer Anzahl neuerer Schriftsteller vertretene Ansicht derjenigen Commissionsmitglieder, welche sich mit deutscher Sprachforschung vorzugsweise beschäftigt haben, auszuschlieszeii, oder ein mühsam zusammengearbeitetes Werk, dessen bei weitem gröszter Theil eine wünschenswerthe Uebereinslimraung begründen konnte, wegen eines einzelnen Kapitels fallen zu lassen. Ks erschien daher als der geeignetste Ausweg, die Abweichungen beider Systeme so kurz als mög- lich neben einander zu stellen, um den Schulen und einzelnen Gelegen- heit zu geben sich für das eine oder andere zu entscheiden. Dieses ist auf den Seiten IH «nd 19 der Regelnaufstellung geschehen und als nothwendige Folge davon sind in dem Wörterverzeichnisse, welches auch in Absicht der S-Laute nach den Beschlüssen der Conferenz ab- gefaszt ist, diejenigen Wörter in eckigen Klammern und mit besonderer Schrift beigefügt, die nach der bisher gebräuchlichen Weise mit einem verschiedenen S- Zeichen geschrieben werden. Eine umfassende Darle- gung der Gründe gegen die neuere Theorie über die Schreibung der S-Laute, die wir aber hier nicht aufnehmen konnten, findet sich in einer Abhandlung über deutsche Rechtschreibung von dem Professor Rud. v. Raumer in der Zeitschrift für die österreichischen Gymna- sien, 1855 erstes Heft, welches wir, auch des übrigen beachtenswerthen Inhaltes jener Abhandlung wegen, hier beifügen. Der sorgfältigen Ueberlegung des dortigen LehrercoUegiums stellen wir es nunmehr an- heim, ob die vorliegenden Arbeiten über deutsche Rechtschreibung, die neben jeder deutschen Grammatik, natürlich an der Stelle der densel- ben Gegenstand behandelnden Kapitel derselben, gebraucht werden können, dem orthographischen Unterrichte der Anstalt zum Grunde zu legen sind, und zwar mit gleichzeitiger Entscheidung darüber, ob die Lehre von der Schreibung der S-Laute nach der bisher gebräuchlichen oder, um sie kurz zu bezeichnen, nach der historischen Theorie, vor- getragen und eingeübt werden solle. Wir rechnen darauf, dasz bei der Ueberlegung der Sache nicht die eine oder andere Einzelheit die Ent- scheidung geben, sondern dasz der grosze Vortheil einer möglichst all- gemeinen IJebereinstimmung des Unterrichts in der deutschen Recht- schreibung kleinere Bedenken überwiegen werde. Es versteht sich von selbst, dasz, wenn die Einführung beschlossen wird, jeder Lehrerin allen Klassen der Anstalt in seinem Unterrichte an die Vorlagen ge- bunden ist, unbeschadet der bereits in unserem Rundschreiben vom ':. Juni 1854 unter No. 3 ausgesprochenen Gestattung, dasz in den oberen Klassen, deren Schüler die übliche Rechtschreibung schon sicher kennen, der Lehrer der deutschen Sprache Abweichungen, die er als Berichtigungen oder Verbesserungen erkennt, vortragen und wissen- schaftlich begründen kann. Es wird uns angenehm sein, über die Ent- scheidung der Anstalten baldthunlichst in Kenntnis gesetzt zu werden. Wir bemerken dabei, dasz diejenige Anstalt, bei welcher die Einfüh- rung der Vorlagen nicht beschlossen wird, die Verpflichtung hat, uns binnen der nächsten drei Monate dasjenige System anzuzeigen, nach welchem der orthographische Unterricht in der Anstalt, von den unte- ren bis zu den oberen Klassen, ertheilt werden soll. Es kann dabei nicht ausreichen im allgemeinen zu sagen, dasz die bisher übliche Schreibweise beibehalten werden solle; denn gerade weil in neuerer Zeit so viele Schwankungen in derselben entstanden sind, ist in vielen F"'ällen eine allgemeingiltige Regel gar nicht mehr nachzuweisen und die jüngeren Lehrer würden wahrscheinlich vielfach eine andere Ortho-

268 Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, sfalist. Notizen.

graphie lehren, als die älteren. Es musz daher eine Ucbcreiiistimmung des bezeichneten Unterrichts in ein und derselben Anstalt herbeige- führt und uns durch eine ähnliche Arbeit, wie die vorliegende, oder durch Bezeichnung einer Grammatik, welche ein das nöthige umfassen- des System der Rechtschreibung enthält, dargethan werden. Sollte übrigens die Entschlieszung eines Lehrercollegiums so ausfallen, dasz der Director (bezw. Rector) deren Durchführung nach den Verhältnis sen der Anstalt für bedenklich erachtet, so hat derselbe, bevor dem Beschlusze Folge gegeben wird, zuvörderst darüber an uns zu berich- ten und unsere Verfügung abzuwarten. Die in Folge der jetzt zu tref- fenden Maszregeln bei einer Anstalt einmal eingeführte Orthographie darf künftig durch einen Beschlusz des Lehrercollegiums nur mit unse- rer Zustimmung abgeändert werden. Wir machen noch darauf auf- merksam, dasz die mit diesem Rundschreiben vorgelegten orthographi- schen Arbeiten ihrem Umfange und ihrer ganzen Fassung nach %>ol erst für die oberen Gymnasialklassen, etwa von Quarta oder Tertia an, passen werden, dasz aber die Absicht ist, eine abgekürzte Redaction für die Elementarklassen der höheren Schulen und für Mittel- und Volksschulen zu veranstalten und ebenfalls zum ])ruck zu befördern. Zuletzt bemerken wir, dasz die vorliegenden Druckbogen auf gewöhn- lichem Papier für 4 ggr. im Ladenpreise verkauft werden, dasz aber auch vielleicht die Verlagshandlung bei gröszeren Bestellungen einen Rabbat bewilligen wird. Exemplare auf feinem Papier werden ein ge- ringes mehr kosten. Hannover, den '21. März 1855. Wenn wir die Bemühungen der hohen hannoverschen Regierung in einem so wichti- gen Punkte eine Einheit herzustellen um so freudiger begriiszen, als wir dabei die richtigsten, allen Verhältnissen gebührende Rücksicht tragenden Grundsätze befolgt sehen, so glauben wir die Regeln und Wörterverzeichnis für deutsche Rechtschreibung. Claus- thal, Schweiger 1855 (51 S. 8) als ein durchaus praktisch eingerichte- tes und wissenschaftlichen Werth habendes Handbuch zum Heiszigen Studium auch auszerhalb des Königreichs Hannover empfehlen zu müs- •sen. Vielleicht dasz wir dadurch der von so vielen gewünschten Er- reichung des Ziels, übereinstimmender Feststellung der Orthographie in einer den Forderungen der Wissenschaft und des Gebrauchs gerecht entsprechenden Weise durch ganz Deutschland näher kommen. Wir fügen bei die Uebersicht der im Jahre 1854 im Lehrerpersonalc der höhern Schulanstalten des Königreichs Hannover, sowie unter den pen- sionierten Lehrern vorgegangenen Veränderungen.

I. Gestorben:

1. Der Rector Schrickel am Gymnasio in Göttingen.

2. Zeichenlehrer Dankvvorth am Gymnasio in Celle.

3. ,, pcns. Lehrer Thospann am Gymnasio in Göttingen.

IL Mit Pension entlassen:

1. Der Rector Schröder am Gymnasio .\ndreano in Hildesheim.

2. ,, Conrector Grauert am Gymnasio in Lingen.

3. ,, Oberlelirer Hilbrath am Gymnasio in Meppen.

HI. Aus dem Ve r wal t u nj^sk r e is e abgegangen:

1. Der Lehrer der neueren Sprachen Lindeniann am Ljcco in Hannover.

2. ,, Cand. der Theologie Müller am Gymn. in Emden.

3. ., ,, Hesse ,. ,

4. ,, ,, ,, ,, Brauns ,, ,, Androano in Hildesheim.

5. ,, Collaborator Jacp am Progymn. in Münden.

6. ,, Lehrer Breusl am Progymn. in Goslar.

7. ,, Cantor Pluns ,, ,, Nordheiu».

8. Caplan Feszler am ,, ,, Duderstadt.

Berichte über gelehrte AiistcTlIen, Verordnungen, statisl. Notizen. 269

IV. Versetzt. J . Der Coli. Fehler vom Paedagogio in Ilfeld an das Lj ceum in Hannover.

2. ,, ,, Ruprecht vom Progym. in Nordheim an das Andreaniim in

Hildesheim.

3. Lehrer Gropengieszer vom Progymn. in Osterode an das Pro-

gymnasiiim in Nordheim. V. Neu an gestellt:

1. Der Cand. Schorkopf als Coliaborator am Paedagogio in Ilfeld.

2. ,, ,, Kühnemund als Collah. am Andreano in Hildesheim.

i. Schufzen ,, Hilfslehrer am Andreano in Hildesheim.

4. Rinklake ,, I^ehrer am Gymnasio in .Meppen.

5. Pahle ,, ,, ,. ,, ,, Stade.

6. ,, Lührs ,, ,, ,, ,,

7. ,, ,, Cesar ,, Progymn. ,, Münden. *. ,, ,, Gercke ,, ,, ,, ,, Nordheim.

9. Seminarist Wiecking als Lehrer am Gymnasio in Emden.

10. Tappert ,, ,, ,, Progymn. ,, Goslar.

11. ,, ,, Ziegenhorn ,, ,, ,, ,, Osterode.

12. Zeichenlehrer Schmidt am Gymnasio in Celle.

VI. Auf ihren Stellen verbessert: 31 Lehrer.

NoRPii.vusEN.] Nachdem von dem Gymnasium der 7e ordentl. Leh- rer Dr. K. A. G. Weiszenborn Mich. I8j4 in ein Pfarramt übei'ge- gangen war, rückte der 8e Lehrer Dihle in die 7e Stelle auf. Dem vom Magistrat gewählten Cand. Frdr. Ad. Reidemeister ward die Genehmigung, dasz er bei gleichzeitiger Ableistung des paedagogischen Probejahrs die 8e ordentl. Lehrerstelle unter ßeihülfe der übrigen Leh- rer gegen eine monatliche Remuneration für sich und eine dergl. für die betreffenden übrigen Lehrer wahrnehme. Das Lehrercolleglum be- stand demnach Ost. iSöä aus dem Director Dr. Schiri itz, Conr. Dr. Theisz, Oberl. Dr. Rothmaler, Gymnasiall. Nitzsche, Oberl. Dr. Haake, Mathem. Dr. Kosack, Gymnasiall. Dihle, Cand. Rei- demeister, Musikdir. Sörgel, Schreib- und Zeichenlehrer Deicke, Eiementarl. Dippe. Die Schülerzahl betrug 266 (1 16, P 21, IP 24, III 29, IV 59, V 63, Vorkl. 54). Abiturienten waren Ost. 1854 und Mich. dess. J. je 2. Die wissenschaftliche Abhandlung lieferte Conr. Dr. Theisz: de proverbio Tavtälov zäXavtu vel TavzäXov zccXuvzu zavzciXi'Qizui (16 S. 4). In sehr überzeugender Weise thut der gelehrte Hr. Vf. dar, dasz die bisher übliche Deutung des in der Ueberschrift genannten Sprichworts 'Reichthum wie Tantalus häufen' falsch, dage- gen ' Tantalus- Qualen erleiden' die einzig richtige sei. Der Beweis gründet sich 1) auf die Etymologie, indem Tävzulos in Uebereinstim- mung mit Nitka de Tantali nominis verborumque cognatorum origine et significatu p. 8 und mit Plat. Cratyl. 365 d von zäla^ abgeleitet, die ursprüngliche Bedeutung von zälavzov gleich pondus festgestellt, endlich zalavzi^sad'ai, als nur: '■ähnliches wie Tantalus thun' bedeutend erwiesen wird. 2) Die übereinstimmende Deutung der Paroemiographi und Grammatiker kann nicht ins Gewicht fallen, da sie erweislich alle aus Zenobius geschöpft haben, dieser aber, da ihm die ursprüngliche Bedeutung von zälavzov gar nicht mehr geläufig war, dagegen nXov- zog TavzccXfiog und ähnliches vorschwebte, leicht in Irthum verfallen konnte, ein Misgeschick was ihm sehr oft passiert, namentlich auch hei dem vom Hrn. Vf. hervorgehobenen SiTcXovg KVÖQccg (Corp. I p. 64). 3) Die Sprichwörter TavzäXov zgccTif^a , rtfifoptat, ötvögcc, v.r]itoi be- zeichnen immer nur Güter, die man nicht genieszen kann. Wegen zd~ Xavza hat die Stelle Stob. XXII p. 151 Grot. (Menandr. et Philem. ed.

270 Berichte über gelehrte AnslaUcn, Verordnungen, stallst. Notizen.

Meineke p. 103) für die gewöliiiliche Deutung k-ein Gewicht, weil sie lückenhaft ist, die Worte i-Ativa Xfyoafvu aber einen uneigentiichen Gebrauch des Worts beweisen. Anacreont. 143 Fischer widerspricht der Ansicht des Hrn. Vf. nicht. Piutarch. Amator c. 12 aber zeigt das folgende, dasz an wirkliche Reichthümer nicht zu denken sei. Das gewichtigste Zeugnis liefert Plat. Kuthyphr. p. 11 e, in welcher Stelle alle Feinheit verloren geht, wenn an Reichthum gedacht, nicht viel- mehr gedeutet wird: 'mihi tecum disputanti idem accidit quod Tan- talo, qui (juidem habet bona, iis tarnen frui non polest, ita tu argu- menta et definitiones proponis, quae videntur aliquid esse, quum nihil ."•int, quibus igitur ut Tantali bonis uti non possum". Ferner wird auch auf die gleiche selbst von den Paroemiographen anerkannte Bedeutung in ZioJiVQOv TcdavTCi (foy« -äul Ttoä^sii^) und Ktvvgov xüluvTu hin- gewiesen. 4) Tantalus erscheint bei den griechischen und römischen Schriftstellern niemals als ein glücklicher reicher, stets nur als vön Qual der unerfüllten Sehnsucht gepeinigt.

Plauen.] Da in dem Schuljahre Ost. 1854 55 die von uns Bd. LXIX S. 580 berichtete neue F^inrichtung des Gymnasiums ins Leben und somit eine neue Periode in dessen Geschichte eingetreten war, so konnte das Programm in der That mit keinem würdigeren Stoffe aus- gefüllt werden, als mit einer Geschichte der Anstalt. Dieselbe hat bis zum J. 1835, wo das Gjmnasium eine erweiterte Einrichtung emptieng, den Archidiakonu.s M. Fiedler, früher selbst Lehrer an der Schule, zum Verfasser (S. 2 23). Wir verdanken demselben ein recht lebendiges Bild der äuszeren und inneren Entwicklung der Schule von den ersten .Anfängen vor der Reformation an, welches nicht nur ein specielles und locales Interesse befriedigt, sondern auch jedem, der die Geschichte des Gelehrtenschulwesens Deutschlands tiefer und vollstän- diger kennen zu lernen wünscht, vielfache Belehrung und Aufschlusz bietet und um so mehr Anerkennung verdient, als nur durch groszen Fleisz die einzelnen Nachrichten aus sehr zerstreuten und schwerer zugänglichen Quellen zusammengebracht und nur durch scharfsinniges nachdenken die getrennten Züge zu einem vollständigen ganzen verei- nigt werden konnten. Die Entwicklung der Schule seit 1835 hat dann der Director Prof. Dr. Frdr. Palm hinzugefügt und dabei namentlich die Ursachen, welche zur Verwandlung der vorher bestandenen Gewerb- schule in eine Realschule und deren Vereinigung mit dem Gymnasium' drängten, sowie die bei der Einrichtung leitenden Grundsätze ausführlich entwickelt (s. Königreich Sach.^en). Die neu entworfene Lehrver- fassung, die wir, da sie die methodische Stufenfolge des Unter- richts in den einzelnen Fächern und zum Theil die Klassenziele über- sichtlich, aber recht vollständig gibt, zur sorgfältigen Beachtung empfehlen, schlieszt (S. 29—36) den wissenschaftlichen Theil des Pro- gramms. Der Jahresbericht giebt S. 39 f. die Worte des Directors bei dem verlassen des vorherigen Schulgebäudes, S. 43—45 eine den frömmsten christlichen Sinn und die wärmste Liebe athmende und ge- wis einen tiefen FJindruck bei jedem hinterlassende Ansprache des Geh. Kirchen- und Schiilraths Dr. IVIeiszner an Schüler nnd Lehrer, end- lich S. 48 ein vom Oberl. Dr. Schubart verfasztes lateinisches Gra- tulationsgedicht bei des eben genannten jOjährigem Amt.'.jubilaeum. Aus dem Lehrercollegium schied Ostern 1H54. in den Ruhestand mit Pension übertretend, der Prorector Dr. P f r et z sc h ner. Während des abgelaufenen Jahres ertheilten noch die vorherigen (..ehrer derGewerb- Rchule Schuster und Kohl in den Realclassen Unterricht, traten aber mit Ostern 1855 ab. Pas Probejahr hielt der Schulamtscandidat Dr. Opitz ab. Das Lehrercollegium besteht gegenwärtig auszer dem schon oben genannten Director aus dem Vicedirector Dr. Meutzner,

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 271

den Gymnasiallehrern Dr. Thieme (Mathem.)i Vogel, Gessing, Dr. Klathe, Volkmann, Dr. Beez (Klassen!, der In Realkl.), Dr. Schu- bart (Klassen!, von VI), Dr. Schmidt (Klassenl. der "in Realkl., von der Thomasschule zu Leipzig berufen), Dr. Riechelmann (Klassenl. der 3n Realkl. , vorher Lehrer am Bülauschen Institut in Hamburg), Bleyl, (Lehrer der Mathem., der prakt. Geometrie und des geometri- schen Zeichnens), Frey tag (franz. Spr.), Zeichenlehrer Heubner, Gesang-, Schreib- und Turnlehrer Kretzschmar. Die Frequenz be trug am Schlusze des Schuljahrs 163 (VI 36, V2I, III R 21 und 2 Hos- pitanten, IV 17, HR 9 und 2 Hosp. III 26, I R 5 und 2 Hosp. II 13, I 9). Abiturienten waren Ostern und Mich. 1854 je 3.

Posen.] Das F r ie d r i c h- Wi 1 he 1ms- Gy m n asium (s. Bd. LXIX S. 467) erhielt im verflossenen Schulj. 1854 55 insofern eine Erwei- terung, als die Vorbereitungsklasse als Sexta mit dem Gymnasium aufs engste vereinigt ward. Das LehrercoUegium erfuhr keine andere Ver- änderung auszer dasz der Oberlehrer der Realschule Dr. Löwenthai den bisher ertheilten Unterricht aufzugeben genöthigt war. Dasselbe bestand aus dem Director Hey de mann, den Professoren Martin, Dr. Müller I., Schönborn, Dr. Neydecker, den Oberll. Mül- ler II. u. Ritschi, den Gymnasiall. Dr. Tiesler, Dr. Kr ahner, Dr. Starke, Pohl, dem Lehrer Hüppe, Divisionspred. Bork, Ka- plan Grunwald, den Lehrern Hiel scher undWolinski und Cand. Brossmann. Die Frequenz betrug im Winter 328 (125, 11 21, III* 39, III^ C. I 29, C. II 27, IV 53, V 59, VI 75). Abiturienten waren 12. Als wissenschaftliche Beigabe geht voraus Dr. Heinr. Krahner: Erleulerungen über den Gedankenplan des perikleischen Epitaphios, gegeben durch Erklärung betreffender Stellen (23 S. 4).

KÖNIGREICH Sachsen.] Auf Veranstaltung des Ministeriums des Cultus und des Öffentlichen Unterrichts ist folgende Schrift ausgege- ben worden : über die Begründung der Realschulen zu Plauen und Zittau und ihre Verbindung mit den Gymna- sien. Ein Beitrag zur Geschichte des Realschulwesens im Königreich Sachsen (48 S. 8).*) Dieselbe entwickelt zuerst die Ursachen, welche neben den Gymnasien die Errichtung von Realschulen zum Bedürfnis gemacht, indem so wünschenswerth es sei dasz die künftigen höheren Berg- und Forstbeamten, die gröszeren Landwirthe, alle welche sich eine höhere technische Ausbildung erwerben wollen, die vollständige Gymnasialbildung sich aneigneten, weil ihre künftige Stellung einen höhern Grad allgemeiner wissenschaftlicher Bildung verlange, die Leh- rer der höhern Fachschulen anerkennten, dasz die von Gymnasien kom- menden Schüler schneller und sichrer das Ziel erreichten, als die von den Realschulen abgehenden, auch thatsächlich noch immer künftige Kaufleute und Fabrikanten selbst bei durch eine Realschule gebotener Gelegenheit das Gymnasium bis zur Prima besuchten, dennoch immer eine beträchtliche Zahl solcher zurückbleibe, welche den vollständigen Gymnasialcursus nicht durchmachen können, aber eine höhere Bildung verlangen als die Volks- und Bürgerschule zu gewähren vermöge, für welche aber die mittleren Gymnasialklassen wenigstens extensiv nicht ausreichen. Nachdem nun der Vorgang anderer Länder, dasz an sol- chen Orten, wo ein Gymnasium und eine Realschule nebeneinander nicht existieren können, zuerst an jenen Parallelstunden für nichtstu- dierende eingeführt, dann, weil man dies nicht ausreichend befunden, vollständige Realanstalten mit den Gymnasien verbunden wurden, dar-

*) Auch durch den Buchhandel von B. G. Teubner in Leipzig zu beziehen.

272 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen.

gestellt, auch auf die früher sclion in Sachsen darauf hinzielenden Be- strebungen hingewiesen ist, wird durch ausführliche statistische Anga- ben der Beweis gegeben, dasz einerseits die Gymnasien zu Plauen und Zittau stets von einer überwiegenden Zahl nichtstudierender besucht wor den, andrerseits die dort bestandenen Gewerbschulen nur in den Realun- terricht bietenden dritten Klassen stärker, in den obern schwach benutzt worden seien, und dadurch gezeigt, wie die Umgestaltung der letztern Anstalten zu wirklichen Realschulen und deren organiscbe Verbindung mit den bestehenden Gymnasien sich als eine unabweisbare Nothwen- digkeit aufgedrängt. Um nun Bedenken im Interesse der neuen An- stalten zu beseitigen, wird, nachdem der Plan für die Anstalt zu Plauen in der Kürze mitgetheilt ist (S. 19 u. '20), erörtert, dasz durch die Kinführung einjähriger Curse (in den obern Klassen 2 Jahre, aber mit nur jährlichen Versetzungen) unter Beibeiialtung der Dauer und der iitundenzahl für den Unterricht in den alten Sprachen die Gefahr, dasz der Gynmasialbildung Eintrag geschehen werde, beseitigt sei, ausführ- licher aber unter Vergleichung mit anderen Realanstalten dargelegt, dasz der für die gemeinsamen Vorbereitungs- und die getrennten Real- klassen angenommene Lehrpian die Erreichung des den Realschulen nothwendig zu steckenden Ziels, den Schülern eine ihrem künftigen Beruf und bürgerlicher Stellung entsprechende allgemeine Schul- bildung zu geben, verbürgt erscheine, wobei namentlich die Noth- wendigkeit des Lateins, wie überhaupt wissenschaftlicher Gründlichkeit für dieselben gebührende Berücksichtigung findet. Als Resultat er- scheint (S. 29): ''dasz, wo localc Verhältnisse sie empfehlen, man un- bedenklich eine Vereinigung von Gymnasium und Realschule, wie die besprochene, eintreten lassen dürfe, so wenig behauptet werden soll, dasz sie als das normale zu betrachten sei.' Die bereits angegebene Feststellung des allgemeinen Zweckes der Realschule gibt weiter die Veranlassung zur Entwicklung, web he Bedeutung dieselbe für das Leben und für den Staat iiabe, und wie der letztere von seinen künftigen praktischen und technischen Beamten die Erwerbung der allgemeinen Bildung, wie sie jene Anstalt gebe, zu fordern berechtigt und verjiflich- tet sei, wie demnach die Aufstellung fester Bestimmungen für die Reife- zeugnisse aller Realschulen für ihn eine Nothwendigkeit geworden, <leren Erfüllung auf das Realschulwesen nur günstig zurückwirken könne und demselben in Sachsen eine bis jetzt ihm mangelnde Stellung im Staatsorganisnuis verleihe. Die Ijehrziele werden im Anhang II mitgetheilt, iu der Schrift selbst aber die bei ihrer Aufstellung leiten den Grundsätze, in denen man <lie weiseste Umsicht nicht verkennen kann, erörtert. Es haben «iabei ebenso die Forderungen, welche an die Recipienden der Berg- und Forstakademie, der III. Clas.se der po- lytechnischen Schule, der JMilitärbildungsanstalt und der medicinisch- chirurgischen Akademie und an die A<!spiranten des Postfachs gestellt werden (mitgetheilt im Anhang I), wie die an den bereits bestehenden Realschulen gemachten Erfahrungen und aus ihrer Einrichtung herzu- leitenden Voraussetzungen, endlich auch die Einrichtungen in andern Ländern Berücksichtigung gefunden. Wenn die Anforderungen in Preuszen höhere sind , so l>enierkt die Schrift dagegen mit Aollem Rechte, dasz je mäsziger die Forderungen seien, um so strenger auf deren Erfüllung gehalten werden könne, \\ährend wer das Ziel zu hoch stecke, hinter demselben leicht zurückl)leii>e, dasz man z. B. Fertigkeit im sprechen der neuern Sprachen nicht allgemein verlangen dürfe, weil eine solche das Leben, nicht die Schule in ihren wenigen Unterricht.s stunden geben könne. Vollkommenen Beifall verdii-nt aucii die Hemer kung (S. 38), dasz bei der Beurtheilung die allgemeine Befähigung und Reife hauptsächlich ins Auge zu fassen sei, aber auch denen, welche in

Berichte über gelehrte Anstalten. Verordnungen, statisf. Notizen. 273

einzelnen F'ächern vorzügliches leisten, während sie in andern nicht vollständig befriedigen, das Zeugnis der Reife ertheilt werden könne, wobei der künftige Beruf maszgebend sein mü.sse. Für den Zweck unserer Jahrbücher heben wir noch die letzten Sätze aus: 'Zum Schlusz mag noch der Wunsch au.'<ge.sprochen werden , welcher durch die Be- merkungen, mit denen wir die.se Betrachtung begonnen, gewis gerecht- fertigt ist, dasz nach dem Vorgange von Preuszen der Realschule das Zeugnis der Reife für Obersecunda oder Prima eines Gymnasiums oder wenigstens das Gj mnasiaimatnritätszeugni.s gleich gestellt werde. Durch- gebildete Gymnasiasten können den Fachschulen in der That nur will- kommen sein. Denn gesetzt auch, dasz sie in einigen Fächern weniger leisten als die Zöglinge der Realschule, so ist do( h kaum zu bezwei- feln, dasz was ihnen etwa an wissen abgeht, durch den Grad geistiger Bildung und Reife ersetzt wird, den der Gymnasialunterricht unzwei- felhaft gewährt.'

Schleusingen.] Das Lehrercollegium des Gymnasiums (s. Bd. LXTX S. 706) hat im verflossenen Schuljahre keine Veränderung erfahren, nur ward der Sextus Wähle während eines ömonatl. Urlaub.s durch die Lehrer Schmidt und Heise vertreten. 'Vom 2. März an war Dr. Nauck zu fernerer Führung seines Amtes unfähig geworden : ein Nach- folger wird, zufolge der hohen Verfügung vom 6. März, zu Ostern er- scheinen.' Die Schülerzahl betrug 134 (I 17, II 17, 11134, IV 28 V 38), Abiturienten waren 13. Den Schulnachrichten voran geht die Ueber- setzung einiger Idyllen Theokrits (XI. VI. XIV. XV. XXI) vom Dir. Dr. Härtung (15 S. 4).

WiciLDURG.] Im Programm des Gymnasiums von 1855 ist die Ab- handlung enthalten vom Cour. H. W. Stoll: die ursprüngliche Be- deutung des Ares % 1 10. Vollständig Ist dieselbe im Buchhandel erschienen Weilburg, E. Lanz (50 S. 8).

Wittenberg.] Im Lehrercollegium des dasigen Gymnasiums (s. Bd. LXIX S. 707) trat im Schulj. 1854 55 keine weitere Veränderung ein, als dasz der Schulamtscandidat Förster zum Adjunct ernannt ward (s. oben S. 54). Die Schülerzahl betrug 227 (I 32, II 37, III 57, IV 52, V 28, VI 21). Abiturienten waren Ostern 1855 16. Den Schulnach- richten vorausgeht die Abhandlung des Gymnasiallehrers Wentrup: Beiträge zur Kenntnis der neapolitanischen Mundart (27 S. 4).

Zerbst.] An dem Francisceum trat Ostern 1854 für den erkrank- ten Oberlehrer Friedrich als Vicar der Schulamtscand. K. Meiszner ein. Der Director Dr. Karl Sintenis wurde am Schlusz des Schul- jahrs zum Schulrath ernannt. Die Schülerzahl betrug 262. Zur Uni- versität gingen 4 über. Die wissenschaftliche Abhandlung für das Pro- gramm schrieb der Oberlehrer Dr. Hammer de Jove Homerico (23 S. 4).

Personalnachrichten.

I. Ernannt:

Carrifere, Dr. Mor., Prof. honor. an der Universität zu München, zum Professor der Kunstgeschichte und akademischen Secretair der Akademie der bildenden Künste daselbst.

Gilbert, Dr. Otto Rob., Kirchen- und Schulrath bei der Kreisdi- direction zu Budissin, zum Geh. Kirchen- und Schulrath im Mini- sterium des Cultus und öffentl. Unterrichts in Dresden.

274 Personalnachrichten.

Lange, Dr. Ludw., ao. Prof. an der Universität zu Göttingen, zum

ordentl. Professor der klassischen Philologie an der Universität

zu Prag. Laroche, Paul, zum Studienlehrer an der lateinischen Schule zu

Dillingen. Nitzsch, Dr., Oberconsistorialrath u. Prof., zum Propst von Berlin. Reichenbach, Dr. Heinr. Gust. , Privatdocent, zum ao. Prof. in

der philosophischen Facultät der Universität zu Leipzig. Schmidt, Dr. Osk., Prof. in Jena, zum ord. Prof. der Zoologie und

vergleichenden Anatomie an der Universität zu Krakau. Stein, Dr. Friedr. , Prof. an der Forstakademie zu Tharand, zum

ord. Prof. der Zoologie an der Universität zu Prag. Stein, L. , als Prof. von der Universität zu Kiel entlassen, als ord.

Prof. für den Lehrstuhl der Nationalökonomie an der Universität

zu Wien. Willkomm, Dr. Heinr., Privatdocent, zum ao. Prof. in der philos.

Facultät der Universität zu Leipzig, mit der Aufsicht über das

Herbarium.

11. Praediciert:

Sintenis, Dr. Karl, Director des herzogl. Francisceum zu Zerbst, als Schulrath.

in. In Ruhestand getreten :

Rgger, Nicol., Studienlehrer zu Dillingen.

Meiszner, Dr. Conr. Benj., Geh. Kirchen- u. Schulrath zu Dresden, unter Anerkennung seiner treuen Dienste und Vorbehalt seiner fer- nem Zuziehung zu Berathungen.

IV. Gestorben:

Am 25. März starb zu Solothurn der bekannte Naturforscher Prof. Fr. J. Hugi.

Am 26. März auf .seinem Schlosse Bei -Air bei Mapon Charles Jos. Lacre teile. g<>h. zu Metz 27. Aug. 1768, seit 1811 Mitglied, später Privatdocent der Academie, Prof. der Geschichte an der Universität zu Paris, Verf. mehrerer geschätzter Werke über fran- zösische Gesrhichte.

Am 15. April zu Dresden Geh. Hofr. Dr. H. W. Schulz, Director der königl. Kunstsammlungen, als Kunstkenner und Kunsthistoriker be- rühmt, auch nicht ohne Verdienst um die Alterthumswissenschaft.

Am 22. April zu Kassel der seit einigen Jahren in Ruhestand getretene Generalsuperintendent , Oberconsi.-storialrath und Oberhofprediger Dr Ernst im 90. l..ebensjahre.

Da wir Bd. LXX S. 567 die Pensionierung des Conr. Dr. Mühl- berg erwähnt haben, so bemerken wir nachträglich, dasz derselbe noch fortwährend den hebraeischen Unterricht am Gymnasium ertheilt, auch den historischen Leseverein desselben leitet.

Zweite Abtheiliing

herausgegeben von Rudolph Dietsch.

18.

Elementarbuch der lateinischen Sprache vo7i Dr. Hermann Schmidt, Director des Gymnasiums zu Wittenberg. 2e gzl. umgearbeitete Aufl. Neustrelitz, Verl. von G. Bamevvitz 1854. Th. 1. 223 S. Th. 2. (Latein. Lesebuch für Oberquinta) 181 S.

Die zweite Auflage dieses im .1. 1841 zuerst erschienenen Eie- mentarbuches ist ein Beweis, dasz der Vf. desselben nicht aufgehört hat die methodische Behandlung des Elementarunterrichts im lateini- schen mit steter Aufmerksamkeit auf die Forschungen anderer und sorgsamer eigner Beobachtung zu verbessern; eine Pflicht jedes Schul- mannes, deren gewissenhafte Erfüllung nicht selten durch eine ge- wisse Vorliebe für den einmal eingeschlagenen Weg beeinträchtigt wird, so dasz oft gute Lehrbücher, je mehr Auflagen sie erleben, desto unbrauchbarer werden wegen einer immer stärker hervortre- tenden Einseitigkeit und Mangelhaftigkeit. Gerade die Methode des ersten Lehrganges ist aber beim erlernen der alten Sprachen und ins- besondere der lateinischen, von so entscheidender Wichtigkeit, weil der Knabe am lateinischen zuerst überhaupt Grammatik lernt, und, seit die geistigen Kräfte der Jugend noch durch so viele andere Lehr- objecte in Anspruch genommen werden, in ganz anderer Weise ler- nen musz , als früher, wo die alten Sprachen, besonders das lateini- sche, beinah wie eine lebende Sprache, hauptsächlich durch vieles lesen, auswendiglernen , übersetzen und schreiben gelernt wurde. Man kann es denen, welche über die Abnahme der Fertigkeit im Gebrauch der alten Sprachen klagen und ihre Zahl ist nicht klein, so wie ihr Einflusz auf die von obenher kommenden Anweisungen für Lehrer häufig nicht gering nicht oft genug ins Gedächtnis rufen, dasz jetzt die geistige Kraft der Schüler auf eine Menge Dinge ge- richtet wird, von denen sie etwas wissen sollen, in denen früher jeder so viel wüste, als er beiläufig und gelegentlich davon gelernt halle, dasz aber dadurch nicht blosz einige Stunden Schulunterricht dem lateinischen und griechischen entzogen sind, sondern die ganze häusliche Thätigkeit des Schülers eine viel umfassendere und daher

A, Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. f/ft. C. 21

276 Scliniidt: Eleincntarbiich der UUcinisclien Spraclie.

gelhciltere ist, als früher. Wie wenig Geschiclitc, Geographie, deulsclie Lilteralurgescliichle, Französisch, 3Iatheiiiatik, Physik, Na- tiirgeschiclite wurde fniher von den Schülern gefordert ; wenn sie nur tüchtig Latein und Griccliisch und alle Geschichte wuslen, so war man zufrieden. Icli verkenne den Nutzen und die Nothwendigkeit einer gleichnuiszigereu allgemeinen Bildung nicht, aber ungerecht und unverständig ist es von Lehrern und Schülern zu fordern, dasz unter so veränderten Umständen die Leistungen, namentlich die Fertig- keit im Lateinschreiben und übersetzen eine ebenso grosze sein solle, als damals, wo die ganze geistige Kraft der Schüler sich auf die alten Sprachen concenlrierle, wo sie, je höher sie stiegen, desto mehr Zeil ihrer häuslichen TliätigUeil durch Lcctüre und Uebungen aller Art (Chrien, Verscmaclien usw.) diesen Sprachen, besonders der lateini- schen, zuwandten, während sie jetzt durch die oben aufgezählten Lehrobjecte abgezogen werden von den allen Sprachen und ihre Lust an denselben natürlich desto mehr abnimmt, je weniger sie zum ei- gentlichen Genus z derselben kommen. Damals hörten sie von jedem gebildeten Latein und Griechisch als einzige Grundlage jeder wah- ren Bildung rühmen, während man jetzt sogenannte gemeinnützige Kenntnisse von ihnen fordert und 'erwartet im täglichen Leben und im Kreise gebildeter ; früher zeigte ihnen das Beispiel älterer 3Iänner ihres Kreises fortAvälircnd, wie Latein und Griechisch jeden gebildeten durch sein ganzes Leben gclcitelen, alle bevorstehenden Examina , Dispu- tationen usw. wurden lateinisch gehalten, die INothwendigkeit einer Fertigkeit darin trat ihnen also täglich vor Augen. Nur zu sehr ver- gessen viele, wie solchergestalt die ganze Atmosphaere des geisti- gen Lebens der Jugend sich geändert, und ihren Bestrebungen, Nei- gungen, und daher auch ihrer Thätigkeit eine ganz andere Itichlung gegeben hat. Wol sclieinl noch der Einwand zu beachten, dasz durch verbesserte Methode und Lehrbücher dem Schüler das erlernen der alten Sj)racJien bedeutend erleichtert sei. Aber diese Erleichte- rungen haben nicht blosz durch den damit zusammenhängenden Mis- brauch (z. B. deutscher Ueberselzungcn, ^velclie jetzt die Mehrzahl der Schüler einer gründlichen Praci)aralion ganz entfremden) einen sehr zweifelhaften \\'ertii, sondern es ist auch an sicli bekannt, dasz Erleichterungen des Icrnens auch Erleichterungen des vergessen s sind, indem von dem leicht erlernten viel mehr vergessen wird, als von den» mühsam angeeigneten; ganz entschieden aber dienen diese Erleichterunircii liröszlciitlieils mehr dazu ein besseres grammalisches Verständnis herheizni'ühreii , als dazu eine Fertigkeit im Gebranch der S[)rache bein\ lesen und schreiben zu fördern, da die Fertig- keil Siels nur Erzeugnis und Frucht vieler und manigfaltiger He- bung ist. .

Der Verf. des vorliegenden Lesebuches hat nun eine durch Ein- fachheit und Zweckmäszigkeit sich em|)fehlende .Methode zu (iriinde gelegt. Seit! FJ em en la r buch zerfällt in 3 ihiupllheile: I-esehuch (S. 8— 9J), Vocabulnrium (S. 92—147), E .\er ci l i enb uch (S.

Sclimidt: Elemenlarbucli der lateinischen Sprache. 277

151 223), welche alle drei Abschnitt für Abschnitt genau aneinander passen. Nur die sehr zweckmäszigen Vorübungen des Lesebuchs (S. 1 7) sind ohne enlsprechendcn Abschnitt in den beiden andern Thei- Icn , da sie dessen niclit bedürfen, Sie bestehen nemlich aus Substan- tiven und Adjectiven der In u. 2n Deciin. , welche erst partienweise als Vocabeln gelernt, dann mit est und sunt zu kleinen Sätzen ver- bunden werden, damit der Schüler von vorn herein bei diesen klei- nen Sätzen sich an die Verschiedenheit des Geschlechts im lateini- schen und deutschen und an die Uebereinslimmung des Substantivs und Adjectivs in der Praedicafsverbindung gewöhne, die erlernten Vocabeln aber bilden zugleich eine recht gute Grundlage für die fer- nere Leetüre und gewöhnen Auge und Ohr des Schülers gleich an eine nicht zu manigfaltige Menge lateinischer Formen in recht praktischer Anwendung.

S. 8 beginnt der grammatische Cursus mit Sätzen aus der ersten Declination, wobei die Praeposilionen und Adverbien, so wie die noch nicht in den Vorübungen gelernten Adjectiva unter den Lese- stücken als Vocabeln gegeben, dagegen die hiehergehörigen Substan- tiva im Vocabularium S. 92 96 alphabetisch geordnet sind. Diesen Sätzen entsprechen dann im dritten Ilauptlheile (S. 151 153) kleine Exercitien, so dasz Abschnitt für Abschnitt dieselbeln Vocabeln, die in den lateinischen Lesestücken vorkamen, zur Anwendung kommen, wodurch diese Vocabeln sich natürlich desto fester- einprägen und al- les zeitraubende aufsuchen derselben vermieden wird. Wir fänden es nun sehr zweckmäszig, wenn diese Uebungen aus der ersten Decli- nation noch etwas vermehrt würden, um dieselben gleich systematisch, besonders durch Anwendung von Praeposilionen, zur Einübung eines neuen syntaktischen Elementes zu benutzen, nemlich zur Gewöhnung des Anfängers an die Verschiedenheit des Gebrauchs des Casus im lateinischen und deutschen, namentlich an die Eigenthümlichkeit des Ablativs in seinen üi)lichslen Uebersetzungen (von, durch, mit). Hier- durch gewinnt die Erlernung der Declination für den Anfänger sofort Leben, und die Beobachtung der Gleichheit und Verschiedenheit des Gebrauchs des Casus im lateinischen und deutschen, erst an den Lese- stücken, dann an den parallelen Exercitien eingeübt, ist eine ganz angemessene geistige Beschäftigung des Schülers auf dieser Stufe.

S. 10 13 folgen dann in gleicher Weise Sätze mit Substantiven und Adjectiven der 2n Declination, mit Heranziehung der In Deciin., wobei dann schon Feminina auf ns und Masculina auf« zur Anwendung kommen. Den Schlusz dieses Abschnittes bilden dann 3 gröszere zusammenhängende Lesestücke; im Vocabularium sind die vorkom- menden Substantiva der 2n Decl. S. 96 101, und zwar l) Masculina, 2) Neutra, 3) Feminina wieder alphabetisch geordnet, die Adjectiva und Partikeln aber wieder unter den Lesestücken selbst gegeben, so- fern sie noch nicht dagewesen sind , und S. 153 157 linden sich wie- der Stück für Stück entsprechende Exercitien. In gleicher Weise folgen nun die Uebungen, Vocabeln und Exercitien der 3n Declina-

21*

278 Schmidt: Elcnientarbiuli der lateinischen Sprache.

tion, und zwar sind hier l) nur regelmäszige Masculina , 2) Fem., 3) Neutra, dann 4) Subslanliva mit unregelmäszigem Genus gewählt, und am Schlusz 6 zusammenhängende gröszere Leseslücke gegeben, die in Bezug auf StofT und Form zvveckmäszig zu nennen sind.

In dieser Weise füllen die Uebungen der 5 Declinationen beinah iO Seiten im Lesebuch (inclusive der Vorübungen), ebenso viel Raum nehmen die Vocabeln und etwa 20 Seiten die Exercitien zu diesen Abschnitten ein, worauf die Leetüre zur Lehre von der Gradation der Adjecliva und vom Gebrauch der Pronomina fortschreitet (S. 30 34). Es hätte aber, glaube ich, eine für die Schüler nicht blosz an- genehme, sondern auch nützliche Abwechslung und Manigfaltigkeit der Uebungen erreicht werden können, wenn nach der In u. 2n De- clin., ehe zur 3n Decl. fortgegangen worden wäre, esse gelernt und durch Lesestücke und Exercitien eingeübt würde. Eine gewisse Ein- förmigkeit der Uebungen die sämtlichen fünf Declinationen hindurch war sonst nicht zu vermeiden, und musz zuletzt Lehrer und Schüler ermüden. Die Satzbildung bescliränkt sich jetzt 30 Seiten hindurch hinsichtlich des Verbums auf est, sunt, erat, erant, (ein paar einzelne Sätze mit video ausgenommen), die le u. 2e Person und andere Zeit- formen kommen gar nicht vor.

Ich kann mir wol denken, dasz man es vielleicht bedenklich findet, die Lehre von den Declinationen so zu durchkreuzen; allein erstlich ist es sogar ein Vortheil, dasz man die bis dahin gelernten zwei Declinationen nocii länger übt, ehe man zu der ganz verschie- denen 3n Decl. übergeht, sofern dies durch Heranziehung anderen grammatischen StoHes ohne Ermüdung geschehen kann, was eben das Hülfszeilworl esse ermöglicht. Es tliut sich dann dem Schüler hier- durch neben dem kleinen überschaulichen Kreis von Declinalionsfor- nien ein ebenso kleiner übersichtlicher Kreis von Conjugationsformen vor den Augen auf, den er nachher wieder während der ganzen 3n, 4n, 5n Dcciinalion nebenher in Uebung behält; und wie bedeutend Avird der Kreis der Salzbildung nun erweitert, dadurch dasz man von da an schon alle Zeilen und Personen, selbst leichte Conjunclivsälzc mit «/, ne usw. in Anwendung bringen kann. Auch dasz der Knabe schon recht früh, so lange der Kreis der Spracliformen noch ein leicht übersehbarer ist, sich gewöiuit das Pcrfect und den Conjuncliv zu ge- brauchen, wo im deutschen das Impcrfect und der Indicativ steht, ist ein Gewinn. Die GrundhegrilTe der Conjugalionslehre werden nach- her, wenn der Formenrcichlhum der 4 Conjugalionen dem Knaben mehr zu schalTcn madil , weit molir seiner Beobachtung entgehen, als früher. Warum hat der Vf. überliaii|)t das Vorbum esse so kärglich bedacht, dasz nur l^ lateinische Sätze ('Jj 0) zur l'obung desselben dienen? Die Vorübungen für die Declinationen nolnnen 7 Seiten ein: Vorübungen für die Conjugalionen konnten ebenso nützlich hier an esse angeknüpft werden und beanspruchlen jedenfalls einen «rröszeru Hauni als 13 Sätze.

Hierauf folgen nun in den» Klemontarbuclu' \on S. 35 an die Ue

Schmidt: Elemenlarbuch der laieinisciien Sprache. 279

bungen zu den 4 Conjiigatioiien, und zwar natürlich I. die erste Conj. a) Activum, b) Passivuni: 2 Seiten Satze, dann iJ^/a S. zusanunenhän- gcnde Lesestücke. Auch der Umfang dieser Uebungen däncht uns ein zu kleiner, um so mehr, als die von uns bei esse gel'orderlen Vor- übungen zur Conjugation nicht vorliandeu sind, also alles dazuge- hörige mit eingeübt werden soll. So kommen z. B. auf das Passiv nur 6 Sätze, was um so weniger ausreicht, als nachher in den zusam- menhängenden Lesestücken fast nur 6 Pers. Passivi vorkommen. Ein längeres verweilen bei der In Conjugation scheint überhaupt rathsam, um die Formen und Formenbildung derselben fesler einzuprägen, da man hierdurch die Möglichkeit gewinnt, nachher bei den andern Con- jugationen rascher fortzuschreiten, wenn die le recht sicher und fest sitzt; denn ehe in der In Conj. der Unterschied der activen und pas- siven Formen, der Zeiten, der Modi usw. einigermaszen sicheres Besitzlhum des Schülers geworden ist, halten wir es für bedenklich die Aufmerksamkeit desselben durch neue Formen schon wieder von diesen Hauptunterschieden abzuziehen.

Auch in Betreff der Ausführung im einzelnen möchte ich hier noch einige methodische Vorschläge aus eigner praktischer Erfahrung machen, welche dazu dienen später nothwendiges gleich beim ersten lernen vorzubereiten. Schon bei esse habe ich die Formen stets so lernen lassen, dasz erst die Tempora der dauernden Handlung (s«/«, eram, ero)^ dann die der vollendeten (/"«/, fuevam^ fuero) zusam- mengenommen wurden. Der Grund ist leicht einzusehen *) : erstlich die Verschiedenheit der Formen beider, die später sich noch mehr geltend macht (z. B. niitlo, mittebam, mittani misi^ tniseram, nii- sero) ; zweitens die spätere Bedeutung dieser Anordnung für die Tem- puslehre, die schon beim erlernen der In Conj. dem Knaben klar ge- macht werden kann (bei scribil, scribebat, scribel denkst du dir einen, der mit schreiben beschäftigt ist, der die Feder noch in der Hand hat; bei scripsi, scripseram, scripsero einen, der mit schreiben fertig ist, der die Feder weggelegt hat). Sobald ferner der Knabe alle Tempora des Indicativ gelernt hat, wird derselbe nochmals ge- lernt nach den Personen geordnet:

1) sum, eram, ero ; fui, fueram, fuero

2) es, eras, eris; fuisti, fueras, fueris usw.,

damit er auf diese Weise gleich die Personenendungen in ihrer Ue- bereinstimmung und Verschiedenheit beachten lernt, und das me- chanische einerlei der Zusammenstellung aufgehoben wird. Dasselbe geschieht nachher beim Conjunctiv. Durch eine solche Erlernung von esse ist die Erlernung des Activs der In schon bedeutend erleichtert. Wenn ferner der Indic. Pass. l. gelernt ist, beginnt die Aufgabe, den Knaben an die Unterscheidung der activen und passiven Formen zu

*) Zu meiner Freude habe ich gesehen, dasz auch andere, z. B. Berger in seiner viel treffendes enthaltenden Grammatik, dieselbe Anordnung gewählt haben.

280 Schmidt: Elemcntarbuch der lateinischen Sprache.

gewöhnen, indem amo, arnor amas, amaris usw. schriftlich und mündlich nebeneinander g-eübt Averden, bald mit Hinziifügung des dcntschcn, bald oline dasselbe, und zwar im ersten Falle gewöhnlich so, dasz das deutsche vorangeht (ich liebe «;«o, ich werde geliebt amor usw.). Ebenso werden dann die Conjunclive, Imperative, Par- ticipien und Infinitive beider Actionen zusammengestellt. Geht man dann zur 2n Conj. über, so nehme man nicht nwneo oder doceo als Paradigma, sondern ßeo oder deleo ; der Knabe lernt den Unterschied der 2n von der In dadurch schneller und fester, und behalt bald, das2 die meisten Verba dieser Conjugalion den Kennlant e ausstoszen (rfo- c«/, monui, doctiim) oder verkürzen (inoinluiii). Auf die 2e lasse ich sodann die 4e folgen, (lasse ihr aber den Namen der vierten), da der Knabe leicht sieht, dasz das i hier die Rolle des a u. e in der In u. 2n spielt, mit einigen leicht zu merkenden 3Iodificationen (aw- diebam^ aber audirem, u. audi-am statt bu). So hat er 3 Conju- gationen gelernt, die sich fast durchweg durch den Kennlaut («, e, i) leicht unterscheiden. Diese drei Conjugat. werden dann schriftlich und mündlich manigfach nebeneinander durchgeübt, z. B. alle 1. Ps. Plur. von laudo, deleo, audio, oder alle Infinitive usw. Dann erst folgt zuletzt die 3e Conj., da sie von den übrigen ganz abweicht und in sich selbst so manche Verschiedenheiten hat (Perf. «, si ; Sup. SM»*, tum). Den Schlusz der 4 Conjugationen bildet sodann die Ein- übung der Ableitung aller Formen von den 4 Grundformen (Prs. Perf. Sup. Infin.), wodurch der Knabe in Stand gesetzt wird, jedes unregel- mäszige Verbum, dessen 4 Grundformen ihm gegeben sind, ohne wei- teres richtig zu conjugieren. Damit möchte ich aber überhaupt den 2n Ciirsus (Quinta) abgeschlossen wissen, und die vollständige Erlernung der Verba *) irregularia und anomala, so wie den Ge- brauch der Deponentia für den folgenden drillen Cursus aufheben, weil l) dann der Knabe in den regelmäszigen Formen schon sicherer ist und nicht so leicht verwirrt wird, 2) das Gedächtnis für Festhal- tung und Unterscheidung fremder Sprachformen schon geübter ist, und endlich 3) hauptsächlich darum, weil die für den 2n Cursus dadurch gewonnene Zeit besser benutzt wird, um durch tüchtige Ein- übung der syntaktischen Grundlehrcn das erworbene etymologische Material zum rechten Verständnis zu bringen und dadurch zu beleben, den Schüler an ein richtiges conslruieren , an Participialconstructio- nen, Accus, c. Infin., Ablalivi ahsoluti, und vor allem daran zu ge- wöhnen, dasz er in den Wort forme n immer Wort b edeu tu ngen sieht. Denn es ist für die grammalische Bildung des Knaben von gro- szer Wichtigkeit, dasz er schon früh einsehen und bedenken lernt, dasz in domus patris auszer den BegrilTen Haus und Vater noch ein dritter, der des Eigenthums, im Genetiv steckt, dasz bei «f sciai» = dasz ich weisz, im Conjunctiv ein möchte, sollte, könnte

*) Doch können und sollen sie gebraucht werden in Lesestücken und Kxer eitlen, so viel Veranlassung dazu ist.

Schmidt: Elemenlarbucli der lateinischen Sprache. 281

steckt, welches er im deiilschen bald aiisdriicUeu iniisz, l)aM iiiiiiber- setzl läs/.t. Gerade durcli diese synlaklischo Anwcndiin«,^ und Ein- übung- aller ihm bekannten Formen lernt er die Formenlehre über- haupt als etwas bedeutsames und daher geistig lebendiges erkennen und gewöhnt sich in allen Endungen eine Bedeutung zu linden und sie nicht gedankenlos ui brauchen.

3Ian verzeihe uns diese Abschweifung von der lielation über den Lehrgang des Elemenlarbuciies selbst, allein es scheint uns ein Haupt- fehler der jetzt übliciicn Methode im aligemeinen, dasz man in dem bestreben, das etymulogische 3Iaterial dem Knaben in systematischer Ordnung und Vollständigkeit zur Anschauung zu bringen, niciit gleich- zeitig und gleichmäszig genug das syntaktische Element berücksich- tigt, durch welches die Formenlehre für den Knaben erst Leben er- hält. Aus diesem Grunde halte ich es für wichtig l) das Zeitwort esse gleich nach der 2n Uecl. einzuschieben, 2) nach der In Conj. wieder eine Pause in der Vermehrung der Fornienkenutnis eintreten zu lassen, damit in der Erlernung der Formen und ihres syntakti- schen Gebrauches möglichst gleichmäszig fortgeschritten werde, und die vermehrten Elemente der Satzbildung auch zu einer Vermehrung syntaktischer Uebung führen, ganz besonders aber, damit der Knabe von vornherein zum Verständnis der Verschiedenheiten des lateini- schen und deutschen Ausdrucks komme, und nicht erst später sich z. ß. mit Mühe losreiszen müsse von der Gewohnheit das Perfect falsch zu übersetzen.

Es folgen S. 40 5G Leseübungen u. S. 182 223 Exercitien zur 2n 4n Conjug. , jedesmal erst eine Reihe kleiner Sätze, dann kurze Erzählungen, wobei es nur gebilligt werden kann, dasz in der 3n Conj. die regelmäszigen Verba in 4 Klassen {i, tum; i, smn; st\ tum; si , su7ii) gebracht sind, wodurch die Zahl der sogenannten unre- gelmäszigen vermindert wird, obgleich noch immer alle diejenigen Verba, deren Unregelmäszigkeit in einer Consonantveränderung be- steht, die der Wollaut veranlaszte, als unregelmäszig dastehen, wie r/ero, gessi, gestuni; tra/io, Iraxi, tractum u. a. , während doch im griechischen niemand xvnxa^ ygacpio, ngaivco um solcher Verände- rungen willen zu den unregelmäszigen Verbis zählt. Auch ist zu bemerken, dasz S. 134 über die Keduplication der Composita von disco und posco vergessen ist anzugeben, dasz sie nicht wegfällt.

S. 57 69 folgen Lesestücke zu den unregelmäszigen Ver- bis der 1 4n Conj., S. 69 78 zu den Deponentibns, S. 78 80 zu den sogen. Verbis anomalis. Sehr zweckmäszig ist es, dasz zu jedem einzelnen Abschnitte die betrelTenden Verba im Vocabularium zusam- mengestellt sind, und also als Vorbereitung jedesmal erst gelernt werden können. Aber keinen rechten Zweck und Nutzen sehen wir von den Gedenkversen (S. 80 91) zu den Declinationen und Conju- gationen , da sie nur wenige Beispiele der einzelnen Fälle und selbst diese ohne rechte Nutzanwendbarkeit bringen. Was soll z. B. ein Schüler mit dem Verse: huproba corrun/punt rectos cvnsurüa mo-

282 Schmidt: Elementarbuch der lateiniselien Sprache,

res? Er hat nicht einmal die Unregelmäszigkeit des einen Verbums dadurch gelernt, da das Praesens doch nicht als solche angesehen werden soll. Oder was sollen die Verse: Navita de ventis , de tauris narrut arator, enumerat miles vulnera, pastor oves? Die 10 Seiten für diese Verse und Sprichwörter, namentlich aber die Zeit, welche deren Erklärung und Einübung auf dieser Stufe kostet, kann wol nützlicher verwandt werden. Allenfalls könnte hier und dort in den betrelTenden Abschnitten ein solcher Vers am Ende der kleinen Sätze zum memorieren gegeben sein, aber nur wenige der hier vorhandenen möchten die Mühe lohnen.

Das Vocabularium weicht in seiner der Folge der Lesestücke entsprechenden Anordnung von der sonst üblichon blosz alphabeti- schen Reihenfolge der Vocabeln ganz ab , und zwar für den ersten Anfang gewis zum groszen Nutzen des Schülers, doch glaube ich, dasz diese Einrichtung mit Unrecht bis zu Ende bcibehallen ist. Das Vocabularium enthält nemlich 1) Substantiva der In Decl.: 1) Femi- nina, 2) 3Iasculina. II) Subst. d. 2n Decl.: Masc. auf «s, 2) auf er, 3) Neutra, 4) Fem. 111) Subst. d. 3n Decl.: a) regelmäsziges Genus 1) 3Iasculina auf o, auf or, auf os usw. und zwar sind in jedem dieser Abschnitte die Vocabeln alphabetisch geordnet, desgleichen nachher die Adjectiva auf: l) ms, ö, um; 2) er, ß, um; 3j er, «s, e; 4) is, e usw. Diejenigen Vocabeln aber, welche in den Lesestücken vorkommen, ohne in diese Rubriken zu gehören, z. B. Formen von esse, Adverbien, Praepositionen, Conjugationen sind unter den Lese- stücken selbst angegeben. Der Verf. des Elemenfarbuches ist dabei von dem richtigen Grundsatze ausgegangen, dasz das aufsuchender einzelnen Vocabeln in einem gewöhnlichen Vocabularium anfangs, wo dem Schüler fast alle unbekannt sind, und ihm überhaupt das auf- suchen langsam von der Hand geht, den Schüler ermüdet und ihm zu viel Zeit kostet. Daher billigen wir diese Einrichtung für die ersten Abschnitte ganz; allein, wenn die ersten Schwierigkeiten überwunden sind, musz der Schüler auch das aufsuchen der Vocabeln unter einer gröszern Anzahl alphabetisch geordneter Worte lernen und üben und die zu lange festgehaltene Einrichtung des vorliegenden Vocabula- riums macht dem Schüler gewis noch mehr zu schalfen, als das blosze aufsuchen in einem gröszern alphabetischen Verzeichnis ; denn wenn der Sextaner z. B. nigris, timidis, cercis, acris suchen will, so wird er ohne nachdenken, welches ihm auch nichts helfen könnte, alle Ab- theilnngen der Substantiva und Adjectiva nacheinander durchsuchen, bis er das Wort findet, und die Arbeit wird ebenso mechanisch und noch ermüdender sein, als die das Wort in einem gröszern alpha- betischen Verzeichnisse zu finden. Und dieses suchen wird nicht etwa selten vorkommen, denn auch die Bedeutung der schon ein- und zwei- mal vorgekommenen Vocabeln vergiszt der Knabe doch oft wieder und soll sie dann später sich wieder aufsuchen können. Darum würde ich es für zweckmäszig halten, für die Subslantiva und Adjectiva der ersten und zweiten Declination diese Einrichtung beizubehalten, wo-

Schmidt: Elementarbach der lateinischen Sprache. 283

bei ich eben von der Voraussetzung ausgelie, dasz diese hinterein- ander folgen ehe die dritte Declination anfängt, aber von da ab die gewohnliche alphabetische Ordnung aller Vocabeln eintreten zu las- sen, und selbst die früher vorgekommenen mit aufzunehmen, damit alles doppelte suchen von nun an vermieden wird; dafür können dann alle unter den Lesestiicken selbst gegebenen Vocabeln wegbleiben. Die unregelmaszigen Verba aber, die zu jedem Lesestücke von S. 57 an gehören, würde ich auszerdem jedem betreffenden Lesestücke vor- setzen, um sie erst lernen zu lassen, wie dies in den Vorübungen mit den Substantivis und Adjectivis geschehen ist; der Raum hierfür würde gewis durch Weglassung des gröszlen Theils der Gedenkverse gewonnen.

Wenig zu bemerken ist über den zweiten Theil des Elementar- buches, der ein halbes Jahr später erschienen ist, und lauter zusam- menhangende Erzählungen als Leetüre für das zweite Halbjahr in Quinta enthält nebst einem Vocabularium in der üblichen Weise alpha- betisch geordnet, aber ohne Exercitien. Diese Erzählungen sind, wie die Uebungen im ersten Theile sorgfältig für diesen Standpunkt stili- siert, paszlichen Inhalts und mit zweckmäszigen Fingerzeigen für die Vorbereitung versehen. Aus der Vorrede zum ersten Theile scheint hervorzugehen, dasz die erste Hälfte der Klasse, welche den Cursus schon einmal durchgemacht hat, die zusammenhängenden Lesestücke und Erzählungen lesen soll, während die kleinen Sätze für die übri- gen, die den Cursus zum erstenmal machen, bestimmt sind. Voraus- gesetzt, dasz diese beiden Abtheilungen nicht gelrennt, sondern in demselben Lokal und zu gleicher Zeit unterrichtet werden, können wir nach unserer Erfahrung eine solche Verschiedenheit der Aufga- ben beider Abtheilungen nicht zweckmäszig linden; denn l) werden dadurch die besseren Schüler der untern Abtheilung gehindert mit den älteren Schülern zu wetteifern, und 2) kostet diese Trennung viel Zeit, wenn jede Abtheilung etwas anderes vornimmt, wobei die an- dere nicht mitarbeitet. Wol kann man den älteren und geübteren ein gröszeres Pensum aufgeben und sie z. B. die zusammenhängenden Stücke vorübersetzen lassen, während die ungeübteren sie erst nach- her noch einmal übersetzen, allein im ganzen musz der geübtere im- mer die Aufgaben der schwächeren mitmachen und der ungeübtere Gelegenheit, ja Veranlassung haben, die Aufgabe jener, sobald er kann, mitzumachen. Für den Lehrer mag diese Methode etwas schwie- riger und anstrengender sein, aber sie ist auch durch die Förderung der begabteren lohnender.

Wir hoffen, dasz der Verfasser, dessen wir noch stets mit der Pietät des einstigen Schülers gedenken, in den hier gemachten Mei- nungsäuszerungen nur das Streben erkennt, auch unsrerseits zur Ver- besserung der Methode des lateinischen Elementarunterrichts beizu- tragen, nicht die Anmaszung etwa das allein richtige zu wissen und zu thun, da gerade in der Methode so viel von der Subjectivität des einzelnen Lehrers abhängt, dasz es fast keine für alle Lehrer gute

284 Kehrein: Grammatik der nculiochdeutscheii Sprache.

oder schlechte Metliode gibt; und weim daher auch einigen des Refe- renten VorscIiUigc zusagen sollten, so wird es gewis nicht an anderen feiilen, die in den Ihuiplininkteii den mcihodisclien Gang des Verfas- sers als geeigneter vorziehen. NN'eiin das Elenienlarbuch, wie wir wünschen und glasiben, in weiteren Kreisen Verbreitung findet, soll CS uns daher freuen, Nvenn auch nur eine oder die andere Ansicht in einer neuen Ausgabe Dilligung und Beaciilung findet.

Stralsund. rGniber.

19.

Grammatik der neuhochdeutschen Sprache nach Jacob Grimms deutscher Grammatik bcarbeüef ron Joseph Kehr ein. Ir Th. Grammatik, le Abtli. Laut- und Flexionslchrc VIII u. 151 .S'. 18.52. 2e Abth. Wortbildungslehre XVI u. 185 i?. 1843. 2r Th. Syntax. Erste Abth. Sijntax des einfachen Satzes X u. 164 >!5^. Zweite Abth. Sijntax des mehrfachen Satzes VIII u. 179 S. Leipzig, 0. Wigand 1852. 8.

In der Vorrede zu seiner Worlbildungslehre hat der Verf. noch ausgesprochen, dasz er bei der Abfaszung seines \Verkes die Gym- nasien und höheren Bildungsanstalten im Auge gehabt habe, ja er hielt es damals noch für nötig, sich gegen die falsche Auffaszung zu verwahren, als solle das Buch wörtlich auswendig gelernt werden. In den Vorreden zu den später erschienenen Teilen des Werkes spricht der Verf. nur noch einmal es aus, dasz er Grimms Forschungen habe in die Schule bringen wollen, sonst iiuszert er sich nicht mehr über den Zweck des Buches als eines für die Schule beslimleii und gcwis mit Uecht, denn für ein eigentliches Scluilbuch ist diese Grammatik vil zu umfangreich. Ref. kann sie also auch nicht von diesem Stand- punkt aus betrachten er würde dem Buche unrecht tliun, das mehr für den Handgebrauch des Lehrers in seiner gegenwärtigen Gestalt eingerichtet erscheint. Dennoch aber möchte Ref. behaui)ten, dasz auch dafür das Buch zu umfangreich sei es enlliält manches, das mit dem neuiiochdeutschen nicht in unmittelbarer Bczieliuug steht. Villeicht hat den Verf. das Streben, das Material so vollständig als möglich zusantmenzustellen, das durch das ganze Buch hin sichtbar ist, nach dieser Seite hin etwas zu weit gefürt: wer einmal so weit zurück geht, wie uns der Verf. zurückfürt, der wird Grimms Gram- matik doch benutzen und des Auszugs in dieser Beziehung entralen können, wer sich dagegen nur auf das Nhd. beschränken musz, wie etwa bei dem Unterrichte in einer Realschule , wird schwerlich das dargebotene sämtlich benutzen können. So scheint dem Ref. gleich die Einleitung etwas zu ausfurlich behandelt, da alle deulschcn Dia-

Kehrein : Grammalik der neuhochdeutschen Sprache. 285

lekte hineingezogen sind, ^^'olltc der Verf. aber die Verwandschaft des nhd. mit den lebenden Spraclien Europas durch dise Auseinan- dersetzung angeben, so ist sie wieder zu enge gefaszl; denn die Lautversciiiel)ung 97) fürt auch auf die Verwandtschaft mit den romanisclien Sprachen. Die '4j 10. 11. 12 scheinen dem Hef. für ein wiszenschaflliclies Werk etwas zu bilderreich- warum statt des ^al- lerhand Ktinste' nicht einfach: durch Praepositionen u. dgl.? Was soll es heiszen dasz in der alten Sprache lebhafte Farben allzu grell nebeneinander spielen?' (Aehnliciies *i^ 1. Anm. 1. § 22. Anm. 1.). Wenn der Verf. <5 15 sagt, die Majuskel sei gewissermaszen national gcMorden, so hat er insofern recht, als die Pedanterie leider auch gewissermaszen national geworden ist. Dem falschen Nationalgefül aber, das sich der s. g. deutschen Schrift, der groszen Buchstaben, der nnhistorischen Orthographie rühmt, darf keine Concession ge- macht werden. In »ij 17 konnte bei der Erklärung von Buchstabe noch etwas weiter zurückgegriffen werden: dasz die Züge der Runenschrift stabarlig sind, kommt einfach daher, das ihr der Gebrauch wirkli- cher Stäbchen zu Grunde liegt. Die willkürlich erfundenen deut- schen Namen für Vocale und Consonantcn würde Hef. nach § 18 weg- wünschen, ebenso § 19 Anm. 2 und § 21 Anm. 2, § 61 das anato- mische, § 20 Anm. 2 die Erwänung 31. Wochers, § 21 Anm. 1 die aufgegebene Ansicht Jac. Grimms. Der Uebergang von a in o muste doch wol 26) als Vergröberung wenigstens im nhd. be- zeichnet werden und gehörte beszer zu o § 29, wo es noch einmal vorkommt. e ist von ä getrennt, ohne Not und bei dem Unter- schied von ^enem und geschlossenem e hätte der Verf. , der so oft, aucli wo es nicht eben nötig ist, die frühern Stufen der Sprache her- einzieht, geradezu den Ursprung aus e und a angeben können, der in geben, gibst, Menge, mancher auch nhd. noch deutlich ist. Bei Friedhof § 28 konnte die scheinbare Ableitung von Pride als Grund der Erhaltung des ursprünglichen i geltend gemacht werden. Das o würde Ref. nicht als Brechung zwischen a und u 29) bezeichnen, sondern als Brechung aus u durch den Eiuflusz des a. Die Verände- rung des a und o ist keine regelmäszige. § 31 genügten eigentlich schon die ersten Worte y ist übrigens nicht nur in Juni und Juli, sondern überhaupt am Schlusze aus dem in die Form des j gezogenen i entstanden. Ein neueres Beispiel für den Gebrauch des y, als das in Anm. 6 erwähnte, ist Bodmer, der überall y für ii schrieb. § 33 scheint dem Ref. nicht klar genug, wol deshalb weil der Umlaut ä aus dem kurzen a zur Grundlage der ganzen Erörterung gemacht ist, während diser Umlaut doch eigentlich e ist, den nur die Pedanterie ä schreibt. Dasselbe gilt von § 41. Warum der Verf. aus der Brechung noch einmal ein besonderes Capitel gemacht hat, kann Ref. nicht einsehn: die Brechungen e und o waren schon da, die Brechung ie kommt § 44 noch einmal vor. Die Anmerkungen zu '5^ 44 konn- ten selbständig gestellt und dadurch etwas schärfer geordnet werden. Anm. 2.5.8 gehören zusammen, wie 4 und 7. Der Apostroph verdient

286 Kehrein: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache.

nicht in fünf Paragraphen besprochen zu werden; 's Bad zu schrei- ben ist eigentlich falsch, denn der Accusativ und ISominativ wird an das vorhergehende Wort angeschleift. Die furchtbaren Formen am Schlusze von § 51 konnten wegbleiben, ebenso wie § 55 Anm. 3 und 4 und § 61 Anm. 4 die Bezüge auf Keltisch, Finnisch usw. In dem Capitel von den Consonanten hat der Verf. deutsche Namen den latei- nischen vorgezogen, für die er sich doch § 16 erklärt hat: uns fehlt aber die unmittelbare Anschauung des llüszigen in /, m, «, r, so dasz die Uebersetzung die Sache eher unklar, als klar macht. § 64 Anm. 7 muste genauer heiszen: die mittelrhein. (u. a.) Mundarten setzen rer für der ^ ter, tter , denn nur bei solchen Formen kommt diese Assimilation vor. Ob die Erwähnung der ahd. Lautabstu- fung (§ 68) in eine nhd. Grammatik gehört, kann zweifelhaft sein in der Schrift tritt sie wenigstens nlid. gar nicht mehr hervor. Auslautendes einfaches p 69) kommt nhd. doch nur in Fremdwör- tern vor. f und v 71 und 73) kann nhd. gleich zusammenge- stellt werden, ebenso würde Hef. , um die Zal der Paragraphen zu mindern, p und pf (ph) zusanimengenommea haben. Die Form Wittil)(J^7i) ist doch beinahe ganz veraltet, wie der Verf. auch selbst sagt Worlbild. S, 27. Ini drij.ten Capitel konnten wol die Bezie- hungen auf Goth. Ahd. 3Ihd. (die überhaupt die ganze Darstellung auch sonst sehr breit und unbehülflich machen) wegbleiben, weil in ihnen nichts gesagt wird, woraus für das nhd. etwas bedeutenderes zu folgern wäre. Auch Hoffart 79 Anm. 3) hat in der ersten Silbe die Länge eingebüszt. § 80 war villcicht gleich mit 78 zu ver- binden. — Warum der Verf. Lilje für Lilie ohne weiteres für einen Misbrauch erklärt, sieht Hef. nicht ein, da er selbst an das mhd. Lilye erinnert und dis durch Ilinweisung auf gäten und jäten unterstützt. Die Form Liljcn lindet sich poelisch ohnedis weit häuliger als die an- dere. — Roheit und Rauheit sollte man der Analogie von Hoheit und der Aussprache nach eigentlich immer schreiben. Die Formen mit chs sind doch denen mit x jedenfalls vorzuziehen; schreiben wir doch auch nicht Fux, Flax usw. § 87 Anm. 1 erscheint dem Ref. überllüszig in Bezug auf den Zweck der Grammatik das schwan- ken der Aussprache von Aristokratie u. dgl. hat lediglich in dem Ein- Husz des französischen seinen Grund, doch steht die Aussprache des t als / in diesen Worten noch so fest, dasz von einem eigentlichen schwanken nicht die Rede sein kann. z. als Dreilaut aufzufaszen, wie § 91 Anm. geschiht, scheint dem Ref. Künstelei: ist es Aspiration von /, so besteht es jedenfalls nur aus zwei Lauten, nemlich eben dem t und der Aspiration. § 96 widerholt eigentlich nur sehr allgemeine Bemerkungen und schon dagewesenes, er konnte fehlen, ebenso die ganze Lehre von der Lautverschibung, die nhd. als feststehendes Ge- setz gar nicht mehr wirksam, vilmehr sehr häufig gestört und getrübt ist (vgl. Wortbild. S. 133). Konnte nicht auch der ganze dritte Ab- schnitt fehlen? Ist es denn unumgänglich nötig, die Einteilung der Wortarten zu geben? Und wenn das auch, su waren die speciellen

Kehrein: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache. 287

Unterabteilungen in §. 111, die meist z. B. bei dem Pronomen doch wider vorkommen, übcrtlüszig. Zu § 113 waren fünf Anmer- kungen entberlich (ebenso § 114). Ob die lateinisclien, eigentlich griechischen Namen wirklich nur einzelne Beziehungen des Casus ausdrücken, darüber liesze sich streiten; wenn man freilich Accu- sativ durch Klagefall übersetzt, so scheint das richtig Ref. hat aber immer disen Namen für eine Uebersetzung des griechischen al- TiaxLK)'] angesehu. § 115 und 116 waren zusammenzufaszen; in § 117 Anm. 2 die Grimmsche Ilypolhese einer vorgolhischen Declina- tion zu erwähnen, war wol kein zwingender Grund vorhanden, eben so wenig die goth. ahd. mlul. Erscheinungen in der Declination § 118 Anm. 1 3. In § 119. 121. 124 usw. hat der Verf. bescheiden an- gegeben, er habe nur die gebräuchlichsten Worte zusammenstellen wollen es sind aber doch eine Reihe sehr ungebräuchlicher in den Aufzälungen, die der Verf. selbst hat erklären müszen : die Fremd- worte konnten villeicht wegbleiben ja villeicht konnten alle Auf- zälungen feien und die Anmerkunpiu dafür in die Regel treten und selbst dise würden überflüszig sein, wenn wir schon ein gründliches Wörterbucli des nhd. hätten. Die u Declination, die teils schon ahd. 127) teils mhd. feit, in eine nhd. Grammatik [zu bringen, ist falsches Streben nach Vollständigkeit. Die Pluralformen Hän- den und Nöte sind doch zu gewönlich (von Nöten) um unter die selt- nen gerechnet zu werden, zu denen sie der Verf. § 126 Anm. 3 rechnet. § 130 Anm. 1, § 132. 133. § 134 Anm. 1. 2. 3 scheinen überflüszig, die Declination der Fremdworte und der Eigennamen scheint einen zu groszen Raum einzunehmen, ebenso die goth. ahd. mhd. Paradigmata bei dem Adjectivum, denen nhd. nur eins entspricht. Die Partikel so statt des Relativs 162) ist doch wol mit Becker für veraltet zu halten: wir brauchen sie im gewönlichen Leben fast gar nicht. In der Conjugation ist abermals manches zu entberen, so die umfangreichen Paragraphen 170 bis 172 fast ganz. Das Prae- teritum von dingen muste nicht düng, sondern dang haben, beide Formen sind aber fast völlig verschwunden; begunnte ist auch fast nicht mehr gebräuchlich; dreschen würde Ref. hierhergezogen ha- ben, denn die Form drasch ist noch nicht ganz ausgestorben und kann noch gerettet werden, ebenso 175 verholen, das durch die Zu- sammensetzung mit un noch lebendig ist. W^arum der Verf. das Praeteritnm von backen auch mit ck schreibt, ist nicht abzusehn, da es mhd. buoc hat und wo es noch nhd. üblich ist, stets lang gespro- chen wird. Zu dem Praeterilum mul könnte die Ableitung Müller als Beleg gestellt werden. Ob gestehen (S. 131) noch gebräuchlich ist, weisz Ref. nicht zu sagen, ihm ist es nie zu Ohren gekommen, dafür regelmäszig geseiht. Die vier gothischen reduplicierenden Conjuga- tioncn kommen schon ahd. auf eine hinaus und waren deshalb zusam- menzufaszen, ebenso die schwachen Conjugationen , deren Unter- schide nhd. nicht mehr erkennbar sind. Bei den unregelmäszigen

288 Kehrein: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache.

Verben nehmen die Paradigmen der früheren Sprachstufen wieder ei- nen unverhältnismüszigen Raum ein.

Was in der Worlbildungslehre die nochmalige Aufzälung der starken Verha soll, die alle schon da waren, weisz Ref. niclil zu sa- gen, weit beszer war es, wenn die Worte einfach in ihrer nhd. Form aufgefiirt und alle nhd. gebräuchlichen Ableitungen der verschidenen Ablaute zugesetzt wurden (wie in der Grammatik von Frei); dis wäre beszer gewesen, als die hier folgenden fünf Paragraphen abstracten Inhalts. Warum ist § 20. 21 und 22 nicht zusammengefaszt? die Form Prophetin ist so gewönlich, dasz es kaum eines Beispils bedurfte. War es schwer und gewagt über den Sinn der Ableitung mit e zu sprechen, wie es § 40. 4 hciszt, so blib der ganze Passus beszer weg, denn nhd. ist die Bedeutung gewis nicht mehr zu erkennen. §•^9 konnte bei Hmtpt erwiint werden, das Platen durchweg, wenn auch villeicht nur des Reimes wegen Haubt schreibt, namentlich, da sonst in der Grammatik eine Menge Proben der ganz verwilderten Orthograpliie des 16n .lahrliundcrifc gegeben sind. ^ 120 Anm. 3 in Armut scheint e niclit aus dem ursprünglichen o zu stammen, son- dern zu '^ 27 Anm. 3 der Grammatik zu rechnen, ebenso Ueinial. Ereirjncn 13J) widerholt sich in der Grammatik § 42 Anm. 5; ein- mal ist also die nähere Ausfiirung der Ableitung entberlich. Die seilsame Ableitung des Namens Mainz § 13j war der Erwänung niciit wert.

Gegen die Einteilung discr ersten Abteilung will Ref. nichts sa- gen; obgleich das zurückgreifen auf das gothische villeitht zu vil der Einteilungen herbcigefürt hat, so ist es doch wol notwendig, da so vile Ableitungen im nlul. getrübt sind; die Zusammensetzungen aber sind nach Praepositioncn geordtiot und dis sclicint dem Ref doch eine höchst schwankende Grundlage. So erklären sich vile Composila in § 156 einfacher durch einen Genetiv, wie Erdbeben, F/uszfjulf, Herze- leid, und statt des M)ewegenden in' kann man bei Sc/ilachlnif aach ein ruhendes annehmen: ein Ruf in der, nicht yi die Schlacht, bei dem 'ruhigen an' kann man auch ai/f annehmen in Composilis, wie Berg- tiräuter , Blattlaus und so wäre es noch an mehreren Beispilen nach- zuweisen. Es ist die Cumposilion gerade das Gebit, auf dem sich unsere Sprache am freiesleu bewegt: es wird kaum möglich sein, ihr äuszere Sclirankeu zu zielin. In 'J}, IHl war es docli wol als Nach- läszigkeit zu rügen, das/, die zweite Hälfte der Composilion wegge- laszen wird, namentlich da dis im 17n und 18n Jahrhundert selbst mit Endungen geschah {^Handel- und Gcijevliandluiujeu). Dasz die Adjecliva nach der golhischun Form alle aufgezält sind, erschwert die Uebersicht nach einer Beziehung: ob es noch lebendige, oder ans- geslorbeno sind. Ref. würde aus disem Grunde und auch weil er es dem nächsten Zwecke der Grammatik enlsprechender lindel, die idid. Form vorangeslellt und nur wo eine sulclie nicIil vorbanden war, zu- rückgegrilVen haben, ebenso § 225. 232. 233- Der Verf. J96) sagt, es dürften nicht neue Comi)Osila mit dem Partie. Praeteriti nüch-

Kelirein: Grammatik der ncnhochdeutschen Sprache. 289

lern erfunden weiden und es müszo überhaupt ihre Anwendung; Masz halten aber der wortbildenden Thäligkeit der Sprache läszt sich nicht halt gebiten und selbst die Composita welche er aus Freilig- rath anfürt, haben nichts auffallendes. Hat doch schon Fischart seine Gewalt ü])er die Sprache gerade mit solchen Compositis bewisen, wie dritthiinmelverzuclit^ fuszi^erstriclit u. dgl. Das sind aller- dings keine nüchternen Bildungen, unserer Prosa und selbst der Rede des tägliclKTn Lebens aber ligen dise Composita vil näher. Spurver- lornes ]Viltern fällt uns noch auf, aber selbst blumenbekrünzt wird schwerlich anslöszig sein. '5j "203 scheint die genauere Ausfürung der einzelnen Fälle nicht in die Worlbildungslehre, sondern eher in das Capilel von der Wortstellung zu gehören. Die Angriffe Jean Pauls auf das Compositions-s geschahen nicht dem eingebildeten Wol- laut zu gefallen, sondern vor allem, weil er das s als das Zeichen des Genetivs bei Masculinen in Zusammensetzungen mit Femininen nicht dulden wollte. Das en in Christen (§. 211) gehört gewis der Ableitung an: * em Christen'', sagte man in alter Zeit, nicht ein Christ. Ebenso ist es wol bei Heiden. In Bezug auf das Wort Jungfrau 224) ist zu bemerken, dasz der eigentümliche Sinn, den wir dem ^^'orte beilegen, doch erst ein abgeleiteter ist. Frau heiszt Herrin, Jj/nr//';'«« junge Herrin, Tochter des Hauses, steht also ganz gleich dem Worte Jtinker =: junger Herr. § 230 gehört wol unter die substantivische Zusammensetzung; denn es ist die einfache Figur pars pro toto, wo das Glied usw. für den Mann eintritt, wenn man sagt: der breite Kopf, der Breilkopf, der lange Mantel, der Lang- mantel. Als Adjectiva kommen dise Zusammensetzungen nie vor, nur als Stellvertreter des Substantivums. Sind die § 241 und 242 aufgefürten Composita wirkliche Zusammensetzungen? Es läszt sich bezweifeln, da fast jedes der angefürten Beispile auch getrennt ge- schriben werden und die erste Hälfte als Adverbium angesehn werden kann. Kann die Form blendweisz wirklich belegt werden (249)? Ref. weisz nur von blendend weisz, was keine Composition ist. 271 Anm. konnte wegbleiben, da Amt oben schon erwänt ist S. 58 oder es konnte oben fehlen. Empfang kommt 311 vtieder vor, sowie Gramm. S. 33. 278. Ob sich der neuere Gebrauch für Vorbitte., Vorsprache, Vorsprechen entscheidet, könnte doch noch fraglich sein: in diesen mehr abstracten Worten ist im gewönlichen Leben für gewöhnlicher. In 262 war 2) villeicht als die Hauptbedeutung der Partikel ge voranzustellen und l) konnte als eine Abzweigung dieser coUectivischen Bedeutung angesehn werden; in allen substantivischen Zusammensetzungen mit diser Partikel (3 5) läszt sich die collecti- vische zusammenfaszende Bedeutung erkennen, so in Gebäck d. h. das was auf einmal gebacken ist, Gespann, was zusammengespannt ist; ebenso fast Geläute, Geprahle, Geklingel, das einzelne zusammen. Ein solcher einheitlicher Gedanke fehlt den 5 Abteilungen. 299 zu Anf. konnte erwänt werden, dasz in ja auch im Lat. in der Zusam- mensetzung privative Bedeutung hat (wenn nicht villeicht die ganze

290 Kelirein: Gramnialik der neuhochdeulsclien Sprache.

Beziehung, als dem unmittelbaren Zweck des Buches nicht entspre- chend, beszer wcggebliben Aväre). Unter den Beispilen vermiszt Ref. ungern das eigentümliche, privative und doch scheinbar verstärkende Compositum Unkosten. 310 5 verdinte keine besondere Auffü- rung, denn benehmen lieiszt doch wol nichts anderes als ganz neh- men; die zu dem Verbum beschneiden gegebene Erklärung paszt also auch hier; auch die unter 4) aufgezälten Beispile liszen sich unter disen allgemeinen BegrilT recht gut bringen. 311 1 läszt sich entgelten leicht unter die Grundbedeutung von ent zurück stellen. Auch § 312 bedurfte es der Unterabteilungen nicht: der Begriff, her- auf, das Erreichen eines Zieles durch die Thätigkeit, die das Verbum angibt, umfaszt alles und privative Bedeutung hat er gewis nicht: ertragen heiszt bis zu Ende tragen, in erschöpfen läszt sich auch die Grundbedeutung nicht verkennen: schöpfen bis zu Ende; erziehen hat heut zu Tage keinen andern Sinn. Die Verwandtschaft zwischen be und er ist eine sehr weitläufige, denn dasz zwischen beslitrmen und erstürmen ein groszer Unterschied ist, kann man jetzt gerade alle Tage lernen; ebenso zwischen besetzen und ersetzen. 313 fehlt es Aviderum an der nötigen Klarheit, weil die Grundbedeutung von ge nicht festgehalten ist; so 4) gerinnen heiszt nichts anderes als zu- sammenflieszen wie ligt darin etwas privatives? In 314 muste 4) als die Grundbedeutung voranstehn. Bedeutungslos ist die Partikel gar nicht in verläugnen (wegläugnen), verbergen u. dgl. Jedenfalls war 5 und 6 zu verbinden. Auch in 315 ist die Einteilung eine rein willkürliche, denn in zerglidern, zerstreuen ligt der Begriff der Scheidung sogut wie in zerteilen >isw. Die Bemerkung konnte ganz kurz heiszen: Zer tritt vorzugsweise zu solchen Verben, in deren Sinn schon eine Teilung ligt. Zu 320: es ligt der Unterschied zwischen durchgelesen und durchlesen nicht in dem Ton , sondern ■wol in der zusammenfaszenden Kraft des ge, die sich selbst hier noch gellend macht. Das unllectivische Composilions-s hätte wol seine Stelle beszer oben bei den Substantiven gefunden, weil es bei ihnen allein vorkommt. Die Einteilung 337 in 1 und 2 konnte rein weg- fallen , da der Begriff des Beraubens doch nur ein Nebenbegriff ist und ebenso war 4) gleich hinzuzuuehmen. In 340 waren villeicht statt der erfundenen Namen die bekannten ^^'orte Störenfried, ]yage- hals u. dgl. aufzunehmen. 342 und 343 können fehlen. 350 folgt der Verfaszer ohne eine Gegenbemerkung der falschen Ortho- graphie desz, wärend diese Form doch dieselbe ist, wie der Genetiv des einfachen Artikels. Die Bemerkungen über desgleichen § 360 scheinen dem Bef. verfeit, weil der Verf. gleich anfängt, es lige in der Phrase etwas incorrectes beszer aber, man begreift erst eine Spracherscheinung und urleilt dann; ferner weisz Hef. nicht, was es heiszen soll, dasz gililiho als Subst. bezeichnet wird. lU-f. würde das für das Adverbium von galich halten. Dasz gleich sonst den Da- tiv regiert, ist eine sehr leicht zu machende Bemerkung, welche hier aber nur verwirren kann, namentlich, da unmittelbar vorher aner-

Kehrein : Grammalik der neuhochdeutschen Sprache. 291

kannt ^vi^d, dasz in mhd. min yeliche min der Gen. sei, der von geliche abhängt. Und so ist es: gleich regiert schon ahd. den Genetiv der Pronomina Personalia, docli kommt auch vor adames lieliclio ; des in desgleichen ist also Gen. des pronomen dcmonstrativum und die schwache Form beweist uns, das durch das ausfallen des Artikels die ganze Hedeweise sicii verhärtet hat. In dergleichen ist der gen. plur., die Erklärung von Art und Schlag, das zu ergänzen wäre, ist- gänzlich fallen zu laszen. Auch 361 hiesz es beszer für: eine ganz anomale Zusammensetzung ist einander: einander ist neben desglei- chen das einzige ßeispil auf discm Gebite, dasz sich eine ganze Redensart zu einem Compositum verhärtet hat. Dann konnten 360 und 361, villeicht auch 359 zusammengefaszt werden. In dem Capitel von den Adverbien muste doch wol 367 voranslehn, als die eigent- liche Adverbialbildung. In 371 2) waren dertceile und mittlerweile zu erwäuen, die nichts anomales haben. 377 waren villeicht 1 und 7, 3 (4) und 8 zusammenzufaszen , um der Abteilungen weniger zu erhalten und die Uebersicht zu erleichtern. § 383 l) gehört doch wol unter 399, denn nur eben im Ausruf kommt das <o, wie mhd. das angehängte a vor. § 385 wäre villeicht als Anhang zu 371 zu stel- len gewesen, da ing und ling eigentlich eine substantivische Bildung ist; an diser Stelle steht es auszer allem Zusammenhang zwischen Zahladverbien und verbalen Adverbien. 387 war 4 und 5 villeicht zusammenzufaszen. Die Erklärung der Partikel mein aus mein ich scheint dem Uef. bedenklich, da ?nein oft in der Anrede, um einen aufmerksam zu machen gebraucht wird; es könnte also möglicher- weise das possessivum zu Grunde ligen. Da nun und noch schon goth. Adverbien sind (388) und ihre Bildung sich nicht nachwei- sen läszt, so waren sie hier, wo es sich um die Bildung der nhd. Adverbien handelt, wol wegzulaszen. 392 war villeicht statt 'das gewöhnliche Ableitungsmittel ist R' zu sagen: die Ableitung ge- schieht durch eine comparativische Bildung; dasz wir eine solche in dem er zu erkennen haben, zeigt das lateinische und griechische; ohne und durch waren besonders zu stellen. Das Capitel über die Interjectionen hat eigentlich die Grenzen der Wortbildung ver- laszen und ist eine vollständige Zusammenstellung geworden, die auch nicht nach der Bildung, sondern nach den Alfecten geordnet ist. Ist es so sicher, dusz jemine slavisch ist? Die meisten der uns heutzu- tage unverständlichen Interjectionen (potz u. dgl.) stammen aus dem 16n Jarhundert und ruhen alle auf christlichen Dingen; so könnte auch ojemine, dem Herrje, Herrjesses ganz gleich, aus o jesu domine entstanden sein. Potz erklärt der Verf. nicht: es ist aus dem Ge- netiv Gottes, Gotts entstanden, wie Flüche des 16n Jarh. Gotlsmarler und Potzmarter beweisen; französisch tritt auch der b laut ein in 7nor~ bleu = morl de dieu. War 407 und 408 notwendig, da in 406 bereits das nötige gesagt war? Die ganze Auseinandersetzung S. 160 bis 174 scheint dem Ref. etwas zu ausfürlich. Was heiszt es (444): der Begriff gesteigerter Wörter wird gleichsam erhöht?

ly. Mirb.f. PhU. u. Paed. Bd. LXXU. Hft. 6. 22

292 Kelirein: Grammatik der neuliochdeutschen Sprache.

Die Steigerung mit aller- eine unlogische Sprachgewonheit zu nen- nen, ist ganz falsch: aller ist der gen. plur. , ein solcher ist aber bei dem Superlativ so logisch als möglich. Gehört luihe und hoch zu 455? nahe näher nächst ist eine vollkommen regelmäszige Conipa- ration, denn dasz h vor st ch wird, ist eben regelmaszig. In 462 waren villeicht auch noch Bildungen, wie Frömmler zu erwänen. Dasz die Deminutiva auf lein poelisch sind, begreift Ref., wie sie aber etwas feierliches haben, das begreift er nicht.

Ref. fürchtet, mit seinen Schollen, so kurz er sie auch gefaszt hat, doch schon etwas zu ausfürlich geworden zu sein und niusz des- halb über die Syntax etwas geschwinder weggehn. Im ganzen scheint die Syntax des einfachen Salzes etwas zu ausfürlich für eine Gram- matik, die nur ein Auszug sein will, der Unterabteilungen und der einzelnen Paragraphen zu vile, z. B. 92. 93. 94, die ebensogut drei Unterabteilungen eines Paragraphen hätten bilden können, Avobei 93 jedenf.ills voran zu stellen war als das ursprüngliche. E-s ist übrigens leicht die Construction seltsam und den Infinitiv widersinnig zu nen- nen, schwerer sie zu erklären. Zu bemerken ist, dasz es lauter Hülfsverba sind, die sich leicht mit dem Infinitiv eines andern Verbs verbinden: ich will ihn kennen lernen^ ich soll es bleiben laszen, ich will mich (fcwönen lernen^ ich will ihn singen hören alle dise Zusammenstellungen haben nichts auffallendes und aus ihnen entstand eine so enge Verbindung des Infinitivs mit dem Inllniliv des dabei stehenden Wortes, dasz dise Construction auch bei haben angewen- det wurde, wozu die gleichlautenden Participien die Veranlaszung waren. Der Weglaszung des ich durfte doch wol kein Freibrief gestellt werden, wie 113 für den kaufmännischen Stil. 117 120, 124 126 konnten zusanimengefaszt werden. Die Behauptung 128, es könnten die Personen sich gegenseitig vertreten, wird durch die einzelnen Bemerkungen innerhalb des Paragraphen eigentlich ganz aufgehoben: in lasz uns gehn steht nicht die zweite für die erste Per- son, sondern es ist disz eine von gehn wirf durchaus verschiedene Aufforderung, da letztere olTenbar weit energischer ist und eigent- lich nur paszt, wenn die Handlung von dem auffordernden selbst gleich begonnen wird. Dasz Ohr in der Redeweise: ich bin ganz Ohr, adjectivisch gebraucht werde (13j), kann Ref. nicht einsehn; der Verf. scheint durch dise Annahme die Kühnheit des Bildes mil- dern zu wollen, stall sie einfach anzuerkennen. ^^'as die Geschichte der Höllichkeilsbezeugungen angeht, so möchte Ref. dem ^ihr^ doch ein höheres Aller und weitere allgemeine Verbreitung zugtstchn als es der Verf. Ihut; die Anrede scheint nicht aus dem byzantinischen Canzleistil, wie das ^wir' entstanden, sondern echt deutsch. Dasz die Mutter von der Tochter gewönlich du genannt sei, läszt sich be- zweifeln: in den zaireichen Wechselgesprächen Nitharts, die doch gewis einen ziemlich treuen Spiegel des wirklichen Lebens geben, herscht ihr vor, und selbst wenn die Tochter grob antwortet : nnioter daz sin geht sie in derselben Rede in ihr über. § 179. Anm.

Kehrein: Grammatik der iveuhochdeulsclien Sprache. 293

wird denen für den Dat. des pron. demonslr. erklärt es steht aber im 18n Jarluindert, namentlich im Canzleistil, oft als Artikel und scheint auch in den beiden angefiirten ßeispilen nur Artikel zu sein, der durch die Anhängsilbe hervorgehoben werden soll. 198 steht 2) unpassend zwischen den beiden zusammengehörenden Angaben in 1) und 3) und gehörte beszer ans Ende. Auch in 200 war die An- ordnung übersichtlicher, wenn der unbestimmte Artikel (4, 5) vor- ausgieng, dann der Fall, wenn zwei Adjectiva zusammen treffen (7) dann erst die Fälle, wenn Adjectiva mit andern \\ orten zusammen- stehen (2, 3, 6.) Warum 221 eine einfache Accusativ-Construction nach den Paragraphen, welche die Itection von zw^ei verschidenen Casus behandeln, gestellt ist, sieht lief, nicht ein; nur wenige der angefürten Impersonalia regieren zwei verschiedene Casus. Helfen mit dem Genetiv 225) ist Ref. noch nicht vorgekommen; 7 und 10 waren villciclit zusammenzufaszen, auch wol ^ es braucht' aus 4), während sich hedienen zu 1) gezogen Averden konnte; 9) gehörte je- denfalls als eine Einzelheit zuletzt. In 228 sind wol auch die 9 Abteilungen zu vil ; warum nicht 7) zu l), 3) zu 2) als zu dienen gehörig, 8) zu 4)? Und bei den abermals neun Abteilungen von 232 ist wol ein Unterschid zwischen 4 und 5? Der 9e Satz ist unklar ausgedrückt und auch nicht durch ßeispile klarer gemacht. Der Abschnitt über die Praepositionen ist unendlich wegen der vilen Unter- abteilungen, dann auch wegen der mühsamen Definitionen des Sinnes wozu dise in einer für Deutsche geschribenen Grammatik, wozu, da die ßeispile den Sinn angeben können? Viles musz in diser Beziehung auch zweimal, bei Subst. und Verbum, vorkommen, ^yas in 2ö6 der erste Satz soll mitten in den Regeln über Praepositionen, weisz Ref. nicht. Vile Einzelheiten in diseni Capitel konnten unter einen Gesichtspunkt gebracht werden auf das alles aber einzugehn würde den Ref. zu weit füren und er hat wol schon der Einzelheiten fast zu vile gebracht; er wendet sich daher jetzt zur Syntax des mehrfachen Satzes. Ref. musz gleich in Bezug auf die Vorrede sein celemin censeo gegen die Beckcrsche Grammatik widerholen, doch kann gleich das nächste Blatt etwas versönen, das durch seine vi- len Abkürzungen Berücksichtigung des altern Sprachgebrauchs ver- spricht. Dis versprechen wird auch gehalten, nur wäre etwas mehr Verarbeitung des aufgespeicherten Stoffes, namentlich eine direc- tere Beziehung auf das nhd. und eine Vergleichung mit dem Sprach- gebrauch desselben, an einzelneu Stellen wünschenswert gewesen. Gleich auf der ersten Seite aber sehen wir die abstracte Logik: Men- schen und Tkiere atmen soll ein zusammengezogener Satz sein ; ge- wis nur weil man allenfalls zwei Sätze bilden könnte: die Men- schen atmen ^ die Tkiere atmen nein der Verf. hat gewis recht, auch diese Sätze einfach zu nennen (denn es ist das einfache in beiden Sätzen das gemeinsame, satzbildende) und brauchte um einer solchen künstlichen Anname willen nicht zwei Paragraphen zu machen; eben- sowenig scheint disz bei 5 und 6 nötig, namentlich da der Anfang von

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294 Kehrein: GrammatiU der neuliochdeatsclien Sprache.

§ 5 sich ja auch auf 6 mit bezieht. § 8 paszt logisches Verhältnis der Uebereinslinimung doch nicht auf alles, da ^ und' ja nach Leh- mann Himmel und Hölle miteinander verbindet. 10 paszt das Bei- spiel zu 4) nicht, da es nur eine einfache Fortfürung des Satzes ent- hält. 14 gehört streng genommen nur als Anmerkung zu 13. 16 u. 17 gehören zusammen. Ist zwischen 23, so weit die Beispile den Sinn desselben erleutern, und dem Schlüsse von 22 irgend ein Unter- schid? Dasz tiicht vilmehr schwächer sein soll, als nicht sondern (47) scheint dem Ref. nicht den Worten selbst, wie ihrem Gebrauch gemäsz. Das Beispil aus Goethe kann das leicht zeigen der Gegensatz zu aufgeben ist wider anfangen und w enn disz gesagt wäre, könnte sondern recht gut stehn; statt dessen wird aber mehr gesagt: ' ernslhafler und gründlicher untersuchen'^ das sich von dem aufgeben noch weiter entfernt, und disz rechtfertigt den Gebrauch von vilmehr; dasz vilmehr bei sondern treten kann in Fällen, wo sondern entberlich ist, beweist auch, dasz vilmehr eben viel mehr aussagt, als das nur absondernde sondern. Wenn der Verf. 48 sagt: zu- weilen feit sondern oder vilmehr., so ist das falsch: noch ist unsere Sprache lebendig genug, der Hülfsmittel entraten zu können und durch die einfache Negation den Gegensatz auszudrücken dise Fälle und die 59. 67 Anm. musten voran (vor 46) stehn, besonders, und dann erst die Conjunctionen , welche den Gegensatz ausdrücken. Wä- rend sonst in der Grammatik alles fast zu sorgsam auseinander gehal- ten und in Paragraphen getrennt ist, scheinen in 52 zwei ganz hete- rogene Dinge in eines verbunden: sonst und es sei denn oder denn mit sonst wird eine Möglichkeit abgewisen, mit es sei denn an- genommen. Man braucht sich nur einen Salz zu denken, in dem beide Worte vorkommen, um sich den Unlerschid klar zu machen; beide müszen sich in einem solchen Satze mit den entgegengesetzten Be- hauptungen verbinden , bei einer können sie nicht stehn. Ist 53 ab- weichend von der Bedeutung des sonst die in 52 angegeben wird? In allen Beispilen heiszt sonst nicht mehr als : im andern Falle , bezeichnet also ein anderes, als das was genannt wird. 57 war unnötig: aber enthält immer eine Einwendung gegen den vorhergehenden Satz und die Frage ist nur Form: es ist kein Beispil zu 52, das sich nicht auch in diser Form ausdrücken liesze. IS'ur 60) bezeichnet streng genommen eine Ausnahme, nicht einen Gegensatz, gehört also zu al- lein^ nicht zu «Acr; bei allein feit die Hervorhebung diser eigent- lichen Bedeutung, die allein erklärt, wie ein Zaiwort adversativ wer- den konnte. Auch bei hingegen 6"i feit die Grundbedeutung, die das Beispil aus dem Simplicissimus noch hat und die gar nicht adver- sativ ist. Dasz (66) doch als ein elliptischer Salz vorangehe, ist eine rein willkürliche Annahme nur das Komma weggelaszen I 81 konnte entbert werden, denn um des irillen ist keine Coiijunotion. Darum und daher als mit da zusammengesetzt waren wol zusanimen- zufaszen. Vor 82 war wol ein Abschnitt nötig, denn die Auffaszung in demnach ist eine etwas andere als in den vier vorausgehenden,

Kehrein: Grammatik der neuhochdeulschen Sprache. 295

die in einem, höchstens zwei Paragraplien zusammengefaszt werden konnten. Warum überhaupt bei jedem neuen Wort einen neuen Pa- ragraphen? Es erschwert die Uebersichf sehr. Weshalb das ein- fache so nach dem zusammengesetzten a/so steht, kann lief, nicht ein- sehn. In dem zweiten Beispil aus Götz scheint so nur Partikel des Nachsalzes zu sein. 88 mustc wider vorangestellt werden, doch können in siimtliclieu Beispilen die Nebensätze auch als erklärende Zusätze aufgefaszt werden. In 98 stehen wider 10 Punkte hinterein- ander, wärend doch z. ß. l 3 recht gut zusammenzufaszen waren; ebenso ist es mit 100. Weshalb der Name condilionalis für das plusquamperf. Conj.? Wird der Unterschid temporal gefaszt, so wfrd er klarer, als durch einen solchen erfundenen Namen, der ohne- hin aus der franz. Grammatik aufgenommen ist. Auch wurden dann unnütze Widerholungen wie 115. 116 vermiden. 110 muste noch angegeben werden, dasz eine solche Conslruction nur in Bedingungs- sätzen möglich ist. Die Auseinandersetzung über das Relativum in B'jtrelT der Formentwicklung gehört, namentlich in dieser Ausfür- lichkeit, nicht ,in die Syntax (manches widerbolt sich wirklich im ersten Teil, so 179 Anm.); swer konnte als eine nhd. ausgestorbene Form ganz M'egbleiben. Ob man für den Gebrauch für der und welcher Regeln aufstellen kann, bezweifelt Ref. sehr; es scheint das kürzere der in neuerer Zeit allmälig über welcher den Sieg davon- zutragen und kein Beispil fürt der Verf. an, in dem welcher stehen müste und nicht durch der vertreten werden könnte. 144 konnte zur Erklärung dises Sprachgebrauchs hinzugefügt werden, dasz was allgemeiner ist, als welches, deshalb auch zu den unbestimmten Aus- drücken alles usw. beszer paszt; bei alles steht wol nie welches, son- dern eben nur bei den speciellern Ausdrücken eins, etwas. Warum 146 nicht nach 141 steht, sieht Ref. nicht ein. Ebenso wenig warum nicht 143 und 151 zusammengefaszt sind; gegen die Ellipse des De- monstrativpronomens vor wer liesz sich mancherlei einwenden: wer ist ja eigentlich nicht Relativum, sondern Fragewort und vertritt in solchen Fällen das alte swer; so ist es auch mit was. Ueberhaupt ist Ellipse sehr selten zu statuieren, nur in den Fällen, wo das Demon- strativ einen andern Casus haben würde, als den des Relativs. Warum der Verf. bei einer so gewönlichen Construction, wie die 158 erwänte, von Unebenheit und gehemmtem Verständnis spricht, weisz Ref. nicht gerade in einer solchen Abwechselung sind zwei Rela- tiva noch am ersten zu ertragen. Und von Misklang ist oft gar nicht die Bede, selbst nicht, wo er sich nach des Verf. Meinung steigern soll. Man lese nur einmal die Periode von Schiller, welche der Verf. als Beispil anfürt, ob sie nicht oratorischen Klang hat? Häufen sich die Relativsätze auf die Hauptsache, so schaden sie gar nichts, schlim- mer ist es, wenn sie, wie in dem angefürten Beispile aus Goethes Lehrjahren, wechseln. Noch schwerer wird des Verf. Anklage in 161 und 162, es stehe ein solcher Sprachgebrauch in Widerspruch mit der Logik und Grammatik; aber doch wol nur mit einer sehr abs-

296 Kehrein: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache.

tracten nach ganz äuszerlichem Masze nieszenden. Denn das eintreten des Demonstrativums im zweiten Satze ist vollständig gerechtfertigt dadurch, dasz zwischen das Subject und das zweite, das von ihm ausgesagt >>ird, ein Helativsatz getreten ist, über den hinweg durch disz Demonslrativum unmittelbar zum Subject zurückgegritTen wird. So vermeidet dise Construction gerade, was der Verf. nicht weit vorher getadelt hatte , das anhängen mehrerer auf einanderfolgender Relativsätze. Auch mit 162 ist es vvol nicht so arg. Einmal ist es pedantisch, das Relativum in Sätze, wie in den letzten auf S. 101 und die vier folgenden, hineinzucorrigieren, wo es gar nicht nötig ist, zweitens aber fehlt hier das Relativum an zweiter Stelle eben um den Salz nicht durch ein allzudeulliches hervortreten der Nebensätze schleppend zu machen. Eine lebendige Prosa musz auch auf den \Vol- laut achten und diser Avürde bis zur Unerträglichkeit gestört, wenn jedesmal das Relativum, namentlich noch vor einem Zwischensatz, nackt dahin gestellt würde. Die Fälle in 163, wo der Verf. selbst sagt: es sei der Kürze, Leichtigkeit und Glätte wegen eine Altraction eingetreten, sind kein llar von disen verschiden. Nennt man die Construction felilcrhaft, wie Lehmann, so ist man allerdings bald fer- tig, aber Ref. glaubt, es sei doch noch ein klein wenig Unterschid dazwischen, wenn wir Schülerexercitien corrigieren und wenn wir über Goethes Sprachgebrauch sprechen. Selltst in Sätzen, wie die 169 angefürten, ist eher das leichte und schnelle Verständnis die Ursache gewesen die Relativa zu häufen, als dasz dises gehindert worden wäre, wie der Verf. angibt. Man versuche es nur den Satz, der das erste Beispil bildet, anders auszudrücken mit andern vier Neben- sätzen, ob er klarer werden wird. Der § über die oratio obliqua (181) steht etwas auffallend zwischen den von dasz handelnden, um so auffallender, da die s. g. Ellipse der Conjunclion dasz ^ welche in der oratio obliqua so häufig ist, erst hinterher kommt in 191. Ob der Verf. durch dise Stellung in die 14 auf einander folgenden Paragra- phen, die alle über dasz handeln, etwas Abwechselung hat bringen wollen, weisz Ref. nicht. Mit der Ellipse von dasz ist es übrigens eine eigne Sache: in dem Beispil: Ich hoff es ist alles noch herzu- stellen (S. 120) feit gar kein dasz^ obwol die Möglicbkeit vorligt das hier in einem Hauptsatz ausgesagte in einen Nebensatz zu brin- gen; wie kann man aber eine solche lubcndjue C'onsiruclion mit dem Maszstab einer vil nnlebendigeren meszcn und um der lieben Regel- rechtigkeit und sogenannten Logik willen behaupten, es sei hier dasz ausgefallen? So ist es aber mit der Merzal der angefürten Bei- spile. 206 war wol als Anmerkung zu 203 zu ziehn. Indem (§. 229) paszt nicht so gut zu da, mit dem es der Verf. einmal ausnahmsweise in einen Paragraphen zusammengebracht hat, als zu «re«7, indem beide Partikeln ursprünglich nur die Gleichzeitigkeit an- deuten. — In dem fünften Capitel kommt der Verf. auf die Perioden zu sprechen, den» Heckorschen Systeme gemäsz, aber eigentümlich genug, nachdem in fast 200 Paragraphen (s. 241 die eignen Worte

Cholevius: Geschichte der deutschen Poesie, ir Bd. 297

des Verf.) foriwärend von Perioden die Rede war; denn Salze, wie sie der Verf. als ßeispile für die s. g. invertierte Periode anfürt, sind schon in Masse dagewesen warum also nur um der Abteilung willen noch einmal ein Capilel, das nur abslractes nachbringen kann, da das concrctc schon da war? Die Wortfolge ist gleichfalls ledig- lich von abstraclom Gesiciilspunkt aus behandelt, wärend gerade disz Capitel eins der inleressantcslen sein würde, wenn man es vom histo- rischen Standpunkt aus behandeln wollte. In diser Beziehung aber wie in so vilem, was die Syntax angeht, feit uns noch der Meister, der den Grund legt.

Hanau. Ollo Vilmar.

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Geschichte der dent>!chen Poesie nach ihren antiken Elementen. Von Carl Leo Cholevius^ Oberlehrer am Kneiphößschen Stadtgymnasium zu Königsberg i. Pr. Erster Theil. Von der chrisUich-römischen Cnltur des Mittelalters bis zu Wielands französischer Graecilät. Leipzig, F. A. ßrockhaus. 1854 (632 S.).

Wir haben unlängst bei der Anzeige des Hennebergerschen Jahr- buches (oben S. 80 iT.) Veranlassung genommen, in Uebereinstim- mung mit dem Herausgeber desselben uns dahin zu erklären, dasz der gegenwärtige Zustand der deutschen Lilteraturgeschichte eine wis- senschaftliche Behandlung des Gesamtgebietes zunächst nicht erfor- dere, sondern dasz es an der Zeit sei, durch möglichst gründliche und vielseitige Einzelforschung einer späteren neuen Bearbeitung des ganzen vorzubauen. Zugleich aber erklärten wir, dasz eine Behand- lung des ganzen von einem einzelnen Gesichtspunkte aus, der bisher entweder übersehen oder doch nicht zur Genüge ins Auge gefaszt worden sei, eine dankenswerlhen Erfolg versprechende Unternehmung sein möchte. Der erste Theil eines in solchem Sinne unternommenen Werkes liegt unter dem oben angegebenen Titel vor uns, und wir wollen von vornherein in demselben eine durch den leitenden Ge- sichtspunkt berechtigte und durch das geleistete sich vorzüglich em- pfehlende litterarische Erscheinung begrüszen.

Ueber die Gesinnungen und Ueberzeugungen, mit welchen der Verf. an sein Werk gieng, gibt die Vorrede (S. I XX) näheren Aus- weis. Bezeichnet nun schon der Titel dasselbe als ein solches, das vermöge des leitenden Gesichtspunktes ganz besonders in das Gebiet dieser Zeitschrift gehört, so nölhigt uns insbesondere gleich das Vor- wort \ij^Y auf dasselbe weiter einzugehen: denn die in demselben nie- dergelegten Gedanken berühren Fragen, welche nicht nur unbeant-

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worlele, sondern auch Lebensfragen für die Interessen sind, welche diese Biälter mit Ernst und Eifer und so Gott ■will! nicht ohne Erfolg vertreten. Wie aber die Dinge jetzt stehen, dürfen diejenigen, •welche mit unwandelbarer Treue am AUerthume und an den klassi- schen Studien festhalten und nicht von dem modernen Healismus, son- dern von einer aus innerster Ueberzeugung hervorgehenden Wieder- belebung des Humanismus eine nachhaltige Verbesserung vieler theils offenbar vorhandener theils uns bedrohender Jlisverhältnisse erwar- ten, keine Gelegenheit versäumen, in nachdrücklicher Würdigung jedes klassischen Elementes der materialistischen Geringschätzung desselben entgegenzulrelen. Zwar werden viele entgegnen, die Zeit der Vernachlässigung sei schon vorüber, und man sei nur auf das rechte Masz der Schätzung gekommen, zwischen übertriebenem Tadel und maszloser Bevorzugung die jMitte einhaltend. Wahr mag so viel sein, dasz der Humanismus sich von den Stürmen der letzten Jahre zu erholen angefangen hat, aber er hat noch olTne Feinde, die ihn befehden, genug und nicht weniger schlechte Freunde, die ihn aus zehn und zwanzig Hücksichten stützen und halten, nur nicht aus der echten und rechten Ueberzeugung von seinem ^^'crth und seiner un- verlöschlichen Bedeutung für unser ganzes Leben.

Der Verfasser sagt im Eingange seines Vorwortes, er wolle durch sein Werk eine alte, doch nicht verjährte Schuld abtragen; schon Herder habe eine Geschichte des Geistes der neuern Litteratur nach seiner Umwandlung und Ausbildung unter den Einwirkungen der Orientalen und auch der Griechen und Römer vcrniiszt; in ncucrn Zei- ten haben das antike und romantische alle Gegensät/.e in sich aufge- nommen und seien einander als unversöhnliche Feinde entgegenge- treten; damals sei von Friedrich Schlegel und Tieck die Forderung einer geschichtlichen Darlegung der Folgen aufgestellt worden, wel- che das Studium der alten Klassiker für Poesie und Cultur gehabt; noch dringender mahne die gegenwärtige Lage der Dinge an die Erfüllung dieser Aufgabe, indem der Sieg der Uomanlik über die Antike ihre charakterlose Vielseitigkeit zwar zu dem schimmernden Resultate ge- führt habe, dasz wir im Besitz einer ^^'eltlitteralur seien, aber die Sinn- und Maszlosigkeit der Heprodiictiun die Erüeiiguisse selbstän- diger Dichtungskrafl zu überwiiclierii und zu ersticken di'ohe. Der Verfasser erinnert ferner an den Ausspruch Goethes , dasz der neuern Zeit nicht das Talent versagt sei, dasz aber die Zeit für das Talent keine Schule und beinahe keinen Gegenstand habe; einige neuere Dichter, namentlich die schwäbischen und österreichischen, seien zwar nicht mehr auf das antike zurückgegangen, aber haben sich doch unter den Nachwirkungen desselben gebildet, geleitet von dem dichterischen Geiste und dem reinen Formensinn, der in den Werken unserer Klassiker, hauptsächlich Schillers und Goethes, zur Erschei- nung gekommen sei; aber die Klassiker zähle man nicht mehr zu den modernen Dichtern, andere Interessen seien in den VordcrgriÄld ge- treten, der Idealismus der klassischen Periode sei bekämpft worden;

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daraufsei durch die Forderung^, dasz die Kunst in unmittelbare Be- ziehung zu den politischen und socialen Bewegungen trete, der Rea- lismus in die Dichtung eingeführt Avorden, zugleich habe sich eine moderne der an der Antike herangebildeten Form abgewendete Dar- stellungsart geltend gcmaciit. Nach dieser kurzen Uebersicht der Ent- wicklung unsrer neuen Poesie wendet sich der Verfasser zu einer Betrachtung der Angriffe gegen den Idealismus der klassischen Pe- riode, indem er die Uichligkeit der Behauptung bestreitet, dasz die Poesie des 18n Jahrh. ohne ein modernes Zeitbewustsein geblieben sei. Nach seiner Meinung lag, wenn man die politischen und socialen Interessen zu wenig vertreten lindet, die Schuld weniger an den Dich- tern, als daran dasz diesen 'bei der Versteinerung aller herkömm- lichen Zustände' keine Wirklichkeit entgegenkam. Indes findet er auch in den Werken der Dichter des J8n Jahrh. hinreichende Spuren von dem Zusammenhange derselben mit den Ideen der Zeit; er ver- sucht dies in der Kürze an Lessing, Klopstock, Schiller, Goethe nach- zuw^eisen. Daraus folgt nicht nur, dasz die Behauptung, die klassi- schen Dichter hätten in ihrem imaginären Idealismus nur sich selbst gelebt, unzweifelhafte Thatsachen leugnet, sondern dieselbe gründet sich auch auf die verderbliche Meinung, dasz das Nationalleben sich ausschlieszlich oder hauptsächlich in politischen Reformen äuszere. Hr. Ch. erblickt vielmehr in der Piiilosophie, den Wissenschaften, der Religion und der Kunst gleichberechtigte Factoren des Nalionallebens. Nachdem er nun in Bezug auf Goethe eine bekannte Aeuszerung des- selben (bei Eckerm. II 356) angeführt, geht er auf die Griechen zu- rück, welche die Einheit der Poesie und des Lebens nicht in der An- wendung der erstem auf die Ereignisse des Tages, sondern in der Auffassung und Behandlung der Stoffe gesucht.

Der Verfasser denn wir wollen ihm zunächst in seiner Aus- einandersetzung folgen geht zu der Betrachtung der modernen Poesie über, um ihr Verhältnis zum Alterthume zu ermitteln. Da er vorher ^^'erth darauf legte, dasz der sogenannte Idealismus der klas- sischen Periode mit den öffentlichen Interessen seiner Zeit in Zusam- menhang gestanden, so darf er auch dem Realismus der modernen Poesie seine Berechtigung nicht absprechen. Er fragt, weshalb nun diese moderne Litteratur, namentlich Drama und Novelle, selbst in der modernen Kritik keine Anerkennung, sondern fast nur Tadel und Verwerfung finde? Bei dieser Gelegenheit erwähnt er die Geschichte der deutschen Nat. Lit. v, J. Schmidt, welche das aufgeben der Idea- lität als einen erheblichen Fortschritt über die klassische und roman- tische Periode unsrer Poesie bezeichne, gleichwol aber die Leistungen fast durchgängig verwerfe. Hr. CIi. charakterisiert kurz die neuere Dichtung. In der Neuheit der Form sieht er hier zumeist nur die alle Kunst, einem Phantasiegebilde weder Einheit und organische Glie- derung noch einen abrundenden Schlusz zu geben. Die ganze Aus- drucksweise der neuen Dichter, mit welcher sie der Correctheit des klassischen Stils Trotz bieten, verräth nur die Neigung, in den ver-

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zerrten Titanismus und in die rohe Natürlichkeit der alten Geniedich- tung- eines Lenz und Klinger zurückzufallen. Das Drama der Zukunft (Grabbe, Büchner, Hebbel) überflügelt die Sturm- und Drangperiode an Ideenfülle und poelischer Kraft, aber die unreinen Ideale, die Auf- lehnung gegen die gesunde Vernunft, die verkehrte Gefühlsweise, die Abschweifung zu undichterischen Nebenzwecken und ganz unpoelischen Gegenständen ist hier dieselbe wie dort. Auch in den Tendenzroma- nen spielen Laster, Verrücktheit und Elend ihre schauerliche Bolle, Der modernen Poesie fehlt also zu ihrer Vollendung die Kunst der Gestaltung, die Kunst das reale in die Sphaere des schönen zu erhe- ben. Dies, sagt der Verf., ist der Idealismus, ohne welchen weder die neuern Zeilen noch das Allerthum eine klassische Poesie besitzen möchten. Angesichts des Gegensalzes zwischen dem modernen und dem klassischen und antiken erbebt sich nun die Frage, ob wirklich der ganze Bildiingsstolf des Allerthums so in unsere Poesie überge- gangen sei, dasz das antike als aufgebraucht zurückzulegen sei. Und hier spricht der Verf. die Ueberzeiigung aus, dasz kein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung unserer Dichtung möglich sei, wenn man nicht sich mit dem Allerlluim versöhne, wenn man nicht aner- kenne, dasz dasselbe, namenllich das griechische, nie veralten könne, und dasz es die Befähigung auch jetzt noch in sich trage, ein neues goldnes Zeitalter nnsrer Dichtung hervorzurufen. In diesem Sinne erscheint dem Verf. eine auf Geschichte und Kritik gegründete Dar- legung dessen, was uns die Poesie der Allen gewesen, und was mit Hülfe der klassischen Studien erreicht worden ist, als ein Unterneh- men, das einem dringenden Bedürfnisse begegne.

Wir machen hier einen kurzen Hall. Wenn wir den Verf. bisher allein reden lieszen, so geschah es um den Zusammenhang seiner Erör- terungen nicht zu sehr zu stören: wenn wir überhaupt mit dem Vorworte begannen, so bedarf es gewis nach dieser kurzen Darstellung bei den Lesern dieser Blätter keiner Entschuldigung weiter: denn jeder sieht ja, dasz hier Kernfragen berührt sind, welche in uniiiitlelbarstem Zu- sammenhange mit den speciellen Interessen derselben sieben. Wir haben hier eine Lilteratnrgeschichte vor uns, die sich denjenigen Aus- gangs- und Mittelpunkt wählt, der zugleich der unsrige ist: wir fin- den zugleich einen wolgerüsteten Kämpfer für das klassische Princip, das gleichfalls das unsrige ist, und sehen den Kampf in einer A> eise aufgenommen, die uns Erfolg und Sieg verspricht. Denn die Ver- treter dieses Princips haben es bisher auf zweierlei Art versehen, einmal, indem sie sich zu sehr auf die Defensive bescbränklon, oder wol gar durch Concessionen sich dauernde Anerkennung zu gewinnen meinten: dann auch, indeni sie sich nicht genug um den historischen Nachweis bemühten, welches der innere und üuszere Zusammenhang zwischen dem antiken und dem nationalen, dem deutschen in Poesie und Leben sei, und an eine gründliche Zersetzung des Healismus gien- gen. Einzelnes ist allerdings gegeben worden; wir erinnern nur au die auch von Hrn. Cli. in seiner Einleitung erwähnte Schrift von W.

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Herbst: aber es bleibt noch immerhin viel zu Ihun übrig, um allmäh- lich dem klassischen Principe zu der ihm gebührenden Stellung zu verhelfen. Wer, wie wir, die feste und innige Ueberzeugung in sich trägt, dasz das klassische Alterlhum die im vernichtbare Basis unse- res geistigen Lebens ist, dasz in ihm aucli für unsre Zeil und für die Zukunft das wesenllichstc Bildungsmittel liegt, dasz es nicht blosz historisch überkommen, sondern zum organischen Beslandlheil ger- manischen Culturlebens geworden ist, dasz nur aus und durch das- selbe diejenigen Verbesserungen sowol als Sicherungen erreicht wer- den können, die man jetzt auf allerlei neuen oder erneuten Wegen anstrebt:* der könnte sich vielleicht mit dieser Ueberzeugung beruhi- gen wollen , und im Vertrauen auf die dem Principe inwohnende Sieg- haftigkeit es der historischen Entwicklung ruhig überlassen, das Ue- bergewicht jener über den modernen Realismus herzustellen. Das wäre aber nicht viel mehr als ein verwerflicher IndilTerenlismus; kann man dazu beitragen, vor der Heftigkeit des Rückschlages zu bewahren, so ist es heilige Pflicht es zu thun. Als ein solcher Bei- trag kündigt sich das vorliegende Werk an.

Indes. schon an die im Vorwort gegebenen Erörterungen möchten wir einige Bemerkungen anschlieszen : einverstanden mit dem Principe des Verf. in Bezug auf das festhalten an den Grundgedanken seines Unternehmens, können wir nicht überall seinen Anschauungen bei- treten. Zunächst ist allerdings der Gang unserer neuen Litteratur in kurzem der, dasz sich gegen das' antike Element der klassischen Pe- riode die Romantik erhob; gegen dieselbe und zum Theil durch die- selbe entstand der moderne Realismus. Wenn aber der Verf. sagt, dasz die durch die Romantik in die Litteratur eingeführten Reproduc- tionen des fremden alle selbständige Production zu erdrücken drohen, so scheint uns nicht sowol die Romantik vermöge ihres Gegensatzes gegen das antike daran Schuld zu sein, als vielmehr der Mangel an dichterischer Productionskraft. Die ReproductionswuUi hat sich auch dem antiken zugewendet, wie sie denn überhaupt nur ein erschlalTen der schöpferischen Kraft ist. Der Verf. dehnt hier seinen Blick wei- ter aus, als wir den Begriff der Litteratur zu erweitern geneigt sind: die Betrachtung des gesamten Culturlebens wird diese Gattung von Uebersetzungen, wie sie sich jetzt im Gebiete des Romans finden, nicht übersehen, die specielle Litleralurbetrachtung hat mit der gro- szen Fluth derselben nichts gemein und behandelt die Verfertiger als Fabrikarbeiter. Was ferner unsre klassischen Dichter betrifft, so müssen wir von dem zweiten Bande des Werkes einen genaueren Nachweis verlangen über die vom Verf. behauplete 'innigste Verbin- dung derselben mit den öffentlichen Interessen ihrer Zeit': denn die kurzen Bemerkungen des Vorworts reichen für die Stärke dieser Behaup- tung nicht aus. Dasz der Realismus , wie er jetzt in der Dichtung wenn überhaupt da dieser Name noch giltig ist sich häufig zeigt, dieselbe geradezu aus ihren Angeln hebt, dasz nur ein Idealismus im Sinne der Verf. eine echte Poesie schafft, davon sind wir lebhaft übei-

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zeugt, nicht minder davon, dasz das klassische, zumal das helleni- sche Alterthum die unenlbehrliche Bildungsstätte ist. Aber es ist wol ebenso gewis, dasz es drei Factoren sind, aufweichen unser ganzes Culturleben fuszen niusz : der christliche, der nationale und der an- tike. Das sind drei, gar nicht gleich, aber doch so nebeneinader berechtigte Elemente, dasz von ihrem zusammenwirken alles zu er- warten ist. Wir mögen ebenso wenig denen das Wort reden, welche den klassischen Idealismus um seines 31angels an nationalem Inhalt verdammen, oder gar denen, welche von der Forderung eines posi- tiven christlichen Elements absehen. Eine Regeneration unsrer gesun- kenen Litterafur wird sicher nur durch die Rückkehr zum klnssischen Alterthum erfolgen, aber nach unserer DIeinung nicht ohne ein natio- nales Element und ohne eine positiv christliche Grundlage: nur in diesem Sinne machen wir des Verf. Ansicht von einer solchen Befähi- gung des antiken zu der unsrigcn. Wie verhält sich nun unsre klas- sische Lilteratur zu der Verwirklichung eines solchen Zieles? Sollte nicht eine Bevorzugung des antiken vorliegen? Sollten nicht die an- dern Factoren zurückgeblieben sein? Wäre dies nicht der Fall, wel- che Berechtigung hälfe das auftreten der Romantik gehabt? Dasz diese auf dem Gebiete der Poesie selbst unfruchtbjrr blieb, widerlegt nicht die Berechtigung ihres erscheinens ; um so mehr hat sie mit- telbar genützt. Wir sehen der Darstellung dieser Litteraturperiode durch den Verf. erwartungsvoll entgegen, aber kaum dürfte es ihm gelingen, den vollständigen Nachweis der im Vorworte ausge's])ro- chenen Behauptungen zu liefern. Es werden Schiller und Goethe von einem einseitigen klassischen Idealismus nicht ganz frei zu sprechen sein, der eben dadurch, dasz er andere gleichberechtigte Elemente nicht aufnahm , eine Gegenbewegung veranlaszte. Insbesondere wer- den wir uns bei der aus den Gesprächen mit Eckermanu angeführten Aeuszerung Goethes nicht beruhigen können, um ihm den Vorwurf zu ersparen, dasz es ihm an nationaler Gesinnung gefehlt habe. Wenn der Verf. jene Worte mit einem Seitenblick auf die lelztvergangenen Jahre anführt, so stimmen wir ihm und Goethe gern bei, indem wir *die Pfuscherei in Staatsangelegenheiten' verabscheuen und nationalen Sinn nicht blosz darin linden, dasz man 'in Politik macht'; aber wenn wir an jene Zeilen vor den Frcilieilskriogen und während derselben zurückdenken, da erwarten wir von einem deutschen Dichler, der zu- gleich 3Iiiisler ist, doch etwas mehr, als dasz er den eignen Sohn an der Theilnahme am Kampfe hindert. Da wird denn auch die Paral- lele, die der Verf. in der llcrboilülirnng allgriechisclier Verhältnisse zieht, recht miszlich und hält nicht Sliih. Damit verlangen wir kei- neswegs, dasz der Dichter seine Stolfe unmittelbar aus der Zeitbewe- gung herausnehme, das nationale Element, wenn es wirklich in ihm ist und ihn durchdringt, wird auch uiiinitlclbar zu einer lebensvollen Aeuszerung kommen. Da der Verf. selbst mit Reriil die AngrilTe ge- gen den klassischen Idealismus mit der jetzt licrsclienden Glcichgil- tigkeil gegen das Alterthum in Verbindung bringt, so wollen wir

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auch hier ein ^^'ort hinzufügen. Es ist das nahe mit einander ver- wandt. Nicht dem klassischen Princip überhaupt slellle sich das ro- mantische gegenüber, sondern xuniichst der einseifigen Erscheinung desselben; es war also eine Schuld vorhanden. Und ebenso trug die Einseitigkeit der klassischen Studiennielhode dazu bei, ihr die Ge- müter zu entfremden. Sie büszen im Leben, wie in der specielle- ren Beziehung zur Liüeratur durch die ihnen jetzt entgegentretende Gleichgiltigkeit eine nicht abzuleugnende Schuld: aber so gut, wie wir mit dem Verf. an die Nothwcndigkeit des antiken für un- sre Poesie glauben, so gewis erfolgt auch seine Wiedereinsetzung in die Stelle des ersten und ausgiebigsten Bildungselementes.

Zu dieser Zuversicht fühlen wir uns ganz besonders durch den gegenwärtigen Stand der Poesie mit angeregt: in den Bemerkungen über die moderne Dichtung stimmen wir dem Verf. vollständig bei. Differenzen zwischen uuserer Ansicht und der Auffassung von Jul. Schmidt haben wir bei der kürzlich gegebenen Anzeige des reich- haltigen und verdienstvollen Werkes [ßd. LXX S. 477 f.] mehr ange- deutet, als ausgeführt: in der Negierung des jetzt vorhandenen wird man ihm im ganzen, einzelne Ausnahmen abgerechnet, beitreten, das historisch construierende Element oft vermissen oder die Construc- lion für zu künstlich halten müssen. Haben wir nun oben bemerkt, wie wir in der Betrachtung der klassischen Periode nicht ganz auf Seite von Hrn. Ch. stehen, so stimmen wir ihm und Jul. Schmidt, der weit mehr nachweist, wie sich der moderne Bealismus entwickeln muste, als dasz er auf Seilen desselben stände, im verwerfen der jetzt herschenden Bichtungen und Leistungen bei. Aber es scheint uns auch unzweifelhaft, dasz gerade durch den Uebermut des Mate- rialismus ein baldiger Bückschlag herbeigeführt werden wird. Irren wir nicht, so bereitet sich derselbe gerade durch diejenigen Elemente, welche der einseilige Classicismus übersehen hatte, vor, durch das nationale und vor allem durch das christliche. Nur irthümlicherweise können sich beide mit dem Bealismus verbinden, sie werden zum an- tiken zurückkehren, und dann eine Einheit bilden, die ebenso dauer- haft als erfolgreich sein musz.

Ueber den zweiten Theil des Vorworts gehen wir schneller hin- weg. Der Verf. sagt, dasz er seine Aufgabe nicht im Sinne von L. Tieck habe behandeln können. Natürlich, er will ja zeigen, wie we- nig wir berechtigt sind, über den Anschlusz an das Allerthum Klage zu führen. Hierauf berichtet er über die Vorarbeiten, welche ihn gefördert haben, wobei aus der älteren Zeit Lessing und Herder, aus der neueren Gervinus besonders hervortreten. Die Absicht, das Werk allgemeiner zugänglich zu machen, hat hie und da eine ausführlichere Behandlung herbeigeführl : der Charakler der Aufgabe, die sich Hr. Ch. gestellt, läszt uns auch hiemit einverstanden sein.

Wir gehen zu dem Werke selbst über, das sich gleich am Ein- gange durch eine sehr sorgfältig ausgearbeitete Inhaltsangabe em-

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pfiehlt: auch ist jedem Capitel eine kurze Inhaltsübersicht vorange- stellt. Beides icann den Lesern nur willkommen sein.

Die erste Periode (bis 1180) beiiandell den 'Anschlusz an die römische Litleralur und die üiclilungen in lateinischer Sprache' und zerfallt in Z)vei Capitel (l 19 40). Der Verf. betrachtet zunächst das Verhältnis der Deutschen zum Alterthum in Bezug auf den Bil- dungsgang der Menschheit, indem er davon ausgehl, dasz der Ein- tritt der germanischen Völker zur Herauffuhrung einer neuen Bildung nolhwendig war. Das römische Ileidenthum hatte schon frühzeitig, schon zur Zeit Caesars, an innerer Gellung verloren, die Religion crsciiien als politische Maszregel, so dasz dom Eintritte des Cliristen- tliunis kein im inncrii Leben der Völker begründeter AViderstaud ent- gegentrat. So wurde das Hömerlhum bcfühigler, das Christenlhum aufzunehmen und vermöge seiner Weltsprache zu verbreiten, als das llellenenlluim, das in seiner Blütezeit durchaus heidnisch, sciiou in den Anschauungen der Tragiker, des Sokrates, Piaton das eigenthüm- liche hellenische Leben als verfallend erblicken läszt, während die spitzfindige Dialektik der spätem, sowie die angoborne Neigung phan- tastische Idealanschauungen mit einer schönen Siiinlichkeil zu ver- schmelzen, dem reinen aufnehmen des christlichen hinderlich ward. Sowol in dieser Auffassung des Verf., als der (S. 4) ausgesprochenen Beurllieilung der römischen Litteratur, welche nach ihm "^ von Anfang an nur die Bestimmung hatte, das Abendland mit der griechischen und mit der orientalischen Litteratur bekannt zu machen', tritt uns eine nicht ganz von Einseiligkeit freie ßehandlungsvveise entgegen, wie leicht der Fall ist, wenn man mit bestimmten Voraussetzungen an die Construction der Geschichte herantritt. Uns scheint hier der geehrte und gelehrte Verf. in der Beurtlieilung der griech. Litteratur, nament- lich der römischen gegenüber, zu weit zu gehen. 'Dagegen hieng der Germane (S. 4) als der unbefangene Sohn und Zögling der Natur mit aller Innigkeit des Gemütes an den Göttern der Schöpfung und der Sittlichkeit, und selbst die phantastischen Conslruclionen einer übersinnlichen Welt, wie sie der höhere Norden versuchte, gelangten weniger zu einer mythischen Objectivität, sondern wandten sich wie- der zu der Innerlichkeit des Gemütes zurück. Man betete nicht in Tempeln von Menschenhänden gemacht, sondern in der Bomantik ein- samer, dunkler Wälder; das Herz bewegte sich nicht zu Bildern, sondern zu einem geheimnisvollen nnsichtbaren etwas, das durch eine spätere Erleuchtung Namen und Wesen empfieng. Doch nicht die blosze Aufnahme eines religiösen Lebenspriucipes sollte hinreichen, sondern die allseitige Ausbildung desselben zu Kirche und Staat, zu Kunst und Wissenschaft, die allmähliche Bealisierung der durch das Christenlhum aufgeschlossenen und erhöhten Idee der Menschheit war die Aufgabe der germanischen Völker, und dazu sollte ihnen die alte Welt, besonders wie sie in den hinlerbliebcneu Denkmalen der Litte- ratur und Kunst vorlag, gesicherte Besultale und Analoi^ieii darbie- ten. Indessen vergiengen Jaluliundertc, ehe man sich luir des Zwecks

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bewuszt wurde, andere Jahrhunderte, in denen man sich nur des Mittels bemächtigte, noch andere, in denen man die Mittel und die Zwecke unterscheiden lernte. Wir versuchen es nun zu zeigen, wel- chen Gang diese Entwicklung auf dem Gebiete der poetischen Lite- ratur genommen.' Die wörtliche Anführung dieser enlsciieidenden Stelle möge um ihrer ^^■ichtigkeit willen entschuldigt werden.

Dem reichen Inhalte des 632 Seifen starken Bandes nach allen Seiten hin eingehende ^Vürdigung Miderfahren zu lassen, ist bei dem geringen Baume, den eine Zeitschrift der einzelnen litterarischen Er- scheinung einräumen kann, nicht wol möglich. Nachdem wir die im Vor- worte ausgesprochene principielle Stellung des Verf. hervorgehoben, und die leitenden Gedanken des Werkes gefunden haben, gehen wir rascher durch dasselbe hindurch, nur hie und da zu kurzer Bast ver- weilend.

Seit den Zügen der Gallier, der Kimbern und Teutonen nach Ita- lien blieben die Völker in ununterbrochenem Verkehr. Allmählich eignete man sich fremde Sitten, Erfahrungen und Kenntnisse an, die römische Litteratur breitete sich in Deutschland aus, und die lateinische Sprache wurde das Organ der abendländischen Kirche. Dagegen bil- dete sich auch die lateinische Litteratur völlig um, und die Kluft zwi- schen der neu entstehenden und der älteren Litteratur ward so grosz, dasz die alte bereits zum Gegenstand der Studien und der Staatspflege wurde (Boethius, Cassiodorus). Inbesondere wurde Gallien, später das fränkische Beich, durchströmt von römischer Bildung, der Herd der neuen Cultur. Indes wurde nicht blosz durch die vorwiegende Berücksichtigung der Theologie die Adiffassung der alten Litteratur beschränkt, sondern die Kirche setzte sich schon früh den klassischen Studien entgegen, kämpfte gegen die nugae und litterae seculares, ver- bot das lesen heidnischer Dichter und empfahl die specifisch christ- lichen Studien, unde et anima susciperet aeternam salutem et casto atque purissimo eloquio fidelium lingua comeretur. Und obwol so wol zur Zeit des auf die Entwicklung des deutschen Geistes so ein- fluszreichen Karls des Groszen (AIcuin), wie später unter den Otto- nen die Anfeindungen der klass. Schriftsteller, namentlich der Dich- ter, sich fortsetzten, so ist doch immer gewis, dasz schon damals das klass. Alterthum , allerdings zunächst vorwiegend das römische, Grundlage germanischer Bildung ward. Der Verf. wirft (S. 12) einen Blick auf die von Zeit zu Zeit, am lautesten wol seit Herder und Tieck erhobenen Klagen, dasz die lateinischen Studien dem deutschen Volke seine Eigenthümlichkeit geraubt und eine selbständige Ent- wickelung unmöglich gemacht, und weist namentlich die Unbilligkeit der Vorwürfe Herders nach. Es sind das dieselben Einwände, die noch heutzutage oft von den sogenannten Nationalen gegen die klassischen Studien vorgebracht werden. Wir treten dem Verf. in diesen Ausein- andersetzungen bei, sowol darin, dasz das antike Element uns nicht von unserem Ziele abführt, als darin, dasz die Frage, ob irgend ein anderer Bildungsweg uns eine kräftigere Nationalität gegeben hätte,

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nie genügend zu beantworten sein M'ird. Endlicli erinnern wir mit ihm daran, dasz das aufnehmen des christlichen Elementes und seine Durchbildung ohne die alle Liiteratur mit aufzunehmen unmöglich war, sowie dasz die Germanen damals kaum eine eigne Schrift be- saszen. Interessant sind die sprachlichen Erörterungen (S. 15), wel- che den Einilusz der lat. Sprache auf die deutsche an Beispielen nach- weisen, zugleich schon im 7u Jalirh. puristische Versuche zeigen. Nachdem der Verf. das Verhältnis der gelehrten Bildung zur natio- nalen Selbständigkeit und den Einflusz auf die Sprachbildung behan- delt, geht er (Cap. 2) zu den materiellen Erzeugnissen der Volkscul- tur über und betrachtet das zusammentrelTen beider Elemente in Be- zug auf die im Volke lebenden, sich unabhängig von der gelehr- ten geistlichen Liiteratur fortentwickelnden Heldensagen. Hier ergibt sich nun dasz die gelehrte und christliche Bildung dem volksthümli- chen nicht blosz nicht Abbruch tbat, sondern demselben wesentliche Dienste leistete: die Geistlichkeit erwarb sich geradezu Verdienste um die Volksdichtung. Der Verf. verweilt zunächst beim Waltharius, in dem er eine Versöhnung des heidnischen und christlichen erblickt, ein zusammentreffen des gelehrten und fremden mit dem volksthüm- lichen. Denn die römische Leclüre des Dichters hat den objectiven Inhalt der Sagen und den Charakter der Personen unverändert gelas- sen. Ferner ist von Bedeutung, dasz im 12u und 13n Jahrb. dem her- vortretenden Epos häufig lateinische Quellen zu Grunde lagen; es ist gewis, dasz seit dem iOn Jahrb. die geistlichen eifrig bemüht waren, die im Volke zerstreuten Sagen zu sammeln und nachzuerzählen. Zum Verständnis des Verhältnisses dieser Dichtungen zu den lateini- sehen oft dürftigen Quellen verweist der Verf. an den niederländi- schen Beinaert, und dem Isengrimus und Reinardus vulpes: auch die Gralromane und überhaupt die nordfranzösischen Sagen mögen zuerst lateinisch existiert haben. Zuerst im Uuodlieb zeigt sich im Gegen- satze zu dem alten heroischen ein modernes Element im Epos, höli- sches Wesen, Abenteuer, Reiseerfahrungen, geselliger Verkehr, mo- ralisierende Sentenzen. Es ist ein Umschwung im Bewustsein der Dichtung, nicht erklärbar durch irgend welchen Einflusz ' fremder Litteratur, sondern eher im Zusammenhange mit dem politischen Ver- kehr stehend; hier liegen die Keime der ganzen späteren modernen Dichtung. Wurden bisher bei dem zusammentrelTen der gelehr- ten Bildung mit dem volksmäszigen nur formelle Einflüsse des Al- terthums wahrgenommen, so ist es vielleicht nicht ganz so mit der Thierdichlung, indem dieselbe nicht zuerst mittels einer lateini- schen Bearbeitung in die F-ilteralur ciiilrilt , sondern auch die Frage znläszt, ob nicht eine materielle Kiitlehiiung stattgefunden habe. Jac. Grimm hat der deutschen Thierdichlung auch in Bezug auf den Stoff Originalität zuges|)rochen und die Verwandtschaft derselben mit ausländischen Fabeln aus der uralten Gemeinschaft der Sagen- stolTe und Sprachen erklärt. Indes hat auch er zugegeben , dasz sie sich Stücke aus Acsop 'angeflickt' habe, und der Verf., der noch

Cholcvius: Gescliichle der deiifschcn Poesie. Ir Hd. o07

über Grimm in diesem Punkte, -wenn schon ihm wesentlich zustim- mend, hinausgeht, weist dieseEinllus.se der fremden Tliierfabel nä- her nach.

Die zweite Periode (Cap. 3 9) geht bis gegen das Ende des lön Jalirhunderfs und ist iibersciiricben : Behandlung antiker Dich- tungssloirc im Geist der Uomanlik. ^^ ir treten in die schwäbische üichtungsperiodc ein, in welcher plötzlich die Kunde des AKerlhums nicht benutzt und vernaciilüssigt wurde, dagegen eine Poesie enipor- blühte, ^welche an Tiefsinn, an Fülle und Macht der Phantasie, an gediegenem Culturgehalte weit über das Allerlhum wegsfrebt und selbst da, wo sie sich an die Poesie anlehnt, nur ihre Stolfe und Vor- bilder benutzt, um gewisse Schwächen derselben desto deutlicher kundzugeben.-* Auch der Verf. sucht den Ursprung dieser neuen Er- scheinungen nicht in fremden Einflüssen, sondern in einem substan- tiellen Kerne des germanischen \A'esens, der durch jene äuszern Ein- flüsse nicht geschaifen, sondern nur in seiner Entwicklung begünstigt und gezeitigt wurde. Er bezeichnet als die Grundelemente der Ro- mantik die Innerlichkeit in der Auffassung und Durchbildung des Le- bens, und die freie Phantastik in Erscheinung und Darstellung, welche beide Elemente im Gernianenlhume von vornherein vorhanden wa- ren. Wir können dieser Auffassung beipflichten, zumal da Gh. aus- drücklich hinzufügt, dasz die Romantik mehrere Zwischenstufen zu durchwandeln halte, dasz zwischen älterer und neuerer Periode der Romantik zu unterscheiden ist. Da es nun im Wesen der Romantik liegt, das Allerthum in allem, was Kunsiform heiszt, unbeachtet zu lassen, seine epischen Stoffe aber in modernem Geiste zu behandeln, so sucht der Verf. weiter nachzuweisen, und zwar mit vorzüglicher Berücksichtigung des antiken Sagenkreises, ^ worin die Romantik das Alterthum überragte, so dasz sie mit Recht als ein neues Element der Cultur anzusehen ist, und worin sie hinter demselben zurück- blieb, so dasz spätere Zeiten wieder den mühevollen Weg durch die klassische Litteratur einschlagen musten, bis dann endlich beide Fak- toren zu höheren Resultaten zusammenwirkten. ' Zu diesem Zwecke stellt er zunächst (S. 43) eine anziehende Vergleichung zwischen der altgriecbischen und der germanischen Heroenwelt an. Hier Mie dort trclfen wir zuerst die Periode des ungeheuerlichen: in Griechenland die Zeit der über der menschlichen Natur stehenden Heroen, im ger- manischen Heldenlhum noch bis in das Nibelungenlied hinein (Hagen) nicht minder das ungeheuere, riesige, das Blasz der Natur und Sitte überschreitende. Dagegen entspricht dem in den homerischen Gesän- gen dargestellten achaeischen Zeitalter das Heldenlhum des Nibelun- genliedes: es ist nicht mehr die Körperkraft, der trotzige Jluth, die ungebändigle Kampflust, welche den Helden ausmacht, sondern es verbindet sich mit diesen Vorzügen Sinnesadel und Gefälligkeit des Wesens. Tritt hier in das Heldenlhum die Ehre als wesenlliches Moment ein, so gewinnt dieselbe in der dritten Periode des Ilelden- Ihnms, der romantischen, einen bestimmten Inhalt durch den Glauben

N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. LXXII. Hft. 6. 23

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und die Minne. 3Iit Recht verweilt der Verf. hei der Entwicklung- des Verhcillnisses der germanisclien Welt zu den Frauen; wir aber kön- nen hier nur auf seine interessanten Erörterungen verweisen. Eine Vergleichung des deutschen Heroen- und Ritterthums in diesen Stadien mit der antiken Ileldenzeit zeigt, dasz unsere Dichtungen die epische Grösze entschiedener auf dem Begrilfe der Ehre bestimmen, welcher durch das sittliche Princip des Glaubens und der 31inne einen be- stimmten und reinen Inhalt gewann. Deshalb beschäftigt sich die Ro- mantik ausschlieszlich mit der Gesinnung und dem innern Sturme der Leidenschaft , während das Altcrtluim die Handlungen darstellt. Im Gegensatz zu den homerischen Gesängen zeigt schon das Nibelungen- lied innere Kämpfe. Nirgends aber zeigt sich die Innigkeit und Rein- heit des deutschen Sinnes deutlicher, als in der Heiligkeit der Treue; dieser uralte Zug dos deutschen Herzens zeigt sich am schönsten und ergreifendsten in Rüdiger. Ferner zeigt sicii früh schon in dem deut- schen Epos, und je mehr die Romantik sich in die Minne vertiefte, in desto höherem Grade ein lyrischer Beisatz , den das homerische Zeitalter noch gar nicht kennt: zugleich das hervortreten eines musi- kalischen Element.>.

Hierauf wendet sich der Verf (Cap. 4 S. 59) zu dem antiken Sagenkreis der deutschen Dichtung und zwar zunächst zu den Bear- beitungen der Geschichte Alexanders, deren Ilauptquelle der bekannte griech. Roman (welchen man sonst dem Kallisthenes von Olynth zu- schrieb). Ausführlich bespricht unser Werk das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht (um 1180), ohne an den übrigen Behandlungen der Sage vorüberzugehen. Einen Schritt weiter führt die Sage von Her- zog Ernst, indem die Naturmythen der Griechen und ürienlalen völlig Eigenthum des germanischen Mittelalters wurden; diese Mythen dran- gen auch in Chroniken und in die ersten Anfänge der Naturw issen- schaften ein. >N'ir kommen hierauf zur Eneide des Heinrich v. Veldck (um 1186) und stehen mit dieser schon in der Zeit des eigentlichen Ritterthums, in welcher sich das Gemülh schon mehr auf sich selbst richtet, und wo sich zugleich die höfische Sitte und Feinheit des Be- tragens ausbildet: die Poesie geht von dem geistlichen Stande in den der Ritter über. Der Verf. vergleicht nun die Eiieide Veldeks mit dem Gedichte des Vergil, welches mittelbar die O'"^!'»^ <les deulschen Gedichtes ist. Ueberall tritt der Mangel an epischem Sinne, das vor- wiegen der Sentimentalität, das behagen an breiler Schilderung her- vor. Von besoiulerciu Iiileresse ist ferner die Betrachtung der troi- schen Sagen, als deren Haupiquellen für die mitlelallcrliche Dichtung Dares und Dictys erscheinen, über welche viel geschrieben worden ist. Der Verf. nimmt an, dasz der historia de excidio Troiae und den 6 Büchern de hello Troiano griechische Dichtungen zu Grunde lagen. Demnächst betrachtet er die zahlreichen Nachdichtungen und zeigt die Entstellung d^r Antike und die romantische Umgcslallung des Stoffes, sowie die veränderte Behandlung desselben. Das folgende Capitel stellt die vorzüglichsten Bearbeiter der troischen Sagen Guido

Clioleviiis. Geschiclile der doiifsclien Poesie. Ir ßd. 309

de Columna, Herbort v. Fritzlar und Konrad von Würzbnrg- verglei- cliend zusammen und gibt eine sorgfältige Untersuchung der Quellen der letzleren, aus welcher sich ergibt, dasz namentlich die Metamor- phosen des üvid vielt'acli benutzt sind: doch ist freilich nicht genau zu ermitteln, aus welchen (Jncllen Benoit, welchen Herbort über- setzte, schöpfte. Von diesen Bearbeitungen fand namentlich die des Guido de Columna, die in Prosa geschrieben war, auszerordentlichen Beifall und half den Uebergang vom Epos zum Homane vermitteln. Die antiken Sagenstoffe giengen in Chroniken und Genealogien über und wurden auch Gegenstand mimischer Darstellungen. Zwar ist von unmittelbaren Ueberlragungen classischer Dichtungen ans dieser Zeit eigentlich nur das zu erwähnen, was in Bezug aufOvid, der eine grosze und doch um des Verlustes der ersten Uebersetzung (um 1210) willen noch nicht durchsichtig genug gewordene Rolle spielt, um so mehr aber bemächtigte man sich der antiken Stoffe für kleinere Er- zählungen in romantischer Gestalt und für die nun auftretenden Ro- mane. In dieser Periode der deutschen Litteralur liegt noch ein rei- cher Stoff für gründliche Einzelforschung, so vieles auch schon, zum Theil sehr gewagtes und willkürliches in der Aufstellung von Zusam- menhängen und Beziehungen, versucht worden ist. Auch die Legende zeigt deutlich antike Beisätze, wie der Verf. (S. 163 f.) in anziehen- der und gründlicher Weise erörtert; ja selbst alte Schriftsteller, wie Aristoteles, Vergil, Ovid wurden legendarisch aufgefaszt. Hierauf wendet sich Ch. zu einer Betrachtung der romantischen Aulfassung der Göttermythen : der Beitrag, den der Vf. , die Aufgabe möglichst begrenzend, zur Lösung dieser überaus schwierigen, schwerlich je zu einem völligen Abschlusz zu bringenden Frage gibt, zeichnet sich durch geistvolle und klare Behandlung aus. Wir müssen es denen, die dieses Gebiet zum besondern Gegenstand ihrer Forschungen gemacht haben, überlassen, hier eingehender zu urtheilen und begnügen uns mit der Aeuszerung unserer lebhaftesten Anerkennung.

Die dritte Periode beginnt mit dem Ende des Ion Jahrhunderts und wird durch die Aufschrift charakterisiert: '^Einllusz des Alter- thums auf die geistige und sittliche Bildung im Zeitalter der Humani- sten' (S. 196 306). Im Anfange dieses Abschnittes faszt der Verf. die bisher gewonnenen Resultate seiner Darstellung in einem anschau- lichen Abrisse zusammen; wir erwähnen dies, um es überhaupt als ein Verdienst des trefflichen Buches hervorzuheben, dasz es durch an rechter Stelle eingeschaltete Recapiliilationen den Leser nicht wenig unterstützt: durch diese fortgesetzte Bemühung, den Faden des lei- tenden Gedankenganges immer wieder klar vor dem Leser auszubrei- ten, erhöht sich zugleich der Werth der sorgfällig geführten und sauber gearbeiteten Einzeluntersuchungen. Der Verf. zeigt uns, war- um und in welcher Weise das Ritterlhum und die Minnedichtung ver- fielen, wie das hervortreten des Bürgerstandes ein neues Bildungs- princip geltend machte, und wie gerade in diese Lage der Dinge die Regeneration der classischen Studien hineintrat. Diese letztere ver-

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sucht er gegen die einseiligen und oberflächliclien Urlheile, durch welche sie häufig und heftig angegriffen worden ist, zu vertheidigen. Es wird hier insbesondere nachgewiesen, dasz vorerst von einem Ein- tlusze der classischeu Studien auf die deutsche Poesie nur wenig die Rede ist, indem sicli vielmehr zunächst die prosaische Litleralur ent- wickelte; diejenige Seite des geistigen Lebens, welche in der Prosa ihren Ausdruck findet, die Intelligenz, war im Zeitalter der Minne- dichtung zurückgeblieben. Ist aber J. Grimms Bemerkung (Vorrede zu den lat. Ged. d. X u. XI Jahrbtuulerts) nur allzuwahr, dasz die Poesie einer begleitenden Prosa bedürfe, so ist es auch natürlich, dasz die sich jetzt neu erhebenden Einllüsze der Antike zunächst auf die Prosalilteratur wirkten. Der Humanismus arbeitete zunächst an der Reform in "Wissenschaft, Staat und Kirche. In dem Gebiete der Poesie pllegte man vorzugsweise die in ihrem A^'csen der Prosa ver- wandte Didaktik, und von eigentlichen Dichlungsformen blieb nur das Kirchenlied und das Volkslied übrig; zweifein liesze sich, ob der Verf. Recht hat, die Anfänge des Drama (S. 206) so gering zu taxie- ren. Das nächste Capitel gibt uns ein Bild von dem Zustande der philologischen Gelehrsamkeit im 12n und 13n Jahrhundert, das reich au interessanten Notizen ist. Bei der hierauf folgenden Betrachtung der Wiederbelebung der classischen Studien werden wir besonders darauf aufmerksam gemacht, wie die Philologie in Deutschland von vornherein eine andere Gestalt als in Italien annahm und auch ein ganz anderes Ziel verfolgte. Denn theils gieng in Hauen, und auch in den Niederlanden anfänglich, diese Regeneration vom moralischen Gesichtspunkte aus, theils ward sie dort in jeder Weise begünstigt und begründete eine aristokratische Standescultur, während sich den deutschen Humanisten lausend Hindernisse cntgegenstelllen, weil sie die Bildung des Volkes im Hinblick auf die höchsten Güter des Le- bens in AngrilT nahmen: daher standen dort Fürston, Geistliche, Vor- nehme der Philologie bei, während dieselben Stände sie in Deutsch- land verfolgten. Konnte nun aber auch die neue Bildung nicht unmit- telbar auf die poetische Cultiir einwirken, so war sie doch von der allergröszten Bedeutung für die Erweiterung des Gedankens und für die Kräftigung des Charakters, sie halte einen geistigen und sill li- ehen Einllusz. Man ringt nach einer freien ^^'issenschaft, nach einer freien Kirche, nach einem freien Valerlande (Reuchlin, Luther, Hüt- ten); mit rastloser Thätigkcit war man bemüht, die alle Litleratur, namentlich die Philosophen und Historiker auch den ungülehrlen zu- gänglich zu machen. In der Poesie zeigte sich, wie wir schon sagten, eine vorwiegende Richtung zur Didaktik ; so wurde denn namentlich die Fabel (Cap. 13) gepllegt, doch wurde das aiilike Element dersel- ben durch den vorhersehend parabolischen Cliaraklor der orientali- schen Fabel (Calila wo Dimua) und durch die einiieiniisclie Tliierdich- tung gehemmt ; doch verlor die letzlere durch den lolirhafltu Zweck: wir treten in das Gebiet der Satire hinüber. Gleichzeitig mit den Fabeln wurde die Beispieldichlung beliebt, welche sich nach vielen Seilen hin

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ausbreitet (Cap. l-t) und aus lateinischen Sammelwerken schöpft; der Verf. unterscheidet hier vier grosze Familien: die geistlichen Anekdoten, die morgenländischen Parabeln, die Anekdoten aus der Geschichte der Griechen und Uoiiier, die launigen Witzspiele oder Schwanke. Das folgende (ije) Capitel wendet sich dem Drama zu: die ersten Anlange desselben sind in ihrer Entwicklungsgeschichte jedem bekannt: aus dem Gottesdienste hervorgehend, zunächst die Kirche selbst zum Schauplatz wählend, nahmen diese ersten Spiele immer mehr wellliche Beisätze hinzu, gaben das Latein auf, gestat- teten dem Volke gröszeren Antheil, bis sie sich in weltlichen Fast- nachtspielen ganz und gar von der Kirche emancipierten. Hier macht nun der Verf. darauf aufmerksam, dasz ein antiker Zweig des Dramas von älterer Zeit her in ununterbrochenem Zusammenhange unabhän- gig vom Volksschauspiel gepflegt worden sei. Dieses Drama der Hu- manisten bildete sich nach Terenz und läszt sich in drei Arten Iheilen, in die Schulslücke, die protestanlischen Kainpfdramen , die harmlosen Behandlungen biblischer Geschichten. Nur wenige Dramen wurden dagegen dem INovellenschatze des Volkes entlehnt, doch müssen diese als die werthvollsten gelten. Kommt nun der Verf. zu der Ansicht, dasz die Uebersetzungen der alten Dramatiker mehr Einflusz auf die Volksbühne hätten haben können, so schlieszt er eine chronologisch geordnete Betrachtung der wichtigsten Uebersetzungen (namentlich des Terenz) bis 1627 an. Das letzte Capitel dieses Abschnittes han- delt von der Volksbühne und zuerst von dem Vertreter desselben Hans Sachs , der als Repraesentant des Bürgerstandes erscheint. In- dem der Verf. den poetischen Gehalt seiner Dichtungen nicht hoch anschlägt, bezeichnet er den sitilichen Inhalt als ihr Haiiptverdienst und weist den Zusammenhang desselben mit der auch in die ßürger- kreise eingedrungenen humanistischen Bildung nach. Wir können hier auf seine zahlreichen Arbeiten nicht eingehen, doch scheint die Be- trachtung derselben den Ausspruch des geehrten Verf., beide Haupt- gattungen des Dramas, das neulateinische stofflich antikisierende und das Volksdrama, seien unabhängig neben einander hergegangen, nicht zu entkräften. "NVenn endlich am Schlusze dieses Abschnittes die oft gehörten Klagen, dasz die Humanisten dem Volksdrama geschadet ha- ben, sowie die andern, dasz sie nicht genug für die Hebung der Volksbühne gethan, noch betrachtet werden, so stimmen wir dem Verf. bei, der beide für ungerecht hält.

Wir treten in die 4e Periode ein (das 17e und die erste Hälfte des 18n Jahrb.), überschrieben: 'Die antike Poesie als Muster für die Form mit der Beschränkung auf das technische. Die stoisch-christ- liche Moral als Kern der Humanitätsbildung. Der frivole Anakreon- tismus.' Hier stehen wir schon in einer allgemeiner bekannten Zeit, die zwar in dichterischer Beziehung verrufen genug, aber in litterar- historischer Hinsicht von nicht geringer Bedeutung ist. Keiner un- serer älteren Poeten mag von den millebenden so überschätzt, von der Nachwelt so unterschätzt worden sein, wie Martin Opitz : selbst Litte-

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ralurliisloriker geben hier nicht genug begründete einseitige Urtheile. Lhn so dankenswerlher ist das bemühen des geehrten Verf. den histo- rischen Zusammenhang genau zu erörtern und darauf liinzaiweisen. Avie es nothwendig war, dasz zunächst wieder ein Verhältnis zur Form und eine Fertigkeit in derselben gefunden wurde. Das ist das Verdienst von Opitz und zum Theil auch das seiner Nachfolger bis Gottsched, und wenn vvir heute auch an ihren Formiibungcn keine Freude mehr haben können, so sollen vvir ihnen doch ihre litterarhi- storische Bedeutung lassen und namentlich nicht vergessen, wie diese sterile Formschule der späteren Blütheperiode der deutschen Dicht- kunst im 18n Jahrhunderle vorangehen musfe. Ch. weist im Ein- gänge zu der Besprechung dieser Periode auf des älteren Scaligers Poetices libri Septem (1651) hin, als die Quelle der technischen Be- strebungen und der zahlreich auftauchenden Dichlungslheorien. Er erörtert dann die Stellung Opitzens, die Aufgabe, die er sich stellte, die Verdienste, die er sich erwarb, und das, worin er zurückblieb, in den folgenden Abschnitten (17 21) in ausführlicher und gründ- licher Weise. Wir begnügen uns mit der Anführung der Inhaltsan- gaben: Opitz sucht die lateinische Poesie der Humanisten durch eine gleichartige deutsche zu ersetzen. Er findet in der Volksdichtung kei- nen Anhalt, doch ermuntern ihn verwandle Bestrebungen in Deutsch- land und in der Fremde [die Entwicklung des lateinischen in den Schulen, und die classischeu Studien in Frankreich]. Die Idee des schönen liegt fern, und er sucht der Poesie ihren Werlh durch die Würde des Inhalts zu sichern. Cap. 18: die neue humanistische Kunstpoesic verbreitet sich vorzüglich in Norddeutschland. Viele er- niedrigen sie zu einer einfachen Fertigkeit. Flemming, Simon Dach, Andreas Gryphius, die von einander und von Opitz sehr verschieden sind, beweisen, dasz die Kunstregcl dem Talente und der Individua- lität keinen Abbruch that. Die Dichter an der Pegnitz durften sogar ein ganz abweichendes Princip aufstellen. Eine Gruppe der Ana- kreontiker steht zwischen ihnen und den Schlesiern in der Mitte [Chr. Homburg, Zach. Lundt, Jak. Schvvieger, G. Greflinger , G. Neu- mark, Dav. Schirmer]. Cap. 19: Man versuchte im Anschlusz an das antike die Gattungen der Poesie und die Versarten abzusondern und genauer zu bestimmen. Das eigentliche Epos wird nun vorbereitet. Alle Nationen huldigen der Schäferdichtung. Die Poeten an der Peg- nitz geben ihr durch Verschmelzung griechischer und biblischer Vor-' Stellungen einen mystischen Cliarakter. Das Epos wird auch durch Hymnen angekündigt. Der Gebrauch der griechischen Mythologie musz durch moralische, pragmatische und mystische Deutungen ge- rechtfertigt werden. Personiiicationen und deutsche Götternamen. Cap. 20: die Lyrik der Alten hat noch wenig KintUisz, doch wird der Anakreontismus aufgenommen. Einzelne Enlleliiumgon und Ueber- Bctzungcn. Prosodie und feste Metra. Naciibildum;- des Hexameters, der jedoch neben dem Alexandriner nicht aulkomml, und einiger ho- razisclier Strophen. Das Lehrgedicht, welclies sich auf die luunani-

Cholevius: Geschichte der deutschen Poesie. Ir Bd. 313

slische Bildung stützt, erhält durch Opitz hohen Werlh. Inhalt seiner Troslgedichlc. Das Epigranuu und die Satire. Cap. 21 : A. Gry- phiiis, dem die Volkshüline nicht fremd war, dichtet Tragoedien nach antiken Vorbildern. Ihre Jlitng-el sind weniger der Kunstregel als persönlichen Eigenlhümlichkeilen zuzuschreiben. Verwechselung der tragischen Erhabculieii mit der epischen, üie Einseiligkeit der Cha- raktere. Die Armulh der Handlung. Der undramutische Dialog. Aelin- lichkeil mit dem anliken Drama in einzelnen Dingen. Hoirmannswal- dau enllernt sich mit der zweiten schlesischen Schule von Opitz und den Allen. Der frivole Anakreonlismus. Die Herolden. Lohenslein. Sein Hymnus auf Venus. Seine Tragoedien. Der historische Roman. Antikes in der Prosa (Schuppius)'. Dasz gerade in diesem Ab- schnitte manche von den Ansichten des Verf. abweichen werden, ist wol selbstverständlich: doch wird wol auch bei den principiell ver- schiedenen die gründliche Erörterung, welche Ch. diesen in der Hegel mehr verurtheilten als gekannten Zeiten zu Theil werden läszt, manche Milderung der Auffassung herbeifahrcn.

AVir kommen zu der ön Periode (seit 1740), welche der Verf. folgendermaszen charakterisiert: ^Vollendetere Dichtungen im anli- ken Stil. Theoretische Forschungen bis zur Entdeckung des kunst- schönen. Der Paganismus und die sokralische Moral' (Cap. 22 32. S. 402—632)- Zunäciist treten die Hof- und Gelegenheitsdichter des I8n Jahrhunderts, Canilz, Neukirch usw. auf, welche vermöge ihrer Beziehung zum antiken, allerdings nur im formellsten Sinne, als Vor- läufer Gottscheds erscheii.en: ihre poetischen Produclionen sind meist vvcrlhlos, wie denn nur ein Dichter aus diesem ersten Driltheil des 18n Jahrh. eine wirklich dichterische Bedeutung hat, Chr. Günther (1695 1723). Hierauf folgen Gottsched und die Schweizer Bodmer und Breitinger, welche in der Opposition gegen die Ausartung der zweiten Schles. Schule und in der Verehrung von Opitz zusammen- trafen, in ihren Ansichten über Poösie aber wesentlich auseinander giengen. Auch in der Würdigung dieser Zeit und Persönlichkeiten weichen unsere Litterarhistoriker vielfach von einander ab: der Verf. sucht mit Gervinus den hauptsächlichsten Gegensatz zwischen Gott- sched und den Schweizern in ihrer verschiedenen Ansicht von der Berechtigung der Phantasie. Er erkennt den Forlschritt, der in der Auffassung der Schweizer, namentlich Breitingers, liegt, an, über- schätzt denselben jedoch auch nicht, wie er denn in der That nicht viel über Opitz hinausgieng. Die Regeneration der Poesie begann nun merkwürdiger Weise mit dem Epos, und es war Homer, auf den, besonders in Beziehung auf seine Gleichnisse, sich die Aufmerksam- keit richlele. Breilinger trat in seiner Abhandlung von der Natur, von den Absichten und von dem Gebrauche der Gleichnisse (l740) an das später von Lessing im Laokoon aufgestellte Princip heran. Man regenerierte das Epos namentlich nach der descriptiven Seile und kam so auf das malerische (H. Brockes und in einer gröszeren V^'eise AI- brech! von llaller), und gelangle, da es an der eigenilichen schöpfe-

314 Cholevius: Geschichte der deutschen Poesie. Ir Bd.

rischen Kraft noch fehlte, auf die Fabel zurück, von der man eigent- lich erst zum Epos in weiterem Sinne gekommen war. Erst durch F. G. Klopstock gelangte die Dichtung wieder zu einem echten poeti- schen Gehalte; mit ilim beginnt die neue Zeit der Aernte nach mühsa- mer Zeit der Saat und nach langsamem emporwachsen. Eine beredte Schilderung seiner Verdienste gibt V^ilmar (II 121 fg. 3e Ausg.): auch unser Verf., der mit Recht hier einen ersten Versuch einer Verbin- dung des christlich -germanischen (romanlischcn) mit dem antiken erblickt, vertbeidigt den Dichter gegen die auf seinen Patriotismus und sein Cbristentluim gemachten Angrilfe. Mehr Hücksicht indes nimmt er, im Sinne seiner Aufgabe, auf die genaue Erörterung des Verhältnisses hlopslocks und seiner Dichtung zur Antike, und ent- wickelt ausführlich die Verschiedenheit des biblischen und des home- rischen Epos, was Gelegenheit zu einer genaueren Betrachtung der Noachide ßodmers gibt. Wahrend nun viele jüngere Dichter Bodmer und Klopstock im biblischen Epos nachzufolgen versuchten, legten sich die Gotlschedianer auf wellliche Gedichte, und namentlich auch auf Ueberselzungen epischer Gedichte des Altertbums, freilich zu- gleich gegen die Form des Hexameters eifernd. Auch das komische Epos erneuerte sich durch Zachariae. Hieran schlieszt der Verf. noch eine Betrachtung der Idylle, als verwandter Dichtungsgattung, Ges- ner mit Theokrit vergleichend und jenen vor unbilligen, gebräuchlich gewordenen Urlheilen schützend. Die nächsten Abschnitte entwickeln, wie auch im Gebiete der Lyrik das antike zur Herschaft gelangle, wie man sich an Iloraz und Anakreon anschlosz , wie sich eine eigen- thümliche lebensfrohe sorgenlose lyrische Stimmung entwickelte, und diese wiederum nicht ohne ernstere Gegensätze blieb, allmähliche Leuterungen statt fanden und von mechanischer Nachbildung zu freier Heproduction fortgeschritten ward. Indes niüchle es gerade bei die- sem schwierigen Abschnitte in unserer deutschen Lilleralurgeschichle, der Geschichte der Lyrik im ersten Theile des vorigen Jahrhunderts, nicht möglich sein, unserem Werke ins einzelne zu folgen: auch die- ser-Theil ist sauber und sorgfältig gearbeitet und reich an instructi- ven Beispielen: es ist auch dies ein Vorzug des Werkes von Ch., dasz es uns in unmittelbare Beziehung zu den Dichtungen durch Ueichthum an Beispielen setzt. ^^ ir kommen zur dritten Haiipigattung der Dichtung, zum Drama; hier tritt Gottsched von neuem, und zwar mit besonderer Bedeutung hervor. Das Drama im Anfange des 18n Jahrhunderts war in einem jämmerlichen Zustande, indem nicht blosz die Dichtung verfallen, sondern auch in der Oper ein Element aufge- treten war, welches zwar nicht ohne Beziehung zur Antike in Bezug auf die Form und auf mythologischen Inhalt stand, aber bis auf den heutigen Tag nur zum weitern Verfalle der dramatischen Dichtung bei- getragen hat. Gottsched, der sowol der damaligen Oper, wie dem Volksstückc feind war, unternahm die Einführung des französischen Schauspiels, das ihm für eine Modiliealion des antiken galt, indem er zugleich den Hanswurst durch Frau Ncuber feierlich zu Grabe

Chüleviiis: Geschichte der deutschen Poesie. Ir Bd. 315

tragen liesz. Sowol die Beseitigung- dieser komischen, jedenfalls da- mals entarteten Figur, wie der Anschlusz an die französische Dich- tung ist oftmals auf das heftigste getadelt worden. So verwerflich aber auch beides in gewissem Sinne sein mag, so sehr auch Lessing zur Gegnerschaft berechtigt war, so müssen wir doch wol dem Verf. darin Recht geben, dasz diese Angriffe sich mehr und mehr überboten haben. Es ist das überhaupt ein auch jetzt nocli nicht aus den Lil- teraturgeschichten im groszen und kleinen verschwundener Mangel, dasz man das Urtheil auszerhall) der historischen Betrachtung hin- stellt, oder doch diese durch von vornherein eingenommene Stand- punkte trübt. Als ein Beispiel solcher einseitigen, ja geradezu leiden- schaftlichen Behandlung der Litteraturgeschichte sei es erlaubt das neueste Werk des berühmten Dichters J. v. Eichendorlf (Zur Ge- schichte des Drama. Leipzig, Brockhaus J854) anzuführen. Ch. schlägt Gottsched gegenüber den milderen und jedenfalls dem Histori- ker angemessenen Weg ein, indem er neben gerechtem Tadel eine Anerkennung des Verdienstes zu stellen weisz. Wie aber im Epos und in der Lyrik alles vor Klopstock geleistete durch diesen überboten und in Vergessenheit gebracht ward, so trat im Drama Gotlhold Ephraim Lessing mit siegreicher Kritik und antikem Sinne den Gotlschedianern entgegen; über diesen handeln das 30 u. 31 Cap. unsers Werkes in eingehender und entsprechender Weise. Das letzte Capitel des ersten Bandes endlich führt als den dritten Träger der poetischen Erhebung Wieland ein, den unserer Zeit bereits ganz und gar enlfrenideleu, den Mischling aus Griechen- und Franzosenlhum , der das Wolgefallen an dem schönen, und zwar eine Zeit lang vorzugsweise an dem sinnlich schönen, zum Grundsatze seiner Dichtung machte, und dessen Haupt- verdienst wol darin liegt, dasz er unser erster gesellschaftlicher Schrift- steller war und die Sprachgewandtheit nicht unbeträchtlich förderte. Wir stehen mit ihm am Ausgange des ersten Bandes. Wer unserer kurzen Wanderung durch denselben folgte, wird die Ueberzeugung gewonnen haben, dasz Ch. seine Aufgabe mit Umsicht, Kenntnis, Sorgfalt und Gründlichkeit ergrilfen bat. Es ist ein werthvoUes Ge- schenk, das v>ir ihm verdanken: theils werthvoU dadurch, dasz er diese bisher noch nicht genug hervorgehobene Beziehung unsrer deut- schen Litteratur in so gründlicher, gelehrter Weise zum Gegenstande seiner Arbeit gemncht hat, theils schon darum werthvoU, dasz er es überhaupt, dasz er es in dieser Zeit gethan hat, welche sich in der ungerechlen Vernachlässigung des Humanismus so gefällt. Mag darum, wie es bei einem solchen Werke nicht anders sein kann, die Einzelforschung hie und da etwas aussetzen und nachbessern, wo wir uns bis zu einer Kritik der einzelnen Resultate nicht erbeben konnten und mochten, gewis werden alle Humanisten dem Vf. Dank wissen für die energische Unterstützung, die sein Werk dem Principe zu Theil werden läszt, und sie werden dem ganzen, in Plan und Ausführung, ihr Lob nicht versagen können. Denn kein Weg scheint uns geeigne- ter, um dem Altcrthum in unsrer Litteratur und in unserm Büdungsbe-

31Ö Wagner: Lehren der Weisheit und Tugend.

wustseiu die gebührende Anerkennung zu erhalten und wiederzuver- schaffen, als der historische Weg: möchte derselbe auch auf andern Gebieten, und mit nicht minderem Erfolge eingeschlagen wer- den! Möchte recht vielseitige Anerkennung und Unterstützung endlich den Vf. in den Stand setzen, mit dem zweiten Bande hervorzutreten, von dem wir uns noch gröszere Wirkung versprechen.

Dresden. F. Paldamus.

21.

Lehren der Weisheit und Tugend in auserlesenen Fabeln^ Er- mldungen^ Liedern und Sprächen usio. llerausg. von Dr. Karl Wagner. 22eAusg. Lpz. 18.i5. E. Fleischer. 24J^B. 8.

Es ist Ref. ein süszes Gefühl, sich veranlaszt zu sehen, Wagners Lehren usw. zur Anzeige zu bringen; denn er gedenkt dabei der Zeil, da dieselben seine eigene Jugend erquickten, erfrischten und stärkten, als der liebenden Mutter weise Auswahl das treffliche Buch unter die Weihnachlsgaben gelegt halte und sein Gefühl steigert sich zur Em- pfindung dankbarer Pietät. Das Buch ist mit dem Ref. nach dem Tiro- cinium der .Jugend auch zur Kraft des Mannes erstarkt und es hat mit-- und angenommen, was die Zeit zu dieser Reife zum vollkommenen Manncsalter ihm bot. Aber es ist dabei treu geblieben dem erhabenen Ziele, zu dem der erste Bildner es bestimmte, hat von dem nichtssa- genden Klingklang einer leeren Muse nichts an- und aufgenommen, aber die Bekanntschaft des besten und kräftigenden, wahrhaft bilden- den und fördernden gesucht und gefunden und ist so ein rechter Segens- quell geworden, für den die Bezeichnung "^Lehren der Weisheit und Tugend' nicht ein verlockender Aushängschild ist. Es hat aber auch bei diesem rastlosen streben nach Vervollkommnung die groszo Schaar seiner Brüder weit überlebt und zählt zu den seltenen Erschei- nungen, dasz es jet/,t in r e cht m ä s z iger Ausgabe zum 22n Mal auf- gelegt wurde, ein lestimonium für ein derartiges Buch, bei so unge- messner Concurrenz , das zu den vollgültigsten und ehrenvollsten ge- hört. Der liebend der Pflege des Buches sich angenommen hat, der hat aber auch sein IrelTliches Geschick, für die deutsche Jugend das beste und rührendste aufzulinden, durch die umsichtigste Auswahl be- währt und indem er den gelungensten Erzeugnissen der Neuzeil Stelle und Aufnahme gewäiiite, ist er doch nicht in den Fehler so vieler verfal- len, die über dem haschen nach dem neuen das IrelTliclie alle vornehm ignorierten, wodurch Gefahr drohte, dasz unsere deutsche Jugend von einem Chamisso, Rückert u. a. wol zu sagen weisz und einen Geliert. Gleim, Hölly usw. kaum dem Namen nach kennt. MJei der Auswahl unserer Saatfrüchlc waren Gesundheit, Schönheit und Leben erzeugende Kratt derselben entscheidend, für Ko|)f und Herz sollte glcichmäszig ge- sorgt, dem jugendlichen \N esen gemäsz aber mehr durch Bei.spiole als Lehren gewirkt werden.' So Icr llcrausiicbcr in der Vorrede. Und dies

Auszüge aus Zeitschriften. 317

ist so preiswürdig gesagt, und darf so auf die allgeineiiio Zusliiiunung aller richtig denkenden .lugondfrcunde rechnen, dasz der licf.nichts wei- ter hinzuzusetzen hraucht, als dasz der mit dem Geiste des AUerlhums •wohlverlraule und durch dasselbe hochgebildete Herausgeber diesem Programme bei jedem einzelnen Stücke vollkommen treu geblieben ist.

Und so empliehlt er das Buch, das äuszerlich bestens ausgestaltet seinen neuen Lauf beginnt, mit dem stolzen Gefühl, mit dem ein Freund den bewährten allen Freund nach einem fremden Orte hin einen Em- pfehlungsbrief milgibl, im voraus gewis, dasz er bei dem Empfanger Dank sich verdient, ihm zu der Bekanntschaft verholfen zu haben.

Anspach. Prof. Hojj'mann.

Auszüge aus Zeitschriften.

Gelehrte Anzeigen der k. Akademie zu München, Oclober bis De- cember lj<54.

a) Philologisch -philoso'pliische Classe Nr. 12 IG. Vindiciae Pli- nianae. Str. C. L. Urlichs. Fase. I. 1853. Ausführliche Recension von Ludwig von Jan, weither der Schrift für die Kritik und Erklä- rung des Pliiiius eine grosze Bedeutung beimiszt, aber auch an einer beträchtlichen Zahl von Stellen sich mit den Resultaten des Vf. nicht einverstanden erklärt. Nr. 18 23. I) Ausgewählte Komödien des Aristophanes erkl. von Theodor Kock Ir u. *2r Bd. 1832— o. 2) Ari~ .stophanis couioediae ed. Theod. Bergk. 2 Voll. 1852, angezeigt von L. Kays er. Der Rec. spricht zuerst seine Verwunderung aus, dasz auch Komoedien des Aristophanes in der Haupt-Sauppeschen Sammlung von Schulschriftstellern erscheinen, da die wunderbaren Schöpfungen des Dichters über die Fassungskraft des Schülers weit hinausgehen, während sein Cynismus entweder auf die Sittlichkeit der Jugend nach- theilig wirke oder zu einer falschen Beurtheilung seiner Poesie ver- leite. So sei denn auch die Accommodation für die Schulzwecke auf die Fassung der Noten von Eintiusz gewesen, indem die stärksten Obsce- nitäten umgedeutet, die versteckten Anspielungen mit Stillschweigen übergangen seien. Abgesehen davon vermiszt der Rec. in der Bear- beitung von Nr. 1 ein tiefer gehendes Studium, '"um sowol die jetzt zu hastig verfahrende Kritik als die oft zu -wortreiche Exegese auf das rechte Masz zurückzuführen." In der einzelnen Bespre;hung der Ausg. der Ritter findet Ref., dasz dem Hg. in der Exegese viele komische Beziehungen in Situationen und Redeformen entgangen oder von ihm falsch gedeutet worden seien. Der gröszte Fieisz sei auf die sachliche Exegese verwendet, diese aber etwas zu ausführlich ausgefallen. Die Kritik sei sehr häufig, aber kaum irgendwo mit Glück an den Rittern ausgeübt worden. In Betreff der Wolken bekämpft der Ref. ausführ- lich die auch von Kock angenommene Meinung, dasz in der erhaltenen Komoedie eine Mischung der ersten und zweiten Bearbeitung des Dich- ters vorliege, und geht sodann eine Reihe einzelner Stellen durch, in denen ihm die Behandlung des Hg, misliingen scheint. Die Ausg. von Bergk, über die sich der Ref. im ganzen sehr anerkennend ausspricht, zieht er nur in den von Kock herausgegebenen Komoedien in Betracht und spricht den Wunsch aus, dasz der Hg. sein in der praef. p. IV ausgesprochenes Versprechen 'auf den Dicliter secundis curis zurückzu- kommen' recht bald ausführen raöce. Die Freunde des Diciitcrs machen

318 Auszüge aus Zeilschriften.

wir auf die zahlreichen Eraendatiansversuche, die in die Recension ein- gestreut sind, besonders aufmerksam. Nr. 27. 28. Beiträge zur Be- urtheilung des Thukydides von Bonitz. Wien 1854. Sehr anerken- nende Recension von G. M. Thomas, der nur in ganz wenig Stellen den Resultaten des VC. nicht völlig beipHichtet. - Nr. 29—31. Vale- rii Maximl factoriim et dictorum libri Villi cum incerti auctoris frag- mento de praenoniinibus. Rec. Car. Kempfius. Berol. 1834 beur- theilt von K. Halm. Zunächst berichtet der Rec. von dem reichen Inhalt der Prolegomena, in Betreff deren er den Resultaten der Unter- suchungen in den wesentlichsten Punkten beistimmt. Vermiszt wird in dem Capitel über die Hss. eine eingehende Untersuchung über die oft sehr stark abweichenden Lesarten der Epitome der Paris., die den Vf. wol dahin gebracht hätte, fiieser Quelle ein noch gröszeres Ge- wicht in der P^eststelliing des Textes einzuräumen. Als Mangel des kritischen Apparates wird bezeichnet, dasz Hr. K. nicht alle Varian- ten der Paris, mitgetheill hat, die in einer kritischen Ausgabe unter dem Text einen vollständigen Abdruck verdient hätten. Die V^erdienste des Hg. um Verbesserung des Schriftstellers werden anerkannt; sie würden aber nach der Ansicht des Rec. noch gröszer erscheinen, wenn sich nicht manchmal eine gewisse Unsicherheit des Urtheiles kund gäbe, der es beizumessen sei, dasz der Hg. an solchen Stellen, wo die Entscheidung über die Haltbarkeit einer überlieferten Lesart von einem sicheren Takte und feineren Sprachgefühle abhänge, nicht selten fehl- greife. So sei es gekommen, dasz der Text durch nicht wenige längst beseitigte Fehler wieder verunstaltet erscheine. Au< h die Berichtigung der Interpunction und die Correctur des Buches hätte eine gröszere Sorgfalt verdient.

Januar bis März 18 J5. Bullctiji der Akademie. Nr. 1-4. Rede zur Feier des Geburts- festes des Königs am 28. Nov. 1854 von Friedrich v. Thierse h mit einer kurzen Erinnerung an die im J. 1834 verstorbenen Mitglie- der der Akademie. Nr. 5 7. Sitzung der philosophisch- philologi- schen Classe am II. Nov. 18J4. a) Vortrag von Thiersch über Ver- bindung von Kunst und Handw( rk im Alterthum und über sehr zweck- mäszige, jetzt unbekannte Einrichtungen mehrerer für den gewöhn- lichen Gebrauch bestimmter Geräthe (Nicht mitgetheilt ). b) trug Prof. Hof mann vor: Kritische und erklärende Bemerkungen 1) über zwei altromanische Denkmäler des X. Jahrhunderts, die Champollion Fi'^eac zuerst 1H48 in den Documents histori(jues inedits aus der Stadt- bibliothek von Clermont-Ferrand herausgegeben und Fr. Diez in be- sonderer Ausgabe Bonn I8j2 bearbeitet hat. 2) über das Hildebrands- lied, besonders über die in demselben vorzunehmenden Umstellungen. Nr. 9. In der Sitzung vom 2. Dec. IHJ-i trug vor a) Prof. Haneberg über Coinposition und Echtheit des Buches Zohar. h) von Thiersch berichtete über den gegen\%ärligen Stand der Untersuchungen über das Erechtheum (Nicht mitgetheilt), Nr. I4— lö. Sitzung von\ 16. Jan. 1855. a) Rector Halm trug vor eine kritische Abhandiiing über Cice- ros Rede pro Rabirio Postiiuio (die nicht mitgetheilte Abhandlung wird in den Denkschriften der Akademie erscheinen), b) Prof. Hof mann sprach über des verst. Schmeller amtliche Thäligkeit auf der k. Staat.sblibiothek. Der vollstämlig mitgetheilte Vortrag weist einerseits das hämische Urtheil Böhmers über die Katalogisierung der Manu- scripte (••<. Wittelsbachische Regesten S. XI) als platte Verleumdung zurück, andrerseits gibt er genaue Auskunft über die zum gröszten Theil durch Schmellers Thätigkelt geschaffenen Kataloge und Re|)erto- rien der an 27001) NumnuMn umfassenden Handschriftensammlung der Bibliotliek mit einem voli.st.'indigen N'crzeiclinis ihrer Fumlorte.

Auszüge aus Zeilschrifleii. 319

Gelehrte Anzeigen, n^ Philosophisch-philologische Clasae. Nr. 1 3. Cornelius Tacitus. Kiklärt von Dr. Karl Nipperdey. Ir u. 2r Bd. Leipz. JHJl. 52, angezeigt von Kduard Wurm. Aus der Kinleitung bestreitet der Rec. die Au.siclit des Hg., Tacitus sei bei Abfassung des Agricola mit dem Plane umgegangen, die Geschichte der Regierung Dumitians und der Aniiinge Nervas und Trajans zu verfassen; sodann geht er eine grosze Anzahl der von N. im Text vorgenommenen Neue- rungen durch und spricht sich am Schlusze über die kritischen Leistun- gen der neuen Bearbeitung dahin aus, dasz diese an und für sich nicht unbeträchtlich seien und vieles v>ahrhaft verdienstvolle und für den Autor erspriesziiche enthielten, dasz aber neben dem vielen guten und brauchbaren sich eine fast gleich grosze IMasse unbrauchbares und ver- fehltes finde. Ueber den exegetischen Theil der Ausg. bemerkt der Rec: 'Die Exegese enthält vieles werthvolle zur Belehrung über Per- sonen und Sachen, über Sprache und Gedankenverknüpfung, manches überraschend neue in der Auffassung der Worte des Autors, sowie in dem Verständnis der von ihm geschilderten Ereignisse und Thatsachen, daneben aber auch nicht selten verkehrtes und unhaltbares, sei es in der Bekämpfung der Ansichten anderer oder in der Aufstellung eigner Deutungsversuche.' Nr. 3 5. Aristoteles über die Sklavenfrage. An- tagonismen gegen alte und neue Ausleger von Dr. S. L. St ein heim. Hamburg 18ö3. Der Rec. Dr. Ludwig Schiller bezeichnet den Ver- such des Vf., den Aristoteles gegen die klarsten Zeugnisse in seinen eigenen Schriften zu einem Abolitic nisten zu stempeln, als einen ganz verkehrten, der nur bei den höchst mangelhaften Sprachkenntnissen des Vf. möglich gewesen sei, wie er durch eine eingehende Analyse der von St. übersetzten und erleuterten ersten Capitel der Politik erweist. Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde aus Pom- peji, Herculanum und Stabiae von W. Zahn. Dritte Folge, Heft 1—6. Berlin I8i9 54. Referat von Pr. (Preller?), der an der neuen Folge rühmend den groszen technischen F'ortschritt der im lithographischen Farbendruck gegebenen Blätter hervorhebt, während das Werk in wis- senschaftlicher Beziehung dadurch ungemein gewonnen habe, dasz die Erklärung der Denkmäler der kundigen Hand des Prof. O. Jahn an- vertraut worden sei. Nr. 6 u. 7. Der Fund von Lengerich im König- reiche Hannover. Gold.-chmuck und römische Münzen. Beschrieben von Fried r. Hahn. Hannover 1854. Bericht von Fi-. Creuzer über den auch in histor. Beziehung höchst interessanten Fund, durch dessen Be- schreibung der Vf. ein rühmliches Zeugnis von seinen historisch-antiqua- rischen Kenntnissen und seiner feinen Combination.'galie abgelegt habe. h) Historische Classe. Römische Geschichte von Theodor Mo mm sen. Erster Band. Leijjz. 1854. Charakteristik des Werkes von G. M. Thomas. Der Ref., der die ungemeine Bedeutsamkeit des Werkes nach allen Seiten rühmendst hervorhebt, setzt dessen Hauptvorzug in die meisterhafte Bewältigung eines durch Alter dunkeln, durch wissent- liche und unwissentliche Irthümer manigfach entstellten und an sich sehr schwierigen Stoffes. Insbesondere wird von den Abschnitten über die innere Geschichte hervorgehoben, dasz sie durch lichtvolle Darstel- lung, Fülle des neuen und lehrreichen, Schärfe des Urtheils und Kraft der Zusammenfassung zu dem besten, was über solche Verhältnisse noch geschrieben sei, gehörten. Ueber die P'orm der Darstellung be- merkt der Ref.: 'Die Darstellung ist voll Leben und Frische; der Satz- bau meist klar und durchsichtig, die Sprache körnigt, scharf und tref- fend. Einzelne Ausdrücke, aus dem Umlauf der Gegenwart und der Anschauung der nächsten Verhältnisse entlehnt, wird eine strengere Censur misbilligen oder als leidenschaftlich tadeln. Dafür bietet sein Buch wahre Muster des Stils, unter andern auch in der Charakteristik

320 Auszüge aus Zeitschriften.

der Personen. Aelinliclie plastbche Kunstwerke, wie Niebuhr vom Man- lius Capitolinus, gibt INloininsen in der Parallele vom Pyrrhos von Epi- ros und Alexander von Makedonien, vom Hannibal, P. Stipio Africa- nus usw.' Nr. 6 8. Die Echtheit des Auszuges und der Kosmo- geographie des Aithikos geprüft von Heinr. Wuttke. Leipz. 1854, lienrtheilt von Friedr. Kunstmaun. Die gegen den Receusenten (s. Jahrb. Bd. LXX S. 34"2) und gegen den Beurtheiler in den Heidelb. Jahrb., Prof. Roth, gerichtete Schrift wird in eingehender Beleuch- tung der Gegengründe als ein völlig verunglückter Versuch bezeichnet, die Echtheit eines Buches zu erweisen, das sich nach seinem ganzen Gehalt als ein buntes Gemengsel fabelhafter Berichte oder, wie Roth will, als ein historisch geographischer Roman darstelle. iVr. 16 19. 1) Die deutschordenschronik des Nicolaus von Jeroschin. Ein beitrag zur geschichte der mitteldeutschen spräche und litteratur von Dr. Frz. Pfeiffer. Stuttg. 1834. '2) Sebastian ßrants narrenscIiitF, herausg. von Friedr. Zarncke. Leipz. 18.J4, ausführliche Beurtheilung von Rudolf von Raumer. Als ein sehr dankenswerthes Unternehmen wird die Ausg. Nr. 2 bezeichnet, in welcher das ganze kritische, histo- rische und sprachliche Alaterial in einer Reichhaltigkeit zusammenge- stellt sei, die kaum etwas zu wünschen übrig lasse und in ihrer Art allen Herausgebern älterer deutscher Werke dringend zu empfehlen sei. Den werthvüUsten Theil der Arbeit biete der ausführliche sprachliche und sachliche Commentar, zu dem der Rec. einige Nachträge und Be- richtigungen mittheilt. Auch Nr. 1 wird als ein sehr interessanter sprachlicher Beitrag und als eine vorzügliche wissenschaitliclie Leistung erkannt; mit der Ansicht des Hg. jedoch eine besondere 'mitteldeutsche' Mundart aufzustellen ist der Rec. nicht einverstanden, und bestreitet auch seine Bestimmungen über den Begriff von 'hochdeutsi h", wobei er ausführlich seine eigenen neuen Ansichten über Entstehung einer allge- meinen Reichssprache auf der Scheide des Ijn und 16n Jahrhunderts entwickelt. Nr. 19 '26. Leonis Grammatici chronograj)liia. Ex re- coguitione Imm. üekkeri. Accedit Eustathii de ca{)ta Thessalonica liber. Bonnae 18J"2, ausführlich beurtheilt von J. L. Fr. Tafel. Der Rec, der überhaupt vielen Thcilen der bonner .Sanunlung keinen höhern Werth beilegt als den einer lobenswerthen Druckcorrectur, s[)richt sich mit dem schärfsten Tadel über die Bearbeitung des Leo Grammaticus aus, die darnach angethansei, den Ruf deutscher Philologie in iMiscre- dit zu bringen. Von diesem nicht unwichtigen Chronographen hatte den zweiten kleineren Theil zuerst Combeiis löJä herausgegeben, den ersten Theil aber erst Cramer in seinen Anecdota Graeca II p. 243- 249 veröffentlicht. Der Ref. weist nun nach 1) dasz die zwei von Combefis und Cramer edierten Stücke wiiklich einem und demselben S<hrift- werke angehören, indem der miinchner uugedruckte Tlieodosius Meliti- nus mit dem bonner Leo Grammaticus wesentlich eine und dieselbe Person sei, mit dem Unterschied jedoch, dasz der fehlende umfangreiche Anfang des Leo Grammaticus im miinchner Codex des Theodosius sich findet ; 2) dasz sowol dem englischen als deutsi hen Hg. der von Ignaz Hardt 1792 edierte und von \j. Dindorf in der Ausgabe des lo. iNlala- las wol gekannte sogen. Julius Pollux, in welchem Cramer den fehlen- den Anfang eines Leo Grammaticus und das folgende bis S. 53 ed. Bonn, hätte finden können, ebenso nnl)ekannt geblieben sei als die von Hardt ]8(I8 heraiisg. Icclioiics variatitcs Leonis Grammatici er codd. iMojKic. T/uodosii Mcliliin et (ilvor<;ii Ilamniloli etc., aus wel- chen iMittein sich (-in vi«'l ricbtigerer und Vdllsiiiiuligerer Leo Griiiuiiia- ticus hät((! geben liissen. Abgeselien davon spricht der Rec. auch dar- über seinen scharfen Tadel aus, dasz der 11g. es unterlassen hat, di'' Parel- lelschriftsteller zur Verbesserung seines Schriftstellers heizuziehu. Wie-

ßcriclile über gelclirle Anstalleii, Verordnungen, stallst. Notizen. 321

viel nun einem künftigen Hg. noch zu tluin übrig gelassen sei, zeigt der Rec. an einer gröszeren Probe zu S. 207 225 der bonner Ausg.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Breslau.] Der index lectionuin für das Sommersemester 1855 ent- hält: P r. Haasii disputatio de ttibus Tibulli locis transpositione emcndandis.

Jk.n.v.] Zum Antritt seiner ordentliciien Professur hat Dr. C. Nip - pcrdt^y eingeladen durch eine Dissertation: cmendutiones Historiarum Taciti (15 S. 4).

Kii I..] Dem index lectionnm für das Sommersemester ist voraus- ausgestelit G. Curtii de nomine Homeri cornmentatio (VIII S. 4).

Nassau ] Im vergangenen Jahre sind in F^lge eines Ministerial- erlasses vom 19. INlärz 185-4 folgende Veränderungen an den höheren Lehranstalten des Landes eingeführt worden: 1) die Zahl der wöchent- lichen Lehrstunden ist für den Director auf 14, für die Lehrer der obern Klassen auf 20, für die der untern Klassen auf 24 (mit Aus- schiusz der Religlons-, Neben- und Elementarlehrer) festgesetzt wor- den, 2) Der Lehrplan von 1846, welcher folgende Gestalt hatte:

VllI VII VI V IV III II I (2j. K.) Religion 22222222

Deutsch 64323444

Latein 6 8 8 8 10 10 10 8

Griechisch 66665

Französisch 43332 2

Geographie 3 2 2 2

Arithmetik 4322222

Geometrie 33232 2

Naturwissensch. 2 2 2 2 2 Hodegetik __ 2 (im letzt. Sem.)

Zeiciinen 2 2 2

Schreiben 3 2 2 -

Gesang 2 2 1 1 1 1

Sa. 32 32 33 33 33 33 30 25 (27)

Hebraeisch 2 2

Englisch _____ 2 2 2

hat folgende Abänderungen erfahren:

Vllf VII VI V IV III II I

Religion 22 2 22222

Deutsch 4 3 2 2 2 2 2 3

Latein 9 9 9 9 10 10 10 8

Griechisch 56666

Französisch 433332

Geschichte 2222333 3

Geographie 3 3 3 2

Arithmetik 3 3 2 2 2 2 2 ) .-,

Geometrie 22 2 222|

Naturwissensch. 2 2 222222

Hodegetik 1

Zeich neu 2222

Schreiben 3 2 2

Gesang 2 2 1 1 1 1 - Sa. 32 32 33 34 33 33 32 29

322 Bericlile über gclchrle AiisaUlcn, Yerordiiungcn, Statist. Notizen.

Hebraelscli 2 2

Engliscti ______ 2 2 2

3) Rüci(.sichtlich der einzelnen Lelirfäclier sind folgende Anordnungen getroffen worden: a) im deutschen fallt der Unterricht zur grammati- schen Erlernung der alt- und mittelhochdeutschen Sprache weg; die Litteratuigeschichte ist nur übersichtlich in ihrem Entwicklungsgänge darzustellen, die Leetüre der Klassiker mehr zu beschränken und dem gröszeren Theile nach einem geregelten Privatstudium zu überlassen, dagegen auf gewissenhafte Correctur der deutschen Arbeiten strenger zu halten und zur Bildung des deutschen Stils die schriftlichen Ueber- setzungen aus den alten Klassikern zur früheren Bedeutung wieder zu bringen, b) die vermehrte Stundenzahl im lateinischen läszt eine sichere Erreichung des Ziels, namentlich der öfter vermiszten gramma- tischen Kenntnis erwarten, c) der um eine Stunde vermehrte Unter- richt im französischen soll ni( ht sqwoi die formelle Geistesbildung ins Auge fassen, als vielmehr in praktischer Richtung den Schüler zum Verständnis nicht allzuschwerer Prosaiker und Dichter und zu einiger Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Gebrauche der Sprache führen, d) der biographische Cursus in der Geschichte wird auf die beiden untern Klassen eingeschränkt, der mittlere Lehrcursus auf die 4 folgenden ausgedehnt, e) die vermehrte Stundenzahl in der Geo- graphie läszt sicheren Erfolg erwarten, zumal wenn in den obera Klassen bei der Geschichte auf sorgfältige Repetition dieses Fachs Rück- sicht genommen wird, f) die Wiederausdehnung der IVIathematik auf die oberste Klasse war zur sicheren Erreichung des Ziels nothwendig. g) der fortan in allen Klassen zu ertheilende naturwissenschaftliche Unterricht umfaszt in 10 Sem. Naturgeschichte, in 8 Naturwissenschaft und zwar in jenen Zoologie und Botanik, welche al^wechselnd semester- vseise gelehrt werden können, in den letztern Physik, anorganische Chemie, bei der auf Bekannt.schaft mit einer Anzahl Älineralien Bedacht zu nehmen ist, und Mechanik, h) für alle Schüler aus Klasse V I, welche eine schlechte Hand-schrift haben, werden 2 weitere auszerhalb des Raumes der Schul.-tuiiden fallende Stunden angesetzt und hal)en die Klassenlehi'er die betreuenden Schüler zur Benützung dieser Stun- den anzuweisen, i) bei der Wichtigkeit des Privatstudiums in den obern Klassen ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die von einem Lelirer nachweislich auf die Controle der Privatarbeiten zu verwen- dende Zeit bei der Festsetzung der ihm zufallenden Stundenzahl Be- rücksichtigung findet.

K.MSi RSTAAT Oesterreich.] Die im I2n Hefte der Zeitschr. f. d. ö. G enthaltenen statistischen Tabellen über die Gjmnaslen am Schlüsse des Schulj. 1853 54 haben zwar noch nicht gänzliche Vollständigkeit erreicht, aber derselben sich bedeutend genähert. Jn Rücksicht auf die von uns Bd. LXIX 8.46^ f. über das Schulj. 1852-53 gemachten iNlit- theilungen heben wir aus den Tabellen folgendes heraus. In Nieder- österreich ist da.s eingegangene Gymnasium zu Hörn wieder befionnen worden und hatte am Schlusze des J. die erste Klasse mit 13 Schülern; in Tirol und Vorarlberg erscheint zum erstenmale die Hauslehranstalt i]i'r Kapuziner zu Bruneck, welche in den Kl. VII u. VIII, die sie allein uinfa.szt, 17 Seh. hatte. In Ungarn hatten a) im Pressl)Urger Dislri( t die evangelischen Gymnasien zu Pressburg, Schem- nitz, Modern und L'ossonz (Helv. und Aupsb. B.) »las OelVentlich- keitsrecht noi h nicht erlangt, von den ebtnfalls noch des OelVentlich- keltsrecht ermangelnden ev. (Gymnasien zu Kremnitz, Komorn, Lipto Szt Miklös und Turöc Szt INIarton fehlten die statistischen Nachrich- ten, b) im ödenburger District «Minangelten des Oellentlichkeitsrcchts noch die evang. Gymn. zu Oedenburg, Raab und Csurgö. Da

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slafist. Notizen. 323

die evangelischen Gymnasien zu Güns und Kövago-Eörs in der Tabelle ohne Bemerkung fehlen, so dürfen wir sie vvol als eingegangen annehmen, c) im Pest-Ofener District sind die oben S. 104 genannten Gymnasien in Volksschulen verwandelt worden. Von den evangelisehen hatte das zu Nagy- Koros schon früher das Oeffentiichkeitsrecht, das zu Höld-Mezö-Väsärhely hatte es erworben, die übrig-n er- mangelten desselben noch, d) im Kaschauer District war das Gymna- sium zu Bartfeld einj:egangen , die noch übrigen evangelischen Gym- nasien entbehrten noch des Oeffentlichkeitsrechts, e) im Groszwardei- ner District bestand das evang. Gymnasium zu Bekes nicht mehr als Gymnasium. Auszer d<"m Gymnasium zu Debreczin entbehrten die evangelischen Gymnasien noch immer des Oeffentlichkeitsrechts. Die Bd. LXIX S. 4()5 gegebene Tabelle der Gymnasien in der Lombardei ist durch das bischöfliche zu Brescia, das Convict zu Brescia, die Privatgymnasien zu Milano Boseiii, Gas a 1 maggiore und Ca- steUo sopra Lecio zu vervollständigen, ebenso die in Venetien durch die Privatgymn. zu Verona und Bologna. Die diesjährige Tabelle enthält ein bischöfliches Gymn. zu Portogruaro, läszt da- gegen das zu Treviso hinweg. Wir vermögen darüber nicht Auf- schlusz zu geben. Rücksichtlich der Lehrer zeigt sich folgendes Ver- hältnis in den deutsch-slavischen Kronländern:

Dir. ord. Lehr. Suppl. Nebenl. Sa. g. w. g. w. g. w. g. w.

1853 51 29 380 ?06 131 171 18 187 1173

1854 51 31 374 219 139 155 17 187 1173

+ 2 6 + 13 +8 16-1 Da das wieder ins Leben getretene Gymnasium zu Hörn und die Haiis- lehranstalt zu Bruneck hinzugetreten sind, so ergibt sich eine Vermin- derung, welche aber insofern nicht ins Gewicht fällt, als sich die Zahl der ordentlichen Lehrer vermehrt, die der Supplenten vermindert hat. Das ungünstigste Verhältnis findet noch in Galizien statt, indem auf 63 ord. Lehrer (ohne die Directoren) 102 Supplenten kommen. Die allgemeine Frequenz hat sich in denselben Ländern um 1 pCt. ver- mehrt, indem sie 18609 betrug. Sie betrug im gesamten Staate, soweit die Nachrichten vorlagen, 47630 (794 mehr), nach den Religionsbekennt- nissen 36970 röm. kath., 2184 gr. kath., 1266 gr. n. un., 2582 Augsb. Bek., 2507 Ilelvet. Bek. , 32 arm., 236 unitar. , 1853 jüd. _ Eine gröszere Abnahme ergibt sich in der Lombardei ( 1035), was in den Vorbemerkungen aus der vorher bestandenen auszerordentlichen Höhe und der Durchführung gröszerer Strenge erklärt wird. Wenn aus der Abnahme der Privatisten in den meisten Ländern (mit Ausn. der ita- lienischen Provinzen) ein sich steigerndes Vertrauen in die Gymnasial- einrichtungen gefolgert wird, so dürfen wir aus dem in den Vorbemer- kungen selbst unbegreiflich gefundenen zahlreichen Vorhandensein in den Realschulen wol den umgekehrten Schlusz machen. Die Ueber- schreitungen der Minimalzahl von 80 in den Klassen scheinen sich sehr vermindert zu haben. Wenn in den deutsch-slavischen Kronländern trotz der gesteigerten Frequenz das Schulgeld von 119J80 tl 3'2 x auf 1190:9 tl 48 X, die Aufnahmetaxen von 12158 fl 8x auf 10443 fl herab- gesunken sind, so wird in i\ei\ Vorbemerkungen der Grund dafür in der häufigem Befreiung gefunden. Von 2592 Schülern, welche sit h zur Maturitätsprüfung gemeldet, wurden 1762 approbiert. In den deutsch- slavischen Kronländern studierten von 890 Abiturienten 299 Theologie, 332 Jurisprudenz, 137 Medicin, 51 historisch-philologische, 33 mathe- mati.sch-physikalische Wissenschaften, 38 wählten eincMi andern Beruf; der Theologie wandten sich auszerdem noch 229 ohne Maturitätszeug-

A'. Jahrb. f. P/dl. u. Paed. Bd. LXXII. Bft. C. 24

324 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungea, Statist. Notizen.

nis zu. In dein Ergebnis der Maturitätsprüfungen sehen .die Vorbe- merkungen mit Recht den Beweis, dasz die Organisation sich ihrem Ziele näliert und dasz die Forderungen nicht zu hoch ges|)annt seien. Uebrigens machen sie selbst darauf aufmerksam, dasz in Bezug auf Ertheilung des Praedicats ''ausgezeichnet' an \ielen Gymnasien eine zu milde Praxis vorzuwalten scheine.

Stralsund.] Nach dem Mich. 1854 vom Gymnasium gegebenen Jahresberichte war der Schulamtscand. H.Michaelis an das Gymna- sium zu Salzwedel berufen, der ord. Lehrer Fischer pensioniert worden. Nach der in P'olge davon eingetretenen Ascension bestand das Lehrercollegium aus dem Dir. Dr. Ernst Nizze, Conr. Prof. Dr. Gramer, Subr. Prof. Dr. Schulze, Oberlehrer Dr. J. v. Gru- ber, Dr. P'reese, Prof. Dr. Zober, Oberl. Dr. Tetschke, Dr. Bert hold Nizze, Dr. Rietz, Dr. Rolimann, und den auszeror- dentlichen Lehrern Consislorialrath Dr. Ziemssen, Brüggemann, V. Lühmann, Musikdirektor Fischer. Die Frequenz betrug 231 Cl 20, II 36, III 45, IV 38, V 2b, VI 29, VII 35), Abiturienten waren 10 entlassen worden. Die wissenschaftliche Abhandlung lieferte der Oberlehrer Dr. J. von Gruber: («/e locis (/uibusdctm ad institutioncm grammaticam pertincntibus , iiiaxime de divcisa a Uoinanis iiostra ra- tione utcndi nominibus, vcrbis, particulis (10 S. 4). Der gelehrte Hr. Verf. hegt die unsrer Ueberzeugung nach ganz begründete Ansicht, da>z im grammatischen Unterricht die Schüler bei den Genus-, Decli- nations- und Conjugationsregeln viel zu viel einzelne Fälle lernen müssen, dasz aber die damit verschwendete Zeit viel nützlicher auf eine in den Geist der lateinischen Sprache, namentlich in die zwischen ihr und unserer deutschen Muttersprache obwaltenden Verschiedenhei- ten einführende Leetüre verwandt werden würde. Er zeigt ebenso richtig die Nothwendigkeit , auf diese schon frühzeitig die Aufmerk- samkeit zu richten, weil ohne dies weder nur einige Fertigkeit im La- teinschreiben, noch, was für unsere Tage von gröszerem Gewiciit ist, eine richtige und sichere Auffassung des Inhalts und Erkenntnis der Sprachgesetze überhaupt niögiich ist. Als ein Fall der Art wird z. B. der Gebrauch der relallva für unsere demonstrativa mit einer Partikel bezeichnet, wo, wenn man den Schüler nicht an die Zusetzung der letztern gewöhnt, die P'ertigkeit in der Auffassung des Zusammenhangs wesentlich für die P'olgezeit ersi hwert ist. Da es nun im Unterricht ebensowol den lateinischen Ausdruck zum Verständnis zu bringen, wie im richtigen Deutschen zu üben gilt, so wird die vom Hrn. Verf. ge- forderte Methode, jedesmal eine doppelte, eine wörtliche und eine dem Deutschen entsprechende Uebersetzung zu geben («t scmentcm Jeceris, ita metcs: 'wie du die Saat gemacht haben wirst, so wirst du ernten' und "^wie du säst, so wirst du ernten') und analoge deutsche Ausdrücke zur Erleuterung abweichender lateinischer lierbeizuziehen (z. B. 'mir wird geliolfen' zu mihi parcitur) , für ebenso in sich berechtigt, wie zweckmä>zig erkannt werden. Es wird durch solche Uebung und Ge- wöhnung beim übersetzen eine gröszere und unmittelbarere Sicherheit (M-reicht und tiadurch ein leichteres und sichereres Verständnis der latei- nischen Schriftsteiler bewirkt werden, als durch weitläuflige Observa- tionen und Reflexionen. Die Zusammenstellungen, welche der Hr. Vf. iilxr di(! Art, wie die Lateiner Substantiv-, Adjectiv- und .Vdverbial- bogritVe ausdrü<:ken und ihnen fehlende Worte ersetzen, gibt, sind recht dankenswerth für den Lehrer, da es ja jeder wol erlebt hat, wie lange man sich oft um einen guten deutschen Ausdruck quälen musz. Für den Schüler wird zweierlei den meisten Nutzen bringen: Vergleichung guter deutscher Uebersetzungen mit dem Urtext, die man, wenn man, wi.- der llr. Verf. fordert, die wörtliche Uebersetzung stets verlangt.

Berichte über gelehrte Anslalleri, Verordnungen, statist. Notizen. 32.5

unbedenklich mit Hrn. Bonneil (s. oben den Artikel Berlin) denScliiilern zur Praeparation wird in die Hiinde geben können, und die Sammlung von Bei.spielen aus der öirentlichen und Privatlectüre (Seytfert, das Frivat- studium S. ö-t).

Ulm.] Am dasigen königl. Gymnasium trat im Herbst an die Stelle des Repetenten Ehni im Pensionat Cand. Pressel und bald darauf als 3r Repetent Vicar Strölin. Den Religionsunterricht in VI und V übernahm Garnisonspfarrer Heintzeler, die Verwaltung der Biblio- thek Prof. Kapff. Kür den unterm "29. Nov. 1855 zum Oberpraecep- tor ernannten vorherigen Praeceptor Scharpf trat eine Zeit lang der Unterlehrer Bokler von Herrenberg ein. Die Stelle des pensionierten Praeceptor Hetsch (Bd. LXX S. 119) erhielt dessen bisheriger Hülfs- lehrer, Amtsverweser Zell er, zu versehen. Die Frequenz betrug im Sommersemester 1844 221 (IX 15, VIII 10, VH 20, VI 10, V 19, IV 27, III 27, II 47, I 46). Das Programm enthält von dem Rector Schmid: 1) Beiträge zur lateinischen Grammatik (S. 1 12). Der grammatische Unterricht in den alten Sprachen hat zum Zwecke nicht blosz die alten Schriftsteller richtig verstehen zu lehren, sondern auch die allgemeinen Sprachgesetze zur Anschauung und zum Bewustsein zu bringen. Wenn man auch mit Recht im Gegensatz gegen eine alles auf Reflexion grün- dende Methode auf ein mehr unmittelbares aneignen der Sprache dringt, niemals wird doch das Gymnasium eines zusammenhangenden oder systematischen grammatischen Cursus entrathen können, welcher frei- lich in die obern Klassen vielmehr als in die untern gehört. In dem- selben wird einerseits dem Schüler begreiflich, dasz bei den schein- bar verschiedensten und ganz willkürlich gebildeten Spracherscheinun- gen dennoch der Geist sich zwar mit Freiheit, aber doch nie ohne innere Gründe bewegt hat, andrerseits wird jedes einzelne durch die Herlei- tung von und Unterordnung unter ein allgemeines mit bestimmter Klar- heit und Sicherheit erkannt werden. Je schwieriger aber eine solche Durchführung der Grammatik ist und je mehr Punkte in derselben noch dunkel und schwankend sind, um so dankenswerther sind Beiträge wie sie der Hr. Vf. geliefert hat. Eine besondere Schwierigkeit bieten die adverbialen Bestimmungen, namentlich diejenigen, welche durch den Ablativ ausgedrückt werden, da man oft in Verlegenheit ist, unter welche Kategorie man den einzelnen Fall subsumieren soll. Im ersten Abschnitt nun hat der Hr. Vf. diese Sache in sehr lichtvoll belehren- der Weise behandelt. Er theilt die genannten Adverbialbestimmungen unter Berücksichtigung der Adverbialsätze, welche in der That das beste Licht zu verbreitert im Stande ist, und vollständiger Angabe des in jede Klasse fallenden einzelnen ein in 1) Ortsadverbien [ob ''auf wel- chem Wege?' als eine besondere FVage hinzustellen sei, scheint dem Ref. zweifelhaft. Der Weg bezeichnet doch immer die Richtung auf ein Ziel oder einen Endpunkt. Bei it hasta per tempus utrumque ist gewis weniger an den Weg, den die Lanze nimmt, als an das heraus- dringen auf die entgegengesetzte Seite zu denken. Die Richtung wohin kann aber ein bestimmtes oder unbestimmtes Ziel haben. Sage ich iter per provinciam , so ist die Riclitung wohin gegeben, aber nicht der Endpunkt; steht sangiiis per venas dißunditur , so ist die Richtung noch ohne bestimmtes Ziel bezeichnet, aber wie der Ausgangspunkt a corde, ex his parlibus [Cic. n. D. 11 j5, 138], so kann dann auch noch das Ziel in omnes partes corporis hinzutreten], 2) Zeitadverbien, 3) Causaladverbien [der Hr. Vf. macht hier ganz richtig darauf aufmerk- sam, wie der Schüler, wenn er die Conditional-, Concessiv- usw. be- stimmungen unter die causalen zusammenfassen gelernt, begreift, warum c/uum bald causale, bald concessive Bedeutung habe], 4) Modaladver- bien , 5) Zahladverbien [mit Recht trennt der Vf. die auf die Frage

24*

326 Personalnachrichten.

'wie oft?' antwortenden Bestimmungen von den Zeitadverbien; er hätte aber auch ge\> is.se Ortsbestimmungen, passim, per in der Bedeu- tung von 'liin und her", sowie alle distributiva hierher ziehen müssen], 6) Adverbia respectus. Die Negationen erkennt er nicht für Adver- bien an, weil sie in manchen Sj)rachen schon dem Substantiv inhaerie- ren können Cein Nicht-grieche"), nicht den Sinn des Satzes modifitie- ren, sondern denselben ins Gegentheil verwandeln, und ihnen, wie den übrigen Adverbialien keine Adverbsätze versprechen. Wie damit, wird man auch mit der Annahme unechter Adverbien einverstanden sein, "■welche keine logisch untergeordnete Bestimmungen der Sätze enthal- ten, sondern ihrer Dignität nach eigentlich den Satz beherschen, als dessen untergeordnete Glieder sie erscheinen', wie 'bekanntlich, hof- fentlich' usw. Zu diesen werden auch gezählt, welche ein Urtheil des redenden über den Inhalt des Satzes ausdrücken, z. B. haec creduntur stultlssime. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, ob nicht die Negationen diesen unechten Adverbien beizuzählen seien. In dem zwei- ten Abschnitt 'zur Lehre von den B'ragesätzen' verwirft der Hr. Vf. mit vollem Rechte die Ausdrücke zweifelnde Frage' und coniunctivus dubitativus, wenn er aber dafür den Namen ' lussivfrage' in Anwen- dung bringt, so scheint der schon bei andern gebräuchliche 'delibera- tive Frage' weit vorzuziehn. Auch kann man schwerlich die Herlei- tung des coniunctivus von dem des Wunsches oder mildern Befehls zu- geben, vielmehr scheint hier nur dieselbe Erklärung stattfinden zu kön- nen, wie sie im Griechischen für den coniunctivus deliberativus (rt qptJ, in obliquer Rede nach praeteritis f-L TtaQCiöouv) erforderlich ist. Die dritte Abtheilung endlich enthält die Darstellung des Genetivus in Abhäpgigkeit von Adjectiven und Verben, wie sie dem Hrn. Vf. in einer Schulgrammatik zweckmäszig scheinen würde. Die Regeln sind recht praecis gefaszt , auch die Herleitung d(\s Gebrauchs recht klar in hinlänglich passenden Beispielen gegeben, doch scheint uns statt der zahlreichen Anmerkungen übersichtliche Zusammenfassung vorzuziehn. 2) enthält das Programm einen Vortrag dess. Hrn. Vf. ü6cr die liedeu- tun^ des Griechischeu für die Giimiiasien, von welchem bereits in dem Correspondenzblatt für Württemberg IJruchstücke mitgetheilt waren (S. 17 26). Die Ansicht, dasz die modernen Sprachen in den Gymna- sien gleich berechtigt seien mit den alten und dasz die französische im Unterrichte der lateinischen vorangehen müsse, wird mit klaren Grün- den eindringlich bekämpft, die Nothwendigkeit der Concentration nach- gewiesen und durch Erörterung, welche Stellung die griechische Sprache und Litteratur einnimmt, der Beweis geführt, dasz man dem Gymna- sium mit der Beschränkung dieses Unterrichtsgegenstandes einen seiner wesentlichsten Bestandtheile entziehen würde.

Porso nalnac li lieh teil.

Angestellt, befördert, versetzt, bestätigt: Amen, als ordentl. Lehrer bei den Realklassen der Friedrich-Wilhelm-

slädtischen neuen höliein Lehranstalt zu Berlin. Bames, Lehrer d^'r In Klasse der lat. Schule zu Reutlingen, als lieh

rer der 2n Klasse. Basse, Dr. Ileinr Rob., bisher wissenschaftl. Hülfslehrer am Gymn.

zu Gumbinnen, als ordentl, F..ehrer das. IJorn, Dr , als ord. Lehrer bei den Realkl. der Friedr.-Wilhelmstädt.

höhern Lehranstalt zu Berlin. Brückner, Lic. Dr. IJruno, bisher ao. Prof.. nach Ablehnung eines

Rufes ins Ausland, zum ord. Prof. der 'I'heol. an «1er Universität

zu Leij>zig.

Personaliiachriclilen. 327

B ii ch se njscli ü t z, Dr , Svhulamtscaiul , al.s Oberlehrer bei den Gyni- na.siiilkliisson der Kr.-Willielmst. höhern Lehranstalt zu Berlin.

Deriibur^, Dr., in Darin.stadt als ord. Prof. des röin. Rechts an die Universität zu Zürich berufen.

]>ietlein, W. A., als Oberlehrer am Gymn. zu Gütersloh bestätigt.

Dietzel, Dr. Gust. , Privatdocent, zum ao. Prof. iur. an der Univ. zu Leipzi-: ernannt.

Egler, als ord. Lehrer bei den Realkl. der Fr.-Wilhelmstädt. höhern Lehranstalt zu Berlin.

F ick er, Heinr., Supplent am Gymu. zu Gratz, als Lehrer am Gym- nasium zu Ofen.

Gerhard, Dr. Heinr. Osw., Collaborator an der lat. Hauptschule zu Halle, als ord. Lehrer an der Realschule zu Siegen.

G Ocker, K. Kr. Th., als Elementari. am Gymn. zu Gütersloh bestätigt.

Gold mann, Dr., als Oberlehrer bei den Realkl. der Fr.-Wilhelmst. höhern Lehranstalt zu Berlin.

Grützm acher, Th., Schulamtscand. , als 8r. ord. Lehrer am Gymn. zu Bromberg.

Herbst, Dr. Wilh., Schulamtscand., als 3r Oberlehrer am Gymnas. zu Elberfeld bestätigt.

Herrig, Prof. Dr., als Oberlehrer bei den Realkl. der Fr.-Wilhelmst. höhern Lehranstalt zu Berlin.

Hock, Dr. Herm. , Privatdoc, zum ao. Prof. iur. an der Universität zu Leipzig.

Hummel, Subconrector am Gymnasium zu Göttingen, zum 2n Conr. an derselben Anstalt.

Joachim, Ge., Prof. am Paedagogium zu Lörrach, in gleicher Eigen- schaft an das Gymn. zu Lahr.

V. Kittlitz, Dr., Collabor. am Magdalenen- Gymn. zu Breslau, als Civilinspector an der Ritterakademie zu Liegnitz.

v^r.}r^ p.. f n- ) ^'s Oberlehrer an der Friedr.-Wilhelmst. höhern

Kopke, rrnr. Dr., f r u i i^. n i- , ■, ^ ^

KÖDDen ( Lehranstalt zu Berlin, ersterer bei den Gymna-

PP ' ) sial-, letzterer bei den Realkl.

bring, Fr. W. AI., ord. Lehrer am Gymn. zu Essen, in gleicher Eigenschaft an das Gymn. zu Kreuznach.

Müller, Dr. Wenzel, Supplent am Gymn. zu Cilli, als Lehrer am Gymn. zu Ofen.

Müller, H. D., Collaborator am Gymn. zu Göttingen, zum Subcon- rector an derselben Anstalt.

Pabst, Oberstudienrath in Hannover, zum schulkundigen Referenten bei dem k. hannov. Ministerium der geistlichen und Unterrichtsan- gelegenheiten.

Parti, Dr. Joh., Supi lent am Gymn. zu Ofen, als wlrkl. Lehrer das.

Petermann, H. R., Schulamtscand., als ord. Lehrer am Gumnasium zu Gütersloh bestätigt.

Römer, Dr. Ferd., Privatdocent zu Bonn, zum ord. Prof. der Mine- ral')gie an der Univers, zu Breslau ernannt.

Runge, Dr., als Oberlehrer bei den Gymnasialkl. der Fr.-Wilhelmst. höhern Lehrrinstalt zu Berlin.

Schartmann, desgl. bei den Realkl.

Scheuba, Heinr., Suppl. am Gymn. zu Ofen, als wirkl. Lehrer das.

Schöning, Conr. am Gymn. zu Göttingen, zum Rector an derselben Anstalt.

Schöttler , C, J., ) als Oberlehrer am Gymn. zu Gütersloh be-

Scholz, A. L. W. H., ] stätigt.

Seemann, J. O., Hülfsl. am Fr. -Wilh. -Gymn. zu Köln, als ordentl- Lehrer am Gymn. zu Essen.

328 Personalnachrichten.

Stiive, Schulamtscand. , als provisor. Collaborator am Gymnasium zu

Göttingen. Thiele, Dr. Gust. , Oberlehrer an der Realschule zu Barmen, in

gleicher Eigenschaft an das Gymn. zu Frankfurt a. d. O. Tzschirner, Dr. Joh. Traug., Oberlehrer am INlagdalenen-Gymnas.

zu Breslau, als Director am Gymn. zu Cottbus. Vis eher, Prof. Dr. F., in Tübingen, als ord. Prof. der Philosophie

an der Universität und dem Polytechnicum in Zürich. Waas, Dr. K. Brun., Schulamtscand., als wissenschaftl. Hülfslehrer

am Gymn. zu Gumbinnen. Weiszenborn, Dr., als ordentl. Lehrer bei den Realkl. der Friedr-

Wilhelmst. höhern Lehranstalt zu Berlin. Zimmer, vorh. Prof. an der 6n Kl. des Gymn. in Stuttgart, an das

evang. Seminar in Urach.

Praediciert:

Heidtmann, Dr. J. G. H., ord. Lehrer am Gymn. zu Neustettin, als Oberlehrer.

Heinisch, Dr., Oberlehrer am Gymn. zu Glatz, als Professor.

Janssen, Dr. Job., Lehrer der Geschichte für die katholischen Schü- ler am Gymn. zu Frankfurt a. I\L, als Professor.

Möricke, Dr. ph. Karl, von Neuenstadt als kön. württembergischer Hofrath.

Nicolay, Kaplan, katholischer Religionslehrer am Gymn. zu Frankf. a. M., als Professor.

Uhdolph, Oberlehrer am Gymn. zu Glogau, als Professor.

Pensioniert:

Perez, Paolo, Prof. der italien. Sprache und Litteratur an der Uni- versität zu Graz.

Rupert i, Dr. G. F. F., Conr. am Lyceunj in Hannover, wegen vor- gerückten Alters.

Gestorben :

Am 16. Jan. zu Brüssel Pierre Bergeron, prof. emer. an der Uni- versität das., geb. zti Paris den 3. Nov. 1787, Vf. französ. Ueber- setzungen des Anacreon und Terenz, eines precis historique des antiquites romaines, mehrerer lateinischer Gedichte und vieler an- deren Schriften.

In der Nacht vom 24—25. P"'ebr. in St. Petersburg der Staatsrath Ch. v. Meyer, Director des kais. botanischen Gartens, bekannt durch seine Reise nach dem Altai und den kaukasischen Ländern.

Am 25. Febr. Ose. Ferd. Cambrelin, 3r r^gent an der Staatsmit- telschule zu Wavre, 29 J. alt.

Am 27. März zu IMergentheiin der Oberpraeceptor Ruckgaber, 50 J. alt.

Am 2. April in Neapel George Bellas Greenough, erster Praesi- dent der geologischen Gesellschaft in London, geb. 1778.

Am 12. April zu Carlsruhe der Director des das. Lyceums. Geh. Hofr. Dr. Ernst Kärcher, geb. 7. Aug. J789 in Ichenheim bei Lahr.

Am 13. April in London Sir Henry Thomas de la Beche, berühm- ter Geolog, geb. 1796. Auszerdem sind in hohem Alter der conservateur des cstampes an

der bibliothecjue imperiale zu Paris, Duchesne d. alt., und der Prof.

der Univ. zu Christiania, Dr. llathke, gestorben. Der letztere, durch

seine Reisen in Eiiro|)a und Amerika bekannt, hat seine reichen Samm- lungen nebst Bibliothek an die Universität vermacht.

Zweite Abtheiliing

herausgegeben von RiidoI|ih üictsch.

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Scholae latinae. Beiträge zu einer methodischen Praxis der lateinischen Stil- und Compositionsübnngen von Dr. Mo- ritz Seyffert, Prof. am k. Joachimsthalschen G. zu Berlin. Ir Theil. Die Formen der tractatio. Leipzig, 0. Holtze. 1855.

Der Hr. Vf. , über dessen Forschungen und Leistungen auf dem Gebiet der lateinischen Sprachwissenschaft jede weitere Bemerkung hier überflüssig ist, bringt hiemit eine neue Frucht seiner scharf ein- dringenden Beobachtungen und seiner vom glücklichsten Geschmack geleiteten Sprachstudien vor die OelTentlichkeit, und es steht zu hof- fen, dasz diese Beiträge auf der einen Seite ebenso zur Aufräumung von falscher Ziererei, wie auf der andern zur Einführung und Gel- tendmachung der echten und einzig wahren Formen auf dem vielfach noch überstruppten Feld der Latinität aufs kräftigste mitwirken wer- den. Es ist ein vollständig in sich selbst abgeschlossenes Gebiet, das der Hr. Vf. theils erobert, theils weiter bebaut; die Strömungen des lateinischen Sprachgeistes in den feinsten Verästungen, über Avelchc ebendeshalb das Auge sehr gern nur obenhin ^gleitet, und ohne Ahnung ihres tieferen geistigen Grundes w^eiter eilt, faszt er in ein ganzes zusammen, entreiszt diese Formen ihrer stillen Verbor- genheit oder blinden Vereinzelung und bringt die in ihnen wallende Gedankenmacht zum klaren Bewustsein, wovon die nächste Wirkung die zu sein vermag, dasz der Verfasser recht eigentlich das denkende erkennen des lateinischen Sprach- und RedestolTes in den beabsich- tigten Kreisen vervollkommnet. In diesem Bestreben, den lateinischen Sprachorganismus in gewissen Hauptfunctionen Schritt für Schritt einer durchsichtigen Erkenntnis zu unterwerfen , sind es vorzugsweise zwei Principien einer gedankenmäszigen Gestaltung des sprachlichen Stoffes, die der Verfasser seiner Untersuchung unterstellt, und die er zur umfassenden Darstellung bringt, die Formen und Bestimmungen der partitio und die der argumentatio , Formen, die weit über die Uequisite der Sprachrichtigkeit und Sprachreinheit hinaus vielmehr dem freien und geistvollen Spiel der Dialektik des Gedankens ange-

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hören, und deren Bedeutung darin zu suchen ist, dasz der Genius der Sprache, dem Bedürfnis einer freien Beherschung des unterbreiteten Sprachniaterials folgend und unaufhaltsam zur plastischen Durchsich- tigkeit des materiellen Substrats vordringend, als echter Künstler in Bezug auf malerisch ^Yirksame Verschmelzung seiner sinnenfälligen Elemente gewisse organische Vermittlungs- und Bindepunkte aus sei- nen innern Schachten, wir möchten fast sagen, aus jener zwischen Phantasie und Reilexion getlieilten Region heraussetzt, die sofort in lebendiger Verwebung mit dem ganzen, mit der jeweiligen Gedanken- substanz der Sätze an sich, das Bild anmuthsvoller Leichtigkeit und Beweglichkeit vollenden, und ein stiller Milfaktor sind von dem, was wir schon im Rahmen der Sprache selbst den Sieg des klassisch schönen nennen. Mit einem treifenden Ausdruck nennt der llr. Ver- fasser diese typischen Formen irgendwo Arabesken. Die Auffas- sung dieses Spracbphaenomens könnte kaum zarter sein, wenn wir bei diesen Ereignissen, an denen allerdings die spielende Phantasie einen wesenllichen Anthcil bat, nur nicht an leere Hülsen denken wollen, sondern gleicherzeit das Auge offen behalten für die Signatur, die seinerseits auch der votig ßaOikevg diesen schwebenden Gestalten aufgedrückt hat. Nennt der Verfasser das ganze Buch eine Lehre von der tractalio, so stellt er sich hiemit nur auf den Standpunkt der allen Terminologie, sofern die Allen unter Iractatiu nichts anders verstunden, als die formale Behandlungsweise eines gegebenen Gedan- kenstolTs. Diese letztere Inhaltsbestimmung ist aber selbst nichts anderes, als eine kurzgefaszte Formel für das, was das ganze Buch überhaupt sein will.

Den ersten Tbeil bildet die Lehre von der parlitlo. Diese Lehre begreift unter sich l) die Form, unter welcher das Thema angekün- digt wird (proposilio im specielleren Sinn), 2) die daran meist ange- schlossene Distribution des Themas, Scheidung desselben in seine Theile. Jede dieser Formen wird in ihren mannigfachen Nüancierungcii und immer neuen Wendungen aufgezeigt. Wir gestatten uns hier sogleich eine Bemerkung. Wenn die Hcraussetzung der wesentlichen Glieder eines Themas nicht einzig nur «im Sinn einer vorauszu- schickenden ausdrücklichen und kurzen Formel gefaszt ist, wenn sich die paititio nach ausdrücklicher Erklärung des Vf. 4 u. 5) auch auf die Succession der einzelnen Unlerabtliciluugen eines Haupttheils bezielit, und in diesem letzteren Fall den Namen einer versteckten partitio erhält, deshalb, weil sie sich mit der Argu- mentation selbst unmittelbar verwebt, so ist diese letztere Form der partitio unzweifelhaft mit der Form der Anreiluing und Auf- einanderfolge der einzelnen Unterabtheilungen, die einen eigenen Lehrslotf bildet, identisch. In der Thal linden wir auch, dasz die unter 'ij 5 hervorgehobenen Figuren der partitio in der wesenllicli damit zusammengehörenden Lehre vom Heb ergang (transilia) ihre Stelle nachträglich linden sollten, weil sie ihrer ganzen Bedeutung nach mit den Formen der transitiu wesentlich zusammenfallen. Wenn

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dalier die vom Vf. adoptierte BegrilTsbestimmung- der parlitio eine tradifioiielle ist, so wiire seinerseits die Bemerkung vielleicht nicht übcriliissig gewesen, dasz die erweiterte Anwendung dieses BegrilTs an irgend einem Punkte zur Confundiening mit den Formen der von der partitio ausdrucklich gesonderten transilio unausweichljch führen müsse. Mit dem rellecticrten Bewustsein dieser Vermengung zweier vorher ausdrücklich abgesonderten Punkte wäre wenigstens so viel erreicht gewesen, dasz der Vf. den Grund dessen auf eine andere Seile hinübergeschoben hätte, \^'ir werden bald noch einmal auf die- sen Punkt zurückkommen.

Einen höchst wichtigen und gründlich besprochenen Abschnitt bildet nun eben die Lehre von der beregten Iransilio, zweifach ge- schieden als Lehre vom Uebergang zwischen den Haupttheilen und als Lehre vom Uebergang von einer Unterabtheilung zur andern innerhalb eines Haupttheils, letztere vielleicht zusammenfassender die Lehre vom Uebergang zwischen den gegebenen Momenten eines gröszeren ganzen genannt. Zuerst führt der Vf. diejenigen Formeln auf, die zur Einführung des ersten Haupttheils dienen, und die theils in Verbal- figuren , theils in der eigenthümlichen Kraft von Conjunctionen liegen. In letzterer Hinsiciit macht er unter anderem auf die unstatthafte Ver- mengung des et und ac bei quoniam und primum deshalb aufmerksam, weil der Sinn durch eine derartige Verwechslung zum Beweis des Formengewichts an und für sich oft plötzlich ein ganz anderer wird. Unter denjenigen Figuren, 'die zur Fixierung des zweiten Haupttheils dienen, findet sich häufig das: veniainus (jiunc) ad ^ '. Diese Schleife kann indessen ebenso nach Umständen beim ersten Haupttheil geschlungen werden, wie z. B. p. Mil. § 23, sofern in dieser Bede alle früheren Capitel von 1 9 nur die negative Bedeutung einer Säu- berung des Bodens 7 ut omni errore sublato rem plane videre possäis) und Vorbereitung zur positiven Hauptfrage bilden (ebend. sed anlequam ad eam o r a tionem v enio, quae est propria nostrae quaesfionts) , die dann aber mit c. 9 §23 als erster positiver Haupttheil mit den Worten quamobrem, ut aUquando ad causam crimenque veniamus sich geltend macht. Ja es kann gewissermaszen nur als Beweis vom flieszenden Charakter dieser Figuren gelten, wenn wir an derselben Stelle auch das reliquum est ul (das der Hr. Vf. den letzten Haupttheilen zuweist) allerdings mit bestimmter Negation von vorausgeschickten Nebenpunklen vorfinden , eine Formel , die gleich darauf § 31 durch die Wendung: nitmquid igitur alhid venu nisi etc. ersetzt wird. Ueberall und so auch bei diesen Uebergangs- formen findet das Buch Veranlassung genug, auf ungeschicktes Bad- brechen mit solchen Figuren aufmerksam zu machen, und auf die al- lein muslergiltigen und durchsichtigen Verbindungslinien hinzuweisen. Zur Ergänzung dieses Abschnittes erlauben wir uns die Bemerkung zu machen, dasz theils negative Umschreibungen mit; ac ne iihtd quidem, nee vero, n. v. noti (das griechische ov ^ev dr] ovöi, ovöiys, y.al iiijv ovös, ov jx'^i', ov (.livroi, ov (.livrot ye, aXXa ixrjv ovöi), theils

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auch die vom Buch erst bei der Argunienlation besprochene Figur 7inm igitur und ifaqiie nnm Formen sind, die hier nach unserer An- schauung- ausdrücklich zu betonen waren. Zu negativ umschreibenden Fortsetzungsliguren hat sich die lateinische Sprache, wie es scheint, ganz vorzugsweise durch die wirkende Macht der griechischen Vor- bilder bequemt, indem es die griechische Sprache auszerordL-ntlich liebt, den zu markierenden neuen Punkt durch eine gelinde negative Andeutung im Geist der Xirorijg cinzuluhren. Das mun igättr , aller- dings seiner Hauptbedeutung nach unter die argumentatio zu ver- weisen, bildet doch anderwärts wieder ein sehr ausgeprägtes Ue - bergangs mittel; soz. B.p. Mil. § 31, wo auf Grund der vorausge- scliicktcn That frage sich die eigentliche Hechts- oder Schuldfrage nur um so dringender geltend macht, und ihre Erörterung und Durch- fiilirung auch wirklich von '^31—72 mil dem überführenden: uum quid i(jihu' findet. Ebenso wird p. Ligar. von dem ersten Ilauplthcil zum zweiten, in welch letzterem Ligarius scheinbar blosz durch einen hochherzigen Gnadenakt Caesars gerettet werden kann, durch die fol- gernde Figur ituque tmm §29 übergeschritten; und zwar erinnert diese Arabeske mit ihrer negativen, die ganze Beweisführung des ersten Theils affectiert abschwächenden Bedeutung deutlich genug wieder an den Geist verneinender Umschweifung, so dasz ihre Auf- nahme unter jene in sanfterer Weise auftretenden Gruppen negati- ver Uebergangsfiguren kaum einen erheblichen Anstand haben sollte. Zwar hat der Hr. Vf. einzelne Beispiele von solchen Wendungen S. 16, 19, 21, 28 beigebracht hat, allein nicht unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen Gruppierung. Gleichwol läszt sich in eigener Weise fürs erste zwischen Formeln unterscheiden, die blosz im rasch einschneidenden Nebensatz auftreten (oc ne quis mirefiir etc. cf. pag. 18, 19 u. 63), um in demsel!)en Augenblick dem positiven Hauptgedanken die Stätte «u räumen, und zwischen Formeln, in de- nen der Hauptgedanke selbst in negativ umschreibender Weise oder geradezu mit der olTenen ^^'ucht des Widerspruchs geltend gemacht wird, olfenbar die wichtigere Art, mit der selbst gewisse Haupllhcile der Rede eingeführt werden können, so z. B. p. 3111. § 72. Sodann aber scheint das Interesse einer möglichst genauen formalen Be- stimmung und Abhebung dieser Figuren unter sich selbst darauf hin- zuweisen, die Pole des negativen und positiven, unstreitig zu den schärfsten Markierungsi)unklen gehörend, überall da, wo \\ir sie fin- den, auch aulzugreilen und als Fingerzeige zur formalen Abscheidung der Gruppen unter sich /.u benützen, so dasz von selbst die Frage entsteht, ob der Hr. Vf. die Benennung jener Figuren 'directere For- men dieser Art' (pag. 20), wenn gleich das Praedicat direct zunächst blosz auf die gröszere technische Ausbildung der Form an sich ge- richtet ist, im ganzen genommen nicht lieber mit der aus dem Haiipt- cliarakler dieser Arabesken llieszenden Deünicrnng derselben als ne- gative (litolischej Uebergangsformen vertauscht hätte. >>'enn wir sodann im I""orlschritt von einem sui)ordinierteu Moment zum andern

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litiiifig' genug die Füiriicl proescrtim (jiuiin angewendet finden (neben d. ini|). Cn. Pomp. § 14, woiaiirsicli das Buch S. 7 bezieht, vgl. p. Archia § 10 II. 19; p. Mil. § 4-2; in Iiuclist kurzer ßeweisfiibrung p. 3Iil. § 81, pro Dejot. § 21) und diise Figur weder weniger noch mehr leisten will, als andere verbrüderte Jlitlel technischer Fortleitung, wie z. B. sehr deutlich bei der citierten Steile p. Mil. § 42, deutlich auch p. A. § 10 u. 19 zu sehen ist: so würde die Aufzahlung der wesent- lichen und typischen Uebergangsmillel zwischen §§14 25 durch Nennung dieses praeserlim qnum {^alXvtg xe y.cd ircELdij oder ohne aTtsiötj; den Parlicipialsalz iiat liiefür als siclilliciies Original das Grie- chische), wie wir das sciion ohen angedeutet haben, gewis nur ver- vollständigt sein. TrelTlich ist die Bedeutung des oft schwierigen und elliptischen nam entwickelt, wofür fälschlich noch an vielen Stellen iam gelesen wird. Im Sinn von iiam quid dicam de etc. steht statt 7iam indes enim (quid eiiim d. d.) nicht blosz, wie die Anmerkung S. 32 meint, bei Livius, sondern auch bei Cicero p. 3Iil. § 75. So- dann findet sich porro ^ von dem der Hr. Verf. bemerkt, dasz keine Partikel in der Regel von neueren Scribenten falscher gebraucht wird als diese, nicht blosz ^ in Aufforderungen, einer zusammenhängenden Reihe von Argumenten weiter zu folgen', mit einem Wort, nicht blosz mit der stringenten Kraft logischer Schluszfolgerung, sondern auch in der ruhigen Ueberschau gleichartiger 3Iomente, so z. B. pro Dejot. § 16; pro Mil. § 19 u. § 25, in welch letzterer Stelle selbst das anspruchslose autem = de ganz am Platz wäre, weil dort beide Ge- danken: eine machtlose Praetur unter 3Iilos Consulat, und die unfehl- bare Ernennung Milos zum Consul für den Clodius als zwei gleich- artige Instanzen gegen eine öffentliche Bewerbung ins Gewicht fallen. Dieser ganze Abschnitt, namentlich die Lehre von den Uebergangs- formen zwischen den untergeordneten Punkten eines locus ist mit einer auszerordentlichen Reichhaltigkeit 'fon typischen Wendungen und Figurationen ausgestattet, nicht ohne dasz der Vf. auch hier wie- der auf falsche Verbindungen und ausgestalten aufmerksai||^ macht, um die reine Besitzergreifung dieses ganzen Gebiets desto mehr zu sichern.

Der ganze bisher von uns besprochene Stoff zerfällt in folgende Paragraphen: Begriff und Bedeutung der tractatio § 1. Cap. 1. Die Formen der partitio. Begrilf der partitio § 2. Allgemeines über die Behandlungsweise der partitio § 3. Doppelte Art der partitio § 4 u. 5. Formen des Uebergangs nach ihren Klassen § 6. Einführungsfor- nien der Haupttheile: des ersten § 7 9, des zweiien § 10, 11; des letzten Theils § 12. Uebergangsformen innerhalb eines und desselben Theils § 13. I Einfache Uebergangsweisen : copulative , adversative, causale Partikeln (atque^ que, et- sed^ aulem, veru, at; nam in der occupatio.) § 14 22; iam, iam vero § 23; adde, accedit, praeterea-, etiam § 24; porro § 23. U Rhetorische Uebergangsformen: a<je, aijedum § 2(j ; quid? quid^ quod ? quid, si ? quid? qui ? § 27. quid dicum de ? quid cummemorem de r" § 28. ecce %

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29. Formen der Aufzählung § 30. Das Pronomen ille zur Einfuhrung- des neuen § 31. Die transilio im engern Sinn und ihre Formen § 32 38. Die Formen der Hecapitulalion §39, der Conclusion, revo- catio, reditus ad proposilum, praeterilio §40 43. Die wenig- sten dieser Formen, die wir zum Zweck einer deutlicheren Uebcrsicht hier nachträglich zusammengestellt haben, finden auf grammatischem Felde diejenige stilistische Beleuchtung, die ihnen doch offenbar für die höheren sprachlichen Zwecke, wir möchten sagen für plasti- sche Kunst in der Sprache gebührt, zum Theil liegen sie auch schon so entschieden innerhalb des rhetorischen Gebiets an sich, dasz sie im gleichen Verhältnis von der Hegion der sirammatischcn Technik abliegen. Unter ganz neuen und eigenthiimlichen Gesichtspunkten läszt also der Verfasser diesen Theil des lateinischen Sprachsloffes vor den Jüngern und Schülern der Antike erscheinen, und darum ist es auch nicht weiter nothwendig den Grad des Verdienstes zu be- messen, den er durch geistvolle Beleuchtung dieser vielfach still ver- borgenen Kammern in der krystallhaltigen Werkslätte des römischen Sprachgeistes für immer errungen hat.

Der zweite Haupttheil des Werks beschäftigt sich mit dem We- sen der argumentatio (rednerischer Beweis), und die darin einzeln vorkommenden Lehren sind: die rednerische Beweisart im allgemeinen § 44. Die Frageform in der argumentatio, und zwar Unterschied der interrogatio und percontatio § 45. Die Formen der ratiocinatio, und zwar 1) begründende Formen: qind ita? quid en/'m? § 46, 47. 2) folgernde Formen: quid igilur? quid ergo? (qui)i igitur esl? quid ergo est?} § 48. quid postea? quid him? (quid deinde?) § 49. Die Formen der subjectio § 50. Die argumentierende Frage mit an (an non). (Unterschied von num und nonne, an in der NN'iderlegung) § 51 53. Das argumentum ex contrario oder das conlrarium xca' i^o- Xriv § 54 j7. ApagogiSche Beweisform mittelst ironischer Wen- dungen: 1) nisi forte, lüsi^ nisi vero. 2) quasi, quasi vero, proinde quasi % b8. Die Argumentation mittelst der disiuncfio, complexio und enumeratio § 59. Die Widerlegung, durch thetische Formen oder durch das G%i\^ci der occupatio eingeführt; verschiedene Formen der occupatio §60 62. Die reprehensio, ihre versciiiedencn Arten und Formen § 63 67. Uebersicht derselben in einem Beispiel § 68. Die Formen der concessio oder permissio l) im Ueber- gang zu einem neuen stärkeren Argument § 69. 2) zum Zweck der Widerlegung der j)roposilio § 70. Die Formen der Wider- legung in zusammeuliängender Darstellung an Beispielen nachgewie- sen § 71 73. Der Imperativ in der arirumenlatio § 74. Das quod si § 75. Das exemplum und simile (Formen der induclio) § 76 82. Der Syllogismus § 83. 84. Anhang: l) cxempla traclationis pag. 191 208. 2) Themata pag. 208 214. Man sieht den inneren lo- gischen Unterschied der in beiden Theilen entwickelten Denkoperatio- nen theilweise schon aus der vorgleichenden Uebersicht des Gesamt- inlialls unseres Werks. Schreitet der Gedanke in den Lehrstücken des

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ersten Haiipltheils in Form unmittelbarer Anweisung zusaniniongehö- rcnder Momente weiter, so verläszt die Denkbewcguug in den For- men des 2n Tlieils diesen positiven, unmittelbar anreibenden und ein- facb setzenden Gang-, und kehrt sieb in sieb selbst zum ^^'idersprucb gegen sich um; sofort aber zur Aufbebuug des Widersprucbs scbrei- lend vennitlell sie ibr positives ilesultat durch den verliei'leren und verniebrlen Denkprocess der Aut'bebung der Negation. Es liegt somit am Tag, dasz wir im allgemeinen Gang unseres >>'crks eine auf die innerste Natur des logischen Elements gegründete Entwicklung des gesamten StolTes haben, und zwar gedachten wir den idealen Forl- gang der Sache hier deshalb ausdrücklich hervorzuheben, weil darin ein besonderer Reiz zum nachdenken über den Standpunkt des ganzen Werks liegen dürfte. Um aufs einzelne zu kommen, so sind die gegebenen Winke und Regeln in Betreff der Formel quid enim? (Er- härtung der allgemeinen Wahrheit der Thesis durch subsumierte Bei- spiele) und quid errjo? quid igitur? (Bestimmung afllrmative oder negative des einzelnen durch die allgemeine Wahrheit des Prin- cips) höchst beachtenswerth, so namentlich die genauere Bestimmung der Art und Weise, wie die Negativfrage bei diesen Arabesken zu formieren. Die Wichtigkeit dieser genauen Regulierung liegt dar4n, dasz durch die leiseste Veränderung der Form sogleich auch die logi- sche Bedeutung des ganzen verschwindet: so eng klebt auch hier der Inhalt an seiner Form. Bei quid ergo? bemerkt der Verfasser, dasz der Ton dieser Figur, wenn sie der Redner in apagogiscber Absicht in Form einer Frage gegen sich selbst wendet, ein ethischer sei, und es drängt uns unwillkürlich zu wissen, welches entsprechende Mittel die deutsche Sprache hierorts besitze. Der AlTect dieses quid ergo? steigert sich an vielen Stellen zu einem Grad (z. B. da, wo das selbstische Interesse des redenden ins Spiel kommt), der in der ein- fachen deutschen Floskel: ich frage min weit hinter sich selbst zu- rückbleibt, und der darum in einem gleichmäszig entgegenkommenden Ausdrucke groszerer Spannung und Gereiztheit sein treues Abbild ßndet, vielleicht in Formeln, wie: im Ernst! ich fiage im Ernst! aufs Gewissen gefragt! ich bitte! usw. Noch eigentbümlicher ge- staltet sich der Gedankengang und sein sprachliches Abbild in Sätzen mit dem argumentierenden o«, wo die Thesis durch Negation eines stillen Zweifels oder förmlichen Widerspruchs (die Negation selbst besteht hier in der Berufung ans allgemeine Bewustsein von der Nich- tigkeit des Zweifels oder Widerspruchs gegen ein wesentliches Mo- ment der Thesis oder gegen die Thesis als ganzes) als eine indivi- dueller begründete Behauptung hervorgebt. In einer bedeu- tenden Zahl solcher Stellen findet der Vf. zwischen dem ersten und zweiten Satz eine Tautologie, und nennt die Sache einen Zirkelbe- weis. Allein gerade in den für diese Behauptung angeführlen Bei- spielen vermögen wir ein reales Moment der Fortschreitung immer noch zu entdecken, was den Zirkel glücklich noch zu einem schein- baren herabsetzt. In der ersten Stelle p. Ligar. § M besteht die

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Tliesis aus der einfachen Behauptung, dasz die ganze Familie der Ligarier Caesars Sache angehangen habe. Im zweiten Satz mit an erscheint nun die in Frage stehende Sympathie des Q. Ligarius kei- neswegs in dieser tautologischen Weise, sondern behaftet mit einem neuen Moment, nenilich mit dem Gegensalz: innere Gesinnung und äuszere Ersclieinung, sofern diese letztere durch locale Zufälligkeiten und andere blind dareinfahrende Queerlinien in ihrer Verwirklichung gestört ward. Ebenso wenig ist ein Zirkel in der Stelle p. Arch. § 12, wo vielmehr die allgemeine und vage Bestimmung: animus ex forensi strepilu reficitur et mires conquiescunt durch Be- sonderung oder Individualisierung des Inhalts und mit Ausscheidung falscher Umfangsglieder auf ihre concrete Wahrheit (wissenschaft- liche Erfrischung) reduciert wird. So lassen sich nun nach unserer Ueberzcugung sehr viele Fälle, die nach dem ersten Anschein eine rein taulologische Bewegung haben, auf reale Gedankenbewegungea zurückführen, wenn gleich anerkannt werden musz , dasz das discrete Moment, um das es sich handelt, dabei gern eine Art Versteckens spielt. Zu den eigenthümlichsten Erscheinungen argumentierender Sätze unter dem Mitspiel eines negativen 3Ioments gehört in Bezug auf stilistische Formierung der Analogiesalz, das argumentum ex contrario, von den Alten auch das Enlhymem schlechtweg genannt, vielleicht nicht mit Unrecht wegen seiner vorhersehenden Bichlung aufs denken und handeln eines zweiten ethischer Vergleichssatz zu nennen, als ein ethisches Spiegelbild, in welchem irgend eine Hand- lungsweise zur Beschämung, respeclive zur Reclißcierung der Hand- lungsweise eines zweiten sich als Folie unterbreitet findet. Der ethi- sche Vergleichssatz, wofür der Hr. Vf. das Schlagwort argumentum ex contrario festhält, läszt nun eine verschiedenartige Formierung der beiden Hauptgruppen des Satzes zu, und S. 114 117 sind die einzel- nen Fälle namhaft gemacht. Sie bestehen aus der relativen >\'endung, aus si im Vordersatz und aus der asyndetischen Coordination, die so ziemlich als Regel angenommen werden musz , in welch letzlerem Fall das Griechische unerläszlich mit ^iv und öi coordiniert. Zu den seltensten Fällen rechnet endlich der Vf. die Construclion mittelst CMW, indem dieses ciim nach neueren- Collationen fast überall gestri- chen worden sei. Das einzig vorkommende Beispiel dieser Art be- schränke sich also auf Tuscul. 11, § 46. Allein es ist nicht schwer, die Gültigkeit dieses cum in mehreren schlagenden Beispielen nachzu- weisen, und die Zahl der Formen des Vergleichssatzes mit der Form cum als einer durchaus legitimen zu ergänzen. ^^ ir lassen solche redende Beispiele der Reihe nach folgen: 1) pro ylrc/i. § 10: Eleiiim cum mediocribus mtiUis et. out nulla ^out liuwili alitjua orte prae- ditis ijraluilo cititatem in Graecia homines impcrlu'hatttur ^ liheriinos credo , aut Tarentinos, quod scenicis arlij'wibus Irtrijiri solebant, id huic , summa nif/eiiii pracd/fo r/loria, noiuissc. Der Charakter eines ethischen Vergleichssatzes liegt hier auf der Hand: das Beneh- men der Städte Unteritaliens, ihre Zuvorkommenheit gegen Schau-

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Spieler und KünsUer lücdcren Rangs wird als Folie benülzt, um dar- nach das Bcnelnnen dcrse!!)on Städte gegenüber dein gefeierten Dichter Arcliias desto begreiflicher zu linden. Den All'ect des Unniullis, der Gereiztheit über widersprechendes Handeln in gleichen Fäl- len, den die Sprache sonst durch eigene später zu benennende Mittel ausdrückt, und den sie von vorneherein mit allen Anzeichen patholo- gischer Beweisführung an die Spitze des Satzes rückt, bannt hier der Redner in das ironisierende und dem Zweck der deductio ad absur- dum (was ja das Endziel der fraglichen Gedankenfigur ist) ganz conforme credo, das aber hier aus nahe liegenden Gründen erst beim zweiten Hauptglied des ganzen Satzes erscheint. Der Vordersalz, der zur Unterlage der Argumentation dient (ihr Inhalt ist das Bürgerrecht des Dichters), tritt mit dem cum auf, das, wenn die Lesart impcttie- banltir richtig ist, der Sache allerdings eine gewisse zeitliche Färbung mittheilt, und das handeln der Locrenser usw. in einen be- stimmten Zeitrahmen eingrenzt, ohne jedoch das weitere und wichti- gere Moment, das der Vergleichung zwischen dem, was jene Gemein- den an Schauspielern thaten, und zwischen dem, was sie in Folge dessen um so mehr an Archias thun musten, deshalb abschwächen, und das Verhältnis der beiden Satzglieder dem Gebiet analogischer Gegenüberstellung entreiszen zu können. Mit allen Requisiten eines apagogischen, eines ethischen Vergleichsatzes (oder wie wir ihn endgültig im Deutschen bezeichnen wollen) praesentiert sich also unser Beispiel gleicherzeit mit einem grammatischen Vordersatz mittelst cum. 2) Gleich der nächste Satz p. A. § 10 construiert sich nicht viel anders: quid? cum ceteri in eorum municipiorum tabulas irrepserint; hie, qui ne utitur quidem Ulis reiicielur? Das Princip der Vergleichung ist in dieser Stelle eine gewisse Huma- nität in Behandlung der römischen Bürgerrechtsfrage, die sich nach dem moralischen Gefühl des Redners keineswegs als Liberalität auf der einen Seite, und auf der andern plötzlich als mürrische Scrupulos i t ät erweisen darf (Zu irrepserint ist olTenbar hinzu- zudenken: 'und im Besitz dieses Bürgerrechts unangefochten belassen ■worden sind', denn das gibt erst den schlagenden Gegensatz zu reiicie- tur). Dies auseinandergehen in zwei falsche Seiten, das der Redner hier eben verdammt, könnte sich mit leichter Mühe in coordinierter Fügung, die wie gesagt als Regel anzunehmen ist, folgendergeslalt praesentieren : quid? ceteri irrepserunt: hie reiicielur? Auch im ersten Beispiel, wo der vorausgeschickte Gedanke ist: das Bürger- recht des Arch. steht um so mehr fest, als der Dichter in mehreren Provinzialstädten Bürger ist, hätte hieran anknüpfend au den Satz eröffnen können, und sofort durch die coordinierte Fügung der beiden Hauptglieder {an in Graecia homines impertiebanlur: Locrenses huie noluermit? wo credu von selbst überÜHSsig wird) die herschende Regel sich herstellen lassen. 3) p. Arch. § 25: Sulla, cum lUspanos\et (lallos (civilale) donaret, credo, hune pe- tentcm repudiasset. Der Fall ist mit 1 fast ganz analog, und erledigt

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sich auf Grundlage dieses Beispiels von selbst. 4) p. Milone § 90: quo quid miscr ins ? temphim sanclitatis funeslari! neqiie id jieri a mulliludine sed ab tino (S. Clodio)! qui cum tantum au- sus Sit pro murtuo, quid sicjnifer pro vivu non esset ausus? Dieser Satz streift an die Formierung mit si heran, weil das cum durchaus den faktischen Sinn des si hat. Hier verbietet nun das Epiplioneni des zweiten Salzglieds dem ersten den Aulauf zur Coordinalion zu machen, und das Gegengewicht, womit in solchen Füllen der erste Satzlheil gegen den zweiten nothwendig irgendwie auftreten niusz, wird sofort durch si, oder wie hier durch cum, das nur die rasche Ueberzeugung von dem Zusammenhang des gesagten vermitteln w ill, in einem fühlbaren und genügenden Grad erreicht. 5) Ebend. § 95: nee timet (Milo) ne , cum plehem muneribus placarit, vus non con- ciliarit meritis in remp. sinyularibus. Hier, wo der Gegensatz theils im Objeclsaccusaliv, tlieils im Verbum so scliarf ausgeprägt ist, würde das ne selbst im Fall der coordinierten Fiigung: ne plebem pla- carit,vos non conciliarit anspruchslos genug gewesen sein, zu- gleich aber auch elastisch genug, um den lesenden oder hörenden rasch über das plebem placarit wegzuführen, und eben den zweiten Satzlheil als Zielpunkt des Arguments, als Hauptgedanken zu fühlen zu geben. Allein Cicero liebt es hier, hinler dem ne die Gegensätze in leicht periodisierender Unterordnung zu zertlieilen, vielleicht, weil der Gedanke plehem placarit niclit neu ist, sondern nur kurze Ueca- pitulaliou des im vorhergehenden näher entwickelten, so dasz mit cum eine Erinnerung an schon gesagtes erreicht werden will, zu welchem Zweck in anderen Satzfügungen das quod si (s. u.) zu die- nen hat. Hiezu vgl. p. Dejot. § 9: si, quum auxilia ipse cet. 6) p. Wil. § 4-i: Post diem tertium f/estu res est, quam dixerat (sc. Clodius). Cum ille non dubitaril aperire , quid co(/itaret, ros po- teslis dabitare, quid fecerit? Clodius halte etliche Tage vor dem blutigen Zusammenstosz mit Milo kein Hehl zu sagen, spätestens in drei Tagen müsse Milo kalt sein. Der Redner fordert nun von den Richtern Anerkennung dessen, dasz in den ^^'orten des Clodius eine Entsiegelung seiner verbrecherischen Absicht liege, und hätte sicher- lich ebenso gut das energische er(/o an die Spitze des Satzes stellen, und der Coustruclion folgende Gestalt geben können: ergo ille non dubitavil cos postestis etc., wenn er sich nicht hier ganz vorzugs- weise an das Scliluszverniögen seiner Zuhörer, ansiall wie sonst an das sittliche und rechtliche Gefüiil gewendet hätte, und mithin einen Denkproccss voraussetzt, für welchen das cum samt Coiijunctiv wie geschaffen, wenn nicht gar unerläszlich ist. Dies mag überiiaupt als \N'ink dienen, warum so manche Analogiesäl/.e ganz besonders der Coustruclion mit cmw zuneigen : es beruht auf der psychologisclien Berechnung und Feinheit der Rede. 7) p. Dejot. 21 : cum »tjilur eos rinciret, quos secum habebat, te sulutum liomam mittebat. Die Absurdität eines solchen handelns, das der Redner ebendeshalb als unglaublich bezeiciinet, halle \^ enigsteiis ebenso Icbhan durch: cnjo

SeylTerl: scholae lafinae. 339

eos ^ quos /e, qui solutum niittebat zum Bewusfseiii gchraclil Averden können. Uebri<j^ens erklärt sich diese ganze Siclle wie 6. 8) p. Ligar. § 5: Cum ipsa leffatio plena desiderii j'uisset hie aequo aniuio esse poliiit dislraclus a fralvihus? Hier Iiälle ent- weder ein quid oder ein zweites an (älinlich wie auch p. Arch. § 30 zwei Sätze mit an auf einander folgen) dem Satz den Charakter der Coordinalion aufdrücken können. Eine Möglichkeit war die, den Satz mit der Bedeutung einer epexegetischen Erweiterung des vorherge- henden asyndelisch anzuschlieszen , demgcmäsz zu beginnen mit: le- (jatiu ipsa fuit amorern^ dann mit der asyndelischen Fügung: Ä/c, und mit Feslhaltung des einmal angeschlagenen ironisierenden Tones mittelst credo {/tic, credo^ belli discidio dislraclus a fralribus) die Coordination symmetrisch mit: aequo animo esse potuit abzu- schlieszen. 9) ibid. § 31: An sperandi Ligario causa non sil, cum mihi apud te locus sit etc. Dieses Beispiel ist insofern bemer- kenswerth, als der die Folie des ganzen enthaltende Satz hier nach- geschleppt wird, statt voranzugehen wie sonst. Aehnlich ist auch p. Mil. § 28: obi-iam fit Clodius cum hie etc., obgleich dieser letz- tere Satz nicht mehr streng unter das Enthyniem gehört. Zu erwägen ist auch p. Ligar. § 3. 10) d. imp. Cn. Pomp. § 57 : Ulrum ille cum ceteri an ipse. Hier liegt die Nothwendigkeit des cum am Tage. Cic. konnte in einem und demselben Satze nicht zwei Ge- gensätze zugleich: 1) ulrum ille an ipse, und 2) ille ceteri, in coordinierter Form deutlich und kenntlich ausdrücken.

Zugleich bemerken wir in diesem letzten Beispi&le die eigen- thü:iilich wirkende Macht der Coordination auch in gewissen Sätzen mit der Doppelfrage utrum an, wo wir der Klarheit halber eine andere, näherhin subordinierende \Yendung zu machen genöthigt sind. So z. B. d. imp. Cn. Pomp, §38, wo wir richtiger sagen: ^ fragt nicht, wie viele feindliche Städte durch den Untergang fanden wo es leider mehr befreundete Gemeinden sind, die durch zu Grund gegangen sind.' Auch an andern coordinierten Wendungen der Art, bei denen freilich der Zweck der dcductio ad absurdum ver- schwindet, bei denen aber das Spiel der Gegensätze im allgemeinen doch verbleibt, hält die lateinische Sprache in charakteristischer Weise fest. Neben dem apagogischen Vergleichssatz zu einer andern species von Coordinationssätzen gestempelt sind solche Gedankenfü- gungen gewis eigenthümlich genug, um es zu rechtfertigen, wenn wir sie hier neben dem contrarium eines flüchtigen Blicks würdigen. Betrachten wir z. ß. die Stelle d. imp. Cn. Pomp. § 2 ita nequc hie locus vacuus unquam fuit ab iis, qui , et meus labor fructum amplissimum est eonsecutus. Der Redner hatte so eben Gründe ange- führt, die ihn bisher vom öffentlichen auftreten uird von Besteigung der rostra zurückgehalten hatten, und nun fährt er fort. Das letzte Satzglied, das doch so unzweideutig den Hauptgedanken, die durch tta angedeutete Folgerung aus dem vorhergehenden: oinne meum tem~ pus amicorum teinporibus transmiltendum putavi in sich schlieszt,

340 Seyffert: scholae latinae.

musz dennoch dem Nebengedanken des ersten Salzlheils , der nur ein liofFender Seitenblick auf den lockenden Glanz der rostra ist, den glei- cben Rang in der sprachlichen Ausdrucksweise und grammalischen Fügung einräumen. Nur ist gleicherzeit die ^^'eise der Coordination hier variiert, d. h. durch die verbindenden Glieder neque et (oüre te) ist die Asyndesis aufgehoben. Noch significanler ist de nat. deor. 19 9: omnes slulti miserrimi ; maxirne tjuod stulti sunt, deinde quod ila 7milta incommoda sunt in vita, nt ea sapienles com- mudorum compensatione leniarit^ sltilti riec vitare venientia possint^ nee ferre praesenlia. Hier würde zwischen der Thesis (miseria stul- torum) und dem beweisenden Beispiel (commodorum compensatione leniant) wenigstens dem auszeren Arrangement nach, geradezu eine Art von conlradiclio in adiecto bestehen, >\ ürden wir nicht eine ge- wisse übergreifende Macht des logischen Moments im Coordinalsatz über das grammatische oder sprachliche Moment zum voraus kennen, und dessen ausgleichende Macht wieder in die Wagschale legen kön- nen. Bei all dem springt es nun in die Augen, dasz sowol in solchen einfachen Vergleichungssätzen ,* als auch beim widerlegenden contra- rium im engern Sinn nichts anderes als das griechische Vorbild auf den lateinischen Sprachgeist eingewirkt hat (cf. Xenoph. Mem. 11 7 11. Isocrat. über den Frieden c. 16 n. 43, 45, 46, 47. Lysias c Era- losth. 79). Dieses eigenthümlich typisierende Gesetz kann indessen nur von der plastischen Feinheit der antiken Sprachen Zeugnis geben, sofern in allen diesen Sätzen, und so namentlich im ethischen Ver- gleichssatz die Idee dt;r Gleichartigkeit zweier Handlungen und ihre wesentliche Zusammengehörigkeit als zwei Umfangsglieder eines ge- meinsamen höhern (rechtlichen, politischen, sittlichen usw.) ganzen, eben hiemit aber auch die Absurdität und Nichtigkeit einer wider- sprechenden Behandlungs- und Auffassungsweisc beider, die Unnatur einer Nöthigung gegen einander Front zu machen, oder in enlgegen- geselzten Uichtungen auseinander zu Hieben die Gruudanschauung ist, die vorerst beide Glieder im idealen Ebennuisz enthält, dessen plasti- sches Spiegelbild sofort in der Stellung der beiden Momente auf glei- cher Linie und in der einheitverküudenden Form der Coordination sich sprachlich zu erkennen gibt, gleichsam eine 3Iahnung, dasz, was in der Idee eins ist, auch in der Wirklichkeit seine Einheit behalten soll. Her Gegensalz, der im ganzen Process eine Holle spielt, kann durch die Asyndesis des I-aleinischen an LebhafligUeit und schneiden- der Schärfe nur gi;winnen. Nachträglich fügen wir noch bei, dasz uns ein schwebendes Beispiel zwischen der reinen Coordinaliou und der subordinierten Vertheilutig der Sal/.ülieder , und gewissermaszen eine Abschallung der Helalivconslructiou der Parlicipialsatz : hniic dieni itjiliir etc. p. Milone 'J:j 43 zu sein scheint.

Der ethische Analogiesatz tritt nun oft mit an und ergo an der S|)itze des Satzes in Frageform auf, aber so, dasz das Verhältnis der beiden Salzglieder nach der kurzen Bemerkung des Buchs in beiden Fällen ein umgekehrtes ist. Diese Umkehr ausdnlcklicli benanul isl

Scyffert: scliolac latinac.

341

rolg-ciide: in der Formel mit ergo ist das zur Folie dienende crsic Salzglied seinem Sinne naeli schon friilicr dagewesen, und wird j(!l7,t in der Absicht eine Operalionsbasis zu bilden wiederholt (logische Seile des ergo); das zu richlende Ihun und lassen, das Ziel der Ope- ration, nähcrhin ihres AiigrilTs (Inhalt des zweiten Satzlheils), er- scheint zum orslenmal. In der l'orniol mit an wird der zur Folie dienende Salz zum erstenmal aufgefiilirt, dagegen wird die zu rich- tende, zu rcciiiicierende Handlungsweise des zweiten Satzgliedes als ein in seiner Allgemeinheit schon dagewesener Gedanke durch Nega- tion seines Gegeniheils (= Charakter des argumentierenden an) wie- derholt, nähcrhin als eine fester begründete und auch im einzelnen erwiesene Thesis (vorgehaltene, künftige Norm des handelns usw.), hingestellt. Neben ergo kommt nach der richtigen Bemerkung des Buches auch quid ergo? ^ und fügen wir bei, auch das einfachere quid? (vgl. p. Archia § lO) und et = dxa (p. Dejot. § 34) an der Spitze des Satzes vor. Diese Wörtchen verrathen eben nichts anderes als den indignierten Fragesteller gegenüber einer inconsequenteii parteiischen Handlung. Zu derartigen Anläufen gehört nachträglich olTenbar auch die Formel: etenim credo p. Arch. § 10. Sodann macht sich die Steigerung des Affects Luft in einem ausdrücklichen Satz: o 7)16 miserum, o me infelicem, was wir aus p. Mil. § 102 schöpfen, so wie ein andersmal das qui igitur convenit als durchsich- tiger Verbalsatz den dunkleren Knotenpunkt des quid ergo etc. zur Genüge commentiert. Das griechische Original für diese lebhafteren Anlaufsformen ist: aXX aqa ^iv = 6e ccqk cf. Stallbaum zu Fiat. Apol. 3i C. ; ncog ovv eixog sq. accus, c. inf. ; ccq ov öeh'Ov^ £i i-ih' öi. Das verstärkte anvero entspricht nach unserm Bedünken am ehesten unserm Sväre wirklich, sollte wirklich usw !', ergo in seiner gedoppelten Bedeutung und mit gesteigerter Stimmung ^ wäre es möglich! soll ich es glauben!' Zum Schlusz der ganz ausgezeich- neten Abhandlung über das höchst bedeutsame Sprachphaenomen des argumentum ex contr. gibt der Vf. über Wortstellung, modus und tempus noch einige sehr iuslructive Winke, sofern die damit ange- deuteten Punkte ganz -wesentlich vom Gesamttypus dieses eigenthüm- lichen Sprachgebildcs bedingt sind.

Schreiten wir zu den weiteren Formen apagogischer Beweisfüh- rung, so verdeutscht der Vf. die Figur: proitide quasi, schlagend mit: 'das klingt gerade so: wie wenn usw. ' Welches ist die edle und mustergiltige Verdeutschung des nisi vero? Gerade in solchen Figu- ren liegt für den übersetzenden eine eigentbümliche Schwierigkeit, die zumeist als ein sitzenbleiben in Trivialitäten übrig bleibt, wo doch das wahre überall nur ein ebenso klar gedachter als leicht be- sclnviugler Ausdruck sein kann. ^ Proiiide vor qiiasi gibt die Iden- tität des Irlhums in der fremden Annahme so wie in ihrer Voraus- setzung noch entschiedener zu erkennen.' Diese Bestimmung, verste- hen wir sie recht, würde vielleicht unzweideutiger so lauten können: die Identität des Irthums im Kopf des Gegners und auf der Zunge des

342 SeyfFert: scholae latinae.

widersprechenden Redners. Die in corrigierender Weise eingescho- bene wahre Ansicht neben der falschen widerlegten wird durch das einfache nun oder ac non angefügt, und hat, was wir hier zu bemerken nicht unterlassen wollen, sein Gegenbild im griechischen aXlu fti^.

Einen Haupfpassus bildet sofort die Lehre von der Widerlegung, die selbst wieder in die Lehre vom Einwand, und in specie in die Lehre von der Widerlegung des Einwandes zerfällt, und ist das ganze in einem höchst wolgeordneten Rahmen mit dem reichhaltigsten Ma- terial abgehandelt. Nur vorübergehend möge bemerkt sein, dasz die Formel: num igilur, die der Hr. Vf. blosz unter den einen zweiten widerlegenden Redensarten aufführt § 64, sich ebenso bei einem selbstgemachten Einwand vorfindet, und demnach in dieser zweifachen Unterscheidung ganz ebenso vorkommt, wie das verwandle quid ercjo, q. iyitur , das nach § 48 c zuerst einen selbst erhobenen Zweifel niederzuschlagen hat, während es sich ein andersmal (nach § 65 c) auf die Gegenrede eines zweiten stürzt. In der gedachten '^^'eise steht das num igitur z. B. p. Ligar. § 4, p. Mil. § 31, 17, vgl. 19; das leicht modilicierte itaqu^ num steht so p. Ligar. §29, wo es, wie schon oben angedeutet wurde, zugleich auf einen neuen Hauptlheil der Rede überleitet. Statt beider Formeln steht wol auch num kl- Circo, wo es im Namen des darstellenden ein zwischen ihm selbst und einem zweiten schwebendes Gedankenbild einführt, z. B. Cic. To- pic. § 45: finge mancipio aliquem dedisse id, quod mancipio dari non polest. Num idcirco id eins faclum est, qni accepil?

Zu den wesentlichen Gliedern eines Schlusses, d. h. zur assum- ptio (die sonst mit atqui, aulem), zur neuen propositio (die mit iam und porro) und zur conclusio (die sonst mit igitur und ergo anhebl), wird nun, und zwar für alle diese drei Formen promiscue , nach der Lehre des Buchs das quodsi verwendet. Indes zweifeln wir, ob mit dieser Bestimmung der Gebrauch des quodsi allseitig erschöpft und dessen innere Natur vollständig gezeichnet ist, indem wir auszerdem noch gewisse andere, durchaus discrelc Gedankenbewegungen in seinen Satzverbindungen wahrnehmen können. In einem müssen wir dem Hrn. Vf. unbedingt beipilichlen : in allen ^^'endungen knüpft das quodsi, wie jedes Glied eines Schlusses seiner Natur nach an ein dagewesenes an, und benutzt dieses Moment als Ausgangspunkt , als Basis einer weiteren Digression, und lüedurch fällt es unzweileliiaft in das Gebiet der technischen Mittel des schlieszens. Allein das ist nicht alles. Das weitere, ja ohne Zweifel das wichtigere ist der modus seines wciterschreitens, und dieser modus ist ein doppelter, logisch zweifacher. Entweder nemlith wiederholt quodsi unbefangen die Be- hauptung, die schon im vorhergehenden da \\i\v, und fugt an diesen ersten Punkt einen zweileu Ge<lankeii an als naturgemäsze Folgerung des ersten, und beide stehen zusammen im Verhältnis der Inhaerenz. Weil aber das V^erhällnis dos erkennenden Subjerls zum objectiven Zusammenhang beider Glieder ein verschiedenes, ein durch die Stufen und Grade dieses ßewuslseins variiertes sein kann, so ist auch die

SeylTert: scliolae latinae. 343

äiiszerc Form, in wclclicr beide Glieder ausgesprochen werden kön- nen, dem ^^'ecI^sel iinfcrzogcii, und bald ist sie ein dircctes Urlheil, bald erscheint sie in condilioneller (subjectiv abhängiger) Weise, bald mit verneinender Umschreibung der beiden Glieder, in der ver- neinenden Umkehr. Oder aber das quodsi erinnert rasch an die in Frage stehende Thesis, Aveicht aber plötzlich in Form einer negativen Operation um eines Finwandes willen einen Fusz breit von seiner Thesis zurück, um jedoch in demselben Augenblick dem wirklichen oder fingierten Gegner das 'bis hieher und nicht weiter' entgegenzu- werfen, d. h. um jede weitere Consequenz, die zum wirklichen Nach- theil der Thesis gezogen werden möchte, als falsch abzuschneiden. Der Unterschied ist also grosz genug, wenn dort einfach neben der Thesis ein neues harmonierendes Moment auftritt, hier aber durch Abschneidung einer gewissen Consequenzmacherei und durch Ver- nichtung eines Widerspruchs die allgemeine Wahrheit der Thesis sich von neuem geltend macht. Im ersten Fall ist also quodsi wesentlich Ihe tisch er Natur, einfache selbstgewisse Wiederholung einer vor- ausgegangenen Thesis, und zieht sofort im folgernden Satz, je nach der Stellung des erkennenden Subjects zur objectiven Wahrheit der Sache, theils den Indicativ, theils den Conjuncliv nach sich. Im zweiten Fall ist es vorübergehend privativer Natur = Abscheidung eines Moments aus der Thesis, und zieht im Geist der Concedierung jederzeit den Conjunctiv nach sich, im Nachsatz das tarnen. Für den ersten Fall hat der Grieche das: ei (lev ovv sq. indic. fut. oder indic. praesent. , oder imperfect., letzteres weil es Rückblick auf ein schon gesagtes ist; für den zweiten das Kai sl, et ovv nai mit den üblichen Formen der llypothesis. Wir lassen für beide Gattungen eine Reihe von Beispielen folgen: l) d. imp. Cn. Pomp. §68: Quodsi aucto- rilatibus hanc causam, Quiriles, confirmandam putatis, est vohis auctor etc. Namhafte Auctoritälen hatten sich für und wider die manilische Bill erhoben; letztere hatte Cicero so eben widerlegt, und nichts natürlicher, als dasz die Freunde des Pompejus im Gedanken längst schon auf ihre Gewährsmänner hingeschaut hatten, und an das Gegengewicht dachten, dasz diese hohen Personen gegen Horfensius und Catulus zu bilden vermochten. An diesen Gedanken anknüpfend und ihn gewisserniaszen bestätigend sagt also der Redner: quodsi - piitafis, und fügt im Nachsatz diejenigen Auctoriläten an, in denen sich allerdings die zu Grund liegende Tendenz eines siegreichen Gegen- gewichts vollständig verwirklicht (Inhaerenz der Begriffe des Vorder- und Nachsatzes). 2) p. Ligar. § 34: Quodsi penitus perspicere posses concord/am Ligariorum, omnes fralres tecutn fuisse iudicares. Unmittelbar vorher spricht der Redner von einem jederzeit brüderlich übereinstimmenden handeln der drei Ligarier, und bezieht sich in dem jetzigen Satz wieder auf dieselbe Eintracht und Brüderlichkeit. Diese Bezugnahme erstreckt sich aber nur auf das factum der aequa- litas fraterna ; und ihr gegenüber tritt das w issen um sie als etwas problematisches auf, mit dem das factum an sich nichts zu thun hat.

344 Seyffert: scholac lalinae.

Dadurch wird es möglich, dasz das verbum, welches die zufallige und wandelbare Slellunf eines zweiten zur recapitulierten Thalsache enthält, im conditioncUen Conjunctiv (si posses cet.) auftritt. Ueber- haupt ist damit der Punkt angedeutet, wie es denkbar wird, dasz Sätze, deren Begrilfc im immanenten Zusammenhang stehen, nach auszen hin die conditionelle Form wenden, bei denen aber nun der Conjunctiv ja nicht mit demselben modus in Sätzen der zweiten Gat- tung zu verwechseln ist, da vielmehr der Inhalt des Nachsatzes in obigen Sätzen in vollständiger Harmonie mit dem Gedanken des Vor- dersatzes steht, und sich geradezu als dessen naturgemäsze Folgerung repraesentiert. In unscrm Fall konnte Cicero ^ewissernuiszen sagen; qtiud si est talis ac lanla illa Lirjariorum concordia , prufecto , si noveris, iudicare debebis^ letzleres die nolhwendige Folge von ersterem auf dem allgemeinen Grund der notorischen concordia Ligar. 3) p. Arch. § 1: Quod si haec vox 7wnnullis sahiU fuil, profeclu knie ipsi salulem ferre debemus, und $ 4: quod si mihi a vobis tribui sentiam, perßciam profeclo cet. Diese Sätze repetieren, wie der erste Augenschein lehrt, die voraiisgegangenen BegrilVe, dort den der Bildung des Kedners durch Arcliias, hier den der Geneigtheit zur Anhörung eines Vortrags über den ^^■erth der Wissenschaften. Im letzten Satz bemerken wir sodann die doppelte Bedeutung des quod^ sofern es auszerdem auch Accusaliv ist, wie z. B. p. Mil. § 31. Auch ist in beiden Beispielen der psychologische Zusammenhang der jeweiligen Satzglieder klar und deutlich; dort sprechen beide eine ethische Verpflichtung aus, hier schlieszt sie ein rednerischer Zweck zusammen. 4) p. Mil. § 9: quudsi duodeciin tabulue nüctunium fiirem intcrftci impune vuluerant: quis est^ qui qtioqitu modo quis iitterfeclits s/<, puniendum putel, quuui ciderit uliquundo tjladium nobis ad occidendum hontinem ab ipsis porrii/i legibus? Die ganze vorhergehende Beweisführung von 'iij 7 an betrilft den Satz: nach dem römischen Hecht ist die TödUing eines Menschen nicht schon eo ipso ein Verbrechen, sondern es kommt hiebei auf die Absicht und auf die Umstände an, und schlieszt nun mit den Worten: quodsi etc. Dieser Gedanke, wie wir ihn so eben hingestellt haben, ist allerdings in seiner abstracten Allgemeinheit nicht vorhanden, da er vielmehr aus einer Heihe von Beispielen (gcschichlliclien) nur be- wiesen wird, und auch den» letzten Beispiel der zwölf Tafeln zu Grunde liegt. Allein das quodsi mit seiner reassumierenden Kraft hebt dieses letzte Beispiel über die Heihe der übrigen hinaus, und während der Hedner annimmt, dasz die vorhergehenden argumenta den allge- meinen Gedanken zur Genüge conslaliert haben, identificiert er den Inhalt des letzten Exempels um mil ihm sofort weiter zu argumen- tieren, mit dem allgemeinen Gedanken selbst, und gelten ihm also die beiden Sätze, der allgemeine 'das römische Hecht geslallel oder entschuldigt unter Umständen die Tödinng', uiul der individuelle 'die zwölf Tafeln gestalten eine gewisse Tödluug', als \\' ec h se 1 l z e. Der allgemeine Satz concenlrierl sich plötzlich im individuellen, und

Il

SeylTert: scliülae lalinae. 345

dieser ciilhall jenen ganz in sicli, während die früheren ihre ursprüng- liche Bedeutung als vereinzelte Beispiele behalten. Zum Ueberflusz sei bemerkt, dasz der Nachsatz in unserem Beispiel wiederum nur die naturgemäszeste und unmiticlbarsle Folge vom Vordersatz, zugleich also ein neues Moment darstellt: ^erlaubt das Gesetz eine gewisse Tüdtung, so ist eine derartige Tödtiing nichts vcrbreciierischcs und strafbares.' Hier bindet keine sittliche Idee, nicht der Zweck redne- rischer Belehrung die Sätze zusammen, sondern die logische Natur der Begriffe an und für sich. 3) p. Mil. § 1-t und 31. Beide Fälle sind nach Analogie von N. 2 zu behandeln. Das nullam in § 14 löst ja nicht das Verhältnis der beiden Glieder auf, sondern gehört an und für sich zur Folgerung, richtiger zum Praedicat des Nachsatzes. 6) p. i\Iil. § 15; Quod nisi vidissel (Pompcjus) posse absolvi eiim, qui fate- retitv neque quaeri unquani tussisset, nee vohis dedisset. Diese "NN endung ist olfenbar nur negative Inversion der beiden Glieder für den positiven Gedanken: q2iud quoniam vidit^ nt quaeri iussit, Üa dedit. Auch hier ist das entscheidende, dasz die Gedanken des Vorder- und Nachsatzes hinter der negativen Auszenseite dennoch ein immanentes Verhältnis ausdrücken, während in Fällen zweiter Art das Besultat überall durch Zerstörung der Negation vermittelt wird. In dieser Weise erledigen sich denn auch die vom Vf. § 75 a beige- brachten Exempel.

Für die zweite Gattung von Sätzen mit qiiodsi führen wir fol- gende Beispiele an.: l) d. imp. Cn. Pomp. § 50: quodsi Romue Pom- peius privf/fus esset, tarnen ad bellum erat deligendus. Der Mit- telpunkt der dortigen Ausführung ist die Feldherrnpersönlichkeit des Pompejus. An diese knüpft der Kedner weiter an mit quodsi, fügt aber in demselben Augenblick eine Concession bei, um jedoch im gleichen Alhemzug jede weitere Folgerung als falsch abzuschneiden, nnd seine Tbesis (Uebertragung des Kriegs an den groszen Feldherrn Pomp.) als feststehend und unantastbar selbst in Mitte des Zugeständ- nisses aufzuzeigen. Die Einräumung, die man macht, und die selbst als Bcalität der Wahrheit der Thesis dennoch keinen Eintrag thun könnte (offenbar ist hier der Sieg der Position über den Wider- spruch der wirksame Gedanke), ist indessen selbst nur fictiv, was sclion aus der ^^^^hl des conj. imperf. in allen diesen Stellen sich kund gibt. In unserm Beispiel findet sich das Gegentheil der Einräu- mung (oder richtiger eine Annahme, die man ungefährdet machen kann, aber nicht zugeben will) dicht neben dieser Aiinahmo selbst. Es hciszt dort: nunc, cum ad ceteras utilitates haec quoque opportunilas adiungatur, ul in iis ipsis locis (Kriegsschauplatz) adsit (Pomp.) etc., wo schon von vorneherein nunc, das griechische vvv de, als logisches adversalivum das gerade Gegentheil des vorigen er- warten läszt. 2) p. Arch. § 16 und 17, Beispiele, die unser Buch anführt. Dort ist der Gedanke, an den mit quodsi angeknüpft wird, das segensvolle der Wissenschaft Qiic lanlus fructus) und die unmit- telbar daran angeschlossene Beschränkung reduciert vorläufig diesen

iV. Jafirb. f. l'/iil. u. Pueil. Hd. LX.XII. ///'. 7. 26

348 Seyffert: scholae lalinae,

von Salz 1, == sin autem hie timis interfectus fuerit^ infelligo etc. Das fragliche quodsi im 3n Satz ist also mit gar niclils 7.11 vertau- schen, sondern ist nach allem dem als tecluiische Bezeichnung eines Aviederhollen Gedankens mir ganz nnd gar in Ordnung. Indes finden wir es auch ganz nafiirlich, dasz Cicero denjenigen Salz, der seine staatsmännische Politik gegenüber der Gefühlsaufwallung zeigen soll, nicht in der einfachen Schwebe des Gegensalzes, sondern mit trium- phierendem Bewustsein in einem siegreichen Recapitiilationssalz, in welchem wir zugleich eine treffliche Amplificalion bewundern können, in die Wagschale wirft. So wenig braucht der Redner 'den Gedanken als Folgerung seiner so eben ausgesprochenen Ueberzeugung nnd somit das bewustvolle nnd retleclierle seiner eigenen Ansicht durch die Form des schlieszens deutlich mit quodsi (statt sin autem) zu bezeichnen', dasz wo ein wählen und wägen zwischen sein und nichf- sein an Kopf und Herz herankommt, da gewis auch eine gewisse Reflectiertheit und Bewustheit hcrscht; und doch hält der Redner § 23 da, wo er an Catilina die imperalorische Forderung stellt, die Stadt zu räumen, jene beiden iniialtsschweren Folgen, die dieser Schritt für ihn selbst nolhwendig nach sich ziehen miisz, ganz richtig mit si und sin autem auseinander. Nicht viel anders p. Mil. '5j 31, wo es sich auch um eine Lebensfrage handelt, nnd wo dennoch ganz consequent die beiden Pole mit si (und repetierendem quodsi), dann mit sin (= sin hoc nemo restnini ila sentit ) markiert werden.

Höchst beachlenswerth ist wieder das, was der Vf. bei der Lehre über das excmplum über eine asyndetische Anordnung der betreffen- den Sätze bemerkt. Die ganz schlagende Bemerkung, dasz die Figur censetis^ pufatis sq. gerund, in exempliricierenden Salzwondnngen durch das deutsche 'müssen' zu übersetzen sei, liesze sich alknfuils statt der auch no("h den Redner nmschlieszcndcn Definition: 'es werde hiemit die Nothwendigkeit der Schluszfolgcrung unabhängig von jeder Bedingung, dem ermessen des subjecliven Urlheils anheimgegeben', durch die strictere Formel: 'dem eigenen ermessen des hörenden, lesenden (ohne Zuthun des Redners) anheimgestellt', zum eigentlichen Abschlusz bringen. 'Wo eine historische Persönlichkeil zur Folie einer Behauptung dient, steht quidem, wenn gleich der Nachdruck weniger auf der Person an sich, als auf ihrem (deiktischen) handeln liegt.' Wir können beifügen: da, wo der beweisende sein eigenes snbjeclives Urlheil, immerhin aber in bescheidener Weise, in die Wagschale legt, nnd mithin der persönlichen Auctoriläl eines andern sich selbst substituiert, steht rero statt quidem. Cf. p. Arch. § 12 n. 30, p. Lig. § 19. Die Formel im ausgebildeten Gleichnissatz: vt enim, si: sie, hat, was wir hier beisetzen wollen, offenbar ihr grie- chisches Vorbild an der bekannten Figur: (oaTTiQ yaQ äv, ei (au per abundantiam), ovrcog^ ganz so wie die § 82 c besprochene Figur, eine Zusammenziehung des Gleichnissatzes, auf griechischer Constrnc- lion beruht.

Handelt es sich auf einem gewissen sprachwissenschaftlichen

Högg; ü. d. Aneignung il. iiulli. VVorlschalzes im Lal. 349

Sliuidpiuikt wesentlich um gedankenmüszige Durclidringuno und be- giilTlicIie Ableitung einer ganzen Itcilie von Formen des lateinischen S(trachgeislts, handelt es sicii insbesondere für den lernenden und übenden um freie Beherschung der iiöheren und immer noch zu wenig gewürdigten Wendungen und Slrategeme, die heim auffallend starken rhelorischen Bildungstriebe der lateinischen Sprache ein und für alle- mal gegeben sind, so kann das ^^'erk mit Bezug auf diesen höher berechtigten Standpunkt nur eine höchst charakteristische und ausge- zeichnete Arbeit genannt werden, die mit gespanntester Erwartung auf den versprochenen zweiten Theil hinschauen läszt.

liollweil. W. Birkler.

23.

Auf welche Weise wiid der leiuende den zutii Verständnis der lat. Sprache nolhwendigen Wortschatz erlangen?

In der 14n Versamml. der Phil, und Schulm. wurde über einen für die Schule sehr wichtigen Gegenstand gesprochen, über den selbständigen Gebrauch von Vocabularien. Der Behaup- tung des Hrn. Antragstellers, dasz das ^ Vocabellernen ganz früh be- ginnen müsse', wird gewis jeder zustimmen, wofern der Satz so ge- faszt wird: Ganz frühe musz mit Aneignung eines Wortschatzes be- gonnen werden.

Wie dies geschehen solle, darin gehen nun freilich die Ansich- ten auseinander. Diejenigen, welche sich unter Erlernung von Voca- beln blosz ein auswendiglernen denken , werden natürlich zunächst nach solchen Hülfsmilteln fragen, welche Vocabeln, nicht Sprachganze enthalten, also nach Vocabularien. Die Erfahrung D. Ecksteins, dasz das erlernen der Wörter aus einem Vocabularium, wie das von VV i g- gert ist, eine gute Anzahl Stunden gekostet und nicht viel Nutzen gebracht habe, können wol viele Schulmänner bestätigen. Aber Un- recht « ürde man thun, wollte man gerade nur diesem Buche die, Schuld des geringen Erfolges beimessen. Zugegeben, dasz das Voca- bularium von D öder lein wesentliche Vorzüge besitzt, so lassen sich doch gegen den selbständigen Gebrauch desselben, wenigstens in Sexta, dieselben Gründe gellend machen, wie gegen das von Wiggert. Gerade der Vorzug, dasz das Buch von D. Wörtergruppen enthält, fällt für die Sexta weg, wo nur einzelne Wörter gelernt werden sol- len; denn für diese ist dem Gedächtnis des Schülers der Anhaltungs- punkt entzogen *). Ferner ist bei jedem derartigen Vocabularium,

*) Mit paedag. Takte hatte Döderleiii uiiterla.ssen, das Perfect, den Genetiv und das Gcaus beizusetzen; ich kann es als keine Verbes-

350 Högg: ü. d. Aneignung d. noth. Wortschatzes im Lat.

also auch bei dem von D., wie in jener Versammlung richtig bemerkt wurde, die Gefahr zu fürchten, dasx die auswendig gcbrnicn Voca- beln todter Schatz bleiben, und dasz die immerwährende Wiederho- lung einzelner Worter, wodurch man dem vergessen vorbeugen miisz, die jungen Schüler ermüdet. Planmäszig erscheint zwar die Erler- nung der Vocabeln, wenn ein Theil des Vocabulars z. B. A E in der 1. Jahresklasse, F L in der IL, M Q in der III., U V in der IV. durchgenommen wird, wie dies am Gymn. in Bruchsal geschieht (s. Progr. v. 1854). Allein näher betrachtet zeigt sich ein solches Ver- fahren als unpraktisch, indem bei jedem der alphabetisch geordneten Stammwörter eine Menge solcher Ableitungen, Zusammensetzungen und Ausdrücke stehen, die dem Schüler in einer der '6 untern Klassen noch völlig fremd sind, und welche daher entweder unzeitig gelernt werden, oder übergangen werden müssen.

Die Anordnung nach Gegenständen erweckt allerdings nicht nur gröszeres Interesse bei der lernenden Jugend, sondern bie- tet auch mehr Gelegenheit zur Verwendung dar, als die etymologische Ordnung. Allein das erlernen selbst wird durch diese Anordnung nicht erleichtert, und ein Schutz gegen das schnelle vergessen nicht gewährt. Auch der Orbis pictus des Comenius würde sicherlich nicht nur für den Zweck des Vocabellernens weniger angemessen, sondern für den lernenden auch weniger ansprechend gew esen sein , w enn Comenius den Abbildungen nur die Benennungen, und keinen zusam- menhängenden Text beigefügt hätte.

Beide Anordnungen, die etymologische und die reale, haben überdies den Nachtheil, dasz sie sich oft dem grammatischen Gang des Unterrichts nicht fügen wollen. Dagegen ist die grammatische Ordnung für das erlernen der Vocabeln schwerer und noch freudloser, als die ebengeuannlen. Da es unbestritten ist, dasz die rein alpha- betische Ordnung für den vorliegenden Zweck die schlechlesle sei, so brauchen wir hier nicht weiter darüber zu sprechen.

Demnach ist keines der selbständigen Vocabulaiien , nicht das rein alphabetische, nicht das grammatische, nicht das reale, nicht das etymologische, an und für sich geeignet, dasz der Schüler sich durch auswendiglernen der darin enthaltenen Vocabeln den nöthigen Wort- schatz verschalTe und bewahre. Ebenso wenig würde sicii iiierzu ein Vocabularium eignen, welches die Vorzüge aller übrigen in sich schlosze, wenn überhaupt ein solches denkbar oder ausführbar wäre, ein alpha- betisch-grammatisch -etymologisch -reales. In dieser Hinsicht haben also diejenigen Schulmänner Hecht, welche behaupten, man dürfe dem Schüler nur diejenigen Vocabeln jzum auswendiglernen zumuthen, welche mit der Lectüro und dem Uebungstolfe in Verbindung stehen.

ücrung ansehen, dasz in der 3u Aull. das Geiiu.s hoiyofügt winde; denn es sollte dem Schüler keine Veranlassung ;;enünimen werden, selbst zu denken. I<;li habe es daher in meiner Grammatik versucht, andere, die-scni Zweck entsprechendere Genusrcf^cln aurzu.slelieu.

Hügg; li. J. Aiicigiiuiig d. iiölli. WorlscIial/,C!5 im Lal. 351

Zu diesem Zwecke sind in eiiiiyeii Eleiitenlarbüclieni die belrelVeiiden Vociibelii linier die einzelnen l.elirslücke, iu andern über dieselben geselzl. Man belracbte nun die in Augusts praktisciien Voriilinngen (es isl uns nur die 'Ic Aiillage zur Hand) vor der vierten Uebiing siebenden Vücabeln oder in Kiibners l-lleinenlargranunalik (lOe Aiill. 1851) 'ä^ 36 S. -ii) —47, und man wird sieb überzeugen, welcli (|uälende Zumulbung- dem Knaben mit dem auswendiglerneii der Vocabcln vor dem übersetzen gemaclil werde, ebenso aber aucb die hiinlige Wie- derbolnng desselben Wortes mit beiget'üglem Genetiv und Genus oder der Conjngaiion bemerken. Bei einem Sciiulbnciie von soleber Eiii- ricblung- wird es der Lebrer selbst mit der liuszersten Strenge nie da- bin bringen, <lasz der Sebüler die Bedeutung eines Wortes aus seinem Gcdiieblnisse scböpll oder durcb nacbdenken zu linden suclit, sondern derselbe wiid das leiclileste und gewöbnlicbste Wort zum bundertsteu Male wieder aul'scblagwi. Kürzlicb beobachtete ich drei aus versebie- denen Anslalteu bergekommene Schüler der zweiten Jaliresklasse, denen aufgegeben war, einige lal. Sülze ins Deutsche zu übertragen. Ehe sie den Versuch zu übersetzen wagten, liengei» sie an mit groszer Eilfertigkeil die einzelnen Wörler der aufgegebenen Satze, sogar die bckanulesten, wie iu/rius, adpeiiire usw. tbeils in dem Wörterver- zeichnisse ihres seither gebraucliten Elementarbuches (v. Bröder u. Kühner), tbeils in den Üeibeii der voranstehenden Vocabcln, sie mit dem Zeig'inger durchlaufend, zu suchen. Man darf behaupten, dasz z u r Erreichung des o b e n g e n a n n t e n Z w e c k e s ei n d o m E l e m c n t a r b u c h e e i n g e s c h a 1 1 e t e s oder angehängtes V o - c a b u l a r i u m nicht nur nicht tauglich, sondern sogar hin- derlich sei.

Welches Vocabular wird nun das geeignete sein? Keines. Den zum Verständnis einer fremden Sprache nuthwendigen Worlschulz wird der Sebüler am sicheisten nur aus der l.eclüre und durch die Leclüre gewinnen. ie nebenbei ein elymol. Vocabular beim ünler- riciit benülzt werden könne, werden wir im folgenden sehen. Allein das Vorhandensein von Vocabularicn berechtigt noch nicht zu dem Schlüsse, dasz es ohne ein solches Buch nicht möglich sii jenen Zweck zu erreichen. Es gibt ja auch eingebildete Bediirl'nisse.

Soll der ganze \\'ortschalz aus der Leetüre gewonnen w erden, so ist hierzu ein auf grammatischer und realer Grundlage angelegtes Elcmcntarbucb erforderlieh. Ein Lesebuch, das dem grammaf. Gang des Unlerrichtes gar keine Ilechnung trägt auszer etwa, dasz es an- fangs einfacheres und leicbleres, s|)äter zusammengesetzte Sätze und längere und schwierigere Stücke bietet, zwingt den Lebrer die Eormen- lehrc von der Lektüre ganz zu trennen, ja den Sprachunterricht mit answendiglernen der Formen zu beginnen. Man kann auf das naturwi- drige und unerquickliche eines solchen Verfahrens nicht oft genug aufmerksam machen; ich wiederhole daher, was ich schon anderwärts angeführt: sowol einzelne Wörter, als grammatische Formen lernt und behält man am sichersten, wenn man sie aus beslimnilcn Beispie-

352 Högg: ü. d. Aneignung d. nölh. Wortschatzes im Lal.

len erschaut, welche die Bedeutung derselben aus den Satzverhällnis- sen erkennen lassen. Ein Eleinenlarbuclf dagegen, welches einzig den gramniat. Unlerrichtsgang zur Kiclilschnur nimmt, weckt und belebt nicht, sondern macht stumpfsinnig und schlaff durch das einerlei und reizlose seines Inhaltes, der oft von solcher Geschmacklosigkeit ist, dasz man billig die Jugend damit verschonen sollte. Mit Hecht sagt Prof. Här- tung in der Vorrede zu seinem vortrefilichen (realen) Elementarbuche; * Ein Gemisch von Aeuszerungen , Lebensansiohten, Aussprüchen be- rühmter Männer, wenn es auch genicszbar wiire für diejenigen, die noch nichts erlebt haben, bietet den Knaben kaum etwas zur Nahrung und zum Genüsse für die Gegenwart dar; blosz die Aussicht auf die Zukunft soll sie stärken und beleben, und man halt es für einen gro- szen Gewinn, wenn sie sogleich mit der Muttermilch einige solche Notizen einsaugen und, so zu sagen, von den \\ indeln an gelehrte sind. Solche Sachen übersetzen dann die Schüler, ohne sich um den Inhalt zu bekümmern, und fast ohne zu wissen, was sie lesen. Und was kann verderblicher sein, als das gewöhnen an ein solches betrei- ben des klassischen Unterrichts? Werden sie nicht später den Livius mit der nemlichen Gedankenlosigkeit lesen? Einheimisch musz sich der Schüler fühlen und Grund unter den Füszen spüren, wenn er aus freiem Antrieb thätig sein und' nachdenken soll. Wenn daher Kinder ins Alterthum eingeführt werden sollen, so müssen sie zuerst in das- jenige Element versetzt werden , worin sich ihr Geist am besten und natürlichsten bewegt. ' Müste ich wählen zwischen einem rein gram- matischen und einem rein realen Elementarbuche, so würde ich unbe- dingt dem letztern den Vorzug geben.

Indes lassen sich beide Anforderungen vereinigen. In meinen Lehr- und Lesestücken habe ich diese Aufgabe zu lösen ver- sucht. Dieselben zerfallen in 4 Abiheilungen; das le Buch gibt leichte Sätze, welche die Satzllieile in ihren einfachsten Verhältnissen und zugleich die ihnen entsprechenden Formen darstellen : § -k. Jlo/a slre- ■pit. Molae strepiint etc. (Nom.) ; § 17. Homo terram arat. Terra gerit herbas (Acc); § 43. Lingua gustamns. üigito monstrawus. Salem sapore sertlimus. Manu rem prehendimus (Abi.). Dieselben Vokabeln kommen in den folgenden ,§§ wieder vor. liier lernt der Knabe Namen von Gegenständen, die seinem Gcsichlskreise nahe lie- gen, Wörter, die, wie Dödcriein sich ausdrückte, gleichsam inslincl- artiges Interesse haben; schon nach 5^ 6 Lehrstundon weisz der Schüler einige Bäume zu benennen, mehrere Vögel, einige andere Thiere, ^^'örler, die etwas lebloses bezeichnen. Ausdrücke, die sich auf den Menschen beziehen usw. Das abfragen geschieht bei ge- schlossenen Büchern bald zu Ende, bald zu Anfang der Stunde. Sehr bald kann der Lehrer fragen: quis volat? qitis nat {iialat^? usw. Es versteht sich von selbst, dasz die Vokabeln zur Abwechslung auch nach einer bestimmten Declination oder Conjuaalion abgefragt wer- den. Schon frühe wird der Schuler auf Ableitung und Verwandt Schaft der Wörter aufmerksam: fcrrum . fcrrriis ; rariiis. rarietas;

Högg: ü. d. Aneignung d. nölh. Wortschatzes im Lal. 353

ßrmns, infirmus; levis, levare; slrepere, slrepUns usw. Wio der Schüler die Vocabclu im (ledäclitnis behalte, ohne sie einzeln aus- wendig zu lernen, wird sich aus dem folgenden ergeben. Im 2n Buche meiner Lesestücko ist die Hiicksicht auf das grammatische und zwar auf die Satzlehre vorhersehend; daher finden sich darin mehr Sätze abslracteu als beschreibenden Inhalts. Doch ist der sprachliche Stoir wo möglich so gewählt, dasz der mittelst des In ß. erlangte Wortvorralh dem lernenden als Grundlage für das Verständnis dient und immer mehr an Umfang zunimmt. Ein Wörterverzeichnis ist auch diesem 2n B. nicht beigegeben; der Unterricht musz es entbehrlich machen. Dasz dieses möglich sei, hat mir eine vieljährige Erfahrung gezeigt. Da es nach dem bisher gesagten scheinen könnte, als ob der Schüler, um in den Besitz des nölhigen Wortvorralhs zu gelangen, sich ganz passiv verhalten dürfe, so erlaube man mir, dasz ich weiter aushole, um darzuthun, auf welche Art ich die Selb s It hätigke i t des lernenden in Anspruch genommen wissen möchte. Ehe man vom Schüler verlangen kann, dasz er lerne, musz der Leh- rer vorher lehren. Hat er Anfänger vor sich, die noch gar keine Kenntnis des Lat. besitzen, so übersetzt er den ersten Satz von Wort zu Wort; die Schüler sprechen nach. Dann liest er den folgenden Satz; hier fragt er erst: Svelche Wörter nehmet ihr in diesem Satze wahr, die schon im vorigen dagewesen?' Dann erst spricht er die Uebersetzung usw. Die häusliche Aufgabe des Schülers ist es , sich auf die nächste Lection vorzubereiten. Diese Vorbereitung be- steht in der Wiederholung dessen, was in der letzten Lection vorge- kommen. Auf die dritte Lection hat er das zu wiederholen , was in der letzten und was in der vorletzten gelehrt worden usw. , so dasz die jedesmalige Aufgabe aus zwei Theilen besteht. Oft findet eine allgemeine Wiederholung statt, später diese etwa nur von Woche zu Woche. Bei denjenigen Wörtern, welche neu hinzukommen, ist es verzeihlich, wenn der Schüler ein und das andere vergessen hat; hier ist Nachsicht nothwendig, nicht aber bei denjenigen Wörtern, welche schon mehrmals dagewesen oder öfters wiederholt worden; die mei- sten haften leicht im Gedächtnisse, selbst bei Schülern von mittel- mäszigen Anlagen. Man fordere nicht, dasz der Schüler die Vocabeln die in einem neuen Lesestücke enthalten sind, aufschreibe und gestatte dies auch nicht, wollte er es aus eigenem Antriebe thun. Noch weni- ger darf geduldet werden, dasz er die Uebersetzung aller Lesestücke schreibe*). Dagegen läszt der Lehrer jede Woche J 2mal ausge- wählte Sätze aus verschiedenen §§ (nicht ganze *i:^§) in ein Heft über- setzen, theils um sich zu überzeugen, wie die Sache verstanden wor- den, theils zur Uebung im schreiben, theils zum Behufe des regel- mäszig vorzunehmenden mündlichen und schriftlichen rückübersclzens, indem der Schüler mittelst der geschriebenen Uebersetzung die aus- gewählten latein. Stellen leichter in das Gedächtnis aufnehmen und

*) Ruthardt hat die Gründe angegeben in d. o. gen. Buche.

354 Högg: ü. d. Aneignung d. nölli. VVorlsciiatzos im Lat.

wiedervorbringen kann. Scliriflliclies überselzen eines neuen Slo.Tes sollte, wie die mündliche, nur unter der Aufsicht des Lehrers vorge- nommen nerden, dasz der Schüler, abgehalten von Benützung eines Wörterbuches oder einer andern unerlaubten Beihülfe, gezwungen ist nachzudenken und sich zu erinnern, in welchem der früheren Lese- stücke dieses oder jenes Wort vorgekommen sei. AVörter und Aus- drücke, die er nicht wissen kann, schreibe man an die Schultafel oder lasse sie den Schüler auf seine Ilandtafel, aber nicht in ein Heft schreiben, damit sie ablöschbar seien und nicht noch späterhin zur Stütze dienen.

Das wachsen des Wortschatzes und diese Wahrnehmung ge- währt dem lernenden ermuthigendes Bewustsein ersieht man auch aus folgender' Uebung. Man lasse die Schüler aus ihrem erlangten Worfschatze Wörterfamilien bald mündlich angeben, bald an die Schultafel ansetzen: movere^ motus^ terrae m.^ mubilis*)] iniinuöilis^ muhilitas^ achiKwerc, removere usw. Bei malere wch^a er anzuführen ; amütere^ promittere, aus § 16 proinissa sovcte servare ^ aus «ij 88 oniittere^ aus § 94 remiftere, aus § 104 remissiu ; committere in ver- schiedener Bedeutung, aus § 12 saluleni c. ßuctiuus, aus §87 scelus c. Es mag nützlich sein, Wörlergruppen in einem etymologisch angeleg- ten Vocabulaiium den Schülern vor Augen zuführen; aber nothwendig ist ein solches Buch nicht, am allerwenigsten zum ausw endiglernen. Dagegen wird der Lehrer öfters in der Gramnialik einige Theile der Wortbildung, nie ganze §'sj, vornehmen und erleutern, z. B. § 167 bis -alis; ein anderes mal etwas aus § 166. Da, wo der Schüler die Be- deutung der dort angeführten Beispiele selbst linden oder aus der Lee- türe wissen kann, ist sie in dem Buche nicht beigefügt: hc'i facth's kommt er unschwer auf ^ihunlicli''. Auf diese \\'eise betrieben ist das Capilel von der Wortbildung in der (irammalik durchaus nicht so un- fiuclilbar und nicht so ermüdend, als wenn man dasselbe i)hiie Zu- grundelegung des bereits gewonnenen Wortschatzes durchnimml, wie das so hiiuiig geschieht. Da ich möglichst viele Beispielsätze aus dem 2n B. der Lesestücke in meine Grammatik übertragen liahe, so liiidet der Schüler auch in der Satzlehre bekanntes vor und wird sich in diesem Theile der Grammatik bald heimisch fühlen. Die vom Lehrer bezeichneten Mustersätze lernt er auswendig und behält sie durch häufiges citieren auch für die folgenden Jahre im Gedächtnis. Doch sollte man den Schüler in gewisse ^'i^ der Satzlehre, wie üboriuuipt in die Gramnialik, nicht eher einführen, als bis er durch die l-ectüre das nötliige Material gewonnen hat, z. B. in die ^'ij 2(i() u. 267 nicht eher, als bis die betrelVeiideii Wörter in den Lesestiicken rorgckommeii sind: tanrns cornu petil; hoc alis le pelo ; id Ic consii'u; inuccrso

*) Es ist hier natiiilicli voraus/u.sc-t/.en, das/, <br vorausfjofian'^oiU' l'nterri<-ht die doiits<iio VVortltiidimj; und W(>itli<>dcutuii<i niciit vci- säiimt lial)f ; dor Srliülor uui.sz zu imtcisclicidtii «isst-n y.\vi.s<licu ^c- hitfrrn u. bicä^sam, hrwi{^t u. fnwci>^licJi, fithntur/it ii. bniitcfibur u>\\ .

Hügg: ü. d. Aneignung (1. nölli. Wortschatzes im Lat. 355

generi hominum a deo consulttur^ usw. Mehrere §§ des 2n B..der Lesestücke bieten Gelegenheit zum lat. sprechen, wie I) oder lein ■will: § 80. O amice, salve: ul vales'l El tu salve; valeo et valuL § 88. Micio: quid trislis es? Demea : rut/as nie, quid trislis eyo simY M. omitte irislitium tuam usw. Verlheilt mau die Rollen unter je 2 3 Schüler, so macht es den jungen Leuten Vergnügen und der Un- terricht gewinnt dadurch an Lebendigkeit. Ich habe daher auch in das 4e B. der Lesest, eine Anzahl dramatischer Bruchstücke, die je ein kleines ganzes bilden, aufgenommen. Dem In u. 2n Buche der Lesest, habe ich Aufgaben beigefügt, welche als Vorübung und Uebergang zum componiereu dienen sollen. Zahl und Umfang derselben ist für das volle Bedürfnis der Schule nicht ausreichend; aber sie lassen sich leicht vervielfältigen; man möge nur die darin liegende Andeutung beachten, zu welch manigfachen Uebungen sich die Lesestücke be- nutzen lassen. Zur Abwechslung kann man schon neben dem 2n B. in gelegener Stunde einzelne Stücke aus dem 3n Buche der Leseslücke übersetzen lassen. Dieses enthält blosz Beschreibungen der Auszen- ■\«lt und insbesondere geographisches, und soll nicht, wie das le u. 2e B. , dem grammatischen Unterrichte als Grundlage dienen, sondern in mehr cursorischer Leetüre dem Schüler den Inhalt der Stücke als ganzes vorführen. Dabei wird sich sein Begrilfsumfang erweitern und zugleich theils ihn zur Auffassung eines gröszeren ganzen befähigen, theils ihm die nöthigen Vorkenntnisse z. B. zur Leetüre historischer Schriften gewähren; so §§ 72 95. Auch diesem Buche ist kein Voca- bularium angehängt, aber Anmerkungen , welche theils schwierigere Ausdrücke erklären, theils den Inhalt erleutern oder berichtigen (Diese Zugabe dürfte bei einer neuen Auflage zu erweitern sein.) Das 4e Buch der Lesestücke*) handelt ^vom Menschen\ und gibt Beschrei- bungen, Lebensbilder und Vorschriften in Erzählungen, Briefen, Ge- sprächen und Fabeln. Da überall der Schriftsteller genannt ist, so kann der Lehrer, welcher aus Grundsatz nur ciceronisches will,, die betreffenden Stücke leicht herauslinden. Auch aus diesem Buche sind, wie aus dem 2n Beispielsätze in die Grammatik aufgenommen; auszer- dem wird diese Leetüre Veranlassung geben, diejenigen schwierigeren Partien der Grammatik, welche in den zwei unteren Klassen übergan- gen werden musten, nachzuholen. Uebungsaufgaben zum übersetzen ins Lat. habe ich diesem Theile der Lesestücke weder eingeschaltet noch angefügt, weil sich solche Uebungen, da sie dem jeweiligen Grade der Kenntnisse der Schüler angepasst und der vorausgegange- nen Leetüre entnommen werden sollten, nicht wol im Vorrath in einem Buche abfassen lassen, sondern am besten vom Lehrer selbst nach Be- dürfnis entworfen werden**). Ein Vocabularium ist dem 4n B. eben- falls nicht beigegeben, w eil es nur ein mangelhaftes und darum schäd-

*) Dieses ist noch nicht im Drucke erschienen. **) Man vgl. die beurlheilende Anzeige in den N. Jahrb. Bd. LVIII

S. 282.

354 Hügg: ü. d. Aneignung d. nölli. VVorlsclialzcs im Lat.

wiedervorbringen kann. Schriftliches übersel/.en eines neuen SluiTcs solile, wie die mündliche, nur unter der Aufsicht des Lehrers vorge- nommen werden, dasz der Schüler, abgeliHllen von Benützung eines Wörterbuches oder einer andern unerlaubten Beihülfe, gezwungen ist nachzudenken und sich zu erinnern, in welchem der früheren Lese- stücke dieses oder jenes Wort vorgekommen sei. Wörter und Aus- drücke, die er nicht wissen kann, schreibe man an die Schultafel oder lasse sie den Schüler auf seine Handtafel, aber nicht in ein Heft schreiben, damit sie ablöschbar seien und nicht noch späteriiin zur Stütze dienen.

Das wachsen des Wortschatzes und diese Wahrnelimurig ge- währt dem lernenden ermuthigcndes Bewustsein ersieht man aucii aus folgender' Uebung. Man lasse die Schüler aus ihrem erlangten Wortschätze >>'örterfamilien bald mündlich angeben, bald an die Schultafel ansetzen: movere^ motus^ terrae m.^ mobilis*)' immubUis^ mobilifas^ achuorerc, remoiwre usw. Bei 7«/7/eje weisz er anzuführen : (imitiere, prumülere^ aus § 16 prumissa sancle sertare ^ aus <$ 88 oniiUere^ aus § 9-i reiuiltere, aus § lOi renrissio ; commiltere in ver- schiedener Bedeutung, aus § 12 saiuteni. c. Puctibus, aus 'ij. 87 sceliis c. Es mag nützlich sein, ^^'örtergruppen in einem etymologisch angeleg- ten Vocabularium den Schülern vor Augen zu führen; aber nolliwendig ist ein solches Buch nicht, am allerwenigsten zum ausw endiglernen. Dagegen wird der Lehrer öfters in der Grammatik einige Theile der Wortbildung, nie ganze <;j§, vornehmen und erleutern, z. ß. § 167 bis -alis; ein anderes mal etwas aus »^ 166. Da, wo der Schüler die Be- deutung der dort angeführten Beispiele selbst linden oder aus der Lee- türe wissen kann, ist sie in dem Buche nicht beigefügt: ha'i facih's kommt er unschwer auf ^Ihuiilich'' . Auf diese ^^'eise belriebeu ist das Capitel von der Wortbildung in der (Jrammalik durchaus nicht so un- fruchlbar und nicht so ermüdend, als wenn man dasselbe ohne Zu- grundelegung des bereits gewonnenen Wortschatzes durchnimmt, wie das so häulig geschieht. Da ich möglichst viele Beispielsätze aus dem 2n B. der Lesestücke in meine Grammatik übertragen habe, so liiidet der Schüler auch in der Satzlehre bekanntes vor und wird sich in diesem Theile der Grammatik bald heimisch fühlen. Die vom Lelirer bezeichneten Mustersätze- lernt er auswendig und behält sie durch bäuliges citieren auch liir die folgenden Jahre im (iedächliiis. Doch sollte mau den Schüler iii gewisse 'ij§ der Salzlehre, wie überhaupt in die Grammatik, nicht eher einführen, als bis er durch die Leclüre das nölhige Material gewonnen hat, z. B. in die 'J(.§ 2(i6 u. 267 nicht eher, als bis die belrelfenden Wörter in den Leseslücken rorgekommen sind: tanrus curnu pelil; hoc ubs le pelu ; id le cuusnio; U7iu-vrs<t

*) K.s ist hier iiatiiilirh vorau.s/.usit/eii, das/, «lii V()ian?i^o;ian{;cui- l'iiterricht <li<^ <lciits<li<> Worlliildtiii;; und Wortix-ilcutuiig nicht ver- snuint liabf ; <l»'r Scliiiler nuis/ zu unlcrsclieidfii \\is>ci» '/.>\ i.sclioii ^f- hußin ». bicij^sum, brwtirt \l. hvwcp^lic/t, ficbiuurlit ll. bi<nirfibtii U>\y.

Höffg: ü. (1. Aneignung d. nötli. Worlschalzes im Lat. 355

getieri hominum a dco consulilur, usw. Mehrere §§ dos 2n IL.der Leseslücke bielcii Gelegenheit zum lat. sprechen, wie Do der lein will: § 80. 0 amice, sähe: ut vales'l El tu salve; valeo et volni. § 88. Micio : quid trislis es ? Demea : royas nie, quid Irislis eyo sim i* M. omitte tristitiam tuam usw. Vertheilt man die Hollen unter je 2 3 Schüler, so macht es den jungen Leuten Vergnügen und der Un- terricht gewinnt dadurch an Lebendigkeit. Ich habe daher auch in das 4e B. der Lesest, eine Anzahl dramatischer Bruchstücke, die je ein kleines ganzes bilden, aufgenommen. Dem In u. 2n Buche der Lesest, habe ich Aufgaben beigefügt, welche als Vorübung und Uebergang zum componieren dienen sollen. Zahl und Umfang derselben ist für das volle Bedürfnis der Schule nicht ausreichend; aber sie lassen sich leicht vervielfältigen; man möge nur die darin liegende Andeutung beachten, zu welch mauigfachen Uebungen sich die Lesestücke be- nutzen lassen. Zur Abwechslung kann man schon neben dem 2n B. in gelegener Stunde einzelne Stücke aus dem 3n Buche der Lesestücke übersetzen lassen. Dieses enthält blosz Beschreibungen der Aiiszen- \^\t und insbesondere geographisches, und soll nicht, wie das le u. 2e B. , dem grammatischen Unterrichte als Grundlage dienen, sondern in mehr cursorischer Leetüre dem Schüler den Inhalt der Stücke als ganzes vorführen. Dabei wird sich sein BegrilTsumfang erweitern und zugleich theils ihn zur Auffassung eines groszeren ganzen befähigen, theils ihm die nöthigen Vorkenntnisse z. B. zur Leetüre historischer Schriften gewähren ; so §§ 72 95. Auch diesem Buche ist kein Voca- bularium angehängt, aßer Anmerkungen , welche theils schwierigere Ausdrücke erklären, theils den Inhalt erleutern oder berichtigen (Diese Zugabe dürfte bei einer neuen Autlage zu erweitern sein.) Das 4e Buch der Lesestücke*) handelt Hwm Menschen', und gibt Beschrei- bungen, Lebensbilder und Vorschriften in Erzählungen, Briefen, Ge- sprächen und Fabeln. Da überall der Schriftsteller genannt ist, so kann der Lehrer, welcher aus Grundsatz nur ciceronisches will,, die betreffenden Stücke leicht herausfinden. Auch aus diesem Buche sind, wie aus dem 2n Beispielsätze in die Grammatik aufgenommen; auszer- dem wird diese Leetüre Veranlassung geben, diejenigen schwierigeren Partien der Grammatik, welche in den zwei unteren Klassen übergan- gen werden musten, nachzuholen. Uebungsaufgaben zum übersetzen ins Lat. habe ich diesem Theile der Lesestücke weder eingeschaltet noch angefügt, weil sich solche Uebungen, da sie dem jeweiligen Grade der Kenntnisse der Schüler angepasst und der vorausgegange- nen Leclüre entnommen werden sollten, nicht wol im Vorralh in einem Buche abfassen lassen, sondern am besten vom Lehrer selbst nach Be- dürfnis entworfen werden**). Ein Vocabularium ist dem 4u B. eben- falls nicht beigegeben, weil es nur ein mangelhaftes und darum schäd-

*) Dieses ist noch nicht im Drucke erschienen.

**) Man vgl. die beurtheilendc Anzeige in den N. Jahrb. Bd. LVIII S. 282.

356 Högg: ü. d. Aaeigniing d. iiölh. Worlsclialzes im Lat.

licties und für den längern Gebrauch uiiziireicliendes sein köiuile *). Glaubt man etwa im vierten Jahre ein solches Hülfsmiltel durchaus nicht länger enlbeliren zu können, so mag man den Schüler in den Gebrauch eines gröszcrn Schulwörterbuches sei es ein etymologi- sches oder ein rein alphabetisches einführen, denn auch darin hat er eine Anweisung nothwendig. Doch sollte man ihn dann nicht zum täglichen Gebrauche des Lexikons veranlassen; denn je häufiger er es zu benutzen sich gewöhnt, desto mehr hindert dies die Zunahme sei- nes Wortschatzes**).

Meine Erfahrungen berechtigen mich zu der Behauptung, dasz der Wortschatz des Schülers schon im zweiten Jahre einen Umfang von 2 30 00 Vocabeln erreichen und int dritten Jahre auf das doppelte anwachsen kann. In wel- chem Grade derselbe in den folgenden Jahren zunehmen werde, das hängt zum groszen Theile davon ab, inwieweit der lernende sich von der Sklaverei des Lexikons frei erhält. Es ist von gröszter Wichtig- keit, dasz die geistige Tliäligkeit des lernenden nicht blos von Anfang an die rechte Richtung erhalte, sondern auch späterhin von Abwegen abgehalten werde, wie jener mechanische Fleisz ist (bestehend im Lexikonwälzen, wie R. Die t seh es bezeichnend nennt, und in Viel- schreiberei, die sich in den verderblichen Praeparations- und Ueber- setzungsheften bekundet), womit so viele Schüler ihrer Pllicht zu genügen wähnen, ein Fleisz, der ihnen aber Zeit, Kraft und Lust zum nachdenken entzieht, und späterhin, wenn derselbe zur Gewohn- heit geworden, eine vernünftigere Vorbereitung kaum aufkommen iäszt. Die Sache des lehrenden ist es , dasz er den lernenden nicht nur zur Aufnahme der sprachlichen Miltheilungen geneigt erhalte, sondern zugleich bei allem neuen veranhisse, das Verständnis dessel- ben soweit selbst zu versuchen, als ihm dies nach seinen bereits er- langten Kenntnissen zugemutet werden kann. Sache des lernenden ist es,, dasz er das, was er durch Unterricht empfangen, zu Hause durch wiederholen, überdenken und zusammenfassen zu seinem Eigenthumc mache. Ob und wie er dieses jedesmal Ihut, davon hängt für die

*) So findet sich z. B. in dem Wörterbuche zu einem gröszercii Lesebuche : ^CoTiiiuittcre zus. gehen last^en, prvcliuin beginnen oder lie- fern; 2) anvertrauen; 3) belieben, ver.st;liulden. Consulcrv .sich bera- then ; "J) für etwas sor;;eii, Kath .srlialVen ; hi coiiiiiiuiic, in incdium für.s allgeni. beste; 3) um Kath fragen. Cutmuiinrv ver/eliren, »liireiibrin- g(ui , hinbringen, verwenden. l'ftcrc angreifen; '2\ nacli linen» Orte iüngelien; 3) verlanj^en, ersiulien, bitten; 4) nach etwas slrehen.'

*♦) 'Das aufsuclieii von Wortt>eiloutiin{;eii , das naeliselilageii über saehlithe Uezieliungen n>ag die Ausdauer des Kleiszes und ;;nten Wil- lens, die Widerstandskraft yegen die vis inertiae in liidiem d'rade üben lind erproben; der Gewinn solclicr doch iiiuner mehr oder weniger uie- <hanis('hen Arbeit für die sittliche, wie für <lie inlellectiielle Kraft steht gi'wis oft in all/u schwachen» Verhältnis zur Arbeit selbst , und die Wirkung dieser kann nicht selten anders als ermüdend, lähnien<l, abstnnipfend sein.' Pro{:r. v. K. Naumann, Mannlteini 18ü4.

PoUack : Lehr und Uebungsbucli der Eleinentar-Arillimelik. 357

näcliste Leclioii die Möglichkeil eines erfolgreichen weitergehens ab. Wo diese Art von Sclbsllhäliskeil und eine solche Vorbereitung von Anfang an verlangt und durch alle Klassen fortgesetzt wird, da er- wächst sie zur Ge\\ohnhei(, die dem Schüler auch auf der Iloclischule gut zu slalteu kommt. ^^ o hingegen die V^orbereitung des lernenden darin besieht, dasz er seinen Hlick und seineu Fleisz hauptsächlich nur vorwiirls auf das wenden soll, was in der nächsten Leclion vor- kommen wird, und durch unnützes abmühen und vages zerren an einem ihm noch unklaren Gegenstände Zeit und Kraft und Freudigkeit ver- liert, da ist es kein Wunder, wenn man über geringen Erfolg des Sprachunterrichtes in den Gymnasien zu klagen Ursache hat.

Elhvangen. //. Hoegg.

23.

hehr- und Uebungsbucli der Elementar-Arilhmetik mit fast .^OO Aufgaben von Dr. Fr. H. Pollack, Reclor und Professor am Lj/ceum zu Dillingen. Augsburg 1854, Matth. Rieger- sche Buchhandlung.

Von dem Vf. des angezeigten Werkes sind schon früher 4 Abthei- lungen einer Sammlung niathemalischer Aufgaben erschienen, und auch in diesen Jahrbüchern (ßd. LH S. 318j besprochen worden; ein nähe- res eingehen auf die jüngst erschienene Sammlung wird deshalb nicht ganz ungünstig aufgenommen werden, zumal da dasselbe uns Gelegen- heit bieten wird, einzelne principielle Fragen näher zu erörtern. In der kurzen Vorrede sagt der Hr. Vf., dasz die in Rede stehenden Auf- gaben schon in den Jahren 1837 und 1838 geschrieben und bald darauf von einem Freunde nachgerechnet seien ; nach zwölfjähriger Pause sei das Manuscript wieder zur Hand genommen, die Aufgaben seien er- gänzt und geordnet, und endlich die erforderlichen Regeln eingeschal- tet, was ursprünglich nicht im Plane gelegen. Mit diesen Regeln wol- len wir uns zunächst auseinander setzen, indem wir blosz beiläufig bemerken, dasz der gewählte Titel dem Inhalte keineswegs entspricht, da wir es nicht mit Regeln und Aufgaben der Elementar -Arithmetik, sondern mit eben solchen der gemeinen Rechenkunst, wie man sich wol auszudrücken pflegt, zu thun haben.

Wenn im § 1 gesagt ist: '^die Zahl bezeichnet eine Menge gleich- artiger Dinge' und 'Einheit ist ein jedes von gleicharligen Dingen' und endlich ^ unbenannt pflegt man die Zahlen dann zu nennen, wenn die Art der Einheit nicht näher bestimmt ist', so wird die einfache Zusammenstellung dieser Sätzchen das ungenügende derselben schon hinlänglich darlhun. Dem Begriffe der Zahl musz sich der des zählens und des numerierens sofort anschlieszen. Ueber das zählen sagt der Vf.: 'durch hinzuthun einer neuen Einheit zur ersten Einheit enistehl

358 Follack : Lehr- und Uebiingshuch der Elementar-Aritlimetik.

die Zalil zwei tisw. entstellen auf älinliche Weise die übrigen Zahlen der naiürlichen Zahlenreihe in welclier sowol alle nngraden als auch alle g- roden Zahlen enthalten sind'. Auszer der Weitschwei- figkeit dieser Erklärung, die zudem nicht einmal umfangreich genug ist (wie kann man beispielsweise | durch zählen gewinnen?) sieht man nicht ab, was an dieser Stelle die liücksichtnahme auf grado und u n gra de Zahlen bezwecken soll, da eine nähere Erklärung für dieselben nicht gegeben ist, und hier auch nicht gegeben werden konnte. Der ßegrüF Z i f f er ist nicht erklärt, auf die Bildung der Zahlwörter ist nicht eingegangen. Das numerieren durch die bekannte Einlheilung der Zahlen in Klassen mit je 6 Ordnungen, und die dadurch bedingte Abtheilung zu je 6 Stellen, wodurch das deut- sche zählen sich wesentlich, z. 15. von dem französischen, unter- scheidet, wird nicht weiter erleutert, endlich auch die Ilinweisung auf das zahlenschreiben mit römischen ZilTern nicht bis zu der für dieselbe maszgebenden Kegel fortgeschritten. Auch die Worte des Vf.: 'deka- disch werden die Zahlen angeschrieben, wenn man die einzelnen Zif- fern ihren Localwertlien gcmäsz anschreibt, so lautet z. B. 365 deka- disch geschrieben 300 und 60 und 5 Einheilen, welches auch durch 3 Hundert 6 Zehner und 5 Einheiten gegeben werden kann', sind un- möglich gutzuheiszen, denn abgesehen davon, dasz in dieser Stelle das Wort Einheit in einer niiszlichen Zweideutigkeit erscheint, ist noch die ganze Auffassung eine falsche, da dekadisch nur im Gegen- salze zu oktadisch oder protadisch usw. gebraucht werden kann, so dasz man nur sagen kann: in dekadischer Schreibweise ist das Zei- chen der Zahl drei h u n der tf ün f un dsechzig '365', in oktadischer etwa '555'. Ebenso ungenau ist die Erklärung 10 des § 1, worin es heiszf: 'Zahlen derselben Benennung lieiszen gleichartig, auszcrdem nnyleicharlig', da hier der llauptbegriir gl e i ch na ni ig fehlt und 3 Thalcr und j Gulden nicht, w ie der Vf. meint, ungleichartig, sondern grade gleichartig sind.

Der drille § handelt von den vier Rechnungsarien in ganzen Zah- len, lieber die Erklärungen des addierens und Subtrahierens ist zu bemerken, dasz dieselben zu enge sind, indem sie die Addition und_ Subtraclion der Brüche nicht enthalten. Ebenso steht es mit der Er- klärung von Division, die nur den Bcgrilf des mcsscns, nicht den des Iheileris berücksichtigl. Hegeln \\\c: Man schreibe beim addieren lind subiraliieren die Zilfcrn derselben Ordnimii- unlereinandor ; oder; die Summanden oder die Fucloren können mileinander verlauscht wer- den; oder: man nuillipliciere j(;den Theil der einen Zahl mit jedem Theile der andern; oder: wenn mehrere zu addierende und mehrere zu subtrahierende Zahlen gegeben sind, so addiere man erst die zu addie- renden, dann die subtrahierenden und subtrahiere schliesziich die bei- den Summen, und älinliche andere hat lief, sehr ungern vermiszt, da sie nicht nur das niechanische rechnen erleicliteru, ja sogar erst cr- niöglichen, sondern auch für das liefere Verständnis von weiter grei- feiidcT Bedeutung sind.

roUack: Leiir- und Ucbungsbuch der Elemenlar-Arilhmelik. 359

Im § 6 heiszt es : ^Ilat eine Zuhl keine andere als sich selbst und die Einheil zum Maszc, dann ist sie eine einl'aclie oder eine Primzahl. I,äszl sich eine Zahl durch nudircre andere /ahlon ohne Rest thcilen, so ist sie eine zusammcng-esclzle Zahl'. Es ist durchaus nothwendig, dasz an dieser Stelle zwischen einfachen und zu s amm eng-ese(;Z- ten Zahlen einerseits, und zwischen Prim- und complexen Zah- len andrerseits unterschieden werde. In gar vielen Lehrbüchern wird das auszer Acht gelassen, und es thut wahrlich Noth, einen festen Ge- brauch der vier Bcgriire einzuhalten. Allgemein »ngenommen ist der Begriir der Primzahl; daraus folgt aber, dasz der Gegensalz durch coinple.xc Zahl bezeichnet werden musz, nicht durch den deutschen Ausdruck zusammengesetzt, der vielmehr als Gegensatz der einfachen Ziilil festzuhalten ist, wenn anders alle vier Bezeichungen nicht eiit- liehrt werden können. Demnach hat man folgende Erklärungen: j) einfache Zahlen sind Producle und Quotienten; 2) zusammengesetzte Zahlen sind Summen und Differenzen; 3) Primzahlen sind Producle, die nur 1 und sich selbst zu Factoren haben; 4) complexe Zahlen sind Producte, die auszerdem noch andere Zahlen zu Factoren haben. Die Theilbarkeil der Zahlen durch 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 11, 12 hat der Vf. ebenfalls angeführt, nur sind die Regeln dafür viel zu weilläufig gefaszt und die so sehr leichten Beweise unterdrückt; Regeln und Be- weise konnten sehr w ol auf dem gewährten Räume zusammengedrängt werden. Das Schema für die Auffindung des gröszten gemeinschaft- lichen Factors ist uiiprukliscb, das für die Auffindung des kleinsten gemeinschaftlichen Dividendus zu weitläufig. Bruch ist nach dem Vf. ein oder mehrere Theile eines in gleiche Theile getheillen ganzen: soll das richtig sein, so müssen auch die unechten Brüche zu den uneigentlichen gezählt werden, wenn man die Bezeichnung des Vf. an- nehmen will. Besser heiszt es offenbar: Bruch ist das ein- oder viel- fache eines Eiuheiistheiles , oder wie schon Diesterweg sag!, eines Stammbruches. Dasz die Brüche an die Division angeschlossen wor- den, insofern als Dividendus und Zähler und Divisor und Nenner als gleichbedeutende Begriffe gesetzt werden, ist anzuerkennen, nur durfte der Nachweis dafür nicht fehlen. Unpassend ist der Ausdruck redu- cieren für heben, um so mehr, wenn der erstere schon in einer andern Bedeutung gebraucht worden ist. Die Divisionsregel für Brüche ist: Man dividiert Zähler in Zähler und Nenner in Nenner; dieselbe geht über in die andere: man dividiert Brüche, indem man den Dividendus mit dem reciproken Divisor multipliciert. Die erste Form der Regel hat der Vf. nicht oder nur für einen speciellen Fall gegeben, obgleich sie bei Decimalbrüchen unentbehrlich ist; die zweite Form hat statt des von uns gebrauchten Ausdruckes reciprok den Ausdruck umstürzen, was weder passend noch auch sachgemäsz ist.

Die §§ 10 und 11 *von den Decimalbrüchen' geben uns zu fol- genden Bemerkungen Anlasz. Die Unterscheidung zwischen gleichna- migen und ungleichnamigen Decimalbrüchen ist zum mindesten über- llüssig. Die Eintheiluni^ in endliche und unendliche Decimalbrüclic ist

360 Poliack: Lehr- und Uebungsbuch der Elementar-Arithmetik.

richlig, nicht aber der weitere Zusatz, dasz die unendlichen Decinial- brücho auch periodische Iieiszen, und ebenso wenig, dasz Rechnungen mit uuendlicliun Decimalbrikhen immer unrichtige Hesultate geben. Die i5ew L'ise für die Verwandlung der periodischen Brüche in gewöhn- liche durften niciit unterdrückt werden. Die Hegeln für die Division der Decimalbrüchü sind in zu viele Einzelfülle zersplittert, und nicht zu einer in allen Fallen anwendbaren zusammengedrängt. Gleiches findet statt bei der Darstellung der Regeln für die sogenannte abge- kürzte Multiplication und Division: die hierfür gegebene Anleitung ist bei aller Breite in gar vielen Fällen ungenügend, zu geschweigen, dasz sie von einem allzu engen Gesichtspunkte ausgeht. Im § l-t gibt der Vf. als Anhang zur Bruchlehrc einige Sätze über Doppel- und über Kettenbrüche. Doppelbrüche müssen ihrer Form halber angeführt •werden, ihre fernere Beiiandlung bietet gar keine Schwierigkeit. Ket- tenbrüche dagegen gehören durchaus nicht in ein Werk wie das vor- liegende, es kann sogar darüber gestritten werden, ob sie in der Ele- mentar-Arithmetik überhaupt eine Stelle erhalten dürfen.

Das in den §§ 15 und 16 über Verhältnisse und Proportionen mit- getheilte ist in mancher Beziehung überflüssig, namentlich verdienen arithmetische Verhältnisse und Proportionen weder ihrer theoretischen noch praktischen Wichtigkeit halber eine Erwähnung. AA'enn der Vf. die Bestimmung des Blittelwerthes an die arithmetische Proportion an- geschlossen, und eine Hegel dafür zwar nicht deutlich in Worten, aber doch in einem Beispiele erleulcrt hat, so möge er bedenken, dasz wenngleich einzelne leichte Aufgaben der Art sich unmiltclbar dem arithmelischen Mittel als der halben Summe zweier Zahlen anreihen, dennoch die meisten derartigen Aufgaben nur eine Combinalion mehrerer Hegeldelrie-Aufgaben sind, und sonach der geometrischen Proportion angeschlossen werden müssen. Eine Aufgabe wie die folgende: jemand leiht am In März 300 Thlr. Capital zu 4 }} aus, ferner am in Juli 400 Thlr. C. zu 5 {} und am In September GOO Thlr. C. zu 4.^ {}, auf wel- chen Tag kann er die Zinsen aller Capitalien vereint erhalten? erhält

,. ,. , „,.. ,., 300. 4. 2 + 400. 5. 6-^ 600. 4.^.8 a erdings die Autlosungsgleichung x = ; ^— r

a + b und ist somit nur eine Erweiterung der speciellen Formel x =^ ;;

jedoch weit entfernt, einen einfachen Beweis zuzulassen, und der Vf. würde wol getlian haben, mehrere Aufgaben der Art, nicht allein in der Sammlung, wo wir sie vorzugsweise vermiszt haben, sondern auch bei den allgemeinen Auriösungs-Mclhoden zu berücksichtigen. Die Wichtigkeit, die man in altern I-elirbüchern den geomelrisclien wie den arithmetischen Proportionen beilegte, war einzig und allein darin begründet, dasz die Progressionen aus ihnen hergeleitet wurden; seit man jedoch die Progressionen einfach als Heihen mit constanteu DilTe- renzen oder mit constanlen O'io''cnlen ansieht und behandelt, fällt die ^^■ichligkeit der Proportionen ganz dahin, und sie dürfen in dem Un-

Pollack: l.elir- und Uebiingsbiich der Elementar-Arilhmetik. 361

terriclitc nur eine liistorischc Erwähnung finden, weil man die Aus- drücke: proportional, ar ilh ine tisc lies , geometrisches Mittel nicht >vüI umgehen kunn. Auszerdem kann man auch im be- sondern, Nvenn wir = zu Grunde legen, entwickeln und in Wor- b d

ten aussprechen lassen :

1) a. d = b. c

,a+b c + d , a b c d

2) = oder

b d b d

Damit ist aber auch die ganze Theorie beendigt, denn alle andre Um- formungen, die mau etwa noch vornehmen könnte, haben an und für sich gar keine Bedeutung und sind nichts als mathematische Spiele- reien. Weiterhin musz Ref. auch an der in diesen Jahrbüchern schon früher ausgesprochenen Behauptung festhalten, dasz die Form der Pro- portion am besten durch die Form zweier gleicher Brüche ausgedrückt wird, denn die Bruchform ist dem Schüler bis dahin so geläufig gewor- den, dasz ihm =:= als etwas bekanntes, dagegen a : b r=z c : d als b d

ein unbekanntes, das zudem noch mit neuen Namen überladen wird, erscheinen musz. Beide Schreibweisen müssen wenigstens nebenein- ander gebraucht werden, zumal in dem vorliegenden Werke, da der Vf. schon p. 33 geschrieben hat :

,^. . , , ^. . ^ . Dividend

^Dividend : Divisor = Quotient oder ■= Quotient.'

Divisor

Was nun weiter die Anwendung der geometrischen Proportion in der

einfachen und zusammengesetzten Hegel von dreien betrifft, so weicht

der Hr. Vf. von der bis jetzt beliebten, ziemlich mechanischen Darstel-

luiigsweise nicht ab ; er setzt für die Lösung der Regel von sieben z. B.

die folgende Form hin :

a : b ^

g : h J = p : X

k : m ) a. g. k : b. h. in = p : x ohne die eigentliche Herleitung dieser Form nebst der näheren Ent- wicklung der in ihr verborgenen Operationen des weiteren auseinander zu setzen und dem Verständnisse näher zu treten. Diese Art der Auf- lösung ist nicht geistesbildcnder als die einfache Mechanik der Rees"'- schen Regel, die ebenfalls aufgenommen ist, aber ohne in bestimmte Worte gekleidet zu sein, sondern wiederum nur durch ein paar Bei- spiele erleutert: zudem ist dieselbe zuletzt noch mit dem Kettensatze verwechselt worden, was kaum begreiflich ist, da die ähnliche Form beider Sätze doch schwerlich irre führen konnte, und die Rees''sche Regel stets nur bei einer Aufgabe über die einfache oder zusammen- gesetzte Regel von dreien, der Keltensatz dagegen bei mehreren Auf- gaben Anwendung findet , sobald dieselben zu einer einzigen combi- niert sind. Um das gesagte zu verdeutlichen,- sei

!S. Jahrb. f, Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 7. 27

362 Pollack: Lehr- und Uebungsbnch der Elemenlar-Arithmelik

a; c; e; h;

b; d; f; x. die Zeichendarslellung einer Aufgabe über die

Regel von 7, dann ist, wenn etwa ein ungrades Verhältnis, und

c

dagegen in Bezug auf x grade Verhältnisse sind,

d

a

=

h

b

=

y

c

r=z

y

d

=

z

e

=

f

:=

X

und hieraus =

also

a c b ' d a . c . f b.d.e

oder

b . d . e . h

Die Auflösungsgleichnng ist x =

a . c . i

die Rees''sche Regel abstrahiert werden, also

d . b

und hieraus kann dann

X

Ii

f

e

c

d

a

b

f . c . a

Die §§ 17 und 18 enthalten die Ausziehung der Quadrat- und Cubikwurzeln in rein nieclianischor Art; die Qiiadrierung und Cubie- rung ist nicht vorhergescliickl , und somit auch hier nur ein mangel- haftes geboten, das niemals durcli wenn auch geschickt gewählte Bei- spiele ergänzt werden kann.

Nach diesen Bemerkungen müssen wir zu dem allgemeinen Ur- theile gelangen, dasz die gegebenen Hegeln im vorliegenden "Werke in Bezug auf Vollständigkeit, Praecision, sprachliche Darstellung und Be- wcisnihrung gar vieles mangelliaflc darbieten, dasz sie ebenso wenig dem Lehrer genügen, als dem Schüler für die häusliche Hepetilion aus- reichen werden. V.s scheint uns, als habe der Vf. diesen Tlieil seiner Arbeit, den er selbst nur als eine spätere Beigabe betrachtet, mit zu geringem Flcisze bedacht, denn an der Einsieht, den Bechenunterricht in gehöriger \>'eise zu orlheilen, scheint es ihm in keiner ^^'eise zu fehlen; einige Stellen des >Verkes, auf die wir noch zurückkommen, liefern dafür den Nachweis.

.Jeglicher Bechenunterricht mnsz vor allem die Beherschun^- der Zahl und der verschiedenen ZaliU'ormen erzielen. Sogenannle Beehen- feliler oder ober das stocken in der Ausführung complicierler Zahlen-

Pollack: I.clir- und Uebiingsbuch der Elementar-Arillunclik. 363

Verbindungen solllcii iiacli einem zwei- bis dreijährigen Unterrichte zu den Unmöglichkeiten gehören. Das scheint aber feider an vielen Orten niclit der Fall zu sein, und mag daher kommen, dasz man sich nicht die Mühe gibt, die technische Ausbildung im rech- nen an und für sich zu erzielen, dasz man ferner dem, was man gewöhnlich das kopfrechnen nennt, eine zu grosze Bedeu- tung beilegt, und endlich zu früh und zu direct auf das Ziel der Verslanilesbildung durch Bewältigung praktischer Aufgaben lossteuert. Die Theorie der Denkübungen hat nicht allein in der Mathematik ihre bösen iMHichte gelragen. Wie man beim Unterrichte in frem- den Sprachen zunächst und ausschlieszlich die Formenlehre berück- sichtigt und höchstens einfache syntaktische Verbindungen zur Ab- wechslung den Schülern vorlegt, so müssen auch beim Hechenunter- richte die 4 Species in un benannten (ganzen und gebrochenen) Zahlen mündlich und schriftlich (letzteres zuerst, erslcres nach je mehr schrifllichen Uebungen desto häufiger, weil es reine Gedächt- nissache ist) bis zur möglichsten Fertigkeit eingeübt werden. Ne- benbei können und müssen für die häusliche Beschäftigung der Schüler Aufgaben mit benannten Zahlen, einzelne derselben sogar in den Lehrstunden als Anleitung gegeben Averden, es darf das aber wenig- stens im ersten Jahre niemals Hauptsache werden. Unser Vf. hat die Nothwendigkeit und Bedeutung dieser Forderung wol gefühlt und der- selben an einer Stelle seiner Sammlui;g auch Genüge geleistet, indem er Seite 109 Aufgaben stellt wie: '(13^- 2^ -f 8.j\) . 2|' und

S. 113:^22.1 :(5| + 3| + f3_ + _i r^ . „„j g. 190: '^|-tli=x'.

In ganzen Zahlen hat er ähnliche Beispiele nicht gestellt, und doch kann der Lehrer unserer Ansicht nach nicht genug Beispiele nacli Art der folgenden rechnen lassen:

1) 43279 + ,^67 -I- 956734 -|- 67 -|- 8 + 923 -h 76345 --= x

2) 4327 83679 + 56 + 397628 44 2731 + 27 = x

3) (456 ~ 37 9683 + 46752) . 697 = x

4) (5321 1234 + 56 + 67 317) . 6793 : 967 ^ x

5) (43,271 0,0094 8,67 + 147 + 93,007) . 67,345 : 9,763 --= x* . (467 + 896 532 21 + 8976) . 321 _

^(1 + 2 + 3—5 + 6 21+ 721) . 57 "" "^ 7) (4f - l| _ 2f + 8|) . 27f : \\ = x usw.

Solchen Uebungen setzen wir als vollkommen gieichberechiigl das rechnen in verschiedenen Zahlensystemen an die Seite, und be- haupten, dasz erst dadurch das rechnen bis zum nothwendigen Grade der Vollkommenheit geführt werde. Wol wird sich gegen diese Be- hauptung von sachverständigen und Laien ein ernster V/iderspruth erheben, gerade deshalb aber müssen wir des nähern darauf eingehen, obgleich unser Vf. keine einzige Andeutung darüber gemacht hat. Historisch darf ich anführen, da!?z als ich nach zwei Jahren prakti- schen Dienstes meinem Lehrer, dem jetzt verstorbenen Professor Gu-

27*

364 Pollack: Lelir- und Uebungsbucli der Elementar-Arilliinclik.

dermann zu Münster, einen Besuch abstallele, und die Rede auf die Methode des Rechenunterriclifes kam, derselbe mir die Frage stelllc, ob ich auch das rechnen in verschiedenen Zahlensyslomen sofort auf der unlerslen Stufe v.onichinc, und als ich ihm darauf ein staunendes nein enlgegcnrief, mir von dem praktisch erfahrenen Manne die Bemer- kung entgegeugehallen wurde, dasx er als früherer Gymnasiallehrer das stets gelhan habe, und mit den besten Erfolgen belohnt worden sei. Auf meine Erwiderung-, unsere jetzigen Sextaner seien nicht so vorbereitet und nicht so gereiften Geistes, wie es wol früher gewesen sein möchte, erhielt ich die Antwort: das thut nichts zur Sache, ver- suchen sie es einmal, sie werden mir später Dank wissen. Und nun! ich habe es vcrsuclit, trotz des vielfachsten Widerspruches versucht, und glaube wohl daran gelhan zu haben. Der Einwurf, dasz Knaben von 9 10 Jahren diese Art des rechnens niclit fassen könnten, ist so unbegründet als die Behauptung, dasz das rechnen für sehr viele Men- schen überhaupt zu schwer sei ; ja im okludischen Zahlensyssteme z. B. wie in jedem andern, dessen Grundzahl kleiner als 10, ist das rechnen sogar leichler als im dekadischen und die ganze Schwierig- keit besteht nur darin, dasz man dem Schüler auseinander setzt, wes- halb man z. B. die Zahl z w e i u nddr eisz ig oktadisch durch 40 oder pentadiscli durch 62 oder dekadiscii durch 32 bezeichnet. Trotz der so geringen Schwierigkeit dieser Uebungen noch Widerspruch zu lin- den, wäre allerdings wunderbar genug, wenn nicht die süsze Gewohn- heit des althergebrachten eine alte doch immer neu bleibende Ge- schichte wäre. Und doch ist der Nutzen eines solchen rechnens so mannigfaltig! Knaben, die in der Elementarschule geraume Zeit im zahlenschreiben und in den 4 Spccies nach dem zehnlheiligon Systeme sich geübt haben, ergeben sich nicht selten einem gewissen Leicht- sinne, der Fehler über Fehler hervorruft: da wird es dann nölhig, sie gewaltsam von der bloszen Gedächtnisrechnerei zurückzurufen und an Besonnenheit zu gewöhnen; kein besseres Mittel dafür als einige Divisionscxempel im zwölflheiligen Zahlensysteme. Weiterhin ersetzt diese Art des rechnens eine grosze Masse von Beispielen sowol des mündlichen als auch des schriftlichen rechnens, und endlich musz die tfiehr als sonst in Anspruch genommene Aufmerksamkeit der Zcr- slreuungssucht entgegenwirken, einem Uebel, das gerade in den ersten Jahren des Schullebens die meisten Klagen von Seiten der Lehrer her- vorruft. Dasz neben dieser ni()gliciist groszen technischen Ausbildung im rechnen, und ohne dasz der Lehrer geradezu auf ein tieferes wis- senschaflliches ergreifen hinwirkt, dennoch ein solches erzielt oder doch wenigstens vorbereitet wird, liegt in der Natur der Sache. Auch die Decimalbrüche können sofort in der Sexta in gleicher Weise ein- geübt werden; denn wenn ein Schüler begrüTcn hat, dasz 23 zwei Zeh- ner und drei Einer bedeutet, so kann er auch begreifen, dasz 2,3 be- deuten musz zwei Einer und drei Zehntel, sobald ihm gesagt worden ist, dasz links vom Komma dio Einer beginnen sollen, und wenn er addieren kann :

rdlack: Lehr- und üebiingsbiicli der Elomeiilar-Aridiiiiolik. 365

4 5 7]

2 9 f

3 1 7 (

2 /

3 4, 2 7 so inusz er auch addieren können { 0, 4

6 7 3, 0 0 2

Mit einer älinlichcn Bemerkung leitet auch der Verf. des angezeigten Werkes die Lehre von den Üecimalbrüclien ein, und er wird uns zu- geben, dasz solche Worte ebenso avoI im Anfange des Buches hätten verstanden werden können als in der Glitte. Es sei mir erlaubt, diesen Punkt noch mit einer persönlichen Erfahrung abzuschlieszen. So lange ich das rechnen mit Decimalbrüchen und verschiedenen Zahlensystemen nur im letzten Halbjahre der Quarta, wohin es der preuszische Schul- plan setzt, einübte, habe ich stets walirgenommen, dasz auch die besten Schüler nach einer einjährigen oder zweijährigen Unterbrechung, wie sie der aligemeine Scbulplan erfordert, nicht nur die Gewandtheit und Sicherheit des recbnens verloren hatten, sondern auch, dasz es ihnen häufig unmöglich war, selbst leichtere d'abin gehörige Aufgaben ex tempore auszuführen; jetzt aber, da ich Sexta und Quinta ebenso wol als Vorbereitungsslufe für Quarta, wie es die Elementarschule für Sexta ist, betrachte, und demgemäsz das rechnen in Decimalbrüchen und verschiedenen Zahlensystemen in gleicher Weise einübe, wie die Elementarschule vorbereitend für Sexta die erste Fertigkeit im deka- dischen Zahlensysteme hervorbringt, kommt bei meinen Schülern jene traurige ^^'ahrnehnulng nicht mehr vor. Es ist das auch ganz natür- lich: Uebung macht denBldsler; alles, was nicht in- und extensiv genug gelernt worden ist, geht bald verloren, wirft jedenfalls nur spärliche Früchte ab. Sollen wir vielleicht noch daran erinnern, wie unbeholfen nicht selten Mathematiker im numerischen rechnen werden, oder daran vielleicht, wie lästig und unbequem das aufschlagen der Logarithmen wird, wenn es nur selten vorkommt, um die Erscheinung zu erklären, dasz Abiturienten, die so bäulig nur einen höchst mangel- haften Rechenunterricbt erhalten, und dann 6 Jahre lang in anderer Weise unterrichtet und geübt wurden, oftmals nicht mehr rechnen können und wenig Gewandtheit in der Lösung von Aufgaben des bür- gerlichen Lebens zeigen? Und bierin besteht doch wol der Hauptvor- wurf, den man dem mathematischen Unterrichte an Gymnasien seit lan- ger Zeit zu machen gewohnt ist! In der lln Versammlung westfäli- scher Directoren hat man viel über das mangelhafte des mathematischen Unterrichts beigebracht, der von uns beregte Punkt ist indes nicht be- rührt worden; vielleicht deshalb nicht, weil viele der anwesenden Herrn Directoren recht wohl wüsten, dasz an den ihnen untergebenen Anstalten der Rechenunterricbt nur höchst spärliche Früchte bringen konnte? Kehren wir jedoch zum angezeigten Werke zurück! In Bezug auf eine Aufgabensammlung wie die vorliegende kann man mit Hecht drei Forderungen stellen. Erstens, es darf keine Art von Auf- gaben des bürgerlichen Lebens unbeachtet bleiben. Die Aufgaben müs- sen nach feslbcslimmlen Kalciioricen cingctheill sein, damit dem Schü-

366 Pollack: Lehr- und Uebungsbucli der Elementar- Arithmetik.

1er die Bestimmung, nach welclicr Weise eine Aufgabe gelöst weiden musz , nicht zu schwer fällt. Endlich drittens müssen die Aufgaben klar und deutlich gefaszt, nicht in zu viele ^A'o^te gehüllt sein, damit der Zusammenhang zwischen gegebenen und nicht gegebenen Zahlen ohne allzu grosze 3Iühe erkannt werden könne, zum mindesten bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht zweifelhalt bleibe. Was das erste betrifft, so ist schon oben angedeutet worden, dasz im vorliegenden Werke ein Mangel an Aufgaben über das arithmetische Mittel sich vorfinde, ferner vermiszt man Auigaben über Vervielfältigung des Ca- pitals bei gegebenem Procenfsatze oder bei gegebener Zeit, sowie endlich Aufgaben über Münzrechnung und Wechselreductioncn. Letz- tere Art von Aufgaben ist allerdings wegen der vielen positiven Kenntnisse, die sie erfordern, nur in geringem Masze zu berücksichti- gen, allein einzelne Musleraufgaben dürfen nicht fehlen, schon um den eigenilichen Fachschulmünnern (Lehrern an Handelsschulen etwa) das Vorurlheil zu benehmen, als leisteten sie viel mehr als an den Gymna- sien geleistet werde. Die Katcgorieen für die Einlheilung der Zah- len hat der Vf. nicht streng genug gefaszt, dagegen sind, so weit lief, es im einzelnen verfolgen konnte, die Aufgaben, auf die es hier vor- zugsweise ankommt, zweckmäszig, klar und deutlich ausgesprochen, und dem Alter der Schüler ganz angemessen. Zudem ist ihre Zahl nicht ganz gering, wenn auch die Angabe von beiwahe 3000 in mehr- facher Beziehung zu hoch gegrilTen ist. Denn um Aufgaben wie die 81e: ^Wie grosz ist die DilTerenz zweier Zahlen von zwei unmillelhar auf einander folgenden Zahlen der natürlichen Zahlenreihe' oder die 87e : ' Um wie viel überlrilft die Zahl 14 jede der ersten neun Zahlen der natürlichen Zahlenreihe' oder wie die 1272e : 'Multipliciere folgende Decimalbrüche: 0,854; 1,2164; 2,345; 7,5; 0,6 auf die kürzeste Art

a) mit 10 und b) mit 100' oder wie die 2279e: *[/637' oder wie die

3/

2280e: '|/991' usw. wird kein Lehrer zu einer Sammlung seine Zu- flucht nehmen. Im allgemeinen wird man wohl Ihun, zwischen Uebungs- beispielen in unbenannten Zahlen und eigentlichen Aufgaben als Becli- nungen, Zeilbestimmungen, Regeldetrie-Aufgaben, Theilungsaufgaben usw. zu unterscheiden. Erstere setzt man blosz in Ziffern hin, kann sie auch von den Schülern zur Uebung in AVorle kleiden lassen; eine mäszigo Anzahl derselben wird aber genügen, da die Schüler bald dahin gelangen müssen, selbst solche zu bilden: letztere haben natür- lich gröszern Werlh, und sachgemiisz gewählte, den verschiedensten Verhältnissen des bürgerlichen Lebens angepaszte , wird man nicht leicht zu viel erhalten können.

Uef. kann diese Anzeige nicht schlieszen, ohne noch zwei allerdings minder wichtige Punkte berührt zu haben. ^^ eun der Vf. in der Vor- rede sagt: ^ es wird sehr empfohlen, die der Mathematik eigenlhüm- lichen Zeichen und ^^ orte stets zu gebrauchen', so können wir über diesen Ausspruch nur unsere vollste Zufriedenheit äuszern, sowie ferner auch über den vom Vf. frühzeitig gemachten Gebrauch des Klammerzeichens.

Pollack: Lehr- und Uebiingsbuch der Elemenlar-Arithmelik. 367

Miiiiclie halten das Klainincizeiclien, auf dem die ganze Lehre von den positiven und negativen Zahlen hernht, in dem Heehenniilci richte für entbehrlich, ja sogar als zu ahstracl für schädlich, ohne bedenken, dasz der Nichtgebrauch dieses Zeichens oftmals Schwierigkeilen im rechnen herbeiführt, und dasz auf der andern Seite das abstracto nicht sofort auf einmal, sondern nur allmählich und gehörig eingeleitet im Unterrichte auftreten darf. Kann ein Schüler auch das Uebungsbei- spiel 86 34+37 46 in der Weise ausrechnen , dasz er nach und nach bildet 86 34 ~ 52, 52 + 37 = 89, 89 46 -= 43, also über- haupt 86 34 -f- 37 46 = 43, so wird er doch dasselbe Beispiel in anderer Form wie 37 46 34 + 86 nicht anders fertig brin- gen als dadurch dasz er setzt 37 + 86 = 123 und 46 + 34 = 80 und 123 SO = 43 oder in mathematischen Zeichen:

37 46 34 + 86 = (37 + 86) (46 + 34) 43. Ebenso wird jedermann rechnen 27 . 48 ^^ 27 . (50 2) = 27 . 50

27 . 2 = 1350 54 = 1296 und in absichtlich erweiterter Form auch 27 . 48 ^^ (30 3) . (50 2) ;= 30 . 50 3 . 50 (30 . 2

2 . 3) = 30 . 50 3 . 50 ~ 30 . 2 + 2 . 3 = 1500 150 ~ 60 + 6 = 1296.

Was heiszl das aber anders als: nach einem Sublractionszeichen kann man die Klammerzeichen setzen oder weglassen., wenn man nur innerhalb derselben die Zeichen verwandelt und: gleiche Zeichen ge- ben '^ + ' und ungleiche ' ' d. h. bei der Mulliplication also auch bei der Division. Solche Uebungen aus dem Rechenunterrichte fortlassen iind erst etwa in der Tcriia einführen, heiszt der Natur der Sache Ge- walt anthun, wenn es nicht gar andeutet, dasz der so handelnde über die eigentliche Natur dieses Gegenstandes nicht mit sich selbst im kla- ren ist. Dasz aber die Begriffe positiv und negativ im Rechenun- terrichte schon angewendet werden, halten wir gegen den Vf. für un- zweckmäszig, denn um eine Erledigung der Theorie der positiven und negativen Gröszen handelt es sich im Rechenunlerrichte nicht, sondern nur um Aufstellung der Anknüpfungspunkte zwischen ihm und dem eigentlichen mathematischen Unterrichte, damit dieser nicht als ein willkürliches, neues erscheine, sondern als eine nothwendige Fort- setzung des erstem.

Dasz der Vf. bei seinen Reduclionsfabellen die in Baiern zum Theil ausschlieszlich geltenden Münz-, Masz- und Gewichtsysteme zu Grunde gelegt hat, ist leider natürlich, schadet auch den Uebungen, worauf es hier ankommt, im wesentlichen nicht, wenngleich der Ge- brauch der hierher gehörigen Aufgaben deshalb ein localer bleiben wird: etwas anderes aber ist es, dasz die Entwicklung des Quadrat-, Cubik- und Ilohlmaszes, sowie der Gewicht- und Müuzsysteme aus dem Längcnmasze nicht zugegeben worden ist.

Und hiermit sei denn die gegenwärtige Anzeige des Pollackschen Lehr- und Uebungsbuchcs beschlossen. Hat Ref. auch vielseitigen Ta- del erheben müssen, so ist doch das gute auch bereitwillig von ihm anerkannt worden, und hierin möge der Vf., sollten ihm diese Zeilen

368 Auszüge aus Zeitschriften.

der nähern Durchsicht werth erscheinen , den Beweis erblicken , dasz wir nur die Sache im Auge behalten haben, und wie stets, so auch hier einer systematischen Opposition abhold gewesen sind.

Attendorn. //. Fahle*).

Auszüge aus Zeitschriften.

Paedagogische Remie., begr. von Mager, herausgegeben von Scheiben.^ Langbein und Ruhr. Decbr. 1854 April 1855 (s. oben S. 99—103).

Decemberhef t. Curtius: griechische Schulgramniatik. Von Ameis (S. 330 336: durchaus lobend, docli werden über Kinzellieiten viele Bemerkungen gemacht). Lucas: Formenlehre des ion. l)ia- lects im Homer. 3e AuH. Von dems. (S. 336 340: als recht prakti.sch belobt, wenn schon auszer einigen andern Bemerkungen, z. B. über die aeolischen Formen des Optativ, die Nichtberücksichtigung der neuern Forschungen sowol in der Texteskritik, als auch in der Sprach- vergleichung getadelt wird). Kühner: Elementargrammatik der lat. Sprache. 13e Aufl. Von Straub (S. 340—342: zweckmäszige Ver- besserungen in der neuen Aufl. werden hervorgehoben). 1) Jun^j: vollständige theoret.- prakt. Grammatik der englischen Sprache. 2) Schmitz: englische Grammatik. 3) Feller: Handbuch der engl. Spr. 4)Schottky: englische Schulgrammatik. 2eAufl. 5)ders. : engl. Uebungs- und Lesebuch. 2e Aufl. 6) Frese: Ergänzungsband zu Shake.><j)eare. Von Dräger (S. 3-42-344: Nr. 1 nicht gebibt, Nr. 2 als auch für Lehrer viel wissenschaftlich nützliches enthaltend bezeichnet, Nr, 3 als zu viele Phraseologie bietend getadelt, von den übrigen nur Noti- zen gegeben). Callin: Elementarbuch d. engl, Spr. und engl, Lese- buch. 6e u. 4e Aufl. (S. 344: Notiz). Herrig: Aufgaben zum übersetzen aus dem deutschen ins englische. 3e AuH. (S. 34J: die Hin- zufügung französischer Anmerkungen von de Castres wird zwar als vortheilhaft für den Gebrauch, aber für die Erkenntnis des englischen Lebens aus den Hebungen nachtheilig bezeichnet). Anthologia ly- rica. Ed. Th. Bergk (S. 345: Notiz). Seyffert; Lesestücke aus griech. und latein. Schriftstellern (S. 345 f.: lobende Inhaltsangabe). Duncker: Geschichte des Alterthums. 2r Bd. Von H. Schwei- zer (S. 346 357: die Bedeutung des Werkes wird in .sehr anerken- nender Weise herausgestellt, in Betreff der indischen Geschichte meh- rere Wünsche und abweichende Ansichten, namentlich in Betrell der chronologischen Annahmen vorgetragen). Eyth: Ueborblick der Weltgeschichte (S. 357: gelobt). Lud er s; Johann Hua (S. 357:

*) Berichtigung. Ln 69n Bande d. Jahrb. S. 565 Z. 11 von unten heiszt es : ' Wenn auch das weitere nicht hierher {gehört, und wenn sich auch die Vogtschen Deductionen abweisen lassen' usw. statt des im Mscrpt. stehenden: 'Wenn auch das weitere nicht hierher «ge- hört, und wenn sich auch die Vogtschen DeductioMen nicht abwei- sen lassen' usw.; man bittet von dieser Berichti;;ung des Sinnes der angeführten Stelle gefalligst Notiz nehmen zu wollen.

Auszüge aus Zeilschriften. 369

Schülerbibliolhekeu zum Privatstudium enipfolileii). Fresenius: die Raumlehre eine Grammatik der Natur. Von Lgb (Langbein) (S, 357 f.: als zur recUteu Metliydik des mathematischen Unterrichts recht brauchbar empfohlen). Si niesen: Grundrlsz der elementaren Ana- lysis. 2e Ausg. Von dems. (S. 358 f. : verworfen). Quadrat- und Kubikwurzeln. Wiesbaden, Schellenberg. Von dems. (S. 35'J: nicht gerade empfohlen). Zehme: elementare und analytische Behand- lung der Cycloiden. Von dems. (S. 359: als ein wahres Bedürfnis be- friedigend empfohlen). C rüger: die Physik in der Volksschule. 3e Aufl. u. die Schule der Physik. 2e u. 3e Lief. Von Ems mann (S. 359 363: unter Mittheilung einiger Uerichtigungen und Ergän- zungen recht lobende Anzeige). Koppe: Anfangsgründe der Physik. 4e Aufl. Von dems. (S. 3Ö3 f.: die neue Aufl. als eine verbesserte an- erkannt, aber noch einige Bemerkungen mitgetheilt). von Schu- bert: Spiegel der Natur. 2e Aufl. Von Lgb. (S. 366: dringend empfohlen). Timm: Liederbuch für Turner. Von dems. (S. 367: als zu viel bietend bezeichnet). Hauschild: über den sogenannten rhythmischen Choral. Von dems. (S. 367: dringend zur Beachtung empfohlen). Revision der Litteratur für den Religionsunterricht. Von Scheibert (S. 368— 38i: Fortsetzung früherer Artikel. Bespro- chen wird die obere Stufe und zwar die RelJgionslehre. Das Lehrbuch von Petri wird als dem Ideal am nächsten kommend bezeichnet, Ha- genbach's Leitfaden zwar gelobt, aber einmal des StolVes so viel gefunden, dasz der Zusammenhang von den Schülern, wie sie jetzt sind, nicht behalten werden könne [d. Ref. hält Leetüre des Römerbriefs für das geeignetste], sodann eine abweichende Ansicht über die Einthei- lung und die Definitionen aufgestellt, schlieszlich gegen die Aufstellung 'nach dem Bewustseia der Gegenwart' entschiedener Widerspruch ein- gelegt. Palmer: Lehrbuch. 2e Aufl. wird zwar als vielfach verbessert bezeichnet, aber als Grundlage für den Unterricht, schon weil es zu viel enthalte, ungeeignet befunden. Kurz: Lehrbuch der heiligen Ge- schichte enthält auf dem Grunde gemachter Erfahrung die dringendste Empfehlung; ebenso wird dess. Lehrbuch der Kirchengeschichte gelobt, aber der Ref. erklärt sich gegen einen solchen Unterricht in der Schule. Böhmer: System des christlichen Lebens wird den Religions- lehrern zum Studium dringend empfohlen, obgleich Ref. gegen einige Punkte Einwände erhebt und eine christliche Ethik getrennt von der Glaubenslehre für in der Schule unzulässig hält). =^ Paedagogische Zeitung. Wiederabdruck des Berichts über die Altenburger Philolo- genversammlung aus der Augsb. A. Z. (S. 373 380). Berichte über paedagogische Zustände in Frankreich (S. 380 389: nam. über das verwerfliche System der Belohnungen und Strafen). Frankreich. Loi sur l'instruction publique, 14. Juin 1854. (S. 390—392).

Jahrgang 1855. Januarheft. Scheibert: Beiträge zur Schul- paedagogik. Ir Art. Unterschied der Schul -Erziehungslehre (Schul- paedagogik) von der allgemeinen Paedagogik (S. ] 30: die Aufgaben und Fragen, welche die Schulpaedagogik zu lösen habe, werden an- gegeben und kurz erörtert, damit aber die Richtung bezeichnet, welche die Revue zu verfolgen habe und zu verfolgen gedenke, zugleich aber der von der Unmöglichkeit der Erreichung des Ziels hergenommene Einwand zurückgewiesen). K. v. Raum er: Geschichte der Paeda- gogik. 2e Aufl. Von Gramer in Stralsund. Ir Art. (S. 31 55: wenn schon die hohe Verdienstlichkeit des Werkes im ganzen und einzelnen gerühmt wird, so erhält doch die einseilige Beschränkung auf die hö- hern Lehranstalten, so wie auf die Kirche und höchstens Philosophie unter Beiseitelassung des übrigen Lebens Hervorhebung. Zu dem ]n halt des ersten Bandes und dem Aufsatce von R. v. Räumer über das

370 Auszüge aus Zeitschriften.

deutsclie im 3u werden in fortlaufender Darlegung viele Ergänzungen und Berichtigungen gegeben). JJelin-Esclienburg: Scliulgraiu- inatik der englischen 8prarhe. Von Schweizer (S. 56— ÜO: ausführ- liche Erörterung des eigenthümlichen VVerthes). Spiesz: griechische Formenlehre. :2e Aufl. von Breiter. Von Am eis (S. 61—64: im allgemeinen gelobt, zu einer in Auflage werden mehrfache Beiträge geliefert). Spiesz: Uebungsbuch zum übersetzen aus d. gr. i, d. n. umgek. 2e Aufl. von Breiter. Von dems. (S. 64 66: gelobt, da- bei aber der Rath gegeben, Sätze aus der Anabasis zu entlehnen und nicht so viele moralische Sentenzen zu bringen; auch einige einzelne Bemerkungen). Göbel: griechische Schulgrammatik. Von dems. (S. 66 70: durchaus nicht geeignet befunden). Merleker: prak- tisch vergleichende Schulgrammatik der griech. und lat. Spr. Von dems. (S. 70 74: zwar manches gelobt, aber als im ganzen und ein- zelnen in vieler Hinsicht unbrauchbar beurtheilt).

Februar heft. Klosz: in Sachen der Spieszschen Turnweise (S. 104—119: obgleich sich der Vf. nicht für einen unbedingten An- hänger des Spiesz'schen turnens, vielmehr für einen Eklektiker erklärt, sucht er doch die im Julihefte des vorigen Jahrgangs gegen dasselbe erhobenen Einwände und Bedenken zu wi*lcilegen). Lot h holz: Fr. A. Wolf und Wolfg. Goethe (S. J20— 152: Darstellung der Bezie- hungen und Verhältnisse, in welchen die beiden genannten groszen Männer zu einander gestanden, zum Beweise, dasz sich die Blüte un- serer Litteratur an dem Alterthume, besonders an dem griechischen Geiste entwickelt und genährt habe). H. Ritter: Versuch zur Verständigung über die neueste deutsche Philosophie seit Kant (S. 133 136: nicht empfohlen als mislungen). Calinich: Seelenlehre (S. 137 f. : viel richliges enthaltend, aber nicht aus einem Gusze gear- beitet und die verschiedenartigsten I)eiikj)rincipien vermengend). K. V. Raumer: Geschichte der Paedagogik. Von Gramer. 2r Art. (S. 137 156, Fortsetzung von dem im vorherg. Heft enthaltenen Ar- tikel. In gleicher Weise wird der 2e Bd. des Werkes besprochen, ebenso anerkennend, wie interessante Zusätze, Nachträge und Berich- tigungen bietend). Thaulovv: Hegels Ansichten über Erziehung. Von ij(angbein) (S. 156 159: die Unersprieszlichkeit des Werkes, früher schon am In Th. hervorgehoben, wird hier auch an den beiden letzten nachgewiesen). Grün holzer: das Erziehungswesen der Schweiz. Von dem.s. (S. 159 f., der F'ortsetzung wird mit Erwartung entgegengesehn). Schmidt: Homers Odyssee für die Jugend be- arbeitet (S. 160: bestens empfohlen). = Paedagogische Zeitung. Be- richt über die paedagogische Section der Altenburger Versammlung (S. 41 49: aus den pai dagogischen Blättern von Kern abgedruckt). Bericht über die Versammlung deutscher Realschulmänner in Eise- nach 27—29. Sept. 1854 (S. 49—51). Hannover (S. 63—66: die Bemühungen für die Orthographie werden zwar anerkannt, aber die gegenwärtige Aussprache zu wenig berücksichtigt befunden). Würt- temberg (S. 69—74 Mittheihingen aus v. Klumpps Geschichte und Statistik ^cs würtcnib. Itealschulwcscns).

Märzheft und Aprilheft. Scheibert: zur Schulpaedagogik. 2r Art. Wie bilden sich Lohrercollegien ? (S. ]6I— 1''5 und 214—288: nachdem erörtert worin die Einheit bestehe, auf ^^elche Gebiete sie sich erstrecke und wie nothwendig sie in diesen sei, werden zur Be- antwortung der vorliegenden Frage folgende Sätze ausgeführt und zu ihrer Verwirklichung Ratlis« hläge gegeben: 1 l^nlu-it der Methode: alle Besprechungen üiier Methodik seien gemeinsehaltlich , das IM-Iirer- collegium tlieile sich in Gru|)pen, welche die IJerathungen für die all gemeine Conforenz vorbereiten; Anlasz zur Wic«lervornahnK' bieten der

Auszüge aus Zeilschriften, 371

Eintritt eines neuen Lehrers, die Censur- und Versetzungsberathun- gen, die Wahrnehmungen an den gebrauchten Schulbüchern, wobei der Vorschlag, die Lehrercollegren sollten solche aus sich hervorgehen lassen, ausfiiiirlich empfehlende Besprechung findet, der Director müsse der Litteraturentwicklung auf diesem Felde sorgfältig folgen, vor al- lem aber immer das Princip der Schule gewahrt werden, wobei die Geschichte der betreft'enden Schulart und die Verordnungen der lei- tenden Behörden den Ausgangspunkt und die Basis zu bilden haben. II Die Einheit in der Regierung. Das positive Christenthum ist die einzig mögliche Basis, eine Einheit im Lehrercollegio zu geben und eine gedeihliche erzieherische Wirksamkeit bei den Schülern. Dasz dit^ Lehrer zu ihr und zu der daraus hervorgehenden seelsorgerischen Thätigkeit geleitet werden, sind die wöchentlichen Conferenzen und die gemeinsamen Andachten zu benützen und endlich ein wolorganisiertes Schulleben zu erstreben. III Einheit in der Zucht. Damit alle Lehrer auf gleiche Weise in ihrem Unterrichte und durch denselben Zucht üben, ist eine feste Schulordnung nothwendig, bei welcher namentlich auf eine gemeinsame Behütung der Schüler und Bewachung auszer den Stunden innerhalb und auszerhalb der Schule und darauf Bedacht zu nehmen, dasz der schwächere Lehrer eine Kraft finde, an die er sich anlehnen könne. Möge dieser kurze und dürre Auszug recht viele zur Lesung des im höchsten Grade beherzigenswerthen Aufsatzes ver- anlassen). — Feldbausch: über die historische Begründung der deutschen Rechtschreibung (S. 186 225 u. 289 306: der Vf. sucht zu beweisen, dasz die historischeu Grammatiker sich Inconsequenzen zn Schulden kommen lieszen und deshalb keine festen Normen böten, an Möller in Herrigs Archiv XIV d u. 4, P h. Wackernagel Pro- gramm. Wiesbaden 1848, Weinhold Ztschr. f. d. ö. G. 1852 2, Jac. Grimm Vorrede zum Wörterbuche, Ruprecht: die deutsche Rechtschreibung, indem er die Adelungsche Orthographie gegen die ihr gemachten Vorwürfe in Schutz nimmt). Schmitthenner: kleines deutsches Wörterbuch, umgearbeitet von Weigand. 3e Aufl. Von Schweizer (S. 226 229: sehr gelobt als gründlich wissen- schaftlich gearbeitet). Jacob: Horaz und seine Freunde. Von Queck (S. 229 234: das Werk wird als weder von wissenschaftli- chem noch von künstlerischem Werthe bezeichnet und manches einzelne nicht geschickt erdichtete hervorgehoben). Ovidii Metamorphoses von Siebeiis und Eclogae Ovidianae von Isler. Von dems. (S. 234 238: beide Sammlungen seien nützlich und brauchbar, die Siebelis- sche für weniger geübte, die Islersche für bereits weiter vorgeschrit- tene Schüler). PI in ins Naturgeschichte, übersetzt von F. Strack, überarbeitet von M. Strack. (S. 238: Notiz). Creuzeri opus- cula selecta (S. 236 f. : kurze Inhaltsangabe). Neue Ausgaben grie- chischer und römischer Klassiker aus dem Verlage von B. Tauchnitz (S. 239: kurze Notiz). Teil kämpf: physikalische Studien. Von Emsmann (S. 239 f.: als tief eingehend und besonnen sehr empfoh- len). — Gramm: die Denklehre oder Logik. Von All ihn (S. 307: ganz verworfen). Thürmer: eine Logik für Schule, Haus und Leben. Von dems. (S. 307^313: unter der ganz wunderlichen Ein- kleidung sei manches brauchbare enthalten). Schökel: die Logik. Von dems. (S. 313—318: als eine sehr unklare Darstellung bezeichnet). Hofmann: Sammlung von Aufgaben aus der Arithmetik und Al- gebra und Sammlung stereometrischer Aufgaben (S. 318 320: für eine wesentliche Bereicherung der einschlägigen Litteratur erklärt).-— Pae- dagogische Zeitung. Prcuszen (S. 81 f.: Mittheilung einer Verfügung vom 11. Aug. 1854, die Prüfung der Schulanitscandidatcn im französi- schen und englischen betreirend). - A. H. Frankes Anweisungen

372 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slatisl. Nulizen.

über Schuldisciplin (S. 85—87: aus Cramers Programm des Paedagog. zu Halle lööi mitgetheilt). Berichte aus der A, Z. über die defini- tive Organisation der Gymnasien in Oesterreich (S. 93 99). Zur Turnerei (S. 99 102: ßericht über das Cantonalfest in Uern nebst Bemerkungen von Langbein). Tholuck: das akademische Leben des 17n Jahrliunderts (S. 104 109: aus der ailgem. Zeit.) Arenz: über die Verhandlungen wegen einer Unterrichtsreform und ein Schul- gesetz in Holland (S. 109 ll4). Preuszen (S. 127: Mittheilung über eine Verfügung wegen des Urtheils der Consistorieii und General- superintendenteu rücksichtlich der Anstellung der Religionsiehrer an Gymnasien). Uebersicht der Gymnasien und höhern Bürgerschulen in Preuszen (S. 130 137: aus Rlushackes Schulkalender). Alitthei- lung über den Streit der Schulcommission und des katliulischen Pfar- rers wegen des Progymnasiums in Prüm (S. 137 l4l ). Revidierte Statuten des philologisch-historischen Seminars in Wien (S. 15-1 158).

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Aarau.] Die dasige Kantonschule hatte in den Schuljahren Ost. 1853 1855 im Lehrerpersonal keine Veränderung erfahren, mit den» Schlusz des letztern aber schied unter Anerkennung seiner 10jährigen treuen Dienste der Prof. der franz. Sprache und Litteratur F. F. Dcs- soulavy. Die Scliülerzahl war

Gymnasium Gewerbsch.

I. H. Hl. VL Sa. 1. IL HI. IV. Sa. Ges.

1853—54 25 9 11 10 55 27 23 13 4 67 122.

1854—55 21 20 8 10 59 17 21 13 4 55 114.'

Die den Schulnachrichten beigegebenen Abhandlungen sind 1854 Theod. Zschokke: l'rofilc vom aarß^nuischcn Juni (S. 17 24 4 nebst einer Steindrucktafel), l'SÖ5 R. Rauchenstein: cmindulioncs in Acschyli Eumcnidcs (16 S. 4).

Ahnstaht.] Das dasige Gymnasium, an welchem der Lehrer des Gesangs Cantor Stade bei Gelegenheit seines 50j. Amtsjubilaeums den Titel Oberlehrer erhielt, zahlte Ostern 1855 68 Seh. (I: 5, H : 10, III : 9, IV: 20, V: 24) und entliesz einen Abiturienten zur Universität. Die wissensciiaftliche Abhandlung schrieb Oberl. Hallens le ben: zur Ge- schichte des jyulriütlschcn Lieds (26 S. 4).

Bkaunschwkh;.! Die Frequenz des dasigen Obergymnasiums, in dessen Lehrercollegium keine Veränderung vorgegangen war, betrug Ostern 1S55 74 (IV: 32, III: 21, II: 14, 1: 7), zur Universität gieng nach bestandcMier Maturitätsprüfung einer. Das Programm enthält als Abhanilluug vom Prof. Dr. Assmann: livitrai;:; zur iMcthodik des Ge- schichtsunterrichts nebst einem yfuszuf^e aus Joniandes de Golharum orif^ine et rebus gcstis (30 S. 4). I>er Hr. \'f. , welcher .>i(-lion im J. 1847 durch die Prograiumabhandhing: das Sludium der Geschichte insbesondere auf Gymnasien, seitdem diircli ein iifhrl)uch und einen Abrisz der Geschichte seine theoretische und praktische Hefähigiing in dem Streite eine Stimme abzugeben hinlänglich bewiesen hat, erwirbt sich hier gegründeten .\nsj>riich auf Dankbarkeit, indem er die Krgeb- nisse der l»eileuteudsUii Leistungen LöbelTs, Peter's, nnd insbeson- dere Campe's zusammcnordnet, das übereinstimmende und das noch streitige herausstellt und seine eigne auf nachdenken und K'rfahruug gebaute Ansicht hinzufügt. Ref. musz bei Besprechung der Ahhand-

Berichte über gelehrte Anslalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 373

lung eines Schriftcheas gedenken, welches Hr. A. nicht gekannt hat, welches aber die allgemeinste Beachtung, der es auch Campe [Ztschr. f. d. G. W. IX S. 180— IH5] dringend empfiehlt, in vollstem Masze verdient: Eilers: insichtvn über den GcschichtsuntcrricJit in höheren Bildun'rsunstaUcn (Jahresbericht der Erziehungsanstalt zu Freyim- feide. Halle Heynemann IHöi. 18 S. 8). Rücksichtlich des Ziels für den Geschichtsunterricht hat Campe, mag auch manches in seinen An- sichten zu schroff, manches mindestens nicht für jeden Lehrer prak- tisch ausführbar erscheinen, das unbestreitbare Verdienst, eine dem Wesen und Zwecke des Gymnasiums vollkommen entsprechende Be- stimmung mit überzeugender Kraft hingestellt zu haben, indem er zeigte, dasz nicht ein Älasz von Kenntnissen, sondern historische Bil- dung der Zweck sei, worin diese bestehe, darlegte und die universal- historische Behandlung gänzlich zurückwies. PJilers, dem die reichste Erfahrung und Beobachtung zu Gebote steht, stimmt damit überein, indem er Definitionen des Begriffs der Geschichte, alles reden über ursprüngliche Zustände und Entwicklungen, alle Völker, die nicht zu den Culturvülkern gehören, ausschlieszt (S. 9 f.) und den Universitäten die höhere, historisch-politische Bildung vermittelst der dort üblichen Vorträge überläszt (S. 17). Auch Hr. A. erkennt jene Zielbestimmung, welche schon Peter aber ohne so eingehende Erörterung gefordert hat, an, glaubt aber gleichwol die universalhistorische Behandlung mit eben demselben und Löbell nicht ganz aufgeben zu dürfen, indem er Ein- führung in den Zusammenhang der Begebenheiten innerhalb der ein- zelnen Nationalentwicklungen und ihre Beziehung zu dem ganzen, der Älenschheit, für nothwendig erklärt. Ref. glaubt, dasz man wirklich in den Hauptsachen einig ist. Hrn. Campe trifft seiner Ansicht nach ebenso wenig der Vorwurf, dasz er lauter Historiker bilden wolle, als man Hrn. A. mit Recht vorwerfen würde, dasz er die ganze tiefere historische Behandlung in das Gymnasium herüberziehe und auf den Ueberbllck einen zu groszen Werth lege. Dasz das Gymnasium seine Aufgabe zunächst in der sicheren und klaren Auffassung <■ lebensvoller Wirklichkeiten' habe, darüber sind wol alle ebenso einverstanden, wie darüber dasz es eine Vorbereitung, eine Weckung des Interesses für eine höhere und tiefere Auffassung zu geben habe. Aus dem ersteren ergibt sich nothwendig der Besitz eines gewissen treuen wIssens, ohne welches auf das zweite verzichtet werden müste, zugleich aber auch, da für die Gymnasialbildung nur das selbstthätig angeeignete Werth hat, dasz dies wissen nicht durch ein trockenes auswendiglernen von Namen, Zahlen und Sachen gewonnen werden darf, sondern aus der Beschäftigung von selbst hervorgehen rausz, so dasz es nur der zusammenordnenden Thätig- keit bedarf, um einen Ueberbllck zu erzeugen. In Betreff des zweiten aber musz festgehalten werden., einerseits dasz ein eingehenderes selbst- thätiges Studium für den Schüler nur an einzelnen Abschnitten möglich ist, andererseits aber auch, dasz demselben der Nachweis geboten werde, wie sich durch die Betrachtung jeder Periode gewisse allgemeine Gesichts- punkte und Wahrheiten gewinnen lassen, und hinwiederum wie gewisse Ideen die Betrachtung und Anschauung aller Zeiträume durchdringen müssen. Das Interesse, die Lust zu finden und zu erarbeiten, ist ja ein doppelces, Erwerbung und Wahrung, und wie man den Schüler anleiten musz sich selbst zu unbekanntem und ungeahntem hindurchzu- arbeiten, so auch gegebenes zu prüfen, zu erweitern, festzuhalten oder zu verwerfen,. Gewis wird ein solcher, dem bereits manches von tieferer Auffassung der Geschichte entgegengetreten ist, sich mehr an- geregt fühlen, auf der Universität diesem Studium thätige Theilnahme zn schenken, ohne auch hier 'in verba magistri' zu schwören. Auf meine eigene Erfahrung will ich hierbei nichts geben, aber irre ich

374 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst, Notizen.

nicht, so hat Löhell dieselbe gemacht. Man hat gegen eine solche Behandlung der Geschichte auf dem Gymnasium, wie es scheint, des- halb so sehr geeifert, \veil man Öfters eine grosze Verkehrtheit wahr- genommen, eine schmähliche Vernachlässigung des positiven und ob- jectiven über Räsonnement und Retlexion, ein aufblähen des Schülers zu Weisheitsdünkel, ja wol auch falsche durch den Lehrer geptlanzte Geistesrichtungen, aber musz man wegen solchen abusus, den man nicht nachdrücklich genug bekämpfen kann, die Sache selbst ganz über Bord werfen. INlan hat auch wol hier und da eine zu grusze Scheu vor den Einwirkungen der Subjectivität; wenigstens scheinen darauf hin die öfters gehörten Aufforderungen zu deuten, der Lehrer solle den Schülern sagen, dasz dies seine Auffassung der Geschichte sei. Eine rein objective Darstellung ist aber unmöglich und wenn die Schüler alles aus Quellenschriftstellern selbst lernten, sie würden doch sub- jectives in sich aufnehmen und subjectiv das objective anschauen. Dasz ein Lehrer eines Schülers sich ganz bemächtigte, dasz sein gan- zes Wesen, denken und schauen für immer durch ihn bestimmt bliebe, würde gewis zu einer der seltensten Ausnahmen gehören, wol aber ist es allgemein anerkannt, dasz gerade ein Charakter erzieherisch wirkt. Mag also auch den Schülern eine einseitige Auffassung der Geschichte von Seiten des Lehrers entgegentreten dasz diese immer auf red- lichen Studien beruhe, setzen wir natürlich voraus es ist nicht zu fürchten, dasz sie allen die Möglichkeit eine andere sich anzueignen abschneiden werde, aber wol zu erwarten, da^z sie dieselben vor leicht- sinnigem verwerfen, wie aufnehmen anderer Ansichten bewahren und eben durch das spätere entgegentreten verschiedener sie in einen die Kraft stärkenden und ein festeres und sicheres Resultat bildenden Kampf versetzen werden. Und wer da weisz, wie viel mehr eine leben- dige Persönlichkeit wirkt als eine nur durch Schrift erkennbare, wird gewis des Ref. Uebcrzeugung nicht sofort verwei fen , dasz eine cha- raktervolle Anschauung der Gesrhichte^ nur von dieser reden wir , wenn sie dem Schüler im Lehrer entgegentritt, in gewisser Beziehung erziehender und bildender, mehr wahrend und behütend einwirke, als das selbstthätigste Studium historischer Schriftsteller, dasz wir also ebenso etwas aufgeben werden, wenn wir dies letztere ganz an die Stelle des ersteren setzen, wie wenn wir um jenes willen dies ganz vernachlässigen Die Subjectivität des Lehrers ist überdies durch das Wesen des Gymnasiums selbst auf einen festen und unveränderlichen Boden, von den sie Masz und Ziel empfängt, gestellt. Hält er dies fest, so wird ic nicht über die Grenzen des für den Gymnasiasten geeigneten hinausschweifen, andreiseits aber auch alle Elemente, wel- che die Geschichte für die dem Gymnasium zu erstrebende Bildung bietet, zur vollsten Wirksamkeit zu bringen suchen. Dies sind zwar zunächst die religiösen und sittlichen Wahrheiten, welche die Ge- schichte predigt, aber auch intellectuelle. Ref. gesteht olfen, dasz er sich den Geschichtsunterricht als seinerseits christlich erziehend nicht den- ken kann, wenn niclit mindestens eine Ahnung, wie die christliche Weltanschauung durch die ganze Geschichte bestätigt werde. Im Schü- ler erzeugt wird, wenn nicht an allen Zeiten ihm die Anschauung ge- worden von deui , was Luther sagt: 'die Historien sind Anzeigung, Gedächtnis und Merkmal göttlicher Werke und Urtheilc, wie er die Welt, sonderlich die INIcnschen , erhält, regiert, hindert, fördert, stra- fet und ehret, nachdem ein jeglicher verdient, böses oder gutes.' Und wenn das Gymnasium den Rlick für die Gegenwart zu schärfen hat, wie ist dies möglich, ohne dasz dem Schüler wenigstens an einigen der bedeutendsten und allgemeinsten Verhältnisse und Erscheinungen ein Bewustsein geworden, dasz sie in einem cüntinuierlicli"n Zusammen-

Berichic über gelehrte Anstalten, Vcrordnnugen, stallst. Notizen. 375

hange geworden, nicht Werke der Willkür sind? Wenn endlich dem Schüler eine Vorbereitung für die Bildung der Gegenwart d. h. für alles das gute, schöne und wahre, was dieselbe als ein Resultat der vergangenen Zeiten und der eignen Arbeit besitzt, eine Erweckung zum Streben nach ihrer Aneignung werden soll, wie ist dies nioglicli, wenn ihm nicht in der Geschichte zu einiger Anschauung gebracht wird, wie die bedeutendsten Begebenheiten und Personen im Lichte dieser unserer Bildung erscheinen, wie z. B. Karl der Grosze uns jetzt als ein anderer erscheinen musz, denn wie seinem Zeitgenossen Ein- hart (vgl. Assm. S. 8)? Oder soll ihm nirgends eine Erkenntnis da- Aon werden, wie die geistigen Schöpfungen eines Volkes auch für das politische und äuszere Leben vom bedeutendsten EinHusse sind? Wir geben also willig die uuiversalhistorische Behandlung preis, wir be- -schränken den geschichtlichen Stoff auf das wichtigste und bedeu- tendste, auf die wirklichen Culturvölker , wir verzichten darauf in der Schule das ganze Leben mit allen seinen Richtungen zu begreifen, wir dringen auf lebendige Anschauung des wirklichen als erstes und höch- stes Ziel, aber wir halten eine solche Behandlung der Geschichte, wie sie Peter für die höchste Stufe aufstellt, mit Assm. für noth wendig und nützlich und glauben dieselbe am besten zu bezeichnen, wenn wir sie eine propaedeutisch pragmatische nennen. Was die Vertheilung betrifft, so ist man schon längst in der Annahme dreier Stufen über- eingekommen, aber schon über die erste gehen die Ansicht wieder aus- einander, indem die einen, unter ihnen Eilers, sie nur eine propae- deutische sein, die andern, wie Hr A., auf ihr einen propaedeutischen und dann einen zusammenhängenden Unterricht stattfinden lassen wol- len. Wir hören für die letztere Ansicht einen Grund anführen, dem wir leider so oft begegnen, die Rücksicht auf die, welche mit dem 14n Lebensjahr das Gymnasium verlassen, und doch eine gewisse ab- geschlossene Bildung brauchen. Wollen wir auch den nun einmal für gebieterisch erachteten äuszern Umständen gegenüber die ganz gerechte Forderung, dasz das Gymnasium seine ganzen Verhältnisse nur nach denen zu regeln habe, welche seine Bildung ganz wollen, nicht gel- tend machen, so fragen wir doch, was man denn eigentlich den jungen Leuten mitgeben will, ob eine klare und treu bleibende Anschauung einzelner bedeutenderer Persönlichkeiten und Ereignisse ihnen nütz- licher sein werde, oder eine immer lücken- und skizzenhafte Ueber- sicht, die nothwendig zu einem trockenen Gedächtniswerk zusammen- schrumpfen musz. Etwas anders ist es, wenn die Auswahl des hier zu gebenden nach gewissen Rücksichten geschieht, wenn :nan bestimmte Dinge und Personen um ihrer Bedeutung willen nicht übergehen zu müssen glaubt, der Zusammenhang und die Zeitfolge dürfen hier nie ein entscheidendes iMoment werden. Hr. A. hat mit vollem Rechte (S. 7) auf die geographische Grundlage für diese Stufe hingewiesen, aber ein durch und durch zu billigendes Verfahren Hr. Eilers an dem Leh- rer Nänny (S. 11 13) gezeichnet. Gehört dazu auch eine glücklich begabte Lehrerindividualität, so kann doch jeder die Grundzüge zu seiner Richtschnur nehmen und mag sich vieles einzelne dem eignen Wesen entsprechend anders gestalten, bei voller Hingabe an die Ju- gend ähnliches leisten. Dasz die biblische Geschichte zu dieser Pro- paedeu'ik gehöre, davon haben wir uns nicht überzeugen können, wei- sen sie vielmehr fort und fort dem Religionsunterrichte zu. Zur Be- sprechung der folgenden Stufen ist die Beantwortung der Frage nöthig : was kann da's Gymnasium in der neuern Geschichte fordern? Die Ansichten gehen darüber weit auseinander, indem die meisten (auch Assm. und Eil.) die mittlere und neuere Geschichte als Abschlusz, mehrere (Heydemann) aber nur bis zum J. 1815, einige (der österr.

876 Berichte über gelelirlc Anstalten,' Verordnungen, stallst. Notizen.

O.-Enlw. ) mit Hinznfiigung der Vaterlandskunde verlangen, dagegen andere (Cain[ie und tlieilweise Peter) auf der obersten Stufe vorzugswei.se die alte Geschii^hte beliandelt wissen wollen. Hätte man immer fest gehalten, dasz die Aufgabe des Gymnasiums nicht eine wissenschaft- liche, sondern eine erzieherische sei, dasz demnach die Wahrung und Behiitung vor verkehrtem und entsittlichendem eine Hauptrücksiclit sei, so würde man aus paedagogischen Gründen die Fortsetzung der Ge- schichte bis zu den neuesten Zeiten gewis nur allseitig befürwortet haben. Auch darf wol das Recht nicht verkannt werden, mit welchem man von dem gebildeten Jüngling Bekanntschaft mit den letztvergangenen Begel)enheiten und mit den gegenwärtigen staatlichen Verhältnissen seines Vaterlandes fordert. Auf der anderen Seite aber ist unleugbar, dasz ein Anfang tieferer Behandlung an der neueren Geschichte am wenigsten leicht gemacht werden kann, weil die reiche jMannigfaltigkeit des Lebens und die grosze Ausdehnung des Gebietes der Geschichte von dem Schüler noch nicht begrilfen werden kann, ferner dasz er mit der sichersten Aussicht auf Krfolg an dem Theile oder Gebiete der Geschichte gemacht werden wird, von dem der Schüler wenig.stens gewisse Hauptsachen durcli eigenes Studium bereits kennen gelernt hat und am leichtesten noch unliekanntes sich selbsttluitig aneignen kann. Dies ist zugleich das dem Wesen des Gymnasiums am meisten entsprechende. Demnach tritt denn Ref. gegen Assmann und Eilers, obgleich dieselben, namentlich der letztere, die Bedeutsamkeit der alten Gesciiichte nicht verkennen, dem bei, was Peter, noch einge- hender aber Campe fordert, dasz auf der obersten Stufe die Geschichte der Römer und Griechen den Haupt-, ja den alleinigen Stolf des Un- terrichts bilde. Die 2e Stufe dürfte deshalb eine etwas weitere Aus- dehnung zu erhalten haben, als sie gewöhnlich hat. Sie ist eigentlich die des lernens (Eil. S. 14), auf ihr gilt es eine klare und sichere Auffassung, ein lebensvolles Bild, das von selbst eine Uebersicht ver- schaiVt, zu erwerben. Da die neuere Geschichte auf dem Gymnasium nur von dieser Seite anzusehn ist, so möge sie auf ihr eine ausführ- lichere Behandlung (indon, es möge auf ihr die Vaterlandskunde und die speciellere vaterländische Geschichte, wo man eine so'che verlangt (Ref. stimmt Schäfer bei ob. S. 32—34) ihren Platz erhalten. Die Vertheilung des StolVes musz, wie Hr E. (S. 18 a. E.) trelVend be- merkt, den einzelnen Gymnasien nach ihren besondern Verhältnissen überlassen bleiben. Für die alte Geschichte bleibt Gelegenheit zur Auffrischung und Erweiterung genug, da ja die Schüler, während sie in der Geschichte durch das INlittehilter und die neuere Zeit geführt werden, fortwährend mit dem Alterthume beschäftigt sind, und wenn die obere Stufe vorzugsweise (gegen eine solche Repetition der übri- gen Geschichte wie sie Peter vorgeschlagen hat, ist gewis nichts ein- zuwenden), ja allein der alten Geschichte gc>>idmet ist, so werden doch die übrigen Gebiete nicht dem Schüler entfallen, wenn nur, wor- nach das Gyninasiun\ mit aller PiUergie zu streben hat, ein organisches zusanunenwirken und ineinandergreifen aller Lehrer und aller Lehr- fächer statt findet. W;is nun die iMethode des Unterrichts angeht, so ist so viel schönes und herliches darüber gesagt worden, dasz es nur der Bequemlichkeit und Indolenz zuzuschreiben ist, wenn der reine Kathederton der Akademie noch immer in dem Gymnasium spukt und höchstens die Repetitionen einen Unterschied von der Universität machen. Einen höchst fruchtbaren und tief einschneidenden Ge- danken, von dem sich auch Hr A. als ''einem zündenden' angeregt und überzeugt kennt , hat Peter aufgestellt, indem er Studium der Qiicllcnsrhril'tsteller als Basis des Geschichtsunterrichts gefordert hat. Wir haben bereits oben ausgesprochen, dasz wir des Vortrags von

Berichlc über gclcLilo Anslallcn, Verordnungen, slalisl. Nolizun. 377

Seiten des Lehrers niclit entratlieii köniKii, schon um deswillen nicht, weil durch ihn aHein der erzieherische Kinüusz zur Geltiiiif; gebracht werden kann, auch können wir, wenn der gesamte Unterricht auf Lesung aller Schüler beruhen sollte, kaum die nöthij;e Zeit hie/.u fin- den; endlich wird dem Vorschlage selbst seine sclieinbare schrolVe Spitze abgebrochen, da ja in dem gröszlen Theile nicht die Quellen- schriftsteller selbst, sondern liearbeitungeu den Schülern in die Hände gegeben werden sollen; aber gleichwol bleiben folgende Grundsätze der iMelhodik für immer erobert: 1) das/, dem Schüler die Geschichte in der Gestalt gegeuül)ertreten musz, in welcher sie den Zeitgenossen sich darstelle und entweder von ihnen selbst, oder von denen, welche aus ihnen schöpften, wieder gegeben ward, 2) dasz der Schüler durch- aus nicht alles vom Lehrer zu empfangen, sondern einen wesentlichen Theil sich sel(>st zu erwerben hat. Es ist, wie Hr. Assm. ganz richtig bemerkt, dem Lehrer die Verpflichtung aufgelegt, die Quellen selbst zu studieren und in möglichst engem Anschlüsse an sie seine eigene Darstellung zu gestalten; das lesen der Schüler möchten wir aber weniger subsidiarisch sein lassen, als Hr. A. zu wollen scheint. Auf der zweiten Stufe schon soll der Lehrer geradezu Aufgaben stellen, nicht allen Schülern auf einmal, sondern verschiedenen verschiedene, die doch ineinander greifen und ein ganzes geben und bilden, wie es Scheibert so oft und so überzeugend empfohlen hat. Am entschie- densten trete dies auf der obersten Stufe ein mit den Geschichtschrei- bern des Alterthums. Die Schwierigkeit, welche sich daraus ergibt, dasz der Geschichtsunterricht sich selten in den Händen desselben Lehrers findet, dem das philologische F^ach zugefallen, wird je mehr und mehr verschwinden, je lebendiger in den Lehrercoliegien das Stre- ben, wahrliafte Einheiten darzustellen, wirksam wird. Hr. A. will an die Verwirklichung des Peterschen Plans selbstthätig Hand anlegen, eine Bearbeitung, d. h. wol hauptsächlich Auszüge aus den Quellen- schriftstellern des Mittelalters herausgeben, als eine Probe wovon er (S. J4 3U) einen Auszug aus Jornandes de Getarum sive Gothorum origine et icbus gestis mittheilt. Ref. hegt zwar die Ueberzeugung, dasz die Quellenschriflsteller des Mittelalters den Schülern nicht in die Hände gegeben werden sollen, aus dem paedagogischen Grunde, weil die nicht genug zu erstrebende Coucentration eine neue Gefähr- dung dadurch erhalten wird, und aus dem realen, weil er die Ge- schichlschreiber jener Zeit wenig geeignet findet, das Interesse der Jugend zu wecken und zu fesseln. Es kann nicht verworfen werden, wenn einer und der andere Schüler Einharts Leben Karls d. Gr. liest, weil er aus ihm ein anschauliches Bild der Persönlichkeit gewinnen kann, aber finden sich wirklich so viele derartige Sac-hen und ist durch den Gewinn die Zumnthung gerechtfertigt, dasz der Schüler sich in eine ihm In vielen Dingen ganz unbekannte Sprache hinein- arbeiten soll? Wir zolUn der von Pertz usvv unternommenen Samm- lung aufrichtigst Beifall, aber bestätigt sie nicht unsere Ansicht? Würde man sich für Uebersetzungen statt <!er Originale entschieden haben, wenn man nicht die Ueberzeugung gehfgt hätte, dasz dem ge- bildeten Theile des Volks, von dem doch die meisten die klassische Bildung genossen, ein durcharbeiten durch die Form kaum auferlegt werden könne? Doch es wäre ungerecht, wollten wir nicht unser Urtheil zurückhalten, bis wir sehen, welche Auswahl Hr A. bietet. Halten wir uns an die vorliegende Probe Ref. gesteht, dasz er diese keinem seiner Schüler zur T.iectüre empfehlen würde. Er findet durch- aus nichts darin, was nicht dieser aus einer deutschen Bearbeitung oder aus dem Vortrage des Lehrers gleich gut, aber mit Gewinn an Zeit und Kraftaufwand gewinnen könnte, wol aber viele Namen und

JV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. L.KX». Ilp. 7. 28

378 Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, stallst. Notizen.

Dinge erwähnt, die man fiiglicli übergehen kann, ja musz. Wie soll der Schüler folgende durch den Druck hervorgehobene Worte ohne weiteres verstehen c. 6 ('2-t): Filimer , rex Gotkorum, reperit in po- pulo suo quasdam magas mulieres , quus patrio sermone is ipse [Ablavius , auf den dies bezogen werden musz, ist nur in einer Anm. des Herausg. 3 genannt] cognominat, easque habens suspectus de Tnedio sui [sollte wol de medicationc sui in der allerdings aus dem frühern Alterthume nicht nachweisbaren Bedeutung ' Bezanberung' zu lesen seinV] longeque ab exercitu suo fugutas in solitudinem coegit terrae, c. 18 (,36): [Attila] ambitum suum brachio meiitus s u- perbia licentiam satiat, qui ius fasque contcmncns hostcm sc exhibct naturuc cunctorum [beiläufig sei bemerkt, dasz zwischen diesem und dem folgenden Cap. der Zusammenhang gestört ist, da am Ende jenes das zusammentreffen auf den catalaunischen Gefilden, im Anfange des folgenden der Zug vor Orleans, aber nicht der Rückzug erwähnt ist], c. 19: Hoc tarnen quantulum pruedixcre solatii, quod summus hostium ductor occumbcrct , relictaquc victoria sua morte triumpkum focdarct. c. '22: Non fallor evcntu ; hie campus est, quam [Druckf. für quem?] nobis tot prospera promiserant. c. 22: manu manibus congrediuntur. c. 26 (50): Num filii Attilae , quo- rum per licentiam libidinis pene pop ulus fuit, gcntes sibi dividi aequa sorte posccbant. Worauf soll er in demselben Cd[). Sue- vum pcde, worauf c. 16 (32): Qua pacatur Jttila beziehen? Kef. ist von Hrn. Assm. , von dem er ein freundliches Bild in der Seele trägt, überzeugt, dasz er in seinen Bemerkungen nur den Willen zu nützen sehen werde; vielleicht veranlassen sie ihn, den Auszug vor der Her- ausgabe einer nochmaligen Prüfung und Redaction zu unterwerfen.

Budissin]. Nachdem aus dem Lehrercolleglum des dasigen Gym- nasiums Ostern 1854 der 9e College Dr. Wil. Gottl. Schmidt [zu- erst an die Thomasschule in Leipzig; übrigens s. Plauen ob. S. 271] ausgeschieden und an seine Stelle Dr. Gust. iMor. Klosz getreten war, trat durch das Ausscheiden des 4n Coli. Dr. Gebaucr [s. ob. S. 158] eine neue Lücke ein, welche durch Ascension und neue An- stellung eine.s 9n Collegen ausgefüllt ward. Dasselbe bestand demnach aus dem Rect. Prof. Dr. Hoffmann, Conr. Müller, Subr. Dr. Jahne, Math. Koch, Cantor Scbaarsc hmid t, Dr. Schottin, Dr. Rosz- 1er, Dr. Klosz und Burkhardt [s. ob. S. 167]. Die Schülerzahl betrug 131 (I: 17, II: 19. III: 19, IV: 24, V: 27, VI: 25), Abitu- rienten Ostern 1854 8, Mich. 7. Die wissenschaftliche Abhandlung schrieb der 7e Colleg. Dr. C. J. Röszler: über das Verhältnis der Schillerschen 'Braut von Messina^ zur antiken Tragocdie (26 S. 4).

C()i;sKELi>]. Das Gymnasium zählte im Wintersemester 181 Schü- ler. In die durch die Pensionierung des Oberlehrers Dr. Marx erle- digte erste Oberlehrerstelle ist Professor Rump eingerückt, wodurch dann Oberlehrer Hüppe in die 2e und Oberlehrer Dr. th. u. phil. Teipel in die 3e Oberlehrerstelle eintreten konnten. An die Stelle des nach Münster versetzten Oberl. Dr. Grüter ist Oberlehrer Buer- baum vom Gymnasium zu Paderborn als erster ordentlicher Lehrer hierher berufen; die übrigen Mitglieder des LehrercoUegiums sind auszer dem Director Professor Dr. Schlüter noch Bachofen von Kcht, Löbker, Ksch, Dr. Werneke, Gesangl. Fölmer, Zeicheiil. Mar- schall. Das Herl)st|)rogramin enthält eine Abli. von Teipel: Ipho- rismcn über Geschichtsehreibung. Demselben übersandte die philoso- phische Facultät der Universität Würzburg im verrtossenen Herbst wegen seiner philosophischen und historischen Bestrebungen und Lei- stungen »las l)i()loui eines Doctors <ler Philosophie.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slatist. Notizen. 379

Emden], Aus dem Lehrercollegiiim des das. Gyinn. [s. Bd. LXIX S. 701J schied Ost. 1H54 der Caiid. Müller, An seine Stelle trat der Cand. theol. Hesse, dann aber ward um eine bleibendere Anstellung herbeizuführen, der Lehrer W ic kin g aus Gildehaus angestellt. Die provisorische Anstellung des Lehrers Warnke wurde in definitive verwandelt. Die Schülerzahl betrug 126 (VI: 16, V: 32, IV: 32. IIIG: 14, R: 12, IIG: H, R: 5, 1 : 7), Abit. 3. Die Abhandlung schrieb Collab. Dr. Wiarda: Percy liysche Stelley (22 S. 4).

Frankfurt am Main]. Die dasige ein Progymnaslnm bildende katholische Selectenschule, in deren Lehrercollegium während der Jahre Ost. 1853—1854 auszer den bereits Bd. LXIX S. 230, 573 und 701 berichteten Veränderungen noch die provisorische Uebernahme der Stelle des Lehrers Dr. Schütz durch den Cand. phil. Dilluiann aus dem Nassauis-chen und die Vereinigung der gesamten Religionsunter- richts in den Händen des Caplan, jetz, Prof. Nicolay zu erwähnen ist, zählte im letzten Wintersem. 113 Seh. (I [Elementarcl.] : 30, II: 46, III: 24, IV: 13). Den Schulnachrichten vorausgestellt ist die Ab- handlung vom Inspector Prof. H, Wedewer: klassisches Alterthum vnd Christenthum mit besonderer Beziehung auf die Gelehrtenschulen (39 S. 8), Dankbar erkennen wir es an, dasz hier ein tüchtiger Käm- pfer für die so vielfach angefochtenen und bedrohten Humanitätsstu- dien auf das Feld tritt. Seiner Beweisführung, dasz das Alterthum viel auch im Lichte des Christenthums als wirklich gut erscheinendes geschaffen, dasz dies die christliche Kirche, so bald sie erstarkt war, aufnahm und in sich ergänzte, berichtigte, verklärte, dasz wir von diesem uns nicht trennen dürfen, wollen wir nicht mit unserer ganzen Entwicklung und Bildung brechen, wohnt eine überzeugende Kraft inne für die, welche sehen wollen und können. Indem auf die Form als das bedeutendste in den Schöpfungen des Alterthums hingewie- sen wird, bedarf es fast keiner weiteren Ausführung, dasz die Alten selbst, nicht Uebersetzungen studiert werden müssen. Auch ist ein Moment hervorgehoben, das freilich oft vernachlässigt und übersehen worden ist, aber schon um der auch den Griechen und Römern ge- bührenden Gerechtigkeit willen, nicht übersehen werden darf, das im Inhalte der Mythen liegende wahre und gute. Freilich sind hier die rechten Grenzen gar leicht überschritten, man findet eben so oft fälschlich tiefen Gehalt in den Mythen, wie man sie als leere Gebilde irre geleiteter Phantasie verwirft, man ist noch immer von der klaren Erkenntnis des historischen Entwicklungsganges im einzelnen wie im ganzen der iNlythologie weit entfernt, und oft fehlen zwischen den ein- zelnen Gestaltungen die verbindenden Glieder, aber zu verkennen ist nicht, dasz sich in der Mythologie theils Reste einer UrÜberlieferung, theils Spuren einer höhern Erleuchtung finden, welche aber immer wieder verdunkelt werden und keine bleibende Stätte gewinnen kön- nen. Der Hr. Vf. hat sich von den Uebertreibungen ziemlich fern ge- halten, die unvermeidlich sind, wo eine neue tiefere Richtung Wurzel schlägt; indes legen wir doch das Hauptgewicht auf das Verhalten der Alten zu ihren Göttern, auf ihre Anerkennung und auf ihre Un- terwerfung unter das ihnen so nnbekannte und so verdunkelte göttliche, auf das suchen und sehnen nach richtigerer Erkenntnis und Befriedung mit ihren Göttern, mit einem Worte auf das erbauliche, weil das, was die Alten den Götzen erwiesen, und die Folgen, die sie davon hatten, am kräftigsten das Herz antreiben, das sich im Besitze der Offenba- rung weisz. Wollten wir auf einzelnes eingehn, so würden wir die Grenzen dieser Anzeige überschreiten. Unser Zweck ist nur auf die mit Geist, Umsicht und Gelehrsamkeit geschriebene Schrift aufmerk sam zu machen. R. D.

28*

380 Personalnachrichten.

FreiI!1;rg]. Als Einladimgssclirift zu dem Redeactiis im G_Miiiia siiim am 13. Apr. erscliieii von dem Rect. Prof. Dr. K. H. Frotsclier: Anonymi Grueci oratio fnncbris nunc primum in (ierinania multoque uccuraliuD quam usquuni unlchac factum est, cdita (80 S. b).

Persoiialiiachricliten.

Angestellt oder ernannt:

Beer, Ad., Sii})plent am Alt.städter Gymn. zu Prag, ern. zum \Nlrkl.

Lehrer für das Gymnasium zu Eger unter ein.slweiliger Verwen- dung am zuerstgen. G. Böhtlingk, Otto, in St. Petersburg ern. zum corre.'^p. Mitglied der

pliilos. Iiistor. KI. der k. preus.s. Akad. der VVisscnsch. liogler, Cüllaborator am Geltlirtengymn. zu Wieshaden, in gleicher

Eigenschaft an das Gymn. zu Hadamar versetzt. Braun, Rector am Paedagog. zu EszUngen, zum evang. Stadtpf. und

Decan in VVelzheim ernannt. v.'Corzan, Supplent am Gymn. zu KascUau, zum vvirkl. G-1. ern, Culen, iMart., 8uppl., zum Lehrer am neusystemisierten Gymn. zu

Neu.sohlern. Czermak, J o h. , Assistent am physiolog. Institut zu Prag, zum ord.

Prof. der Zoologie an der Univ. Gratz ernannt. Danilo, Sui)|il. am Gymn. zu Zara, zum \vlrkl. G-l. ern, Esmarch, Dr K. , Prlvatdoc. an der Univ. zu Göttingen, zum ord.

Prof. des röm. Rechts an der Univ. zu Krakau. Gotschar, J o h, , Lehrer, zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Neu- sohl ern. Grion, Just., Suppl. des Obergymn. zu Triest, zum ord. Lehrer des

Lycealgymn. zu Padua. Hajnowski, Norb., Suppl , zum wirkl. Lehrer au» Gymn. zu Neu.^uhl. Hamerling, Rupr. , Lehrer am Gymn. zu Gratz, als Lehrer an das

Gymn. zu Triest vers. Her, Gust., Suppl. in Gratz, zum Lehrer am Gymn. zu Triest ern H o hcn wa r t er, Thom., vom Kaschauer Gymn. als Lehrer an da>

Gymn. zu Görz vers. Huczxnski, Mich., Suppl. am Gymn. zu Sandec, zum \>irkl. Le'ir.

an ders. Anst. ernannt. Kink,Rud.. Landesrath des schles. Landesregierung, zum iMiniste-

rialsecretär im Ministerium für Cultus und Unterricht in Wien. Kölle, E. W., in Sierra Leone, zum corr. Mitgl. der phil. - histor.

Klasse der kön. preusz. Akad. der Wissensch. Körnig, K., l^ehrer der deutschin Sprache am Gymn. zu Ragusa, in

gleicher Eigensi-hafl an das Gymn. zu Spalato vers. Kotrbelec, Dr. theol. Ludw., Religionsl am Cymn. zu .licin , zum

wirkl. G-l. an ders. .Anst. ern. Kott, Frz., Jjchrer am Gymn. zu Jicin, in gleicher Eigenschaft an

das Gymn. zu Görz ernannt, Kritz, Job , Suppl., zum wirkl. liebrer am Gymn. in Neusidi! orn. Lautkotsky, Vinc, Lehrer am (Jörzer Gjmn. , in gleicher Eigen

Schaft an das Gymn. zu Triest vers. Lichtenaner, Ant, Rector des Gymn. zu LaiuLsluit in Nicderltayern,

zum Domcapitular in München ein. Jiindner, (Just., l^-hrer am Gymn. zu Jicin, in gleicher Eigenschaft

nach (,'illi vers.

Pcrsoiialnachrichlen. ßSi

Lorenz, K. W. , Lehrer an der Dorascliiilc zu ScIllos^^ig, als Ober- lehrer an das Gymn. zu Soest hernfen und l)e.stätigt. Lndwig, Dr., Physiolop, von Zürich nach Wien berufen. Macht, K. Leonh., Studicnlehrer zu Speier, zum Prof. am Gyinn.

zu Hof ernannt. Martin, Henri, in Rennes, zum corr. Mitgl. der phllos.-hist. Kl. der

k. nrou.'iz. Akad. der Wissensch. Megnin, Praecejjtor in Backnang, erhielt die Lehrstelle der 2n Kl.

der lat. Seh. in Hall. Meschutar, A n d r. , Bischof und Ministerialrath , zum Sectioaschef

im Min. für Cult. u. Uiit. zu Wien ern. Misch! er, Dr. Pet., ao. Prof., zum ordentl. Prof. der politischen

Oekonomie zu Prag ern. Müller, Praeceptor in Pfullingen, erhielt die Lehrstelle an der untern

Kl. der lat. Seh. zu Reutlingen. Nägeli, ord. Prof. und Director des botanischen Gartens zu Freiburg

im Br., zum Prof. am Polytechnicum in Zürich ern. Nase mann, Dr., Hülfslehrer am Gymn. zu Königsb. in d. Neum.,

definitiv angestellt. Orgler, Flav. , Franciscaner Ordenspr. , als Lehrer am Obergymn.

zum Botzen bestätigt. Ott, Ed., Supplent amGymn. zu Budweis, zum Lehrer am Gymn.

zu Triest ern. Preller, Dr. Ludw., Hofr. und Oberbibliothekar zu Weimar, zum

corresp. Mitglied der pliilos.-histor. Kl. der kön. preusz. /.k. d.

W. ern. Röpell, Dr., ao. Prof., zum ord. Prof. in der philos. Facultät der

Universität Breslau ern. Ronzoni, Dr. Cyrill, Suppl. am Lycealgymn. zu Padua, zum ord.

G-l. an ders. Anstalt ern. Rossignol, Mitglied der Akad. der Inschr. , zum Prof. der griechi- schen Sprache und Litt, am College de France zu Paris ern. [an

des pensionierten Boissonade Stelle]. Roulez, Jos., in Gent, zum corr. Mitgl. der philos. -bist. Kl. der k.

preusz. Ak. d. W. Ruz'icka, Matth., Benedictiner Ordenspr., bisher zur Dienstleistung

dem Gymn. zu Neusohl überwiesen, zum Lehrer und provis. Di- rector an derselben neu systemisierten Anstalt. Schönermark, O. C. Fr. J, Lehrer, als ord. Lehrer an der Rltter-

akad. zu Liegnitz angestellt. Schmidt, Dr Ambr., Suppl. am Josephstädter Gymn. in Wien, zum

Lehrer am Gymn. zu Triest ernannt. Simor, Abt Joh. , Sectionsrath , zum Ministerialrath im Minist, für

Cult. und Unterr. zu Wien ernannt. Stocker, Weltpr. Jos., provis. Dir. des Gymn. zu Feldkirch, zum

wirkl. Dir. ders. Anstalt ernannt. Thilo, Dr. Ge. Christi., Schulamtsc, als ord. Lehrer am Doni-

gymn. zu Naumburg a. d. S. angest. Varecka, Wilh., Suppl., zum wirkl. Lehrer am Gymn. zu Neusohl ern. Volckmann, Dr. Rieh. Em., Schulamtsc, als Collabor. an der Fried- rich-Wilhehnssehule zu Stettin bestätigt. Wenck, Dr. Wo Id., Privatdoc. zum ao. Prof. der Philos. an der Univ,

zu Leipzig ern. Wiedermann, K. , Suppl., zum Avirkl. Lehrer am Gymn. zu Ka-

schau ern. Wildenhahn, Dr. K. Aug., Pastor prim., zum Kirchen- und Schu!

rathe bei der Kreisdirection zu Rudissin ern.

382 Personalnachrichten.

Z enger, Wenz., Suppl.. als Lehrer am Gymn. zu Neusohl angest. Zimmermann, Jos. Andr., Ministerialsecr. , zum Sectionsrallie im Minist, für Cult. u. Unterr. zu Wien ern.

Praedi eiert:

Aitmann, Ministerial- und Praesidialsecretär im Minist, für Cuitus

und Unterriclit zu Wien, als Sectionsrath. Göppert, Prof. und Dir. des botan. Gartens zu Breslau als Geh.

Med. R.

Pensioniert:

Fletzer, Dr. Joh., Prof. der Italien. Spr. an der Universität zu Pesth. Weber, Phil., Prof. am Gymn. zu Tauberbischofsheim.

Gestorben:

Am 5. Febr. zu Wien Dr. iur. Karl Bernd, geb. 5. Jul. 1819, seit 18j0 als Supplent, seit 1852 als wirkl. G-1. an dem kk. akademi- schen Gymn. beschäftigt.

Am 13. Febr. auf seiner Villa bei Ponterico Baron Camillo Ugoni, verdient um die italienische Litteraturgeschichte.

Am 8. März zu Mailand Dr. Bart. Catona, Praefect der Ambrosian. Bibliothek und Mitglied des kk. lombardischen Instituts.

Am '28 März, Pagani, Professor an der Universität zu Löwen, seit 1825 Mitglied der belg. Akademie, 59 J. alt.

Im März Joh. Repiczky, 2r Secretär der Ungar. Akademie, bekannt durch seine Sprachkenntnisse, im 38n Lebensjahre.

Am 7. April zu Agram Georg Novo sei, Domherr, gewesener Gym- nasialprofessor, zuletzt Gymnasialschulendirector , im 60n -Lebensj.

Am 27. Apr. zu Pesth Dr. Leand. Starke, Benedictiner Ordenspr,, suppl. Prof. der Philosophie an der Universität.

Am 2. Mai zu Wollin Dr. Theod. Obbarius, Lehrer an einem Pri- vatgymn., bekannt durch seine Ausgaben des Boetliius, Prndentius, Horat. carm. und seine Uebersetzung des Horaz, 38 J- alt.

Am 11. Mai zu Kisleben der Dir. des dort. Gymn., Prof. Dr. Friedr. Eilend t, Herausgeber von Cic. Brut, und d. orat., des Lexicon SophocI. und eines geschätzten Lehrbuchs der Geschichte, im 59n J.

Am 16. Mai in Pisa Prof. Ritter Giov. Rosini, Vf. der Geschichte der Malerei und and. Sehr.

Am 19. Mai in Augsburg Dr. Joh. Gfr. Dingler, 78 J. alt, Begrün- der des bekannten polytechn. Journals.

Am 29. Mai zu Kopenhagen der Prof. der Astronomie an der dasigen Universität, Dr. Olufsen.

Am 31. Mal im Bade Wittekind bei Halle der Reetor der Schulpforta Prof. Dr. K. Kirchner.

An dems. Tage in Genf bei einem Besuche seines Schwiegersohns der Geh. Scliulr. Prof. Dr. K. Just. 15 loch mann, geb. zu Reiehstädt bei Dippoldiswalde 178(J, ein Schüler Pestalozzi's, 1824 Gründer der später mit dem Vitzthumsehen Gesehlechtsgymn. vereinigten Krziehungsanstalt zu Dresden.

Am 21. Jun. zu München der Staatsr. im ord. Dienst und Khrenmit- glied der kön. Akad. der W. Dr. Frdr. von Strausz, im 68n Leben.sj.

Am 24. Jun. in Leipzig der Consul der Verein. Staaten, Dr. Joh. Gfr. Flügel, im r)7n l^ebensj,, bekannt durch seine Verdienste um das Studium der enjiHschen Litteratur.

Zweite Abtheilung

herausgegeben von Rudolph Dietsch.

23.

Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien.

In dem evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien müssen, ebenso wie in anderen GymiiasiaUlisciplinen, z. B. der Geschichte und den klassischen Sprachen zwei Lehrstut'en, eine untere und eine obere, bestimmt von einander unterschieden werden. Von der klaren und sichern Erkenntnis des Wesens und Ziels, des Umfangs und Inhalts einer jeden dieser beiden Stufen, wie ihres Verhältnisses zu einander und zum ganzen hängt ein gedeihlicher Fortschritt des Religionsunter- richts zum groszen Theil mit ab. Aber während z. B. für die antiken Sprachen und die Weltgeschichte oder selbst für untergeordnetere Gymnasialfächer die Bedeutung der erwähnten zwei Hauptstufen, der drei unteren und der drei oberen Gymnasialklassen, allgemein aner- kannt ist und sich der gesamte Gang des Unterrichts darnach gestal- tet, findet sich hinsichtlich des Religionsunterrichts trotz der unleug- baren Fortschritte, die derselbe im letztvergangenen Decennium im allgemeinen gemacht hat, doch noch immer gerade von dem eigen- thümlichen Charakter jener Lehrstufen ein klares und festes Bewust- sein im ganzen so selten und so vereinzelt, dasz es in der That nicht überflüssig erscheint, vorerst einmal wieder diese vergessenen oder übersehenen Punkte von neuem hervorzuheben.

Was dem antiken Sprachunterricht anerkanntermaszen im höch- sten Grade förderlich ist, das ist die feste allgemeine auf unbestrit- tener Tradition ruhende Ordnung und Stufenfolge, in welcher sich derselbe bewegt; und eben diese feste allgemeine Ordnung und Tradition ist es gerade, die dem evangelischen Religionsunter- richte zu dessen groszem Nachtheil vielfach noch abgeht; und nach deren allmählicher Begründung daher alle diejenigen, die dazu den Beruf haben, mit allen ihren Kräften streben müssen. Selbst da nem- lich, wo der evangelische Religionsunterricht der Zerstörung des Ra- tionalismus entronnen ist und sich wieder auf positiven Grundlagen aufzuerbaueu begonnen hat, also bei christlich gesinnten Lehrern und

N. Jahrb. f. PhU. u. Paed. "Bd. LXXir. Hft. S. 29

384 Zum evangelisclien Religionsunterricht auf Gymnasien.

von denen kann hier begreiflicher Weise allein die Uede sein tritt sehr häufig das bestreben nach subjecliver Erregung und Erweckung, steler Einwirkung auf Gefühl und Geniüth des einzelnen so überwie- gend hervor, dasz auf eine feste, allgemein güllige, im wesenllichen unveränderliclic Ordnung und objective Stufenfolge eben nicht son- derliches Gewicht gelegt Avird. Dagegen aber sollen in Zukunft die chrisilicb-gesinnten Religionslelirer, wenn sie mit des Herrn Hülfe in der That und Wahrheit sein Reich bauen helfen wollen, mit den Waf- fen des Geistes -auf das entschiedenste ankämpfen. Nicht als ob sie von der erfahrenen Gnade des Herrn Jesu Christi in ihrem Unterricht kein Zeugnis abzulegen halten; das sei ferne; wo der Heilige Geist wahrhaftig und lebendig wirksam ist, wird das persönliciie Zeugnis von Christo dem gekreuzigten und auferstandenen, von der Vergebung der Sünden und dem ewigen Leben nicht ausbleiben können. Aber das sollen die evangelischen Religionslehrer an unseren Gymnasien auch nicht vergessen, dasz sie zu Haushaltern über Gottes Geheimnisse gesetzt sind, von denen Gott der Herr vor allen Dingen Treue fordert. Treu aber kann der evangelische Religionslelirer nur dann sein und bleiben, wenn er in der christlichen Unterweisung die ihm anvertraute Jugend nicht auf seinen, wenn auch noch so christlichen Gcdanken- und Gefühls wegen, sondern auf den groszen, ewigen und ge- waltigen N\' e g e n des Herrn Herrn selber führt; mit anderen Worten: der evangelische Religionsunterricht musz, dem allgemeinen geschichtlichen Princip des gosaiiiten Gymnasialunterriclits gemäsz, geschi ch t lieh- kirchlich sein, d. h. er musz sich an den groszen Thaten Gottes, an dem lleilsgang der Verheiszung im Allen Bunde und deren Erfüllung im Neuen Bunde, und an dem Kampfes- und Sieges- gange der Kircho des Herrn, die auch die Pforten der Hölle nicht überwinden sollen, von Anfang bis zu seinem Ziele fortbewegen. Treu kann ferner der evangelische Religionslehrer nur dann sj;in und bleiben, wenn er seines auf der ursprünglichen und wahrliafligen Be- stimmung der evangelischen Gymnasien ruhenden Berufes fort und fort gedenkt, Kinder, die durcli das Sacramcnt der heiligen Taufe in die christliche Kirche aufgenommen sind, nun auch zu lebendigen Kirchengliedern, insbesondere nach dem ^^'esen der Anstalt, der sie angehören, zu dereinsligen Führern des christlichen Volks in Staat und Kirche zu erziehen; mit anderen Worten: der evangelische Reli- gionsunterricht musz miteinstimmen in das hochherliche Bekenntnis unserer theueren evangelischen Kirche und in seiner Gesamtheit wie- der nach den beiden Stufen für die Kalechumenen und für die dereinstigen Hcgumencn gcglietlert sein. Dabei ist, wie sich von selbst versieht, der geschichlliLb- kirchliche Unterrichtsgang das ohjeclive, die beiden Stufen durchweg beherschende Gesetz, das auf jeder dieser beiden Stufen seine besondere lebendige Gestaltung ge- winnt. Nicht nur, dass dieser geschichllich-kirchlichc Charakter, wie schon bemerkt, dem Wesen der Gymnasialbilduug überhaupt allein in Wahrheit angemessen ist, der Religionsunlcrrichl erhält nur dadurch,

Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien. 385

dasz er den groszen Thatcn Golles selbst in ihrer geschichtlichen üircnbariiiig nachfolgt, jene objective, in der göttlichen ückonomie sclbstbegründete, concrct- lebendige Ordnung, die ihn über jede sub- jeclive, abstracte und selbsterdachte Syslematisierung hoch und weit erhebt. Es ist die beste Ordnung des LehrstolTs, die nur gedacht werden kann, denn es ist die höchste Ordnung selbst, die sich in dem geschichtlichen Gange des lleiches Gottes auf Erden von dessen ersten Stadien bis zu den letzten Dingen in wunderbarer Ilerlichkeit und Klarheit entfaltet. Wahrlich, wer einmal diese göttliche Ordnung und Stufenfolge, diese Sternenbahn des Herrn Uinimels und der Erden geschaut hat, der wird nimmermehr wieder Verlangen tragen, im Re- ligionsunterricht zu irgend welchem, menschlich -gestalteten System zurückzukehren und dessen Unvollkommenheiten mit dem organischen Zusammenhang des in sich vollkommenen göttlichen üffenbarungs- gangs zu vertauschen. Vielmehr wird ein jeder, der ein Auge hat für die geordneten leuchtenden Bahnen der Barmherzigkeit und Gnade Gottes neben den dunkeln Todesschatten der menschlichen Sünde, an diesem geschichtlich-kirchlichen Unterrichtsgang um so fester halten, je innerlich lebendiger derselbe ist. Alles entfaltet sich in Gottge- leitetem Wachsthum, eine Knospe bricht nach der andern auf, eine Blüthe reiht sich an die andere, eine Frucht drängt die andere; lauter lebensfrische Keime, lauter lebenskräftige Entwicklungen; eine Klarheit nach der andern, eine lebendige Persönlichkeit nach der andern, eine Erfüllung nach der andern; alles kommende wird durch das vorausgehende verkündigt und gelragen, alles vorausgehende durch das kommende bestätigt und in seinem innersten Leben bedingt. Das erweckt wieder Leben, während auf der Schule wenigstens das wissenschaftliche System der Dogmatik, mag es auch ein Muster von logischer Ordnung sein, die Herzen meist kalt läszt und auf die Dauer in der Regel Langeweile erregt. Es kommt mir diese systematische Darstellung im evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien im Vergleich mit dem groszen geschichtlichen Erziehungsgang Gottes fast wie ein eingeschachteltes Herbarium vertrockneter und verblasz- ter Pflanzen gegen den duftenden Frühlingsgarten in seiner Blüthen- pracht vor. Zu dieser Lebensfülle und Frische gesellen sich aber auch noch Festigkeit und Beharrlichkeit. Es sind ja die unveränder- lichen Tliatsachen selbst in der einmal gegebenen Aufeinanderfolge, an denen sich der Unterricht stets und ständig fortbewegt; er hat überall die bestimmten Ziele, die in den Thatsachen selbst liegenden Stufen im Auge ; die Heilslehre ist nirgends von den T hatsacheu des Heils losgetrennt, sondern fest und unabänderlich wie innerlich mit ihnen verbunden, so auch im Unterricht zusammengehalten; die Lehrstücke sind in ihrer Stellung nirgends von dem subjectiven veränderlichen Lehrsyslem abhängig, sondern behalten vielmehr, die- sem fortwährenden Wechsel enthoben, ihren festen Sitz, den ihnen entweder das ^^'ort Golles oder das Bekenntnis der Kirche ein- und für allemal zuweist. Dasz auszcrdem diese wirklichen und lebendi-

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386 Zum evangelischen Religionsiinlorrichl auf Gymnasien.

gen, festen und nnverrückbaren raitot neben anderen Vorzügen die Behaltbarkeit des Lehrstoffes in holiem Grade fördern, liegt auf der Hand, während die s. g. syslemalische Anordnung bei dem beständi- gen Wechsel, dem sie im einzelnen je nach der subjecliven, veränder- lichen Anschauung ihres jedesmaligen Urhebers unterworfen ist, festes und sicheres wissen erfuhrungsmäszig in viel geringerem Grade zu erzeugen vermag. Höher schlagen wir jedoch das an, dasz die ge- schiclilliche Festigkeit und Beharrlichkeit des Unterrichts ohne Zwei- fel nicht nur der Festigkeit des wissens , sondern auch der Festigkeit des Glaubens Vorschub leistet. Nur zu leicht wird begreiflicher Weise durch das schwanken und die Beliebigkeil in der systemati- schen Anordnung ein schwanken und belieben in der Annahme der Wahrheit selbst hervorgerufen und somit die schwere Krankheit des Zweifels nur noch gesteigert, während die feste Stelle im Worte Gottes und im Bekenntnis der Kirche an sich schon darauf hinweist, dasz es sich hier nicht um Mcuscbensalzung und beliebige Annahme, sondern um die ewige Wahrheit selbst bandelt.

Also geschichtlich-kirchlicher Charakter des gesamten Religions- unterrichts: und daher zunächst auf der unteren Stufe, der Stufe der K a te chumenen in den beiden vorbereitenden Klassen (Sexta und Quinta), biblische Geschichte dos A. u. N. T. nach dem geschicbt- lichen Gang der Verheiszung und Erfüllung, in der diese untere Stufe abschlieszenden Klasse (Quarta) der Katechismus. Dazai bedarf es als Lehrmittel nur einer biblischen Geschichte, die den Bibelton treu wie- dergibt, wie die von Zahn, und des kleinen Katecliisinus Luthers, der bekanntlich gleichfalls den geschichtlichen Gang der Offenbarung ein- hält und überhaupt ohne alle Widerrede vor allen andern derartigen Lehrbüchern den unl)edingten Vorzug bcliau|»let. Hierüber findet im allgemeinen jetzt schon die meiste Uebereinstimmung statt, und wir brauchen uns daher um so weniger mit nielliodologischen Erörterun- gen über feste Einprägung des Hanpttextes und der Erklärungen, über mcmoriale Kenntnis der Kernsprüche der Heiligen Schrift und der Kernlieder der evangelischen Kirche aufzuhalten. Nur eine Forde- rung möchten wir hier noch aussprechen, die meines w issens, so nahe sie auch zu liegen scheint, noch nirgends erhoben ist, dasz nemlich bei Gelegenheit des 3n Gebots der Sabbathslieiligung nicht nur eine klare und bestimmte Kenntnis des cbrislliciien Kirchenjahres in seinen hohen Festen erreicht werde darauf wird schon so ziemlich allge- mein geachtet , sondern zugleicii aiuli bei den Katechumenen ein einfaches Verständnis der liturgischen Ordnung des Gottesdienstes wenigstens im allgemeinen angebahnt werile. Eigenllich zwar ist es Pflicht des christlichen Hauses, dies zu leisten aber wo geschieht''s? So musz die Schule vorläufig und bis auf bessere Zeiten auch in dieser Beziehung, wie in so manchen anderen die Pilicliten des Hauses mit- übernehmen, und ihre unmündigen Kirchenijlieder von <ler Bedeutung und dem Wesen der kirclu'nür(lnun<ismäszigen Hau[tttlieile des Got- tesdienstes zn unterrichten suchen. Wird diese Unterweisung richtig-

Zum evangelischen Rellgionsiuilerricbl auf Gymnasien. 387

und mit dem nölliigcn Takt erllicill, so trägt sie in sehr heilsamer Weise dazu bei, mit dem Auge auch die Seele des Kindes auf Altar und Kanzel - auf die sonntägliche Feier unseres thcuereu evange- lischen Gotlesdienstcs hinzulenken. Die höhere Stufe des Keligions- unlerrichls Mürde dann die hier nur kürzlich und mit Beschränkung auf das allerwescntlichsle gegebene Darlegung an geeigneter Steile weiter auszuführen haben.

Ueberhaupt zwischen den beiden Stufen musz eine lebendige Beziehung um) genaue Symmetrie bestehen , wenn es anders zu einer so wünscheiiswcrllicii , sicheren Tradition kommen soll. Gerade in dieser Hinsicht hat es trotz der gewichtigsten Stimmen und überzeu- gendsten Ausführungen urtheilsfähiger Männer, wie wir bereits oben angedeutet, zu einem klaren Bewusisein noch nicht kommen wollen. Wer sich die Mühe nehmen will, die Programme unserer deutscheu evangelischen Gymnasien von nur einem, höchstens zwei Jahren nach der angegebenen Kücksicht durchzugehen , wird sich zur Genüge da- von überzeugen können. Bald wird in der Tertia (als der untersten Klasse dieser höheren oder oberen Stufe) die Heilige Schrift, bald eine systematische Glaubens- und Sittenlehre vorgenommen, und wo jenes der Fall ist, bald mit dem A. T., bald mit dem N. T. der Anfang gemacht und in beiden nicht selten mit ganz beliebiger, herüber- und liinüberspringendcr Auswahl. Oder das N. T. wird für die Secunda nnd Prima aufbewahrt, dort nach Luthers Bibelübersetzung, hier nach dem Grundtext, an den man sich jedoch hin und wieder auch schon Irüher anschlieszt. Oder einmal kommt die Glaubens- und Sittenlehre erst in Prima , ein andermal schon in Secunda und Tertia vor. Oder in dem einen Cursus wird Kirchengeschichte in Prima, in dem andern schon in Secunda getrieben, anderer unzähliger Unregelmäszigkeilen und Schwankungen nicht zu gedenken. Gegenüber diesen offenbaren Uebelsländen ist eine feste Ordnung und Stufenfolge doppelt wün- schenswerth, insbesondere, dasz die obere Stufe der vorausgehenden unleren, die ihr wieder als nothw endiger Unterbau dient, in richtiger Symmetrie und innerer Geselzmäszigkeit entspreche. Wie in der ersten Klasse der unteren Stufe (der Se.xla) mit der biblischen Geschichte des A. T. von dem ersten Wort der Heiligen Schrift ^Im Anfang schuf Golt Himmel und Erde' an bis zu der letzten Verkündigung, von dem Elias (Johannes dem Täufer), der das Herz der Väter bekehren soll zu den Kindern und das Herz der Kinder zu den Vätern, der Anfang gemacht w erden musz, so soll dem entsprechend in der ersten Klasse der obe- ren Stufe (der Tertia) das A. T. von der Schöpfung des lebendigen Gottes durch sein AVort bis zu dem letzten Propheten des A. B. den Gegenstand bilden; und weiter, gerade wie in der zweiten Klasse der unteren Stufe (Quinta) zur biblischen Geschichte des N. T. fortge- schritten wird, so musz in der zweiten Klasse der oberen Stufe (Se- cunda) dem geschichtlichen Gang des Ueiches Gottes gelreu von der Verheiszung zur Erfüllung in Christo Jesu übergegangen und nunmehr das N. T. unabläszig getrieben werden. In dieser Beziehung hat W.

388 Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien

Ho ff mann in seinem Vortrage über den rechten Gebrauch der Bibel in Kirche, Schule und Haus, den er am siebenten evangelischen Kir- chentage zu Frankfurt a. M. im September vorigen Jahres gehalten, vollkommen Recht, wenn er nach dem Vorgange anderer mit allem Ernst auf das lesen der Bibel auch in den Gymnasien dringt.

Nachdem nemlich auf der Stufe der Kalechumenen durch die bi- blische Geschichte des A. und N. T. und auf Grund dieser durch den Katechismusunterricht der in den 5 (6) Hauptstücken der christ- lichen Lehre Gesetz, [Glaube, Gebet, Busze (Beichte und Absolution) und Sacrament zusammenfaszt nunmehr der Unterbau für die nächsthöhere Lehrstufe gelegt ist, so geziemt es sich darauf jetzt, wo die Katechumenen sich für ihren Beruf als Hegumenen weiter zu bil- den beginnen, das Wort Gottes im Zusammenhange zu lesen und zwar in dem Umfange, dasz ohne alle Unterbrechung die zwei Jahre der Tertia für das A. T. , die zwei Jahre der Secunda für das N. T. bestimmt bleiben. An dieser allgemeinen Ordnung, die dem geschichtlichen Princip des Gymnasiums abermals vollkommen ent- spricht und zugleich dem sonstigen fortschreiten der Gymnasialdisci- plinen ganz conform ist, könnte man doch einmal zu Bildung einer festen Tradition, um des Segens willen, der unfehlbar damit verknüpft ist, im Religionsunterricht auf unseren evangelischen Gymnasien fest- halten ! Es liegt darin in der That doch so wenig eine Beschränkung persönlich -freier Bewegung, dasz vielmehr dieser selbst erst eben dadurch ihre rechte, gesunde Wirksamkeit gesichert wird. Die Ein- würfe aber, die sonst gegen das zusammenhängende lesen des A. T. erhoben zu werden pflegten, haben sich doch allmählich als unhalt- bare Vorurlheilo erwiesen und können von einsichtsvollen Männern gewis nicht mehr berücksichtigt werden. Gerade am A. T. zunächst soll der Schüler in der Klasse, wo ja auch in anderen Gymnasialdisci- plinen die weiteren Grundlagen zu einem höheren, zusammenhängen- deren Verständnis z. B. der klassischen Schriftsteller und der Welt- geschichte gelegt werden, das heilige Gesetz Gottes und die Führungen seines Volkes, die Zeugnisse des unmittelbaren Zusammenlebens in und mit Gott uns die Stimme der Propheten des Herrn erkennen ler- nen. Es ist die Geschichte aller Geschichte, die hier zum erstenniale im Gymnasialcursus auftritt und nicht etwa in abstracter Lehre, son- dern in voller Lebendigkeit und Unmillolbarkeit der Tiiatsachen des Reiches Gottes A. T. an diesem wahrhaften Volk der Zukunft in ihrem inneren Zusammenhange allmählich entfallet. Die Grundlagen für die Erkenntnis Gottes des Herrn und seines heilii^en Namens, seiner groszen Schöpfungs-, Erlösungs- und Heiligungslhalen werdiMi hier gelegt. Das ursprüngliche Menschenleben, wie es aus Gottes Schöpferhand hervorgieng, die Entstehung der Sünde und ihre todbringenden Folgen, der helle Lichtstrahl in des barmherzigen Gottes erster Gnadenver- heiszung, der erste Bund des lebendigen (Joltes mit der sündigen Menschheit, die ewigen Ordnungen der Gerechligkoil und Heiligkeit Gottes, an bestimmten lebendigen rersönlichkeiten und Ereignissen

Zum evangelischen Religionstinlcrriclil jiuf Gymnasien. 389

odeiibar geworden, die rcicliliaUige riilriarcIiena:cscliicIifo mit ihrem vorbildlichen Charakter, die Priifungszeit in Acgypien und die Ver- sloikiing der Weltmacht , die Gesetzgebung auf Sinai und der Zug durch die Wiisle mit den erzieiiendcn und leutcrnden Strafgerichten des Herrn, .losnas Führung und Kampf gegen«die VölUersliimmc, die aus dem Woluisil/. des Volkes Gottes vertilgt «erden sollen, die Ilel- dengcslallen der Kichlerzoit , das luiniglhnm in seinen verschiedenen Trägern in der Ziit der Einheit des Heichs, endlich die innere und äuszere Zerspaltung in zehn Stämme auf der einen und in zwei auf der anderen Seile; --- dann \vei(erliin in der gewaltigen Zeit, wo die Gerichte Goltes über Israel und Jnda hereinbrechen, die Zeugnisse der hohen Propheten des Herrn für das Gesetz, für die Verheisztmg und für die Erfüllung, mit ihrem erleuchteten Seherblick bald in die nahe drohenden Gefahren, bald in die weitesten Fernen bis auf des Herrn Christi kommen ins Fleisch nnd sein stellvertretendes leiden als des Lanmi Gotles, das der Welt Sünden trägt, bis auf die Ausgicszung des heiligen Geistes, ja bis auf die letzten Zeiten des Weltgerichts und das neue Jerusalem; dazu die Psalmen, 'wo du allen heiligen ins Herz siehst' und der Lehrbücher unerschöpflicher Heicblhum; und das alles in der gewaltigen Gottessprache, die bald wie ein ver- zehrend Feuer einherfährt, bald wie ein Hammer schlägt, der Felsen zerscbmeiszt, bald wie ein ilammendes Schwerl durchdringt bis auf Mark und Dein; das ist doch wol eine Fülle des Lebens, wie sie anderswo für den Religionsunterricht nimmermehr zu finden ist. Aller- dings ein unendlich reicher LeiustoiV; wenn indessen der Unterrichfs- gang lebendig ist, ohne oberiiächlich zu werden, wenn beim lesen namentlich jede archaeologische und exegetische Akribie sorgfältig vermieden und sich mit verständiger Auswahl darauf beschränkt wird, die Hanpipartieen gründlich durclizuneiimen, so lassen sich die Haupt- sachen im groszen und ganzen in den zwei Jahren der Tertia doch wol bewälligen, und so Gott Gnade gibt, zur Erkenntnis der ew^igen Ordnungen Goltes, die auch den absoluten Maszstab für alle Ereignisse der Weltgeschichte abgeben, lebendige Keime legen, die tausendmal kräftiger sind, als alle abstraolen Lehren der s. g. Dogmalik nnd Moral zusammengenommen.

Auf dieser Grundlage des A. T. erhebt sich dann der geschicht- lich-kirchlichen Ordnung gemäsz die Lesung des N. T. während des zweijährigen Cursus der Secunda, der synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte in dem einen, des Evangeliums Johannis und der apostolischen Briefe, vor allen des Römerbriefs, in dem andern Jahr. Auch hier kommt es auf Erkenntnis der geschichtlichen That- sache des in Christo erschienenen Heils und auf das lebendige Zeugnis der Apostel und Evangelisten von dem Wort, das Fleisch ward, und von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott durch den Glauben an die Gnade Gotles in Christo an. Auf das Wort, das von Anfang war nnd bei Gott war und Gott war, Licht vom Licht, Jesus Christus, wel- cher ist das Ebenbild des uusichtbaien Gottes und der Abglanz seiner

390 Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien.

Herlichkeit, der als die Zeit erfüllet war, erschienen ist im Fleisch, voller Gnade und Wahriieit, in dem alle Ver^heiszungen ja und amen sind, sollen die Schüler evangelischer Gymnasien in diesen Stunden der Erklärung des N. T. gewiesen werden. Sie sollen in den Evange- lien den Herrn sehen, wie er ist, sollen stundenlang bei ihm verwei- len, seine Thaten erfahren und seine Worte hören, dasz der Morgen- stern aufgehe in ihren Herzen und Christus sie erleuchte, und vom ewigen Tod zu ewigem Leben rette. Sie werden in der Apostelge- Bchichte von der Sendung des Heiligen Geistes und der Gründung der christlichen Kirche hören, und die kirchengründenden Thaten der Apostel, besonders der Apostel Petrus und Paulus miterleben und im Römerbriefe die Thatsache aller Thalsachen erfahren, dasz wie durch eines Sünde die Verdammnis über alle 3Ienschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen; denn gleichwie durch eines Menschen Un- gehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch eines Gehor- sam werden viele gerecht. So findet sich auch auf dieser Stufe des N. T. überall wieder die schicklichste Gelegenheit, an unverrückbaren Stellen die christliche Heilslehre nach ihrem vollen Inhalt darzulegen und einzuprägen und damit zugleich wie es bei jedem lebendig und organisch ineinandergreifenden Unterricht sein soll, nicht nur die früheren Stufen zu ergänzen und zu befestigen, sondern auch die fol- gende höhere in geeigneter Weise vorzubereiten. Besonderer Lehr- mittel bedarf es auch für die Tertia und Secunda keiner anderen, als der Bibel und des kirchlichen Kateclüsmus und Gesangbuchs; dem Schüler wenigstens braucht nichts anderes in die Hände gegeben zu werden.

Bis dahin können wir trotz verschiedener Widersprüche im ein- zelnen, an denen es sicherlich nicht fehlen wird, doch noch verhält- nismäszig wol auf die meiste Beistimmung rechnen. Steigern wird sich jedenfalls der Widerspruch, nun, wo wir zur Angabe des Lehr- stoffs und Lehrgangs für die Spitze der oberen Stufe, für die Prima, übergehen. Gerade für diese Klasse fehlt es an Sicherheit und Klar- heit des Bewuslseins von dem, was iuAnschlusz an das vorausgehende und zu Vollendung und Abschlieszung desselben nolh lluit, noch gar sehr. Mit Verwerfung sowol der s. g. litterarhistorischen Einleitun- gen, als auch der systematischen Darstellung der cliristlichen Glau- bens- und Sittenlehre, mit ihrem vorhersehend doclrinären Charakter, bleiben wir vielmehr auch hier bis zur höchsten Spitze hinauf dem geschichtlich-kirchlichen Charakter des evangelischen Religionsunter- richts aus vollster Ueberzeugung und auf Grund langjähriger Erfah- rung treu. Wie die Spitze der unteren Stufe, der Katechismusunter- richt, die Resultate der biblischen Geschichte A. u. N. T. gleichsam zu einer höheren Einheit, die sich aber wieder ganz an das geschieht- liche Verhältnis von Gesetz und Evangelium ansclilieszt, in den 5 (6) llanptstücken zusammenfaszt, ebenso geschieht dies, wie wir gleich näher sehen werden, auf der höchsten Spitze der oberen Stufe, die

Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien. 391

zugleich den Abschlusz des gesamten Religionsunterrichts bildet, mit den Ergebnissen der beiden vorausgehenden Klassen. Diese Zusam- menfassung geschieht hier in der Prima aber auf doppelte Weise, ein- mal durch die auf Grundlage der biblischen Geschichte (Sexta und Quinta) und der Leetüre des A. u. N. T. (Tertia u. Secunda), nur vou einem höheren Standpunkt für schon gereiftere Gymnasialschüler jetzt auftretende Discii)lin einer Geschichte des Reichs Gottes Alten und Neuen Bundes (und zwar wie sich von selbst versteht mit Einschlusz der Geschichte der christlichen Kirche); sodann durch die den Katechismusunterricht (in Quarta) von neuem be- festigende und vollendende Da rstel lung des ßekenntnisstan- des der evangelischen Kirche in ihren Symbolen nach deren Entstehung und geschichtlicher Aufeinanderfolge.

So stehen nicht nur die beiden Hauptstufen in innerlich lebendi- ger Beziehung zu einander, sondern auch die einzelnen Klassen inner- halb derselben; jede Stufe und jede Klasse hat ihre besondere, eigen- thümliche Aufgabe und jede vorhergehende trägt dabei wieder die folgende, jede folgende ergänzt und erleuchtet die vorausgehende: die untere Stufe beginnt in ihrer Klasse mit der biblischen Ge- schichte des A. T., die obere in ihrer ersten Klasse mit dem lesen desA. T., die untere Stufe schreitet aufwärts fort in ihrer zweiten Klasse zur biblischen Geschichte des N. T., die obere in ihrer zweiten Klasse zum lesen des N. T.; die untere Stufe endlich schlieszt in ihrer dritten Klasse mit dem Katechismus (Ge- setz und Evangelium), mit dem Kirchenjahr und allgemeinen Erklä- rung des evangelischen Gottesdienstes, die obere in ihrer dritten Klasse mit der Geschichte des Reiches Gottes A. u. N. B. (Gesetz u. Evangelium), der Geschichte des Kampfes- und Siegesganges der christlichen Kirche und der Symbolik, auf der Grundlage des zwei- ten Ilauptstücks oder der drei Artikel des christlichen Glaubens. Eine geordnetere, nicht künstlich gemachte, sondern in und mit der Geschichte des Reiches Gottes selbst gegebene Gliederung möchte sich nicht leicht w iederfinden.

Was nun aber die Gliederung des Religionsunterrichts in der Prima im einzelnen betrifft, so hat sich zuerst die Geschichte des Reiches Gottes A. B. eng und fest an die Heilige Schrift selbst anzuschlieszen, so dasz die Schüler also zunächst auch hier ein anderes Buch, als das Buch aller Bücher eigentlich nicht nöthig haben. Der eigenthümliche Charakter dieses Unterrichts in der Prima, im Unterschied von der alttestamentlichen Leetüre in der Terlia , be- steht aber darin, dasz einerseits hier in der übersichtlichen Darstellung des geschichtlichen Ganges des Reiches Gottes so zu sagen mehr der universalhistorische Standpunkt eingehalten, anderer- seits an den bedeutsamsten Punkten der tiefe Unterschied zwischen dem, was Heidenthum heiszt, und der Offenbarung schärfer und voll- ständiger hervorgehoben wird. Es ist also hier der Ort gleich zu Anfang die Bedeutung und das Wesen der Geschichte des Reiches

392 Zum evangelischen Religiüiisunlerriclit auf Gymnasien.

(ioltes A. B. feslzuslelleii, dasz ia der Geschichte des einen Volks die Geschichte aller Völker gesclirieben und in den Geschicken des einen Volks, das überall einen vorbiUlliciien (typischen) Charukler trägt (1 Cor. 10 6), die Geschicke aller Völker geweissagt, ja dasz die ewigen Gesetze der göttlichen A\'ellregierung in dieser Geschichte aller Geschichte offenbart worden sind. Und diese ewigen Gesetze der göttlichen Weltregierung, die Strafgerichte und Gnadenheini- suchungen durch den Stab Wehe und den Stab Sanft müssen in den einzelnen Ereignissen lebendig und in ihrer typischen Geltung nach- gewiesen werden. In der Schöpfungsgeschichte (um einiges be- sondere zur näheren Verdeutlichung anzuführen) geziemt es sich hier, auf den durchgreifenden Gegensatz der antik -heidnischen A\ elt- anschauniig in ihren Kosmogonien und Theogonien und der christ- lichen Ulfeiibarung hinzuweisen; wie mit dem ersten ^^'ort der Heili- gen Schrift bereits der feste Markstein gesetzt sei, an dem sich alles, was Heidenlhum ist, von der Golleserkenntnis der Offenbarung schei- det. In der Prima kann schon viel tiefer auf diesen Gegensatz einge- gangen werden, als es in der Tertia möglich ist, wo sich indes auch schon sehr passende Anknüpfungspunkte an die in dieser Klasse gele- senen Metamorphosen üvids zu recht lebLMuligcn Vergleichen darbie- ten. Die rnd/s indiijestaque mules ist den Heiden geblieben, aber das: im Anfang schuf Gott Himmel und Erde und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser, und Gott sprach das haben sie allesamt vergessen. Dem Einwurf, dasz dadurch ' das classischo Heidenthum in den Augen der Schüler herabgesetzt werde', glaube ich ja wol in unserer Zeit nicht mehr besonders begegnen zu müssen. Die rechte Erkenntnis der Olfenbarung führt auch zur rechten und wahrhafligen Erkenntnis des Heidenlhums. er vom Standpunkt der Offenbarung das Heidenllium erkennt, der ist in der Tliat im Stande, ihm in jeder Beziehung die volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, nimmt das Heidenthum, wie es w irklich ist, und versclimä'nt es demnacli, christliche Gedanken in dasselbe hineinzutragen; er erkennt milFrcudeu an, was das Heidenthum groszes hat, verschlicszt aber sein Auge vor der auf allen I.ebensgebieten der Heiden erschrecklich genug hervorlre- lenden Thatsache nicht, dasz sie Gottes Wahrheit haben verwandelt in die Lügen und haben geehret und gedienet dem Geschöpf mehr, denn dem Schöpfer hochgelobt in Ewigkeit (Köm. 1 18 If.) und auch die bewundertslen Schöpfungen der gröslen Geister des Alter- Ihums können den Fluch nicht verdecken, der alle Adern des anliken Lebens durchzieht und in tausend Erscheinungen, wie in den erschüt- terndsten Darstellungen besonders der griechischen Tragoedie seinen tiefergreifenden Ausdruck findet. Wir mögen uns der Gaben, die das Heidenlhuui hat, als eines hohen Segens freuen, aber darum nicht ver- gessen, dasz das Leben aus Gott unendlich höher ist; wir sollen die antike («eislesgrösze ehren, aber dabei den Mulh haben, den wahrhaf- tigen Maszstab des i,''öltlichen Wortes auch als den absolut-höchslen in der Thal und W ahrheil zu bekennen. Und dieses geislesgewallige

Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien. 398

ausschauen nach der Zukunft, diese innerliche Selbslgcwisheit, wie beides dem Volke Gollcs iu seinen höchsten Trägern eigen ist, und diese Hoffnung des ewigcu Lebens und der unvergängliclien Ilerlich- keit, die ihren helUeuchlcnden Morgenglanz in das tiefe Dunkel des Erdenlebens sendet, das hat natürlich das Ileidenthum weder in Griechenland noch in llom in irgend einem seiner Stadien aufzuweisen, so grosz ihre Zeugnisse von dem sind, was der menschliche Geist sich selbst überlassen iu der langanhaltenden Kraft des mitgelheilten Lebens zu schallen im Stande ist. Ich kann es übrigens aus öfterer und gewisser Erfahrung versichern, dasz die Primaner, sei es die Tragoedien des Sophokles oder die Reden des Demosthenes, nur mit um so gröszerer Vertiefung in ihren Inhalt und um so lebendigerer Theilnahme gelesen haben, wenn ihnen zuvor die Tliatsachen der Sünde und des Fluches der Sünde oder dem groszen griechischen Red- ner gegenüber die Abschiedsrede des Propheten Samuel von seinem Richteramt vor dem Volke, in dessen Zukunft sein sicheres Auge sieht (1 Sam. 12), lebendig vor die Seele getreten ist. Ungeschickte Hiinde freilich, kalte, todle Herzen können mit diesen lebensvollen Dingen nicht viel anfangen, und werden vielmehr manches verderben aber ist man davor etwa bei anderer Darstellungsweise sicher? Es würde mich zu weit führen, alle die Hauptmomente zu bezeichnen, die in der Geschichte des Reiches Gottes A. B. hervorzuheben sind, ob- wol dies selbst nach dem trefflichen Lehrbuch der heiligen Geschichte von Kurtz nicht überflüssig wäre. An ein paar Punkten jedoch darf ich nicht vorübergehen. Eine wesentliche Aufgabe dieser Disciplin ist, dasz auf Grund der Schrift von den Hauptperioden der heiligen Geschichte und Trägern derselben anschauliche und treffende Charakte- ristiken gegeben werden; also z. B. von der Patriarchenzeit im allge- meinen und den Repraesentanten derselben in ihrem verschiedenen Beruf bei dem gleichen festhalten an Gottes Verheiszungen ; ferner von der Gesetzgebung, dem alttestameutlichen Tempel und Opfer, wo- bei auch von dem verschiedenen Gebrauch des Gesetzes, den die Schü- ler den Grundzügen nach schon von dem Katechismus her kennen, ausführlich zu handeln ist; in der Richterzeit von der Aufgabe der Richter, das SNalional- und Gottesbewustsein des Volkes wieder zu wecken und der Ausfüiirung dieses Berufes, von dem ringen mit Gott in Gideon, dem gottüberwundenen Helden, bis zur trotzigen Selbstver- nichtung Simsons; dann weiter in der Königszeit von dem ersten Kö- nige, als einem Typus vieler einzelnen, die bei ungebrochenem Willen zuletzt mit völliger Verzweiflung enden, von David als dem lebendi- gen Vorbild wahrhaftiger Busze und Bekehrung ^ und dies alles wie- der in den concretesten Zügen ihres reichen Lebens, ebenso zur Zeit der Trennung beider Reiche von dem tiefgehenden Irrewerden an Gottes Offenbarung, wie sich dies namentlich in der oft übersehenen, für die damaligen Zustände äuszerst charakteristischen Geschichte der beiden Propheten 1 Kön. 18 zeigt, von der Reihe der Propheten in Israel und Juda, wieder nach den verschiedenen Stufen, den gewalti-

394 Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien.

gen Verkündigern der Slrafgericlite Gottes und seiner ewigen Bundes- Ireue. Doch ich musz hier abbrechen, die wenigen Andentungen mö- ge I genügen.

An diese übersichtliche Geschichte des Reiches Gottes A. B., auf die Zeitdauer eines halben Jahres berechnet, reiht sich sodann für die Dauer eines Jahres die Geschichte des Reiches Gottes N.B. (samt der Geschichte der christlichen Kirche), theils als bereits gcscliehene Erfüllung der Verheiszung in Christo, dem Fleisch gewordenen Logos, theils als Kampfes- und Siegesgang der vom Herrn Christus durch Berufung der Apostel und der Sendung des Heiligen Geistes gegründeten Kirche, als seines Leibes, mit der Aussiebt auf die Wiederkunft Christi zum Gericht, die Auferstebuiig der Todlen und das ewige Leben. Es sind also auch hier die groszen Tbalen Got- tes, die von den Menschen entweder angenommen oder verworfen werden. Die Zeit ist zwar Gottlob vorbei, wo die Kirchenge- schichte der Weisheit dieser Welt als nichts anders, denn eine ärger- liche Geschichte menschlicher Thorheilen erschien; aber der kirchen- geschichtliche Unterricht auf Gymnasien mag doch noch oft sehr viel zu wünschen übrig lassen. Wol soll der Schüler hören von dem grö- sten Kampf, den auszer dem Kampf auf Golgatha die Menschheit je gesehen, von dem Kampf des Ileidenthums und Judenthums wider das Kreuz, das den Juden ein Aergernis und den Griechen eine Thorheit ist, von den blutigen Verfolgungen und der Welt Feindschaft wider den Herrn und seine Kirche, aber auch von den Siegen des Wellüber- vinders, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, und den treuen Bckennein und Blutzeugen von dem heiligen Steplianus an durch alle Jahrhunderte liindurch. Von dem Irlhum, der in den nianig- fachslen Gestalten, in bald gröberen, bald feineren Formen gegen die Wahrheit ankämpft, soll allerdings die Hede sein, aber auch von den wunderbaren Siegen der Wahrheit durch die Macht des Geistes und die Kraft der Verheiszung des lebendigen persönlich -gegenwärtigen Herrn: siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende. Darum soll der Idrchengeschichlliche Unterricht auf (iymnasien gerade das für eine seiner Hauptaufgaben halten, das wunderbare Wachslhum der Kirche, die im unterliegen siegt; nach dreihundertjährigem Kampfe auf einmal dasteht, ein Wunder vor unseren Augen das der Herr gethan hat, als Ueberwinderin der wellbehcrschenden Borna, dann das Volk der Germanen und andere Völker im siegreichen Kreuzeszeichen für ihren heiligen Dienst gewinnt und wie ein nUichtigcr Strom durch die Jahr- hunderte hindurchgeht. Und nach innen sollen dargelegt werden die gewalligen G e is lesk ämp fe in immer bestimmleren Kreisen: erst gegen die heidnische Vermenguug Golles und der >>'el(; dann nach- dem in diesem Kampfe der Sieg im (ilauben an (Joll den Vater, all- mächtigen Schöpfer Himmels und der Erden, errungen war , geilen die weitern gewaltigen Versuche des 4n Jahrhunderts der Ariancr und Pnemautomacben, durch die Leugnung der ewigen Goltlieil des Soh- nes und des Heiligen Geistes die ewigen Grundlagen des Heils anzu-

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Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien. 395

lasten; und als die Kirche auch diese feindlichen AngrifTo durch das gute, feste Bckennfuis vom gleichen Wesen des Vaters und des Soh- nes und des Heiligen Geistes siegreich zurückgeschlagen drittens im 5n Jahrhundert gegen die erneuerten Anläufe der Nestorianer und Monophysiten und der späteren, schwächercu Monothelefen , die gött- liche und menscliliche Natur des Herrn voneinander zu reiszen oder niiteinandor zu vermisclien; und endlich nachdem auch diese das in- nerste Leben der Kirche, wie des einzelnen Christenherzens anfassen- den Gegensätze überwunden und die liesultate dieses Kampfes im Athannsianum festgestellt waren viertens in demselben 5n Jahr- hundert gegen den Rationalismus der Pelagianer, die ohne innere Le- benserfahrung, von dem natürlichen, angeborenen Verderben des sünd- lichen Mensciien und vom Tod als der Sünde Sold nichts wissen woll- ten, und demgemäsz auch nichts von dem alleinigen Heil durch die Ergreifung der Gnade Gottes in Jesu Christo, der um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket ist; ein Kampf, an dem über ein Jahrtausend ist gekämpft worden von Augustin bis auf Luther und das theure Bekenntnis der Väter zu Augs- burg. Auch hier kommt es, wie bei der Geschichte des Reiches Got- tes A. B. auf lebendige, wahrheitsgetreue Charakteristik der verschie- denen Perioden und ihrer Träger an, von den Kirchenvätern und Zeu- gen der alten Kirche bis zu den gewaltigen Geistern und hohen Ge- stalten der Kirche des Jlittelalters und der evangelischen Kirche. Dasz dabei der Beruf des deutschen Volks, das Gott erwählt bat, das Evange- lium durch die Welt zu tragen, ins rechte Licht gestellt werde, sowol zu der Zeit, als die Völkerschaaren von Osten her der frohen Botschaft vom Heil in Christo zuströmten, als späterhin, wo der Apostel der Deutschen jetzt gerade vor 1100 Jahren das Wort vom Kreuze mit seinem Tode besiegelte, und endlich da, wo in deutschen Landen das Wort von der Gnade Gottes wieder weithinaus sein helles Licht ver- breitete — wird ein christlicher Lehrer, der den Herrn Christus, der erhöht ist zur Rechten der Majestät, auch als Herrn der deutschen Lande bekennt, sicher nicht bestreiten wollen. Ueberhaupt ^Ehrfurcht, Bewunderung, Anbetung der Wege Gottes, das sind die Flügel, die den christlichen Kirchengeschichtsschrciber und -Erzähler emportra- gen, unter welchen seine Seele sich zur Ruhe hinsenkt. Das Prototyp aller christlichen Kirchengeschichtssc4ireibung und -Erzählung ist Rom, 9 11; die Summe aller Gedanken und Empfindungen bei Be- trachtung dieses gottgewollten und gottdurchdrungenen Stoffs ist in dem apostolischen Wort enthalten Rom. 11 33. So und nur so geht die Kirchengeschichte prophetisch in die Ewigkeit hinaus'. Endlich ist (für ein halbes Jahr) noch die Disciplin übrig, die wir im evange- lischen Religionsunterricht der Prima gleichfalls nicht entbehren kön- nen, ich meine die kirchliche S ymbo l i k, die sich in der neuesten Zeit auch wirklich gebürender Weise Bahn gemacht hat. Auch in dieser Disciplin ist der geschichtlich-kirchliche Gang unbedingt einzuhalten: also erstlich kommen vor die altkirchlichen Symbole, die

396 Zum evangelischen Religionsunlerrichl auf Gymnasien.

der allgemeinen christlichen Kirche angehören und demnach von der ganzen occidentalen, unangesehen oh römisch-katholischen oder evan- gelischen, wie von der ganzen Orientalen oder orthodoxen Kirche be- kannt werden, das apostolische, nicaenische und athanasianische (das bekanntlich die beiden, das ephesinische und das chalcedonensische, in sich vereinigt); sodann die der evangelischen Kirche eigens ange- hörigen : die Augsburger Confession, die Apologie der Confession, die beiden Katechismen, die SchmalUalder Artikel und die Concordienfor- mel. Es ist dabei eine unerlaszliche Forderung, die sich schon aus der Nothwendigkeit der einheitlichen Uebereinstimmung des Heligionsun- terrichts ergibt, dass nicht nur in dem geschichtlich-kirchlichen Gang kein AYiderspruch dieser Disciplin der Symbolik mit der Kirchenge- schichte obwalten darf, sondern dasz in der Aufeinanderfolge der Symbola wieder dasselbe Gesetz der organischen Entfaltung zum Vor- schein kommt, das in der Kircheugeschichte dargelegt wird; dasz so- mit die Symbola als das, was sie wirklich sind, als Zeugnisse von dem wirklichen haben des Wortes Gottes und dem lebendigen Eigen- besitz seitens der Kirche, nicht als willkürliche und gefällige Mach- werke von höchst untergeordnetem und bedingtem Werthe, sondern der Wahrheil gemäsz als zum Leben der Kirche gehörige, bleibende T baten den Schülern vorgehalten werden, von denen sich der Christ nicht lossagen kann, ohne sich damit nicht zugleich von der christlichen (evangelischen) Kirche selbst loszusagen. Darum sind nun die Bestimmungen dieser Bekenntnisse zu möglichst klarem und festem Bewustsein zu bringen und zu dem Ende bis ins einzelne durchzugehen, insonderheit aber was mit das wesentlichste ist die innerliche Nothwendigkeit und der wahrhaftige Trost für Zeit und Ewigkeit, den sie enthalten, genauer darzulegen und wie eine lleilsthatsache auf der andern ruht und wie sie allesamt ein ganze» bilden, und ein Zeugnis mit dem andern zu fester Ordnung zusammen- stimmt. So z. B. um gleich einen oft willkürlich bei Seite ge- schobenen Punkt zu erwiihncn bei dem Glaubensartikel von der ISiederfahrt Christi ist daran zu erinnern, dasz damit der Christ wie- der die volle Menschheit des Herrn bekennt, der nicht nur geboren, gestorben und begraben ist, wie wir, sondern auch dieses letzte Sta- dium, den Scheidungszustand der Seele vom Leibe für uns miterlebt bat, auf dasz er in allen StücTicn als das rechte einige Opfer und als der rechte einige Udheprieser sich darstelle. Dabei soll der ^^'ahr- heit gemäsz nicht verschwiegen werden, was noch zu erleben ist im Kampfesgange der Kirche, sondern vielmehr die Auj>"en des Lehrers und des Schülers auf die Zukunft des Herrn Christi und das ewige Leben gerichtet sein, damit das Licht aus der Höhe mil seinem Glänze auch diese Stunden erleuchte. Den Jlitlel- und Höiicpunkt dieses ge- samten Unterrichts bildet aber für uns die A u "■sb u rgi sehe Con- fession d. b. nicht blos, worauf sich leider öfters allein beschränkt wird, eine litterargeschichtliche Einleitung in dieselbe, sondern die Augustana selbst in ihrem vollen, kräftigen, Avahrhaftigcn Glaubens-

Giescbrccht: Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 397

Zeugnis. Hier ist der Ort, -wo die evangelische Glaubenslehre genau nach den Artikeln, wie sie die Confessiun aufstellt, gelehrt, ihre Hein- heil und Schriflgemäszheit dargelhan, die gegnerischen Irthüiner bei jedem Artikel abgewehrt und unicr anderem auch gezeigt werden soll, Avelche Grundlagen wir mit der kalliolischen Kirche gemein haben und wo wir von ihr geschieden sind. Dasz es auch hier, wie überall, wesenllich auf die Persönlichkeit des Lehrers ankommt, ob er das thcnre Bekonnlnis seiner Kirche niilbekennen kann und von ganzem Herzen und ganzer Seele, wenn auch mit dem innersten Gebetsruf: ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben, das wissen wir recht wol; aber daraus kann doch nur die [''olgerung gezogen werden, dasz allein solche Lehrer den evangelischen Religionsunterricht ertheilen mögen, die im Worte Gottes und dem Bekenntnis der Kirche - beides ist aber Anfang, Mitte und Ende des Heligionsunterrichts auf evangeli- schen Gymnasien durch Gottes Gnade festgegründet sind, und nur die Aufforderung an alle, denen das zeitliche und ewige Heil unserer .lugend wahrhaft am Herzen liegt, Herz und Hände zum Herrn der Kirche zu erheben, dasz er selbst fort und fort tüchtige Arbeiter in seinen Weinberg sendet.

(Schlusz im nächsten Hefte.)

26.

Geschichle der deutschen Kaiserzeit ron Wilhelm. Gie se- hr echt. Ir Bd. Erste Abth. Buch I und IL Braunschweig. C. A. Schwetschke und Sohn (M. Bruhn). 1855. 319 S 8.

Es sind in neuester Zeit viele deutsche Geschichlen erschienen und angefangen, aber der Gegenstand ist unerschöpflich, und aucli nach dem gelungensten ^A'erke darüber werden noch immer andere Auffassungen von verschiedenem Standpnnke bereciitigt bleiben, es wird der eine dieser, der andere jener Seite der Entwicklung vor- zügliche Aufmerksamkeit zuwenden. Das wird auch dann der Fall sein, wenn der thatsäcliliche Inhalt der Geschichte festgestellt ist, so weit es überhaupt möglich ist, wenn es dem unermüdeten Fleisze der Forscher gelungen sein wird, immer mehr Fragen endgültig zu ent- scheiden, über welche bis jetzt noch die verschiedensten Ansichten sich gegenüberstehen. Gegenwärtig aber hat diese Thätigkeit noch kaum begonnen; über die wichtigsten, einfiuszreichsten Verhältnisse fehlen die Untersuchungen entweder noch gänzlich, oder es stehen widersprechende Meinungen unvermittelt sich gegenüber. Daher läszt sich auch in der denfschen Geschichte die Darstellung nicht von der selbständigen Forschung trennen; es liegt hier kein vorbereiteter Stoff zur Hand, an dem sich die gewandte Feder eines Schriftstellers versuchen könnte: wer nicht durch eigene tief eindringende Arbeit

398 Giesebrecht: Geschichto der deulschen Kaiscrzeil.

sich den Stoff selbst schafft und zubereitet, der verfällt nicht nur unvermeidlich in manigfaltige Irthümer, sondern ihm entgeht auch der tiefere Zusammenhang der Dinge. Nicht häufig findet sich die Gabe der Darstellung mit der Neigung und dem Geschick zur kritischen Forschung vereinigt; aber wer die Geschichte Kaiser Ottos II, den Anhang zu den Annales Altahcnses, die Abhandlung über die Vaganten und ihre Lieder von Giesebrecht gelesen hat, dem wird eine glückli- che Verbindung beider Richtungen in diesen Werken nicht entgangen sein, und er wird den Wunsch vieler getheilt haben, dasz der Vf. der- selben zu einer umfassenderen Arbeit Zeit und Musze finden möchte. Deshalb ist auch die Ankündigung dieser Geschichte der deutschen Kaiserzeit überall mit groszen Erwartungen aufgenommen worden, und der vorliegende le Theil hat diese Erwartungen nicht getäuscht.

'Die Geschichte der deutschen Kaiserzeit', heiszt es in dem Prospecte des Buches, * umfaszt die überaus wichtige Periode der Weltgeschichte, in der die Könige des deutschen Volkes durch die Erlangung der römischen Kaiserkrone an die Spitze aller Völker Eu- ropas gestellt wurden und diese Stellung durch ihren weltgebietenden Einilusz würdig behaupteten; sie endet mit der Zeit, in der die kai- serliche Gewalt ihre wesentliche Bedeutung verlor und andere Staa- ten neben dem römischen Reiche sich als gleichberechtigt hinstellen konnten. Die Geschichte dieser Periode ist für alle Nationen von der gröszten Bedeutung, am ruhmvollsten und lehrreichsten aber für das deutsche Volk. Denn nie hat der deutsche Name mehr in der Welt gegolten als damals; nie ist unser Volk staatlich enger verbunden gewesen und hat sich unsere Nationalität günstiger entwickeln kön- nen, als unter der Herschaft jener gewaltigen Fürsten; niemals ist klarer zu Tage getreten, welche unwiderstehliche Kraft in der Einig- keit Deutschlands liegt.' Es war ein glücklicher Gedanke, diese Pe- riode zusammenzufassen und abgesondert zu behandeln. Wol hat es auch später deutsche Kaiser gegeben, allein sie standen nicht mehr an der Spitze ihres Volkes; nach dem Falle der Staufer niusz die deutsche Geschichte von anderem Standpunkte aus behandelt werden, denn an die Person der Kaiser knüpft sich nur noch ein sehr gerin- ger Theil derselben an. Jene alte Kaiserzeit aber bildet ein groszes ganzes; die Idee der Wellherscliaft, von den Römern überkommen, eigenlhümlich ausgebildet durch die Verbindung mit der Schirmvogtei über die römische Kirche, erfüllt jene Periode, sie liegt den An- schauungen der Menschen zu Grunde, und die deulschen Könige be- stimmen die Geschicke der abendländischen Christenheit, indem sie das ihnen zufallende Amt handhaben, bald dem vorgesteckten Zielo nahe, bald erliegend in dem Kampfe gegen die immer wachsende Macht der Kirche, welche zuerst nach Freiheit, dann nach der eige- nen Ilerschaft ringt. Die aufstrebenden Nachl)arstaalen Deulschlands, welche sich der Vormundschaft des Kaisers zu cnlziehen trachten, verhelfen der Kirche zum Siege, und nach dem Sturze der Staufer bleibt die Kaiseridee nur noch eine leero Vorstellung, diejenigen zu

Giesebreclit: Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 399

Grunde richleiul , Avelche sich in dem unmöglichen Streben nach iiirer Verwirklichung- versuciien. Es war das Unffliick der späteren römi- schen Könige, dasz selbst bei gänzlich unzureichenden Kräften die einmal herschond gewordene Vorstellung und die ererbten Verpflich- tungen ihnen nicht erlaui)ten, sich auf ihre Heimalh zu beschränken; den alleren Kaisern konnic dieser Gedanke gar niclit koihmen, wenn sie nicht- ihrer heiligsten IMlichlen vergessen wollten. Der mächtigste Monarch des Abendlandes konnle sicii der Aufgabe nicht entziehen, die Kirche I'elri zu schirmen, welche seil ßonifaz als das Haupt der Christenheit anerkannt war; er muszte sie aus ihrer immer neuen Be- drängnis und Versunkenheit erretten, und weder Pippin noch Karl noch Otto haben zu wählen gehabt, wenn sie nach Kom zogen: sie Avurden hingerufen durch die Nolhwendigkeit der Dinge, und von Otto erbte die Verpilichtung auf seine Nachfolger. In der ganzen Folgezeit bis zum Concil von Lyon sind die wechselvollen Beziehungen zwi- schen Papst und. Kaiser überall im Vordergrunde der Ereignisse, nicht nur für Deutschland, sondern auch für die übrigen Lande; in der ganzen, noch sehr enge verbundenen Christenheit empfindet man überall die Rückwirkung dieser Kämpfe, bis die reichere Entwicklung der verschiedenen Nationalitäten zur Sonderung führt. Daher bezeich- net der Titel des vorliegenden Werkes eine scharf umgrenzte Periode und zugleich ihren wesentlichen Charakter, dasjenige was ihren An- spruch auf gesonderte Behandlung begründet.

Alle Grenzlinien in der Geschichte sind aber nur äuszerlich, da nach dem inneren Zusammenhange jede neue Erscheinung die Frucht der vorangehenden Entwicklung ist, und man kann keinen bedeuten- den Abschnilt der Geschichte behandeln, ohne zugleich auf die in der Vergangenheit liegende Basis desselben zurückzugehen; die beiden ersten Bücher Giesebrcchts führen uns nur bis an die Schwelle der Kaiserzeit. Es muszien die Grundlagen gezeigt werden, auf denen alles folgende beruht, die alte römische Welt in der Gestalt, welche sie unter der Einwirkung des Christenthnms annahm, die uralten Sit- ten und Gewohnheiten der deutschen Stämme, welche mit jenen Ele- menten verbunden die Denkweise, Verfassung und alle Zustände des Mittelalters begründeten. Vorzüglich in der fränkischen 3Ionarchie vollzog sich diese Mischung, und die Herschaft des groszen Karl gab der Welt den so unendlich fruchtbaren Gedanken des neuen christ- lich-germanischen Kaiserthums. Davon handelt im ersten Buche die Einleitung; das zweite zeigt uns die Gründung des deutschen Reiches, die langsam erwachsende Machtstellung der Ottonen bis zu dem Au- genblicke, wo Otto der Grosze, wie einst Pippin, dem Rufe des Ver- hängnisses jenseit der Alpen folgte.

Eine fast übergrosze Aufgabe hat sich der Vf. in der Einleitung gestellt; die ganze V^ergangenheit des deutschen Volkes bis zum Ver- fall des karolingischen Reiclios wird uns in kühnen Umrissen vor- geführt. Es geliörte ein scliarfer, klarer Blick dazu, um stets das wesentliche allein herauszugreifen, und in dem eng gemessenen Raum

A'. Jahrb. f. Phil. u. Paal. BJ. LXXll. ///t.S. 30

400 Giesebreclit: Gescliichte der deutschen Kaiserzeit.

doch ohne Lücke den ganzen Gang der Entwicklung darziislollen. Wer sicli an ahnlichen Aufgaben versucht hat, wird die Schwierig- keiten zu würdigen wissen, welche liier zu überwinden waren, und überwunden worden sind. Die knappe Beschränkung auf die Haupt- sachen maciilu es dem Vf. möglich, das was er millheill in angemes- sener Ausführlichkeit zu geben, so dasz die Erzählung nie durch unerquickliche Hast ermüdet. Unbedenklich glauben wir versichern zu können, dasz ein jeder diese Einleitung mit Vergnügen lesen wird, und wir setzen dazu, mit Nulzen.

Gerade die Anfänge der deutschen Geschichte und die Einrich- tungen des alten fränkischen Keiclies sind in neuerer Zeit mit beson- derer Sorgfalt immer von neuem untersucht worden, weil man wol erkannte, dasz hier die Wurzeln aller späteren Entwicklung lagen. Da sind denn alle, früiier allgemein angenommene Ansichten erschüt- tert, ohne dasz doch bis jetzt ein ausgebildetes System zur Ilerschaft gekommen wäre. Deshalb ist hier eine klare und anschauliche Dar- stellung dojjpelt willkommen , wenn sie, wie diese, auf sorgfältiger Prüfung sowol der ursprünglichen Quellen als der neueren Forschun- gen beruht. An abweichenden Ansichten wird es natürlich nicht feh- len, aber zu hoffen ist, dasz gewisse fesIgcslelUe Hesullale der >\ is- senschaft mit Hülfe dieses Buches mehr wie früher Gemeingut werden, dasz solche halllose Wahngebilde wie die Arimannie mit allem was daran hängt, wie die Oklroyieruiig byzantinischer Verfassung durch Karl, die kaukasische Abkunft der Magyaren, und so manches ähn- liche, was sich noch vielfach breit macht, allmählich verschwinden werden.

Unmöglich aber kann eine so kurzgefaszle Einleitung den Gegen- stand ersch()pfen: sie erscheint manchmal nur wie die skizzierte An- lage eines gröszeren Werkes, dessen Ausführung von derselben Hand man mit der Zeit liolTen möchle. Dann würden auch solche l'arlieen zu ihrem Rechte gelangen, welche hier ein wenig gar zu kurz behan- delt erscheinen, wie die Gründung des fränkischen Heichcs in Gallien. Denn mehr wie andere Stämme, wie die Langobarden namentlich, hatten die einst so unbezähmbar wilden Franken sich auszcrhalb ihrer Heimath bereits dem römischen >\'esen eingefügl; den Salierkönig Childerich kannte bereits ganz (iailien als seinen Vorkämpfer gegen die heidnischen und ketzerischen Feinde, und diese Verhältnisse, nebst der ganzen .polilischen Lage der Dinge;, trugen wol mehr als die Beden des heiligen Bemigius dazu bei, dasz Clilodowich den ka- tholischen Glauben annahm und dadiircli für alle Zeiten die Zukunft des Frankenreiches beslimmte.

Glänzend ist die Schilderung Karls des Groszen und seines Bei- ches ; sie geluM't gewis zu den gelungensten ,\l)sc!iiiillcu des NN erkes und führt auf würdige Weise die neue Idee des karolingischen Kai- serthums ein, welches dann, von Otto wieder aufgenommen, in den Vordergrund der Geschichte tritt. Doch kann ich hier mit der Auf-

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Giesebrecht: Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 401

fassung des Kapitiilars von 802 nicht ühereinstimnien , indem ich mit Hülh (Den etici a l w eson S. 414) nicht darin zu erkennen mag-, dasz Karl aus der Kaiserwürde einen erhöhten Anspruch auf die Treue der ihm unterworfenen Völker abg-eleitel hatte. Ung-enau ist, was S. 111 über die Gründung des Erzbisthums Salzburg g'esagt wird, denn die Karantanen waren schon von Thassilo unterworfen, von Virgil bekehrt, und bei der Erhebung Salzburgs zur Metropole wirkte wol mehr als Arnos Verdienste um die lleidenbekehrung, die Absicht, hier durch einen zuverlässigen mächtigen Kirclienfürsten ein starkes Ge- gengewicht gegen erneute Strebungen der Baierii nach Selbständigkeit zu setzen: halte doch bereits Thassilo sich mit den Avaren verbündet. Zugleich wurde hier nun ein fruchtreicher Mittelpunkt für die geistige Bildung dieser Lande, und für die Bekehrung der angrenzenden Hei- den gewonnen, ganz in demselben Geiste wie Karl die Stiftung von Hamburg beabsichtigte, wie Otto Magdeburg an der Grenze der Wen- den errichtete. An einer späteren Stelle (S. 233) steht die Ansicht Giesebrechls über das au Gerhard von Passau verliehene Pallium in Widerspruch mit der seitdem von Dümmler aufgestellten Beweis- führung für die Unechtheit aller jener Passauer Bullen, die in ihrem festen Zusammenhange schwer zu erschüttern sein dürfte.

Allein es ist nicht die Absicht dieser Anzeige, einzelne Mängel des vorliegenden Buches aufzusuchen; wer sich eine grosze, umfas- sende Aufgabe gestellt hat, der kann uicht jeder besonderen Frage die Sorgfalt widmen, welche man von einer Monographie mit Recht erwartet. Auch wird es nie an solchen fehlen, die im einzelnen nach- zubessern fähig sind; die Zeichnung der gröszeren Umrisse aber, die eigentlich historische schöpferische Thätigkeit, welche aus wenigen gegebenen festen Punkten einen kühnen Bau mit sicherer Hand auf- führt, die ist nicht jedermanns Sache. Sie ist werthlos, wenn die Grundlagen nicht sicher, die Schlüsse falsch sind, ein bloszes Spiel der Phantasie stiftet nur Schaden; aber ebenso wenig kann es der Gelehrsamkeit allein gelingen, den wahren Grund der Dinge zu er- fassen. Am wenigsten läszt sich mit den dürftigen Nachrichten aus dem zehnten Jahrhundert etwas anfangen, wenn man nicht auch gerin- gen Keimen reiche Frucht zu entlocken versieht. Auf diesem Felde besonders hat Giesebrecht seine Meislerschaft bewährt. War in der Einleitung aus reichem StolF ein gedrängtes Bild zu entnehmen, so galt es hier umgekehrt, auch den geringsten Stützpunkt nicht zu über- sehen, und mit den schwachen vorhandenen Hülfsmitteln das Bild zu entwerfen, welches uns bis jetzt noch fehlte, das Bild der Neugestal- tung des deutschen Reiches nach dem Verfall der karolingisclien Mo- narchie. Diese schwierige Aufgabe hat der Vf. auf das glücklichste gelöst: mit der gewissenhaftesten Treue, ohne alle \>'illkürlichkcit, nicht vorgefaszten Meinungen folgend, sondern geleitet von den bekannt gewordenen Thatsaclien, läszt er vor unsern Augen die einzelnen Herzogthümer erstehen, und zeigt wie unter ihnen das sächsische kräftiger erstarkte, und nun auf neuen Grundlagen das wesentlich

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402 Giesebrechl: Gescliichle der dculschen Kaiserzcit.

vom karolingischen verschiedene deutsche Königthum enistand. Auf den Forschungen von Waitz fuszend , ist doch Giesebrechl nicht da- bei stehen geblieben; er liat namentlich die Spuren der damaligen en- gen Verbindung der alten Sachsen mit ihren Brüdern jenseil des Mee- res in fruciilbarer Weise verfolgt, und das ganze zu einem lebens- vollen wol begründeten Bilde gestaltet.

Die Regierung des groszen Kaiser Otto liegt bis jetzt nur iit ihrer ersten Hälfte vor, bis zu der schicksalvollen \^'endung, \velclie seine Vermählung mit Adelheid, und der steigende Eintlusz des Kanz- lers Bruno herbeiführten: wir sehen der weiteren Entwicklung begie- rig entgegen. Mit der zweiten Hälfte des Bandes sind auch Bemer- kungen versprochen , welche manche der Annahmen des Vf. zu be- gründen haben, und eine Vorrede, die den Standpunkt desselben näher entwickeln wird. Dann wird es auch an der Zeit sein, auf die Be- sprechung des Werkes zurückzukommen.

Zu Ostern d. J. wie verheiszcn, ist diese zweite Abtheilung nicht versandt, doch steht ihr baldiges erscheinen in Aussicht. Die folgenden zwei Bände sollen dann noch das Werk bis zum Ende des hohenstauüschen Hauses fortführen; im letzten Buche wird der Vf. ^ die Hauptmomente der späteren Perioden zusammenfassen, so dasz die Kaiserzeit in ihrer Bedeutung für die allgemeine Entwicklung un- seres Volkes klar hervortritt und auch dem weniger unterrichteten Lesersich der vollständige Zusamnienhang der Ereignisse erschlieszt."

* Der Wunsch des Verfassers war, wie sein Standpunkt durch- aus der nationale ist, auf weile Kreise des Volks durch sein Werk einen belehrenden und belebenden Einflusz zu üben.' Mit diesen Worten des Prospectcs können wir nur unsern ^^'unsch vereinigen, dasz dem Buche eine möglichst weite Verbreitung zu Theil werde; jeder gebildete Leser wird sich durch die anmuthige und lebensvolle Darstellung gefesselt fühlen, und durch keine Schlacken der überall zu Grunde liegenden gelehrten Forschung zurückgestoszen werden; vor allem aber bietet es dem Geschichtslehrer eine nicht hoch genug zu schätzende Grundlage des Unterrichts, deren Nutzen bedeutend gesteigert werden wird durch die '^Anleitung zum Studium der Quel- len und Hülfsmittcl ', welche in den Anmerkungen zu jedem Bande verheiszen wird.

Breslau. W. WuKenbach.

Obgleich aus der vorhergehenden Darstellung des geehrten Hrn. Ref. es sich von seihst ergibt, so hallen wir es doch für Pllicht, das Buch noch ausdrücklich zur Leetüre gereiftcrcr Schüler zu empfehlen. Ist der Inhalt durchaus fördernd, belehrend und interessierend, so verdient nicht minder die allen hohleu Flitterstaat versclimäliende, aber gleichwol über alles die rechte ^^ärme, Lebeudiirkeil und Au- öchauliclikeit verbreitende, üherall mit dem (leijenslande in Harmonie stehende, oft den Ouellen nachgebildete, den Cliarakler der Zeiten treu

J. Classeii: Friedrich Jacob in s. Leben ii. Wirken dargestellt. 403

wiederspicgcin.le Form als niustcrgiillig bczeicimet zu werden. \\ ir haben lange kein Buch gelesen, welches wir mit gleich gutem Uechle und Gewissen in dieser Hinsicht empfehlen könnten.

R. Die/ach.

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Friedrich Jacob^ Direcior des Catharineiinis in Lübeck in seinem Leben und Wirken dargestellt von J. Classen^ Dr., Di- recior des Gymnasiams in Frankfurt a. M. Nebst Mitthei- lungen aus seinem ungedrucklen poetischen und prosaische)! Nachlas:^ mid seinem Bildnis in Kupferstich. Jena, Druck und Verlag von Fr. Frommann 1855. VI u. 222 S. 8.

Das vorstehende * Büchlein wendet sich zunächst und ausdrück- lich an die Schüler und Freunde des verewigten Fr. Jacob'. Ref., der zu den ersteren mit Stolz und Freude sich rechnet, zu den an- deren von ihm gereciinet wurde, glaubt die Bürgschaft übernehmen zu können, dasz von den durch ganz Deu!scliland und weiterhin zer- streuten Schülern die zu zahlen sein werden, die nicht nach dem hier dargebolenea Bilde von dem ^äuszeren und inneren Leben' ihres verehrten Lehrers mit lebhaftestem Verlangen griffen.

Aber gewis sollen auch die ' fernerstehenden von der Betrach- tung dieses anspruchlosen Lebensbildes' nicht ausgeschlossen sein. Ref. möchte sie vielmehr recht angelegeHllich dazu einladen. ^Der denkende Schulmann w'wA gern bei dem wirken und streben eines Mannes verweilen, der sich über die wichtigsten Fragen der Erzie- hung und des Unterrichts aus tiefem Geist vind Gemülh, wie aus rei- cher Erfalirung ausspricht, und den Glauben an die Grundlagen und die Erfolge seines Berufes, ungeirrt durch die Anklagen und Forde- rungen vorübergehender Tagesinteressen, mit Begeisterung bis an seinen Tod festgehalten hat.'

Friedrich Jacob ist unbestritten von dem edelsten und achluiig- werthesten Schlage deutscher Schulmänner der edelsten und vereh- rungswürdigsten Repraesenlanten einer; ich meine jene von der Welt so oft miskannten und misachteten Männer an den deutschen Gelehrten- schulen, deren innerer und uuszerer Beruf völlig zusammenfällt, deren Geist und Herz, ungetrübt von dem kargen äuszeren Lohne, in der ebenso schweren wie unscheinbaren Arbeit des unterrichtens und er- ziehens volle Genüge und wirkliche Befriedigung findet. Derer sind aber, wie es mir scheinen will, in neuerer Zeit weniger geworden. Damit soll keine Anklage gegen den ehrenwerlhesten Stand ausgesprochen sein; es möchte wol keinen zweiten geben, der vermöge seiner eignen Natur in der in ihm selbst liegenden Innern

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Nölhigung so durchgängig würdige pflichllreue und gewissenhafle Glieder aufzuweisen hiiüe; ob aber diese Vorzüge immer aus freier Liebe hervorgehen oder das Ergebnis einer gewissen Kesignalion und eines sittlichen Entsclilusses sind, das ist die Frage. Es gehört in der Gegenwart eine gewisse Stärke der Seele und ein wichtiger An- trieb von innen dazu, um sich für den bleibenden Wertii seiner ver- borgenen Arbeit nicht durch den Schimmer der herschenden Mächte dieser Zeit blenden zu lassen. Dazu kommt ein zweiler Grund: die Menge und Manigfalligkeit der Unferrichtsgegenslände. Diese hat mehr oder minder altgemein das Fachsystem zur Folge gehabt und die Stelle der einen Classe, auf die der einzelne Lehrer ausschliesz- lich alle seine Arbeit und mithin alle seine Liebe wandte, den Unter- richtsgegenstand, heimatslos mitzutheilen in allen Classen, an die Stelle der concreten Persönlichkeit traut und lieb durch täglichen Umgang gewordener Schüler die abstracto Wissenschaft oder Kunst gesetzt. Um so freudiger wird man die Männer begrüszen, die in einem schweren aber für sie selbst beglückenden wirken, in einer stillen und unscheinbaren, aber weilgreifenden und segensreichen Thätigkeit die frei gewollte Aufgabe ihres Lebens gesehen und er- reicht, ja selbst die Anerkennung der fremden oder feindseligen Welt erzwungen haben. Zu diesen gehörte eben Friedrich Jacob; einer jener Todten, die man nie genug betrauern könnte, wenn nicht der Schmerz aufgienge in einem höheren, würdigeren Gefühl, in dem Danke für ein langes, reiches, bluten- und früchtevolles Dasein, dessen Träger seine Lebensaufgabe klar erkannt, treu erfüllt, zu eigner Be- seligung und Beglückung anderer in erfreulichster Harmonie vollendet iiat und nun als reife volle Frucht in die Vollendung eingehl. Ein solches Leben in einem Bilde von kundiger Hand sich vorzuhalten, dient zur Spiegelung, zur Reinigung, zur Erquickung und Erbauung. Daher, denn welcher Lehrer bedürfte dieser Stärkung zuweilen nicht? w^eise ich alle meine Amtsgenossen mit gutem Vertrauen auf dieses Büchlein hin. Aber auch die Philologen von Fach, die kein Schulamt bekleiden, unter ihnen zumeist die, welche zur Aufsicht und Ober- leitung des Schulwesens berufen sind, ja alle, die ^an der Entwick- lung und der durch Prüfungen gewonnenen Heife einer edlen Men- schennatur Antheil nehmen, werden sich durch den slillen, aber in- haltreichen Lebensgang unseres Freundes angezogen fühlen'. Und sollte einem Manne der groszen \N'clt, einem von jenen, die oft niit gar mächtigem Pomp und gespreiztem Schrill zum Staunen einer gaf- fenden Menge über die Bühne des Tages gehen, dies Büchlein in die Hände fallen, so möchte auch ihm von dem Hcichlhum und der Tiefe, der Fülle und dem Segen eines solchen Lebens eine dunkle Ahnung kommen.

Die Darstellung selbst nun, durch welche der Hr. Vf. des ver- klärlen Bild Freunden zu erneuern, unbekannten zu geslallen ver- sucht hat, vollendet sich in folgender Weise. Zuerst erhulteu wir eine einfache Skizze von dem üuszeren Lebensgange des verewiglen,

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unlerliroclien tlurch eine ebenso IrelTende wie Uur/.e ('liaraklerislik seiner ganzen Geistesbildung- und dnrcli die einteilende und umfas- sende Schilderung- seiner innersten paedagogischcn Ueberzeugung- so wie seines mit aller Consc(|nenz einer durch und durch wahren Naiur aus dcrsel!)en hervorgellenden , nach den vcrschiedenslen Seilen hin gleichniiiszig und gleichsinnig gerichlelcn Wissens. Eingeschoben ist an den geeigneten Stellen die Erwähnung der litterarischen Arbei- len, durch die .lacob sich Iheiis den Fachgenossen, theils auch einem gröszeren Kreise von gebildeten Freunden des Alterlhums rühmlich bekannt gemacht hat. Die Erzählung der herben Schicksalsschläge, die das I,eben des scliwer geprüften in Lübeck erschütterten, so wie seines Todes bildet von diesem ersten Theile den zu stiller Wehmut und liebevoller Erneuerung des Iheuren Bildes stimmenden Schlusz.

Ist schon dieser Abrisz der Lebensschicksale des verewigten und seines Wirkens als Schulmann vielfach durch Züge seiner eignen Hand ausgeführt und belebt, so eröffnet sich darauf im zweiten Theile durch eine wol getroffene und geschickt geordnete Auswahl der be- zeichnendsten Stellen seiner Scluilreden ein unmittelbarer Einblick in die innersten Tiefen dieser reichen und reinen Persönlichkeit. Wir sehen um so klarer und ungetrübter in sie hinein, je mehr er wie der Hr. Vf. mit voller Wahrheit hervorhebt (S. 69) immer so schrieb ^ das schönste Zeugnis für seine edle und reine Natur' - •^ wie er unter vertrauten Freunden sich zu geben und auszudrücken gewohnt war', und auch "^ seine Schulreden diesen Charakter vertrau lieber Mittheilung im Freundeskreise an sich hatten'.

Es sei mir erlaubt, durch Hervorhebung des wichtigsten und bedeutsamsten aus beiden Theilen eine Vorstellung von dem zu geben, was Schüler und Freunde, fernstehende und unbekannte in dem klei- nen aber inhallreichen Büchlein zu erwarten haben.

Johann Friedrich Jacob, geboren am 5. December 1792 in Halle, der früh verwaiste Sohn eines bemittelten Schuhmachermeisters, unter der schützenden Obhut der Liebe zu einer tretflichen Mntler, ^arm doch würdig erzogen' (Eleg. I, 3, 3 S. 158) empfieng seine erste Bil- dung in der gelehrten Schule des Hallischen Waisenhauses, wo er sich nach dem Zeugnis seines älteren Bruders, des geh. Uegiernngs- rath a. D. August Jacob in Berlin, Wor allen Schülern durch Fleisz Hud Forlschritte auszeichnele «nd wegen seiner freundlichen Offenheit von allen geliebt wurde'. Feinen wie groszen und bleibenden Einflusz hier der würdige Ueclor, ^Diek, mit der Sloa im Kopf, mildeste Lieb in der Brusl ' -- auf ihn gehabt liat, sieht man aus der seinem An denken gewidmeten 3n Elegie des 2n Buches (s. Aniiang S. 180), die Schüler und Freunde nicht werden lesen können, ohne zu erkennen, dasz Jacob das verehrte Vorbild nicht allein seit seiner Jugend treu im Herzen getragen, sondern noch als Lehrer und Leiter einer groszen Anstalt in seinem eignen Wesen und wirken wieder dargestellt hat. Kann man doch seine Worte über Dick zum Theil buchstäblich auf ihn selbst anwenden, wie z. B. die Verse 31 IT.; besonders aber zeich-

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net er in V. 39 50 aufs trefFendste den Grundzug' in seinem Charak- ter als Mensch und Erzieher. Sinnige Nalurbetrachtung und Gestal- tung der eignen Gedanken im Wort, Neigungen, die den Mann auch in seinem spateren Aller nicht verlassen haben, übte der Knabe schon früh. Die Schmach und Noth des Vaterlandes machte zunächst in Folge der Schlacht bei Jena auch seinem harmlosen Alter sich fühlbar und das lange Krankenlager, dann der früh erfolgende Tod seiner geliebten Mutter prägte den Zug des tiefen Ernstes neben und vor seiner 'Schalkheit' im Gemüthe des Jünglings aus. Auf der Univer- sität ergab er sich vom April 1810 an zwei und ein halbes Jahr lang ohne von irgend einem akademischen Lehrer eine besondere und blei- bende Einwirknng erfahren zu haben den philologischen Studien und der selbständigen Erforschung und Erkenntnis der Denkmäler des klassischen Alterthums mit der ganzen glühenden Begeisterung einer kräftigen Jugend und eines wissensdurstigen und wahrheilsuchenden Geistes. Von dieser ^goldigen' Zeit und der Seligkeit jenes ersten schuuens der NVaiirheit, w eun sie allmählich ihre ersten Strahlen bald langsam dämmernd bald urplötzlich erleuchtend den trunkenen Augen aufschieszen läszt, spricht er in der 5n Elegie des dritten Buches noch als Greis mit wahrhaft jugendlicher Wärme. Am 5. December 18I2 begann Jacob am Kloster U. L. Fr. in Magdeburg seine Lehrerlaufbahn in einer durch collegialische Verhältnisse jind bunt zusammengesetzte Lectionen wenig befriedigenden, durch Magdeburgs Einschlieszung im Winter 1813 auf 14 auch sonst getrübten Stellung; 'aber genug ge- klagt." — schlieszt der Bericht an seinen Freund Löbell in Marhurg über diese Blokade Mie wenigen Tage der Freude, al)er der aller- gröszesten meines Lebens, des Einzugs der Preuszen, haben alles ver- gessen gemacht!' Die Vaterlandsliebe, die aus diesen Worten spricht, bethäligte sich in der freiwilligen Theilnalime an dem Feldznge von 1815, wodurch seine amiliche Thätigkeit in Magdeburg uulerlirochen wurde. Wach neuen drittehalb Jahren fand er in Ernestine Mohr zu Samwegn in der Nähe Magdeburgs die Gefäiirlin seines Lebens, bald darauf im Januar 1818 eine genügende äuszcre Lebeusslellung als Oberlehrer am Collegium Fridericianum in Königsberg, um die er- wählte heimzuführen. Von der Fülle und Innigkeit seiner Beseüüung und Heiligung durch diese Liebe als Bräutigam, als Mann uwd beson- ders als Vater geben seine Briefe an Löbell (s. S. 21 u. 22) den unmit- telbarsten und frischesten Eindruck. Um so vernichtender traf ihn in diesem blühenden Glücke schon nach zwei Jahren der Schlag, der die geliebte Gattin von seiner Seite,. den lallenden Kindern die Mutter nahm; ein Schlag, der nacii seinen eigenen Andeulun;;en für immer die frischesten Blüthen seines Lebens abgestreift iiat. Nur in der ent- schlossencJi Hingabe an seinen Unterricht, im Umgange mit werlhen Freunden, besonders seinem täglichen Hausgenossen Laciimanu, und endlich in der 1822 geschlossenen Verbindung mit der älteren Schwe- ster seiner verstorbenen Gattin fand er allmählich Trost und den schwer entbehrlichen Schmuck für sein verarmtes Leben wieder. In

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der Liebe und Vcrelirnng seiner Schüler, in der Hooliachtiing seiner Amtsgenossen und vorgesetzten sah er je langer je mehr in seiner siebenjährigen Wirksamkeit am Fridericianum den Lohn seiner treuen und liebevollen Arbeit. In Anerkennung seiner Verdienste berief ihn 1825 die Regierung zum Professor und bald zum Studicndirector an dem Marien- Gymnasium zu l'osen , auf einen durch die Berührung schroffer religiöser und nationaler Gegensatze höchst schwierigen und um so ehrenvolleren l'osten, den Jacob allein durch die Achtung er- zwingende EiirenhaftigUeit und Festigkeit seines Charakters selbst in der gährenden und gefahrdrohenden Zeit von 1830, wenn auch ohne volle innere Befriedigung, doch aufs rühmlichste zu versehen und zu behaupten wüste. Endlich eröffnete ihm ein Huf nach Lübeck als Di- rector des Catharineum die Aussicht auf nicht nur höchst günstige äuszere Bedingungen, sondern auch und das bestimmte ihn wol vorzüglich zum scheiden aus dem preuszischen Staatsdienst auf einen Wirkungskreis, den er ganz nach seinen eigensten Wünschen und Ueberzeugungen in möglichst freier Bewegung ausfüllen zu dür- fen holfen konnte. Wie segensreich er hier durch mehr denn zwanzig Jahre als Leiter und Erzieher einer zahlreichen Jugend gewirkt hat, bezeugt die fortdauernd zunehmende Blülhe dieser Anstalt, deren Leh- rercoUegium er mit seinem liebereichen, milden Geiste und Sinne zu durchdringen wüste; wie sehr zu eigner Befriedigung und Beglückung, beweist die ' unverkennbar im Vorgefühle seines nicht mehr fernen Endes geschriebene' erste Elegie des dritten Buches (s. Anhang S. 198), ein Gedicht von wunderbarer Milde und Weichheit, der Aus- druck eines tiefen, überquellenden Dankgefühls an seine zweite, so theuer und wcrth gewordene Heimat. Seine erste vom besten Erfolge gekrönte äuszere Veränderung an der Lübecker Schule war die zweckmäszige Sondcrnng und daraus hervorgehende gleichmäszigere Verllieilung der Schüler, bewirkt durch die Einrichtung dreier Paral- lelklassen neben Quinta, Quarta und Tertia für die zu bürgerlichen Berufen bestimmten; sodann die sorgfältige Leitung und Hebung der vorbereitenden Elementarklassen, welche er bei aller dem zarten Al- ter zu wünschenden Abgeschiedenheit von den älteren Schülern doch, so wie auch die sogenannten b- Klassen als integrierende Theile des ganzen zu stellen und zu halten wüste; endlich die Einrichtung eines jährlichen Schulfestes, seines Miebsten Festtages im ganzen Jahre', an dem das innerliche Verhältnis der Lehrer zu ihren Schülern in dem zwanglosen zusammenleben der ganzen fröhlichen Familie auch äuszerlich zur Erscheinung kommen sollte und kam dürfen wir aus eigner Iheurer Erinnerung hinzufügen. Dazu wurden in den spä- teren Jahren noch verschiedene zum Theil glücklich gelungene Ver- suche gemacht, auf das zusammenleben besonders der älteren und auswärtigen, der Familie entbehrenden Schüler einen veredelnden Ein- flusz zu gewinnen und einem berechtigten Bedürfnis nicht mil bloszcn Verboten unerlaubter Arten der Befriedigung, sondern mit positiver Anerkennung desselben in den richtigen Schranken entgegen zu kom-

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men. Unscheinbar sind diese Veränderungen im änszeren der Anslall; ilire Bcdculung gewinnen sie im Auge fernstehender erst, wenn ilnien aus der eingehenden Schilderung der ganzen umfassenden Wirksam- keit Jacobs in Lübeck der herscliende Sinn und Geist in der ganzen Leitung der Anstalt entgegengetreten sein wird.

Seine j) aeda gogische Grundansicht, die er stets voransicliie, das bewegende und all sein wirken I)eliersclicnde Princij), aus dem auch vollständig und ganz sowie einzig und allein sein tluin und We- sen als Lehrer begrilFen werden kann, war: ^die Schule ist die wesent- liche Erweiterung der Familie und nolhwendige Ergänzung derselben' (S. 38). Die Schule war ihm daher eine rein sittliche, auf sittlichen Grundlagen und Bedingungen ruhende Anstalt, in welcher mit väter- lich mildem Ernste und selbstverleugnender Liebe die gottverliehenen Anlagen und Begabungen in den Kinder- und Jiinglingsseclen ^ach- tungsvoll' erkannt, hervorgezogen und jede ihrer eigenthümlichen Heife und freier Selbstbestimmung zugeführt werden soll, ^niit ^^ eg- räumung' so heiszl es unter anderem auch in einem Schreiben an den Ref. 'nur des Uebermaszes oder ausschreitens, das wir Fehler oder Sünde nennen.' Wie mächtig dieser Geist einer nachgehenden, tragenden Liebe die Anstalt in allen ihren Lehrern und Schülern durchdrang und besonders auch von den letzteren, zumal den gereif- teren empfunden und gewürdigt wurde, wie sehr Mosches Zeugnis von dem eingehn der Schüler auf seinen Sinn und Willen 'ungeschminkte Wahrheit' ist (S. 56), davon möge es mir verstattel sein, kurz die folgende Thatsache als Beweis zu erwähnen. Es bestand, wenigstens noch zu meiner Zeit, in Prima die Sitte, dasz die abgehenden in einem sogenannten Album mit wenigen Worten ihr Gedächtnis der Klasse zurückzulassen pflegten; nach einer kurzen vi'a folgte in diesen Auf- zeichnungen in der Hegel eine Darstellung der religiösen, sittlichen, auch wol politischen Ueberzeugungen des schreibenden. Oft voll phantastischer und unreifer Gcdaidvcn waren diese Sclbslzeicliniingen, wie es bei dem Bildungsstande der betrell'enden nicht anders sein konnte, manigfaltig und bunt, wie eine Schule zusammengesetzt ist: in einem Stücke aber zeigte sich ohne alle Verabredung, ohne allen auch nur indirecten Zwang denn ungckannl und ungesehn von den Leh- rern wurde das Heiligthum von dem Primus verwahrt eine wunder- bare, ausnahmslose Uebereinslimmung, nemlich in der dankerfüllten oft kurzen aber kräftigen, oft beredten und lobenden Anerkennung, dasz der 'alte' zum Lehrer und Director ge b or e n und von der Natur recht eigentlich geschaffen und bestimmt sei. Und wie nachhaltig und dauernd dieses Gefühl der Verehrung und Dankbarkeit gegen den geistigen Wolthäler gewesen sein musz, » ie es sich in manchen zur völligen Kindesliebe und zum kindlichen Ver- trauen gegen den geistigen Vater und Zeuger gesteigert hat, das be- weist der Umstand, dasz viele ehemalige Schüler noch als Männer und Beamte von ihren eigensten, freudigen oder schmerzlichen Erleb- nissen und Schicksalen ihn unterrichteten (s. S. 80), ja einige in den

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gebcimslen Angelegenbcitcn ibres Herzens und Gewissens ibn als einen Beicblvafer mit der riicksicbtslosesten OfTenbeit zu IJallic gezo- gen baben. 'Und das war grade das scbönste und böcbsle, was er sich wünschte'.

Die Art seines Unterrichts im engern Sinne hängt mit der oben erwähnten paedagogischen Grundüberzeugung auf das innigste zusammen; da blosze Millbeilung von Kenntnissen ihm stets nur in zweiter Linie und als Mittel zum Zweck in Betracht kam, so suchte er auch hier eine sittliche Wirkung jeder andern voraufgehen zu las- sen. Was der Hr. Vf. von der Geistesbildung gewis mit voller \>'abr- heit sagt, dasz 'sie auf dem ganzen Menschou ruhte und alle Kräfte des Geistes und Gemütbes in Anspruch nahm' {S. 8), ebendasselbe möchte ich als das Hauptmerkmal seiner charakteristischen Weise zu lehren bezeichnen. Er gab sich hier in der zwanglosesten und zu- gleich würdigsten Weise ganz wie er war, seine Kenntnisse, seine Erfahrungen, seine Grundsätze und Ueberzeugungen, die heiligsten seines Herzens nicht ausgeschlossen, und wüste so auch uns ganz in Anspruch zu nehmen und durch seinen leise aber stetig flieszenden Redestrom Kopf und Herz in dauernder Aufmerksamkeit zu spannen und zu fesseln. Beim aufrufen zur Uebersetzung der Klassiker gieng er mit sehr seltenen Ausnahmen durchaus nach der Reibe, wandte sich auch bei der Erklärung in der Regel nur an den einen Ueber- selzer, dergestalt aber, dasz eine solche Uebersetzung jedesmal einer förmlichen Prüfung gleich zu achten war und den ganzen Standpunkt der Kenntnisse des geprüften bloszlegte. Denn die Interpretation er- gieng sich in freiester und interessantester Weise von dem gegebenen Anhaltpunkt nach allen Richtungen hin 'oft auszerordentlich weit von dem Gegenstande des Schriftstellers' ab (S. 6l), so dasz er gar häufig mit einem: 'Nun, wie kamen wir doch darauf?' zur Sache zurücklenken muste. Diese Digressionen führten ihn nicht selten zu kleinen Mittbeilungen von Erlebnissen und Erfahrungen aller Art, durch welche er, wie noch viele seiner Schüler mit mir sich erinnern werden, den durch langslündige, ernste Aufmerksamkeit abgespannten Sinn seiner Hörer, gewis nicht ohne Absicht und Bewustsein , auf das anmuthigste zu erheitern und zu erfrischen wüste. Für die weitere Charakteristik seiner Methode verweise ich auf die Schilderung im Buche selbst (S. 59 ff.).

In seinem Verhältnis alsDirectorzu den College n zeigte sich wieder dieselbe bewegende Grundidee nur in andrer Anwendung. Zunächst w uste er sie ' in Wahrheit unter den mit ihm verbundenen Männern lebendig zu machen: auf ihr beruhte daher auch sein persön- liches Verhältnis zu ihnen. Nicht die gesetzlich vorgeschriebene und in bestimmte Vorrechte gefaszte Auctorilät des Directors war es, welche er wahren zu müssen glaubte; und dennoch hat gewis sel- ten ein Director in seinem Lehrercollegium eine uneingeschränktere Auctorilät genossen, als Jacob; aber es war die Liebe zu seiner gewinnenden Persönlichkeit, die Achtung vor seiner überlegenen

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Einsicht und Erfahrung, das Vertrauen zu seiner stets der Sache zu- gewandten Gesinnung, das Bewustsein mit ihm vereint an einer schönen und ehrenvollen Aufgabe zu arbeiten, was das natürliche, aber um so festere Band unserer Hingebung und Unterordnung unter seiner Leitung bildete.' Sodann erfüllte er wol in vollem Maszc die von ihm selbst als erste aufgestellte Bedingung eines wahrhaft coUegialischen Zusam- menwirkens, nemlich 'die: dasz die Lehrer unter einander ihre indi- viduelle Verschiedenheit achten und frei gewähren lassen' (S. 48 f.). ^Mit dem geübten Blicke des ebenso scharfen wie wohvollenden Men- schenkenners hatte er schnell die Eigenthümlichkeilen seiner Collegeu durchschaut, und ihnen, so weit es die Umstände geslatlctcn, die geeignetste Stelle angewiesen' (S. 44). Sein 'Vertrauen' zu ihnen und die Scheu 'in ein rein sittliches Verhältnis etwas von der äuszern Subordination eines Rechtsverhältnisses hineinzumischen', waren so grosz , 'dasz er grundsätzlich niemals anders, als wenn bestimmte Geschäfte ihn veranlaszten, den Unterricht anderer Lehrer in den ver- schiedenen Klassen besuchte, niemals seine Collegen in ihrer Amts- Ihäligkeit eigentlich inspicierte'. Dennoch, fährt der Hr. Vf. fort, 'war es bewundernswürdig, ja mir selbst oft räthselhaft, wie genau und treffend er die paedagogische und didaktische Methode aller sei- ner Lehrer beurlheille'. Uebrigens wusle er sich, abgesehen von sei- nem feinen Takte und glücklichen Beobachtungsgabe, diircli 'manig- fache Gelegenheilen, mit seinen Mitarbeitern in stetem und fruchtbar anregendem Verkehr zu erhallen'. Dies waren besonders die ami- lichen Gonferenzen, die regelmäszigen, wenigstens monatlich einmal wiederkehrenden, so wie die dreimal im Jahre zur Erthcilung der Zeugnisse gehaltenen, und auszerdem die von ihm eingerichteten ge- selligen Gonferenzen des gesamten Lehrercollegiums. Grade in die- sen letzteren, bezeugt der Freund, wurde 'das Gefühl der Znsamnien- gehörigkeil zu einem ganzen, dessen Leilung jeder in .lacobs Händen in freiesler HochachUing ehrte, ohne davon einen Druck zu cmpliuden, zur Kräftigung jedes einzelnen und zur Belebung der Gesamlheil gewahrt und gcpllegt'. Möchte doch das Bild, das wir aus der Schil- derung des Verfassers und den eignen Worten des verstorbenen (S. 48 ff.) von dem zusammenwirken des Lübecker Lehrercollegiums er- halten, als ein rechter Spiegel und ein wahres Muster und Vorbild von vielen Schulmännern mit eingehender Prüfung und treuer Beher zigung betrachtet und festgehalten werden I

So sehr die Arbeilen des Lehrers uiul Direclors für Jacob auch der einzige Kern und Mitlclpunkt alles seines sinnens und slrebens, thuns und handelns waren, so wusle er, freilich in unmittelbarstem Zu- sammenhange mit jenen und seinem ausgesprochenen Grundsatz ge- mäsz (s. S. 132 IT.), doch stets sowol eine fortgehende Bekannlschaft mit den Fortschritten seiner Wissenschaft sich zu erhalten als auch schriilstellerische Arbeiten zu vollenden. Wir erwähnen hier auszer t'iner krilischen yVusgabe und Ucbersetzung von Lucilius Aetna, die schon in Königsberg vollendet wurde, und der seit dem Posener Auf

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enlbalt zuruckgelcg-lcn Parlikellehre besonders die Kecension des Pro- perlius mit einer adnotalio, die in kurzen aber trelfenden Winken oft über Sinn und Meinung des Dichters mehr Licht verbreitet, als manche bändereiche in walirlialt barbarischem Latein gesciiriebeno Commenlationen dieses Dichters; ferner die 18i2 herausgegebene Be- arbeitung des Manilius, ein Werk des mühsamsten und erfolgreichsten Fleisxes, auf welches in den einzelnen Programmen abwechselnd kri- tische IJeobachtungen zum Tacitus und Uebersetzungen aus dem Te- renz und Plaulus folgten; dann eine Ausgabe des Rutilius Lupus zu Schnlzwecken und endlich als '^ die reifsten Früchte seiner späteren Mnszeslunden seine Ucbersetzung des Terenz (Berlin bei Reimer 1835) und Horaz und seine Freunde (Berlin bei W. Hertz 1852 und 53), de- nen die noch im Druck zu erwartenden Uebersetzungen des Properz und von fünf Komoedien des Plautus sich würdig anreihen werden'. Auszerdem hat er auch mündlich und persönlich, sei es mit wenigen glcichgesinnfen Freunden, sei es in den späteren Lebensjahren in einem gröszeren Verein studierter Beamten für Verbreitung der Kennt- nis des klassischen Allerthums so wie zu eigener Förderung gewirkt und 'eine dauernde Frucht seines Eifers für die Anregung und Ver- breitung geistigen Lebens war endlich die Stiftung des Vereins n 0 r d d e u l s c h e r S c h u 1 m ä n n e r'.

Auf diesen 'Ueberblick der umfassenden Wirksamkeit Jacobs nach den verschiedenen Seilen hin', den wir mit wenigen Zeilen wie- derzugeben versucht haben, werden wir zurückgeführt 'zu der Be- trachtung des häuslichen Lebens, wie es sich in Lübeck gestaltete'. 'Stille Häuslichkeit war sein liebster Genusz'; seine Natur war, wie er selbst wiederholt auch öffentlich aussprach, ' von Jugend auf der Stille und Einsamkeit zugeneigt gewesen' und so beredt und beleh- rend seine Worte vor wenigen und vertrauten Personen den feinen Lippen entströmten (vgl. s. Selbstcharakterislik in Eleg. I, l), so war er doch 'wo viele sind, wo es laut wird, still und beängstigt'. Sein häusliches Glück erlitt aber in Lübeck die herbsten Schläge: seine beiden blühenden Söhne wurden ihm in einer Zeit von drei Jahren nach einander durch den Tod entrissen und nach wieder noch nicht zwei Jahren 1843 sank die treue, seit zwanzig Jahren Schmerz und Lust mit ihm Iheilende Gattin in dem kaum bezogenen Gärtchen vom Schlage getroffen nieder! Mit bewunderungswürdiger Kraft des Wil- lens und schwer errungener Stärke der Seele, aber nicht ohne er- schütternde Wirkungen auf seinen ganzen Organismus kämpfte der geprüfte den herben Schmerz nieder und in seiner Verarmung und Verödung nur

' Desto zärtlicher wandt' er mit liebebedürftigem Herzen

Sich uns Jünglingen zu.' Nicht ohne neu gesteigerte Hochachtung und wahrhafte Ehrfurcht kehrten wir älteren Schüler von dem Begräbnis seiner Gattin zurück, wo wir den theuren 3Iann so schwer und doch so würdig leiden ge- sehn. Und als er von Halle zurückkam, wo er seinen letzten blühen-

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den Sohn ins Grab gelegt hatte, wie innige Theilnahme zeigte sich ihm da in seiner Klasse, stumm aber beredt, in lautloser Stille, in friedlichem Ernste, in gespanntestem horchen; wie aber auch 'klang da oft schmerzhafte Bewegung Bei gleichgültigem Wort durch die Bcherschung hindurch !' (s. S. 181.) Nach einer glücklich geheilten nervösen Augenschwäche nöthigte ihn sein durch krampfhafte Zufalle und hartnäckige Erkältungen erschütterter Gesundheitszustand, auf fast anderthalb Jahre sich von seinen Amtsgeschäften zurückzuziehen. Seit dem Herbste 1850 arbeitete er dann wieder mit frischer Kraft volle drei Jahre unterstützt von den gleichstrebenden Collegen an dem gemeinsamen Werke. Da trat ein Ereignis ein, das schon an sich durch die Trennung von einem langjährigen iMitarbeiler und ei- nem durch gegenseitige Hochachtung und Liebe aufs engste verbun- denen Freunde schmerzlich, 'durch belrübende Misverständnisse' bei den Verhandlungen über die Wiederbeselzung der vacanten Stelle noch besonders verbittert gewesen zu sein scheint: die Berufung des Herrn Verfassers als Direclor nach Frankfurt. 'Als wir den 26. Sept. 1853 von einander schieden, fühlten wir beide, dasz das, was wir an einander gehabt, uns so nicht wieder ersetzt werden würde'. Nach ' fünf Monaten am 1. März 185i war seine irdische Laufbahn vollendet'. ' Und in den letzten Wochen und Tagen des Lebens' so schreibt 'sein treuer Arzt', an den Hrn. Vf. 'wie mild em- pfänglich war er da für jede fremde Anschauung, wie zart wüste er sie zu berichtigen oder mit der eigenen abgeklärteren Ansicht zu ver- mitteln ; wie verklärte sich sein Blick, je gewisser er sich dem Tode nahe fühlte; wie waren noch die Worte, die er mit gelähmter Zunge sterbend sprach, nur Worte herzlicher Liebe, und wie freundlich winkte noch sein brechendes Auge, wie herzlich drückte noch die erkaltende Hand, bis er endlich still und schmerzlos entschlief, sein Töchterlein und micii allein an seinem Sterbelager in trostloser Ein- samkeit zurücklassend'.

Im zweiten Theilc wird das so in seinen Hauptzügen fertige Bild des verklärten durch ein ganzes von Lichtpunkten aus seinen Schul- reden weiter verlieft und ausgeführt, vorher noch die äuszere Gestalt des Kedners die in Kleidung und würdiger Haltung oft sprechend an eine gewisse Büste Goethes erinnerte mit wenigen aber durch- aus trelfenden Strichen gezeichnet. Zur Belebung der hiedurch beim Leser erweckten Vorstellung kann das beigefügte Portrait dienen.

Der Hr. Vf. hebt dann als den (irundzug seines religiösen Lebens gewis mit völligster ^^'ah^heit und in vollkommener Ue- bereinstimmung mit dem Hedner am Sarge eine wahre und tiefe Frömmigkeit hervor, die, ähnlicii wie bei manchen tief religiösen Na- turen, nicht eben sich vor andern auszusprechen liebte. 'Sein eigenes innerstes Verhältnis zum Chrislenlhum wurzelte in der zwiefachen Ueberzeiigung: dasz die Stiftung desselben den gröszlen Beweis der Liebe Gottes für die Menschheit enthalte, und dasz seine Vollendung auf Krden von uns Menschen vor allem durch die Erfullung des Ge-

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botes der Liebe gefördert werden müsse.' Wie er diese Ueberzeu- gung an seinem Tlieilc betbätigl hat, wie nach Lelirc und Vorbild des Erlösers seine Liebe alles glaubte, alles hoffte, alles duldete, nie das ihre suchte, das wird denen, die ein Gegenstand dieser Liebe zu sein das Glück hatten, als leuchtendes 'Beispiel stets vor Augen schweben. Im systematiscben Zusammenhange und mit rückbaltsloser Offen- heit pllegte Jacob übrigens seine religiösen Ueberzeugungen darzu- legen in seinem lieligionsunterricht, in dem er eine Darstellung der natürlichen Religionen der bedeutendsten Völker sowie des Lebens und der Lehre Cbristi frei dictierte und durch eingehende Repetitio- nen, verbunden nach seinem Wunsche mit eigenen Gegenbemerkungen der Schüler, roproducieren liesz.

^An den Vorgängen im poli tischen Leben nahm Jacob einen tiefen aber weniger unmittelbar, und am wenigsten durch eine Partei- stellung angeregten Antheil. Er beobachtete am liebsten die sitt- lichen Ursachen der zu Tage tretenden Bewegungen in dem Leben der Völker und suchte sich von dem Grundcharakter der Gegenwart, wie vergangener Zeiten, eine klare Anschauung zu bilden. Seiner inner- sten Natur nach gesetzlich und monarchisch, und durch Heimat und Erziehung protestantisch und preuszisch gesinnt, erkannte er früh die Gefahren, die von einer frivolen und zersetzenden Richtung in unserer Litteratur der staatlichen Ordnung drohten und warnte in mehreren seiner früheren Reden vor ihren Einflüssen die zur Universität abge- henden Jünglinge'. Wie richtig er seine Zeit beurtheilte, beweisen schon folgende wenigen Worte aus einer im Herbste 1847 gehal- tenen Schulrede: Miaum mag jemals die Welt schwerer erkrankt sein, weil kaum jemals gröszere und tiefer greifende Umwälzun- gen bevorgestanden haben'. Dieser lebhafte und durchaus wahre aus tiefem Bedürfnis hervorgehende Antheil an den Gestaltungen und Entwicklungen des Lebens der Völker, der ihn in der Osterrede von 1848 einmal ^ über die Mauern unserer stillen Schule in der Welt hin- ausziiblicken' trieb, entsprang jedoch immer aus dem bei ihm hcr- schenden sittlichen Hauptinteresse und wandte sich mehr oder minder immer wieder als zu seinem letzten Ziele auf die eine Sache seines Herzens, die Jugendbildung, zurück, wie es z. B. besonders durch die Rede von Ostern 1849 veranschaulicht wird (S. 105 ff.). Von S. 111 an folgen dann eine Anzahl Reden, in denen besonders paedagogische Ansichten ausgesprochen und einige Cardinalfragen der Erziehung mit der ihm eigenthümlichen Tiefe und sittlichen Zartheit erörtert werden. Wahrhaft bedeutend und für jeden Schulmann immer von neuem zu beherzigen und verwirklichen sind hier die Erleuterungen zu Goethes Ausspruch im Wilhelm Meister, dasz der von der Erziehung hervor- zubringende Grundzustand unserer Seele die Ehrfurcht sei; von liefer Erkenntnis der menschlichen Natur im Kinde und Jüngling sowie von reifster Erfahrung zeugen die Worte über denFleisz, die man- chem Lehrer ganz neue Gesichtspunkte über diese wichtige Grundlage der Jugendbildung eröffnen möchten; von einleuchtendster Wahrheit

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sind und von schlagender Wirkung auf die angeredeten scheidenden müssen gewesen sein die Betrachtungen über die lieblichste Gabe der gütigen Goltbeil, die Phantasie, und über die eben darum auch un- seligsten Folgen ihres 3Iisbrauchs. Aber von allen Reden am bezeich- nendsten für die milde lieife dieser ursprünglich kräftigen und wol auch heftigen und ungezälimlen, aber durcli Prüfungen und Selbstbe- herschung ^vunderbar gezeitigten und vollendeten Natur ist die, wel- che zur Erwerbung und Erhallung Mes Gottesfriedens' ^der Sabbaths- slille unserer Seele' auffordert und uns ganz in die stille, wehmüthige aber selige Hube dieses reinen Herzens nicht ohne eine Ahnung sei- nes Friedens hineinsehen läszt. Den Schlusz bilden drei Kcden , in denen er ^ die verschiedenen Seilen und Interessen des Lehrerberufs zum Hauptgegenstande seines Vortrags' macht. Aus allen leuchtet der hohe, reine und edle Sinn, in welchem Jacob seine Lebensaufgabe faszte, so wie auch die Beseligung, die er in der Erfüllung derselben fand, auf das unverkennbarste mit ungesuchter Wahrheit hervor, so dasz der lesende inne wird, hier sei eine Persönlichkeit, die als unmittelbare Folge einer vollendeten Erfüllung ihrer Bestimmung IrotÄ aller Stürme und Schläge von auszen doch im innern ein, soweit es menschliche Unzulänglichkeit leidet, vollendetes Glück genossen habe. Im Anhange erhalten wir vier höchst dankenswerthe Zugaben. Die ^ Votivlafeln' , eine nicht ganz kurze Heihe von Elegieen (S. 155 202), geschrieben in jener oben erwähnten Zeit 'des Fiebers und der Schwachheil' 1849, führen in jener anmulhigen, feinen und zar- ten Weise der Erzählung und Schilderung, wie sie ihm in seinen Di- gressionen beim Unterricht eigen war, Scenen und Zustände aus allen Epochen seines Lebens in gar lieblichen, vom Geiste der Wehmut, der Milde und des Friedens angehauchten Bildern vor. Der Hang zum idealen und übersinnlichen, der in dem Knaben früh die Liebe zum forschen und suchen, und die Begeisterung für schönes und edles entllammte, jene Feinheit und Zartheit der geistigen Organisation Jacobs, die für ihn eine Quelle der reinsten Genüsse sowie auch man- cher rauhen Verletzungen und Täuschungen von Jugend auf gewesen ist, zeigt sich aufs eigenthümlichste gleich in den ersten Elegieen, die dem Leser die ahnungsvolle Fülle seiner Kindheit von der nach Goeliie ja niemand würdig zu sprechen im Stande ist in charakte- risliscber ^^ eise zeigen werden. Ich hebe dann die H letzten Elegieen des In Buches hervor, als einen Beleg, mit wie eigenlliümlicbenj Tief- bliek und zugleich idealisierender Auffassung Jacob auch die klein- sten Dinge zu durchdringen und anscheinend unbedeutendem, wie dem Leben und Wesen der Haupen, die interessantesten Seiten abzugewin- nen und die gespannteste Aufmerksamkeit des Hörers oder Lesers zu bewahren wüste. Aus dem zweiten Buch nehmen die fünfte, der warme Ausdruck der innigsten Dankbarkeit und Pietät gegen Diek, seinen Lehrer, Freund und Vorbild, sodann die Se bis 18e, grösxten- theils Zeichnungen aus den Kriegsjahren von ]S()() an, reich au localen und individuellen Zügen von fesselnder Wahrheil und Anschauliclikeit

J. Classen: Friedrich Jacob in s. Leben u. \>ii-Ueii dargestellt. 415

eine besondere Aufmerksamkeit in Ansprncli, der Grimm über dio Schmacli des Vaterlandes und der ganze Slolz dennoch des deulsclien Bewustseins spricht aus jedem Striche. Erschütternd ist die lirzahlung von der Promotion und Abreise seines alteren Bruders und dem damit in Verbindung stehenden Tode der geliebten Mutter. Das ganze dritte 15uch ist durchweht von dem fühlbarsten Hauche der Todesahnung; der bewegte Dank an sein MJeb Eckchen' und der Preis 'des blühen- den Lebens der Akademie' geboren zu den schönsten der ganzen Sammlung. Höchst bezeichnend ist endlich auch die Elegie aus Carls- bad 1850; sie zeigt uns den Mann in einem jener Augenblicke "^kran- ken verkommens ', die ihn in späteren Jaiiren öfter daniederbeugten, wie er durch das gevvahrwerden einer durch die natürlichen Fel- sen gebildeten Statue Goethes aufgerichtet wird.

Die dritte Beilage enthält an dem concreten Beispiel einer wirk- lich gehaltenen Unterrichtsstunde Referent erinnert sich derselben noch mit wahrem Vergnügen eine Darstellung der Art und Vi'eise, wie .Tacob die Uebersetznngen deutscher Klassiker ins Lateinische, hier die der Einleitung von Lcssings Laokoon, zu leiten und in selte- nem Masze fruchtbar zu machen wüste, eine kurze aber inhaltreiche für den Schulmann höchst beachtenswerthe Zugabe.

Die letzte Beilage bildet die von Prof. Decke gehaltene Bede an Jacobs Sarge, die 'auf alle anwesenden den tiefsten Eindruck machte.'

Zur Empfehlung der Darstellung des Verfassers glaube ich nichts hinzusetzen zu dürfen; wie geschickt das Bild erst nach seinen äusze- ren Umrissen angelegt, dann ins einzelne immer tiefer hervorgehoben, immer reicher und voller ausgeführt, endlich noch durch die eigne Hand des dargestellten belebt und individualisiert wird, habe ich bemerkbar zu machen versucht. Der Name des Hrn. Verfassers, ein zwanzigjähriges zusammenwirken an einem Werke in einem Sinne, endlich die daraus nach dem beiderseitigen Sinn und Charakter fast mit Nothwendigkeit hervorgehende innige Hochachtung und Freund- schaft bürgen dafür, dasz der rechte Zeichner zu dem Bilde gefunden worden ist.

Möchte es mir gelungen sein, zu zeigen, wie Schüler und Freunde in dem besprochenen Büchlein alle die Züge, die sie treu und unver- wischbar in dankbarem Herzen tragen, verschärft, erfrischt und ver- vollständigt Avieder linden, manches in der Erinnerung schlummernde geweckt sehen, manches besser und in rechtem Lichte verstehen ler- nen, in seinem anschauen überhaupt eine rechte, erquickende Ge- dächtnisfeier des ihrem Danke entnommenen VVollhäters begehen wer- den. Und möchte dann auch einer oder der andere von persönlich fernstehenden, besonders Schulmänner, sich einladen lassen, das Buch aufzuschlagen und nur hie und da einige Blätter daraus zu lesen; der Geist, der ihnen aus denselben entgegentreten wird, ist von der Kraft und Art^ die an sich zieht, fesselt und durchdringt; so dasz sie müssen inne werden, dies Buch sei für den Schulmann ein rechtes Erquickungsbuch.

/V. Jahr/j. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. I/fl. b. 31

416 Auszüge aus Zeitschriften,

Mir aber, dessen Dank gegen den verklärten ewig ist, wie seine Wolthalen, möge es verziehen werden, wenn ich demselben zum Schliisse in seinen eigenen Worten (s, S. 184 und 205) einen Aus- druck gebe: Ach viel Weh durchzilterte wol dein Leben, du edler,

Das du verschämt in der Brust, ohne zu klagen, begrubst. Denn für das feinere Ohr klang oft schmerzhafte Bewegung

Bei gleichgiltigem Wort durch die Beherschung hindurch. Desto zärtlicher wandt' er mit liebebedürftigem Herzen

Sich uns Jünglingen zu, wenn er uns würdig erfand. Mich auch hat er vor andern mit vaterlich warmer Behütung

Liebend und achtungsvoll immer beschirmt und gehegt. Achtungsvoll? Ja wol! In Kindern so gut, wie in Männern,

Sah er , man fühlt' es ihm an , fromm zu dem göttlichen auf, Ob aus kindlichen Augen es ahnungsreich und verwundert.

Aufstrahlt', oder bewust handelt' im kräftigen Mann. Nicht viel Worte gebraucht' er, im Lob sparsam und im Tadel;

Aber ein freundlicher Blick, oder ein zärtliches Wort Macht' uns glücklich, und wen er, den Arm um den Nacken ge- schlungen.

An sich drückend, sein Kind nannte, beneidete man. Wenn man es sah! Denn selten geschah's, und immer so heimlich,

Wie es das zarte verlangt, wie es dem starken geziemt. Denn stark war er und willensfest, trotz innerer W^eich-

h e i t ;

Und das fordert' er auch, da wo er liebte, zuerst.

Ja, du guter, an dir, der soviel gute Gedanken,

So viel menschlichen Sinn mir in der Seele genährt,

Dem ich so viel, viel mehr, als einem der Vor- und der Mitwelt Danke, bei dem ich mich stets besser und reiner gefühlt,

Ja, an dir soll kräftig der Geist aus krankem verkommen Sich aufrichten und gern tragen, was Gott ihm beschied.

X.

Auszüge aus Zeitschriften.

Zeilschrift für die österreichischen Gymnasien. VI Jhrg. 1855.

Is Heft. R. V. Raumer: über deutsche Rechtschreibung (S. 1 37: nach Feststellung der Begrilfc ' lii.storische und phonetische Schreibweise' wird durch eine historische Daiic{;ung zuerst bewiesen, dasz unter dcui Eiullusse des phonetischtMi Giuiidsatzes ''briiif; »leine Schrift und deine Aussprache in Ueberein.stininnm<i ' schon vor dem groszartigen Aufschwunj^e der Litteratur seit der Glitte des J8n Jhrh. sich eine feste, im ganzen nur auf einem wenig ausgedehnten Grenz-

Auszüge aus Zeilschriftou. 417

gebiete noch schwankende Orthographie rechtliche Geltung erworben habe, ferner dasz das bestehen einer von den Mundarten verschiedenen Aussprache der gebildeten in Deutschland anerkannt werden müsse, wenn man nicht aus einzelnen Schwankungen, Verschiedenheiten im Ton und mangelhafter Erreichung des erstrebten Ziels falsche Schlüsse zielie, dasz diese sich auf die Schriftsprache gründe und man in der Schreibung das vor sich habe, was die Grammatiker für richtige Aus- sprache erklärten. Nachdem sodann erörtert ist, dasz Neuerungen entweder nur Schriftzeichen ohne Aenderung des Ijautes durch andere verdrängen, (z. ß. Klopstoi ks Verlangen das anlautende V und F durch einen Buchstaben zu bezeichnen), oder mit Aenderung des Lautes {^Ki(t'ufi;vis und Ereignis), und dasz Grimms wissenschaftliche histo- rische Forschungen nicht mit der praktischen Anwendung von deren Resultaten auf die gegenwärtige Sprache zu verwechseln seien, wird gegen Weinholds Ansichten aufgestellt, dasz eine historische Schrei- bung, wie er einführen wolle, nirgends eingeführt, sondern nur stehen gelassen worden sei, Aenderungen der bestehenden sich aber nur an die anerkannte Aussprache der Gegenwart anschlieszen dürfen, wes- halb man etwas unrechtes thue, wenn man die dieser entsprechende Regel über den Gebrauch von ss und sz durch zurückgehen auf das gothische zu reformieren suche, dasz man nach jenes Grundsätzen nicht die Schreibung sondern die Schriftsprache umgestalte und keine Grenze finden würde, wollte man alles, was sich in dieser unrichtiges eingebürgert, wieder ausmerzen, vor allem aber dasz wir mit unserer Erkenntnis der geschichtlichen Fortentwicklung des neuhochdeutschen auf denselben schwankenden Boden zurückversetzt sind , auf Aussprache und Schreibart. Die Endergebnisse sind ; obwol im meisten übereinstim- mend und im Princip richtig, bedarf dennoch unsere Orthographie weiterer Feststellungen und zweckmäsziger Aenderungen , aber alle diese müssen sich an den Grundcharakter derselben, die jetzt gültige Aussprache, ganz anschlieszen. Auszer der Beibehaltung der groszen Anfangsbuchstaben für die Substantiva (weil die Schule sie nicht beseitigen könne) erklärt sich der Hr. Vf. für die Regel, die Bezeichnung des kurzen Vocals durch die Verdoppelung, des langen durch die Vereinfachung des folgenden Consonanten auszudrücken, das th zu beseitigen, wo Doppelformen (bctrieg'cn und betrügen , Gebirge und Gcbiirge) sich finden, die Sprachgeschichte entscheiden zu lassen). C. Sallusti Crispi d. coni. Cat. et de b. Jug. libri, orr. et. epp. erklärt von Jacobs und Sallusts Catilinarische Verschwörung und Jugurthinischer Krieg, lat. mit deutscher Uebersetzung von AI. Hauschild. Von G. Linker (S. 38 49: zu dem ersteren Buche, dessen praktische Ausführung gebührend anerkannt ist, werden mehrere kritische und exegetische Bemerkungen, letztere namentlich in Bezug auf den Chiasmus und die Anaphora gemacht, das zweite wird als ein ganz werthloses und nn reifes Machwerk bezeichnet). Sclieinpflug: deutsches Lesebuch für die oberen Ciassen der Mittelschulen. Von Seidl (S. 49 : trotz mancher Ausstellungen als eine der bessern Erscheinungen auf diesem Gebiete bezeichnet. Als Hauptübelstände bei dieser Littera- turgattung erwähnt der Rec. , dasz viele Herausgeber zweien Herren (Realschule und Gymnasium) zugleich dienen wollen, bei den Real- schulen eine Ergänzung für alle Unterrichtsfächer bieten zu müssen glauben, endlich über das, was gutei- deutscher Stil sei, kein richtiges Urtheil besitzen). Hoffmann von Fallersleben und Schade: Weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Litteratur und Kunst. Von VV einhold (S. 56 58: angelegentlich empfohlen). Pütz: Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung, und Jos. Bender Lehrbuch der Geographie für Gymnasien. Von Steinhauser (S. 58

31*

418 Auszüge aus Zeitscliriflen.

71 : beide Werke werden nach eingehender Prüfung unter die guten und brauchbaren Erzeugnisse des deutschen P^leiszes gezählt, beide in vieler Hinsicht ähnlich gefunden, aber dem letzteren mehr die Schul- form vindiciertj. Kambly: Elementarmathematik. Von Gernerth (S. 71—73: der geometrische Theil sei gelungener, als der arithmeti- sche; das Buch verdiene viel mehr Verbreitung,, als zahlreiche andere).

Berr: Anfangsgründe der Chemie und Duflos: Anfangsgr. d. Ch. Von Hintenb e rger (S. 73 77 : das erstere Buch wird den Bestimmun- gen über die österreichischen Realschulen nicht ganz entsprechend, das 2e als Leitfaden bei akademischen Vorlesungen sehr gut gefunden).

Hochstetter: Naturgeschichte des Pflanzenreiches in Bildern, nach V. Schubert bearbeitet. Von H. M. Schmidt (S. 77 f.: durch- aus günstig beurtheilt). :=r Verordnungen usw. (S, 79 85). Bericht über die Versammlung der Realschul- Directoren und Lehrer zu Eise- nach 27—29. Sept. J8J4. Von Wen zig (S. 86—89). Heller: Beiträge zur näheren Kenntnis von Mittelamerica, Yuiatan. Programm Gratz 1853. Von Fenzl (S. 89 91: der Gegenstand ebenso A'er- ständig gewählt, wie glücklich behandelt). Litterarische Notizen (S. 91 f.: über die historisch-politischen Studien und kritischen Frag- mente aus den Jahren 1848 53, von einem Tiroler, und M. Büdin- ger: über die Reste der Vagantenpoesie in Oesterreich).

2s Heft. Die kaiserliche Sanction der gegenwärtigen Gymna- sialeinrichtungen (S. 93 137: es werden von der Redaction die Un- terschiede der nun definitiv gewordenen neuen Einrichtung und der altern, die bisher erzielten Leistungen und das noch zu erstrebende in allseitig eingehender Besprechung erörtert). Bibliotheca scriptorura graecorum et romanorum Teubneriana. Non Linker (S. ]'i8 143: anerkennende und empfehlende Beurtheilung von Diodor. ed. Bekker vol. IV, Plutarch. Vitt. ed. Sintenis vol. V, Pausanias ed. Schubart vol. II, Rhetor. gr. ed. Spengel vol. II, Apoliodor. ed. Bekker, Ar- riani scripta minora ed. Hercher, Eurip. ed. Nauck, Theophrast. ed. Wimmer, Cic. ed. Klotz III 2 und IV 1, Cic. epp. seil. ed. Dietsch, Catull. ed. Roszbach, Florus ed. Halm und Ampelius ed. WöllVlin, Persius und Juvenal. ed. Hermann, Plin. bist. nat. ed. Jan vol. I, Quintilian. ed. Bonneil, Statins ed. Queck). 1) Götzinger: deut- sches Lesebuch für Gymnasien und Realschulen. Ir Th. 2) Brau- bach: stilistisches Lern- Lehr- und Lesebuch. 3) Oltrogge: deut- sches Lesebuch. Neue Auswahl. Ir Th. 4) Graszmann und Lang- bein: deutsches Lesebuch, 2e Aufl. 5) Auras und Gnerlich: deutsches Le-sebuch. 2e Aufl. 6) Seltzsam: deutsches Lesehuch für das mittlere Kindesalter. 7) Schulze und Stein mann: Kinder- schatz. Ir Th. 2e Auil. und 2r Th. 8) Stahr: deutsches Lesehuc h. Von Bratranek (S. 14i 159: sämllichig Bücher seien encyclopaedisch. 1 5 stilistisch, 6 8 nach andern Gründen geordnet. An 8 ^^ird zu- erst das verschweigen der Namen der Autoren und das willkürliche umspringen mit den Texten, an 1 der häufige Tadel gegen den Stil von rVotabilitäten gerügt. An 1 wird auszerdem die Aufnahme mehrerer didaktisch nicht geeigneter Stücke und dramatischer Bruclistücke ge- tadelt. In 2 sei eine natürliche und zweckmäszige Eintheiliing nicht befolgt, auch nicht eine bestimmte Stufe festgehalten. 3 erhält unter einzelnen IJemerkungen volles Lol), nur wird gerügt dasz nicht alles ans den Originalen seihst geschöpft sei. 4 wird, wenn schon über ein- zelnes Bedenken erhoben werden, doch im ganzen recht brauchbar be- funden. 5 erregt in jeder Hinsicht volle I5efrie«ligung, wie auch 6, o))gleich d(!r Druck der Verse in fortlaufenden Zeilen für nicht ganz Eweckmäszig erklärt wird. 7 erhält das Lob, dasz es manches gute enthalte, mit 8 aber kann sich der Ref. nach dem, was er vom deut-

Auszüge aus Zeilscliriften. 419

sehen Unterricht denke, ganz und gar nicht einverstanden erklären).

Verordnungen usw. (S. 160 17;^). Bedusclii: Antwort auf die Rec. seiner ciliare omerica und Linker: Erwiderung darauf (S. 174-J76).

3s Heft. Just: auch einige Bemerkungen ül)er das jetzige von einigen Seiten angefochtene Studium des Lateins (S. 177 ^00: Wenn auch die von einigen Seiten dem Organisationsentwurfe gemachten Vorwürfe entschieden als unbegründet zurückgewiesen werden, so gibt doch der Vf. zu, dasz die Kenntnis der lateinischen Sprache hei der österreichischen studierenden Jugend geringer sei als sie sein könnte und sollte, findet aber die Ursachen davon aj in der relativen Unreife vieler Gymnasiasten, entstehend durch ein zu frühes Alter bei der Auf- nahme, b) der Arbeitsunlust vieler Schüler, c) dem IMangel planmäszi- gen Zusammenwirkens und ineinandergreifens im Unterriciite. Wie zu der Abstellung des letzten Uebelstandes einige Vorschläge gethan wer- den, so auch noch zur Erhöhung der Wirksamkeit des Unterrichts). Bonitz: Anmerkung zu dem vorstehenden Aufsatze (S. 200 208: der Vorschlag eine Grammatik für alle Gymnasien des Landes zu stände zu bringen wird als unausführbar bezeichnet, die Variation, wenn sie mehr als eine grammatische sein soll, für höchst gefährlich erklärt, das memorieren nur in seiner Anwendung auf Stellen klassischer Ori- ginale zweckmäszig gefunden. Gegen die vom Vf. vorgeschlagene Aus- wahl der Leetüre werden Bedenken geäuszert, deren Ausführung und Begründung aber auf andere Gelegenheit verschoben). Vernale- ken; das deutsche Sprachfach in einem kurzen Ueberblicke mit Rück- sicht auf den schulmäszigen Unterricht (S. 208 218: Darstellung der Leistungen auf diesem Gebiete unter vollständiger Angabe der ein- schlägigen Litteratur und Bezeichnung dessen, was vom Gymnasium auszuscheiden, was aufzunehmen sei. Interessant ist die Ansicht, dasz der deutsche Unterricht die deutsche Mythologie, deuts<he Alterthums- und Sittenkunde aufzunehmen habe). Grailich: über eine zweck- mäszige Modification des Wheatstone'schen Schwingungsapparats (S. 218—231: Beschreibung eines neuen im kk. physikalischen Institute ausgeführten Apparats nebst Anweisung zum Gebrauch). Xeno- phons Cyropaedie, erklärt von Hertlein, angez. von Kergel (S. 2'22 231: wenn schon manche Anmerkungen und Citate beseitigt, einige andere aufgenommen gewünscht werden, so wird doch die Be- arbeituiig als eine treffliche anerkannt. Bemerkungen macht Ref. über I l 4, 2 7, 2 12, 2 13, 3 2, 3 7, 3 14, 3 15, 6 2, III 3 65, 3 69, IV 3 17). Schnitzer: I. Chrestomathie aus Xenophon. 2e Aufl. 2. Wörterbuch dazu, 3. Vorcursus, 4. chrestomathia Xenophontea, 5. chrestomathiae Xenophonteae explicatio grammatica, ang. v. Schenkl (S. 231 235: obgleich vieles als tactvoll und einsichtig anerkannt ist, werden doch gegen die Auswahl, die Anmerkungen und die Textcoh- stituierung manche Bedenken und Forderungen aufgestellt, am wenig- sten die explicatio grammatica für ein geeignetes Hülfsmlttel erklärt).

Pütz: Grundrisz der Geogr. u. Geschichte für die oberen Classen. Ir Bd. d. Alterfhum. 8e Aufl., ang. von Linker (S. 235 240: ohne dem Werke seinen Vorrang vor vielen andern schmälern zu wollen, werden doch einzelne ganze Partien und ziemlicii viele Einzelheiten als einer Aenderung bedürftig bezeichnet). Heider: die romanische Kirche zu Schöngrabern in Niederösterreich, ang. von O. Lorenz (S. 240 243: als für die christliche Kunstarchaeologie recht nützlich und werthvoll empfohlen). -. Gerding: Einführung in das Studium der Chemie, angez. von Schabus (S. 243—249: eingehende Beurthei- lung). Verordnungen usw. (S. 250 261). Bonitz: die 14e Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner (S. 262 269:

420 Auszüge aus Zeitschriften.

Auszug aus des Ref. Bericht Bd. LXX S. 524 550 *). Wilhelm: zur Frage über die deutsche Rechtschreibung vom Standpunkte der Schule (S. "269 272: es wird der Grundsatz geltend gemacht, dasz wenn die Aussprache nicht hinlänglich entscheide, die Bedeutung und das innere Leben der Worte überall durch die Schrift erkennbar ge- macht werden soll, wo die Abstammung dem Sprachbewustsein noch nicht gänzlich entschwunden ist; sodann gezeigt, wie weit die Aende- rungen in der österreichischen Volksschule bereits durch- und einge- führt sind, dabei die PVage aufgeworfen, ob nicht bei Worten, wie 'eräugnen', der richtigen Vorstellung wegen eine geringe Aenderung der jetzigen Aussprache gestattlich wäre).

4s und 5s Heft. Lorenz: über das Consulartribunat (S. 273 302: die Resultate sind: die Einfülirung der Consulartribunen kann nicht als Verfassung, sondern nur als eine provisorische JMaszregel betrachtet werden; es wurden anfangs nur 3 gewählt, es konnten Ple- bejer darunter sein, musten aber nicht; sie hatten anfänglich nur das imperium, nicht die potcstas , daher auch nur auspicla minora und giengen aus der damals bestehenden Heerverfassung hervor ( 3 tribuni bei der Legion). Ln J. 328 trat eine weitere Entwicklung ein, indem die Zahl auf 4 erhöht, einer aus ihrer Mitte zum praefectus urbi be- stellt, auch ihnen die Befugnis einen Dictator zu wählen durch die Augurn ertheilt wurde. Das Heer führten sie in Abtheilungen von einander unabhängig, erhielten das Recht consulcndi senatum und die Leitung der Centuriatcomitien. Die Wahl von 6 im J. 349 hängt mit der Veränderung des Heerwesens zusammen und die Plebejer hielten auf diese Zahl fortan, weil sie auf Erlangung einiger Stellen mehr Aussicht bot, die Consulartribunen erhielten aber jetzt auch die con- sularis potestas. Wenn später 8 Kriegstribunen erwähnt werden, so ist nach den Verhältnissen der Censur und den alten Schriftstellern

*) Weil Hr. B. das Resultat der Abstimmung über die Berechtigung des freien lateinischen Aufsatzes in der INlaturltätsprüfung durch die vorangegangene Discussion nicht vollständig erklärt findet, die Erwä- gung vermiszt, dasz man geradezu eine Skizze zu demselben als einer freien lateinischen Stilübung geben könne, und genaueres von dem vollständigen Abdruck der Verhandlungen erwartet, so findet sich Ref., da er die Nichterfüllung der letzten Erwartung in voraus zu versichern im Stande ist, zu folgender Bemerkung veranlaszt. Die ganze Discussion erhielt sich fortwährend In dem Charakter der IMIttheilung von Erfahrungen und Ansichten, und es darf deshalb das Resultat nicht darnach beurtheilt werden, ob eine Ansicht ausführliche Erwi- derung und Erörterung gefunden hat oder nicht. Der von Hrn. B. aufgestellte Gesichtspunkt war erörtert; auch der Vorschlag desselben findet sich, wenn auch nicht mit dersell)en Schärfe und Bestimmtheit, doch in dem entlialten, was rücksli htlich der Vorbereitung In Betracht des Stoffes z, B. von Gravenhorst angeführt wurde; denn ob die Skizze dictiert, oder mündlich erörtert oder schon vorher dem Schüler indirect gegeben wird, macht keinen wesentlichen Unterschied. Die Mehrzahl überzeugte sich durch die Erörterung, wie sich dem Auf- satze, den man aus paedagogischen Rücksichten für nothwendig hielt, eine solche Einrichtung geben lasse, dasz die erwälinten Uebelstände, so weit es in der Macht der Lehrer augenblicklu h liege, beseitigt würden, und deshalb ergab sich bei der .Abstimmung das bezeichnete Resultat. Die letztere liesz man allerdings nur eintreten, weil die Discussion nicht so weit ausgedehnt werden konnte, dasz jeder seine Ansicht für sich hätte aussprechen können.

Auszüge aus Zeilscliriften. 421

nur die Annalinie möglich dasz die Consnlartribinien von 351 an un- beschadet ihres Charakters, wie die Consuhi früher, den census übten. Demnach vereinigten die Consuiartribunen zuletzt alle Geschäfte der Consuln in sich und wurden eben dadurch der plebes, der sie vorher angenehm waren, verhasst). ding er: Umrisse der österreichi- schen Geschichte vom Ende des 8n bis gegen Ende des lOn Jahrhun- hunderts nach *\cn Ergebnissen der neuesten Forschungen (S. 303 336: statt einer Kecension der wichtigsten historischen Forschungen, namentlich Dummlers, stellt der Vf. die Ergebnisse in z'usammenhan- gender Uebersicht dar und zwar hier die beiden Perioden: Anfänge fränkischer Einrichtungen circ 800—856 und Ausbildung fränkischer Einrichtungen und slawische Grenzreiche bis zum Untergange beider durch die Magyaren ca. 856—907). Bonitz: über die beabsichtigte Aenderung des Gymnaslal-Lehrplans für das lateinische und die philo- sophische Propaedeutik auf Grundlage der ah. Bestimmungen vom 6n Dec. 1854 (S. 337—369: es werden mit gründlich eingehender Moti- vierung folgende Anträge gestellt: eine Erhöhung der Stundenzahl für philosophische Propaedeutik möge nicht sofort gleichmäszig an allen Gymnasien eintreten, sondern nur da, wo der Unterricht in der Hand eines wenigstens gesetzlich qualificierten Lehrers sich befindet, da- gegen Lehranstalten, an welchen dies nicht der Fall, bis zur Erfül- lung jener Bedingung ausdrücklich versagt bleiben, 2) dasz die gefor- derte Erweiterung nicht durch Verdoppelung der Stundenzahl in der 8n, sondern durch Ausdehnung auf die 7e mit der bisherigen Zahl von je 2 wöchentlichen Stunden erreicht werde. 3) eine Erweiterung des Stoffes kann weder durch Aufnahme eines encyclopaedischen Un- terrichts, noch eines Ueberblickes über die Geschichte der Philosophie erfolgen, sondern nur durch die schon im Organisationsentwurfe be- zeichnete Einleitung in die Philosophie, aber auch erst nach Erfüllung der dort festgestellten Bedingung dasz sie in lehrmäsziger Fassung vorliege. 4) in die Maturitätsprüfung ist die ph. Prop. nur da aufzu- nehmen, wo die Stundenzahl Erweiterung erfahren hat, aber für die- selbe sind bestimmte Prüfungsnormen abzulehnen. Rücksichtlich des Latein wird, nachdem dargelegt ist, wie in der That jetzt nicht we- niger, sondern mehr geleistet werde, als früher, nicht von einer Er- weiterung der Stundenzahl, sondern von der Vorbildung zahlreicher tüchtiger Lehrer auf der Universität eine Erhöhung der Leistungen erwartet. Statt der sonst gemachten Vorschläge wird eine Verkürzung der Naturgeschichte in dem Obergymnasium vorgeschlagen, die eine Vermehrung der griechischen Stunden in V und VI und eine kleine Abminderung in Vll und VIII, damit aber 2 St. philosophische Pro- paedeutik in VII möglich mache. Der lateinische Unterricht soll in III in beiden Semestern 6, in VII 6 Stunden erhalten und dadurch von 49V2 auf 51 in Sa. wachsen). Xenophons Anabasis erkl. von Hertlein. 2e Aufl. ang. von Schenkl (S. 370—375: die Texteskritik habe zwar gewonnen, schliesze sich aber immer noch nicht genug an die besten Handschriften an; auch in der Erklärung sei noch nicht alles, was früher gerügt , berücksichtigt oder vermieden worden; doch sei die Ausgabe recht brauchbar, und namentlich die Zugabe von Kiepert ihr eine Zierde). Bopp: vergleichendes Acrentuationssystem, angez. von Jos. Liszner in Eger (S. 365 f.: der Inhalt wird angegeben, in Betreff der Endung des Partie, perf. ojg die Ansicht von Curtius ver- theidigt). Pangkofer und Frommann: Deutschlands Mundarten, angez. von K. VVeinhold (S. 377—379: zur Unterstützung empfoh- len). — Lübben: Wörterbuch zu der Nibelungen Not, angez. von dems. (S. 379 f.: als recht nützlich bezeichnet). Hoffmann: neu- hochdeutsche Schnigrammatik, 2e Aufl., ang. von A. Hahn (S. 380

422 Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen, statist. Notizen.

3^6: sehr gelobt, aber einige eingehende Bemerkungen). O. De- utsch: Elementar-Atlas der allgemeinen Geographie, ang. von Stein- hauser (S. 386 388: als der Anfang eines neuen Umschwungs im Schulkartenwesen begrüszt), E. von Sydow: orographischer Atlas (S. 388-393: des Vf. einleitende Worte abgedruckt). Lutter Ferdinand: a termeszettan alaprajza, 2e Aufl. ang. von Grailich (S. 394—404: sehr gelobt, aber möglichst enges anschlieszen an das Original, Schödiers Buch der Natur, unter Vermeidung hier vorkom- mender Unrichtigkelten empfohlen). Kutzner: 12 anatomische Wandtafeln und ders.: die Lehre vom Menschen, angez. von Brücke (S. 404 406: die Werke seien ganz schlecht und voll haarsträubenden Unsinns; Physiologie gehöre niciit in das Gymnasium, geschweige denn in die Volksschule). Verordnungen usw. (S. 407 422). Oester- reichische Schulprogramme (S. 423 ^428: Mittels: über meteorolo- gische Linien, Gymn. zu Laibach, Axamil: über die Erregung der .sogenannten Extraströme, Prag akad. Gymn., Hain: Beiträge zur Witterungskunde Siebenbürgens, Gymn. zu Schäszburg, und Reale: Studj d' igrometria, Gymn. zu Como, angez. von K. Kreil. Peg- ger: parallelogrammo della forze, Gymn. zu Zara, Cavallieri: una questione sulla natura degli atomi componenti i corpi , Milano, Bar- nab., Contzin: kleine Rundschau im physikalischen Cabinet, Gymn. zu Botzen, Adam: über die Anfangsgründe der Mechanik in Unter- realschulen, Troppau, und Schi vi tz: Beiträge zur geognostischen Kenntnis des Coglio bei Görz, Gymn. zu Triest, ang. von Schabus. Schrei nzer: über praktisches arbeiten in chemischen Laboratorien und Clarks Methode der Härtebestimmung des Wassers angewendet auf Linzer Trinkc|uellen , Linz Oberrealsch. , ang. von Hi nt erber ger). - Litterarische Notizen (S, 428 432. Klopps deutsche Geschichts- bibliothek wird als verfehlt bezeichnet, Arany: Toldi, übersetzt von Kolbenhey er, als auch für die Schule wol benutzbar empfohlen, Erzählende Gedichte, Innsbruck Wafrner, und Ernste Declamationen, Lpz. Wengler, wie überhaupt die jetzt zahlreich auftauchende Litte- ratur nicht sehr erspriesziich befunden, S|^iesz: Goethes Leben und Dichtungen als ein brauchbares Hülfsbuch den Lehrern am Obergym- nasium dargestellt, auf Hertel: ausführliche Mittheilung über die kürzlich in Zwickau aufgefundenen Handschriften von Hans Sachs auf- merksam gemacht).

Berichte über gelehrte Anstalten , Verordnungen , statistisclie Notizen, Anzeigen von Programmen.

Glogau]. Das Lehrercollegium des dasigen königl. evang. Gym- nasiums bestand im verflossenen Si huljahre aus dem Dir. Dr. Klix [s. Bd. LXIX S. 676, LXX S 120], Pror. Dr. Petermann, Prof. Dr. Roller, den Gymnasiallehrern Dr. Stridde, Lucas, Beissert, Oberl. Dr. Rühle [Bd. LXX S. 117 u. 560], Scholtz, Frass, Dr. Munk, Cand. Storch, Turnlehrer Haase. Die Schülerzahl betrug 258 (I: 33, II: 43, III: 52, IV: 58, V: 47, VI: 25), Abitur. Mich. 4, Ostern 7. Den Schulnachrichten voraus ;;eht die Abhandlung vom Oberl. Dr. Rühle: liciträge zur elementaren liehanilhinfr der h'cfrcl- schnitlc (9 S. 4 und eine Figurentafel) und die AntriHsredc des Di- rertor (8. 10 18). Die letztere entwickelt die Idee des Gymnasiun\s und die Bedingunn;cn zu ihrer Verwirklichung in einer Weise, dasz

Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, stallst. Notizen. 423

man recht viel daraus lernen kann und jeder gewis sich angeregt, er- frischt, erbaut fühlt.

Gotha]. In das LehrercoIIegium des dasigen Gymnasium illustre waren Ostern 1854 der Hofdiaconus Herr mann (für Ertheilung fran- zösischen Unterrichts während des Sommersemesters) und der Cand. J. H. J. Möller (zunächst prphemäszig auf ein Jahr) eingetreten. Die Scliülerzahl betrug 200, zur Universität wurden 12 entlassen. Die Programmabhandlung schrieb Dr. Regel: de syllabae a ad formanda udverbia substantivis vel adicctiv'm in lingua Atiglica praefixae ori- frine ac natura (13 S. 4).

GiBENJ. Das LehrercoIIegium des dasigen Gymnasiums bestand Ostern 1855 aus dem Dir. D. C. Th. Kock [s. Bd. LXIX S. 577], Prof. Dr. Sausze, Conr. Richter, den Oberlehrern Niemann und Michaelis, Subrect. Schwarze, Quartus Heydemann, Cant. Holtsch, Organ. Roch, Zeichenlehrer Wollmann. Die Schülerzahl betrug 173 (I: 14, II: 14, III: 45, IV: 27, V: 33. VI: 40), Abiturien- ten 6. Die wissenschaftliche Abhandlung schrieb der Director: de Pfälonide et Callistrato (30 S. 8).

Güstrow], Das Gymnasium (s. Bd. LXIX S. 701), dessen Leh- rercoIIegium auch im letztverflossenen Schuljahre keine Veränderung erlitt, zählte im Wintersemester 76 Seh. (I: 14, II: 17, III: 23, IV: 22) und entliesz Mich. 1854 1 , Ostern 1855 2 Abit. Das Programm enthält die Abhandlung vom Lehr. Vermehren: über die electro- magnetische Kraft des in den Leuchtgasretorten sich bildenden Gra- phites (16 S. 4). ' «

Halberstadt]. In dem Lehrerpersonale des königl. Domgymna- siums traten im Laufe des Jahres Ostern 1854 55 folgende Verände- rungen ein: der IMusikdirector Wolff ging ab, einem Rufe nach Cre- feld folgend, und an seine Stelle trat der JVlusiklehrer Held vom kön. Schullehrerseminar. Der Hülfslehrer Dr. Schulze fand am Gymna- sium zu Torgau, der Schulamtscand. Dr. Linke an dem zu Wesel eine Anstellung. Der wissenschaftliche Hülfslehrer Dr. Wilhelm Wolters torff II sah sich durch seine Gesundheit genöthigt, den Leh- rei'beruf aufzugeben und sich zum Studium der Jurisprudenz zu wen- den. Seine Stelle erhielt der schon vorher am Gymnasium beschäf- tigte Dr. Willmann und der Schulamtscandidat Kalmus ward als Substitut des Musikdirector Geisz (■}• '22. Dec. 1854, 82 J. alt) bestellt. Die Schülerzahl betrug im Winter 236, Abiturienten waren 7. Das Pro- gramm enthält die Abhandlung vom Oberl. Dr. C. C. Hense: über personißcierende Adjectiva und Epitheta bei griechischen Dichtern, namentlich bei Pindar, Aeschylus, Sophocles ("24 S. 4).

Hanau]. Der Personalbestand der Lehrer des dasigen Gymnasiums (s. Bd. LXIX S. 577) erlitt im verflossenen Schulj. nur die Verände- rung, dasz als 5r beauftragter Lehrer der Gymnasialpraktikant Nie. Schell eintrat. Die Schülerzahl betrug am Schlüsse 85 (I: 10, II: 18, III: 13, IV: 19, V: 18, VI: 7). Abiturienten waren 5. Den Schul- nachrichten vorgestellt ist die Abhandhing vom Conr. Dr. O. Vilmar: Reste der Allitteration im Nibelungenliede (36 S. 4).

Hklmstaüiit [s. Bd. LXIX S. 577]. Das Gymnasium verlor im ver- flossenen Schulj. durch den Tod den Conr. Dr. Elster [Bd. LXX S. 120], und am 16. Dec. 1854 den provisorisch in seinen Unterricht eingetretenen Schulamtscand. K. G. L. G. Leiste. In den Ruhestand trat im Sept. der Oberlehrer Meier und der Generalsiiperintend. Stöter gab Ende 1854 den von ihm ertheilten Religions- und hebraei- schen Unterricht auf, um in Gandersheim sein neues Amt anzutreten. Die Lücken wurden einigermaszen ausgefüllt, indem die Herren Ver- dens und Dr. Marx auszerordentliche Stunden übernahmen. Seit Oct.

424 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen.

vor. Jahres ertheilte der Schulamtscand. Elster provisorisch Unter- richt, um zugleich die 2e Hälfte seines Probejahrs abzuhalten. Die Schülerzahi betrug 60 (I: 9, II: U, III: 17, IV: 22), Abit. I. Das Programm enthält die bei den Bestattungen der verstorbenen Lehrer von dem Oberl. Dr. Schütte und den Predigern Bräsz und Tappe gehaltenen Reden.

Hildburghausem]. Die Bd. LXIX S. 577 f. berichteten Verhält- nisse am'dasigen Gymnasium dauerten auch im Schuljahre Ostern IHoi 55 fort. Der Schulfimtscand. Schaubach ertheilte auch nach Ab- lauf seines Probejahrs Unterricht, das gesetzliche Probejahr hielt der Schulamtscandidat Keszler ab. Die Schülerzahl war 68 (I: 8, II: 8, III: 4, IV: 14, V: 19, VI: 15), Abitur. 6. Den Schulnachrichten vor aus geht ein Brief des Prof. Dr. Reinhardt an den Reg. R. Seebode zu Wiesbaden über eine neue Bearbeitung^ des Terenz (l9 S. 4).

Hikschbkkg]. Das Lehrerpersonal des da.sigen Gymnasiums bestand nach den Bd. LXIX S. 460 u. 702 angezeigten Veränderungen aus dem Dir. Prof. Dr. A. Dietrich, Pror. Ender, Oberl. Dr. Mos zier, Conr. K rügermann, Dr. Exner, Scholz, Oberl. Dr. Haacke, auszerord. Lehr. Prof. Dr. Schubarth, den Pastoren Hesse und Werkenthin [nach Abgang des Pastor. Trepte und interistimischer Ausfüllung durch Pastor Dr. Peiper], kathol. Stadtpfarrer Tschup- pick, Cantor Hoppe und Zeichenlehrer Maler Troll. Die Schüler- zahl war im Winterhalbj. 128 (I: 17, II: 10, III: 30, IV: 38, V: 33), Abitur. 5. Die Errichtung einer 6n Classe ist in Aussicht gestellt. Den Schulnachrichten voraus ^eht die Abhandlung vom Dir. de voca- lium quibusdam in lingua latina ajfectionibus (16 S. 4).

LÜisebukg]. Das Johanneum, in dessen LehrercoUegium keine Ver- änderung vorgieng [Bd. LXIX S. 578], zählte am 12. Dec. 1854 im Gymnasium 296 Seh. (VII: 43, VI: 53, V: 59, IV: 34, III: 31, II: 2H, I: 21), in der Realschule 10t (III: 49, II: 47, I: 8), in Sa. also 373. Zur Universität wurden entlassen 8. Die Programmabhandlung schrieb Dr. J. N. Möhring: zur Theorie der Musik (17 S. 4).

Magdeburg]. l3as Lehrerpersonal des Paedagogiums zum Kloster U. L. F. [Bd. LXX S. 118] blieb im Jahre 1854 55 unverändert, auszer dasz im Oct. 1854 der Hülfslehrer Kalkow (Turnlehrer), um einen andern Beruf zu ergreifen, freiwillig ausschied und an seine Stelle der Lehrer Friedemann neu angestellt wurde, ferner die Col- jegen Michaelis und Kloppe das Praedicat 'Oberlehrer' erhielten [s. oben S. 158]. Zur Universität giengen Ost, 1854 4, Mich. 6, der Coetus zählte am Schlüsse 439 Seh. (I: 26, H: 41, Hl": 31, Hl'': 39, IV«: 37, IV': 49, : 60, V": 56, VP: 62, VI": 38). Den Schulnach- richten vorausgestellt ist die Abhandlung von Dr. Schmidt: de über- täte orationis Sophodcac. Pars prior (24 S. 4).

Mkldohk]. Das LehrercoUegium der dortigen Gelehrtenschule [s. Bd. LXIX S. 703 f.] erfuhr im letzten Schuljahre grosze Umwandlung. Um das Conrect rat zu vertreten ward Ost. 1854 der Dr. Witt aus Horst constituicrt, der Subrector Dr. Vechtmann übernahm da.s Ordinariat von Secunda. ' Doch am 29. Sept. ward der letzgeuannte als Rector an dem Realgymnasium zu Rendsburg constituicrt, der 6e Lehrer Jansen zum 5n Lehrer an der Gelehrtenschule in Kiel ernannt, Dr. Witt als 8r Lehrer in Glücksta<lt constituicrt. Candid. Kürsch- ner gieng nach Futin [ob. S. 260]. Dagegen wurde zuui Conrector der vorher als Conrector an der Rendsburger Gelehrtenschule consti- tuierte H. Hagge, zum Subrector der vorherige je Lehrer in Kiel W. Th. J u ngc la ussen , zum (in Lehrer der vorher in gleicher Stel- lung in Rendsburg constituierte Dr. O. Kalssen ernannt, enillich der Cand. P. N. A. Beckmann aus Schleswig als 8r Lehrer constituicrt.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 425

Die Schülerzalil betrug 82 (T: 14, II: 12, IIT: 21, IV: 21, V: U),

iMich. waren 3 Abit. Den Sohulnachrichten voran geht eine Abhand- lung des Rector Dr. W. H. Ko Ister: Sophoclcsne intcrdum ad sui temporis res gestas nos ableget, quacr'ttur (17 S. 4).

MÜhlhaüsk.nJ. Ueber die Veränderungen im Lehrercollegium des dasigen GYmnasiunis s. Bd. LXIX S. 579, Bd. LXX S. 567, oben S. 274. Die Schülerzahi betrug Ostern 1855 JIO (I: 14, II: 18, HI: 13, IV: 33, V: 32), Abiturienten Ostern 1854 6. Dem Programme beige- geben ist eine Abhandlung vom Subconrector Dr. Alb. Dilling: die rrogressiotien, figurierten Zahlen, Polijgonalzahlcn , Fijramidalzah- Icn, höheren Dlfferenzreihen , Faktoriellen und Fakultäten (23 S. 4). Nku.strelitz]. An dem Gymnasium Carolinum ward seit Ostern 1853 der Candid. Frdr. Latendorf nach Bestehung des Probejahrs auch ferner mit Lectionen beschäftigt. Seit Ostern 1854 wurden statt der einmaligen am Beginne jeder Schulwoche tägliche Morgenandach- teu, be.stehend aus Gesang, Vorlesen eines an den Gang des Kirchen- jahrs sich anschlieszenden Bibelabs<;hnittes und einem Gebete, einge- führt. Eine praktische Einrichtung ist die, dasz in den untersten Klassen Notizbücher vorhanden sind, in welchen die Bemerkungen über den Fleisz der Schüler von Zeit zu Zeit von dem Hauptlehrer der Klasse verzeiciinet werden. , Indem diese den Eltern oder Beaufsichti- gern zur Unterschrift vorg^egt werden müssen, wird eine häufigere Verbindung zwischen Schule und Haus erreicht. Um das Ziel der er- sten eigentlichen Gymnasialklasse, Quarta sicherer zu erreichen, wer- den den schwächeren Schülern in den fremden Sprachen und in der Mathematik leichtere Aufgaben zu den häuslichen Arbeiten gestellt, die letztern zum Theil auch ganz erlassen, bis sie im Stande sind, mit den übrigen Schülern gleirhen Schritt zu halten.

Die Schülerzahl betrug

Ost. Mich. 1853

Mich. 1853 Ost. 54

Ost. Mich. 54

Mich. 54 Ost. 55 Abit. Mich. 53 4, Mich. 54 3. Den Schulnachrichten voran geht die Schrift vom Lehrer C. Villatte: La promenade. Poeme de Schiller, traduit en fran^ais et precede d'observations critiques sur plusieurs points de la versification fran^aise (28 S. 4).

Oesterreich]. Verordnungen des Ministers für Cultus und Unter- richt: I) vom 21. Fel)r. 1855. Die in der Verordnung vom 18. Oct. 1850 gewährte Möglichkeit die Gymnasialstudien in kürzerer Zeit, als es an den öffentlichen Gymnasien geschehen kann, zu absolvieren ist in wiederholten Fällen theils durch Umgehung der in jener Verord- nung enthaltenen Vorschriften, theils durch unverständige Benützung der darin gewährten PVeiheit zu offenbarer Beeinträchtigung gründ- licher Bildung gemisbraucht worden. Um diesem Uebelstande für die Zukunft vorzubeugen, wird folgendes angeordnet: 1) wer nicht als öffentlicher oder Privatschüler der f^n Kl. an einem Öffentlichen Gym- nasium eingeschrieben war, kann sich der Maturitätsprüfung nicht an jedem beliebigen Gymnasium ohne weiteres unterziehn, .sondern hat bei der politischen Laudesstelle des Kronlandes, in welchem er die Maturitätsprüfung abzule{;en wünscht, wenigstens drei Monate vor Ablauf des Schuljahrs um Bestimmung des Gymnasiums nachzusuchen, an welches er sich zu wenden habe. In diesem Gesuche ist mit be- glaubigten Zeugnissen nachzuweisen, wo und wie und binnen welcher Zeit der Bittsteller die Gymnasialbildung erlangt hat. 2) Die Landes- stelle hat diese Nachweisungen zu prüfen, im Falle nähere Erhebung zu pflegen,, und das Gymnasium zu bestimmen, an welchem die Can-

I.

H.

HI.

IV.

V.

Sa.

13

22

30

23

62

150

7

22

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26

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150

15

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62

158

10

19

30

30

65

154

426 Berichte über gelehrle Anstallen, Verordnungen, statist. Notizen.

didaten und zwar mit besonders sorgfältiger Erprobung ihrer Bildung und geistigen Reite vorzunehmen ist. Ohne besonderen Auftrag der Landessteile ist kein Gymnasium berechtigt, Maturitätsprüfungen mit Schülern der bezeichneten Art vorzunehmen, und sollte es dennoch geschehen, so wäre eine solche Prüfung ungiltig und wirkungslos. 3) Weisen die der Landesstelle vorgelegten Documente oder Erhebungen die gesetzlichen Bedingungen der Zulassung zur Maturitätsprüfung nicht nach, oder ist zu ersehen, dasz es dem Bittsteller offenbar an der erforderlichen Bildung fehlt, oder dasz es ihm an der Möglichkeit sich die erforderlichen Kenntnisse zu erwerben gebrach oder dasz ge- gen seine Zulassung zu höheren Studien sittliche Bedenken obwalten, so ist sein Gesuch abzuweisen. 4) F]ine durch falsche Angaben oder was immer für Unterschleife erschlichene Zulassung zur Maturitäts- prüfung hat deren Ungiltigkeit und die Aussclilieszung von jeder Wie- derholung derselben zur Folge. Der Versuch solchen Unterschleifs ist ebenfalls mit unbedingter Ausschlieszung von jeder Maturitätsprüfung zu bestrafen. 5) Schüler, welche einem Gymnasium angehört haben und aus demselben ausgetreten sind, um die Gymnasialstudien auf dem Wege des häuslichen Unterrichts zu vollenden, ohne sich Semestral- prüfungen zu unterziehen, sind in der Regel nicht früher als am Ende desjenigen Schuljahrs, in welchem sie bei regelmäsziger Fortsetzung ihrer Studien an einem öffentlichen Gyitfliasium die 8e Klasse absol- viert hätten, zur Maturitätsprüfung zuzulassen. Ausnahmen hieven können jedoch bewilligt Werden, wenn durch besondere Umstände die Wahrscheinlichkeit eines ungewöhnlich erfolgreichen Studiums nach- gewiesen ist. IL Verord. vom 7n März 18jö, die Ueberbürdung der Gymnasialschüler mit häuslichen Aufgaben betr.: Mit dem Erlas.se v. 29. Jun. 1851 sind die Gymnasialkörper angewiesen worden, in ihren Forderungen an die Schüler und namentlich in Betreff der Hausauf- gaben jedes Uebermasz, wodurch die jugendlichen Kräfte überbürdet werden, zu vermeiden. Bei verschiedenen Anlässen ist ferner insbe- sondere vor dem überstürzen des Unterrichts und vor der ungebührli- chen Ausdehnung des Lehrstoffs auf Kosten der Gründlichkeit gewarnt worden. Diese Weisungen scheinen jedoch von manchen Lehrern gar nicht, oder nicht in der Weise beachtet zu werden, als es nöthig ist, um den Erfolg dts Unterrichts nach seiner erziehenden Seite zu ver- bürgen, indem vielfältig noch darüber geklagt wird, dasz an den häus- lichen Fleisz der Schüler Forderungen gestellt Averden, deren Erfül- lung ohne Nachtheil für die körperliche und geistige Gesundheit der Jugend nicht niöglich sei. Es kann den Lehrern, namentlich den jün- geren, die von ihrem bestgemeinten Eifer sich leicht zur Ueberschrei- tung des gehörigen Maszes verleiten lassen, nicht oft und nicht drin- gend genug gegenwärtig gehalten werden, dasz die Gymnasial|)aeda- gogik ein ruhiges und sicheres fortschreiten des Unterrichts auf bereits befestigten Grundlagen, dasz sie Einheit und P^beiuuasz im ganzen Lehrgange, dasz sie endlich von den Scliülern nicht so sehr umfassende Kenntnisse als vielmehr vielseitige Uebung der Kräfte und gründliche Vertiefung in die für den Jugendunterricht geeigneten Stoffe verlangt. Die Gefahr der Ueberbürdung liejit nicht in einer anhaltenden ptticht- getreuen Beschäftigung, bei welcher nichts üliereilt und welche so geleitet wird, dasz der Schüler immer mehr Zuversicht zu seiner Kraft gewinnt und mit zunehmender Lust zum lernen weiter fortsclireitet, sondern darin, dasz die Schüler zu Leistungen verhalten werden, de- nen sie bei n()<:h nicht gehörig geiil)ter und gestärkter Kraft nicht gewachsen sind, oder welche, wenn auch ihrem Gehalte nach leicht überwindlich, vermöge ihrer Ausdehnung innerlialb der bemessenen Zeit, ohne Abbruch der nöthigen Ruhe und Erholung, sich nicht be-

Berichte über gelelirto Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 427

wältigen lassen. Das ist ein Uebel, welches allemal verschuldet wird, sobald jeder der in einer Klasse beschäftigten Lehrer seinen eigenen Weg geht, ohne Rücksiciit auf die bedingte Stellung, welche sein Fach als ein integrierender Theil der gesamten Aufgabe der Schule einzunehmen hat, oder, wenn einzelne Lehrer die geistige Aneignung und Durchiibung des LehrstolFs seitens der Schüler nicht zur Aufgabe des eigentlichen Unterrichts machen, sondern irriger Weise den Erfolg dieses in einer Ueberfiillung mit Kenntnissen suchen, deren Erwerbung sie hauptsächlich dem mehr oder weniger mechanischen memorieren überlassen; oder wenn in Bezug auf den Umfang oder die Zahl selbst solcher Aufgaben, welche vorschriftsmäszig von den Schülern zu Hause bearbeitet oder memoriert werden sollen, der Klassenlehrer sich nicht mit den ihm beigeordneten Lehrern regelmäszig ins einver- nehmen setzt, um die periodische Vertheilung dieser Aufgaben festzu- stellen, die Forderungen der mitwirkenden Lehrer auszugleichen und so zu verhüten, dasz mühsame. und zeitraubende Aufgaben aus meh- reren Gegenständen zugleich auf einen Tag fallen. Oft wird auch gerügt, dasz manche Lehrer die eigene methodische Vorbereitung für jede Lection vernachlässigen, wodurch sie Gefahr laufen das wissen- schaftliche Material, welches ihnen ^selbst zu Gebote steht, auch in die Schule zu übertragen, ohne mit Bedacht und Com.l)ination das- jenige auszuwählen, was zum eigentlichen Schulunterrichte gehört. Es liegt jedesmal für die Schule ein gerechter Vorwurf mangelhafter Pflichterfüllung darin, wenn, wie es noch häufig der Fall ist, die Mitwirkung der Hauslehrer als eine unerläszlicse Bedingung dessen bezeichnet wird, dasz die öffentlic*lien Schüler den Anforderungen der Schule nachkommen. Obgleich nun die gerügten Misgriffe keineswegs den Lehrern im allgemeinen zum Vorwurfe gemacht werden können, viele sich vielmehr von dem Verdachte derselben rein zu erhalten ge- wust' haben, so sehe ich mich dennoch bei dem Umstände, dasz in den Zustandsberichten noch solche paedagogische Gebrechen an man- chen Gymnasien als vorhanden nachgewiesen werden, welche die Kla- gen über Ueberbürdung der Schüler als nicht unbegründet erscheinen lassen, zu der Eiinnerung veranlaszt, dasz die Inspectoren und die Directoren der Gymnasien dieser wichtigen Seite des Schullebens ihre unausgesetzte Aufmerksamkeit schenken, und auf die Abstellung der angedeuteten Misgriffe, wo solche vorkommen, dringen. Sie haben namentlich die auf diesen Gegenstand bezüglichen Weisungen des Or- ganisationsentwurfs und die Verordnungen vom 29. Jun. 1851, 31. Aug. 1852 und 30. Mai 1853, mit Hinblick auf die unterm 1. Jan. dieses Jahres erlassene Verfügung den Lehrern mit Nachdruck in Erinnerung zu bringen und deren genaue Durchführung zu überwachen, indem ich in dem Falle, als die erwähnten Klagen sich wiederholen, und bei der näheren Untersuchung sich nicht etwa als unstatthafte Einwen- dungen gegen gerechte Anforderungen der Schule, die ihre Pflicht thut, sondern als gegründete Beschwerden gegen fortdauernde Misgrifte er- weisen sollten, mich bemüszigt sehn würde gegen ein Verfahren ein- schreiten zu lassen, auf welchem erwiesenermaszen die Schuld der unverzeihlichen Unkenntnis oder der wissentlichen Auszerachtlassung bestehender Vorschriften lastet.

Ratfbor]. Das dortige königl. evangelische Gymnasium hat vom 1. Jul. 1854 an eine Erhöhung seines Etats erhalten, indem das Leh- rerpersonal auszer dem Director und den beiden Religionslehrern aus 8 ordentlichen und 2 wissenschaftlichen Hülfslehrern bestehen soll, die Gehalte aber von 925.^ (der Staatszuschusz um 700 auf 3800^) erhöht worden sind. Nach dem früher berichteten Abgang des Dir. Som- raerbrodt [Bd. LXIX S. 573] und Prorector Guttmann [Bd. LXX

428 Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, stallst Notizen.

iS. 356] Lestand das Lehrercollegium aus dem Directorats Verwalter Pror. Prof. Dr. Passow [Bd. LXX S. 350], dem Conr. Keller, den Oberlehrern König, Kelch, Fülle [Bd. LXIX S. 705], den ordent- lichen Lehrern Reichardt, Kinzel [vorher wissenschaftl. Hülfsleh- rer, wornach Bd. LXX S. 569 zu berichtigen], Wolff [ebenfalls vom Hülfslehrern aufgerückt], den ^vissensch. Hülfslehrern Schneck und Zander [provisorisch vornehmlich für den evangel. Religionsunter- richt in den oberen Klassen angestellt], dem kathol. Religionslehrer Lic. theol. Storch, evangel. Super. Redlich, Zeichenlehrer Lieut. Scheffer, Gesang- und Turnl. Lippe lt. Die Schulerzahl betrug 385 [I: 32, II: 43, IH^: 50, III'': 4ö, IV^: 41, IV": 25, V: 74, VI: 72]. Ostern 1854 waren 14, Mich. 1 Abiturient. Dem Programme ist vorangestellt die Abhandlung vom ord. Lehr. M. Kinzel: über Diamagnetismus (22 S. u. eine Figurentafel).

Sondkrshausen]. Das dortige fürstl. Gymnasium hat im vergan- genen Schulj. eine neue Lehrerverfassung erhalten, deren vielleichtige Veröffentlichung in Aussicht gestellt wird. Dieselbe gilt, wie nach dem dortigen Programme zu urtheilen, auch für das Gymnasium zu Arnstadt. Wir theilen hier nach dem Sondershauser Programme, das sonst nur eine äuszerliche Bestimmung zur Kenntnis der angehörigen der Schüler bringt», den Lectionsplan mit:

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Die gröszte Ausdehnung ist hier dem deutschen Unterrichte gegeben, wie wir uns kaum von einem andern Gymnasium erinnern. In Prima ■wird Grammatik gelehrt, wie es scheint, Syntax Becker ,<i) 264 280, 205 230), nachdem in Secunda die Wortbildungs- und Flexionslehre mit Berücksichtigung des alt- und mittelhochdeutschen vorausgegan- gen. In jeder der beiden Klassen wird übrigens deutsche Leetüre ge- trieben, combiniert haben sie freie Vorträge und Litteraturgeschichte in 2 St. Auch in III und IV wird die Grammatik, jedoch in Verbin- dung mit Leetüre getrieben, während in V Aufsätze und Leetüre nach Oltrogge allein angeführt stehen. Die Schülerzahl betrug 75 [l: 9, II: 8, III: 12, IV: 28, V: 18]. Abit. 1.— Den Schulnachricliten voran geht Probe einer neuen bcabsiclitigten Ausgabe von Arrians Anabasis, vorgelegt vom Oberlehrer Dr. Hartmann (17 S. 4). Die Ausgabe ist für die Altersstufe bestimmt, auf welcher jetzt Arrians Anabasis gelesen zu werden pflegt; sie soll dem Schüler das zur öffentlichen Leetüre, wie besonders beim Privatstudium nöthige Material bieten, zunächst die grammatische Seite berücksichtigend, aber auch die Sach- erklärung niclit vernachlässigend. Als Probe mitgetheilt wird die Kin- leitung, der Commentar zu den fünf ersten Capiteln des ersten Buchs und auf S. 17 einige kritische Bemerkungen. Wir erkennen daraus, dasz der Hr. Vf. nicht nur richtigen Takt und ausgebreitete Kennt- nisse besitzt, sondern auch gründliche Studien an dem Schriftsteller

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 429

gemacht hat und können Ihn deshalb nur ermuntern, die Arbeit zu vollenden und zu verölVentlicheu. So trefflich auch die Ausgaben von Krüger und Sintenis sind, so wird man dennoch eine den Bedarf des Schülers an der Hand der Erfahrung zur hauptsächlichsten Richt- schnur nehmende neue Bearbeitung deshalb nicht für überflüssig erklä- ren, zumal wenn dieselbe, wie Hr. Hartmann beabsichtigt, einen recht fruchtbaren Gedanken, die vergleichende Herbeiziehung des lateini- schen Sprachgebrauchs, verfolgt. Dürfen wir einige Bemerkungen aussprechen, so glauben wir zuerst nicht, dasz die vorliegende Probe völlig der beabsichtigten Ausgabe entspreche, vielmehr scheint dieselbe uns nur zeigen zu sollen, wie der Hr. Vf. zu verfahren gedenkt und ■wie er zu -dieser oder jener Behauptung gelangt sei. So finden wir in der Einleitung, so viel gutes und zweckmäsziges sie enthält, die Citate aus Photius und andern, die Bezugnahmen auf Creuzer, die Bekäm- pfung abweichender Ansichten für den Stand der Schüler, für welche die Ausgabe uns berechnet scheint, nicht ganz geeignet, vielmehr sind wir der Ansicht, dasz man denselben nur mit den Resultaten entge- gentreten, sie nicht in die Untersuchung selbst einführen soll. Auch möchten wir den Hrn. Vf. darauf aufmerksam machen, dasz nicht überall Arrian später als Xenophon gelesen wird ob mit Recht, wollen wir hier nicht untersuchen , was doch vielleicht auf die Fas- sung dieser oder jener Bemerkung einen Einflusz ausüben dürfte, na- mentlich auf die in der Einleitung angestellte Vergleichung beider Schriftsteller rücksichtlich ihres Stiles. Was den Commentar betrifft, 80 müssen wir über die kritischen Bemerkungen (so zum 1. Cap. § 4: 'Vielleicht richtiger mit Krüger zal ig, um dadurch der falschen An- nahme, als rechne Arrian das Gebiet der Triballer zu Thracien, aua dem Wege zu gehen' vgl. § 7) dasselbe sagen, was wir oben wegen der Einleitung bemerkten. Dahin rechnen wir denn auch die Bemer- kungen über Inconsequenz im Gebrauche der Formen, und in der An- sicht, dasz diese nicht auf die Schüler berechnet seien, bestärkt uns die zu 1, 7 über das Augment des plsqpf. pass. gemachte Bemerkung. Uebrigens würden wir in einer für die Schule bestimmten Ausgabe nicht das geringste Bedenken hegen, das ionische s^SiSot in das atti- sche ay.didcoat. zu verwandeln. Sehen wir aber auf die Anmerkungen, die offenbar nur da stehn, um dem Schüler das Verständnis zu erleich- tern, so kann Ref. nicht umhin eine Praxis zu besprechen, die ihm in vielen Schulausgaben der neuesten Zeit zu weit ausgedehnt erscheint. Ein Hauptaugenmerk wie bei der Leetüre der alten Schriftsteller so in den für den Schüler bestimmten erklärenden Anmerkungen bleibt eine gewandte und gute deutsche Uebersetzung, weil dadurch die Verschie- denheiten und Eigenthümlichkeiten der Sprachen zur Anschauung kom- men. Es ist auch nicht zu verkennen, dasz die Mühe, die Bedeutungen vieler Worte zu suchen, nicht selten dem Schüler die Sache verleidet und ihn nicht zum Genüsse, zur Freude an der Leetüre kommen läszt. Xenophons Anabasis erscheint nach des Ref. Erfahrung den jungen Leuten erst dann als das, was sie in so hohem Grade ist, eine höchst ansprechende Jugendlectüre, wenn sie nach einiger Bekanntschaft nicht mehr so viele Worte aufzuschlagen haben, und es wäre demnach gar nicht unzweckmäszig, eine alle seltenere oder doch wenigstens den Schülern noch nicht vorgekommene und nicht leicht wieder vorkom- mende Worte erklärende Ausgabe in ihre Hände zu legen. Wäre die Aufgabe bei der Leetüre keine andere, als die Schüler zur Kenntnis des realen Inhalts zu bringen, oder eine Parlierfertigkeit in den alten Sprachen zu erzeugen, so würde man nichts dagegen einzuwenden haben, wenn in Schulausgaben jeder nur einigermaszen dem Deutschen nicht ganz entsprechende Ausdruck erklärt wäre. Fertigkeit ist zwar

430 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statisl. Notizen.'

•viel mehr ein Ziel des Unterrichts , als man lange Zelt dafür hielt, aber der Weg, auf dem sie im Gymnasium erreicht werden musz, ist der durch Uebung der geistigen Kräfte, die Fertigkeit musz hier zugleich Verständnis und Einsicht in die Gründe sein. Beim Unterrichte nun kann und musz es oft vorkommen, dasz der Lehrer, weil er gerade anderes beachtet wissen will, dem Schüler einfach die Bedeutung eines Wortes vorsagt, und in den Elementarbüchern musz das gleiche gesehehen, ein anderer Standpunkt aber scheint dem Ref. bei Schulausgaben von Schriftstellern einzunehmen, zumal wenn sie zum Privatstudium be- stimmt sind. Denn dies letztere sollte, wenigstens unserer Ansicht nach, nicht eher beginnen, als bis der Schüler im Stande ist, auch bei schwierigerem höchstens in Folge eines Fingerzeigs und unter Be- nützung allgemeiner Hülfsmittel, des Lexicons und der Grammatik, das richtige selbst zu finden; gewis wenigstens wird es erst dann wirklich fruchtbar sein, wenn der Schüler Schwierigkeiten zu überwinden hat. Neben dem Material, welches derselbe zum Verständnis nöthig hat, ohne es selbst finden zu können, wird demnach in Ausgaben der be- zeichneten Art nicht allein Anleitung, sondern auch Veranlassung, ja Zwang selbst zu denken und zu suchen ein Augenmerk sein müssen. Die Praxis ist freilich eine sehr mannigfaltige, aber es sind hier nur zwei entgegengesetzte Maximen zu betrachten, man kann zur Auffin- dung des richtigen den Weg zeigen und man kann das richtige hin- stellen, aber die Aufsuchung der Gründe dafür fordern. Von beidem wird der Lehrer im Unterrichte vielfach Gebrauch machen und sollen für das Privatstudium bestimmte Schulausgaben die Stelle desselben vertreten, so werden die Anmerkungen sowol den einen, als den än- dern Weg einschlagen können, ja müssen. Die Verfasser beabsichtigen gewis, wenn sie einfach die Uebersetzung eines Ausdrucks oder Wor- tes geben, entweder dem Schüler eine Erleichterung zu bieten, damit er auf anderes seine ganze Aufmerksamkeit richten könne, oder ihm das für den speciellen Fall richtige vorzulegen und die Aufsuchung der Gründe oder der Herleitung anheimzustellen. Im erstem Falle kann man leicht in den Fehler verfallen, bei dem Schüler zu wenig vorauszusetzen oder ihm zu wenig zuzumuthen. P^reilich ist hier jedes einzelne für sich zu beurtheilen, aber im aligemeinen dürfte wol die Frage gerechtfertigt erscheinen, ob nicht, wenn wirklich viele tüchtige Lehrer bei den Schülern, für welche sie schreiben, sehr geringen Wort- vorrath oder sehr geringe Uebung in der Ableitung der für die jedes- malige Stelle angemessenen Bedeutung aus der eigentlicben voraus- setzen zu müssen glauben, entweder die Leetüre von Schriftstellern zu zeitig begonnen werde oder im Elementarunterrichte eine unzweck- mäszige Methode herschend sei, und ob nicht im allgemeinen die Pae- dagogik sich dazu neige den Schülern alles so bequem wie möglich zu machen (dasz äuszere Verhältnisse, namentlich die Ueberfüllung mit Lehrgegenständen, daliin -drängen , fügen >\ir zur Vermeidung des ^lis- verständnisses hei). Im zweiten Falle dürfte wol die Natur der Jugend überhaupt, namentlich aber der gegenwärtigen eine aufmerksame Be- rücksichtigung finden müssen. Ref. hat selbst die Erfahrung gemacht und sie von vielen Seiten bestätigt erhalten, dasz mit seltenen Aus- nahmen unsere Jugend sich begnügt gegebenes hinzunehmen, ohne dasselbe selbstthätig weiter zu verfolgen. Betrachte man nur einmal die Schüler, wenn sie sich z. B. mit dem Crusius'schen Wörterbuche auf Homer praeparleren, die Mehrzahl sucht gewis, ohne sich um die Grundbedeutung zu kümmern unter dem Worte zunächst darnach, ob die betrelfende Stelle angeführt wird, und ado|)tiert dann ohne wei- teres die angegebene Bedeutung. Wir wollen Fälle, welche die gröszte Gedankenlosigkeit bei Hinnaiimc der in einer Anmerkung gegebenen

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stalisl. Notizen. 431

Uebersetzung beweisen, indem nicht einmal die Einfügung in die Con- struction beachtet wird, als einzelne gelten lassen, es ist aber in dem Wesen der Jugend begründet, was ihr fertig geboten wird, als sol- ches hinzunehmen. Deshalb möchte Ref. den Herausgebern von Schul- ausgaben dringend zur Erwägung anheim geben, ob sie nicht der Ju- gendbildung einen viel gröszeren Dienst leisten \>iirdeM, wenn sie statt Schweisz zu ersparen, die Jugend nöthigten sich recht anzu strengen um selbst das geeignete zu finden und mit i\en Hülfsmitteln dazu vertraut zu werden. So weit ist es doch wol noch nicht gekom- men, dasz man die grosze Mehrzahl für dessen unfähig halten müste. Wir sind weit davon entfernt, Hrn. Dr. H. das von uns bezeichnete schuld zu geben, wir wünschen vielmehr, dasz er dies alles als nicht um seinetwillen ausgesprochen ansehe und erkennen gern an, dasz er sich von vielem, was wir an andern bedenklich finden, frei erhalten hat, indes wird er doch vielleicht einigen Bemerkungen, welche wir zu der Probe des Commentars machen, nicht jede Beachtung versagen. Dasz zu 1, 1 der Beginn der Olympiadenrechnung fälschlich auf If^i) V-. Chr. gesetzt ist, würde er wol auch ohne uns wahrgenommen ha- ben. Etwas unklar ist die Bemerkung: ' inl ciQxovrog unter dem Ar- chonten, dem höchsten Staatsbeamten in Athen, nach welchem das Jahr benannt wurde. Es gab ihrer immer neun'. Wäre nicht, vor- ausgesetzt dasz der Schüler die Kenntnis davon nicht schon anders- woher besitzt, zweckmäsziger : Jährlich wurden in Athen 9 Archonten als die höchste Staatsbehörde gewählt. Der Name des ersten von ihnen diente zur Bezeichnung des Jahres, und er selbst hiesz deshalb vorzugsweise apjjcov? Ist es wirklich für Schüler, mit welchen man den Arrian zu lesen beginnt, nöthig bei den Worten rrjg £nl rovg niQcag argartäg die Bedeutung 'Heereszug' anzugeben? Will man ihnen die Aufsuchung im Lexikon nicht zumuthen, so gebe man eine allgemeine Bemerkung. Die Uebersetzung werden sie schnell verges- sen, eine Bemerkung, von der sie sehen, dasz sie dieselbe gebrau- chen können, beachten. Hat man z. B. bei 2, 7 rrjv UKQL'ßsiav rrjg ÖLcö^fcog die allgemeine Bemerkung gemacht, dasz die Eigenschaft, welche wir durch ein Adjectiv ausdrücken, von den Griechen zum Hauptbegriff gemacht und die Sache im Genetiv davon abhängig ge- setzt werde, so wird es in anderen ähnlichen P'ällen nur der Verwei- sung bedürfen, um den Schüler die richtige Uebersetzung selbst finden zu lassen, zugleich wird es nicht zu hoch sein, darauf hinzuweisen, dasz eben nicht jede Verfolgung, sondern nur die Beobachtung der Genauigkeit benommen war. Dasselbe gilt von den Anmerkungen: 6 ' ■jtaQsay.fvaßfievoi, schlagfertig, entschlossen. 7 irsQi-naraXauß. ringsum eingeschlossen werden. 4, 6: rj-usi gekommen sei' n. a. Wenn es zu §7heiszt: 'yvcäij,. nsTtoirjvTO: hatten die Ansifht gefaszt' , so war viel wichtiger auf die mediale Bedeutung des Pf. u. Plsqpf. pass. aufmerksam zu machen. Sollten dann die Schüler nicht selbst daraufkommen: sie hatten sich die Meinung gemacht, gebildet? Ueberhaupt halten wir es für methodischer in solchen Fällen allemal die eigentliche Bedeu- tung hinzuzusetzen, und man wird finden, wie man sich oft, ohne dem Deutschen Gewalt anzuthun, ganz eng dem Originale anschlieszen kann. Was soll die nun folgende Bemerkung: 'ohne Artikel in dieser Bedeutung öfters bei Arrian?' Könnte sie nicht zu dem Glauben verleiten, als wäre dies eine Eigenthümlichkeit Arrians?_ Wäre es nicht zweckmäsziger, auf die grammatische Regel hinzuweisen, nach welcher der Artikel fehlt? Doch ^^ir würden zu weit geführt werden, wollten wir an noch mehr Einzelheiten Bemerkungen anknüpfen. Wir hatten nur die Absicht eine FVage anzuregen, die zwar schon oft behandelt, aber von einer abschlieszenden Beantwortung noch weit

iV. Jahrb. f, Pfäl. u. Paed, Bd. LXXII. Hß. 8. 32

432 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen.

entfernt ist. Wenn wir gegen die frühere Interpretiermethode einen heilsamen Umschwung eingetreten, wenn wir Umfänglichkeit der Lee- türe und P'ertigkeit er.strebt .sehen, so scheint es doch nicht unan- gemessen sich zu besinnen und sich darüber einmal Rechenschaft zu geben, ob man denn doch nicht den Schülern den Weg gar zu bequem mache, ob man nicht die Ausdehnung der Leetüre mit Verlust an Gründlichkeit erreiche, ob Fertigkeit, wenn sie sich auf die Anwen- dung grammatischen Wissens und allgemeiner Bemerkungen gründet, nicht mehr werth sei, als ein unbewusztes aneignen der Sprache, ob ein vom Schüler mit Hülfe des Lexikons und eignen nachdenken« er- worbenes, wenn auch vielleicht an vielen Stellen zu berichtigendes Verständnis nicht einen bleibenderen Gewinn gewähre, als ein rasches, durch passives hinnehmen gebotener Ausdrücke bewirktes übersetzen, ob wir nicht bei der Leetüre in höhern Klassen manches jetzt für nöthig geltenden Hülfsmittels entrathen könnten, wenn der Unterricht von vornherein auf den sicheren Besitz eines umfangreichern Wortschatzes und die Gewöhnung von dem eigentlichen aus das entsprechende zu finden hinarbeitete, ob wir endlich alles das, was Sache des Unter- richts, der lebendigen Mittheilung des Lehrers ist, in Büchern nieder- legen können und dürfen. Hrn. Dr. H. aber versichern wir auf- richtigst, dasz unsere Bemerkungen keinen Tadel für ihn enthalten sollen, sondern nur Anregung auf Grund eigener Erfahrung, welcher wir keine gröszere Berechtigung, als der seinigen zugestehn.

R. D. SoRAu]. Die 6e Klasse [s. Bd. LXX S. 119] wurde in dem ver- gangenen Jahre am Gymnasium errichtet und dem Cand. Th. Reu- se her, welcher zugleich sein Probejahr abhielt, anvertraut. Zu den Lehrern trat auszerdem der Zeichenlehrer Berchner hinzu. Die Schü- lerzahl betrug im letzten Winter 180 (I: 10, II: 23, III: 35, IV: 44, V: 39, VI: 29], Abiturienten 4. Ifen Schulnachrichten ist vorausge- schickt, jedenfalls von dem Dir. Dr. Seh rader verfaszt : Anleitung^ zum Privatatudium für die beiden oberen Klassen des Gymnasiums (22 S. 4). Es ist eine wahre Herzensfreude, wenn man die energische praktische Durchführung fruchtbarer Ideen wahrnimmt. Seyffert hat das grosze Verdienst auf ein zwar in einigen Anstalten immer in Ge- brauch gebliebenes, aber im allgemeinen in Vergessenheit gerathenes Mittel dem Gymnasium seine wesentlichste Wirksamkeit zu geben und zu sichern hingewiesen und zu seiner Benützung durch seine Lese- stücke IMaterial und Anweisung gegeben zu haben. Wenn wir nun wissen, dasz viele Gymnasien sich dasselbe zu Nutzen zu machen be- gonnen haben, so ist es höchst dankenswerth , dasz in dem vorliegen- den Programme uns eine Methode der Durchführung mitgetheilt wird. Lst die Anleitung auch zunächst für die Schüler und die speciellen Verhältni.sse des Sorauer Gymnasiums berechnet, so enthält sie doch des anregenden und belehrenden auch für Lehrer genug. Möchten wir auch den ersten Theil 'die Nothwendigkeit des Privatstudiums' für Schüler etwas zu doctrinär gehalten nennen, so findet sich doch in demselben das eindringlich dargelegt, was die Ueberzeugung der Schüler für die ihnen bisher fremde Sache gewinnen kann und wenn wir den leider in viele junge Leute ge<lrungonen AV'ahn, dasz die klassischen Studien für die künftige Berufsthätigkeit keinen praktischen Nutzen gewähre praktisch nennt ja unsere Zeit nur das handgreilliche und materielle noch entschiedener bekämjift sehen möchten, so können wir daraus keinen Vorwurf machen wollen, weil ja vielleicht für tlie dortigen Verhältnisse keine Veraidassung dazu vorlag. Im zweiten Theile 'Wahl der Schriftsteller' wird folgendes festgesetzt: I Se- en n da. Griechisch: a) für alle Homer. Odyss. und Xenoph. Anab..

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stalisl. Notizen. 433

so weit beide nicht in der Klasse gelesen sind, b) zur Auswahl: einige Reden des Lysias (Raucliensteins Auswahl), Abschnitte aus Xenoph. Rlemor. (Ausg. v. SeyiVert) und einige Lebensbeschreibungen des Plu- tarcli (Timoleon, Pericles). Latein: a) für alle Salust. Cat. und Cic. orr. in Cat., desgleichen Livius (I, V— VII, XXI— XXIV, XXXj zur Ergänzung der Klassenlectüre. b) zur Auswahl: Cic. pr. Rose. Am., pr. Süll., d. am., de sen., Caes. d. b. c, Abschnitte aus Ovid. Fast., Trist., epp. ex Pont. (Ausw. von Seyllert). Nach dem vorhergehen- den scheinen Verg. Aen. die nicht in der Kl. gelesenen Bücher von den ersten 6 hinzuzufügen. II. Prima. Griechisch: a) für alle: Hom. II. und Herod. VII IX zur Ergänzung des Klassenunterrichts, b) zur Auswahl: Isoer. Paneg. , Areop., Plat. Apol. und einige leichtere Dia- loge, Abschnitte aus Thucyd., Eurip. Medea, Hecuba, Phoenissae, Alce- stis, Auswahl aus den Lyrikern (nach Burchard, Stoll oder Seyffert). Latein.: a) für alle: Horat. , Tac. Germ, und Ann. I III, so weit diese nicht in der Schule erklärt sind, b) zur Auswahl: Cic. pr. Sest., in Verr., philos. und rhetor. Schriften, Plin. epp. mit Auswahl, Quint. X, Vellei., Tacit. de orator. und Agric, TibuU., Terent. Neulateiner zur Auswahl: Muret (Ausw. von Krafft), Ruhnk. vit. Hemst., Wyttenb. vit. Ruhnk., Ernesti narr, de Gessn., Schömanni narrat. de Bogislao und einige Reden von Eichstädt. Liesze sich auch gegen einzelnes mancherlei einwenden, könnten wir namentlich gegen die Empfehlung der Neulateiner Einspruch erheben, und anderes an die Stelle von mehrerem vorschlagen, so bescheiden wir uns doch dessen, da ja alle- mal individuellen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist. Wir haben übrigens die Uebersicht nur mitgetheilt, um die Forderungen welche an den Privatfleisz an einem Gymnasium gestellt werden, zur Nach- ahmung zu bezeichnen. Recht trefflich ist im 3n Theile der Rath einer zweimaligen Leetüre, so wie denn auch die Winke über die Anknü- pfung schriftlicher Arbeit alle Beachtung verdienen. i?. D.

Stargard]. Nachdem das Prorectorat besetzt (Bd. LXIX S. 581), Dr. Rollmann an das Stralsunder Gymnasium übergegangen war und eine Ascension stattgefunden hatte, bestand das Lehrercollegium des dasigen kön. Gjmnasiums aus dem Dir. Freese, Prof. Scheele, Dr. Schirlitz, Dr. Engel, Dr. Schmidt, Essen, Runge, Dr. Kopp [vorher Hülfslehrer] , Dr. Ziemssen [vom wissensch. Hülfs- lehrer in die neu fundierte 9e Lehrerstelle aufgerückt], Zeichen- und Schreibl. Keck, Musikdir. Bischoff. Die Schülerzahl betrug 245 [I: II, II: 29, III: 40, IV: 52, V: 63, VI: 50], Abitur. 4. Den Schul- nachrichten voraus geht die Abhandlung von E. Essen: perspectivi- sche Verwandtschaft der Figuren (16 S. 8).

Stendal]. Nachdem der Director des dasigen Gymnasiums Dr. Haacke (46 Jahre lang Director) am 30. Sept. 1854 von seinem Am^ abgetreten war, wurde, wie schon Bd. LXX S. 570 berichtet ist, der Dir. Dr. Heiland aus Oels berufen. Auszer ihm bestand das Lehrer- collegium aus dem Conr. Prof. Eichler, Subr. Prof. Dr. Schrader, Oberl. Prediger Beelitz, Oberl. Dr. Eitze, den Gymnasiallehrern Schoten sack. Seh äffer, Bert hold und Backe [darnach Bd. LXIX S. 234 zu berichtigen]. Die Errichtung einer Hülfslehrerstelle stund bevor. Die Schülerzahl betrug Ostern 1855 232 [I: 15, IP: 21, IP: 22, IIP: 17. III": 22, IV": 19, IV^: 15, V: 25, V": 22, VP : 33, VP: 21], Abiturienten Mich. 1854 7. Den Schulnachrichten vorausge- stellt ist 1) Rede des Dir. Dr. Heiland bei Antritte des Amts (S. 1 8), sehr lesens- und beherzigenswerth darüber, dasz erziehende Thätigkeit eine Hauptaufgabe des Gymnasiums, Charakterbildung aber in der Gewöhnung an Arbeit und Anstrengung, an Entbehrung und Selbstbeherschung, sowie in Erziehung zur Ehrerbietung und Pietät,

434 Personalnachrichten.

zur Gottesfurcht und Frömmigkeit zu suchen sei *), 2) von dems. metrische Beobachtungen (S. 9 17).

Persona In ach richten.

Angestellt oder befördert:

Bach mann, W. , Schulamtscand. , als ordentl. Lehrer am Gymn. zu Herford.

Hertz, Dr. Mart., Privatdocent in Berlin, als ordentl. Prof. der klass. Philologie an der Universität zu Greifswald.

Jarisch, Ant., VVeltpriester , Lelirer am Taubstuunneninstitut zu Wien, als Schulrath für Steiermark.

Javurek, Joh., Supplent am kk. Gymn. zn Leutschan, als wirklicher Lelirer an der Anstalt.

Keil, Dr. Heinr. , Oberlehrer und Privatdoc. zu Halle, als Oberleh- rer am Friedr.-Werderschen Gjmn. zu Berlin.

Kloster mann, Ferd. Frledr. Glieb, Schulamtscand., als ordentl. Lehrer am Gymnasium zu Burgsteinfurt.

Morassi, Frz. i als wirkl. Lehrer an dem neu regulierten Gymna-

llubessa, And.) sium zu Fiume.

Pr aed ic iert:

D öder lein, Dr. Ludw. , Professor und Studienrector zu Erlangen, als Hofrath.

Pensioniert: Hribar, Lor,, Gymnasiallehrer zu Marburg in Kärnthen.

Gestorben:

Am 28. Febr.' der Oberlehrer Pres her zu Kreuznach.

Am 28. April der Prof. am kk. Gymn. zu Leutschau, Jos. Alois Je h 1 i c ka.

Am 29. April der Subrector Bielefeld am Gymn. zu Salzwedel.

Am 7. Mai zu Gieszen der Prof. der hebr. Litteratur an das Univer- sität Dr. Mich. Löhnis.

Am 18. Mai zu Oltakring nächst Wien der Capitularpriester des Be- nedictinerstifts, P. Gotthard Springer, Prof. der griech. und deutschen Spr. am Gymn. zu den Schotten in Wien.

Am 18. Mai zu Lucca der berühmte Anatom Ritter Ludw. von Pa- c i n i .

Am 2. Juni zu Oxford der berühmte Philolog, Dr. Thoni. Gaisford, Dechant von Christ-Church.

Am 27. Juni zu Prag der Prof. der Physik an der das. Universität, Dr. Petri n a.

*) Von demselben ist auch die am 27. Sept. I8j4 zur Entlassung der Abiturienten und zugleich Absciiiednahme in Qels gehaltene Rede, Oels Ludwig (Ij S. 8), erschienen, welche in gleich tüchtiger Weise von dem Berufe zum studieren handolt.

Zweite Abtheilung

herausgegeben von Rudolph Dietsch.

(25.)

Zum evangelischen Religionsunterricht auf Gymnasien.

(Schlnsz vom vorigen Heft.)

Soviel nuisten wir im allgemeinen vorausschicken , um für die Beurlheilung einiger Lehrbücher zum christlichen Religionsunterricht eine wenigstens einigermaszen feste Grundlage und sicheren Maszstab zu gewinnen. Wie schon oben bemerkt ist, für die Klassen bis Se- cunda einschlieszlich bedarf es für den Schüler nur einer brauchbaren biblischen Geschichte , des Katechismus und der Bibel ; und selbst in der Prima hat der Schüler nach unserem Plane streng genommen nichts weiter nöthig, als den lateinischen und deutschen Text der altkirch- lichen Symbole und der Augsburgischen Confession, höchstens noch einen Abiisz der Geschichte des Reiches Gottes im A. und N. B., einer christlichen Kirchengeschichte.

Diesem Bedürfnisse haben denn auch schon mehrere der alteren, bekannten Lehrbücher zu entsprechen gesucht. So vor allen hierfür fast die Bahn brechend Thomasius, der in seinen zuerst 1842 er- schienenen Grundlinien zum Religionsunterricht in den mittleren Klassen gelehrter Schulen im ersten Cursus die Geschichte des Reiches Gottes unter dem A. u. N. B. (jedoch mit Ausschlusz der Kirchengeschichte im engeren Sinn) in kurzen, trelfenden Charakteristiken darlegt, und den zweiten Cursus seines Lehrbuchs so eingerichtet hat, dasz die zweite Hälfte desselben das kirchliche Bekenntnis mit passenden Er- klärungen und Einleitungen enthält. In derselben Weise sind neben der Geschichte des Reiches Gottes im A. B. und einem Abrisz der Kirchengeschichte in den neuen Auflagen des trefflichen Lehrbuchs der Religion für die oberen Klassen protestantischer höherer Schulen von Petri die drei ökumenischen Bekenntnisse und die Augsburger Confession zu nicht geringer Erhöhung der Brauchbarkeit dieses Bu- ches aufgenommen. Ausführlicher sind die bewährten besonderen Lehrbücher von Kurtz, sowol das schon erwähnte Lehrbuch der hei- ligen Geschichte, als auch dessen Lehrbuch der Kirchengeschichle,

y. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. r.XXIl. flft. 9. 33

436 W. A. Hollenberg: Hülfsbuch für den evang. Religionsunterricht.

das ursprünglich Seitenstück und Ergänzung zu dem obengenannten Lehrbuch der heiligen Geschichte bilden soll, und das evangelische Lehrbuch für Schüler der oberen Klassen auf Gelehrtenschulen von Schmieder, besonders der zweite Theil, der bekanntlich die Ein- leitung in die kirchliche Symbolik nebst dem deutschen und lateini- schen Text der Augsburgischen Confession enthält. Ebendemselben Bedürfnis will denn auch das neueste :

Hülfsbuch für den evangelischen Religionsunterricht in Gymna- sien von Dr. W. A. Hollenberg ., Lehrer am Königl. Joachimsthals chen Gymnasium (Berlin 1854. XII u. 292 S. 8)

entgegenkommen.

Das Buch greift freilich noch etwas weiter, indem es auszerdem noch 52 Kernlieder der evangelischen Kirche (nach dem Text des deutseben evangelischen Kirchengesangbuchs) und den kleinen Lulher- schen Katechismus nach der Ausgabe von K. F. Th. Schneider um- faszt. So lange freilich noch die durch rationalistischen Unverstand und Unglauben entstellten Gesangbücher im Gebrauch sind, wird sich die Schule genölhigt sehen, sich durch besondere Abdrücke zu helfen. Jetzt indes, wo wir in den 150 Kernliedern des deutschen evangeli- schen Kirchengesangbuchs einen ordentlichen Text wiedererhalten haben, wird unstreitig am zweckmäszigsten dieses Gesangbuch auch das Schulbuch sein müssen, das wie zu den Religionsübungen, so zu dem Religionsunterricht anzuwenden ist. Ebenso ist aucii die Auf- nahme des Katechismus in das Hülfsbuch unnölhig, es ist vielmehr bei weitem besser, dasz jeder Schüler als stetes Lernbüchlein seinen besonderen Katechismus habe. Im übrigen aber ist das Hollenberg- sche Hülfsbuch in mehrfacher Beziehung zu empfehlen. Sein Stand- punkt ist durchweg der positive gläubige, auf dem Worte Gottes. Dabei schlieszt es sich, was das A. T. betrifl't, meist an Kurtz, im N. T. besonders in der Darstellung des Lebens des Herrn Christi an die Harmonie der vier Evangelien nach Lange an, und folgt also mit richtigem Takte dem geschichtlichen Gang der Offenbarung, indem es die christliche Lehre an den entscheidenden geschichtlichen Stellen behandelt. Nur zur Uebersicht sind als Anhang auf 3 Seiten Ueberschriflen und Andeutungen zur Glaubenslehre gegeben. Dasz jedoch der Verfasser gerade hierbei der individuellen Anordnung Hülsmanns in dessen sonst allerdings geistreichen und anregenden Grundzügen der christlichen Religionslehre für den Unterricht in den obersten Klassen gelehrter Schulen mit den 10 Nummern gefolgt ist (1. die Religion, 2. die christliche Lehre von Gott, 3. die Dreieinig- keil, 4. das Reich Gottes, 5. der Mensch in seiner Bestimmung zum Reiche Gottes, 6. der Mensch in seiner Abkehr vom Reiche Gottes, 7. die Gemeinschaft und ihre Entwicklung auszer dem wesentlichen Heilsleben, 8. das von Gott gestiftete Heil in seiner Vorbenitung, 9. das Heil in seiner Verwirklichung in Christo und 10. die Aneig- nung des Heils), damit ist dem Bedürfnis einer klaren systematischen

W. A. Hollenberg: Hülfsbiuli für den evang. Heligionsunleri ichf. 437

Uebersichl, dessen Befriedigung beabsicliligt wird, sicherlicb kein Genüge gellian.

Im einzelnen ferner liälten wir etwa folgende Ausstellungen zu machen: S. 53 wird ^Gott schuf die Welt durch sein Wort' ohne wei- teres erklärt 'durch seinen liebevollen Willen'. Der innerste Grund der Wellschöpfung in Gott, also der freie Liebeswille Gottes, soll aber durch das Wort 'Gott sprach' zunächst nicht bezeichnet wer- den, sondern vielmehr das schöpferische Wort Gottes (der Logos Job. 1 : öl ov nccvxa iyivExo^ worauf auch der Verf. ganz richtig hin- weist). S. 54 wird behauptet 'alle Verwirrung in der Welt ist nur scheinbar'. Das kann doch angesichts der thatsächlichen Zerstörun- gen, welche die Sünde- anrichtet , gewis nicht gesagt werden ; oder wollte der Verf. damit nur darauf hindeuten, dasz trotz aller Verwir- rung durch die Sünde Gott doch alles herlich hinausführe? Sehr un- zulänglich ist ferner S. 56 die schwache Erklärung der freilich sehr oft verkannten oder nicht verstandenen justitia originalis im Status integritatis des Menschen: 'sie war eine kindliche Hinneigung zu Gott und allem guten'. Damit ist doch wahrhaftig weder die schöp- ferische Erkenntnis und Geistestiefe bezeichnet, die dem ersten Men- schen eigen sein muste, wenn sie z. B. nur der zwiefachen an sie gestellten Aufgabe entsprechen sollten, den Thieren ihre Namen zu geben und über die Creatur zu herschen, noch auch die weitere Fülle des Lebens, die sich in der Einheit mit Gottes schöpferischen Gediinken und Gottes heiligem Willen bewegte! Der Abschnitt über das A. T. schlieszt S. 91 mit einem 2 Seiten umfassenden Anhang: von den Heiden, der aber freilich, wie schon der beschränkte Kaum, der ihm zugewiesen, zur Genüge zeigt, etwas dürftig ausgefallen ist. Je berechtigter eine solche ganz unentbehrliche Besprechung des Heiden- thums in einem Lebrbuche für Gymnasien ist, desto mehr musz an sie die Forderung gestellt werden, die Hauptsachen wenigstens in gründ- licher, bestimmter und klarer Weise darzulegen. Die Materialien dazu sind verschiedentlich gesammelt, es fehlt aber allerdings noch an einer erschöpfenden tüchtigen Bearbeitung, die freilich nur auf Grund vieler und genauer Einzeluntersuchungen gegeben werden kann. Indes es wäre schon für das nächste Bedürfnis genug gewesen, wenn Hollen- berg nur das in den üblichen Religionsbüchern bei Thomasius, Hüls- mann, Kurtz, oder Kirchengeschichten, z. B. bei Thiersch: die Ge- schichte der christlichen Kirche im Alterfhum 1 Tb. S. 1 20 enthal- tene zusammengestellt hätte. Die Haupt- und Grundstelle für das richtige Verständnis des Heidenthums (Köm. 1 19 20) ist zwar ange- führt, ob aber die nach dem griechischen Text wörtlich gegebene Uebersetzung 'denn das von Gott bekannte liegt als offenbare Kennt- nis in ihnen, denn Gott hat es ihnen olfenbart, indem sein unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft sowol als Göttlichkeit von der Schöpfung der Welt her an den Werken verständlich ersehen wird, so dasz sie keine Entschuldigung haben' mehr zur Verdeutlichung beitragen wird, als die Lulhersche, möchten wir doch sehr bezweifeln. Zweckmäszi-

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438 W. A. Hollenberg: Hülfsbucli für den evang. ReligionsunterrichL

ger, als eine solche oft äuszersl ungeschickte Abweichung von dem kirchlichen Text, ist dann noch unter Umständen eine gute Umschrei- bung, wie der Verf. auch S. 94 in der Anmerkung besser gethan hätte, Philipp. 2 6 ff, insonderheit die "Worte 'er hielt das Gott gleich sein nicht für einen Raub' kurz zu erklären, als wörtlich nach dem Grund- text zu übersetzen. Dasselbe gilt S. 101 von den Worten im letzten Zeugnis Johannes des Täufers über Christus Job. 3 34: ov yaQ in (xi- TQOv ölSmGiv 6 -O^Eog To TCveiJfia. Mit der beigefügten Uebersetzung 'Gott gibt den Geist nicht nach dem Gleichmasz^ ist doch eigentlich nichts anzufangen, Avährend die einfache Explication 'Gott hat in Chri- stus die ganze (absolute), nicht blosz theilweise (relative) Fülle sei- nes Geistes ausgegossen, darum redet Christus Gottes Wort' die Sache vorerst zur Genüge verdeutlicht hätte. Ferner die S. 102 ff. gegebene Disposition der Bergpredigt: 'I die selige Armut im Geiste; 11 die Unseligkert des pharisaeischen Wesens , a. die Entstellung des Gesetzes, b. die Werke' ohne den Geist; III die rechte Bahn' ist doch ein wenig zu abstract und umfaszt die Fülle des Inhalts bei weitem nicht. Im Gegensatz gegen diese verhällnismäszig zu weitläufige Aus- einandersetzung der Bergpredigt sind hinwiederum die Gleichnisse S. 110 viel zu kurz behandelt. Gerade da ists sehr am Ort, die cha- rakteristischen Momente, die allgemeine so zu sagen universalhislo- rische und die besondere individuelle Bedfeutung mit wenigen treffen- den Worten hervorzuheben. Dasselbe gAt<S. 116 von den weiteren Gleichnissen Luc. 15, wo auszerdem recht eigentlich die Stelle ist, nicht nur den Gegensatz von Heidenthum und Judenihum, sondern auch den ganzen Heilsweg in der concrelesten Gestalt zu festem un- verlierbarem Eigenthum einzuprägen. Die schwächste Partie des Bilches scheint mir aber der als Anhang zum N. T. gegebene Abschnitt: 'die Aneignung des Heils' zu sein. Der Verf. hätte sich auch hier lieber an seinen sonstigen Gewährsmann Kurtz halten sollen, der bekanntlich für den Neuen Bund die 4 Abschnitte hat: die Darstellung des Heils in der Person des Erlösers, die Verkündigung des Heils durch die Apostel, die Aneignung des Heils in der Kirche und die schlieszliche Vollendung des Heils. Statt dessen schlägt Hollenberg einen andern Weg ein, auf dem sich der Schüler schwerlich zurecht finden wird. 'Die von Gott gestiftete, in dem Sohn vollendete Er- lösung' beginnt der Verf. S. 136 'soll von den Menschen angeeignet werden; darauf beruht das Leben des einzelnen, wie der christlichen Gemeinschaft von Anfang an', und fährt dann fort: 'Wie das Heil allein durch göttliche Thaten objccliv zu Stande gekommen ist, so geschieht auch die Aneignung desselben so, dasz auf allen Slufen Gottes wirken das erste ist. Es ruft aber eine entsprechende Bewe- gung im Menschen hervor, die sich im Elemente der Freiheit mit Got- tes wirken einiget. Daher ist die Aneignung des Heils eine goll- menschliche Thäligkeil, nirgend blos göttlich und nirgend blos mensch- lich. Die göttliche Thäligkeit in der Zueignung der Erlösung ist de Thatigkeit des heiligen Geistes ' Das ist doch zum wenigsten sehr

W. A. Hollenberg : Hülfsbuch für den evang. Keligionsunlerricht. 439

unbestimmt und unklar ausgedrückt. 'Wie das Heil allein durch göttliche Thaten, so bei der Aneignung Gottes wirken das erste, wie die Aneignung des Heils eine go tt mens chl ic he Thätigkeit, so die Zueignung des Heils allein die Thätigkeit des heiligen Gei- stes'! Ohne nähere Exposition ist dies, selbst abgesehen von der bedenklichen synergistischen Färbung, für den Schüler unbrauchbar. 'Sie (nemlich die Thätigkeit des heiligen Geistes) so fährt der Verf. fort ist nach Joh. 16 14 als Verklärung Christi zu bezeich- nen' [muste wenigstens hinzugefügt werden: in den gläubigen]. 'Es wird aber Christus in der Gnadenwirksamkeit des heiligen Geistes verklärt I in dem einzelnen Menschen (Heilsweg), II in der mensch- lichen Gemeinschaft (Heilsanstalt, Kirche), III in der gesamten Welt (Heilsvollendung)'. Wenn nun auch der Verf. sich dagegen ver- wahrt, als wolle er diese drei Kreise, die in der Wirklichkeit inein- ander liegen auseinander reiszen : dem Vorwurf, mit dieser sub- jectiv-beliebigen Anordnung die Dinge durcheinander geworfen zu haben wird er nicht entgehen können. Die Gaben und Wirkungen des heiligen Geistes, als da sind: Berufung, Erleuchtung, Bekehrung und Busze, Rechtfertigung, Heiligung, Glückseligkeit des Gnadenstan- des, können dem Abschnitt von der Kirche, in deren Bereich sie fallen, unmöglich als von dieser unabhängig selbständig vorausgestellt wer- den. Wollte der Verf. den Weg der alten Kirchendogmatiker gehen, dann muste er auch die ganze volle, fest zusammenhängende Ordnung derselben befolgen, also die gesamte Soterologie mit ihren ein- zelnen Titeln behandeln als : l) von Gottes Ralhschlusz der Versöh- nung {de paterna erga homines lapsos vohmtate) ^ 2) von dessen Ausführung durch Christus (rfe fralerna Jesu Christi reconciliatione)^ 3) von der Aneignung des Heils durch den heiligen Geist (rfe gratia Spiritus sancti applicatrice^, insbesondere von den Gnadenmilteln und dieser Soterologie dann die Eschalologie als selbständigen Theil nachfolgen lassen. So aber beginnt die Darstellung mit der Praedesti- nation, geht dann gleich als ständen diese Dinge mit jener auf einer uud derselben Stufe zur Berufung, Erleuchtung, Erweckung, Bekehrung, Reue, Busze, Rechtfertigung, zum 'seligmachenden Glau- ben, zur Wiedergeburt und Verherlichung' über, setzt mit allen die- sen Wirkungen des heiligen Geistes erst den Abschnitt von der Kirche, dann den von der Weltverklärung und den letzten Dingen auf gleiche Linie. Soll einmal systematisch geordnet werden, dann musz es auch streng wissenschaftlich geschehen; subjeclives doctrinäres belieben ist hier wie überall vom Uebel. Wir brauchen aber, wie wir oben dargethan, für das Gymnasium keine besondere systematische Ord- nung, weil wir die beste Ordnung cinestheils im kirchlichen Katechis- mus, anderntheils in dem kirchlichen Bekenntnis, der Augustana, ha- ben. Beiden gebührt auch in dieser Beziehung der unbedingte Vorzug vor doctrinären Versuchen, die mit den genannten Hauptstücken des chrisllichen Religionsunterrichts nicht in Einklang stehen und schon darum zu verwerfen sind, anderer Nachtheile, als da sind Verwirrung,

440 W. A. Hollenbeig: Hiilfsbuch für den evang. Iieligionsunlerrichl.

Unbestinimlheil, Veränderlichkeit usw. nicht zu gedenken. Mit rich- tigem Takt hat daher auch Kurtz in seinem vortrefflichen, schon in vielen Auflagen erschienenen Büchlein: 'Christliche Heligionslehre. Nach dem LehrbegrilT der evangelischen Kirche. Zunächst für den Gebrauch in höheren Lehranslalleu' diese 'den Wegen Gottes mit dem Menschengeschlecht im ganzen und mit jedem Menschenherzen insbe- sondere abgelernte' Anordnung des Lulherschen Katechismus beibe- halten. — .4n diesen neben Katechismus und Augustana überflüssigen und auch im einzelnen am wenigsten gelungenen Zusatz über die Aneig- nung des Heils reiht der Verf. dann die K ir chen ges chich te (S. J50 264), nicht eine zusammenhängende Darstellung, sondern der Absicht gemäsz meist nur Materialien, die im ganzen recht brauchbar sind. Unrichtig wird S. 166 als die Zeit, aus welcher das symbo- lum Athanasianum stamme, das Ende des -in Jahrhunderts angegeben, während doch die unzweideutigen Beziehungen dieses Symbols auf Fragen, die erst auf den beiden oekumenischen Concilien zu Ephesus lind Chalcedon, also im 5n Jahrhundert entschieden wurden, deutlich beweisen, dasz es in seiner jetzigen Gestalt frühestens in der zweiten Hälfte des 5n Jahrhunderts entstanden sein kann. S. 169 wird nach Kurtz Morgan als Vorname des Pelagius angegeben, während eigent- lich Pelagius {nelayiog) nur die griechische Ueberselzung von dem altbritischen 3Iorgan sein soll. Wenn der Verf. S. 170 von den Dona- tisten sagt, 'sie wurden leider verfolgt', so soll darin doch wol keine Billigung dieser Hichtung liegen, sondern nur das bedauern ausge- sprochen werden, dasz man Gewallmaszregeln gegen sie anwandte. S. 203 sind von Luthers Thesen die 7le, 52e u. 36e abgedruckt; warum nicht auch die beiden Cardinalthesen : 1. 'Wenn der Herr Christus sagt, thut Busze, so meint er damit, die Busze solle lebenslänglich sein' und 62 'der wahre reclite Schatz ist das Evangelium von der wahren Herlichkeit Christi'? S. 216 hätten statt der Angabe, das reformierte Bekenntnis habe in Hessen-Kassel seit Moritz 1604 Eingang gefunden, lieber die 4 Verbesserungspunkte dieses Landgrafen aufgeführt wer- den sollen; es könnte sonst scheinen, als meine der Verf., die kur- hessische Kirche sei reformiert, was doch bekanntlich keineswegs der Fall ist. Sonst sind in der Darstellung der Kirchengeschichle seit der Reformation hin und wieder recht gute culturhistorische Notizen zusammengestellt.

Auf einem andern Standpunkt, als das Hollenbergsche Hülfsbuch steht der etwas ältere :

Leitfaden zum chrisüirhen lielkjioiisinderricht an hohem (!ym- nasien und liildnngsanstalten von Dr. K. R. H agenlxi ch^ Professor der Theologie in Hasel. Zweite mit einem Abrisz der Kirchengeschichle vermehrte Auflage. Leipzig 18^3 (kl. 8. VI u. 2.")') S.).

Uagenhachs Standpunkt ist aus dessen theologischer Encyclo- pacdie und kirchcMihislorischen Arbeiten bekannt. Er will positives

K. R. Hagenbach: Leitraden zum christlichen Religionsunterricht. 441

Christenthum und ist insofern Gegner der negativen Richtung; der Maszstab aber für die Beurtheilung der Thalsachen der Offenbarung liegt am Ende auch für ilin nur in seiner gegenwärtigen wissenschaft- lichen Erkenntnis, weshalb der Verf. in vielen Stücken doch über einen etwas verfeinerten Rationalismus nicht hinauskommt. Die 'christliche Glaubens- und Sittenlehre', die den dritten didaktischen Theil des Buches ausmacht (der erste enthält die Einleitung und der zweite den Abrisz der Kirchengeschichte), soll daher ausdrücklich nach den drei coordinierten Factoren, nach Schrift, Kirche und dem Bewustsein der G e ge n war t dargestellt werden, und in dubio wird der letztgenannte Hauptfactor den Ausschlag geben. Das Princip des Fortschritts, welches das Princip des Protestantismus ist, soll zwar nicht so verstanden werden, als dürfe man * den lebendigen Zu- sammenhang mit den geschichtlichen Grundlagen desselben' aufgeben, berechtigt aber soll dabei doch alles sein, ^was nicht die Gesinnungs- weise der Reformatoren verleugnet und ihr wesentliches wollen und streben in ein anderes, entgegengesetztes verkehrt'. Eine solche Fas- sung ist immerbin noch weit genug, um mittelst derselben die Funda- mentallehren der evangelischen Kirche als unwesentlich von der Hand zu weisen I

Was wir daher zuerst und vor allem an diesem Hagenbachschen Leitfaden auszusetzen haben, wäre das, dasz er weder schriftge- treu noch bekenntnistreu ist; und zwar erscheint dies umso gefährlicher, je mehr in der Regel, besonders im Text (weniger in den Noten, also ganz ähnlich, wie bei Schleiermacher) der Schein christlich -kirchlicher Lehre gewahrt wird, je feiner nicht selten der tiefe Unterschied der wahren Schrift- und Kirchenlehre von des Verf. Darstellung im Ausdruck verdeckt ist. Für einen, der nur einiger- maszen geübte Augen hat, freilich verrälh sich die Differenz auf den ersten Blick, oder sie bleibt wenigstens bei genauerem nachsehen nicht lange verborgen. Es möge genügen, diese unsere Behauptung zunächst an die Lehre von der Person Christi 75) nachzuweisen. Auf den ersten Anblick sollte man nach dem Texte fast glauben, der Verf. bekenne die Gottheit Christi d.h. die Wesen seinheit Gottes des Vaters und des Sohnes. ^Jesus Christus so heiszt es daselbst ist der Erlöser aus der Sünde und dem Verderben aus der Sünde. Der Zwiespalt zwischen Gott und dem Menschen erscheint in ihm von Anfang an gehoben, denn er ist der Mensch ohne Sünde. Göttliches und menschliches Leben sind in ihm zu einer wahren und ungetheilten Persönlichkeit verbunden, dem Gottes- und dem Menschensohne. Er ist der Gottmensch d. h. er ist Gott, geoffenbaret im mensch- lichen Wesen, der reine Abglanz und das Ebenbild des Vaters, mit dem er sich eins weisz als der Sohn von Ewigkeit her, eingetreten in die Form der Zeit und der Endlichkeit, in die Form eines bestimmten, durch die Geschichte selbst bedingten, geschichtlichen Lebens. Mit ihm, in dem die Weissagungen der Vorzeit erfüllt sind, schlieszt sich die alte Geschichte ab; mit ihm, dem Gründer des Reiches Gottes, be-

442 K. R. Uagenbach: Leitfaden zum chrislliclien Religionsunterricht.

ginnt die neue Zeit, die Zeit des Heils'. Wie dies gemeint sei, ergibt sich dann weiter aus den Anmerkungen. Ueber die Sündlosigiieit des Herrn wird sein eigenes Zeugnis und das der Apostel angeführt, dann aber hinzugefügt: 'die einzelnen Aussprüche würden nicht hinreichen, die Sündlosigkeit Jesu zu erweisen, wenn nicht der ganze Eindruck seiner Persöniickeit hinzukäme'. Also das Zeugnis des Herrn, der die Wahrheit selbst ist, sollte nicht absolute Geltung haben? Ferner: *der Ausdruck 'Sohn Gottes' ist als der angemessenste Ausdruck des Selbslbewustseins Jesu zu fassen'. Drittens: 'Christus ist eben so sehr der göttliche, von Gott erfüllte, von Gott begeisterte [sie] Mensch, als der Fleisch und Mensch gewordene, an Geberden als ein Mensch erfundene Gotl' ; und viertens (damit alle Hlusion verschwinde) *in dem vollkommenen Gehorsam besteht seine religiöse Grösze, seine e i g e n t h ü m 1 i c h e Würde, \v o d u r c h er eins ist mit dem Vater und wodurch er als der einzige über alle seines Ge- schlechtes emporragt'. Wenn dergleichen Phrasen (denn anders kön- nen wir sie hier nicht nennen) in dem Vortrag eines alten Hegelianers vorkämen, dann wüste man doch, woran man wäre, aber hier werden diese Irthümer wirklich als positiv-christliche Wahrheit geboten und zwar in einem Schulbuche das ist uns doch ein wenig zu stark! Der Verf. hätte nach dieser Exposition weder nöthig gehabt, aus- drücklich zu warnen: 'die Stellen, in welchen Christus absolut Gott genannt wird, sind entweder kritisch oder exegetisch unsicher, oder sie haben mehr einen doxologischen, als streng dogmatischen Charak- ter' (welche letztere Phrase barer Unsinn ist), noch auch Schelling als Gewährsmann anzuführen. ' Christus verendlicht in sich das gött- liche, aber er zieht nicht die Menschheit in ihrer Hoheit, sondern in ihrer Niedrigkeit an und steht als eine von Ewigkeit beschlossene, aber in der Zeit vergängliche [?] Erscheinung da, als Grenze beider Welten . . iHit ilim sclilieszt sich die Welt der Endlichkeit und ölFnet sich die Unendlichkeit oder Herschaft des Geistes'. Wenn es aber mit diesem Cardinalpunkt des christlichen Glaubens also aussieht, so musz auch alles andere von diesen kräftigen Irthümern durchzogen sein; und so ist es in der That. Ein paar Beweise werden ausreichen: S. 197 wird die protestantische Kirchenlehre von der justilia orhjina- lis als zu weit gehend verworfen ; S. 202 in der Lehre vom Lügner und Menschenmörder von Anfang an 'dem Teufel' gesagt: 'wie weit wir uns diese Maclit als eine persönliche denken, d. h. sie uns zu einer wirklichen Persönlichkeit construiercn, kommt hier nicht in Be- tracht. Die Bibel redet von ihr allerdings wie von einem persönlichen Wesen; so aber auch vom Tode'I Das konnte der Verf. wirklich Angesichts des Wortes des Herrn Jesu Christi Job. 8 44, wo aller- dings 'das antithetische der Rede wol zu beachten ist', in Ernst vor- bringen? S. 216 wird der heilige Geist mit dem afflatns äirtnus bei Cic. de nat. dcor. II 66 zusammengestellt, zum Beweis, dasz auch die alle Welt eine Ahnung von ihm und seinem wirken gehabt habe. S. 220 wird es als zulässig- erklärt . 'die Sündenvergebung in einen

K. R. Hagenbach : Leitfaden zum christlichen Religionsunterricht. 443

Causalnexus mit dem Tode Jesu als mit dem Glauben an diesen Ver- söhnungstod zu bringen, indem eben hier die Sünden verge- ben de Gnade Gottes uns am augenscheinlichsten vor die Seele tritt'. Das ist, verglichen mit S. 213, noch mehr als Ver- flüchtigung des stellvertretenden Opfers Christi. S. 223 '^ die christ- liche Geisleskraft olTenbart sich in der Treue und Standhaftigkeit des Bekenntnisses [welches denn?] und der sittlichen Grundsätze des Christenthums , in rücksichtsloser Handhabung der Gerechtigkeit, in Behauptung der Geistesfreiheit und der echten Christenwürde' Hiscc versiculis speras tibi posse dolores atque aestus curasque graves de pectore tollil Darunter steht das schöne Verslein von Geliert: *Wah" ists, die Tugend kostet Müh, Bezwingung böser Lüste; allein mein Gott! was wäre sie, wenn sie nicht kämpfen müste'. Sonderbar, dasz gerade diejenigen, die immer vom Bewustsein der Gegenwart und der Höhe der Zeitbildung reden, in der Regel am weitesten zurück sind; sonst würden sie doch wahrlich jetzt nicht mehr solches vorbringen! S. 235 'Unter Sacra ment verstehen wir eine von Christo selbst eingesetzte, religiös bedeutsame, auf das gläubige Gemüth thatsächlich wirkende, im Glauben vollzogene kirch- Hche Handlung, wodurch uns das Bewustsein der Gnade Gottes in Christo unter einem äuszeren, in die Sinne fallenden Zeichen zuge- sichert und besiegelt wird'. Da sollte der gelehrte doch lieber bei dem kleinen Katechismus in die Schule gehen und erst wieder lernen, was Sacrament sei. S. 240 'das heilige Abendmal schlieszt sonach die Blüte, ja das eigentliche Mysterium der christlichen Andacht in sich, weshalb auch die Feier desselben eine aus gewissenhafter Selbstprüfung hervorgegangene bewährte Stimmung voraussetzt'! Eine bewährte Stimmung? Vielleicht soll dieser my- stische Ausdruck durch die Anmerkung erleutert werden: '\^'ir er- heben uns im Abendmal ebensosehr zu Christo, als er sich zu uns gnadenvoll herabläszt'. S. 242 'die Bedeutung des Cultifcs ruht auf dem Bedürfnis der gläubigen, sich in Gemeinschaft mit den Brüdern zu erbauen auf dem Grunde des Glaubens, sich mit ihnen in diesem Glauben zu stärken, sich geistlich zu erfrischen usw.' und daneben S. 245 'Auch eine anständige Erholung ist nicht ausgeschlos- sen, vielmehr in der Idee des Tages (Sonntages) gegrün- det'. Endlich aus der Eschatologie S. 252 'Fürs erste läszt sich nicht verkennen, dasz die bildlichen Vorstellungen von einem allgemeinen Weltgerichte, der Todtenauferstehuug usw. sich nicht in unserem Geiste factisch vollziehen lassen ; und doch dürfen wir sie nicht in abstracte, ihres Inhalts entleerte Sätze auflösen. Sie bleiben uns groszartige Typen, deren schauerliche und erhebende Wahrheit unserer Ahnung am nächsten gerückt werden kann auf dem Wege der Kunst, während sie auf dem Wege der dogmatischen Reflexion ent- weder versteift und verdichtet, oder verdünnt und verschroben' im Sinn des Verf. aber setzen wir hinzu gänzlich verflüchtigt werden. Wo freilich der hochmüthige natürliche Menschenverstand zu Gericht

444 K. R. Hagenbach : Leitfaden zum christlichen Religionsunterricht.

sitzt über die Offenbarung, da ist auch nichts anderes, als solch nich- tiges Räsonnemeut zu erwarten.

Damit könnten wir eigentlich abbrechen, denn der Beweis, dasz der Hagcnbachsche Leitfaden für christliche Schulen nicht zu brauchen sei, ist für einsichtsvolle und sachverständige hoffentlich zur Genüge geliefert. Dennoch müssen wir zu noch weiterer Begründung auch noch die anderen Ausstellungen, die wir an dem Buche zu machen haben, der Hauptsache nach hinzufügen. Das Buch enthält trotz des Wider- spruclis des Verf. in der Vorrede zur In Auflage, in seinem Haupttheil, dem biblisch-isagogischen , zu viel th eol ogisch- wissenschaftlichen Stoff. Soll doch nach des Verf. eigener Angabe der Leitfaden in ge- wisser Beziehung 'einen Vorbau zu seiner theologischen Encyklopae- die' bilden. Wir haben aber auf unseren Gymnasien ebenso wenig philologische, als theologische Wissenschaft als solche zu lehren. Dem Lehrer dürfen allerdings die Fragen der Wissenschaft und der Stand der Kritik nicht unbekannt sein, der Schüler aber soll mit die- sen Dingen, die ihm nicht nur nichts helfen, sondern meist noch sehr bedenkliche Folgen für ihn haben, schlechterdings nicht behelligt werden. Gründlich und erschöpfend können diese Fragen bei dem Standpunkte des Schülers doch nicht erörtert werden, oberflächliche Andeutungen aber schaden um so mehr, je mehr sie den eigentlichen, lebensvollen Inhalt beschränken oder gar verdrängen. Oder gehört es M'irklicli in den Religionsunterricht auf Gymnasien um nur einiges wenige zu erwähnen dasz der Schüler gleich von vorn herein 8) ^'on zweifelhaften Lesarten, die aus Undeullichkeit der Schrift- zeichen entstehen, von dem Streit über ög und d'eog aus 0J£ und &2^ in 1 Tim. 3 16, von Glossemen im Text und erweislichen Einschieb- seln wie 1 Job. 5 7; oder weiter von ^dem rhapsodischen der Abfas- sung des Pentatcuchs ', den kritischen Bedenken hinsichtlich des s. g. zweiten Theils des Jesajah usw., der späteren Entstehung des 21n Cap. des Ev. Joh. und den Hypothesen über die Entstehung der Evangelien höre? An positivem Wissen erhalten die Schüler damit so gut wie nichts, denn das meiste ist noch unentschiedene, schwebende Frage; zum Verständnis der Schrift selbst wird ihnen die Zeit geraubt, und was noch viel schlimmer ist, statt demüthiger Unterordnung unter Gottes Wort wird der Hochmuth des Knaben, der sich auf einmal trotz seiner Unreife zum Richter über die Echtheit oder Unechtheit einzel- ner biblischer Abschnitte und Stellen erhoben siohl, auf sehr bedauer- liche Weise befördert. Denn wie könnte es anders kommen, wenn ihm fust überall von der Genesis bis zur OIfcnbarung .Tohannis so oft nur der relative Werlh der Schrift eulgegengchalton wird, von der Offenbarung heiszt es §44, 7 'Noch immer bedeutend für unsere Zeiten sind namentlich die 7 Sendschreiben usw.', also das andere hat blosz für die damaligen Zeilen Werth? oder wenn in der Masse von Detail die Hauptsachen erstickt werden, oder endlich wenn seine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die Auszenseite gerichtet ist und von dem eigentlichen geistlichen Inhalt der einzelnen Schriften des

Staudl: Fingerzeige in d. Inhalt ii. Zusaninienhang d. ii. Sclirift. 445

A. u. N. B., von dem inneren Zusanimenliang der ganzen Sclirift in ilirer wunderbaren ürdnnng, wie der einzelnen unter sich und wieder mit dem ganzen wenig zum Vorschein kommt? Da ist doch das Buch von Sclimieder mit bei weitem gröszerem Geschick abgefaszt. Aoch mehr zu empfehlen ist in dieser Beziehung besonders für das A. T. das Buch von

Standt (^Pfarrer in Kornthal ): Fingerzeige in den Inhalt und Zuaammenhavg der heiligen Schrift. 1854. Stuttgart bei Steinkopf (VIII u. 3')2 S. 8.).

Das Buch beruht auf einer tüchtigen ßibelkennlnis und ist reich an treiriichen ^Fingerzeigen' in den Inhalt und organischen Zusammen- hang der heiligen Schrift, die vom ersten Buch Mosis an bis zur Offen- barung Johannis ein ganzes bildet. ^Dasz dem erwachten Bedürfnisse, das Wort Gottes in seiner Zusammengehörigkeit und im Unterschiede von jedem Menschenworte recht kennen zu lernen und etwas ganzes vom Reichsleben Gottes ins Herz zu bekommen, einige Befriedigung gewährt und mancher Leser näher zu der freimachenden Wahrheit und seligmachenden Gerechtigkeit hingewiesen und mit der wahren Ileilsquelle für die schwere Noth unserer Zeit gemacht werden möchte', das ist sein Zweck, und dafür will der Verf. und wir mit ihm betende Hände zu dem Herrn unserem Gott erheben.

Wir schlieszen unsere fast furcht' ich schon etwas zu lange Aus- einandersetzung mit der Anzeige von noch zwei kleineren hierher ge- hörigen Schriften, und zwar erstens dem:

Grundrist, der Kirchengeschichte für evangelische höhere Sc kn- ien von Dr. A. Wippermann^ Hauptlehrer an dem frei- herrlich von Fletsch ersehen Schullehrer-Seminar zu Dresden. Plauen 1854 (VII u. 92 S. gr. 8.).

Der Verf. geht von richtiger Würdigung des kirchengeschicht- lichen Unterrichts aus: ^die Kirchengeschichte ist ein überaus her- licher und einfluszreicher Lehrgegenstand. Anknüpfewd an die bi- blische Geschichte schildert sie die Kämpfe und Siege des Reiches Gottes auf Erden. Aber eben darum musz sie in theokratischem Sinne gelehrt werden. Sie hat überall auf das w underbare walten des Gei- stes Gottes hinzuweisen, wie es sich in Ereignissen und iHenschen offenbart. Sie hat die Treue zu zeigen, mit welcher der Herr seine Verheiszung erfüllt und seine Kirche nie verlassen hat. Menschlicher Thorheit werde gedacht zur Warnung und zum Zeugnis, wie Gottes Weisheit alles zum Heile wendet. So entzünde und kräftige die Kir- chengeschichte die Liebe zur Kirche und das Vertrauen auf ihren himmlischen König, der bei ihr ist bis an der Welt Ende'. Damit er- hebt sich schon dem Princip nach dieser Grundrisz weit über das allzu dürftige Gerippe in Hagenbachs Lehrbuch, und liefert auch in der Ausführung eine wirklich viel brauchbarere Skizze in zusammen- hängender Darstellung, die nur hin und wieder einen allzu rhetori-

446 A. Wippermann : Grundrisz der Kirchengeschichte usw.

sehen Ton anschlägt. Die Einleitung handelt in 2 §§ von der Kirche und Kirchengeschicilfe, darauf folgt in 6 §§ die Urgeschichte (die Menschheit vor Christo, das Heidenthum, Israels Bestimmung, die Welllage zur Zeit Christi und das Leben des Herrn), und dann die weitere Geschichte der Kirche in 5 Zeiträumen J) von 33 100; 2) von 100 3-23; 3) von 323 800; 4) von 800—1517 und 5) von 1517 IB.'O. Vielleicht bietet sich später noch einmal Gelegenheit, auf die Mclliode des kirchengeschichllichen Unterrichts in Gymnasien näher einzugehen und dann auch den Gang dieses Büchleins genauer zu verfolgen.

Das zweite Schriftchen, das uns noch vorliegt, ist:

Die chrintüclte Lehre z>nm Schul- und Hausgebräuche für Junge eviavgeüsche Christen, dargestellt von Dr. Ernst diese., Lehrer am Gijmnasium illustr. in Gotha. Erfurt J855 (125 S. 8.).

Die Einleitung handelt l) von der Religion, gibt dann 2) ge- schichtliches von der christlichen Religion und spricht 3) von der heiligen Schrift. Dann folgt die christliche Lehre nach den 3 Artikeln des christlichen Glaubens, und als Anhang der Text des klei- nen Lutherschen Katechismus. In guter Absicht ist das Buch gewis geschrieben; der innere Drang, für den Herrn und sein Evangelium öffentlich ein Zeugnis abzulegen, versichert der Verf., hätte ihn nächst dem Schulbediirfnis zur Herausgabe veranlaszt, und BeUennlnistreue, zu welcher der christliche Religionslehrer die ihm anvertrauten jun- gen Christen zu erziehen verpilichtet sei, werde in seinem Buche wol nicht vermiszt werden. Wenn es aber zur Bekennfnislreue wesentlich gehört, nicht Unglauben neben Glauben, Rationalismus neben Kirchen- lehre gelten zu lassen, überhaupt nicht heterogene, sich gegenseitig widersprechende Dinge miteinander zu verbinden, sondern ohne Men- schenfurcht un^im Gehorsam unter Gottes Wort nur die eine ewige Wahrheit unablässig im Auge zu haben, so kann dem Verf. diese An- erkennung, bikenntnisireu gewesen zu sein, unmöglich zu Theil wer- den. Wie sich der Verf. schon in formeller Beziehung den Fehler liat zu Schulden kommen lassen, heterogenes mit einander zu verbin- den, indem er um sein Büchlein auch für den häuslichen Gebrauch brauchbar zu machen, mit dem belehrenden Elemente das erbauliche zu vereiniffcn versucht hat die unausbleibliche Folge davon ist eine unerträgliche Breite und höchst unpraktische Weitläufigkeit ge- wesen — : so ist ihm dies in materieller Beziehung gleichfalls begeg- net und hat da begreiflicher Weise einen noch viel emplindlichereu Schaden mit sich gebracht. Im groszen und ganzen zeigt sich diese traurige Vermengung zuerst hauptsächlich darin , dasz überall in den Text die Liederverse eines ganz rationalistischen (lesangbuchs (unter denen, wenn ich recht gesehen, höchstens zwei bis drei evangelische Kernlieder zu finden ) in nur allzu reicher Anzahl aufgenommen sind. Belege hiezu sind auf jeder Seite zu linden, z. B. zum In Artikel

E. Giese : die christliche Lehre zum Schul- und Hausgebräuche. 447

In Abschnitt: Von Gott: 'Laszt uns sein (Gottes) Reich der Tugend gern durch Wort und Beispiel mehren! Laszt uns des Vorzugs wür- dig sein, dasz wir auf dieser Erd' allein ihn durch Vernunft er- kennen'. 2r Abschnitt: Von der Welt: Mn solcher Geister (der En- gel) Chöreu dich ewig zu verehren, welch' eine Seligkeit! Wer wird sie einst empünden? Der, der entwöhnt von Sünden, sich ihnen gleich zu werden freut'. Zum Iln Artikel: 'Schon die Vernunft kann wissen, was gut und böse sei. Sie richtet durchs Gewissen, bestraft und spricht uns frei, verheiszt uns Hub und Freuden, wenn Avir das böse meiden und das, was recht ist, thun'. Zum Hin Artikel : 0 hilf uns Gott zu jeder Zeit nach Liciit und Wahrheit streben; dann werden wir zur Aehnlichkeit mit dir uns stets erheben; dann sehn wir einst im hellen Licht, was Wahrheit ist und Recht und Pflicht, und lieben nur die Tugend'. Diese Proben, zu denen wir leicht noch eine reichliche Anzahl anderer besonders aus 'der Pflichtenlehre' hin- zufügen könnten, werden ausreichen, unsere Behauptung zu bekräfti- gen. Und daneben nun die köstlichsten Aussprüche Luthers, die aus einem ganz anderen Geist entsprungen und unstreitig das beste sind im ganzen Buch! Wie sollen die sich mit jenen vertragen! Freilich so ganz isoliert stehen die Lieder nicht; sie haben leider auch an vielen Stellen im Text ihre Stütz- und Ilaltpunkte. Dazu gehört der durchgehende Gebrauch des abstractums Tugend als des InbegrilTs der christlichen Sittlichkeif, bekanntlich eine charakteri- stische Eigenlhümlichkeit des Rationalismus. So heiszt es gleich S. 4 'Christus kündigte sicli als den erwarteten Messias an, der ein Himmel- reich stiften werde, d. h. ein Reich, worin Gott als Vater verehrt, wo Wahrheit und Tugend gesucht und geübt werde' und weiter unten in demselben §: 'Sein (Christi) Leben war den Grundsätzen der Tu- gend vollkommen gemäsz', was eine völlig rationalistische Phrase ist, S. 28 im Abschnitt: Von der Erlösung, lautet § 56: 'Demnach soll der Mensch die Kräfte seines Körpers üben und anwenden, unter Lei- tung der Vernunft seine Triebe befriedigen und durch weisen Genusz irdischer Freuden sich seines Daseins erfreun', ebenfalls in den Com- pendien der Moral zu den Zeilen des blühenden Rationalismus fast Avörllich so zu lesen. S. 54 heiszt es im Abschnitt über das Gebet einmal: wir sollten 'leibliche Güter nur als Folge unserer Wür- digkeit von Gott erwarten'. Am stärksten aber tritt dieser Charak- ter einer gänzlich veralteten Form der christlichen Moral in dem drit- ten, fast die Hälfte des Buchs umfassenden Abschnitt des dritten Arti- kels 'Vom christlichen Sinn und Wandel' hervor. Wir finden hier ganz die alte, man sollte meinen, doch nunmehr endlich abgelhane Einlheilung der Pflichten wieder: die Pflichten gegen Gott, gegen uns selbst und gegen andere, und darunter dann die Pflichten, uns selbst achten zu lernen, unsern Versland auszubilden und unser Herz zu ver- edeln und unablässig bemüht zu sein, Ruhe des Gemüths zu erlangen; unser Leben und unsere Gesundheit zu erhalten; für unser Eigenthum, für Ehre und guten Namen und für frohen Lebensgenusz zu sorgen.

448 £. Giesc: die chrislliclie I.ehro /.um ScliuU und Ilausgebrauclie.

Und in derselben Scala von Geist, Leib und ^ äuszeilicbcm Zustand' folgen dann die Fflicblen gegen andere. Ja zu den drei Hauplltatego- rieen tritt, um ja keine Plliclit zu übergeben, noch eine vierte mit den Pllicblen in besondern Veriiältnissen, d. b. l) Pflicbten des bäuslicben Lebens, 2) Pflichten des bürgerlichen Lebens, 3) Pflicbten in Bezug auf die Kirche, sowie 4) Pflichten gegen Thiere und leblose Dinge. Dasz denn auch schlieszlicb der letzte Abschnitt von der Vollendung der Heiligung in einem anderen Leben oder von den letzten Dingen diesen Ton wiedergeben werde, laszt sich leicht denken. Daher denn die alten Beweise von der ^Unsterblichkeit', und zum tröstlichen Schlusz § 198: -die Frage, ob wir nach dem Tode mit den von der Erde abgeschiedenen wieder vereinigt werden, wird von der Ver- nunft bejaht ' ; und * sichere Gewähr für die Wiedervereinigung mit unsern vorangegangenen lieben und denen, die schon auf Erden durch Tugend und Gottesfurcht geistig mit uns verbunden waren , sowie für das wiedererkennen derselben haben wir in der Güte Gottes'.

Statt sich bei solcher vermeinilichen Vernunft-Erkenntnis zu be- ruhigen, wiire es für den Verf., der sich doch zu dem Herrn Christus und seinem heiligen Evangelium bekennt, doppelt ernste 'Pflicht' ge- wesen, mit Flcisz und Treue in der Schritt zu forschen und da zu lernen, was christliche Lehre überhaupt und die von den letzten Dingen insbesondere ist und darnach mit aufrichtigem Herzen zu prü- fen und zu scheiden, was die '\^'eisheit des natürlichen Menschen und die Weisheit aus dem Worte Golfes ist; denn wir li ab e n ein festes p r 0 p h e l i s c b e s W 0 r f , u n d i h r I h u t w o I , d a s z ihr darauf achtet, als auf e i n L i c h t , d a s d a s c h e i n e l in e i n e m d u n - kein Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.

Hanau. Dr. K. W. Piderit.

28.

Zur Kritik der Nibelvnye. Von Max Rieger. Gieszen 18rj5. J. Rickersche Buchiiandlung. 114 S. 8.

Von den Verlheidigern der Handschrift C als des ursprünglichen Textes ist als ein Hauptargument gellend gemacht worden dergröszere poetische Werlh, der C dem i)rosaischern unzusammenbüngendern Text von A gegenüber beizulegen sei, ja Zarnckc hat den Dichter von C als einen groszen Dichter nicht undeutlich bezeichnet. Auch die, welche jene Ansicht über den Weith der llandsclirifl C nicht Iheilen, konnte die Geschicklichkeit, mit der hier und da unzusammcnhiingen- des verbunden, widersprechendes ausgeglichen ist. bestechen, dem Text von C gröszern Werlh beizulegen, wenigstens in Hinsicht auf die Darstellung, als ihm wirklich gebührt. Das Hauplverdienst des

M. Uieger : zur Kritik der Mibeliiuge. 449

vorliegenden Büchleins bestellt nun darin, dasz an vielen Stellen naclt- gewiesen wird, dasz die Aenderungen in C nicht immer poetischer, lebendiger, concreler, sondern sehr häufig matter und allgemeiner sind, als das in A gebotene. Dies wird zunächst von den in C zuge- setzten Strophen bewiesen (S. 6 15), dann in Bezug auf die der Hs. C eigenlhümlichen Lesarien (S. 45 6+). Diese beiden Partieen sind die wichtigsten in der ganzen Schrift. Derselbe Nachweis wird gelie- fert in Bezug auf den gemeinen Te.vt (diellss., welche zwischen A und C stehen) S. 24 30 (die Strophen) und S. 77 86 (die Lesarten). Die Unparteilicheit der Darstellung aber werden selbst die Gegner zugestehen müssen: denn jener Auseinandersetzung gehl eine andere voraus, worin nachgewiesen wird, dasz C an einzelnen Stellen gegen A im Vortheil ist und ebenso der gemeine Text. Vielleicht beschrän- ken sich aber diese Fälle auf eine noch geringere Zahl, als der Verf. angeführt hat. So, was die Auslassungen betrifft, möchte Bef. in der Auslassung von Str. 25 nicht einen Vortheil von C sehen. Die Dar- stellung von A läsxt Sigfrid erst nicht am Hofe erzogen werden (Str. 24) und dann am Hofe seine Erziehung namentlich im WalTen- handwerk vollenden (Str. 27); dasz dies richtig ist und vielleicht auf alte Sitte hinweist, sehen wir aus Gudrun Str. 3. In C wird beides vermengt; die Strophe ist allerdings schwach, aber das ist die ganze Darstellung der Erziehung; wie schwach ist z. B. Str. 27, die erste Zeile ausgenommen. 497 ist es allerdings ein Vortheil, dasz die Ent- schuldigung Hagens wegfällt aber die Strophe welche C bietet ist doch sehr matt gegen 498 und der Vortheil, den C hat, ist eben nur dem gemeinen Texte, nicht aber A gegenüber vorhanden. Ebenso ist es 499, wo mit allen niinen vriunden, was C hineinbringt, kein Vor- theil ist. Den Vortheil bei der Weglassung von 546 hebt der Verf. selbst auf: es könnte auch gesagt werden: C vermeidet den Schaden nur, Aveil sie den lästigen Inhalt in 545 4 schon angebracht hat. 1825 scheint doch nothwendig, um zu motivieren, weshalb Volker auf die Abmahnung des Königs keine Bücksicht nimmt. Str. 2137 möchte Bef. nicht aufgeben: Hagen hat eben den Wunsch ausgesprochen so sol daz got gebieten, daz iwer tugende immer lebe, da bricht sich das Leid der gegenwärtigen Lage mit Macht Bahn durch die freund- liche Bede: so we mich dirre maere ganz der Situation angemes- sen, ebenso wie der kurze Seufzer Budigers : daz ist mir innecliche leit, mit dem er nicht auf Hagens Bede antwortet, sondern sie unter- bricht, getroffen von den Worten Hagens, die gerade auch sein Leid treffend bezeichnen.

Ebenso läszt sich gegen einzelne der Strophen, welche in C, wie der Verf. angibt, zum Vortheile des Textes zugesetzt sind, man- ches einwenden. Was Str. 22 5 8 betrifft, so hat ja auch A in 22 u. 23 eine Hinweisung auf die Thaten Sigfrids in seiner Jugend, von seiner Beise zu Kriemhild. Die speciellere Hindeutung in C kommt etwas seltsam vor 27 1, worin gesagt ist, dasz er erst jetzt die Stärke er- langt habe, um Waffen zu tragen. Es ist allerdings gewöhnlich,

450 M. Rieger. Zur Kritik der Mibeliinge.

dasz die Mannen dem König ratlien, sich zu vermählen, aber deshalb gerade passt der Ausdruck Iteniwe maere, den C 324; beibeliält, trotz der Correctur umben Bin schlecht. Der Zusammenhang mit 325 wird durch die zugesetzte Strophe nicht hergestellt, vielmehr ist er in A noch eher zu linden. Der Zusatz bei 601 ist allerdings motiviert, die geschwollenen Hände aber ist ein etwas grober Zug, der der Sache nicht zum Vortheil gereicht. Ob 165-i der Uebelstand, dasz Kriemhild die Helden am Fenster stehend sieht, ein so groszer ist, dasz wir die matte Correctur in C den lebendigen Strophen 1654 und 1655 vorziehen miisten, läszt sich noch bezweifeln: denken wir uns das Feld auf dem die ßurgunden lagern, unterhalb der Burg Etzels, was dem Zusammenhang nach recht gut möglich ist, so hat es nichts störendes, wenn es heiszt: von ir vaterlande sach si mane- gen man, da mit diesen Worten eben nur gesagt ist, dasz sie die ganze Schaar sah, wie es eben bei gröszerer Entfernung möglich ist. Die Strophe 1817 5 8 unterbricht die Aufzählung der hunnischen Helden, welche zu dem Buhurt reiten. Auch bei Str. 1936 scheint der Zusatz in C zu stören: nach dem Text in A spottet Volker gar nicht des Kö- nigs, sondern nur der Mannen, Hagens Trotz aber versteigt sich bis zu Hohn wider den König. Diesen, wie mir scheint für beide Helden charakteristischen Zug (Volker ermahnt ja auch zum aufstehn vor Kriemhild, was Hagen nicht will) verwischt die Fassung in C. Auf 2094 5 8 passt die Antwort Etzels mit ihren Anfangsworten nicht so g'ul, als wenn der Entschlusz Rüdigers ganz kurz angegeben ist. 130 5 8 unterbricht den Gang der Erzählung doch sehr merklich; zwischen 130 8 und 131 1 ist gar kein Zusammenhang. 271 5 8 wird doch wol wenigstens was die letzte Zeile betrifft zu dem Svegen Schwäche des Inhalts unbestreitbar verwerflichen' gehören, ebenso die sehr prosaische Strophe 327 5 8. Str. 372 5 8 stört wieder das Ebenmasz zwischen Frage und Antwort, die sich im Text von A einfac' und schön ineinander schlieszen. Ebenso drängt sich der Zu- satz zwischen 423 und 424. 1228 5 8 kommt der Abschied selt- sam nach der Abreise, die schon 1225 2 erwähnt war. 1939 5 12 führen uns von dem eigentlichen Schauplatz der Handlung, dem Saale, ganz ab, der in dem Text von A unverrückt fest gehallen wird. So würden also auch manche von den Strophen, welche der Verf. nicht unbedingt unter die schlechten zählt, mehrfachen Bedenken unterlie- gen und unter die auf S. 11 und 12 aufgezählten gehören. Bei der Versetzung von Str. 1080 (S. 15), die der Verf. 'ziemlich gleichgültig' nennt, könnte erwähnt werden, dasz diese Strophe zwar zwischen 1079 und 1081 nicht passt, ebenso wenig aber zwischen 1076 und 1077, die beide von der Abwesenheit der Könige reden. Auf S. 15 geht der Verf. zu den Hss. C I d H und ihrem Verhältnis zu A über. Die bei- den Strophen 1052 5 12 findet der Verf. sehr schön doch gilt dies eigentlich nur von Zeile 8, während die erste und letzte Kurzzeilc der zweiten Strophe sehr prosaisch sind und das übrige sich auch nicht sehr auszeichnet. Dann ist aber doch hervorzuheben, dasz das

M. Uieger: Zur Kritik der Nibelungo. 451

kurze, unwillige: Ich wil den cünec grüezen, das A allein hat ohne jene Strophen, der Situation ganz angemessen ist und eine längere Ex- position überllüssig macht. Bei J835 5 12 könnte doch anstoszen die vierte Kurzzeile der ersten Strophe, die nur um des Reimes willen gesetzt scheint und auch in I und h geändert ist, und die Wiederho- lung des schon in 1834 1 enthaltenen Verbotes. Str. 1775 5 8 unterbricht die Erzählung: dasz Volker sofort seine Bemerkung mil- thcilt, wie es natürlich und der ganzen Sachlage angemessen ist, wird durch diese Strophe verwischt. Von S. 21 30 behandelt der Verf. das Verhältnis des s. g. gemeinen Textes (St. Galler Hs.) zu A und beginnt wieder mit den Strophen, die in D ausgefallen sind, sodann geht er über zu denen, welche in B zugesetzt sind und zwar zuerst nach der Ansicht des Verf. zum Vorlheile des Textes. Auch hier aber lassen sich gegen manche von diesen Strophen Bedenken erheben; so sagt 383 8 und 16 ganz dasselbe und Zeile 13 steht zwischen den zusammengehörenden 12 und U und 15. Die Dienstbarkeit scheint auszerdem hier doch mit etwas zu starken Farben ausgemalt und ßrun- hild würde, wenn das die Frauen alle sahen, schwerlich zuerst Sigfrid angeredet haben. 385 8 bringt zum drittenmal, dasz Brunhild das alles gesehen habe (s. S. 30). 394 5 20 unterbricht den Zusam- menhang der Rede dessen, der von Sigfrid spricht, und der Antwort der Königin. Auch die allgemeine Bemerkung 486 8 unterbricht den Zusammenhang zwischen den Worten Brunhilds und der Antwort Ma- gens, der in A nicht unterbrochen ist. Die Ankündigung in 540 1 3 bezieht sich auf das ganze Lied, macht also die unmittelbar folgenden Strophen des gemeinen Textes nicht nothwendig. In 640 5 8 stört die achte ganz allgemeine und nicht zur Sache gehörende Zeile. 1598 würde der Verf. Recht haben, wenn Rüdiger weiter nichts antwortete, als ir sult haben guote naht, aber die Hauptsache der Ant- wort sind die Anordnungen, die er sofort trifft, um die Burgunden unterzubringen und die das in 1598 4 8 enthaltene Versprechen überllüssig machen. Auszerdem wiederholt nach dem gern . Text 1599 2 das, was 1598 7 und 8 specieller angegeben war. Hier möchte Ref. dem Text von A unbedingt den Vorzug geben. 1614 5 8 ist doch neben 1617 1 unpassend warum kommt das Bedenken Rüdigers nicht hier erst, wo wirklich ein König um seine Tochter anhält, oder warum wiederholt es sich nicht? Von den Strophen (S. 23), welche einen anschaulichen Zug hinzubringen, möchte Ref. 583 ausnehmen: dasz die Leute weggehen und die Kammer zugethan wird, versteht sich doch zu sehr von selbst und wird auch in der Strophe eben nur gesagt, nicht etwa lebendig geschildert. Auch passt vrowen unde man schlecht, da in Str. 581 nur von den Kämmerern die Rede war. Auch einzelnen von den S. 24 und 25 aufgezählten Strophen läszt sich doch mehr böses nachsagen, als der Verf. gethan hat. So steht 359 5 8 zwischen den beiden zusammengehörenden Ausdrücken des sei- len si den frouwen danc und vil michel danken wart da niht verdeit, deren Tautologie nur durch ihre unmittelbare Aufeinanderfolge er-

i\. Jnhrh. f. Phil. 11. Paed. B<l. J.XSII. Hft. «. 34

452 M. Rieger : zur Kritik der Nibelunge.

Iräglich wird. 421 5 8 ist eine rohe Uebertreibiing, indem sich DanUwarts Trotzrede auch gegen die Königin wendet, die er tödteii will und wenn er ihr tausend Eide geschworen hätte! Dasz von den Mannen der Brunhild etwas zu befürchten gewesen wäre, Menn die Burgunden sie persönlich angegriffen hätten, scheint kein Grund, der diesen Zusatz verlheidigen könnte: ehe der König kämpft, kämpfen meist erst die Mannen: so ist es z B. in dem letzten Kampf Günthers und Hagens mit Dietrich. Jedenfalls kämpfen die Mannen miteinander und es ist deshalb ganz angemessen, wenn Dankwart als Günthers Mann den Mannen der Brunhild droht und nicht mit seinen Trotzreden diea-Königiu selbst angreift. 429 5 8 wird von dem ersten Theil der Rede Sigfrids durch die vierte Zeile getrennt. 529 7 steht schon 528 4, wie dies der Verf. auf S. 30 selbst angibt. 554 5 8 scheint wieder zwei in dem Text von A auseinander gehaltene Dinge zu vermengen. Der Ausdruck knehte 557 1 läszt darauf schlieszen, es sei das Abendturnier von Jüngern Kämpfern gehalten worden, als Nachspiel des eigentlichen Turniers der Nachbesserer vermengte beides. 589 5 8 stört das Gespräch zwischen Günther und Brun- hild. — 886 5 8 macht das Wort Sigfrids nu rinnen wir den tan, das in A sich unmittelbar anschlieszt, matt.

S. 26 geht der Verf. zu den im gem. Text zugesetzten Strophen über, welche entschiedener durch Fadheit des Inhalts stören, und faszt dann S. 30 das Resultat in kurzen Worten zusammen 'dasz jeder andere Text seh lechter ist als AundC der schlechteste von allen.'

Von S. 33 an handelt es sich um die Lesarten, in denen der ge- meine Text und C von A abweichen. Mit der Unparteilichkeit, welche das Büchlein auszeichnet, werden auch hier zuerst die Lesarten aufge- zählt, welche in C sich linden und besser sind als die in A. Auch hier läszt sich doch noch manches gegen den angoblichon Vorzug der Les- arten von C sagen: so scheint in der Warnung 1068 das stärkere dasz ez in leide müeste ergän angemessener als die schwächere Lesart in C. Str. 155 (die Zahl fehlt) scheint die Antwort Sigfrids ich hau iu niht verseit auf die Rede Günthers, die einen Vorwurf enthalten kann, doch recht gut zu passen: wenn man stäten Freunden sein Herzeleid klagen soll und Günther sein Herzeleid Sigfrid nicht klagt, so hält er ihn also nicht für einen stäten Freund, und diesen Vorwurf weisen Sig- frids Worte zurück; dasz er ihn empfunden hat, beweist J54 4. Auch 117 3 und 4 zu verbinden, ist nicht gerade nötliig; Zeile 3 schlieszt sich besser an das vorausgehende an; es wäre deshalb nach man ein Punctum zu setzen und so hat die Lesart in A nichts anstöszi- ges, ja sie ist mit ihrem kräftigen Trotz besser, als der allgemeine Ausdruck in C. In 158 4 scheint die Lesart von C nicht nur nicht den bedeutenderen Gedanken, sondern einen geradezu verkehrten Sinn zu geben. Lät mich iu erwerben ere undc vrumen sagt Sigfrid das war aber doch erst möglich, wenn die Feinde iti das Land kamen, nicht vorher. Die Lesart von A an dieser Stelle hat nichts aulTallcu-

M. Uieger: zur Kritik der Nibelunge. 453

des, da hier Günther bitten soll, dasz sie ihm zu Hülfe kommen sollen, 160 1 dagegen SigtVid direcl um Hülfe für sich bittet. 162 ist die Lesart gezweiet doch allzu dunkel und wird zu wenig durch die vierte Zeile erkliirt, als dasz man sie der Lesart in A vorziehn sollte. lu 270 4 ist iu der Lesart von (' die Beziehung in der unklar: welches Lob? Doch wol nur der schonen Kleider, die eben nur beiläufig er- wähnt werden. 43 3 ist die Correctur von C unnöthig, da die Wie- derholung des Wortes Herr gerade um so mehr hervorhebt, dasz sie den jungen Sigfrid zum Herren haben wollen. 173 4 ist wol das einfachere behiieten der Lesart heberten, die eben, wie der Verf. rich- tig angibt, eine Correctur ist, vorzuziehn. Ebenso 592 4, wo die Wiederholung der Worte, die Günther gesagt hat, hervorheben soll, wie genau er sein Versprechen hielt. 573 ist es doch noch fraglich, ob nicht die Lesart von A, die gar nicht auf das vorausgehende Rück- sicht nimmt, im Gegentheil Günther davon ablenken läszt, der Situa- tion angemessener und kräftiger ist. 1880 3 ist die Drohung, die C zusetzt, schon kräftiger in Zeile 2 enthalten. Die Aenderung, welche C in 2113 2 hat, stört den Zusammenhang mit der folgenden Zeile. Auch ist die Lesart in A nicht gar so ohne Inhalt: an allen andern Kämpfen hatten sie Freude, an diesem aber nicht. 729 4 greift nach der Lesart von A der Erzählung nicht gerade vor, denn unmittelbar darauf folgen ja Ausführungen über den Empfang. 167 1 scheint die Correctur man übel angebracht, da dies nur die Boten selbst sagen können. 348 4 ist die Verbindung mit der vorher- gehenden Zeile auch bei der Lesart von C eine sehr lose und es dürf- ten sich in dieser Hinsicht beide Lesarten gleich stehn. 2256 4 hat die Lesart von C eiuen fast komischen Anstrich, den A nicht hat. 2087 ist eine einleitende Partikel zu der letzten Zeile überflüssig, ja sogar störend unverbunden macht die einfache Angabe des That- bestandes weit gröszern Eindruck. 79 3 4 läszt der Versschlusz die Verbindung der beiden Sätze leicht vermissen. 92 4 ist herre besser, da es gleich wieder 93 1 kommt. 2061 1 stört der Zwi- schensatz die geste waeren tot, der zwischen den beiden Subjecten steht. 1665 4 scheint die Correctur von C doch ebensowenig un- mittelbar verständlich als die Lesart in A: zu dem aller triuwen ge- mant musz doch der Umstand, dasz sie um der Treue, die sie als Mage der Schwester beweisen müssen, die Reise nicht ausschlagen konnten, ebenso gut hinzugedacht werden , als zu dem Ausdruck manic maere der Iniialt dieser maere, der überdies aus dem Zusammenhang deutlich hervorgeht. 1966 steht die zweite Zeile zwar mit der ersten in kei- ner Verbindung, mit der folgenden dritten aber hängt sie um so enger zusammen; die Correctur von C gibt einen ganz allgemeinen der Hand- lung nicht so unmittelbar entsprechenden Satz. 818 4 ist für unsere Zeit 'wol allzu kühn' auf die Bekanntheit der Sage gebaut, für die Zeit der Entstehung des Nibelungenliedes nicht. 1620 1 ist die Correctur min eilendes soll doch eben nicht besser, als das durch sie weggeschaffte, das klar genug ist : seine Hülfe w ill er ihnen als Ver-

34*

4.j4 M. Rieger: zur Kritik der Nibelunge.

>vandlen leisten, das ist das eine und eine Mitg'ift geben das ist das andere , Avas er thun kann. 1822 3 mag es wol etwas nüchtern aussehn, wenn Ref. darauf aufmerksam macht, dasz der Plural in den venstern zu dem Singular herzen trut nicht passt aber auch auszer- dem ist in den ziten bezeichnend genug: gerade zu der Zeit, in der er so glänzend auftritt und seinen Tod ündet, 1302 (die Strophen- zahl fehlt) ist zwar der Ausdruck gen dem schalle in A unklar, aber die Correctur leidet an einer etwas harten Verbindung des Singulars mit dem Plural. 2165 2 passt das si sprächent alze lange nicht dazu, dasz inzwischen Kampf gewesen ist. - A^'enn 1821 nicht als Befehl, sondern als übermüthige Trolzrede Volkers aufgefaszl wird, so passt sie ganz gut: wir wollen weggehn, weil sie nicht wagen uns zu beslehn. Ob die Fassung von 2040 und 2041 wie sie A hat, zum lachen reizt, kann doch bezweifelt werden; es scheint ganz natürlich, dasz Kriemhild in unbändiger Rachsucht anfangs ausbricht: Ihr müst es alle entgelten, und dann sich plötzlich besinnend hinzusetzt: weit ir mir Hagenen einen usw. Das fehlen einer jeden Verbindung zwi- schen den beiden Strophen bezeichnet diesen raschen Uebergang in der Stimmung der Kriemhield recht gut. Gleiches möchte gellen von 2088, wo die kurze Antwort das befremdliche verliert, wenn wir sie (vgl. 2087 und 2137) denken ausgepreszt von dem im tiefen Seelen- kampf dastehenden Rüdiger.

lieber die Lesarten von C, welche der Verf. als Verschlech- terungen bezeichnet, etwas zu sagen, scheint überflüssig: die Geg- ner Lachmanns mögen sehn, ob sie diese Phalanx durchbrechen können. Was die Lesarten von a (der wallersteiner Ilandsclirifl) betritrt, so möchte Ref. doch ]462 3 die Lesart in A vurziehn: bei- denthalb der berge bezeichnet recht gut die Trauer des ganzen Lan- des, auch der entfernteren Gegenden. Und warum fällt es dem Verf. auf, dasz Hagen (1499) trauert, nachdem er von dem Meerweibe gehört hat, dasz seine Herren umkommen werden, denen er treu ist bis in den Tod? Der Schade war geschehen (1558) scheint im allge- meinen zu bezeichnen, dasz Blut geflossen ist und Leute todt geblieben sind; Hagen weisz ja auch noch nicht, ob von den Burgunden einige gefallen sind und sie haben auszerdem wirklich vier verloren, also einen Schaden gelitten. Ebenso möchte Ref. einige Lesarten von A den in C I d sich findenden gegenüber verlheidigen : dasz 1288 2 Rü- diger sagt: ich will den König empfangen, passt ganz dazu, dasz er der Wirlh ist und Kriemhilden als solcher Anweisungen über den Em- pfang gibt. 1G80 passt doch der Ausdruck waetliche, und wenn man ihn auch ironisch nehmen wollte, schlecht, da von dem Schatze die Rede ist. Auch gegen einige Lesarten des gemeinen Textes, welche der Verf. vorzieht, lassen sicli Bedenken erheben; so scheint 938 4 frouwen Glosscm, da unmittelbar vorher von Sigfrid selbst, nicht von Kriemhild die Rede war. 1165 1 ist nur eine halbe Cor- rectur, C corrigiert auch das erste Beiwort und stellt dadurch die Gleichmüszigkeil her. 86 wird die Rode Günthers, die indirect schon

M. Uieger: zur Kritik der Nibelunge. 455

angegeben ist, noch einmal wiederholl: da es dieselbe Rede ist, so ist die Wiederholung desselben Ausdrucks nicht auffallend. 253 scheint die Correctur groezlichen so mislungen, dasz die Wiederho- lung dagegen erträglich ist, nanienllich da in der drillen Zeile von einer besondern Fürsorge Etzels für die verwundeten die Kede ist. 408 4 lieszc sich die Wiederholung dadurch, dasz es eben derselbe Speer ist, rechtfertigen. 591 ist oben besprochen worden 843 passt leide niciit recht, ist wenigstens sehr allgemein, der plötzliche Ausruf mag hier die Wiederholung desselben Wortes entschuldigen und macht dasz sie weniger auffällt. 837 3 ist die Zurückbezie- hung auf Brunhild (nach der Lesart des gem. Textes) doch etwas künstlich, da namentlich sie nicht in derselben Strophe genannt und dazwischen von Sigfrid die Rede ist. 1620 ist den beiden doch schwerlich misverständlich. 51 3 wäre ohne ez wol zu ertragen, wenn kein Nebensatz folgte, der auszerdem Avolde gleich nach wille bringt. 423 3 ist der Conjuncliv nicht recht motiviert. Den Tod ungetreu zu nennen (929 4) ist doch für den einfachen Stil des Lie- des etwas zu künstlich.

Zu dem nun folgenden nur die eine Bemerkung, dasz das S. 86 über Str. 1313 gesagte dem Ref. unklar geblieben ist. Verbindet der Verf. etwa von silber mit leitschrin statt mit laere machen?

Nachdem der Verf. S. 91 bis 100 noch über die Unterschiede in Grundsätzen der Verskunst, die zwischen den einzelnen Handschriften obwalten, gesprochen hat, bringt er S. 101 noch einen Anhang: zur Emendalion von A. In 2 1 ist schoene nothwendig wegen des gleich folgenden Comparativs schoeners, von 253 ist oben gesprochen wor- den, auch von 938 4 und 837. Hier läszt sich die Lesart von A wol ebenso halten, wie sie der Verf. 337 2 gegen Lachmann halten will. Die Entscheidung ist aber schwer, wo nicht unmöglich, so lange nur die eine nachlässig geschriebene Handschrift A Quelle des ältesten Textes ist.

Den woUhuenden Eindruck, den das Büchlein durch den ruhigen gemessenen Gang der Untersuchungen macht, unterstützt eine glän- zende äuszere Ausstattung. Nur fürchtet Ref. , dasz der durch die- selbe entstandene hohe Preis die Verbreitung, die das Werkchen ver- dient, hindern könnte.

Hanau. Otlo Vilmar.

29.

Wie die Beschäftigung mit dem klassischen Aller Ihn m der reli- giösen Jngendbildung förderlich sein könne. Ein Vortrag am Ende des Schuljahrs (27. Sept. 1853) zur Feier des Ge- hurlstags des Königs von Württemberg im Gymn. zu Slutf-

456 riolli: wie die Bescliäfligung mit dem kl. Alterlh. usw.

yurt gehauen von Dr. C. L. Roth. Aus dem ^Coi'resp.- Blatt für die Gelehrten- und Realschulen Württembergs.' Sliittg. b. Ferd. Steinkopf. 18 S. 8.

Eine kleine, aber sehr wichtige Schrift, die darum eine beson- dere Anzeige gar sehr verdient hat. Es ist von Werth , wenn Männer von Roths Einsicht, Erfahrung und Gesinnung den in der Ueberschrift bezciclinelen Gegenstand in besonderen Ausführungen praktisch anzAi- wendcn versuchen. Uer Vf. weist dem lesen der Alten seinen vollen und unverkümmerten Platz in den Gymnasien an und zeigt, wie gerade auch die unvollkommen religiöse Bildung des AUerlhums die .lugend auf die tiefen Schätze der chrislichen Ülfenbarung anl'merksam zu machen geeignet ist. Er verlangt mit Hecht, dasz die Jugend mit dem Geiste des heidnischen AUerlhums bis auf einen gewissen Grad ver- traut gemacht werde. Darum aber dürfe auch die darauf zu verwen- dende Zeit nicht noch mehr beschränkt werden als sie seil Anfang unseres Jahrhunderts beschränkt worden sei, und es wäre daher für christliche Griechen und Lateiner nicht wol Platz, wenn nicht etwa eine Homilie des Job. Chrysostomus oder eine Schrift des groszen Basilius, wie die schöne und anregende Anweisung für die Jugend, aus dem lesen heidnischer Schriftsteller Nutzen zu ziehen, in weni- gen Lehrstunden cursorisch durchgenommen würde, um zu zeigen, wie sich der Geist der griechischen Nationalität unter dem Einflüsse des Christenthums gestaltet und aus seiner lange dauernden Verküm- merung wieder erhoben habe. Ref. möchte meinen, dasz es auch für diesen negativen Zweck weniger gehören dürfte; wol aber könnte es in sachlicher Beziehung dazu dienen, innerhalb des Religionsunter- richts der obersten Gymnasialstufen ein lebendigeres Gemälde von den ersten Zeiten der christlichen Kirche entwerfen zu helfen und der Jugend darzulhun, wie auf den wilden Baum des anliken Lebens das edle Pfropfreis des Christenthums gebracht worden sei. Hierzu möchte eine behutsam und sorgfältig angelegte Chrestomathie immer- hin von wahrhaftem Nutzen sein. Im übrigen wollen wir mit Freuden von einem so vielerfahrenen Meister, wie der Vf. ist, lernen, wie man heidnisches und christliches vor der Jugend nicht zusammen mengen, sondern im Gegenlheil die Verwandtschaft und die Verschie- denheit der altklassischcn und der christlichen Vorstellungen dazu anwenden müsse, um die einen durch die andern anschaulich zu ma- chen. Als Beispiele werden vom Vf. diesmal die Ansichten der Allen über das Schicksal und über den Zweck des Lebens gewähU. Die Lehre von der Einheil Golles und von Gottes Eigenschaften, sagt der Vf. sehr richtig, spricht in der Regel das jiisrcndliclie Genüitii nicht in dem Grade au, wie sie als Fundamental- Lehre unseres Glaubens dasselbe ansprechen sollte , wenn dieser Lehre nicht die sittlichen Verirrungen des Polytheismus und zwar gerade die der alten ^Vell gegenübergestellt werden , und so gezeigt wird, wie die schon lange vor Homer begonnene Theilung und S|)altung des göttlichen Wesens

Kolli: wie dio Bescliiiniguiig- mit dein kl. Alteith. usw. 457

durch die nienscliliclie Phantasie in ihrem Fortgang- bis zur Erschei- nung Christi in der Welt allen wirklich religiösen Gehalt ans den alten Religionen ausgetrieben habe, so dasz die menschliche Gesetz- gebung- das Geschält der sittlichen Bildung in Griechenland und Rom übernehmen muste. Die Aussonderung des religiösen Gehalts aus den alten Religionen ist aber besonders dadurch erfolgt, dasz in der nach- homerischen Zeit, welche die Personilicationen übermenschlicher, unsichtbarer Mächte und Kräfte noch immer fortsetzte und mehrte, eine solche Macht aufkam, die allmählich alle anderen olympischen Gottheiten überwand. Das ist die xvyi]^ die )Iach( der in den mensch- lichen Dingen wallenden Zufälligkeit. Und von dieser gibt nun der Vf. auf den nächsten Blättern eine kurze Geschichte, wodurch der Entwicklungsverlauf dieses Begriffs und seine Unterscheidung von den verwandten, wie uiGa und fiOLQCi^ klar gemacht wird. Allerdings vertragen und verdienen, ja verlangen zum Theil diese kurzen Züge eine weitere und genauere Ausführung , als der Vf. sie für den Au- genblick und in den engen Grenzen eines Schulvortrags hat geben können. Es wäre zu wünschen, dasz der Vf. sich die Zeit nähme, diese und andere religiös-ethische Seiten des Alterthums in einer für die Jugend faszlichen Darstellung zu verfolgen, wozu niemand beru- fener ist als der Vf. des Miistorischen Lesebuchs'. Hier wollen wir nur, um die treffliche Art seiner Behandlung kenntlich zu machen, auf die S. 10 gegebene Vergleichung des Ganges hinweisen, den die alt- testamentliche Offenbarung im Gegensatze zum heidnischen Polytheis- mus genommen hat: '^Hier der Grundirtluim durch Theilung des gött- lichen Wesens, dort das strenge anhalten an der Einheit Gottes; im Polytheismus das vergessen der Heiligkeit Gottes und eben darum in der Religion kein Element sittlicher Heiligung für die Menschen, iu der Offenbarung des A. B. die Heiligkeit des einen Gottes das erste unwandelbare Princip und die sittliche Heiligung des Menschen der erste und einzige Zweck; bei den Griechen die Zügel der Weltregie- rung dem obersten Gott immermehr aus den Händen genommen, beim Volke Israel das göttliche Regiment bis ins einzelne und kleine durch- wirkend; die Verwirrung der religiösen Vorstellungen auf jener Seite im steten Wachsthum begriffen, auf dieser die Verfinsterungen des Gottesbewustseins, die allerdings auch eintraten, jederzeit nur dunkle Durchgänge und Pforten zu hellerer Erleuchtung; und zuletzt, als vom alten Glauben nur die Meinung von der Macht des Zufalls noch übrig war, und in dieser Beschränkung der Vorstellungen auf eine einzige übersinnliche Macht das Verlangen der heidnischen Welt nach einem Gölte sich kundgab, der Aufgang des Lichtes, das von da an allen Menschen aller Zeiten leuchten sollte.' Nicht minder anzie- hend ist der Ueberblick, den der Vf. uns in die Geschichte der Vor- stellung vom höchsten Gut eröffnet. Wol mag es eine Zeit ge- geben haben, wo das sitzen beim reichlichen Mahle und bei vollen Bechern unter lauter fröhlichen Gesellen und beim hcrzerhebendeu I-iedc des Sängers als höchster Lebensgenusz erschien. Auch der ma-

458 Bemerkungen zu der lal. Schulgrammatik von Siberli und Meiring.

terielle Besitz wurde als wirkliches Glück gepriesen. Aber man blieb bei den sinnlichen und greifbaren Gütern stehen: die Ehre und der- Ruhm erscheint als das gröszte Gut, die Schande als das gröszte Uebel. Dies zieht sich bis in die romische Welt hinüber; der Mensch wünscht nur im Nacliruhme fortzuleben; die römische Staatsreligion erkennt ohnedies keine persönliche Unsterblichkeit an, wo sie nicht dem ein- zelnen durch Senatsbeschlusz zugelheilt wird. Hier bietet sich ein reicher StolT zu unterscheidenden Zusammenstellungen; der Vf. hat Kecht, es gibt kein Capitel in der geolTenbarten Religion, dem nicht ein entsprechender Complex von Meinungen des Alterthums in der Weise gegenübergestellt werden könnte, dasz in diesen das Verlan- gen der 3Ienschennatur nach göttlicher Erleuchtung, und in den ent- sprechenden Lehren der Offenbarung die Erfüllung dieses Verlangens für jedes die Wahrheit suchende Gemüth klar gemacht werden könnte. Zum Belege dafür entwickelt der Vf. noch die Vorstellung der Alten von der Tugend von jener Auffassung als natürlicher Kraft an bis zu der eigenthümlichen römischen virtus hin, wie sie uns z. B. in den gnomischen Gedichten des Horaz entgegentritt. Genug, die kleine gehaltreiche Schrift des Hrn. Oberstudienraths Dr. Roth verdient in weiten Kreisen bekannt zu werden.

Parchim. Dr. Lübker.

30*

Bemerkungen zu der lateinischen Schulgramniatik von Siberti und Meiring.

Die lateinische Schulgrammatik von Siberti ist von dem Hrn. Director Meiring zu Düren nach Zumpt neu bearbeitet und für die mittleren Gymnasialklassen erweitert worden, und hat in dieser neuen Gestalt in kurzer Frist viele Auflagen erlebt. Im J. 18il erschien die zweite Auflage, a. 47 die sechste, a. 52 die neunte, a. 34 die zehnte. Bei der weiten Verbreitung dieses Schulbuches erscheinen einige Be- merkungen über dasselbe gerechtfertigt. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich nur auf die Punkte, die mir bei dem Gebrauch dieses Buches in Quarta und Sexta aufgestoszen sind.

§ 3 und § 6 handeln von der Aussprache. Spcs, müs seien spehs, mohs, ce, ci und ti wie ze und zi zu sprechen. Heutzutage dehnt fast jedermann im Lateinischen alle langen Silben oiino Unter- schied. Es sei so. Jedenfalls erscheint es aber als eine Inconsequenz, das c wie z zu sprechen, ohne der Aussprache des n und m am Schlusz eines Wortes und anderer Fälle (in immer gedehnt in der Zusammensetzung vor s und f nach Cic. orat. c. 4.S) zu gedenken, und es ist nicht abzusehen, warum Hr. Meiring in § '6 gegen Zumpt (und Schneiders Elemenlarlehre) die falsche Aussprache ausdrücklich lehrt.

Bemerkungen zu der lat. Scluilgrammatik von Siberfi und HFciring-. 459

§ 4 behandelt die Trennung der Silben. Hr. M. legt, wie viele Grammatiker, biebci die griecliische Sprache zu Grunde. Es ist un- erhört, bei der Silbenablheilung der einen Sprache auf eine fremde Sprache provocieren zu wollen, und halte ich für einzig richtig om-nes, fac-lns, scrip-ttis.

In einer besondern Beilage finden sich die gereimten Genusregeln nach der Zumptschen Grammatik vollständig. Gereimte Genusregeln erwartet man also bei den Decliuationen § 9 cet. nicht weiter. Gleich- wol linden wir § 9, 10 und 15, nachdem über das Geschlecht im all- gemeinen prosaische Kegeln aufgestellt sind, auch dieselben drei ali- gemeinen Genusregeln in Versen, die in der Beilage stehen. Doch die allgemeine Genusregel : ' Cornttitme heiszt, was einen Mann und eine Frau bezeichnen kann', fehlt in § 12. Befremdender ist es, dasz namcntlicli bei der dritten Declination § 109 usw. einzelne gereimte Genusregeln stehen, und zwar in andern Heimen, als in der Beilage. Wozu einzelne Regeln in verschiedenen Versen? Ganz unstatthaft erscheint es, für einen Sextaner (denn für diesen ist die Hegel zu- nächst berechnet) die Wörter, die in der vierten Declination ubtis statt ihiis haben, § 126 in Hexametern anzuführen, und wäre es prak- tischer, die betrefTendc Versregel aus der Grammatik von Otto Schulz zu entlehnen, ^^'ünschenswerth wäre die Hinzufügung der Versregeln über die Wörter, die den acc. sing, auf im bilden, und derer, die ini gen. plur. nni statt iiwi haben, so wie die Aufstellung der Praeposi- tionen 356 usw.) in Versen, da Versregeln sich dem Schüler am leichtesten einprägen.

§ 51 lehrt, Avelche Wörter der dritten Declination im acc. sing, sich aufm endigen. In § 89 ist dieselbe Kegel fast wörtlich wieder- holt. In diesen §§ heiszt es unter N. 3: 'Folgende fünf lateinische Wörter: anmssis^ ravis, sitis, tussis, vis.' Wozu der Zusatz '^la- teinische'? Sind denn die unter N. 4 angeführten Wörter fehris., pelvis, puppis., restis^ lurris , securis keine lateinischen? Leidige, blosz Kaum füllende Wiederholungen finden wir öfter. Was § 52 lehrt von den Substantiven, die im abl. sing, i haben, eben dasselbe lehrt fast wörtlich § 90 N. 1. Ebenso enthalten die §§ 53 und 94 das- selbe über den gen. plur. auf um und ium. Dasz in der 3n Declin. die einsilbigen Wörter auf s mit vorhergehendem Consonanten im gen. plur ium haben, lehren drei §§, nemlich 'ij 64, 69 und 95. Aehnliche Sviederholungen bieten auch die §»>§ 64 und 96. Noch später Averden wir Gelegenheit haben zu sehen, wie dieser Grammatik Kürze und Bündigkeit abgeht. In der Beilage S. 3 ist zu os der Genetiv ange- geben, doch fehlt die Angabe des Genetivs von üs.

Die Quantitätzeichen finden wir in dieser Grammatik öfter, aber ohne allen Grundsatz. Will man sie hinzufügen (wie es in einer Grammatik nothwendig ist), so sind sie z. B. erforderlich in § 402 ne und § 588 nc\ ferner § 209 im Imperativ von sum {es) , wie ja im Praesens geschehen ist. Ebenso ist § 280 im Praesens es (von edere, esse) die Quantität bezeichnet, aber nicht im Imperativ. Auch in der

460 Bemerkungen zu der lat. Schulgrammatik von Siberti und Meiring.

Beilage S. 7 würde man bei den Nominaliven iuventns , virtus, scr- vilus usw. das Quaiilitiitzeiclien erwarten. In § 162* findet sich zwar suprrmus, postrcmus, aber daneben extremus ohne Zeichen d^r Quan- tität. Die Endungen der fünf Declinalionen in § 18 entbehren jeder Quanlilätsbezeichnung, obgleich diese bei den einzelnen Paradigmatis sich häufig findet. In § 127, avo dumus vollständig deciiniert steht, ist die Länge der Silbe blosz im gen. sing, bezeichnet, nicht im Plu- ral. Was nun die Declination des Wortes domus belangt, so wird die bekannte Regel angeführt: ^ Tol/e me , mu, mi, mis, si declinare domus vis\ nach welcher sich der Schüler richten solle. Den auf- merksamen Schüler aber, wenn er diese Regel zu Grunde legt, musz es befremden, dasz der dat. sing nach dem Paradigma nur domui heiszl, und hätte auch wol die seltnere Form domo daneben stehen können.

In "ij 257 ist von latnbo das eingeschaltete Supinum lambitum zu streichen nach Ruddimauni institutt. Gramm. Lat. ed. Stallbaum p. I p. 227, und ebenso das Supinum von biho. Auch von fruor § 277 möchte wol kein Perfeclum nachzuweisen sein.

§ 181 extr. scheint die Erwähnung der Verdoppelungen ineme, tele selbst für einen Tertianer überflüssig, da diese Formen nur in der ältesten Latinität und auch da nur seifen vorkommen. Für den An- fänger ist es aber nothwendig, nach der dritten Conjugation ein Pa- radigma auf io vollständig hinzusetzen. Die blosze Hegel § 224, nach welcher diese Verba flecliert werden, macht dem lernenden die Sache zu wenig anschaulich. Ist doch donnts § 127 vollständig deciiniert, obschon die Regel Tolle usw. angegeben ist.

^ 42ö lautet: 'Die Verba fordern: posco, reposco . ßariilo^ oder bitten: ovo, ror/o, haben einen doppelten Accusativus bei sich, der Person und der Sache, oder blosz die Sache im Accus., die Per- son mit a im Abi.' (Die Construclion der Verba fragen: rogo, in- lerrogo, perconlor findet sich §427.) Nicht blosz im Zumpt, son- dern in vielen andern Grammatiken laufet diese Regel ebenso, doch wol mit Unrecht. Für die Construction orare, rorjare (bitten) ali- fjuam rem ab aliquo kenne ich nur folgende Beispiele: Plaut. Amph. prol. 64: iloc me orarc a vobis iussit Juppiter, ul etc. und aus dem Sempronius Asellio bei Gellius, der 13 21 extr. also schreibt : Sempronius Asellio in libro rernm geslarum qiiarto decimo : Crepi- darium^ itujuii, cnltellinu rogavit a crepidario sntore. Hat man nicht bessere Auctorität für diese Construction anzuführen, so musz diese Regel in einer Schulsrammalik goäiulert werden, wie be- reifs Madvig iu der lateinischen Spraciik'liro für Soliuleii § 228 Anm. 1 richtiger geurfheilt hat. Betrachten wir nun die von Hrn. Meiring angeführten Beispiele, so finden wir deren vier von posco und rc- posco, von denen iu dreien der doppelte Accusativ steht; \on flagi- lare 2 Beispiele, von orare 3, von rogarc keines. Statt der drei Beispiele von posco und reposco mit dem doppcUen Accusativ genügte am Ende eines, doch hätte er wol auch von rogarc ein Beispiel geben

Bemerkungen zii der Int. Scluilgranimatik von Sibeiii luul Meiring. 461

können und namentlich seine Regel von der Construction orare (ro- (jare) rem ab aliquo durch eine aus einem guten Classiker entnom- mene Stelle begründen müssen. Indes damit nimmt es Hr. M. nicht so genau. So fülirt er zu dieser § 425 an die Worte: Jn(/urt/ia Me- telliim per fef/alos pacem oravil, ein Beispiel, welches sich auch in andern Schulbüchern findet und bona lido aus dem nächsten Buche entlehnt wird. Ohne Zweifel liegt zu Grunde Sallust. Jug. c. 47: Inter hoec negolia Jugurtha iinpensms modo legalos supplices mit- tere , pacem orare, praeter snam liberorumqne vitam., omnia Metello (ledere. Wozu die Stellen der Classiker verstümmeln? Gibt es nicht zahlreiche und schöne Beispiele bei den Alten, die zu einer Regel gleichsam gemacht scheinerv? Bei dieser Gelegenheit erwähne ich eines Beispiels zu § 386, wo als Muster voranstehen die Worte: Ro- muJus et liemiis Romam urbem condiderunl, vermnthlich eigene Arbeit des Hrn. Meiring. Dasz es urbs Roma heiszen müsse, ist allbekannt, und erinnert daran ja auch der Anfang der Annalen des Tacitus. Mei- nes Wissens gibt es nur eine Stelle bei den Alten, in welcher Roma urbs steht , Vellej. 18 4. In § 400 ist das Beispiel Erubescunt piidici eliam impudica loqiii nichts als eine wunderliche Conjectur von Gö- renz. Cf. Cic. de legg. I 19 § 50: Erubescunt pudici eliam loqui de pudicitia, und dort die Interpreten. Man sieht, wie vorsichtig der Lehrer bei der Auswahl der dargebotenen Beispiele sein musz.

§ 652: ^ Memini pflegt, abweichend vom Deutschen, den Inf. Praesentis bei sich zu haben: z. B. memini Catonem inecum disserere ich erinnere mich, dasz Cato sich mit mir unterhalten hat (eigentlich ich habe es damals in mein Gedächtnis aufgenommen).' Soll durch die Parenthese etwa der inf. praesentis erklärt werden? Schwerlich. Soll al>er die Perfectform memini erleutert werden , so gehört die Paren- these nicht hierher, sondern zu § 289, wo die Perfectform novi er- leutert wird. Die Uebersetzung: 'dasz Cato sich mit mir unter- halten hat', ist sicher ganz falsch. Das Beispiel ist entlehnt aus Cic. Lael. c. 3 § 11, und verweise ich auf Seyffert und Nauck zu Lael. c. 1 § 2. Disserere aber steht hier nothwendig im inf. praes. oder vielmehr im inf. rei infectae, weil der Sinn ist: narrabat Cato, ul memini. Ebenso Lael. c. 1 § 2: memini, in eiim sermonem illnm incidere, gleich incidebat in cum sermonem, ut memini. Tac. Ann. III 16: audire me memini ex senioribns gleich audiebam ex senio- rihus, ul memini. Cic. pro Rose. Amer. c. 42: ineminislis , me ita distribuisse caussam ist gleich distribui caiissam,, nt memini- stis, und kann ich nicht Madvig beitreten, welcher § 408 Anm. 2 be- hauptet, es könne auch distribuere heiszen.

§ 443: 'Bei obigen und überhaupt bei allen Interjectioncn kann natürlich auch der Vocativns stellen, wenn der Gegenstand ange- rufen M'ird.' Diesen Worten fehlt Praecision; sie können gar leicht den Schüler verleiten zu glauben, dasz, wenn der Gegenstand ange- rufen wird, bei den Interjectioncn sowol der Accus, als auch der Vocaliv stehen könne, und der Lehrer ist genöthigt, den Sinn der

462 Bemerkungen zu der lat. Schulgrammatik von Siberli und Meiring.

Regel zu interpretieren. Man streiche das auch, und ändere das kann in m u s z , also : ' m u s z natürlich d e r V o c a t.'

§ 171: ^ tnilia aber bezeichnet mehrere '^lausende'. Wie viel Tausende sind also milia hominum ?

§529: ^Auf die Frage w ie lange vorher? oder nachher? steht die Zeitbestimmung im Ablativus, Avobei ante und post gewöhn- lich nachgesetzt werden, entweder als Adverbia, vorher, nachher, oder als Praepositionen mit dem Accusalivus, vor, nach: z. B. tri- bus annis ante drei Jahre vorher, tribus diebus ante mortem drei Tage vor dem Tode.' Sind hier entweder oder scharfe Gegen- sätze? Steht der Ablativ, so sind ante und post Adverbia; folgt der Accusaliv, so sind sie Praepositionen. § j30 Anm. 1 : ^ Ante und post können, statt als Adverbia mit dem Ablativus verbunden zu werden, auch als Praepositionen den Accus, zu sich nehmen' ist leerer Wortschwall, da diese Regel schon in der vorhergehenden Paragraphe ausgesprochen ist.

§ 440. In Betreff der Apposition zu einem Slädtenamen der er- sten und zweiten Declinalion folgt Hr. M. einer älteren Aullage der Zumpischen Grammatik. Es heiszt doch wahrlich aller grammali- schen ratio Hohn sprechen, wenn man leiirt zu den Genetiven Ro- mae^ Co7int/ii, die ^^'örter tirbs, oppidiim, locus als Apposition in den Ablativ zu stellen. Billigerweise konnte man von Hrn. M. ver- langen wenigstens doch eine neuere Auflage der Zumptschen Gram- matik (da sie der seinigen zu Grunde liegt) zu vergleichen und danach die Regel zu ändern oder zu erleulern. Vgl. Zumpt (ich citiero die 9e Aufl.) § 298 Anm. gegen Ende, Madvig § 296 Anm. 3.

§498: Zu den Ausdrücken : 'es ist die Sache, die Pflicht, das Geschäft, das Eigenthum jemandes' ist es w ünschenswerlh noch hinzuzufügen: 'es ist das Zeichen', denn diese >N'cn(lung kommt häulig genug vor, und man sagt auch lateinisch: est Signum oder i n d i c i u m alicuius.

§ 499: 'Die Sache, woran einem etwas liegt, wird nie durch ein Substantivum ausgedrückt, sondern theils durch den Infinitivus (oder Accus, cum Inünitivo), theils durch einen Satz mit dasz oder mit Fragewörtern. ' Hier hätte sich Hr. M. genauer an seinen Vor- gänger halten sollen, statt dasz gleich ut schreiben, und durch die Parenthese nicht den Schein verbreiten müssen, als sei der Accus, c. inf. das seltnere, während er doch häuliger ist als der Inliniliv. Die Darstellung der Regel von inleresl ist für diese Grammatik charakte- ristisch. Hätte der Verfasser ut statt dasz geschrieben, so gewönne die Regel an Praecision. Es folgt nun aber eine Explicalion, wie der Schüler verfahren musz, wenn er den Accus, c. inf. setzen will. Mit demselben Rechte hätte er auch ausführlich zeigen müssen, wie ein Fragewort nach intcrest folgen könne, und der abhängige Satz dann als indirecte Frage in den Conjuncliv trete. Die auf diese Regel fol- genden Beispiele sind bunt durcheinander gewürfelt. Zwei mit dem Inliniliv stehen an der Spitze, und prägen sich also dem Schüler un-

Beineikiingeii zu der Itil. Scliiilgraminalilv von Siberli und Meiring. 463

willkürlich am iiieislon ein. Ucbersiclitiiclier stünden die Beispiele mit gleicher Conslruclion beisammen. Leider citiert Hr. JI. in den Beispielen nie seinen Gewälirsmann , und wissen wir daher nicht im- mer, ob wir die Stelle eines alten Classikers lesen oder ein von Hrn. M. gearbeitetes Muster. Die Worte: Caesar dicere sulebat^ non tarn sua, quam rei publivue Interesse ^ ttti salriis esset ^ finden sich fast ebenso im Suelon. Caes. c. 86. Die ebenfalls hier stehenden Worte: Rei piiblicae intererat, iit salviis esset Caesar sind vermulhlich danach von Hrn. M. g-ebildet; was sie aber neben den ungleich bessern Wor- ten des Sueton bezwecken, ist nicht zu begreifen. In Betreß" der Genetive, die zu interest und refert treten können § 500 (cf § 492), müste der Schüler wol vor mu/ti und n^ö^or^■s gewarnt werden, da er die Worte: * es liegt viel daran', gar leicht 7nnlli interest über- setzt.

Nach § 387 b wird es unrichtig sein, zu sagen leges moresque constituli sunt. Nach § 662 scheint es fast, als könne nach sperare kein infinit, praesenlis. oder perf. folgen. In § 674 und 675 wird zweimal gelehrt, dasz nach 7io/o (natürlich im guten Latein) auch nt folgen könne, während doch sein Vorgänger Zumpt § 614 Anm. es leugnet. So hat Hr. M. es auch hier verschmäht, bei seinen verbes- serten Auflagen die neueren Aullagen seines Vorgängers zu Rathe zu ziehen.

Die §§ 623, 631 und 629 (qtii cum conj. :::= vt is oder quum is) bilden eigentlich nur eine Regel, und namentlich die §§ 623 und 631, und es ist gar kein Grund abzusehen, warum § 626 (sunt^ inte- niuntur, qu/) diesen Paragraphen eingeschaltet ist, während die Regel von (lignus, qui dieses Kapitel schlieszt. Freilich beobachtet Zumpt dieselbe Reihenfolge. Während diese Regeln, wie viele andere, mit groszer Breite behandelt sind, vermiszt man ungern manches, was ein Quartaner oder Tertianer wissen musz, z. B. den Unterschied zwi- schen si und quum.

§ 533 müste gesagt sein, dasz bei ahhinc die Zeilbestimmung gewöhnlich im Accusativ, seltener im Ablativ stehe. Auch hier hat Hr. M. verabsäumt, eine spätere Auflage der Zumplschen Grammatik zu vergleichen. Bekannt ist, dasz Madvig hierüber ausführlich geli.-in- delt hat.

§ 657. Wenn es heiszt: 'wenn est mit einem Adj. oder Subst. das Praedicat ist, als aperfum est' usw., so hätte auch wol eine Phrase mit einem Substantiv angegeben werden können, und wäre es auch nur das aus dem letzten Beispiel entnommene fncinus est gewesen.

§ 497. Hr. M. lehrt, die Strafe, wozu jemand verurtheilt werde, stehe ebenfalls im Genetivus z. B. mortis., capitis zum Tode, mnllae zu einer Geldbusze; jedoch auch im Ablativiis morte^ copile usw. Er folgt hierin (wie § 425) der Zumptschen Grammatik, aber mit Un- recht. Madvig § 293 Anm. 3 führt den Genetiv murlis nicht an, nennt aber den Ablativ nwrte, von dem ich nur zwei Beispiele kenne: Sen.

464 Auszüge aus Zeitschriften.

Ep. 71 : Omne humanum genus. quodque esl^ quodque erit, morle damnatum est und Sen. Herc. Oet. 888. In der lateinischen Grammatik von J. von Gruber wird S. 55 der Genetiv mortis genannt, doch habe ich dafür keine Auctorität, da mir nur spärliche Hülfsmittel zu Gebot stehen. In einer Schulgrammatik folge man Krebs, der in seiner An- leitung zum Lateinischschreiben 'i^ 166 damnare mortis oder morle verwirft, wiewol man richtig sagt morle multare.

Ein Uebelstand ist es , dasz dem Buche kein Inhaltsverzeichnis beigefügt ist. Oder soll der Schüler mit seiner Grammatik so vertraut sein, dasz er dessen nicht bedarf? Eine schwierige Aufgabe, zumal wenn man erwägt, dasz alle andern Scliulbücher dasselbe mit glei- chem Recht fordern können. Für denjenigen Schüler, der zeither nach einem andern Lehrbuche unterrichtet worden ist, ist ein Inde.Y ein wesentliches Mittel, ihn in dieser Grammatik zu orientieren. I^Ianche Kegel kann ebenso wol in diesem als in jenem Abschnitt behandelt sein; ein irres umhersuchen ist zeitraubend. Dazu kommt endlich, dasz in der vorliegenden Grammatik eine und dieselbe Sache an ver- schiedenen Stellen gelehrt wird, zum Theil da, wo sie niemand sucht. Von oportet und necesse est handeln § 657 und § 695. Wie der Schü- ler zu verfahren hat, wenn er den accus, c. inf. setzen will, wird nicht nur suo loco § 650 auseinander gesetzt, sondern auch tanquam in /raiisitii, wo es niemand sucht, bei der Regel von interesl § 499.

Neustettin. August Krause.

Auszüge aus Zeitschiifteii.

Zeitschrift für die Älterthnmswissenschaff , herausg. r. J. Cae- sar. 13r Jhrg. 1855.

l.s Heft. Osann: zur Künstlergeschichte des Alterthums (S. 1 18: grösztentheils Nachträge zu Uruniis Werk, zum Theil auch Be- kämpfung aufgestellter Ansichten. Am ausfül\rliclisteii wird vom Zeu- xis fiehandelt). Walz: de neniesi Graecorum (S. 16: kurze Inhalts- angabe). — A. Nauck: Ion und lohaiiiies Damascenu.s (S. 19 22: nachdem der Vf. nachgewiesen, dasz Ion fragm, 55 dem Me- nander, fr, 65 dem lohannes Damascenus angehören, gibt er ver- anlaszt durch das von Bergk Anthol. lyr. dem Callimachus fälsclilich beigelegte fr. 159 (p. lOH), nach der Ausg. von le Quien ein \erzeich- nis der aus des letztern Hymnen vorkommenden Citate). Der.s. : zn den liriefen des Alki[)hion (8. '2'2 '28: Kmendationen zu einigen Stel- leu und melireren Namen in den Ueberschriften , beiläufig auch von Phrynich. liekk. p. 4, 22. Dom Alkipluon werden mulluuaszlicli zwei prosaische Fragmente aus dem Etyiu. M. beigelegt). Walz: über die Pulychromic der antiken Sculptur (S. 24: kurze Inhaltsaugabe). Lentz: de comparatione periplirastica (S. 28 40: die Umschrel- bungsformeu werden aufgezählt und die Veiaulassun<;;en zu ihrem Ge- brauciie nachgewiesen, unter den letztern besonders die Wortstellung

Auszüge aus Zeitschriften. 465

hervorgehoben). Kayser: de versibus aliciuot Hoineri Odysseae dissertatio critica (S. 40: kurze Anzeige). Scholia in .Sophoclis tragoedias. Ed. G. Dindorf, angez. von G. Wolff (S. 41 71: durch .sehr zaiilreiche Nachträge und üerichtigungen, sowie eigene Emenda- tionen wird bewiesen, dasz D. weder die Arbeiten neuerer Gelehrter, noch die handschrii'tlichen Quellen hinlänglich ausgebeutet habe). Enger: Observv. in locus quosd. Aesch. Agam. und Held: Obss. iti difficiliores quosdain Sophociis Antigonae locos (S. 47 f. Anzeigen des Inhalts). Tics 1er: über die Reden des Thukydides und Fickert: Thucydides consulto ambiguus, Rabe: counn. de vita Hyperidis (S. 48: Inhaltsangaben). Brix: Einendd. Plautinae und B alsain : Ueber- setznng des Briefs an die Pisonen (S. 71 7"2: vom ersteren Inhalts- angabe, gegen das zweite tadelnde Bemerkungen). Petersen: die neueste Litteratur der Mythologie und Religion der Griechen. Ir Ar- tikel (S. 73 90: an Stolls Handbuih vermiszt Rec. in Bezug auf die Religion manches, erkennt aber an dasz es als Handbuch der Mytho- logie alle früheren Leistungen der Art bei weitem übertrifft. Bei Rincks Religion der Hellenen I Tbl. u. II ThI. le Abth. kann der Rec. sich mit der mythologischen Ansicht nicht befreunden und macht ge- gen die Anordnung und Ausführung des 2n Theils viele Bedenken gel- tend, erkennt aber doch des Vf. religiösen Sinn, Scharfsinn und Phan- tasie und manches für die Wissenschaft förderliche an. Lauer s System wird zwar in vielen Behauptungen bekämpft, aber doch trotz seiner fragmentarischen Form zunächst F^orschern und solchen, die ein spe- cielles Studium aus der Mythologie machen, empfohlen). Osann: quaestionum Homericarum p. IV (S. 88: kurze Inhaltsangabe). Aus- züge aus Zeitschriften und bibliographische Uebersicht (S. 90 96 d). 2s Heft. Schubart: über den Gebrauch von iiälicxa bei Zah- len (S. 97 107: Unter Bezugnahme auf Vömels Programm [Frkf. a. M. 1852J wird durch Zusammenstellung aller bei Pausanias vorkom- menden Stellen nachgewiesen", dasz [idliara nur die Bedeutung ^ ohn- gefähr' habe. Ausführlich wird die Stelle VIII 10 2 besprochen und Arn. Schäfers Conjeclur zurückgewiesen. Ebenso findet IV 27 11 eine ausführliche Erörterung). Bergk: Nachträge zu den Fragmenten des Sophokles (S. 107 110: es werden einige neue Fragmente nach- gewiesen, andre vervollständigt und emendiert). A. Nauck: kri- tische Miscellen (S. 110 120: Emendationen zu Archiloch. bei Herod. TT. Gxw. p. 57, 3. Aesch. Choeph. 490, Prom. 203, Eur. Med. 913, Soph. Ai. 269, O. C. 309, bei Stob. 8 2 u. 45 11, Hesych. vol. 2 p. 751. Eur. Antiop. fr. 201 u. 193 werden vervollständigt, und auf die lateinische Uebersetzung des armenischen Philo vol. 7 p. 188 Rieht, aufmerksam gemacht. Emendiert werden ferner Eur. fr. 788, Ion. 6. Athen. XI p. 468 C, Sosiphan. bei Stob. 20 18, Diogen. Laert. VI 95, Hesych. 2 p. 281, Theophyl. Simoc. Ep. 33 p. 51 u, 29 p. 48, Pseudo- Callisth. 2 16 p. 736, 1 27 p. 29 n. u. andere Stellen, Philem. bei Stob. 108 39 und 38 24, Menand. ebend. 62, 27 und monost. 363, Callim. fr. CXI, Nie. Anth. Pal. 9 315 und Man. Phil. Phys. et Med. gr. min. ed. Ideler 1 p. 292, Diod. Sic. exe. Vat. p. 12, mehrere Orakel bei Porphyr. 7t£Qi ri^g Sk Xoyicav cpLloaocpLug aus Augustins lateinischer Uebersetzung). - Eberz: Zug des Labienus von Agedicum nach Lutetia und zurück. Caes. b. g. VII 57 62, (S. 121 128: Agedicun^ sei Sens, Labienus gehe zuerst auf dem linken Ufer der Seine, dann setze er auf das rechte bei Melodunum über, weshalb die F'einde den oberhalb Lutetias gelegenen Sumpf verlaszen, Lutetia verbrennen und sich auf dem linken lagern. Eingehende Erörterung), Petersen: die neueste Litteratur der Mythologie und Religion der Griechen. 2r Artikel (S. 129 147: Brauns griechische Götterlehre erfährt zwar

466 Auszüge aus Zeilschriften. ^

manchen Widerspruch rücksichtlich der Auffassung, erhält aber auch hohes Lob. Ausführlicher wird Gerhards griechische Mythologie unter Darlegung der hohen wissenschaftlichen Bedeutsamkeit, aber auch der abweichenden Ansichten des Ref. besprochen). Jakowicki: observatlones in sex prima III libri Horatii carmina, Platen: de fide et auctoritate Caesaris de hello Galileo commentariorum , Lucas: de ratione qua Livius in libris historiarum conscribendis usus est opere Poiybiano, Matern: de ratione ea qua Cicero in oratione pro L. Murena hahita cum Stoicos tum M. Catonem tractarit, Stinner: de 60 quo Cicero in epistolis usus est sermone et de yerborum consecu- tione, Troska: über den Ausdruck des Aflfects in den metrischen Rhythmen der Griechen und Römer, u. Weclewski: de rebus Epi- dauriorum (S. 136 f. u. 143 f.: kurze Inhaltsanzeigen). M. H. E. Meieri commentatio epigra|)Iuca secunda. Angez. von Bergk (S. 147 167: sehr eingehende und scliarfsinnige Erörterungen zu vielen Inschriften). C. Fr. Hermann: vindiciae luvenalianae, de So- cratis accusatoribus und de Philone Larissaeo (S. 152: kurze Inhalts- angaben). — Bäumlein: zu Odyss. III 205 (S. 167: Rechtfertigung

der aufgenommenen Lesart TtSQi&suv) B"'inckh: zuLiv. V 40 3 und

XXII 2 8 (S. 168: Wiederholung zweier schon früher gemachter Emen- dationen, an ersterer Stelle si quid huviani superesset mali, an letz- terer cumulatis in aqua sarcinis). Braun: Vorschule der Kunst- mythologie, angez. von H. A. Müller in Bremen (S. 169 178: unter vielen eingehenden Bemerkungen wird ebenso das überschwängliche, hochtrabende und allzu phantasiereiche, wie das scharfsinnige und ver- dienstliche des Werkes hervorgehoben). Rieckher; über das Par- ticipium des griechischen Aorists und Finckh: de incerti auctoris artis rhetoricae post Seguierium a Leon. Spengelio editae locis ali- quot emendandis (S. 176: kurze Anzeigen). Beckers Chariklcs, 2e Aufl. von K. F. Hermann, angez. von s (S. 178 181: Be- zeichnung der in der neuen Ausgabe vorgenommenen Veränderungen, Bereicherungen und Verbesserungen). Hartmann: Probe einer beabsichtigten neuen Ausgabe von Arrians Anabasis, angez. von Theiss (S. 181 183: unter Mittheilung einiger Bemerkungen und Winke im ganzen recht anerkennende Anzeige *). Au.'^züge aus Zeit- schriften. — Thiel: de zoologicorum Aristotelis lihrorum ordine ac distributione, inprimis de librorum tt^qI ^oicov ^oqüov primo, und Schneck: coramentarii negl vipovg argumentum (S. 191 f.: Inhalts- anzeigen).

Rheinisches Museum. X Jhfg. (vgl. oben S. 147 f.)

2s Heft. Brunn: über die Grundverschiedenheit im Bildungs princlp der gricciiischen und aegyptis.hcn Kunst (S. 153 166: es wird dargetlian, dasz eine Ableitung der griechi.schen Kunst von <ler aegyp- tischen unmöglich anzunelinien sei und da.sz selb.st Analogien in .Kin- zelheiten nichts beweisen würden als die INIöglichkeit äuszerer Bezie- liungen und Weciiselwirkungen). H. A. Koch: coniectanca Non- niana (S. 167 194: Verbesserungsvorschläge, aber auch Rechtferti- gungen bandst hriftlicher Lesarten an zahlreichen Stellen). Frei:

♦) Dieselbe war mir nocli unbekannt, als ich die meinige schrieb.

It. D.

Auszüge aus Zeifschrificii. 467

über (las Per\igilium Veneris pristino lütori restitutum. Lips. 1852 (S. 195 213: durch eingehende Erörterungen >vird dargethan, dasz der Vf. des genannten Buchs den Text an vielen Stellen recht gründlich verdorben habe). Teuf fei: über die sechste Hypothesis zn den Wolken des Aristophanes (S. 21-4—234: nachdem gegen Knger darge- legt ist, dasz Eratosthenes die ersle Bearbeitung der Wolken gekannt habe, wird in ausführlicher und eingehender Erörterung gezeigt, dasz unter dem, was die genannte Hypothesis enthält, nichts sei, was ge- gründete Bedenken gegen sich habe, vielmehr vieles durch eine Reihe anderweitiger Zeugnisse unterstützt und fast zur Gewisheit erhoben werde, und dasz der Vf. die Nfcpflai TtQÖTSQai selbst in Händen ge- habt und gewissenhaft benützt habe~). F. G. Weicker: Danae, ein Vasengemälde (8.235-241: der Kunstwerth der von Gerhard im Programme zum Winckelmannsfeste bekannt gemachten, 1844 in Caere gefundenen Vasengemälde wird dargelegt und zu weit gehende Deutung des einzelnen abgewiesen, auch über die Gestaltung des My- thus bei den Dichtern und Schriftstellern Nachweisung gegeben). De*s. Alcmanis fragmenta de Tantalo et de sacris in summis mon- tibus peractis (S. 242—264: das Fragment bei Schol. Find. Ol. 197 .sei nicht zu emendieren, sondern nur mit veränderter Tnterpunction zu schreiben: OTTcog 6' ccvrjQ iv dofisvotg dXiTQog tjgt stzI ^ay.ag ■HKTCi , Tchgag ootcov (ilv ovösv , SovJwv 6^, es gehe aber auf die von Agias in den NÖGroig nach Athen. VIT p. 281 b besungene Sage, dasz dem Tantalus, als er auf seinen Wunsch zum Gastmahl der Götter erhoben war, vom Zeus das Schreckblid eines über dem Haupte han- genden Felsens vorgestellt worden. Wie sich die Verlegung dieser Strafe in die Unterwelt und überhaupt die Sage entwi kelt, wird aus- führlich dargelegt. Tn Bizug auf das zweite Fragment Athen. XI p. 498 werden die Gründe angeführt, warum die von Fiorillo herrüh- rende, bis jetzt von allen gelehrten gebilligte Conjectur leovTiov yci?M zu verwerfen scheine und nur an einen die Form eines Löwen haben- den Käse gedacht werden könne. F'ür das Partie, wird CTta^alfiaa vermuthet). O. Ribbeck: Bemerkungen zu Ennius (S. 265 292: nicht nur werden zu vielen einzelnen Fragmenten der Annalcn Emen- dationen vorgeschlagen, sondern auch über den Platz vieler und die Gestaltung des Gedichts von Vahlen, dem hohes Lob gespendet wird, abweichende Ansichten aufgestellt. Interessant sind die Zusammen- stellungen über das, was Vergil aus Ennius entlehnt habe. Ueber das Gedicht Scipio , dem trochaeisches Metrum vindiciert wird, und die innere Beschaffenheit der Satiren wird gehandelt und am Schlusz ein Versuch mitgetheilt das ganze Capitel des Gellius II 29 in Verse zu- rückzuübertragen). Bernays: ein Schreiben über Trogusfrag- mente (S. 293 298: es wird nachgewiesen dasz das fragm. 30 p. 27 bei Bielowski, das Osann in diesen Jhrbb. LXX S. 1 für ein echtes er- klärt, wie auch 31, aus Aretinus de hello Ttalico adversus Gothos entlehnt seien). K. Schwenck: lateinische Etymologien (S. 298 300. vitricus wird auf ein Substantiv viicr-^triqg, vcsci auf da-/,SLV, visccra auf ccay.ög, luridus a.u{ gl uridus %lo3Q6g yloeQvg, poncrc (posno) auf noLUv zurückgeführt). Enger: zur Kritik und Erklärung des Aeschylus (S. 300—303: Aesch. Agam. 201 wird ^v^iiay/ag ^' duaQ- räv, 261 anxbQOg (päcig, 641 i^ty.Xsips yicc^rjyjjGciTO. 653 /TjutT? y f/f;'- vovg conjiciert). K Schwenck: zu verschiedenen Schriftstellern (S. 303—310: Eurip. Dan. Stob. 64: iv xotg S' f'xovaiv Tj^r/og nBcpvx oSs. Theoer. Idyll. VIII werden der 16e u. 2ne Vers für einge.schoben erklärt. Stob. Florileg. 64 1 emendiert: rj rotg dvc.yv.aiotg yf'rft ttf- (pvxöai; sodann eine Reihe Verbesserungsvorschläge zu Hesychius mit- getheilt, endlich Horat. Sat. I 1 108 vorgeschlagen: Unde nhii rcdeo.

y. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Brf. LXXII. Hft. 9. 35

468 Berichte über gelelirle Anslallen, Verordnungen, stallst. Nolizcn.

Nemo qui fit ut auarus se probet). Aebi: zu Tacitus Ann. FV 29 extr. (S. 310—312: es wird vorgeschlagen: nequc ü mobiles qunmvia divei'si scntentiis). Ä. D.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Bamberg [s. Bd. LXX S. 345]. Am königl. Lyceum war im ver- gangenen Schuljahre keine Veränderung vorgegangen. Die Zahl der Candidaten betrug in den drei theologischen Cursen 33, im philosophi- schen 19. Aus dem Lehrercollegium des Gymnasiums wurde der Stu- dienlehrer May ring nach Amberg, der Studienl. Hannwacker nach Diüingen versetzt. Es starb der Musiklehrer Jungengel und »ard der Zeichenlehrer Krug wegen seiner Anstellung an der Landwirth- schafts- und Gewerbschule seines Unterrichts enthoben. Das Lehrer- personal bestand demnach aus dem Studienrector Prof. Dr. Jos. Gu- tenäcker, den Gymnasialprofessoren Dr. Habersack, Leitschuh, Schaad und Rorich (Priester und kathol. Religionslehrer), den Stu- dienlehrern Kober, Rom eis [Priester, von der Lateinschule zu Ham- melburg hierher versetzt], Weippert [aufgerückt], Propst und Schrepfer [aufgerückt], Priester Wagner [kath. Religionslehrer für die Lateinschule], den protest. Religionslehrern Decan Bauer und Vi- car Böhner, dem Gymnasialassistenten Cand. Zeiss, dem Lehrer der franz. Sprache Franz Gendre [aus Freiburg in der Schweiz, vor- mals Advocatl, dem Lehrer der hebr. Sprache geistl. Rath und Prof. Dr. Martinet, Religionslehrer für die Israeliten Rosenfeld, Ge- sang- und Musiklehrern Dietz und Ludwig [beide neu angestellt], Zeichenlehrer Deininger, den Schwimm- und Turnlehrern Oberl. Galimberti und Leut. E. Burger, dem Cand. der Philol. Jos. Stenger (für Stenographie). Die Schülerzahl betrug 35-i (G. 137. IV: 35, ni: 32, U: 31, I: 38, Lat. Seh. 217, IV: 44, III A: 30, 111 ß: 31, II: 54 [in 2 Coetus], I: 58). Den Schulnachrichten ist beigegeben vom Studienrect. Prof. Dr. Gutenäcker: geschichtlicher Bericht ■über die Kasse für erkrankte Gymnasiasten und Lateinschüler (18 S. 4). Ist es schon an und für sich erfreulich das allmähliche entstehen und gedeihen einer wohlthätigen Anstalt zu beobachten, so gewinnt der vorliegende Bericht noch an Interesse durch die vielfachen Winke, welche er für die Verwaltung und Bildung ähnlicher Institute enthält. Blankenkurg]. Der Lehrplan des dasigen herzogl. Gymnasiums erlitt Mich. 1854 insofern eine Veränderung, als eine Stunde in 1 dem geschichtlichen, in III dem mathematischen Unterrichte entzogen und beide dem lateinischen zugelegt wurden. Das Lehrercollegium bestand Ostern 1855 aus dem Direct. Prof. Dr. Müller, Conr. Wiedemann, (\en Oberlehrern Dr. Lange, Voikmar, Berkhan, Dr. Haus- dörffcr [Coliaborator, 6. Decbr. 1854 zum Oberlehrer ernannt], Pastor Dr. Hoffmeister [schied Ostern 1855 aus, um das Pfarrnnit in Wien- rode anzutreten] und Organist Sattler. Die Scliüler/ahl betrug 80 (I: II, darunter 4 Schulpraeparanden, II: l4, HI: 26, IV: 29), Abitu- rienten waren 4. Den Srhulnachrichten voraus geht die Abhandlung des Oberlehrers Voikmar: über die Slelhntfi-, irrtchc dem Unterricht in den neueren Sprachen im Giim7}asium (gebührt (16 S. 4). Wenn iiuch der Hr. Verf. hauptsächli(-h die Stellung der neueren [auf dem

Bcricilte über gelelirle Anslalten, Verordnungen, slatist. Notizen. 4ö0

Haupttitel ist dies Wort nur durch ein Verseheu ausgefallen] Sprachen zum Geirenstande seiner Erörterung nimmt, so hat er doch auch selbst- verständlich wie den Zweck und <las Wesen des Gymnasiums im allge- meinen, so besonders die alten Sprachen in den Uireich seiner Unter- suchung gezogen und man kann der Kinsicht und Besonnenheit, mit welcher dies geschehen, Loh unil iieifali nicht versagen, vielmehr be- grüszen Avir die Entwicklung, dasz und ^^arum die alten Sprachen den einheitlichen Mittelpunkt bilden müssen, mit lebhaftem Danke. Nur mit der einen Behauptung , dasz das Griechische eine verkehrte Stellung einnehme, dem Lateinischen vorangehn und immer vor ihm den Vor- rang behaupten solle, vermag Ref. nicht sich einverstanden zu erklä- ren. Zwar ist sie eine Consequenz des von dem Hrn. Verf. aufgestell- ten historischen Princips, zwar wünschen auch wir dem Studium des Griechischen einen weiteren Raum gegeben, als in den Lehrplänen der meisten Länder der Fall ist, aber wenn auch die historische Stel- lung der alten Völker einen wesentlichen Factor für den Beweis des Vorzugs der alten Sprachen vor den neueren bildet, so hat dies Princip doch nicht die zwingende Kraft, die paedagogischen Gründe gänzlich zu beseitigen. Ihm geschieht Genüge, wenn eben die bei aller Ver- schiedenheit im einzelnen doch im ganzen eine Einheit darstellende Bildung der alten Völker den Ausgangspunkt bildet; wenn aber die Paedagogik den Weg sucht, auf welchem am besten und sichersten in dieses Gebiet eingedrungen wird, so erfährt es nicht nur keine Ver- letzung, sondern wirksame Durchführung. Wie man sich um des historischen Princips willen nicht so leicht entschlieszen wird, ent- schieden richtigen und gewichtigen paedagogischen Grundsätzen ent- gegen den griechischen LTnterricht mit dem Homer zu beginnen und von dem schwankenden und mannigfaltiger gestalteten erst zu dem fest geregelten und vereinfacliten im attischen Dialekt fortzuschreiten, so wird man auch nicht ohne weiteres den wenn auch ursprünglich aus anderen Gründen eingeschlagenen, doch durch die Paedagogik und die Erfahrung gerechtfertigten Weg verlassen, vielmelir auch ferner mit dem einfacheren Latein beginnen und auch ferner an ihm diejeni- gen Geistesübungen vorzüglich vornehmen, für die es seiner inneren Natur nach geeigneter ist, als das Griechische. Bei der Frage nach der Stellung des Unterrichts in der Muttersprache kommt es vor allem darauf an, den Zweck desselben scharf zu bestimmen. Betrachtet man als solchen den richtigen und gewandten Gebrauch in der Form, welche historisch geworden jetzt die in der Schrift und unter den gebildeten allgemein herschende ist, so wird man ihn allerdings nicht in zweite Linie steilen dürfen, vielmehr anerkennen müssen, dasz er allen andern formellen voransteht; aber ganz andere Fragen sind, wie dieser Zweck am besten erreicht wird, ob durch den gesamten Unterricht und schrift- liclie und mündliche Uebung nebst mustergiltiger Leetüre oder durch Einführung in den historischen Entwicklungsgang der Spiache, durch eine philosophisch- systematische Grammatik, dur(h Theorie der Sti- listik, Rhetorik, Poetik, ob die Muttersprache sich eignet, an ihr i\en Geist zu üben, wie an den alten Sprachen, und wie weit die Einfüh- rung in die heimische Litteratur vom Bildungszwecke des Gymnasiums gefordert wird. In diesen Beziehungen allein wird man mit Recht die INIuttersprache in zweite Linie stellen können. Nicht ganz einverstan- den ist Ref. mit dem, was der Hr. Verf. über die Stellung der neueren Sprachen sagt. Will man dieselben nur als etwas von der Zeitrich- lung den Gymnasien aufgedrängtes, was nur deshalb beizubehalten sei, damit man nicht mit jener in zu schrotleu Widerspruch gerathe, betrach- ten, so wird man in ein kaum entwirrbares Dilemma gerathen, entweder der P'orderung der Zeit au'h vollständig Rechnung tragen zu müssen,

35*

470 Bericlile über gelolirle Anstallen, Verordniing-en, slatisf. Notizen.

oder vom besten und edelsten hinzugeben, ohne doch etwas werthvolles und anerkanntes dafür zu erkaufen, ein Verhältnis, weiches dem Leh- rer nie Ruhe und Befriedigung lassen kann. Es ist vielmehr die Frage aufzuwerfen, ob die Biidiingsaufgabe des Gymnasiums bei gänzlicher Ausschlieszung der neueren Sprachen gelöst werden kann, und von der Beantwortung derselben das weitere abhängig zu machen. Wird sie ver- neint, — und wir denken es lassen sich gewichtige Gründe dafür an- führen, vor allem der sachliche, dasz nachdem die neueren Sprachen sich zur Classicität emporgearbeitet und ein bestimmtes Culturmoment in ihnen zur sinnlichen Erscheinung getreten, die Anschauung davon dem gebildeten nicht fehlen dürfe, und der paedagogische , dasz die Gewinnung dieser Anschauung der Jugend vor dem Beginn des eigent- lichen wissenschaftlichen Studium zufalle, an der IMuttersprache aber weniger gut, als an einer fremden erreicht werde, wird also die Aufnahme auf das Wesen des Gymnasiums selbst begründet, so ergibt sich daraus von selbst 1) dasz die dem Leben dienende Spreclifertig- keit nicht Ziel sein kann, ein Punkt den der Hr. Verf., freilich in einigem Widerspruch mit seiner Voraussetzung, recht gut erörtert, vielmehr nur die Erkenntnis des der Sprache inwohnenden Geistes, hauptsächlich in Vergleichung mit den alten Sprachen, es wird dann aber auch 2) die von der nothwendigen Rücksicht auf Einheit und Concentration unabweisbar aufgedrängte Frage der Entscheidung näher geführt, ob zwei neuere Sprachen aufzunehmen seien oder eine zu dem im Wesen des Gymnasiums gegebenen, nicht von der Zeitrichtung aufge- nöthigten Zwecke genüge und welche von den beiden wichtigsten mo- dernen Cultursprachen, die französische oder englische, dazu gebraucht ■v\erden müsse. Ref. entscheidet sich unschwer für eine und zwar für die französische, die vor der englischen eine geringere Anzahl von verschiedenen ineinander vermischten Elementen und eine gröszere Ver- schiedenheit von der deutschen IMuttersprache voraus hat. Ueber die Methode des Unterrichts sagt der Hr. Verf. viel gutes und beachtungs- werthes. Wir sind besonders fest überzeugt, dasz man über die ge- ringen Erfolge des Unterrichts, über das verhalten der Schüler und übrigen Lehrer zu ihm nicht so viele Klagen hören würde, wenn man immer denselben als organischen Bestandtheil betrachtete, und nicht die Beibringung aller P'einheiten, die Einfüiirung in die Litteratur und in Folge davon eine fort^'^ährend chrestomathische Leetüre zum Ziel- punkte nähme statt grammatisch-strenge Sic herhcit und gröszere Ver- trautheit mit wenigen, aber recht charakteristischen Schriftstellern zu erstreben. Wenn der Hr. Verf. seinen Principien gemäsz über den Unterricht den Grundsatz aufstellt: 'möglichst spät und möglichst we- nig', so gehen uns manche Bedenken bei. Wie viel unter 'möglichst wenig' zu verstehn sei, das hat er freilich erklärt, und das 'möglichst spät' jedenfalls von den obern Klassen verstanden wissen wollen. Allein gerade in diesen, wo die ganze Bildung ihrer Vollendung zuzuführen is», die Wirksamkeit des Unterrichts die intensiveste, der selbständige Fleisz der anhalteiid.ste und auf immer nur eins gerichtet sein musz, bietet der Hinzutritt eines neuen Gegenstandes manche Besorgnis, zu- mal wenn man bedenkt, dasz der in anderem schon vorgeschrittene Jüngling weniger Neigung besitzt nnch einmal mit Elementen siel» ab- ziimüluMi. Demnach würden wir vielmehr dafür sein, den Unterricht in der neueren Sprache nicht zu Sjiät zu beginnen. Da Ref. sich gegen die Aufnahme des Englischen in die Zahl der Unterri«;htsgegenstände erklärt hat, so läszt er die Ansicht des Hrn. Verf., dasz in der ober- sten Klasse Shakespeare gelesen werden soll, unerörtert, und nur noch ^ins fügen wir hinzu : zur Beruhigung des Hrn. Verl., dasz die Kloster- schulen wenigstens in unserem Lande, wie die Froijuenz bezeugt, sich

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen. 471

noch immer des Vertrauens der verständigen erfreuen, aber dagegen dasz unserem ermessen naili das Gymnasium, wenn es an Idealer Rein- heit verliert, sich nicht damit trösten könne, wie das gedeihen der Menschheit auch dadurch wesentlich gefördert werde, wenn viele an wahrhaft humaner Bildung Theil haben und eine gleiche Art des den- kens und empfindens in verschiedenen Ständen ihre Vertreter finde. Ja wenn diejenigen, welche zu andern ßerufsarten, als den wissen- schaftlichen, übergehen, die volle Gymnasialbildung sich aneigneten, würde man diesen Trost fassen können; wenn bei allen Ständen die rechte Schätzung dieser Bildung vorhanden wäre, würde es besser stehn, jetzt ist vielmehr halbe oberflächliche Bildung zu besorgen und diese hat nie gutes gebracht. Wir scheiden von dem Hrn. Verf. mit voller Anerkennung seines strebens und seiner Leistung. R. D.

Brandenburg]. Dem Osterprogramm des dasigen Gymnasiums ist beigegeben die Abhandlung vom Fror. Dr. Rieh. Bergmann: de Asiae Romanorum provinciae civitatibus liberis partic. I (8 S. 4).

ErkuhtJ. Das königliche Gymnasium zählte Ostern 1855 215 Schü- ler [I: 20, H: 28, III: 40, IV: 48, V: 53, VI: 26] und entliesz 8 Abi- turienten zur Universität. Im Lehrerpersonal war keine Veränderung eingetreten. Den Schulnachrichten beigegeben ist die Abhandlung des Prof. Dr. J. D. W. Richter: letzte Unterhandlungen des Königs Jacob von England mit dem Könige Philipp III von Spanien über die Zu- rückgabe des Pfälser Kurthumes an den Kurfürsten Friedrich (20 S. 4). Abgesehen davon, dasz auf dem Titel Philipp III statt IV, und in der Abhandlung selbst mehrmals die Schwester mit der Tochter Philipps IV vertauscht ist, enthält die Abhandlung eine genaue und actenkundige Darstellung des Thatbestandes, bei der man nur eine Berücksichtigung der Ansichten und Darstellungen anderer vermiszt. Die von vielen Geschichtschreibern aufgestellte Behauptung, dasz BVankreichs Einflusz der Verschwägerung zwischen dem spanischen und englischen Hofe entgegengewirkt habe und zwar mit bestem Erfolge, hätte wol in der Kürze wenigstens entweder als wolbegründet, oder als unbegründet, je nachdem die Forschungen des Verf. das Resultat herausgestellt, be- zeichnet werden sollen. Am meisten Anstosz nehmen wir an dem Stile des Hrn. Verf., von dem wir nicht wissen, ob er eine Nachahmung des steifen Curialstiles oder der Ueberschwänglichkeit und Unbeholfen- heit der Chroniken sein soll. Auf jenes scheinen uns die immer wie- derkehrenden vollständigen Titel zu führen. R. D.

Erlangen]. Die Festrede, mit welcher der Hofr. Prof. Dr. L. der lein im Namen der Universität Se. Majestät den König be- grüszte, ist im Drucke erschienen (Erlangen Druck v. Junge u. Sohn 15 S. Fol.). Auszer den Tugenden, welche, wie allgemein bekannt, alle Döderleinsche Reden schmücken, tritt hier die Herzlichkeit und Gemüthlichkeit, natürlich der Gelegenheit entsprechend, noch lebendi- ger hervor. Die Rede hat zum Thema: den deutschen Sinn beim Studium der Wissenschaften und setzt diesen gemäsz den Worten des Dichters: Was ihr auch treibt, das treibet mit Ernst und mit Liebe! die beiden stehen dem Deutschen so schön, den ach! so manches entstellt, in den Ernst und die Liebe. Der Ernst erzeugt die Wahrheitsliebe mit ihrer Tochter der Gründlichkeit, und die Gerechtigkeit mit ihrem Kinde der Treue, die Liebe durchdringt alles dies und fügt die Heiterkeit und Gemüthlichkeit hinzu. Indem wir die Leetüre dieser Rede als reiht erquicklich jedem anrathen, machen wir auch auf die von demselben gedichtete Festode aufmerksam, Avelche ganz und gar den vertrauten des Horaz zeigt. R. D.

FRA^KFURT a. M.]. Zu dem, was wir oben S. 262 über das dasige Gymnasium berichtet haben, tragen wir auf den Wunsch des betreffeu-

-472 Beridile über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen.

den Lelirers nach, dasz da.s Turnen zwar für die drei oberen Klassen vorer.st. nicht o!)iigatori.'<ch i.st, doch bei weitem die gröszere Zahl der Schüler .sich dabei betheiligt hat.

Frkisi.ng]. I)a.s Programm des k. Lyceum, Gymnasium und der lateini.schen Schule zum 8clilu.sse de.s Studienjahrs 1854/65 enthält vom Rector des Lyceums Geistl. Rath und Prof. Sebast. Freuden- sprung: die im I Tomas der Meichelbecksclicn Jlistoria Fiisino^en- sis auff:;rfii/irteii im Königreich Bayern gelegenen Oertlichkeiten. Erste Hälfte (4>^ S. 4). Wer nur einigermaszen eingehend sich mit der Geschichte des Mittelalters beschäftigt hat, wird die grosze Schwierigkeit kennen, weiche die Ortsnamen bereiten, und doch ist ohne genaue Ermittelung der Orte weder die klare Erkenntnis einzel- ner Facta, noch die Bestimmung der Territorien, noch die An.«chauung ■von der Beschaifenheit der Länder möglicii. Die P]rmitteliing aber hat darum ihre groszen Schwierigkeiten, weil nach einer ziemlich einfachen, correcten und verläszlichen Ueberlieferung seit dem Anfang des Jln Jahrhunderts eine .ausartende, willkürliche, verunstaltende folgt und dann seit dem 14n Jahrhundert an deren Stelle eine durch amtliche und doctrinelle Einflüsse bestimmte tritt, aus der allmählicli die jetzige Schreibung entstanden [vgl. den Hrn. Verf. S. 4]. Dazu treten noch andere erschwerende Umstände. Dasz nur genaue Untersuchungen, auf engere Kreise beschränkt, allmählich den Boden ebnen können, um darauf ein tüchtiges Gebäude der mittelalterlichen Topographie und Statistik aufzuführen, erkennt jeder und wird daher dem Hrn. Verf. der vorliegenden Schrift von Herzen dankbar sein, dasz er mit wahr- haft Staunenswerther Gelehrsamkeit und eifrigem Fleisz, mit der grösz- ten Umsicht und Besonnenheit alle Ortsnamen aus einem der mit Recht geschätztesten Urkundenwerke zu untersuchen begonnen hat. Wen die Geschichte weniger als die Entwicklung der deutschen Sprache inter- essiert, wird hier ebenfalls ein reiches Material finden. Die Einrich- tung ist folgende: In dem tabellarischen Verzeichnisse enthält die erste Columne die alten Namen, zuerst die ältesten F^ormen, dann durch den Druck unterschieden die späteren. Beigefügt ist, wo es thunlich war, aber in den allermeisten Fällen die etymologisclie Deutung. In der zweiten Columne werden die lieutigen Namen, in drei folgenden die Eigenschaft, die Pfarrei und das liandgericht angegeben, die beiden letzten endlich bieten das Jahr des frühesten Vorkommens und die Stellen der Urkundensammlung. Anmerkungen unter dem Texte erläu- tern einzelne ^Punkte und eine Einleitung gibt von den befolgten Grundsätzen und benützten Werken Rechenschaft. Dieselbe enthält auch ein Verzeichnis der Bischöfe von 7iiO 1226. Möge die höchst werthvolle Arbeit, deren Vollendung bald erfolgen wird, die verdiente Beachtung finden und für viele ein Antriel) und Muster zu ähnlichen werden. Ji. D.

Geua]. Das Lehrercollegium des dasigen Gymnasiums [eines Thei- les der fürstlichen Landesschule] hat im letztverflossenen Schuljahre mehrfache Veränderungen erlitten. Nachdem der Hauptlehrer der Iln Progymnasialklasse Adjunct Züger in die IHe Bürgerschulklasse über- gegangen war, erhielt seine Stelle der voiher an der höheren Erzie- hungsanstalt zu Fellin in Livland wirkende Candidat Dr. H e i n r. Herrn. Göll. An die Stelle des Schreiblehrers Funger trat dessen jüngerer Bruder, und als der Hauptlehrer der In Progymnasialklasse Subconrector Be a tus in ein Pfarramt getreten war, wurde seine Stelle mit dem Pracdicat Adiunctus dem Katecheten Berends übertragen. Die Schülerzahl betrug Ostern 1855 [das Programm ist zum In Juli als Einladung zum Heinrichstage au.sgegehen] : 189 (I: 11, II: 10, III: 23, IV: 37. Prog. 1: 57, II: 51), Abiturienten waren Mich. 1854 5,

Berichte über gelehrte Auslalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 473

Ostern 1855 2. Den Schiiliuichrichteii vorau.s geht die Abhandlung vom Com*. B re ts cli iiei der: die drei Systeme der deutschen Gram- matik und ihr l'erhültnis zu einander und zum Schulunterricht {'20 S. 4). Dieselbe .stellt die drei Syj^teine: da,s empirische oder prak- tische (Adelung), das phiiosojjhische (logische) oder rationelle (Becker), und das historische (J. Grimm) iii ihren Principien und Durchführun- gen nebeneinander und entscheidet sich unter gänzlicher Verwerfung des ersten für eine Verbindung der beiden letzten, welche Verbindung aber weniger eine gänzliche Durchdringung als eineNebeneinanderstellung ist, indem, nachdem die Sprache in ihrem logischen Organismus kennen gelernt ist, auf einer dritten Stufe dieselbe in ihrer historischen Ent- wicklung dargestellt werden soll. Sie ist eigentlich eine Verlheidigung des Beckerschen Systems gegen die vielen yVnorilfe, aber auch vielfa- chen Verunstaltungen und misbräuchlichen Anwendungen, welche es erfahren hat. Je häufiger viele blindlings in verwerfende Ürtheile ein- stimmen, statt selbst prüfend ein eigenes sich zu gewinnen, um so verdienstlicher ist die hier gegebene klare und bündige Darstellung von der inneren Berechtigung der Beckerschen Betrachtungsweise und von dem guten, was durch dieselbe der Wissenschaft bleibend gewon- nen ist. Auch rücksichtlich der paedagogischen Frage hat die Ab- handlung das Verdienst, die Discussion von neuem angeregt und durch die Prüfung der Gründe für und wider einer allseitig begründeten und befriedigenden Lösung näher geführt zu haben. Erkennen wir dies vollständig an, so fürchten wir um so weniger von dem Hrn. Verf. verkannt zu werden, wenn wir uns für die Ueberzeugung , dasz ein nach seinen Grundsätzen ertheilter grammatischer Unterricht in der Muttersprache wirklich ein Bedürfnis und wirklich so fruchtbar sei, nicht gewonnen erklären, nicht als ob wir der Ansicht wären, es könne der deutsche Unterricht jedes grauunatischen Elements entbeh- ren, als müsse nicht manche Regel für den Gebrauch gegeben, und manche Erscheinung in ihrer Bedeutung und Entstehung aufgezeigt werden (wir fordern auf das entschiedenste von dem Lehrer der deut- schen Sprache ein sorgfältiges und gründliches Studium auch der Beckerschen Grammatik und erkennen den Vortheil , den es ihm für seinen Unterricht gewähren wird, vollkommen an), sondern weil uns eine solche systematische Behandlung weder der Natur der Jugend, noch dem Zwecke des Unterrichts zu entsprechen scheint. Wol beruft sich in Bezug auf das erstere der Hr. Verf. auf Erfahrungen, nament- lich die von Becker selbst gemachten, allein es liegt solchen Erfah- rungen doch häufig Täuschung zu Grunde, indem man einmal den von dem Lehrer ausgeübten Zwang, der gar nicht in Anwendung von Zucht- initteln besteht, sondern auf der Persönlichkeit und dem natürlich ge- gebenen Verhältnisse, sowie der reflexionslosen Hingebung des Schü- lers beruht, zu gering, andererseits den unmittelbar sichtbaren Erfolg, die Sicherheit in der Beantwortung von Fragen , das anwenden und finden aus dem gegebenen zu hoch anschlägt. Dasz die Jugend über das, was sie schon kann, nicht gern reflectiert, ist tief in ihrem We- sen begründet, und wenn trotzdem einzelnen Lehrern gelungen ist, dasselbe zu überwinden, so ist damit weder die Erfahrung anderer über die natürliche Abneigung widerlegt, noch die Nothwendigkeit jener Uelierwindung zu Erzeugung eines wirklich gesunden geistigen Wesens erwiesen. 'Eine tiefere Erkenntnis des inneren Wesens und Lebens der Muttersprache' scheint uns wir sprechen es aus selbst auf die Gefahr hin für einen trockenen und noch weit rückwärts stehenden Schulmann gehalten zu werden bei der Jugend unmöglich , und selbst wenn wir eine der Jugendkraft angemessene Erkenntnis darunter verstehen wollen, iuuucr können wir keine rechte Vorstellung von der

474 Beiichlc über gelehrte Anslalleii, Verordnungen, stallst. Notizen.

Mögliihkeit gewinnen. Und was am Schlüsse der Hr. Verf. mit Leli- luauns Worten sagt: 'damit ist die Sprache zu neuem Leben wieder- geboren, die Pforten zum innersten Heiligthum aufgethan, der Sprach- geist ist entfesselt, die Sprachwelt Hegt in sonniger Klarheit vor dem erstaunten Blicke, das geheimste walten des Geistes ist der Erkennt- nis blosz gele;;t, seine leisesten Schwingungen sind dem lauschenden Ohre vernehmbar und verständlich, es olfenbart sich ein Geist in den verschiedenen Zungen, ein Gesetz in allen Formen, dasselbe in allen Gestaltungen', das glauben wir selten bei Männern voraus- setzen zu diirfen, bei der Jugend nie. Auch können wir die Leich- tigkeit, welche der Hr. Vf. in vielem sieht, nicht anerkennen und ha- ben selbst von begeisterten Anhängern und gründlichen Kennern der Beckerschen Methode das Geständnis gehört, wie schwer es sei ein- zelnes, z. B. den Begriff 'Satzverhältnis', klar zu machen. Sehen wir aber auf den Zweck, wie ihn der Hr. Vf. giösztentheils in Ueber- einstimmung mit Müllenhof bestimmt: 'zunächst den Schüler zu einem richtigen und würdigen Gebrauch seiner Muttersprache anzulei- ten und seinen Sinn und seine Fälligkeit dafür in einem seiner übrigen Ausbildung entsprechenden Verhältnisse naturgemäsz zu entwickeln, dann den scheuen Trieb nach individueller Gestaltung seines geistigen Eigenthums in ihm zu stärken und herauszubilden, endlich mit der immer weiteren und tieferen Erkenntnis des eigenthümlichen Wesens und Genius seiner Muttersprache an eignen, an das Studium der Klas- siker und der Litteratur derselben sich anschlieszenden Abstractionen Liebe und Freudigkeit in ihrem Gebrauche zu begründen ' , so linden wir darin geradezu gar nichts, was einen systematischen Unterricht forderte. Denn Anleitung zum richtigen und würdigen Gebrauche, zumal in dem der übrigen Ausbildung entsprechenden Verhältnisse hat man doch «tets die Logik selbst erst in der obersten Klasse ge- lehrt — erscheint uns nicht eine philosophische Zergliederung des Sprachorganismus, sondern Uebnng durch Leetüre, Wort und Schrift unter Entwöhnung des unrichtigen und Nachbildung des mustergilti- gen zu fordern; das Studium der Litteratur wird doch gewis nicht in einem zergliedern nach der philosophischen Grammatik bestehn sollen und den eigentluinilichen Genius der Muttersprache lernt der Schüler durch die Vergleiohung mit fremden Sprachen ohne bis in logische Abstractionen sich verlierende Zersetzungen kennen. Ref., dem es nur um eine gedeihliche Förderung des Gymnasialunterrichts zu thun ist, möchte namentlich eine Frage durch die Erfahrung beantwortet sehen : Hat sich herausgestellt, dasz, wo die deutsche Grammatik nach Be- ckerschem Systeme gelehrt wurde, die Schüler wirklich leichter, rich- tiger, und mit deutlicherer Darlegung eines individuell charakteristi- schen Stils die deutsche Sjirache schrieben und sprachen? Seine ei- genen Erfahrungen haben ihn das Gegentheil gelehrt, dasz gerade Schüler, welche in Zergliederung und 13ildung von Sätzen und in der Unterscheidung der Formen geübt waren und beim antworten sehr gut bestanden, gleichwol, als ihnen eine vorgetragene einfache und kurze Erzäiilung niederzuschreiben aufgegeben ward , wenige Sätze richtig bildeten, woraus er sich die Lehre entnalun , wie schweres doch der Jugend werde, die auf Retlexiou gegründete Einsiciit prak- tisch anzuwenden. Damit stimmt eine andere Erfahrung. Wenn man üijer die Abnahme der Fertigkeit im schreiben und einer sichern, leich- ten un<i gewandten Uebersetzuug des lj;ileinis<hen klagt, so führt man zwar mit vollem Rechte die Ueberhäufung mit Unltrrichtsgegenstäu- <lon an, aber wenn man tiefer eingeht und namentlich die Frage, ob <ie,un <!ie errei<dite Fertigkeit mit der noch immer aufgewandten Zeit und Kraft in Verhältnis stehe, verneinen uuisz. so wird man auf das

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen. 475

gewiesen, was schon viele ausgesprochen haben, dasz gerade die syste- matische Grammatik, die auf Retlexion sich gründende und hinarbei- tende Lehrmethode davc.i einen groszen Theii der Schuld trage. Auf- richtig danken wir dem Hrn. Vf. für die vielfache Anregung, die uns seine Sclirift gegeben liat, und für vieles, was wir aus derselben, wenn wir auch mit einigem nicht einverstanden sein konnten, gewonnen.

K. 1). Hamburg]. Das im J. 1833 nach längeren Verhandlungen , welche die Existenz der Anstalt eine Zeit lang in Frage zu stellen schienen, neu organisierte akademische Gymnasium hat im J. 1854 eine neue, erweiterte Einrichtung bekommen, von welcher das ausnahmsweise Michaelis v. J. ausgegebene Programm des Prof. und d. z. Rectors C. F. Wurm, dem als wissenschaftliche Abliandlung der Vortrag von Prof. Chr. Petersen über die Bedeutung mythologischer Darstellun- gen an Geschenken bei den Griechen (28 S. 4) beigegeben ist, nähere iMittheilung macht. Es ist bekannt, dasz die Lehrer dieser Zwischen- anstalt zwischen Gymnasium und Universität, die nunmehr den offi- clellen Namen *■ hamburgisches akademisches und Real- Gymnasium' führt, die Wirksamkeit derselben jederzeit so gemeinnützig wie mög- lich zu machen bemüht gewesen sind. Insbesondere haben sie auch durch öffentliche Vorträge in weiteren Kreisen des gebildeten Publi- cums zu wirken gesucht; und da zwei in der Stadt vorhandene Ver- eine, die Gesellschaft zur Beförderung des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens und der schulwissenschaftliche Biidungsverein, die mancherlei Bildungs- und Unterrichts -Interessen der groszen Stadt zum Gegenstande ihrer Fürsorge gemacht haben, so ist aus allem die- sem eine Reihe der schätzbarsten Privatbestrebungeu erwachsen, die es wol verdient haben, sich an einen festeren Mittelpunkt anzulehnen, bis einmal die Keime zu gröszerea Kräften, die darin schlummern, zu einer mehr vollständigen und organischen Entwickelung gediehen sind. Den'n allerdings können wir, wie das Programm des Hrn. Prof. Wurm solches auch anzudeuten scheint, die gegenwärtige Gestaltung nur für einen Uebergangsmoment halten, bei dem es nicht sein verbleiben ha- ben wird. VVenn es auch fraglich erscheinen kann, ob der Plan einer Universität In Hamburg, der vor Jahren von manchen Seiten her und niciit ohne Grund mit Lebhaftigkeit aufgefaszt und verhandelt wurde, und für den in gegenwärtiger Zeit die absichtliche Verkümmerung der benachbarten Kieler Universität elui n neuen Anknüpfungspunkt schiene bieten zu können, doch mit den übilgen Interessen und Lebensver- hältnissen einer groszartigen Handelsrepublik in rechtem Einklänge stehen mochte: so kann man doch, auch nach der gegenwärtigen Ge- staltung der in Rede stehenden Mittelanstalt mit Bestimmtheit das Be- dürfnis namentlich einer höheren Gewerbschule, eines Schullehrersemi- nars u. s. f. nachweisen und deren frühere oder spätere Ausführung vorherverkündigen. Die bis jetzt gemachten Versuche, die einem ent- schieden vorhandenen Bedürfnisse entgegenkommen und das Bewust- sein desselben nur noch mehr zu wecken geeignet sind , werden gerade die P^ürsorge des Staats auf alle diese Gegenstände hinleiten, densel- ben zu einer zusaannenfassenden, einheitlichen und organischen Ge- staltung seines ganzen, für die Zukunft desselben so unbeschreiblich wichtigen, Schul- und Bildungswesens und zur Anordnung einer tech- nischen Aufsicht und Leitung desselben treiben. In diesem Sinne und mit dieser Aussicht dürfen wir gewis dasjenige, was nuiunehr gesche- hen ist, d. h. was elgentll^i schon längere Zeit freiwillig gethan, jetzt aber von der Staatsregierung gut gelielszen worden ist, mit Freuden begrüszen. in Folge dieser neuen Einrichtung, die lediglich auf die Hülfe und Unterstützung freiwilliger Kräfte, ohne jegliche Venneh-

476 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. ISotizen.

rang des Lehrerpersonals, basiert ist, sind einige statutarische Be- stimaiungen erlassen worden, aus denen die Tendenz des ganzen Insti- tuts nach manchen Seiten hin klarer wird. Was bis jetzt übrigens an freiwilligen Kräften hiebei wirksam geworden ist, hat dem gröszeren Theile nach die Ausbildung künftiger Lehrer vorzugsweise ins Auge gefaszt und dient also dazu den Mangel eines eigenen, öifentlichen Lehrerseminars für Stadtschulen zu ersetzen. § 6 der Gesetze, der die Aufnahme und VerpHichtungen der Gymnasiasten betrilit, hat eine neue Fassung erhalten. ''Jeder, der, um sich zum Gelehrten- stande vorzubereiten, als Gymnasiast aufgenommen zu werden wünscht, musz zuvörderst dem Rector über sein bisheriges lernen und betragen durch die erforderlichen Zeugnisse genügende Auskunft geben, und entweder ein vollgiltiges Zeugnis seiner Reife heibringen, oder sich durch eine Prüfung in den alten Sprachen, in Geschichte, Mathema- tik, ein angehender Theologe auch im Hebraeischen als hinreichend vorbereitet ausweisen. Diese Prüfung wird, in Gegenwart von INlit- güedern der Gymnasial-Deputation und des Rectors, von einigen Pro- fessoren gehalten. Diejenigen, welche vom Johanneum zum Gymnasium übergehen wollen, werden nur, wenn sie wenigstens ein Jahr in Prima gesessen haben, zum Examen admittirt. Die Gymnasial-Deputation kann in besonderen Fällen davon dis[)ensieren. Der Cursus dieser Gymnasiasten wird auf ein Jahr bestimmt; sie sind verpflichtet, sich besonders bei ihrem Eintritt in das Gymnasium mit einem der Professoren über ihre Studien zu berathen. Ändere Jünglinge, die auch an nicht öifentlichen Vorlesungen der Professoren Theil zu nehmen wünschen, um sich etwa für den Besuch einer polytechnischen Schule oder einer ähnlichen höheren Lehranstalt oder unmittelbar für das praktische Leben vorzubereiten, sind ebenfalls verpllichtet, sich bei dem Rector zu melden, sich über ihre bisherigen Studien und über ihr betragen auszuweisen, und sich als (rvnniasiasten einschreiben zu lassen.' Auszerdem ist ein Regulativ für die von Nicht- Professoren des Gymnasiums in den Localen des- selben zu haltenden Vorlesungen erschienen, woraus wir folgende Be- stimmungen hervorheben: ^I) iMitglieder E. Ehrwürdigen -Ministeriums, Prolessoren und ordentliche Lehrer der Schulen des Johanneums, Se- tret äre der Stadtbibliothek und andere Gelehrte, die ein öffentliches Amt bekleiden, bedürfen, um Vorlesung in den Hörsälen des Gymna- siums halten zu können, lediglich der Befugung des Herrn Protoscho- larchen, welcher sich mit dem jedesmaligen Rector des Gymnasiums über die Zeit verständigen wird, damit keine Collisionen mit den Vor- lesungen der Professoren entstehen. Im Fall der Herr Protoscholarch auch in solchen Fällen bedenken tragt, auf das Gesuch einzugehen, bringt er die Sache an die Gymnasial-Deputation. 2) Andere hiesige und fremde Gelehrte wenden sich, wenn sie solche Vorlesungen zn halten wünschen, an den Rector des Gymnasiums. Dieser holt ein Gutachten sämtlicher Professoren ein, die, wenn sie es für nöthig er- achten, andere Fachgelehrte zu Rathe ziehen können, und legt sodann den Antrag dem Herrn Protoscholarchen vor, welcher eine lOntschei- dung der Gymnasial-Deputation herbeiführt. Bei dem Gutachten der Professoren und bei der Entscheidung der Deputation ist vornemlich auf die Befähigung des Aspiranten llücksicht zu nehmen, ohne dasz jedoch andere Gründe zur Versagung i]ex (■"csuchs ausgesi blossen wä- ren. Ueber die Gründe einer solchen abschlägigen Entscheidung kann keine Erklärung der Deputation gefordert werden. '^) Die Befähigung zu Vorlesungen für die unter 2) erwähnt^ gelehrten wird nachge- wiesen: a) dadurch, dasz dieselben bereits an Universitäten oder po- lyteihnischen Schulen gelesen zu haben darthun, b) durch Schriften Über den zu behandelnden Gegenstand, o durch gfuilgende Zeugnisse

Bcriclite über gcleliiie Aiislaltcii, Verordnungöti. slatisL Noiizen. 477

von bekannten Gelelirten in Beziehung auf den zu behandelnden Ge- genstand, d) dadurch, dasz sie bereits hier oder anderswo Vorlesungen gehalten zu haben darthun, deren Gediegenheit durch vollgiltige Zeug- nisse oder anerkannten Ruf beglaubigt wird, e) In wie weit auch ein Ausweis über den sittlichen Charakter und das sonstige Verhalten zu fordern ist, bleibe dem ermessen der Gymnasial-Deputation anheim- gestellt.' — Endlich sind auch Gesetze für diejenigen Gymnasiasten. die sich nicht einer Facultätswissenschaft widmen wollen, entworfen worden, aus denen wir folgendes hervorheben: 1. Solche Jüng- linge, die sich zwar nicht einer Facultätswissenschaft widmen, aber zum Zsveck ihrer Vorbereitung für den Besuch einer polytechnischen, oder einer ähnlichen höheren Lehranstalt, oder zum Zweck ihrer all- gemeinen Ausbildung, an den Gymnasial- Vorlesungen, auch sofern die- selben nicht öffentlich sind, Antheil zu nehmen wünschen, haben sich deshalb zuvörderst bei dem jedesmaligen Rector anzumelden, dem- selben über ihre bisherigen Studien, so Avie über ihr betragen, ge- nügende Nachweisungen zu geben und sich als Gymnasiasten ein- schreiben zu lassen. § 3. Die aufgenommenen werden mit dem Rector und, je nach Maszgabe der Richtung ihrer Studien, mit den die ein- zelnen Fächer vertretenden Professoren Rücksprache nehmen über die- jenigen Vorlesungen, deren Besuch für sie am zweckmäszigsten sein wird. Sie haben durch Einzeichnung in ein dazu bestimmtes Buch sich zum regelmäszigen Besuch der von ihnen demgemäsz belegten Vorlesungen zu verpflichten, § 4. An den mit einzelnen Vorträgen verbundenen praktischen Uebungen werden sie in derselben Weise Theil nehmen, wie die übrigen Gymnasiasten. Es wird ihnen gleichfalls dringend empfohlen, einen Theil ihrer Muszestunden auf schriftliche Ausarbeitungen über geeignete Gegenstände aus dem Kreise ihrer Stu- dien zu verwenden. Die Professoren der einschlagenden Fächer wer- den jederzeit bereit sein, zu solchen Arbeiten die erforderliche Anlei- tung zu ertheilen , und dieselben mit den Verfassern sorgfältig durch- zugehen. Auch werden solche Arbeiten bei der Ertheilung eines Ab- gangszeugnisses, falls ein solches gewünscht wird, als Beweise des häuslichen Fleiszes und der Fortschritte besonders berücksichtigt wer- den.' Die im letzten Winter von den Professoren gehaltenen Vorle- sungen sind folgende: Prof. Wurm, Neuere Geschichte der Deutschen, Geschichte der Befreiungskriege und des Wiener Congresses, wieder- holende Uebersicht der alten Geschichte (für künftige LehrerJ; Prof. Lehmann, Naturgeschichte der Säugethiere und Vö<:el, Taxonomie und Glossülogie der Pflanzenkunde, Anleitung zur Pflanzenanalyse; Prof. Chr. Petersen, Lykurg gegen Leokrates, Juvenal, Archaeologie der Kunst, Mythologie, über die Bauwerke auf der Akropolis von Athen (öffentl.), Geschichte der Paedagogik (für künft. Lehrer); Prof. Wiebel, theoret. Chemie (oft'.), theoret. und Experimental- Physik, die Hauptlehren der Chemie (oft".), analyt. Chemie, Physik (für künft. Lehrer); Prof. Redslob, über das Evang. Johannis, arab. Gramm., philosoph. Erkenntnislehre oder Rechtslehre. Auszerdem von anderen gelehrten: Dr. Küchenmeister, populäre Astronomie, ebene und sphaerische Trigonometrie; Cand. Brauer, vergleichende Länder- und Völkerkunde föff.), allg. Geographie (für künft. Lehrer) Lic. Löwe, über die wichtigsten Religionen der Erde 5 Dr. Steetz, Organologie der Pflanzen. Endlich speciell für künftige Lehrer, Hauptpastor Dr. Alt, Bibelkunde; Dr. Bahnson, Stereometrie; Harms, deutsche Spra- che und Litteratur; Dr. Redlich, franz. Sprache und Litteratur; Rost, Mineralogie; Dr. Sievers, englische Sprache und Litteratur. [Eingsdt.] Weileurg]. Im Lehrercollegium des dasigen herzoglichen Gymna- siums war auch im Schulj. I8ö4 55 keine Veränderung eingetreten [s.

478 Personaliiachrichlen.

Bd. LXViri S. 221, LXIX S. 579; die Praedicierung des Dir. oben S. 209]. Die Schülerzahl betrug im Laufe des Schuljahrs 135, am Schlüsse 126 [I: 10, II: 12, III: 20, IV: 21, V: 14, VI: 12, VII: 23, VIII: 14]. Die Programmabhaiidlung s. obea S. 273.

Wolfenbüttel]. Im Lehrerpersonal [Bd. LXIX S. 581] des herz. Gymnasiums erfolgte im letztvertiossenen Schuljahre keine andere Ver- änderung, als der Tod des Zeichenlehrers Meyer (13. Oct. 1854). Die Schulerzahl betrug Weihn. 1854: 123 [I: 16, II: 15, III: 28, IV: 38, V: 26], Abitur. Mich. 1854 und Ost. 1855 je 1. Den Schulnach- richten vorausgestellt ist die Abhandlung des Dir. Prof. J. Jeep: de emendandis Justini Ilistoriis Philippicia (30 S. 4).

Worms], Aus dem LehrercoUegium des Gymnasiums [s. Bd. LXX S, 119] schied der Gymnasiallehrer Dr. Friedr. Schödler, um das Directorat an der Realschule zu Mainz zu übernehmen. An seine Stelle trat provisorisch Dr. O. Bu ebner, vorher Reallehrer in Mi- chelstadt. Die Schülerzahl betrug am Ende des Schulj. 158 [Gymn. I: 10, II: 9, lll: 20, IV: 33. Sa. 72, Real. I: 14, II: 34, III: 38, Sa. 86], Abiturienten in jedem Sem. 2. In den Schulnachrichten wer- den, wie immer, über die ältere Vergangenheit Mittheilung gemacht, diesmal über die Fonds und das Rechnungswesen der Anstalt und von der im Jahre 1610 von dem Pfarrer Andr. Wilck dem verstorbenen Rector Mag. Friedr. Zorn gehaltenen Leirhenpredigt. Als wissen- schaftliche Abhandlung geht voraus vom Dir. Dr. W. Wiegand: iibef die Naturwissenschaft , weiteres Bruchstück von dem Wegweiser zur Wissenschaft und zum Studium der Hochschule (60 S. 8). Der Hr. Vf. gibt nach einer Einleitung über die Idee und die Gliederung der Naturwissenschaft eine Geschichte ihrer Entwicklung nach A. v, Hum- boldts Kosmos, einen recht brauchbaren, die Orientierung erleichtern- den Auszug.

Personalnachrichten.

Anstellungen, Versetzungen, Beförderungen.

Beccard, Dr. K. Ph. Th. , Schulamtscai\didat, als ordentl. Lehrer am französ. Gymnasium in Berlin angestellt.

Beckmann,. Dr. Frz., auszerord. Prof. in der philos. Facult. des Lycei Hosiani zu Braunsberg, zum ord. Professor in ders. Fac. ernannt.

Beer, Dr. Aug., Privatdocent zu Bonn, zum ao. Prof. in der philo- sophischen Facultät daselbst ernannt.

Bekker, Dr. E. J., Privatdoc. , zum ao. Prof. in der Jurist. Facultät der Universität Halle ernannt.

BIsping, Dr. Aug., ao. Prof. in der theolog. Faculfat der Akademie zu Münster, zum o. Prof. in ders. Fac. ernannt.

('lemens, Dr. F. J. , Privatdocent zu Bonn, als ord. Prof. in der phili)S. Facult. an die Akademie zu Münster versetzt.

Csery, Jos. v., vorher erster Official, '/um zweiten Custos an der kk. Universitätsbibliothek zu Pesth befördert.

Del ins, Dr. Nicol., Privatdocent, zum ao. Prof. in der philo.s. Fa- cult. der Universität Bonn ernannt.

Personalnacliriclilen. 47&

Drzymalik, Sylv., Supplent am kk. Gymn. zu Rzeszow, zum wirkl.

Gymnasiallelirer an ders. Lehranstalt befördert. Erbkam, Lic. theol., ao. Prof., zum ord. Prof. in der theologisclun

Factiltät der Univ. zu Königsberg ernannt. Föhr, Rector der lateinischen Schule in Reutlingen, als Rector und

Ir Lehrer an die lateinische Schule in Esziingen versetzt.

Föll, Lehramtscand., Vicar am Gymn. zu Stuttgart, als Praeceptor in Backnang angestellt.

Friede, Aug., Predigt- und Schulamtscandidat, als College an das

Magdalenengymn. in Breslau berufen und bestätigt. Gorup-Besanez, Dr. E. Frh. von, ao. Prof., zum ord. Prof. der

Chemie an der Universität in Erlangen ernannt. Graf funder, A., Regierungs- und Schulrath zu Erfurt, als Geh.

Reg. -R. und vortragender Rath beim statistischen Bureau nach

Berlin versetzt.

Hagen, Dr., Prof. an der Universität zu Heidelberg, als ord. Prof. der Geschichte und Statistik an die Universität zu Bern berufen.

Helmolt, Dr., Privatdocent , zum ao. Prof. in der Jurist. F'acultät

der Universität zu Gieszen befördert. Henne, Dr., ord. Prof. der Geschichte an der Universität zu Bern,

als Oberbibliothekar und Schulvorstand nach St. Gallen berufen.

Hermes, Dr. Osw. , Schulamtscand. , als ord. Lehrer am cölnischen Realgymnasium in Berlin angestellt.

Herrmann, Frz. Xav., Lehramtspraktikant, als Lehrer am Gymna- sium zu Bruchsal angestellt.

Hetzel, Praeceptor In Spaichingen, als Oberpraeceptor an die latei- nische Schule in Mergentheim versetzt.

J unkmann, Dr., ao. Prof. am Lyceum Hosianum in Brannsberg, als ord. Prof. in der philos. Facultät an die Universität Breslau ver- setzt.

Köstlin, Dr. ph. und Lic. theol., Repetent am theol. Seminar in Tübingen, als ao. Prof. in der theol. Facultät und zweiter Uni- versitätsprediger nach Göttingen berufen.

Kummer, Dr., ord. Prof. der Mathematik an der Univers, zu Bres- lau, in gleicher Eigenschaft an die Universität zu Berlin versetzt.

Li ebner, Dr., Consisturialrath , ord. Prof. in der theolog. Facultät

und Universitätsprediger zu Leipzig, zum Oberhofprediger in

Dresden ernannt. Märkel, Dr. Aug. Jul., erster Lehrer am Cadettcncorps in Cnim,

als Prorector an das Gymnasium zu Königsberg in der Neumark

versetzt. Oxe, K. E. Ludw., wissenschaftl. Hülfslehrer am Gymn. zu Creuz-

nach, zum ordentl. Lehrer an ders. Anstalt befördert.

Passow, Dr. Wilh. Arth., Prof. und Prorector am Gymn. zu Ra-

tibor, zum Director dieser Anstalt ernannt. Racheli, Dr. Ant. , provisor. Lehrer am kk. Gymn zu Triest, zum

wirkl. Lehrer an ders. Anstalt ernannt. Rassow, Dr. Herrn., ord. Lehrer am Gymnasium zu Stettin, al-s

Prorector an das Gymn. zu Greifswald berufen. Redepenning, Dr. Prof. in Göttingen, zum Superintendenten in

Ulfeid ernannt.

480 Personalnachrichten.

Reguli, Ant. von, als erstei- Ciistos an der kk. Universitätsbiblio- thek in Pestli definitiv angestellt.

Rheinhard, Praeceptor in Heidenheim, erhielt die Lehrstelle am mittleren Gymn. zu Stuttgart mit dem Titel eines Prof. der 8n Rangstufe.

Sandhaas, Dr., Privatdocent, zum ao. Prof. in der juristischen Fa- cultät der Universität zu Gieszen ernannt.

Schillbach, Dr. K. R. M. , Schulamtscand. , als ordentl. Lehrer am Gymn. zu Neu-Ruppin angestellt.

Schnatter, Jul. , Schulamtscand., als ordentl. Lehrer am franz. Gymn. zu Berlin angestellt.

Schöberlein, Dr. theol. , Prof. zu Heidelberg, als ordentl. Prof. in der theol. Facultät an die Universität zu Göttingen berufen.

Szymaiiski, Interim ist. Lehrer am Gymn. zu Trzemeszno, als ord. Lehrer an ders. Anstalt definitiv angestellt.

Thiel, Lic. Dr., Privatdocent, als ao. Prof. der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts am Lyceum Hosianum in Braunsberg an- gestellt.

Vilmar, Dr. Consistorlalr. und Ref. im Ministerium des Innern zu Kassel, zum Generalsuperiiitendenten ernannt.

Vierordt, Hofrath und Prof. am Lyceum in Karlsruhe, zum Director an ders. Anstalt ernannt.

Wappäus. Dr., ao. Prof. an der Universität zu Göttingen, zum or- dentl. Prof. in der philos. Facultät daselbst ernannt.

Wasmuth, Obei'lehrer am Gymn. zu Saarbrück, in gleicher Eigen- schaft an das zu Creuznach versetzt.

Wulffert, Dr. H. A. G., Lehrer am Gymn. zu Minden, als ordentl. Lehrer an das Gymn. zu Saarbrück versetzt.

Zipp, Ernst, Lehramtspraktikant, zum Lehrer am Lyceum zu Frci- burg im Breisg. ernannt.

P r a e d i c i e r u n g e n und E li r e n b e z e u g u n g e n :

Barth, Dr. Heinr., der berühmte Reisende in Africa, Avard von der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin zum correspondie- renden Mitglied der philosophisch-historischen Klasse gewählt.

Deak, Frz. von, zum Directionsmitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

Desseöffy, Graf. Em., zum Praesidenten ders.

Ehrenfeuchter, Prof. Dr. in Göttingen, als Consisforialrath clia- rakterisiert.

Emsmann, Dr. Aug. Hugo, Oberlehrer an der Fr. -W^.schule zu Stettin, als Professor praedicicrt.

Eötvös, Baron, Jos., zum Viceprae-sidenten der ungarischen Akade- mie der Wissenschaften ernannt.

Freese, Dr. W. L., Gymnasiallehrer zu Stralsund, erhielt den Ober- lehrertitel,

Hertlein, Prof. und Dir. am Lyceum zu Wcrtlieim, erhielt den Cha- rakter als Hofrath.

Kubier, Otto, ordentl. Lehrer am Gymn. zu Krotoschin, als Ober- lehrer praediciert.

J>c j ou nc-D i richlet, Dr., Prof. i\fr hohem Mathematik an der Univ. zu CJüttingeii, erhielt den k. preusz. Onl. p. le merite.

Fersonalnachiicliten. 481

liobeck, Dr. C. A,, Geli.-Reg.-R. und oid. Prof. an der Universität

zu Königsberg, erhielt dens. Orden. Oelker, Collaborator aui Gymnasium zu Lingen, erhielt den Titel

Conrcctor.

Reibstein, Conrector ebenda, erhielt den Titel Rector.

Ritter, Dr. Heinr.', Hofr. und Prof. an der Univers, zu Göttingeii,

ward zum Geh. Hofr. ernannt. Schnitker, Collaborator am Gyron. zu Lingen, ward als Oberlehrer

charakterisiert. SpÖrer, Dr. Gust., Gymnasiallehrer zu Anclam, erhielt den Ober-

lehrertitel. SzÖgenyi, Ladisl. v., kk. Geh.-R.., ward zum DIrectionsmito-lied

der ungarischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Teleky, Graf. Dom., desgl.

V arg es, Dr., Collaborator am Gymnas. zu Lingen, erhielt den Titel Conrector.

Pensionierungen:

Heffter, Dr., Pror. und Prof. am Gymn. zu Brandenburg, ward mit Pension in Ruhestand versetzt.

Gestorben:

Am 22. Mai f in Mannheim G. Fr. Gräff, vormaliger alternierender

Director des dortigen Lyceums, wenige Monate, nachdem er in

Pensionsstand getreten. Am 24. Mai in Heidelberg Dr. C. H. L. Brinckmann, Privatdocent

in der juristischen Facultät der dortigen Universität, gebürtig aus

Hamburg.

In der Nacht vom 2 3 Jun. zu Zürich Prof. Dr. J. J. Hon egger, Rector des dasigen Gymnasiums und Mitglied des Erziehungsrathes, geboren am 12. Febr. 1811 zu Uetikon am Zürichersee. Nachdem sich ders., von armen Eltern geboren, unter groszen Schwierigkeiten zum Lehrer ausgebildet und sogar ein Jahr in Siena zur Aneig- nung der italienischen Sprache zugebracht hatte, war er 5 Jahre als Lehrer am Pfenninger'schen Institut zu Stäfa thätig, studierte hierauf von 1834 an 3 Jahre Philologie in Zürich, dann in Gottin- gen und Berlin, war sodann einige Jahre an einem Institute und als Hauslehrer in Paris thätig, bis er 1843 eine Stelle an der Kantonsschule in Chur erhielt, von wo er 1846 nach Aarau, 1848 nach Zürich berufen ward. Seine Tüchtigkeit als Lehrer und Schulmann, so wie sein Charakter verschafften ihm allgemeine Anerkennung. Von litterarischen Arbeiten besorgte er in Paris eine französische Schulausgabe des Aeschylos [Siehe Nekrolog in der neuen Züricher Zeitung Nr, lö7 u. 158].

Am 3. Jun. zu Wien der Ministerialconcipist Alb. Rimmer, geh. zu Olmütz 13. Jan. 1818, als kritischer Schriftsteller auf den Gebie- ten der Aesthetik, Culturgeschichte und Nationaloekonomie rühm- lichst bekannt.

Am dems. Tage zu Danzig der Prediger Mongrovius, einer der aus- gezeichnetsten Kenner der polnischen und litthauischen Sprache und Litteratur.

Am 10. Jun. zu Brunn der Hofsecretär J. J. H. Czikann (gel). 10. Jul. 1789), verdient um die Kenntnis der Geschichte und Geo graphie Mährens.

482 Personalnaclirichlen.

Am 15. Jun. in Mannheim der Lehrer des dortigen Lyceiims Willi. Heckmann, 36 J. alt.

Am 20. Jun. in Bonn der Privatdoc. in der philos. Facultät, Dr. Phil. Wess el.

Am 27. Jim. in Stendal Dr. Chrph. Frdr. Haacke, emerit. Direc- tor des dasigen Gymnasiums, bekannt besonders durch seine Aus- gabe des Thucydides , geb. 1781.

Am 28. Jun. zu Schulpforta der Prof. Dr. K. Frdr. Andr. Jacobl, geb. am 2. Dec. 1795, seit 1819 in Schulpforta, als gelehrter (besonders durch seine Arbeiten zu dem von Swindtenschen Lehr- buchej gleich ausgezeichnet, wie als Schulmann und durch seinen Charakter bei jedermann beliebt und geachtet.

In der Nacht vom 29—29. Jun. in Darmstadt Dr. Joh. Wilh. Wolf, Vf. der 'deutschen Götterlehre'' und Herausgeber der 'Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde'', 36 J. alt.

Im Juni zu Gratz der Stiftskapitular zu St. Peter P. Joh. Gries, thätiger Geschichts- und Naturforscher.

Am 13. Jul. zu Jena der Prof. Bergrath Schuler, bekannt durch seine bedeutenden auf Reisen zusammengebrachten Sammlungen.

Am 17. Jul. in Karlsbad Dr. Ferd. Bamberger, Oberlehrer am Obergymnasium zu Brannschweig, bekannt durch seine Verdienste um Aeschylos und andere griechische Dichter.

An dems. Tage in Loschwitz der Consistorialrath und emer. Hofpre- diger in Dresden Dr. Aug. Franke.

An dems. Tage zu Appersdorf bei Wien der kk. Bergrath und Chef- geolog. Joh. Bapt. Czizek im üOn Lebensjahre, einer der aus- gezeichnetsten Kenner und thätigsten Förderer der Geognosie und Geologie.

Am 21. Jul. in Stockholm Pet. Dan. Amad. Atterbom, Prof. der Philosophie, Aesthetik und modernen Litteratur an der LIniv. zu Upsala, Mitglied der schwedischen Akademie und berühmter schwe- discher Dichter, geb. 19. Jun. 1790 in Ostgothland.

Am 14. Aug. zu Leipzig der emer. Universitätsprediger, Domkapitular Prof. Dr. Krehl im 72n Lebensjahre, den Philologen durch seine Ausgabe des Priscian bekannt.

Am 20. Aug. zu Breslau an der Cholera der Consistorial- und Provin- zialschulrath Karl Adolf Menzel, bekannt durch seine Ge- schichte der Deutschen und historischen Lesestiicke.

Auszerdem wird der Tod gemeidet von dem ehem. Prof. der Matiie- matik zu Palermo und geachteten Schriftsteiler Giambattisla Castiglia (f in Turin) und von dem berühmten waliiser Dichter (Prince of Song) Richard Roberts.

Zweite Abtheilung

herausgegeben von Riiilolph Dietseli.

31.

1) Essai historique sur la societe cwite dans le monde Ro-

main et sur sa transformation par le Christianisme par C. Schmidt, professenr ä la facuUe de theologie et au Seminaire protestant de Strasbourg. Ouvrage couronne par Vinstitut {acadi'mie frangaise).' Strasbourg, Paris, Leipzig (Fr. Fleischer). 1853. IV u. 508 S. 8.

2) Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner

Tempelgüter durch die christlichen Kaiser. Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte ron Ernst von Las au Ix. Mün- chen 1854. Lit.-artisl. Anstalt der J. G. Cotta'schen Buchhdlg.

150 S. gr. 8.

Das absterben der alten Welt, die wir in dem griechisch-römi- schen AUerthum vor uns haben, vor dem allmählich sich ausbreiten- den Lebensgeiste des Christenihiims ist eine der groszartigsten und bedeutungsvollsten Partien der Weltgeschichte, und hat eben darum nicht blosz seine grosze Wichtigkeit für die historische Erkenntnis überhaupt, sondern insbesondere auch für die rechte Erfassung des Verhältnisses, in welciiem das classische Alterllium zum Chrislen- thum steht. Seit dem erscheinen des leider unvollendet gebliebenen Buches von H. G. Tzschirner: der Fall des Heidenthums, im J. 1829 hat sich weder der Fleisz der Theologen noch der Philologen, die sich hier ja auf einem gemeinsamen Gebiete begegnen, diesem Gegen- stande wieder zugewendet. Mit um so dankbarerer Freude müssen wir daher die beiden in der üeberschrift genannten Werke begrüszen, die, wenn sie auch unter sich nach Plan und Richtung sehr verschie- den sind, doch jedenfalls einen bedeutenden Beitrag- zur Lösung der vielen auf diesem Felde liegenden Fragen und Probleme gewähren. Ehe wir jedoch auf die P^igentliiinilichkeiten und die Ergebnisse bei- der Leistungen näher eingehen wollen, müssen wir zuvor die Auf- gabe selbst nach ihrem ganzen Umfange prüfen und uns insbesondere

y. Jahrb f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. lU. 36

4S4 Sclimidt: Essai.

vergegenwürligeiv, was alles, vorbereitend und ansfülirend, zu erfor- schen uiul darzulegen sein uird, ehe ein genügendes Resullat in der rechten Auffassung und Behandlung des ebenso wichtigen und lehr- reichen als den Interessen der Zeit und der Wissenschaft entspre- chenden Themas erzielt werden kann.

Der wcsenilichsfe Tlieil dieser Aufgabe Mird nun allerdings in- nerhalb der Geschichte der ersten fünf christlichen Jahrhunderle sich erfüllen, in welchen sich der Process des absterbenden llcidcnlhums und des siegreich sich verbreitenden Christenthums vollendet. Aber beschränken darf sich darauf die ganze Arbeit durchaus nicht. Das ganze Griechen- und Rümerlhum stirbt demselben gewissermaszen cnigegen, trägt längst den Todeskeim in sich, ehe jener neue welt- beherschende Factor, der zwar auch seines Theiles längst vorbereitet ist, in die Erscheinung eintritt, und lebt nur noch künstlich und durch gewaltige innere Anstrengung sich verjüngend fort, bis es mit den Ueberbleibseln seiner besten Besitzthiimer dem Sieger in die Arme sinkt. Soll also dieser Sieg des Christenthums in seiner ganzen Tiefe und Grösze erkannt werden, so musz der allmähliche Verfall der antiken Staatsreligion, des Götterglaubcns, der ethischen Vorstellung und volksthümlichen Sitte zuvor in einen Ueberblick gcfaszt werden, damit klar erhelle, wie weit bereits jenes antike Leben entschwun- den, wie weit die Sehnsucht und Empfänglichkeit für das neue, des- sen auch jene Welt geharret, erweckt und wie weit endlich nocli die Keime eines widerstrebenden, feindseligen Charakters vorhan- den seien.

Zu unterscheiden ist hicbei wiederum ein zwiefaches. Es darf keineswegs als zufällig erscheinen, dasz die Arbeit von Schmidt von der bürgerlichen Gesellschaft in der römischen Welt, die von v. Lasaulx vom Untergange des H el 1 en i sni ns redet. Es musz gewis das hellenische noch von dem römischen geschieden werden, wenn es auch unter sich eine verbiuilende Einheit wieder hatte. Das poli- tische Leben des hellenischen Volkes war längst erloschen, es lebte die Kraft und der Geist desselben wesentlich in der Sprache und Lit- teralur fort und conccnirierte sich eigcnlhümlich in jener geistigen Erkenntnis und wissenschaftlichen Bestrebung, die wir in der Philo- sophie und Gnosis der späteren Periode entdecken und die unver- kennbar ein Bildungselcment in einer bestimmten Periode und Rich- tung der chrislliclicn Kirche geworden ist. Einige der letzten Systeme dieser Philosophie, die epikureische und stoische haben, insofern sie eine praktische Richtung gewannen und ins Leben eingedrungen sind, eine wesentlich römische Färbung (;rhnlleu. Desseniingenchlet hat das römische Volk in etwas anderem sein AN'eseu und seine rechte Eigenheit gefunden, nemlich in der Ausbildung des Rechls- und Staatswesens mit allen seinen festen Formen und bis in das kleinste Detail hinein, und es ist auch hier wieder nicht zu verkennen, wie sehr die Kirche, namentlich der römische Theil derselben, dadurch zu der festgeschlossenen Gliederung und der bestimmten Ausprägung

Schmidt: Essai. 485

von Gesetzen und Formen ihrer äuszeren Geslaltung getrieben worden ist, und so unbewust und unwillkürlich auch an diesem Thoile etwas von dem Lebenselcmente der von iiir überwundenen Jlacht angenom- men hat. Gewis sind also beide Seiten zu verfolgen, aber es ist ein- seitig und verkehrt, wenn sie von einander getrennt werden; sie ste- hen unter einander in einer gewissen \>'echsehvirkung und nur in der Vereinigung beider ergibt sich ein vollständiges und abgerundetes Gemälde, das der ^^'allrlleit entsprechen kann. Oder, sollen wir den Gang einer demgemäszen Untersuchung noch genauer vorzeichnen, so würde er folgender sein: von der Ursprünglichkeit und Unbefangen- heit der religiösen Anschauung und des Götterglaubens der ältesten Periode der Griechenwelt an musz die allmähliche Entwicklung der- selben, die bald als eine Bewahrung bald als eine Abniinderung der eigenlhümlichen von den Vorfahren überkommenen Frische und Le- bendigkeit erscheint, fortgeführt werden. Es werden dabei die bei- den, oft eng verbundenen, Seiten der Kunst und des Cnltus nicht auszer acht gelassen werden dürfen, gerade weil in beiden die grie- chische Religion ihre eigenthümliche Kraft und Stärke hat; von beiden musz die ursprüngliche Wahrheit und Berechtigung, so wie die spä- tere Entartung bis zum umschlagen in das Gegentheil des ursprüng- lichen Zwecks aufgewiesen werden. Die Kunst, welche anfangs dazu diente, die ideale Anschauung der Gottheit, die das Gemüt in sich bewegte, auch äuszerlich zu verkörpern, niuste am Ende zu einem Reize und Beförderungsmittel des Sinnendienstes herabsinken; der Cultus, welcher das abstracte Gedankending göttlicher Vorstel- lung fixieren und der übergroszen 3Ianigfaltigkeit religiöser Ideen durch numerische und locale Beschränkung wehren half, mu&te zuletzt wieder in der immer gesteigerten Fülle concreler Gestalten, in der maszlosen Häufung vereinzelter Ceremonien seine Schranke oder selbst seinen Untergang finden. Es wird nachgewiesen werden können, dasz der von diesen beiden mehr oder weniger abhängige Volksglaube an Innigkeit und Festigkeit mit dem Verfalle in gleichem Maszo abge- nommen; aber auch, dasz, naclidem mit psychologischer Nothwen- digkeit die natürliche Unmittelbarkeit des religiösen Lebens der be- wusten Reflexion , welche eine neue Erkenntnis von göttlichen Dingen zu schaden sich bemühte, gewichen war, der allmähliche Verfall des- selben ebenso unausbleiblich folgen nuiste. So wie also der Volks- glaube nach und nach immer mehr abstirbt, so tritt in entsprechender Stärke das ringender philosophischen Speculation , die sich abmüht das zu ersetzen, was jener an natürlicher Kraft gebricht, hervor. Das Bewustsein aber, dasz der Gehalt des religiösen glaubeus und erken- nens sich in die ethische Praxis umzusetzen und darin zu verwirk- lichen habe, war bereits in der hellenischen Welt aufgegangen, wenn auch die wirkliche und völlige Lösung dieser Fragen ihr nicht be- scbieden war. ^'ur war die Sphaere der sittlichen Bethätigung für das hellenische Bewustsein noch wesentlich die des Staats, innerhalb des- sen die Individuen nur unvollkommen zu ihrer berechtigten Geltung

86*

486 Schmidl: Essai.

kamen. Plalons Lelire vom Slaale war el)cn der umfassende, von tiefer Liebe zu dieser Aufgabe entworfene Plan und Versuch die menscliliche Sitilicbkeit nach ihrem ganzen Umfange zur Erfüllung' zu bringen. Wenn er dnbei den Hoden der ^^'i^klichkeit verlies/. , weil in den ihm vorliegenden Verhältnissen das liecht der freien sitilichen Persönlichkeit noch in keiner ^^ eise zur Anerkennung und Verwirk- lichung gekommeil Avar, und wenn Aristoteles deshalb mit vollen» lieclilu auf den Boden der ihm vorliegenden geschichtlichen \Nirklich- keit hinabslieg, obwol damit die nationale Beschränktheit , die dem allgemein und wahrhaft menschlichen in den Weg tritt, nicht besei- tigt war, so ist mit allem diesem nur vorwärts goviesen worden auf ein anderes Gebiet, wo die hierin verborgene Macht zum Ausbruche kommen sollte. Das war aber die römische ^^'ell, hauplsächlich der letz- ten vor- und ersten nachchristlichen Jahrluuulcrle. Hier ist, nicht oline Wechselbeziehung ntil dem Christenlhume, das Staatswesen nach der Seile des persönlichen und privaten Kechts der Individuen zu seiner vollkommenen Ausbildung gelangt. Der BegrilT der Persönlichkeit war ein Postulat für das antike Denken und Lehen, aber vielleicht das stärkste und gesuchteste, wornach die alten strebten. Durch das Christenthum trat ihnen die Macht derselben schon äuszerlich entge- gen, und wäre es auch n'.ir in der persönlich freien Geduld und Auf- opferung gewesen, mit welcher die ersten treuen Zeugen alle Verfol- gungen und Qualen erlrugen, die ihnen ihre Feinde bereiteten. Wer aber wollle dann weiter verkennen, von wie eingreifender Bedeutung diese Ausprägung der silllichen Idee in Bccht und Staat, natürlich nicht ich brauche das wol nur einmal überhaupt zu sagen für den substantiellen Gehall des Chrislenibums, aber für die Entfaltung seines Bewustseins in den Gemütern der gläubigen und in der Kirche selber geworden ist! Was damals die Kirche aus den ihrem Geiste verwandten Bewegungen jener rechllichen und slaallichen Institutionen schöpfen konnte, das hat die evangelische \Mssenschaft in unserer Zeit wiederum an die aus einer enlchrisllichlen Zeit und Anschauungsweise stammen den Hechts- und Slaatsideen in festem Kampfe hinanzuselzen.

In dieser "N^'eise glauben wir den Weg andeuten zu dürfen, wie eine in tieferer Einheit verbundene Lösung der in Rede stehenden Fragen zu gewinnen sein würde. Allerdings finden wir nach dem gesagten in beiden in der Ueberschrift genannten Arbeilen eine ge- wisse, wenn auch bewusle und frei gewollte, darum nicht vorzuwer- fende Einseiligkeil. Die erste hat mehr die praktische und daher auch wesentlich die römische, aber noch dazu unter den ethischen Beziehungen vorzugsweise die sociule berücksicliligl ; die lelzle hält sich mehr an den griechischen Göllcrglaubcn und seine zum Theil bis ins 4c Jahrhundert n. Ch. fortwirkenden Insliluliouen und Organe. Aber auch das darf als charakteristisch bezeichnet werden, dasz die eine Schrift von der Umbildung oder Umgestaltung (Iransformalion) des römischen durch das clirisl liehe, die andere dagegen geradezu von dem Untergänge des Hellenismus redet. Es wird unsere Auf-

Schiiiicll: Csäui. 487

gäbe sein, der eii^cntliiiiiiliiliLMi F.eistiing- beider Arbeileii iiiiiier iiacli- ziigeben.

Das Werk des Uro. l'rof. Sclimidt ist vcranlasLt diircli eine Prcisaiifgabe der rraiizösiscbeii Akademie zu l'aris, die eine Darslel- liing' des Killllu^;ses vcrlangle, welchen die chrislliche Liebe während der ersten Jahrluinderte in der römiselien Welt ausgeübt und kraft dessen sie mit einem neuen Geiste die biirgerlieiie Gesellschaft durch- drungen habe. Die Frage, wie sie dem lirn. Vf. vorlag, war aisu schon eine mehrfach umgrenzte, und wir können es ihm nur Dank wissen, dasz er im Sinne der Akademie zu handeln geglaubt hat, wenn er sie etwas weifer faszle und mit einer Schilderung dos antiken Gei- stes , der Lehren und bürgerliciien Sillen des Allerlhums die Einlei- tung- zu seiner weiteren Darstellung nahm. \>'enn in der Preisaufgabe auch vorzugsweise unter den socialen Interessen das Recht und das Eigenlhum hervorgehoben waren, so durfte doch der Vf. un!)edingt die ganze bürgerliche Gesellschaft, also nicht blosz die Verhältnisse von reich und arm, sondern auch von Mann und Weib, von Eltern und Kindern, von Herren und dienenden hineinziehen. Die Arbeit zer- liel daher von selbst in drei Thcile: der erste sucht in raschen Zügen die sociale Ethik des Alterlhums zu schildern, die auf ihre Quellen, den Despotismus des Staats und den Egoismus der Bürger, zurück- geführt wird; der zweite gibt einen üeberblick über die ethisch-so- cialen Zustände des Christenlhums als Anwendung der Liebe auf die verschiedenen Beziehungen des Lebens, verbunden mit einem Gemälde des Lebens und der Einrichtungen der Christen in den ersten Jahr- hunderten der Kirche; der dritte soll dann in vergleichender Betrach- tung beider die Umgestaltung zeigen, welche die antiken Sitlen und römischen Gesetze, die das bürgerliche Leben bestimmen, durch das christliche Princip der Liebe erfahren haben. Es v. ar dies wol eine naturgemäsze Vertheilung des Stoffs, wenn auch leicht daraus die Notliwendigkeit sich ergeben wird, manches in den beiden ersten Theilen gesagte bei der vergleichenden Zusammenstellung zu wie- derholen.

Das erste Buch, die bürgerliche Gesellschaft des heidnischen liömerthums, zerfällt in fünf Abschnitte : Princip und Endzweck der socialen Ethik des Alterthums; die Familie; die arbeitenden Classen; Folgerungen und Ausnahmen; Beziehungen der antiken Moral zum lleideulluime. Es wird also nicht zurückgegangen bis auf das dem Alterthume selbst wissenschaftlich bewust gewordene Princip der Mo- ral, die ethische Idee, die ihre Erkenntnis durchdrungen hat, sondern es werden wesentlich die Erscheinungen des Lebens 'festgehalten, die einen treueren Rellex auf die gesamte nationale Auffassung zu werfen scheinen, als die vorgeschrittenen, gereifteren, aber auch dem Leben und der Wirklichkeit vorausgeeilten Ideen der Denker und ^^'eisen. Indessen wird doch beides nicht so ganz von einander getrennt werden können, und das nicht blosz darum, Aveil jene Philosoi;hen im Alter- thume dem Leben weniger fremd waren und ferne standen als bei uns.

488 Schmidt: Essai.

sondern ancli, weil die Grundbedingungen für alles bewusle und spe- culalive denken doch in der That eben in den Lebensziiständen , in der politischen und socialen Substanz des gesamten Volkes gegeben sind. Diesen Zusammenhang hätten wir mehr berücksichtigt, näher angedeutet und tiefer entwickelt zu sehen gewünscht, als es hier ge- schehen ist. 31an kann dies Verlangen nicht abweisen mit der Be- schränkung auf die rein praktischen Gesichtspunkte, die ohne jenes so wenig versländlich werden, dasz auch in der That der Hr. Vf. darauf einzugehen genöthigt gewesen ist. Aber die summarischen Angaben über Piaton, Aristoteles, Cicero usw. genügen nicht; hier musz schär- fer abgewogen und insbesondere darnach zugeschen werden, in wel- cher Auffassung gerade das volksthünilichste Princip enthalten ist. Auch darf man dafür die nicht-philosophischen Schriftsteller, insbe- sondere die auf das Leben und die bewegenden Triebkräfte aller menschlischen Thaten hingewiesenen Historiker keineswegs hintan- setzen oder auszer acht lassen. Wenn nun der Vf. den Egoismus, näher den Egoismus des Staats, als die Seele der antiken Moral wir dürfen vielleicht beschränkend sagen: der römischen bezeich- nen will, so fürchten wir, dasz bei aller Wahrheit der Behauptung doch damit der Sache nicht genügt sei. Dieser ßegrilf hat das aller- weiteste Gewand, unter welches sich vollkommen alles bringen läszt; er hat dem Alterthume nicht gefehlt, aber er fehlt überhaupt nirgend, so weit das Gebiet des natürlichen Lehens reicht, und es ist daher zu wenig charakteristisches damit beigebracht worden. liier gilt nur die strengste historische Erwägung, die es nicht verschmäht in das Detail der Individuen und Thalsachon hinabzusteigen, aber auch mit unbefangener Lauterkeit der Anschauung alles zu würdigen vcrn\ag, dessen die menschliche Natur auf ihrem eigenen, von Gott gewiese- nen, aber nicht erleuchteten Wege zu finden und zu gewinnen im Stande ist. In dieser Beziehung können wir dem über Piaton und Aristoteles S. 9 f. bemerkten nicht unsere volle Zustimmung erthei- len; man darf sich nicht damit begnügen, jenen als einen abstracten Idealisten zu schildern, der mit seinem ' utopisciien ' Staate nur dazu beigetragen habe, der griech. Civiüsalion eine Richtung zu geben, die sich mehr i>nd mehr von den patriotischeren alten Sitten entfernt liabe, nnd vielleicht zum Belege dafür sich auf Niehuhrs bekannte Bemerkung ohne weitere Beweise zu berufen. Es war w ol ein gro- szes , dasz PI. darauf hinwies, es werde um die Staaten nur .dann gut stehen, wenn sie durch Philosophen regiert würden, eben weil er, wie Stahl treffend bemerkt, darunter nach antiker Anschauung Weise verstand , die das ewige über den» vergänglichen im ,\uge haben. Und wenn die Verwirklichung seines Staats auf einer Voraussetzung be- ruht, die freilich erst durch das Christenihum hat möglicli werden können, so zeigt das eben die tiefere Bedeutung seiner vorauswei- senden Natur. Mögen Plularch und Athenaeus immerhin sich darum streiten, ob aus den Ueihen der Platoniker mehr Freunde oder Unter- drücker der Freiheit hervorgegangen sind, in NN ahrheit kann ein sol-

ScIililicU: Essai. 489

eher MasÄSlalj an den Meister selbsl niclil aiigelegl, iiuch derselbe für alle und jede Folgen menschlicher Geislesriclitungen verantwort- lich gemacht werden. Aristoteles nennt d. Vf. noch fürmeller, und das ist in gewissem Sinne richtig-, beweist aber für seine Anschauung ge- gebener Zustände und seine Kiitdeciuing verborgener Wahrheiten und sittlicher Ideen in den einfachsten Thalsachen gar nichts. Keiner der alten Philosophen hat in dem Masze , \\ie er, die Brücke geschlagen zwischen der Geister- und Sinnenwelt und dadurch der Zuversicht auf die Erkennbarkeit des nicht-sinnlichen, der Grundwurzel alles Glau- bens, den Weg gebahnt. Wir furchten überhaupt, der Vf. nähere sich doch in etwas jener, auch neuerdings wieder vertretenen Ansicht, welche das Alterthum glaubt in allen Stücken bekämpfen, seinen gänzlichen Mangel an Wahrheit und Richtigkeit der Erkenntnis dar- thun und daher seine Mangelhaftigkeit und Verwerflichkeit in allem, was nicht zu dem formell schönen gehört, nachweisen zu müssen. Gev/is ist diese Auffassung ebenso falsch, wie jene andere, die christ- liche Ideen und Anklänge, Prophezeiungen oder gar typische Vor- bilder bald hier bald dort im Alterthume entdecken will und damit demselben wiederum zu viel thut. Hätte nicht auf dem unvertilgbaren Grunde edel menschlichen Wesens, dem in der Ebenbildlichkeit Got- tes das Siegel seiner Weihe und die letzte Schulzwehr gegen alle die ungeheuren Verwüstungen des bösen gegeben ist, manche Blüte wachsen und gedeihen können, die der himmlische Gärtner in sein Gebiet zu verpflanzen und dort durch das echte Pfropfreis zu ver- veredeln nicht verschmälit hat: dann hätte nimmermehr die Beiornia- liou unserer evangelischen Kirche einen wichtigen und kräftigen Fac- tor daran nehmen können, dann würden wir auszerhalb aller Berech- tigung uns befinden daraus eine Geislesnahrung für das schönste Lebensalter der besten Kräfte unserer Nation zu ziehen. Aber eine sittliche Befriedigung und eine Erlösung von dem Fluche des bösen findet sich auch hier nicht, vielmehr je mehr Streben darnach vor- waltet, desto gröszer wird das Gefühl des ungeheuren .Mangels und die Sehnsucht, ihn zu stillen.

Es ist möglich, dasz wir dem Vf. in solcher Annahme unrecht thun; aber wir bergen es nicht, dasz wir bei dem lesen auch der weiteren Abschnitte seines Buchs stets wieder von neuem auf diese Besorgnis gekommen sind. Indessen haben wir mit entschieden grö- szerer Befriedigung die Abschnitte des zweiten Capitels (die Familie); die Frauen und die Ehe; die Liebe, die Iletaeren und das Concubinat; der Ehebruch und die Scheidung; die Kinder und die väterliche Ge- walt; die Erziehung, als die des ersten (das Glück; der Staat; die Bürger, die fremden, die reichen; die Freundschaft, die Bache) ge- lesen. Indessen hat uns namentlich das letzte, sov»ol das von der Freundschaftals das von der Rache beigebrachte, sachlich nicht ge- nügen können; ein vergleichendes Studium des Cicero und Aristoteles, unter Berücksichtigung der trelTenden Erörterungen SeylTerts, würde die Freundschaft, ein tieferes Studium der griechischen Tragiker die

490 SchmiiU: Essai.

Rache in ihrer Eig-enthünilichkeit wie in ihrer Beschränkung und in ihrem engen Zusammenhange mit dem erwachenden silllichen liechts- bewuslsein in ein helleres Licht gestellt haben. Ilinsiciillicli der Stel- lung der Frauen im Alterlhume verwirft d. Vf. die Ansichten von Fr. Jacobs (S. 25), obgleich er keine neuen Beweise beigebracht hat, die dies Urtheil erhärten könnten. Nicht minder fürchten wir, dasz sein Urtheil über die platonische Liebe (S. 4l) jenen schönen und tie- fen Drang des Seelenlebens nach wechselseitigem Austausch in Rede und Gedanken übersieht, der im wesentlichen auch im Sympo- sion zu Grunde liegt, das nach des Vf.s Meinung weit mehr ironi- sches als sentimentales haben soll. Der letzte Abschnitt aber, von der Erziehung, hätte nach den dafür vorliegenden schätzbaren Forschun- gen und Darstellungen eindringender und reichhalliger gegeben wer- den können und müssen. \Mr dürfen indessen hiebei und bei dem dritten Cap. (die arbeitenden Classen), welches in fünf Abschnitten Von der Arbeit, von der Armut und den armen, von den Sclaven und der Sciaverei im allgemeinen (beide Abschnitte enthalten unter Be- nutzung des Werks von Wal Ion: histoirc de Pesclavage dans l'anti- quite, 3 Bde., Paris 18i7 manche trelTende und beachtenswerthe Züge), von der Behandlungsart der Sclaven, von den Beschäftigungen der Ilistrionen und Gladiatoren, handelt, nicht länger verweilen, um uns mit dem vierten (Folgerungen und Ausnahmen) und fünften (Beziehun- gen der antiken Moral zum Heidenthume) etwas eingehender beschäfti- gen zu können. Beide zerfallen in je zwei Abschnitte: Sturz der bürger- lichen Gesellschaft bei den alten und die reineren Ansichten; sittliche Ohnmacht des Ileidenlhums und Abnahme der religiösen Vorstellungen. Wir wollen den Hrn. Vf. in diesem Theile etwas mehr selbst reden hören. Das Princip, heiszt es hier in einer Zusammenfassung des vor- aufgegangenen, welches das Alterthum beherschtc, war der stärkste Egoismus, sowol der des Staats als der des Individuums. Die Per- sönlichkeit des Menschen, seine Freiheit, seine natürlichen Rechte wurden verkannt; der Staat kannte nur den Bürger, dessen physische und geistige Kräfte er ganz verzehrt; man vergasz , dasz der Mensch als solcher, dadurch dasz er ein Mensch ist, einen Werth hat, man schätzte ihn nur nach seiner äuszeren Stellung, seine bürgerliche Stellung war der Maszstab seines individuellen \\ erthes. Die Familie und die Ehe waien nur politische Institutionen, ohne silllichen End- zweck für die einzelnen; das ^^'eib war ihres natürlichen Ranges in der Gesellschaft beraubt; das Kind war nur ein künftiger Bürger und, bis es in den Genusz seiner Rechte eintrat, Hligenlhum des Vaters; der arme und der Arbeiter waren verachtet, weil der Bürger reich war und nicht arbeitete ; der besiegte wurde Sciave des Siegers und ver- lor, wie der Sciave, seine ganze Persönlichkeit, um zu einer Sache herabzusinken: der Egoismus herschle mit einem Worte überall ge- bieterisch *). Die politische Moral des Allertluims war nur die

*) Der Vf. bezieht sich namentlich auf die Stelle Cic. de olf. 111 17.

Schmidt; Essai. 491

Frucht und der Ausdruck des Geistes ihrer jedesmaligen Gesetzgeber. Uer einzelne halte die Gesellschaft nach dem in ihm lebenden Bilde geschalTeu, er halte kein Ideal, das ihm als Grundrisz dienen konnte. Unsichere Erinnerungen von einem besseren Zustande, von einem ver- lorenen goldenen Zeitalter hatte man in die Mylhenwelt verbannt (Liegt nicht aber in dieser so allgemeinen Vorstellung der alten Welt vielmehr ein Zeichen von der Ahnung einer ehemaligen besseren Le- bensgeslalUing und einer innigeren Gemeinschaft mit dem göttlichen, von dem allmaiilichen Verluste eines früher besessenen Gutes?). Der freie iMann gehörte dem Staate, weil der Staat sein Werk Mar; hatte er aber l'llichlen gegen den Staat, so halte er keine gegen die Mensch- heit; diese kannte das Alterlhum niclil, über das Vaterland hinaus gab es nur Barbaren oder Feinde , und auszer den politischen Beziehungen nur Personen, denen man nichts schuldig war; in diesen war also jeder Bürger freier Herr seines handelns und seinem persönlichen Egoismus hingegeben. Je mehr man den Gehorsam gegen die Gesetze, die Unterwürügkeit und Hingebung an den Staat ehrte, desto mehr fühlte man sich frei, seinen Leidenschaften und Lüsten zu folgen, so weit man nicht durch politische Hücksichten davon abgehalten war. So lange nun die bürgerliclien Tugenden stark waren, legten sie dem Egoismus Zügel an; mit ihrem Verfalle wurde dieser niaszlos. Griechen- land erlebte dieses herabsinken von der Höhe schon beträchtlich eher; während aber die Uömer noch über die Leichtfertigkeit, die Treulo- sigkeit, die Weichlichkeit und die Lüste der Griechen spotteten (eine natürliche Folge, meinen wir, von dem grundwesentlich verschiedenen Charakter dieses poetischen und jenes praktischen Volks) folgten sie schon selbst ihren Fuszslapfen und eilten jählings in den Verfall der Sitten und die Aullusung der Gesellschaft hinunter. Die staatsbürger- lichen Tugenden, erschüttert durch die Bürgerkriege, verscliwanden vollständig unter der Kaiserherschaft; die reichen nahmen kein Inter- esse mehr an den Staatsgeschäften, der Despotismus der Kaiser zer- störte alle Energie; die, welche noch einen Rest von Patriotismus bewahrten, suchten eine Zuflucht in der Resignation der stoischen Philosophie, bei der Masse dagegen trat eine absolute Gleichgilligkeit und Kälte an die Stelle der alten Hingebung: der Nutzen und die au- genblicklichen Vergnügungen verdrängten alles andere.

Diesem kurzen, in raschen, aber düsteren Zügen den Verfall einer geistig starken ^^'elt uns zeichnenden Umrisse setzt der Hr. Vf. demnächst nun einige Lichtseiten, einige hellere Momente gegenüber. Wir möchten schon in der Form die Angemessenheit eines solchen Dualismus der Darstellung bezweifeln; aber auch für die Sache hatten gewis die Licht- und die Schattenseiten der altertliümlichen Mensch- heit eine und dieselbe Wurzel und Quelle. Statt auf diese näher einzugehen, werden hier nur die geläuterten Ansichten einiger '^wei- ser und hervorragender' Männer hervorgehoben, die damit sich über den allgemeinen Höhepunkt ihrer Zeit und Nation weif eriioben. So habe es Ideen über das weibliche Geschlecht und die Ehe gegeben,

492 Sclimidl: Essai.

die denjenigen sich näherten, denen das Christenlhiim später zum Siege verholfen hat. Sokrates erklärt, dasz das VVcib seiner Natur nach nicht hinter dem Manne zurüclistehe und dasz, wenn es des den- kens und der Stärke ermangele, es die Pflicht des Mannes sei, es durch Unterweisung zu sich emporzuheben. Auch Piaton selbst er- kannte für die Ehe ein höheres als das politische Ziel: sie diene ja auch dazu, die Diener der Götter hervorzubringen; Aristoteles redet sogar schon von der Pflicht der Ehegatten einander zu lielfen, sich gegenseitig durch das geliehene Masz der Gaben zu ergänzen, und die Kinder sind bestimmt das Band zwischen den Eltern noch fester zu schlieszen. Derselbe Gedanke finde sich auch bei einigen (guomi- schen) Dichtern 'wieder', lebte vielmebr schon viel früher auch in dem Bewustsein des edleren Tbeils der Nation: er erinnert an den Aus- spruch des Tbeognis, dasz das reinste Glück in einem schönen Fami- lienleben bestehe. Wollte aber der Hr. Vf. eine Reibe edler Frauen- bilder uns vergegenwärtigen, so konnte er noch manche andere mit ebenso vollkommenem Rechte vorführen, wie die Gattin des Ischoma- chos bei Xenophon (Oecon, 7 5) und Helvia, die 31utter des Soneca (Cons. ad Helv. 14 11'.). Auch die Unnalur der Sclaverei wurde viel- fach von den allen empfunden, und nicht etwa blosz in der Tiieoric des Stoicismus, sondern auch in einzelnen helleren Blicken, di<; durch Leben und Denken hindurchdrangen. Es gibt ja aber eben vorüber- gehende, von Gott gewollte oder zugelassene Zustände, gegen wel- che das tiefere Bew uslsein der Wahrheit dann und wann reagiert und damit über sich selbst und die gegebenen Verhällnisse hinausgreifl. Wenn Sokiales vom Wellbürgertiiuiu sprach oder Cicero das Vater- land linden wollte, wo es dein Mcnsclien wol gehe, wenn Arislulelos einen Satz aussprach, dem ähnlich, dasz gehen seliger ist denn neh- men, wenn er das Glück der Liebe niclit in dem Besitze des geliebten Gegenstandes, sondern in der That der Liebe selber fand, weil sie die Energie der Seele sei, und an eine uneingeschränktere Liebe glaubte, als die Freundschaft ist, eine Liebe, die sich auch auf den unbekann- ten erstreckt, so dürfen doch diese vereinzelten Aeuszerungen nur in dem Lichte der gesamten Auffassung und Weltanschauung nicht blosz dieser Männer, sondern des ganzen Alterlhums überhaupt betrachtet werden. Und wenn d. Vf. die düstere Stimmung des Tacitus und die erbitterte des Juvenal gegen die ungeheure Verderbtheit ihrer Zeit als Zeugnisse eines edleren sittlichen Geistes betrachtet, so würden wir zwar unseres Theils das gelten zu lassen geneigt sein , müssen jedoch denselben darauf hinweisen, dasz noch neuerdings wieder auch der sittliche Standpunkt des Tacitus angegrilTcn (Evang. Kir- chenzeilung 1853. Nr. l-t 19), dasz überhaupt die in ihm sich reprae- sentiercnde C'ulliir als eine voilkoninicn abgeschlossene, auf ihren Grundlagen eines Forlsihritts nicht mehr fähige bezeichnet worden ist, die mit der durch das Evangelium vermitlellen im diagonalen und unvereinbaren Gegensatze siehe, und zwar sowol im gan zen als in jedem einzelnen. Es wäre die Frage, ob vor einer

Schmidt: Essai. 493

solchen Auffassung die Zeugnisse gellen würden, auf welche der Hr. Vf. doch einiges Gewicht legt, und ob nicht jedenfalls die Sache tiefer zu erfassen und zu begründen erforderlich sein dürfte, ^^'ir glauben allerdings, dasz ^ir dann eher mit ihm zusammenslinimen würden, da wir in den Grundanschauungen (s. jedoch oben) ihn» vielleicht fol- gen können. Die alten heidnischen Ueligionen sind ihm keine Erfin- dungen des Teufels, um den Menschen in Irthum und Sünde zu ver- stricken und festzuhalten. Bei aller Unvollkommenheit (S. J28) geben sie dennoch einen blassen Wiederschein der ewigen Wahrheit und olVenbaren das dem menschlichen Herzen angeborene religiöse Bedürf- nis. Aber in der weiteren Ausführung, wie sie nun in seinem Buche dasteht, vermissen wir den sicheren Gang einer genauen Forschung und die fortschreitende, den Wechsel und die Abnahme der Zeilen berücksichtigende Entwicklung, ohne welche das mythologische Sy- stem der Griechen und die im Bunde mit der Götterverehrung von ihnen gepllegte Kunst nicht richtig gewürdigt werden kann. Es ist nicht bloszer Polyliieisnuis, am wenigsten der von den Dichtern, die deshalb Plalon mit Recht angrüT, zum Theil niaszlos ausgeschmückte, den wir durch das ganze Alterthum hindurch entdecken, sondern bald mit Punllieismus bald mit Deismus wechselnd oder versetzt. Aller- dings stand der Polytheismus mit der schalfenden Kunst, insbesondere der Plastik, im engsten Znsammenhange und in einer bestimmte» Wechselwirkung; aber dessenungeachtet sind beide selbständig ihre Wege gegangen und haben nicht an sich, sondern nur durch ihre mit dem übrigen Leben und Treiben des Volks zusammenhängende Entartung dem religiös-sitllichen Geiste geschadet. Was die Götter- gestalten in dem ältesten ßewuslsein des Volkes hervorrief und die ursprüngliclie Gemeinschaft der Mensciien mit den Göttern festzuhal- ten bewog, war eben die Macht der göttlichen Idee selber, die durch ihre selbsteigene Kraft in allen Wesen 'göttlicher Abkunft' oder, wie wir evangelisch sagen, in dem nach den Ebenbilde Gottes er- schaffenen Creaturen Wurzel schlug und sich entfaltete, bis das unauf- haltsam fortschreitende Verderben der menschlichen Natur auch hierin den ursprünglichen edleren Keim überwucherte oder gar erstickte. Keinen hiervon verschiedenen Gang hat die religiöse Kunst genom- men. Die herlichen Gestalten ihrer blühendsten Periode waren nichts anderes als ein Erzeugnis jenes tiefen und frommen Götterglaubens, den wir, bei aller 31angelhaftigkeit seiner materiellen Substanz, den- noch an dem ältesten Griechenlhume ehren und anerkennen müssen. Erst als die Kunst die Basis dieses ihres edelsten Ursprungs und da- mit zugleich die Wahrheit und Tiefe der Natur verliesz, erzeugte sie umgekehrt ihrerseits wiederum Vorstellungen und Bilder religiösen Inhalts, welche nicht auf dem Boden des religiösen Bewustseins selbst gewachsen waren und daher demselben auch nur Abbruch lliiin konn- ten, ohne irgend eine neue Kraft und Frische in dasselbe hineinzu- tragen. Nur auf die dadurcli hervorgerufenen Entartungen beziehen sich die Aeuszerungen von Dichtern wie üvid und Properz (S. l'i-i);

494 Schmiai: Essai.

und wenn Varro (Augusün. de civ. dei IV 31 2) bemorkl, dasz der Cultus und das Leben reiner sind, so lange man noch unsiciilL»are Göl- ter verehrt, und dasz diejenigen, welche zuerst Bilder geschalTen, die Ehrfurcht vor der Gottheit zerstört haben, so liegt darin noch nicht unmittelbar das Gefühl eines Gottes, der nicht wohnet in Tempeln, von Menschenhändengemacht, sondern es ist die natürliche Reaction eines liömers gegen das poetische und plastische streben des von ihm in dieser Beziehung- nicht gehörig erkannten, noch gewürdigten Griechen- volks. Sonst ist im ganzen auch die römische Welt an dem falschen streben untergegangen die Crealur über den Schöpfer zu stellen und vermöge seines überw iegend praktischen Hanges die Verehrung gegen die allmächtige Gottheit in den Dienst der buntesten und conlraslie- rendslen Ceremonien zu ziehen.

Vtiv geben zu, dasz dieser erste Theil der Darstellung des Hrn. Vfs. der entschieden schwierigere gewesen sein mag; aber wir müs- sen doch auch die grosze V. ichtigkeit desselben lietoiien und können uns nicht verhehlen, dasz ein längeres und eindiingenderes Studium, zumal unter Benutzung der deutschen Lilteratur, die hiefür , so sehr die Behandlung der ganzen Aufgabe auch noch in den ersten Anfängen steht, doch schon manchen erheblichen Beitrag bietet, ein anderes Re- sultat würde gebracht und manche Partie in ein richtigeres und helle- res Licht würde gesetzt haben. Wir können durch den zweiten Theil, welcher die Zustände der christlichen Kirche bespricht, dem Hrn. Vf. nicht mit gleicher Ausführlichkeit folgen; er gehört ja auch nur mit- telbar zu der Anfga!)e, und wenn sie auch begreiflicherweise weniger in theologischer als in historischer UichluMg behundelt wird, so ist doch auf diesem Gebiete auch schon mehr vorgearbeitet, sowol früher durch den tiefen Fleisz eines Neander, als auch zuletzt wieder durch die besonderen Darstellungen der ersten Jahrhunderte der christlichen Kirche in den Arbeilen von Ilagenbach, J. P. Lange*) u. a. Es unter- scheidet sich freilich davon das Werk unseres Hrn. Vfs. besonders dadurch, dasz es nicht dem geschichtlichen Fortschritte, sondern viel- mehr in ähnlicher Weise gewissen allgemeinen Gesichtspunkten, wie im ersten Theile, folgt, da ebeu durch eine möglichst entsprechende Gegenüberstellung die klare Vergleichung beider ermöglicht werden soll. Da es uns aber eben um diese wesentlich zu thun ist, so wen- den wir uns sofort dazu; wir haben dann nur noch zum Schlüsse die mit diesem Theile der Arbeit mehr zusammenfallende Abhandlung von Hrn. Prof. v. Lasaul.K in unsere Benrlheilung hineinzuziehen, wobei uns sofort der wesentliche l'nterschied beider Arbeiten entgegentritt, dasz die erste mehr nach allgeuieinen Gesiclilspunkleii und Kategorien schildert, die zweite mit sirengerer Beachtung der zeitlichen Aul'ein-

*) JJej;onders heivorzuhelicn ist frei lieh . was der letztere in .s. G(%s<;liichte der Kir»;li(!, I r. IUI. das apüstolische Zi-ilailer, S. 2-4 if. und naincntiicli S. '2i') IV. darüber in chier ebenso eingehenden al« gei.stvullen Wei.sc darbietet.

Sclinlidl: Essai. 405

andorfoloo die m iclitiirston und folgenreiciislen Erscheinungen und Ue- i>eI)enlicilon bespriclit.

Es soll also nunmehr die Unig-eslallung der bürgerlichen Gesell- scliaft durch den Einllnsz des ciirisllichen Gcisles behandelt werden. Die Darstellung zerfallt in sechs Abschniüe: Kampf des christlichen mit dein heidnischen (ieiste; Mittel, durch welche der clirislliclie Ein- lliisz sich wirlisam erwiesen hat; Milderung der Ansichten und Vor- slclhingcn bei heidnischen Philosophen; Milderung der Gesetzgebung während der heidnischen Periode derröm. Kaiserherschaft; Forlgang in dieser Milderung der Gesetze während der cliristlichen Zeit der römischen Kaiserherschaft und die Gegenwirkung des heidnischen Gei- stes auf die Sitten der christlichen Gesellschaft.

. In dem ersten der bezeichneten Abschnitte schildert d, Vf. zuerst den allgemeinen Charakter des christlichen Einflusses auf die heid- nische Gesellschaft (freilich in gar zu allgemeinen und unsicheren Umrissen) und die Hindernisse, die dem christlichen Einflüsse im \N'ege standen. In dem zweiten werden namentlich die apologetischen Be- strebungen der Litteratur gewürdigt, denen immerhin sich Aerwandto im kirchlichen Leben angeschlossen haben mögen, von denen jedoch auch der Hr. Vf. wenig zu berichten weisz; kurz und minder bedeu- tend ist das , was von dem Beispiele der Christen und der Liebe der- selben gegen die Heiden gesagt ist, namentlich in der ersten Hälfte; dann aber bahnt der Vf. sich mittelst einer Darstellung des Anlheils, den der Stoicismus an dem Einflüsse der christlichen Liebe gehabt hat, den Utbergang zum nächstfolgenden Abschnitte. Er bezieht sich dabei auf die Wahrnehmung, dasz die Ursache des mächtiger werden- den waltens der Liebe in der heidnischen Welt bald ebenso aus- schlieszlich dem Cbristenthume, bald lediglich dem Stoicismus zuge- schrieben worden ist. Der Vf. ist geneigt, beidem seinen gebühren- den Aniheil zuzugestehen, obwol er im Verfolge seiner Darstellung das zu Gunsten des Stoicismus gewonnene wieder aufzuheben im Be- griff ist, wenn es ihm nicht noch gelänge, solches durch den Unter- schied der früheren und späteren Periode jenes Systems wieder gut zu machen. Allerdings ist die Herbigkeit und Strenge der älteren Stoa einem milderen Hauche im ersten und zweiten christl. Jahrhunderte gewichen; aber dennoch kann sie mit ihrer abstracten Selbstvernich- tung nichts anderes als den Boden bereiten, die Stätte rein und frei machen, worauf ein ganz anderes Element erwachsen soll, 'der Jugend nur negative Dienste thun', wie Jean Paul sagt, denn 'die stoische Erkältung treibt keinen Frühling heraus, aber sie richtet die Insekten hin, die ihn zernagen.' Von solchem Standpunkte ans schildert denn nun auch der Vf. die philosophischen Schriftsteller des allerdings schon in einer gewissen inneren Umwandlung begrilTenen Alterthums, den Scneca, Plinius, Plutarch, Epiklet und Marc Aurel. Unter diesen Schilderungen ist die des Seneca die eingehendste und lebendigste, obwol auch für ihn nach den vorbereitenden Arbeiten von Werner, Volquardscn u. a. durch eine sorgsame Zusammenfassung, die er so

496 Schmidt: Essai.

sein* verdient, noch viel gewonnen werden könnte; die des Piiniiis und Plutarch (die Schriften über den letzteren von Schreiber nnd Eichhoff scheinen dem Vf. unbekannt geblieben zu sein) befriedigen am wenig- sten. Von den Schriftstellern, unter welchen er die Historiker einer ausdrücklicheren Berücksichtigung hätte würdigen sollen, geht er auf die öffentlichen Gesetze und Institutionen über, schildert den Einflusz des christlichen Geistes auf die Kaiser und Hechtsgelehrten, die Frauen und die Ehe, die Kinder überhaupt und die armen Kinder insbeson- dere, endlich den Zustand der Sklaverei. Hier ist denn nun freilich die mächtige Wirkung des immer mehr zur Herschaft gelangenden Christenlhums schon mächtig zu spüren; es bricht sich siegreich Bahn und setzt seinen alles durchdringenden, wellerobernden Einflusz durch die nachfolgenden Jahrhunderte fort. Der Erörterung dieser, mit be- sonderer Beziehung auf die auch schon früher durchgenommenen sitt- lichen Zustände, hat der Vf. die letzten Biälter gewidmet und dann mit einem kurzen Hinblick auf die Rückwirkung des heidnischen Gei- stes auf die Sitten der christlichen Gesellschaft das ganze geschlossen. Allerdings treten hiebei die schwarzen Schallen des im Todeskampfe liegenden Heidenthums stark hervor, und nicht blosz darum, weil ihnen gegenüber das Licht immer heller und heller wird, sondern auch, weil gerade bei solchem zusammentrelTen zweier auf das äuszersle feind- seligen Mächte selbst auch die Kräfte des Abgrunds in die gewaltigste Bewegung kommen müssen. Ohnehin kann solches Doppelgcmälde niemanden befremden, der es beherzigt, dasz das Evangelium ja mitten in die natürliche Welt hinein immerfort gepflanzt werden musz und daher, je weiter es dringt, deslo gröszer der Absland werden musz, in welchem die siegende Macht des geistlichen Lebens dem versinken des weltlichen Wesens gegenüber sich befindet.

Auf diesen Boden versetzt uns denn vorzugsweise die zweite der in der Ueberschrift bezeichneten Arbeilen, die neben dem historischen Charakter unverkennbar eine, im einzelnen allerdings nicht *ganz klare prophetische Tendenz an sich trägt. Der Vf. meint, dasz Svir heulige Menschen des neunzehnten .Tahrhunderls, am Vorabende einer ähnlichen Katastrophe des europaeischeu Lebens wie jene des vierten Jahrhun- derts war, uns trotz der Erkenntnis seiner inneren Nolhwcndigkeit schwerlich einer mitfühlenden Theilnahnie an dem Untergange des Hellenismus werden erwehren können.' In welcher ganz besonderen Beziehung dieses zu den Bewegungen und Kämpfen der Gegenwart gedacht worden sein mag, können wir vielleicht entfernt aus einem andern Salze ahnen, den er am Schlüsse eines interessanten Abschnit- tes über das Palladium in Konstanlinopel S. 50 hinzufügt: ^Wenn dies Palladium, welches Troja mit Hom, Born mit Konslantinopel verknüpft hat, und dieses mit einer andern Stadl auf slavisclior Erde verknüpfen wird, aus seiner engen Behausung befreit zum drillt'nmal uufsfeigt an das Licht der Sonne: dann erst wird der gegenwärtige Weltlag unter und nnsern Enkeln vielleicht ein neuer aufgehen.' Wir haben in-

V. Lasaul.v: Untergang- des Hellenismus. 497

dessen iinsererseils Iiicr natiirlicli nur das historische ins Aiigc zu lassen.

Für die ganze Stellung des Römerthums zu den Christen ist aller- dings der Standpunkt eines Mannes wie Tacitus von besonderer Wich- tigkeit; der Vf. findet denselben, als einen allgemein und objecfiv römischen angesehen, berechtigt, und man darf ihm darin im allge- meinen schwerlich widersprechen. Wenn T. das unter dem Schirme des geduldeten Judenthums milgehende Christenthum einen verderb- lichen Aberglauben nennt und seinen ßckennern allgemeinen Menschen- hasz (odium hnmani generis), d. h. eine allen übrigen entgegengesetzte Glaubens- und Lebensweise, vorwirft, wenn Plinius der jüngere und Suelon fast mit denselben Worten die christliche Heligion als einen Wahnsinn, einen verkehrten, unmäszigen, neuen und ruchlosen Aber- glauben bezeichnen und den Christen selbst Trotz und unbeugsame Halsstarrigkeit schuld geben, so kann man mit dem Vf. diese Vorwürfe vom römischen Standpunkte aus theils wirklich begründet linden, Iheils unvermeidliche Misversfiindnisse darin erkennen. Ich weisz zwar nicht, ob der Vf. darin Recht hat, dasz die Widerlegung den christ- lichen Apologeten darum so leicht geworden sei, weil sie den Helle- nismus aus ihrem Herzen ausgerottet (ich würde vielmehr sagen: durch den Glauben und die Kraft des Evangeliums die Einseiligkeit desselben überwunden) hatten, und dasz die Römer die Widerlegung nicht einmal verstehen, geschweige denn anerkennen konnten, ohne aufzuhören Römer zu sein. Die Sache dürfte vielleicht ihren tieferen Grund eben darin haben, dasz die edleren Geister, die denn doch wahrlich nicht blind waren gegen die Versunkenbeit ihrer Zeit und nicht ohne Hoffnung auf ein noch so äuszerlich und weltlich gefasz- tes Heil, dieses doch nicht anders zu fassen vermochten als in dem äuszerlichen national -politischen Rahmen eines mit junger, frischer Kraft in die Geschichte eintretenden Volks. Das Christenthum sollte gerade zuerst alle nationale ßeschränktheit zu Boden werfen und durch die Möglichkeit einer rein individuellen, an keine volkslliiimliche Be- stimmtheit gebundenen Aneignung des Heils den Universalismus seines Charakters zeigen. Hätte ein Tacitus schon damals an den germani- schen Volkslämmen, in deren nationaler Eigenihiimlichkeit nachmals das Christenthum eine Stätte gesunder und kräftiger Entwicklung fand, das Bild dieses neuen Lebens gewahren können : er würde unfehlbar ganz anders zu der Sache gestanden haben, wie sein liefer Blick in die sittlichen Vorzüge des von ihm geschilderten Volkes beweist. Wir dürfen also den Eindruck, den die römischen Christen auf die römische Welt machten, nicht so ohne weiteres nach dem Reflex beur- theilen, des.'^en sie sich selber bewust geworden sind; und selbst die Verdienste der Märtyrer und der Heldenmut so vieler treuer Seelen unter den wüthenden Verfolgungen verschiedener Kaiser können nach dieser Seite hin leicht überschätzt werden. Bestimmteres Zeugnis geben allerdings die verschiedenen Toleranzedicte, die von mehreren Kaisern ausgiengen. Das einfluszreichste derselben ist das vom J. 312

498 V. Lasaulx: Untergang des Hellenismus.

gewesen, ■welches zugleich alle jene Schritte vorbereilelc, wodurch die christliche Heligion StaatsUirclie geworden ist. Diese entschei- dende Thatsaclie unterliegt einer abweichenden Beurtheilung; des Vf. confessioneller vStandpunkt läszt sich in seinen Aeuszerungen darüber nicht verkennen, wenn auch hier am wenigsten der Ort ist darüber wei- ter mit demselben zu rechten. Was uns vielmehr hier von Coiislanlins Wirksamkeit vorzugsweise anziehen musz, das sind seine Maszregeln gegen das Heidenlhum und die absichtliche endliche Zerstörung des- selben, wiihrend wiederum in vielfacher Beziehung in seinem denken und thun heidnisches und christüclies sich mit einander vermischte. Wol noch mehr gilt dies freilich vom Constanlius, venu wir auch das harte Urtheil des Animian über ihn nicht in allen Theilen unterschrei- ben dürfen. Mehr aber noch interessiert uns Kaiser lulianus, 'eine jener tragischen Persönlichkeilen, die auf die Grenze zweier Welfalter gestellt, statt die Zukunft kühn zu erfassen und in deren Sinne zu handeln, rückwärts gewendet sich stärker von der Vergangenheit an- gezogen fühlen, und indem sie der fortschreitenden Bewegung der Geschichte sich widersetzen, statt des Hammers Ambosz , und dann von einem stärkeren Arme zerschlagen werden'. Die Schilderung dieses sehr interessanten Charakters mit der eingreifenden Wirkung seines strebens auf die ihn umgebende Zeit ist unserem Vf. vorzüglich gelungen (S. 59 82), und wir werden ihm in dem Ergebnisse seiner Forschung hinsichtlich der Einwirkung auf das Christenthum gewis beizustimmen haben. Es ist bezeichnend für manche Auffassungen auch in unserer Zeit noch, dasz .hilian den christlichen lihetorcn und Grammatikern, wenn sie nicht zu dem Göttercultus übergehen wollten, das lehren der freien Künste verbot, weil jene Lehrer nicht blosz Worterklärer, sondern auch sittliche Erzieher sein sollten und daher unmöglich die heidnischen Klassiker, deren religiösen Glauben sie verachteten, erklären könnten. Man sieht also, er erkannte in diesen von ihm so hochverehrten Schätzen doch keine dem Evangelium irgend gewachsene Macht, die von dort zu sich herüberzuziehen im Stande gewesen wäre, aber andererseits rechnete er auch nicht auf die Ge- fahr, die aus der Beschäftigung mit den alten dem Cliristentluim selbst erwachsen könnte, weil er sonst ja nur allzu gern das Sludiun» der- selben befördert haben würde.

Es wäre des anziehenden noch sehr viel milzuthcilen aus dieser Schrift, sowol über einzelnes aus dem hinsterbenden Leben des Alter- thums, als auch über die fortschreitende Macht der Wabrheit, wenn wir uns nicht dem Zwecke dieser Blätter gemäss kürzer darüber fas- sen miisten. Wir erinnern daher nur an dm Nachweis der Entsteluiiig des Namens ptniani ^ der zuerst in einem Gesetze Valenlinians vom J. 368 sich lindel (S. 87); wir verweisen auf die geuiischte religiöse Stimnuing der Hauptstadt, wo der Senat gelheilt, der Adel heidnisch war (S. 90 f.), auf die Bemerkung von den Genien des Völkerlebens nach einer antikes mit christlichem mischenden Vorstellung jener Zeit (ebd.), auf den letzten Widerstand der Heiden zu Alexandrien im Sc-

V. Lasaulx; Untergang des Hellenismus. 499

rapeum (S. 103 ff.), auf <Jie Darstellung des Mailänder Edicis von 391 mit seiner nachmaligen Scliärfung und darauf wieder eingetretener Beschränkung (S. 107 ff. 115) und die vollständige Saecularisation der heidnischen Tenipelschätze durch die Befehle des Arcadius und Ilono- rius aus den JJ. 407 u. 408. Nicht minder gern liest man (S. 128 f.) von dem Kampfe des Bischofs Cyrillus und der heidnischen Philosophiii Hypatia, die als die Ursache galt, ^ dasz der Stalthalter nicht des Bi- schofes Freund sei; und um dies Hindernis wegzuräumen, passen ihr an einem unheilvollen Tage in der Fastenzeit des J. 415 die Fanatiker unter Anführung des Leclors Petrus den ^Veg ab, reiszen sie aus ihrem ^Vagea, schleppen sie in die grosze Kirche, zerstückeln dort mit Austerschalen gliederweise die nackte Leiche der ermordeten, und verbrennen sie dann', wobei der Vf. unbefangenen Sinnes die Bemer- kung hinzufügt, dasz sie, wenn sie Christin gewesen und von Heiden ermordet worden wäre, als Märtyrerin im Andenken der Nachwelt fort- leben würde; 'doch auch als Heidin für eine untergehende Religion gestorben zu sein, sichert ihr die Theilnahme aller, welche die sub- jective Hoheit des menschlichen Gemüts auch an Gegnern zu ehren verstehen.'' Die Mitlheilung aus Salvians Darstellung der Christenheit (S. 134 f.) eröffnet uns zugleich einen Blick in die Wichtigkeit seiner trefflichen Schrift de ijubernatione dei; wir sehen auch ernste und bis- weilen erschütternde Züge aus jenen Zeilen uns entgegentreten, und die Schicksale eines Proklos, Hierokles u. a. sind nicht blosz die letz- ten Zuckungen eines hinsterbenden Lebens, sondern auch Beweise, dasz das Verhalten der Christen den Heiden gegenüber nicht immer von evangelischem Geiste geleitet war, wie solches denn auch noch in den gewaltsamen Bekehrungen Justinians, dem Verbote gegen das lehren der Philosophie und des Rechts, und in manchen andern Zügen zu erkennen war. Aber noch andere Zeugnisse bekundeten das völlige Ende jener alten, mit ihrem tiefsten Gehalte und schönslen Kleinode lebensvoll und verklärt in die neue Entwicklung der Menschheit auf- genommenen ^yelt, wie die letzte Feier der eleusinischen Geheimnisse, die Zerstörung des letzten Apollotempels im J. 529, die Verwandlung des römischen Reinigungsfestes der Luperealien in das christliche Fest der Reinigung Mariae, die Confiscation des Sliftungsvermögens der pla- tonischen Akademie und das aufhören derselben nach einem neunhun- dertjährigen Bestände. In allen diesen Jlittheilungen liegen schätz- bare Beiträge zu einer Avünschenswürdigen umfassenden Fortsetzung von Tzschirners 'Fall des Heidenthums', da es diesem gelehrten Theo- logen ja nur vergönnt gewesen ist, seine Darstellung durch die beiden ersten von ihm abgesteckten Perioden bis zur Diocletianischen Verfol- gung oder bis zum J. 303, aber nicht durch die anderen beiden bis auf das Zeitalter Justinians hinunterzuführen.

Fried/'. Lübker.

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXX.'I. Hft. 10. 37

SÖO Tennyson Gedichte, übers, v. TTerf7,1)crg.

Gedichte von Alfred Tennyson. Uehersetz>l von W. llerlzberg. Dessau 1833.

Zu den bedeutendsten Ersclieinung'en auf dem Gebiete der Lieber setzungslitteratiir gehört Ilertzbersrs Tennyson. Von den lyrischen Ge- dichlenTennysons waren einige in Deutschland schon früher durch Frei- ligraths Uebersetzung bekannt; der neueste Uebersefzer dieser Gediclile hat sich schon dadurcii ein Verdienst erworben, dasz er die sümllichon lyriscben Gedichte Tennysons mit Ausnalime nur weniger, die aber leicht entbebrt werden können, ins Deutsclie übertragen hat. Den deutschen Lesern ist dadurch Gelegeniieit gegeben, sich mit Leicbliir- keit mit einem Dichter bekannt y,ii machen, der alle Aulmerksamkeil verdieilt und eine erhebliche Fülle poetischen Genusses bietet.

Die ^Gedicble' Tennysons ihrem Inhalte nach betrachtet erinnern sehr lebhaft an die deutscbe Homantik. Wie diese liebt es Tennyson sich in das Mittelalter zu versetzen und dessen Sagen und Alärchen poe- lisch wieder zu beleben; die bretonische Sage, ursprünglich auf bri- tischem Boden erwachsen, mit ihrem Arthur, mit Lanzelot und der Königin Ginover, mit Sir Galahad, der wie der deutsche Parcival nach dem heiligen Grale trachtet, der König Koplietua und das Belllermiid- chen, ein aus Percy bekannter Sfolf, auf welciien schon Shakespeare wie in Miomeo und.lulie' und in ^Verlorner Liebesmühe" anspielt, erschei- nen auch in Tennysons Gedichten. Die in Deutsciiland bekannte Sage vom Dornröschen, welche Tennyson in dem 'Tageslraum' behandelt hat, das eigenlhümliche Gedicht M)ie Dame von Shalott' u. a. geben den Beweis, dasz Tennyson eine tiefe und romantische Neigung zu dem geheimnisvollen und wunderbaren des Mittelalters besitzt, wie wir sie unter den deutschen Dichtern z- B. bei E. Mörike finden. Diese romantische Neigung Tennysons glauben wir auch in den Gedichten wahrzunehmen, in welchen er seine StoiVe aus dem klassischen Alter- thum entlehnt hat. Zu den eigenfhümlichsten und interessantesten Dichtungen dieser Gattung gehören die ^Lotosesser', ' Ulysses', H)enonc', die 'Seenixen'. In den 4,otosesscrn' nimmt der Dichter die Erzählung von den liOtophagen , die wir in der Odyssee IX 82 f. finden, zum Thema und variiert dasselbe in romantischer Weise. Tennyson schil- dert das l>an(l, in welchem es ewig Nachmittag zu sein schien, in welchem die l-ufl vom Ufer matt aus- und einzieht und wie vom schweren Traum bedrückt haucht. Die Genossen des Odysseus, welche vom Zauberbaum, der immer Blüte und Frucht zugleich trägt, genos- sen haben, wollen das Land nicht wieder verlassen; in einem Chorge- sango schildern sie die bezaubernde, siunberückendc Beschairenheil des Landes.

In diesem Lande thront die Buhe und MJuh allein ist Glück', so tönt der Gesang, der aus der Seele der ermüdeten, der unruhigen Meer- faiirt überdrüssigen Genossen des Odysseus strömt. Dieser Buhe sich hinzugeben ist ihre höchslo Sehnsucht.

Tennyson Gedichte, übers, v. Herfzberg. 501

Wenn der Dichter in den *Lolosessern ' die einfache Situation Homers zu einem Gemälde voll romantischer Sentimentalität erweitert, so verläszt er in älinliclier Weise den einfachen Homer in dem Ge- dichte ' Ulysses '. Hier ist der göttliche Dulder nicht zufrieden, Herd und Heimat, Weib und Kind wiedererlangt zu haben; vielmehr ist die Ruhe ihm verhaszt und wieParcivai, der im Besitze einer geliebten Gattin und eines Reiches vom unruhigen Thalendrange gefoltert und zu neuen Abenteuern forlgetrieben wird, will Ulysses 'jenseits des Unterganges segeln, wo des ^^'eslens Sterne baden', um die Inseln der seligen aufzusuchen. Tennyson liebt es aus dem Alterthum solche Stoffe zu wählen, die ihm Raum geben eine gebrochene Gemütsstim- mung darzustellen, wie 'Oenone', des Paris verlassene Geliebte, be- weist; dieselbe Situation kehrt in noch tieferer Weise in den Gedich- ten 'Mariana' und 'Mariana im Süden' wieder. Dagegen behandelt er die Sage vom Amphion komisch. Mit besonderer Neigung mnste sein dem wunderbaren und phantastischen zugewendeter Sinn die home- rische Sage von den Sirenen ergreifen; denn der phantasiebegabte Inselbewohner hatte die Stimme des Meeres vernommen nicht allein in seiner Erhabenheit, wenn es wie ein Raubthier brüllend ans Ufer schosz; auch die anmutige, sirenengleich verlockende Stimme des Elements hatte zu ihm gesprochen. Tennyson hat im Geiste der ger- manischen Auffassung die homerischen Sirenen dargestellt in den 'Seenixen', welche den müden Schiffern ihr seliges, genuszreiches Inselleben anpreisen. Mit diesem Gedichte sind der 'Meermann' und das 'Meerfräulein' zusammenzustellen, in welchen Tennyson das ge- heimnisvolle, eigensinnige, ton- und klangreiche Element des Meeres in reicher poetischer Schönheit darstellt. Wer den englischen Dich- ter in seiner ganzen Eigenthümlichkeit kennen lernen will, möge diese Gedichte mit Goethes 'Fischer' oder mit Mörikes 'die Geister am Mummelsee' vergleichen. Eine sinnige und liebevolle Anschauung der Natur, deren Erscheinungen für den Dichter ein persönliches Leben haben, befähigt unsern Tennyson insbesondere zu idyllischen Darstel- lungen. In diesem Gebiete ist er überaus glücklich, bewegt er sich in ebenso klaren als anmutigen Formen, während er in manchen Ge- dichten insbesondere seiner Jugendperiode nicht frei von Dunkelheit und Schwulst bleibt. Hier kamen dem Dichter die Anschauungen recht zu statten, die sein Jugendleben erfüllten. Als der Sohn eines Tandpredigcrs brachte er diese Jugend nicht in dem Gewühl der Stadt, sondern in einem Dorfe (in Lincolnshire, vgl. A. Fischer ausgewählte Gedichte von A. Tennyson, Berl. 1854 p. 1) zu und welchen Eindruck die friedliche und anmutige Umgebung auf sein Gemüt gemacht hatte, schildert er uns selbst in der 'Ode an die Erinnerung'.

Süsze Erinnerungen an die Heimat waren es, die sich zu kla- ren und anmutigen Gestalten verkörperten in den schönen Gedichten 'des Müllers Tochter', 'die Gärtnertochter'. Aus der Quelle dieser Bekanntschaft mit dem Landleben entsprangen solche Gedichte, welche die Freude» und Leiden der Dorfbewohner und die tragischen Geschicke

37*

502 Tennyson Gedichte, übers, v. Hertzbevg-.

ihres Lebens schildern, wie die 'Maikönigin', 'Nenjahrsabend', 'Dora'. Mit klarer Sicherheit zeichnet und erzählt hier der Dichter; man fühlt es den Gedichten an, dasz hier alles aus lebenswarmer nnmittelbarer Anschauung stammt; der Knabe hatte von der Brücke dem 'Donner- falle des rauschenden Mühldamms gehorcht', hatte das Spiel der Gründ- linge im Wasser gesehen und an dem Blütenmeer der Kastanien sich erfreut; in Londons 'heiszem, staubigem Gewühl' mochte sich der Mann wehmütig des Sees erinnern, wo die erste Schwalhe ihren Fittig netzte, an dessen Ufer die goldnc Lilie blühte; damals hatte er den Mai gesehen , der dreimal muntrer war als die jetzigen und von welchem er singt:

'Der Stier vergasz zu grasen, und am Pfad, Der durch die Hecke schneidet, stand er still. Die Ilörner lehnend in des Nachbars Feld, Und brüllte Grusz den Brüdern. Aus dem ^^'ald Scholl der zufried^ien Tauben girr''nder Ruf; Der Lerche Triller stockte fast vor Lust Und ward verworren, als der Furche sie, Dem lieben Nest genaht. Links rief und rechts Kuckuk den Bergen seinen Namen zu. Vom Ulmbaum quoll der Amsel Flötenton; Rothkehlchen pfiff, laut sang die Nachtigall, Als wäre sie der Tagesvogel heut.'

In den Gedichten dieser Gattung hat Tennyson eine grosze Plaslicität und Einfachheit der Darstellnng erreicht, während er in manchen an- deren besonders seiner Jugendperiodc , wie bemerkt, der Dunkelheit verfällt. Trefflich linden wir ihn auch, wo seine Empfindung in den musikalischen Klängen des Volksliedes tönt; wir erinnern hier an die in des 'Müllers Tochter' eingelegten Lieder und führen noch die rei- zende 31elodie 'Claribella' nach Hertzbergs trefflicher Ueherselzung an :

Um Claribellas Gruft

Ist still die Luft und rein;

Der Ros' ihr Blatt entschwebt, Wenn aus Eichenschatten- Duft

Ernst flüsternd, süsz es bebt Wie von alten Melodei'n

Von des Herzens tiefster Pein; An Claribellas Gruft.

Der Käfer summt verirret

Im Busch beim Dämmerschein, Die wilde Biene schwirret

Bei Tag am moos''gen Stein, Den Nachts der Mond unillirret,

Der schaut so still darein.

Temiysoii (jlcdiclilc, übers, v. IIurlz,bci'g. 503

Des llaiiniii>i\s Lieder schwellen Zum Drossclsclilag' dem liellen;

Es /.ir|)t die llügge Meise, Des ßaclies Scliliimmerwelleii

Verrinnen plälsclicrnd, leise; Der Grotte Echo ruft An Claribellas Gruft.

Aus dem angefahrten mag man schon ersehen, dasz Tennyson über einen groszcn Hcichlhiim poclisclier Anschauungen gebietet. In das liefe und schöne Gemüt des Dichters und nicht minder in seine poetische GeslaUungsfiihigkeit thiin wir einen Blick, wenn wir sein Werk Mn memoriam' betrachten, das nun gleichfalls in der deutschen Uebersetznng einer ungenannten Verfasserin vorhanden ist. Die Ge- dichte, welche dieses Werk umfaszt, klagen um den Freund, den der Dichter im Jahre 1833 verlor, und verherlichen sein Andenken. Dieser Freund war Arthur Ilallam, der Sohn des berühmten englischen Ge- schichtschreibers, dem Dichter von Jugend an vertraut und als Ver- lobter seiner Schwester noch enger verbunden. Es ist begreiflich, dasz durch die siimllichen Gedichte der Ton der Klage geht; dadurch können sie etwas ermüdendes haben; aber die elegischen Töne er- klingen doch in manigfaltigen und verschiedenen Accorden, und mit unermüdeler Uührung lauschen wir der Stimme dieser Ihranenreichen iMuse. Der Dichter gibt uns gleichsam eine Geschichte seines Schmer- zes; eine Reihe individueller Züge und Situationen tritt auf und der ganze Cyclus bekommt dadurch einen epischen Charakter. Während die ersten Gedichte (1 8) den heftigen Schmerz aussprechen, offen- bart sich in den nächstfolgenden die Sorgfalt um den Leichnam des Freundes, der auszerhalb des Vaterlandes, in Wien, gestorben war. Der Dichter gewinnt in seinem tiefen Leid die Ueberzeugung: ^ V'^iel besser isls geliebet und die Liebe verloren haben, als gar nie geliebt.' Das Bild des entrissenen, theureu Freundes begleitet nun den Dichter durch alle Verhältnisse. Die Verknüpfung der Klage um den dahin- geschiedenen mit den vorkommenden Ereignissen des Lebens bringt die schönsten und individuellsten Darstellungen hervor. So musz er das schöne Weihnachtsfesl ohne den Freund feiern; er hört die Glockenstimmen aus vier Dörfern schallen, welche für alle Menschen- kinder Fried' und Heil läuten. Er dachte, sein Leben würde zu Ende gegangen sein, eh' er diese Glocken noch einmal hörte :

Doch stärken sie den Geist in seinem Leid, Denn sie geleiteten mich schon als Knaben, Die, trotz des Kummers, mich mit Freuden laben. Die frohen Glocken froher Weihnachtszeit.

So wird Faust bei Goethe durch die ahnungsvollen Glockenlöuo vom letzten, ernsten Schritt zurückgerufen. Die schöne Weihnachts- feier erwähnt Tennyson noch öfter, (z. B. No. 103 der Uebersetzung);

504 Tennyson Gedichte, übers, v. Herlzberg.

mit denselben Worten spricht er noch einmal von der Stille der ISticlite, dem Schleier bedeckter Monde; mit schöner Vorliebe spricht er von der Zeit, welche bei Shakespeare im Hamlet gepriesen wird Ol):

Sie sagen, immer wenn die Jahrzeit naht,

Wo man des Heilands Ankunft feiert, singe

Die ganze Nacht durch dieser frühe Vogel (der Hahn);

Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,

Die Nächte sind gesund, dann tritft kein Stern,

Kein Elfe faht, noch mögen Hexen zaubern

So gnadenvoll und heilig ist die Zeit.

Bei der Weihnachtszeit erinnert sich Tennyson der Geschichte des auferwecklen Lazarus und der Glaube an die Unsterbliciikeit be- schäftigt seine Gedanken. Er lebt der Ueberzeugung, dasz der Freund in seiner höhern Sphaerc liebend des Freundes gedenke, wie ein groszer Mann, der auf dem Gipfel des Glückes angelangt ist und im Staate eine hohe Stelle einnimmt, ein leises Sehnen nach dem Flusse fühlt und in dem Hügel geheimen Liebreiz findet, welche seine Kindheit um- grenzten. Von groszer Schönheit sind die Gedichte, in denen die Erin- nerungen ausgesprochen sind an Orle, an Zeiten, die durch den Freund eine heilige Weihe erhalten haben. Der Dichter geht an den ehrwürdigen Mauern wieder vorüber, wo er früher das Sfudentenkleid getragen, er sieht die Stuben wieder, die einst der Freund bewohnte, und erinnert sich der Gespräche, die in diesen Räumen geführt wurden über Geist und Kunst und Studien, Handel und Bildungsweise des Landes; in diesen Gesprächen war der Freund der Meislerschütze und traf ins schwarze. Oder er versetzt uns unter die Ulmen , in deren Schalten der Freund so gern wandelte, oder in den ^^'ald, wo sie die Nach- mittage mit ernstem Gespräch, mit Gesang und Heiterkeit zubrachten. Mit inniger Liebe und Gründlichkeit entwirft der Dichter das schöne Charakterbild des Freundes.

In den letzten Gedichten alhmet eine ruhigere Stimmung; der Dichter schöpft Trost aus der Ueberzeugung, dasz droben 'alles gut steht.' Dieser Wächterruf, dasz es gut steht, beruhigt seinen Blick über die \^'irren der Zeit. Das zuletzt im J. 1849 hinzugekommene Gedicht, welches den ganzen Cyclus einleitet, ist ein Gebet zu Chri- stus, in welchem der Dichter um Vergebung fleht wegen des blinden Schreies seiner Schmerzen und in ClirisU Weisheit die eigne zu fin- den sucht. So hat der Dicliler eine Fülle schöner und liefer Em- plindnngen dargestellt und seiner Diclilung die Theilnalime aller derer zugesichert, die einen Freund oder eine geliebte Fcrson überhaupt verloren haben. Der aeslhclische Werlh der Gedichte aber wird noch bedeutend erhöht durch die Beziehungen des Dichters zur Natur. Man rühmt es an Tennyson in England, dasz er die landschafllichen Schön- heiten seines Vaterlandes mit sinnigem Auge und kundiger Hand zu zu zeichnen verstehe. In menioriam gibt von dieser Meisterschaft des

Tuiiiiysüu (jciiichlü, iibcrs. v. llcrlzberg. 5(ßb

Diclilers Irellliclie üoNcise. Viele Slclleii der lieiniatliclieti Land- scliatl liubea eine eiliulile IJedeutuiig; durch die Liebe, wclclie der Freund zu ibueu begle. Sie sind für de» Dicbler Zeicbeii und Uufe der Erinnerung an ibu. Da isl Itein aller Pachlbof, keine ferne lliirde, kein liefer Sumpf, kein leise llüslernd Uulir, kein niedrer (juerzauu am Thor der Wiesen, kein weiszbereifler Dorn und Esclienbügel, kein Büchlein, das den Felsen hinabrinnet, nichts ist, das des Freundes Liebe nicht er>vorben hülle und dem Dicbler die schönere Zeit nicht wiederspiegelle. Die Sülle des Abends, in der kein Heimchen zirpt, nur das ferne quellen des Hächleins gebürl wird und die Fledermäuse die \vürz''ge Luft durchziehen, ruft in des Dichters Seele das Bild des Freundes wach und in den gefallenen Blatlern , die noch ihr Grün be- wahren, liest er die edeln Züge des gestorbenen. Mit Meislerhand zeichnet er die Sülle des lierbslmorgens, wie sie auf dem iiaine, auf dem Thaue ruht, die Stille des Lichtes, das die Ebene deckt, die Sülle und den Frieden in der Luft und in den Blättern, die zum Fall sich röthen, und diese Sülle vergleicht er mit der Sülle der Gruft, die durch den Tod des Freundes in seinem eignen Herzen eingetreten ist. So wird die Natur überall eine Mahnerin, Begleiterin oder ein Symbol für die Seelensümmung des Dichters. Der bejahrte Taxusbaum, dem der Lenz nicht Blüte und Pracht bringt, der bei jedem \^'inde ohne A\ andcl bleibt, dem kein Sonnenschein etwas nimmt von seiner tau- sendjährigen Nacht, dieser Baum in seiner finslern Starrheit ist für den Dichter ein Bild des eignen iinstern , scbmerzerstarrlen Herzens. Er ruft der süszen Frühlingszeit zu, mit ihrer Ankunft nicht mehr zu zö- gern, ihre Blumen zu bringen und die erstarrte Blüte des Gesanges im Gcmüte wieder zu beleben. Er bittet die ambrosisch süsze Luft, die nach dem Regen aus dem Abenddunkel sich ergieszt, ihm Stirne und Wangen zu fächeln, ihres neuen Lebens Hauch in sein Gebein zu strömen, damit seine Phantasie zu dem fernen Ufer gelange,

wo dem Liede Sich Welten aufthun, die im Purpur flimmern, Wo hell und hoch die Morgensterne schimmern, Und Geisterschaaren leise sprechen: 'Friede'.

Und so wird denn auch durch den Lenz, durch seine Blüten- und Farbenpracht in der Seele des Dichters die trostreiche Zuversicht erweckt zu dem, der diese Welt so schön gestaltet.

Und dieser reiche Schatz liefer Empfindungen und schöner An- schauungen, welchen In memoriani darbietet, wird dem Leser in der edelsten Form gereicht, in einer schönen, w armen, flieszenden und bil- derreichen Sprache. Auffallend musz es daher erscheinen, dasz ein Dichter wie Tennyson, der das Nalurleben in seinen zartesten Tönen zu vernehmen weisz, der dev Natur so oft eine mitfühlende Seele ein- haucht, der ferner eine solche Fähigkeit zu plastischer Darstellung besitzt, sich in kalten oder dunkeln moralisierenden Allegorien, wie der 'Kunstpalast', das 'Gesicht von der Sünde', 'die beiden Stimmen*

506 Tennyson Gedichte , übers, v. Ilertzberg.

gefallen oder zu einer Geschmacklosigkeit sich verirren konnte, wie sie in 'den Schwestern' auftritt.

Was nun zuerst Hertzbergs Ueberselzung betrifft, so wird der Leser schon durch die Avenigen von uns mitgetheilten Proben hoffent- lich eine günstige Meinung erhalten haben. Diese Uebersetzung ver- dient die angelegentlichste Empfehlung. Das Unternehmen, gerade Tennysons Gedichte zu übersetzen, war ein sehr schwieriges; denn diese Gedichte bieten im Originale viele sehr schwere Stellen und Herizberg hatte weder einen Erklärer noch einen Uebersetzer zu Vor- gängern, an die er sich hätte anschlieszen können, \^'ähre^d Freilig- rath in den wenigen Gedichten Tennysons, die er übersetzt hat, zu grosze Freiheiten, ja Willkür sich erlaubt hat, ist dagegen Ilertzberg seinem Dichter mit groszer Treue gefolgt, ohne der Treue die poe- tische Schönheit aufzuopfern. Viele von Ilcrtzbergs Uebersetzungen sind so gelungen, dasz sie gar nicht den Eindruck von Uebersetzun- gen machen, ölan lese auszer vielen andern das Gedicht ^Lady Clara Vere de Veri', und man wird sich diesem Eindrucke nicht entziehen können. Tennyson gebietet über eine grosze Fülle der poetischen Sprache, er liebt die Häufung desselben Reimes, er spielt gern mit den Klängen der Sprache. Diese Eigenthümlichkeit Tennysons in der Uebersetzung nachzubilden ist Hertzberg eifrig bestrebt gewesen; und da er seinen Dichter mit poetischem Auge anschaute und die Melodie der Sprache mit feinem musikalischem Ohre vernahm, ist es ihm vortrefflich gelungen, gerade das echt dichterische in seiner Uebersetzung mit bewundernswürdigem Talente wiederzugeben, ^^'ir erinnern an die Gedichte 'die Seenixen', 'der Meermann', 'das Meer- fräulein', in denen das musikalische tönen, das geheimnisvolle flü- stern, das üppige und wilde jauchzen der Mecreswoge hörbar ist. Hertzberg hat dies alles mit feinem Sinne und auszerordentlicher Ge- schicklichkeit nachgebildet. Das Gedicht 'die Dame von Shalott', reim- und klangvoll wie es ist, erreicht den Eindruck des geheimnis- vollen und magischen, den es hervorbringt, noch durch den Umstand, dasz in jeder der neunzehn neunzeiligen Strophen im fünften und neunten Verse der Reim 'Camelot' und 'Shalott' wiederkehrt. In welche engen Schranken der Uebersetzer hier gebannt ist, bedarf kei- ner Erwähnung. Hertzberg bat die Schwierigkeit in bewundernswür- diger Weise gelöst, er bewegt sich in den Fesseln der Reime, die ihm aufgelegt waren, mit solcher Leichtigkeit, als ob die Uebernahme dieser Fesseln eigne Wahl wäre. Durch die Uebersetzung dieses Ge- dichtes und vieler anderen erlangt Herizberg eine ebenbürtige Stelle neben den Meistern der deutschon Uebersetzungskunst, einem Schlegel und Rückert, und unser Urtheil wird wol keinen Widerspruch erfah- ren, wenn wir dem Leser ein paar Strophen vorlegen:

Lose links und rechts umwallt

Von schneeigem Kleid lag die Gestalt;

Blätter streut auf sie der Wald;

Dumpf von Nachtgeräusch umhalll

Tennyson Gedichte, übers, v. Herlzberg. 507

FIosz sie hinab nacli Caraelof. Und als das Boot sich schlang entlang Durch Feld und Weidenbusch-Behang-, Da laut erklang der letzte Sang

Der Dame von Shalolt.

Das Lied kam heilig, ernst geflossen. Hat sich laut und tief ergossen. Bis ihr Blut nicht mehr gellossen, Nacht die Augen dicht umschlossen.

Noch gewandt nach Camelot. Denn eh' sie auf der Woge Braus Am Strom erreicht das erste Haus, Haucht singend sie die Seele aus.

Die Dame von Shalott.

Wenn wir nun bei so vielem meisterhaften und gelungenen, das uns Herizbergs Uebersetzung bietet, doch einige Wünsche nicht un- terdrücken können, möge uns der Uebersetzer nicht gerade Unge- nügsamkeit vorwerfen. Mit Becht macht Herlzberg in Bezug auf die Ucberselzungsthätigkeit die Bemerkung, ^in keiner Art litterarischer Arbeiten sei die Forderung billiger, dasz der Kritiker da, wo er et- was ungenügend finde, in jedem einzelnen Falle nachweise, dasz es besser gemacht werden könne dadurch dasz er es besser mache.' Vielleicht läszt sich vieles von dem , was wir verbessert wünschen, wirklich niciit verbessern; aber gerade an einen so begabten und gewandten Uebersetzer Avie Hertzberg richten wir unsere Wünsche, ob er sie bei einer zweiten Auflage seiner Arbeit vielleicht in Erwä- gung ziehe. Manche Schönheit, welche das Original bietet, wird die Uebersetzung nie erreichen können, weil der Sprachgenius der einen wie der andern Sprache es verbietet. Hierher gehören manche Epi- theta, welche ein Bild oder eine Anschauung hervorrufen, wie sie. bei Tennyson häufig vorkommen: wir meinen the g7-aij-eijed morn (Poems, Lond. 1851, p. 10), ein Ausdruck, der genau in derselben Weise bei Shakspeare (Romeo and Juliet II 3) vorkommt: The gray -etfd morn smiles on the frownincj night. Schlegel hat wenigstens in der Uebersetzung von 1833 das Epitheton graij-etfd ganz unüber- setzt gelassen, Herlzberg übersetzt S. 8 'des grauen Morgens'; bei- des entspricht der naturtreuen Personification des Dichters nicht, aber hatten sie 'grauäugig' übersetzen sollen? Aehnliche Epitheta sind in den Stellen the gold-eyed hingkups fine (Poems p. 49), the lott- ton gued Orient (p. 35), from c r i m son-thr ea ded Ups (p. 6), by the maryin, willuw-v eiP d, (p. 64), beautif ul-hr ow'' d Oenone (p. 99); das letztere hat Herlzberg durch 'schöngestirnte' (S. 100) wiedergegeben, die übrigen, wie er nicht anders konnte, durch ad- verbiale Bezeichnungen, nur dasz in der Uebersetzung von willow- reild das schöne Bild des Schleiers verloren gegangen ist. Von dem feinen poetischen Sinne Hertzbergs musz man erwarten, dasz es

508 Teunysou Gedichte, übers, v. lleiizberg.

ihm Kampf koslcle, ein Bild des Dichters in der Uebersetzung aufzu- geben oder nur zu verändern; wie wir es S. 1 üiMlen: Um Claribellas Gruft Ist still die Luft und rein; für die der Situation tiefer entsprechenden Worte: tlie breezes pause and die. Auch in der schönen Stelle in der Dame von Shalott (S. 63): And tlie sHent /'sie imboicers The Lady of i>/ialotl, ist das Bild in der Uebersetzung aufgegeben; ebenso in der Stelle der "^Lo- tosesser': And some thvo'' warerhig lü/hts and shadoirs hroke^ rol~ ling a slumhrous sheet of foam below, was wir in aeslhelischer Hin- sicht nicht beklagen; aber die bildliche Anmut, welche in ^ des Mül- lers Tochter' in den Worten liegt:

Jo7' loofi, the stmset, south and north.,

Winds all the vale in i-osy folds (Poems p. 9iJ),

wird durch die Worte der Uebersetzung (S. 93) nicht erreicht:

* Das Thal d u r c h s c h l i n g t von Süd nach Nord

Der Abendsonne ros''ger Schein.' Tennyson scheint dieses Bild zu lieben; hier stellt er dar, wieder Sonnenuntergang das ganze Thal mit rosigen Falten umwindet, au einer andern Stelle spricht er von Nebelfalten (^four currents streani'd belotD in misli) folds., Poems p. 111), eine Anschauung, welche die Uebersetzung nicht wiedergibt. Sehr reich ist Tennyson an Perso- nificationen, und mit groszer Anmut weisz er Nalurgcgcnsländen die Seele eines persönlichen empündens einzuhauchen. In dieser Kunst hat er, wenn auch die eigne Phantasie diese specifiscii-poelische Ei- genthümlichUeit verlieh, offenbar von seinem groszen Landsmannc, von Shakespeare, gelernt, den er im ' Kunstpalast' charakteristisch genug sanft und mild nennt, aus dem er das Jlotiv zu seiner ^Mariana' entlehnte, an dessen Schluszlied in ^Verlorner Liebesmühe' sich seine Lieder Mie Eule' anlehnen. Dasz Shakspeare, unter allen Diclilern an Personilicalionen bei weitem der reichste, unter anderm dem \>'inde und der Luft ein persönliches thun leiht, ist nichts cigenlhiimliches ; solche Vorstellungen w aren ihm schon durch seine Bekanntschaft mit lateinischen Dichtern geläufig, und man denke statt vieler andern Bei- spiele an des Cephalus anmutiges Spiel mit^Aura' in üvids Meta- morphosen (VII 813 sq.); aber die Zartheit und Anmut, die Kraft und Anschaulichkeit seiner Darstellung ist bewundernswürdig. Ich erin ncrc an ein paar Stellen; Was ihr wollt I I:

0 sie (die Weise der Musik) beschlich mein Ohr,

d em Wes I e gleich, Der auf ein Veilclienbelle lieblich haucht. Und Düfte stiehlt und gibt. Cymbeline IV 2, wo freilich tlie Ueborsel/.ung das Original verschönert:

Sie sind sanft Wie Zephyr, dessen Hauch das Veilchen küszt. Sein süszes Haupt nicht schaukelnd; doch su rauh,

Tennyson Gedichte, übers v. Ilerlzberg. 509

Wird lieisz ihr Königsblul, wie graiiser Sturm,

Der au dem Wipfel faszt die ßergestanne

Und sie ins Thal beugt. In Bezug auf Tennyson ist uns die Stelle im Makbelh 1 6 wichtig, wo die Anmut der Luft in der Gegend von 3Iakbeths Schlosz geschil- dert w ird:

üunkan. Dies Schlosz hat eine angenehme Lage;«*

Gastlich umfängt die leichte milde Luft

Die heitern Sinne. Banquo. Dieser Sommergast,

Die Schwalbe, die an Tempeln nistet, zeigt

Durch ihren fleisz'gen Bau, dasz Himmelsalhem

Hier lieblich haucht. Bereits Dnnkans ^^'orle entsprechen nicht vollständig der anmutigen Personilication des Originals, the air nimblij and sweetly recom- tnends äsclf, untu oiir gentle senses; in derselben Anschauung, dasz die Luft sich selbst empfiehlt, bleibt Banquo mit den \\'orten: thal the heavens breath Smells wooingiy here; er bezeichnet die Luft hier als eine Persönlichkeit, welche sich förmlich um die Gunst der Menschen bewirbt; diese schöne Vorstellung aber wird in den Wor- ten der Ueberselzung Mieblich haucht' bei weitem nicht erreicht. Diese Vorstellung der 'Bewerbung' linden N\ir auch häufig bei Ten- nyson; er überträgt sie auf die Luft, auf das Veilchen; sie gehört zu den Gegenständen seiner Vorliebe, wie die Stellen beweisen: the so- lenm palms vere runged abuce, uniroo''d uf summer wind (Poems p. 34); the fulded leaf is woo'' d from out the biid with winds upon the brunch (p. 142), womit man die ähnliche Vorstellung vergleichen mag: the happy winds upun her play'' d blowing the ringlet from the braid (p. 359); zuletzt noch die Stellen wilh what voice the vio- letwoos to his hearl the silves deirs (p. 34), und the sotmd which to the wooing icind aloof the poplur müde (p. 12). Leider gehen in Hertzbergs Ueberselzung diese reizenden Vorstellungen in der zu- letzt angeführten Stelle ganz verloren, theilweise in der zweiten, die er (S. 140) niit den Worten übersetzt:

Sieh, wie dort mitten in dem Wald Die laue Luft um Blätterkuospen wallt Dasz, dem Gezweig entlockt, usw. Hier ist wenigstens die Persönlichkeit des Windes beibehalten, wäh- rend in der schönen Stelle: In sleep she seeni'd to walk forlorn, Till cold winds woke the gray-ey''d morn die Ueberselzung in den ^^'orlen ' Bis kalt des grauen Morgens Weh'n blies um die öde Meierei' dem Dichter die echt Shakspeare'sche Anschauung entzieht, daez 'die kalten Winde den grauäugigen Morgen wecken'. So ist auch eine der Odyssee entlehnte Anschauung von den \>inden in der Uebersetzung 'Und ist der Winde Wulh gestillt' {And wild winds bound witkin their cell p. 11) untergegangen. Die Anschauung der 'Bewerbung', des 'spielens' der Luft hat Herlzberg durch die ver-

510 Teunyson Gedichte*, übers, v. IIert/,berg.

wandleii Vorstellungen 'buhlen, umbuhlen, buhlerisch' wiedergege- ben, Vorstellung-en, die uns die reine Anmut des Orginals zu beeiu- Irächligeu scheinen. Wie Teunyson den Jlorgeu persönlich darstellt, so auch, wiederum in Shakspeare''scher Weise, den Tag in der Stelle: biit most she loathed the hour

Wheu the thick-moted sunbeam lay

Athwart the Chambers, and the day

Was slop ing t o w ar d h i s w e s t e r it b o w e r , eine Personificatiou , welclier wir die ähnliclie Shakspeares verglei- chen Romeo and Juliet III 5: jocund day stand tiptoe on the misly viuuntain tops, die in ihrer scharf gezeichneten Individualität von der Schlegelschen Uebersetzung bei weitem nicht erreicht wird. In der Stelle Tennysons hat Ilcrlzbcrg, was von dem Tage gesagt wird, llieilvveise dem Sonnenslrahle beigelegt. Teunyson spricht ferner von dem Hirne der I'urpurberge (p. 42), in den 'Seenixen ' von dem 'lebensgrünen Herzen der Schluchten'; wir dürfen mit dem Ueber- setzer nicht rechten, dasz er diese Bilder entweder aufgibt oder ver- ändert, aber eine schöne Personilication Tennysons müssen wir gegen seine Uebersetzung in Schutz nehmen. Wir meinen die Stelle, für welche auch schon H. Fischer in seiner Erklärung '«Tusgewähller Ge- dichte Tennysons' S. 111 gegen Hertzberg aufgetreten ist:

Her constant beauty doth inform

Stillness with love and day with liyht (p. 314).

Hertzberg hält liyht für einen Druckfehler, ändert das Wort in night (vgl. S. 362) und übersetzt (S. 292):

In ihrer Schönheit lliut sich kund Liebe und Uulie, Tag und Nacht. Der Sinn der Stelle ist jedoch: 'Ihre beharrliche (in ihrem Zauber- schlafe noch fortdauernde) Schönheit unterrichtet die Stille im lieben und den Tag im leucliten.' In diesen zwei Versen sind drei Vorstel- lungen, Schönheit, Stille und Tag persönlich gedacht; und anschau- licher und in ihren Wirkungen ausdrucksvoller konnte diese Schön- heit nicht geschildert werden, als durch den Umstand, dasz diu SliUe sich in diese Schönheit verliebt und von ihrem Glänze der Tag erst sein wahres Licht empfängt. Diese letzte V^orstellung enlspriclit ge- nau dem Icidenschalilich- schönen Ausdrucke llomeos, »enn er von Julien sagt (I 5): O she dolh teach the torches to bnrn briyht. ^^'ie geläulig aber Teunyson die Personilication z. B. des Tages ist, haben wir so eben gesehon.

Wenn wir den ^^'ulls(■il äuszern, dasz die eben besprochene» Stellen in der liigenlhüiiiüchkeit der Bilder oder der Personilicalit)nün in der Uebersetzung überhaupt oder stärker hervorlrelen möchten, so sind wir doch weit entfernt, Hcrtzbergs Uebersetzung im ganzen nur einen Allgenblick zu unlerschätzen , oder von dem oben ausgespro eben Lobe etwas zurückzunehmen. Vielmehr müssen wir glauben, dasz eine solche Treue, wie wir sie wünschen, zu erreichen für den Uebersetzcr vielleicht eine Unmöglichkeit ist. Auch bei der Leclüre

Tennyson Gedichte, übers, v. Ilerlzbcrg. 511

Shakspeares ist es uns oft begeg-net, dasz in der Schleg-elscben Ue- berselzimg viele, namcntlicb Ansdrücke der Pcrsonilicalion, die das Original biclel, verscbwunden sind. Das Original kann durch eine IJebersetzung nie erreicht werden; Ilerlzbergs Ueberselziing aber bietet des gelungenen und echt poetischen so viel und trägt zum tie- feren Verständnis des Dichters so wesentliches bei, dasz man das Verdienst des Verfassers mit ganzer Freudigkeit anzuerkennen hat.

Dieses Verdienst ist nicht anerkannt worden von H. Fischer in der schon erwähnten 'Ausgabe ausgewäliller Gedichte von A. Tenny- son. Mit Erläuterungen. Berlin 1854.' Von der Ueberselzung im all- gemeinen weisz Fischer nichts weiter zu sagen als die Worte (p. 12): 'Auch Herrn llertzbergs jüngst erschienene Uebersetzung der Tenny- sonschen Gedichte muste, da sie in manches Lesers Händen sein dürfte, an Orten, wo er allzu grob gefehlt hatte, berücksichtigt wer- den.' Da Fischer in der Uebersetzung Tennysonscher Gedichte selbst Versuche gemacht, welche seinem Aufsatze über Tennyson im Her- rigschen Archiv für neuere Sprachen und Litteraluren (Bd. 15 S. 1) einverleibt sind. Versuche, deren Concurrenz namentlich in dem poe- tischen Tone und der Farbe des ganzen llerlzberg nicht zu fürchten bat, kannte er die groszen Schwierigkeilen und man hätte von ihm eine Anerkennung des von Hertzberg geleisteten erwarten sollen. Sieht man in Fischers Ausgabe die Stellen nach, wo Hertzberg 'allzu grob gefehlt hat', so beschränken sich diese Fehler auf ein sehr geringes Masz und Hertzberg kann stolz sein, dasz ein so bitterer Tadler wie H. Fischer nicht mehr aufzutreiben gewust hat. Recht hat Fischer gegen Herlzberg auf S. 76 seiner Ausgabe in der Auffassung der Stelle ^ the pool beneath it never sliU\ wie in der von uns be- sprochenen Stelle, in welcher er Hertzbergs Aenderung von light in night abweist. Auch in der Auffassung der Stellen ^what comfort is ■in me' (S. 62) und saH'd a summer fann''d with spiee (S. 123) hat Fischer das richtige yorgebracht. Dagegen ist die Richtigkeit seiner gegen Hertzberg vorgebrachten Erklärung S. 20, 4 mindestens |sehr zweifelhaft. An manchen Stellen, wo Fischer die Uebersetzung Herlz- bergs angreift (S. 82 u. 89), vergiszt er, dasz Her'tzberg nur aus poe- tischen Gründen oder um der Anschaulichkeit willen vom Originale abweicht, wie wenn er für 'Butterblume' Ringelblume setzt und für den wenig bekannten 'Galgant' Baldrian. Zu den Ausstellungen, wel- che er an Hertzbergs Uebersetzungen einiger Stellen in dem Gedichte 'der Kunstpalasl' (Fischer S. 129, Herlzberg S. 123) macht, finden wir keinen Grund, da Herlzberg den Sinn der Worte trifft. Freiheilen aber, wie er sie sich nimml, jedem Ueberselzer erlaubt sein müssen. Vollkommen unberechtigt aber ist die Art, wie Fischer eine Anmer- kung Hertzbergs in Bezug auf Iphigenie (S. 360) nur halb anführt, um dem Ueberselzer einen Fehler zuzuschieben.

Wir heben zuletzt noch einige Stellen hervor, in deren Auffas- sung wir mit Hertzberg nicht übereinstimmen. In der Uebersetzung der Worte:

512 Tennyson Gediclile, übers, v. Ilerlzberg.

/ loved the brimming icove, that swam Thro' quiet meadows round the mill; Die volle Woge liebt'' ich sehr,

Die um der Mühle Wiese schwamm; ist die Situation verändert. Er liebt vielmehr die volle Wog-e. die durch ruhige Wiesen schwamm, welche die Mühle umgaben. Die- selbe Bemerkung gilt von der Ueberselzung der Stelle in der Dame von Shalott;

Onhj reapers , reapinq early In among the hearded barleij Hear a song, that ec/toes cheerUj Frotn the river winding clearly, Voten lo lotDer''d Camelol. Die Ueberselzung hat die Worte (S. 66):

Schnitter nur in frühen Stunden, Die bärtige Gerste dort gebunden, Können heitern Sang bekunden, Der sich hell stromab gewunden Zum belhürmten Camelot? Wie kann der Gesang sich stromab winden? Der Dichter sielll die Sache anders dar, indem er sagt: Nur Schnitter usw. hören einen Gesang, der heiter wieder tönt vom Flusse her, welcher sich klar zum bethürmlen Camelot hinabwindel.

Ebenso verändert die Ueberselzaing den Sinn einer Stelle in 'den Lotosessern'. Wir meinen die ^^'o^(e:

How sweel it irere, hearing the downtcard stream, Wilh half-shut eges ever to scein Falling asleep in a half-dream Ilcrtzberg übersetzt:

Wie süsz, lag ich umsprüht von Stromes Schaum, Halbwach, versenkt im ew''gcn Raum, Im halben Schlaf und halbem Traum I Der Sinn ist: 'wie süsz ist es, wenn man den niederwärts flicszenden Strom hört und dabei mit halbgcschlossenen Augen im halben Traume in den Schlaf zu sinken glaubt.' Abgesehen von der dem Originale fremdartigen Vorstellung 'in ewigen Haum' verändert Ilert/.bergs l'c- bersetzung die Situation in den ^^'orteu , 'lag"" ich umspriiht von Stro- mes Schaum'. Die Worte ^hearing the doiniward slreani' deuten nicht darauf, dasz die Lotosesser dem Flusse so nahe liegen möchten, um von seinem Schaume 'umsprüht' werden zu können, sondern in einiger Entfernung möchten sie das zum Schlummer einladende Ge- murmel des Stromes hören. Auch in den Worten des Dichters (S. IH): Aw?' innrtijr-flamcs , vor trcnrhanl sirords Con do airaij that anricnt lic : A gcuth'r dcath shall lüihchood die^ Shfft thro' and thro" irith vuiining frordx. liegt ein anderer Sinn, als in denen der Ueberset/.ung. Diese laufet:

Programme über deutsche Lilleratiirgeschichfc. 51.S

Nicht Schwert, nicht Scheiterhaufen hält Der allen Lüge Machlgebot; usw. Der Dichter will aber sagen: auch diese alte Lüge kann nicht durch Feuer und Schwert vernichtet werden, nur durch die Wahrheit wird sie vernichtet. Beiläulig bemerken wir noch, dasz in dem Gedichte ■"das Meerfränlcin' die beiden Verse

^T/iey iroiild siie nie, and woo me ^ and flaller nie

In tfie piirple hrilifjlifs nitdcr the sea ,' unübcrselzt geblieben sind, ^^'ir bemerken nur noch ausdrücklich, dasz wir weit entfernt sind zu glauben, der Uebersetzer, von dessen feiner uud tiefer Kenntnis der englischen Sprache gerade diese Ue- bersetzuug ein glänzendes Zeugnis ablegt, hätte den Sinn der zuletzt besprochenen Stellen misverstanden; vielmehr müssen wir annehmen, dasz nur die Noth des Verses den Uebersetzer vermochte, von dem Sinne des Originals abzuweichen.

Malberstadt. C. C. Hense.

33.

Programme über deutsche Litteraturgeschichte.

a) Programm der aargavischen Kantonsschnle. Ah Einleititug

zu den am 13. 14. n. 15. April aüzuhallenden Sclinlprüfun- gen und der öjfendic/ien Jahres-Censur am 16. April 1853. Ausgegeben von dem gegenwärtig eii Reclor der Kantons- schule Dr. R. Rauchenslein., Professor. Enthalt unter 3, Niklasens von Wtjle zehnte Translaiion., mit einleitenden Be- merkungen über dessen Leben und Schriften., herausgegeben von Dr. Heinrich Kurz, (Aarau, Sauerl. Üfficin, Schulnachr. 8 S., Abhandlung 32 S.).

b) Programm des fiirstUck schwarzburg-sondershäftsischen Gym-

nasiums zu Arnstadt; Abhandlung des Oberlehrers llallens- leben ^zur Geschichte des patriotischen Liedes' (Arnstadt 1855, 34 S.).

r) Programm des Cölnischen Realgymnasiums ; Abhandlung des ord. Lehrer Dr. Kuhlmey: ^Schillers Eintritt in Weimar J Berlin , 18.55, 38 S.).

d) Programm des Gymnasiums zu Budissin; Abhandlung des sie- benten Collegen, Dr. phil. C. J. Röszler: Uiber das Ver- hältnis der Schillerschen ' Braut ron Messina ' zur antiken Tragoedie' (Budissin 1855, 26 S. Abhdig. 15 S. Schuln.).

Die dem erstgenannten Programme beigegebene Abhandlung von Heinrich Kurz, dem durch seine im Teubnerschen Verlage erschei-

514 Programme über deutsche Litleralurgeschlchle.

iiende Litteraturgescliichte in neuerer Zeit auch in weitern Kreisen bekannt gewordenen Litterarhistoriker, ist als eine dankenswerlhe Gabe zu begrüszen. Denn es erscheint bei dem in erfreulicher Zu- nahme begrilTenen Interesse an deutscher Sprache und Litteratur ganz besonders angemessen und förderlich, wenn sich die Forschung und Darstellung einzelnen Zeitabschnitten und Erscheinungen zuwendet. Wie vieles hier noch zu untersuchen, zu lichten, ordnen, zugänglich zu machen ist, das weisz jeder, der sich nur einigermaszen mit die- sem Gebiete beschäftigt hat und demselben unterrichtend eine äuszere Gestalt zu geben bemüht gewesen ist. Die Persönlichkeit, welche H. Kurz hier einführt, gehört einer Zeit an, welche in dieser Be- ziehung noch auszerordentlich reiches Material darbietet, dem 15n Jahrhundert: es ist der Stadtschreiber von Eszlingen Niclas von Wyle.

Niclas von 'Wyle, den Gervinus in seiner Lilteralurgeschichle Bd. II 259 und Koberstein Bd. I 437, 460 erwähnt (so ist das Cilat bei Kurz S. 13 Anmerkung 13 nach der 4n Auflage von Kobcrsleins Grundrisz zu berichtigen), wurde wahrscheinlich im ersten Viertel des 15n Jahrhunderts zu Bremgarten im Aargau geboren. Er sagt selbst in der 18n Translation: ich bin hurtig von Bremgarten vsz dem Ergöw. Er stammte aus dem Geschlechte derer von Wyle, die schon im 12n Jahrhunderte in Urkunden erschienen ; der Name wird auch de Wile geschrieben; Koberstein schreibt Niclas von Weyl. Seine wei- tere Ausbildung mag er in Zürich gesucht haben, wo er angesehene verwandte hatte, denen er später seine Anstellung als Schulmeister, d. h. Rector der obern Schulen verdanken mochte. Hier erwarb er sich die Freundschaft des Frohstes von Solothurn, Felix Ilemmerlin (Malleolus) , den er in der Vorrede zur neunten Translation so schön charakterisiert. Der gewöhnlichen Annahme, Niclas sei von Zürich sogleich nach Nürnberg gezogen, wo er spüler Ralhsschreiber war, widerspricht der Vf. und bezieht sich dabei auf Stellen in den Schrif- ten Wyles , aus denen allerdings hervorgeht, dasz er sich eine Zeit- lang in Schwaben aufhielt. (^ Als ich herusz im Schwaben kam' 18 Transl.) So scheint es, dasz er sich ums Jahr 1444 in Salmansweilcr aufgehalten hat und von da 1445 nach Nürnberg gezogen ist; dort soll er von 1445 1447 Rathsschreiber gewesen sein, sich verhcirathet und das Bürgerrecht erlangt haben. Von 1447 1450 fehlen bestimmte Nachrichten über seine Lebensstellung. Kurz nimmt an, dasz in die- sen Zeilraum einige Botschaften fallen, die er übernommen und die ihn, wie er selbst erwähnt, nach Italien zweimal führten. In der 16n Translation berichte! Wyle, dasz er zweimal als Botschafter bei der Markgräfin Barbara von Manlua, gcbornen Fürstin von Brandenburg, gewesen sei: auch erwähnt er einen Aufeiilhalt an dem Hofe des römischen Kaisers als Kanzler der Markgräfin Kalliarina von Baden, geborenen Herzogin von Ocsterreich. Bei dieser Gelegenheit gedenkt der Vf. zugleich anderer ausgezeichneter Personen , mit welchen Nic- las von Wyle in Berührung kam: wir nennen den Rechtsgelehrten

Programme über deutsche Lilteratargeschichte. 515

Gregor Heimburg, welcher des Aeneas Sylvias SecreUir beim Coiici- lium zu Basel war und später von seinem Herrn, als dieser Papst geworden, in den Uann gethan wurde, die Erzherzogin Meclitild zu Oesterreich, die Gräün Margarelha von Württemberg, die Markgrafen Karl von Baden und Eberhard von Württemberg, den Ritter Jörg von Aspcrg, der ihn zur Veröirenllichung seiner Schriften ermunlerle, den würltembergischen Kanzler Johann Fünsler, den Kämmerer der Pfalz- gräfin Mechlild Jörg Bat (Wyles Schwiegersohn?) usw. Im Jaiire 1450, vielleicht sciion 1449 wurde INicIas Halhschreiber von Eszlin- gen, in welcher Stellung er, doch wie es scheint nicht oiine Unter- brechung, (ein Revers vom 22. März 146 j meldet seine Ernennung zum Rathschreiber auf Lebenszeit mit einem Gehalte von 50 Gulden), bis zum Jahre 1469 verblieb. In Esziingen machte er sich auch als Lehrer verdient, indem er junge Leute in der deutschen Sprache, in der Rechtschreibung und Stilistik unterrichtete. Koberstein bemerkt in Bezug auf seine Stellung zur deutschen Sprache ausdrücklich (S. 460), dasz schon vor dem bekannten Valentin Ickelsamer (um 1522) Nicias von Weyl über deutsche Rechtschreibung nachgedacht und einige Bemerkungen darüber (achtzehnte Geschrift) mitgetheilt habe. Zu seinen Eszlinger Schülern gehörte insbesondere Hans Harscher, Bürger und Mitglied des Rathes zu Ulm. Im Jahre 1469 gerieth er mit dem Rath in Streit und llüchtete sich nach Kloster Weil, wo ihn Württemberger erwarteten und eilig nach Stuttgart brachten. Ver- anlassung zum Zwist und zu der Flucht war der Verdacht, den man in Esziingen gegen ihn hegte, er wolle das schutzpflichtige Kloster Weyl an Württemberg bringen, mit welchem Lande die Reichsstadt Esziingen damals in Streit lag. Der Rath war nicht wenig erschrocken über des Schreibers Flucht und wandte sich an den Schirmvoigt, den Mark- grafen von Baden; durch dessen Vermittlung kam es denn auch dahin, dasz sich Niclas mit Esziingen gütlich verglich. In diese Zeit fällt eine Reise in die Heimat, wie ein Brief vom 30. Sptbr 1469 von Zürich aus datiert beweist: im Jahre 1470 trat er als Kanzler in die Dienste des Grafen Ulrich von Württemberg, In dieser Stellung ist er, vielfach geschäftlich in Anspruch genommen, wahrscheinlich bis zu seinem Tode verblieben; doch ist über das Jahr 1478 hinaus keine Nachricht vorhanden. Vielleicht, dasz das Stuttgarter Archiv darüber •weitere Auskunft zu geben vermöchte.

Was zunächst den Charakter Wyles betrifft, so ist wol nicht anzunehmen, dasz der von den Esziingern gegen ihn gehegte Ver- dacht einen thatsächlichen Grund hatte. Vielmehr weisen nicht blosz die mehrfachen Versicherungen seiner Unschuld, welche seine Schrif- ten enthalten, sondern auch und mehr noch die allgemeine Achtung und Anerkennung, deren er sich erfreute, darauf hin, dasz die An- klage des Eszlinger Rathes eines ausreichenden Grundes entbehrte. Freilich wirft der Umstand, dasz gerade der Fürst, mit dem er in verrätherischer Verbindung gestanden haben sollte, ihm eine hervor- ragende Stellung einräumte, ein zweifelhaftes Licht auf Niclas, indes

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. L.KXir. Hft. 10. 38

316 Programme über deulsclie Litteralurgeschiclile.

bedarf es doch bestimmlerer Nachweise um einen Mann als Verrälher zu bezeichnen, an dem sonst ein Makel durchaus nicht haftet.

Hr. Dr. Kurz weist in seiner Abhandlung (S. 8) darauf hin, das/, unser Niclas von Wyle wahrscheinlich auch als Künstler, und zwar nicht ohne Auszeichnung, thätig war. Der 119. Brief nemlich der von Kiclas herausgegebenen Sammlung der Briefe des Aeneas Sylvins ist an Nicolaus von Ulm, Rathschreiber von Eszlingen gerichtet; in diesem wird des ISicolaus Malertalent rühmend erwähnt. Nun läszt sich in jener Zeit kein Nicolaus von Ulm in Eszlingen nachweisen, wol aber fallt die Zeit, in welcher der Brief geschrieben sein musz (1449 1452), mit unsers Ralhschreibers Dienstzeit in Eszlingen zusammen. Ferner beweist eine Stelle aus Wyles deutschen .Schriften (Vorrede zur 13. Translulion) , dasz er mit dem in jenem Briefe genannten Mi- chael von Pfullendorf, kaiserlichem Kammerschreiber, in Verbindung stand, und endlich finden sich in den Eszlinger Missivenbüchern man- che Zeichnungen von des Kathschreibers Hand. Deshalb scheint die von B. J. Docen in dem Kunslhlalte (Jahrg. 1827 Nr. 100) aufgestellte Vermutung, der Name Nicolaus von Ulm sei als Druckfehler zu be- trachten und in Nicolaus von Wyle zu verbessern, die übrigens durch eine Handschrift der Briefe vom Jahre 1476, welche Nicoiao de Wile hat, bestätigt wird, viel für sich zu haben. Hr. Dr. Kurz hält es für unzweifelhaft, dasz Niclas auch Maler war, und wir werden ihm bei- stimmen müssen. Jedenfalls gewinnt die ohnehin schon bedeutende vielseitige Persönlichkeit Wyles noch an Interesse, und wir wünschen mit dem Verfasser, dasz man sich zu weiteren Forschungen über sein Leben und wirken veranlaszt sehen möge.

Als Schriftsteller ist Niclas von Wyle von besonderer Bedeutung dadurch, dasz er sich der Muttersprache zuwandte und einer der er- sten ist, Avelche die deutsche Prosa förderten (Steinhöwel, Niclas V. Wyle, Albrecht v. Eyb; vgl. Gervinus H 260 fg.). In diesem Sinne sagt Lessing (XIV 178): 'Von diesen beiden (Steinhöwel und Niclas von Wyle) fängt sich unsere gedruckte Litteratur, so zu reden, an, und beide haben sich um unsere Sprache im 15n Jahrhundert so ver- dient gemacht, dasz ihr Andenken wol erneuert zu werden verdient.' Uebrigens war er vorzugsweise als Uebersetzer thätig-, und seine eignen Productionen stehen an Werth zurück, obwol auch dort Unge- lenkigkeit und festliallen an lateinischen Wendungen häufig stört. Am bekanntesten ist seine Uebertragung (Tütschung oder Translation nennt er sie) der Erzählung des Aeneas Sylvius: Euriolus und Lucre- tia, und der des Boccaccio: Guiscardus und Sigismnnda. Milgelheilt wird von Hrn. Dr. Kurz die 10. Translation, die Uebersetzung des Schreibens, welches Aeneas Sylvius an den Herzog Sigmund von Oe- sterrreich über den Werth und Nutzen der klassischen Studien rich- tete (S. 18 32). Ucber die Sprache des Niclas von Wyle hat Hr. Dr. Niemeyer in Crefeld (Progr. 1862) eine heachlenswertlie Schrift veröffentlicht; da aber der Vf. der vorliegenden Abhandlung diese Seite nur vorübergehend berülirt (beiläufig vindiciert er das Wort

Programme über deutsche LiUeraturgeschichfe. 517

*holdselig^' f?eg-cn ^^fiindt ^deutsche Prosa', welcher dasselbe Luther zuschreibt, dem alleren \^yle), so übergehen auch wir hier diesen Punkt, und schlieszen mit der Versicherung der vollen Anerkennung für die verdienstliche Arbeit des Hrn. Dr. Kurz.

Einen Beitrag zur Geschichte des patriotischen Liedes liefert das zweite der oben erwähnten Programme, das des Gymnasiums zu Arnstadt vom Überlehrer Hrn. Hallensleben. Der Vf. beginnt mit der Bemerkung, dasz die deutsche Lilteratur nicht arm au patriotischen Liedern sei, dagegen scheine es den Dichtern an einem patriotischen Publicum zu fehlen, indem selten das, was sie für das Vaterland empfunden und in begeisternden Worten ausgesprochen haben, in das Leben aus- gegangen und vom Volke nachempfunden worden sei. Auf diese Weise erscheint dem Vf. der Patriotismus, wie er sich in deutschen Liedern ausspricht, mehr oder weniger als ein unfruchtbarer, der es nur zu Worten bringen kann, das Resultat einer Geschichte des pa- triotischen Liedes im ganzen als ein betrübendes: trotzdem ist diesen Liedern keine geringe Bedeutung beizulegen, indem sie in gedrängter Kürze einen Commentar zur Geschichte des V^aterlandes bieten. Des- halb glaubt der Vf. bei den Freunden der vaterländischen Geschichte und Lilteratur keiner Rechtfertigung zu bedürfen, wenn er es ver- sucht, einen Beitrag zur Geschichte des patriotischen Gedichtes und zwar vorzugsweise des lyrischen, zu liefern. Ref. ist dem Vf. für den vorliegenden Beitrag zu Danke verpflichtet und holft, dasz eine Fort- setzung nicht ausbleiben wird, welche zugleich hie und da über das andeuten hinausgehen dürfte. Der Klage aber, dasz das patriotische Lied in Deutschland keinen Anklang gefunden habe, möchte er nicht so ohne weiteres beistimmen. Der Vf. bringt selbst bald darauf einen Grund dieser Unfruchtbarkeit, der jene Klage zum Theil aufhebt, in- dem er ganz richtig bemerkt, dasz unsere patriotischen Lieder den gemeinsamen Maugel haben, nicht von einem lebendigen Volksbe- wustsein gelragen zu sein, sondern mehr dem persönlichen Gefühle genüge zu thun. Es ist dieser Mangel aber nicht blosz Fehler der Dichter, sondern er liegt in dem Wesen der patriotisc!»- lyrischen Dichtung, des politischen Gedichtes, um uns anders auszudrücken: sie steht, wenn uicht grosze politische Ereignisse zu Hülfe kommen, zu sehr auf dem Boden des eigenthümlichen Verhältnisses des ein- zelnen zu den Ereignissen und Zuständen und entfernt sich nur zu leicht von dem eigenilichen Geist und Wesen der Poesie. Anders ist es mit dem patriotisch-epischen Gedichte, und hier werden wir auch wol nicht über Theilnabmiosigkeit des Publicums zu klagen haben. Doch halten wir uns an die Abhandlung des Hrn. Hallensleben. Diese geht von der Betrachtung aus, dasz die patriotischen Lieder der Deut- schen mehr Klage- als Freuden-, mehr Straf- und Rüge- als Loblieder seien. Die Thalsache ist nicht zu leugnen, aber gewis nicht blosz aus der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Volkes zu erklären:

38*

518 Programme über deulsclie Lilleralargeschichle.

denn mag man auch zugeben, dasz Mangel an nationalem Sinne und nationaler That oft zu beklagen ist, so wird doch auf der ander» Seite auch zugestanden werden müssen, dasz es an Ereignissen, Per- sönliclikeitcn, Thaten nicht mangelt, die einen Ausdruck der Freude und des Lobes für die Dichtung gestaltet hätten. Aber das besingen des groszen und erfreulichen in der Geschichte unseres Volkes ist nicht die Sache des patriotisch-lyrischen Gedichtes: dieses hat es, wie alle Lyrik, mit der Sehnsucht nach dem nicht vorhandenen und dem schmerzlichen Rückblick auf das entschwundene zu thun, weil mehr als mit der stolzen Freude über das vorhandene und erreichte. So mag denn freilich ein inniger Zusammenhang zwischen dieser Dich- tung und der politischen Geschiclile Deutschlands staftlinden, und es dünkt uns, als sei der lyrische Cliarakler des patriotischen Gedichtes eine Consequenz dieser Geschichte, damit aber auch eine weitere Er- klärung des Uinstandes gegeben, dasz die Dichtung nur selten auch die That in ihrem Gefolge hatte.

Der Vf. geht nach einem flüchtigen Blick auf die älteren Zeifeu auf Wallher von der Vogelweide über, der ihm als Muster und Vor- bild patriotischer Dichtung gilt: von diesem besitzen wir eine ziem- liche Anzahl politischer Lieder, welche in sinniger Weise das Lob und die Ehre des Vaterlandes besingen, öfters aber über Nolh und Zerrüttung klagen und zur Abliülfe dringend mahnen. Simrock hat diese Gedichte unter der Ueberschrit't : ' Herrendiensl' zusammenge- stellt, die zugleich darauf hinweist, dasz dem vaterländischen Inter- esse ein persönliches für den Beherscher desselben zur Seite sieht. Die mit zahlreichen Beispielen ausgestattete Charakteristik Walthers ist lebendig und anziehend geschrieben: unangenehm berührt die In- consequenz, mit welcher der Minnesänger von dem llohenstaufen Phi- lipp zu dem Weifen Otto IV und von diesem wiederum zu Friedrich H überspringt. Indes verliert der Dichter dabei die allgemeinen Inter- essen des Vaterlandes nicht aus dem Auge und namentlich bekämpft er standhaft und eifrig die UebergrilFe der Hierarchie; darin erblickt Hr. H. den Schwerpunkt von Wallhers politischem und patriotischem Interesse Aus der Zeit von dem Interregnum bis zur Reformation, einer Periode, welche überhaupt der Poesie nicht besonders günstig' war, wenn auch das Urtheil des Hrn. H. hier im verwerfen zu weit zu gehen und dun \\ erth des Meistersangs (^die öde Steppe des Meister- sangs') zu gerinof anzuschlagen scheint, führt der VI', uns nur einige Bruchstücke von Liedern (aus Kochs Compendium) vor, die allerdings nur ein provinzielles Interesse haben. Dagegen erfährt das 16e Jahr- hundert in der Person Ulrichs von Hütten eine eingehendere Behand- lung, und dieser verdient auch den Namen eines patriotischen Schrift- stellers: er ist der nationale Vertreter der Reformation, l'ebrigens macht Hr. H. mit Recht darauf anfmerksam, dasz Huticns Wirksamkeit wesentlich negativ war, auf die Zerstörung der röniisclieu llerschaft in Deutschland gerichtet, und dasz er mit seinen lieorijanisalionsideen nicht zu einer positiven Wirkung auf den nationalen Sinn gelangle.

l'rügianime über (leulsclie Liücratiirgcscliichlc. 519

\vcil er iiber seine Zeil hiiiaiisgriff. Jlit Hüllen vergleicht der Vf. den ebenfalls palriotisch gesinnten, aber geniäszigleren, mehr rellectic- renden und nioralisiorcnden Hans Saclis. Die Dichter der späteren Zeit werden nur lldchlig bclouclilel, im ganzen aber bis zu den p^rei- lieilskriegen eine Tlieilnalinie am palriolischen (iedichle geleugnet. Endlich erscheint aucli der Einklang der Poesie und Volksstimnumg während der Frciiicitskricge nur als ein Anfang, der sich nicht nach- Jiallig genug erwiesen, um ein deutsches Naiionallied hervorzubrin- gen: ein solches sagt der Vf. am Sclilusz werden wir erst dann haben können, wenn das deutsche Volk sich zu einem kraftigen Na- tiunalgefiihl aufgesciivvungen haben wird. \^'ir haben den Inhalt der interessanten Abhandlung" in der Kürze angegeben und müssen ein näheres eingehen versparen, bis der Hr. Vf., was wir wünschen und lioffen, die Geschichte der patriotisciien Dichtung in weniger aphori- stischer Weise uns vorführt. Leicht möglich, dasz dann Hef. weniger y.uslimmend sich äuszern w ürde, als jetzt, wo gewisse Dilferenzpunkto iuebr durchschimmern, als olfen daliegen. Die vorliegende Abhand- lung aber berechtigt jedenfalls zu dem Wunsche, selbst auf die Ge- fahr einer Differenz hin, die litterarhislorischen Studien des Vf. um- fänglicher hervortreten zu sehen.

Einen ansprechenden Beitrag zur Schiller-Lilleratur liefert Hr. D. Kuiilmey in seiner dem Programme des cölnischen Realgymnasiums zu Berlin vorgedruckten Abhandlung: Schillers Eintritt in Weimar. Derar- tige Bemühungen werden stets willkommen sein und sind an Werth den beliebten aeslhetischen Commentaren, welche den subjectiven Gedan- kenkreis des Auslegers in den Dichter hineintransportieren, bei wei- tem überlegen. Durch eine sorgfältige Erörterung des äuszern Lebens unserer Dichter wird die Litleralurgeschichtc nicht wenig gewinnen; darum begrüszen wir jeden Beitrag auf dem historisch-biographischen Gebiete mit Freuden, um so mehr, wenn er auf so gründlicher For- schung ruht, wie der vorliegende und in so durchsichtiger Gestalt auftritt. Der Vf., um über den Inhalt der lesenswerthen Schrift kurz z,u referieren, stellt sich die Aufgabe, Schillers Eintritt in Weimar in seinen Ursachen und Wirkungen darzustellen und beginnt damit, die Momente zu bezeichnen, durch welche Schiller nach Weimar ge- führt wurde: die Gunst eines edlen Fürsten (Karl August), die Freund- schaft zu einer reichbegablen Frau (Frau v Kalb) und die Vervoll- kommnung im Kunslliandwerk. Daran schlieszt sich die Erörterung seines Verhältnisses zum Hofe, zu Wieland und Herder und seiner Stellung zu Frau von Kalb und zu der übrigen Gesellschaft. Die Ab- handlung ist reich an Notizen, welche selbst denen, die sich mit Schiller länger beschäftigt haben, neu sein werden, und die fortwäh- rende Hinweisung auf die Quellen, nach denen Hr. D. K. gearbeitet, erhöht den Werth. Kommt nun, wie schon bemerkt, eine tlieszende und ansprechende Form der Darstellung hinzu, so läszt sich wol diese

520 Programme über deutsche Litteraturgeschichte.

kleine Skizze als ein von Scliillers Freunden mit bestem Danke za accepUerendes Geschenk bezeichnen.

Die Abhandlung, welche Hr. Dr. Röszler dem Programme des Gymnasiums zu Budissin (Ostern 1855) beigegeben hat, behandelt ein Thema, das bereits mehrfach und von verschiedenen Gesichtspunkten aus bearbeitet worden ist: es ist die Frage, inwieweit Schiller seine ausdrücklich ausgesprochene Absicht, in der Braut von 3Iessina die antike griechische Tragoedie nachzubilden, erreicht habe. Der Vf. ist sich dessen sehr wol bewust, dasz diese Frage nicht als eine noch zu erledigende betrachtet werden kann, und nimmt für seine Arbeit nur das Verdienst einer Nachlese oder auch nur ^^ iederanregung in An- spruch. Als Ergebnis seiner Untersuchung stellt sich das Urlheil her- aus, dasz die Braut von Messina trotz mancher Aehnlichkeiten nicht als eine adaequate Beproduction der allen Tragoedie betrachtet wer- den kann, weil sowol der ihr zu Grunde liegende Schicksalsbegrifi", als der in ihr angebrachte Chor wesentlich von der antiken Idee ab- weicht; jener, da ihm das Merkmal der sittlichen Erhabenheit, dieser, da ihm die Einstimmigkeit, Freiheit und Leidenschaftlosigkeit man- gelt. Die Zurückführung der antiken Tragoedie aber erscheint dem Vf. als unzulässig, weil ihr alle Anknüpfungspunkte im Gesammtbe- wustsein der modernen Zeit mangeln. Wir sehen, es ist nichts neues, was uns die Abhandlung bietet, und namentlich im ersten Theile, der von dem Inhalte des Stückes handelt, schlieszt sich der Vf. fast in zu enge Grenzen ein. Die von ihm angefahrten Worte Schillers, er wolle einen Versuch machen, ^ einen romantischen SlolT antik zu behandeln', weisen darauf hin, dasz es sich von Anfang an nicht blosz um eine Reproduction des antiken Dramas handelt, w eiche jedenfalls auch einen antiken Stoff verlangt hätte, sondern um eine Vermischung des antiken und modernen. Diese leicht zu erkennenden modernen ßeslandthcile des Stückes sind es, die überall das antike Element auf die Einfüh- rung des übrigens vom Vf. glücklich charakterisierten Schicksals und den Chor beschränken und aus der Tragoedie eine unentschiedene heidnisch-christliche Zwitterdichlung machen. Aber hätten wir auch gewünscht, dasz der Vf. hier der Aufgabe noch näher auf den Leib gerückt wäre, so ist darum das erfreuliche seiner Leistung nicht zu verkennen; dieselbe zeichnet sich namentlich dadurch aus, dasz er der bei dergleichen Vorwürfen leicht einlretenden Gefahr, in aesthe- lisierende Phrasen hineinzugerathen , mit Geschick und Glück aus dem Wege gegangen ist. Er hat gründliciie Vornri)eitcn gemacht und zeigt eine nicht geringe Kenntnis der griechischen Tragoedie und der neue- ren litterarhislorischen Schriften und beweist in zahlreichen erläutern- den Anmerkungen zur Genüge, dasz seir\p Arbeit auf einer tüchtigen philosophischen Basis ruht.

Dresden. Dr. F. Paldamns.

Auszüge aus Zeilschriflen. 521

Auszüge aus Zeitschriften.

Vhilologns. IXr Jlirg. (s. oben S. 144 ff.)

3s Heft. Henkel: Studien zu einer Geschichte der Lehre vom griechischen Staat (S. 401 41 1: unter Ausschlusz der historisch-poli- tischen Schritten, aiiszer wenn sie theorethisch-politischen Ihrer Ver- fasser zur Seite stehn, so wie der Bücher über das Hauswesen und über die Erziehung, werden die politischen Schriften der Griechen, chronologisch und nacli Systemen geordnet zusaminengesteilt, in An- merkungen einiges ausführlicher bes|)rochen). - Kärcher: Catos Carmen de nioribus ist in Versen gesciuieben. Zweiter Beweis (S. 412 —425: dieser Beweis wird von den Leiniiiatis hergenommen, die sich zum allergröszten Theile als Theile trochaeischer Tetrameter darstel- len und dem Cato nothwendig angehören. Sie werden zusammenge- stellt, um daraus das Gedicht kenntlich zu machen. Am Schlüsse erklärt der Vf., wie er nicht mit Fieckeisen einverstanden sein könne, dasz Cato ein ganzes Gedicht oder auch nur einen Theil desselben in Sotadeen gesciuieben habe). IVI o r. Schmidt: Aristarch- homeri- sche Excurse (S. 4'i6 434: der Beweis wird versucht, dasz Aristarch weder ein geschworner P'eind des Augments war, noch sich von Rück- sicht auf Pjuphonie und Rhythmus leiten liesz, sondern theils die Hand- schriften, theils die Interpunction berücksichtigte. Am Schlüsse wird ausgeführt, dasz Didymus gewis überall, wo er konnte, die Aristar- chische Lesart verzeichnet habe). L. v. Jan: über die Vorrede des altern Plinius (S. 435 445: theils Rechtfertigung, theils Erklä- rung der aufgenommenen Lesarten; Jsj '20 aber wird servatur für san- vitur vermutet. Mit Heraeus Urtheil über die Prager Handschrift erklärt sich der Vf. im ganzen einverstanden). IM. Schmidt: zu Stobaeos (S. 445: 5 Conjecturen, auch eine zu Laur. Lyd. de mens, p. 101 Schow). K. Keil: griechische Inschriften (S. 446 461: Emendationen folgender Inschriften: C. J. G. vol. III p. 1054a n. ;5827, p. 1014 n. 6705, p, 1058a n. 38-27, vol. 11 p. 455 n. 2659 nach den von Bailie und Lebas gegebenen Ergänzungen, beiläufig auch über die von Lebas n. 502 und n, 507 mitgetheilten Inschriften, v. II p. 456 n. 2662 und einige andere halikarnassische Titel, vol. I p. 677 n. 1420 nach der von Vischer gegebenen vollständigem Abschrift, die von Preller Oropos und das Amphiaraeion n, 2 4 veröffentlichten, 'Etjpr/- fx£^. a9;^o;iOA. n. 534, Intellig.-bl. der allg. Litt. -zeit. 1844 n. 60 S. 492). F. VV. S.: Inschrift von Aegosthena (S, 461: es wird inl <iiy.K hrj emendiert). Stieb le: zu den Fragmenten der griechi- schen Historiker (S 462 514: zahlreiche Nachträge und Verbesse- rungen zu den Scriptores rerum Alexandri Magni und zu den Fragmm. historic. Graecor. vol. IV ed. C Müller). Campe: historisch- philologische Studien (S. 515—542: in I. ^ der Krieg des Hiero wider die Mamertiner' wird durch eingehende Prüfung des Polybius und kritische Behandlung von Diod. Exe. XXII 24 Bk., so wie den Noti- zen bei Zonaras als Resultat gewonnen, das^z Hiero im J. 270 König wurde, in dasselbe Jahr also die Schlacht am Longanus fiel, dasz er aber die Absicht Messina zu erobern damals noch nicht hatte, auch von den Karthagern gehindert ward, demnach zwischen diesem ersten Kriege und dem ersten panischen eine Zeit des Friedens eintrat. Aus der Unterstützung der Römer während der Belagerung Rhegiums und der eingegangenen Verbindung nnt Pyrrhus wird die Staatsweisheit des Hiero deutlich gemacht. II: über die Anfänge des ersten puni- schen Kriegs. Durcü Prüfung der drei Relationen bei Dio (Zonaras),

522 Auszüge aus Zeitschriften.

Diodor und Polybius wird dargetlian, dasz jede ein in sich überein- stimmendes ganze bilde, dasz man aber sehr unrecht thue, einzelnes aus denselben ineinander hinein zu combinieren, sondern nur zu fra- gen habe, welche die glaubwürdigere sei, welche PVage hier ganz und gar zu Gunsten des Polybius entschieden werden müsse). G. Rö- per: die thrasyllischen Tetralogien der platonischen Dialoge (S. 542: im Gegensatze gegen die VJI S. 623 ausgesprochene Behauptung wird jetzt zugegeben, dasz Hippolyt. I l9 oder sein Gewährsmann einen Irthum im eitleren begangen). Osann: über die Eintheilung des Geschichtswerks des Thucydides in einzelne Bücher (S. 543 549: die Principien für die beiden Eintheilungen in 13 und in 8 Bücher werden aufgesucht und die erstere als die ältere, die letztere aber als die be- quemere und zu allgemeiner Geltung gelangte bezeichnet). W, Teil: zu Aristophanes Vögeln (S. 550 f.: ^lävxtai Movcaig vs. 729 wird als eine durch Beispiele zu belegende Trennung für fiouffouofvrfci erklärt). M. Schmidt: zu Arat. (S, 551 555, Fortsetzung von II S. 4Ü0: Emendationen zu vielen Stellen; ausführlichere Besprechungen über all' cioa, über die Elision der passiven Verbalendungen, über die Etymologien, über den Gebrauch des Artikels, am Schlusz Nachwei- sung von Bemerkungen gelehrter, welche zu Arat zu benützen). P. R. Müller: zu Antiphon und Lysias (S. 555 f. : Antiph. 5 J^' 12 Tjyfj" f. fi'yf, Lys. 6_ -i ^vaicg &vai-L mit Cobet, 20 25 onliTiviiv conXi- TBvov v.aC, 26 30 uq' ovy. äv ÖLCiZBia&Ki, rjyrjacia&aL). -^ Hir- schig: Platonica (S, 556 563: Men. 78 D M. Ov ärjnov, c6 Z'cJxpo;- Tfff. 2J. 'Alld v.av.iav; M. Ildvrcog drJTiov. ZI, zJcC uqk , Alcib. I 126 C (filCa ^bv avtoig SYyiyvrjtai, Phileb. 63 D ca y' i^nodia^iarcc [ivQLa Tj^Lv TTciQSxovat, Theag. 128 B TtQoanoLOv^ca deivog tlvai, Phaedo. 71 E i] dvdynrj dvranodovfca und 72 D ds ^(ovra dno- ^vrjayiot, Soph. 262 D ölo layeiv rs ■kkI ovoaci^fiv avrov dXl' ov ^ovov -^ reo 7tXiyj.iaTL tovrco rovro^ia inscp&By^cciit&u Xöyov , Lys. 207 B: il firj fofro i -iiatöiltsa&ai. xov Avaiv , Sympos. 212 D xfAfvorroV f äyiLV, Protag. 318 D tt dij cp7]g fif ß&?.tLco tai^a&ctc, Menexen. 244 wird die von Steplianus vorgeschlagene VVeglassung von avrovg gut gehei- szen. Am Schlusz Aufzählung einer Menge Stellen, wo entweder die Vernachlässigung oder die falsche Voraussetzung von Elision oder Crasis zu Corruptelen Veranlassung geboten). Osann: epigraphi- sches (S. 564— 566: Emendationen und Bemerkungen zu den von llau- meister JX S. 179 flg. veröffentlichten griechischen Inschriften I, IV, V, VI). Röper: Epimetrum Varronianorum (S. 567 573: Re- tractatlon einer Anzahl Stellen in Bezug auf die erst später kennen gelernte Abhandlung Lachmanns im Berl. ind. lectt. hibern. 1849.) Spengel: Horat. ep. ad Pis. v. 24 30 (S. 573 575: nach Erläuterung des Zusammenhangs wird die Emendation erwiesen : scctantcm Icnia nervi und qui variiire cupit rem, prodi^ialiter una dclp/iinuin silvis appi»- git , Jluclibus (iprum). M. Crain: zu Horatius (S. 575 577: die so viel besprochenen Worte Sat. I 10 66 werden auf das saturnische Versmasz gedeutet und aurtor einfach als Gewährsmann, d. h. der das Versmasz angewendet hat, gefaszt). - IM ü Idener: zu Ovid. (S. 577 579: iMittheilung einer Kinleitung zu dem genannten Dichter aus einer Wolfenhüttier Handschrift). Döderlein: zu Sallnst. Cat.

51: die Wcjrte Grarciae nwrcm iiiiitaii werden umgestellt und zwar so: ficri cocpcrc. Tum Gracciac morem imitati, lex l'orvin (iliticquc legen puratae sunt). Osann: Epigraphica (S. 581 fg.: Bemer- kungen zu den IX S. 388 (lg. mitgetheilten Inschriften). Verzeich- nis der Handschriften in der Bihliothek des Sultans (S. 582-584: von Dr. IMordtmann mitgethcilt mit d(>r Bemerkung dasz die palaeologische Bibliothek sich im kaiserlichen Schatz nicht finde). E. ten Brink:

Auszüge aus Zeitschriften. 523

monitum (S. 584 f. : nachträgliche Bemerkungen zu den früher gege- benen Praetermissis). K. Fr. Hermann: zu Soph. O. C. 523 (S. 586: unter Gutheiszung von Schmidts ccv.av iitv tvsyiiaiv, &B6g i'axca ■wird dann conjiriert xovtcov ö' avüyQBxov ovöiv, dagegen wegen der Responsion 511 eQCXfiai xi nv&sa&ai). Volckmar: Varia (S. 586 588: der Vers des Philemon bei Meineke fragm. comicor. p. 857 oaxtg n&vrj$ av zxt. wird mit einem des Menander p. 9-t7 identificiert. Etymologien von cd^rjög und ri'i&iog, o'^og "AQrjog, cxuA«^ vfoyü.rj und Aufforderung an Döderlein eine griechische Synonymik herauszuge- ben). — Schneidewin: griechische Insciirift aus Smyrna (S. 588 591: Erklärung der von Le Bas in der Revue archeologique von 1855 10 S. 577 ff. veröffentlichten Inschrift). Hercher: Varia (S. 591 flg.: der Vf. emendiert Eudocia p. 14, Apollon. Lex. Hom. p. 156 18, S. Empir. p. 20 2 Bkk., Chariton I 1 p. 5, V 8 p. 123 u. VIII 7 p. 189 Beck, und führt zur Charakteristik der Briefe des Brutus an, dasz die Antwortschreiben der Völker und Einzelpersonen an Brutus möglichst genau die Reihenzahl seiner Briefe w iedergeben und dasz Damas den Worten des Brutus eine gleiche Anzahl Worte entgegenstellt). 4s Heft. C. F. W. Müller in Magdeburg: zur lateinischen Gram- matik (S. 593—630: aus zahlreichen Belegstellen geschöpfte Erör- terung über den Gebrauch des pronom. reHexivum, über die F^orm re in der 2n pers. sing, praes. indicat. pass. , deren Gebrauch auf das deponens hauptsächlich beschränkt, aber keineswegs in der 3n Conju- gation ausgeschlossen erklärt wird, über ni, über den Gebrauch der Participia ohne Relation auf genus und numerus, namentlich des Ge- rundivs, über die Stellung von von, über die Adverbia bei esse, über den persönlichen Gebrauch im Passiv solcher Verba, welche im Activ einen Genetiv, Dativ oder Ablativ regieren). Schneidewin: zum Thessalischen Dialect (S. 630: zu der Inschrift bei Leake nr. 150 wird wegen Ahrens dial. Dor. p. 534 aus Ussing inscriptt. gr. ineditt. Hav- niae 1847 p. 33 nr. 24 'Egficiov %^oviov beigebracht, ^ilorpfigog in der Inschr. nr. 25 als ^ilo&rjQog erklärt und nr. 52 'A^Lviao herge- stellt). — Bursian: die athenische Pnyx (S. 631 645: der in Athen sich aufhaltende Vf. gibt in dem bekannten Streite zwischen Welcker, Göttling und Rosz seine Meinung dahin ab: 1) in der Oertliclikeit und Bauanlage der bisher angenommenen Pnyx widers[)riclit nichts der Annahme eines Versammlungsortes und begünstigt nichts die einer Cultusstätte oder Befestigung. 2) die Stellen der alten lassen sich alle recht wol damit vereinen, 3) es gab nur ein Pelasgikon in Athen, das von der für die Pnyx gehaltenen Anlage durchaus verschieden war). Schneidewin: Lucretius II 672 (S. 645: es wird vor- geschlagen: in corpore cobent). Mor. Crain: Beiträge zur Kritik des Plautus (S. 646 678: es wird zu zeigen versucht, dasz man nicht überall im Plautus mit Ritschi Absicht und bewuste Kunst des Dich- ters, sondern auch die Möglichkeit einer naturwüchsigen im Material und in der Form, d. h. der Sprache und dem Metrum gegründeten Erklärung zu suchen habe. Zuerst wird in dieser Hinsicht die Syni- zese besprochen, ferner Stellen, in welchen die Kritik an den Wollaut anknüpft, namentlich die Accentuation der Endsilben, der Einflusz der Caesur, die Verlängerung der kurzen Endsilben durch die Arsis, end- lich das Bentleysche Gesetz, dasz bedeutungsvolle Wörter nicht in der Thesis verschwinden dürfen). Brandstäter: kritist-he Bemerkungen (S. 678: Antholog. Gr. II p. 825 fApp. n. 218) wird aQXOVTCi caönxo- Xiv gelesen, Plut. vit. Antiph. 7 f)oviivÖtdrjV xov avyyQCiipBa). Wölfflin: sententiae Catonis (S. 679 683: es werden Sprüche des Cato mifgetheilt, 8 von Quicherat schon bekannt gemachte aus cod. Paris, lat. 8069 und 68 aus 4841 sec. X., am Schlüsse das Urtheil des

524 Auszüge aus Zeilschriften.

Vincent, ßellovacens. spec. hist. 5 107). Brandstäter: Lysias (S. 685: d. bon. Aristopli. §. 4 wird entweder die Beibehaltung der Lesart vni-Q ncivtav rcöv nenQayfiivaiv ^iiorj&tvriis ansk^tcv oder die Tilgung von vnö vorgeschlagen). Volckmar: zu Aeschylos Per- sern (§. 6bti 693: erklärende Bemerkungen zu vs 379 Mein., 525, 613, 781, 870, 886 flg., 900—1040, 951, kritische zu 428, 611, 624, 655, 661, 763, 816, 868, 902, 904, 919, 950, 955. 957, 968, 975, J035, 1037). Rauchenstein: zur Anthologie (S. 693: Anth. Pal. VI 53 wird Xufi- TTQOtäxfp Zfq)VQ(p vermutet). K. F'r. Hermann: ein Bürgereid des griechischen Alterthums (S. 694 710: vollständige und allseitige Krläuterung, so wie kritische Behandlung der wichtigen in der Athe- nischen Zeitschrift Minerva n. 2234 veröffentlichten kretensischen In- schrift). — Brandstäter: zu Liviiis (8. 710: XXI 27 wird Posiero die profccti ex cdicto fumo sigvißccntt coDiiciert), VVieseler: über Haaropfer (S. 711 715: der Ursprung und die Bedeutung der Sitte werden erörtert). Brandstäter: zu Caesar (S. 715: B. G. III 21 extr. wird iussi impcrata fuciant zu lesen vorgeschlagen). Wiese- ler: zu Aeschylos (S. 716 723: Proiueth. 420 wird emendiert '/^pajjt'«;; r' ciQ8iov uv&og Kuvaügqv Xtnag vt^ovzui , 7U6 unter Widerlegung von Panofkas Ansicliten über die Graeen ■y.vy.vüy.OQaoi oder -hvv.vo-kÖ- Qvcpoc, Sept. adv. Theb. 517 tuQcpvg ov tikXovau Q'QiS,, 766 xi-AvoLg ö' ciQSidg und in der Antistrophe tittl d äg tficpgcov nach cod. Par. B, Pers. 619 &al).ov6rjg ßQVOv). R, B. Hirschig: Platonica (S. 723 728: Lys. 203 B wird ov TtugaßciXaig emendiert und ebenso das Futur. Protagon 333 D, Georg. 447 D hergestellt, 208 B 7t69fv; ^ ö' og un- ter VVeglassung von icßev , wie auch i-xco Crat. 398 E und svqo^8v Kuthyd. 291 B getilgt wird, ebenso 2()8 D öiciy.coXvsi., wobei Euthyphr. Ö C die Interpunction und ntgi xoSv it^ecov für ^ilcov corrigiert wird. Auszerdeni werden FJmendationen vorgeschlagen zu Phileb. 53 A u. E, Phaedo 63 E, Phaedr. 263 A, Aicibiad. I 123 A, C, 124 A, 108 E). G. A. Hirschig: selectae eniendationes et oliservationes in Antiphonte (S. 728 739: eine Menge Stellen aus allen Reden des Antiphon wer- den behandelt, beiläufig auch auf Stellen anderer Redner Blicke ge- than). Ra u che ns te in: zu Demosthenes (8. 739 f.: or. 54 1 wird TCfQt o)v cTTtTTOi -ü^fti' für die einzige Möglichkeit erklärt, die Stelle zu entwirren). C. W. Müller in Stendal: zu Plautus (S. 740 742: Verbesserungsvorschläge zu Plaut. Rud. Amphitr. und Asinar. , auch zu Terent. Andr. I 43, II 5 18. Eun. I 2 21, so wie über den Genct. der ersten Declination ai für ae). Kraniarczik: zu Koraz und Cicero (S. 721 2 748: Hör. Od. I 3 22 wird dissociabili erklärt: wel- cher nicht überbrückt werden kann, II 12 7 9 itnde mit contremuit verbunden, 28 occupet vertheidigt, über den L. Liciniiis Murena, an den Od. II 10 gerichtet, einiges beigebracht. Cic. Ep. ad fam. XII 2 2 wird als der alter item adfinis L. Aemilius Paulus cos. 50 gefun- den, XI 21 2 rccentcin Jiouctm erklärt. In Cat. IV 2 3 deutet der Vf. die Worte a f/uibus tue circuvisessum vidctis auf die Magistratsperso- nen, welche um den (Jonsul ihre Sitze gehabt hätten). Her eher: zu Aelians Thiergeschiclite (S. 748- 752: eine Reihe leichterer und gewalt.samerer Verbesserungsvorschläge). M. Schmidt: nachträg- liche Bemerkungen (S. 752 756: es werden aus den vonetianischen Scholien noch eine Anzahl Stellen nachgetragen, in denen Aristarch jdas Augment behandelt, zu dem früher S. 426 35 gegebenen Auf- sätze). — Hercher: zu Aelians Briefen (^S. 756 75H : zum Beweise <la.sz die Briefe denselben Verfasser haben, wie die Tl\icrgeschichte, werden mehrere Lieblingsausdrücke als in ihnen vorkommend nachge wiesen). Kolster: zu Horaz Od. 1 29 5 flg. (S. 758: baibara wird als von (juuc virf^inutn zu trennen und mit acrvict zu verbinden

Auszüge aus Zeilschriften. 525

erklärt). Osanu: pharmaceutische Aufschriften (S. 759 763: Nacli- träge zu dem Aufsatze Jlirg. VIII S. 762 fgg-)-

Melanges grcco-roinains tires du bulletin historico-philologique de Cacadcmie imperiale de St. Petcrsbourg. T. I. Livraisou 5 (S. Bd. LXVIII S. 325).

Stephani: parerga archaeologica (S. 411 415: Beschreibung eines Grabsteins in der kaiserlichen Eremitage, richtiger mitgetheilt als von Rossignol Rev. archeol. T. X S. 560 flg. geschehen. Die In- schrift lautet: ZriveCg co Tragoö^ttci Ti'g Tj CTi]V.ri^ ri'g 6 Tvi-ißog, xig 8ri iv xfj GtqV.jj fiy.(üv veoTSvurog vndgxi'i; Tiog Tgvcpwvog zovvofia zdtov [ganz scharf und unverkennbar] i%oiv , xtGatQav.aiöi% i'rrj öolixov ßiö- xov GxaöiBvaag, xovQ'' unoxfäv ysyovcc oxrjllr], xv^ßog, }.c&og, iiy.cov. Ferner einer von Peterson in Faros copierten Grabinschrift: Tv^ßco xaSs B6r]&ov 'Agiorövi-Aog '/.xi-Qi'L^B Ttaida cptXov XQOcpfav Ö' äl^xo tiügcc XfXQTi], endlich einer von demselben ebenda gefundenen Inschrift, die also ergänzt und gelesen wird : H ßovlrj -nal 6 drj^og ^iovvgoöcoqov 'AnoXXoöaQOv KyoQavof.LT]Gavxa yiaXcög xai- ÖLy.ccicog %c(i Kaxd x6 Gvficpt- Qov xrjg nu?.ecog). Paul Becker in Odessa: über die im südlichen Rusziand gefundenen Henkelin.schriften auf griechischen Thongefäszen (S. 416 521: Im ersten Theile werden die aufgeführt, deren Ursprung theiis bekannt, theils unsicher ist, im zweiten aber alle diejenigen, auf welchen das Wort aGxvvöuov oder aGtvvonovvxog vorkommt. Dadurch wird das vorhandene INIaterial ungemein bereichert und vervollständigt und wenn auch keine neue Ansicht gewonnen, vielmehr die von Ste- phan! aufgestellte bestätigt wird, so springt doch im einzelnen man- ches nicht uninteressante Resultat heraus. So bestimmt der Vf. die Rhodischen Monate also: (^sa^orpögiog 23. Sept., Baögafiiog 23. Oct., ©svdcciGLog 21. Nov., ^lOGQ'vog 21. Dec, TlbÖuyeLxvvog 20. Jan., 'Aygiä- vtog 18. Febr., 'AgTa^iixiog 19. März, Jdliog 18. Apr., Uuiv&iog 17. Mai, 'TccTiiv&Log 16. Jun., KaQVSiog 15. Jul., Tlävci^og 14. Aug., dann ndva- flog SsvxSQog als Schaltmonat. Die im zweiten Theile aufgezählten Henkel werden einer ionischen Stadt und zwar Olbia vindiciert, von der wir also einen Magistrat aGtvvofiog als Eponymos und eine Reihe Namen der denselben bekleidenden Personen, welche am Schlüsse noch übersichtlich zusammengestellt ist, gewinnen würden). R. B.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistische Notizen, Anzeigen von Programmen.

Crefkld], Als Programm zum Herbstexamen erschien die 29e Fort- setzung jährlicher Nachrichten von der höheren Stadtschule von dem Rector Dr. A. Rein. 8 S. gr. 4. Das Lehrercollegium besteht auszer dem Rector aus den beiden Oberlehr. Dr. Niemeyer undMink, den Lehr. Kopstadt, Römer, Dr. Schellens und Kirchhof, dem Religionslehrer Dr. Basse nebst dem Schreiblehr. Jores und dem Ge- sanglehrer Wolff. Die wissenschaftliche Beilage enthält //ous üjirg-f^ das römische liurungum nach Lage, Namen und Alterthümern. Nebst Excursen über die Veränderungen des dortigen Hlieinlaufs und der Lage von Zons an diesem, die röm. Inschriften zu Dormagen, Worin- gen und Bürgel, und die Matronenverehrung. Von dem Rector. 52 S. (exci. Titel) 8. Das im itinerarium Antonini auf dem linken Rheinufer genannte Römercastell Burungum ist bereits von mehrern in dem Ritter-

526 Bericlile über gelelirle Anstallen, Verordnungen, slalist. Notizen.

gut Biirgel am rechten Rheiiuifei' dem Städtchen Zons gegenüber ver- mutet worden, \^ähl•end andre (vor kurzem nach Oligschläger) das auf der linken Rheinseite befindliche Worringen dafür hielten. Der Yf. weist zuerst überzeugend nach, dasz Burungum und Bürget iden- tisch sind und dasz die Lage nicht widerspreche, indem der genannte Ort von dem linken auf das rechte Rheinufer versetzt worden sei, so >vie der niedere Rheinlauf überhaupt grosze Veränderungen erlitten habe, was auch Dederich in der vor kurzem erschienenen Geschichte der Römer und Deutschen am Niederihein für die Strecke von Xanten bis zur holländischen Grenze gezeigt hat. Das alte Fluszbett bei Bür- ge! erscheint noch deutlich mit seinem scharfiiervorspringenden Ufer- rand (der alte Rhein gen.), an welchen sich ein Tlieil des alten linken sehr niedrigen Ui'ers mit dem Orte Bürget angeschlossen hat. Zu den sorgfältig erörterten Zeugnissen des Bodens treten auch geschichtliche Zeugnisse, welche diese Katastrophe auszer allem Zweifel setzen und wahrscheinlich machen, dasz dieselbe etwa in der '2ii Hälfte des XIV Jahrhunderts vollendet gewesen. Hr. R. bringt urkundliche Nachrich- ten bei, dasz Bürget vorher auf der linken Seite gelegen haben musz ; namentlich geht aus kirchlichen Urkunden und Verhältnissen überhaupt der Zusammenhang Bürgeis mit den Orten des linken Ufers klar her- vor. Mit dem groszen elementaren Ereignis, welches Bürgel an das rechte Ufer brachte, hängt die Verlegung des erzbischöflichen Zolls von Neusz nach Zuns 1372 u. 1378 zusammen, welche Data für die Zeitbestim- mung der Katastrophe scharfsinnig benutzt sind. Nachdem die Gründe vorgetragen worden sind, welche verhindern, Burungum in Worrin- gen zu suchen (bei welcher Annahme auch die Orte im Itinerarinm umgestellt werden musten) , folgen noch andere Zeugnisse für Bürgel, namentlich die Ueberreste des alten Römercastelis in dem heutigen Bür- get p. 29 IT. Das interessanteste sind die Matronensteine, welche Hr. R. nach genauer Abklatschung zum erstenmal vollständig veröffentlicht lind bei dieser Gelegenheit einen dankenswerthen Beitrag zur Erkennt- nis des noch nicht hinlänglich aufgeklärten Matronencultus gibt. Her- vorzuheben sind die Bemerkungen ül)ei' die Junones Pagi, die Alaga- biae (nach Hrn. R. Gaugöttinnen), die Aufaniae, die rätliselliaften Aviaitinchae, über die in der Umgebung der Nymphensteine gefunde- nen Gegenstände und die epigrapliischen Noten überhaupt. Nicht zu übersehen sind die Bxcurse über die in Dormagen gefundenen Nym- phensteine S. 18 22, über die zahlreichen Orte, welche den Namen Bürgel führen S. 27 f- und die Beschreibung der alten Capeile in Bür- gel mit dem merkwürdigen Taufstein S. 10 f. Die ganze Schrift zeichnet sich, wie die frühern hi.stürlschen und anti(|uarischen Arbeiten Hrn. I{.s durch schöne, klare Darstellung, sowie durch Gelehrsamkeit und Scharfsinn aus. n.

EriLAMJK.N [s. Bd. LXX S. .')6I]. Das Lehrercollegium der dasigen königl. Studienanstalt erfuhr insofern Veränderungen, als nach dem Abgang des Prof. Dr. lautbar dt der Stadivikar G. E. S u m ni a [frü- lier am Blochmannl5t'Zzenbergerschen Institut in Diesden] den hebraei- schen Unterricht üijernahm und die Lehrstelle iler französischen Sprache von dem Sprachlehrer Hupfeld auf den Frivatlehrer |{ ü c h l e r über- gieng. Den auf dem Landtage abwesenden Studieiilehrer Dr. Bayer vertraten die Candidaten Schornbaum, Stadel mann und Dorn. Die Fre«|Uen/. betrug 121 (G. IV: 7 u. 2 Hosp., IH: II u. 1 Hosp., JI: 8, I: lö, Lat. Schule IV: 22, III: 20, II: 17, I: 28). Den Schul- iiachrichten vorausgeht vom Studienielirer Dr. I^udw. Schiller: Stämme und Staaten (Iticclicnlands nach Ihren TeiritorialverhültniS' scn bis auf /ilcxander. Ir Abschn. Kits, ./rkadien, .lehaia (30 S. 4). Ref. hatte oben S. l4l gegen den geehrten Hrn. Vf. den Wunsch aus-

Hericlile über gelehrfc Anslalfen, Verordhiingen, slalisf. Notizen. 527

gesprochen, er mörhte seinem Buche 'Europa und die Nachbarländer' eine Uebcrsicht über die hellenischen Landschaften voraus{>ehen lassen. J)a derselbe schon vorher das 8ttidiiim «ler in jenem Buche nicht aus- führlicher behandelten ['arlien sich vorf:enommen hatte, so theilt er hier eine Probe der Arbeiten mit, duich welche er jenem Wunsche nachzukommen «;;edenkt. Ref. ist überzeugt, dasz ihm viele Lehrer dafür dankbar sein und die Fortsetzung und Vollendung lebhaft wün- schen werden. Eine Darstellung des so vielfac h wechselnden Territo- rialbesitzes in Griechenland man könnte sie wol eine Territorial- geographie nennen ist um so mehr ein Bedürfnis, als die treftlicheii Leistungen auf diesem Gebiete doch in vielen Werken zerstreut sind und zu dem eignen nachschlagen, vergleichen und prüfen, wozu so viele Stellen in den Klassikern Veranlassung bieten, dem viel beschäf- tigten Lehrer nicht imuier die Zeit bleibt ; diesem Bedürfnisse aber verspriclit der Hr. Vf. nach der vorliegenden Probe in vollkommen befriedigender Weise abzuhelfen, da er nicht nur die Quellen sorgfäl- tig benützt, sondern auch die Ansichten der Forscher, K. O. Müller, K. Fr. Hermann, Niebuhr, Sievers, Lachmann und besonders E. Curtius, mit groszer Klarheit in ihreu\ Verhältnisse zueinander und zu den Zeugnissen der alten vorgelegt hat. Zwar wird man nicht überall ein entscheidendes Urtheil abgegeben finden, aber mit welcher Gründlich- keit der Hr. Vf. geprüft hat, ersieht man auszer mehreren andern Stellen besonders aus der Art und Weise, mit welcher er Curtius' An- .sicht von einer Einwanderung in Arkadien bekämpft. R. D.

Gohttikgen]. Zu dem Prorectoratswechsel erschien an der Geor- gia Augusta das Programm vom Prof. Dr. F. W. Schneide win: Progyniiiasmata ad .inthologiam Graecam (31 S. 4). An dem seit Ostern \Hbi durch drei Realklassen erweiterten Gymnasium wurde der Cand. Stüve (s. S. 328) als Collaborator angestellt, desgl. der Cand. Schlepper, vorher interimistischer Verwalter der 2n Lehrstelle am Progymnasium zu Quackenbrück, als Hauptlehrer der Septima. Nach- dem Cand. Gerke einem Rufe an das Progymnasium zu Northeim ent- sprochen hatte, trat Cand. Dr. Hoffmann aus Celle wieder ein, und ebenso wurde Cand. Berken husch als ordentliches Mitglied in das paedagogische Seminar aufgenommen. Die Gesamtzahl der Schüler war vor Ostern 1855 278 [Gvmn. I: 20, II: 18, III: 28, IV: 30, R. I: 13, II: 19, III: 21, V: 43", VI: 55, VII: 30], Abiturienten Ostern 1854 5, Mich, gleichfalls 5. Die Programmabhandlung vom Gymnasial- lehrer Dr. Muhlert: die Handa-Eilande (32 S. 4) ist eine sehr werth- voUe Bereicherung unserer geographischen Litteratnr, da sie nicht nur auf tleisziger und sorgfältiger Benützung der Quellenschriftsteller, son- dern auch auf schriftlichen und mündlichen Mittheilungen eines Augen- zeugen, der 6 Jahre 1852 auf den Inseln zugebracht hat, beruht und durch Einfachheit, Klarheit und Uebersichtlichkeit sich auszeichnet.

R. D.

Grimma]. Die königliche Landesschule, in deren Lehrercollegium keine Aenderung vorkam, zählte im verflossenen Sommerhalbjahre 134 Schüler [1: 29, II: 37, III: 35, IV^ : 18, IV": 15] und entliesz Mich. 1854 10, Ostern 1855 7 Abiturienten. Das Programm enthält die Ab- handlung vom Oberlehrer Herrn. Löwe: de adverbiis Francogallorum, negantihus (25 S. 4).

Hersfeld], An dem kurfürstlichen Gymnasium wurde, wie in den übrigen Lehranstalten Kurhessens, durch Rescript vom 9. Jan. 1855 der Turnunterricht als verpflichtender Lchrgegenstand lediglich auf die drei untern Klassen erstreckt, den Schülern der drei obern Klas- sen aber die Theilnahme einstweilen gestattet. im Lehrercollegium [s. Bd. LXIX S. 702] gieng keine Veränderung vor. Die Schülerzahl

528 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, Statist. Notizen.

betrug O-stern 1855 121 (I: 19, II: 26, III: 24, IV: 22, V: 12, VI: 18), Abiturienten waren Mich. 1854 5, Ostern 1855 4. Das Programm enthält auszer einer Abhandlung des Dir. Dr. VV. Müu scher: über die Zeit- bestimmungen in Piatos Gorgias (17 S. 4) auf S. 19 44: JJehersicht der Forderungen , welche an die in die 6 Klassen des Gymnasiums neu aufzunehmenden Schüler besonders im Lateinischen, im Griechi- schen und in der Mathematik gemacht werden, erstere vom Director, letztere vom Gymnasiallehrer Lichtenberg verfaszt, die als conse- quente Durchführung der Principien und lichtvolle Auseinandersetzung nicht nur für die unmittelbar bei dem dortigen Gymnasium interes- sierten sehr brauchbar ist, sondern auch, obgleich manches noch einer Discussion unterliegen kann, eine INIenge sehr beachtenswerther Winke, namentlich über die Wahl und Behandlung der alten Schriftstelkr bietet.

R. D. HoLZMiNDEji]. An dem dasigen Gymnasium bestand nach der Pen- sionierung des Directors Schulrath und Prof. Dr. J. Chr. Koken und der Beförderung des Collaborator W. Bröckelmann zum Oberlehrer am Gymnasium zu Blankenburg das Lehrercollegium aus dem Dir. Ludw. Dauber (vorher Oberlehrer), den Oberlehrern K. Heine- mann, Dr. A. Pätz, Dr. K. Schaumann, Pastor K. Rägener, den mit den Geschäften der Collaboratoren beauftragten Schulamtscan- didaten Dr. Petri und Leidloff, dem Musikdirektor Merckel, Schreiblehrer Rendant Bosse, Zeichenlehrer Alers. Die Schülerzahl betrug 1855 62. Den Schulnachrichten voraus gehen 1) die bei Ein- führung des neuen Directors (17. Ott. 1854) vom Ephorus Generalsu- perinlendenten Möhle gehaltene Rede, eine ernste und warme Ermah- nung zur Festhaltung am christlichen Charakter des Gymnasiums und eine lebendige Hinweisung auf die Liebe als die Quelle alles Segens und als die Bedingung alles wirkens. 2) die bei derselben Gelegen- heit von dem Director Da üb er gehaltene Rede. Diese enthält über den Zweck und die Mittel der Gymnasialbildung viele kräftige und klare gewis allgemeine Beistimmung findende Gedanken und macht im ganzen einen recht wolthuenden Eindruck. Nur folgendes gibt uns zu einer Bemerkung Veranlassung. S. 23: ' Ueber die Naturkunde bitte ich eine kurze Bemerkung machen zu dürfen, nicht um dieselbe gegen diejenigen zu vertheidigen, welche sie aus dem Gymnasium wer- fen möchten wer die Klagen mancher gelehrten über das in ihrer Jugend versäumte gehört hat und dann bedenkt, dasz verbesserte Un- terrichtsmethode und noch mehr verbesserte Lehrmittel denn doch für das nöihigste Platz beschafft haben, wird die Stockphilologen reden lassen ich möchte nur darauf aufmerksam machen, wie sie zur zweckmäszigsten edelsten Erholung von den Arbeiten in der Schule und am Studierpulte denn arbeiten werden unsere Zöglinge dienen könne. Ich spreche vorzugsweise von der faszbarsten Seite der Natur- kunde, von der Botanik, der scientia amabilis. Ich habe etwas davon zu lernen versucht, um beurtheilen zu können, wie sie für den Gymna- sialunterricht zu verwerthen sein möchte, und habe gefunden, dasz sie ein ganz vorzügliches Biidun{;.siiiittel abgibt, insbesondere wegen der Schärfe im auffassen und untfrsclieiden, woran sie gewöhnt, und >%egen der Naturempfindungen, die sie vermittelt, zumal in unsrer so schönen, herzerquickenden Landschaft.' Es thut uns jedesmal leid, wenn wir einen solchen Ausdruck, wie 'Stockphilologen' lesen, am meisten von einem Manne, der, wie doch sonst der Inhalt seiner Rode beweist, für den Wcrth der klassischen Bildung einen richtigen Blick hat. Durch einen solchen Ausdruck wird eine ganze Klasse von Leuten der Ver- achtung preisgegeben und damit gewis ein Unrecht begangen. Sind denn nicht sehr viele, welche sich gegen die Aufnahme der Naturwis-

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnunffen, slatist. Notizen. 529

senschaften ins Gymnasinm {gewehrt oder deren Wiederentfernung ge- wünscht hallen, dal)ei von einer andern Ansicht geleitet gewesen, als von der, welche der Hr. ^ 1. der Rede S. 25 ausspricht: 'Wir haben nicht auf Vermehrung der Lelirgegenstände und Lehrstunden, sondern eher auf Beschränkung Bedacht zu nehmen, denn wir sind weder an dilettantisches flattern zu gewöhnen noch Lorinsersche Anklagen zu begründen gemeint'? und sind es denn allein Philologen gewesen, welche sich gegen die Aufnahme der Naturwissenschaften ausgespro- chen haben? Wir verweisen nur auf Liebig: das Studium der Natur- wissenschaften S. 44, der doch ganz entschieden die humanistische Bildung als dem Studium der Naturwissenschaften vorausgehende Vor- bereitung fordert (vgl. auch Ztschr, f. d. G. W. I S. 140) und damit die Möglichkeit eines sich vertiefenden und fruchtbaren Studiums im früheren Alter zurückweist. Auch darf man wol die Frage aufwerfen, ob denn die Art der Betreibung, wie sie der Hr. Vf. wünscht, bei vielen jungen Leuten über einen beschränkten Dilettantismus hin- ausfülire und endlich wie viele Klagen über versäun\tes nicht auf eigne Schuld zurückzuführen sein werden. Wir sind keineswegs gewillt, hier als Gegner der Naturwissenschaften aufzutreten, halten aber dafür, dasz die Frage nach dem Masze und der Methode in der iMittheiUing naturhistorischen Stoffes ohne nach der einen Seite von Stockphilolngie oder rt»ch der andern von Materialismus zu reden erörtert werden könne und müsse. R. D.

Kiel]. Der index scholarnm für das nächste Wintersemester ent- hält vom Prof. Dr. G. Curtius: de quibusdam Antigonae Sophocleae locis (VIH S. 4).

Kis-Lij-SZALLASJ. Das in der Organisation begriffene dasige refor- mierte Gymnasium hat von der reformierten Kirchengemeinde Mezötur ein Capital von 4000 fl. als Geschenk erhalten.

KÖNIGSBERG IN Pr.] Von dem dasigen kneiphöfischen Stadtgym- nasium liegen uns die Programme über die Zeit von Ostern 1851 1855 vor. In dieser Zeit verlor dasselbe nur einen Lehrer durch den Tod, am 25. Nov. 1853 den Pr. -Lieut. Biels, welcher das Amt eines Schreib- und Zeichenlehrers verwaltet hatte. Durch Berufung schie- den aus im Sommer 1853 der Prediger Bi ermann (zur Verwesung des Pfarramts in Pr.-Eylau gewählt) und Mich. 1853 der Hülf.-lehrer Ebert (an das Progymnasium in Spandau berufen). Vorübergehend wirkten an der Anstalt die Schulamtscandidaten Weisz (Ostern 1841 —1852), Waas (Ostern Mich. 1851), Lehnerdt (Mich, 1851 1853), Wutzdorf (Ostern 1852—1853), Dr. Lau (Mich. 1853—1854). Auszerdem übernahm der Ostern 185] au.'geschiedene Dr. Levinson vom Nov. 1853 IMich. 1854 den Schreibunterricht interimistisch. Das Lehrercoliegium bestand nun Ostern 1855 aus dem Director Dr. Rud. Ferd. Leop. Skrzecka, dem Prof. Dr. König, den Ober- lehrern Witt, Dr. Schwidop, Dr. Wiehert, Dr. Lentz, Cho- levius, den Gymnasiallehrern Weyl und Dr. Knobbe, dem Hülfs- iehrer Dr. Kraffert (seit Mich. 1853), dem auszerord. Lehrer Dr. Seemann (für das Englische), dem katholischen Religionslehrer De- kan Dr. Wunder, dem Musikdirector Pabst, dem Zeichenlehrer Maler Stobbe (seit Nov. 1853) und dem Schreiblehrer Maler Gl um (seit Mich. 1854). Die Schülerzahl war

I.

II.

lila.

lUa.

IV.

V.

VI.

Sa.

Abiturienten während des Jahres

Mich.

1851:

37

53

47

37

70

44

37

325

Ost.

1853:

34

53

48

35

62

43

37

312

24

yy

1854:

34

51

49

33

55

45

41

307

15

1855:

35

51

49

28

49

49

46

307

5

530 Berichte über gelehrte Anstallen, Verordnungen, statist. Notizen.

Die wissenschaftlichen Abhandlungen in den Programmen sind folgende: Ostern 1852 vom Oberl. Dr. F. L. Lentz: de verbis Icitinae linguae auxiliaribus P. II und Variae lectioncs (26 S. 4). Ostern JHJü vom Dir. Dr. Skrzecka: des ^pollonius Lehre von den Hedetheilen und kritische Bemerkungen zu ApoUon. de adverbio (28 S. 4). Ostern 18 J4 vom Ober!. Dr. G. H. R. Wiehert: de transitionibus pathcti- cis latinis. P. I (22 S. 4). Ostern 18 J5 vom Direct. Dr. Skrzecka: die Lehre des Jpollonius Dijscolus vom Verbum Ir Theil (16 JS. 4).

IMeisze.n]. An der königlichen Landesschule wurde vom I. April 1835 ander als provisorischer Hiilfslehrer angestellte Dr. Glo. Ijernh. Dinter definitiv zum 9n Oberlehrer ernannt. Die Schülerzahl betrug im verflos.seneu Sommer 145 (I: 23, 11: 43, III: 36, IV^: 21, IV»: 22). Abiturienten waren Mich. 1854 9, Ostern 1855 II. Den Schulnach- richten vorangestellt ist die Abhandlung vom Prof. \Av.. Dr. Carl Heinr. Graf: de templo Silonensi ad illustra7idum lucum Jud. Xl'Ul 30 sq. (36 S. 4).

Meran]. Der Lehrkörper des dasigen kk. Gymnasiums erfuhr im Schuljahr 1854 55 keine Veränderung. Doch übernahm am Anfange desselben der Dr. med. Jos. Theiner unentgeltlich den Unterricht im Italienischen. Die Maturitätsprüfung hatten im Schuljahre 1854 11 bestanden, di«» Schülerzahl betrug im letztverflossenen Jahre 156 (I: 26, II: 33, III: 22, IV: 24, V: 11, VI: 23, VII: 15, VliJL: 12). Voraus geht dem Programm die Abhandlung vom Lehrer Coelestin Stampfer: Entwicklungsgang der IMollusken (14 S. 4).

München]. Am königlichen Maximiliansgymnasium bestand das Lehrerpersonal im verflossenen Schuljahre aus dem Rector Prof. Dr. Halm [Ritter des Verdienstordens vom h. Michael], den Professoren Dr. Beilhack (Conrector), Steininger, I) au send, Dr. Minsin- ger (Mathem), Dr. Fischer (Lehrer der Religion und Geschichte für die Katholiken), P reg er (Stadtvicar, Lehrer der Religion und Geschichte für die Protestanten aller drei Gymnasien Münchens), dem Lehrer des Französischen Karl Boisot (nachdem Prof. Häring sei- ner bisherigen Functionen entbunden war, allein mit diesem Unter- richte beauftragt), den Studienlehrern Rott, Wolf (s. unter den Per sonalnotizen) , Linsmayer, Praefect Mall (Lehrer der Religion und Geschichte für die Katholiken an der Lateinschnle), den Lehramtscan- didaten Dr. Christ (wegen der fortdauernden Beurlaubung des Stu- dienlehrers Dr. SchÖppner als Verweser der 2n Klasse angestellt), Schreiblehrer Ludw. Ühlmann (nachdem der vorige Schreiblehrer Jacob Ulli mann zum Ministerial - Registrator befördert war), i\en anszerordentlichen Lehrern, Beneficiums- Vicar Richter (Hebr. ), Everill (Engl., nach dem am 18. Decbr. 1854 erfolgten Tode des Lehrers Richelle angestellt), Carrara (Italien), Kahl, Schön- chen nnd Pacher (Musik- und Gesanglehrer), Weishaupt (Zeich- nen) und Gerber (Stenographie für alle 3 Gymnasien zu facultativem Unterricht). Die Frecjuenz l)elief sich auf 329"(Gvmn. IV: 28, IM: 32, II: 35, I: 28, Lat. Seh. IV: 45, III: 50, II: 55^ 1: 56). Beigegeben ist dem Programm die Abhandlung vom Dr. W. Christ: quuealionca Lucretianac (17 S. 4).

NiaiiUiK. a. d. Donau]. An der dasigen königlichen Studienanstalt lehrten im Sclinlj. 1854 55 auszer dem Ntudienlictor und Lehrer der Religion für die katholischen Schüler Timm, die Professoren Mang (am 12. Mai beurlaubt und am 28. gestorben, worauf Stndienichrer Kemmer seine Functionen übernahm), Cleska (wegen Krankheit, die ihn auch an Abfassung «ler Programuiiil»handlung hinderte, im 2n Seu\. beurlaubt und durch den Seminarpraefectcu Daisen berger vertre- ten), Kaiser, Ratzinger und Scheiiller und der Religionslehrer

Berichte über gelelule Anslallen, Verordnungen, stallst. Notizen. 531

fiir die Protestanten Pfarrer Saubert, ferner die Studienlelirer Zol I- ner, Gerlinger, Keinmer (nach Uebernahme der F^unctionen des verstorbeneu Prof. JM a u g durch den Lehraintscand. Gebhardt ver- treten), Klassverweser JJlatner (zu Vertretung des beurlaubten Stu- dienlehrers Wenc. Linsmayer) und die katholischen Religionslehrer Praefecte Waldvogel und Scheid 1. Die Frequenz betrug 190 (G. IV: 25, III: 15, II: 23, I: 28, Lat. Seh. IV: 23, 111:23, II: 25. I: -^8). Nürnberg]. In den dem Programme des k. Gymnasiums beigege- benen Quaestiones Ilcrodotcae P. II hat Hr. Prof. G. Herold einen neuen Beweis seines Scharfsinns und seiner eindringenden Studien ge- geben und sich um den Vater der Geschichte ein groszes Verdienst erworben. Wir können seinen klaren Gründen nur beistimmen, wenn er II 32 sich gegen die von Herrn, ad Viger. p. 784 aufgestellte An- sicht ausspricht, und den Zeitsatz nothwendig in den Worten bis s^VQ' Tv^ävüvg enthalten behauptet; aber wenn er keinen andern Ausweg sieht, als entweder dTCOTit^neG&ai, für dnoTitfiTio^tvovg zu schreiben, oder nach i^rjQzv^ivovg den Inf. ^ivai einzuschieben, so möchten wir keines von beiden für das richtige halten, jenes nicht, weil die Ab- sendung schon so im vorhergehenden erwähnt ist, dasz sie nach der längeren Parenthese wol als Nebenbestimmung wiederholt, nicht aber füglich als Anfangspunkt der Reise erwähnt werden kann, dieses des- halb nicht, weil das Plusquamperfectum entweder ein dauerndes be- harren in einem Zustande, I 159, VI! 145, I 63 (ihre Aufmerksamkeit war auf das F'rühmahl gerichtet), oder ein nach längerer Bemühung zu Stande gekommenes bezeichnet, wie I 186, die Ausrüstung ge- wis aber weder als ein mit vieler Mühe vollbrachtes Werk , noch als dauernder Zustand vielmehr nur als das beim Beginn der Reise vor- handen angesehen Averden kann. Allerdings aber ist der Hr. Vf. der Wahrheit und dem einfachsten und nach dem Urtheile aller mit dem Zustande der alten Handschriften vertrauter leichtesten Herstellungs- mittel ganz nahe gekommen; denn es scheint ganz zuverlässig, dasz ein oder mehrere Worte, wie z. B. 6Qj.ii^&rjvat oder £? üöoi.7tOQLav ÖQfiTjQ'Tivai , ausgefallen sei. Das erstere ist das wahrscheinlichere bei dem zusammenkommen zweier Infinitive gleicher Endung und ähnlicher Bedeutung. Beiläufig wird VII 145 lyy.£%£iQri{.iBvoi vom Hrn. Vf. emen- diert. Sehr treffend sind die Herstellungen III 102: MaraJrfp ot tv Toiai ElXrjGL nvQLirjxeg y.atcc xov avzov xqÖtiov und IV 8: y.(x?.80fi£vr}v, Kai Y.uzalctßBLv yuQ avxov ^sificovä v.ai kqv^ov , btibiqvgcc^svov ttjv leovzii]v KzL, allein wenn I 65 unter Einschiebung von ■nai gelesen wird: Ka-novo(ic6zazoi i^aav ax^dov ndvzcov 'Ellrjvoiv xai -naza zs acptug avzovg Y.al gsCvoiGi, ditgÖG^riizoi 'et pessimis legibus usos et nullum neque inter se nee cum peregrinis habuisse commercium', so können wir nicht beistimmen. Dasz Herodot nichts weiter folgen läszt, als UEztßalov dh cods tg svvo^i,iT]v , scheint hinlänglich zu beweisen, dasz er in d7tQ6oii,i-AzoL nicht einen selbständigen Begriff, sondern nur einen zu YMTiovoficözazoi. in das Verhältnis der Adhaerenz tretenden gesehen habe; sonst hätte er gewis hinzugefügt, dasz durch Lykurg auch der Verkehr ein geordneter geworden sei, und will man dagegen aufstellen {■vvotiirj begreife beides, so wird man dann mit noch viel gröszerem Rechte behaupten, dasz dnQOGfitKZOL in ■/ia-/.ovo^cözcitot enthalten sein könne. Was soll aber heiszen, dasz die Lacedaemonier unter sich kein commercium gehabt? Ist es wol denkbar, dasz aller Verkehr zwischen den Gliedern des einen Staates aufgehoben gewesen? Und hat nicht Lykurg die ^BvrjkaGLcc eingeführt und den Verkehr mit fremden in engste Grenzen eingeschlossen, so dasz man eher früher eine verderb- liche Freiheit in demselben annelimen müste, oder vielleicht auch eine gesetzliche Regelung schon bestehenden Gebrauchs? Der mangelnde

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXH. Hft. 10. 39

532 Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, stallst. Notizen.

Verkehr mit fremden endlich könnte hier nur deshalb erwähnt werden, weil die Lacedaemonier so von andern Völkern nichts lernen konnten; denn sonst träj^t er zur Erhaltung des einheimischen Gesetzes und der Verfassung bei. Durch uTCQoauLV.zoi, scheint demniich nicht ein Verhältnis, sondern eine Eigenschaft des Volkes bezeichnet zu wer- den, welche entweder der Grund oder die Folge der v.cr/.ovouüi war. Diese aber ist ein trotziger, unfriedfertiger, selbstsüchtiger Sinn, der zur Empörung und Gewaltthat im Innern, zu Raub und Krieg gegen fremde führt, der kein Gesetz im Staate und kein Recht fremden ge- genüber anerkennt, also nothwendig zum Verderben des Staates führt. Dasz dies ccTcqoaaiy.zoi ausdrücken könne, unterliegt keinem Zweifel; es entspricht dem lateinischen asperi. Beziehen \\\v nun 'AaL in der Bedeutung von ' adeo , vel' auf den Superlativ, so erhalten wir den untadeligen Sinn: 'antea Lacedaeinonii vel pessima civitatis disciplina paene omnium Graecorum usi sunt, cum et inter se et adversus pere- grinos discordiosi essent. ' In Betreff der Stelle I 13-i ist dem Hrn. Vf. die gründliche Behandlung durch Könighoff: Exeget. et crit. (Pro- gramm Trier 185-jt) unbekannt geblieben, der y.ui , wie er selbst, er- klärt, aber öt nach ccvzüv gestrichen wissen will. III 147 stellt Hr. Herold die richtige Satzform her, indem er xaq tvzoläi (xev rag nzt. schreibt, auch gibt Ilf 98 (plo'tvqv xolyivSi-- Imav -nzs. Herodots Hand wieder. Dasz IV 18 äVO'^coTrot nicht haltbar sei, wird jeder zugeben, der nicht blind alles, was die Handschriften bieten, hinnimmt; wenn aber Hr. Herold weiter gehend als Valckenaer daraus uvco lövzi macht, so wird zwar von Seiten des Sprachgebrauchs dies empfohlen, von Seiten der diplomatischen Kritik aber findet sich kein Grund dafür, vielmehr möchte man behaupten, dasz wenn Herodot avta lövzt ge- schrieben hätte, viel schwieriger die Corruptel in uvQ'Qconoi entstehen konnte, als wenn blosz avco im Texte stand. II 176 ist rov ^syäqov bis jetzt unerklärlich Und schwerlich wird eine die Schwierigkeiten hinwegräumende Aufklärung gewonnen werden; ob aber dasseltie mit Schäfer nach Valla in das mindestens entbehrliche xov ^ifyükov zu än- dern oder für eine an die unrechte Steile des Textes gerathene, zu Tov HcpaiaztLov (^iiQoa&s gehörige Randglosse zu halten sei, lassen wir dahin gestellt, ebenso ob nicht III 136 in den zu Städtenamen abgeirrten Zügen der Handschriften etwas versteckteres liege als das einfache, übrigens einen ganz guten Sinn bietende fx XQrio^oavvriq. Der Emendation IV 28 tcccgl xtSv tv üV.tjai j(^c6Q7jav yLVoasvav jjftftw- vcov zollen wir unbedenklich Beifall und die III 93 rijai sv xfj 'Eqv- &Qfj Q'aXläcrj und I 18l) zt^q noXiog iovxcov ovo q)c<Qaicov empfehlen sich von selbst. R. D.

Olmütz]. Die'dasige 1570 vom Bischof Prusinowski gestiftete Uni- versität ist aufgehoben worden.

P e r s 0 II ;i 1 11 a c li r i c li t e 11.

Anstellungen, Ernennungen, Beförderungen:

Arndts, Dr. Ludw. , Prof. des röm. Rechts an der Universität zu München, mit dem Ciiarakter eines Regierungsrat lies zu dem glei- chen Lehrstuhl an die Universität zu VVien berufen.

Arnold, Karl, Priester, Subrector und Studienlehrer an der iso- lierten lateinischen Schule zu Kitzingen, an die lateinische Schule des Maxiinilian.sgymna8ium zu München versetzt.

Pcrsonaliiachrichten. 533

Bauer, Wolfg., Studienleluer am Liidwigs-Gyinna.suim zu IMüncheii, in gleicher üigeiischalt an das Wilhelms-Gymnasiuiu daselbst ver- setzt.

Eckhardt, Dr. E., Prosector, zum ao. Prof. an der Universität zu Gieszen ernannt.

Fertig, Dr. Mich., Gymnasialprofessor zu Passau, zum Rector des Gymnasiums und Director des Erziehungsinstituts zu Landshut in Niederhayern befördert.

Fischer, Dr., 8anitätsrath in Köln, als ord. Prof. der Chirurgie an die Universität in Bonn berufen.

Göbel, Ludw., Priester, Studienlehrer und Subrector der isolierten lateinischen Schule zu Lohr, als Stiidienlehrer der 3n Kl. an die latein. Schule zu Landshut in Niederbayern versetzt.

Greil, Franz Xaver, Priester, Studienlehrer zu Passau, zum Pro- fessor der In Gymnasialklasse ebendaselbst befördert.

Hegmann, Jacob, Gymnasialprofessor in Bamberg, als Rector an das Gymnasium zu Münnerstadt versetzt.

La Roche, Paul, Studienlehrer an der lat. Seh. zu Dilingen, an das Ludwigs-Gymnasium zu IMünchen versetzt.

Leikert, Ant., Studienleluer an der isolierten lat. Seh. zu Kitzin- gen, an die lat. Seh. zu Neuburg an der Donau versetzt.

Leitl, Jac, Priester und Lehramtscandidat, zum Studienlehrer an der lateinischen Schule zu Passau ernannt.

Leuckart, Dr. Rud., ao. Prof. an der Universität zu Gieszen, zum ord. Prof. der Zoologie und Director des zoologischen Kabinets ebendas. ernannt.

Miller, Anton, Lehramtscand., zum Studienlehrer der In KI. an der lat. Schule zu Dilingen ernannt.

Mörtl, Dr. The od., Rector und Prof. am Gymnasium zu Kempten, als Prof. der Oberklasse an das Gymnasium zu Neuburg an d. Donau berufen.

P Öse hl, Jac, Lehrer an der Oberrealschule zu Brunn, zum Prof. der Physik am Johanneum zu Graz ernannt.

Rott, Jos., Studienlehrer an der lat. Schule des Maximiliansgymna- siums zu München, als Prof. an das Gymnasium zu Kempten ver- setzt.

Ruith, K. Jos., Rector des Gymnasiums zu Münnerstadt, als Rector an das Gymnasium zu Aschaffenburg (^s. unter Pensionierungen) versetzt.

Schmidt, Dr., Privatdocent, z. ao. Prof. für Botanik an der Uni- versität zu Heidelberg ernannt.

Schobert, Job. Mich., Studienlehrer am Wilhelmsgymnasium zu München, in gleicher Eigenschaft an das Maximiliansgymnasium ebenda versetzt.

Schwalbe, Dr., Prof. am Paedagogium zum Kloster uns. 1. Fr. zu Magdeburg, dem Vernehmen nach, zum Director des Gymnasiums in Eisleben berufen.

Stark, Dr. Beruh., ao. Prof. zu Jena, als ord. Prof. der Archaeo- logie an die Universität zu Heidelberg berufen.

Vonbank, Joh;, Supplent am kk. Gymn. zu Feldkirch, zum wirk- lichen Lehrer an ders. Anstalt befördert.

Weidmann, Dr. Joh G. , Prof. am Gymnasium zu Würzburg, zum Rector dess. Gymnasiums ernannt (s. Todesfälle Eisenhofer).

Weigel, Dr. Ferd., Conceptspraktikant, zum Secretär und Archivar au der kk. Universität zu Krakau ernannt.

Wolf, Jos., Studienlehrer am Maximiliansgymnasium zu München, zum Professor am Gymnasium zu Bamberg ernannt.

534 Personalnachrichlen.

Auszeichnungen und Ehrenbezeugungen:

B ezzenb erger, Dr. G., Director des Blochmann-Bezzeubergerschen Instituts und Vitzthumscheu Geschlechtsgymnasiiims zu Dresden, erhielt von dem Groszherz. von Mecklenburg- Schwerin den Titel Schulrath,

Pension ie r u n g e n :

Luber, Ignaz, Studienlehrer an der lat. Seh. zu Landshut in Nie- derbayern.

Mayer, Sim. Sigm., Prof. am Gymnasium zu Kempten.

Mittermayer, ßr. Jos., Rector und Prof. am Gymn, zu Aschaf- fenburg.

Schöppner, Dr. Alex., Studienlehrer am Maximiliansgymnasium in Älünchen, in zeitlichen Ruhestand vernetzt.

Stau denmaier, Dr., Prof. zu F'reiburg im Breisg.

Wolf, The od., Lehrer am kk. akademischen Gymnasium zu Wien, unter Anerkennung seiner mehr als 30j. ersprieszlichen Wirksamkeit.

Todesfälle:

Im Junius f im Tschernigoffschen Gouvernement Fr. v. Frolloff, Uebersetzer und Commentator des Humbuldtschen Kosmos und Re- dacteur des geogr. und Reiseblattes.

Am 1. Jul. zu Stresa in Piemont Abbate Rosmini, bekannt durch seine philosophischen Schriften, namentl. durch die Bekanntma- chung fremder Systeme auf Italiens Boden, geb. zu Roveredo 25. März 1797.

Am 26. Jul. in Rostock der Consistorialrath und Prof. der Rechte Dr. Aug. Ludw. Diemer im 81n Lebensjahre.

Ende Juli auf einer Rheinreise der berühmte holländische Schriftstel- ler und Redner Prof. A. van der Hoeven.

Am 12. Aug. zu Xanten der ausgezeichnete Miinzenkenner und Samm- ler Justizr. a. D. Ho üben.

Am 28. Aug. der Primas der schwedischen lutherischen Kirche, Eiz- bischof von Upsala Dr. Holmström.

Am 1. Sept. in Bonn der emeritierte Director des Gymnasiums zu Dortmund Dr. Beruh. Thierse h.

Anf. Sept. zu Göttingen der Prof, der französ, Sprache und Littera- tur, J. F. Cesar.

Am 13. Sept. in Erlangen der Kirehcnrath und Prof. der histor. Theo- logie Dr. J. G. V, Engelhardt im 63n Lebensjahre.

An demselben Tage in Freiburg Hofrath A. Älayer, welcher an der das. Universität über Civilrecht und die einschlagenden F'ächer las.

Ohne Angabe des Datums erfahren wir den Tod des Rectors und Prof. am Gymn. zu Würzburg Eisenhofer.

Unter den Todesfällen im vorigen Heft ist Mongrovius in Mron- goviusz zu berichtigen.

Zweite Abtlieilung

hcraiisgogebeii von Riidoliih üictsch.

Lesest üc/te aus griechischen und lateinischen Schriftstellern. Zum Prituitstudiuui oder auch zum ö(fentlichen Gebrauch für die oberen Klassen der Gymnasien zusammengestellt von Dr. Moritz Seyfferf, Professor am königl. Joachimslhal. Gymnasitim. Leipzig, Verlag von Otto Holtze 1854. XIX u. 212 in 8.

Eine Schrift des Herrn Seyffert nimmt jeder mit hohem Interesse zur Hand, weil er weisz, dasz er von diesem gelehrten und geist- reichen Manne etwas gutes zu erwarten habe. Und diese Erwartung wird durch vorstehende Leistung von neuem befriedigt. Denn das Buch ist eine Sammlung der schönsten Stücke, welche uns die lyri- sche Poesie der Griechen und Römer hinterlassen hat. Ueberall zeigt sich, dasz ein sinniger Blick, eine tief gebildete Seele die elegischen Gärten der Alten durchwandelt habe, um die duftenden Blüten und lieblichen Früchte für unsere Schuljugend auszuwählen. Mit voller Berechtigung sagt der Verfasser S. VIH: 'Die Elegie ich meine zunächst in der hier mifgetheilten Auswahl ist nach Form und Inhalt, wie keine andere Dichtungsart, für die ^eXXicpr]ßoc unserer Gymnasien wie geschaffen. Die Form derselben, als das seelenvollste Gebilde des antiken Geistes in seiner Jugendblüte, der namentlich der geniale Versland der Ovidischen Muse einen unwiderstehlichen Zauber künstlerischer Vollendung verliehen hat, so wie der Inhalt, der als Ausdruck der unveränszerliclisten Empfindungen, welche die menschliche Brust bewegen, in der unmittelbarsten und vernehmlich- sten Weise, aus dem Herzen zu dem Herzen spricht, beides gibt eine Musik, die Aviederklingt, die forttönt im Innern, die die jugendliche Welt erobert.'

Aber nicht blosz die Auswahl, welche Hr. S. getroffen, ist bei- fallswerth, auch die Anordnung und Commenlierung des gegebenen SlolTes musz als zweckmäszig anerkannt werden. Denn drei wesent- liche Vorzüge sind darin wahrnehmbar: weise Beschränkung, körnige

J\. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 11. 40

536 M. Seyffert: Leseslückc.

Kürze, paedagogischer Ausdruck. In allen drei Ptinklen zcigl sich die reife Krfahrnng des taktvollen Schulnianns. Zum paedagogischen Ausdruck darf man unter anderm einen doppelten Umstand rechnen, erstens dasz manche Gedanken der alten Elegiker mit ähnlichen Aus- sprüchen unserer Dichter verglichen werden, zweitens dasz einzelne Bemerkungen zu den römische» Dichtern in lateinischer Kürze abgefaszt sind, beides zum Nutzen der Sache, weil in beidem vor- sichtige Wahl und besonnenes Maszhallen slaltrindel, wenn auch viel- leicht im ersten Piinkle eine kleine Erweiterung, im zv\eiten eine kleine Verkürzung eintreten könnte. Auszer den commcntierten Stü- cken der griechischen und römischen Dichter hat der Verfasser noch zwei Abschnitte gegeben , in denen er aus griechischen Prosai- kern (Herodot, Xenophon, Isokrales, Plutarch, Lucian) und aus lateinischen (Livius, Salluslius, Cicero) entweder in längerer Ausführung oder in kürzerer Andeutung diejenigen Theile bezeichnet, welche zur Privatleclüre der Secunda und Prima besonders geeignet sind. Könnte man auch mit Hrn. S. über einzelnes rechten, so ist doch das ganze nach dem Vorbilde von Peters Buche 'der Ge- schichtsunterricht auf Gymnasien ' so einsichtsvoll ausgewählt und so umsichtig dargestellt, dasz man nur wünschen kann, es möchte die Sache in bezüglichen Kreisen die nölhige Beachtung finden. Selbst die Herausgeber der einzelnen Schriften könnten diese Uehersichlen zum Nutzen ihrer Ausgaben in Betrachtung ziehen. Am Schlüsse ist ein Sachregister hinzugefügt, das nicht blosz mit dem Inhalte des Buches specicller bekannt macht, sondern auch zugleich das zusam mengehörige und also in der Leetüre zu verbindende übersichtlich zusammenstellt.

Weiter in der allgemeinen Charakteristik des ganzen fortzufah- ren, dürfte zu spät kommen, weil das Buch sicherlich hier und da Eingang gefunden und so schon mit eigenen Mitteln sich Bekanntschaft erworben hat. Es möge daher der verslaltete Kaum lieber dazu be- nutzt werden, hier und da einen Blick auf das einzelne zu werfen, sei es dasz Text oder Note oder beides zusammen Bedenken erregt, sei es dasz sich eine andere Ansicht dem Leser aufdrängt. Dadurch könnte vielleicht nebenbei das späte erscheinen dieser Anzeige einige Entschuldigung linden.

Die griechischen Dichter, bei denen wie es scheint die zweite Ausgabe Bergks noch nicht hat benutzt werden können, beginnt Tyrtaeus. Hier steht im bekannten rsd-va^isvca yuQ y.uXov Kxk, \ . 16 cday^Qag, dagegen 10 art,un/, was im Dialekte nicht zusammen- stimmt. In der Note zu v. 12 lieiszt der SchUisz: 'dieser Erklä- rung stehen v. 5. 6 entgegen', verfehlter Ausdruck statt Ermah- nung (vTTod'tjK)]). Im Anfange von Nr. 2 AXk\ 'HgaKkijog yaQ xrX. war doch nach aXX' das Komma zu tilgen. Vgl. Krügers Sprachl. § 69 14 Anm. 4. In v. 9 gibt die beibehaltene Lesart '/mI (.isra (pev- yovroov re dicoy.oi'tojv x iyivea&e einen für den Zusammenhang un- passenden Gedanken; vortrefflich dagegen ist Bergks naoa cp. yi-

M. Seyfferl: Leseslücke. 537

YevG&s. Zu V. 17 aQyaliov yaQ ottigQ'S (ierag)QEvov ißrt 6c<itetv be- sagt die ^'ote.• ^öcätnv, man erwartolo eigeiillicli das Passivum'. Ge- wis nicht; denn es ist eigcntlicli Subjcclsinfiniliv. Gleich Nvcifer hcisxt es: ^ V. 21 ev ötaßdg, ist seil Homer siehende Bezeichnung-.' Aber bei diesem sieht es nur Iliad. M 458 und zwar in einer etwas andern Beziehung: llr. S. hat Avol (.lazQcc ßißag im Sinne gehabt. *V. 32 ev 6e, adverbiaiisch: dazu, überdies.' üas erste wäre iitl öi, das zweite •JTQog 6i, daher genauer: darin, dabei. In Nr. 3 (12 bei Bergk *) V. 23 avrog d' ev ngof-id^oiGt neacov cptXov äleße 'd'vfiov ktX. [bei BergU der Druckfehler cckeae] hat Hr. S. das avvog 6e mühsam zu er- klaren versucht, was er selbst füiilt, da er den Zusatz gibt: ' viel- leiciit ist ei de zig zu schreiben'. Aber das hälfe ich ohne Note mit Bergk in den Text gesetzt, wenn nicht der Dichter etwa av^t, d' ög ev ■jtqo^i.cc/olGl geschrieben hat, nemlich deiklisch: da in Messenien. Im eußav/jQiov liest man v. 4 öoqv 6 evrok^cog Tcdlkovreg folgendes: ^ein Zusatz von öe^ltsqu ist ebenso überflüssig, wie Nr. 2 v. 24 von Xaia.' Aber das ist eine in Unordnung geralhene Bemerkung, die gar nicht zum Texte passt. Wahrscheinlich hat Bergks Conjeclur doQV öe^irsQa d evroliicog in den Text kommen sollen.

Der zweite Dichter ist Mimnermus, der natürlich zunächst sein empfindsames tig öe ßiog, xi de reQTivov vorträgt. Da wird v. 4 für diese Sammlung nicht übel gelesen: öcoga ^ic6vr]g eig -^ßyjg dv&sa yCyverat, ccQTtaUa mit der Note: ^ so lauge die Jugendblüte dauert', wo noch Tyrt. 1 28 hinzukommen konnte, was schon Bach ver- glichen hat. Nach der Anmerkung "^ v. 6 aißyqov 6 (.lüg aal y.a- V.OV dvögcr ri&ei, häszlich und untauglich zugleich' wird der Schüler oj-iag mit dfia für synonym halten, was durch gleicher- weise oder ebenso als zu vermeiden war. Nebenbei ist mir hier unklar, warum Bergk Hermanns nanov (statt aalov, das sich mit Ofimg schwerlich vereinigen läszl) verschmäht habe. Mimnermus scheint solche Zusammenstellung ähnlicher Begriffe geliebt zu haben, wie 3 3: TEQTtvov oficog zal nakov. 3 7: i'id'Qov o,acog nal dn^iov. Ob übri- gens das obige xaxov mit Hrn. S. durch "^untauglich' zu deuten sei, dürfte fraglich sein. Wer die von Prell er griech. Mylhol. Bd. 1 S. 300 in der zweiten Note cilierten Stellen nachliest, wird wol einen dem griechischen Geiste mehr entsprechenden Ausdruck wählen. Zu 3 4 oXcyo'/^Qoviov yiyvexai, , . . ')]ßi] rL^y]eß6u konnte ein Wink erwartet werden, da selbst Bach das substantivierte Neutrum (^ovk dya&ov noXvY.oiQavLi]) verkannt hat, und wenn es nur ein Citat der Grammatik war. Hr. S. hat die Grammatik nur in den lateinischen Abschnitten ciliert, und zwar einmal (S. 63) 3Iadvig, neunmal (S. 70. 90. 98. 110. 116. 117. 149. 184. 185) Zumpt: es wäre aber ein solches Citat auch bei den griechischen Dichtern an einigen Stellen rathsam

*) Hier und im folgenden soll das Stück oder die Verszahl stets nach ßergks Ausgabe der Poetae lyrici in J'arenthese hinzugefügt werden.

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538 M. SeylTerl: LeseslücUe.

ge^yesen. >yas die Cilale iiberhanpl belrifTt, so ist lobend hervorzu- heben, dasz Hr. S. die nötbige Sparsamkeit und sorgsamste Aus- wahl beobachtet habe. Nur an einigen Steilen dürfte eine Aenderiing zvveckmäszig sein, wie S. 148 zu nisi lilora ; S. 159 zu iimidum ter- rent, und anderwärts wo zu demselben Begrilfe jedesmal zwei Citate nebeneinander stehen; oder wo auf eine Stelle verwiesen wird , an Avelcher der Schüler wieder ein neues Citat findet, wie S. 122 zu indocili; S. 188 zu jircsserat lacus; oder wo ein Citat nicht ganz geeignet erscheint, wie S. 91 zu Sidonis; S. 117 zu subit; S. 174 zu indtiit, wo wenigstens das Citat so viel Raum einnimmt, als die ci- tierte Bemerkung selbst; S. 180 albus dies, das mit einer Stelle ver- glichen wird, in welcher Candida Aurora vorkommt. Diese Kleinig keilen im vorbeigehen I

Wir kommen zum dritten Dichter, zum Solon, der mit Bezie- hung auf Pisisiratus Nr. 3 (lO) v. 5. 6 nach der hier aufgenommenen Lesart spricht:

AL}]v Ö iS,aQca>T ov QCiötoi' Iqxl zaraß'/üv vöTcQOv, alk tjdij iQ^j raäs nuvra vociv. Das erste Wort Xuiv ist Conjeclur Schneidewins undBergks, letz- terer hat dafür ein gelehrteres \^'örtchen, XeCiog in den Text genom- men: aber beides, ein nimis oder ein valde , bleibt ein matter und nicht recht bestimmter Begriff, wo es sich wie hier um den Gegensatz von öi][.iog und ^ovaQ^og handelt. Hierzu kommt, dasz e^al^eiv in solcher Verbindung seine bestimmtere Beziehung 'woraus' wol kaum entbehren kann. Da die Hs. khjg gibt, so dürfte mit Versetzung der Buchstaben l'ki^g^ aus einer Rotte, d. i. Pa r tei s ch a a r, das richtige sein. Auch das folgende T«()e beruht auf Conjectur, die bei der Erklärung keine deutliche Beziehung zuläszt. In der Hs. ist eine Lücke, die Sintenis mit tu'«, Dindorf und Rergk mit ttsqi ausfüllen; leichter konnte nach -/^Qt] wol ein ^^^c'or ausfallen, so dasz der Sinn ist: man musz jetat alle Bedürfnisse erwägen, keinen einseitigen Partei mann erheben. Das scheint mir ein des Solon würdiger Ge- danke zu sein. In dem prächtigen Stücke Nr. 9 (13), worin unter anderm die verschiedenen Bestrebungen der Menschen besungen wer- den, wird V. 51. 52 gelesen:

cikXog 0Xvf.i7iiaöa}v Movöicov noiQa öaqa öiöax'9'dg, i^iiorrjg 60(pit]g iiixQov IniGxä^svog. Hierzu wird bemerkt: '^ öiöcciQ-sig^ als Praedicat ist wol das vorher- gehende 'E,vlXiy£xut, ßloxov zu denken'; und ^ ii.i£Qxrj wird die Goqpt« durch das poetische Gewand'. Aber dann scheint erstens der antike Zögling der Musen doch zu materialistisch gesinnt zu sein, wenn er mit seinen höheren Gaben nur auf ^vXXiyeo'&ca ßloxov hinarbeitet; zweitens ist nicht ersichtlich, warum nicht auch eine prosaische 6o- cpta das Attribut t^SQX'i] erhallen könne; drittens endlich hat jeder der vorhergehenden Gedanken sein eigenes Verbum, nur in diesem Distichon wird es vermiszt. Daher kann dasselbe nicht richtig sein, und es will mich bedünken, als wenn man mit i'ffr i^ariig slalt /u^?"

M, Seyft'erl: Lcscsliickc. 539

r>}g am leichtesten aufhelfen könnte. Die Krklärung ^v. 61. 62 Sinn; was der Kunst des Arztes nicht gelang, gelang öfters dem Zufall' bringt einen leicht niisversländlichen Gegensalz in den Dichter, der doch beide Sätze vom Arzte aussagt und nur die Erfolglosigkeit trotz aller aufgewandten ij-Jiia q)aQi.iaxa und den leichten Erfolg durch blosze ilandanlegung (aif'«,u£i'Ot," y^siQoiv cdijja tti^j/ff' vyii]) als Gegensätze hervorheben will.

Zu Xenophancs, dem vierten Dichter dieser Anthologie, wird Nr. 1 (2) V. 1 in der Note noöav vijcr/v angeführt, wol nur durch einen Schreibfehler, weil der (ienetiv noduiv von ra'j^vrilrt abhängt, wie V. 17 beweist. In Nr. 2 (1) v. 6 nuisz nach KSQu^oig Komma stehen, da Hr. S. dasselbe in ähnlichen Stellen gesetzt hat. V. 20 wird der Vf. statt mg ot ^ivjj^oövv^j künftig gewis von Bergk das l.iv)}iioGvv y annehmen. Fünftens hat Hr. S. das gröste Bruchstück des Simonides aufgenommen (86), wo der letzte Vers für Schüler einer kurzen Note bedurft hätte. Was überhaupt die Frage nach dem zuwenig betrifft, so hat dieselbe nur dann eine Bedeutung, wenn jemand nach dem Charakter einer Ausgabe Inconsequenz erweisen kann oder wenn jemand aus mehrfacher Erfahrung redet, die er bei wiederholter Leetüre der bezüglichen Schriftsteller mit Schülern ge- macht habe. In beiderlei Hinsicht kommen nur höchst vereinzelte Stellen vor, die einen kleinen Zusatz erheischen; ich will sie gleich hier zusammenstellen: S. 4 Tl&covovo (pvi']v^ da sonst die Eigen- namen überall kurz erklärt sind; S. 5 anovöri^ weil der Schüler die homerische Bedeutung im Kopfe hat; S. 8 die Form nd'vävai^ wie auch anderwärts schwierige Formen erleutert sind; S. 21 MijXlov, S. 34 rov rig ega, zo xv/ilv ^ dieser Artikel beim Infm. in der Poesie, durch ein Cilat der Grammatik; S. 43 agöevc KcnaXv^^iivou, woran selbst Philologen Anstosz genommen haben; S. 65 Arcade ; S. 74 cre- dula turba ; S. 91 praeter sua Inmina^ und vescuntur ; S. 92 Cyii- thia; S. 94 Dimidivrn tuto niunere malus erit, wenigstens durch Bei- fügung des hesiodeischen oGco nXiov mitßv Ttavrog, S. 95 Pagasaeis ; S. 102 Oije; S. 109 utraque turba; S. 131 cum bene Sit clausae ca- vea; S. 164 sie vevias hodierne (die Attraction) und Mopsopio melle. Das wären etwa die Kleinigkeiten; im zuviel dagegen wird man nicht leicht etwas objectiv gültiges anführen können. Ich kehre zur Hauptsache zurück.

Den reichlichsten Beitrag haben sechstens geeignete Stellen des Theognis geliefert, die hier unter 58 längere oder kürzere Stücke verlheilt sind. Bei Nr. 2 v. 5 (v. 675 nach Bekk. und Bergk) hat Hr. S. nach Bekkers Conjectur geschrieben: i] ^aXa tig ictXemog aco'^ercci, oV EQÖovGi, mit der Bemerkung: Mas Uelativum mit begründender Kraft'. Das wäre aber in solcher Verbindung eine auffällige Kede- wcise: mir hat sich hier immer ot ö' k'QQOvaf sie gehen zu Grunde, aufdrängen wollen. In Nr. 3 v. 1 (v. 53) wird bemerkt: 'Aaoi, in dem homerischen Sinne von Bürgern.' Kann man diesen Sinn wirklich homerisch nennen? Die kriegerische Nation der Hellenen sah ja

540 M. Seyffert: Lesestücke.

schon im Homer unter Acoj und laoi vorzugsweise das Volk unter Waffen, die Kriegerschaaren , daher späterhin ax^axog oft vom Volke gebraucht. Im folgenden Citate aus llias iV lOi ist noch die alte Lesart ettJ %ccq^i]] statt des richtigen itii %«^ft^ befolgt. Auch unter Nr. 10 wird ans llias Z 153 ög xf^^törog statt o citiert. In Nr. 6 v. 1 (v. 189) musz nach xijxasGi Komma stehen. Bei Nr. 11 wären die bei- den Schluszverse (v. 381. 382) besser wegzulassen; denn sie enthalten offenbar einen ähnlichen eingeschobenen Gedanken. Als Nr. 12 er- scheint der Abschnitt mit den Anfangsworten (v. 743 ff.) :

Kca xovx\ a&ccvaxcov ßaGilev^ Tccög ißxl dUaLOv, eQycov oGxig ccvtjq inxog itov aölxcov,

firj riv VTtEQßaanjv naxi'/av 117J& oqkov aXixQOv, ulXcc ölr.cciog icov^ ^irj xa ölxuia Ttd&rj; wozu wegen oaxtg bemerkt wird: 'das Relativ vertritt eine hypothe- tische Gedankenform'. Aber dann hätte der Dichter bei solcher Ver- bindung wol ei' xig gesagt. Wie die Worte hier stehen, scheint man am natürlichsten cog rig lesen zu müssen. Sodann hätte das jHijO-' mit Bekker und ßergk in jtii;ö' verwandelt sein sollen. Denn jttr/ . . . ftTjre ist doch so sehr dem Zweifel unterworfen (vgl. Krügers poet.-dialekt. Syntax § 69 64 Anm. 2), dasz man es wenigstens aus einem Schul- buche entfernen musz. In Nr. 15 liest man hier (v. 1031 If.):

Ii7]öe 6v y uTtQrJKXOLGtv in k'^y^iaOiv aXyog ai^av k'x&eo^ ^irjö cc'id'ov^ (djÖe cpiXovg avta,

IX7]d ex&Qovg sv(pQaive. Und dazu die Anmerkung: Sias Wortspiel: mache dich nicht verhaszt und werde dir nicht selbst zur Last, erhält durch die folgenden para- taktischen Sätze (.irjd . . . aidcx, (.lijö evcpQaive seine nähere Erklä- rung'. Aber wenn diese Sätze wirklich epexegelisch stehen sollten, so würden sie asyndelisch angereiht sein; sodann würde das 'Wort- spiel' durch den Gleichklang k'xd'ov ft?;(J' a^O'ov schärfer ins Ohr fal- len. Es ist hier viel conjiciert worden, am besten wol o'xO'ei, aber immer bleibt der Gedanke mit Begrilfen etwas überladen. Um dies zu vermeiden, dürfte ein einfaches eQX^'^ ausreichen. Bei Nr. 16 v. 1 (v. 355) ist die Krasis nriG&Xoiaiv mit der Form naa&Xoißiv zu ver- tauschen. In Nr. 26 v. 7 (v. 563) wird überall gelesen:

KcKXrjö&ai ö ig öalxa^ TtaQE^sG&ca ös nctQ iö&Xou

CivÖQCi IQcCOV KxX.

Aber da ausdrücklich die zweite Person öiöax&fjg und amvig folgt und die Hedo ähnlich gestaltet ist wie Nr, 24 (v. 31 ff.), so scheint man das J' in ein ö' verändern zu müssen. Die Nr. 31 (v. 209) be- ginnt hier ovöelg roi, wo aus der besten Hs. mit Bergk ovk k'öxtv zu schreiben ist. Ebenso in Nr. 32 (v. 87) das für ciXXij in A gebotene aXXag. In Nr. 36 (v. 325) wird gelesen:

sl' rig a[.iaQxoiX7jGi. (piXcov iiti navxl ^oXioxo ^ und dazu bemerkt: '^ inl navxl verhält sich zu ßfia^rojAJjcTt, wie der Theil zum ganzen, die ja öfter in der Form des xaS-' oAoj^ nai fii^og coordiniert erscheinen'. Aber das wäre clno seltsame Sprechart, die

M. Süyffert; Lcscslückc. 541

vom erwäluilci» Gj^'/ftf^ AvcsciiHicli abwiclic, so dasx Ilr. S. scliwer- lioli analoges zur Begriiiiduiig aiifülireii köiiiilo. Mit Heclit lial Bcrgk «/tcy^rwAüiöi in dea Text genommen, wodurch man zugleicli bei yo- kovöd-cu den regelmäszigen Dativ der Person gewinnt. Am Ende der Nummer (v. 328) wird Hr. S. gewis zur liandscliriflliclien Lesart •O-eol ö ovK id^ikovai qiEQaiv zurückkeliren , da der Sinn ist: Menschen sind keine Götter, um über die Feliler der Freunde hart richten zu können. In Nr. 39 lautet v. 5 (v. 1175) in dieser Sammlung:

k'öZt, KUKOV ÖE ß^OTOlOL KOQOg^ TOVy OVXl KCCy.LOV.

wo ein solches xovys in r e 1 a ti vis c hem Sinne der Begründung' be- darf. Bei Nr. 40 v. 2 (v. 632) gibt Hr. S. die Form ai.uj'/avlt]g, unge- achtet ätaig unmittelbar vorhergeht: eine unstatthafte Dialektsvermi- scluing! Ucbrigens gibt hier die beste Hs, A (mehr oder minder deutlich auch andere) die Lesart KvQvat zai, das ist offenbar Kvqv' cd xc«, so dasz der ganze Vers heiszen würde: Kvqv\ at kccI {i£- ydXaig '/.strat iv ci(.niXa'/Jaig. Ob man das sonst acolische ca dem Theognis beilegen dürfe, mögen Dialektologen entscheiden. In Nr. 44 (v. 336) bat Hr. S. wie Orelli zu Anfange Kvqu', s'^sig aQex'^u aufgenommen statt des gewöhnlichen e^sig, Kvqu', aQsvrjv, was zu ändern kein Grund vorlag. In Nr. 53 v. 12 (v. 248) ist novzov In äzQvyexov statt des richtigem 'iit gesetzt. Und v. 16 (252) hätte das {lassivisch gesetzte aa\] einer Note bedurft: Bergk selbst hat diese Conjeclur aus dem Texte wieder entfernt und ist zur Lesart der Bü- cher aaa]] zurückgekehrt, weil man dazu ohne Schwierigkeit das vor- hergehende aoiöili mit verbinden kann.

So viel über Theognis. Den letzten Abschnitt der Griechen bilden 42 gut ausgewäliUe Epigramme aus der Anthologia Graeca. Es ist darunter mancher alle bekannte, den man in.ähnlichen Sammlun gen antrifft: auch Ilr. S. selbst hatte vor zwei Jaiirzehnten einen Tbeil derselben in der Palaeslra Musarum für andere Zwecke zusammenge- stellt. Zu einigen derselben mögen hier ein paar kleine Bemerkungen folgen. Zum 2n über 'Homer' vom Leonidas, wo der bekannte Pen- tameter lautet ciS,ova ötvrjGag a'i^rtvQog ijshog, findet man folgende An- merkung: ^öcvfiöag, ul currnm in orbern torquere coepit; darnach wird man nun auch den Aorist )]fiavQa)6e zu beurlheilen wissen'. Da- für würde eine Frage bestimmter und zweifelloser gewesen sein, oder auch ein bloszes Citat der Grammatik, höchstens mit dem Zusätze •^ gnomischer Aorist'. Denn ein ^coepä' kann eigentlich in keinem Aoristus liegen: wo dies der Fall zu sein scheint, ist Krügers Be- merkung Sprachl. § 53 5 am Platze. Im Epigramm auf Othryades Nr. 19 V. 2 war statt QvQiau richtiger Ov^jeuv zu setzen, und im bekannten co ^etv , uyyilXeiv vixk. des Simonides ist xuöe mit rj/i)^ zu vertauschen, wie die letztere Form 26 2 mit Hecht unverändert blieb. Auszerdem konnte angemerkt werden, dasz die lat. Uebersetziing der berühmten Inschrift unten auf S. 185 aufgenommen sei. Desselben Simonides Epigramm auf den 'Doppelsicg des Cimon am Eurymedon' unter Nr. 31 , bat zu 0oi,viK(ov inuxov vavg skou iu Ttekdyti unter

542 M. Seyffert;- Lesestücke.

anderm die Note erhalten: 'die Zahl ist historisch treu'. Aber das ist in dieser Bestimmtheit zu stark ausgedrückt, da Thucyd. I 100 bekanntlich 'sagt : y.al elkov XQirjQai.g 0oi.vlzcov Kai öcig)9-SLQuv t a g Ttdöag ig öic4K06Cag, worüber die Bemerkung Grotes in der Gesch. Griechenlands Bd. 3 S. 240 der Meisznerschen Ueber- setzung zu vergleichen ist.

Bei den Uebersichten der griechischen Prosaiker haben die S. 54 erwähnten zwei Ausgaben des Xenophon eine unrichtige Jahreszahl, und bei den Memorabilien hat Hr. S. seine Bescheidenheit zu Meit getrieben, indem er seine zweckmäszige Bearbeitung derselben im ersten Theile seines griech. Lesebuchs ganz unerwähnt läszt.

Wir kommen zum dritten Haupttheile des Buches, welcher la- teinische Dichter enthält. Natürlich hat hier 0 vi dius die Haupt- rolle übernehmen müssen (S. 62 151), weil er die wesentlichen Ei- gensciiaften der römischen Elegie voll charakteristischer Schönheit darbietet.

' Mullisono fertur Nasonis Musa canore Innumeroque coput ßore decora nitet.' Und die Auswahl unifaszt gerade diejenigen Stücke, die jeder Schüler gelesen haben musz, wenn er wirklich eine Einsicht in diese Poesie besitzen will. Auch der Commentar hat einzelne Vorzüge, die bei den griechischen Abschnitten weniger sichtbar werden. Das liegt theils im Wesen der Sache, theils in dem Studienkreise des Verfassers. Davon darf man einem Seyffert gegenüber ohne Rückhalt reden. Denn Kopf und Herz stehen bei ihm in zu enger Harmonie, als dasz er das olfcne Bekenntnis übel nehmen könnte, er sei in den römischen Dich- tern noch weit mehr zu Hause, als in den griechischen. Daher iindet man nur sehr vereinzelte Stellen, die zu einer Erinnerung Veranlas- sung geben. Einige mögen hier folgen.

Auf S. 62 wird zu Fast. 1 200 et dabat exigmim fJummis uha torum ., die Note gegeben: 'das Kissen (torus), welches auf das Speiscsopha {lectus) gelegt wurde, war mit Schilfgras statt des Flau- mes gefüllt'. Aber in der alten Hütte des Romulus ist doch ebenso wenig an ein Speisesopha zu denken, als bei Philemon und Baucis Met. VIII 656, wo ausdrücklich folgt ^ hnpositum lecto sponda pedi- basque salignis' , und S. 70 in Fast. III 185, wo ^ in stipula placidi carpebat munera soinni'' vorhergeht. Es ist also torus ein einfaches Polster und Icctus die Lagerstätte. S. 24 v. 25 fehlt nach arma Fragezeichen. S. 67 zu Fast. II 397 si. genus aryiiilur rultu. nisi fallit imago soll 's^■ . . . visi anaphorisch stehen'. Aber dann müsfe es si nou^ nicht nisi heiszen ! Wo es von der Wöllln v. 418 lieiszt ^ et fhigit lingiia corpora bina siiu^ ^ meint Hr. S. : ^ fing it. eigentlich wischen, hier lambendo detergere., wie es die Thicrc mit ihren Jungen thun'. Das verwischt zugleich den poetischen Duft, der durch Vergicichung von Met. XV 380 ^lambendo mttter in artus fingit' gewahrt sein würde. Bei dem Raube der Sabincrinncn Fast. III 204 auf S. 71 wird be/la propinqita durch 'Nachbarnkriege' crleutert,

31. SeylTerl: Leseslücke. 543

wo doch richtiger Kriege zwischen Verwandten zii sagen war, wie 210 beweist: ^ hinc coniunx ^ hinc pater arina fenct''. Im folgenden Stücke S. 72 zu Fast. II 649 Ulum sicco primas irrilal cor- tice flammas' wird angemerkt: 'die Kinde des Korkbaums (siihcr) diente statt des Seh warn nies', wofür an dieser Stelle keine pas- sende Beziehung vorliegt. Auch am Schlüsse wird zu v. 678 ^ Cla- 7iialo, Tuus est hie ager , ille suus die Bemerkung: 'er gehört sich, er hat seinen eigenen Herrn' für diese Stelle nicht genügen. Es hätte vielmehr in der Kürze erwähnt sein sollen, dasz der epischen und lyrischen Poesie die blosz logische Beziehung eines eins oder eorum fremd sei, und dasz sie dafür das Pronomen smms gebrauche. So hier und S. 97 sua maier ^ S. l4l sua arhor (auf ramos bezüg- lich, nicht im Gegensatz des pfropfens), wo ebenfalls unpassende Bemerkungen stehen. Wo von der Lucretia S. 78 in Fast. II 833 gesagt ist: ^ iam nioriens^ ne non procumbat honesle, respivit'^ wird wie in den Commenfaren bemerkt: "honeste, dem decor malronalis angemessen'. Allein das ist eine zu enge Erklärung; denn sie passt nicht auf Jungfrauen, bei deren Tode die alten mit ihrer sittlichen Grazie denselben decor zu erwähnen pflegen: einige Beispiele gibt Köchly zu Quint. Sm. A 624. Es hätte daher allgemeiner die morientium svaxtji.io6vv)j erwähnt sein sollen. Die Bemerkung über den Laurens aper S. 80 passt nicht genau zum Texte, in wel- chem man silvis Laurentibus liest, und die Schlusznole wäre besser in eine Frage einzukleiden, was Hr. S. an anderen Stellen auf zweck- mäszige Weise gethan hat. Nur eine einzige Fragstellung auf S. 93; ^prelium vehendi als Apposition zu fassen, verbietet was?' ist aus der mündlichen Nonchalance in den schriftlichen Stil zu übersetzen. Angaben wie S. 81 '^ deos aliqnos, nicht einige, sondern gar nicht übersetzt', sind gefährliche ßrachylogien, die man besser vermeidet. Was Ovid sagt: ^ piitant aliquos scilicet esse deos\ entspricht ganz unserm 'dasz es irgend welche (oder irgendwie) Götter gebe.' Bei der Rettung des Palladium S. 83, wo in Fast. VI 450 Metellus ^ Ignoscile, dixif, Sacra, vir inlrabo non adeunda riro', meint Hr. S. 'Ob zu adeunda dieselben Sacra zu denken, oder ob das Neutr. Plur. , wie oft, vom Orte steht, bleibt zweifelhaft.' Wol nicht, sondern sacra heiszt hier einfach: das Ileiligthum mit seinem Inhalt, was ganz zum Charakter des Dichters passt. Das specielle folgt erst mit dea rapla. Bei der Reise der Göttermutter nach Rom wird S. 84 aus Fast. IV 282 erwähnt: ^ Quaque Carysteis [rungilur unda vadis' blosz mit der Note: ^ frangitur , sich krümmt'. Kann frangi in solcher Verbindung 'sich krümmen' bedeuten? W'w hängt es grammatisch mit Carysteis vadis zusammen? \^'er hat auszerdem unter den alten Caryslea vada erwähnt? Das sind Fragen, die einen zwcifellialt machen; man erwartete wol naiurgemäszer einen Bcgrill" wie petris, oder nach Ovidischcr Spielerei cadis in Bezug auf den vorzüglichen Wein. Der Raub der Proserpina S. 96 beginnt Fast. iV 420 mit ' Trinacris, a posiln nomeu adepla loci\ wozu man ange-

544 M. SeylTert: Lesestücke.

merkt fiiidet: ^posilu^ in seltener Bedeutung: Gestalt'. Kennt Hr. S. noch eine zweite Stelle, wo positus wirklich die Gestalt bedeutet? Ich denke, dasz ein Römer überall nur an die natürliche Lage gedacht habe. Für Gestalt hätte der Dichter an derselben Stelle wol forma gesetzt. Die Benennung Nisaei canes von der Skylla S. 99 Süll nach dem Vf. 'aui" einem mylhoiogisclien Irllium Ovids' beru- hen. Aber das ist eine kühne Annahme, wenn sie auch in den Com- mcntaren allgemein sich findet. Man wolle doch die schöpferische Freiheit der Sagenwelt unangetastet lassen! Bei Homer ist Skylla Tochter der KQavaug, in der Heraklessage, wo sie ein Rind des Ge- ryon entralTt, erscheint sie als Tochter des Phorkys und der Hekatc; Stesichoros nennt sie in dieser Diclitung Tochter der Lamia; Tochter des Nisos endlich wird sie in der altisch-mcgarischcn Paudioniden- sage genannt. Und bei so bewandlen Umständen redet man von ' my- thologischem Irllium ' der Dichter, unter denen sich Leute wie Ovid und Vergil betinden? Dieselben folgen vielmehr mit ßewusisein der attisch-megarischen Pandionidensage, wahrscheinlich weil dieselbe im römischen Volke der damaligen Zeit die bekannteste war. Von den Wanderungen der Ceres in der Luflregion, um ihre Tochter zn suchen, heiszt es S. 102 aus Fast. IV 569. ^ Nam modo turilegos Arahas^ modo despicü Indos'. Hier wäre ein Wink nicht überflüssig gewe- sen, da Lachmann zu Lucret. p. 236 behauptet, dasz despicere mit dem Accus, nur in verächtlichem Sinne gesagt werde. Dasselbe Ver- bum hat auch v. Jan zn Macrob. Saturn. I 6 15) behandelt. In Trist. I 2 63 meint Hr. S. auf S. 110,1. dasz der Dichter mit ^ non ut zum Hauptgedanken v. 60 zurückkehre. Einfacher wird man wol non peto ut (nicht strebe ich darnach, dasz) zu verbinden haben, zumal da petunt gleich wieder nachfolgt. Im Abschiede von Rom Trist. I 3 33, wo ^ Düjue relinqueiidi^ qnos urbs tenet alta Qitirini''^ deutet der Vf. 'alta, wol bildlich für ainpla\ Aber die Plastik wird mehr ge- wahrt, wenn man den hochgelegenen Stadttheil versteht, weil man diesen bei der Entfernung am weitesten sieht. Diese Deutung lindel auszerdem in Trist. I 3 29 u. 30 auf S. 112 eine Stütze. Wo Ovid S. 111 von sich selbst sagt: '^ Ä culpa facinus scitis abesse mea', war auf Nr. 19 38 zu verweisen, weil dort die beiden Worte erklärt werden. Was der kranke Dichter an seine Gattin schreibt Trist. III 3 21 ' Si tarn deficiam supprcssuque limjua palatu' etc., wird S. 117 commentiert 'palalo, iicmlich dt'fecto'' und dies MCürzc der Ausdrucksweise' genannt. Aber die Sprechart 'res pro rei de- fectu' wird wol richtiger ins ('apitel der Praognanz gehören, weil dabei immer ein Wort in der dermalon vorhandenen Beschaifenheit seines BegrilTes, oder eine Sache in dem Zustande gedacht wird, wie sie eben erscheint, wenn die im ganzen Salze erwähnte Handlung oder Wirkung eintritt. Nach dieser fornjellen Seile hin sollte man jedesmal eine kurze Note gestallen, aber nicht mit Ergänzungen da- zwischen treten. In v. 49 hat der Text den Druckleliler frusta statt f'rustra. Unter den FrühlingsIVeuden in Rom schweben der Pliaii-

M. SeyUert: Lesestücke. 545

tasie des verbannten Dichters Trist. III 12 20 vor: ^ Ntinc pila , nunc celeri voltitiir orhe ti'Oclms\ was S. 122 folgende Note erhält: ^ nunc pila., macht einen Satz, für sicli, ncmlich est, indem das Ballspie I gemeint ist, wie die Instrumcnlo des Spiels sehr häufig für das Spiel selbst stchn'. Das scheint mir eine complicicrte und zu wenig poe- tische Erklärung zu sein. Viel natürlicher im Geiste der Poesie wird man ein leichtes Zeugma annehmen, indem aus volvüur zum vorher- gehenden pila ein iacilur oder ludilur sich von selbst ergibt, wie üvid anderwärts olcä ludilur sagt. Diese Deutung hat auch dadurch eine Stütze, dasz ^levibus nunc ludilur arm/s' unmittelbar vorher- geht, zu welchen Worten (nebenbei gesagt) die gegebene Erklärung ' Ici'ibus armis\, rudibus' dem Schüler viel leichter misvcrsläudlich ist, als der Text selbst. Ovid sagt von sich selbst Trist. IV 10 19. '^ At mihi iam puero caeleslia sacra placebant', was S. 125 ge- deutet wird : ^die heiligen Häumo des Himmels (Honi. 11. II 484) im Gegensatz zum geräuschvollen Forum'. In diesem Sinne hätte der Dichter wol eher caeleslia regna gesagt, wie Nr. 13 v. 15; cael. Sacra dagegen wird einfach sein: die himmlischen Opferdienste, d. i. die göttliche Poesie, im Gegensatz zu den irdischen ßrodsludien. Warum v. 59 (v. 61) zu ^ quae viliosa putavi' blosz beigeschrieben ist ^ diclorum petulantia', ist mir nicht deutlich, da Ovid selbst Trist. I 7 20 noch einen zweiten Grund angeführt hat. Auch Nr. 24 v. 1 steht viliosa in allgemeinerem Sinne. In Amorum lib. III 9 auf den Tod des Tibull, S. 138 IT., scheint v. 7, 8 dem Ovid Bio epitaph. Adonid. v. 82, 83 vorgeschwebt zu haben. In Kemcd. Amor. v. 192 heiszt es vom Landmann: ^ Et lonsnin raro pectine verrit humum'', wozu S. 141 hemerkt ist: ^ tonsam, die durch jälen vom Unkraut ge- reinigte Erde'. Kann dies in tondere liegen? Mir scheint tonsam raro humum den selten gemähten, also üppig bewachsenen Wie- sengrund anzudeuten. In der ersten Ileroide v. 2 hat Ilr. S. die Interpunction von llcinsius: ^ JSil mihi rescrihas allamen: ipse veni' beibehalten und findet die Stellung des '■altamen und das Asyndeton ipse veni ^ bezeichnend für das ernstliche und dringende des Wun- sches'. Möchte wol zu gesucht sein und dem einfachen Gefühle wi- derstreben, mit dem man schon nach dem Rhythmus hinter rescribus die Interpunction erwartet. V. 10 wird von der Penelope ihre 'pe/i- dula tela' erwähnt, was bedeuten soll: "^ der Aufzug beim Gewebe, der immer auf- und niedergeht'. Wie aber der BegrifT einer stetigen Bewegung oder eines thätigen Zustandes hineinkomme, ist mir nicht klar: ich kann darin nur einen plastischen Ausdruck, die nach Sitte der alten he ra bh ängen de oder p e rpen d icu lär au f- ge z 0 gen e Werfte erkennen. Bei v. 6'd ISeleia Nestoris arva hätte eine Erinnerung ans homerische Niihjiog TlvXoq ausgereicht. Was Penelope v. 110 schreibt: ^ Tti cilius venias, porlus et avra Inis', bleibt bei aller poetischen Erklärung des ihn. S. doch ein auffälliges ]}ild, weil sich Penelope mit den ihrigen nicht auf der Reise befindet. Ansprechender scheint mir die bei Jahn erwähnte Variaute ara, wo-

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mit zu vergleichen ist Pont. II 8 68 * Vos erüis nostrae porfus cl ara fugae^. Heroid. X 15 schreibt Ariadne an Theseus: ^ Protinus ad- ductis sunuerunt pectora palmts', was S. 147 erleutert wird: 'mit geballten Fausten', llciszt denn adducere halfen? Es kann doch im wesentlichen nicht anders gesagt sein als v. 100 "^ Fila per addii- clas saepe recepla manus\ Was sie v. 50 meldet, wie sie aufs Meer hinschauend eiskalt auf dem Felsstein gesessen habe ^ Quamque lapis sedes, tinn lapis ?psa fui' ■, das halte wol wegen des ungewöhnlichen Gebrauches von quam. . . tarn statt quemadmodum . .. ita einen Wink verdient, zumal da die Handwörterbücher diesen Sinn der Partikeln nicht erwähnen. Aehnlich wie hier stehen dieselben bei Cic. ad Q. fratr. 12 3. ^ Atqiie eijo haec tarn esse, quam audio., non pu(o\

Nach den Abschnitten aus Ovidius folgen fünf Elegien des Ti- bullus (I 1, 3, 7, 10. II 1), ebenfalls mit zweckentsprechender Er- klärung. Bei der Veränderung der Construction 17 15. ^ Quanlus frifjidus intonsos Taurus alat Cilicas?' auf S. 162 konnte die oben berührte Stelle zu S. 110 erwähnt werden. Denn dort haben wir für pelu dieselbe Verbindung wie hier für canarn. Wenn sodann zur Er- läuterung ganz allgemein 'das sonst un cn 1 ti v i e r te (^intonsiis) Bergvolk' beigefügt wird, so ist in das Wort wol etwas zu viel hin- eingelegt: es scheint vielmehr ähnlich gesagt zu sein wie II 1 3-i. ^Ef. maf/7ia iiitonsis rjloria Victor avis^. Zu v. 26. ^ Arida nee pJuvio sup- plical herba lovi' dürfte die Note ^ Arida gehört natürlich mit unter die Negation nee' mindestens unnöthig sein, da wir in demselben Sinne reden: 'Und nicht lieht dürres Kraut zum regnerischen Juppi- ter', sobald wir den bestimmten Artikel weglassen. Daher hätte ich für diese Note lieber zu piuvio lovi den hippiter uvidus Verg. Georg. I 418 und (was auch Ladewig dort beischreiben könnte) Zevg lh- fiaiog Ap. Rh. II 522 verglichen. Denn von den Alexandrinischen Dichtern haben die Römer diese Vorstellung entlehnt. Der Ausgang des Verses 1 10 15 lautet: ^aluistis et iidem'. Ist diese Schreibweise Absicht oder Zufall? Ein Wink für Schüler möchte nicht ganz ent- behrlich sein und wäre es auch nur ein Citat von Zumpt § 132 Anm.

Auf TibuUus folgt Lucanus Pharsal. Lib. I v. 121 ff. über die Ursachen des Bürgerkriegs zwischen Pompejus und Caesar. Da liest man S. 175 die Erklärung: ^ dedidicit ducem, abstract für ducts partcm', was wol richtiger mit dem Namen praegnant zu bezeich- nen war. Zur Charakteristik des Caesar gehören die Worte: ' 5mc- cessits urgere suos , inslarc faiwri I\'u7ni7iis'' etc., denen folgendes zur Erläuterungen beigegeben ist: ^ ISuminiSj das Glück ist die Göttin Caesars'. Kann Numcn^ so absolut gesetzt, Glücksgöttin bedeu- dcn ? Müsle nicht wenigstens sui oder ein ähnliches Attribut dabei- stehen? Mich will bedünken als wenn hier Hominis zu lesen wäre in dem Sinne: 'auf seinen populär gewordenen Namen sich stützen, darauf weiter fortbauen'. Dies schiene mir für die ab- slractere Sprechweise Lucans nicht ungeeignet zu sein. Uebrigens

M. SeylTert: Lescstiicke. 547

liälfe aus Liicanns noch das schöne Stück über Hercules und Aiilaeiis liiiizukominen küiiiien.

Der Iclzte gröszcrc Abschnitt ist aus C. Silius Italicus Puni- corum lib. XV 1 132 entlehnt und hat zum Gegenstande Scipio am Scheidewege, vor seiner Walil zum Feldhcrrn für Spanien. Zu v. 23 heiszt es: ^Achaemeit/um, eigentlich mcdisch,' wo richtiger per- sisch zu sagen war, wie die Forlselzung der Note selbst beweist. V. 26. 'Fru/ile decor (juaes/lus acii^ wird erlcutert: V/cm, eine Haar- nadel zum Schcileln der Ilaare.' Nach dem Zusammenhang aber scheint niclit das Instrument, sondern der Schmuck der gröszern goldenen Haarnadel gemeint zu sein, wie bekanntlich schon die alten Athener diesellaartracht hatten. Zuv.30 ^laetiquepndoris^ liestman fol- gendes: 'laelns pudor ist die gefällige, mit Freundlichkeit des Wesens verbundene Scham im Gegensatz der Prüderie, den (?) piidor snb- rusficiis.'' Ob aber die allen Kömer Scham und Prüderie so fein distinguiert haben , läszt sich bezweifeln. Am einfachsten ist wol laeliis in aclivem Sinne zu fassen. V. 57 wird dem Schüler das Verständnis erleichtert, wenn man nach idem und oew« Kommata setzt. Für den Gedanken v. 76 78 wäre aus Erneslis Commentare auf zweckmäszige Weise ^ Cic. Tusc. I 30' zur Vergleichung beigeschrie- ben worden. V. 88 f. ist so interpungiert: Mrf laudes gentium, ca~ piat si viunera dicum, felix ad laudes hominum genitum', und also erklärt: ''Ad laudes genitum ist Attribut zu hominum genus, felix ad landes dagegen Praedicat, wozu die Bedingung gehört: wenn er das Geschenk der Götter benutzen will; ad landes in Beziehung auf die Ehre.' Das gibt aber eine so gekünstelte Construction und einen so auffälligen Gedanken, dasz man sicherlich zur früheren Interpunction nach felix zurückkehren wird: wenn es glücklich die Geschenke der Götter erfaszt. Der prächtige Gedanke v. 94 f. ^Quippe nee ira deum tantum nee fela nee kostes, Quantum sola noces aniniis illapsa, Vo- luptas'' hat seinen besten Commenlar, den ich hier zur Vergleichung beschreiben Avürde, in Livius XXX 14 ^non est, non {mihi crede) tan- tum ab hostibus armatis aelati nostrae periculum guanlum ab circum- fusis undique toluptatibus.^ Dies stimmt auch zugleich zu v. 125 ff.

Den Schlusz der Lesesfücke bilden 24 Epigramme aus 31 ar- tial und derAnthologiaLatina, wozu folgende Kleinigkeiten bemerkt sein mögen. Zu No. 2 ^Achilles' v. 10 ^ cum pressi hostilem humum' ist bemerkt: ^Verwandt hrermit ist die homerische Phrase von fallenden Helden oöaS, la^ea&ai, yaiav, wie Vergil übersetzt: hu- mum ore mordere.' Aber die erwähnte Thrase von fallenden Helden'' findet sich bei Homer nur B 418, dagegen fünfmal oöa'^ ekclv ovöag, und dies hat Vergil übersetzt [welche Kleinigkeit auch Ladewig zu Aen. XI 418 beachten könnte]. Die Worte in No. 4 'De Xerxe' v. 3 ^ soletn texerc sagitlae' werden also gedeutet: 'der Glanz des Him- mels muste vor seinen Geschossen erbleichen; Erde und Himmel, will der Dichter sagen, waren ihm untertlian,' welche symbolische Deu- tung wol zu gelehrt sein dürfte. Einfacher ist die Annahme, dasz

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dem Petronius die bekannte Anekdote vom Leonidas vorgeschwebt habe bei Plut. T. II p. 225 B «tto rcov 6'C6TSVf.iccr(ov rav ßiXQßdQcov ovöe xov i'iXlov iShv e6vtv v.xX. Die letzten Worte des Epigramms '^Certe sub love tiiundus erat', die andeuten sollen '^dasz Xerxes Er- scheinung als die des leibhaftigen Juppiter erklärt wird', habe ich im- mer so verslanden, dasz darin eine leise Andeutung von der Nieder- lage des Xcrxcs enthalten wäre in dem Sinne: '^Entschieden ist, dasz die Welt unter Juppiter stand, der nemlicli die Hellenen beschützte'. Für diese Deutung scheint mir der ganze Ton zu sprechen. Ueber Mart. IV 4i. 'De Vesuvio', wo v. 6 lautet ^ Hie locus Herculeo nu- vünc clarvs erat' ^ gibt Hr. S. die Bemerkung, dasz sich dieser Pen- tameter 'auch auf das von dem Gölte benannte Herculanum, welches mit Pompeji und Stabiae verschüttet wurde, zugleich zu beziehen scheine'. Diese Beziehung liegt nahe; nur würde dieselbe durch die Lesart nomine schärfer hervortreten. Zu Nr. 15 (Mart. I 15): *0 mihi post nullos, Ulli, memorande sodales' konnte auf den gleichen An- fang S. 115 hingewiesen werden, auf jene 'Freundschaft im Unglück' Trist. 1 5, für welche mit dem Eingange ^0 mini post ullos nunquam memorande sodales' bis zum achten Verse hin Töne erklingen, wel- che tief, tief in die Seele greifen, zumal da Hr. S. das Distichon ^ Scis bene, cui dicam , positis pro noinine signis' etc. wegen seiner zarten Beziehung auf süszbiftere Erinnerung mit gutem Grunde über- gangen hat.

Hiermit genug. Das angeführte wird ausreichen, um dem geehr- ten Verfasser das gleich anfangs erwähnte Interesse zu beweisen, mit dem ich sein Buch gelesen habe. Noch hat das Vorwort neben vielen unbestreitbaren Wahrheiten einige Sätze gebracht, bei denen man stark versucht wird, dem gelehrten und poetischen Vorredner als offener Gegner ins Auge zu blicken. Und diese Versuchung liegt um so näher, weil man einem Seylfert gegenüber frisch von der Leber weg sprechen darf, ohne seine Ueberzeugung mit den Fesseln diplomati- scher Courtoisie zu umkleiden. Da indes manches von der Hauptsache, die eben besprochen wurde, zu weit abführen würde, so will ich mir nur ein paar einzelne Bemerkungen erlauben. Auf S. VIII lesen wir unter anderm folgenden Ausspruch: 'die technische Meisterschaft und die ethisch-nationale Tiefe des Vergil sind wol geeignet, die Kenner (die selbst unter den Lehrern zu zählen sind) mit Bewunderung zu erfüllen, für die Meli r zahl un ser c r .1 ü ngl inge aber bleiben sie ein fremdes und unempfundcnes, an dem sie in der Regel nur die Fertigkeit des überselzens üben'. Ob das Urlheil über die 'zählbaren Lehrer' wahr sei, wage ich nicht zu cntsclieiden : es kann sein, es kann auch nicht sein. Aber die 'Hegel' dasz Vergil 'für die Mehr- zahl unserer Jünglinge ein fremdes und unempfundcnes bleibe', das ist meiner Ansicht nach die Misere der gegcuwürligen Mclliodik. Freilich darf die ' tcclinisclio Meisterschaft und clliiäch- nationale Tiefe' beim nnterriclitcn nicht weiter gehen, als die Capacität unse- rer Jugend. Denn das 'c///er pueri Icf/unt Cornelium , alitcr IIu;/o

M. Seyfferl: Leseslücke, 549

Grotius^ gilt ohne Aiisnalimo von siiinlliuhcn Aulorcn. Audi die E le- gi ker erfordern zum vollen VcrsUindnis gar nianclie Erfahrung, die der Jüngling noch nicht hesitzt. Und wenn wir die künstlerische 'Meisterschaft' des genialen Verstandes nnd die Miefe' Kni[)llndung psychologisclier Silualionen, wie beides nur vom eigenlliciicn Gelehr- ten erfaszt werden kann, in den Vordergrund des Schulzitdes stellen: so haben wir über Elegie in der Idealität dasselbe Urlheil zu fallen wie über Vergil. In der Wirklichkeit dagegen haben Epiker, wie Homer und Vergil, für die jugendliche Seele eine fesselnde Kraft, wenn der Lehrer in den Schulstunden was die Hauptsache ist nicht nach alter Väter Weise interpretiert oder 'nur die Fertigkeit des Übersetzens übt', sondern die zum paedagogischen Ziele führen- den Uebungen vornimmt. Es möchte daher für die Praxis der Schule gerechten Bedenken unterliegen, das Vergilische Epos den Elegikern nachzuselzen. Man nuisz das eine tluin und das andere nicht lassen, wird auch hier die alte Wahrheit heiszen.

Eine zweite Bemerkung beziehe sich auf S. IX, wo folgende Sätze stehen: '31an hat den Schülern den Gradiis ad Parnassum ge- nommen und ihnen die Grammatik gelassen, das heiszt, man hat den iMorgenduft verscheucht, um eine Sonnenklarheit zu erzeugen, deren trockne Gluth das jugendliche Naturell nicht vertragen kann. Unser Feind hat unsere empfindlichste Stelle zu treffen gewust: es ist ihm gelungen, uns de Gradu deiicere'. Das ist eine prächtige Sprache poetischer Anschauung voll prosaischer Wahrheit! Aber einige Zu- sätze wird sie doch zulassen. Wer hat denn der Jugend den Gra- du s 'genommen'? Doch nur der Lehrer: ein Verbot der Behörden ist mir nicht bekannt. Wer aus eigener Erfahrung weisz , dasz zum gründlichen Dichlerverstiindnis auch einige poetische Uebungen als Probe des Exempels und als praktischer Maszstab gehören, und dasz dazu der Gradus ein untergeordnetes Hülfsmittel sei, dem ist er belassen: wiewol ich offen gestehe, dasz ich den 'Morgenduft' des- selben niemals gekannt habe, weil mein Lebensweg von einem ande- ren Klima umgeben war. Was sodaun die 'Sonnenklarlieit' der Gram- matik betrifft, so hat dieselbe einerseits sehr starke Schalten und düstere Stellen, indem niemand aus bloszer Grammatik eine Sprache erlernt; andererseits aber wird die 'trockene Glulh' dersel!)en zur verderblichen Lohe, die jede Begeisterung der jugendlichen Seelen versengt und verbrennt. Grammalische Lehre und grammatischer Tact müssen durch vielfache Uebung und Anwendung gewonnen werden, nicht durchs abstracte Regelwerk irgend eines grammatischen Sy- stems. Denn dieses wirkt ebenso ertödtend, als die regellose Willkür aesthelischer Phrasenmacher. Sollen die alten im ganzen und groszen nur ein abgetödteler Stoff der Grammatik bleiben und sollen sie nicht mehr zur Zucht des Geisfes und Bildung des jugendlichen Charakters das ihrige beifragen, so ist der Stab über dieselben für die Schule gebrochen, und die Schulzreden der Paedagogen werden das so we- nig ändern, dasz vielmehr durch dieselben die Sachlage nur um so

550 M. Seyfferl: Lesestücke.

schärfer hervortritt. Denn 'unser Feind', den Hr. S. am Schlüsse erwähnt, hat es keinesweg-s auf paedag-ogische Hülfsmiltel oder 3Iasz- regelu der Methodik abgesehen, wie aufs ^ de Gradu deiicere' mit Majuskel und 31iuuskel, sondern auf gänzliche Vernichtung. Und die- ser Feind hat in allen Kreisen seine Kriegsknechte angeworben, die jetzt als Ilasldti^ Principes und Triarii mit glänzender Rüstung ge- genüberstehen. Denn wie Lübker (^die christliche Erziehung in den höheren Schulen' in Geizers Protestant. Monatsblältern, April 1855 S. 226) mit Recht bemerkt ' in der heftigen Bekämpfung der classi- schen Studien reichen sich der Materialismus, die Demokratie und der Pietismus von den entgegengesetztesten Standpunkten aus die Hände, um ihrer unversöhnlichen Feindschaft wider jene geistige Macht durch die gehoffte Vernichtung derselben eine Genuglhuung zu bereiten'. Daher dürfte im Angesicht solcher Gefahren ein ^ de Gradu deäcere'' schwerlich 'die empiindlichste Stelle tretfen'.

Der Vf. fährt an der letzteren Stelle also fort: 'Wollen und kön- nen wir die alte Position in der pafaestra Mtisarum nicht wieder erobern, so laszt uns wenigstens von dem Anhaucii der fremden Muse gekräftigt werden, laszt uns diese Lieder, diese Elegien zu einem dauernden Eigenthum unserer Schüler machen'. Wird aber mit dem bloszen 'Anhauch' ohne vielfache Uebung und Anwendung nimmer- mehr möglich sein. Man Versuches und sei so gutig den Ort zu nen- nen, an dem man die Früchte linden und prüfen könne. Allerdings ist 'die alte Position in der palaestra Musarum\ die doch auch ihre sehr schwachen Seiten hatte, nicht 'wieder zu erobern', aber man musz sich eine neue Position verschallen, die die Vorzüge der alten mit der Forderung der Neuzeit vereinigt. Doch darüber läszt sich auf blosz theoretischem Wege keine volle Verständigung herbeiführen. Der vielfach vernommene Einwand, unsere heutige Jugend könne sich nicht mehr so in die alten vertiefen, dasz sie im Stande sei, etwas prosaisch oder poetisch zu reproducieren, dieser Einwand heiszt, in die Praxis übersetzt, nichts anderes als: unsere Gymnasialjugend soll vom vollendeten Formsinn der alten nur so viel lernen, als etwa eine Katze auf dem Schwänze davonträgt. Jlan ist in der That be- gierig, das wirkliche Textverständnis altclassischer Autoren, was na- türlich die Haupisaclie bleibt, auf solchen Gymnasien kennen zu ler- nen, deren Schüler bei der Abiturientenprüfung zu Lug und Trug ihre Zuflucht zu nehmen gezwungen sind.

Hr. ScylTert sieht das Heiimiltcl der gegenwärtigen Gebrechen in dem Pr i va Is t udi um nach der von ihm (reiflich entwickelten Methode. Ich hab"'s vermeiden wollen, die scharfen Kanten der Op- position von neuem hervorzustellen, aber die Feder ist ganz asKOvzi ye o^uficö in diese Klippe gerathen, und so mag sie sich auf ihre Weise heraushelfen. Das erste ist der Schreck über die Massen der Pri- vallectüre, die Hr. S. in Vorschlag bringt, und das zweite der Trost, dasz diese Mas.sen für jetzt nur papierne Existenz beanspruchen können. Oder irre ich mich? Dann bitte ich um Belehrung durch

M. SeyfTerl: Leseslücke. 551

Thalsaclien aus der Gegenwart. Glaubt Hr. S. wirklich, dasz die Bewiilligung dieser Massen von unserer heutigen Jugend 'in freier Selbslbeslininuing' zu ermöglichen sei? Um diesen Glauben kann ich ihn aulVichlig beneiden: ich kann ihn aber nicht theilen. kleiner An- sicht nach gehörte dazu die alte Pforte mit dem aUcu II gen; oder ein deutscher Fürst müste die Idee erfassen, ein neues Gymnasium zu gründen, um auf ganz neuer Grundlage durcii geeignete Lehrer und Erzieher die gezeichnete Melliode von neuem ins dasein zu rufen. Nur müste die Anstalt vom \^'eltveikehre entfernt liegen. "NMe dage- gen die realen Verhallnisse einmal gestaltet sind, treten Mächte ent- gegen, die keines Jlenschen Gewalt zu verändern im Stande ist. Wir wollen uns dieselben besehen: erstens den Materialismus. In einer Gegenwart, wo Dampfwagen die Welt durchbrausen und das Räder- werk der Maschinerien immer lauter ins Ohr fällt, hat die Jugend keine Zeit mehr, Kreuz- und Quergänge zu machen auf eigene Faust, so bildend dies auch immerhin sein kann, sondern der Lehrer musz sie an die Hand nehmen und auf dem kürzesten und sichersten Wege zum Ziele führen. Hauptsache ist, dasz der Lehrer keine Zwangsmit- tel anwendet, sondern immer und immer Interesse erweckt, damit (um Seyffertsche Worte S. XI zu gebrauchen) 'die Unmittelbarkeit des Genusses und die Frische des Reizes bei der Leetüre' möglichst ge- wahrt bleibe. Weidmannsche Ausgaben sind dazu ein sehr unterge- ordnetes Ilülfsmittel: der Enthusiasmus, den Hr. S. VI IT. dafür hegt, wird niemals der meinige werden. Denn der Schüler, der einen Text der Teubnerschen Sammlung mit ' der Unmittelbarkeit des Genusses' zu lesen versteht, hat mehr gelernt, als wer noch der Hülfe eines guten Commentars bedarf. Kurz heutzutage gilt^s, nicht in sentimen- talen Elegien zu klagen oder in Büchern das Heil zu suchen, sondern dasz kräftige Männer die gegebenen Zustände rüstig ergreifen und dem paedagogischen Zwecke dienstbar machen. Das heiszt für unsere Zeit res sibi subiicere, non se rebus. Man beachte zweitens den Charakter der Jugend. Es ist ein eigenes Ding das, nemlich mit dem Urtheil über die Jugend: jeder hat seine eigene Ansichten. \A'as ur- theilt Hr. S. darüber? Bei dem ' selbständigen Privatstudium' musz er auf dieselbe ein groszcs Vertrauen setzen und doch lesen wir S. IX über die heutige Jugend folgende Worte: 'Wenn ich jetzt die Räume der Schule durchwandle und das treiben unserer Gymnasial- jugend betrachte, bcschleicht mich stets ein Gefühl der tiefsten ^^'eh- mut. Statt des belebenden Hauches poetischen webens und Schaffens geht e i n G e i s t der Dumpfheit und d e s 31 i s b e h a g e n s durch die Säle, und statt der schallenden Flügelschläge des himmelwärts steigenden M.usenrosses hört man fast nur die bleiernen Schritte des stolpernden Gaules, der in den engen Bahnen des prosai- schen gyrus sich abarbeitet, bis ihm zur glücklichen Stunde ein ^ solve senescenfem' Erlösung bereitet'. Wenn ich die starken rheto- rischen Hyperbeln abziehen darf, so mag darin ein Stück prosaischer NN ahrheit liegen ; aber die volle Realität solcher Behauptungen kön-

iV. Jahrl). f. Phil. u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 11. 41

552 M. Seyfferl : Leseslücke.

iicn mnn vcrzeilie dem sliirmischen Drange der Ueberzeiigiing könneil nur Leute kennen, welchen die Gymnasien ganzer Länder strecken ans eigener Einsiclit bekannt sind. Was folgt aber ans der von Ilrn. S. behaupteten ^A'ahfheit, selbst wenn sie in gröszerem Um fang begründet sein sollte? Meiner Ansicht nach nichts anderes als die einfache Frage: eine solche Jugend soll durch selbständige Pri- vatleclüre wie durch einen Zauberschlag sich umwandeln lassen? Glaub''s wer kann !

Behauptung ruft die Gegenbehauptung in die Schranken. Dio meinige heiszl: die heulige Jugend der Gymnasien kann im aliclassi- schcn mehr leisten, als in irgend einem Zeitraum der Vergiiitgenhoil möglich war, wenn man sie richtig anfaszt. Ueberschätzung dersel- ben und maszloses Vertrauen ist nicht der Weg, der zum Ziele führt. Freilich heiszt ein weitverbreiteter Grundsalz der Paedagogik: ^ qui- vis praesumitur homis^ ^ der meinige ist er niemals gewesen. Ich habe eine Jugend für solchen Grundsatz weder als Schüler, noch als Student, noch als Lehrer in der Mehrzahl kennen gelernt. Mensch- lich mag der Grundsatz sein, aber er ist nimmeruiehr christlich: das ist mein drittes Bedenken gegen das 'selbständige Privalstu- dium ' der alten. Die Sünde wohnt tief in dem menschlichen Herzen und macht sich bei der Jugend in allen Schattierungen geltend. Deut- sche Leetüre und ähnliches Amüsement wird die jugendliche Seele gefesselt halten : aber eine Sache, welche die S ch ö nh ei t erst hin- ter der Schwierigkeit hat, werden aus eigenem Antrieb von hun- dert Schülern nicht zehn übernehmen. Da ist die Sünde des natür- lichen Menschen zu mächtig. Man spricht viel vom christlichen Leben und chrisilichcr Wirksamkeit in den höheren Schulen, seitdem man %ca ^^o%i]v das 'christliche'' Gymnasium bat: wie sicli aber Zuclif nnd Unterricht praktisch gestalten müssen, wie mau insonderheit alte Sprachen vom christlichen Standpunkte aus zu betreiben habe, in diesem Capitel ist man kaum über die allerersten Anfänge hinaus- gekommen. Denn ein paar gutgemeinte Vorschläge paedagogischer Schwäche und einige Tiraden der Mode aus Liebedienerei können füg- lich ihrem Schicksal überlassen bleiben. Vieles trägt hier den Cha- rakter der Zeil. Das christliche Bekenntnis des Mundes wird stark pointiert und begegnet uns auf allen Wegen und in allen Schat- tierungen, sei es als einfache Sprache ehrlicher Herzen, sei es in berechneten Formen diplomatischer Umsicht, sei es in den plumpen Metaphern zelolisciicr Hoheit: aber das Bekenntnis des Lebens, die Anwendung nnd Probe des erstem, darüber ist häufig 'das reden Silber, das schweigen Gold'.

Von den vorstehenden Bemerkungen, die mit dem besprochenen Buche nur in entfernter Beziehung slelion, kehre ich schlieszlicli zur Hauptsache zurück. Hr. S. wird seiner Ucberzengung folgen, ich der meinigen. Aber trotz aller scharfen Kanten und Ecken der Opposition bin ich dennoch sein inniger Verehrer. Unsere Dilferenz bei diesen Lesestücken steht auf dem Titel: Hr. S. legt das Schwergewicht auf

Cavedoni: bibl. Numismatik. Uebers. v. Werlhof. 553

seine Woric 'zum Privafsfudium', ich auf den Zusatz 'oder auch zum ölTeiiflichen Gebrauch'. Wie doni auch sein niög-e, ob das Wasser der Uealilät dem Feuer seiner Ideaiilat eine Dämpfung- bereiten werde oder niclil: den Hauptzweck des ßuclies, dasz der poelisclie Theil 'um es kurz zu sagen die Lücke ausfüllen soll, welche die Weid- mannsche Sammlung gelassen hat' (S. VII), diesen Hauptzweck hat Hr. S. vollkommen erreicht. Und wer als Schulmann den Werth der lyrischen Poesie für die jugendliche Bildung zu würdigen weisz, der wird gewis nach genauerer Prüfung den Schlusz aus der pracht- vollen Dedicalionsepistel ^ Ad libnim' also modulieren können:

^ Seyfferli ratis in cursu est: mudulamine mcta Unda favens cedit. Grate Libelle^ venu' Mühlhausen. K. F. Ameis.

8ä.

Biblische Numismatik oder Erklärung der in der heil. Schrift erwähnten alten Münzen von Dr. Celestino Cavedoni. Ans dem Italienischen übersetzt und mit Zusäfz,en versehen von A. von Werlhof, könialich - hannoverschem Ober- Appellalionsrathe. Mit einer Tafel Abbildungen. Hannover. Hahnsche Buchhandlung. 1855 (X u. 163 S.).

Hr. Ober- Appeüationsrath von Werlhof, der Ueberselzer und Bereicherer des Cavedouischen Werkes, der in der gelehrten Welt einen wolbegründeten Kuf als Numismatiker genieszt, hat demselben auch durch die vorliegende Arbeit entsprochen und sich bei der ver- Iiältnisniäszig geringen Verbreitung italienischer Sprachkennlnis in Deutschland, besonders im nördlichen, kein unbedeutendes Verdienst um das gelehrte wie um das gebildete Publicum seines Vaterlandes überhaupt erworben. Denn wahrend sie für jenes eine Quelle der scharfsinnigsten Beobachtungen und Entscheidungen leichter zugäng- lich macht, welche die Acten über viele bisher zweifelhafte und dunkle Partien auf dem Gebiete der biblischen Münzenkunde abschlieszen (der Abbe Cavedoni , schon vorher als numismatischer Schriftsteller geschätzt, erregte durch dieses Buch so grosze Aufmerksamkeit, dasz er unter anderni von der Academie des inscriptions mit dem Preise Allier de Hauleroche gekrönt ward), wird sie jeden gebildeten durch ihre erklärenden Beziehungen zur h. Schrift, durch die zusammenhän- gende Einsicht, die sie in einen den bürgerlichen Verkehr und dio Geschichte des heiligen Volkes vielfach aufhellenden Gegenstand ge- währt und selbst durch orientierende Hinblicke auf das persische, aegyplische, griechische und römische Münzwesen lebhaft interessie-

41*

554 Cavedoni: bibl. Numismatik. Uebers. v. Wcrihof.

reii. Das Verständnis maclit keine Schwierigkeiten, da abgcselin von der praecisen und flieszcnden Uebersetzung auch die entlcg-enern und verwickelfercn Gegenstände in einer von gelehrten Voraussetzungen durchaus entfernten Sprache gehalten sind und in dem münzenkun- digen Abte selbst der Reiz einer liebenswürdigen Bekanntschaft dem Leser enlgegengebracht wird. Denn die Freude seines frommen Ge- mütes, in seinen scharfsinnigen Forschungen das Wort der h. Schrift bestätigt zu sehen, selbst der fromme Eifer, womit er die Ansichten besonders deutscher Kaüonalislen, jedoch ohne Biltorkeit, zurücU- weist, die Naivelät, die er in der Eutwickltnig der eignen an den Tag legt und die Bescheidenheil, womit er fremde würdigt und bereit- willig anerkennt, bieten auch von Seiten der Form einen eigcnlhüm- lichen Genusz dar. Der Uebersetzer hat aber die wissenschaftliche Vollständigkeit des ganzen sehr dankenswerlh durch Nachweisungen aus seiner eigenen reicid)aUigen Sammlung und auf dieselbe gestützte Beobachtungen, so wie durch die Heranziehung dessen vermehrt, Avas deutsche Gelehrte, besonders Boeckh, und neuerdings auch der Fran- zose de Saulcy, dem Verfasser noch unbckannl, tlieils unmittelbar, Iteils indirect für die biblische und für die alte Numismatik überhaupt ergründet und festgestellt haben.

Die einleitenden Worte Cavedonis schildern mit Wärme den Nutzen und die Freuden der biblischen Numismatik, die uns lebhaft in die Vergangenheit versetze und Münzen in die Hände führe, welchn vielleicht durch die des Welterlüsers gegangen seien, verschweigt aber auch dabei die Schwierigkeiten und die bisherige Unvollkom- menheit dieser Wissenschaft nicht. Eine kurze Anmerkung ist ihrer Lilteralur gewidmet, welche sich allerdings, besonders mit Bück- sicht auf Deutschland, vielfach vervollständigen liesze. Im ersten Abschnitte wird sodann von dem Ursprünge des Geldes bei den alten Völkern überhaupt und von der Art des Verkehrs bei den Ilebraeern, bevor sie eignes Geld hatten, gesprochen. Es kann diese Darstellung als eine Einleitung in die Geschichte des alten Münzwesens betrachtet Nverden und sie ist daher reich an allgemeinen, wenn auch nicht neuen Belehrungen, aber auch an gründlichen Nachweisungen über Parlicularitätcn, wie z. B. über die älteste Blünzprägung, über die Bedeutung der patriarclialischen Kesita und die statt der Münze circu- lierenden Metallstücke, über die Hinge, deren sich die alten Aegypter als Münze bedienten, über das Geldwägen im Verkehr und den dabei stattfindenden Betrug, über den Werth des Seckels als Gewichts und die Daner des Geldwägens bis nach dem babylonischen Exil. Das zweite Capilel, das von den den Hebraeern eigenlhümlichen Münzen aus der Zeit Simeons des Maccabaeers bis zur gänzlichen Zerstreuung des Volks handelt, beginnt mit einer geschichtlichen lU'bersicht der Umstände, unter denen die flasmonaeer an die Spitze des jüdischen Staates gelangten und von dem Münzrechto Gebrauch machten. Inter- essant ist der Nachweis über die Zeit, wo der Name Zion auf den Münzen erscheint und wo die Münzen bestimmter Zeitrechnung auf-

Cavcdoni: bibl. Kumismalik Ucbcrs. v. Woilliof. 555

Iiörcii. Die AufÄÜliliing' der uiiler den Maccabaeeni und später ge- prägten jüdiscben Münzen stützt sich auf das Werk des gelehrten Spa- niers Perez Bayer: de numis Ilebraeo-Sainarilanis, sowie Eckhel und Ulionnet und darf auf niögliclisle Vollständigkeit Anspruch machen. Es schlieszen sich daran wichtige Beobachtungen über die Inschrificn der- selben und deren Schreibart, unter andern der Beweis, dasz neben dem forlbeslelienden Gebrauche der sog. samaritanischen Schrift im Ver- kehr die quadratische seif dem Exil und Esra für die heiligen Bücher benutzt ward. Die Darstellung der Typen, deren sich die Hasmonaeer auf ihren Münzen bedienten und welche nach 5 Mos. -t 16 18 nie menschliche und thierische Gestalten, sondern Keicli, Blumen, Frucht- körbe, Zweigbündel (den Lulab, der am Lauberhiittenfesttj getragen ward), Tempellhor (nicht Bundeslade, wie andere gemeint haben) und musikalische Instrumente abbilden, enthält viele ansprechende Erklärungen und kritische Berichtigungen. Besonders interessant aber ist die folgende Auseinandersetzung über den Werlh der maccabaei- schen Münzen, welciier eine Ilinweisung auf das Material und ihre Bestimmung (vorzüglich zu dem heiligen Zwecke der jährlichen Tem- pelabgabc) vorausgeht. Der Vf. gleicht hier die V/idersprüche zwi- schen deui Gewichte des Seckels und der Tetradrachme aus, womit er in der ii. Schrift verglichen zu werden pflegt, indem er statt der atti- schen die syrische zu versieben fordert und die Gleichgellung des Seckels mit dieser von einem ursprünglich gieichmäszigen Gewichte des Orients herleitet. Eine gelciirte Anmerkung des Ueberselzers stellt die verschiedenen Meinungen, besonders denlsciier Gelehrter, über diesen Punkt zusammen und berichtigt, auf genaue Messungen nach seiner und andern Sammlungen fuszend, die Irthümer, die sich durch die Beziehung der Gherah (zwanzigster Tlieil des Seckels) auf das Gewicht von Gerstenkörnern eingeschlichen haben, deren Form er wahrscheinlich, den alten Obolen ähnlich, hatte. Die Bezeichnung: Hälfte und Viertel auf den Kupfermünzen wird vom Seckel getrennt und auf den Gherah gedeutet, wobei das Verhältnis des Silbers zur Bronce (~— 50 : l) in jener Zeit nachgewiesen wird. Zu manigfachen gelehrten Untersuchungen und Berichtigungen gibt die Deutung der zum Theil symbolischen und historischen Embleme auf den von Hero- des dem groszen und seinen Nachfolgern geprägten heiligen Münzen Veranlassung. Auch knüpft der Vf. daran die bestätigende Bemer- kung, dasz das Geburtsjahr Christi von 753 auf 749 Roms zurückzu- legen sei. Ein besonderer Abschnitt ist den römischen Kaisermünzen gewidmet, welche ihren Emblemen nach in jüdisciieu Münzsiätleu ge- prägt sin<l, und beschäftigt sich mit ihrer chronologischen Bestimniung, der bei den augusteischen die aclische Aera, bei den tiherianischen die Begiernngsjahre dieses Kaisers zu Grunde liegen, unter Caligula und nach dem fünften Regierungsjalire Neros geprägte scheinen nicht vorhanden zu sein , ferner mit der Auslegung der Typen, unter denen neben den durch jüdischen Gebrauch geheiligten der römische lituus und die capeduncula besonders auffallend sind, endlich mit der

556 Cavedoiii : bibl. Numismalik. Uebers. v. Werlhof.

Beurlheilung ibres Wertbes, der dem Semis und Qiiadrans der Römer nacb der neuen Reduclion unter Augustus entspricbt und zu einem ebenso gelebrten als frommen Excurs über den Heller der Wittwc Gelegenheit gibt.

Viel lehrreiches für die Kenntnis der alten Münzen im allgemei- nen cnlbäll das folgende Capitel über die fremden Münzen, welche den Erwäliniingen der h. Schrift zufolge unter den Juden circulierten. Die Beschreibung, Namenserklärung und Wertbbestimmung der üa- reiken gibt eine vollständige Uebersicht über die Untersuchungen, welche diese interessante Münze hervorgerufen hat, zählt alle Stellen auf, wo sie in der h. Schrift genannt wird, detailliert ihr Verhältnis zu den griechischen und römischen Münzen, erklärt die Uebersetzung ihres Namens in der LXX und Vulg. und knüpft daran kritische Be- merkungen gegen die Ualionalisten über die Entslehungszeit der Bü- cher Esra, Nehemia und Chronica. Von griechischen Münzen ist nur die als Tempclabgabe oft erwähnte Didrachme , ihrWerth, ihre Be- zeichnung durch atatr'jQ und die Art ihrer Erhebung in Betracht ge- zogen. Desto umfassender sind die Untersuchungen über die hierher gehörigen römischen Münzen. Sie beginnen mit einer Uebersicht über die Uediictionen des As und widerlegen die gangbare Ansicht, dasz derselbe zur Zeit der Entstehung der Bücher des N. T. semiuncial ge- wesen, indem er durch Augustus, der römische Gewichte, Maszc und Münzen im ganzen römischen Reiche einführte, auf die Viertelunze, den achtundvierzigslen Theil seines ursprünglichen Gewichtes , herab- gesetzt worden sei; ebenso weisen sie gegen diejenigen, welche noch den Denar zu 10 As annehmen, die Geltung desselben von 16 As seit dem hannibalischen Kriege nach (nur in der militärischen Sprache habe er als täglicher Sotdalensold noch die Bedeutung von 10 As ge- habt) und behandeln dann einige von den vielen Stellen des N. T. , in welchen des Denars, der gewöhnlichen Werlhbesliaimung von Waaren und gröszeren Summen, seitdem man den Sesterz nur noch in Bronce prägte, gedacht wird. Auch über die selliier erwälmten Kupfermünzen >vird gesprochen und dabei manche feine Bemerkung eingeflocliten, wie über den Kauf von zwei Sperlingen für ein As und von füfifen für zwei, was durch Zugabe erklärt wird, über die adjectivischc Be- deutung von cißaagtov, über den Betrag und die Entrichlungszeit des Kopfgeldes usw. Hieran schlieszt sich, zugleich ein Beweis der Pietät des Vf., ein längeres Schreiben des gelehrten Numismatikers, Grafen B. Borghesi zu St. Marino, an ihn, worin seine Ansichten über die römischen Münzverhältnisse zu Christi und der Apostel Zeit ausführ- liche Bestätigung finden. Diese von groszcr Bclesenlieit und Münzen- kenntnis zeugende Abhandlung, von deren lief in das einzelne ein- gehendem Inhalte sich nicht leicht ein .\uszug geben läszt, zerfällt in zwei Theile, von denen der erste den Beweis der durch Augustus eingeführten Münz Veränderung Iheils aus alten Schriftstellern, Iheils aus numismatischen Anschauungen führt, der andere die seitdem exi- stierenden Kupfermünzen , den Sesterz, Tressis, den Dupondius, As,

Cavcdoni: bibl. Numismallk. Uebers. v. Werlliof. 557

Scinis iiiul (Juadraiis (Grosz-, MiKol- und Klcin-Brotico) diircbgcht und bei der Ungleicliiiuit der einzelnen Exemplare auf die Tliatsacliü zuriicUkoinnil , dasz die allen, damit zufrieden, eine gegebene Anzalil Münzen aus einem Quantum flietall zu ziehen, wenig um die Genauig- keit der Einlheilung, namenllicli bei Kupfer, sieh bekümmerten. Die Ijcschreibung dieser Münzen nacii den zun» Tlieil sehr seltenen Exem- plaren, welche davon vorhanden sind, ihrer Embleme, ihres Gewichls und ihrer Pragungszeil zeugt von einer höchst ausgearbeiteten Detail- kenulnis auf diesem Gebiete der Aumismalik.

Das vierte Capitel über die Hechnungsmünzen der Bibel hei grö- S'.eren Summenangaben berechnet das dem Talente parallele Kikkar der llebraeer= 3000 Seckel» auf 125 Pfund, also das doppelte des grie- chischen Talentes, räumt aber ein, dasz die in der h. Schrift erwähn- ten Talente nicht immer als hebraeische aufzufassen seien, so wie die Mine (hebr. manch) nach der Beziehung auf verschiedene Landes- niünzen "25, 20 oder 15 Seckel betragen habe, eine durch falsche Auslegung von Ezech. 4^ 12 veranlaszte Bestimmung, welche der Ueberselzer mit Hinweisung auf Boeckhs metrologische Untersuchun- gen berichtigt. Zu manchen scharfsinnigen und interessanten Verglei- chungen der Preise in verschiedenen Landern und Zeilen gibt der letzte Abschnitt: über den Werth der biblischen Münzen in Rücksicht auf den Preis des Kandelsgegenstände Veranlassung; wobei der Vf. Gelegenheit nimmt neue Beweise für die Bichtigkeit seiner Werthbe- stimmung der Seckels zu sammeln und ei^ie andere, welclie von der wortlichen Interpretation des Gherah als eines Kornes der Karobe ausgehend dem Seckel nur den Werth einer Drachme gibt, zu wider- legen. Es ist allerdings auffallend, dasz diese Abweisung entgegen- gesetzter Ansitht nicht schon im zweiten Capitel ihre Stelle bekom- men hat, doch findet sie freilich in den Anführungen des vorliegenden ihre praktische Begründung. So würde unter andern» bei so geringer Geltung für die 30 Seckel des Judas schwerlich ein Acker haben ge- kauft werden können und der Preis eines Weinstockes bei Jcsaias nicht einmal dem heutigen Werthe desselben in dem muselmännischeii Palaestina gleich kommen. Ferner entspricht bei der Annahme des Vf. der Geldwerlh eines Sciaven (2 Mos. 21 32) ziemlich genau den im Altcrlhum überhaupt für diese Waare gangbaren Preisen. Im gan- zen erweisen sich die Preise als sehr mäszig, variieren jedoch nach dem Charakter der Zeit und besonders unter augenblicklichen Ein- iliissen. Das Buch schlieszt mit einem Anhange, in welchem der Ue- berselzer die den Darlegungen Cavedonis grösteniheils entsprechen- den Resultate der Untersuchungen de Saulcys über die Chronologie derjenigen 3Iünzen mittheilt, welcher unter römischer Ilerschaft in Judaea geprägt worden seien. Die hinzugefügte lithographierte Tafel, worauf Geldstücke jeder im Buche behandelten Gattung dargestellt sind. übertrilTt die Cavcdonische bedeulend an Correctheit und Mün- zenzahl , da sie unter der Leitung des Uebersetzers mit Hülfe seiner höchst vollständigen und vortrefflich geordneten Sammlung entworfen

558 0. Vilmar: Reste der AUitteration im Nibelungenliede.

ist, und der Sauberkeit dieser Tafel entspricht die elegante äuszere Ausstattung des ganzen Buches.

Der Rückblick auf den reichen , für den gelehrten wie für jeden höher gebildeten gleich wichtigen und anziehenden Inhalt der Cave- donischen Schrift läszt es nicht bezweifeln, dasz der Ueberselzer einer glücklichen Idee gefolgt ist, indem er sie dem gröszern deut- schen Publicum zugänglich machte. Zugleich ist aber diese Ueber- setzung durch seine eigne Vertrautheit mit dem numismatischen Ge- biete der Alterthumswissenschaft in vielfacher Hinsicht eine Berich- tigung und Erweiterung geworden und unter seinen Hinweisungen auf die Resultate deutscher Forschung gelangen wir zu dem Gefühle der Sicherheit, das ohne sie selbst durch die evidenteste Gelehrsamkeit und Aufrichtigkeit des Auslandes nicht vollständig befriedigt wird. Je mehr übrigens der den Christen nicht minder als den Geschichts- freund ansprechende Gegenstand zu weiterem eindringen in diese Par- tie der Münzkunde einladet, desto willkommener musz es sein, hier an der Hand des Schriftstellers selber g«hen zu können und dazu lindet man sich in den Stand gesetzt und aufgefordert durch die Hin- weisung auf das gröszere Werk desselben: Handbuch der griechi- schen Numismatik (Hannover 1850), zu dessen umfassendem Inhalte die angezeigte Schrift als eine monograpische Ausführung betrachtet werden kann. Gewis würde sich Hr. von ^ye^lhof den gegründetsten Dank des Publicums verdienen, wenn es ihm in der schönen Verbin- dung seines anspruchsvollen Geschäftslebens mit den gelehrten Stu- dien noch oft gelänge, die Zeit zu ähnlichen litlerarischen Arbeiten zu gewinnen. Um schlieszllch einen gerade an dieser Stelle nahelie- genden Punkt in specie zu berühren, so musz sich für die vorliegende Schrift auch die Schule ihm verpflichtet fühlten, da sie bei der un- schwierigen und angenehmen Darstellungsweise, überall die noth- wendigen Vorkenntnisse unterbreitend, eine um so passendere Lectürc für Schüler höherer Classen zu werden verspricht, als sie einen an sich so ansprechenden Gegenstand des Alterthums in unmittelbarer, den Geist der Frömmigkeit nährender Beziehung zum Christenthume behandelt. Dasz sie für den gründlich forschenden Theologen als un- entbehrlich zu betrachten sei, bedarf nach der Inhaltsangabe keiner Bemerkung.

Celle. Herrmann.

3«.

Reste der ÄlUlleration im Nibeliinffenliede von Dr. 0. Vilmar. Osterprogramm des Gymnasiums zu Hanau. Hanau, Druck der Waiaenhaus- Buchdruckerei. 1855. 4 (Abh. 30 8. Scliul- nachr. 7 S,).

Die häufigen Allillerationen, welche das Nibelungenlied aufweist, können einem aufmerksamen Leser des Gedichtes nicht leicht entge-

0. Vilmar: Reste der Allitleration im Nibelungenliede. 559

lien. Es ist auch schon von verschiedenen Seiten auf diese Erschei- nung hingewiesen worden, wie von Hrn. v. d. Ilagen in seinen An- merkungen zum Nibelungenliede und noch neuerdings von Ilollzmann (Untersuchungen über das Nibelungenlied S. 173). Der Vf. obiger Abhandlung hat das Verdienst zuerst methodisch die ganze Erschei- nung einer genauen und sorgfälligen Untersuchung und eingehenden Besprechung unterworfen zu haben. Er gelangt dabei zu dem Resul- tate, dasz diese so häufigen Alli Iterationen im Nibelun- genliede nicht dem bloszen Zufalle zugeschrieben wer- den können, sondern dasz sie vielmehr für Reste aus den altern noch durch den Stabreim gebundenen Gesängen zu halten sind, den Gesängen, aus denen unser Nibelungenlied wenn auch nicht unmittelbar, sondern erst durch gar manche Zwi- schenstufen — die Sage geschöpft hat. Der Vf. geht nemlich von der Hypotiiese Lachmanns aus, die auch nach des Ref. Meinung durch die neuesten AngiilTe keineswegs erschüttert ist, dasz unser Epos ent- standen ist aus einzelnen älteren, äuszerlich unverbundenen Liedern, welche einzelne Theile der im ganzen in dem Gedächtnis des Volkes lebenden Sage abgesondert für sich behandelten. Wie uns noch ein solches Einzeliied aus der Flildebrandsage erhalten ist, das bekannte Lied, welches den Zweikampf zwischen Ilildebrand und seinem Sohne erzählt, ebenso werden ohne Zweifel auch von andern Helden gar manche Lieder umgegangen sein, die einzelne Momente aus der Sage besangen. Eine Anzahl solcher Lieder von Sigfrid, von den Burgun- denkönigen und ihren Plannen, von Etzel und dem Vernichtungskampfe zwischen Hunnen und ßurgunden sind uns ihrem Inhalte nach im Ni- belungenliede erhalfen. Die ursprüngliche Form jener alten Lieder, bemerkt der Vf. S. 2, war nun, bevor das Princip des Endreims in der deutschen Poesie durchdrang, die allitterierende. Mst uns aber der Inhalt dieser allitterierenden lieder erhalten, so ligt die Vermu- tung naiie, dasz auch von der form derselben uns manches, wenn gleich nur trümmervveise, verborgen unter der später hinzugekom- menen form des reims überliefert ist' (S. 2). Es ist natürlich, dasz die AUitteration, die so lange die deutsche Poesie beherscht hat, auch nachdem der Endreim ihre Stelle eingenommen, nicht mit einem Male aufhörte; sie machte sich auch in Gedichten, die nach dem neuen Principe des Reims abgefaszt waren, noch hin und wieder geltend, sei es unbewust sei es in einzelnen alten überlieferten Formeln *). Und wie lange mögen noch die Lieder von den alten Heldenkönigeu und ihren Mannen in ihrer allitterierenden Form unverändert vom Volke gesungen worden sein**), bis auch sie einem neuen Geschlechte

*) So hat Ottfrid z. B. I 18 9 eine durch AUitteration gebundene Langzeile, noch dazu ohne Reim, die in dem Muspilli sich wieder- findet.

**) 'denn treueist eine haupteigenschaft echter ungetrübter volks- tradition wenn es noch in neuer zeit möglich ist, dasz ein märchen

560 0. Vilinar: Reste der AlliUeralioii im Nibelutigouliedo.

von Liedern Platz machten, die nun gleichfalls sich der Form des End- reims bedienten, aber gewis noch manches in der alten Form der AUitteration mit in sich aufnahmen. Denn gerade da es das eigenste Wesen der AUitteration selbst mit sich brachte, dasz die bedeutsam- sten Wörter des Verses, die welche die llauptmomente des Gedankens enthielten, durch die gleichen Anfangsbuchstaben unter einander ge- bunden waren, konnte es leicht geschehen, dasz die treue Bewahrung der überlieferten Erzählung mit dem möglichst genauen festhalten an dem \^'orte der Tradition auch Reste der AUitteration in die neuenl- standenen Lieder mit herübernahm *). Nach diesen Ausführungen, die der Vf. in der Einleitung S. 1 3 gibt, ist trotz der 350 Jahre, die zwischen dem aufkommen der Reimpoesie und der Sammlung der Nibelungenlieder liegen, die Möglichkeil keineswegs ausgeschlossen, dasz aus den allilterierenden Heidenliedern sich Reste der AUittera- tion noch bis in das jüngere Liedergeschlecht Tortgepfianzt haben, welches gegen den Schlusz des 12n Jahrb. in Oesterreich entstand und dem Sammler und Ordner des Nibelungenliedes den Kern und Mittel- punkt fiir das ganze Epos abgab.

Ist nun einerseits die Möglichkeit nicht zu leugnen, dasz sich auf die angegebene Weise Reste der AUitteration bis in unser Nibe- lungenlied fortgepflanzt haben , so begegnen wir andererseits in der Thal der AUitteration so häulig- in dem Gedichte, dasz an einen blo- szen Zufall nicht zu denken ist, und jene Möglichkeit für uns zur Wahrscheinlichkeit, ja G e w i s h e i t wird.

Die Absicht des Vf. ist nun (S. 4) die Reste der AUilleralion innerhalb des Nibelungenliedes nach bestimmten Rubriken zusammen- zustellen und näher zu besprechen, und zwar so dasz er zunächst alle diejenigen Stellen betrachtet, wo die AUitteration sich an die N a - men anschlieszt, die von alten Zeiten her dieselben geblieben sind, oder w 0 sie in wiederkehrenden a 1 1 i 1 1 e r i e r e n d e n Formeln erscheint; erst dann wenn er durch Betrachluiig der sich an diese bei- den llalipunkte anschlieszenden AUitteration einen Boden für die Un- tersuchung gewonnen, will er auch die von denselben unabhängige AUitteration in den Kreis der Betrachtung ziehen. Im vorliegenden Programme behandelt der Vf. den ersten Punkt, die Namen im Ni- belungenliede in Bezug auf die AUitteration.

in pro.sa asu li den worten nach one einen zn.satz von gesclilecht zu j;esclilecht sich erhält, wenn wir sehen, wie rechte inärclienerzäler noch in unserer zeit auf die getreue iiberliferung der worie ein gro- szes gewicht legen (wie die inärclienfrau der briider (Jriinin), v>ie vil liier kiafl der bewarunf; iiiiiszen wir einer zeit ziisclireiben, in der d;is vdlk.sleben noch frischer war, als jetzt, in der das gedäciitnis noch nicht durch vilerlei erlerntes al>gescliwä<lit ' (S. 2).

*) Wie leicht iiiuste sich z. li. ein Satz, wie der folgende wie liebe mit leide ze jutif>est luncn kuii, •■der den grundton unseres gegeiuvärtigen Nibelungenliedes bildet' in der alten Weise von AUitteralion erhalten.

0. Vilinar: Reste der Allitteration im Nibelungenliede. 561

Namen von vervvanten werden durch den Stabreim unter sich gebunden (S. -i). Diese Krscheinung, die sich durch das ganze deutsche Epos hindurchzieht, iial ihren Urund darin, dasz eben zur Zeit der Entstehung des Epos die Allilleralion das einzig Iiersclicnde VcrsbiudeniiUel in der Poesie war. Daher in den Jlythen und Epen die Sitte auf diese ^N'eise die Namen von verwandten oder zusammen- gehörigen Personen untereinander zu binden, so dasz sie in dem Verse nebeneinander stehen und durch die gleichen Anfangsbuchsla- ben zugleich zur Conslruierung des Verses mit beilragen konnten. Dieselbe Sitte herscbte übrigens auch, wie uns die beglaubigte histo- rische Ueberlieferung zeigt, in den allen angesehenen Geschlechtern Deutschlands. Man nahm gleichsam gleich bei der Namengcbung dar- auf Rücksicht, dasz die Glieder der Familie in Lietjiern verherlicht würden und passle darum die Namen derselben der heirschenden Form der Poesie, der Allilleralion, an (s. Müllenhoir in Zeilschr. f. deutsch. Alterth. VII S. 527 f.). So allillericren z. ß. aus dem cheruskischcn Fürslengeschlechte Segestes und sein Sohn Segimundus sowie des ersteren Bruder Segimerus mit seinem Sohne Sesithacus, ferner Thusnelda und Thumelicus (Mutter und Sohn) und wenn man will auch Ingviomerus und Ar mini us (Oheim und Neife). Man denke ferner an das burgundische Königshaus mit seinen Gibica G 0 d 0 m a r u s G i s 1 a h a r i u s G u n d a h a r i u s G u n d e v e c h u s, G u n- dobadus Godegisilus und Gislabadus; oder an das Haus der Merowinger, wo wir Childerich finden mit seinem Sohne Chlod- wig und seinen Enkeln C hlo do m i r Childebert Chlothar und den Söhnen des letzteren Charibert und Cbilperich ff. oder Theoderich Theodebert T he o d e b a 1 d (Vater Sohn und Enkel).

Nach diesem Gebrauche allilterieren im Nibelungenliede Sig- frid und sein Vater Sigmund; beide kommen so nebeneinander mehrmals im Gedichte vor, bisweilen noch mit einem dritten Stabe, so dasz ein vollständiges allilterierendes Gesetz entsteht z. B.

des anlwurte Sivrif., Siijenmndes sun.

Die Beispiele stellt der Vf. S. 5 zusammen. Wie Sigfrid und Sig- mund, allilterieren auch (S. 6) Sigmund und Si gelind (Gatte und Gattin).

Weiler allitlerieren die Namen der drei Burgundenkönige Gün- ther Ger not Gi selber. Sie finden sich bisweilen alle drei zusam- men genannt, häufiger je zwei von ihnen, und nicht selten in Stro- phen, die auch sonst deutliche Spuren von Allilleralion aufweisen. Die sämtlichen Stellen bespricht der Vf. genau (S. 8 14) und kommt dabei häufig auf Untersuchungen über das Aller einzelner Strophen, liier dem Vf. in das einzelne zu folgen gestalten die Grenzen einer Anzeige nicht. Doch kann ich nicht umbin, wenigstens einige Punkte näher zu besprechen", in welchen ich der Ansicht des Vf. nicht bei- stimmen kann. Derselbe verlhcidigt S. 10 das Alter der Str. 1049 gegen Lachmann, indem er die zwei mittleren Verse zwar preisgibt,

562 0. Vilmar; Reste der AUiltcralioii im Nibehiugenliede.

aber den ersten und letzten als alt betrachtet und zwei allitlerierende Gesetze daraus zu construieren sucht:

hin ze hove gen hiez er Orlwinen si versuohtenz vriunlUchen an vroun KriemhUde sint. Der einzige Grund, den man gegen Lachmanns Athetesen anführen kann, ist indes doch nur der, dasz der Uebergang von Str. 1046 auf 10Ö5 in etwas auffallender Weise unvermittelt wäre. Dies gibt Lach- mann selbst zu; allein er verweist ganz passend auf Str. 1075 4, wo auch plötzlich in völlig unmotivierter Weise von einer Reise der Könige die Rede ist, die vorher nicht im geringsten nur angedeutet wurde und deren Zweck man gar nicht einsieht. Der Grund von solchen Erschei- nungen liegt wol, wie 3Iüllenhoir (allgemeine Jlonatsschrift f. Wis- sensch. u. Litte^jat. 1854 S. 930) richtig vermutet, in der Unvollkom- menheit der Ueberlieferung, indem gerade der Theil der Sage, wel- cher den Inhalt des zehnten Liedes bildet, durch den Volksgesang nicht besonders entschieden ausgebildet und ausgeprägt war. So er- klärt sich auch noch manche andere im zehnten Liede und den damit verwandten, dem sechsten und neunten. Im übrigen wird der Ueber- gang von Str. 1046 auf 1055 weniger auffallen, wenn man in der ersteren auf die Worte vierdhalp jdr ein besonderes Gewicht legt. Dauerte das Verhältnis des bitteren Haszes gegen Günther und Hagen vierthalb .lahre, wie uns 1046 meldet, so setzt diese Zeitbestimmung eine Aenderung desselben nach Verlauf der angegebenen Zeit voraus, also das eintreten einer Sühne. Von dieser Sühne erzählt nun 1055, und es kann bei der Art des VolUsgesanges nicht zu sehr auffallen, wenn dieselbe nun gleich als schon geschehen vorausgesetzt und nur noch gesagt wird:

Ez, enwarl nie suone mit su vil Irähen me gefiieget under friunden. ir tet ir schade Vit iceiY. Der Uebergang von Str. 1056 auf 1058 aber, den der Vf. S. 10 gleich- falls zu hart findet, scheint mir dem volksmäszigen epischen Gesänge recht entsprechend. Der Beschlusz den Nibelungenhort für Kriemhild zu holen wird 1056 gefaszt. Die Vorbereitungen zur Realisierung dieses Entschlusses, das hinziehen zum Orte wo er lag, alles dies ist dem Volksgesang zu sehr Nebensache, er übergeht es ganz mit still- schweigen und führt uns gleich im raschen Fortschritt der Ilandlung zu der Ausführung selbst: wir hören, wie Albrich die Burgunden kom- men sieht und beschlieszt ihnen den Schatz auszuliefern. Ferner ver- theidigt der Vf. Str. 1074 gegen Lachmann und möclilc als Uebergang wenigstens den letzten Vers der Strophe beibehalten haben, den er mit 1073 4 zu folgenden zwei allilleriereiiden Gesetzen verbindet: iteniwez weinen fei du Sifiides wip si gie vil Idegeliche für Giselher ir bruoder stein Seine Gründe sind folgende: "^ dasz Giselher mit Kriemhilt spricht, läszt sich aus seinen worlen nicht schlieszen und auch die vierte zeile vermittelt, wie mir scheint, nicht genug.' Sollte indes auch die Rede

0. Vilmar: Rosfe der Allifferalion im Nibelungenliede. o03

Gisclhcrs (1073 1 3) niclit an Kricmliild g-erichlet sein, so g'clit aus derselben wenigslens soviel fiir den Hörer oder Leser des (ilediclites hervor, dasz (iisellier für Kriemliild ist. Da nun nach der Lacliniann- schen Construierung des zehnten Liedes Gernot in demselben nicht erscheint, so kann unter dem Bruder, an den sich Kriemliild 1075 1 wendet, niemand anders gemeint sein als Giselher. Denn nach dem, was uns J071 und 1072 erzählt ist, konnte sie sich doch an Gün- ther nicht wenden. Ks kann also keine Schwierigkeit machen lieber hntoder (1075 1) auf Giselher zu beziehen, von dem zuletzt (1073 1) die liede war. Wenn der Vf. auszerdem nicht abgeneigt ist auch die übrigen Verse der Str. für alt zu halten, so musz ich in Bezuo- auf diese noch entschiedener für Lachmanns Meinung mich erklären. Der Widerspruch zwischen dem Ualhe Gernots (1074 1 3) den Schatz in den Rhein zu senken (e wir immer sin gemüet mit dem f/olde, wir soldenz in den Rin allez heizen senken, deiz wurde nie- man) und 1079 1. 2 (,dö sprächen si die fürsten gemeine ^ er hat vil übel getan' ernlweich der fürsten zorne also lange dun, unz er gcwan ir hulde} läszt sich unmöglich auf die Weise heben, wie der Vf. will, dasz nemlich Gernot den Vorschlag um des Friedens willen habe machen wollen, während Hagen ihn dann benutzt um sei- nen Hasz an Kriembild auszulassen. Für Kriemliild muste es gleich sein, ob der Schatz in den Händen ihrer Brüder und Hagens war oder von diesen in den Rhein versenkt wurde; ihr war er auf die eine oder andere Weise jedenfalls mit Gewalt genommen worden, und zum Frieden konnte sie weder das eine noch das andere stimmen. Auszer diesem Grunde aber ist das ausscheiden Gernots aus dem zehnten Liede nach dem, was Lachmann (Anmerkungen zu 1021. 1022 S. 135) vorgebracht hat, nolhwendig, so dasz schon deshalb Str. 1074 fallen müste. Str. 1159 möchte der Vf. nicht verwerfen, weil 1160 1 zu unmotiviert wäre, wenn nicht noch ein Versuch gemacht würde Kriembild umzustimmen. Solche Versuche musten allerdings nach dem zurückweisen Geres noch gemacht sein, das geht aus IIGO 1 hervor; wozu muste aber der Dichter sie gerade einzeln aufzählen? genügte nicht, dasz er in 1160 1 sie alle als vergeblich bezeichnete? Zudem erfahren wir in 1159 weiter nichts als die Namen derjenigen, die den Versuch gemacht haben sollen; dies ist aber ein zu unbe- deutender Umstand, als dasz er nicht ganz gut weggelassen werden könnte.

Auszer den bisher genannten allitterieren im Nibelungenliede (S. 15. IG) die Namen der Wölfinge Wolfwin Wolfhart Wolf- brant und Hildebrand Hei fr ich Helm not, dann (S. 16. 17) die der beiden Kampfesgenossen Li u dg er und Liudgast, fer- ner (S. 17) die Namen Trink und Irnvrit (1968: der degen Irink unde Irnvrit von Düringcn) und (S. 18) Gere mit G un the r und Giselher (688: der wirl mit sime wibe. wol wart enpfangen '| Gere uz Burgonden lant^ Gnnlheres man^.

Nachdem dann der Vf. noch kurz einige nur selten erscheinende

564 0. Vilmar: Reste der Allitieration im Nibelungenliede.

allitterierende Formeln besprochen hat, wie Reiche uz der HtMnen lullt (Str. 1130) oder von Roten zuo dem Rtne in Str. 1184, die voller Allitterationen steckt (der Vf. stellt folgende allitterierende Gesetze daraus her: er mac dich wol ergetzen, sprach aber Giselher |j von Roten zuo dem Rine so [rieh] nild. || ist kiinec deheiner. ob er din ze konen giht j| du mäht dich vretiwen balde. Si sprach lieber bruo- der^ ferner ze Niblunges bürge ze Nortrege in der marke (Str. 682) Bechlären und Beire lant (Str. 1114) geht derselbe S. 20 auf diejenigen Fälle über, wo der Name mit dem beigefügten Attri- bute allitteriert. Dahin gehört zunächst Slfrit der snel/e, welches Beiwort indes nur dreimal im vierten Liede erscheint und überall ohne einen dritten Stab; viel häufiger findet sich das nicht allitterie- rende stark (S. 21 24). Dann allitteriert Volker der videlaere, so Str. 1697, wo der Vf. durch Umstellung der zweiten und dritten Halb- zeile zwei allitterierende Gesetze erhält: ^ such er Volkeren den spaeher videlaere || 6i Giselhere sten. er bat in mit im gen' (S. 25. 26). Hagene von Tronic allitteriert mit dem Beinamen, der ihm 1466 gegeben wird, ein helflicher trösl (aus 1465 67 stellt der Vf. eine ganze Reihe allitterierender Gesetze in recht ansprechender Weise zusammen); auch sonst findet sich eine solche Doppelallitteration häu- fig bei dem Namen Hagene v. Tr., vgl. 1709 ^ waz mir hat getan Hagene von Tronje' oder 1962: '^ der von Tronje Hagen houbet her für mich triiege'' (S. 26. 27). Es allitteriert weiter (S. 28. 29) Hagene der helt (vgl. 1898 Hagen der helt guot, daz im gein der hende) (und S. 30. 31) her Hagene (vgl. 1725 nu saget her Hagene wer hat nach in gesant), desgleichen (S. 31 33) Dankwart der de- gen und der degen Dietrich. Dasz zwischen Fdicdeger und der Epi- theta recke und ritter ein ursprüngliches allitlerierendes Verhältnis obgewaltet habe, leugnet der Vf. , und mit Recht; denn jenes hiesz ahd. wrecke, dies ist ein Beiname der wol für die ältere Zeit nicht anzunehmen ist (S. 33). Kriemhilt allitteriert mit vroun Voten Kint und Kvniginne (332: die schoenen Kriemhilde ein Kitniginne her)., Bloedelin mit der Elzelen bronder (letztere Allitteration findet sich indes nur in Strophen, die von Lachmann und wie mir scheint mit Recht ausgeschieden sind); Sigfrid Avird von seinem Vater allitte- rierend angeredet 7nin sun (Str. 698: Sifrit min sune. man soldiuch dicker sehen}., von Günther geselle (S. 34 36).

Als Beis])iel einer längern Stelle, in der der Vf. allitterierende Gesetze herzustellen sucht, hebe ich Str. 1465 1467 aus : an herlichen siten die helde lobesam die vürsten und ir mage. ze aller vorderöst reit Hagene von Tronje. ein hcl(\iclier trost er was den Nibelungen, nider iif den sant erbeizte der degen kiiene. sin ros er harte balde zuo einem boume gebant. din schif [wären] verborgen, daz- ergie den Nibelungen zen grözen sorgen der wäc was in ze breit daz wazzer was cngozzen.

Schillprogramme mathematischen und physikalischen Inhalts. 565

Zum Schlüsse habe ich noch den Wunsch auszusprechen, dasz der Vf. recht bald seine Untersuchungen fortsetzen möge. Wenn sie voll- sländig vorliegen, können sie auch zur Entscheidung der Frage recht orsprieszlich mitwirken, welche in der neuern Zeit so vielfach be- sproclu.n ist, ich meine die Frage über die Entstehung unseres Nibe- lungenliedes. Es musz sich alsdann herausslellen, ob besonders die von Lacbmann als alt ausgeschiedenen Lieder vorzugsweise Heste von Aliitleration bewahrt haben und welche von iiinen am meisten auf- >\ eisen. Der Vf. wird gcwis zum Schlusz auch diese Frage behandeln und dadurch vielleicht nicht unwichtige Beiträge zur Feststellung und F^ntschcidung des Urtheils darüber liefern.

Von bedeutendem Druckfehlern sind mir folgende in der Ab- handlung aufgestoszen: S. 7 Z. 15 v. o. lies 1154 statt 454, S. 17 Z. 13 V. u. lies 8-27 st. 527, S. 17 Z. 7 v. u. lies J285 st. 1215, S. 28 Z. 3 V. 0. lies 554 st. 514, S. 31 Z. 4 v. n. lies 1864 st. 1846. Was die Orthograpliie anlangt, so hat der Vf. die auf der historischen Grund- lage beruhende, die sich in der neuern Zeit immer mehr Bahn bricht, in ihrer strengsten Consequenz sich angeeignet. In einem Punkte möchte indes Ref. Bedenken tragen die Schreibweise des Vf. zu adop- tieren; es schreibt derselbe ie ietzt ieder, in allen diesen Fällen ist aber die gewöhnliche Schreibweise beizubehalten, da sich hier die Aussprache selbst geändert hat. Wollten wir auch da, wo sich die Aussprache verändert, auf die ursprüngliche Schreibweise zurück- kehren, so müsten wir, wenn wir consequent verführen, am Ende überhaupt das neuhochdeutsche über Bord werfen und ganz zur äl- teren Sprache zurückkehren. Kleinere Unebenheiten wie kann ne- ben k a n , nachgestellt neben a u f g e s t e 1 1 , K i- i c m h i 1 1 neben Kriemhild u. a. fallen ohne Zweifel dem Setzer zu Last.

Dresden. Dr. W. Crecelius.

Schulprogramme mathematischen und physikahschen InhaHs.

\) Das körperliche Dreieck ^ von Dr. Schlechter.^ Beigabe zu dem Programm des Gymnasiums in Bruchsal. 1854.

Der Vf. findet an den meisten Lehrbüchern der Stereomelrie den Mangel einer genaueren Untersuchung des körperlichen Dreiecks zu tadeln; er verlangt, dasz der sphaerischen Trigonometrie eine rein geo- metrische Betrachtung der dreiseitigen körperlichen Ecke vorausgehe und dasz namentlich die sechs Hauptaufgaben der sphaerischen Tri- gonometrie erst constructiv (ohne Uücksicht auf die Kugel) gelöst werden, wodurch einerseits die Analogie zwischen der ebenen und räumlichen Geometrie besser hervortrete, andererseits die spätere

566 Scliulprogramme malhetnalischen und physikalischen Inhalts.

analytische Behandlung jener Aufgaben an Klarheit gewinne. Ref. ist mit diesen Bemerkungen vollkommen einverstanden und hat aus den- selben Gründen in seiner Geometrie des Baumes (Eisenach 1854) der Lehre vom körperlichen Dreieck eine gröszere Aufmerksamkeit ge- widmet, als es bisher geschehen ist. Mit noch mehr Ausfülirlichkeit geht der Vf. zu ^^ erke, und gibt u. a. für diejenigen Probleme, bei denen mehr als ein Winkel unter den Datis vorkommt, jederzeit zwei Constructionen, deren eine das Polardreieck zu Hülfe nimmt (wie es auch Ref. a. a. 0. gefhan hat), während die andere die gegebenen Stücke unmittelbar ohne Rücksicht auf das Polardreieck zusammen- setzt. Durch Anwendung der ebenen Trigonometrie auf die vorigen Conslructioiien gelangt der Vf. schlieszlich zu den Fundamentalformeln der sphaerischon Trigonometrie. ^^'i^ empfehlen dieses brauchbare Schriftchen den Schulmännern, auch wenn letztere nicht bis zur sphae- rischeu Trigonometrie gehen wollen oder dürfen; die conslrucfive Lö- sung der auf die körperliche Ecke bezüglichen Aufgaben bleibt immer eine vortreffliche Uebung der stereometrischen Anschauung.

2) Ärisiarchos über die Gröszen und Entfernungen der Sonne

lind des Mondes; übersetzt und erläutert von A. Nokli. Als Beilage zu dem Freiburger Lyceunisprogramme von 1854.

Die Schrift Aristarchs ist für die Geschichte der Astronomie in so fern eine sehr bedeutende Erscheinung, als sie den ersten Versuch enthält, die Entfernungen und Dimensionen zweier WeUkörper auf mathematischem Wege zu bestimmen, und wenn auch die Resultate, zu denen Aristarch gelangt, von der Wahriicit noch ziemlich viel dif- ferieren, so behält doch der Grundgedanke seinen Werth und immer bleibt der Scharfsinn bewunderungswürdig, welcher ein früher für unmöglich gehaltenes Problem theoretisch richtig aufzufassen wüste. Ref. hält daher die Wahl dieses Gegenstandes zu einem Schulpro- gramme nicht für unpassend; die nölhigen mathemalischen und astro- nomischen Vorkenntnisse übersteigen nirgends die Grenzen des Gym- nasialunterrichles, auch hat der Vf. durch sachgemäsze philologische und geometrische Erläuterungen das Verständnis möglichst erleichtert.

3) Die äuszeren Entfernungsörfcr geradliniger Dreiecke, ron

Dr. C. F. A. Ja cobi. Einladuni^sschrift zur Feier der Slljäh- rigen Stiftung der k. Laiulesschule Pforta. 1854.

Unter dem Entfernungsort eines geradlinigen Dreiecks versteht der Vf. den geometrischen Ort desjenigen Purdiles in der Dreiecks- ebcno, für welchen die algebraische Summe seiner Entfernungen von den Dreiecksseilcn eine constante Grösze ist; derartige Enlfernungs- örter existieren mehrere für jedes Dreieck und zwar beslehen die- selben aus geraden l.inien. Schon in einer früheren Sciirifl (die Enf- fcrnungsörter geradliniger Dreiecke. iNaumbiirg IWJl) halte der Vf. gezeigt, dasz man für das Dreieck ABC einen Entfernungsort erhält, wenn man die Seite AB erst von A aus auf AC, dann von B aus auf

Programme malhemalischen und physikalischen Inhalts. 567

BC abschneidet und die gefundenen Punkte geradlinig verbindet, und dasz zwei entsprechende üerter entstehen, wenn man mit den übrigen Seiten ebenso wie mit vert'übrt; gegenwärtig führt nun der Vf. seine Untersuchung weiter, indem er den früheren Entfernungsörtern, welche man innere nennen kann, sogen, äuszere Entfernungs- örter entgegensetzt, welche dadurch entstehen, dasz jede Dreiecks- seite nach auszen zu auf den übrigen Seiten abgeschnitten wird (AB z. B. auf den Verlängerungen von CA u. CB). Diese neuen Entfer- nungsörter zeichnen sich vor den früheren durch eine gröszere 3Ia- nigfalligkeit von Eigenschaften aus; während z. B. die inneren Oerter jederzeit parallel sind, können es die äuszeren niemals sein, vielmehr liegen sie der Reiiie nach parallel zu den Seiten desjenigen Dreiecks, welches die Fuszpunkle der inneren Winkelhalbierenden zu Ecken hat. Merkwürdig sind besonders die Vergleichnngen zwischen dem ursprünglichen und dem aus den äuszeren Oertern gebildeten Drei- ecke, in welcher Beziehung die Abhandlung überaus reich ist. Was die Methode anbelangt, so bedient sich der Vf. überall rein geo- metrischer Betrachtungen und wo nöthig der ebenen Trigonometrie; lief, hält dies für einen der manigfachen Vorzüge des Schriftchens, welches er hiermit den Freunden reiner Geometrie angelegentlichst empfehlen will.

4) Beiträge zur elementaren Behandlung der Kegelschnitte, vom

Oberlehrer Dr. Riihle. Programm des Gymnasiums zu Grosz-

Glogau, Ostern 1855.

Der Vf. definiert die Kegelschnitte als die geometrischen Oerter solcher Punkte, deren Abstände von einem gegebenen Punkte und einer gegebenen Geraden ein constantes Verhältnis haben, und zeigt dann, dasz diese Eigenschaft allen ebenen Schnitten eines Rotalions- kegels zukommt. In der That läszt sich im letzteren Falle sowol jeder Brennpunkt als jede Leitlinie stereometrisch nachweisen ; construiert man nemlich diejenigen Kugeln, welche gleichzeitig den Kegel (in einem Kreise) und die Schnittebene berühren, so sind die Berührungs- punkte mit der Schnittebene die Brennpunkte; erweitert man ferner die Ebene des Kreises, in welchem sich Kugel und Kegel berühren, bis zum Durchschnitte mit der schneidenden Ebene, so erhält man die Directrix. Aus der ersten von Dardelin und Quetelet herrührenden Bemerkung können die auf Vectoren bezüglichen Eigenschaften der Kegelschnitte leiciit abgeleitet werden (s. z.B. des Ref. Geometrie des Raumes), die zweite Bemerkung führt zu dem Satze von dem con- stanten Verhältnisse des Leitstrahls zur Entfernung von der Directrix. Der Vf. hat seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den letzten Punkt gerichtet und in einer kurzen und eleganten Darstellung die wichtig- sten Eigenschaften der Kegelschnitte daraus entwickelt.

5) lieber Diamagnetismus ., von dem ordentlichen Lehrer M.

Kinzel. Programm des Gymnasiums zu Ratibor. Ostern 1855. Wenn auch das Schriftchen nichts wesentlich neues bringt, so

N. Jahrb. f. PhiL u. Paed. Bd. LXXII. Hft. 11. 42

tiQS Programme matlicmatischeii und physikalischen Inhalts.

hat es doch in so fern einigen Werth, als es eine klare Darslcllimg der bisherigen Experimente über -den Diamagnetisnuis gibt und zu- gleich die Erklärungsversuche von Ampere, Faraday und Weber so- weit durchgeht, als dies ohne Anwendung des Calcüls möglich ist.

6) lieber die elektromotorische Kraft des in den Lenchtgasretor- ten sich bildenden Graphites; vom Lehrer V er mehren. Programm der Domschule zu Güstrow. Ostern. 1855.

In den eisernen Retorten der Leuchtgasfabriken bildet sich (bei Anwendung von Steinkohlen) nach und nach eine 2 3 Zoll starke Schicht einer graphitahnlichen Substanz , welche in 100 Thcilen aus 0 == 95, 96, Fe = 1, 78, S = 0, 11 und im übrigen aus beigemeng- ten Erden besteht; die Aehnlichkeit, welche dieser Körper mit der Bunsenschen Kohle zeigt, veranlaszte den Vf. zu mehrfachen Ver- suchen über die Verwendbarkeit jenes Graphits als elektronegativen Bestandtheils einer galvanischen Säule. Von dieser Arbeit gibt das Schriflchen ausführliche Rechenschaft; nach Voraussendung der nölhi- gen theoretischen Erörterungen werden die Resultate der Beobach- tungen mitgetheilt und berechnet, wobei sich herausstellt, dasz die Zink -Graphitkette, mit Salpetersäure geladen, sowol die Zinkkoh- len- als die Zinkkupferkette an Intensität des Stromes besonders bei groszem Leitungswiderstande bedeutend übertrilTt. Dieses günstige Ergebnis dürfte den Physikern um so willkommener sein als der Re- torlengraphit ein fast werlhloses und meistens leicht zu beschaffen- des Material ist.

Dresden. Schlömilch.

Auszüge aus Zeitschriften.

Gelehrte Anzeigen der k. bayerischen Akadetnie der Wissen- schaften. 1855. April bis August.

a) liullctin der k. Akad. Bd. 40 Nr. 22 u. 23. Vortrag des Prof. Thomas a) über den Dogen Andreas Dandolo und die von ibiu ange- legten Sammlungen historischer Documente. b) über Thukydides I 2, wo der Vf. schreibt: xori Ttccgä^fiy^ia röSs rov löyov ov'a ^XdxiaTÖv iazL öicc t«s iiSTOLmag ig rd ulXa ft^ ofiot'cog av^rjd-rjvcii.' f und es ist dies deshalb ein sehr starker Beleg, ein überaus tretendes Beispiel für unsere Behauptung, weil sich die Ansiedliingen anderwärts nicht in gleicher Weise mehrten.' Am Schlüsse der ausführlichen Erörte- rung ist eine Uebersetzung des ganzen Capitels gegeben. In dersel- ben Sitzung vom 3. F'ebr. 1855 theilte Prof. Spengel Bemerkungen mit über das Glossarium Latinum bibliothecae Parisinae antiquissi- mum ed. Hildebrand (nicht abgedruckt). Nr. 33. Mittheilung des Prof. Hofmann über Schmellcrs litterarischen Nachlasz und die beab- sichtigte Herausgabe desselben. Der Nachlasz umfaszt 1) drei Exem-

Auszüge aus Zeitschriften. 569

plare des bayerischen Wörterbuchs mit des Verfassers Nachträgen von dem Umfang von zwei Dnickbänden und zwei niclit minder reich ei-- gänzte Exemplare von 8chmellers Mundarten von Bayern. 2) Althoch- <leutsche &'lo.ssensammlungen in 5 Bänden 4", zum gröszten Theil aus Handschriften der Miinchener- Bibliothek mit Schmeliers althochdeut- schem Glossar in 15 Bänden fol. zu je ungefähr 200 Seiten, die bei- läufig zur Hälfte beschrieben sind. Eine Anmerkung belehrt, dasz Schmeliers cimbrisches Wörterbuch an die Wiener Akademie, und die druckfertige, genau von Schmeller selbst revidierte Abschrift des Alexander von Jacob von Maerlant an die k. beigische Regierung veräuszert worden ist, Bd. 4l Nr. 1 7. Rede zur l^'eier des 96 Stiftungsfestes am 28. März 1855 von Friedr. von Thiersch. Die reichen Anmerkungen enthalten Lebensnotizen über die verstorbenen Mitglieder der Akademie, aus welchen wir Prof. Seidels Nekrolog über K. Fr. Gausz am Schlüsse dieser Auszüge nach gefälliger Er- mächtigung des Vf. abdrucken lassen.

b) Philosophisch -j)kilologische Classe. Bd. 40 Nr. 10 12. De Aeschyli Eumenidibus commentatio critica et exegetica. Scr. Ed. Wunder US. Grimae 1854. 4. Eingehende Beurtheilung von Kay- ser, der die Abhandlung als einen beachtenswerthen Beitrag zur Be- richtigung der Hermannschen Ausgabe bezeichnet, aber doch in den meisten Fällen die neuen Vermutungen 'und Erklärungen des Vf. ab- lehnt und dabei eigne Conjecturen zu V. 489 {ooy.ov nSQcSvTag ^t,rj(^tv'

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theüt. In der Verwerfung des <■ versus perinutilis' 75 pflichtet der Ref. dem Vf. bei und möchte auch V. 185 als Einschiebsel bezeich- nen; die von W. am Schlüsse zu Prom. v. 55 und Plat. Symp. 214 c getrolfenen Verbesserungen ßcdojv und TCKQcdaß^i^v erscheinen dem Ref. evident. Nr. 12—13. Metrik der griech. Dramatiker und Ly- riker von A. Rossbach und R. Westphal. 1 Bd.: griech. Rhyth- mik von Aug. Rossbach. Leipz. 1854. 8. Sehr anerkennendes Re- ferat von S. Pf äff, der die noch ungelöste Aufgabe, die antike Rhyth- mik nach den Lehren der alten darzustellen, in diesem Buche glück- lich gelöst und so eine empfindliche Lücke in der Kenntnis der alten Rhythmik ausgefällt betrachtet. In nur wenig Punkten stellt der Rf. von den Ergebnissen des Vf. abweichende Ansichten auf. Nr. J4. Forchhameri topographia Thebarum heptapylarum cum tabula geo- graphica. Kiliae 1854. 4. Lobende Anzeige von Kays er, der die wesentlichen Berichtigungen frülierer Schriften über die Topographie von Theben, die in dieser Abhandlung gegeben sind, in sorgfältigem Auszuge mittheilt. Nr. 15 u. IG. Specimen emendationum in Lon- ginum, Apsinem, Menandrum, Aristidem aliosque artium scriptores, scripsit Stephanus A. Cumanudes Hadrianopolitanus. Athenis 1854. Ausführliche Beurtheilung von L. Spengel, der den Beitrag des Vf. willkommen heiszt. 'Es zeugt von ernsten Studien, dasz er sich diesem Gebiete zugewendet, und dasz ein Grieche seine Ansich- ten in lateinischer i^prache darbietet, ist eine singulare Erscheinung, die allein schon die Aufmerksamkeit erregen kann.' ''Es werden mehj- als 100 Stellen behandelt, und man musz anerkennen, dasz der Vf. mit einer richtigen Kenntnis der Sprache auch ein richtiges und gesundes Urtheil zu verbinden weisz.' Die wichtigeren der von dem Rf. als richtig befundenen Emendationen sind wegen der Seltenheit der Schrift mitgetheilt und am Ende der Wunsch ausgesprochen, dasz der Vf. seine unbestreitbare Fähigkeit mehr auf die besseren rhetorischen Schriften beschränken möge, weil im Aristoteles, Anaximenes, Demetrius u. a.

42^

570 Auszüge aus Zeitschriften,

noch genug zu thun übrig sei. Bd. 41 Nr. 1 2. De incertl auc- toris artis rhetoricae post Segiierium a Leonardo Spengelio editae lo- cis'aliquot emendandis scripsit Christoph. Eberh, Finckh. Heil- bronnae l8j4. 4. Ausführliche Recension von C. L. Kays er. Nach- <lem der Rec. die Wichtigkeit der neuaufgefundenen rixvi] geschildert hat, deren wesentlicher Vorzug darin bestehe, dasz sie eine Ueber- sicht der Rhetorik des 'Al£h,civÖQOg 6 NoviMrjviov, der den Hermogenes und seine übrigen Collegen weit an philosophischem Geist, Urtheil und Darstellungsgabe übertroffen, gewähre, zeigt er im einzelnen, welche sehr wesentliche Verbesserungen die ungemein verderbte Schrift durch den bekannten Scharfsinn des Herausg. gewonnen habe, und theilt selbst, nur an wenigen Stellen die Resultate des H. bestreitend, eine Reihe von neuen Emendationsversuchen mit. Nr. 2 u. 3. Ausge- wählte Reden des Demosthenes. 2. Abtheilung. Die philippischen Staatsreden, übersetzt von L. Döderlein. Stuttgart 1H54. 12. Der Rec. L. von Jan bemerkt über die Uebersetzung: 'Ihre Vorzüge be- stehen darin, dasz sich hier ein treues festhalten an dem Sinne des Urtextes mit einer Abrundung des Ausdrucks verbindet, die es nur selten wahrnehmen läszt, dasz man eine Uebersetzung vor sich hat, und dasz trotz dieser Abrundung die ursprüngliche Frische und Kraft der Rede nicht verloren gegangen ist.' Die von dem Herausg. in den Anmerkungen mitgetheilten Verbesseriingsvorschläge und neuen Auffas- sungen einzelner Stellen werden von dem Rec. in eingehender Behand- lung zum Theil bestritten und berichtigt.

Karl Friedrich Gansz gescldlderl von dem Professor nnd Ahade- milter Dr. Seidel in München.

Der Verlust, welchen die Pflege der exacten Wissenschaften durch den am 23. Februar d. J. erfolgten Tod von Karl Friedrich Gausz erlitten hat, ist ein so groszer, dasz es wenigen vergönnt sein mag, ihn in seiner ganzen Bedeutung zu würdigen. Das weite Reich der reinen und der angewandten Mathematik hatte dieser königliche Geist sich zu eigen gemacht: in einer Zeit, in welcher die Wissenschaft da- hin vorgeschritten ist, dasz ein weiterdringen in jedem ihrer speciell- sten Theile die volle Manneskraft in Anspruch nimmt, haben seine tief eingehenden Untersuchungen jeden dieser Theile gefördert, jeden ihrer dunkeln Schachte erhellt. Sehr wenigen bevorzugten nur ist es gegeben, in dieser Vielseitigkeit auch nur seiner Führung zu folgen, aber in keinem der Gebiete die er betreten, hat sein Jahrhundert einen höheren Namen gekannt. Wir vermessen uns nicht, von seinem gewaltigen schaffen ein Bild zu entrollen; dasz aber seinem Ruhme, der die Welt durchdrungen hat und die Zukunft durchdringen wird, auch an dieser Stelle gehuldigt werde, ist eine Pflicht, welche die Akademie sich selbst schuldet.

Die ersten Untersuchungen, durch welche sich Gausz bekannt machte, waren der abstracten Mathematik geweiht. In seiner im Jahre 1799 erschienenen Promotionsschrift gab er den ersten Beweis eines fundamentalen Satzes der Algebra, zu Folge dessen jeder durch Addi- tion oder Subtraction der Producte positiver ganzor Potenzen einer unbekannten mit gegebenen Factoren gebildete Ausdruck jeden belie- bigen Werth dadurch erhalten kann, dasz man der unbekannten einen passenden Werth beilegt. In der Geschichte der Matlien\atik kommen nicht ganz so selten, als man vielleicht gewöhnlich annimmt, Beispiele davon vor, dasz irgend ein Satz, dessen man zum weiteren fort-

Atiszüge aus'Zeilschrifleii. 571

schreiten bedurfte, als walir anerkannt und benutzt wurde, ehe man noch im iStaiuie war, seine Giltigkeit über jeden Zweifel zu setzen; «loci» hat man hier immer den Vortheil gehabt, die offen am Tage lie- gende Construotion des Gebäudes in jedem Augenblick prüfen und sich über ihre Kraft genaue Rechenschaft geben zu können. Der Satz, von welchem die Sprache ist, bietet eines jener Beispiele dar: die Bedeu- tung desselben ist so weitgreifend, nicht nur für die Algebra, der er angehört, sondern aucii für die höheren Theile der Mathematik und ganz besonders auch für die Anwendung derselben .auf die Naturwis- senschaften, dasz man schon seit geraumer Zeit ihn anzunehmen ge- drungen war. Vor der scharfen Kritik, welche Gausz an die bis dahin versuchten Beweise des Satzes anlegte, bestanden dieselben nicht als völlig bindend; aber indem er den wunden Fleck in seiner Abhand- lung darlegte, heilte er ihn zugleich, denn an die Stelle der unge- nügenden Beweise setzte er einen völlig tadelfreien. Dieser Gegen- stand scheint auch später für Gausz das specielle Interesse behalten zu haben, welches sicli an seinen ersten bedeutenden Erfolg natürli- cherweise anknüpfte: er hat später noch zwei auf verschiedenen Prin- cipien beruhende Beweise desselben Satzes gegeben, und ist im Jahre lö49 bei Gelegenheit des 50jährigen Jubilaeums seiner Doctorwürde, nochmals darauf zurückgekommen, um den ersten Beweis in einer noch eleganteren Gestalt und mit neuen Bereicherungen abermals mitzu- theilen.

Auf diese erste Publication folgten sehr bald die ' disquisitiones arithmeticae'' (1801), bereits eines der Hauptwerke von Gausz, einen starken Band bildend, und angefüllt mit den tiefsinnigsten Unter- suchungen über die verborgenen Eigenschaften der Zahlen, die hierin ihrem eignen Wesen betrachtet werden, und nicht, wie in andern Theilen der Mathematik, nur als Masz allgemeiner Gröszen erschei- nen. Wir versuchen nicht, von diesen ganz abstracten Forschungen einem weiteren Kreise eine Vorstellung zu geben; das Gebiet, wel- chem sie angehören, hat selbst von den Gelehrten des Faches viele durch eine Art heiliger Scheu entfernt gehalten, \Aahrend es solche, die sich einmal tiefer hinein gewagt haben, mit einem eigenthüralichen Zauber umfängt. Der Grund jener Scheu wie dieses Reizes liegt in der abgeschlossenen Natur des Gegenstandes; zum Theil in seiner Ab- stractheit selbst, mehr noch, wie wir glauben, in der hier nöthigen Behandlungsweise. Denn während andere Disciplinen der Wissenschaft zum Theil aus der Abwicklung einer geringeren Zahl von Principien hervorgehen, so dasz sich hier vieles an einen gemeinsamen Faden anreihen läszt (wenigstens wenn man sich Mühe geben will, die Fusz- stapfen des Genius zu verwischen, das gewöhnliche Geschäft klei- ner Geister in groszen Wissenschaften!), so duldet die ^ diophantische Analysis' kein solches Versteckens^)ielen mit den Gedanken der Mei- ster: ernst und schroff, wie die Zahlen selbst, stehen die Sätze neben einander, jeder fordert seine eigne Behandlung, jeder neue Schritt neue Erfindung. Es wird in der Geschichte der exacten Wissenschaf- ten unserer Zeit zum Ruhme gereichen, und keinen kleinen Beweis von der männlichen Kraft eines oft und mit Unrecht getadelten Ge- schlechtes abgeben, dasz gerade dieses Jahrhundert durch die Cultur mehr als einer Disciplin von dieser vorzugsweise strengen Art sich ituszeichnet. Die auszerordentlichen Erfolge von Gausz auf diesem Felde haben dazu vielleicht das meiste beigetragen , und wenn er, wie uns kürzlich einer seiner Collegen erzählt hat *), seiner Arbeiten in

*) Allgemeine Zeitung, Beilage vom 7. März.

5f72 Auszüge aus Zeitschriften.

dieser Richtung mit Vorliebe zu gedenken pflegte, so mag dies wol erklärlich erscheinen, da sie vielleicht die Frucht seines angespann- testen Nachdenkens gewesen sind.

Um die Zeit des erscheinens der ' disquisitiones arithmcticae ^ wurde die Thätigkeit von Gausz einem neuen Gebiete zugelenkt. Die astronomische Welt war damals in Aufregung: in der Nacht des ersten Januar 1801 hatte Piazzi in Palermo einen neuen Planeten (die Ceres) entdeckt, den ersten von der jetzt so zahlreich gewordenen Gruppe der kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter: seine Beobach- tungen hatten denselben nur bis zum 11. Februar verfolgen können, dann war der lichtschwache Himmelskörper, wie die Sonne seiner Richtung näher rückte, in dem Glänze derselben verschwunden. In der Zeit, welche verflieszen muste bis er für irdische Beobachter wie- der zum Vorschein kommen konnte, muste der Planet eine weite Strecke am Firmamente durchlaufen; es galt, in einer Himmelsgegend, ganz verschieden von derjenigen in welcher er zuerst gesehen worden war, die Stelle zu bezeichnen, wo man ihn wieder zu suchen hätte. Der Fall ereignete sich zum erstenmale in der Astronomie, dasz man be- sorgen muste, die bereits gemachte Entdeckung eines unzweifelhaft unserem Sonnensystem angehörigen Körpers der Wissenschaft wieder verloren gehen zu sehen. Die alten Planeten waren durch Jahrtau- sende lange Beobachtung verfolgt worden, ehe man in den Fall kam ihre Bahn zu bestimmen: die Fülle des Lichtes, durch welches sie un- ter den Sternen erster Grösze hervortreten, hatte sie allen Genera- tionen kenntlich gemacht. Auch bei der Entdeckung des Uranus durch Wilhelm Herschel waltete der günstige Umstand , dasz dieser ferne aber grosze Planet nur sehr langsam am Himmel fortrückt und darum über die Stelle, wo er selbst nach Jahresfrist wieder zu suchen sei, kein Zweifel bestehen konnte. Wie aber sollte unter der unzählbaren Menge der wie Thautropfen über den Himmel ausgegossenen kleinen Sterne das Sternchen wieder erkannt werden, welches man zuvor an ganz anderer Stelle beobachtet hatte? Selbst die Kometen unterwar- fen sich der Rechnung viel leichter; denn diese Fremdlinge umwan- deln in so lang gestreckten Bahnen die Sonne, dasz die Beobachtung einer einmaligen Erscheinung fast nie erlaubt, den Grenzstein ihres Ganges zu bezeichnen; man sieht ihren Weg als ins unendliche sich erstreckend, wodurch man für die Berechnung desselben einen wich- tigen Vortheil gewinnt, weil an die Stelle der Ellipse eine einfachere Linie, die Parabel, tritt; man begnügt sich also hier mit einer theilweisen Kenntnis der Bahn, und überläszt es späten Zeiten, wenn einst ein Körner auf ähnlichem Wege wiederkehrt, seine Identität mit dem früher gesehenen zu erheben. Es trat also zum erstenmal nach der Entdeckung der Ceres die Aufgabe unabweisbar hervor, aus einem kleinen Stücke der Planetenbahn auf das ganze zu schlieszen. Ja, die Kenntnis jenes kleinen Stückes ist nicht einmal vollständig; denn über die Fhitfernun.'j;, in welcher das ge.<eheue Gestirn sich befand, weisz der Beobachter nichts. Mathematisch läszt sich die Aufgabe so aussprechen: nachdem der wandelnde Himmelskörper von unserer eben- falls wandelnden Erde aus, an drei verschiedenen aber möglicher Weise snch sehr nahe liegenden Tagen in dreierlei Richtungen gesehen wor- den ist, aus der Kenntnis dieser drei Richtungen seine Kutfernung, seine Umlaufszeit um die Sonne usw., kurz seine vollständige Bahn zu bestimmen. Gausz war im Se|)tember desselben Jahres zufällig auf Ideen gekommen, welche zur Lösung dieser Aufgabe nützlich schienen; unter gewöhnlichen Umständen würden dieselben, wie er selbst sagt, vielleicht unausgebeiitet- geblieben sein: die Entdeckung Piazzis und das dringende Bedürfnis der Astronomie veranlaszten ihn. sie zu ver-

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folgen; im October noch vollendete er die Recliiiungeii «lainath , und die Nacht des 7. Deceinhers, die erste heitere Nacht, in welcher Zach in Seeberg das Fernrohr auf den ihm bezeichneten Ort richten konnte, liesz den verlorenen Planeten wieder finden.

Seitdem ist die Methode von Gausz oft erprobt worden. Der Entdeckung der Ceres sind bald diejenigen von drei andern Planeten gefolgt, und dann, nach einem Stillstand einiger Jahrzehnte, in den letzten Jahren noch eine Menge kleinerer; und wenn unsere Kenntnis <les Sonnensystemes gegenwärtig über 30 Planeten mehr umtaszt, als am Schlüsse des letzten Jahrhunderts bekannt waren, so verdankt die Wissenschaft den dauernden Besitz dieser Bereicherung den strengen und schönen Methoden, welche Gausz für die Berechnung ihrer Bah- nen gegeben hat.

Er hat dieselben niedergelegt in dem unsterblichen Werke ^ llico- I ia motus corporum cocivsiium etc.' , welches er erst von Göttiiigen aus erscheinen liesz, nachdem er allem bis ins einzelne die höchste Vpllendung gegeben hatte.

Die Astionomie, welcher Gausz auf diese Weise zugeführt war, ist noch durch viele andere P'riichte seines Geistes gefördert worden. Eine vorzügliche Stelle nimmt darunter die Anwendung der Wahr- scheinlichkeitsrechnung auf Beobachtiingsresultate ein, welche unter dem Namen 'Alethode der kleinsten Quadrate' bekannt Ist. Eine Folge theils des vielfachen Zusammenwirkens der Naturkräfte, die uns umgeben, theils auch der unvermeidlichen Mängel, welche allen Werken unserer Hände eigen sind, ist es, dasz Beobachtungen, mit den besten Mitteln und mit der äuszersten Umsicht angestellt, niemals das genaii geben, was wir zu erfahren wünschen. Das Instru- ment, dessen wir uns bedienen, kann nie ganz nach der Idee herge- stellt werden, welche bei seiner Construction vorschwebte: es befindet sich auch, durch die Wirkung der Schwere, durch Ungleichheiten der Temperatur usw., in geringem Grade verzogen, kurz in einem andern Zustande als worin wir es zu haben wünschten; unser Sinn ist Täu- schungen ausgesetzt: der Lichtstrahl selbst den wir empfangen, erleidet aus manchen Ursachen von seiner geraden Bahn Ablenkungen, denen wir nicht in aller Schärfe Rechnung tragen können. Was wir also zuletzt wahrnehmen, ist das Resultat vieler zusammenwirkenden Ur- sachen; es ist nicht das einfache Phaenomen, welches zu beobachten wir ausgiengen, sondern entstellt durch sogenannte zufällige Feh- ler, d. i. durch den Einflusz uns unzugänglicher aber darum nicht minder gesetzmäszig wirkender Ursachen. W'enn wir ein zweites mal dieselbe Grösze beobachten wollen, so wirken diese Ursachen nicht gerade in derselben Weise; wir erhalten ein etwas anderes Resultat. Oder, wenn wir diesmal eine andere Erscheinung beobachten, die aber mit der ersten in einer nothwendigen Verbindung steht, so er- halten wir ein Resultat, welches nicht vollkommen so ist, wie wir es nach der ersten Beobachtung erwarten müsten. Das, was wir eigent- lich suchen, haben wir oiTenbar in keinem von beiden Fällen genau erreicht, und so viele Beobaciitungen wir auch machen mögen, können «ir nie auf den günstigen Zufall hoffen, es völlig zu erreichen. Auch wenn wir ein Mittel aus unsern verschiedenen Zahlen nehmen, werden wir keine Aussicht haben, dasz dieses völlig genau wäre; ist es doch abgeleitet aus Beobachtungen, die, wenn man die unbekannten Ursa- chen der Fehler ignorieren wollte, einander widersprechen; der eigentliche Werth wird also auch von dem ftlittel noch um etwas ent- fernt liegen, obwol der Wahrscheinlichkeit nach um weniger als sich die einzelnen Resultate von ihm entfernten. Wer hiegegen die Augen verschlieszen und das, was seine Beobachtungen ergeben haben, kurz-

574 Auszüge aus Zeitschriften.

weg für das gesuchte ansehen wollte, der würde sich offenbar einer Teuschnng hingeben, die bequem sein mag, aber absurd ist. Das letzte, was wir erstreben, erreichen unsere Bemühungen nicht; wir kommen dem Ziele nur näher und näher. Aber wenn wir uns hieven klare Rechenschaft geben, und wenn wir im Stande sind zu beurtheilen, um wie viel höchstens das von uns erlangte Resultat unsicher sein kann, so besitzen wir auch hierin wieder die Wahrheit: wir wissen bestimmt, dasz sehr starker Grund vorhanden ist anzunehmen, das gesuchte Re- sultat liege zwischen gewissen von uns aufgestellten engen Grenzen, und wir wissen auch, wie viel Grund wir zu solcher Annahme haben. Gerade dadurch also, dasz wir uns Rechenschaft von der Unvollkom- luenheit unserer Methoden geben, gerade indem wir das wahrschein- liche von dem wahren zu trennen wissen, dringen wir zu der Wahr- heit selbst: nicht der schaut die Göttin, welcher kindisch mit einer Puppe spielt, die er an ihre Stelle setzt, sondern wer männlich die Augen öffnet und auch über den Abgrund zu blicken vermag, der ihn noch von seinem letzten Ziele trennt.

Dies ist die Lehre, durch deren Annahme die beobachtende Wis- senschaft zu Anfang dieses Jahrhunderts einen Riesenschritt vorwärts gethan hat. Man verdankt ihre Durchführung hauptsächlich zwei Männern, Gausz und dem in der Astronomie nicht minder groszen B es sei. Beide sind die Reformatoren der Sternkunde geworden, und ein sehr groszer Theil ihres Verdienstes und ihres eignen Erfolges be- ruht darauf, dasz sie das Beispiel davon gaben, wie man die Resultate der Beobachtung von solchen störenden Einflüssen, deren Thätigkeit uns verständlich ist, durch eine geeignete Combination von Beobach- tungen und durch Rechnung befreien kann, während die nachtheilige Wirkung der übrigen, die scheinbar regellos bald so und bald anders sich äuszern, durch die Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die gewonnenen Resultate in möglichst enge Schranken gewiesen wird. Es wäre mit sehr groszer Mühe verbunden, wenn man in jedem besondern Falle nach einer speciellen Untersuchung die Lehre von deu Probalitäten anzuwenden hätte. Glücklicherweise ist dies nicht nöthig, denn Gausz hat gezeigt, dasz unter gewissen, sehr allgemein zutref- fenden Voraussetzungen, (über deren Erfüllung allerdings eine genaue Erwägung des einzelnen Falles urtheilen mnsz), ein und dasselbe Ver- fahren fast mechanisch zum Ziele führt, indem es sowol das wahr- scheinlichste Resultat als die Grenzen seiner Zuverlässigkeit kennen lehrt. Dieser Algorithmus der Berechnung führt den Namen der <■ Me- thode der kleinsten Quadrate', weil gezeigt wird, dasz das wahrschein- lichste Resultat dasjenige ist, für welches die Summe der Quadrate der noch übrig bleibenden Abweichungen der einzelnen Beobachtungen möglichst klein ausfällt.

So viel über einige der Arbeiten von Gausz, welche vorzüglich beigetragen haben, seinen Ruhm zu begründen. Auch von denjeni- gen einzeln zu sprechen, welche dazu gedient haben, diesen Ruhm auf dem früh erreichten Gipfel zu erhalten, ist nicht möglich. Viele die- ser Gaben gehören denselben Gebieten an, welche seine frühern Arbei- ten ihm lieb gemacht hatten;' die andern verbreiten sich über alle Theile der reinen und angewandten Mathematik. Dahin gehören be- rühmte Abhandlungen über die von ihm sogenannte hypergeometrische Reihe und über die Enlerschen Integrale, über mechanische Qua- draturen, — allgemeine und schöne Sätze über Attraction, Arbeiten über die Planetenstöruugen , grosze geodaetische Untersuchungen, eine Preisschrift über Landkarten- Projectionen; über Hydrodyna- mik; — seine 1841 erschienenen ' dioptrischen Untersucliun<ien ', in welclien er den Formeln zugleich allgemeinere Anwendi)arkeit und

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groszere Eleganz gegeben hat, und sehr vieles einzelne. In weiteren Kreisen hat man von seiner lieschäftigung mit der galvanischen Tele- graphie erfahren: Gausz war bekanntücl» der erste, welcher in der Entdeckung des Electromagnetisnuis das Mittel erkannte, um sicher und rasch auf grosze Entfernungen Zeichen zu geben, und der in Ver- bindung mit seinem Freunde Wilhelm Weber den ersten Telegra- phen dieser Art herstellte, so wie es auch bekannt ist, dasz von ihnen ein Mitglied der hiesigen Akademie veranlaszt wurde, seine er- folgreiche Thätigkeit diesem Felde zuzuwenden, um die neue Erfindung der Technik leichter verwendbar zu machen. Eben so allgemein kennt man die Anregung, welche die Erforschung des Erdmagnetismus er- langte, als Gausz sich an die Spitze eines Vereines für solche Unter- suchung stellte, so wie die Resultate, welche hierdurch gewonnen und von ihm und Weber mitgetheilt worden sind, und welche zu einer viel groszartigeren Ansicht von der Thätigkeit dieser Naturkraft geführt haben, als man bis dahin besasz. Auch verschmähte er es nicht, in manches technische Detail einzugehen; so gaben ihm seine geodaeti- schen Arbeiten Veranlassung, die Meszkunst mit dem Heliotrop zu bereichern, einem Instrumente, welches dient, um Sonnenlicht mit Hilfe eines kleinen Spiegels nach einem sehr entfernten Punkte als Signal mit Sicherheit zu werfen, und auf diese Weise Stationen in Verbin- dung zu setzen, welche auf anderem Wege nicht mehr communicieren könnten. Bekannt ist auch die von ihm gemachte Angabe eines An- hanges zu den logarithmischen Tafeln, durch welche die Anwendung derselben sehr viel bequemer geworden ist. Solche bis in das einzelne von ihm verfolgte Einrichtungen erscheinen klein neben den groszen Untersuchungen, deren Tiefsinn seine Zeit in Krstaunen setzte: jeden andern würden diese Brosamen reich gemacht haben. Ihm selbst aber scheint nichts klein gewesen zusein: manche seiner kleineren Arbeiten, zum Thell noch den letztern Jahren angehörig, beweisen, wie sein ernstes denken, weit davon entfernt, sich in einen selbst gezognen Kreis zu bannen, vielmehr jeden Gegenstand zu ergreifen, auch dem scheinbar geringfügigen sein Interesse abzugewinnen wüste.

Damit stellt in enger Verbindung eine Bemerkung die sich jedem aufdrängt, der irgend eine Schrift von Gausz etwas genauer studiert. Die schöne Form, in welcher er alles darzustellen wüste, fällt auch einer sehr oberflächlichen Betrachtung auf; aber in dieser Form zeigt sich etwas mehr als die Feile der Ausfüiirung. In der Harmonie aller einzelnen Theile, in dem gleichmäszigen Lichte, welches über das ganze verbreitet ist, in dem ruhigen Strome seiner Gedanken spiegelt sich die imposante Grösze eines Geistes, der bis zur Klarheit durch- gedrungen ist. Manche im vorbeigehen hingestellte Bemerkung, deren tieferer Sinn erst demjenigen aufgeht, welcher sich mit dem Gegen- stande anhaltend beschäftigt, beweist, dasz er immer den Gegenstand in einem noch viel weiteren Gebiete beherschte, als er ihn uns vor- führte, — dasz nicht der laute Klang seines Namens, sondern das schweigende Bewustsein der Erkenntnis sein Ziel war. 'Pauca se<l matura' ist die stolz- bescheidne Devise, welche sein Siegel als Um- schrift um das Bild eines Fruchtbaumes zeigt, und obgleich dieser Baum, der an Schillers Gleichnis von der Breite und Tiefe erinnert, nicht wenige sondern reiche Früchte der Wissenschaft getragen, so hat doch Gausz das 'Pauca' in einem charakteristischen Sinne wahr gemacht. Denn es ist gewis, dasz nur weniges von dem, was sein groszer Geist bewegte, zur Kenntnis der Welt gekommen ist. Er hat nicht vor den Augen seiner Zeitgenossen gelernt, sondern bot ihnen nur, was völlig gezeitigt und vollendet war.

In welch hohem Ansehen Gausz schon bei seinem Leben gehalten

576 Ausziij^e aus Zeitschriften.

wurde, davon geben viele einzelne Züge Beweis. In den vorhin schon erwähnten Worten der Erinnerung, welche wir von Göttingen aus kürzlich vernahmen, ist berichtet, wie Laplace, selbst der grösten einer, und schwerlich der Mann, sich etwas zu vergeben, Gausz nicht den ersten Mathematiker Deutschlands genannt wissen wollte, weil er der gröste der Welt sei. Wir erinnern uns selbst, Zeuge davon gewesen zu sein, welch auszerordentlichen Werth Bessel auf das ge- wichtige Lob legte, mit welchem Gausz die Uebersendung seiner 'astronomischen Untersuchungen' erwiederte; unter denen, die ihm naher standen, giengen die hochgehaltnen Zeilen von Hand zu Hand, und mit der milden Natürlichkeit, welche die Erinnerung an seine Person seinen Schülern für immer theuer macht, verschmähte es Bes- sel nicht, auch uns jüngere zu Theilnehmern seiner Freude zu machen. Es wird auch manche Anekdote erzählt, wie dieser oder jener von den ersten seiner Fachgenossen zu Gausz gekommen sei, in heim- licher Hoffnung durch die Mittheihing einer noch zurückgehaltenen Entdeckung selbst den Meister zu überraschen, und wie da Gausz ruhig aus einem Schubfach unter alten Papieren ein Blatt hervorge- sucht habe, auf welchem in noch weiterem Umfange jene Resultate schon von ihm entwickelt standen. Wir wissen nicht, ob solche Er- zählungen auf Thatsachen gegründet sind, aber sie beweisen, welche Meinung man von Gausz hatte.

Ein halbes Jahrhundert hindurch hat Gausz die seltne Ehre ge- nossen, unbestritten der erste seines Zeitalters zu sein. Seinem Vor- gange strebten die altern seiner Zeitgenossen nach; die jüngeren be- feuerte der Wunsch, einmal den Beifall des hohen Meisters zu gewin- nen; denn viele haben seine Freundlichkeit erfahren. Allen leuchtete sein glänzender Name, unverrückt wie der Polarstern; die Gebrechen des Alters schienen diesem erhabenen Geiste nicht nahen zu dürfen; das höchste Ziel menschlichen Lebens schien ihm zu gebühren. Jmmer noch früher, als wir es fürchteten, hat ihn nun doch der Tod hinweg- gerafft; aber hoch über dem Grabe steht sein unsterblicher Nach- ruhm.

lieiichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statistisclie Notizen, Anzeigen von Programmen.

Augsburg]. Mit Ausnahme davon dasz das Lehramt der französi- schen Sprache dem provisorisch damit beauftragten Etienne Peg- Koussel definitiv übertragen wurde, für den Studienlehrer Mor. Mezger als Inspector des Collegiums der Predigtamtscand. Frdr. Mezger, und an die Stelle des als Studienlehrer nach Wunsiedel be- rufenen Inspectors Schalkhäuser der Gymnasiallehramtscand. Ludw. Müller eintraten, war der Lehrerbestand der vereinigten Erzielmngs- und Untersichtsanstalteu bei St. .Anna [S. Bd. LXX S. 34öJ i"i ver- gangenen Schuljahie unverändeit geblieben. Dan Unterricbt in der Stenographie erthcilte der Institulsdirector und l^ycealprofes.sor I'. Gratzmüller. Die Schülerzahl betrug 154 (G. iV : l4, III: II, 11: 16, I: 20, Lat. Seh. IV: 21, 111: "iO, II: 24, 1: 28), von denen ()4 dem Collegium angehörten. Den Schulnachrichten voraus geht die Abhandlung vom Studienrector und Kreisscliolart Ikmi Dr. G. C Mez- ger: cxposilio cpislolac Ilnrutii iid Visones (28 S. 4).

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, statist. Notizen. 577

BiiESLAu], Am 4. Oft. d. J. feierte der Director «Ics Magdaleneii- Gymnasiiims Dr. C. G. Scliöiiborn sein 25j;ilir. Amtsjiibilaeiim. Das Lelirercollegimn der Anstalt brachte ihm seine Glückwünsche <lar durch eine J)rucks<;hrift , welche enthält 1) vom Pror. und 2ten Piof. Dr. F. W. Lilie: de Tclluris dcae natura ex veleruin Gruecorum fabutis dcseripta ('27 S. 4) und '2) vom Prof. Dr. Mor. Sadebeck: Triangulalion der Stadt Breslau (30 S. 4).

Düsskldorf]. Am dasigen königl. Gymnasium wurde der Gymna- siallehrer Kirsch während seiner Wirksamkeit als Landtagsabgeord- neter und noch einige Zeit später durch den Cand. Dr. Schmitz ver- treten. Die schon 1855 erledigte Ijchrstelle wurde nach einstweiliger Vertretung durch den Cand. Schieffer durch Ascension und die An- stellung des Dr. Krausz aus Hünfeld in Kurhessen besetzt, so dasz das Lehrercollegium bestand aus dem Dir. Dr. C. Kiesel, Consisto- rialr. Budde, Prof. Dr. Crome, den Oberlehrern Honigmann und Grashoff, dem Religionslehrer Krähe, dem Oberlehrer Marco- witz, den Gymnasiallehrern Hol I, Kirsch, Oberl. IMünch, Dr. U|i- penkamp, Dr. Krausz, Stein und Inspector W intergerst. Die Schülerzahl betrug am Schlüsse des Schuljahrs 265 (I: 37, H": 17, TP: 28, HI: 37, IV: 49, V: 37, VI: 62), Abiturienten waren 10. Den Schulnachrichten voraus geht die Abhandlung des Prof. Dr. C. Crome: Quid Graccis Cicero in p/iilosophia , quid sibi dcbucrit, quaeritur (20 S. 4). Dieselbe ist zur Leetüre für die Schüler bestimmt, um ihr Interesse für die philosophischen Schriften Ciceros zu wecken. Ref. hat nie denen beistimmen können, welche diese von dem Gymnasium ganz ausgeschlossen wünschen. Denn so gewis es ist, dasz dieselben nicht in die Tiefe der philosophischen Speculation einführen, in wel- cher Hinsicht die Lesung platonischer Schriften unendlich höhere Vor- theile bietet, so viele Irthümer und Misverstäudnisse sie auch enthal- ten (es genügt auf Madvigs Cominentar zu de finibus zu verweisen), dasz sie nicht geeignet seien das denken der Schüler auf eine gewinn- reiche Weise zu üben und zu wecken, wird man eben so wenig bewei- sen können, wie dasz sie zur Einführung in die Geschichte der alten Philosophie nicht das beste uns erhaltene Hülfsmittel aus dem Alter- thume selbst darbieten. Und nimmt man hinzu, dasz in ihnen die Sprache der Römer auf das Gebiet der reinsten und höchsten Wissen- schaftlichkeit angewandt und auf demselben mit unübertroü'ener Meister- schaft gehandhabt ist, dasz man demnach durch sie am besten die Bil- dungsfähigkeit, die Dehnbarkeit und Durchsichtigkeit, auf der anderen Seite aber auch die Beschränktheit und Einengung derselben erkennen kann, so wird man schwerlich in Abrede stellen können, dasz da die Erlernung der lateinischen Sprache nicht zu dem nöthigen Abschlüsse gelangt sei, wo man Ciceros philosophische Schriften ganz ausschlieszen müste oder wollte. Der Hr. Vf. hat nun in der vorliegenden Schrift das Verdienst Ciceros gebührend hervorgehoben, wenn schon man aus- führlicher und tiefer den Einflusz behandelt zu sehen wünschte, wel- chen er durch seine Sprachschöpfung und Verpflanzung auf heimischen Boden nicht allein auf das Römervolk, sondern auch auf das wissen- schaftliche Studium des Mittelalters und der neuern Zeit ausgeübt hat. Es ist überhaupt erfreulich, wenn man der Jugend gegenüber den wis- senschaftlichen Ernst und die Stufe der Ausbildung, welche Cicero er- reicht hatte, ins rechte Licht gestellt sieht, da diese nur zu leicht sich jetzt verführt sieht, über jenen Mann abzusprechen, von dem sie sich erst viel gutes aneignen sollte und müste, ehe sie sein historisches Bild in voller Wahrheit und Richtigkeit zu fassen und zu beurtheilen sich erkühnen dürfte. Das alphabetische Verzeichnis der wichtigsten griechischen Philosophen, aus denen Cicero geschöpft, mit den daran

578 Berichte über gelelirte Anslallen, Verordnungen, slatist. Notizen.

geknüpften Nachweisungen wird auch für viele Lehrer ein willkomm- nes Repertorium sein. R. D.

Gratz]. Der Lehrkörper des dasigen kk. akademischen Gymna- siums erlitt während des Schuljahrs 1854—55 sehr wesentliche Verän- derungen. Durch den Tod verlor er am (2. Oct. 1854) den Director Alex. Kalte nbrunn er, durch Versetzung den Suppl. Krise hek (als wirkt. Gymnasialprof. nach Hermannstadt ernannt), den Suppl. Gut- scher (in das philologische Seminar zu Wien eingetreten), den Gym- nasiall. Hamerling (zuerst für das Gymnasium zu Cilli ernannt, dann nach Triest berufen), den Suppl. Herr (als Gymnasiallehrer nach Triest versetzt), den Suppl. Ficker (als wirkt. Lehrer an das kk. Staatsgymn. zu Ofen berufen). Derselbe bestand nach Ersetzung der Lücken aus dem supplierenden Director Dr. theol. Kadm. Hieber, den ordentl. Lehrern Edm. Ried er (von der supplierenden Direction auf eignes Ansuchen wieder enthoben), E. Klampfl, Peinlich [diese vier Capitularen des Benedictinerstifts Admont], Heller (weltl.), Dr. theol. Trümmer und Pa ck (Weltgeistliche), den Supplenten Cicigoi, Pracher, Worms (Weltpriester; die übrigen alle weltlich), Ullrich, La Roche, Mar esc h und Schwammel, den Nebenlehrern Vi- dovic (für sloven. Spr.), Quenot (für franz. und ital.), Kuglmayer (Zeichnen), Wolf (Stenogr.), Genser (Gesang) und Augustin (Gymnastik). Die Maturitätsprüfung hatten am Schlüsse des Studienj. 1854 19, am Schlüsse des In Sem. 1855 8 bestanden. Die Zahl der Schüler betrug im 2n Sem. 513, 464 öffentl. und 43 privat, [l Je Sect. 72, 1 2e Sect. 68, II: 90, III: 65, IV: 67, V: 45, VI: 39, VJI: 31, VIII: 35]. Die den Schulnachrichten vorausgehende Abhandlung des Religionsl. Dr. Ed. Trümmer: über das Verhältnis der katholischen Religion zum wahren Fortschritt (16 S. 4), können wir nur erwähnen.

Heiligenstadt]. Das dasige königl. Gymnasium hatte im Laufe des Schulj. Mich. 1854 55 nur die Veränderung erfahren, dasz im August die Errichtung einer Sexta genehmigt und zur Versehung ders. der Schulamtscand. Schneider w i rth aus IMünster berufen wurde. Die Schülerzahl betrug 183 (I: 31, II: 24, III: 27, IV: 42, V: 59), Abit. Ostern 1855 I, Mich. 14. Vorausgestellt ist die Abhandlung vom <)l)erl. Kram ar c z i k : die Lehre von der consecutio temporum (28 S. 4). Wir machen auf diese Arbeit aufmerksam, da sie sich ebenso durch klare Entwicklung und praecise Bestimmung, als auch durch sorgfäl- tige Erforschung des Sprachgebrauchs zunächst einer Gattung und zwar der vollendetsten der lateinischen Litteratur, der ciceronianischen Reden als eben so nutzbar für den Unterricht, wie für wissenschaft- liche Zwecke empfiehlt. Ueber einzelnes wird man freilich abweichen- der Meinung sein, wie z. B. bei der Stelle Cic. pro Quinct. 52 zur Erklärung des defenderit einfach die Hinweisung genügt, dasz sich <ler Satz auf negare audcs, nicht auf defensum esse beziehe, bei an- deren noch tieferes eingehen vermissen, wie z. B. auf die ur.sprüng- liche Natur von ut und die daraus abzuleitenden Gelirauchsweisen, endlich würde man es vortheilhafter finden, wenn der Hr. Vf. die bei- den Theile, den theoretischen und praktischen, ineinander gearbeitet und so den Uebcrblick über die Darstellung und den Beweis erleich- tert und die Ber|Uemli< hkeit des Gebrauchs erhöht hätte, allein die Abhandlung enthält doch so viel gutes und beachtenswerthes , da.sz man unser günstiges Urtheil nicht unbegründet finden wird. R. I).

Münstekkiiel]. Das dasige Gymna.sium (vgl. Bd. L\X S. 568) erhielt durch königl. Cabinetsordre einen neuen ZuscIulsz von 475 Thir. In Folge davon sind die Gehalte einschliesziich dvr Kmohimente also ret-ulicrt: Director 900, Ir Oberlehrer 700, 2r Oherl. (iJO, 3r ()0(», Re- ligionsIchrerJöO, Ir ord. Lehrer 500, 2r 450, 3r 450, Hülislehrer 200Thlr.

Berichte über gelehrte Anstalten, Verordnungen, slalist. Notizen. 579

Das Lehrercollegium erfuhr keiue Veiäuderung, auszer da.sz dem Cand. Christ die Abliallung des Probejahrs gestattet wurde. Die Schüler- zahl betrug im vergaugenen Herbst 119 (i : 14, II: 34, III: 15, IV: IH, V: 17, VI: 21). Abiturieuten 5. Deu Schulnaclirichteu voransteheu vom Oberl. M. INlohr: quaistiones pkilolog^ae (10 S. 4) In dieser im Druck sehr vernachlässigteu Abhandlung wird zuerst Xen, Cyrop. II 4 20 erklärt, da^z die Perser den Jagdplatz nicht ganz uujstellt, sondern nach Aufsuchung des Wildes die Reiter und schnellsten Kuszgänger einen Halbkreis zum auffangen desselben gebildet hätten. Der Begriff des Halbkreises ist aber in dtaatävtsg nicht enthalten, sondern nur der einer langen Postenkette, welcher das Wild zugetrieben wurde. Auf das durchbrechen der Kette scheint weniger angekonunm zu sein, wie auf das rasche verfolgen und erlegen des in die Nähe getriebenen und aus dem Distrikt hervorbrechenden Thiers, wie IV 6 3 zu beweisen scheint. Die Reiter traten dann an die Stelle der Treiber (diadsxo- l-ifvoi). Richtig dagegen weist der Hr. Vf. durch Darstellung von der Natur der Trappen Anab. 153 die von Krüger in der kleinen Ausgabe vorgeschlagene C'onjectur ävaatf/ für aviaty zurück. Nach Erwähnung einer Stelle des Arrian, die nur dazu dient des Schriftstellers Leicht- gläubigkeit zu charakterisieren, geht derselbe zu Soph. Ai. 2 über, wo er durch Anführung einer Stelle des Oppian (warum nicht im griechi- schen Texte, sondern in der Rittershusischen Uebersetzung?) ä^nä^tiv von dem schnellen ergreifen und fortschleppen des Wildes durch den Hund erklärt. Die Ableitung des Verbs ciQnä'Qsiv von dem Namen des Vogels agrcrj scheint uns manchem Bedenken zu unterliegen. Auszer- deu\ wird S. O. C. 147 etwas bedenklich durch: 'ich würde mich nicht, ein mächtiger dann (^ityag also = ^ityag o'iv = ort fifyas tiv) , um ge- ringe Gaben zu empfangen in Bewegung setzen'. Während wir der Verdächtigung der Worte Cic. in Cat. I 10 25 : vigilarc non solum irtsidiuntcm somno maritorum, verum etiam bonis otiosorum (denn so ist für occisoium zu schreiben, wie pr. Marc. § 18, welche Stelle Halm anführt, beweist) schon um der rhetorischen Gestaltung der Stelle willen nicht beistimmen können, werden wir durch des Hrn. Vf. Gründe überzeugt, dasz Phaedr. III 6 tricandum den Vorzug verdiene vor dem bis jetzt in den Texten festgehaltenen strigandum. R. D.

Parchim]. In dem Lehrercollegium des Friedrich -Franzgymna- siums [s. Bd. LXX S. 569] waren zwei Lücken entstanden durch die Berufung des Oberlehrers Glrschner [oben S. 105] und den am 27. März d. J. erfolgten Tod des Collaborators Frdr. Wilh. H. Hast. Sie wurden ausgefüllt durch die Berufung des vorherigen Leh- rers an der Handelsschule und am Gymnasium zu Dessau Dr. H. Ger- lach als Collaborator und nach aufrücken des ersten Lehrers der Vorschule Dr. Pfitzner in eine Collaboratur, durch Anstellung des Cand. Voss als ersten Lehrers der Vorschule Der Schülerbestand war im Sommersem. 1835 209 [I: 21, II; 26, RH: 1, III: 24, RIII: 5, IV: 31, RIV: 19, V: 23, RV: 14, VP: 20, VI'': 12, RVI: 13]. Abiturien- ten Ostern 2, Mich. 4. Den Schulnachrichten vorangestellt ist vom Dir. Dr. Friedr. Lübker: die sophokleische Ethik (76 S. 4), welche Abhandlung mit der früher veröfTentlichten sophokleischen Theologie als ein ganzes im Buchhandel erschienen ist. Wir hoffen dasz von derselben eine ausführliche Beurtheilung in diesen Blättern werde ge- geben werden können.

St. PiTERSBURG.] Am 8n Sept. wurde die neuerrichtete Facultät für orientalische Sprachen feierlich eröffnet. Dieselbe hat Lehrstühle für arabisch, persisch, die türkisch-tartarischen, mongolisch-kalmücki- schen Sprachen, chinesisch, hebraeisch, armenisch, grusinisch und mandschurisch.

r)80 Berichte über gelehrte Ausfallen, Verordnungen, sfafisf. Notizen,

Saarchückein]. In dem Lehrercol!eguim des dasigen Gymnasiums war seit den Bd. LXIX S. 233 u. 581 berichteten Anstellungen Iceine Veränderung im Lehrercoilegium vorgekommen. Die Scluilerzahl be- trug am Schlüsse des Scliuij. Ende Aug. 1H5j 158 [1: 6, II: 12, HI: 19, IV: 25, V: 41, VI: 35, RFII: 6, RIV: 9, Vorsch. 20], Abiturienten 3. Die von dem Dir. Dr. Ferd. Peter den Schulnaclirichten voraus- geschicicte Abhandlung: einige Beitrage zu den gricc/iischcn Wörter- büchern mit besonderer Berücksichtigung des Passowschen Jf'erkcs (16 S. 4), hätte der Entschuldigung, dasz sie wegen einer Stellver- tretung plötzlich und in knappen Muszestunden gearbeitet worden sei, nicht bedurft. Sowol in der Einleitung, welche sich über die Geschichte der griechischen Lexikographie verbreitet, als auch In den Beiträgen selbst, namentlich in der Auseinandersetzung über den Un- terschied von ciyt.v und (ptQSiv wird man den gelehrten, umsichtigen und scharfsinnigen Forscher erkennen und vielfache Anregung und Belehrung finden. K. D

Schwerin]. Die in dem Lehrercoilegium des Gymnasium Fride- ricianum [s. Bd. LXX S. 357] durch den Tod des Oberlehrers Dr. Heyer [s. oben S. 105. Dem verstorbenen wird im Progrannn ein sehr ehrendes Denkmal gesetzt] entstandene Lücke ward durch die Berufung des Dr. A. W. Ebeling, vorher Lehrer am Lyceum in Han- nover, ausgefüllt. Eine neue Lücke entstand, indem der College Dr. Hut her in das Pfarramt zu Wittenförden befördert wurde. Wegen der Frequenz wird von jetzt an nicht nur die bisherige letzte Klasse, Quarta, in zwei getlieilt, sondern auch eine 7e, Quinta, errichtet. Die Bestimmung der letztern ist, die Knaben, welche den Gymnasial- cursus beginnen, aufzunehmen, während vorher für die unterste Klasse schon Kenntnisse und Uebung im lateinischen vorausgesetzt wurde. Die Schülerzahl betrug 185 [I: 26, II: 30, III^: 36, UV: 41, IV: 52], Abiturienten 10. Den Schulnachrichten vorausgestellt ist die Abhand- lung vom Oberlehrer Dr. Schiller: Regeln aus der lateinischen Syn- tax für imtere Jilassen [speciell für die Quarta des Fridericiani. 32 S. 4]. Wir empfehlen dieselben der Aufmerksamkeit und Benützung aller Lehrer, da sich die gegebenen Regeln durch Praecision und Klar- heit, so wie durch tactvolle Auswahl des nothwendigen und wesent- lichen auszeichnen und der Vf. in Anmerkungen den Beweis liefert, dasz dieselben auf gründlichen wissenschaftlichen und paedagogischen Studien beruhn. R. D,

Wismar]. Das Lehrercoilegium der dasigen groszen Stadtschule bestand im verflossenen Schuljahre, nachdem am Schlüsse des vorher- gehenden der Hülfslehrer Cand. Firnhaber in das Rectorat zu Rib- nitz übergegangen war, aus dem Rector Prof. Dr. Cruin, den ordent- lichen Lehrern Dr. Frege, Dr. Haupt, Dr. Nölting, Dr. Wal- ther, Dr. Schröring, Dr. Sonne, Herbing und Dr. Reuter, dem Cantor Anding [zur Stellvertretung während dessen Krankheit wurde der Cand. theol. Tarnow berufen, aber mit dem Schlüsse des Schuljahrs in das Amt eines Hülfspredigers nach Güstrow versetzt], den Schreib- und Rechenmeistern Welterich und Mohr, dem Ele- nientarlehrer Grobe und dem Zeichenlehrer Fangheim. Die Schü- lerzahl betrug 303 [Gymn. I: 19, II: 18, III: 32, IV: 37, Realsch. I: 9, II: 23, Hl: 39, Elementarkl. V: 41, VI: 40, VII: 45], Abiturienten 3. Den Schulnaclirichten vorausgestellt ist eine Abhandlung von Dr. Frege: Zur Verständigung über einige Schulverhiiltitisse (16 S. 4), in welcher in klarer und überzeugender, allen Verhältnissen gebüh- rend Rechnung tragender Weise der ungemeine Nachtheil, welcher der Rerilschule daraus erwächst, dasz bei weitem die gröste Mehrzahl der Schüler den vollen 2j. Cursus der In Realklassc nicht vollständig

Pcrsonaliiachrichlcn. 561

«lurclnnachen, so wie der Scliaden, den Privatstiindeii stiften, den Ki- tern ans Herz gele{;t und sodann kurz der Zweck der Realsdiule, dnsz sie nicht eine Vorbereitungsscliule für specielle ßerufsfäclier sei, er- örtert wird. R. V.

Personalnachrichten.

Anstellungen, Beförderungen, Versetzungen:

Anton, Hugo, Schulamtscand., als Adj. am Paedagogium zu Puttbus angestellt.

Hergenroth, Dr. Jul. Ad., Schulamtscand. , als ordentl. Lehrer am Gymn. und den damit verbundenen Realklassen zu Thorn ange- stellt.

Bertram, Dr. H. W. W. , Oberlehrer an der königstädtischen Real- schule zu Berlin, als ord. Lehrer an das Friedrichs-Werdersche Gymn. daselbst vers.

Bräsz, Coliegiat, zum Religionslehrer am Gymn. zu Blankenburg am Harz ernannt [s. unten Hof fmeis t e rj.

Buchmann, Gust., Schulamtscand. als ordentl. L. und

Busch, Joh, Ge.,, vorher Rector am Progymn. zu Prüm, als Rector am Prog. zu St. Wendel angestellt.

p]isenlohr, Hofrath Prof. W. , zu Karlsruhe, ganz der polytechni- schen Schule zugewiesen, unter Enthebung seiner bisherigen F^inc- tionen am Lyceum.

PJlsperger, Dr. Christoph, Rector und Prof. der 3n Gymnasialkl. in Ansbach, in die Lehrstelle der 4n Gymnasialkl. befördert [s. unter Pensionierung].

Fasbender, Dr. Ed., Oberl., als ord. L. am Gymn. und den Realkl. zu Thorn angest.

Fritsche, Herrn., Schulamtscand., desgl.

Frühe, Max, Lehramtspraktikant, als Lehrer am Gymn. zu Kon- stanz angest.

Gasz, Dr., ao. Prof. in der theol. Fac. der Univ. zu Greifswald, zum ord. Prof. befördert.

Grautoff, Dr. P. Ad., bisher Lehrer am Blochmann - Bezzenber- gerschen Erziehungshause in Dresden, als Collab. am Gymn. zu Greiffenberg a. d. R. angest.

Grebe, Dr. E. VV., Gymnasiallehrer zu Marburg, als erster Lehrer an die Realschule zu Kassel vei'setzt und mit dem Rectorat der Anstalt beauftragt.

Hausdörffer, Dr., Collabor. am Gymn. zu Blankenburg am Harz, als Oberlehrer an das Gymn, zu Helmstedt versetzt.

Heinemann, Thorn., Gymnasiallehrer in Donaueschingen, in glei- cher Eigenschaft nach Konstanz versetzt.

Heintz, Dr., ao. Prof., zum ord. Prof. der Chemie in der philos. Fa- cultät der Universität Halle ernannt.

Helwig, Predigtamtsc, zum Lehrer am Gymn. in Helmstedt ernannt.

Henkel, Wilh., Gymnasiall. in Kassel, zum Secretär im Ministe- rium des kurf. Hauses und der ausw. Angel, provisorisch ernannt.

Hirsch, Dr. W. S. , als ord. L. an dem Gymnasium zu Thorn und den damitverbundenen Realkl. angest.

Hoffmeister, Dr., Lehrer der Religion und Naturwissenschaften am Gymn. zu Blankenburg, zum Pastor in Wienrode befördert.

582 Personalnaclirichteh.

Hundert, Dr. K. J. A., Schulaintsc. , als ordentL Lehrer am Gymii. in Cleve angest.

Kamrad, Schulamtsc. , als Collaborator am Gymn. zu Holzminden angestellt.

Kelbe, Pastor, Reiigionsl. am Obergymn. zu Brauaschweig, zum Ge- neralsuperint. und Reiigionsl. am Gymn. zu Helmstedt ern.

Kemmer, Frz., Prof. der In Gymnasialkl, in Landshut, an die 3e Gymnasialkl. zu Neuburg an der Donau versetzt.

Kern, Konst., Lehramtspraktikant, zum Lehrer am Gymn. zu Kon- stanz ern.

Kleinsorge, Wilh., Oberl. , zum Dir. der Friedrich-Wilhelmsschule zu Stettin gewählt und bestätigt.

Kossak, Dr. K. Ad., ordentl. Lehrer am Gymn. zu Gumbinnen, zum Oberlehrer an ders. Anstalt befördert.

Lange, Dr. Alb., Hülfslehrer am Friedrich-Wilhelmsgyran. zu Köln, zum ord. Lehrer ebenda befördert.

Löher, Dr. Frz., seit 2 Jahren Privatdocent an der Univ. Göttin- gen, als Professor nach München berufen [als Schriftsteller über America bekannt].

Marme, Karl Frdr. , ord. Lehrer am Gymn. zu Lissa, zum Ober- lehrer an ders. Anstalt ernannt.

Meiszner, Dr. med., Privatdoc. an der Univers. Göttingen, als ord. Prof. der Anatomie und Physiologie nach Basel berufen.

,...,, TT ¥;< j T u 1 IT« ^ am Gymn. zu Thorn

Muller, H. Ed Lehrer als ord. Lehrer \^^^ j^,^ ^^^j^ ,.^r-

Prowe, Dr. L Fr. , Schulamtscand., als Oberl. ^^,^^^,^^,^ Realklas-

Prowe, Dr. Ad. G., Schulamtscand., als ord. L. | ancest

Reger, Ge. Bapt, Prof. der In Gymnasialkl. zu Regensburg, an die 4e Gymnasialkl. zu Kempten versetzt und zugleich in wider- ruflicher Eigenschaft mit allen Functionen des Studienrectors be- auftragt.

Reuter, Dr., ao. Prof. in Breslau, als ord. Prof. in der theol. Fa- cultät nach Greifswald versetzt.

Schiller, Dr. Ludw. , Studienlehrer in Erlangen, zum Prof. des 3n Gymnasialklasse in Ansbach ernannt [s. Elsperger].

Schmidt, Dr. Mich., Schulamtscand-, als ord. Lehrer am Gymn. zu Cleve angest.

Schue, Stadtschulrector, als ord. Lehrer am Progymn. zu St. Wen- del angestellt.

Schumann, Dr. E. Fr. A. H. , Schulamtsc, als ord. L. am Gymn. zu Greifswald angest.

Seidemann, Oberl. an der Stadtschule zu Zittau, als ord. ständi- ger Lehrer am das. Gymn. und der damit verbundenen Realschule angestellt.

Semisch, Dr., ord. Prof. der Theol. in Greifswald, in gleicher Ei- genschaft in die ev. theol. Facultät der Univ. zu Breslau versetzt.

Stein meyer, Pastor, zum Religionslehrer am Obergymn. zu ßraun- schweig ernannt [s. oben Kelbe].

Tobias, Hülfsl., als ord. stand. Lehrer am Gymn. zu Zittau und der damit verb. Realschule angest.

Weishaupt, Dr. Matth., Prof. an der höhern Lehranstalt zu Solo- thurn, zum Prof. der In Gymnasialkl. zu Regensburg provisor. ernannt.

Zander, Hülfsl. am evang. Gymn. zu^Ratibor, zum ordentl. Lehrer befördert.

Persona liiaclinclilcii. 583

P r a e d i c i e r u ii {^ e n und E li r e n b e z e u g u n g e n :

BuLtmaiiii, Alex., Oberlehrer am Gymii. zu Potsdam, als Prof. praediciert.

Co 11 man 11, K. Kr., ord. L. am Gymn. zu Bielefeld, als Oberl. praed.

Diestel, ord. L. am Gymn. zu Lyck, als Oberl. praed.

Hooker, Sir Will., in Kew, zum ElireniiiKglied der k. preusz. Aka- demie der Wissenschaften gewählt und bestätigt.

Kirch hu ff, Dr. Ado., Adjunct am Joachimsthalschen Gymn. zu Ber- lin, als Prof. praed.

von Lieb ig, Prof. Dr., in München, zum ausw. IMitgliede der k. pieusz. Akademie der Wissensch. gewählt und best.

Polster, ord. Lehr, am Gymn. zu Ostrowo, als Oberl. praediciert.

Kammeisberg, Prof. Dr., in Berlin, zumv , , i, , ,

ordentl. INIiTgl. w- ' P';«"«^„Akad. der

Sabine, Colonel in London, zum Ehrenmit-( Wissensch. zu Berlin gew. gliede. ' ""^ best.

Schütz, Dr. K. Wilh., ord. L. am Gymn. zu Bielefeld, als Oberl. praedic.

Szüst a k o w sk i, Dr. Jos., Oberl. am Gjmn. zu Trzmeszno, als Prof.

praed.

r,i i . j i> /-yu •! zu ausw. Mitgliedern der k.

1 henard, Baron, Chemiker in Paris i »i i j \tj- i

»» •• i I n c j\ /-•».• - preusz. Akad. der Wissensch.

Wohler, Prof. Dr., in Gottingen t i, i- i. ^-/^ ..

*= ' zu üeriin gew. u. bestätigt.

Pension ierungen:

Boinhard, Dr. Mart., Schulrath und Prof. der 4n Gymnasialkl. in Ansbach, seinem Ansuchen gemäsz in Kuliestand versetzt.

Verstorben:

Ain 19. Aug. zu Badenwailer der Prof. der Staatswissenschaften an

der Univ. zu Tübingen, von Volz. Am 8. Sept. in Wolfenhüttel der in Ruhestand versetzte Bibliothekar

Hofrath Dr. C. P. C. Schöneinann. Am 16. Sept. in Magdeburg der Regierungs- und Provinzialschulrath

Dr. Scha u b. Ain 17. Sept. in Jena der Geh. Hofr. und Prof. der Philosophie Dr.

Ernst Rein hold. An dems. in St. Petersburg der frühere Minister der Volksaufklärung,

Praesident der kais. Afcadem. Graf Sergius Uwaroff. Am 20. Sept. in Kreuznach der Geh. Hofr. Dr. Bach mann, ord. Prof.

der Moral und Politik, sowie Dir. der mineralogischen Gesell-

scliaft und des mineralogischen Cablnets an der Universität Jena. Am 21. Sept. in Breslau der Medicinalr. Prof. Dr. Renner. Am 3. Oct. in München Oberconsistorialrath Dr. Ch. E. N, von Kai- ser, 82 J. alt. Ferner in Königsberg der Prof. Dr. ^üsch, Director der Sternwarte. Im Auf. Oct. zu Amsterdam der Prof. Dr. J. Fallati aus Tübingen. In Paris Magen die, Prof. der Medic. am College de France, Mitgl.

des Instituts, Haupt der modernen Schule der Experimentalphy-

hiologie.

N. Jchrb. f. Phil. M. Pucd. HU. L.KXII. Hfl.W.

43

Zweite Abtlieilimg

herausgegeben von Rudolph Dietsch.

38«

Das Programmeninstitut.

In der paedagogischeii Seclion der Philologenversammlung zu Hamburg hatte Hr. Geh. Reg.-Rath Dr. Wiese die Frage gestellt, wie das zu einer allgemeinen deutschen Angelegenheit gewordene Pro- grammeninstitut am zweckmäszigsten und heilsamsten eingerichtet Averden könne. Die Zeit gestattete nicht mehr eine Besprechung und man miiste sich mit ganz wenigen Bemerkungen begnügen. Bei jeder Einrichtung ist Prüfung nach einiger Zeit heilsam, weil ja erst dio Erfahrung das mangelhafte, was sich der Berechnung entzieht, heraus- stellt und selbst das zweckmäszigsfe durch die Handhabung verliert; bei der vorliegenden aber ist die Aufwerfung einer solchen Frage um so mehr gerechtfertigt, als man sich offenbar einen groszen Segen davon verspricht, wie die Einführung des Instituts in Ländern, welche es vorher nicht hatten, und die grosze Ausdehnung des Programmen- tausches beweisen, und in Folge davon bedeutende Opfer dafür bringt der hochverehrte Fragsteller schätzte die jährlichen Kosten auf 20000 bis 25000 Thlr.*) , also als Pflicht erscheint sich Rechenschaft darüber zu geben, ob der beabsichtigte Nutzen wirklich erreicht werde, ob das erreichte im Verhältnisse zu dem Aufwände stehe, ob Hindernisse sich finden und wie sie beseitigt werden können. Auch scheint der Umstand, dasz im Groszherzogthum Hessen das Institut eine Zeit lang abgeschafft war und im Königreich Bayern neuerdings die Beigabe der wissenschaftlichen Abhandlung freigestellt worden ist, darauf hinzuweisen, dasz man es für ganz oder zum Theil ent- behrlich hielt, so wie endlich die Verschiedenartigkeit der Praxis den Mangel der Uebereinstimmung über das, was nothwendig sei, was

♦) Nehmen wir die Zahl sämtlicher deutscher Gymnasien und Realschulen, welche Programme veröffentlichen, nur auf 350, den Auf- wand aber, den jede Anstalt für das Programm hat, im Durchschnitt zu 50 Thlr. an, so ergibt sich schon eine Summe von 17500 Thlr.

iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. HJ. LX.MI. Hft. 12. 44

586 Das Programmeninstilut.

überflüssig, beweist. Wenn der unterzeichnete eine Erörterung der Sache iinterninnnt, so ist er weit von der Anmaszung entfernt, als sei er dazu besonders befähigt und geeignet, vielmehr tlieilt er, was sich ihm bei vielfaciier Beschäftigung mit Programmen aufgedrängt hat, mit, in der Hoffnung, dasz vielleicht andere dadurch sich zu einer Be- sprechung veraulaszt fühlen.

Der Gang der Erörterung ist durch die beiden Theile, in welche die Programme zerfallen, die Schulnachrichten und die wissenschaft- lichen Abhandlungen, so wie durch die drei Kreise, für welche sie bestimmt sind, die vorgesetzten Behörden, das bei der Schule zunächst interessierte Publicum den Scheiberlschen Ausdruck ^ Schulge- meinde' können wir natürlich nicht gebrauchen , die übrigen glei- chen Anstalten, vorgezeichnet.

Schon in früherer Zeit wurden von den gelehrten Schulen Pro- gramme ausgegeben als Einladungen zu Schulfesllichkeiten oder An- kündigungen der Leclioncn. Man hielt die Lehrer für verpflichtet, oder glaubte es wenigstens in ihrem Interesse bei solchen Gelegen- heiten specimina doclrinae et erudüionis vorzulegen. Zuweilen wur- den einige kurze Nachrichten über die Schule milgetheilt, zuweilen sprach sich wol auch ein Lehrer über einen bemerkten Uebelstand und die Bedeutung eines Lehrgegenslandes aus; wie wenig man aber dar- auf Werth legte, beweist schon der eine Umstand, dasz an den wenig- sten Schulen auch nur einigermaszen vollständige Sammlungen dieser Programme vorhanden sind. Nur wenige gelehrte Schulmänner wahr- ten die darin veröirenllichten Erzeugnisse iiires Geistes durch Vereini- gung in H)puscula'. Also die Ansicht, dasz eine gelehrte Schule von Zeit zu Zeit Zeugnisse ihres Lebens in das Publicum zu senden habe, ist nicht neu, aber von nicht sogar altem Datum ist die Forderung, dasz sie jedes Jahr vollständige Nachrichten über ihre äuszeren und inneren Verhältnisse bekannt zu machen habe. Dasz diese Einrichtung zunächst im Interesse der vorgesetzten Behörden getroffen worden sei, ist nicht anzunehmen, da diese ja die in den Programmen enthaltenen Notizen auf andere Weise erhalten können und w irklich erhalten, ob- gleich wol dieZusammenslellung, sowie manche Beobachtungen über dio Art und Weise der Veröffentlichung auch für sie einigen Werlh haben können. Man hat vielmehr wol die beiden anderen oben bezeichneten Kreise dabei im Auge gehabt.

Mustern wir nun zuerst die Schulnachrichten in den Programmen, so zeigt sich eine sehr verschiedene Praxis. Während in manchen Ländern und an manchen Schulen sie äuszerst spärlich, oft auf eine einzige Seite wenn auch vielleicht engen Druckes zusammenge- drängt, milgetheilt werden, füllen sie anderwärts mehrere Bogen; Avälirend hier tabellarische Form oder doch ein strenger Schematismus und trockener annalistischer Stil beobachtet werden, erhalten ander- wärts dio Vorgänge und Ereignisse in der Schule, namenllicli dio Festlichkeiten, oft unter Mitlheilung der gehaltenen Reden, ja Abdruck der gesungeneu Lieder, ausführliche Schilderung; während in einigen

Das Programmcniiistilut. 587

Kreisen vollständige Scliülerverzeichnisso sich finden, liest man ander- Avärts nur die Summcnzahlen , zuweilen nicht einmal die Verlheilung^ auf die Klassen. Selbstverständlich wirken hierbei äuszere Verhält- nisse ein, wie denn z.B. da wo man auf die Localion einen solchen Werth legt, wie in Bayern, die Verzeichnisse der Schüler mit den Fortgangsplätzen einen Hauptgegenstand bilden müssen, allein die Er- scheinung beweist doch deutlich, dasz man über das Masz des milzu- theilenden verschiedener Ansicht ist, dasz man hier und da von voll- ständigen Nachriclitcn keinen Nutzen erwartet. Und da wir nun manche damit übereinstimmende Aeuszerungen vernommen haben, so scheint es durchaus nicht unangemessen zu fragen, was denn mit der VerölTentlichung von Schulnachrichtcn gewonnen werde, wobei wir von dem näheren, engeren Lebenskreise ausgehen wollen.

Wir können uns hier nicht denen anschlieszen, welche auf die frühere Zeit hinweisend aussprechen, dasz das W^esen und der Werth einer Schule am besten aus ihren Früchten erkannt werde, diese aber im stillen und verborgenen gepflegt am besten gedeihen, dasz durch ein heraustreten an die Oeirenllichkeit sie sich manchem falschen Ur- theile aussetze und namentlich das in unseren Tagen so allgemein gewor- dene bekritteln, messen und mäkeln gerade durch die unberufensten selbst gegen sich aufzumuntern scheine. Die Schule kann sich ja der Zeitströmung nie ganz entziehen, sie hat vielmelir die Pflicht, sich das gute in derselben möglichst zu Nutzen und dienstbar zu machen und auf sie einen gewissen Einflusz zu üben. Nun ist nicht zu ver- kennen, dasz sich im gesamten Staatsleben die Forderung in alles möglichst Einsicht zu haben und das Bedürfnis diese möglichst allge- mein zu gewähren Geltung verschafft haben, die Schule aber sich diesem um so weniger entziehen kann , je mehr sie als ein nothwen- diges Glied im gesamten Staatsorganismus anerkannt ist. Zu diesem allgemeinen Interesse, welches die Schule erregt, tritt aber das noch wichtigere specielle, welches sie denen einflöszt, welche ihr das theuerste, was sie haben, ihre Kinder und Pfleglinge, anvertrauen. Der Schule aber musz daran liegen, ein solches Interesse für sich zu wecken, zu erhalten und zu leiten, da sie zur möglichst vollständigen Erreichung ihres Zweckes der Mitwirkung des Hauses, der Familie, ja des ganzen Lebenskreises, innerhalb dessen sie steht, bedarf. Es kann ihr nicht gleichgiltig sein, ob mehrere oder wenigere einen Einblick in ihren innern Organismus besitzen, ob man sie als im Einklang mit den gleichen Anstalten des Landes kennt, ob man von der Fürsorge, deren sie sich von oben erfreut, und von dem, was sie ihren Zöglin- gen erweist, weisz oder nicht, ob an allem, was sie betrifft und in ihr vorgeht, eine herzlichere Theilnahnie vorhanden ist, oder nicht. Da- mit beseitigt sich sogleich die öfters vernommene Hinweisung auf andere Mittel der Veröfl^entlichung und der Gedanke, dasz eine selte- nere, nach längeren Zeiträumen erfolgende genüge. Bei aller Stätig- keit ihres Wesens lindet ja in der Schule eine fortwährende Verände- rung schon durch den Wechsel der Persönlichkeilen statt und jeder

44^

588 Das Pi'ogratvimeniiislilnf.

begrenzte Zeilraum ihres besleliens , selbst der kürzeste hat seine eigene GeschiclHe. Sie steht aber noch weit mehr, als alle anderen Inslilute des Staats, in einem vertraulichen Verhältnisse zu ihrem Lebenskreise und von dem Grade, in welchem dies entwickelt ist, hängt nicht wenig ihr wirken ab. fliag nun auch dies Verhältnis durch die Thäligkeit ihrer Glieder erhallen werden, mag auch zu ein- zelnen auszer ihr stehenden sie öfter als ganzes reden, mit dem ge- samten Lebenskreise als g-anzes verkehren wird sie auf andere Weise nicht können, als in der jetzt so allgemein eingeführten. Wenn wir aber also die Einrichtung an sich als zweckmäszig und heilsam aner- kennen, so fällt auch der hier und da gemachte Einwand, dasz die Programme vielfach in die Hände solcher kommen müssen , welche daraus nichts zu gewinnen verstehen oder dazu nicht einmal Lust be- sitzen, ja vvol geradezu die Sache misachten und misbranchen. Es trifft dies alle menschlichen Einrichtungen. Während vorsichtige Aus- wahl bei der Verlheilung und Verabfolgung manchen Misbrauch ver- hüten kann, wird mancher, der sonst sich nicht darum bekümmern würde denn menschliche Naturen befassen sich oft nur mit dem, was ihnen gewissermaszen in die Hände läuft, und für manchen viel- beschäftigten ist die Erleichterung nothwendige Bedingung heran- gezogen.

Ehe wir nun erörtern, ob die Schulnachrichten, wie sie gewöhn- lich veröffentlicht werden, dem Zwecke entsprechen und wie sie es vollständiger können, müssen wir einen Blick auf den dritten Kreis, für den die Programme bestimmt sind, die gleichen Schulanstalten des Landes, werfen, um so mehr als wir wissen, dasz hier auf die Schul- nachrichten oft ein äuszerst geringer Werth gelegt zu werden pflegt, dasz man sie vielfach nur zur Befriedigung einer gewissen Neugierde, nicht aber um daraus einen höhern und bleibenderen Gewinn zu ziehen in die Hand nimmt. Wir sind freilich der 3Icinung, wenn die Programme auch nichts als Schulnachrichlen enthielten und man wirk- lich nichts daraus zu ziehen wüste, gleichwol die gegenseitige Mit- theilung eine wichtige Folge hat, das Gefühl der Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit, das ßewustsein einem groszen Organismus, der sich über eine ganze Bevölkerung erstreckt, anzugehören, welches von selbst das streben die darin dem einzelnen angewiesene Stelle nach besten Kräften auszufüllen, wecken und beleben musz. Dasz aber an und für sich die Wahrnehmung davon, unter welchen Ver- hältnissen andere Anstalten wirken, wie sie den aligenieinen Vor- schriften nachzukommen sich bemühen, welche Erfahrungen sie ge- macht haben, belehrend und fördernd sei, wird niemand leicht in Ab- rede stellen. Nicht zu übersehen ist aber, dasz gerade die doppelte Bestimmung, welche die Schulnachrichten haben, für das nähere Pu- blicum und für die gleichen auswärtigen Anstalten, bei der Abfassung gewisse Grenzen steckt und gewisse Bücksichten auferlegt, indes scheinen sie doch nur von der Art, dasz sich leicht durch einen ge- wissen Takt die Schwierigkeiten überwinden lassen.

Das Programmenitislitul. 589

Der Hauptsache nach cnlhulten nun die Scluilnachriclifen slati- slische Nolizen. Es nuisz ziiu^cg-eben werden, dasz diese in der näcli- slen Nähe mehr interessieren, weil hier gewisserniaszon die lebendige Anschauung liinzutrilt, statt der Zilfern und Namen die Personen vor die Seele sich stellen, dasz sie in weiterer Ferne aber als etwas tod- tes und mindestens trockenes erscheinen. Dasz dieselben aber, wenn man aus ihnen Schlüsse zu ziehen versieht und die Mühe, welche dies kostet, nicht scheut, einen ungemeinen Nutzen gewähren, dies ist in unseren Tagen so deutlich erkannt worden, dasz wir darüber gar nicht sprechen sollten. Die Gymnasien sollten also nicht verkennen, ein Avie brauchbares und schätzbares Material ilinen durch die Schulnach- richten aller übrigen unterbreitet wird. Findet sich auch nicht so- gleich eine Veranlassung dasselbe zu benützen, die Gelegenheit wird lim so weniger ausbleiben, je mehr man die Notinvendigkeit alles auf den Boden realer Erfahrung zu stellen begreift, und machen auch Zeit- schriften und andere Organe aus ihnen beiehrende Zusammenstellun- gen*), niemand kann in voraus alle Zwecke umfassen und die eigne Anschauung, das eigne nachsehen und prüfen ist doch oft zur Sicher- heit nolhwendig. Allein etwas könnte doch geschehen, um die sta- tistischen Nachrichten fruchtbarer zu machen, Zusammenstellungen nach längeren Zeiträumen. Sie machen weniger Mühe da, wo unmit- telbares sehen und nachsuchen möglich ist, sie wecken das nachden- ken bei nicht unmittelbar betbeiligten und können für die Anstallen selbst als Rückblicke in die eigne Vergangenheit gewis recht segens- reich wirken**). Uebersieht man z. B. in einem längeren Zeitraum die Zahl der abgegangenen Schüler, die Klassen, aus denen, und die Berufsfächer, zu welchen der Abgang erfolgte, so hat man einen An- halt für Beantwortung der Lebensfrage, ob auch solche, die nicht stu- dieren wollen, auf dem Gymnasium einen Theil ihrer Vorbereitung suchen. Wenn man die jährlichen Nachrichten überhaupt, w ie sie auch schon betitelt worden sind, als Materialien zur Geschichte der Schule betrachtet, warum soll nicht eine Zusammenstellung und Verarbeitung von Zeit zu Zeit eintreten? Diejenigen, welche den Zeilraum mit durchlebt haben, vermögen dies gewis besser zu thun, als die ferner stehenden späteren. Bei gewissen besonderen Veranlassungen, z. B. Jubilaeen, geschieht dies wol in der Kegel; aber niusz man immer erst auf solche Gelegenheiten warten?

*) Musterhaft sind die Zusammenstellungen, welche die Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien am Schlüsse jedes Jahif^angs git't; allein niemand meine, dasz solche den Besitz der Programme ersetzen können. Denn auch jene Uebersichten haben doch nur den Zweck, das Verhältnis zwischen ganzem und einzelnem herauszustellen, auf alle?, was dem einzelnen wünschenswerth sein kann, einzugehen würden sie nicht vermögen.

**) Wenn wir aus leicht begreiflichen Gründen die namentliche Auf- führung von Beispielen vermeiden, so versichern wir, dasz wir nichts zur allgemeinen Beachtung vorschlagen, was nicht schon in einzelnen Fällen bereits ausgeführt ist.

590 Das Programmeninstitut.

Zu den statistischen MiHheilungen müssen wir auch die Verzeich- nisse der vollendeten Leiirpcnsa zählen, die rcgelinäszig in allen Pro- grammen erscheinen. Nur hie und da hat man davon abgesehen unter Angabe des Grundes , dasz sich nichts wesentliches geändert habe. Wenn wir dies auch als in einzelnen Fällen gerechtfertigt ansehen, so müssen wir doch die Beibehaltung der Regel wünschen. Für diejeni- gen, welche Schüler der Anstalt anvertraut haben, ist es wünschens- werth schon um die erhaltenen Censuren richtiger beurtheilen zu können die Stufe des Unterrichts zu kennen , welche jene durch- gemacht haben, und die Schule kann nur wünschen, dasz davon Kenntnis genommen werde. Abgesehen hiervon legt aber die Schule dadurch ein Zeugnis ab, wie sie auch im lelzlvergangenen Zeilabschnitt den ihr vorgezeichneten Lehrplan eingehalten habe, und bei aller Stä- tigkeit werden doch in jedem Jahre, selbst da, wo Jahrescurse be- stehen, und wäre es zunächst in der Wahl der Schriftsteller Verschie- denheiten sich zeigen. Eben deshalb können wir denen nicht beistim- men, welche jene Angaben durch die der zu behandelnden Lehrgegeu- stände ersetzt wünschen. So nothwendig es ist, dasz von den künftig eintretenden Veränderungen Nachricht gegeben werde, so läszt sich doch in den meisten Fällen aus dem dagewesenen das kommende mit vollster Siclierheit schlieszen. Hier und da ausgesprochene Verdächti- gungen der Glaubwürdigkeit müssen wir auf sich beruhen lassen, wol aber die Aufstellung beachten, dasz jene Verzeichnisse doch eigentlich von dem innern Leben der Anstalt, von der Art und Weise des Unterrichts und den Resultaten kein Zeugnis geben. Wir halten davon manches für unmöglich, anderes für nicht rälhlich , glauben aber doch, dasz man auch diesen Theil der Schulnachrichten fruchtbarer machen könne, r.amentlich für die anderen Anstallen. Berichterstatter über die in einem Jahre in einem Landstrich erschienenen Programme haben sich zur Pflicht gemacht herauszustellen, wie weit und in welchen Punkten die Lectionspläne der einzelnen Schulen von dem aligemeinen Orgaui- sationsplane abweichen. Will man damit einen Tadel aussprechen, so hat man zu bedenken, dasz die mit Recht geforderte strenge Einhal- tung der vorgesteckten Ziele gleichwol mit einer gewissen Freiheit in der Wahl und Anwendung der Mitlei sich verträgt und dasz die Ileilsamkeit einer allgemeinen Regelung sich in das Gegcnlheil ver- wandelt, wenn sie zur Schablone gemacht wird. Aber berechtigt ist die darin enihaltene Forderung, dasz die Schule bei solchen Abwei- chungen zu ihrer eigenen Rechlferligung und zur Belehrung und An- regung für andere die Gründe angeben solle. Ist dies schon früher geschehen, so wird eine Zurückweisung darauf und eine Millheilung darüber, welche Erfahrung man mit der EiurichUing gemaciit habe, nichts schaden. Es ist ferner eine sehr dankenswcrtlie Sache, dasz man in Preuszen und Oeslerreich die Millheilung der Themen zu den freien Arbcilen zur Vorsclirifl gemacht hat, weil mau in ihnen ein Bild aus dem innern Leben der Schule empfängt; es knüpft sich aber daran die Erwägung, ob mau nicht noch weiter gehen, ob man nicht

Das Piogi'ammcniiislitul. 591

die sämlliclicn von einer Klasse geforderten Schularbeilen zusammen- stellen und von den daran gemachten Wahrnehmungen Mittheiliingen machen sollte. Je uichliger es ist, über die Frage, ob eine Ueber- bürdung stallllnde, eine endgillige, allseitig begründete Entscheidung anzubahnen, um so mehr sollten alle Gymnasien die Verpllichtung an- erkennen, das, Avas sie für sich selbst gefunden und gesehen, als Bei- trag zur Lösung für andere hinzugeben. Gewis an jedem Gymnasium wird von Zeit zu Zeit der Lehrplan einer allgemeinen Erörterung un- terzogen, die Zielbeslimmungen für die einzelnen Klassen geprüft, über die zwecltmäszigste Behandlung der einzelnen Gegenstände Bera- thung gepflogen. Die Kesultate davon werden wol auch überall auf- gezeichnet und es bedürfte nur noch die Hinzufügung der Gründe und der in Erwägung gezogenen Punkte, um daraus Abhandlungen zu machen. Solche Arbeiten des gesamten Collegiums hat man schon hier und da verölTenlliclit , man sollte es öfter und überall thun. Wie reiche Belehrung kann daraus geschöpft werden und welch freudiges Bewustsein gibt mindestens die Wahrnehmung der Uebercinslimmung dessen, was man schon selbst geübt, mit dem, was andere als heilsam oder zweckmäszig erkannt. Solche Arbeiten werden jedenfalls frucht- bringender sein, als methodische und paedagogische Abhandlungen einzelner Lehrer, aus denen nicht selten eine gewisse Disharmonie mit dem ganzen der Schule, zuweilen auch eine gewisse Einseitigkeit und Anmaszung heraustönt. Natürlich soll und darf dem einzelnen sein Eigenthum nicht verkümmert werden, aber es ist doch etwas an- deres, wenn die Veröffentlichung auf Wunsch oder doch in vollster Uebereinstimmung mit den gesamten Collegen erfolgt. Wir haben liier einiges angegeben, wodurch den Verzeichnissen der abgehan- delten Lehrpensa (wir gebrauchen diesen Ausdruck nicht ohne ein gewisses unbehagliches Gefühl) der Charakter trockener und todter statistischer Notizen genommen werden könnte. Eine Art statistischer Notizen wünschten wir nirgends in den Programmen zu finden sie sind zu unserer Freude auch selten , die genaue Angabe, welche Lehrer und aus welchen Gründen und für wie lange Zeit Urlaub ge- nommen haben *). Will man damit dem Publicum zeigen, wie selten die Fälle vorgekommen, oder wie liberal die Direction in Erthcilung des Urlaubs gewesen, oder wol gar verhindern, dasz dergleichen öfters gesucht werde? In allen Fällen können wir das Verfahren von dem Vorwurfe einer gewissen Pedanterie nicht freisprechen. Nicht allgemein ist die Beifügung vollständiger Schülerverzeichnisse. Wer sich zurückruft, welche Freude es ihm machte sich an die Seite seiner trauten Mitschüler zurückversetzen zu können, wer weisz wie die bessere Jugend in sicherer Vorausahnung des zukünftigen Werthcs solche Verzeichnisse achtet, der wird darin ein Mittel erkennen, die Programme den Schülern zu einem theurcn Besitz zu machen und die

*) Selbstverständlich meinen wir nicht längere Abwesenheiten und Krankheitsfälle.

592 Das Programmeninstitut.

hier und da sichtbare Misachlung derselben theihveise zu besei- tigen.

Die Schulnachrichten geben auszer dem erwähnten noch eine Chronik mit vollem Rechte. Es ist nicht zu verwundern, wenn diese oft recht dürftig ausfällt. Je weniger der stäle und ruhige Gang der Schule durch auszerordentliche Ereignisse gestört wird, von um so gröszerem Glück hat sie zu rühmen. Allein man kann wol mit Recht fragen: kommen nicht in jedem Gymnasium innerhalb eines Jahres Erlebnisse und Erfahrungen vor, über die man Millheilungen erwartet, zumal wenn die Programme den Zweck haben, einsichtsvolle, thätige Mitwirkung des Hauses und der Umgebung für die Zwecke der Schule zu wecken? Wir meinen namentlich disciplinare Erscheinungen und Beobachtungen an der Jugend, widerfahrene ßcurtheilungen und An- fechtungen von auszen. In jedem Falle niisbilligen wir, wenn über den unter den Schülern herschendcn Geist Lob und Freude ausgespro- chen werden. Es liegt etwas ruhmrediges darin, und verräth eine Sicherheit, welche oft nur zu hart gestraft wird. Dagegen sollte man sich über die unangenehmen Erfahrungen olfener aussprechen, sich nicht mit der gewöhnlichen Angabe, dasz ein oder mehrere Schüler haben entfernt werden müssen, begnügen. Wir verkennen keineswegs, dasz eigentlich nur was das ganze angeht, in die Programme gehört, aber von dem vereinzelten sprechen wir auch nicht, ^^'ir wissen ebenfalls recht gut, dasz den jugendlichen Fehlern eine gewisse Schonung ge- bührt und eine Herausstellung an die OelTentlichkcit oft selbst den grösten sittlichen Nachtheil erzeugt, aber es laszt sich eine taktvolle Art der Erwähnung denken, welche ohne Nennung des Namens doch die Wirkung nicht verfehlt, zumal sie ja immer nur Bestätigung allge- meiner Erfahrung sein oder auf allgemein wahrgenommene Misslände hinweisen soll. Wir haben endlich schon oben ausgesprochen , dasz die weite Verbreitung der Programme gewisse Rücksichten auferlegt, dasz was in der Nähe richtig verstanden ^ird, in der Ferne dem Mis- verständnisse und der Misdeutung ausgesetzt ist, allein auch hier fin- det sicherer Tact leicht den richtigen Weg und die Schwierigkeit kann die Verpflichtung nicht aufheben. Wir haben hier besonders die häusliche Erziehung im Auge, die mit der Schule in möglichsten Ein- klang zu bringen, eine stete Aufgabe der Lehrer sein musz. Man kann behaupten, dasz viele die Krankheiten der Zeit recht wol kennen, aber über den Zusammenhang dessen, was sie selbst thun, mit jenen gar kein Bewustsein haben. Jlan klagt über die sich mehrende Genusz- sncbt und schilt über die, welche einen über ihre Verhältnisse gehen- den Glanz entwickeln, aber was man den eignen Kindern gewährt, be- trachtet man als ganz unschuldig und gioht nicht, dasz es zu jener führen müsse; man spricht besorgt von dorn körperlichen schwächer- Averden des Geschlechts, beschönigt aber die eigne Verweichlichung der Kinder als gerechte Besorgnis für die Gesundlieil; man äiiszert sich unwillig über den zunehmenden Mangel an Pietät und spricht doch selbst ungcscheut vor den Kindern alles aus, ja läszt diese dreist

Das Proffrainmeninslitut.

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mit jedem Urllieile hervortreten; doch wir begnügen uns mit diesen wenigen Andüulungcn, aiisfiiiirlicliere Erörterung würde uns zu weit von unserm Gegenstände ablüliren. Wer kann liier besser aulklürcn als der Lehrer, der ja Erscheinungen wahrzunehmen Gelegenheit hat, die sich dem Auge des Vaters entziehen? \>'er musz aber auch mehr aufklären, als der Lehrer, welcher ja einen Theil seines wirkens ver- loren weisz, wenn nicht das Haus in gleichem Sinne wirkt? Wol wird diese Sorge oft dem einzelnen zugewandt, oft von dem zunächst betheiligten Lehrer geübt werden müssen, aber abgesehen von speciel- len Fällen, hat die Schule oft als ganzes zum ganzen zu reden, schon um deswillen weil sie nicht jeden einzelnen treffen, wol aber siels etwas aussprechen kann, woraus jeder einzelne für sich etwas zu schöpfen findet. Es gibt auszerdem in unseren Tagen sich dreist her- vordrängende irrige Urllieile genug, deren Bekämpfung und Berichti- gung wünschenswerlh ist. Es wäre Ihöricht zu verkennen, dasz viele derartige Aeuszerungen durch Verachtung am besten widerlegt wer- den, aber es gilt doch oft dem schwankenden eine Stütze und dem, welcher für die Schule wirken will, die Mittel dazu zu bieten. Wir bezeichnen daiier auch nicht so paedagogische Erörterungen als wün- schenswerlh, wie Darlegung von Thalsachen unter Hinweisung dar- auf, was sie lehren. Ein Millel zu einem gröszeren Hörerkreise zu sprechen bieten die Schulfesllichkeiten. Wir sind der Ueberzeugung, dasz die hierbei gehaltenen Reden meist den Zweck verfolgen, wel- chen wir aufgeslellt haben. Da aber immer manche, von denen man eine Beherzigung wünschen musz , nicht zugegen gewesen sein wer- den, andere aber eine Auffrischung im Gedächtnisse, wenn nicht wün- schen, so doch brauchen, so wäre eine Miltheilung solcher Reden in den Programmen wol häufiger zu wünschen als es geschieht. Den Einwand, dasz die Selbstgefälligkeit der Redner hierdurch eine schäd- liche Nahrung erhalte, fürchten wir ebenso wenig, als den, dasz man da oft nichts neues, sondern nur das alle und oft nicht in neuer Form linden werde. Dasz auch für die übrigen Gymnasien die Mittheilungen der Schulen, in der von uns angedeuteten Weise vervollständigt und erweitert, gewinnreicher werden können, brauchen wir wol nicht aus- zuführen. EineiÄ Theile der Chroniken schenken wir noch einige Auf- merksamkeit, den Lebensbeschreibungen der neu angestellten Lehrer, Man hat dabei wol die Absicht, die Materialien zur künftigen Ge- schichte der Schule vollständig zu geben, und kann wol auch dafür geltend machen, dasz eine gewisse persönliche Bekanntschaft mit dem neuen Lehrer im Publicum vermittelt werde, die seine Stellung er- leichtere und fördere, aber bergen können wir nicht, dasz wir oft daran Anstoz genommen haben, dasz uns die Selbsterzählung der eig- nen Lebensumstände als etwas beengendes für den betrolTenen und als etwas zweckloses für die übrigen erschienen ist. Wünschenswerlh ist, dasz solche Biographieen nur in den Archiven niedergelegt und aufbewahrt werden, dagegen sollte nie unterlassen werden für die vcrslorbcneii Lehrer, und wenn sie auch zuletzt schon der Anstalt

594 Das Programmeninslilut.

entrückt waren, Nachrufe unter Mittheilung der wichtigsten Lebens- umstände in den Programmen niitz,utheilen. Leiclit kann es scheinen, als ob wir eine Erweiterung der Schulnachrichten vorschlügen, die eine Vermehrung der Kosten oder eine Beschränkung des andern Theils der Programme zur Folge haben müstc, allein wir werden im folgenden finden, dasz eine Möglichkeit dazu unter Vermeidung jener zu befürch- tenden Misstände gegeben sei.

Es erübrigt nemlich noch den zweiten Hauplheil der Programme, die wissenschaftlichen Abhandlungen, zu besprechen. Dasz wir hier eine längst bestehende Einrichtung vor uns haben, ist oben erwähnt; die neuere Zeit hat nur zwei sehr wichtige Veränderungen hinzuge- brachl: einmal ist allen Anstalten die Möglichkeit dazu verschalft worden, sodann hat man die Verpllichtung, die sonst meist den Recto- ren allein oblag, sämtlichen Lehrern in regelmäsziger Keihenfolgo auferlegt. Das letztere ist eine nolhwendige Folge der veränderten Organisation der Schulen. Sonst sah man die Lehrer als jeden in seiner Klasse selbständig wirkend an, wie denn auch der gesamte Un- terricht einer Klasse meist in einer Hand lag ; dem Rector, dem Lehrer der obersten Klasse, fiel daher die Verpllichtung zu, die Einladung zu den Acten, bei denen die Resultate der Schulbildung dargelegt wer- den sollten, zu erlassen, und er galt gewissermaszen als der höchste und alleinige Vertreter des wissenschaftlichen Geistes der Anstalt. Jetzt ist allgemein die Idee des CoUegiums, der aus Gliedern gebilde- ten Einheit und der Beziehung jeden Gliedes zu dieser, durchgedrun- gen und man betrachtet deshalb mit Recht jeden einzelnen Lehrer als einen Träger des Geistes, der die "ganze Anstalt durchdringen soll, demnach auch verpflichtet, davon öffentlich Zeugnis abzulegen, wie er ein solcher sei. Wir können die Erfahrung niclit leugnen , dasz man im allgemeinen auf die wissenschaftlichen Abhandlungen einen gröszeren Werth legt, als auf die Schulnachrichten und finden dies begreiflich, weil jene eine unmittelbare Förderung bieten, die Be- nützung dieser erst nach längerer Zeit oder doch erst durch mühsame Vergleichungen zu Resultaten führt. Für die vorgesetzten Behörden, die von dem, was die Schulnachrichten enthalten, auf anderem Wege Kenntnis erhalten, sind sie ohne Zweifel das wichtige!^, weil sie von den wissenschaftlichen Bestrebungen der Lehrer Zeugnisse sind, ja wir sind nicht ganz sicher, ob nicht der Wunsch, allen Lehrern eine Nölhigung zum wissenschaftlichen fortstudieren zu geben, neben der erkannten Nolhwendiglteit, den vielfach mehr in Anspruch genommenen Directoren eine Erleichterung zu schaffen, eine Ilauptveranlassung ge- wesen ist die Verpflichtung auf die ganzen Collcgien auszudehnen.

Welcher Nutzen der Schulanslalt bei ihrem nähern Publicum und hinwiederum diesem in Bezug auf die Schule erwachse, brauchen wir um so weniger ausführlich zu erörtern, da ja schon eine lange Ver- gangenheit das Urtheil darüber festgestellt hat. Man kann es nur im vollsten Masze dankbar anerkennen, dasz an allen Gymnasien die Ein- richtung zu einer rcgclmäszigen gemacht und die Mitlei dazu gewährt

Das Programmeninstilul. 595

sind. Es ist allerdings wahr, dasz viele von denen, welche zur Schulo in einem näheren Vorliällnisse stehen als Aeltern und Plleger von Schülern und an welche deshalb die Mitlheilung der Schulnachrichten erfolgen nuisz, für die wissenschaftliche Abhandlung nicht das ge- ringste Verständnis besitzen, es ist auch zuzugeben, dasz wenn sie an alle Schüler vertheilt wird, vielen dadurch etwas in die Hände gege- ben wird, dessen Werlh sie noch gar iiiclit zu schätzen wissen; man- cher Verfasser hat gewis die Frucht seines Fleiszes in Löschblätter zerstückt sehen müssen. Eine gewisse Verschwendung, durch die Vertheilung an unberufene und unbefähigte geübt, ist deshalb gewis ernst zu rügen. Während man indes auf der anderen Seite ralheii musz nicht zu karg zu sein denn manchem wird doch Veranlassung sich mit einem Gegenstaude bekannt zu machen oder früher betriebe- nes zurückzurufen kann der Uebelstand, wissenschaftliche Ab- handlungen wegen der mit ihnen verbundenen Schulnachrichtcn an uninteressierte verabfolgen zu müssen, leicht durch die Beschallung einer doppelten Art von E.xemplaren, mit und ohne wissenschaftlicho Abhandlung, beseitigt werden.

Wenden wir uns nun zu dem weiteren Kreise der Programme, den gleichartigen Schulanstalten, so wollen wir von der Anregung und Forderung, welche den Lehrern durch Anschauung fremdej: Leistungen wird, nicht sprechen. Dasz den einzelnen Gymnasien durch den ein- gerichteten Tausch ein höchst schätzenswerthes litterarisches Material zu Theil werde, wird gewis allgemein dankbar anerkannt. Hört man hie und da Klagen über die Mühe, welche die Aufbewahrung und Ordnung der Menge mache, so läszt sich einmal durch zweckmäszigo Einrichtungen Erleichterung schaffen*), sodann können sie nur dann

*) An der königlichen Landesschule zu Grimma ist folgende Ein- richtung getroffen und hat sich bis jetzt als sehr zweckmäszig bewährt. Für jedes Gymnasium ist ein besonderes Fach vorhanden und die Fä- cher sind nach alphabetischer Ordnung bezeichnet. Innerhalb jeden Faches sind die Programme nach den Jahrgängen geordnet. Dazu existiert ein dreifacher Katalog: 1. nach den Lehranstalten und der Jahresfolge, 2. nach dem Namen der Verfasser, 3. nach den Wissen- schaften und Gegenständen. Die Einordnung der neuen Programme macht so keine bedeutende Mühe und die Benützung ist wesentlich er- leichtert. Indes musz man hier auch an die Zukunft denken. Besteht das Institut so fort, ja dehnt es sich weiter aus, so wird auch die zweckmäszigste Einrichtung nicht mehr ausreichen. Es werden dem- nach Zeitabsclinittegemacht werden müssen und nach diesen die Einreihung in die Bibliothek unter zusammenbinden der zusammengehörenden Ab- handlungen am zweckmäszigsten sein. Auch in dieser Hinsicht em- pfiehlt sich die von uns oben vorgeschlagene Druckeinrichtung, welche die Abtrennung der Schulnachrichten von den Abhandlungen ermög- licht. Eine grosze Schwierigkeit wird dann die Verschiedenheit der Formate bereiten. In Baden herscht durchgängig das Octav und in völliger Gleichmäszigkeit, in den andern Ländern ist das Quartformat, aber freilich in allen Groszenabstufungen , vorhersehend. Es verdient deshalb ein Vorschlag, den Hr. Prof. Dr. Eyth in Schönthal uns mit- zutheilen veranlaszt hat, gleiche Formate übezall einzuführen, alle Bc-

596 Das Programmeninslitut.

für gerechtfertigt gehalten werden , wenn die aufzuwendende öliilie in keinem Verhältnisse zu dein Werthe stünde. Wer wollte aber dies behaupten? Ein Blick in die Kataloge zeigt, dasz die Programme viel sehr werlhvolles gebracht haben, treffliche Leistungen zur Kritik und Erklärung der alten Schriftsteller, fördernde zum Theil abschlieszende Specialunlersuchiingen über alle in das Bereich der Gymnasialbildung fallende Wissenschaften, anregende und belehrende paedagogische Abhandlungen, musterhafte Bearbeitungen und Darstellung von Lern- stoffen für die Schüler. Nur Befangenheit könnte in den Programmen lauter unmillelbar in der Schule zu verwendendes fordei n , nur Ver- kennung des wahren Wesens der ^Wissenschaft vielen den Vorwurf der Mikrologie und der zu groszen Specialität machen. Wir erachten dies gerade für seiir dankenswerlh, dasz viele specielle Untersuchun- gen (namentlich auch über Localgeschichte und Localbeschaffenheiten) zur Veröffentlichung und Verbreitung gelangen, die sonst vielleicht ungedruckt, oder doch nur wenigen zugänglich geblieben sein wür- den. Auf der anderen Seite jedoch wäre es Blindheit zu leugnen, dasz manches in den Programmen erschienen ist, was auf wissenschaftlichen oder praktischen Werth nicht den geringsten Anspruch hat und für das die Aufwendung der Druckkosten sich nicht verlohnte. Man kann es den vorgesetzten Behörden nicht verargen, wenn sie darauf ihr Augenmerk richten. Die Wahl ungeeigneter Themata und unpassende Aeuszerungen hat man wol durch Vorschriften zu beseitigen gewnst, aber unentsprechende Ausführung zu verhindern ist schwer. Es ist nur erfreulich, dasz man eine Art Censur Druckerlaubnis erst nach gewonnener Einsicht in das Programm nicht eingeführt hat, sie wäre für den Lehrerstand eine entwürdigende Demülhigung. Man ist wol auf den Gedanken gefallen statt der Programme eine Art perio- dische Zeitschrift, Jahrbücher der Gymnasien eines Landes oder einer Provinz, einzuführen und somit die Sache unter eine Hedaction zu stellen: allein es gienge damit ein wesentlicher Vortheil der jetzigen Einrichtung ganz verloren, die Abgabe eines Zeugnisses vom Geiste und Leben der Anstalt vor dem näheren Lebenskreise. Auch würden alle die Uebelstände, mit denen Privatzeitschriften zu kämpfen haben, wegen des öffentlichen Charakters noch in erhöhtem Maszstabe her- vortreten, und wir sind überzeugt, dasz viele durch das Bewustseiu der Abhängigkeit von fremdem Urthcile hier, wo das beiderseitige In- teresse am Geschäfte nicht obwaltet, sich abgehalten sehen würden,

herzigung. Wir erkennen zwar die yÖllige Uebereinstimnuing als etwas unmögliches, schon wegen der Verschiedenheit in den Leistnngsfäiiig- keiten der Druckereien, aber annähernd iäszt sich viel thun. Dürfen wir von dem aügemeineu Büchermarkt einen Schliisz niaciien, .so ist jetzt entweder die Vorziiglichkeit oder doch die Vorliebe für das Gro^z- octav en schieden. Wählte man dies allgemein, so wird wenigstens eine zu grosze und störende Verschiedenheit vermieden, und die Ta- bellen, um deren willen man wol dem Quartformate den Vorzug gege- ben hat, lassen sich diesem Formate noch am leichtesten anpassen.

Das Programmeninslitut. 597

je eine Abhandlung zu liefen». Vielleicht liiszl sich aber doch ein anderes Mittel finden, wenigstens theihveise dem erscheinen unwür- diger Progranimnbhiindlungen vorzubeugen, wenn wir die Sache vom Standpunkte der verpflichteten Lehrer selbst betrachten.

Ob und in wie weit die auf siiuilliche Lehrer ausgedehnte Ver- pflichtung des Programnienschreibens eine regere wissenschaftliche Strebsamkeit im Lelirerstaude erzeugt habe, vermögen wir freilich nicht zu beurlheilen. Zwar sollte man meinen, die Liebe zum Berufe erzeuge von selbst das Streben nach eigener höherer Vervollkomm- nung, aber wir erkennen gern an, dasz die äuszere Nöthigung vielfach gefördert habe, namentlich durch die Veranlassung, dem gefundenen und erkannten Form zu geben, was oft gröszere Schärfe und Sicher- heit erzeugt. Auf der anderen Seite haben gewis auch viele die ihnen gebotene Gelegenheit zur VerölTentlichung einer slill und sinnig ausgeführten Untersuchung dankbar anzuerkennen gehabt, aber zu übersehen ist doch auch nicht, dasz es Geister gibt, die sich innig in die Objecto vertiefen und dieselben immer lebensvoller in sich zu ge- stalten ringen, ohne nur den Nebengedanken einer Veröffentlichung zu fassen, denen die Nöthigung dazu eine unwillkommene Störung, ein Eingriff in ihr Eigenthum scheint, denen denkendes lesen viel höher steht, als schreiben, das ihnen als eine Ueberwucherung gilt*). Viel- leicht denkt nun mancher, dasz gerade solche Naturen gezwungen AVerden müssen aus sich herauszugehen. Aber wird dadurch nicht gerade die Vollendung eines in der Stille reifenden Meisterwerks ver- hindert? Und darf man dem Lehrer, dessen Thätigkeit sonst ganz auf Mittheilung gewiesen ist, die Stunden, in welchen er für sich, nur mit dem Gedanken an sich arbeiten kann, noch verkümmern? Solcher Charaktere gerade bedarf als eines Gegensatzes unsere Zeit, die es leider verlernt hat, sich zu vertiefen und mit dünkelvoller Anmaszung alles in die Welt hinaus gibt, was besser im stillen Kämmerlein erst vielfältig geprüft würde. Man kann wol sogar die Frage aufvverfen, ob man nicht, indem man einem ganzen Stande die Verpflichtung zum schreiben auferlegte, einer Zeitrichtung entweder gehuldigt oder ihr doch ohne es zu wollen, Vorschub geleistet habe. Und wenn nun ein Lehrer, der recht den Beruf und die Neigung zur lilterarischen Thätig- keit in sich trägt, um sich seinen eigentlichen Pflichten ganz unge- Iheilt widmen zu können, darauf freiwillig verzichtet, soll man, darf man diesen aus seiner Bahn herausreiszen ? Es kann aber auch jemand ein ganz trefflicher Lehrer sein, ohne deshalb den Beruf zu haben, an den Webstuhl der Wissenschaft selbst schaffend mit Hand anzulegen, ja man kann sich denken, dasz jemand recht tüchtig wissenschaftlich fort- studiert, ohne gerade zu eigenen der Veröffentlichung werthen Resul- taten zu gelangen. Dazu kommen nun noch äuszere Verhältnisse. Viele Lehrer sind so durch ihr Amt beschäftigt, dasz ihnen kaum zun>

*) Vgl. die Vorrede von Theodor Heyse zu seiner trefflichen Uebersetzung des Catulliis.

598 Das Programmeninslitut.

eigenen lesen, geschweige denn zuui» eigenen schreiben auszer den Ferien Zeit bleibt, viele auch leider noch genöthigt durch Nebenver- dienst das kärglich zugemessene Brod zu mehren. Wie schwierig sind oft die zum schreiben erforderlichen Hülfsmittel zu beschaffen, ■wie schwer fällt die Wahl eines Gegenstandes, der sich gerade in den eng gemessenen Grenzen eines Programms behandeln läszt, und wie oft treten unvorhergesehene Hindernisse eine vollere Klasse, eine gröszere Zahl schwächerer Schüler u. dgl. der Ausführung in den Weg! Und der Lehrer hat keine Entschädigung für die Mühe, ja sogar Kosten bei der Ausarbeitung zu erwarten*), ja wir wissen, wie weit an manchen Orten die Engherzigkeit geht zu befürchten, dasz, wenn er die vorgeschriebene Seitenzahl überschreite, er aus eignen Mitteln zubüszen müsse. Es ist das ein nicht unwichtiger Punkt, welcher Nachlheil durch die engen Grenzen der Programmabhandlungen er- zeugt wird. Da erscheinen Particulae, die auf die Fortsetzung vergeb- lich warten lassen, natürlich; denn erst nach 10 Jahren erscheint manchem die Gelegenheit dazu' da werden die interessantesten Gegen- stände abgebrochen, da entsteht eine Zerstückelung in der Litteratur, die wirklich das Leben recht sauer machen kann. Mancher ist freilich da leicht mit denl vorwurfsvollen Einwände zur Hand: das liege an der Wahl der Themata; aber möge man doch nur eine ausreichende Menge solcher bezeichnen ! Und welches Resultat gewinnen wir nun daraus? Dasz nicht jedem Lehrer die Verpflichtung zum Programm- schreiben auferlegt werden dürfe und dasz man die Möglichkeit geben solle, umfänglichere Arbeiten unverkürzt und unzerstückclt zu verötrenllichen. Wir verkennen nicht, welche Schwierigkeiten dies hat. Hebt man die Verpflichtung auf, so steht zu fürchten, dasz viele aus Indolenz sich ganz entziehen, viele im Kitzel des Dünkels sich dazu drängen werden, und dasz am Ende die wissenschaftlichen Ab- handlungen aus den Programmen wegbleiben. Wir sollten aber doch meinen, dasz man zwar die Verpflichtung als Regel festhalten und diese doch erleichtern könne. Denn erstlich wäre es denn unmöglich, gewisse Lehrer, auszer wenn sie sich freiwillig erbieten, im voraus als dispensiert anzunehmen? Wäre es wol unmöglich die Wahl des- sen, der das Programm zu schreiben habe, den Lehrercollegicn zu über- lassen? Freilich vor allen Dingen Avird eins nölhig sein, dasz man nicht jedes Jahr eine wissenschaftliche Arbeit fordere. Dadurch liesze sich zweierlei gewinnen, einmal die Möglichkeit, ein anderes Jahr eine umfänglichere Abhandlung zu geben, sodann die Schulnachrich- ten durch Mitlheilungen der Art, wie wir sie oben angedeutet haben, fruchtbarer zu machen. Achtet man nur in solchen Fällen den zeit- weiligen Ausfall der wissenschaftlichen Abhandlung für gerechtfertigt, so bleibt dem CoUegium, das ohnehin in der Rücksicht auf die ölTent-

*) Wenige Gymnasien sind, wie Pforta, das Kloster in Magdeburg, Neustrelitz, in der günstigen Lage, für die Programmabhandlungcn Honorare gewähren zu können.

Das Programtncninsfifuf.. 599

licho Meinung einen Antrieb hat, eine gewisse Nötliigimg. Wir setzen allerdings ein vom Geiste der Liebe und Eintraclit beseeltes Collegium voraus, aber wo dies nielil ist, da ist ja alles gute unmöglich, und schliesziich bleibt doch in der Hand des Directors und der vorgesetz- ten Behörden viel liegen. Wir denken uns die Sache so: Am Anfange jeden Jahres wird die Frage gestellt, wie das Programm am Schlüsse solle veröirenllicht werden. Der Director und die CoUegen haben dann schon im voraus unter sich geprüft, wer wol unter ihnen etwas fertig hat oder fertig zu machen in ßegrilT ist. Ist der zunächst in Frage kommende College ungeeignet, so ist er vorher schon zum zu- rücktreten durch freundliche Privat Unterredung vermocht. Stellt sich der Wunsch heraus eine längere Zeit und einen gröszeren Raum zu erhalten, so wird die Verschiebung, aber auch die Möglichkeit der Ersetzung in Bcrathung gezogen. Wir denken, einsichtsvolle Directo- ren werden dann immer Gegenstände bereit haben, mit denen sich das ganze Lehrercollegium so beschäftigen kann, dasz daraus eine gemeinsame Arbeit hervorgeht.

Fassen w ir nun schlieszlicb die Hauptpunkte noch einmal zusam- men, so sind folgende die Resultate, welche sich uns herausgestellt haben:

1) Das Institut ist in der bisherigen Weise der Hauptsache nach beizubehalten, aber

2) die Schulnachrichten sind zu erweitern und für den näheren und engeren Leserkreis fruchtbarer zu machen.

3) Man verlange nicht jedes Jahr von jedem Gymnasium die Ver- öffentlichung einer wissenschaftlichen Abhandlung, halle aber den Ausfall nur durch Ersetzung im nächsten Jahre oder auf andere Weise gerechtfertigt.

4) Man halle zwar alle Lehrer für berechtigt und im allgemei- nen verpflichtet, die wissenschaftliche Abhandlung zu liefern, aber man ertheile leichter Dispensation und stelle die Sache mehr den Directoren und Collcgien anheim.

5) Ist noch die Druckeinrichlung, dasz die wissenschafllichcn Abhandlungen von den Schulnachrichten ohne Nachtheil getrennt wer- den könne , und die Annahme eines möglichst gleichmäszigen Formats zu empfehlen.

Möge man in diesen Bemerkungen den guten Willen zur Erör- terung einer wichtigen Frage anzuregen nicht ganz zu verkennen Ursache finden.

R. Dielsch.

600 Neues vom Turnen u. von der Gesundheitspflege in den Schulen.

39.

Neues vom Turnen und von der Gesundheitspflege in den Schulen.

1. Das Turnen als ein nothioendiger Theil der Jugendbüdumj.

Jahresbericht der vereinigten höheren Bürger- und Pro- virmal-G ewerbeschule zu Trier, vom Oberlehrer C. Hart- mann. Trier, Linz. 4. 11 S.

2. Die gymnastischen Freiübungen nach dem System P. H.

Lings reglementarisch dargestellt von Ilg. liothstein. Zweite durch Text und Figuren vermehrte Auflage. Mit 71 Fig. Berlin, Schröder 1855 (20 Ngr.) 8. 152 S.

3. Die gymnastischen Rüstübungen nach P. H. Lings System

dargestellt von Hg. Roths tei7i. Mit 9i Fig. Berhn, Schrö- der 1855. (20 Ngr.) 8. 120 S.

4. Handbuch der Diaetetik. Von Dr. C. W. Ideler, Geh. Me-

dicinalrath und Professor zu Berlin. Berlin, Trowilzsch 1855. 8. 251 S. (20 Ngr.)

5. Neue Jahrbücher für die Turnkunst. Freie Hefte für Erzie-

hung und Gesundheitspflege. In Gemeinschaft mit E. Fried- rich., Dr. med. in Dresden, M. S chreber, Dr. med. in Leipzig., A. Spiesz., Oberstudienassessor i)t Darmstadt, und C. Waszjnannsdorff^ Vorsteher der Turnanstalt in Hei- delberg., herausgegeben von M. Kloss, Director der K. Turnlehrer - BikhiuqsanslaU zu Dresden. Dresden , C. A. Werner 1855. 3 Hefte ä 15 Ngr. [in 8. 6 Bg.j.

6. Athenaeum für rationelle Gymnastik. Herausgegeben von Hg.

Rothstein., Unterrichtsdirigenten des königl. preusz. Cen- tralinstituts für die Gyynnastik ., und Dr. A. C. Neumann, köniql. preusz. Krei.sphysikus. Zweiter Band., ä 4 Hefte (2 thlr.) Berlin, Schröder 1854—55.

7. Das Muskelleben des Menschen in Beziehung auf Heilgymna-

stik und Turnen. Von Dr. Neu mann, k. Krei.sphysikuSy Diriqenl des Instituts für Heilgipwiaslik zu Berlin. Berlin, Schröder 1855. Gr. 8. 254 S. (1 Thlr. 10 Ngr.).

Indem wir auch für dieses ,Iahr in d. Bl. eine Uebersicht von denjenigen Schriften geben, welclie sich auf die leibliche Ausbildung und Krzieluiug der Jugend, und in spccio auch der sludierendon Ju- gend beziehen, fügen wir unseren früheren ßericlilen über darauf bezügliche Schiilprogramme noch nachträglich den über das obenan- geführte der höiieren Bürgerschule zu Trier hinzu. Der Vf. unter- nimmt darin eine kurze aber Irelfende Würdigung des Turnens nach

Neues vom Tarnen u. von der Gesundheitspflege in den Schulen. 601

seinem entschiedenen und bedeutungsvollen Verhüllnis xiir Pacda- gogik. Indem er sich von einer oft bemerkten Ueberschiilzung d{i> Turnens fern hält, berührt der Vf. zunächst den Gedanken, dasz die Leibesübungen als solche zwar immerhin einen wesenlliciien Tlieil unserer Lebensthätigkeit ausmachen; 'indes, soweit die Seele über den Leib erhoben sei, so viel wichliger bleibe die geistige Erziehung gegenüber der körperlichen'. -Von diesem Standpunkte aus schätzt der Vf. zwar die Ttirnkunst als Mittel zur Erlangung der körperlicheu Gewandtiieit und Kraft, für gefälligen Anstand und geslählte Gesund- heit, beschäftigt sich aber in seiner Abhandlung haupisächlich mit dem Nachweise: >vie die geistige und sittliche Bildung der Jugend durch Turnübungen gefördert werde. 'Es mnsz das Turnen vom sitt- lichen Geiste getragen und zur sittlichen Bildung benutzt werden' ist die Hauptforderung des Vf., worauf er näher darauf eingeht vom Tur- nen nachzuweisen, dasz es für Erreichung dieses Zwecks ein trelF- liches Mittel sei, indem es Festigkeit des Willens, Entschlossenheit und Geistesgegenwart, Mäszigung und Besonnenheit und Gehorsam *jene Cardinaltugend, ohne welciie überhaupt keine Erziehung ge- dacht werden kann' übe. AVenn diese Gedanken an sich nicht nea sind, so sind sie von Hrn. Hartniann doch besonders schlagend und eindringlich vorgeführt.

Die gymnastischen Freiübungen von Rolhstein unter Nr. 2 sind von uns in erster Auflage bereits im Bd. LXVIII d. Jahrb. besprochen worden. Die neue Aullage ist durch eine Abhandlung: 'Bemerkungen über die Gymn. für das weibliche Geschlecht' vermehrt; auch zeigt sich eine Vermehrung und Verbesserung der Abbildungen. Vom kö- nigl. preusz. Unterrichtsministerium ist das vorstehende Werk für sämtliche Schulen empfohlen worden, woraus der baldige Vertrieb der 1. Auflage zu erklären ist.

Unser früheres Urlheil können wir auch nach Vorlage der 2. Auflage dahin wiederholen, dasz die hier gebotenen Freiübungen zu sehr den Charakter des unlehendigen und schwerfälligen an sich tra- gen, als dasz sie eine Bedeutung für eine frische erzieherische Be- handlung des Turnunterrichtes haben könnten. Der' hier gebotene Uebungsstoir ist recht verständig und sorgfältig zusammengestellt, allein dem ganzen fehlt das Leben, und die gegebenen Uebiingen bil- den eine spröde und starre Masse, die nur mühsam in Flusz gebracht und in Bewegung gesetzt werden kann. Den Spieszschen Freiübun- gen gegenüber sind die Rothsteinschen zu arm an Belebungs- und Bildungselementen, und weil sie nicht wie jene einer groszen Bild- samkeit fähig sind, sind sie auch nicht bildend. Statt des lebendigen Verkehrs, der beim Spieszschen Turnunterrichte zwischen Lehrer und Schüler durch eine wirklich charakteristische Methode hergestellt wird, tritt hier hei Rothstein die Manier der sogenannten Uebungs- zettel ein, womit den Schülern wie durch die heilgymnastischen Re- cepte in den Kursälen, der UebungsstolT für eine Turnstunde regle- mentarisch vorgeschrieben wird. Hr. Rothstein gibt im Anhange des

A. Jahrb. f. Phit. m. Paed. TiJ. LXXH. Hft. 12. 45

002 Neues vom Turnen ». von der Gesundheilspflege in den Schulen.

Buches Beispiele solcher Uebungszettel, die von einer eigentliclien unterrichtlichen Gestaltung gar wenig Spuren zeigen und dem leben- digen Unterrichte nur zum Hemnis dienen können. Dem Lehrer, welcher kein Unterrichfsgeschick besitzt, wird es auf diese Weise leicht gemacht; er braucht nur solche Uebungszettel in die Hand zu nehmen. Allein wie langsam und langweilig musz es in einer sol- chen reglemenlarischen Turnstunde zugehen, und wie wenig ist diese Weise geeignet, den Schülern eine allseitige und durchgreifende Lei- besübung zu gewähren. Man hatte es lange Zeit beim Turnen der Jugend übersehen, dasz jede übermäszige Muskelanstrengung verderb- lich wirkt, indem man z. B. schon in den untern Gymnasialklassen solche Uebungen an Geräthen treiben liesz, die erst dem reiferen Al- ter zuträglich sind. Hr. Rothslein hat das zu vermeiden gesucht und ist nun mit seinen Uebungszetteln in den andern Fehler verfallen, in- dem die damit beabsichtigte Leibesbewegung nicht das volle Masz erreichen kann, und eben deshalb auch ihren Zweck nicht erfüllt. Hr. Rolhstein nimmt Anstosz daran, dasz die Spieszschen Freiübungen einer so nianigfachen Veränderung fähig wären und ins unendliche giengen. Es finden dieselben aber ganz natürlich ihre Schranken in dem geistigen Fassungsvermögen und in dem Grade der leiblichen Ausbildung der Schüler, so dasz man sie nicht, wie hier geschehen, als etwas fertiges und künstlich beschränktes hinstellen kann. Dar- nach soll man die Rothsteinschen Freiübungen nehmen wie sie sind, und weder etwas dazu thun noch davon nehmen. Dazu fehlt ihnen aber die Classicität, wodurch sie dem Bedürfnisse der Schulen ent- sprächen. Es scheint fast, als habe sich Hr. R. beim entwerfen seiner Freiübungen Soldaten als seine Schüler gedacht, denen ein solch ab- gemessenes Turnen vielleicht eher genügt, weil hier die Uebungen nur auf den militärischen Zweck beschränkt werden, so dasz alles wegfällt, was über oder unter dem engbegränzten Ziele liegt. Das ist aber etwas anderes bei Knaben und Jünglingen, die eine harmo- nische und allseitige Leibesbewegung brauchen, und bei denen eine grosze Lust an höchst manigfachen Bewegungsformen bemerkbar ist, welche sich als ein unverkennbares Naturbedürfnis kund gibt.

Die Armuth der Rothsteinschen Freiübungen stellt sich nament- lich in den Abschnitten: 'Gang-, Lauf- und Springübungen' und 'lakto- gymnastische Uebungen' heraus, namentlich wenn man die unterrichtlichen und aesthetischen Zwecken ungleich mehr entspre- chende Spieszsche Behandlung dieser Uebungsarten dagegen hält. Das ungelenke der vorliegenden Freiübungen zeigt sich auch darin, dasz bald nur 8 10 Schüler, bald 8 oder 12, bald nicht unter 7 und nicht über 20 24 usw. daran Theil nehmen können. Man sieht daraus, dasz ihr Vf. noch wenig mit vollen Schulklassen gearbeitet hat, sonst würde er wie Spiesz seinem Unterrichtsmaterial eine bessere und handlichere Form gegeben haben , mit welcher es sich leicht den Schulabtheilungen anschlieszt, gleichviel ob dieselben 10, 20, 30 oder mehr Schüler zählen.

Neues vom Turnen u. von der Gesundheifsplleg^e in den Schulen. 603

Die Abschnitte ^Bewegungen mit Stützung ' und ^Ringeiibungen' (S. 97 102) mögen unter Umständen brauchbares für erwachsene Schüler bieten und sind hier als neu und eigenthümlich zu bezeich- nen. Mit Ausnahme dieser beiden Abschnitte bieten aber die 'gymn. Freiübungen' durchaus nichts neues. Sie hätten vielleicht vor 10 Jah- ren als eine Verbesserung der sogenannten Gelenkübungen der alten Jahnschen Schule angesehen werden können, während sie den Spiesz- schen Freiübungen gegenüber gegenwärtig eine sehr untergeordnete Stellung einnehmen.

Auch die 'gymnastischen Rüslübungen' (Nr. 3) oder das Turnen an Gerällien kann man nicht als eine Bereicherung der gym- nastischen Litteratur ansehen.

Es war eine verkehrte Ansicht, dasz man lange Zeit die Turn- gerälhe als die Hauptsache beim Turnen ansah und alle Uebungen nach den Geräthen ordnete. Indem man so viel als möglich solcher Vorrichtungen und der an ihnen vorzunehmenden Uebungen zu ent- decken suciite, sah man dieselben als Zweck und nicht als Mittel an. Doch ist man nicht erst seit gestern zu der Ueberzeugung gelangt, dasz nur der menschliche Organismus den Maszstab für die Auswahl des turnerischen Uebungsstoffes abgeben kann, und dasz von künst- lichen Vorrichtungen nur so viel zu Hülfe zu nehmen ist, als es das naturgemäsze Bewegungsbedürfnis des einzelnen erheischt. Deshalb hat man auch schon längst die Nothwendigkeit einer Vereinfachung des Geräthturnens gefühlt. Dr. H. Jäger namentlich hat in seiner 'Gymnastik der Hellenen' bereits den Gedanken ausgesprochen, dasz aus unsern vielen Turnarten eine Quintessenz gezogen werden müsse, um etwas ähnliches zu erhalten, wie es die Griechen in ihren Pent- athlen besaszen. Ein solches bestreben ist auch in den Rothstein- schen Rüstübungen zu erkennen, indem die so weit verbreiteten 'Bar- ren- und Reckübungen' gänzlich bei Seite gelassen werden und nur die Uebungen: am Balancierbaum am Querbaum an den Klimm- Kletter- und Steigegerüsten an den Sprunggestellen und am Vol- tigierbock ihre Berücksichtigung finden. Hr. R. hält S. 3 die Aus- schlieszung einer Menge von Uebungsgerüslen um so mehr motiviert, als die gymnastischen Freiübungen den eigentlichen Kern des Turnens ausmachen sollen. 'Es sei darauf hingewiesen, dasz die mit Recht so sehr gerühmte und so schöne und grosze Resultate erzielt habende griechische Gymnastik sich gar nicht mit Rüstübungen befaszte.' Das grosze Einfachheit verrathende griechische Vorbild ist allerdings sehr der Beachtung werth, kann aber nicht die Norm abgeben für die Gestaltung des Turnens in der Neuzeit. Wenn das statthaft wäre, nun so brauchte man ja nur das Pentathlon, das seinen 5 Uebungen nach hinreichend bekannt ist, wieder einzuführen. Man würde sich aber bald davon überzeugen , dasz das nur unter bedeutenden Abänderun- gen möglich wäre und unseren Turnern wenig Befriedigung gewähren würde. Bei den auf deutschen Turnplätzen gebräuchlichen Turnge- räthen kommt ebenso wol die Zweckmäszigkeit in Betracht, als auch

45*

604 Neues vom Turnen u. von der Gesnndheitspflege in den Schulen,

das anziehende der daran vorzunehmenden Uebungen. Wo die Lust an den Uebungen fehlt, ist mit der NülzHchkeit allein wenig auszu- richten.

Was nun die Rotlisteinschen Rüslübungen anlangt, so sind die- selben jedenfalls sehr verständig und mit technischer Genauigkeit aus- gewählt und behandelt; allein in dem ängstlichen Bestreben, beim Geräthlurnen schädliche MisgrilTe zu vermeiden, ist die zu grosze Vereinfachung und Vernüchterung desselben in einen steifen Pedanlis- mus umgeschlagen, der hier kaum an seinen Platze sein dürfte. Es wird durch diese trockene und dürftige Auswahl von Uüstübiingen dem lebendigen Bedürfnisse der Jugend nicht entsprochen und dem Turnen selbst durch das unnatürliche einschränken auf einige wenige Bewegungsformen der lebensfrische Reiz abgestreift, ohne den es nur kümmerlich gedeiht.

Es ist weder nothwendig noch möglich, das Turnen als eine streng logische Bewegungslehre zu halten. Der menschliche Organis- mus mit seinen Grundbeslandtheilen und Gruudbewegungen kann nur die allgemeine Basis, und die Rücksicht auf den praktischen Zweck nur die allgemeine Peripherie der Bewegungen abgeben. Jede Ueber- treibung in der Folgerichtigkeit der Bewegung und jedes kurzsichligo haften an einzelnen praktischen Zwecken wird die Lust ebenso sehr lödten, wie den Erfolg lähmen. Das Turnen ist weder aus dem den- ken, noch blosz aus dem Bedürfnisse entstanden, sondern ebenso sehr aus einem natürlichen Drange nach freier Bewegung, welche in der Natur des Organismus und in den natürlichen Vorrichtungen zwar Masz und Richtung, aber keine absolute Schranke findet.

Jener wissenschaftliche Rigorismus, welcher nach Rolhsfein in einseitiger Weise die fröhliche ^ Brauchkunst des Lebens' zu einer "^abstracten Muskellogik' erheben, und sie von allem entkleiden will, was nicht unmittelbar zur Muskelaction und zur Förderung des phy- siologischen Processes im Körper gehört, stellt die Gymnastik ziem- lich tief und gibt ihr einen Charakter, der wenigstens ihrer paeda- gogischen Verwerthung nicht entspricht. Prof. Dr. Ideler hat an einer anderen Stelle *) ^die Bedeutsamkeit der Gymnastik in ihrer Anwen- dung auf Geisteskrankheiten' dargelegt und dabei auch nachgewiesen *dasz alles, was unter dem Namen der schwedischen Gymnastik dar- geboten wird, dazu völlig u nb r a u ebb ar ist, weil nur eine ganz active, den Körper nach allen Seiten hin in volle Selbsflhätig- keit versetzende Muskelübung jene mächtigen Erfolge erzielen kann.' Aus demselben Grunde verliert die sogenannte schwedische Gymna- stik ihre Bedeutung auch für die Erziehung. Jenes j)artielle regle- mentarische inbewegungsetzcn einzelner Muskelgruppcn liegt ebenso, wie das langweilige und geistlose sichlurnenlassen mittels der soge- nannten * Specialbewegungen', denen Hr. R. hier S. 75 96 besondere Aufmerksamkeit widmet, weit ab von jenem ergreifen des ganzen

*) Neue Jahrbücher für die Turnkunst. Heft III S. 202.

Neues vom Tiinien u. von der Gesundheitspflege in den Schulen. 605

3Ienschen, wie es sich die pacdag-ogische Turnkunsl zum Zwecke ge- macht hat. Eine Gymnastik, welche den zu hildenden und gesund zu erhaltenden Organismus nicht in seiner Zusammenslimniung mit dem geistigen Leben und den geistigen Kräften des Jlcnschen heiiaudcll, hat für die Jugcnderzioliung keine Bedeutung. Die sclivvedische Gym- nastik ist viel zu materialisliscii, indem sie nur die Körperlichkeit ins Auge faszt und in ihrer Praktik z. 13. die geistige, sillliche und ge- mütliche Seite des Zöglings so wenig berührt, als habe sie es nur mit einem Muskel- und Knochenapparal zu thun. Deshalb ist es nicht ohne Bedeutung, dasz in den Uotlisleinschcn Uüstübungen der gröstu Theil der erläuternden Figuren als Scelcte dargestellt ist, was für die Erklärung recht zweckmäszig sein mag, der Sache aber denn doch ein abschreckendes Aussehen gibt.

In den ' Spccialhewegungen ' oder sogenannten duplicierlen Ue- bungen, welche darin bestellen, dasz zwei oder mehr Turner in Wechselwirkung zueinander treten und sich bei Ausführung einer Leibesübung nach angemessenem Verhältnisse hindern und so eine kräftigende Anstrengung veranlassen, llndet die schwedische Gymna- stik bekanntlich ihre Eigenthümlichkeit, da sie nur diese Uebungen als etwas wirklich neues geboten. Durch dieselben soll ein locali- sieren der Thäligkeit erfolgen und eine Einwirkung auf bestimmte Organe erreicht werden. Hr. Hothstein hat diese Uebungen besonders behandelt und selbst die passiven Uebungen zu den luistungen ge- zählt, wobei der eine Turner vom andern mit Ilackungen, Klatschun- gen, Walkungen usw. traktiert wird. VN'ir sehen unter jener Rubrik einen Turner rittlings auf einer Bank sitzen, während der andere ihm den Oberkörper um seine A.xe dreht und den dabei angewandten Wi- derstand überwindet; ein anderer liegt auf einem Divan und läszt sich unter- seinem Widerstände durch einen zweiten den Fusz drehend, beugend oder kreiselnd bewegen usw. Wenn wir auch zugeben wol- len, dasz diese Uebungen besondere physiologische Vorgänge im Or- ganismus hervorrufen, die ihre diaetetische Bedeutung haben, so ist die Anwendung derselben doch für Schulanstalten unpraktisch und, wie Prof. Ideler andeutele, nicht ausreichend. Für gymnastische Cur- säle, oder für das Einzelturnen mögen diese Specialbewegungen dann und wann am Platze sein, nicht aber für das Turnen gesunder oder gar der Schulen. Von den im Hothsteinschen Buche aufgeführten Ue- bungen dieser Art werden nur einige wenige zur Ausführung mit er- wachsenen Gymnasialschülern geeignet sein, \^'enn Hr. Hothstein S. 109 sagt: "^Für den diaetetischen Erfolg ist es vorlheilhaft, den Be- schlusz der Uebungen mit der Ausführung irgend einer der ausglei- chenden Uebungen zu machen und auch wol, wenn die übenden in starke Transpiration geriellien, ihnen geeignete Passivbewe- gungen (Druckstreichungen, Reibungen, Klatsch ungen. Knetungen usw.) zu applicieren oder resp. sich gegensei- tig applicieren zu lassen', so ist uns die Durchführung solcher ilaszregcln, abgesehen davon, dasz sie an das absurde streifen, in

606 Neues vom Tiu-nen u. von der Gesundheitspflege in den Scliulen.

praxi kaum denkbar und würde namentlich bei Schulturnanstalten zu einem complelen Unjuge führen. Denn bei wie viel Schülern kann man einen solchen Ernst voraussetzen, wie ihn Hr. Rothstein selbst in die Sache legt? Ein ehrenwerthes ernstes streben musz Hrn. Rolh- stein zugestanden werden; das zeigt sich auch in der Behandlung vorstehender Rüstübungen. Aber es ist darin zu viel Ernst, zu viel strenge Berechnung und zu wenig '^Freude, die alles durchglühen soll', wie ja Ling selbst gesagt hat. Fassen wir nach den gemachten Anführungen unser Urtheil zusammen, so wird es dahin gehen müssen, dasz das neue in den Rothsteinschen Rüstübungen nicht brauchbar, und das brauchbare darin nicht neu ist. Ein gebildeter Turnlehrer an einem Gymnasium wird besser thun, wenn er die ' Gymnastik für die Jugend 1804' und das 'Turnbuch für Söhne des Vaterlandes 1817' von Guts- muths zur Hand nimmt, als die im J. 1855 erschienenen 'Rüstübun- gen nach Lings System'.

Nr. 4. Das Werk von Prof. Ideler ist seiner Bestimmung und seinem ganzen Zuschnitte nach besonders geeignet, in diesen Blättern genannt zu werden. Während die Diaeteliker sich fast durchweg nur mit der Erhaltung der Gesundheit beschäftigt haben, hält es Prof. 1. für ein schädliches Vorurtheil , als sei die Gesundheit keiner ei- gentlichen Vervollkommnung fähig, weshalb sich die Sorge für sie darauf beschränken müsse, sie nur in demjenigen Zustande zu er- hallen, welcher sich dem Gefühl als ein naturgemäszer ankündigt. Der Vf. faszt dagegen den Begriff so, dasz die Kräfte, aus deren har- monischem zusammenwirken die Gesundheit hervorgeht, durch ange- messene Uebung zur höchsten Entwicklung gebracht werden müssen, wenn ihr gemeinsamer Bund jene gediegene Festigkeit erlangen soll, welche das Leben allein in einem geregelten Gange erhalten und den nachtheiligen Einflüssen eine hinreichende Schutzwehr entgegenstellen kann. Mit einer trefl'enden Schilderung und Kritik der gegenwärtigen Culturvcrhältnisse führt der Vf. zugleich den Nachweis davon, dasz bei der Mehrzahl der Menschen der gröste Theil der Kräfte ein todter, weil unbenutzter Schatz bleibt, und dasz eine unendlich gröszere Fülle des Lebens seiner Quelle entlockt werden könnte. Diese heut- zutage allerdings häufige Verwahrlosung des heiligen Interesses der wahren Gesundheit beklagt Prof. Ideler um so mehr, als die Aufga- ben der Völker in dem Masze, als sie groszarliger und verwickel- ter werden, auch einen bedeutend erhöhten Kraftaufwand erfordern, welcher in zunehmendem Masze die wirklich vorhandenen Kräfte er- schöpfen musz, wenn nicht das schreiende 3IisverhäUnis zwischen der Leistungsfähigkeit der einzelnen und ihren vermehrten Obliegenheiten eine gründliche Abhülfe findet. Der Vf. behauptet, dasz jenes Vor- urtheil auch im Gebiete der Erziehung Platz gegrilTen habe, indem gar viele Erzieher sich meist blosz auf ein abwehren schädlicher Ein- flüsse beschränkten und ein directes einschreiten zur körperlichen Kräftigung ihrer pflegebefohlenen versäumten. Deshalb hält es Prof. Ideler für eine der grösten paedagogischen Unterlassungssünden, wenn

Meues vom Turnen u. von der Gesundheifspfleg'e in den Schulen. 607

in gedachter Hinsicht bei der Jugend nicht ein fester Grundbau für die reiferen Jahre angelegt werde. Oft wären die Schuleinrichtungen der Art, dasz sie den gebieterischen Forderungen der Natur geradezu Hindernisse enigegensfelllen und es verhinderten, dasz diemensch- liche Organisation zu jener Reife, Gediegenheit und Dauerhaftigkeit geführt werde, welche nur allein Gewähr leisten für eine reiche Ernte des Mannesaitcrs.

Für diesen Zweck ist unserem Vf. die Gymnastik eines der wich- tigsten Hülfsniiltel. 'Jene laute Stimme der Natur', sagt er S. 14, 'kündigt sich in dem fast übermäszigen Bewegungstriebe an, welchen sie in alle Nerven und iMuskeln des Knaben und Jünglings gelegt hat, und welchen man recht eigentlich als die ihnen aus innerer Nothwen- digkeit angestammte Gymnastik ansehen musz. Denn letztere bietet das allein mögliche Mittel dar, jedes zum Leben nothwendige Organ in eine unerschöpfliche Quelle von Kraft zu verwandeln, und die Ströme derselben durch den Körper dergestalt im Gleichgewichte oder in harmonischer Ordnung zu erhalten, dasz sie sich bei ihrem Ge- brauch von selbst regeln, und es nicht erst der manigfachsten Kün- steleien bedarf, um hier ihrem Ueberllusz einen Damm entgegenzu- stellen, oder dort, wo ihre Quelle zu versiegen anfieng, ihren stär- keren Zuflusz hinzuleiten. In dem Masze, als alle Organe durch die Gymnastik lebendiger, kräftiger werden, erlangen sie auch eine grö- szere Derbheit, Fülle und Widerstandsfähigkeit gegen manigfachs Schädlichkeiten, und somit die natürliche Bedingung zu einer nach- haltigen Energie.'

Prof. Ideler berührt auch jenen Umstand , wonach die Erzieher nicht selten sich einer Sorglosigkeit überlassen und solche diaeteti- sche Bildungsmittel gänzlich ignorieren, weil die meisten Knaben und Jünglinge bei der heutzutage gebräuchlichen, jene körperliche Er- tüchtigung nicht berücksichtigenden Erziehungsweise, ' sich wolbefin- den, sichtbar wachsen und gedeihen'. Es erklärt sich diese Erschei- nung mit der überschwenglichen Fülle des jugendlichen Bildungstrie- bes, welcher wol ausreicht, um eine Reihe von Jahren hindurch de« täglichen Verlust an Kraft und Regsamkeit dem Anscheine nach ohne alle Einbusze zu ertragen, und somit dem oberflächlichen Be- obachter den im stillen vorbereiteten Ruin der kommenden Jahre ganz zu verdecken. Der Vf. geht auch näher darauf ein, wie die Anforderungen und Einrichtungen der Schule nur zu leicht eine Ver- kümmerung des Jugendlebens herbeiführen und dadurch den Grund IVL mancherlei Schäden und Gebrechen legen, welche erst in späteren Jahren hervortreten.

Indem die Natur durch Gymnastik den ganzen jugendlichen Kör- per durcharbeiten, und somit auf unzerstörbarer Grundlage das reich- ste Kapital an Kräften anlegen wollte, flöszte sie dem jugendlichen Gemüte ein wahrhaft gebieterisches Bedürfnis nach freier Bewegung ein, nnd wehe dem Knaben und Jünglinge, bemerkt Prof. I,, welcher dieses Bedürfnis nicht mehr empfindet, folglich auch nicht befriedigt.

608 Neues vom Turnen ü. von der Gesundheitspflege in den Schulen.

da ihm ein gebrechliches Leben ebenso gewis bevorsteht, als auf an- lialfende Dürre 3Iis\vachs folgt.' Dabei hält sich der Vf. fern von jener Ueberschätzung des körperlichen, indem er sich z. B. S. 17 über das Verhältnis leiblicher Erziehung zur wissenschaftlichen Bil- dung also äuszert: "^Ich glaube in meinen bisherigen Schriften hin- reichend gezeigt zu haben, dasz ich die Wissenschaften als eine der obersten Nothwendigkeitcn des Lebens anerkenne, weil in ihnen die höchste Entwicklung des Geistes sich vollbringen soll, welche im endlosen Streite der praktischen Interessen niemals vollständig ge- lingen kann. Deshalb fürchte ich auch nicht, in den Verdacht jener Tendenzen zu gerathen, welche zu allen Zeiten die Wissenschaften rückgängig machen, und die alte Barbarei zurückrufen wollten, wel- che nur durch die rastlosen Anstrengungen der Schulen besiegt wer- den konnte, an deren Grundlage zu rütteln ein Frevel an der Mensch- heit sein würde. Es konnte nur meine Absicht sein, die so oft von den Aerzten ausgesprochene lUige der fehlerhaften Schulein- richtung, welche die naturgemäsze Entwicklung des jugendlichen Körpers dem falsch verstandenen geistigen Interesse aufopfert, als Beweis zu benutzen, dasz so lange jene Scliuleinrichtung fortdauert, auch eine vollkräftige Gesundheit nicht möglich ist, ja sogar ihr Be- griff durchaus misverstanden, und mit jenem trügerischen wolbefinden verwechselt wird, welches die Quelle unsäglicher Irthümer geworden ist. Zu letzleren rechne ich namentlich die allgemein verbreitete An- sicht, dasz eine dauerhafte Gesundheit ohne fortwährende Uebung der Muskellhätigkeit erhallen werden könne, weil eben unzählige Menschen sich ohne eine solche bis in ein hohes Alter, wenn sie sonst nur die bekannten Schädlichkeiten vermei len, wolbcriuden. In dieser Ansicht liegt aber deshalb ein Trugschlusz, weil ihre prak- tische Anwendung mit allen Anstrengungen in Widerspruch steht, welche eine in sitzender Lebensweise abgeschwächte Kraft den grösz- ten Gefahren aussetzen, indem sie die verzärtelten Organe dergestalt ersehütlern, dasz ihr loses Gewebe nur allzu leicht zerreiszt.'

Nachdem der Vf. diese seine Ansicht in der Einleitung entwi- ckelt und näher begründet hat, behandelt er das gesamte Gebiet der Diaetetik in 4 Abschnitten: Allgemeine Lebensbedingungen die Gymnastik Diaetetik der Verdauung Diaetetik der Haut.

Für die richtige Stellung und Behandlung der Gymnastik gibt der Vf. durchgehends und namentlich im II. Abschnitte trelTliche Winke, die für Gymnasial Turnlehrer besonders groszen Werth haben, weil vielfach auf die Entwicklung und die cigenthümlichcn VeriKillnisso der studierenden Jugend Bezug genommen m ird. Indem so Trof. Ide- ler in dem Systeme des natur- und vcrnunftgemäszen menschlichen handelns der rationellen Turnkunst ihre Stelle anweist, meint auch er damit keineswegs die oben erwähnte schwedische Ileceptgymna- stik, sondern ein organismusgemäszes Turnen mit seinem alle Mus- keln, alle Sinne, alle edleren Gefühlsregungen ansprechenden Ein- flüsse, mit all seiner Poesie, die es nach dem Miibter des griechischen

Neues vom Tiirneii u. von der Gesundheilspflege in den Schulen. 609

Vorbildes zu einer 'Arbeit im Gewände jugendlicher Freude', zu edlem ^^'eltkaml)t■e gleichslrebendcr Genossenschaften, zu sittlicher Durchgeistigung des Leibes macht.

"NN'ir müssen uns hier auf die gegebenen Auszüge beschräuken und schlieszeu das Uefcrat über das trelfliche Buch mit dem Wunsche, dasz Gymnasial -Turnlehrer, Gymnasiallehrer, Gymnasialdirecloren und Schulralhe sich Einsiciit in dasselbe verschairen möchten, damit jeder an seinem Tlieile den billigen Forderungen des gelehrten Medi- ciners immer und überall nachkommen uud so sich der Interessen der .lugend annehme nach den Worten Luthers: 'Es ist eine ernste und grosze Sache, da Christo und aller Welt viel an liegt, dasz wir dem jungen Volk helfen und rathen ; damit ist denn auch uns und allen gerathen und geholfen. '

Nr. 5. In BelrelT der ' Neuen Jahrbücher für die Turnkunst' ent- hält sich Uef. natürlich der Kritik und beschrankt sich blosz auf eine Anzeige dieser in vierleljülirliclien Heften erscheinenden Zeitschrift, welche es sich als Hauptaufgabe stellt, das Ziel des Turnens als öf- fentliche Erzichungsangelegenheit für die Jugend aller Schulen zu verfolgen. Es soll darin die eigentliche Turnpaedagogik vertreten sein und das Turnen als eine Kunst behandelt werden', deren Mittel nach den Grundsätzen der Zweckmäszigkeit und des Bedürfnisses mit Rücksicht auf die leibliche Gesundheit, des Auslandes und der natur- gemäszen Kraftentwicklung und Gewandtheit zu ordnen und anzu- wenden sind. Daher fallen vorzugsweise diejenigen Bestrebungen in das Bereich der Jahrb., welche eine wirkliche Lebendigmachung der Sache bei den Schulen bedingen helfen. Daran schlieszeu sich andere Richtungen und Entwicklungen, die eigenen und verwandten Zielen gelten, so dasz: l) das Turnen für die Schulen aller Gattungen: 2) die Gesundheitspflege im allgemeinen und insbesondere für Schule und Haus; 3) das Verhältnis der Turnkunst zur Heilkunde, zum Heerwe- sen und zu Anstallen aller Art (Irren-, Taubstummen- und Blinden- anstalten, Kinderbcwahranstallen usw.) als Gegenstände gellen, die von den Jahrbüchern in den Kreis ihrer Besprechungen gezogen wer- den. Zu diesem Zwecke werden auch in den Jahrbüchern Schulmän- ner, Aerzte und Turnlehrer Hund in Hand gehen, um ihren Gegenstand nach allen seinen Beziehungen zu fördern. Von Abhandlungen enthält das erste Heft: 'lieber den Zweck der neuen Jahrbücher' von Klosz 'Die Turnkunst und die Schule' von Spiesz 'Kurzer Ueberblick über die Entwicklung des deutschen Schulturnens voa Gutsmuths bis auf die neueste Zeit' von ^^'aszmannsdorl^ ' Ueber die Nothvvendigkeit, bei allgemeinen, vorzüglich paedagogischen Turnübungen strenge Gleichseitigkeit zu beachten' von Dr. Schreber. 'Der Turnunterricht bei den Gymnasien' von Klosz. Im zweiten Hefte folgt die Fortsetzung der Abhandlungen von Klosz und \\'asz- niannsdorff und als neu treten hinzu: 'Entwicklung einer lleihc von Freiübungen' von Klosz 'Der Turnunterricht in dem k. Seminar für Sladlschulen zu Berlin' von Kawerau 'Ueber Heilgymnaslik

610 Neues vom Turnen u. von der Gesundheilspflege in den Schulen.

im allgemeinen' von Dr. Schreber. Auch im dritten Hefte werden die Abhandlungen über ' Turnen bei den Gymnasien' und 'Entwick- lung des Schulturnens' fortgesetzt, woneben als neue folgen: 'Ueber die Heilgymnastik in ihrer Anwendung auf Geisteskrankheiten'. Von Prof. Dr. Ideler '^ Die Gangschaukel' von H. Kluge "^ Die Heil- gymnastik in ihrem Verhältnis zur Wasser- und Seebadekur' von Dr. Friedrich, Unter der Rubrik: ^ßücheranzeigen' sind in allen 3 Heften eingehende Besprechungen über 14 turnerische und diaetetische Schrif- ten von Rothslein, Neumann, Nitzsche, Böttcher, Friedrich, Schreber, Reichel, Bock, Ideler, Georgii, Berend usw. Die Abtheilung ' Nach- richten und vermischtes' ist in den 3 Heften ziemlich reich ausge- stattet; auch haben neben den Herausgebern die Herren Dr. Berend, Dr. Breier, Hildebrand, Dr. Ideler, Kawerau, Kluge, v. Linsingen, Lau, Lauckhard, Dr. Richter, Scheibmaier, Dr. Timm u. a. Beiträge für die Jahrb. geliefert oder zugesagt, so dasz eine würdige Ver- tretung der hier einschlagenden Angelegenheiten in Aussicht gestellt werden kann.

Nr. 6. lieber das 'Athenaeum für rationelle Gymnastik' haben wir schon bei seinem ersten erscheinen im B. LXX d. Bl. S. 328 be- richtet und dort die Tendenz dieser Zeitschrift als Vertreterin der echten Lingschen Gymnastik genug bezeichnet. Auch in dem vor uns liegenden II. Bande ist ein reiches Material niedergelegt, welches zur Aufrechterhaltung des reinen Princips der schwedischen Gymnastik dienen soll, und vorzugsweise eine physiologische Analyse der für medicinische und paedagogische Zwecke dienenden Uebungen anstrebt. Unter den 16 Abhandlungen dieses Bandes sind nur: die Gymnastik für blinde, von Rothstein das Turnen in Deutschland und die Gym- nastik der Schweden, von Nitzsche Anleitung zum Stabspringen, von Kluge Reisebeobachtungen auf dem Gebiete des Turnwesens, von Ravenstein allgemeinen und paedagogischen Inhalts. Der gröszte Theil der gelieferten Arbeiten bezieht sich auf therapeutische Verwendung der gymn. Uebungen, zu welchem Zwecke namentlich Dr. Nenmann viele Beiträge lieferte. Besonders bemerkenswerlh ist es, dasz von den schwedischen Gymnastikern auch die v. Reichen- bachsche Odlehre in den Kreis ihrer Experimente gezogen wird, wie aus dem Artikel: 'Das Od und die Heilgymnastik' von Dr. Neumann zu ersehen ist. Zu den manigfachen Hypothesen der schwedischen Gymnastik, welche hinsichtlich der physiologischen Vorgänge im menschlichen Körper durch die so hochgestellten duplicierten Turn- übungen von den Verfechtern dieser Lehrer aufgestellt worden sind, gesellt sich somit noch eine unfertige Lehre, der die wissenschaft- liche Begründung zur Zeit noch vollständig abgeht. Dr. Neumann hält die Wirkungen und Gesetze der Odkraft für die Gymnastik von der höchsten Wichtigkeit und glaubt sogar, dasz sie selbst den prak- tischen Betrieb derselben umzuändern vermöchte. Durch dieses hin- jßinziehen der mysteriösen Odlehre in das Gebiet der schwedischen

Neues vom Turnen u. von der Gesundheilspfleg^e in den Schulen. 611

Gymnastik erhält diese selbst keineswegs eine tiefere Begründung, sondern wird nur noch complicierter und unpraktischer.

Die ' lilterarischen Referate' des Athenaeums erstrecken sich über 14 Schriften, von denen nur 2 nichtmedicinischen Inhalts sind. Auch in den ' Nachrichten und Notizen vermischten Inhaltes' ist das medicinische Element vorhersehend, so dasz Erzieher und Turnlehrer im Alhenaeum wenig für ihre Zwecke finden. Die Einseiligkeit der im Alh. eingeschlagenen Richtung hat etwas abstoszendes und die angeblichen neuen Entdeckungen sind mit groszer Vorsicht aufzuneh- men, so dasz wir auch nach Durchsicht dieses II. Bandes in der An- sicht über die schwedische Gymnastik bestärkt wurden, die Prof. Ideler mit den Worten ausdrückt: 'Um ganz unparteiisch zu sein, müssen wir es allerdings anerkennen, dasz der schwedische Gymna- siarch Ling zu einem deutlichen Bewustscin über die Nothwendigkeit einer wissenschaftlichen Begründung der Gymnastik gekommen ist, und dasz er es an rühmlichen Bestrebungen für diesen groszen Zweck nicht hat fehlen lassen. Indes die wissenschaftlichen Leistungen Lings und seiner Nachfolger gewähren, so weit sie öffentlich bekanntge- worden sind, der strengeren Kritik sehr wenig Befriedigung und lassen noch die gröszten Mängel und Lücken erkennen , welche sie vergebens hinter Machtsprüchen verbergen, durch die eine ganz fal- sche Bahn für die anzustellenden Forschungen eröffnet worden ist.'

Nr. 7. In dem Werke des Dr. Neumann begegnen wir einer recht fleiszigen Arbeit, insofern sie das gesamte Gebiet der organischen Processe, die sich im Muskelleben des 3Ienschen darstellen, vorzu- führen und zu erklären versucht. Ganz besonders werden diejenigen Seilen des Muskellebens hervorgehoben, welche für das Turnen von specieller Wichtigkeit sind. Wir können uns in diesem Referate nicht auf die umfänglichen Untersuchungen einlassen, welche der Vf. über das äuszere und innere 31uskelleben des Menschen anstellt, deren Re- sultate oft mehr als problematisch sind und durch die Verbindung mit der Odlehre keineswegs an Sicherheit gewinnen. Hier hat nur der III. Abschnitt des Werkes: "^ Muskelbewegung als heilorganisches und turnerisches agens' für uns besondere Bedeutung, weil darin speci- fisch schwedische Uebungen geboten werden, welche Dr. Neumann zur Einführung in Turnhallen und besonders in Schulanstalten für ge- eignet hält. Dr. Neumann stellt an jeden Turnlehrer die Forderung, dasz er bei jeder Uebung, die er durch seine Schüler ausführen läszt, sich klar mache, welche Muskelgruppen dabei in Thätigkeit kommen, und welche physiologischen Effecte dadurch hervorgerufen werden. Deshalb stellt er auch die Forderung, dasz jede Turnübung nur langsam ausgeführt werden dürfe, 'weil sonst der Turnlehrer, der solche (nemlich schnelle) zuläszt, sich mulhwillig die Controle der Muskelgruppen oder der Gliedermusculaturen entzieht, die geübt wer- den sollen, und es mehr den Turnern selbst überläszt, sehr verschie- dene und während der Uebung wechselnde Muskelgruppen zu bilden.' Dieser Forderung gemäsz unternimmt nun Dr. N. eine Erklärung der

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physiologischen Vorgänge, welche durch die von Ling aufgestellten 3 Bewegungsarten: aclive, duplicierte und passive *), angeblich her- vorgerufen werden, und beschreibt dann mit steter Hinweisung auf die dabei in Betracht kommenden Muskelgruppen eine lange Reihe duplicierter Turnübungen zur Anwendung in Schulturnanstalten.

Diese Muscular-Analyse kann unserer 3Ieinung nach schwerlich so ins einzelne gehen , wie es Dr. Neumann für nöthig hält und für die einzelnen Turnübungen nachweisen will. Wir wollen den Werth derselben für Krankengymnastik nicht in Abrede stellen, halten aber ihre Bedeutung für paedagogische Gymnastik nur für sehr unterge- ordnet. Der berühmte Anatom und Piiysiolog Dr. Burdach bemerkt über die Muskelbewegung: ^ Die äOO Muskeln, die uns zu Gebote stehen, geben nur die Primzahl der unzähligen Modilicalionen der Be- wegung, welche durch die Verhältnisse der Faserbündel eines Mus- kels , durch die Art der Combinalion mehrerer Muskeln und durch den verschiedenen Grad ihrer Zusammenziehung hervorgebracht wer- den. Diese höchst zusammengesetzten und verwickelten Acte gehen aber meistens vor sich , ohne dasz sie unser ße wustsein be- rühren: wir wollen eine Reihe von Bewegungen und sogleich er- folgen sie. Der Anatom, der alle 31 us kein und ihre Nerven kennt, wird sich bei seinen Bewegungen ebenso wenig als jeder andere ihrer Thätigkeit bewust, wie er denn auch vermöge dieser sein er Kenntnis nicht besser geht oder fester steht.' Für den Zweck der paedagogischen Turnkunst ist B e w e g u n g ü b e r h a u p t in Anschlag zu bringen , und wenn der Turnlehrer bei den verschiedenen Uebungen und Stellungen zunächst auch nur die freie Thätigkeit des Leibes nach der Seite ihrer äusze- ren Erscheinung ins Auge faszt, so wird er doch den physiologischen Forderungen nachkommen, indem er eine richtige, alle Leibestheilo ergreifende Zusammenstellung der Turnübungen anordnet. Beim paedagogischen Turnen ist es mit dem Muskelleben allein noch nicht gethan, und es darf nicht übersehen werden, dasz die Vermittlung der willkürlichen Bewegungen durch einen von einem bestimmten Theile des Rückenmarkes und Gehirns ausgehenden Impuls hergestellt wird. Diese geistige Seile der Bewegui.g ist für uns noch ein Ge- heimnis, obschon sie für leibliche Gesundheit von entschiedener Be- deutung sein musz, wenn wir an die Beispiele groszer Männer den- ken, die ihrem gebrechlichen Körper oft genug durch die Stärke ihres Geistes Halt und Stütze gegeben haben. Gerade in dem vollen dabei- sein des ganzen Menschen bei Ausführung einer Turnübung liegt auch das nervenstärkende und allgemein wullhätige agens derselben. Wille und Muskellhutigkeit müssen beide gleichzeitig auf dasselbe Ziel gerichtet sein. Die Natur läs/.t sich nicht leusolien. und den iieil- samen Erfolg tüchtiger und heilerer Bewegung wird man niemals er- langen , wenn man den Muskeln den vollen Betrag des natürlichen

♦) S. diese Jahrb. B. LXVII S. Üi7.

Neues vom Turnen n, von der Gcsundheilspflcgc in den Schulen. 613

Nerveneinflusses vcrsagl. Das alles ist von den schwedisclien Gym- naslikcrn zu wenig oder gar nicht in Anschlag gebracht worden, wenn sie auf ein localisieren der Bewegung ausgehen und ein sliick- weises Turnen der Leibesglieder für zuträglich hallen. In jenem ba- sieren der Turnübungen auf das körperliche des Menschen liegt eben das nuUerialislische der schwedischen Gymnastik, die damit zugleich einer elhischen Grundlage entbehrt. ^^ ir wollen den ^\■erth des schwedischen Systems für Krankengymnastik nicht in Abrede stellen, da mit seinen charakteristischen Uebungen allerdings auf bestimmte Muskelgruppen und Functionen des Leibes eingewirkt werden kann. Für paedagogische Gymnastik ist es aber gar nicht so wichtig, die Wirkungen der Turnübungen zu specialisieren, wie sie Dr. Neumann herauszuklügeln unternommen hat; hier kommt es im Gegenlheil mehr auf ein verallgemeinern der Uebungswirkungen an. Dr. Neumann legt besonderen Werth darauf: ob durch diese oder jene Uebung auf den venösen oder arteriellen Blutnmlauf eines Gliedes eingewirkt werde; allein es fehlt der Nachweis von der Hichligkeit dieser Be- hauptung. Darnach hat es auch keine Bedeutung, wenn Dr. Neumanu den einzelnen Uebungen einen arteriellen oder venösen Charakter zu- schreibt. Der Turnlehrer musz sich durch eigene Erfahrung Kenntnis von den Wirkungen der einzelnen Turnübungen verschafft haben; er musz wissen: wie er durch Gang-, Lauf-, Sprung-, Hangel-, Stütz- und Streckübuugen seinen Schülern eine allseitige Körperübung ge- währt. Wenn der Turnlehrer auch mit activen Uebungen ein specia- lisieren zu erreichen im Stande ist, so hat doch ein solches isolieren und localisieren der Bewegung, wie es Dr. N. verlangt, für ihn keine Bedeutung, weil er es mit dem ganzen Menschen zu Ihun hat und nicht mit einzelnen kranken Gliedern desselben.

Wenn Dr. Neumann vollends der Meinung ist, dasz er mit den hier gebotenen ^ duplicierten Turnübungen' etwas brauchbares gelie- fert habe, so befindet er sich in einem starken Irthume. Es zeigt sich nemlich, dasz er gänzlich im unklaren über die praktische Durch- führung jener Uebungen geblieben ist. Selbst wenn sie so zuträglich wären, wie er es behauptet, was wir aber in Abrede stellen müssen, so sind sie für den Schulgebrauch völlig ungereimt und unpraktisch. Nächst der entsetzlichen Langeweile, welche die Ausführung solcher Uebungen hervorrief, war vornemlich die Schwerfälligkeit der Aus- führung ein llemnis, indem sie durch eine Menge nicht so leicht zu beschairender Apparate unterstützt werden müssen. Sessel und Bänke von verschiedener Grösze, Sproszenmaslen, Klappgestelle, runde Pol- sterkissen u. dergl. musz der Turnlehrer stets zur Hand haben, was schon bei 3 4 Turnschülern ziemlich umständlich wird, geschweige denn bei einer ganzen Schulklasse. In dem vorliegenden Werke hat Dr. Neumann den activen Turnübungen ihre Bechte wenigstens eini- germaszen wieder eingeräumt, nachdem ihm von Aerzten und Physio- logen das absurde seiner Behauptung: "^ aclive Bewegungen wirken nicht krankmachend, aber auch nicht heilend' nachgewiesen ist. Doch

614 Entgegnung.

ist seine Ueberschälzung der duplicierten Bewegungen immer noch vorhersehend, wenn er z. B. S. 207 sagt: 'Für die Bein-, Unter- schenkel- und Fuszmuskeln habe ich bei weitem mehr duplicierte Be- wegungen, als für die Armmuskeln gegeben, weil, wie schon oben erwähnt, für Schüler, (die doch bis jetzt die gröszere Zahl der Turnenden ausmachen) es als Gegengewicht gegen den das Blut nach dem Kopfe ziehenden Schulunterricht, und gegen die dasselbe bewirkenden (die Armmuskeln mehr in Anspruch nehmenden) gewöhnlichen Turn-, Gerüst- und Freiübungen besonders dienlich sein dürfte duplicierte Beinbewe- gungen anzuwenden.' Wir können dem Herrn Dr. versichern, dasz wir eine Menge von zweckmäszigen, angenehmen und schönen activen Turnübungen besitzen, welche ganz denselben Zweck erfüllen, den er mit den umständlichen und wirklich ungereimten duplicierten Uebungen zu erreichen wähnt. Wir stimmen deshalb mit Prof. Rich- ters Urlheil überein, welches also lautet: 'Wir unsererseits, wenn uns die Wahl gestellt würde , aufunsere Turnplätze mit ihren erfrischenden, frei und kraftvoll machenden Frei- und Ger äth Übungen, ihren geistweckenden und aufh eitern- den Gemein Übungen zu verzichten und.dafür schwedi- sche Cursäle mit lediglich duplicierten und passiven Uebungen einzutauschen: so würden wir im Interesse der kranken Menschheit selbst den Tausch ablehnen und es vorziehen auf dem bisherigen Wege nach undnach das Turnen mittels ärztlichen Einflusses immer voll- kommener auszubilden: sowol für seine allgemeiner volks- thümlichen Zwecke, als für die Vorbauung und Heilung gewisser Krankheiten, namentlich der in unserer Zeit das staatsärziliche Inter- esse in Anspruch nehmenden Endemien: der Muskelschwäche, Blut- armuth, Tuberkelkrase, Verdauuugsträgheiten.'

Dresden. M. Klosz.

Entg-egnung.

Hr. Dir. Dr. Pider it hat in diesen Jahrb. (Bd. LXXII S. 436 ff.) mein Mlülfsbuch für den evangelischen Religionsunterricht in Gymna- sien' (Berlin, Wiegandt und Grieben 1854) anzuzeigen die Freund lichkeit gehabt und damit an seinem Theile die Bitte erfüllt, welche ich am Schlüsse meines Vorworts an meine CoUegen gerichtet hatte. Mein Dank gebührt ihm von rechtsvvegen und ich spreche ihn um so lieber aus, als der Hr. Rec. im groszen und ganzen mein Buch mit Nachsicht und Wolwollen behandelt. In der Hoffnung, dasz sich man- che von den Ausstellungen, welche Dir. P. an meinem Buche zu ma- chen hat, beseitigen lassen werden, bemerke ich noch folgendes:

Enlgegnung. 615

Die Zugabe von Kirchenliedern scheint mir auch dann noch erfor- derlich zu sein, wenn das (Eisenacher) deutsche evangelische Kirchen- gesangbuch in kirchlichen Gebrauch kommen sollte. Gerade daraufhal- ten wir viel, dasz die Schüler das Material zusammenhaben. Dasselbe gilt von dem Katechismus. Es ist leicht von dem Primaner zu verlangen, *dasz er seinen besonderen Katechismus als stetes Lernbüchlein habe', aber nicht so leicht scheint es mir, diesem Verlangen Folge zu geben.

Wenn Dir. P. es tadelt, dasz ich in den Andeutungen zur Glaubens- lehre den Grundziigen Hülsmanns gefolgt bin, so setzt er mich damit in eine eigenlhümliche Lage. Es ist nemlich fast zur guten Sitte ge- worden, diese Grundzüge 'subjectiv' und 'individuell' usw. zu nen- nen. Da ich sowol das in Rede stehende Buch als auch seinen Ver- fasser recht genau kenne, so hat jene Tradition der Kritik für mich keine Bedeutung. Hätte Hr. P. in diesem Punkte allein das eigene Urtheil befragt, so würde er in jenen 10 Ueberschriften doch viel- leicht eine respectable Objectivilät gefunden haben.

Wenn es auf S. 53 heiszt: 'Gott schuf die Welt durch sein Wort, d. h. durch seinen (liebevollen) Willen', vorher aber schon das Wort als schöpferisches stark betont ist, so kann ich in jener zweiten Anführung nur eine neue Beziehung in dem 'Worte' her- vorzuheben beabsichtigen, diese Beziehung wird durch den Zusatz : 'durch seinen Willen', und noch näher durch die folgenden Worte: 'nicht als Ausflusz einer Fülle usw.' angedeutet. Das nähere steht in Hävernicks Vorlesungen über die bibl. Theologie des A. T. 1848 S. 66 f.

Der Rec. findet die Erklärung der iustitia originalis: 'sie war eine kindliche Hinneigung zu Gott und allem guten, welche wachsen, sich befestigen und durch die freie Selbstbestimmung des Menschen reifen sollte' schwach, er sagt nicht, worin diese Schwäche liege. Dasz die Sache selbst einige Schwierigkeit habe, gibt er indirect zu, indem er zu verstehen gibt, dasz viele andere an diesem Punkte gleichfalls gestrauchelt seien. Was er sodann berichtigend bemerkt, geht gar nicht auf jene Schwäche ein. Während bei mir nur von der sittlichen Ausrüstung die Rede ist, spricht er von der 'schöpfe- rischen Erkenntnis und Geistestiefe' des ersten Menschen.

Mit Recht findet Hr. P. den Anhang von den Heiden etwas dürf- tig, eine 2e Aufl. wird diesem Fehler abhelfen. Indes werde ich doch den Charakter des Buches, das überall den ausführenden, veran- schaulichenden Lehrer voraussetzt, auch hierin nicht verwischen. Hr. P. tadelt es, dasz ich in dem betreffenden Anhang und sonst öfters Hauptbibelstellen in genauer Uebersetzung mitgetheilt habe. Er meint, es sei dies zur 'Verdeutlichung' geschehen, aber nein, ich habe blosz Berichtigung im Auge gehabt. Vor einer solchen 'oft äuszerst unge- schickten Abweichung von dem kirchlichen Text' scheue ich mich nicht im mindesten, halte sie sogar in zahlreichen Fällen für pflicht- mäszig. Wenn die richtige Uebersetzung Schwierigkeiten haben sollte, so ist der Lehrer dazu da, dieselben zu heben, er kann dann die Umschreibungen leicht geben, welche in das Hülfsbuch nicht gehören.

616 Entgegnung.

Der Tadel, welchen Hr. P. über die Behandlung der Bergpredigt ausspricht, trilTt zum groszen Tiieil auch meinen 'Gewährsmann' Iian,ge. Dasz die gegebene Einlheihing den StolT 'bei weitem nicht umfasse', hatte Hr. P. nachweisen müssen. In Betreff der Ausführ- lichkeit, mit der die Bergpredigt in meinem Buche behandelt ist, bin ich guter Zuversicht.

Der Abschnitt von der Aneignung des Heils erscheint dem Hrn. Reo. als der schwächste des Buches, ich halte ihn auch nicht für den besten, aber aus andern Gründen als Hr. P. Was Hr. P. mir vor- hält, erweist ziemlich deutlich, dasz ihm die dogmatische Litte- ratur nicht recht bekannt ist. Er würde sonst wissen, dasz meine ganze Anordnung der Ileilslehre dem 2n Bande der doch sehr bedeu- tenden Dogmatik Langes entnommen ist. Aus diesem Buche würde er dann ersehen haben, warum die gewöhnliche Anordnung der Soterio- logie nicht genüge. Lange weist nach, was auch schon andere aus- gesprochen, dasz keine Stelle in der Dogmatik mehr in Verwirrung liege, als die Lehre von der Heilsordnung, er thut aber mehr, er suciit eine richtigere Folge der Heilsmomenle aufzustellen und benutzt zu dem Ende eine Bibelstelle, die ich in § 93 wegen ihrer durchgrei- fenden Wichtigkeit habe abdrucken lassen. Im übrigen musz ich Hrn. P. auf die Ausführungen Langes verweisen, namentlich was das Recht betrifft, erst von dem Heilswege und dann von der Kirche zu reden.

Hr. P. sagt: 'Wollte der Vf. den Weg der alten Kirchendogma- tiker gehen, dann muste er auch die ganze volle, fest zusammenliän- gende Ordnung derselben befolgen' usw. Ich konnte das nicht wollen, weil die 'alten' (lutlierisclien) Dogmafiker über diese Dinge bekanntlich fast nichts sagen, und erst Quenstadt die Lehre von der Aneignung des Heils einigermaszen ausgebildet hat. W\ts den abspre- chenden Satz des Hrn. P. betrifft: 'Soll einmal systematisch geordnet werden, dann musz es auch streng wissenschaftlich geschehen; sub- jectives doctrinäres belieben ist hier wie überall vom Uebel', so darf ich ihn Hrn. P. gegenüber für erledigt halten. Dasz Hr. P. die christ- liche Religionslehre von Kurtz so warm empfiehlt, kann ich nur bil- ligen, indes wunderte es mich, bei ihm, der den lutherischen Stand- punkt so sehr betont, diese Empfehlung zu lesen; wenigstens hat dio Zeitschrift von Guericke und Rudelbach, die für lutherisches ein fei- nes Sensorium hat, manches bedenkliche in jenem Buche gefunden.

Wenn ich schon in dem vorhergehenden einigemal in der Lage war, den Ausstellungen des Hrn. P. Recht zu geben, so würde ich noch weit öfter Veranlassung zu dieser Anerkennung haben, wenn ich die noch übrigen, minder bedeutenden Bemerkungen des Hrn. Rec. berücksichtigen wollte. Das WolwoUen, mit dem einige Gymnasial- directionen und Behörden mein Hülfsbuch aufgenommen und einge- führt haben, stellt mir in Aussicht, bald in einer neuen Ausgabe die nothwendigslen Verbesserungen anbringen zu können.

Berlin, im November 1855. Dr. Hullenberg.

Register zn Band LXXII.

I. Inhaltsverzeichnis.

Arislarclios v. Samos s, Nokk.

Arriiin s. Hartmami.

Aszmnnn : Beitrag zur Methodik des Gesohielitsuufernchts liebst einem Ausziip-e aus lornaiules 372.

Buhendey: über die niimilidie Dar- stellung der imaginäreti Gröszen 20. BumüUer: Lelirbiich der Geographie und Geschiclite für die unteren Klas- sen 229.

Athenaeum für rationelle (iyninastik, Byrons Marino Falieri und Childe Ha- Rolhutein und AV?i- rold 1 u. II. Erkl. v. Brockerhoff 20.

herausgpg. v. mann 000.

August: Die Construction der regel- mäszigen Körper nach einer für alle übereinstimmenden Methode. .30.

Auszüge aus Zeitschriften : Allge- meine Monatsschrift für Litt, und Kunst 200. Bericht über die Ver- handlungen der k. preussischen Akademie in Berlin 191. Corre- spondeuzblatt für die gelehrten Schu- len Württembergs 262. Gelehrte Anzeigen der k. bayer. Akademie nebst Bulletins 317. 568. iMelan- ges greco-romains de l'academie de St. Petersburg 525. Paedagogische Bevue 99. 368. Philologus 144. 521. Rhein. Museum 147. 466. Zeitschrift für d. Alterthumswissen- schaft 464. für sialwesen 34. 253. für die öster reichischen Gymnasien 91. 416.

Cavedoni: biblische Numismatik über- setzt und mit Zusätzen von A. v. Werlhof 553.

Cholevius: Geschichte der deutschen Litteratur. Ir Theil. 297.

Classen : Fr. Jacob in seinem Leben und Wirken 403.

Cott: deutsche u. franziisisclie Sprich- wörter 50.

Crome: quid Graecis Cicero in phihi- sophia, quid sibi debuei'it 577.

Baskerville : the poetry of germany 75.

Baumaym : Erklärung einiger Stellen in dem Agricola des Tacitus 47.

Behn-Esclienburg : Schnlgrammatik der englischen Sprache 23.

Bonnell: Friedrichs des Gr. Verhält- nis zu Garve und dessen Üeber- setzung von Cic. d. off. nebst ei- ner Betrachtung über das Verlialten der Schule gegen die Üebersetzun- gen alter Klassiker 258.

Bretschncidcr: die 3Sys'cmcder deut- schen (irammatik 473.

Brockerhoff s. Byron.

iV. JaiiTh. f. Phil. u. Paed. Tid. LXXU. Hß. 12.

Dauher: Antrittsrede 528.

Belius: s. Shakespeare.

Bielrich: ein Beitrag zur Geschichte des Friedländisclien Gymnasiums 202. das Gymna- Dippe : Beiträge zur Elementarmathe- matik 27,

Döderlcin : Vocabnlarium für den la- tein. Elementarunterricht 80. Rede 471.

Ebenau: Bestimmung der Richtung, in welcher sich ein Punkt der Erd- oberiläche in einem gegebenen Zeit- niomente durch den Raum bewegt 27.

Ehrlich: de continua lingnarum com- paratione 53.

Eilers: Ansichten über den (ieschichts- unterricht in höheren Bildungsan- stalten 373.

Eisingcr: Beiträge zur Topographie u. Geschichte der Stadt Rastatt 44.

46

618

Register.

Fiedler u. Palm: Geschiclite der Ge- lelirtensclmle in Plauen 270.

Fischer, s. Tennyson.

Frege: über einige Schulverhältnisse 580.

Fi'eudenapriaig : die im I. Tom. der Meichelbeck'sclien Historia Frisin- gensis a\ifgeführten Namen von im Köiiigr. Bayern gelegenen Ortschaf- ten. Ir Thl. 472.

GausZy K. Fr.: geschildert von Sei- del 570.

Gesetze für die Schüler des gross- lierzoglichea Lyceums in Heidel- berg 153.

Giese : die christliche Lehre 446.

Giesebrecht : die Geschichte der deut- sclien Kaiserzeit I 1. 397.

Grosz : histor. Schulatlas 137.

II. Gruber: de locis quibusdam ad in- stitutionem grammaticam pertiuenti- bus 324.

Grundlagen der Gymnasialbildung 1.

Gutenäcker: gcschichtl. Bericht über die Kasse für erkrankte Schüler in Bamberg 468.

Hagenbach: Leitfaden zum christli- chen Religionsunterrichte 440.

Hallensleben: zur Geschichte des pa- triotischen Liedes 513.

Hartmann: Probe einer neuen beab- sichtigten Ausgabe von Arrians Ana- basis 428.

, C: das Turnen als ein nothwen- diger Bcstaudtheil der Jugendbil- dung 600.

Hausdürfer : Aphorismen über Gym- nasialbildung 261.

Hauser: elementa latinitatis 80. 211.

Hebel, s. S eisen.

Heiland: Heden 433.

Helferich: Miscellen 46..

Henneberg er : Jahrbuch für deutsche Litteraturgcschichte 86.

Hense, s. Shakespeare.

Hermes: über das Pascal'schc Sechs- eck 30.

Herold: quaestiones Ilerodoteae. P. If. 531.

Herrig : Sammlung englischer Schrift- steller 13.

Hertlein: Beiträge zur Kritik des Po- lyaenus 48.

Hertzberg , s. Tennyson.

Heussi, s. Shakespeare.

Hollenberg: Hilfsbucli zum evangeli- schen Religionsunterrichte 436.

Jacob, s. Classen.

Jacobi: die äuszeren Entfernungsörter

geradliniger Dreiecke 567. Jahrbücher, neue, für die Turnkunst.

Herausgeg. von Klosz 600. Ideler: Handbuch der Diaetetik 600. Ilgen: Theorie der Meridianbestim-

nmng 26.

Kärcher: Beiträge zur lat. Etymolo- gie 45.

Kehrein: Grammatik der neuhochdeut- schen Sprache 284.

Kinzel: über Diamagnetismus 567.

Klix: Antrittsrede 422.

Klosz, s. Jahrbücher.

V. Klöden: Beiträge zur neueren Geo- grapliie von Abissinien 259.

Kramarczik : die Lehre von der con- secutio temporum 578.

Kuhlmey : Schillers Eintritt in. Wei- mar 259. 513.

A^zn-z.-NicIasens von Wyle lOte Trans- lation 513.

Lange: Grundrisz der Geschichte der deutschen Literatur 136.

V. Lasaulx: der Untergang des Hel- lenismus und Einziehung der Tem- pelgüter durch die christlichen Kai- ser 484.

Lateinische Grammatik u. Unterricht. Ueber den hypothelischen Gebranch des unabhängigen Coniuncliv und Indicativ ohne si 177. Die Aneig- nung des nothwendigen Wortscha- tzes im Lateinischen 349.

Lehrplan in Hamburg 475., in Nas- sau 321., in Sondershausen 475.

Lorenz: series ministrorum ecciesiae evangelico-lutheranae Griinensis 51.

Maturi tätsprüfnng in Frankfurt a.M. 262.

Meiring: Sammlung lateinischer Wör- ter 80. S. auch Siberti.

Meister: über die classischen Studien vom christlichen Standpunkte. 2ö3.

Mezger: zur Erinnerung an J. G. Her- der u. H. Pestalozzi 149.

Michaelis: die Verein rachungcn der deutschen Rechtschreibimg 220.

Mohr: quaestiones pliüologae 579.

ßluczkowski: Geschichte der höheren Schule in Krakau 51.

Muhlert: die Banda-Eilande 527.

Ilei;isler,

Ül9

Neumann: das Muskellcben des Men- schen in Bezug auf Heilgymnastik n. Turnen ÜOO. S. auch Athenaeuni.

Nibehuigenlied, s. liieger, ^Umar, Zanicke.

Nokk: Aristarchos über du» Grössen und Entfernungen der Sonne nnd des Mondes übersetzt und erläutert

bm.

Oclschläger : über religiöse Bildung 150.

OrLiiographische Conferenz in Hanno- ver 150. 266.

Palm, s. Fiedler.

Peter: einige Beiträge zu den grie- chischen Wörterbüchern 580.

Philo, s. Schlegel.

Pollack: Lehr- und Uebungsbuch der Elemenlarmathematik 357.

Polyaenus, s. Her Hein.

Das Programmeninstitut 586.

Pütz: Handbücher der Weltgeschichte 240.

Hein: Haus Bürgel das römische Bu- rungum. 525.

Religionsunterricht. Zum evangeli- schen Reügionsunterr. 383. 435.

Richter: letzte Unterhandlungen Ja- cob's von England mit Philipp HI von Spanien 471.

Rieger: zur Kritik der Nibelunge 448.

Röszier: über , das Verhältnis der Schiller'schen Braut von Messina zur antiken Tragoedie 513.

Roth: wie die Beschäftigung mit dem klassischen Alterlhume der religi- ösen Tugeudbildung förderlich sein könne 455,

Rothstein: die gymnastischen Frei- übungen u.llüslnbungen nachLing's System 600. S. aucli Alhenacum.

Riihle: Beiträge zur elementaren Be- handlung der Kegelschnitte 567.

Schäfer: Tabelle zur sächsischen Ge- schichte 32.

Schiller, Luihi'. : Europa u. die Ne- benländer. 107. Stämme u. Staa- ten Griechenlands. Ir Tlioil 526.

, C (in Schwerin): Regeln aus der latein. Syntax für die unteren Klas- sen 580.

Schlechter: das korperliclie Dreieck 565.

Schlegel: Piatonis dialogum, qui in scribitur Phaedrus, exposnit attjue explanavit 49.

Schlenkrich: über die Wichtigkeit des Studiums der älteren deut.>5chen Sprache n. Litieratur 52.

Schmidt: Beiträge zur lateinischen Grammatik u. über die Bedeutung des Griechischen für die Gymna sien 325.

Schmidt, C: Essai historique sur la societe civile dans le monde ro- main et snr la transformation par le christianisme 483.

, //. ; Elementarbuch der latein. Sprache 275.

Schröder: Anleitung zum Privatstu- dium 432.

Schüfe: englische Chrestomathie 25.

Scopperver: über die elementare Be- handlung der Kegelschnitte. 29.

Seisen: einleitende Bemerkungen zu Hebcl's alemannischen Dichtungen. 50.

Seyffert: scholae lalinae. IrThl. 329. Lesestücke aus griechischen u. la- teinischen Schrifistellern 535.

Shakespeare' s Macbeth erkl. \'. Her- rig. 13. Romeo and .Juliet erkl. v. f/eussi. 15. Othello erkl. v. Sie- vers. 17. Sommernachtstraum er- läutert v. ^t;nse. 18. Hamlet, her- ausgegeben u. erklärt v. N. Delius 57. 108. 159.

Siberti u. Meiring: lateinische Schul grammatik 458.

Sievers, s. Shakespeare.

Statuten für die Schülerbibliothek des grossh. Lyceums in Heidelberg 155.

Staudt: Fingerzeige in den Inhalt u. Zusammenhang der heiligen Schrift 445.

lacitus, s. Bautnann.

Tennyson's ausgewählle Gedichte er- klärt v. /Y.wÄe?- 22. Gedichte über- setzt V. Hertzberg 500.

Thaulow : Hegels Ansichten über Er- ziehung u. Unterricht 249.

Theisz: de proverbio Tavtälov tu- kavra 26(5.

Tschenett: Goniometrie 27.

Vermehren: über die elektromotori- sche Kraft des in den Leuchtgasre- torten sich bildenden Graphites 568.

Veröffentlichungen und Verordnungen

46*

620

Re":ister.

von Behörden. Frankf. a. M. 262. Hamburg 475. Hannover 260. Nas-

. sau 321. Oesterreicli 203. 425. Sachsen 271.

Vilmar: Reste der Allitteration im Ni- belungenliede 558.

Volckmar: über die Stellung, welche dem Unterrichte in den neueren Spra- chen in den Gymnasien gebührt 4Ü8.

Wagner: Lehren der Weisheit u. Tu- gend 316. Wedewev: klassisches Alterthum und

Christentlium mit besonderer Bezie- hung auf die Gelehi'tenschnlen 379.

Weisliaupt : die englischen Praeposi- tlonen 24.

Werlhof, s. Cavedoni.

Wiegand: über die Naturwissenschaf- ten 478.

Wiggert: yocabula latinae linguae primitiva 80.

iflppermann : Grundrisz der Kircheu- geschichte 445.

Zarncke: zur Nibelungenfrage 127.

II. Verzeichnis der Mitarbeiter.

Aineis, Dr., Prof. in Mühlhausen. Anz. V. Seyffert's Lesestücken 535.

Birkler, Prof. in Rottweil. Rec. von Seyffert's scholae latinae 329.

Breilenhach, Dr., Prof. in Witten- berg. Anz. V. Hausdörfer's Apho- rismen 261.

Crecelius, Dr., in Dresden. Anz. v. Vilmar: Reste der Allitteration im Nibelungenliede 558.

Dietsch. Die Grundlagen d. Gymna- sialbildung. 1. Reo. V. GroszSchui- atUis und Scliiller's Europa u. die Nebenländer 137. Das Program- meninstitut 586.

Fahle, Dr., Oberlehrer in Attendorn. Anzeige von Pollacks Lehr- und Ucbungsbuch der Elementarmathe- matik 375.

Flügel, Dr. Feh, iu Leipzig. Anz, V. Baskerville's the poetry of Ger- many 75.

Göbel, Dr. , Oberlehrer in Düren. Anz. von Pülz's Handbiicl)ern der Welt geschichte 240,

(jrid)er , Dr., Joh. von, Professor iu Stralsund. Anz. v. Schmidt's Ele- mentarbuch der lat. Sprache 275.

Günther, Dr., B., in Lissn. Anz. von Michaelis: die Vereinfachungen dei deutschen Rechtscbreibung 220.

/lense, Dr., C. C., Oberlehrer in Hal-

berstadt. Rec, von Tennyson's Ge- dichten. Uebersetzt von Hertzberg 499.

Herrmann , Dr. , Professor in Celle. Anz. von Cavedoni's biblischer Nu- mismatik, übers, v. Werlhof 553.

Högg , H., in Ellwangen. Wie eignet sich der Schüler am besten den nothwendigen Wortvorrath in der lat, Sprache an '.' 249.

Huffmann, Prof. in Ansbach. Anz. v. Wagner's Lehren der Weisheit u. Tugend 316.

Klosz , M., Director der K. Turnleli- rerbildungsanstalt inDresden. Neues vom Turnen 600.

Krause , Dr. , Oberlehrer in Neustet- tin. Bemerkungen zu Siberti's u. .Meiriug's lat. Schulgrammatik 458.

Lübker, Dr., Frdr., Director in Par- chim. Anz. von Roth: wie die Be- schäftigung mit dem klassischen Al- terthume der religiösen Jugendbil düng förderlich sein könne 455. Anz. von Schmidt's Essai und von Lasaulx Untergang des Hellenismus 483.

Moinmsen, Dr., Tgeho. Prof. in Ei- senach (jetzt in .Marburg). Rec. von Shakespeare's Hamlet, licrausgeg. u. erkl. von Delius 57. 108. 159.

Nauck, Dr., C. lt., Director zu Kö- nigsberg in der Neumark. Reccus. \on lateinischen Vocabularien 80.

Persoueiiresister

621

Paldamus, Dr., Frdr., in Dresden. Anz. von HenueberijeisJahibucli für deutsclie Litteraturgcscliichte 80., von Lange's Griuulrisz der(Jescliicli- te der deutschen Litleratur i;i(j., von Cholevius' Geschichte der deut- schen Poisie 297., von Program- men ül)er deutsche Lilteraturge- schichte 513.

Piderit, Dr., Director in Hanau. Zum evangelischeu Religionsunterrichte 383. -135.

Putsche, Dr., Prof. in Weimar. Ueber den hypothetischen Gebrauclides un- abhängigen Coniunctiv und Indica- tiv ohne si 177.

Schäfer, Dr., Am., Prof. in Grimma, Selbstanzeige seiner Tabelle zur sächs. Geschichte 32.

Schlümilch, Dr., Prof. in Dresden. Anz. von Schulprogrammen mathe-

matischen und physikalisclien In- halts 20. 565. Schmidt, Dr., H., Director in Witteu- ber;::. Rec. von Hauser's elementii latinitatis 211.

tz in Leipzig. Anz. von Thaulou : Hegels Ansichten über Erziehung u. Unterricht 249.

Vilmar, Dr., 0., Qonrector in Hanau. Rec. von Zarncke: zur Nibelungeu- frager27., von Kehrein's neuhoch- deutscher Grammatik 284., von Rie- ger: zur Kritik der Nibelungen 448.

Wattenbach , Dr. , Archivar in Breslau.

Rec. vonGiesebrechls Geschichte der

deutschen Kaiserzeit 397. Woltersdorf, W., damals Adiunct in

Halle. Anz. über engl. Litteraiur 13.

X. Anz. von Classen's Frdr. Jacob 403.

III. Namen der Personen, über welche Veränderungen oder Auszeichnungen berichtet worden sind.

Altmann 382. Amen 326. Auton 581. Arago , Jacques f 105. Arndts 104. 532. Arnold , von Kitzingen nach München versetzt 532. Attcr- bom t 482. Aucher f 310.

Bachmaun in Herford 434. aus Jena -f- 538. Bader 54. Bamberger -j- 482. Barnes 326. Barth 480. Basse 320. de Batines f 158. Bauer in Berlin 258. in München 533. Bealus 472. Beccard 478. de hi Beche f 328. Bechmann 259. Becker, Sclinlrath in Oesterreich ob der Enns 208. Beckers 103. Beckmann in Braunsberg 478. in Meldorf 424. Beer in Bonn 478. in Hörn 54. in Prag 208. 380. Bek- ker in Halle 478. Beuthylos f 56. Berchner 432. Berends,472. Be- rendt 104. Bergenroth 581. Berger in Gotha 157. Bergeron f 32S. Berkenbusch Ö27. Bernd f 382. ßerndt f 104. Bernhanty 54. Bez- zenberger 538. Bielefeld f 434. Biels 529. Bier 529. Birnbaum | 210. Bischoff in Heidelberg f 152. v, Werthheim nach Freiburg versetzt 46. Bisping 678. Blochmann f 382. ßoczek 209. Bodak 105. Böht- lingk 380. Böttiger in Erlangen 103. Böttcher in Berlin, s. de Lagarde,

in Dresden 208. Bogler 380. Boisot 530. Bockler 325. Bopp 54. Born 326. Bräsz 581. Brandis 157. Braun 380. Braune in Cottbus 157. Brauns 268. Breusl 268. Brinckmann f 481. Erikkolmanu 528. Brückner 326. Brunner 40. Brzezinski 51. Buchmann in Blankenburg 581. in Wesel 52. Büchner in München f 5(j. in Worms 478. Büchler 526. Büchsenschütz 320. Buerbaum 53. 378. Busch f 583. von der Burg, Enk 208. Burghardt von Greifswald nach Nordliausen versetzt 104. Burkhardt in Budissin 157. Busch, von, in Heidelberg 153.

V. Prüm n. St. Wendel versetzt 581. Busse f 259. Buttmann 583.

g22 Personenregister.

Cambrelin f 328. Canal 54. Carriere 273. Casiiglia -{• 482. Catona f 382. Cavedoni 54. Cesar in Göttingen f 534. in Münden 269. Clialy- baeus in Dresden 108. Chelius 152. Christin München 530. in Mün- stereifel 579. Clemens 478. Codazza 54. Colimann 583. Cornelius 104. von Corzan 380, Creuzer 152. Csery 478. Culen 380. Czerniak, Schnl- rath in Prag 208. , Gymnasiallehrer, von Prag nach Gratz versetzt 380. Czerliawski 208. Czikann f 481. Czizek f 482.

Dämmert 46. Danel 54. Danilo380. Dankworth 268. Dauber 528. Dcak 480. Decker 54. Decsei 105. Deimling 59. Deiius 478. Denkstein 208. Dernburg 152. -327. Desseöffy 480. Dessüulavy 372. Dieckh&fT 51. Diemert 534. Diestel 583. Dietlein 327. Dietzel 327. Dihle 260. Dill- mann 379. Dingler f 382. Dinter 530. Döderlein 54. 434. Dollen 54. Dragoni 208. Drost 261. Drzymalik 479. Duchesne d. ältere f 328. Duncker in Göttingen 54.

Ebeling 580. Ebersberg f 56. Eckermann f 56. Eckhardt 533. EfTen- berger 208. Egger 274. Egler 327. Ehni 325. Ehrenfeucliter 480. Eisenhofer f 534. Eisenlohr 581. Ellendt, Fr,, in Eisleben f 382. El- lerls 157. Elsperger 581. Elster 424. Emsmann 480. Engelhardt •{• 534. Eütvös 480. Erbkam in Königsberg 479. Erfurt 259. Ernst f 274. Es- march 380, Everill 530.

Falkenstein f 105. Fallati f 583. Farinati 55. Fasbender 581. Fehler 269. Fertig 233. Feszler 268. Ficker, von Gratz nach Ofen versetzt 327. Firnhaber in Wismar 580. Fischer, von Köln nach Bonn versetzt 533. in Przemysl 54. in Stralsnud 324. Fletzer 382. Flügel f 382. Fühlisch 47. Föhr 479. Füll 479. Förstemann, von Danzig nach Salzwedel versetzt 50. Förster in Wittenberg 54. 273. Franke in Dres- den I 482. Frapporti 208. Freese 480. Friede 479. Friedemann 424. Frisiani 54. Fritsche 581. Fröhlich 55. Froloff, von f 534. Fridie581.

Gaisford -j- 434. Gasz 581. Gausz f 210. Gebauer f 158. Geisz f 423. Gendre 468. Gennadios f 56. Gerber, von, in Tübingen 157. in Wertheim 48. Gercke 269. 527. Gerhard, von Halle nach Siegen ver- setzt 327. Gerlach in Parchim 580. Gilbert 278. Girschner 104. 580. Glol)ocnik 55. Göbel, von Lolir nach Landshnt versetzt 533. Göcker 327. GöU 472. Göppert in Breslau 382. Goldmann 327. Gorup-Besa- nez 479. Gotschar 380. GräPf f 481. Graffunder 479. Granert in Lin- gen 268. Grautoff 581. Grebe 581. Greenongh f 328. Greil 533. Greschner 208. Gries f 482. Grimm , .Jacob, in Berlin 104. Grion 350. Gropcngieszer 269. Grüter 378. Grützraacher 327. Gützlaff 157. Gut- mann f 1Ö5. Guttmann 54.

Haacke f 482. Häring 530. Hagen in Heidelberg 479. Hagge 424. Haj- nowski 380. Halm 104. Hamerling 380. Hammcrling 54. Hannnsch t 105. llann waker 468. Hantschke 209. Harms f 158. Hast f 579. Hanensclüld, von ■}• 158. HausdorlTer, von lilankenbnrg nach Heimslädt versetzt 581. Heckmann f 482. HcfTtcr 4SI. llcgmann 533. Hcidt- mann 328. Heinemann 581. Heinisch 328. Heinrichs 50. Hciutz 581 . Hcintzcler 325. Held in HalbcrstadI 423. Hcimoll 479. Hehvi- 5S|, llcnipling 157. Henkel 581. Henne 479. Her 380. Herhst in Klhcrleld 327. Hermes 479. Herrig 327. Herrmann in Bruchsal 479. in Go- tha 423. Herllein 47. 480. Herlz 434. llerzik 52. Hesse in Kmdeu 208. 379. Hesz, von Wunsiedel nach Bayreuth verselzl 150. Hetsch .325. Hetincr 104. Heyer f 105. Hilbralh 268. Hillcrt 49. Hirsch 581. Hock in Leipzig 327. Hölig 201. von der lloeven | 534. Hofmann in

Personenregister. ß23

Erlangen 103. Hoffmann in Dauzig 59. in Gottingen 527. Hoffmei- ster in Blaukenburg 486. 581. Hohenwarler 380. Ilolnislriim f 534. Honegger t 481. Hooker 583. Hoppe 104. Houben f 534. Hribar434. Huczyuski 380. Hiippe 378. Hugi f 274. Hummel 327. Hundert 581. Hupfeld in Erlangen 420. in Marburg 54. Huther 580.

Jacobi , von Königsberg nach Halle versetzt 208. in Schulpforta f 482. von Jäger 52. Jap 261. 268. Jahn, Otto, von Leipzig nacli Bonn be- rufen 105. Jansen, von Meldorf nach Kiel versetzt 424. Janssen in Frankfurt a. M. 328. Jarisch 434. Jarz 208. Javurek 434. Jehlicka f 434. Joachim 327. Jolly 152. Jungclaussen 424. Jungengel 408. Junckmann, von Braunsberg nach Breslau versetzt 479.

Kärclier 328. von Kaiser f 583. Kalkow 424. Kalmus 423. Kalssen 424. Kaltenbrunner f 56. Kamrad 582. Kapp in Soest 209. Katkic 208. Kehrein 208. Keil, Heinr., von Halle nach Berlin 434. Kelbe 582. Kemmer 582. Kern in Constanz 582. in Stettin 208. Kernslok 208. Keszler 424. Kink 380. Kiuzcl 54. 428. Kirchhoff in Berlin 583. , von Breslau uacli Heidelberg berufen 153. Kirchner f 382. Kirschbaum 208. von Kittlitz 327. Kleinsorge 582. Klemensiewicz 54. Kloppe in Magdeburg 158. Klosterniann 438. Klosz in Budissin 378. Knies 157. Köhler, Schulrath in Tirol 208. Kölle 380. Königsberger 105. Köpke 325. Koppen 327. Körner 105. Körnig 380. Köstlin 479. Koken 528. Kopp in Stargard 433. Koren 208. Kork 52. Kornacher 157. Kossrk 582. Kotlinski 208. Kotrbelec 380. Kott 380. Koubek f 210. Kovacs

54. Kozacck 208. Kraffert 529. Krausz in Düsseldorf 577. in El- berfeld 105. Krehl f 482. Kremp 40. 49. Kritz 380. Krug 308. Ku- bier 208. 480. Kühne in Gotha 158. Kühnemund 269. Kürschner 261. 424. Kuhn 46. 50. Kummer, von Breslau nach Berlin versetzt 479. Kurz in Salzburg 208,

Lacretelle f 274. de Lagarde (Böttcher) 258. 259. Lange, von Göttingea nach Prag berufen 274. in Köln 582. von Langsdorfr47. Laroche in Dillingen 274, nach München versetzt 533. von Lassberg f 210. La- tendorf 425. Lautkotsky 380. Lechner 150. LeidlofF 528. Lejeune- Dirichlet 480. Leikert 533. Leiste f 423. Leill 533. von Lengerke f 158. Lex 209. Lichtenauer 380. von Liebig 583. Liebner 479. Lie- segang 52. Limpricht 55. Lindemann in Hannover 288. in Mün- chen t 158. Lindner 380. Linke 423. Liuzbauer 208, Lobeck 480. Lobpreis 55. Löher 582. Löhnis f 434. Löwenlhal 271. Lorenz, von Schleswig nach Soest berufen 380. Lowositz 52. Luber 532. Ludwig, von Zürich nach Wien berufen 380. Lücke f 158. 209. Lührs 269. Lüttgert 208. Luthardt 526. Lutz in Schweinfurt 157.

Macher 208. Macht 380. Märkel 479. Magendie f 583. Magnus 105. Maihith, Graf f 105, Mainardi 55. Majocchi f 105. Mang f 530. Ma- rimonti 208. Mnmie 582. Marosch 208. Märten 208. Martin in Ren- nes 380, Martins 52. Marx 378. Matzke 157. Mayer in Freiburg im Breisgau f 534. in Kempten 534. Mayring 468. Megnin 380. Meier in Halle 55. in Helmstädt 423. Meiszner in Dresden 274. , von Göttingen nach Basel berufen 582. in Zerbst 273. Menin

55. Menzel in Breslau t 482, MenzI 105. Mesßhutar 380. Metzler 209. von Meyer in Petersburg f 328. in Wolffenbüttel f 478. Mezger in Augsburg 576. Michaelis in Magdeburg 158. , von Stralsund nach Salzwedel versetzt 324. Mikulas 208, Miller 533. Mischiato 208. Misch- ler 380. Mittermaier in Aschall'enburg 534, Mocnik 208. Mühring 327. Müller in Gotha 423. in Hermaiinstadt 105. Möricke 328. Mörtl 533.

624 Personenregister.

Molil 105. Moleschott 152. Monimsen, Frdr,, in Göttii)yen ,55. Mor.issi 434 Mrongoviusz -j- 481. Müller in Augsburg 570. , von Cilli n.ich üfen versetzt 327. in Emden 208. 379. in Eutin 201. in (iöttingen 327. , von Pfullingen nach Reutlingen versetzt 380. in TauberbischofTsheim 50. in Thorn 582. in Wiesbaden 209.

Nägeli 380. Nasemann 380. Nauck in Sclilensingen 273. Netuka 52. Ni- colay iu Frankf. a. M. 328. 379. Nipperdey 105. Nitzsch in Berlin 274.

Novosel t 382. Nyirak 208. Obbarius in Wolliu f 382. Oelker 481. Offenberg 55. Olafsen f 382. Opitz in Zittau 157. Orgler 380. Orsi 55. Oslander in Göttingen f 158, Ott 380. Oxe 479.

Pabst in Hannover 327. Pacini f 434. Pagani f 382. Pahle 209. Pal- damus in Greifswald f 104. Parti 327. Passow in Ratibor 479. Peg- Ronssel 570. Perez 328. Petermann in Gütersloh 327. in Leipzig f 100. Petri in Holzminden 528. Petrina f 434. Petrucki 208.' Pfaff in Schweinfurt 150. Pfitzner 579. Pfretzschner 270. Pickford f 152. Platz 45. Pluns 208. Püschl 533. Poli 55. Polster 583. Preller 380. Presber t 434. Pressel 325. Pröller 52. Prowc I. u. H. in Thorn 582.

Raab in Bayreuth 150. Rachel! 479. Rammeisberg 583. Ranke, Leopold, in Berlin 157. Rassow 479. Rathke in Christiania f 328. Rau, von Heidelberg nach Hohenheim berufen 152. Redepenning 479. Redner 157. von Redwitz 55. Reger 582. Reguli 479. Rehberg 54. Reibstein 481. Reichenbach 274. Reidemeister 209. Reinhold f 583. Renner f 583. Renz f 105. Repiczky t 382. Reuscher in Perleberg 157. in So- rau 432. Reuter, von Breslau nach Greifswakle versetzt 582. Rheinhard 480. Rhodewald 54. Rirhelle f 530. Richter in Wesel 52. Riechel- mann 271. Riegler 208. Rimmer f 481. Rinklake 209. Risch 208. Riischl 55. Ritter in Götlingen 481. Roberts! 482. Römer, von Bonn nach Breslau versetzt 327. Röpell 380. Romeis 408. Romig 104. Ron- zoni 380. Röscher 209. Rosenkranz in Paderborn f 210-. Rosini f 382. Rosmini f 534. Rossi 55. Rossignol 380. Roszbach 157. Roth in Lahr 49. Rothe, von Bonn nach Heidelberg berufen 152. Rott 533. Roulez 380. Rubessa 434. Ruckgaber f 328. Rudmarsch 208. Ruilh 533. Rump 378. Rumpel 208. Runge 327. Ruperti 328. Ruprecht in Hildesheim 209. Ruzicka 380.

Sabine 583. Saltzmann 55. Salzer 48. Sandhaas 480. Schalkhäuser 570. Scharpf 325. Schartmann 327. Schaub f 583. Schaubach 424. Schei- ben 157. Schell 423. Scherer in Würzburg 103. Scheuba 327. Schief- fer 577. Schillbach 480. Schiller, von Erlangen nach Ansbach versetzt

582. Schirrmacher 258. Schlechter 49. Schlenkrich 52. Schlepper 527. Schletterer 40. Schleyer 49. Schlosser 152. Schmeiszer t 158. Schmidt, von Budissin nach Leipzig 378, und von da nach Plauen versetzt 271. , von Carlsruhe nach Mannheim versetzt 45. iu Celle 209. in Frankfurt am M. 202. von Freiburg nach Heidelberg versetzt 40. in Heidelberg 533. von Jena nach Krakau berufen 27D. von Memmingen nach Schweinfurt versetzt 157. , Schulrath in Ungarn 208. , von Wien nach Triest versetzt 380. Schmitz 577. Schnaidt 55. Schnatter 480. Schncck 428. Schneider in Carlsrnhe 45. iu Gotha 158. Schneiderwirth 578. Schnitker 481. Schöbcrl 533.*) Schö- berlein 480. Scliödler 178. Schönborn in Breslau 577. Scliönemann t

583. Schönermark 380. Schöning 327. Schöppucr 534. Schötticr 327. Scholz 327. Schorkopf 209. Schrlckel 208. Schröder in Uildesheim

*) So isl dort ilcr Name zu berichtig-en.

Personeiiregisler. g25

208. in Marien Werder 158. Scliroll 55. Sciuu; 582. Schütz in Bie- lefeld 583. in Frankfurt a. M. 379. Schulzen 200, Schuler f 482. Schnitze in Berlin 55. , von Greifswald nach Halle versetzt. 104 Schulz in Dresden f 274. Schulze, von Halberstadt nach Torgau ver- setzt 55. 423. Schumann in Grcif.swaid 582. in Salzwedel 105. Schunck 55. Schwalbe 533. Seemann 327. Seidemann 582. Sciden- adel 47. 49. Seil 55. Selz 49. Semisch 582. Siegi in Lcutschau 208. in Tcschen 55. Sillig f 105. Simor 380. Sintenis, Karl, 273.274. Sjögren f 158. Söltl 157. Spörer 481. Springer f 434. Stade in Arnstadt 372. Stark, von Jena nach Heidell)erg berufen 533. Starke f 382. Staiid.'nmaier 534. Steblecki 208. Stein in Brrliu f 210. .von Tharand nach Prag berufen 274. Steinmetz in Clausthal f 259. Stein- meyer 582. Stcudel 54. Stiehl 158. Stifter 208. Slimpel 105. Stin- zing 152. Stobbe 529. Stocker 380. Stossel 157. Stöter 523. von Strausz f 382. Strülin 325. Strzelecki 105. Stüve in Göttingen 327. 527. Summa 260. 446. Szögenyi 481. Szostakowski 583. Szymaiiski 480

Tappelt 269. Tarnow 580. Teipel 378. Teleky 481. Teil 259. Theiner 530. Thcnard 583. Thiel 480. Thiele 327. Thiersch, Bernhard, Dir. in Dortmund f 534. Thilo 380. Thospann 208. Tiedemann 150. Tka- lec 208. Tobias 5S2. Tomascliek, Paul 208. Trepte 424. Trotha 105. Turazzi 55. Tzschiruer 327.

von Uebelen f 50. Ugoni f 382. Uhhdph 328. Uhlhorn 54. Ulimann, V. Heidelberg nach Karlsrulie versetzt 152. Ulrich in Prag 52. Ulrich in Schweinfurt f 150. Unger, von Bayreuth nach Wunsiedel 150, und von Wunsiedul nach Hof versetzt 105. Urlichs 208. Uwaroff f 583.

Vareuka 380. Varges 481. Vechtmann 424. Veesenmayer 105. Vidiiz 105. Vierordt 480. Vilmar 480. Vischer, von Tübingen nach Zürich berufen 327. Volkmann in Stettin 380. von Volz f 583. Yonbank 533. Voss 579.

Waas 327. Wahlenberg 55. Walz, von Freiburg nach Bucher versetzt 46. Wappäus 480. Warncke 379. Wasmulh 480. Weber in Göttingen 208. in TauberbischoEfsheim 382. Weidmann in Würzburg 533. Weigel 533. Weishaupt 572. Weiszenborn in Berlin 527. in Nordhausen 209. Wenck 380. Werkenthin 424. Wernecke 55. Wessel f 482. NN'iecking 209. 379. Wiedasch in Aurich 105. Wiedemann 105. Wie- dermann 380. Wildenhahu 380. Wilhelm 288. Willkomm 274. Will- maun 423. Wilms 55. Winuefeld 46. Witt 424. Wühler 583. Wörter 46. Wolf in Darmstadt f 482. , von München nach Bamberg versetzt 533. , Tlieod., in Wien 534. Wolff in Halberstadt 423. . in Ratibor 208.428. WolterstorffH. inllalberstadt423. Wüstemann 157. Wulffert 480.

Zambelli 55. Zambra 55. Zander 428. 582. Zeithammer, Schulrath 208. , Candidat 52. Zell. 209. Zeller 325. Zeuner 45. Ziegenhorn 269. Ziemssen 403. Zimmer 327. Zimmermann 382, Zinndorf 202. Zipp 480. Züger 472. Zwolski 157.

IV. Ortsreffister.

Aar.iu 372. Arnstadt 372. Augsburg 149. 57(5. Azdod 104.

Baden, Grossherzoglh. 45. 150, —, Stadt 50. Bamberg 408. Bayern 103.

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626 Ortsregister.

Bayreuth 150. Berlin 257. Blankenburg 408. Brandenburg 471. Braun- schweig 372. Breslau 321. 577. Bruchsal 49. Budissin 378,

Carlsruhe 45. Clausthal 259. Cösfeld 378. Constanz 46. 50. Crefeld 525. Croatien 202.

Danzig 50. Dresden 260. Düsseldorf 577. Durlach 50,

Emmendingen 50. Eppingen 50. Erfurt 471. Erlangen 50. 471. 526. Es- segg 202. Ettenheim 50. Ettlingen 50. Eutin 260.

Fiume 202. Frankfurt a, M. 262. 379. 471. Freiberg 380. Freiburg im Breisgau 46. 50. Freising 472. Friedlaud 202.

Gera 472. Glof^au 422. Göttingen 527. Gotha 50. 423. Grata 578. Greifs- wald 104. Grimma 51. 527. Guben 423. Güstrow 423.

Hadamar 263. Halberstadt 423, Hamburg 475, Hanau 423. Hannover 150,266. Heidelberg 46. 152, Heiligenstadt 578. Helmstädt 423. Hers- feld 527. Hildburgliausen 424. Hirschberg 424. Holzminden 528.

Jena 321.

Kiel 321. 529. Kis-uj-Szallas 529. Königsberg in Preuszen 529. Krakau 51.

Lahr 49, Lörrach 50. Lüneburg 424.

Magdeburg 424. Mannheim 47. 50. Meiszen 530. Meldorf 424, Meran 530, Mezü-Tur 104. Miklos 104. Mosbach 50. Mühlhausen 425. Müll- heim 50. München 530. Münstereifcl 578.

Nassau 321. Neuburg a. d. Donau 530. Neustrelitz 425. Nordhausen 260. Nürnberg 531.

Oesterreich 203. 322, 425. Olmütz 532.

Parchim 579. Petersburg 579. Pforzheim 50. Plauen 270, Posen 271 Prag 52.

Ragusa 104. Rastatt 47. Ratibor 427.

Saarbrücken 580. Sachsen 208, 271. Schleusingen 273. Schopfheim 50. Schweinfurt 156. Schwerin 580. Sinsheim 50. Sondershauseu 428. So- rau 432. Speyer 52. Stargard 433. Stendal 433. Stralsund 324.

Tauberbischoffsheim 50.

Ueberlingen 50. Ulm 325. Ungarn 104.

Waldshut 50. Warasdia 202. Weilburg 273. Wertheim 47. Wesel 52. Wismar 580. Wittenberg 273. Wolireubüttcl 478. Worms 478.

Zerbbt 273. Zittau 208.

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