he rt Ri N ce Ada 5 nn. 255 2 1 ** BORSTEIFSREOBER FOR EDVCATION KORSSCHENE@E LIBRARY of THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken- Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Königl. Preuß. Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na— turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch⸗mediciniſchen Societät zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Königreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker- Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur zu Breslau, der Societas medico-chirurgica Berolinensis, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur- und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultät der K. U. Univerſität Peſth, der Reformed Medical Society of the United States of America zu New-York, der Académie Royale de Medecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländiſchen Muſeums in Böhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten für die Beförderung der Staats⸗Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes, des Bezirks⸗ und gerichtsaͤrztlichen Vereins für Staats⸗Arzneikunde im Königreiche Sachſen und der Geſellſchaft für Natur- und Heil- kunde zu Dresden, Mitgliede und Ehrenmitgliede; und Dr. Ro best tie p. des rothen Adler-Ordens vierter Claſſe Ritter, Königl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiſtlichen⸗ Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich-Wilhelms-Univerſität, Proſector an der Charité-Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Königl. Ober⸗Examinations⸗Commiſſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft fuͤr Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu- Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren-Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal: Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, des Apotheker- Vereins im noͤrdlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. 1 Dreiunddreißigſter Bid zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 705 bis 726), eine Tafel Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthaltend. Januar bis Maͤrz 1845. Im Verlage des Landes-Induſtrie-Comptoirs zu Weimar. 1 8 4 5. * Ie riß s, S |" V N f hr Ni A ö „ 51 8 11 Aa, ) [ * W e 45 4 m" ul } 10 IN 5 l . 1 R 0 5 re, g 5 ee hl N sp, i 7 — 4 0 5 h vr 3% ee Ne Tue. 7 6 i 5 0 1 * 1 N En 0 m i 7 3 MAN 1 10 # . F = 1 Ale Be e N ce u. [HIN i mul! co N u, um 1 MN N 105 0 j 0 | { g 0 N mmmh Win a NI ene 10 ar 0 1 ne en e 0 15 0 „ Mee“ 90 41 j ) j N Mr A A 0 eee J We U 1 I nl A 1 . un N} 7 } 1 10 [4 nn n 4 halt 1. N 9 y — en in % 161 wi; " a Be 1 en j 14 ane en l e eie Een 1 Wee ae een ne K 110 Hi A Mer 72 RN N 5 REN 7 N 2 9 nt * „e — „ Hale mne i ! Te 1 1 1 PN Dr Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Frerier zu Weimar, und dem Medieinalraide und Profeffor Frorier zu Berlin, No- 705. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 1. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 30 Ar, Januar 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 9% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 9%. natur Rei n e Ferneres uͤber Dr. Warden's reflectirendes Prisma oder prismatiſches Auriſkop. (Hierzu Figuren 1, bis 5. auf der mit dieſer Nummer ausgegebenen Tafel. Nachdem wir bereits in Nr. 661 (Nr. 1. d. XXXI. Bdes.), S. 1 d. B. die Beſchreibung und Abbildung einer Form dieſes Inſtrumentes mitgetheilt haben, welches ein weſentliches Huͤlfsmittel bei Unterſuchung des Innern ver— ſchiedener tiefer Höhlen zu werden verſpricht, laſſen wir hier die Beſchreibung einer andern Form deſſelben, nebſt einigen einleitenden Bemerkungen des Erfinders, folgen, die wir ſei— nem an die Royal Scottish Society of arts zu Edin⸗ burgh eingeſandten Aufſatze entlehnen. Ich will bemerken, ſagt Dr. Warden, daß, waͤhrend das Inſtrument die moͤglich ſtaͤrkſte Beleuchtung gewaͤhrt, welche die Dimenſionen des Gehoͤrganges zulaſſen, daſſelbe dennoch den ſogenannten Kramer'ſchen Ohrſpiegel nicht verdeaͤngen ſoll, deſſen Nuͤtzlichkeit, inſoweit dieſelbe ſich ers ſtreckt, durch lange Erfahrung feſtſteht; auch ſoll mein Ap— parat keinem andern prismatiſchen feindlich entgegentreten, ſondern nur dieſe Art Inſtrumente vervollkommnen helfen, daher ich darauf bedacht geweſen bin, denſelben ſo einzu— richten, daß er den ſchon bereits in dem Beſitze der Chirurs gen befindlichen aͤhnlichen Inſtrumenten leicht angepaßt wer— den kann. Welchen Werth man dem doch ſehr unvollkomm— nen Kramer 'ſchen Spiegel beimißt, ergiebt ſich aus fol⸗ gender Stelle des Dr. Kramerſchen Werkes uͤber das menſchliche Ohr: „Um obigen, alle uͤbrigen Beleuchtungs— methoden treffenden Einwuͤrfen vorzubeugen, habe ich fol— genden Apparat hergerichtet. Der Hauptbeſtandtheil iſt eine argandiſche Lampe mit dickem cylindriſchen Dochte, welche hinten in dem gleich zu beſchreibenden Kaſten ſteht. Dieſer beſteht aus Weißblech und iſt inwendig ſchwarz angeſtrichen, um aller Zuruͤckſtrahlung des Lichts vorzubeugen. Er be— deckt die Lampe in der Weiſe, daß die Flamme ganz von No. 1805. — 705. ihm eingeſchloſſen iſt, während der Glascylinder oben aus dem Kaſten hervorragt. In paſſender Entfernung von der Flamme befindet ſich an der hintern Wand des Kaſtens ein plattirter Hohlſpiegel. In der vordern Wand des Kaſtens ſteckt eine 14 Zoll lange Blechroͤhre, welche ebenfalls inwen— dig geſchwaͤrzt und an jedem Ende mit einer doppeltconveren Linſe verſehen iſt, die 25 Zoll im Durchmeſſer hat. Die argandiſche Lampe wirft ihr kraͤftiges Licht gegen den Spie— gel, von welchem daſſelbe durch die erſte und zweite Linſe geworfen wird, ſo daß die Strahlen auf einen Raum von der Groͤße eines Fuͤnfgroſchenſtuͤcks concentrirt werden, deſſen Entfernung von dem Apparate ſo groß iſt, wie ſie ſich zur Beleuchtung des Gehoͤrganges eignet.“ Dieſe große und unbequeme Laterne trifft der gegen alle aͤhnliche Apparate zur Beleuchtung des inneren Ohres gerichtete Vorwurf, daß alles direct in das Ohr fallende Licht, ſelbſt das der Sonne, bei der Kleinheit des Geſichts— feldes, von dem Kopfe des Beobachters aufgefangen werden muß, und wenn eine Lampe und Brennglaͤſer zwiſchen das Auge und den zu betrachtenden Gegenſtand gebracht werden, ſo wird durch das blendende Licht nicht nur das characteri— ſtiſche Anſehen der Krankheit veraͤndert, ſondern wenn ein ſolcher Apparat dem Chirurgen bei einer Operation Licht gewähren foll, fo muß er ſich durchaus in einer hoͤchſt ſtoͤ— renden Lage befinden, beſtehe dieſe Operation nun in der Entfernung eines fremden Koͤrpers aus dem Ohre, oder der Durchbohrung des Trommelfells, der Anwendung eines Aetz— mittels ıc. Bei der Beleuchtung mittelſt des Prisma fin— den dieſe Uebelſtaͤnde nicht ſtatt. Die Hoͤhlung des Ohres und andere tiefliegende Stellen laſſen ſich faſt ſo gut be— ſchauen, als wenn ſie offen zu Tage laͤgen, und zwar bei der Beleuchtung einer gewoͤhnlichen Gas- oder anderen hellen Flamme, waͤhrend das Prisma, vermoͤge ſeiner Lage, den Operateur durchaus nicht behindert und deßhalb auch bei Krankheiten des Afters und des zum uterus fuͤhrenden Canals, wenn Ligaturen angelegt oder Aetzmittel angewandt werden muͤſſen, von großem Nutzen iſt. 1 8 705. XXXI. 1. 5 4 Wer mit den neuern Fortſchritten der Heilkunde nur irgend bekannt iſt, der weiß auch, daß ſich dieſelben großen— theils von der genauern Bekanntſchaft mit den krankhaften Veraͤnderungen leidender Theile, ſowie von der ſorgfaͤltigen Beſchreibung der dieſe Veraͤnderungen begleitenden phyſiſchen Erſcheinungen berfchreiben, daher man auf dieſen letzteren Umſtand mit Recht einen ſehr hohen Werth legt. In demſelben Verhaͤltniſſe, wie wir in den Beſitz der Mittel gelangen, durch welche wir uͤber den wahren Zuſtand er— krankter innerer Theile ſicheren Aufſchluß erhalten koͤnnen, werden wir auch dieſelben mit Erfolg behandeln lernen; und wenn wir durch die hier beſchriebene Methode irgendwo das innere zweifelhafte Zeugniß. des Taſtſinnes durch dasjenige des Geſichts, welches uns bisher abging, zu beſtaͤtigen im Stande find, fo koͤnnen wir offenbar unſer aͤrztliches Verfah— ren mit weit mehr Sicherheit und Erfolg einrichten. Un— ter den krankhaften Zuſtaͤnden, welche im lebenden Körper in das Bereich unſerer Beobachtung fallen, iſt die Veraͤn— derung der Farbe derjenige, welcher ſich zunaͤchſt darbietet und in ſeinen mannigfaltigen Abaͤnderungen die bezeichnend— ſten Kennzeichen gewaͤhrt. Von der erſten kaum bemerkbaren Roͤthung durch Eryſipelas bis zu den tintenſchwarzen Flecken der Gangraͤn, ſowie bei den verſchiedenen Formen der Aus— ſchlagskrankheiten, bedarf man nur eines geuͤbten Blickes, um den wahren Zuſtand der Theile zu erkennen, und wenn die weicheren und gefaͤßreicheren Theile im Innern der Mund— hoͤhle und anderer Hoͤhlen erkrankt ſind, hat man ebenfalls die Farbe, ſey es von einer entzuͤndeten, wunden oder ſchwaͤ— renden Oberflaͤche, als das unterſcheidendſte und am Meiſten characteriſtiſche Kennzeichen anzuſehen. Der geuͤbte und durch Wiſſenſchaft geleitete Taſtſinn unterſcheidet, ſoweit derſelbe reicht, allerdings Manches, ja Viel in Betreff der Beſchaf— fenheit der in dunkelen Hoͤhlen des Koͤrpers ihren Sitz ha— benden Krankheiten; allein von der Farbe der ſo gelegenen kranken Theile kann man durch dieſen Sinn keine deutlichere Vorſtellung bekommen, als blinde Leute von der Scharlach— farbe, wenn man dieſe mit dem Tone der Trompete ver— gleicht. Der Vorzug der prismatiſchen Beleuchtung beſteht alſo darin, das man den Hintergrund der offnen Hoͤhlen des menſchlichen Körpers bei einer Beleuchtung von jeder wün: ſchenswerthen Intenſitaͤt unterſuchen, ſowie die Beleuchtung von der einen oder der andern Seite einfallen laſſen kann, ſo daß das Licht nie durch den Koͤrper des Beobachters auf— gefangen wird oder der Beleuchtungsapparat den Verrich— tungen des Operateurs im Wege iſt; und wenn man zwei Prismen anwendet, von denen das eine ſich an der aͤußern Oeffnung des speeulum, das andere, bewegliche, innerhalb deſſelben befindet, ſo kann man eine am entgegengeſetzten Ende der Roͤhre liegende krankhafte Stelle genau beſichtigen, waͤhrend ſich die ganze Oberflaͤche des Canals nach und nach durch die durchſichtigen Wandungen einer Glasroͤhre hindurch oder durch in einer Metallroͤhre befindliche Luͤcken unterſu— chen und noͤthigenfalls durch geeignete aͤrztliche Mittel ber handeln laͤßt. So wird man bei den ſo haͤufigen und be— denklichen Krankheiten des Maſtdarms, deren Natur oft dunkel und deren Behandlung daher haͤufig unſicher und ſchwierig iſt, in'skuͤnftige durch den Geſichtsſinn ſehr wichti— ge und bisher entbehrte Aufſchluͤſſe erhalten koͤnnen, und zwar wird man mittelſt des prismatiſchen speeulum den Maſtdarm weit tiefer unterſuchen koͤnnen, als dieß durch den Taſtſinn moͤglich iſt. Die Faͤlle von Stricturen am ober Ende des Maſtdarms, welche gar keine Unterſuchung mit dem Finger zulaſſen, ſo daß man uͤber deren Beſchaffenheit voͤllig im Dunkeln bleibt, laſſen ſich durch die hier in Vor— ſchlag gebrachte Methode genau unterſuchen und ebenſo ſicher behandeln, wie die mehr aͤußerlich vorkommenden Faͤlle. Manche dürften ſich durch eine unrichtige Anſicht über den Preis der zu dieſer Unterſuchungsmethode noͤthigen In- ſtrumente von der Anwendung derſelben zuruͤckhalten laſſen, und ich bemerke daher in dieſer Beziehung, daß ich bei mei— nen Verſuchen mehrentheils Materialien anwandte, die ſich Jedermann leicht verſchaffen kann, z. B., Roͤhren von Zinn, Knochen oder Roſenholz. Allerdings ſind ſolche von theu— rern Materialien, z. B., vergoldetem Silber, ſilberplattirtem Metall oder Neuſilber, vorzuziehen. Ruͤckſichtlich der Qualis taͤt der Prismen ſteht Einem die Wahl weniger frei, und in'sbeſondere muß das innere Prisma diejenige hohe Politur beſitzen, welche die Herren Adie und Sohn zu Edinburgh HN Glaͤſern in fo ausgezeichnetem Grade zu geben ver— ehen. Ich will nun ſo kurz, als moͤglich, die Theile beſchreiben, aus welchen eine andere Art meines prismatiſchen Specu- lum zuſammengeſetzt iſt. Die Unterſchiede in der Geſtalt und Groͤße des Apparates werden ſich nach der Beſchaffen⸗ heit der zu unterſuchenden Theile richten muͤſſen. Uebrigens wird man bei faſt allen im uterus und Maſtdarme vor: kommenden Faͤllen mit einem und demſelben Inſtrumente ausreichen. Ich beſchraͤnke mich hier auf die Beſchreibung einer einzigen Form des Apparates, naͤmlich derjenigen, wel— che auf Leiden des Maſtdarms eingerichtet iſt. Der erſte Theil, deſſen Abbildung ich fuͤr unnoͤthig gehalten habe, iſt ein an beiden Enden offener Glascylinder. Dieſen wendet der Patient an, um mittelſt aus einer gewoͤhnlichen Kly— ſtirſpritze eingeführten Waſſers den Maſtdarm gruͤndlich auszuwaſchen, ſo daß die krankhaft veraͤnderte Oberflaͤche ſich rein darſtellt. Der zweite Theil des Apparates, wel— chen Figur 1. und 2., von verſchiedenen Seiten geſe— hen, darſtellen, iſt zuſammengeſetzter und beſteht aus ei— nem metalliſchen speculum (a), in welchem eine Glasroͤhre (Y) enthalten iſt. Dieſe Rohre iſt am hinteren Ende ges ſchloſſen, indem ſie dort in eine glatte Woͤlbung oder einen ſtumpfen Kegel ausgeht, welcher uͤber den Rand der Me— tallroͤhre hinausragt, wie man in der Abbildung ſieht, fo daß ſich das speculum leichter einführen läßt und man keine Verletzung des Darmes zu beſorgen hat. Faͤllt der Sitz des Leidens in die Axe des Inſtrumentes, wie dieß, z. B., bei einer Strictur der Fall iſt, fo zieht man, ſobald die Glasroͤhre bis daran gelangt iſt, dieſelbe zurück, läßt einen Lichtſtrahl durch das an dem Halſe des Inſtrumentes ſitzen— de Prisma (e) einfallen und leitet denſelben auf die kranke Stelle, die man dann, mag ſie nun 5, 6 oder mehr Zoll 5 705. XXXIII. 1. 6 tiefliegen, genau beſichtigen kann. Bei der Beleuchtung ver: faͤhrt man ganz auf dieſelbe Weiſe, wie bereits bei'm Au— riſkope angegeben worden iſt “). Bei'm Durchfuͤhren von Bougies durch die Verengerung war bisher, wenn die krank— hafte Stelle ſo tief liegt, daß man ſich durch das Gefuͤhl nicht von deren Beſchaffenheit Kenntniß verſchaffen kann, große Ge« fahr vorhanden, daß man den Darm durchſtoße, und man konnte in dieſem Falle daher die bei einfachen Stricturen zweckmaͤßigſte Behandlung durch Druck und Erweiterung nicht in Anwendung bringen; dagegen laͤßt ſich durch dieſe Art von Beleuchtung ein genauer Begriff von dem Sitze und den Dimenſionen der Strictur erlangen, alſo auch eine paſſende Bougie auswaͤhlen, ſo daß dem Kranken gleich Linderung gewaͤhrt und die Cur mit Vertrauen fortgefuͤhrt werden kann. Soviel mag genuͤgen, um den Nutzen zu wuͤrdigen, den ein einfaches Prisma behufs der Beleuchtung eines, am Ende einer geraden Roͤhre liegenden Theiles leiſten kann. Wenn aber Leiden beſichtigt werden ſollen, die ihren Sitz an den Seitenwandungen einer Hoͤhle haben, ſo muß ein zweites Prisma (d) angewandt werden, welches am Ende eines dünnen Metallſtabes (e fist, der etwas laͤnger iſt, als die Röhre, daher ſich außerhalb der letzteren ein kleiner Griff oder Knopf anbringen laͤßt, mittelſt deſſen man das Prisma bequem durch das ganze Inſtrument hin- und her— ſchieben kann. Will man ſich des speculum mit zwei Prismen bedienen, ſo wird es, wie fruͤher, mit der Glas— töhre in den Darm ꝛc. eingeführt. Der in der Abbildung dargeſtellte metalliſche Theil des Inſtrumentes beſteht aus zwei leichten Cylindern (g und A), welche ineinander ſtecken und von denen jeder mit einer Luͤcke durchbrochen iſt, welche * Zoll breit iſt und ſich faſt nach der ganzen Laͤnge des Cylinders erſtreckt. Sobald man den innern Cylinder () mittelſt des an demſelben ſitzenden vorſpringenden Ringes (9 einhalbmal herumdreht, werden die beiden Luͤcken in eine ſolche Lage gebracht, daß ſie einander entſprechen, wie der dunkele Raum Figur 4. es theilweiſe zeigt, und alsbald legt ſich eine gleichgroße Portion der Schleimmembran an die aͤußere Fläche der in den Metallcylindern befindlichen Glas— roͤhre. Waͤhrend nun durch das aͤußere Prisma (c) in der fruͤher beſchriebenen Weiſe Licht eingefuͤhrt wird, wirft das innere (A) dieß Licht auf die feiner reflectirenden Seite ges genuͤberliegende Oberflaͤche, und ein treues Bild dieſer Ober— flaͤche wird zugleich auf die reflectirende Seitenflaͤche des Prisma zuruͤckgeworfen und gelangt in das Auge des Be— ſchauers. Indem man das innere Prisma laͤngs der Luͤcke in den Cylindern hinſchiebt, kann man auf dieſe Weiſe den ganzen ſichtbaren Streifen der Schleimhaut genau unter— ſuchen. Wird die Glasrohre vor Beendigung der Unterſuch— ung durch Dünfte oder Seeretionen trübe, fo braucht man ſie nur ein Wenig zu drehen, ſo daß eine reine Portion der— ſelben gegen die Membran zu liegen kommt. Auf dieſe Weiſe unterſucht man eine Laͤngsportion der Höhle nach der *) S. d. Bl. a. a. O. S. 3. Der Ueberſ. andern, bis man mit der innern Oberflaͤche der ſaͤmmtlichen Wandungen fertig iſt. Vorausgeſetzt, man ſuche nach der offnen Mündung eines blutenden Gefaͤßes; alsdann kann man die Lucke in den beiden Cylindern durch die relative Stellung der letztern ſo ſchmal machen, daß ſie nur noch einen engen Spalt bildet, und dieſen läßt man den Umkreis der Wandungen ſo lange durchwandern, bis er dem directen Ausfluſſe des Blutes genau entſpricht. Iſt der Fall nicht ſehr dringend, ſo kann man, nachdem man die Glasroͤhre herausgenommen, wie gewoͤhnlich, die Blutung durch blut⸗ ſtillende Mittel oder Cauteriſiren zu heben ſuchen; allein wenn die Blutung ſehr heftig iſt und die Roͤhre und das Prisma uͤberſchwemmt, fo kann leicht der Fall eintreten, daß man die Lage des blutenden Gefaͤßes mit nicht größerer Genauig— keit, als innerhalb der Ausdehnung von 4 Zoll, beſtimmen kann. Allein ſchon hierdurch iſt für das Heil des Patienten viel gewonnen; denn man kann dann dieſen ganzen kleinen Raum, innerhalb deſſen die Muͤndung des blutenden Gefaͤ— es beſtimmt liegt und welcher durch die Oeffnung in der Wand der Cylinder iſolirt iſt, cauteriſiren und dadurch das Blut zum Stehen bringen. Oder angenommen, man glaube es mit einer Fiſtel zu thun zu haben, ſo laͤßt ſich mittelſt dieſes Inſtrumentes das Ob und Wo genau entſcheiden. Man ſucht in der oben beſchriebenen Weiſe danach, und es kann nicht fehlen, daß, wenn der Geſichtsſinn dem Taſtſinne zu Huͤlfe kommt, die innere Oeffnung, wenn eine ſolche vor— handen iſt, entdeckt werde, und wenn man ſie aufgefunden hat, kann man, bevor man ſich zu einer ernſthaften Opera— tion entſchließt, noch den Verſuch machen, ob ſie ſich durch Cauteriſiren ſchließen laͤßt. Durch Herrn Liſton und Dr. Pagan haben wir die Ueberzeugung gewonnen, daß es zu— weilen moͤglich iſt, ſelbſt bedeutende Fiſtelgaͤnge auf diefe Weiſe zu ſchließen, und daß durch die Verſchließung der im Maſtdarme befindlichen Oeffnung einer Afterfiſtel augenblick— lich eine bedeutende Erleichterung der Leiden des Patienten eintreten muͤſſe, unterliegt keinem Zweifel. Dadurch wuͤrde der Krankheit ihr ekelhafter Character benommen, die Con— ſtitution von der durch einen fauligen Ausfluß veranlaßten Reizung befreit und das Leiden ſofort in einen einfachen Abſceß verwandelt werden, der ſich durch einen milden Heil⸗ proceß heben ließe. Aus der Anſicht von Figur 5. ergiebt ſich, daß ſich mittelſt der Druckſchraube 1 das aͤußere Prisma und deſſen Anſetzring P an ein speculum jeder Groͤße anbrin— gen läßt. Der zum Abſchrauben eingerichtete Griff mm laͤßt ſich in irgend eines der Loͤcher 2, die zu dieſem Ende an dem Ringe angebracht ſind, einſetzen, wenn ſich eine Ver— änderung feiner Lage noͤthig macht, oder man für gut finden ſollte, daß ein Gehuͤlfe, ſtatt des Operateurs, denſelben in die Hand nehme, ohne daß man das Inſtrument zuvor her— ausziehe. Wir halten es für unnoͤtbig, noch mehr Beiſpiele in Betreff dieſer einfachen Beobachtungsmethode beizubringen und bemerken nur noch, daß, wenn das Inſtrument zur Uns terſuchung des in den uterus führenden Canals angewandt wird, die moraliſchen Leiden der Patienten durch den Um— ſtand um Vieles vermindert werden, daß die Unterſuchung 1 * 7 705. XXXIII. I. 8 in einem voͤllig dunkeln Zimmer ſtattfinden kann, indem man das Prisma vor die Oeffnung einer kleinen Laterne bringt. Meine zuverſichtliche Hoffnung, das Prisma auch zur Unterſuchung der Halsuͤbel anwenden zu koͤnnen, hat mich vielleicht zu Aeußerungen veranlaßt, die Manchen uͤbertrieben erſcheinen duͤrften ). Bin ich in dieſer Beziehung zu weit gegangen, ſo iſt es unabſichtlich geſchehen, und uͤbrigens kann ſich Jedermann, dem daran liegt, von der Haltbarkeit oder Unhaltbarkeit meiner Anſicht durch die Pruͤfung der Inſtrumente uͤberzeugen. Bei den erſten Verſuchen wird man ſich gewoͤhnlich ſchon mit einer undeutlichen Anſicht von Gegenſtaͤnden begnuͤgen, deren Unterſuchung mittelſt des Ge— ſichtsſinnes man bisher für rein unmoglich zu halten gewohnt war, und daher wird man nicht alsbald gewahr werden, was die prismatiſche Beleuchtung wirklich zu leiſten im Stande iſt. Diejenigen, welche mit dieſem Inſtrumente die Gegen— ſtaͤnde nur im Helldunkel geſehen haben, koͤnnen ſich nur einen ſehr ſchwachen Begriff davon machen, wie daſſelbe bei gehoͤriger Stellung und Behandlung wirkt. Was ich hier— unter verſtehe, wird man wuͤrdigen koͤnnen, wenn ich bemerke, daß ich durch eine zwei Fuß lange und ? Zoll im Lichten weite Rohre bei guter Beleuchtung kleine, in Siegellack ab— gedruckte Buchſtaben leſen konnte, und eine größere Genauig— keit dürfte ſich zum Erkennen krankhafter Veränderungen am lebenden Körper überall nicht noͤthig machen. Nur beilaͤufig will ich noch bemerken, daß die prisma— tiſche Beleuchtung auch in technologiſcher Beziehung manche Vortheile verſpricht, z. B., behuf's der Unterſuchung der Innenſeite von Gewehrlaͤufen 1e. Adam Warden Dr. M. 3. Baxter’s Place, Edinburgh, 12 Apr. 1844. Eine von der koͤnigl. Schottiſchen Geſellſchaft der Kuͤnſte dazu beauftragte Commiſſion pruͤfte die Ward enſchen In: ſtrumente und uͤberzeugte ſich davon, daß dieſelben ſich zur Unterſuchung des innern Ohres, ſowie anderer Hoͤhlen des menſchlichen Körpers, ungemein gut eignen. Sie ſprach ſich in ihrem Berichte an die Geſellſchaft hoͤchſt guͤnſtig über die Erfindung des Dr. Warden aus. (Edinburgh new philosophical Journal, July — Oetob. 1844.) *) Vergl. N. N. a, a. O. S. 4. Miscellen. Die neueſten Reſultate feiner Unterſuchungen über die organ iſchen Alkalien hat unlängft Herr Karl Gerhardt brieflich Herrn Dumas und dieſer der Pariſer Acas demie in ihrer Sitzung vom 18. November mitgetheilt. Dieſe ber ziehen ſich in'sbeſondere auf das Brucin und die wichtige Reaction, welche bei der Behandlung diefes Alkaloids mittelſt Salpeterſaͤure ſtattfindet. Es entſteht dann bekanntlich eine tiefrothe Faͤrbung, und dieſe Reaction iſt ſo empfindlich, daß man ſie fuͤr gerichtlich⸗ mediciniſche Unterſuchungen in Vorſchlag gebracht hat. Herr Ger— hardt hat überdieß gefunden, daß ſich bei der Wiedererzeugung (dem Wiederverſchwinden?) der Faͤrbung ein riechendes brennbares Gas entwickelt und die Miſchung ſich erhitzt, allein, wenn man keine kuͤnſtliche Hitze anwenvet, weder ſchwefligſaure Dämpfe, noch Koh— lenſaͤure ſich entbinden. Bei'm Erkalten gerinnt das Product unter Annahme der Orangefarbe. Herr Gerhardt hat ſich davon uͤber⸗ zeugt, daß das Gas, welches dieſen rothen Körper begleitet, fals petriger Aether (ether nitreux) iſt, deſſen Entbindung ſo lange fortgeht, als noch ein Atom Brucin in der Fluͤſſigkeit enthalten iſt. fo daß dieſe Miſchung als eine wahre Quelle von ſalpetrigem Aether gelten kann. ueber den Wiedererſatz verlorengehender Theile der Cruſtaceen bemerkt Herr Goodſir daß, wie ſchon lange bekannt, alle Arten von Cruſtaceen mit dem Vermögen, verloren⸗ gegangene Theile zu erſetzen, begabt ſind. Die Art und Weiſe aber, in welcher dieſelben entwickelt werden, das Organ, von welchem der Keim des kuͤnftigen Fußes herſtammt, iſt bis jetzt noch nie gehoͤrig erklaͤrt oder unterſucht worden. Wenn eine oder mehrere der ent⸗ fernteren Phalangen des Fußes einer gewoͤhnlichen Krabbe gewalt— ſam abgeriſſen werden, fo ftößt das Thier ſogleich die übrigen Theile des Gliedes ab. Dieß wird mit geringer Anſtrengung bewirkt und erfolgt immer an einer Stelle, welche aͤußerlich durch eine zarte, von einem Ringe von ſpaͤrlich verbreiteten Haaren bedeckte Linie angedeutet iſt. Die Phalanx iſt auf beiden Seiten des Ringes beträchtlich duͤnner; und wenn die Schaale vorſichtig entfernt wird, um das Innere bloßzulegen, fo ſieht man, daß es aus einer fibroͤ⸗ ſen, gelatinoͤſen, druͤſigtartig ausſehenden Maſſe beſteht — dem Organe, welches die Keime zu den kuͤnftigen Gliedern liefert. Eier nige Stunden nachdem das Glied abgeſtoßen worden, wird die kleine Oeffnung allmälig durch einen kleinen runden Körper, dem Keime des kuͤnftigen Gliedes, ausgefüllt, welcher allmälig an Größe zus nimmt, ſo daß er die Narbe vor ſich heraustreibt, welche ſich nach der Verletzung an der rauhen Oberflaͤche gebildet hatte und nun die aͤußere Bedeckung des jungen Gliedes bildet. Sowie der Keim an Groͤße zunimmt, wird die einſchließende Membran immer duͤn— ner, bis ſie platzt, worauf dann das junge Glied, welches bisher zuſammengebogen war, ſich ausdehnt und das ganze Äußere Ans ſethen eines vollkommenen Gliedes, mit Ausnahme der Größe, wahr⸗ nehmen laͤßt. Hei une, de. Enterotomie bei innerer Incarceration des Duͤnn— darmes. Von Maiſonneuve. Frau David, vierundſechszig Jahre alt, iſt ſeit funf— zehn Jahren mit einem Leiſtenbruche an der rechten Seite dehaftet geweſen, der als eigroße, weiche, nicht reponirbare Geſchwulſt ſich darſtellte. Am 27. April 1844 nahm die Geſchwulſt unter lebhaften Schmerzen, die von der Leiſte nach dem Bauche ſich fortpflanzten, plotzlich zu. Patient hoffte anfangs durch ruhige Lage im Bette dieſe Erſcheinung ſchwinden zu ſehen; ſpaͤter indeß, da die Geſchwulſt und der Schmerz immer groͤßer wurden und Uebelkeit wie Erbrechen ſich hinzugeſellten, verſuchte der hinzugerufene Dr. Pre vo ſt Baͤder, Einſpritzungen und abfuͤhrende Clyſtire, jedoch ohne Erfolg. Am 29. April früh fand ich die Kranke angſtvoll, über heftige Leibſchmerzen klagend, mit fortwaͤhrenden Uebel keiten und galligem Erbrechen. Dle Leiſtengeſchwulſt von der Groͤße eines Kinderkopfes war gleichfoͤrmig; die Haut darüber geſpannt, glänzend und etwas geroͤthet; der Percuſ⸗ 9 708. XXX. 1. 10 ſionston matt; deutliche Fluctuation. Durch die nur mie konnte nährende Getraͤnke, ſogar etwas Wei 0 ) Wei . fig geſpannten Bauchdecken fühlte ma “he Darmmorz men, und die ihr W 8 Lavements ln een. Am 8. Mai Abends ers mentleerung, mit welcher große, m und die Kranke ſich ſehr genden Tagen ſchritt die Beſ⸗ am 21. Mai ein Bourdonnet einlegte und es ein dis zwei dieſe Weiſe dem Darminhalte iß entgegenzuſetzen. Am 22. tanke nach der Mahlzeit etwas balbfluͤſſige Stuhlentleerung Bon dieſer Zeit an hörte der Darmoͤffnung auf, und am 29. der erſten Operation, konnte chen und Alles, wie in ihren jeniefen. Die über die Außere )sleinwand zeigte kaum eine Stuͤhle erfolgen unter leichtem Kranke blieb von nun an voll⸗ gen. d. Med., Octbr.) ig der Medicamente im nismus. und Laveran. treffen den Tartarus natrona- cum, den Schwefel und das von den Verfaſſern ſelbſt berei⸗ Nimmt und ſpaͤter ausſchließlich 1. natus. — Wöͤhler's Be⸗ alkaliſcher Baſis und organiſchet und Tartrate, ſich im Urine cons finden, wird von den Verfaſſern fällen war der Urin 175 Mal al⸗ Mal neutral. Man kann will⸗ alze durch den Darmcanal bewir⸗ n bei der Darreichung beobachtet; Urine angetroffen, — und um⸗ n haben nur foviel gezeigt, daß, arn ausgeſchieden wird, es immer er mit einer organiſchen Säure iſt in den Fallen, wo der Harn, tarus natronatus, fauer oder le Quantität der Baſen in dem: waͤhrend dieſe bis auf das dop⸗ d der Harn alkaliſch reagirt. Salzes wird durch die Doſis, 1 Zuſtand der Organe und die ö Wendet man nämlich das Salz bis 40 Grammen in 8 bis 10 rt der Harn alkaliſch. Die pur⸗ Feen nur äußerſt ſelten, wähs n regelmäßig eintritt, Im legtex mehr wahrnehmbar, die Angſt brſchwunden z Patientin rend fie nach großen Dofe Hic i. 8 1. kig.ı. 4 Fig.26, hr na "Kin. 29. . Ei: "Fig. Li. 4e. — rag Fig.35. Me Fig.38. Liga. 0 ee , een 5 Y \ | 0 7 . 435 \ * Ligen. | | ) \ e c, 55 ib. \ \ 1 1 \/ Neue Notizen N? 705. U des. Bander. Lig. . 12 7 f Fig. 0 ig. Te, lee. igel. | 9 705. XXXIII. 1. 10 ſionston matt; deutliche Fluctuation. Durch die nur maͤ— fig geſpannten Bauchdecken fühlte man zahlreiche Darmver— ſchlingungen, die leicht, als dem Duͤnndarme angehoͤrend, etz kannt wurden. Druck verſchlimmerte den Schmerz nicht. Es war hier die Operation indicirt, die auf folgende Weiſe ausgeführt wurde. Zuerſt fuͤhrte ich einen Schnitt in der Richtung des lig. Fallopii von der obern aͤußern nach der inneren unteren Seite Über die Geſchwulſt fort; ein zweiter wurde von der Mitte deſſelben unter einem rechten Winkel nach der unteren aͤußeren Seite fortgefuͤhrt. Ich trennte die durch den T- Schnitt gebildeten Hautlappen los, durch— ſchnitt die fasciae und eröffnete dann den Bruchſack. Nach⸗ dem etwas roͤthliches Serum ausgefloſſen war, bemerkte ich im Grunde der Höhle eine nußgroße, weinhefenfarbene, geſpannte Duͤnndarmſchlinge, die an ihrer Wurzel durch den Bruch— ſackhals ringfoͤrmig zuſammengeſchnuͤrt war. Nun ſchnitt ich mit einem Cooper'ſchen Biſtouri den Bruchſackhals zwei Mal ein, zog die Darmſchlinge an, entleerte ihren Inhalt durch Druck und ſchob ſie alsdann in die Bauchhoͤhle zu— ruͤck. Da der Zuſtand der betreffenden Theile die prima intentio nicht conttaindicirte, ſo vereinigte ich, nachdem ich den Bruchſack, gleichſam als Tampon, in die hintere Deff» nung hineindruͤckte, die Hautwunde durch einfache Suturen. In den erſten fuͤnf bis ſechs Stunden nach der Operation war das Befinden der Kranken erwuͤnſcht; Patient ſchlum— merte ein Wenig, die Uebelkeiten ließen nach; Schmerz im Leibe nur maͤßig. Allein ſchon in der Nacht kehrten jene Zufaͤlle, und zwar mit noch größerer Heftigkeit, wieder. Es wurden gallige Maſſen, dann Koth durch Erbrechen entleert, Lavements, Oelmixturen, Calomel, ſelbſt Tabaksklyſtire was ren fruchtlos. So ging es bis zum 31. April fort, wo ich, da ſich bereits Symptome eines herannahenden Todes kund gaben, wie fadenfoͤrmiger Puls, erloſchene Stimme, ver— zerrte Zuͤge u. ſ. w., auf die Idee kam, durch die Eroͤffnung einer Darmſchlinge und Bilden eines kuͤnſtlichen Afters das Leben der Patientin zu retten. Ich trennte alſo die bereits durch prima intentio vereinigt geweſene Wunde, entwickelte den Bruchſack aus der hintern Oeffnung und fuͤhrte den Zeigefinger in die Bruchpforte ein, drang mit demſelben durch einige Pſeudomembranen zu einer ſtark ausgedehnten, mit den Bauchwandungen verwachſenen Darmſchlinge vor. Da die Verwachſung, wie ich mich uͤberzeugte, feſt war, ſo konnte ich die Eröffnung des Darmes ohne Weiteres wagen. Ich faßte eine Falte der Schlinge mittelſt einer Pincette und durchſchnitt ſie mit einer ſtumpfen laͤngs jener gefuͤhrten Scheere. Nachdem etwas Darminhalt ausgefloſſen war, und ich mich durch Einführen des Fingers von der Communica⸗ tion des Darmes mit der Bruchpforte uͤberzeugt hatte, ließ ich Leinſaamenumſchlaͤge auf die Wunde machen. — Waͤh— rend der Nacht, ſowie am Tage darauf, floß nur wenig aus der Darmwunde aus; deſſenungeachtet hat das Erbrechen ſich nicht eingeſtellt. — Am 2. Mai wurde eine ungeheure Menge von fluͤſſigen Maſſen aus der kuͤnſtlichen Darmoͤff⸗ nung entleert, wonach eine betraͤchtliche Beſſerung eintritt. Die Darmverſchlingungen waren durch die Bauchdecken nicht mehr wahrnehmbar, die Angſt verſchwunden; Patientin konnte naͤhrende Getraͤnke, ſogar etwas Wein zu ſich neh— men, und die ihr beigebrachten Lavements ertragen, die in— deß immer noch erfolglos blieben. Am 8. Mai Abends er— folgte die erſte natürliche Darmentleerung, mit welcher große, verhaͤrtete Kothmaſſen abgingen und die Kranke ſich ſehr erleichtert fühlte, In den folgenden Tagen ſchritt die Beſ— ſerung weiter fort, ſo daß ich am 21. Mai ein Bourdonnet in die aͤußere Wundoͤffnung einlegte und es ein dis zwei Stunden liegen ließ, um auf dieſe Weiſe dem Darminhalte hier ein mechaniſches Hinderniß entgegenzuſetzen. Am 22. Mai Mittags empfand die Kranke nach der Mahlzeit etwas Leibſchmerzen, worauf eine halbfluͤſſige Stuhlentleerung durch den After erfolgte. Von dieſer Zeit an hoͤrte der Ausfluß aus der kuͤnſtlichen Darmoͤffnung auf, und am 29. Mai, gerade ein Monat nach der erſten Operation, konnte Patientin aufſtehen, herumgehen und Alles, wie in ihren früheren gefunden Tugen, genießen. Die über die äußere MWundöffnung gelegte Wachsleinwand zeigte kaum eine Spur von Darminhalt; die Stühle erfolgen unter leichtem Leibgrimmen regelmaͤßig; die Kranke blieb von nun an voll: kommen geheilt. (Archiv gen. d. Med., Oetbr.) Ueber die Umwandlung der Medicamente im Organismus. Von Millon und Laveran. Die Unterſuchungen betreffen den Tartarus natrona- tus, das Natron sulphuricum, den Schwefel und das Salicin, welche ſaͤmmtlich von den Verfaſſern ſelbſt bereis tet, in der Doſis genau beſtimmt und ſpaͤter ausſchließlich im Harne aufgeſucht wurden. Tartarus natronatus. — Woͤhler's Be⸗ hauptung, daß Salze mit alkaliſcher Baſis und organiſchet Säure, wie Acetate, Citrate und Tartrate, ſich im Urine cons ſtant, als Carbonate, wiederfinden, wird von den Verfaſſern widerſprochen. Unter 268 Faͤllen war der Urin 175 Mal al⸗ kaliſch, 87 Mal ſauer, und 6 Mal neutral. Man kann will⸗ kuͤrlich die Entleerung dieſer Salze durch den Darmcanal bewir⸗ ken, wenn man gewiſſe Regeln bei der Darreichung beobachtet; fie werden alsdann felten im Urine angetroffen, — und um: gekehrt. Die Unterſuchungen haben nur ſoviel gezeigt, daß, wenn dieſes Salz durch den Harn ausgeſchieden wird, es immer nur als Carbonat, nie aber mit einer organiſchen Saͤure verbunden, vorkommt. So iſt in den Faͤllen, wo der Harn, nach Darreichung von Tartarus natronatus, ſauer oder neutral erſcheint, die normale Quantität der Baſen in dem: felben um Nichts vermehrt, während dieſe bis auf das dop⸗ pelte Quantum ſteigen, wo der Harn alkaliſch reagirt. Die Umwandlung des Salzes wird durch die Doſis, die Art der Anwendung, den Zuſtand der Organe und die beſondere Anlage bedingt. Wendet man naͤmlich das Salz in kleinen Doſen — 30 bis 40 Grammen in 8 bis 10 Stunden — an, ſo reagirt der Harn alkaliſch. Die purs girende Wirkung erſcheint alsdann nur äuferft ſelten, wäh: rend fie nach großen Dofen regelmäßig eintritt. Im legte: 11 705. XXXIII. 1. ren Falle wirkt das Salz als Medicament, waͤhrend es in kleinen Doſen wie ein Nahrungsmittel ſich verhaͤlt; es wird reſorbirt, umgebildet, zerlegt, neu oxydirt und endlich elimi— nirt. — Eine ſtarke Conſtitution, habituelle, oder von einer Affection der Nervencentra abhaͤngige Leibesverſtopfung, eine nur unbedeutend geſtoͤrte Geſundheit deguͤnſtigen die Ver— dauung der weinſteinſauren Salze; dagegen wird ſie durch Schwaͤche, durch geſtoͤrte Magen- und Darmfunction, durch Fieber behindert; der Harn zeigt alsdann eine ſaure Reaction. Man kann indeß ſelbſt unter dieſen Umſtaͤnden einen alkali— ſchen Harn erzwingen, wenn man naͤmlich die Doſis immer mehr verkleinert und das Salz ſo laͤngere Zeit anwendet. Die Plaſticitaͤt des Blutes wird dadurch, wider Erwarten, nicht vermindert. So haben die Analyſen von ſechs Ader— laͤſſen, in Fallen von Pneumonie und acutem Gelenkrheu— matismus unternommen, nachdem das Salz in der gedach— ten Art angewendet worden, eine ſehr dicke erusta phlo- gistica und viel Faſerſtoff nachgewieſen. Aus der Zu— nahme des Harnſtoffes, nach Anwendung des Tart. natro— mat., auf eine Beſchleunigung der oxydirenden Kräfte ſchlie— ßend, verſuchten die Verfaſſer daſſelbe in einer Monomania hypochondriaca, um den langſamen Nutritionsproceß zu bethaͤtigen. Der dünne, an Harnſtoff arme Urin, welcher vorher 3 bis 4 Pfund taͤglich betrug, wurde danach ſparſamer, ſaturirter und harnſtoffceicher, das Allgemeinbefinden beſſerte ſich, doch blieb die Monomanie unveraͤndert. In einem Falle von Albuminurie bewirkte das Salz einen normalen Harn, ohne auf den Gang irgend einen Einfluß auszuuͤben. Bei mehreren Phthiſiſchen wurde dadurch das Fieber gemaͤ— figt, die geſammten Functionen gehoben und in einigen Fällen auch die aufgeregte Reſpiration und Circulation be— ruhigt. Endlich wurde der Urin bei einigen an Gries Lei— denden danach alkaliſch, und die Verdauung lebhaft. — Die das ſchwefelſaure Natron betreffenden Unter— ſuchungen, bei welchem Salze keine neue Oxydation mehr moͤglich iſt, lieferten in mancher Beziehung von jenen ab— weichende Reſultate; dieſes fand ſich nämlich unverändert im Harne wieder. Ob es durch die Nieren oder den Darm entleert werde, das haͤngt von gleichen Umſtaͤnden, wie bei den Weinſteinſalzen, ab. In allen Faͤllen zeigt ſich der Dis geſtionsact dem Verbrennungsproceſſe analog. Der Schwefel hat nur negative Reſultate geliefert. Die Analyſe des Harnes nach Anwendung deſſelben hat keine Zunahme der normalen Quantitaͤt Schwefelſaͤure nach— gewieſen. Das Salicin, in 10 Fällen von leichter intermittens angewandt, fand ſich im Harne, als Salicil und Salicil— ſaͤure wieder, eine Veränderung, die mit der auf chemiſchem Wege erfolgten identiſch iſt. Dieſe Unterſuchungen beſtaͤtigen ſaͤmmtlich das Factum, daß die Erſcheinungen des animalen Lebens uͤberall von einem Verbrennungsproceſſe begleitet find, — (Arch. gen. d. Med., Sept.) 12 Fall von phlegmasia alba dolens beim Manne. Von Dr. Stokes. N. N., fruͤher Mitglied einer Maͤßigkeitsgeſellſchaft, ſpaͤter aber ein ausgemachter Saͤufer, bot bei feiner Auf- nahme in das Meath-Spital mehrere Symptome des Saͤu⸗ ferwahnſinnes, mit gaſtriſcher Reizung und Fieber, dar Die Unterſuchung der Bruſt ergab eine Pneumonie der rechten Seite; der Puls war ſehr frequent und ſchwankte während feines Aufenthaltes im Spitale von 130 bis 150; nur ein Mal fiel er auf 120. Das Lungenleiden machte langſame Fortſchritte, bot aber jeder Behandlung Trotz; es war ein andauerndes Kniſtern in der Lunge, bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤ⸗ cher hoͤrbar; an der Lungenwurzel war Bronchialreſpiration; auch waren alle Symptome einer pleuritis sicca vorhan- den. Das linke Bein bot alle Erſcheinungen einer phleg- masia dolens dar. Der Kranke ſtarb endlich unter volls ſtaͤndiger Erſchoͤpfung und Anaͤmie, ſowie mit allen Sym⸗ ptomen, wie ſie der Infection des Blutes durch Aufnahme von Eiter eigenthuͤmlich ſind. Die Section ergab Fol— gendes. In der vena cava abdominalis fand ſich ein, der inneren Venenhaut adhaͤrirendes, Blutgerinnſel, unter wel— chem die Membran leicht geroͤthet und zottig erſchien; in der v. cruralis aͤhnliche coagula, und am Oberſchenkel was ren Arterie, Vene und Nerv in Eins verſchmolzen; die v. saphena war obliterirt und fuͤhlte ſich hart, wie ein Strick, an, die Obliteration erſtreckte ſich ſo weit, als man die Vene verfolgte, trat aber am Deutlichſten in den unterſten Zweigen hervor. Alle dieſe Erſcheinungen fanden ſich am linken Beine. — Der rechte Ventrikel des Herzens enthielt eine Menge kleiner, weißer, zwiſchen den columnae car- neae zerſtreuter, Koͤrper von derſelben Beſchaffenheit, wie fie von O' Ferrall als Eiterbaͤlge des Herzens beſchrieben worden ſind; ferner fanden ſich in demſelben Ventrikel einige dunkelgefaͤrbte coagula und eine rahmartige Materie; das endocardium aber war geſund. Im linken Ventrikel aͤhn⸗ liche Ablagerungen purulenter Materie in Cyſten, von rahm⸗ artiger Conſiſtenz; es fanden ſich hier 3 große Cyſten, welche ſehr loſe an den Wandungen des Herzens adhaͤrirten. — Der untere Lappen der rechten Lunge war hepatiſirt, auf der Schnittflaͤche marmorirt, gleich rothem Granite. In allen Theilen der Lunge fand ſich bei'm Einſchneiden eine aͤhnliche Materie, wie im Herzen, und an einigen Stellen granulirte Puncte. Es war eine allgemeine phlebitis pulmonalis vorhanden, doch ohne Abſceßbildung; aͤhnliche Ablagerungen fanden ſich in der oberen Portion derſelden Lunge, ſowie auch in der der anderen Lunge mit dazwiſchengeſtreuten Pors tionen geſunden Gewebes, nach Art der pneumonia inter lobularis von Andral und Cruveilhier. — In der Le— ber, Milz, Niere, in den Gelenken und Muskeln fand ſich keine Eiterablagerung. Dieſer Fall von phlegmasia dolens war, wie der Verfaſſer bemerkt, einer von denen, welche am Gefährliche ſten ſind. Alle Faͤlle dieſes Uebels laſſen ſich, nach ihm, in 2 Gruppen ſondern: in der einen iſt das erſte deutliche Symptom die raſche Anſchwellung des afficirten Beines, in 13 der anderen, weit gefährlicheren, find lange vor der Anſchwel— lung des Beines bedeutende allgemeine Symptome vorhan⸗ den. Das Lungenleiden ſcheint dem Verfaſſer weniger durch eine mechaniſche Ablagerung, als durch eine ſpecifiſche Rei— zung der Lunge, entſtanden zu ſeyn. Was die Diagnoſe ſolcher Faͤlle betrifft, ſo moͤchte hier, als Anhaltpunct, die Hartnaͤckigkeit gegen alle angewandten Mittel dienen. (Du- blin Journal, July 1844.) Neue Behandlungsweiſe der typhoͤſen Fieber. Von Profeſſor H. F. Ranque. Der Verfaſſer giebt in dieſer kleinen, zu Paris 1843 er— ſchienenen, Broſchuͤre das Réſumé feiner Beobachtungen, welche er in den Jahren 1826 — 1843 in dem Hötel-Dieu zu Orleans über eine ihm eigenthuͤmliche Behandlungsweiſe der anhaltenden Puerperal⸗, exanthematiſchen Fieber und Pneumonieen mit typhoͤſem Character angeſtellt hat. Von 733 auf dieſe Weiſe behandelten Kranken ftarben 62, genas ſen 671; alſo ungefaͤhr 1 Todter auf 12 Kranke; ein weit guͤnſtigeres Verhaͤltniß, als das nach anderen Methoden er— haltene. 518 Kranke befanden ſich in der erſten, 186 in der zweiten und 29 in der dritten, oder vierten ſiebentaͤgigen Periode. In der erſten Periode war das Verhaͤltniß der Todten wie 1172, in der zweiten wie 1:4 und in der dritten und vierten wie 1:2. Daraus geht hervor, daß das Verfahren des Dr. Ranque um ſo vortheilhafter iſt, je fruͤher es angewendet wird, daß es dagegen nach der zweiten Periode angewendet, eher nachtheilig erſcheint, da das typhoͤſe Fieber, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, nur 1 von 2 toͤdtet. (2) Von der angegebenen Geſammtzahl der Faͤlle waren 98 gutartig, 497 ſchwer und 138 ſehr ſchwer; von den er: ſtern ſtarb Keiner, von den zweiten 1: 19, von den drit— ten 1:4. Der Verfaſſer giebt darauf zwei Zeichen an, vermit— telſt welcher man vom Anfange lan eine typhoͤſe Affection mit Beſtimmtheit erkennen kann. „Jedesmal“, ſagt er, „wenn in den erſten Tagen eines anhaltenden Fiebers, wel— ches auch immer die Form deſſelben ſeyn moͤge, auf dem zwiſchen den Backenzaͤhnen befindlichen Zahnfleiſche eine wei— ße Exſudation erſcheint, kann man uͤberzeugt ſeyn, daß in der Mehrzahl der Faͤlle das Fieber boͤsartig werden wird, ſobald man daſſelbe nicht angemeſſen behandelt. Dieſes Symptom iſt conſtant, nicht nur bei den Fiebern, ſondern auch bei allen Affectionen, welche einen ſchlimmen, typhoͤſen Character annehmen. Wenn zu dieſen Symptomen die in: digblaue, maulbeerſaftartige Faͤrbung der Blutegelſtiche und der Beginn einer Proſtration hinzukommt, ſo hat die Affection von dieſem Momente an den typhoͤſen Character.“ — Das Weſen des typhoͤſen Characters liegt, nach dem Verfaſſer, in der Reſorption jenes krankhaften Productes, welches die ent— zuͤndeten Follikel abſondern. Seine Behandlungsweiſe beſteht nun in der Applica⸗ tion folgenden Pflaſters auf den ganzen Unterleib: 705. XXXIII. 1. 14 * Empl. Cicutae grammes D. Gummi diachylon — CCL. Theriac. . - — XXV. Camphor. — NO. Sulphur. K — CXXV. Laſſe die Pflaſter bei gelindem Feuer erweichen, nehme fie vom Feuer, wenn fie gehörig geſchmolzen find, füge dann die anderen Subſtanzen hinzu und reibe das Ganze mit einem hölzernen Stößer bis zur gehörigen Miſchung. Bewahre die Maſſe in einem glaͤſernen, oder gut glaſirten irdenen Gefaͤße auf, und beſtreiche damit zwei Stuͤcke Lei— nen oder Leder, welche groß genug ſind, um die Lenden und den ganzen Leib damit zu bedecken. Die Quantttaͤt dieſer Pflaſtermaſſe betrage fuͤr einen Erwachſenen ungefaͤhr 180 Gr. zur Bedeckung des Leibes und 125 Gr. zur Bedeckung der Lenden. (Arch. gen. de Med., Juill 1844.) Ueber die Intercoſtalraͤume, ſagt Dr. Walſh in feinem Werke, die phyſica liſche Diagnoſe der Lungenkrankheiten, Folgendes: — Dr. Stokes behauptet, daß bei'm Emphyſem, ſelbſt wenn eine bedeutende Dilatation der Bruſt eingetreten iſt, die Inter— coſtalraͤume tief eingeſchnitten ſind, und daß das Ver— ſchwinden derſelben nur im vorgeruͤckten Stadium der pleu- ritis eintrete. Die Urſache dieſes Verſchwindens liegt in der Laͤhmung der mm. intercostales und in einem excen⸗ triſchen Drucke, welche beide gleich weſentlich ſind, und die Laͤhmung erſcheint als das Reſultat einer ſich auf das Muss kelgewebe verbreitenden Entzuͤndung. Aus derſelben Urſache verſchwinden die Intercoſtalraͤume nicht bei einem einfachen hydrothorax, ſowie auch nicht in allen Faͤllen von pleuris tiſchen Exſudaten, weil bei dem erſteren myitis und Laͤh— mung keinesweges, und bei letzteren nicht nothwendig vor— handen ſind. Die hier angeregte Frage haͤngt genau mit der Beobach— tung zuſammen, und die Erfahrung der Aerzte ſtimmt in Betreff der Auftreibung bei'm Emphyſem im Allgemeinen nicht mit der des Dr. Stokes uͤberein. Louis und Woillez ſind durchaus entgegengeſetzter Anſicht. Beide behaupten, daß die Intercoſtalraͤume bei dieſer Krankheit entweder verſtri— chen, oder weniger deutlich ausgeſprochen find, als im Nors malzuſtande, und ſie bezeichnen ſogar dieſes Mitergriffenſeyn der Muskelflaͤchen dieſer Raͤume als eins der Unterſcheid— ungsmerkmale der emphyſematoͤſen Formveraͤnderung von der rhachitiſchen oder normalen. Nach meinen Unterſuchungen finden ſich bei'm Emphyſem in Betreff der Auftreibung drei verſchiedene Verhaͤltniſſe: 1) entweder iſt durchaus keine all— gemeine oder oͤrtliche Ausdehnung vorhanden; oder 2) es findet ſich eine allgemeine Auftreibung der Oberflaͤche bei eis nem normalen Zuſtande der Intercoſtalraͤume; oder 3) es findet ſich Auftreibung mit deutlichem Verſtreichen der Inter— coſtalraͤume. Der Schluͤſſel zu dieſen anſcheinenden Wider- ſpruͤchen liegt nur in den anatomiſchen Verſchiedenheiten der Krankheit. 15 Im erſten Falle zeigte fih das Uebel in Bezug auf ſeine Symptome unter der Form von Atrophie, und die phy— ſicaliſche Urſache der Ausdehnung fehlte durchaus. Die zweite Varietaͤt der Formveraͤnderung habe ich nie— mals in der regio infraclavicularis beobachtet, — ſo— bald die Formveraͤnderung auf dieſe Gegend beſchraͤnkt war, was vorzuͤglich bei'm Emphyſem der Fall zu ſeyn pflegt; aber ich traf dieſelbe in gewiſſen Fällen von faſt kugelfoͤr— miger Auftreibung des thorax bei abgemagerten emphyſema— toͤſen Individuen. Allein in dieſen Faͤllen, welche ohne Zwei— fel haͤufiger vorkommen, als man vermuthet hat, war die oͤrtliche Formveraͤnderung, aller Wahrſcheinlichkeit nach, beſon— ders wenn ſie am Ruͤcken vorkam, phyſiologiſch und gaͤnzlich unabhaͤngig vom Emphyſem. Wenn die Auftreibung an den Stellen vorhanden war, wo fie beſonders bei Emphyſem vorzukommen pflegt, z. B., in der re- gio infraclavicularis, fand ich die Intercoſtalraͤume ganz ver— ſtrichen und das Uebel trat unter der Form der Hypertro— phie auf. Nach meiner Anſicht werden die Intercoſtalraͤume mehr oder weniger ausgehoͤhlt ſeyn, ſolange die Elaſticitaͤt oder die concentriſche Kraft der Lunge nicht zerſtoͤrt iſt; ſobald aber dieſe Veraͤnderung eintritt, wie z. B. im Fortſchreiten des hypertrophiſchen Emphyſems, wird auch ein Druck und eine Veraͤnderung in der Lage der Intercoſtalraͤume, ſowie 5 ont: die Folge ſeyn. (Dublin Journal, September 1843.) Vergiftung von fünf Perſonen durch Barbeneier. Von Dr. Verga. Eine Frau, welche in einer Barbe (Cyprinus Bar- bus L., Barbus fluviatilis Neuerer;) 2 reich angefuͤllte Eierſtoͤcke von 4 bis 5 Unzen Schwere fand, beſtrich diefels ben mit dem Eidotter von Huͤhnereiern, beſtreute ſie mit ge— riebenem Brode und brachte ſie dann gebacken, als ein neues Gericht, auf den Tiſch. Außer jener Frau, einer Frau von zartem Baue und ſchwaͤchlicher Geſundheit, nah— men am Mahle Theil ihr Mann, ein geſundes, kraͤftiges Individuum von 32 Jahren, 2 Knaben von 13 Jahren und das Dienſtmaͤdchen von 16 Jahren. Die Knaben und die Magd, welche am Meiſten von der Speiſe genoſſen hats ten, wurden 55 Stunden nach dem Mahle von Erbrechen befallen, und ſpaͤter bekam auch der Vater, obgleich derſelbe die Speiſe kaum beruͤhrt und nachher in der Schenke eine 705. XXXIII. 1. 16 gute Portion Wein getrunken hatte, ſtarkes Erbrechen und Durchfall. Die Mutter, welche am Wenigſten genoſſen hatte, empfand nur etwas Kopfſchmerz, Schmerzen über dem Nabel und große Schwaͤche in den Beinen. Ich verordnete eine Emulſion aus bitteren Mandeln mit einigen Tropfen Laudanum, worauf Alle, bis auf die Mutter, einſchliefen, welche ihre Beſchwerden zunehmen fuͤhlte und von allgemei— nem Zittern, nausea, Erbrechen und reichlicher Diarrhoͤe befallen wurde, welche Symptome indeß bald mit dem recht— zeitigen Eintritte der Menſtruation verſchwanden. Am naͤch⸗ ſten Tage fuͤhlten Alle noch eine große Schwaͤche, und das Maͤdchen klagte Über Zittern in den Beinen und Schmer— zen oberhalb des Nabels. — Der Fiſch, von welchem die Eier genommen worden waren, wurde ohne den geringſten Nachtheil von einer armen Familie verzehrt. (Gazz. Med. di Milano, No. 24.) Miscellen. Ueber die urſachen des morbus Brightii ſtellte Dr. Fourcault eine Reihe von Verſuchen an, welche folgende Reſul- tate ergaben: 1) die Haut ift nur ein Secretionsorgan, und die Producte der Tranſpiration finden ſich nicht in ihrem Gewebe. — 2) Ein Thier behält feine Temperatur ſelbſt, wenn die Haut ent— fernt iſt. Albuminurie tritt nach dieſer Operation nicht ein. — 3) Wenn die Hautausduͤnſtung völlig unterdruͤckt iſt, fo zeigen ſich folgende 5 Reihen von Phaͤnomenen: a. bedeutende Veraͤnderung des Blutes; b. betraͤchtliches Sinken der Temperatur; c. Hyper- krinien und Eraüffe verſchiedener Art; d. locale Affectionen; e. Veraͤnderungen in der Zuſammenſetzung des Urines und endlich Al⸗ buminurie. — 4) Dieſelben Phänomene, befonders die letzteren, zeigen ſich, wenn man nach theilweiſer oder voͤlliger Entfernung der Haut eines Thieres Firniß an die Stelle derſelben applicirt. — 5) Hautaſphyxie iſt die Folge einer völligen Aufhebung der Per- ſpiration; ſie kann ſowohl bei Menſchen, als bei niederen Thieren den Tod herbeifuͤhren. In Folge ihrer Unterdruͤckung erlangt das Blut im hoͤchſten Grade die erkaͤltenden und betaͤubenden Eigen⸗ ſchaften des venoͤſen Blutes. — 6) Iſt die Unterdruͤckung partiell oder unvollkommen, ſo erzeugt ſie die allgemeinen Phaͤnomene, welche man bei Fiebern und Entzuͤndungen beobachtet. In Beziehung auf die Rinderpeſt ſind, auf Anregung des Herrn Gubernialrath Nadherny, Protomedicus in Böhmen, viele Sectionen gefallener Thiere veranftaltet, woraus ſich den neues ſten Nachrichten zufolge, ergeben haben ſoll: „daß die inneren Ver⸗ änderungen in der Befchaffenheit des Blutes und der Gedaͤrme ganz dieſelben, wie bei dem menſchlichen typhus abdominalis ſeyen“. Dies fer Wahrnehmung wird hinzugefügt: „daß in vielen Meierhoͤfen gröe ßerer Gutsbeſitzer, wo anftatt der bisherigen Seuchenvorſchriften vielmehr daͤtetiſche und curative Maaßregeln nach der Idee des ty- phus eingeleitet wurden, die in der Umgegend herrſchende Seuche einen meiſt unſchaͤdlichen Verlauf nahm oder gar nicht ausbrach“. — Weitere Pruͤfungen und deren Reſultate ſind zu erwarten. Bibliographische Nam gkeitew Contributions to terrestrial Magnetism. By Lieut. Colonel Ed- ward Sabine. London 1844. 8. On the remedial Influence of Oxygen or Vital Air, Nitrous Oxyde, and other Gases, E'ectricity and Galvanism, inresto- ring the healthy functions of the principal Organs of the bo- dy and the Nerves supplying the Respiratory, Digestive and Muscular Systems. By J. Evans Rindore, MD. London 1844. 8. un; Hall, Marshall, Practical observations and suggestions. By NM. H., MD. London 1844. 8. Saggio di chirurgia teorico- pratica di Giuseppe Bresciani de Borsa. Verona 1843. 8. M. K. Etudes d'oculistique. Par A. Guepın. Nantes 1845. 8. (Hierzu eine Tafel Abbildungen in Quart.) H— ——ñ—ä— — Neue Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Meditinalrathe Froriep ju Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 706. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 9er (Nr. 2. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g. 30 A, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 99x Januar 1845. N art rin n d e. Ueber die Natur der Nerventhaͤtigkeit. Von James Stark, Dr. M. Die Natur der Nerventhaͤtigkeit iſt eines jener Pros bleme, welche in allen Zeitaltern die Aufmerkſamkeit der Forſcher in Anſpruch genommen haben, uͤber die wir aber ſelbſt heutzutage noch nichts Beftiedigendes wiſſen. Je nach— dem man über die Erſcheinungen der Electricitaͤt und des Galvanismus mehr in's Klare kam, in'sbeſondere aber ſeit der Entdeckung eigens zur Entwickelung von Electricitaͤt be— ſtimmter Organe bei gewiſſen Thieren, iſt es uͤblich gewor— den, die Nerventhaͤtigkeit der Fortleitung einer unwaͤgbaren Fluͤſſigkeit zuzuſchreiben, die Daſſelbe, wie die Electricitaͤt, oder der Galvanismus, oder doch dieſen nahe verwandt ſey. Dieſe an ſich ſo beſtechende Theorie, welche uͤberdem durch vielfache Verſuche unterſtuͤtzt und ſcheindar bewieſen wurde, warf die alte Theorie von der Circulation der Lebensgeiſter und einer feröfen Fluͤſſigkeit in den Nerven über den Haus fen und hat gegenwaͤrtig ſo allgemeine Geltung, daß mir keine neuere Schrift bekannt iſt, welche dieſelbe bekaͤmpfte, oder eine andere Theorie aufſtellte. Longet, welcher im Jahre 1842 eine gruͤndliche Schrift uͤber das Nervenſyſtem herausgab, geht weiter, als alle ſeine Vorgaͤnger, indem er ſich darzuthun bemüht, daß die bisjetzt bekannt geworde— nen Verſuche die Identitaͤt der Nervenfluͤſſigkeit und der Electricitaͤt nicht beweiſen; allein dabei laͤßt er es bewen— den, und er ſucht keine andere Theorie an die Stelle derje— nigen zu ſetzen, die er für zweifelhaft ausgiebt. Erſt in die: ſem Jahre wurde ich mit dem Longet'ſchen Werke bekannt; allein ſchon im Jahre 1842 uͤberſandte ich der Londoner Koͤnigl. Geſellſchaft eine Abhandlung, in der ich die Electri— eitätstheorie verwarf und eine andere an deren Stelle ſetzte, nach der ſich, wie es mir ſchien, alle Erſcheinungen erklaͤren ließen. Da nun alle neuerdings bekannt gemachten Ver— ſuche die Folgerungen, welche ich damals zog, mehr und mehr zu beſtaͤtigen ſcheinen und da, meines Wiſſens, kein anderer Schriftſteller eine Theorie an die Stelle der Electri— No. 1806. — 706. citaͤtstheorie zu ſetzen verſucht hat, fo werde ich mich bes muͤhen, meine Anſichten uͤber dieſen Gegenſtand darzulegen. Faſt Alle, die uͤber die Natur der Nerventhaͤtigkeit ge— ſchrieben, haben die Sache von der unrechten Seite ange— griffen. Statt die Zuſammenſetzung der Nerven zu unters ſuchen und ob die Subſtanzen, aus denen ſie beſtehen, wirklich die Fähigkeit beſitzen, die angebliche Electricitaͤt befz ſer zu leiten, als andere Koͤrpergewebe, begann man damit, daß man die Nerven nach der Queere durchſchnitt und mit— telſt von den Schnittenden aus in die Nerven eingeleiteter Electricitaͤt Contractionen derjenigen Organe bewirkte, in welche ſich die Enden der Nerven vertheilten, worauf man ſich alsbald zu dem Ausſpruche berechtigt glaubte, daß die Nervenfluͤſſigkeit entweder Daſſelbe oder doch etwas Aehnliches ſey, wie die Electricitaͤt. Andere Forſcher ſuchten darzus thun, daß die Nervencentren Electricitaͤtserreger ſeyen, und da ſie fanden, daß einige Electricitaͤt entbunden werde, wenn man aus dieſen Organen eine galvaniſche Säule bildete, fo ſchloſſen fie ebenfalls, das Raͤthſel ſey nun gelöft und die Nervenfluͤſſigkeit koͤnne nichts Anderes ſeyn, als Electricitaͤt. Bei meinen Verſuchen ſchlug ich einen ganz entgegen— geſetzten Weg ein, und als ich daher im Jahre 1841 meine Forſchungen uͤber dieſe Materie begann, unterſuchte ich vor Allem die chemiſche Beſchaffenheit und innerſte Structur der Nerven ſelbſt. Da es mir ſchien, als ob viele Reſultate, zu denen die Chemiker ruͤckſichtlich der Zuſammenſetzung des Nervenſyſtemes gelangt waren, dem Umſtande zuzuſchreiben ſeyen, daß ſie Agentien anwandten, welche auf die Nerven— ſubſtanz chemiſch einwirkten, ſo daß ſie Producte und keine Educte erhielten, fo ſuchte ich gleich bei meinen er: ſten Verſuchen dieſem Irrthume vorzubeugen. Ein, von dem umgebenden faſerigen Gewebe ꝛc. ſorg⸗ fältig geſaͤubertes, Stuͤck Nerv wurde einfach getrocknet. Es ſchrumpfte bedeutend ein, und die Oberflaͤche deſſelben be— deckte ſich, wenn das Wetter warm war, mit Troͤpfchen ei— ner waſſerhellen Fluͤſſigkeit, wogegen bei niedrigerer Tempe—⸗ ratur dieſe Fluͤſſigkeit granulirte oder gerann. Zwiſchen den 2 19 Fingern fühlte fie ſich fettig oder oͤlig an; fie hatte den Geruch eines animaliſchen Oeles und ſchmeckte nach Fett. Etwas von dieſer Fluͤſſigkeit wurde in einer feinen Glass roͤhre geſammelt, und man erkannte an derſelben alle Eigen⸗ ſchaften eines thieriſchen Oeles. Bei'm Erwaͤrmen wurde fie klar und durchſichtig; bei gewohnlichen Temperaturen aber nahm ſie die Form einer gelblichweißen, faſt weichen, koͤr— nigen Maſſe an. Mit Alkalien bildete ſie eine Seife, aus der ſich mit Saͤuren die gewoͤhnlichen Fettſaͤuren ausſcheiden ließen. Auf Papier erzeugte ſie Fettflecken, und ſie brannte mit der characteriſtiſchen Flamme und dem Geruche von Fetten oder Oelen. Deßhalb unterlag es keinem Zweifel, daß die aus dem Nerven ſchwitzende Feuchtigkeit wirklich fettiger oder oͤliger Art ſey, und da kein Agens angewandt worden war, welches durch Zerſetzung der Nervenſubſtanz dieſes Reſultat haͤtte hervorbringen koͤnnen, ſo duͤrfte man dreiſt folgern, daß Fett oder Oel einen weſentlichen Beſtand— theil der Nervenſubſtanz bilde. Der getrocknete Nerv wurde nun mit Loͤſchpapier ſorg— faͤltig abgewiſcht und zwiſchen demſelben gepreßt, ſo daß er von allem Oele befreit ward, da er ſich denn ausnahm, wie eine verſchrumpfte Sehne. Es ließen ſich lange parals lele Faͤden von demſelben abreißen, welche an den Sei— ten ſtark aneinanderzuhaͤngen ſchienen. Als man ihn mit Schwefelaͤther gewaſchen hatte, um ihn noch vollends von allen oͤligen Stoffen zu reinigen, ward er mit verſchiedenen Reagentien behandelt, da er denn alle diejenigen Kennzeichen darbot, durch welche eiweißſtoffige Subſtanzen characteriſirt werden. Aus dieſer einfachen Analyſe ergab ſich demnach, daß die Nerven weſentlich aus Oel und Eiweißſtoff beſteben. Ich verſuchte nicht, zu ermitteln, ob Phosphor oder Salze vor— handen ſeyen, indem es in Betreff der Beſtimmung der Na— tur der Nerventhaͤtigkeit nur darauf ankam, die hauptſaͤch— lichſten thieriſchen oder organiſchen Beſtandtheile des Gewe— bes zu ermitteln. Alsdann wurden auch auf die mehr uͤbliche Weiſe Ner— ven analyſirt. Ein Stuͤck Nerv ward in Schwefeläther mas cerirt und mehrmals mit derſelben Fluͤſſigkeit gewaſchen. Als die Aufloͤſung verdunſtet war, erhielt man eine fettige Sub: ſtanz, welche alle gewoͤhnlichen Kennzeichen eines thieriſchen Fettes darbot. Sie war einigermaaßen von der bei'm eins fachen Trocknen des Nerven erlangten Subſtanz verſchieden, indem fie mehr Conſiſtenz beſaß und erſt bei einer höheren Temperatur ſchmolz. Dieß ruͤhrte wahrſcheinlich von einer durch den Aether bewirkten chemiſchen Veraͤnderung her. Die von dem Aether nicht angegriffene thieriſche Subſtanz hatte noch das Anſehen und die Structur des urſpruͤnglichen Ner— ven. Sie ließ ſich in feine parallele Faͤden zerreißen und war, nachdem ſie trocken geworden, faſt durchſichtig, ſo daß ſie ſich wie eine Sehne ausnahm. In Waſſer macerirt, nahm ſie wieder ihre weiße Farbe an, kurz, verhielt ſich ganz, wie eine Sehne oder thieriſche Membran. Bei genauerer Analyſe zeigte es ſich, daß fie faſt ganz aus Eiweißſtoff bes ſtand. 706. XXXIII. 2. 20 Zunaͤchſt kam es nun darauf an, zu beſtimmen, in welcher Weiſe dieſe beiden Beſtandtheile zur Bildung der Nervenfaſer verbunden ſeyen. Obige Verſuche zeigten, daß die Nerven von faſeriger Structur ſeyen, und daß ſie dieſe auch beibehielten, wenn man ſie ihres oͤligen Beſtandtheiles beraubt habe. Bei'm Trocknen der Nerven hatte ſich übers dieß herausgeſtellt, daß die olige Feuchtigkeit durch die Ober— flaͤche derſelben ausſchwitze. Dieſen Umſtaͤnden zufolge ließ ſich mit Zuverlaͤſſigkeit annehmen, daß die Faſern aus hoh— len Roͤhren beſtaͤnden, welche im natuͤrlichen Zuſtande mit einer oͤligen Feuchtigkeit gefüllt feyen. Zur näheren Ermit⸗ telung dieſes Punctes war noͤthig, das Mikroſkop in Ans wendung zu bringen, und da mir bewußt war, welchen Taͤu— ſchungen man ausgeſetzt iſt, wenn man ſich auf eine Form des Mikroſkops allein verläßt, fo ynterſuchte ich friſchge— trocknete, in Aether macerirte und getrocknet geweſene, aber neuerdings in Waſſer macerirte Nerven, ſowohl mit einfa— chen, ſtark vergroͤßernden Linſen von Cryſtall und Granat, als mit dem gemeinen zuſammengeſetzten und verſchiedenen achromatiſchen zuſammengeſetzten Mikroſkopen. Auf dieſe Weiſe ermittelte ich, daß die Nerven aus parallelen hohlen Laͤngsroͤhren beſtehen, die in allen Faͤllen vollig cylindriſch oder durchgehends von gleichem Durchmeſſer waren. Es machte keinen Unterſchied, welcher Nerv unter— ſucht wurde, indem man an allen dieſelbe Art von Strue— tur erkannte. Indem man die verſchiedenartig praͤparirten Nerven mit allen den genannten Inſtrumenten unterſuchte, gelangte man ruͤckſichtlich ihrer wahren Geſtalt zur vollftäns digſten Gewißheit, und wenn Ehrenberg und Andere, welche behaupten, die Gefuͤhlsnerven beſaͤßen in regelmaͤßi⸗ gen Abſtaͤnden Anſchwellungen, ſich deſſelben Verfahrens be= dient haͤtten, ſo wuͤrden ſie dieſe Behauptung nicht aufge⸗ fteut haben. Die ſcheinbaren Anſchwellungen entſtehen durch die Hin- und Herbewegung des Nerven, vermoͤge deren die koͤrnige, fettige Subſtanz aus gewiſſen Portionen der Roͤhren herausgedruͤckt und ſo an anderen angehaͤuft wird. Auf zweierlei Weiſe ließ ſich darthun, daß die Anſchwellungen auf dieſe Weiſe entſtanden ſeyn mußten. 1) Wenn man mit einer Naͤhnadel laͤngs der Faſern hinfuhr, ſo wurde das gekoͤrnte Fett vor der Nadel hingeſchoben, und die ſcheinbar eingeſchnuͤrten Portionen der Roͤhre erhielten den— ſelben Durchmeſſer, wie die uͤbrigen Portionen, ſodaß die, Roͤhre uͤberall denſelben Durchmeſſer darbot. 2) Wenn man eine Portion eines, durch Maceriren in Aether ent— fetteten, dann getrockneten und hierauf wieder in Waſſer eingeweichten Nerven unterſuchte, ſo zeigten ſich deſſen Roͤh⸗ ren durchaus von gleichem Durchmeſſer und mit Waſſer ge— fuͤllt, welches durch Harnroͤhrchenanziehung die Stelle der öligen Subſtanz eingenommen hatte. Dieſe cylindriſchen Roͤhren waren alſo mit der öligen Subſtanz gefüllt, die man in dem einen Falle durch Trock⸗ nen des Nerven und in dem andern durch die Maceration deſſelben in Schwefeläther erlangt hatte. Wenn man bei warmem trocknen Wetter eine gut beſchaffene Portion eines Nerven laͤngere Zeit hintereinander unterſuchte, ſo ſah man deutlich, wie die Roͤhren einſchrumpften und ſich zuſam⸗ 21 menzogen, während das Oel aus den Schnittenden der Roͤh— ren in Troͤpfchen entwich, die haͤufig zuſammenfloſſen, und daſſelbe zugleich durch die auftrocknenden Wandungen der Roͤhrchen ſchwitzte. An der außerordentlichen Kraft, mit der dieſe Troͤpfchen die Strahlen brachen, bemerkte man ſchon deutlich deren olige Beſchaffenheit. Als man die Glas— platte, auf welcher ſolche Tropfchen lagen, abkuͤhlte, wurden ſie feſt und gekoͤrnt, und als man ſie erwaͤrmte, wurden letztere wieder fluͤſſig und mehrere derſelben floſſen zuſammen. Ueber die noch mehr in's Einzelne gehende mikroſkopi— ſche Unterſuchung der Nerven gedenke ich bei einer ſpaͤtern Gelegenheit zu berichten, da es mir hier lediglich daran liegt, gerade genug uͤber die Structur der Nerven beizubringen, um uͤber die Natur der Nerventhaͤtigkeit neue Aufſchluͤſſe zu erlangen. a Die Nerven beſtehen alſo ganz einfach aus feinen haͤu— tigen Roͤhren, die mit einer öligen Fluͤſſigkeit gefüllt ſind. Wenn man an einem friſch getoͤdteten, aber noch warmen Thiere die Nerven unterſucht und dieſe auf eine bis zur Temperatur des Thieres erwaͤrmte Glasplatte bringt, ſo er— ſcheint die fettige Subſtanz in den Roͤhrchen durchaus fluͤſ— ſig; allein wenn die Glasplatte verkuͤhlt, nimmt das Oel, indem es gerinnt, ein gekoͤrntes Anſehen an. Bei kaltbluͤ— tigen Thieren war der Fall derſelbe. Bei Lebzeiten derſelben zeigte ſich der Inhalt der Nervenroͤhrchen ſtets fluͤſſig, wenn gleich bei kaltem Wetter, wo die Thiere mehr oder weniger erftarrt waren, das Nervenoͤl allerdings auch zuweilen in gewiſſem Grade geronnen erſchien. Nachdem wir ſo zu einer ziemlich zuverlaͤſſigen Be— kanntſchaft mit der Zuſammenſetzung und Structur der Ner— ven gelangt ſind, ſehen wir uns in den Stand geſetzt, die Natur jenes bisher noch unbekannten Einfluſſes zu unterſu— chen, welches offenbar durch dieſe Organe fortgepflanzt wird, um die Willensacte den peripheriſchen Körpertheilen zuzuführen und das Gefühl nach den Nervencentren zuruͤckzuleiten. Solange die wahre Structur und Zuſammenſetzung der Nerven unbekannt waren, beruhten alle Unterſuchungen in Betreff der Natur der Nerventhaͤtigkeit auf bloßer Theorie. Dr. Roget, einer unſerer neueſten und gediegenſten Phy— ſiologen, folgerte daher aus dem gegenwaͤrtigen Stande un— ſerer Kenntniß von dieſem Gegenſtande ganz richtig, „daß wir uͤber die Natur der Kraft, durch welche die Nerven je— ne ſchnelle Communication laͤngs ihrer Faͤden bewirken, ja ſelbſt uͤber die Veraͤnderungen, welche waͤhrend der Vollzie— hung dieſer Function im Nerven ſtattfinden, noch nicht das Geringſte wiſſen )“. Und überhaupt muß Jeder, der den ganzen Gegenſtand von allen Seiten gruͤndlich erwaͤgt, den Herren Longet und Roget darin Recht geben, daß wir uͤber die Natur der Nervenkraft noch voͤllig im Dun— ken ſind. Unter den verſchiedenen Theorien, welche man von Zeit zu Zeit Über die Natur der Nerventhaͤtigkeit aufgeſtellt hat, iſt, wie geſagt, diejenige in neuerer Zeit allgemein an— erkannt worden, welche die Nervenkraft fuͤr identiſch mit ) Encyclopaedia Britannica, last Edit. Vol. 17, p. 672. 706. XXXIII. 2. 22 Electrititat oder Galvanismus oder doch für etwas dieſen ganz Aehnliches ausgiebt. Wir wollen nun unterſucheu, in wiefern dieſe Annahme mit den Verſuchen, ſowie mit der von mir ermittelten wahren Structur und chemiſchen Zus ſammenſetzung der Nerven übereinftimmt. Sind die Nerven Electricitätsleiter? Der Verſuch, mittelſt deſſen Wilſon Philip fand, daß im Ma- gen eines Thieres Futter verdaut werde, obgleich das achte Nervenpaar queer durchſchnitten worden, wenn nur die Schnittenden mittelſt eines galvaniſchen Apparates miteins ander in Verbindung geſetzt wurden, galt Vielen fuͤr einen vollguͤltigen Beweis, daß die Nerven Electricitaͤtsleiter ſeyen, und daß die Nervenkraft Daſſelbe oder etwas Aehnliches ſey, wie die Electricitaͤt. Als die Herren Breſchet und Milne Edwards im Jahre 1825 *), Herr Braſchet im Jahre 1837 **) und Herr Longet im Jahre 1842***) denſelben Verſuch mit mehreren Modificationen vornahmen, bewiefen fie zur Genuͤge, daß derſelbe Erfolg ebenſowohl erreichbar ſey, wenn man die Schnittenden des nexvus va— Sus nur auf mechaniſche Weiſe reizte, woraus ſich wenig— ſtens ergab, daß die Electricitaͤt mit dieſer Erſcheinung nichts zu ſchaffen hat, und daß die Nervenkraft und Electricitaͤt keineswegs identiſch find +). a Zu denſelben Folgerungen gelangt man mittelſt einer Pruͤfung der Verſuche, welche beweiſen ſollen, daß die Elec— trieität die Nervenkraft in Bezug auf die Contraction der Muskeln erſetzen konne. Denn es iſt allgemein bekannt, daß, wenn ein ſich in Muskeln verzweigender Nerv mecha— niſch gereizt wird, die Muskeln ſich ebenſo ſchnell und kraͤf— tig zuſammenziehen, als wenn man Electricitaͤt zu dieſem Zwecke anwendet, und daß es unweſentlich iſt, ob der Koͤr— per, mittelſt deſſen die Reizung bewirkt wird, ein Electrici— tätsleiter iſt, oder nicht. Hiervon habe ich mich ſelbſt wie— derholt uͤberzeugt. Die ſehr buͤndigen Verſuche Longet's haben indeß genuͤgend bewieſen, daß die Muskeln ihre Reiz— barkeit und Contractionsfaͤhigkeit noch Wochen lang behal— ten, nachdem die Nerven queer durchgeſchnitten worden, und noch Wochen lang, nachdem die Nerven die Faͤ— higkeit eingebuͤßt haben, die durch Electricität und mechaniſche Agentien erzeugte Reizung fortleiten +7). Ihre ſtaͤrkſte Unterſtuͤtzung dürfte die Electricitaͤtstheorie durch die hinreichend feſtgeſtellte Thatſache erhalten haben, ) Archives générales de Médecine, Vol. VII., 197. ) Recherches experimentales sur les fonctions du Syst. Nerv. ganglion. Paris 1837, p. 250. ) Anatomie et Physiologie du Systeme nerv. 2 Vols. 8vo. Paris 1842. Vol. 1., p. 124 et Vol. II., p. 322. +) Hier folgert der Verfaſſer aus den erwähnten Experimenten offenbar zu viel gegen die Electricitätstheorie, auch abgeſehen davon, daß, nach vielfachen neuen Unterſuchungen, bei allen mechaniſchen Reizen, Temperatur-Veraͤnderungen, chemiſchen Thaͤligkeiten ꝛc. die Electricitaͤt eine Rolle zu ſpielen ſcheint. ’ g D. Ueberſ. ++) Comptes rendus des seances de I' Acad. d. Sciences, Juil. * 2 * 23 daß ſich in gewiſſen Organen einiger Fifche Electricitaͤt ent: wickelt. Dieſe Organe ſind ſtark mit Nerven verſorgt, und man hat daraus gefolgert, daß der electrifhe Apparat nur die Rolle einer Leidner Flaſche ſpiele, naͤmlich die von den Nervencentren erzeugte Electricität anzuſammeln. Ruͤckſicht— lich der Feſtſtellung der Stelle, wo bei den electriſchen Liz ſchen die Electricitaͤt erzeugt wird, ſind bisjetzt nur wenig befriedigende Verſuche angeſtellt worden. Allerdings verliert das Thier, wenn die dem Organe zugehenden Nerven durch— ſchnitten werden, die Faͤhigkeit, Schlaͤge zu ertheilen, und Herr Matteucci hat neuerdings nachgewieſen, daß ſchon das Unterbinden der Nerven dieſelbe Wirkung hervorbringt. Dieſe Thatſache beweif’t alſo ſchon an und für ſich, daß die Nervenkraft, welcher Art fie auch ſonſt ſeyn möge, dem fei— nen electriſchen oder galvaniſchen Fluidum durchaus nicht ähnlich ſeyn Eönne, weil ſonſt eine bloße Zuſammendruͤckung des leitenden Körpers deren Fortpflanzung unmoͤglich ver: hindern koͤnnte. Die Verſuche, welche Perſon im Jahre 1830 anſtellte *), find für dieſe Behauptung durchaus be— weiſend. Er fand, daß, wenngleich durch Zuſammendruͤckung, Unterbindung oder Durchſchneidung eines Nerven die Fort: pflanzung der Nervenkraft durchaus verhindert wurde, die Electricitaͤt durch den Nerven dennoch noch voͤllig ebenſogut fortgeleitet werden konnte, als vorher, und als ob er aus einer Membran beftanden hätte. Ueberdem wiſſen wir, daß der durch dieſe electriſchen Organe ertheilte Schlag nur nach einer Richtung hin wirkt (welche Thatſache ebenfalls uns laͤngſt durch Herrn Matteucci ermittelt worden iſt), und dieſe Thatſache beweiſ't, daß die Electricitaͤt in den electri⸗ ſchen Organen ſelbſt erzeugt wird, deren ganze innere Eins richtung und Zuſammenſetzung aus feſten und fluͤſſigen Thei⸗ len dafür ſpricht, daß fie nach Art einer galvaniſchen Säule wirken. Die ſtarke Verſorgung dieſer Organe mit Nerven ſcheint nur den Zweck zu haben, die letztern vollſtaͤndig un⸗ ter die Herrſchaft des Willens des Thieres zu bringen, da: mit dieſelben ſo kraͤftig erregt werden koͤnnen, daß ſie die zur Ertheilung des Schlags noͤthige Menge von Electricität ploͤtzlich zu erzeugen, im Stande ſind. Wenngleich die ſcharfſinnigen Verſuche und Abhandlun⸗ gen Matteucci's “) urſpruͤnglich in der Abſicht unters nommen worden zu ſeyn ſcheinen, die Aehnlichkeit der Mer: fluͤſſigkeit und der Electricitaͤt darzuthun, fo geht doch aus ihnen klar hervor, daß die Nervencentren nicht die naͤmliche Faͤhigkeit, Electricitaͤt zu erzeugen, beſitzen, wje die uͤbrigen feſten Koͤrpertheile, ſondern dieſen in dieſer Beziehung weit nachſtehen. In feinem letzten, in den Annales des scien- ces naturelles, Auguſt 1843, abgedruckten Aufſatze, wel— cher die Fortſetzung ſeiner fruͤheren Forſchungen enthaͤlt, zeigt er nicht nur, daß ſehr ſtarke electriſche Stroͤmungen in ) Person, Sur hypothese des courants £lectriques dans les nerfs. Journal de Physiologie experimentale. Vol. X., p. 216. **) Beh Neue Notizen Nr. 185 (Nr. 9. d. IX, Bos.) S. 129 U. ’ 706. XXXIII. 2. 24 Muskeln erregt werden, ſondern auch, daß dieſe Etrömuns gen von den Nerven und der Nervenkraft durchaus unab— haͤngig find und nicht dieſelbe Richtung haben, wie die Ner⸗ ven. Dieſe Verſuche ſind demnach fuͤr die oben aufgeſtellte Anſicht, daß die electriſchen Organe vermoͤge ihrer eigen⸗ thuͤmlichen Structur die Electricität in ſich ſelbſt erzeugen, ſehr beweiſend, da ja alle thieriſche Structuren dieſe Faͤhig— keit im höheren oder geringeren Grade beſitzen und Mat= teucci's Experimente dafür ſprechen, daß die Nervencen⸗ tren eine geringere Quantitaͤt Electricitaͤt entwickeln, als die uͤbrigen Gewebe des Koͤrpers. ö So werden wir denn auf die wichtige Frage geleitet, ob je nachgewieſen worden ſey, daß die Nerpen Electricitaͤts⸗ leiter find? Bevor Profeſſor Biſchoff zu Heidelberg die Reſultate ſeiner Verſuche im Jahre 1841 bekannt gemacht hatte, waren faſt alle Umſtaͤnde, die angeblich beweiſen folls ten, daß die Nerven Electricitaͤtsleiter ſeyen, nur von gewiſ— fen Erſcheinungen abgeleitet, die ſich bei'm Electriſiren der Nerven kundgegeben hatten. Jener ſorgfaͤltige Experimen⸗ tator fand jedoch nach einer hoͤchſt gruͤndlichen Unterſuchung, daß ſich mittelſt der empfindlichſten Inſtrumente nicht nur keine electriſchen Stroͤmungen entdecken ließen, ſondern daß uͤberdem die Nerven ſehr ſchlechte Electricitaͤtsleiter ſeyen. Uebrigens ermittelte er zugleich, daß dieſe Organe eine ſehr bedeutende Erregbarkeit in Beziehung auf dieſes Agens beſitzen. (Kortfegung folgt.) Misere lie Von Vergiftung der Fiſche eines Fluſſes hat man kuͤrzlich folgende Erfahrung gemacht. Man hatte vor Kurzem eine große Anzahl Fiſche in dem Fluſſe Ellen, in Cumberland, todt ge⸗ funden und die Meinung gefaßt, daß der Fluß durch Fiſchdiebe ver⸗ giftet worden, um ſich ihrer Beute zu bemaͤchtigen. Herr P. Senhouſe, in dem Glauben, daß der Fluß giftige Ingredienzen enthalten moͤge, fuͤllte einige Flaſchen mit dem Waſſer, welche er Herrn Wilſon zu Whitehaven zuſendete, um es zu analyſiren. Durch Reagentien entdeckte Herr Wilſon, daß das Waſſer Eiſen— oxyd und ſchwefelſauren Kalk in dem Verhaͤltniſſe von 31 Gran auf die Pinte Waſſer enthielt. Dieß erklaͤrt nun wohl das Umkommen der Fiſche, aber bei weiterer Nachforſchung uͤber die Urſache fand ſich, daß die Eigenthuͤmer von den Kohlengruben in der Nähe von Dearham aus einigen ihrer Gruben das Waſſer ausgepumpt hat⸗ ten, welches ſeinen Weg in den Fluß gefunden hatte. Ueber eine Giraffe, welche Herr Profeſſor Gurlt in Berlin zu ſeciren Gelegenheit gehabt hat, hat derſelbe der Geſellſchaft naturforſchender Freunde daſelbſt einige Bemerkungen mitgetheilt. „Muskeln, Speicheldruͤſen, Geſichtsnerven find denen des Rindes ähne lich. Die Giraffe hat einen Muskelbauch mehr am m. extensor digi- torum communis longus der Vorder- und Hinterbeine. Die Hornſoh⸗ len der Klauen find wie gewoͤhnlich und nicht in eine Buͤrſte zer⸗ faſert, wonach alſo die Angabe von Ball (N. Notizen Nr. 691. S. 138.) zu berichtigen! iſt. Die Lungen, nicht fo tief in Laͤpp⸗ chen getheilt, enthielten Echinococcus veterinorum.“ Nekrolog. — Der, hauptſaͤchlich durch feine mikroſkopi⸗ ſchen Unterſuchungen über die Gewebe des menſchlichen Körpers, hochverdiente Profeffor der Anatomie zu Wien, Dr. v. Berres, iſt am 24. December 1844 geſtorben. — —. —_—_ — ——_ 25 706. XXXIII. 2. 26 Hr ik u n d. Fall von bedeutender Kopfverletzung mit Zer— reißung des vorderen Hirnlappens; Tod nach fuͤnf Monaten. Von Dr. L. Ciniſelli. Ein Mann von dreißig Jahre ſtand auf ſein gelade— nes Gewehr geſtuͤtzt, als der Schuß ploͤtzlich losging und ihn an der linken Seite des Geſichtes traf. Er verlor im Au— genblicke des Unfalls ſein Bewußtſeyn nicht und wurde auf die Verletzung erſt durch das Hervorſtroͤmen des Blutes aufs merkſam gemacht. Er ging zu einem Bache hin, um ſich zu waſchen, und erkannte nun erſt die ganze Groͤße ſeines Ungluͤcks. Die Wunde verlief von Unten nach Oben und von Vorn nach Hinten; der Schuß hatte, außer einer Haͤlfte der Lippe und Wange der linken Seite, vom Kinne bis zur Stirn, faſt den ganzen Oberkiefer derſelben Seite zerſtoͤrt, von welchem nur der Gaumenfortſatz und der Theil des arcus alveolaris, welcher den drei letzten Back- und den Schneidezaͤhnen entſpricht, uͤbrig geblieben war. Die aͤußere und linke Platte des Siebbeins, das Thraͤnenbein und die innere Haͤlfte der pars orbitalis ossis frontis bis zum kleinen Fluͤgel des Keilbeins waren gleichfalls zerſtoͤrt; die Stirnhaut war unverſehrt, ebenſo die Hoͤrner des Keilbeins, der vomer, die aͤußere Platte des Keilbeins auf der rech— ten Seite und der processus orbitalis des rechten Ober kieferbeins. Die Geſichtswunde war von einem Verluſte des halben Augapfels und von einer Schaͤdelwunde begleitet, aus welcher ein Stuͤck zerriſſenes Gehirn hervorhing. Die Gehirnentzuͤndung blieb nicht lange aus, dennoch verlor der Kranke nicht das Bewußtſeyn von dem, was um ihn her vorging; er widerſetzte ſich hartnaͤckig jedem Heilverfahren, ſo daß man in dieſem Falle den Weg verfolgen konnte, wel: chen die Natur einſchlug, um Heilung herbeizufuͤhren. Am fuͤnften Tage nach dem Unfalle waren die Symptome der encephalitis verſchwunden, und es begann die Exfoliation der abgeſtorbenen Partieen. Der Verwundete, welcher in den vorhergehenden Tagen große Neigung zum Deliriren ge— habt hatte, lag jetzt mehr im stupor und konnte nur mit Mühe verwirrte Worte hervorbringen. Am ſieben⸗ ten Tage epileptiſche Krämpfe 2 Stunde lang, darauf He: miplegie der rechten Seite; eine Stunde nachher floß aus der Oeffnung des Schaͤdels eine große Menge eitrigen Se— rums ab, worauf die Stimme wiederkehrte. Am elften Tage loͤſ'ten ſich viele abgeſtorbene Stuͤcke, ſowie auch die Hirnportion, welche aus dem Schaͤdel heraushing, los; durch die Oeffnung an der basis eranii drängte ſich eine andere Portion aſchfarbige Hirnſubſtanz hervor, welche eine abge— plattete Geſchwulſt von der Größe einer Bruſtwarze bildete. Der Kranke wurde ſehr leicht aus dem sopor erweckt, druͤckte ſich aber noch in ſchlecht articulirten Worten aus. Am vierzehnten Tage loͤſ'te ſich auch jene kleine vorſpringende Hirnmaſſe ab, und es blieb ein kleiner, Eugelförmiger, aſch— farbener, eiternder, umſchriebener und pulſirender tumor zu⸗ ruͤck. Neigung zum Schlummer, Sprechen erſchwert, oft Gebrauch ungehoͤriger Worte. Am dreiundzwanzigſten Tage Abfallen der noch vorliegenden Hirnpartie; die Oeffnung im Schaͤdel war nun frei, ſie war kreisfoͤrmig, von Fleiſchgra— nulationen umgeben, 9““ im Durchmeſſer, und durch dieſelbe erblickte man in einiger Entfernung die weiße Hirnſubſtanz. Es war weder stupor noch Beeintraͤchtigung des Gedaͤcht— niſſes oder der Stimme vorhanden. Am achtundzwanzigſten Tage ſchien ſich die Hirnſubſtanz mehr und mehr der Oeff— nung im Schaͤdel zu naͤhern; nach und nach bildeten ſich Adhaͤren zen zwiſchen derſelben und den Granulationen, und ſie bedeckte ſich ſelbſt mit Fleiſchwaͤrzchen, welche dieſelbe am einundvierzigſten Tage dem Geſichte entzogen. Waͤhrend dieſer Zeit nahm das Gedaͤchtniß bedeutend ab, aber am dreiundfunfzigſten Tage waren alle Geiſtesfunctionen vollkom⸗ men wiederhergeſtellt, und die das Gehirn bedeckenden Gra— nulationen hatten ſich in eine ſo ſtarke und dicke Pſeudo— membran umgewandelt, daß man die Bewegungen des Ge— hirns weder ſehen noch fühlen konnte. Dieſe Pſeudomem— bran ſtieg nun noch weiter hinunter und fuͤllte die Wunde der Wange aus, indem ſie mit den benachbarten Theilen verwuchs. Mit der Wiederkehr der Geiſteskraͤfte ſtellte ſich auch die Kraft wieder in den gelaͤhmten Gliedern ein. Drei Monate nach der Verwundung ging der Kranke allein aus; aber am Ende des vierten Monats verfiel er nach einer hef— tigen pſychiſchen Aufregung in Truͤbſinn, ein anhaltender Kopfſchmerz der linken Seite geſellte ſich hinzu, der Appetit ſchwand, die Kraͤfte nahmen ab, der Kranke magerte ab und ſtarb fuͤnf Monate nach dem Unfalle. Autopfie. In dem vorderen Lappen der linken Hirns hemifphäre ein Abſceß, welcher gegen drei Unzen Eiter ents hielt, ſich vom corpus callosum bis zur basis cerebri erſtreckte und in die orbita hineinreichte, allenthalben von der beſonders nach Vorn und Unten ſehr verduͤnnten Hirn— ſubſtanz umgeben. Die dura mater ragte ein Wenig in die große Oeffnung der Augenhoͤhle hinein und hing mit einer ſehr ſtarken Pſeudomembran zuſammen, welche das Ge⸗ hirn umkleidete und mit der Hirnmaſſe, welche in die orbita gerathen war, ſehr fefi vereinigt war. Hinter dem linken Stirnhoͤcker fand man die dura mater verdickt und drei⸗ ßig Bleikoͤrner, welche von viel plaſtiſcher Lymphe umgeben waren, enthaltend. In der linken Seite der orbita fanden ſich die Thraͤnendruͤſe, die Ueberreſte des Augapfels, die Zweige des trigeminus und des n. opticus in'sgeſammt atrophiſch; der n. opticus war bis zur sella turcica atro⸗ phiſch. Der linke Ventrikel war durch den Abſceß compris mirt und in faſt transverſaler Richtung in die Höhe ges hoben und etwas Eiter enthaltend, welcher durch die Zerrei— ßung der innern Wand des Abſceſſes hineingekommen war. (Aus Ann. univ. di Medicina in Arch. gen. de Med., Juillet 1844.) 27 Fall von Eierſtockswaſſerſucht. Von Ignatius Wilkins. Dieſer Fall iſt intereſſant ſowohl in Betreff des Alters der Kranken, als auch der Symptome, welche das Uebel be— gleiteten und demſelben vorangingen, und in Betreff der Schnelligkeit, mit welcher die Affection ihre Akme erreichte. Die Kranke iſt unverheirathet, zweiundzwanzig Jahre alt, bis zur Zeit ihrer Krankheit regelmaͤßig menſtruirt und, mit Ausnahme bilioͤſer Störungen, im Ganzen geſund. Als ſie mich zuerſt conſultirte, war ſie einundzwanzig Jahre und einige Monate alt, ſchlank, großgewachſen, mit roͤthlichen Haaren, und klagte uͤber Schmerzen im Leibe, welche bald verſchwanden; aber am 25. Mai wurde ſie ziemlich ploͤtz— lich von heftigen Schmerzen in der Lebergegend befallen. Wahrend ihres früheren Unwohlſeyns war der Leib ſorgfaͤl— tig unterſucht, aber keine Geſchwulſt oder eine Auftreibung irgend einer Art entdeckt worden. Das Uebel ſtellte ſich jest als hepatitis serosa dar, und örtliche Blutentziehun— gen, Calomel mit Opium und Gegenreize ſchafften Erleich— terung, doch blieb etwas Schmerzhaftigkeit zuruͤck, und von Zeit zu Zeit traten anfallsweiſe Schmerzen ein; der Leib trieb bedeutend auf, und am 10. Juni war Fluctuation zu fuͤhlen. Mercurialien bis zum beginnenden Speichelfluſſe, dann Squilla, Kali nitricum, Digitalis, Calomel, Spi- ritus nitricus aether., Taraxacum und Elaterium blies ben faſt ganz ohne Wirkung, und die Anſchwellung des Leibes nahm immer mehr zu; ebenſowenig leiſteten Blaſen— pflaſter uͤber den ganzen Leib und Jodeinreibungen. Die Mittel wurden daher ganz bei Seite geſetzt und nur von Zeit zu Zeit ein Abfuͤhrmittel oder Opiat gereicht. Am 21. Juli, acht Wochen nach dem Anfange der Krankheit, hatte der Leib ganz den Umfang, wie am Ende der Schwangerſchaft, die Bauchdecken waren ſehr geſpannt, Fluctuation faſt nur in der rechten Inguinalgegend in einem Umfange von der Groͤße eines Kindeskopfes, auch ragte dieſe Seite mehr hervor, als die andere und war ſchmerzhafter bei'm Drucke; die Kranke litt ſehr an Athemnoth, ſie konnte nicht im Bette liegen, und man hielt es daher fuͤr gerathen, die Quantität der Fluͤſſigkeit zu verringern. Der Troicar wurde ungefaͤhr in der Mitte zwiſchen Nabel und Schaam eingefuͤhrt, und nachdem die Wandungen mehrerer Saͤcke durchbrochen worden waren, floffen ungefaͤhr 5 Pinten einer ſtark eiweißhaltigen Fluͤſſigkeit durch die Canuͤle ab. Die Spannung war bedeutend gemildert, aber ſchon am 15. Auguſt war eine Erneuerung der Punction nothwendig, durch welche aber nicht Über eine Unze Fluͤſſigkeit, fo dick wie Ei— weiß, entleert werden konnte, trotz der wiederholten Verſuche, die Wandungen des Sackes mit einer Sonde zu durchſto— ßen. Der Troikar wurde darauf von Neuem ungefähre 4“ links von dem erſten Einſtiche eingefuͤhrt, und gegen 20 Pinten entſchiedener Dvarialflüfjigkeit entleert. Am 27. October Entleerung von 16 Pinten, das ziemlich ploͤtzliche Herabſteigen des Zwerchfells verurfachte heftigen, krampfhaf— ten Huften; am 26. November Entleerung von 31 Pinten Fluͤſſigkeit von etwas dunklerer Farbe, als früher, der Hu— 706. XXXIII. 2. 28 ſten, dießmal heftiger und anhaltender, erſt durch ſtarken Druck auf den Leib gemildert. Bei der Unterſuchung des Bauches einige Tage ſpaͤter bemerkte man eine kleine, weiche Geſchwulſt, rechts von der Punctur, in der Mittellinie, allem Anſcheine nach eine obliterirte Cyſte. Das Ausſehen der Kranken beſſerte ſich von jetzt an ziemlich, und ſie gewann an Fleiſch, aber der Leib trieb wieder auf und, war am 29. December ſo ſtark, wie fruͤher. Am Abende dieſes Tages ſchickte ſie zu mir; ſie hatte ſich den Tag hindurch ſchlecht befunden, klagte uͤber heftige Schmerzen in der rechten Seite bis zur Schaam hinunter, dieſe Seite war ſchmerzhaft bei'm Drucke, und der Schmerz nahm bei der Inſpiration zu, große Angſt, Haut heiß, Puls über 100, gereizt. (Cata⸗ plasmen, Sinapismen; Protochlorid. Hydrarg. gr. jjj Opii 6 gr. j. Mf. pil. Sogleich zu nehmen — K Kali nitrici 3j, Magn. sulphur. 5£, Tinet. hyoscyami 3j. Aquae comm. 5vj. D. S. dreiſtuͤndlich 1 Unze.) 30. December. Schmerz etwas gemildert, anhaltendes Erbrechen, Urin ſpaͤrlich (Calomel gr. 6 alle Stunden; Mixtur fortzuſetzen und zu jeder Doſis Spirit. nitr. aether. gtt. XX., Calom. gr. 5 hinzugeſetzt.) 1. Juni. Noch etwas Schmerz, Athemnoth dieſelbe (Senfteige; Mixtur wie oben; KR Hydr. subl. corr. gr. j. Opii & gr. j M. f. pill. 6. D. S. eine Pille alle 2 Stunden.) 2. Juni. Beſſer, Urinſecretion vermehrt. Die Harnſecretion vermehrte ſich von jetzt an bedeutend, der Leib fiel zuſammen und wurde auf ein Drittel ſeines fruͤheren Umfangs redicirt und die Kranke erſchien in jeder Beziehung beſſer. Bald nahm ſie jedoch wieder an Umfang zu, dieſelben Symptome, wie fruͤher, traten ein und wurden auf dieſelbe Weiſe beſeitigt. Diuretica leiſteten Nichts. Seitdem iſt keine Punction mehr noͤthig geworden, und die Kranke kann, wenn auch von enormem Umfange, doch um— hergehen, ißt mit Appetit und befindet ſich leidlich wohl. (Lancet, June 1844.) Fall von Ovarialgeſchwulſt als Hemmung der Entbindung. Von Edward Headland. Vor ungefaͤhr drei Jahren wurde ich zu einer jungen Frau von vierundzwanzig Jahren gerufen, welche eine ges raume Zeit hindurch an Amennorrhoͤe gelittten hatte; der Bauch war in der letzten Zeit ſehr angeſchwollen, und man entdeckte leicht eine Geſchwulſt in der linken regio iliaca von betraͤchtlichem Umfange und deutlich vom linken Cier- ſtocke ausgehend; dabei hartnaͤckige Obſtruction, Abmagerung und Blaͤſſe der Geſichtsfarbe. Abfuͤhrmittel und milde Ei— ſenpraͤparate beſſerten ihr Allgemeinbefinden bedeutend, und ſo wurde ſie aus der Behandlung entlaſſen. Am 11. Mai 1844 wurde ich von Neuem zu ihr gerufen, um fie zu ent= binden. Sie hatte den Tag uͤber von Zeit zu Zeit Schmer— zen empfunden, dieſe nahmen Abends zu, und bei der Un— terſuchung fand ich, daß faſt die ganze vagina durch das 29 Vorhandenſeyn eines tumor in dem unteren und hinteren Theile der Beckenhoͤhle, welcher in der Aushoͤhlung des Kreuzbeins, mit feiner ſtaͤrkſten Prominenz gerade der Sym— physis ossium pubis gegenüber und zwiſchen dem Maſt⸗ darme und der hinteren Wand der vagina lag, in ihrem Umfange verkleinert wurde. Die Geſchwulſt war etwas elaſtiſch und fühlte ſich wie ein fungus oder eine Cyſte, mit einer Fluͤſſigkeit gefüllt, an. Außer dieſer Hervorragung und 3“ von der aͤußeren Oeffnung der vagina entfernt, befand ſich eine zweite von feſterer Beſchaffenheit, ſehr wenig nachgebend und von Knochen- oder Knorpelhaͤrte, entweder an die erſte Geſchwulſt oder an das Kreuzbein angeheftet. Mit vieler Mühe, da an einer Stelle etwa nur 13“ Zwiſchen⸗ raum war, erreichte ich den Muttermund, welcher ſich zu er— weitern begann, und der Kopf des Kindes konnte durch die Blaſe hindurchgefuͤhlt werden; die Erweiterung betrug etwa die Größe eines Viergroſchenſtuͤckes, der Muttermund ſtand direct gegen die Scheidenmuͤndung hingerichtet, und nicht nach Hinten gegen das Kreuzbein, zum Zeichen, daß der uterus durch die Geſchwuͤl— ſte höher hinauf in die Bauchhoͤhle gedrängt worden war. Da die Wehen noch ſehr ſchwach waren, ſo hielt ich es fuͤr das Beſte, zu warten. Bei einer zweiten, bald darauf ange— ſtellten, Unterſuchung war ich erſtaunt, meinen Finger mit einer Art faͤcalen Ausfluſſes bedeckt zu finden, welcher aber, wegen ſeiner blaßgelben Farbe, nicht Meconium ſeyn konnte; dieſer Ausfluß fand anhaltend bis zum Ende der Entbin— dung ſtatt, welche von da an noch vierundzwanzig Stunden dauerte, und der tumor wurde während deſſen immer klei— ner. Der Kopf ſtieg immer weiter hinunter, und das Kind wurde mittelſt der kurzen Zange ohne Schwierigkeit zur Welt gefoͤrdert. Der uterus zog ſich bald zuſammen, und ich ging deßhalb an dem Nabelſtrange hinauf, um die pla- centa zu entfernen; da ich fie jedoch noch nicht geloͤſ't fand, ſo hielt ich es fuͤr beſſer, noch einige Zeit zu warten. Bei dieſer Unterſuchung konnte ich eine Oeffnung in dem oberen und hinteren Theile der vagina, dicht am Muttermunde, fühlen, welche mit der Höhle des Darmcanals in Verbin: dung ſtand, und durch welche ich leicht zwei Finger einfühs ren konnte. Da die placenta nach geraumer Zeit nicht von ſelbſt kommen wollte, fo loͤſ'te ich fie, obwohl mit gro— ßer Schwierigkeit, da ſie durchweg an der Uterinflaͤche an— gewachſen war. Die Kranke fuͤhlte ſich anfangs erleichtert, ein Opiat wirkte beruhigend, bald aber Erbrechen, Unruhe, kalte Schweiße, kleiner, frequenter Puls, beſchleunigte Reſpiration, Tod nach vierundzwanzig Stunden. Section. Bei Eröffnung der Bauchhoͤhle zeigte ſich ſogleich das kranke linke ovarium, welches ſich aus der fossa iliaca sinistra erhob und hoch über den contrahir— ten und normalbeſchaffenen uterus hinauf in die Becken⸗ hoͤhle ragte. Dieſes ovarium war von der Größe einer Kokosnuß, ſehr gefaͤßreich, von einer halbdurchſichtigen Fluͤſ— ſigkeit ausgedehnt und auf ein Drittel ſeines Umfangs ſcir— rhoͤs, das ligamentum latum dieſer Seite melanotiſch. Bei'm Offenlegen der vagina und des uterus zeigte ſich die oben angegebene Oeffnung, die aber in keiner directen Verbindung mit dem Darmcanale ſtand; ſie war mißfarbig, 706. XXXIII. 2. 30 ſowie auch das umliegende Gewebe, welches ſo duͤnn war, daß es unter dem Fingerdrucke brach und tief braun gefaͤrbt war. Der rechte Eierſtock war noch weit groͤßer, als der linke und erſtreckte fi hinter dem uterus zwiſchen vagina und reetum bis 2“ vom After hinab. Er war an feinem kleineren Ende geplatzt, wo ſich eine große Oeffnung befand, welche mit der in der vagina correſpondirte, und aus wel⸗ cher der obenbeſchriebene fäculente Ausfluß ſtattfand; auch dieſer Eierſtock war in großer Ausdehnung ſcirrhoͤs entartet. Von der placenta ſaßen noch einige Flocken in der Uterin— ſubſtanz, welche ſelbſt nicht mit dem Meſſerſtiele herausge— ſchaͤlt werden konnten. Die Gedaͤrme waren geſund. (Lan- cet, June 1844.) Lungenfiſtel in Folge ſcrophuloͤſer Necroſe. Von Herrn Grapin. L. A. Travers, 17 Jahre alt, Lehrling, wurde am 22. Maͤrz 1844 in das Hoſpital St. Louis aufgenommen. In ſeinem dreizehnten Jahre brachen bei ihm unverkennbare Zeichen der Scrophuloſis aus, die in Abſceſſen an der vor— deren und ſeitlichen Wand der Bruſt, ſowie in Anſchwellun— gen der Halsdruͤſen, beſtanden. Spaͤter entſtanden aͤhnliche Abſceſſe auch an anderen Koͤrpertheilen. Status praesens: Patient iſt in ſeinem Wachsthume zuruͤckgeblieben; Geſichts— farbe blaß; erdfahl; Koͤrper abgemagert; Geſchlechtstheile nur wenig entwickelt; Athem erſchwert; Huſten mit eiterars tigem Auswurfe; kein Fieber; Appetit geſchwaͤcht; Stuhl unregelmaͤßig, zuweilen Diarrhoͤe. An der rechten Seite be— merkt man unter dem Rande des großen Bruſtmuskels, uͤber der fuͤnften Rippe, eine vertiefte, nach Hinten ſich zuſpitzende Geſchwuͤrsoͤffnung, aus welcher Eiter und Luft unter ziſchen— dem Geraͤuſche hervordringt. Beſonders deutlich iſt jenes Geraͤuſch, wenn der Kranke nach einer tiefen Inſpiration Mund und Naſe ſchließt und ſo die Exſpiration verſucht. Dieſe Fiſtel, in deren Grund man mit der Sonde eine ne— crotiſche Rippe fuͤhlt, hatte ſich aus einem, vor 8 Monaten entſtandenen, Abſceſſe gebildet. Der Percuſſionston iſt vorn, mit Ausnahme einer umſchriebenen von der Fiſtel nach In— nen gelegenen Stelle, hell; hinten in der rechten fossa su- praspinata matt. Die Auſcultation ergiebt vorn normales Reſpirationsgeraͤuſch, nur an der erwaͤhnten Stelle etwas Schleimraſſeln, hinten in der fossa supraspinata et⸗ was Kniſtern. Die Reſonanz der Stimme normal. An der linken Seite des Halſes befindet ſich ein Geſchwuͤr, von welchem eine kleine Oeffnung bis zu dem necrotiſchen dritten und vierten Halswirbel dringt. Die Halsdruͤſen dieſer Seite angeſchwollen; blaͤuliche, haͤßliche Narben an Hals und Bruſt. — Patient erhaͤlt tonica. — g 3. Auguſt. — Oedem der Haͤnde und Knoͤchel; Kaͤlte der Extremitaͤten; fünf bis ſechs fluͤſſige Stühle taglich. — Meerzwiebelwein zum Einreiben der Glieder. — 10. Auguſt. — Diarrhoͤe dauert fort; Füße und Hände kalt; Reſpiration ſehr erſchwert; Fieber. — Der Tod er⸗ folgt in der Nacht vom 16. zum 17. Auguſt. 31 Sectionsbefund. Die rechte Lunge, mit einem Theile der vorderen Bruſtwand unter Waſſer gebracht, zeigte durch Einblaſen von Luft in einem großen Bronchialzweige die Communication der Fiſtel mit einem bronchus. Die pleura pulmonalis iſt an einigen Stellen mit der pleura costalis verwachſen, nach deren Trennung man in eine ke— gelfoͤrmige, mit einer glänzenden Pſeudomembran ausgeklei— dete und einen Sequefter einſchließende Höhle gelangt, die einerſeits mit einem Luftröhrenafte, andererſeits mittelſt eis nes ſchraͤg von Hinten nach Vorne und von Außen nach Innen durch die gebrochene necrotiſche Rippe verlaufenden Canal mit der Fiſtel in Verbindung ſteht. In der Umge— gend dieſer Hoͤhle finden ſich in der Lungenſubſtanz Tuber— keln, die hier, ſowie an der Lungenſpitze, grau ausſehen. Die Pleuraſaͤcke enthalten weder Luft, noch Exſudat. — Die Bauchhoͤhle iſt, mit Ausnahme der ſtark vergroͤßerten Leber und eines klaren waͤſſerigen Erguſſes, geſund. — In vor: liegendem Falle kann die Lungenfiſtel nur in Folge der ſcro— phuloͤſen Necroſe der Rippe entſtanden ſeyn, indem die in der Lungenſubſtanz, groͤßtentheils an der Spitze derſelben, an— getroffenen, zumeiſt rohen und nur in unbedeutender Quan— tität vorgefundenen, Tuberkeln ein ſolches Uebel herbeizufuͤh— ren, keineswegs im Stande find. (Arch. gen. de Med., Oct. 1844.) Miscellen. Ueber die Lungenentzündungkleiner Kinder ſchreibt Charles Weſt in einer Monographie nach zahlreichen Beobachtun— gen im Royal infirmary for children: In einem Jahre ſtarben in London 22,429 Perſonen unter 15 Jahren, davon 3058 an Pneu— monie, 2963 an Convulſionen und 1216 an Hydrocephalus. Aehn— liche Verhaͤltniſſe zeigten ſich in Mancheſter, Liverpool und Bir— mingham. In dem Spitale, wo der Verfaſſer feine fpeciellen Be: obachtungen anſtellte, kamen nur Kinder über einen Monat alt mit dieſer Krankheit vor, während Billard und Valleix nur Kin— der von wenigen Tagen daran leiden ſahen, wobei ſie aber Pneu— monie und Atelectaſis verwechſelt haben moͤgen. Nach ſeinen Be— merkungen kommt lobuläre Pneumonie bei Kindern häufig vor, na= mentlich auch nach Keuchhuſten und Maſern. Sie kann in die lo— bäre uͤbergehen und dann alle Ausgaͤnge, wie bei Erwachſenen, zeigen; jedoch koͤmmt Hepatiſation ſelten vor, weil die Pneumonie früher toͤdtet. Die veficuläre Pneumonie oder Bronchitis in den Endigungen der Bronchien iſt ſelten. Complicationen zeigen ſich gewoͤhnlich in Mitleiden der Bronchien, beſonders Dilatation und Emphyſem. Pleuritis iſt ſehr haͤufig. Ueber die Symptome und Diagnoſe verdient das Werk ſelbſt nachgeleſen zu werden. Ruͤck— ſichtlich der Behandlung empfiehlt Weſt bei Kindern uͤber zwei 706. XXXIII. 2. 32 Jahren gegen Pneumonie Aderlaͤſſe von 4 unzen und noͤthigen⸗ falls einige Stunden darauf vier bis ſechs Blutegel unter die scapula, Oeftere Blutentziehungen ſollen fchädlich ſeyn. — (Wahre ſcheinlich in der Armenpraxis !). Auch bei Complication mit Gar tarrh nuͤtzt der Aderlaß weniger. Dabei iſt dagegen beſonders der Tartarus emeticus zu empfehlen, zuerſt bis zum Erbrechen und ſodann zweiſtündlich zwei Tage lang. Iſt bereits Bron⸗ chialreſpiration in ſpaͤteren Stadien vorhanden, ſo ſoll alsdann der Tartarus emeticus leicht zum paralytiſchen Stadium führen. Bee ſonders empfiehlt der Verfaſſer das Calomel nach vorausgeſchickter Venaͤſection, z. B., bei einem vierjaͤhrigen Kinde: Calomel 2 Gran, Tartarus stibiatus Gran, Pulveris Doveri 4 Gran, alle vier Stunden. Salivation ift nicht gefährlich und macht nur ein Pau⸗ ſiren von etwa zwölf Stunden noͤthig. Bei zu großer Schwache, und wo das Calomel von dem Magen nicht vertragen wird, reibt W. alle vier Stunden 1 Drachme Unguentum Neapolitanum ein. Dieß ſoll nie Salivation bewirken. Reizmittel ſind beſonders bei Bronchialreſpiration, bei kleinem Pulſe und ſtarkem Purgiren nicht zu entbehren, und der Verfaſſer giebt ſelbſt Saͤuglingen Wein oder Ammonium in Milch. Den Senfteigen giebt er vor den Veſicato⸗ rien immer den Vorzug. Wichtig iſt es, daß bei Saͤuglingen die Muttermilch aus dem Loͤffel gegeben werde, weil ſich ſonſt wegen des Durſtes das Kind uͤberlade und weil das Saugen anſtrenge. In den Zwiſchenzeiten, außer der Milch, diluirende Getraͤnke, Lage⸗ rung halb ſitzend und Bewegungen immer ſehr ſanft, beſonders im letzten Stadium, weil fie fonft Convulſionen begünftigen. (Clinical and pathological report on the pneumonia of children, as it prevails among the poor in London by Charles West. London 1343.) Veratrin in Salbenform (3 bis 10 Theile auf 400 Theile Fett) iſt ſeit mehreren Jahren von Calvé und anderen Aerzten zu Montpellier mit dem beſten Erfolge in allen Formen von Neus ralgien angewendet worden. Sauvan bemerkte, daß eine Vera⸗ trinſalbe mit ranzigem Fette zubereitet kraͤftiger wirkte, und ſchreibt dieſes dem loͤslichen Veratrinſalze (Acetat) zu, welches durch die freie Säure gebildet wird. Das Veratrin wird von Ejjigfäure aufs geloͤſ't, zu gleicher Zeit ſcheidet ſich eine geringe Quantität einer oligen Subſtanz ab, welche durch Salpeterſaͤure roͤthlich-braun ges färbt wird, und bei'm Verdunſten erhält man ein gummiartiges, leicht loͤsliches Salz von leicht bitterem Geſchmacke, welches kräf⸗ tiger iſt, als das reine mit Aether behandelte Veratrin. Es iſt daher beſſer, die Salbe aus eſſigſaurem Veratrin und friſchem Fette in kleiner Quantität zu bereiten, als ſich auf die unſichere Wirkung des ranzigen Fettes zu verlaſſen. Turnbull's Veratrinſalbe be⸗ ſteht aus: Veratr. 36, Ol. Oliv. 3j, Axung. porci 3]; es er« ſcheint jedoch dieſes Verhaͤltniß zu ſtark, und man beginnt beſſer mit gr. xv — xx auf die Unze; ſtatt des Olivenoͤles und Fettes kann man in der Privatpraris kalten Rahm nehmen. (Aus Edinb. Monthly Journal in Lancet, June 1844.) Das Atropin empfiehlt W. White Cooper als ein Sub- ſtitut für Belladonna zur Erweiterung der Pupille bei Cataract 2c., in dem Verhaͤltniſſe von 2 Gran auf Spir. vini rectif. 3j und Ad. destill. 3 vjj. Er hat das Mittel in vielen Fällen mit dem beſten Erfolge angewendet; ein Tropfen genuͤgt vollkommen zur Zweckerreichung. (Lancet, June 1844.) ————— Bibliographische Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis, sive enumeratio contracta ordinum generum specierumque plantarum hucus- que cognitarum, juxta methodi naturalis normas digesta, edi- tore et pro parte auctore Alphonso De Candolle. Parsno’na, sistens corolli florarum ordines IX. Paris 1845. 8. Manuel pratique de Phrenologie ou Physiologie du cerveau d'après les doctrines de Gall, de Spurzheim, de Combe et Heeufigsei tien. des autres phrénologistes. Par le docteur J. Fossati. Paris 1845. 12. Le Dentiste de famille ou Manuel d’hygiene de la bouche. Par Paul Gresset. Paris 1344. 8. f Manuel pratique des maladies des nouveau-nes et des enfans a la mammelle, précedé d'une notice sur l’&ducation physique des jeunes enfans. Par B. Bouchut, DM, Paris 1845. 12. —ů— — —̃ -—— Neue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Ober- Medicinalrathe $roriep zu Weimar, und dem Medisinalrarhe und Profeſſor Froriep zu Berlin, Ne. 707. (Nr. 3. des XXXIII. Bandes.) Januar 1845. Gedruckt im Landes = Induftrie = Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 ½ 30 Ar, des einzelnen Stuͤckes 3 % Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 96x art u unn de. Ueber die Natur der Nerventhaͤtigkeit. Von James Stark, Dr. M. (Fortſetzung.) Herr Matteucci bemühte ſich in feinen erſten Auf: ſaͤtzen, mit Hinweiſung auf viele von ihm angeſtellte Verſu— che, zu beweiſen, daß die Nerven Electricitaͤtsleiter ſeyen; allein bei mehrjaͤhriger Beſchaͤftigung mit dieſem Gegenſtan— de, und nachdem er dieſelben oder aͤhnliche Verſuche mit anderen Koͤrpergeweben angeſtellt hatte, überzeugte er ſich davon, daß die Nerven die Electrieitaͤt keineswegs gut leiten. Dieſe Meinungsveraͤnderung bei einem ſo ausgezeichneten Phyſiologen, wie Matteucci, war das Reſultat vieler und mannigfaltiger Verſuche mit thieriſchen Geweben. Bei ſei— nen erſten Experimenten uͤber die Nerven und Nervencentren war er, da er fand, daß, wenn er mehrere Nerven nach Art einer galvaniſchen Saͤule zuſammenhaͤufte, eine gewiſſe Menge Electricitaͤt erzeugt werde, nicht abgeneigt, die Ner- vencentren als electriſche Apparate zu betrachten, welche Electricitaͤt oder etwas Aehnliches entwickeln, ſowie die Ner— ven als die Conductoren, welche die fo erzeugte Electricität den peripheriſchen Koͤrpertheilen zufuͤhrten. Aus ſeinen fpäteren Verſuchen ergab ſich jedoch, daß alle Übrige thieri— ſche Gewebe, wenn man aus ihnen aͤhnliche galvaniſche Saͤulen bildete, nicht nur mehr Electricitaͤt entwickelten, als die Nervencentren, ſondern auch die Electricitaͤt weit beſſer leiteten. Man muß ſich daruͤber wundern, daß die Phyſiologen dieſe Thatſache ſo lange uͤberſehen haben, da ſie ſich doch bei Verſuchen mit lebenden Faſern gleichſam von ſelbſt darbieten mußte. Belehrt uns nicht ferner die taͤgliche Praxis der Aerzte darüber, daß, wenn man die Electricitaͤt in irgend einen Koͤrpertheil leitet, dieſelbe nie die Richtung der Nerven einſchlaͤgt, was doch der Fall ſeyn wuͤrde, wenn dieſelben die Electricitaͤt beſſer leiteten, als andere Koͤrper⸗ theile? Im Gegentheile geht die Electricitaͤt ſtets auf dem geradeſten Wege von einem Pole der Batterie zum anderen durch die ſaͤmmtlichen Gewebe. Von der geringen Leitungs- No. 1807. — 707. fähigkeit der Nerven, im Vergleich, z. B. mit den Muskeln, kann ſich Jedermann uͤberzeugen, wenn er eine gleich ſtark electriſche Stroͤmung durch Faſern beider Art von gleicher Staͤrke leitet und mittelſt eines empfindlichen Electrometers die Laͤnge pruͤft, bei welcher beide Faſern denſelben Grad von Wirkung hervorbringen. Dieſe einfache Methode die Leitungskraft der Nerven zu prüfen, muß auch dem Zwei— felſuͤchtigſten darüber die Augen öffnen, daß die Nervenfaſer im Vergleich mit der Muskelfaſer und uͤberhaupt allen an— deren Koͤrpergeweben die Electricitaͤt ſchlecht leitet. Nach allen obigen Gründen und Thatſachen gelangen wir alſo nothwendig zu dem Schluſſe, daß die Nerven ſchlechte Electricitätsleiter ſeyen, und daß, wel— cher Art die Nervenkraft auch immer ſey, die: ſelbe doch etwas von der Electricitaͤt oder dem Galvanismus durchaus Verſchiedenes ſeyn muͤſſe. Dieſer Schluß wird indeß auch durch die Structur und Zuſammenſetzung der Nerven auf's Vollſtaͤndigſte be⸗ ftätigt. Bekanntlich iſt Oel ein Nichtleiter, und da das in den Nervenroͤhrchen enthaltene Oel und nicht deren Wan— dungen (welche ſich in Anſehung der Zuſammenſetzung und Leitungsfaͤhigkeit von andern Koͤrpergeweben in Nichts un— terſcheiden) das Vehikel der Nervenſtroͤmungen ſeyn muß, fo lehrt uns der geſunde Menſchenverſtand, daß die Nerven— kraft ſich weder durch Electticitaͤt oder Galvanismus, noch durch irgend etwas Aehnliches nach den aͤußeren Koͤrperthei— len hin fortpflanzen kann. Herr Perfon wies, in der That, ganz buͤndig nach, daß die in den Nervenroͤhrchen enthaltenen Stoffe das Vehikel der Ueberlieferung der Nerven- thaͤtigkeit ſeyen. Als er an einer Stelle die Fleiſchmaſſe (wie er ſich ausdruͤckt) der Nerven zerſtoͤrt, aber das neu— rilema oder die Wandungen der Nervenroͤhren unverſehrt ge⸗ laſſen hatte, fand er, daß ſich der Nerveneinfluß nicht uͤber dieſe Stelle hinaus ausdehnen konnte, und daſſelbe geſchah, wenn der Nerv unterbunden wurde. Es zeigte ſich jedoch, daß die haͤutigen Roͤhren oder das neurilema, aus dem 3 35 man das Fleiſch (den Inhalt der Möhren) herausgedruͤckt hatte, die Electricitaͤt und den Galvanismus fo gut fortlei— teten, als andere haͤutige Koͤrpertheile. Kurz er erkannte in dem neurilema einen ſo guten Electricitaͤtsleiter, daß das— ſelbe electriſche Strömungen jeder Intenſitaͤt in andere Koͤr— pertheile fortpflanzte, wenn dieſe ſich in der geraden Linie zwiſchen dem bei den Verſuchen angewandten pofitiven und dem negativen Drahte befanden. Waͤre dagegen das ſoge— nannte Nervenfleiſch zum Fortleiten der Electricitaͤt oder irgend eines aͤhnlichen imponderabeln Agens von der Natur beſtimmt, ſo muͤßte das neurilema offenbar ein Nichtlei— ter ſeyn, damit ſich die Electricitaͤt ꝛc. nicht in die benach— barten Organe verlieren konnte. Auf dieſe Weiſe erhellt ſowohl aus der Structur und chemiſchen Zuſammenſetzung der Nerven, als aus den bereits erwähnten Thatſachen in Betreff der unvollkommenen Leit— ungsfaͤhigkeit dieſer Organe, daß die Nervenkraft weder Elec— tricitaͤt oder Galvanismus noch irgend etwas denſelben Aehn— liches ſeyn kann. Andere von Verſuchen unabhaͤngige Betrachtungen fuͤh— ren auf denſelben Schluß. Wie koͤnnte, ließe ſich fragen, die Beruͤhrung der Oberflaͤche der Haut electriſche oder gal— vaniſche Thaͤtigkeit erregen? Wenn die Empfindung durch die Fortleitung eines der Electricitaͤt oder dem Galvanismus ähnlichen Fluidums längs der Nerven veranlaßt würde, fo muͤßte der die Empfindung veranlaſſende und die angebliche electriſche Stroͤmung erregende Koͤrper ſich in einem un— gleichnamig electriſchen Zuſtande, im Vergleiche mit dem elec— triſchen Zuſtande der Haut, befinden, weil fonft keine Elec— tricitaͤt erregt werden koͤnnte “). Dieß iſt jedoch erfahrungs— maͤßig nicht der Fall. Leiter und Nichtleiter, negativ und poſitiv geladene Koͤrper, ſolche, die Harz- oder Glaselectrici— taͤt entwickeln, erzeugen ſaͤmmtlich, ganz abgeſehen von dem Grade, in welchem ſie electriſirt ſeyn mögen, eine Empfind— ung. Wie ließe ſich uͤberdieß die Verſchiedenheit der durch verſchiedene Koͤrper erregten Empfindungen durch die Annah— me der Thaͤtigkeit einer electriſchen Stroͤmung erklaͤren? Wie waͤre es mittelſt dieſer moͤglich, einen harten von einem wei— chen, einen kalten von einem warmen Körper zu unterfcheis den. Um alle dieſe Erſcheinungen zu erklaͤren, muͤßte man nach der electriſchen Theorie annehmen, daß in jedem Falle eine andere Art von Electricitaͤt erzeugt wuͤrde. Eine Ver— ſchiedenheit in dem Grade wuͤrde dieſe Wirkung nicht her— vorbringen koͤnnen; denn waͤre dieß der Fall, ſo wuͤrde, z. B., eine leichtere Beruͤhrung mit Eiſen dieſelbe Empfindung ver— anlaſſen, wie eine derbere Beruͤhrung mit Holz, und dieß iſt doch erfahrungsmaͤßig nicht der Fall. Ueberdem wuͤrde ſich nach dieſer Theorie nie erklaͤren laſſen, wie faſt in dem— ſelben Augenblicke die Temperatur, die Härte und die Glaͤtte eines Körpers zu unſerer Perception gelangen kann. Wie 9 Ohne den ſonſt ſehr uͤberzeugenden Gruͤnden des Verfaſſers gegen die Identität der Nervenkraft mit der Electricität irgend zu nahe treten zu wollen, muͤſſen wir doch die Buͤndigkeit obi— gen Raiſonnements beſtreiten, indem ſchon die gegenſeitige Be— ruͤhrung von ungleich temperirten Koͤrpern zur Erregung von Electricitaͤt hinreicht. D. Ueberſ. 707. XXXIII. à. 36 ließe ſich ferner nach der electriſchen Theorie erklären, daß durch einen Schlag auf den Kopf oder durch eine Bluter— gießung an der Oberflaͤche des Gehirns der Verluſt des Ge— fuͤhls und der Bewegung erfolgt? Wie koͤnnten, wenn dieſe Theorie die richtige waͤre, alle unter einem Puncte der Ruͤckenmarksſaͤule, wo Desorganifation, Ergieſung, oder Druck ſtattfinden, liegenden mit Nerven verforgten Theile ihr Empfindungsvermoͤgen und ihre Bewegungsfaͤhigkeit ein: buͤßen? Wie koͤnnte das Erkalten oder das Erfrieren eines Gliedes den Verluſt der Empfindung und der willkuͤhrlichen Bewegung nach ſich ziehen? Es liegt auf der Hand, daß die electriſche Theorie dieß Alles aufzuklaͤren nicht im Stande iſt, und bevor ſie dieß kann, darf man ihr auch nicht die Faͤhigkeit zuſprechen, die Erledigung dieſer ſchwierigen Frage zu gewaͤhren. Hätte die Natur die Nerven zu Leitern der Electricität oder des Galvanismus oder irgend eines dieſen ähnlichen Agens machen wollen, ſo wuͤrde ſie die Roͤhrchen der Ner— ven nicht mit einer oͤligen Fluͤſſigkeit, dem allerſchlechteſten Leiter jenes imponderablen Agens, gefuͤllt haben. Sie wuͤrde ſie vielmehr mit einer eiweißſtoffigen Fluͤſſigkeit verſehen haben, welche bekanntlich die Electricitaͤt ziemlich gut, obwohl nicht ſo gut, wie die Membranen ſelbſt, leitet; daher, ſelbſt wenn ſich nicht durch Verſuche ergeben haͤtte, daß die Nerven die Electricitaͤt ſchlecht leiten, die bloße Bekanntſchaft mit deren Zuſammenſetzung hingereicht haben wuͤrde, um jeden Urtheils⸗ faͤhigen in den Stand zu ſetzen, zu erklaͤren, daß die Ner— venkraft ihren Grund nicht in einem der Electricitaͤt aͤhn⸗ lichen feinen Agens haben koͤnne. Worin beſteht nun aber die Nerventhaͤtigkeit? Um zur Erledigung dieſer Frage zu gelangen, haben wir nur einige der von allen Experimentatoren beobachteten Thatſachen rich— tig auszulegen und richtige Folgerungen aus denſelben abzu— leiten. Es iſt vollkommen buͤndig nachgewieſen worden, daß, wenn ein nach einem Muskel laufender Nerv quer durch— ſchnitten worden iſt, der Muskel ſich zuſammenzieht, wenn das demſelben zunaͤchſt liegende Ende durch mechaniſche Po— tenzen oder Electricitaͤt gereizt wird. Allein es iſt ebenfalls durch Verſuche dargethan, daß dieſe Faͤhigkeit des Nerven, die Reizung auf den Muskel fortzupflanzen, nachdem jener durchſchnitten worden, ſchnell abnimmt, ſo daß ſie ſchon am vierten Tage voͤllig verſchwunden iſt, waͤhrend der Muskel die ihm inwohnende Reizbarkeit noch Wochen lang behaͤlt. Wir haben nun die einfache Frage zu beantworten: Was kann durch eine mit Oel gefuͤllte haͤutige Roͤhre fortgepflanzt und ſowohl durch mechaniſche Agentien, als durch Electricität ers regt werden, waͤhrend es von dem Nerven, bald nachdem er durchſchnitten worden, nicht mehr fortgeleitet werden kann? Das Einzige, was ein mechaniſcher Reiz in einer mit Fluͤſſigkeit gefüllten Roͤhre bewirken kann, iſt ein Impuls, eine ſchwingende Bewegung oder Welle der darin ent— haltenen Fluͤſſigkeit, und es wird Jedermann zugeben, daß die Electricitaͤt bei mit Oel gefüllten Roͤhren weiter nichts zu bewirken vermag. Da die Nerven aus cylindriſchen haͤu— tigen Roͤhren voll Oel beſtehen, ſo wird der geringſte Stoß, welcher an dem einen Ende der Roͤhre ertheilt wird, ſich aus 37 genblicklich durch die ganze Laͤnge der Roͤhre fortpflanzen, und zwar blitzſchnell, wegen des gleichfoͤrmigen Durchmeſ— ſers der Roͤhre, der fluͤſſigen Beſchaffenheit ihres Inhalts und weil ſie voll iſt. Wir wollen nun unterſuchen, inwiefern dieſe, meines Wiſſens fruͤher aufgeſtellte, Theorie ſich mit den wirklichen Naturerſcheinungen verträgt. Zuerſt wollen wir den Fall betrachten, wo durch das Er— kalten oder Erfrieren eines Gliedes die Gefuͤhls- und Be— wegungsfaͤhigkeit verloren geht. Bekanntlich iſt dieß mehr oder weniger vollſtaͤndig der Fall, ſo daß man den Theil hart anfaſſen und ſelbſt verwunden kann, ohne daß die Per— ſon, zu deren Koͤrper er gehoͤrt, etwas davon ſpuͤrt. In ei— nem erfrornen Gliede iſt, in der That, alles Gefuͤhl erlo— ſchen. Daſſelbe gilt von der Faͤhigkeit, ein ſolches Glied willkuͤhrlich zu bewegen. Der Grad des Verkuͤhlens oder Erkaltens eines Gliedes iſt dem Verluſte an der Kraft, es zu bewegen, genau proportional, und ſchon bevor es gefroren ift, geht die Fähigkeit der willkuͤhrlichen Bewegung und des Gefuͤhls vollſtaͤndig verloren Wie geht dieß nun zu? Da ſchon das bloße Erkalten die Fortpflanzung der Nervenftröms ungen von den Enden der Nerven nach dem Gehirne (die Empfindung), ſowie die Nervenſtroͤmungen von dem Gehirn nach den Nervenenden (die Willensaͤußerungen) unterbricht, ſo ergiebt ſich hieraus, daß hier keine Electricitaͤt oder et— was dem Aehnliches im Spiele ſeyn kann, da die Electrici— tät durch kalte Körper faſt mit derſelben Leichtigkeit geht, wie durch warme, und das Sinken der Temperatur um ei— nige Grade die Fortpflanzung der Nervenſtroͤmungen in die— ſem Falle durchaus nicht hemmen und keinen Nerven aus einem Leiter in einen Nichtleiter verwandeln koͤnnte. Die Bekanntſchaft mit der Zuſammenſetzung und Structur der Nerven giebt uns aber eine leichte und rationelle Erklaͤrung dieſer Erſcheinung an die Hand. Durch Kaͤlte gerinnt das in den Roͤhrchen enthaltene Oel. Je nach dem Grade des Erkaltens wird das Oel mehr oder weniger feſt und koͤrnig Gu einem hoͤchſt unelaſtiſchen Körper). Jeder auf irgend eine Stelle des Nerven ausgeuͤbte Stoß verliert daher an Inten— ſitaͤt oder geht ganz verloren, bevor er den gemeinſchaftlichen Sitz der Perception erreicht, und jeder durch die Willens— kraft bewirkte Stoß (oder Welle), die vom Gehirne nach der Extremitaͤt gerichtet iſt, hoͤrt auf, ihre normale Wirkung hervorzubringen, weil die in den Nervenroͤhrchen enthaltene Fluͤſſigkeit mehr oder weniger feſt geworden iſt und folglich den Stoß nicht mehr gehoͤrig fortpflanzen kann. Durch dieſe einfache und rationelle Anſicht von der Sache koͤnnen wir genügend erklaͤren, weßhalb das Gefühl und die willkuͤrliche Bewegung genau im Verhaͤltniſſe zu dem Grade des Erkal— tens abgeſtumpft werden. Denn in demſelben Verhaͤltniſſe, wie ein Glied erkaltet iſt, wird auch das in den Nerven— roͤhrchen enthaltene Oel weniger fluͤſſig und folglich zur Fort— pflanzung des ihm ertheilten Stoßes weniger geſchickt ſeyn.“) *) Gleiche Wirkung äußert, obwohl wahrſcheinlich ſecundaͤr durch die Nerven, die Kälte auf das bekanntlich wirkliche Electricis tät entbindende Organ des Zitterrochens. Vergl. Matteucct in Nr. 185, S. 129 und Nr. 540, S. 84. d. Bl. D. ueberſ. 707. XXXIII 3. 38 Man koͤnnte hiergegen einwenden, daß die Faͤhigkeit der willkuͤrlichen Bewegung einem Gliede noch lange inwoh— nen kann, nachdem das Gefuͤhl darin beinahe oder voͤllig er— loſchen iſt, und daß ſelbſt, bevor das Gefuͤhl erliſcht, die Temperatur des Gliedes, mit dem Thermometer gemeſſen, weit niedriger iſt, als diejenige, welche das Gerinnen des Oels in den Nervenroͤhrchen zu bewirken im Stande iſt. Man darf indeß nicht vergeſſen, daß, ſolange in einer Ex— tremitaͤt noch Leben iſt, dieſelbe fortwaͤhrend einen neuen Zufluß an warmem Arterienblute erhaͤlt, und da die bei den Willensacten in Anſpruch genommenen Nerven (die mit den Muskeln in Verbindung ſtehenden) tiefer liegen, als die Em— pfindungsnerven, ſo erklaͤtt ſich hieraus, warum die Beweg— ungsfaͤhigkeit von bedeutend laͤngerm Beſtande iſt, als das Gefuͤhlsvermoͤgen. Der Zufluß von warmem Blute, welchen die mit Haut bedeckten Theile unausgeſetzt empfangen, er— hält ihre Temperatur weit höher, als die der Oberfläche, fo daß das an die letztete gelegte Thermometer das Maaß der innern Temperatur einer Extremitaͤt keineswegs ſeyn kann. Die Auslegung der das Erſtarren oder Erfrieren eines Glie— des begleitenden Erſcheinungen ſcheint alſo durchaus fuͤr die Richtigkeit der Theorie zu ſprechen, daß die Nerven, ver— möge der in ihnen enthaltenen oͤligen Fluͤſſigkeit, einen Stoß, eine Welle oder eine zitternde Bewegung und nicht ein im— ponderables Agens, das mit Electricitaͤt oder Galvanismus Aehnlichkeit hat, fortpflanzen. Wir wollen zweitens die Erſcheinungen betrachten, wel— che jene ſtufenweiſe, aber voruͤbergehende, Zuſammendruͤckung eines Nerven begleiten, die, wenn ſie ploͤtzlich aufhoͤrt, jene, uns allen unter der Benennung des Einſchlafens eines Fußes oder einer Hand bekannte Empfindung hervorbringt. Es haͤlt ſich Jemand eine Zeitlang in einer gewiſſen Stel— lung, ohne vor der Hand gewahr zu werden, daß irgend Etwas nicht in ſeiner gehoͤrigen Ordnung iſt; wenn er aber alsbann ſeine Stellung aͤndert, ſo bemerkt er, daß er ſich ei— nes Gliedes nicht mehr in der gewohnten Weiſe bedienen kann. Wenn er laͤngere Zeit in der erwaͤhnten Stellung verharrt hat, ſo iſt das Gefuͤhl in dem Gliede ganz oder beinahe ganz erloſchen. Ertheilt man einem in dieſer Weiſe gelaͤhmten Gliede einen Schlag, oder ſetzt man es auf den Erdboden auf, ſo entſteht eine hoͤchſt eigenthuͤmliche Em— pfindung, als ob eine Menge Saiten in dem Gliede in Schwingung traͤten, und dieß Schwirren iſt hoͤchſt unan— genehm. Wie laſſen ſich nun dieſe Erſcheinungen mit der von uns aufgeſtellten Anſicht uͤber die Fortpflanzung eines Stoßes oder einer Welle durch die Nerven vereinbaren? Die eigenthuͤmliche Lage der Extremitaͤt, ſey fie nun ein Arm oder ein Bein, erzeugte die Zuſammendruͤckung ei— nes Nervenſtammes. Die erſte Wirkung hiervon wird ſeyn, daß das Oel an der Stelle, wo der Druck ſtattfindet, all— maͤlig aus den Roͤhren gepreßt wird. Da dieß ganz lang— ſam geſchieht, ſo wird man es nicht gewahr, denn das ruhig liegende Glied bringt den Druck durch ſein eignes Gewicht hervor, und alſo kann kein Impuls oder keine Welle, die eine Perception im Gehirne veranlaßte, zu dieſem gelangen. Sobald man indeß das Glied bewegen wollte, wurde der 3 * 39 vom Gehirn ausgehende Willensimpuls an der Stelle des Nerven gehemmt, wo die zur Fortpflanzung des Impulſes nothige oͤlige Fluͤſſigkeit nicht mehr vorhanden war. Die vom Gehirne entfernteren Theile des Gliedes erhalten alſo keinen Antrieb, fuͤhren die gewollte Bewegung nicht aus und ver— halten ſich wie abgeftorben. Die ganze Extremitaͤt wird jedoch durch diejenigen Muskeln bewegt, welche mit Nerven verſorgt ſind, die ſich uͤber der Stelle der Zuſammendruͤckung befinden. Durch dieſe Bewegung wird der Druck alsbald beſeitigt, und ſo kann das Oel die Roͤhrchen an der Stelle, von der es beſeitigt worden war, wieder fuͤllen. Dabei wird die ſaͤmmtliche in den Roͤhrchen enthaltene Fluͤſſigkeit in Bewegung geſetzt, und es entſteht eine eigenthümliche ſchwir— rende Empfindung in dem Gliede, und dieß Schwirren oder Prickeln fuͤhlt man zuweilen bis weit an dem Nerven hin— auf. Es wird dadurch erzeugt, daß das Nervenoͤl ſowohl von Unten, als von Oben der Stelle zufließt, welche zu— ſammengedruͤckt worden war und nun, nach Beſeitigung des Druckes, ihr normales Volum wiederzugewinnen ſucht und ſo eine ſaugende Wirkung hervorbringt. Die von entgegen— gefesten Seiten aufeinandertreffenden Strömungen ſetzen eins ander in zitternde Bewegung, die laͤngere oder kuͤrzere Zeit anhaͤlt. So erklaͤrt ſich die eigenthuͤmliche prickelnde und krabbelnde Empfindung, welche nicht eher aufhoͤrt, als bis die Faͤhigkeit des Gefuͤhls und der willkuͤhrlichen Bewegung in das eingeſchlafen geweſene Glied voͤllig zuruͤckgekehrt oder, mit andern Worten, das Nervenoͤl in den Zuſtand der Ru— be gelangt iſt. Merkwuͤrdig iſt dabei der Umſtand, daß, wenn man, z. B., mit einem eingeſchlafenen Fuß auf den Boden tritt, das unangenehme Prickeln jedesmal wiederkehrt, was offenbar daher ruͤhrt, daß in dem Nervenoͤle neue und ſtaͤrkere Schwingungen erregt werden, bevor es völlig zur Ruhe gelangt iſt. (Fortſetzung folgt.) Ueber die gegen die Verſuche des Profeſſors H. Schultz uͤber Pflanzenernaͤhrung von Bouſſin— gault gemachten Einwendungen. Ein Schreiben des Prof. Schultz an Hrn. Flourens zu Paris. Berlin den 14. Januar 1845. Mein Herr! Ich danke Ihnen fuͤr die guͤtige Nachricht, welche Sie mir in dem Schreiben vom 14. November 1844 gaben, daß Herr Bouſ— ſingault einige meiner Unterfuhungen über die Ernährung der Pflanzen in der Academie bekämpft hat. Ich habe den Brief des Herrn Bouffingault in den Comptes rendus vom 11. Novem— ber geleſen. Herr B. behauptet, daß, nach ſeinen Verſuchen, die Entbindung von Sauerſtoff aus den von mir unterſuchten Nah: rungsſtoffen unbedeutend gering ſey, gegen die große Menge Sauer: ſtoff, die die Blätter aus kohlenſaurem Waſſer entbunden haͤtten. Ueber dieſe Verſuche des Herrn B. erlaube ich mir, Ihnen folgen: de Gegenbemerkungen mitzutheilen, die ich bei der Wichtigkeit der Sache zur Kenntniß der Academie zu bringen bitte. 1. Herr Bouffingault hat zu feinen mit Traubenſaure (anſtatt Weinſaͤure, die er nicht haben konnte), Dralfäure, Zucker angeſtellten Verſuchen jedesmal nur ein einziges abgeriſſenes Blatt 707. XXXIII. 3. 5 40 genommen, worin die Lebensthaͤtigkeit leicht abſterben mußte; er bat im Herbſt erperimentir., wo die Bratter ohnehin im Abſterben ſind; ja er hat ſchon geise Blatter genommen, wenn er uns nicht etwa uͤberreden will, daß ein friſches Blatt in Zeit von drei Stun⸗ den in Zuckerwaſſer gelb werden könne. Dagegen hat Herr B. zu feinen Verſuchen mit Koblenfaure jedesmal 10, 20 Blätter, ſo⸗ gar eine Quantitat von 84 Grammen friſcher Batter genemmen, und ein Vergleich fo verſchiedenartiger Verſuche iſt ganz unjtati« haft Es iſt kein Wunder, daß Herr B. wenig Sauerſtoff aus Traubenſaure und Zuckerwaſſer erhielt; aber ein Wunder, daß er die damit nicht vergleichbaren mit Kohlenſauge angeſteuten Verſu⸗ che damit vergleichen will. 2. Herr B. hat die Concentratſonsgrade feiner Aufloͤſungen nicht angegeben. Er ſagt nur, daß er 0,02: 0,005; 0,0025 Gram⸗ men der obengenannten Saͤuren in Waſſer geloͤſ't hätte, ohne aber zu fagen, in weicher Menge Waſſers. Ich habe durch Verſuche gezeigt, daß die Concentrationsgrade der Aufloͤſungen einen we⸗ ſentlichen Einfluß auf die Zerſetzung der Stoffe durch lebende Blätter haben. So, z. B., hindert Erjigfaure, Weinſaͤure, zu 1 — 2 Pro: cent dem Waſſer zugeſetzt, die Sauerſtoffentbindung ganz; dagegen die Blätter in Aufloͤſungen, die ? — 1 Procent derfeiben Säuren enthalten, ſehr viel Sauerſtoffgas geben. Herr B., als genauer Chemiker, iſt ſehr ungenau bei ſeinen Verſuchen geweſen; er hatte genau die Cencentra jonsgrade angeben muͤſſen, wenn feine Verſu— che einen Werth hätten haben ſollen. 3. Die ſtaͤrkſte Sauerſtoffentbindung findet, nach meinen Ber: ſuchen, nicht in den reinen Säuren, fondern in Auflöiungen der ſauren Salze dieſer Sauren ſtatt, z. B, in Weinſtein, ſaurem apfelſauren und milchſauren Kali u. f. w., die Herr B. gar nicht unterſucht hat. 4. Herr B. hat ſolche Saͤuren zu ſeinen Verſuchen genom⸗ men, wie die Kleeſaͤure, von denen ich ausdrücklich geſagt habe, daß fie faft ſchwerer zerſetzt werden, als die Koblenfäure Daß alſo Kieeläure ſchwer zerfetzt wind und wenig Sauerſtoff liefert, hätte Herr B. in meinem Werke ſelbſt finden koͤnnen. Es iſt nur neu, daß Herr B. von mir ſelbſt entdeckte Thatſachen als ſeine eigene Entdeckung anführt, um mich dadurch zu widerlegen. 5. Von der Zuckerſolution habe ich ausdruͤcklich geſagt, daß die Blätter und Wurzeln nach und nach zerſetzend darauf einwir— ken, indem fie den Zucker in Gummi umbilden, daß demnach die Sauerſtoffen bindung erſt nach 8 — 10 Stunden ſehr ſtark zu werden anfaͤngt, waͤhrend aber Herr B. ſeine Verſuche ſchon nach 3 Stunden beendet hat, wo er noch gar keine Wirkung erwarten durfte. 6. Die Sorge des Herrn B., daß ſich dabei Kohlenſaͤure bil— den koͤnne, iſt ganz grundlos. Man kann die Gegenwart von Kohlenſaͤure leicht durch Kalkwaſſer erfahren, und dadurch habe ich gezeigt, daß durch Berührung lebender Blätter mit Zuckerwaſ— ſer ſich niemals Kohlenſaͤure bildet. 7. Herr B. hat auf den wichtigen von mir angegebenen Um= ſtand, daß in dem Maaße, als Sauerſtoff von den Baͤttern ausge— haucht wird, die Sauren in den Solutionen verſchwinden, gar nicht geachtet; alſo den weſentlichſten Umſtand bei den Verſuchen uͤberſehen. Herr B. haͤtte aus den ſauren Molken (die doch auf dem Lande, wo ſich Herr B befand, gewiß zu haben waren) von 1 Quart Milch 8 — 10 Kubikzoll Sauerſtoffgas erhalten koͤnnen, wenn er die Verſuche bis zum Verſchwinden der Säure fortge— ſetzt haͤtte. 8. Herr B. giebt unter ſeinen Verſuchen Erfolge an, die laͤngſt als unrichtig bekannt ſind. Er ſagt, z. B., daß an einem truͤben, unguͤnſtigen Tage die Blaͤtter Sauerſtoff aus kohlenſaurem Waſſer entwickelt hätten. Nun iſt aber ſeit Prieſtley, Ingen⸗ bouß und Senebier bekannt, daß nur bei hellem Sonnenſchein aus Eohlenfaurem Waller von den Blättern Sauerſtoff entwickelt wird, und niemals bei trübem Wetter. Die Angaben des Herrn B. find alſo ganz unzuverlaͤſſig. 9. Herr B. hat uͤberſehen, daß dagegen, nach unſeren Verſu⸗ chen, in Aufloͤſungen von ſauren weinfauren, apfelſauren, milchſau⸗ ren Salzen die Blaͤtter auch ohne Sonnenſchein Sauerſtoff geben, 41 707. XXXIII. 3. woraus die Moglichkeit hervorgeht, daß die Wald- und Schatten— pflanzen ſich Nahrung ohne Sonnenlicht affimiliren koͤnnen, wie ahnlich die Rüben und der Kopfkohl nur in dem trüben Kuſtencti— ma von England und den Niederlanden vorzuͤglich gedeihen, uͤber— haupt der Kopfkohl ſich erſt ſchließt, wenn im Herbſte die Nächte lang werden; was Alles bei der Kohlenſaͤuretheorie unmoͤglich waͤre. Dieſe Verſuche, die das Irrige ſeiner Annahme zeigen, uͤbergeht Herr Bouſſingault gaͤnzlich. 10. Herr B. iſt jetzt auch im Widerſpruche mit ſeinen eigenen fruͤheren Erklaͤrungen, die er in ſeinem Werke uͤber Landwirthſchaft gegeben hat, wo er ſelbſt anerkennt, daß die Kohlenſaͤure ſchwer zerſetzbar ſey, und man nach den landwirthſchaftlichen Erfahrungen ſchwer einſehen koͤnne, wie ſie das allgemeine Nahrungsmittel der Pflanzen ſeyn ſollte. Hier behauptet Herr B. das Umgekehrte. Nach allem dieſen glaube ich, ſagen zu duͤrfen, daß die Verſuche des Herrn B. ſo ungenau uad unvollkommen, als moͤglich, ſind, daß ſie nicht im Geringſten Etwas gegen die von mir erhaltenen Er— folge beweiſen, vielmehr ohne erheblichen wiſſenſchaftlichen Werth ſind. Herr B. wird durch ſeine in drei Tagen angeſtellten uͤber— eilten Experimente die Erfolge einer dreijährigen Arbeit nicht zer— nichten koͤnnen. Genehmigen Sie u. ſ. w. Dr. C H. Schultz. Miıscellen. Merkwürdige Erſcheinungen bei'mAnlegencines arteſiſchen Brunnens. — In der Naͤbe von Preußiſch-Hol⸗ land iſt, wie die Elbinger Anzeigen vom 30. November melden, dieſer Tage ein arteſiſcher Brunnen vollendet worden. Derſelbe ward, auf Veranlaſſung des Gutsbeſitzers Wiens in Hohendorf von dem Koͤnigl. Schloß-Brunnen- und Roͤhrenmeiſter Hilde— brandt zu Königsbera gebohrt und hat den Zweck, die Hohendor— fer Grundmuͤhle zu allen Jahreszeiten mit Waſſer zu verſorgen, ein Zweck, welcher, ungeachtet mannigfacher Hinderniſſe, erreicht iſt. Ein Haupthinderniß beſtand in einem großen Steine, auf welchen man bei ungefahr 114 Fuß Tiefe ſtieß, und welcher mit dem Mei— ßel zerſchlagen werden mußte. Waͤhrend hieran am 20 November gearbeitet wurde, gewahrte man den maͤchtigen Durchbruch einer großen Waſſermaſſe außerhalb der Abſenk-Roͤhre, da ſie durch die compacteren Maſſen in der Röhre ihren freien Austritt gehemmt fand. Obgleich nun das Ausldffeln der Roͤhre mit aller Kraft be— trieben wurde, konnte es damit doch nicht ſo raſch geben, wie das Waſſer an Gewalt gewann, und am naͤchſten Morgen fruͤh hatte 42 ſich das maͤchtige Element neben der Roͤhre herum einen ſolchen Crater gebildet, daß von der 36 Fuß tief in der Erde liegenden Torfſchicht Stuͤcke von 3 bis 5 Fuß Laͤnge in ihrer ganzen Maͤch— tigkeit zu Tage gebracht und fortgeſchwemmt wurden. Auf 10 bis 15 Fuß von der Roͤhre entfernt, zeigten ſich immer größerwerdende Sprudel, das Geruͤſt der Arbeiter verſank, die Fundamente der dicht dabei liegenden zweiſtoͤckigen Radſtube des Muͤhlengebaͤudes, ſowie die Fließbhohlwerke und Maſſen von Erde hinter derſelben, ſtuͤrzten um und in den tiefen Crater. Man verſenkte eine Menge von Sandſaͤcken, doch wurde damit nur der Hauptſtroͤmung eine andere Richtung gegeben, obne im Weſentlichen etwas zu beſſern; das Stuͤrzen der Fundamente und weiter liegenden Erdmaſſen dehnte ſich immer weiter aus, und man fuͤrchtete den gaͤnzlichen Ruin der Muͤhle. Mittlerweile hatte das Aufloͤffeln der Roͤhre und das Mei— ßeln des Steingewoͤlbes ſeinen Fortgang genommen, und am Abend des zweiten Tages begannen die Maſſen in der Röhre ſich zu hebenz ein Staunen erregender Ausbruch von Sand, Thon und Steinen aus derſelben erfolgte und fuͤllte den kurz zuvor mit dem Senkblei dicht an der Röhre 48 Fuß tief gemeſſenen Crater in Zeit von eis ner Viertelſtunde dergeſtalt, daß alle nah und fern geſehenen Spru— del geſtillt wurden, man bald ſicheren Fußes um die Nöhre herum gehen konnte, und die Gefahr fuͤr die Muͤhle gehoben war. Der Brunnen iſt überhaupt 1234 Fuß tief mit einer Lichtweite von 1 Fuß gebohrt; das Waſſer ergießt ſich bei 21 Fuß Höhe über dem Erdboden mit 1521 Cubikfuß oder 41175 Quart in der Minute; daſſelbe hat 71 Grad Wärme und ſcheint zu den weicheren Arten zu gehoͤren. Ueber die das Seeſalz färbenden Organismen hat Herr Profeſſor Ehrenberg in Berlin, nach neueren in Marfeille erhaltenen Materialien, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde einen Vortrag gehalten. Das Faͤrbende ſind weder Pilze, noch kleine Krebſe, noch Monaden, noch Gallionellen, welche nur ſe— cundaͤr mitwirken koͤnnen, ſondern ein der Sphaerella nivalis, der rothen Schneealge, ganz ahnlicher Körper, auch erſt gruͤn, dann roth, Sphaer. salina E,, die, von verſchiedenen Thicren verzehre, deren Leib auch roth faͤrbt. Derſelbe zeigte in derſelben Sitzung (17. December) die, 1838 durch Herrn Profeſſor Magnus von Herrn Hugi erhaltene, rothe Schneealge der Alpen, noch heute im Waſſer in ihrer rothen Farbe und, wie es ſcheint, lebend vor, erwaͤhnt auch, daß ſich der, von dem (1335) verſtorbenen Profeſſor Fr. Hoffmann geſammelte, rothe Schnee in der Fluͤſſigkeit des verſtoͤpſelten Flaͤſchens in grauer und rother Form erhalten, welche Lebenszaͤhigkeit durch die Pflanzenſaamen Natur der Körz perchen erklaͤrlich werde. Nekrolog. — Der berühmte Profeſſor der Anatomie zu Breslau, G. M. R. Otto, iſt am 14. Januar geſtorben. . —-„—„— . STE ——— nnd € Ueber fungus cerebri. Von John Adams. Der Name hernia cerebri erſcheint unpaſſend, denn wenn auch der Vorfall anfangs aus wahrer Gehirnmaſſe beſteht, ſo veraͤndert derſelbe doch ſpaͤter ſeine Beſchaffenheit und wird dem gewoͤhnlichen, aus jedem bedeutend organiſir— ten Gewebe entſtehenden fungus ähnlih. — Da der fun- gus cerebri nicht ohne den Verluſt eines Theiles der Schaͤ— delwandungen vorkommen kann, ſo pflegt man gewoͤhnlich dieſen Mangel des Stuͤtzpunctes als eine weſentliche Urſache des Uebels anzuſehen. Aber der Schluß iſt nicht gan; rich— tig, denn die excitirende Urſache liegt, wie ich aus einer be— traͤchtlichen Anzahl von Faͤllen zu ſchließen mich berechtigt halte, im Gehirne ſelbſt, und das Wachsthum des fungus haͤngt von einer beſonderen Urſache der Reizung ab. Die Entfernung einer Knochenpartie vermittelſt der Trephine giebt ohne Zweifel Veranlaſſung zu einer Tendenz des Gehirnes, ſich hervorzudraͤngen, in Folge des Mangels an Widerſtand und des ſtaͤrkeren Blutandranges; aber bei alle dem kann dieß dennoch keine Urſache des Uebels abgeben, wofern nicht, wie Einige angenommen haben, der Knochenrand reizend auf die harte Hirnhaut und auf das Gehirn wirkt. Das Uebel entſteht auf folgende Weiſe: nach dem Ver: luſte eines Theiles des Schaͤdels wird, wenn die dura ma- ter unverſehrt iſt, dieſe Membran allmaͤlig durch die Oeff⸗ nung hindurchgedraͤngt und erhebt ſich über den Knochen hin— aus; ſie wird auffallend geſpannt und nimmt in Felge des 43 Congeſtivzuſtandes ihrer Gefäße eine blaͤuliche Färbung an; kleine, dunkle Puncte zeigen ſich hier und da, als Zeichen von Gangraͤn, und indem dieſe ſich weiter verbreitet, platzt die Membran und kleine Stuͤcke des Gehirns quellen nach und nach aus den Oeffnungen der harten Hirnhaut hervor; dieſe nehmen immer mehr an Umfang zu, und endlich fuͤllt eine vorſpringende Maſſe von Hirnſubſtanz die Oeffnung aus. Wenn die dura mater von Vorn herein zerriſſen iſt, fo kommt der fungus weit ſchneller zum Vorſcheine; ſo— bald er aber bis zur Hoͤhe der Oeffnung gekommen iſt, iſt ſein Fortſchritt ganz derſelbe, wie im erſten Falle. Die Geſtalt des tumor iſt verſchieden; in einigen Faͤl— len iſt derſelbe oval und anfaͤnglich von der pia mater be— deckt, welche ſpaͤter reißt, in anderen gleicht er einem ein— fachen Auswuchſe, waͤhrend er in noch anderen, wo er laͤn— ger beſtanden und Druck erlitten hat, ein gleichfoͤrmiges Aus— ſehen annimmt. In einem, von Stanley angefuͤhrten, Falle erreichte er einen Umfang von 63“ in der einen, und von 55“ in der anderen Richtung. Was die Beſchaffenheit der vorragenden Maſſe betrifft, ſo iſt ſie hirnartig, und iſt wahrſcheinlich zuerſt wahre Hirn— maſſe, zuweilen mit großen Blutklumpen gemiſcht; aber nach einiger Zeit veraͤndert ſie ihr Weſen und gleicht dann in ge— wiſſer Hinſicht einem gewoͤhnlichen Blutſchwamme, indem ſie noch mehr, oder weniger ein hirnfoͤrmiges Ausſehen darbietet. Wenn man den Finger rund um die Wurzel der Geſchwulſt herumfuͤhrt, ſo findet man dieſelbe von der harten Hirnhaut umzogen; der Rand der Schaͤdeloͤffnung findet ſich oft ab— geſtorben. Was den Verlauf des Uebels anbetrifft, ſo kann es faſt unbegraͤnzt fortwachſen; zuweilen bilden ſich Verſchwaͤ— rungen und, indem die Natur eine Demarcationslinie bildet, wird zuweilen die ganze Maſſe abgeſtoßen, geſunde Fleiſch— waͤrzchen erſcheinen und Vernarbung tritt ein, oder das Uebel endet lethal durch Erſchoͤpfung des Kranken. Ein halb ei— triger Ausfluß quillt aus der ganzen Oberflaͤche des tumor hervor, und zuweilen, am Haͤufigſten nach einem Anfalle von coma, findet ein freier Abfluß der Fluͤſſigkeit ſtatt und die Symptome werden fuͤr einige Zeit erleichtert. Allgemeine Symptome. Nach einem Zuſtande anſcheinender Reconvalescenz tritt ein Reizfieber ein, dem zuweilen coma, Hemiplegie und delirium mussitans fol⸗ gen. Allen dieſen Symptomen geht eine bedeutende allge— meine Aufregung voran. Sobald die dura mater platzt, tritt eine auffallende Beſſerung in den Symptomen ein. In anderen Faͤllen, wo die harte Hirnhaut von Anfang an ver— letzt iſt, gehen gar keine bemerkbaren Symptome dem Auf: treten des fungus voran. Der Ausfluß wird reichlicher, die allgemeine Reizung ſteigt, hectiſches Fieber tritt ein, und der Kranke geht an Erſchoͤpfung zu Grunde, oder, wenn andere wichtige Organe Sitz einer Entzuͤndung werden, ſtirbt der Kranke an einer anſcheinend nicht mit dem Grundleiden zu— ſammenhaͤngenden Urſache. Was die Pathogenie des Uebels betrifft, ſo haͤngt es häufig entweder von einer krankhaften Beſchaffenheit des Ges hirns ſelbſt, oder von der Bildung eines Abſceſſes an der 707. XXXIII. 3. 44 Baſis der Geſchwulſt, oder einer anderen eigenthuͤmlichen Urſache der Reizung, in Folge einer Verletzung, ab. In der Mehrzahl der uͤberlieferten Faͤlle war das Uebel an der Wurzel des fungus vorhanden, und ein veraͤnderter Zuſtand des Gehirnes, in Folge von Vereiterung, oder einer anderen Affection, mußte der Bildung deſſelben vorangegangen, eine Quelle der Reizung geweſen ſeyn und ſo zur Entſtehung deſſelben beigetragen haben. In anderen Faͤllen war ein Blutgerinnſel ſpecielle Urſache; in noch anderen finden wir Knochenſplitter u. ſ. w. Die ſo haͤufige Begruͤndung des Uebels im Gehirne ſelbſt geſtattet in Betreff der Behandlung nur felten die Ans wendung eines fortgeſetzten Druckes. Wenn Eiterung an der Wurzel des kungus erkennbar vorhanden iſt, fo erweis tere man die Schaͤdeloͤffnung (nach Velpeau und Flous rens), unterſuche die Wurzel des tumor mit der gerinnten Nadel und ſuche, wo moͤglich, den Abſceß zugleich zu ers öffnen. (London Med. Gaz., June 1844.) Ueber die Exſtirpation von Eierſtockscyſten. Von Benjamin Phillips. Der Zweck dieſes Aufſatzes iſt, die Reſultate dieſer Operationen zuſammenzuſtellen, um die Zulaͤſſigkeit oder Un⸗ zulaͤſſigkeit derſelben darzuthun. Die Exſtirpation von Ovarialeyſten iſt, wie aus einer Zuſammenſtellung der Fälle hervorgeht, wenigſtens neunund— ſechszig Mal ausgefuͤhrt worden; in 50 Faͤllen wurde die Geſchwulſt entfernt, in 14 Fällen verhinderten Adhaͤſionen oder andere Umſtaͤnde ihre Entfernung, in 5 Faͤllen wurde keine Geſchwulſt vorgefunden. Von den Faͤllen, in welchen der tumor entfernt wurde, verliefen 30 gluͤcklich und die Kranken genaſen; 20 verliefen unguͤnſtig, die Kranken ſtarben. In den 5 Faͤllen, in wel— chen kein tumor gefunden wurde, genaſen alle; in den 14 Faͤllen, in welchen die Entfernung des tumor nicht ausge— fuͤhrt werden konnte, genaſen 8, ſtarben 6 Kranke. Was die Reſultate der verſchiedenen Operationsweiſen betrifft, fo wurde der große Bauchſchnitt in 44 Fällen aus— geführt und unter dieſen 18 Mal mit glücklichem Erfolge; die Punction der Cyſte und darauffolgende Extraction des Ueberreſtes durch eine kleine Oeffnung in 25 Faͤllen, 12 Mal mit gluͤcklichem Ausgange. Der Verfaſſer geht nun auf die Erwaͤgung folgender wichtigen Puncte uͤber: 1) koͤnnen wir mit Sicherheit beſtimmen, ob ein tu- mor dem Eierſtocke angehört, oder nicht? Wofern nicht, — ſind die uͤblen Ausgaͤnge ſo zahlreich geweſen, daß ſie einen Grund abgeben, die Operation nicht zu unternehmen? 2) Angenommen, es fey eine Ovarialgeſchwulſt vors handen, — koͤnnen wir die Beſchaffenheit der contenta, ſowie die Verbindungen derſelben im Voraus beſtimmen? Wofern nicht, — iſt das Mißlingen der Operation ſo haͤufig geweſen, daß fie überhaupt zu verwerfen ift? 45 3) Sind die Reſultate der Operation hinreichend guͤn— ſtig, um uns zu beſtimmen, die Exſtirpation des tumor allen andern Behandlungsweiſen vorzuziehen? Iſt dieſes der Fall, — welche Art der Behandlung verſpricht am Mei— ſten Erfolg? Nach ſeinen Unterſuchungen uͤber dieſe Fragen iſt der Verfaſſer zu folgenden Schluͤſſen gekommen. Wir ver: moͤgen nicht mit abſoluter Gewißheit zu beſtimmen, ob ein tumor eine Ovarialcyſte ſey, oder nicht; ſowenig wir die Beſchaffenheit der contenta und die Verbindungen ei— ner praͤſumirten Ovarialgeſchwulſt mit Beſtimmtheit vorher angeben koͤnnen. Was die Beantwortung der dritten Frage betrifft, ſo ſind die Umſtaͤnde in Faͤllen der Art ſo dringend, daß Er— leichterung geſchafft werden muß, und da alle anderen Mit— tel fehlgeſchlagen haben, ſo bleibt nur die Operation uͤbrig. Die Punction iſt gewoͤhnlich inſofern erfolgreich, als ſie au— genblickliche Erleichterung verſchafft, und in einem gewoͤhnli— chen Falle hat die Kranke die Ausſicht, noch vier bis fuͤnf Jahre ertraͤglich zu leben, indem die Paracenteſe alle Jahre drei bis vier Mal wiederholt werden muß. Die Extraction iſt, wenn auch nicht eine ſehr ſchmerzhafte, dennoch eine ge— faͤhrliche Operation; die Erfahrung giebt uns das Recht, zu erwarten, daß in wenigſtens 45 Fällen von 100 die Extraction ausgefuͤhrt und das Leben erhalten werden kannz aber wir duͤrfen uns auch nicht verhehlen, daß bei den uͤber— lieferten 69 Operationen 26 ſtarben, und zwar binnen we— nigen Tagen nach der Operation. Wenn nun die angefuͤhrten Reſultate uns berechtigen, die Extraction in Faͤllen von Ovarialgeſchwuͤlſten auszufuͤh— ren, ſo iſt es von Wichtigkeit, diejenige Operationsweiſe auszuwaͤhlen, welche fuͤr die Kranke am Wenigſten gefahr— voll und ſchmerzhaft iſt, und hier muͤſſen wir unbedingt der ſogenannten kleinen Operation den Vorzug geben. (Lancet, July 1844.) Allgemeine Geſetze fuͤr die Dislocation bei Fracturen. Ed. Lacroix hat uͤber dieſen Gegenſtand eine in— tereſſante Abhandlung herausgegeben; ſeine allgemeine Schluß— folge iſt, daß die Dislocation der Knochen in Winkeln ge— ſchieht, welche dieſelben sinus in denſelben Ebenen und in derſelben Richtung haben, wie die natürlichen Curven der implicirten Knochen. Schluͤſſelbein. Dislocation verſchieden nach der Stelle des Bruches; nach Vorne, wenn die zwei aͤußeren Dritttheile von dem inneren Dritttheile abgebrochen ſind; nach Hinten, wenn die zwei inneren Dritttheile von dem aͤußeren Dritttheile getrennt ſind; nach Oben, ſo daß ſie mit der oberen Spitze einen Winkel bildet, wenn der Sitz der Fractur in der Mitte des Knochens iſt. Wenn die cla- vicula an zwei Stellen, an dem Sternal- und Acromial⸗ ende, gebrochen iſt, ſo werden die natuͤrlichen Curven des Knochens durch zwei winkliche Biegungen erſetzt, von denen eine einer jeden der Continuitaͤtstrennungen entſpricht. 707. XXXIII. 3. 46 Oberarmbein. Dislocation meiſt nach Außen, ſo daß ſie einen Winkel bildet, deſſen Spitze nach Außen liegt, wenn der Schaft des Knochens gebrochen iſt; nicht nach Außen und Oben, wie es gewoͤhnlich angegeben wird. Die untere Portion des Knochens tritt meiſt vor die obere. Bei'm Bruche des unteren Endes iſt die Dislocatien meiſt nach Vorwaͤrts, und es findet gewoͤhnlich eine Zunahme der Concavitaͤt nach Innen, der Convexitaͤt nach Außen ſtatt; das untere Ende rotirt ſich ſehr häufig nach Außen und Innen. s Vorderarm. Neigung zur Dislocation nach Außen und Ruͤckwaͤrts, wenn beide Knochen in der Mitte brechen. Bricht die ulna allein in ihrer oberen Portion, dann Nei— gung zur Dislocation nach Hinten und Außen; in der unteren Portion nach Vorne und Innen. Bricht der radlius allein in ſeinem oberen Dritttheile, ſo findet eine Tendenz zur Dislocation nach Einwaͤrts, zur Bildung eines Winkels ſtatt, deſſen Spitze nach Innen ſieht; bricht der Knochen in der Mitte, ſo ſieht der Winkel der Dislo— cation nach Ruͤckwaͤrts; bricht er im unteren Dritttheile, nach Innen und Ruͤckwaͤrts. Oberſchenkel. Mag der Sitz der Fractur ſeyn, wo er wolle, ſo ſucht ſich das Ende der oberen Portion des Knochens ſtets vor das untere zu ſchieben und einen nach Auswaͤrts vorſtehenden Winkel zu bilden. Tibia. Wenn der Knochen in ſeiner unteren Haͤlfte bricht, ſo iſt meiſt eine Tendenz zur Rotation vorhanden, wobei der innere Knoͤchel mehr nach Vorne tritt, und zur Bildung eines Winkels, deſſen Spitze nach Ruͤckwaͤrts ſchaut. Fibula. Stets Neigung zur Bildung eines Win— kels, deſſen Spitze nach Einwaͤrts und mehr oder weniger Ruͤck waͤrts liegt. Tibia und fibula. Meiſt Tendenz zur Bildung eines Winkels mit der Spitze nach Hinten und Innenz ge— ringere Dispoſition zur Rotation, als wenn einer dieſer Kno— chen allein bricht. (Aus Annal. de la Chirurg. Franc. in Lond. Med. Gaz., May 1844.) Ueber fibröfe und krebshafte Geſchwuͤlſte der Bruft. Von James Prowſe. In Bezug auf die vor Kurzem ſtattgefundene Discuſ— ſion in der Pariſer Académie de Meédeeine giebt J. Prowſe einen Fall aus feiner Praxis, welcher entſchieden für die Anſicht Cruveilhier's ſpricht. Eine Dame von ungefähr ſiebenzehn Jahren erlitt zufällig eine heftige Ouetſch— ung der linken Bruſt, welche ſich darauf entzuͤndete. Die Entzuͤndung wurde durch geeignete Mittel bald beſeitigt, aber es blieb eine Verhaͤrtung zuruͤck, welche mehre Jahre hin— durch ihren Umfang nicht veraͤnderte; endlich wuchs ſie all— maͤlig bis zur Groͤße einer Wallnuß und blieb dann wieder ſtationaͤr. Sie war ſehr feſt, fuͤhlte ſich knorpelartig an und lag in dem Zellgewebe der Bruſtdruͤſe eingebettet, jedoch ohne nähere Verbindung mit der letzteren oder den Rippen. Ihre Geſtalt war eine unregelmaͤßig eifoͤrmige. Die Dame ver— 47 707 heirathete ſich zu neunzehn Jahren und wurde Mutter von elf lebenden Kindern, welche ſie alle, zehn bis zwoͤlf Monate lang, ſelbſt ſtillte. Im vierzigſten Jahre wurde ſie, in Folge eines zufällig eintretenden gefährlichen abortus, kraͤnklich und ſchwach, und fuͤnf Jahre darauf ſtellten ſich Symptome von cancer uteri ein, welcher am os uteri begann und ſich dann in die Subſtanz des uterus felbft hinein erſtreckte, in— dem zuerſt dieſe Theile anſchwollen und ſich verhaͤrteten, und ſpaͤter eine zerſtoͤrende, granulirte Verſchwaͤrung ſich einſtellte. Im ſiebenundvierzigſten Jahre ſtaſb die Kranke. Sehen wir nun, inwiefern dieſer Fall fuͤr die von Cruveilhier auf: geſtellte Anſicht ſpricht. Man erinnere ſich, daß die fibröfe Bruſtdrü engeſchwulſt ſeit dreißig Jahren vorhanden war, und daß die erſten Symptome des bösartigen Uebels ſich uns gefaͤhr dreiundzwanzig Jahre nach der mechaniſchen Inſulta⸗ tion der Bruſt zeigten. Vor dieſer Periode war keine Spur von Cachexie vorhanden, denn die Kranke war, bis auf we— nige unerhebliche Ausnahmen, geſund, kraͤftig und ruͤſtig. Waͤh— rend der Entwicklung und des Fortſchreitens des Krebsleidens ſtellte ſich keine Veränderung in der Bruſtgeſchwulſt ein. Es waren zwar zuweilen lancinirende Schmerzen in den Bruͤſten, ſowie an dem Sitze des Krebſes, vorhanden, allein dieſe waren nur ſympathiſch. Die Identitaͤt des fibroͤſen Tumors in dies ſem Falle ſcheint alſo ganz fuͤr Cruveilhier's Anſicht zu ſprechen, daß fibroͤſe Geſchwuͤlſte der mamma nicht exſtirpirt werden dürfen. Was uͤbrigens die Behandlung betrifft, ſo waren die wirkſamſten tonica und sedativa ohne Erfolg geblieben; das Kohlenchlorid innerlich und aͤußerlich angewendet, erwies ſich als ein kraͤftiges Sedans, verlor aber bald ſeine Wirk— ung; oͤrtlich zeigte ſich eine Solution von Chlorkalk wirk— ſamer. (Lancet, June 1844.) Misc Elle Ueber die gleichzeitige Entwickelung der Vaccine und variola und ihre gegenſeitige Modification hat A. Legendre, in Arch. gen., Sept., eine größere Abhandlung be— kannt gemacht, aus welcher wir nur Folgendes als Reſultat auszie— hen. — Aus fuͤnf im Hoſpitale von ihm beobachteten Faͤllen, in denen, während des Vaccinationsproceſſes, theils variola, theils Varioliden, theils Variocellen zum Ausbruche kamen, ergiebt ſich XXXIII. 3. 48 nach ibm: 1) wenn Pocken bei einem Individuum ein oder zwei Tage nach der Entwicklung der Vaccinepuſteln, alſo vier oder fünf Tage nach geſchehener Impfung, ausbrechen, fo kann man im Allge⸗ meinen annehmen, daß die Kranken bereits vor ſtattgehabter Vac⸗ cination vom Pockencontagium ergriffen waren. 2) Bei den, dem Pockencontagium ausgeſetzten Kindern ſcheint die Vaccinatſon die Entwicklung des erſtern zu begunſtigen. 3) Bei Kindern über vier Jahren, die während des Incubationsſtadiums des Pockengiftes ge— impft werden, kommen nur modificirte Pocken zum Vorſcheine. 4) Ebenſo, wie die Vaccine auf den Verlauf der variola modificirend einwirkt, wird auch jene durch dieſe influirt, fo daß die Impfpu⸗ ftein bei hinzutretender variola langſamer ſich entwickelnsund wer der von einem deutlichen Hofe, noch von einer ſolchen Anſchoppung des Unterhautzellgewebes, wie gewoͤhnlich, begleitet werden. 5) Je weiter vorgeſchritten und je weniger verändert in ihren Characte- ren die Vaccine bei'm Ausoruche der variola erſcheint, deſto aus— gepraͤgter iſt die Modification, die fie in letzterer hervorbringt. 6) Wird die Vaccination während des stad. prodrom, oder am erſten Tage der Eruption der Pocken vorgenommen, jo kann fie zwar ge— lingen, aber, wie es ſcheint, keinen Einfluß mehr auf das Exan— them ausüben. 7) Schwaͤchliche oder durch Krankheit geſchwaͤchte Kinder duͤrfen, wenn ſie der Einwirkung des Pockencontagiums ausgeſetzt ſind, nicht vaccinirt werden, indem der Ausbruch der Pocken, durch die Vaccination beſchleunigt, fo modificirt fie auch er⸗ an moͤgen, dem ſchwaͤchlichen Organismus gefaͤhrlich werden ann. Eintritt der Luft in die Venen bei einem Abſceſſe hinter dem LFarynx. — R. W. Smith theilte der Dubliner pathologiſchen Geſellſchaft in ihrer Sitzung am 3. December v. J. folgenden Fall mit. Einer Frau von ſechszig Jahren, welche am vergangenen Donnerstage in das Richmond-Spital aufgenommen worden war, war am Sonnabend zuvor bei'm Eſſen ein Knochen im Schlunde ſtecken geblieben, wo derſelbe ungefähr drei Stunden lang blieb. Bei der Aufnahme in das Spital klagte Patient uͤber Schmerzen im Schlunde; ſie konnte nicht ſchlafen und nichts Feſtes ſchlucken. An der rechten Seite des Halſes zeigte ſich eine Ge— ſchwulſt, welche bald kleiner, bald größer wurde und augenſchein— lich Luft und Fluͤſſigkeit enthieit Am Freitag entdeckte man bei genauerer Unterſuchung des Schlundes eine Geſchwulſt, welche an der unteren Portion des pharynx hervorragte; als man dieſelbe punctirte, kam etwas Luft hervor, wenige Minuten darauf fiel die Kranke zuruͤck und ſtarb, die Venen des Halſes waren von Luft ausgedehnt. — Bei der Section fand man einen großen Abſceß hinter dem pharynx und oesophagus, welcher bis in das media- stinum posticum hinabragte. Er hatte ſich durch zahlreiche kleine Oeffnungen in die Speiſeroͤhre entleert, und das lockere Zellgewebe zwiſchen dieſer und der Wirbelſaͤule war mit Eiter infiltrirt. Die Halsvenen waren durch die Verſchwaͤrung erodirt und an mehreren Stellen geoͤffnet. Der Tod war hier die Folge des Eintrittes der Luft in die Venen geweſen. rr. EU U uU u Bibliographische Narrative of the United States Exploring Expedition during the Years 1838 — 1842. By C. Wilkes, Commander of the Expedition etc. 5 Vols. New-York and London 1845. (Dieß ift ein wichtiges Werk, das Reſultat der in America bis: jetzt einzigen bloß um wiſſenſchaftliche Zwecke unternommenen Reife, an welcher die Herren Halel als Philolog, Pickering und Peale als Zoologen, Couthony als Concholog, Dana als Mineralog, Rich als Botaniker, Drayton und Agate als Zeichner und Brackenridge als Horticulturiſt Theil genom: men haben, und woraus ich Mehreres mitzutheilen gedenke.) Neuigkeiten. Exposition des attributs du systeme nerveux. Refutation de la doctrine de Charles Bell etc. Par le docteur Castel. Paris 1843. 8. Hygiene des bains de mers, de leurs avantages et des dangers de leurs abus. Par le docteur Leconte. Paris 1845. 8. Les médecins de Paris jugés par leurs oeuvres, ou Statistique scientifique et morale des médecins de Paris, contenant etc. Par C. Sachaile (de la Barre). Paris 1845. 8. — —ͤ—ͤ—ͤ— Neue Notizen aus de m Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem ObersMetieinalratde Froriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 708. (Nr. 4. des XXXIII. Bandes.) Januar 1845. Gedruckt im Landes⸗-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stückes 3 % Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 h 30 Ar, Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 % Die Tafel colorirte Abbildungen 6 97 renn ed e Ueber die Natur der Nerventhaͤtigkeit. Von James Stark, Dr. M. (Fortſetzung.) Es ſcheint mir ganz uͤberfluͤſſig, noch beſonders nachzu⸗ weiſen, daß dieſe Erſcheinungen nicht durch ein electriſches Fluidum veranlaßt werden koͤnnen. Daß ein fo unbedeu: tender Druck, wie der, durch welchen das Gefuͤhl und die willkuͤhrliche Bewegung aufgehoben werden, die Fortpflan— zung einer electriſchen Stroͤmung verhindern koͤnne, iſt ganz undenkbar; und daß ein leitendes Organ (denn die Verthei— diger der Electricitätstheorie betrachten ſaͤmmtlich die Ner— ven als die Leiter und nicht als die Erzeuger der Nerven— kraft) bei Beſeitigung des Druckes ſoviel Electricitaͤt erzeu— gen konne, daß ſich daraus die Natur und Dauer obiger Erſcheinungen erklären ließe, wäre ebenfalls hoͤchſt paradox. Dieſe Erſcheinungen finden ihre Erklärung lediglich in der Hypotheſe, daß die Nervenroͤhren einen Stoß, eine Welle fortpflanzen und ſo die willkuͤhrlichen Bewegungen und das Gefuͤhl vermitteln. Zu denſelben Folgerungen gelangt man durch die Er— waͤgung von Erſcheinungen, die unter andern tagtäglich wiederkehrenden Umſtaͤnden wahrzunehmen ſind, z. B., wenn man ſich mit dem Ellenbogen an irgend einen harten Gegenſtand ſtoͤßt. In dieſem Falle wird der nervus ulnaris zufams mengepreßt, und bekanntlich fühlt man dann ein hoͤchſt un— angenehmes Schwirren und Prickeln nicht nur im Ellenbo— gen, ſondern bis in die Spitze des kleinen Fingers, die aͤu— ßere Hälfte des Goldfingers und alle diejenigen Theile der Hand hinab, welchen Zweige des nervus ulnaris zugehen. Zugleich wird der Arm wie gelaͤhmt. Iſt der Stoß heftig, fo fühlt man auch einen Schlag aufwärts bis in den Un— terkiefer oder bis an die Seite des Halſes. Dieſer Zufall iſt gerade das Gegentheil von dem ſogenannten Einſchlafen eines Gliedes. Bei dem letztern wurde die prickelnde Em: pfindung nicht urſpruͤnglich durch die Zuſammendruͤckung, ſondern durch die ploͤtzliche Ruͤckkehr des Oels in die ent: No. 1808. — 708. leerte Stelle der Roͤhrchen erzeugt, wodurch die Fluͤſſigkeit in ſtarke wellenfoͤrmige Bewegung gerieth. Hier dagegen werden die wellenfoͤrmigen Bewegungen primaͤr durch den ploͤtzlichen Stoß erzeugt, durch welchen das Nervenoͤl aus einer Stelle des Nerven herausgepreßt und ſo die abwaͤrts und aufwaͤrts gehende Saͤule deſſelben in Schwingung ge— ſetzt wird ). In beiden Fällen werden jedoch die Schwin— gungen durch dieſelbe Urſache, naͤmlich durch das Zuſammen— treffen der zuruͤckkehrenden Stroͤmungen an der Stelle, wo das Vacuum erzeugt worden war, unterhalten, und erſt, wenn die wellenfoͤrmige Bewegung des Oels ganz nachgelaſ— ſen hat, hoͤrt die unangenehme prickelnde Empfindung ganz auf und kehren Gefühl und Bewegung vollſtaͤndig zuruͤck. Dieſe beiden Erſcheinungen, von denen die eine genau das Gegentheil der andern iſt, erlaͤutern demnach einander, und ſind inſofern aͤußerſt werthvoll, als ſie ſich durch eine ungemein einfache Theorie erklaͤren laſſen. Durch die electri— ſche Theorie laͤßt ſich in keiner Weiſe erklaͤren, wie in dem einen Falle die langſame Zuſammendruͤckung eines angebli— chen Leiters gar keine Empfindung, und in dem andern die ploͤtzliche Zuſammendruͤckung deſſelben angeblichen Leiters hef- tigen Schmerz erzeugen kann. Durch keine electriſche Theo— rie laͤßt ſich daruͤber Aufſchluß geben, weßhalb in dem einen Falle ploͤtzlicher Druck und in dem andern das ploͤtzliche Aufhoͤren des Druckes Erſcheinungen veranlaßt, die kaum voneinander zu unterſcheiden ſind. Die Unterſuchung der bei Krankheiten des Nervenſy— ſtems zu beobachtenden Erſcheinungen fuͤhrt durchaus auf die naͤmlichen Schluͤſſe, wie die, zu welchen wir oben gelangt ſind. Man kennt viele Faͤlle, und ich ſelbſt habe deren einige ge— ſehen, wo Jemand, dem der Schaͤdelknochen zerſchlagen oder ) Daß in dieſem Falle der Stoß nach Unten zu weit empfindli⸗ licher gefühlt wird, als nach Oben hin, wäre eine natürliche Folge des Umftandes, daß das Nervenoͤl an den blinden Ner⸗ venenden einen kraͤftigen Widerſtand findet, waͤhrend ſich ſeine Welle aufwärts allmaͤlig verlieren wurde. D. Ueberſ. 4 51 eingedruͤckt worden, Tage und Wochen lang bewußtlos, ohne Gefuͤhl oder eine willkuͤhrliche Bewegung dagelegen hat. Nachdem das niedergetriebene Knochenfragment jedoch wieder in die Hoͤhe gehoben worden, erwachte der Patient, wie aus einem Schlafe, und das Bewußtſeyn, ſowie das Ge— fühlsvermögen und die Faͤhigkeit, willkuͤhrliche Bewegungen auszufuͤhren, kehrte zuruͤck. Der niedergedruͤckte Knochen wirkte in dieſen Faͤllen, wie der Druck auf den Nerven bei'm ſogenannten Einſchlafen eines Gliedes, indem er die Ueberlieferung der Schwingungen oder Wellen durch die Fluͤſſigkeit in den Nervenroͤhren hemmte; allein ſowie der Druck beſeitigt war, konnten die Wellen wieder frei fortge— pflanzt werden, und das Bewußtſeyn, die willkuͤhrlichen Be— wegungen und das Gefühl kehrten zuruͤck. Die Verſchieden— artigkeit der durch eine langſame und eine ſchnelle Blut— oder fonftige Eegießung an der Oberflaͤche oder in der Sub— ſtanz des Gehirns hervorgebrachten Wirkung laͤßt ſich nach obiger Theorie ebenfalls befriedigend erklären. Wenn die Ergießung langſam iſt, ſo paſſen ſich die Organe dem ver— mehrten Drucke allmaͤlig an, weßhalb die Faͤhigkeit der willkuͤhrlichen Bewegung und der Empfindung nicht erliſcht. Tritt aber die Ergießung plotzlich ein, fo gerathen die Ner— venroͤhren in denſelben Zuftand, wie wenn Druck auf einen Nerven ſtattfindet; die dem Nervenoͤle mitgetheilten Schwin— gungen koͤnnen durch die Roͤhren nicht fortgeleitet werden, und der Patient buͤßt die Kraft der willkuͤhrlichen Bewegung und des Gefuͤhls ein. Aber in demſelben Verhaͤltniſſe, wie die Theile durch natürliche oder kuͤnſtliche Mittel von dem Drucke befreit werden, kommen, wenn keine Structurveraͤn— derungen erfolgt ſind, die Functionen des Gehirns und der Nerven wieder in Gang. Die bei Krankheiten des Ruͤckenmarkes durch Veraͤnde— rungen in deſſen naturgemaͤßer Structur oder durch Druck, in Folge von Ergießung oder von Verrenkung eines Wirbel— beins veranlaßten Erſcheinungen laſſen ſich nach der Theorie der durch die Nerven fortgepflanzten Wellen ebenſo leicht erklären, als dieß mittelſt der Electricitaͤtstheorie unmoͤglich iſt. Wie koͤnnte die Zuſammendruͤckung irgend einer Por— tion des Ruͤckenmarks die Fortleitung irgend eines imponde— rablen Agens verhindern? Wie koͤnnte die Erweichung oder Verhaͤrtung der Subſtanz des Ruͤckenmarks dieſer Fortpflanzung von dem gemeinſchaftlichen Senſorium aus irgend im We— ge ſeyn? Waͤre das Agens der Nerpenthaͤtigkeit die Ele— ctricitaͤt oder irgend ein ihr ähnliches Fluidum, fo würde die Ueberlieferung der Willensantriebe von dem Gehirne nach den Nervenenden, ſowie die der Empfindungen von den Ner— venenden nach dem Gehirne weder durch Compreſſion, noch durch Erweichung oder Verhaͤrtung des Ruͤckenmarkes irgend beeinträchtigt werden. Es iſt indeß hinlaͤnglich bekannt, daß ſolche pathologiſche Zuſtaͤnde die mit den jenſeits der krank— haften Portion ausgehenden Nerven verſorgten Theile der Bewegung und des Gefuͤhls berauben, und dieſe Thatſache laͤßt ſich auf keine andere Weiſe erklaͤren, als auf die von mir aufgeſtellte, naͤmlich daß die oͤlige Fluͤſſigkeit der Ner— ven die Schwingungen oder Wellen hin- und herleitet. Dieſe drei pathologiſchen Zuſtaͤnde des Ruͤckenmarkes wuͤrden 708. XXXIII. 4. 52 inſofern einerlei Wirkung aͤufern, als fie ſaͤmmtlich die in den Nervenroͤhren fortgepflanzten Wellen aufhalten muͤßten; der Druck wuͤrde die Roͤhren direct entleeren, und die bei— den erwaͤhnten krankhaften Veraͤnderungen der Markſubſtanz die Structur der Möhren und deren Inhalt in der W̃ veraͤndern, daß ſie zu ihren natuͤrlichen Functionen unge⸗ ſchickt wuͤrden. Folgende Thatſachen ſcheinen die Annahme, daß die Fortpflanzung einer Welle und nicht eines electriſchen Flui— dums durch die Nerven ausgeführt werde, ebenfalls vollkom⸗ men zu beſtaͤtigen. Wenn Jemand im Bade ſich an einen Stein, einen Balken ꝛc. ftöft, fo fühlt er, ſolange der ge— ſtoßene Theil ſich unter Waſſer befindet, verhaͤltnißmaͤßig wenig Schmerz. Dieſer Umſtand iſt Jedem, der ſich haͤufig im Freien badet, zur Genuͤge bekannt, und ich habe denſel— ben unzaͤhlige Male an mir ſelbſt erfahren. Woher ruͤhrt es nun, daß unter ſolchen Umſtaͤnden die Nerven dem Ge— hirne die Empfindung des Schmerzes nicht vollſtaͤndig über: liefern? Wenn die Empfindung von der Fortleitung einer der Electticität analogen Fluͤſſigkeit längs der Nerven ab— haͤngig wäre, wie koͤnnte dann das Eingetauchtſeyn in Waſ— fer dieſe Ueberlieferung theilweiſe verhindern? Wie konnte der Umſtand, daß der verletzte Theil mit Waſſer umgeben iſt, die angebliche Erzeugung von Electricitaͤt an demfelben verhindern? Beide Fragen laſſen ſich mit Huͤlfe der Elecz tricitaͤtstheorie ebenſowenig erledigen, als fie ſich nach meiner Theorie ohne Schwierigkeit beantworten laſſen. Wenn der Koͤrper in das dichtere Medium, Waſſer, eingetaucht iſt, ſo muß das Gefuͤhl in demſelben Verhaͤlt— niſſe abgeſtumpft werden, in welchem die Dichtheit dieſer Fluͤſſigkeit bedeutender iſt, als die der Luft. Durch den Druck eines dichteren Mediums wird die Kraft der im Ner— venoͤle erzeugten Welle um Vieles geringer, ſo daß Empfin— dungen, welche in der Luft ein peinliches Gefuͤhl erwecken wuͤrden, nur in ſehr geringem Grade bemerkt werden, wenn der Körper in Seewaſſer eingetaucht iſt, ſelbſt wenn derſelbe noch obendrein durch die Beruͤhrung mit der ſalzigen Slüfs ſigkeit gereizt wird. Je dichter alſo das Medium iſt, deſto ſtumpfer wird das Gefuͤhl ſeyn. Nachdem ich zu dieſem Schluſſe gelangt war, ſtellte ich mehrere Verſuche an, um deſſen Richtigkeit annaͤhernd zu pruͤfen, und ſo fand ich, daß ich mich nicht getaͤuſcht hatte. Wenn, z. B., dee Körper in ſuͤßes Waſſer eingetaucht war, fo konnte man deſſen Oberflaͤche kratzen, hineinſchneiden oder ſonſt verletzen, ohne daß in dem gemeinſchaftlichen Senſorium eine Perception ſtattfand, welche ſich irgend mit derjenigen hatte vergleis chen laſſen, die eine gleiche Verletzung unter gewöhnlichen Umſtaͤnden in der Luft veranlaßt haben würde. In der That bemerkte ich oft, wenn die Oberflaͤche des Koͤrpers zufaͤllig verletzt wurde, dieß nicht eher, als bis ich das Waſ— ſer verlaſſen hatte. Noch weit mehr war aber das Gefühl in allen Faͤllen abgeſtumpft. wenn der Koͤrper mit Seewaſſer umgeben war. Ja in manchen Faͤllen, wo ich mich zufaͤllig ziemlich ſchwer an Klippen geritzt und geſchnitten hatte, ward ich dieß nicht eher gewahr, als bis ich wieder auf's Land 53 kam, wo ich an dem heftigen Schmerze die Stelle und Bes deutſamkeit der Verletzung bemerkte. Als ich mich im Waſ— ſer befand, hatte ich nur empfunden, daß die ſich ſpaͤter ver— wundet zeigenden Stellen mit Klippen oder harten Koͤrpern in Beruͤhrung gekommen waren. Wenn man die Hand in Queckſilber taucht, fo ſcheint ſie alles Gefuͤhl zu verlieren; wenigſtens kommt es Einem vor, als ob fie abgeſtorben oder völlig erſtarrt ſey. Obwohl dieſe gewiſſermaaßen allgemein bekannten Er— ſcheinungen ſehr gegen die Electricitaͤtstheorie und für die Schwingungstheorie ſprechen, ſo glaube ich doch noch eine Betrachtung mittheilen zu muͤſſen, die an und fuͤr ſich, und wenn auch alles Uebrige fuͤr unzureichend befunden werden ſollte, die Richtigkeit meiner Theorie buͤndig beweiſen wuͤrde; naͤmlich die Art und Weiſe, wie die Gehoͤrner— ven die Eindrüde des Schalles aufnehmen. Niemand wird die Dreiſtigkeit haben, zu behaupten, daß der Schall dem Ohre mittelſt-der Electricitaͤt mitge— theilt werde. Die Geſetze der Fortleitung des Schalles ſind ſo gruͤndlich ermittelt, daß Jedermann zugiebt, der Schall werde dem Ohre durch Schwingungen allein mitgetheilt. Der modernen Theorie der Nerventhaͤtigkeit zufolge, muͤßten dieſe Schwingungen in den Nervenfaͤden des Ohres eine electriſche Strömung veranlaſſen, damit das Gehirn eine Empfindung derſelben erlange. Nun iſt mir aber kein Schriftſteller bekannt, der die Sache aus dieſem Geſichts— puncte aufgefaßt haͤtte; und alle ſcheinen ſich damit begnuͤgt zu haben, die Schallwellen bis zu den Gehoͤrnerven zu ver— folgen. Wenn aber ihre Theorie auf einen Nerven paßt, fo muß fie auf alle paſſen, und jene Theorie fuͤhrt unbe: dingt auf den Schluß, daß die durch die Schallwellen be— wirkten Eindrücke in den Gehoͤrnerven electriſche Stroͤmun— gen erregen muͤſſen, damit der Schall im Gehirne zur Per— ception gelange. Und dennoch wird hoffentlich Jedermann darin mit mir einverſtanden ſeyn, daß nicht erſt bewieſen zu werden brauche, daß Luftſchwingungen keine electriſche Stroͤmungen erregen koͤnnen. Wie koͤnnten, in der That, die feinen Abſtufungen des Tons oder die verſchiedenen In— tenſitaͤten der Schwingungen, welche, z. B., bei Anhoͤrung eines Orcheſterſtuͤckes zur Perception des Gehirns gelangen, durch electriſche Stroͤmungen vermittelt werden? Wir wollen einmal die Schoͤnheit und Vollkommenheit des Apparates in's Auge faſſen, welcher beſtimmt iſt, die Empfindung des Schalles dem Gehirne zuzuleiten. Zuerſt haben wir ein Organ (das aͤußere Ohr), welches die Schall— wellen ſammelt und vermoͤge ſeiner beſondern Einrichtung einer Membran (deren Trommelfelle) zufuͤhrt, deren Span— nung durch die mehr, als halb unwillkuͤhrlich beweglichen Muskeln, welche an die Kette von Gehoͤrknoͤchelchen angeſetzt find, geſteigert und vermindert werden kann. An die Ruͤck⸗ ſeite dieſer Membran iſt eine gebogene Kette von Knoͤchel— chen angeſetzt, deren anderes Ende an eine Membran (die der fenestra ovalis) befeſtigt iſt, welche die Hauptoͤffnung der Knochenhoͤhle bedeckt, welche das innere Ohr bildet, in dem die feinen Gehoͤrnerven ſich ausbreiten. Dieſe in 708. XXXIII. 4. 54 mehrere Kammern zerfallende und mit Windungen verſehene knochige Hohle iſt mit einer Fluͤſſigkeit gefuͤllt, in welcher die Gehoͤrnerven locker vertheilt liegen. Die von dem aͤußern Ohre geſammelten und dem Trommelfelle zugefuͤhrten Schall- wellen theilen dieſem ihre Schwingungen mit. Jede Schwin⸗ gung dieſer Membran wird alsbald durch die Kette von Knoͤ— chelchen der Membran uͤberliefert, welche die Hoͤhle des inneren Ohres auskleidet, und da dieſe Membran ſich mit der Fluͤſſigkeit in Beruͤhrung befindet, in welcher die Gehoͤrnerven ſchwimmen, ſo werden die Schwingungen direct den Nerven ſelbſt mit— getheilt. Da nun dieſe aus mit einer Fluͤſſigkeit gefüllten Roͤhren beſtehen, fo werden die der Fluͤſſigkeit, in welcher die Nerven ſchwimmen, mitgetheilten Schwingungen, als ſolche, der in den Rohren befindlichen Fluͤſſigkeit mitgetheilt, ſo daß die Schallwellen, als ſolche, dem Gehirne felbft überliefert werden. Welche Intenſitaͤt die Schwingungen des Schalles alſo auch beſitzen moͤgen, ſo wird dieſelbe doch dem Nervenoͤle und durch dieſes dem ge— meinſchaftlichen Senſorium mitgetheilt, und ſo allein laͤßt es fi) erklären, daß das Gehirn durch jeden Ton eine dies ſem entſprechende Perception erhaͤlt. Wenn dieß alſo ein Fall iſt, wo ſich deutlich nachwei— fen läßt, daß das Agens, durch welche die Empfindungen dem Nervencentrum mitgetheilt werden, eine Welle oder Schwingung iſt, ſo gehorcht man nur den einfachen Geſetzen der Vernunft, wenn man daraus folgert, daß die Mittheilung von Empfindungen jeder Art in derſelben Weiſe vermittelt werde. Da ſaͤmmtliche Nerven eine und dieſelbe Structur darbieten, da alle aus mit Oel gefuͤllten Roͤhren beſtehen, da alle Nichtleiter der Electricitaͤt ſind, ſo kann man nur zu dem Schluſſe gelangen, daß die Empfindungen und das Gefuͤhl dem Nervencentrum durch Schwing— ungen oder Wellen mitgetheilt werden, welche ihm durch das die Nervenroͤhren fuͤllende Oel zugeführt werden. Wenn wir die verſchiedenen Arten von Empfindungen gruͤndlicher betrachten, und zu ermitteln ſuchen, wie die eben aufgeſtellte Erklaͤrung zu Demjenigen ſtimmt, was wir von den Wirkungen der Anwendung verſchiedener aͤußerer Poten— zen wiſſen, ſo werden wir uns um ſo vollſtaͤndiger davon uͤberzeugen, daß die hier aufgeſtellte Theorie die richtige iſt. Wir wollen demnach zuvoͤrderſt die Erſcheinungen in's Auge faſſen, von welchen die Anwendung der Waͤrme und Kaͤlte begleitet iſt. Im Allgemeinen gilt die Regel, daß die Waͤrme das Empfindungsvermoͤgen ſteigert, und daß die Kaͤlte daſſelbe abſtumpft. Deßhalb finden wir bei den kaltbluͤtigen Thieren, deren Temperatur ſich ziemlich nach der des umge— benden Mediums richtet, daß fie ſaͤmmtlich im Sommer und waͤhrend der waͤrmſten Stunden des Tages am Thaͤtigſten und dagegen im Winter und des Nachts traͤge und erſtarrt ſind. Die Waͤrme bewirkt in dieſem Falle, daß das in den Nervenroͤhrchen enthaltene Oel fluͤſſiger wird, und daß dem nach die aͤußeren Eindruͤcke dem Gehirne ſchneller und deut— licher überliefert werden. Dagegen bewirkt die Kälte, daß 4 * 55 das Nervenoͤl feine Fluͤſſigkeit mehr oder weniger einbuͤßt, und daher ruͤhrt die Verminderung der Faͤhigkeit, Eindruͤcke zu empfangen und fie dem Nervencentrum ſcharf zu übers liefern. Wenn eine kalte Subſtanz mit der Oberflaͤche des Koͤr— pers in Beruͤhrung gebracht wird, ſo entſteht eine Empfind— ung, von der uns die Erfahrung lehrt, daß ſie von einem kalten Koͤrper herruͤhrt. Wie kann aber, wird man fragen, ein kalter Koͤrper oder bloße Kaͤlte eine Schwingung oder Welle in dem Nervenoͤle erzeugen? Von allen thieriſchen Fluͤſſigkeiten iſt das Oel diejenige, welche ſich durch die Er: hoͤhung ihrer Temperatur am Staͤrkſten ausdehnt und durch Erniedrigung ihrer Temperatur am Staͤrkſten zuſammenzieht. Wenn alſo eine kalte Subſtanz mit der Oberflaͤche des Koͤr— pers in Beruͤhrung tritt, ſo wird die Temperatur des Oels in den der beruͤhrten Stelle benachbarten Nervenroͤhrchen er— niedrigt, es zieht ſich zuſammen und bewirkt alſo ein Nach— ſtroͤmen des in den hoͤhern Portionen’ der Röhrchen enthalte nen Oels nach der beruͤhrten Stelle zu; dieſe Stroͤmung veranlaßt nothwendig eine Schwingung oder Welle in der ganzen Saͤule, und ſo entſteht die Empfindung, welche wir, durch Erfahrung belehrt, fuͤr die der Kaͤlte erkennen. Dieſe Erſcheinungen laſſen indeß noch eine andere Ers klaͤrung zu, welche der Schwingungstheorie eben ſo guͤnſtig iſt. Die Kälte kann primär auf das Ende der Nerven- roͤhren in derſelben Weiſe einwirken, wie auf alle uͤbrigen Koͤrpergewebe; naͤmlich indem ſie deren Zuſammenziehung und auf dieſe Weiſe ebenfalls eine Schwingung oder Welle veranlaßt. Folgende Thatſache kann beweiſen, daß die Empfindung der Kälte wirklich auf eine der eben erlaͤuterten Weiſen er: zeugt werde. Jedermann weiß, daß, wenn man einen kal⸗ ten Körper berührt, eine kurze, aber deutlich wahrnehmbare Zwiſchenzeit zwiſchen der Perception der Beruͤhrung und der Perception der Kaͤlte verſtreicht. Hieraus geht hervor, daß einige Zeit dazu gehört, damit die Kälte ihre ſpecifiſche Wir— kung auf das Gewebe aͤußern koͤnne, welches die Ueberliefer— ung der Empfindung an das Gehirn vermittelt, bevor ſie diejenige Form der Schwingung zu Wege bringen kann, welche dem Geiſte die Perception der Kaͤlte ertheilt. Bei der Berührung mit einem warmen Körper oder mit bloßer Waͤrme findet genau das Gegentheil ſtatt. Wenn wir einen warmen oder heißen Körper beruͤhren, fo wird das Oel in den Nervenroͤhrchen ausgedehnt, und ſo entſteht eine aufwaͤrtsgerichtete Welle in der Oelſaͤule, ſo daß im Nerven— centrum diejenige Perception entſteht, welche erfahrungsmaͤ⸗ ßig durch einen heißen Körper erzeugt wird. Das Gefühl der Kälte wird alſo, wie es ſcheint, durch eine nach dem Beruͤhrungspuncte mit einem kalten Koͤrper hinſtroͤmende Welle, und das der Waͤrme durch eine ſolche Welle veran— laßt, die von der Beruͤhrungsſtelle mit einem warmen Koͤr— per herſtroͤmt. Wenn dagegen Wärme und Kaͤlte primär auf die Membran der Nervenroͤhren einwirkten, fo fände ge: rade das Gegentheil ſtatt; doch mag man nun die eine oder die andere Anſicht plauſibler finden, ſo werden doch die 708. XXXIII. 4. 56 Schwingungen bei der Beruͤhrung mit einem warmen Koͤr⸗ per nach der entgegengeſetzten Richtung gehen, wie bei der Beruͤhrung mit einem kalten Koͤrper, und dieß iſt wahr⸗ ſcheinlich der Grund, weßhalb wir beide im Allgemeinen ſo leicht voneinander unterſcheiden. Hiervon bildet indeß der Fall eine Ausnahme, wo wir einen ſehr heißen oder ſehr kalten Koͤrper beruͤhren, da denn hier, wie dort, faſt dieſelbe Empfindung ſtattfindet, ſodaß man nicht unterſcheiden kann, ob man ein Stüd gefrornes Queckſilber oder eine heiße Eiſenſtange berührt, Dieſe Er⸗ ſcheinung läßt ſich nach der Electricitätstheorie in keiner Weiſe, dagegen nach der Schwingungstheorie befriedigend erklaͤren. Durch die ploͤtzliche Erhitzung werden nicht nur die Gewebe uns mittelbar von Blut ſtrotzend, ſodaß fie die Nerven compri⸗ miren, ſondern auch das Nervenoͤl ſo ſtark ausgedehnt, daß es eine ruͤckwirkende Welle erregt. Die ploͤtzliche Erkaͤltung, welche alle Gewebe zuſammenzieht, wird die Nerven ebens falls comprimiren, und da ſich zugleich die haͤutigen Wand⸗ ungen uͤber dem in ihnen enthaltenen Oele zuſammenziehen, ſo wird ebenfalls primaͤr eine ruͤckwirkende Schwingung oder Welle erzeugt *). f *) Ebenſo kann auch das Gefühl des Brennens durch aͤhnlich wie Hitze auf die Nervenenden einwirkende Potenzen, z. B., in manchen Wunden ꝛc., erzeugt werden. D. Ueberſ. (Schluß folgt.) Miscellen. Ueber die chemiſche Zuſammenſetzung der wachs⸗ artigen Subſtanzen hat Herr Lewy der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 6. Januar eine Arbeit mitgetheilt. Er hat Bienenwachs, das Wachs des Zuckerrohrs, das Palmenwachs, das der Myrica eerifera, drei Arten Wachs aus Braſilien, eine Art, von der den Chemikern erſt ganz kleine Proben aus China zuge⸗ gangen ſind, und endlich das Wachs der Melliponen unterſucht. Das Bienenwachs beſteht aus drei Stoffen: Cerine, Myricine und Ceroleine, welches letzte den Chemikern bisher noch unbekannt war. Die Ceroleine iſt ſehr weich, ſchmilzt bei 283 Centigr., iſt in kaltem Alcohol und Aether ſehr aufloͤslich und reagirt ſauer. Das Wachs enthält davon etwa 4 bis 5 Procent. Herr Lewy hat bes reits nachgewieſen, daß ſich aus Wachs Seife bereiten läßt, ſowie daß es ſich mittelſt einer Verbindung von Kalk und Kali leicht in Stearinſaͤure verwandeln laͤßt. Dieſe Reſultate ſind durch ſeine neuen Unterſuchungen beſtaͤtigt worden. Wenn man das gebleichte Wachs mit dem ungebleichten vergleicht, ſo findet man, daß das letztere mehr Kohlenſtoff und weniger Sauerſtoff enthält, als das erſtere, und daß ſich der Unterſchied bis 1 Procent belaufen kann. Indem Herr Lewy die Cerine mit einer Kaliaufloͤſung behandelte, erhielt er eine Säure, die er weiße Cerinſaͤure nennt. Sie iſt cryſtalliſirbar und ſchmilzt bei 65° Centigr. In Alcohol und Ae⸗ ther iſt ſie ſchwer aufloͤslich. Bei gleicher Behandlung der Myri⸗ cine erhielt er Myricinſäure, welche ungefähr dieſelben Cha⸗ ractere hat, wie die vorige, aber bei 605 Centigr. ſchmilzt. Das Chineſiſche Wachs iſt vegetabiliſchen Urſprungs und hat einen weit hoͤheren Schmelzpunct, als das Bienenwachs, namlich 3219 Centigr. Behandelt man es mit Kalk und Kali, ſo erhaͤlt man eine weiße cryſtalliſirte Saͤure, die Herr Lewy Sinaſaͤure nennt, und die bei 80° Cent. ſchmilzt. Das Palmenwachs, welches in'sbeſondere aus Neugranada kommt, ſtellt ſich in Geſtalt eines graulichweißen Pulvers dar, welches die Epidermis des Palmbaumes bedeckt. Das Wachs der Andaquien wird durch ein kleines Inſect (Caveja) erzeugt, welches zu den Honigbereitern (Melliponen) gehört, an 57 den Ufern des Rio Caqueto ſehr häufig iſt und auf einem und dem⸗ ſelben Baume eine ſehr große Menge von Neſtern bildet. Gleich dem Bienenwachſe, beſteht das hier in Rede ſtehende Wachs aus drei Stoffen (Cerine, Myricine, Ceroleine), die man durch Be« handlung mit kochendem Alcohol voneinander ſcheidet. Hr. Lewy hat in dem Wachſe der Melliponen 503 Palmenwachs, 453 Zucker⸗ rohrwachs und 53 oͤliger Materie gefunden, und es laͤßt ſich als eine Miſchung von Palmenwachs und Ceroſin (2) betrachten. „Dieß iſt“, bemerkt Herr Le wy, „ein, in phyſiologiſcher Beziehung, ſehr merkwuͤrdiges Ergebniß. Hat man daraus zu ſchließen, daß das Wachs eine ächte animaliſche Secretion ſey? Ich glaube es nicht, und Herr Du mas ſelbſt bemerkte in feinen dießjaͤhrigen Vorle— fungen, daß das Wachs der Andaquien ruͤckſichtlich der Ges nauigkeit feiner Verſuche über die Bienen Zweifel errege. Auf je: den Fall bin ich der Meinung, daß die Bienen der Andaquien nicht die Fähigkeit beſitzen, ſelbſt das Wachs zu erzeugen, deſſen fie zum Bau ihrer Waben beduͤrfen; denn ſchwerlich läßt ſich an⸗ nehmen, daß dieſe Inſecten eine ſo gleichfoͤrmige Miſchung von Palmenwachs und Zuperrohrwachs in ſich bilden, ſondern man muß vielmehr glauben, daß ſie das Wachs, deſſen ſie benoͤthigt ſind, ganz einfach von den Palmen und dem Zuckerrohre ſammeln.“ In Beziehung auf die Cercarien iſt durch Herrn Du⸗ jardin in deſſen Histoire naturelle des Helminthes eine That⸗ ſache bekannt geworden, welche eine der ſonderbarſten iſt, welche man der Helminthologie verdankt. Bei den Cercarien, kleinen Eins geweidewürmern, welche die Leber mehrerer unſeren Schnecken aͤhn— 708. XXXIII. 4. 58 lichen Suͤßwaſſer⸗Mollusken bewohnen, iſt das Ei ſelbſt belebt, oder vielmehr, man ſieht dieſe Helminthen ſich in einem lebenden Sacke entwickeln, welcher die Fähigkeit hat, ſich zu bewegen, mit Drgas nen verſehen iſt, ſich aller Functionen eines eigentlichen Thieres erfreut, und welchem man den Namen Sporocystis gegeben hat. In dem Maaße, als die in dieſem Sacke enthaltenen jungen Gers carien größer werden, verlieren die Sporocyſten ihre Form und ihre ihnen eigenen Organe und ſind zuletzt nichts mehr, als haͤutige Saͤcke. Darauf verlaſſen die Cercarien den haͤutigen Sack, dieſel⸗ ben leben mehrere Tage in dem Körper des Mollusken, welchen ſie ebenfalls verlaſſen, und, nachdem ſie einige Zeit im Waſſer her⸗ umgeſchwommen find, fixiren fie ſich und bleiben unbeweglich. Dieſe Thatſachen ſind ſo außerordentlich, als wenn man das Huͤhnerei fuͤr ſich allein kommen, ſich entfernen, gehen und ſich ernaͤhren ſähe und es nachher ſtuͤrbe; waͤhrend das junge Huͤhnchen in ſeinem In⸗ nern ſich entwickelte und dann der lebend gebliebene junge Vogel die Schaale zerbräche und nach Außen auskroͤche. Uebrigens iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß die Wanderungen der Cercarien damit noch nicht aufhören, und daß fie, von irgend einem anderen Thiere aufs genommen, in einem neuen Organismus noch andere Metamorpho⸗ ſen erleiden und ihren vollkommenſten Zuſtand erlangen. (Revue de Paris, No. 109.) Nekrolog. —. Der wackere emeritirte Profeſſor der Bo: tanie an der Univerfität zu Prag, Johann Chriſtian Mikan, auch durch feine Reifen nach Braſilien und in Sicilien bekannt, iſt im December zu Prag geſtorben. e i lt unde. Fall von Oſſification der Muskeln. Von Caeſar Hawkins. George Brown, ein Aufwaͤrter, 22 Jahre alt, ward am 14. Juni 1843 in das St. George-Spital aufgenom⸗ men, mit Anſchwellungen in den Lumbar- und Dorfalges genden, welche eine Woche vorher unter heftigen Schmerzen ſich gebildet hatten, ſeitdem verſchwunden waren, aber bei jeder Bewegung wieder eintraten. Eine Anſchwellung lag oberhalb der Queerfortſaͤtze von 2 bis 3 Lendenwirbeln auf der rechten Seite, gegen 4“ lang und 15“ breit, die mm. longissimi dorsi vor ſich her draͤngend; fie hatte ein ſehr feſtes Gewebe, war anſchei— nend knochigt und unſchmerzhaft bei'm Drucke. Eine an⸗ dere Geſchwulſt, von groͤßerer Breite, in der linken Dorſal— gegend, nicht ſo hart, wie die erſte, etwas ſchmerzhaft bei'm Drucke, bedeckte die 3 oberen Rippen dicht an der Wirbel⸗ ſaͤule und bewegte ſich nicht mit dem Schulterblatte, ſie ſchien von den mm. trapezii bedeckt zu ſeyn. Der Kranke gab an, daß er immer einen hohen Ruͤcken gehabt, aber nie eine Anſchwellung, als bis acht Tage vor ſeiner Aufnahme, wahr— genommen habe. Am 19. Juni waren beide Geſchwuͤlſte kleiner; am 10. Juli war die obere ganz, die untere theil— weiſe verſchwunden, ſo daß man die Queerfortſaͤtze fuͤhlen konnte, aber einen harten, knochichten Anhang dabei be— merkte. Eine neue Geſchwulſt erſchien unterhalb der linken Achſelgrube an dem vorderen Rande des latissimus dorsi und anſcheinend auf dem großen Saͤgemuskel. Am 17. Juli war eine ähnliche Geſchwulſt an derſelben Stelle auf der rechten Seite und nahe bei derſelben eine andere harte, ſchmerz⸗ hafte Geſchwulſt, anſcheinend unterhalb des m. pectoralis major der rechten Seite vom unteren Rande deſſelben bis zu 1“ unterhalb der rechten Bruſtwarze gelegen, erſchienen. Am 21. Juli waren die linken mm. scaleni verhaͤrtet und ſteif mit geringer Anſchwellung; am 31. Juli die tumores der rechten Seite faſt verſchwunden, aber die Geſchwulſt uͤber den Ruͤckenwirbeln von Neuem hervorragender und elaſtiſch und eine andere Geſchwulſt an der Seite der Lendenwirbel der linken Seite. Am 23. Auguſt waren alle Anſchwellun— gen faſt verſchwunden; der Kranke verließ am 6. September das Spital in guter Geſundheit, nur hielt er ſich ſehr ſteif, und konnte bei'm Buͤcken die Wirbelſaͤule nicht bewegen, welche Bewegung nur am acetabulum vor ſich ging. Am 28. October von Neuem aufgenommen, fanden ſich Anſchwellungen, zahlreicher und hervorragender, als fruͤ— her; der untere Theil des m. sternomastoideus war ſehr hart und unbiegſam auf 3 bis 4“, die urſpruͤngliche Ges ſchwulſt in der linken Lendengegend verknoͤchert; eine ſtarke Anſchwellung fand ſich zwiſchen der linken scapula und den Dornfortſaͤtzen der Wirbel, in deren Mitte eine kleine, bes wegliche Maſſe von Knochenſubſtanz; eine aͤhnliche Anſchwel— lung unter dem Winkel der rechten scapula, anſcheinend im serratus, unter dieſer Geſchwulſt an einer Rippe eine Exoſtoſe; die mm. scaleni noch hart. Alle dieſe Anſchwellun— gen waren ſchmerzhaft und etwas empfindlich, das Allgemeinbe— finden gut, der Kranke wohlgenaͤhrt. Am 30. November wurden die weichen Geſchwuͤlſte der mm. sternomastoidei, scaleni, serrati und trapezii kleiner, aber die Bewegun⸗ gen ſehr erſchwert, der Ruͤcken ſteif; der rechte Arm konnte nicht in die Hoͤhe gehoben oder bewegt werden. Der linke 59 Arm bewegte ſich leicht, aber die knochigte Maſſe hinter demſelben, nur 2“ lang, ward bei'm Herabziehen des Armes von der scapula nach Außen in die Höhe gehoben und krachte, wenn man die basis scapulae beruͤhrte. Da dieſe Knochenmaſſe ſchnell wuchs und ſich an der Wirbelſaͤule firirte, fo wurde fie am 28. November exſtirpirt. Sie bes fand ſich zwiſchen den mm. trapezii und rhomboidei mit beiden innig verbunden, das eine Ende glatt und frei, das andere an den Dornfortſatz des ſechsten bis ſiebenten Ruͤk— kenwirbels befeſtigt und theilweiſe verknoͤchert. Die Ge— ſchwulſt war gegen 3“ lang und von der Form einer Sand— uhr, 1“ in der groͤßten Breite; zumeiſt feſter Knochen, ein kleiner Theil knorpelicht, der ſchmaͤlſte Theil theilweiſe be— weglich. Mehrere große Gefaͤße wurden durchſchnitten, und die Blutung ſchwaͤchte den Kranken ſehr; die Wunde heilte langſam. Am 18. December waren die Anſchwellungen ſehr verkleinert. Am 2. Februar 1844 erſchien eine Anſchwel— lung unter dem rechten Bruſtmuskel, an die Rippen befe— ſtigt, von ovaler Geſtalt, 8“ lang, 25“ breit, weich aber unbeweglich. Dieſe Anſchwellung nahm erſt an Umfang zu, wurde hart und hoͤckerig, war aber am 1. Maͤrz wieder verſchwunden. Am 4. Maͤrz fand ſich eine große Geſchwulſt, von der Größe eines Gaͤnſeeies, unter dem unteren Winkel der linken scapula, an den m. serratus firiet, weich aber feſt, bei'm Drucke crepitirend, in der Mitte eine kleine Exo— ſtoſe; an demſelben Tage eine andere Anſchwellung an dem ligamentum nuchae, 4 bis 5“ lang, ſehr feſt und hart und alle Muskeln afficirend, welche ſich am Hinterhaupts— beine inſeriren, mit Ausnahme des m. trapezius, welcher faſt 2“ dick und ziemlich breit iſt. Die Geſchwulſt unter der Scapula nahm ſehr an Um— fang zu, und wurde haͤrter; ſpaͤter verkleinerte ſie ſich wie— der, war aber am 28. Mai noch nicht ganz geſchwunden. Am 29. Maͤrz erſchien eine neue Geſchwulſt in dem linken Bruſtmuskel an ſeinem Axillarrande, welche bald wieder klei— ner wurde; — am 12. April eine andere Anſchwellung von betraͤchtlicher Größe unter dem m. latissimus dorsi der rechten Seite; am 15. April eine Haͤrte in dem Bruſtmus— kel, welche fpäter etwas weicher wurde. Seitdem hat ſich keine neue Anſchwellung gebildet. Der Kranke iſt nun ſehr ſteif, in Folge der Verknoͤcherung an den Lendenwirbeln und der Haͤrte der Halsmuskeln und kann keine Schulter frei gebrauchen, namentlich nicht die linke, wegen der Geſchwulſt im m. serratus unter dem Winkel des Schulterblattes und der faſt voͤlligen Verknoͤcherung der Sehne des m. pectoralis major; auf einer Rippe an je— der Seite iſt eine Exoſtoſe. Ueber die Urſache dieſer Krankheit iſt Nichts weiter an— zugeben, als daß dieſelbe nach einer ſtarken Erkaͤltung be— gann. — Die Knochenablagerung beſteht nicht, gleich fo vielen erdigen Concrementen, aus kohlenſaurem Kalke, ſon— dern aus Phosphat und Carbonat, wie bei'm wahren Kno— chen mit Zellen, einer aͤußeren Lamelle, einer Beinhaut und Knorpel, und bietet auch alle mikroſkopiſchen Zeichen des Knochens dar. Alle Functionen ſind ungeſtoͤrt, nur iſt eine krankhaft erhöhte Fettablagerung unter der Haut vorhanden. 708. XXXIII. 4. 60 Die Behandlung beſtand in der Anwendung von Bla— ſenpflaſtern an den afficirten Theilen, wodurch die Anſchwel⸗ lung und der Schmerz gemildert wurden; nicht ganz ſo wirkſam zeigten ſich Ueberſchlaͤge mit einer Aufloͤſung von Jod und Jodkali; auch Kaͤlte linderte den Schmerz. In⸗ nerlich erhielt der Kranke anfangs Colchicum, welches Schmerz und Anſchwellung etwas zu mildern ſchien, ſpaͤter Jodkali, von 5 Gran bis 7 Gran ſteigend, drei Mal taͤg— lich, welches ſehr wohlthaͤtig zu wirken ſchien; am 14. Aus guſt wurde der Saſſaparill hinzugefügt, und am 6. Sep⸗ tember verließ der Kranke, wie erwaͤhnt, anſcheinend geheilt das Spital. Spaͤter, bei ſeiner zweiten Aufnahme, erhielt er Merkur bis zum beginnenden Speichelfluſſe, bei welcher Be— handlung faſt alle Anſchwellungen verſchwandenz bis auf eine, welche, wie gleichfalls oben erwaͤhnt, exſtirpirt wurde. Am 22. Februar ſtellte ſich, nach Anwendung zweier Blaſen— pflaſter, ein Eryſipel ein, welches lange anhielt; darauf bil— dete ſich ein Druͤſenabſceß in der Achſelgrube, und nun ent— ſtanden zahlreiche Geſchwuͤlſte in den Muskeln. Am 6. April erhielt der Kranke Phosphorſaͤure, anfangs 3 6, ſpaͤ— ter 33, drei Mal taͤglich, welches Mittel er noch jetzt einz nimmt; waͤhrend dieſer Zeit bildete ſich, mit der Ausnahme eines tumor, kein neuer, und die alten wurden kleiner. (London Med. Gaz., May 1844.) Ueber Paracentesis thoracis. Von Dr. Hughes und Herrn Cock. Die Verfaſſer beſprechen in den Guy's Hospital Reports, April 1844 die Weiſe, auf welche die paracen- tesis thoracis ausgeführt wird, und den Werth derſelben, als eines Mittels, die Leiden zu mildern und pleuritiſche Erguͤſſe zu beſeitigen. Angehaͤngt ſind 11 Faͤlle und eine Tabelle uͤber 20 neue, bis dahin nicht veroͤffentliche Faͤlle der Operation mit den Reſultaten. Die Operation wurde in den letzten 4 bis 5 Jahren zwanzig-, dreißigmal und öfter im Spitale ausgeführt. In mehren dieſer Faͤlle wurde die Heilung ſichtlich durch dieſelbe erleichtert und beſchleunigt; die Reſultate waren eine fruͤhere Erpanfion der Lungen und eine Verminderung oder Verhütz ung der Entſtellung des Bruſtkaſtens. In anderen Faͤllen führte man die Operation nur aus, um momentane Erleich— terung zu gewaͤhren. Wegen hydropericardium und haematothorax hat Dr. Hughes die Operation niemals ausführen ſehen; aber bei pneumothorax, hydrothorax und Empyem oder chro⸗ niſchem pleuritiſchen Erguſſe wird ſie in dreifacher Abſicht ausgefuͤhrt, entweder zur unmittelbaren Heilung, oder zur Erleichterung der dringendſten Symptome, oder endlich um die Heilung durch andere Mittel zu erleichtern. Hydro- thorax iſt ſtets die Folge einer pleuritis, oder einer Hem— mung der Circulation in dem Herzen, den Lungen oder me— diastinum, nur diejenige Waſſeranſammlung ausgenommen, welche in vielen Fällen wenige Stunden vor dem Tode eins tritt, oder die Folge einer Exſudation nach demſelben iſt. Die Paracenteſe kann daher bei'm hydrothorax nur als 61 Palliativmittel nuͤtzen und eine größere Zeitfrift gewähren, um mit Erfolg die geeigneten Mittel gegen die Grund: krankheit anzuwenden. Zunehmende Dyspnoͤe, Orthopnoͤe, ſteigende Dumpfheit des Percuſſionstones auf einer oder bei— den Seiten der Bruſt, welche nach der Lage des Kranken verſchieden ſich geſtaltet und anderen Mitteln nicht weichen will: dieſes find die Indicationen der Paracenteſe bei'm hy- drothorax. Was die Anwendung der Wee bei chroniſchem Pleuraerguſſe und Empyem betrifft, fo macht Dr. Hughes zunaͤchſt auf die Wichtigkeit der Unterſcheidung dieſer beiden Affectionen aufmerkſam. In dem einen Falle, wo die Lunge von albuminoͤſer Materie dick überzogen, durch Adhaͤſion anhal— tend fixirt wird und demzufolge keiner Ausdehnung fähig iſt, kann die Heilung nur durch den langſamen Proceß der Con— traction der Bruſthaͤlfte und die Krümmung der Wirbelſaͤule, unterſtuͤtzt durch die allmaͤlige Erweiterung der Lunge der entgegengeſetzten Seite, zu Stande kommen. Sie wird da— her wohl nur durch die gelegentliche Entleerung kleiner Men— gen der Fluͤſſigkeit beſchleunigt. Wenn dagegen der Erguß friſch und nicht purulent iſt, ſo hat die Behandlung die fort— dauernde Compreſſion und das Zuſtandekommen der dichten Pſeudomembranen, wo moͤglich, zu verhuͤten und der Noth— wendigkeit vorzubeugen, auf den langſamen Proceß der Re— ſorption, Contraction und Distortion warten zu muͤſſen. Die Entfernung eines Theiles der Fluͤſſigkeit wird fuͤr die noch ausdehnbare Lunge Raum hergeben, und ein wichtiges Adju— vans fuͤr die anderen Heilmittel werden. Selbſt bei abſo— lut lethalen Krankheiten, wie bei phthisis, Vereiterung der Lunge oder Meſenterialleiden, wenn die Dyspnoe und das Allgemeinleiden von in der pleura angehaͤufter Fluͤſſig— keit abhaͤngig iſt, werden dieſe Symptome durch die Opera— tion bedeutend gemildert werden, wenn ſie auch keine vollſtaͤndige Heilung zu bewirken vermag. Spontane Heilung kommt wohl zuweilen bei Empyem und chroniſchem Pleuraerguffe vor, aber die von Zeit zu Zeit angeſtellte Entfernung einer kleinen Menge Fluͤſſigkeit wird demungeachtet die Cur be— ſchleunigen und weſentlich zu derſelben beitragen, und iſt be— ſonders dann angezeigt, wenn das Allgemeinbefinden, der Zuſtand der Conſtitution oder andere Umſtaͤnde eine lange fortgeſetzte, rein medicinifche Behandlung nachtheilig oder nicht wuͤnſchenswerth machen. Die Gewißheit der Diagnoſe, wie ſie jetzt durch die phyſicaliſche Unterſuchung gegeben iſt, hat die Operation aus einem gewagten und unſicheren Unternehmen zu einem ſolchen gemacht, welches von jedem mit maͤßiger manueller Geſchick— lichkeit begabten Wundarzte ausgefuͤhrt und als fruͤhzeitiges Heilmittel angewendet werden kann, waͤhrend es fruͤher ein verzweifeltes Mittel oder ultimum refugium geweſen iſt. Das Vorhandenſeyn von Fluͤſſigkeit wird nicht eher durch aͤußere phyſicaliſche Zeichen, wie das Auseinanderweichen der Rippen, die Hervorwoͤlbung der Intercoſtalmuskeln und die Depreſſion des Zwerchfells, angezeigt, als bis die Lungen in den moͤglichſt kleinen Raum zuſammengedruͤckt und wahr⸗ ſcheinlich auf immer fuͤr das Eintreten der Luft unwegſam gemacht worden ſind. 708. XXXIII. 4. 62 Dieſe Zeichen waren in keinem der Faͤlle vorhanden, in welchen Herr Cock ſich zur Operation aufgefordert fand. Er ſchreibt die uͤbermaͤßige Hervorwoͤlbung und den vermehr— ten Umfang, wenn die kranke Seite gemeſſen und mit der geſunden verglichen wird, dem Umſtande zu, daß die Bruſt gewiſſermaaßen in einem Zuſtande andauernder Inſpiration verharrt; aber nicht, wie man irrthuͤmlicherweiſe angenom— men hat, einer allgemeinen Expanſion der Bruſtwandungen, in Folge des Druckes der innerhalb derſelben angeſammelten Fluͤſſigkeit. Die Bruſt iſt, in der That, von Oben nach Unten verkuͤrzt, waͤhrend ſie von Vorne nach Hinten und ſeitlich ausgedehnt iſt. In jedem Falle wurde das Vorhan— denſeyn der Fluͤſſigkeit am Deutlichſten an dem ſeitlichen und hinteren Theile der Bruſt bemerkbar, in einer, faſt in der Mitte zwiſchen den oberen und unteren Begraͤnzungen gele— genen, Stelle, und Herr Cock punctirte unterhalb des Win— kels des Schulterblattes, entweder zwiſchen der ſiebenten und achten, oder der achten und neunten Rippe, an einer von den Winkeln dieſer Rippen 1 bis 3“ entfernten Stelle. Vor der 3 unterſucht er die Bruſthoͤhle mit dem, von Dr. Babington zu dieſem Behufe angegebe— nen, Inſtrumente, welchem er vor der gerinnten Nadel den Vorzug einraͤumt. Es beſteht aus einer, in einer ſehr Eleis nen Canuͤle enthaltenen, Nadel; dieſe wird zwiſchen den Rip— pen da eingefuͤhrt, wo man die Fluͤſſigkeit vermuthet, dann zuruͤckgezogen, und das Ausfließen der Fluͤſſigkeit aus der Roͤhre giebt zugleich das Vorhandenſeyn und die Beſchaffen— heit des abnormen Secretes kund. Eine weitere Unterſu— chung in Bezug auf den Umfang und die Richtung der Hoͤhle laͤßt ſich noch dadurch bewerkſtelligen, daß man eine feine, ſilberne Sonde durch die Canuͤle einfuͤhrt. Der Troikar und die Canuͤle, welche Cock am Zweck— maͤßigſten für die Punction ſelbſt findet, hat ungefaͤhr 22“ im Durchmeſſer und gegen 2“ Länge, den Griff ausgeſchloſ— fen. Dieſes ſichert eine allmälige Entleerung der Fluͤſſigkeit und verhuͤtet bei geeigneter Vorſicht das Eindringen der Luft. Der Verfaſſer beſchreibt dann die Einzelnheiten der Ope— ration und die dabei zu beobachtenden Vorſichtsmaaßregeln, wovon wir nur Folgendes noch anfuͤhren wollen. Wenn durch eine abhaͤngige Lage, oder durch, auf den unteren Theil der Bruſt durch die Haͤnde eines Gehuͤlfen ausgeuͤb— ten, Druck kein anhaltender Strom mehr bewirkt werden kann, ſo muß die Canuͤle ſogleich herausgezogen und die Oeffnung geſchloſſen werden, waͤhrend der Gehuͤlfe die Bruſt noch umfaßt haͤlt, weil ſonſt unfehlbar Luft eindringen wuͤrde. Der Strom der Fluͤſſigkeit darf nie waͤhrend einer Inſpirationsanſtrengung unterbrochen werden, und das Ein— treten der kleinſten Quantitaͤt Luft, wie es ſich durch ein eigenthuͤmliches gurgelndes Geraͤuſch kund giebt, iſt das Sig— nal für die raſche Entfernung der Canuͤle. Die Operation iſt fo einfach und fo wenig ſchmerzhaft, daß ſie, ſo oft es angemeſſen ſcheint, wiederholt werden kann. (Lond. Med. Gaz., May 1844.) 63 Ueber die frühe Organiſation der Blutgerinnſel und gemiſchter faſerſtoffiger Ergüffe bei gewiſſen Zuſtaͤnden des Organismus. Von John Der Verfaſſer beabſichtigt, durch dieſen Aufſatz eine früher von demſelben im dreiundzwanzigſten Bande der Ders handlungen der Roy. med. and chirurg. Society gege- bene Beobachtung in Betreff der Organiſation eines Klum— pens ertravafirten Blutes bei einem an Scorbut verſtorbenen Manne zu beſtaͤtigen. Ein friſches Exemplar eines aͤhnlichen Blutgerinnſels, welches von Herrn Busk injieirt wurde, gab dem Verfaſſer Gelegenheit, genauer die Beſchaffenheit derſelben zu unterſuchen und ſeine Organiſation nachzuweiſen. In dem Kniegelenke eines an Scorbut verſtorbenen Matroſen fand Herr Busk mehre Klumpen extravaſirten Blutes. Einige ſchwammen frei in der Fluͤſſigkeit, andere waren an die Synovialmembran der Gelenkkapſel angeheftet. Die letzteren waren fein injicirt, allein außerdem fanden ſich die fibrinoͤſen Materialien des Blutes — die weißen Körpers chen — in den verſchiedenen Stadien ihrer Entwicklung zu Geweben. Es fanden ſich normale weiße Koͤrperchen, eins fache Zellen mit Kernen, wobei die Zellen verlaͤngert und ge— ſchwaͤnzt geworden waren, andere mehr verlaͤngert und oft zweiſpaltig, und endlich die Verlaͤngerung in Faͤden und die endliche Umwandlung in Gewebe. Alle Zellen hatten Kerne. Zwiſchen den Zellen und Filamenten waren unzaͤhlige, voll— ſtaͤndig ausgebildete Blutſcheiben eingeſtreut, welche dem Klumpen eine dunkelrothe oder faſt ſchwarze Faͤrbung geben. Die loſen coagula waren natuͤrlich nicht vasculaͤr, doch hatte bei den faſerſtoffigen Koͤrperchen ein Organiſations— proceß begonnen, und fie waren in verlängerte und mit Ker— nen verſehene Zellen umgewandelt; auch fanden ſich zwiſchen ihnen normale Blutſcheiben, die gleichfalls dunkel gefärbt wa— ren. Nach einigen Bemerkungen uͤber den cachectiſchen Zu— ſtand der Individuen, bei denen die Extravaſationen vorfam: men, ſchließt der Verfaſſer mit der Aeußerung, daß er niemals behauptet habe, noch behaupten werde, daß gewoͤhn— Dalrymple. 708. XXXIII. 4. 64 liche Blutextravaſate im gefunden Körper organifirt werden, fondern vielmehr, daß bei dem ergoffenen Blute mehr eine Neigung zur Desintegration und Reſorption, als zur fort— ſchreitenden Entwicklung, ſtattfindet. (London medical Gaz., March 1844.) Miscellen. Eine kryptogamiſche Pflanze fand Dr. Hughes Ben⸗ nett in dem Auswurfe und in den Lungen eines an phthisis und pneumothorax leidenden Mannes. Bei der mikroſkopiſchen Unters ſuchung des Auswarfs mit einer 300maligen Vergroͤßerung ent⸗ deckte er lange Roͤhren, welche in regelmaͤßigen Zwiſchenraͤumen miteinander verbunden waren und Zweige abgaben. Sie varürten an Durchmeſſer von „I; — 238 Milltmeter und ſchienen ohne Wurzel aus einer amorphen, weichen Maſſe zu entſpringen. Zwi⸗ ſchen dieſen Roͤhren waren zahlreiche runde und ovale Kuͤgelchen, meiſt re, zuweilen „z Millimeter an Durchmeſſer, verſtreut, wel⸗ che hier und da die Form einer Perlenſchnur annahmen. Filamente und Sporulen hatten ſich in grotzer Menge an den Seiten des Spucknapfes entwickelt. Daſſelbe Reſultat ergab die Unterſuchung der Materie ſechsunddreißig Stunden nach dem Tode. Dr. Ben⸗ nett zweifelt nicht, daß dieſe Vegetationen in den Lungen waͤhrend des Lebens vorhanden waren, einmal, weil ſie in friſch expectorirten sputis ſichtbar waren und zweitens, weil ſie in ſechsunddreißig Stunden einen ſolchen Grad von Entwickelung nicht erreicht haben konnten. Sie fuhren fort, in dem Tuberkelſtoffe nach Entfernung der Lungen aus dem Körper, ſowie in der vor dem Tode erpectos rirten Materie, zu wachſen und ſich zu entwickeln. Sie glichen dem Penicillum glaucum, Link. (Aus Johnſon's Review im Lan- cet, Juni 1844.) Ueber die Oeconomie des kuͤnſtlichen Lichts zur Erhaltung des Sehvermoͤgens hat Herr J. Hawkins zu Cork Folgendes mitgetheilt: Wenige beachten den Nachtheil, der durch zuviel oder zuwenig Licht oder durch ploͤtzlichen Ueber⸗ gang von Halbdunkelheit zur Helligkeit auf die Augen ausgeuͤbt wird. Er hat mehrere Verſuche gemacht, um ein Licht von mitt⸗ ler Helligkeit zu erlangen. Er fing mit zwei gewoͤhnlichen Lich⸗ tern, acht auf's Pfund, an, die er abwechſelnd ſchneutzt und unge⸗ ſchneutzt ließ und die Intenſitaͤt des Lichts mittelſt des Schattens an der Wand maß. Das Refultat dieſes Experimentes war, daß er fand, wie das gutgeſchneutzte Licht acht Mal ſoviel Licht gab, als das ungeſchneutzte. Dann ſchritt er zum Waͤgen und fand, daß ein Pfund geſchneutzter Lichter ſo viel Licht gab, als neun Pfund ungeſchneutzter Lichter. Bibliographische Muse botanique de M. Benjamin Delessert, notions sur les collections de plantes et de la bibliotheque qui le composent, contenant en outre des documens sur les premiers herbiers d’Europe et l’expos& des voyages entrepris dans l’interet de la botanique. Par A. Lasegue. Paris 1845. 8. Preuve de linsenescence du sens intime de homme et appli- cation de cette verité: à la determination du dynamisme hu- main, à la comparaison de ce dynamisme avec celui des ani- maux et à l’appreciation des résultats de certaines vivi- sections. Legons tirdes du cours de physiologie fait dans Pan- nee 1843—1844 par le Professeur Lordat. Montpellier 1845. 8. Nena akeitem. De I!’Influence de l’Heredit€ sur la production de la surexcita- tion nerveuse, sur les maladies qui en résultent et des moyens de les guerir. Par le docteur A. J. Gaussail. Toulouse et Paris 1845. 8. Lebensgabe für nervenkranke Frauen. Nach dem Franzoͤſiſchen des Dr. Auber deutſch bearbeitet vom Dr. G. Weyland, practi⸗ ſchem Arzt in Paris ꝛc. Weimar 1845. (Eine ſehr zweckmaͤßige und gefaͤllige Anleitung der Geſundheitserhaltungskunde.) Practical Observations and Suggestions in Medicine etc. By Dr. Hall. London 1845. 12. ä — . — — Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalratbe und Profeſſor Froriep zu Berlin, Ne. 709. (Nr. 5. des XXXIII. Bandes.) Januar 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 ½ 30 7%, des einzelnen Stuͤckes 3 9% Die Tafel ſchwarze Abbildungen 3 9% Die Tafel colorirte Abbildungen 6 f. natur Ueber die Natur der Nerventhaͤtigkeit. Von James Stark, Dr. NM. (Schluß) Ein noch wichtigerer Umſtand, auf den es hierbei ans kommt, iſt jedoch, daß, wenn die Beruͤhrung mit dem ſehr kalten Koͤrper irgend lange dauert, das Gefuͤhl in dem Koͤrpertheile ganz erliſcht, wovon ſich Jedermann uͤberzeugen kann, wenn er die Hand oder den Finger in eine Gefriermiſchung ein— taucht. Dieß laͤßt ſich mittelſt der von uns vertheidigten Theorie ohne Schwierigkeit erklaͤren. Das Oel in den Ner— venroͤhrchen gerinnt mehr oder weniger vollſtaͤndig und kann alſo keine Schwingungen mehr fortpflanzen. Das Gefuͤhl „erlifcht alſo vorübergehend. Herr Longet erwaͤhnt in ſei— nem unlaͤngſt erſchienenen Werke uͤber das Nervenſyſtem ei— ner Erſcheinung, welche als Beleg zu der Richtigkeit dieſer Anſicht dienen kann. Wenn er ganz kurze Zeit Eis auf ei— nen Nerven legte, ſo fand er, daß derſelbe ſeine Empfind— lichkeit in dem Grade einbuͤßte, daß weder mechaniſche Reize, noch Galvanismus eine Contraction in dem Muskel, in den ſich der Nerv vertheilte, veranlaſſen konnten. Waͤren wir mit den Urſachen des Unterſchiedes in dem Geſchmacke oder Geruche der Koͤrper irgend bekannt, ſo duͤrf— ten wir dadurch in den Stand geſetzt ſeyn, die Haltbarkeit unſerer Theorie auch in Betreff des Geſchmacks- und Ge— ruchsſinnes darzulegen; da wir aber Über den phyſiologiſchen Grund, weßhalb der eine Koͤrper ſalzig, der andere ſuͤß, der eine pikant, der andere fade ſchmeckt, nicht das Geringſte wiſſen; da wir ebenſowenig den phyſiologiſchen Grund der verſchiedenen Geruͤche anzugeben vermoͤgen, ſo wuͤrde der Wiſſenſchaft mit meinen Anſichten uͤber dieſe Gegenſtaͤnde ſehr wenig gedient ſeyn. Da indeß die noch hoͤchſt unvolls ſtaͤndigen Unterſuchungen, die ich in dieſer Beziehung ange— ſtellt habe, Andere zur Fortſetzung derſelben anregen duͤrf— ten, ſo will ich die Reſultate, zu denen ich gelangt bin, hier kuͤrzlich mittheilen. No. 1809. — 709. Wes ed Bei Betrachtung der anatomiſchen Beziehungen der Ge— ſchmacksnerven finden wir, daß ſich die aͤußerſten Verzweig— ungen derſelben zu kleinen Haͤufchen anſammeln und haupt— ſaͤchlich zur Bildung jener kleinen gefaͤßreichen Organe bei: tragen, die wir die Zungenwaͤrzchen nennen. Wenn wir ei— nen Körper zu ſchmecken wuͤnſchen, ſcheint dieſen Organen eine groͤßere Menge Blut zuzuſtroͤmen, ſo daß ſie in dieſer Beziehung den erectilen Geweben gleichen. Demzufolge wird die Nerventhaͤtigkeit geſteigert, und wenn der Koͤrper mit den erwaͤhnten Organen in Beruͤhrung kommt, wird eine eigenthümliche Empfindung erregt, welche wir den Geſchmack des Koͤrpers nennen. Viele, ja vielleicht alle Koͤrper, welche nach Etwas ſchmecken, ſcheinen auf die nerven- und gefaͤß⸗ reichen Waͤrzchen chemiſch einzuwirken, d. h., fie aͤußern dies ſelbe Art von Wirkung auf ſie, welche ſie aͤußern wuͤrden, wenn ſie mit irgend einem Gewebe des menſchlichen Koͤrpers in Beruͤhrung kaͤmen. So wiſſen wir, z. B., daß, wenn ein ſtarkſchmeckender Koͤrper, z. B. Salz, auf die Zunge gelegt wird, wir deſſen Geſchmack nicht eher gewahr werden, als bis ein Theil davon aufgeloͤſ't iſt. Bekanntlich werden thie— riſche Subſtanzen durch ſalzige Aufloͤſungen in verſchiedenen Graden, je nach der Art des Salzes, zuſammengezogen und erhaͤrtet. Wir haben nur anzunehmen, daß die ſalzigen Auf— loͤſungen auf die Waͤrzchen der Zunge eine aͤhnliche Wirk— ung hervorbringen, naͤmlich daß ſie das Gewebe derſelben zuſammenziehen, um zu begreifen, daß fie in dem Nerven- oͤle eine Schwingung oder Welle erzeugen. Dieſe Schwing— ungen werden nun dem beſonderen Theile des Gehirns zu— gefuͤhrt, welcher die Eindruͤcke des Geſchmacksſinnes aufzu— nehmen beſtimmt iſt, und auf dieſe Weiſe erhalten wir Kenntniß von dem Geſchmacke der Subſtanz. Jeder nach Etwas ſchmeckende Koͤrper wirkt wahrſcheinlich in einer ei— nigermaßen aͤhnlichen Weiſe; denn es ſcheint ein allgemeines Naturgeſetz zu ſeyn, daß man keinen Koͤrper ſchmecken kann, wenn nicht ein, oft ſehr winziges Theilchen deſſelben aufge— löft und mit den Zungenwaͤrzchen in Beruͤhrung gekom— men iſt. 5 67 Es ſcheint nicht ſchwerer zu halten, die ſehr verſchie⸗ denen Geſchmaͤcke der Korper oder wie jeder dieſer Geſchmaͤcke in ſeiner Eigenthuͤmlichkeit zur Perception gelangt, zu erklaͤ⸗ ren, als den Grund der verſchiedenen Eindruͤcke von Seiten der Toͤne und der gewoͤhnlichen Empfindungen begreiflich zu machen. Alle laſſen ſich auf die verſchiedene Intenſitaͤt und Natur det Schwingungen und Undulationen zurüdführen, welche in dem Oele der Mervenröhren erzeugt werden, und man weiß in der That gegenwaͤrtig mit Beſtimmtheit, daß die naͤmlichen Nerven das Gemeingefuͤhl der Zunge und den Geſchmack derſelben vermitteln, naͤmlich der Zungenaſt des nervus tıjfacialis untnervus glosso -pharyngeus. Die Wirkungsart der ſchmeckbaren Körper laͤßt ſich vielleicht in keinem Falle deutlicher begreifen, als bei den ads ſtringirenden Subſtanzen. Wenn man dergleichen mit den Zungenwaͤrzchen in Beruͤhrung bringt, ſo werden dieſelben ſichtbar zuſammengezogen, und da die endſtaͤndigen Schlin⸗ gen der Nerpen einen integrirenden Beſtandtheil dieſer Dr: gane bilden, ſo werden die haͤutigen Roͤhren gleichzeitig zuſammengezogen und erzeugen in der in ihnen enthaltenen Fluͤſſigkeit Undulationen oder Schwingungen, die den adſtringirenden Geſchmack dem Nervencentrum zuführen. Wenn ſich alſo in dieſem Falle mit Wahrſcheinlichkeit nachweiſen laͤßt, daß auf dieſe Art Schwingungen in den Geſchmacksnerven erregt werden, fo muß man billigermweife annehmen, daß in allen anderen Faͤllen auf aͤhnliche Weiſe auf dieſe Nerven eingewirkt werde, obwohl wir bei unſe— rer unvollſtaͤndigen Bekanntſchaft mit der Wirkungsart der ſchmeckbaren Körper nicht näher nachzuweiſen vermögen, wie dieß geſchieht. Auf die Geruchsnerven wird wahrſcheinlich ganz in derſelben Weiſe eingewirkt, wie auf die Geſchmacksnerven. Bekanntlich muͤſſen, wenn der Geruchsſinn ſeine Dienſte völlig gut leiſten ſoll, die Naſenhoͤhlen feucht ſeyn, und deſ— fen Functionen werden ebenſowohl durch unnatuͤrliche Trok— kenheit, als durch eine allzuſtarke Ausſonderung von Schleim geſchwaͤcht. Dieß ſcheint darauf hinzudeuten, daß zum Rie⸗ chen gehoͤre, daß die Geruͤche durch die naturgemaͤße Feuch— tigkeit der Naſenhoͤhlen fixirt und, wenngleich wir fie nicht ſehen oder greifen koͤnnen, als koͤrperliche Gegenſtaͤnde mit den endſtaͤndigen Schlingen der Nerven in Berührung ges bracht werden, deren ſpecielle Function die Vermittlung der Perception der Geruͤche iſt. Wenn die Naſenhoͤhlen daher zu trocken ſind, ſo ſtreichen die Geruͤche durch dieſelben, ohne durch die Feuchtigkeit fixirt zu werden, fo daß wenig oder nichts davon an die Riechnerven gelangt und daher kein Geruch wahrgenommen wird. Iſt die Ausſonderung des Schleimes dagegen uͤbertrieben ſtark, oder von zu klebriger Natur, ſo wird dadurch der Geruchsſinn ebenfalls abgeſtumpft, weil die Riechtheilchen entweder zu ſtark verduͤnnt, oder weggefuͤhrt werden, bevor ſie Zeit gehabt haben, auf die Geruchsnerven zu wirken, oder weil auch wohl die dickliche Ausſonderung ſie ganz daran hindert, daß ſie die Nerven erreichen. Inſoweit nun die Natur der riechenden Subſtanzen bisjetzt ermittelt iſt, ſcheint ſich zu ergeben, daß ſie ſtets materieller Art ſind, ſelbſt wenn die winzig kleine in der 709. XXXIII. 5. 68 Luft verbreitete Quantitaͤt derſelben nur durch den Geruchs⸗ ſinn zu erkennen iſt und uͤbrigens der ſinnlichen Wahrneh— mung, ſowie der chemiſchen Analyſe, ſich entzieht. So ſind die meiſten vegetabiliſchen Riechſtoffe in der Form von fluͤch⸗ tigen Oelen oder Harzen vorhandeu, und die thieriſchen (Biebergeil, graue Ambra, Moſchus ꝛc.) haben mit denſel— ben viel Aehnlichkeit. Nur wenn Theilchen derſelben in der Luft aufgeloͤſ't find und mit den Geruchsnerven in Beruͤh— rung kommen, indem ſie durch die natürliche Feuchtigkeit der Naſenhoͤhlen aus der Luft abſorbirt und fixirt werden, tritt die Function des Geruchsſinnes in Thaͤtigkeit. Hoͤchſtwahr— ſcheinlich wirkt der ſo durch die Feuchtigkeit der Naſenhoͤhlen niedergeſchlagene riechende Dunſt auf die feinen Riechnerven genau in derſelben Art, wie die ſchmeckbdaren Körper auf die Geſchmacksnerven, naͤmlich indem er eine Schwingung in dem Nervenoͤle erzeugt, welche, je nach ihrer Intenſitaͤt und ſonſtigen Beſchaffenheit, die eigenthuͤmliche Perception des je: desmaligen Geruches in dem Gehirne erzeugt. Wiewohl ich dem Geſichtsſinne noch nicht diejenige Aufmerkſamkeit zugewandt habe, die er in Betracht ſeiner Wichtigkeit verdient, ſo kann ich doch keinen Augenblick dar⸗ uͤber im Zweifel ſeyn, daß die Perception des Lichtes und der aͤußern Gegenſtaͤnde ebenfalls durch Schwingungen oder Undulationen des in den Roͤhren des Sehnerven enthaltenen Oels vermittelt werde. Die neueſten Unterſuchungen bewei⸗ ſen, daß das Licht fuͤr einen materiellen Koͤrper zu halten ſey, und von den beiden Theorien, über welche ſich gegen⸗ waͤrtig die Phyſiker ſtreiten, iſt diejenige, welche mir mit den neueſten Entdeckungen am Beſten uͤbereinzuſtimmen ſcheint, die von Descartes, Huygens und Euler ver⸗ theidigte und dargelegte, nach welcher naͤmlich alle Erſchei— nungen des Lichts von den Undulationen einer ungemein feinen elaſtiſchen Fluͤſſigkeit, des ſogenannten Aethers, her— ruͤhren, welche, wenn ſie ruht, von unſeren Sinnen nicht wahrgenommen wird, aber, wenn leuchtende Körper auf dies ſelbe einwirken, in Schwingung geſetzt wird. Wenn dieſe Theorie noch fernerer Beweiſe beduͤrftig, ſo wuͤrde der uns hier beſchaͤftigende Fall einen ſehr ſtarken dergleichen abge— ben koͤnnen. Alle Fluͤſſigkeiten bewegen ſich in Wellen, Schwingungen oder Undulationen, und wenn wir finden, daß der Sehnerv dieſelbe Structur hat, wie andere Nerven, daß auch er aus mit einer oͤligen Fluͤſſigkeit gefuͤllten Roh: ren beſteht; wenn es in mehreren Faͤllen deutlich nachgewie⸗ ſen werden kann, daß Perceptionen oder Empfindungen dem Senſorium durch die in dieſer öligen Fluͤſſigkeit erzeugten Wellen zugefuͤhrt werden, ſo koͤnnen wir nicht umhin, zu dem Schluſſe zu gelangen, daß die Perception aͤußerer Agen— tien in dem Gehirne in allen Faͤllen durch Schwingungen oder Undulationen jenes Nervenoͤls veranlaßt werde. Die Geſichtsnerven koͤnnen daher von der allgemeinen Regel keine Ausnahme machen. Die ihre Roͤhrchen füllens de oͤlige Fluͤſſigkeit muß in aͤhnlicher Weiſe, wie bei den Gehoͤrnerven, naͤmlich dadurch, daß ihr die Schwingungen oder Wellen derjenigen Fluͤſſigkeit, welche die Bedingung der Erzeugung des Lichts iſt, mitgetheilt werden, in Bewegung oder Undulation gerathen. Unter dieſen Umſtaͤnden waren 69 die obengenannten berühmten Phyſiker auf einem ganz riche tigen Wege, wenn fie die Undulationen des Lichts mit den— jenigen verglichen, die tönende Körper in der Luft hervor— bringen. Und während dieſe Theorie uns Aufſchluß darüber giebt, wie die Perception des Lichtes, ſowie die Erſcheinung ſaͤmmtlicher Körper durch die Sehnerven dem Gehirne zuge— leitet wird, dienen ihr die obigen Unterſuchungen uͤber die Structur der Nerven und die Art und Weiſe, wie Empfin— dungen aller Art zu dem sensorium commune gelangen, Mehr zur Unterſtuͤtzung. Da nun die obige Unterſuchung zu dem Schluſſe führt, daß die Empfindungen in allen Faͤllen durch Schwingungen oder Undulationen des Nervenoͤls zu Nervencentren gelan— gen, fo darf man auch billigerweiſe folgern, daß zur Forts leitung der Willensimpulſe und der Erregungskraft willkuͤhr— licher und unwillkuͤhrlicher Bewegung von den Nervencentren aus nach den peripheriſchen Koͤrpertheilen dieſelben Mittel dienen. Die Structur der Bewegungsnerven iſt von der der Gefuͤhlsnerven nicht verſchieden. Aeußere Agentien erre— gen in dem einen, innere Antriebe in dem anderen Falle Schwingungen oder Undulationen. Es iſt kein Grund ge— gen dieſe Theorie, daß wir nicht darthun koͤnnen, wie die Willensimpulſe in dem Gehirne oder in andern Mervencens tren erzeugt worden. Dieſe Kraft muß aus dem Lebens— principe entſpringen. Da wir aber von der Verbindung zwiſchen dem Geiſte und der Materie nicht das Geringſte wiſſen, ſo wuͤrde es nutzlos ſeyn, ſich um eine Aufklaͤrung dieſes Theils des Gegenſtands zu bemühen. Da man gegen die Annahme, daß das Gefuͤhl und der Wille durch Schwingungen fortgeleitet werden, einwen— den koͤnnte, die blitzesſchnelle Fortpflanzung derſelben geſtatte eine ſolche Erklaͤrung nicht, ſo ſtellte ich folgende Verſuche an. Es giebt keine Nerven, die drei Fuß lang waͤren, be— vor fie eines der Mervencentren erreichen. Demnach wurde eine, über 3 Fuß lange, feine Glasroͤhre an dem einen Ende etwa 13 und an dem andern etwas Zoll weit umgebogen. Das kuͤrzere Ende wurde mit weicher Blaſe bedeckt und die ganze Roͤhre mit Oel gefüllt, wobei beſonders darauf geſehen wurde, daß zwiſchen der Blaſe und dem Oele keine Lufiblafe zus ruͤckbliebe. Das längere Ende wurde dann bis 1 Zoll von der Oeffnung gefüllt und ein Schwimmer mit einem auf: rechtſtehenden Drahte auf die Oberflaͤche des Oels gelegt. Der aufrechiftehende Draht druͤckte gegen den kuͤrzeren Arm eines genau im Gleichgewichte befindlichen Zeigers, deſſen laͤngerer Arm ſich an einer ſenkrechten Kreisſcala hin bewegt. Der ganze Apparat wurde auf einem gehoͤrig feſtſtehenden Tiſche unbeweglich befeſtigt. So oft man nun die Blaſe in der Art beruͤhrte, daß ſie gegen das Oel in der Roͤhre gedruckt wurde, zeigte die Bewegung des Zeigers auf der Scala die dem Oele mitgetheilte Schwingung augenblicklich an. Die Mittheilung der Bewegung geſchah ſo ſchnell, daß ich zwiſchen ihr und der Zeit, wo ich die Blaſe beruͤhrte, keinen Unterſchied bemerken konnte. Ueber die Nerven, welche die unwillkuͤhrlichen Bewe⸗ gungen vermitteln und die Art und Weiſe, wie bei ihnen die Schwingungen oder Wellen in dem Nervenoͤle erzeugt 709. XXXIII. 5. 70 werden, gedenke ich mich in einer ſpaͤteren Abhandlung aus— zuſprechen. Hier will ich nur bemerken, daß auch ſie durch beitändige Erregung von Schwingungen in ihrer Nervenfluͤſ⸗ ſigkeit wirken. Mit dem Gegenſtande dieſer Abhandlung ſteht eine Frage in Verbindung, die den Phyſiologen ſtets ein Stein des Anſtoßes war, und die durch gegenwaͤrtige Unterſuchun— gen ebenfalls ihre befriedigende Erledigung gefunden zu ha— ben ſcheint; ich meine den Winterſchlaf mancher Thiere. Kein mir bekannter Schriftſteller hat, meines Wiſſens, in Betreff dieſer merkwuͤrdigen Erſcheinung eine irgend befrie— digende rationelle Erklaͤrung aufgeſtellt; allein in der Er— mittelung der wahren Structur und Zuſammenſetzung der Nerven ſcheint mir der Schluͤſſel zur vollſtaͤndigen Loͤſung dieſes Problems zu liegen. Alle kaltbluͤtigen Thiere, die in kalten oder gemäßigten Climaten auf dem Lande leben, ſowie einige warmblütige Thiere, bringen den Winter im Zuſtande der Erſtarrung oder des Schlafes zu, oder ſind, wie man ſich auszudruͤcken pflegt, Winterſchlaͤfer. Indem die Kälte in der oben ırläuters ten Weiſe auf ihre Nerven wirkt, wird das in den letzteren enthaltene Oel mehr oder weniger geronnen und die Nerven dadurch zur Vollziehung der thaͤtigern Lebensfunctionen un— geſchickt. Indem das Nervenſyſtem auf das Circulations— ſyſtem zuruͤckwirkt, werden die Herzſchlaͤge langſamer, ſo daß das Blut ſich nur hoͤchſt traͤge brwegt. Dieſe Langſamkeit der Circulation und Erſtarrung des Nervenſyſtems veranlaßt natuͤrlich auch eine verhaͤltnißmaͤßige Verzoͤgerung der Reſpi— ration, und hiervon iſt die Folge, daß die Temperatur des Thieres bis auf wenige Grade uͤber den Gefrierpunct ſinkt. Wenn das Thier in dieſem erſtarrten Zuftande erwärmt wird, ſo werden deſſen ſteife Gliedmaßen allmaͤlig ſchlaff und gelenk, die Athemzuͤge ſchneller, die innere Temperatur hoͤ— her; das Gefuͤhl und die willkuͤhrlichen Bewegungen kehren ſtufenweiſe zuruͤck, und nach kurzer Zeit haben die Functio— nen des thaͤtigen Lebens wieder ihren Fortgang. Wie vollſtaͤndig giebt unſere Theorie uͤber alle dieſe Erſcheinungen Rechenſchaft! Die Erhöhung der Tempera- tur macht das Oel in den Nervenröhren fluͤſſiger, fo daß das fruͤher faſt erloſchene Gefuͤhl geſteigert wird. Da als— dann die Beſchleunigung des Athemholens noͤthig wird, ſo tritt dieſe ein und die Lungen dehnen ſich ſtaͤrker aus. Nun fließt das Blut dem Herzen reichlicher zu, uud die Bewe— gungen dieſes Organs werden ebenfalls ſchneller und kraͤfti— ger. Der auf dieſe Weiſe dem ganzen Organismus ertheilte Impuls bewirkt alsdann allmaͤlig die völlige Lebensthaͤtigkeit deſſelben. Man hat ſchon vor Alters die Beobachtung gemacht, daß die Winterſchlaͤfer, bevor ſie erſtarren, ſehr fett werden, und dagegen im Fruͤhjahre hoͤchſt abgemagert erſcheinen. Herr Griſenthwaite hat in ſeinem Essay on food, London 1838, zuerſt (2) nachgewieſen, daß die Lungen gleichſam ein Ofen ſind, welcher den Organismus heizt, und daß die Nahrungsſtoffe gleichſam die in dieſem Ofen con— ſumirten Brennmaterialien find. Auch hat er zuerſt (2) dar⸗ gelegt, daß die dicke Fettſchicht der Winterſchlaͤfer dazu 5 * 71 dient, die Lungen derſelben während des langen Schlafes mit Kohlenſtoff zu verſorgen und fo zu hindern, daß die Koͤrpertemperatur unter den Punct ſinke, welcher die Bedin— gung der Fortdauer des Lebens iſt. Bei meinen eignen Forſchungen uͤber dieſen Gegenſtand ermittelte ich, daß alle diejenigen Thiere, Saͤugethiere wie Reptilien, welche den Winter in trocknen Hoͤhlen zubringen, ehe ſie ſich zur Ru— he begeben, ſich ausmaͤſten, waͤhrend alle diejenigen, die ſich in Schlamm verkriechen und folglich nicht athmen, den Winterſchlaf ungemaͤſtet antreten. Dieß ſtimmt durchaus mit dem weiſen Naturgeſetze uͤberein, daß nichts zwecklos geſchieht. So fand ich denn, daß Igel, Murmelthiere, Siebenſchlaͤfer, Schlangen, Eidechſen und andere Reptilien, welche den Winter in trocknen Hoͤhlen zu— bringen, zu Winters-Anfang fett werden. Dieß iſt bei manchen Schlangen ſo auffallend, daß ich ſie zu dieſer Zeit mit einer dicken Schicht balbflüffigen Fettes um den Koͤr— per her getroffen habe, und doch ſind ſie, wenn ſie im Fruͤh— jahr aus ihrem Verſteck hervorkriechen, ſo außerordentlich mager, daß die Wirbelbeine auffallend unter den Hautbe— deckungen ſichtbar find. Daſſelbe gilt von den Eidechſenar— ten, die ich haufig im Zuſtande der Gefangenſchaft gehalten, und ſo die naͤmliche Beobachtung gemacht habe. Hieraus ſcheint ſich zu ergeben, daß die Reptilien, ebenſowehl wie die warmbluͤtigen Winterſchlaͤfer, im halberſtarrten Zuſtande Athem holen und ſo das Fett ihres Koͤrpers conſumiten. An Froͤſchen, Kroͤten, Waſſerſalamandern und andern Reptilien, die ſich im Winter unter Schlamm verborgen halten und folglich dieſe ganze Zeit uͤber nicht athmen, habe ich nie eine ſolche Fettlage auffinden koͤnnen. Eine ſolche konnte dieſen Thieren auch nur gefaͤhrlich werden, ins dem ſie dieſelben ſpecifiſch leichter machen und ſo dem Zu— falle ausſetzen wuͤrde, daß ſie aus dem Schlamme heraus— geſpuͤlt wuͤrden Die von mir in Betreff der Urſache des Winterſchlafes aufgeſtellte Theorie wirft auch viel Licht auf einen in ſehr kalten Laͤndern vorkommenden Umſtand, welcher dem Dr. Solander, dem Freunde des Sir Joſeph Banks, beis nahe das Leben gekoſtet hätte. Ich meine die Schlaͤfrigkeit, welche durch das Erkalten des Koͤrpers veranlaßt und nur zu haͤufig die Urſache des Erfrierens wird. Die in dieſem Falle bemerkbaren Erſcheinungen ſind denen ganz analog, welche wir an den Winterſchlaͤfern wahrnehmen. Die Ex— tremitaͤten werden ſteif und kraftlos, und den Menſchen uͤber— faͤllt eine unwiderſtehliche Neigung zum Schlafe, ſo daß er, ſelbſt wenn er weiß, daß er ſich dadurch das Leben retten wuͤrde, nicht von der Stelle gehen kann. So ſchlaͤft er denn ein, um nicht wieder zu erwachen. Seit Pizarro auf den Anden Peru's einen großen Theil ſeiner Leute auf dieſe Weiſe einbuͤßte, ſind die hierher einſchlagenden Thatſachen und Erſcheinungen ſo haͤufig beſprochen worden, daß wir uns nicht weiter in Aufzaͤhlung derſelben zu verbreiten brauchen. Die Kaͤlte bewirkt zuerſt eine ſtarke Abkuͤhlung der Extremitaͤten und Koͤrperoberflaͤche, eine Verdickung des Ner— venoͤls und ein Zuruͤckweichen des Blutes aus den Extremi⸗ 709, XXXIII. 5. 72 taͤten nach dem Gehirne und den innern Organen. Das Gefuͤhl wird daher abgeſtumpft, und in demſelben Grade verliert der Wille an Kraft und geht die Faͤhigkeit der wills kuͤhrlichen Bewegung verloren. Daher die Muͤdigkeit und Abgeneigtheit, ſich zu bewegen; daher erklaͤren ſolche Perſo— nen, wenn man ſie ermuntern will, es fehle ihnen nichts, fie befaͤnden ſich ganz wohl, wenngleich die Extremitaͤten uns ter ſolchen Umſtaͤnden manchmal ſchon völlig erfroren find. Je größere Fortſchritte die Kälte macht, deſto mehr gerinnt das Nervenoͤl, und indem ſich dieſer Zuſtand allmaͤlig uͤber den ganzen Koͤrper verbreitet, erſtirbt die Nervenkraft gaͤnz— lich, die Circulation und Reſpiration werden traͤger, und zu— letzt gerathen alle Lebensfunctionen in's Stocken, ſo daß der Schlaf in den Tod uͤbergeht. - Somit hätten wir noch einige intereffante Fragen be ſprochen, welche ſich durch die Entdeckung der wahren Strucs tur und Zuſammenſetzung der Nerven erledigen laſſen, und was das Agens der Nervenkraft betrifft, ſo bin ich uͤber— zeugt, daß daſſelbe lediglich in den Schwingungen oder Uns dulationen des Nervenoͤls zu ſuchen ſey, und daß neue Uns terſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand dieſe Anſicht immer mehr beſtaͤtigen werden. (The Edinburgh Medical & Surgical Journal, p. CLXI, 1. Oct. 1844.) Mise ele In Beziehung auf die Taubſtummen. Der unvoll⸗ kommene Zuſtand des Unterrichts und die kurze Dauer deſſelben, der Mangel an Ordnung der Methoden ſind die einzigen Urſachen der Unfähigkeit, welche man dieſen Ungluͤcklichen zugeſchrieben hat. Die Taubſtummen ſind vielmehr zu Allem faͤhig; es giebt unter ihnen Maler (Louſtau, ein junger Hiſtorienmaler, hat 1842 zu Paris in der Ausſtellung die goldene Medaille davongetragen, und Mater moiſelle Robert, Schuͤlerin von Girodet, hat ſich durch die Delicateſſe ihres Pinſels ausgezeichnet), Kupferſtecher, Mechaniker, Gelehrte (Paul de Vigan, ein noch junger Taubſtummer, hat ſich den mathematiſchen Studien mit einem ſolchen Erfolge gewid⸗ met, daß die Academie der Wiſſenſchaften ſich über ſeine Unterſu⸗ chungen Bericht hat erftatten laſſen), ausgezeichnete Schriftfteller (die Herren Ferdinand Berthier, Claude Foreſtier, Gazan und mehrere Andere) und, was noch mehr uͤberraſchen wird, Dichter (die Herren Peliſſier und Chatelain). Der Abbé del' Epée hatte geſagt, man kann den Taubſtummen alle Kenntniſſe mittelſt der Zeichen mittheilen „mit Ausnahme der Muſik.“ Aber das Ge— nie der Taubſtummen erkennt auch nicht einmal dieſe Begraͤnzung an; einer von ihnen, der Sohn des Generales Gaz an, hat ſich der mu⸗ ſikaliſchen Kunſt mit Erfolg gewidmet. Er hat ſogar eine Arbeit geliefert Über die Bildung und Verſchiedenheit der Toͤne. Dieſe Abhandlung koͤnnte als Gegenſtuͤck dienen zu der Abhandlung des blinden Saunderſon über die Farben. Ueber die Witterung sverhaͤltniſſe von Irkutsk hat die Petersburger Academie in ihren neueſten Buͤlletins nachſte⸗ hende intereſſante Angaben mitgetheilt? „So rauh das frühere Clima von Irkutsk war, ſo nimmt man doch jetzt im Allgemeinen eine Milderung deſſelben wahr. Bis zum Jahre 1810 war daſelbſt eine fo enorme Kälte vorherrſchend, daß das Queckſilber nicht ſel⸗ ten drei Tage hintereinander im Wetterglaſe ſtillſtand. Bis zum Jahre 1820 hatte man jedes Jahr dort Naͤchte, in denen das Queck ſilber einfror. Nach 1820 hat man dieſe Erſcheinung nicht mehr in jedem Jahre wahrgenommen. Nach 1830 hat die groͤßte Kaͤlte daſelbſt 289 nicht uͤberſchritten. In den Sommermonaten geht die größte Waͤrmetemperatur gleichfalls nicht über 28°; nur im Jahre 75 1843 ftieg fie an mehreren Tagen auf 29°, ja einmal fogar auf 31° 6’ im Schatten. Die Wintermonate ſcheinen in Irkutsk in ih⸗ rem mittleren Temperaturverhaͤltniſſe einen periodiſchen Umlauf zu haben; wenigſtens bemerkt man in ihrem Kreislaufe keine zu ploͤtz— lichen Wechſel. Die Stadt Irkutsk liegt 1330 Engl. F. uͤber der Meeresflaͤche. (A. 3.) ö Einen ſogenannten Mareographen, naͤmlich ein hoͤchſt zuverlaͤſſiges Inſtrument zum Meſſen der E b⸗ bes und Fluthhoͤhen, hat Herr Chazalon erfunden und der Pariſer Academie der Wi ſſenſchaften in deren Sitzung vom 9. December beſchrieben. Mittelſt deſſelben hat man zu Algier und Toulon das Vorhandenſeyn einer Art Wogen entdeckt, von denen man vorher Nichts wußte. Die bekannten Wellen haben 15 bis 25 709. XXXIII. 5. 74 Meter Länge und folgen nach Zwiſchenzeiten von 15 bis 20 Secun⸗ den aufeinander. Bei heftigen Winden kommen indeß auf dem Mit- telmeere Wogen von 2 bis 3 Tauſend Meter Länge vor, die zu Toulon nach Zwiſchenzeiten von 15 und zu Algier nach ſolchen von 25 Minuten aufeinanderfolgen. Im Hafen von Akaora auf Neuſeeland hat der Mareograph eine noch wichtigere Erſcheinung erkennen laſſen. Die Fluthen ſind dort zur Zeit der Quadraturen oft noch ſtaͤrker, als zur Zeit der Syzygien. Die Mondsfluth iſt 30 Mal ſtaͤrker, als die Sonnenfluth, waͤhrend ſie in Frankreich nur 3 Mal ſo ſtark iſt. Wenn man daher zur Berechnung der Größe des Mondes keine anderen Anhaltepuncte gehabt haͤtte, als die Ebbe und Fluth, fo würden die Aſtronomen in große Irrthuͤ— mer gerathen ſeyn. Bulk u n d e. Anatomiſch-chirurgiſche Beobachtungen uͤber Luxationen des astragalus. Von Thomas Turner. Dr. Turner giebt in dieſer Arbeit 45 Fälle von lu- xatio astragali, von welchen 24 einfach und 21 compo⸗ nirt waren. In Betreff der Behandlung ruͤhmt er beſon— ders die Leichtigkeit und Sicherheit der Exciſion des astra— galus bei vollſtaͤndiger, componirter und iſolirter Verren— kung des Knochens. Wenn der astragalus eine partielle Luxation erlitten hat und ganz verdreht iſt, wie es oft bei vollſtaͤndiger Verrenkung der Fall iſt, ſo laͤßt ſich noch auf Reduction hoffen. Wenn bei einfacher, directer und voll— ſtaͤndiger Verrenkung die Repoſitionsverſuche erfolglos geblie— ben ſind, ſo empfiehlt Dr. Turner, den Knochen ſo lange in ſeiner neuen Lage zu laſſen, bis die Haut ulcerirt; dann macht er einen Einſchnitt uͤber dem Knochen zur Beſeiti— gung der Spannung und des Druckes, und wenn der Kno— chen durch den natuͤrlichen Proceß der Trennung von den umliegenden Gebilden geloͤſ't iſt, entfernt er denſelben. Bei einfacher, mittelbarer und vollſtaͤndiger Luxation kann man mit Sicherheit voraus annehmen, daß der Kno— chen abſterben wird. Um die Spannung und den Druck durch die Winkel des dislocirten Knochens zu beſeitigen, raͤth Dr. Turner, ſogleich einen Einſchnitt uͤber demſelben zu machen, aber er entfernt dann nicht den Knochen, damit nicht das Bloßle— gen der Gelenkhoͤhle nachtheilige Folgen herbeifuͤhre. — Bei vollſtaͤndiger, componirter Luxation raͤth er die un— mittelbare Entfernung des astragalus, und die von ihm beigebrachten Faͤlle ſprechen fuͤr die Zweckmaͤßigkeit ſeines Verfahrens. In Betreff der Operation ſagt Dr. Turner: Sie kann ſehr leicht und gefahrlos ſeyn, wenn der Knochen von ſeinen Baͤndern und den anderen angraͤnzenden Geweben voͤl— lig getrennt iſt; aber in anderen Faͤllen kann die Anheftung ſo feſt, der Raum, in welchem man zu agiren hat, durch die dislocirten Sehnen fo ſehr beſchraͤnkt und die a. tibia- lis posterior fo ſehr ihrer beſchuͤtzenden Huͤlle beraubt ſeyn, daß die Exſtirpation des Knochens nicht nur ungemein ſchwie⸗ rig, ſondern auch ungemein gefährlich werden kann. — Er giebt nun folgende Tabelle uͤber die Behandlung der Luxa⸗ tionen des astragalus und deren Reſultate: 8 Fr andauernde Steifheit. » 1 2 Mal theilweiſe Repofition ſmdzige Beweglichkeit.. 1 maͤßige oder vollſtaͤndige Beweg— lichkeit Anchyloſe » Deformitaͤt und behinderte Bewe⸗ . 3 unvollkommene Bewegung 8 2 Reſultat unbekannt. der Fuß brauchbar (nad) Hinten) e bleibende Lahmheit 6 Mal vollſtaͤndige Repoſition — 10 Mal ward der Knochen an feiner neuen Stelle gelaffen = Deformität mit ziemlich brauchba⸗ dem Fuße Aue Anchyloſe » 1 der Fuß brauchbar n Anchyloſe » 1 18 Mal vollſtaͤndige Exciſion 25 daß braudbar 99 5 % 6 Mal theilweiſe Exciſion . Sei e 4 Mal Amputation Erfolg nicht erwähnt . Von den 18 Fällen vollſtaͤndiger Ercifion wurde die Operation in 10 Fällen ſogleich ausgeführt. . — — 0 In 1 Falle am zweiten Tage. 1 . = eilften Tage. a nach 4 Wochen. Er „33 Tagen. 2 1 ss : 10 Wochen. :s 2 Fällen = 14 3 = 1 Falle = 7 Monaten. Es verdient bemerkt zu werden, daß in allen den Faͤl— len, wo man den Knochen an ſeiner neuen Stelle gelaſſen hatte, und der Fuß wieder brauchbar ward, die Dislocation ſtets nach Ruͤckwaͤrts ftattgefunden hatte. (Lond. Med. Gaz., July 1844.) Fall von Lithektaſie. Von Dr. J. G. Wright. John Walton, 60 Jahre alt, Pächter, hatte in den letzten 3 Jahren an Symptomen der Steinkrankheit gelit⸗ 75 ten. Der eingeführte Catheter ſtieß auf einen anſcheinend ſehr großen Stein. Der Kranke wuͤnſchte die Anwendung der Lithotritie, aber gegen dieſelbe ſprachen die ungemeine Enge der Harnroͤhre, die große Reizbarkeit und augenſchein— liche Contraction der Harnroͤhre und die Groͤße und Haͤrte des Steines. Dr. Wright entſchloß ſich daher, da der Kranke hartnaͤckig die Ausfuͤhrung des Steinſchnittes ver— weigerte, nach dem Vorgange des Dr. Willis, die Lithek— taſie in dieſem Falle anzuwenden. Die Operation wurde am 27. September 1832 begonnen. Nachdem der Maſt— darm durch ein Clyſtir gereinigt und eine Steinſonde in die Blaſe eingefuͤhrt worden war, wurde der Kranke auf dem Bette in die Stellung, wie zur Lithotritie, gebracht. Dr. Wright machte nun einen Einſchnitt zwiſchen dem sero— tum und der Afterkerbe, fuͤhlte nach der Rinne der Sonde und machte eine Oeffnung von wenigen Linien in die pars membranacea urethrae, mit ſorgfaͤltiger Vermeidung des bulbus urethrae. Die erſte Schwierigkeit, welche ſich jetzt darbot, war die, den Dilator einzufuͤhren. Die ure— thra geſtattete nur die Einbringung einer Sonde von der Dicke eines Catheters Nr. 10., und die Rinne derſelben nahm nur zum Theil das Ende des Dilators in ſich auf, ſo daß, als man den Verſuch machte, den letzteren in die Blaſe gleiten zu laſſen, die Harnroͤhre nicht zugleich die Sonde und den Dilator aufnehmen konnte. Man zog da— her die Sonde zuruͤck und fuͤhrte den Dilator allein ein. Derſelbe drang leicht genug in die urethra bis zu dem Puncte ein, wo der ſeidene Ring und die Blaſe an die Roͤhre befeſtigt ſind, an welchem Theile des Inſtrumentes ein Vorſprung ſich befindet. Da es nicht moͤglich war, das Inſtrument ohne große Gewalt weiter zu bringen, ſo be— gnuͤgte ſich Dr. Wright damit, die Erweiterung der pars membranacea urethrae durch eine Reihe von Bougies zu bewirken, was nicht ohne einigen Zeitverluſt und Schmerz fuͤr den Kranken von Statten ging. Darauf fuͤhrte Dr. Wright den Dilator mit Leichtigkeit ein und wartete ei— nige Tage mit der Fortſetzung der Erweiterung, bis die durch die Bougies bewirkte Reizung nachgelaſſen hatte. Am 30. September wurde etwas Fluͤſſigkeit in das Inſtrument in— jicirt, welche aber faſt unmittelbar darauf wieder abfloß, und zwar deßhalb, weil die Blaſe in Folge der Waͤrme und Feuchtigkeit faul geworden war. Das Inſtrument wurde daher entfernt, mit einer friſchen Blaſe verſehen, und dann von Neuem, jedoch nicht ohne große Schwierigkeit, einge— fuͤhrt; der Kranke klagte aber ſo ſehr uͤber Reizung, daß man auch jetzt von der Fortſetzung der Erweiterung abſte— hen mußte. 1. October. Nacht ſehr unruhig; Zunge trocken und in der Mitte braun, großer Durſt, Anorexie, Leib ſtark aufgetrieben, Puls nicht beſchleunigt. (Clyſtir). Das Clyſtir wirkte nur wenig; am Abend Uebelkeit und Erbrechen, Leib tympanitiſch, Flatulenz, Aufſtoßen; Puls ſehr ſchwach, Ge— ſichtsausdruck angſtvoll, Muthloſigkeit. 8. October. Allgemeinbefinden ziemlich gut, Reizbar⸗ keit der Harnblaſe und Harnroͤhre verſchwunden. 709. XXXIII. 5. 76 9. October. Die Erweiterung iſt geſtern und heute mit Eifolg vorgenommen worden. 10. October. Die Erweiterung macht raſchere Forts ſchritte; etwas Schmerz in der glans penis. 11. October. Reichliche Stuhlausleerung. Ein Ver⸗ ſuch, den ſehr großen Stein mit einer Steinzange heraus- zuziehen, gelang nicht; der Stein wurde deßhalb mit einem Lithotriten gefaßt, die aͤußeren Schichten deſſelben zerbrochen und ſtuͤckweiſe entfernt, worauf der Stein mit der Zange herausgenommen werden konnte und dann ein Catheter eins gefuͤhrt wurde. Der Centralſtein mit den geſammelten Bruch⸗ ſtuͤcken wog gegen 2 Pf. Troy. Der weitere Verlauf war ſehr guͤnſtig und der Kranke bald vollig hergeſtellt. (Lon- don Med. Gaz., April 1844.) Heilung eines Empyems durch Paracentefe mit: tels des Troikar's. Von Dr. B. Gaͤdechens. Adolph Scharf, drei Jahre alt, am Ende des erſten Lebensjahres von einem hydrocephalus acutus heimge— ſucht, von dem er aber vollſtaͤndig geheilt worden war, er— krankte am 29. November 1842 unter den Symptomen eines Katarrhalfiebers, zu dem ſich in den folgenden Tagen Oedem des Geſichtes und die Zeichen einer pleuritis dex- tra geſellten. Schon am 2. December ergab das Stetho— ſkop die Gegenwart eines fluͤſſigen Exſudats in der rechten Pleurahoͤhle, faſt bis zur Bruſtwarze hinaufreichend, dabei bedeu⸗ tende Oppreſſion, trockener, ſchmerzhafter Huſten und heftiges ſtheniſches Fieber. Ausdehnung der kranken Seite um 3“, Percuſſion matt, Fehlen des reſpiratoriſchen Geraͤuſches, aͤgophoniſcher Ton der Stimme und pucriles Athmungsge— raͤuſch auf der geſunden Seite. Wiederholte Applicationen von Blutegeln, ſtarken Gaben Cakomel, Einreibungen von Ung. neapolit. und Digit., fpäter fliegende Veſicantien, Digitalis mit Nitrum, Cremor tartari, Kali acet. etc. beſeitigten zwar nach einiger Zeit die drehenditen Sympto— me, aber die oͤrtlichen Erſcheinungen blieben dieſelben, das Exſudat nahm an Umfang zu und das Fieber ließ nicht ganz nach, ſondern kehrte faſt jeden Abend auf einige Stun: den mit gleichzeitiger Exacerbation aller ſubjectiven Krank— heitsſymptome zuruͤck. Die Reſpiration blieb bewegt, kurzer trockener Huſten, beſonders Nachts, nur durch Opiate ge— mildert, Haut trocken und weich, Urin ſparſam und roh, in der Kaͤlte ein ziegelfarbenes Sediment abſetzend. Die Verdauung lag ganz darnieder, dabei oͤftere Durchfaͤlle, mer⸗ curielle Affection der Mundſchleimhaut, Flatulenz u. dergl. Die Kräfte des kleinen Kranken ſchwanden immer mehr, be= ſonders nachdem, wegen wiederholter Exacerbationen der ent— zuͤndlichen Erſcheinungen, ſelbſt noch am 23. Tage der Kranke heit der ganze Apparat antiphlogiſtiſcher Mittel aufgewendet werden mußte, um einen augenblicklichen, toͤdtlichen Ausgang abzuwenden. Erſt nach Weihnachten konnte man daran denken, mit Beſeitigung aller die oͤrtliche Entzuͤndung bekaͤm— pfenden Mittel, auf die Reſorption des Exſudats durch Be⸗ * thaͤtigung der Haut und Nieren hinzuwirken. Angewendet wurden: Digitalis in Verbindung mit diuretiſchen Salzen, Abends Pulv. Doweri gr. jjj. aͤußerlich eine Salbe aus gleichen Theilen ung. Cin. und Digit., viertelſtuͤndlich in ver: ſchiedene Koͤrpertheile eingerieben. Durch dieſe Mittel wurde nur die Darmſecretion vermehrt, und ſie mußte bald bei Seite geſetzt werden. Die ſchwindenden Kraͤfte, die darniederliegende Digeſtion, die jeden Abend eintretenden Fieber: und Huftens paroxysmen, das zunehmende Oedem der Füße und das ſchlaffe, leucophlegmatiſche Ausſehen des Kranken riethen zu einem mehr toniſirenden Verfahren, und der Knabe erhielt das Extr. Chinae frig. parat. in einem Dec. rad. Senegae und Lich. Carragen. dabei Pulv. Doweri gr. jv. Abends und Regulirung der Diät, welche Mittel die Kräfte etwas hoben. Da das nun als gelindes diureticum angewandte Natrum carbonic. acid. auch ohne Wirkung blieb, fo wurde am 24. Januar mit einem kleinen Troi⸗ kar ein Einſtich zwiſchen der fuͤnften und ſechsten Rippe, etwa 3“ nach Außen von der Bruſtwarze, gemacht. Durch die Canuͤle floſſen an 8 bis 10 Unzen Eiter ab; ſowie der— ſelbe duͤnner wurde und eine kleine Menge Luft mit hoͤr— barem Geraͤuſche in die Bruſthoͤhle eindrang, wurde die Ca— nuͤle entfernt, die Wunde mit Heftpflaſter bedeckt, um den thorax eine Binde gelegt, und der Knabe auf die kranke Seite gelagert, um den Eiter leichter abfließen zu laſſen. Die Wunde war ſchon am 25. Januar geſchloſſen. Von dem Momente der Operation an fuͤhlte ſich der kleine Kranke ſehr erleichtert; die nun angewandten diuretica wirkten auf: fallend guͤnſtig, alle ſchlimmen Symptome verloren ſich nach und nach, und der nach vierzehn Tagen angewendete Leber— thran fuͤhrt jetzt den Kranken der voͤlligen Geneſung entge— gen. Der noch zuruͤckgebliebene Reizhuſten wird durch eins graͤnige Pulver von Acidum tannicum, drei Mal taͤglich, ſehr gemildert, und nur ein Umſtand truͤbt die Freude der Aeltern an dem ſichtbaren Aufbluͤhen und Kraͤftigerwerden des Knaben, naͤmlich das ſeit einigen Wochen ſehr auffallen— de Ausweichen des Ruͤckgrats nach der geſunden linken Seite bei gleichzeitiger Abflachung der rechten Bruſthaͤlfte. (O p— penheim's Zeitſchrift, December 1843.) Ueber Hämorrhoiden und ihre Behandlung. In einer im Höpital de la Pitié gehaltenen klini⸗ ſchen Vorleſung machte Lisfrane auf die ungewoͤhnliche Entwickelung des Venenſyſtems rund um den Maſtdarm, im Gegenſatze zu dem Zuſtande desſelben rund um die vagina, aufmerkſam, eine Verſchiedenheit, welche die Schnelligkeit er— klaͤrt, mit welcher Injectionen aus dem erſteren entfernt werden, und die Langſamkeit, mit welcher ſie aus der letz— teren verſchwinden. Hämorrhoiden enthalten, nach Lisfranc, nur viele große Venen und beſtehen nicht, wie man haͤufig behauptet, aus erectilem Gewebe, fondern aus einem dichten oder fibroͤ— ſen, von Gefaͤßen durchzogenen Zellgewebe. Es iſt nicht im⸗ 709. XXXIII. 5. 78 mer gerathen, bei Hämorrhoiden thätig einzugreifen. Wenn die Anfaͤlle der Schmerzen und der Blutung periodiſch und nicht ſehr heftig ſind, ſo iſt es beſſer, palliativ zu verfahren. In Frankreich applicirt man in ſolchen Fällen gewöhnlich Blut— egel an den After, aber fie nuͤtzen nur felten und verſchlim— mern öfters das Uebel. Lisfranc empfiehlt, mit einem Aderlaſſe von 12 — 16 Unzen zu beginnen, und in den folgenden Tagen kleinere Venaͤſectionen von 3, 4 — 6 Un: zen anzuſtellen. Außerdem ſind Baͤder von Nutzen und kleine Clyſtire von kaltem Waſſer mit einigen Tropfen Laudanum. Die Haͤmorrhoidalgeſchwuͤlſte muͤßten in den Maſtdarm zu— ruͤckgebracht und vermittelſt einer Compreſſe und Bandage zuruͤckgehalten werden. Die Exſtirpation der Haͤmorrhoidalknoten iſt nie eine gefahrloſe Operation, und ſelten angezeigt. Regulirung der Diät, mäßige Bewegung im Freien, von Zeit zu Zeit Blut— ent ziehungen, Waſſerdouchen auf den After von einer Tem— peratur von 60 — 70° F. (125 — 168° R.) und zu: weilen die Application des Hoͤllenſteins als Reizmittel, nicht als Aetzmittel, genuͤgen in der Mehrzahl der Faͤlle. Bei exulcerirten Knoten iſt der Höͤllenſtein oder ſelbſt das ſaure Queckſilbernitrat energiſcher anzuwenden. Wenn die Ge— ſchwuͤre einen bösartigen Character haben und die Geſchwuͤl— ſte verhaͤrtet ſind, ſo wird die Exſtirpation deſſelben noth— wendig. Lis franc faßt den Knoten mit einer Pincette und durchſchneidet die Bedeckungen rund an der Baſis des— ſelben durch zwei halbmondfoͤrmige oberflaͤchliche Schnitte. Dann ſchneidet er die Geſchwulſt allmaͤlig vermittelſt meh— rerer kleinen Schnitte aus; ein jedes ſtark blutende Gefaͤß wird ſogleich unterbunden. Durch dieſes Verfahren wird die Gefahr der Operation vermindert, aber dieſelbe wird dadurch verlaͤngert und ſchmerzhafter, und die ſpaͤtere Folge derſel— ben, Contraction der Aftermuͤndung, nicht verhuͤtet. Der Herausgeber macht in einer Anmerkung auf die Wirkſamkeit der Confectio Piperis nigri bei Haͤmorthoi— den aufmerkſam, welche oft die Blutentziehungen erſpart. (Gaz. des Höpit. 1845.) Ueber prolapsus uteri und feine Diagnoſe. Von Dr. G. O. Heming. Dr. Heming giebt zunaͤchſt die Urſachen des Gebaͤr— muttervorfalles an, zu welchen er auch die Menſtruations— periode, waͤhrend welcher bei manchen Frauen jedesmal ein Herabſteigen des uterus mit Schmerzen in Ruͤcken und Leiſte, eine Art von Dysmenorrhoͤe ꝛc. ſtattfindet, und as- cites rechnet, bei welchem letzteren gewoͤhnlich die vagina zuerſt vorfaͤllt und dann den uterus nach ſich zieht. Prolapsus uteri kann mit Vorfall der Blaſe oder der hinteren Wand der vagina, oder mit Verlaͤngerung des Mutterhalſes verwechſelt werden. Von den beiden erſteren Affectionen unterſcheidet er ſich durch das Vorhandenſeyn des Muttermundes am unterſten Theile der Geſchwulſt; bei der Verlaͤngerung des Halſes kann man durch einen per rectum oder vaginam eingeführten Finger leicht den ſtrang⸗ artig verlaͤngerten Mutterhals unterſcheiden. 79 Von angeborener Kürze der vagina unterſcheidet fich prolapsus uteri dadurch, daß man bei letzterem den ute— rus hinaufſchieben und ſo die vagina verlaͤngern kann, was bei erſterer nicht moͤglich iſt. Bei großer Reizbarkeit und Schmerzhaftigkeit des ute- rus und der vagina empfiehlt Dr. Heming als pessa- rium ein rundes Stuͤck Schwamm, von einem dem relaxir— ten Zuſtande der vagina angemeſſenen Umfange, welches mit einem dünnen Stuͤck Gummi elasticum, oder einge— oͤltem Felle, bedeckt wird, damit es nicht in der vagina die Feuchtigkeit aufſauge und größer werde. Wenn die va- gina ſehr ausgedehnt und ſo relaxirt iſt, daß ein Mutter— kranz von maͤßigem Umfange dem uterus keinen ausreichen— den Stuͤtzpunct gewährt, fo iſt ein ſtielfoͤrmiges pessarium vorzuziehen. Das vom Dr. Heming empfohlene iſt aus Buchsbaumholz gemacht und beſteht aus einer kreisfoͤrmigen Platte, deren Oberflaͤche, auf welcher der uterus ruhen ſoll, etwas concav iſt; dieſe Platte wird von einem hohlen Stiele von ungefaͤhr 35“ Laͤnge getragen, welcher vermits telſt einer Schraube verlaͤngert und verkuͤrzt werden kann. Die concave Platte braucht in den meiſten Faͤllen wenig mehr, als 1“, im Durchmeſſer zu haben. Die vagina wird dabei ſo wenig ausgedehnt, waͤhrend der uterus ge⸗ hoͤrig unterſtuͤtzt ift, daß man die geeigneten Mittel zur Con⸗ traction der vagina zu gleicher Zeit anwenden kann. Das pessarium kann durch eine 7 Binde befeſtigt werden. Wenn alle gewoͤhnlichen Mittel Nichts leiſten, ſo bleibt nichts Anderes, als die von Dr. Marſhall Hall zuerſt em— pfohlene und vom Dr. Heming zuerſt ausgefuͤhrte Ope— ration uͤbrig. Man laͤßt die Kranke den tumor ſo weit, als moͤglich, hervordraͤngen, und macht dann 2 parallellau— fende Einſchnitte durch die den tumor bedeckende Schleim— haut, von den Seiten des Muttermundes laͤngs der ſich vor— draͤngenden vagina zum os externum hin, entfernt dann das von den beiden Inciſionen umſchloſſene Stuͤck der Mem— bran, wodurch ein Raum von 15” Breite und die ganze Laͤnge der vagina bloßgelegt iſt. Darauf bringt man eine Sutur dicht am Muttermunde und andere in kurzen Zwi— ſchenraͤumen bis zum os externum hin, an, und knuͤpft ſie dann nach der Reihe, wobei das os uteri jedesmal mehr in die Hoͤhe ſteigen wird. So wirkſam aber die Operation 709. XXXIII. 5. 80 bei wirklichem prolapsus uteri iſt, fo wenig leiſtet ſie bei Verlaͤngerung des Mutterhalſes, weßhalb vor Ausfuͤhrung derſelben eine ſichere Diagnoſe geſtellt feyn muß. (Lancet, Aug. 1844.) Mißeel lein. Ein neues Inſtrument zur paracentesis thoracis legte Herr Snow der Royal medical and chirurg. Society vor, welches den Eintritt von Luft in die pleura oder atmoſphaͤriſchen Druck verhuͤtet. Es beſteht aus einem Troikar und einer Spritze mit zwei getrennten Klappen, wie bei der Magenpumpe. An der Canuͤle befindet ſich ein Hahn und ein kupferner Cylinder und der Troikar, welcher genau in den Cylinder paßt, geht durch die offene Klappe des Hahns. Wenn man nach der Perforation den Troikar aus der Canuͤle zuruͤckzieht, fo wird er fo weit geführt, daß er von dem Hahne frei wird, welcher Punct durch ein Zeichen an dem Troikar angedeutet iſt; dann wird der Hahn gedreht, bevor der Troikar vollſtaͤndig entfernt iſt. Die Canuͤle kann nun mit der Pumpe in Verbindung geſetzt, der Zapfen wieder geoͤffnet, und die contenta des Sackes durch die Pumpe entleert werden, ohne daß die Integritaͤt des thorax, als pneumatiſchen Apparates, waͤhrend der ganzen Operation im Mindeſten beeintraͤchtigt waͤre. Vor Einführung des Troikars muß man die Haut etwas bei Seite zie= hen, fo daß, wenn man nach beendeter Operation die Canuͤle fange ſam herauszieht, der oberflaͤchliche und der tiefere Theil der Wun⸗ de einander nicht mehr coreſpondiren, und keine Luft in die pleu- ra eindringen kann. Außer der Abſperrung der atmoſphaͤriſchen Luft geſtattet, dieſes Inſtrument auch dem Kranken den Gebrauch feiner beiden Lungen während der Operation. (Lancet, June 1844.) Reagens auf Strychnin. Wenn eine fehr geringe Men⸗ ge Strychnin mit einigen wenigen Tropfen concentrirter Schwefel ſaͤure, welche 1555 ihres Gewichts Salpeterſaͤure enthält, verrieben wird, fo verſchwindet das Strychnin, ohne eine befondere Erfcheis nung hervorzubringen. Sobald man aber zur Mixtur ein Mini- mum von freiem Bleioxyd hinzuſetzt, ſo wird ſogleich eine ſchoͤne blaue Farbe erzeugt, welche raſch violett, dann roth, und nach we— nigen Stundeu canariengelb wird. Wenn man mit ſehr kleinen Portionen Strychnin operiren will, ſo iſt es beſſer, ein Partikel- chen des Bleiperoxyds mit einem Alkali zu verreiben, und dann auf das trockne Pulver einen einzigen Tropfen der fluͤſſigen Saͤure fal— len zu laſſen. Dr. Erdmann und Marchand empfehlen, die Schwefelſaͤure mit ungefaͤhr ein Viertel Waſſer zu verduͤnnen. Nekrolog. — Der verdiente Dresdener Arzt, Hofrath Dr. E. Chr. L. Weigel, auch als mediciniſcher Schriftſteller ges A ift am 12. Januar in feinem fehsundfiebenzigften Jahre geftorben. Bibliographische On Atmospheric Changes which produce Rain, Wind etc. By Thom, Hopkıns. London 1844. 8. Des passions dans leur rapports avec la religion, la philosophie, la physiologie et la médecine legale. Par P. Belouino. Pa- ris 1844. 2 vol. 8. Human Health, or the Influence of Atmosphere and Locality, Change of Air and Climate, Seasons, Food, Clothing, Sleep, Neuigkeiten corporeal and intellectual Pursuits etc. on healthy Man; Constituting Elements of Hygiene. By Robley Dunglison. New edition, many modifications and additions etc, Phila- delphia 1844. 8. Considerations médico-legales sur les blessures. — Observa- tion. — Plaie simple du thorax. — Operation traumatique secondaire de l’empyeme. — Par F. M. Leroux (de Ren- nes.) Paris 1845. 8. — — —̃ — — Neue Wotizen aus dee m Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober ⸗Medieinalratbe Freriey ju Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Froriep ju Berlin. No. 710. (Nr. 6. des XXXIII. Bandes.) Januar 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 N. oder 3 f 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3¼ 99 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, Ks Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Ma tur kh u n de. Merkwuͤrdiger Anencephalus mit umgekeh ter Lage der Geſichts- und Schaͤdeltheile. Beobachtet von Dr. Diez in Eningen, im Koͤnigreiche Wuͤrtemberg. (Hierzu Figuren 1. bis 5. auf der mit Nummer 705, [Nr. 1. die⸗ ſes Bandes] ausgegebenen Tafel.) Eine dreißigjährige Frau, kleiner Statur und phlegma— tiſchen Temperaments, welche keine befonderen Krankheiten durchgemacht hatte, gebar am 11. Januar 1844 die in der Beilage abgebildete Mißgeburt, 6 Wochen vor dem natur— gemaͤßen Ende der Schwangerſchaft. Es war dieſes ihre achte Geburt, wovon unter den 7 fruͤheren nur die fuͤnfte einen guͤnſtigen Verlauf und Ausgang hatte, wahrſcheinlich aus dem Grunde, weil das Kind kleiner, als die uͤbrigen, zur Welt kam. Von 6 Kindern, welche ſaͤmmtlich vollkom— men ausgetragen wurden und ſich durch einen ſehr umfang— reichen Kopf auszeichneten, mußte die Frau kuͤnſtlich ent= bunden werden, theils durch Anlegung der Zange, theils durch Wendung des Kindes, theils durch beide Operationen zugleich. Als Urſache dieſer ſchweren Geburten ſtellte ſich bei der hebaͤrztlichen Unterfuchung eine zu kurze conjugata (3 Zoll) durch Vorſtehen des promontorium heraus, welche ihre Entſtehung ohne Zweifel der rhachitis verdankte, in: dem auch die Kinder, ungeachtet der Vater geſund iſt, ſich durch einen ſerophuloͤs - rhachitiſchen habitus auszeichnen. Bei den 4 letzten Geburten war auch die placenta ſtark angewachſen, und bei einer der fruͤheren Entbindungen hatten ſich nach freiwilliger Loͤſung der placenta ſtarke Metrorrhagieen eingeſtellt. — Die letzte Schwangerſchaft war mehr, als die früheren, von Unwohlſeyn der Schwan— geren begleitet geweſen. Der Bauch hatte eine ungewoͤhn— liche Dicke erreicht, ſo daß eine Zwillingsſchwangerſchaft ver— muthet worden war. Der Grund hiervon lag in einer außerordentlich großen Menge von Fruchtwaſſer, bis zu def: ſen Abfluſſe die Kindesbewegungen ſehr lebhaft geweſen wa— ren. In der zweiten Haͤlfte der Schwangerſchaft hatte ſich ſtarkes Oedem der aͤußeren Genitalien ausgebildet. No. 1810. — 710. Einer beſonderen pſychiſchen oder materiellen Einwir— kung, welche als aͤtiologiſches Moment fuͤr die Mißbildung haͤtte in Betracht kommen koͤnnen, konnte ſich die Frau durchaus nicht erinnern. — Der Abgang der Mißgeburt erfolgte nach Krampfwehen ohne Schwierigkeit. Die Nachgeburt zeigte ſich wieder ſtark angewachſen und mußte kuͤnſtlich entfernt werden; ſie war ſehr voluminoͤs, aufgelockert und ſulzig. — Als das Kind geboren war, machte es mit den oberen und unteren Extremitaͤten lebhafte Bewegungen, welche be— ſonders durch leichte Beruͤhrung der Augen hervorgerufen und geſteigert werden konnten. Von anderen Lebenszeichen (Reſpirationsbewegungen, Schreien ꝛc.) war Nichts zu be— merken. Die Bewegungen der Glieder wurden, nachdem das Kind in erwaͤrmte Kiſſen gelegt worden war, allmaͤlig ſchwaͤcher und hoͤrten nach etwa einer Viertelſtunde ganz auf. Die anatomiſche Unterſuchung des kleinen Leichnams wurde geſtattet, mußte jedoch, weil die Eltern auf baldige Beerdigung drangen, ſehr beſchleunigt werden. Die Mißgedurt war maͤnnlichen Geſchlechts und hatte von Kopf bis zu den Fuͤßen eine Körperlänge von 14 Fuß und ein Gewicht von 34 Civ. Pfunden. Außer dem Kopfe und zwei Klumpfuͤßen, wovon der linke ſtaͤrker, als der rechte, ausgebildet war, wurde der uͤbrige Koͤrper normal, proportionirt und gut genaͤhrt gefunden. Die Haut war roth, nicht runzelig, die Nägel hatten aber noch nicht die Feſtigkeit und Laͤnge, wie bei einem reifen Kinde; der wenig gerunzelte Hodenſack war ohne Hoden und, wie die Ruthe, ſehr klein. Der Kopf, welcher auf einem ganz kurzen Halſe ſaß und groͤßtentheils aus weichen Theilen beſtand, betrug etwa die Haͤlfte der Groͤße des Kopfes eines ausgetragenen neu— geborenen Kindes. Zu Unterſt am Geſichte, unmittelbar uͤber dem Halsanſatze, lagen, queer gerichtet, beide Ohren (Fig. I. und II. 8.), mit den Ohrlaͤppchen in der Mittellinie des Geſichtes aneinandergraͤnzend, die Spitze der Muſcheln nach den Seiten gekehrt. In den Ohrmuſcheln fanden ſich beide 6 83 710. XXXIL 6, Gehoͤrgaͤnge geöffnet. — Ueber den Ohren waren beide Augaͤpfel (Fig. J. und II. 7.) auf ähnliche Weiſe gelagert, ganz frei, prominirend, ohne Bedeckung von einer Augen— hoͤhle, oder von Augenlidern ꝛc. An jedem derſelben war eine blaͤuliche Regenbogenhaut, eine ſchwarze, gegen das Licht einigermaaßen empfindliche, Pupille, eine durchſichtige Cor- nea, die Sclerotica und conjunctiva, ſowie nach Aus: und Ruͤckwaͤrts ein hautaͤhnlicher Ueberzug von Muskelfa— ſern, zu bemerken. Die Augen waren ſowohl ſeitlich mit— einander im Umfange von mehreren Linien, als auch hin— ten mit den angraͤnzenden fleiſchigen Umgebungen feſt und unbeweglich verwachſen. An der Vereinigungsſtelle beider bulbi ging die conjunetiva und sclerotica unmittelbar von dem einen zu dem anderen uͤder. Jeder bulbus hatte indeß ein eigenes Linſenſyſtem, einen eignen Glaskörper, eine retina und einen Sehnerven. Der letztere ging von der Mitte des bulbus nach dem Surrogate der Schaͤdelhoͤhle hin. — Ueber beiden Augen war die fleiſchige Naſe von natuͤrlicher Faͤrbung ſo angelagert, daß beide Naſenloͤcher nach Aufwaͤrts gerichtet, alſo nach Hinten zu von den Au— gen abgekehrt waren, wie es Fig. I. 6. abgebildet iſt. Die Mittellinie der Naſe war vertieft, wie bei einer geſpaltenen Hundsnaſe. Man konnte dieſelbe nach den Augen herab— ziehen, und es wurden ſodann die Naſenloͤcher von Vorne ſichtbar, wie bei Fig. II. 6. Beide Naſenloͤcher endigten innen blind; auch war keine knoͤcherne Grundlage der Naſe, wie überhaupt kein eigentlicher Geſichtsknochen, zu bemerken. — Von der Naſe aus nach Auf- und Ruͤckwaͤrts folgte der Lage nach ein Rudiment der Oberlippe (Figur 2. 9.) mit dem weichen Gaumen und dem an ſeiner hinteren En— digung befindlichen Zäpfchen (3.). Dieſe hatten eine roͤth— lich⸗gelbe Farbe. Hinter dem Zäpfchen ließ ſich nirgends ein Eingang zum Kehlkopfe und Schlunde auffinden, viel— mehr graͤnzte daſelbſt unmittelbar eine Muskellage von dun— kelrother Faͤrbung und ſtreifiger Oberflaͤche (1.) an, welche ihrem Anſehen und ihrer Lagerung nach der Musculatur des hinteren Theiles vom Gaumen und des Schlundanfanges entſprach. Zu beiden Seiten dieſes Wulſtes und des Zaͤpf— chens fanden ſich zwei dunkelblaurothe, ſtumpfeckige, weich anzufühlende, blaſenfoͤrmige Erhabenheiten (2.). An den Zwiſchenſtellen zwiſchen den Ohren, Augen, der Naſe und Lippe hatte die Haut das normale fleiſchfarbene Anſehen. Zu beiden Seiten und ruͤckwaͤrts zu nahm dieſelbe jedoch eine ſchwaͤrzlichblaue Farbe (Fig. I. und II. 5.) und eine gedunſene, haͤutig musculoſe Beſchaffenheit an. — Der hintere und untere Theil des Kopfes war behaart (Fig. I. 9.). Dieſer Partie diente eine knoͤcherne Unterlage im In— neren zum Stuͤtzpuncte. Als die weichen ſeitlichen Erhabenheiten des Kopfes (5.) eingeſchnitten wurden, floß theils eine ſeroͤſe Fluͤſſigkeit, theils dunkles venoͤſes Blut aus, im Ganzen etwa 1 bis 15 Unzen. Im Inneren derſelben fand ſich eine walzenar: tig in die Queere gehende knoͤcherne Unterlage, welche ihrer Form nach am Meiſten Aehnlichkeit mit dem Körper des Keilbeines hatte, und von welcher zu beiden Seiten, den blaſenfoͤrmigen Hervorragungen entſprechend, zwei knopfar— 84 tige Protuberanzen ausgingen, welche die Stelle der pro— cessus mastoidei der Schlaͤfenbeine zu vertreten ſchienen. An den in der Mitte befindlichen Knochen ſchloß ſich nach Hinten ein Rudiment des os occipitis an, deſſen Inte⸗ gumente, wie oben bemerkt, behaart waren. Es war ſo— mit eine Andeutung der Schaͤdelbaſis (os sphenoideum, os oceipitis und os temporum) vorhanden, aber auch dieſe, wie die Weichtheile des Geſichtes, befand ſich in umgekehrter Lage, das Untere nach Oben gekehrt. Die Stelle des gänzlid fehlenden ence- phalon wurde durch die ſeitlichen, mit serum gefüllten, Blaſen vertreten, in welche ſich die u. optiei, als dünne Faͤden, verfolgen ließen. Dieſelben communicirten unmittel: bar mit dem Ruͤckenmarkscanale, der zwiſchen den Andeu— tungen des Hinterhaupt- und Keilbeines ſeinen Anfang nahm. Nach Durchſchneidung der normal gebildeten, aber ungewoͤhnlich niedrigen Halswirbel floß eine maͤßige Quan— titaͤt waſſerheller Spinalfluͤſſigkeit aus. Das Ruͤckenmark, das nach Oben am os oceipitis kolbig oder warzenartig (medulla oblongata?) endigte, und die von ihm abge— henden Nerven hatten eine durchaus normale Beſchaffenheit. — Im Halsſtumpfe waren Rudimente von Kehlkopfknor— peln vorhanden, dagegen keine trachea, kein pharynx und oesophagus. — In der Bruſthoͤhle lag die thy- mus und das Herz, welche die neben der Wirbelſaͤule nach Hinten gelagerten Lungen, die ein dunkelrothes compactes Gewebe zeigten, vollkommen bedeckten. — Aus der oberen Seite des aorta- Bogens gingen, wie gewoͤhnlich, 8 Aeſte ab; die beiden Carotiden hatten aber, im Vergleiche zu den arteriae subelaviae, einen ungewöhnlich kleinen Durch⸗ meſſer. Saͤmmtliche Organe des Kreislaufes verhielten fich, wie bei einem zu fruͤh geborenen Kinde, das noch nicht ge— athmet hat. Von jeder Lunge ging ein bronchus ab, uͤber deren Vereinigungsſtelle noch ein kurzes Stuͤck der Luftroͤhre angeſetzt war, welches, wie der vom Magen ausgehende oesophagus, an der Uebergangsſtelle des thorax in den Hals blind endigte. Das Zwerchfell und die Organe des Unterleibes, Magen, Gedaͤrme, Leber, Milz, Nieren, Harnblaſe ꝛc., waren ſowohl hinſichtlich ihrer Lage, als ihrer Structur, normal. Die Harnblaſe war leer, dagegen ent— hielt der untere Theil des Dickdarmes eine nicht unbetraͤcht— liche Menge von meconium. — Ueber die fortſchreitende Entwicklung der Knochen— puncte der Wirbel und des Bruſtbeines, ſowie uͤber die Bildung und Befeſtigung der Epiphyſen. Von Wilkinſon King. Alle Knochen haben Folgendes gemeinſam: ein anfangs knorpelartiges Gefüge wird, nachdem es feine ſpecifiſche Function als bloßer feſter Koͤrper erfuͤllt hat, der Sitz einer erdigen Ablagerung. Die eigentliche Stelle dieſer Ablager— ung ſcheint von einem gewiſſen Grade von Druck oder Spannung, wie in der Mitte eines cubiſchen Knochens oder einer Epiphyſe oder eines Seitenwand - oder cylindriſchen Knochens, abhaͤngig zu ſeyn. Die Ablagerungen, welche 85 fortdauernd aufeinander folgen, ſcheinen auch genau fih nach den Richtungen des Druckes oder der Ausdehnung oder bei— der zu richten; aber die Geſtaltung der Knochenzelle iſt hoͤchſt intereſſant und lehrreich. Sie beginnt als die Aushoͤhlung des werdenden Kernes und ſchreitet in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Bildung der aͤußeren Schichten des Knochens vor— waͤrts. Die innere Reſorption, welche auf dieſe Weiſe die aͤußere Ablagerung begleitet, ſcheint genau von der Entfer— nung des Druckes von dem Centrum nach der Peripherie abzuhangen. Dieſe Betrachtungen find nothwendig, um die norma— len und krankhaften Veraͤnderungen der inneren Structur der Knochen zu erlaͤutern. Ein jeder Knochen hat am Mei— ſten Widerſtand an ſeiner Oberflaͤche, am Wenigſten von Innen zu leiſten. Im Verhaͤltniſſe, wie das Aeußere deſſel— ben gezerrt und erregt wird, wird daſſelbe auch ernaͤhrt und waͤchſt, waͤhrend die inneren Theile, am Meiſten der phy— ſicaliſchen Spannung entzogen, durch Reſpiration entfernt werden. Dieſes findet ſeine Anwendung auf jede Faſer der Zelle, denn nur die Spannung iſt es, welche die Ernaͤhrung und das Beſtehen derſelben foͤrdert und urſpruͤnglich die Urſache war, daß jene die Thaͤtigkeit der Reſorption uͤberdauerte, indem eine Säule an jedem individuellen Puncte, wo die Noth— wendigkeit des Widerſtehens gewiſſermaaßen vorher angedeutet war, verſchont wurde. Durch Beruͤckſichtigung dieſes Prin— eips der Lebensthaͤtigkeit koͤnnen wir die befonderen Unter— ſcheidungsmerkmale des periosteum und endosteum er— kennen. Jenes dient zur Erhaltung des Wachsthumes und des thaͤtigſten Theiles eines jeden Knochens, waͤhrend die ſo— genannte Medullarmembran nur verhaͤltnißmaͤßig wenig an— geregten und unthaͤtigen Theilen als Quelle der Ernaͤhrung dient. Die inneren und aͤußeren Krankheiten der Knochen rich— ten ſich genau nach denſelben Regeln, aber es iſt weſentlich nothwendig, auf ein anderes Geſetz die Aufmerkſamkeit zu richten, welches namentlich in Bezug auf beſondere Krank— heitszuſtaͤnde von Wichtigkeit iſt. Wenn der normale Knochen ſich bildet, ſo beſteht er in faſt beſtimmten Verhaͤltniſſen aus animaliſchen und erdi— gen Theilen; in gewiſſen Krankheiten jedoch koͤnnen die knorpligen oder kalkartigen Theilen mehr oder minder mans geln. Dies nennt man Diatheſis oder Idioſynkraſie oder Eigenthuͤmlichkeit der Conſtitution. Es giebt Faͤlle, in welchen das ganze Knochengefuͤge im Uebermaaße vorhanden iſt, ohne abnorme Verhaͤltniſſe in ſeinen Beſtandtheilen, aber die erdige Materie allein kann auch zu gering oder uͤbermaͤßig ſeyn, und wenn die Erden im Blute uͤberwiegen, ſo finden wir nicht bloß eine krank— hafte Tendenz zur Ablagerung derſelben, ſondern, in der That, eine Geneigtheit zur Entzuͤndung der gefaͤßreichen Huͤllen der Knochen. Bei'm Aufhoͤren des Wachsthumes und bei den zumeiſt knochichten Individuen, ſowie bei den thaͤtigſten Knochen, ſind am Leichteſten Knochenbildungen im Ueberſchuſſe vorhanden. In anderen Faͤllen finden wir die Kalkerde im Organismus verringert. Das Skelet wird bieg— 710. XXXIII. 6. 86 ſam, vereinigte Fracturen trennen fich wieder, friſche Frae— turen heilen nicht in der gehoͤrigen Zeit, und die Bruchſtuͤcke oder der ganze Knochen koͤnnen durch Reſorption entfernt werden. Auf dieſe Weiſe haben wir alfo befondere Thaͤtig— keiten im Perioſt und Endooſt, ſowie ſpecifiſche Veraͤnder— ungen bei den Conſtitutionen, welche — ſo zu ſagen — übermäßig knochenbeldend oder das Gegentheil davon find, zu erwarten. Auch das Alter des Individuums hat natürlich einen weſentlichen Einfluß auf die oͤrtlichen und allgemeinen Zu— ſtaͤnde, und Eigenthuͤmlichkeiten dieſer Art complicirten ohne Zweifel die Reſultate der verſchiedenen Experimentatoren, von denen Einige mehr Knochenerzeugung bei jungen Thieren — ſelbſt da, wo der Knochen des Blutes, ausgenommen durch ganz beſondere Canaͤle, beraubt war — als ſich erwarten ließ, vorfanden. Die Verſchiedenheiten zwiſchen Peri- und Endooſt ſind mehr dem Grade, als der Art nach vorhanden. Der thaͤ— tige Gebrauch der Subſtanz der Condylen iſt von einem gleichen Grade der Ernaͤhrung begleitet, waͤhrend das Perioft hier nur duͤnne und ſchwache Knochenſchichten zu ernaͤhren bat. An derartigen Theilen iſt uͤberdieß die Ernaͤhrung von Extenſionen abhaͤngig; das Umgekehrte iſt bei'm Schafte des Oberſchenkelbeins der Fall. Dr. King hat an einem ande— ren Octe (ef. Cyclopaedia of Surgery s. v. Fracture) nachzuweiſen geſucht, daß das periosteum eine Granula— tion oder irgend eine gefaͤßreiche Flache iſt, welche dem ges faͤßreichen Knochen adhaͤrirt, und daß dieſes die wirkſame und einzig ſpecifiſche Quelle der Knochenbildung iſt. Das erſte mit bloßem Auge ſichtbare Wirbelknoͤchelchen findet ſich im Koͤrper des zehnten oder eilften Ruͤckenwirbels; dann ſolgt der naͤchſtliegende, oben oder unten, und ſo er— ſcheinen dann alle uͤbrigen der Reihe nach, und waͤhrend der erſtgebildete der groͤßte bleibt, ſind die entfernteſten am Kleinſten. Ein jedes Knoͤchelchen ſcheint ein ſymmetriſches, flaches Oval mit abgerundeten Raͤndern oder Ecken, einer fein ſchwammigen Oberfläche und einem grobgewebten netz— förmigen Innern zu ſeyn. Ungefaͤhr nach dem dritten Mo⸗ nate beginnt der zuerſt gebildete Knochen, indem er in ſei— nen Durchmeſſern waͤchſ't, eine neue Geſtalt anzunehmen; ſein vorderer Rand wird durch einen leichten Queerſpalt ge— theilt, d. h., er wird doppelt durch die Entwickelung einer oberen und unteren Lippe. Dasſelbe tritt auch an der Hin— terſeite ein, und die Rinnen werden mit dem fortſchreiten— den Wachsthum des Knochens immer tiefer und tiefer bis zur Periode der Geburt. In den naheliegenden Knochen entwickeln ſich die Rin— nen in derſelben Reihenfolge, wie die Knochen erſcheinen, ſind aber in den Knoͤchelchen der Hals- oder Kreuzbeinwir— bel kaum ſichtbar. Die erſtgebildete iſt die groͤßte und wird am Spaͤteſten ausgefuͤllt; die zuletztgebildeten verſchwinden am Erſten. Gegen das Ende des dritten Monats nach der Geburt iſt die Vorderflaͤche eines jeden Wirbelkoͤrpers faſt ganz flach, und die hinteren Spalten oder Furchen ſind we— nig mehr, als weite Oeffnungen fuͤr Gefaͤße. 6 * 87 Um eine klare und vollſtaͤndige Erklärung der Wirbel— rinnen, ſowie ihres Entſtehens und Verſchwindens, wie es eben angegeben worden, zu gewinnen, ſcheint es angemeſſen, ſie als Condylen darzuſtellen, welche da ſich bilden, wo ein Ligament ſich inſerirt, und wo die Flexionen und Extenſio- nen des Uterinledens wiederholte und ſtarke Zerrungen bewir— ken. Sobald das Ruͤckgrat zum Stuͤtzorgan wird, ſobald es bedeutenden vertical einwirkenden Kraͤften zu widerſtehen hat, fuͤllen Saͤulenfaſern die Queerrinnen aus. Spaͤtere krankhafte Anchyloſe iſt nur eine modificirte Wiederholung der foͤtalen Rinnen. Das Wachsthum der Knoͤchelchen in dem knorpligten Bruſtbeine ſcheint ſich nach denſelben Geſetzen, wie bei den Wirbeln, zu richten. Der ſtrangfoͤrmige Knochen hat nor— mal einen Knochenpunct central zwiſchen 6 — 7 Puncten des Druckes. Wenn zwei Puncte verknoͤchern, fo ſcheint ihre Lagerung von demſelben Geſetze abzuhaͤngen; ſie befin— den ſich in der Mittellinie einer uͤber dem anderen. An dem zweiten Knochen des Bruſtbeins finden wir gewoͤhnlich ein Knoͤchelchen an zwei mittleren Puncten, ein jeder zwiſchen den Articulationen von vier Rippenknorpeln. Alle Kaochen find zuerſt ſphaͤriſch und dann runde, abgeflachte Kuchen. Darauf werfen dieſelben, ſich viereckigge— ſtaltend — nach vier Puncten des Druckes hin — Promi— nenzen auf und ruͤnden ſich an ihren Flaͤchen ab, augen— ſcheinlich genug in Uebereinſtimmung mit dem an allen Theilen deutlich hervortretenden Geſetze: daß ein jeder Punct gekraͤftigt oder atrophiſch im Verhaͤltniſſe zu ſeiner Thaͤtigkeit oder Unthaͤtigkeit wird. Auch die Ordnung, in welcher die vorzuͤglichſten Epiphyſen der Knochen verknoͤchern und an ihre Diaphyſen fixirt werden, ſteht im geraden Vers haͤltniſſe zu den phyſicaliſchen Zerrungen, denen ſie der Rei— he nach unterworfen ſind, und von demſelben Einfluſſe haͤngt auch die mehr oder weniger mit ihnen zuſammenhaͤngende Entwickelung der verſchiedenen Theile ab. Vor der Geburt erſcheinen zwiſchen der ſechsten und zehnten Woche die Roͤhrenknochen in folgender Ordnung: Schluͤſſelbein, Oberarmbein, Ellenbogen, Speiche, Oberſchen— kelbein, Schienbein, Wadenbein, Kopf des Schienbeins. Bei der Geburt erſcheint ein Punct zwiſchen den Con— dylen des Oberſchenkelbeins, an dem condylus externus des Oberarmbeins, an dem unteren Ende des Schienbeins und den beiden Enden des Wadenbeins. In folgender Ordnung zeigen ſich die uͤbrigen Knochen: Um den 3ten Monat nach der Geburt das caput humeri et femoris. — die patella. — — lꝛten — — — — das tuberculum maius und con- dylus internus humeri. — das te Sahır — — — das untere Ende des radius. — — 4te — — — — der trochanter maior und dann der tr. minor. — — 6e — — — — das untere Ende der ulna und dann das obere. — — 7te — — — — das obere Ende des radius. Die knoͤchernen Vereinigungen der Epiphyſen gehen in folgender Ordnung vor ſich: Lange vor der Pubertaͤt der Kopf des radius, condylus internus humeri, condylus externus humeri (7). 710. XXXIII. 6. 88 um die Zeit der Pubertät das untere Ende der tibia, dann das obere. das obere Ende der ulna, dann das untere Kurze Zeit nach d. Pubertät das untere Ende der ibula, dann das obere Etwas ſpaͤter: . das caput und tuberculum humeri ver⸗ einigen ſich untereinander und dann mit dem Koͤrper. Nun vereinigt ſich auch mit dem Oberſchenkelbein nach der Reis he der trochauter minor, der Kopf, der trochanter major und das untere Ende. das untere Ende des radius vereinigt ſich mit dem Koͤrper desſelben. Man ſieht deutlich, wie die Knochenentwickelung des Arms, raſch vorſchreitend vor der Geburt, von der des Bei— nes nach der Geburt uͤbertroffen wird, wo das letztere mehr der Zerrung u. ſ. w. unterworfen wird. Die ulna waͤchſ't zuerſt aufwaͤrts und verlängert ſich dann abwärts; bei dem humerus iſt gerade das Umgekehrte der Fall. Die anſcheinende Unregelmaͤßigkeit in den Perioden, in welchen ſich die verſchiedenen Epiphyſen conſolidiren, laͤßt ſich, nach Dr. K's. Anſicht, auf ein ſyſtematiſches Princip zu: ruͤckfuͤhren, wenn man die Breite der zu conſolidirenden Flaͤ— che oder vielmehr der Flaͤche, auf welcher die Wirkung des Druckes diffundirt wird, und durch welche gewiſſermaaßen ein gewiſſes Maaß von Druck geſchwaͤcht oder zerſplittert wird, beruͤckſichtigt. Auf dieſe Weiſe wird der Druck zur allgemeinen be— ſtimmenden und die Breite der Flaͤche zu einer modificiren— den Urſache gemacht. (Lond. med. Gaz. April 1844.) Lange nach der Pubertät: Miscellen. Ueber Monas Okenii hat Herr Dr. J. F. Weiſſe der K. Academie zu St. Petersburg am 11. October 1844 eine Mit: theilung gemacht. Er hatte dieſe niedliche rothe Stabmonade, wel— che bei Ehrenberg nicht abgebildet iſt, am 18. Sept. 1836 in der Gegend von Ziegenhain unweit Jena gefunden und nach Oken benannt; ſpaͤter iſt ſie von ihm auch haͤufig in der Umgegend von Berlin geſehen und im September 1844 auch von Herrn Profeffor Eichwald aufgefunden worden. „Da ſich dieſelbe ſtets socialiter auf den Boden des Gefaͤßes, in welchem man ſie aufbewahrt, aus dem Waſſer niederſenkt und daſelbſt kleinere und größere Flecke von Schöner Lackfarbe bildet, kam ich auf den Gedanken, fie als Farbe zu benutzen, um die hier vorliegende Gruppe mit den noch lebenden Thieren zu coloriren. — Das heißt doch, im wahren Sinne des Wortes: „mit lebendigen Farben zeichnen.“ — Wenn man erwägt, daß die Thierchen unter einer Vergrößerung von 290 Mal im Durchmeſſer gezeichnet worden ſind, ſo bedarf es ihrer mehr, denn 84,000 Stuͤck — wenn ſie alle gleichgroß find — um ein einziges ſo vergroͤßertes Exemplar zu decken, vorausgeſetzt, daß ſie ſich genau aneinander legten. Da nun aber ſolches von ihnen nicht zu erwarten iſt, und ich drei Pinſelſtriche bei jedem Indivi⸗ duum angebracht habe, um, wo moͤglich, ihre unter dem Mikroſko— pe erſcheinende Farbe wiederzugeben, ſo wird es nicht uͤbertrieben ſeyn, wenn wir annehmen, daß ihrer wenigſtens 150,000 Stuͤck für jedes abgebildete Individuum verwendet worden ſeyen. Daß dieſer Verbrauch ſich noch um ein Bedeutendes vermehren duͤrfte, wenn man ſie im getrockneten Zuſtande anwenden wollte, iſt natürlich. Und getrocknet kann man ſie doch eigentlich nur zum Zeichnen brauchen, weil ſie, wenn man ſie lebend auftraͤgt, durch ihre Orts— veränderung Flecke bilden muͤſſen, und am Ende wohl gar davon laufen, wenn die Zeichnung nicht ſchnell trocknet. — Ich ſtellte unter dieſer Spielerei, welche indeſſen mit der Zeit vielleicht einen Nutzen bringen Eönnte, folgenden Calcul an: Nach Kurrer (Erſch u. Gruber's allg. Encycl. d. W. u. K. 2lſter Bd. S. 89 268) gehen 70,000 Blattlaͤuſe auf ein Pfund Cochenille, weil fie zwei Drittel ihres Gewichts durch's Trocknen einbüßen. Es gehen alſo ungefaͤhr 10 Stuͤck auf einen Gran. Ehrenberg hat bei der Gallionella distans, welche etwa um ein Drittel kleiner, als unſere Monade iſt, berechnet, daß etwa 187 Millionen auf ein Gran gehen. Erwaͤgt man nun, daß dieſe Bacillaria mit einem Kieſelpanzer verſehen, unſere Monade aber nackt iſt, ſo koͤnnen wir wohl dreiſt annehmen, daß an 150 Millionen der letzteren auf eis nen Gran gehen. Um alſo ein Pfund jenenſiſchen Lacks (ſo koͤnnte die Farbe heißen) zu gewinnen, wuͤrde man, wenn die vorausge— ſchickte Annahme ihre Richtigkeit hat, über eine Billion“) Oken— 710. XXXIII 6. 90 ſcher Monaten noͤthig haben. Und dennoch wäre die Sache nicht unmoͤglich).“ Von dem Balſaholze, welches ſich durch eine außerorbents liche Leichtigkeit auszeichnet, und welches Sir Richard Scho m⸗ burg ſchon in Guyana bemerkt hatte, bat Herr Profeſſor Rits ter in Berlin einige Stuͤcke aus Valparaiſo erhalten und der Geo— graphiſchen Geſellſchaft zu Berlin vorgelegt. Nekrolog. — Der berühmte und verdiente Phyſiker This lorier, dem man die große Entdeckung der Tropfbar-Fluͤſſigwer⸗ dung und hernach der Solidification der Gasart Kohlenſäure ver— dankt, iſt in der Kraft feiner Jahre zu Paris geftorben, ) 1,15 2000,000000. Duett Ueber Zungenkrebs und dieſem ähnliche Uebel. Von Cäͤſar Hawkins. Richard Crandley, 45 Jahre alt, ward in das St. Georg⸗-Hoſpital mit einem bösartigen Geſchwuͤre auf der Zunge aufgenommen. Das Uebel entſtand durch die Reizung eines ſpitzen Backenzahnes und zeigte ſich zuerſt als ſchmaler Einriß in die Zunge; es blieb bis kurz vor der Aufnahme unſchmerzhaft. Die Unterſuchung ergab ein unregelmaͤßiges, ausgehoͤhltes Geſchwuͤr mit hartem Grunde, welches ſich von dem Ruͤcken der linken Zungenhaͤlfte bis zum Zungenbaͤndchen und zum mittleren Theile der Zunge erſtreckt, von dem Umfange einer großen Wallnuß. Auch am weichen Gaumen war eine oberflaͤchliche Verſchwaͤrung vorhanden. Die Verhaͤrtung reichte faſt bis zum Zahnfleiſche des letzten Backenzahnes. Der Kranke litt etwas Schmerz, beſonders Abends, ſein Teint war dunkel und fahl, die Zunge ſchmutzig⸗ gelb belegt. Es war dieß ein Beiſpiel von ſcirrhoͤſem Zungenkrebs. Es giebt aber mehrere Uebel der Zunge, welche dem Krebſe in den verſchiedenen Stadien ſeiner Entwickelung ſehr aͤhnlich ſind, und welche kurz erwaͤhnt werden moͤgen. d. Gereizte Geſchwuͤre der Zunge und der Lip— pen, durch den Reiz eines ſcharfen Zahnes erzeugt, welche oft ſehr ſchmerzhaft ſind und die Sprache des Kranken, ſo— wie das Niederſchlucken behindern. Sie ſind von ſtarkem Spei— chelfluſſe begleitet und haben eine faulichte, phagedaͤniſche Oberflaͤche. Der Kranke iſt dabei oft mager und ſieht ſchlecht aus; aber meiſt ſind mehrere ſolcher Geſchwuͤre vorhanden, waͤhrend bei'm Krebſe nur eins vorhanden iſt; auch finden ſich hier mehrere Zeichen von Indigeſtion, von welchen die Reizbarkeit abhaͤngt, und der Zungenbelag verſchwindet nicht ſo leicht. Gewoͤhnlich iſt dabei habituelle Verſtopfung, oder zuweilen ein Anfall von Diarrhoͤe oder Alienation des Ap— petits. Der Grund der Geſchwuͤre iſt nicht gleichfoͤrmig hart, und es befindet ſich unter ihnen kein tumor in der Zungenſubſtanz, wie bei'm Krebſe. Die Behandlung ſolcher Geſchwuͤre beſteht in der An— wendung wiederholter kleiner Gaben Laudanum mit etwas kohlenſaurem Ammonium, dabei eine Purgirgabe Calomel mit Pulv. Doweri und einem Laxans salinum, oͤrtlich warmes Waſſer und halb gekautes altes Brod. Spaͤter Ver— beſſerung der Conſtitution durch blaue Pillen oder Merkur mit Kalk, bittere Infuſe und kohlenſaures Kali, oder bei großer Schwaͤche und Magerkeit Saſſaparill mit kleinen Dos Rn e. ſen Sublimat. Sind die Geſchwuͤre phagedaͤniſch, dann iſt oͤrtlich das linimentum Aeruginis, oder ein gargarisma aus einem Chinadecocte mit Myrrhe, oder auch Höllenftein in Subſtanz anzuwenden. Die ſcharfen Zaͤhne muͤſſen ab— gefeilt, oder ausgezogen werden. 5. Syphilitiſche Geſchwuͤre. Die Raͤnder find weniger fungoͤs oder warzig, als bei'm Krebſe, und nicht fo hart, wie bei dieſem; die Subſtanz der Zunge iſt geſund; die Anamneſe und Zeichen der Krankheit an anderen Stel— len ſichern die Diagnoſe. c. Geſpaltene oder dyspeptiſche Geſchwuͤre ent— ſtehen ſehr haufig bei psoriasis, fo daß man außer dem Geſchwuͤre oft eine glatte Flaͤche an einer anderen Stelle findet, wo die Papillen verſchwunden ſind; oder es finden ſich Riſſe auf der Zunge, welche die reizbare Beſchaffenheit der Schleimhaut des Verdauungscanales anzeigen. Das dyspeptiſche Geſchwuͤr gleicht aber dem Krebsgeſchwuͤre ſehr, wenn ein tiefer Riß mit erhabenen fungoͤſen Raͤndern vor— handen iſt, durch den die Zunge in' mehrere Partieen ge— ſpalten, die Sprache behindert und ein ſtarker Speichelfluß hervorgebracht wird; und noch mehr, wenn eine Verdickung der Oberhaut über einem großen Vorſprunge mit unregels mäßigen, feſten, warzenartigen Excrescenzen vorhanden iſt. Auch hier fehlt jedoch die krankhafte Structur unter den Vorſpruͤngen, die Fiſſur iſt oft in der Mittellinie, der Krebs dagegen mehr ſeitlich; das Uebrige der Zunge iſt geſpalten und unregelmaͤßig, waͤhrend bei'm Krebſe ſelten zwei geſen— derte Partieen ergriffen ſind. Ferner ſind dabei mehrere Zeichen von Stoͤrungen in den Verdauungsorganen vorhan— den, auch iſt der Puls meiſt beſchleunigt, klein und gereizt. Dieſe Geſchwuͤre werden oft durch dieſelben Mittel, wie fie oben bei den gereizten Geſchwuͤren angegeben worden find, geheilt. Zuweilen zeigen ſich alkaliſche Abführmittel mit eis nigen Tropfen vin. Colehiei Morgens für einige Zeit wohl— thaͤtig, bis toniſche Mittel angewendet werden koͤnnen. Das Wirkſamſte derſelben iſt der Arſenik in Solution, 8 bis 10 Tropfen, drei Mal taͤglich mit Rheum und Magnesia. d. Carbunkelartige Verſchwaͤrung. Zuweilen findet ſich eine Anzahl kleiner Geſchwuͤlſte von Erbſengroͤße, welche langſam in Eiterung uͤbergehen; kleine Oeffnungen führen in, unter der cutis gelegene, Höhlen; fie ſind von weißem Belage bedeckt; jedes fuͤr ſich geſondert; zuweilen zeigt ſich eine kleinere Menge von größeren und dunkler ge⸗ färbten Erhabenheiten, und ungeſunde, braͤunlich-weiße Ge— 9 ſchwuͤre unterminiren die Oberhaut; das Uebel beſchraͤnkt ſich jedoch auf das Zellgewebe, iſt ohne Haͤrte und laͤßt die Sub— ſtanz der Zunge frei. In anderen Faͤllen bilden ſich tiefere und großere Geſchwuͤre an einer oder zwei Stellen, die Hoͤhle iſt von ſchmutzigem, dunkelbraunem oder ſchwarzem Secrete ausgefuͤllt, und die Haut wird in ziemlicher Ausdehnung ge— ſchwuͤrig. Die fehlende Haͤrte und die Menge der kranken Stellen unterſcheiden dieſe Geſchwuͤre von dem Krebsgeſchwuͤre. Jene kommen meiſt bei geſchwaͤchten, heruntergekommenen Individuen, oder in Folge von Syphilis, oder bei anderen Cacherieen vor. Kräftige Koſt, örtlich Balſame und zuwei— len Offenlegen der unterminirten Haut ſind die therapeuti— ſchen Maaßregeln. e. Globulaͤre Geſchwuͤlſte erſcheinen zuweilen in der Subſtanz der Zunge, welche Dr. Travers für Balg— geſchwuͤlſte hält, die aber, nach Dr. Hawkins's Meinung, ſerophuloͤſe Abſceſſe ſind. Ihre Ruͤndung und Glaͤtte unter— ſcheiden ſie vom Krebſe. Die Behandlung derſelben beſteht in der Anwendung von Mercurialien und bitteren Mitteln oder Jodkali; zuweilen muͤſſen ſie geoͤffnet werden. J. Gewoͤhnliche Abſceſſe find leicht von cancer zu unterſcheiden. Die Operation des Zungenkrebſes kann auf doppelte Weiſe ausgefuͤhrt werden, entweder durch Exciſion oder durch 710. XXXIII. 6. 92 Unterbindung. Wenn das Uebel vorn oder an den Seiten der Zunge ſich befindet, iſt die Exciſion vorzuziehen; wo daſſelbe dagegen, wie in obigem Falle, weit nach Hinten ſeinen Sitz hat, kann nur von der Unterbindung die Rede ſeyn, indem die Verletzung der a. lingualis und ranina zu viel Gefahr darbietet. Die in obigem Falle von Dr. Hawkins angewens dete Ligatur war ſo angelegt, daß ſie die Zunge zwei Mal perforirte, einmal nach der Vorderſeite der Zunge hin, und zweitens hinter dem hinteren Theile des tumor. Der Kranke verlor etwa 6 bis 8 Unzen Blut bei der Operation, und noch gegen 14 Unzen durch eine Nachblutung, welche durch Injectionen von Alaun und Eiswaſſer und durch den Druck mit dem Finger geſtillt wurde, aber nach einer halben Stunde wieder ausbrach und erſt durch die Durchfuͤhrung einer Li— gatur an der Baſis der Zunge beſeitigt wurde. Am naͤch— ſten Tage etwas Schlingbeſchwerden, am achten Tage loͤſ'te ſich die Ligatur, und keine Haͤrte war mehr zu bemerken. Am zwanzigſten Tage war das Geſchwuͤr faſt vernarbt, die Stimme beſſer, kein Schmerz, aber auf dem Ruͤcken der Zunge ein verdaͤchtiger, roͤthlicher Vorſprung vorhanden; am ſiebenundzwanzigſten Tage war an der Wiederkehr des Uebels nicht mehr zu zweifeln. Eine neue Operation erſchien nicht zulaͤſſig. (London Med. Gaz., June 1844.) Tabellen uͤber die Sterblichkeit nach Operationen. Von Thomas Inman. e ee e e en e e e e A. Zahl 5 1 8 Todesfaͤlle. Verhaͤltniß. Ort der Ausfuͤhrung, oder Name des Berichterſtatters: der Falle. g . f Faͤlle, geſammelt von Dr. Phillips, wie fie in Frankreich, Dee 8 land, America und England vorkamen. 640 150 1 4,27 oder 23,44 Prec. Aus verſchiedenen Journalen von Demſelben aufammengefit, alle wahrſcheinlich aus England . 308 76 1: 4,05 — 24,67 = Aus Privatnotizen der Londoner Spitahvundärzte von Demfelben 107 28 1 3,82 — 26,17 = Aus den Pariſer Spitaͤlern waͤhrend vier Wen he von Dr. Malgaigne 0 5 537 301 1: 1,95 — 51728 Dr. Guthrie auf dem Schlachtfelde A 9 8 5 ° 291 24 1 12,12 28 Derfelbe, fecundäre Amputation im Spitale & 0 551 265 1: 2,07 — 48,09 = Im Glasgow: Spital von Dr. Lawrie R S 5 . . 276 101 1: 2,73 — 36,59 = Im Pennſylvania- und Maſſachuſets-Spital . : 8 146 37 1: 3,95 — 25.34 = Im Northern- Hospital in Liverpool 85 4 8 N 0 96 18 1: 5,83 18 Dr. Gendron zu Paris . . . . . . 79 33 1: 2,39 - Im University-College⸗ Spital 3 8 8 8 0 66 10 1: 660 — 15,15 = Dr. Emery nach der Schlacht bei Navarino 9 1 68 14 1: 4.86 — 20,59 = Im Liverpool » Spital 3%; Jahre hindurch + . . 56 4 1: 14,00 — 7,14 = Dr. Guyon in der Africaniſchen Armee 1837 — 1839. 63 17 1: 3,70 — 27,00 = Sn allen 5 ei arößeren tremi e e . 38 15 1: 253 — 39,47 Dr. Dupuytren . 59 15 1: 3,93 — 235,42 : In Schottiſchen Spitaͤlern (mit Ausſchluß von n Eoinburg 1848) 60 14 17 429 —23,33, = Dr. Larrey und Roux 5 5 5 5 38 15 1: 2.53 — 39,47 = Derſelbe, primaͤre auf dem Scäuadrfede 5 8 & 13 2 1: 650 — 15,38 = Dr. Dubois . . . . . 23 3 1: 933 — 10,71 = Nach der Revolution vom 80. Juli in Paris 0 6 5 4 3 1: 133 — 75,00 = Dr. Bell auf dem Schlachtfelde . 0 5 979 1 12 1 1:12,00 — 833 = Total: 3588 114 1: 313 — 31,96 Proc, 93 710. XXXIII. 6. 94 1 | alle. Todesfalle. Verhättni B k Art der Amputation. | Fälle. odesfaͤlle. erhaͤltniß. emer kungen. Amputation des Oberſchenkels 8 . 5 0 201 126 11759 Geſammelt von Malgaigne aus — — Unterſchenkels 8 8 8 192 100 1 1781 den Berichten der Pariſer Spitaͤ— — — Fußes 5 > . © . 33 9 1: 4,22 ler von 1836 — 184% inel. — Arch. — am Schultergelenke . . . 13 10 8 020 gen. de Med. Avril 1842. — des Oberarmes 0 . . . 9 41 11222 Dieſe umfaſſen Amputationen wegen — — Vorderarmes . 23 8 13 350 traumatiſcher Verletzungen und — — Handgelenkes und der Hand 24 1 1: 24,00 wegen Krankheit. Amputation des Oberſchenkels . 8 5 128 46 1: 2,78 — — Unterſchenkels . . . . 62 30 1: 2,06 Glasgow: Spital von 1795 — 1840, — — Fußes und Knoͤchels 27 85 5 2 1: 2,50 berichtet von Dr. Lawrie. Med. — am Schultergelenke . . . 6 4 1:21,50 Gaz. 1841. des Oberarms . 8 & 5 53 21 10382752 — — Vorderarms 5 8 0 . 20 0 Amputation der Oberertremitäten, aus verſchiedenen Quellen geſammelt, bei Franzoͤſiſchem Militär 123 66 1: 1,86 Zumeiſt den Berichten von Mal— Amputation der Unterextremitaͤten 8 . . 107 69 1 1,55 gaigne entlehnt, Amputation der Oberertremitäten . 2 141 18 1: 800 Meiſt aus Americanifchen und Briti⸗ — — Unterextremitaͤten 8 296 | 75 152 395 ſchen Berichten. II. Bei Unterbindung großer Arterien. Name der unterbundenen Arterie. | Faͤle. Todesfalle. Vernätenig. Fälle, gefammelt von Phillips aus den Werken von Boyer, | Lanciſi, Scarpa, Pelletan ꝛc. Alte e ſe. Arteria cruralis 8 2 5 . c 22 6 1 : 3,66 oder 27,27 Proc. — brachialis 6 0 0 7 1 1: 7,00 — 14,28 = Hunterſche Operation: Arteria innominata . e 0 9 8 6 6 1: 1,00 — 10000 = — subelavia . E . 8 40 18 1: 2,22 — 45,00 = — carotis 6 & = 40 11 1: 3,63 — 27,50 = Aorta abdominalis 8 2 = 3 3 1: 1,00 — 100,00 = Arteria iliaca communis 8 3 1: 2,66 — 3750 = — — interna 5 6 5 9 4 2 1: 2,00 — 50,00 = — — externa 5 ö 3 8 8 0 27 9 1: 3,00 — 33,33 = — cruralis & 5 8 8 > - 42 7 1: 6,00 — 16,66 = Total: 199 66 1: 3,01 oder 33,16 Proc. ee den e een ee Art der Operation, Berichterſtatter, Operateur, Ort der | Fälle. | Todesfälle. | Verhaͤltniß. * W MM nu Mu un un dM un un n Operation. Frere Jacques Mach 9 Ace 8 2 6 124 | 7 1 : 17,71 oder 5,64 Proc, Raw € . . . 5 . . 8 22 5 1: 5,50 — 18,18 Cheſelden x 6 5 8 8 213 20 1: 10.65 — 9,39 Neapel. Seitenſteinſchnitt. Hospitäler von 1821 bis 1828 645 100 1: 6,43 — 15,55 Dupuytren: Sectio bilateralis 8 8 99 19 1 5,21 — 19,19 Derſelbe: Pariſer Star. und Peivatprari 1836 3 8 356 61 1: 5,83 — 17,13 Dudley in Kentucky. 5 2 153 4 1: 38,25 — 261 Crichton in Dundee 0 © 71 8 1: 8,87 — 11,26 Norwich-Spital in den letzten 60 Jahren . 8 704 93 1: 757 — 13,21 Leeds- Spital von 1767 — 1817 nach Dr. Prout 197 23 1: 7,04 — 14,22 Briftol: Spital . . . 0 5 . © 8 45 10 1: 4,50 — 22,22 Bransby Cooper R 0 8 0 & 8 0 104 10 1: 10,40 — 9,61 Liſton 5 0 8 . 22 2 1: 11,00 — 9,09 Hotel- Dieu und Charite zu Paris 2 0 0 1200 225 1: 5,33 — 18,75 Luneville 8 8 . ° 8 . 8 1629 157 1:11,08 — 9,02 Frere Come a 5 100 19 1: 5,26 — 19,00 Pajola 5 . . 50 5 1 : 10,00 — 10,00 Panz a 8 - . . 0 © 8 0 . 70 5 1: 14,00 — 7,14 Durrard . B & f © . . S 5 . 60 5 1:12,00 — 8,33 Sontil . 8 8 2 5 0 2 . . 83 3 1: 27,66 — 3,61 Total 5945 | 775 1: 7,68 oder 13,04 Proc. 95 710. XXXIII. 6. 96 IV. Bei dem Bauch- und Kaiſerſchnitte. Berichterſtatter, Art der Operation ꝛc. Faͤlle. Todesfaͤlle. Verhältniß. P t. Dr. Churchill > . . . . 414 186 1: 2,22 oder 44,92 Proc. Kaiferfänirt : | 55525 ra . 790 424 1: 186 — 53.67 1204 610 1 oder 50,66 Proc. Faͤlle, von Dr. Churchill geſammelt ſeit 1750 . . 321 172 1: 1,86 — 5353 = Exſtirpation waſſerſuͤchtiger Eierſtoͤcke . 33 11 1: 3.00 — 33,33 = Bauchſchnitt: kein tumor vorhanden, oder Hinderniſſe der Exſtirpation 9 3 1: 3,00 — 3833 72 Total: 1567 796 1: 1,97 oder 50,79 Proc. Be Wo ausgefuͤhrt, oder von wem erwaͤhnt. In A. Cooper's Werk üoer Pernien . 8 . Von Travers. 0 . 0 . . . — Dewar von Dunfermline . . . 5 — Scarpa (über Hernien) . 5 8 575 8 — Lawrence ( desgl. ) . . . . — Clement . . . . . . f = Hey 0 . . 0 5 5 5 In Wuͤrzburg von 1816 — 1842 . . . . . Aus verſchiedenen Zeitſchriften Von Malgaigne, Franzöſiſche Spitäie, Karte nchen 500 — 80 Jahren . 5 Von Demſelben, von anderen Altern 8 Im Guy's⸗Spital vom September 1841 bis December 1842 In Schottiſchen Spitälern 1843 . ö 9 5 . . Von Th. Inman beobachtet . . 5 = . Im Liverpool-Spital in 2 Jahren 8 . B . Daſelbſt im Northern: Spital in 9 Jahren 5 . . (Lancet, Vol, II. No, 2. 1844.) ie ee lien: Die Heilung einer hypertrophia et prolapsus linguae durch die Gloſſotomie erzählt Dr. V. Federici in dem Giornale dei Progressi. Das Kind einer gefunden Mutter bot bei der Geburt eine Hypertrophie der Zunge und einen einem Brandflecke ähnlichen Fleck an der Unterlippe dar. Binnen weni⸗ gen Monaten machte das Uebel ſolche Fortſchritte, daß die Zunge faſt vollſtaͤndig aus dem Munde hervorgedraͤngt wurde und auf dem Kinn zu liegen kam. Mit den Jahren erreichte dieſe Mon— ſtruoſitaͤt einen enormen Umfang, und das Kind konnte nur einſil— bige und halb erſtickte Laute hervorbringen, zu deren Erzeugung es noch alle Muskeln des Geſichtes, beſonders die der Wangen und des linken Auges, krampfhaft zuſammenziehen mußte. In dieſem Zuſtande unternahm der Verfaſſer die Gloſſotomie: vermittelſt zweier Schnitte, welche an der Zungenwurzel in einem ſpitzen Winkel zu⸗ ſammenſtießen, trug er die ganze hypertrophiſche Partie der Zunge ab und vereinigte dann die zwei blutenden Flaͤchen durch drei Knopf— näthe. Die Vereinigung gelang vollkommen, und am ſechsund— Total: Bruchoper ationen. Fälle. Todesfälle, Berhbältniß 77 36 1: 2,14 oder 46,75 Proc. 14 8 1:175 — 5714 = 17 4 1:45 — 353 = 16 5 1: 3,20 — 31,25 = 22 7 1: 3,14 — 31,81 ⸗ 8 3 1: 2,66 — 37,50 . 12 6 1: 2,00 — 50,00 = 56 24 1: 2,33 — 42,86 = 88 30 1:2,93 — 34,09 = 97 70 12 1,38, — 72 ! 86 44 1 : 1,96 — 51,16 = 19 10 1: 1,90 — 52363 = 11 3 1: 3,66 — 27,27 = 6 3 1: 2,00 — 50,00 = 4 1 1: 4,00 — 25,00 = 12 6 1: 2,00 — 50,00 = 545 260 | 1: 2,09 oder 47,71 Proc. zwanzigſten Tage war das Kind von der Entſtellung befreit, die Sprache unbehindert und die Geneſung vollendet. (Arch. gen. de méd. Juill. 1844.) Die Reynaud'ſche Operationsmethode der Varico⸗ cele wird von Vidal auf folgende Weiſe modificirt. Man zieht zuerſt einen Silberdraht mittelſt einer Nadel hinter dem in einer Hautfalte feſtgehaltenen vom vas deferens forgfältig iſolirten Saa— menftrang durch; darauf wird ein anderer durch dieſelben Haut— wunden aber vor dem Saamenſtrange durchgezogen, ſo daß das Venenconvolut zwiſchen den beiden Draͤhten ſich befindet; nun win⸗ det man die Draͤhte ſchnurkoͤrmig an ihren beiden Enden. Setzt man auf dieſe Weiſe das Drehen lange fort, ſo rollen ſich die Ve— nen um dieſe Metallſchnur, wodurch der Hode aufwaͤrts ſteigt. Es wird alsdann auf die Hautbruͤcke eine kleine Bandrolle aufge- legt, uͤber welcher man die beiden Drahtenden durch abermaliges Drehen befeſtigt. Das uͤbrige Verfahren, wie Reynaud. Die Hautbruͤcke rathet Vidal durchſchneiden zu laſſen. (Bulletin d. Therap. und Arch. gen, de med., Sept.) Bibliographische Essai sur les harmonies physiologiques. Paris 1845. 8. m. K. 1838 erſchienen.) Par Baudet - Dulary. Systeme physique et moral de la femme. Par Roussel. Nou- velle edition, contenant une Notice biographique sur Roussel, une esquisse du röle des émotions dans la vie de la femme et (Die erfte Lieferung diefes Buche ift Neuigkeiten. des notes sur quelques sujets importants. Par le docteur Cerise. Paris 1845. 12. Annuaire de Thérapeutique, de- Matière médicale, de Pharmacie et de Toxicologie pour 1845. Par M. Bouchardat. Paris 1845. 32. Méwoire pour servir à l’&tude des maladies des ovaires. Par Achille Chereau. Paris 1845. 8. — ——— —— —UhU—U—Sĩ Keuc.Cotizen a us dem Gebiete der Natur- und Deilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Ober- Medicinalratde Froriep zu Weimar und dem Medlcinalraide und Profeſſer Freriep ju Verlin. N 711. Gedruckt im Landes⸗Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. (Nr. 7. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 g 30 A, Januar 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 897 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 natur Ueber die Erhaltung der Leichen zunaͤchſt zu anatomiſchen Zwecken. Von Profeſſor Dr. Behn. Die geringe Zahl der Leichen, welche der Kicler Anatomie zu Gebote ſtehen, ließ mich wuͤnſchen, ein Mittel zu finden, dieſelben durch längere Erraltung zu verdoppeln. — Ich begann deßhalb eine Reihe von Verſuchen, die ich zwar nicht als beendet betrachte, von deren Ergebniſſen aber, da fie mir bereits recht nuͤtzlich gewor— den find, ich eine vorläufige Mittheilung machen will, in der Hoff— nung, daß auch Anderen ein einfaches, wohlfeiles und leicht anzus wendendes Mittel, den Beginn der Faͤulniß zu verſpaͤten, willkom— men ſeyn werde. — In der ganzen Reihe meiner Verſuche hat es ſich mir bewaͤhrt, daß das beſte Verfahren, zu dem angegebenen Zwecke zu gelangen, das Inficiren der Arterien und des Capillargefaͤßnetzes mit einem faͤulnißwidrigen Mittel ſey, und daß das Einlegen in Fluſſigkeiten Schwierigkeiten mit ſich bringe, die ſich um ſo mehr ſteigern, je größer der zu erhaltende Theil iſt, fo daß ich dieß Verfahren für ganze Leichen auf Anatomieen nicht wohl anwendbar halte. — Anfangs verſuchte ich die Salze, deren faͤulnißwidrige Kraft in neueſter Zeit ſo hoch geprieſen worden iſt, aber ich muß geſte— hen, daß ſie, meinen Erfolgen nach, den Ruf nicht verdienen, den ſie erlangt haben — Gluͤcklicher war ich, als ich fpirituöfe Auszüge ſolcher Sub— ſtanzen, wie wir ſie bei'm Raͤuchern und Gerben anwenden, zur Erhaltung benutzte. — So habe ich mich (wie zum Theil fruͤher ſchon Andere lehrten) überzeugt, daß die Injection der Adern eis ner Leiche mit Acidum pyrolignosum, mit einer Aufloͤſung von Creoſot in Spiritus, mit Gallaͤpfeltinctur den Beginn der Faͤul— niß bedeutend hinausſchiebt, fo daß man gegen 3 Wochen, und uns ter guͤnſtigen Umſtaͤnden und an einzelnen Theilen länger, an ders ſelben präpariren kann. — Doch haben alle dieſe Mittel ihre Mänz gel. Der Geruch des Acidum pyrolignosum und des Creoſot's iſt Manchen unangenchmer, als der der Leichen, er haftet ſtaͤrker, und der Praͤparirende trägt ihn lange mit ſich herum. Bei der Injec⸗ tion mit Creoſot boͤrt man die Klage uͤber leichtes Stumpfwerden der Meſſer. — Die Gallaͤpfeltinctur greift, wenn ſie in irgend bedeutender Menge injicirt iſt, die Meſſer und Zangen an, überall bildet ſich Dinte, die die Finger, Handtuͤcher und Waͤſche befleckt. — In jeder Beziehung zweckmaͤß'ger hat ſich mir eine einfachere und wohlfeilere Injection bewieſen, nämlich die mit einem ſpiritudͤ⸗ ſem Auszuge von Sott oder Ruß. — Dadurch wird die Leiche län= ger erhalten, ſie iſt geruchloſer, greift die Inſtrumente durchaus nicht an, und laͤßt ſich zugleich ſo anwenden, daß ſie die feinſten Gefäße mit einer Maffe füllt, die fie, wie in den feinften zu dies ſem Zwecke angeſtellten Injectionen, bleibend erkennbar macht. — Dabei wird auf der hieſigen Anatomie ſo verfahren: Soge— nannter Glanzruß, wie er ſich bei'm Verbrennen von (Buchen-) No. 1811, — 711. R M n e. Holz in den Rauchwegen bildet, wird pulveriſirt und mit der 10 bis 20fachen Gewichtsmenge Spiritus mittlerer Staͤrke ') übergof- fen und zum Digeriven hingeſtellt. *) Soll eine Leiche injicirt werden, fo wird von der Fluͤſſigkeit ſoviel abgegoſſen und durch feines Leinen filtrirt, als man zu einer vollftändigen Injection der Arterien und Capillargefaͤße noͤthig zu haben glaubt (für einen Erz wachſenen 4 bis 6 Pf.). Die Fluͤſſigkeit wird am Beſten in die arteria carotis communis, nahe ver ihrer Theilung am inneren Rande des musculus sternocleidomastoideus (nachdem dieſelbe vor- ber dem Kopfe etwas näher unterbunden) eingeſpritzt. — Sind ſehr viele der feinen Rußtheile in die Fluͤſſigkeit uͤbergegangen, ſo färbt ſich der Körper bei vollſtaͤndiger Injection wohl etwas blaͤu— lich. — Scheut man dieſe Färbung, fo muß man langfamer durch— ſeihen, das Seihetuch nicht verengen, kurz, eine moͤglichſt klare Auflöfung nehmen, die alsdann dunkelgruͤnlich iſt, und die man, wenn es nöthig ſeyn ſollte, noch mehr oder weniger verduͤnnen kann. Mir ſind indeß, in der Regel, eine große Menge feiner Rußtheilchen, der obenerwähnten, oft vortrefflich gelingenden Injec— tionen wegen, ſehr erwuͤnſcht. — Durch dieſes Verfahren wird der Leichengeruch bedeutend vers mindert, und zwar, wie mir ſcheinen will, um fo mehr, je ſchnel—⸗ ler nach dem Tode eingeſpritzt wird, und die Leiche wird fo erhal— ten, daß man im Winterhalbjahre 4 bis 5 Wochen, waͤhrend wel— cher dieſelbe in dem taͤglich 6 bis 8 Stunden geheizten Praͤpara— tionszimmer liegen bleibt, ohne Beſchwerde daran praͤpariren kann. — Kann man die Temperatur niedrig und gleichmaͤßig erhalten, iſt der Tod durch Selbſtmord erfolgt, find die Theile nicht längere Zeit von der Haut entbloͤßt und der Luft ausgeſetzt geweſen, wird beſondere Sorgfalt auf die Praͤparation und die Behandlung des Praͤparates verwandt, ſo halten ſich einzelne Theile der Leiche, z. B., die Arme, noch viel laͤnger. Aber ſolche Faͤlle darf man nicht als Norm betrachten, und ich bin gewiß, daß die obigen Angaben ſich demjenigen, der es der Muͤhe werth halten ſollte, einen Ver— ſuch zu machen, bewaͤhren wird. In dieſem Augenblicke liegen in dem Praͤparationszimmer, wo ich ſchreibe, außer einer friſchen Leiche eine zweite, die ſeit 14 Tagen todt iſt, eine dritte (Selbſt⸗ moͤrder), die ſeit 25 Tagen und eine vierte Selbſtmoͤrderin), die ſeit 36 Tagen todt iſt; an ſaͤmmtlichen wird praͤparirt, und ich bin feſt überzeugt, daß von der letzteren einzelne Theile, z. B., die Arme, ſich noch 3 Wochen lang werden praͤpariren laſſen. — Schließlich will ich bemerken, daß durch Zuſatz von Creoſot oder etwas Gallaͤpfeltinctur zu der Sottloͤſung keine bedeutend ver—⸗ ſchiedenen Reſultate erhalten werden. — Dr. Behn. Kiel, im Januar 1845. ) Bald ſchwaͤcher, bald ſtaͤrker angewendet, hat ſich mir kein merklicher Unterſchied gezeigt. — ) Schon nach wenigen Stunden kann man mit geringeren Men: gen Spiritus bereitete Aufguͤſſe gebrauchen. — 2 99 Die Schwaͤmmchen in mikroſkopiſch- anatomiſcher Hinſicht. f Von Dr. F. T. Berg. (Aus dem Schwediſchen der Hy gies, medicinsk och pharmaceu- tisk Manads- Skrift, Bd. III., p. 541 — 550, überfigt vom Dr. Creplin in Greifswald.) Erſte Abtheilung. . Als Synonyme zu der Benennung Torſk im Schwediſchen, Schwaͤmmchen, Schwaͤmmchenfieber (auch Soor, Kahm, Spruͤll u. dergl. m. provinciell) im Deutſchen, bringe ich die Benennungen Troͤske und Saar im Daͤniſchen, Mondgezweer, Sprouw, Spruw im Hollaͤndiſchen, Thrush im Engliſchen, im Franzoͤſiſchen les aphthes, le muguet, le blanchet, le caillet, stomatite avec alteration de sécrétion, zum Theil auch stoma- tite folliculeuse (Billard), im Lateiniſchen lactumina, aphthae, febris aphthosa, stomatitis aphthosa. Auf eben die Weiſe, wie das Zuruͤckfuͤhren der Hautkrankhei— ten auf die primären Formen die Bedingung zu ihrer Erkennung und Glafjificirung iſt, muͤſſen wir auch die Schwaͤmmchen in ihrer urſpruͤnglichen Geſtalt betrachten, um ihre Natur zu ermitteln. Wir ſchließen ſonach, als zu unſerm Gegenſtande nicht gehoͤrend, alle conſecutive Producte derſelben aus. In ihrer elementären Ge— ſtalt finden wir ſte auf der Zunge, dem Rande und der Innenſeite der Lippen, der Mundhoͤhle, dem Schlunde, dem Gaumenſeegel und in der Speiſeroͤhre (— ihr Verhalten weiter hinab wird der Ge— genſtand einer andern Abtheilung werden —) in der Form theils von kleinen, zerſtreuten puncten von der Größe des kleinſten Sands korns, theils von groͤßeren, bis zu mehreren Linien langen Plaͤtt— chen von orbiculaͤrer Form an, oft mit einer kleinen Depreſſion in der Mitte, bis zur unregelmaͤßig eckigen, membranoͤſen Form, Er— hoͤhungen auf der Schleimhaut von Milchfarbe und von weicher, kaͤ— ſeartiger Conſiſtenz bildend, die im Anfange ſchwer ſpaͤter leichter, von der Schleimhaut, ohne deren geringſte Verletzung abzuloͤſen ſind, ohne die mindeſte Aehnlichkeit mit den veſiculaͤren oder papulöfen, aͤhnlicher dagegen den ſquamoͤſen Hautausſchlaͤgen und dem favus, ſowohl in der Form, als der Eigenſchaft, ſich von der unterliegenden Haut ohne deren Verletzung, und oft mit Hinterlaſſung einer kleinen Grube, ablöfen zu laſſen. In der Form von zerſtreuten Puͤnctchen kom— men ſie am Meiſten auf der Spitze und den Raͤndern der Zunge und, in den mir zu Geſichte gekommenen Faͤllen, auch im oesophagus vor, in der Form von größeren, meiſt orbiculären Plattchen mit— ten auf der Zunge und am Gaumengewoͤlbe, in der von ſchmalen Streifen auf dem freien Rande der Lippen, in der von groͤßeren Membranen auf der Innenſeite der Backen, dem Gaumenſeegel und im Schlunde. Es ſind jedoch die Abweichungen in dieſer Hinſicht ſo mannig— faltig und zahlreich, daß man der Wahrheit am Naͤchſten kommt, wenn man annimmt, daß die Schwaͤmmchen an allen Stellen un— ter der Form von Puͤnctchen beginnen koͤnnen, welche ſich nachher ausbreiten und zu Plaͤttchen zuſammenfließen, vielleicht nach Maaß— gabe der verſchiedenen anatomiſchen Structur der Theile, wahr— ſcheinlicher der verſchiedenen ſtoͤrenden, mechaniſchen Einfluͤſſe, des nen die kleine Schwämmchenkruſte durch die verſchiedene Beweglich— keit der Theile ausgeſetzt iſt. Nicht ſelten ſieht man die Schwaͤmm⸗ chen auch in der Form von kleinen Ringen, wie einen herpes cir- einatus. Nach kuͤrzerer oder längerer Zeit fällt dieſes weiße Gebilde frei— willig in mehreren Wiederholungen waͤhrend des Verlaufs der Krankheit ab und wird oft innerhalb weniger Stunden durch ein neues erſetzt. Durch zufällige Urfachen, als faͤrbende Nahrungs- ſtoffe, gallichtes Erbrechen, Blut, Austrocknung u. dergl. m., wird die urſpruͤngliche weiße Farbe in Gelb, Grün, Grau, Braun u. ſ. w. umgeaͤndert. Am Oefterſten verhaͤlt es ſich einige Zeit nach dem Tode ſo, wo man ſich dann auch leicht verwundert, wenn man auf den erſten Blick dieſelbe Menge der Schwaͤmmchen nicht wie— derfindet, welche man kurz zuvor geſehen hat, wahrſcheinlich zum Theil in Folge der Abdunſtung des Fluidums, mit welchem die Schwaͤmmchenkruſte vorher inprägnirt geweſen war, zum Theil aber wegen der bleichern Farbe, welche die Schleimhaut nach dem 711. XXXIII. 7. 100 Tode angenommen hat, und die ſich der weißlichen Farbe der Schwämmchen nähert. , Löſ't man, z. B., mit einer Nadelfpige dieſen weißen Webers zug vorſichtig ab, ſo hinterlaͤßt derſelbe, wie vorher augedeutet ward, bei einiger Dicke gewoͤhnlich in der Schleimhaut einen klei⸗ nen Eindruck, deſſen Boden deutlich mit dem Epithellum bekleidet iſt, und dieſer Umſtand ſowohl, wie die geringe Adhaͤrenz, beweiſen es unwiderſprechlich, daß das Gebilde ſeinen Sitz oben auf dem Epithelium oder in deſſen Außerfter Schicht hat. Legt man eine ſolche Schwaͤmmchenkruſte die man aus der Innenſeite der Mundhoͤhle, von der Zunge, aus dem Schlunde oder der Speiſeroͤhre, von einer lebenden oder einer todten Perſon ge⸗ nommen hat, unter das zuſammengeſetzte Mikroſkop bei nur 200: maliger Linearvergroͤßerung, ohne andere Vorbereitung, als mit Befeuchtung durch einen Tropfen reines Waſſers, fo ſieht man in der Fluͤſſigkeit um die Ränder der mehr oder weniger undurchſich— tigen Kruſte eine Menge Kuͤgelchen von ungefähr 0,001 — 0,010 Millim. Größe, theils von unregelmaͤßiger Form, nicht transpa⸗ rent, theils ſphäriſch oder ovalär mit ſcharfer Begraͤnzung, theils mit Kernen, theils ohne eine Spur von ſolchen, und mit homogener Durchſichtigkeit in der Mitte und dunkelem Rande bei durchfallen dem Lichte ſchwimmen. Iſt die Kruſte ſehr dünn, fo ficht man dieſelbe auch deutlich mit dieſen Kuͤgelchen beſtreut. Aus dem Rande der Kruſte ſieht man hier und da, neben den Kanten mehr oder weniger abgeplatteter und defigurirter Epithelialzellen, durch⸗ ſichtigere Fibrillen von etwa 0,004 Millimeter Dicke hervorſchießen. Bringt man mit der Nadelfpige die Kruſte zu feinerer Zer— theilung, fo treten alle oben erwähnte Theile noch deutlicher und in vielfach vermehrter Anzahl hervor. Comprimirt man ſie zwi— ſchen zwei Glasſcheiben, fo ſieht man deutlich ihre weſentliche Zus ſammenſetzung aus voll ausgebildeten Epithelialzellen, zwiſchen de: nen ein unregelmaͤßiges Maſchennetz von den erwähnten Fibrillen und eine unzählige Maſſe Kugelchen liegt. Zum Beweiſe, daß die Natur der Hauptmaſſe die der Epi⸗ thelial-Zellen oder Lamellen ſey, iſt nichts weiter noͤthig, als der bloße Anblick dieſer Gebilde in der Größe von 0,05 — 0 09 Millimeter, mit deutlicher, ovaler Kernzelle, im Zuſtande der Zu— ſammenplattung gerunzelt, ihre Voͤlle aber und ovaläre Form nach der Behandlung mit ſchwacher Kalilauge wieder annehmend. Was die Natur der Kuͤgelchen betrifft, ſo muͤſſen wir zuerſt als zufaͤllige Beimengung die mehr oder minder unregelmaͤßigen Molecuͤle, welche ſich theils als Unreinlichkeit, theils von coagulir⸗ tem Albumine u, ſ. w., finden koͤnnen, abſondern. Auch Staͤrke⸗ mehlzellen trifft man an, wenn dergleichen Nahrung genoſſen wor— den iſt. — Was aber die regelmäßigen Kuͤgelchen von ſphaͤriſcher oder ovalärer Form betrifft, fo iſt es, um deren Natur zu beſtim— men, nothwendig, fie mit den im Thierkoͤrper vorkommenden nor— malen celluloͤſen Bildungselementen zu vergleichen. Von dem Blutkuͤgelchen unterſcheiden ſie ſich deutlich theils durch die Größe und die ſphaͤriſche oder ovale Form, theils durch den Manz gel der rothen Farbe, Unveraͤnderlichkeit im Waſſer und in anderen Reagentien u. f. w. Durch unvorſichtiges Ablöfen der Schwaͤmm⸗ . koͤnnen indeſſen Blutkuͤgelchen zufällig mit eingemengt eyn. Schleim: und Speichelkuͤgelchen, wie auch Epithe⸗ liums kerne unterſcheiden ſich auch durch ungleiche Durchſichligkeit, Form und Größe und ungleiches Verhalten gegen Effigfäure, At kalien und andere Reagentien von den die Schwämmchen ſpeci⸗ ſiſch characteriſirenden Kuͤgelchen mit ihrer meiſtens homogenen Transparenz, ihrer feharfen Begraͤnzung mit dunkleren Rändern bei durchfallendem Lichte, ihrer Unveraͤnderlichkeit gegen eine Menge von Reagentien, welche mehr oder weniger ſtark auf die normalen thieriſchen Zellenbildungen einwirken. Derſelbe Character unterſchei— det fie auch deutlich von den pathologiſchen Sellenbildungen, als dem Eiter u. dergl. m. Bei den Schwaͤmmchen der Säuglinge iſt dagegen der Gedanke an eine Identitaͤt mit den Milchkügelchen ganz natürlich, und zwar um ſo mehr, als die Aehnlichkeit mit ihnen weit groͤßer iſt, als mit jeder animaliſchen Zellenbildung. Auch ergiebt es ſich aus der abwechſelnden Groͤße, der fettaͤhnlichen Durchſichtigkeit, der völlig ſphaͤriſchen Form, Fettflecken auf dem Glaſe nach der Com- 101 preſſion, Löslichkeit im Aether u. ſ. w., daß ein Theil der Kuͤgel⸗ chen wirkliche Fettkuͤgelchen der Milch find, welche zufällig auf der Kruſte zuruͤckblieben. Man ſieht leicht ein, daß dieß beſonders der Fall iſt, wenn Schwaͤmmchen eines lebenden Saͤuglings der Ge— genſtand der Unterſuchung ſind. Rechnet man nun auch dieſe, als zufaͤllige Einmengung und meiſtens in geringer Menge, ſich findenden Fettkuͤgelchen der Milch ab, fo bleibt noch eine Form von Kuͤgelchen übrig, welche die voll— kommenſte Aehnlichkeit im Anſehen mit dem Schimmelpilz oder den elementären vegetabiliſchen Zellen beſitzt, die die Hauptmaſſe der Hefe ausmachen. Dies find fpbärifche und ovalaͤre Kuͤgelchen oder Zellen, die kleineren, wie es ſcheint, von homogener Transparenz, die größeren dagegen mit Spuren von Kernzellen, ſcharfer Ber graͤnzung durch einen dunkleren Rand bei durchfallendem Lichte, von ungefähr 0,004 — 0,010 Millimeter im groͤßten Durchmeſſer, oft zu zwei und zwei in einer Reihe gruppirt, bisweilen fo lange gezogen, daß ſie einen wirklichen Uebergang zu Fibrillen bilden, nicht oder wenigſtens wenig veraͤnderlich in Aether, Kalilauge, Eſ— ſig⸗ und Salzſaͤure. Salpeterſaͤure macht in ihnen, wie in den Hefenzellen, einen deutlicheren Kern. Dieſe ihnen mit den Hefen— kuͤgelchen gemeinſchaftliche Unveraͤnderlichkeit in den genannten Rea— gentien deutet auf eine Verwandtſchaft hin, welche noch mehr zu Tage tritt, wenn wir in den Schwaͤmmchen ebenfalls einen zwei— ten Bildungstheil des Schimmels in den obenerwähnten Fibrillen wiederfiuden. Um dieſe auf's Deutlichſte zu ſehen, behandle man die Schwaͤmm— chenkruſte mit Kalilauge, welche die Epitheliallamellen durchſichti— ger macht und ihren wechſelſeitigen Zuſammenhang vermindert. So behandelt und gelinde comprimirt zeigt die Schwaͤmmchen— kruſte zwiſchen Epitheliumszellen ein unregelmaͤßiges, mehr oder weniger grobmaſchiges Netz aus cylindriſchen oder ein Wenig abge— platteten Fibrillen mit ſcharf begraͤnzten dunkteren Raͤndern, in der Mitte transparent bei durchfallendem Lichte, theils von gleich foͤrmi— ger Dicke, theils mit kleinen Einſchnitten in den Raͤndern, die ei— nen Theil von ihnen einem roſenkranzaͤhnlichen Ausſehen näbern, von ungefaͤhr 0,004 Millimeter Dicke. Bei einigen Fibrillen ſieht man im Innern Spuren von Scheidewaͤnden, welche die Zuſam— ſetzung aus langgezogenen Zellen darthun; bei einer größeren Anz zahl aber ſcheint die innere Structur, wenigſtens an langen Stuͤcken, vollkommen hemogen. Einige endigen ſich deutlich mit einer An— ſchwellung, die einer größeren Zelle ähnelt. Der Verlauf dieſer Fibrillen iſt nicht geradlinigt, ſondern ſie machen allerlei Biegun— gen; einige ſcheinen ſich deutlich in zwei Aeſte, ohne merklich ver— minderte Dicke, zu theilen. Mit Waſſer, Kalilauge, Ammoniak, Eſſig⸗, Sulz und Salpeterſaͤure behandelt, verändern ſie ih nicht. Concentrirte Schwefelfäure aber loͤſ't fie, wie die Kuͤgelchen. Nach den obigen phyſicaliſchen und chemiſchen Characteren halte ich mich für völlig berechtigt, auf eine nicht-animaliſche Nas tur der meiſten Kuͤgelchen und aller Fibrillen, welche ſich in der Schwaͤmmchenkruſte finden, ſchließen zu duͤrfen. Ebenſowenig koͤnnen dieſe Gebilde anorganiſchen Producten angehoͤren. Es bleibt alſo nur uͤbrig, ſie auf vegetabiliſche Gebilde niedre— rer Ordnung zuruͤckzuführen, wie wir ſie von der groͤßten Aehn— lichkeit im Ausſehen bei den Schimmelpilzen finden. Dieß würde unwiderſprechlich zu Tage gelegt ſeyn, wenn es gluͤckte, ein voll ausgebildetes Exemplar mit ſeinen Fructificationsorganen zu Ge— ſicht zu bekommen. Die aͤußerſt feine Structur duͤrfte es leickt erklaͤrlich machen, daß mir dieß bei einer im Ganzen nicht ſehr be— deutenden Anzahl ven Unterſuchungen und unter ungünftigen aͤuße— ren Verhaͤltniſſen bisher nicht gluͤckte; vielleicht legen auch alle die zerſtoͤrenden mechaniſchen Einfluͤſſe, denen dieſe zarten Gebilde bei'm lebenden Menſchen ausgeſetzt find, ihrem vollſtaͤndigen Aus— wachſen in den meiſten Faͤllen ein Hinderniß in den Weg, wie auch das bloße Abloͤſen einer Schwaͤmmchenkruſte, ſelbſt bei einem Leich⸗ name ſchon eine zum Abbrechen und Zerſtoͤren der feinen Befruch— tungstheile hinreichende Verletzung herbeifuͤhren kann. Die conſtituirenden Beſtandtheile der Schwaͤmmchen beſtehen folglich aus einer loſe zuſammenhaͤngenden Maſſe von ausgebildeten Epithelialzellen, welche ſich in einem Zuſtande vermehrter Turge— ſcenz gegen die gewöhnliche aͤußerſte lamelläre Epithelialſchicht bes finden und einer zwiſchen dieſen Zellen eingewebten ſchimmelpilz⸗ 711. XXXIII. 7. 102 ähnlichen Vegetat'on, ohne die geringſte Spur irgend einer patbi— ſchen thieriſchen Secretion, ſeh dieſe Fibrin, Eiter oder irgend eine andere folidificirte Bildung. Sie tritt alſo ruͤckſich tlich ihrer Zuſammenſetzung in eine Kategorie mit dem favus, von welchem Schon lein ſchon dargethan hat, daß er in einer Schimmelbil— dung beſtehe, welche ſich bei mehreren von mir angeſtellten Verglei— chungen völlig der hier von den Sckwaͤmmchen beſchriebenen gleich gezeigt hat, ausgenommen, daß ihre Fibrillen weniger ausgebildet waren. Daß das ſchimmelaͤhnliche Gebilde in der Schwaͤmmchen— kruſte keine zufällige Einmengung von Außen her ſey, wage ich be— ſtimmt zu erklären, und zwar ſowohl zufolge der vielfältigen, un— ter den verſchiedenſten aͤußeren Verhaͤltniſſen von mir angeſtellten Beobachtungen, als auch wegen der Art und Weiſe, auf welche die— ſes Gebilde ſich zwiſchen den Epitheliumszellen eingeflochten findet. Von einer papulöfen oder vejiculären Bildung geht, ſoviel ich geſehen habe, dem Entſtehen der Schwaͤmmchenkruſte keine Spur voran, ſondern ſie ſcheint durch eine wirkliche Verdrängung oder eine Turgeſcenz, und vielleicht auch eine exceſſive Bildung von Epithe— lialzellen, zu entſtehen. Ob dieſe Turgeſcenz der Schimmelbildung vorangehe, oder ihr nachſolge, kann ich nicht beſtimmt ſagen; aber ich habe dieſe Bildung auch in den kleinſten Kruſten von kaum 0,5 Millim. Durchmeſſer und einem Alter von wenigen Stunden in der Mundhoͤhle geſehen, wogegen ich in einem ſchwaͤmmchenaͤhnlichen Gebilde, welches den freien Rand der Lippen bekleidete, in mehre— ren Fallen keine Spur von Schimmelbildung, ſondern bloß Epi— thelialzellen ſah. Dieſe find, als die Hauptmaſſe ausmachend, im— mer conſtant ruͤckſichtlich der Menge; die Quantität der ſchimmel— aͤhnlichen Theile dagegen varüirt bedeutend genug. Vielleicht mag diefes Verhalten auf dem Alter der Schwaͤmmchen beruhen. Obgleich die Zunge bei den Schwaͤmmchen gewoͤhnlich eine hoͤ— her geroͤthete Farbe hat, fo ſteht doch dieſe Farbenveraͤnderurg in keinem weſentlichen Zuſammenhange mit der erſten Bildung der Sch waͤmmchen; denn dieſe koͤnnen auch ſowohl auf der Zunge, als an anderen Stellen der Mundhoͤhle ohne die geringſte Spur von Farbenveraͤnderung entſteben. So, wie ich hier die Schwaͤmmchenkruſte beſchrieben, habe ich ihre Zuſammenſetzung nicht allein bei den zahlreichen Beobachtungen an lebenden und todten Kindern im Hoöpital des enfans trouses et orphelins zu Paris, während des verheerendſten muguet, und im allgemeinen Waiſenhauſe in Stockbolm; ſondern auch bei einer oder der andern aͤltern an ascites, Lungenſucht und Nervenficher leidenden Perſon in den Pariſer Hoſpitaͤlern angetroffen. Ich theilte in Paris meine Anſicht dem Herrn Baron, Medecin en chef des enfans trouves, mit, welcher die Sache mit einem Miß— trauen anhoͤrte, das durch die frarzoͤſiſche Charlatanerie in mikro— ſkepiſchen Unterſuchungen vollkemmen gerechtfertigt wird. Der be— zübmte Mikrograph, Profeſſor Schwann in Loͤwen, dagegen, deſſen Bekanntſchaft ich dort zu machen das Gluͤck hatte, fand das Verhalten ſo glaubwuͤrdig, daß er bei der erſten Gelegenheit wei— tere Unterſuchungen über daſſelbe anſtellen wellte. Nach dieſer Beſtimmung der Zuſammenſetzung der Sckwaͤmmchen fen es uns erlaubt, uber den Begriff zu ſprechen, welchen die Autoren mit den Benennungen aphthae, muguet u. ſ. w. verfnüpft haben. Die aͤlteren Griechiſchen und Roͤmiſchen Aerzte beſchreiben alle Ada als einen Ulcerationsproceß. Celſus uͤberſetzt den Grie— chiſchen Namen durch serpentia ulcera oris. Stoll und Boerhaave theilen dieſelbe Anſicht. Der Letz— tere definirt die aphthae: superficialia, parve, rotunda, ulcuscula os internum occupantia, quae videntur esse ultimi emissarii, quo in os liquor salivosus et mucosus eflunditur, exulcerationes fa- ctae ex obturatione canalig per humorem lentum et viscidum. Van Swieten gefteht jedoch in feinen Commentarien, non nisi improprie aphthas dici posse exulcerationes. Ketelaer ſieht fie für vesiculae an, die durch eine kritiſche Excretion verurſacht werden. Slevogt nimmt eine Form von papulae, welche in Blaͤschen und Geſchwüre übergehen und eine andere aus primitiven Geſchwuͤ— ren an. Aſtruc befchreibt die Aphthen als vesiculae, die ſich in Ulce— ration endigen und leitet ſie von einer Affection der glandulae mu- ciparae her. 7 * 103 underwood (Franzoͤſiſche Ueberſ.) nennt fie petites täches blanches, ohne von Geſchwuͤren zu ſprechen. Roſenſtein ſagt: wenn Kinder Blattern im Munde be— kommen, auf denen ſich bald Kruſten einfinden, ſo haben ſie Schwämmchen. Arneman nennt fo weißgrauliche, runde, oberflächliche Ers habenheiten, welche ein ſeroͤſes Fluidum enthalten und ſich allmalig aoſchuppen. p. Frank ſagt, die Aphthen ſeyen das einzige wirkliche in— nere Exanthem. Raimann bringt fie zu den veſiculaͤren Ausſchlaͤgen und de— ſinirt ſie fo: kleine weißliche oder perlfarbige, auf einem dunkelro— tyen Grunde ſitzende und mit einem rothen Saume umgebene Bläss chen, welche eine klebrige oder citerartige Feuchtigkeit enthalten und, nachdem dieſe entleert iſt, in weißgraunche ſchwammige Bors ken übergehen. Wie dentin nimmt er an, daß ſie anſteckend ſeyen. Wendt (Kinderkrankheiten) nennt die Aphthen kleine weiße Flecken und Blaſen, meint, daß jie leicht den Bruſtwarzen der Ammen mitgethent werden, laͤugnet aber, Heyfelder's Verſuchen zufolge, die Contagioſitäͤt zwiſchen Kindern, Dobnbaum (in der Encycl. der med. Will.) ſcheint zu ges ſtehen, daß die primitive Form der Aphthen noch nicht ausgemit— telt ſey. Joͤrg und Jahn d. j. vergleichen, vom Standpuncte philoſo— phiſcher Ahnung aus, ohne objectiven Beweis, die Aphthen mit Pilzen. Der Erſtere ſagt: die Schwämmchen beſtehen in weißen Fiſerchen, welche, dem Schimmel auf faulendem Brode ähnlich, trippelweiſe hervorwachſen. Er betrachtet fie auch als anſteckend. Naumann (Med. Clinik) beſchreibt Aphthen und Soor, welche beide er nur dem Grade nach unterſcheidet, und von denen er die erfteren Stomatitis ſolliculosa, den andern Stomatitis ex- sudativa nennt, als eine Erhebung des Epitheliums in Form Eleis ner Bläschen oder Papillen, nach deren Berſten eine Exſudation von plaſtiſcher Lymphe und bisweilen eine Ulceration vor ſich gehe. Er giebt hinſichtlich des ſ. g. Soor oder muguet zu, daß derſelbe anfangs oben auf dem Epithelium liege, und daß er zur Haͤlfte aus Secretions-, zur Hälfte aus krankhaften Exſudationsproducten, welche conſolidirt werden, beſtehe. Als ein ſpaͤteres Stadium be— ſchreibt er eine ſpeckartige Ausſchwitzung unter dem Epithelium. Die Aphthen oder die stomatitis folliculusa ſchildert er als kleine pas putöfe, perlfarbene oder gelbliche Phlyctaͤnen, von der Größe ei— nes Hanfkornes bis zu der einer Linſe. Neben den Pyolyctaͤnen ſoll ſich eine, dem Soor vollkommen ähnliche, pfeudomembranöfe Er: ſudation bilden. Nach abgeloͤſ'tem Epithelium auf den Phlyctaͤnen ſollen kleine oberflaͤchliche Ulcerationen entſtehen, welche ſich mit kaͤ— ſeähnlicher Maſſe bedecken; doch wird behauptet, daß wirkliche ulcera ſehr felten ſeyen, wogegen als gewohnlicher Ausgang Ab— ſchuppung ohne Verletzung der unterliegenden Theile beſchrieben wird. Gontagiofität wird angenommen. Bichat erkennt bloß „le vide de l' Anatomie pathologique sur ce point“, indem er fragt: „des aphthes sont-ils une affec- tion du chorion muqueux? appartiennent-ils aux papilles? sie- gent-ils dans les glandes“‘? etc. Billard, dieſer Bichat für die Kinderkrankheiten, handelt, unter Anfuhrung der vorhergegangenen Arbeiten von Veron, LE— tut, Breſchet und Guerſent, von dem muguet oder der sto- matite avec alteration de secretion, als weſentlich verſchieden von den aphthae oder der stomatite folliculeuse, Der mugnet, fagt er, characteriſire ſich durch la coneretion du mucus à lu surface des membranes muqueuses inflammées, soit que ces membranes aient un épithélium, soit qu’ils n'en afent pas. Aber ein Wenig weiterhin erklärt er den muguet genauer, als das Product einer fibrindſen Exſudation aus einem inflammatoriſchen Blute und ſtuͤtzt dieſe Behauptung auf Lélut's chemiſche Analyſe des muguet, zur folge deren er dieſelben Beſtandtheile, wie der Schleim, die epi— dermis, die crusta inflammatoria und die Croupmembran loffen⸗ bar eine Mengung heterogener Stoffe) haben wuͤrde. Er kann ſich unter dreierlei Geſtalt, als Puͤnctchen nämlich, als größere Plätts chen und als Membran, zeigen und liegt niemals unter dem Epi— thelium. Zum muguet will Billard auch noch andere phlegma- sies buccales et gingivales bringen, qui donnent lieu à une con- 711. XXXIII. 7. 104 erétion sous forme de pellicules blanches, qui ont été decrits sous le nom d’aphthes, inflammation pustuleuse, pelliculeuse, crew use, stomacace etc. Die aphthae identiſicirt Billard mit stomatite folliculeuse oder der Entzündung der Schleimbäige, und er beſchreibt fie als mit kleinen, weißen, erhabenen Puncten, oft mit einem dunkleren Flecke im Mittelpuncte und von einem entzündeten Ringe umge⸗ ben, anfandeno. Während des Fortganges erweitert ſich der Balg durch den Druck einer in ihm enthaltenen weißlichen Materie, welche nachher das Epithelium ſprengt und weiß oder eiterförmig zu Tage kommt. Der geborftene Balg ſtellt jetzt ein Geſchwuͤr dar, wel⸗ ches oft eine weiße, adhaͤrente, gruͤtzartige Maſſe abſondert, die der Krankheit eine fo vollkommene Aehnlichkeit mit dem muguet verleiht, daß ſie ſich von dieſem nur durch die vorhergegangene Ul— ceration und den vorzugsweiſen Sitz auf den Lippen und der In⸗ nenſeite der Backen unterſcheidet. Das geheilte Geſchwuͤr ſoll keine bemerkbaren Spuren hinterlaſſen. Dieſe Form der stomatitis ſoll weniger, als der uuguet, der früheſten Kindheit angehoͤren. Valleix betrachtet den muguet, wie Billard, als eine pfeudomembranöfe Exſudation ohne Spur von Organiſation, lie gend auf dem Epithelium. Godinat (These sur le muguet) characteriſirt ihn als eine inflammation de la muqueuse mit Ausſchwitzung. Combes Braffard (Maladies des enfaus) beſchreibt die aphthae benignae als kleine vesiculae und die aphthae malignae als eine dicke, ſpeckaͤhnliche Pfeudomembran. Berton betrachtet die angina pultacea und den muguet als nahe verwandt und beide als Folgen einer stomatite pseudomem- braneuse — die Aphthen dagegen als aus kleinen weißen Puſteln gebildete Geſchwuͤre. 5 Rau ſtellt die Aphthen zu den Exanthemen und beſchreibt ſie als kleine weiße, in der Mitte vertiefte, auf rother Schleimhaut ſtehende, berſtende und in Geſchwüre, aus deren Grunde eine weiße oder gelbe, ſchwammige Rinde abgeſondert werde, uͤbergehende Blaͤschen. Das ſchwammige Ausſehen will er daraus herleiten, daß die Schleimhaͤute kein Epithelium (2) haben. Er hält fie für ans ſteckend. Billard's Anſicht von ihrer Natur, als entzündeter Schleimbaͤlge, laͤugnet er beſtimmt, und das zarte Kindesalter ſieht er alſo als zu dieſer Krankheit am Meiſten disponirend an. Als bloße Abart von derſelben betrachtet er den muguet der Franzoſen, welchen er als weiße, milchrahmahnliche, fpäter zu einer Membran zuſammenfließende Punctchen beſchreibt, und der in einer Verdik⸗ kung des Schleimes auf der entzuͤndeten Oberflaͤche beſtehen ſoll. Heyfelder will ebenfalls Billard's Trennung der Aph⸗ then vom muguet nicht gelten laſſen, ſondern betrachtet beide als ein Product derſelben exſudativen Entzuͤndung in der Schleimhaut, wobei er zugiebt, daß ſich keine Spur von Eiter in der kaͤſeähnli⸗ chen Maſſe finde, welche ſich leicht, ohne Verletzung der Schleim⸗ haut, abſchaben laſſe. Die geringe Anzahl von Schriftſtellern, welche ich zur Hand hatte, hat doch dieſe ſchon allzulange Liſte von verſchiedenen An— ſichten geliefert, aus welcher wir ſogleich erſehen, daß der Begriff Schwaͤmmchen noch nicht beſtimmt daſteht. Was die Anſicht der aͤlteren, wie auch einiger neueren, Aerzte von der Natur derſelben, als eines ulcerativen Proceſſes, betrifft, ſo iſt es zuerſt und zuvoͤrderſt klar, daß dieſe Anſicht nicht im Min⸗ deſten die eigentliche Frage über die Natur der Schwaͤmmchen be— antwortet, indem jede Ulceration nur ein conſecutiver Zuſtand von einer vorhergegangenen pathiſchen Veränderung iſt, ferner, daß fie beſtimmt irrthuͤmlich iſt, da jeder Menſch es ſehen und ſich davon überzeugen kann, daß ein Gebilde, welches von ſelbſt abfällt, obne die geringſte Spur einer laesio continui zu hinterlaſſen, kein Ge: ſchwür ſey. Daß die Swaäͤmmchen durch den Druck ihrer Maſſe auf die innerſte Epitheliumsſchicht und vielleicht auch durch chemi— ſche Wirkung eine Ulceration moͤgen zu Wege bringen koͤnnen, will ich nicht läugnen; aber Jeder weiß doch, wie ſelten ein auf die Schwämnden folgender Ulcerationsproceß im Verhaͤltniſſe zu der großen Flaͤche iſt, welche von ihnen bekleidet geweſen war. ; Um bei dem Ausdrucke weiße Flecken, Aufſchwellungen oder Erhoͤhungen ſtehen zu bleiben, duͤrfen wir bloß daſſelbe ſagen, was jede Amme ſehen kann. 105 Den Schwaͤmmchen feblt völlig die Form von Blaͤschen mit dem Character, daß eine Flüſſigkeit in einer von erhobenem Epis thelium gebildeten Höhle eingeſchloſſen iſt. Ebenſo wenig koͤnnen fie den Nimen papu ae, nach dem Begriffe, verdienen, welchen wir mit dieſer Form ven Exanthem verknüpfen. Plaſtiſches Exſudat iſt in der Medicin ein Lieblingsausdruck für beinahe die meiſten neuen Bildungen geworden, welche man entites hen ſieht. Soll dieſer Ausdruck etwas Wahres enthalten, ſo muß er auf die albumindfen und fibrindſen Gebilde beſchraͤnkt werden, deren Elemente im liquor aanguinis gelöf’t ſind und ſich aus dem⸗ ſelben in Moleculen- oder frinfadiger Form abſetzen. Dieſe Gebilde kommen auch in der Mundhöhle vor, wovon ich mich bei der Un⸗ terſuchung der Diphtheritis beſtimmt uͤberzeugt habe. In den Schwaͤmmchen findet ſich dagegen keine von dieſen mikroſkopiſchen For⸗ men als conſtituirendes Element. Es iſt ſonach ein Fehler, wenn mehre Schriftſteller das Schwammchengebiide mit plaſtiſcher Exſudation vermengen. Auch von Eiterbildung zeigen die Schwaͤmmchen ebenſowenig eine Spur. Können wir nun wohl ein Gebilde für inflammatoriſch halten, in welchem wir keine Spur eines Entzuͤndungsproductes finden, und welches im Gegentdeile, und zwar ſtreitend wider Valleix's Be: hauptung, aus organiſirten Epithelialzellen nebſt einer eigenen Pflan— zenform beſteht? Die Franzoſen haben zum Verwirren des Begriffes Shmämms chen ſebr durch ihren muguet beigetragen, welchen fie als ein eige— nes, von den Aphthen, mit welchem Namen Deutſche ſowohl, als Schweden, beftändig dasjenige verſtanden, was wir (ſchwed.) Torsk — Schwämmchen — nennen, weſentlich verſchiedenes Gebilde dar— geſtellt haben. Auf guten Glauben und mißgeleitet von der Heftig⸗ keit der allgemeinen Symptome, wie ſie aus dem Hospice des eu- fans trouves in Paris unter dem Krankbeitsnamen muguet ge- ſchildert werden, haben mehrere Deutſche auch ıdie franzoͤſiſche Anz ſicht aufgenommen. Jeder, welcher Augenzeuge von dem muguet des Pariſer Kinderhauſes geweſen iſt, und ich habe ihn in Hunder⸗ ten von Fällen geſehen, überzeugt ſich dagegen unwiderſprechlich, daß das locale Gebilde auf der Digeſtionsſchleimhaut mit den Aph— then, den Schwaͤmmchen oder dem Torsk völlig identiſch iſt. Einige der neueren deutſchen Schriftſteller ſcheinen ſich indeſſen von dem franzoͤſiſchen Joche losmachen zu wollen. Schon die Beſchreibung, welche Billard und ſeine Nachfol⸗ ger von ihren aphthae oder der stomatitis folliculosa geben, iſt offenbar hinkend. Die Ausdehnung der Follikeln durch eine weif— liche Materie, welche ſie am Ende ſprengt, iſt keinesweges ein an— fangender Entzuͤndungsproceß, ſondern ganz einfach die Folge des Mißverhaͤltniſſes zwiſchen der Follikelmuͤndung und der Quantitat der Secretion. Ich babe neulich Gelegenheit gehabt, mich hiervon bei einem Kinde zu uͤberzeugen, an deſſen Gaumengewoͤlbe ich den Schwaͤmmchen aͤbnliche weiße Flecken ſah. Da dieſelben ſich nicht ablöfter, ward ich meinen Irrthum gewahr und preßte darauf aus der Mündung der Follikeln eine weiße, käſeaͤhnliche Maſſe heraus, welche ſich ebenſo, wie die, welche man aus den eryptae sebaceae der Naſe leicht herausdruͤcken kann, formte und nur aus lofe aus ſammenhangenden Epitheliumszellen beſtand. Bei der Entzündung eines Schleimbalges wird dagegen deſſen Abſonderung zuerſt vers mindert, und danach tritt Blennorrböe ein, mit welcher Billard's beſchriebene Secretion einer weißen, adhaͤrenten, grützaͤhnlichen Schwaͤmmchenmaſſe nicht verglichen werden kann. Ein Ulcerations— proceß eines Schleimbalges kann ſich auch nicht ſpurlos endigen. Auch Naumann vermengt, in ſeiner Beſchreibung der Aphthen, die 711. XXXIII. 7. 106 wirklichen Schwämmchen mit einem ganz anderen Krankgteitspro⸗ ceſſe, indem er zuerft vom Ulcerationsproceſſe, vom Urſprunge aus Phlpktaͤnengebilden, redet, nachher aber ſagt, eine Abſchuppung ſey der gewohnliche Schluß, ohne Spuren von Verlegung unterlie⸗ gender Theile. Aus rein anatomiſchen Grunden läßt es ſich ſogar dartpun, daß eine Entzündung der Schleimbälge kein ſolches ſchwaͤmm⸗ chenähnliches Gebilde hervorzubringen vermag, wie es von Billard auch in feinen Aohthen angenommen wird. Die Echliimbälge in der Mundhoͤhle ſind nämlich bei Weitem nicht fo zahlreich und dicht⸗ figend, daß von ihnen eine ſchwaͤmmchenähnliche Membran gebildet werden Fönnte, vorausgeſetzt auch, daß fie die dazu erforderlichen Bildungselemente hergeben konnt n. Ihr Sitz auf der Zunge iſt tief unten an der Wurzel der Papillen; die Schwaͤmmchenmembran aber bildet ſich auf deren Spitze — ſie bildet ſich auch auf Stellen, an denen keine Schleimbä'ge vriftiren, wie z. B., auf den Alveo⸗ larrändern. Somit betrachte ich muguet, Apthen und Schwaͤmmchen als völlig ſynonym und die stomatitis folliculosa als eine weſentlic von denſelben verſchirdene Krankheit. Ich Halte die Schwämmchenbildung für einen Gegenſtand ven großem Intereſſe und erbitte es mir, in der Folge auf ihre Ent⸗ wickelung in mehrfacher anderer Hinſicht zuruͤckkommen zu dürfen, wenn die Umftände mir die zu jener erforderlichen Beobachtungen zu machen eriauben ). *) Bis jetzt iſt mir keine zweite Abtheilung dieſes Auffagıs zu Geſichte gekommen. Ich erlaube mir bei dieſer Gelegenheit, auf eine ſehr brav und mit. umſichtigſter Benutzung der betreffenden Literatur aues gearbeitete Inauguraldiſſertation, in welcher die ven ibrem Ver: faſſer beobachteten Schwämmchengebilde und einige den Schwaͤmm⸗ chenpilzen ähnliche vegetabiliſche Erzeugniſſe auf einer Kupfer⸗ tafel getreu dargeſtellt werden, aufmerkſam zu machen Es iſt die von Sim. Aug. Hoenerkopff de natura vegeta- bili ac diagnosi aphtharum. Gryph. 1843. 54 ©. in 8. Creplin. Miscellen. Ein ſonderbarer Beweis von der Sagacität der Moͤven (Sea-Gulls) findet ſich in Journey to Mount Sinai and Jerusalem. By M. Borrer. London 1844. angeführt. „In dem Augenblicke, wo in dem Piraeus auf dem Admiral-Schiffe the Howe die Glocke geläutet wurde, welche die Schiffbeſatzung zum Mittagseſſen rief, verſammelten ſich Hunderte der Möven um das Schiff, obgleich vorher kaum einer dieſer Voͤgel ſichtbar war; und man verſicherte mir, daß jedesmal, wenn die Glocke ertoͤne, dieſe ornithologiſche Erſcheinung alſobald eintrete: und groß iſt das Herumflattern und Schreien der wartenden Voͤgel, wenn die erſte Ladung der Tafelreſte erſcheint. An dem ramus crico-arytenoideus nerv. laryng. inf, entdeckte Barrow in Breslau ein ganglion, dem er den Na⸗ men ganglion arytenoideum giebt. Jener Zweig verläuft, wie bekannt, zwiſchen dem Ringknorpel und dem muscul. crico- arytenoid. post. nach Hinten und Oben und dringt oberbalb des Rinaknorpels zwiſchen die Faſern des musg. crico-arytenoid. ein. An dieſer Stelle ſchwillt der Nerv zu einem laͤnglichen oder runden ganglion an, aus welchem ſehr feine Nervenfaͤden nach verſchiede⸗ nen Richtungen hinlaufen, von denen einige bis zur Schleimhaut des Kehlkopfes vordringen. (Sitzung der Acad. d. Scienc. 19. Aug. 1844.) ei K DD Fall von Geſichtskrebs Von Caͤſar Hawkins. Eine 50 Jahre alte Frau ward in das St. George— Spital mit einem Krebsgeſchwür auf der linken Backe, von dem Umfange eines Viergroſchenſtuͤcks, aufgenommen. Das⸗ ſelbe hatte ſich ein Jahr vorher auf einem Muttermaale ges bildet; auf dieſem zeigte ſich anfaͤnglich eine Art Warze, welche vor etwa 5 Monaten exulcerirte. Cin Aetzmittel beſeitigte das Uebel damals, aber es kehrte bald darauf wieder. Es * 107 zeigte ſich nun ein erhabenes, unregelmaͤßiges Geſchwuͤr mit einem harten, tuberkuloͤſem Rande und geringer, ziemlich foͤtide riechender Abſonderung; die dunkle Farbe des urſpruͤng— lichen Maales war noch in der Umzebung, welche gegen 4“ hervorragte, bemerkbar. Die Haut rund um das Geſchwuͤr herum ift ſehr hart und etwas geroͤthet; die Härte erſtreckt ſich ziemlich tief, und dicht unter dem Geſchwuͤre befinden ſich 6 — 8 kleine Tuberkel. Dieſe find ſeit ungefähr ei: nem Monate vorhanden und bildeten ſich nach der Anwend— ung des Aetzmittels; ſie ſind erhaben, weißlich und von ſehr dünner Haut bedeckt. An der afficirten Stelle iſt ein ſchie— Fender Schmerz vorhanden geweſen. Das Allgemeinbefinden iſt gut, nur iſt die Kranke in der letzten Zeit etwas mage— rer geworden. Die Behandlung beſtand in der oͤrtlichen Ap— plication des Zincum muriaticum, mit ſchwefelſaurem Kalke gemiſcht, welches Mittel anfangs große Schmerzen verur— ſachte. Der Schorf loͤſ'te ſich bald, und die Oberflaͤche hat ein geſundes Ausſehen bekommen und iſt in der Heilung begriffen. Dr. H. bemerkt bei dieſer Gelegenheit: Der Fall, daß ein Krebs ſich auf einem Muttermaale entwickelt, iſt nicht ganz ſelten, weil jeder krankhafte Auswuchs von der vor— handenen Krebsdyskraſie leicht als Ablagerungspunct erwaͤhlt wird; allerdings iſt das Uebel dann auch mehr local, als wenn es in urſpruͤnglich gefunden Geweben erſcheint. Die nachtheiligen Folgen des zuerſt angewendeten Aetzmittels ruͤhr— ten daher, daß letzteres die kranke Stelle nicht vollſtaͤndig zerſtoͤrte. Die Haut des Geſichtes iſt ſehr zur Ablagerung krebs— hafter Stoffe disponirt, und zwar erſcheint das Uebel auf derſelben in drei Formen, entweder als oberflaͤchliches Krebs— geſchwuͤr, oder als fungoͤſer Krebs, oder endlich als gewoͤhn— licher Hautkrebs. Der tumor im obigen Falle ſtand, wie es meiſt bei Mutermaͤlern und anderen Aftergebilden, wenn ſie boͤsartig werden, der Fall iſt, zwiſchen Skirrhus und Mark: ſchwamm in der Mitte. Auch die ſecundaͤren Tuberkel ſind in ſolchen Faͤllen von verſchiedener Art, und ſtatt des flachen, harten Tuberkels, von der Farbe der Haut und derſelben an Dichtheit gleich, war in obigem Falle derſelbe erhaben, weich, von gelblicher Farbe, mit einer duͤnnen Decke von faſt durchſichtiger cutis und hatte eine kleine Baſis. Obwohl die Exſtirpation des Uebels vermittelſt des Meſſers im Allgemeinen zweckmaͤßig iſt, ſo verdient hier doch, wegen der Groͤße der ergriffenen Flaͤche, das Aetzmittel den Vorzug. Das Chlorzink wird nicht ſo leicht, wie Arſenik, reſorbirt und iſt daher dieſem vorzuziehen. Es wird mit Waſſer zu einer Paſte gemacht und vermittelſt eines elfen— beinernen Spatels aufgetragen. Ein Breiumſchlag befoͤrdert die Abſtoßung des Brandſchorfes. Wenn die Haut ſehr dick iſt, ſo kann man dieſelbe zuvoͤrderſt mit Aetzkali zer— ſtoͤren. Bleibt nach abgefallenem Schorfe noch etwas Krank— haftes zuruͤck, fo applicire man die Aetzpaſte von Neuem, oder rauchende Salpeterfäure, oder eine Aufloͤſung von einer Drachme Mercur. nitr. in Acid. nitr. 3jjj, (London med. Gaz., June 1844.) 711. XXXIII. 7. 2 108 Zwei Faͤlle von Auswurf roͤhrenfoͤrmiger Gebilde bei Erwachſenen. Von Dr, 1) Eine Dame von achtundzwanzig Jahren hatte im December 1836 einen Anfall von bronchitis, nach deſſen Beſeitigung ein chroniſcher Huſten zuruͤckblieb. Im Februar 1857 huſtete fie nach einem heftigen Erſtickungsanfalle nes ben blutig gefaͤrbtem, ſchaumigten Schleime mehre äftige membranöfe Gebilde aus, welche genau kleinen Bronchialroͤh⸗ ren glichen. Es wiederholte ſich dies noch mehre Tage lang, und zwar mit großer Erleichterung fuͤr das Athmen. Sol— cher An aͤlle hatte ſie 5 — 6 in Zwiſchenraͤumen von 1—6 James Reid. Wochen. Sie magerte nun ab, ihr Allgemeinbefinden be— gann zu leiden, und große Dyspnoͤe ſtellte ſich ein. Ein Aufenthalt auf dem Lande beſſerte ihr Befinden, aber bei ihrer Ruͤckkehr nach London im October hatte ſie einen weit heftigeren Anfall von Dyspnoe, als früher, Darauf ſtellte ſich der Auswurf der baumfoͤrmigen Gebilde in weit größes rer Menge und von feſterer Subſtanz, als fruͤher, ein; dabei ſpuckte die Kranke jedesmal Blut, aber nie in Menge. Seit— dem trat das Uebel nicht mehr ein. 2) Ein kraͤftiger, geſunder Mann, in der Bluͤthe feiz nes Lebens, hatte ſeit zwei Jahren uͤber unangenehme Em— pfindungen in dem Schlunde und Halſe geklagt. Im April 1840 bekam er einen heftigen Huſtenparoxysmus, welcher zZ Stunde andauerte, worauf die Stimme heiſer blieb und ein ſchallender Huſten, ſowie eine unbebagliche Empfindung an dem oberen Theile des Bruſtbeines, ſich einſtellte. Der Kranke genas von dieſen Symptomen, hatte aber zuweilen Huſten und Schleimauswurf. Im Februar 1841 ſpuckte er ploͤtzlich ohne Anſtrengung eine ziemliche Menge Blut aus, bald darauf trat ein krankhafter Huſten ein, welcher baum— foͤrmige, fleiſchartige Subſtanzen zu großer Erleichterung her— auffoͤrderte. Es wurde bis zur Ohnmacht Blut entzogen und eine gemaͤßigte antiphlogiſtiſche Behandlung eingeleitet. Der Kranke genas nun bald, aber die Haͤmorrhagie trat wieder ein, und mehre Stuͤcke derſelben roͤhrenfoͤrmigen Bil— dung, den kleinſten Bronchialroͤhren gleichend, wurden aus— gehuſtet. Am 19. December 1841 erneuerte ſich jedoch in einem leichteren Anfall von Haͤmorrhagie ein copioͤſer Auswurf derſelben Gebilde und der Anfall wiederholte ſich vier bis fünfmal während der folgenden zehn Tage. (Expecto- rantia, leichte Koft, kuͤhlende Getraͤnke.) Seitdem iſt der Kranke von dem Uebel befreit geblieben. Das Uebel beſteht, nach Reid, in einer chroniſchen Ent⸗ zuͤndung der Schleimhaut, durch welche die normale Seere— tion derſelben verändert und eine den ſeroͤſen Membranen ahnliche Haut erzeugt wurde. Die Prognoſe iſt im Allge— meinen guͤnſtig, ſobald keine bedeutende Complication vor— handen iſt. Was die Behandlung anbetrifft, ſo bedarf es keines eingreifenden Verfahrens, und milde expectoran- tia mit leichter Diät reichen meiſt aus. (London med. Gaz., June 1844.) 109 Fall von aneurysmatiſcher Geſchwulſt am oberen Theile des linken Armes. Von Alfred Jukes. Ein kraͤftiggebauter Mann von 24 Jahren ward am 22. No⸗ vember 1824 in das Birmingham General-Hospital mit einem tumor von unregelmaͤßiger Geſtalt auf der Schulter und dem obe— ren, hinteren Theile des linken Oberarms aufgenommen. Vor uns gefahr vier Jahren hatte er im trunkenen Zuſtande mit einem ge— gen 7“ langen Dolche einen Stoß in die linke Schulter bekommen; die Wunde blutete ſehr ſtark, und nach Stillung der Blutung und Anlegung des Verbandes bildete ſich an Schulter und Arm eine ſchmerzhafte Geſchwulſt, welche plotzlich in zwei Tagen raſch an⸗ wuchs und ebenſo raſch wieder verſchwand. Nach drei Wochen war die Wunde geheilt, und es blieb nur ein tumor von der Groͤße eines Huͤhnereies am Oberarme zuruͤck, welcher nach und nach ohne Schmerzen bis zum September 1824 langſam anwuchs, dann aber raſch ſich nach Unten und Außen ausdehnte. Der Arm war auf: fallend ſchwaͤcher, als fruher geworden, und jetzt wurde auch eine ſchwache Pulſation in der Anſchwellung bemerkbar, welche bei Ans ſtrengungen des Armes ſehr ſtark wurde. Der tumor reicht vom oberen, hinteren Theile der linken Schulter laͤngs der hinteren und inneren Seite des Armes bis zu ſeinem unteren Drittheile hinab. Seine Oberfläche zeigt drei geſonderte Hervorragungen, eine obere an der Stelle und von der Geſtalt des Deltamuskels, welcher ſich feſt und hart anfuͤhlt; eine mittlere, welche am Staͤrkſten vorſpringt, nach Unten und Hinten von der erſteren, ſehr feſt und elaſtiſch und von der unteren durch eine oberflaͤchliche Rinne getrennt, mit welcher zuſammen ſie aber nach Innen eine ſtarke Anſchwellung bildet. Dieſer Vorſprung tritt vorne am Deutlichften hervor, wenn der Ellenbogen in gleiche Hoͤhe mit der Schulter gebracht wird. Nach Oben liegt der tumor tief unter dem Deltamuskel, welcher nach Außen gedrängt iſt; dann aber, von dem hinteren Rande dieſes Muskels ſich ergebend, wird derſelbe mehr oberflaͤch— lich und hervorragend und liegt hier augenſcheinlich auf dem aͤu— ßeren Kopfe des m. triceps, Die größte Länge beträgt über 6“, ihr größter Umfang 15“. Eine fefte, halbmondfoͤrmige, gegen 11 lange Narbe zeigt die Stelle der früheren Verwundung an; dieſel— 711. XXXIII. 7. 110 be befindet ſich faſt in der Mitte zwiſchen der Höhe der Schulter und der Hinterſeite der Achſelgrube, 1“ unterhalb der spina sca- pulae und faſt 3“ vom acromion entfernt Der tumor pulſirt nicht, ſtarker Druck auf die art. subciavia eder axillaris macht ihn weniger geſpannt, ſowie ein gleichzeitiger Druck auf ſeine un— tere Portion ihn um 1“ verkleinert; nach Aufhebung des Druckes nimmt der tumor ſogleich wieder ſeinen fruheren Umfang an, wo— bei man denſelben deutlich aufſteigen und das Blut von Oben her— einſtroͤmen fühlt. An einem Puncte, ungefähr 1“ perpendicular uns terhalb des Sternalendes des Schluͤſſelbeins, fühlt man eine eigen— thuͤmliche, dem Schwirren einer Fliege in einem Glaſe aͤhnliches Geraͤuſch. Der tumor ganz unſchmerzhaft; Herzimpuls und, Ra— dialpuls normal; die arteria brachialis läßt ſich bis in die Achſel⸗ grube als unzuſammenhaͤngend mit der Geſchwulſt verfolgen. die Haut uͤber der letzteren normal, Hautvenen nicht vergroͤßert. Nach einer Anſtrengung empfindet der Kranke einen dumpfen Schmerz, etwas Taubheit in den Fingern und Schwaͤche im linken Arme. Das Allgemeinbefinden war gut. Die Diagnoſe ſtellte ſich auf ein diffuſes falſches Aneurysma der a. subscapularis, und man entſchloß ſich, die a. axillaris dicht unter der clavicula zu unterbinden. Am 11. December 1824 wure de zuvoͤrderſt cine exploratoriſche Punction an dem unteren Theile der Geſchwulſt gemacht, worauf ungefaͤhr 1 Unze Blut abfloß, und dann in ſitzender Stellung die Unterbindung der a. axillaris ausge— fuͤhrt. Die Geſchwulſt wurde ſogleich kleiner, man legte Heftpfla— ſterſtreifen feſt um dieſelbe und wickelte den Arm in Flanell. Anz fangs etwas Schmerz im Vorderarme, im Kopfe und in der Bruſt, doch bald beſeitigt. Am 11. Januar 1825 war die Wunde volle ftändig geheilt, die Geſchwulſt etwas kleiner, als früher, und viel haͤrter und feſter, der Puls am linken Handgelenke ſchwach fuͤhl— bar, Taubheit im Arme geringer. Im Juni 1825 war der tumor durchweg feſt und ſolide anzufuͤhlen, die Hervorragungen abge— flacht; der Deltamuskel faſt in ſeiner normalen Lage; ziſchendes Geraͤuſch an der Schulter ſchwaͤcher, als vor der Operation; linke carotis ſcheint ſtaͤrker, als die rechte, zu pulſiren; linker Radialpuls normal, nur ſchwaͤcher, als der rechte; Finger noch etwas taub, Arm und Hand abgemagert, doch leicht und frei zu bewegen. Bei großer Anftrengung fühlt der Kranke große Schwaͤ— che im Gliede. Allgemeinbefinden ſehr gut. Im Jahre 1838 ftarb der Kranke, der tumor war 2 bis 3 Jahre vorher verſchwunden. Ueberſicht der Veraͤnderungen des Pulſes und der Temperatur vor und nach der Operation. Puls | tum Unter rechter. | —— | Vor der Operation ° 83989 o Nach der Operation — — —äuñẽkͤ | 11. December 9 Uhr Nam. | 0 . . 114 voll u. weich fpäter 116, voller 56 12. — 2 — — 0 . 112, weich u. voll 55 9 — — 0 110 (Aderl. v. 3x) 65 13. — 1 — — „ 114 weich 63 9 — — De — u — O0 .. 120 (Aderl. v. 3 3j) 65 9 — — 0 . 116 8 . 65 (Lancet, No. 26. 1844.) Ueber Bruͤche der Wirbelknochen. Von W. Lyon. Erſter Fall. — Ein Grobſchmidt, 24 Jahre alt, fiel am 7. April 1842 kopfüber von einem Hügel herab Am naͤchſten Tage in das Spital aufgenommen, klagte er über Schmerz zwiſchen den Schultern und in der Bruſt, der zuweilen bis zur Athembehinder⸗ ung ſtieg. Vollſtändige Lähmung der unteren Extremitäten und als ler Theile unterhalb des Nabels; obere Gliedmaßen nur gering af— ficirt; respiratio diaphragmatica; Stimme ſchwach und hohl; Un— des Zim⸗ mers nnr d. Achſelgrube 8 Zwiſchen Dau-] Rechte u. des Armes N N men u. Zeige- Seite des L. u. R. 9 9 finger L. u. R. Halſes. 97 98 91 93 92 93 94 | 94 921 97 931 97 97: 95 99 94 97 100 1012 991 | 1008 , 100 100 90 99 93 95 971 972 95 96 fahigkeit laut zu huſten. — Die Dornfortfäge der drei oberen Ruͤckenwirbel find beweglich und crepitirend, jedoch zeigt ſich kaum eine Spur von Dislocation. — Harnverbaltung und Obſtruction feit der Verlegung (Catbeterismus, Opiat Abends). — Zwei Tage darauf Schmerz und Anſchwellung an dem Orte der Verletzung, am 9. Mai Schuͤttelfroſt, am 29. bedeutender decubitus, Huſten, ſteigende Schwaͤche, Athemnoth, Tod am 17. Juni. Section: Bruch der Dorn- und ſchraͤgen Fortſaͤtze meh: rer oberen Ruͤckenwirbel, welche wirre durcheinander lagen und durch ein dichtes Gewebe miteinander verbunden waren; der Koͤr— 111 per des dritten Ruͤckenwirbels ſchraͤge nach Vorn und Unten ges brochen, ebenſo der Dornfortſatz deſſelben, ein Stuͤck des Körpers faft 2“ weit vorwärts und ebenſoweit abwärts gezogen. Das Ruͤk⸗ kenmark vollſtaͤndig auf mehr als 1“ getrennt, erweicht, injicirt, die Haute roth und verdickt. Zweiter Fall. — Ein 27 Jahre alter Kohlenhaͤndler wurde am 23. September 1842 zwiſchen 2 Waggons gequetſcht und bes ſonders der untere Theil des Ruͤckens verletzt. — Paraplegie, Vor: ſprung und Schmerz in der Gegend des zehnten Ruckenwirbels, — theilweiſe Wiederherſtellung, — Tod nach 8 Wochen. Section. Schrägbruch des Körpers des elften Ridenwirs bels; Bruch der oberen Gelenkfortſaͤtze; der Dornfortſatz des zehn: ten Ruͤckenwirbels aufwaͤrts gedrängt und der Korper deſſelben nach Vorn gezogen, wodurch der Wirbelcanal an dieſer Stelle ver— engt und das Rückenmark gezerrt und gedrückt war; letzteres ſehr erweicht, die Membranen verdickt und zwiſchen denſelben Ausſchwitz— ung. Auch ein kleiner Theil der linken Seite des Wirbelcanals aufgebrochen und ein Knochenfragment ſchraͤg in demſelben gelagert mit feinem ſcharfen Rande auf dem Ruͤckenmarke. Die fracturirten und dislocirten Knochen wurden vorn und an den Seiten in Kno— chenmaſſe eingekapſelt. Dritter Fall. Ein Kohlenarbeiter wurde am 27. December 1842 von einem großen Steine auf den Ruͤcken getroffen; es trat heftiger Schmerz in der Gegend der mittleren Ruͤckenwirbel, Ge— ſchwulſt und eine leichte Krümmung der Wirbelſaͤule nach Rechts ein. — Paraplegie, tympanitis, Schuͤttelfroſt, Huſten, Tod am 11. Januar. Section. Es fehlen die Zwiſchenwirbelknorpel zwiſchen dem achten und neunten Ruͤckenwirbel, Oberflaͤchen dieſer Wirbel bloß, weich und von Eiter umſpuͤlt; Extravaſat in der Scheide des Ruͤk— kenmarks; letzteres durch ein dünnes, kleines, ſpitzes Knochenfrag— ment comprimirt und zerriſſen; ligam. interarticularia zerriſſen; der Wirbel nach Vorn gedraͤngt. Bemerkungen. In dem erſten Falle wirkte die aͤußere Ges walt mittelbar, indem der Stoß auf den Kopf durch die Halswir— bel auf die Ruͤckenwirbel uͤberging; eine im Ganzen ſeltene Urſache der Wirbelbruͤche, indem die Elafticität der Intervertebralknorpel und die durch die Wellenlinie der Wirbelſaͤule gegebene Nachgiebig— keit die letztere mehr gegen aͤußere Gewalt ſchuͤtzt. Bruͤche in Folge direct auf die Wirbelſaͤule einwirkender Gewalt, wie in den beiden anderen Fallen, kommen weit haͤufiger vor, und zwar am Haͤufigſten bei Kohlenarbeitern, welche in der bei der Arbeit ange— nommenen gebuͤckten Stellung leicht von fallenden Steinen getroffen werden. Die Diagnoſe der Wirbelbruͤche iſt nicht immer leicht, Er— ſchuͤtterung des Ruͤckenmarkes, Druck auf daſſelbe durch Blutertra: vaſat oder dislocirte Knochen verurſachen haͤufig Paralyſe der Mo— tilität und Senſibilitaͤt unterhalb des Sitzes der Affection. Die Richtung und Geſtalt der Wirbelſaͤule unterſtuͤtzen, ſelbſt wenn be= deutende Dislocation vorhanden iſt, die Diagnoſe nicht ſehr, denn die Koͤrper der Wirbel ſind dick mit Muskeln bedeckt und feſt mit— einander durch Ligamente verbunden. Wenn die Dornfortſaͤtze ge: brochen ſind, ſo wird dieſes meiſt durch die Manualunterſuchung entdeckt, ſchwieriger jedoch Brüche der ſchraͤgen oder Quer-Fortſaͤtze. Die Diagnoſe wird meiſt auch noch durch die vorhandene ſtarke Ges 711. XXXIII. 7. 112 ſchwulſt erſchwert und läßt ſich in manchen Fällen gar nicht mit Beſtimmtheit ſtellen, indem außer der Paralyſe alle pathognomi- ſchen Erſcheinungen eines Bruches fehlen konnen. — Die Prognoſe iſt ſehr unguͤnſtig; wenn der Ausgang auch nicht immer lethal iſt, ſo bleibt doch meiſt eine mehr oder minder vollſtaͤndige Paralyſe zuruck. Die Störung oder Aufhebung des Athmens hängt von der Stelle der Fractur ab. Wenn der Tod nicht ſogleich erfolgt, ſo kann er ſpaͤter durch Entzündung, Erweichung oder Vereiterung des Rückenmarks, der Haͤute deſſelben u. ſ. w., durch den ſich raſch verbreitenden decubi- tus herbeigeführt werden. Bedeutendere Dislocation entſteht nur, wenn die Interverte⸗ bralknorpel oder Wirbelkoͤrper gelitten haben. Was die Behandlung betrifft, ſo moͤchte Extenſion wohl ſelten mit Erfolg auszuführen ſeyn, und es genügt, den Körper auf eis ner harten, flachen Unterlage ruhig liegen zu laſſen; die Trepana⸗ tion wird in einigen ſeltenen Faͤllen angezeigt ſeyn. Zur Verhuͤtung des decubitus dienen Frictionen, Luftkiſſen, Veränderung der Lage, das hydroſtatiſche Bett ꝛc., nuͤtzen jedoch ſelten viel. Gegen die anderen Symptome ſind die geeigneten Palliativmittel anzuwenden. (London med. Gaz., June 1844.) Miscellen. a Heilung eines tetanus rheumaticus durch Chi- ninum sulphuricum iſt der Inhalt eines von Dr. Camil⸗ lo Primo in der Gazzetta Medic. di Milano 1844. No. 26. bekanntgemachten Falles P. V., Bauer, 30 Jahre alt, aufge⸗ nommen in das große Spital zu Mailand am 19. Juni 1843. Der Körper war gerade geſtreckt und rigide, die Glieder was ren unbeweglich, die contrahirten Muskelbuͤndel unter der Haut markirt, prismus, risus sardonicus. Vor acht Tagen waren Schmerzen im Ruͤcken, darauf toniſche Contractionen der Mus- keln des Bauches und der unteren Extremitäten aufgetreten; Ur⸗ ſache: Feuchtigkeit und Kälte. (Zwei Aderläſſe; Emulsio c. Ol, Ricini.) Das gelaſſene Blut war normal, ohne crusta, Stuhlent⸗ leerung mit Abgang einiger Spulwuͤrmer (Chinin. sulphur., anfangs J], in acht Theile getheilt, täglich zu verbrauchen, ſpaͤter bis Y)jß geitiegen). Bei diefer Behandlung fing die Haut an, auszuduͤnſten, die Muskelſtarre verlor ſich nach und nach, der trismus verſchwand, und am 31. Juli wurde der Kranke völlig geheilt entlaſſen. — Die Gefammtquantität des gereichten Chinins betrug 33603. (Gazz. med, di Milano 1844. No. 26.) Einen Fall von überzähliger Bruſtwarze theilte Dr. Chowne der Westminster Medical Society mit: Das In— dividuum war eine Frau von einunddreißig Jahren und Mutter mehrer Kinder. Die überzählige Warze befand ſich auf der rechten Bruſt, von der Groͤße eines Zuͤndhuͤtchens, ungefähr 2“ unterhalb der normalen Bruſtwarze und dem Bruſtbein etwas näher, Waͤh⸗ rend der Schwangerſchaft bildete ſich auch um die überzählige Warze ein dunkler Ring, ſowie ſie auch ſpaͤter Milch enthielt. Die Mutter dieſer Frau hatte ganz dieſelbe Abnormität, welche ſich aber bei keinem Kinde der letzteren zeigte. (Lancet, June 1844.) Bibliographische Neuigkeiten. Descrizione degli animali invertebrati della Sicilia citeriore, Napoli 1844. 4. (5 Bde. mit einem Atlas.) Rheiniſche Flora. Beſchreibung der wildwachſenden und cultivirten Pflanzen des Rheingebiets vom Bodenſee bis zur Moſel und Lahn von J. Ch. Doͤll. Frankfurt a. M. 1845. 8. Practical Treatise on the Diseases peculiar to Women, derived from Hospital and Private Practice. By S. Ashwell, MD. London 1844, 8. R. Froriep. Chirurgiſche Kupfertafeln. Heft 91. enthält Zar fel 458 bis 462. und zwar uͤber Noma Unterſuchungen des Her— ausgebers; Proſtataſteine nach Cruveilhier und nach Beobach— tungen des Herausgebers; Verrenkungen im Ellenbogengelenke, eine Zuſammenſtellung aller Formen nach Dr. De Bruyn und das neuſte Streckbett von Guerin zur ſogenannten extension sigmoide. m —— — Menue Üotizen aus dem i Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober ⸗Medicinalrathe Froriep jn Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 712. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3%, IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ I (Nr. 8. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Rp. oder 3 f. 30 2%, Januar 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Pr Ueber die geologiſche Beſchaffenheit des Vorge— birges der guten Hoffnung. Von Herrn J. Stier )). Man war bis jetzt über die geologiſche Bildung der Suͤdſpitze Africa's nicht gehörig aufgeklärt. Meine unlaͤngſt ausgefuͤhrte Unterſuchung des Tafelberges und Umgegend duͤrfte aber, indem dadurch das Alter jener Formation feſt— geſtellt iſt, als der Ausgangspunct der geologiſchen Forſch— ungen uͤber jenes in dieſer Beziehung noch ſo wenig be— kannte und doch fo hoͤchſt intereſſante Land zu betrach— ten ſeyn. Der Tafelberg und ſeine Anhaͤngſel, deren Fortſetzung das unter dem Namen: Cap der guten Hoffnung bekannte Vorgebirge bildet, bietet eine ziemlich einfache geologiſche Bildung dar. Die Grundlage des Tafelberges beſteht an der nach der Cap⸗Stadt zu liegenden Seite aus einem porphyrarti— gen Granit, der ſehr deutlich characteriſirt und gewaltſam durch den Pſamit-Schiefer durchgebrochen iſt, deſſen Schich— ten bei'm Durchbrechen verſchoben, und deſſen Textur dabei mehr oder weniger tief veraͤndert worden iſt. Ueber dieſem metamorphen Pſamitſchiefer und bis zum Niveau von 550 Metern hinauf erſtreckt ſich in Schichten, welche ziemlich unter einem Winkel von 10° gegen Suͤd— weſt geneigt ſind, und deren Queerdurchſchnitt an der ſteilen Bergwand zu Tage ſteht, ein aus Thon und Kies beſtehen— der Sandſtein, in welchem ſich viel Glimmerſchuͤppchen zeigen, und welcher mit Schichten von ſehr eiſenſchuͤſſigem, blutrothem Thonſchiefer abwechſelt. Auch auf dieſen Sandſtein ſcheint der Granit, indem er in deſſen Nachbarſchaft durchbrach und in ihn eindrang, modificirend eingewirkt zu haben. Alsdann kommt ein maͤchtiges Lager von weißem Quarzſandſteine, deſ— ſen Schichten wenigſtens 1 Meter Staͤrke haben, ebenfalls unter einem Winkel von etwa 10° gegen Suͤdweſt abfallen und bei verſchiedenen Hoͤhen mit ſchwachen Schichten von geſchobenen weißen Quarzſteinen vermiſcht ſind, deren Groͤße *) Eine Miscelle über dieſen Gegenſtand findet ſich bereits in Nr. 16. S. 247. des vorigen Bandes (XXXII). No. 1812. — 712. von der einer Erbſe bis zu der eines Taubeneies abaͤndert. Dieß Geſtein bildet den platten Gipfel des Tafelberges, der ſich 1163 Meter über die Meeresflaͤche erhebt, ſowie auch die Gipfel des 1076 M. hohen Teufelsberges, des 966 M. hohen Loͤwenkopfes und der das eigentliche Vorgebirge bil— denden Bergkette, deren aͤußerſte Spitze 320 Meter Höhe hat. Das Granitgebirge des Fußes des Tafelberges bildet in der Richtung gegen W. 42° N. einen Ausläufer, wel—⸗ cher den Tafelberg vom Loͤwenkopfe ſcheidet und dann unter den Thonſchiefer-Pſamit, ſowie den Sandſtein, ſtreicht, aber an der anderen Seite des Berges, am Meeresufer, von der Camp's⸗Bai bis zum Leuchtthurme der Capſtadt, wieder zu Tage ausgeht. An dieſem Theile der Kuͤſte, wie am Fuße des Tafel berges, bemerkt man eine Unzahl von Stellen, wo der Gra⸗ nit ſich mit der Sohle des Thonſchiefer-Pſamits in Beruͤhr— ung befindet und denſelben mehr oder weniger tief modificirt hat. Bald ſind gewundene Gaͤnge von mehreren Metern Stärke durch die verſchobenen Schichten dieſer Sediment-⸗ Formation eingedrungen, bald zeigen ſich Brocken von der⸗ ſelben in ihn eingelagert, und überall ſteht die Metamor⸗ phoſirung mit der Maͤchtigkeit der eingeſprengten Granitmaſ⸗ ſen im geraden Verhaͤltniſſe. Die dem Granit zunaͤchſt lie— genden Theile des Pfamits find in eine Art von feinkoͤrni⸗ gem kreuzſteinfuͤhrenden Schiefer verwandelt, der auch in Betreff der Reflexe feiner eryſtalliniſchen Theile durchaus von derſelben Beſchaffenheit iſt, wie die durch porphyrartigen Granit und modificirten Schiefer, die ich an mehreren Stel— len der oͤſtlichen Pyrenaͤen, namentlich im Carol-Thale und bei Railleu, angetroffen habe. Andere Portionen ſind in Bandſchiefer (schistes coticules) und Lydit vom fein: ſten Korne verwandelt worden. Da, wo die Lamellen des modificirten Geſteins ſenkrecht in die Höbe geſchoben worden find, ragen dieſelben in unzaͤhligen Spitzen in's Meer hin— ein, welche den Wellen widerſtanden haben, waͤhrend der ſie fruͤher einhuͤllende Granit nach und nach herausgewaſchen worden iſt. Je weiter ſich der Pſamit von dem Granit entfernt, deſto ſchwaͤcher zeigen ſich die Spuren der Umbildung, und 8 115 ſchon oben auf dem Loͤwenruͤcken, der etwa 250 Meter vom Granit abſteht, findet man vollkommen unveraͤnderten grauen und gelblichen Thonſchiefer. Wenn man ſich dann noch weis ter von dem Mittelpuncte der modificirenden Potenzen ent— fernt, ſo findet man den, die mitten in der Tafelbai lie— gende kleine Robbeninſel bildenden Glimmerthonſchiefer als ein völlig normal beſchaffenes Sedimentgeſtein, das als Schie— fer gebrochen und zu Anfertigung von ſteinernen Faßboͤden ıc. verwandt wird. Derſelbe Granitauslaͤufer, welcher gegen Nordweſten am Fuße des Tafelberges hervortritt, ſetzt ſich unter dem Thon: ſchiefer-Pſamit in der Richtung gegen O. 42° S. fort und geht zwiſchen Conſtantia und der Hout-Bai zu Tage. So dient denn alſo der porphyrartige Granit der von ihm auf eine weite Strecke gehobenen, aber eben nicht bedeutend aus ihrer horizontalen Lage geruͤckten (da ſie, wie geſagt, am Tafelberge ſich nur unter einem Winkel von etwa 10° ge⸗ gen Süden neigt) Sedimentformation zur Grundlage. Der porphyrartige Granit iſt indeß nicht das einzige Agens der Verſchiebungen, welche der Boden in dieſer Ges gend erlitten hat. Denn abgeſehen 1) von dem im Innern mit Druſen, Quarzeryſtallen und ſchwarzem prismatiſchen Amphibol verſehenen Kiesſandſteingaͤngen, und ſowie 2) von einem eigenthuͤmlichen ſehr glimmerreichen Granit, von wel— chem nach dem Feſtwerden des porphyrartigen Granits maͤch— tige Gaͤnge in der Richtung von N. W. gegen S. O. in den letzteren eingedrungen ſind, finden wir hier mehrere ſenk— rechte Bänke (ſogenannte Daͤmme) von einem aus einer in— nigen Miſchung von Pyroxen, Feldſpath und Eiſenoxydul beſtehenden graulichſchwarzen Geſtein, das wir fuͤr eine Art von Trapp halten muͤſſen. Dieſe Baͤnke oder Daͤmme ſchlaͤn— geln ſich nicht nur durch den Granit, ſondern auch durch alle über demſelben liegenden Niederſchlagsformationen. Eis ner dieſer Gaͤnge, der etwa 1 Meter ſtark iſt, laͤuft in der Richtung gegen W. 40° N. quer durch den porphyrartigen Granit des Joches, welches den Tafelberg von dem Loͤwen— kopfe trennt und ſtreicht dann zu beiden Seiten in den Pfa= mit und Quarzſandſtein. Wenn man am Fuße des Loͤwen— kopfes gegen Weſten geht, ſo trifft man an der Wand die— ſes Berges mehrere in der Richtung gegen W. 35 N. ſtreichende, alſo mit jenem ziemlich parallel laufende Trapp⸗ gaͤnge, welche bis 8 Meter mächtig find. Einer derſelben, welcher durch einen ſpaͤtern Bergſturz verſchoben worden iſt, bietet aͤhnliche Lagerungsverhaͤltniſſe dar, wie die, welche man zuweilen an den Steinkohlenfloͤtzen beobachtet. Der Trapp verwittert an der Luft nach Art der pluto— niſchen Gebirgsarten, von welchen der Feldſpath die Grund— lage bildet So verwandelt er ſich in concentriſche Sphaͤroide, deren Schichten um ſo ſtaͤrker zerſetzt ſind, je weiter ſie ſich von dem Mittelpuncte entfernen. Das Perorydiren des Eis ſens und die Zerſetzung des Feldſpathes beſchleunigen beider— ſeits das Verwittern dieſes Geſteins. Da, wo der Trapp ſich mit dem Quarzſandſteine in Berührung befindet, hat er weder eine Umbildung veranlaßt, noch erlitten. Ich habe Handſtuͤcke geſammelt, an denen beide Steinarten zufams 712. XXXIII. 8. 116 mengewachſen ſind, ohne daß man an der einen oder an der anderen etwas Abnormes wahrnehmen kann. Aus vorſtehenden Thatſachen ergiebt ſich, daß in meh— reren, unſtreitig fehr weit auseinanderliegenden Epochen ge— ſchmolzene Subſtanzen ſehr verſchiedener Art durch die Spal— ten der vom Granit veranlaßten erſten Verſchiebung durch— gedrungen ſind. In der Naͤhe des Gipfels des Tafelberges habe ich Brocken von weißem Quarzſandſteine gefunden, welche von Adern von Mangan-Peroxyd durchſetzt waren, die wahrſcheinlich ihre Entſtehung einer jener plutoniſchen Einſprengungen verdanken. Bevor wir das relative Alter der eben beſprochenen vers ſchiedenen Formationen zu beſtimmen verſuchen, muͤſſen wir zur Vervollſtaͤndigung der geologiſchen Beſchreibung der Um— gegend der Capſtadt Einiges über die Beſchaffenheit der be: nachbarten Ebenen bemerken. Der Umkreis und die Sohle der verſchiedenen benach— barten Becken werden von einer Ablagerung unvollkommen geſchobener oder abgefuͤhrter Kieſel gebildet, die in der Groͤße von der einer Fauſt bis zu der eines Hirſekornes abaͤndern, und die durch eiſenſchuͤſſigen Thon, welcher an gewiſſen Stellen in ſehr deutlich characteriſirten Limonit uͤbergeht, zu— ſammengekittet ſind. Die Materialien zu dieſem Conglome— rate ſind offenbar von den benachbarten Gebirgsarten gelie— fert worden und beſtehen aus eckigen Bruchſtuͤcken des me— tamorphen Pſamits und Quarzes oder aus rundlichen Stuͤk— ken Quarzſandſtein, woraus ſich ſchließen laͤßt, daß ſie nicht weit fortgefuͤhrt worden ſeyen. Die Sohle dieſer Becken wird hauptſaͤchlich von mehre— ren Schichten Toͤpferthon und weißen Quarzſandes, in denen ſich verkohltes Holz leine Art Lignit) findet, ausgefüllt. Eine ſolche Schicht gewahrt man an der ſteilen Wand des Waſſerriſſes, welchen der vom Tigerberge herabkommende Gieß⸗ bach ausgewuͤhlt hat. Der Tigerberg begraͤnzt oͤſtlich die Landenge, welche den Tafelberg mit dem Feſtlande ver— bindet. Die Stelle, wo die Lignitſchicht zu Tage ſteht, be— findet ſich, in der Richtung gegen O. 16 S., 14 Kilo: meter von der Capſtadt. Ihre Maͤchtigkeit betraͤgt 80 bis 65 Centimeter. Sie ſtreicht horizontal und liegt zwiſchen zwei mehr oder weniger fandigen Thonſchichten. An einigen Stellen enthaͤlt ſie holzige Maſſen, an denen noch deutliche Spuren von der Rinde, ſowie des Geaͤders und der Kno⸗ ten des Holzes zu erkennen ſind, und die in ihrem Innern ſich ſchlaͤngelnde unregelmaͤßige Lagen von Eiſenkies enthal⸗ ten. An anderen Stellen beſteht die Schicht aus Platten von torfaͤhnlicher Holzkohle, die mit heller Flamme brennt. Die compacteſte Kohle iſt glaͤnzend wie Pechkohle; bei der Deſtillation giebt fie dieſelben Producte, wie Holz. Alles deutet darauf hin, daß ſie erſt zu einer verhaͤlrnißmaͤßig ſehr neuen Zeit abgelagert worden iſt. Daſſelbe Lignitlager iſt auf Wynberg, einer von dem Fuße des Tafelberges abſtreichenden Landzunge, ebenfalls an: getroffen worden. Dort bietet die Ablagerung, den daſelbſt angeſtellten Bohrverſuchen zufolge, nachſtehende Zuſammen— ſetzung dar. 117 Maͤchligkeit in Metern, Lignitlager 4 t r 8 . 0,61 Fettig anzufuͤhlende blaue Erde ; 1,52 s s weiße Erde R 6,70 Grauer thonführender Sandſtein . 6,40 Chocoladenbrauner Sandftein 2 0 4,25 Fettanzufuͤhlender blaͤulicher Thon . 9,40 Roth: und weißgeſtreifter Sand mit Thon 10,00 38,88 Ueber diefer Reihe von Schichten lagert ein Kalkſtein, welcher mehrere ſich 8 — 10 Meter uͤber die Ebene erhe— bende Kalkhuͤgel bildet, und welchen man in'sbeſondere auf der Landenge wahrnimmt, welche die falſche Bai von der Tafelbai trennt, ſowie auch an der Kuͤſte unweit der Batte— rien, welche die Capſtadt gegen Nordweſt ſchuͤtzen. Dieß iſt ein weißer, halb kreideartiger Travertin, der mit weißem Quarzſande vermengt iſt, und in dem ſich Concremente von den ſonderbarſten Formen finden. Diejenigen Theile des Ge— ſteins, welche arm an Sand ſind, benutzt man zum Kalk— brennen, An organiſchen Ueberreften findet man darin nur Schnecken (Helices) von zwei Species, welche in der Ge— gend noch lebend anzutreffen ſind. An der Sohle iſt dleſe Kalkablagerung mit geſchobenen Brocken von Limonit ver— mengt. Endlich gewahrt man am Fuße des Tafelberges und ſeiner Vorberge ſehr viele Granitbloͤcke, welche oberflaͤchliche Beobachter fuͤr ſogenannte Fuͤndlinge gehalten haben. Bei aufmerkſamer Unterſuchung habe ich mich auf's Vollſtaͤndigſte davon uͤberzeugt, daß ſie ſaͤmmtlich von dem fruͤher erwaͤhn— ten Auslaͤufer von porphyrartigem Granit des Tafelberges herruͤhren. Wenn ſich dieſe Bloͤcke nicht genau an ihrer urſpruͤng— lichen Lagerſtelle befinden, ſo iſt dieß lediglich den im Laufe der Zeit vorgekommenen Bergſtuͤrzen zuzuſchreiben, und man wuͤrde viel zu weit gehen, wenn man danach auf ein ſuͤnd— fluthartiges Ereigniß ſchließen wollte. Nachdem ich nun die Beſchaffenheit und Lage des Bo— dens in der Nachbarſchaft der Capſtadt beſchrieben, bleibt noch das Alter und die Entſtehungsweiſe der verſchiedenen Ge— birgsarten zu unterſuchen, und bei dieſer Arbeit werden wir theils unſere eigenen Beobachtungen, theils die ſichern Er— kundigungen benutzen, die wir in jener Gegend einzuziehen Gelegenheit hatten. Wenn wir zur Beſtimmung der Formation, welcher die ſtratificirten Maſſen, aus denen die Berggruppe des Vorge— birges der guten Hoffnung beſteht, angehoͤren, nur deren mineralogiſche Zuſammenſetzung kennten, ſo wuͤrden wir un— ſtreitig daruͤber in Verlegenheit ſeyn, wie wir ihr die rich— tige Stelle in der Reihe der Uebergangsformationen anwei— ſen ſollten, zu denen ſie unſtreitig gehoͤrt. Allein die Foſſi— lien, welche der Feldmeſſer Herr Wentzel auf dem Gipfel des Cederberges, bei etwa 2000 M. Hoͤhe uͤber der Mee— resflaͤche, in einem thonſchiefrigen Pſamit, der über demſel— ben Quarzſandſtein lagert, der den Gipfel des Tafelberges bildet, geſammelt hat, geſtatten uns, den letztern als dem 712. XXXIII. 8. 118 oberen Theile der Cambriſchen Formation angehoͤrend zu be⸗ trachten. Wir haben, in der That, unter dieſen zahlreichen Foſſilien die Calymene Blumenbachii und den Asaphus caudatus, welche in der noͤrdlichen Halbkugel das untere ſiluriſche Stockwerk characteriſiren, erkannt. Dieß ſind uͤbri— gens nicht die einzigen Foſſilien, welche jene Schiefer enthalten; man bemerkt darin auch Producta, Bivalven, welche in der Geſtalt der Gattung Donax nahe kommen und andere organi— ſche Koͤrper, die Calceola nahe ſtehen. Daß das Uebergangsgebirge der Suͤdſpitze Africa's, ſo— wie dasjenige Nordeuropa's und America's, theils in Betreff der mineralogiſchen Zuſammenſetzung, theils in palaͤontolo— giſcher Beziehung identiſch ſind, muß demnach fuͤr eine wiſ— ſenſchaftlich feſtgeſtellte Thatſache gelten und dient der ſchen vor laͤngerer Zeit ausgeſprochenen Anſicht, ruͤckſichtlich ber allgemeinen Ausdehnung der geologiſchen Erſcheinungen der aͤlteſten geologiſchen Epochen, zur Beſtaͤtigung. Die Arbei— ten eines Murchiſon, Verneuil, Caſtelnau, d' Or- big ny ꝛc. haben uns damit bekannt gemacht, daß in Eng— land, Rußland, den Vereinigten Staaten, Bolivien ıc. vom 60ſten Grade n. Br. bis zum 20ſten Grade ſ. Br. Ueber: gangsformationen zu finden ſind. Dieſelbe Formation er— ſtreckt ſich, wie wir ſoeben nachgewieſen, auch auf dem Afri— caniſchen Feſtlande bis 34° ſ. Br., und fie nimmt dem— nach auf der Erdoberflaͤche eine Ausdehnung von 94 Breite— graden und uͤber 600 Myriametern geographiſcher Laͤnge ein. Neue Unterſuchungen werden unſtreitig darthun, daß dieſe Graͤnzen in der Wirklichkeit noch viel zu eng ſind, und daß die organiſchen Weſen, welche die Erde in den aͤlteſten Zeiten bevoͤlkerten, uͤber die ganze Erdoberflaͤche verbreitet waren. Der porphyrartige Granit, welcher das Uebergangsge— birge Suͤdafrica's in einer großen Ausdehnung gehoben und modificirt hat, hat mit dem gleichnamigen Geſteine in den oͤſtlichen Pyrenden und an der Kuͤſte von Laber bei Breſt, wo er ebenfalls Schiefer und Uebergangspſamite modificirt hat, die groͤßte Aehnlichkeit. Er enthaͤlt hin und wieder Kryſtalle von ſchwarzem Amphibol, und bei Kannesberg beu— ten die Hottentotten darin einen bedeutenden Steatitgang aus, welcher ganz von derſelben Beſchaffenheit iſt, wie der bei Molitch, unweit Prades in den oͤſtlichen Pyrenaͤen. Aus dem Steatit bereiten die Hottentotten Pfeifen und allerhand Gefaͤße. Die allgemeine Richtung der Erhebung des Uebergangs— gebirges an der Suͤdweſtſpitze Africa's geht gegen Wi 42° N.; wenigſtens zeigt die Buſſole nach der Orientirung der Schichten dieſe Richtung an, wenngleich die am Vorgebirge der guten Hoffnung ausgehende Bergkette ziemlich von N. gegen S. zu ſtreichen ſcheint. Um auf dieſe Beobachtung die Annahme gleichzeitiger Erhebungen in Europa zu gruͤn⸗ den, fehlt es noch an entſprechenden Erfahrungen. Keines der zahlreichen Glieder der Reihe der Sediment— formationen, welche zwiſchen dem Uebergangsgebirge und dem alten Alluvium liegt, findet ſich in der Umgegend des Ta— felberges, und es fehlt alſo an jedem Anhaltepuncte zur Anſtellung der Vergleichungen, die, nach Herrn Elie de 8 * 119 Beaumont’3 Forſchungen, für die Geologie einen fo ho: hen Werth erlangt haben. Der Boden der in der Naͤhe der Capſtadt liegenden Ebene, von der weiter oben die Rede geweſen iſt, verdankt offenbar ſeine Entſtehung Anſchwem— mungen, die jünger find, als das Diluvium. Das Vor— handenſeyn von Lignit, in Geſtalt verkohlten Holzes, in dem tbonigen Sande des Tigerbergthales, die in dem Kalktuff vorkommenden Schneckenhaͤuſer und die mehr oder weniger abgefuͤhrten Geſchiebe, welche der Limonit zuſammengekittet hat, laſſen uͤber die Entſtehungsweiſe und das Alter dieſer Ablagerung nicht den geringſten Zweifel. In Ermangelung der Suͤßwaſſerſchnecken, die direct beweiſen wuͤrden, daß wir es hier mit einer Suͤßwaſſerformation zu thun haben, wol— len wir anfuͤhren, daß die Beſchaffenheit und Form der durch Limonit zuſammengekitteten Kieſelſteine auf der einen Seite dafuͤr ſprechen, daß ſie von den benachbarten Bergwaͤnden herruͤhren und auf der anderen es ſehr wahrſcheinlich machen, daß ſie in dem ruhigen Waſſer eines Seees zuſammengekit— tet worden ſeyen. Daß ſich in dem Kalktuff, aus dem meh— rere Anhoͤhen in der Ebene beſtehen, zwei Schneckenarten finden, die noch jest lebend anzutreffen find, beweiſ't, gleich den ſchon früher beſprochenen Lignitlagern, daß wir es hier mit einer jungen Uferanſchwemmung zu thun haben, und die Abweſenheit aller Ueberreſte von Seethieren und aller Spuren von Einwirkung des Meeres beſtaͤtigt die Anſicht, daß dieſe Ablagerung ſich in einem Suͤßwaſſerſeee gebildet habe, der Quellen enthielt, die ſtark mit kohlenſaurem Kalke angeſchwaͤngert waren. Demnach beſpuͤlte zu einer nicht zu fernen Zeit und wahrſcheinlich noch nach der Erſchaffung des Menſchen, ein See den Fuß des Tafelberges. Die Erſcheinungen, welche deſſen Verſchwinden veranlaßten, waren keineswegs gewalt— ſamer, als diejenigen, die noch heutzutage ſtattfinden; eine geringe Veraͤnderung im Niveau Suͤdafrica's brauchte nur einzutreten, und die Strömungen, welche die ploͤtzliche Vers aͤnderung der Lage der Gewaͤſſer veranlaſſen mußte, reichten hin, um den See auszutrocknen und die gegenwärtige Ge: ſtalt ſeines Grundes herbeizufuͤhren. Uebrigens ſcheint dieſes Phaͤnomen, welches wir hier auf die Ebene in der Naͤhe des Tafelberges beſchraͤnken, ei— nen weit groͤßeren Umfang gehabt zu haben, und nach den Beobachtungen, die wir fruͤher in dem Theile der Wuͤſte Sahara, an welchem der Senegal hinfließt, ſowie in dem Theile Senegambiens, welcher Wallo, Cayor, Tuta und die Halbinſel des gruͤnen Vorgebirges umfaßt, zu machen Ge— legenheit hatten, duͤrfen wir mit Grund annehmen, daß jene gewaltigen Binnenebenen, welche von dem Senegal und Gams bia durchſtroͤmt werden, auch die Boͤden von untiefen Seen ſeyen, in welche Sand und Kies geſchwemmt wurden, die der Limonit alsbald zuſammenkittete. Die Seeen von Pa= nie-Foul und von Cayor, welche noch jetzt exiſtiren, koͤnnen uns einen Begriff von der damaligen Beſchaffenheit des un— ter Waſſer ſtehenden Laͤndergebiets geben, waͤhrend in den dem Meere benachbarten und von dieſem bedeckten Landſtri— chen Auſtern und viele der Seemuſcheln hauſ'ten, die man noch jetzt an der Kuͤſte und an den Flußmuͤndungen lebend 712. XXXIII. 8. 120 findet, und von denen man maͤchtige Baͤnke zu Diondoun, Lam— pſar ꝛc. antrifft, welche Negerdoͤrfer gegenwaͤrtig mehrere Stunden landeinwaͤrts liegen. Eine leichte Erhoͤhung des Bodens reichte dort, wie an der Suͤdſpitze Africa's, hin, um dieſe Ebenen trocken zu legen. Die Gleichartigkeit der ſo aufgedeckten Ebenen ſpricht für die Gleichzeitigkeit dieſer Erz ſcheinungen, ſodaß dieſelben ſich während der jetzigen geologi— ſchen Epoche uͤber einen Kuͤſtenſtrich von mehr, als 480 My— riameter Laͤnge erſtreckt haben. Lebhaft haͤtten wir gewuͤnſcht, unſere eignen Beobach— tungen auch auf die Bergketten auszudehnen, welche ſich noͤrdlich und oͤſtlich in das Land der Hottentotten und Kaf— fern erſtrecken; allein hierzu fehlte es uns an Zeit, und wir mußten uns darauf beſchraͤnken, die in der Capſtadt vorhans denen Sammlungen zu beſichtigen und das Land auf dieſe Weiſe weiter kennen zu lernen, ſowie ich denn auch die in= tereſſanten Berichte des Oberſten Mitchell, Oberingenieurs der Colonie, und des Herrn Hertzog, Chefs des Cataſtri⸗ rungsbuͤreaus, zu Rathe zog. Die auf dieſe Weiſe gefams melten Kenntniffe wollen wir hier darlegen, indem wir die Aufmerkſamkeit der Geologen auf dieſen Punct zu lenken und fie zu Forſchungen in einem fo intereffanten und nach allen Richtungen leicht zu bereiſenden Lande anzuregen hoffen. Mit Ausnahme einer Bergkette, die an der Tafelbai anhebt und ſich in nordnordweſtlicher Richtung an der Kuͤſte hinzieht, wird Suͤdafrica nur von Bergketten durchſchnitten, die von Weſten nach Oſten ſtreichen und die durch weite Thaͤler und ausgedehnte Hochebenen voneinander getrennt find, Die erſte Kette wird durch einen wellenfoͤrmigen Land» ſtrich von der See geſchieden, deſſen Breite 15 bis 50 Ki⸗ lometer betraͤgt. Es ſchneiden mehrere Buchten in denſelben ein, und er wird von zahlreichen Baͤchen bewaͤſſert. Der Bos den deſſelben iſt fruchtbar und mit Waldung bedeckt. Mehr landeinwaͤrts begegnen wir alsdann dem Swaarts— berge. Dieſes Gebirge iſt hoͤher und ſteiler, als das erſte und beſteht an mehreren Puncten aus einer doppelten oder dreifachen Bergkette. Der Swaartsberg wird von der erſten Bergkette durch eine Steppe, das ſogenannte kleine Karroo, getrennt. Das dritte Gebirge fuͤhrt den Namen Nieuweldt-Ber— gen. Sein hoͤchſter Gipfel, der ſogenannte Konsberg, hat eine Hoͤhe von 1547 Metern. Zwiſchen der dritten und zweiten Kette befindet ſich das große Karroo, eine wuͤſte Hochebene, deren Niveau etwa 350 Meter uͤber der Mee— resflaͤche liegt und die von Oſten gegen Weſten 450, von Norden gegen Süden 125 Kilometer mißt. Ihre thonige Oberflaͤche iſt hier und da duͤnn mit Sand uͤberzogen und ſtellenweiſe mit verkuͤmmerten Baͤumen beſtanden. Im Weſten und laͤngs der Kuͤſte erhebt ſich der Bor den ebenfalls terraſſenartig bis zu dem Roggeweldtgebirge, welches mit dem Nieuweldtgebirge zuſammenhaͤngt. Das er— ſtere laͤßt ſich ſogar als unter dem 30ſten Breitegrade an— hebend betrachten. Nachdem es durch 25 Grade gegen Suͤd— ſuͤdoſt gelaufen, wendet es ſich gegen Oſt, und bevor es ſich gegen N. O. kehrt, um an der Delagoa-Bai ein Ende zu 121 nehmen, bildet es in dem 2100 M. hohen Spitzkop feine hoͤchſte Kuppe. Die Formation des Quarzſandſteines des Tafelberges bildet die Kuppen der meiſten Berge des Kaffernlandes und gewiſſermaaßen Hochebenen, die auf der einen Seite ſchroff abfallen und auf der anderen eine mehr oder weniger gelinde Böſchung darbieten. Die Schiefer» und Pſamitſchichten zei: gen ſich dort in derſelben Aufeinanderfolge, wie bei'm Tafel— derge; das ſiluriſche Gebirge nimmt die hoͤchſten Puncte ein. Bei'm Caledon-Kloof, einer 240 Kilom. oͤſtlich von der Capſtadt liegenden Bergſchlucht, bat die Erhebung des Bodens mitten in dem Uebergangsgebirge einen gewoͤlbten Bogen erzeugt, wie man ihn im Jura wahrnimmt. In dieſen Gebirgen giebt es mehrere Erzſtoͤcke, welche ſowohl in induſtrieller, als in wiſſenſchaftlicher Beziehung ungemein wichtig find. Zuvoͤrderſt gedenken wir der Berg: werke des 480 Kilometer nördlich von der Capſtadt, außer— halb der Graͤnzen der Colonie, liegenden Coperberges, wo kohlenſaures Kupfer und Kupferkies bricht. Dieſer Berg wird in allen Richtungen von Metallgaͤngen durchſetzt, welche ſich ungemein weit fortſetzen, indem man Spuren davon auf beiden Ufern des Orangefluſſes, 80 Kilometer vom Kupfer— berge, findet. An der etwa 30 Kilometer von der Delagoabai ents fernten Comtoosbai findet man an dem jaͤhen Abhange ei— nes tiefen Waſſerriſſes einen Gang von Bleiglanz von 1 De— cimeter Staͤrke, welcher einen zum Uebergangsgebirge gehoͤ— renden Quarzſandſtein durchſetzt Bei der Pruͤfung dieſes Mi— nerals fand man darin 50 Procent Blei und 3 Procent Silber. Zwiſchen der Algoabai und Grahamstown, das 18 Ki— lometer vom Meere liegt, findet ſich am Boſchjesmanfluſſe eine ſteile Wand, welche aus einem Conglomerate von ge— ſchobenen Steinen und Sand beſteht und etwa 150 Meter hoch iſt. Etwa bei zwei Dritteln dieſer Hoͤhe befindet ſich eine Grotte, die 5 Meter breit und 3 Meter hoch ſeyn mag, und deren Boden mit einer dicken Schicht von Feder— alaun belegt iſt, deſſen ſeidenartige Faſern uͤber 15 Centi— meter (53 Zoll) lang find und auf einer 3 Centimeter ftars ken Schicht von ſchwefelſaurer Talkerde ſtehen. Dieſe Wand ſcheint der tertiaͤren Formation anzugehoͤren und enthaͤlt in ihrem oberen Theile eine große Menge Auſtern, welche mit der Ostrea virginica der Molaſſe des Rhonebeckens Aehn— lichkeit haben. 712. XXXIII. 8. 122 Endlich find bei Caledon, Bocfeldt und Beaufort Ras ger von Manganoxyd, Granaten, Topaſen und Prehnit zu finden. Das Land beſitzt mehrere Mineralquellen, die von gros ßem Werthe find; eine ſolche findet ſich bei Graff- Reinet; das Waſſer derfelben iſt kalt, aber an Schwefel ſehr reich. Etwa 8 Kilometer von Cradock in Sommerſet exiſtirt eine Schwefelquelle, deren Temperatur 30° Gentigr. beträgt und die zu Badecuren benutzt wird. Das Dorf Caledon beſitzt zwei warme Quellen, deren Temperatur 33° beträgt und die ſehr ſtark mit Chlornatrium geſchwaͤngert ſind. Man wendet ſie gegen chroniſche Rheu— matismen uud Hautkrankheiten an. Derſelbe Diſtrict beſitzt noch zwei andere warme Quellen, eine im Coyman's Kloof, deren Temperatur 45° beträgt und die Chlornatrium ents hält; die andere bei Roodeberg, die 34° hat und etwas Kreide in Auflöfung hält. Salzquellen und Salzſeeen find im Lande ſehr häufig; mehrere davon trifft man 320 Kilometer weit im Binnens lande und 1500 bis 2000 Meter über der Meeresflaͤche. Das Salz bildet dort von ſelbſt Kruſten von 15 bis 18 Centimeter Staͤrke, die man fuͤr den Bedarf des Landes be— nutzt. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc., T. XIX., No. 20., 11. Nov. 1844.) Miscellen. Beiträge zur näheren Kenntniß der Vegetation des Ruſſiſchen Reichs herauszugeben, iſt ein von Herrn Acas demiker Meyer der St. Petersburger Academie der Wiſſenſchaften vorgelegter und von letzterer mit Beifall aufgenommener Plan: das unter Leitung der Academie ſtehende botaniſche Muſeum erhält näms lich durch die Vermittelung des Kaiſerlichen Domainen-Departements Sammlungen der getrockneten Pflanzen aus den Gouvernements. Der Zweck dieſer Sammlung war eine moͤglichſt vollftändige No— menclatur der Ruſſiſchen Namen dieſer Pflanzen. Außerdem hatte Herr Meyer gehofft, dadurch auch Materialien zur Kenntniß der Localfloren der Centralprovinzen des Reichs zu erlangen. Und wirklich ſind dieſe Materialien bereits ſo reich, daß ſie die Idee zur Herausgabe jener Beitraͤge erweckt haben. Zuvoͤrderſt wird die Flora des Gouvernements Tambow erſcheinen. Die Giraffe im Jardin des Plantes zu Paris, welche 1827 von Mehemet Ali dem Könige Carl X. zum Praͤſent gemacht wor⸗ den war, alſo 17 Jahre in dem Clima von Frankreich gelebt hat, iſt geſtorben. Nekrolog. — Der verdiente Profeffor, Fr. Wolff zu Berlin, noch ein Zoͤgling der ehemaligen Hohen-Carls-Schule zu Stuttgardt, iſt am 19. Januar 1845 geſtorben. Fer i n nn D . Ueber die angeborene Verrenkung des caput fe- a moris auf das Huͤftbein. Von Dr. J. M. Carnochan. Ein neunzehn Jahre alter Schuhmacher, bis auf leichte Unpaͤßlichkeiten ſtets geſund, litt ſeit feiner fruͤheſten Kinds heit an einer Behinderung im Gehen, ohne aber je dadurch an's Bett gefeſſelt worden zu ſeyn. Es iſt weder ein Abs ſceß noch eine Fiſtel am Huͤftgelenke noch irgend ein Zei— chen oder eine Narbe in der regio ileo- femoralis zu ſe⸗ hen. Wenn man ihn, während er aufrecht ſteht, anſieht, ſo bemerkt man ſogleich einen auffallenden Mangel an Har⸗ monie und Verhaͤltniß zwiſchen den oberen und unteren Par- thieen des Körpers, Die untere Hälfte erſcheint verhältnißs 123 mäßig kuͤrzer, als die obere; in Folge des Hinaufſteigens der Koͤpfe beider Schenkelknochen gegen die Huͤftbeine hin, betraͤchtlich uͤber die normale Lage der Pfannen hinaus, und in Folge der dadurch bewirkten Senkung des Beckens rei— chen die Haͤnde gegen 5“ uͤber die gewoͤhnliche Stelle hin— aus abwaͤrts, indem die Spitzen der Finger uͤber den oberen Rand der Knieſcheibe hinausragen, wenn die Arme an den Seiten des Koͤrpers anliegen. Kopf, Hals, Stamm und Oberextremitaͤten find wohlgebildet, aber der Stamm erſcheint etwas nach Vorne gerichtet, und der Leib ragt bedeutend hervor, waͤhrend in der Lumbargegend eine entſprechende Aushoͤhlung ſtattfindet. Die Unterextremitaͤten, welche in Richtung der Kniee oder Zehen nicht ſehr von der normalen Stellung abweichen, erſcheinen kuͤrzer und magerer, als ge— woͤhnlich, und an der Vereinigungsſtelle der Beckenextremi— taͤten mit dem Stamme ſcheinen die Oberſchenkel weiter, als im Normalzuſtande, auseinander zu ſtehen, ſo daß nach Oben ein freier Raum zwiſchen ihnen bleibt, welcher die Perinaͤalgegend an Breite der des Weibes aͤhnlich macht. Die Stellung der Kniee und Zehen weicht von der von Du— puytren angegebenen ab, welcher anfuͤhrt, daß die Zehen bei einigen ſeiner Patienten nach Einwaͤrts gekehrt waren, und die Kniee einander naͤher ſtanden. Es iſt wahrſchein— lich, daß dieſes mehr oder weniger auch bei dem Kranken des Dr. C. fruͤher der Fall geweſen, da derſelbe angab, daß ſein Fuß fruͤher eine Richtung nach Einwaͤrts hatte, und daß ſeine Beine in den letzten Jahren eine mehr normale Richtung annahmen. Die Fußſohlen ruhen bei aufrechter Stellung vollkommen auf dem Fußboden. Der obere Rand des trochanter maior ſteht faſt in gleicher Höhe mit der erista ilii, und der Körper des Oberſchenkelbeins neigt ſich etwas nach Unten und Vorwärts, Das Becken hat, ſtatt der gewoͤhnlichen ſchraͤgen Richtung, mehr eine verticale, in— dem der Winkel der Kreuzbeinwirbel und die obere Portion des Kreuzbeins nach Abwaͤrts und Vorwaͤrts geneigt iſt, das Steißbein dagegen und die untere Portion des Kreuz— beins nach Auf- und Ruͤckwaͤrts gedraͤngt ſind. Wenn man die oberen Raͤnder der Huͤftbeine von den spinae super. poster. vorwaͤrts nach den spinae anter. super. hin verfolgt, fo findet man die ossa innominata weit mehr nach Vorwaͤrts gekehrt, als es bei der normalen Richtung des Beckens der Fall iſt, und die spinae anteriores su- periores find fo weit nach Abwärts und Vorwärts gedruͤckt, daß die Convexitaͤt der Huͤftbeinkaͤmme faft nach Vorne zu ſtehen ſcheint. Die symphysis ossium pubis und der Schaambogen ſind auf dieſe Weiſe abwaͤrts gezogen, waͤh— rend die tubera ischii etwas aufwaͤrts und ruͤckwaͤrts geſtiegen ſind, ſo daß ſich dieſelben faſt in gleicher Hoͤhe mit dem Schaambogen befinden und die Aeſte des Sitz- und Schaambeines faſt horizontal ſtehen. Ungeachtet dieſer ab— normen Neigung des Beckens findet keine verhaͤltnißmaͤßige Dislocation der einzelnen Theile derſelben ſtatt, und das Becken iſt im Ganzen wohlgebildet. Die groͤßte Abnormi— tät der vorliegenden Deformität liegt in der ungewoͤhnlichen Stellung und Hervorragung des großen trochanter. Die capita femorum, welche die Pfannen verlaſſen haben, 712. XXXIII. 8. 124 "find an dem Rüden der Huͤftbeine fo weit in die Höhe ges ſtiegen, daß ſie die oberen Portionen der Trochanteren faſt in eine gleiche Ebene mit den Darmbeinkaͤmmen gebracht haben. Auf dieſe Weiſe iſt das im Normalzuſtande von der spina anterior ossis ilii, dem tuberculum pubis und dem trochanter maior gebildete, faſt gleichſeitige Dreieck vollkommen aufgehoben, und auf jeder Seite durch die vorſtehenden Trochanteren ein hoͤchſt auffallender Vor— ſprung bewirkt. In dieſem Falle der angeborenen Luxation befinden ſich auch die Köpfe der Oberſchenkelbeine höher und mehr nach Hinten, als bei der gewoͤhnlichen Dislocation in Folge aͤußerer Verletzung, und die normale relative Stel— lung des Kopfes und trochanter zur Oberflaͤche des Darm— being iſt erhalten, d. h., das caput femoris iſt nicht nach Ruͤckwaͤrts und der trochanter nach Vorwärts gedrängt, wie es gewöhnlich bei der traumatiſchen Luxation der Fall iſt. Dadurch, daß der Kopf und Hals des Knochens faſt in einem rechten Winkel von der Lagerungsſtelle auf dem dorsum ilii abſtehen, wird der Vorſprung der Trochanteren bewirkt, und hierin liegt auch der Grund fuͤr die Nichtein— waͤrtskehrung der Zehen und die faſt normale Richtung der Beine. Außer den angegebenen Veraͤnderungen fuͤhlt ſich auch der m. sacro-spinalis hart, geſpannt und vorragend, beſon— ders in der Lumbargegend, an; auch die durch das Hoͤherſtei— gen des Oberſchenkelbeins zuruͤckgezogenen und angezogenen mm. psoas und iliacus internus find geſpannt und ſtrangaͤhnlich, waͤhrend faſt alle Muskeln am oberen Theile der regio iliaca, wie die glutaei eto, gegen den Kamm der Beine hin zuruͤckgezogen find, „wo fie — um mit Du: puytren zu reden — rund um das caput femoris eine Art Kegel bilden, deſſen Baſis am Darmbeine und deſſen Spitze am trochanter maior ſich befindet.“ In der Ruͤckenlage treten die angegebenen Abnormitaͤten weit weniger hervor, was niemals bei der gewoͤhnlichen trau— matiſchen Luxation der Fall iſt. Indem die Muskeln nun nicht agiren, verſchwindet die Aushoͤhlung in den Lumbargegenden. Der Bauch ragt nicht mehr ſo hervor, die Neigung des Beckens wird mehr normal, Kopf und trochanter des fe- mur ſteigen tiefer hinab, und der Vorſprung iſt nicht ſo be— deutend. Die Meffung vom tuberculum pubis bis zur Höhe des großen trochanter ergiebt 7“ bei der Ruͤcken⸗ lage, beim Stehen dagegen 93“. Bei'm Gehen wird durch das abwechſelnde Auf- und Niederſteigen der capita femorum eine eigenthuͤmlich hum— pelnde Bewegung hervorgebracht, welche weniger bei'm Lau— fen hervortritt; im Allgemeinen wird aber die Bewegung in aufrechter Stellung den Kranken bald laͤſtig und ſchmerz⸗ haft. Wenn man bei fixirtem Becken das Bein bewegt, fo vernimmt man eine Art erepitus, ahnlich dem bei an rheumatiſcher Entzündung leidenden Gelenken, oder bei hy- darthrus. Die Bewegungen der Unterextremitaͤten find zwar beſchraͤnkt, doch bei Weitem nicht ſo ſehr, wie bei der traumatiſchen Luxation; die Adduction iſt nicht ſehr behin— dert, auch kann ein Bein leicht uͤber das andere geſchlagen werden, aber die Abduction iſt ſehr erſchwert; bei nicht ge— 125 bogenem Kniegelenke find die Bewegungen nach Vorn be: deutend beeinträchtigt, auch iſt die Bewegung des Ober— ſchenkels unmittelbar nach Ruͤckwaͤrts etwas beſchraͤnkt, da— gegen die Rotation nach Innen und beſonders nach Außen faſt normal. Das Sitzen in aufrechter Stellung iſt fuͤr den Kranken am Bequemſten, die hockende Stellung dage— gen wird ihm bald laͤſtig. Dieſe Form der luxatio congenita kommt, nach dem Dr. C., haͤufiger vor, als man gewoͤhnlich angenommen hat; als Urſache derſelben nimmt er eine krankhafte Be— ſchaffenheit des Nervenſpſtems oder der Nervencentren im Foͤtalzuſtande, ſowie eine pathologiſche Contraction der Theile, an. (Lancet, No. 24. 1844.) Ueber die Verrenkung des astragalus mit den un— teren Enden der tibia und fibula nach Innen. Von Henry Hancock. Ein kraͤftiger, geſunder Mann, 24 Jahre alt, ward in das Charing-Cross-Spital am 5. December 1840 mit einer Verletzung des rechten Knoͤchels, in Folge eines Falles von einem hohen Braufaſſe, aufgenommen. Es wurde, je— doch vergeblich, der Verſuch gemacht, die durch die Unterſu— chung ermittelte Verrenkung zu reponiren. (Kalte Umſchlaͤ— ge, 30 Blutegel.) Nachdem die Geſchwulſt etwas gefallen war, ermittelte ſich Folgendes: Die fibula war ungefaͤhr 3“ oberhalb des Knoͤchels gebrochen; die Axe der tibia fiel, ſtatt auf die Mitte des Fußes, nach Innen und etwas nach Vorn; der Fuß ſtand betraͤchtlich nach Außen vor, wohin auch die Zehen etwas gerichtet waren. Der Finger, längs des aͤußeren Randes von der Ferſe vorwaͤrts gefuͤhrt, konnte ganz deutlich das vordere Ende des calcaneus, da, wo es ſich mit dem Wuͤrfelbeine verbindet, fuͤhlen; uͤber demſelben war jedoch eine tiefe Höhle, ſtatt des ſonſt vom astragalus und malleolus externus gebildeten Vorſprungs; hinter dem hinteren Rande des Kahnbeins gleichfalls eine Vertiefung, an der inneren Seite des Fußes ein dem malleolus internus entſprechender Vorſprung, deſſen unterer Rand deutlich ab— gegraͤnzt werden konnte, und nach Vorne und Unten ein anderer mehr hervorragender Vorſprung, deutlich durch den Kopf des astragalus gebildet, uͤder welchem die Haut ge— ſpannt, duͤnn und mit Blaͤschen beſetzt war. Der Abſtand zwiſchen malleolus internus und dem Vorſprunge des calcaneus war größer, als am gefunden Fuße, doch nicht viel, der Abſtand dagegen zwiſchen dem unteren Ende des malleolus internus und der Fußſohle bedeutend verringert, faſt uͤber 1“. Das Knoͤchelgelenk konnte noch Flexion und Extenſion ausfuͤhren, und in der Mitte des Fußes fand eine ſehr betrachtliche Beweglichkeit in Folge des Ferſenbein— Wuͤrfelbeingelenkes, welches gewiſſermaaßen ein doppeltes Ge: lenk bildete, ftatt. Aus der Richtung des Fußes nach Au: ßen, der tibia nach Unten und Innen, aus der Lage der Vorſpruͤnge an der inneren Seite des Fußes, den Austie— fungen an ſeiner oberen und aͤußeren Flaͤche, dem Fehlen des aͤußeren Knoͤchels, der erhoͤhten Biegſamkeit in der Mitte 712. XXXIII. 8. 126 des Fußes, der Freiheit der Bewegungen des Knoͤchelgelenkes, und aus den angegebenen verſchiedenen Meſſungen diagno— ſticirte ſich eine Dislocation des astragalus von den oberen Gelenkflaͤchen des calcaneus von Außen nach Innen, wobei je— ner die unteren Enden des Schien- und Wadenbeins, welche hoͤchſt wahrſcheinlich auf dem kleineren Fortſatze des calcaneus ruhten, mit ſich gezogen hatte. Da ein angeſtellter Redu— ctionsverſuch nicht gelang, fo entſchloß ſich Dr. H. zur Ans wendung des Flaſchenzuges. Der Kranke wurde auf dem Operationstiſche auf die rechte Seite gelegt, der Oberſchen— kel gegen das Becken flectirt und das Knie gebogen; darauf wurde die Contra-Extenſion an dem unteren Ende des Ober— ſchenkels und die Extenſion am Fuße angebracht, mit der Abſicht, die Muskeln an der Ruͤckſeite des Unterſchenkels zu erſchlaffen, und zugleich den gewoͤhnlich vom astragalus eingenommenen Raum zu vergroͤßern, ſo daß bei hinreichen— der Ertenfion der Knochen leichter zu feinem gehörigen Platze hingleiten koͤnnte. Um dieſes zu bewirken, wurde ein Ap— parat angewendet, welcher den calcaneus abwärts und vorwaͤrts zog, waͤhrend zu gleicher Zeit der Vorderfuß abwaͤrts und ruͤckwaͤrts gezogen wurde. Dieſes war keine leichte Sache, da es zugleich wuͤnſchenswerth war, Druck auf die geſpannte Haut uͤber dem Vorſprunge zu vermeiden, und durchaus nothwendig, das Abgleiten des Apparats von der Ferſe zu verhuͤten, ohne auf das untere Ende der tibia und fibula zu druͤcken. Ein breiter Lederriemen wurde ſchraͤg abwärts und ruͤckwaͤrts uͤber die Spanne gefuͤhrt und unter dem Fuße befeſtigt; ein anderer wurde von Hinten nach Vorn und Unten uͤber die Ferſe gefuͤhrt und traf mit dem erſteren auf der Mitte der Fußſohle zuſammen, und von der Verei— nigungsſtelle beider Riemen liefen zwei andere, mit Ringen verſe— hen, unmittelbar nach Abwaͤrts, an welche der Flaſchenzug be— ſtigt wurde. Um das Abgleiten des hinteren Riemens von der Ferſe zu verhüten, wurde ein fünfter von der Mitte ders ſelben aus rund um die aͤußere Seite des Fußes gefuͤhrt, und ſtieß an der Spitze der Spanne mit dem Vorderriemen zuſammen, was ſich aber als unnoͤthig und nachtheilig her— ausſtellte, da der Riemen auf das untere Ende der fibula drückte. Zur Verhinderung jeder Bewegung des Körpers wurde ein Handtuch um das Becken des Kranken gelegt und vermittelſt eines Taues an die Wand befeſtigt. Die Extenſion wurde anhaltend 15 Stunde in ziemlich ſchraͤger Richtung von Oben nach Unten, um die innere Seite des Fußes abwaͤrts zu druͤcken, ausgeführt, während Dr. H., wiewohl vergeblich, von Zeit zu Zeit den Knochen zu repo— niren verſuchte, indem er ſein Knie unter den unteren Rand des Fußes ſtellte und ihn in die Hoͤhe hob, zu glei— cher Zeit aber auch auf das Bein einen Druck ausübte. Da ſich aber fand, daß die unmittelbar auf den dislocirten Knochen ausgeuͤbte Kraft keine Wirkung hatte, dagegen eine Art von Nachgeben eintrat, wenn man denſelben von Vorn nach Hinten druͤckte, ſo ward es nicht unwahrſcheinlich, daß der Hals des astragalus auf dem inneren Rande des Kahnbeins ſich fixirt habe, und demgemaͤß verfahren. Da die jetzige Extenſion unmittelbar und unabhaͤngig auf den Fuß wirkte, ſo wurde ſie in derſelben Richtung fortgeſetzt, 127 und ein ſtarkes Handtuch rund um den Flaſchenzug gelegt, an welchem mehrere Gehuͤlfen den Fuß vorwaͤrts zogen, waͤh— rend Dr. H. zu gleicher Zeit das Schienbein dicht uber dem Knoͤchel umfaßte und es nach Hinten gegen die Ferſe hinzog, worauf der Knochen auf der Stelle auf feinen ge: boͤrigen Platz zuruͤckſprang, und die normale Linie der tibia, ſowie die Stellung des Fußes zugleich wiederhergeſtellt wa— ren. Der Flaſchenzug wurde abgenommen, das Bein auf ſeiner aͤußeren Seite auf eine Schiene gelegt, der Fuß et— was erhoben und von einer Rollbinde umgeben, und kalte Umſchlaͤge applicirt. Die Haut über der Stelle des Druk⸗ kes ging verloren, ſowie das ligam. internum calcaneo- naviculare; ſtarke Eiterung mehrere Tage hindurch; Ent— fernung des durch die Wunde vorragenden caput astragali vermittelſt der Saͤge. Voͤllige Herſtellung im Juli, ſieben Monate nach dem Unfalle. Der Mann geht ſehr gut ohne Stuͤtze, das Bein iſt etwas groͤßer, als das andere, und am Knoͤchel etwas dick, ſonſt aber ſchmerzensfrei und Bewe⸗ gung ungeſtoͤrt. (Lancet, Oct. 1844.) Miscellen. Die Heilung eines vermeintlichen carcinoma uteri durch die Entfernung eines alten Mutterkran⸗ zes erzählt Dr. A. Barbieri in der Gazz. medica di Milano 1844 No. 25. folgendermaaßen: C. M., Bäuerin, 30 Jahre alt, erlitt in Folge ihres erſten Wochenbettes einen prolapsus uteti, welcher fpäter reponirt und durch einen eingelegten Mutterkranz zuruͤckgehalten wurde. Auf den Rath eines alten Weibes ließ die Kranke ſich denſelben herausnehmen und einen anderen plumpen einbringen, welcher aus einem kreisfoͤrmig gebogenen und ringsum mit Wachs umlegten Cylinder aus Fiſchbein beſtand. Bald darauf ſtellten ſich heftige Schmerzen im hypogastrium, in den Lenden und Weichen mit Härte und Spannung der Bauchdecken, erſchwer— tem Harnlaſſen und Stuhlgang ein, dabei ein fötider und reichlis cher Abfluß. Die Kranke ertrug dieſe Leiden achtzehn Monate hin— durch, bevor ſie aͤrztliche Huͤlfe in Anſpruch nahm. Mehrere von der Kranken confultirte Aerzte erklärten das Uebel wegen der vorge— fundenen Härte und Unregelmaͤßigkeit der Oberfläche des Mutterhalſes, welcher bei der geringſten Beruͤhrung leicht blutete wegen der wie— derkehrenden lancinirenden Schmerzen, der gelblichen Faͤrbung der Haut, des cachectiſchen habitus u. ſ. w., fuͤr Krebs und begnuͤgten ſich damit, palliativ die Leiden der Kranken zu mildern. Am 12. Auguſt 1826 kam die Frau in meine Behandlung, und ich ver— ſuchte faft alle gegen den Krebs vorgeſchlagene Mittel, aber ohne Erfolg. Ich ging endlich zu einer herunterſtimmenden Behands lung uͤber und wandte Blutentziehungen an, worauf die Geſchwulſt kleiner wurde und ich dieſelbe bei der Exploration leichter um— 712. XXXIII. 8. 128 ſchreiben konnte. Eines Tages fand ich bei der inneren Unterſu⸗ chung einen ziemlich reſiſtenten Punct an dem Mutterhalſe, welcher ſich als ein harter, knotiger und etwas beweglicher Körper heraus⸗ ſtellte. Nach mehrfachen fruchtloſen Verſuchen, ihn hervorzuziehen, welche von heftigen Schmerzen und großem Blutverluſte begleitet waren, gelang es mir endlich, an zwei Drittel des obenerwaͤhnten mit Jauche bedeckten und halb verfaulten Peſſariums herauszu⸗ bringen. Derſelbe war in das Gewebe des uterus eingedrungen und befand ſich inmitten einer kreisrunden Ulceration. Binnen eines Monates war die Kranke vollſtaͤndig wiederhergeſtellt. Einen Fall von vielfährigem an eurys ma an der basis cerebri trug Herr R. W. Smith in der Sitzung der pathologiſchen Geſellſchaft von Dublin am 31. December 1842 vor. Das Individuum war ein Mann von 54 Jahren, welcher im Maͤrz 1842 in das Richmond-Irrenhaus aufgenommen worden war. Derſelbe war ſeit drei Jahren wahnſinnig; im Spital characteri⸗ ſirte ſich ſein Wahnſinn durch große Erregbarkeit und Neigung zu Klagen, mit Paroxysmen von heftiger Aufregung. Sechs Monate vor ſeinem Tode wurde er von Kraͤmpfen befallen, waͤhrend welcher die Haͤnde ſich feſt zuſammenballten; zuweilen nahmen dieſelben den epileptiſchen Character an; nach und nach litt das Gehoͤr, aber es war keine Laͤhmung vorhanden. Am 12. December 1842 fand man ihn in einem Zuſtande völliger Proftration mit ſehr langſamer, aber nicht ſtertoroͤſer Reſpiration; er delirirte, konnte aber vorgelegte Fragen, wenn auch nur langſam, beantwortenz Puls normal. Am 14. December ftarb er, ohne Hinzutreten von coma, stertor oder Convulſionen. Bei der Eroͤffnung des Schaͤdels fand man eine bedeutende Turgescenz der Gefaͤße der Hirnhaͤute; das Gehirn ſelbſt war von kleinem Umfang und weich. An der Baſis des Ge— hirns, gegen die linke Seite hin, fand ſich eine aneurysmatiſche Geſchwulſt von der Groͤße eines kleinen Apfels, welcher den Bo— den des dritten Ventrikels einnahm; das tuber cinereum, ſowie der Urſprung des n. opticus und des n. olfactorius dieſer Seite, waren zerftört, der Sehnerv der entgegengeſetzten Seite war abger flacht und erweicht. Das aneurysma war vielfaͤchrig, die hintere Hirnarterie in den Sack hineingezogen, welcher vielleicht von einem Aſte der a. basilaris ausgegangen war. Die mittlere Hirnarterie öffnete ſich in das aneurysma. (Dublin Journal, July 1344.) Ueber das geeignete Alter für Frauen zum Heira⸗ then bemerkt Raciborsky: Herr Marc behauptet und, nach unſerer Anſicht, mit vollem Rechte, — daß die Staͤrke und Kraft des Sproͤßlings mehr von dem Zuſtande der Conſtitution der Muts ter, als von der des Vaters, abhängt. Die Eier, z. B., ſehr juns ger Huͤhner ſind ſtets klein, ſo kraͤftig auch der Hahn ſeyn mag, welcher fie befruchtet hat. Nach den Tabellen in dem Werke Sa d- ler's iſt das Mittelverhaͤltniß der Sproͤßlinge einer jeden Ehe, wenn die Mutter unter 16 Jahren alt iſt, 4,40; wenn ſie zwi⸗ ſchen 16 — 20 iſt, 465; von 20 — 23 iſt es 5,21 und von 24 — 27 iſt es 5,43. Wenn dieſe Berechnung richtig iſt, ſo liefert ſie den ſchlagendſten Beweis, daß nicht nur die Zahl, ſondern auch die Kraͤftigkeit und Lebensfaͤhigkeit der Kinder unter dem uͤberwie⸗ genden Einfluſſe des Alters der Mutter ſtehen. Bibliographische The natural history of Animals. By T. R. Jones. Vol. I. London 1844. 12. m. 105 K. Des Hallucinations ou histoire raisonnée des Apparitions, des Visions, des Songes, de l’Extase, du Magnetisme et du Somn- ambulisme par M. Briere de Boismont. Paris 1845. 8. Recherches chirurgicales concernant l’anevrisme du tronc bra- chio-cephalique. Par Mr. Guettet. Paris 1844. 4. ET 0 beiten. Dr. Louis Stromeier. Prof. d. Chir. zu Freiburg. Handbuch der Chirurgie. Bd. I. 1. Liefer. Freiburg 1844. 8. 216 ©. Das Werk ſoll zwei Baͤnde bilden, der erſte die theoretiſche, der zweite die practiſche Chirurgie enthalten. Manuel pratique des maladies des nouveau- nés et des enſans A la mamelle, précedé d'une notice sur l’&ducation physique des jeunes enfants; par M. E. Bonhut. Paris 1845. 8. — —— —— Neue Üotizen a us dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin, N 713. (Nr. 9. des XXXIII. Bandes.) Februar 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 FL 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3 IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 9) Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 atee Ueber die Functionen der Lymphgefaͤße. Von Dr. Robert Willis. Alle Fortſchritte der neueren Zeit in der Phyſiologie ſcheinen, ſtatt den Zweck des Vorhandenſeyns der lymphati— ſchen oder abſorbirenden Gefaͤße deutlicher zu machen, ihre Gegenwart nur zu einer groͤßeren Anomalie, ihre Function zu einem groͤßeren Raͤthſel gemacht zu haben. Nachdem man ein halbes Jahrhundert hindurch und laͤnger den Lymph— gefaͤßen die Reſorptionsfaͤhigkeit zugeſtanden hatte, glaubte ſich Magendie nach ſeinen Verſuchen zu dem Schluſſe berechtigt, daß jene Nichts mit der Reſorption zu thun haͤt— ten, indem dieſer Act von den Venen ausgeuͤbt wuͤrde. Waͤhrend er jedoch die Lymphgefaͤße ihrer fruͤheren Function beraubte, wies er ihnen keine andere an und ließ ſie daher als uͤberfluͤſſig anſeben. Profeſſor Wagner kann keinen Grund für das Vorhandenſeyn des lymphatiſchen Syſtems auffinden und bemerkt (ſ. feine Phyſiologie): Weder ana— tomiſche, noch phyſiologiſche Belege ſprechen fuͤr die Wich— tigkeit und die Function der Lymphgefaͤße. In einem vor Kurzem veröffentlichten Aufſatze: „Ueber die ſpecielle Fun— etion der Haut“ zeigte ich den Einfluß, welchen die Verbrei— tung einer gewiſſen Menge Waſſer durch die Schweißdruͤſen auf den von allen peripheriſchen Theilen des Koͤrpers zum Herzen zuruͤckkehrenden Blutſtrom ausuͤbte, und hob dieſes als ein Mittel hervor, durch welches die venoͤſe Endosmoſe oder Reſorption vorzuͤglich geſichert wuͤrde. Wenn man die Schriften der bewaͤhrteſten Autoritäten uͤber die Reſorption durchlieſ't, ſo findet man, daß die Noth— wendigkeit eines Unterſchiedes zwiſchen der Fluͤſſigkeit, welche zur Ernaͤhrung dient oder die Secretionsfaͤhigkeit eines Or— gans unterhält und derjenigen, welche nach verrichteter Fun— etion von dieſem Organe zuruͤckkehrt, fortwährend empfuns den worden iſt; aber, wie mir ſcheint, ſind die Mittel, durch welche dieſer nothwendige Unterſchied begruͤndet wird, bisjetzt noch nicht erklaͤrt worden. Die Faͤhigkeit der Imbibition, auf welche die Phyſiologen jetzt ſo gern alle Reſorption zu— tuͤckfuͤhren, wird, wie man gewoͤhnlich annimmt, zwiſchen Wo. 1813, — 713, ende. Fluͤſſigkeiten oder Materien erzeugt, die ſich in einem ande— ren Zuſtande, als dem der Homogeneitaͤt oder des Gleichge— wichtes, befinden. Befaͤnden ſich die verſchiedenen feſten und flüffigen Elemente der den menſchlichen Körper zuſammen— ſetzenden Gewebe chemiſch und phyſicaliſch in demſelben Zu— ſtande, ſo wuͤrde kein Austauſch der Stoffe zwiſchen ihnen ſtattfinden. — Die Wandungen der Arterien wuͤrden nicht ausſchwitzen, die der Venen nicht einſaugen. „Wenn dieſelbe Portion des Blutes, „ſagt J. Müller in feiner Phyſiolo— gie“, ſtets auf denſelben Theil der Gewebe beſchraͤnkt waͤre, ſo wuͤrde die Imbibition nach einiger Zeit nothwendiger— weiſe aufhoͤren. Die Bewegung des Blutes muß daher in ſofern der Imbibition guͤnſtig ſeyn, als ſie das bereits Re— ſorbirte fortſchafft und auf dieſe Weiſe die Urſache der En— dosmoſe ſtaͤtig macht.“ Die Notghwendigkeit eines Unter— ſchiedes in Bezug auf Endosmoſe zwiſchen dem gehenden und kommenden Blutſtrom iſt in dieſen Worten genuͤgend bezeichnet; aber weder hier, noch an einer anderen Stelle feines Werkes giebt Muͤller die Urſache irgendwelchen Une terſchiedes an, welcher vielleicht zwiſchen dem einen und dem anderen beſtehen mag. Zu ſagen, daß die Arterien im Ver— laufe der Circulation exſudiren und die Venen imbibiren, heißt eine angenommene Thatſache beſtimmen, ohne aber die Mittel anzugeben, durch welche die erſteren zur Ausſchwiz— zung, die letzteren zur Einſaugung disponirt werden. Wuͤr— de das Blut zwiſchen ſeinem aͤußeren und inneren Verlaufe nicht Etwas verlieren, wodurch ſeine Dichtigkeit vermehrt ward, ſo wuͤrde keine Endosmoſe an den zuruͤckkehrenden Canaͤlen in dem Sinne, in welchem das Wort gewoͤhnlich in der Phyſiologie genommen wird, naͤmlich in dem der Durchdringung mit Volumszunahme des penetrirten Koͤrpers oder Fluidum, ſtattfinden. Ich glaube nachgewieſen zu ha: ben, daß die Schweißdruͤſen ein Element im Organismus ausmachen, deſſen ſpecieller Zweck darin beſteht, Waſſer aus dem Blute zu entfernen und ſo die fuͤr die Ruͤckkehr der von den Arterien fuͤr die Zwecke der Nutrition und vitalen Spannkraft transſudirten Fluͤſſigkeiten in die venoͤſe Cir— culation nothwendigen Verhaͤltniſſe vorzubereiten. Ich ſage 9 131 ein Element im Organismus, dem dieſe wichtige Function uͤbertragen iſt, denn es ließe ſich nicht erwarten, daß der Einfluß der Schweißdruͤſen ſich auf irgend eine Tiefe unter— halb der Oberflaͤche erſtrecken ſollte, indem die fubcutanen Venen, die eine dichtere Fluͤſſigkeit fuͤhren, als die der Ar— terien iſt, welche jene durch den ganzen Betrag der ausge⸗ ſchiedenen Secretion ernaͤhren, die Gewebe, durch welche ſie verlaufen, ſicher traͤnken: aber ſie wuͤrden wenig oder keinen Einfluß auf tiefere Theile haben, und dieſe wuͤrden immer noch entweder von der uͤber ſie von den ernaͤhrenden Arte— rien aus hinſtroͤmenden Maſſe des plasma uͤberſchwemmt werden koͤnnen, oder auch jede Exſudation wuͤrde, da keine Attraction zwiſchen dieſen Theilen und dem Inhalte der Capillargefaͤße ſtattfindet, aufhoͤren. Es ſcheint mir nun, daß die Natur dieſen tiefer gelegenen Geweben durch die Lymphgefaͤße zu Huͤlfe kommt, deren weſentliche Function, meiner Anſicht nach, in der Entziehung einer gewiſſen Quan— titaͤt des waͤſſerigen Beſtandtheiles des Blutes zu dem be— ſonderen Zwecke, dem ruͤckkehrenden Strom eine größere Dichs tigkeit, als dem ausgehenden, mitzutheilen, beſteht. Die erſte Frage nun, welche ſich uns hier entge— genſtellt, iſt: Welches iſt das Weſen der Fluͤſſigkeit, welche die Lymphgefaͤße fuͤhren? iſt ſie waͤſſrig und von geringerer Dichtigkeit, oder dick und von groͤßerer Dichtigkeit, als das Blut oder der liquor sanguinis? Wenn ſie dichter, als dieſes, waͤren, ſo wuͤrde ſie keinen Einfluß darauf haben, die Dichtigkeit des in den Venen zum Herzen zu— ruͤckkehrenden Blutes zu erhoͤhen; waͤre ſie dagegen weni— ger dicht, ſo wird ſich nach dem Verhaͤltniſſe des Ueber— ſchuſſes ihres Waſſergehaltes uͤber den des Blutes auch ihr Einfluß, dieſe Fluͤſſigkeit in den Venen zu verdichten und ſie geeignet zu machen, die Gewebe, welche ſie paſſiren, zu traͤnken, richten. Nun haben ſich alle bisjetzt analyſirten spe— eimina menſchlicher Lymphe, wie der von gefunden Vier— fuͤßern, insgeſammt von einer der des Blutes weit nachſte— henden Dichtigkeit ergeben. In der von Marchand und Colbery unterſuchten Lymphe aus einem offenen Lymphgefaͤße an der Spitze des Fußes betrug die Menge des Waſſers 96,92 auf 100 Theile; in der von Bergmann unter aͤhnlichen Umſtaͤnden von einem anderen Individuum erhaltenen und analyſirten 96,10 100, und in der von Dr. G. O. Rees aus den Bauch— lymphgefaͤßen eines geſunden (donkey) 96,53: 100. Die Menge des Waſſers dagegen im menſchlichen Blute betraͤgt, nach den wiederholten Analyſen Lecanu's, nur 77,8 — 82,7: 100. Die Lymphe iſt daher eine weit mehr, als das Blut, verduͤnnte Fluͤſſigkeit, und da dieſes der Fall iſt, ſo wird das Blut verdichtet ſeyn und befaͤhigt, in demſelben Verhaͤltniſſe zu imbibiren, als die waͤſſerige Lymphe ſeiner Maſſe entzogen wird. Die Schwierigkeit, welche ſich uns nun darbietet, be— ſteht darin, die Art und Weiſe zu begreifen, auf welche die Lymphe vom Blute abgeſchieden wird. Dieſes kann nicht ein rein mechaniſcher oder phyſicaliſcher, der Imbibition naheſtehender oder mit derſelben identiſcher Proceß feyn. Magendie und ſeine Schuler ſtritten den Lymphgefaͤßen jede 713. XXXIII. 9. 132 Reſorptions fahigkeit ab, und wenn dieſer Ausdruck die phy⸗ ſicaliſche Imbibition in der Ausdehnung, wie ſie bei den Venen ſtattfindet, bezeichnen ſoll, meiner Anſicht nach mit vollem Rechte. Die Venen find, in der That, die eigentli— chen reſorbirenden Organe im eigentlichen Sinne des Wor- tes, denn ſie ſind die einzigen Gebilde, deren Function außer derjenigen, welche fie als Canaͤle für den ruͤckkehrenden Blut: ſtrom haben, mit ihrer Imbibitionsfaͤhigkeit zuſammenhaͤngt, oder von derſelben abhaͤngig iſt. Selbſt die Milchgefaͤße machen keine Ausnahme von dieſer Regel. Alle Gewebe des Koͤrpers imbibiren zwar, aber jedenfalls nur ſehr langſam, ausgenommen die Venen, und mit Ausnahme dieſer Gefaͤße und vielleicht auch der Darmzotten ſcheint Function in kei— nem Falle mit der bloßen phyſicaliſchen Faͤhigkeit, ſchnell von Fluͤſſigkeiten durchdrungen zu werden, zuſammenzuhan— gen. Function iſt, in der That, ſehr oft der Endosmoſe ge— rade entgegengeſetzt, dafuͤr ſpricht die Abſonderung des waͤſ— ſerigen Speichels, des pancreatiſchen Saftes, des Schweißes und Harnes aus dem verhaͤltnißmaͤßigen dichten Blute. Die angenommenen Geſetze der Endosmoſe ſprechen dafür, daß Fluͤſſigkeiten der Art ſich nicht vom Blute trennen foll: ten. Es kann jedoch keine Frage ſeyn, daß ein jedes Ge— webe und Organ im Körper mit einer eigenthuͤmlichen aus— waͤhlenden und abſondernden Kraft begabt iſt, welche ohne Zweifel mit ſeiner Entwickelung und ſeinem Wachsthume zuſammenhaͤngt, vermoͤge welcher es dem plasma, von dem es umſpuͤlt wird, die zu ſeiner Entſtehung und Ernaͤhrung nothwendigen Elemente entnimmt: Knochen nehmen Gal⸗ lerte und phosphorſauren Kalk, Muskeln Fibrine, Gehirn und Nerven eiweißhaltige und fettige Stoffe u. ſ. w. auf. Nun haben aber die druͤſigten Organe ihnen ganz eigen— thuͤmliche, wenn nicht vielleicht zu anderen hinzukommende ſchaffende Kräfte, durch welche fie, während fie ernährt wer— den, verſchiedene Fluͤſſigkeiten, die man ihre Secretionen nennt, aus dem Blute abſondern oder vorbereiten und in geeignete Canaͤle ergießen. Ganz auf dieſelbe Weiſe ſchei⸗ nen die Lymph- und Milchgefaͤße ihre Functionen zu ers fuͤllen. Dieſe Functionen koͤnnen, in der That, als die weſentlichen Elemente einer allenthalben verbreiteten Druͤſe angeſehen werden. Ihre Wandungen und ſackfoͤrmigen An: faͤnge beſtehen, wie von den neueſten und beſten Beobachtern nachgewieſen worden iſt (ek. Henle’s Allgem. Anatomie S. 550 u. Taf. V. Fig. 26.), aus einer Anhaͤufung gra— nulirter Materie, aus Kernen und Zellen in verſchiedenen Stadien ihrer Entwicklung, genau, wie ich glaube, den letz⸗ ten Elementen eines jeden bisjetzt bekannten Secretionsorga⸗ nes aͤhnlich. Hier, wie anderswo, ziehen die Kerne in einem unaufhoͤrtichem Zuſtande der Reproduction eine gewiſſe Mens ge granulirter Materie um ſich an und werden dann von einer zarten mit Fluͤſſigkeit gefüllten Hülle umgeben — fie ſind Zellen geworden, und wenn dieſe zur Reife gediehen ſind und dann mit der Innenflaͤche des Lymphgefaͤßes, in deſſen Wandung ſie entſtanden ſind, in Contact ſtehen, ſo platzen ſie auf und ergießen ihren Inhalt in die Hoͤhle deſſelben. Die ſecernirte Fluͤſſigkeit iſt in Bezug auf das lymphatiſche Syſtem die Lymphe, eine Fluͤſſigkeit, welche, 133 wie wir gefehen haben, ungefähr 965 2 Waſſer und 33 8 feſter Beſtandtheile enthaͤlt, welche feſten Beſtandtheile in ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung der der Blutfluͤſſigkeit iden⸗ tiſch iſt. | (Es laͤßt ſich mit vollem Rechte annehmen, daß Blut- ſcheiben in betraͤchtlicher Anzahl ſich in den Lymphgefaͤßen entwickeln; die albuminoͤſe Materie, welche ſie enthalten, iſt, wie wir annehmen muͤſſen, geeignet, die matrix oder das Blaſtem dieſer wichtigen Zellen zu werden, und dieſe wer— den in derfelben als eine ganz natuͤrliche Folge entwickelt, indem ihre Bildung und Entwickelung von der Vervollkomm— nung, welche ſie in den lymphatiſchen Druͤſen erfaͤhrt, un— terſtuͤtzt wird.) Die Lymphgefaͤße alſo, oder genauer, die Zellen, aus denen ihre Wandungen zufammengefest find, zeigen im Verlaufe ihrer Entwickelung eine beſondere Affini— taͤt fuͤr das waͤſſerige Element des Blutes, und indem ſie dieſes der in den Capillargefaͤßen circulirenden Fluͤſſigkeit entziehen, verdicken ſie in demſelben Verhaͤltniſſe den Strom, welcher in den Venen zum Herzen zuruͤckkehrt, und theilen dadurch demſelben die Kraͤfte der Imbibition oder Endos— moſe mit, um eine unaufhoͤrliche und raſche Veraͤnderung in dem plasma, welches durch die Wandungen der Arterien an jedem Puncte durchſchwitzt, hervorzubringen. Die Auf: nahme des Chylus von den Milchgefaͤßen oder Bauchlymph— gefaͤßen wird auf dieſelbe Weiſe, wie die der Lymphe in ans deren Theilen des Koͤrpers, bewirkt, und zweifelsohne mit einer größeren Penetrationskraft, als anderswo. Die neuere Phyſiologie verwirft die Annahme einer Imbibition durch offene Muͤndungen; die Darmlymphgefaͤße beginnen, wie an anderen Stellen, in der Form blinder Saͤcke oder Canaͤle, und der einzige bemerkbare Unterſchied zwiſchen ihrer Stru— ctur und der der Lymphgefaͤße im Allgemeinen ſcheint in der hoͤheren Entwickelung der weſentlichen Beſtandtheile des Syſtems — der Zellen mit Kernen — zu beſtehen. Die Reſorption des Chylus erklaͤrt ſich auf dieſe Weiſe leicht; die Subſtanz der Darmzotten, wo dieſelben ſich finden und die des ſchwammigen Gewebes, welches noch die innere Schicht des Duͤnndarmes bildet, wo fie fehlen, ift, gleich der Subſtanz anderer Organe, in einem Zuſtande fortdauernder Zu- und Abnahme. Die Abnahme findet hier, wie gemei— niglich in druͤſigten Organen, im Innern gegen intercellulaͤre Canaͤle oder Gänge hin ſtatt, in dem vorliegenden Falle gegen Lymph- oder Chylus-Gefaͤße hin. Die Zellen jedoch, aus denen die Darmzotten und die pulpoͤſe innere Membran des Darmes vornehmlich beſteht, werden, indem ſie ſich im mittelbaren Contact mit dem Chylus entwickeln, von einem Theile deſſelben durchdrungen, ſie reifen allmaͤlig, platzen dann auf und entleeren ihre mit einer eigenthuͤmlichen gra— nulirten Maſſe gemiſchten fluͤſſigen contenta in die Gänge, mit denen ſie in Verbindung ſtehen. Der fluͤſſige Inhalt iſt der Chylus, die Gaͤnge die Chylusgefaͤße. Die contenta der Kernzellen der Gedaͤrme ſind, wie man beobachtet hat, nur dann weiß und milchig, wenn Chymus und zwar von einer beſonderen Art im Dar— me vorhanden iſt, wo dieſer dagegen fehlt, durchſichtig und farblos oder faſt ſo, wie es auch das Product ihrer Reife 713. XXXIII. 9. 134 und Ruptur ift, welches dann Lymphe genannt wird. Der Chylus unterſcheidet ſich, in der That, von der Lymphe nur dadurch, daß es eine relativ größere Menge von albuminö⸗ fer und fettiger Materie enthält, ganz fo, wie es ſich bei der Fluͤſſigkeit erwarten laͤßt, welche friſchen Naͤhrſtoff zum Gebrauche und zur Erhaltung des Organismus hergiebt, in⸗ dem Albumen der Repraͤſentant des ſtickſtoffigen Fettes in den nichtſtickſtoffigen Elementen des Koͤrpers iſt. Trotz der Maſſe des friſchen Materials, mit welchen die Chylusgefaͤße überladen find, führen fie dennoch eine Fluͤſſigkeit von weit geringerer Dichtigkeit, als der liquor sanguinis, und ver⸗ moͤgen daher die wichtige Function zu erfuͤllen, welche ich dem lymphatiſchen Syſteme im Allgemeinen zugewieſen habe. Die anatomiſche Vertheilung der Lymphgefaͤße iſt mis den ſoeben uͤber ihre vitale Function aufgeſtellten Anſichten in vollkommener Harmonie. Nach dem Gtundſatze, daß Or— gane nahe an den Orten ſich finden, wo ihre Dienſte noͤ— thig find, muß die Dienſtleiſtung der Lymphgefaͤße eine all— gemeine ſeyn, ſowie das Lymphſyſtem allgemein iſt. Herr Lane hat jedoch ſpeciell darauf aufmerkſam gemacht, daß die Lymohgefaͤße ſich keineswegs, wie die Arterien, Venen und Nerven, an jedem conftituirenden Theilchen des Körpers veräfteln, Man hat fie niemals ſicher als Gefäße von irgend einem Umfange geſehen, welche von den Drüfen der Achſel— grube oder der Leiſte abwaͤrts mit dem bloßen Auge, vermit— telſt des Meſſers und der Pincette, bis zu den Enden der Finger und Zehen verfolgt werden koͤnnen. Sie verlaufen unter der Haut und in den Zwiſchenmuskelraͤumen in mehr oder weniger miteinander parallelen Linien und auf weite Strecken hin, ohne irgendwie ſeitliche Aeſte aufzunehmen, wiewohl ſie haͤufig miteinander anaſtomoſiren. Statt fort— waͤhrend zu wachſen und aus Zweigen und Aeſten Staͤmme zu werden, theilen fi) die Hauptlymphgefaͤße auf dem Fuß— ruͤcken und auf dem Ruͤcken und der Flaͤche der Hand in groͤßere Mengen noch kleinerer Canaͤle, welche dann aufwaͤrts verlaufen und nur da zuſammenkommen, wo ſie ſich einem Haufen lymphatiſcher Druͤſen naͤhern. Der Zweck iſt au— genſcheinlich, den Einfluß dieſer Gefaͤße zu vertheilen, nicht ihn zu concentriren. Nur auf den die Eingeweide umgebenden ſeroͤſen Haͤu— ten gleichen die Lymphgefaͤße etwas mehr den Venen in der Weiſe ihrer Vertheilung; doch auch hier ſieht man ſie ge— meiniglich nicht ſich ausgedehnt verzweigen und in immer kleinere und kleinere Zweige und Aeſte ſich vertheilen, bis ſie dem Auge entſchluͤpfen, ausgenommen an der Unterflaͤche der Leber, ſondern ſie verlaufen mehr buͤndelartig. Muͤl— ler ſagt ausdruͤcklich, indem er von den Lymphgefaͤßen der Eingeweide ſpricht: ich kenne kein abſorbirendes Gefaͤß, wel— ches nicht mit bloßem Auge geſehen werden koͤnnte. Man iſt jetzt ziemlich allgemein darin uͤbereingekommen, daß die Lymphgefaͤße nur in den Raͤumen zwiſchen den Organen und auf der Oberflaͤche derſelben verlaufen; einige wenige Canaͤle koͤnnen auch die groͤßeren Blutgefaͤße der Eingeweide auf eine gewiſſe Strecke begleiten, aber ſicher dringen ſie nicht in das Parenchym irgend eines Organes ein. Die Queck— ſilberinjectionen von Foh mann, Panizza u. A., auf 5 * 135 die Weiſe ausgeführt, daß eine Spritze ohne Weiteres in das filamentöfe Gewebe und Parenchym von Organen ge— ſteckt wurde, find, nach dem Ausſpruche der größten Anato— men, Injectionen der interorganiſchen arecolae, nicht der Lymphgefaͤße. Die Naͤhe der Lymphgefaͤße daher und nicht ihr unmittelbares Vorhandenſeyn reicht fuͤr den Organismus aus, was auch mit den von mir ihnen angewieſenen Dienſt— leiſtungen im Einklange ſteht. Dieſelben Anſichten ſcheinen neue und ganz befondere Stuͤtzpuncte in der eigenthuͤmlichen Entwickelung des lym— phatiſchen Syſtemes bei Schildkroͤten, Eidechſen und Schlan— gen zu finden, — Thiere, bei denen die allgemeine Bedek— kung zur Elimination des Waſſers oder Waſſerdunſtes au— genſcheinlich nicht geeignet iſt, und wo daher ein Subſtitut dafuͤr noͤthig war. Bei dieſen Thieren, kann man ohne Ue— bertreibung ſagen, iſt das Lymphſyſtem enorm entwickelt; es iſt hier von einer ſolchen Ausdehnung und Capacitaͤt, daß es wirklich an verſchiedenen, von dem Urſprunge ſeiner Bil— dungscanaͤle mehr oder weniger weit entfernten, Stellen mit contractilen Saͤcken oder Herzen, zur Austreibung feiner con- tenta gegen das Centralorgan der Circulation hin, verſehen iſt. Ob eine entſprechende Zunahme der Zahl und Groͤße der Lymphgefaͤße bei den hoͤheren Thieren, welche mit einer hornartigen oder unwegſamen Bedeckung bedeckt find, wie der Manis und Armadillo, ſtattfindet, weiß ich nicht, glaube aber, daß dieſes der Fall iſt. Es iſt ferner wichtig, zu bemerken, daß in gewiſſen Krankheiten, in welchen die Function der Haut vermindert iſt, wie bei Waſſerſuchten, das lymphatiſche Syſtem den hoͤchſten Grad ſeiner Entwickelung erreicht. Der Zuſammenhang des Lymphſyſtemes im Ganzen mit der Capillarcirculation und der Zweck deſſelben in der ange— gebenen Weiſe wird ferner noch durch die Weiſe beſtaͤtigt, auf welche es am Ende mit den Blutgefaͤßen zuſammen— haͤngt. Die von den Lymphgefaͤßen angeeignete waͤſſrige Fluͤſſigkeit ergießt ſich nicht in die Venen, in der Naͤhe der Theile und Organe, wo ſie geſammelt wird; dieſes wuͤrde die Wirkung haben, den zuruͤckkehrenden Strom zu verduͤn— nen und Alles, was geſchehen iſt, ungeſchehen zu machen. Die contenta der Lymphgefaͤße kommen zum Blute nur in dem Augenblicke, wo daſſelbe in's Herz eintritt — an dem dieſem Organe moͤglichſt nahen Orte, von wo das Blut unmittelbar zu den Lungen hin fortgeſchafft wird, und außer der ſpeciellen Reinigung, welche es daſelbſt erfaͤhrt, ſoviel Waſſer verliert, daß die Fluͤſſigkeit der Pulmonalvenen eine etwas höhere Dichtigkeit, als die der Pulmonalarterien, er— haͤlt und fo in den Stand geſetzt wird, das zarte Gewebe des Athmungsorganes zu traͤnken. Dieſes halte ich, in der That, für den Zweck der Lungenexhalation, einer Excretion, welche, wenn auch vielleicht in gewiſſer Hinſicht phyſicaliſch unvermeidlich, doch einem wichtigen vitalen Acte unterge— ordnet iſt. Als letzte Beſtaͤtigung meiner Anſichten uͤber die Wich— tigkeit und Dienſtleiſtung des Lymphſyſtemes führe ich hier noch die bedeutende Stoͤrung an, welche der Organismus gemeiniglich bei irgend einer Implication der Functionen oder 713. XXXIII. 9. 136 der Structur feröfer Haͤute erleidet, welche ich als Mittel fuͤr die Vertheilung der großen Menge von Lymphgefaͤßen anſehen moͤchte; fo, z. B., bei Entzuͤndungen, Verwachſun⸗ gen derſelben u. ſ. w. Das Leiden wird in ſolchen Faͤllen gewöhnlich einer Störung der Bewegungen der Organe, de— ren ſeroͤſe Ueberzuͤge betheiligt ſind, zugeſchrieben; aber es haͤngt ſicher von einer wichtigeren Urſache ab. Ich glaube, daß die Ernaͤhrung, das Leben des Organes beeintraͤchtigt iſt; die für das Herankommen der ernaͤhrenden Fluͤſſigkeit und für die Entfernung des Aus wurfsſtoffes nothwendigen Bedingungen ſind geſtoͤrt, und daraus geht das bedeutende Allgemeinleiden und der ſo oft toͤdtliche Ausgang hervor. Bis hierher iſt die Function des lymphatiſchen Syſte— mes als dem nothwendigen Austauſche der Nahrungsfluͤſſig— keit, wie fie durch die ſchwammigen Wandungen der Arte— rien und Venen hindurchgeht, untergeordnet betrachtet wor— den. Es ſcheint jedoch ſehr wahrſcheinlich, daß dieſelbe Fun— ction in gleichem Grade das Herankommen und Durchgehen des Stromes zu erleichtern vermag, welcher die noch im Inneren der Arterien und Venen eingeſchloſſene Nahrungs— luͤſſigkeit verſorgt. Schon ſeit Cullen, kann man ſagen, hat die Phy— ſiologie emſig nach einer anderen Urſache fuͤr die Bewegung des Blutes in den Capillargefaͤßen, als die iſt, welche von der mechaniſchen Kraft des Herzens abgeleitet wird, geſucht, und verſchiedene kuͤhne Hypotheſen find über dieſen Gegen— ſtand aufgeſtellt worden. Die Mehrzahl jedoch der bedeutendſten Phyſiologen un— ſerer Zeit erkennen keine bewegende Kraft in Verbindung mit der Circulation des Blutes bei den hoͤheren Thieren, als die des Herzens, an. Wenn wir nun auch dieſer Anſicht beipflichten, ſo koͤn— nen wir doch noch fragen, ob der Lauf des Blutes, nament⸗ lich in den kleinſten Gefaͤßen, auf irgend eine Weiſe erleich— tert werde, oder nicht. Es waͤre thoͤrigt, zu laͤugnen, daß der Betrag der Reſiſtenz, welche eine etwas. traͤge Fluͤſſig⸗ keit, gleich dem Blute, durch Canaͤle von 27188 bis 555" im Durchmeſſer fortgetrieben findet, ſehr bedeutend ſeyn muß, und doch ſcheint die Schnelligkeit und ſichtbare Leich— tigkeit, mit welcher wir es durch ſolche Canaͤle in den durch— ſichtigen Theilen lebender Thiere hindurchſchießen ſehen, an— zuzeigen, daß jede Reſiſtenz beſeitigt iſt. Es iſt ſicherlich eine ſehr merkwuͤrdige Thatſache, daß die in einem kleinen Gefäße eines lebenden Thieres enthalz tene Blutſaͤule daſſelbe nicht von einer Seite zur anderen als eine gleichmaͤßig gemiſchte Maſſe gefaͤrbter und farbloſer Koͤrperchen und durchſichtiger plasmata ausfuͤllt. Man fieht die rothen Scheiben ſchnell durch die Mitte hinſchießen, als wenn fie von den Wandungen des Gefaͤßes zuruͤckgedraͤngt wuͤrden; die Farblofen Koͤrperchen dagegen bewegen ſich in eis ner dicken Kapſel aus plasma, welche zwiſchen der gedraͤng⸗ ten Reihe der Blutſcheiben in der Mitte und den Wandun— gen des Gefaͤßes liegt, ſchwebend, indem ſie in Contact mit den begraͤnzenden Wandungen uͤber und uͤber rollen, als wenn fie von dieſen angezogen wuͤrden. Dieſe Anordnung iſt uns zweifelhaft von der groͤßten Wichtigkeit, uͤber deren Weſen, 157 glaube ich, wenig Zweifel vorhanden ſeyn kann, wenn wir die Ausbreitung des Apparates erwaͤgen, der den ſpe— ciellen Zweck hat, eine verſchiedene Dichtigkeit des gehenden und kommenden Stromes der circulirenden Fluͤſſigkeit und einen daraus hervorgehenden unaufhoͤrlichen Austauſch zwi— ſchen jenen, in Uebereinſtimmung mit den Geſetzen der hete— rogenen Attraction oder Endosmoſe, zu erhalten. Die Wandungen der Arterien, von den Sigmoidklappen eines jeden großen Herzſtammes an bis zu den Graͤnzen ih— rer peripheriſchen Veraͤſtelungen, ſchwitzen unaufhoͤrlich eine Fluͤſſigkeit von bedeutend geringerer Dichtigkeit durch, als die Blutfluͤſſigkeit, welche entweder durch die Schweißdruͤſen ausgeworfen wird und verloren geht, oder durch den vitalen Act der Lymphgefaͤße angeeignet und zum Gebrauche des Organismus zuruͤckgefuͤhrt wird. Die Wandungen der Ve— nen dagegen, mit einer durch den ganzen Betrag des an der Koöͤrperoderflaͤche verlorenen Waſſers dichter gewordenen und zu den Lymphgefaͤßen zuruͤckgefuͤhrten Fluͤſſigkeit angefuͤllt, ziehen fortwaͤhrend Fluͤſſigkeiten an, oder werden von den— ſelben in den Geweben, durch welche ſie verlaufen, durch— drungen. Auf dieſe Weiſe werden fortwaͤhrend verſchiedene Capacitaͤten der Endosmoſe und Exosmoſe erzeugt, zuerſt zwiſchen den Blutgefaͤßen und dem liquor sanguinis und zweitens zwiſchen dem letzteren und den ihn umſchließenden, ſowohl aus-, als zufuͤhrenden, Gefaͤßen von ihren Anfaͤn— gen bis zu ihren Enden. (London Medical Gazette, 19. April 1844.) 713. XXXIII. 9. 138 Miscellen. Ueber die Kohle, die ſich während des mannbaren und Greiſenalters in der menſchlichen Lunge bildet, hat Herr Nathalis Guillot, Arzt an der Salpetriere in Pas vis, der Academie der Wiſſenſchaften am 9. December Folgendes mitgetheilt. Die Phyſiologen haben ſich haufig mit Unterſuchung der ſchwarzen Subſtanz beſchaͤftigt, welche ſich nach dem Eintreten des reifen Alters in der Lunge abzulagern beginnt, und lange hat man angenommen, dieſelbe ſey eine Ablagerung der kohligen Pro— ducte, die bei'm Verbrennen der zum Heitzen und Beleuchten dies nenden Stoffe erzeugt und durch die Reſpiration in die Lunge eins geführt würden. Herr Guillot hat dieſe Frage mit der ihm ei— genen Gründlichkrit naher unterſucht, und es iſt ihm gelungen, eine hinreichende Menge von jener Subſtanz zu ſammeln, um dieſelbe chemiſch zu analyſiren. Aus dieſer von Herrn Melſens im Du: mas' ſchen Laboratorium vorgenommenen Analyſe hat ſich ergeben, daß dieſe Subſtanz aus faſt reinem Kohlenſtoffe beſteht, der in den Lungenzellen abgelagert wird und dieſe zuletzt in der Art verftopft, daß ſie zu der Function des Athmens untauglich werden. Herrn Guillot's Anſicht zufolge, kommt dieſe Subſtanz nicht von Aus ßen, ſondern es haͤngt ihre Erzeugung mit den weſentlichſten Lebens— proceſſen, namentlich mit der Ernährung, zuſammen. Der Einfluß, den ihr Herr Guillot auf den Tod durch Asphyxie bei Greifen, ſowie auf die Entwicklung von Tuberkeln, zuſchreibt, verdient von Aerzten beachtet zu werden. Zwei an der Seite des Unterleibes zuſammenge— wachſene, übrigens vollftändig ausgebildete Maͤd⸗ chen ſind am 5. Januar in Totfallu (Heveſcher Comitats) gebo— ren worden und ſcheinen ſich, der Mittheilung des Comitats-Phy— ſicus zufolge, wohlzubefinden. (Bekanntlich find fruͤher in Ungarn die beiden mit den Ruͤcken zuſammengewachſenen Maͤdchen geboren worden, welche bis zum erwachſenen Alter lebten und zu den, durch die Philosophical Transactions bekanntgewordenen, fo intereffanten Beobachtungen Gelegenheit gaben.) e i l k men e. Ueber die Vernarbung apoplectiſcher Ablagerungen im Gehirne. Von Dr. Man. Durand ⸗Fardel. Zweier Theil. Schluß des in N. N. Nr. 676 (Nr. 16 des XXXI Bds.) S. 254 z abgebrochenen Aufſatzes. Ich komme nun zu gewiſſen Veraͤnderungen, welche keiner Periode der Hirnhaͤmorrhagie angehoͤren und dennoch ihr gewoͤhnlich zugeſchrieben werden, oder worden ſind, waͤh— rend ſie der Erweichung angehoͤren. Ich will zuerſt von den gelben Flecken ſprechen, welche man haͤufig an der Oberflaͤche des Gehirns an der Stelle eines groͤßeren oder kleineren Theiles der Corticalſchicht der Windungen findet, die von einer gewiſſen Dicke, von verſchiedentlicher Dichtigkeit, faſt immer mit einer gewiſſen Cohaͤſion begabt und gewoͤhnlich gefäßreich, beſonders an der Oberfläche, find, welche dann von ei— ner dünnen, cellulaͤr-vasculaͤren, von der pia mater geſon— derten und ganz eigenthuͤmlichen Platte bedeckt iſt Jene gelben Flecken liegen auf der Medullarſubſtanz auf, welche entweder geſund oder erweicht iſt, oder die fogleich zu beſchrei— bende cellulaͤre Infiltration darbietet. Der Urſprung dieſer Flecken iſt leicht nachzuweiſen. Anatomiſch habe ich eine Reihe von Fällen beobachtet und veröffentlicht, in welchen man den Uebergang der mit Blut infiltrirten, oder nur einfach roth vor, gefaͤrbten Erweichung der Corticalſchicht der Windungen bis zu dieſem Zuſtande der gelben Flecken verfolgen konnte, und ich habe gezeigt, wie fpäter dieſelben Flecken der Sitz wahr: hafter Ulceration werden koͤnnen. Andrerſeits kamen dieſe Flecken auch bei Individuen welche ſtatt aller Symptome nur Delirien, oder jene Ataxie der Motilitaͤt und Senſibilitaͤt hatten, welche ein ge— woͤhnliches Symptom der Erweichung und niemals als all— einiges Phaͤnomen der Hirnhaͤmorrhagie beobachtet worden iſt. Kurz, jene gelben Flecken gehoͤren der Hirnapoplexie nicht an. Welche Umſtaͤnde koͤnnen eine gegebene Veraͤnderung auf Hirnblutung zuruͤckfuͤhren? Spuren von Zerreißung des Nervenmarkes und ergoſſenes Blut. Beide Umſtaͤnde koͤn— nen, wie bereits erwaͤhnt, bei der Erweichung unter der Ge— ſtalt verſchiedentlich geformter Subſtanzverluſte und einer gelblichen Faͤrbung, welche anfangs einfach infiltrirtes Blut, oft als Spur zuruͤcklaͤßt, vorkommen. Wenn aber auch Spuren der Zerreißung bei der Erweichung vorkommen koͤn— nen, fo iſt ihr Vorhandenſeyn bei der Haͤmorrhagie doch nothwendigerweiſe conſtant, waͤhrend jede Spur des ausge— tretenen Blutes verſchwinden kann. Narben, oder Hoͤhlen ſind alſo fuͤr die Conſtatirung einer Apoplexie nothwendig, und man hat faͤlſchlich jene gelben Flecke mit dem Namen 139 Narben belegt. Ueberdieß, wie koͤnnten dieſe gelben Flecken mit einer Haͤmorrhagie zuſammenhangen? Sie find auf die Dicke der Corticalſchicht der Windungen beſchraͤnkt; — wer hat aber jemals Bluterguͤſſe ſich eine Hoͤhle in der Dicke dieſer Corticalſchicht machen geſehen? Ich will nicht behaup— ten, daß dieß unmoͤglich ſey; aber jedenfalls iſt es ſehr ſelten der Fall, und die gelben Flecke kommen haͤufig vor. Ueberdieß findet ſich in ihnen, oder um ſie herum weder eine Hoͤhle, noch eine Spur derſelben. Als Ausnahme hievon gilt das Vorkommen von Infiltrationen oder cellulöſen Hoͤh— len unter denſelben, welche aber ſeltener vorhanden ſind und nicht mit einer Haͤmorrhagie zuſammenhaͤngen. Was die interftitiellen Haͤmorrhagien betrifft, welche man, nach Cru: veilhier, Capillarapoplexien genannt, und welche dieſer Ge— lehrte mit allen Arten von Erweichung zuſammengeworfen hat, ſo iſt es klar, daß der ganze Mechanismus der Repa— ration dieſer Blutinfiltrationen in keiner Beziehung zu dem der Reparation haͤmorrhagiſcher Heerde ſtehen kann, welche die Hirnſubſtanz aushoͤhlen. Wir kommen jetzt zu einer haͤufiger vorkommenden und ſchwerer zu ſtudirenden Veraͤnderung, welche in Folgendem beſteht. Man findet in irgend einer Partie der Medullarſub— ſtanz der Hemiſphaͤren, oder in den geſtreiften Koͤrpern, oder im kleinen Gehirne Raͤume, welche von einem weißlichen, oder etwas graulichen, oder leichtgelblichen Zellgewebe gebil— det ſind, mit einander durchkreuzenden, zuweilen ſehr duͤnnen, zuweilen dickeren Maſchen, welche eine truͤbe, weißgraue, kalkmilchartige Fluͤſſigkeit enthalten, die bei'm Aufſchneiden dieſer Raͤume ausfließt, wenn die celluloͤſen Maſchen loſe und voneinander entfernt ſind, oder nur durch Druck entleert werden kann, wenn die Maſchen dichter und gedraͤngter ſte— hen. Gewoͤhnlich ſind dieſe Raͤume von erweichtem Gewebe umgeben, in welches das Zellgewebe ohne Abgraͤnzung uͤber— geht; in anderen Faͤllen dagegen haben ſie glatte, ſeroͤſen Flaͤchen ähnliche und gemeiniglich verhaͤrtete und von geſun— dem Gewebe umgebene Wandungen. Dieſe Alteration nenne ich die cellulöfe Infiltration. Sie iſt allgemein bis jetzt als geheilten haͤmorrhagiſchen Heerden angehoͤrend angeſehen und beſchrieben worden; zahlreiche Beobachtungen haben mich aber uͤberzeugt, daß die celluloͤſe Infiltration in keinem Falle mit einer Hirnblutung zuſammenhaͤngt, ſondern eine der Stadien der Erweichung ausmacht. Dieſe von mir aufge⸗ ſtellte Anſicht iſt zwar von mir ſchon fruͤher in meinem Werke uͤber die Gehirnerweichung, wie ich glaubte, genuͤgend bewieſen worden; da ſie jedoch beſtritten worden iſt, ſo will ich hier noch einmal darauf umſtaͤndlicher zuruͤckkommen. Die Thatſachen, welche mich zuerſt auf den wahren Urſprung der celluloͤſen Infiltration gebracht haben, find die Fälle, in welchen ich an einem und demſelben Gehirne jene Infiltration zugleich mit Erweichung in verſchiedene Abſtuf— ungen gefunden habe. Folgende 2 Faͤlle moͤgen hier als Beiſpiele aufgefuͤhrt werden. Erſter Fall. — Eine Frau, Namens Prätre, 79 Jahre alt, brachte die 3 letzten Monate ihres Lebens in der Salpétrière zu, an einem chroniſchen Delirium leidend, befs ſen weſentlichſte Eigenthuͤmlichkeit in einer fortwaͤhrenden Ge⸗ 713. XXXIII. 9. 140 ſchwaͤtzigkeit mit hartnaͤckiger Schlafloſigkeit und Sinnestaͤu⸗ ſchungen beſtand. Während jener 3 Monate fand eine Zwi⸗ ſchenſtadium, wenn auch nicht der Vernunft, doch der Ruhe, ſtatt. Die Frau ſtarb in einem vollſtaͤndigen marasmus mit erloſchener Stimme, ohne je ein beſonderes Phaͤnomen an den Gliedmaaßen, oder in den Sinnen, die Hallueinatio— nen ausgenommen, darzubieten. Section. Eine große Menge hellen Serums in den Meningen, maͤßige Injection der pia mater, keine Veraͤn⸗ derung der Gefaͤßwandungen. Bei'm Abziehen der pia ma- ter entfernt man die Oberflaͤche einiger Windungen an der Convexitaͤt, beſonders an der linken Seite. Dieſe Stellen ſind roſig gefaͤrbt und ſehr weich; ein Waſſerſtrahl dringt durch ſie bis uͤber die Corticalſubſtanz hinaus; man ſieht da— ſelbſt ſtellenweiſe rothe, kleine und gedraͤngt ſtehende Puncte. An dem hinteren Ende der linken Hemiſphaͤre ſind die Windun— gen zu einem aͤußerlich roſig gefärbten, an einigen Stellen weinhefenfarbigen, im Innern graulichen Brei reducirt. Die oberflaͤchlichſte Schicht, von der pia mater mit fortgezogen, läßt eine tiefe Höhle in der Dicke des Hirnlappens entbloͤßt, welche von einigen celluloſen Streifen durchzogen iſt und in den Ventrikel eindringt. Die Wandungen dieſer Hoͤhle ſind grauweiß, ungleich, wie gefilzt, ſehr weich bis auf eine gewiſſe Tiefe, und um— ſchließen eine truͤbe, weißgrauliche, kalkmilchaͤhnliche Fluͤſſig⸗ keit. An einigen der naheliegenden Kruͤmmungen iſt die Gors ticalſubſtanz in einer ziemlich großen Ausdehnung in ein gelbliches, ſich weich anfuͤhlendes und dennoch mit einer gewiſſen Conſiſtenz begabtes Gewebe umgewandelt, welches von einer dünnen, ziemlich dichten, etwas gelblichen, gefaͤß⸗ reichen, adhaͤrenten Membran bedeckt und durch diefelbe von der pia mater getrennt iſt. Die Windungen des hinteren Endes der rechten He— miſphaͤre ſind durch ſehr dichte Adhaͤrenzen, welche unter dem Scalpell knirſchen, verbunden. Ihr Gewebe iſt in eine ſehr weiche, mehr oder weniger dunkelgeroͤthete Subſtanz umge— wandelt; unterhalb derſelben iſt die Medullarſubſtanz in einer kleinen Ausdehnung weich und von etwas Fluͤſſigkeit infil⸗ trirt. Im Grunde der benachbarten Vertiefungen und auf einer ziemlich großen Strecke findet man eine, der der anderen Hemiſphaͤre, ähnliche Veränderung der Corticalſubſtanz in ein gelbes, conſiſtentes, membranenartiges Gewebe, von einer ſehr duͤnnen, gefaͤßreichen Schicht Zellgewebe bedeckt. Zweiter Fall. — Eine Frau, Namens Montalant 73 Jahre alt, bis auf einen Haͤmorrhoidalfluß ſtets geſund, wurde im October 1838 von Paralyſe beider Arme, Stirnkopf⸗ ſchmerz, Behinderung des Sprechens, Taubwerden und Amei⸗ ſenkriechen in den Fingern befallen. Eine anthiphlogiſtiſche Behandlung ſtellte die Bewegungen unvollſtaͤndig wieder her. Am 2. Februar neuer Anfall, ähnlich dem erſteren, mit Zus nahme der Paralyſe. Am 27. Maͤrz Erſtarrung und Amei⸗ ſenkriechen in den Fuͤßen. Im Juli mehrmals Zuſtand von sopor mit Starren der Arme und Aufſchreien, wenn man dieſelben extendiren wollte Tod am 3. Auguſt, nach drei⸗ tägigem coma, mit allgemeiner Aufloͤſung. 141 Section. Die pia mater war von einer ziemlich großen Menge Serum infiltrirt. Am mittleren Theile der Convexitaͤt der rechten Hemiſphaͤre findet man eine Erweich— ung, welche ſich von der Oberflaͤche des Gehirns faſt bis zum Ventrikel ausdehnte, ein Wenig groͤßer, als ein Fuͤnf— frankenſtuͤck, war, und deren Umfang, ziemlich gut zugerundet, an der Oberflaͤche der Windungen durch jene gelbliche und membranenartige Alteration ausgezeichnet war, welche wir mit dem Namen: gelbe Flecken bezeichnen. Im Niveau der Erweichung ſelbſt waren die Windungen verſchwunden, und an der Stelle derſelben fand ſich eine pulpoͤſe, formloſe, grau— lich s weiße Subſtanz, deren oberflaͤchlichſte Schicht ſich mit der pia mater abziehen ließ. Oberhalb der linken Hemiſphaͤre hatten die Windun— gen ihre Geſtalt behalten, boten aber verſchiedene Veraͤnder— ungen dar. Einige derſelben waren ganz normal, andere et— was weich und roͤthlich in der ganzen Dicke der Corticalſub— ſtanz. Andere zeigten gelbe Flecken in der Ausdehnung von 5 — 10 — 20 Sous : Stüden. Dieſe Flecken hatten eine Iſabellfarbe und waren an ihren Raͤndern gehoͤrig abge— graͤnzt; wenn man ſie mit der Spitze eines Scalpells be— tuͤhrte, ſo ließen ſie ſich wie eine Membran falten; gemei— niglich waren ſie duͤnner, als die Corticalſubſtanz ſelbſt. Un— ter ihnen war die Medullarſubſtanz mehr oder weniger er— weicht, ohne Roͤthe. Unter den groͤßten dieſer Flecke, in einer der Windungen der mittleren Partie der Hemiſphaͤre fand man einen Raum, von dem Umfange einer Haſelnuß, aus mit Kalkmilch infiltrirtem Zellgewebe gebildet und aus zahlreichen, ſehr loſen, fein miteinander verwebten, weißen Faͤden beſtehend. Die differentielle Diagnoſe der Erweichung und der Hienblutung bietet oft die größten Schwierigkeiten dar, wenn die Erweichung einen der Blutung analogen Verlauf nimmt; wenn aber die Erweichung einen eigenthuͤmlichen Verlauf beobachtet, ſo iſt es unmoͤglich, dieſen mit dem der Apoplexie zu verwechſeln; ſo, wenn ſie nur von Delirien begleitet iſt, wie in dem erſten Falle. Im zweiten Falle waren zwar apoplectiſche Symptome vorhanden, allen dieſe zeigten ſich in aufeinanderfolgenden, einander genaͤherten und gleichen An— faͤlen. Alles deutete darauf hin, daß fie einen und den— ſelben Urſprung haben mußten. Was fand man nun bei der Section? eine acute, den vor dem Tode aufgetrete— nen Zufaͤllen entſprechende Erweichung, eine aͤltere pulpoͤſe Erweichung, gelbe Flecke, eine celluloͤſe Infiltration, welche beide noch aͤlter waren. Ich kann nicht laͤnger bei den Thatſachen dieſer Art mich aufhalten, welche ich uͤbrigens in großer Menge und mit allen noͤthigen Einzelnheiten beigebracht habe. Ich habe gezeigt, wie es moͤglich war, Schritt vor Schritt den Uebergang der acuten — rothen, mit Blut injicirten oder infiltrirten, — Erweichung in die gelbliche, oder weißliche pulpöfe Erweichung ohne Roͤthe, den erſten Grad der chronifchen Erweichung, zu verfolgen; wie dieſe pulpoͤſe Erweichung in die letzten Grade der chroniſchen Erweichung, die gelben Flecke, in Bezug auf die Corticalſchicht der Windungen, die celluloͤſe Infiltration, in Bezug auf die Medullar-und graue 713. XXXIII. 9. 142 Centralſubſtanz, uͤbergeht und endlich habe ich den Ausgang der letzteren in jene Subſtanzverluſte, Ulcerationen und Hoͤhlen, welche den letzten Grad der Erweichung ausmachen, gezeigt. Allein Dieſes iſt nicht Alles. Man findet bei dem erſten Falle ange— fuͤhrt, daß unter den erweichten Windungen die Medullarſub— ſtanz in einer kleinen Ausdehnung weich und mit kalkmilch— aͤhnlicher Fluͤſſigkeit infiltrirt war. Dieſe Fluͤſſigkeit habe ich oͤfters in der Mitte eines erweichten, weißlichen, oder grauli— chen, pulpoͤſen Gewebes, ohne Zweifel dem erſten Grade der celluloͤſen Erweichung, ſelbſt gefunden. Ueberdieß habe ich mehr— mals beobachtet, daß rund um die celluloͤſe Infiltration die pul— pöfe, erweichte Hirnſubſtanz ſelbſt von der Kalkmilch infiltrirt war, welche man aus derſelben herausdruͤcken konnte. Es iſt alſo moͤglich, ſtufenweiſe die Umbildung der pulpoͤſen Erweichung in celluloͤſe Infiltration zu verfolgen, und zwar nicht in ſeltenen Ausnahmsfaͤllen, ſondern in zahlreichen Beiſpielen. Wenn die celluloͤſe Infiltration der Hirnblutung ange— hoͤrte, ſo wuͤrde man auf gleiche Weiſe den allmaͤligen Ueber— gang der haͤmorrhagiſchen Heerde in den Zuſtand der Infil— tration verfolgen koͤnnen; was aber durchaus unmoͤglich iſt. Die celluloͤſe Infiltration gehoͤrt alſo keiner Periode der Hirnblutung an. Wenn die haͤmorrhagiſchen Heerde uns keine Spur ei— ner beginnenden celluloͤſen Infiltration darbieten, ſo bietet andrerſeits die celluloͤſe Infiltration auch nicht die Spuren der Haͤmorrhagie dar; keine Ablagerung von Fibrine, keine roͤthliche Fluͤſſigkeit, keine Ockerfarbe, wie fie fo häufig nach Bluterguͤſſen ſtattfindet. Die Kalkmilch hat ſtets daſſelbe characteriſtiſche Ausſehen; das Zellgewebe, die Wandungen ſind faſt immer graulich, oder weißlich, zuweilen leicht gelb— lich gefärbt. Die Fülle, wo die Wandungen der Snfiltras tion eine tiefere Faͤrbung haben, ſind ſehr ſelten; erklaͤren ſich aber auch aus dem großen Antheile der Blutinfiltration an der erſten Entwickelung der Hirnerweichung. Dieſe Blutinfiltration läßt oft eine gelbe Färbung der Erweichung zuruͤck, welche ſich den gelben Flecken der Wind: ungen aufpraͤgt und weit haͤufiger und ausgeſprochener an den gefaͤßreichen geſtreiften Körpern, als in der weißen Sub⸗ ſtanz, iſt. Wenn die celluloͤſe Infiltration die Folge einer Hirn⸗ blutung wäre, woher kaͤme das Zellgewebe? Aus dem ergofe ſenen Blute? Wenigſtens wird dieſer Umſtand, wie ich glaube, gewoͤhnlich ſo erklaͤrt. Aber man erinnere ſich nur aller Beiſpiele der Umwandlung des ergoſſenen Blutes, welche im Anfange dieſes Aufſatzes angefuͤhrt ſind; — iſt ein ein— ziger Fal vorhanden, wo das Blut disponirt erſcheint, ſich in Zellgewebe umwandeln? — oder finden ſich uͤberhaupt irgend— welche Zeichen einer beginnenden Organiſation im Blutklum— pen? — Nein! Das in die Gehirnſubſtanz ergoſſene Blut organiſirt ſich nicht, es wird reſorbitt, oder bleibt zuruͤck, balgt ſich ein und iſolirt ſich gleich einem fremden Koͤrper. In meinem Werke über die Erweichung habe ich ans gefuͤhrt, daß, da viele celluloͤſe Infiltrationen keine anderen Graͤnzen haben, als die pia mater, oder die membrana ventriculorum, man ſchwer begreifen koͤnne, wie plotzlich gebildete Bluterguͤſſe ſich durch ſolche Hinderniſſe zuruͤckhal— 145 ten ließen, ohne fie zu durchbrechen; die Integritaͤt der Ventri— cularmembran, oder der pia mater, der Mangel aller Spuren eines Erguſſes jenſeits dieſer Membranen, die Dauer und Umbildung der anatomiſchen Verletzung ſelbſt, ſchienen mir in ſolchen Faͤllen die Idee einer Haͤmorrhagie auszuſchließen. Dieſe Behauptung war jedoch zu ausſchließlich; ich habe ſeitdem beobachtet, daß einige wenig betraͤchtliche Haͤmor— rhagieen der geſtreiften Körper, oder der Sehhuͤgel an einer umſchriebenen Stelle nur von der Membran des Seiten— ventrikels begraͤnzt vorkommen koͤnnen. Demungeachtet be— haupte ich die Geltung jener Bemerkung fuͤr die Mehrzahl der Faͤlle. So habe ich denn nun eine große Anzahl von That— ſachen gegeben, welche gewoͤhnlich auf eine Gehirnblu— tung zuruͤckgefuͤhrt werden, die man aber von derſelben tren— nen muß. Wie mir ſcheint, geht daraus hervor, daß die Hirnblutung, in der That, weit weniger haͤufig vorkommt, als man es bisjetzt angenommen hat. Dieſes anatomiſche Reſultat ſtimmt mit jenem anderen Reſultate meiner Be— obachtungen uͤberein, daß die ſogenannten apoplectiſchen An— faͤlle, welche lange Zeit hindurch allein der Hirnblutung zu— geſchrieben worden ſind, in einer großen Anzahl von Faͤllen dem Beginne einer Erweichung, d. h., der Blutcongeſtion, angehoͤren, welche ohne Zweifel immer das primaͤre Ele— ment dieſer Krankheit iſt. (Arch. gen. de Med., Mai 1544.) Miscellen. Ueber die chirurgiſche Behandlung der Lungen⸗ ſchwindſucht ſehe ich mich veranlaßt, zur Ergänzuna, resp. Be: richtigung des in den Neuen Notizen Nr. 686 (Bd. XXXII. S. 57) mitgetheilten Aufſatzes von G. Robinſon, welcher die Ehre des erſten Gedankens daran fuͤr ſich und Dr v. Herf in Anſpruch nimmt, anzufuͤhren, — daß der hochverdiente Fr. Naſſe in Bonn, mein verehrter Lehrer, deſſen ausgezeichneten cliniſchen Unterrichtes ich immer mit groͤßtem Danke gedenken werde, in den Jahren 1826 und 1827 die operative Eroͤffnung von Tuberkelhoͤhlen in den Lungen oͤfters zur Sprache gebracht hat. Es war aber, ſchon ehe ich in jenen Jahren die Clinik in Bonn beſuchte, derſelbe Vor— ſchlag von Naſſe nicht allein gemacht, ſondern mit v. Walther's Beihuͤlfe ſogar in Ausführung gebracht worden; ef. Horn's Ar⸗ chiv 1824. Bd. 2. S. 117. Auch führte Derſelbe mit Wutz er dieſelbe Operation ſpaͤter aus und berichtete darüber in dem Rhei⸗ niſchen Mediciniſchen Correſpondenzblatt (Bd. I. S. 222). Es er: 713. XXXIII. 9, 144 giebt ſich hieraus, daß Naſſe's Vorfchläge bereits lange vorher zur practiſchen Anwendung gekommen waren, ehe Brichete au und ganz vor Kurzem v. Herf und Robinſon mit ähnlichen Vorſchlaͤgen auftraten. Berlin, Februar 1845. R. Froriep. Fall von Verſchwärung des duodenum in Folge von Verbrennung. Emily Ward, 15 Jahre alt, ward am 16. März in das London Hospital wegen einer Verbrennung des obes ren Theiles der Bruſt, des Ruͤckens, Halſes und des linken Armes, aufgenommen. An mehren Stellen war die Haut vollſtaͤndig zer— ſtoͤrt. Das bald eintretende Reactionsfieber war ſehr heftig und dauerte fuͤnf Tage hindurch. Darauf heftige Schmerzen in den Brandwunden, etwas durch Opium gemildert; nach ein bis zwei Tagen ſtarke Schmerzen im epigastrium und in den Gedaͤrmen von intermittirendem Character; Tod am 30. März, vierzehn Tas ge nach der Verbrennung. Zwoͤlf Stunden vor dem Tode Erbres chen einer großen Menge ſchwarzer, theerartiger Fluſſigkeit, welche auch mit dem Stuhlgange abging. — Section: Koͤrperober⸗ flaͤche blaß; Herz ſchlaff, nur wenig Blut in den Kammern; Ma— gen und Darmcanal übermäßig ausgedehnt und mit einer ſchwärz— lichen Fluͤſſigkeit gefüllt; an dem hinteren Theile des duodenum ein Geſchwuͤr von der Groͤße eines Silbergroſchens, welches alle Hiute des Darmes afficirt hatte, ungefähr 3“ vom pylorus ent- fernt, mit einem gegen 14 breiten Rande, welcher an einer Stelle von Außen nach der Mitte zu ſchräge verlief. An der dem Darme zugekehrten Flaͤche des pancreas ein ziemlich großes Gefaͤß mit offener Mündung, welches augenſcheinlich während des Ulcerationss proceſſes zerriſſen war. (Lancet, June 1844.) Eine innere Einklem mung einer Dünndarmfdlins ge in einer Oeffnung im mesenterium zeigte Herr Has milton in der Sitzung der Dubliner pathologiſchen Geſellſchaft am 4. Februar 1843 vor. Herr H. war am Mittwoch zuvor zu einem jungen Manne gerufen worden, welcher an ileus litt. Die Krankheit hatte ungefähr vor acht Tagen mit Leibſchmerz, Verſto⸗ pfung und Erbrechen begonnen. Alle Mittel blieben erfolglos; der Kranke brach alle Minuten gelbliche Maſſen aus; der Bauch war aufgetrieben, aber nicht tympanitiſch; die Zunge belegt, Puls 118 und ſchwach. Tod am zehnten Tage nach dem Beginne des Ue— bels; in der ganzen Zeit keine Stuhlentleerung. In den letzten zwei Tagen war der Leibſchmerz verſchwunden, und der Puls auf 96 gefallen. Bei der Section fand ſich das ileum und jejunum ausgedehnt, und an einigen Stellen von ſechsfachem Umfange, Ta— ſchen bildend, welche faeces enthielten; die Faͤrbung dieſer Darme theile war wie die des dunkelen Portweins; Magen geſund, Dicke darm enger, als gewoͤhnlich. In dem unteren Theile der rechten Seite der Bauchhoͤhle fand ſich der eigentliche Sitz des Uebels, es war daſelbſt eine Oeffnung im Gekroͤſe, durch welche eine Portion des Duͤnndarmes hindurchgedrungen war; der Darm war an dieſer Stelle ſehr verengt und bot alle Erſcheinungen einer Strictur dar; er war verengt, aber noch wegſam. Oberhalb der Strictur war der Darm ausgedehnt und gefaͤßreich, unterhalb derſelben normal. (Dublin Journal, July 1844.) Bibliographische Cours de microscopie complémentaire des études medicales. Anatomie microscopique et physiologie des fluides. Atlas exécuté d’apres nature au microscope-daguerreotype. Par le Docteur Al. Donné etc. et L. Foucault. Livraisons 1 et 2. Paris 1845. Fol. Lucubrazioni sulla flora e fauna dell' Etna e sopra l’origine del- le spelonche nelle Lave di questo Vulcano, del Dott. R. Sa- ra (zu Catanea). Milano 1844. Neuigkeiten. Considerations médico-légales sur l’avortement, suivies de quel- ques reflexions sur la liberté de l’enseignement medical, à ropos d'un proces en cour d'assises. Par M. Halmagrand. Paris 1845. 8. (9 feuilles .) Me&moire sur la valeur reelle de l’orthopedie et specialement de la Myotomie rachidienne dans le traitement des deviations laterales de l’Epine. Par Malgaigne, Paris 1845. 8. Dr. F. O. Lietzau: Lehrbuch der fpeciellen Therapie. Lieferung I. Berlin 1845. — — . — Neue Wotizen aus dem Gebiete der Natur- und Beil kunde, geſammelt und mitgetbeitt von dem Ober-Medieinalratde Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorieſp zu Berlin. No. 714. (Nr. 10. des XXXIII. Bandes.) Februar 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3%, 895 Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 f 30 2%, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 95 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 95 Nat u ren u mn d e. Unterſuchungen uͤber die Structur und Beſchaf— fenheit des innerſten Gewebes der Knorpel. Von Herrn A. Valenciennes. Die Unterſuchung der feſten Theile des lebenden Kör: pers iſt in neuerer Zeit mit der gewiſſenhafteſten Genauig— keit vorgenommen worden. So hat man die Structur der Knochen in den verſchiedenen Stadien ihrer Entwicklung ſtreng beobachtet, und die geſchickteſten Anatomen haben durch dergleichen Arbeiten die Wiſſenſchaft außerordentlich gefoͤrdert. Bei der Unterſuchung der Knochen in deren verſchiede— nen Stadien mußte naturlich dasjenige zuerſt beruͤckſichtigt werden, wo dieſelben noch eine knorpelartige Beſchaffenheit haben. Wenn man den Zeitpunct genau beſtimmen koͤnnte, wo ein ſo zuſammengeſetzter Koͤrpertheil, wie die Knochen es ſind, aus dem Zuſtande der groͤßten Weichheit und Geſchmei— digkeit in den der Feſtigkeit und Starrheit uͤbergeht, wie wir ihn an erwachſenen Thieren bemerken, ſo wuͤrde man eine der intereſſanteſten Aufgaben der Organogenie geloͤſ't haben. Zur Loͤſung deſſelben kann der Anatom offenbar keinen zweckmaͤßigern Weg einſchlagen, als daß er zuvoͤrderſt die Natur der Knorpel genau ſtudirt. Diejenigen Anatomen, welche ſich bisher mit dieſen Forſchungen befaßt haben, unterſuchten nun aber, mochten ſie nun ihre Beobachtungen am Menſchen oder an Thieren, anſtellen, faſt durchgehends ſolche Knorpel, welche ſich im Laufe ihrer Entwickelung in Knochen zu verwandeln be— ſtimmt ſind. So verfolgte Herr Schwann die Entwickelung der Urs und Elementarzellen und die der cytoblaftifhen Blaͤs— chen in den Kiemdeckelſtrahlen ganz junger Fiſche, ſowie an den Larven der Batrachier, z. B., das Pelobates fuscus. Die Herren Prevoſt und Lebert haben uns eben- falls intereſſante Aufſchluͤſſe über die Entwickelung der chor- No. 1814. — 714. da dorsalis der Larven der Batrachier gegeben, und was dieſe geſchickten Beobachter uns uͤber das Auftreten der Knorpelzellen und Bläschen mittheilen, bezieht ſich lediglich auf Gewebe, die zwar noch nicht verknoͤchert, aber es zu werden beſtimmt ſind. Andere Anatomen haben das Knorpelgewebe in einer allgemeinen Weiſe ſtudirt; ſie haben die Knorpel, welche eigentlich nicht verknoͤchern, d. h., die aͤchten Knorpel, mit dem Gewebe derjenigen Organe verglichen, welchen Bichat die Benennung: Faſerknorpel beigelegt hat. Allein bekanntlich bieten alle dieſe Gewebe bei'm Mens ſchen häufig den Zuſtand der Verknoͤcherung dar. Patholo⸗ giſche Faͤlle, welche allerdings ſelten ſind, haben ſogar dieſe Hinneigung zur Verknoͤcherung bei dem Knorpel der Naſen— ſcheidewand dargethan. Aus den gehaltvollen Schriften der HHrn. Mieſcher, welche nach der Anleitung von Purkinje, Meckauer, Valentin, Arnold, Mandl, Henle ıc. verfaßt find, ergiebt ſich, daß keiner dieſer Beobachter ſeine Aufmerkſam⸗ keit denjenigen Knorpeln gewidmet hat, die ſelbſt waͤhrend eines ſehr langen Lebens ihre knorpelige Beſchaffenheit bei— behalten. Bei Thieren, die einen von dem menſchlichen ſehr ab— weichenden Organiſationstypus darbieten, finden ſich aller⸗ dings Knorpel, welche nie verknoͤchern. Bei manchen bleibt das ganze Skelet, bei andern bleiben einzelne Theile deſſel— ben fortwaͤhrend knorpelig. Die Zoologen haben deren Ge— ſtalt bisjetzt noch nicht vollſtaͤndig beſchrieben. Dieſe Thiere gehören den Claſſen an, mit denen ich mich feit langer Zeit ſpeciell beſchaͤftigt habe, und die ich noch lange vorzugsweiſe zu ſtudiren gedenke, naͤmlich den Weichthieren und Fiſchen. Die Zoologen bezeichnen den Kopfknorpel der Sepien, Polypen, des Calmars als das erſte Rudiment des zuſammen— geſetzten Skelets der Thiere eines andern Organiſationstypus. Allein jene Geſchoͤpfe beſitzen noch andere, durch ihre Groͤße, Staͤrke, Lage merkwuͤrdige knorpelige Theile, deren die Zoologen nicht erwaͤhnen, indem ſie wahrſcheinlich in der vorge— 10 147 faßten Meinung befangen waren, daß die Thiere diefer Ab: theilung kein rudimentaͤres Skelet beſaͤßen. Ich meine hier die knorpeligen Theile, welche unter dem Vordertheile des Ruͤckenſchildes liegen, und die von dieſem feſten Theile durch— aus unabhaͤngig ſind. An der untern Flaͤche des Koͤrpers haben dieſe Thiere ebenfalls einige Knorpel. Man findet deren auch in dem Apparate des Ruͤſſels der Gaſteropoden, z. B. der Buccinen. Bekanntlich giebt es auch Fiſche, deren Skelet ſich waͤhrend ihrer ganzen Lebensdauer nicht verknoͤchert. Die Chondropterygier bilden eine zahlreiche Gruppe, welche fo ſchroffe Unterſchiede darbietet, daß manche Zoologen daraus eine eigene Claſſe haben bilden wollen. Wollte man ſich fuͤr dieſe Maaßregel entſcheiden, ſo wuͤrde man nicht wiſſen, ob man die Chondropterygier uͤber oder unter die uͤbrigen Fiſche zu ſtellen haͤtte. Mehrere Knorpelfiſche, z. B., die Rochen und Haie, ſtehen ruͤckſichtlich der Bildung des Ohres und der Geſchlechtstheile den Amphibien nahe, waͤhrend andere, z. B., die Lampreten, eine ſo hoͤchſt einfache Organiſation darbieten, daß man ſie kaum fuͤr Wirbelthiere anerken— nen moͤchte. Unter den Rochen findet man Species, welche eine Schwere von 10 bis 12 Centnern erreichen; unter den Haien ſolche, welche noch drei bis vier Mal ſchwerer und 36 — 45 Fuß lang werden. Es hat mich oft Wunder genommen, daß die Anato— men das Knorpelſkelet dieſer Thiere nicht naͤher unterſucht haben; denn offenbar wuͤrden wir durch das Studium der Beſchaffenheit der Knorpel dieſer Geſchoͤpfe zur richtigen Er— kenntniß der Natur der ſogenannten aͤchten Knorpel gelangen. Henle, welcher uͤber derartige Gegenſtaͤnde am Aus— fuͤhrlichſten geſchrieben hat, citirt durchaus keine Forſchungen, welche zu dem Zwecke unternommen worden wären, die wahre Beſchaffenheit der Knorpel auf vergleichend-anatomi— ſchem Wege darzuthun. Er fuͤhrt ſogar an, Muͤller habe das Kopfſtuͤck der Cephalopoden nicht naͤher unterſucht, und in dem des Calmars habe er keinen Gallertſtoff gefun— den. In einem ſonſt ſehr gruͤndlichen Werke uͤber die all— gemeine Anatomie wird es endlich als problematiſch betrach— tet, ob die Kiefer der Gaſteropoden, der Liebespfeil der Schnecken, das elaſtiſche Band der Bivalven knorpeliger Art ſeyen oder einer andern Claſſe der organiſchen Gewebe an— gehoͤren. Zur Erledigung dieſer, mit dem Gegenſtande meiner ſpeciellen Studien zuſammenhaͤngenden Fragen, habe ich mich mit Unterſuchungen uͤber die innerſte Structur der fe— ſten Theile der Thiere beſchaͤftigt, indem ich die Be— ſchaffenheit der Knorpel der Chondropterygier und Mollus— ken mit der der Knorpel der Wirbelthiere uͤberhaupt ver— glich, um die genaue Definition eines aͤchten Knorpels auf— ſtellen zu koͤnnen. Allmaͤlig hat meine Arbeit bedeutend an Umfang zu— genommen, und um ſie der Academie in der gehoͤrigen Ord— nung vorlegen zu koͤnnen, habe ich die Beobachtungen und Reſultate in beſondere Abſchnitte zerfaͤllen muͤſſen. Die un— terſuchten Organe habe ich, um deren Vergleichung leichter 714, XXXIII. 10. 148 und anſchaulicher zu machen, ſaͤmmtlich in demſelben Maaß⸗ ſtabe abbilden laſſen. Es haͤlt gegenwaͤrtig ziemlich ſchwer, die Beobachtun— gen der verſchiedenen Anatomen ſo zuſammenzufaſſen, daß man zu einer genauen Definition des Knorpels gelangt. Sie laͤßt ſich ſo aufſtellen: der Knorpel iſt ein feſter, mehr oder weniger elaſtiſcher Koͤrper ohne Gefaͤße und Nerven, welcher aus einer homogenen Grundſubſtanz beſteht, die fa— ſerig werden kann, und in der eine große Menge blaͤschen— foͤrmige Hoͤhlen eingeſprengt liegen. Wir wollen nun unterſuchen, wie ſich die Knorpel der Fiſche darſtellen. Bei den Rochen und den übrigen Plagioftomen dieſer Familie erſtaunt man uͤber die regelmaͤßige Anordnung der Knorpelblaͤschen. Die Elementarzellen nähern ſich einander und bilden ſo eine Art von Knorpelhaut (perichondrium). In gewiſſen Abſtaͤnden verdickt ſich die innere Oberflaͤche dieſer Schicht, und von den ſo entſtehenden Knoten ſieht man die eytoblaſtiſchen Bläschen nach allen Richtungen ſtrah— lenfoͤrmig ausgehen. Nach der Mitte zu werden ſie ſeltener und groͤßer. Dieſe Blaͤschen ſind mit außerordentlich kleinen Koͤrnchen gefüllt, deren Durchmeſſer kaum „I; bis 258 Millim. beträgt. Uebrigens giebt es auch Bläschen, die durchaus keine ſolche Koͤrnchen enthalten. So iſt die Structur des Knorpels bei der Raja cla- vata beſchaffen, die ich als tertium comparationis auf- ſtelle. Dieſelbe Anordnung iſt im Allgemeinen bei'm Zitters rochen, bei dem Meeradler des Mittelmeers (Myliobates communis), bei dem Meeradler der Kuͤſte Malabar, bei Rhinopterus anzutreffen. Die Bläschen find nur kleiner oder weniger klein, und bei der letzten Gattung ſind ſie, z. B., um Vieles kleiner. Die Grundſubſtanz des Knorpels beſteht aus ſehr gro— ßen Zellen, deren Wandungen kaum ſichtbar ſind. Bei Squalus konnte ich in dem Parenchym der Knor— pel keine Spur von Zellen mehr auffinden, indem dieſe vollſtaͤndig mit der Subſtanz verſchmolzen ſind, welche ſich wie geronnener Schleim ausnimmt. Die Bläschen des Schaͤdelknorpels von Squalus glacialis find laͤnglich, haͤu⸗ fig ſogar roͤhrig. Sie treten bei demjenigen des Emmis— sole (2), ſowie in den Wirbelknorpeln des Speerhai's in ſphaͤriſcher Geſtalt auf und bilden gerade parallele Reihen. Dieſe Richtung findet ſich auch in den Knorpeln des Störs. Bei den arctiſchen und antarctiſchen Chimaͤren ſind die Blaͤschen der Knorpel ungemein winzig und kreisfoͤrmig ges ordnet. Ich habe die Schnur oder den langen Cylinder unter— ſucht, welcher durch ſaͤmmtliche Ruͤckenwirbel ſtreicht und dieſelben miteinander verbindet. Ich habe geſehen, daß dieſe Schnur ihrer ganzen Laͤnge nach einen duͤnnen Canal ent— haͤlt, aber auf den Laͤngs- oder Queerdurchſchnitten derſel— ben habe ich auch nicht das geringſte Blaͤschen erkennen koͤnnen. Ich kann dieſelbe alſo gegenwaͤrtig nicht fuͤr einen Knorpel halten, wenngleich ſie ſich aͤußerlich wie ein ſolcher ausnimmt. 149 Die Cycloſtomen haben mir unter den Fiſchen eine vers ſchiedene Anordnung dargeboten, welche der Aufmerkſamkeit des Naturforſchers ſehr wuͤrdig ſcheint. Man moͤchte glau— ben, man haͤtte das Elementargewebe einer Pflanze auf dem Gegenſtandstraͤger des Mikroſkops; ſo ſcharf und rein ſtellen ſich die Zellen dar. Dieſe Zellen enthalten ſehr gro— ße Blaͤschen mit duͤnnen Wandungen, und alle dieſe Blaͤs— chen ſind leer. Die vergleichend-anatomiſche Unterſuchung des Gaste— robranchus und der Myxine ſcheint zu beſtaͤtigen, daß die Cycloſtomen hoͤher organiſirt ſind, als die Lampreten; denn aus der mikroſcopiſchen Structur ihrer Knorpel ergiebt ſich eine außerordentliche Dichtigkeit ihrer Grundſubſtanz, und die Schaͤrfe, in der ſich der Durchſchnitt der Blaͤschen darſtellt, ſpricht dafuͤr, daß die Knorpel hoͤher organiſirt ſeyen, als die der Squalen, ja vielleicht ſelbſt die der Ro— chen. Von dem Unterkiefer der Myxine laſſen ſich duͤnne Schichten in der Art abſchneiden, daß man dann die Blaͤs— chen in Geſtalt von Ringen ſieht, durch welche hindurch man den Grund des Gegenſtandtraͤgers erblickt. Die Schnur der Lamprete iſt durchaus von derſelben Beſchaffenheit, wie die des Stoͤrs, und ſcheint mir deßhalb ſo wenig ein Knorpel zu ſeyn, wie die des letztern. Um uͤber dieſen Punct eine ganz beſtimmte Meinung abzugeben, muß ich jedoch warten, bis ich friſche Exemplare habe un— terſuchen koͤnnen. Denn die von mir bisher unterſuchten waren in Alcohol aufbewahrt worden. Squalus squatina beſitzt ähnliche Bläschen, wie der Roche, aber ſie bilden bei ihm ſchraͤge Reihen, und ſie ſind ſtellenweiſe zu Gruppen von gleicher Groͤße angehaͤuft. Wenden wir uns nun zu den Mollusken, ſo beſteht der Kopfknorpel des Calmars aus einer ſehr ſpaͤrlichen oder lockern Grundſubſtanz. Die Zellen ſind viel groͤßer, als bei den Rochen, die Blaͤschen klein und kleine umſchriebene Gruppen bildend. Der Knorpel des Tintenfiſches ſchien mir von dem des Calmars nur in Betreff der Kleinheit der Zel— len abzuweichen. Nach dem bloßen Anſehen der Blaͤschen und Zellen der Grundſubſtanz laͤßt ſich leicht abnehmen, daß dieſe Knor— pel ein viel lockereres Gefuͤge haben, als die der Fiſche; al— lein ſie bieten uͤbrigens daſſelbe Verhalten, dieſelbe Einfach— heit in ihrer innerſten Structur dar. Ich habe die uͤbrigen feſten Theile der Mollusken un— terſucht, aber weiter keine angetroffen, die dem Knorpelge— webe angehoͤrten. Muͤller entdeckte in den Knorpeln die eigenthuͤmliche Subſtanz, welche er Chondrine nannte. Sie laͤßt ſich bekanntlich durch Alaun niederſchlagen, was bei der Gela— tine nicht der Fall iſt, waͤhrend dieſe die Eigenthuͤmlichkeit beſitzt, daß ſie gegen den Gerbeſtoff reagirt. Aus der chemiſchen Unterſuchung der Knorpel der Fi— ſche und Mollusken ergiebt ſich, daß die der Squalen ſehr viel, die der Rochen dagegen ſehr wenig Chondrine beſitzen. Wenn die Knorpel der Rochen nur einige Tage macerirt worden ſind, ſo findet ſich in ihnen keine Spur mehr davon. 714. XXXIII. 10. 150 In dem Kopfknorpel des Calmars fanden wir nur ge— ringe Spuren von Chondrine, waͤhrend die verſchiedenen Knorpel der Mollusken eine ſehr bedeutende Quantitaͤt Ge— latine enthalten. Auch haben wir ermittelt, daß die Knorpel dieſer Thiere eine ſehr anſehnliche Menge Waſſer, wenigſtens 86 Pro— cent, enthalten. Als Schlußfolgerungen laſſen ſich folgende Saͤtze auf: ſtellen: 1. Bei den Knorpeln der Chondropterygier enthaͤlt die Grundmaſſe zahlreiche Blaͤschen. 2. Dieſe Blaͤschen ſind darin nicht unregelmaͤßig ein— geſprengt. 3. Sie find vielmehr darin ſtets fo regelmäßig geord— net, daß man danach das Genus und die Species, welchen der unter dem Mikroſkope befindliche Knorpel angehoͤrt, be— ſtimmen kann. 4. Alle dieſe cytoblaſtiſchen oder oſteoblaſtiſchen Blaͤs— chen find hohl und nicht maſſiv. 5. In keinem dieſer Knorpel ſind Roͤhrchen zu be— merken. 6. Die elaſtiſche Subſtanz, welche durch die ganze Wirbelſaͤule der Chondropterygier ſtreicht, die ſogenannte Schnur, enthaͤlt keine Blaͤschen und gehoͤrt einer andern Art von Geweben an. 7. Die Knorpel der Mollusken bieten die naͤmliche Structur dar. 3. In den Knorpeln der Cephalopoden ift Gelatine in Menge enthalten. 9. Der an den Magen anliegende Griffel-Knorpel (stylet) der Bivalven und deren Bänder gehören einer anderen Claſſe von organiſchen Geweben an. Ich werde die Academie erſuchen, mir zu erlauben, ihr die Reſultate meiner Beobachtungen uͤber die verknoͤcherungs— fähigen Knorpel der Wirbelthiere aus anderen Claſſen in einer beſonderen Abhandlung vorzulegen. (Comptes ren- dus des Séances de l’Ac. d. Sc., T. XIX. No. 22., 25. Nov. 1844.) Beſchreibung der Coralleninſel Henuake, einer der Rurik-Inſeln. Am 19. Auguſt bekamen wir Henuake, Honden oder Hundeinſel zu Geſicht, und gegen Mittag langten wir bei derſelben an. Die Boote wurden ſogleich ausgeſetzt, um eine Landung zu verſuchen. Die Brandung an der Kuͤſte war ſehr heftig, allein dennoch gelang es den Booten, zu landen. Die vielen Voͤgel, welche die Inſel umſchwebten, deuteten ſchon darauf hin, daß ſie unbewohnt ſey, und dieß fand ſich auch ſo. Vom Schiffe aus wurde mittlerweile die geographiſche Aufnahme der Inſel begonnen, aber bis zum Einbrechen der Nacht nicht vollendet. Am folgenden Morgen ward eine neue Landung bewerkſtelligt, um die Unterſuchung der Inſel zu vollenden, und wir brachten den groͤßten Theil des Ta— ges auf derſelben zu. Nicht weit von der Stelle, wo wir 10% 151 andeten, befand ſich ein Canal, der früher mit der kleinen Mittellagune der Inſel communicirte, und auf der entge— gengeſetzten Seite der Inſel zeigten ſich Spuren von einem ahnlichen Canale. Beide lagen trocken, und nur bei den hoͤchſten Fluthen kann die See noch in die Lagune eintreten. Unſern damaligen Beobachtungen zufolge, betraͤgt das Fallen der Ebbe im zweiten und letzten Viertel des Mondes 3 Fuß, und erreicht die Fluth zur Zeit des Vollmondes und der Mondwechſel um zwei Uhr Nachmittags ihren hoͤchſten Stand. In gleichem Niveau mit der Fluthhoͤhe ſieht man viele derbe Corallenbloͤcke, die aͤußerlich vollkommen ſchwarz, aber auf dem Bruche weiß ſind. Die weiße Corallenbank, welche bei der Fluth unter Waſſer ſteht, war 200 Fuß breit und ragte zur Zeit der tiefften Ebbe 2 Fuß aus dem Waſ— ſer hervor. Ihre Oberflaͤche iſt durchaus horizontal, allein es befinden ſich darin viele Loͤcher und Laͤngsſpalten. Auf ihr liegen die derben Corallenmaſſen, von denen ſoeben die Rede geweſen iſt, und die ſich unter dem Corallenſande ver— lieren. Sie liegen 10 bis 12 Fuß breit. Das Corallen— ſandufer, welches ſich uͤber der derben Corallenbank hebt, ſteigt unter einem Winkel von 47° bis zu 8 Fuß ſenkrechter Höhe über die letztere. Oben auf der Sandkuͤſte liegen kleine, von der See ausgeworfene Corallenſtuͤcke um die Wurzeln und Staͤmme der 15 bis 20 Fuß hohen Baͤume und Buͤ— ſche umher. Das Waſſer in der Lagune fanden wir durch— aus ſalzig und ſehr warm. Der Grund derſelben war auf eine breite Strecke mit einem Niederſchlage von feinem Krei— deſchlamm belegt, der etwa I Fuß maͤchtig war. Wahr: ſcheinlich war durch Verdunſtung das Salz in dem Waſſer der Lagune concentrirt worden. Jedenfalls war das letztere weit ſalziger, als das der See. In dieſem Schlamme wuchs der Portulak aͤußerſt üppig. Von den tieferen Stellen der Lagune verſchafften wir uns einige ſchoͤne Corallenexemplare. Von Bewohnern war auf der Inſel nirgends eine Spur zu entdecken. Der Naturzuſtand, in welchem die Vögel lebten, bewies hinlaͤnglich, daß wenigſtens ſeit laͤnge— rer Zeit keine Menſchen dort gewohnt haben konnten. So— wohl in der Lagune, als in der benachbarten See, wimmelte es von Haifiſchen, die fo gierig waren, daß fie in die Ru— der biſſen. Es war keineswegs vergnuͤglich, bis zum Boote durch die Brandung ſchwimmen zu muͤſſen, waͤhrend dieſe gefaͤhrlichen Thiere ſich in Menge um uns befanden. Wenn man eine Coralleninſel betritt, ſo ſchwinden auf der Stelle alle etwaigen Taͤuſchungen, in denen man ruͤck— ſichtlich der Schoͤnheit derſelben befangen geweſen ſeyn mag, Das Gruͤn, mit welchem die Inſel, aus der Ferne geſehen, wie mit einem Teppich uͤberzogen erſchien, ruͤhrte in der That nur von einem drahtartigen Graſe her, welches das Gehen ſehr erſchwerte, und nirgends zeigte ſich eine Blume oder Frucht. Das Gras ſproßte zwiſchen den rauhen Co— rallenbrocken hervor, und es war nur ſehr wenig Sand und Dammerde zu bemerken. Die vorzuͤglichſten Baͤume und Straͤucher gehörten den Gattungen Pandanus, Boerhaa- via und Pisonia an. Man mußte ſich wundern, daß auch einige 40 — 50 Fuß hohe Baͤume in dem duͤrftigen Bo— den genug Schutz fuͤr ihre Wurzeln gefunden hatten. Die 714. XXXIII. 10. Haushuhn vorgekommen, 152 meiſten Baume ſind indeß verkruͤppelt, 10 — 15 Fuß hoch und 15 Fuß ſtark. Van Scouten und Le Maire beſuchten dieſe In— ſel am 10. April 1616, alſo vor mehr, als 200 Jahren, und fanden ſie ſchon damals mit Vegetation bedeckt. Wenn ſie dieſelbe genau beſchrieben haben, ſo muß dieſelbe gegen— waͤrtig hoͤher ſeyn, als damals, denn ſie gaben an, ihres Erachtens werde dieſelbe zur Zeit der Fluth faſt ganz unter Waſſer geſetzt, was gegenwaͤrtig ſicher nicht der Fall iſt. Der Mittelpunct der Inſel liegt unter 14° 55“ 40“ ſ. Br. und 138° 47“ 36“ w. L. Die Zahl der auf der Inſel hauſenden Voͤgel uͤberſtieg allen Glauben, und ſie waren ſo zahm, daß man ſie von den Neſtern ſtoßen mußte, wenn man ſich ihrer Eier be— maͤchtigen wollte. Der ausgezeichnetſte darunter war der Fregattenvogel (Tachypetis aquilus). Viele Baͤume ſtarrten von deren Neſtern, die aus einigen duͤrren Zweigen gebaut waren. Wenn die alten Vögel aufflogen, blieſen fie ihre blutrothen Halstaſchen bis zur Groͤße eines Kindsko— pfes auf, ſo daß es ſich ausnahm, als ob ſie einen großen Beutel am Halſe truͤgen. Die Rothgaͤnſe (Pelecanus bassanus), ſchwarzen Seeſchwalben (Sterna fissipes) und der ſchoͤne Tropenvogel waren in zahlloſer Menge vor— handen. Die erſtern huͤteten ihre, auf die bloße Erde geleg⸗ ten Eier ſehr ſorgfaͤltig und ließen ſich ſogar ohne alle Schwierigkeit greifen. Ihr heiſeres Geſchrei war faſt be— taͤubend. Mancher unterhaltende Auftritt kam vor, indem z. B, Krabben mit kleinen Schlangen in den Scheeren da— hin wanderten und unterwegs ſelbſt von irgend einem ſtar— ken Vogel ergriffen und fortgeſchleppt wurden. Ganze Heer— den von Piraten» Krabben (Paguri) bewegten ſich nach als len Richtungen. Wir unterhielten uns ſehr gut und ſpar— ten unſer Pulver und Blei, da wir ſo viele alte und junge Exemplare, als wir nur begehrten, mit den Haͤnden fangen konnten. Mehrere Tropenvoͤgel wurden vom Neſte wegge— hoben, andern die Eier unter dem Bauche weggenommen, ohne daß ſie ſich ſtoͤren ließen. Wirklich iſt mir nie ein welches halb ſo zahm geweſen waͤre. Die verſchiedenen Schlangen, bunten Fiſche, gewaltig großen Aale, rieſigen und gefaͤßigen Haifiſche, Muſcheln, großen Weichthiere, Spinnen und merkwuͤrdigen Lepidopte— ren ſchienen ſich hier voͤllig im Naturzuſtande zu behagen, und boten uns in ihrer Vereinigung ein ebenſo neues als intereſſantes Schauſpiel dar, von dem wir uns erſt gegen Abend trennten, wo wir, mit naturhiſtoriſchen Schaͤtzen be— laden, auf unſer Schiff zuruͤckkehrten. Noch bemerke ich, daß, wie auch Capitaͤn Fitzroy angiebt, keine Cocospalmen auf der Inſel wachſen, ſowie auch kein ſuͤßes Waſſer auf derſelben angetroffen wird. An der Kuͤſte fanden ſich einige zerbrochene Ruder und die Truͤm— mer eines Bootes; doch konnte in Betreff derſelben nichts Naͤheres ermittelt werden. (Aus dem vor Kurzem erſchiene— nen Narrative of the United States Exploring Expe- dition during the years 1838, 1839, 1840, 1841 & 1842. By C. Wilkes.) 153 Miscellen. Ueber eine Art von Selbſtmord eines Hundes fin⸗ det ſich in einer Zeitung von Leeds: „Ein ſchoͤner ſchwarzer Newfoundland⸗Hund hat ſich am letzten Sonnabend in dem Fluſſe erfäuft, der hinter dem Haufe feines Herrns, des Herrn Floyd, Sollicitor zu Holmſirth, fließt. Seit einiger Zeit ſchien das Thier niedergeſchlagen und traurig. Man ſah an dieſem Tage, wie das Thier in's Waſſer ſprang und zu Boden ging, waͤhrend Fuͤße und Beine in voͤlliger Unbeweglichkeit blieben. Das erſte Mal zog man es noch lebend aus dem Waſſer und kettete es anz aber kaum ward es losgelaſſen, als es fortlief und von Neuem in den Fluß ſprang. Dieß wiederholte ſich mehrere Male waͤhrend des Tages. Endlich, als man den Hund zum letzten Male herauszog, war er voͤllig todt. Die Thatſache iſt ſehr merkwuͤrdig, umſomehr, als ſie zeigt, wie weit bei einigen Individuen der Hunderace der Inſtinct geht. Von einem Kakerlaken unter den Fiſchen findet ſich folgende Nachricht in Nr. 29 des Allgemeinen Anzeigers 1845 von 714. XXXIII. 10. 154 Herrn Dr. Haumann in Körner: „Vor mehreren Wochen er: hielt ich einen Schmerl, der alle Merkmale, welche man bei den Kakerlaken beobachtet, an ſich traͤgt. Er hat bei'm fluͤchtigen Be— ſchauen ſehr viel Aehnlichkeit mit den ſogenannten Goldfiſchen, was daher kommt, daß durch ſeine durchſichtige Koͤrperbedeckung die Blutgefäße durchſchimmern. Die Augen dieſes Fiſches find völlig roth, wie die der weißen Kaninchen und anderer ganz weißen Saͤugethiere. Die zunaͤchſt der Wirbelſaͤule verlaufenden großen Gefaͤßſtaͤmme laſſen ſich mit unbewaffnetem Auge erkennen, was auch von dem in den Kiemen umlaufenden ſtaͤrker gefaͤrbten Blute gilt, das bald mehr bald weniger hochroth erſcheint, je nachdem der Fiſch ein⸗ oder ausathmet. Kurz, Pigmentloſigkeit iſt bei ihm das Hauptmerkmal, wie bei allen Kakerlaken. — Bisjetzt befins det er ſich in der Gefangenſchaft — in einem großen, mit Waſſer, das immer erneuert wird, angefuͤllten Glaſe — ganz wohl. Nekrolog. — Der als Menſch fo liebenswuͤrdige wie als Denker und Naturforſcher hochgeachtete Profeſſor Geh. R. R. Henric Steffens zu Berlin, iſt im 72ſten Jahre am 13. Febr. entſchlafen. nee Ueber ein einfaches und ſicheres Mittel, die Catheteriſation ſelbſt in den ſchwierigſten Faͤllen auszufuͤhren. Von Herrn Maiſonneuve. Da ich ſeit einem Jahre ein Hoſpital zu dirigiren habe, wo die mannigfaltigſten und bedenklichſten Krankheiten der Harnwege in großer Zahl vorkommen, ſo habe ich Gelegen— heit gehabt, den Werth der meiſten bekannten Verfahrungs— weiſen des Catheteriſirens in ſchwierigen Fällen aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Allein keine einzige hat mir genuͤgt, und ich wandte daher, gleich den meiſten Aerzten, wieder die gewoͤhnlichſten Mittel an, als ich eines Tages, bei ſehr dringender Gefahr, auf die im Nachſtehenden be— ſchriebene Operation verfiel. Die zu dieſer Operation erforderlichen Inſtrumente ſind: 1) Ein gerader oder gebogener elaſtiſcher Catheter, deſſen Staͤrke der muthmaaßlichen Weite des Canales angemeſſen und der an beiden Enden offen iſt. 2) Eine ſehr duͤnne Bougie von Nr. 1., 2. oder 3., welche ſich in den Canal des Catheters einfuͤhren laͤßt. 3) Ein Seidenfaden oder duͤnner Metalldraht, welcher dazu dient, den Catheter auf die Bougie zu fuͤhren. Das erſte und wichtigſte Tempo der Operation iſt die Einfuͤhrung der Bougie. Allen Practikern iſt bekannt, daß eine ſehr feine und geſchmeidige Bougie jederzeit unſchwer, und zumal ohne Schmerzen, Beunruhigung und Gefahr von Seiten des Pa— tienten, eindringen kann, wo ſich überhaupt ein Catheter einfuͤh— ren laͤßt, und daß ſie ſich ſelbſt in ſehr vielen Faͤllen einbringen laßt, wo dieß mit keinem Catheter irgend einer Art der Fall iſt. Da dieſe Einfuͤhrung voͤllig gefahrlos iſt und gewoͤhn— lich durchaus keine beſonderen Vorſichtsmaaßregeln erheiſcht, ſo kann ſelbſt ein wenig geuͤbter Arzt ſich dieſelbe zutrauen, oder fie von feinem Gehuͤlfen, oder von dem Kranken felbft, vollziehen laſſen. Es giebt indeß Faͤlle, wo es von Nutzen ſeyn duͤrfte, das Ende der Bougie zu biegen oder abzuſtum— pfen, ſowie deren auch vorkommen koͤnnen, wo die bohrer— foͤrmigen Kerzen des Herrn Leroy-d' Etiolles gute Dienſte leiſten wuͤrden. Sobald die Bougie eingefuͤhrt worden, befeſtigt man an deren aͤußeres Ende den ſeidenen Faden oder Metalldraht, den man vorlaͤufig in den Canal des Catheters eingefuͤhrt hat. Nun beginnt das zweite Tempo der Operation, tel ches die Einfuͤhrung des Catheters in die Blaſe zum Zwecke hat. Zu dieſem Ende laͤßt der Chirurgus den Seidenfaden durch einen Gehuͤlfen geſpannt halten und ſchiebt dann den Catheter ſanft auf die Bougie, welche vorher mit Cerat be— ſtrichen worden iſt. Ein gelinder Druck reicht hin, um den— ſelben leicht und ſchmerzlos einzufuͤhren, wenn deſſen Cali— ber dem des Canales entſpricht. Sobald der Catheter in die Blaſe eingedrungen iſt, zieht man die Bougie durch die— ſelbe heraus, und ſomit iſt die Operation vollendet. Wenn man nach dem Auslaufen des Harnes die Sonde heraus— ziehen, aber in der Blaſe eine Bougie liegen laſſen will, welche zur Einfuͤhrung einer ſtaͤrkeren Sonde dienen kann, ſo laͤßt ſich dieß auf eine ſehr einfache Weiſe bewirken. Die mit einem Metalldrahte verſehene Bougie wird in den Ca— theter eingefuͤhrt, und indem man dieſe alsdann herauszieht, haͤlt man den Draht in ſeiner feſten Lage, um die Bougie zu hindern, mit der Sonde herauszugleiten. Damals, als ich auf dieſes Verfahren verfiel, befanden ſich in meinem Saale ſechs mit Harnverhaltung behaftete Patienten, bei welchen das Catheteriſiren ſo ſchwer hielt, daß ich, aller Geduld und Muͤhe ungeachtet, auf die ge— woͤhnliche Weiſe keinen Catheter einfuͤhren konnte. Seit der Anwendung dieſes neuen Mittels hat dieß jedoch nie die ges ringſte Schwierigkeit gehabt. Nicht nur unter meinen Haͤnden hat dieſes Verfahren ſo guͤnſtige Erfolge gehabt; die Huͤlfsaͤrzte und Studenten des Hoſpitales wenden es fortwährend mit dem beſten Re: ſultate an, und waͤhrend ich fruͤher das Catheteriſiren nur in meiner perſoͤnlichen Gegenwart von ihnen vornehmen ließ, 155 wird diefe Operation jetzt von den ungeuͤbteſten Leuten ohne alle Beaufſichtigung, Gefahr und Schwierigkeit ausgefuͤhrt. Ich ſtehe demnach nicht laͤnger an, die Kunde von der— ſelben dem groͤßeren Publicum mitzutheilen, indem ich mich zu folgenden Schluͤſſen berechtigt fuͤhle. 1. Das Cctheteriſiren mit Huͤlfe einer Bougie iſt unter allen bekannten Verfahrungsarten die leichteſte und ſicherſte. 2. Es gelingt überall, wo die übrigen Methoden ir— gend anwendbar ſind. 3. Dagegen gelingt es auch in vielen Faͤllen, wo man ſeinen Zweck auf keine andere bekannte Weiſe errei— chen kann. 4 4. Es ſichert vollkommen vor allen ſchmerzhaften zu: fälligen Beruͤhrungen (tätonnement), vor Zerreißung des Canales, vor dem Einſchlagen eines falſchen Weges von Seiten des Catheters und den daraus erfolgenden zahlreichen uͤbelen Zufaͤllen. 5. Es erfordert durchaus keine beſondere Geſchicklichkeit, ſondern kann von den ungeuͤbteſten Gehuͤlfen angewandt werden. 6. Es macht den ganzen Apparat von Inſtrumenten uͤberfluͤſſig, die man zur Ueberwindung der verſchiedenen Hin— derniſſe in Vorſchlag gebracht hat, und erfordert bloß die allergewoͤhnlichſten Inſtrumente. (Comptes rendus des Séances de l’Acad. d. Sc., T. XX., No. 2., 13. Janv. 1845.) Cyſte in der vorderen Augenkammer. Von John Dalrymple. Hanna P., 16 Jahre alt, ward am 3. Februar 1844 in das Royal Ophthalmie Hospital zu Moorfields aufs genommen. In der vorderen Kammer des linken Auges befand ſich ein rundlicher, oder leicht ovaler Koͤrper, einer Cyſte aͤhnlich, halbdurchſichtig, oder gallertartig, an dem Ciliarrande der iris nach Innen adhaͤrirend. Derſelbe war auch an die innere Vereinigung der cornea und selerotica fixirt, waͤhrend ſein oberer, aͤußerer und ein Theil ſeines inneren Randes frei zu ſeyn ſchien. Der Koͤrper war einer dislocirten Linſe, welche eben anfaͤngt, opak zu werden, nicht unaͤhnlich, nur war er nicht ganz ſo rund und unbeweglich. Er nahm et— was mehr als die Haͤlfte der vorderen Augenkammer ein und verſchloß die Pupille faſt vollſtaͤndig. Der tumor ſchien mit der concaven Seite der Hornhaut in Contact zu ſtehen; aber der aͤußere Rand war frei und leicht gezahnt und von hell— brauner Farbe, waͤhrend das Uebrige der Maſſe nur opa— lescirte. Der aͤußere Rand der Pupille zeigte ſich hinter der— ſelben, und die iris erſchien, ſoweit fie ſichtbar war, glaͤn— zend, von geſunder, nußbrauner Farbe und normalem Aus— ſehen. Auf dem unteren Theile der selerotica waren eis nige wenige gewundene Gefaͤße; das Auge reizbar, ſtark thraͤnend. Die Kranke hatte bis vor 6 Wochen ſehr gut ſehen koͤnnen, ſeitdem aber hatte das Sehvermoͤgen raſch ab— genommen, ſo daß ſie jetzt nur Gegenſtaͤnde, welche ſtark 714. XXXIII. 10. ; 156 nach Links vor fie geftellt werden, und auch dieſe nur undeutlich ſehen kann. Vor s Jahren bemerkte ſie zuerſt einen kleinen Fleck an dem inneren Rande der Hornhaut innerhalb der vorderen Kammer, welcher daſelbſt klar und durchſichtig und von der Groͤße eines Stecknadelknopfes war und bis vor 6 Wochen ſtationaͤr blieb, ſeit welcher Zeit er raſch an Umfang zugenommen hatte. Allgemeinbefinden ſehr gut. Milde Mercurialien und Gegenreize blieben ohne Wirkung, und fo entfchloß ſich Dr. Dalrymple, den tumor zu punctiren. Am 5. Juni wurde eine breite Nadel in den unteren, inneren Theil der Cyſte eingefuͤhrt, an der Stelle, wo dieſelbe am Feſteſten an der Peripherie der Hornhaut zu adhaͤriren ſchien, und als man die Nadel auf ihrem Rande herumdrehte, floß eine halb opalescirende, ſeifenartig anzufuͤhlende Flüffigkeit ab, wo— rauf die Cyſte betraͤchtlich zuſammenfiel und die Pupille faft ganz frei wurde. Zwei Dritttheile der iris waren jetzt ſicht— bar, der Pupillarrand ganz frei, und das Sehvermoͤgen her— geſtellt. Eine leichte auf die Punction folgende Reizung machte die Application eines Blaſenpflaſters noͤthig, aber am fol— genden Tage hatte die Cyſte beinahe wieder ihren fruͤheren Umfang erreicht. Am 8 Juni wurde die Pupille von Neuem theilweiſe ſichtbar, und bis zum 19. Juni verkleinerte ſich die Cyſte allmaͤlig, bis 3 der Pupille ſichtbar wurden. Sie war auch weit durchſichtiger geworden, und man konnte nun eine bedeutende Oeffnung in der iris an der inneren Seite, rund um welche herum die Eyſte feſt adhaͤrirte, etz kennen. Im Verhaͤltniſſe, als die Cyſte kleiner wurde, nahm der humor aqueus in der vorderen Kammer an Menge zu, und alle Reizung in Folge der Operation war beſeitigt. Am 22. Juni neue Punction, Entleerung des ganzen In— haltes der Cyſte, worauf nur die flockenartige Membran der— ſelben zuruͤckblieb. Am 26. Juni erſchien die Cyſte ganz leer, ihre duͤnnen membranoͤſen Wandungen abgeflacht, au— genſcheinlich an der concaven Seite der Hornhaut adhaͤrirend, und fo durchſichtig, daß man hinter denſelben die iris leicht erkennen konnte. Man ſah nun deutlich ein großes Loch an der inneren Seite der iris, welches faſt bis zum Pupillar— rande hinreichte, der an dieſer Stelle unregelmaͤßig und ge— wiſſermaaßen in ſich ſelbſt zuruͤckgerollt war. Durch die Oeffnung in die iris zogen ſich fibrinöfe, oder membranoͤſe Streifen hin, an welchen die Baſis der Cyſte augenſcheinlich adhaͤrirte. 6. Juli. Pupille rund, ſchwarz und frei, Sehvermoͤgen gut. Kranke wurde entlaſſen. (Lancet, Aug. 1844.) Cyſte leer, Wandungen noch durchſichtiger, Die Ueber die Behandlung der lepra vulgaris. Von Dr. J. C. Hall. Im December 1843 nahm ein Mann von dreißig Jahren, mittlerer Statur und hellem Haar, welcher von den Pocken arg mitgenommen worden zu ſeyn ſchien, mei⸗ nen aͤrztlichen Rath in Anſpruch. Er erzaͤhlte mir, daß er vor 3 bis 4 Jahren von lepra befallen worden ſey, und 157 die verſchiedenartigſten Mittel, unter Andern die solutio Fow- leri, ohne Erfolg in Anwendung gezogen habe. Das Uebel hatte ſich zuerſt am Ellenbogen und am Knie gezeigt, und ſich von da aus uͤber den groͤßeren Theil des Koͤrpers ver— breitet; jetzt waren beſonders die Haͤnde und die Wurzeln der Naͤgel afficirt und große Stellen bedeckten den untern Theil des Leibes. Die Fingernaͤgel waren ſtark verdickt, opak, von ſchmutzig-gelblicher Farbe und an den Enden um— gekruͤmmt. Die Haut war entzuͤndet und das Jucken faſt unertraͤglich. Die ſchuppigen Stellen variirten an Umfang von dem eines Sechſers bis zu einem Viergroſchenſtuͤcke. An einigen Stellen des Koͤrpers ſchien das Uebel nur auf die epidermis beſchraͤnkt, an andern dagegen war auch die cutis in dasſelbe hineingezogen. Der Puls war voll, die Zunge belegt, und der Kranke hatte in der letzten Zeit ſehr an Fleiſch und Kraft abgenommen. Ich ließ die Theile mit duͤnner Hafergruͤtze und Waſſer waſchen, einen Aderlaß von 14 Unzen anſtellen und verordnete KR Pill. coerul., Extr. Hyoscyami, — Colo. compos. 3j M. f. pill. xjj. DS. Abends zwei zu nehmen. R Magn. sulphur. 3j, — carbon. 9, Ad. Cinnamomi 5vjjj. und Mittags 1 Unze zu nehmen. Nach acht Tagen kam der Kranke wieder zu mir; die Zunge war rein, und das Allgemeinbefinden gebeſſert, das Hautleiden faſt unveraͤndert (Mixtur und Pillen fortzuſetzen, Aderlaß von 12 Unzen, Milchdiaͤt). Am naͤchſten Sonna— bend war das Jucken ſehr gemildert, das entzogene Blut war, wie das erſte Mal, becherfoͤrmig geweſen (Aderlaß von 6 Unzen, Mittel dieſelben). Der Kranke gewinnt an Fleiſch, das Allgemeinbefinden beſſer (ein warmes Bad alle drei Ta— ge von 90° F. (26° R.); Waſchen der am Staͤrkſten affi⸗ cirten Theile alle drei Tage mit kuͤnſtlichem Harrowgate- Waſſer nach Hrn. Duffin's Vorſchrift [Solve Magn. sulphur. 3jj, Kali bitartar. gr. Xx, Sal. polychr. 37 in Aq. fervid. Zxxjv. Die Temperatur bei der Anwendung ſey 95° F. = 28° R.]; ferner R Pill. Plummeri gr. vjjj alle Abend. K Lig. Arsenici et t Mercur. late 35. Syr. Zingiberis 5); Ag. destill. - xh. M. DS. Ein Eßloͤffel 2 Mal täglich.) Die Doſis des lig. Arsen. et Mercur. hydroiod., anfangs gtt. XXX. 2 Mal taͤglich, wurde nach 8 Tagen auf gtt. XXX. 3 Mal taͤglich und dann allmaͤlig bis auf Stt. XXXX. 3 Mal täglich erhöht, und das Mittel fo lange gebraucht, bis ein Schnellerwerden des Pulſes, Steifheit der Augenlider und eine belegte Zunge mit rother Spitze und Raͤndern das Mittel auf 8 Tage auszuſetzen riethen. Der Kranke erhielt ein ſaliniſches Abfuͤhrmittel, und nachdem die ebenerwaͤhnten Medicinalſymptome verſchwunden waren, wurde das Mittel von Neuem gegeben und anhaltend fort— gebraucht. Außerdem oͤrtlich M. DS. Abends 714. XXXIII. 10. 158 R Ung. hydrarg . nitr. diluti, Ung. picei 5 . 236 M. f. ung. Der lig. en wurde länger, als 2 Monate hin— durch, in der oben angegebenen Doſis mit einem Zwiſchen— raume von nur einem Monat gegeben, dann 10 Tage lang ausgeſetzt, und darauf zu 20 Tropfen 3 Mal taͤglich noch 6 Wochen lang fortgebraucht, worauf der Kranke vollkom— men geheilt war. Am 6. April 1841 kam derſelbe wieder zu mir; er hatte ziemlich unmaͤßig gelebt und vor Kurzem wieder zwei kranke Stellen am rechten Auge und eine an der Hand bemerkt. Ich verordnete von Neuem einen Ader— laß, ein kraͤftiges Purgirmittel und dann den lig. Arsen. auf 4 Wochen, nach welcher Zeit das Uebel ihn ohne Zwei— fel vollſtaͤndig verlaſſen haben wird. In den Bemerkungen, welche der Verfaſſer dieſem Falle anreiht, macht er beſonders auf die im Anfange entzuͤndliche Beſchaffenheit der Krankheit aufmerkſam, gegen welche zu— naͤchſt die geeignete antiphlogiſtiſche Behandlung eingeſchla— gen werden muͤſſe; ſpaͤter erſt, bei paſſivem oder atoniſchem Zuſtande, nuͤtze der Arſenik. (Lancet, June 1844.) Ueber den Einfluß traumatiſcher Verletzungen des Ruͤckenmarkes auf die Krankheiten der Harnwege. Von Segalas.. Dr. Ségalas zieht aus einer Reihe von Beobach— tungen und Verſuchen, die er uͤber dieſen Gegenſtand ange— ſtellt hat, folgende Schlußfolgen: 1) Die traumatiſche Verletzung des Ruͤckenmarks ver— hindert nicht die Secretion des Urins. 2) Sie beeinträchtigt nicht unmittelbar die Zufammens ſetzung deſſelben. 3) Die Miſchungsveraͤnderung, welche ſpaͤter im Harne bemerkbar wird, iſt die Folge einer catarrhaliſchen Entzuͤn— dung der Blaſe, erzeugt durch das laͤngere Verweilen des Harns in derſelben, oder durch die Einwirkung des lie— gen bleibenden Catheters; wobei aber doch noch andere Ur— fahen mit einwirken koͤnnen. 4) Die traumatiſche Paralyſe iſt anfaͤnglich immer mit Harnverhaltung complicirt, und die bei mangelnder Sorg— falt ſpaͤter eintretende incontinentia urinae tritt aus dem Grunde ein, weil die uͤbermaͤßig ausgedehnte Blaſe die Fluͤſſigkeit nicht mehr faſſen kann, und dieſes Organ, wenn heftig entzündet, nicht mehr als réservoir zu functioniren vermag. 5) Die Traumen des Ruͤckenmarks hemmen nicht die Secretion des Saamens. 6) Sie veraͤndern nicht merklich die Zuſammenſetzung des Saamens. 7) Sie bewirken oft Erectionen ohne Aufregung, wo— rauf zuweilen Aufregung ohne Erectionen eintritt. 8) Sie treten nicht immer als anhaltende Hinderniſſe der geſchlechtlichen Vereinigung auf. 9) Sie beeintraͤchtigen weder die Empfaͤngniß, noch die Schwangerſchaft; die Entbindung macht jedoch in ſolchen Faͤllen die Anwendung kuͤnſtlicher Mittel nothwendig. 159 Vom chirurgiſchen Standpuncte aus läßt ſich aus den beigebrachten Thatſachen entnehmen: daß man regelmaͤßig die Blaſe eines jeden von traumatiſcher Paralyſe betroffenen Individuums entleeren muß, jedoch den Catheter in der Blaſe nicht liegen laſſen darf und ſich vor der Anwendung aller Mittel, welche reizend auf die Blaſe einwirken, huͤten muß. (Gaz. méd. de Paris No. 35. 1844.) Neue Verfahrungsweiſe bei Operationen an der Zungenwurzel. Alle Wundaͤrzte ſind einig uͤber die Schwierigkeit, Por— tionen von der Baſis der Zunge zu entfernen; es iſt faſt unmoͤglich, mit dem Meſſer die Operation auszuführen, wenn man das Organ vom Munde aus angreift; abgerechnet den ſchmalen Raum, in welchem agirt werden muß, wird der Kranke oft durch die Blutung faſt erſtickt, und man ſieht ſich genoͤthigt, unverrichteter Sache die Operation aufzuge— ben. Die Ausſicht auf beſſeren Erfolg, wenn man das Dr: gan von Außen angreift zwiſchen dem Unterkiefer und Zun— genbein, iſt nicht viel größer; der Raum iſt zu eng und die daſelbſt liegenden Theile ſind zu wichtig. Sedillot ver— fuhr daher, als er die ganze linke Haͤlfte der Zunge bis dicht an den Kehldeckel hinab, wegen einer krebshaften Af— fection, entfernen wollte, auf folgende Weiſe: nach Entfer— nung des erſten Schneidezahns der linken Seite wurde ein Schnitt durch die Unterlippe und die aͤußeren Bedeckungen des Halſes bis zur Hoͤhe des Zungenbeins dicht neben der Mittellinie geführt, und die Weichtheile durchſchnitten, dann wurde der Unterkiefer vermittelſt einer feinen Saͤge getrennt. Indem nun zwei Gehuͤlfen die Haͤlften des Unterkiefers aus— einander hielten, wurden alle mit der linken Haͤlfte zuſam— menhaͤngenden Weichtheile bis zur Hoͤhe des Gaumenſeegels abgeloͤſ't, die Zunge darauf in der Mitte bis zu ihrer Ba— ſis geſpalten und die linke kranke Hälfte exſtirpirt, indem der Schnitt dieſelbe in der Hoͤhe des Kehldeckels umſchrieb. Die ganze Operation ging ſehr leicht von Statten. Eine Ligatur wurde darauf um die Zungenarterie gelegt, wodurch jede Blutung ſogleich aufhoͤrte. Die beiden Hälften des Unterkiefers wurden aneinader gebracht und vermittelſt einer kleinen Goldplatte, welche mit einem Silberdrahte an die Zaͤhne befeſtigt war, in ihrer Lage erhalten; die Lippe wurde 714. XXXIII. 10. 160 durch die sutura cireumvoluta vereinigt. Die Operirte litt ſo wenig bei der Operation, daß ſie nach derſelben noch ei— nige Zeit aufblieb, um Blutklumpen zu entfernen. Am neunten Tage war die Lippe vollſtaͤndig vereinigt, und Als les verſprach einen guten Ausgang. (Aus Comptes ren- dus in Lond. med. Gaz., April 1844.) Miscellen. Ein Präparat von gallertartigem Krebs legte Dr. Bigger der pathologiſchen Geſellſchaft von Dublin in der Sitzung vom 3. December 1842 vor. Daſſelbe war von einer Frau entnommen, welche vor ungefähr vier Jahren in feine Ber handlung gekommen war. Mehrere Monate hindurch hatte ſie an faſt unaufhoͤrlichem Erbrechen gelitten, dabei Anorexie, Durſt, Schlafloſigkeit, kurz alle Symptome eines bedeutenden organiſchen Leidens, nur Schmerzen waren nicht vorhanden. Die Krankheit hatte nach Verlauf eines Jahres bedeutende Fortſchritte gemacht, die Kranke konnte feſte Speiſen gar nicht mehr und Getraͤnke nur mit Schwierigkeit verſchlucken; jedesmal, wenn mehr als eine halbe Taſſe voll Nahrung genommen war, trat Erbrechen ein. Im Ans fange des zweiten Jahres trat Waſſerſucht hinzu, gegen welche Diure- tica, Mer curialia u. a. Mittel erfolglos angewendet wurden. Ge: gen das Ende des Lebens war die Inonition ungemein ſtark ge- worden, ingesta und egesta waren ſehr gering an Quantitaͤt, und die Excremente haͤufig mit durchſichtigen Hydatiden gemiſcht. Die Kranke collabirte immer mehr und ſtarb vierzehn Tage darauf. Bei der Unterſuchung der Bauchhoͤhle, welche allein geöffnet wer— den durfte, fand ſich viel Fluͤſſigkeit in derſelben, alle Eingeweide mit kleinen, gallertartigen, hydatidoͤſen Koͤrpern bedeckt, welche ſelbſt im Netze und Gekroͤſe vorkamen; Magen ſehr klein, an der cardia betraͤchtlich verdickt, in feinen Geweben alterirt, die Mus- kelhaut durchſcheinend und aller Charactere des Muskels verluſtigz auch der oesophagus erſchien mit in das Uebel hineingezogen. (Dublin Journal, July 1844.) Ferrum sulphuricum in Verbindung mit einem kohlenſauren Alkali als antidotum gegen Blaufäure. J. H. Smith hat mehrere gelungene Verſuche mit dieſen Mitteln an Thieren angeſtellt und wendet beide in Aufloͤſung zu einer Drachme auf je 30 Tropfen der Saͤure an. Wenn im Magen eine ſtarke Säure vorhanden ift, wodurch das Alkali vollkommen neutraliſirt werden wuͤrde, kann man eine große Doſis Magnesia hinzufuͤgen. Man giebt zuerſt die Aufloͤſung des Alkali mit etwas Waſſer, und dann ſogleich die gleichfalls verduͤnnte Eiſenſalzloͤſung (Lancet, Oct. 1844.) Gallertartigen Krebs fand Profeſſor Warren in der Leiche eines fuͤnfundzwanzigjaͤhrigen Mannes faſt in allen Geweben des Koͤrpers, ohne irgendwo eine bedeutende Maſſe darzubieten. In derſelben Leiche fanden ſich nebeneinander das Scirrhoma, Cepha- loma und Gelatinoma. (Lond. med. Gaz., July 1844.) Bibliographische On the Moving Powers ot the Blood. London 1845. 8. Botanique. Monographie generale de la famille des Plantagi- nees. Par F. Marius Barneoud. Paris 1845. 4. By Dr. G. Holland. Rapport adresse a S. M. le Roi des Pays-bas, Prince de Nas- sau, Grandduc de Luxembourg, sur les maladies oculaires observées et traitees dans le Grandduché de Luxembourg. Par J. C. F. Carron du Fillards etc, Pont à Mousson 1844. 8. Reus ien (Waͤhrend eines dreimonatlichen Aufenthaltes im Großherzogthum im Jahre 1842 hat dieſer Augenarzt die verhaͤltnißmaͤßig enorme Zahl von 1484 Augenkranke beſucht, behandelt oder operirt, z. E. 300 Faͤlle von Strabismus, 170 Cataracten, 24 kuͤnſtliche Pupillen ꝛc.) Della medicina e del medico, discorso con annotazioni di G. P. Poggi. Milano 1844. 8. Zeitſchrift der K. K. Geſellſchaft der Aerzte zu Wien. Med. Dr. Franz Zehetmayer. Erſter Jahrgang. Wien 1844. 8. Eine werthvolle Sammlung von Originalaufſaͤtzen und Berichten. — . —— ꝝͤ eœ ei—r̃ —t Lenodbotizen a us dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalratde und Profeffor Froriep zu Berlin. Ne. 715. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 11. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 Februar 1845. . 30 Ar, des einzelnen Stuͤckes 3%, 995 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 8) Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 955 Na N u r Betrachtungen uͤber die Beziehungen der Menſchen— ſpecies zu der dieſelbe umgebenden Außenwelt. Von Herrn Ribes, Profeſſor an der mediciniſchen Facultät zu Montpellier. I. 1) Thatſachen find an ſich noch keine Wahrheiten, ſondern werden es erſt durch ihre richtige Auslegung; ſo iſt auch die Naturgeſchichte noch keine Phyſiologie, und wer die Thatſachen aus dem Leben der Menſchenſpecies oder eines einzelnen Volkes gewiſſenhaft zu Papiere bringt, mag ein Chronikenſchreiber oder Geſchichtsſchreiber ſeyn, iſt aber deß— halb noch kein Phyſiolog. Erſt dann betreiben wir die Sache wiſſenſchaftlich, oder als Phyſiologen, wenn wir, nachdem wir die Erſcheinungen, oder was man am Krankenbette die Symptome nennt, in ihrer wahren Bedeutung auffaſſen und bezeichnen. Die beſte Bezeichnung der auf das menſch— liche Leben bezuͤglichen Thatſachen iſt aber diejenige, welche den beiten Anwendungen entſpricht, da wir jene Erſcheinun— gen nicht lediglich des rein ſpeculativen Intereſſes wegen, ſondern vielmehr des practiſchen Nutzens halber beobachten. Mit Recht laͤßt ſich alſo ſagen, daß die Wiſſenſchaft in Be: treff der Menſchenſpecies nie wahrer und feſter begründet ſeyn kann, als wenn fie dem Bedürfniffe einer guten Ge: ſundheitslehre entſpricht; daß die pathologiſchen Theorieen nie erfolgreicher ſeyn werden, als wenn ſie alle Thatſachen der practiſchen Clinik umfaſſen. Dieß vorausgeſetzt, muß nothwendig jede gruͤndliche Erörterung der Geſundheitslehre mit Unterſuchungen uͤber die Beziehungen zwiſchen dem Menſchen und dem ihn umgeben— den Medium beginnen, weil jene practiſche Wiſſenſchaft ſich auf die phyſiologiſche Erkenntniß dieſer Beziehungen gruͤndet. Nicht allein der Menſch muß aber in Betracht gezogen werden, wenn man uͤber ſein Leben zu richtigen An— ſichten gelangen will. Wenn er beſtaͤndig zu der Atmoſphaͤre, zu den Nahrungsmitteln, zu den zahlreichen Gegenſtaͤnden, auf die er vermoͤge ſeiner Bewegungen einwirkt und deren Kenntniß ihm nothwendig iſt, in Beziehung tritt; wenn er No. 1815. — 715. kk mn De. mit ſeines Gleichen fortwaͤhrend verkehrt, ſo laͤßt ſich ſeine Phyſiologie unmoͤglich unabhaͤngig von ſeinem Nicht-Ich ſtudiren. Wenn ſeine Exiſtenz mit derjenigen einer Menge von Weſen verſchmolzen iſt, die er modificirt und durch die er modificirt wird, ſo darf man die letzteren offenbar nicht unbeachtet laſſen, wenn man ſich mit dem Studium des Menſchen beſchaͤftigt. Da dieſe Beziehungen eine erſte unbeſtreitbare That— ſache ſind, ſo muͤſſen wir vor Allem deren wahre Bedeutung feſtſtellen, naͤmlich in Erfahrung bringen, worin ſie eigent— lich beſtehen, und unter welchen gegenſeitigen Bedingungen unſere Functionen von Statten gehen. Dieſe Thatſache iſt von den Phyſiologen nicht zu allen Zeiten aus demſelben Geſichtspuncte aufgefaßt worden, und auch gegenwaͤrtig ſind ſie in Betreff derſelben nicht einerlei Meinung. Die Einen weiſen darauf hin, daß ſich unter demſel— ben Himmelsſtriche und an demſelben Orte Individuen von verſchiedenen Arten entwickeln, und daß die Individuen der— ſelben Species voneinander verſchieden ſind und voneinander abweichende Individuen zeugen; waͤhrend jedes dieſer Indi— viduen zu den verſchiedenen Jahres- und Tageszeiten das— ſelbe bleibt, ſeine Identitaͤt an jedem Orte und unter jedem Himmelsſtriche behauptet und, wenn es auch in Betreff mancher ſeiner phyſiologiſchen Producte und ſeiner Organi— ſation gewiſſe Modificationen erleidet, doch nie ein von ſich ſelbſt verſchiedenes Weſen wird; daß ferner die Faͤhigkeit des Menſchen, den aͤußeren Potenzen zu widerſtehen, auf der Hand liegt und oft ſo bedeutend iſt, daß ſchaͤdliche Mias— men und Krankheitsgifte ihm Nichts anhaben koͤnnen, ohne daß ſich dieß aus der Winzigkeit der Doſis erklaͤren ließe, wie dieß in Betreff der Peſt, der Menſchenpocken, der sy- philis ꝛc. der Fall iſt. Wie ſehr auch manche Perſonen für ihre vollſtaͤndige Ernaͤhrung ſorgen moͤgen, ſo bleiben ſie doch mager, waͤh— rend andere ihr Moͤgliches thun, um magerer zu werden, und doch ſtets an Wohlbeleibtheit zunehmen. Manche Sub— 11 163 ſtanzen bringen bei manchen Menſchen ganz andere Wirkun— gen hervor, als bei anderen. In moraliſcher und intelles ctueller Beziehung ſtehen manche Perſonen vollkommen unter der Herrſchaft ihrer Leidenſchaften oder geiſtigen Anlagen, und dieſe Leidenſchaften und Anlagen machen ſich gebieteriſch geltend, wenngleich die Erziehung auf Unterdruͤckung derſel— ben eigends berechnet waͤre. In pathologiſcher Hinſicht laͤßt ſich bemerken, daß eine leichte Verwundung zuweilen eine bedenkliche Krankheit ver— anlaßt, z. B., der Aderlaß den Rothlauf; Gicht, Rheuma— tismus, Wahnſinn treten oft ſcheinbar ohne irgend eine aͤu⸗ ßere Veranlaſſung ein. Einzelne Perſonen oder ganze Fa— milien zeigen beſondere phyſiologiſche und krankhafte Praͤdis— poſitionen. Was laͤßt ſich, ſagen manche Phyſiologen, aus dieſen und vielen anderen aͤhnlichen Thatſachen folgern, als daß der menſchliche Organismus freiwillig oder unabhaͤngig von dem ihn umgebenden Medium wirke? daß, wenn das letz— tere ja auf den erſteren einwirkt, dieß nur gelegentlich oder anregend geſchehe, und daß die lebende Maſchine die ſich an ihr offenbarenden Erſcheinungen weſentlich ſelbſtſtaͤndig pro— ducire? Von der Außenwelt unabhaͤngig, muß ſie durch an— dere Geſetze regiert werden, als dieſe. Sie hat eigene Ge— ſetze, vermoͤge deren ſie vor allen Veraͤnderungen, denen die uͤbrigen Weſen unterworfen ſind, geſchuͤtzt wird. Dieſe Ge— ſetze bezeugen das Vorhandenſeyn einer Widerſtandskraft, welche einen tiefgreifenden Unterſchied zwiſchen dem Menſchen und allen unter ihm ſtehenden Weſen begruͤndet. Das Le— ben laͤßt ſich alſo als ein Streit zwiſchen uns und der Au— ßenwelt, als ein permanenter Conflict definiren, der uns le— bend erhaͤlt, ſo lange wir uns im Vortheile befinden, und der mit dem Tode endigt, wenn die aͤußeren Agentien die Oberhand gewinnen, wenn die Geſetze oder Wirkungsarten der rohen Naturkoͤrper die unſrigen uͤberwinden. Unſere Lebensdauer beweiſ't, wie ſehr wir dieſen Koͤrpern uͤberlegen ſind; unſere moraliſche Freiheit bezeugt unſere hervorragende Stellung ſelbſt im Vergleiche mit den uns am Naͤchſten ſtehenden Thieren. Eine unausfuͤllbare Kluft trennt uns von demjenigen, welches die meiſte Aehnlichkeit mit uns hat, und wenn wir uns naͤher mit demſelben vergleichen, ſo tritt unſere außerordentliche Ueberlegenheit immer ſtaͤrker hervor. 3) Andere Phyſiologen betrachten die Beziehungen, in denen wir zur Außenwelt ſtehen, aus einem anderen Ge— fihtspuncte, indem fie ihre Anſicht auf folgende Thatſachen und deren Auslegung gruͤnden. Die Climate haben die uns bekannten Varietaͤten der Arten erzeugt, und folglich auch diejenigen der Menſchenſpecies, die wir Racen nennen. Die Climate und die Zaͤhmung haben die Varietaͤten der Haus— thiere hervorgebracht; die Climate, die Localitaͤten, der Bo— den aͤußern auf die Structur und Zuſammenſetzung der Pflan— zen den entſchiedenſten Einfluß. Die Localitaͤten und der Boden modificiren die Ernährung und folglich die Eigen: ſchaften der Pflanzen und Thiere. Die Functionen des Menſchen aͤndern nicht nur nach dem Clima, der Localitaͤt, den Jahreszeiten, ſondern auch nach den Modificationen ab, welche die aͤußeren Gegenſtaͤnde 715. XXXIII. 11, 164 an demſelben Orte, in derſelben Jahreszeit, an demſelben Tage erleiden. Durch uns zu Gebote ſtehende Mittel brin— gen wir es beliebig dahin, daß bei den zu unſerer Ernaͤh— rung beſtimmten Thieren das Fett vorherrſchend wird. Auch bei'm Menſchen veraͤndern ſich die Lebenserſcheinungen, je nach der beſonderen Leibes- und Geiſtesbeſchaffenheit der In— dividuen, nach Maaßgabe der Speiſen und Getraͤnke, die er genießt. Wenn die aͤußere Waͤrme ſteigt, ſo vermehrt ſich die Secretion des Schweißes, des Hautpigmentes der Galle ꝛc.; wenn jene ſinkt, ſo treten die entgegengeſetzten Wirkungen ein. — Das Licht hat ebenfalls auf die Hautfarbe, ſowie auf die Aſſimilirung der Nahrungsſtoffe, Einfluß. Der hy— grometriſche Zuſtand der Luft wirkt auf die Secretion des Fettes, alſo auf die Aſſimilirung uͤberhaupt, ein. Die aͤußeren Potenzen haben auf die Bewegungen der ſaͤmmtlichen Geſchoͤpfe den entſchiedenſten Einfluß; Licht und Waͤrme auf die Circulation des Pflanzenſaftes, auf die Bes wegungen der Pflanzenblaͤtter, ſowie auf einige andere, den Geſchlechtsorganen der Pflanzen eigenthuͤmliche, Bewegun— gen. — Feuchtigkeit, Trockenheit und Electricitaͤt modifici— ren dieſe Claſſe von Erſcheinungen, ſowohl bei Pflanzen, als bei Thieren, ebenfalls. — Die Beſchaffenheit des gerade wehenden Windes hat einen ſehr bedeutenden Einfluß auf die Ortsveraͤnderungsfaͤhigkeit der Menſchen und Thiere. Me— chaniſche Reize endlich ſind ein ſehr zuverlaͤſſiges Mittel, um ſich davon zu überzeugen, ob die Weſen, welche man unters ſucht, bewegungsfaͤhig find. Eine gelinde Zuſammendruͤk— kung, die Belaſtung der in Thaͤtigkeit befindlichen Theile mit Gewichten ſind phyſiſche Mittel, durch welche ſich die Thaͤtigkeit ſteigern laͤßt. Die Hinderniſſe oder Erleichterun— gen, welche der Boden in Bezug auf die Locomotion dar— bietet, aͤußern in dieſer Hinſicht einen ſehr bedeutenden Ein— fluß; und wirkt die Beſchaffenheit des umgebenden Medium nicht oft ganz entſcheidend auf die Anwendung unſerer phy— ſiſchen Fähigkeiten ein? In Waͤldern find die Menſchen Jaͤger; am Meere und an großen Fluͤſſen Fiſcher; auf Ins ſeln Seefahrer, auf großen fruchtbaren Ebenen Ackerbauer, auf Gebirgen Bergbauer ꝛc. Wer im Lager geboren iſt, wird meiſt Soldat. Die Natur der uns umgebenden Dinge bedingt gewoͤhnlich unſere Richtung fuͤr's practiſche Leben. Welche Macht uͤben nicht die aͤußeren Gegenſtaͤnde auf die Erweckung und den Gang unſerer Gedanken! Kann man denn, z. B., gelehrt werden oder uͤberhaupt Kenntniſſe erwerben, ohne zu beobachten? Das Clima, die Oertlichkeit, die in der Luft, der Electricitaͤt vorgehenden Veraͤnderungen und unzählige andere aͤußere Umſtaͤnde haben auf unfere ins tellectuellen Fähigkeiten Einfluß und bringen in deren Thaͤ⸗ tigkeit Veraͤnderungen zu Wege. Deßhalb muͤſſen ſie bei Erwaͤgung der Geſammteinwirkung der Außenwelt auf uns in Betracht gezogen werden. — Welche bedeutende Rolle ſpielen nicht ferner unſere Umgebungen in Betreff der Rich— tung unſerer Studien und die Natur unſerer Kenntniffe! Inmitten einer vollig ruhigen Umgebung wird der Menſch leicht ein Philoſoph, Traͤumer, Metaphyſiker; unter entge— gengeſetzten Verhaͤltniſſen würde derſelbe Menſch ein Nature 165 forſcher oder Phyſiker geworden ſeyn. Unſere ſpecielle Lage wird auf die Specialitaͤt unſerer Intelligenz beſtimmend wir— ken. — Ferner uͤben die aͤußeren Gegenſtaͤnde, namentlich die uns umgebenden Menſchen, wenn ſie ſich durch mora— liſche Kraft auszeichnen, einen großen Einfluß auf die Ge— muͤthsfunctionen aus. In dieſer Beziehung aͤußern die noͤrd— lichen und ſuͤdlichen Climate eine hoͤchſt verſchiedene Wirkung. Die Liebe, die Freundſchaft des Ruſſen oder Deutſchen ſind etwas ganz Anderes, als die des Franzoſen, Spaniers oder Türken. — Der Winter oder Frühling wirken ferner in einer ganz anderen Art auf die Leidenſchaften des Menſchen ein, als der Sommer und Herbſt, und man kann ſich hier— von genuͤgend uͤberzeugen, ſelbſt ohne die Statiſtik der Ge— richtsverhandlungen darüber zu Rathe zu ziehen. Man betrachte ferner, was in uns vorgeht, wenn wir die Eindruͤcke der ſchoͤnen Kuͤnſte, des Theaters, der Muſeen, der Academien und uͤberhaupt aller derjenigen Erſcheinungen in uns aufnehmen, welche Gemuͤthsbewegungen, Begierden, Leidenſchaften in uns zu erregen vermoͤgen. Unter Umſtaͤn— den, wo dieſe Eindruͤcke die vorherrſchenden ſind, werden un— ſere Faͤhigkeiten eine ſolche Richtung bekommen, daß wir Dichter, Maler, Muſiker ꝛc. werden; und wenn in unſeren Umgebungen dergleichen Momente fehlen, ſo werden wir in kuͤnſtleriſcher Beziehung in dem entgegengeſetzten Zuſtande verharren, der auf unſere Lebensrichtung einen nicht minder entſcheidenden Einfluß uͤben wird. Wer ſolche Thatſachen einſeitig erwaͤgt und die aͤußeren Potenzen eifrig ſtudirt, wird ſich leicht zu dem Schluſſe be— rechtigt glauben, daß ſie die Urſachen der auf ſie folgenden Erſcheinungen ſeyen; daß die Functionen der Thiere ſich nach Maaßgabe jener Potenzen veraͤndern, und daß ſie unſerm We— fen ihren Staͤmpel aufpraͤgen, wie ſich Siegellack unter dem Pet— ſchaft geſtalte; daß wir nur nach Maaßgabe des Eindruckes, den ſie auf uns machen, reagiren; daß nur den aͤußeren Poten— zen der Name: Agentien eigentlich zukomme, und daß unſere ganze Einrichtung und Zuſammenſetzung lediglich auf die Anre— gung durch jene Potenzen berechnet ſey; daß wir uns alfo von den auf niedrigern Stufen ſtehenden Koͤrpern nur in Betreff des Grades der Erregbarkeit unterſcheiden, und daß wir, um den Mechanismus unſerer Functionen zu erklaͤren, nicht genoͤthigt ſeyen, andere Geſetze zu Huͤlfe zu nehmen, als die, welchen dieſe Koͤrper unterworfen ſind; daß uns endlich eine gruͤndlichere Bekanntſchaft mit jenen aͤußeren Potenzen immer mehr in den Stand ſetzen werde, die Er— ſcheinungen vorauszuſagen, welche durch deren Einwirkung erzeugt werden muͤſſen. — Alles in uns, wie in der Na— tur, iſt ſolchen Beobachtern Zuſammenſetzung und Zerſetzung; alles phyſiſch und chemiſch im gewoͤhnlichen Sinne dieſer Ausdruͤcke. Nur haͤlt es bei'm Menſchen ſchwerer, dieß nach— zuweiſen, als bei den uͤbrigen Weſen, weil das Problem unſerer Functionen weit zahlreichere Factoren enthaͤlt. Die menſchliche Maſchine gleicht der Aeolsharfe, deren Tone ges nau im Verhaͤltniſſe zu der Kraft des Hauches ſtehen, wel— cher ſie zur Thaͤtigkeit anregt. II. 1) Wir haben ſoeben die Anſichten zweier wiſſen— ſchaftlichen oder zwei verſchiedene Theorien über die Natur 715. XXXIII. 11. 166 unſerer Beziehungen zur Außenwelt vertretenden Partheien vernommen. Beide Theorieen ſtehen einander feindlich gegen— uͤber und beſchuldigen einander, daß ſich nach ihnen nicht ſaͤmmtliche Thatſachen erklaͤren laſſen. Waͤre es aber nicht etwa moͤglich, dieſe beiden Partheien miteinander auszuſoͤh— nen? Ließe ſich nicht eine Anſicht aufſtellen, welche dieß zu bewirken vermag, und welche folglich unſere Beziehungen zu dem Nicht-Ich in einer Weiſe erklaͤrt, welche von bei— den Partheien, von derjenigen, die glaubt, der Menſch ſey von der Außenwelt unabhaͤngig, ſowie von derjenigen, wel— che annimmt, er ſey von ihr durchaus abhaͤngig, fuͤr rich— tig anerkannt werden muͤßte? Hier waͤre denn alſo ein Beleg zu unſerem Satze, daß man durch das bloße Sammeln von Thatſachen noch nicht zum Beſitze von Wahrheiten gelangt. Das uns inwohnende Beduͤrfniß, den Sinn, die Bedeutung der Thatſachen zu erkennen, laͤßt ſich nicht weglaͤugnen, ja es wird fuͤr die Menſchheit mit der Zeit immer unabweisbarer. Je gebil— deter ſie wird, je mehr ihr Geſchmack ſich laͤutert, deſto ſchwerer iſt ihre Intelligenz zu befriedigen, eben weil der Entwickelung des Menſchen ein ſtetes Streben nach Ver— vollkommnung zu Grunde liegt. Dieſen Thatſachen gegenuͤber laͤßt ſich aus den beiden erwaͤhnten Theorieen eine Anſicht entwickeln, welche unſtreitig den Vorzug verdient. Als wahr muͤſſen wir zuvoͤrderſt erkennen, daß ſich aus der Anſicht der einen wiſſenſchaftlichen Parthei ergiebt, daß die andere Parthei uͤbertreibt. Wenn, z. B., die eine an— nimmt, der phyſiologiſche Zuſtand des Menſchen bleibe, trotz der climatiſchen Veraͤnderungen, abſolut derſelbe, ſo wird dieſer Satz durch die Beobachtungen der andern Parthei wi— derlegt, aus denen ſich ergiebt, daß alle Functionen der Thiere und Pflanzen ſich bei dem Uebergange in ein ande— res Clima veraͤndern. Und, in der That, wird Niemand zu laͤugnen wagen, daß, wenn ein Menſch ſich aus einem ſuͤd— lichen in ein noͤrdliches Land begiebt, ſeine Functionen eine Veraͤnderung erleiden und allmaͤlig denjenigen der Menſchen ähnlicher werden, welche ſtets in dem nördlichen Lande ge— lebt haben, was man ſich acclimatifiren nennt. Wenn indeß auf der einen Seite dieſe unlaͤugbar in den Functio— nen eintretenden Veraͤnderungen die zu abſolute Anſicht von der Selbſtſtaͤndigkeit des Menſchen entkraͤften, ſo wird auf der andern Seite die Anſicht, daß derſelbe der Außenwelt völlig unterthan ſey, nicht dadurch beſtaͤtigt. Dieß geht zu— voͤrderſt aus dem Umſtande hervor, daß die phyſiologiſchen Veraͤnderungen nur ſtufenweiſe eintreten, und ferner daraus, daß dieſe Veraͤnderungen bei manchen Perſonen nicht oder nur unvollſtaͤndig eintreten, fo daß fie ſich nicht acclimatiſiren koͤnnen und deßhalb erkranken “). — Folgt nun daraus die Regel, daß ſich unter dem Einfluſſe des Clima's der Zuſtand *) Oft hat die Conſtitution nicht die hierzu noͤthige ſelbſtſtaͤndi⸗ ge Kraft, ſo daß, z. B., Suͤdlaͤnder in kalten Ländern zuweilen erblinden, waͤhrend ſie, ſobald ſie, ſelbſt nach vielen Jahren, in ihr Vaterland zuruͤckgekehrt ſind, den Gebrauch der Augen zu— weilen von ſelbſt wieder erlangt haben. D. Ueberſ. 115 167 des Menſchen ändere? Allerdings, aber es folgt eben dar— aus, daß dieß innerhalb gewiſſer Graͤnzen und nicht in einer abſoluten Weiſe geſchehe. Wenn wir nicht bleiben, wie wir ſind, ſo heißt dieß noch nicht, daß wir etwas von uns ſelbſt ganz Verſchiedenes werden. Der acclimatiſirte Menſch iſt ein neues Individuum, das deßhalb aber nicht ſeine Identi— tät eingebüßt hat. Der confequente Schluß hieraus ift, daß wir von dem durch das Clima repraͤſentirten Medium zugleich abhaͤngig und unabhaͤngig ſind. Der in dieſem Satze enthaltene Wider— ſpruch iſt nur ſcheinbar, indem dadurch nur beſagt wird, daß keine der beiden wiſſenſchaftlichen Partheien abſolut Recht oder Unrecht hat. Damit will ich aber keineswegs ſagen, jede derſelben habe je nach Gelegenheit Recht. Dieſer Satz wire ebenſo unhaltbar, wie die beiden andern, oder wuͤrde uns vielmehr auf dieſe zuruͤckleiten. Gewiß kann die Urſa— che der Erſcheinungen unſeres Lebens nicht bald in uns, bald außer uns liegen; es kann nicht in einem Falle die Innen⸗ und in dem andern die Außenwelt den Sieg davon tragen. Wir ſind ſtets thaͤtig und frei, aber wir ſind es in verſchie— dener Art und Weiſe, je nach den Umſtaͤnden oder Motiven, welche bei der Ausfuͤhrung unſerer Thaͤtigkeiten in's Spiel kommen. Unſere Praͤdispoſitionen wirken, als thaͤtige Ele— mente unſerer Natur, bei Allem, was in uns vorgeht, eben— ſo poſitiv ein, wie die aͤußeren Potenzen, mit denen wir fortwaͤhrend in Beziehung ſtehen, und von denen wir uns nur vermoͤge einer Abſtraction als getrennt betrachten koͤnnen. Dieſe beiden Claſſen von Urſachen veranlaſſen alle phy— ſiologiſchen Acte durch gemeinfchaftliches Zuſammenwirken. — Die Urſache des Lebens liegt gleichzeitig in und außer uns, ohne daß es noͤthig waͤre, daß der beiderſeitige Einfluß ſich ſtets genau das Gleichgewicht hielte. — Zuweilen iſt die Acclimatiſirung leicht; alsdann hat der Organismus der Ein— wirkung des neuen Mediums ſchnell nachgegeben; wir ſind ihm ohne ſchweren Kampf, aber doch ſelbſtthaͤtig, gewi— chen. Wir haben uns ohne lebhaften Widerſtand in die von ihm vorgeſchriebene Bahn leiten laſſen, indem wir in unſerem normalen Zuſtande verharrten. In andern Faͤllen gehen die Dinge anders zu, indem ſich die beiden Claſſen von Thaͤtigkeiten weniger leicht ausgleichen, um uns im Zu— ſtande der Geſundheit zu erhalten. — Endlich giebt es Faͤlle, in denen der lebende Organismus ſo wenig zum har— moniſchen Zuſammenwirken mit den neueingetretenen Um— ſtaͤnden geneigt iſt, daß dieſe Zuſammenwirkung zu keinem guͤnſtigen Reſultate fuͤhren kann, und daß aus dem mangel— haften Zuſammenwirken ein pathologiſcher Zuſtand her— vorgeht. Bei'm Uebergange von einem Clima oder einer Oert— lichkeit in ein anderes oder zu einer andern geſchieht es wohl auch, daß die individuellen Praͤdispoſitionen ſich aͤn— dern, jedoch ſo langſam und unvollſtaͤndig, daß wir nicht ohne merkliche Störung in die neuen Verhaͤltniſſe eintreten. Die Functionen gehen dann eine gewiſſe Zeit lang nach der fruͤhern phyſiologiſchen Ordnung von Statten, was ſich aus der Beſchaffenheit der ſich dann kundgebenden Krankheitsan— lagen ergiebt. — Geſchieht der Uebergang allmaͤlig, ſo hat 715. XXXIII. 11. 168 man weder ſchroffe Abweichungen noch Stockungen zu bes fürchten; da die aͤußeren Bedingungen ſich ſtufenweiſe ver— andern, fo füllt es dem Organismus nicht ſchwer, feine eigenen Bedingungen demgemaͤß zu modificiren; und da die neue Uebereinſtimmung ſich ſtufenweiſe bilden kann, ſo geſchieht dieß ohne Schwierigkeit, ſo daß die Harmonie mit der Au— ßenwelt keinen Augenblick geſtoͤrt wird. Durch dieſe ſich fortwaͤhrend umbildende gegenſeitige Ausgleichung kann der Menſch gefahrlos unter allen Him— melsſtrichen leben, die überhaupt für feine Species bewohn— bar ſind, und dennoch wird ſich ſein phyſiologiſcher Zuſtand fortwaͤhrend veroͤndern. Er wird ſich allerdings nach Maaß— gabe der Außenwelt veraͤndern, allein nicht lediglich in Fol— ge einer reagirenden Kraft, ſondern vielmehr vermoͤge einer dem Leben weſentlich eigenen Thaͤtigkeit. a Dieſelbe Auslegungsweiſe der Thatſachen der Beziehun— gen zur Außenwelt findet Anwendung, wenn wir an Ort und Stelle bleiben, aber das von uns bewohnte Medium ſich entweder durch den Wechſel der Jahreszeiten oder durch andere Modificationen aller Art veraͤndert, welchen die uns umgebenden Potenzen unterworfen ſind. Auch dann findet dieſelbe Auslegungsweiſe ſtatt, wenn wir unſere ſpeciellen Beziehungen mit den uns umgebenden Hauptpotenzen zu irgend einer beſtimmten Zeit betrachten und deren, ſowie unſere, Thaͤtigkeit zu wuͤrdigen unternehmen. 2) Zuvoͤrderſt wollen wir die Functionen der Ernaͤh— rung in's Auge faſſen. Auf den erſten Blick moͤchte man den Anhängern der Paſſivitaͤts- Theorie beipflichten und zus geben, daß bei dem Aſſimilirungsgeſchaͤfte in uns nur Rea— ctionen und aͤhnliche Miſchungen vor ſich gehen, wie die, welche wir bei den am Tiefſten ſtehenden Körpern wahrneh— men. Unſer Organismus nimmt in ſich Subſtanzen auf, mit denen er ſich anſchwaͤngert, oder die er ſich durch Jux— tapoſition aneignet und deren Beſtandtheile er denjenigen hinzufuͤgt, aus denen er bereits zuſammengeſetzt iſt. In ihren Grundbeſtandtheilen haben dieſe Subſtanzen mit un— ſerem Koͤrper viel Aehnlichkeit, und unſere Functionen erlei— den, je nach den Verſchiedenheiten der Diaͤt, mannigfache Abaͤnderungen, ſowie unſere Koͤrperkraft von der groͤßeren oder geringeren Menge der Stoffe abhängt, die zur Erneue— rung oder Auftechthaltung der Kraft in den Körper einge— führt werden muͤſſen. 1 In Betreff des Athemholens find wir ebenfalls von der Außenwelt abhaͤngig; die Luft dient dazu, dem Blute diejenigen Eigenſchaften zu ertheilen, vermoͤge deren es zu einer weſentlichen Bedingung unſerer Exiſtenz wird, und oh— ne den Druck der Atmoſphaͤre, eine gewiſſe Temperatur des Bluts und einen beſtimmten Zuſtand ſeiner phyſiſchen Ei— genſchaften überhaupt würde die Circulation, vermoͤge deren es mit allen Koͤrpertheilen in Beruͤhrung tritt, das Eben— maaß der Lebensfunctionen nicht aufrecht erhalten koͤnnen. Wenn nun aus dieſen Thatſachen auf der einen Seite unlaͤugbar hervorgeht, daß die aͤußeren Potenzen bei der Er— naͤhrung eine unentbehrliche Rolle ſpielen, ſo berechtigen ſie uns doch auf der andern Seite nicht, dieſe Potenzen als die der Ernaͤhrung ſchlechthin zu Grunde liegende Urſache 169 zu betrachten. Um fich hiervon zu überzeugen, braucht man nur die Hauptthatſachen naͤher zu beleuchten, welche die Ver— theidiger der entgegengeſetzten Meinung fuͤr dieſe anfuͤhren. In der That zieht das Verdauungsſyſtem im Allgemeinen aus den Nahrungsmitteln nur diejenige Menge und Art der Beſtandtheile aus, deren der Koͤrper bedarf, ſo daß das Ab— ſorbirte, in der Regel, mit dem Verluſte im Gleichgewichte ſteht. Selbſt wenn der Organismus die Fibrine, das Fett und die uͤbrigen Beſtandtheile, welche er aus den Nahrungs— ſtoffen bezieht, ſchon völlig fertig in ſich aufnahme, fo wuͤr— de ihm noch die weſentlichſte Arbeit obliegen, naͤmlich dieſe Beſtandtheile in Zellgewebe, Muskeln, Knochen, Nerven ıc., zu verwandeln und mit Huͤlfe dieſer Materialien die cha— racteriſtiſche Form und Zuſammenſetzung der Species, wie des Individuums, aufrecht zu erhalten. — Auch iſt nicht zu uͤberſehen, daß nicht alle Arten von Nahrungsſtoffen von uns aſſimilirt werden, daß unſer Magen uͤber manche keine Gewalt hat, daß unſer Organismus manche Stoffe nicht bei ſich behaͤlt und andere in ſich aufnimmt. Hierin liegt gewiß ein unläugbarer Beweis einer kraͤftigen ſelbſtſtaͤndigen Thaͤtigkeit, die uͤbrigens noch durch manche andere Umſtaͤnde ſehr klar dargethan wird. Durch die Schwangerſchaft wird der Organismus der Frau zur Milchfecretion praͤdisponirt, welche nun waͤhrend einer gewiſſen Periode zu deren Ernaͤh— rungsfunctionen gehört. — Durch die Schwangerſchaft wird ferner zuweilen ein plethorifher Zuſtand des Blutes bedingt. — Dieſer Zuſtand findet uͤberhaupt bei manchen Perſonen des anderen Geſchlechts habituell ſtatt; die Ernaͤh— rungsweiſe mancher Individuen macht ſie zur Wohlbeleibt— heit, die anderer zur Magerkeit geneigt. Dieſe Thatſachen find offenbar Belege für das Uebergewicht der ſelbſtſtaͤndigen Thaͤtigkeit unſeres Organismus, waͤhrend die Außenwelt ſo— wohl bei'm Beginne, als im Fortgange der Functionen ebenfalls beſtaͤndig eine unentbehrliche Rolle ſpielt. Denn wenn auch die Thatſachen, auf die man ſich beruft, um die Paſſivitaͤt unſeres Organismus zu beweiſen, dieß keines— wegs vermoͤgen, ſo beweiſen ſie doch, daß derſelbe keines— wegs abſolut unabhängig iſt. Die Nahrungsſtoffe find als lerdings nicht die Veranlaſſungsurſache der phyſiologiſchen Acte; ſie bedingen, indem ſie in unſern Organismus aufge— 715. XXXIII. 11. 170 nommen werden, nicht unſer Weſen, unſer Temperament, allein ſie wirken doch auf die Beſchaffenheit unſeres Weſens ſehr tiefgreifend ein. Aus dem Zuſammenwirken aller bei der Ernaͤhrung concurrirenden aͤußeren Umſtaͤnde und der ur— ſpruͤnglichen Thaͤtigkeitsweiſe unſerer Natur gehen jene tief greifenden Veraͤnderungen hervor, und bei dieſem Zuſam— menwirken ſind die aͤußeren Potenzen keineswegs von gerin— gem Belang. Die Unterſuchung der Reſpirations- und Cir— culationsfunctionen, ſowie der die thieriſche Waͤrme erzeu— genden Acte, liefert uns ebenfalls Beweismittel gegen die Anſicht, daß unſer Organismus durchaus unter der Herr— ſchaft der aͤußeren Potenzen ſtehe. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. In Beziehung auf angewendete Naturkunde, hat der Ingenieur Herr Beſſon eine ſehr einfache, chemiſche Rea—⸗ gentien und gewiſſermaaßen Vorbereitungsſtudien nichterfordernde, Methode bekanntgemacht, um betrüugeriſche Verfaͤlſchungen gewebter Zeuge zu entdecken. Um ſich von der wirklichen Anweſenheit der Baumwolle oder analoger Stoffe zu uͤberzeugen, nimmt man ein kleines viereckiges Stuͤck des zu unterſuchenden Zeuges, faͤdelt einige Faͤden der Kette oder des Einſchlags aus und verbrennt ſo einen nach den andern an der Flamme eines Wachslichtes. Die, welche mit einer hellen Flamme brennen und einen deutlichen Ge— ruch verbrannter Leinwand verbreiten, find jedesmal von Baum— wolle, Hanf oder Flachs. Die Faͤden der Seide oder der Wolle laſſen ſich erkennen an der Schwaͤche der Flamme, an der ſchwammfoͤrmigen Kohle, welche durch das Fortſchreiten der Ver— brennung hervorgebracht wird und an dem unangenehmen Geru— che, welchen verbrannte Haare verbreiten. Wenn man die Vor— ſicht gebraucht, eine hinlaͤngliche Anzahl von Faͤden zu nehmen und ſie nach den bezeichnenden Reſultaten der Verbrennungsprobe von— einander zu ſondern, ſo kann man mit einer gewiſſen Genauigkeit die Proportion ausſprechen, in welcher, z. E., Baumwolle der Sei— de beigemiſcht iſt. Einige lebende Americaniſche Schmetterlinge in England. Herr E. Doubleday hat in der November-⸗Sitzung der Entomologiſchen Societaͤt zu London Exemplare einer neuen Americaniſchen Art von Saturnia, welche mit Sphynx Promethea verwandt iſt, und eine neue, ſehr ſchoͤne Art von Motte vorgezeigt, wovon die Exemplare in den London Docks gefangen worden waren, wo ſie, wie man annehmen muß, mit Ladungen von Ma— hagony-Holz eingeführt war. 22K ei ken n dee, Neueſte Vervollkommnung der Behandlung von Kniekehlaneurysmen. Dieſe furchtbare Krankheit, in welcher die Perſon, die das Ungluͤck hat, davon befallen zu ſeyn, gewiſſermaaßen einem frühzeitigen und ſchnellen Tode verfallen, mit Angſt und Zittern auf das zitternde Pulſiren der Geſchwulſt ſieht, indem ſie nicht weiß, wie bald der Augenblick eintreten moͤge, wo durch das Berſten der Geſchwulſt das Blut ſich zwiſchen die Mus— keln ergießen und dem Leben ein Ende machen werde, uͤber dieſe Krankheit, fuͤr deren Heilung der menſchliche Scharfſinn ſich erſchoͤpft zu haben ſchien, iſt im verfloſſenen Jahre in Dublin ein neues und glaͤnzendes Licht verbreitet worden. Die bis jetzt gewöhnliche und am Meiſten noch geſchaͤtzte Methode zur Heilung dieſer Affection war die, wo die zu der Geſchwulſt fuͤhrende Arterie unterbunden wurde, um ſo den Strom des Blutes aufzuhalten und ſeine Coagulirung in der Arterie zu veranlaſſen. Aber dieſe Methode hat ein ſehr weſentliches Ungemach, naͤmlich eine chirurgiſche Operation in ſich zu begreifen, welche ſelbſt eine Quelle von Lebensge— fahr mit ſich fuͤhrt. Die Verbeſſerung, von welcher jetzt die Rede iſt, und welche bis jetzt nur fuͤr Aneurysmen an 171 den Extremitaͤten, beſonders fuͤr Kniekehlaneurysmen, ange— wendet worden iſt, beſteht darin, dieſelbe Heilung zu Wege zu bringen, ohne irgend eine Operation vorzunehmen. Meſ— ſer und Ligatur mit allen ihren Gefahren und Schrecken bleiben hier weg, und ein einfacher Druck auf die zu der Ge— ſchwulſt leitende Hauptarterie tritt an ihre Stelle. Die Einführung dieſer Verbeſſerung verdankt man Herrn Edward Hutton, welcher dadurch ſeinen Namen, als ein Wohlthaͤ— ter des Menſchengeſchlechts, denen von Hunter und Hodg— ſon in dieſem Gebiete der Chirurgie an die Seite ſetzt. Man findet einen Fall von Kniekehlaneurysm von Aſſalini aufgefuͤhrt, welcher von ihm vermittelſt eines Druckes auf die Femoral-Arterie geheilt worden ſey; aber das Verfahren iſt wenig bekannt und noch weniger wieder— holt worden. Der verſtorbene Profeſſor Todd in Dublin hat ebenfalls eine aͤhnliche Behandlungsweiſe verſucht; aber da keiner dieſer Faͤlle Herrn Hutton bekannt geweſen iſt, als er ſein erſtes mit Erfolg gekroͤntes Experiment machte, ſo kann die von ihm angewandte und empfohlene Methode als Original in ſeiner Hand angeſehen werden. Herr Profeſſor John Houſton, welcher in ſeiner Ein— leitungsrede zu ſeinen chirurgiſchen Vorleſungen dieſes neue— ren, verbeſſerten Verfahrens, von deſſen Ausfuͤhrung er Zeuge geweſen iſt, erwaͤhnt, haͤlt es nicht allein fuͤr weit ſicherer, als den aͤlteren Plan, ſondern auch fuͤr wirkſamer, da von ſieben Faͤllen von in dieſer Weiſe behandelten Knie— kehlaneurysmen in der kurzen Periode von einem Jahre in Dublin nur ein Fall unguͤnſtig ausgeſchlagen iſt, wo noch dazu die Urſache in dem Patienten und nicht in der Behandlungs— art zu ſuchen war. Dem von Herrn Hutton gegebenen Beiſpiele folgend, haben die Herren DD. Cuſack, Belling— ham, Kirby und Harriſon Faͤlle in gleicher Weiſe be— handelt und mit gleich guͤnſtigem Erfolge. Dr. Belling— ham's Fall, wo ein zweites Kniekehlaneurysma in demſel— ben Individuum durch dieſe Mittel geheilt wurde, ſcheint von beſonderem Werthe, da er die Wirkſamkeit des Verfah— rens doppelt beweiſet. Noch im November hat Dr. Cuſack bei einem ſehr bedeutenden und reichen Manne, deſſen ſchwaͤchliche Conſtitution eine eigentliche Operation nicht ohne drohende Lebensgefahr geſtattet haben wuͤrde, ein ſehr großes Knie— kehlaneurysma durch dieſes einfache Verfahren geheilt. Auch in London iſt von Liſton dieſe Methode in Anwendung gebracht worden und hat ihren Zweck erfuͤllt. Ueber die Kupfercolik und die Einwirkung des Zinks in den Kupferſchmelzhuͤtten auf den menſchlichen Organismus. Von Herrn Blandet. In der Sitzung der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf— ten am 17. Februar las Herr Blandet zwei beſondere Aufſaͤtze über die oben erwähnten Gegenſtaͤnde vor, denen ſta— tiſtiſche Angaben in Betreff der bedeutendſten Kupferwerkſtaͤt— ten und Kupferhuͤtten beigegeben waren. Die Kupferindu⸗ ſtrie beſchaͤftigt allein in Paris über 20,000 Arbeiter, und obwohl dieſes Geſchaͤft von Vielen fuͤr durchaus nicht unge— 715. XXXIII. 11, 172 ſund gehalten wird, auch in den Hoſpitaͤlern nur ſelten Krankheiten vorkommen, die ſich ſpeciell auf Rechnung deffel: ben ſetzen laſſen, ſo iſt es doch eine wuͤrdige Aufgabe fuͤr den wiſſenſchaftlich gebildeten Arzt, ſich in die Werkſtaͤtten zu begeben und an Ort und Stelle zu unterſuchen, welchen Einfluß ein Geſchaͤft, bei dem ſo Viele betheiligt ſind, auf die Geſundheit hat. Ein junger Arzt, Herr Blandet, hat ſich dieſe Aufgabe geſtellt, und die von ihm geſammelten Be— obachtungen ſcheinen zu beweiſen, daß die von manchen Aerz— ten gelaͤugnete Kupfercolik wirklich vorhanden iſt, und daß man Unrecht hat, wenn man die Krankheitserſcheinungen, die man an den Arbeitern beobachtet, welche das Kupfer ſchmel— zen, drehen, ciſeliren ꝛc., lediglich dem, dem Kupfer beiges mengten Bleie zuſchreibt, da, z. B., das Loͤthmetall, deſſen ſich die Broncearbeiter bedienen, nicht ein Atom Blei ent- hält, kurz, daß das Kupfer ſelbſt an den Krankheitserſchei— nungen ſchuld iſt, welche bei den Leuten vorkommen, die die— ſes Metall bearbeiten. Waͤhrend eines anhaltenden Aufenthaltes in den Hoss pitaͤlern von Paris war uns die Seltenheit der Kupferkrank— heiten in dieſen Sammelplaͤtzen des menſchlichen Elendes, wohin die Induſtrie ſo viele Opfer liefert, ſtets aufgefallen. Wir hatten geglaubt, dieß ruͤhre vielleicht daher, daß dieſe Krankheiten, im Vergleiche zu denen, welche das Blei veran— laßt, ſehr gutartig ſeyen, und auf dieß Reſultat iſt denn auch Herr Blandet durch feine Beobachtungen geführt worden. Er hat in den Liſten der Hofpitäler Saint-Antoine, Hotel- Dieu, Pitié vom Jahre 1844, ſowie in denen des Hoſpitals Saint-Antoine von den Jahren 1839, 1840, 1842 und 1843 nur 9 Fälle von Kupfercolik angeführt ges funden, was bei einer Totalzahl von 36,000 Patienten nur einen Fall von Kupfercolik auf 4,000 Krankheitsfaͤlle macht, welches Verhaͤltniß in Betracht der großen Zahl der Kupfer— arbeiter ein aͤußerſt geringer iſt. Bei genauer Prüfung fin— det indeß Herr Blandet, daß ſich die eigentliche Verhaͤlt— nißzahl etwas hoͤher ſtellt, und daß die Kupferkrankheiten ſich zu den ſaͤmmtlichen Krankheiten verhielten 1: 1500. Wenn aber auch die Kupfercolik in den Hoſpitaͤlern nur ſehr ſelten vorkommt, ſo iſt ſie dagegen in den Werkſtaͤtten ſelbſt deſto haͤufiger zu treffen, wenngleich gewiſſe Fabrikei— genthuͤmer dieß nicht anerkennen wollen. Herr Durenne, Kupferplattirer, der dreißig Geſellen und mehrere Lehrburſche beſchaͤftigt, hat Herrn Blandet verfichert, es ſey ihm noch kein Arbeiter in ſeiner Fabrik vorgekommen, deſſen Geſund— heit durch dieſe Beſchaͤftigung nicht gelitten haͤtte. Die Aus— ſagen anderer Fabrikanten und zumal der Arbeiter ſelbſt ge— ftatten keinen Zweifel an der Richtigkeit dieſer Behauptung. Uebrigens ſind die Krankheitserſcheinungen im Allgemeinen ziem— lich gelind, und bei Weitem nicht ſo boͤsartig, wie die, welche in den Fällen zu beobachten find, die im Hoſpitale zur Be— handlung gelangen, und welche eine wirkliche Kupfervergif— tung bekunden. Herr Blandet macht auf dieſen Unter— ſchied ſehr eindringlich aufmerkſam und entwirft hierauf eine Schilderung der Symptome, ſowohl bei den boͤsartigen, als bei den gutartigen Faͤllen. In allen Faͤllen iſt das vor— herrſchende Symptom eine bald eracerbirte, bald nachlaſſende 173 Colik. Der Patient kruͤmmt ſich zufammen, um die Schmer⸗ zen zu lindern. Druck auf den Bauch kann Schmerzen vers anlaſſen; allein dieſes Symptom iſt nicht conſtant. Zugleich finden Kopfweh, Uebligkeiten und Durchfall oder Verſtopfung ſtatt. In dergleichen Anfaͤllen, die 1 — 3 Stunden dau— ern, kann die ganze Krankheit beſtehen; allein die Bauchhaut des Patienten bleibt noch lange nachher aͤußerſt empfindlich. Es werden gallichte Stoffe ausgebrochen, und die erſten Stuͤhle haben oft eine ſauerampfergruͤne Farbe. In drei Faͤllen hat Herr Blandet einen Blutfluß beobachtet. Fieber iſt aͤußerſt ſelten, und ſelbſt in den ſchlimmſten Faͤllen hat man keine Kraͤmpfe wahrgenommen. Die Veranlaſſungsurſachen betreffend, ſo haͤlt Herr Blandet einestheils die Unreinlichkeit der Arbeiter, andern— theils das Einathmen von Kupfertheilchen fuͤr ſolche. Hin— ſichtlich der Prophylactik bemerkt er, es ſey unumgaͤnglich nothwendig, den Arbeitern zu verbieten, in der Werkſtaͤtte zu eſſen, ſowie daß auf groͤßere Reinlichkeit derſelben ſtreng gehalten werde. In mehr als der Haͤlfte der Werkſtaͤtten wird, um der Colik vorzubeugen, die Milchdiaͤt eingefuͤhrt. Der Verfaſſer zieht einen Trank vor, der Eiweiß und Zuk— ker enthält. Ueber dieſen Theil der Arbeit des Herrn Blan— det werden wir uns nicht weiter auslaſſen, da er der Wiſ— ſenſchaft weder Neues hinzugefügt, noch das Bekannte wei: ter aufklaͤrt. Ja, von dem medicinifhen Standpuncte aus ließe ſich wohl manches Gegruͤndete gegen die Anſichten des Verfaſſers erinnern. Er ſcheint uns wirklich ſehr voreilig und ohne alle ſtrenge Eroͤrterung zu dem Schluſſe zu gelan— gen, die durch das Kupfer veranlaßren Zufaͤlle ſeyen ledig— lich eine enteritis, und zur Bekaͤmpfung dieſer hypotheti— ſchen Entzuͤndung ſchlaͤgt er eine Reihe von Mitteln vor, die vor einer rationellen Erwaͤgung der Sache nicht beſte— hen duͤrften. Der zweite von Herrn Blandet vorgetragene Aufſatz beſchaͤftigt ſich mit der Wirkung des Zinks auf den thieri— ſchen Organismus in den Kupferwerkſtaͤtten und Kupferſchmelz— werken ). Herr Blandet hat Gelegenheit gehabt, eine Reihe von eigenthuͤmlichen Krankheitsfaͤllen zu beobachten, die in dem Augenblicke eintreten, wo das geſchmolzene Me— tall ſich in die Formen ergießt. Dieſe ruͤhren nicht vom Kupfer her, indem ſie nicht vorkommen, wenn das gegoſſene Gut aus reinem Kupfer beſteht; ſie ſind lediglich dem Zink beizumeſſen, welches ſich verfluͤchtigt, weil zur Schmelzung des Kupfers ein ſehr hoher Hitzgrad gehoͤrt. Die Symptome ſind, nach der Schilderung der Arbei— ter ſelbſt, folgende: ſchmerzhaftes Gefuͤhl von Schwere im Magen, Neigung zum Erbrechen, Appetitloſigkeit, Huſten, Beklemmung, anhaltendes Kopfweh und Spannung in der Schlaͤfengegend, Summen vor den Ohren, welches die ganze Nacht durch anhaͤlt, allgemeine Abgeſchlagenheit, tetaniſche Steifheit und dumpfe Schmerzen in den Extremitaͤten, Froſt— ſchauder, Kaͤlte, Zittern, welches im Bette mehrere Stunden lang anhaͤlt, Alpdruͤcken, kalte Schweiße, denen fliegende *) Hier find namentlich die Meſſinggießereien gemeint. D. Ueberſ. 715. XXXIII. 11. 174 Hitze vorangeht, ein Gefuͤhl, als ob man uͤber und uͤber ge— ſchwollen wäre ꝛc. Bei'm Erwachen find alle dieſe beun— ruhigenden Symptome verſchwunden, und nur die Mattig— keit und dumpfen Gliederſchmerzen noch vorhanden. Auch dieſer Aufſatz laͤßt zu wuͤnſchen uͤbrig, daß der Verfaſſer feinen in befter Abſicht unternommenen und keines- weges unfruchtbaren Forſchungen noch die hoͤhere wiſſenſchaft— liche Weihe ertheilen moͤge. Meſſung der Hoͤhle des uterus, als ein Mittel der Diagnoſe. Von Profeſſor Simpſon. Der uterus kann in ſeiner Laͤnge verkuͤrzt ſeyn, entweder durch urſpruͤngliche Mißbildung, oder durch Krankheit veraͤn— derte Structur, oder theilweiſe Obliteration, oder endlich durch Inverſion. Was die letztere Urſache betrifft, von welcher al— lein wir hier ſprechen wollen, ſo iſt es oft ſehr ſchwer, einen uterus inversus von einem Polypen zu unterſcheiden. Im Allgemeinen wird man finden, daß in Faͤllen von Tumoren, die aus dem os uteri hervorragen, wo die anderen Sym— ptome uns im Zweifel laſſen, ob die Geſchwulſt ein aͤchter Polyp oder nur der fundus des eingeſtuͤlpten uterus iſt, die Anwendung der Gebaͤrmutterbougies uns in den Stand ſetzen wird, die Diagnoſe und demgemaͤß auch zum großen Theile die Prognoſe und die Behandlung feſtzuſtellen. Denn: 1) Wenn das Bougie in die Gebaͤrmutterhoͤhle bis zur normalen Tiefe derſelben von 25“ und darüber eindringt, ſo haben wir keine Inverſion vor uns, eine Thatſache, welche noch darin ihre Beſtaͤtigung finden wird, daß der fundus in situ durch die Wandungen des hypogastrium hindurch gefuͤhlt und gegen die Spitze des Inſtrumentes hin geſtoßen, oder vom reetum aus, wo er auf dieſelbe Weiſe gegen die vordere Wand deſſelben ſich anlegt, wahrgenommen werden kann. In dieſem Falle haben wir alſo eine im Allgemei— nen leicht und ſicher zu entfernende Geſchwulſt vor uns. 2) Wenn aber das Bougie rund um die Geſchwulſt herum nicht uͤber einen Zoll weit eindringen kann, ſo kann man die Gebaͤrmutterhoͤhle, als durch Inverſion verkuͤrzt, betrachten, und die Behandlung des vorliegenden Theiles iſt nicht ohne Gefahr fuͤr die Kranke. Wenn dieſer letzte Punct beſtimmt ermittelt iſt, ſo draͤngt ſich uns eine andere Frage auf: Iſt die allgemeine Verkuͤrzung des Uterincanales das Reſultat einer einfachen inversio uteri, oder einer Inver— ſion, complicirt mit und hervorgebracht durch die Befeſtigung eines Polypen an die Innenſeite des fundus uteri? Die Entſcheidung dieſes Punctes kann von der groͤßten Wichtig— keit ſeyn, ſowohl in Bezug auf die Geeignetheit, als die Sicherheit eines weiteren Einſchreitens. Iſt das Uebel nur eine einfache Inverſion, ſo wuͤrde keine Operation verſucht werden, wofern nicht ſehr dringende Gruͤnde fuͤr dieſelbe vor— handen find. Iſt aber die Inverſion Folge der Schwere eis nes herabziehenden Polypen, ſo kann durch Entfernung des letzteren der uterus wieder reponirt und der Kranken ihre völlige Geſundheit wiedergegeben werden. Zur Begründung 175 der Diagnoſe zwiſchen der einfachen und complicirten Snvers ſion koͤnnen die Anamneſe und die Beſchaffenheit der Ge— ſchwulſt genuͤgen, um uns zu leiten, aber beide koͤnnen un— ter beſonderen Umſtaͤnden auch zum Irrthume verleiten. Die Beſtimmung der Laͤnge der ganzen Uterinhoͤhle durch die doppelte Meſſung der Tiefe des Blindſackes des Halſes und dann des umgeſtuͤlpten Theiles vom Dache dieſes Blindſak— kes bis zur Spitze der eingeſtuͤlpten Geſchwulſt wird uns ſicherere Anhaltspuncte gewaͤhren. Zuſammengefaßt werden die beiden Meſſungen in einem Falle von einfacher inversio uteri nicht viel oder gar nicht die normale Laͤnge der Ge— baͤrmutterhoͤhle uͤberſchreiten; bei einer Complication der In— verſion mit einem Polypen werden ſie jene Laͤnge in einem dem Umfange des Polypen und der dadurch hervorgebrach— ten wahrſcheinlichen Verlaͤngerung des Uteringewebes ange— paßten Verhaͤltniſſe uͤberſchreiten. Außer dem angegebenen Nutzen des Uterinbougies hat Dr. Mackintoſh es auch ſehr wirkſam zur Entfernung der Urſachen und zur Milderung der Folgen von Amenor— rhoͤe gefunden. In anderen Faͤllen hat dieſes Inſtrument eine groͤßere oder geringere Verſtopfung am Eingange des uterus uͤberwunden und dadurch wenigſtens eine der vielen Urſachen beſeitigt, von denen Unfruchtbarkeit abhaͤngen mag. (Aus Edinb. monthly Journal in Lancet, 23. March 1844.) Neue Operationsmethode zur Radicalcur der hydrocele. Von Dr. W. H. Porter. Dieſe Operationsweiſe iſt theilweiſe die der Inciſion (nur mit dem Unterſchiede, daß, ſtatt einer Trennung der Scheidenhaut in der ganzen Ausdehnung der Geſchwulſt, der Schnitt nur 1 bis 15“ lang gemacht wird) — und theilweiſe die der Einfuͤhrung einer Wieke, ein Verfahren, welches zuerſt von Franco vorgeſchlagen worden ſeyn ſoll, von La rey aber wieder in Anregung gebracht und empfoh— len worden iſt. Nachdem ich zuerſt die Geſchwulſt punctirt habe, um den Zuſtand der Theile zu unterſuchen, und mich uͤber die Zulaͤſſigkeit einer Radicalcur zu vergewiſſern, laſſe ich den Sack ſich wieder anfuͤllen. Sobald das Uebel wie— der erſcheint, und die Scheidenhaut, wie fruͤher, ausgedehnt iſt (), fuͤhre ich die Operation auf folgende Weiſe aus: Nachdem der zur Operationsſtelle beſtimmte Theil des scro- tum glatt raſirt worden iſt, mache ich einen Einſchnitt von 715. XXXIII. 11. 176 der oben angegebenen Laͤnge bis auf die Scheidenhaut und unterſuche genau, ob irgend ein Gefaͤß verwundet worden iſt, welches einen betraͤchtlicheren Blutverluſt herbeifuͤhren koͤnnte. Ich führe darauf ein Biſtouri in die Scheiden— haut an dem einen Ende des Schnittes ein und am ande— ren wieder heraus und durchſchneide dieſelbe mittelſt raſchen Durchziehens des Inſtrumentes. Darauf wird eine aus zu— ſammengerollter Charpie beſtehende, mit Oel befeuchtete und mit einem Faden verſehene Wieke eingefuͤhrt, womit denn die Operation beendet iſt. Der Kranke kann in's Bett ge— bracht werden. Am naͤchſten Tage ſtelle ich gewoͤhnlich ei— nen Aderlaß von 10, 12 bis 14 Unzen an, beſonders wenn das serotum geroͤthet iſt und Neigung zur Entzündung zeigt. Die Wieke bleibt liegen, bis ſie loſe wird und von ſelbſt herausfaͤllt, was gewoͤhnlich am dritten oder vierten Tage geſchieht; ſie braucht dann nicht wieder erneuert zu werden; aber es iſt zweckmaͤßig, die Adhaͤſionen, welche ſich zwiſchen den Wundraͤndern gebildet haben moͤgen, zu trennen, und bis zum ſechsten Tage von Zeit zu Zeit den Finger in die Hoͤhle der Scheidenhaut einzufuͤhren, worauf dann ein leichter, oberflaͤchlicher Verband genuͤgt. Nach ungefaͤhr 3 Wochen iſt gewoͤhnlich die Heilung vollkommen beendet. Dieſe Operationsweiſe habe ich nun bereits ſeit 15 Jahren vielfach ausgefuͤhrt und kann ihr, nach meiner Er— fahrung, den Vorzug vor allen anderen bisjetzt vorgeſchlage— nen Operationsmethoden einräumen. (Dublin Journal, July 1844.) Miscellen. Extraction von Dracunculi aus dem Auge von Dr. William Loney. Im Jahre 1842 conſultirten mich zwei Kroomen (geborene Afrikaner), wegen eines Zuckens im Auge und eines Ge— fuͤhles, als ob ſich Etwas in demſelben bewege. Bei der Unterſu— chung ſah ich einen Wurm, welcher ſich unter der conjunctiva rund um die Hornhaut herum bewegte. Ich hob ein Stuͤck der Binde— haut mit einem Haken in die Höhe, ſchnitt es ab und zog die Würs mer ohne Schwierigkeit heraus. Beide waren nicht uͤber Zoll lang. (Lancet, June 1844.) Behandlung des fluor albus mit Tinct. Jodi. Van Steenkiſte hat folgende Injection mit großem Erfolge bei hartnaͤckigen chroniſchen Leukorrhoͤen angewandt: R Jodii gr. jv. Alcohol. gr. jx. Aq. dest. gr. cxxv. Davon ungefaͤhr 30 fluͤſſige Grammen taͤglich einzuſpritzen. (Aus Ann. d’obstetr. in Lond. med. Gaz. July 1844.) — nn] Si bl i ge a ph is che e i eiten Voyages faits dans les Moluques, à la Nouvelle - Guinée et à Celebes, avec le comte Vidua de Conzalo, à bord de la go&- lette royale l’Iris, par le Lieutenant de vaisseau J. H. de Bondick- Bastianse. Paris 1844. 8. Traité el&mentaire de Paléontologie ou Histoire naturelle des animaux fossiles. Par Mr. Pictet. Tome II. Paris 1845. 8. (M. 20 K.) Notion d’Hygiene pratique. Par le docteur Isidore Bourdon. Paris 1844. 18. M. 3 K. Legons sur les maladies de la peau, professées a l’Ccole de mé- decine de Paris en 1841, 1842, 1843, 1844. Par P. L. Al- phee Cazenave etc, Ire Livraison. Paris 1845. in Fol. (Das Werk wird 10 bis 12 Lieferungen haben, jede von 5 Tafeln.) — —— —ñ———ñññęñ Neue Üotizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Ober ⸗Medieinalratde Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrotde und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 716. Gedruckt im Landes⸗Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3¾ 945 (Nr. 12. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g 30 27, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 95 Februar 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Ir Ren d e. Betrachtungen uͤber die Beziehungen der Menſchen— ſpecies zu der dieſelbe umgebenden Außenwelt. Von Herrn Ribes, Profeſſor an der mediciniſchen Facultät zu Montpellier. (Fortſetzung.) Kurz wir muͤſſen anerkennen, daß die Geſammtheit der von den Anhaͤngern beider Theorien vorgebrachten Thatſa— chen ſich mit der von uns fuͤr die einzig richtige gehaltenen Anſicht vereinbaren laͤßt, naͤmlich mit der, daß die Thaͤtig⸗ keit auf beiden Seiten, ſowohl in dem menſchlichen Weſen, als in der Außenwelt, zu ſuchen ſey, daß die Ernährungss functionen das Reſultat jener beiderſeitigen Thaͤtigkeiten bil— den, und daß dieſe beiden Arten von Einfluͤſſen einander nicht feindlich entgegenſtehen. Die Außenwelt liefert alſo Stoffe, welche zur Ernaͤh— rung geeignet ſind, die wir unſerem Ich einverleiben und die dann mit uns fungiren, die ſchon vorher mit unſerm lebenden Organismus eine gewiſſe Aehnlichkeit beſaßen. Dieſer zieht ſie aus den Koͤrpern, in denen ſie enthalten ſind, und unterwirft ſie einer Reihe von Bearbeitungs— weiſen, durch die ihnen ſtufenweiſe der Staͤmpel der Menſchlichkeit immer deutlicher aufgedruͤckt wird, bis ſie, den Geweben innig einverleibt und folglich ſelbſt Gewebe bil⸗ dend, zu weſentlichen Beſtandtheilen des lebenden menſch— lichen Organismus geworden ſind. Statt hierin einen Widerſpruch zu entdecken, wird man vielmehr darin einen Beweis der gegenſeitigen Congruitaͤt und Paßlichkeit ſehen. Angenommen, der Einklang der nothwendigen Bedingungen ſey nicht vollkommen, wie z. B., wenn die Nahrungsſtoffe nicht die noͤthige Auflöslichkeit beſitzen, ſchwer verdaulich oder wenig nahrhaft find, oder verdorbene Beſtandtheile enthal— ten; dann mag es um die Thaͤtigkeit unſeres Organismus noch ſo gut ſtehen, er wird die auf der andern Seite ſtatt— findenden Nachtheile nicht beſeitigen koͤnnen und die Schaͤd⸗ lichkeit einer ſolchen Ernaͤhrung wird ſich fruͤher oder ſpaͤter offenbaren. Man betrachte nun das entgegengeſetzte Ver⸗ No. 1816. — 716. haͤltniß, naͤmlich das Vorhandenſeyn der beſten Nahrungs: ſtoffe, waͤhrend der Ernaͤhrungsapparat ſich in ſchlechtem Stande befindet, und der Erfolg wird nicht weniger uner- freulich ſeyn. Man ſehe dagegen, wie normal die Function von Statten geht, wenn man einen ſtarken Abgang ven Materialien durch eine kraͤftige Koſt oder einen geringen Ab— gang durch eine ſpaͤrliche Koſt erſetzt, wenn die Nahrungs— ſtoffe quantitativ und qualitativ mit der Aſſimilirungskraft uͤbereinſtimmen. In der Erfahrung, daß ſich ein kraͤftiger Menſch bei ſtark naͤhrenden Speiſen und reizenden Getraͤn— ken wohlbefindet, und daß einem ſchwaͤchlichen Menſchen ma- gere Koſt und wenig aufregende Getraͤnke beſſer zuſagen, liegt nur eine Beſtaͤtigung unſerer Anſicht, indem der Eine, wie der Andere die Nahrungsmittel, welche dem Andern bekommen, ſehr ſchlecht verdauen wuͤrde. 5) Wir wollen nun über die moraliſchen Beziehungen Einiges bemerken. — Auch hier ſtehen zwei Anſichten ein= ander feindlich gegenuͤber: nach der einen bilden unſer Cha— racter und unſere Gemuͤthsbeſchaffenheit eine moraliſche Ge— ſammtindividualitaͤt, welche auf unſere Lebensrichtung faſt unvermeidlich beſtimmend wirkt; nach der anderen haben die aͤußeren Gegenſtaͤnde dieſe beſtimmende Kraft, indem ſie un— ſere Begierden oder Leidenſchaften heftig anregen und uns zur Befriedigung derſelben noͤthigen. Bei einer unpartheilichen und gründlichen Unterſuchung der bei dem phyſiologiſchen Zuſtande, den man gemeinhin Leidenſchaft nennt, concurrirenden Momente koͤnnen wir uns weder fuͤr die eine, noch fuͤr die andere dieſer einander widerſprechenden Anſichten erklaͤren. Diejenigen, welche ſich zur Erklaͤrung der moraliſchen Erſcheinungen lediglich auf die Außenwelt ſtuͤtzen, uͤbertreiben den Einfluß der letztern. Ihnen iſt jeder Gemuͤthsaffect nur eine Erſcheinung der Ruͤckwirkung. Allerdings muß man, z. B., zugeben, daß der Anblick einer Perſon des andern Geſchlechts in uns eine Modification veranlaßt, die, bis zu einem hohen Grade ge— ſteigert, zu einer Begierde, einem Affect, einer Leidenſchaft wird; allein woher kommt es, daß unter mehreren Perſonen, 12 179 welche denſelben Eindruck empfangen haben, nur eine einzige demſelben durch eine leidenſchaftliche Ruͤckwirkung entſpricht? War ſie allein zu einer ſolchen Reaction praͤdisponirt? Al— lerdings; und eben in dieſer Praͤdispoſition liegt eine Claſſe von Motiven, ohne die kein aͤußeres Motiv ſich irgend gel— tend machen koͤnnte. Eine aͤußere Potenz allein reicht zur Erregung einer Leidenſchaft nicht hin; es ſind deren zwei dazu unumgaͤnglich noͤthig; und die durch den Ausdruck Praͤdispoſition bezeichneten Zuſtaͤnde ſind ſelbſtthaͤtiger, haͤufig ſehr maͤchtiger Natur; denn ſonſt waͤren die Lei— denſchaften unerklaͤrlich, deren Gegenſtand die Art und Kraft der Leidenſchaft in keiner Weiſe rechtfertigt. Die Praͤdispoſition iſt uͤberdieß eine urſpruͤngliche Thatſache, und bei manchen Perſonen ſo lebhaft und tiefgreifend, daß die— ſelben, ſo zu ſagen, ſich ſtets im Zuſtande der Leidenſchaft befinden, indem alle ihre Handlungen dieß beweiſen. Die zu weit getriebene Keuſchheit praͤdisponirt uns zumal fuͤr die Empfindung der Liebe, waͤhrend Abſchwaͤchung und Ue— bermaaß des Sinnengenuſſes die Faͤhigkeit, in dieſer Weiſe afficirt zu werden, in uns mindert. Durch die Erwaͤgung des Einfluſſes, welchen Umſtaͤnde dieſer Art aͤußern, ſind man— che Phyſiologen zu der itrigen Anſicht gelangt, daß ſich mit ihnen allein das Weſen der Leidenſchaft erklaͤren laſſe, und daß der Zug der Leidenſchaft lediglich das Erzeugniß der in uns liegenden Triebe, alſo von der Außenwelt unabhaͤngig ſey. Die Urſache liegt aber jederzeit zugleich in und aur ßer uns, Noch mehr, das Zuſammenwirken zweier Arten von Bedingungen iſt ſowohl zur Erzeugung als zur Thaͤtigkeits⸗ aͤußerung der Leidenſchaft noͤthig. Wie koͤnnte uͤberhaupt eine Tendenz ohne ein Ziel, wie eine Begierde ohne eine ihr entſprechende Befriedigung exiſtiren? Ein zweckloſes Be: duͤrfniß, eine Theorie ohne Praris find völlig abnorme Dinge, So kraͤftig auch die Begierde ſeyn moͤchte, die uns dem Gegenſtande unferer Neigung zutriebe, fo würde der Zuſtand doch erſt dadurch normal, und die Function erſt dadurch zur Wirklichkeit erhoben werden, daß dieſer Gegen— ſtand gefunden wuͤrde. Selbſt die Phantaſie des Dichters erſchafft einen außer ihm liegenden Gegenſtand. So ſtark aber auch immer der Zug der Leidenſchaft ſeyn mag, ſo iſt er doch nicht unwiderſtehlich. Wir fuͤhlen, daß wir frei ſind, obwohl wir es allerdings, je nach der Kraft der in Wirk— ſamkeit befindlichen Motive, in ſehr verſchiedenem Grade ſind. Die Thatſache der gegenſeitigen Uebereinſtimmung und Anpaſſung iſt bei den moraliſchen Acten ebenſo unlaͤugbar, als bei den Ernaͤhrungsfunctionen. Nur wenn ein Antago⸗ nismus fFattfindet, tritt eine Störung des normalen Zuſtan— des ein. Das Gefuͤhl verlangt Befriedigung, wird ihm dieſe nicht, ſo leidet es und wir gerathen dann mit unſeres Glei— chen in Zwieſpalt. Der Schmerz und die regelwidrigen Ruͤckwirkungen, denen wir uns hingeben, ſind die Quelle von Fehlern und Verbrechen. Die den phyſiolsgiſchen An— forderungen am Meiſten entſprechende ſociale Ordnung wuͤr— de alſo diejenige ſeyn, wo die Thatſachen des Antagonis— mus am Wenigſten Platz greifen koͤnnen. Die wuͤrdigſte Art, wie die Functionen der Liebe von den beiden Haͤlften 716. XXXIII. 12. 180 des Ehepaars, den Familiengliedern, der Nation, der Menſch— heit ausgeuͤbt werden koͤnnen, iſt auf gegenſeitige Zunei— gung, auf Uebereinſtimmung der moraliſchen Intereſſen ge— gruͤndet. Aus der Erkenntniß der Beduͤrfniſſe des Leiden— ſchafts- und Ernaͤhrungslebens entſpringen die Buͤndniſſe zwiſchen Individuen, wie zwiſchen Voͤlkern. Solche werden dauerhaft ſeyn, wenn die contrahirenden Partheien darin das Mittel zur Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe finden, und wenn keine der andern aufgeopfert wird. Die Wahrheit des mo— raliſchen Bandes, welches uns mit der Außenwelt verknuͤpft, giebt ſich in ſeiner vollen Kraft kund, wenn wir, z. B., unſere Stellung zu den uͤbrigen Mitgliedern unſerer Familie in Betracht ziehen. Ebenſo werden wir von den Intereſſen unſeres Paterlandes ſehr nahe beruͤhrt. Wer fuͤhlte ſich endlich dem fremd, was die ganze Menſchheit intereſſirt? Gewiß, der Egoismus, als der ſchroffſte Ausdruck des anta— goniſtiſchen Lebens, iſt nicht der normale Zuſtand; aber die Liebe zu ſich ſelbſt, die neben der Menſchenliebe beſtehen kann, iſt es. Dieſe beiden Zuſtaͤnde ſind ſo wohl miteinander vertraͤglich, daß gewiß Niemand zugeben wird, er habe da— rum aufgehört, ſich ſelbſt zu lieben, wenn er feinen Naͤch⸗ ſten liebt, 4. Auch behufs unſeres Wiſſens und Denkens ſtehen wir mit der Außenwelt in Beziehung. Um dieſe Functio⸗ nen auszuuͤben, muͤſſen die Gegenſtaͤnde unſerer Erkenntniß einen Eindruck auf uns ausüben. — Es giebt Phyſiologen, welche die Ideen nach der Zahl der Eindruͤcke berechnen und dieſen letztern die groͤßte Wichtigkeit zuſchreiben. Jene Worte: „Alle Ideen haben ihren Grund in auf unſere Sinne gemachten Eindruͤcken“ ſprechen die Anſicht jener Phyſiologen uͤber unſere Beziehungen zur Au— ßenwelt in Betreff unſeres Denkvermoͤgens aus. Sobald eine Anregung ſtattgefunden hat, entſteht als Ruͤckwirkung derſelben ein Gedanke. Auf dieſe Weiſe waͤren die aͤußern Gegenſtaͤnde die einzige Urſache unſeres Wiſſens. Andere behaupten zuvoͤrderſt, es gebe Gedanken, die nicht durch aͤußere Gegenſtaͤnde erregt worden ſeyen, und ge— ſtehen ferner den wirklich ſtattgefundenen Eindruͤcken nur eine untergeordnete Wichtigkeit zu, indem ſich letztere, ihrer Anſicht nach, auf Anregung unſeres uͤbrigens ſelbſtſtaͤndigen Denkvermoͤgens beſchraͤnken. Nach dieſer Theorie iſt alles Denken eine Thaͤtigkeit, Schoͤpfung unſeres Geiſtes, ein Product unſerer urſpruͤnglichen Denkkraft, und zwiſchen dem auf unſere Sinne einwirkenden Gegenſtand und der Idee oder dem durch denſelben angeregten Ideengange laͤge eine weitere Kluft, als zwiſchen dem Marmorblocke und dem Kunſtwerke, in das ihn der Bildhauer umarbeitet, oder zwi— ſchen dem Coconfaden und dem ſchoͤnſten Seidenſtoffe. Hier haben wir es offenbar wieder mit zwei Uebertrei— bungen, ja Sophismen zu thun. Zuvoͤrderſt betrachten bei⸗ de Partheien unſere Beziehungen zu den zu erkennenden Gegenſtaͤnden nicht von einem allgemeinen Standpuncte aus, ſondern aus einem ganz einſeitigen Geſichtspuncte. Sie faſſen nur einen Theil unſeres Wiſſens in's Auge und geben dieſen Theil fuͤr das ganze Gebiet unſeres Wiſſens aus. Hieraus folgt, daß eine Auslegung der wirklich vor— 181 handenen Thatſachen, gegen die ſich nichts einwenden ließe, wenn man ſie lediglich von dieſen Thatſachen gelten ließe, ganz verfehlt erſcheint, wenn man ſie allen Thatſachen, al— lem Vorhandenen aufnoͤthigen will. Wenn das Denken uͤberhaupt nur die Summe der einzelnen Gedanken waͤre, ſo haͤtte man allerdings Recht, bei'm Denken nur die Ein— druͤcke von Außen in Anſchlag zu bringen. Wenn die Grundprincipien ſich nothwendig aus der Unterſuchung der einzelnen Thatſachen ergaͤben, ſo brauchte man dieſe nur zu beobachten und zuſammenzuzaͤhlen, um zuletzt daraus das Fa— cit mit Sicherheit zu ziehen; dann bätten allerdings die Leute, die das Denken uͤberhaupt den aͤußeren Eindruͤcken zuſchreiben, vollkommen recht. Allein aus dem Zuſammenaddiren der Thatſachen und einzelnen Ideen gehen die allgemeinen Ideen keineswegs hervor, ſondern jene muͤſſen erwogen und ſelbſt— ſtaͤndig verarbeitet werden, um dieſe zu erzeugen. Doch welche wichtige Rolle ſpielen auf der andern Seite nicht die Thatſachen, ſelbſt wenn man dieß Wort in dem engen Sins ne nimmt, in dem ſich manche Phyſiologen ſeiner bedienen, d. h., wenn man die Außenwelt nur als eine ungeordnete Anhaͤufung von Koͤrpern betrachtet und die Kenntniß der Gegenſtaͤnde nur auf analytiſchem Wege erlangen zu koͤn— nen waͤhnt. — Muß man aber dem Worte: Thatſache nicht eine umfaſſendere Bedeutung zuerkennen? Man frage jene Gelehrten ſelbſt, ob ſie nicht an eine allgemeine Welt— ordnung, an eine ſyſtematiſche Zuſammenſtellung ſaͤmmtlicher Naturweſen glauben? Sie koͤnnen durchaus nicht laͤugnen, daß ſie daran glauben, da ſie dieſe Ordnung beſtaͤndig ſelbſt ſuchen und da ihre eigenen Claſſificationen fuͤr ihren Glau— ben an eine ſolche Ordnung Zeugniß ablegen. Wenn aber die Weſen im Weltall nicht nur zufällig durcheinander ges mengt ſind, ſo hat der Ausdruck: beobachten eine weit ausgedehntere Bedeutung, als ihm manche Beobachter zu— ſchreiben; und die Thatſache iſt nicht nur Dasjenige, was uns inmitten dieſer geordneten Menge von Gegenſtaͤnden in die Sinne faͤllt, nicht nur, wenn ich ein Weſen fuͤr ſich be— trachte, ganz einfach die Reihe von einzelnen Eigenſchaften, die ich an ihm ermittle, die Reihe der Beſtandtheile, die es enthaͤlt und der jedem dieſer Beſtandtheile zukommenden Ei— genſchaften, ſondern zugleich der Zuſtand dieſes Koͤrpers, in den Beziehungen betrachtet, die ihn mit andern Koͤrpern verknuͤpſen, der Zuſtand, in welchem ſich die dieſen Koͤrper bildenden Beſtandtheile in ihrem gegenſeitigen Verhaͤltniſſe zu einander befinden. — Hieraus folgt nun nothwendig, daß zur Erkenntniß der Geſammtwirklichkeit die Koͤrper ſowohl für ſich, als in ihrer gegenſeitigen Verbindung betrachtet werden muͤſſen; denn die Thatſache iſt das, was uns als denkenden Weſen, d. h., als ſolchen, die nicht nur Sinne, ſondern auch Vernunft beſitzen, zur Anſchauung gelangt. Wenn ich nun mein Denkvermoͤgen lediglich durch Vermitt— lung meiner Sinne wirken laſſe, ſo bemerke ich nur einzelne, nebeneinander befindliche Körper, und ich gelange nur zur Erzeugung vereinzelter Ideen, ſo daß ich nur unvollſtaͤndige und ungenaue Kenntniſſe erlange. Allgemeine Ideen kann ich ſo nicht gewinnen, es ſey denn ſolche, die aus dem blo— ßen Zuſammenaddiren einzelner Ideen entſtehen, die aber je— 716. XXXIII. 12. 182 nen Namen nicht verdienen. Die auf die Anordnung und Verbindung der Weſen bezuͤglichen Thatſachen, ſowie die Natur der Verbindung der Beſtandtheile der Koͤrper, werden nicht zu meiner Anſchauung gelangen. Das eben Geſagte beweiſ't, daß, wenn die Anſicht ders jenigen, die in Betreff der Functionen der Intelligenz die Oberherrſchaft der Außenwelt von dem rein materiellen Stand— puncte aus verkuͤnden, unhaltbar iſt, doch darin noch kein Grund liegt, die entgegengeſetzte Anſicht unbedingt anzuneh— men, denn dieſe iſt ihrerſeits ebenfals ungenuͤgend. Um die— ſelbe als haltbar darzuſtellen, haben die Phyſiologen zu ei— ner, der eben erwaͤhnten entgegengeſetzten Abſtraction ihre Zuflucht genommen; indem ſie die Weſen mehr in ihrer Vereinigung als Vereinzelung betrachteten, gingen ſie von allgemeinen Thatſachen aus, ſo daß ſie die Betrachtung der Anordnung und Einheit voranſtellten und die beſonderen That— ſachen dieſer allgemeinen Thatſache unterordneten. Die An— haͤnger dieſer Anſicht machen die Erſcheinungen und Eigen— ſchaften der einzelnen Koͤrper von dem Verhalten der Ge— ſammtheit der Koͤrper abhaͤngig. — Fuͤr ſie umfaßt auch die Thatſache an ſich nicht die ganze Realitaͤt; ſie begnuͤgen ſich damit, die Weſen nur in ihrer ſyſtematiſchen Zuſammen— ſtellung zu betrachten, ohne jedes in ſeiner Beſonderheit in's Auge zu faſſen. Sie ſchauen die Koͤrper, von denen ſie Kenntniß nehmen wollen, mehr mit der Vernunft, als mit den Sinnen an, und behaupten, es gebe eine uͤber die ſinnliche Wahrnehmung abſolut erhabene oder metaphyſiſche all— gemeine Wiſſenſchaft, von der fie alle beſonderen Wiſſenſchaf⸗ ten ableiten. Es wird nun einleuchten, daß zwei Claſſen von thäti- gen Bedingungen dazu gehoͤren, um die geiſtigen Operationen zu vermitteln; daß das Weltall ein Symbol iſt; daß jedes Weſen ſeine Bedeutung hat, und daß uns die Aufgabe ge— ſtellt iſt, dieſe Bedeutung zu finden; daß wir uns bei dieſem Suchen oder Begegnen nicht paſſiv verhalten; daß, wenn die— ſelbe Thatſache ſich der Anſchauung eines Newton und zus gleich vieler anderer Menſchen darbietet, Newton allein ſie in ihrer wahren Bedeutung auffaßt; daß dieſelben Beobach— tungen die Veranlaſſung zu ſehr verſchiedenen Inductionen werden; daß wir aber unſererſeits nicht unabhaͤngig ſind, denn wenn man den Menſchen von dem Medium, in dem er zu leben und das er zu erkennen beſtimmt iſt, abfondert, ſo wird die Moͤglichkeit aller Wiſſenſchaft aufgehoben. Man verwirkliche den Zuſtand einer ſolchen Iſolirung ſo weit, als moͤglich, ſo bleibt dem Menſchen nur die Faͤhigkeit, zu traͤu— men, zu phantaſiren, phantaſtiſche Ideen zu ſchaffen. In dieſen Schoͤpfungen finden ſich nur entſtellte Zuͤge der wirk— lichen Weſen; aber dieſe finden ſich noch; denn aus Nichts koͤnnen wir Nichts erzeugen. Allein hier haben wir nur ein Extrem des intellectuellen Lebens betrachtet, und das entge⸗ gengeſetzte Extrem deſſelben beſteht in der mechaniſchen An— haͤufung von Thatſachen im Gedaͤchtniſſe, ohne daß eine eigentlich geiſtige Verarbeitung derſelben ſtattfindet. Hier iſt, wie bei allen übrigen Functionen, die Combination zweier Claſſen von Einflüffen unverkennbar, wiewohl nach Umſtaͤn— den die eine uͤber die andere das Uebergewicht haben kann, 12 * 183 jenachdem die eine oder die andere wiſſenſchaftliche Specia« litaͤt vorzugsweiſe cultivirt wird. In der erſten Anlage ſind die dem menſchlichen Weſen zukommenden Bedingungen gleichſam auszugsweiſe enthalten; die von Anderen oder uns ſelbſt beobachteten Thatſachen, ohne welche jene Anlage latent bleiben wuͤrde, ſind das Object der Anlage. Man bemerke auch, daß die inneren Anlagen und die ihnen entſprechenden aͤußeren Bedingungen keineswegs einen Antagonismus involviren. Wenn wir uns von einem Me— dium umgeben finden, das der Ausuͤbung des Denkver— moͤgens guͤnſtig iſt, fo kann daſſelbe nicht zugleich das ges eignetſte ſeyn, uns zum Handeln anzuregen. Jenes be— ſteht aus Weſen, deren Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten, deren Form und Zuſammenſetzung, Thaͤtigkeitsweiſe und Ge— ſetze wir uns zu erkennen beſtreben. Man koͤnnte es als ein intellectuelles Medium bezeichnen, welches uns als denken— den Weſen conform iſt. Ganz anders verhaͤlt es ſich mit einem Medium, welches der Ausuͤbung unſerer Faͤhigkeiten für die aͤußere Bewegung und induſtrielle Betriebſamkeit guͤn— ſtig iſt, dieſes wuͤrde unſerem Geſchmacke, unſern Wuͤnſchen, Tendenzen und Praͤdispoſitionen zuwider ſeyn, wenn fie das intellectuelle Gepraͤge haben. Und wir wuͤrden uns nicht nur mit der Außenwelt in Zerwuͤrfniß befinden, wenn wir uns, fos bald wir denken wollten, mit Gegenſtaͤnden eder Menſchen, die uns zum Handeln anregen, in Beziehung ſetzten, ſondern, wenn unſere Anlage auf ein ſpecielles Studium gerichtet iſt, wird fie ſich auch, inſofern wir nicht zu dieſer Anlage ents ſprechenden Gegenſtaͤnden in Beziehung treten, nicht frei und froͤhlich entwickeln koͤnnen, ſondern unter ſolchen unguͤnſtigen aͤußeren Bebingungen nur ſehr verkuͤmmerte Reſultate her— vorbringen. Man veraͤndere die Umgebungen in einer paſ— ſenden Weiſe, und die Harmonie derſelben mit der Anlage des Menſchen wird die erwuͤnſchteſten Refultate erzeugen. — Das normalſte geiſtige Leben iſt alſo dasjenige, wo wir mit den Gegenſtaͤnden der intellectuellen Welt am Vollkommen⸗ ſten im Einklange ſtehen. 5) In Betreff der Functionen der Bewegung finden dieſelben Betrachtungen volle Anwendung. Waͤren jene eine nothwendige Wirkung aͤußerer Anregung, ſo wuͤrde ihre In— tenſitaͤt ſtets der Kraft der Anregung proportional ſeyn. Dem iſt aber nicht ſo; denn ein Reiz von Außen, dem in der Regel ein Zuſtroͤmen des Blutes nach dem gerelzten Theile folgt, bringt dieſe Wirkung nicht unausbleiblich oder wenigſtens nicht immer in einem der Staͤrke des Reizes ent— ſprechenden Grade hervor, und derſelbe Reiz, der heute ein Strotzen der Gefäße, eine Geſchwulſt veranlaßt, kann viel: leicht morgen Krampf oder eine Volumverminderung des Theiles erzeugen. — Wenn Eindruͤcke aller Art, oder ma— terielle Beruͤhrungen in uns mehr oder weniger lebhafte Muskel⸗Ruͤckwirkungen erregen, ſo ergiebt ſich daraus noch nicht nothwendig, daß wir denſelben kraͤftig entſprechen. Hierzu iſt noͤthig, daß wir eine hinreichend kraͤftige Muskelthaͤtigkeit, das Beduͤrfniß und den Willen zu handeln beſitzen; denn die ſtaͤrkſten Reize werden ſich bei einem geſchwaͤchten, ermuͤde— ten, erſchoͤpften oder uͤberhaupt zur Thaͤtigkeit nicht praͤdis— ponirten Individuum als erfolglos beweiſen oder ein Reſul⸗ 716. XXXIII. 12. 184 tat hervorbringen, welches der daſſelbe hervorrufenden Potenz durchaus nicht proportional iſt. Demnach wird Niemand laͤugnen, daß man mit Betrachtung der aͤußeren Potenz nicht ausreicht, um das Verhaͤltniß der Bewegung oder deren vers ſchiedene Grade und Arten zu ermitteln. Da ſomit die inneren Bedingungen unferes Organismus ebenfalls als unbeſtreitbare Thatſache mit in Anſchlag ges bracht werden muͤſſen, fo wollen wir nun unterſuchen, wie es ſich mit ihnen verhaͤlt. Wollte Jemand zu behaupten wagen, daß ſie freiwillig in Thaͤtigkeit treten? Gewiß nicht; die Faͤlle, wo eine Ruͤckwirkung gleichſam unvermeidlich ein⸗ tritt, ſprechen dagegen. Könnten übrigens unſere phyſiſchen Acte, unſere Functionen der Ortsveraͤnderung, des Ergrei— fens ꝛc., ohne aͤußere Motive vollzogen werden? Ihr Vor— handenſeyn, das Vochandenſeyn unſerer phyſiſchen Vermoͤgen ſetzt vielmehr dieſe Motive voraus. Um die Function zu verſtehen, muͤſſen wir ſtets deren Zweck vor Augen haben. Wenn wir das Beduͤrfniß haben, uns den Gegenſtaͤnden zu naͤhern eder ſie zu ergreifen, ſo iſt dieß nur, vermoͤge des wirklichen Vorhandenſeyns derſelben außer uns, der Fall. Nur an dieſen Gegenſtaͤnden läßt ſich die Function realiſiren; denn wenn wir willkuͤhrliche Bewegungen ausführen, fo ges ſchieht dieß eines poſitiven Zweckes wegen, und ſelbſt wenn wir in einer weniger materiellen Abſicht Bewegungen mach⸗ ten, z. B., um Anderen zu gefallen, würde die äußere Bes dingung durch unſere Mitmenſchen dargeſtellt ſeyn, welche auf unſere Bewegungen achten und auf dieſe Weiſe eine ſehr maͤchtige aͤußere Potenz bilden. Wir muͤſſen alſo eingeſtehen, daß wir weder abſolut von der aͤußeren Anregung abhaͤngig, noch von ihr unab— haͤngig ſind. Auf der einen Seite kommt die Art und der Grad der verſchiedenen Eindruͤcke, auf der anderen das Bes duͤrfniß, die Anlage, die Praͤdispoſition in Betracht; die ges genſeitige Paßlichkeit ertheilt dem Reſultate ſeinen vollen Werth. Die Kraft der zur Anwendung kommenden Thaͤtig— keit entſpricht dem Gewichte der zu hebenden Laſt, und die ſpecielle Bewegung der zu leiſtenden beſonderen Arbeit; wo— raus dann weiter der Schluß folgt, daß man zu einer rich— tigen Wuͤrdigung der Erſcheinungen dieſer Claſſe weder da— durch gelangt, daß man einſeitig ganz auf die Außenwelt fußt und dort einzig die Urſachen unſerer Handlungen ſucht, noch dadurch, daß man Alles aus dem inneren Weſen des Menſchen zu erklären unternimmt. Die Urſachen liegen aus⸗ ſchließlich weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Es finden auf beiden Bedingungen ſtatt, aus deren Combi— nirung die Urſachen hervorgehen. Folglich liegt der Grund dieſer, wie aller anderen Functionen zugleich in und außer uns. Nur der umfaßt alle Thatſachen, erblickt das menſch⸗ liche Weſen in ſeiner wahren Beſchaffenheit, wer auf das menſchliche Weſen und die daſſelbe umgebende Außenwelt zus gleich fußt, wer alſo das Ich in allen ſeinen Beziehungen zu dem Nicht⸗Ich in's Auge faßt. Nur ein Solcher iſt faͤhig, eine von ihm beobachtete Erſcheinung von allen Seiten rich⸗ tig zu würdigen, (Schluß folgt.) 185 Miscellen. Beobachtungen uͤber die Wirkungen der arſeni⸗ gen Säure auf die Pflanzen hat Herr Chatin der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 6. Januar d. J. vorgetragen, aus denen ſich zuvoͤrderſt ergiebt, daß von den 24 Stunden lang in eis ner gefättigten Aufloͤſung dieſes Giftes eingetaucht geweſenen Saa⸗ men nur ſehr wenige noch keimfaͤhig find. Verdünnt man die Auf⸗ loͤſung dagegen mit dem Zwei- bis Dreifachen ihres Gewichtes an Waſſer, fo büßen nur noch ſehr wenige Saamenkoͤrner ihre Keim⸗ fähigkeit ein. Je hoͤher die Pflanzen organiſirt find, deſto empfinde licher zeigen fie ſich gegen das Gift. Die veraifteten Pflanzen wer— den welt, gelb, oder ſchwaͤrzlich; auf dem Queerdurchſchnitte des Stängels zeigen ſich die inneren Gewebe gelb, braun, oder ſelbſt ſchwarz gefaͤrbt; was ſich an den Gefaͤßbuͤndeln faſt noch deutlicher darſtellt, als an den Zellgewebe. Bei der mikroſkopiſchen Unter: ſuchung entdeckt man hier und da, jedoch hauptſaͤchlich am Gipfel der Blumenſtiele, an der Baſis der Blattſtiele, am Wurzelſtocke und den Wurzeln, kleine Luͤcken, welche von der Atrophie einiger Zellen herruͤhren, die man an den Wandungen der Luͤcken anliegend findet. Dieß iſt, Herrn Chatin zufolge, eine Art Gangrän, welche an den zuerſt ſchwarz gewordenen Stellen des Zellgewebes ſelten fehlt. Uebrigens aͤndern die Wirkungen des Arſenik's nach dem Alter, der Art und Conſtitution der Pflanzen ab und ſind von den aͤußeren Potenzen, z. B., der Luft, dem Waſſer, der Wärme, der Electricitaͤt und dem Lichte, nicht unabhängig. Mit Uebergehung der auf dieſe verſchiedenen Potenzen bezuͤglichen Eins zelnheiten, führen wir nur die Hauptreſultate der fraglichen Arbeit an. So behauptet, z. B., in landwirthſchaftlicher Hinſicht, Herr 716. XXXIII. 12. 186 Chatin, daß das Einweichen des Saatkornes in einer Arſenikauf⸗ loͤſung keinen Nutzen bringen koͤnne, indem dadurch die Entwick⸗ lung des Uredo carbo (Brandes im Waizen) nicht verhindert werde, weßhalb der Verkauf des Arſeniks zu dieſem Behufe unbedingt zu verbieten ſey. Hinſichtlich der vegetabiliſchen Chemie dient die voͤl⸗ lig nachweisbare Excretion des Giftes durch die Pflanzenwurzeln der Theorie des Fruchtwechſels zur Unterftügung. Daß die arſe— nige Säure von den Pflanzen vollſtaͤndig ausgeſchieden wird, bes weiſ't, daß in den Körnerfrüchten, deren Saamen man mit Arſe— nik behandelt hat, keine Spuren von dem Gifte vorkommen koͤnnen. Was endlich den therapeutiſchen Geſichtspunct anbetrifft, ſo findet man, wenn man die Reſultate dieſer Arbeit mit denen vergleicht, die Herr Chatin im vergangenen Jahre an Thieren erlangt hatte, daß die Waͤrme auf die giftige Wirkung des Arſenik's bei Pflanzen denſelben Einfluß aͤußert, wie bei Thieren. Manche der von Herrn Chatin erlangten Reſultate ſcheinen indeß noch fernerer Beftätige ung zu beduͤrfen. Ueber die Infuſorien im Magen der friſchen Aus ſtern hat Herr J. B. Reade ſeine Beobachtungen der mikro- fkopiſchen Geſellſchaft zu London am 11. December v. J. mit⸗ getheilt. So hat er eine große Anzahl einer Volvox- Art lebend vorgefunden, welche er für der Auſter eigenthuͤmlich hält; beſonders wichtig aber würde ſeyn, daß auch Kieſelgepanzerte, ſogenannte Ba⸗ cillarien oder Staabthierchen in den Auſtern gefunden worden, wel⸗ che man in vollkommen uͤbereinſtimmenden Arten bisher nur foſſil in der Kreide gefunden habe; dieſelben will er auch in den Panzer⸗ reſten in den foſſilen Auſtern aufgefunden haben. Die Wiederho⸗ lung und Beſtaͤtigung dieſer Beobachtungen iſt zu erwarten. Get K d Ueber die Exciſion der verdunkelten Hornhaut. Von Dr. Hamilton. Die Verdunkelung der Hornhaut kommt bei ſcrophuloͤ— fen Individuen als die Folge der ſogenannten albugo vas- eularis, ferner nach der Aegyptiſchen und andern bösartigen Augenblennorrhoͤen, in Fällen heftiger eeratitis mit Erguß von Blut und Lymphe zwiſchen die Schichten der Hornhaut und in einigen Faͤllen jener heftigen Entzuͤndung vor, welche durch das Eindringen von Kalk und anderen Stoffen hervor— gebracht werden, die durch ihre chemiſche Einwirkung faſt auf der Stelle die oberflaͤchlichen Schichten der Hornhaut zerſtoͤren und auf eine gewiſſe und begraͤnzte Strecke ein— dringen. In vielen dieſer Faͤlle hat man gefunden, daß die Ver— dunkelung auf die oberflaͤchlichen Lagen der Hornhaut be— ſchraͤnkt iſt, und daß dieſelben auf eine genuͤgende Ausdeh— nung entfernt werden koͤnnen, um einen freien Durchgang des Lichtes durch die tieferen und noch durchſichtigen Schich— ten der Hornhaut zu geſtatten. Folgendes iſt das hierzu angewendete von Dr. Gulz in Wien beſchriebene Vers fahren. Die angewendeten Inſtrumente waren ein Staarmeſſer mit doppelter Schneide nach Roſas, und Beer's Pyra⸗ midalmeſſer, eine feingezahnte Pinzette und eine feine Scheere. Die Augen des Kranken wurden durch die Finger eines Ge— huͤlfen gehörig firirt, und das Schneiden beſtand in der fort— waͤhrenden und wiederholten Einfuͤhrung des Meſſers durch die aͤußeren Hornhautſchichten, indem man der Bewegung des Augapfels folgte und ſo allmaͤlig den innern Schichten der cornea naͤher kam. Die Section mußte wiederholt und geſchickt ausgefuͤhrt werden, bis endlich der durchſichtige Theil erreicht war; derſelbe wurde dann mit Huͤlfe verfchies dener Inſtrumente auf eine Ausdehnung von 14” —Durch— meſſer bloßgelegt, und da die innerſten Schichten der Horn— haut gluͤcklicherweiſe durchweg unverletzt waren, fo blieb dem⸗ gemaͤß die vordere Augenkammer ungeoͤffnet. Die Operation dauerte ungefaͤhr eine Viertelſtunde, und nach der Vollen— dung derſelben war das Sehvermoͤgen ſo weit gebeſſert, daß der Kranke die verſchiedenen Schattirungen der Farben und die kleinſten Gegenſtaͤnde deutlich unterſcheiden konnte. Die Nachbehandlung beſtand in der Application Heftpflaſter an die Augenlider, um ihre Bewegung zu ver— hindern; uͤber dieſe wurden dann Umſchlaͤge mit kaltem und Eiswaſſer gemacht, um die entzuͤndliche Reaction zu maͤßi— gen; der Kranke wurde in ein verdunkeltes Zimmer gebracht und die ſtrengſte Diaͤt empfohlen. Alles ging vortrefflich, und in den erſten acht Tagen wurde keine Aenderung der Behandlung vorgenommen. Nach dieſer Zeit wurden die Pflaſter abgenommen, und ein Collyrium, zuerſt aus Kali hydroiodicum (gr. 1: 3j) und dann aus einer Solutio Ammon. muriat. angewendet. Trotz des Auftretens einer ſehr heftigen Entzuͤndung, welche ſelbſt die iris mit ergriff, verlief dieſer Fall vollkommen gluͤcklich. Die Operation iſt aber nicht auf alle Faͤlle von Ver⸗ dunkelung der Hornhaut auf gleiche Weiſe anwendbar. Eis von 187 nerſeits muͤſſen die tieferen Theile des Auges von normaler Beſchaffenheit und die Lichtperception nicht ganz aufgehoben ſeyn. Synechia anterior alſo, Verſchließung der Pupille u. ſ. w. wuͤrden die Operation contraindiciren. Ferner muß die Verdunkelung der Cornea, welche von einer Verdickung des Bindehautblaͤttchens herruͤhrt und den eigentlichen pan— nus ausmacht, die leichteren Varietaͤten der Verdunkelung, ſey es nun eine allgemeine Rauhigkeit oder locale Truͤbung und ſelbſt die hartnaͤckigeren Formen von albugo und leu— coma auf andere Weiſe behandelt werden. Die fuͤr die Operation geeigneten Faͤlle ſind alſo diejenigen, in welchen eine ſehr betraͤchtliche Verdunkelung der Hornhaut ſelbſt vor— handen iſt, welche die ganze Oberflaͤche dieſer Membran be— deckt, ſich aber nicht durch ihre ganze Dicke erſtreckt und nicht von Synechie oder einer Affection des Sehapparates begleitet iſt. (Edinb. monthly Journal, Jan. 1844.) Ueber die Solution des Ferrum citricum oder das Aqua chalybeata. Dieſes neue Eiſenpraͤparat hat den großen Vorzug, daß es entſchieden die angenehmſte und gefaͤlligſte Form iſt, in welcher das Eiſen genommen werden kann. Es wird in kleinen, gut verkorkten Flaſchen aufbewahrt und ſchaͤumt, nach abgezogenem Korke, wie Champagner. Die Aqua chalybeata empfiehlt ſich durch folgende Umſtaͤnde: 1) Sie iſt ſehr dauerhaft und kann an einer kuͤhlen Stelle Jahre lang aufbewahrt werden, ohne zu verderben. 2) Sie enthält das Eiſen nicht nur vollſtaͤndig auf: geloͤſ't, ſondern auch in einer Verbindung, vermoͤge welcher das Eifenoryd durch das Vorhandenſeyn von Säuren oder Alkalien im Magen nicht niedergeſchlagen wird. Sie wird daher ſchnell von den Lymphgefaͤßen reſorbirt. 3) Als organiſche Eiſenſalzloͤſung iſt ihre Wirkung ungemein mild. Sie belaͤſtigt nicht den Magen, und bringt, da ſie nicht vorwaltend adſtringirt, keine Verſtopfung her— vor, welche ſo haͤufig nach dem Gebrauche des ſchwefelſau— ren und ſalzſauren Eiſens entfteht. 4) Sie ſchmeckt weit angenehmer, als die anderen Eiſenpraͤparate, und wird, mit dem angenehmen Arom der Pommeranzenſchaale verbunden, reichlich und gern von Kranken genommen werden, die man oft nur mit Muͤhe dahin bringen kann, fo widrige Mittel, wie Mixt. Ferri arom., Mixt. Ferri compos. etc., zu nehmen. 5) Da ſie ſehr ſtark mit Kohlenſaͤure impraͤgnirt iſt, ſo vereinigen ſich die heilſamen toniſchen Eigenſchaften dieſes Gaſes mit denen des Eiſens. Das Praͤparat wird dadurch beſonders angenehm fuͤr den Magen und wird, gleich den Waͤſſern der kohlenſauren Quellen, gut von den Digeſtions— organen vertragen, da wo dieſes bei anderen Eiſenpraͤpa— raten nicht ſtattfindet. Eine jede Flaſche enthält 6 Unzen Aqua chalybea- ta und darin 14 Gran citronenſaures Eiſen aufgeloͤſ't. Das Waſſer enthält demnach dieſelbe Quantität Eiſen, wie die Mixt. Ferri composita, und kann von derſelben Staͤrke, 716, XXXIII. 12. 188 wie dieſe, angenommen werden. Da der Organismus dieſes Mittel gut vertraͤgt, ſo kann man ein Weinglas voll, als die gewöhnliche Gabe fir einen Erwachſenen, 2 — 3 Mal taͤglich zu nehmen beſtimmen; doch muß der Arzt ſich auch hier, wie bei den uͤbrigen Eiſenmitteln, nach dem Alter, dem Geſchlechte, dem Temperamente oder dem Zuſtande des Kranken richten. Man kann dieſes Praͤparat in allen den Krankheiten geben, bei welchen Eiſen indicirt iſt, wie Ande mie, Chloroſe, Neuralgie, Amennorrhoͤe, Dyspepſie und allge— meiner Schwaͤche. Wir haben die Aqua chalyb. in verſchiedenen Faͤllen von Chloroſe und Amenorrhoͤe mit großem Nutzen angewen— det, und behaupten zwar nicht, daß fie kraͤftiger oder wirk— ſamer, als das ſchwefel- oder ſalzſaure Eiſen, ſey, halten je- doch den Umſtand für einen wichtigen Vorzug dieſes Praͤpa— rates, daß es weit angenehmer zu nehmen iſt und länger genommen werden kann, als jene Praͤparate. Es ſchien oft den Appetit zu verbeſſern und wirkte als ein mildes diu- reticum. Wir glauben, daß es in einigen Formen der Waſſerſucht und beſonders in der Nierenwaſſerſucht unter gewiſſen Umſtaͤnden mit Erfolg gereicht werden kann. Das Einzige, was an dieſem Mittel auszuſetzen iſt, beſteht darin, daß es fuͤr den allgemeinen Gebrauch zu theuer iſt. Ueber aphoria oder Unfruchtbarkeit. Von Dr. Marſhall Hall. Unfruchtbarkeit hängt ohne Zweifel oft von einem or: ganiſchen Fehler ab; aber die Thatſache, daß nach mehreren Jahren der Verheirathung noch ein Kind geboren wird, be— weiſ't hinlaͤnglich, daß in anderen Faͤllen functionelle und weniger andauernde Stoͤrungen zum Grunde liegen. Von dieſen ſcheinen mir eine zu große Aufregung und andrerſeits Atonie des Uterinſyſtemes ſelbſt die haͤufigſten zu ſeyn. Als Beiſpiel des erſteren Zuſtandes diene das, was man bei der Dysmenorrhoͤe beobachtet, des letzteren die Beſchaffenheit des uterus, welche oft von Leukorrhoͤe begleitet iſt. Was die Behandlung der Sterilitaͤt betrifft, ſo beſteht die diaͤtetiſche Cur darin, ſich ſoviel Bewegung, als moͤglich, zu machen; die Diät ſey mäßig, und die geſchlechtliche Vereinigung ge— ſchehe nur ſelten; zuweilen iſt voͤllige und ſtrenge Enthalt— ſamkeit noͤthig. Mein Hauptzweck iſt jedoch hier, dem Ge— genftande eine andere und intereſſantere Seite abzugewinnen. Zwiſchen den Bruͤſten und der Gebaͤrmutter findet eine ſehr bedeutende gegenſeitige Sympathie ſtatt. Um die Menſtru⸗ ationsepoche ſchwellen die Bruͤſte an und zeigen eine Nei— gung, die Function als milchbereitende und ausſondernde Organe auszuuͤben. Andererſeits influencirt der Zuſtand der Bruͤſte den des Uterinſyſtemes: die Menſtruation ceſſirt ge— woͤhnlich, und die Congeſtion findet nicht ſtatt, ſolange die Bruͤſte das Saͤugegeſchaͤft verrichten. Zu den wirkſamſten Mitteln, einen Gebaͤrmutterblutfluß nach der Entbindung zu verhuͤten, gehoͤrt das baldige Anlegen des Kindes an die Bruſt, welches auch, wie den Geburtshelfern bekannt iſt, Wehen hervorbringt. 189 Die erſte und unmittelbare Wirkung des Anlegens des Kindes nach der Entbindung iſt wahrſcheinlich eine Reflex— action, die Contractionen des uterus herbeifuͤhrt; eine zweite, etwas entferntere Wirkung iſt die Ableitung des Uterinblu— tes nach den Bruͤſten, und auf dieſe Weiſe koͤnnen nicht nur Metrorrhagieen, ſondern auch wahrſcheinlich metritis und peritonitis verhütet werden. Dr. Gregory erzählt den Fall einer Dame, welche, trotz aller angewandten Mit— tel, mehrmals unter gefahrdrohenden Metrorrhagieen abortirt hatte. Er ſah die Dame bei einer dieſer Gelegenheiten und fand, nach Beſeitigung der Haͤmorrhagie, die Bruͤſte von Milch ausgedehnt, worauf er ein kraͤftiges Kind anlegen und 9 Monate lang ſaugen ließ. Die Dame wurde ſchwanger, die Mutter eines lebenden Kindes und endlich einer zahlrei— chen Familie, ohne daß ihre Entbindungen ſpaͤter von Blut— fluͤſſen begleitet geweſen wären. Andererſeits erzeugt eine zu lange fortgeſetzte Lactation Metrorrhagie und atoniſche Leukorthoͤe. Koͤnnen wir nun nicht von der ſo bedeutenden Sym— pathie zwiſchen Bruͤſten und uterus einige practiſche An— wendungen machen? Wie ich bereits angegeben habe, wer— den die Bruͤſte eine Woche vor oder bei dem Eintritte der menses von Blut ausgedehnt und empfindlich, kurz ſie werden in den Zuſtand verſetzt, welcher nach der Entbindung zur Milchſecretion fuͤhrt. Koͤnnte nun nicht dieſe Secretion unter den obigen Verhaͤltniſſen durch den geeigneten Reiz hervorgebracht werden, indem man ein Kind an die Bruſt anlegt, und koͤnnte nicht dadurch das Uterinſyſtem in den zur Empfaͤngniß nothwendigen Geſundheitszuſtand gebracht werden. Bekannt ſind Beiſpiele der Art, wo bei Maͤnnern und unverheiratheten Maͤdchen durch das Anlegen eines Kin— des die Bruͤſte zur Milchſecretion angeregt wurden. Ich ſchlage alſo vor, zur Zeit des Eintrittes der menses ein kraͤftiges Kind wiederholt und anhaltend an die Bruͤſte ans zulegen, um dieſe zur Milchſecretion aufzuregen, das Blut vom uterus abzuleiten und die Empfaͤngniß zu beguͤnſtigen. Atonie des uterus iſt eine der haͤufigſten Urſachen von Blutfluͤſſen nach der Entbindung, und das wirkſamſte Mit: tel dagegen iſt die Anwendung der kalten Waſſerdouche. Moͤchte nun dieſes Mittel nicht auch in anderen Faͤllen von Atonie des uterus und davon abhaͤngender Sterilitaͤt ange: wendet zu werden verdienen? Ein dieſem ganz aͤhnliches Verfahren wird bei den Pferden angewendet. Die Erfah— rung muß uͤber die Wirkſamkeit der von mir vorgeſchlagenen Mittel entſcheiden. (Lancet. 23. March 1844.) Ueber zwei Faͤlle von großen Geſchwuͤlſten an der Foͤtalflaͤche der placenta. Von Ant. Danyan. Folgendes iſt, nach dem Verfaſſer, die Beſchreibung einer dieſer Geſchwuͤlſte, welche bei einer vollkommen geſunden Frau beobachtet wurde, deren Schwangerſchaft nichts Be— ſonderes dargeboten hatte, als eine beträchtliche Ausdehnung des Leibes, welche eine fruͤhzeitige Entbindung zu 7 Mo: naten herbeifuͤhrte. Auf der Foͤtalflaͤche des Mutterkuchens, 716. XXXIII. 12. 190 nahe an der Peripherie deſſelben, ſieht man, bedeckt von amnion und chorion, eine eifoͤrmige Geſchwulſt von 11 Centimeter Laͤnge auf 8 Centimeter Breite. Ganz nahe an ihrer aͤußeren oder nach Außen von der placenta be⸗ findlichen Seite ſind die dieſelbe bedeckenden Membranen ab— gelöft, aber man erkennt leicht, daß fie an dieſer Stelle unter denſelben lag. Auf der Oberflaͤche verlaufen einige dicke Urteriens und Venenſtaͤmme der Nabelgefaͤße, von des nen mehrere Zweige die Subſtanz faſt bis zur Mitte durch— dringen. Der tumor iſt an ſeiner Außenſeite etwas gelappt. Außer der Huͤlle, welche die Eihaͤute und beſonders das ſtel— lenweiſe verdickte chorion um denſelben bilden, hat er eine allgemeine, oberflaͤchlich duͤnne, an der Placentarſeite dickere Huͤlle, welche leicht zerreißt, wenn man Stuͤcke derſelben zu entfernen ſucht, und aus mehr oder weniger condenfirter, plaſtiſcher Lymphe gebildet zu ſeyn ſcheint. In der Rich— tung ſeines groͤßten Durchmeſſers geſpalten, erſcheint der tumor aus ſtark aneinander gedraͤngten und feſt zuſammen— haͤngenden Lappen gebildet, von denen einige ſchmutzigweiß, andere blaß oder dunkelroth gefaͤrbt ſind, von einem homo— genen, ſehr gedraͤngten, dem ſcirrhoͤſen aͤhnlichen, unter dem Meſſer knirſchenden Gewebe, in einigen Partieen der Rin— denſubſtanz der Nieren analog, deren Farbe und Conſiſtenz es wiedergiebt, ſtellenweiſe wie mit Schichten vollſtaͤndig ge— bildeter Fibrine vermiſcht, und in der Mitte mit Gefaͤß— muͤndungen, von denen einige noch mit Blutklumpen ange— fuͤllt ſind. Nach dieſer Beſchreibung giebt der Verfaſſer die einer zweiten, kleineren Geſchwulſt, welche alle Charactere der vorhergehenden, nur in einem weniger vorgeruͤckten Grade, darzubieten ſcheint. Er fuͤgt noch hinzu, daß der Theil der placenta, auf welchem die Geſchwuͤlſte aufſaßen, eingedruͤckt war, daß die Tumoren von demſelben abgeloͤſ't und gleich— ſam ausgeſchaͤlt werden konnten, und daß das Gewebe dieſes Theiles der placenta ſehr compact war. Eine der umge— benden Eihaͤute enthielt in ihrem Inneren einen Blutklum— pen von dem Umfange einer Nuß. Der zweite tumor wurde unter faſt denſelben Umſtaͤnden, wie der erſte, beob— achtet und bot faſt ganz dieſelben Charactere dar; er ſchien nur durch eine groͤßere Gleichmaͤßigkeit ſeines Gewebes und durch das Nichtvorhandenſeyn jener Schicht plaſtiſcher Lymphe, welche den erſten faſt ganz umgab, von dieſem ſich zu un— terſcheiden. Der Verfaſſer unterſucht nun die verſchiedenen Hypo— theſen, welche jene Geſchwuͤlſte als monſtroͤſe Producte oder Molen, oder Entartungen der membrana decidua, oder als krebshafte Afterproductionen darſtellen koͤnnten, verwirft ſie aber in'sgeſammt und haͤlt die Tumoren fuͤr alte Blut— extravaſate. Der Verfaſſer ſchließt ſeinen Aufſatz mit der Bemer— kung, daß die Geſchwuͤlſte durchaus keinen nachtheiligen Ein— fluß auf die Schwangerſchaft, die Niederkunft, die Entbin— dung und ſpaͤtere Herſtellung der Kranken gehabt zu haben ſchienen, und daß ihre Diagnoſe vorher nicht begründet wer— den konnte. (Aus Journ. de Chirurgie, Mars 1844.) 191 Vollſtaͤndige Exſtirpation der Gebärmutter durch die Unterbindung bei chroniſcher Einſtuͤlpung derſelben. Von Dr. J. Eſſelmann. Eine zweiunddreißigjaͤhrige Dame, ſeit 14 Jahren ver— heirathet, war ſeit der Geburt ihres erſten und einzigen Kindes vor 12 Jahren nie ganz geſund geweſen. Die Ent— bindung war ſehr langwierig und ſchmerzhaft geweſen, und fie hatte bei derſelben ſehr viel Blut verloren. Spaͤter klagte ſie uͤber ein ſchmerzhaftes Draͤngen nach Unten in der Ge— gend der Gebaͤrmutter, uͤber Schmerz und Schwaͤche im Ruͤcken, ſowie uͤber Schmerz und Taubheit laͤngs der In— nenſeite der Oberſchenkel; dabei war ein andauernder fluor albus. Die Menſtruation war oft ungemein profus. Ihre Aerzte diagnoſticirten einen Vorfall der Gebaͤrmutter und wandten dagegen die gewoͤhnlichen Mittel, aber ohne Erfolg, an. Ein anderer Arzt hielt das Uebel fuͤr einen Polypen und legte eine Ligatur an, welche aber wegen der dadurch erzeugten beunruhigenden Symptome wieder entfernt wurde. Als der Verfaſſer conſultirt wurde, fand er die Kranke in einem ſehr traurigen Zuſtande, ſie hatte hectiſches Fieber, profuſe Nachtſchweiße, kurzen, trocknen Huſten und alle Sym— ptome eines raſchen collapsus. Bei der Unterſuchung fand ſich ein tumor in der vagina von dem Umfange einer großen Birne und ganz einem Polypen gleichend. Die va- gina ſelbſt war ſehr irritirt und geſchwuͤrig. Dr. Eſſel⸗ mann applicirte nun eine Ligatur um den vermeintlichen Polypen, nachdem er vorher eine volle Gabe Kampfer, Lau— danum und Hirſchhorn gegeben hatte. Das Feſterziehen der Schlinge verurſachte großen Schmerz, und die genannten Mittel wurden noch einmal gegeben. In den erſten 4 — 5 Stunden war die Kranke ſehr geſchwaͤcht, und der Puls wurde fadenfoͤrmig; ſie erholte ſich jedoch bald, Reaction trat ein, und ſie brachte die erſte Nacht ziemlich ruhig zu. Nach 18 Tagen ging die Ligatur ab, und der Polyp ergab ſich als der durch Verſchwaͤrung und Einſchnuͤrung ſehr ver— kleinerte uterus ſelbſt. Injectionen von Chlorkalk in die vagina, Application des Hoͤllenſteines auf die Geſchwuͤre, innerlich tonica und eine kraͤftigende Diaͤt ſtellten die Kranke, zwar erſt nach ziemlich langer Zeit, doch vollſtaͤndig wieder her. Waͤhrend der erſten 12 Monate nach ihrer Geneſung machten Kopfſchmerzen und Schwindel und eine allgemeine plethora häufige Blutentziehung und Abfuͤhrmittel nöthig. 716. XXXIII. 12. 192 (Aus Western Med. and Surg. Journal in Lond. Med. Gaz., July 1844.) Miscellen. Van Peterſen's kuͤnſtlicher Arm. — In der Sitzung der Academie der Wiſſenſchaften am 17. Februar las Herr Mas gendie im Namen einer, aus den Herren Gambey, Rayer, Belpeau und ihm ſelbſt beſtehenden Commiſſion der Academie einen Bericht uͤber den von Herrn Van Peterſen, einem bollaͤn⸗ diſchen Bildhauer, erfundenen und von demſelben an die Academie eingeſandten kuͤnſtlichen Arm. Der Bericht fiel durchaus zu Guns ſten dieſer menſchenfreundlichen Erfindung aus. Die Commiſſion hatte dieſelbe an fünf verſtuͤmmelten Individuen probirt und fie in allen Fallen als ungemein brauchbar erkannt. Eines derſelben war ein Invalid, der in den Kriegen der Kaiſerzeit beide Arme verloren hatte, ſo daß er von denſelben nur noch kurze Stummel beſaß. Mit Huͤlfe zweier Fünftlichen Arme war er nun im Stande, vieler⸗ lei Verrichtungen ſelbſt auszufuͤhren, die vorher Andere fuͤr ihn hat— ten thun muͤſſen. In Gegenwart der Commiſſion fuͤhrte er mit einer der kuͤnſtlichen Haͤnde ein volles Glas an den Mund und trank daſſelbe aus, ohne einen Tropfen zu verſchuͤtten, worauf er es auf den Tiſch zuruͤckſtellte, von dem er es genommen. Er hob auch eine Stecknadel, einen Bogen Papier ic. auf. Dieſe Thatſa⸗ chen ſprechen unwiderleglich fuͤr die von Herrn Van Peterſen bewieſene mechaniſche Geſchicklichkeit, welche ſich uͤberdem aus der Leichtigkeit des Apparats ergiebt, da jeder der Arme mit der Hand und ſaͤmmtlichen Gelenken kein volles Pfund wiegt. Die Art und Weiſe, wie die Gelenke bewegt werden, iſt ungemein ſinnreich. Um die Bruſt iſt eine Art Schnuͤrleib gelegt, und von dieſem aus wire ken Schnuren von Darmſaite, je nach den Bewegungen, die der Stummel des Armes ausführt, auf die Gelenke. Die Erfindung kann nur dann nicht in Anwendung gebracht werden, wenn gar kein Stummel vorhanden iſt, welcher Fall jedoch hoͤchſt ſelten vor⸗ kommt. Schließlich beſagt der Bericht, daß der von Herrn Van Peterſen erfundene kuͤnſtliche Arm bei Weitem vorzuͤglicher ſey, als jede früher bekannte aͤhnliche Erfindung, daher ſehr zu wuͤn⸗ ſchen ſey, daß man ihn zu einem Preis erlangen koͤnne, der deſſen allgemeinere Benutzung moͤglich mache. Einen Fall von Paralyſe der unteren Extremitäten und pars tieller Paralyfe der Arme, in Folge von Druck auf das Ruͤk⸗ kenmark, theilt die Lancet, June 1844, mit. Der Kranke, vierundfunfzig Jahre alt, ſtarb im St. George's Hospital an einer Pneumonie. Bei der Section fand man drei bis vier kleine fibröfe Körper, von der Größe einer Erbſe, welche aus den Sntervertes bralſubſtanzen hervorragten und ſo einen Druck auf das Ruͤckenmark ausgeuͤbt hatten. Nekrolog. — Der verdiente Doctor Ribes, früher Oberarzt der Invaliden zu Paris, ift 21. Februar in feinem achtzig⸗ ſten Jahre geſtorben. Er hatte die Feldzuͤge unter der Republik als Chirurg und die unter dem Kaiſer als Chirurg des Haupt⸗ quartiers des Letztern mitgemacht. 5... T Bibliographische Flore descriptive et analytique des environs de Paris. Cosson et E. Germain, Ire Partie. Paris 1845. 12. Practical Geology and ancient Architecture of Ireland. By G. Wilkinson etc. London 1845. 8. Par E. Neuigkeiten. Recherches sur la composition du sang dans l'état de maladie. Par A. Becquerel et A. Rodier. Paris 1845. 8. De Fair, consider€ sous le rapport de la salubrite. Adolphe Bobierre. Paris 1845. 12. Par M. — —ͤ—ͤ—Hꝛi — ' — Menue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep ju Weimar, und dem Medicinalraihe und Prefeſſor Froriep ju Berlin. Ne. 717. (Nr. 13. des XXXIII. Bandes.) Februar 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 FL. 30 27%, des einzelnen Stückes 3 IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 9 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Na k 7ER - R a Nn d e. \ Betrachtungen über die Beziehungen der Menſchen— ſpecies zu der dieſelbe umgebenden Außenwelt. Von Herrn Ribes, Profeſſor an der mediciniſchen Facultaͤt zu Montpellier. (Sch hu b.) Begeben wir uns auf dieſen Standpunct, ſo erſcheint uns das, was in uns vorgeht, als die Wirkung eines Buͤnd— niſſes unſeres Weſens mit der Außenwelt; das Leben ſtellt ſich uns nicht als ein Streit, ſondern als eine Uebereinkunft dar; ſeine Acte werden durch das gegenſeitige Ineinandergrei— fen des Raͤderwerkes des Mikrokosmus oder des Menſchen und desjenigen des Makrokosmus oder des Weltall's vermit— telt. Die Harmonie des Lebens wird nicht unter der Be— dingung unferer Unterwerfung unter das Nicht-Ich oder durch völlige Bemeiſterung des Letzteren durch unſeren Orga— nismus, ſondern durch eine ſpecifiſche Aneignung, durch das innige Buͤndniß zwiſchen zwei Arten von Potenzen gewon— nen. Wir ſind, in der That, die Haͤlfte einer Verbindung, deren andere Haͤlfte außer uns liegt. Der Geſchmack und die ſchmeckbaren Koͤrper, die Lunge und die Luft, das Auge und die lichtausſtroͤmenden Körper, das Ohr und die in Schwingung befindlichen Koͤrper, die maͤnnlichen und die weiblichen Geſchlechtsorgane, die Haͤnde und die zu ergreifen— den Gegenſtaͤnde, die Dinge, von denen wir Kenntniß zu nehmen haben und unſere Faͤhigkeit, zu erkennen, ſetzen ein— ander gegenſeitig voraus, ſind fuͤr einander geſchaffen. Die Himmelsſtriche und deren Bewohner, die verſchiedenen Ges ſchoͤpfe und deren aͤußere Umgebung ſind fuͤr einander da, und der Menſch iſt mit der Faͤhigkeit begabt, ſich den ver— ſchiedenen Verhaͤltniſſen ſeiner irdiſchen Umgebung anzupaſſen. Unſere Species und das Medium, inmitten deſſen ſie lebt, find urſpruͤnglich darauf eingerichtet, daß fie für einander paſſen, und dieſe Uebereinſtimmung gewinnt immer mehr Vollkommenheit, je nachdem durch die Wirkung der Zeit und der in der Natur der Dinge begruͤndeten thaͤtigen Antriebe in und außer uns Veraͤnderungen vor ſich gehen. Unſere No. 1817. — 717. Beſtimmung iſt uns ſicher vorgezeichnet, und unſere Thaͤtigkeit ſtrebt dieſem Ziele, unter thaͤtiger Befoͤrderung von Seiten der aͤußeren Bedingungen, zu. Moͤgen auch Schwankungen und Abweichungen eintreten, wir verlieren uns dennoch nicht von dem Wege zu dieſem Ziele; unſere Bewegungen bringen uns demſelben vielmehr immer naͤher, wie die Schwankun— gen der Magnetnadel immer weniger von der wahren Rich— tung derſelben abweichen. III. Die pathologiſchen Thatſachen beſtaͤtigen die An— ſicht, die wir in Betreff unſerer Beziehungen zur Außenwelt aufgeſtellt haben, eben ſo vollſtaͤndig, wie die Erſcheinungen des gefunden Zuſtandes. Ein auf irgend einen Theil unſeres Koͤrpers einwirken— der Reiz fuͤhrt eine Reihe von Veraͤnderungen herbei, welche ihrer Intenfität und Beſchaffenheit nach ihm durchaus ent— ſprechen. Liegt hierin der Beweis, daß wir nur die Faͤhig⸗ keit der Ruͤckwirkung beſitzen? Nein; denn es kann vor— kommen, daß ein jenem durchaus gleicher aͤußerer Act nicht dieſelben, nach Intenſitaͤt und Beſchaffenheit gleichen Wirk— ungen veranlaßt; und hieraus ergiebt ſich, daß im erſten Falle eine individuelle Praͤdispoſition zum Erregtwerden, eine thaͤtige Praͤdispoſition vorhanden war, die ſich in ihrem Ver— halten und Wirken dem Verhalten und Wirken des aͤußeren Agens angepaßt hat; und daß im letzteren Falle die Rolle, welche der menſchliche Organismus ſpielt, ſich ſchaͤrfer aus— praͤgt, indem die Antwort nur in gewiſſen Beziehungen der Zumuthung entſpricht. Folgendes Beiſpiel wird die richtige Erklaͤrung der Erſcheinungen dieſer Art erleichtern. Es be— ſteht, z. B., eine Praͤdispoſition zu einem krebsartigen Uebel, aber dieſelbe hat ſich noch nicht in einer beſtimmten Krank— heitsform ausgeſprochen; nun wird der Teſtikel des Mannes, oder die Bruſt der Frau von einer äußeren Gewaltthaͤtigkeit bes troffen, und es tritt alsbald eine Reihe von Erſcheinungen ein, welche nicht dieſelbe iſt, wie fie eine aͤußere Reizung der Art für gewohnlich erzeugt, ſondern welche alle Kennzeichen einer krebsartigen Entartung an ſich trägt. Das Zuſammen— wirken beider Claſſen von Einfluͤſſen iſt unlaͤugbar, und aus 13 195 ihm allein laͤßt ſich die Entſtehung des Leidens erklären ; denn wir muͤſſen annehmen, daß die Praͤdispoſition zum Krebſe Praͤdispoſition geblieben waͤre, wenn die reizende Urſache nicht eingetreten waͤre; uͤberdem verraͤth die Beſchaffenheit des Reſultates den Antheil, welchen der innere Einfluß an jenem hat, und dieſem Einfluſſe iſt der weſentliche Charac: ter des Leidens zuzuſchreiben. Wenn die Reizung und der Andrang von Saͤften hier als Krankheitspotenzen gelten muͤſ— ſen, ſo haͤngt doch das beſondere Reſultat von der eigenthuͤm— lichen Art und Weiſe ab, wie der Organismus ſich dabei be— theiligt. Es läßt ſich zwiſchen den Fällen ein Unterſchied bes merken, wo die Praͤdispoſition wenig entſchieden und die Rei— zung ſtark oder anhaltend iſt, und zwiſchen ſolchen, wo das Gegentheil ftattfindet. - Die äußere Urſache iſt zuweilen fo gering, fo wenig herz vortretend oder fo ſchwer zu beſtimmen, daß man ſich verſucht fuͤhlt, deren Antheil faſt fuͤr Nichts zu rechnen. Die, welche ſie gaͤnzlich ablaͤugnen, berufen ſich auf die Gicht, welche bei Perſonen, in denen der erbliche Keim zu dieſer Krankheit liegt, ziemlich zuverlaͤſſig fruͤher oder ſpaͤter ausbricht. Offenbart nun, fragen ſie, der menſchliche Organismus dieſe Sym— ptome nicht freiwillig, da doch Niemand die aͤußere Urſache dieſer Erſcheinung anzugeben vermag? Hierauf erwidern wir: Zuvoͤrderſt iſt die erbliche Anlage zur Gicht keineswe— ges die Urſache der Krankheit; der erſte Menſch, der die Gicht gehabt hat, hat fie bekommen, wie man ſich jede andre Krank: heit zuzieht, vermöge mehr oder weniger ſtark erregender Aus ßerer Potenzen und einer zureichenden innern Krankheitsanlage, und wenn alſo auch die erbliche Anlage zur Gicht entfchies den vorhanden waͤre, ſo iſt deßhalb noch nicht ausgemacht, daß die Krankheit ſich ohne irgend eine aͤußere Veranlaſſungs⸗ urſache entwickeln muß. Dieſe Urſache kann hoͤchſt unbe— deutend geweſen ſeyn, ſo daß ſie der Beobachtung entgangen iſt. Und wie koͤnnte man behaupten, daß gar kein aͤußeres Agens an der Erſcheinung Antheil gehabt habe, da man ſich eine völlige Iſolirung des menſchlichen Organismus von der Außenwelt nur in abstracto denken kann, während er fein ganzes Leben hindurch unaufhoͤrlich zu einer Unzahl von Koͤrpern in Beziehung ſteht? Wenn man behauptet, die Urſache der Gicht liege nicht in der Außenwelt, ſo hat man voll— kommen Recht; allein wenn man ſagt, keine aͤußeren Poten⸗ zen wirkten auf die Erzeugung dieſer Krankheit hin, ſo ſtellt man eine ganz unhaltbare Hypotheſe auf. Das ſogenannte freiwillige Ausbrechen der Krankheit kann nur die vorher— ſchende phyſiologiſche Thaͤtigkeit unſeres Organismus bei Er— zeugung der Gicht bedeuten. Das ſtaͤrkſte Argument, deſſen man ſich zum Beweis der abſoluten Unabhängigkeit unſeres Körpers in der fragli— chen Beziehung bedient, iſt die periodiſche Wiederkehr gewiſ— ſer Krankheiten, z. B., der Anfaͤlle des Wechſelfiebers. Auch hier iſt jedoch das freiwillige Auftreten nur ſchein— bar. Die aͤußere Bedingung iſt ſo maͤchtig, daß ſie nach Art eines Giftes wirkt und man ſie als die Urſache be— trachten moͤchte, wenn man nicht wahrnaͤhme, daß nicht alle Leute, die denſelben Eindruck empfangen, erkranken, und wenn man folglich, wenn die ſchaͤdliche Wirkung ſich aͤußert, 717. XXXIII. 13. 196 das Vorhandenſeyn von Kräften, die derſelben ſpeciell ents ſprechen, nicht annehmen muͤßte. Allein entſcheidet nicht vorzugsweiſe die Natur dieſer aͤußeren Einfluͤſſe uͤber die Na— tur der Krankheit, wiewohl in uns Bedingungen liegen muͤſ⸗ fen, die jenem maͤchtigen Einfluſſe conform find, wenn ders ſelbe ſich verwirklichen koͤnnen ſolle? Und wenn die periodiſche Krankheit erzeugt und durch Gewohnheit eingewurzelt iſt, wird ſie dann nicht durch die geringſte Gelegenheitsurſache in Thaͤtigkeit geſetzt? Uebrigens beſteht das Wechſelfieber nicht aus einem Fieberanfalle, ſondern aus einer Reihe von Anfaͤllen. Wenn alſo der Eindruck einmal gemacht, die Krankheit einmal ausgebildet iſt, ſo beweiſ't die regelmaͤßige Wiederkehr der Symptome nur, wie maͤchtig der thaͤtige Antheil des lebenden Körpers ſeinerſeits iſt. Er iſt, z. B., nicht weniger bedeutend, als derjenige, welchen wir bei der Frau in der Reihe von Proceffen beobachten, welche nach der geſchlechtlichen Befruchtung hintereinander auftreten; als derjenige, welcher die Reihe der Acte der Aſſimilation der Nahrungsſtoffe vermittelt. Die Energie und ſpecifiſche Beſchaffenheit der aͤußeren Urſache geben ſich beide zugleich bei den Epidemien der Pok⸗ ken, Maſern, Cholera und ſo vieler andern Krankheiten kund; allein ihre Wirkung iſt nicht unvermeidlich, weil, wenn die Ans lage, oder die Geſammtheit der der Urſache der Epidemie entſprechenden Bedingungen fehlt, der krankhafte Zuſtand nicht eintritt. Ich fuͤge noch hinzu, daß dieſe Thatſachen, welche auf den erſten Blick anzudeuten ſcheinen, daß wir uns mit den aͤußeren Potenzen im heftigſten Kampfe befinden, im Gegentheile der Beweis einer Art von Uebereinſtimmung und pathologiſchen Vereinigung ſind. Dieß ergiebt ſich aus der Beobachtung ſelbſt. Man muß die Faͤhigkeit beſitzen, von der aͤußeren Potenz einen Eindruck zu empfangen; man muß die Anlage haben, die Einwirkung der Pocken, Maſern, Cholera ꝛc. in der geeigneten Weiſe entgegenzunehmen, wenn die Krankheit gleichſam zur Conception gelangen ſoll. Die Krankheitsanlage iſt alſo ein mit der Epidemie in Ueberein⸗ ſtimmung befindlicher Zuſtand des Lebens, und wenn die Anlage der aͤußeren Potenz nicht ſpecifiſch entſpraͤche, ſo wuͤrde die Erregungsurſache keinen Anklang im Organismus oder nur einen ſolchen Anklang finden, welcher mit der Epidemie nicht im geeigneten Verhaͤltniſſe ſtaͤnde. Hierfür ſpricht die Beobachtung. Man hoͤrt oͤfters ſagen, es gebe keine aͤußere Krank— heitsurſache, an die man ſich nicht gewoͤhnen koͤnne, d. h., die nicht vorhanden ſeyn koͤnnte, ohne uns Gefahr zu bringen. Die ungeſundeſte Luft, die am Wenigſten naͤhrende Koft, ſelbſt die Gifte, wirken nicht nothwendig nachtheilig auf un— ſere Geſundheit. Man beruft ſich auf die Gewohnheit, und dieß mit Recht; allein was iſt unter Gewohnheit Anderes zu verſtehen, als die Fähigkeit, ſich mit neuen aͤußeren Pos tenzen in Einklang zu bringen. Wenn das gefaͤhrliche Agens, das mit uns in Berührung kommt, dieß nicht ploͤtz⸗ lich thut, oder die Doſis deſſelben gering iſt, ſo hat der le— bende Organismus Zeit und Kraft, ſeine eigenen Verhaͤltniſſe ſo zu ordnen, daß jenes Agens ihm nicht ſchaden kann. Er verhandelt, wenn ich ſo ſagen darf, mit dem neuen Medium 197 und giebt demſelben nach, ohne feine eigne Individualität eins zubuͤßen. Wenn wir uns einmal an ſolche unguͤnſtige aͤußere Potenzen gewoͤhnt haben, ſo beſitzen wir die Faͤhigkeit, uns inmitten derſelben lebend und geſund zu erhalten, wenn ſie auch eine große Energie haben. Unſere ſympathiſche Kraft iſt ſo bedeutend, daß es uns gelingt, mit unſerem grauſam— ſten Feinde in Eintracht zu leben, und dieſe Faͤhigkeit iſt zumal dem hochentwickelten Leben des Menſchen eigen. In dieſer Weiſe hat man demnach die recipirten Anſichten von Kampf, Widerſtand, Uebel und Haß umzugeſtalten; fie druͤcken die am Wenigſten guͤnſtigen Beziehungen zwiſchen uns und der Welt aus, fuͤr die wir geſchaffen ſind. Sie befisen, wie die der Wärme und Kälte, keinen abfoluten Werth, ſondern ſind nur der ſymboliſche Ausdruck aͤhnlicher Potenzen. IV. Die Therapeutik iſt ferner nur eine Combination von Heilmitteln, die man als ein neues Medium zu betrach— ten hat, welches ſich dazu eignet, zu dem Kranken in Bes ziehung zu treten. Dieſer iſt das modificirte geſunde Indi— viduum, oder dasjenige, welches nun die Kraͤfte des Orga— nismus ausuͤbt, welche zwar noch die naͤmlichen ſind, wie damals, als derſelbe noch auf die normalſte phyſiologiſche Art fungirte, allein ſich ſelbſt nicht mehr in einer gleich nor— malen Weiſe aͤußern. Das durch die Curmethoden darge— ſtellte Medium iſt eine Geſammtheit von Umſtaͤnden aus dem Gebiete der Geſundheitslehre und Therapeutik, welche dem mehr oder weniger abnormen phyſiologiſchen Zuſtande des Kranken entſpricht. Sie muß dieſem Zuſtande nach Moͤglichkeit angepaßt werden, nicht damit derſelbe fortdaure, ſondern damit er ſich in denjenigen verwandeln koͤnne, wo das Leben ſeine Functionen wieder in der normalen Weiſe vollzieht. Wie laſſen ſich nun die Agentien der Geſundheits— lehre und Therapeutik zu dieſem Ende in einer zweckmaͤßigen Art verbinden? Wir werden unſere Anſicht nicht deutlicher darlegen koͤnnen, als indem wir dieſelbe an einigen beſon⸗ dern Fällen erläutern. Angenommen, die Atonie ſey der— jenige pathologiſche Zuſtand, welchen man zu beſeitigen hat, ſo wird der Arzt ſeinen Kranken unter Umſtaͤnde zu verſetzen haben, die ſich am Beſten dazu eignen, ihm die fehlende Energie zuruͤckzuerſtatten, vermoͤge deren er mit feinem natuͤrlichen Mes dium wieder in Einklang kommt. Zur Erlangung dieſes Reſul⸗ tates ſind zwei Claſſen von Bedingungen zu beachten. Wenn das Subject ſehr ſchwach iſt, hat man dann ſehr ſtarke toniſche Mittel zu verordnen? Keineswegs, weil ſolche den Kranken zu ſehr reizen und auf dieſe Weiſe ſeine Kraͤfte conſumiren wuͤrden, ſtatt ſie in den Stand zu ſetzen, ſich zu vermehren. Ein zu ſtarkes toniſches Mittel ſtellt hier eine Geſammtheit von Umſtaͤnden dar, deren Verhalten von dem des Kranken zu weit entfernt iſt, und der Gegenſatz kann nicht der beſte Einklang ſeyn. Leichte toniſche Mittellſind dagegen den Kräften des Patienten angemeſſen und werden mäßige Veraͤnderungen in der Conſtitution bewirken, durch die ſich die Kraͤfte heben. Sobald man dieſes erſte Reſultat erlangt hat, wird man zur Anwendung eines ſtaͤrkern toniſchen Mit⸗ tels übergehen, um einen entſprechenden Zuſtand des Ver⸗ 717. XXXIII. 13. 198 haltens und der Lebensthaͤtigkeit zu veranlaſſen, und auf dieſe Weiſe wird man fortfahren, bis der Kranke ſich mit feinem gewoͤhnlichen Medium wieder in voller Uebereinſtim— mung befindet, d. h. geneſen iſt. Die ſaͤmmtlichen Agen⸗ tien der Geſundheitslehre werden gleichzeitig zu demſelben Zwecke mit denen der Therapeutik combinirt und ſtufen— weiſe energiſcher angewandt werden, wie ſie ſich fuͤr den Grad der Thaͤtigkeit des Organismus paſſen. So bildet ſich ein ſtets fortſchreitender Einklang, und je unmerklicher die Ueber— gaͤnge find, deſto vollſtaͤndiger wird das Reſultat erreicht und deſto rationeller iſt das Heilverfahren. — Als allge— meine Regel laͤßt ſich alſo Folgendes hinſtellen: Wir gehen um ſo ſicherer in einen neuen Zuſtand uͤber, je mehr die— ſer Zuſtand demjenigen gleicht, von welchem wir abgewichen ſind, worin eine auffallende Beſtaͤtigung der von uns ent— wickelten Anſichten liegt, welche nicht weniger dem practi— ſchen Arzte, dem die Uebereinſtimmung wiederherzuſtellen ob— liegt, als dem Phyſiologen nuͤtzen, der dieſe im Zuſtande der Geſundheit vorhandene Uebereinſtimmung zu begreifen ſich beſtrebt. Hier noch ein Beiſpiel. In Folge des laͤngern Ein— wirkens heftiger Kaͤlte iſt ein Glied im Begriffe, das Leben einzubuͤßen; hat man dann ſo ſchnell, als moͤglich, eine hohe Temperatur als Gegenmittel anzuwenden? Nichts wäre uns zweckmaͤßiger; das leidende Glied iſt kein paſſiver Koͤrper, der ſich nur mit dem umgebenden Medium in's Gleichge- wicht der Temperatur ſetzt. Das erfrorne Glied ſelbſt muß, unter paſſender Beguͤnſtigung von Außen, den zur Wieder⸗ herſtellung ſeiner Functionen erforderlichen Grad von Waͤr— me entwickeln, und die aͤußern Umſtaͤnde dürfen, wenn fie ſich mit dem Zuſtande des Gliedes in Einklang zu ſetzen, im Stande ſeyn ſollen, von den bereits vorhandenen nur ſehr wenig abweichen. Das Frottiren mit Schnee wird das er— fie Mittel ſeyn, welches angezeigt iſt, um einen weniger uns vollkommenen phyſiologiſchen Zuſtand zu erzeugen; dann ſchreitet man zum Auflegen weniger kalter Koͤrper fort, und allmaͤlig verträgt das Glied die Berührung mit warmen Körpern, bis man, unter ſteter Beobachtung einer ſtufen⸗ weiſen Temperaturerhoͤhung, ſolche von ſehr hoher Tempera— tur in Anwendung bringen darf. So gelangt man ohne Contraſt und Antagonismus dahin, die ausgedehnteſten Be: ziehungen zwiſchen dem kranken Gliede und der Außenwelt wiederherzuſtellen. Bei Anwendung eines anderen Verfah— rens wuͤrde man die ſchlimmſten Zufaͤlle, ja das Abſterben des erfrorenen Gliedes zu befuͤrchten haben. Innerlich, wie aͤußerlich, werden alle die Waͤrmeentwickelung beguͤnſtigenden Mittel mit gleicher Umſicht in Anwendung zu bringen und deren Kraft nur allmaͤlig zu ſteigern ſeyn. In demſelben Geiſte muͤſſen alle Kurmethoden aufges faßt werden, beſtehen dieſelben nun in der Anwendung einer großen Anzahl von Mitteln, oder nur in der einer zuſam— mengeſetzten Arznei oder nur eines ſpecifiſchen Mittels, d. h. eines ſolchen, welches beſſer, als irgend ein anderes, fuͤr eine beſondere Krankheit paßt. 2) Die Natur und der Arzt ſtreben alſo beide nach Erlangung des Reſultates, welches als die das Leben tee 13 * 199 präfentivende Thatſache gelten kann, nämlich die groͤßtmoͤg— liche Uebereinſtimmung zwiſchen uns und der Außenwelt; und nur Eines iſt zu fürchten, der Widerſtreit oder der Mans gel an Uebereinſtimmung. Die Wiederherſtellung der Harmonie iſt, in der That, der Zweck aller unſerer Unternehmungen, ſowohl in Betreff des Organismus, als des ſocialen Zuſammenlebens der Mens ſchen. Bekaͤmpfen iſt eigentlich ein veraltetes, weil einer veralteten Anſicht entſprechendes, Wort. Dieſe Anſicht ver— liert von Tage zu Tage an Anſehen, indem ſich aus ihr die wahre Bedeutung der Erſcheinungen nicht entwickeln läßt. Je weiter wir in der Geſchichte zuruͤckgehen, deſto zahlreicher finden wir die ſchaͤdlichen Umſtaͤnde, inmitten deren das Menſchengeſchlecht zu leben genoͤthigt war, deſto verheerender und häufiger waren die Seuchen, und deſto fels tener erreichten die Individuen ein hohes Alter. Das Reich des Uebels war damals weit ausgedehnter, als gegenwärtig; allein in demſelben Verhaͤltniſſe, wie ſich die Zahl der Ur— ſachen der Unordnung vermindert hat, ſind auch die Graͤn⸗ zen des Uebels enger geworden. In der Geſundheitslehre liegen noch manche Mittel, um dieſelben noch enger zu ſtek— ken. Sie predigt uns beſtaͤndig, daß wir dem Uebel keine abſolute Exiſtenz zuerkennen duͤrfen; ſie fuͤhrt uns zu der Erkenntniß, daß man an die Stelle der althergebrachten An— ſicht, das Leben ſey ein Kampf, diejenige zu ſetzen habe, daß das Leben eine ſtets vollkommner werdende Harmonie ſey; daß es ferner unſere Beſtimmung ſey, an der Vermin— derung des Uebels zu arbeiten, indem wir die daſſelbe her— vorbringenden Urſachen in Elemente des Wohlbefindens und Gluͤckes verwandeln ſollen. Wir haben alſo die Außenwelt nicht zu bekaͤmpfen, ſondern uns mit derſelben in immer vollkommneren Einklang zu bringen; die Luft, welche uns umgiebt und die wir einathmen, den Boden, den wir be— bauen, die Nahrungsſtoffe, die wir einnehmen und alle zu unſerem Gebrauche dienenden Gegenſtaͤnde zu verbeſſern. Desgleichen haben wir dahin zu ſtreben, taͤglich in der Er— kenntniß der Außenwelt fortzufchreiten, endlich die moralifche Ordnung des Lebens vollkommener zu regeln, damit Liebe an die Stelle der Feindſeligkeit trete, Die Menſchenracen, die Voͤlker, die Partheien deſſelben Volkes brauchen, um unter den guͤnſtigſten Bedingungen zu leben, ſich nur miteinander zu verbinden. Ueberall muß der Friede an die Stelle des Kriegs treten, aber ein Friede, bei dem nicht die Macht und alle Vortheile auf der einen, ſowie die Paſſivitaͤt und Un— terwuͤrfigkeit auf der andern Seite ſind. Man nehme aber das hier Geſagte nicht in einem falſchen Sinne; die An— haͤnger der Anſicht, daß die aͤußeren Potenzen das Regiment führen, wollen ebenfalls den Frieden und die Harmonie, ins ſofern dieſe unter der Oberherrſchaft jener Potenzen zu errei— chen ſind. Die Anhaͤnger der Theorie der vollen Unabhaͤngigkeit des Menſchen von der Außenwelt wuͤnſchen den Frieden und die Harmonie gleichfalls, aber nur unter der Bedingung, daß ihr Syſtem in ſeiner ganzen Ausdehnung aufrecht erhalten werde. Wir dagegen nehmen die Sache anders. Die wahre Harmonie geht fuͤr uns aus einem Buͤndniſſe der beiderſeiti— gen Agentien hervor, Stellen wir uns als Phyſiologen 717. XXXIII. 13. 200 auf den unpartheiiſchen Standpunet des Ichs und Nichts Ichs zugleich, ſo koͤnnen wir die Rolle jeder der beiden in Uebereinſtimmung wirkenden Claſſen von Agentien richtig würdigen, und aus dieſer Würdigung ergiebt ſich die rich ti ge Erkenntniß der Urſachen und des einzuhaltenden practi⸗ ſchen Verfahrens. 3) Dieſe Anſicht von der Harmonie des Menſchen mit der Geſellſchaft, ſeiner ganzen irdiſchen Umgebung und dem Weltall iſt weit großartiger und fruchtbarer, als die, nach welcher die allgemeine Ordnung nur das Ergebniß einer launigen Reaction ihrer Beſtandtheile waͤre. Ich fuͤhle, daß ich nur vermoͤge meiner Verbindung mit der Außenwelt binz ich bin mir meiner Stellung in der Weltordnung bewußt. Das gleichzeitige Vorhandenſeyn eines und mehrerer anderer Weſen, das Zuſammenwirken alles Deſſen, was iſt, mit meinen ſelbſtthaͤtigen Kraͤften bei Ausuͤbung jeder meiner Functionen ſind mir der erhabenſte Ausdruck der Wiſſen— ſchaft, welche ſich ſo meinem Blicke zugleich poſitiv und poetiſch, philoſophiſch und religioͤs darſtellt, und in dieſem Sinne find mir die Worte Leben und Harmonie gleich— bedeutend. Ich darf alſo behaupten, daß das Geſetz, wel— ches das ganze Weltall beherrſcht, nicht mit dem Geſetze im Widerſpruche ſteht, welches uͤber jedes Weſen gebietet. Es giebt nur ein Geſetz; aber ſeine Anwendung bietet dieſelbe Mannigfaltigkeit dar, wie Alles, was iſt; jedes be— ſondere Leben druͤckt in ſeiner Weiſe das allgemeine Leben aus. Wenn man ſagt, daß wir uns individuell und thaͤtig im Schooße des Univerſums offenbaren, oder, um uns in religioͤſer Sprache auszudruͤcken, daß Gott in Jedem von uns fuͤhlt, handelt und denkt, ſo druͤckt man ſich eben ſo richtig aus, wie wenn man in der Sprache des Phyſiologen ſagt: Mein ganzes lebendes Syſtem denkt vermittelſt des Gehirnes und verdaut vermittelſt des Magens. Ein durch kritiſchen Scharfſinn ausgezeichneter neuerer Philoſoph, Montaigne, hat geſagt, daß man ſich, in der Regel, faſt nur deßhalb ſtreitet, weil man uͤber die Be— deutung der Worte nicht einverſtanden iſt. Schickte man von den Woͤrtern, deren man ſich bedient, eine genaue De— finition voraus, fo wuͤrde nie ein Mißverſtaͤndniß Platz grei⸗ fen koͤnnen. Ich hoffe mich ſo ausgedruͤckt zu haben, daß man mich nicht mißverſtanden hat, um ſo mehr, da ja das Princip, welches ich vertrete, den Frieden gebietet, feindliche Syſteme mit einander verſoͤhnt und den entgegengeſetzteſten intellectuellen Anlagen Befriedigung zu gewähren verfpricht. Schon vor mehr als zweitauſend Jahren haben © os: crates, der Vater der Philoſophie, und ſein Zeitgenoſſe, Hippokrates, der Vater der Heilkunde, dieß Princip ihren Schuͤlern und der Menſchheit vorgetragen, und den— noch entſprangen unter ihren Schuͤlern zwei wiſſenſchaftliche Partheien, von denen eine ſich unter Plato's, die andere unter Ariſtoteles's Fahne ſchaarte. Die Heilkunde, wel— che ſtets die Geſchicke der Philoſophie theilte, war ſchon in alten Zeiten in aͤhnlicher Weiſe in zwei Partheien getrennt, und in neuern Zeiten ſah man Stahl mit Hoffmann und Boerhaave, ſowie Barthez mit Bichat und Brouſſais zuſammenſtehen. Ihre Nachfolger verſuchen 201 noch zuweilen, einander zu bekämpfen; allein dieſer intellec» tuelle Krieg iſt im Abnehmen begriffen und ſcheint dem Frieden und der Verſöhnung zu weichen; die beiden wiſſen— ſchaftlichen Partheien, die bis zu Plato und Ar iſtoteles hinaufreichen, duͤrfen hinfort nicht mehr zwei auseinander— gehende Theorieen und Arten von Praxis, ſondern eine Thei— lung der Arbeit darſtellen, welche die Dinge von zwei ver— ſchiedenen Hauptſeiten erfaßt und ſo nach einem Ziele der Vereinigung hinarbeitet. Ich empfehle alſo nicht Plato oder Ariſtoteles und mehr als beide die Wahrheit zu lieben, ſondern vielmehr: um ein Freund der Wahrheit zu ſeyn, muß man ſowohl Plato, als Ariſtoteles, folgen. (Journal de la Société de Médecine- pratique de Montpellier, Janvier 1845.) te e e e ueber Thierchen aus der Kreideformation, welche ſich im Magen der Auſtern noch lebend befinden, hat Herr Reade der Microscopical Society am 11. December eine Vorleſung gehalten, wonach er wegen der bekannten Wimperſtro— mungen am Mantel der Auſter erwartete, im Magen Infuſorien zu finden, was ſich beſtaͤtigte. Er fand im Magen jeder Auſter Myriaden von lebenden Monaden, Vibrionen und Haufen eines Conglomerats lebender Organismen, welchen er den Namen Vol- 717. XXXIII. 13. 202 vox ostreare giebt. Außerdem aber fand er Bacillarien, mit Kies ſelſchaalen, ahnlich denen, welche die Hauptmaſſe der Kreide dar— ſtellen. Aehnliche Infuſorien fand er ſodann auch in den foſſilen Auſtern des Kimmeridge-Thons und der benachbarten Fundorte. Herr R. ſchließt aus ſeinen Unterſuchungen, daß die Wimperbewe— gung der Auſtern und anderer Bivalven dazu dienen, die Thiere mit Nahrung aus Infuſorien und Polythalamien zu verſehen; 2) daß die Infuſorien, welche denen im foſſilen Zuſtande in der Kreide und in anderen ſecondaͤren Formationen aͤhnlich ſind, das bis dahin noch fehlende Glied in der großen geologiſchen Kette or— ganiſirter Weſen zwiſchen der Kreideformation und den früheren und ſpaͤteren Formationen ausfüllen. Exciſion der Milz von Dr. Berthet. Ein Individuum erhielt bei einem Streite eine Wunde mit einem Meſſer in die linke Seite. Acht Tage darauf fand Dr. B. bei der Unterſuchung eine beträchtliche, von der Milz gebildete Geſchwulſt, welche bereits einen hoͤchſt putriden Geruch verbreitete. Er ſchnitt den tumor aus, die Wunde wurde einfach verbunden und heilte. Der Kranke lebte nachher noch dreizehn Jahre, und feine Verdauung ging im- mer ungeſtoͤrt von Statten; er ſtarb an Pneumonie. Man fand nur eine kleine Portion der Milz von der Größe einer Nuß, welche an den aͤußeren Wandungen des Magens anlag. (Sitzungen der Pariſer Acad. de Med., Juill. 1844.) Dieynodon ift der Name eines an der ſuͤdoͤſtlichen Spitze von Africa gefundenen foſſilen Thieres, welches durch Hrn. Bain von da eingeſendet und dann von Owen unterſucht worden iſt. Der wichtigſte Character dieſes Reptils ſind zwei lange Roßzaͤhne, wie bei dem Walroſſe. Das naͤchſte Analogon iſt der im neuen ro— then Sandſteine in England gefundenen Rhynchosaurus. e Faͤlle von umſchriebenem Markſchwamm im Inne— ren der Knochen. Von Dr. Melchior Giovanni. I. Frau G. B., 30 Jahre alt, von zarter Conſtitu— tion, nicht ohne Spuren der ferophulöfen Diatheſis, regel— mäßig menftruirt, war bis zu ihrem zwanzigſten Jahre ges ſund, in welchem Jahre ſie zum erſten Male niederkam; eine mastitis trat darauf ein, deren Heilung zwei Monate lang dauerte, worauf ſie das Saͤugen fortſetzte. Sie kam ſpaͤter noch drei Mal nieder und ſtillte ihre geſunden und kraͤftigen Kinder ſtets ſelbſt. Im achtundzwanzigſten Jahre bekam ſie von ihrem Manne, als ſie gerade ihr letztes Kind ſaͤugte, eine Leukorrhoͤe und Ulcerationen an der Schaamlippe. Das Uebel wurde für bloße örtliche Reizung in Folge von Unrein⸗ lichkeit gehalten, und ſie beſeitigte es durch oͤfteres Waſchen und tägliches Trinken von Bitterfuͤß- und Kreſſenabkochun— gen. Nachdem das Kind entwöhnt und die Genitalien fo eben geheilt waren, empfand die Kranke dolores osteoco- pi in den Extremitaͤten, der Appetit nahm ab und ſie magerte ab. Unter der Anwendung von Calomel und unguentum Neapolitanum hoͤrten die Schmerzen auf, aber mittlerweile zeigte ſich eine Geſchwulſt an der Vor— derſeite des rechten Oberſchenkels ein Wenig unterhalb der Leiſtengegend, tief zwiſchen den Muskeln gelegen, feſt, un— ſchmerzhaft, von der Groͤße eines Huͤhnereies, welche, trotz der Anwendung oͤrtlicher Blutentziehungen, erweichender, auf— loſender Cataplasmen, und Salben aus Mercur, extr. Ci- eee ee eutae, Jod u. ſ. w. immer mehr an Größe zunahm, fo daß ſie nach vierzehn Monaten den Umfang eines ausge— wachſenen Kinderkopfes erreicht hatte. Ein zur Conſulta— tion herbeigerufener Wundarzt hielt den tumor fuͤr eine ein= fache Druͤſenanſchwellung und applicirte das Aetzkali, in der Abſicht, jenen nach und nach durch Aetzmittel zu zerſtoͤren; aber aus der Wunde wucherten fungoͤſe Vegetationen her— vor, Jauche floß in großer Menge ab, und das Allgemein: befinden litt ſichtlich. Die Abmagerung nahm zu, colliqua⸗ tive Diarrhoͤe und Nachtſchweiße traten ein, die fungoͤſen Excreſcenzen wurden gangraͤnoͤs, und die Kranke erlag am 26. April 1841 ihren Leiden. Leichenoͤffnung 24 Stunden nach dem Tode. Der tumor am Oberſchenkel nahm ſeinen Urſprung aus dem Zellgewebe unterhalb der fascia lata. Die gefunden Muskeln waren um die Geſchwulſt herum verruͤckt und aus— gedehnt und adhaͤrirten an dem Balge derſelben durch Zell— gewebe; die groͤßeren Gefaͤße und die Nerven verliefen un— verſehrt in Rinnen an der Peripherie der Geſchwulſt. Dieſe ſelbſt war von ovaler Geſtalt und ringsum von einer dicken Zellgewebsſcheide umgeben. In der Mitte durchgeſchnitten, zeigte ſie ein an der Peripherie ſchmutzigweißes Gewebe von gleichmaͤßiger Conſiſtenz, breiartig, mit wenigen Blutpuncten, in der Mitte weicher, an Gefaͤßen reicher, aͤhnlich der Hirn— ſubſtanz eines foetus; aus derſelben ragten die gangränöfen Fungofitäten hervor. Die Leiſtendruͤſen umgaben die Hülle und adhaͤrirten an derſelben, ſie waren angeſchwollen, doch ohne fungoͤſe Entartung; die Beinhaut des Oberſchenkelbeins 205 war unverändert. In der Geſchwulſt einen Markſchwamm erkennend, und wohl wiſſend, daß derſelbe ſelten iſolirt vor— kommt, ſuchte ich in den Hoͤhlen des Koͤrpers nach anderen Tumoren der Art, fand dieſelben aber nirgends. Als ich nun die Beckenknochen der rechten Seite an ihrer unteren Partie vertical durchſaͤgte, um den Sitz und die Verbin— dungen der Schenkelgeſchwulſt genauer unterſuchen zu koͤn— nen, bemerkte ich, daß der Durchſchnitt des Knochens ein ganz anderes Ausſehen, als das eines geſunden Knochens, darbot, obwohl die Form desſelben nicht veraͤndert war. Waͤhrend die äußere Beinhaut und die Corticalſubſtanz nor— mal waren, zeigte ſich die diplo@ von theils ſtrohfarbigen, theils ſchmutzig-weißen Flecken von der Groͤße einer Linſe und daruͤber und mehr oder minder unregelmaͤßiger Form uͤberſaͤct. Dieſes Ausſehen ruͤhrte von einer halbfluͤſſigen, rahmartigen, in den Zellen abgelagerten Subſtanz her, in welcher ich keine Blutgefaͤße zu entdecken vermochte, die aber in großer Menge an den Wandungen jener Zellen verliefen. Nachdem ich eine duͤnne Platte dieſes entarteten Knochens abgeſaͤgt und jenen Rahm abgewaſchen hatte, blieb die Sub— ſtanz der diploé allein zuruͤck, und die Knochenzellen, in welchen jene Fluͤſſigkeit enthalten geweſen war, waren an verſchiedenen Stellen unverſehrt, an anderen zum Theil cor— rodirt, an anderen fehlten ſie ganz, waren zerſtoͤrt worden und hatten im Knochen eine unregelmaͤßige Hoͤhle zuruͤckge— laſſen. Dieſe Alteration war auf die Mitte der hinteren Hälfte des Knochens beſchraͤnkt. Von derſelben Beſchaffen— heit zeigte ſich die pars reticulata der Mitte des linken Huͤftbeinknochens. Im Centrum der tibia fand ſich ein Tuberkel von dem Umfange einer Bohne, in geſunde Knochen— ſubſtanz eingebettet, mit ſcharf markirten Raͤndern und von einer duͤnnen, roͤthlichen gefaͤßreichen Cyſte umgeben, die durch zelluloͤs-membranoͤſe Fäden mit dem Knochen zuſam⸗ menhing. Nach der Durchſchneidung zeigte er ſich weich, von der Conſiſtenz und Farbe der Hirnſubſtanz, mit einigen Blutpuncten. Zwei andere kleine Tumoren fanden ſich in der Naͤhe derſelben in der Mitte des Knochens, bei unver— ſehrter Corticalſubſtanz; am linken Oberſchenkel, im unteren Dritttheile, im Innern eine der an der tibia aͤhnliche Ge⸗ ſchwulſt. Nach einer Maceration des Gewebes der Zellgewebs : und Knochengeſchwulſt in reinem Waſſer blieb nur eine Auf— loͤſung einer weißen Fluͤſſigkeit zuruͤck, welche zum Theil ſuspendirt blieb, zum Theil zu Boden des Gefaͤßes fiel, und endlich ein feines, ſehr zartes Zellgewebe, das Skelet der fungoͤſen Maſſe. Das Mark der Roͤhrenknochen fehlte nur an der Stelle der Geſchwulſt. II. S. P., Bäuerin, 16 Jahre alt, von zarter Gone ſtitution, feit zwei Jahren ſpaͤrlich und unregelmaͤßig men⸗ ſtruirt, in der Kindheit mit Erfolg geimpft, empfand in dem Alter von 14 Jahren gaſtrointeſtinale Stoͤrungen, Ue— belkeit, Appetitloſigkeit, dabei bedeutende Abmagerung. Nach Verlauf des fuͤnfzehnten Jahres zeigte ſich ein tumor in der rechten fossa iliaca, von der Groͤße eines Huͤhnereies, unſchmerzhaft, ſowie ein zweiter kleinerer in der linken Weiche. Trotz aller angewandten Mittel nahmen die Tumoren immer 717. XXXIII. 13. 204 mehr an Umfang zu, ein dritter bildete ſich in der Nabel gegend auf den Wirbeln, hectiſches Fieber ſtellte ſich ein, und die Kranke ſtarb am 30. Mai 1842. Leichenoͤffnung. Der tumor in der rechten fossa iliaca befand ſich unter dem Bauchfelle, ſtieß an die geſunden Muskeln an und befand ſich innerhalb einer feſten, zelluloͤ— fen Cyſte; er erſchien aus 4, durch weiße Fettſtraͤnge mit einander verbundenen Maſſen gebildet, von denen eine jede eine weiße, grauliche, gleichfoͤrmige, von Gefaͤßen durchzogene Subſtanz barbot; die Leiſtendruͤſen waren auf dieſe Weiſe entartet. Die Geſchwulſt in der linken Weiche war der erſteren vollkommen gleich. Die Bauchgeſchwulſt ſtieß an die Lendenwirbelſaͤule an, ging vom Gekroͤſe aus und lag uͤber den großen Gefaͤßen; ſie hatte einen Umfang von faſt zwei Faͤuſten, mit ungleicher, hoͤckriger Oberflaͤche, aus einer Menge kleiner Tumoren zuſammengeſetzt, von denen einige die Groͤße einer Nuß, andere die Groͤße eines Huͤhnereies hat— ten, einer noch groͤßer war, und welche die entarteten Meſente— rialdruͤſen waren. Bei'm Einſchneiden boten ſich drei Sub— ſtanzen dar, eine fettartige, ſilberglaͤnzende, aus dem Zellge— webe hervorgegangen, als Band und Umhuͤllung dienend; dann eine weiche, ſtrohfarbene, breiartige, welche das Innere der kleinſten Tumoren bildete, waͤhrend die groͤßeren eine hirnaͤhnliche Subſtanz hatten. Die Milz zeigte an ihrem unteren Ende die marmorirte Oberflaͤche mit der ihr eigen— thuͤmlichen dunkelrothen und ſtrohartigen Faͤrbung; ſie war glatt, und dieſe Farbe ſchimmerte durch die Auferfte Mems bran des Eingeweides durch. In den Zellen derſelben fand ſich eine geronnener Milch ähnliche Materie abgelagert, wel che auf einen Druck hervorquoll, und an verſchiedenen Stel— len kleine Hoͤhlen, von dem normalen Gewebe der Milz um— geben, zuruͤckließ, an anderen eine Höhle, indem das Gewebe zerftört war. Im unteren Drittheile des Oberſchenkels fand ſich ein Tuberkel von dem Umfange einer Haſelnuß, an der Oberflaͤche roͤthlich, bedeckt von einer dünnen, gefaͤßreichen Cyſte, welche aus einem Gewebe, aͤhnlich dem der Tuberkeln der Roͤhrenknochen in der erſten Beobachtung, beſtand; der Tuberkel befand ſich inmitten geſunder Knochenſubſtanz. (Gazetta medica di Milano. N. 16. 1844.) Ueber den Mißbrauch und die Gefahr der Sehnen— und Muskeldurchſchneidungen las Malgaigne in der Sitzung der Acad. Roy. des Sciences am 19. Februar 1844. Die Academie hat vor einigen Jahren die erſten Berichte uͤber die durch ihre Zahl und ihre Unſchaͤdlichkeit nach den Reſultaten, welche man ſich davon verſprechen zu koͤnnen glaubte, oder bereits erhalten haben wollte, merkwuͤrdigen Operationen vernom⸗ men. So theilte J. GuéErin am 20. Januar 1840 die Geſchichte eines jungen Maͤdchens von 14 Jahren mit, an welcher er in einer Sitzung 13 Sehnendurchſchneidungen ausgefuͤhrt hatte. Am naͤchſten 31. Auguſt wurde dieſes kuͤhne Unternehmen noch durch ein anderes derſelben Art an einem jungen Menſchen von 22 Jahren uͤbertroffen, dem 205 Guerin zu gleicher Zeit 42 Muskeln oder Sehnen durchſchnitten hatte. In dem erſten Falle beabſichtigte man, 2 unvollſtaͤndige Luxationen, des Kniees zu verbeſſern, und am Tage nach der Operation war dieſer Zweck ſo vollſtaͤn— dig erreicht worden, daß von den beiden Difformitaͤten nur ein gewiſſer Grad von andauernder Flexion des Gelenkes zuruͤckblieb. In Betreff des zweiten Falles war die Natur der Difform aͤten nicht angegeben worden, und die noch jetzt erwarteten Reſultate ſollten der Academie zur gelegenen Zeit mitgetheilt werden. Dennoch iſt ſeit bald 4 Jahren dieſe gelegene Zeit nicht gekommen, und Malgaigne erin— nert an dieſe unterbrochene Geſchichte nur in der Abſicht, um die Practiker über eine neue chirurgiſche Doctrin aufzus klaͤren, welche ihm zu den gefaͤhrlichſten zu gehoͤren ſcheint, und die man in neuerer Zeit ſich zu ruͤhmen bemuͤht hat. Es handelt ſich darum, zu wiſſen, ob man Sehnen und Muskeln bei den durch Paralyſe hervorgebrachten, oder unter: haltenen Difformitaͤten durchſchneiden darf, und ohne jene Lehre hier genau durchgehen zu wollen, werden wir hier nur die Reſultate derſelben geben. Jenes junge vierzehnjaͤhrige Maͤdchen, an welchem ans faͤnglich 13 Sehnendurchſchneidungen gemacht wurden, die man ſpaͤter bis zu 20 vermehrte, war eine ungluͤckliche Ge— lähmte aus der Salpetriere, wo fie noch jetzt ſich befindet; alle ihre Gliedmaaßen litten mehr oder weniger an Contra— cturen; Klumpfuͤße, Luxationen der Kniee, Flexion des Vor— derarmes und der Finger u. ſ. w.; ſie bot alle moͤglichen Difformitaͤten mit einer unheilbaren Paralyſe dar. Man griff zuerſt die Luxationen der Kniee an; ſey es nun, daß der Operateur ſich getaͤuſcht hat, ſey es, daß die am naͤch— ſten Tage nach der Operation bemerkten Reſultate ſeitdem verſchwunden ſind, genug die Luxationen beſtehen noch; man hat die Klumpfuͤße operirt, ſie ſind noch vorhanden; man hat die Abduction der einen Hand angegriffen, und nur das Widerſtreben der Kranken hat von weiteren Eingriffen zu— ruͤckgehalten. Was hat fie nun durch jene 20 Sehnendurch— ſchneidungen gewonnen? Durchaus Nichts, aber wohl Et: was verloren: ſo empfindet ſie in den beiden Beinen, im Niveau der verſchiedenen Durchſchneidungen, heftige Schmer— zen, welche ſie fruͤher nicht gehabt hat; ſo kann ſie ſeit der Operation nicht mehr, wie vor derſelben, den ganzen Tag mit der rechten Hand Nadelarbeit verrichten. Zwei Monate nach dieſem erſten Reſultate wurde die zweite Operation an dem jungen Manne von 22 Jahren ausgefuͤhrt. Dieſer war noch gebrechlicher und gelaͤhm— ter; alle Gliedmaaßen waren flectirt, und man wollte ſie alle wieder gerade machen. Trotz allen Nachforſchungen iſt es Malgaigne nicht gelungen, die Reſultate dieſer Operation zu ermitteln. Aber wir haben die vollſtaͤndige Geſchichte einer ganz aͤhnlichen Operation, die Philipps an einem Kinde von 11 Jahren ausfuͤhrte, das an al— len Gliedern contracturirt und paralyſirt war: an Beinen und Schenkeln verkruͤppelt, konnte es aber wenigſtens noch den Stamm nach Vorn, nach Hinten und von einer Seite zur anderen balanciren. Philipps durchſchnitt alle ſich fpannenden Sehnen, ſtreckte die contracturirten Glieder, 717. XXXIII. 13. 206 und das Reſultat war, daß das ungluͤckliche Kind, in die Laͤnge gezogen, wie eine Eiſenſtange, die Arme gegen den Stamm gedraͤngt, nicht einmal jene bei der Verkruͤppelung der Schenkel geſtatteten Bewegungen ausführen konnte und ſo auf ſeinem Lager, gleich einer Leiche, ausgeſtreckt lag, ohne etwas Anderes, als den Kopf, frei zu haben. Vom 1. Auguſt 1839 bis zum 1. Juli 1843 ſind 6 an mehr oder weniger vollſtaͤndiger Paralyſe leidende Indi viduen in die orthopaͤdiſche Anſtalt fuͤr kranke Kinder auf— genommen worden; bei 4 ſcheint die Paralyſe allgemein ge— weſen zu ſeyn. Von dieſen 4 Individuen war eins das oben beſprochene junge Maͤdchen, ein anderes iſt nur 6 Tage in der Anſtalt geblieben, die beiden anderen ſind im Hoſpi— tale geſtorben. In den beiden anderen Fällen hatte die Laͤh— mung nur den Fuß, oder die unteren Glieder afficirt; einer derſelben iſt den Nachforſchungen Malgaigne's entgans gen; einem anderen hat man die Achillesſehne durchge— ſchnitten, und die Paralyſe und der Klumpfuß dauern, wie vorher, fort. Anwendung der Tenotomie auf die chirurgiſche Behandlung alter Muskelgeſchwuͤre. Von Dr. Fabrizi. Erſter Fall. Im Jabre 1839 conſultirte mich eine ſechsunddreißigjaͤhrige Frau zu Malta, wegen einer alten eitern— den Wunde an dem mittleren vorderen Theile des linken Vor— derarmes. Die Bedeckungen waren in der Ausdehnung von faſt einem halben Quadratzoll zerſtoͤrt, und man bemerkte in der Tiefe dieſer Wunde drei Oeffnungen, durch welche man eine Sonde in das Innere mehrerer Hoͤhlen einfuͤhren konnte, von denen die Mehrzahl in der Subſtanz des m. biceps ſich befanden. Die anderen ſtreiften nur laͤngs der aͤußeren Wandungen dieſes Muskels hin, welcher dermaaßen contra— hirt war, daß man nur mit einiger Anſtrengung den Vorder- arm vollkommen extendiren konnte. Alle bis dahin ange— wendeten Mittel hatten Nichts geleiſtet. Ich verſuchte an— fangs Einſpritzungen von Jodtinctur in die Eiterhoͤhle, und die Compreſſion des ganzen kranken Gliedes; jedoch ohne Nutzen. Ich glaubte nun, die Durchſchneidung der Sehne des biceps verſuchen zu koͤnnen, von der Anſicht ausgehend, daß die Spannung des Muskels die, die Krankheit unter— haltende Urſache ſeyn koͤnnte. Die Sehne des biceps wurde ganz nah an ihrer Inſertionsſtelle am radius durchſchnitten und der Vorder— arm in vollſtaͤndige Extenſion gebracht, worauf man durch ein fortgeſetztes Maſſiren die Muskelmaſſe des Gliedes ſo— viel, als moͤglich, zu erſchlaffen ſuchte. Einige Jodeinſpriz— zungen wurden ſo tief, als moͤglich, in die ſinuoͤſen Ge— ſchwuͤre gemacht und das Glied in der obenangegebenen La— ge durch eine maͤßig feſt angelegte Binde erhalten. Der Apparat wurde am zwanzigſten Tage entfernt; es fand ſich nur eine ſehr geringe Quantitaͤt Eiter. Die aͤußere Wunde hatte ſich bedeutend gebeſſert, und die Sinuoſitaͤten waren 207 weniger ausgebreitet und weniger tief geworden. Der Ver⸗ band wurde noch einmal erneuert, darauf ein bloßer Conten— tivverband angelegt, und nach zwei Monaten war die Kranke vollſtaͤndig geheilt. Zweiter Fall. P. C. aus Malta, achtzehn Jahre alt, litt ſeit fuͤnf Jahren an eiternden Geſchwuͤren an der Vorderſeite des linken Unterſchenkels. Die Geſchwuͤre waren oft vernarbt, aber nach einiger Zeit von Neuem wiederauf— gebrochen, faft immer von Sinuoſitaͤten begleitet, welche in der Subſtanz der mm. gemelli und in den benachbarten Geweben verliefen. Außerdem war eine ſchmerzhafte Ver— haͤrtung der afficirten Muskeln und eine Retraction derſel— den eingetreten, wodurch einer der hoͤchſten Grade des pes equinus entſtanden war. Der Fuß beruͤhrte den Boden nur mit der aͤußeren Seite des großen und des zweiten Ze— hes, ſo daß der Kranke zum Gehen zweier Kruͤcken bedurfte. Im Mai 1840 durchſchnitt ich die Achillesſehne einen Zoll oberhalb des calcaneus, maſſirte die Muskeln und legte die geeigneten orthopaͤdiſchen Maſchinen an. Der Fuß hatte nach zwei Monaten ſeine normale Stellung angenommen, der Kranke konnte ohne Kruͤcken gehen, und die Geſchwuͤre waren vollſtaͤndig geheilt. Dr. F. giebt noch zwei aͤhnliche Faͤlle mit gleichguͤnſtigem Reſultate. (Gaz. med. de Pa- ris, No. 33. 1844.) Miele n. Leber den Starrkrampf hat Dr. Samuel Solly fol: genden Fall mitgetheilt. James Bra don, 42 Jahre alt, Schiff⸗ auslader, hatte ſeit dem neunzehnten Jahre haͤufige Anfaͤlle von heftigen Wadenkraͤmpfen, welche gewoͤhnlich in der Nacht eintraten und zuweilen drei Viertelſtunden andauerten. Vierzehn Tage vor ſeiner Aufnahme hatte er eine Quetſchung und Verwundung des klei— nen Fingers der linken Hand erlitten, worauf heftige Schmerzen in Arm und Finger und Steifheit des ganzen Halſes und ganzen Koͤrpers erfolgte. Die geriſſene Wunde war von kleinem Umfange. Dr. Sols In machte einen Einſchnitt bis auf den Knochen, worauf etwas Blur tung eintrat, aber kein Eiter entleert wurde. Die Muskeln des Ruͤckens und Halſes zeigten ſich rigide und ſchmerzhaft, alle 10 bis 15 Minuten traten Exacerbationen des Schmerzes ein, wo dann der Körper nur auf Hinterhaupt und Ferſen ſich ſtuͤtzte. Der Mund konnte fo weit vom Kranken geöffnet werden, daß es moglich war, die Spitze des kleinen Fingers einzufuͤhren, aber nur mit großer Anſtrengung konnte der Kranke die Kiefer auf 1“ weit auseinander- bringen. Er klagte uͤber Schmerz unter dem Bruſtbeine, welcher 717. XXXIII. 13. 208 ſich nach der Wirbelſaͤule hin verbreitete; der Athem hatte einen foͤtiden Geruch. Angewendet wurden Clyſtire aus Spiritus Te- rebinthinae, dann K Mixt. Sennae comp, und Taback (33:13), welche letztere anfangs nicht ertragen wurden; Senfteige an das epigistrium und Blaſenpflaſter auf den Rüden; innerlich die Tinct. Cannabis zu gtt. xx pill., fpäter in längeren Zwiſchenraͤumen. Nach drei Monaten war er vollkommen hergeſtellt, nur druͤckte feine Miene noch etwas Schmerzhaftes aus. — Dr. ©. ſchreibt die Heilung in dieſem Falle vornehmlich der örtlichen Application von Blaſenpflaſtern, den angewandten Abführmitteln und der Une terſtuͤtzung der Kräfte des Kranken durch Porter, Branntwein, Fleiſch u. ſ. w. zu. Die Beſchaffenheit des Pulſes, welche von mehreren Autoren als ein wichtiges Symptom in Bezug auf die größere oder geringere Heftigkeit des Falles angefeben wird, iſt, nach Dr. S., ein hoͤchſt unzuverlaͤſſiges Zeichen. (London med. Gaz. April 1844.) Verſchlucken eines Blaſenpflaſters. Dr. Merri⸗ man erzaͤhlte in der Sitzung der Westminster Medical Society, den Fall von einem Kinde, welches, in Folge des Genuſſes un— verdaulicher Subſtanzen, eine heftige Diarrhoͤe mit betraͤchtlichem Fieber und Gehirnleiden bekam. Auf die Anwendung großer Dos ſen Calomel verſchwanden dieſe Symptome, aber die des hydroce- phalus begannen, ſich zu zeigen. Gegen dieſe wurde noch mehr Calomel gereicht, und ein Blaſenpflaſter, von der Größe der Hand- flaͤche, an den Nacken applicirt; das Pflaſter zog gut, konnte aber am naͤchſten Morgen nirgends gefunden werden, und da die Eltern angaben, daß ſie das Kind mit ſeinem Munde in der Nacht ein Geräuſch hätten machen hören, als wenn es eine dickliche Maſſe kaute, und da Mund und Schlund durchweg, ſoweit man ſehen konnte, mit Blaſen bedeckt waren, und ein dünner Schleimaus fluß aus ihnen ſtattfand: ſo ſchloß man daraus, daß das Kind das Pflaſter verſchluckt habe. Das partielle coma, in welchem der klei⸗ ne Kranke ſich befand, verdeckte die wirklichen Folgen des Mittels, denn es war weder Strangurie noch Uebelkeit vorhanden und nur etwas Empfindlichkeit bei einem in der Magengegend angebrachten Drucke. Eine Mixtur aus Olivenoͤl und Manna wurde gereicht, und das Kind ftarb nach 43 Stunden. Dieſer Fall hatte das Merkwuͤrdige, daß alle gewoͤhnlichen Symptome der Vergiftung durch Canthariden fehlten. — Dr. Snow erzählte bei dieſer Gelegenheit den Fall einer alten Dame, welche ungefähr eine Drach— me trocknes Cantharidenpflaſter irrthuͤmlicherweiſe mit ihrer Cho— colade zuſammen zerrieb, und das Ganze, als es gekocht war, ver— ſchlang. Symptome der heftigſten Strangurie mit heftigen Schmer— zen und Blutharnen traten ein, wurden aber nach ein bis zwei Ta⸗ gen durch demulcentia beſeitigt. Die Blaſenpflaſter verlicren nach ihrer Application auf die Haut ihre Wirkung nicht, da mane che Aerzte oft ein und daſſelbe Blaſenpflaſter an verſchiedene Per— ſonen appliciren laſſen. Von Galen's Werke über die Anatomie ſoll eine volle ſtaͤndige Arabiſche Ueberſetzung, worin auch von den ſechs verloren geglaubten Büchern fünf noch befindlich, auf der Bodleyaniſchen Bibliothek zu Oxford aufgefunden worden ſeyn. Bibliographische Treatise on the chemical Organisation of Plants. Draper, London 1845. 4. Samuel Wright. Der Speichel in phyſiol., diagnoſt. und thera— peut. Beziehung, a. d. Engl. von Dr. S. Eckſtein (in der Handbibliothek des Auslandes für die organ, chem. Richtung der Heilkunde). Wien 1844. 8. 213 S. — — by J. w. Re teen. Practical observations on the Efficacy of Medicated Inhalations in the Treatment of Pulmonary consumption, Asthma, Bron- chitis, chronie Congh and other diseases of the Respiratory organs and in Affections of the Heart. By Alfred Beau- mont Maddock, MD. IIlustated with cases. 2d edit. Lon- don 1845. 8. Treatise on Corns, Bunions etc. By L. Durlacher. London 1845. 8 — — — — (7 Neue Uotizen aus dee m Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetbeilt don dem Ober ⸗Medieinalratde Freriep zu Weimar, und dem Mediainalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 718. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 14. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 h 30 A, Februar 1845. des einzelnen Stuͤckes 3¼ IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 HH Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 95 Nat u r b un n d Pneumatiſcher Apparat zur Abſchaͤtzung der Staͤrke der Reſpiration. Von Hutchinſon. Der Apparat beſteht aus zwei Inſtrumenten, einer „Athmungsmaſchine“ zur Meſſung des Volums und einem „Inſpirator“ zur Meſſung der Staͤrke der Reſpiration. Die Athmungsmaſchine beſteht aus zwei verticalen Cylin— dern, einer innerhalb des anderen befindlich. Der aͤußere enthaͤlt Waſſer, der innere dagegen iſt dazu beſtimmt, den Athem aufzunehmen, und ſteigt im Verhaͤltniſſe zu der Quantitaͤt der von den Lungen der unterſuchten Perſon ausgeathmeten Luft in die Hoͤhe. Der letztere Cylinder, der „Aufnehmer“ genannt, findet ſein Gegengewicht in zwei bleiernen Gewich— ten, welche in zwei verticalen, perpendiculaͤr gelagerten Ku— pferroͤhren arbeiten. An ein jedes dieſer Gewichte iſt eine Schnur befeſtigt, welche uͤber eine Rolle hinlaͤuft, dann an einer anderen Kupferroͤhre hinabgeht und mit dem oberen Ende des Aufnehmers in Verbindung ſteht, welcher laͤngs der an der Innenſeite der Roͤhre abgebrachten Zeichen auf und niederſteigt. Zur Beſtimmung der ausgeathmeten Luft— menge fteht eine Scala mit dem Aufnehmer in Verbindung, welcher mit derſelben auf- und niederſteigt; auf dieſer Sca— la ſtellen die Zeichen Cubikzolle dar, welche nach den con- tentis des Aufnehmers berechnet ſind, der 388 Cubikzoll Luft enthaͤlt. Die Waſſerflaͤche dient zur Beſtimmung der Zahl der Cubikzolle. Eine gebogene Glasroͤhre ſteht mit dem Waſſer in dem réservoir in Verbindung, ſo daß die Waſſerflaͤche in dem letzteren durch eine Beſichtigung der Roͤhre leicht beſtimmt wird. Die Abtheilungen an der Scala in derſelben Höhe mit der Waſſerflaͤche geben die An— zahl der in dem Aufnehmer bei jeder Elevation enthaltenen Cubikzolle an. Der Athem tritt in den Aufnehmer durch eine durch das Waſſer des réservoir in die Hoͤhe ſteigende Roͤhre, und wenn das Experiment beendet iſt und der Aufnehmer wieder hinabſteigen ſoll, fo laßt man die Luft durch einen No. 1818. — 718. am Boden angebrachten Klappenhahn ausſtroͤmen. Vorn au der Maſchine ſind drei Zapfen angebracht, einer zum Ab— laſſen des Waſſers, wenn es noͤthig iſt, der zweite zur Ent— leerung des Athems und der mittlere, der Trockenzapfen ge— nannt, zum Ablaſſen des Waſſers, welches zuweilen in die Verticalroͤhren gedraͤngt wird. Der Inſpirator iſt nach dem Principe conſtruirt, um eine Queckſilberſaͤule durch die Kraft der In- und Exſpira— tionsmuskeln ſteigen zu laſſen, und nach dem Steigen des Queckſilbers die von dieſen Muskeln ausgeuͤbte relative Kraft zu beſtimmen. Er beſteht aus einem nach Zollen und Li— nien abgetheilten und durch eine perpendiculaͤre Linie in zwei gleiche Theile getheilten Zifferblatte. Die rechte Seite dient zur Meſſung der Inſpiration, die linke zur Meſſung der Ex— ſpiration. Zur Beſtimmung der verſchiedenen Staͤrkegrade ſind folgende Zahlen und Worte auf dem Zifferblatte an— gebracht: Inſpiration Erfpiration Zolle Zolle 15 Schwaß, 2,00 2 . Gewoͤhnlich . . 23,50 „ Core. . "Sen 35 . Sehr ſtark 4,50 5,5 Bedeutend 80 5,5 . Sehr bedeutend „ 7,00 6 . Außerordentlich 8,50 7 Mehr als außerordentlich 10,00 Dieſe Beſtimmungen der Stärke find die Reſultate von nahe an 1200 Beobachtungen. Das Queckſilber befindet ſich in einer gebogenen Roͤhre, uͤber deren eines Ende eine biegſame Roͤhre hinwegragt, wel— che mit einem Kautſchukanſatze endet, durch welchen die dem Experimente unterworfene Perſon nach dem Betrage ihrer Staͤrke ein- oder ausathmet. Aus den von dem Verfaſſer vor der Society of Arts angeſtellten Verſuchen ergab ſich nicht nur die Richtigkeit 14 211 der in obiger Tabelle angegebenen Beſtimmungen, , fondern auch, daß die Capacität einer menſchlichen Lunge in einer arithmethiſchen Progreſſion von 8 Cubikzoll für jeden Zoll der Körpergröße zunimmt. (Lancet, June 1844.) Ueber die Reproductionskraft, vermoͤge deren bei den Tauſendfuͤßen und anderen Inſecten verloren gegangene Glieder wiedererzeugt werden. Von Herrn G. Newport. Bekanntlich beſitzt der Organismus der Cruſtaceen und Arachniden die Faͤhigkeit, diejenigen Gliedmaaßen, welche zu— faͤllig oder abſichtlich von demſelben abgeloͤſ't werden, all— maͤlig wiederzuerzeugen. Auch Phasma und mehreren ans deren Orthopteren, die keine aͤchte Metamorphoſe und Ver— aͤnderung der Lebensweiſe erleiden, und bei denen ſich die Modificationen lediglich auf die Entwickelung der Fluͤgel— decken und Fluͤgel beſchraͤnken, die anfangs nur in rudimen⸗ taͤrer Form vorhanden ſind, hat man dieſelbe Reproductions— kraft zugeſchrieben. Auch bei den Myriapoden glaubte man Andeutungen der Reproductionskraft bemerkt zu haben, die man bisher gewoͤhnlich einer unvollſtaͤndigen Entwickeiung zugeſchrieben hatte. Was die Inſecten anbetrifft, bei denen vollſtaͤndige Metamorphoſen ſtattfinden, d. h., bei denen ſich, wenn fie aus dem Zuſtande der Larve in den des vollkom— menen Inſectes uͤbergehen, nicht nur die Form, ſondern auch die Nahrung und Lebensweiſe vollſtaͤndig veraͤndern, wie es, z. B., bei den Lepidopteren geſchieht, ſo hielt faſt kein Phy— ſiolog dieſelben fuͤr faͤhig, die verlorengegangenen Gliedmaa— ßen wiederzuerzeugen. Der Verfaſſer hat drei Jahre hinter— einander eine Reihe von directen Verſuchen uͤber dieſen Ge— genſtand angeſtellt und deren Reſultate der Londoner Koͤnigl. Geſellſchaft mitgetheilt. Bei einer Anzahl Exemplare von Julus, die man der Fuͤhler und einiger Beine beraubt hatte, reproducirten ſich die verlorengegangenen Organe vollſtaͤndig. Nach der erſten Haͤutung fanden ſich dieſe Gliedmaaßen ganz, ſowie die fruͤ— her vorhandenen, wieder, doch mit dem Unterſchiede, daß ſie etwas kleiner und in manchen Puncten weniger vollſtaͤndig entwickelt waren. Dieſelben Reſultate erlangte man bei den Lithobien (Scolopendren) waͤhrend der erſten Entwickelungsſtadien. Ein Exemplar dieſer Gattung, welches bereits das zehnte Fußpaar hatte (alle Lithobien erhalten 15 Fußpaare), buͤßte zufaͤllig die drei letzten Paare ein. Bei der naͤchſten Haͤu— tung erlangte es nicht nur 2 neue Paare, fondern auch die drei verlorengegangenen wieder. Einige Zeit darauf verlor das Thier abermals einen Fuß des zwölften Paares, und derſelbe ward bei der naͤchſten Haͤutung wieder erſetzt, waͤh— rend die früher reproducirten zugleich eine vollſtaͤndigere Ent— wickelung erlangten. Da der Verfaſſer in der Sammlung des Britiſchen Muſeums ein Exemplar von Phasma getroffen hatte, bei welchem der rechte Vorderfuß offenbar reproducirt worden war, ſo beſchaͤftigte er ſich mit Unterſuchung der eigentlichen 718. XXXIII. 14. 212 Inſecten. Er waͤhlte zum Gegenſtande feiner Verſuche ein Inſect, das vollſtaͤndige Verwandlungen erleidet, die Larve eines Lepidopteren, der Vanessa urticae Latr. Nach⸗ dem er mehrere der aͤchten Fuͤße, d. h., der mit Haken ver⸗ ſehenen hornigen Fuͤße, theils verſtuͤmmelt, theils gaͤnzlich beſeitigt hatte, ſah er dieſe ſaͤmmtlichen Organe ſich in vers ſchiedenen Zuſtaͤnden der Entwickelung wiedererzeugen. Im erſteren Falle wurde die abgeloͤſ'te Portion allein reproducirt, im letzteren bildete ſich ein ganzer Fuß wieder. In einigen Faͤllen fand die Reproduction bei Gelegenheit der zweiten Metamorphoſe des Inſectes ſtatt, d. h., als daſſelbe ſich verpuppte. In zwei bis drei Faͤllen trat keine Reproduction ein. Dieſe Ausnahmen koͤnnen, dem Verfaſſer zufolge, der Hypotheſe, als ruͤhrten die Reproductionen von eigends dazu beſtimmten Organen her und als ſeyen dieſe Organe ſelbſt bei der hier in Rede ſtehenden Verſtuͤmmelung mit beſeitigt worden, keinen Vorſchub leiſten. Denn er hat ſich davon uͤberzeugt, daß die oberſte Portion der abgenommenen Fuͤße bei dem vollkommnen Inſecte ſtets ſtehen geblieben war, ſelbſt wenn keine Reproduction ſtattfand. Hieraus, ſowie aus der Wiedererzeugung der Fuͤße bei Julus, ſelbſt wenn das ganze Organ beſeitigt worden war, ſchließt der Verfaſſer, daß die Reproductionskraft ihren Sitz in dem geſammten organiſchen Gewebe habe. Uebrigens beſteht jede der neuen Extremitaͤten ſtets aus allen ihr weſentlich zukommenden Theilen, Huͤfte, Schenkel, Unterſchenkel und Tarſen, und es zeigt ſich nur faſt immer irgend eine Unregelmaͤßigkeit in der Entwickelung, hauptſaͤch— lich an den Tarſen, wo haͤufig mehrere Glieder fehlen. Der Verfaſſer beſchließt ſeine Abhandlung mit folgenden allgemeinen Folgerungen: Die leichteren Verwundungen der Inſecten heilen ſtets, wenn nicht eine ſtarke Verblutung oder das Herausfallen von Eingeweiden ſtattgefunden hat. Schwere Verwundungen, z. B., die vollſtaͤndige Amputation einer Extremitaͤt, heilen ebenfalls gewoͤhnlich. Faͤllt die Wunde in die Richtung der Thaͤtigkeit der Hauptmuskeln der Larve, ſo quellen die Eingeweide heraus. Bei der Heilung wird die Blutung, wie bei den höheren Thieren, zupoͤrderſt durch Coagulation des Blutes geſtopft, und unter dem durch den Blutklumpen gebildeten Schorf vereinigen ſich die getrennten Theile wieder miteinander. Alsdann entwickeln ſich aus den Wundflaͤchen die Gewebe, welche die verloren gegangenen erſetzen. Zur Reproduction einer Extremitaͤt iſt wenigſtens eine Haͤutung erforderlich. Dieſe dem Inſecte natuͤrlichen Haͤutungen werden durch die Heilung einer Amputations— wunde nicht verhindert, ſondern nur verzögert, Ueber das Neſt des Eisvogels. Unter den Neſtern der Voͤgel gehoͤrt das des Eisvogels zu denjenigen, von denen man bisher noch wenig ſichere Kenntniß hatte. Der Eisvogel iſt in Europa faſt uͤberall einheimiſch, und ſein praͤchtiges Gefieder bildet mit dem un— ſcheinbaren der meiſten Übrigen europaͤiſchen Voͤgel einen aufs 213 fallenden Contraſt. Die Angaben alter Schriftſteller über den Eisvogel ſind zum Theil hoͤchſt fabelhaft. Plinius behauptet, er baue ein wunderbares Neſt, deſſen Materialien unbekannt ſeyen, von Manchen aber fuͤr ſtachlige Ruͤcken— wirbel von Fiſchen gehalten wuͤrden, da der Vogel ſich von Fiſchen naͤhre. Bewick giebt an, er habe ein Eisvogelneſt mit ſechs Eiern gehabt, welches dem eines gemeinen Finken aͤhnlich geweſen ſey und ganz aus mit einer braunen klebri— gen Subſtanz zuſammengekitteten Fiſchgraͤten beſtanden habe. Er erzaͤhlt auch Dr. Heyman's Bericht, daß ein Knabe ein Eisvogelneſt in einem 1 Fuß tiefen Loche gefunden habe, an deſſen hinterem Ende ſechs Eier auf der bloßen Erde gelegen haͤtten, ohne daß von einem Neſte die geringſte Spur zu entdecken geweſen wäre. Aus eigner Erfahrung kann ich uͤber das Neſt dieſes Vogels Folgendes mittheilen. Ich habe ſolche Neſter in Löchern gefunden; aber die Eier lagen nicht auf der bloßen Erde, fondern auf einem Bette von ſehr kleinen Theilchen von Fifhgräten, die nicht zuſammengekittet, ſondern loſe waren, und in denen ſich eine kleine Vertiefung zur Aufnahme der Eier befand. Ein Theil von einem ſolchen Neſte liegt eben vor mir, und derſelbe iſt hoͤchſt muͤrbe. Es enthielt ſechs Eier, und ſo viel trifft man auch in der Regel in dem Neſte dieſes Vogels. Dieſelben ſind weiß und nehmen ſich wie polirter Marmor aus. Es wird intereſſant ſeyn, zu erfahren, wie ſich der Vo— gel jene kleine Stuͤckchen Fiſchgraͤten verſchafft, aus denen er fein Neſt baut. Sie ſtammen offenbar von den Kuͤgel— chen, welche der Vogel ausſpeit, nachdem er Fiſche gefreſſen hat, wie Eulen und andre Raubvoͤgel die Haare, Federn und Knochen ihres Fraßes als ſogenanntes Gewoͤlle auswer— fen. Solche vom Eisvogel ſtammende Kuͤgelchen hat man haͤufig an den Orten gefunden, wo ſich derſelbe aufhaͤlt. Sie ſind oval und haben den Umfang einer kleinen Eichel. Uebrigens wurden die kleinen Stluͤckchen Fiſchgraͤten wahr: ſcheinlich nur waͤhrend des Bruͤtens ausgeworfen. Dieß ſtimmt mit den Angaben des obenerwaͤhnten Knaben, ſowie eines Mitarbeiters des Muſeums der belebten Natur (Mu- seum of animated nature) überein, welcher ſagt: „Der „Eisvogel ſpeit die unverdauten Theile ſeines Futters aus; „ein Kreis von dieſen Auswurfsſtoffen umgiebt die Eier und „vergroͤßert ſich nach dem Ausbruͤten der Jungen ſehr be— „deutend, ſo daß hiernach leicht die Meinung entſtehen konnte, „das Neſt werde urſpruͤnglich aus Kluͤmpchen Fiſchgraͤten ger „baut. Danach moͤchte man glauben, daß alles Wunder— „bare, was man uͤber das Neſt des Eisvogels geſagt hat, „ſich im Grunde darauf beſchraͤnkt, daß die urſpruͤnglich auf „die bloße Erde gelegten Eier zufaͤllig von einigen Graͤten— „kluͤmpchen umgeben werden“. Dieß iſt jedoch, wie geſagt, nicht der Fall, denn die Hoͤhlung des Neſtes iſt mit feinen Fiſchgraͤtentheilchen fo ſauber gefüttert, wie das Neſt andrer Voͤgel mit anderen Materialien. Durch die Excremente der Jungen backen dieſe Theilchen vielleicht zufällig zuſammen, fo daß die frühere Meinung, das Neſt des Eisvogels beſtehe aus zuſammengekitteten Fiſchgraͤten, auf dieſe Weiſe entſtan— den ſeyn ‚dürfte, 718. XXXIII. 14. 214 Obwohl der Vogel ſein Neſt gewoͤhnlich an einſamen Stellen der Flußufer baut, wo nur Fiſcher hinkommen, ſo habe ich doch auch an einer Erdwand, die uͤber 1000 Fuß von fließendem Waſſer entfernt war, einen Eisvogel ein Loch zu ſeinem Neſte aushoͤhlen ſehen, welches gewoͤhnlich einer Arnslaͤnge tief iſt. Bewick ſcheint nicht abgeneigt, zu glau⸗ ben, daß die zu dem Neſte fuͤhrende Oeffnung des Loches ſich haͤufig unter Waſſer befinde; allein wer die Lebensweiſe des Eisvogels kennt, weiß, daß, obwohl er nach feiner Beute unter das Waſſer taucht, er doch nie, gleich andren Waſſer— voͤgeln, in's Waſſer geht. Ob das Neſt ſchon vor dem Ei— erlegen mit feinen Theilchen von Fiſchgraͤten gefüttert iſt, oder nicht, bleibt noch zu ermitteln. — (Gardeners Chro- nicle. The Athenaeum, 14. Dec. 1844.) Bemerkung. — Der Ueberfeger fand, als er zu Jena ſtudirte, bei'm Baden ein Eisvogelneſt an einer ſenk— recht abfallenden Uferwand. Das Loch befand ſich etwa 14 Fuß uͤber dem damaligen niedrigen Waſſerſtande. Der Ein— gang konnte alſo gelegentlich, wenn der Fluß anſchwoll, recht wohl unter Waſſer geſetzt werden, in welchem Falle freilich die Brut umgekommen ſeyn wuͤrde, da das Loch vollkommen horizontal in die Uferwand einſtrich. Die Tiefe deſſelben be— trug gerade eine Armslaͤnge und die Weite war eben be— deutend genug, daß der Ueberſetzer ſeinen Arm hineinbrin— gen konnte. Es gelang ihm, zwiſchen den Spitzen des Mit— tels und Goldfingers fünf beinahe fluͤgge Junge herauszu— ziehen, welche, ſowie die Oeffnung des Loches, einen ſehr ſtarken Moſchusgeruch verbreiteten. Ob noch mehr Junge im Neſte geweſen, laͤßt ſich nicht beſtimmen. Der Theil der Hoͤhle, wo die Jungen ſich befanden, war dick mit loſen Schuͤppchen belegt, die der Ueberſetzer damals fuͤr die von den Federkielen der Jungen abgeſchuppten haͤutigen Theilchen hielt, worin er ſich jedoch wahrſcheinlich ge— irrt hat. Ueber das Auswuͤhlen der Americaniſchen Fluß— betten durch Waſſerfaͤlle. Von Herrn Featherſtonhaugh. Im Laufe feiner Unterſuchungen uͤber die Nordameri— caniſchen Fluͤſſe, ſowie die Art und Weiſe, wie die urſpruͤng— lich von Seen und Suͤmpfen bedeckten ausgedehnten Strek— ken trocken gelegt worden ſeyen, hat der Verfaſſer ſich da— von uͤberzeugt, daß uͤberall, wo die Fluͤſſe in Thaͤlern mit ſteilen Uferwaͤnden fließen, dieſe Gerinne durch das all— maͤlige Zuruͤckweichen von Waſſerfaͤllen in die Felſen hin— eingewuͤhlt worden ſind. So findet man von dem Waſ— ſerfalle von Saint = Antoine bis zur Muͤndung des Miffifjips pi, auf eine Strecke von 2000 Engl. Meilen, ein von 200 — 450 Fuß hohen ſteilen Wänden begraͤnztes Thal, deſſen Breite 1 bis 25 Engl. Meilen beträgt, und deſſen Sohle mit bewaldeten Inſeln beſetzt iſt, zwiſchen denen der Strom ſich durchwindet. Vom oberen Rande der ſteilen Uferwaͤnde aus dehnen ſich weite Ebenen aus, die von Seitenthaͤlern durchſchnitten werden, welche ebenfalls die Uferwaͤnde durchs 14 * 215 fegen und deren Boden, gleich dem jener Inſeln, aus mit Sand vermiſchter leichter Dammerde beſteht, welche viele Suͤßwaſſermuſcheln enthaͤlt. Hieraus ergiebt ſich, daß die— fer Boden einſt das ſchlammige Bette des Stromes dildete, als derſelbe noch die ganze Breite zwiſchen den ſteilen Ufer— waͤnden einnahm. Dieſelben Erſcheinungen fanden ſich auch bei anderen nordamericaniſchen Fluͤſſen. Die gewaltige Suͤßwaſſerformation von mehr als 70 Engl. Meilen Breite, die den Huronenſee vom Erieſee trennte, kann zum Beweiſe dafuͤr dienen, daß ſich die Menge des vormals auf der Oberflaͤche jenes Welttheils befindlichen ſuͤßen Waſſers ungemein vermindert hat, und daraus geht hervor, daß die Waſſerfaͤlle einſt um Vieles bedeutender wa— ren, als fie es jest find, weßhalb die Auswuͤhlung der Fel— ſenbetten, zwiſchen denen die Fluͤſſe jetzt laufen, damals um Vieles ſchneller fortſchritt. Dem Verfaſſer zufolge, findet dieß Durchfreſſen durch die Felſen von Seiten der Waſſerfaͤlle auf zweierlei Art ſtatt, je nachdem die Felſen aus hartem Urgeſtein oder aus wei— chern ſtratificirten Steinarten beſtehen. Die erſte Art wird durch Zertruͤmmerung und Abbroͤk— kelung zu Wege gebracht. Beiſpielsweiſe führt der Verfaſ— ſer den Waſſerfall im Lande der Cherokeſen an, welcher den Namen Eau Blanche fuͤhrt. Derſelbe hat eine Hoͤhe von 600 Fuß und ſtuͤrzt auf mehrere Terraſſen herab. Ue— berall, wo das Maffer in dem Geſteine, welches Gneiß iſt, eine Vertiefung findet, dringt es in dieſelbe ein, und ſowie ein Sandkorn oder kleiner Kieſel in dieſelbe gelangt, be— ginnt das Anfreſſen des Geſteins. Der beſtaͤndig vom Waſ— fee hin- und herbewegte harte Körper reibt die Wandungen der Vertiefung ab, die bald topffoͤrmig wird. Solcher Hoͤh— len ſieht man eine große Menge, manche von 6 Fuß Tiefe und 4 Fuß Durchmeſſer. Die Waͤnde, welche dieſe Hoͤhlen voneinander trennen, werden allmaͤlig duͤnner und zuletzt durchgerieben, und ſo werden endlich gewaltige Felsmaſſen von 40 und mehr Tonnen Schwere aufgelockert und zur Zeit, wo die Fluͤſſe anſchwellen, in die Tiefe hinabgeſtuͤrzt. Der Verfaſſer fand laͤngs der Sohle des ganzen Waſſerriſſes hin eine Menge ſolcher Bloͤcke, an denen ſich noch die deut lichen Spuren der eben beſchriebenen Abreibung oder Aus— freſſung erkennen ließen. Auf dieſe Weiſe iſt hier ein meh— rere Engl. Meilen langer und 600 Fuß tiefer Waſſerriß in das Gneißplateau eingefreffen worden, und aus manchen Er— ſcheinungen, welche jene Gegend darbietet, läßt ſich abneh— men, daß der Fluß einſt zehnmal ſo waſſerreich war, als gegenwaͤrtig. In der That ſieht man auf dem Berge oͤſt— lich vom Fluſſe eine halbkreisförmige ſteile Gneißwand, die 718. XXXIII. 14. 216 auf eine Strecke von 1200 Fuß in der Art ausgefreſſen und concav unterwuͤhlt iſt, daß man annehmen muß, es ſey dieß durch den Sturz einer ungeheuren Waſſermaſſe ges ſchehen. Die andere Art der durch die Waſſerfaͤlle erzeugten Zerſtoͤrung beſteht im Auswuͤhlen der tieferen Schichten. Hiervon bietet der Niagarafall ein Beiſpiel dar, deſſen merkwuͤrdigen Verlauf der Verfaſſer ſchon fruͤher beſchrieben hat. Das Bette des Niagara wird von Kallſteinwaͤnden eingeſchloſſen, die auf einer uͤber 70 Fuß maͤchtigen Schicht von muͤrbem Schiefer lagern. Durch die Feuchtigkeit, durch die Bewegung des Waſſers ꝛc. wird der Schiefer aufgelots kert und fortgeſpuͤlt, fo daß der feiner Stuͤtze beraubte Kalk⸗ ſtein in den Fluß hinabſtuͤrzt. Auf dieſe Weiſe iſt der Wafs ſerfall von Queenston aus ſechs Engliſche Meilen weit zus ruͤckgewichen. Durch dieſe Thaͤtigkeit der Waſſerfaͤlle find in America gewaltige Diſtricte trocken gelegt und bewohnbar gemacht worden, wo ſich ehemals Seen und Moraͤſte befanden. (Aus einem Vortrage des Herrn F. bei Gelegenheit der Ver— ſammlung der British Association zu York. Biblio- theque univers. de Geneve, No. 106, Oct. 1844.) Miscellen. Ein Ausbruch eines neuen Vulkans, 35 Werſte von Schemakha, auf dem Wege nach Saliani, am Kaſpiſchen Meere, hat am 11. Juni 1844 ſtattgehabt. Um ſechs Uhr Morgens warf der Berg plotzlich eine Menge mit Naphtha geſchwaͤngerter gluͤhender Stoffe aus, die einen Bereich von 1485 Faden im Umkreiſe bes deckten. Der Ausbruch dauerte Dreiviertelſtunden und veranlaßte rings um den Berg Spalten, welche beſonders an der Suͤdſeite 1 — 4 Arſchinen breit und 2 Arſchinen bis 8 Faden tief und mit Waſſer gefüllt waren. In Süͤͤdweſten befanden ſich einige Riſſe, von beinahe 2 Werften Lange, die jedoch kein Waſſer enthielten. An der Oſtſeite entſtand inmitten der ausgeworfenen Maſſen eine Quelle, 4 Archinen tief und an der Oeffnung 4 Arſchine breit, welcher beftändig ein ſchlammiges Waſſer entſtroͤmt, das ſich 30 Faden weiter in eine ähnliche Quelle ergießt. Aus dieſer zweiten Quelle kommt ein Bach mit reinem, aber ſehr ſalzigem Waſſer hervor, der ſich in die Ebene verliert. Der Congreß der Naturforſcher in Italien wird dieß Jahr zu Neapel ſtatt haben und, nach der von den Herren Ge— neral⸗Praͤſident Nicola Santangelo und General ⸗Secretär Gia⸗ como Filioli erlaſſenen Einladung, am 20. September cröffnet und 5. October geſchloſſen werden. Zur Naturgeſchichte des Walfiſches finden ſich einige intereſſante Beiträge in einem in das Frankfurter Converſations⸗ Blatt aufgenommenen Aufſatze: Eine Reife am Bord eines Wal⸗ ſiſchfahrers. Re. Ueber die neueren Fortſchritte in Betreff der Diagnoſe und Behandlung der syphilis. In einem, am 4. November 1844 in der Dubliner Medicinalſchule gehaltenen, Vortrage uͤber die neueren Forte ſchritte der Chirurgie ſprach ſich Dr. John Houſton, in Betreff des obigen Gegenſtandes, folgendermaaßen aus: Die Fortſchritte, welche in den letzten Jahren in der Diagnofe und Behandlung der ſyphilitiſchen Krankheiten ſtattgefunden haben, find ungemein wichtig und befriedigend. 217 Als die syphilis vor 350 Jahren zuerſt in Europa auss brach, wuͤthete ſie furchtbar. Man entſetzte ſich allgemein uͤber die Sterblichkeit, welche ſie veranlaßte, da, wenn ſie einmal in eine Familie gerieth, der Unſchuldige gewoͤhnlich mit dem Schuldigen zu Grunde ging. Den Pariſern jagte die Luſtſeuche einen ſolchen Schrecken ein, daß, vermoͤge eines Parlamentsdecretes vom 6. Maͤrz 1497, allen damit behaf— teten Perſonen, die nicht in der Stadt anſaͤſſig waren, be: fohlen wurde, dieſelbe ſofort zu verlaſſen; wenn ſie aber dort anſaͤſſig ſeyen, fo ſollten fie ſich in ihren Wohnungen ab: ſperren und vor Niemanden ſehen laſſen; ſeyen ſie Mieths— leute, die keine andere Heimath haͤtten, ſo muͤßten ſie ſich bei Todesſtrafe binnen 24 Stunden nach St. Germain- des-pres begeben, wo Lazarethe fuͤr fie eingerichtet waren. Im Monat September deſſelben Jahres erſchien in Edinburgh eine Proclamation Jacob's IV., welche allen Kranken dieſer Art gebot, ſich bis zum Abend des folgenden Tages an die Seekuͤſte bei Leith zu begeben, wo fie Boote bereit finden wuͤrden, um fie nach der Inſel Inch zu trans⸗ portiren, wo ſie bis zu ihrer vollſtaͤndigen Geneſung zu ver— weilen hätten. In Betreff der Aerzte, welche die Syphi— litiſchen zu behandeln hatten, enthielt dieſe Proclamation eine große Haͤrte, indem auch ſie, ebenfalls bei Strafe, auf den Backen gebrandmarkt zu werden, zu derſelben Verban— nung verurtheilt wurden. Gegenwaͤrtig hat die Krankheit ſehr an Boͤsartigkeit verloren, und wiewohl noch hier und da Jemand an derſel— ben ſtirbt, ſo gehoͤrt doch dieſer Fall zu den Seltenheiten. Dieſe Verſchiedenheit wollen Manche durch die Annahme er— klaͤren, daß das Gift bei ſeinem erſten Auftreten den hoͤch— ſten Grad von Intenſitaͤt beſeſſen habe und nun natürlich milder geworden ſey. Dieß iſt wahrſcheinlich gewiſſermaa— ßen richtig; allein noch wirkſamer iſt wohl in dieſer Bezie— hung die ſchleunige und einſichtsvolle Behandlung, welche den Patienten zu Theil wird; denn es ſteht feſt, daß ſich die syphilis überall da am Mildeſten zeigt, wo die Medi⸗ cin am Wiſſenſchaftlichſten ausgeübt wird. Die Meinung über das Queckſilber, als das Haut— mittel gegen ſyphilitiſche Krankheiten, hat bedeutende Ver— aͤnderungen erlitten. Durch die bloße Entdeckung dieſes Ge— gengiftes wurde eigentlich nichts Gutes bewirkt, da ja dass ſelbe in ungeſchickten Haͤnden noch heutzutage den Patienten mehr ſchadet, als nuͤtzt. Erſt durch die Reſultate, die man durch ſorgfaͤltige und langwierige Erfahrungen uͤber den Nu— gen und Schaden des Queckſilbers erlangte, erreichte man diejenige Stufe in der Bekanntſchaft mit den Wirkungen dieſes Mittels, welche uns gegenwaͤrtig in den Stand ſetzt, es mit großer Sicherheit in Anwendung zu bringen. Pas racelſus war der erſte, welcher in ſeiner Magna Chi- rurgia den methodifchen inneren Gebrauch des Queckſilbers empfahl. Allein ſeit ſeiner Zeit bis auf die neueſte hatten die Practiker wenig feſte Anhaltepuncte, welche ſie bei der Anwendung dieſes Mittels leiten konnten. Manche beur⸗ theilten noch zu einer Zeit, deren ich mich ſehr wohl erin— nere, deſſen Wirkung nach der Staͤrke des Speichelfluſſes, den es veranlaßte, und berechneten dieſelbe nach der Zahl 718. XXXIII. 14. 218 der Pinten Speichel, die binnen einer gewiſſen Zeit aus dem Munde ausgefloſſen waren; andere beurtheilten die Wirkung nach der Quantitaͤt der in den Organismus eingefuͤhrten Arznei; noch andere, die die uͤblen Wirkungen des Queck— ſilbers nicht von den Symptomen der Krankheit zu unter: ſcheiden verſtanden, gaben viel zu ſtarke Doſen, indem ſie annahmen, die Krankheit muͤſſe doch zuletzt dem ſpecifiſchen Gegenmittel weichen, waͤhrend ſie, in der That, nur eine neue Krankheit zu der alten hinzufuͤgten; andere, welche gutartige Geſchwuͤre und ſolche von ſpecifiſch-ſyphilitiſcher Beſchaffenheit nicht voneinander zu unterſcheiden wußten, ver— ordneten den Mercur ohne Bedenken, ſelbſt in Faͤllen, wo die Kranken weit zweckmaͤßiger ohne alles Queckſilber behan— delt worden wären; andere endlich, welche aus dieſer empis riſchen Anwendung des Mittels ſo uͤble Folgen entſpringen ſahen, denen ſie ſelbſt nicht vorzubeugen verſtanden, gaben dem Queckſilber ohne Weiteres den Abſchied und curirten lediglich mit vegetabiliſchen Arzneimitteln. Wenn ſich die Wirkungen einer unzweckmaͤßigen Behandlung mit Queckſil— ber mit nicht curirter syphilis compliciren, ſo findet, in der Regel, ein ungemein hartnaͤckiger Krankheitszuſtand ſtatt, und dergleichen Faͤlle werden bei den vervollkommne— ten Curmethoden unſerer Zeit, Gottlob, immer ſeltener. Ich kann aber die crania einiger Syphilitiſchen aus der guten alten Zeit vorweiſen, an denen die corona Veneris und andere cariöfe Structurveränderungen ſich ſehr deutlich darſtellen. In dem Muſeum des Collegiums der Wund- aͤrzte zu London findet man eine große Menge ſolcher Schaͤ— del, zu deren Vermehrung in der Folgezeit keine Gelegenheit mehr ſeyn dürfte. Ich habe dieſelben in dem von mir ver— faßten Cataloge jener Sammlung genau beſchrieben. Der große Vorſprung, welchen der Arzt unſerer Zeit vor dem der Vorzeit hat, beſteht darin, daß er vollkommen befaͤhigt iſt, die aͤchte syphilis von einfachen Geſchwuͤren zu unterſcheiden, und daher gegen jene allein die ſpecifiſchen Heilmittel anwendet. Fruͤher getraute man ſich ſelten zwi— ſchen einfachen primaͤren Geſchwuͤren und syphilis einen Unterſchied zu machen. Alle Geſchwuͤre an den Geſchlechts— theilen galten fuͤr verdaͤchtig, und man handelte nach der Re— gel: in dubiis suspice luem; woraus dann häufig die ſchrecklichſten Folgen fuͤr die Geſundheit und den Ruf von Perſonen entſtanden, welche den keuſcheſten Lebenswandel fuͤhrten. Bei dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſſenſchaft kann jedoch der geſchickte Arzt nie einen ſolchen Mißgriff bes gehen. So oft er ſich fuͤr den Gebrauch des Queckſilbers entſcheidet, weiß er auch genau den Zeitpunct zu beſtimmen, wenn daſſelbe in Anwendung zu bringen iſt; er kennt die Symptome, welche die guͤnſtige Wirkung des Mittels bezeu— gen, die Dauer der Zeit, waͤhrend welcher daſſelbe zu ver— ordnen iſt, und wenn es nicht gut anſchlaͤgt, ſo weiß er nachtheiligen Folgen vorzubeugen. Er verſteht, mit einem Worte, das Mittel der Krankheit genau anzupaſſen, und den Patienten Über alle Klippen und Untiefen wohlbehalten hin— wegzuleiten. Nichts bekundet den gegenwaͤrtigen hohen Stand der Arzneiwiſſenſchaft fo deutlich, als dieſe Sicher: heit in der Behandlung der syphilis, und mit Stolz ſpreche 219 ich es aus, daß die Arbeiten unſerer berühmten Landsleute, der Herren Carmichael, Colles, Hewſon und Wal— lace, zur Erlangung dieſes Reſultates weſentlich beigetragen haben. Ich getraue mir, zu behaupten, daß die Menſch— heit in'sbeſondere dem Herrn Carmich agel in dieſer Bes ziehung mehr verdankt, als irgend einem anderen Arzte. Seine Forſchungen und Schriften haben der Behandlung der Luſtſeuche eine ganz neue Bahn gebrochen und namentlich dem leichtſinnigen und uͤbermaͤßigen Gebrauch des Queckſil— bers, welcher der Praxis des vorigen Jahrhunderts ſo ſehr zur Unehre gereichte, Schranken geſetzt. Uebrigens iſt unlaͤngſt noch ein Mittel entdeckt worden, welches für die Behandlung der syphilis vom hoͤchſten Werthe iſt, das zwar vielleicht nicht fuͤr ein gleich wirkſa— mes Specificum gelten kann, wie der Mercur, aber nach und neben dieſem gereicht, deſſen Wirkung außerordentlich beguͤnſtigt, indem es dann gerade die beſten Dienſte thut, wenn mit dem Gebrauche des Queckſilbers inne zu halten iſt. Auch wirkt es zuweilen in einer ebenſo milden, als wohlthaͤtigen Weiſe, wenn das Queckſilber nicht anſchlaͤgt; und oft laͤßt es ſich mit großem Vortheile mit dem Queck— ſilber zugleich verordnen, indem es ſeine eigenthuͤmliche gute Wirkung thut und die des Queckſilbers vermehrt. Ich meine das hydriodinſaure Kali (iodinſaure Kali-Hydrat). Haͤu— fig werden China, Mineralſaͤuren, Sarſaparilla ꝛc. gleichzei— tig verordnet und wirken in verſchiedener Weiſe auf Kraͤfti— gung des allgemeinen Geſundheitszuſtandes, während das Krankheitsgift in dem Organismus neutraliſirt und aus dem— ſelben beſeitigt wird. Mit dieſen Mitteln kann der kundige Arzt faſt in allen Faͤllen die Cur ohne Gefahr und gruͤnd— lich bewirken, und wenn bei'm Vorhandenſeyn ſolcher Buͤrg— ſchaften das Publikum ſein Vertrauen noch immer Quack— ſalbern zuwendet, die von all' dem, deſſen ich ſoeben er— waͤhnt, ſowie uͤberhaupt von der ganzen Sache nichts ver— ſtehen, ſo kann man von ihm in Wahrheit ſagen, daß es lieber im Dunkeln tappt, als ſich auf einen beſtens beleuch— teten Weg begiebt; daß es den Schatz der ſeit Jahrhunder— ten geſammelten Erfahrungen und Kenntniſſe bei Seite lies gen laͤßt und ſich freiwillig in die Lage der Syphilitiſchen begiebt, die in der Vorzeit, ſammt den noch ſehr unwiſſen— den Aerzten, auf eine wuͤſte Inſel verbannt wurden. Allgemeinen Dank verdienen auch die Aerzte, welche in neueſter Zeit durch ihre Forſchungen Licht über die syphi- lis bei der Leibesfrucht verbreitet haben. Man hat entdeckt, daß, wenn noch eine Spur von dieſer Krankheit im Organismus verborgen lauert, dieſelbe leicht in den Kin— dern wieder zum Vorſcheine kommt, indem bei dieſen das Gift gleichſam wieder aufgeftiſcht wird und in dem jungen Geſchoͤpfe ſeine volle urſpruͤngliche Boͤsartigkeit entfaltet. Ein ſolches Kind ſtirbt gewoͤhnlich ſchon vor der Geburt, und wenn es die Geburt uͤberlebt, ſo theilt es der Frau, die es ſtillt, und anderen Perſonen eine der boͤsartigſten Formen der Luſtſeuche mit. So werden die Suͤnden der Vaͤter auf eine wirklich furchtbare Weiſe an den Kindern heimgeſucht. Nun haben aber die Aerzte nicht nur die urſpruͤngliche Quelle dieſes Uebels entdeckt, ſondern auch gelernt, wie daſſelbe zu 718. XXXIII. 14. 220 heben iſt. Und hier laͤßt ſich in Wahrheit ſagen, daß ihre rettende Hand ſich bis zu den Ungeborenen erſtreckt, dem Tode und der Ausbreitung des Uebels Halt gebietet. Ich will Ihnen hier einen, keineswegs vereinzelt daſtehenden, Fall dieſer Art mittheilen. Ein Mann heirathet; er haͤlt ſich ſelbſt und Jedermann hält ihn für vollkommen gefund; fein tugendhaftes Weib ift es ebenfalls, und beiden iſt die fchönfte Ausſicht auf ein gluͤckliches Zuſammenleben eroͤffnet. Zu ſeiner Zeit, vielleicht noch vor der Zeit, wird ihnen ein Kind geboren; allein das— ſelbe iſt nicht vollſtaͤndig entwickelt; ſeine Haut iſt runzlig, wie bei alten Perſonen: es ſchreit beſtaͤndig mit quikender Stimme, und iſt mit einem Hautausſchlage bedeckt. Es ſiecht einige Tage oder Monate dahin, wird, ſtatt zuzuneh— men, immer ſchwaͤcher und beſchließt endlich ſein elendes Da— ſeyn. Die Aeltern troͤſten ſich mit dem Gedanken, daß es das naͤchſte Mal beſſer gehen werde, und gegen die Zeit der Geburt des zweiten Kindes hin ſind deren Erwartungen auf's Aengſtlichſte geſpannt; ſie hoffen dieſes Mal, mit einem ge— ſunden, lebenskraͤftigen Kinde beſchenkt zu werden; allein dieſe ſchoͤne Hoffnung wird abermals getaͤuſcht; denn das nun geborene Kind iſt in einem noch ſchlechteren Zuſtande, wie das vorige, vielleicht gar todt und in Faͤulniß überges gangen. Daſſelbe wiederholt ſich noch oͤfter, waͤhrend die Geſundheit der Aeltern ſich fort und fort anſcheinend gut erhält. Endlich wird ein in dergleichen Dingen gehörig be= wanderter Arzt zu Mathe gezogen. Dieſer examinirt den Vater hinſichtlich ſeiner fruͤheren Geſundheitsumſtaͤnde und erfährt auf ſpecielles Befragen uͤber dieſen Punct, daß der— ſelbe einmal ſyphilitiſch geweſen ſey, jedoch lange vor der Verheirathung, und daß er ſich für gründlich curirt gehalten habe. Allein ſchon der Umſtand, daß der Mann einſt ve— neriſch geweſen, begruͤndet bei dem Arzte den Verdacht, daß die Urſache des Uebels in syphilis zu ſuchen ſey, und mit vollem Vertrauen auf die bereits in aͤhnlichen Fällen erwor— bene Erfahrung verordnet er beiden Aeltern zur geeigneten Zeit und mit aller gehoͤrigen Umſicht die nunmehr fuͤr beide erforderlichen Arzneimittel, und nun wird ihnen ein vollſtaͤn— dig entwickeltes geſundes Kind geboren, welches zur Freude der Aeltern gedeiht und als ein lebendes Zeugniß der neues ſten Fortſchritte in der Heilwiſſenſchaft daſteht. Die Ent— deckung, daß die Sterblichkeit ſolcher neugeborenen oder un— geborenen Kinder mit der syphilis zuſammenhaͤngt, iſt kaum ein halbes Jahrhundert alt, und in Dr. Colles Trea- tise on syphilis iſt dieſem Gegenſtande ein eigenes Ca— pitel gewidmet, welches aͤußerſt wichtige und originelle Be— merkungen uͤber denſelben liefert. (The Lancet, 28. Dec. 1844.) Ueber die Anwendung des Tartarus emeticus mit Opium im Typhusfieber. Von Dr. Graves. Dr. Graves empfiehlt in ſeinem Werke: System of Clinical Medicine die Anwendung des Brechweinſteins 221 mit Opium in den vorgeruͤckten Stadien der ſchlimmſten Nervenfieber, und führt als Beweis für die Wirkſamkeit dieſer Verbindung folgenden Fall an: Herr Cookſon, Stud. Medic., wurde, während er die Krankenſaͤle beſuchte, in welchen gerade viele Nervenfie— ber in Behandlung waren, vom Typhus ergriffen. Sein Fieber war ſehr ſchleichend und weder durch ein hervorragen— des Symptom characteriſirt, noch zeigte es ein oͤrtliches Lei— den oder eine Neigung zur Kriſe. In den erſten ſieben oder acht Tagen ſchien es, mit Ausnahme von Kopfſchmerzen, welche ſehr durch Blutegel erleichtert wurden, mit dem Kran— ken recht gut zu gehen; ſeine Haut war nicht uͤbermaͤßig heiß; er hatte keinen großen Durſt, Uebelkeit oder Schmerzes haftigkeit des Bauches, der Puls ſchlug nur 85, und Schwei— ße erleichterten ſeinen Zuſtand in Etwas. Gegen den ach— ten oder neunten Tag hob ſich der Puls, und es traten hy— ſteriſche Symptome ein, welche ſtets bei'm Typhusfieber ſehr gefahrdrohend ſind, und ich erinnere mich keines Falles der Art, welcher nicht mit nervoͤſen Symptomen von der furcht— barften Art endete. Ich verordnete die gewöhnlichen anti⸗ hyſteriſchen Mittel, aber ohne Hoffnung, mit ihnen viel aus zurichten, da ich wußte, daß die Symptome nur die Vorbo— ten von etwas Schlimmerem waͤren. Auch ließ ich vorſorg— lich Blutegel an den Kopf appliciren. Das Fieber dauerte fort, die Kopfſchmerzen wurden heftiger, der Kranke wurde nervoͤs und ſchlaflos und verfiel in einen Zuſtand großer Schwaͤche. Am vierzehnten Tage des Fiebers war die Zun— ge ſchwarz und trocken; der Unterleib tympanitiſch aufgetrie— ben, die Ausleerungen gingen unbewußt von Statten, der Kranke hatte in den letzten vier Tagen geraſ't, wollte fort— waͤhrend aus dem Bette, und hatte ſeit fuͤnf Tagen und Naͤchten keine Stunde geſchlafen. Dr. Stokes unter— ſtuͤtzte mich jetzt mit ſeinem Rathe und Beiſtande, und wir verſuchten jedes Mittel, welches durch Erfahrung empfohlen war. Blaſenpflaſter wurden in den Nacken gelegt, der Kopf durch kalte Waſchungen kuͤhl gehalten, der Zuſtand des Unterleibes beruͤckſichtigt, und da wir bemerkten, daß die Schlafloſigkeit das hervorragendſte und beunruhigendſte Sym— ptom war, fanden wir uns veranlaßt, einen vorſichtigen Gebrauch vom Opium zu machen. Es wurde zuerſt in der Form von Hydrarg. c. Creta mit pulv. Doveri gereicht, um die Unterleibsſymptome zu erleichtern und Schlaf zu verſchaffen. Da dieſes Mittel den gewuͤnſchten Erfolg ver— fehlte, fo gaben wir Opium in der Form eines Clyſtirs, was aber ebenſowenig Wirkung hervorbrachte. Der Kran— ke blieb fortwaͤhrend ohne Schlaf. Wir verordneten nun, als letztes Hilfsmittel, eine volle Gabe der ſchwarzen Tro— pfen und verließen den Kranken in der Ueberzeugung, daß, wenn dieſes Mittel gleichfalls ohne Wirkung bliebe, er un— rettbar verloren ſey. Am naͤchſten Morgen fanden wir, daß unſere Verordnung ganz unwirkſam geblieben war; er hatte die Nacht unruhiger und in ſtaͤrkeren Delirien, als fruͤher, zugebracht. Ein allgemeines Zittern und subsultus ten- dinum war vorhanden, das Auge war inficirt und unruhig, er lag ſeit mehreren Tagen immer auf dem Ruͤcken, die Zunge war trocken und ſchwarz, der Unterleib aufgetrieben, 718. XXXIII. 1% 222 der Puls 140, frequent und fadenfoͤrmig; die Delirien be: ſtanden vorzuͤglich in kurzen abgebrochenen Saͤtzen, die mit dumpfer Stimme hervorgebracht wurden, und er hatte nun ſeit acht Tagen und Naͤchten nicht geſchlafen. Auf welche Weiſe konnte man nun die Nervenaufregung be— ſchwichtigen und Schlaf herbeifuͤhren? Da verfiel ich auf eine Anwendungsart des Opiums, an welche ich fruͤher nie gedacht hatte. Ich ſchlug Dr. Stokes vor, zu verſuchen, welchen Erfolg eine Verbindung von Brechweinſtein mit Opium haben moͤchte, welche ich mit bemerkenswerthem Vortheile bei'm delirium tremens angewandt hatte; er ge— ſtand, Nichts in Beziehung auf dieſe Verbindung, bei einem ſolchen Falle angewendet, zu wiſſen, willigte aber ein, mit derſelben einen Verſuch zu machen. Wir verordneten daher folgende Mixtur: R Tart. stib. gr. jv, Tinet. Opii 3j. Mist. Camphor. 3vjj. M. D. S. Alle zwei Stunden ein Eßloͤffel voll. Der Erfolg dieſes Mittels war faſt wunderbar. Der Kranke erbrach ſich zwar und warf nach der zweiten Gabe eine betraͤchtliche Menge Galle aus, doch brachte dieſes kei— nen Nachtheil. Nach der dritten oder vierten Gabe verfiel er in Schlaf und erwachte ruhig und erfriſcht; er fing an, ſich raſch zu beſſern und war bald völlig hergeſtellt. (Du- blin Journal, March 1843.) Fall von aneurysma dissecans der aorta, innomi- nata und carotis dextra. Von Dr. R. B. Todd. Der Kranke, ein kraͤftiger, plethoriſcher Mann von 37 Jahren, fiel ploͤtzlich während der Mahlzeit in Ohnmacht, von welcher er ſich bald wieder erholte, aber es ſtellten ſich nun heftige Schmerzen in den Lenden laͤngs der Ureteren, in den Oberſchenkeln und im Leibe, mit tympanitiſcher An— ſchwellung des letzteren, Uebelkeit und ſpaͤrlicher Harnabſon— derung, ein. Trotz allgemeiner und oͤrtlicher Blutentziehung, Abfuͤhrmittel und diuretica hörten die Nieren auf, zu funs ctioniren, es trat Hemiplegie der linken Seite ein; der Puls der rechten Seite war deutlich kleiner und ſchwaͤcher, als der der linken Seite; man vernahm ein Blaſebalggeraͤuſch längs des Verlaufes der aorta und des truncus anonymus, und das Reſpirationsgeraͤuſch in der rechten Lunge war we— niger hoͤrbar, als in der linken; auch war große Schlaͤftig— keit und Mattigkeit zugegen. Gegen den fuͤnften oder ſechs— ten Tag trat die Harnſecretion wieder ein, aber die Hirn ſymptome zeigten nur geringe Beſſerung. Die vorher un— gleich geweſenen Pupillen wurden einander gleich, und die gelähmte Seite bekam wieder etwas Kraft, aber der Puls begann nun, zu ſinken, es ſtellten ſich Symptome einer ins neren Blutung ein, und der Kranke ſtarb plotzlich, 11 Tage nach dem erſten Anfalle. * 223 Bei der Section fand man einen copioͤſen Bluter⸗ guß im Herzbeutel, welcher durch eine kleine Spalte in der äußeren Hülle der aorta, die die äußere Wand eines friſchent⸗ ſtandenen aneurysmatiſchen Sackes bildete, ſtattgefunden hatte. Dieſer Sack communicirte mit der aorta durch einen Queer⸗ ſchlitz in der inneren und mittleren Haut, welcher von einer ulcerirten atheromatöfen Stelle ausging. Das auf dieſe Weiſe aus der Arterie ausgefloſſene Blut hatte ſich einen neuen Canal laͤngs der aorta, der innominata und carotis dextra gebildet, indem es die mittlere Haut dieſer Gefaͤße in zwei Platten ſpaltete. Die Trennung fand in der carotis bis auf einige Entfernung von dem Anfange der Arterie ſtatt und hoͤrte dann auf, wodurch dieſe Arterie verſtopft worden war, und die Circulation in derſel— ben aufgehört hatte. Die rechte Hirnhemiſphaͤre war blutleer, und der ganze oberhalb der fossa Sylvii befindliche Theil derſelben zeigte zahlreiche Erweichungsſtellen ohne Mißfaͤr— bung, ſowohl in der weißen, als in der grauen Subſtanz mehrerer Windungen. Dieſe Erweichung ſchreibt Dit Todd der Hemmung der Circulation der rechten carotis zu, in⸗ dem die a. vertebralis, wegen des verminderten Umfanges des truncus anonymus und der subelavia, nicht fähig war, die erforderliche Blutmenge herzugeben. Die Nieren befanden ſich im zweiten Stadium des morbus Brightii. (Lancet, June 1844.) Miscellen. Melanosis uteri von Dr. Levers. Eine fuͤnfundvierzig⸗ jährige Frau conſultirte den Dr. Levers wegen einer Geſchwulſt im unteren Theile des Bauches, welche nach ihrer Angabe bereits über zwölf Monat beftanden hatte; die Kranke war feit mehreren Jahren verheirathet, aber kinderlos. Vier Wochen darauf trat eine bedeutende Metrorrhagie an, welche lange andauerte und die Kranke ſehr ſchwaͤchte. Auf die Blutung folgte nach wenigen Tagen ein dunkler, braunſchwarzer Ausfluß von eigenthuͤmlichem Geruche, wel— cher andauerte und zuweilen mit Blut gemiſcht war, zuweilen durch einen rein blutigen Ausfluß erſetzt wurde. Raſch nahmen die Kraͤfte ab; der Tod erfolgte nach ſechs Wochen. Bei der Section fand man den uterus angeſchwollen, und an dem rechten, vorderen Theile des Koͤrpers deſſelben eine Geſchwulſt, von der Groͤße einer Fauſt, 718. XXXIII. 14. 224 welche ſich im Gewebe des uterus ſelbſt entwickelt hatte. Der tu- mor war äußerlich feft, nach Innen dagegen viel weicher; die ihn bekleidende Membran war dunkelfarbig und mit dem waͤhrend des Lebens abgefloſſenen Secrete bedeckt, welches ſich aber leicht ver— mittelſt eines Schwammes abwaſchen ließ. Ueber dem tumor dages gen war die Schleimhaut zerftört, und feine Oberflaͤche in eine ſchwarze, melanotiſche Maſſe umgewandelt. Das melanotiſche Ges webe fand ſich durchweg verbreitet; nach Außen war der tumor mit ſchwarzen Flecken bedeckt, nach Innen dagegen ganz melanos tiſch. Das Uebel war augenſcheinlich anfangs ein einfacher harter ſibroſer tumor geweſen, in welchem fpäter melanotiſche Maſſe ab: gelagert worden war. (Lancet, Aug. 1844.) Ueber die Injection von Bleiſolution indie Harn⸗ blaſe zur Zerſetzung der Phosphatſteine, von Dr. Elliott Hoskins. — Die Bleiſalze zerſtoͤren die Concretionen durch einen Proceß doppelter Zerſetzung, durch welchen das active Agens des zerſetzenden Mittels allmaͤlig freigemacht und durch die erdige Baſis des Steins neutraliſirt wird, bevor es mit dem lebenden Ges webe in Contact kommen kann, und daher werden die Loͤſungen jes ner Salze von den Blafenhäuten als Injectionen gut vertragen. Der Verfaſſer wandte anfaͤnglich das ſalpeterſaure Bleiſaccharat an, welchem er aber ſpaͤter das Acetat ſubſtituirte. Nach feiner Erfah- rung uͤber dieſe Injectionen werden ſie gut vertragen, wirken be— ruhigend, laſſen den fo reichlich in Fällen der Art ſich findenden Schleim in kleinen Flocken gerinnen, welche leicht durch die urethra abgehen, und wirken endlich chemiſch auf die Harnſteine. Der Verfaſſer glaubt daher, daß in den Fällen, welche keinen chirurgi⸗ ſchen Eingriff geftatten, dieſe Behandlung Erleichterung, ja viele leicht Heilung bewirken wird, daß ferner die Injectionen Rauhig⸗ keiten abſchleifen, und die aͤußere Phosphatdecke der Steine entfer- nen, ſo daß ſie leicht mit der Zange gefaßt werden koͤnnen, kurz, daß fie die Steine, wenn auch nicht ganzlich, doch theilweiſe zerſtoͤ⸗ ren. Jenes ließe ſich ſogar in den Fällen erwarten, wo aus Urat oder Oxalat beſtehende Schichten durch Phosphate zufammengehals ten werden. (Lancet, June 1844.) Dislocation des carpus nach Hinten. Ein achtzebn Jahr alter Matroſe fiel vom Maſtbaume herunter; der untere Theil der äußeren Platte des Stirnbeins in der Gegend des sinus ward einwaͤrts gedruͤckt, der rechte Mittelfinger dislocirt, und die linke Handwurzel verrenkt. Zeichen der letztern Verrenkung waren Vorragen der unteren Enden des radius und der ulna bei unverletz⸗ ten Griffelfortfägen und eine deutliche Vertiefung unter oder vielmehr vor denſelben; Hand war theilweiſe adducirt und rüuͤckwaͤrts ges wandt, ein vorragender, vom carpus gebildeter tumor gegen 13“ nach Hinten vorſtehend, oberhalb derſelben eine beträchtliche Vers tiefung; Hand faſt ganz unbeweglich, nur etwas Extenſion moͤglich. Die Reduction wurde durch Extenſion an der Hand bei Fixirung des Ellenbogens am Kniee ausgefuͤhrt, und bald darauf war der Kranke vollſtaͤndig hergeſtellt. (Lancet, Sept. 1844.) —m———— —— nn Bibliographische The pencil of nature. By H. Fox Talbot, Esq. London 1845, roy. 4 mit 7 Tafeln. (Die Tafeln dieſes Werkes find ſaͤmmtlich wirkliche Photographieen, nicht, wie die meiſten Leſer annehmen werden, Kupferſtiche oder Lithographien der Daguerreotypbilder: Sie ſind durch Wirkung des Lichts allein auf das Papier ge— bracht und fixirt. Die von Hrn. Talbot angewendete Prece— dur, um eine ſolche Menge Lichtbilder zu erbalten, als zu einer Auflage eines Buches nothwendig ſind, iſt noch nicht bekannt, jedenfalls aber hoͤchſt wichtig; denn nun wird es möglich wer⸗ den, die Lichtbilder, ohne Hinzutreten von Zeichnern, Kupferſte— chern und Lithographen, alfo fo zu benutzen, daß, was fo weſent⸗ lich ift, eine Abänderung der Naturtreue kaum moͤglich ift.) The World of Waters. By Rev. Mr. Zornlin. London 1844. 12. Neuf ite n. Notice sur les hospices de la ville de Clermont-Ferrand, chef- lieu du département du Puy-de-Döme. Clermont etc. 1844. 8. Traité pratique de l’art des accouchemens; par le docteur Chailly (Honoré), exchef de clinique d’accouchemens de la facult de Paris, Professeur d’accouchemens etc. Deuxieme edition etc. in 8. de 56 feuilles, plus 248 Figures gravées sur bois etc. Paris 1845. 15 Die Irrenheil- und Pflegeanſtalten Deutſchland's, Frankreich's, ſammt der Cretinenanſtalt auf dem Abendsberge in der Schweiz, mit eigenen Bemerkungen herausgegeben von Michael Viszä⸗ nik, D. M. u. Primar⸗Arzt der K. K. Irrenheilanſtalt zu Wien. M. lith. T. Wien 1845. 8. —— — —̃ ——U—ꝛn Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Obers Medicinafratbe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Fror ep zu Berlin, Ne. 719. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 15. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 K. oder 3 . 30 , Februar 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 8/3 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975 NM a t u r n n de Ueber die Vegetation, von dem chemiſchen Stand— puncte aus betrachtet. Von den Herren F. C. Calvert und E. Ferrand. Durch die gelehrten Forſchungen, welche in neueſter Zeit ſoviel Licht über den uns hier beſchaͤftigenden Gegen— ſtand verbreitet haben, geleitet, bemuͤhten wir uns, durch die chemiſche Analyſe die Veraͤnderungen zu ermitteln, welche die in den Pflanzen ſelbſt eingeſchloſſene Luft durch Zerſe— tzung erleidet, und zwar wurden dabei die verſchiedenen Or— gane, in denen dieſe Proceſſe geſchehen, ſowie alle auf die Modification der letzteren bezuͤglichen Umſtaͤnde oder Potenzen beruͤckſichtigt. Im erſten Capitel unſerer Abhandlung unterſuchen wir zuvoͤrderſt den Werth der Verſuche, die zu dem Zwecke an— geſtellt wurden, zu beweiſen, daß die Pflanzen unter dem Einfluſſe des Sonnenlichts die Kohlenſaͤure zerſetzen, und wir weiſen zugleich nach, daß wir uns behufs dieſer Unter— ſuchung in die guͤnſtigſte Stellung begeben haben, indem wir die natuͤrlichen Verhaͤltniſſe in ihrem vollen Rechte ließen, inſofern wir naͤmlich die in verſchiedenen Theilen der Pflanze enthaltene Luft pruͤften, waͤhrend ſich die Pflanze an ihrem natuͤrlichen Standorte im Freien befand. Wir wollen hier nur der hauptſaͤchlichſten Einwuͤrfe gedenken, die man gegen die Forſchungen erheben kann, welche von unſeren Vorgaͤn— gern angeſtellt worden ſind, und wir werden beiſpielsweiſe die des Herrn Th. de Sauſſure vornehmen, welcher ſich bekanntlich ſoviele Jahre mit dem Studium deſſelben Ge— genſtandes beſchaͤftigt hat. So halten wir, z. B., dafuͤr, daß eine unter eine Glocke gebrachte und ſomit in eine abgeſperrte Atmoſphaͤre verſetzte Pflanze ſich unter Umſtaͤnden befinde, die eine Be— urtheilung der natuͤrlichen Erſcheinungen geradezu unmoͤglich machen. Sauſſure hat erſt mit ganzen Pflanzen, dann mit abgeloͤſ'tten Baumblaͤttern experimentirt, und gegen dieſe beiden Arten von Verſuchen laſſen ſich folgende Bedenken erheben: No. 1819, — 719, 1) Im erfteren Falle, wo eine ganze Pflanze unter einer mit Queckſilber abgeſperrten Glasglocke ſtand, mußte die in dieſer Glocke befindliche Luft, theils durch die Aus— duͤnſtung der Pflanze, theils durch die, der Vorſicht halber noch uͤber dem Queckſilber befindliche Waſſerſchicht, bald vollkommen mit Waſſerdunſt geſaͤttigt werden, ſo daß als— dann die Pflanze gar nicht mehr ausdünften konnte, alfo eine der weſentlichſten organiſchen Functionen derſelben auf— gehoben war. 2) Da die Kohlenſaͤure ein den Pflanzen unentbehr— liches Nahrungsmittel iſt, ſo laͤßt ſich nicht abſehen, wie ſie ſich laͤngere Zeit in einer kleinen abgeſperrten Luftmenge er— naͤhren koͤnnen, wo die darin urſpruͤnglich enthaltene geringe Quantitaͤt dieſer Saͤure auf der Stelle unter dem Einfluſſe des Sonnenlichts abſorbirt und zerſetzt werden muß, ohne daß ein neuer Zufluß derſelben von Außen ſtattfindet.— 3) Daß in einem mit ausgeduͤnſteter Luft erfüllten abgeſperrten engen Raume, wenn auf der einen Seite ein Mangel an dem ernaͤhrenden Beſtandtheile obwaltet und ſich auf der anderen ein desorganiſirender Beſtandtheil, der Sau— erſtoff, darin vermehrt, die Pflanzen, welche ſolche Luft einſaugen, leicht erkranken, ſieht man ohne Weiteres ein. 4) Wie will man inmitten eines ſolchen leidenden krankhaften Zuſtandes, der ſich haͤufig durch Verfaͤrbung, Abfallen der Blaͤtter oder das Nichtreifwerden des Saamens kundgiebt, die Bedingungen des normalen oder geſunden Lebens mit Sicherheit ermitteln? 5) Bei allen auf dieſe Weiſe unter Glocken angeſtell— ten Verſuchen hat man nie die Abweſenheit des Erdbodens in Anſchlag gebracht; und dennoch iſt die Anweſenheit ge— wiſſer Salze für die Pflanzen ein dringendes Beduͤrfniß, wovon man ſich tagtaͤglich in der Landwirthſchaft uͤberzeugen kann, da gewiſſen Culturgewaͤchſen dieſe oder jene mineralo— giſche Beſchaffenheit des Bodens vorzugsweiſe zuſagt. Un— ter den Umſtaͤnden, die wir hier nach ihrem wahren Werthe zu wuͤrdigen verſuchen, haben allerdings die Pflanzen da— durch, daß ſich gar keine Erde um ihre Wurzeln her be— 15 227 fand, wohl wenig gelitten; allein der ſchroffe Uebergang in dieſen abnormen Zuſtand mußte doch unſtreitig das Gleich— gewicht der Vegetationsfunctionen, die Harmonie der natuͤr— lichen Erſcheinungen ſtoͤren und zu manchen Irrthuͤmern die Veranlaſſung werden. Der bekannte Verſuch Sauſſure's mit dem Immer— gruͤn (Wintergruͤn) beweiſ't allerdings fuͤr die vollſtaͤndige Abſorption der Kohlenſaͤure; allein wenn ſich als Reſultat dieſes Proceſſes herausſtellt, daß ein Theil des Sauerſtoffes von der Pflanze zuruͤckgehalten wurde, waͤhrend ſie eine gleiche Quantitaͤt Stickſtoff aushauchte, ſo beweiſ't dieß, unſerer Anſicht nach, keineswegs, daß die ſaͤmmtliche Koh— lenſaͤure in Kohlenſtoff und Sauerſtoff zerſetzt worden ſey. Auf die mit abgeſchnittenen Zweigen, einzelnen Blaͤt— tern ꝛc. angeſtellten Verſuche paſſen nicht nur obige Ein— wuͤrfe, ſondern es laͤßt ſich noch ein viel erheblicherer dage— gen geltend machen, naͤmlich der, daß die eine tiefgehende Verderbniß bewirkenden Potenzen in dieſem Falle fo ener— giſch wirken duͤrften, daß wir wohl kaum irren, wenn wir annehmen, man habe eine wirkliche chemiſche Zerſetzung der Saͤfte und Gewebe der Pflanzen fuͤr eine Wirkung der Le— bensthaͤtigkeit genommen. Hr. v. Sauſſure hat die Hauptreſultate ſeiner Ver— ſuche mit Blaͤttern oder todten Pflanzentheilen folgendermaa— ßen zuſammengefaßt. *) „Wenn man gruͤnende Pflanzen in atmoſphaͤriſcher Luft der aufeinanderfolgenden Einwirkung von Tag und Nacht ausſetzt, ſo athmen ſie abwechſelnd mit Kohlenſaͤuregas ver— miſchtes Sauerſtoffgas ein und aus. Das Sauerſtoffgas, welches die Pflanzen einathmen, aſſimiliren ſich dieſelben nicht direct; es verwandelt ſich waͤhrend des Einathmens in Kohlenſaͤure; bei'm Ausathmen wird letztere zerſetzt, und nur vermoͤge dieſer Zerſetzung, welche uͤbrigens nur theilweiſe ſtattfindet, koͤnnen fie ſich das in der Atmoſphaͤre enthaltene Sauerſtoffgas aſſimiliren.“ Die Experimente, deren Reſultate wir ſoeben mitge— theilt haben, wurden mit Cactus Opuntia unter mit Queck⸗ ſilber geſperrten Glasglocken angeſtellt, und der Verfaſſer hat ſich durch ſeine Beobachtungen uͤberzeugt, daß des Nachts Sauerſtoffgas eingeathmet und des Tages ſolches ausgeath— met wurde. *) Es laͤßt ſich ſchwer begreifen, wie der Vers faſſer von dieſen Reſultaten auf die Bildung von Kohlen— fäure auf Koſten eines angeblich in voller Vegetationskraft ſtehenden Blattes hat ſchließen koͤnnen, und noch weniger finden wir es erklaͤrbar, wie dieſe Saͤure nach ihrer Erzeu— gung im gasfoͤrmigen Zuſtande in dem Gewebe der Pflanze ſelbſt zuruͤckgehalten werden kann (von welcher Anſicht indeß Sauſſure ſelbſt, p. 76. deſſelben Werkes, zugiebt, daß ſie nicht durch directe Verſuche bewieſen worden ſey), bis der Einfluß der Sonnenſtrahlen hinzutritt und dieſelbe zerſetzt. ) Recherches ehimiques sur la vegetation, p, 133. **) Man fehe das Nähere in: Recherches chimiques sur la vegetation, par Th. de Saussure; expériences de nuit, p. 66.; ; experiences de jour, p. 82. 719. XXXIII. 15. 228 Laͤßt ſich nicht mit größerer Wahrſcheinlichkeit anneh— men, daß der durch die Blaͤtter und Zweige abſorbirte Sau— erſtoff durch ſeine Neigung zum Verbrennungsproceſſe dahin gezogen wird, und daß er nur deßhalb den Kohlenſtoff nicht verbrennt, weil er denſelben chemiſch verbunden antrifft und derſelbe daher keine Neigung hat, ſich mit dem Sauerſtoffe zu verbinden? Denn dieſe langſame Verbrennung, dieſe Zerſtoͤrung koͤnnte durch den abſorbirten Sauerſtoff nur un— ter der Bedingung bewirkt werden, daß das Licht dieſen Pflanzentheilen nicht ihre volle Lebensthaͤtigkeit, ihre ganze Widerſtandskraft gegen die Zerſetzung zuruͤckerſtattete, und wir werden uns erlauben, das Gewicht dieſer Betrachtungen durch einen Verſuch deſſelben Verfaſſers mit dem Cactus pilosus (pile) zu unterſtuͤtzen. Indeß wollen wir hinzu— fuͤgen, daß wir die waͤhrend des Lebens vor ſich gehenden Erſcheinungen nicht als den nach dem Tode ſtattfindenden aͤhnlich anſehen. Bei dem desorganiſirten Cactus wird, in der That, die Kohlenſaͤure nicht mehr durch die Lebenskraft feſtgehalten, welche im Stande iſt, der verbrennenden Thaͤ— tigkeit des Sauerſtoffes in Bezug auf den Sauerſtoff Grüns zen zu ſetzen, weßhalb auch die Entbindung von Kohlen— ſaͤure ihren ununterbrochenen Fortgang hat. *) Die mit Fruͤchten angeſtellten Verſuche ſcheinen uns zur Erklaͤrung der Art und Weiſe, wie die Pflanzen auf die Kohlenſaͤure einwirken, nicht beſſer geeignet, als die mit Blaͤttern und Staͤngeln unternommenen. Hr. Bérard hat, in der That, Fruͤchte gepfluͤckt und dieſelben in Flaſchen entweder dem Sonnenlichte, oder der Dunkelheit ausgeſetzt *), aber bei allen feinen Verſuchen gefunden, daß die Luft durch Entbindung von Kohlenſaͤure verunreinigt wurde, der Grad der Beleuchtung oder Reife der Fruͤchte mochte ſeyn, welcher er wollte. Dieſe Reſultate, welche der Verfaſſer ſelbſt unter der Einwirkung des Sonnenlichts erlangte, machen es unbegreif— lich, wie bei dieſem fortwaͤhrenden Subflanzveclufte eine Gewichtsvermehrung ſtattfinden konnte, und wir fühlen uns verſucht, gegen dieſe Unterſuchung dieſelben Bedenklichkeiten zu erheben, zu denen uns bereits die früher erwahnten Ex— perimente Veranlaſſung gegeben haben; denn wenn ſich ſelbſt unter der Einwirkung des Sonnenlichts Kohlenſaͤure entbin— det, ſo muß der Grund davon unſtreitig darin liegen, daß in Organen, die nach dem Pfluͤcken der Frucht fo leicht in Gaͤhrung uͤbergehen, die Lebenskraft nicht mehr thaͤtig ge— nug iſt, um die Saͤuerung des Kohlenſtoffs zu verhindern. Die Abhandlung des Herrn Bérard iſt durch die Herren Th. de Sauffure und Couverchell widerlegt worden; allein da dieſe Widerlegungen ſich, unſeres Wiſſens, nicht auf Verſuche ſtuͤtzten, fo haben wir eine Arbeit über dieſen Gegenſtand unternommen, welche hoffentlich keinem Zweifel darüber Raum laſſen wird, daß in den Fruͤchten une ter dem Einfluſſe des Sonnenlichts die Kohlenſaͤure zer⸗ ſetzt werde. „) S. a. a. O., S. 219. „) Siehe die Abhandlung des Herrn Bérard uͤber die N in den Annales de Chimie et de Physique. 229 Unſere erſten Unterſuchungen hatten die chemiſche Ana— lyſe der in den Schoten oder Huͤlſen des Blaſenbaumes ent— haltenen Luft zum Zwecke, und dieſe Verſuche widerlegen unſtreitig die von Herrn Bérard aufgeſtellte Anſicht, als ob das pericarpium dieſer Schote uͤberall der aͤußeren Luft vollkommen durchgaͤnglich ſey, wobei ſich der Verfaſſer da— rauf beruft, daß in den Schoten eben keine andere Luft, als atmoſphaͤriſche, enthalten ſey. Auf dieſen Schluß erwi— dern wir, daß dieſe Durchgaͤnglichkeit der Schoten in Bezug auf die Luft in ſehr beſchraͤnktem Maaße ſtattfinden muͤſſe, da die in den Schoten enthaltene Luft bis zu 3 8 Kohlen— ſaͤuregas enthaͤlt. Man koͤnnte dagegen einwenden, daß dieſer ſtarke Verhaͤltnißtheil an Kohlenſaͤuregas daher ruͤhre, daß die Frucht ſelbſt daſſelbe erzeuge; allein gegen dieſen Ein— wurf geben wir zu bedenken, daß bei unſeren Analyſen die Quantitaͤt des Sauerſtoffes ſtets in einem beſtimmten und beſtaͤndig ſteigenden Verhaͤltniſſe zu der Zerſetzung der Koh— lenſaͤure binnen einer gegebenen Zeit und bei einem gegebe— nen Grade von Beleuchtung ſtand. Auf der anderen Seite haben wir im Laufe unſerer Unterſuchungen beobachtet, daß das Maximum der Kohlenſaͤure des Nachts in den Fruͤchten vorhanden war, und daß zur Erreichung dieſes Maximums von 5 Uhr Nachm. bis 11 Uhr Abends die Vermehrung ungefähr 1 Procent betrug, welche Vermehrung ſich nach den jetzigen Theorien ſchwer erklaͤren zu laſſen ſcheint. Nach einer derſelben ſoll, z. B., die Pflanze unter dem Einfluſſe des Sonnenlichts Kohlenſaͤure abſorbiren und dieſelbe auf der Stelle zerſetzen, waͤhrend ſie im Dunkeln die geringen Quantitaͤten, die ſie durch die Wurzeln aus dem Boden aufnimmt, fahren laſſen ſoll. Nach einer anderen Theorie ſoll ebenfalls beſtaͤndig Kohlenſaͤure abſorbirt werden, welche ſich angeblich bei Tage im Schatten concentrirt und des Nachts in allen Theilen der Pflanze anhaͤuft; ferner, wie nach der vorher erwaͤhnten Theorie, die Zerſetzung erſt bei'm Erſcheinen der erſten Sonnenſtrahlen beginnen; endlich wird nach derſelben die naͤchtliche Aushauchung des Gaſes nur als eine ſehr beſchraͤnkte und lediglich der mehr oder weniger reichlichen Ausduͤnſtung der Pflanzen waͤhrend der Nacht proportionale Entbindung betrachtet. Wenn wir uns fuͤr die erſte Theorie entſcheiden, ſo koͤnnen wir keine genuͤgende Rechenſchaft daruͤber geben, wie, die Summe der des Nachts in den Schoten enthaltenen Kohlenſaͤure — 3 geſetzt, dieſelbe am folgenden Morgen früh nur S 1,5 und in den erſten Stunden der folgenden Nacht wieder genau um 1,5 geſtiegen iſt, fo daß die urſpruͤngliche Summe / 8 wieder herauskommt. Denn nach den dieſer Theorie zu Grunde liegenden Anſichten muß zugegeben wer— den, daß fortwaͤhrend Kohlenſaͤure in die Pflanzentheile ein— ſtroͤmt, da die Wurzeln ſich immer im Dunkeln befinden, und dieß laͤßt ſich, wegen der Reſultate unſerer bei Tage vorgenommenen Analyſen, nach denen der Verhaͤltnißtheil der Kohlenſaͤure nach Maaßgabe der Intenſitaͤt des Son— nenlichtes abnimmt, nicht zugeben, zumal da dieſe Quantis täten zu denen, welche die zur Nachtzeit vorgenommenen Analpſen ergaben, ſtets ein feſtes Verhaͤltniß behaupteten. 719. XXXIII. 15. 280 Zu obigen Bemerkungen glauben wir uns berechtigt, da wir bei unſeren ſehr haͤufig und zu weit voneinander entfernten Zeiten wiederholten Verſuchen ſtets dieſelben Quan— titäten an Kohlenſaͤure erlangt haben. Die zweite Theorie, welche die Faͤhigkeit, den Kohlen— ſtoff zu fixiren, nur der unmittelbaren Einwirkung der Sons nenſtrahlen zuſchreibt, durch welche der Sauerſtoff der Saͤure in Freiheit geſetzt werden ſoll, ſcheint uns die Erſcheinungen nicht beſſer zu erklaͤren, wie die erſte; denn ſie giebt uͤber die Zerſetzung der Kohlenſaͤure im Schatten keine Rechen— ſchaft, und uͤberhaupt ſcheinen die Chemiker, welche ſich mit dieſem Gegenſtande beſchaͤftigt haben, den Verlauf nicht be— achtet zu haben, welchen die Zerſetzung der Kohlenſaͤure in den Pflanzen je nach der Laͤnge der Zeit beobachtet, waͤh— rend deren dieſelben entweder dem zerſtreuten Lichte oder den directen Sonnenſtrahlen ausgeſetzt find. Unſerer Anſicht nach abſordiren die Pflanzen nur des Nachts Kohlenſaͤure, und die ſich alsdann anhaͤufende Quan— titaͤt iſt betraͤchtlicher, als die, welche fie den folgenden Tag unter der Einwirkung des Lichts zu zerſetzen vermoͤgen. Dieſe Abſorption würde aber auf folgende Weiſe ſtattfinden: Die atmoſphaͤriſche Luft, welche allerdings einen ſehr ſchwachen Verhaͤltnißtheil (0,0004 bis 0,0006) Kohlenſaͤure enthaͤlt, der jedoch, wie man durch intereſſante Berechnun— gen dargethan hat, fuͤr die Vegetation vollkommen ausreicht, wechſelt, in Folge der ihr durch unzaͤhlige phyſicaliſche Ur— ſachen ertheilten Bewegung, beſtaͤndig um die Blaͤtter und Staͤngel her und bietet alſo der Pflanze immer neue Quan— titaͤten Kohlenſaͤure dar. Da alſo die Pflanzen in einem Medium ſtehen, welches ihnen ein unumgaͤnglich noͤthiges Nahrungsmittel, die Kohlenſaͤure, darbietet, fo abſorbiren fie dieſes Gas und laſſen die uͤbrigen Beſtandtheile der Luft unberuͤhrt, d. h., ſie fixiren jenes, ohne daß man eine Auf— ſaugung oder Aushauchung der letztern bemerkte. Zur Wuͤrdigung der natuͤrlichen Erſcheinungen, die auf der Zerſetzung der Kohlenſaͤure beruhen, begannen wir dieſen Theil unſerer Unterſuchung mit der chemiſchen Analyſe der in Fruͤchten eingeſchloſſenen Luft, und wir glaubten, durch Einſchlagung des folgenden Verfahrens uns in die guͤnſtigſte Stellung zur Aufklaͤrung des Gegenſtandes zu begeben. Wir bedienten uns, als des Angelpuncts unſerer Un— terſuchung, der Schoten des Blaſenbaums (Colutea ar- borescens), von denen wir bereits angegeben haben, daß ſie der aͤußeren Luft nur in ſehr beſchraͤnktem Grade durch— gaͤnglich ſind, und wir pfluͤckten dieſelben, unmittelbar bevor wir ſie unter Queckſilber zerdruͤckten, um das darin enthal— tene Gas in eigends zu dieſem Zwecke vorgerichteten Glocken aufzufangen, von den im koͤnigl. Pflanzengarten im Freien wachſenden Straͤuchern. Bei dieſem Verfahren konnten wir auch den Einfluß, den der verſchiedene Reifegrad auf die Beſchaffenheit der die Saamen umgebendeu Luft hat, ſowie den, welchen das Licht, je nach feiner Intenſitaͤt, ausübt, zum Gegenſtande unſerer Forſchungen machen. Wir waͤhlten alſo bald truͤbe, bald ſonnenhelle Tage und pfluͤckten uͤberdieß die Schoten an den Tagen beiderlei 15 * 231 Art zu beſtimmten Stunden, naͤmlich um 7 Uhr Morgens, um Mittag, um 4 Uhr Nachmittags und um 11 Uhr Abends. Dieſe am 10. Juli begonnenen Verſuche wurden bis Ende September fortgeſetzt. Die Schoten der Colutea brauchen etwa einen Monat zu ihrer Reife, und wir haben dieſelben in drei deutlich mar— kirten Stadien ihres Wachsthums unterſucht, naͤmlich: 1) hoͤchſtens eine Woche, nachdem ihre Entwicklung be— gonnen hat; dieſe Schoten nennen wir junge; 2) zwei bis drei Wochen, nachdem ihre Entwickelung be: gonnen, naͤmlich zu der Zeit, wo ſie ihren vollen Umfang erreicht haben, ihr pericarpium und ihre Saamen aber noch gruͤn ſind; dieſe nennen wir halbreife. 3) wenn fie, jedoch bevor fie aufſpringen, durchſchei⸗ nend, faſt trocken und mit dunkelen Saamen verſehen ſind; dieſe nennen wir alte Schoten. Dieſe Fruͤchte wurden, gleich nachdem ſie gepfluͤckt wor— den, in den zu dieſem Ende vorgerichteten Glocken unter Queckſilber zerdruͤckt und die im Gaſe enthaltene Feuchtig— keit mittelſt Schwefelſaͤure von der Kohlenſaͤure geſchieden. Das ſo getrocknete Gas ward alsdann in mit einer Grad— 719. XXXIII. 15. 232 ſcale verſehene Glocken umgefuͤllt, wo das Aetzkali nach 24 Stunden die abſorbirte Quantität Kohlenſaͤure anzeigte. Zum Meſſen des Sauerſtoffs bedienten wir uns des Hydrogen-Eudiometers, indem wir alle Vorſicht anwandten, die bei dieſer Art von Analyſe noͤthig iſt. In allen Fällen, ſowohl bei'm Meſſen der Kohlenſaͤure, als bei dem des Sauerſtoffes, ward die Rechnung in Betreff der durch die Temperatur und den Luftdruck veranlaßten Unrichtigkeiten corrigirt, Wir begnügen uns hier damit, die vergleichende Tas belle der mittleren Quantitäten Kohlenſaͤure und Sauerſtoff, die ſich je nach dem Zuſtande der Witterung und je nach den Stunden, zu denen die Schoten gepfluͤckt worden wa⸗ ren, in dieſen letzteren befanden, unſeren Leſern mitzutheilen. (Bemerkung des Ueberſetzers. Wir geben die Tabelle, wie wir fie im Originale finden. Die oberfte Reis he ſcheint ſich jedoch, obwohl ſie keine beſondere Ueberſchrift trägt, auf die jungen, die mittlere, „junge Schoten“ uͤber— ſchriebene, auf die halbreifen, und die untere auf die alten Schoten zu beziehen.) Stunden, wo die Ver: ſuche angeſtellt wurden. Zuſtand des Himmels. Volum-Procenten. Sauerſtoff in Kohlenſaͤuregas in Voluss = Procenten. Sauerftoff und Koh⸗ lenſaͤure zuſammen. 11 Nachts 8 9 2 ° 20 496 2,746 23,242 7 Morgens, bedeckt > & 20,673 2,618 23,291 12 Mittags, bedeckt . » r 20,908 2,429 23 337 4 Nachmittags, bedeckt „ . 20,901 2,432 23.3332 7 Morgens, fonnig =» 9 > 21,086 1,903 23 989 12 Mittags, ſonnig 5 . 21,293 1,419 22,712 4 Nachmittags, ſonnig 5 > 21,173 1,438 22,6142 Durchſchnittlich . . 23,081 Junge Schoten. 11 Nachts 2 8 - 20 583 2,639 23,222 7 Morgens, bedeckt . » 5 20,626 2,605 23,231 12 Mittags, bedeckt . . 20,766 2,446 23,0122 4 Nachmittags, bedeckt 5 20,743 2.475 23,218 7 Morgens, ſonnig . . 20 344 1.934 22,778 12 Mittags, ſonnig . 5 21032 1,762 22 794 4 Nachmittags, ſonnig . 5 21,246 2,098 23 339? Durchſchnittlich ° . 5 23,035 Alte Schoten, 11 Nachts . . 2 19,297 2,942 23,239 2 7 Morgens, bedeckt . > 5 20,166 2,609 22,775 12 Mittags, bedeckt. 3 5 20,626 2,461 23,087 4 Nachmittags, bedeckt a 4 20,595 2475 23,070 7 Morgens, fonnig 0 r 21,139 2,316 23,455 12 Mittags, fonnig 5 8 5 21,245 2,106 23,3422 a Nachmittags, fonnig , - 20,676 2,107 22,783 Durchſchnittlich . > 3 22,965 Betrachtungen über dieſe Tabelle. 1. Dieſe numeriſchen Reſultate beweiſen, daß die Luft in den Schoten weit reicher an Kohlenſaͤure iſt, als die at— moſphaͤriſche Luft. 2. Sie beweiſen in einer auffallenden Art, daß die Summe der Kohlenſaͤure des Nachts bedeutender iſt, als bei Tage, und wenn man die beiden extremen Faͤlle, den von 11 Uhr Abends (2,746) und den, wo das Licht in größter In— tenſitaͤt einwirkt (1,419) miteinander vergleicht, ſo findet man in dem einen ein noch einmal ſo ſtarkes Verhaͤltniß, wie in dem anderen. 3. Indem dieſe Tabelle uns die Nachtfälle als Aus: gangspunct bietet, geſtattet fie uns, noch die allmälige Abs 233 nahme der Kohlenſaͤure bis zu dem Augenblicke zu verfolgen, wo dieſelbe zum Stilleſtand zu gelangen ſcheint. So findet man, daß die zerſetzende Kraft des Lichts mit deſſen Inten— ſitaͤt und der Dauer ſeiner Einwirkung zunimmt, mag man nun die Stunden eines und deſſelben, gleichviel, ob truͤben oder heiteren, Tages, oder einen voͤllig truͤben und einen durchaus ſonnigen Tag miteinander vergleichen. 4. Man bemerkt außerdem, daß in Betreff des Alters der Schoten die Verminderung der Kohlenſaͤure mit der der Vegetationskraft gleichen Schritt haͤlt. 5. Zum Beweife, daß die Carpellenblaͤtter des Blaſen⸗ baums die Luft nur in ſehr beſchraͤnktem Grade durchlaſ— ſen, verweiſen wir auf die Columne des Sauerſtoffgaſes, aus der ſich ergiebt, daß die Verhaͤltnißzahl dieſes Gaſes ſich in der Frucht nach Maaßgabe der Zerſetzung der Kohlen— ſaure erhoͤht. Das Verhaͤltniß zwiſchen der verſchwundenen Kohlenſaͤure und dem hinzugekommenen Sauerſtoffgaſe iſt genau ein ſolches, daß das letztere als von der erſteren, die ihren Kohlenſtoff an die Pflanze abgetreten, herruͤhrend bes trachtet werden kann. 6. Wir wollen außerdem bemerken: 1) daß, wenn man den Sauerſtoff zu der Kohlenſaͤure addirt, man die Mittelzahl 23 erhaͤlt; 2) daß die Kohlenſaͤure jederzeit Stick— ſtoff und zuweilen etwas Sauerſtoff verdraͤngt; allein der letztere Fall nur eintritt, wenn eine ſtarke Quantitaͤt Koh— lenſaͤure eindringt, was ſich aus dem erſten Beiſpiele jeder Reihe ergiebt. (Schluß folgt.) Niese lle. Ueber achromatiſche Fernrohre bemerkte Hr. Arago in einer der letzten Sitzungen der Deputirtenkammer und zwar in dem Vortrage, den er zur Rechtfertigung der Verwilligung von 94,000 Fr. für die Koͤnigl. Sternwarte hielt: Das größte bes kannte achromatiſche Teleſkop hat nur 38 Centimeter Oeffnung. Nun haben aber die Herren Guinand und Bontemps der Aca— demie Maſſen von Kron- und Flintglas von 57 Centimeter Durch- meſſer vorgelegt und ſich verbindlich gemacht, deren von 1 Meter 719. XXXIII. 15. 234 Durchmeſſer herzuſtellen. Durch fo große Objeetivglaͤſer wuͤrden allerdings hoͤchſt wichtige Entdeckungen moͤglich werden. Bis auf die neueſte Zeit war es nicht gelungen, die wahre Entfernung auch nur eines einzigen Firſternes zu beſtimmen. Es ließ ſich bloß die Graͤnze feſtſtellen, uber welche hinaus die Entfernung des Sternes nicht gehen koͤnne. Mittelſt der Beobachtungen, die ſich mit den großen Telekopen anſtellen laſſen, welche für das Laͤngenbuͤreau angeſchafft werden ſollen, wird ſich nun die wahre Entfernung der Sterne leicht ermitteln laſſen. Der kleine Stern 61 des Schwa— nes iſt ſo weit von der Erde entfernt, daß das Licht 10 Jahre braucht, um von ihm bis zu uns zu gelangen. Wuͤrde er alſo ge— genwaͤrtig vernichtet, fo würden wir ihn noch 10 Jahre lang ſe— hen, obwohl das Licht ſich mit einer Geſchwindigkeit von 77,000 lieues auf die Secunde bewegt. Für die Aſtronomie iſt es hoͤchſt wichtig, aͤhnliche intereſſante Aufſchluͤſſe über moͤglich viele Sterne zu gewinnen. — Man hat genau berechnet, daß die Sonne 355,000 Mal ſo ſchwer iſt, als unfere Erde. Aber es handelt ſich jetzt da— rum, auch das Gewicht von anderen Sonnen zu beſtimmen, die, mit den ſtaͤrkſten jetzigen Fernroͤhren geſehen, noch keinen ſichtbaren Durchmeſſer darbieten und die durch einen Spinnenfaden unſerm Blicke entzogen werden würden. — Ferner find die vielen Nebels ſterne noch in ihre Beſtandtheile aufzuloͤſen; es iſt die fortſchrei— tende Concentration der Lichtmaterie zu unterſuchen; der Zeitpunct zu ermitteln, wo ſich der aͤußere umriß der Sterne ſcharf darſtellt, wo der Mittelſtrahl derſelben ſichtbar wird, wo der glänzend ges wordene Kern nur noch mit einem ſchwachen Lichtnebel umgeben erſcheint, und wo endlich dieſer Lichtnebel ſich concentrirt. Erſt dann wird der Beobachter den Aufgang eines Sternes in allen ſeinen Phaſen erkannt haben. Auch die Entdeckungen auf dem Monde, welche ſämmtlich mit Fernroͤhren gemacht worden, die nicht über 200 Mal vergrößerten, werden durch Teleſkope, die fo: viel Licht einlaſſen, daß man eine 6000 fache Vergrößerung in Ans wendung bringen kann, und mittelſt deren manche Mondberge ſo groß erſcheinen werden, wie der Montblanc, von Genf aus geſehen, außerordentlich gefoͤrdert werden. Glaucophan iſt der von Herrn Hofrath Hausmann ge⸗ gebene Name für einen Mineralkörper, der durch eine Verbindung von hyazinthrothem Granat, gruͤnem Strahlſtein, ſchwaͤrzlich-grauer Hornblende, Chlorit, Glimmer von grüner oder ſilberweißer, in das Meſſinggelbe ſich ziehender Farbe und ein Foſſil gebildet iſt, welches fi durch feine Äußeren Kennzeichen als ein noch unbekanntes ver— rieth und wegen der hellblauen Farbe, mit der es bei durchfallendem Lichte erſcheint, den oben angegebenen Namen erhielt. Vergleiche die Beiträge zur Oryktographie von Syra, welche am 18. Januar 1845 der K. Socictät der Wiſſenſch. zu Göttingen übers geben wurden, und deren Inhalt ſich in den Goͤttinger gelehrten Anzeigen, 20. St. vom 3. Februar 1845, abgedruckt findet. Pr — [—ͤd— DD Fer Von der Wiederherſtellung der Nerventhaͤtigkeit in den zur Bildung kuͤnſtlicher Koͤrpertheile ver— wendeten Fleiſchlappen. Von Jobert (de Lamballe). In einem ſchon vor mehreren Jahren herausgegebenen Werke hatte Jobert intereſſante Reſultate, in Betreff der Vernarbung der Nerven und Nervenknoten, alſo uͤber eine ebenſo wichtige, als ſchwierige phyſiologiſche Frage, bekannt gemacht. Es war ihm gelungen, die Anſicht derjenigen zu widerlegen, die eine Reproduction der Nervenſubſtanz anneh— men, und auf der anderen Seite hatte er ſich genörhigt ges ſehen, zuzugeben, daß, wenn auch das Nervenorgan ſich nicht von Neuem erzeugt, doch das Empfindungsvermoͤgen in einen durchſchnittenen Nerven zuruͤckkehren kann. So beſtand alſo zwiſchen der phyſiologiſchen und der anatomiſchen Erſcheinung ein ſcheinbarer Widerſpruch, weßhalb der Verfaſſer ſich zu neuen Forſchungen veranlaßt fand. Jobert iſt auf den gluͤcklichen Gedanken gerathen, in dieſer Beziehung die ihm durch die Autoplaſtie, welche er in Frankreich mit am Thaͤ— tigften gefördert hat, gebotenen Huͤlfsmittel zu benutzen. Statt mit iſolirten Nervenfaͤden zu experimentiren, hat er mitten aus den lebenden Geweben Lappen ausgeloͤſ't und dieſe mit Theilen in Verbindung gebracht, mit denen dieſelben ſich fruͤher in gar keiner Gemeinſchaft befanden, indem er jenen Lappen nur einen ſchmalen Stiel ließ, der denſelben gleich⸗ 233 ſam als ernaͤhrende Wurzel diente, bis das animaliſche Pfropf— reis gehoͤrig angewachſen war. Sobald das Anwachſen geſchehen war, wurde der Stiel durchſchnitten, und nun befand ſich, inmitten lebender Ge— webe, ſo zu ſagen eine Inſel von lebenden Stoffen, welche die zu ihrer Ernährung dienenden Materialien nur durch die Vermittelung einer Narbe beziehen, ſowie ſich nur durch dieſe Vermittelung mit den Nervencentren in Beziehung ſe— tzen konnte. Es blieb nun noch zu ermitteln, was in die— ſem thieriſchen Pfropfreiſe vorgehe; ob mit der Ernaͤhrung das Empfindungsvermoͤgen wieder in demſelben aufttete, und wenn dem ſo ſey, auf welche Weiſe dieß geſchehe? Wir koͤnnen hier nicht aller der merkwuͤrdigen Beob— achtungen, die Jobert am Menſchen angeſtellt hat, oder der zahlreichen Verſuche gedenken, die er mit Thieren vor— nahm, um dieſe Fragen zu erledigen. Wir muͤſſen uns darauf beſchraͤnken, die Hauptreſultate, welche er erlangte, kurz anzufuͤhren. Dieſe find: 1) daß gleich nach der auto= plaſtiſchen Operation das Empfindungsvermoͤgen der Lappen ſich in um ſo hoͤherem Grade vermindert, je ſtaͤrker die Blu— tung war, und je dünner der Stiel des Lappens iſt; 2) daß es nie ganz erliſcht, inſofern ein Stiel ſtehen gelaſſen wird; 3) daß es nach dem Durchſchneiden des Stieles ganz erliſcht; 4) daß es einige Zeit nach dieſer Durchſchneidung wieder in demſelben Grade auftritt, wie ſich die Gefaͤße des Lappens vermehren und entwickeln. Auf der anderen Seite hat der Verfaſſer mit Huͤlfe von anatomiſchen Praͤparaten feſtgeſtellt, daß nach dem Durch— ſchneiden des Stieles die Lappen von dem ganzen uͤbrigen Organismus durch eine Schicht von Narbengewebe geſchieden find, in welcher nur Gefäße und nie Nerven vorhanden find. Aus dieſen Thatſachen folgert nun Jobert: 1) daß die Lappen die Elemente ihres Empfindungsvermoͤgens direct aus den Blutkuͤgelchen beziehen, welche ihnen die Materia— lien der Ernaͤhrung zufuͤhren; 2) daß das Empfindungsver— moͤgen durch die Narbe hindurch und zwar durch die die Narbe umgebenden Nerven vermittelt werde. Die Begruͤn— dung der erſteren Folgerung findet Jobert in den neueſten intereſſanten Verſuchen, die Bouſſingault und Dumas in Betreff der bei'm Athmen ſtattfindenden chemiſchen Pro— ceſſe angeſtellt haben, und in'sbeſondere in den Unterſuchun— gen, welche Dumas rüdfihtli der Erzeugung der thieri— ſchen Electricitaͤt unternommen hat. Was den Umſtand an— betrifft, daß das Empfindungsvermoͤgen durch die Narbe hindurch vermittelt wird, ſo ſteht derſelbe mit der von Reil entwickelten Theorie, welche ſich ihrerſeits auf die ſehr buͤn— digen v. Humboldt 'ſchen Verſuche ſtuͤtzt, durchaus im Einklange. Aus dieſen unverdientermaaßen faſt in Vergeſſenheit ge— rathenen Verſuchen ergiebt ſich, in der That, daß die thie— riſchen Gewebe aus einer gewiſſen Entfernung einwirken koͤnnen, daß in'sbeſondere aus den Nerven ein Fluidum aus— ſtrömt, welches durch Inſtrumente ermittelt werden kann und deſſen Thaͤtigkeitsſphaͤre um ſo ausgedehnter iſt, je mehr Kraft die Vitalitaͤt des Thieres beſitzt. v. Humboldt hat ebenfalls dargethan, daß das Zellgewebe, welches die Grund⸗ 719, XXXIII. 15. 236 lage der Narben bildet, ein ſehr guter Leiter dieſes Fluidum iſt. So weiſ't alſo Jobert nach, daß ſeine Folgerungen ſich nicht nur ſtreng aus den beobachteten Thatſachen ablei— ten laſſen, ſondern daß fie auch mit hinreichend erhaͤrteten phyſiologiſchen Geſetzen in Einklang ſtehen. Aus den in der gediegenen Arbeit zuſammengeſtellten zahlreichen Beobachtungen ergeben ſich uͤbrigens auch noch mehrere andere intereſſante Thatſachen ruͤckſichtlich des Pfro— pfens eines thieriſchen Gewebes auf das andere, ruͤckſichtlich der dabei vorkommenden phyſiologiſchen und pathologiſchen Erſcheinungen, des Verlaufs der Entzuͤndungen, Eryſipelen, krebsartigen Leiden, des lupus, der hornartigen Gebilde ꝛc. Wir haben uns jedoch hier auf Erwähnung derjenigen Res ſultate beſchraͤnkt, welche den Zweck der Forſchungen des Verfaſſers zunaͤchſt betreffen, und aus denen ſich hinreichend ergiebt, wie ſehr das Studium des menſchlichen Organismus durch die Forſchungen dieſes ausgezeichneten Chirurgen neuer— dings gefördert worden ift. (Le Courrier frangais, 12. Fevrier 1845.) Ueber Nahrungsmittel und Diät, mit Bemerkun— gen über das für Störungen in den Verdauungs— organen geeignete diaͤtetiſche Regimen ꝛc. Von Dr. Jonathan Pereira. Im erſten Theile ſeines Werkes ſpricht der Verfaſſer uͤber die chemiſchen Elemente der Nahrungsmittel, uͤber alimentaͤre Urſtoffe und über zuſammengeſetzte Nahrungsmittel. Von den bis jetzt bes kannten fuͤnfundfunfzig Elementarſubſtanzen ſind nur etwa neunzehn in organiſchen Körpern gefunden worden. Von dieſen kommen dreizehn im menſchlichen Körper vor, welche daher auch die Ele mente unſerer Nahrung ſeyn muͤſſen. Sie find: Kohle, Waflırs ſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff, Phosphor, Schwefel, Eiſen, Chlor, Kalium, Calcium, Natrium, Magnesium, Fluor. Der Verfaſſer nimmt jie nach der Reihe durch; Uber den wichtigſten Beſtandtheil der Nahrung, den Stickſtoff, ſagt er Folgendes: Verſchiedene Umſtaͤnde haben neuere Schriftſteller zu dem Schluſſe gefuͤhrt, daß nur ſtickſtoffige Nahrungsmittel geeignet ſeyen, in Blut umgewandelt zu werden und organiſche Gewebe zu bilden, daß fie allein alfo die eigentlichen ſogenannten Nahrungs— mittel ſeyen, weßhalb ſie auch Liebig die plaſtiſchen Elemente der Nahrung genannt hat. Die nicht ſtickſtoffigen Nahrungsmittel find jedoch für die Geſundheit nicht minder weſentlich, und Liebig bes hauptet, daß ihre Function darin beſtehe, den Athmungsproceß zu unterftügen — indem fie Kohle und Waſſerſtoff hergeben, deren Oxydation unter Entwickelung von Waͤrme vor ſich geht — und einige derſelben tragen, nach ihm, zur Bildung des Fettes bei. ak nichtſtickſtoffigen Nahrungsmittel nennt er Elemente der Res piration. Stickſtoffige Nahrungsmittel, oder [Nichtſtickſtofſige Nahrungsmittel, plaftifche Elemente der Nahrung, oder Elemente der Reſpiration. Vegetabiliſcher Faſerſtoff. Fett. Pektin. Vegetabiliſches Eiweiß. Amylum. Baſſorin. Vegetabiliſcher Kaͤſeſtoff. Gummi. Wein. Thieriſches Fleiſch. Rohrzucker. Bier. — ut. Traubenzucker. Spirituöfe Ges Milchzucker. traͤnke. Ich will nun kurz die Umftände angeben, welche zu Gunften der Anſicht angefuͤhrt worden ſind, daß ſtickſtoffige Nahrungsmittel allein die Gewebe ernähren, indem ich kurze Bemerkungen hinzufuͤ⸗ gen werde. 257 1. Der erfte Beweisgrund ift: da die thieriſchen Gewebe Stickſtoff als ihren weſentlichſten Beſtandtheil enthalten, und da dieſes Element im Organismus nicht gebildet werden kann, ſo muß dasſelbe entweder aus der Nahrung, oder der Atmoſphaͤre herkom— men; da es aber im vitalen Proceſſe nicht aus der Atmofphäre abs forbirt wird, ſo muß es aus der Nahrung kommen. Es ſcheint mir, daß, wenn die Nichtabſorption des Stickſtoffes aus der Atmoſphaͤre bewieſen werden kann, das wichtigſte Factum zu Gunſten der ftickftoffigen Nahrungsmittel gegeben iſt. Iſt die⸗ ſes aber genügend geſcheben? Ich glaube nicht. Zahlreiche Be— hauptungen ſind von verſchiedenen Schriftſtellern aufgeſtellt worden, um dieſen Punct zu beſtimmen; aber die Reſultate ſind ſehr ver⸗ ſchieden ausgefallen. Einige Experimentoren haben erklaͤrt: daß der Stickſtoff der Luft bei der Reſpiration ſich paſſiv verhalte; an— dere, daß der Stickſtoff in den Lungen gebildet; andere, daß er abſorbirt werde; andere, daß er abjorbirt und exhalirt werde, ins dem unter gewiſſen Umſtaͤnden die Abſorption, unter anderen die Exhalation thaͤtiger ſey. Welche Schlüffe koͤnnen nun von vorſichtigen, vorurtheilsfreien Phyſiologen aus dieſen verſchiedenartigen Behauptun— gen gezogen werden? Müller bemerkt, daß der aus allen jenen Verſuchen zu ziehende Schluß der ſey, daß bei der Reſpiration der Stickſtoff vom Blute ſowohl reſorbirt, als exhalirt werde. Dr. Carpenter ſchließt ſeinen Bericht uͤber die chemiſchen Phaͤnome— ne der Reſpiration mit folgender Bemerkung: So findet alſo daſelbſt eine fortdauernde Exosmoſe von Kohlenfäure und Stickſtoff und eine fortdauernde Endosmoſe von Sauerſtoff und Stickſtoff ſtatt, und die relative Menge diefer erhalirten und reſorbirten Gaſe iſt fortdauernden Verſchiedenheiten aus ſecundaͤren Urſachen unterwor— fen. Dr. Boſtock bemerkt endlich, daß es wahrſcheinlich ſey, daß das Blut bei ſeinem Durchgange durch die Lungen Stickſtoff ſo⸗ wohl aufnehme, als aushauche, wobei das Verhältniß dieſer beiden Mechanismen ſehr veraͤnderlich iſt, und von gewiſſen Zuftänden des Organismus oder von dem Einfluſſe äußerer Agentien abhängig ſey. Aus dem Vorhergehenden ſieht man, daß einige der am Meis ſten ſyſtematiſchen phyſiologiſchen Schriftſteller die Reſorption des Stickſtoffs annehmen, und es iſt daher ziemlich auffallend, daß Liebig und Dumas dieſelbe uͤbereinſtimmend entſchieden läugnen, ohne neue Thatſachen zum Beweiſe der Genauigkeit ihrer eigenen Anſichten beizubringen. Die Anſichten derſelben begruͤnden ſich, wie ich vermuthe, auf die Experimente von Dulong und Despretz. Der Erſte hat einen Bericht von 17 an Thieren angeſtellten Expe⸗ rimenten gegeben; in 14 Fällen fand er, daß Stickſtoff exhalirt, in 1, daß er abſorbirt werde, in 1 blieb er unverändert, in 1 iſt das Reſultat nicht angegeben. Dulong ſcheint jedoch der Anſicht zu ſeyn, daß fernere Experimente nothwendig ſeyen, um dieſe Re— fultate zu beſtätigen; denn er bemerkt, das die Exhalation des Stickſtoffs durch die Lungenoberflaͤche ein zu merkwuͤrdiges Phäno— men ſey, um es ohne einen Verſuch, dasſelbe auf eine unzweifel— hafte Weiſe zu bewahrheiten, auf ſich beruhen zu laſſen. Was Despretz's Verſuche betrifft, fo verdient es hervorgehoben zu werden, daß, fo oft ſeine Schlußfolgen gegen die Anſichten Lie— big’s und Dumas's ſtreiten, fie verſchiedene Widerfprüche mit ſeinen Experimenten zeigen; ſobald aber das Reſultat ſeiner Unter— ſuchungen mit den Anſichten jener Maͤnner uͤbereinſtimmt, keine Einwuͤrfe gegen ſeine Experimente gemacht werden koͤnnen. Daß Thiere häufig, wo nicht gewöhnlich, Stickſtoff aushau— chen, kann kaum geläugnet werden; aber die Frage iſt: ob, wenn Thiere mit Nahrungsmitteln gefuͤttert werden, welche eine fuͤr das Beduͤrfniß des Organismus nicht ausreichende Menge von Stick— ſtoff enthalten, dieſes nicht von den Lungen abſorbirt werden koͤn— ne? Dieſe Frage ſcheint mir noch der Beantwortung zu bedürfen, und ich bin daher nicht geneigt, Liebig's unerwieſene Behaup— tung, daß kein Stickſtoff aus der Atmoſphaͤre abſorbirt werde, an— zunehmen, zumal, da ſie im Widerſpruche zu den Experimenten von Prieſtley, Davy, Cuvier, Pfaff, Henderſon, Spallans zani, Edwards u. Anderen, ſowie zu den allgemein angenomme— nen Anſichten der Phyſiologen, ſteht. Es giebt aber noch eine andere Quelle des Stickſtoffs, welche bisjetzt nicht angegeben worden iſt: das Ammoniak der Atmoſphaͤre. Liebig hat das Vorhandenſeyn dieſer Subſtanz in der atmofphäs 719. XXXIII. 15. 238 riſchen Luft nachgewieſen, und gute Gründe für die Annahme bei⸗ gebracht, daß die Pflanzen den Stickſtoff ihrer ſtickſtoffigen Be— ſtandtheile aus jener entnehmen. Das Ammoniak der eingeathme— ten Luft kann daher eine der Quellen ſeyn, aus denen die Thiere einen, wenn auch nur kleinen Theil des in ihnen ſich findenden Stick— ſtoffs entnehmen. 2. Der zweite Beweisgrund iſt: daß „nicht ſtickſtoffige Nah— rungsmittel allein nicht im Stande ſind, das animaliſche Leben zu unterſtuͤtzen“. Man hat durch Experimente an Thieren gefunden, daß Gummi, Zucker, Staͤrke oder Butter allein die Geſundheit und das Leben der Thiere nicht zu erhalten vermoͤgen. Magendie fand, daß Hunde, ausſchließlich mit Zucker und Waſſer gefüttert, nach 31 bis 34 Tagen ſtarben, und ähnliche Res ſultate ſind mit Butter und Gummi erhalten worden. Tiede— mann und Gmelin haben Magendie's Angaben beſtätigt; ſie fanden, daß Gaͤnſe, mit Zucker und Waſſer, oder mit Gummi und Waſſer, oder mit Staͤrke und Waſſer gefuͤttert, nach 16 bis 24 Tagen ſtarben. Dieſes zweite Argument hat jedoch nicht viel Werth, da es bekannt iſt, daß eine ausſchließliche Koſt von ſtick— ſtoffigen Nahrungsmitteln, Kleber ausgenommen, gleichfalls zur Erhaltung des Lebens unzureichend iſt. Fibrin, Albumen, oder Ges latine, fuͤr ſich genommen, erhalten das Leben nicht; ſelbſt die kuͤnſtliche Miſchung dieſer Subſtanzen genügt nicht, das Leben zu erhalten, denn Hunde, auf dieſe Weiſe gefuͤttert, ſtarben endlich mit allen Zeichen vollſtaͤndiger Inanition, waͤhrend andererſeits eine Diat von Muskelfleiſch, oder von rohen Knochen, oder Kleber aus— ſchließlich im Stande iſt, die Ernährung zu bewerkſtelligen und zu unterhalten. Man hat jedoch behauptet, daß Gummi und Zucker im Stande ſeyen, das Leben zu erhalten. Die angebliche Kraft des Gummi's, das Leben zu erhalten, bes ruht vornehmlich auf einer von Haſſelquiſt erzaͤhlten Geſchichte, daß eine Caravane von mehr, als 1,000 Perſonen, welche von Abyſſinien nach Cairo reiſ'te, und deren Lebensvorraͤthe ausgegan— gen waren, ſich zwei Monate lang von dem Gummi, welches ſie als Handelsartikel mit ſich führte, ernährt habe. Es find aber kei— ne Details gegeben, um uns über die Genauigkeit der daraus ges zogenen Schlußfolge zufrieden zu ſtellen; auch iſt der Fall kein zu— verlaͤſſiger. Ueber den Gebrauch des Gummi's bei Mauren, Ne— gern und Hottentotten wiſſen wir nur wenig Genuͤgendes. Die naͤhrende Eigenſchaft des Zuckers wird nachher angege— ben werden, aber ich will hier erwaͤhnen, daß ſie beſonders auf dem Gebrauche dieſer Subſtanz in einem unreinen Zuſtande, in welchem ſie ſtickſtoffige Materie enthält, beruht; uͤbrigens iſt es wahrſcheinlich, daß ſtickſtoffige Nahrung gewoͤhnlich in Verbindung mit Zucker gebraucht wird. 3. Das dritte Argument beſteht darin: daß die Nahrung als ler Thiere, der kraͤuter- wie der fleiſchfreſſenden, ſtickſtofſige Mate— rien enthält, welche in ihrer Zuſammenſetzung mit den Hauptbe— ſtandtheilen des Blutes und der erganifchen Gewebe des Körpers uͤbereinſtimmen und daher weder der Kohlenſtoff des Gummi's, Zuckers und Amylons, noch der Kohlen- und Waſſerſtoff der Fette und Oele zur Erzeugung des Blutes nothwendig ſiad.“ Eine der uͤberraſchendſten Thatſachen, deren Entdeckung wir der Gießener Schule verdanken, iſt die: daß Vegetabilien organi— ſche Elementarbeſtandtheile enthalten, welche in ihrer Zuſammen— ſetzung mit animaliſchem Faſerſtoffe, Eiweiß und Kaͤſeſtoff identiſch ſind. „Sie ſind nicht bloß aͤhnlich“, bemerkt Liebig, „ſondern durchaus identiſch, indem ſie nicht nur dasſelbe Verhaͤltniß von Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff, wie die thieri⸗ ſchen Elementarbeſtandtheile, ſondern auch dieſelbe Menge Schwefel, Phosphor und Kalkphosphat enthalten“. Animaliſcher und vege— tabiliſcher Faſerſtoff, Eiweiß und Kaͤſeſtoff loͤſen ſich in einer Auf⸗ loͤſung von Aetzkali auf. Wenn man zu dem Producte fluͤſſige Eſ⸗ ſigſaͤure hinzuſetzt, jo erhält man denſelben Niederſchlag, welcher auch immer von jenen Elementarbeſtandtheilen angewendet worden ſeyn mag. Die auf dieſe Weiſe niederfallende Subſtanz iſt das von feinem Erfinder ſogenannte Protein. Es beſteht, nach Lie: big, aus Cas Hs N& O!*, Fibrine, Albumen und Caſein find Zuſammenſetzungen aus Protein und Schwefel, und die beiden er— ſten auch von Phosphor. 239 Animaliſche Vegetabiliſche: Fibrine = Protein S Ph Fibrine = 2 Te, +Ph Albumen - + S2 Ph Albumen = + Ph Is Caſein 8 Vegetabiliſcher Faſerſtoff und thieriſcher Mn vegetabili⸗ ſches Eiweiß und thieriſches Eiweiß ſind, ſagt Liebig, ſelbſt nicht einmal in der Form voneinander verſchieden; wenn dieſe Beſtandtheile in der Nahrung fehlen, ſo wird die Ernaͤhrung des Thieres ge— hemmt, und wenn fie vorhanden find, fo erhalten die grasfreſſen— den Thiere in ihrem Futter dieſelben Beſtandtheile, von deren Vor— handenſeyn die Ernährung der Fleiſchfreſſer gänzlich abhängig iſt. 4. Das vierte Argument beſteht darin: daß die Menge der ſtickſtoffigen Nahrung, welche die Herbivoren zu ſich nehmen, hin laͤnglich ausreicht fuͤr das Wachsthum und die Entwickelung ihrer Organe und den Erſatz des Abgehenden. Wir verdanken Bouſſingault die Beſtaͤtigung dieſer Anga— be durch ſeine Verſuche an Kuͤhen und Pferden. Die in dem Vorhergehenden gegebenen Anſichten laſſen ſich auf folgende Hauptpuncte zuruͤckfuͤhren: 1) Stickſtoffige Nahrungsmittel koͤnnen allein in Blut umges wandelt werden und organiſche Gewebe bilden; 2) ſtickſtoffige Nahrungsmittel, welche Protein enthalten, wie Eiweiß, Faſerſtoff, Kaͤſeſtoff und Kleber, bilden allein die albumis noͤſen und fibrinoͤſen Gewebe; 3) Gallerte kann nicht in Blut umgewandelt werden, mag aber vielleicht für die Ernährung der gelatinöfen Gewebe (Zell- gewebe, Haut und Knorpel) dienen; 4) nichtſtickſtoffige Nahrungsmittel unterftügen den Athmungs⸗ proceß, indem ſie Kohlenſtoff, und in einigen Faͤllen Waſſerſtoff, hergeben, welcher in den Lungen verbrannt wird und ſo die thieri⸗ ſche Waͤrme aufrecht erhaͤlt; 5) einige der nichtſtickſtoffigen Nahrungsmittel tragen zur Bildung des Fettes bei, deſſen Kohlen- und Waſſerſtoff zuletzt in den Lungen verbrannt werden und auf dieſe Weiſe Waͤrme ent— wickeln; 6) mit Ausnahme des Zellgewebes, der Membranen, des Gehirns und der Nerven, haben alle organiſchen Beſtandtheile, aus denen der animaliſche Koͤrper beſteht, ihren Urſprung von Vegetabi— lien, welche allein Proteinverbindungen hervorbringen koͤnnen. (Aus dem Dublin Journal, January 1844.) Caſein = Miscellen. Ueber einige giftige Fiſche und Krabben der Nord— fee hat Herr Kefteloot feine Beobachtungen in dem VIII. Bde. des Bulletin de l’Acad. R. des Scienc. et belles lettres de Bru- xelles vom Jahre 1840 bekannt gemacht. Die Garneelen (Cran- gon vulgaris werden in Menge von der mittleren Volksclaſſe ge: geſſen. Herr K. hat davon einige Mal hitzige Fieber entſtehen ſe⸗ hen. Sie wurden geſalzen und gekocht, wie gewoͤhnlich: die mei— ſten Menſchen, welche davon aßen, bekamen Erbrechen Bauchgrim— men und Durchfall acht Tage lang. Herr K. ſelbſt aß einmal 719. XXXIII. 15. 240 ſelbſt ziemlich viel als Salat mit Eſſig und Oel. Morgens früh hatte er Angſt, Kopfweh, Ekel, Bauchgrimmen, Fieber und heftie gen Durſt fünf Tage lang mit Neſſelausſchlag und heftigem Bren- nen. Er nahm taͤglich zwei bis drei Warme Bäder mit Seife. Am ſechsten Tage ſtellten ſich Abſchuppung ein und er behielt fuͤnf Wochen lang eine Muskelſchwaͤche. — Wenn die Fiſcher nicht alle verkaufen, ſo ſalzen und kochen ſie einen Theil fuͤr den folgenden Tag; die anderen werfen ſie in Tonnen, wo ſie ſterben. Man miſcht ſie ſodann des anderen Tages unter friſch Gefangene. Die todtgeſalzenen und gekochten ſind ſchaͤdlich. Die friſchen ſind car— moiſinroth und laſſen ſich leicht ausſchälen; die todten nicht, find uͤberdieß weißlich, ſchmecken fad und alkaliſch. — Je friſcher, deſto gefünder. — In Paris darf man keine todten Hummern verkau— fen, wenn fie nicht gekocht ſind. In Rotterdam muß jeder Meer- ſiſch, der eine Nacht gelegen, von den Aufſehern unterſucht werden. — Bekanntlich bekommen die Fiſche mancherlei Krankheiten, wel— che von den Fiſchern verſchiedene Namen erhalten haben, nament— lich bei den Haͤringen. Schlimme Folgen hat Herr K. auch geſe⸗ ben bei Mytilus edulis, Ostrea edulis, Gadus aeglesinus, Clupea alosa Scomber scomber. — Die jungen Gadi fhaden der Vers dauung, wenn fie nicht ſtark geſalzen find, beſonders im Septem⸗ ber, wo fie gewoͤhnlich noch jung gegeſſen werden ꝛc. (Isis. ) Erftirpation zweier Eierſtocksgeſchwuͤlſte in einer Operation iſt von Dr. J. L. Atlee vorgenommen worden. Eine achtundzwanzigjaͤhrige, unverheirathete Dame hatte in den letzten drei Jahren an ascites gelitten und war wegen dieſem Ue— bel drei Mal punctirt worden, und erſt bei der dritten Punction hatte man die Ovarialgeſchwuͤlſte entdeckt. Ueberzeugt, daß dieſe angeſchwollenen Eierſtöcke die Urſache des hydrops wären, ſchlug Dr. Atlee die Exſtirpation derſelben vor, und die Kranke willigte in die Operation ein. Ein Schnitt von 9“ Länge wurde, von der Schaam anfangend, längs der weißen Linie durch die Bauchdecken hindurch⸗ geführt. Die linke Eierſtocksgeſchwulſt war nur an dem frei im Bauche ſchwebenden runden Mutterbande befeſtigt, waͤhrend der rechte Eierſtock auf zwei Drittel ſeines Umfanges an dem Rande des Beckens und am Netze adhaͤrirte und daher ſchwieriger zu ent⸗ fernen war. Beide Eierſtoͤcke wurden ohne bedeutende Blutung erfiirpirt, und die große Wunde, welche durch die Knopfnath zu— ſammengebracht wurde, iſt jetzt ſieben Wochen nach der Operation vollſtaͤndig vereinigt, ausgenommen an dem unteren Ende, wo die Ligaturen um die runden Mutterbaͤnder noch liegen. Da ſich bie: jetzt kein unguͤnſtiges Symptom gezeigt hat, ſo iſt die Kranke, als jeder Gefahr enthoben, zu betrachten. Die Geſchwuͤlſte wogen 2 Pfund, die eine 11 Pfund, die andere 2 Pfund. (Aus New- Vork + Journ. of Med. Science in Dublin Journ., May 1844.) Zur Erhaltung pathologiſcher Praparate empfiehlt Pigne die Anwendung einer Kreoſot-Aufloͤſung in dem Verhaͤlt⸗ niſſe von 4, 5, 6, 8 — 10 Tropfen auf 13 Liter oder Pinte Waf: fer. Die in dieſe Aufloͤſung gebrachten Präparate erhalten ſich uns verändert eine unbegraͤnzte Zeitlang; zuſammengeſchrumpfte und weißgewordene Präparate bekommen wieder ein friſches Ausſehen. Selbſt Portionen Blut, Eiter ꝛc. koͤnnen unverändert in der So— lution aufbewahrt und nach Belieben unterſucht werden. (Aus Gaz. med. de Paris in Lond. med, Gaz., April 1844.) Bibliographische Annuaire de Chimie, comprenant les applications de cette scien- ce à la médecine et à la pharmacie, ou Repertoire des de- couvertes et des nouveaux travaux en chimie faits dans les diverses parties de l'Europe. Par E. Millon et J. Reiset, avec la Collaboration du docteur Hoeser. Paris 1845 8 De la vie du sang au point de vue des croyances populaires. Discours etc. Par M. d’4mador. Montpellier 1844. 8. Mena eı tem Medecine legale hippiatrique, abreg& de la pratique vétérinaire, ou Guide du commerce des animaux domestiques etc. Par F. Jauze. 2de edition. Paris 1845. 8. Consultations médico-légales sur quelques signes des paralysies vraies et sur leur valeur relative, Par M. Macloughlin MD. 2de édition. Paris 1845. 8. — ——— — — Neue Notizen aus dem Gebiete der Nakur - und Meilkunde, geſammelt und mitgetbellt won dem ObersMebieinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalratbe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 720. (Nr. 16. des XXXIII. Bandes.) Februar 1845. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stückes 3 975 Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g 30 K, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 3 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Ya 5 ee Ueber einige Saͤugethiere und Voͤgel des weſtlichen Auſtraliens. In der Sitzung der Londoner zoologiſchen Geſellſchaft hat Herr Gould aus einem Briefe des Herrn Gilbert folgende Nachrichten uͤber die Lebensweiſe ꝛc. mehrerer weſt— auſtraliſchen Thiere vorgetragen. „Was die Kaͤnguruhs anbetrifft, ſo habe ich von dem kleinen filberhaarigen Lagorchestes (L. albipilis) gehört und mir viel Muͤhe gegeben, ein Exemplar zu erhalten. Den Eingeborenen am Moore'sfluſſe iſt dieſe Species ſehr wohl bekannt, und ſie nennen dieſelbe Nar-nine. Sie findet ſich nur in mit Buſchdickichten beſtandenen Ebenen, ſowie am Rande von Moräften, wo die Zwergmelaleuca fo dicht ſteht, daß man es faſt unmoͤglich findet, ſich einen Weg durch dieſelbe zu bahnen. Da nun das Thier ſeine Pfade in dieſen Dickichten hat, ſo bekommen ſelbſt die ſcharf— ſichtigen Eingeborenen daſſelbe nur ſelten zu ſehen. Man kann dieſes Kaͤnguruh nur erlangen, wenn man ein Stud Landes von den Eingeborenen abholzen laͤßt und daſſelbe mit Schuͤtzen und Hunden umſtellt. Dieſe ſchoͤne kleine Species hat, wie mir Herr John— ſon Drummond verſichert, ganz dieſelbe Art von Lager, wie der Europaͤiſche Haſe. Von der anderen Species, die hinter den Ohren weiß ſeyn ſoll, habe ich nicht das Ge— ringſte erfahren koͤnnen, und ich moͤchte ſie faſt fuͤr eine bloße Spielart halten. Es ſind mir viele Kaͤnguruhs mit weißen Flecken an verſchiedenen Theilen des Kopfes vorge— kommen, und alle Jaͤger kommen dahin uͤberein, daß ſolche Faͤlle keineswegs zu den Seltenheiten gehoͤren. Der einzige Umſtand, der mir auf eine ſpecifiſche Verſchiedenheit hinzu— deuten ſcheint, iſt die röthlihe Farbe des Pelzes, welche haͤufig von den Jaͤgern wahrgenommen worden iſt. Die wollige Behaarung iſt nur der Beſchaffenheit des Winter— pelzes beizumeſſen, die ſich bei allen Species findet. „Das graue Kaͤnguruh (Macropus ocydromus, Gould), von dem ich eine intereſſante Reihe von Exem— Ne. 1820, — 720. plaren erlangt, ift im Sommer ſehr fpärlich behaart, waͤh— rend es im Winter einen dichten wolligen Pelz hat. Das Maͤnnchen wird von den Eingeborenen Vuhngur und das Weibchen Work genannt. Dieſes große Kaͤnguruh iſt in der ganzen Colonie Weſtauſtraliens, vom König: Georg’s = Sund im Suͤden bis 40 Engl. Meilen noͤrdlich vom Moo— re'sfluſſe, als dem aͤußerſten, von mir erreichten, Puncte, ziemlich haͤufig. Es ſcheint durchaus nicht an Localitaͤten von beſonderer Beſchaffenheit gebunden zu ſeyn, indem es ſich ebenſowohl in den Gummi-Waͤldern, auf Bergen, als auf offenen Ebenen und kahlen grasreichen Huͤgeln findet. An offenen Stellen trifft man es jedoch am Haͤufigſten, und zwar wohl deßhalb, weil es dort ſeine Feinde ſchon aus großer Entfernung wahrnehmen kann. Auf dem Wege von Guilford nach Vork bemerkt man zuweilen Rudel von 4 bis 5 Stuͤck; aber weiter landeinwaͤrts, zumal auf den Ebenen von Gwangum, ſieht man deren oft ſolche von 30 bis 50 Stuͤck. Mehr gegen Süden, jenſeits Kojenup, ſind dieſel— ben noch zahlreicher. Das groͤßte Rudel, deſſen ich in ganz Auſtralien je anſichtig ward, fand ich im Jahre 1840 auf der Gordon-Ebene beiſammen. Es beſtand aus wenigſtens 500 Stuͤck; doch ſchaͤtzten mehrere meiner Gefaͤhrten das— ſelbe noch weit höher. „Das große ausgewachſene Maͤnnchen wird Buek oder Bumer genannt und fuͤrchtet ſich vor keinem Hunde. Ja es laſſen ſich nicht alle Hunde an daſſelbe hetzen, daher auch der Fall nur ſelten iſt, daß ein ſehr ſtarkes Exemplar erlegt wird. Sie entkommen nicht etwa durch ihre groͤßere Schnell— fuͤßigkeit, ſondern ſie koͤnnen vielmehr wegen ihrer Schwere oft nicht beſonders geſchwind oder lange laufen, ſo daß faſt jeder Hund ſie einholen koͤnnte. Statt alſo die Flucht zu ergreifen, ſetzt ſich der Buck zur Wehre, indem er ſich ge— rade in die Hoͤhe reckt und, wo moͤglich, mit dem Ruͤcken gegen einen Baum lehnt. So erwartet er die Meute und ſucht die Hunde entweder mit den Hinterpfoten niederzu— ſchlagen, oder ſie mit den Vorderpfoten zu umklammern und in dieſer Lage ſchwer, ja oft toͤdtlich, zu verwunden. Alte 16 245 . Hunde, die ihren Feind gut kennen, ſuchen ihn nur 2 Bellen zu ſtellen, bis der Jiger herannaht, der dann das Kaͤnguruh gewöhnlich durch einige Schlaͤge auf den Kopf zu Boden ſtreckt. Aber auch für den Jäger iſt die Sache nicht gefahrlos, denn das Kaͤnguruh laͤßt oft, wenn er ſich ihm naͤhert, den Hund im Stiche und geht auf den Mann los, ſo daß dieſer auch zuweilen bedeutende Wunden davon— traͤgt, bevor es ihm gelingt, das Thier niederzuſtrecken. Hart verfolgt, ſucht das Kaͤnguruh in's Waſſer zu kommen, und wenn die Hunde es dorthin verfolgen, ſo faßt es ſie zwiſchen die Vorderpfoten und haͤlt ſie ſo lange unter Waſ— ſer, bis ſie erſticken. Iſt das Waſſer ſeicht, ſo hat man Faͤlle, daß das Känguruh mit dem einen Hinterbeine einen Hund auf dem Boden feſtgehalten und ſo die Ankunft eines anderen muthig abgewartet hat. *) Am Schnellfuͤßigſten iſt das einjaͤhrige Weibchen, bevor es geworfen, ſowie das zweijährige, welches ein Mal geworfen hat. Dieſe Exem— plare laufen fo geſchwind, daß man fie „fliegende Hirſch— kuͤhe“ nennt, und es gelingt oft den geſchwindeſten und aus⸗ dauerndſten Hunden nicht, ſie einzuholen. Iſt ihnen der Hund auf den Ferſen, ſo ſchlagen ſie einen Haken, und in⸗ dem der Hund noch eine Strecke in gerader Linie fortſchießt, gewinnen ſie wieder einen Vorſprung. Allein bei dieſem Manoͤver kommt es haͤufig vor, daß das Kaͤnguruh das Bein, auf welches es ſich bei der ſchnellen Wendung ſtüuͤtzt, bricht und auf dieſe Weiſe ohne Muͤhe gefangen wird. Selbſt alte Boͤcke verungluͤcken zuweilen auf aͤhnliche Weiſe, indem ſie auf der Flucht gegen einen Baumſtamm rennen und todt niederfallen. „Wenn man das Kaͤnguruh in der Gefangenſchaft ſo ruhig und gutmuͤthig ſieht, ſo ſollte man kaum glauben, daß es in wuͤthenden Zorn gerathen koͤnne; und doch iſt dieß im Naturzuſtande der Fall. Wenn ihm jeder Ausweg zur Flucht verrannt iſt, ſo kaͤmpft es auf Tod und Leben, und oft wuͤrde es den Sieg erringen, wenn es nur mit Hunden zu thun haͤtte. Allein, ſowie es des Menſchen anſichtig wird, ſcheint ihm ſein Inſtinct zu ſagen, daß dieſer ſein gefaͤhrlichſter Feind if; feine Lippen kruͤmmen fid dann und ziehen ſich zuſammen, die Augen funkeln vor Wuth und treten weit aus ihren Hoͤhlen hervor; es bewegt die Ohren ſchnell hin und her und laͤßt eine Art Grunzen, ein halb ziſchendes, halb ſchnaubendes Geraͤuſch, hoͤren. Seine Auf— merkſamkeit wird von den Hunden ab- und ganz auf den neuen Feind gezogen, ſo daß jene es nun leicht packen und wuͤrgen koͤnnen. „Wenn ein Weibchen, das ein ziemlich ausgetragenes Junge im Beutel hat, gehetzt wird, ſo wirft es oft mit— telſt eines heftigen Stoßes daſſelbe heraus. Die Jaͤger ſind nicht daruͤber einig, ob dieß geſchieht, damit das Thier ſchnel— ler fortkommen koͤnne, oder um die Hunde auf eine falſche Spur zu lenken. Mir iſt das Erſtere glaubhafter; denn ich habe geſehen, daß die Hunde uͤber das Junge hinwegſpran— gen, ohne daſſelbe zu beachten, waͤhrend es ſich niederkauerte, „) Vergl. die Beſchreibung einer Kaͤnguruhjagd in Nr. 603. (Nr. 9. d. XXVIII. Boes.) S. 135. d. Bl. D, Ueberſ. . XXXIII. 16. 244 oder im hohen Graſe a ohne den Verſuch zu ma⸗ chen, zu fliehen. Wenn die Mutter ihren Verfolgern ente geht, ſo kehrt ſie ohne Zweifel ſpaͤter zu dem Jungen zuruͤck. „Die Kaͤnguruhs, die in Waͤldern hauſen, ſind ſtets weit dunkler gefaͤrbt und dichter behaart, als die auf den Ebenen. Die Jungen ſind zuerſt ganz hellfahl und werden bis zum Alter von zwei Jahren immer dunkeler; alsdann wird ihre Farbe wieder heller und die Maͤnnchen ganz hell— grau, waͤhrend, wie geſagt, der Pelz im Sommer duͤnn und haarig und im Winter dicht und mehr wollig iſt. Weiße Abzeichnungen am Kopfe find nicht ſelten, zumal eine Blaͤſſe (ein weißer Fleck zwiſchen den Augen oder auf der Stirn); bei einem Exemplare fand ich die ganze Kehle, die Wangen und den oberen Theil des Kopfes gelblichweiß gefleckt. Auch Albinos trifft man häufig. Das größte Exemplar von dies ſer Kaͤnguruhſpecies, uͤber das ich etwas Beſtimmtes weiß, wurde bei Murray erlegt und wog 160 Pf. „Halmaturus manicatus, das fogenannte Buſch⸗ und blaue Kaͤnguruh der Coloniſten, bei den Eingeborenen von Perth: Gurh-a genannt; das Quarra der Eingebornen im Innern. „Dieß iſt die bei Weitem ſchnellfuͤßigſte Kaͤnguruhart, und mit Hunden laͤßt ſie ſich auch deßhalb ſchwer fangen, weil ſie ſich in dichtem Buſchwerke aufhaͤlt und ſtets im Zickzack läuft. Auf offenen Ebenen trifft man fie nur ſel— ten, und da ſie im Gebuͤſche mit großer Behendigkeit um die Buſchgruppen ſetzt, fo entwiſcht fie faſt immer. Waͤh⸗ rend der heißeſten Tagesſtunden druͤckt ſie ſich gern an ſchat⸗ tigen Stellen und laͤßt ſich dann oft ſo nahe kommen, daß man fie ſchießen kann, wenn fie aus ihrem Verſtecke her- ausſpringt. Ihr Gewicht betraͤgt 17 bis 21 Pfund. An ous stolidus. Der Noddy oder die dumme Seeſchwalbe und die ihm verwandten Species find die zahle reichſten Bewohner der Abrolhos-Inſeln, indem fie dort in ungeheurer Menge niſten. Der Vogel legt ſein Ei im November und December und baut ein Neſt von Seegras von etwa ? F. Durchm. Die Höhe des Neſtes beträgt 4 — 8 Zoll, allein die Geſtalt deſſelben iſt durchaus nicht regelmaͤßig. Oben iſt es faſt platt, und es befindet ſich in demſelben nur eine ſehr geringe Vertiefung, welche verhins dert, daß das Ei herabrollt. Denn der Vogel legt, gleich anderen Sternidae, nur ein Ei. Das Neſt iſt mit Ex⸗ crementen ſo uͤbertuͤncht, daß man anfangs glaubt, es be— ſtehe nur aus ſolchen. Es beſteht entweder auf einer kah— len Stelle des Erdbodens oder auf dem Gipfel der niedrigen Buͤſche über dem der Sterna fuliginosa. Dieſe beiden Species niſten in der größten Eintracht nebeneinander, und das Geſtraͤuch iſt uͤber gewaltige Strecken hin von den da⸗ rauf ſitzenden Schaaren dieſer Voͤgel ganz ſchaͤckig anzuſehen. Das Maͤnnchen der Sterna fuliginosa ſitzt friedlich auf dem Gipfel neben dem Neſte des Anous stolidus, waͤh⸗ rend fein Weibchen weiter unten bruͤtet. Als ich unter dies fen Vogelneſtern umberging, bemerkte ich mit Verwunderung die außerordentliche Hartnaͤckigkeit, mit der die Voͤgel ihren Poſten behaupteten. Sie wichen durchaus nicht von ihrem Eie oder Jungen und ließen eher auf ſich treten oder ſich 245 vom Neſte wegnehmen. Dabei waren die Neſter fo dicht nebeneinander, daß man vorſichtig gehen mußte, wenn man nicht bei jedem Schritte Eier oder Junge zertreten wollte. In der Mitte des Januars fand ich beinahe voͤllig ausge— bildete Embryonen in den Eiern und nur wenige Junge. Haͤufig, wenn ich die Voͤgel an den Fluͤgeln vom Neſte ge— hoben und eine Strecke weggeworfen hatte, kehrten ſie au— genblicklich zum Neſte zuruͤck, obwohl ich noch dicht dabei— ſtand. Dieſe Voͤgel wuͤrden ſich uͤber alle Maaßen ſtark vermehren, wenn dem nicht in dem Vorhandenſeyn einer ebenfalls dort ſehr häufigen Eidechſe, die ſich von den Jun⸗ gen naͤhrt, durch die Natur Schranken geſetzt waͤre. Durch laͤngere Beobachtung habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß unter 20 ausgebruͤteten Jungen kaum eins fluͤgge wird. Außerdem werden auch beſtaͤndig viele alte Voͤgel (von den Eidechſen ?) getoͤdtet. Die Eidechſen freſſen nicht den ganzen Vogel, ſondern nur das Gehirn und Ruͤckenmark; was uͤbrig bleibt, wird ſchnell vom Dermestes lardarius, der hier in ungeheurer Zahl zu treffen iſt und mir ruͤckſichtlich der Aufbewahrung meiner Sammlungen viel zu thun gab, bei Seite geſchafft. Den Noddy habe ich uͤbrigens nur auf der ſuͤdlichen Inſel gefunden. Er ſcheint, der Aeſung wegen nicht weit in die See hinaus zu gehen, da er gleich außer— halb des aͤußern Riffs Futter in Menge findet; aber nie ſah ich ihn in dem ruhigen Waſſer zwiſchen dem aͤußern Riffe und den Inſeln fiſchen. Er naͤhrt ſich von kleinen Fiſchen, kleinen Weichthieren, Meduſen, Sepien ꝛc. Augen- ſtern braun, Schnabel und Beine ſchwaͤrzlichgrau; fliegt et— was ſchwerfaͤllig und ſehr unregelmaͤßig. „Anous — ? Die kleinere dumme Seeſchwalbe. Dieſe Species ſteht allerdings dem Noddy fehr nahe, niſtet aber in einer ganz verſchiedenen Art. Sie iſt noch weit haͤufiger, als der Anous stolidus und baut ihr Neſt aus Seetang 4 — 10 F. uͤber dem Boden auf die Aeſte des Mangelbaums. Uebrigens lebt fie, gleich dem Anous Sto- lidus, geſellſchaftlich, fo daß die Neſter moͤglich dicht neben— einander ſind. Das Seegras wird nur uͤber den Aſt ge— worfen, ohne daß dabei auf deſſen Anordnung Ruͤckſicht ge— nommen wird, bis eine 2 — 4 Zoll ſtarke Schicht beiſam— men iſt, wobei die laͤngern Stuͤcke häufig unter den Aſt hers abhaͤngen, ſo daß das Neſt viel hoͤher ausſieht, als es wirk— lich iſt. Die Neſter und Baumzweige ſind von den Excre— menten des Vogels völlig weiß uͤbertuͤncht und verbreiten eis nen weithin wahrnehmbaren ekelhaften Geruch. Wenngleich auch auf andern Inſeln große Mangelbaumhaine zu finden ſind, ſo bewohnt doch dieſer Vogel lediglich die der ſuͤdlichen Inſel. Ich habe viele gewaltige Vogelſchwaͤrme geſehen, allein dennoch ſtaunte ich uͤber die ungeheuren Wolken, welche dieſer Vogel bildet, wenn er ſich Abends zuſammenſchaart. Waͤhrend der Fuͤtterzeit nahm das Ausfliegen nach Futter und das Zuruͤckkehren mit demſelben in entgegengeſetzter Rich— tung ſich hoͤchſt ſonderbar aus. Von dem Brutplatze uͤber das ruhige Waſſer bis jenſeit des aͤußern Riffs iſt eine Ent» fernung von etwa 4 engl. Meilen, und auf dieſer ganzen Strecke ſchien ſich, wegen der gewaltigen Menge von Voͤgeln, die dort hins und herflogen, fortwährend ein ſchwarzer Strei— 720. XXXIII. 16. 246 fen durch die Luft zu ziehen. Nachdem die Jungen die Als ten begleiten konnten, bemerkte ich, daß fie den Brutplatz ſaͤmmtlich des Morgens verließen und erſt Abends dahin zus ruͤckkehrten, und die, welche zuerſt eintrafen, ſchienen die Ankunft der Übrigen erſt abzuwarten, bevor ſie ſich völlig zur Ruhe begaben. Indem ſie ſich bei dieſer Gelegenheit verſammeln, laͤßt ſich deren unermeßliche Zahl am Beſten wahrnehmen. Selbſt Audubon, welcher die gewaltigen Schwaͤrme der Wandertaube beobachtet hat, wuͤrde ſich wohl des Staunens nicht haben erwehren koͤnnen, wenn er dieſe Wolken von lebenden Geſchoͤpfen Abends um den Schlaf— platz haͤtte kreiſen ſehen, waͤhrend das Gaken der Alten und das Pfeifen der Jungen ein betaͤubendes Geraͤuſch veranlaßt. Auch dieſer Vogel legt nur ein Ei. Die Brutzeit beginnt im December, und der Vogel ſcheint die Mangelbaumhaine ausſchließlich in Beſitz zu haben. Er behauptet bei'm Bruͤ— ten und bei'm Warten der Jungen ſeine Stelle ebenſo hart— naͤckig, als der Noddy, und laͤßt ſich eher vom Neſte weg— nehmen, als daß er daſſelbe verließe. Sein Fleiſch iſt wohl— ſchmeckender, als das des Anous stolidus, und wir töd- teten, ſolange wir uns auf jener Inſel aufhielten, taͤglich mehrere hundert Stuͤck. Der Umſtand, daß der Vogel auf den obern Aeſten niſtet, mag wohl zu deſſen gewaltiger Ver— mehrung viel beitragen, indem die Eidechſen die Mangel— baͤume nicht mit der Behendigkeit erklettern koͤnnen, welche zum Haſchen der Beute noͤthig iſt; daher er deren Nach— ſtellungen gemeiniglich entgeht, während der Anous stoli- dus, zumal wenn er auf der Erde niſtet, natuͤrlich vor die— ſen Feinden gar keinen Schutz hat. (Annals & Magaz. of nat. Hist. Nr. XCIII, Dec. 1844.) Ueber die Vegetation, von dem chemiſchen Stand— puncte aus betrachtet. Von den Herrn F. C. Calvert und Ferrand. (Sch Uu ß.) Die Verſuche eines Sennebier, Sauſſure, Du— mas, Bouſſingault, Liebig hatten dargethan, daß der Kohlenſtoff in den Pflanzen fixirt werde; allein man duͤrfte es uns Dank wiſſen, daß wir den Einfluß, den das Licht auf dieſe Fixirung, welche mit der Morgendaͤmmerung beginnt und den Tag uͤber bei zerſtreutem Lichte fortdauert, ausuͤbt, durch dieſe Reſultate naͤher nachgewieſen haben. Dieß aͤndert die bisher geltenden Anſichten uͤber die Fixirung des Kohlenſtoffs, die man nur unter directer Einwirkung der Sonnenſtrahlen fuͤr moͤglich hielt. Das dritte Capitel unſerer Abhandlung beſchaͤftigt ſich mit der chemiſchen Unterſuchung der in den Luͤcken mancher hohlen Staͤngel, die im Freien erwachſen waren, und aus denen wir die Gaſe in mit Queckſilber gefuͤllte Glocken ein— ſtreichen ließen, enthaltenen Luft. Bei den hierbei noͤthigen Arbeiten wurde ſehr ſorgfaͤltig darauf geſehen, daß keine Vermiſchung dieſer Gaſe mit der atmoſphaͤriſchen Luft ein⸗ treten konnte. 16 * 247 Die fo erlangten Gaſe wurden, wie die aus den Scho— ten des Blaſenbaumes herruͤhrenden, mit Schwefelſaͤure ge— trocknet, und ergaben, mit Aetzkali behandelt und in Folge anderer eudiometriſchen Verſuche, folgende Reſultate: Tabelle uͤber die Volummengen an Kohlenſaͤure. Nachtverſuche Tagverſuche [Vermehrung Name der Pflanzen: |Kohlenfäure =| Kohlenfäure »|d. Kohlenfäus Procente. Procente. re des Nachts Heracleum Sphondylium — 1,408 — Angelica Archangelica 2.581 1,766 0,815 Ricinus communis 3,078 2,721 0,347 2 Dahlia variabilis . » 3,133 2,331 0,252 Arundo Donax 4619 4.407 0,212 Leicesteria formosa . 2,879 2, 267 0,612 Sonchus vulgaris — 2,326 — Tabelle über die Volummengen an Sauerſtoff. Nachtverſuche] Tagverſuche Vermehrung Name der Pflanzen. Sauerftoffe | Sauerftoff: d. Sauerſtoffs Procente, Procente. | des Nachts. Heracleum Sphondylium| — 19,653 — Angelica Archangelica 20,364 19,784 0,580 Ricinus communis 18,656 16,876 1,780 Dahlia variabilis . 18 823 18,119 0,704 Arundo Donax 18,691 18,193 0,498 Leicesteria formosa . 19,137 18,703 0434 Sonchus vulgaris 19,774 17,971 1,803 1. Aus diefen Tabellen ergiebt ſich, daß die in den Stängeln eingeſchloſſene Luft in einer eigenthuͤmlichen Weiſe zuſammengeſetzt iſt und ganz andere Miſchungsverhaͤltniſſe darbietet, als die atmo— ſphäriſche Luft, wie man, abgeſehen vom Sauerſtoffe, aus der gro— ßen Menge Kohlenſaͤure erſieht, die mit der Vegetationskraft ſteigt. 2. Man nimmt wahr, daß die Menge der Kohlenſaͤure des Nachts bedeutender iſt, als bei Tage, daß jedoch hier der Unter ſchied bei Weitem nicht ſo betraͤchtlich iſt, wie bei den Schoten. Dieſer letztere Umftand erklärt ſich, unſerer Anſicht nach, daraus, daß der ganze Stängel, der caudex ascendens und descendens, ſowie die Wurzeln, bei der Abſorption thaͤtig ſind, waͤhrend zu der Verminderung (Aushauchung) nur der Theil des caudex as: cendens beiträgt, welcher dem zerſetzenden Einfluſſe des Lichts aus⸗ eſetzt iſt. a 3. Wir wollen noch darauf aufmerkſam machen, daß ſich in den Staͤngeln ſowohl der Sauerſtoff, als die Kohlenſaͤure des Nachts vermehrt, was mit dem in Betreff der Schoten erlangten Reſultate nicht uͤbereinſtimmt. Die Wichtigkeit der Rolle, die das Ammonjum ſpielt, iſt in neueſter Zeit durch die gelehrten Unterſuchungen eines Dumas, Bouffingault und Liebig außer allen Zweifel geſetzt worden; allein da eine Stelle des Essai de statique chimique des etres organisés von Du mas bei uns einige Zweifel über dieſen Punct aufſteigen machte, ſo hielten wir es fuͤr zweckmaͤßig, zu ermitteln, 720. XXXIII. 16. 248 ob das in der Luft enthaltene Ammonium direct zur Vermehrung des mit der Pflanze verbundenen Stickſtoffes beitrage, und wir glauben, dieſen Punct mit Sicherheit nachgewieſen zu haben, indem wir in der in den Pflanzen enthaltenen Luft gasfoͤrmiges Ammo⸗ nium entdeckten. Beſtimmung der Quantitaͤten von Ammonium in Geſtalt von ſalzſaurem Ammoniakplatin. Quantitäten Zeiten | Quantitäten d. angewand- Namen der Pflanzen. dıri: des Doppels ten Gaſes. |Berfuche. ſalzes. 550 Leicesteria formosa Nachts 0,0080 360 Desgl. Tags 0,0150 330 Arundo Donax Nachts 0,0060 370 Desgl. Tags 0,0035 1170 Ricinus communis Nachts 0,0100 1160 Desgl. Tags 0,0120 940 Phytolacca decandra (mit Saamen) [Nachts 0 0070 1140 Desgl. Tags 0,0155 940 Phytolacca decandra (mit und ohne Bluͤthen) [ Tags 0,0250 1650 Halbreife Schoten (von Co- lutea arborescens?)| Nachts 0,0970 473 Desgl. Tags 0,0050 Summa: 0,1890 (Ausgezogen aus dem Journal de Pharmacie et de Chimie, Juin 1844; Annales des sciences naturelles, Dec. 1844.) Miscellen. Eine Körperübung eigener Art, von welcher ich nie etwas gehoͤrt hatte, finde ich in einem dem New- Monthly Maga- ziue einverleibten Aufſatze „Twelf Days at Tiflis, by the Hon. C. Stuart Savile“ erwaͤhnt, wo es heißt. Eine Taͤnzerin gab einige ſehr ſonderbare Darſtellungen, von welchen die Erſtaunen erregendſte die war, „daß ſie mehrere Male ſtill ſtand und ihren Hals bewegte, ohne irgend eine andere Portion ihres Körpers zu rühren, ſelbſt nicht einmal ihren Kopf. Wie fie es bewerkſtelligke, war unmöglich, zu bemerken; ich glaube nicht, daß fie ſelbſt es wußte. Selbſt Mirza Saulik (ein vornehmer Perſer und Freund des Herrn S.) fagte, er habe niemals etwas Aehnliches geſehen. Ueber Epiphyten auf Weichſelzoͤpfen hat Hr. Pros feſſor A. W. v. Walther zu Kiew in der vierten Nr. von J. Muͤller's Archiv, 1844, S. 411, Beobachtungen mitgetheilt. Er halt dieſe Bildungen auf Weichſelzoͤpfen weder für Mycoder- ma (Gruby), noch den Haarbeutel oder Haarſack, wie Güns⸗ burg, für den Sitz der Pflanze, ſondern für organiſche Bläschen, die er „in die große Kategorie der fo häufig ventilirten Epiphys tenbildungen“ ſtellt. le, Fall einer ungewoͤhnlich gefaͤßreichen vasculaͤren Geſchwulſt, einem aneurysma aͤhnelnd, wegen wel— cher die carotis unterbunden wurde. Von Dr. David Kerr. Am 25. Januar 1840 wurde ich aufgefordert, Ma: dame Fraſer, eine magere, zartgebaute Frau von 67 Jah⸗ ren, zu beſuchen. Sje hatte an der rechten Seite des Hal: ſes eine große, umſchriebene Geſchwulſt, welche ſtark pulſirte und ſich vom Winkel des Unterkiefers faſt bis zum Bruſt⸗ und Schluͤſſelbeine hin erſtreckte, welches letztere die Anſchwel⸗ lung von Unten trug, und anſcheinend ihr Fortſchreiten nach Abwaͤrts aufgehalten hatte. Das Gefuͤhl von Pulſation in dem tumor, ſeine Ausdehnung nach jeder Richtung hin, wie durch eine centrifugale Kraft bewirkt, und die Zu- und Abnahme der Staͤrke der Pulſation durch Alles, was die 249 Stärke der Herzaction vermehrte oder verminderte; — alle dieſe Umſtaͤnde führten darauf, das Uebel fuͤr ein aneurys- ma zu halten, welches, aller Wahrſcheinlichkeit nach, beinas he ſein letztes Stadium erreicht hatte, indem es bedeutende Athmungs- und Schlingbeſchwerden mit ſtoͤrendem Huſten und ſchlafloſen Naͤchten erzeugte. Am unteren Theile der Geſchwulſt, gerade oberhalb des Sternoclavicular-Gelenkes war in bedeutender Ausdehnung Brand eingetreten, und ar— terielles Blut ſickerte zuweilen aus der Flaͤche des Geſchwuͤrs her— vor, Die Gangraͤn hatte vor mehreren Monaten mit eini— gen kleinen dunkelfarbigen Flecken begonnen, welche jetzt in ein einziges Geſchwuͤr von dem Umfange einer halben Krone zu— ſammengefloſſen waren; der Ulcerationsproceß war auch 1“ weit in die Tiefe gedrungen. Dieſer Umſtand, zuſammenge— nommen mit der Feſtigkeit der Geſchwulſt, brachten auf die Vermuthung, daß dieſelbe eine große Menge Blutgerinnſel entbalte. Der tumor hatte ſo ſehr das Ausſehen eines aneurysma arcus aortae, daß ich anfänglich, noch unbe- kannt mit der Geſchichte des Falles, meine Diagnoſe dahin ſtellte, und die Beſorgniß, einen toͤdtlichen Blutfluß zu ver— anlaffen, hielt mich von einer genauen Unterſuchung des Ue— bels zuruͤck. In der Vermuthung, daß die Kranke nur noch wenige Tage zu leben habe, verordnete ich Ruhe und ma— gere Diaͤt, ſowie Medicamente, welche die Action des Ge— faͤßſyſtems herabſtimmen ſollten, und bemühte mich, durch in Kleiſter getauchte Charpie eine kuͤnſtliche Decke fuͤr den von der Ulceration zerſtoͤrten Theil des tumor zu bilden. Nach acht bis zehn Tagen war ich ſehr angenehm uͤberraſcht, zu finden, daß bei der erwaͤhnten Behandlung die Blutung faſt ganz aufgehört hatte, und vor der Mitte Fe— bruars loͤſ'ten ſich die abgeſtorbenen Theile, und in weniger als einem Monate nach meinem erſten Beſuche war die wunde Fläche betraͤchtlich contrahirt und faſt vernarbt. Die zugleich angewendete diaͤtetiſche und pharmaceutiſche Behand— lungsweiſe hatte auch die Wirkung gehabt, eine temporäre Verkleinerung der Geſchwulſt herbeizuführen, und demzufol— ge eine Milderung der Symptome, welche in Folge des Druckes auf die trachea und den oesophagus entſtanden waren. Nachdem nun die Gefahr der ploͤtzlichen Haͤmorrhagie voruͤbergegangen war, wurde die Geſchwulſt genauer unter— ſucht. Man konnte den Stamm der carotis verfolgen, wie er ſich rund um den aͤußeren und hinteren Theil der Geſchwulſt herumwand, nach Hinten und Auſen durch die— ſelbe verſchoben, bis er vollſtaͤndig nach Außen und Hinten vom m. sterno-cleido-mastoideus lag, welcher nach Vorn gegen feine Vorderflaͤche hin zugleich mit der aͤußeren Droſ— ſelader gezogen war, deren Aeſte, ſowie die oberflaͤchlichen Halsvenen, ſehr erweitert waren, in Folge der Behinderung der Circulation durch den von der Geſchwulſt ausgeuͤbten Druck. Wenn man die carotis unterhalb ihrer Spal⸗ tungsſtelle gegen die Geſchwulſt hin druͤckte, ſo konnte die Pulſation in derſelben vollſtaͤndig zum Stehen gebracht wer— den, und ſowie man mit dem Drucke nachließ, kehrte die Puls ſation und die Ausdehnung der Geſchwulſt ſogleich zurüd. Als ich nach der Geſchichte des Falles forſchte, erfuhr ich, 720. XXXIII. 16. 250 daß vor ungefaͤhr dreißig Jahren eine kleine erbſengroße Ge— ſchwulſt nahe am Winkel des Unterkiefers nach einem hefti— gen Huſtenanfalle beobachtet worden war, und daß die Ge— ſchwulſt ihren urſpruͤnglichen Umfang acht bis zehn Jahre hindurch behalten habe. Um dieſe Zeit fing ſie an, zu wachſen, wahrſcheinlich in Folge anſtrengender Beſchaͤftigung, und erlangte allmaͤlig ihren jetzigen Umfang. Dieſe That— ſachen nun, — derürſprung der Geſchwulſt nahe am Wins kel des Unterkiefers, ihre allmaͤlige Vergroͤßerung und ihr Fortſchreiten von Oben nach Unten, die Pulſatien in ders ſelben, das Aufhoͤren der Pulſation bei'm Drucke auf den Stamm der carotis unterhalb ihrer Spaltung, und das raſche Zuruͤckkehren derſelben, ſowie die Ausdehnung des tu- mor bei Aufhebung des Druckes, — alle dieſe Umſtaͤnde, ſage ich, wuͤrden wenig Zweifel uͤbrig gelaſſen haben, den Fall fuͤr ein aneurysma der carotis zu halten, welches wahrſcheinlich an der gewoͤhnlichen Stelle oder am Urſprunge eines ihrer Zweige ſeinen Anfang genommen hatte, und die— ſes war auch die Anſicht aller Derer, welche den Fall geſe— hen hatten. Auch das Blaſebalggeraͤuſch, welches man bei'm Aufſetzen des Stethoſcops vernahm, ſchien deutlich die Stelle der Oeffnung in der Arterie anzudeuten; auch war das bei Aneurysmen fo gewoͤhnliche ſchrillende Gefühl ſehr ſtark an der dem Herzen zugewendeten Seite der Com— munication. Es wurde daher mit der oben angegebenen Behandlung fortgefahren; da die Kranke ſich aber nicht puͤnetlich in dieſelbe fügte, fo wurde die Pulſation in der Geſchwulſt ſtaͤrker, die Anſchwellung fing an, ſich nach der linken Seite hin auszudehnen, wobei ſie ſtaͤrker auf die“ trachea und den oesophagus druͤckte, die Atkmungs— und Schlingbeſchwerden ſteigerte und ſchlafloſe Naͤchte in Folge des haͤufigen quaͤlenden Huſtens verurſachte. Ich entſchloß mich daher zur Unterbindung der carotis com- munis, welche auch am 30. April ausgefuͤhrt wurde. Die kurze oben gegebene Beſchreibung von der Aus— dehnung und Lage der Geſchwulſt zeigt, daß es durchaus unmoͤglich war, das Gefaͤß an der gewoͤhnlichen Stelle un— terha b des m. omohyoideus zu unterbinden, da dieſe von der Geſchwulſt verdeckt wurde, welche auf dem sternum und der elavicula auflag und zum Theil über fie hinaus— hing, an welchen Theilen ſie auch zu adhaͤriren ſchien. Das Gefaͤß war indeß am oberen Theile ſeines Verlaufes zu— gaͤnglich, da wo es laͤngs der aͤußeren und hinteren Flaͤche der Geſchwulſt verlief, indem es an dieſer Stelle nach Hin: ten von Unterwaͤrts des sterno-mastoideus verdrängt und nur von der Haut, dem platysma myoides und der fascia cervicalis bedeckt war. Die Operation wurde auf folgens de Weiſe ausgefuͤhrt: eine Hautfalte wurde in ſchraͤger Richtung in die Hoͤhe gehoben und durchſchnitten, worauf dann die Wunde in der gehörigen Ausdehnung dilatirt wur— de. Nachdem die Haut des platysma und die fascia cer- vicalis mit ihren verdickten Zellgewebsverbindungen durch— ſchnitten waren, kam der ramus descendens n. hypo- glossi zum Vorſchein, von welchem zwei Aeſte weit größer, als gewoͤhnlich, erſchienen, und durchſchnitten wurden, da ein Verſuch, fie nach der Trachealſeite der Wunde hinzuzie⸗ 251 hen, heftige Schmerzen verurſachte. Die einzige Schwie⸗ rigkeit, welche ſich bei dieſem Theile der Operation darbot, entſtand durch die Blutung, welche eintrat und das Geſichts— feld verdunkelte, zum Theil von kleinen Arterien ausgehend, beſonders aber aus einem großen queeren Aſte der v. jugu— laris externa, welcher durchſchnitten wurde und ſoviel Blut ausſtroͤmen ließ, daß eine Ligatur nothwendig wurde. Nachdem die Wunde vom Blute gereinigt worden war, wurde die Gefaͤßſcheide mit der Pincette gefaßt und geöffnet. Die v. jugularis interna fand ſich nicht an ihrer ge— wohnlichen Stelle, an der äußeren Seite der Arterie, fon: dern faſt unmittelbar hinter derſelben, — ein Umſtand, wel— cher ſeine Erklaͤrung in der relativen Lage der Vene und Arterie, an der Baſis des Schaͤdels und in dem fort— waͤhrenden Drucke der Geſchwulſt auf die Gefäße von In— nen nach Außen finden moͤchte. Die von Außen um das Gefäß, mit Ausſchließung des vagus, geführte Ligatur wurs de auf der Arterie zuſammengezogen, und die Pulſation in der Geſchwulſt hoͤrte alsbald auf. Sechs bis ſieben Stunden nach der Operation blieb die rechte Geſichtshaͤlfte kalt; an demſelben Abende jedoch kehrte die normale Temperatur zuruͤck und mochte ein bis zwei Tage lang dieſe noch uͤberſteigen, obwohl dieſes nicht durch das Thermometer vergewiſſert wurde. Waͤhrend des Nach— mittags und der erſten Nacht nach der Operation fand ein Gefuͤhl von Schwere oder Oppreſſion an der Bruſt ſtatt, welches am zweiten Tage verſchwand. Auch trat ein hefti— ger Kopfſchmerz ein, welcher einige Tage lang dauerte und die Kranke des Schlafes beraubte. Am Tage nach der Operation fand eine ſehr undeutli— che Pulſation in dem tumor ſtatt, welche aber allmaͤlig verſchwand. Die Wunde vereinigte ſich allmaͤlig theilweiſe durch Adhaͤſion, theilweiſe durch Granulation; die Ligatur ging am ſechsundzwanzigſten Tage ab, und die Geſchwulſt war um dieſe Zeit bedeutend kleiner geworden. Der Huſten und die Athmungsbeſchwerden verſchwanden vollſtaͤndig. Ungefaͤhr vier Monate nach der Application der Ligatur ergab die Meſſung des Theiles des nicht angehefteten Umfanges der Geſchwulſt in der Längsrichtung 5“ und in der Queere 4“; vor der Operation waren die Verhaͤltniſſe 9“ und 7“ ge— weſen. Neun Monate nach der Operation bekam Mad. F. einen Anfall von Pneumonie, an welchem ſie ſtarb, und ſo bekam ich Gelegenheit, den tumor zu unterſuchen. Als ich ihn ſorgfaͤltig laͤngs der carotis von ihrem Urſprunge bis zu ihrer Spaltung zugleich mit einem Theile der aͤuße— ren und inneren Carotiden zergliederte, fand es ſich, daß das Gefaͤß an der Unterbindungsſtelle vollkommen obliterirt war. Es fand ſich jedoch keine Spur von einer Ruptur der Arte— rie oder von Gerinnſelſchichten, ſondern ein großer Aſt der carotis externa fuͤhrte in die Geſchwulſt, von welchem Aſte ſie allein verſorgt worden zu ſeyn ſchien. Der tumor ſelbſt beſtand groͤßtentheils aus Zellgewebe und mit Blut überladenen Gefäßen. 720. XXXIII. 16. 252 Es war dieſes alſo ein Fall von einer ungemein ge⸗ fäßreihen Geſchwulſt; ob dieſe als aneurysma per ana- stomosin oder erectile Geſchwulſt zu beſtimmen war, will ich neueren Pathologen uͤberlaſſen, aber ſie erzeugte wenig— ſtens alle dem aneurysma characteriſtiſchen Symptome und neigte augenſcheinlich zu demſelben lethalen Ausgange hin, befand ſich an derſelben Stelle, wie das aneurysma, und konnte in ihrem Fortſchreiten nur durch die Unterbins dung gehemmt werden. (Edinb. med. and surg. Jour- nal, 1844.) } Ueber Harnkrankheiten bemerkte Dr. John Houſton, in ſeiner, bereits erwaͤhnten, am 4. November 1844 in der Dubliner Medicinalſchule ge⸗ haltenen Vorleſung uͤber die neueren Fortſchritte der Chirurgie, Folgendes: In dem ausgedehnten Gebiete der Harnkrankheiten ſind in neuerer Zeit, zumal in Folge der Fortſchritte der Chemie und Hiſtologie, ſehr wichtige Verbeſſerungen hinſichtlich der Heilverfahren eingetreten. Der gehoͤrige Fortgang der Functionen der Nieren iſt zum allgemeinen Wohlbefinden des menſchlichen Körpers tes ſentlich erforderlich. Die geringſte Stoͤrung in demſelben bringt hier oder dort irgend eine nachtheilige Wirkung here vor, und eine ernſtliche Störung droht dem Leben Gefahr. Auf der anderen Seite werden durch Störung des allgemei⸗ nen Geſundheitszuſtandes die Functionen der Nieren unfehle bar ernſtlich geſtoͤrt. Dieſe Organe ſind recht eigentlich der Barometer der Geſundheit, in dem der Harn in aͤußerſter Empfindlichkeit das Queckſilber darſtellt, und dabei ſind nur chemiſche Kenntniſſe und die Schaͤrfung des Auges mittelſt des Mikroſkops erforderlich, um die Art und den Grad der pathologiſchen Veraͤnderungen zu ermitteln. Die Fälle, wo Störungen der Nierenthaͤtigkeit ſolche des allgemeinen Geſundheitszuſtandes herbeifuͤhren, kommen haͤufig vor, und in allen dieſen Faͤllen laͤßt ſich die Natur des Leidens hauptſaͤchlich durch Unterſuchung des Harns ent⸗ decken. Hierin liegt das Neue der Heilmethode. Man hat Faͤlle, daß Perſonen von einem langwierigen Siechthume be— fallen und zu den gewoͤhnlichen Geſchaͤften des Lebens ganz untauglich geworden find. Sie find von Waſſerſucht, Froſt⸗ ſchauder, Gonvulfionen, Wahnſinn befallen, ja mit allen die- ſen Leiden zugleich heimgeſucht worden; die geſchickteſten Aerzte haben ſie behandelt, und doch unterlagen ſie; und weder bei ihren Lebzeiten, noch nach ihrem Tode erkannte man die Natur ihrer Krankheit. Es hieß, ſie ſeyen an ei— ner Gehirn- oder Leberkrankheit oder ganz einfach an der Waſſerſucht geſtorben, und die Behandlung war unſtreitig auf Beſeitigung dieſer hypothetiſchen Leiden oder diefer Sym— ptome gerichtet. So ſind Tauſende in allen Lebensaltern unrettbar dahingewelkt, und erſt binnen der letzten 15 Jahre iſt die vollſtaͤndige Loͤſung dieſes Raͤthſels gelungen. Dem Genie und der Beharrlichkeit eines Bright war es vorbe— halten, dieſe langwierigen Krankheitszuſtaͤnde und traurigen Sterbefälle auf ihren wahren Urſprung, naͤmlich die lang⸗ 253 ſame, hinterliſtige und haͤufig kaum bemerkbare Entartung der Nieren, zuruͤckzufuͤhren, welche man gegenwaͤrtig allgemein morbus Brightii nennt. Dieſe Krankheit, welche an ſich keine ſtark hervortretenden Symptome hat und deßhalb lange gar nicht erkannt worden iſt, hat nichtsdeſtoweniger den ent— ſchiedenen Character, daß fie die Secretion der Nieren vers derbt und eines der ſchaͤdlichſten Ingredientien des Harns, den Harnſtoff (urea), welcher mit jenem aus dem Koͤrper geſchafft werden ſollte, in dem Organismus zuruͤckhaͤlt, fo daß die Lebensquelle an ihrem Urſprunge vergiftet und jede Function aufgeregt oder gelaͤhmt wird. Der pathologiſche Zuſtand der Nieren, welcher dieſe Krankheit charactetiſirt, iſt gegenwaͤrtig genau bekannt; allein welches Zeugniß haben wir bei Lebzeiten des Patienten für deſſen Vorhandenſeyn? An welchem aͤußern Zeichen eikennt man es zu der Zeit, wo eine ſolche Erkenntniß den meiſten Werth hat, d. h., während die Krankheit noch heilbar iſt? Das Kennzeichen iſt ein chemiſches, naͤmlich daß ſich durch Salpeterſaͤure, oder Hitze, Eiweißſtoff aus dem Harne nie— derſchlagen laͤßt, und auf dieſen ſcheinbar ſo aͤußerſt unbe— deutenden Umſtand legt man gegenwaͤrtig ſo ungemein viel Werth, daß eine Perſon, in deren Harn ſich fortwaͤhrend Eiweißſtoff befindet, nicht leicht zur Lebensverſicherung zuge— laſſen wird. Und allerdings hat ein ſolcher Patient, wenn ihm ein etwas erheblicher Unfall zuſtoͤßt oder er ſich einer irgend bedeutenden Operation zu unterwerfen hat, ſehr we— nig Ausſicht, mit dem Leben davonzukommen. Man findet im Harne verſchiedene Niederſchlaͤge oder Sedimente, welche von gewiſſen entſprechenden Krankheiten erzeugt werden und dieſelben anzeigen, und die genaue Be— ſchaffenheit dieſer Niederſchlaͤge, auf deren Beſtimmung bei der Diagnoſe ſehr viel ankommt, laͤßt ſich nur mit Huͤlfe des Mikroſkops erkennen. Viele Beſtandtheile derſelben, als Blutkuͤgelchen, Eiterkuͤgelchen, Schleimkuͤgelchen, Kryſtalle von Salzen, die ihre Natur durch eine beſtimmte Geſtalt bekunden, und durch deren Vorhandenſeyn dieſe oder jene Krankheit mit poſitiver Gewißheit angezeigt wird, ſind nur dem bewaffneten Auge erkennbar. Ein mir neulich vorges kommener Fall mag hier beiſpielsweiſe angefuͤhrt worden. Ein Arzt fragte mich unter folgenden Umſtaͤnden um Rath. Er war Abends vorher in ſeinem gewoͤhnlichen Geſundheits— zuſtande zu Bette gegangen, wachte aber mitten in der Nacht mit hoͤchſt peinigenden Schmerzen in der rechten Seite des Unterleibes auf, die ſich bis in den Schenkel hinabzogen. Nachdem dieſe Schmerzen 2 — 3 Stunden angehalten hats ten, ließen ſie nach, und es blieb ein Gefuͤhl von Taubheit zuruͤck. Uebrigens befand der Patient ſich ziemlich wohl. Da ich nach den Symptomen auf das Vorhandenſeyn eines Steins in der Blaſe oder einem der Harnleiter ſchloß, ſo nahm ich die mikroſkopiſche Unterſuchung des Urins vor, da ich denn zwei fuͤr die Diagnoſe hoͤchſt wichtige Gegenſtaͤnde wahrnahm, namlich einzelne Blutkuͤgelchen und Kryſtalle von kleeſaurem Kalke, jene ſchoͤnen oetaedriſchen Kryſtalle, welche unlängft vom Dr. Golding Bird entdeckt wurden. Die letz⸗ tern betrachtete ich als ein Zeichen der oralfauren Diatheſe und des Vorhandenſeyns eines Steins an irgend einer Stelle; 720. XXXIII. 16. 254 die erſtern bewieſen mir, daß der Stein ſich in Bewegung geſetzt und dabei einige zarte Blutgefaͤße der auskleidenden Membran zerriſſen habe. Zu dieſen Schluͤſſen berechtigte mich die mikroſkopiſche Unterſuchung des Harns, und auf ſie gruͤndete ich meine Diagnoſe und Behandlung. Ich ſagte dem Patienten, daß wahrſcheinlich nach einigen aͤhnlichen Anfaͤllen, vielleicht aber auch ohne weitere Schmerzen, ein kleiner Stein von ihm abgehen werde, welcher von der ſoge— nannten maulbeerfoͤrmigen Varietaͤt ſeyn wuͤrde. In der Zwiſchenzeit verordnete ich natuͤrlich die geeigneten Mittel. Am fuͤnften Tage beſuchte mich der Patient wieder und theilte mir mit, in der dritten Nacht nach der, wo er zuerſt erkrankt ſey, habe er wieder einen heftigen Anfall bekommen, der jedoch ſchneller voruͤbergegangen ſey, worauf er ſich ploͤtz lich von allen Schmerzen frei gefuͤhlt habe. Am folgenden Morgen ſey mit dem Harne ein Stein ausgeleert worden, den er mir zugleich vorlegte. Es war ein aͤchter maulbeers foͤrmiger Stein, der ſolche Rauhigkeiten und ſcharfe Spitzen darbot, daß es kein Wunder war, wenn er bei'm Durch- gange durch den Harnleiter Blutgefaͤße zerriſſen hatte. In dieſem Falle wurde alſo mittelſt des Mikroſkops nicht nur die wirkliche Anweſenheit eines Steines, ſondern auch deſſen Beſchaffenheit ermittelt, ſo daß alsbald eine Behandlung ein— treten konnte, welche auf Beſeitigung der Krankheitsanlage berechnet war und folglich der Bildung mehrerer Steine vor— beugen konnte. Eine ſo genaue und erſprießliche Diagnoſe haͤt e ſich gewiß durch kein andres Mittel erlangen laſſen. (The Lancet, 28 Dec. 1844.) Ueber Verrenkungen des astragalus mit den unteren Enden der tibia und fibula nach Einwaͤrts. Von Henry Hancock. Die Verrenkung des astragalus vom os calcaneum und scaphoides bei freibleibendem Gelenke iſt eine ſehr ſelten vorkommende Verletzung. Als Beiſpiel derſelben dient folgender Fall: Ein kraͤftiger, geſunder Mann, 24 Jahre alt, wurde am 5. December 1840 in das Charing- Cross- Hofpital mit einer Verletzung des rechten Knoͤchels aufgenommen, die er durch den Fall von einem Braufaſſe erhalten hatte. Vier Tage darauf, als die Anſchwellung beſeitigt war, fand man, daß die fibula ungefähr 3“ oberhalb des Knoͤchels gebrochen war; die Axe der tibia war, ſtatt auf die Mitte des Fußes zu fallen, nach Innen und etwas vorwaͤrts gebracht, ſo daß das Bein ausſah, als ob es nach dieſer Richtung hin gedreht worden ſey. Die Stellung und Richtung des Fußes waren nicht weſentlich veraͤndert, nur ſtand er betraͤchtlich an ſeiner aͤußeren Seite hervor, und die Zehen waren etwas nach Außen gewendet, aber der Fußruͤcken ſah nach Oben, wie im Normalzuſtande. Wenn man den Finger längs des dus ßeren Randes der Ferſe nach Vorwärts führte, fo konnte man deutlich die vorderen Enden des calcaneus, da, wo ſich derſelbe mit dem os euboideum verbindet, fühlen, waͤhrend oberhalb derſelben eine betraͤchtliche Vertiefung an 255 der Stelle des durch den astragalus und malleolus ex- ternus gebildeten Vorſprungs vorhanden war. Wenn man den Finger am Fußruͤcken entlang andruͤckend fortſchob, konnte man auch einen Eindruck hinter dem hinteren Rande des os naviculare wahrnehmen. An der inneren Seite des Fußes war ein Vorſprung, entſprechend dem inneren Knoͤchel, deſſen unterer Rand deutlich unterſchieden werden konnte, und nach Vorn und Unten ein zweiter mehr hervorragender Vor— ſprung, augenſcheinlich der Kopf des astragalus, über welchem die Haut geſpannt, duͤnn und mit Blaͤschen be— ſetzt war. Der Abſtand zwiſchen dem malleolus internus und dem Vorſprunge des calcaneus war etwas größer, als am geſunden Fuße, und zwiſchen dem unteren Ende des inneren Knoͤchels und der Fußſohle uͤber 1“ verkleinert. Das Knoͤ— chelgelenk war noch der Flexion und Extenſion faͤhig, und im Mittelpuncte des Fußes fand eine ſehr bedeutende Be— weglichkeit ſtatt, entſprechend dem Sprung-Wuͤrfelbeinge— lenke, welches in dem gegenwärtigen Juſtande ein doppeltes Gelenk ausmachte. Man ſchloß aus dem Thatbeſtande, daß der astragalus von Außen nach Innen von den obern Gelenkflaͤchen des calcaneus fortgedraͤngt worden ſey, mit ſich die unteren Enden der tibia und fibula ziehend, welche wahrſcheinlich auf dem kleineren Fortſatze des calcaneus ſitzen blieben. Die Verrenkung wurde reponirt. Am dritten Tage nach der Reduction vereiterte die Haut uͤber dem Puncte des Druk— kes, und der vordere Theil des astragalus blieb in ſeiner geeigneten Stellung bloßgelegt; mehrere Tage hindurch fand eine ſehr ſtarke Eiterabſonderung ſtatt, durch welche auch das ligam. calcaneo -naviculare zerſtoͤrt wurde. Da nun der astragalus nicht laͤnger in dieſer Richtung feſtge— halten wurde, fo drehte er ſich nach und nach auf dem cal- caneus herum, bis endlich ein großer Theil ſeines Kopfes durch die aͤußere Oeffnung hervorragte, was das Schließen der Wunde verhinderte, da der Knochen nicht in ſeiner ge— hoͤrigen Stellung erhalten werden konnte, ſondern ſeinen Ge— lenkknorpel verloren hatte und nekrotiſch wurde. Der Ver— faffer entfernte darauf den Kopf auf eine Ausdehnung von über 3“ mit einer kleinen Säge, worauf die Wunde allmaͤ— lig verheilte, die Theile ſich conſolidirten und der Mann im Juli, 7 Monate nach der Verletzung, geheilt das Spital verließ. 720. XXXIII. 16. 256 Zehn Monate nachher wurde folgender Bericht abge— ſtattet: Er geht ſo gut, wie vor dem Unfalle, ohne Stock oder ſonſt eine kuͤnſtliche Stuͤtze. Das Bein iſt laͤnger, als das andere und rund um den Knoͤchel etwas verdickt; aber die Bewegung iſt gut, und die Richtung des Fußes und die Stellung der Knoͤchel normal. (Lancet, 6. April 1844.) Miscellen. Ueber cancer mammae hat Herr Caͤſar Hawkins fole genden Fall beobachtet. Eine 44 J. alte Frau ward in das St. George⸗ Spital mit einem ſkirrhoͤſen tumor aufgenommen. Die Bruſtdruͤſe ſelbſt ſchien nicht afficirt zu ſeyn. Die Kranke gab als Urſache einen Schlag auf die Bruſt vor zwei bis drei Jahren an, ſechs Monate fpär ter war der tumor bemerkt wordenz vor ſechszehn Monaten wurde er an der Haut firirt und ging bald darauf in Verſchwaͤrung über. Die Bruſtwarze war nicht eingezogen, die Haut uͤber derſelben un— verletzt, der tumor ſelbſt ſehr hart, hoͤckrig und feſt auf dem dar⸗ unter gelegenen Muskel aufſitzend; von Zeit zu Zeit entſtanden ſchießende Schmerzen; zwei bis drei Achſeldruͤſen waren verhaͤrtet und angeſchwollen. Die Kranke ſah alt, ſchwach und kraͤnklich aus mit kurzem Athem, des Morgens Huſten, dumpfer Percuſ. ſionston in beiden Lungen. Sie war vor vierzehn Monaten ent⸗ bunden worden und hatte ihr Kind bis vor acht Tagen geſtillt. Man nimmt ſonſt an, daß der Bruſtkrebs haͤufiger bei unverheira⸗ theten Frauen, als bei verheiratheten, vorkomme. Dr. H. ſpricht ſich jedoch, nach ſeiner Erfahrung, für die entgegengeſetzte Anſicht aus. Dieſer Fall erſchien ihm nicht für die Operatidn geeignet, und zwar aus folgenden Gründen: Der tumor befand ſich außer- halb der Bruſtdruͤſe, war hart, dicht und zuſammengezogen, und Tumoren dieſer Art entwickeln ſich immer langſamer. Ferner war hier Haut und wahrſcheinlich auch das fubeutane Zellgewebe bereits zu ſehr degenerirt, und die Achſeldruͤſen hatten ſchon an der Af— fection Theil genommen. Ueberdieß war die Kranke duͤrr und mas: ger, und bei ſolchen Perſonen macht der cancer langfame Forts ſchritte und blutende, fungoͤſe Granulationen kommen nicht ſo fruͤh zum Vorſcheine; — Dr. H. begnuͤgte ſich daher damit, eine kraͤf⸗ tigende Diaͤt und den Gebrauch der Sarſaparille fuͤr die Kranke an— zuordnen, unter welcher Behandlung ſich ihr Zuſtand bedeutend verbeſſerte und die Schmerzen gemildert wurden. (London med., Gaz., June 1844.) In dem Dorfe Gheel beſteht bekanntlich eine Irrencolonie, in welcher man den Verſuch gewagt hat, viele Geiſtesabweſende oh= ne ſpecielle Aufſicht und nur mit Feldarbeit beſchaͤftigt zu vereini⸗ gen. In dieſer fand im Juli, nach dem Précurseur d’Anvers, ein trauriges Ereigniß ſtatt. Der Buͤrgermeiſter, Herr Lebon, naͤmlich wurde, als er das Gemeindehaus verließ, von einem jener Geiſteskranken in einem ploͤtzlichen Anfalle von Wuth ermordet. Es beweiſ't dieß die große Gefahr eines ſolchen aͤrztlich-admi⸗ niſtrativen Verſuches. — TE TE TEE are STE ET TEITEErrerEErEn Bibliographische Geologists Textbook by Professor Ansted. London 1845. 8. Beiträge zur Ornithologie Griechenland's von H. Graf von der Mühle ꝛc. Leipzig 1844. (Es find 321 Gattungen aufgeführt. Beachtenswerth iſt, daß in Oken's Iſis 1843. Heft V. S. 324 von Lindermayer eine Ueberſicht der Voͤgel Griechenland's erſchienen iſt. Davon find 14 Arten Hrn. Lindermayer, 72 Neuigkeiten dem Graf von der Mühle ea allen Beiden beobachtet fin.) ein 2¹ von On Diseases of the Rectum and Anus. 5 os Silver. don 1845. 8. General Nature and Treatment of Tumors. By G. seien London 1845. 8, Lon- — — — Neu ele ti zen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalraſhe und Profeſſor Frorſiep zu Berlin. Moe. 721. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 17. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 g 30 A, Maͤrz 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 8 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 875 Na baun r R u n de. Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Anneli— den, angeſtellt an den Kuͤſten Sicilien's. Von Herrn Milne Edward's. Als ich die Aufmerkſamkeit der Zoologen auf die inni— gen Beziehungen lenkte, welche mir zwiſchen der Art der Entwickelung der Thiere und den reſpectiven Verwandtſchaf— ten derſelben zu beſtehen ſchienen, habe ich mir die Triftig— keit mancher Einwuͤrfe, die ſich gegen meine Anſicht aufſtel— len laſſen, nicht verhehlt; allein von der Wahrheit der Grundſaͤtze, auf die ich mich ſtuͤtzte, uͤberzeugt, glaubte ich vor der Hand dieſe Schwierigkeiten bei Seite liegen laſſen zu dürfen, indem ich nur die Geſammtheit der hinlaͤnglich feſtſtehenden Thatſachen in's Auge faßte, mir jedoch vor— nahm, jeden der beſonderen Faͤlle, die mit den ſo ermittelten allgemeinen Regeln im Widerſpruche zu ſtehen ſchienen, bei erſter Gelegenheit einer neuen Pruͤfung zu unterwerfen. Ein Mangel an Uebereinſtimmung zwiſchen der Theo— rie und den beobachteten Thatſachen beſtand in der voruͤber— gehenden Form, welche ein geſchickter Naturforſcher, Herr Loͤwen von Stockholm, bei einer jungen Annelide wahr— genommen haben wollte. Allerdings hatten mich die fruͤher dargelegten Betrach— tungen auf die Anſicht geführt, daß die zoologifhen Ver— wandtſchaften der Dauer eines gewiſſen Parallelismus im Verlaufe der genetiſchen Erſcheinungen bei den verſchiedenen Thieren proportional ſeyen, ſo daß die in ihrer Entwicke— lung ſtehenden Geſchoͤpfe um ſo fruͤher aufhoͤren wuͤrden, einander aͤhnlich zu ſeyn, je weiter die beſonderen Gruppen, denen fie angehören, in der natuͤrlichen Claſſification aus- einanderliegen; und daß die weſentlichen und vorherrſchen— den Charactere jeder dieſer Gruppen nicht ſowohl in einigen Eigenthuͤmlichkeiten der permanenten organiſchen Formen der erwachſenen Exemplare, als in dem mehr oder weniger lan— gen Fortbeſtande einer wenigſtens ſcheinbar gleichartigen ur— ſpruͤnglichen Conſtitution begruͤndet waͤren. No. 1821. — 721. Wenn die gegenſeitigen Beziehungen der Thiere ſich wirklich nach dieſem Geſetze richten, ſo muß die Aehnlich— keit zwiſchen den einer und derſelben Gruppe angehoͤrenden Arten immer um ſo bedeutender ſeyn, als der Embryo erſt weniger entwickelt iſt; und ſobald die Charactere irgend eines urſpruͤnglichen Typus ſich ausgepraͤgt haben, koͤnnen die or— ganiſchen Verwandlungen, welche das neue Weſen erleidet, nur ſecundaͤre Modificationen veranlaſſen, ohne je die be— reits beſtehenden Verwandtſchaften zu vernichten; daher das ſich entwickelnde Geſchoͤpf nie nacheinander Formen annch— men kann, welche zwei verſchiedene Gruppen characterifiren, fo daß, z. B., der Embryo eines Witrbelthieres nie denſel— ben Typus, wie ein Weichthier, noch ein Weichthier die dem Typus der Anneliden zukommende Organiſationsweiſe dar— bieten kann. In faſt allen bisjetzt conſtatirten Fallen läßt ſich, mei- nes Erachtens, das Vorhandenſeyn dieſer Beziehung zwiſchen der chronologiſchen Ordnung der Entwickelungserſcheinungen und der hierarchiſchen Ordnung (einander influirenden Rang: ordnung?) der natürlichen Abtheilungen des Thierreichs nicht verkennen. Allein, einigen Beobachtungen des Herrn Löwen zufolge, koͤnnte man glauben, die Anneliden machten eine Aus— nahme von dieſer Regel; denn die junge Larve, die dieſer Zoo— loge als wahrſcheinlich der Familie der Nereidier angehoͤrig be— ſchrieben hat, wuͤrde die Charactere der Abtheilung, zu der ſie ſonach zu ſtellen waͤre, erſt erlangen, nachdem ſie die Form eines Polypen beſeſſen hätte *). Eine ſolche Anomalie wuͤrde den Werth der Folgerun— gen, zu denen ich gelangt war, um Vieles vermindert ha— ben; allein, bevor ich dieſelbe fuͤr guͤltig anerkannte, glaubte ich die vorzuͤglichſten Entwickelungsphaſen der Organiſation der Anneliden nochmals ſtudiren zu muͤſſen, da dieſer Ge— genſtand bisher erſt ſehr unvollſtaͤndig unterſucht worden *) Siehe die Abbildung der urſpruͤnglichen Form der Larve in den Annales des Sciences naturelles, 2e Série, T. XVIII. Pl. IX. Fig. 1. 17 259 war und mir, abgeſehen von jedem zufälligen Intereſſe, hinreichend wichtig ſchien. Ich habe mich daher, von der Zeit meiner Ankunft auf Sicilien an, mit demſelben be— ſchaͤftigt und mit Vergnügen gefunden, daß die Embryolo— gie der Anneliden der eben dargelegten Anſicht, daß die natuͤrlichen Verwandtſchaften der Thiere der Dauer des Pa— rallelismus in der Richtung der genetiſchen Erſcheinungen proportional ſey, keineswegs widerſpricht, ſondern vielmehr neue Belege fuͤr die Richtigkeit dieſer Theorie liefert. Meine erſten Beobachtungen ſtellte ich an Terebellen an, von denen eine, anſcheinend mit der Terebella nebu- losa, Montag, uͤbereinſtimmende große Art an der Nord— kuͤſte Sicilien's ziemlich häufig vorkommt und ſich zu Unter: ſuchungen dieſer Art ausnehmend wohl eignet; denn ihre braͤunlichgelben Eier entwickeln ſich in einer gallertartigen Maſſe, welche an dem Eingange der von der Mutter be— wohnten Roͤhre haͤngen bleibt. Als ich die unter dem Waſſer befindlichen Felſen, in denen ſich die Terebellen ver— bergen, aufmerkſam unterfuchte, konnte ich mir, vermöge je— nes Umſtandes, eine große Menge dieſer Eier verſchaffen, ohne Gefahr zu laufen, mich, ruͤckſichtlich ihres Urſprunges, zu irren, und wenn ich dieſelben in ein mit Seewaſſer ver— ſehenes Gefaͤß brachte, ſo hatte es keine Schwierigkeit, ſie lebensthaͤtig zu erhalten, und deren Entwickelungsart zu be— obachten. (Es folgt nun die Beſchreibung dieſer Eier und der ſich in ihnen bildenden Embryonen). Zu der Zeit, wo die jungen Terebellen ſich der tunica vitellina des Eies entledigen, welche reſorbirt zu werden ſcheint, ſind dieſelben noch außerordentlich unvollkommen. Bei dem Auskriechen gleichen ſie in keinem Puncte dem er— wachſenen Thiere, und es würde a priori unmoͤglich ſeyn, die Claſſe, der ſie angehoͤren, zu beſtimmen. Man ſieht nur, daß es Ningelthiere “) aus der großen Abtheilung der Wuͤrmer ſind. Allerdings verlaͤngert ſich der bisher im Eie kugelfoͤr— mig zuſammengeballte Embryo bis zur ovalen Form und faͤngt an, ſich mit Huͤlfe einer Menge ſchwingender Wim— perhaare zu bewegen. In dieſem Stadium ſcheinen die jungen Terebellen auf den erſten Blick Aehnlichkeit mit den Larven gewiſſer Zoophyten, z. B., denen der Polypen und Meduſen, zu haben; allein dieſe Aehnlichkeit ruͤhrt nur von dem zuſammengezogenen Zuſtande her, und bald ſieht man ſie ſich mehr verlaͤngern, nach Hinten zu duͤnn werden und am Vorderende des Koͤrpers einen nicht mit Wimperhaaren beſetzten Lappen hervortreten, welcher oben zu jeder Seite einen rothen Augenpunct traͤgt. Hierauf geſtalten ſich die beiden Seiten ſymmetriſch in Beziehung auf eine gerade Me— dianlinie; die obere oder Ruͤckenflaͤche des Koͤrpers laͤßt ſich von der untern oder Bauchflaͤche unterſcheiden, und im Sn: nern bemerkt man einen der Laͤnge nach gerichteten Darm— canal. Sie bieten folglich ſchon einige, der Abtheilung der Ringelthiere zukommende Charactere dar und laſſen ſich mit gewiſſen Wuͤrmern aus der Claſſe der Turbellarien ver— gleichen. ) Ringelwuͤrmer, Anneles. 721. XXXIII. 17. 260 Uebrigens iſt dieſes erſte Stadium nur von kurzer Dauer, und die bald darauf eintretenden Veraͤnderungen in der Organiſation dieſer Larven heben die dem Typus der Ringelwuͤrmer eigenen Kennzeichen noch deutlicher hervor. Anfangs erſcheint die ganze Oberflaͤche des Koͤrpers, mit Ausnahme derjenigen des Kopfes, mit ſchwingenden Wimperhaaren bedeckt; allein bald ſieht man in geringer Entfernung vom hinteren Ende einen Queerſtreifen auftre— ten, der nur auf der Medianlinie hin gewimpert iſt, und zu dieſer Zeit beſteht der ſtufenweiſe immer mehr wurmfoͤr— mig gewordene Koͤrper der jungen Terebellen aus vier Ab— ſchnitten, naͤmlich 1) einem halbkreisfoͤrmigen plattgedruͤckten Kopfe, an welchem die Augen ſitzen; 2) einem gleich hinter dem Kopfe liegenden Segment, welches ſehr groß und uͤber und uͤber mit ſchwingenden Wimperhaaren bedeckt iſt, die als Ortsveraͤnderungsorgane dienen; 3) einem kahlen Ringe, der anfangs ſehr ſchmal iſt, bald aber an Breite gewinnt, und endlich 4) am hinteren Ende aus einem Segment, wel— ches, gleich dem hinter dem Kopfe liegenden Ringe, mit ſchwingenden Wimperhaaren beſetzt, aber viel kleiner iſt. Nicht lange darauf ſieht man zwiſchen dem endſtaͤndigen Ringe und dem vorletzten Segment einen kleinen Wulſt hervor treten, der ſich allmaͤlig zu einem fuͤnften Segmente entwickelt. Der Nahrungsſchlauch wird nun viel deutlicher, der Kragen von ſchwingenden Wimpern hinter dem Kopfe ſchrumpft zu— ſammen, und an der unteren Seite des Ringes, der den— ſelben traͤgt, bemerkt man eine dem Munde entſprechende Verſenkung; endlich kerbt ſich der hintere Rand des end— ſtaͤndigen Ringes aus, um den After zu bilden. In die— ſem Entwickelungsſtadium unterſcheidet man im Innern des Koͤrpers dieſer Laͤrvchen noch keine Muskeln; allein derſelbe iſt aͤußerſt zuſammenziehbar und veraͤndert ſeine Geſtalt oft in dem Grade, daß man ſie kaum wiedererkennt. Bald nehmen die Thierchen eine Kugelgeſtalt an; bald platten ſie ſich in dem Grade ab, daß ſie ſich wie eine Scheibe aus— nehmen, deren Rand mit Wimperhaaren beſetzt iſt; bald ver— ſchmaͤlert ſich dagegen ihr hinteres Ende und ſie haken ſich mit demſelben in den ſie umgebenden Schleim ein; ſie ziehen den Kopflappen unter den folgenden Ring ein und breiten dieſen in dem Grade aus, daß ſie faſt becherfoͤr— mig werden und mit manchen Polypen Aehnlichkeit er— halten; allein dieſe abnormen Formen ſind durchaus von keinem Beſtande, und wenn ich derſelben erwaͤhne, ſo ge— ſchieht dieß hauptſaͤchlich, weil ich vermuthe, daß die von Herrn Loͤwen erwaͤhnten Formen ihren Grund in Erſchei— nungen dieſer Art haben duͤrften. Nachdem die kleinen Terebellen dieſe verſchiedenen Ver: aͤnderungen erlitten haben, wachſen ſie ziemlich ſchnell; ihr Koͤrper wird immer geſtreckter und zuletzt voͤllig wurmfoͤrmig und gewinnt allmaͤlig immer mehr Ringe. Dieſe treten nacheinander in derſelben Weiſe auf, wie der vorletzte Ring, von dem bereits die Rede geweſen iſt, d. h. ſo, daß die Entwickelung des neuen Segments jederzeit unmittelbar hin— ter dem zuletzt gebildeten Ringe und vor dem Afterſegment ſtattfindet; daher, abgeſehen von dieſem letzten, die Seg— mente nach der Rangordnung des Alters aufeinanderfolgen. 261 Bald hört nunmehr auch die Larve auf, ein fußloſer Wurm zu ſeyn. Einfache pfriemenfoͤrmige Borſten, die auf fleis ſchigen Tuberkeln ſtehen, erſcheinen zu beiden Seiten des Koͤrpers, und die Entwickelung dieſer der Ortsveraͤnderung dienenden Anhaͤngſel geſchieht in derſelben Ordnung, wie die der Ringe, d. h., von Vorn nach Hinten. Ferner iſt zu erwaͤhnen, daß zu dieſer Zeit der Wimperhaarkragen hinter dem Kopfe immer mehr zuſammenſchrumpft, und daß die inneren Organe ſich immer ſchaͤrfer auspraͤgen. Es wuͤrde weitlaͤuftig und nicht allzuintereſſant ſeyn, wenn wir das Fortſchreiten der Entwickelung dieſer kleinen Anneliden von Stunde zu Stunde beſchreiben wollten; al— lein um von den ſpaͤter erfolgenden Metamorphoſen einen deutlichern Begriff zu geben, muß ich einen Augenblick bei der Koͤrperform verweilen, welche ſie zu dem Zeitpuncte be— ſitzen, wo ſie im Begriffe ſind, die gallertartige Maſſe, in der ſie ihre erſte Lebenszeit zugebracht haben, zu verlaſſen. Zuweilen bleiben dieſe Larven noch lange in dieſem gemein— ſchaftlichen Albumen; allein ſchon am dritten oder vierten Tage ſind ſie vollkommen faͤhig, ſich aus derſelben heraus— zubegeben und im Seewaſſer zu leben. Zu dieſer Zeit haben fie die Geſtalt kleiner ziemlich cys lindriſcher Wuͤrmer, die vorne ein Wenig breiter ſind, als hinten, und etwa 2 Millimeter Laͤnge beſitzen. Ihr Kopf hat ſich ein Wenig verlaͤngert, bietet aber ſonſt nichts Be— merkenswerthes dar. Die hinter dem Kopfe liegende Koͤr— perportion, welche anfangs keine Spur von Gliederung zeigte und ganz mit Wimperhaaren bedeckt war, ſcheint nun aus drei Ringen zuſammengeſetzt, von denen nur noch der vor— derſte gewimpert iſt, waͤhrend die beiden hinteren kahl ſind. Die vier bis fuͤnf folgenden Ringe ſind je mit zwei fleiſchi— gen Warzen beſetzt, von denen jede eine lange, bewegliche, ein Wenig aufwaͤrts gekruͤmmte Borſte traͤgt. Hinter dieſen borſtentragenden Segmenten bemerkt man einen Ring, wel— cher mit zwei den Fuͤßen, von denen ſoeben die Rede gewe— ſen, aͤhnlichen Tuberkeln beſetzt iſt, die jedoch nicht mit Borſten verſehen ſind; dann einen kleinern Ring, an dem ſich noch keine Spur von Anhaͤngſeln erkennen laͤßt; endlich geht der Körper in das Analſegment aus, welches noch im— mer mit Wimperhaaren beſetzt iſt und faſt gar keine Ver— aͤnderungen erlitten hat. Der Verdauungsapparat iſt eben— falls zuſammengeſetzter geworden; vorn bemerkt man an dem— ſelben einen fleiſchigen Knollen, dann einen kurzen cylindri— ſchen oesophagus, auf den ein ſehr großer eifoͤrmiger Ma— gen folgt, deſſen Wandungen noch von der farbigen Sub— ſtanz des Dotters durchdrungen zu ſeyn ſcheinen. Gegen das hintere Drittel des Koͤrpers hin faͤngt endlich der Darm— canal an, welcher die Geſtalt einer haͤutigen, ein Wenig auf ſich ſelbſt zuruͤckgeſchlagenen Röhre hat, die am After aus— geht. Auch faͤngt man an, die im Vordertheile des Koͤrpers liegenden druͤſigen Maſſen zu bemerken, und die Hautmus— keln ſtellen ſich deutlicher dar. Auch die Muskeln, welche die Borſten bewegen, unterſcheidet man, und nur der Un— durchſichtigkeit des Darmcanals duͤrfte es zuzuſchreiben ſeyn, daß man das darunterliegende Nervenſyſtem nicht bemerkt; allein es verdient erwähnt zu werden, daß man ſelbſt in 721. XXXIII. 17. 262 den durchſichtigſten Koͤrpertheilen keine Spur von rothem Blute oder Circulationsgefaͤßen wahrnimmt. Sobald die Larve noch ein bis zwei Paar Fuͤße mehr erlangt hat, faͤngt der Kopf an, ſich zu veraͤndern. Ein Wenig vor den Augen bildet ſich eine Einſchnuͤrung nach der Queere und der ſo ſchaͤrfer abſetzende vordere Lappen iſt an feinem freien Rande mit einer Reihe von brennneffelartig wirkenden Capſeln beſetzt, von denen mehrere ein dornfoͤrmi— ges Faͤdchen hervortreten laſſen. Der Halskragen von Wim— perhaaren iſt bedeutend zuſammengeſchrumpft und bildet un— ter dem Kopfe einen hervortretenden Wulſt, der ſich nach Vorn ausdehnt und eine große Oberlippe bildet. Eine rundliche Unterlippe, welche am Rande des zweiten hinter dem Kopfe folgenden Segments ſitzt, ſchließt den Mund hinterwaͤrts, und man bemerkt, daß die Fuͤße der beiden er— ſten Paare mit zwei Borſten beſetzt ſind, waͤhrend jeder vor— her nur eine trug. Binnen zwei bis drei Tagen wird der vordere Kopflap— pen von dem die Augen tragenden Segmente deutlich ge— ſchieden; er verlaͤngert ſich, wird cylindriſch und bildet ein Mediananhaͤngſel, welches ſehr beweglich iſt und alle Kenn— zeichen eines Fuͤhlers darbietet. Durch feine Are ftreiht ein Canal, der mit der Haupthoͤhle des Koͤrpers communicirt, und man ſieht darin eine Fluͤſſigkeit circuliren, in welcher Kuͤgelchen ſchwimmen, deren Geſtalt und Groͤße verſchieden iſt. Mit dieſer Fluͤſſigkeit iſt auch die Bauchhoͤhle gefuͤllt, und ſie ſcheint mir die Stelle des Blutes zu vertreten, von welchem ich in dieſem Stadium noch nicht die geringſte Spur wahrnehmen konnte. Endlich find die zum Schwim— men dienenden Wimperhaare, ſowohl um den Hals her, als an dem hintern Ende des Koͤrpers, durchaus verſchwun— den; allein man bemerkt im Innern der Mundhoͤhle und in der endſtaͤndigen Portion des Darms eine ziemlich kraͤfti— ge ſchwingende Bewegung. | Die jungen Terebellen bieten alfo zu dieſer Zeit alle Kennzeichen der umherſchweifenden Anneliden dar und haben mit dem Typus der Ordnung der Tubicolen noch nichts ge— mein. Sie beſitzen, in der That, einen deutlich abſetzenden Kopf, ein Fuͤhlhorn, Augen und mit pfriemenfoͤrmigen Bor: ſten bewaffnete Fuͤße, wie wir ſie bei den umherſchweifen— den Anneliden finden, waͤhrend die Tubicolen bekanntlich kopfloſe, fühlerlofe und augenloſe Würmer find, deren Füße Haken tragen. Dieſe Organiſationsart entſpricht übrigens derjenigen Lebensweiſe, welche die jungen Larven bis dahin gefuͤhrt haben; denn ſtatt ſich, wie die erwachſenen Terebel— len und andere Tubicolen, in einer engen Roͤhre ruhig zu verhalten, ſchwimmen ſie frei in dem Schleime, in welchen die Eier eingehuͤllt waren, umher und verlaſſen denſelben dann, um ſich weiterhin eine zum Aufſchlagen ihrer Wohnung paſ— fende Stelle zu ſuchen. Unſere jungen Terebellen haben alfo alsdann nicht nur die Organiſation, ſondern auch die Lebens— weiſe der umherſchweifenden Anneliden aufzuweiſen; allein ſie ſind nur den unvollſtaͤndigſten Formen dieſes Typus vergleich— bar, und ihre fernere Entwickelung iſt keineswegs auf Ver— vollkommnung der den hoͤhern Anneliden characteriſtiſchen Theile gerichtet, ſondern geht in dieſer Beziehung ruͤckwaͤrts. A 263 Wenn unfere Larven die, die Ortsveraͤnderung vermit— telnden Wimperhaare, mit denen die Mundringe anfangs umgeben waren, eingebuͤßt haben, hoͤren ſie auf, zu ſchwim— men, und alsbald umgeben ſie ſich mit einem ſchleimigen Stoffe, durch deſſen Erhaͤrtung eine an beiden Enden offene cylindriſche Roͤhre gebildet wird. Die erſte Periode ihrer Exiſtenz, naͤmlich diejenige, waͤhrend welcher dieſe Thierchen umherſchwimmen, iſt nunmehr zu Ende, und ſie bequemen ſich nun zu derſelben Lebensweiſe wie die Alten, obgleich ſie deren Organiſation noch nicht beſitzen, und die Periode, die mit der Zeit beginnt, wo der Wimperhalskragen verſchwin— det, und die mit dem Auftreten der Kiemen endigt, laͤßt ſich als eine zweite oder Uebergangsperiode bezeichnen. (Fortſetzung folgt.) Ueber die Entwickelung der Seeſterne bat Herr M. Sars ſehr intereſſante Beobachtungen, die er an Echinaster sanguinolentus gemacht, obzwar eigentlich für feine „Beitraͤge zur Fauna von Norwegen“ beſtimmt, dem Weſentlichen nach, in Erichſon's Archiv der Naturgeſchichte 1844 S. 196, mitgetheilt und durch 22 Figuren erlaͤutert. 1. Dieſe Seeſterne haben männliche und weibliche Generationsorgane, auf befondere Individuen vertheilt. Die Fortpflanzung geſchieht, im Fruͤhjahre, durch Eier, welche im Eierſtocke das Purkinjeſche, und inner— halb dieſes das Wagnerſche Blaͤschen zeigen (Figuren 10. — 13) und in mehreren Bruten in gewiſſen Zeitraͤumen geboren werden. 2. Die aus dem Koͤrper hervorgekommenen Eier fallen nicht, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, in die See ſondern werden in eine, vermittelſt Einbeugung der Bauchſeite der Scheibe und der Arme freiwillig von der Mutter gebildete Bruthoͤhle (Figg 8. u. 9.) aufgenoms men, wo die Eier bebruͤtet und, wie die aus dieſen herausge— ſchluͤpften Jungen, fo lange in der ganz geſchloſſenen Höhle gehal— ten werden, bis letztere während ihrer weiteren Entwickelung Ans heftungswarzen erhalten, durch welche fie (Figur 2.) fo lange (et: wa eilf Tage) gehalten werden, bis ſie an der Mutter in der Brut— hoͤhle angeheftet ſind, um ſo ihr weiteres Leben und Wachſen fuͤr ſich ausbilden zu koͤnnen. (Waͤhrend der erſten eilf Tage ſcheint der Mutter, durch die vor der Mundoͤffnung gelagerte Brut, aller Zugang von Nahrung verſchloſſen zu ſeyn). Nach und nach wach— ſen nun die Anheftungsorgane hervor, veraͤndern ihre Form und bilden ſich aus (Fig. 19. 20. 21. 22. u. 23.), der Körper wird flachgedruͤckt und kreisrund (Fig 22. — 24.) Allmaͤlig wird die Form fuͤnfeckig, oder der Rand waͤchſ't in fuͤnf ſehr kurze, ſtumpfe Arme hervor (Figur 25. 26.), die Tentakeln verlängern ſich in cy— lindriſche Röhren (Figur 27.), mit Saugnaͤpfchen an ihren Enden, welche zum Kriechen dienen, zahlreiche Stacheln wachſen aus der Haut des Körpers und der Arme hervor, die Anheftungsorgane nehmen an Volum ab und verſchwinden, und der junge Seeſtern, der nun voͤllig ſtrahlenfoͤrmig geworden (Figur 28. 29.), kriecht mittelſt ſeiner noch unverhaͤltnißmaͤßig langen Tentakeln frei herum. Die ganze Entwickelung nimmt einen Zeitraum von ſechs bis ſieben Wochen ein, bis die Jungen endlich die Mutter ganz verlaſſen und von ihr getrennt leben. (Die ſogenannten Madreporenplaͤttchen der Seeſterne hält Hr. Sars fuͤr die legten Ueberreſte der Anheftungsorgane.) „Erklaͤrung der auf der (mit Nr. 705 [Nr. 1 des gegenwaͤr— tigen Bandes] der Neuen Notizen ausgegebenen) Tafel befindlichen Figuren, Figg. 8. bis 29: — Figur 8 Echinaster sanguino- lentus, in natuͤrlicher Groͤße, von der Bauchſeite angeſehen, mit halbgeoͤffneter Bruthoͤhle, in welcher man die hochroth gefaͤrb— ten Jungen ſieht. — Figur 9. Derſelbe, im Profil geſehen, feftfisend und mit vollig geſchloſſener Bruthoͤble. a Madrepo— renplatte. — Figur 10. Eierſtock eines kleineren Individuums, am 22 Februar unterſucht. — Figur 11. Derfelbe vergroͤßert man ſieht die hoͤchſt ungleich entwickelten Eier. — Figur 12. Ein Schlauch deſſelben Eierſtockes, noch mehr vergroͤßert. — Figur 13. 721. XXXIII. 17. 264 Eines der kleineren Eier dieſes Schlauches, das Purkinjeſche und Wagnerſche Blaͤschen zeigend. — Figur 14. Ein eben (am 7. März) gelegtes Ei. Chorion farblos, Dotter hochroth und glatt, zwiſchen beiden waſſerhelle Fluͤſſigkeit. Fig. 14%. natürliche Größe. — Fig. 15.— 17. zeigen die Dotterfurchung an demſelben Eie. — Fig. 15. am 9. Maͤrz des Morgens, — Figur 16. am Abend deſſelben Tages und Figur 17. am 10. Maͤrz des Abends. — Figur 18. ſtellt das herausgeſchluͤpfte Junge (am 17. Maͤrz in der Bruthoͤhle angetroffen) vor, es iſt drehrund, ohne ſichtbare aͤußere Organe und mit Cilien bedeckt. Dieß iſt der erſte Zuſtand der Seeſterne. — Figg. 19. bis 27. ſtellen das zweite Entwicklungsſtadium der Seeſterne vor. — Figur 18. u. Fig. 19. Junge, am 17. Maͤrz in der Bruthoͤhle gefunden, mit hervorwachſenden Anheftungsorga— nen a. a Figur 19 iſt ſehr wenig niedergedruͤckt oder noch faſt drehrund und zeigt den Anfang dieſer Organe in zwei Warzen a a, deren eine mehr, als die andere, hervorragt, und mit welchen das Junge ſich noch nicht feſtſetzen kann. Bei Figur 20. iſt die eine dieſer Warzen in zwei getheilt, und alle drei dienen ſchon zur An— heftung. Figur 20 db zeigt daſſelbe Junge von Vorn. — Figur 20. Natuͤrliche Größe. — Figg. 21. bis 24. ſtellen Junge dar, die am 3. April in der Bruthoͤhle angetroffen wurden. Sie ſind ziemlich flachgedruͤckt, mit vier voͤllig entwickelten keulenfoͤrmigen Anheftungsorganen a a, und einer kleinen Warze 5, mitten zwi— ſchen ihnen. Vermittelſt dieſer Organe ſitzen die Jungen an den Wänden der Bruthoͤhle feſt. — Figur 21. von der Baudhfeite geſehen, wo man ſchon die, wie ſehr kleine (in 17) von dem Cen— trum des Koͤrpers ausſtrahlende Reihen, deren je zwei einander genaͤhert ſind (und zwei Warzen in jeder Reihe) hervorwachſenden Tentakeln c ce bemerkt. — Figur 22. Daſſelbe Junge von der Ruͤckenſcite, Figur 23. von Vorn geſehen. — Figur 24. Ein Jun⸗ ges mit nur drei keulenfoͤrmigen Anheftungsorganen, von Vorn ge— ſehen. — Figg. 25. — 27. ſtellen den Uebergang der bisher bi— lateralen Jungen zu dem dritten oder radiaͤren Zuſtande vor. — Figur 25. Eines der Figg. 21. bis 23. abgebildeten Jungen weiter entwickelt (am 15. April), von der Bauchſeite geſehen. Der Körs per iſt fünfeckig geworden und mit einer im Zwiſchenraume der her— vorwachſenden fuͤnf Arme dickeren und mehr eingezogenen Kante rings umgeben. Die Tentakeln werden groͤßer und deutlicher, und am Ende eines jeden der fuͤnf Arme bemerkt man eine kleine runde Warze ö, welche das von Ehrenberg als Auge betrachtete Or— gan iſt. — Figur 26. Daſſelbe Junge, von der Ruͤckenſeite darge— ſtellt. Man ſieht die circulaͤre Scheibe durch eine Furche von den Armen unterſchieden. Auf der Haut wachſen zahlreiche Stacheln hervor. — Figur 26“. Natürliche Größe. — Figur 27. Daſſelbe Junge, am 23. April von der Ruͤckenſeite geſehen. Die Tentakeln e e find in lange Röhren verlängert und dienen nun zum Krie— chen. Die Anheftungsorgane a a fangen an, kleiner zu werden. — Figur 28. Daſſelbe Junge am 4. Mai, von der Ruͤckenſeite, Figur 29. von der Bauchſeite. Der Mund iſt deutlich, die Anhef— tungsorgane ſind verſchwunden und das Junge, nunmehr vollkom— men radiär geworden, kriecht vermittelſt feiner Tentakeln herum. — Figur 29. Natuͤrliche Groͤße. — Am Ende des Monates Mai waren die Arme laͤnger und ſchmaͤler gewordenz die Zahl der Ten— takeln bis fuͤnf in jeder der zehn Reihen vermehrt u. ſ. w.“ Er. Ueber die Functionen der chylusfuͤhrenden Ge- fäße und der Venen hat Herr Chat in der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften einige Verſuche und Anſichten mitgetheilt, welche weis tere Pruͤfung verdienen moͤchten. Ueber das Verhalten der chylus— fuͤhrenden Gefaͤße zu den giftigen Subſtanzen hegt man verſchie— dene Meinungen: nach Einigen abſorbiren die chylusfuͤhrenden Ge— faͤße ohne Unterſchied alle in die Verdauungshoͤhlen gelangenden Subſtanzen, wogegen die Verſuche mehrerer Phyſiologen, beſon— ders Magendie's, zu der Annahme führen, daß die Abforption von fuͤr die Oekonomie ſchaͤdlich wirkenden Stoffen nur durch das venöfe Syſtem bewerkſtelligt werde. — Die Vervollkommnung der chemiſchen Verfahrungsweiſen, welche uns geſtatten, ganz un— endlich kleine Quantitäten Arſenik oder Antimon wiederaufzufinden, 265 indem wir fie in Verbindung mit dem Waſſerſtoffe bringen, hat Herrn Chatin auf den Gedanken gebracht, daß man mittelſt Ver: ſuche mit dieſen Subſtanzen zu einer Loͤſung jener Frage gelan— gen koͤnne. — „In einem erſten Verſuche vergiftete ich acht Hunde, indem ich jedem 2 Gran Arſenik, mit Milch gemiſcht, in den Magen brachte und den oesophagus unterband. Das Blut dieſer acht Thiere, ſowohl aus dem Herzen, als den größeren Ge— fäßen, wurde zuſammengegoſſen und mit ſalpeterſaurem Kali einge— aͤſchert. Das Product der Incineration lieferte, durch Marſh's modificirten Apparat, einen Ring und Flecken von Arſenik, wovon die Charactere dargethan wurden. — Der durch Einſchnitte der ductus thoracici der acht Hunde erhaltene Chylus, zuſammen— gebracht und behandelt, wie es mit dem Blute geſchehen war, hat mir nicht die leiſeſte Spur von Arſenik geliefert. Es iſt nicht über: flüffig, zu bemerken, daß ich, um eine betraͤchtlichere Quantität der weißen Fluͤſſigkeit zu erhalten, die Maſſe der Gedaͤrme und das chylusfuͤhrende Abdominalſyſtem jedes Hundes, nach Magen- die's Rath, uͤber eine Viertelſtunde gedruͤckt babe. — In dem zweiten Verſuche habe ich den vorigen Verſuch wiederholt, nur mit dem Unterſchiede, daß ich ſtatt der arſenigen Saͤure eine doppelte Quantität von weinſteinſaurem Kali und Antimon nahm und die Hunde eine Stunde nach dem Beibringen des Giftes durch Oeffnen 721. XXXIII. 17. 266 der Carotiden toͤdtete. Das Antimon wurde in dem Blute wieder aufgefunden, aber nicht im Chylus. — Dritter Verſuch: Drei Kilogrammen Blut, von verſchiedenen Kranken, welche den Brech— weinſtein in großen Doſen nahmen, haben mir eine ſehr merkliche Quantität Antimon geliefert. Dieſe Thatſachen ſcheinen mir zu beweiſen, daß die giftigen Subſtanzen durch die chylusfuͤhrenden Gefaͤße nicht abſorbirt worden ſind.“ Ueber die anatomiſchen Verſchiedenheiten der aalartigen Fiſche hat Herr G. M. R. Müller der Ver: ſammlung naturforſchender Freunde zu Berlin Bemerkungen mit— getheilt, nach welchen unter den eigentlichen Aalen, die mit einem Luftgange der Schwimmblaſe verſehen ſind, ſich nach dem Baue der Kiefer drei Familien unterſcheiden laſſen, die Muränoiden, die Synbranchier und die Gymnoten. Nur bei den Muraͤnoiden fal— len die Eier in die Bauchhoͤhle und werden durch Bauchoͤffnungen ausgeführt; die Synbranchier (Synbranchus, Monopterus u. a.) und die Gymnoten (Gymnotus, Caropus, Sternarchus u. a.) ha⸗ ben ſackartige ſelbſtausfuͤhrende Eierſtoͤcke. Auch in den Ver— dauungsorganen weichen die Familien voneinander ab. Nekrolog. — Am 13. März ſtarb zu London der ver— diente Phyſiker, Profeſſor Daniell, zu London, 55 Jahre alt. e dee Cliniſche Unterſuchungen uͤber die Herzkrankheiten. Von Profeſſor C. Forget. Eine Reihe von Aufſaͤtzen uͤber die verſchiedenen Herz— affectionen ſchließt der Verfaſſer mit folgenden allgemeinen Saͤtzen: 1. Die allgemeinen Adhaͤrenzen des Herzbeutels, welche ſich in Folge einer pericarditis acuta bilden, oder eine intercurrirende Affection compliciren, laſſen ſich waͤhrend des Lebens erkennen; was von weſentlichem Einfluß auf die Bes handlung iſt. 2. Das Syſtem des Kreislaufes laͤßt ſich, von Vorne ruͤckwaͤrts durch die aorta, linke Herzkammer, linke Vor— kammer, Lungen, rechte Herzkammer, rechte Vorkammer, das Venen- und Capillargefaͤßſyſtem verfolgt, als ein fort— laufender Canal darftellen. 3. Sobald an einer Stelle dieſes Canales eine Ver: engerung ſtattfindet, iſt ſtets hinter dieſer Stelle eine Er: weiterung vorhanden. 4. Die beſondere Geſtaltung der auf dieſe Weiſe erz weiterten Partieen iſt nach der Structur und den Functio— nen derſelben verſchieden. So iſt, z. B., die Erweiterung des Herzens von Hypertrophie begleitet, weil hier ein Mus— kelapparat vorhanden iſt, der bei Steigerung ſeiner Action zum Hypertrophiſchwerden hinneigt. 5. Dieſe Hypertrophie iſt um ſo bedeutender, je kraͤf— tiger der Muskelapparat iſt; daher die ſtaͤrkere Hypertrophie der linken Herzkammer. 6. Die hinter dieſer Kammer befindlichen Hinderniſſe veranlaſſen nur eine Erweiterung ohne betraͤchtliche Verdik— kung; ein Umſtand, welcher an die Häufigkeit des fogenanns ten paſſiven Aneurysma's glauben ließ, obwohl daſſelbe, in der Regel, nichts Anderes iſt, als das active Aneurysm ohne Theilnahme der linken Herzkammer. 7. Die Verengerung, die gewoͤhnlichſte Urſache der Erweiterung mit oder ohne Hypertrophie der Herzhoͤhlen, hat meiſt ihren Sitz in den Muͤndungen des linken Herzens. 8. Die iſolirte Erweiterung der rechten Herzhoͤhlen iſt zunaͤchſt immer die Folge einer Behinderung der Lungen- circulation. 9. Die iſolirte organiſche Verengerung der Aorten— muͤndung iſt nicht ſo haͤufig, als man gewoͤhnlich annimmt, und die iſolirte Verengerung der Mitralmuͤndung kommt vielleicht ebenſo haͤufig vor. 10. Die gleichzeitige Verengerung der Mitral- und Aortenmuͤndung ſcheint ebenſo haͤufig zu ſeyn, wie die iſolirte Verengerung der einen oder anderen Oeffnung. 11. Die organiſche Verengerung der Pulmonal- und Tricuspidalmuͤndungen iſt ungemein ſelten. Dagegen kommt die paſſive Erweiterung dieſer Muͤndungen, beſonders der Tricuspidalklappe, ſehr haͤufig vor, indem ſie faſt immer eine Folge der Verengerung der Muͤndungen des linken Her— zens und uͤberdieß der andauernden Behinderung der Lungen— circulation iſt. 12. Außer ihrer Seltenheit erſcheint es ſehr ſchwer, die organiſchen Alterationen der Muͤndungen des rechten Her— zens von denen der Muͤndungen des linken Herzens allein nach dem Sitze der anomalen Geraͤuſche unterſcheiden zu koͤnnen. 13. Weniger ſchwierig und wichtiger iſt es, zu unter: ſcheiden, welche Muͤndungen des linken Herzens von der or— ganiſchen Verengerung betroffen ſind. 14. Die Inſufficienz begleitet faſt nothwendigerweiſe die organiſche Verengerung der Herzmuͤndungen. 15. Die organiſchen Alterationen der Herzmuͤndungen koͤnnen mit, oder ohne wirklich anomale Geraͤuſche vorkom— men, und die einer jeden dieſer Muͤndungen eigenen Geraͤuſche ſind leicht miteinander zu verwechſeln. 267 16. Das beſtimmte, pofitive Zeichen der Verengerung der Aortenmuͤndung iſt die Erweiterung der linken Herzkam— mer, welche faſt immer mit Hypertrophie und Erweiterung der drei anderen Höhlen (cor bovinum) verbunden iſt. 17. Die mangelnde Erweiterung des linken Ventrikels bei Erweiterung der drei anderen Hoͤhlen iſt das poſitive Zei— chen der iſolirten oder vorherrſchenden Verengerung der Mi— tralklappe (das taſchenfoͤrmige Herz). 18. Das characteriſtiſche Zeichen der iſolirten Erwei— terung des rechten Herzens beruht weſentlich auf der Priori— taͤt der Pulmonalſtoͤrungen, in Betreff der Behinderung des Kreislaufes. 19. Die concentriſche Hypertrophie hat meiſt ihren Sitz im linken Ventrikel und ſcheint, in der Mehrzahl der Faͤlle, die Folge eines hinter dieſem Ventrikel befindlichen Hinderniſſes zu ſeyn, welches gewoͤhnlich in einer Verenge— rung der Mitralklappe, oder in einer Behinderung der Lun— gencirculation beſteht. 20. Die allgemeinen Symptome der organiſchen Herz— affectionen ſind einander gleich, welches auch immer das We⸗ ſen und der Sitz des Circulationshinderniſſes ſeyn mag, und gewaͤhren daher keine diagnoſtiſchen Anhaltspuncte. 21. So haͤufig auch die Verengerungen der Herzmuͤn— dungen Urſachen der organiſchen Alterationen des Herzens find, fo giebt es doch auch Faͤlle, in welchen das Circula— tionshinderniß nicht zu ermitteln iſt, und wo wir daher nur Hypotheſen aufſtellen koͤnnen. Die Bildung von Blutgerinnſeln waͤhrend des Le— bens iſt von alten Schriftſtellern angefuͤhrt und von neue— ren beſtaͤtigt worden, und dieſes Phaͤnomen hat ſeine beſon— deren Zeichen waͤhrend des Lebens und ſeine ſpeciellen ana— tomiſchen Charactere nach dem Tode. 23. Die Bildung von Blutgerinnſeln im Herzen waͤh— rend des Lebens, wahrſcheinlich ſehr haͤufig waͤhrend der Ago— nie eintretend, kann im Verlaufe einer an ſich nicht toͤdtli— chen Krankheit vorkommen und an und fuͤr ſich allein den Tod herbeifuͤhren. 24. Die Bildung der Blutgerinnſel kann raſch, oder langſam vor ſich gehen. Zu der letzteren Kategorie gehoͤren jene angeblichen Vegetationen, welche man im Herzen an— trifft und jene kleinen Abſceſſe, welche ſich zuweilen in den Herzhoͤhlen bilden. 25. Die raſch ſich bildenden und großen Blutgerinns ſel fuͤhren nothwendigerweiſe einen ſchnellen Tod herbei; die langſam ſich heranbildenden und kleinen Gerinnſel geſtatten noch eine beſtimmte Lebensfriſt. 26. Wenn auch die Zufälle der organiſchen Herzkrank— heiten oft mehr oder minder leicht beſeitigt werden koͤnnen, ſo ſind doch die Affectionen ſelbſt faſt immer unheilbar. (Gaz. Med. de Paris, No. 41., 1844.) 0 225 Ueber das Auffinden von Eiſen im Urine. Von Dr. Aldridge. Da, wie allgemein angegeben wird, Eiſen einen weſent— lichen Beſtandtheil des Blutes ausmacht, und da die Nieren 721. XXXIII. 17. 268 die Organe find, in welchen die feſten Beſtandtheile der Ges webe ausgeſchieden werden, ſo koͤnnten wir erwarten, Eiſen auch im Urine zu finden. Berzelius erwaͤhnt jedoch in ſeiner Analyfe vom Jahre 1809 dieſes Metalles nicht un— ter den Beſtandtheilen des Harns, obwohl er das Decimal— maaß 0,03 Silicium in 1000 Theilen, als in demſelben enthalten, feſtſtellte. Es laͤßt ſich unmoͤglich annehmen, daß, wenn Eiſen im Urine enthalten geweſen waͤre, es der Un— terſuchung dieſes vollendeten Chemikers entgangen ſeyn ſollte. Vogel fand Eifenoryd im Harne des Rhinoceros; da daſſelbe jedoch ſich weder im Urine der fleiſchfreſſenden, noch in dem der kraͤuterfreſſenden Saͤugethiere, noch in dem der Voͤgel oder Amphibien findet, ſo iſt es zweifelhaft, ob ſein Vorkommen im Urine des Rhinoceros nicht zufaͤllig geweſen ſeyn mag. Woͤhler ſagt, daß Eiſen, als Oxyd innerlich gereicht, nicht durch den Urin abgehe. Es iſt kein Zweifel daran, daß Eiſen, wenn es die Stelle einer Säure vertritt, wie in dem gelben blauſauren Kali, mit dem Harne abgeht. Es giebt zwei pharmaceutiſch angewendete Praͤparate des Eiſens, in welchen das Eiſen wie eine Säure wirkt, naͤmlich wein— ſteinſaures Eiſen und die tinetura Ferri acetiei; in dies ſen beiden Subſtanzen verhaͤlt ſich ein Eiſenſalz wie eine Saͤure zu einem Kali-Salze. Keins von beiden jedoch kommt in den Urin, indem ſie durch den Athmungsproceß zerſetzt werden, welcher vegetabiliſche Säuren in Kohlenfäure ums wandelt. Um nun die Sache durch eigene Unterſuchungen feſtzu— ſtellen, entſchloß ich mich, die 3 folgenden Arten Harn: ge— ſunden Urin, den Urin chlorotiſcher Kranken und den Harn von Perſonen, welche große Doſen von verſchiedenen Eiſen— praͤparaten genommen hatten, zu prüfen, und ein Verfah— ren anzuwenden, welches darauf berechnet war, alle organi— ſchen Stoffe zu zerſtoͤren, um ſo jede moͤgliche Combination, in der Eiſen enthalten ſeyn konnte, aufzuheben und dadurch in den Stand geſetzt zu werden, die gewöhnlichen Reagentien anzuwenden. Es iſt naͤmlich bekannt, daß bei gewiſſen or— ganiſchen Verbindungen des Eiſens die gewoͤhnlichen Reagen— tien nicht ausreichen: fo läßt weder Eiſencyankalium, Schwe— felcyankalium oder Gallaͤpfeltinctur das Eiſen in Haͤmatin, Ferrum tartaricum oder tinet. Ferri acetiei entdecken, noch kann man durch rothes blauſaures Kali das Eiſen im gelben Cyankalium entdecken. Ich verfuhr nun auf folgende Weiſe: ich ließ den Urin bis zur Extractsconſiſtenz abdampfen, ſetzte dann Salpeter— fäure von 1,460 ſpec. Gew. hinzu und kochte ihn bis zur Trockniß in einer Florentiner Flaſche; erhitzte dann das re— siduum und digerirte es mit verduͤnnter Salpeterſaͤure; fil— trirte und fättigte es mit Ammoniak, und wandte zuletzt als Reagentien rothes und gelbes Cyankalium, Schwefel cyankalium und tinctura Gallarum an. Die Saͤttigung muß vollſtaͤndig ſeyn, denn ein Ueberſchuß von Saͤure bringt einen blauen Niederſchlag in einer reinen Aufloͤſung von gels bem Cyanid hervor, und ein Ueberſchuß von Alkali verhin- dert die Reaction des Schwefelcyankaliums. 269 Die Eifenpräparate, welche ich den Patienten gab, wa: ren die Aqua chalybeata, die tinetura Ferri muriatici oxydulati und das Ferrum carbonicum saccharatum; die Gaben von der erſten eine Flaſche taͤglich, vom zweiten Stt. Xy dreimal taͤglich und vom dritten gr. X dreimal taͤglich. In keinem einzigen Falle konnte ich die geringſte Spur von Eiſen entdecken, weder im normalen Urine, noch im Harne der Chlorotiſchen, noch im Urine derer, welche Eiſen genommen hatten. Man hat behauptet, daß Eiſen im Urine der Chloroti— ſchen vor der Behandlung ſich finde, im Verhaͤltniſſe aber, als die Blutkuͤgelchen zunehmen, verſchwinde. In den von mir beobachteten 11 Faͤllen jedoch fand ſich weder vor der Behandlung noch nach derſelben Eiſen im Harne. Was wird nun aus dem dargereichten Eiſen? Daß es reſorbirt wird, beweiſen die Experimente von Tiedemann und Gmelin; dieſelben Verſuche beweiſen aber auch, daß es in ſehr verſchiedenen Quantitaͤten und ſehr langſam re— ſorbirt wird. Es findet auch kein Zweifel daruͤber ſtatt, daß die Blutkuͤgelchen durch den Gebrauch deſſelben vermehrt werden. Wie verhalten ſich nun und wie entſtehen dieſe Blutkuͤgelchen? Der Faͤrbeſtoff, welcher ihr Hauptbeſtand— theil iſt, hat keinen Antheil an der Bildung der Gewebe. Er iſt ganz anders, als die ernaͤhrenden Beſtandtheile des Blutes, zuſammengeſetzt. Pflanzenfreſſer ſind im Stande, ihn zu erzeugen, obwohl er nicht in ihrer Nahrung enthalten iſt. Er beginnt in der Thierreihe mit den rothen Geweben und iſt meiſtentheils auf ihre Circulation beſchraͤnkt. Iſt es nun zu ſehr gewagt, anzunehmen, daß er eine Secretion ſey, welche einen Nutzen im Organismus [habe, daß für Mittel ge: ſorgt ſey, ſeine Zerſetzung zu verhindern, und daß alles re— ſorbirte Eiſen zu ſeiner Reproduction diene? Operation des centralen Hornhautſtaphyloms und der Hornhautleukome. Von Dr. Auguſt Steinberg. Der Verfaſſer giebt die Geſchichte eines Falles von to— talem centralen Hornhautſtaphylom, in Folge einer zu Mainz epidemiſch herrſchenden catarrhaliſch-rheumatiſchen Augenblen— norrhoͤe, ſowie die mit Erfolg ausgefuͤhrte Operation. Nach Erzaͤhlung des Falles geht der Verfaſſer auf die Analyſe deſſelben uͤber und ſpricht zuerſt uͤber den normalen Zuſtand der Horn- und Waſſerhaut. Von der erſteren weiſ't er nach, daß ſie ihre optiſchen Eigenſchaften, naͤmlich die licht— brechende und lichtleitende, vom humor aqueus empfange, welcher ihr Gewebe fortwaͤhrend traͤnkt und ausdehnt. Die von Arnold in der cornea nachgewieſenen Lymphgefaͤße haben die Beſtimmung, das uͤberſchuͤſſige Waſſer aus den Kammern aufzunehmen, in das Innere des Gewebes zu lei— ten und abzuſetzen. Aus dieſer functionellen Thaͤtigkeit der Hornhaut ſchon laͤßt ſich ſchließen, daß das Gewebe derſel— ben zu den zuſammengeſetzten gehoͤren muß, beſonders da 721. XXXIII. 17. 270 auch Nerven und Blutgefaͤße in ihm nachgewieſen ſind. Die Waſſerhaut kleidet ſowohl die vordere, wie die hintere Au— genkammer aus und ſcheint hauptſaͤchlich eine Secretions— flähe für den humor aqueus darzuſtellen. Was nun die Geneſe des Uebels betrifft, ſo bildete ſich zuerſt, in Folge des Ausganges der Entzündung in Erweichung und Zerftörung des centralen Theiles der Hornhaut, eine centrale Hornhaut— fiſtel; durch dieſelbe fiel dann die iris vor, und es bildete ſich eine plaftifhe Vereinigung des Pupillartheiles der iris mit dem Fiſtelcanale und mit ſeinen eigenen, im Fiſtelcanale liegenden, Flaͤchen, und endlich geſtaltete ſich das veraͤnderte Raum- und Formverhaͤltniß der Kammern, das Hervordraͤn— gen der Hornhaut durch den ſich reichlicher anſammelnden humor aqueus und die kegelfoͤrmige Geſtalt derſelben. Die Operation des Staphyloms entſtand nun aus der Idee, die vordere Kammer wiederherzuſtellen, ſo daß der Druck des humor aqueus kein keilfoͤrmig vordraͤngender, ſondern ein gleichfoͤrmiger ſey, und wird vom Verfaſſer alſo beſchrie— ben: Der Operationsbedarf beſteht nur aus einer einfachen, geraden, oder in der Flaͤche nur wenig gekruͤmmten, mit ei— nem Stiele verſehenen, zweiſchneidigen Nadel. Die Opera— tion ſelbſt zerfaͤllt in zwei Acte: der erſte beſteht in der Loͤ— ſung der einen Haͤlfte der Verwachſung. Nach Fixirung des oberen Augenlides durch einen Aſſiſtenten, des unteren durch den Operateur, wird die Nadel am aͤußeren oberen Rande der Hornhaut, ““ von ihrem Scleroticalrande, in den freien peripheriſchen Raum zwiſchen Hornhaut und iris eingefuͤhrt, und von hier aus erſt der obere, dann der in— nere Theil der Verwachſung durch hebelfoͤrmige Bewegung gelöft. Dann entfernt man die Nadel, ſchließt das Auge und ſchreitet nach einer Pauſe zum zweiten Acte, naͤm— lich zur Loͤſung der anderen Haͤlfte der Verwachſung. Die Augenlider werden nun von 2 Aſſiſtenten fixirt, damit der Operateur den Zeigefinger der einen Hand als Stuͤtze fuͤr die Nadelfuͤhrung auf die vordere Flaͤche der Wange legen und mit der anderen Hand die Nadel ſicher leiten kann. Dieſe wird dann wieder, wie oben, eingefuͤhrt, der innere und untere Theil der Verwachſung geloͤſ't, die Nadel wieder herausgefuͤhrt, und das Auge geſchloſſen. Die Operation wurde auf dieſe Weiſe ausgeführt, eine ſtreng antiphlogi— ſtiſche Nachbehandlung angeordnet und dann Belladonna— Eintraͤufelungen angewendet. Das Reſultat war die Aufklä— rung der Hornhaut, Netraction der iris, wodurch das Seh: vermoͤgen ſo weit hergeſtellt wurde, daß der Kranke groͤßere Gegenſtaͤnde deutlich zu erkennen und Farben voneinander zu unterſcheiden vermochte. Zur Entfernung von kleinen, oberflaͤchlichen Leukomen, Narben und Abſceſſen der Hornhaut empfiehlt Verfaſſer die Keratodektomie durch den Keilſchnitt mit Erhaltung der vor— deren Kammer. Operationsbedarf: ein Haͤkchen, aͤhnlich dem von Dieffenbach bei der Operation des Schielens em— pfohlenen; ein kleines, bauchiges Biſtouri; eine gekruͤmmte Nadel, mit einem ſeidenen Faden verſehen. Operation. Erſter Act: Fixiren des bulbus und Bildung des Stichcanales für die Nadel. Die Spitze des Haͤkchens wird von der Äußeren Seite der Truͤbung, unge— 271 faͤhr “ von derſelben, in die Hornhaut eingeſtochen, hinter derſelben, mit Vermeidung der vorderen Kammer, fortgeführt und dann an der inneren Seite der Truͤbung ausgeftochen. Der Operateur nimmt nun den Stiel des Haͤkchens in die linke Hand, das Biſtouri in die rechte, und macht zwei Schnitte, welche die Truͤbung einſchließen, 3“ oberhalb der Truͤbung auslaufen und 5,“ unter derſelben endigen, bis auf das Haͤkchen, ſo daß ein keilfoͤrmiges Stuͤck gebildet wird: dieſes wird entfernt und das Haͤkchen herausgezo— gen. Ohne das Auge zu ſchließen, ſchreitet man ſofort zum zweiten Acte: der Bildung der Knopfnath. Der bulbus wird, wenn es noͤthig iſt, mit dem Pamart'ſchen Spieße firirt, dann die Nadel mit dem Faden in den von dem Haͤkchen gebildeten Stichcanal eingefuͤhrt, die Fadenenden langſam zuſammengezogen, der Knoten geſchuͤrzt und das Auge geſchloſſen. (Fragmente zur Ophthalmiatrik von Dr. A. Steinberg. Mainz 1844.) Anlegung einer kuͤnſtlichen Pupille im oberen Augenlide. In einem Falle von Contraction des m. orbicularis palpebrarum, welcher allen angewandten Mitteln, ſelbſt der zweimal wiederholten Durchſchneidung der Muskelfaſern, ge— trotzt hatte, kam Dr. Gerold auf folgendes Operationsver— fahren, welches er zuerſt vorgeſchlagen und ausgefuͤhrt hat. Nachdem er eine kleine, flache Holzplatte, wohl eingeoͤlt, der Pupille gerade gegenüber unter das obere Augenlid gebracht hatte, machte er einen Kreuzſchnitt, welcher vollſtaͤndig die Haut, den Muskel und die Schleimhaut trennte. Die aͤußere Haut wurde darauf von den fo gebildeten 4 Lappen abpraͤparirt, die Schleimhaut nach Außen gekehrt und an die Baſis der Lappen befeſtigt, ſo daß die Schleimhaut die Peripherie der kuͤnſtlichen Oeffnung bildete. Ohne weitern Zufall verlief der Fall gluͤcklich und das Sehvermoͤgen war wieder herge— ſtellt; der Kranke trug, der Vorſorge halber, eine Brille. Die angegebene Operation ließe ſich wohl auch bei par— tieller oder vollſtaͤndiger Paralyſe des oculomotorius mit ptosis palpebrae superioris anwenden, und iſt jedenfalls zweckmaͤßiger, als die in ſolchen Fällen vorgeſchlagene longitu— dinale Durchſchneidung des Augenlides, welche die Contrac— tion des orbicularis weit mehr behindert, einen groͤßern Theil des Augapfels der aͤußeren Atmoſphaͤre bloßſtellt und 721. XXXIII. 17. 272 deßhalb zur Entzuͤndung Veranlaſſung giebt. (Aus Annales Belges d’Oculistie in Lancet, 23 March 1844.) Miscellen. Ueber die Vaccine hat die Commiſſion der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften in Beziehung auf die bei ihr eingegangenen preis— concurrirenden Abhandlungen und Mittheilungen einen fo ausfuͤbrli— chen Bericht erftattet, daß deſſen Vorleſung die Academie zwei Sitzun⸗ gen beſchaͤftigt hat. Folgendes find, kurz zufammengefaßt, die Res fultate der zahlreichen Concurrenten: 1. Die Präfervationskraft der Kuhpocken iſt abſolut für die größte Zahl der Vaccinirten, und temporär für eine kleine Zahl: aber ſelbſt bei dieſer find die Kuhpocken faſt abſolut ſichernd bis zum Juͤnglingsalter. 2. Die Blattern be⸗ fallen die Vaccinirten ſelten vor dem Alter von zehn bis zwölf Jah— ren; in den Jahren zwiſchen dieſem Alter und dem dreißigſten und fuͤnfunddreißigſten Jahre ſind ſie jenen noch am Erſten ausgeſetzt. 3. Außer ihrer ſichernden Kraft bringt die Kuhpocke eine Eigen- ſchaft in die Organiſation, welche die Symptome der Menſchen⸗ blatter ſchwaͤcht, ihre Dauer abkuͤrzt und die Gefährlichkeit derſel⸗ ben beträchtlich mindert. 4. Die Kuhpocken geben der Localerſchei⸗ nung der Vaccine eine bedeutende Intenſitaͤt; ihre Wirkung iſt ſicherer, als die der alten Vaccine. Aber nachdem ſie einige Jahre hindurch bei'm Menſchen uͤbertragen worden ſind, verſchwindet jene locale Intenſitaͤt. 5. Die ſichernde Kraft der Vaccinelymphe ſcheint mit der Intenſitaͤt der Localſymptome der Vaccine nicht innig vers bunden; doch iſt es, um der Vaccinelymphe ihre Eigenſchaft zu er— halten, klug, ſie ſo oft, wie moͤglich, zu erneuern. 6. Unter den Mitteln, welche zur Anfriſchung vorgeſchlagen ſind, beſteht das einzige fuͤr die Wiſſenſchaft Zutrauen verdienende, bisjetzt, darin, daß man die Lymphe wieder von ihrer urſpruͤnglichen Quelle neh— me. 7. Die Revaccination iſt das einzige Probemittel, welches der Wiſſenſchaft zu Gebote ſteht, um diejenigen Vaccinirten, welche entſchieden geſichert ſind, von denen zu unterſcheiden, wel- che es nur in einem gewiſſen, groͤßeren oder geringeren, Grade find. 8. Die Probe der Revaccination gewährt keinen zuverlaͤſſi⸗ gen Beweis, daß die Vaccinirten, bei welchen fie anſchlägt, be— ſtimmt waren, die Menſchenblattern zu bekommen, ſondern nur eine ziemlich große Wahrſcheinlichkeit, daß beſonders bei ihnen jene Krankheit, ſich zu entwickeln, geneigt ſey. 9. In gewoͤhnlichen Zei⸗ ten muß die Revaccination vom vierzehnten Jahre an wiedervorge— nommen werden; bei eintretenden Epidemieen iſt es klug, fruͤher dazu zu ſchreiten. Die Unterbindung der a. subela via und carotis communis fuͤhrte Herr Roſſi in einem Falle von aneurysma des truncus anonymus aus. Beide Arterien wurden in einer Siz— zung unterbunden. Der Kranke uͤberlebte die Operation nur ſechs Tage, aber die Section zeigte, daß jene zweckmaͤßig ausgefuͤhrt worden war und den lethalen Ausgang nicht allein herbeigefuͤhrt haben konnte. Die linke a. carotis und die rechte a. vertebralis waren obliterirt, fo daß wahrend der ſechs Tage, welche der Kranke nach der Operation noch lebte, die Hirncirculation nur durch die a. vertebralis sinistra ſtattgefunden hatte. (Lancet, June 1844.) Bibliographische Etudes de géologie médicale sur la phthisie pulmonaire et la fievre typhoide dans ses rapports avec les localites maréca- geuses, Par J. Ch. M. Boudin. Paris 1845. 8. (5 feuilles.) Atlas de la Flore des environs de Paris ou Illustrations de tou- tes les espèces des genres difficiles et de la plupart des plantes litigieuses de cette région, avec des notes descripti- ves et un texte explicatif en regard. Par MM. E. Cosson et E. Germain. Paris chez Fortin 1845. Nen s keiten On Ankylosis or stiff Joint. 1845. By W. J. Little, MD. London Observations pratiques sur le traitement des maladies syphiliti- ques par l’iodure de potassium. Par le docteur L. P. A. Gauthier. Paris 1845. 8. — — — Neue Uotizen aus deem Gebiete der Hatur - und Meilkunde, geſammelt und mitgetbellt von dem Ober ⸗Medicinalrathe Freriep jn Weimar, und dem Medieinalratbe und Profeſſor Froriep ju Berlin. No. 722. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 99 (Nr. 18. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 95 Maͤrz 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 99 nr dun d ee. Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Anneli— den, angeſtellt an den Kuͤſten Sicilien's. Von Herrn Milne Edward's (Fortſetzung.) Ehe ſie die Schwimmwimperhaare voͤllig eingebuͤßt, hatten ſich die jungen Terebellen ſchon gewiſſermaaßen auf ihre neue Lebensweiſe vorbereitet. Anfangs trug, in der That, jeder Koͤrperring nur ein Paar mit pfriemenförmigen Bor: ſten beſetzter Tuberkeln, welche das Ruͤckenruder der Fuͤße des vollkommenen Thieres repraͤſentirten; allein nunmehr fangen die mit Haken bewaffneten Bauchruder an ſich zu bilden, und dieſe Haken haben bekanntlich die Beſtimmung, die aufſteigenden und zuruͤckziehenden Bewegungen zu bewir— ken, welche die roͤhrenbewohnenden Anneliden im Innern ihs rer Roͤhre auszufuͤhren haben. Die Bildung dieſer Organe findet in derſelben Ordnung ſtatt, wie die der andern Ruder, d. h. von Vorn nach Hinten zu. Man gewahrt ſie zuerſt nur an einem oder zweien der erſten mit Fuͤßen beſetzten Ringe; allmaͤlig zeigen ſie ſich aber auch an den uͤbrigen Segmenten, und bald ſchreitet ihre Entwickelung raſcher fort, als die der Ruͤckenruder, ſo daß ſie an den ſich am Hintertheile des Koͤr— pers bildenden neuen Ringen fruͤher auftreten, als dieſe Ru— der. Auch die Vervollſtaͤndigung der mit Haken beſetzten Ruder befolgt denſelben Gang; jedes derſelben traͤgt anfangs nur einen einzigen Haken, und die Zahl dieſer Anhängfel vermehrt ſich ebenfalls von Vorn nach Hinten. Etwa acht Tage, nachdem ſich meine jungen Terebellen eine Roͤhre gebildet hatten, war der fuͤhlerfoͤrmige Anhaͤngſel an der Stirn ſo lang geworden, daß er mehr als halb ſo lang war, wie der uͤbrige Koͤrper; allein in der Breite war er verhaͤltnißmaͤßig nicht ſo ſtark gewachſen, wie dle uͤbrigen Theile, ſo daß ſeine Wurzel nicht mehr den ganzen vordern Rand des Kopfes, ſondern nur noch das mittlere Drittel der Stirn einnahm. Die Oberlippe hatte ſich bedeutend entwik— kelt, und die Augen ſchienen atrophiſch werden zu wollen; die Zahl der Fuͤße endlich belief ſich auf acht Paar, und No. 1822. — 722. zwiſchen dem letzten fuͤßetragenden Segmente und dem Anal— ſegmente bemerkte man einen neuen in der Bildung begriffe— nen Ring. Nach einer gewiſſen Zeit, deren Dauer ſich nach der Temperatur, der Reichhaltigkeit der Nahrungsſtoffe und den uͤbrigen Umſtaͤnden, unter denen die Larven leben, zu rich— ten ſcheint, ſieht man zur Seite des bereits an der Stirn vorhandenen Anhaͤngſels ein zweites Hervorkeimen. Das erſte iſt nunmehr fadenfoͤrmig und ſehr lang, waͤhrend der neue eirrhus erſt in einer kleinen cylindriſchen Tuberkel bes ſteht, deren Oberflaͤche mit neſſelartig brennenden Blaͤschen beſetzt iſt, und in deren Innern ſich bald ein Canal bildet, der mit der Abdominalhoͤhle zuſammenhaͤngt. Zu dieſer Zeit ſind die Augen um Vieles weniger deutlich geworden, als ſie es bei den umherſchwimmenden Larven waren, und man be— merkt um dieſelben her einige Pigmentflecken, welche ſich wie neue Augenpuncte ausnehmen. Endlich zählt man 13 Paare borſtenfuͤhrender Fuͤße, und die innern Organe ſtellen ſich weit deutlicher dar, als fruͤher. Indeß bemerkt man noch nicht die geringſte Spur von Blutgefaͤßen, und die Circulation ſcheint noch bloß in unregelmäßigen Bewegungen der mit weißen Kuͤgelchen verſehenen Fluͤſſigkeit zu beſtehen, mit welcher die Bauchhoͤhle angefuͤllt iſt, welche Fluͤſſigkeit auch in die Mittelhoͤhle der Stirncirrhen eindringt und in derſelben durch ſchwingende Wimperhaare bewegt zu werden ſcheint. Waͤhrend der Koͤrper ſich durch die Bildung von einem oder zwei neuen Ringen vor dem Analſegmente verlaͤngert, ſieht man einen dritten, dann einen vierten Anhaͤngſel ſich am vordern Rande des Kopfes, neben den beiden bereits er— waͤhnten Cirrhen, entwickeln. Bald darauf zaͤhlt man ſechs, dann acht dieſer tentakelfoͤrmigen Organe, deren Zuſammen— ziehungskraft ungemein bedeutend iſt. Die zuletzt entwickel- ten treten an der aͤußeren Seite ihrer Vorgaͤnger heraus, und da ihre Laͤnge der Dauer ihres Wachsthums ziemlich proportional ift, fo bilden fie eine von der Mitte nach den beiden Seiten zu abfallende Reihe. Wenn die junge Tere— 18 275 722 belle dieſen Grad der Entwickelung erreicht hat, kann man ſich leicht davon uͤberzeugen, daß die immer zahlreicher wer— denden Stirnanhaͤngſel nichts Anderes find, als die fadenfoͤr— migen Citrhen, welche bei dem erwachſenen Thiere vor dem Munde ein dichtes Buͤſchel bilden, welches bald zur Orts— veraͤnderung, bald zum Ergreifen der Nahrungsſtoffe dient. Zu dieſer Zeit bemerkt man ebenfalls, daß die Augenpuncte auf dem Stirnringe ſich bedeutend vervielfaͤltigt haben; al— lein man unterſcheidet die urſpruͤnglich vorhandenen Augen nicht mehr. Man zaͤhlt alsdann 20 bis 24 dieſer kleinen Pigmentflecken, und ſowohl ihre Zahl, als ihre Anordnung ſcheint keiner feſten Regel zu folgen. Die Zahl der Fuͤße belaͤuft ſich auf 20 bis 22 Paare, und der an der Bauch— flaͤche der Thoraxportion des Koͤrpers liegende Druͤſenapparat hat eine außerordentliche Entwickelung gewonnen. Indeß habe ich zu dieſer Zeit noch nicht die geringſte Spur von den eigentlichen Reſpirations- und Circulationsorganen be: merken koͤnnen. Dieſe beginnen ſich zu zeigen, wenn die jungen Tere— bellen 38 bis 40 Fußpaare erlangt haben. Man ſieht dann an dem fußloſen Ringe, welcher unmittelbar auf das Stirn— ſegment folgt, zwei zu beiden Seiten des Ruͤckenbogens ſitzende und ſchraͤg nach Oben und Außen gerichtete Tuder— keln. Dieſe Anhaͤngſel verlaͤngern ſich geſchwind und werden cylindriſch; ihre Oberflaͤche bedeckt ſich mit Queerſtreifen, die von der Contrartilitaͤt ihres Gewebes herruͤhren, und in der Mitte bildet ſich in ihnen ein Canal. Bald darauf entwik— kelt ſich ein zweites Tuberkelpaar, welches dem erſten aͤhnlich iſt, auf dem folgenden Segmente, und dieſe vier Anhaͤngſel, welche erſt tentakelfoͤrmigen Cirrhen gleichen, ſind nichts An— deres, als die Kiemen. Sie ſind bis dahin noch ungemein einfach, allein bald wird ihre Structur zuſammengeſetzter. Jenachdem ſich der Reſpirationsanhaͤngſel verlängert, theilt er ſich in Aſte, die ſich wieder gabelfoͤrmig ſpalten, und an verſchiedenen Puncten ihrer Oberflaͤche ſieht man neue Tu— berkeln entſtehen, welche ihrerſeits zu Zweigen werden; ſo daß bald jedes dieſer Organe, ſtatt, wie fruͤher, ein bloßer faden— foͤrmiger Auslaͤufer zu ſeyn, einen kleinen contractilen Strauch bildet, welcher ebenſowohl die Functionen eines Nebenherzens, als die einer Kieme vollzieht.?) Allein ihr Wachsthum iſt ihrem Alter proportional, und die des erſten Paares bleiben ſtets voluminoͤſer, als die des folgenden Paares. Zur Zeit des erſten Auftretens der Kiemen habe ich auch angefangen, die beſondern Organe der Circulation im Innern des Körpers wahrzunehmen. Das große Median = Ruͤckengefaͤß, welches bei den Anneliden die Functionen eines Herzens ausfuͤhrt, ſtellt ſich dann ziemlich ſcharf dar, und von ſeinem vorderen Ende ſieht man drei Zweige ausgehen, von denen einer ſich gegen den Stirnrand richtet, waͤhrend die beiden ſeitlichen ſich gabelfoͤrmig ſpalten, um ſich auf den Kiemen zu vertheilen. Allein ich moͤchte glauben, daß die zahlreichen Schlingen, welche bei'm erwachſenen Thiere „) Man ſehe in dieſer Beziehung meine früheren Beobachtungen über die Circulation der Anneliden, in den Annales des Scien- ces naturelles, Ze Série, T. X 722. XXXIII. 18. 276 den Darmeanal umgeben, noch nicht vorhanden ſeyen; mer nigſtens habe ich fie, trotz der ſehr bedeutenden Durchſich— tigkeit der Hautbedeckungen, nicht auffinden koͤnnen. Dieſe organogeniſchen Erſcheinungen characteriſiren das Ende der zweiten Lebensperiode unſerer jungen Terebellen. Dieſe Thierchen, welche alsdann erſt 10 bis 12 Millim. (5 bis 6 Linien) lang ſind, hoͤren nunmehr auf, Larven zu ſeyn, indem ſie alle Arten der ihnen von der Natur beſtimm— ten Organe bereits befigen, und man im Innern ihres Abs domen ſogar einige von den Eierſtöcken abgelof'te Eierchen bemerkt. Demungeachtet iſt ihre Entwickelung noch bei Weis tem nicht vollendet, indem ſie 20 bis 30 Mal größer wers den, als ſie ſind, und ſich auch die Zahl ihrer Organe noch bedeutend vermehrt. Allein die neuhinzutretenden Theile ſind nur eine Wiederholung der bereits vorhandenen, und der Organismus wird durch keinen neuen Apparat bereichert. Zu dieſer Zeit uͤberſteigt die Zahl der Kopftentakeln nicht 12 oder 13, während man deren ſpaͤter über 50 zählt. Ein drittes Kiemenpaar ſoll ſich noch hinter den vordern beiden entwickeln. Auch ſind die Fuͤße weit weniger zahlreich, als bei dem erwachſenen Thiere, und dieſe Organe haben noch nicht ihre ganze Vollkommenheit erlangt, denn an ihrem Bauchruder bemerkt man erſt eine Reihe Haken, ſtatt zweier, und dieſe kleinen hornigen Anhaͤngſel find noch wenig zahl⸗ reich. Auch iſt zu bemerken, daß die Entwickelung der neuen Haken in derſelben Ordnung von Statten geht, wie die der Fuͤße, d. h., von Vorn nach Hinten; wenn daher an dem Vordertheile des Körpers jedes Ruder eine Reihe von 6 — 7 dieſer Anhaͤngſel trägt, fo findet man an dem 12ten Fuͤße⸗ führenden Segmente nur eine ſolche von vieren; etwas mehr hinterwaͤrts nur noch von dreien, dann eine ſolche von zweien, noch weiter hinterwaͤrts nur einen einzigen Haken, und die hinterſten Ringe ſind mit fußfoͤrmigen Tuberkeln ohne Bor— ſten oder Haken beſetzt. Die neuen Ringe, vermoͤge deren ſich der Koͤrper verlaͤngert, entwickeln ſich ebenfalls in der Reihenfolge, wie die, deren Erſcheinen bereits erfolgt iſt, und die Bildung dieſer Zooniten (Ringe, Segmente) ſcheint mir an keine beſtimmten Grenzen gebunden zu ſeyn, weder was ihre Zahl, noch das Alter betrifft, wo deren Entſtehung auf⸗ hoͤrt. Denn bei dieſen Terebellen, wie bei den meiſten an⸗ deren Anneliden, iſt die Totalzahl der Ringe, aus denen der Körper der erwachſenen Exemplare beſteht, bei verfchiedes nen Individuen derſelben Species ſehr abweichend, und es ſcheinen faſt waͤhrend der ganzen Lebensdauer immer neue Ringe ſich zu bilden, So ſieht man denn, daß die Terebellen im jugendlichen Alter ſehr bedeutende Metamorphoſen erleiden. Die Larve dieſer Anneliden unterſcheidet ſich von dem vollkommnen Thiere eben ſo ſehr, wie die Raupe vom Schmetterling; allein ſchon in ihrer erſten Anlage offenbaren ſich Zuͤge, welche dem Ty— pus der Abtheilung, zu der ſie gehoͤrt, eigenthuͤmlich ſind, bald wird ſie auch als ein Ringelwurm und als ein zu der Claſſe der Anneliden gehoͤrendes Thier kenntlich; alsdann entfernt ſie ſich von dem Typus der gewoͤhnlichen Anneliden und nimmt allmaͤlig die unterſcheidenden Kennzeichen der Zus bicolen an; zuletzt erreicht ſie ihre Vollendung, indem ſich die 277 befondern Charactere der Gattung Terebella an ihr ent- wickeln; allein waͤhrend des ganzen jugendlichen Alters iſt es mir unmöglich geweſen, an ihr einen der Züge aufzufinden, auf welchen die ſpecifiſchen Unterſchiede dieſer Gattung be— ruhen. Die von mir an den Terebellen beobachteten genetiſchen Erſcheinungen ſtimmen demnach mit den Anſichten, an die ich Eingangs dieſer Abhandlung erinnert habe, vollkommen uͤberein, und ebenſo verhaͤlt es ſich auch mit der Embryologie der Protuln, die ich zu Milazzo zu ſtudiren Gelegenheit hatte. . Um dieſe Mittheilung, ſoviel als moͤglich, abzukuͤrzen, er— waͤhnt der Verfaſſer nur der hauptſaͤchlichſten Thatſachen, die er beobachtet hat, indem er die Entwickelung des Embryo der Protuln und die Metamorphoſen, welche dieſe Thiere nach der Geburt erleiden, verfolgte. Die erwachſenen Protuln find von den Terebellen ſehr verſchieden, allein bei'm Aus— kriechen aus dem Eie gleichen ſie den Larven der letztern in dem Grade, daß man à priori kaum errathen wuͤrde, daß beide wirklich verſchiedenen Familien angehoͤren. Das junge Thier erlangt die characteriſtiſchen organiſchen Kennzeichen, nach welchen es erſt der Abtheilung, dann der Claſſe, dann der Ordnung, endlich der beſondern Familie, von denen es ein Glied iſt, zuzugeſellen iſt, eines nach dem andern. Auch iſt zu bemerken, daß die Protuln, gleich den Terebellen, ans fangs nur einen Kopf- und After-Ring beſitzen, und daß alle uͤbrigen nach und nach hinzukommenden Ringe ſich zwiſchen dieſen beiden endſtaͤndigen Körperportionen bilden, und daß jeder neuentſtehende Ring zwiſchen dem Afterſegmente und dem zuletzt gebildeten Ringe ſich bildet. Herr Milne Edwards theilt auch eine ſummariſche Ueberſicht ſeiner Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Nereiden, Syllis und einiger anderen herumſchweifenden An— neliden mit und beſchließt ſeine Abhandlung mit folgenden Betrachtungen. Alle von mir beobachteten Thatſachen ſtehen demnach miteinander vollkommen im Einklange und muͤſſen in uns die Anſicht begründen, daß die ſaͤmmtlichen chaͤtopodiſchen “) Anneliden denſelben Geſetzen der Entwickelung unterwor— fen ſeyen. 1 Aus den ſaͤmmtlichen Thatſachen ergiebt ſich, daß der Koͤrper dieſer Thiere ſich allmaͤlig durch die aufeinanderfol— gende Entwickelung von neuen Ringen, d. h., von aͤhnlichen Theilen, wie die ſchon vorhandenen, ausbildet; durch die Ent— ſtehung neuer, nach demſelben Grundplane organiſirter Seg— mente, welche ſich aneinanderreihen. Man ſieht auch, daß ſich ſtets die beiden endſtaͤndigen Theile des Koͤrpers, die, welche den Mund und den After tragen, zuerſt bilden, und daß dann die mehr oder weniger zahlreichen Ringe des Rumpfes in dem zwiſchen dieſen beiden ) Chetopodes, wahrſcheinlich von zalrn, Haar, und ros, Fuß, alſo Borſtenfuͤßler; da dieß Wort von „ros, Mangel, und raus nicht wohl abzuleiten iſt, indem der Name Fußloſe fuͤr dieſe Geſchoͤpfe nicht paſſen wuͤrde. 8 D. Ueberſ. 722. XXXIII. 18. 278 endſtaͤndigen Portionen liegenden Raume entſtehen. Allein es offenbart ſich dabei keine eigentlich centripetale genetiſche Bewegung, wir haben hier nicht zwei Reihen von Ringen, die, indem ſie ſich ausdehnen, einander zuſtreben, ſondern eine einzige Reihe, welche ſich, von Vorn nach Hinten fort— ſchreitend, durch das Hinzutreten neuer Elemente verlaͤngert, ſo daß das Afterſegment immer weiter vom Kopfe hinwegge— draͤngt wird, und welche ſo geordnet iſt, daß das relative Alter jedes dieſer Ringe mit dem Range, den es im Orga— nismus behauptet, uͤbereinſtimmt. Der neue Ring entſteht zwiſchen dem juͤngſten Segmente und dem Afterſegmente, und es ließe ſich die Frage aufwerfen, welchem dieſer beiden Segmente er eigentlich ſeine Entſtehung verdanke. Auf den erſten Blick ſcheint dieſe Frage ſchwer zu beantworten; allein fie laͤßt ſich, meines Erachtens, mit Huͤlfe einer Beobach— tung erledigen, welche auch die Allgemeinheit der hier be— ſprochenen genetiſchen Richtung darzulegen geeignet ſeyn duͤrfte. Als ich vergangenes Jahr die Anneliden der Kuͤſten des Canals La Manche ſtudirte, war Herr v. Quat re— fages mit mir Zeuge einer Erſcheinung, die bereits von Otto Fried. Muͤller beobachtet, aber von den Zoologen nicht nach ihrem vollen Werthe gewuͤrdigt worden war, naͤm— lich von der freiwilligen Theilung oder Vervielfältigung der Syllis durch Abſenker. Herr v. Quatrefages war Zeuge davon, daß in einem gewiſſen Lebensalter ein, lediglich zur geſchlechtlichen Reproduction beſtimmtes neues Individuum ſich am hintern Theile des Koͤrpers dieſer Thiere entwickelt und ſich von demſelben trennt, nachdem es noch eine Weile mit demſelben zuſammengehangen hat. Eine an den Kuͤſten Siciliens hauſende und dem Myrianen des Herrn v. Sſa— vigny einigermaaßen nahe ſtehehende Annelide, die mir je— doch den Typus einer eignen Gattung bilden zu muͤſſen ſcheint, hat mir eine aͤhnliche Erſcheinung dargeboten, die je— doch noch merkwuͤrdiger iſt; denn das Mutterexemplar er— zeugte nicht einen Abſenker, ſondern bis zu ſechs Stuͤck, die am hintern Koͤrperende der Mutter roſenkranzfoͤrmig ver— einigt waren und, wie bei den Syllis, die Geſchlechtstheile enthielten, deren der Mutterkoͤrper ſelbſt entbehrt. Nun entſtehen aber dieſe Jungen genau an der Stelle, wo wir bei den Larven die neuen Ringe ſich bilden ſehen, d. h., zwiſchen dem Analſegmente des Rumpfes; allein ſie bilden ſich nicht alle gleichzeitig, und, je nach dem Grade der Entwickelung, den ſie bei dem Exemplare, das ich zu beob— achten Gelegenheit hatte, erreicht, ſah man ſehr deutlich, daß ſie um ſo juͤnger waren, je naͤher ſie dem Mutterindividuum ſtanden. Das zuerſt entſtandene Junge mußte ſich anfangs zwiſchen dem endſtaͤndigen Segmente des Rumpfes der alten Annelide und ihrem Schwanzringe befunden haben, welcher, durch die Reproductjonsknoſpe zuruͤckgedraͤngt, ſomit aufge— hoͤrt hatte, der alten Annelide anzugehoͤren und zu einem der Ringe des neuentſtandenen Individuums geworden war. Das zweite, vor dem erſten befindliche Junge mußte ſich zwiſchen dieſem und demſelben endſtaͤndigen Ringe des Rum— pfes der alten Annelide entwickeln und konnte zu dem ur— ſpruͤnglichen Schwanzringe in keiner unmittelbaren Beziehung 18 * 279 ſtehen, daher es auch nur ein Product des letzten Segmens tes des Rumpfes der Muttereremplare ſeyn konnte. Ebenſo mußte es ſich mit dem dritten, vierten, fünften ic. Jun— gen verhalten. Die Erzeugung eines neuen Individuums durch Abſen— ker gleicht demnach gewiſſermaaßen der Bildung neuer Ringe am Körper der Larve; nur verliert im letztern Falle der pro— ducirende Ring, ſobald er ein neues Segment, mit dem er ſich auf die innigſte Weiſe verbindet, erzeugt hat, ſeine Pro— ductionskraft, und das letztere wird ſeinerſeits productions faͤhig; waͤhrend bei der Vervielfaͤltigung der Individuen durch Abſenker das Product dem Organismus des Mutterthieres gewiſſermaaßen entfremdet wird, und der daſſelbe erzeugtha— dende Ring in dieſen Functionen verharrt und eine Reihe von Jungen erzeugt, von denen die juͤngern die aͤltern zu— ruͤckdraͤngen. Bei den Anneliden alſo, wie bei den Pflanzen, wo ſich aus jungen Geweben neue Gewebe erzeugen, ſcheint der juͤngſte Ring allein die Faͤhigkeit zu beſitzen, die Bil— dung eines neuen Rings zu veranlaſſen. In der That ſieht man bei dieſen Thieren niemals einen neuen Ring zwiſchen zwei Ringen derſelben Reihe auftreten, ſondern er zeigt ſich ſtets am Ende der Reihe; allein dieſe Eigenſchaft, vermoͤge deren ein Segment faͤhig iſt, ein ihm ſelbſt ähnliches Segment zu erzeugen, geht durch die einmalige Bethaͤtigung derſelben nicht ganz verloren, ſie wird nur, wenn das Mutterſegment mit ſeinem Producte in enge Verbindung tritt, gebunden, und erwacht wieder, wenn das letztere von dem erſtern ab— gelöft worden iſt; denn ich behalte mir vor, bei einer ans dern Gelegenheit zu zeigen, daß die Reproduction der durch Verſtuͤmmelungen verlorengegangenen Ringe nichts Anderes, als eine Erſcheinung der Art, iſt. Uebrigens ſcheint es mir glaub— haft, daß dieſe Zeugungskraft unter gewiſſen Umſtaͤnden von jedem endftändigen Ringe einer Reihe ausgeuͤbt werden und ſonach auch die Verlaͤngerung der Reihe ebenſowohl an de— ren vorderem, als an deren hiaterem Ende veranlaſſen koͤnne. Die Verſuche eines Bonnet, eines Duges und mehrer andern Naturforſcher beſtaͤrken mich in dieſer Anſicht, und es it zu vermuthen, daß bei gewiſſen Anneliden, z. B., den Glyceren, die Zahl der Kopfſegmente ſich auf dieſe Weiſe vermehren koͤnne; allein daß dieß für gewöhnlich nicht der Fall fen, daß in bei Weitem den meiſten Faͤllen die Ver⸗ mehrung der Ringe bei den Anneliden nur am hintern Ende der durch die Ringe des Rumpfes gebildeten Reihe ſtattfinde, davon kann man ſich leicht uͤberzeugen. Es iſt auch zu bemerken, daß bei der Zeugung durch Abſenker, von der ſoeben die Rede war, die jungen Indivi— duen ſich auf dieſelbe Weiſe entwickels, wie wenn fie von einem Eie herſtammen. Die Zahl ihrer Ringe vergroͤßerte ſich ſtufenweiſe; der Kopf und Schwanzring bildeten ſich zu— erſt, und zwiſchen dem letzten Segmente der Kopfreihe und dem Schwanzſegmente entwickelten ſich nacheinander fämmts liche Ringe. So beſtand der jüngfte jener ſonderbaren Ges ſchoͤpfe, die am hintern Ende des Mutterthieres roſenkranz— foͤrmig vereinigt waren, nur aus 10 Ringen, während das zweite deren 14, das dritte 16, das vierte 18, das fuͤnfte 23, und das ſechste, als das aͤlteſte unter allen, welches das 722. XXXIII. 18. b 280 hinterſte der Reihe war, deren 30 beſaß. Zugleich konnte man ſich leicht davon uͤberzeugen, daß bei jedem dieſer klei⸗ nen Geſchoͤpfe die Reihe der Rumpfringe ſich von Vorn nach Hinten zu gebildet hatte; denn die Ringe waren in ihrer Entwickelung um ſo weiter fortgeſchritten, je naͤher ſie dem Kopfe lagen, der bei allen ziemlich daſſelbe Volum darbot. Endlich war das Schwanzſegment überall vollſtaͤndiger, als die letzten Segmente des Rumpfes, ſo daß ſich jeder der neu hinzugetretenen Ringe hoͤchſt wahrſcheinlich zwiſchen dieſem endſtaͤndigen Segmente und dem letzten Segmente des Rum⸗ pfes gebildet hatte. Die ſoeben dargelegte genetifche Richtung iſt nicht nur in der Claſſe der Anneliden wahrzunehmen, die bereits wiſſen⸗ ſchaftlich feſtſtehenden Thatſachen beweiſen, daß dieſelbe eine allgemeinere Geltung anſprechen darf, und wenn die Zoolo— gen der Ordnung, in der ſich die Segmente der Gliederthiere entwickeln, mehr Aufmerkſamkeit ſchenken werden, ſo wird man wahrſcheinlich in der Conſtitution der Embryonen aller nach demſelben Grundtypus organiſirten Geſchoͤpfe, d. h., bei allen Mitgliedern der großen Abtheilung der Ningelwürs mer, mehr oder weniger deutliche Spuren derſelben wahr— nehmen: Sn der That habe uns die Forſchungen eines De Geer, Savi, Newport und Ger vais daruͤber belehrt, daß in der Claſſe der Myriapoden, ebenſowohl wie bei den Anneliden, der Koͤrper des jungen Thieres ſich durch die auf⸗ einanderfolgende Entwickelung einer gewiſſen Anzahl von Ringen vervollſtaͤndigt, die ſich an der hinteren Portion des Rumpfes zwiſchen dem letzten Segmente dieſes letztern und dem Afterſegment aneinanderreihen, ſo daß dieſes immer weiter vom Kopfe weggedraͤngt wird. Jurine, Rathke, Thompſon und mehrere andere Carcinologen ſind, gleich mir, Zeugen von aͤhnlichen Erſcheinungen bei verſchiedenen Kruſtenthieren, z. B., dem Krebſe, der Waſſeraſſel und den Cyclopen, geweſen. Eine aͤhnliche Richtung offens bart ſich in den Modificationen, welche die Organiſation mancher jungen Arachniden erleidet, bei denen Leuwen— hoeck, De Geer und Duges nach der Geburt zu den ſchon vorhandenen drei Fußpaaren (Fußgliedern?) ein viertes hinzutreten ſahen. Endlich ſcheinen mir auch bei den juns gen Embryonen mancher Inſecten, z. B., Simulia eane- scens, welche Herr Koͤlliker beobachtet hat, Spuren die⸗ ſer Art der Entwickelung der Ringe vorzukommen; allein wir wiſſen von den erſten Lebensperioden der Embryonen dieſer Claſſe noch zu wenig, als daß ſich darüber eine bes ſtimmte Anſicht aufſtellen ließe. Wenn man Übrigens die Geſetze, welche die Art der Vervielfältigung der Ringe bei den Anneliden zu regeln ſcheinen, auf die geſammte Gruppe der Ringelthiere auszu- dehnen ſucht, ſo darf man ſich nicht darauf beſchraͤnken, die Entwickelung der aus Eiern ſtammenden Jungen zu beob⸗ achten, ſondern es muͤſſen auch die Erſcheinungen zu Rathe gezogen werden, welche an den durch Abſenker erzeugten neuen Individuen wahrzunehmen ſind. Wir haben geſehen, daß bei der opiparen Entwickelung unſerer Anneliden der Körper des jungen Thieres ſich ure 281 ſpruͤnglich in zwei Portionen theilt, von denen nur die eine die Fähigkeit der Erzeugung von Ringen deſitzt, und daß ſich alle neue Ringe in der Art aneinanderreihen, daß die Reihe ſich nur an ihrem einen Ende verlaͤngert, und daß dieſe verſchiedenen Theile des Organismus ſtets dieſelbe res lative Lage zueinander behaupten. Der Körper des erwach— fenen Thieres befteht älſo, abgeſehen vom Schwanzringe, les diglich aus einer einzigen genetiſchen Reihe oder Gruppe von Zooniten (Segmenten), welche der Kopfregion ihre Entſte— hung verdankt. Wenn aber die Entwickelung thaͤtiger wird, wie in dem Falle der Fortpflanzung durch Ableger, wovon uns die Syllen und Myraniden Beiſpiele darbieten, ſo ſieht man, daß aus einem Ringe direct zwei oder mehr Zooniten entſtehen, welche, indem ſie ſich ihrerſeits wieder in derſelben Weiſe reproduciren, eine oder mehrere Zwiſchenreihen bilden. Die Geſammtheit der fegmentförmigen Producte ſtellt nun eine Aufeinanderfolge von Zoonitengruppen dar, von denen jede ſich an ihrem hinteren Theile verlaͤngert, wie es im vorhergehenden Falle die einzige Reihe that, und obwohl die allgemeine Tendenz der genetiſchen Erſcheinungen dieſelbe geblieben, ſo geht doch hieraus hervor, daß die Verbindung der Theile untereinander nicht mehr denſelben Geſetzen un— terworfen iſt. Uebrigens findet ſich dieſe Erſcheinung, wel⸗ che in der Claſſe der Anneliden nur bei der Erzeugung neuer Individuen durch Abſenker und nie bei der urfprünglichen Bildung des Individuums ſelbſt vorkommt, in anderen Faͤl— len bei der Entwickelung des Embryo, ſo daß dadurch in gewiſſen Lebensepochen die Beziehungen der Zooniten unter⸗ einander veraͤndert werden. (Schluß folgt.) 722. XXXIII. 18. 282 Miscellen. Ueber die Geologie des britiſchen Guiana trug der Ritter Robert H. Schomburgk der Londoner geologiſcken Ge: ſellſchaft am 4. December 1844 einige Bemerkungen vor. Es kom⸗ men in dieſem Gebiete faſt nur Urgebirgsarten vor. An der Muͤn⸗ dung des Orenoko befindet ſich ein Delta von blauem Thon, unter welchem ſich Waſſer durch arteſiſche Brunnen erbohren läßt. Une ter dem Thone lagern die Ueberrefte vorweltlicher Wälder. Die alluviale Ebene ſtoͤßt an Sandberge, hinter denen Granit auftritt, der durch zahlreiche Gruͤnſteinwaͤnde durchſetzt iſt, und dann begin⸗ nen die Savannen, welche von maͤchtigen, haͤufig Eiſenerz enthal⸗ tenden Conglomeratlagern durchſetzt find, und über welche hohe Porphyrberge vorſpringen. Die Savannen haͤlt man fuͤr den Grund eines Sees der Vorzeit. Hierauf folgt eine Region, in der viel Jaspis vorkommt, und dann eine merkwuͤrdige Granitberg⸗ kette. Vorzuͤglich zogen die vielen vereinzelten Felſen von grotese ken Geſtalten die Aufmerkſamkeit des Verfaſſers in dieſem Diſtrict auf ſich. Auch halt er für wahrſcheinlich, daß die Fluͤſſe Gold führen, und er traf auch die wohlbekannte Gangart der Braſilia⸗ niſchen Diamanten an. In Beziehung auf Gewicht und Statur der Be⸗ wohner verſchiedener Länder iſt zu bemerken, daß in Bel⸗ gien das mittlere Gewicht eines Mannes iſt 140.49 Pfund, im Seinedepartement 136.49 Pfund, in England (in der Gegend von Cambridge) 150.98 Pfund. Die mittlere Höhe eines Mannes in Belgien iſt 5 Fuß 63.10 Zoll; eines Franzoſen 5 Fuß 4 Zoll; eines Engländers 5 Fuß 91 Zoll. Bei der Recrutirung der Franzöſi⸗ chen Armee iſt das Normalmaaß 1.566 Metres, etwa 5 Fuß 1! Zoll Engl. — Vor 50 Jahren aber war das Franzoͤſiſche Nor⸗ malmaaß 4 Fuß 5 Zoll. — Das Engliſche Normalmaaß iſt für Infanteriſten 5 Fuß 6 Zoll, für die Garde 5 Fuß 8 Zoll. ueber ein Exemplar einer Libellula, welche in einer Entfernung von 600 Engliſchen Meilen von der nächſten Kuͤſte auf dem Atlantiſchen Ocean fliegend gefangen worden, hat Herr Saun⸗ ders der Entomological Society zu London Mittheilung gemacht. r Ueber eigenthuͤmliche Ulcerationen von Narben. Von Robert Smith. Die Verſchwaͤrungen zeigen ſich an Narben, welche ſchon mehrere Jahre vorhanden ſind; die Beſchaffenheit der Verletzung, in deren Folge die Narbe ſich gebildet hat, ſcheint keinen Einfluß auf ihre Entwickelung zu haben. Sie zeis gen ſich ohne Unterſchied nach Verbrennungen, Quetſchwun— den u. ſ. w., ſelten jedoch nach reinen Schnittwunden. Eine Narbe kann ulceriren, ſich wieder ſchließen und von Neuem aufbrechen, ohne daß deßhalb dieſe Verſchwaͤrung die Charactere desjenigen darbietet, wovon hier die Rede iſt. Sobald die letztere Ulceration ſich einmal gebildet hat, fo wird fie immer, allerdings oft ſehr langſam, größer und fchreis tet nicht nur in der Breite, ſondern auch in der Tiefe mei: ter. Nach und nach wird das Perioſt angegriffen und der Knochen ſelbſt reforbirt; er bricht, wenn das Geſchwuͤr an einer Stelle ſich befand, wo der Knochen dicht unter der Haut liegt. Den Geſchwuͤren geht gewoͤhnlich das Erſchei— en einer kleinen, harten, warzenartigen, glatten und an der Oberflaͤche von einem auch die ganze Narbe bekleidenden Häutchen uͤberzogenen Geſchwulſt auf dem Narbengewede voran; zuweilen aber zeigte ſich gleich von vorn herein die Eroſion an mehreren Stellen. Die Verſchwaͤrung kann ſich nach und nach uͤber die urſpruͤngliche Narde hinaus verbrei— ten. Der Grund des Geſchwuͤrs iſt zuweilen granulirt; in anderen Füllen dagegen zeigt er eine große Menge weis ßer, dichter, aber zu gleicher Zeit bruͤchiger, miteinander pas rallel laufender und auf der Oberflaͤche der benachbarten Ge— webe perpendieulärer Faſern. Dieſe Geſtaltung iſt für das hier beſchriedene Geſchwuͤr characteriſtiſch. Sie ift conſtant; denn bei genauerer Unterſuchung findet man ſelbſt bei dem anſcheinend granutirten Geſchwuͤte, daß eine jede Granula⸗ tien aus einem Buͤndel jener Faſern beſteht, welche man vermittelſt einer Nadel leicht voneinander trennen kann. Ein eitriger, dicker, aͤtzender und zuweilen mit Blut gemiſch⸗ ter Ausfluß, — Schmerzen, anfangs leicht, dann flärfer und anhaltend, — ſpaͤter Symptome der Hectik, find die Phänomene, welche diefe Affection begleiten. Die benach⸗ darten Gewebe werden von Fiſſuren durchzogen, welche pa · 283 ter von derſelben Alteration ergriffen werden. Wenn das Geſchwuͤr ein knotiges Ausſehen hat, ſo gleicht es ſehr dem Krebsgeſchwuͤre. Oft werden die von demſelben ergriffenen Gewebe brandig; was ſeltener bei den Geſchwuͤren der Fall iſt, deren Oberflache von Anfang an die fibroͤſe Form dar— bot. Das Uebel iſt ſehr bedeutend, da es den Tod durch Hectik herbeifuͤhren kann. Was die Behandlung betrifft, fo ift die Exciſion das einzige wirkſame Mittel. (Aus Dublin med. Press. in Gaz. med. de Paris, No. 41. 1844.) Ueber die Einwirkung des mit Canthariden ver— ſetzten Weineſſigs. Von Dr. Brame. Die Bauern der Provinz Touraine, in welcher bekannt— lich Canthariden in großer Anzahl geſammelt werden, toͤdten dieſe Thiere gewoͤhnlich auf die Weiſe, daß ſie dieſelben in Weineſſig tauchen, welchen ſie dann oft fuͤr das naͤchſte Jahr aufbewahren. Der Verfaſſer hat ſich nun durch ſeine Un— terfuchungen überzeugt, daß der Weineſſig von den wirkſa— men Beſtandtheilen der Canthariden hinlaͤnglich viel auf— loͤſ't, um ein in größerer Gabe toͤdtliches Gift zu werden. Dieſes Gift iſt um ſo furchtbarer, als die nach dem Genuſſe deſſelben eintretenden Symptome durchaus nicht von denen einer idiopathiſchen, ſehr heftigen gastro - enteritis verſchie— den ſind. Phlyctaͤnen und Ulcerationen koͤnnen ſich zwar im Munde, auf der Zunge und an den Lippen bilden, aber Dieſes iſt nicht conſtant; uͤberdieß ſtarben die vom Verfaſſer zu ſeinen Experimenten benutzten Hunde, ohne daß irgend Etwas kurze Zeit vorher dieſen Ausgang vorausſehen ließ. In der Gabe von 40 Grammen tödtete der Ganthariden s Weineſſig (in dem Verhaͤltniſſe von 1 : 12) einen gefunden und ſeit 24 Stunden faſtenden Hund von mittlerer Größe binnen 6 Stunden; bei einer Gabe von 6 bis 8 Gr. tägs lich, ſtarb ein anderer Hund nach 6 Tagen. Die bei dieſen beiden Thieren vorgefundenen pathologiſchen Veraͤnderungen betrafen vornehmlich den Darmcanal, die Harnorgane und die Fluͤſſigkeiten. Bei dem erſten Hunde war das Gefaͤß— ſyſtem ſo ſehr mit ſchwarzem, plaſtiſchem Blute uͤberladen, daß man bei der Eroͤffnung eine kuͤnſtliche Injection vorzu— finden glaubte. Reiner Weineſſig bringt in ziemlich großer Gabe analoge, aber weniger ſcharf ausgeſprochene, Veraͤnde— rungen hervor; derſelbe kann gleichfalls eine gastro-enteri- tis erzeugen, welche der durch den Canthariden-Weineſſig bewirkten ziemlich aͤhnlich iſt, nur greifen die pathologiſchen Veraͤnderungen weniger tief ein. Characteriſtiſcher für die Wirkungen des Canthariden— Weineſſigs iſt aber die Contractur der Harnblaſe, welche ſo betraͤchtlich iſt, daß bei dem erſten Hunde das Volumen dieſes Organes nicht großer, als das einer großen Haſelnuß, war und von dem dee Vorſteherdruͤſe übertroffen wurde; ferner die Alteration der Nieren, der Harnleiter und der Schleimhaut der Blaſe. Der Magenſaft wurde alkaliſch und eiweißhaltig und enthielt bei ſtarker Einwirkung des 722. XXXIII. 18. 284 Giftes eine mit Blut gefärbte Materie; die contenta des Darmcanales waren ein Gemiſch aus veränderter Galle, eis weißhaltigen Faͤcalmaſſen und derſelben mit Blut gefärbten Materie in den Fällen, wo das Gift raſch tödtete; der Harn wurde alkaliſch und albuminoͤs. Reiner Weineſſig kann den Urin alkaliſch, aber nicht eiweißhaltig machen. Eine bemerkenswerthe, noch mitgetheilte Thatſache iſt die, daß zZ, von dem, nach dem oben angegebenen Ver- haͤltniſſe zubereiteten, Weineſſig ein Gemiſch von Milch und Eiweiß voͤllig vor der Faͤulniß zu ſchuͤtzen ſcheint, und daß dieſelbe Wirkung durch die, in dem Magen eines, durch laͤngere Zeit hindurch gereichte kleinere Gaben vergifteten, Hundes enthaltene Fluͤſſigkeit hervorgebracht wurde. Ob— wohl dieſe Fluͤſſigkeit alkaliſch war und die Milch in gerin- gem Grade gleichfalls, ſo wurde die Miſchung dennoch bald ſauer und erhielt ſich in dieſem Zuſtande. Die Leichen der Hunde erhielten ſich mehrere Tage hindurch, bei einer Tem— peratur von 50° C., friſch und nahmen keinen putriden Geruch an. Aus den vom Verfaſſer angeſtellten chemiſchen Unter— ſuchungen geht hervor, daß das grüne Oel und das Cantha—⸗ ridin ſich in dem Eſſige aufzulöfen ſcheinen; doch bedürfen dieſe Beſtimmungen noch einer weiteren, genaueren Pruͤfung. (Sitzung der Acad. de Med., Oct. 22. in Gaz. Med. de Paris, No. 43., 1844.) f Einen Fall von Mor dwahnſinn erzählt Dr. Chriſtie. — M. K., 20 Jahre alt, welcher bei mir einige Monate lang im Dienſte war, ſagte mir ei— nes Tages, daß er ſeit drei Jahren ſehr am Magen gelitten, daß er ſehr heftige Kopfſchmerzen gehabt habe und deßwegen mehrere Aerzte vergeblich conſultirt haͤtte. Seine Eltern bielten ihn für einen Muͤſſiggaͤnger, der ſich krank ſtellte, um Nichts thun zu duͤrfen. Zum Theil theilte ich zwar dieſe Meinung, dachte aber wohl noch an irgend ein anderes Grunduͤbel. Ich uͤberzeugte mich auch, daß er keinem ſeinem Alter zuweilen eigenthuͤmlichen Laſter ergeben ſey, und fand uͤberdieß, daß er eine belegte Zunge habe; zugleich klagte er uͤber ſauren Geſchmack im Munde, Brechneigungen und ſehr heftiges Kopfweh, nachdem er ein oder zwei Tage zuvor an Heißhunger gelitten hatte; waͤhrend dieſer Zeit wurde er durch einen Hang zum Morden gequaͤlt, welchem er bis jetzt nur mit großer Muͤhe widerſtehen konnte; uͤberdieß war die— ſer Hang immer ſtaͤrker hervorgetreten, und er fuͤhlte, daß er dieſem bald nicht mehr werde widerſtehen koͤnnen. Auch nahmen dieſe Anfaͤlle an Haͤufigkeit immer mehr zu, ſo daß ſie zuletzt kaum durch einen Zeitraum von 3 oder 4 Tagen geſchieden waren. In der Zwiſchenzeit waren feine Leiden ſchaften und Empfindungen normal und ſeine Geiſteskraft unverändert. Er konnte für jene Neigung zum Morden eis nen Grund angeben, nannte fie einen Wahnſinn, und tier wohl er ſich die Folgen jener That, welche er, zu vollfuͤhren, ſo begierig war, mit allen ihren Schrecken in ſeinem Geiſte ſehr wohl vorſtellte, ſo konnte er doch jenen ſchrecklichen 285 Gedanken während des ganzen Anfalls, der mindeſtens ei— nige Stunden dauerte, aus feinem Gedaͤchtniſſe nicht ents fernen. Indeß vermochte er ſich doch noch zu beherrſchen und ſein Geheimniß fuͤr ſich zu bewahren; nunmehr aber fühlte er, daß ihm fernerhin die Kraft fehlen werde. Uebris gens kuͤmmerte ſich der junge Mann weder um Politik, noch um die Tagesereigniſſe; er war mit feinem Schickſale zu: frieden, hatte ſich uͤber Keinen zu beklagen, und wußte auch durchaus nicht, wem er bei der Wahl ſeiner Opfer den Vor— zug geben ſollte. Waͤhrend eines heftigen Anfalles wuͤrde ſeine Wahl ebenſo auf ſeinen naͤchſten Anverwandten, wie auf den erſten beſten Fremden, gefallen ſeyn. Sonſt war ſein Character mild, nachgiebig; fuͤhlte er ſich aber unwohl, ſo legte er ſich zu Bette, um ſorgfaͤltig jede Beruͤhrung mit ſeiner Umgebung zu meiden. Am 20. Auguſt verordnete man ihm milde Purgirmit— tel mit einigen tonieis und Alkalien. Hiernach beſſerte ſich fein Allgemeinbefinden: die Verſtopfung, die nausea und das Sodbrennen verſchwanden. Am 1. September erfolgte ein leichter Anfall; und ſo fuͤgte man zu den vorigen Mit— teln noch einige Schroͤpfkoͤpfe hinter die Ohren hinzu, fer— ner ein Blaſenpflaſter auf den Nacken, wodurch wiederum Beſſerung erfolgte. Der Kranke hat nun wieder vollkommnes Vertrauen zu ſich gefaßt, und bis zum 6. Januar 1840, von wo ab man alle therapeutiſche Behandlung wegließ, hatte er nicht den geringſten Anfall wieder verſpuͤrt. Nach Dr. Chriſtie iſt die Heilung in dieſem Falle durch dieſe therapeutiſche Behandlung, verbunden mit einer moraliſchen, zu Stande gekommen. (Gaz. méd. Juin 1844.) Ueber die Wirkungen des Matico als stypticum und adstringens Von Dr. Thomas Jeffreys. Matico iſt der Piper angustifolium der Flora Peru- viana und ſcheint ſehr wirkſame adſtringirende und ſtyptiſche Ei⸗ genſchaften zu beſitzen, weßhalb er auch in den weſtlichen Ge— genden Suͤdamerica's ſehr geſchaͤtzt wird. Dr. Jeffreys, ſowie mehrere andere Aerzte, haben dieſes Mittel mit großem Nutzen in Füllen von Blutung angewendet. Matico kann innerlich und aͤußerlich angewendet werden, aber beſonders ſcheint es bei aͤußeren Faͤllen von Haͤmorrhagie wirkſam ge— weſen zu ſeyn. Dr. Jeffreys erzaͤhlt mehrere Faͤlle von hartnaͤckigen Blutungen nach Blutegelſtichen, nach der Ab— tragung von Muttermaͤlern, noch Inciſionen u. ſ. w., bei welchen durch die Application der unteren Seite des Blattes auf die blutende Oberflaͤche der Blutfluß geſtillt wurde. Die obere Seite des Blattes ſcheint nicht ſo kraͤftig ſtyptiſch zu wirken. Das Mittel iſt auch innerlich mit Erfolg in Faͤl— len von Bluterbrechen, Darmblutung, Menorrhagie, und als Waſchung bei Gonorrhoͤe, vaginitis ꝛc., angewendet worden. Nach einer von Clay in Liverpool angeſtellten Analyſe enthält dasſelbe eine große Quantität Gallus-Saͤure, von welcher ohne Zweifel ſeine Wirkſamkeit herruͤhrt. Es 722. XXXIII. 18. 286 laͤßt ſich auf dieſe Weiſe mit andern bereits bekannten ad⸗ ſtringirenden Vegetabilien, beſonders mit Monoesia und Paulinia, zwei kraͤftigen, vor Kurzem von Suͤdamerica nach Frankreich eingefuͤhrten vegetabiliſchen Adſtringentien, zuſammenſtellen. Matico wird entwedet in Subſtanz auf den blutenden Theil applicirt, oder im Aufguſſe, oder als Decoct angewendet. Der Aufguß wird dadurch bereitet, daß man eine Unze der Blaͤtter in einer Pinte kochendem Waſ— ſer 2 Stunden lang macerirt; das Decoct, indem man eine Unze oder mehr von den Blättern mit derſelben Quantität Waſſer 10 — 15 Minuten lang kocht. Die Gabe von beiden beträgt 2 Theeloͤfft 2 — 3 Mal taͤglich. Es were den 2 Arten von Matico nach London gebracht, eine grüne und eine gelbe, welche nur Varietaͤten des Wachsthums zu ſeyn ſcheinen; doch iſt der gelbe Matico der wirkſamere. Es kommt aber auch noch eine aͤhnliche, aber ganz unwirk— fame, Pflanze in den Handel. (Lancet, vol II. Nr. 1. 1844.) Einen Fall von primitivem Blaſencroup giebt Dr. Kiwiſch in der Prager Vierteljahrsſchrift 1844. April. Die Kranke, 28 Jahre alt, im fuͤnften Monate ihrer Schwangerſchaft, wurde, in Folge des Hebens einer ſchweren Laſt und des Andruͤckens derſelben gegen den Unterleib, von einer heftigen Iſchurie befallen, und mittelſt des Catheters wurden viele Pfunde eines dunkelrothen, heißen, truͤben, ſtark riechenden Urins entleert. Die Harnbeſchwerden ſtiegen von Tage zu Tage, die Harnroͤhre ſchwoll ſtark an, und der Harn wurde immer truͤber, ſtark ammoniakaliſch riechend und lagerte ein reichliches Sediment ab. Die Repoſition der partiellen retroversio uteri, welche vorhanden war, gelang zwar, doch war der uterus ſchon nach wenigen Tagen in ſeine abnorme Stellung wieder zuruͤckgekehrt. Bald trat incon— tinentia urinae ein, der Catheter war nicht mehr einzu— fuͤhren, die aͤußere Muͤndung der Harnroͤhre bedeckte ſich mit croupoͤſem Exſudate, und an der linken kleinen Schaam— lefze bildete ſich ein tiefes, mit Jauche angefuͤlltes Geſchwuͤr. Da die Leiden der Kranken einen furchtbar hohen Grad an— nahmen, fo entſchloß man ſich, den kuͤnſtlichen abortus einzuleiten, was auch, nach vorgenommener Repoſition des uterus, durch kuͤnſtliche Eroͤffnung des Muttermundes und der Eihaͤute am 30. December ausgefuͤhrt wurde. Nach Entleerung der ungefaͤhr 3 Pf. betragenden Fruchtwaͤſſer fuͤhlte ſich die Kranke etwas erleichtert, der ſtechende Geruch des Harns und der brennende Schmerz beim Abfluſſe desſel— ben nahmen ab, dagegen gingen jetzt haͤufiger große Flocken von Exſudat, mit koͤrnigem Harnſedimente gemiſcht, ab. Am 1. Januar trat von Neuem Iſchurie mit ſehr ſchmerzhafter Ausdehnung der Harnblaſe ein, und bei der Unterſuchung fand man eine dicke, derbe, weißgraue Membran aus der urethra heraushangen, welche nun vollſtaͤndig hervorgezogen wurde, worauf gegen 3 Pfund eines uͤbelriechenden Harnes nachfolgten. Die hervorgegogene, mehr als 2 Handteller große Maſſe bildete einen unvollſtaͤndigen, durchloͤcherten häus 287 tigen Sack, deſſen Form einer mäßig gefüllten Harnblaſe und dem Anfangsſtuͤcke der urethra entſprach; der Membran betrug 1 — 3“, fie war ſehr conſiſtent, und ihre innere Flaͤche hatte das Ausſehen einer durch tiefe Ge— ſchwuͤre angefreſſenen Schleimhaut, war uneben, ſammtartig, zum Theil mit ſehr uͤbelriechender Jauche, mit Harneryſtal— len und amorphem Harnſedimente bedeckt; die Außenflaͤche war gleichfoͤrmiger, weißgrau, etwas flodig. Die mikroſko— piſche Unterſuchung der Maſſe ergab croupoͤſes Erfudat, Par: tieen der Blaſenſchleimhaut, Eiter, Jauche, Schleim und Harnſediment. Nachdem nun der abortus erſt am elften Tage nach dem Abfluffe der Waͤſſer erfolgt war, trat raſch eine fortſchreitende Beſſerung ein, und die Kranke war am 17. Januar voͤllig geneſen. Heilung der Epilepſie. Dr. Lemoine hat 3 Fälle von Epilepſie durch die An⸗ wendung folgender Mixtur erfolgreich behandelt. R Liquo- ris Ammonii caustiei guttas xjj, Syrupi florum Au- rantii 3j, Aquae destillatae florum Tiliae 5jj, Aquae destillatae Laurocerasi 5ß. Der erfte Fall war der eines Mannes von 36 Jahren, welcher im Jahre 1841, 1 Monat nach einem Sturze, von Epilepſie befallen wurde. Als Lemoine 1842 zu ihm ge— rufen wurde, hatte er mindeſtens woͤchentlich 4 — 5 Anz file. Er nahm die obige Mixtur viermal im Laufe von 3 Monaten und hat ſeitdem keinen Anfall mehr gehabt. Die zweite Kranke, eine Schneiderin, 35 Jahre alt, wurde im Jahre 1838, wenige Wochen nachdem ſie, waͤh— rend der Menſtruation, von einem Betrunkenen in Schrecken geſetzt worden war, epileptiſch. Von dieſer Zeit an hatte ſie haͤufig Anfaͤlle, welche jedoch waͤhrend einer Schwanger— ſchaft ausblieben. Im December 1842 wurde die Behand— lung begonnen, und ſeitdem hat ſie bis zum April keinen Anfall mehr gehabt. Der dritte Kranke, ein Nagelſchmidt von 40 Jahren, war in den letzten 20 Jahren mehreren heftigen epileptiſchen Anfaͤllen unterworfen geweſen. Er hatte gewoͤhnlich alle Monate 4 — 5 Anfälle. Er fing in den erſten Tagen des Januars 1843 an, die Mixtur, 3 Eßl. taͤglich, zu gebrau— chen, und blieb von dieſer Zeit an bis zum 8. April von der Krankheit frei. Im Februar hatte er nur einmal eis 722. XXXIII. 18. die Dicke 288 nen leichten Schwindel, welcher nach fuͤnf Minuten ver⸗ ſchwand. Die wirkſamen Mittel in der oben gegebenen Formel find der Aetzammoniak und die in dem Kirſchlorbeerwaſſer enthaltene Blauſaͤure. Die Menge der letztern iſt jedoch ſo klein, daß wir derſelben keinen großen Einfluß auf den krank⸗ haften Zuſtand des Organismus zuſchreiben koͤnnen. Revue médicale, 1844.) Mit t ne Salpeterſaurer Harnſtoff als diureticum von E. W. C. Kingdon. J. J., 50 Jahre alt, litt feit langer Zeit an anasarca der Unterertremitäten und einem leichten Grade von asci-, tes in Folge einer Herzkrankheit. Squilla, Digitalis und Calomel waren ohne Erfolg angewendet worden. Als ich den Kranken zuerſt ſah, waren ſeine Beine ſtark geſchwollen, das Athmen erſchwert und die Harnabſonderung ſehr ſpaͤrlich. Ich verordnete B Ureae nitricae 0 Hydr. mur. mit. Ja gr. xxıv. Conserv. Rosar. g. s. ut f. pil. 24. DS. Zwei Mal täglich eine Pille. Binnen acht Tagen war die Harnausleerung ſehr reichlich gewor— den, das Athmen bedeutend erleichtert und die Beine von normalem Umfange. — Frau J. litt an anasarca in Folge eines Nieren⸗ leidens, Urin ſehr ſpaͤrlich und dunkel (E Ureae nitr. gr. xvjij. Conserv. Ros. d. s. ut f. pil. 20. DS. Drei Mal taͤglich eine Pille). Am 2. Juni fing die Kranke an, dieſes Mittel zu nehe men, und am 10. Juni war die Anſchwellung völlig verſchwunden, Harnausleerung reichlich und Allgemeinbefinden gut. Aetzung mit Lufteinblaſen bei Blaſenſcheidenfi⸗ ftel von Dr. Berthet. Nachdem die Kranke, wie gewoͤhnlich, gelagert worden iſt, blaͤſ't Dr. B. anhaltend Luft in die Harnbla⸗ fe, fo daß die Fiſtel in der vagina prominirt und ihre Ränder auseinander weichen; darauf cauteriſirt er mit einem rothgluͤhen⸗ den Eiſen den ganzen Umfang der Wundraͤnder. Spaͤter werden dieſelben, in kurzen Intervallen, mit Hoͤllenſtein touchirt und die vagina mit Baumwolle tamponirt. Waͤhrend der Behandlung wird die Kranke ſo gelagert, daß der Urin nicht die Wundraͤnder beſpuͤlt, und die Vereinigung derſelben verhindert; die Diät ift das bei ſehr ſtrenge. Dr. B. giebt den Kranken nur ſehr ſelten Flüfe ſigkeiten zu trinken, und dann nur theeloͤffelweiſe. Als Nahrung erhalten ſie nur eine kleine Quantitaͤt trockenen oder geroͤſteten Brodtes mit etwas gekochtem oder gebratenem Fleiſche. Die Wir⸗ kung dieſer Diaͤt iſt die Verminderung der Harnſecretion. Dr. B. hat auf dieſe Weiſe drei von vier Faͤllen geheilt. Nekrolog. — Der verdiente Arzt, als Schriftſteller auch in Deutfihland bekannt, Dr. Ollivier (d' Angers), iſt am 12. Maͤrz zu Paris geſtorben. 2 —— — eo Bibliographische Oeuvres du comte de Lac&pede comprenant l'histoire naturelle des quadrupedes ovipares, des serpens, des poissons et des cétacés. 3 Vols. Paris 1845. 8. Transactions of the Linnean Society of London. 3. M. 17 K. Beiträge zur Kenntniß der Befruchtung der vollkommenen Ge— waͤchſe von Dr. K. Fr. Gärtner. Erſter Theil: Verſuche und Beobachtungen uͤber die Befruchtungsorgane der vollkommenen Ge— Vol. 19. Part. Neuigkeiten waͤchſe und über die natürliche und kuͤnſtliche Befruchtung durch den eigenen Pollen. Stuttgard 1844. 8. Traité des maladies des articulations. Par A. Bonnet. Tom. I. Paris 1845. 394 f. 8. Plus un Atlas in 40. de 16 pl. Traité pratique des maladies de l’enfance ſondé sur de nom- breuses observations cliniques. Par F. Barrier, DM. 2de edition. Tome 1. Paris 1845. 8. —— — . —ñ—keÄĩ Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Obers Medieinalrathe FEroriep zu Weimar, und dem Medleinalrathe und Profeſſor Sroriep zu Berlin. No. 723. (Nr. 19, des XXXIII. Bandes.) Maͤrz 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 f 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3%, I Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 8 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½¼ 975 NM. Un: £ Ru MAR One s Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Anneli— den, angeſtellt an den Kuͤſten Sicilien's. Von Herrn Milne Edward's. (Schluß.) Bei den Cruſtaceen, z. B., ſcheinen drei dieſer geneti— ſchen Reihen oder Syſteme von Zodniten vorhanden zu ſeyn“), deren Verlaͤngerung noch nach der Bildung des erſten Rin— ges der folgenden Reihe fortſchreiten kann, und es iſt zu bemerken, daß dieſe Gruppen den drei Hauptabtheilungen des Körpers dieſer Thiere, dem Kopfe, thorax und abdo- men, genau entſprechen. So ſieht man haͤufig die Reihe der Thoraxringe ſich erſt nach dem Auftreten der Abdominal— reihe vervollſtaͤndigen, und zuweilen auch neue Ringe zwi— ſchen der Kopfportion des Koͤrpers und dem erſten Segmente des thorax ſich bilden. An dieſen Theilungspuncten trifft man auch gewoͤhnlich die aus dem Fehlſchlagen oder Ste— henbleiben der Entwickelung entſpringenden Anomalien, ſo— wohl in dem Syſteme der Anhaͤngſel, als in der Central— portion des Organismus, und aus Unkenntniß dieſer gene— tiſchen Richtung duͤrften unſer geehrter College Herr Sa— vigny und andere Zoologen, welche die Uebereinſtimmung in den Anhaͤngſeln der Inſecten, Arachniden und Cruſtaceen darzuthun verſuchten, nicht immer zu befriedigenden Reſul— taten gelangt ſeyn. Bei einer anderen Gelegenheit gedenke ich dieſe Frage weitlaͤufiger zu behandeln; allein es hat mir nothwendig geſchienen, hier wenigſtens das Princip anzudeu— ten, von welchem dieſe Verſchiedenheiten in der Entwicke— lung der Zooniten bei verſchiedenen Ringelthieren abzuhaͤn— gen ſcheinen, waͤre es auch nur deßhalb, um uns mehr zu befaͤhigen, die genetiſche Richtung zu der wir bei den An— neliden Belege aufgefunden haben, zu generaliſiren **). *) Der Schwanzring repraͤſentirt eine vierte Reihe, erzeugt aber keine neuen Zooniten, ſo daß der After ſich ſtets an dem letz— ten Koͤrperſegmente befindet. 1 ) Die Entwickelungsanlage, von der ich ſoeben bei Gelegenheit der Entwickelung der Ringelthiere gehandelt habe, kommt die— Wo. 1823. — 723. Wenn wir nun die Art und Weiſe, wie ſich der Or— ganismus bei dieſen chaͤtopodiſchen Wuͤrmern, ſowie bei Thieren, die nach anderen Grundtypen gebildet ſind, z. B. bei den Wirbelthieren und Mollusken, entwickelt, mitein— ander vergleichen, ſo werden wir gleich anfangs bedeutende Unterſchiede wahrnehmen und uns davon uͤberzeugen, daß dieſe Unterſchiede mit den, bei jeder dieſer großen zoologi— ſchen Abtheilungen vorherrſchenden Characteren im Einklange tehen. 1 So iſt, z. B., bei den Anneliden, wie bei den Cruſtaceen und Myriapoden ꝛc., die Mund -oder Kopfregion der Ausgangs: punct der thieriſchen Bildungsthaͤtigkeit, und der Organismus vervollſtaͤndigt ſich allmaͤlig durch die aufeinanderfolgende Ent— wickelung neuer Segmente, welche den ſchon vorhandenen aͤhn— lich ſind und deren Folge bilden. Bei den Mollusken dagegen entwickelt ſich zuerſt die Abdominalgegend; die Kopfgegend bildet ſich erſt viel ſpaͤter und ſchlaͤgt ſogar haͤufig vollkom— men fehl. Endlich markirt ſich bekanntlich bei den Wuͤr— mern die Linie, welche dem Gehirn-Ruͤckenmarkſyſtem ent: ſpricht, ihrer ganzen Laͤnge nach lange vor den uͤbrigen Thei— len des Organismus, und dieſe gruppiren ſich nicht hinter dieſer Linie, ſondern um die von ihr gebildete Art von Axe her. Das hervorſtechendſte Kennzeichen der Abtheilung der Wirbelthiere iſt aber der Gehirn-Ruͤckenmarkapparat. Die Mollusken zeichnen ſich hauptſaͤchlich durch die Anordnung und Beſchaffenheit der Baucheingeweide aus, und die Zerfaͤl— lung des Koͤrpers in Segmente bei den Ringelthieren reicht in bei Weitem den meiſten Faͤllen hin, um die meiſten ſen Geſchoͤpfen nicht ausſchließlich zu; ſie iſt allgemeiner, und bei allen Thieren zeigen die organiſchen Einheiten, aus denen ein Apparat beſteht, die Neigung, ſich in Nebengruppen zu wiederholen, bei denen die peripheriſchen Theile ſich nach den centralen Theilen entwickeln und in ihrer Geſtalt, ja ſelbſt hinſichtlich ihres Vorhandenſeyns weniger conſtant ſind. Be— greiflicherweiſe iſt die Beachtung dieſes Umſtandes von der hoͤchſten Wichtigkeit, wenn man ſich des Princips der or⸗ ganiſchen Verbindung bedienen will, um zur Beſtim⸗ mung der Theile zu gelangen, deren Geſtalt ſich veraͤndert. 19 291 Geſchoͤpfe diefer großen zoologiſchen Abtheilung auf den er— ſten Blick zu erkennen. Andere ebenfalls hervorzuhebende Unterſchiede beruhen auf der Ordnung in der Zeitfolge, nach welcher mehrere der phyſiologiſchen Hauptſyſteme des Organismus entſtehen, und dieſer Umſtand iſt bisher von den Anatomen viel zu wenig beruͤckſichtigt worden, waͤhrend er doch von der hoͤchſten Wichtigkeit wird, wenn es ſich darum handelt, die Formen des Embryo's der hoͤheren Thiere mit den permanenten For— men der niedrigeren Thiere zu vergleichen. Bei den Wir— belthieren, wo der Circulationsapparat eine ſehr hohe Voll— kommenheit erlangt und eine der wichtigſten Rollen zu übernehmen beſtimmt iſt, bilden ſich das Herz und die Blut— gefaͤße ſchon in einer der erſten Perioden des Embryonenle— bens, lange bevor der Nahrungsſchlauch ſich entwickelt hat und bevor das junge Weſen irgend eine dieſer Claſſe cha— racteriſtiſche Form darbietet. Bei den Anneliden, welche meiſtentheils ebenfalls rothbluͤtige Thiere ſind, iſt der Nah— rungsſchlauch ſchon zu einer Epoche gebildet und in Thaͤ— tigkeit, wo es mir nicht moͤglich war, die geringſte Spur von dem Circulationsapparat zu entdecken. Das Vorhan— denſeyn von Blutgefaͤßen ließ ſich erſt mit Sicherheit erken— nen, als das junge Thier bereits lange die allgemeine Ge— ſtalt beſaß, die ihm bleiben ſollte, und als es die ſaͤmmtli— chen Faͤhigkeiten für das Beziehungsleben, mit denen feine Species begabt iſt, ſchon erlangt hatte. Es möchte ſchei— nen, als ob ſich bei den Cruſtaceen das Herz auch erſt zu einer ziemlich ſpaͤten Zeit des Embryonenlebens bilde, und, aller Wahrſcheinlichkeit nach, verhaͤlt es ſich ebenſo mit den Inſecten, bei welchen dieſes Organ ſtets die Geſtalt eines aͤußerſt einfachen Gefaͤßes behaͤlt und in der allgemeinen Oeconomie des Thieres eine ſehr unbedeutende Rolle zu ſpie— len ſcheint. Durch vielfache Beobachtungen habe ich mich davon überzeugt, daß ruͤckſichtlich des ſpaͤten Erſcheinens des Her: zens die Mollusken den Ringelthieren nahe ſtehen, und bei den Zoophyten iſt bekanntlich dieſes Organ in keiner Epoche des Lebens vorhanden und wird hoͤchſtens durch hoͤchſt un— vollkommene Apparate erſetzt. In dieſer, wie in vielen an— deren Beziehungen, unterſcheidet ſich der Embryo der wirbel— loſen Thiere weſentlich von dem der Wirbelthiere, und der letztere repraͤſentirt nie einen Typus, welcher der Abtheilung der Mollusken oder der Ringelthiere oder Strahlthiere an— gehoͤrt. Alles vereinigt ſich demnach, um zu beweiſen, daß die Natur zwiſchen den Geſchoͤpfen, die verſchiedenen Abtheilun— gen angehoͤren, urſpruͤngliche Unterſchiede feſtgeſetzt hat, und die Thatſachen, welche ich der Academie vorgetragen, ſind der Theorie von einer einzigen zoologiſchen Reihenfolge (Stu— fenleiter der Thiere) ſo wenig guͤnſtig, daß ſich aus ihnen vielmehr neue Gruͤnde fuͤr die Anſicht entnehmen laſſen, welche ich Eingangs dieſer Abhandlung angedeutet habe. (Comptes rendus des séances de Ac. d. Sc. T. XIX. No. 27, 30. Dec. 1844.) 723. XXXIII. 19. 292 Ueber die Faͤhigkeit der Gaſe, die tropfbarfluͤſſige und feſte Geſtalt anzunehmen. las Herr Michael Faraday der Royal Society zu Lon⸗ don am 16 Januar einen Aufſatz vor. Das Verfahren, durch welches dieſes Fluͤſſig- und Feſt⸗ werden der Gaſe bewirkt wird, beſteht darin, daß man zu— gleich eine ſtarke mechaniſche Zuſammendruͤckung und eine ſehr niedrige Temperatur auf dieſelben einwirken laͤßt. Die erſte Bedingung wurde durch die wechſelſeitige Thaͤtigkeit zweier Druckpumpen erfuͤllt, von denen die eine einen Kol: ben von 1 Zoll Durchmeſſer beſaß, mittelſt deſſen das zu comprimirende Gas in den Stiefel der zweiten Pumpe ge— trieben wurde, deren Kolben nur 3 Zoll im Durchmeſſer hatte. Die Roͤhren, in welche die auf dieſe Weiſe ferner compri— mirte Luft einſtrich, waren von grünem Bouteillenglaſe, hats ten einen aͤußern Durchmeſſer von 3 bis 1 Zoll und waren an einer Stelle gebogen, ſo daß ſie daſelbſt bequem in ein aus einer Gefriermiſchung beſtehendes Bad eingeſenkt werden konn— ten. Sie waren mit geeigneten Haͤhnen, Schrauben, Ge— lenkſtuͤcken und an den Enden mit Buͤchſen verſehen und in allen Theilen ſorgfaͤltig gearbeitet und luftdicht eingerichtet, ſo daß fie ſelbſt bei einem inneren Drucke von 50 Atmoſphaͤ⸗ ren, wie ihn die mit dem Apparate verbundenen Queckſilber— Durchmeſſer nach Umſtaͤnden anzeigten, die in ihnen befind— lichen Gaſe nicht durchließen. Die Gefriermiſchung beſtand aus, nach Thilorier's Verfahren in feſter Geſtalt darge— ſtellter Kohlenſaͤure und Aether. Der auf dieſe Weiſe, waͤh— rend die Gefriermiſchung mit der Luft in Beruͤhrung war, erzeugte Kaͤltegrad betrug, nach der Schaͤtzung mit dem Weingeiſtthermometer, ungefähr — 106° Fahrenh. (— 613% NR). Als man aber die Miſchung unter den Reci— pienten einer Luftpumpe brachte und den Druck der Atmo— ſphaͤre von derſelben befeitigte, fo daß ſie nur von den Düns ſten der Kohlenſaͤure umgeben war, die nur r des Druckes der Atmoſphaͤre auf dieſelbe ausuͤbten (welcher vermindert, Druck einer Barometerhoͤhe von nur 1,2 Zoll entſpricht) zeigte das Thermometer eine Temperatur von — 166 F.“ (—889 R.) an. Unter dieſen Umſtaͤnden war der Aethers ganz fluͤſſig, und das Bad ließ ſich eine Viertelſtunde lang in voͤllig gutem Zuſtande erhalten. Der Verfaſſer beobachtete, daß viele Gaſe durch dieſen gewaltigen Kaͤltegrad unter keinem ſtaͤrkern Druck, als dem der Atmoſphaͤre, tropfbar fluͤſſig wurden und ſich in herme— tiſch verſchloſſenen Roͤhren in dieſer Geſtalt aufbewahren lie— ßen. Dieß war der Fall mit Chlorine, Cyanogen, Ammo— niakgas, Schwefelwaſſerſtoffgas, arſenikaliſchem Waſſerſtoffgas, Hydroiodinſaͤure, Hydrobromſaͤure, Kohlenſaͤure und Euchlo— rine. In Betreff einiger andern Gaſe, als Stickſtoffoxyd, Fluoſilicon und oͤlmachendes Gas, hielt es ſchwer, ſie irgend lange Zeit in dieſen Roͤhren aufzubewahren, weil ſie auf die zur Liederung oder Luftdichtmachung der Gelenke und Büchs ſen der Roͤhren angewandten Kitte eine ſehr kraͤftige zer— ſetzende Wirkung ausuͤbten. Die Hydriodinſaͤure und Hy— drobromſaͤure ließen ſich ſowohl in feſter, als in tropfbar flüffiger Form darſtellen. Das Salzſaͤuregas erſtarrte ſelbſt 2953 bei der allertiefſten Temperatur, die man auf daſſelbe ein: wirken laſſen konnte, nicht. Schweflige Saͤure bildete durch— ſichtige farbloſe Kryſtalle von bedeutenderer ſpecifiſcher Schwere, als die Fluͤſſigkeit, aus der ſie entſtanden waren. Schwe— felwaſſerſtoffgas bildete bei einer Temperatur von — 1228. (- 684° R.) eine Maſſe von verworrenen weißen Kryſtallen. Euchlorine ließ ſich ohne Schwierigkeit aus der Gasform in einen feſten kryſtalliniſchen Koͤrper verwandeln, welcher bei etwas erhoͤhter Temperatur zu einer orangerothen Fluͤſſigkeit wurde. Stickſtofforyd wurde bei der Temperatur, welche das feſte Kohlenſaͤuregas im luftleeren Raume erzeugte, feſt und zeigte ſich alsdann in Geſtalt eines herrlich klaren kryſtallini— ſchen Körpers. Der Verfaſſer iſt der Anſicht, daß es ſich in dieſem Zuſtande in manchen Fällen mit Vortheil ſtatt der Kohlenſaͤure bei Gefrierproceſſen anwenden laſſen duͤrfte, wenn es auf Erreichung eines noch bedeutendern Kaͤltegrades an— koͤmmt, als der, welcher ſich mit Kohlenſaͤure erlangen laͤßt. Ammoniakgas wurde in Geſtalt von feſten weißen Kryſtallen dargeſtellt und behielt dieſe Form bei einer Temperatur von — 1039 F. (— 60 R.) Nachſtehend genannte Fluͤſſigkeiten ließen ſich ſelbſt durch eine Temperatur von — 166° F. (— 88° R.) nicht zum Gefrieren bringen: Chlorine, Aether, Alcohol, Kohlenftoff> ſulphuret, Kautſchukin und rectificirtes Terpenthinoͤl. Folgende Gaſe blieben elaſtiſchfluͤſſig, ſelbſt wenn ſie unter bedeutender Zuſammendruͤckung der Einwirkung des Kohlenſaͤurebades aus: geſetzt wurden: Waſſerſtoffgas uud Sauerſtoffgas unter eis nem Drucke von 27 Atmoſphaͤren; Stickgas und Stickſtoff— oxydgas bei einem Drucke von 50 Atmoſphaͤren; Kohlenſtoff— orydgas bei einem Drucke von 40 Atmoſphaͤren, und Stein— kohlengas bei einem Drucke von 32 Atmoſphaͤren. Ueber die Beziehungen zwiſchen der Geſtalt der Feſtlaͤnder und der Richtung der Bergketten. Von Herrn Piſſis. Der Hauptzweck des Aufſatzes des Herrn Piffis iſt, die Beziehungen zwiſchen der Richtung der Kuͤſten und der der Bergketten zu ſtudiren. Indem der Verfaſſer die ſich über das Meer erhebenden Theile der Oberfläche des Erdballs im Allgemeinen betrachtet, gelangt er zuvoͤrderſt zu dem Schluſſe, daß mehrere Feſtlaͤnder, z. B., Africa, Suͤdame— rica und Neuholland, ſich auf ſehr einfache Formen, naͤmlich Polygone, deren Seiten Boͤgen groͤßter Kreiſe ſind, zuruͤck— fuͤhren laſſen. Hierauf vergleicht er die Richtungen der we— niger ausgedehnten Kuͤſten, z. B. derjenigen, welche ein— waͤrts⸗ oder auswaͤrtsgekehrte Winkel bilden, mit den Sei— ten dieſer Polygone und zeigt, daß ſie im Allgemeinen mit dieſen Seiten parallel ſtreichen. So laͤßt ſich, z. B., Suͤd— america als ein ſphaͤriſches Fuͤnfeck darſtellen, deſſen Seiten: boͤgen ſich 1) von dem Meerbuſen von Maracaibo bis zum St. Rochus -Cap; 2) von dieſem bis Feuerland, 3) von dieſem bis Arica: 4) von da bis zum weißen Vor: gebirge und 5) vom weißen Vorgebirge bis zum Meerbuſen 723. XXXIII 19 294 von Maracaibo erſtrecken würden; während die vorzuͤglichſten Biegungen dieſer Kuͤſten mit dem einen oder andern dieſer Seitenboͤgen parallel laufen. So ſind, z. B., die Biegun— gen, welche die Kuͤſte zwiſchen Pernambuco und der Magel— lanſtraße darbietet, mit der Kuͤſte von Chili parallel, waͤh— rend die große Bucht an der Muͤndung des Plataſtromes mit der Hauptkuͤſte Nr. 4, endlich der Meerbufen von Ma— racaibo, ſowie die Bai von Guayaquil, mit der fünften Hauptkuͤſte parallel ſtreicht. Nachdem der Verfaſſer die wich— tigſten Beziehungen einmal erkannt hat, beſtimmt er durch Berechnungen und mit Huͤlfe geographiſcher Coordinaten an den Endpuncten der Seitenlinien die Lage des Kreiſes, wel— cher deren Richtung repraͤſentirt, und indem er dann jeden dieſer Kreiſe um die Erde herum verfolgt, und die Richtun— gen aller Kuͤſten, denen ſich dieſe Kreiſe nähern, mit ihnen vergleicht, gelangt er zu folgenden Reſultaten: Die ſaͤmmtlichen Linien, welche die Feſtlaͤnder begren— zen, werden ruͤckſichtlich ihrer Richtung durch 15 groͤßte Kreiſe repraͤſentirt und fallen in Zonen, deren Breite ſelten 308 uͤberſteigt, und die zwiſchen zwei mit jenen Kreiſen parallelen Ebenen liegen. Dieſe 15 groͤßten Kreiſe gehen von vier gemeinſchaft— lichen Puncten aus, wo ſie einander durchſchneiden, und welche theils ſehr niedrigen Gegenden der Erdoberflaͤche, theils den Spitzen der Feſtlaͤnder entſprechen. Der erſte dieſer Ausgangspuncte befindet ſich am Ein— gange in die Meerenge von Gibraltar; von ihm gehen 6 Kreiſe aus, welche mit der Richtung ſaͤmmtlicher benachbarter Kuͤſten zuſammenfallen. Der zweite, wo 4 Kreiſe einander ſchneiden, entſpricht der Suͤdſpitze Vorderindiens. Der dritte befindet ſich am Vorgebirge der guten Hoff— nung, und der vierte zwiſchen Groͤnland und Island. Im zweiten Theile ſeiner Abhandlung vergleicht der Verfaſſer die Richtungen der Bergketten mit denen der vor— ſtehend erwaͤhnten Kreiſe und weiſ't nach, daß alle großen Bergketten und Erhebungslinien, die Herr Elie de Beau— mont erkannt hat, in Betreff ihrer Richtung jenen 15 groͤß— ten Kreiſen entſprechen; fo daß die Linien, welche die Feſt⸗ länder begrenzen und die Linien, welche die am Staͤrkſten hervorragenden Theile derſelen bezeichnen, ſich ſaͤmmtlich auf 15 Richtungsſyſteme zuruͤckfuͤhren laſſen. Als Herr Elie de Beaumont die Abhandlung, von der wir ſoeben einen Auszug mitgetheilt, der Academie uͤber— gab, fuͤgte er noch folgende briefliche Notiz des Hrn. Piſſis inzu. 5 Paris, 11 December 1844. — Ich werde mich am 15. dieſes nach Arica einſchiffen, von wo ich nach Potoſi zu gehen gedenke, da mir dort eine Stelle als Ingenieur übertragen worden iſt. Dort werde ich meine geologi⸗ ſchen Forſchungen fortſetzen, die ich ſeiner Zeit der Academie mitzutheilen hoffe. (Comptes rendus des Séances de l’Acad. d. Sc. T. XIX, Nr. 26, 23 Dec. 1844.) 19 295 Ueber die Circulation bei den Mollusken. Bekanntlich beſchaͤftigt ſich mit der Loͤſung dieſer inter— eſſanten Frage eine eigene Commiſſion der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften, waͤhrend tuͤchtige Forſcher, wie Herr v. Quatrefages, Herr Soulheyet und Andre, denſelben Ge: genſtand ſchon laͤngere Zeit unabhängig aufzuklären ſuchen. Neuerdings haben zwei Gelehrte, Herr Milne Edwards und Herr Pouchet, dieſes Thema bei der Academie zur Sprache gebracht. Zu den von Herrn Milne Edwards, unferer Anſicht nach nicht ſtreng nachgewieſenen Saͤtzen ge: hoͤrt der, daß das Blut direct durch die Bauchhoͤhle ſtroͤme, und daß die Bauchhoͤhle gleichſam der Behaͤlter ſey, in welchen ſich das Blut, nachdem es in den Arterien circulirt, ergieße und ſich anſam— mele, bevor es in dem Reſpirationsapparat verarbeitet werde. Und gerade uͤber dieſe Meinung, welche doch noch keineswegs voll— kommen feſtgeſtellt iſt, hat ſich am 10. Februar in der Aca— demie eine Discuſſion hinſichtlich der Prioritaͤt erhoben. Ei— ner der ausgezeichnetſten Schüler des Herrn v. Bla in ville, Herr Pouchet, Profeſſor am naturhiſtoriſchen Muſeum zu Rouen, hat dieſe Anſicht, als von ihm zuerſt ausgegan— gen, in Anſpruch genommen und zur Beglaubigung ſeiner Behauptung eine ſchon im Jahre 1842 gedruckte Abhand— lung eingeſandt, in welcher zu leſen iſt, daß bei der rothen Schnecken, das Blut, nachdem es durch die Haargefaͤße, in welche die Arterien ausgehen, geſtroͤmt, ſich wenigſtens großentheils durch dieſelben in die Bauchhoͤhle ergieße, worauf daſſelbe durch die Venenenden abſorbirt und ſo wieder in das Gefaͤßſyſtem eingeführt werde, um den Lungen zuzuſtro— men und durch den Athmungsproceß verarbeitet zu werden.“ Allein Herr Pouchet hat jene Anſicht damals ebenſowe— nig ſtreng nachgewieſen, als ſpaͤter Herr Milne Ed— wards. Uebrigens find in der Pouchetſchen Arbeit die Thatſachen aus einem nicht ganz gleichartigen Geſichtspuncte aufgefaßt. Denn, ihm zufolge, wird durch den directen Durch— gang des Blutes durch die Eingeweidehoͤhle eigentlich nicht der Venenapparat, ſondern das Lymphſyſtem erſetzt. Herr Pouchet druͤckt ſich in dieſer Beziehung folgendermaaßen aus: „Die Circulation wird bei der rothen Schnecke durch ein Arterienſyſtem, ein Venenſyſtem und ein abſorbirendes Syſtem (Lymphſyſtem) vermittelt. Die beiden erſten Gefaͤß— arten find, vermoͤge ihrer anatomiſchen Anordnung und ih— rer phyſiologiſchen Beziehungen, außerordentlich deut— lich markirt; allein wir muͤſſen geſtehen, daß dieß in Betreff der dritten nicht der Fall iſt. Dieſes ſtellt allerdings kein beſonderes Gefaͤßſyſtem dar, ſondern wird nur durch die Ve— nenenden oder die Poren in den Wandungen der ſtarken Venenſtaͤmme repraͤſentirt; und wenn wir dem abſorbirenden Syſteme ein beſonderes Capitel gewidmet haben, ſo geſchah dieß mehr wegen der Wichtigkeit ſeiner Functionen, indem es ſich in anatomiſcher Beziehung kaum als ein beſonderer Appa— rat darſtellt.“ Nach aufmerkſamer Durchleſung der Abhandlungen der Herren Milne Edwardes und Pouchet find wir der Anſicht, daß Cu vier ſich ruͤckſichtlich der phyſiologiſchen Bes ſtimmung, die er den Durchgaͤngen, welche er in der Abdo— 723. XXXIII. 19. 296 minalhoͤhle der Gaſteropoden und anderer Mollusken beobach— tet, zuſchrieb, allerdings geirrt habe; allein wir erklaͤren, daß es noch neuer Beweiſe bedarf, bevor die von den Herren Milne Edwards und Pouchet aufgeſtellte Anſicht fuͤr richtig gelten darf. Was die Priorität anbetrifft, fo läßt ſich dieſer Punct leicht entſcheiden. Offenbar haben ſie ganz unabhaͤngig voneinander geforſcht, folglich der Eine von dem Andern nichts entlehnt. Herr Milne Edwards hat die Anſicht uͤberhaupt fruͤher aufgeſtellt, als Herr Pouchet, weil die Arbeit des Erſtern uͤber die Aſeidien vom Jahre 1839 her datirt, und der Verfaſſer ſchon in dieſer behaup— tet, das Blut circulire in den Zwiſchenraͤumen der Einge— weide und dringe von da durch eine Art von Filtrirung in die Gewebe. Herr Pouchet dagegen iſt wohl der Erſte, welcher dieſe Anſicht in Betreff der höher organiſirten Mol— lusken beſtimmt ausgeſprochen hat, wogegen man anerkennen muß, daß die Generaliſirung derſelben dem Herrn Milne Edwards angehoͤrt. Die Zukunft muß lehren, ob ſich der Eine wie der Andere dieſer Entdeckung irgend zu ruͤhmen haben wird. Ueber die Geologie der Suͤdoſtſpitze Africa's las Herr A. G. Bain am 8. Januar der Londoner geolo— giſchen Geſellſchaft einen Aufſatz vor, der hauptſaͤchlich die Beſchreibung eines Diſtricts, aus dem mehrere merkwürdige Foſſilien herruͤhrten, die der Verfaſſer nach England geſandt, zum Gegenftande hatte. Die aͤlteſte, oder tiefſte ſtratificirte Gebirgsart in dieſem Diſtricte iſt ein rother Sandſtein, wel: cher Pflanzenuͤberreſte enthaͤlt, die einer im Steinkohlengebirge gemeinen Species (Lepidodendron Sternbergi) anzuge⸗ hoͤren ſcheinen. Ueber dieſe Gebirgsart lagert ein Conglome— rat von Thonſtein-Porphyr mit Kiesgeſchieben, und auf die— ſes folgt Thonſchiefer. Alsdann folgt das Geſtein, in dem die Foſſilien gefunden wurden, welches aus zerkluͤfteten Sand— ſtein mit Durchgaͤngen von Thonknauern beſteht, und in die— ſen Knauern wurden die Foſſilien gefunden. Ueber eines der foſſilen Thiergeſchlechter, deſſen Reſte Herr Bain uͤberſandt hatte Dieynodon), las Profeſſor Owen einige Bemerkungen vor. Das her— vortretendſte Kennzeichen deſſelben beſteht in zwei Hauzaͤh— nen, dle denen des Walroſſes gleichen, waͤhrend der ganze Knochenbau deutlich anzeigt, daß das Geſchoͤpf zu den Rep— tilien gehoͤrte. Die erſte von Profeſſor Owen beſchriebene Species war D. lacerticeps, welche in vielen Beziehun— gen den Eidechſen nahe kommt. Die Kopfknochen ſind un— gemein ſtark gebaut; allein es ſind an denſelben keine ande— ren Zaͤhne zu bemerken, als die ſchon erwaͤhnten beiden Hauer. Profeſſor Owen iſt der Meinung, der ganze Vorderkopf ſey, wie bei den Cheloniern, mit Horn bedeckt geweſen, und dieß iſt, wegen der übrigen mit den Cheloniern uͤbereinſtim— menden Charactere um ſo intereſſanter. Ueberhaupt ſcheint dieß merkwuͤrdige Thier in verſchiedenen Puncten mit den Eidechſen, Cheloniern und Crocodilen Aehnlichkeit gehabt zu 297 haben. Die zweite Species, welche der Profeffor befchrieb, war D. testudiniformis, und ſie unterſcheidet ſich von jener durch ihre groͤßere Aehnlichkeit mit den Cheloniern. Eine dritte Species, D. strigiceps, iſt hauptſaͤchlich wegen der ſonderbaren Stellung der Hauzaͤhne merkwuͤrdig, da dieſelben weit hinter den Augenhoͤhlen eingefügt find. Am Naͤchſten iſt mit dieſer merkwuͤrdigen Gattung der Rhynchosaurus aus dem jungen rothen Sandſteine Neuenglands verwandt. An der Structur dieſer Thiere iſt beſonders auffallend, daß ſie mit Hauzaͤhnen, gleich denen mancher Saͤugethiere, ver— ſehen find, waͤhrend das Maul uͤbrigens voͤllig zahnlos iſt, da doch bei allen anderen bekannten Reptilien das Gegentheil ſtattfindet. Die Hauzaͤhne des Dieynodon dienten dieſem wahrſcheinlich als Schutz- und Trutzwaffen, und das Thier ſcheint ein Meerbewohner geweſen zu ſeyn. (The Athe- naeum, Nr. 898. 11. Jan. 1845.) Mise e len. Ueber den Flug der Vögel hat Herr Allis der briti— ſchen Gelehrtenverſammlung zu York einen Vortrag gehalten, in dem er hauptſaͤchlich hervorhob, daß die Structur dieſer Thiere er— heiſche, daß, wenn ſie gehen, der Schwerpunct gerade uͤber, und wenn ſie fliegen, gerade unter die Axe der Bewegung falle. Wenn ſie in der Luft ſchweben, begiebt ſich ihr Koͤrper daher von ſelbſt in die Lage, welche den Schwerpunct unter die Fluͤgel fallen laͤßt. Da die Bewegungsaxe bei'm Gehen der Vögel auf eine andere Stelle der Medianlinie des Koͤrpers faͤllt, als bei'm Fliegen, ſo muß dieſe Verſchiedenheit, damit der Flug leicht ſtattfinden koͤnne, auf die eine oder die andere Weiſe ausgeglichen werden. Die Raubvogel bege— ben ſich bei'm Schweben in eine horizontale Lage und bei'm Sitzen in eine faft ſenkrechte Stellung. Andere Voͤgel, z. B., die Spech— te ꝛc., haben bei'm Fliegen eine ſchraͤge Lage und durchſchneiden die Luft in dieſer Lage vermoͤge aufeinanderfolgender Stoͤße oder Saͤtze. Die Schwimmvoͤgel, welche zuweilen ſehr weite Fluͤge zu unterneh— men haben, begeben ſich bei'm Fliegen in eine ſehr ſchraͤge Koͤrper— ſtellung. Sie haben ſehr lange Rippen und die Hüllen des abdo- 723. XXXIII. 19. 298 men ſind breit und geſchmeidig, daher es ihnen möglich ift, den Ums fang der Abdominalportion ihres Körpers durch ſtarkes Einathmen ſehr bedeutend zu vermehren Auf dieſe Weiſe vermindern ſie deren ſpeciſiſche Schwere und erheben ſie in eine horizontale Lage. Hier beſteht die Compenſirungsfaͤhigkeit darin, daß die hintere Körpers portion ſpeciſiſch leichter wird, während die ſpeciſiſche Schwere des Vorderkoͤrpers dieſelbe bleibt. Eine merkwuͤrdige Thatſache wurde bei dieſer Gelegenheit in der zoologiſchen Section zur Sprache ge- bracht, nämlich daß der Pinguin, welcher auf dem Lande nicht flie— gen kann, dieß auf dem Meere ziemlich gut vermag. Das Factum ſteht feſt, wurde aber nicht genügend aufgeklärt. Es ſcheint auf dem beſonderen Zuſtande der Feuchtigkeit oder Dichtigkeit der in un⸗ mittelbarer Beruͤhrung mit dem Meerwaſſer befindlichen Luftſchicht zu beruhen.“) (Bibl. univ. de Geneve, Nr. 106, Oct. 1844.) Als Urſache einer beſonderen zellenartigen Er⸗ ſcheinung in den Cocons einer Kai ſer⸗Motte (an Emperor Moth) hat Herr J Curtis am 20. Januar 1845 der Linnean Society zu London angegeben, daß die Zellen durch die Larven eines Schmarotzerinſectes hervorgebracht wuͤrden, welche die Motte in ihrem Cocons angegriffen haͤtte. Ein vollſtaͤndiges Ex⸗ emplar des Schmarotzers hatte er aber noch nicht erlangen koͤnnen. *) Der Hinterkoͤrper der Pinguins wird wahrſcheinlich bei'm Flie— gen oder Flattern uͤber dem Waſſer theilweiſe von dieſem ge⸗ ſtuͤzt. Außerdem muß der Vogel auf dem Waſſer weit mehr Zutrauen zu ſeiner Flugkraft haben, als auf dem Lande, wo er ſich durch das Aufſchlagen des Unterleibes auf den Boden ſchwer verletzen wuͤrde, wie z. B., halbfluͤgge Enten wohl auf dem Waſſer, nie aber auf dem Lande zu fliegen verſuchen. Was die Bemerkungen des Verfaſſers uͤber den Flug der Schwimmvoͤgel anbetrifft, fo find dieſelben, entweder von ihm ſelbſt, oder von der Bibl. univ., ungenau mitgetheilt worden. Die Schwimmpägel nehmen bei'm Auffliegen eine ſehr ſchraͤge, faſt ſenkrechte Koͤrperſtellung an, begeben ſich aber, ſobald ſie die geeignete Hoͤhe in der Luft erreicht haben, in eine faſt ho⸗ rizontale Lage, wobei ihnen eben die Faͤhigkeit, ihren Hinter— koͤrper ſpecifiſch leichter zu machen, zu Statten kommt, waͤh⸗ rend bei den Raubvoͤgeln das Hintertheil ſchon von Natur ungleich leichter iſt, als das Vordertheil. D. Ueberf. Dae k e een d er Ueber die Milch vom oͤconomiſchen und ſanitaͤts— polizeilichen Standpuncte las Herr Donné in einer früheren Sitzung der Academie vom 24. Juli 1843 einen Aufſatz vor, von welchem wir folgenden Auszug mittheilen: „In meinen fruͤhern Arbeiten bin ich zu dem Reſultate gelangt, daß zwiſchen der Milch und dem Blute eine große Analogie ſtattfinde, welche ſich auch bei meinen Verſuchen an Thieren beſtaͤtigt hat. In beiden Fluͤſſigkeiten findet man ein Serum, in welchem eine ſtickſtoffhaltige Ma— terie ſich vorfindet, die ſpontan coagulirt, und in welcher ſehr viele Subſtanzen alle Beſtandtheile des Organismus darſtel— len; concrete Partikelchen von ſehr complicirter Structur ſind in dem Blute, viel einfacher aber in der Milch aufge— loͤſ't vorhanden. Man hat dieſe Kuͤgelchen genannt. Die Milch verdankt zum großen Theile ihre Weiße und matte Farbe ihren aus fettiger Subſtanz beſtehenden Kuͤgelchen, gleichwie das Blut ſeine Farbe von den gefaͤrbten Theilchen hat. Mit andern Worten, die Milch iſt eine Art Emulſion, in welcher eine fettige, oder butterige, ſehr fein vertheilte Maſſe ſuspendirt iſt. Filtrirt man dieſe Fluͤſſigkeit auf die Art, daß die geſammten Fettpartikelchen getrennt werden, ſo nimmt man der Milch ihre weiße und matte Farbe und man erhaͤlt eine klare und durchſichtige, oder leicht opaliſirende Fluͤſ— ſigkeit. „Indem ich nun weiter die eben angedeutete Analogie zwiſchen der Milch und dem Blute verfolgte, habe ich betraͤcht— liche Quantitaͤten Milch in die Venen von Thieren inficirt; dieſe Injectionen einer Fluͤſſigkeit, welche man keineswegs in— different nennen kann, haben nicht nur keine merkliche Stoͤr— ung in dem Zuſtande und in der Function der Thiere (mit Ausnahme bei dem Pferde aus unbekannter Urſache) hervor— gebracht; ſondern, wie ich glaube, vertreten die Milchkuͤgel— chen in dieſem Falle die Stelle der Chyluskuͤgelchen und ver— wandeln ſich, wie dieſe, direct in Blutkuͤgelchen.“ 299 Nachdem der Verfaſſer verſchiedene Experimente über die Ernaͤhrung junger Thiere durch Milch angefuͤhrt und auf die große Verſchiedenheit aufmerkſam gemacht hat, welche hierdurch fuͤr die Geſundheit entſtehen, und nachdem er auf die therapeutiſche und diaͤtetiſche Anwendbarkeit der Milch hingewieſen hat, fuͤgt er hinzu: „Geht nicht aus allen die— ſen Beobachtungen hervor, daß das allgemeine Geſundheits— wohl ſehr viel mit der Conſumtion der Milch, vorzuͤglich in bevoͤlkerten Städten, zuſammenhaͤnge, und daß, wenn es moͤg— lich waͤre, mit der vermehrten Conſumtion zu gleicher Zeit auch alle Bedingungen dieſes koſtbaren Nahrungsmittels zu verbeſſern, man der Bevoͤlkerung und dem allgemeinen Ge— ſundheitszuſtande einen wirklichen Dienſt erweiſen wuͤrde. Von der Wahrheit dieſer Betrachtung wuͤrde man ſich voll— kommen uͤberzeugt halten, wenn man unterſuchen wuͤrde, was in dieſer Beziehung bei der allgemeinen Vertheilung der Milch in Paris und in den Spitaͤlern vor ſich geht. Der Zuſtand der Milch iſt in den Spitaͤlern in Beziehung auf ihre Qualitaͤt als Nahrungsmittel erbaͤrmlich. Man wird namentlich finden, daß, wenn auch nicht uͤberall, ſo doch we— nigſtens in der Mehrzahl jener Hospitaͤler die Milch fo arm an ſubſtanziellen Beſtandtheilen iſt, daß ſtatt der 8 — 10 Procent Rahm, welche die Milch im Mittel liefert, daſelbſt kaum 3 — 4 Procent vorgefunden werden; noch mehr, dieſe mit Waſſer verduͤnnte Milch iſt haͤufig aufgekocht worden. Dieſe Vorſicht ſcheint zur Aufbewahrung der Milch waͤhrend der Hitze durchaus noͤthig, indeß iſt ſie dadurch ebenſo nach— theilig; denn es iſt bekannt, daß mehrere Male aufgekochte Milch viel ſchwerer verdaut wird. Eine ſolche Milch iſt zur Zubereitung von Speiſen, Suppen u. ſ. w. in Gebrauch, und man moͤchte ſich daruͤber nicht zu ſehr zu beklagen ha— ben, aber keine beſſere wird auch Kranken, Convalescenten, Woͤchnerinnen und ſelbſt Kindern verabreicht, bei welchen doch dieſe Subſtanz das hauptſaͤchlichſte Nahrungsmittel aus— macht!“ — Die Verfaͤlſchung der Milch geſchieht am Meiſten durch Waſſer, und Herr Donné hat ein Inſtrument erfunden, welches er Lactoſcop nennt, und mit dem man die Verfaͤlſch— ung entdecken kann. Der Verfaſſer fest dann die Mittel auseinander, welche ihm zur Verbeſſerung der Milch, wie ſie nach Paris gebracht wird, geeignet ſcheinen und ſagt in die— ſer Beziehung: „Man weiß, daß der groͤßte Theil der Milch, welche in Paris verkauft wird, aus einem Umkreiſe von 10 bis 15 Stunden gebracht, alsdann von Wiederverkaͤufern auf— gekauft wird, die ſie, mit Waſſer verduͤnnt, erſt geraume Zeit nachher an ihre Kunden vertheilen. — Koͤnnte nun die Milch aufbewahrt und mit andern Lebensmitteln trans— portirt werden, ſo iſt kein Zweifel, daß man ſie aus entfern— tern Gegenden zu einem billigern Preiſe beziehen koͤnnte. Das einfachſte, ſicherſte und billigſte Mittel hierzu iſt Eis in eigens dazu vorgerichteten Apparaten. Mittelſt dieſes Apparates kann die Milch, ohne irgend eine Veraͤnderung zu erleiden, länger als vierzehn Tage lang unter jeder Tempe— ratur und Witterungsveraͤnderung und bei electriſchem Zu— ftande der Luft aufbewahrt werden. Der Apparat beſteht aus zwei concentriſchen Cylindern, von denen der innere zum 723. XXXIII. 19. 300 Eis, der aͤußere, doppelt ſo große, zur Milch beſtimmt iſt; an dem letzten ſind nach Außen hin mit Haͤhnen verſehene Oeffnungen angebracht. Der Apparat beſteht aus Blech und iſt mit einer hoͤlzernen Kapſel umgeben.“ (Gaz. des Höpit.) Fall von Entzündung und Brand der Lungen, in Folge einer Opium = Vergiftung. Von Dr. Heaton. Mac⸗Carthy, 28 Jahre alt, wurde am 1. Mai 1843 in das Londoner Univerſitaͤtsſpital aufgenommen. Vier Jahre vorher hatte ſie, in Geldverlegenheit, faſt ein ganzes Glas voll Laudanum verſchluckt, um ſich zu vergiften, hatte aber, da gleich darauf ein reichliches Erbrechen eintrat, faſt keine uͤblen Wirkungen von dem Gifte empfunden. Eis nen Monat darauf hatte ſie, aus derſelben Urſache, gegen 64 Grammen Laudanum zu ſich genommen, welche ſie dieſes Mal nicht ausbrach. Die Anwendung der Magenpumpe und der anderen gewoͤhnlichen Mittel beſeitigte den Stupor, in welchen die Kranke verfallen war. Nach einigen Tagen entwickelten ſich die Symptome einer pneumonia lateris dextri, welche nach acht Tagen noch nicht ganz beſeitigt waren, als die Kranke das Spital verließ und in ihre kalte und duͤſtere Wohnung zuruͤckkehrte. Der Huſten war noch haͤufig und quaͤlend, dabei Schmerzen in der rechten Bruſt— haͤlfte, Auswurf von ſchmutzig-gruͤner Farbe und von ſehr foͤtidem Geruche. Die Kräfte der Kranken nahmen ab, Athem und Auswurf blieben ſtinkend, und zuweilen fanden ſich in den sputis Ueberreſte einer feſten Maſſe, von dun— kelgruͤner Farbe und hoͤchſt foͤtidem Geruche. Bei ihrer zwei- ten Aufnahme am 1. Mai bot die Kranke folgende Sym⸗ ptome dar: Schmerz und Empfindlichkeit bei'm Drucke auf der rechten Seite der Bruſt, Dyspnoe, reichlicher Auswurf einer gruͤnlichen, zaͤhen, fauligen, ungemein fötide riechenden Fluͤſſigkeit; große Proſtration, raſch zunehmende Abmage— rung, lebhafter Durſt; Haut feucht; Puls 80, ſchwach; Percuſſionston rechts dumpf, ebendaſelbſt ſtarke Reſonanz der Stimme; Reſpirationsgeraͤuſch vorn ſtark und tubuloͤs, faft cavernoͤs, hinten etwas Kniſterraſſeln; links Athemge— raͤuſch ſehr deutlich, faſt pueril, hinten Percuſſionston dumpf; Reſonanz der Stimme vermehrt. Die Kraͤfte der Kranken ſanken nach und nach, die Symptome nahmen an Heftig— keit zu, am 26. Mai ſtellte ſich ein Erbrechen einer betraͤcht⸗ lichen Menge mit gelber Galle vermengter Fluͤſſigkeit ein, und am 4. Juni erlag die Kranke der erſchoͤpfenden Diarrhoͤe. Autopfie. Linke Lunge durch friſchgebildete Pſeu— domembranen adhaͤrent, der obere Lappen derſelben von ei— ner Menge grauer Tuberkeln beſetzt, an einer Stelle eine kleine, der Vernarbung nahe, Caverne, die hinteren und unteren Partieen verhaͤrtet und faſt hepatiſirt. Das ganze Lungengewebe muͤrbe, im Inneren eine kleine Caverne mit unregelmaͤßigen Wandungen, von dunkler Farbe, inmitten des Lungengewebes, erweicht und brandig, mit etwas puru— lenter Fluͤſſigkeit von unangenehmem Geruche angefuͤllt. Auf 301 der rechten Seite die pleura gleichfalls durch friſche, nach Hinten ältere, Pſeudomembranen adhaͤrirend. Als man die Lunge von den Rippen abloͤſen wollte, bildete ſich ein gro— ßer Riß im Lungengewebe, und es floſſen gegen 130 bis 150 Grammen einer purulenten, venoͤſen Fluͤſſigkeit von unertraͤglichem Geruche ab. Dieſe große Aushoͤhlung ent— hielt außerdem noch eine gangraͤnoͤſe, ſchwarze Maſſe und nahm einen großen Theil des oberen und mittleren Lappens ein; ihre Wandungen waren von derſelben filamentoͤſen und gangraͤnoͤſen Beſchaffenheit, wie die eingeſchloſſene Maſſe. Rundherum zeigten ſich einige kleine, mit der größeren com— municirende Hoͤhlen. An der Stelle der ſtaͤrkſten Adhaͤrenz der Lunge waren die inneren Muskeln blaß und erweicht und die ſeroͤſe Flaͤche gaͤnzlich verſchwunden. (London Med. Gaz., Aug. 1844.) Gefahren der Einführung eines Catheters in die Harxroͤhre. Von Chaſſaig nac. Jeder Wundarzt hat wohl Gelegenheit gehabt, nach Einführung des Catheters gefährliche Zufaͤlle zu beobachten, ſelbſt, wenn ſie noch ſo ſchonend ausgefuͤhrt wurde. Dem Eintritte jener Zufaͤlle geht gewoͤhnlich ein heftiger Schuͤttel— froſt, dem des Froſtſtadiums intermittirender Fieber aͤhnlich, voran, welchem Hitze und Schweiß folgen, ſo daß das Ganze einem ausgeſprochenen Wechſelfieberparoxysmus gleicht. Dieſe Anfälle erneuern ſich in mehr oder weniger regelmäßigen In— tervallen, bis ſie zuletzt entweder aufhoͤren, ohne irgend eine erhebliche Störung der Geſundheit zuruͤckzulaſſen, oder, im— mer heftiger werdend, den Tod herbeifuͤhren. Soviel ſteht durch die Beobachtung feſt. Was aber hier— bei noch unbekannt blieb, iſt: 1) das Verhaͤltniß der Urſache zur Wirkung, und 2) der Leichenbefund bei den auf ſolche Weiſe Verſtorbenen. Da ich nun Gelegenheit hatte, die Section in einem ſolchen Falle zu machen, ſo glaube ich 1 die Mittheilung deſſelben dem Arzte einen Dienſt zu leiſten. Hector Vita, Drechsler, 60 Jahre alt, wurde am 29. Mai 1844 wegen einer Harnroͤhrenverengerung in das Hoſpital Necker aufgenommen. Er wurde Anfangs mittels Bougies, die in der Harnroͤhre liegen blieben, behandelt. Um jedoch die Beſchwerden dieſes Verfahrens, welche na— mentlich jedesmal bei Einführung dickerer Kerzen ſich ſteiger— ten, zu vermeiden, und um dem Harne einen freien Abfluß zu geſtatten, vertauſchte man ſpaͤter jene mit dem elaſtiſchen Catheter, der zweimal täglich eingeführt wurde und zwei Stun: den lang liegen blieb. Am zweiten oder dritten Tage nach der erſten Einfuͤh— rung des erwähnten Catheters traten ploͤtzlich beunruhigende Symptome ein; dieſe waren: heftiger Schauer, denen reich— liche Schweiße folgten, und Delirien, die ſich in Zwiſchen— raͤumen, nach Art pernicioͤſer Fieber, wiederholten. Auch trat Erbrechen dunkelgruͤner Maſſen ein. Trotz einer ſehr energiſchen Behandlung, bei welcher auch ſchwefelſaures Chinin innerlich und in Clyſtirform ge— 723. XXXIII. 19. 302 reicht ward, verſchlimmerte ſich der Zuſtand immer mehr, fo daß Patient am fuͤnften Tage nach dem erſten Froſtanfalle erlag. Bei der Section fand man in der Harnroͤhre und zwar in der pars membranacea eine zum Theil ſchon be: ſeitigte Verengerung, in der linken Niere ein in voͤlliger Er— weichung begriffenes Encephaloid, daß in ſeinem weichſten Theile jene milchartige Fluͤſſigkeit darſtellte, die Cruveil— hier als eins der characteriſtiſchſten Zeichen des Encephaloids betrachtet. Die Form dieſer Krebsmaſſe war kegelfoͤrmig in die Subſtanz der Nieren eingekeilt, die Baſis dem Um— fange der letztern zugekehrt und, wie es ſchien, von einer ſehr feſten, fibroͤſen Membran eingeſchloſſen; die Spitze des Kegels oͤffnete ſich, wie die uͤbrigen Pyramiden, in den Nie— renkelch. In dem Innern der Lungenſubſtanz fanden ſich mela— notiſche Indurationen. Endlich wies die Section in der Schaͤdelhoͤhle eine meningitis nach, die ſich durch Eiterer— guß in dem Zellgewebe unter der arachnoidea characteri— ſirte. Die Gehirnſubſtanz ſelbſt bot nichts Krankhaftes dar. (Gaz. d. Hop. 16. Juill. 1844. No. 83.) Section einer unvollſtaͤndigen Luxation des Vorderarmes nach Hinten. Von Herrn Gély. Ein Maͤdchen von 28 Jahren ſtarb an der Lungen⸗ ſchwindſucht. Sieben Jahre vorher war ſie vom Pferde gefallen, und ſeitdem war der Ellenbogen im rechten Winkel gebogen geblieben. Die Autopſie ergab folgenden Zuſtand des Gelenkes: Das olecranum macht nach Hinten einen ziemlich bedeu— tenden Vorſprung; 35 Millimetre von der fossa posterior brachii entfernt, befindet es ſich gegen 18 Millim. unter: halb der tubereula, waͤhrend im Normalzuſtande bei glei— chem Grade der Flexion der Abſtand nur 10 Millim. beträgt. Der hypertrophiſche proc. coronoideus ruht in einer tiefen Rinne an der Hinterſeite des Oberarmbeines; ſeine Baſis ſteht mit der unteren Partie des letzteren in Beruͤhrung; die Spitze deſſelben ragt in den unteren Theil der fossa poste- rior hinein. Der normal gebliebene Kopf des radius entfpricht mit ſeinem vorderen Rande der Partie des os humeri, welche ſich im Normalzuſtande nach Oben und Außen vom con— dylus internus zwiſchen der fossa posterior und dem capitulum befindet. Die obere, concave Flaͤche ſteht nach Hinten frei und in gleicher Hoͤhe mit der Vorderflaͤche des humerus. Das Oberarmbein hat bedeutendere Veraͤnder— ungen erlitten; ſtatt der trochlea findet ſich nach Hinten eine tiefe Aushoͤhlung, welche den proc. coronoideus auf— nimmt. Dieſe Aushoͤhlung wird nach Innen von der hy— pertrophiſchen epitrochlea (2), nach Außen von einem Kino: chenhoͤcker begraͤnzt. Die vordere Partie der trochlea iſt faft ganz unverletzt. Der condylus externus humeri iſt nach Hinten gar nicht mehr ſichtbar, wo ſich an ſeiner Stelle eine Aushoͤhlung findet, welche den vorderen Rand des Kopfes des radius aufnimmt. 303 Nach Vorne ragt der condylus externus ſtark nach Oben und Innen hervor. Der aͤußere Rand des humerus und der condylus externus ſind dieſer Richtung nicht ge— folgt, fo daß die beiden Puncte, ſtatt der normalen 10 Millim., 30 Millim voneinander entfernt find. Der condylus in- ternus hat in der Queere an Umfang verloren, dagegen in der Richtung von Vorn nach Hinten bedeutend gewonnen. Dieſe letztere Deformitaͤt beſonders ſcheint fuͤr eine an dieſer Stelle vorhanden geweſene Fractur zu ſprechen. (Aus Jour- nal de Connaissances med. -chirurg. in Gaz. med. de Paris, Nr. 35, 1844.) Ueber Coenurus und Acephalocyſten. Von Dr. C. B. Roſe. Der Coenurus ift bis jetzt nur als im Gehirn vor: kommend beſchrieben worden; Dr. Roſe hat denſelben je— doch auch zwiſchen den Lendenmuskeln, ſowie im Nacken und Ruͤcken, bei Kaninchen gefunden. Er waͤchſt ſchnell und ver— mehrt ſich ungemein, und da er der Oberflaͤche nahe ſich be— findet, ſo bildet er bald einen Vorſprung und zuweilen eine Geſchwulſt von anſehnlicher Groͤße. In neuerer Zeit hat Roſe eine Cyſte, mit dieſen Hydatiden angefuͤllt, in dem Zellgewebe zwiſchen den allgemeinen Bedeckungen und der die Ruͤcken und Lendenmuskeln bedeckenden Fascie gefunden; die Cyſte war aus verdichtetem Zellgewebe gebildet und in 3 — 4 mit— einander in Verbindung ſtehende Abtheilungen getheilt Die größte Abtheilung enthielt zwei Hydatiden, jede von der Groͤßſe einer Orange, außer anderen kleineren und größeren, freien, oder angehefteten Blaſen. Auf den großen Blaſen waren kleine Hydatiden in der Ausbildung begriffen; alle rag— ten nach Außen hervor. Bei einem Affen, welcher lange an Huſten und Dys— pnoͤe gelitten hatte, fand derſelbe in der Bruſt- und Bauch— hoͤhle eine Menge Acephalocyſten, 7 große Cyſten in den Lungen, mehrere in der Leber, auf der rechten Niere, im Netze und Gekroͤſe ic. Die Subſtanz der Eingeweide war geſund, und die Paraſiten hatten ſich nur in dem Pleura- oder Perito— naͤaluͤberzuge gebildet; die Lungen waren jedoch emphyſematos. Dr. Roſe giebt dann 3 Faͤlle bei Menſchen, wo Hydatiden aus Lunge und Leber mit erfolgender Geneſung ausgeſchieden wurden. In einem Falle expectorirte die Frau eines Schaͤfers Hunderte von Acephalocyſten, zuweilen mit Blutſpeien: im zweiten Falle bildete ſich bei einer Kaufmanns— 723. XXXIII. 19. 304 frau, welche an chroniſcher Leberanſchwellung litt, ein Ab— ſceß, welcher nach Außen aufbrach, und aus welchem Hydati— den ausgeſondert wurden; in einem dritten Falle gingen Hy» datiden durch Mund und After ab. (Lond. med. Gaz., July 1844.) Miscellen. Einen Fall von Entzündung der basis cerebri mit Erweichung und Formveraͤnderung des linken Sehnerven trug Dr. 3. F. Duncan in der Sitzung der Dub⸗ liner Pathologiſchen Geſellſchaft am 28. Januar 1843 vor. Der Fall betraf eine Frau, welche lange eine Bewohnerin des Nord- Union-Arbeitshauſes geweſen war. Vor ihrer Aufnahme hatte fie oft an heftigen Kopfſchmerzen gelitten, welche fie auch im Arbeits hauſe mehrmals beſielen, und wegen welcher fie zwei bis drei Mal im Spitale geweſen war. Am 6. December 1842 wurde ſie wegen derſelben Affection wiederum aufgenommen; ein anderes Zeichen von Gehirnleiden war nicht vorhanden. Ein chroniſcher Abſceß am Halſe ging in Eiterung uͤber und wurde geoͤffnet. Die Kranke ſchien dadurch erleichtert und verließ das Spital. Am 18. Januar 1843 zeigte ſich leichte ptosis des linken Augenlides, der Geſichts— ausdruck ſtupide und leer, kein Fieber, Gedaͤchtniß und Bewußtſeyn ungeftört, Sehvermoͤgen geſchwaͤcht, Photopſie. Die Kranke war ſehr reizbar und erbrach ſich ſtark. Am 19. Januar linke Pupille erweitert, der linke Mundwinkel nach Innen und die Zunge nach der linken Seite hingezogen; am 20. Januar Delirien, unaufhoͤr- liches, lautes, unzuſammenhaͤngendes Schreien, oͤftere heftige Schütz telfroͤſte. Am 22. Jan. Puls ſehr frequent und unregelmaͤßig; am 26. Jan. ftand die Kranke mehrmals aus dem Bette, ohne Bei— ſtand, auf, obgleich eine leichte Lähmung der linken Seite vorhan— den war. Als fie zum letzten Male wieder in's Bett zuruͤckkehrte, verfiel ſie in einen comatoͤſen Zuſtand und ſtarb ploͤtzlich. Bei der Eröffnung des Schaͤdels fand man die Spuren friſcher intenſiver Entzuͤndung an der basis cerebri, eine Pſeudomembran an der unteren Flaͤche des Gehirns, von der Commiſſur der Sehnerven bis zum kleinen Gehirn ſich erſtreckend; beide Sehnerven waren ent= zuͤndet geweſen, der linke erweicht und abgeflacht. An der basis cerebri war eine Quantität Lymphe von gruͤnlicher Farbe ergoſ— fen. Nachtraͤglich iſt noch zu erwaͤhnen, daß die Kranke fortwaͤh— rend an hartnaͤckiger Verſtopfung gelitten, und daß von den fuͤnf nacheinander applicirten Blaſenpflaſtern die drei letzten gar nicht mehr gezogen hatten. (Dublin Journal, July 1844.) Ein neues, wie es ſcheint, ſehr wirkſames Inſtru— ment zur Lithonthripſie hat Herr Dr. Alex. Arthault er⸗ funden und, bisjetzt nur am Cadaver, zu allgemeiner Zufriedenheit erprobt. Ein Maulbeerſtein, von deſſen Groͤße und Haͤrte alle An— weſenden ſich überzeugt hatten, von 13 Linien (81 Millimeter) Durchmeſſer, war vorher in die Blaſe eines Cadavers eingebracht worden und wurde binnen 16 Minuten einer und derſelben Sitzung, in ein feines Pulver und 3 bis 4 kleine Fragmente, wovon das groͤßte kaum den Umfang eines Hanfkornes hatte, zerkleinert. Die Wirkungsart des Apparats zeigt ſich ſehr ſanft und gleichfoͤrmig. e ͤ te um Voyage en Scandinavie, en Laponie, au Spitsberg et aux Fe- ros, pendant les années 1838 1840 sur la Corvette, „la Re- cherche“ publié par ordre du Roi, sous la direction de M. Gai- mard. — Relation du Voyage de M. Marmier. Tome I. 1845. 8. Atlas in Folio. Bericht über die Verhandlungen der natnrforfchenden Geſellſchaft in Baſel 1842 bis Juli 1844. VI. Baſel 1844. 8. Etudes pour servir à l’histoire de l’influence de la folie sur les fonctions et les maladies du corps humain et réciproquement. Extraites d'un Memoire sur le meme sujet par feu Ger- main et C. Bouchet et annotees par C. Bouchet. Paris 1845. 8. Histoire médicale et physiolophique de la femme considérée dans toutes les époques principales de sa vie, avec tous les change. meos qui surviennent dans son physique et son moral, avec hygiene applicable à son sexe et toutes les maladies qui peu- vent l’atteindre aux differens ages. Par le Docteur Menville. 3 Volumes. Paris 1845. 8. (104 feuilles.) —ͤ — ö — Menue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalratbe Froriep ju Weimar, und dem Medieinalrothe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. o. 724. 1 (Nr. 20. des XXXIII. Bandes.) Maͤrz 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 f 30 , des einzelnen Stuͤckes 3%, I Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ I Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975 ee eee Ueber die Entwickelung der Pflanzen. Von Herrn Payen. Ich habe, bemerkte der Verfaſſer in der Einleitung zu dieſer, der Academie der Wiſſenſchaften am 19. Februar vor⸗ getragenen Abhandlung und bei Ueberreichung eines Bandes, der ſeine geſammten Forſchungen uͤber den obigen Gegenſtand enthält, der Academie bereits eine Reihe von Denkſchriften uͤber die Entwickelung der Pflanzen mitgetheilt. Die Schluß— folgerungen dieſer verſchiedenen Denkſchriften ſind beſtimmt, gewiſſe Gelege der Drganifation der Pflanzen darzulegen. Um dieſe Geſetze mit um ſo mehr Schaͤrfe feſtzuſtellen, habe ich die von mir von 1823 bis 1842 ermittelten Reſultate einer abermaligen Pruͤfung unterworfen, und nach Vollen— dung dieſer Arbeit habe ich geglaubt, das Geſammtergebniß meiner Forſchungen der Academie in einer kurzen Ueberſicht darlegen zu muͤſſen. ; Manche Einzelnheiten dürften allerdings auch noch fpäs ter Abaͤnderungen erleiden; allein dieſe mehr oder weniger bedeutenden Berichtigungen werden hoffentlich der Hauptſache eb an den verſchiedenen hier aufgezaͤhlten Geſetzen nichts ndern. Naturgeſetze der Entwickelung der Pflanzen. 1) Spongiolen. — Die Spongiolen oder Schwaͤmm—⸗ chen der Wuͤrzelchen ſaͤmmtlicher phanerogamiſcher Pflanzen unterſcheiden ſich von den uͤbrigen Theilen der benachbarten Gewebe durch den Reichthum an ſtickſtoffhaltigen, weichen, contractilen und abſorbirenden Stoffen, welche in ihren Zels len enthalten ſind. Der ſtarke Verhaͤltnißtheil an dieſen Stoffen entſpricht dem Grade der Lebensthaͤtigkeit, der Kraft, der Entwickelung der Wuͤrzelchenenden und den wichtigen Functionen, welche ſie bei Ernaͤhrung der Pflanze zu verrichten haben. Viel⸗ leicht gelingt es ſpaͤter, nachzuweiſen, daß dieſe azothaltigen Koͤrper ebenfalls einen directen Einfluß auf die beſondere Art No. 1824. — 724. der Abſorption aͤußern, welche gewiſſen Pflanzenfamilien und Arten in derſelben Bodenart eigen iſt. 2) Junge Organe der Pflanzen. — Alle ſehr junge Organe der Pflanzen, fenen fie nun blattartig oder zur Bildung von Bluͤthen und Fruͤchten beſtimmt, welche, ſo— lange die stomata und die gruͤnen Theile noch nicht ent— wickelt ſind, mehr direct durch den aufſteigenden Saft ernaͤhrt werden, enthalten organiſche Stoffe von quaternaͤrer Zuſam— menſetzung in Menge, deren Quantitaͤt um ſo bedeutender iſt, je ſtaͤrker die Entwickelungsfaͤhigkeit des Organes iſt und deren Menge mit dem zunehmenden Alter der Organismen “) abnimmt. 3) Vertheilung der ſtickſtoffhaltigen Koͤrper in den Pflanzenorganismen. — Die ſtickſtoffhalti— gen Koͤrper finden ſich, als die Hauptagentien der Lebens— thaͤtigkeit der Pflanzen, in allen zelligen oder roͤhrigen Hoͤhlen frei, oder an den Wandungen feſtgewachſen. Die Entwicke— lung dieſer Koͤrper geht der Bildung der zelligen Huͤllen voran. 4) Secretion und chemiſche Zuſammenſez— zung der Staͤrkemehlſubſtanz (Substance amyla- eee). — Die Staͤrkemehlſubſtanz tritt in den Geweben auf, in denen ſich die zu der fernern Entwickelung des ganzen Pflanzenorganismus geeigneten Materialien anſammeln. In den rudimentaͤren Geweben (Spongiolen, Rudimenten der Blatt— knospen, dem entſtehenden Pollen, den nicht befruchteten Eier— chen) hat man dieſelbe nie gefunden, und ebenſowenig in den Gefaͤßen, Gaͤngen (meatus) und der epidermis. Ihre Dichtigkeit iſt = 1520; ihr Aequivalentengewicht = 1930; anhydriſch iſt ihre Formel: C? HI O; als Amylonhydrat oder vollkommen getrocknetes Staͤrkemehl: H2O, C24 Hs 0; fie bildet mit 2, 4 und 10 Aequivalenten *) Der Verfaſſer bedient ſich durchgehends des Ausdrucks Orga— nismen, wo man ſonſt von Organen zu reden gewohnt war. Di. ueberſ. 20 307 Waſſer Hydrate. Bei gehöriger Conſiſtenz loͤſ't fie ſich in kaltem Waſſer nicht auf. 5) Staͤrkemehl (amidon); Bildung und Stru⸗ ctur. — Die Staͤrkemehlkoͤrner bieten bei den verſchie⸗ denen Pflanzen ſehr abweichende Formen dar, waͤhrend ſie einander bei derſelben Pflanze in dieſer Beziehung ſehr nahe kommen. Sie bilden ſich durch Intusſusception der Sub— ſtanz, deren Durchgang eine trichterfoͤrmige Spur hinterlaͤßt, deren Richtung mit der Axe jedes Sphaͤroids, Ellipſoids ic. zuſammenfaͤllt. Jede mehr innere Schicht iſt demnach juͤn— ger und weniger conſiſtent, als die ſie umhuͤllende, und folg— lich find die oberflaͤchlichſten die aͤlteſten und feſteſten. Dieſe Bildung findet ſtatt, ohne daß die Körndyen an den Wan— dungen der Zellen feſthaͤngen. 6) Diaſtaſe; Verwandlung der Staͤrkemehl— ſubſtanz. — In dem Augenblicke, wo der Vorrath an Staͤrkemehlſubſtanz zur Entwickelung neuer Gewebe dienen ſoll, findet deren Waͤſſerung und Auflöfung mit Hülfe eines neu auftretenden Stoffes (der Diaſtaſe) ſtatt, welcher ſich gegen andere Naturkorper verhaͤltnißmaͤßig indifferent verhält, aber in Bezug auf die Staͤrkemehlſubſtanz eine ungemeine Energie beſitzt. So dildet ſich dieſer Vorrath nacheinander in aufloͤsliche Dextrine und Glykoſe um und geht fo von ei: nem Gewebe in das andere uͤber, bald um ſich von Neuem anzuhaͤufen, bald um in Geſtalt dauernder Membranen, welche das Gerippe der Zellen bilden, zu größerer Conſiſtenz zu gelangen. 7) Pectin und Pectinſaͤure. — Das Pectin und die Pectinſaͤure find in Verbindung mit Kalk, Natron und Kali ſchon in vielen Pflanzen gleichzeitig vorhanden. Auf kaltem Wege laſſen fie ſich im Zuſtande vollſtaͤndiger Nein: heit aus denſelben ziehen. 8) Celluloſe: Zuſammenſetzung, Structur, Rolle bei der Vegetation. — Die Celluloſe, welche mit dem Staͤrkemehl (amidon), dem Dextrin und dem Inulin iſomeriſch iſt, bildet die eigentliche Subſtanz der Wandungen der blaͤschenfoͤrmigen, polyedriſchen oder zu Fa— fern, Röhren, Gefäßen oder Tracheen verlängerten Zellen. In den ſich ſchnell verdickenden Waͤnden derſelben bemerkt man zahlreiche Canaͤlchen, Die von ſtickſtoffhaltiger Sub: ſtanz und Kieſelerde durchdrungene Celluloſe bildet die epi- dermis der Stängel und Blätter. Zuweilen, wie bei dem dicken epidermiſchen Gewebe der Cacteen, wechſeln die übers einanderliegenden Schichten dieſer Celluloſe mit pectinſaurem Kalk und pectinſauren Alkalien ab, Dieſe Salze füllen zu— weilen die Gänge und Zellen oder die Faſern aus; mit Inu— lin geſchwaͤngert, findet ſich die Celluloſe bei den Flechten, Tangen ge. Mit organiſchen Incruſtationen geſchwaͤngert, bildet fie die Holzmaſſen und die harten Concremente der Kerne, die Steine in den Birnen, die Rinden ıc. 9) Unterſcheidende Kennzeichen zwiſchen Pflanzen und Thieren. — Faſt rein oder reichlich injicirt, characteriſirt die Celluloſe die Pflanzenorganismen, indem ſie das Gerippe bildet, welches ihrer ganzen Structur zu Grunde liegt, In den thieriſchen Membranen hat man 724. XXXIII. 20. 308 fie nie angetroffen, und dieſe enthalten ſtets eine größere Menge Stickſtoff, als ſelbſt das Obethaͤutchen der Pflanzen. 10) Holzfaſern; holzige Concremente. — Die Holzfaſern characteriſiren ſich durch incruſtirende organi⸗ ſche Subſtanzen, welche in das Gewebe der Celluloſe eins geſprengt find. Dieſer Subſtanzen find vier, und je nach⸗ dem die eine oder die andere vorwaltet, ſind die Hoͤlzer hart, ſchwer, bruͤchig, politurfaͤhig, reicher an Kohlenſtoff, wovon ſie 47 bis 53 Procent, oder an Waſſerſtoff, wovon ſie einen Ueberſchuß von 0,3 bis 0,7 Procent enthalten. 11) Urſachen der von ſelbſt erfolgenden Ver⸗ derbniß der Hölzer. — Unter der Zuſammenwirkung der Feuchtigkeit und einer gewiſſen Temperatur zerſetzen ſich die in den Holzfaſern enthaltenen ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen ſchnell, und auf dieſe Weiſe geht das Holz in Faͤulniß uͤber. Bei dem Acacienholze hat theils deſſen Structur, theils deſſen chemiſche Zuſammenſetzung die Folge, daß es der Faͤul⸗ niß an demſelben Orte wohl doppelt ſo lange widerſteht, als andere Hölzer. Einestheils find deſſen Faſern durch ſehr con— ſiſtente Celluloſe verdickt, und anderntheils enthalten ſie zwei bis dreimal weniger incruſtirende Stoffe, welche bei den ſehr harten Hoͤlzern die Faͤulniß beſchleunigen, indem ſie die Cel—⸗ luloſe zu ſehr theilen. Zur Grubenzimmerung, zu Steuerru⸗ dern, Orangeriekaͤſten, Weinſpalieren, Radfelgen ꝛc. verwandt, hält das Acacienholz wohl doppelt fo lang, als Eichenkern— holz. Bei ſeinem ſtarken Gehalte an zaͤher Celluloſe eignet ſich das Acacienholz ferner ſehr gut zu Radkaͤmmen ꝛc., und da es ſchnell waͤchſt, ſo iſt die Cultur dieſes Baumes ſehr zu empfehlen. 12) Elementarzuſammenſetzung der Repro⸗ duetionsorgane der Pflanzen. — Die fpeciell zur Reproduction der Pflanzen beſtimmten Organismen, die Fruͤchte, Samen, Sporen und Sporuln, enthalten haͤufig in ſtaͤrkern Proportionen, als andere Gewebe, die zu den fernern Entwickelungen unumgaͤnglich noͤthigen Producte. Dieſe ſind 1) eine oder mehrere jener auflöglichen oder leicht zerſetzungs⸗ fähigen Subſtanzen derſelben Familie (Staͤrkemehl, Dextrin, Zucker, Glykoſe); 2) neutrale ſtickſtoffhaltige Subſtanzen uns ter conſiſtenten, aber auflöslichen Formen; 3) fette Subſtan⸗ zen; 4) Kalkſalze, Kaliumſalze und Natriumſalze; 5) Kieſel⸗ erde; 6) Waſſer. 13) Mineraliſche Secretionen in Pflan⸗ zen. — Die mineraliſchen Subſtanzen ſind keineswegs auf's Gerathewohl in den Pflanzen vertheilt, ſondern werden in denſelben ſortirt und in die zu ihrer Aufnahme beſtimmten Organismen geleitet. Dahin gehören die Kieſelerde, welche ſich in'sbe⸗ ſondere nach der Peripherie begiebt und die epidermiſchen Membranen durchdringt, fo daß fie vornehmlich in dem Obers haͤutchen der Blätter, Stängel und in den der atmoſphaͤri— ſchen Luft ausgeſetzten Haaren anzutreffen iſt; ferner der kleeſaure Kalk, deſſen aus dem Boden herſtammende Grundlage ſich mit einer vegetabiliſchen Saͤure verbindet. Dieſes in den Pflanzen ſehr allgemein verbreitete Salz nimmt in denſelben die verſchiedenen polyedriſchen Formen von lan— 509 gen prismatiſchen Nadeln, Wuͤrfeln, Rhomboedern, kurzen uns regelmäßigen Prismen an, welche Formen durch die organi— ſchen Körper beſtimmt werden, welche die kryſtalliniſchen Theile chen in den zu ihrer Aufnahme beſtimmten Zellen einhuͤllen. Maulbeerfoͤrmige Anhaͤufungen von dieſen Kryſtallen findet man um die Gefäße der Rippen der meiſten Blätter her in großer Menge. Der kohlenſaure Kalk bildet in den Blättern der Pflanzen aus der großen Familie der Urticeen jene arti— gen, warzigen Concremente, welche in einem leichten Gewebe enthalten ſind, das ſich um einen ebenfalls an der epidermis hängenden Stiel anſchließt und ſich mitten in einer unge woͤhnlich großen Zelle befindet. Daſſelbe Kalkſalz incruſtirt, mittelſt eines daſſelbe firirenden beſondern Gewebes, die aͤu— ßern Wandungen der laͤnglichen Zellen und Roͤhren mehrerer Arten der Characeen, waͤhrend andern Pflanzen derſelben Fa— milie, die ſich in denſelben Gewaͤſſern finden, das ſecerni— rende Gewebe, ſowie das mineraliſche Concrement, abgeht. Das kleeſaure Kali und kleeſaure Natron fin— den ſich als farbloſe alkaliniſche Auftöfung in den blaͤschenför— migen Druͤſen, welche alle der Luft ausgeſetzten Theile der Eispflanze (Mesembrianthemum erystallinum) umgeben und ſchmuͤcken, waͤhrend ſich im Innern derſelben Blaͤtter und Staͤngel dieſer Pflanze gruͤne Stoffe in einem ſauern Safte finden. Es werden alſo in den Pflanzen die mineraliſchen Sub— ſtanzen, gleich den fetten Stoffen, den weſentlichen Oelen und mehreren in ihnen fertig anzutreffenden Beſtandtheilen,, un— ter dem Einfluſſe der quaternär zuſammengeſetzten Körper ſe— cernirt und in beſondere Organe vertheilt. 14) Bildung, Entwickelung und Oblitera— tion der stomata; kniſternde Blätter; bunt: ſtreifige Blätter; Faͤrbung der Blätter im Herbſte. — Wenn man die Stomata an den noch ein= gehuͤllten Theilen ſtudirt, zu denen die Luft Zutritt zu haben und die Entſtehung der stomata zu veranlaſſen be— ginnt, fo findet man, daß fir ſich, wie alle vegetabili— ſchen Apparate, unter dem Einfluſſe der Körper von quaterz naͤrer Zuſammenſetzung entwickeln. Ein mit ſtickſtoffhaltiger Subſtanz geſchwaͤngertes und mit der epidermis zuſam— menhaͤngendes Haͤutchen dringt in die ausgerandete Oeffnung jedes Stoma ein, deſſen Wandungen es bis in die pneuma— tiſche Hoͤhlung hinein auskleidet. Wenn unter gewiſſen Umſtaͤnden die Functionen der Blaͤttertraͤger von Statten gehen, fo obliteriren deren sto— mata allmaͤlig, ſo daß die Luft und die Duͤnſte nicht mehr frei durch dieſelben ein- oder ausſtreichen konnen. Daraus entſteht das Kniſtern, welches man vernimmt, wenn man manche Blaͤtter von derbem Gewebe in's Feuer wirft. In vielen Faͤllen hat dieſe Verſtopfung der stomata, wodurch die Ausduͤnſtung verhindert wird, die Folge, daß die Gewebe und die Schichten der epidermis mit farbigen Fluͤſſigkeiten ausgeſpritzt werden, wodurch die Blaͤtter ein ſchaͤckiges Anſe— hen erhalten. Aus ähnlichen Gründen färbt ſich das abſter— bende Laub im Herbſte. 724. XXXIII. 20. 810 15) Chemiſche Zuſammenſetzung der Pflan- zen im normalen Zuſtande, im Allgemeinen. — Die Summe der Grundbeſtandtheile jeder Pflanze, als ein Ganzes betrachtet, beſteht aus Stickſtoff, Kohlenſtoff und Waſſer, ſowie einem Ueberfluß an Waſſerſtoff. Den neu— tralen und fetten ſtickſtoffhaltigen Subftanzen verdanken zu— mal die Kryptogamen und krautartigen Pflanzen diefen Ueberſchuß an Waſſerſtoff; bei den Holzpflanzen find es eben dieſe Suſtanzen, die jedoch in geringerer Menge vorhanden jind, und die holzigen Concremente, welche dieſen Ueberſchuß erzeugen. 16) Zuſammenſetzung des Torfes. — Der durch die unvollſtaͤndige Zerſetzung gewiſſer Pflanzen erzeugte Torf enthält ſieben Producte, welche den ſaͤmmtlichen unmittelba— ren Beſtandtheilen der Holzſubſtanz und der krautartigen Theile im verdorbenen Zuſtande entſprechen. 17) Lebende Koͤrper in Pflanzen. — Endlich ſcheint ſich mir aus meinen vielen Beobachtungen ein durch— greifendes Geſetz zu ergeben, welches die Erſcheinungen des Pflanzenlebens in einem ganz neuen Lichte darſtellt. Wenn ich mich nicht irte, ſo beſteht alles dasjenige, was wir mit bloßen oder bewaffneten Augen als Zellen und Gefaͤße er— kennen, in der That nur aus den ſchuͤtzenden Huͤllen, den Behaͤltern und Canaͤlen, mit deren Huͤlfe die lebenden Koͤrper, welche dieſelben fecerniren und formen, ſich ihren Aufent— haltsort bereiten, ihre Nahrungsſtoffe beziehen und beiſchaffen, ihre Excretionen abſetzen und iſoliren. Nachdem ich dieſe Anſicht aus meinen erſten Forſchun— gen über die Organismen und Ernaͤhrung der Pflanzen ge— ſchopft hatte, wurde ich durch mein eiftiges Streben, neue Thatſachen zu ermitteln, ſtets auf dieſelbe zuruͤckgefuͤhrt. Jedesmal, wenn ich dieſelbe ausſprechen wollte, habe ich mich indeß bis jetzt geſcheut, dieß unumwunden zu thun, und vielleicht würde ich auch jetzt noch Anſtand genommen ha— ben, wenn ich nicht geſehen haͤtte, daß Herr v. Mirbel auf einem andern Wege zu einem aͤhnlichen Schluſſe gelangt iſt, indem er den, der Bildung der Zellen vorhergehenden Ocganiſationsproceß mitten in einer Fluͤſſigkeit beobachtete. Mit Herrn v. Mirbel gemeinſchaftlich unternahm ich dann Forſchungen, deren der Academie naͤchſtens vorzulegende Reſultate dieſe Anſicht durchaus nur beſtaͤtigen. Ich zoͤgere alſo gegenwaͤrtig nicht laͤnger, aber in der Hoffnung, daß man ſich einer voreiligen Kritik enthalten werde, fuͤge ich alsbald hinzu, daß dieſe neuen Ergebniſſe der auf die Pflanzenphyſiologie angewandten Chemie mit den von unfern Vorgängern und Zeitgenoſſen in dieſem Zweige der Wiſſenſchaft ermittelten Thatſachen keineswegs im Wider— ſpruche ſtehen. Bei der naͤhern Darlegung dieſer Materie hoffe ich uͤberdem nachzuweiſen, daß ſich daraus mehrere Beobach— tungen erklaͤren laſſen, die ſich mit den bisjetzt allein für richtig geltenden organographiſchen Thatſachen nicht recht in Einklang bringen ließen. Uebrigens beſtehen die vollſtaͤndig mit Functionen aus— geſtatteten Körper in den Geweben der Pflanzen gerade aus den Grundſtoffen, welche in ſehr wenig abweichenden Ver— 20 * 811 haͤltnißtheilen die thieriſchen Organismen bilden, ſo daß man ſich auf die Anerkennung einer durchgehenden Gleichartigkeit in der Zuſammenſetzung ſaͤmmtlicher lebender Naturkoͤrper hingefuͤhrt ſieht. (Comptes rendus des séances de l’Acad. d. Sc., T. XVIII., No. 8, 19. Fevr. 1844.) Ueber den Einfluß der Nerven des achten Paares auf die chemiſchen Erſcheinungen der Verdauung. Von Herrn Bernard. Erſter Verſuch. — Bei einem erwachſenen Hunde brachte ich im Magen eine weite fiſtelartige Oeffnung zu Wege, welche mir geſtattete, das, was ſich in den verſchiede— nen Stadien der Verdauung zutrug, zu beobachten. Das Thier befand ſich wohl und war ſeit 5 Wochen geheilt, als ich mit ihm vergleichende Verſuche über die Vers daulichkeit zweier Arten von Nahrungsſtoffen anſtellte, die ich dem Thiere abwechſelnd reichen ließ. In dem einen Falle wurde rohes Fleiſch, in dem andes ren eine aus Brod, Milch und Rohrzucker beſtehende Suppe in den Magen eingefuͤhrt. 1) In dem Augenblicke, wo die Nahrungsſtoffe in den Magen eingefuͤhrt wurden, ward die Schleimhaut, welche nur auf eine gewiſſe Strecke ſichtbar war, roth, aufgetrieben und gleichſam in Erection, und zugleich ſchwitzte aus ihrer Oberflache in großer Menge eine durchſichtige, ſauere Fluͤſſig— keit, der Magenſaft, der den Nahrungsballen befeuchtete und auf denſelben einwirkte. 2) Wenn rohes Fleiſch eingefuͤhrt worden war, ſo fand man daſſelbe gewohnlich nach 2 — 3 Stunden in el: nen Brei von Chymus verwandelt, der ſehr ſtark ſauer re— agirte. 3) Was die Suppe mit gezuckerter Milch betrifft, ſo zeigte ſich die Milch zuerſt coagulirt; eine halbe Stunde oder drei Viertelſtunden ſpaͤter bildete Alles nur noch eine duͤnne, weißliche homogene Bruͤhe, die ebenfalls fehr ſauer re— agirte. Erſt ſpaͤter zeigte ſich der Magen voͤllig leer. 4) Ich will darauf aufmerkſam machen, daß man an den Stoffen, aus welchen dieſe Suppe beſtand, in keinem Falle Zeichen von Gaͤhrung beobachtete. Der gezuckerte Nah— rungsballen, mochte man ihn nun bei'm Beginne oder zu Ende der Verdauung unterſuchen, enthielt immer unzerſetzten Rohrzucker. Nachdem ich die Reſultate der Verdauung dieſer beiden Arten von Nahrungsſtoffen acht Tage hintereinander beob— achtet hatte, beſchloß ich, die beiden pneumogaſtriſchen Nerven zu durchſchneiden. An dem Tage, wo ich die Operation vornahm, hatte das Thier ſeit 24 Stunden gefaſtet und ſehr ſtarken Hun— ger. Nachdem Alles zu dem Verſuche gehoͤrig vorbereitet war, nahm ich den Apparat, mittelſt deſſen die Fiſtel fuͤr ge— woͤhnlich verſtopft war, ab und reinigte die innere Flaͤche des Magens mit einem weichen Schwamme. 724. XXXIII. 20. 312 Unter dem Einfluſſe dieſes durchaus mechaniſchen Reis zes gab der Magen eine ſehr ſtarke Erregbarkeit zu erkennen, indem er ſich gegen den fremden Körper ſichtlich zuſammen⸗ zog. Alsdann floß aus der roth und aufgetrieben geworde— nen Schleimhaut der Magenſaft in Menge aus. In dieſem Augenblicke wurde die Durchſchneidung der beiden pneumogaſtriſchen Nerven bei der mittleren Halsge— gend vorgenommen. Alsbald erhielt Alles ein anderes An— ſehen, und ich bemerkte am Magen folgende Erſchei— nungen. Die angelaufene Schleimhaut, aus der der ſauere Mas genſaft ſtromweiſe auslief, fiel plötzlich zuſammen und wurde blaß, als ob alles Blut aus derſelben getreten waͤre. Die Empfindlichkeit und die Bewegung verſchwanden, und die Ses cretion des Magenſaftes hörte augenblicklich auf. Allein ſonderbarerweiſe trat an deren Stelle eine ſehr reichliche Se: cretion von fadenziehendem Schleime ein, der ſich gegen Re— agentien neutral verhielt und aus der Fiſtel floß. Ich muß bemerken, daß die Durchſchneidung der pneu⸗ mogaſtriſchen Nerven den allgemeinen Geſundheitszuſtand des Thieres nicht geftört hatte. Dieſer von Natur ſehr gefraͤßige Hund fiel nach, wie vor, gierig uͤber das ihm vorgeworfene Futter her. Ich brachte nun durch die Fiſtel Stuͤcke Fleiſch und eine Portion von der mit Zucker verſetzten Milchſuppe in den Magen und verſtopfte alsdann die Fiſtel. Nach einer Stunde fand ich die Brodſtuͤcke durchge⸗ weicht; die nicht geronnene Milch war mit einer großen Menge fadenziehenden Schleimes vermiſcht. Die Fleiſchſtuͤcken hatten durchaus keine Veraͤnderung erlitten, und die ganze Maſſe der Nahrungsſtoffe verhielt ſich gegen Reagentien neutral. Nach zwei Stunden ſtanden die Sachen noch ebenſo; nur zeigten ſich die Brodſtuͤcken noch mehr erweicht. Der Speiſebrei verhielt ſich noch immer neutral. Acht Stunden ſpaͤter fand ich im Magen eine weißliche Bruͤhe, die ſehr ſtark ſauer reagirte. Es ließ ſich leicht er— mitteln, daß dieſe Saͤurung von Entſtehung von Milchſaͤure herruͤhrte, welche ſich aus den Subſtanzen der Suppe gebils det hatte. Das Fleiſch lag in dieſer ſauren Bluͤhe und hatte nicht die mindeſte Veraͤnderung erlitten. Vierundzwanzig Stunden darauf ſtand Alles noch eben⸗ fo, und das Thier wurde nun getödtet. Aus dieſem Verſuche ergiebt ſich: 1) Daß durch die Durchſchneidung der pneumogaſtri⸗ ſchen Merven nicht nur das Gefühl und die Bewegung des Magens erloſchen waren, ſondern daß auch die Secretion des Magenſaftes alsbald aufgehört hatte, 2) Daß nach dieſer Durchſchneidung die Verdauung kei⸗ nen Fortgang mehr hatte, indem man nach vierundzwanzig Stunden die in den Magen eingefuͤhrten Stuͤcken Fleiſch noch ganz und unverändert vorfand, 3) Man wird in'sbeſondere bemerken, daß in Abwe— ſenheit des Magenſaftes in den im Magen enthaltenen Stof: 813 fen freiwillige Zerſetzungen vorgekommen ſeyn koͤnnen, was ſich aus der Milchſaͤurebildung in den Beſtandtheilen der ges zuckerten Milchſuppe ergiebt. Unter der Einwirkung der pneumogaſtriſchen Nerven wuͤr— den dieſe chemiſchen Reactionen nicht eingetreten ſeyen, wie ſich aus folgendem doppelten Verſuche ergiebt. Zweiter Verſuch. — Bekanntlich find das Emul— ſin und Amygdalin zwei unſchaͤdliche Stoffe, wenn ſie je— der fuͤr ſich gereicht werden; wogegen ſich aus ihnen, wenn fie gleichzeitig gereicht werden, Blauſaͤure und bittere Manz deleſſenz entwickelt, ſo daß ſie als ein ſehr heftiges Gift wir— ken. Anders geſtalten ſich die Sachen, wenn man bei der Erzeugung dieſer Erſcheinung den Magenſaft in einer gewiſ— ſen Weiſe einwirken laͤßt. Hiervon habe ich mich auf fol— gende Art überzeugt. Nachdem ich zwei erwachſene Thiere (Hunde), die von gleichartiger koͤrperlicher Beſchaffenheit und beide nuͤchtern wa— ren, ausgewählt hatte, nahm ich bei einem derſelben die Durchs ſchneidung der pneumogaſtriſchen Nerven vor; hierauf wurde in den Magen jedes derſelben die gleiche Doſis Emulſin eingefuͤhrt, und eine halbe Stunde ſpaͤter erhielten beide Thiere Amygdalin Der Hund, bei welchem die pneumogaſtriſchen Nerven durchſchnitten worden waren, ſtarb eine Stunde darauf mit den Symptomen einer Blaufäurevergiftung, während der ans dere Hund leben blieb, ohne irgend bedeutende Zufälle zu bekommen. Dieſer Verſuch laͤßt ſich unſchwer auslegen; bei einem dieſer Thiere hatte, in der That, das durch den Magenſaft modificirte Emulſin die Faͤhigkeit verloren, auf das Amygda— lin zu reagiren; bei dem anderen dagegen blieb das in einen, ſeiner Nerven und folglich ſeines Saftes beraubten Magen eingebrachte Emulſin unverſehrt und hatte daher die Faͤhig⸗ keit behalten, auf das Amygdalin zu reagiren, was ſich aus der Vergiftung des Thieres ergab. 724. XXXIII. 20. 314 Bei der Magenverdauung ſind daher die Nahrungsſtoffe faſt ausſchließlich der maͤchtigen Einwirkung des Magenſaftes unterworfen; ihre natuͤrlichen Verwandtſchaften ſcheinen als— dann gewiſſermaaßen vernichtet, und es kann dann zwiſchen den Beſtandtheilen faſt keine freiwillige Zerſetzung vor ſich gehen. Wenn nach der Durchſchneidung des achten Mervens paares dieſe Reactionen eintreten, ſo liegt der Grund an der Abweſenheit des Magenſaftes. (Comptes rendus des Séances de I'Acad. d. Sc., T. XVIII, Nr. 22, 27. Mai 1844.) e an Von der Geburt eines Loris iſt Herr Dr. Rob. Tem⸗ pleton zu Colombo in Ceylon Zeuge geweſen; die Geburt dauerte eine halbe Stunde. Das Neugeborne war etwa zwei Zoll lang, wie eine junge Maus, ganz nackt und ohne Bedeckung, mit großem Kopf, duͤnnem Körper und außerordentlichen dünnen Beinen; das Ant— litz und die Augen waren verhältnigmäßig viel kleiner, als bei dem alten Thiere. Es Elammerte ſich an den Mutterkoͤrper, daß Herr Templeton glaubte, es wuͤrde ſich eher von den Gliedern abrei— ßen laſſen, als mit letztern loslaſſen. Die Mutter ſtarb in der folgenden Nacht und das Junge gleich darauf, fo daß fie nicht weis ter beobachtet werden konnten. Das Geſicht der Alten iſt übrigens nicht fo hundeaͤhnlich, wie man es an ausgeſtopften Exemplaren gt= woͤhnlich findet. Von Scorpionen in Dalmatien erzählt Herr D. Kuͤſt ner in Erlangen: Auf dem Wege von Zara nach dem ſogenannten periodiſchen See von Boccagnozzo traf ich unter den Steinen viele, 15 bis 26 Linien lange, Scorpione, darunter einen, der ganz mit 5 — 6 Linien langen weißen, noch ganz weichen, Jungen bedeckt war, die ſich überall feſthielten und dem Alten ein ganz eigenthuͤm— liches Anſehen gaben. Selbſt im Glaſe ſuchten ſich die durch das Hineinbringen abgefallenen wieder feſtzuſetzen und krochen ruͤſtig zwiſchen den darin befindlichen Papierſtuͤcktden herum, bis fie wies der ſaͤmmtlich vereint waren. (Isis 1844. V. u. VI. 328.) Thiere im Guano. In dieſen jetzt in ſo bedeutenden Ladun⸗ gen in Europa eingefuͤhrten und daſelbſt als der ausgezeichnetſte Dun— ger in Anwendung gekommenen, Voͤgelexerementen hat man, in Ena= land ſowohl, als in Stettin, inmitten der Maffe auch Exemplare von jungen Pinguinen (Aptenodytes) gefunden, die plattgedruͤckt und zuſammengedoͤrrt waren. Auch ein Ei hat ſich einmal im Guano gefunden, welches, der Größe und Geſtalt nach, ebenfalls der Pins guinengattung angehoͤrt zu haben ſcheint. r Ueber die Structur der Lungen und einige Krank— heiten derſelben. Von Herrn J. A. Rochoux. Dieſe Arbeit beſteht, wie ihr Titel anzeigt, aus zwei Theilen, von denen der eine faſt durchaus anatomiſcher, der andere pathologiſcher Art iſt. IJ. Von der Structur der Lungen. — Die Lunge iſt, wie Malpig hi zuerſt nachgewieſen, ein weſent— lich membransſes Organ, deſſen eigentlich blutloſes, wenngleich alles in der Circulation befindliche Blut durchlaſſendes Ge— webe aus einer ſehr großen Anzahl von Zellen oder Blaͤs— chen beſteht, die miteinander durch verhaͤltnißmaͤßig ſehr große Oeffnungen communiciren und mitten unter denen die weit weniger zahlreichen Verzweigungen der Bronchen aus— gehen. So iſt in dem conſiſtenten oder feſten Theile der Lungen die Structur dieſer Organe beſchaffen. Nerven, zahl: reiche Blut- und Lymphgefaͤße veraͤſteln ſich auf den Wan: dungen und zumal in den Winkeln, welche die kleinen Fa— cetten oder vielmehr gewoͤlbten Oberflaͤchen der Zellen mit— einander bilden, deren genaue Kenntniß von großer Wichtig— keit iſt, weil in Betreff ihrer eine bedeutende Meinungsver— ſchiedenheit unter den Anatomen herrſcht. Mit einer Genauigkeit, die einer nur ſehr geringen Berichtigung Raum geſtattet, gemeſſen und gewogen, erhielt ich für die Lungen ein Volumen von 4555000 Cubikmilli- metern und an Gewicht 1 Kilogramm, welches an Volumen 952300 Cubikmillimetern entſpricht. Dieſe Quantität, + 199800 Cubikmillimeter fuͤr das Volumen der Bronchen, von der erſten Summe abgezogen, bleiben 3400900 Cubik⸗ 315 millimeter, welche für beide Lungen 583000000 Zellen er⸗ geben, wenn man den Durchmeſſer jeder Zelle — 0,18 Mil⸗ limeter ſetzt. Da nun die Bronchen nur 15 dichotomiſche Verzweigungen darbieten, nach deren letzter ſie ungefaͤhr 0,26 Millimeter Durchmeſſer haben, fo beläuft ſich deren Zahl nur auf 32768, und nach Reißeiſen's Hypotheſe würde dieß zugleich die Zahl der Zellen ſeyn. Da deren jedoch beis nahe 600 Millionen ſind, ſo geht daraus hervor, daß um jeden endſtaͤndigen Bronchenzweig her 17790 dieſer Zellen gruppict ſind, welche nach dieſer Vertheilungsberechnung ei⸗ nen Wuͤrfel von 5,102 Millimeter Seitenlinie einnehmen. In dem letzten Millimeter ſeiner Ausdehnung nimmt jeder Bronchenzweig ringsumher die Muͤndungen mehrerer Zellen auf, worauf er, in 3 bis 4 Zellen zugleich einmuͤndend, ein Ende nimmt. Aus dieſer einfachen Darlegung ergiebt ſich, mit wel— cher bewundernswuͤrdigen Gleichförmigkeit die Luft in alle Theile der Lunge einſtreicht. Um ſich davon einen richtigen Begriff zu machen, darf man nicht vergeſſen, daß die Zellen ſaͤmmtlich durch weite Oeffnungen miteinander communiciren. Nach Hales ſollen dieſe ein Dritttheil der Wandungen der Zellen einnehmen; mir ſcheinen ſie faſt die Haͤlfte der Ober— flache der Wandungen auszumachen. Da demnach die Ges ſammtoberflaͤche der 533000000 Zellen, wenn man wegen deren Oeffnungen die Hälfte abzieht, 56660000 Quadratmillime— ter beträgt, fo erhält man, wenn man den Flaͤchengehalt der Bronchen mit 1289000 Quadratmillimetern dazu ad— dirt, die Summe von 57949000 Quadratmillimetern fuͤr die Oberflache der mit der Luft in Berührung kommenden Luftwege, was mehr als das Dreiunddreißigfache des Flaͤ— chengehalts der Haut betraͤgt. So verhaͤlt es ſich mit der im trockenen Zuſtande und nach dem Malpighiſchen Verfahren mit Luft aufgeblaſe— nen Lunge. Ohne ſie irgend weiter zu praͤpariren oder aus— zuſpritzen, kann man ſich durch die bloße mikroſcopiſche Un: terſuchung derjenigen ihrer capillariſchen Gefaͤße, in denen noch Blut enthalten iſt, und deren man hin und wieder im⸗ mer findet, davon überzeugen, daß dieſe Gefaͤße um die Wan— dungen der Zellen her Ringe oder Schlingen bilden, ſo daß ein gewaltiges Netz von mehrern Hundertmillionen Maſchen entſteht, in die die letzten Verzweigungen der Arterien aus— gehen, und aus welchen die erſten Venenaͤſtchen entſpringen. Im friſchen Zuſtande und unter einer 400 bis 500“ fachen Vergrößerung des Durchmeſſers ſcheint das Gewebe der Zellen, gleich dem der ſeroͤſen Membranen, durchaus aus jenen feinen Faſern zu beſtehen, welche die weſentliche Grund— lage des ſogenannten Zellgewebes bilden. Sie ſcheinen aber einander naͤher geruͤckt, oder dichter zu liegen, als in den ge— woͤhnlichen ſeroſen Membranen. An den Muͤndungen, wo die Zellen miteinander communiciren, bildet dieſes Gewebe eine Art Wulſt, wo die Faͤden ringsherum faſt parallel lau— fen, waͤhrend es uͤbrigens an der Oberflaͤche der Scheidewaͤnde jene characteriſtiſche, gewundene, wurmfoͤrmige Kreuzung dar: bietet, welche Fontana ſo richtig beſchrieben hat. Mit dem Mikrometer gemeſſen, zeigen dieſe Wuͤlſte, die etwas ſtaͤrker ſeyn dürften, als die Wandungen der Zellen im All— 724. XXXIII. 20. 816 gemeinen, eine Dicke von 0,0168 Millimeter. Nach dem Volumen und dem Gewichte der Lungen berechnet, iſt das Reſultat, welches man erhält, ein vollkommen entſprechendes. II. Krankheiten der Lungen. — In dieſem zweiten Theile hat der Verfaſſer die Reſultate feiner mikro ſkopiſchen Unterſuchung der pathologiſchen Veraͤnderung der Lungen dargelegt, die ruͤckſichtlich des Emphyſems, der Lun⸗ gentuberkeln und des Empyems folgende find: 1) Das in Folge der Ausdehnung der Lungenzellen, wie Laennec behauptet, entſtehende Emphyſem eriftut nicht, ja iſt rein unmoglich, und die Hypertrophie und Atrophie dieſer Zellen find, obwohl viele Aerzte deren Vorkommen ſta⸗ tuiren, noch naher nachzuweiſen. 2) Die Lungentuberkeln, welche, wie alle zufaͤlligen und der Entartung faͤhigen Producte, gleich zu Anfang ihrer Ente ſtehung ſtudirt werden muͤſſen, deſtehen in einem anfangs faferigen, ſonderbar verſchlungenen und zu dieſer Zeit blaß orangefarbenen Gewebe, das ſich in Geſtalt kleiner Eugelfürs miger Koͤrper von 0,15 bis 0,20 Millimeter Durchmeſſer zeigt, die vollig homogen find, keine infiltrirte Fluͤſſigkeit ent⸗ halten und die hinreichend bekannten Grade der Entartung vom hirſefoͤrmigen Zuſtande an ſchnell hintereinander durch⸗ laufen. 3) Das Vorhandenſeyn einer faſerigen Lungenmembran oder wenigſtens die ganz eigenthuͤmliche Structur des mem— branoͤſen Gewebes, aus dem die Lunge weſentlich beſteht, iſt die Haupturſache des faſt immer unheilbaren Zuſammen— ſchrumpfens, welches dieſes Organ durch die entzuͤndlichen Ergießungen, die ihre Quelle hauptſaͤchlich in der Visceral⸗ Pleura haben, erleidet, woraus ſich denn die Nothwendigkeit ergiebt, in ſolchen Faͤllen zeitig zu operiren, bevor das Lun— gengewebe ſo ſtark zuſammengezogen iſt, daß es ſich, nach— dem man es von der daſſelbe zuſammendruͤckenden Fluͤſſig⸗ keit befreit hat, nicht wieder ausdehnen kann. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XIX. No. 27, 30. Dec. 1844.) Ein Fall, wo ſich die verwachſenen Fontanellen und Naͤthe der Kopfknochen eines Kindes nach der Geburt oͤffneten. Madam L. dahier, eine dreiundzwanzigjaͤhrige pri- mipara, ließ mich wegen Zoͤgerung des, Geburtsgeſchaͤfts am 26. Juni v. J. fruͤh Morgens zu ſich rufen. Nach ihrer Rechnung mußte das Ende der, ſonſt normal verlaufe— nen, Schwangerſchaft bereits vierzehn Tage zuvor vorhanden geweſen ſeyn, ſeit welcher Zeit ſie faſt unablaͤſſig, beſonders aber des Nachts, Leibſchmerzen hatte. Indeß ſollte doch, nach Ausſage der Hebamme, der eigentliche Geburtsvorgang erſt ſeit Tags zuvor begonnen, und ſeit dieſer Zeit ſich auch di Schmerzen verſtaͤrkt haben. 5 Die Kreiſende, welche ſchon mehrere Naͤchte ſchlaflos hingebracht hatte, fuͤhlte ſich ſehr angegriffen, aber ſonſt nicht gerade unwohl; der gutgeformte Unterleib war, außer wähs rend der ſchwach vorhandenen Wehen, unſchmerzhaft. Die 817 nähere Unterſuchung ergab einen hochſtehenden Kopf, an welchem ich weder Naͤthe noch Fontanellen bei ſtets ſchlaf⸗ fen Eihaͤuten fühlen konnte, und ein normales, nur im Aus gange etwas enges, Becken. Da der Zuſtand waͤhrend meiner mehrſtuͤndigen Ans weſenheit unverändert blieb, fo reichte ich, um die Geburts- thaͤtigkeit zu heben, Borax mit Opium in Zimmtwaſſer. Demohnerachtet war um 10 Uhr Vormittags die Geburt durchaus nicht vorgeruͤckt, nur fuͤhlte ſich die Blaſe etwas ſtraffer an. Die noch immer ſchwachen Wehen vermochten den Kopf nicht tiefer zu bringen, weßhalb ich bei der jetzt wieder vorgenommenen Unterſuchung die Blaſe ſprengte, um, durch den Reiz des unumhuͤllten Kopfes auf das os uteri, die Geburtsthaͤtigkeit zu vermehren. Nunmehr konnte ich mich noch deutlicher Überzeugen, daß hier in Abſicht der Vers wachſung der Kopfknochen kein Irrthum obwalte. Da die Weyen auch jetzt noch gering geblieben, fo teichte ich eine halbe Drachme Secale cornutum und wies derholte dieſe Gabe nach halbſtuͤndiger Zwiſchenzeit. Indeß hatte auch dieß Mittel keine andere Wirkung, als daß der Kopf des Kindes Nachmittags 14 Uhr in den Eingang des kleinen Beckens in der zweiten normalen Richtung trat, hier aber um zwei Uhr ſich fixirte, und ich nunmehr zur Anle— gung einer etwas langen Zange (der von Buſch) ſchreiten konnte 2 Mit einem ungewoͤhnlichen Kraftaufwande gelang es mir, um 23 Uhr einen ſtarken, ſcheintodten Knaben, der das Gepräge des in meiner Schrift ») bezeichneten „hyperve— nöfen Zuſtandes“ an ſich trug, und bei dem fämmts liche Fontanellen und Naͤthe der Kopfknochen feſt verwachſen waren, zu entwickeln. Bei der naͤhern Unterſuchung des Kindes fuͤhlte die Hebamme und ich das Klopfen der pars foetalis der nicht mehr pulſirenden Nabelſchnur, und es gelang, auf die a. a. O. angegebene Weiſe, nach 25 ftündiger unausgeſetzter Bemuͤhung, das Leben des Kindes wieder in Gang zu bringen. Nur refpieirte das Kind noch ſchwach, auch hatte es noch nicht geſchrieen. Da mein Beiſtand jedoch dringend bei einer Frau auf dem Lande begehrt wurde, ſo bat ich meinen Collegen, den Herrn Dr. Geisler, die Belebungsverſuche noch fortzuſetzen; worauf das Kind auch bald laut ſchrie und nunmehr angekleidet werden konnte. Letzteres fuͤhre ich hier beſonders deßhalb an, weil auch dieſer Arzt ſich damals ſowohl von der Verwachſung ſaͤmmtlicher Kopfknochen, als von deren nachherigem Zuſtande uͤberzeugt hatte. Indeß fingen ſich ſchon in der dritten Lebens- woche des völlig gefunden Kindes die Fontanellen und Naͤ— the zu öffnen an, und zu Anfang der vierten Woche hatten ſich die Fontanellen ſchon bedeutend vergrößert, ſowie ich daſſelbe Verhalten auch an den Naͤthen beobachtet hatte. Am 26. Juli, mithin gerade nach Verlauf eines Monats, laſſen ſich ſaͤmmtliche Naͤthe, ſelbſt die Stirnnath bis zur 9) ueber die verſchiedenen Arten des Scheintodes der Neugebor⸗ nen und deſſen rationelle Behandlung. Prenzlau bei Kalberss berg, 1843. 724. XXXIH. 20. 818 glabella, deutlich fühlen, und Fontanellen und Kopfkno⸗ chen verhalten ſich fo, als wären fie nie verwachſen geweſen. Als ich am 26. October den Kopf des Kindes nochmals un— terſuchte, fand ich die kleine Fontanelle bereits geſchloſſen, und die vordere nur noch ſo groß, daß ich ſie mit der Volar— flaͤche der letzten Phalanx meines Daumens faſt bedecken konnte. Uebrigens iſt das Kind feit bald nach der Geburt gan; geſund und vollkommen ſeinem Alter gemaͤß ausgebildet. Anmerkung. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die vermehrte Entwickelung des Gehirns, bei deſſen nach der Geburt geſteigerten Function, die allmaͤlige Reſorption der, durch die, in dieſem Falle vorhandene, laͤngere Dauer des Ins trauterinlebens herbeigefuͤhrten, verſtaͤrkten Ausbildung der Knochenplatten des Schaͤdels bewirkt hat. Weil ich keinen ahnlichen Fall in unſerer Literatur verzeichnet finde, ſo erachte ich vorſtehenden auch deßhalb fuͤr mittheilungswerth, um die Fragen daran zu knüpfen: 1) ob dieſe Reſorptionsthaͤtigkeit unter den gegebenen Umſtaͤnden auch bereits von andern Aerzten beobachtet wor— den ſey? und 2) ob ſich wohl gar annehmen ließe, daß ſie ſich bei jeder vor der Geburt ſtattfindenden Oſſification der Fonta— nellen und Näthe der Kopfknochen behufs der, nach der Ge— burt erforderlichen, Ausdehnung des Schaͤdels in ſolchem Grade zeige? — Prenzlau, den 20. Januar 1844. Dr. Loͤwenhardt. Fall von angeborner Cyanoſe bei einem zwanzig— jaͤhrigen Manne. Bei den Schriftſtellern uͤber Cyanoſe finde ich die Bes merkung: „daß die Individuen mit angeborner Cyanofe faſt nie das ſiebenzehnte Jahr Überleben’; dieß veranlaßt mich zur Mittheilung des in der Ueberſchrift gedachten Falles. Auguſt Wilhelm Holtz dahier wurde am 2. April 1823 mit den Fuͤßen voran leicht, aber mit der Blauſucht behaftet, von einer damals geſunden Mutter geboren. Die Schwangerſchaft ſoll ſich von der, ein Jahr zuvor ſtattgefundenen, erſten Gravidität, mit deren Ende ein ges ſunder Knabe geboren wurde, in keiner Art unterſchieden haben. Auch war der Mutter ſonſt kein Umſtand bekannt, wodurch die Entſtehung des Leidens wohl haͤtte hergeleitet werden koͤnnen. Ebenſowenig konnte man bei dem Vater irgend eine hierauf bezuͤgliche Veranlaſſung vermuthen. Mehrere, ſpaͤter mit dem Kinde von mir unternommene Verſuche, um das foramen ovale zu ſchließen, ſchlugen fehl. Das Kind entwickelte ſich langſam; indeß blieb es doch, außer mehrmaligen catarrhaliſchen und gaſtriſchen Af— fectionen, und die bekannten Beſchwerden und Störungen, welche die Vermiſchung des arteriellen und venoͤſen Blutes herbeifuͤhrten, abgerechnet, ziemlich wohl und uͤberſchritt ſelbſt die Pubertaͤtsjahre gluͤcklich. 819 Jetzt, den 15. Juli 1843, ergiebt die Unterſuchung, nachdem der Patient aus ſeiner nicht entfernten Wohnung bis zu mir gegangen, Folgendes: 1) die Länge feines Körpers vom Scheitel bis zur Sohle mißt 8 0 8 4 Fuß 3 Zoll; 2) die Laͤnge der Aıme . 1 10 3) die Schenkel vom trochanter major bis zum Hacken 2: & 3 . 9 L 5 2 4) von einer Schulter bis zur andern uͤber der Bruſt . — 5) von der erista des einen os ilii bis zum andern . — 10 D 6) ein Band um den obern Theil des thorax geführt . 2 h e . 7) ein Band um die Huͤften 2 11 Das Geſicht iſt gedunfen; Naſe, Lippen und Wangen haben eine blaͤuliche Farbe; der Ausdruck des Ge— ſichts verraͤth Einfalt und iſt, wahrſcheinlich in Folge des Gehens, etwas aͤngſtlich. Die Reſpiration iſt muͤhſam und ſchnell. Die Haͤnde ſind blauroth und das letzte Glied der Finger faſt kuglicht und blau. Der Herzſchlag iſt ſtark, bietet aber ſonſt, ſelbſt durch das Stethoſcop, keine beſondere Abweichung. Der Puls an der Radialarterie, mit jenem iſochro— niſch und an beiden Armen gleichmaͤßig, iſt weich, etwas leer und macht 148 Schlaͤge in der Minute. Die Geſchlechtstheile find vollkommen ausgebil⸗ det; die Hoden im scroto, und der mons Veneris etc. vollſtaͤndig mit Haaren beſetzt. Sowohl die blaue Hautfarbe, die beengte Reſpiration, als. auch der heftige Herz- und Pulsſchlag minderten ſich bedeutend, nachdem der Patient ſich etwa + Stunde bei mir von ſeinem Gange erholt hatte. Da der Körper nur ſchwach und von ſchlechter Mus— culatur iſt, außerdem jede koͤrperliche Anſtrengung ihn außer Athem bringt, ſo kann er ſich auch nur wenig beſchaͤftigen und geht den Tag uͤber faſt unthaͤtig umher. Sein Schlaf, 724. XXXIII. 20. 320 wenn er die Lage auf der linken Seite waͤhlt, ſoll jedoch ungeftört ſeyn; ebenſo gehen die übrigen Functionen ſeines Körpers ziemlich gut von Statten. Die intellectuellen Faͤ— higkeiten find indeß nur ſchwach entwickelt; auch Gemuͤths— eindruͤcke find von geringer Wirkung, und vom Geſchlechts— triebe wenig Spuren vorhanden. | Dr. Loͤwenhardt. Miscellen. unterſuchung der Gelenke während der Dauer eis nes acuten Rheumatismus iſt ſelten moͤglich, weil ſelten Kranke waͤhrend ſolcher Anfaͤlle ſterben; jedoch bat Herr Rod. Macleod in zwei Fällen Gelegenheit gehabt, den Zuſtand der primär afficir⸗ ten Theile zu unterſuchen, ohne aber gewichtige Reſultate zu erzie⸗ len. Die aͤußere Rothe hatte in beiden Fällen nachgelaſſen, und die Geſchwulſt war ſehr vermindert, ſo daß nichts als eine Portion Serum, oder Serum und Lymphe in dem Unterhautzellgewebe ſich zeigte. Die fibröfen Gebilde waren vielleicht etwas dicker, als ge» woͤhnlich, doch ohne Rothe. Die Synovialhaͤute waren ohne eine deutliche Theilnahme an dem Leiden. — In einem Falle von rheu⸗ matiſchem Fieber, welches dem Dr. Chomel am Hötel-Dieu zu Paris vorkam, ward der Patient raſch durch eine pericarditis hin- gerafft. Da während des Lebens heftige Affectionen der Gelenke mit bedeutender Geſchwulſt vorhanden geweſen waren, ſo unter⸗ ſuchte ſie Herr Chomel ſorgfaͤltig nach dem Tode, und ſagt, in⸗ dem er das Reſultat beſchreibt: die Unterſuchung aller Gelenke ließ in keinem derſelben auch nur die geringſte Spur einer Entzuͤndung entdecken. (Roder. Macleod on Rheumatism in its various forms and on the affections of internal Organs.) Daß auch bei kaltbluͤtigen Thieren Entzündungen vorkommen, hat, der zu allgemein angenommenen Anſicht wider⸗ ſprechend, Profeſſor Lereboullet zu Straßburg der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris in einem Falle gemeldet, wo er bei einem in einer Menagerie verſtorbenen Kaiman die Spuren und Producte der heftigſten peritonitis und im Grunde der Pexritonealhoͤhle ein Stuͤck Korkholz gefunden hatte, welches durch eine Darmdurchboh— rung in die Peritonealhoͤhle gelangt war. Von einem ſehr großen neugebornen Kinde berichtet Dr. White (Lancet, April 1844): daſſelbe, ein Maͤdchen, wog 15 Pf., der Umfang des Kopfes maß 153 Zoll, die Körpırlänge bes trug 244 Zoll engl. M., und der Mutterkuchen wog 11 Pf. Die Nabelſchnur war dagegen auffallend duͤnn. — nnd Bibliographische Neuigkeiten. Dictionnaire universelle d'Histoire naturelle. Dirige par NM. Charles d’Orbigny. Paris. 60. Livr. 1845. 8. (Das Werk, welches unter dem Umſchlagstitel: „Petit dictionnaire“ erſcheint, ſoll 6 bis 8 Baͤnde in 8., in zwei Spalten, betragen. Die jetzige ſechszigſte Lieferung endigt den 5. Band mit dem Worte Gale- nia; Lieferung 5 Bogen.) Die Syſteme der magnetiſchen Curven, Iſogonen und Iſodynamen, nebſt anderweitigen empyriſchen Forſchungen über die magnetis ſchen polaren Kräfte, ausgeführt in 37 großen graphiſchen Dar: ſtellungen auf 31 Tafeln, und erläutert unter den Auſpicien des Herrn Hofraths Dr. Schollin von J. E. Herger. Nebſt einem Vorworte vom Herrn Dr. G. Erman, Profeſſor an der Univerfität zu Berlin. In vier Heften. Leipzig bei Poͤnicke und Sohn. Fol. (In dieſer erſten Lieferung finden ſich 11 Foliota⸗ feln, worunter zwei in Doppelfolio.) { Histoire des membres de l’acad&mie royale de Médecine, ou Re- cueil des éloges lus dans les séances publiques de l’acad&mie royale de Médecine. Par E. Pariset, secret. perpetuel etc. 2 Vols. Paris 1845. 12. (Eloges de Corvisart, Cadet de Gassicourt, Berthollet, Pinel, Beauchene, Bourru, Per- oy, Vauquelin, G. Cuvier, Portal, Chaussier, Dupuytren, Scar- pa, Desgenettes, Laennec, Tessier, Huzard, Marc, Lodibert, Bourdois de la Motte, Esquirol, Lerminier, A. Dubois, Ali- bert, Geoffroy-Saint-Hilaire, A. Paré, Broussais, Bichat.) Hygiene des femmes, ou Precautions à prendre pour conserver leur santé etc. Par le Docteur Desdrueres. Paris 1845. 18. Precis de chirurgie el&mentaire: legons professes à l’höpital mi- litaire de perfectionnement du Val de Grace en 1343 et 1844. Par L. M. A. Moreau (Boutard) de Versailles. Paris 1845. 12. Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober Medieinalrathe Froriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror i ep zu Berlin. No. 725. (Nr. 21. des XXXIII. Bandes.) Maͤrz 1845. Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 FL, 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3¼ I Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, Hs Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Wa t un Bericht uͤber eine Reihe von Denkſchriften des Herrn Armand de Quatrefages über die Organiſation der wirbelloſen Thiere, die ſich an den Kuͤſten des Canals La Manche finden. (Die Commiſſion beſtand, außer dem Berichterſtatter, Herrn Milne Edwards, aus den Herren Dumeril und Iſid. Geof⸗ froy Saint⸗Hilaire)⸗ Die Zoologen ſchlagen bei ihren Forſchungen zwei Haupts richtungen ein. Die Einen ſuchen den großen Catalog der lebenden Weſen zu vervollſtaͤndigen, die Kennzeichen, mittelſt deren die Arten ſich voneinander unterſcheiden laſſen, hervor— zuheben und die Arten ſo zu gruppiren, daß deren Studium erleichtert und fruchtbringender wird; die Andern ſuchen tie— fer in das Naturgeheimniß einzudringen und weihen ſich vors zugsweiſe anatomiſchen und phyſiologiſchen Forſchungen, in— dem ſie zu ergruͤnden ſuchen, wie ſich das Leben, von dem Standpuncte ſowohl ſeiner Aeußerungen, als ſeiner Inſtrumente betrachtet, bei den verſchiedenen Thieren modificirt, und richten daher ihre Forſchungen auf die Puncte, welche am Geeignet— ſten ſind, auf die Geſetze der thieriſchen Organiſation einiges Licht zu werfen. Die Leiſtungen der Naturbeſchreiber haben unſtreitig ihren großen Nutzen, ja ohne ſie wuͤrde gar keine eigentliche Naturgeſchichte exiſtiren; allein die Reſultate, welche ſie liefern, bilden keineswegs das Ganze dieſer Wiſſenſchaft und laſſen ſich mit den Woͤrtern einer Sprache vergleichen, die in einem Lexicon verzeichnet und nach ihrem Begriffe be— ſtimmt ſind, ohne daß noch Jemand verſucht hat, ſie zum Verfaſſen einer Schrift zu benutzen. Wenn man die Zoo— logie in dieſer Weiſe behandelt, iſt ſie ein unfruchtbares Studium, welche mehr das Gedaͤchtniß, als die Intelligenz in Anſpruch nimmt, und welches eigentlich nur als eine Art von Einleitung zu Unterſuchungen hoͤherer Art zu betrachten iſt. Ganz anders verhält es ſich aber mit dieſer Wiſſen⸗ ſchaft, wie ſie von denjenigen Zoologen behandelt wird, die, vermoͤge der Richtung ihrer Forſchungen, die phyſiologiſche Schule bilden. Sie hat dann die Kenntniß der innerſten No. 1825. — 725. 1ER, Natur der Thiere zum weſentlichen Gegenſtande und befaßt ſich demnach mit Loͤſung der wichtigſten Fragen aller aͤchten Naturforſchung. Bei dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſſenſchaft giebt es drei Claſſen von Thatſachen, deren Studium mir am Mei— ſten zu den Fortſchritten der Wiſſenſchaft in der zuletzt an— gedeuteten Richtung beizutragen, und deren Anregung mir folg— lich vorzugsweiſe von der Academie ausgehen zu muͤſſen ſcheint. Eine dieſer Kategorieen umfaßt die Erſcheinungen der Ernährung, aus dem chemiſchen Geſichtspuncte betrachtet; eine zweite die Geſchichte der, theils normalen, theils terato— logiſchen Entwickelung der lebenden Weſen, und in die dritte gehört Alles, was ſich auf die Organiſation der niedern Thiere bezieht, bei denen die thieriſche Maſchine ſich in verſchiede— nen Graden vereinfacht, was die verſchiedenartigſten Combi— nationen veranlaßt. Unter dieſen drei Zweigen des Stu— diums faͤllt der erſte faſt lediglich der durch die chemiſche Analyſe unterſtuͤtzten Experimental-Phyſiologie anheim, wo— gegen die beiden letztern ſich weſentlich auf die Anatomie gruͤnden und auf verſchiedenem Wege zu demſelben Ziele fuͤh— ren. Obgleich dieſe beiden Wege bisher durchaus voneinan— der geſondert waren, ſo laufen ſie doch gewiſſermaaßen mit einander parallel, und die Fortſchritte, die man auf einem derſelben macht, ſind nothwendig durch diejenigen bedingt, welche auf dem andern gelingen. Denn die embryologiſchen Modificationen des Individuums treffen innerhalb gewiſſer Graͤnzen mit den zoologiſchen Modificationen überein, welche die verſchiedenen Repraͤſentanten des organiſchen Typus, dem das Individuum angehört, modificiren; und um folglich den ganzen Werth der durch das Studium einer dieſer Claſſen von Thatſachen erlangten Reſultate zu wuͤrdigen, muß man ſie ſtreng mit denjenigen vergleichen koͤnnen, welche man durch Unterſuchung der Thatſachen der andern Kategorie erlangt. Das Studium der niedern Organismen iſt, gleich dem der in ihrer Entwickelung begriffenen, ungemein geeignet, uns uͤber Grundzuͤge der Koͤrperbildung der Thiere aufzuklaͤren, uns von den Verwandtſchaften, welche dieſe Geſchoͤpfe unterein— 21 823 ander beſitzen, einen genauen Begriff zu geben und uns die Grundſaͤtze der allgemeinen Zoologie zu enthuͤllen. Die faſt in's Unendliche mannichfaltigen zoologiſchen Formen, deren Cata⸗ log in neuern Zeiten ſo rieſengroß geworden iſt, laſſen ſich mit den ſecundaͤren Kryſtallformen vergleichen, deren Geſetze und Bedeutung ſich nur erfaſſen laſſen, wenn man auf die Urformen zuruͤckgeht, die denſelben zu Grunde liegen. Der Urform der Kryſtalle entſpricht im Thierreiche der weſentliche Typus oder die Grundform der Organiſation, welchem Ty⸗ pus zufolge die verſchiedenen Materialien des Koͤrpers geord— net ſind und die Kennzeichen der großen zoologiſchen Abthei— lungen in ihrer Beſonderheit hervortreten. Um nun aber dieſen Urtypus inmitten der ſecundaͤren Abaͤnderungen, welche bei den Thieren von complicirter Structur haͤufig deren Hauptcharacter mehr oder weniger unkenntlich machen, zu ers kennen, und um fo zur Ermittelung der natürlichen Ver— wandtſchaften zu gelangen, kann man, in der Regel, nichts Beſſeres thun, als ihn entweder in ſeiner voruͤbergehenden Einfachheit am Embryo oder in ſeiner beſtaͤndigen Einfach heit an den niedern Thieren zu ſtudiren. Dieſe Betrachtungen duͤrften auf den erſten Blick dem Gegenſtande, mit dem wir uns in dieſem Berichte zu be: ſchaͤftigen haben, fremd erſcheinen; allein es hat uns noͤthig geſchienen, dieſelben darzulegen, um zu zeigen, fuͤr wie wich— tig ich Arbeiten der Art, wie diejenigen des Herrn v. Qua⸗ trefages, halte. Die Forſchungen dieſes Beobachters ha— ben, in der That, kleine Geſchoͤpfe zum Gegenſtande, deren Lebensweiſe vergleichungsweiſe hoͤchſt intereſſant iſt, die ſich in einem ſehr beſchraͤnkten Kreiſe von Faͤhigkeiten bewe— gen, die weder die glaͤnzenden Farben, noch die ſonderbaren Formen, deren Beſchreibung die Forſcher der andern Schule mit ſoviel Vorliebe obliegen, beſitzen, und die in dem allge— meinen Naturhaushalte eine hoͤchſt beſcheidene Rolle ſpielen. Man koͤnnte alfo fragen, warum Herr v. Quatrefages und andere nach gleichem Ziele ſtrebende Naturforſcher ſolche Thiere bis in die kleinſten Einzelnheiten ihrer Organiſation ſtu— diren und ſich nicht, nach der fruͤher beliebten Weiſe, darauf beſchraͤnken, deren aͤußere Kennzeichen kurz anzufuͤhren; warum dieſe Schule der Zoologen der Bekanntſchaft mit dem Me— chanismus des Lebens von Thieren, die anſcheinend ſowenig Aufmerkſamkeit verdienen, einen ſo hohen Werth beilegt, und warum fie über die Stelle, welche denſelben in der natuͤrli— chen Claſſification gebührt, oft weitlaͤuftige Discuſſionen fuͤh— ren? Wuͤrdigt man jedoch die obigen Bemerkungen gehoͤrig, ſo wird man die Urſache ſolcher Beſtrebungen leicht begrei— fen und zugeben, daß man nur durch Forſchungen dieſer Art die Loͤſung der wichtigſten zoologiſchen Fragen zu erlangen hoffen darf. Wenn wir uͤbrigens an den bereits erlangten Reſultaten nachweiſen wollten, was die Wiffenfhaft von ders gleichen Arbeiten zu erwarten berechtigt iſt, ſo wuͤrde es uns an buͤndigen Belegen nicht fehlen, und wir brauchten in die: fer Beziehung nur an Das zu erinnern, was Herr Sa— vigny in Frankreich und Herr Ehrenberg in Deutſch— land geleiſtet haben. Wenn man ſich in Betreff der niedrig organiſirten Thiere auf eine rationelle Nomenclatur beſchraͤnkte, und man von 725. XXXIII. 21. 324 der vergleichenden Anatomie nur oberflaͤchliche Auskunft über die Structur dieſer Geſchoͤpfe verlangte, ſo koͤnnte man ſich darauf beſchraͤnken, fie in den Cabinetten zu ſtudiren und fie, nachdem fie lange in Spiritus aufbewahrt geweſen, ges maͤchlich zu ſeciren. Allein wenn man ſie gruͤndlich ſtudiren will, muß man ſie, wie die Erfahrung gelehrt, im lebenden Zuſtande beobachten und, da die meiſten dieſer Thiere Meer⸗ bewohner find, ſich deßhalb an die Seekuͤſte begeben. Deß⸗ halb haben ſich mehrere Naturforſcher fpeciell mit der Fauna der Kuͤſten Frankreich's befaßt. Zu ihnen gehört Herr v. Quatrefages, und er hat bereits der Academie die Refuls tate dreier Ausflüge vorgelegt Im Jahre 1841 begab er ſich auf die Chauſay-Inſeln, deren Felſen, Dank den Forte ſchritten der Induſtrie, jetzt nicht mehr ganz ſo unwirthlich ſind, wie zu der ſchon etwas fern liegenden Zeit, wo ich mit Herrn Audouin dort aͤhnlichen Beobachtungen oblag. Im folgenden Jahre beſchaͤftigte ſich Herr v. Quatrefages mehrere Monate lang an einer andern Stelle der Kuͤſte der Normandie mit dem Studium der Seethiere, und im Som— mer 1843 beſuchte er in Auftrag des Muſeums die Inſel Bréhat. Von den Sammlungen von Anneliden und Mols lusken, welche Herr von Quatrefages auf dieſem letzten Ausfluge fuͤr das Muſeum aufgebracht hat, kann hier nicht naͤher die Rede ſeyn, und ich will in dieſer Beziehung nur bemerken, daß Herr v. Valenciennes, dieſer gruͤndliche Kenner, ein ſehr guͤnſtiges Urtheil über dieſelben ausseſpro— chen hat. Die Abhandlungen, uͤber welche uns die Academie einen Bericht abverlangt hat, beziehen ſich auf mannichfal⸗ tige Arten der drei Haupttypen der niedrig organiſirten Thie⸗ re, der Ringelwuͤrmer (annelés), Mollusken und Zoophy⸗ ten, und dieſe Forſchungen wurden mehrentheils unternom= men, um die Art und Weiſe zu ermitteln, wie dieſe Typen ſich ſtufenweiſe erniedrigen und an der aͤußerſten Graͤnze ih» rer reſpectiven Gebiete miteinander vermiſchen. So hat denn Herr v. Quatrefages in ſeiner erſten Arbeit nachgewieſen, daß die anatomiſchen Hauptzuͤge der Holothurien bei den Synapten ſich verwiſchen und faſt ver— ſchwinden, waͤhrend er uns in ſeiner zweiten Abhandlung mit der Organiſation eines Polypen bekannt macht, welcher eine Art von Verbindungsglied zwiſchen den Alcyonien und Zoantharien bildet, und an dem ſich nachweiſen laßt, wie wenig oft die aͤußeren Formen die Eigenthuͤmlichkeiten der inneren Structur repraͤſentiren; denn die allgemeine Geſtalt dieſer Zoophyten iſt ungefähr die einer Actinie, während die Anordnung ſeiner inneren Theile durchaus der der Alcyonien entſpricht. Eine dritte Arbeit, uͤber die der Academie ebenfalls ſchon von uns Bericht erſtattet ward, die wir auch hier ſchon deß— halb nur kurz erwaͤhnen, weil Herr v. Quatrefages, die⸗ ſelbe bereits in den Annales des sciences naturelles, 2e Ser,, Zool. T. XVIII, p. 270, hat abdrucken laſſen, betrifft einen Zoophyten, den Herr v. Quatrefages gleich den beiden vorſtehend erwaͤhnten Thieren, ebenfalls an der Kuͤſte des Canals La Manche gefunden und mit dem Na: men Eleutheria bezeichnet hat. *) Einzeln betrachtet, bie— ) Vergl. Nr. 543 und 544 (Nr. 15 und 16 des XXV Bds.) dieſer Bl. D. Ueberſ. 325 tet dieſes kleine Geſchoͤpf ſchon Eigenthuͤmlichkeiten in der Structur dar, welche das Intereſſe der Zoologen in Anſpruch nehmen mußten; allein wenn man es mit den Polypen, auf der einen, und mit den Meduſarien auf der anderen Seite vergleicht, ſo erlangt deſſen Studium eine erhoͤhte Wichtig— keit, denn es iſt gewiſſermaaßen der Repraͤſentant der zwi— ſchen dieſen beiden Thierclaſſen im Larvenſtande vorhandenen und mit fortſchreitendem Alter ſich verwiſchenden Verwandt— ſchaft. Die ſchoͤnen Beobachtungen der Herren Sars, Lo— ven, Sieboldt, Dujardin und Van Beneden ha— ben uns gelehrt, daß auf der einen Seite die Meduſen, be— vor ſie den Zuſtand der Vollkommenheit erreichen, einen ſolchen durchwandern, welcher den permanenten Zuſtand der Hydrarien-Polypen aͤhnlich iſt, und daß auf der anderen Seite dieſe letztern, welche in den erſten Lebensepochen nicht weniger bedeutende Veraͤnderungen erleiden, ehe ſie zu Poly— pen werden, den Meduſen gleichen. Allein bisher ſchien dieſe doppelte Verwandtſchaft zwiſchen den ſchwimmenden und feſtſitzenden Zoophyten nur an den Larven vorzukommen, und es waren keine vollkommenen Thiere bekannt, welche den Uebergang von einem dieſer ſecundaͤren Typen zum ande— ren bildeten. Die Eleutheria füllt nun dieſe Luͤcke in dem zoologiſchen Netze aus und koͤnnte mit faſt ebenſo— viel Recht in der einen, als in der anderen dieſer beiden Claſſen ihre Stelle finden. Herr v. Quatrefages er: klaͤrt ſie fuͤr einen hoͤher ausgebildeten Repraͤſentanten des Typus der Hydrarien und gründet dieſe Anſicht auf die all: gemeine Anordnung der Organiſation dieſes kleinen Geſchoͤpfes und auf die Einfachheit ſeiner inneren Structur, waͤhrend ich in ihr vielmehr eine Meduſarie erkenne, deren permas nente Formen in gewiſſen Beziehungen in ihrer Entwicklung zuruͤckgeblieben oder embryonaͤr find. Wenn ich übrigens dieſer Meinungsverſchiedenheit gedenke, ſo geſchieht dieß nicht etwa, weil ich es als etwas ſehr Wichtiges betrachte, ob der Eleutheria dieſe oder jene Stelle angewieſen wird, ſondern um an dieſer Ungewißheit ſelbſt nachzuweiſen, wie innig das Band iſt, welches dieſer Zoophyt zwiſchen jenen beiden ſe— cundaͤren Typen bildet. Eine vierte Abhandlung deſſelben Verfaſſers macht uns mit Polypen bekannt, die ſich haͤufig auf von Paguren be— wohnten Buccinen-Muſcheln finden und auf dieſen, auf den erſten Blick, nur rauhe, formloſe Kruſten zu bilden ſchei— nen. Baſter und einige andere Naturforſcher ſchienen dieſe Koͤrper bemerkt zu haben, allein man hatte ſie immer mit den Hydrosquamata, Müll. vermiſcht, und bisher hatte man weder deren Structur, noch Reproductionsweiſe ſtudirt. Herr v. Quatrefages hat fie zum Gegenſtande feines aufmerkſamen Studiums gemacht und auf dieſe Weiſe meh— rere neue Thatſachen ermittelt, die für die Zoologie im Allgemei— nen ein bedeutendes Intereſſe haben. Dieſe Polypen, welche unſer Verfaſſer paraſitiſche Synhydren nennt, ſitzen mit ih— ter Baſis auf einem breiten plattenfoͤrmigen Gewebe feſt, das durch ein horniges Netz zuſammengehalten wird und mit dem Polypenſtamme der Gorgonen Aehnlichkeit hat, aber eine einfachere, dem feſten Gerippe der Spongien aͤhnliche Struc— tur beſitzt. Jeder derſelben beſitzt eine große Verdauungs— 725. XXXIII. 21. 326 höhle, welche denen der Hydren analog iſt und nicht, wie bei den Sertularien, unten in einen gemeinſchaftlichen Canal einmuͤndet. Es ließ ſich alſo vermuthen, daß die auf dieſe Weiſe geſellſchaftlich lebenden Polypen nur durch das zufällige Aneinanderſtoßen und Verwachſen der ausgebreiteten Portion ihrer Baſis zuſammengruppirt und in Betreff der Ausuͤbung ihrer Functionen vollkommen unabhaͤngig voneinander ſeyen. Herr v. Quatrefages hat aber ermittelt, daß dieß ſich nicht fo verhält, ſondern daß alle geſellſchaftlich lebenden In— dividuen durch ein Syſtem von haarfoͤrmigen Canaͤlen mit— einander in Verbindung ſtehen, das ſich in der Tiefe des Gewebes der gemeinſchaftlichen Vaſis befindet und zwiſchen den verſchiedenen Maͤgen eine leichte Communication herſtellt. Dieſe Anordnung, welche allen Polypen derſelben Colonie ge⸗ ſtattet, an den von einem jeden derſelben verdauten Nah⸗ rungsſtoffen Theil zu nehmen, und welche ihnen ein gemein— ſchaftliches Ernaͤhrungsſyſtem ſichert, iſt derjenigen durchaus ähnlich, welche ich bei den Alcyonen, Corallen, Gorgonen, Cornularien und einigen anderen Polypen aus der Ordnung der Alcyonien beobachtet hatte; allein in der Ordnung der Hydrarien war ſie noch nicht nachgewieſen worden, und Hr. v. Quatrefages hat uns ſo mit einem neuen Beiſpiele bekannt gemacht, daß der Natur immer die Tendenz inwohnt, die verſchiedenen zoologifchen Reihen, welche demſelben we— ſentlichen Typus angehoͤren, durch analoge Veraͤnderungen zu modificiren. Hier bietet dieſe Thatſache noch ein beſonderes Intereſſe dar, naͤmlich durch die eigenthuͤmliche Structur, in Folge deren eine gewiſſe Anzahl Polypen rafenartig zuſam— mengewachſen find. In der That hat Herr v. Qua tre— fages ermittelt, daß unter den Individuen, aus denen dieſe ſonderbaren Apparate beſtehen, manche die gewoͤhnliche Bil— dung der Hydrarien und einen mit fadenfoͤrmigen Tentakeln umgebenen Mund beſitzen, ſo daß ſie leicht fuͤr ihre Ernaͤh— rung ſorgen koͤnnen, andere dagegen weder einen Mund, noch Tentakeln haben und folglich die zur Erhaltung ihres Lebens erforderlichen Nahrungsſtoffe nicht von Außen beziehen koͤn— nen. Man wuͤrde daher nicht begreifen, wie ſie fortleben koͤnnten, wenn ſie iſolirt waͤren. Allein die mit fadenfoͤrmi⸗ gen Tentakeln beſetzten Polypen ſind, ſo zu ſagen, ihre Lie— feranten. Sie beſorgen für die ganze Geſellſchaft das Eſſen und Verdauen, und durch das bereits erwaͤhnte Syſtem von haarfoͤrmigen Canaͤlen geht den mundloſen Individuen die Nahrung zu, deren dieſelben beduͤrfen. Dieſe letztern aber, welche Schmarotzerthiere ſind, haben nichtsdeſtoweniger in dem Haushalte dieſer ſonderbaren Geſellſchaften eine wichtige Rolle zu uͤbernehmen, denn ihnen liegt ein bedeutender Theil der Fortpflanzungsgeſchaͤfte ob und ſie ſcheinen ſpeciell dazu be— ſtimmt, die Gruͤndung neuer Colonien zu ſichern. In der That hat Herr v. Quatrefages beobachtet, daß ſich ſeine Synhydren auf drei ganz verſchiedene Weiſen fortpflanzen. Zuweilen kommt das Junge aus einer Knospe, welche ſich an der Oberflaͤche des Gewebes der gemeinſchaft— lichen Baſis bildet und ſich ungefaͤhr in derſelben Weiſe ent— wickelt, wie die Reproductionsknospen der Hydren und Ser— tularien; zuweilen entſtehen die, denen der Spongillen aͤhn— lichen, Eier in der Subſtanz dieſes gemeinſchaftlichen Gewe— 2 327 bes, und in anderen Fällen trifft man auf der freien Porz tion der Polypen Reproductionskoͤrper, welche weder fuͤr Knospen, noch fuͤr Eierchen gelten koͤnnen, da ſie ſich, wie die erſtern, aus einem Fortſatze des gemeinſchaftlichen Ges webes bilden und ſich, gleich den letzteren, bevor ſie ſich zu neuen Individuen entwickelt haben, gaͤnzlich von dem Mut— terſtamme trennen. Die Reproductionsknospen dienen zur Vermehrung der Bevoͤlkerung der Colonie, in der ſie ſich bilden; die Eier bleiben gewoͤhnlich in dem Gewebe der ge— meinſchaftlichen Baſis eingehuͤllt, nachdem der Winter den Tod der Polypen, mit denen daſſelbe bedeckt war, veranlaßt hat, und dienen dazu, im folgenden Fruͤhjahre neue Poly— pen zu erzeugen; die Zwiebelchen oder Knoͤllchen endlich wer— den, nachdem ſie ſich abgelöf’t haben, von den Strömungen an irgend eine ihrer Entwickelung guͤnſtige Stelle fortgefuͤhrt, und nachdem ſie ſich an derſelben feſtgeſetzt haben, vervielfaͤl— tigen ſie ſich ihrerſeits durch Knospen und gruͤnden ſo eine neue Colonie, wie wir in Betreff der zuſammengeſetzten Afeis dien geſehen haben, daß fie durch bewegungsfaͤhige Larven neue feſtgewachſene Geſellſchaften gruͤnden. Die Zwiebelchen nun werden ausſchließlich durch mundloſe Polypen erzeugt, um deren Gipfel her fie gruppirt find, und die mit einem Munde verſehenen Polypen ſcheinen an dem Fortpflanzungs— geſchaͤfte in keiner Weiſe Antheil zu nehmen. Die erſteren ſind alſo Reproductionsindividuen, wie ihre Nachbarn Er— naͤhrungsindividuen find, und die Elgenthuͤmlichkeiten ihrer beiderſeitigen Structur ſcheinen eine nothwendige Folge dieſer verſchiedenen Rollen zu ſeyn. Bei den Reproductionspolypen ſind die Tentakeln lediglich durch Tuberkeln repraͤſentirt, und der Verdauungsapparat gleicht dem eines gewoͤhnlichen Poly— pen, deſſen Entwickelung nicht vollendet iſt, und deſſen Ma— genhoͤhle noch keine Communication nach Außen beſitzt. Dieſe Individuen, welche in Betreff der Zeugungsfaͤhigkeit den an— deren weit uͤberlegen ſind, ſcheinen alſo in Betreff der Fune— tionen des Ernaͤhrungs- und Beziehungslebens in ihrer Ent— wickelung zuruͤckgeblieben zu ſeyn und, da ihre Exiſtenz durch ihre Nachbarn geſichert iſt, ihre ganze Kraft auf die Repro— ductionsergane zu werfen. Nichts ſcheint dafuͤr zu ſprechen, daß die Ernaͤhrungsindividuen Maͤnnchen und die mundloſen Individuen Weibchen ſeyen, und die Theilung der Funttio— nen zwiſchen den verſchiedenen Mitgliedern derſelben Ge— meinde ſcheint den beiden Hauptclaſſen der phyſiologiſchen Er— ſcheinungen, den zur Fortſetzung des Lebens des Indivi— duums und den zur Fortdauer der Art nöthigen Acten, zu entſprechen. Die Fortpflanzung durch Zwiebelchen, welche Herr v, Quatcefages bei den Synhydren entdeckt hat, iſt eine Form des Fortpflanzungsproceſſes, von der man bis jetzt im Thierreiche noch kein gehoͤrig ermitteltes Beiſpiel kannte, und folglich ſind ſeine Unterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand ebenſowohl fuͤr die allgemeine Phyſiologie, als fuͤr die beſon— dere Naturgeſchichte der Polypen wichtig. Er hat dieſe Er— ſcheinung mit großer Sorgfalt unterſucht und die Haupt— phaſen derſelben durch treffliche Abbildungen erläutert. Eine andere Reihe von Arbeiten, welche Herr v. Qua: trefages der Academie mitgetheilt hat, betrifft Mollusken, 725. XXXIII. 21. 828 die der Claſſe der Gaſteropoden angehören, und die bisher mehrentheils unter dem gemeinſchaftlichen Namen Nudibran- chia mit den Doriden zuſammengeſtellt worden find, obwohl ſie durch ihre innere Structur ſehr von ihnen abweichen, und ſich durch die niedrige Stufe, auf der ihre Organiſation ſteht, ſogar von allen gewohnlichen Mollusken entfernen. Ruͤckſichtlich der allgemeinen Koͤrperform, der Anordnung des Gehirns und der Bildung der Zeugungsorgane haben dieſe Thiere mit den Gaſteropoden große Aehnlichkeit; allein ſie entfernen ſich von dem normalen Typus dieſer Gruppe be— deutend durch die Art und Weiſe, wie die Functionen der Circulation, Reſpiration und Verdauung von Statten ge— hen. Eine der phyſiologiſchen Verſchiedenheiten, welche bei den gewoͤhnlichen Mollusken und Gliederthieren zu bemerken ſind, beruht auf der Einrichtung des Circulationsapparates, welcher bei den letzteren beſtaͤndig eine mehr oder weniger auffallende Unvollkommenheit darbietet, waͤhrend er bei den erſtern ſehr vollſtaͤndig iſt und eine bedeutende Entwickelung beſitzt. Bei den gewöhnlichen Mollusken beſteht dieſer Ap— parat aus zwei miteinander verbundenen Syſtemen von haͤu— tigen Roͤhren. Dieſe Verbindung wird an einem Ende die— ſer Syſteme durch das Herz, an dem anderen durch ein Netz von Capillargefaͤßen dewirkt. Bei den Gliederthieren dagegen fehlt eines dieſer Syſteme ohne Ausnahme, und das— ſelbe wird durch, zwiſchen den verſchiedenen Organen vorhan— dene Luͤcken erſetzt. Die Circulation wird hoͤchſtens der Haͤlfte nach durch Gefaͤße, und haͤufig ſogar lediglich ohne einen deutlichen Apparat durch bloße Luͤcken, vermittelt. Allein dieſe phyſiologiſchen Beſonderheiten bilden keinen der wefents lichen Charactere des einen oder des anderen Typus; denn ich habe vor einigen Jahren ermittelt, daß bei den zufams mengeſetzten Aſeidien und mehreren anderen Molluskoiden die Bildung des Circulationsapparates fi) demjenigen näherte, den man damals allen Gliederthieren zuſchrieb, indem das eigentliche Gefaͤßſyſtem nur in der Thoraxportion des Körpers zu finden und in der ganzen Abdominalportion durch Gaͤnge oder Luͤcken erſetzt war, und da bei den Bryozoarien, welche, meiner Anſicht nach, die niedrigſten Repraͤſentanten deſſelben zoelogiſchen Typus find, gar keine Gefaͤße mehr vorkommen, fordern die naͤhrende Fluͤſſigkeit geradezu die großen Höhlen des Koͤrpers ausfuͤllt. Bisher kannte man jedoch noch kein einziges aͤchtes Weichthier, bei dem die Circulatlon nicht durchaus durch Gefaͤße vermittelt wurde, und man war weit davon entfernt, zu glauben, daß dieſer phyſiologiſche Charace ter in einer der hoͤchſten Gruppen dieſer Abtheilung ganz verſchwinde. Als aber Herr v. Quatrefages die Aeoli— dier und mehrere andere aͤhnlich geſtaltete Gaſteropoden un— terſuchte, fand er, daß dieſe Art von mangelhafter Organi- ſation in mehreren Graden wirklich vorhanden ſey. So ſind bei feiner Gattung Aeolidina ein Herz und gehörig aus— gebildete Arterien, aber keine eigentlichen Venen vorhanden, und das Blut kehrt aus den verſchiedenen Koͤrpertheilen nur durch ein Syſtem von unregelmaͤßigen Luͤcken zuruͤck, ſo daß hier ganz derſelbe Fall ſtattfindet, wie bei den Gruftaceen. Bel anderen Arten endlich, welche Herr v. Quatrefages an den Kuͤſten der Bretagne entdeckt hatte, verſchwanden auch 329 das Herz und die Arterien, fo daß die Circulation außeror⸗ dentlich unvollkommen iſt und derjenigen der Bryozoarien gleicht. (Schluß folgt.) Miscellen. Zu den Erzählungen von angeblich im Innern von Geſteinen vorgefundenen lebenden Froͤſchen wird als eine neue Thatſache erzaͤhlt, daß in der Penydaran-Kohlengrube in Südwales bei einer Tiefe von 135 Fuß unter der Erdoberfläche ein Froſch unter ſehr eigenthümlichen Umſtaͤnden gefunden worden ſey. „Der Kohlenbrecher Ellis ſprengte mit dem Sprengeiſen ein Stuͤck Kohlenblende ab, und zur Verwunderung aller Anweſenden fiel aus der ſo entſtandenen Spalte ein Froſch heraus. Zuerſt war derſelbe ſo ſchwach, daß er nur langſam kriechen konnte, obwohl er eine bedeutende Groͤße beſaß. Bei naͤherer Unterſuchung bemerkte man an ihm mehrere Beſonderheiten. Seine Augen waren völlig ausge- bildet, aber er konnte nicht ſehen und hat die Sehkraft bis jetzt 725. XXXIII. 21. 330 noch nicht erlangt, indem feine Augen ſogar gegen Berührung völs lig unempfindlich find. Der Mund iſt bloß durch eine Linie anges deutet, aber noch nie geoͤffnet worden. Auch war das Thier in mehrfacher Beziehung deform, und an dem verkruͤmmten Ruͤckgrate wuͤrde man deutlich erkennen, daß es in einem beengten Raume ge— wachſen iſt, ſelbſt wenn die Geſtalt des Ruͤckens nicht genau in die Höhle der Kohlenblende paßte, aus welcher der Froſch herausfiel. Es iſt ein ſehr huͤbſches Thier, das an Groͤße und Gewicht zunimmt, obgleich es nicht freſſen kann. Es athmet durch die aͤußerſt dünnen Hautbedeckungen des Unterkiefers hindurch (2). Die Thatſache, daß der Froſch wirklich in der angegebenen Lage gefunden wurde, ſteht vollkommen feſt. (Cardiff Guardian. London and Paris Observer, Nr. 1035, Febr. 23, 1845.) Ueber die Milchapparate bei Galeopithe cus hat Herr F. Cantraine Unterſuchungen angeſtellt und das Reſultat derſelben mitgetheilt. Sie liegen auf der Bruſt; jedes Milchorgan hat zwei Warzen, welche nicht ſo nahe an den Achſeln liegen, als bei den Fledermaͤuſen, ſie ſind ſehr erhaben und mit einer feinen Haut bedeckt. — — n Fall von Aſphyxie durch Erhaͤngen, mit Blutent— ziehungen behandelt. Von Dr. E. J. Shearman. Am 16. ult., um 4 Uhr Nachmittags, wurde John Williamſon, ein kraͤftiger, athletiſcher Mann, mit ſeiner Frau wegen eines Diebſtahls in's Correctionshaus von Was kefield gebracht. Um 2 Uhr wurde der Mann von der Frau des Schließers anſcheinend todt an feinem eigenen Ta: ſchentuche an dem Gitter des Gefaͤngniſſes, nur 40“ vom Bo— den, aufgehaͤngt gefunden. Er wurde abgeſchnitten; ich ſah ihn eine halbe Stunde nachher und brachte ihn wieder zu ſich; allein er ſtarb um 9 Uhr am folgenden Morgen ohne eine hinlaͤnglich deutliche Urſache. Als ich ihn zuerſt ſah, war er anſcheinend leblos, er athmete nicht, bewegte ſich nicht und weder Puls- noch Herzſchlag war zu bemerken. Er lag auf dem Strohlager des Gefaͤngniſſes, das Geſicht und der Hals ſtark angeſchwol⸗ len und von ſchwaͤrzlicher Farbe, die Strangulationrmaske befand ſich unmittelbar unterhalb des Schildknorpels, die Finger waren gekruͤmmt und die Haͤnde feſt geballt. Ich ließ ihn ſogleich aufrichten, Fenſter und Thuͤr oͤffnen, oͤffnete eine Vene am Arme — nicht die Jugularvene, weil das Zimmer ſehr dunkel und fuͤr die Operation nicht geeignet war — und brachte den Arm in warmes Waſſer. Anfangs floß nur wenig Blut, welches aber allmaͤlig an Quantitaͤt zunahm, je wärmer der Körper wurde. Nach 4 — 5 Mo: naten begann er, tief Athem zu holen, ich ließ das Blut fließen, bis ich den Puls am Handgelenke ſchlagen fuͤhlte und die Pupille ſich bei dem Vorhalten eines brennenden Lich— tes vollſtaͤndig zuſammenzog, und ſchloß dann die Vene. Da er ſo bald zu athmen anfing, wurde kein Ammoniak an die Naſe gehalten. Der Athmen blieb ſtertoroͤs. Ich floͤßte etwas warmen Branntwein mit Waſſer in ſeinen Mund, applicirte Waͤrme an den Koͤrper und die Extremitaͤten, ließ den Kopf in die Hoͤhe halten, und ließ meinen Aſſiſtenten um 34 Uhr bei ihm zuruͤck, um fuͤr friſche Luft, Waͤrme u. ſ. w. zu ſorgen. Um 5 Uhr ſah ich ihn wieder und eee blieb bis nach 37 Uhr. Er hatte ſich bedeutend erholt. Der Puls war ſtaͤrker, aber ſehr frequent, 130, geworden; der Kopf war ſehr heiß, er war ungemein unruhig und unlenk— ſam, indem er ſehr heftige convulſiviſche Bewegungen in bei— den Armen und Beinen hatte und kaum von 4 Leuten auf ſeinem Lager erhalten werden konnt; der Athmen war ſter— torös, und er konnte nicht ſchlucken. Ich ließ eine Zwangs— jacke anlegen, den Kopf ſcheeren, ein Schauerbad anwenden, dann eine verdunſtende Waſchung appliciren und etwas Cro— tonol auf die Zunge bringen, welche er zwiſchen den Zaͤhnen hielt. Mein Aſſiſtent blieb bei ihm bis 10 Uhr. Um 11 Uhr fah ich ihn wieder und blieb bis Z1 Uhr. Sein Koyf war nun ungemein heiß, die Augen von Blut injicirt, er ſah wild um ſich her und war ſo aufgeregt und kraͤftig, daß ſelbſt die Zwangsjacke ihn nicht im Zaume zu halten vermochte. Das Krotonoͤl hatte einmal gewirkt; der Puls war ſehr frequent, klein, ſchwach und huͤpfend. Zwankig Blutegel wurden an den Kopf applicirt, dabei kalte Uebergießung und kalte Waſchung und Waͤrme. Am folgenden Morgen war er etwas ruhiger und hatte mehrere Male geſprochen, aber ſehr bald collabirte er und ſtarb um 9 Uhr. In dieſem Falle war, meiner Anſicht nach, ſowohl Aſphyxie als Apoplexie vorhanden. Der Strang um den Hals uͤbte einen ſo ſtarken Druck aus und hinderte ſo ſehr die Inſpiration, daß ſogleich die Lungen, die rechte Herz— haͤlfte und die Venen in einen Congeſtivzuſtand verſetzt wurden; ein Theil des durch die Lungenarterie zu den Lun— gen hingefuͤhrten Venenblutes wurde bei der erſten Inſpira— tion oxygenirt; als aber die naͤchſte Syſtole des Herzens ein— trat, ſo mußte, wenn irgendwie Blut durch die Lungenve— nen in die linke Vorkammer gelangte, dasſelbe venoͤs ſeyn und, vom linken Ventrikel ausgeſchickt, gleich einem Gifte auf das Gehirn wirken, und die Athemnerven verhindern, die Athemmuskeln anzuregen, wodurch dann zugleich mit dem Drucke auf die Venen und Arterien des Halſes Aſphyxie hervorgebracht wurde. Zu gleicher Zeit wurde das Blut durch die rund um die Halsvenen gelegte Schlinge daran 331 verhindert, aus dem Gehirne zuruͤckzukehren, und die Folge davon war Apoplexie. Ich entfernte deßhalb jeden Druck vom Halſe, regte die Ruͤckkehr des Blutes an, indem ich den Kopf und die Bruſt hoch lagerte, beſeitigte die unmittel— bare Congeſtion der Lungen und des Gehirns durch den Ader— laß und unterhielt das Abfließen des Blutes, bis die Athem— muskeln hinlaͤnglich angeregt waren, um der Luft zu geſtat— ten, das venoͤſe Blut in arterielles umzuwandeln, wofuͤr denn auch die Thaͤtigkeit des Gehirns ſprach. Als die Reſpiration wiederhergeſtellt war, lag es mir zunaͤchſt ob, den Conge— ſtivzuſtand des Gehirns zu beſeitigen, was ich dadurch zu bewirken ſuchte, daß ich den in die Hoͤhe gerichteten Kopf ſo kuͤhl, als moͤglich, und den uͤbrigen Koͤrper warm erhielt, den Congeſtivzuſtand der Venen durch oͤrtliche Blutentziehungen beſeitigte, und die Schleimhaut des Darmcanals durch Cro— tonoͤl erregte. Dennoch dauerten die heftigen convulſiviſchen Bewegungen fort, welches, wie ich glaubte, mehr dafür fpricht, daß die naͤchſte Urſache des Todes ein Erguß an der Grund— flaͤche des Gehirns war. Ich wandte mich ſogleich an den Coroner, um die Erlaubniß zu erhalten, den Koͤrper zu oͤffnen, welche er mir aber verweigerte, indem er anführte, daß ein großer Arzt in der Naͤhe geſagt habe, daß dem Manne aus der Schlaͤfen— arterie, ſtatt aus einer Vene, Blut haͤtte entzogen werden muͤſ— ſen, und Andere behaupteten wiederum, dem Manne haͤtte gar nicht zur Ader gelaſſen werden duͤrfen, mit einem Worte: er habe ſich zu Tode geblutet. Ich will mich jedoch bemuͤhen, kurz die Zweckmaͤßigkeit der von mir eingeſchlagenen Behandlung anzugeben. Es wird allgemein angenommen, daß die Quantitaͤt des innerhalb des Schaͤdelgewoͤlbes cireulirenden Blutes un: ter allen Umſtaͤnden faſt dieſelbe iſt, und daß die pathologi— ſche Beſchaffenheit in Bezug auf plethora vornehmlich in einem Mangel an Gleichgewicht zwiſchen dem arteriellen und venoͤſen Blute beſteht, indem das arterielle Blut, wenn es in gehoͤriger Quantitaͤt herzugeſendet wird, einen natuͤrlichen Reiz auf die Nerven des Gehirns ausübt, das venöfe dage— gen im Ueberſchuſſe das Gehirn dieſes Reizes beraubt. Ch. Bell ſagt in feinem Practical Essay on the questionable practice of Bleeding in all apoplectie affections etc. 1841: „Kopf und Hals koͤnnen von Blut überladen ſeyn, waͤh— rend das Gehirn ſeine normale Beſchaffenheit in Betreff der Quantitaͤt des in feinen Gefäßen befindlichen Blutes beibehält. — Alle Qualitaͤten des Lebens werden durch die active Circula— tion des Arterienblutes in der Subſtanz des Gehirns auf— recht erhalten. Wenn auf die Venen des Halſes durch ge— waltſame Drehung des Kopfes, durch gebeugte Stellung oder partielle Strangulation ein Druck ausgeuͤbt wird, ſo entſteht Apoplexie. Hier findet nicht eine Anhaͤufung von Blut im Gehirne ſtatt, ſondern eine Unterbrechung und Stok— kung, welche gleich der Ruptur eines Gefaͤßes auf das Ge— hirn wirkt und die Nervenenergie vermindert. Bei der Unterſuchung des Gehirns in ſolchen Faͤllen findet man die Hirnnerven ungewoͤhnlich ſtrotzend bei einer entſprechenden Compreſſion des arteriellen Syſtems. Das Blut haͤuft ſich in den Venen an, die Circulation wird angehalten, und die Thaͤtigkeit der Arterien verhaͤltnißmaͤßig vermindert. Wir 725. XXXIII. 21. 3832 ſehen deßhalb, wie Senſibilitaͤt und Motilitaͤt abnehmen und endlich ohne Ruptur eines Gefaͤßes das Leben erliſcht. Wenn dieſe Beſchaffenheit der Circulation mit Beſtimmtheit ermite telt werden koͤnnte, fo wuͤrde die Eröffnung einer Vene der Temporalarterie vorzuziehen ſeyn!“ Im vorliegenden Falle war dieſe eigenthuͤmliche Beſchaffenheit wirklich vorhan— den, und ich oͤffnete deßhalb eine Vene. Abercrombie berichtet in feinen pathologiſchen Uns terſuchungen uͤber die Krankheiten des Gehirns und Ruͤcken— marks mehrere Faͤlle von der von ihm ſogenannten einfachen Apoplexie durch Erweichung, in welchen durch die Eroͤffnung einer Vene Heilung bewirkt wurde, ſowie auch mehrere Faͤlle von Apoplexie mit Convulſionen, welche durch daſſelbe Mittel ſcheinbar gebeſſert worden, aber bald toͤdtlich verliefen, ohne eine Spur von Krankheit zuruͤckzulaſſen. Er ſagt: fuͤr die Behandlung der Apoplexie haben wir wenige und einfache Mittel. Die zuverlaͤſſigſten find reichliche und wiederholte Blutentziehungen, kraͤftige Abfuͤhrmittel und kalte Applica— tionen auf den Kopf, unterſtuͤtzt von einer erhoͤhtes Lagerung des Kopfes, kuͤhler Luft und der Entfernung aller Reize. Der erſte Aderlaß muß am Arme gemacht werden. Es giebt keine Symptome, welche eine beſondere Claſſe von apoplecti— ſchen Affectionen bezeichnen, die eine bedeutende Aenderung der Behandlung verlangen, oder mit anderen Worten, eine Claſſe, welche ihrer Natur nach keine Blutentziehungen zu— laſſen. Paris, Fonblanques, Ryan und Beck in ihren Werken Über gerichtliche Medecin und Ro gol in der Cyclopaed. of Med. empfehlen alle den Aderlaß aus eis ner Vene bei Erhaͤngung. Was den Vorwurf des zu vielen Blutlaſſens betrifft, ſo ſpricht dagegen der Umſtand, daß vier Stunden nach dem Aderlaſſe der Mann eine ſolche Muskelkraft beſaß, daß ihn ſechs Maͤnner kaum zu halten vermochten, und ich bedauere nur, bei dem Eintritte jener heftigen Convulſionen nicht von Neuem einen Aderlaß inſtituirt zu haben. Die gewöhnliche Behandlung der Afphyrie, wie, z. B., kuͤnſtliche Erregung des Athmens u. ſ. w., wuͤrde in dies ſem Falle Nichts geleiſtet haben; die rechte Seite des Her— zens und die Lungen, ſowie das Gehirn, waren von venoͤſem Blute uͤberfuͤllt, und bevor dieſer Congeſtivzuſtand des Ge— hirns beſeitigt war, konnten die Athemnerverven nicht agiren. Ich glaube, hinlaͤnglich nachgewieſen zu haben, daß bei der Afphyrie durch Erhaͤngen Blutentziehung aus der Schläs fenarterie toͤdten würde, indem fie das Gehirn feines eigen— thuͤmlichen Reizes beraubt. Die Eröffnung einer Vene das gegen wuͤrde, indem ſie den Druck von der Cerebralarterie aufhebt und die Congeſtion in den Lungen beſeitigt, die Athemnerven anregen und die Leber wieder anfachen, und keine andere Behandlungsweiſe wuͤrde etwas nüßen, wenn dieſe nicht eingeſchlagen worden iſt. (Lancet.) Ueber die Verrenkung des astragalus mit den un— teren Enden der tibia und fibula nach Innen. Von Henry Hancock. (Fortſetzung.“) Fall. Ein alter Mann fiel im April 1827 die Treppe hinab und verrenkte ſich den Knoͤchel. Der herbeigerufene 333 Wundarzt fand den Fuß nach Außen gewendet, das Waden⸗ bein gebrochen und die inneren ſeitlichen Ligamente des Knö— chelgelenkes zerriſſen. Das Glied wurde laͤnger als 2 Mo— nate hindurch geſchient und dadurch Wadenbein und Fuß in gehoͤriger Lage erhalten. Der ungeduldige Kranke aber ging auf Kruͤcken geſtuͤtzt und vernachlaͤſſigte die anempfohlene Vor— ſichtsmaaßregel, keine Laſt mit dem kranken Gliede zu tragen, wodurch der friſch vereinigte Knochen von Neuem nachgab, und der Kranke lahm blieb, den Knoͤchel ſtark nach Innen gewendet. Zwei Jahre darauf ſtarb er an einer anderen Urſache. Das Bein bot um dieſe Zeit folgendes Ausſehen dar: Axe der tibia nach Ein- und Vorwärts gerichtet, der Fuß am aͤußeren Rande vorſtehend, die Sohle nach Abwaͤrts, ein betraͤchtlicher Vorſprung des malleolus internus mit Fülle und Anſchwellung des aͤußeren Knoͤchels. Die Section ergab, daß der astragalus mit den unteren Enden der ti— bia und fibula nach Einwärts verrenkt war, indem die uns tere und hintere Portion des malleolus externus auf dem oberen, inneren Rande der protuberantia calcanei dicht vor der Inſertion der Achillusſehne ruhte. Tibia, fibula und astragalus waren untereinander und mit dem calca- neus durch Anchyloſe vereinigt. Die Richtung des calca- neus war ganz und gar verkehrt, indem derſelbe nach Aus— wärts und Vorwärts lag, fein Kopf aber war an dem os naviculare eingelenkt geblieben. Eine Obliteration der cavitas astragaloidea ossis calcanei hatte durch die Ablagerung von Knochenmaterie auf der hinteren Gelenkflaͤche begonnen. Der calcaneus befand ſich etwas getrennt vom os cuboideum. An dem aͤußeren Ende des Wadenbeines befand ſich ein merkwuͤrdiger hakenfoͤrmiger Fortſatz von neu abgelagerter Knochenmaſſe an dem vorderen Rande des mal- leolus externus gelegen, mit einer Rinne zum Durchgange der dislocirten Sehnen des peronaeus longus und brevis. Die Knochen der großen Zeh erſchienen nach Innen gezogen, wahrſcheinlich in Folge der langen Zerrung der Sehnen des m. tibialis posticus und flexor longus hallucis. Ein Bruch der fibula zeigte ſich nirgends, und die Einwaͤrts— kehrung des Fußes war augenſcheinlich durch die Anchyloſe des nicht reponirten astragalus mit der fibula und der Seite des calcaneus hervorgebracht worden; als die Laſt des Körpers auf den der Stuͤtze beraubten astragalus druͤckte, drehte ſich derſelbe natuͤrlicherweiſe nach Einwärts, indem dieſer den calcaneus mit ſich zog und auf dieſe Weiſe die an— ſcheinende Einwaͤrtskehrung des Knoͤchels herbeifuͤhrte. Bei richtiger Diagnoſe und bei Anwendung eines zweckmaͤßigen Apparates haͤtte in dieſem Falle dem Kranken ein beauchba— res Glied erhalten werden koͤnnen. Aus den gegebenen Faͤllen leuchtet der Nutzen beharr— licher Ausdauer bei Verletzungen der angegebenen Art hervor, und die Amputation des Gliedes, oder die Exſtirpation des astragalus wird nur in ſeltenen Faͤllen noͤthig feyn. Selbſt beträchtlich aus der Wunde hervorragende Knochenſtuͤcke laſ— fen ſich zuweilen leicht zuruͤckbringen, und die Reduction ift wenigſtens immer zu verſuchen. Gelingt dieſelbe nicht, ſo kann vermittelſt zweckmaͤßiger Apparate dem Kranken dennoch ein brauchbares Glied erhalten werden. 721. XXXIII. 21. 334 Wir fügen zum Schluſſe die Beſchreibung eines von Gu⸗ thrie empfohlenen und mit Erfolg angewendeten Apparates bei. Derſelbe beſteht aus einem Stiefel, an deſſen Sohle eine Rinne dicht vor der Hacke und uͤber die ganze Breite der Sohle ſich erſtreckend angebracht iſt. Ein ſolides Queer— ſtuͤck von Eiſen greift in die Rinne ein, und an der erſteren iſt ein zweites, nicht ganz ſo dickes befeſtigt, welches bis zum Kopfe der tibia hinaufreicht und an feinem oberen Ende ein breites, durch eine Zwinge befeſtigtes und vermittelſt eis nes Riemens in situ erhaltenes Kiffen hat, während das aufrechtſtehende Stuͤck Eiſen hinlaͤnglich gekruͤmmt iſt, um auf 1“ und mehr vom Beine abzuſtehen. An der aͤußeren Seite des Fußes befindet ſich ein breiter Riemen, an den Stiefel dicht unter dem aͤußeren Knoͤchel befeſtigt, welcher nicht an der Fußſohle fixirt ſeyn darf, indem er ſonſt die Bewegungen des Gelenkes behindern wuͤrde. Dieſer Riemen iſt dreieckig, die Baſis nach Aufwärts gerichtet, und reicht bis zur Mitte des Unterſchenkels bis unter die Wade, in— dem er das aufrechtſtehende Eiſen umfaßt und den Knoͤchel unterſtuͤtzt. (Lancet, Oct. 1844.) Ueber die verhaͤltnißmaͤßige Haͤufigkeit der Lungen— tuberkeln in Bezug auf Geſchlecht, Koͤrpergroͤße, und Gewicht. Von Dr. Boy d. Bei 1428 im Spital Saint-Marie-le-Bon vom Dr. Boyd angeſtellten Sectionen hat er Tuberkel in den Lungen bei 28,59, Tuberkelmaterie in den Bronchial- und Cervical— drüfen bei 2,58 und Tuberkel in den Mefenterialdrüfen bei 8.73 gefunden. Die Tuderkel kommen häufiger bei Maͤn⸗ nern, als bei Frauen, vor; bei den erſteren 36: 100, bei den letzteren 21: 100. Folgende Tabelle zeigt die Variation dies ſes Verhaͤltniſſes bei den an Tuberkel leidenden Individuen beides Geſchlechtes in den verſchiedenen Lebensaltern. Maͤnner Frauen — — Unter 7 Jahren 147 oder 23,839 147 oder 14,283 Von 7 — 20 = 24 = 29,105 32 = 25,003 2 20 — 40 s 132 = 58,403 112 = 39,308 : 40 — 60 = 180 = 47,80° 156 = 25.603 Ueber 60 =» 203 = 22,103 205 = 15,908 Das Gewicht der inneren Organe war bei allen Phthie ſikern höher, als das mittlere, was beſonders bei den Lun— gen hervortrat, welche um die Haͤlfte ſchwerer, als gewoͤhnlich, waren. Das höhere Alter ſcheint einen Gewicht vermindern— den Einfluß auf die Organe zu haben. Das Gewicht des Körpers der erwachſenen Phthiſiker war faſt + unter dem mittleren der in den Manufacturen bes ſchaͤftigten Arbeiter. Da nun bei den erſteren die Schwere der inneren Organe groͤßer, als die mittlere, war, ſo kam der ganze verminderte Betrag der Koͤrperſchwere auf die Mus— keln, das Zellgewebe und das Knochengeruͤſt. Die mittlere Koͤrpergroͤße bei 107 erwachſenen maͤnnlichen Phthiſikern betrug 5' 7°, bei 63 weiblichen Phthyſikern 5'2' (Engl.). Die mittlere Größe von 160 in dem Arbeits hauſe ſich aufhaltenden und 35 — 50 Jahre alten Frauen betrug 514“, und von 141 erwachſenen Maͤnnern desſelben Alters etwas 335 über 503“. Daraus geht alfo hervor, daß phthiſiſche Frauen 14“ und phthiſiſche Männer nahe an 4“ größer find, als die mittlere Größe der anderen Individuen aus denſelben Staͤn— den betraͤgt. Dr. Hutchinſon hat in einem Aufſatze uͤber einen pneumatiſchen Apparat und nach einer ſehr großen Zahl von an Erwachſenen aus verſchiedenen Staͤnden angeſtellten Ver— ſuchen angegeben, daß die voͤllige und gewaltſame Exſpira— tion für jeden Zoll größerer Körperlänge 5 — 6“ 8“ Cubik Luft ergiebt. Her bſt hat feſtgeſtellt, daß Erwachſene von hohem Wuchſe bei'm ruhigen Athem 20 — 25 Cubikzoll Luft, kleine Perſonen dagegen nur 16 — 18“ ein- und ausathmen. Ob nun in der größeren Quantität der von großen Perſonen eingeathmeten Luft die Erklärung der größe: ren Haͤufigkeit der Lungenſchwindſucht bei Perſonen von ho— her Statur und bei Maͤnnern liegen mag, iſt ſchwer zu be— ſtimmen. Von 60 Kindern aus dem Arbeitshauſe von 3—7 Jahren, — 30 Knaben und 30 Maͤdchen, — uͤbertraf die mittlere Koͤrperlaͤnge der Knaben die der Maͤdchen um 2“%% und wir ſehen aus der oben gegebenen Tabelle, ſowie aus 294 Beobachtungen, daß die Knaben in dem Verhaͤlt— niſſe von 92 der Lungenſchwindſucht mehr unterworfen find, als Maͤdchen. Der Unterſchied iſt noch betraͤchtlicher nach der Pubertaͤt von 20 — 60 Jahren, einer Lebensepoche, in welcher ſich die Männer weit ſchwereren Arbeiten unters werfen muͤſſen, als die Frauen und daher einer weit groͤ— ßeren Entwickelung der Athemfunctionen benoͤthigt ſind. Mit dem Vorruͤcken des Alters und der Verminderung der Arbeit wird auch die Tendenz zur Phthiſe geringer und wird end— lich ſelbſt von der bei dem Kinde vorwaltenden uͤbertroffen. Dieſe Reſultate ſtehen in directem Widerſpruche mit den von Louis in der Charité erhaltenen, wo er das Ver— haͤltniß der Phthiſe bei Maͤnnern im Vergleiche mit den Frauen wie 79:95 gefunden hat. (Aus Dublin medical Press in Gaz. med. de Paris, Nr. 41. 1844.) Falle von Apoplerie nach Pneumonie. Von Dr. Th. Mago. Ein kraͤftiger, geſunder Mann von 54 Jahren wurde im Frühling 1843 in bewußtloſem Zuſtande in das St. Marylebone-Spital gebracht und ſtarb faſt unmittelbar dar: auf. Er war im Arbeitshauſe thaͤtig beſchaͤftigt und bis zu dem Augenblicke des Schlaganfalls an dieſem Morgen an: ſcheinend ganz geſund geweſen. Am Tage vorher hatte er eine enorme Portion Schweinefleiſch ꝛc. verzehrt, war aber anſcheinend wohl zu Bette gegangen. Autopſie: Hirnhaͤute geſund; Hirnwindungen abge— plattet; in den Seitenventrikeln ein ſehr großes Blutgerinn— ſel mit etwas fluͤſſigem Blute. Die a. basilaris ſehr groß, die wahren Hirnarterien leichte Andeutungen von Verknö— 725. X XXIII. 21. 836 cherung. Die rechte Lunge faſt ganz im Zuſtande der ros then Hepatiſation, die linke mit Blut angeſchoͤpft. In einem andern Falle fanden ſich folgende Erſcheinungen: in dem oberen und vorderen Theile der rechten Seitenhaͤlfte des Gehirns ein ſehr großer Bluterguß, welcher den rechten Ven- trikel und einen Theil des linken anfuͤllte; zwiſchen demſel— ben und der Corticalſubſtanz die ſehr dünne Schicht der Mark: ſubſtanz erweicht, und in dieſe erweichte Subſtanz öffnete ſich eine Arterie. Die rechte Lunge war gleichmaͤßig und feſt hepatiſirt und von tiefrother Farbe, nur eine Portion des oberen Lappens war emphyſematoͤs. Der Verſtorbene, ein ſehr kraͤftiger Mann von 78 Jahren, war am Morgen in einem Zuſtande unvollſtaͤndigen Coma's in das Spital gebracht worden, nachdem er in der Nacht vorher anſchei— nend wohl geweſen war. In den letzten vierundzwanzig Stune den ſeines Lebens reagirte er auf keine Frage mehr. Er war mehrere Tage vorher verſtopft geweſen; bei feiner Auf— nahme erhielt er Pulv. Jalap. 3j mit Calomel, und dar⸗ auf einen Tropfen Ol. Crotonis, worauf reichliche Stuhl⸗ entleerungen, jedoch ohne Milderung der apoplectiſchen Sym— ptome, erfolgten. Am letzten Tage erbrach er einmal, und zwar, nach Ausſage der Waͤrterin, Faͤcalmaſſe. In dem erſten Falle ging die Pneumonie ohne Zwei— fel, in dem zweiten wahrſcheinlich der, Apoplexie voran, und in beiden Faͤllen verlief ſie ungemein ſchleichend und verſteckt. Wir mögen daraus die Lehre entnehmen, bei allen Hirnlei— den, zu welchen wahrſcheinlich auch in den eben mitgetheils ten Faͤllen eine Praͤdispoſition vorhanden war, die Bruſt zu unterſuchen. Aehnlich der Pneumonie in ſolchen Faͤl— len verhalten ſich, in Bezug auf die Dunkelheit der fubjectis ven Symptome, die Pneumonieen der Kinder, der Greiſe, bei'm Typhus ꝛc. (Lond. med. Gaz.) Miscellen. Als einen ſehr weſentlichen Nachtheil des verfpä« teten descensus testiculorum führt Dr. Curling die Gefahren an, welche die Contuſionen der Hoden begleiten. Wenn derſelbe naͤmlich in der Leiſte ſich befindet, ſo ſteht er mit dem Bauchfelle noch in Verbindung, und wenn nun eine aͤußere Gewalt die Druͤſe daſelbſt trifft, fo kann die Entzündung ſich auf das Bauchfell verbreiten und die gefaͤhrlichſten Folgen haben. So er⸗ folgte der Tod eines zehnjaͤhrigen Knaben in Folge einer peritoni- tis nach einem Stoße auf den in der rechten Leiſte zurüdgebliebis nen Hoden. Ueber den Zuſtand der Hoden bei der hydrocele tunicae vaginalis bemerkt Dr. Curling im Med. chirurg. Review: Die Drüfe iſt zuweilen mehr oder weniger krankhaft ver— ändert und die Krankheit derſelben wird verkannt, weil die phyſi⸗ caliſchen Zeichen der Affection durch das vorhandene fluidum ver⸗ deckt werden; er führt dabei einen Fall von doppelter hydrocele an, bei welcher nach dem Tode, der in Folge einer Affection des Kehlkopfs eintrat, concreter Eiter in der Subſtanz beider Hoden vorgefunden wurde. ( T Bibliographische Neuigkeiten. Physiology of the Uterus. By Dr. B. Ridge. London 1845. 8. Anatomical and pathological Observations. By J. Goodsir and Harry Goodsir. London 1845. 8. Traité pratique des écoulemens des organes generaux des fem- mes et des ulcérations de la matrice. Par F. Moretti. Pa- ris 1845. 8. Traité pratique, dogmatique et critique de l’hypocondrie. Par C. F. Micha. Paris 1845. 8. — — — Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mirgerbeitt don dem Ober ⸗Mekitinalratbe Freriep zu Weimar, und dem Meditinalratde und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 726. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. (Nr. 22. des XXXIII. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 g. 30 Ar, Maͤrz 1845. des einzelnen Stüdes 3¼ 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼½ 9½, Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975 rennen de. Ueber den Nutzen der Nebennieren und uͤber den Fettſtoff. Von Dr. Gulliver. Die Secretion der Nebennieren characteriſirt ſich durch ein Ueberwiegen kleiner Molecuͤle, welche den Cytoblaſten oder Kernchen verſchiedener Koͤrperchen oder Zellchen analog find. Die Molecule finden ſich oft im Blute und ſehr reich— lich in den Venen der Nebennieren; fie ſcheinen freie Kerns chen oder Cytoblaſten zu ſeyn, welche bei'm Wachsthum, bei der Ernaͤhrung und wahrſcheinlich auch bei der Wiedererzeu— gung der Gewebe betheiligt ſind. Demgemaͤß ſind die Ne— bennieren in jener frühen Periode des Lebens, welche ſich am Meiſten durch die Thaͤtigkeit des Wachsthums und der Ernährung, ſowie durch die Bildung neuer Zellen, auszeich⸗ net, groß, dick und ſaftreich, ſo daß in der ebenerwaͤhnten Periode eine große Menge Molecuͤle durch dieſe Druͤſen be— ſchafft wird. Die Größe der Drüfen haͤngt mit dem All: gemeinbefinden, dem Nahrungsſtande des Individuums zu— ſammen, wonach ſie Fett herzugeben ſcheinen. Sie ſind weit groͤßer dei geſunden, wohlgenaͤhrten, als bei mageren, kraͤnklichen Kindern. Dasſelbe Verhaͤltniß findet auch bei Erwachſenen ſtatt. Im Alter ſchwinden die Nebennieren nicht mehr, als andere Organe, und bei einigen Saͤugethie— een find fie bei Erwachſenen größer, als in der Fötals oder Saͤuglingsperiode. Die Identitaͤt der Molecuͤle der Neben— nieren mit den in Zellen eingeſchloſſenen Molecuͤlen und den freien Kernchen oder Cytoblaſten erhellt ſogleich aus der Vergleichung der Form, der Größe und der chemiſchen Cha— ractere aller dieſer Koͤrper, welche, mit einem Worte, eines und daſſelbe mit den fettigen Elementarkörnchen Henle's find. Sowie der Ausyangspunct einer Zelle und demzufol⸗ ge des Wachsthums, der Reproduction und Reparation ein Molecuͤl, aus Fettſtoff beſtehend, iſt: ſo findet auch, auffal⸗ lend genug, eine Tendenz zur Fettbildung bei'm Verfalle ſtatt. Die Molecuͤlaͤr-Grundlage des Chylus iſt eine Zur ſammenhaͤufung der kleinſten öliyen Partikelchen; ein aͤhnli⸗ ches Partikelchen, etwas vergroͤßert und mit einem albumi⸗ No. 1826. — 726. ö nöfen Haͤutchen, wird der Keim einer Zelle. Fettentartung der Arterien kommt bei alten Leuten haͤufig vor; Fettſtoff ſammelt ſich in den Saamenröhrchen von Greiſen an; fer— ner ſehr auffallend in erweichter Fibrine, in alten Blutklum— pen, beſonders im Gehirn, in den dunkelbraungefaͤrbten und emphyſematoͤſen Portionen der Lungen von Schwindſuͤchti⸗ gen, bei der braunen oder bleifarbigen Conſolidation der Lungen in alter, eitriger Fluͤſſigkeit und in vielen anderen Faͤllen. Endlich findet ſich Fettſtoff ſehr reichlich in rohen und erweichten Tuberkeln. (Lond. med. Gaz., June 1844.) Ueber das verhaͤltnißmaͤßige Gewicht der verſchie— denen Organe des Nervenſyſtems bei'm Menſchen und einigen Saͤugethieren. Von J. M. Bourgery. Durch eine groͤßere Reihe von Beobachtungen erſcheinen dem Verfaſſer folgende Reſultate feſtgeſtellt: 1) Sowie bei'm Menſchen die Ausbildung und Mans nichfaltigkeit der Verſtandeskraͤfte im Allgemeinen im Ver— haͤltniſſe zu der anatomiſchen Quantität der Hirnſubſtanz ſteht, abgeſehen von der phyſiologiſchen Beſchaffenheit des Gewebes, ebenſo zeigt ſich bei den Thieren ein Verhaͤltniß der Schaͤrfe und Klarheit des Inſtincts zur Quantitaͤt der Hirnmaſſe, gleichfalls von dem Qualitaͤtsverhaͤltniſſe zwiſchen den Individuen einer und derſelben Gattung abgeſehen. 2) Die Summe der Inſtincte iſt, wenn man die Thiere untereinander vergleicht, um ſo groͤßer, je groͤßer das Gewicht der Hemiſphaͤren des großen Gehirns im Verhaͤltniſſe zu dem der Nervencentren der Cerebro-Spinalaxe iſt. Beim Menſchen iſt dieſes in noch weit hoͤherem Grade der Fall. 3) Das Nervenſyſtem hat drei verſchiedene Functionen zu erfuͤllen: eine dem lebenden Weſen eigene ſpontane, eine phyſicaliſche und eine chemiſche; welche drei Functionen durch intermediaͤre Functionen ineinander uͤbergehen. 22 839 4) Kür die pſychologiſche Manifeſtation des Menſchen iſt eine Hirnnervenmaſſe erforderlich, welche alle übrige Hirns Ruͤckenmarksorgane um das Vierfache an Quantität uͤbertrifft. 5) Die Inſtincte der Thiere, welche, als gewiſſermaa— ßen etwas Intermediaͤres, der phyſicaliſchen Action der Sinne naher zu ſtehen ſcheinen, als dem menſchlichen Verſtande, verlangen 5 — 6 Mal weniger Nervenſubſtanz für ſich. 6) Die fuͤr die Organe zur Erfuͤllung ihrer Function erforderliche Subſtanzmenge nimmt in folgender Ordnung all maͤlig ab: Die Sinne und die Nerven der allgemeinen Sens ſibilitaͤt; die phyſicaliſche Function der Bewegung; die phy— ſicaliſch-chemiſche Function der Reſpiration; ferner die ches miſchen Functionen der Verdauung, der Reproduction und Aſſimilation. (Gaz. med de Paris, Nr. 40. 1844.) Bericht uͤber eine Reihe von Denkſchriften des Herrn Armand de Quatrefages über die Organiſation der wirbelloſen Thiere, die ſich an den Kuͤſten des Canals La Manche finden. (Schluß.) Dieſe Modificationen des Circulationsapparats fuͤhren gewiſſermaaßen nothwendig eine aͤhnliche Unvollkommenheit in der Structur der Athmungsorgane herbei. Bei den gewoͤhn— lichen Mollusken werden die Beziehungen zwiſchen der Luft und der naͤhrenden Fluͤſſigkeit durch ein ſehr ſtark entwickeltes Gefaͤßnetz vermittelt, das ſo geordnet iſt, daß Kiemen oder Lungenſaͤcke entſtehen. Bei den Gaſteropoden, deren Structur Herr v. Quatrefages beſchreibt, iſt nichts dem Aehnliches vorhanden; bald wird die Reſpiration lediglich durch die Haut vermittelt und ſcheint an allen Puncten der Körpers oberflaͤche von Statten zu gehen, bald ſcheint ſie dagegen mehr oder weniger vollſtaͤndig localiſirt und von beſondern Anhaͤngſeln des Ruͤckens beſorgt zu werden; allein ſelbſt, wenn dieſe Concentration des Reſpirationsgeſchaͤfts den hoͤch— ſten Grad erreicht hat, iſt kein ſolches Gefaͤßnetz vorhan— den, wie das, aus welchem gewoͤhnliche Kiemen heſtehen, und die Natur leiſtet fuͤr dieſe Gefaͤße durch einen Apparat Er— ſatz, von dem man bisher glaubte, er ſey nur bei den Meduſen und gewiſſen Helminthen zu finden. Aus der Verdauungshoͤhle entſpringen dann naͤmlich eine Menge Canaͤle, deren Zweige in die kiemenfoͤrmigen Anhaͤngſel am Ruͤcken des Thieres eindringen und die fluͤſſigen Nahrungsſtoffe dahinfuͤhren, welche, nachdem die Luft dort auf dieſelben eingewirkt hat, den ver— ſchiedenen Koͤrpertheilen zuſtreichen und dort zur Unterhaltung des Lebens dienen ſollen. Dieſes Magengefaͤßſyſtem, deſſen Vorhandenſeyn ich bereits bei einem Acolidier der Kuͤſte bei Nizza nachgewieſen *), iſt von Herrn v. Quatrefages ſehr gruͤndlich ſtudirt worden. Es ſcheint bei den Gaſteropoden, welchen dieſer geſchickte Beobachter den Namen Aeolidina beigelegt hat, feinen hoͤchſten Grad von Entwickelung zu er— reichen; allein bei andern, übrigens nach demſelben Typus or— ganiſirten, Mollusken wird dieſer Apparat ſeinerſeits unvolls *) Annales des Sciences, 2. Serie, Zoologie, T. XVIIT, p- 726. XXXIII. 22. 4 340 kommener, und einige der Formen, welche er dann annimmt, erinnern durchaus an die Einrichtung der Verdauungshoͤhle bei den Blutegeln und den verſchiedenen Planarien. In den Gattungen Pavois (?) und Chalides (2), z. B., hat Here v. Quatrefages keine aͤſtigen Anhaͤngſel mehr in Verdin⸗ dung mit der Verdauungshoͤhle gefunden, ſondern bloß große Side, in deren Inneres die Nahrungsſtoffe eindringen, um daſelbſt eine Zeitlang zu verweilen. Das Nervenſyſtem dieſer Thiere iſt ebenfalls weniger vollkommen, als das der gewoͤhnlichen Gaſteropoden; die Kopfe portion dieſes Apparats bietet nichts Abnormes dar, allein die poſtoͤſophagiſchen oder Bauch-Ganglien, ſowie das Quer- baͤndchen, welches dieſelben gewohnlich miteinander verbindet und den die Speiſeroͤhre umgebenden Ring hinten vervolls ſtaͤndigt, fehlen haͤufig. Bei dieſen Mollusken fehlen endlich ebenfalls die Lippenganglien, und folglich bietet die allgemeine Einrichtung des Nervenſyſtems dieſelben Charactere dar, wie bei den gemeinen Gaſteropoden und den Tuniciern. So wichtige Eigenthuͤmlichkeiten in der Organiſation muͤſſen offenbar bei der Claſſification der Thiere nach einem na⸗ tuͤrlichen Syſteme beruͤckſichtigt werden, und fo iſt denn Herr v. Quatrefages durch die anatomiſchen Unterſuchungen, von denen wir hier ſoeben geredet haben, zur Aufſtellung einer neuen Ordnung in der Claſſe der Gaſteropoden veranlaßt wor⸗ den. Dieſe Gruppe, welcher unſer Verfaſſer den Namen Phle⸗ bentereen gegeben hat, um dadurch einen der Hauptcha⸗ ractere des Typus der Ordnung zu bezeichnen, hat viel Aehn⸗ lichkeit mit der früher von Herrn v. Blain ville aufgeftells ten Abtheilung der Polybranchen ), unterſcheidet ſich aber von derſelben in verſchiedenen Beziehungen und umfaßt bereits mehrere Familien. Die Gattung Actaeon, welche man bisher mit den Aphyſiern verwechſelt hatte, muß daſelbſt ihre Stelle finden, und auch Glaucus, die Placobranchen und alle übrigen Gaſteropoden, denen die Lungen und gefaͤßfoͤrmi⸗ gen Kiemen abgehen, gehören dahin. Endlich dürften gewiſſe Planarien dort einzureihen ſeyn. Die Unterſuchungen des Herrn v. Quatrefages uͤber die phlebenteriſchen Gaſteropoden fuͤhren, wie man ſieht, zu Reſultaten, welche fuͤr die Naturgeſchichte der Mollusken ſehr wichtig find, und unter den Arbeiten, durch welche dies ſer Zweig der Zoologie ſeit einigen Jahren bereichert worden iſt, befindet ſich vielleicht keine, die eine gleichgroße Anzahl. von neuen und intereſſanten Thatſachen darboͤte. Dieſe bil- den den Stoff zweier Denkſchriften, von denen eine der Ucas demie am 22. März 1843, die andere aber in unſerer lege ten Sitzung auszugsweiſe vorgetragen worden iſt. In einer dritten Reihe von Unterſuchungen hat ſich Herr v. Quatrefages die Vervollſtaͤndigung des Stu- diums der Anneliden und die Modificationen und ſtufenweiſe Herabſetzung, die der vorherrſchende Typus dieſer natuͤrlichen Gruppe, theils bei den niedrigſten Arten dieſer Claſſe, theils, bei manchen Wuͤrmern, welche von den meiſten Zoologen zu den Helminthen gerechnet werden, erleidet, als Ziel auserſe- hen. In dieſer Abſicht hat er zuvoͤrderſt die vollſtaͤndige *) Vergl. Dictionnaire des Sciennes naturelles, T. XXXVII, p. 275 und Manuel de Malacologie, 541 Anatomie einer umherſchweifenden Annelide, der Eunice san- guinea, geliefert, und dieſe Monographie, welche uns mit großer Gruͤndlichkeit abgefaßt ſcheint, enthaͤlt mehrere ganz neue Beobachtungen. Auch wuͤrde ich mir geſtattet haben, laͤnger bei derſelben zu verweilen, wenn ich nicht noch uͤber eine Anzahl anderer Abhandlungen zu berichten haͤtte, die mich nöthigen, mich fo kurz, als möglich, zu faſſen. Die Forſchungen des Herrn v. Quatrefages in Be— treff der uͤbrigen chetopodiſchen (fußloſen 2) Mollusken ſind in der That ſehr mannigfaltig und fuͤhren zu mehrern Re— ſultaten, die wir nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen duͤrfen. So hat er, z. B., durch das vergleichende Studium der Eu— nicen, Nereiden, Phyllodocen, Glyceren und einiger andern neu aufgeſtellten Gattungen gefunden, daß bei dieſer Thierclaſſe der Ganglienapparat häufig weit complicirter iſt, als man glaubte und ſpecifiſche Modificationen darbietet, welche denen ahnlich find, die Herr Serres bei den Inſecten beobachtet und dle Herr Audouin und ich bei den Cruſtaceen deſchrieben baben. Das Gefaͤßſyſtem bietet bekanntlich bei allen bis jetzt anatomiſch unterſuchten Anneliden eine ſehr bedeutende Ent— wickelung dar. Allein bei einigen dieſer Wuͤrmer wird, wie bei den Mollusken und den Gliederthieren, dieſer Apparat unvollkommner. Denn Herr v. Quatrefages hat ermit- telt, daß bei gewiſſen Tubicolen die Circulation nicht mehr durch Gefaͤße, ſondern durch zwiſchen den verſchiedenen Or— ganen befindliche Lücken vermittelt wird. So iſt, z. B., bei einer Amphicora, welche derjenigen ſehr nahe ſteht, die Herr Ehrenberg entdeckt hat, das an ſeiner gruͤnen Farbe leicht zu erkennende Blut nicht in Gefaͤße eingeſchloſſen, ſondern bewegt ſich in dem, zwiſchen dem musc. subcutaneus und der Art von mesenterium, mit welcher der Nahrungsſchlauch umgeben iſt, liegenden Raume. Endlich findet ſich bei einer neuen Gattung der umherſchweifenden Anneliden, welche Syllis nahe ſteht und die von Herrn v. Ouatrefages unter dem Namen Doyeria aufgeführt iſt, eine organiſche Einrichtung, welche zwiſchen dieſem Zuſtande von aͤußerſter Erniedrigung und dem normalen Circulationsapparat dieſer Thierclaſſe die Mitte haͤlt; denn es iſt zwar von dieſem Apparate noch eine Spur vorhanden, allein derſelbe beſteht lediglich noch in einem Ruͤckengefaͤße. Die von Herrn v. Quatrefages aufgeſtellte Gat— tung Aphlebina bietet ebenfalls ein Beiſpiel von organi— ſcher Erniedrigung dar, deſſen Kenntniß von Wichtigkeit iſt. Die allgemeine Geſtalt der Aphlebinen weicht von der der Terebellen nicht ab, allein es gehen denſelben ebenſowohl die Kiemen, als die Blutgefaͤße ab. Die in einem Syſteme von Luͤcken enthaltene ernaͤhrende Fluͤſſigkeit iſt bei ihnen farblos, allein die hyaliniſche Durchſichtigkeit ihres Koͤrpers ſo vollkom— men, daß Herr v. Quatrefages die Stroͤmung der Cir— culation beobachten und ſelbſt die Urſache dieſer Bewegung ermitteln konnte. Bei den gewöhnlichen Anneliden iſt der Mechanismus der Circulation demjenigen aͤhnlich, welche nman bei den hoͤher organiſirten Thieren findet; denn die Bewe— gung des Blutes wird immer durch die Ausdehnung und Zu— ſammenziehung einer Portion des Syſtems von Canaͤlen ver— anlaßt, in welchen dieſe Fluͤſſigkeit enthalten iſt, und folglich 726. XXXIII. 22. 342 wird der Antrieb ſtets durch die Thaͤtigkeit einer Art von Druckpumpe gegeben. Bei Aphlebina iſt jedoch nichts Aehnliches vorhanden; das Blut wird, ſtatt durch die Con— tractionen einer dem Herzen analogen Hoͤhlung zuſammen— gedruckt zu werden, durch ein Syſtem von mikroſkopiſchen Schaͤufelchen oder kleinen Rudern in Bewegung geſetzt, welche demſelben geſchwinde Schläge ertheilen, und welche aus ſchwin— genden Wimperhaaren beſtehen, die zu Streifen vereinigt find und hinter der Wurzel jedes Fußes an der Wandung der Visceralhoͤhle ſitzen. Dieſer Mechanismus iſt demjenigen ana= log, welchen ich bei Beroé beobachtet habe ) und kann ebenfalls als Beleg zu dem Satze dienen, daß die Natur bei den Modificationen, die ſie den verſchiedenen Haupttypen des Thierreichs ertheilt, ſtets nach analogen Geſetzen verfaͤhrt. Bei den Anneliden iſt die Kenntniß dieſer beſondern Treiborgane des Circulationsapparats noch in einer andern Beziehung intereſſant. Schon lange war mir die Verwandt— ſchaft aufgefallen, welche zwiſchen den Anneliden und den Raͤderthierchen beſteht, mit deren innerer Organiſation uns Herr Ehrenberg bekannt gemacht hat, und ich hatte vor— geſchlagen, dieſe beiden Claſſen, ſowie die Helminthen, in eine beſondere Abtheilung der Hauptabtheilung der Ringelwuͤrmer zuſammenzuſtellen *). Die von Herrn v. Quatrefages conftatieten Thatſachen begründen nun eine neue Verwandt— ſchaft zwiſchen dieſen Thieren und dienen daher der Anſicht, die ich früher aufgeſtellt hatte, zur Unterſtuͤtzung. Die Luͤcke, welche zwiſchen den beiden erſten Claſſen der Unterabtheilung der Wuͤrmer erſchien, wird jedoch durch eine andere Ent— deckung des Herrn v. Quatrefages noch weit beſtimm— ter ausgefuͤllt. Derſelbe hat naͤmlich an den Kuͤſten der Bretagne eine Annelide gefunden, welche, ihrer allgemeinen Structur nach, einer jungen Syllis ſehr gleicht, aber auf jeder Seite des Koͤrpers eine Reihe von Locomotionsorganen fuͤhrt, welche den Schwingſcheiben der Rotiferen aͤhnlich und in der Weiſe geordnet ſind, daß ſie gewiſſermaaßen den Raͤ— dern eines Dampfbootes gleichen. Bei dieſer ſonderbaren Annelide, welche Herr v. Quatrefages unter dem ge— neriſchen Namen Dujardinia auffuͤhrt, ſind, wie bei den uͤbrigen umberſchweifenden Anneliden, die Füße mit Borſten beſetzt; allein dieſe Anhaͤngſel find nur Schutzwaffen und. fo unbeweglich, wie fpanifche Reiter. Zuweilen bewirkt das Thier ſeine Ortsveraͤnderung dadurch, daß es den Schwanz gleich einem langen Ruder, heftig hin und herbewegt; allein gewoͤhnlich ſchwimmt es mittelſt der erwaͤhnten Seitenruder langfam fort. Dieſe kronenfoͤrmig auf den Rändern der, auf Waͤrzchen, an den Seiten des Koͤrpers, zwiſchen den Füßen, ſitzenden, Becherchen geordneten Wimperhaare wirken nach Art der Wimperhaarkreiſe der Rotiferen und nehmen ſich, in Folge einer optiſchen Taͤuſchung, wie ſich drehende Raͤder aus. Auch iſt zu bemerken, daß ſich die Dujardinia, in Betracht der Geſtalt ihres Nahrungsſchlauchs und der be— deutenden Groͤße ihrer Eier, den Raͤderthierchen naͤhert. Die Arbeit des Herrn v. Quatrefages uͤber die Structur der Thalaſſemen und Nemerten bietet ebenfalls *) Annales des Sc. nat. 2. Série, Zool. T. XVI, p. 207. ) Encyclopédie du XIX. siecle, T. XXV, art. Vers (1838). 22 343 das doppelte Intereſſe dar, auf welches wir in Bezug auf die Unterſuchungen dieſes Naturforſchers uͤber die Aphledi⸗ nen und Dujardinia hingewieſen haben: denn einestheils macht er uns mit der Ocganiſation dieſer Thiere auf's Voll⸗— ſtaͤndigſte bekannt, und anderntheils liefert er uns hoͤchſt ſchaͤtz— bare Materialien zur Beurtheilung der natuͤrlichen Verwandt» ſchaft der Anneliden mit den Planarien und Helminthen. So weiſ't er, z. B., nach, daß die Nemerten ſich den Anne— liden in der allgemeinen Anordnung ihres Gefaͤßſyſtems, wel: ches dem der Blutegel ſehr aͤhnlich iſt, in der Structur ihres Mundapparats und in mehrern andern Puncten ihrer innern Organiſation naͤhern, waͤhrend ihr Reproductionsapparat dem mehrerer Helminthen aͤhnlich iſt und ſich ihr Nervenſyſtem nur mit dem der Lingulen (Ligulen?) vergleichen laͤßt und ihre Verdauungsroͤhre nicht durch die ganze Laͤnge des Kör: pers ſtreicht und am anus mündet, wie dieß bei allen Rin⸗ gelwuͤrmern der Fall iſt, bei denen der vorherrſchende Typus dieſer großen Familie ſich deutlich ausſpricht, ſondern bei dem vordern Drittel des Koͤrpers in einen blinden Sack ausgeht und nach Außen keine andere Oeffnung hat, als den Mund, wie wir es bei einigen der niedrigſten Helminthen und bei den meiſten Zoophyten finden. Man ſieht alſo, daß ſich bei dieſen verſchiedenen Thie— ten nicht nur die Organiſation vereinfacht, ſondern daß bei ihnen auch die hervorſtechendſten Charactere des großen zoo— logiſchen Typus, dem ſie angehoͤren, mehr und mehr ver— ſchwinden und durch Eigenthuͤmlichkeiten der Structur erſetzt werden, die ihren fremden Typen gleichſam entlehnt ſind. Die Bekanntſchaft mit dieſen Anomalien iſt ſehr geeignet, über die Verwandtſchaften zwiſchen Typen, welche ſonſt als weſentlich verſchieden erſcheinen würden, viel Licht zu ver: breiten, ſowie ſie denn auch uͤberhaupt der Wiſſenſchaft zur Chre gereicht, indem ſie den Grund enthuͤllt, weßhalb die geſchickteſten Forſcher die entgegengeſetzteſten Anſichten uͤber die Stelle, welche dieſen niedrig organiſirten Geſchoͤpfen in der methodiſchen Claſſification des Thierreichs gebuͤhre, auf— ſtellen konnten. Ueber die Fortpflanzung der Anneliden und andern Wuͤrmer von analoger Structur iſt noch wenig bekannt. Pallas verſichert, die Aphrodyten ſeyen dioͤciſch, und dieſe Anſicht hat neuerdings durch die Beobachtungen des Herrn Grube zu Koͤnigsberg neues Gewicht erhalten; allein die Zoologen waren uͤber dieſen Punct noch nicht einig, und alle ſtimmten in der Anſicht uͤberein, daß die meiſten Anneliden hermaphrodytiſch ſeyen. Herr v. Quatrefages hat nach— gewieſen, daß dem nicht ſo iſtz er hat deutliche Maͤnnchen und Weibchen, nicht nur bei vielen herumſchweifenden und Roͤh— ten bewohnenden Anneliden, ſondern auch bei den Thalaſſe— men und Nemerten gefunden, welche den Uebergang von den gewöhnlichen Anneliden zu den Helminthen bilden. Defigleis chen hat er mehrere merkwuͤrdige Erſcheinungen in Betreff der Entſtehung der Spermatozoiden bei den Nemerten beobach— tet, und durch feine Entdeckungen in Betreff der Entwicke⸗ lung der Eier der Terebellen hat er die von Herold, Rat h— ke und einigen andern Ovologen ermittelte wichtige Thatſache, daß bei den Embryonen der Inſecten, Arachniden, Cruſta— 736. XX XIII. 22. 344 ceen ic. der Dotter mit der Ruͤckenflaͤche des Körpers in Bes ziehung ſteht, auf die Claſſe der Anneliden ausgedehnt. Unter den Reſultaten, zu denen Herr v. Quatrefages bei dem Studium der Anneliden gelangte, iſt jedoch dasje⸗ nige in Betreff der Fortpflanzung von Syllis das merkwuͤr⸗ digſte. Otto Fried. Müller, welcher zu der Meerfauna Di: nemark's viele ſchaͤtzbare Beiträge geliefert hat, fand eine An» nelide aus der Familie der Nereidier, welche im Begriff zu ſeyn ſchien, ſich durch Ableger oder Knospen fortzupflanzen, und die ein zweites Jadividuum, das mit ihr organiſch vers bunden war, ſich nachſchleppte. Müller begnuͤgte ſich mit dieſer Beobachtung, bildete dieſen doppelten Wurm ab und reichte ihn in feinem beſchreibenden Cataloge unter dem Nas men Nereis prolifera ein). Herr v. Quatrefages hat an den Kuͤſten der Bretagne eine große Menge ſolcher zuſammengeſetzten Syllis gefunden und ſich davon übers zeugt, daß beide Individuen ſich auf Koſten eines einzigen bilden, deſſen Koͤrper ſich in der Mitte einſchnuͤrt und ſich theilt, nachdem die erſten Ringe des hintern Aoſchnitts ſich in der Art umgebildet haben, daß fie zu einem Kopfe gemwors den find. Dieſe beiden Individuen gleichen einander folglich äußerlich in hohem Grade, wogegen ſie mit ganz verfchiedes nen Kraͤften begabt ſind. Das erſte faͤhrt fort, ſich in der gewoͤhnlichen Weiſe zu naͤhren und alle zur Erhaltung des Lebens noͤthigen Functionen zu vollziehen; ja wahr⸗ ſcheinlich reproducirt es auch mit der Zeit einen ahnlichen Schwanz, wie der, den es eingebüßt hat. Dagegen iſt das auf Koſten des Schwanzes entſtandene Individuum ausſchließ⸗ lich zur Fortpflanzung der Species beſtimmt; fein Nahe rungscanal wird atrophiſch, und es ſcheint ſich gleich⸗ ſam nur von den bereits in ſeinem Koͤrper vorhandenen Stoffen zu naͤhren; allein es enthält die ſaͤmmtlichen Zeus gungsorgane des Mutterexemplars, und nach feiner Abloͤſung lebt es noch lange genug, um dieſe Oegane in den Stand zu ſetzen, Eier oder Spermatozoiden zu erzeugen und fo für die Fortdauer der Species zu ſorgen. Bei Fortſetzung dieſer Forſchungen uͤber die Structur der niedrig organiſirten Thiere hat Herr v. Quatrefages Gelegenheit gehabt, mehrere Arten zu beobachten, deren Haut- bedeckungen vollkommen durchſcheinend ſind, und dieſen Um⸗ ſtand hat er benutzt, um an lebenden, unverſehrten Thieren einige phyſiologiſche Erſcheinungen zu beobachten, deren Un⸗ terſuchung bei großen Thieren bedeutende Schwierigkeit hat. Als er ſo den Mechanismus der Bewegungen bei den Po— lypen der Gattung Edwardsia unterſuchte, gelangte er gleich- zeitig mit Herrn Bowman zur Keuntniß mehrerer fuͤr die Theorie der Muskelcontraction wichtigen Thatſachen. Er ſah, z. B., daß die Faſern eines und deſſelben Muskelsnicht ſaͤmmtlich zugleich wirken, und daß die, welche ſich zuſammen⸗ zlehen, die benachbarten, in Ruhe verbliebenen, nach ſich ziehen und in dieſen jene zickzackfoͤrmigen Biegungen veran— laſſen, welche man früher für die causa efliciens der Verkuͤrzung des Muskels gehalten hat. *) Zoologia danica, Vol II, p. 15, tab, LII, fig. 5, 9. 845 Indem Herr v. Quatrefages kleine durchſichtige Anneliden unter dem Mikroſkope beobachtete, entdeckte er gleichfalls eine wichtige Beziehung zwiſchen gewiſſen Erſcheinun⸗ gen der thieriſchen Phosphorescenz und dem Einfluſſe des Agens, welches die Muskelcontractionen veranlaßt, und das in vie— ler Hinſicht ſo große Aehnlichkeit mit der Electricitaͤt dar— bietet. Wahrſcheinlich haͤngt das mehr oder weniger lebhafte Licht, welches viele niedere Thiere ausſtroͤmen laſſen, nicht ims mer von derſelben Urſache ab; bald iſt es eine Erſcheinung, welche die Zerſetzung gewiſſer organiſchen Stoffe begleitet, bald ruͤhrt es von der Seeretion einer beſondern Fluͤſſigkeit her; allein wahrſcheinlich iſt in vielen Faͤllen die Urſache der Phos— phorescenz eine rein phyſiſche, und ſie ſteht dann, wie die Muskelcontraction, mit dem Einfluſſe der Nerven in Ver: bindung. Die Commiſſion iſt nicht im Stande geweſen, die von Herrn v. Qua trefages über dieſen Gegenſtand an» geſtellten Experimente zu wiederholen, allein fie bezweifelt deren Genauigkeit keineswegs, und uͤberdem ſprechen manche andere Umſtaͤnde fuͤr die Richtigkeit der von dieſem Zoologen erlangten Reſultate, ſowie dafür, daß letztere eine größere Ge: neraliſirung geſtatten. So verbreiten die Beroé-Arten des Mittelmeeres haͤufig ein ſehr lebhaftes Licht, und als ich dieſelben genau beobachtete, bemerkte ich, daß dieſe Erſchei⸗ nung ihren Sitz in den gewimperten Rippen hat, mit denen der Körper dieſer Zoophyten beſetzt iſt. Nun befinden ſich aber die Organe der Bewegung gerade an dieſer Stelle *). Dieß waͤren die verſchiedenen Arbeiten, Über deren Ges ſammtheit wir im Auftrage der Academie zu berichten hatten. Man wird aus dem Geſagten erſehen, wieviel Herr v. Qua— trefages in der kurzen Zeit von drei Jahren für die Wifs ſenſchaft geleiſtet hat. Er hat ſich als guten Beobachter und geſchickten Anatomen bewährt, die Gegenſtaͤnde feiner Forſchung mit Scharfblid gewählt und bei den Schluͤſſen, die er aus feinen Beobachtungen ableitete, ebenſoviel Urtheil als ausgebreitete Kenntniſſe an den Tag gelegt. Seine Ars beiten ſichern ihm alſo einen hohen Rang unter den juͤngern Naturforſchern. Die Commiſſion trägt darauf an, daß die verſchiedenen Denkſchriften in dem Recueil des Savans etrangers abgedruckt werden; fie trägt ferner im Intereſſe der Wiſſenſchaft darauf an, daß Herr v. Quatrefages, im Auftrage der Academie, an die Kuͤſten des Mittelmeeres geſchickt werde, um feine an den franzoͤſiſchen Kuͤſten begonne— nen Forſchungen dort zu vervollſtaͤndigen. (Comptes ren- ») Vergl. No. 586. (No. 14 des XXVII. Bs.) S. 209 d. Bl. 726. XXXIII. 22. 346 dus des seances de IAc. d. Sc. T. XVIII, No. 3, 15. Janv. 1845 5). j Miscellen. In Beziehung auf das von Schoͤnbein entdeckte Ozon iſt der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 19. Maͤrz eine Arbeit des Genfer Chemikers Marignac vorgelegt worden, nach deſſen Unterſuchung „das Ozon ein hoͤchſt raͤthſelhafter, my⸗ ſteridſer Stoff iſt, der in der That viele Eigenſchaften mit den Salzbildern, Chlor, Jod und Brown theilt, deſſen Entſtehung oder Entbindung aber immer noch von einem tiefen Schleier umhuͤllt iſt. So viel aber ſcheint ſicher nach den Marig na e'ſchen Unter⸗ ſuchungen, daß das Ozon nicht durch Zerlegung des Stickſtoffs ges bildet wird, ſondern daß vielmehr der Stickſtoff gerade nichts mit feiner Erzeugung gemein hat. Im Gegentbeil ſcheint feine Ent⸗ bindung weſentlich an die Einwirkung des Sauerſtoffs gebunden zu ſeyn und überall vor ſich zu gehen, wo ein Gemenge von Sauer: ſtoff und einem andern Gaſe in ſolche chemiſche Verhaͤltniſſe kommt, wie bei der Thaͤtigkeit der Voltaiſchen Säule, Reiner Sauerftoff, fuͤr ſich genommen, bildet kein Ozon; ebenſowenig reiner Stickſtoff; beide mit einander gemengt, koͤnnen zur Erzeugung von Ozon mit⸗ wirken; allein noch Eräftiger iſt ein Gemenge von Sauerſtoff mit Waſſerſtoff, bei welchem aller Stickſtoff fern gehalten iſt. Bei der Waſſerzerſetzung durch die galvaniſche Säure entwickelt ſich Ozon, auch wenn kein Stickſtoff im Waſſer enthalten iſt. Kurz, nach Marignac, iſt die Gegenwart von Sauerſtoff weſentliches Beding⸗ niß der Erzeugung von Ozon und die Rolle des Stickſtoffs bei die⸗ ſer Erzeugung nicht verſchieden von derjenigen des Waſſerſtoffs und einiger andern Gaſe. Wenn demnach auch die von Herrn Schöns bein aufgeſtellte Hypotheſe über die Zuſammenſetzung des Stick⸗ ſtoffs ſich nicht beſtaͤtigt finden dürfte (ich ſage dieß unbeſchadet et⸗ waiger Widerlegungen Marignac's), ſo hat er jedenfalls das große Verdienſt, auf einen Stoff hingewieſen zu haben, der die Cbe— miker noch lange in Anſpruch nehmen wird.“ (Allg Zeit. 1845 No. 96. Beilage S 762) Ueber den Einfluß der geologiſchen Bodenbildung auf einzelne Krankheits⸗Specialitäten hat Herr Dr. Oſchernich aus Miltendurg bei der Naturforſcher-Verſammlung in Graͤtz die Anſicht entwickelt, daß in'sbeſondere der Cretinismus, die Kroͤpfe und überhaupt die Scrophelformen in Gegenden mit Ur: gebirgsformationen endemiſch vorkommen, waͤhrend die Lithiaſis, die Tuberculoſis nur auf neueren Formationen einheimiſch ſeyen, und beftätigte dieſe Behauptung durch die Erfahrung aus dem Gebiete der mediciniſchen Statiſtik. *) Die Academie bewilligte die ſaͤmmtlichen Anträge ihrer Com⸗ miſſion und ſandte, in Folge des letzten, Herrn v. Quatrefa⸗ ges nach Italien und Sicilien. Mehrere Ergebniſſe dieſer Reiſe des Herrn v. Quatrefages ſind den Leſern d. Bl. bereits bekannt. Vergl. u. A. No. 674 (No. 14 d. XXXI. Bds.), S. 215 d. Bl. D. Ueberſ. — ___L u __ _ —____ __ — ge i i un de. Zeitweiſe Application der ünetura Iodi gegen wei⸗ ßen Fluß hat Van⸗Steenkiſte mit außerordentlich gutem Erfolge in Faͤllen angewendet, welche bereits mehrere Jahre lang beſtan— den und Blaͤſſe, große Abmagerung und Appetitloſigkeit, fer ner Ziehen im Magen, ein Gefuͤhl von Schwere im kleinen Becken und Ausbleiben der Menſtruation veranlaßt hatten. In zwei Fällen der Art war die vulva durchaus nicht ent⸗ zündet; die Vaginalſchleimhaut war ſehr blaß, aber der Ge: baͤrmutterhals war roͤther, etwas angeſchwollen und bei Be: ruͤhrung außerordentlich empfindlich. 347 In den beiden, in Rede ſtehenden Faͤllen bediente ſich der Verfaſſer folgender Formel. t cnammata Neo? 00 — Aquae communis . 125 — Misce. Bei einer der Kranken injicirte Van-Steenkiſte ungefähr 30 Grammen dieſer Fluͤſſigkeit in die vagina; un⸗ mittelbar darauf hatte die Kranke das Gefuͤhl großer Hitze und Reizung in den Urin- und Geſchlechtstheilen, welches eine Viertel-⸗Stunde lang zunahm, darauf aber unmerklich abnahm. Der Ausfluß hoͤrte drei Stunden lang vollkom— men auf, nachher kehrte er jedoch reichlicher, als fruͤher, zu— ruͤck; hierauf hatte die Kranke zehn Minuten lang ſehr hef— tige Schmerzen in den Genitalien, verbunden mit ſtarkem Kopfſchmerze und allgemeinen Kraͤmpfen; indeß hoͤrten dieſe Leiden nach einiger Ruhe wieder auf, und der Ausfluß kam nur erſt am Morgen des anderen Tages wieder. Eine zweite Injestion brachte ähnliche, jedoch minder heftige Er— ſcheinungen zu Wege, als die nach der erſten Einſpritzung. Indeß ſtellte ſich die Menſtruation, welche bereits ſeit 7 Monaten unterdruͤckt war, des Abends wieder ein, dauerte drei Tage lang und war mit keinem anderen Stoffe ver— miſcht. Da aber der Schleimfluß am anderen Tage ſich von Neuem zeigte, ſo glaubte Van-St., die Scheidewand laͤn— gere Zeit mit der Jodtinctur in Beruͤhrung laſſen zu muͤſſen. Vermittelſt eines Speculums brachte er daher 5 mit dem Arzneiſtoffe impraͤgnirte Charpiekuͤgelchen hinein und ließ ſie daſelbſt liegen. Die Kranke verfpürte darauf ein bedeuten: des Ziehen in den Geſchlechtstheilen, und zwei Stunden nach der Einfuͤhrung der Charpie verſpuͤrte ſie wirkliche austrei— bende Wehen, denn vier der genannten Charpiekuͤgelchen wur— den kraͤftig nach Außen getrieben. Außerdem hatte ſie noch Urinverhaltung, und erſt ſpaͤter vermochte ſie eine betraͤchtliche Quantitaͤt Harn zu entleeren. — Als nach der Austreibung der vier Charpiekuͤgelchen auch die letzte entfernt werden ſollte, wollte Herr Van-Steenkiſte wiederum das Specu— lum einfuͤhren, bemerkte jedoch, daß die Scheide dermaßen zuſammengezogen ſey, daß man kaum die Fingerſpitze ein— fuͤhren konnte; und nur mittelſt eines getheilten Speculums konnte die Charpiekugel ausgezogen werden. Seitdem hat ſich die Leucorrhoͤe nicht wieder gezeigt, und die Geſundheit iſt vollkommen wiederhergeſtellt. — In einem zweiten Falle waren die Erſcheinungen und das Reſultat der Behand— lung ganz dieſelben. (Annales d'obstétrique in Gaz. des Höpit., 4. Juin 1844.) Ein Fall von aneurysma der art. poplitaea, in dem die Cur durch Zuſammendruͤckung der art. fe- moralis bewerkſtelligt ward. *) Von Edward Greatrer Eſg., Chirurgen, und W. T. C. Ro: binfon, Eſg., Huͤlfschirurgen bei dem Coldſtream-Garderegimente. Der Patient, ein gemeiner Gardiſt von 27 Jahren und früher gefund, klagte am 2. Mai 1844 über Schmer— * Aus den Verhandlungen der Royal medical and chirurgical Society. Jan. 14. 1845.— Man vergleiche die erſte Mit⸗ 726. XXXIII. 22. 348 zen und Geſchwulſt in der rechten Kniekehle. Bei der Un⸗ terſuchung wurde ein großes unregelmaͤßig geſtaltetes aneu- rysma entdeckt, welches die ganze Kniekehle ausfuͤllte, ſtark klopfte und ſich durch Deuck theilweiſe entleeren ließ. Da der Patient von acuter Kehlkopfentzuͤndung befallen wurde, fo mußte die Behandlung des aneurysma durch Compreſſion bis zum 18. Juni verſchoben werden. Alsdann ward ein in der Conſtruction etwas abgeaͤndertes italieniſches Turni⸗ ket angelegt; allein die Behandlung mußte bald wieder ge— linder eingerichtet werden, da der Patient von modificirten Menſchenpocken befallen wurde. Als ſich am 8. Juli die Geſchwulſt vergrößert hatte, wurde das Polſter feſt auf die art. femoralis niedergeſchraubt, und der Schraubenſchluͤſſel dem Patienten mit der Bemerkung eingehaͤndigt, daß, wenn die Schmerzen unertraͤglich würden, er den durch das In— ſtrument ausgeuͤbten Druck vermindern und die Arterie weis ter oben mit den Fingern zuſammendruͤcken ſolle. Am fols genden Tage zeigten ſich die guten Folgen dieſes Verfahrens ſchon, denn die Geſchwulſt war durchaus feſt, und man be— merkte in derſelben ferner kein Klopfen oder blaſendes Ge- raͤuſch. Die Zuſammendruͤckung wurde noch neun Tage fort— geſetzt. Als das Inſtrument beſeitigt war, fuͤhlte man die Femoralarterie bis zu deren Eintritt in den Sehnen- Canal hinab deutlich pulſiren, und uͤber der Oberflaͤche der nun har— ten und feſten Geſchwulſt bemerkte man zwei Arterien, welche die Staͤrke von Rabenfedern darboten. Von dieſem Tage an nahm die Geſchwulſt fortwährend ab. Der Patient fing am 9. Auguſt an, umherzugehen und wurde am 14. Nov. aus dem Hoſpital entlaſſen, um wieder leichte Militaͤrdienſte zu leiſten. Am 12. December konnte er den vollen Dienſt wieder thun, und er iſt bis jetzt (14. Jan. 1845) fortwaͤh⸗ rend activ geweſen. Herr B. Cooper fragte den Verfaſſer des Aufſatzes, ob er der Meinung ſey, daß fein Patient voͤllig hergeſtellt ſey, was Herr Greatrex bejahte, indem er zum Beweis anfuͤhrte, daß der Mann ſchon ſeit 6 Monaten wieder den vollen Dienſt thue. Herr Cooper hatte in zwei Faͤllen von aneurysma an der art. poplitaea die Compreſſion, jedoch nicht mit dem Inſtrumente und den Vorſichtsmaaßregeln, wie in dem eben angefuͤhrten Falle, in Anwendung gebracht. So war ein Apfelſinenhaͤndler vor 3 Jahren in's Guy's Hoſpital gebracht worden, der von einem ſolchen aneu- rysma am rechten Beine durch Unterbindung der art. femoralis gluͤcklich befreit wurde. Auch in der linken Kniekehle hatte derfelbe eine kleine Pulsadergeſchwulſt, und zur Hebung derſelben wurde die Femoralarterie mittelſt einer Compreſſe und Binde in der Art comprimirt, daß die Circulation in dem Gefaͤße gehemmt ward. Die Pulsadergeſchwulſt wurde kleiner, hart und hörte auf zu puls ſiren; allein da der Patient Abſceſſe am Beine bekam, fo blieb er lange im Hoſpitale und wurde endlich für vollkommen geheilt ent= laſſen. Nach 14 Monaten kam er jedoch wieder, da die Pulsader— geſchwulſt in der linken Kniekehle ſich wieder vergrößert hatte und klopfte, fo daß man es fuͤr gerathen fand, auch die art. femoralis dieſes Beines zu unterbinden. Ob die Erneuerung des aneurzsma von der Reſorption des Coagulum oder von dem Einfluſſe eines anaſto⸗ moſirenden Gefaͤßes herruͤhrte, bleibt ungewiß. In einem anderen Falle wandte ſich an Herrn Cooper ein Mann, der mit einem aneurysma der art. poplitaea behaftet war, und gegen dieſes wurde ſechs Monate lang Compreſſion angewandt und dadurch ſcheinbar tbeilung des Profeſſor John Houſton über das Huttonſche Verfahren in N. Notizen No. 715. (No. 11. des gegenwaͤrtigen XXXIII. Bandes) S. 169. „Neueſte Vervollkommung der Bes handlung von Kniekehlaneurysmen.“ 349 eine vollſtändige Cur erreicht. Vier Monate fpäter kehrte jedoch die Krankheit zuruck, und die Arterie wurde unterbunden und die Cur dadurch wirklich erlangt. Beide Faͤlle hatten mit dem des Herrn Greatrer inſofern Aebntichkeit, als die mit der Geſchwulſt communicirende Arterie ſich nicht ſchloß Dieſer Umftand, welcher nach dem Unterbinden der Femoralarterie nicht ſtattſtand, ſowie die Rückfälle, welche in den beiden von Herrn Cooper angeführ⸗ ten Fällen ſtattgefunden, veranlaßten den Letzteren, das von Herrn Greatrex angeblich erlangte Refultat als einigermaaßen proble— matiſch zu betrachten. Herr Stanley hatte Herrn Greatrex's Patienten geſehen und bezeugte, daß das Leiden allerdings völlig beſeitigt zu ſeyn hire, Uebrigens ſeyen Herrn Cooper's Bedenken gewiß nicht merheblich. Die von Liſton, Cuſſack und Houſton mit ähn— lichem guten Erfolge vorgenommenen und bis jetzt noch nicht als trügeriſch erkannten Curen koͤnnten nicht verbuͤrgen, daß man ſich auf die Compreſſion allein verlaſſen duͤrfe. Auch bemerkte Herr Stanley auf beſonderes Befragen, daß die Circulation in der Arterie in dem fraglichen Falle, wie in 2 — 3 anderen, von denen er geleſen, ihren ungehinderten Fortgang habe. Herr Greatrex erwiderte, die freie Circulation in der Ars terie ſpreche durchaus nicht gegen die Vollſtaͤndigkeit der Cur, ins dem in manchen Fällen ſelbſt nach dem Unterbinden der Femoralar⸗ terie der Geſchwulſt noch Blut zufließe. Uebrigens ſey fein Patient auf dem krank geweſenen Beine ſo ſtark, wie auf dem anderen. Herr Cooper drückte die Anſicht aus, daß wenigſtens ein Jahr nach der Operation verſtrichen fiyn muͤſſe, um nach einer durch Compreſſion bewirkten Cur des dauernden Erfolges verſichert ſeyn zu koͤnnen. Herr Curling fuͤhrte an, das Verfahren, welches Herr Coo— per bei der Comprimirung der Femoralarterie befolgt, ſey von dem von Herrn Greatrex angewandten ſehr verſchieden. In dem einen Falle ſey die Nebencirculation nicht, in dem anderen aber im hohen Grade, gehemmt worden. Von dem einen Verfahren laſſe ſich alfo unſtreitig ein anderer Erfolg erwarten, als von dem ans deren. Bei der Behandlung eines aneurysma der art. poplitaea durch Druck ſey es nicht noͤthig, die Circulation durch die art. fe- moralis gänzlich zu unterdruͤcken, da cine bloße Verzoͤgerung des Laufes des Blutes die Bildung eines Coagulum in der Geſchwulſt bewirken werde. In welchem Zuſtande die Arterie ſich nach einer ſolchen Cur durch Compreſſion befinde, darüber wiſſe man gegen— waͤrtig nichts Beſtimmtes; allein man werde, ſeiner Anſicht nach, in dem Sacke ein feſtes Coagulum und das Gefäß darüber in weit⸗ geoͤffnetem Zuſtande finden. Herr Greatrex bemerkte hierauf, daß die einzige Eigenthuͤm— lichkeit in der Circulation in dieſem Falle die ſey, daß letztere am kranken Beine ein Wenig ſchwächer ſey, als am anderen. Herr Cooper meinte, er wiſſe wohl, daß er die Compreſſion in geringerem Grade angewandt habe, als Herr Greatrer; aber er halte es keinesweges für erwieſen, daß in dergleichen Faͤllen die Cur in einer anderen Weiſe geſchehe, als wenn das Gefäß unter— bunden wird. Die Vertheidiger der Curmethode durch Compreſſion feyen aber der Anſicht, daß dadurch alle anderen Operationen übers fluͤſſig wuͤrden. l Herr Shaw erinnerte an den Fall eines Mannes, bei dem Sir C. Bell vor einigen Jahren die Femoralarterie wegen eines aneurysma der art. poplitaca unterbunden hatte. Das Klopfen der Geſchwulſt hoͤrte nach dem Unterbinden kurze Zeit auf, ſtellte ſich dann aber wieder ein und hielt drei Tage lang an. Dann verſchwand es ganzlich. Das Bein wurde eryfipelatös, und der Mann ſtarb ſechs Tage nach der Operation. Bei der Leichendff— nung fand man eine abnorme Vertheilung der Arterie, denn gleich unter der Stelle, wo fie die art. profunda abgegeben, ſpaltete fie ſich in zwei große Aeſte, die ſich hart unter der Sehne des m. tri- ceps wieder zu einem einzigen Gefäße vereinigten. Obwohl nur eis ner dieſer Aeſte unterbunden worden war, ſo war das Blut in der Geſchwulſt doch coagulirt und feſt geworden, wie ſich an dem Praͤ— parate noch jetzt erkennen laſſe. Aus dieſem Falle ergebe ſich mit Sicherheit, daß ſich in dem aneurysma- Sacke ein Coagulum bil⸗ 726. XXXIII. 22. 350 den koͤnne, wenngleich der Lauf des Blutes nicht vollſtaͤndig ge⸗ hemmt werde. Herr Charles Hawkins führte den Fall eines Mannes an, der vor einiger Zeit, mit einem großen aneurysma am obern Theile des Schenkels behaftet, in das St. Georg's-Hoſpital aufgenommen wurde. Einer Operation wollte er ſich nicht unterwerfen, und da die Geſchwulſt an Umfang zunahm, fo wurde er bettlägerig, und nachdem er neun Monate gelegen, zeigte ſich die Geſchwulſt um Vieles kleiner, und zuletzt verſchwand fie ganzlich. Sir B. Bro: die habe vor vier bis fünf Jahren die a. iliaca externa wegen eis nes aneurysma am Schenkel unterbunden. Der Patient ſey zwei Jahre lang geſund geblieben, dann aber wiedergekommen, da die Ge— ſchwulſt größer geweſen, wie vorher. Er ſtarb bald darauf an eis ner Lungenkrankheit, und bei der Section zeigte ſich, daß ein abs norm veräfteltes Gefäß mit der Geſchwulſt communicirte und den Ruͤckfall veranlaßt hatte. g Herr Cooper erwähnte noch eines Falles von aneurysma an der art. poplitaea, wegen deſſen er vor einigen Jahren zu Ras the gezogen worden ſey. Der Patient war ſechs Monate fruͤher von Herrn Wilſon zu Mancheſter operirt worden. Die Narbe des Schnitts war noch ſichtbar. Die Geſchwulſt hatte ſich wenige Monate nach der Operation wiedereingeſtellt. Herr Cooper uns terband nun die Arterie an einer weiter abwärts liegenden Stelle. Die Geſchwulſt hoͤrte augenblicklich auf, zu klopfen; allein nach zehn Minuten pulſirte ſie wieder ſo ſtark, wie fruͤher. Da ſich durch eine Operation offenbar nichts weiter erlangen ließ, ſo mußte ſich der Patient legen, man ließ ihm am Arme zur Ader, verordnete innerlich Brechweinſtein und behandelte das Bein mit kalten Ums ſchlaͤgen. Am vierten Tage hatte das Pulſiren ganz aufgehört, und der Mann blieb bis zu ſeinem Tode, der unlaͤngſt erfolgte, von dem fraglichen Leiden frei. Er ſtarb zu Mailand an einem aneurysma des Herzens. In dieſem Falle fand offenbar irgend eine abnorme Bertheilung der Arterie ftatt. Herr Stanley erkundigte ſich, in welchem Zuſtande ſich die Arterie zwiſchen der Unterbindungsſtelle und der Geſchwulſt befun⸗ den habe, worauf Herr Cooper erwiderte, daß ſie in vier von ihm unterſuchten Fällen aus einer völlig ausgefüllten Schnur be— ſtanden habe. Herr Stanley hatte in zwei Faͤllen die Section vornehmen koͤnnen: in einem, wo er ſechs Jahre früher operirt hatte, und in einem andern, wo Herr Lawrence ein Jahr vor dem Tode des Subjects die Operation vollzogen hatte. Im erſtern Falle fand ſich die Femoralarterie gleich unter der Unterbindungsſtelle und bis zum aneurysma, im letztern von der Unterbindungsſtelle bis zur Mitte des Schenkels offen. In dieſem Zuſtande würde ſich, Herrn Stan— ley's Anſicht gemaͤß, die Arterie in der Regel befinden, und zwar in Folge der Nebencirculation. In Herrn Lawrence's Falle ent⸗ hielt die Geſchwulſt concentriſche Schichten feſter Fibrine. Herr Caͤſar Hawkins ſprach die Meinung aus, daß, da die Geſchwulſt in Herrn Greatrex's Falle an Groͤße verloren und lange nicht pulſirt habe, derſelbe berechtigt ſey, ſie für geheilt zu betrachten, wenngleich ein aneurysma nach jeder Art von Operation wiederkehren koͤnne. Bekanntlich koͤnne dieß noch nach Verlauf ſehr langer Zeit geſchehen. Es ſey ihm ein Fall bekannt, wo dieß nach ſieben Jahren vorgekommen, und in Sir A. Cooper's Schriften ſey ein Beiſpiel angeführt, wo nach funfzehn Jahren ein Ruͤckfall ftatts gefunden. In dem von Herrn Hawbins beobachteten Falle kehrte der Patient mit einem großen aneurysma an der art. poplitaca zurück, welches unſtreitig durch ein anaſtomoſirendes Gefäß veran— laßt worden war. Das Bein wurde amputirt, allein der Patient ſtarb einige Stunden nach der Operation, und nun fand ſich, daß von dem unterbundenen Gefaͤße zwei große Aeſte ausgingen, don denen einer mit dem ancurysma cemmunicirte. Trotz dieſer Ano⸗ malie waren ſieben Jahre verſtrichen, bevor ſich der aneurysmati⸗ ſche Sack wieder mit Blut gefüllt hatte. Wenn nach der Cur durch Compreſſion ein Ruͤckfall eintrete, fo koͤnne man dieß Mittel noch- mals vornehmen. Uebrigens brauche der Druck nicht ſo heftig zu ſeyn, als man früher geglaubt; denn man wiſſe jetzt mit Sicherheit, daß ſchon durch eine mäßige Hemmung der. Circulation ein Coagulum erzeugt und die Cur bewerkſtelligt werden koͤnne. Es werde gegen⸗ waͤrtig ein Patient im St. Georg's-Hoſpitale fo behandelt. An Herrn 351 MWeit's Inſtrumente fen das Polſter an der, der Geſchwulſt zu: gekehrten Seite zu platt; es muͤſſe ein Wenig concav ſeyn. Herr Me. Donell hatte ein Subject ſecirt, das von Sir C. Bell zwanzig Jahre fruͤher operirt worden. In dieſem Falle war die Arterie obliterirt. Herr Shaw erinnerte ſich eines Falles, wo ein Mann ploͤtz— lich an aneurysma des Herzens geſtorben ſey, kurz nachdem die Femoralarterie wegen eines aneurysma an der art. poplitaea von Herrn Arnott unterbunden worden. In der Geſchwulſt hatte ſich ein Coagulum gebildet. Die Arterie war von 1 Zoll unter der Ligatur bis zum aneurysma offen. Ein Gaſt bemerkte, wie der Umſtand, daß nach der Operation wegen eines aneurysma der Tod haͤuſig durch ein, in einem andern Koͤrpertheile entſtehendes aneurysma herbeigefuͤhrt werde, dafuͤr ſpreche, daß in ſolchen Faͤllen das ganze Arterienſyſtem eigenthuͤm— lich afficirt ſey; worauf Herr Stanley erwiderte, in einem der ihm vorgekommenen beiden Faͤlle ſey der Tod durch Marasmus, in dem andern durch ein aneurysma des Herzens herbeigeführt wor— den. (London medical Gazette, Jan. 1845.) Miscellen. Ueber die Anſchwellungen der Gervicalbrüfen bei Militaͤrperſonen fließt Dr. Amedée Follet eine ziemlich weitläufige Abhandlung mit folgenden Hauptpuncten: 1) die An⸗ ſchwellung der Gervicaldrüfen kommt bei'm Militär weit häufiger, als bei andern Ständen, vor; — 2) das Uebel befaͤllt fie in einer Lebens— epoche, in welcher die Scropheln nicht zu herrſchen pflegenz — 3) die Kranken bieten keine der Prädispofitionen dar, welche man bei ſcro— phuloͤſen Subjecten bemerkt; die verſchiedenſten Temperamente find ihr auf gleiche Weiſe ausgeſetzt; — 4) die Affection hat keines der Symptome einer ſcrophuloͤſen Krankheit, weder Krankheiten der Schleimhaͤute, noch der Knochen, noch der Tuberkeln in verſchie— denen Organen oder Geſchwuͤren u. ſ. w.; — 5) die Anſchwellung der Cervicaldruͤſen bei Militärperfonen iſt alſo eine rein örtliche Krankheit — wahrſcheinlich eine Entzuͤndung — und iſt weſentlich von der ſcrophuloͤſen Dyskraſie verſchieden; — 6) fie iſt nicht erb⸗ lich, entfteht nicht unter dem Einfluſſe ſchwaͤchender Umſtaͤnde, wie die Scropheln, und iſt nicht eine Ausartung des veneriſchen Gif— tes; — 7) fie entſteht in Folge einer örtlichen Urſache, und zwar, allem Anſcheine nach, durch zu enge anliegende Kleidungsſtuͤcke, na— mentlich Halsbinden, weßhalb alſo dieſer Theil der militaͤriſchen Klei— dung beſonders nothwendig einer Aenderung bedarf. (Gaz. méd. de Paris, No. 34. 1844.) Einen Fall von Verblutung, in Folge einer Perfo— ration der art. aortae durch einen falſchen Zahn, er: 726. XXXIII. 22. 352 zählt Dr. J. Duncan folgendermaaßen: Ein junger Mann ven zwei⸗ undzwanzig Jahren, welcher zwei Vorderzaͤhne durch fünftlihe er⸗ ſetzt hatte, vermißte dieſelben am 28. Febr. Morgens und klagte uͤber Schmerz und Beſchwerden bei'm Schlucken, welche nach eini⸗ gen Tagen wieder nachließen. Am 10. Maͤrz wurde der Kranke plotzlich ohnmaͤchtig, brach Blut aus und klagte über aroße Schwaͤche und Athembeſchwerden. Er brach noch einigemale Blut, und gleich mit demſelben auch die beiden falſchen Zaͤhne aus. Bald darauf wurde arterielles Blut ausgeworfen, und der Kranke verſchied rus hig. Bei der Section fand man Speiſeroͤhre, Magen und duode- num mit arteriellem Blute angefüllt, ungefähr 45“ von der rima glottidis entfernt, eine geſchwürige Perforation des vorderen Theiles der Speiſeroͤhre von 1“ L. und 3“ Br., ferner eine Yerforarion der aorta 3“ oberhalb des Urſprungs der linken a. subclavia, von dem Umfange eines dicken Gaͤnſekiels, von unregelmaͤßlger Geſtalt, n nach Außen umgeworfenen Raͤndern. Die Arterie war ſo (Aus the Northern Journal of Medicine in London Gaz., June 1844.) . * Einen Fall von Heilung eines Lupus faciei durch Leberthran theilte Dr. Gibert der Acad, de Med. in ihrer Sitzung am 22. October mit. Die Kranke war ein junges, ſero⸗ phulöfes Maͤdchen von 20 Jahren, deren Geſicht mit zerſtoͤrenden tuberculöfen Geſchwuren bedeckt war; der ganze fleiſchige und knor⸗ pelige Theil der Naſe war zerſtoͤrt. Außerdem waren ferophulöfe Abſceſſe am Halſe, caries des erſten Gliedes des rechten Daumens, ein tumor albus am rechten Handgelenke und, in Folge deſſelben, eine unvollſtaͤndige Luxation mit unvollſtaͤndiger Anchyloſe vorhan⸗ den. Jod, innerlich und aͤußerlich, und Aetzungen mit dem ſauren Queckſilbernitrat waren Jahre lang ohne Nutzen angewendet; da— gegen erfolgte voͤllige Heilung binnen eines Jahres durch die innere und äußere Anwendung des Leberthranes. (Gaz. méd. de Paris, Nr. 43. 1844.) Herausziehung eines Glaſes aus dem After. Ein Mann hatte ein großes Trinkglas in den Maſtdarm eingebracht; um daſſelbe berauszuziehen, erweiterte Dr. Clocquet den Af⸗ ter mit 6 Fingern, welche aber nicht ausreichten, worauf Dr. Maiſonneuve und Dr. Huguier ein Jeder noch 4 Fin⸗ ger hinzufuͤgten. Die 14 Finger erweiterten die Afteroͤffnung ſo weit, daß man das Glas ſehen konnte, mit dem Boden nach Oben, der Oeffnung nach Abwaͤrts gekehrt. Man hieß nun den Kranken, wie bei'm Stuhlgange, nach Unten zu drängen, und das Glas wur: de herausbefoͤrdert. (Aus Gaz. des Höpit. in Lancet, vol, 11. Nr. 2. 1844) ; Das Jodkali (jodure de potassium) wird von Herrn Mel— fen als ein Mittel angegeben, mittelſt deſſen man gewiſſe Metallvers giftungen verhuͤten oder heilen koͤnnen, wenn man das Jodkali an⸗ haltend in ſchwacher Dofis anwendet. Gibliographis che Les Animaux raisonnent. Examen philosophique de leur orga- nisation, de leurs moeurs et des faits les plus intéressants de leur histoire. Par Alfred de Nore. Paris 1845. 8. Die Verſteinerungen der Boͤhmiſchen Kreideformation, beſchrieben von Dr. Auguſt Em. Reuß ꝛc. (Brunnenarzte zu Bilin in Böhmen). Mit Abbildungen der neuen und weniger bekannten Arten, ge— Wenfgkheften. zeichnet von Joſeph Rubeſch. Erſte Abbildung mit dreizehn lithographirten Tafeln. Stuttg. 1845. 4. La médecine et la chirurgie populaire. Par un médecin de la faculte de Paris. Paris 1845. 12. Dictionnaire d’Hippiatrique et d'Equitation. Par F. Cardini. Paris 1845. 8. N e e rt Em al zu dem dreiunddreißigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. (Die Roͤmiſchen Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) A. Acephalocyſten. DCCXXIII. 303. Achromatiſche Fernroͤhre, von ſehr großem Durchmeſſer der Glaͤſer. DCCXIX. 233, Adams, über fungus cerebri. DCCVI. 41. Africa's Suͤdoſtſpitze, Geologie derſelben. DCCXXIII. 296. After, Herausziehung eines Glaſes aus dem— ſelben. DCCXXVI. 352. Aldridge, über das Auffinden von Eifen im Urine. DCCXXI. 267. Alkalien, organiſche, von Karl Gerhardt un: terſucht. DCC. 8. Allis, über den Flug der Voͤgel. DCCXXIII. 297. Alter, geeignetes, zum Heirathen fuͤr Frauen. DCC XII. 128. Americaniſche Schmetterlinge in England le⸗ bend gefunden. DCCXV. 170. Amputationen, Sterblichkeit nach denſelben. DCCx. 91. 93. Anencephalus, mit umgekehrter Lage der Geſichts- und Schädeltheile. DC CX. 81. Aneurysma art. popliteae, durch Arteriens druck oberhalb behandelt. DCCXV. 169, Aneurysma art. popliteae, durch Zuſam⸗ mendruͤckung der a. femoralis geheilt. DCCXXVI. 347. Aneurysma, falſches, an der arteria subsca- pularis. DCC I. 109. Aneurysma, vielfaͤcheriges, an der basis ce- rebri. DCCXII. 128. Aneurysma dissecans der aorta, innominata und carotis dextra. DCCXVIII. 222, Anneliden, Entwickelung derſ. DCCXXI. 257. DCCXxXII. 273. DCCXXIII. 289. Aphoria, oder Unfruchtbarkeit. DCCXVI. 188. Apoplectiſche Ablagerungen, Vernarbung der— ſelben. DCCAIII. 137. Apoplexie nach Pneumonie. DCC XXV. 335. Apparat, pneumatiſcher, zur Abſchaͤtzung der Stärke der Reſpiration. DCCXVIII. 209. Arſenige Saͤure in ihren Wirkungen auf die Pflanzen. DCCXVI. 185. Arteria subscapularis, falſches aneurysma derſelben. DCCxI. 109. Arterien⸗unterbindung, Sterblichkeit nach derſelben. DCC. 93. Arteſiſcher Brunnen, merkwuͤrdige Erſchei⸗ nungen bei Anlegung deſſelben. PCC VII. 41. Aſphyxie, durch Erhaͤngen hervorgebracht, mit Blutentziehung behandelt. DCC XXV. 329. Astragalus, Luxationen deſſelben, anatomiſch⸗ chirurg. Beobachtung darüber. DCCIX. ZI Astragalus, mit den unteren Enden der ti- bia und fibula nach Innen luxirt. DCCAII. 125. Astragalus, Verrenkung deſſelben nach In⸗ nen. DCCXXV. 332. Atropin, als Subſtitut der Belladonna. DCCVI. 32. Augenkammer, vordere, mit einer Cyſte. DCCAIV, 155. Auriſcop, prismatiſches. DCCV. 1. B. Bain, über geologiſche Gegenſtaͤnde der Suͤd⸗ oſtſpitze Africa’s. DCCXXIII. 296. Balſa-Holz. DCC. 90. Barbeneier, Vergiftung von fuͤnf Perſonen veranlaſſend CC. 15. Bauch- und Kaiſerſchnitt, Sterblichkeit bei demſelben. DCC. 9. Behn, über die Erhaltung der Leichen zu: naͤchſt zu anatomiſchen Zwecken. DCCXI. 97. Berg, die Schwaͤmmchen in mikroſkopiſcher Hinſicht. DCC Xl. 99. Bergketten, Richtung derſelben in Beziehung zu der Geſtalt der Feſtlaͤnder. DCCXXIII. 293. Bericht der Commiſſion der Academie uͤber die Denkſchrift des Herrn v. Quatrefages, die Organiſation der wirbelloſen Thiere an der Kuͤſte des Canals la Manche be⸗ treffend. DCCXXV. 321. DOGXXVI. 337. Bernard, uͤber den Einfluß der Nerven des achten Paares auf die chemiſchen Erſchei— nungen der Verdauung. DCCXXIV. 311. Blandet, uͤber die Kupferkolik und die Ein⸗ wirkung des Zinks in den Kupferſchmelz— bütten auf den menſchlichen Organismus. DCCXV, 171. Blafen = Group, 236. Blufenpflafter, verſchlucktes. DECXVII. 208. Blaſenſcheidenfiſtel, geägt mit Lufteinblafen- DCCXXII, 288. Blutgerinnſel, früh organifirt bei gewiſſen Zuſtaͤnden des Organismus. DCCVIII. 63. Bourgery, über das verhaͤltnißmaͤßige Ge: wicht der verſchiedenen Organe des Ner— venſyſtems bei Menſchen und einigen Saͤu⸗ gethieren. DCCXXV. 335. DCCXXVI, 338. Boyd, über die verhaͤltnißmaͤßige Häufigkeit der Lungentuberkeln in Bezug auf Ge— ſchlecht, Körpergröße und Gewicht. DCCXXVI. 338. Brame, uͤber die Einwirkung des mit Can⸗ thariden verſetzten Weineſſigs. DCCXXII. primitiver. DCCXXII. . Brightii morbus, Urſachen deſſelben. DCC. 16. Bruͤche der Wirbelknochen. DCC XI. 109. Bruchoperationen, Sterblichkeit bei denſelben. DCC. 95. Bruſtbein, Entwickelung der Knochenpuncte deſſelben. DCC. 84. * 354 Bruſtgeſchwuͤlſte, DCC VII. 46. Bruſtkaſten, Paracenteſe deſſelben. DCC VIII. 60. fibroͤſe und krebshafte. Bruſtwarze, uͤberzaͤhlige, auf der rechten Bruſt. DCCl. 112. C. Calvert und Ferrand, uͤber die Vegetation vom chemiſchen Standpuncte aus betrach— tet. DCCAIX. 225. DUECAX, 246. Cancer mammae. DCCXX. 256. Carnochan, uͤber die angeborne Verrenkung (des Schenkelkopfes auf das Huüftbein. DCCxII. 121. Catheteriſationsweiſe, um ſie ſelbſt in den ſchwierigſten Fallen auszufuhren. DCCAIV. 153. Catheteriſirung, Gefahren derſ. DCCXXIII. 301. Cellenartige Epcons ein, Motte. DCC XXIII. 298. Cercarien⸗Saͤcke, merkwuͤrdige. 57. Cerebri fungus. DCCVII. 41, Cervicaldruͤſen, Anſchwellungen bei den Mi: litaͤrperſonen. DCCXXVI. 351. Chaſſaignac, über die Gefahren der Einfuͤh— rung eines Gatheters in die Harnroͤhre, DCCXXIII. 301. Chriſtie, uͤber einen Fall von Mordwahnſinn. DCCXXII. 284. Chylusfuͤhrende Gefäße und Venen, über die Functionen derſelben. DCCXXI. 264. Ciniſelli, uͤber einen Fall von bedeutender Kopfverletzung mit Zerreißung des vordern Hirnlappens 2c., Tod nach 5 Monaten. DLCCVI. 25. Circulation bei den Mollusken. DCCXXIIL, 295. Coenurus und Acephalocpſten. DCCXXIII, 303. Compreſſion der a. femoralis, die Heilung der arteria poplitea bewirkend. DCCGCXXVI. 847. Cruſtaceen, Wiebererfag verloren gehender Theile bei denſelben. DCCV. 8 Cyanoſe, angeborene, bei einem zwanzigjaͤh⸗ rigen Manne. DCGXXIV. 348, Cyſte in der vorderen Augenkammer. DCCXIV. 155. DCGVII. D. Dalrymple, uͤber die fruͤhe Organiſation der Blutgexinnſel und gemiſchter faſerſtoffiger Erguͤſſe bei gewiſſen Zuſtaͤnden des Orga: nismus. DCCVIII. 63. Dalrymple, uͤber eine Cyſte in der vordern Augenkammer. DCCXIV. 155. Danyan, über zwei Fälle von großen Ger ſchwuͤlſten an der Foralfläche der placen» ta. DCCXVI. 189, eg ieee Descensus testiculorum, Nachtheil des ver» ſpaͤteten. DCCXXV. 336. Dicynodon, foſſiler Reptilienreſt aus der ſuͤd— lichen Spitze von Africa. CCXVII. 282. DCC XXIII. 296. Diez, merkwuͤrdiger Anencephalus mit ums gekehrter Lage der Geſichts- und Scha— deltheile. DUCK, 81. Dislocationen bei Fracturen. DCC II. 45. Dislocation des carpus nach Hinten. DCC XVIII. 224, Donné, über die Milch vom oͤkonomiſchen und fanitäts polizeilichen Standpuncte. CCXXIII. 297. Dracunculus, aus dem Auge gezogen. DCC. 176. Duodenum, Verſchwaͤrung deſſelben in Folge von Verbrennung der Brust. DECALU. 144. Durand⸗Fardel, uͤber die Vernarbung apo— plectiſcher Ablagerungen im Gehirne. DCCAIII. 137. E. Ehrenberg, über die das Seeſalz färbenden Organismen. DCCVII. 42. Eierſtockscyſten eritirpirt. DCC VII. 44. Eierſtockswaſſerſucht. DCECVI. 27. Einklemmung, innere, einer Dunndarm— ſchlinge im Meſenterium. DCCXXIII. 144. Einſtuͤlpung des uterus, durch die Unterbindung vollftändig exſtirpirt. DCC XVI. 191. Eiſen im Urine. DCC XXI. 267. Eisvogel, Neſt deſſelben. DCCXVIII. 212. Empyem, durch Paracenteſe mittelſt des Troikars geheilt. DCCIX. 76, Entbindung durch Ovarialgeſchwulſt ge: hemmt. DCC VI. 28. Enterotomie, bei innerer Incarceration des Duͤnndarms. DCC. 7. Entzündungen bei kaltbluͤtigen Thieren eben: falls vorkommend. DCCXXIV. 520. Entzündung der basis cerebri, nach Erwei⸗ chung und Formveraͤnderung des linken Sehnerven. DCC XXIII. 504. Epilepſie, Heilung derſelben in drei Fällen. DCCXxXxII. 287. Epiphyten auf Weichſelzoͤpfen. DCCXX. 248. Eſſelmann, vollſtaͤndige Erflirpatign der Ger bärmutter durch die Unterbindung beüchro— niſcher Einſtuͤlpung derſelben. DOCAVI. 191. Exſtirpation von Eierſteckscyſten. DCCVII. 44. Exſtirpation zweier Eierſtocksgeſchwuͤlſte in eiger Operation. DCC AIX. 240. F. Fabrizi, Anwendung der Tenotomie auf die chirurgiſche Behandlung alter Muskelge⸗ ſchwüre. DCGXII. 206. Faraday, uͤber die Fähigkeit der Gaſe, die tropfbarfluſſige und feſte Geſtalt anzuneh⸗ men. DCCXXIII. 292. Featherſtonhaugh, über das Auswuͤhlen der Amerikaniſchen Flußbetten durch Waſſer— faͤlle. DCCAVIII. 214. Ferrum citricum in Solution oder Aqua chalybeata. DCCXVI. 187. Ferrum sulphuricum, in Verbindung mit einem kohlenſauren Alkali, als Gegenmit— tel der Blauſaͤure. DCCXIV. 160. Feſtlaͤnder, Geſtalt derſelben in Beziehung auf die Richtung der Bergketten. DCCAXIII. 293. Fertſteff. DCCxXVI. 337. Fiſche, aalartige, und deren anatomiſche Vers ſchiedenheit. DCCXXI. 266. Fiſche eines Fluſſes vergiftet. DCCVI. 24. Fiſche, einige giftige, der Nordſee. DCCXIX. 239. Fiſche, Kakerlaken unter denſelben. DCCXIV, 153. Fluor albus durch Jodtinctur behandelt. DCCXV. 176. DCCXXVI. 345, Flußbetten in Amerika, uͤber das Auswuͤhlen derſelben durch Waſſerfaͤlle. PCCXVIII. 214. Fontanellen und Naͤthe der Kopfknochen verwachſen, welche ſich nach der Geburt öffnen. DGCCXXIV. 316. Forget, cliniſche Unterſuchungen uͤber die Herzkrankheiten. DCCARXI. 265. Fracturen mit Dislecationen. DCCVII. 45. Fröſche, lebend im Innern von Geſteinen ge— funden. DCCXXV. 329, G. Gaͤdechens, Heilung eines Empyems durch Pa— racenteſe mittelſt des Troikar's. DECIX 76. Galen's Anatomie mit fuͤnf verloren ge⸗ glaubten Buchern. DCCXVII. 208. Gallertartiger Krebs. DCCXIV. 150. Ganglion arytaenoideum. DCCXI. 106. Gaſe, Faͤhigkeit derſelben, die tropfbarfluͤſſige und feſte Geſtalt anzunehmen. DGCCXXIII. 292: Gefaͤßreiche Geſchwulſt, einem aneurysma aͤh⸗ nelnd, wegen welcher die a, carotis untere bunden wurde, DCCXX, 247. Gehirnbaſis, Erweichung derſ. DCCXXIII. 304. Gelenke, während der Dauer eines acuten Rheumatismus unterfuht, DCCXXIV. 3.0. Ge ey, Section einer unvollſtaͤndigen Luxation des Vorderarms nach Hinten. DCCXXIII. 302. Geologie des Britiſchen Guiana. DCCXXII. 282. Geologiſche Beſchaffenheit des Vorgebirges der guten Hoffnung. DCC XII. 113. Geologiſche Bodenbildung auf Krankheits⸗ Specialuäten influirend. DCCGXXVI. 346 Geſichtskrebs. DCCKI. 105. Gewicht und Statur der Bewohner Belgien's, Frankreich's und England's. DCCXXII. 282. Gheel (die Irrencolonie) betreffend. DCC XX. 255 Giovanni, Fälle von umſchriebenem Marks ſchwamm im Innern der Knochen. DCCXVII. 201. Giraffe, durch Gurlt zergliedert. DCCVI. 24. Giraffe in Frankreich. DCC XII. 122. Glaucophan. DCCXIX. 234. Gloſſotomie bei Hypertrophie und Vorfall der Zunge. DCCX. 95, Grapin, über eine Lungenfiltel, als Folge ſcrophuloͤſer Necroſe. DCCVI. 30. Graves, uͤber die Anwendung des Tartarus emeticus mit Opium im Typhusſieber. DCCXVIII. 320. Greatrex und Robinſon, über aneurysma ar- teriae popliteae, durch Comprimirung der a. femoralis geheilt. DCCXXVI. 347. Guano, Thierreſte darin gefunden. DCCXXxIV. 314. Gulliver, uͤber den Nutzen der Nebennieren und über den Fettſtoff. DCCXXVI. 337. Hall, über die Behandlung der Lepra vul- garis. DCCXIV. 156. Hall, Dr. Marſhal, über Aphoria oder Un⸗ fruchtbarkeit. DCCXVI. 188. Haͤmerrhoiden und ihre Behandlung. DCCIX. 77. Hamilton, uͤber die Exciſion der verdunkel⸗ ten Hornhaut. CCX I. 185. Hancock, Henry, uͤber die Verrenkung des astragalus mit den unteren Enden der ti- bia und fibula nach Innen. DCCAIT, 125. DCCXXV. 332. Harnkrankbeiten, durch mikroſcopiſche Unter⸗ ſuchung, den Niederſchlag leichter zu dia⸗ gnoſticiren. DCCXX. 252. Harnſtoff, falpererfaurer, als diureticum. DCC XXII. 288. Harnwege, Krankheiten derſelben, durch traus matiſche Verletzung des Ruͤckenmarks ins fluirt. DCCXIV. 158. Hawkins, Caͤſ., Fall von O fification der Muskeln. DCC VIII. 58. Hawkins, über Zungenkrebs und dieſem ähn⸗ liche Uebel. DCCX. 89. Hawkins, Fall von Geſichtskrebs. DCC XI. 105. Headland, über einen Fall von Ovarialge⸗ ſchwulſt als Hemmung der Entbindung. DCC. 28. Heaton, uͤber Entzuͤndung und Brand der Lungen, in Folge einer Opiumvergiftung. DCCxxIII. 300. K e ig te Heming, über prolapsus uteri und feine Diagnoſe. DCCIX. 78. Henuake, Beſchreibung der Coralleninſel d. N., einer der Rurickinſeln. DCCAIV. 159. Hornhaut, Verdunkelung durch Exciſion zu beſeitigen. DCCXVI. 185. Hornhautſtaphylom, centrales, und Horn— hautleukome, operirt. DC CXXI. 269. Hornhaut verdunkelung durch Exciſion zu be— feitigen. VCCXVI. 185. Hughes und Cock, uͤber Paracentesis tho- racis. DCCVIII. 60. Hund, eine Art von Selbſtmord eines ſol— chen. DCCXIV. 153. Hutchiſon, pneumatiſcher Apparat zur Ab— ſchatzung der Starke der Reſpiration. IDCCXVIII. 209. Hydrocele, neue Operationsmethode zur Ra⸗ dicalcur derſ. DCCXV. 175. 3: Jeffreys, über die Wirkungen von Matico als stypticum und adstringens. DCCXXII. 286 Infuſorien im Magen der friſchen Auſtern. DCCX VI. 186. Innere Incarceration des Duͤnndarms durch Enterotomie beſeitigt. DCC V. 7. Intercoſtalraͤume. DCCV. 14. Jobert (de Lamballe), von der Wiederher— ſtelung der Nerventhatigkeit in den zur Bildung kuͤnſtlicher Koͤrpertheile verwen⸗ deten Fleiſchlappen. DCCXIX. 233. Jodkoli geg. Metallvergiftungen. DCCXXVI. 352. Jodtinctur gegen weißen Fluß. DCCXXVI. 345. Stier, über die geologiſche Beſchaffenheit des Vorgebirges der guten Hoffnung. DUCKII, 113. Jukes, aneurysmatiſche Geſchwulſt am obe: ren Theile des linken Armes (aneurysma art. subscapularis diſfusum). DCC I. 109. K. Kaiſerſchnitt, Sterblichkeit bei demſelben. DCGCX. 95 Kerr, Dr., Fall einer ungewöhnlich gefaͤßrei⸗ chen Geſchwulſt, einem aneurysına äbnelnd, wegen welcher die carotis unterbunden wurde. DCCXX. 247. King, uͤber die fortſchreitende Entwickelung der Knochenpuncte der Wirbel- und des Bruſtbeins, ſowie über Bildung und Be: feſtigung der Epiphyſen. DCCX. 84. Kiwiſch, uͤber einen Fall von primitivem Blaſencroup. DCCXXII. 286. Kniekehlaneurysma, neueſte Vervollkomm— nung der Behandlung deſſelben. DCCXIV. 169. Knochenpuncte der Wirbel und des Bruſt⸗ beins, fortſchreitende Entwickelung derſ. DCC. 84. 355 Knorpel, Structur und Beſchaffenheit des innerſten Gewebes derſelben. DUCKIV. 145. Koͤrperuͤbung eigener Art. DCCXX. 248. Kohle, welche ſich wegen des mannbaren und des Greiſenalters in der menſchlichen Lunge bildet. DCCXIII. 138. Kopfverletzung, bedeutende, mit Zerreißung des vorderen Hirnlappens: Tod nad) fünf Monaten. DCCVI. 25 Krabben, einige giftige, DCCXIX. 239. Krebs, gallertartiger, ein Praͤparat davon. DCCXIV. 160 Kryptogamiſche Pflanze, bei'm Pneumatho— rar gefunden. DCC VIII. 64. Kuͤnſtliches Licht, in Beziehung auf Oeco— nomie und Erhaltung des Sehvermoͤgens. DCCVIII, 64. Kupfercolik und Einwirkung des Zinks in den Kupferſchmelzhuͤtten auf den menſchli— chen Organismus. DCCXV. 171. 55 Lacroix, uͤber Dislocationen bei Fracturen. DCCvII. 45. Laveran und Millon, uͤber die Umwandlung der Medicamente im Organismus. DCCV. 10. Leichen zu anatomiſchen Zwecken zu erhalten. LCCKI. 97. Lepra vulgaris, DLCCXIV, 156. Lewy, über chemiſche Zuſammenſetzung wachgs artiger Subſtanz. DCCVII. 56. Libellula, uͤber hundert Meilen vom Ufer entfernt, uͤber dem Atlantiſchen Meere fliegend. DCCXXII. 282. Lisfranc, über Hämorrhoiden und ihre Bez hand rung. DCCIX. 77. J Lithektaſie. DCCIX. 74. Lithonthriptor, von Arthault. DCCXXIII. 304. Löwenhardt, über einen Fall, wo ſich die verwachſenen Fontanellen und Naͤthe der Kopfknochen eines Kindes nach der Ge— burt öffneten. DCCX AIV. 316. Loͤwenhardt, über eine angeborne Cyanoſe bei einem zwanzigjaͤhrigen Manne. DCCAAIV. 318. in der Nordſee. Behandlung derſelben. Loris, neugeborener. DCCXXIV. 314. Luftröhre, roͤhrenfoͤrmiger Auswurf derſel— ben bei Erwachſenen. DUCATI. 103. Lungen Structur derſelben und einige Krank: heiten derſ. DCCXXIV. 313. Lungenentzuͤndung kleiner Kinder. DCC VI. 31. Lungenentzuͤndung und Brand, in Folge ei⸗ ner Opiumvergiftung. DCCXXIII. 300. Lungenſiſtel, in Folge ſcrophuloͤſer Nekroſe. DCCVI. 30. Lungenſchwindſucht, chirurgiſche Behandlung derſ. DCCxIII. 143. 356 Lungentuberkeln, Häufigkeit derſelben, in Be: zug auf Körpergröße, Geſchlecht und Ger wicht. DCCXXV. 334. Lupus faciei, durch Leberthran geheilt. DDCXXVI, 352. Luxation des astragalus mit den unteren Enden der tibia und fibula nach Innen. DCCxII. 125. Luxation des Schenkelbeinkopfes auf das Huͤftbein, angeborene. DPCCXII. 121. Luxation, unvollſtaͤndige, des Vorderarms nach Hinten. DCCXXIII. 302. Luxationen des astragalus. DCCIX. 73. Lymphgefäße, Functionen derſ. DCCXIII. 129. Lyon, über Bruͤche d. Wirbelknochen. DECKT. 109. M. Maiſonneuve, uͤber Enterotomie, bei Incar⸗ ceration des Duͤnndarms. DCCV, 7. Maiſonneuve, über ein einfaches und ſiche⸗ res Mittel, die Catheteriſation ſelbſt in den ſchwierigſten Fällen auszuführen. DCC XIV. 153. Malgaigne, uͤber den Mißbrauch und die Gefahr der Sehnen- und Muskeldurchſchnei— dung. DCCXVII. 204. Mareograph. DCCIX. 73. Markſchwamm im Innern der Knochen. DCCXVII. 201. Matico als stypticum und adstringens. DCCXAII. 285. Medicamente, Umwandlung derſelben im Or— ganismus. DCC. 10. Menſchenſpecies, die, in ihren Beziehungen mit der umgebenden Außenwelt. DCCXV. 161. DCCXVI. 177. DCCVII. 193. DCC XVIII. 209. Meſſung der Höhle des uterus, als ein Mit: tel der Diagnoſe. DCCXV. 174. Milch, vom dconomiſchen und ſanitäts-poli⸗ zeilichen Standpuncte. DCCXXIII. 297. Milchapparat bei Galeopithecus. DCGCXXV. 830. Millon und Laveran, uͤber Umwandlung der Medicamente im Organismus. DCCV. 10. Milne⸗Edwards, Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Anneliden, angeſtellt an den Küften Sicilien's. DCCXXI. 257. DCCXXII. 273. DGGX XIII. 289. Milz, Exciſion derſ. DCCXVII. 202. Moͤven, Sagacitaͤt der DCCXI. 106. Mollusken, Circulation bei denſelben. DCC XXIII. 295. Monas Okenii. DCCX. 88. Mordwahnſinn. DCCXXII. 284. Muskelgeſchwuͤre, veraltete, durch Tenoto⸗ mie chirurgiſch behandelt. DCCXVII. 206. Muskeln, Oſſification derſelben. DCCVIII. 58. Mutterkranz, alter, ein vermeintliches car- cinoma uteri. DCCXII. 127. R e g i ſt e K. N. Nahrungsmittel und Diät. DCCXIX. 236. Narben, eigenthuͤmliche Ulcerationen derſelb. DCCXXII. 281. Naturforſcher -Congreß 1845 zu Neapel. DCC XVIII. 216. Nebennieren, Nutzen derſelben. DCCXXVI. 337. Necroſe, ſcrophuloͤſer Art, Lungenſiſtel ver: anlaffend, DCCVI. 30. Nekrolog: v. Berres. DCC VI. 24. — Otto. DCCVIl. 42. — Mikan. DCCVIII. 58. — Weigel DCCIX. 80. — Thilorier. DCCX. 90. — Fr. Wolff. DECAL. 122. — H. Steffens. DCCXIV. 154. — Ribes. DCCXVI. 192. Daniell. DCCXXI. 266. — Ollivier (d' Angers). DCCXXII. 288. Nerven des achten Paares, in ihrem Ein— fluſſe auf die chemiſchen Erſcheinungen der Verdauung. DCCXAIV. 311. Nervenſyſtem bei Menſchen und Saͤugethie— ren. DCCXXV. 335. Nervenſyſtem, verhaͤltnißmaͤßiges Gewicht der Organe deſſelben. DCCXXV 335. Nervenſyſtems-Organe, das verhaͤltnißmaͤßige Gewicht derſ. bei Menſchen und einigen Saͤugethieren. DOCXXVI. 338. Nerventhaͤtigkeit, Natur derſ. DCCVI. 17. DCCVII. 33. DCCVIII. 49. DCCIX. 65. Nerventhaͤtigkeit, Wiederherſtellung derſelben in den zur Bildung kuͤnſtlicher Korpertheile verwendeten Fleiſchlappen. DCC XIX. 233. Neſt des Eisvogels. DCCXVIII. 212. Neugebornes Kind, ſehr großes. DCCXXIV. 320. Newport, uͤber die Reproductionskraft, ver— möge welcher bei Taufendfüßen und andern Inſecten verlörengegangene Glieder wies dererzeugt werden. DCCXVIII. 2I1. O. Operationen, Sterblichkeit nach denſelben. DCC. 91. Operationen an der Zungenwurzel, Verfahrungsweiſe. DCCAIV. 159. Opiumvergiftung, von Entzuͤndung und Brand der Lungen gefolgt. PCCXXIII. 300. Organe des Nervenſyſtems, das verhaͤltniß— maͤßige Gewicht derſ. bei Menſchen und einigen Saͤugethieren. DCCXXV. 335. IDCCXXVI. 338. Oſſification der Muskeln. DCCVIII. 58. Ovarialgeſchwulſt als Hemmung der Ent: bindung. DCCVI. 28. Ozon, Marignac's Verſuche uͤber dieſen von Schoͤnbein entdeckten Stoff. DCCXXVI. 346. P. Paracentesis thoracis. DCC VIII. 60. Paracentesis thoracis , bei Empyem. DCCIX. 76. neue Paracentesis thoracis, Snow's neues In⸗ ſtrument dazu. DCCIX. 80. Paralyſe der Extremitaͤten, aus Druck von aus der Vertebralſubſtanz hervorgewach— ſenen fibröfen Koͤrpern auf das Ruͤcken⸗ mark. DCCXVI. 192. Pathologiſche Praͤparate zu DCC XIX. 240. Payen, uͤber die Entwickelung der Pflanzen. DCCxxXxIV. 305. Pereira, uͤber Nahrungsmittel und Diaͤt, mit Bemerkungen über das für Stoͤrun⸗ gen in den Verdauungsorganen geeignete diaͤtetiſche Regimen ꝛc. DCCXIX. 236. Van Peterſen's kuͤnſtlicher Arm. DCCXVI. 192. Pflanzen, Entwickelung derſelb. DCCXXIV. 305. Pflanzen, Wirkung der arſenigen Saͤure auf jene. DCCXVI. 185. Pflanzenernaͤhrung, Verſuche von Schultz über dieſelbe, gegen Bouſſingault vertheis digt. DECVI., 39. Phlegmasia alba dolens DCCV. 12. Phosphat » Blafenfteine durch Injection von Bleiſolution in die Harnblaſe zu zerſetzen. DCCXVIII. 224. Piſſis uͤber die Beziehungen zwiſchen der Geſtalt der Feftländer und der Richtung der Bergketten. DCCXXIII. 293. Placenta, Geſchwuͤlſte an der Foͤtalflaͤche der- ſelben. DCCXVI. 189. Porter's neue Operationsmethode zur Ra⸗ dicalcur der hydrocele. DCCXV. 175. Prisma, reflectirendes, von Dr. Warden. DCCV. 1. Prolapsus uteri und deſſen Diagnoſe. DCCIX, Prowſe, uͤber fibroͤſe und krebshafte Ge— ſchwuͤlſte der Bruſt. DCCVII. 46. Pupille, Anlegung einer kuͤnſtlichen, im obe— ren Augenlide (). DCCXXI. 271. Q. Quatrefages, über die Organiſation wirbel— loſer Thiere. DC CXXV. 321. DCCGXXVI. 337. erhalten. bei'im Manne. 1 Ranque, neue Behandlungsweiſe der typho— fen Fieber. DCC. 13. Reade, uͤber Thierreſte aus der Kreidefor— mation, wie ſie ſich im Magen der Auſter lebend finden. DCCXVII. 201. Reid, Jam., Auswurf von roͤhrenfoͤrmigen Gebilden der Luftroͤhre bei Erwachſenen. DCI. 103. Reproductionen verlorengegangener Glieder bei Tauſendfuͤßen und andern Inſecten. DCCXVIII. 211. Reſpiration, die Staͤrke derſelben durch ei⸗ nen pneumatiſchen Apparat abgeſchaͤtzt. DCCGXVIII. 209. Ribes, Betrachtungen über die Beziehungen der Menſchenſpecies zu der dieſelbe ums gebenden Außenwelt. DCCXV. 161. DCCXVI. 177. DCC VII. 193. DCG XVIII 209. Rinderpeſt, typhus abdominalis. DC CV. 16. Rochoux, uͤber die Structur der Lungen und einige Krankheiten derſelben. DCCXXIV. 314. Roſe, über Coenurus und Acephalocyiten. DCCXXIII. 303. Ruͤckenmarksverletzungen, traumatiſche, und deren Einfluß auf die Krankheiten der Harnwege. DCCXIV. 158. S. Sars, uͤber die Entwickelung der Seeſterne. DCCXXI, 263. Saͤugethiere, einige, des weſtlichen Auſtra⸗ liens. DCCXX. 241. Schenkelbeinkopf, angeborene Luxation deſſel⸗ ben auf das Huͤftbein. DCCXII. 121. Schultz's Verſuche über Pflanzenernährung gegen Bouſſingault vertheidigt. DCCVII. 39. Schwaͤmmchen in mikroſcopiſch anatomiſcher Hinſicht. DCCxXI. 99. Scorpionen in Dalmatien. DCCXXIV. 314. Sedillot's Verfahrungsweiſe bei Operationen an der Zungenwurzel. DCCXIV. 159. Seeſalz faͤrbende Organismen. DCCVII. 42. as Entwickelung derſelben.DCCXXI. 263 Segalas, über den Einfluß traumatifcher Verletzungen des Ruͤckenmarkes auf die Krankheiten der Harnwege. DCCXIV. 158. Sehnen: und Muskeldurchſchneidungen, Miß⸗ brauch und Gefahr derſelben. DCCXVII. 204. Simpſon, uͤber Meſſung der Hoͤhle des Uterus, als ein Mittel der Diagnoſe. DCCXV. 174. Solutio ferri eitrici oder Aqua chalybeata. DCCXVI, 187. Smith, uͤber eigenthuͤmliche Ulcerationen von Narben. DCCXXII. 281. Stark, Jams, über die Natur der Nerven: thaͤtigkeit DCC VI. 17. DCCVII. 33. Starrkrampf, merkwuͤrdiger Fall. DCCXVII. 207. Van⸗Steenkiſte uͤber zeitweiſe Application der Jodtinctur gegen weißen Fluß. DCCXXVI, 345. Steinberg, Operation des centralen Horn— hautſtaphyloms und der Hornhautleukome. DCCXxXI. 269. Steinſchnitt, Sterblichkeit bei demſelben. DCCx. 93. Sterblichkeit nach Operationen. DCCX. 91. Stokes, uͤber einen Fall von phlegma alba dolens bei'm Manne. DCCV. 12. ee Strychnin, Reagens auf ſelbiges. DCCIX, 80. r. Syphilis, neue Fortſchritte in Betreff der Diagnoſe u. Behandlung derſ. DCCXVIII. 215. Syphilis, durch hydriodinſaures Kali bes handelt. DCCXVIII. 219. SI Taubſtumme. DCCIX. 72. Tauſendfuͤße, Reproduction verlorengegans gener Glieder bei denſelben. DCCXVIII. 211. Tenotomie auf chirurgiſche Behandlung alter Muskelgeſchwuͤre angewendet. DCCXVII. 206. Tetanus rheumaticus durch Chininum sul- phuricum geheilt. DCCXI. 112. Thieriſche und vegetabiliſche Fäden in geweb⸗ ten Stoffen einfach zu unterſcheiden. DCCXV, 170. Todd, Fall von aneurysma dissecans der aorta, innominata und carotis dextra. DCCxVIII. 222. Turner, Th., anatomiſch⸗chirurgiſche We: obachtungen über Luxationen des astraga- lus. DCCIX. 73. Typhoſe Fieber, neue derſelben. DCC. 13. Typhusfieber durch Tartarus emeticus mit Opium behandelt. DCCXVIII. 220. U. Ulcerationen von Narben. DCCXXII. 281. Unterbindung der a. zubclavia und carotis. DCC XXI. 272. Urin, Eiſen in demſelben aufgefunden. DGC XXI. 267. Uteri prolapsus und feine Diagnofe. DCCIX. 78. Behandlungsweiſe Uterus, Meſſung der Hoͤhle deſſelben, als Mittel der Diagnofe. DCCXV. 174. Uterus durch Unterbindung vollſtaͤndig exſtir⸗ pirt, bei chroniſcher Einſtuͤlpung deſſelben. DCCXVI. 191. Uterus, Melanoſe deſſelben. 223. DCeC XVIII. V. Vaccina und variola, gleichzeitige Entwicke— lung und Modificationen derſ. DCCVII. 47. Vaccine, Bericht über dieſelbe in der Acade⸗ mie der Wiſſenſchaften in Paris. DCCXXI. 272. Valenciennes, Unterſuchungen über die Etrucz tur und Beſchaffenheit des innerſten Ges webes der Knorpel. DCCXIV. 145. Varicocele, Reynaud 's Operationsme⸗ thode bei derſelben. DCCX. 96. Vegetabiliſche und thieriſche Faͤden in ge⸗ webten Stoffen zu unterſcheiden. DCCXV. 170. 357 Vegetation vom chemiſchen Standpuncte aus betrachtet. DCCXIX. 225. DCCXX. 246. Vegetation im Ruſſiſchen Reiche, Locals Floren. DCCXxII. 122. Venen, Lufteintritt in dieſelben bei einem Abſceſſe hinter dem lar n. DCCVII. 48. Veratrin in Salbenform. DCCVI. 32. Verblutung, in Folge einer Perforation der aurta durch einen falſchen Zahn. DCCXXVI. 351. Verdauung, die chemiſchen Erſcheinungen derſelben von den Nerven des achten Paa⸗ res influirt. DCCXXIV. 311. Verga, uͤber eine Vergiftung von fuͤnf Per⸗ ſonen durch Barbeneier. DCC. 15. Vergiftung durch Barbeneier. DCCV. 15. Vernarbung apoplektiſcher Ablagerungen im Gehirne. DCC XIII. 137, Vögel, einige, des weſtlichen Auſtralien's. DCCXX. 244. Vögel, Flug derſelben. DCCXXIII. 297. Vorderarm, unvollſtaͤndige Luxation deſſelben nach Hinten. DCCXXIII. 302. Vorgebirge der guten Hoffnung, geologiſche Beſchaffenheit deſſelben. DCC XII. 113. Vulcan, neuausgebrochener am Caspiſchen Meere, DCCXVIII. 216. W. Wachsartige Subſtanzen, chemiſch unterſucht. DeCVIII. 56. Walſiſch, naturgeſchichtliche DCCXxVIII. 216. Warden's reflectirendes Prisma oder priss matiſches Auriſcop. DCCV. 1. Waſſerfaͤlle in America, die Flußbetten aufs wuͤhlend. DCCXVIII. 216. Weineſſig, mit Canthariden verſetzt, Einwir⸗ kung deſſelben. DCCXXII. 283. Wilkins, über einen Fall von Eierſtockswaſ— ſerſucht. DCCVI. 27. Willis, uͤber die Functionen der Lymphge— faße. DCCXIM. 129. Wirbelbeine, Entwickelung der Knochenpunc— te derſelben. DCCX. 84. Wirbelknochen, Beuͤche derſelben. DCCXI. 109. Witterungsverhaͤltniſſe von Irkutsk. DCCIX. 72. Wright, uͤber einen Fall von Lithektaſie. DCCIX, 74. Nachweiſung. 3. Zungenkrebs und dieſem aͤhnliche Uebel. DCC. 89. Zwillingsſchweſtern, an der Seite des Unter⸗ leibes zuſammengewachſen. DCCXIII. 138. 858 A. d’Amador. DCCXIX. 239. Ansted. DCCXX. 255. Ashwell, S. DCCxI. 111. Auber. DCCVIII. 64. B. Barneoud. F. M. DCC XIV. 159. Barrier, F. DCCXXII. 288. Baudet-Dulary. DCC X. 95. Becquerel, A. DCCXVI. 192. Bell, Charl. DCCVII. 48. Belouino, P DCCIX. 79. Bobierre, Adolphe. DCC XVI. 192. Bondick-Bastianse. DCC XV. 175. Bonhut, E, DECKII. 128. Bonnet, A. DCC XXII. 288. Borsa, G. Bresciani de. DCCV. 16. Bouchardat. DCC X. 96. Bouchet, C. DCC XXIII. 304. Bouchut, B. DCCVI. 32. Boudin, J. Ch. M. DCCXXI. 271. Bourdon, Isidore. DCCXV. 176. Briere de Boismont. DCCXII. 127. C. Candolle, Alph. de. DCCVI. 31. Cardini. DCC XXVI. 352. Carron du Villard. DCCXIV. 159. Cazenave, Alphee. DCC XV. 176. Cerise. DCCX. 96. Chailly, Honoré. DCCXVIII. 224, Chereau, Achille. DCC X. 96. Cosson, E. DCCXXI. 271. D. Desbruères. DCCXXIV. 320. Döll. J. Ch. DCCXI. Donne, Al. DCCXTII. 143. Draper, J. W. DCCXVII. 207. Dunglisson, R. DCCIX. 80. Durlacher, L., DCCXVII. E. Eckstein. S. DCCXVII. 207. b. Li F. Fossati, J. DCCVI. 32. Froriep, R. DECKT. 112. . Gaussail, A. J. DCCVIII. 64. Gauthier, IL. P. A. DCCXXI. 272. Gaertner. K. F. DCCXXII. 287. Gaimard. DCCXXIII. 301. Germain, E. DCCXVI. 191. DCC XXI. 271. Goodsir, Jam. u. Harry. DCCXXV. 335. Gresset. P. DCCVI. 32. Guepin, A. DCCV. 16. Guettet. DCCXII. 127. H. Hall, Marshall. DCCV. 16. Hall, Dr. DCCVIII. 64. Halmagrand. DCC XII. 144. Herger, J. E. DCCXXIV. 319. Hoefer. DCCXIX. 239. Hopkins, Tho. DCCIX. 79. J. Jauze, F. DCCXIX. 240. Jones, T. R. DCCXU. 127. L. Lacepede, Cte de. DCC XXII. 237. Lasegne, A. DCC VIII. 63. Leconte. DCCVII. 48. Leroux, F. M. DCCIX. 80. Lietzau, F. O. DCCXII. 144. Little, W. J. DCCXXI. 272. Lordat. DCC VIII. 63. M. Maddock, Beaumont. DCCXVII. 208. Macloughlin. DOC XIX. 240. Macilwain, G DCCXX. 256. Malgaigne. DCCXIII. 144. Marmier. DCCXXIII. 303. Menville. DCCXXIII. 304. Michea, C. F. DCCXXV. 336. Millon, E. DCC XIX. 239. dig ra i e. Moreau, L. M. A. DCC XXIV. 320. Moretti, F. DCCXXV. 336. Mühle, Grf. von der. DCCXX. 256. N. Nore, Alfred de. DCCXXVI. 351. 0. d'Orbigny, Charl. DCCXXIV. 319. P. Pariset, E. DCCXXIV. 320. Pictet. DCCXV. 175. Poggi, G. P. DCCXIV. 160. R. Reiset, J. DCCXIX 239. Reuss, Dr. A. DCCXXVI. 351. Ridge, B. DCCXXV. 335. Rindore, J. Evans. DCCV. 15. Rodier, A. DCC XVI. 192. Roussel. DCCX. 96. 8. Sabine, Edw. DCC. 15. Sachaile, C. DCCVII. 48. Sara, R. DCC XIII. 143. Schottin. DCCXXIV. 319. Silver. DCCXX. 256. Stromeier, L. DCCXII. 128. T. Talbot, Fox. DCCxVIII. 228. V. Viszäniek, DCC XVIII. 224. W. Weyland, G. DCCVII. 64. Wilkes, C. DCCVII. 47. Wright, Sam. DCCXVII. 207. Z. Zehetmayer. DCCXIV. 160. Zorulin. DCCXVIII. 223. Menue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken-Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Koͤnigl. Preuß. Academie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na— turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch-mediciniſchen Societaͤt zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Koͤnigreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Departement du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken— bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico- medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker- Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur zu Breslau, der Societas medico -chirurgica Berolinensis, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt⸗ und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur- und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare- Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultaͤt der K. u. Univerfität Peſth, der Rekormed Medical Society of the United States of America zu New-York, der Académie Royale de Médecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterländifchen Muſeums in Böhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warſchau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten fuͤr die Beförderung der Staats⸗Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes, des Bezirks⸗ und gerichtsaͤrztlichen Vereins für Staats- Arzneikunde im Königreiche Sachſen und der Geſellſchaft für Natur- und Heil: kunde zu Dresden, Mitgliede und Ehrenmitgliede; und Dr. Robert Froriep, des rothen Adler-Ordens vierter Claſſe Ritter, Koͤnigl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlichen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiftlichen - Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich⸗Wilhelms⸗Univerſitaͤt, Proſector an der Charité-Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Koͤnigl. Ober⸗Examinations⸗Commiſſion, practiſchem Arzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnütziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Académie royale de Médecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins fuͤr Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft fuͤr Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, der Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu s Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren- Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal⸗ Beamten fuͤr die Beförderung der Staats-Arzneikunde, des Apotheker⸗ 1 1 im nördlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes. Vierunddreißigſter Band, zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 727 bis 748), eine Tafel Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthaltend. April bis Juni 1845. Im Verlage des Landes -In duſtrie⸗-Comptoirs zu Weimar. 1 9 4 5 7 * ; 1 | 1 N 40 AS | m 1 0 5 2 . na 7 2 1 f 171 f NE 1% 99 Be 1606 Hal nr Ne 70 11 Hari | , LE e eee MORE N PTR we ine Na So N end ne Ah 8 „ ph ru * 10 Waben WN int 0 „e ee 7122.11 5 * ect ur. MR va ' \ HOW IR 8 re NE TER a: x ar a ur sh kN £ * ET ‘Y er een, . 1 1 1 \ n e eee . enn 8 * 2 ee 1% u er we e 1 Wuenm 1 we | arhr 8 Ars! Nec i 5 2 N ** ey 1 U Mi! 3 MR IL SE IE nne u.a, ELSE 5 ru 37 eee eee eee n WS n N ut era 10 * nn ene wan nr * 92 N N eh Ber un e 1 jan) 1H ur nnn 1" m 1 een. ee en Kinn BL \ 5 . N ihn en ) Ae a LEE e * m‘ r e e VRR“ N a 6 ee e ee Er N - 1 a 1 0 * 1 N . f 550 een nen ee 1 ? 2 d ; eee e e Feen * * ’ 1 — 1 ! And * 4 a 83 58 1 4 i 1 7 0 1 ae 4 u re ue N We e Un l 1 N 1 eee dem 1 5 Ye 500 a 555 ann * Mn eee ee h 1 ER 5 N 2 y = 1 * 3 dane Mid ara N A In ag W x Va rn ER 5 M Ne 1 MT} IR * 10 MN ) sale AR Klar 437 ee ae 91 1055 %, ee eee Ra 55 aA BR e Aller: De riechen ar ee We er 4 * DHU 1 t en. nun alte PR 1 04 „nul Kinn I f | Sera TE 1 g at uu, eic — Tr * when; 4 Per Dear IE 8 e 833 G A Neue eien a us dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep zu Weimar, Noe. 727. (Nr. 1. des XXXIV. Bandes.) und dem Medicinalraide und Profeſſor Froriep zu Berlin, April 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 . 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3%, 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼½ 87 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975 Rec win iR Ueber die Circulation bei den niederen Thieren. Von P. J. Van Beneden, Profeſſor an der katholiſchen Univer— fität zu Löwen. Im Jahre 1835 hatte ich zu Nizza einige Beobachtun— gen uͤber die ſchoͤne Aplysia depilans gemacht, welche die Kuͤſtenbewohner den Meerochſen oder Meerhaſen nen— nen. Seitdem iſt die Anſicht, daß das Waſſer in das In— nere des Körpers und ſelbſt der Gefaͤße eindringen und da— ſelbſt die Rolle des Blutes ſpielen kann, durch mehrere Be— obachtungen, die ich zu Cette, Trieſt, Neapel, Meſſina und an unſeren Kuͤſten anzuſtellen Gelegenheit hatte, beſtaͤtigt worden. In meinem deßhald an die Academie gerichteten Schreiben ſagte ich: „Nach ſehr genauen Unterſuchungen in Betreff der Circulationsorgane der Aplyſien glaube ich eine wahre Verſchmelzung des Venenſyſtems mit dem von Herrn Delle Chiaje entdeckten wafferführenden Syſteme ermittelt zu haben.“ An die Erſcheinungen des Blutumlaufes knuͤpft ſich eine ſehr große Anzahl von Fragen, die ſich bei dem jetzigen Zuſtande der Wiſſenſchaft nicht genuͤgend beantworten laſſen: So laͤßt ſich, z. B., fragen: a) Iſt die Bewegung der Fluͤſſigkeit in den Tubula— rien, Sertularien und Campanularien eine aͤchte Circulation, aͤhnlich derjenigen der hoͤheren Thiere (wie Cavolini meint), oder iſt ſie eine bloße Oſcillation der Fluͤſſigkeit, wie man fie bei manchen Pflanzen wahrnimmt (nach de Bla inville, Thomſon, Liſter u. ſ. w.) 2 b) Welche Bedeutung haben die ſchwammigen Körper und die Venenhoͤhle bei den Cephalopoden? ec) Welche Bedeutung hat das Organ bei den Ace phalen, welches Bo janus fuͤr eine Lunge erklärt. d) Iſt die Organiſation, in Folge deren die Venen bei den Aplyſien direct mit der Abdominalhoͤhle communici— ren, nur hoͤchſt ausnahmsweiſe vorhanden, wie Cuvier meint? 5 e) Iſt die directe Communication zwiſchen dem Mas gen und der den Darmcanal umgebenden Höhlung (welche Hr. Milne Edwards und Herr v. Quatrefages aufge— No. 1827. — 727. b u 8 De. funden haben) eine nur wenigen Gaſteropoden eigene Steuc: tur? ) Findet ſich in den wirbelloſen Thieren Blut, oder circulirt in denſelben nur Chylus, wie Herr R. Wagner meint ? Alle dieſe ſich zum Theil nur auf wenige Species bes ziehenden Thatſachen laſſen ſich bei dem gegenwaͤrtigen Stande unſerer Kenntniſſe noch nicht in einer genuͤgenden Weiſe er— klaͤren; und es wuͤrde leicht ſeyn, dieſe Fragen noch um viele zu vermehren. Uebrigens ſcheinen fie ſaͤmmtlich mit einer Haupterſcheinung, welche bis jetzt noch nicht gehörig verſtan— den zu werden ſcheint, zuſammenzuhaͤngen, naͤmlich mit der— jenigen, daß das zum Fortleiten des Sauerſtoffes und der naͤhrenden Fluͤſſigkeit beſtimmte Blut durch von Außen eins dringendes Waſſer erſetzt werden kann, welches jene beiden Lebenselemente in den Organismus einfuͤhrt; in welchem Falle bloßes Waſſer, ſtatt des Blutes und der eigenthuͤmlich be— ſchaffenen Fluͤſſigkeiten, in den Hoͤhlen des Körpers circulitt und die Raͤume zwiſchen den Organen ausfuͤllt. Bis eine von mir gegenwaͤrtig in Arbeit genommene Abhandlung uͤber dieſen Gegenſtand vollendet ſeyn wird, ha— be ich die Reſultate umeiner Beobachtungen in folgenden Saͤtzen zuſammengefaßt, von denen einige allerdings noch fernere Begruͤndung erheiſchen, bevor man ihnen wiffenfchafts liche Geltung zuerkennen kann. 1) Das Waſſer kann bei den niedrig organiſirten Thies ren das Blut erſetzen; es kann entweder in beſonderen oder in den gewöhnlichen Gefäßen circuliren, indem es ſich mit Chylus miſcht Es dringt entweder durch eigenthuͤmliche Oeffnungen oder durch den Mund und beſondere Oeffnungen in den Wandungen der Verdauungswege oder durch einfache Endosmoſe ein. 2) Es dringt, mit Nahrungsſtoff und Sauerſtoff ge— ſchwaͤngert, durch den Mund ein, begiebt ſich von dem Ma— gen des einen Individuums nach dem des anderen und ge— raͤth bei dieſem Uebergange mit dem ganzen organiſchen Ge— webe, wie durch ein Netz von Capillargefaͤßen, in Berühr: ung (Tubularien, Campanularien, Sertularien ꝛc.). ) Comptes rendus, seance du 20. Oct. 1835. il 3 Zar. 3) Das Waſſer dringt, wie im vorhergehenden Falle, durch den Mund ein, und vom Magen begiebt es ſich in Canaͤle, die mitten durch die Gewebe und Anhaͤngſel ſtrei— chen. (Meduſen, Hydren.) 4) Das Waſſer dringt ebenfalls durch den Mund ein, allein der Magen hat beſondere Wandungen, die ſich in ge— fuͤßfoͤrmige Canaͤle verälteln; der Verdauungscanal ſpielt zu— gleich die Rolle eines Reſpirationsbaumes und eines Ernaͤhr— ungsapparates. (Aphroditen, Trematoden ꝛc.) 5) Der Verdauungscanal iſt, ſtatt in dieſer Weiſe veraͤſtelt zu ſeyn, mit mehreren Oeffnungen verſehen, welche der Fluͤſſigkeit, die er enthaͤlt, den Durchgang verſtatten, welche ſich dann in die den Verdauungscanal umgebende Hoͤhlung ergießt. Es koͤnnen ein Herz und Arterien vorhan— den ſeyn; allein dieſe Hoͤhle repraͤſentirt nichtsdeſtoweniger das Venenſyſtem. (Aeoliden ic.) Statt der Luͤcken hat J. Muͤller wirkliche Gefaͤße ſich von dem Darmcanale direct nach" dem Herzen begeben ſehen (Scorpion). 6) Durch beſondere Oeffnungen, die in beſondere Ca— naͤle muͤnden, dringt das Waſſer in das Innere des Koͤrpers und tritt dort mit dem Venenblute in Beruͤhrung (Holothu— rie). Ueber die Veraͤſtelungen dieſes Apparates verbreiten ſich auch Gefaͤße. 7) Statt durch eine oder zwei Oeffnungen, dringt das Waſſer durch eine große Anzahl von Löchern ein und ver— breitet ſich in der den Darmeanal umgebenden Höhle (Aſte— rien, Seeigel; die Actinien, bei welchen das Ende der Ten— takeln offen iſt; die phlebenteriſchen Mollusken, bei denen das Ende der Anhaͤngſel offen iſt, nach den Beobachtungen der Herren Alder und Hancock, welche durch Herrn v. Quatrefages beſtaͤtigt worden ſind). 8) Das Waſſer dringt durch befondere Oeffnungen, die ein im Inneren der Gefüße ſelbſt enthaltenes beſonderes Organ durchſetzen (ſchwammiger Koͤrper der Venen, welcher bei den Cephalopoden in der Hoͤhlung der Venen ſchwebt, und Anhaͤngſel in dem Organe, das Bojanus fuͤr die Lunge erklaͤrt, bei den kopfloſen Mollusken). 9) Oder das Waſſer wird durch beſondere, ausſchließ— lich in dieſem oder jenem Organe befindliche Oeffnungen ein— gefuͤhrt (Saugnaͤpfe der Arme und beſondere Canaͤle der ce— phalopodiſchen Mollusken). 10) Es iſt zu bemerken, daß dieſe Thatſachen ſich an andere anſchließen, welche man bei den Wirbelthieren beobach— tet; die Oeffnungen zur Seite des Afters, welche bei den Knorpelfiſchen das Waſſer in die Peritonealhoͤhle und von da in den Herzbeutel führen „); die Peritonealcanaͤle der Cro— codile und Schildkroͤten. Man koͤnnte, ſtrenggenommen, hier auch der Luftſaͤcke bei den Voͤgeln und der Tracheen bei den Inſecten erwaͤhnen. Es iſt dieß ein zweites umgebendes Medium, welches in den Koͤrper eindringt und in deſſen gan— zem Inneren circulirt. ; 11) Statt durch befondere Oeffnungen einzudringen, geht dieſe Fluͤſſigkeit auch durch Einſaugung oder Endosmoſe durch die Wandungen. (So gelangt ſie, z. B., in die, die u Herr R. Owen hat bereits auf die Analogie dieſer Höhlen mit den Venenhoͤhlen der Cephalopoden aufmerkſam gemacht. XXXIV. I. 4 Eingeweide umgebende Höhle bei den Bryozoarien, Tuni- cata etc. Vielleicht befinden fich bei manchen Mollusken kleine Oeffnungen bei der Mitte des Fußes (Anodonten, Aplyſien, Gas rinarien ꝛc.) 12) In der die Eingeweide umgebenden Hoͤhle kann ſich das Waſſer nach dieſer oder jener Richtung bewegen, ver: moͤge der einfachen Einwirkung ſchwingender Wimperhaare (Bryozoarien); oder es finden ſich Wimperhaare an dem Ein— gange der Gefäße (Bero&); oder ein Gefaͤß zieht ſich ab— wechſelnd nach entgegengeſetzten Richtungen zuſammen, ſo daß die Fluͤſſigkeit das eine Mal nach den Kiemen getrieben und das andere Mal aus denſelbenheraus gepumpt wird (Tuni- cata); oder ein wirkliches, ſich nur in einer Richtung zu— ſammenziehendes Herz ſaugt das Blut oder das Waſſer aus der Periinteſtinalhoͤhle heraus und ſendet es durch Arterien den peripheriſchen Theilen zu (Aplyſien, Embryonen von Li- max). Ferner kann das Herz ſich nach den Koͤrperringen vervielfaͤltigen und jedes derſelben das Blut unmittelbar aus derſelben Hoͤhle beziehen (Larven der Waſſerinſecten). 13) Wir ſehen alſo, daß das Waſſer auf hoͤchſt ver— ſchiedenen Wegen in das Innere der Gewebe gelangen kann, und daß die groͤßere oder geringere Einfachheit der Organi— ſation der Thiere die Art und Weiſe bedingt, wie dieß ge— ſchieht. 14) behgupten: Das Ruͤckengefaͤß der Inſecten iſt ein Herz, und die Thiere dieſer Claſſe beſitzen eine aͤchte Circulation. Die An— weſenheit eines Reſpirationsbaumes bei den Holothurien hin— dert nicht, daß das Blut in den Gefaͤßen zugleich mit dem Waſſer circulire. Die Venenhoͤhlen ſind dem Herzbeutel und die ſchwam— migen Koͤrper der Venen den Stigmaten analog. Die Lunge (nach Bojanus) repraͤſentirt ebenfalls das Pericardium und die Stigmaten. Die Herren Owen und Vanderhoeven hatten bereits von dieſen Analogien geſprochen, dieſelben aber nicht ſo beſtimmt bezeichnet. Das Vorhandenſeyn eines Magengefaͤßſyſtems bei eini— gen Gaſteropoden iſt keine Ausnahme von der Regel, ſon— dern daſſelbe iſt vielmehr, gleich der bei den Aplyſien vor— kommenden Communication zwiſchen den Venen, die Re— gel ſelbſt. Die Circulation der Tubularien und Sertularien ent— ſpricht ebenſowohl der Circulation der hoͤher organiſirten Thiere, als dem Hin- und Herſchwanken der Saͤfte, welches man bei gewiſſen Pflanzen bemerkt. Die waͤſſerige Fluͤſſigkeit, welche in dieſen niedrigen Thieren circulirt, repraͤſentirt allerdings den Pflanzenſaft, aber nicht mehr das Blut, als den Chylus, die Lymphe oder die Saamenfluͤſſigkeit ohne Spermatozoiden. Dieſe werden, ſammt dem Sauerſtoffe und den naͤhrenden Stoffen, durch das Waſſer allen Theilen ſo gut zugefuͤhrt, als ob dieß durch eine eigenthuͤmlich zu dieſem Zwecke praͤparirte Fluͤſſig— keit geſchehe. Man wird leicht einſehen, daß wir hier nicht die Ab— ſicht hatten, neue Thatſachen bekannt zu machen, ſondern Wenn wir nicht irren, duͤrfen wir Folgendes 3 727. daß wir vielmehr bezweckten, einige bekannte Thatſachen ſo zu ordnen, daß deren, dis jetzt noch uͤberſehene, gegen— genſeitige Beziehungen erkennbar wurden. (Comptes ren- dus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XX. No. 8, 24. Fevr. 1845.) Beobachtung eines Wurmes (Dithyridium La- certae, Nob ) in der Abdominalhoͤhle einer in der Umgegend von Paris vorkommenden gruͤnen Ei— dechſe (Lacerta viridis, L) Von Herrn Valenciennes. (Hierzu die Figuren 20. bis 27. auf der mit gegenwaͤrtigem Stuͤck ausgegebenen Tafel.) Je mehr das Studium der Helminthologie an Ausdeh— nung gewinnt, deſto anziehender wird daſſelbe durch die Bekanntſchaft mit neuen merkwuͤrdigen Eingeweidewuͤrmern. Die Zoologen unſerer Tage haben ſich daruͤber verei— nigt, daß die Helminthen in zwei Hauptordnungen zerfallen. Die Cavitarien (Hoͤhlenwuͤrmer) oder Nematoiden (Fa— denwuͤrmer) haben eine ziemlich zuſammengeſetzte Structur. Ihr Verdauungscanal iſt, wie ich es in Betreff der Filarien nach— gewieſen, von druͤſigen Organen umgeben, welche bei der Verdauung eine Rolle ſpielen muͤſſen. Dieſer von den Haͤu— ten des Koͤrpers abgeſonderte Darm iſt in den zahlreichen Falten der Canaͤle eingehuͤllt, welche den Reproductionsap— parat bilden. Bei andern Helminthen, welche man die parenchymatöſen nennt, beſteht der von der Haut ab: geſonderte Verdauungsapparat aus veraͤſtelten Roͤhren, die ſich durch das zellige Parenchym des Koͤrpers verbreiten. In der den Wurm auftreibenden Fluͤſſigkeit ſieht man zahl— reiche Granulationen ſchweben; Zeugungsorgane ſind kaum zu unterſcheiden. Dieſe beiden Ordnungen der Helminthen ſcheinen zwei einander fernſtehende Gruppen zu bilden; allein in den Lin— guataten (2) bietet die Natur uns deren Verbindungsglied dar, und ſie ſtellt uns ſo eine beſondere, bald verwickelt, bald einfach organiſirte, aber zuſammenhaͤngende Schoͤpfung dar, welche ſaͤmmtliche in den verſchiedenen Organen lebender Thiere anzutreffende Schmarotzergeſchoͤpfe umfaßt. Dasjenige, welches ich hier zu beſchreiben gedenke, ſcheint mir in verſchiedener Beziehung beſonders intereſſant, indem dadurch eine der zweifelhaften Species Rudolphi's be— ſtimmt und zugleich ein neues genus erlangt wird. Ich habe in der Abdominalhoͤhle der Lacerta viri- dis, L. eine ziemlich betraͤchtliche Anzahl kleiner Helminthen gefunden, die ich bald fuͤr eine beſondere Art und Gattung erkannte. Dreiundſechzig Exemplare fanden ſich frei unter dem Bauch— felle; fie hatten ſich in der Abdominalhoͤhle entwickelt; denn ins dem ich den Darm aufblies, um zu ſehen, ob ſie nicht etwa durch einen zufaͤlligen Riß in deſſen Haͤuten in die Bauchhoͤhle haͤtten eindringen koͤnnen, uͤberzeugte ich mich davon, daß dieß nicht der Fall ſey, und daß ſich im Darmcanale ſelbſt kein einziger Wurm befand. Dieſe Paraſiten waren ſaͤmmt— lich weiß, ziemlich eifoͤrmig, 3 Millim. lang und nur 1 Millim. breit. Man hätte fie leicht für Saamenkoͤrner anz. XXXIV. I. 6 ſehen koͤnnen. Als ich die Bauchhoͤhle mit laulichem Waſ— ſer fuͤllte, ſtreckten ſich mehrere aus, wobei ſie eine groͤßte Laͤnge von 1 Centimeter erreichten. Dabei wurde der Koͤrper nicht merklich ſchmaͤler, aber weniger dick. Mit Huͤlfe der einfachen Lupe, bemerkt man auf dem Körper dieſer Würmer zahlreiche Queerfalten, ſowie an ei— nem der Enden eine kleine knopffoͤrmige Anſchwellung, welche der Kopf iſt. Derſelbe iſt, wie bei den meiſten parenchy— matöfen Helminthen, einziehbar, indem er ſich zuruͤckſchlaͤgt. Unter dem zuſammengeſetzten Mikroſcope gewahrt man durch die durchſcheinenden Hautbedeckungen hindurch leicht, daß die Runzeln nur Hautfalten ſind, daß der Koͤrper nicht geglie— dert iſt, und daß er inwendig mit unregelmaͤßigen eckigen Koͤrnchen gefuͤllt iſt, die vorn in Menge vorhanden ſind und nach Hinten zu ſeltener werden. Zu jeder Seite bemerkt man zwei enge, ſehr wellenfoͤrmige Laͤngscanaͤle, welche mit denen von Scolex Aehnlichkeit haben. Wenn der Kopf vollſtaͤndig herausgetreten iſt, ſo zeigt er ſich unter der Form einer converen Scheibe, auf der ſich vier Mundvertiefungen befinden. Wenn dieſelben nicht voͤl— lig offen ſtehen, ſo zeigen ſich deren beide aneinanderliegende Raͤnder in Geſtalt eines kleinen Laͤngs- oder Queerſtrichs. Zuweilen ſind, wenn die Raͤnder ſich runzelig geſtalten, meh— rere Falten zu bemerken. Selten ſieht man die Mundoͤff— nungen vollſtaͤndig klaffen. Dieſer Fall iſt mir nur 2—5 mal vorgekommen. Das Hintertheil des Koͤrpers iſt mit einer gelblichen Maſſe von zelligem Anſehen gefuͤllt, die etwas dichter iſt, als die des Vordertheils, und die Herr Dujardin mit vollem Rechte als die erſte Anlage zu Geſchlechtsorganen betrachtet. Uebrigens bietet die aͤußerſt einfache Organiſation die— ſer kleinen Geſchoͤpfe nichts Bemerkenswerthes dar. Die allgemeine Geſtalt und die Anweſenheit von innern wellenfoͤrmigen Canaͤlen ſprechen für die Verwandtſchaft dies fer Würmer mit Scolex; allein die Anordnung der Mund— Öffnungen des Kopfes und die eckige Beſchaffenheit der innern Koͤrnchen begruͤnden einen merklichen Unterſchied zwiſchen dieſen Wuͤrmern und dem eben erwaͤhnten genus. Als ich das Werk Rudolphi's zu Rathe zog, um zu ſehen, ob dieſer unermuͤdliche Helmintholog nicht etwa einen aͤhnlichen Wurm entdeckt habe, fand ich in der Liſte der von ihm als zweifelhaft aufgefuͤhrten Arten zwei Beob— achtungen, welche mit der meinigen große Aehnlichkeit has ben, und die ihm von dem berühmten Brem ſer mitgetheilt worden waren. Dieſer fand in den Tuberkeln der Leber einer gruͤnen Eidechſe ſechs Helminthen, an deren Kopfe er jedoch nur zwei Mundoͤffnungen wahrnahm. Derſelbe Ge— lehrte beobachtete auch einen, wahrſcheinlich einer ſehr nahe verwandten Art angehoͤrigen, Wurm in der grauen Eidechſe (Lacerta muralis); allein Rudolphi iſt dennoch der Meinung, daß dieſe Wuͤrmer zu derſelben Gattung gehoͤ— ren, wie zwei andere kleine Wuͤrmer, welche ebenfalls von Bremſer in dem Felſenhuhne (Steinhuhne) gefun— den worden ſind, und bei denen ſich um die Kopfſcheibe her vier Mundoͤffnungen fanden. Rudolphi ſagt, er wuͤrde die Wuͤrmer aus den Eidechſen, wegen ihrer Aehnlichkeit 1 * * 727. XXXIV. 1. 8 mit denen des Felſenhuhns, Dithyridium genannt haben, wenn ihm nicht in Betreff derſelben Zweifel beigegangen waͤren, und wenn es ihm nicht an Gelegenheit gefehlt haͤtte, ſie genauer zu unterſuchen, indem die ihm von Bremſer mitgetheilten Exemplare einigermaaßen ſchadhaft geweſen ſeyen. Da ich dieſe Helminthen bei keinem andern Schrift— ſteller angefuͤhrt finde, da wir ferner über die Würmer der Reptilien erſt ſehr wenige Beobachtungen haben, da ich end— lich im Stande zu ſeyn glaube, eine von Rudolphi zwei— felhaft gelaſſene Art zu beſtimmen, fo habe ich es für nuͤtz— lich gehalten, eine Beſchreibung von dieſem Thiere zu ver— öffentlichen und dieſelbe durch naturgetreue Abbildungen zu erläutern. f Herr Dujardin hat der von mir gelieferten Beſtim— mung dieſer Species ſeinen vollen Beifall gegeben. Er hat mir, als ich ihm meine Beobachtung mittheilte, geſagt, er habe einen gan; aͤhnlichen Wurm auf der Pleura eines america— niſchen Affen gefunden. Die Notiz, welche er daruͤber auf— geſetzt und die Abbildung, welche er hinzugefuͤgt hat, bewei— ſen, daß beide Geſchoͤpfe allerdings eine große Aehnlichkeit miteinander haben. Es laͤßt ſich vermuthen, daß auch in noch andern Saͤu— gethieren dieſe Paraſiten anzutreffen ſeyen; indem ein beruͤhm— ter Anatom, dem ich die fraglichen Wuͤrmer zeigte, ſich er— innerte, ganz aͤhnliche am Bauchfelle eines Kaninchens geſehen zu haben. Erklaͤrung der Figuren. Figur 20. Dithyridium Lacertae, Nob., in Natur: groͤße, zuſammengezogen. Figur 20 d. Daſſelbe geſtreckt; 20 5. daſſelbe im hoͤchſt— moͤglichen Grade geſtreckt. Figur 21. Derſelbe Wurm, vergroͤßert. Figur 22. 23. Derſelbe Wurm, ſtaͤrker vergroͤßert und mit ausgedehntem Mundſaugnapfe dargeſtellt, an dem die vier Mundvertiefungen geſchloſſen find. Man ſieht die mel: lenfoͤrmigen Seitencanaͤle, die im Innern enthaltenen Koͤrn— chen und das druͤſenfoͤrmige, wahrſcheinlich zur Fortpflan— zung dienende Organ am hintern Koͤrperende. Figur 24, 25, 26. Der Mundſaugnapf, in verſchiede— nen Zuſtaͤnden geſehen. Figur 24. Der Saugnapf, völlig zuſammengezogen, fo daß man die Mundöffnungen nur durch ſchimmern ſieht. Figur 25. Derſelbe, weiter vorgeſtreckt, ſo daß man die Mundoͤffnungen an deſſen Rande ſieht. Figur 26. Derſelbe, völlig entfaltet, mit weit geoͤffne— ten Mundloͤchern. Figur 27. Die innern Koͤrnchen in 350facher Ver— groͤßerung. (Comptes rendus des Séances de l’Ac. d. Sc. T. XIX, Séance du 16. Sept. 1844. Anna- les des Sc. nat. Oct. & Nov. 1844.) Bemerkung des Ueberſetzers. In der Wahl des Namens ſcheint uns der Verfaſſer nicht gluͤcklich gewe— ſen zu ſeyn. Denn der von Rudolphi gewaͤhlte Name Dithyridium gründete ſich doch wohl auf die Bremſerſche Beobachtung, der zufolge der Schmarotzerwurm der gruͤnen Eidechſe nur zwei Mundoͤffnungen haben ſollte. Iſt dieſe Vermuthung gegruͤndet, ſo kann der Name Dithyridium fuͤr das von Herrn Valenciennes entdeckte Thier, wel— ches 4 Mundoͤffnungen hat, fuͤglich nicht angenommen werden. Ueber die Muͤndungen der Keilbeinshoͤhlen und der hinteren Siebbeinszellen. Es iſt ein heutiges Tages in Deutſchland ſehr allgemein ver— breiteter Irrthum, daß die Keilbeinshoͤhlen ſich in die oberen Na— ſengaͤnge münden. — Dieſer Irrthum iſt um fo auffallender, da mancher ältere Anatom, z. B. J. G. Walter (Die trockenen Knochen. 4. Aufl S. 94.) auf das Beſtimmteſte ausſpricht, daß ſie ſich nie anders, als oberhalb der oberen Muſcheln, oͤffnen, und man ſich an jedem Schaͤdel, ohne alle weitere Praͤparation, leicht davon uͤberzeugen kann, daß er Recht hat. Bei vielen Schaͤdeln naͤmlich kann man dieſe Oeffnungen von Vorne durch die apertura pyri- formis und ſelbſt nicht felten von Hinten durch die Choanen deut— lich ſehen. Sie liegen an der vorderen Flaͤche des Keilbeins, der Naſenſcheidewand bald mehr bald weniger nahe, je nach der Ent— wickelung der fogenannten cornua sphenoidalia oder ossicula Ber- tini bald dieſelben durchbohrend, bald an dem oberen Theile des aͤußeren Randes derſelben, in der hinteren Abtheilung des Gewöls bes (fornix) der Naſenhoͤhle, ſtets oberhalb der coucha superior und der concha Santoriniana. — Sollte die Enge der Naſenhoͤhle, oder die Steilheit der vorderen Flaͤche des Keilbeines das Sehen der Oeffnung auf die eine oder die andere Weiſe am unverletzten Schaͤdel verhindern, ſo wird man doch eine leicht gebogene feine Sonde durch die apertura pyriformis (indem man, durch die Choa— nen ſehend, die Bewegung der Sonde leitet), oder noch leichter eine hakenfoͤrmig gebogene durch die Choanen in dieſe Muͤndungen einbringen koͤnnen. Bei etwas uͤber 100 in dieſer Hinſicht unter— ſuchten Köpfen der hieſigen anatomiſchen Sammlung liegt die Muͤn— dung ſtets an der angegebenen Stelle. Am Schaͤdel hat derſelbe bisweilen 3“ Durchmeſſer; von der Schleimhaut überzogen, mißt er nur 1““/; in der Regel iſt fie rund, nicht felten jedoch von Oben nach Unten laͤnglich, ſelbſt mit nahe aneinander liegenden Lippen; einmal (von 14 mit der Schleimhaut uͤberzogenen Muͤndungen) hing ein kleiner freier Hautlappen von einem Theile des Randes wie ein Vorhang in die Muͤndung hinein. Auch die Hoͤhlen ſelbſt bieten allerlei kleine Abweichungen; ſie ſind haͤufig in mehr oder weniger ſtark geſchiedene Faͤcher getheilt. Sie fehlten (außer bei jungen Kindern) in den vorliegenden Faͤl— len niemals; dagegen war dreimal nur eine Hoͤhle vorhanden, die aber ſtets den ganzen Keilbeinkoͤrper einnahm. — Einmal hatte dieſe Höhle ſicher nur eine Mündung (inkerſeits), in den beiden andern Fällen war nicht zu entſcheiden, ob eine oder zwei Muͤn⸗ dungen vorhanden waren; beidemal naͤmlich war der Koͤrper des Keilbeins ſeitlich geöffnet und nur eine Mündung (einmal die rech— te, das anderemal die linke) erhalten. In allen den Fällen, wo die Hoͤhle nicht genau unterſucht wurde, fanden ſich doch immer zwei Muͤndungen. — Die Hoͤhlen ſind oft ungleich groß; nicht ſelten entwickeln ſich, wie es ſcheint, die hinteren Siebbeinzellen auf ihre Koften und ragen weit nach Hinten vor; eine Zuſammenmuͤndung der Sieb- und Keilbeinzellen, wie fie Schneider und einige Ana⸗ tomen, z. B., Portal, gewiß mit Unrecht als Regel annahmen, iſt mir in den wenigen Faͤllen, wo ich uͤber dieſen Punct mit Si— cherheit urtheilen konnte, nicht vorgekommen. Bisweilen erſtrecken ſich die Keilbeinshoͤhlen in den großen Fluͤgel hinein; eine Verlaͤn— gerung in die pars basilaris ossis oceipitis, wie ſie Albin (de oss. corp. hum. $ 39) geſehen, oder eine dritte Höhle in und un⸗ ter der Scheidewand, wie ſie Veſalius und nach ihm manche der aͤlteren Anatomen beſchreiben und abbilden, fand ich nicht. Die Muͤndungen der Siebbeinszellen ſcheinen gleichfalls nicht hinreichend genau gekannt. — Man ſagt gewoͤhnlich, die vorderen derſelben muͤnden mit den Stirnhoͤhlen in den mittleren, die hin— teren in den oberen Naſengang. Dieß letzte iſt faſt fuͤr die Haͤlfte der Fälle unwichtig. — Man muß zunaͤchſt dieſe hinteren Sieb: beinszellen, wie es auch, z. B., Krauſe (Handb. d. menſchl. Anat. nn H] ]¾§Vtl Nr e 10 Tele den abſondernden ſchte er darzuthun, daß die fecten nur von Herrn Bo⸗ err Newport nimmt an, . in vier Stadien exi⸗ eicht den Chylusmolecülen mige oder kernartige perchen der Vertebraten; und endlich die Scheir vorkommt und den Roth⸗ Dieſe Formen hat er nun ben außerordentlich klein iſt entdeckt werden kann, bis wo der Kern ein von einer iſt. Das Körperchen berſtet Kernchen in dem fluͤſſigen Centralkernchen, allein die ſchmetterlingsartigen In⸗ werden. Herr Newport pichtige Functionen in der d der Ausarbeiter des flöſ⸗ Faſt ſaͤmmtliche baferför⸗ ährend des Puppenzuſtan⸗ leränderungen und Entwik⸗ oͤrper am Thaͤtigſten von rchen, welche noch in dem ene Inſect den Puppenzu⸗ culationsgaͤnge der Flügel uelle der Ernährung in der während der ſchnellen Ex⸗ iefe Thatſachen betrachtet dabenden Beweiſe für die utkoͤrperchen als Analoga Drüfen anſehen. Condenſatſon der der Royal Society mit- en in dem nitroſen Oxyde „ſo wlederholte er feine e febr forgfältig aus reis rden; aber die Reſultate | mehr flüchtigen Gaſes, n. Er fand, daß das ölbil⸗ AUlkopol, Aether, Terpen⸗ und daß, wie das er⸗ int. Seine Experimente laß die Kraft des Dam⸗ iffe für gleiche Zunahme nen Betrage von Druck waͤchſ't die Kraft feines ratur; während die Zu⸗ üchtigkeit der Subſtanz. ung wird ſich ein allge⸗ ir einer einzelnen Beob⸗ Dampfes in Berührung einer anderen Tempera⸗ Faſergewebebildung wird. Ebendaſelbſt „ daß ſcharfe Arzneien n e e., b. Schurz, Profeſſer in Berlin. die Blutgerinnung verſtärken und ein ganz rothes Serum In dem Syſteme der Circulatſan (S 66. ef.) habe erzeugen. Es lag hiernach nahe, daß die reizenden und Ent⸗ ich bereits durch Verſuche gezeigt, daß man durch Zuſatz von zuͤndung erregenden Aezneien durch Vermischung mit Blut Salzen zum aus der Ader gefloſſenen Blute die Piafticitit den entgegengeſetzten Zuſtand, wie die Salze, müßten erzeu⸗ Lig. ud. Lig e | | | | | | | | Ve Notizen N 727 N?4 de Banden. 9 727. XXXIV. 1. S. 121) thut, in mittlere und hintere ſcheiben, die, wie mir ſchei⸗ nen will, der Regel nach, nicht zuſammenhaͤngen. — Die mittles ren Hoͤhlen muͤnden, ſo weit ich ſehe, ſtets in den oberen Naſen— gang; die hinteren dagegen faſt ebenſo oft in den meatus Santo- rinianus, als in den oberen Naſengang. Von 195 ſolcher Muͤn— dungen öffneten ſich 90 in den ductus Santorinianus und 105 in den oberen Naſengang. Unter dieſen Faͤllen waren 7, bei denen ich nur eine Seite des Kopfes unterſuchen konnte. — An den 94 Koͤpfen, wo beide Muͤndungen deſſelben Kopfes verglichen wurden, öffneten fie ſich 32 mal beiderſeits in den meatus Santorinianus, und 38 mal in den obern Naſengang. — Bei den andern 24 be: fand ſich die Mündung auf der einen Seite im meatus Santori- nianus, und auf der anderen im meatus narium superior, und zwar 7 mal rechts im oberen Naſengange und links im meatus Santorinianus, und 17 mal links im obern Naſengange und rechts im meatus Santorinianus. — Einmal von dieſen ging die linke Mündung, wenigſtens am Knochen, von dem meatus Santorinianus durch die concha superior in den oberen Naſengang. Der Fall wurde als eine Einmuͤndung in den oberen Naſengang gezaͤhlt. — Concha und meatus Santorinianus find oft vorhanden ohne Dcff: nung; nicht felten auch findet man die Mündung an der Stelle ohne deutliche concha oder Furche. — Ich benutze ſchließlich dieſe Gelegenheit, um mich mit der auch noch in den neueſten anatomiſchen Büchern (3. B. Huſchke-Soͤm⸗ mering's Eingeweidelehre, S. 610) vorgetragenen Anſicht, daß dieſe Hoͤhlen dazu dienen, einen zur Anfeuchtung der Schneider— ſchen Haut beſtimmten Schleim abzuſondern, nicht einverſtanden zu erklaͤren. Sollte die Schneid erſche Haut ſich zu dieſem Zwecke nicht ſelbſt genuͤgen? Wuͤrde, falls dieß nicht der Fall waͤre, eine Vermehrung der eigenen Schleimdruͤſen nicht die naturgemaͤße Ab- huͤlfe bieten, oder doch eine wirkliche Druͤſe, wie Speichel- und Thraͤnendruͤſe? Sollte eine Schleimhaut, die wenig oder gar keine Schleimdruͤſen hat, wie die jener Nebenhoͤhlen der Nafe, dazu dienen koͤnnen, eine andere an ſolchen Druͤſen ausnehmend reiche anzu— feuchten? — Ich habe uͤberdieß bei'm Menſchen nie eine irgend betrachtliche Schleimabſonderung in einer dieſer Höhlen (von denen man wenigſtens die Stirnhoͤhlen bei'm Oeffnen des Schaͤdels fo haͤufig ſieht), dieſelbe im Gegentheile meiſt trocken gefunden Die volle Bedeutung dieſer Höhlen iſt bisher wohl noch unbekannt; doch möchte ich darauf aufmerkſam machen, daß die im Innern derſel— ben an der faſt trockenen Haut ſtets ſchwingenden Wimpern die in denſelben vorhandene Luft in ſteter Bewegung erhalten und ſo ei— nen Luftwechſel erzeugen muͤſſen, der wohl geeignet waͤre, die mit riechbaren Stoffen geſchwaͤngerte Atmoſphaͤre ohne Anwendung der Willkuͤhr ſtetig dem Sinnesorgane zuzuführen. Die Wimpern der Naſenhoͤhle werden, der reichlicheren Abſonderung wegen, mehr auf den Schleim, als auf die Luft einwirken. — Kiel, im Maͤrz 1845. Dr. Behn. Miscellen. Ueber die Structur und Entwickelung der Bluts koͤrperchen in Inſecten und Vergleichung derſelben mit denen der höheren Thiere hat Herr Newport der Ro- val Society zu kondon einen Aufſatz vorgeleſen, wodurch er nachweiſen 10 wollte, daß die Entwickelung und Function derſelben den abſondernden Zellen der Druͤſen analog ſey. Zuerſt ſuchte er darzuthun, daß die wabre Form der Blutkoͤrperchen der Inſecten nur von Herrn Bo— werbank genau dargeſtellt worden. Herr Newport nimmt an, daß die Blutkoͤrperchen der wirbelloſen Thiere in vier Stadien exi— ſtirten; erſt die Mole cuͤle, analog vielleicht den Chylusmolecuͤlen der Wirbelthiere; zweitens der haferfoͤrmige oder kernartige Körper, analog den wahren Chyluskoͤrperchen der Vertebraten; drittens das Kuͤgelchen oder Kernchen: und endlich die Schei— be, welche nur in einigen Gliederthieren vorkommt und den Roth— blutkoͤrperchen der Vertebraten analog iſt. Dieſe Formen hat er nun verfolgt von einer Periode, wo das Koͤrperchen außerordentlich klein iſt und wo noch kein bemerkbarer Kern in ihm entdeckt werden kann, bis zu der ihrer vollſtaͤndigen Entwickelung, wo der Kern ein von einer Menge Kernchen zuſammengeſetzter Koͤrper iſt. Das Koͤrperchen berſtet dann und wird zugleich mit den meiſten Kernchen in dem fluͤſſigen Theile des Blutes aufgeloͤſ't, indem die Centralkernchen allein die Kuͤgelchen zu bilden ſcheinen, welche in ſchmetterlingsartigen In— ſecten noch weiter in Scheiben entwickelt werden. Herr Newport zeigt alsdann, daß das Blutkoͤrperchen wichtige Functionen in der thieriſchen Oekonomie zu beſorgen hat und der Ausarbeiter des fluͤſ— ſigen Theils des Blutes zu ſeyn ſcheint. Faſt ſaͤmmtliche haferfoͤr— mige Koͤrper der Raupe verſchwinden waͤhrend des Puppenzuſtan— des der Schmetterlingsinſecten, wenn die Veraͤnderungen und Entwik— kelung der neuen Structuren in dem Koͤrper am Thaͤtigſten von Statten gehen; und ſehr viele der Koͤrperchen, welche noch in dem Blute vorhanden ſind, bis das vollkommene Inſect den Puppenzu— ſtand verläßt, werden berſtend in die Girculationsaänge der Fluͤgel getrieben und werden ſo die unmittelbare Quelle der Ernaͤhrung in der Bildung und Conſolidation der Structur waͤhrend der ſchnellen Ex— panſion und Ausfuͤllung dieſer Organe. Dieſe Thatſachen betrachtet Herr Newport als die bisjetzt gefehlt habenden Beweiſe fuͤr die Richtigkeit der Anſicht derer, welche die Blutkoͤrperchen als Analoga in Function der abſondernden Zellen der Druͤſen anſehen. Zuſatz- Bemerkungen über die Condenſation der Gaſe hat Herr Faraday am 22. Febr. der Royal Society mit: getheilt. Da er die Anweſenheit von Nitrogen in dem nitroſen Oxyde vermuthete, welches er angewendet hatte, ſo wiederholte er ſeine Verſuche mit dieſem Gaſe, nachdem daſſelbe ſehr ſorgfaͤltig aus rei— nem ſalpeterſauren Ammonium bereitet worden; aber die Reſultate zeigten immer noch die Anweſenheit eines mehr fluͤchtigen Gaſes, vermiſcht mit einem andern weniger flüchtigen. Er fand, daß das oͤlbil⸗ dende Gas leicht aufloͤslich iſt in ſtarkem Alkohol, Aether, Terpen— thinoͤl und andern Körpern derſelben Art; und daß, wie das er— ſtere Gas, es gemiſchter Natur zu ſeyn ſcheint. Seine Experimente betätigen das Vorherrſchen des Geſetzes, daß die Kraft des Dam— pfes zunimmt, in geometriſchem Verhaͤltniſſe fuͤr gleiche Zunahme von Wärme, anfangend mit einem gegebenen Betrage von Druck, Je fluͤchtiger ein Körper iſt, deſto ſchneller waͤchſ't die Kraft ſeines Dampfes durch eine Vermehrung der Temperatur; waͤhrend die Zu— nahme der Elaſticitaͤt direct iſt, wie die Fluͤchtigkeit der Subſtanz. Durch fortgeſetzte und genauere Nachforſchung wird ſich ein allge— meines Geſetz feſtſtellen laſſen, um aus nur einer einzelnen Beob— achtung uͤber die Gewalt eines gegebenen Dampfes in Beruͤhrung mit feiner Fluͤſſigkeit, deſſen Elaſticität bei einer anderen Tempera- tur ableiten zu koͤnnen. ei nee Verſuche uͤber kuͤnſtliche Bildung von entzuͤndli— chem Blute durch Arzneiwirkungen. Von Dr. C. H. Schultz, Profeſſor in Berlin. In dem Syſteme der Circulation (S 66. cf.) habe ich bereits durch Verſuche gezeigt, daß man durch Zuſatz von Salzen zum aus der Ader gefloſſenen Blute die Plafticität deſſelben ſo verringern koͤnne, daß die Faſergewebebildung ſehr vermindert und zuletzt aufgehoben wird. Ebendaſelbſt (S. 85) habe ich bereits angefuͤhrt, daß ſcharfe Arzneien die Blutgerinnung verſtaͤrken und ein ganz rothes Serum erzeugen. Es lag hiernach nahe, daß die reizenden und Ent— zuͤndung erregenden Arzneien durch Vermiſchung mit Blut den entgegengeſetzten Zuſtand, wie die Salze, muͤßten erzeu— 11 gen koͤnnen, nämlich die Faſergewebebildung zu erhoͤhen und, wie im entzuͤndlichen Blute den geroͤtheten Farbeſtoff zur Aufloͤſung im Plasma und im Serum zu bringen. Dieſe Vorausſetzung hat ſich in folgenden Verſuchen durchaus be— ſtaͤtigt, aus denen ſich ergiebt, daß man die Faſergewebebildung im gerinnenden Blute, durch Zuſaͤtze von reizenden Arzneien erhoͤhen und dieſe Erhoͤhung bis auf das Doppelte der im reinen Blute ſich bildenden Faſergewebemenge ſteigern kann, wobei ſich, wie im entzuͤndlichen Blute, der geroͤthete Far— — — ——bü— nn — — — 727. XXXIV. 1. 12 beſtoff im Plasma loͤſ't. (Vergl. Allgem. Krankheitslehre, S. 489.) 1) Verſuche mit Venenblut von einem geſunden Pferde. Das Blut wurde in Cylinderglaͤſern, welche die zu pruͤ— fenden Arzneien enthielten, aus der Ader aufgefangen, dann zur freien Gerinnung hingeſtellt, in ſeinen Veraͤnderungen beobachtet und nach Verlauf von 24 Stunden das Faſer⸗ gewebe ausgewaſchen. Auf dieſe Art erhielt ich an Faſergewebemengen: Gewicht. In Procenten. feucht. [trocken. [ feucht. | trocken. Von 15 Drachmen reinem Blute : 13 Gran |3} Gran 1,44 0,36 Von O Drachmen, vermiſcht mit 1 Drachme Spir. camp. . IS ERS WAR... 2,40 0,64 ms Z — Spir. camphor. ° 0 111 22 2,03 0,50 — — — 4 Ol. Terebinth. . . 10 — 2x — 1,66 0,41 — 17 — — — 1 — Ol. Terebinth, + 20 — R — 1,97 0,41 — 17 — — — 1 — eines Gemenges von gleichen Zeiten Ol. tere- binth. mit Alkohol . 265 — 74 — 2,54 0,69 — 17 — — — 2 — deſſelben Gemenges 2 x . 23 — 7 — 2,25 0,68 — ll — — — 1 — Tinct. Pimpinell. . . . 11 3 — 1,52 0,41 — 1 — — — 1 — Tinct. Cantharid. . 0 10 — 24 — 1,66 0,41 nn „„ 9 —QlesPetnem ne re m. S282 28 2,08 0,41 0 — — 1 — Deecoct. Quercus Az 1,66 0,41 — 1 — — 2 — Dec Quercus a 17 — 44 — 1,57 0,41 15 . — — 3 — Dec. Quercus 13 — 4 = 1,41 0,41 5 — — — 1 Scrupel Tinct. Spilanth. (Paraguay vous) 12 — 3 — 2,00 0,50 ei) — — — 1 Drachme derſelben Tinct, © x 5 12 — 3. 2,00 0,0 — Il — — — 1 — Spir. Cochleariae 9 A R 12 — 834 — 1,81 0,53 u — — 1 Scrupel Ol. Cajeput.. Se 15 — 44 — 2,08 0,65 — — un — 1 Drachme Ol. Rorismarini. 24 — [64 — 2,74 0,72 — 10 — — — 2 Gran Chinin. sulph. 5 12 — 13 — 2,06 0,50 Am IBG — — 2 — Chin. sulph., mit etwas Autopal vermifät 17 — 5 — 1,57 0,46 ee — — 1 — Strychnin. nitrie. 8s — 2 — 1,9 0,47 7s — — 2 Drachmen Alkohol 8 131 — 34 — 1,41 0,39 2) Verſuche mit Venenblut von einem Aden Pferde, das den Vormittag gedunſtet hatte, daher concentrirter war. Ich erhielt an Faſergeweben auf die angegebene Art: (Vergl. Verjuͤng. d. menſchl. Lebens, S. 311.) Gewicht. In Procenten. feucht.] trocken. [feucht. trocken. Von 15 Drachmen reinem Blute . 3 8 . 3; - 6 . . . 20 Gran |6 Gran 2,22 0,62 — 11 Drachmen, vermifht mit 5 Gran Campher . A - . . 17 — |4 — 2,57 0,64 — 19 — — — 20 Tropfen Aeth. sulph. . 5 . 29 — 8 2,54 0,70 — 11 — — 8 — Tinct. Spilanth. olerac. . 17 — 42 — 2,65 0,68 — 7 — — — 10 — Tinet. Opii simpl. 9 . . 11 — |3 — 2,61 0,71 — 13 — — — 10 — Tinct. Pimpinell. ht . 20 — 51 — 2,57 0,64 zn — — 2 Gran Morph. acetic. . 12 — 34 — 2,85 0,77 — 14 — pe — 7 Tropfen Ol. Petrae N R 9 22 — 6 — 2,61 0,71 — a — — 10 — Ol. Terebinth. spirit. = 0 27 — 8 — 2,54 0,74 — 20 — — — 10 — Ol. Sinapeor. aeth. 8 0 5 34 — 84 — 2,83 0,72 — 18 = — — 10 — Ol. Sabinae . . . . 30 — [8k — 2,77 0,76 — 18 = — — 5 — Creoſot. g . . 3 . 27 — 8 — 2,50 0,76 — 16 — — — 8 — 0l. Rorismarini. 8 2 2 0 26 1 r— 2,70 0,72 — 11 — — — 6 — Ol. Caryophyllor. . 25 17 — 5 — 2,57 0,75 5 12 = == — 10 — Ol. Cajeput. 8 . . . . 22 — |6 — 3,0 0,82 — 11 == == — 10 — Aceton . ° = 1 5 20 — 154 — 3,0 0,87 — 10 — — — 25 — Tinct. Cinnamom. a 8 8 20 — 1535 — 3,33 0,91 Beſchaffenheit des Faſergewebes. Das durch die verſchiedenen Arzneien gewonnene Fas ſergewebe zeigt mancherlei kleine Verſchiedenheiten. Im Als gemeinen war das durch die aͤtheriſchen Oele, den Aether 250 die Tincturen gewonnene Gewebe ſehr fleiſchroth und elaſtiſch; das durch Chinin, Eichendecoct gewonnene mehr kurz, braͤunlich; das durch Rosmarin und Cajeputoͤl gewon⸗ nene zeichnete ſich durch eine ſchwarzbraune Farbe aus, die ſich auch nach langem Einweichen in Waſſer nicht ganz verlor. 13 Auf dem mit Aether, Pimpinellentinetur, Paraguay roux, Aceton, Morphium und Opium vermiſchten Blute, hat ſich eine Entzuͤndungshaut gebildet, und die oberſte Schicht der Blutblaſen iſt ſehr hoch geroͤthet. — Beſchaffenheit des Serums. Das mit Rosmarinoͤl, Cajeputoͤl, aͤtheriſchem Senfoͤl, Alkohol, Terpenthinoͤl, Creoſot, Steinoͤl, Opiumtinctur und Morphium vermiſchte Blut war zu einer ſo feſten Maſſe geronnen, daß es kein Serum abſchied; die mit den uͤbri— gen Arzneien vermiſchten Blutportionen hatten mehr oder weniger Serum abgeſchieden. Unter dieſen hatten ein gelb— rothes, wenig mehr als das reine Blutſerum gefaͤrbtes Se: rum gegeben: Campher, Eichendecoct. Ein hochrothes, con— centrirt gefaͤrbtes, aber klares Serum hatten gegeben: Ol. Caryophyllor., Ol. Sabinae, Tinct. Cinnamom,, Tinet. Pimpinell., Tinet. Spilanthes, Aeth. sulph., Aceton. Veraͤnderung der Blutblafen. Die mikroſcopiſche Unterſuchung der Blutblaſen zeig: te, daß dieſe, durch alle genannten Mittel aufgeſchwollen, aus der platten in mehr oder weniger runde Formen übers gegangen waren, wie ich es aͤhnlich im entzuͤndeten Blute beſchrieben habe. Die Blaſen erſcheinen dabei mehr oder weniger entfaͤrbt, in dem Maaße, als der Farbeſtoff im Se— rum oder im Plasma aufgeloͤſ't war. Die Blaͤschen wer— den dabei von Anſehen mehr oder weniger perlend und er— ſcheinen um ſo mehr iſolirt, als ſie Farbeſtoff verloren ha— ben und blaß geworden ſind; um ſo mehr zuſammenklebend, als ſie noch roth erſcheinen. Am Meiſten waren die Blaſen entfaͤrbt durch Rosmarinoͤl, Cajeputoͤl, Terpenthinoͤl, Cam: pherſpiritus. Zwei Drachmen Terpenthinoͤl zu 2 Unzen Blut geſetzt, entfaͤrben die Blaſen ſo vollſtaͤndig, daß ſie glas— artighell ausſehen, und das ganze Blut durchſichtig wird, ſo daß man die Blaſen fuͤr ganz aufgeloͤſ't halten koͤnnte. Aehnliches ſiebt man nach Vermiſchung groͤßerer Mengen von Rosmarinoͤl, Steinoͤl, Aether, Alkohol mit Blut. Je geringer die Menge der zum Blute geſetzten aͤtheriſchen Oele iſt, deſtoweniger entfaͤrben und veraͤndern ſich die Blaſen. Die Tincturen (von Opium, Zimmt, Pimpinellenwur— zel, Canthariden), entfaͤrben in den angegebenen Mengen die Blaſen weniger; daher erſcheinen ſie mehr aufgeſchwollen, un— durchſichtig, gefaͤrbt. Im Ganzen wird durch alle genannten Mittel die Con— tractilitaͤt und Reizbarkeit der Blaſenmembran, wie im entzuͤndli— chen Blute, außerordentlich erhoͤht, und um ſo mehr, je mehr ſie entfaͤrbt ſind. Man ſieht dieß auffallend, wenn man die durch aͤtheriſche Mittel aufgeſchwollenen Blaſen in Salzwaſ— fer bringt, wo fie augenblicklich ſich im hoͤchſten Grade zu— ſammenziehen, abplatten und verkleinern. Die in Blauſaͤure gebrachten Blaſen, auch die Blaſen aus Coniumblut, werden gelaͤhmt; dagegen durch Opium, Chinin, Strychnin die Contraction erhoͤht wird. Mehr perlend erſcheinen die Bla— ſen nach Rosmarinoͤl, Terpenthinoͤl, Cajeputoͤl; mehr con— fluent nach Opium, Zimmt, Pimpinellentinctur, Chinin, 727. XXXIV. 1. 14 Strychnin, Eichendecoct, Aether, Senfoͤl, Spiritus Coch- leariae. Berlin, April 1845. Der Magnetismus, auf eine neue Weiſe in der Praxis der Chirurgen angewandt. Dieſes Verfahren beſchreibt Herr Smee in ſeinen Vor— leſungen uͤber Chirurgie, die er an der Medieinalſchule in Aldersgate-Street (London) haͤlt. Er bemerkte, daß Naͤhnadeln und andere ſtaͤhlerne Gegenſtaͤnde haͤufig im menſchlichen Koͤrper eingeſchloſſen ſind und außerordentlich ſchaͤdlich wirken, aber ſich dadurch entdecken laſſen, daß man ſie magnetiſch macht. Das dabei anzuwendende Verfahren iſt im Weſentlichen Folgendes: „Ihnen Allen“, ſagte der Profeſſor, „iſt die eigenthuͤm— liche Beſchaffenheit bekannt, welche der Stahl unter gewiſſen Umſtaͤnden annimmt und vermoͤge deren er die ſogenannte magnetiſche Kraft beſitzt. Ebenſo iſt Ihnen bekannt, daß die gleichnamigen magnetiſchen Pole einander abſtoßen und die ungleichnamigen einander anziehen. Man braucht daher ein verborgenes Stuͤck Stahl nur magnetiſch zu machen, und alsbald wird man nicht nur deſſen Anweſenheit, ſondern ver— möge feiner Polarität auch deſſen allgemeine Richtung, ja, nach dem Betrage ſeiner magnetiſchen Kraft, ſogar deſſen Größe mit einiger Wahrſcheinlichkeit beſtimmen koͤnnen. „Wenn man die Anweſenheit einer Naͤhnadel oder ei— nes anderen ſtaͤhlernen Inſtrumentes vermuthet, ſo muß der verdaͤchtige Theil in der Art behandelt werden, daß die Na— del ꝛc. magnetiſch wird, und dieß laͤßt ſich vornehmlich auf zweierlei Art erreichen: 1) indem man durch den verdaͤchtigen Theil unter einem rechten Winkel zum fremden Körper eine galvaniſche Stroͤmung gehen laͤßt, und 2) indem man an den leidenden Theil einen ſtarken Magneten anlegt, ſo daß der fremde Koͤrper durch Induction magnetiſch wird. Der erſte Zweck laͤßt ſich erreichen, indem man einen mit Baum— wolle oder, noch beſſer, mit Seide umſponnenen Kupferdraht, wie man ihn gewöhnlich bei electromagnetiſchen Apparaten anwendet, um den verdaͤchtigen Koͤrpertheil mehrmals herum— wickelt, ſo daß dieſelbe Stroͤmung jedenfalls rechtwinkelig auf den ſtaͤhlernen Artikel einwirken muß, und dann das eine Ende des Drahtes mit dem Zinke, das andere Ende aber mit dem platiniſirten Silber einer galvaniſchen Batterie (eine meiner kleinen Becherbatterien reicht dazu vollkommen aus) in Verbindung ſetzt. Die Strömung läßt man 5 Stunde oder laͤnger einwirken, und nach Verlauf dieſer Zeit wird der Stahl, wenn ſolcher vorhanden iſt, hinreichend mag— netiſch ſeyn, um ſeine Anweſenheit deutlich zu erkennen zu geben. „Ich meinestheils wuͤrde der zweiten Methode, naͤmlich den ſtaͤhlernen Artikel durch Induction magnetiſch zu machen, den Vorzug geben. Zu dieſem Ende habe ich einen tempo— raͤren Electromagneten angewandt, welchen ich durch die vol— taiſche Batterie magnetiſirte, und wenn man den leidenden Theil etwa eine hallbe Stunde lang ſo nahe, als moͤglich, an dem 15 727. XXXIV. 1. 16 Inſtrumente laͤßt, ſo wird der beabſichtigte Zweck vollſtaͤndig erreicht. E „Der Electromagnet koͤnnte, wenn uns die Richtung des fremden Koͤrpers bekannt waͤre, die Hufeiſengeſtalt haben; allein in dieſem Falle waͤre das ganze Verfahren uͤberfluͤſſig, da es ja eben bezweckt, uns von dem Vorhandenſeyn einer Naͤhnadel ꝛc. zu uͤberzeugen. Ich habe den hufeiſenfoͤrmigen Magneten angewandt, gebe aber in den meiſten Faͤllen eis nem Magneten den Vorzug, der ganz einfach aus einer, mit Draht umwundenen, geraden Stange von weichem Eiſen beſteht“. (Der Profeſſor zeigte hier einen von dem Herrn Hor— ne in Newgate-Street angefertigten Magneten dieſer Art vor). „Die Wirkung, welche ein ſolcher Magnet aͤußert, iſt bekanntlich der Kraft der Batterie proportional, ſo daß, wenn man nur eine maͤßige Wirkung hervorbringen will, der kleine Becherapparat ausreichend iſt; ſoll ſich die Wirkung jedoch auf eine groͤßere Entfernung aͤußern, ſo wird man eine zu— ſammengeſetzte Trogbatterie anzuwenden haben. Mit einer ſolchen laͤßt ſich eine Naͤhnadel binnen 2 — 3 Minuten in einen Magneten verwandeln. Ein kraͤftiger permanenter Magnet wuͤrde dem Zwecke ſo gut entſprechen, als ein tem— poraͤrer Magnet; allein er wide ſehr theuer und nicht im: mer zu haben ſeyn. „Wenn in irgend einem Koͤrpertheile weiches Eiſen ein— geſchloſſen iſt, ſo kann uns weder der temporaͤre, noch der permanente Magnet etwas nuͤtzen; denn dieſer Subſtanz laſ— ſen ſich die magnetiſchen Eigenſchaften nicht ertheilen. „Um das Vorhandenſeyn eines Magneten im Koͤrper zu ermitteln, nimmt man, z. B., eine magnetiſirte Naͤhna— del und haͤngt ſie an einem rohen Seidenfaden auf, da ſich denn, wenn man ſie dem Theile naͤhert, in dem ſich ein Stuͤck magnetiſirten Stahles befindet, gewiſſe Erſcheinungen an der— ſelben offenbaren werden. Obgleich dieſer einfache Apparat genuͤgt, ſo habe ich mir doch von dem Herrn Willats in Cheapſide einen ſolchen anfertigen laſſen, welcher dem Zwecke vorzuͤglich gut entſpricht. „Er beſteht, wie Sie ſehen, aus einer feinen, etwa 6 Zoll langen Nadel, welche mittelſt eines Agatpfaͤnnchens auf einer Stahlſpitze balancirt, fo daß fie mit ungemeiner Em— pfindlichkeit ſpielt. „Wenn die Nadel in die Naͤhe eines Theiles gebracht wird, der magnetiſirten Stahl enthaͤlt, ſo kann ſie entwe— der angezogen oder abgeſtoßen werden, ſich abſenken oder he— ben, oder durch die Unruhe, in die ſie geraͤth, die Anweſenheit des Magneten verrathen. „Die Lage des fremden Koͤrpers werden wir, wenn der— ſelbe eine irgend erhebliche Ausdehnung beſitzt, ermitteln koͤn— nen, indem wir die Lage ſeines Nord- und Suͤdpols erfor— ſchen, die ſich durch Anziehung der ungleichnamigen und durch Abſtoßung der gleichnamigen Pole offenbart. Die Unruhe der Nadel oder deren Bewegung nach Oben und Unten zeigt nur die Anweſenheit, nicht aber die Richtung des Magne— ten, an. „Sie werden ſich unſtreitig wundern, wenn ich Ihnen ſage, daß ich auf dieſe Weiſe ein Stuͤck Naͤhnadel entdeckt habe, welches ſich in dem Finger einer jungen Frau einge— huͤllt befand, obwohl daſſelbe nur 7 Gran wog. Die An— zeigen waren ſo ſicher, daß ich die Lage des Suͤd- und Nordpols des Fragmentes ziemlich beſtimmt ermittelte, obwohl ich mich auf keine andere Weiſe auch nur von deſſen Vor⸗ handenſeyn haͤtte uͤberzeugen koͤnnen. Ich machte mit noch kleinern Stuͤcken auf kurze Entfernungen, z. B., 2 — 1 Zoll, Verſuche und fand, daß ein Stuͤckchen von einer Naͤhnadel, das „5 Gran wog, nachdem es magnetiſirt worden, entſchie— dene Anzeige gab, und in manchen Faͤllen ließe ſich vielleicht die Anweſenheit von noch winzigern Stuͤckchen ermitteln. „Ich habe Ihnen nun gezeigt, wie der Magnetismus zur Entdeckung von Stahl im menſchlichen Körper mit voll⸗ ſtaͤndigem Erfolge angewandt werden kann, und ich bin uͤber— zeugt, daß, wenn dieß Verfahren von jeher haͤtte koͤnnen be— nutzt werden, man viele Gelenke vor Steifheit geſchuͤtzt ha— ben wuͤrde, ſowie ich auch zuverſichtlich hoffe, daß kuͤnftig auf dieſe Weiſe viele dieſer Theile in brauchbarem Stande werden erhalten werden. (The London, Edinb. & Du- blin philosophical Magazine. Third Series, No. 171, February 1845) Miscellen. Salbe gegen ſyphilitiſche Fiſſuren an den Zehen. Eine der ſchmerzhafteſten Formen der ſecundaͤren Syphilis ſind die Fiſſuren an der Innenſeite der Zehen, welche, von einem rothen Hofe umgeben, einen ſyphilitiſchen Eiter abſondern. Die Kranken brin— gen ſchlafloſe Naͤchte zu und magern ab, in einigen Faͤllen tritt ſelbſt Brand ein und zerſtoͤrt eine Zehe nach der anderen. Dr. Herſhmann empfiehlt zur raſchen Heilung dieſes oͤrtlichen Uebels, als ſehr wirkſam, eine Salbe aus Bleiglätte, weißem Praͤcipitat und einigen Tropfen Laudanum, welches Mittel nach ihm auch bei den tiefen phagedaͤniſchen Geſchwuͤren, welche zuweilen bei ſerophu— loͤſen oder ſyphilitiſchen Individuen nach der Vaccination ſich bilden, unfehlbar iſt. Die Heilung ſolcher Geſchwuͤre wird noch dadurch beſchleunigt, daß man ſich täglich mehrmals mit einem Inf. Malvae oder Cicutae waͤchf't. (Defterr. medic. Wochenſchrift.) Snoculation der Lymphe der Brechweinſteinpu⸗ ſteln. Dr. Lichtenſtein hat gefunden, daß die, in den, durch die äußere Applicatio des Tart. stib. hervorgebrachten Puſteln enthaltenen klare eymphe auf nicht vaccinirte Perſonen durch Inoculation uͤbertra⸗ gene Puſteln erzeuge, welche nicht von denen der wirklichen Vaccine zu unterſcheiden ſind und ebenſogut, wie dieſe, vor der variola vera zu ſchuͤtzen ſcheinen. Der Verfaſſer hat 31 Individuen auf dieſe Weiſe geimpft, welche waͤhrend einer ziemlich moͤrderiſchen Pockenepidemie vor den Blattern bewahrt blieben. (Aus Hufeland's Journal in Ann. des malad. de la peau. Fevr, 1844.) Bibliographische Quarterly Journal of the Geological Society. Edited by the Vice-Secretary of the Geological Society No. 1. London 1845. 8. Catalogue of Mammalia and Aves in the Museum of the Col- lege of Surgeons. London 1845. 4 Kemigkeitem Sulle malattie intermittenti, saggio di Celestino Guerreschi. Parma 1343, 8. On the Diseases most fatal to Children. don 1845. 12. By P. Hood. Lon- — ss: —u— ( ierzu 1 Tafel Abbildungen in Quarto.) Neue Notizen aus deem Gebiete der Hatur - und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Meditinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrothe und Profeſſor Fror ie p ju Berlin. No. 728. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stüdes 3¼ 95 (Nr. 2. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Re. oder 3 g 30 M, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 9 April 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 9953 e eee eee Studien uͤber die Tauſendfuͤße. Von Herrn Paul Gervais. (Hierzu Figur 1. bis 19. der mit Nr. 727. d. Bl. ausgegebenen Tafel.) Als ich im Jahre 1837 verſchiedene Beobachtungen und einige neue Anſichten bekannt machte, auf die ich durch das Studium der in der Nachbarſchaft von Paris einheimiſchen Tauſendfuͤße gefuͤhrt worden war, ſuchte ich unter der Form einer Einleitung die damals bekannten Hauptthatſachen der Naturgeſchichte dieſer Inſecten kurz zuſammenzufaſſen, und indem ich jene neuen Beobachtungen mit den früheren zuſam— menſtellte, den letzteren ein mehr ſyſtematiſches Gepraͤge zu ertheilen, als ſie bisher gehabt. Degeer und Leach, Treviranus und Herr Léon Dufour waren, ſo zu ſagen, die einzigen Schriftſteller, die ſich bis dahin einigermaaßen gruͤndlich mit dieſen Thieren beſchaͤftigt hatten; die erſtern beiden in Beziehung auf die ſpecifiſchen Kennzeichen, die letzteren in Betreff ihrer Anatomie. Indeß haben ſich die Naturforſcher bald dieſem Gegen» ſtande mit mehr Eifer zugewandt, und aus ihren nunmehr ſehr zahlreichen Arbeiten ergiebt ſich, welcher bedeutende Nuz— zen ſich aus dem Studium dieſer Thiere fuͤr die allgemeine und philoſophiſche Naturgeſchichte ziehen laͤßt. Die Tauſend— fuͤße bilden unter den Entomozoarien beſtimmt eine deutlich geſonderte Claſſe, keine bloße Ordnung einer der anderen Glaf: ſen dieſes Typus, und die noch unvollſtaͤndig gewuͤrdigten Verwandtſchaften, die ſie in manchen Puncten mit den Hexa— poden, den Cruſtaceen und Würmern darbieten, koͤnnen, fo zu ſagen, als Schluͤſſel zum methodifchen Studium der Ento— mologie dienen. Herr Brandt, Director des Muſeums von St. Pes tersburg, der ſchon im Jahre 1833 eine Monographie der Chilognathen Latreille's herausgegeben hatte, trug ſpaͤ— ter zur Kenntniß faſt aller Gattungen der Myriapoden bei; er hat eine Claſſification dieſer Thiere mitgetheilt und auch No. 1828. — 728. wichtige Beiträge zur Anatomie der Glomeris bekannt ge: macht. ) Herr A. Lucas hat meine Einleitung oder meinen Prodromus vervollſtaͤndigt, indem er mehrere Beſchreibungen, die darin ganz fehlten, nachtrug “*). Man verdankt ihm manche ſchaͤtzbare Beobachtung und unter anderen auch die Aufſtellung der Gattung Platydesmus ***). In der Gegend von Warſchau hat Herr Waga meh— rere intereſſante Species von Julus, unſere Gattung Platyulus, die Gattung Craspedosoma, Leach etc. aufgefunden +); allein feine Denkſchrift iſt zumal durch die Feinheit der Beobachtungen, die fie enthält, von Werth r). Herr Jones hat die Characteriſtik mehrerer neuen genera bekannt gemacht, deren Aufſtellung von Herrn J. E. Gray in Vorſchlag gebracht worden. Endlich hat Herr Newport in der Reihe von wich— tigen Arbeiten, welche er unternommen hat, über die Anas tomie und Entwickelung von Julus, ſowie von dem Ner— ven» und Circulations-Syſtem mehrerer Gruppen, gehandelt. Man verdankt ihm auch die kurzgefaßte Beſchreibung einer ziemlich betraͤchtlichen Anzahl von neuen Tauſendfuͤßen, wel— che er ſich in den Londoner Sammlungen verſchafft hat. Obwohl alle dieſe Unterſuchungen binnen nur wenigen Jahren und in ziemlich verſchiedenen Richtungen angeſtellt wor— den find, fo iſt doch unſere frühere Kenntniß der Myriapo⸗ dologie ſchnell außerordentlich veraltet; da ſie jedoch in vie— len Zeitſchriften zerſtreut mitgetheilt wurden, ſo haben ſie noch nicht den vollen guten Erfolg bewirkt, der ſich von ih: nen haͤtte erwarten laſſen. Durch die Zuſtimmung der Herren Waldenaer und v. Blainville, ſowie die guͤnſtige Aufnahme, welche meine ) Recueil de Mem, relatifs a l’ordre des Myriapodes; in 8. 1841. *) Animaux articules. *) Annales de la Soc. entomologique de France. +) Revue Cuverienne de Mr. Guerin. ee Cyclopedia of Anatomy and Physiology, III, 544, 2 19 erſte Arbeit über die Myriapoden von Seiten der Academie gefunden, aufgemuntert, habe ich die neuerdings erſchienenen zahlreichen Beitraͤge zur Naturgeſchichte dieſer Claſſe in ei— ner zweiten Denkſchrift zuſammengeſtellt. Dieſe Arbeit ſchien mir um ſo nuͤtzlicher, als die bereits erwaͤhnten Beobachter mit den von anderen erlangten Reſultaten nicht immer be— kannt waren, theils weil die Forſchungen gleichzeitig ange— ſtellt wurden, theils weil die große Entfernung der Wohn— oͤrter das baldige Eintreffen der Journale ꝛc. hinderte. Uebrigens habe auch ich manche neue Studien unter— nommen, und da ich deren Reſultate bis jetzt nur ganz ſum— mariſch, zum Theil auch noch gar nicht mitgetheilt, ſo be— nutze ich dieſe Gelegenheit, um fie dem naturforſchenden Pu— blicum vorzutragen. Von den Tauſendfuͤßen im Allgemeinen. Die Tauſendfuͤße oder Myriapoden ſind Gliederthiere, welche auf dem Lande leben und mit zahlreichern geglieder— ten Füßen ausgeſtattet find, als die übrigen Gruppen deſſel— ben Typus, fo daß fie 10 — 150 und mehr Paar Füße beſitzen. Alle athmen durch Tracheen, und ihr Koͤrper zer— faͤlt mir in zwei Haupttheile: den Kopf, welcher mit zwei Fuͤhlern, den Augen, inſofern ſolche vorhanden ſind, und den Mundanhaͤngſeln ausgeſtattet iſt, und den Rumpf, der aus einander gleichen oder aͤhnlichen Ringen beſteht, die faſt ſaͤmmtlich mit einem oder zwei Paar Fuͤßen verſehen ſind und ſich nicht in Thorax- und Abdominal-Ringe ſcheiden laſſen. Dieſe Verbindung von Kennzeichen geſtattet nicht, daß man dieſe Thiere in irgend eine der ſchon vorhandenen Claſ— ſen, naͤmlich die der Hexapoden, Cruſtaceen, Arachniden oder Octopoden, einreihe. Die Hexapoden beſitzen, in der That, in ihrem gewoͤhnlich aus 14 Gliedern beſtehenden und in 3 Hauptabſchnitte zerfallenden Körper, in ihren einfachen Fuͤh⸗ lern, ihren Tracheen und ſechs Fuͤßen, von denen ein Paar an jedem der drei Segmente des Thorax ſitzt, Eigenthuͤm— lichkeiten, durch welche ſie ſcharf abgeſondert werden und ver— moͤge deren ſie, wenn man ihr Nervenſyſtem, ihre Sinnes— organe und Lebensweiſe mit in Anſchlag bringt, offenbar an die Spitze der Gliederthiere geſtellt werden muͤſſen. Die ſaͤmmtlichen Herapoden ließen ſich jedoch, wenngleich fie ein durch viele gemeinſchaftliche Kennzeichen characteriſirtes Gan— zes bilden, in mehrere Unterclaſſen zerfaͤllen, und die vers ſchiedenen Ordnungen, in die man ſie geſchieden, gruͤnden ſich, in der That, auf Charactere von ſehr verſchiedenem Werthe. Bei den Cruſtenthieren iſt dieß in einer noch deut— lichern Weiſe der Fall, daher ſie auch in der von Herrn v. Blainville aufgeſtellten Claſſiſication in mehrere Claſſen getrennt erſcheinen, und ebenſo duͤrfte es ſich mit den Octo— poden verhalten, die ebenſowohl, wie die Hexapoden und Cru— ſtaceen, eine der partiellen Reihen bilden, aus denen der Unter-Typus der apiropodiſchen Entomozoarien beſteht, Soll man annehmen, die Myriapoden ſeyen eine vierte Abtheilung der Apiropoden, eine Abtheilung von gleicher Bedeutſamkeit, wie die, von denen ſoeben die Rede geweſen? 728. XXXIV. 2. 20 Latreille, Herr Brandt und Andere haben dieſe Anſicht nacheinander vertheidigt und verworfen. Herr v. Blains ville iſt ſtets der Meinung geweſen, die Myriapoden bil— deten unter den Gliederthieren eine beſondere Claſſe, und in feinen Vorleſungen an der wiſſenſchaftlichen Facultaͤt von Paris im Jahre 1844 iſt er weiter gegangen, als irgend ein Anderer vor ihm, indem er vorſchlug, die Myriapoden in zwei Unterclaffen zu trennen, jenachdem fie an jedem Ringe ein oder zwei Paar Fuͤße haben. Dieſe Anſicht des Herrn v. Blainville ſteht gewiß mit dem Werthe der Charactere mehr im Einklange, als die Trennung der Myriapoden in nur zwei Ordnungen: die Chi— lognathen und Chilopoden oder Syngnathen Latreille's (Syngnathen des Herrn Walckenaer). Wir würden uns ſogar an deren gelehrten Urheber die Frage zu ſtellen erlau— ben, ob ſie den trefflichen Grundſaͤtzen, die er hinſichtlich der Claſſification der Thiere aufgeſtellt, voͤllig Genuͤge leiſte, und ob, wenn man zugiebt, daß die Cruſtaceen mehrere Gruppen bilden, von denen jede ihrer Bedeutung nach eine Claſſe abs geben koͤnnte, die Julen in derſelben Claſſe bleiben duͤrften, wie die Scolopendren, und ob man nicht paſſender die My⸗ riapoden als einen Untertypus der Gliederthiere oder wenig— ſtens als eine Abtheilung von gleichem Werthe, wie die Hexa— poden, Cruſtaceen und Octopoden, betrachten wuͤrde? Wenn man, in der That, zugiebt, daß die Gliederthiere, gleich allen Gruppen des Thierreiches, eine Aufeinanderfolge von Reihen und nicht eine einzige Reihe bilden, ſo koͤnnte man unter den mit gegliederten Fuͤßen verſehenen Species die naͤmlichen Reihen-Charactere finden, wie unter den Würs mern, wenn man die Chaetopoden und Apoden unter dieſem Namen zuſammenfaßt, naͤmlich: Eine Gruppe von Thieren, deren Segmente ſich ſcharf in drei Abtheilungen ſcheiden, und die, wenn ich mich ſo ausdruͤcken darf, heterocriciſch ſind. Eine andere Gruppe mit Segmenten zweierlei Art, par- homocriciſchen und homocriciſchen. Andere endlich, deren anfangs gegliederter und parho— mocriciſcher Koͤrper ſich, wie bei den niedrigſten Wuͤrmern, der Kugelgeſtalt zu naͤhern ſtrebt. Die Arten der erſten Kategorie find die Hexapoden, die der zweiten die Cruſtaceen und Myriapoden, die der dritten die Octopoden. Wenn die Naturforſcher die Myriapoden mit den ſechs— fuͤßigen Inſecten zuſammengeſtellt haben, fo geſchah dieß, weil ſie, nach G. Cuvier's und Latreille's Vorgange, dem Vorhandenſeyn der Tracheen zuviel Wichtigkeit beilegs ten; allein Herr v. Blainville hat dieſe Anſicht ſchon lange widerlegt, und durch die neueſten entomologiſchen For⸗ ſchungen ſcheint ſie ein- fuͤr alle Mal zur Ruhe verwieſen worden zu ſeyn. Wenn man die Myriapoden mit den Heras poden vereinigt, weil fie durch Tracheen athmen, warum dürfte man dann von letzteren diejenigen Arachniden trennen, welche die naͤmlichen Reſpirationsorgane beſitzen? ) Und obgleich ) Ueber diefen Punct ift man indeß noch nicht einig, und Herr Brandt, welcher ſich für den Grundſatz bekennt, bekennt ſich auch zu deſſen nothwendigen Folgen und hat vor feinen Vor⸗ 21 erwiefen zu ſeyn ſcheint, daß alle Hexapoden Tracheen be: ſitzen, warum ſollte man deßhalb nicht diejenigen Species zu trennen haben, die neben dieſen Tracheen aͤchte Kiemen haben, wie die meiſten im Waſſer lebenden Larven der Neu— ropteren u. fe w.? Die Abdominalanhaͤngſel der Familie der Lepismen ), auf die ſich Latreille und Andere be: riefen, um mittelſt der Lepismen einen Uebergang von den Hexapoden zu den Myriapoden zu begründen, laſſen ſich eher mit Kiemen, als mit Fuͤßen, vergleichen. Das Nervenſyſtem der Myriapoden kann durchaus kein Moment abgeben, welches mit den morphologiſchen Kennzei— chen in ſolcher Beziehung ſtaͤnde, daß es ſich fuͤr die Claſſi— fication benutzen ließe, und im Allgemeinen laͤßt ſich ſagen, daß es, gleich ihren Sinnesorganen und Thaͤtigkeitsaͤußerun⸗ gen, unter Demjenigen ſteht, was die Inſecten und ſelbſt die Cruſtaceen darbieten; von ihren Geſchlechtsorganen laͤßt ſich in dieſer Beziehung noch weniger Gewinn ziehen. Wir wol— len ſehen, was ſich aus der eigentlichen Entwickelung dieſer Thiere zu dieſem Zwecke benutzen laͤßt. Das von geſchickten Phyſiologen unternommene Stu— dium der Entwickelung hat bereits fuͤr faſt alle Claſſen des Thierreiches ſchaͤtzbare Fingerzeige geliefert, welche alsbald be— hufs der Claſſification benutzt worden ſind; allein die der Tauſendfuͤße ift noch nicht gehörig aufgeklärt. Einige bereits von Degeer ermittelte werthvolle Anzeigen, einige von Savi, Herrn Waga, Herrn Newport und mir bekannt gemachte Thatſachen ſind die einzigen Anhaltepuncte, welche man bis jetzt beſitzt, und es läßt ſich behaupten, daß dieſel— ben in Betreff der beiden Hauptreihen der Myriapoden noch nicht gehoͤrig miteinander verglichen worden ſeyen. Degeer hatte beobachtet, daß die Pollyrenen und Ju— len mit drei Fußpaaren und einer kleinen Anzahl von Rin— gen zur Welt kommen. Ich fügte hinzu, daß bei den Ju— len die Jungen ebenfalls an den Fuͤhlern weniger Glieder und daß ſie weniger Augen haben, als die ausgewachſenen Thiere. Desgleichen habe ich bemerkt, daß die ſechsfuͤßigen Myriapoden zu dieſer Zeit weniger Koͤrperringe beſitzen, als die Herapoden, jedoch mit Ausnahme der Poduren und eis niger andern fluͤgelloſen Hexapoden; daß ſie ferner ſchon mehr als drei Paar Fuͤße haben, bevor ſie die 14 Paar Ringe erlangt, welche die meiſten Herapoden darbieten. Sa vi gaͤngern das voraus, daß er mit ſeinen Praͤmiſſen nicht in Widerſpruch geraͤth. Er druͤckt ſich in dieſer Beziehung fols gendermaaßen aus: „Wenn man indeß dieſes hauptſaͤchlich auf die Organe der Reſpiration und Circulation gegründete Claſ⸗ ſiſications-Princip gelten läßt, fo gehört ein Theil der Arach⸗ niden (die Tracheenſpinen) ebenfalls in die Claſſe der Inſecten, waͤhrend ein anderer Theil derſelben (die Lungenſpinnen) mit den Kruſtenthieren zu vereinigen waͤren, welche ſich von den Inſecten beſonders durch blaͤtterige oder ſackfoͤrmige (Lungen) Kiemen und deutliche Gefäße, die das Blut den Organen und Lungen zufuͤhren, unterſcheiden wuͤrden.“ Uebrigens muͤſſen wir hinzufuͤgen, daß die relative Lage der Kiemenanhaͤnaſel der Kruſtenthiere und der Lungenkiemen der Arachniden eine durchaus verſchiedene iſt. „) Man hatte das Vorhandenſeyn der Tracheen bei den Lepis⸗ men gelaͤugnet, allein ich habe dieſelben, nach Herrn Bur⸗ meiſter's Vorgange, bei dieſen Thieren mit Beſtimmtheit ers mittelt. 728. XXXIV. 2. 22 hatte, gegen Degeer's Behauptung, angegeben, die Ju⸗ len kaͤmen fußlos auf die Welt und erlangten erſt nach ei— niger Zeit ſechs Füße. Herr Newport hat dieſelbe Ans ſicht in einer ſeiner wichtigen Abhandlungen vertheidigt; ich erlaube mir jedoch noch einige Zweifel zu hegen, zumal da ich in einer allerdings verſchiedenen, aber doch zu derſelben Reihe gehörenden Familie, naͤmlich bei den Glomeris, Fol gendes beobachtet habe *). Im Monat April ſind in der Umgegend von Paris die Eierſtoͤcke der Glomeris marginata mit einer großen Anzahl von Eiern gefuͤllt. Haͤlt man dieſe Glomeris in einem verſchloſſenen Gefaͤße, ſo faͤngt ſie bald an, zu legen. Jedes Ei iſt iſolirt und in ein mehr oder weniger regelmaͤßiges Erdkuͤgelchen eingehuͤllt, deſſen Durchmeſſer 3—4 Millimeter beträgt. Das Ei ſelbſt mißt kaum 1 Millim., iſt weiß und vollkommen rund. Wenn man dieſe Eier nach einiger Zeit unterſucht, ſo findet man, daß die Entwickelung des Jun— gen begonnen hat, und wenn es auskriecht, beſitzt daſſelbe an den Fuͤhlern und am Koͤrper weniger Glieder, als die alten Exemplare. Es hat nur drei Paar Fuͤße, und ich habe mich davon uͤberzeugt, daß dieſelben ſchon vor dem Auskriechen vorhanden ſind. Ich habe eben ausgekrochene Junge von Polydesmus complanatus geſehen, die ſechsfuͤßig waren, jedoch keine Gelegenheit gehabt, die Embryonen im Cie zu unterſuchen. Dieſelbe Thatſache war auch von Herrn Waga beobachtet worden, und er hatte ſie ebenfalls in Betreff des Platyu— lus ermittelt. An den jungen Polydesmen bemerkte ich das Merkwuͤrdige, daß der Kiel ihrer Ringe am Rande drei Kerben darbietet, ungefähr in derſelben Art, wie bei Poly- desmus mexicanus, Lucas, und daß in jeder derſelben ein borſtenfoͤrmiges Haar ſteht. Dieſe jungen Polydesmen hatten, mit Ausſchluß des Kopfes, nur 7 Ringe. An ei— nem, den ich drei Wochen ſpaͤter unterſuchte, fand ich, mit Ausſchluß des Kopfes und des zweiklappigen Afters, 8 Ringe und ſtatt dreier Fußpaare deren ſechs, eines am erſten oder zweiten Ringe, eines am dritten, eines am vierten, das vierte und fuͤnfte am fuͤnften und das ſechste unter dem ſechsten Ringe. Wahrſcheinlich waͤre dieſes Exemplar, wenn es ſich weiter entwickelt haͤtte, ein Maͤnnchen geworden. Bei einem Weibchen wuͤrden ſich ohne Zweifel an dem ſechsten Ringe zwei Fußpaare, ſtatt eines einzigen, befunden haben; allein hier waren die Begattungszangen noch nicht entwickelt. Im Jahre 1837 habe ich nachgewieſen, daß bei den Lithobien eine aͤhnliche Entwickelung ſtattfindet, d. h., daß ſie bei dem Auskriechen weniger Ringe am Koͤrper, weniger Glieder an den Fuͤhlern und weniger Augen beſitzen, als wenn ſie ausgewachſen ſind, und außerdem brachte ich da— mals eine andere intereſſante Thatſache, die mir von Herrn Audouin mitgetheilt worden, zur Kenntniß des Publicums. „Ein Weibchen dieſer Gattung, welches noch lebend in Al— kohol geſetzt wurde, legte darin nicht Eier, ſondern bereits entwickelte Junge, welche mir Herr Audouin gezeigt hat *).“ l de la Société philomatique, im Institut, 1844, p. **) Dictionnaire d'Histoire naturelle de Mr. Guerin. 2 * 23 Diefe jungen Scolopendren beſaßen bereits die normale Zahl Fuͤße und folglich Ringe. Dem fernern Studium der Embryogenie der Scolo— pendren wird es unſtreitig gelingen, dieſe anſcheinend eine Ausnahme begruͤndende Thatſache den bereits angefuͤhrten an— zureihen, ohne daß dadurch den daraus zu ziehenden Folge— rungen Abbruch gethan wuͤrde. Die Myriapoden erleiden offenbar, gleich mehreren hexapodiſchen Inſecten, halbe Ver— wandlungen: ſie ſtehen ſicher auf einer niedrigern Stufe, als die aͤchten Inſecten (Hexapoden); aber ſie ſind keine in der Entwickelung ſtehen gebliebene Hexapoden; denn ihnen geht ein eigentliches abdomen weſentlich ab, und dieſes Or— gan iſt bei den Hexapoden in allen Lebensaltern vorhanden. Sie laſſen ſich in dieſer Beziehung mit Podurellen verglei— chen, deren Thoraxringe ſich in einer faſt unbegraͤnzten Weiſe vervielfaͤltigen, waͤhrend das abdomen erſt weniger Ringe befäße, als der thorax, oder deren noch ganz entbehrte. Die Myriapoden laſſen ſich auch als einen der ſchlagendſten Be— lege anfuͤhren, daß die Vervielfaͤltigung der (ſelbſt als bloße Anhaͤngſel zu betrachtenden) Organe unter homologen For— men und die Erhoͤhung der Wichtigkeit dieſer Organe in Be— treff der Functionen und characteriſirenden Beſchaffenheit ſtets im umgekehrten Verhaͤltniß zu einander ſtehen. Bekanntlich ſind auch bei den Wuͤrmern und ſelbſt bei den meiſten Kru— ſtenthieren bei den jungen Exemplaren weniger Koͤrperringe vorhanden, als bei den alten, ſey nun bei dieſen letztern die Zahl der Ringe eine beſtimmte oder unbeſtimmte. Von den Diplopoden. Herr v. Blainville hat, wie bereits erwaͤhnt, dieſen Namen *) unlängft denjenigen Myriapoden beigelegt, deren Ringe in der pſeudogaſtriſchen Region jeder mit zwei Paar Füßen verſehen find. Die theoretiſche Erklärung dleſer Stru— ctur iſt bisjetzt noch nicht in einer befriedigenden Welſe gege— ben worden; allein das Kennzeichen ſelbſt beſchraͤnkte ſich bis— her einzig auf die Chilognathen Latreille's und iſt uns ſtreitig weit wichtiger, als dasjenige, deſſen ſich der letztge— nannte Naturforſcher zur Unterſcheidung dieſer Gruppe be— dient hatte. Uebrigens iſt durch neuere Beobachtungen nach— gewieſen, daß die Anhaͤngſel am Munde der Chilognathen, je nach den Familien, verſchiedenartig abgeändert find, und wir werden bei Gelegenheit der Platyulen und der ihnen ver— wandten Gattungen ſehen, daß ſie die Geſtalt von Saug— tuͤſſeln annehmen koͤnnen. Die Zuſammenſetzung der Ringe ſelbſt iſt einigen Modificationen unterworfen; die Geſchlechts— organe aͤndern ruͤckſichtlich der Lage ihrer Muͤndung ab, waͤh— rend die Verdoppelung der Füße conſtant ift, Dieſes letz⸗ tere Kennzeichen iſt demnach das zuverlaͤſſigſte, welches man dieſer erſten Kategorie der Myriapoden zuerkennen kann; „) Derſelbe ſteht mit der vom Herrn v. Blainville in die „Wiſſenſchaft eingeführten Nomenclatur im Einklang, welche auch von den meiſten übrigen Naturforſchern angenommen wor— den iſt, und der zufolge die Charactere und Namen der Unter— claſſen der Entomozoarien u. ſ. w. von denſelben Organen entlehnt find, wie die, welche zur Aufſtellung der Glaffen ſelbſt gedient haben, i 728. XXXIV. 2. 24 dazu muß man immer noch die Zuſammenſetzung der Fuͤh⸗ ler hinzufuͤgen, welche gewoͤhnlich aus 7 ungleichen, ſelten aus 6— 8 Gliedern beſtehen 5). Die Diplopoden zeigen in Anſehung ihrer morphologi— ſchen Charactere einige weſentliche Verwandtſchaften mit den Cruſtaceen. Ihr Nervenſyſtem, ihre Sinne, ihre Secretio— nen, faſt Alles an ihnen beweiſ't, daß ſie hoͤher organiſirt ſind, als die Chilopoden; deßhalb werden wir ſie zuerſt vor— nehmen. Man kann von jetzt an die Diplopoden in 5 Gruppen eintheilen, denen wir den Werth von Familien beilegen, und in denen die Pollyrenen, Glomeriden, Platydesmen, Julen und Platyulen und die Polyzonien unterzubringen find, wels che ſich faft alle wieder in mehrere Gattungen zerfällen laſſen. I. Pollyxeniden (Pollyxenidae). Der geringen Zahl ihrer Ringe und noch geringeren Zahl ihrer Fuͤße wegen, habe ich ſie an die Spitze der Di— plopoden geſtellt, und obwohl ihre Organiſation, ſowohl in Betreff des Nervenſyſtems, als der Lage der Geſchlechtsor— gane, nicht gehörig bekannt iſt, fo kennt man an ihnen doch hinreichend eigenthuͤmliche Charactere, um fie von Glome- ris zu unterſcheiden, mit welcher Gattung ich ſie fruͤher vereinigt hatte. Herr Lucas hat die Familie dieſer kleinen Thiere Pollyxenites genannt. Die Herren Gray und Jones haben ihr den Namen Pollyxenidae gegeben. Einzige Gattung: Pollyxenus, Latreille. Es giebt Arten in Europa (Degeer, Geoffroy c.), in der Berberei (Herr Lucas), in Nordamerica (Say). II. Glomeriden, Glomeridae, Latreille. Die ihnen eigene Fähigkeit, ſich kugelfoͤrmig zufammens zurollen, der doppelte Einſchnitt in ihrer Haube, die fünf Guͤrtel, aus denen ihre Ringe beſtehen und die ſehr weit hinterwaͤrts liegende Muͤndung ihrer Geſchlechtsorgane ſind die Hauptcharactere, durch die ſie ſich unterſcheiden. Herr Brandt hat fie zum Gegenſtande mehrerer ins tereſſanten Abhandlungen gemacht und theilt ſie nach der Zahl der Ringe und zumal nach der Beſchaffenheit ihrer Aus gen ein, die entweder zuſammengehaͤuft oder am aͤußern Rande des Kopfes in einer Reihe ſtehen, in zwei Gruppen, Glo— meridia und Sphaerotheria, welche wir, trotz feiner Ges genbemerkungen, als die einzigen aͤchten Gattungen dieſer Familie zu betrachten fortfahren. Man hat bisjetzt in Ame⸗ rica und Auſtralaſien noch keine Glomeriden entdeckt. 1) Glomeris, Latreille, Bisjetzt kennt man nur europaͤiſche Arten “). Wir has ben uns davon uͤberzeugt, daß die beiden Species, welche angeblich in der Umgegend von Paris vorkommen, nur eine einzige ſind, deren Weibchen zur Aufſtellung der Glomeris marginata die Veranlaſſung gegeben, während das Maͤnn⸗ chen für Gl. marmorea galt. Dieſes beſitzt ſtets Begat⸗ *) Der Jolus plicatus, Guerin, hat, nach meinen genauen Unters ſuchungen, 8 Glieder. %) Mit Ausnahme der Glomeris Klugii, Brandt, die in Aegyp⸗ 9 55 Syrien vorkommt und der Typus ſeiner Abtheilung a iſt. 25 tungszangen und jenes das ganze Fruͤhjahr Über ſtark mit Eiern gefüllte Ovarien. Herr Gray, den Herr Jones citirt, behält den Na— men Glomeris der Abtheilung a Brandt's, welche nur eine neue Species enthaͤlt, und ertheilt den neuen Namen (Lamisea) der Abtheilung 5 *) deſſelben Verfaſſers, wel⸗ che die lange bekannten Species enthaͤlt, die den Typus der Gattung Glomeris ſelbſt bilden. Dieſen Fehler in der Nomenclatur muß man ſich ſehr huͤten, nachzuahmen, und uͤberdem iſt die Aufſtellung einer neuen Gattung unter dies ſen Thieren durchaus nicht nothwendig. 2) Zephronia, Gray. Mir werden darin die beiden Gattungen Sphaerothe- rium und Sphaeropoeus, Brandt, als einfache Abtheis lungen beibehalten, weil wir bei Sphaeropoeus nicht an das Vorhandenſeyn von nur ſechs Gliedern glauben. Das ſiebente Glied iſt entweder ſehr klein oder verborgen, aber nichtsdeſtoweniger vorhanden. Es ſcheint uns unmoͤglich, mit Herrn Gray aus den Zephroniadae eine von den Glomeridae getrennte Familie zu bilden, und, unſerer Ans ſicht nach, entzieht Herr Brandt, indem er die Sippen Sphaerotheria und Glomeridae aufſtelt, der Nomen: clatur dieſer Gruppe die in der Zoologie fo wuͤnſchenswer⸗ the Einfachheit. Die Arten dieſer Gattung, deren Beſchreibung man Herrn Brandt verdankt, ſind ſaͤmmtlich in Suͤdafrica oder Indien zu finden. Aus denſelben Ländern ſtammen die ſpaͤ⸗ ter von Herrn Newport angezeigten, ſowie die, welche wir ſelbſt unterſucht haben. (Fortſetzung ſolgt.) ) Vielleicht hat man Abtheilung a und nicht Abtheilung ö zu leſen, wie Herr Jones ſchreibt. 728. XXXIV. 2. 26 Miscellen. Chaetoderma ift der Name, welchen Herr Loven einem bisher, wie es ſcheint, unbeſchriebenen Meerthiere gegeben hat, über welches er der Academie der Wiſſenſchaften zu Stockholm einen, durch Abbildung erlaͤuterten Vortrag, gehalten hat, worin er das Thier folgendemaaßen characteriſirt; Vergleiche die Figuren 43. a. b. c. d. auf der mit Nr. 727 ausgegebenen Tafel. — Cha e- toderma n. g. e. classe Echidermatum (Aανετοεν, seta, dsguνEg5j̃ cutis). Cor pus vermiforme, teres, gracile, setosum, scil, acu- leis tectum contertissimis, simplicibus, rectis, ab antica parte (a) versus postica (6) sensim majoribus; Os (c) in antico fine inflata, angustum, in disco situm orbiculari, leviter convexo; anus (dt) in fine postica hiante, breviter tubulosus; branchiae (dere) binae, basi anum amplectentes, pinnatae, retractiles et cum ano intra cavitatem infundibuliformem recondendae. — C. nitidulum u. sp. argenteo-nitens, disco brachiisque flavican- tibus ; long. 8 -Iineari. — Hab. in argilla fundi 15 — 40 org. ad oras Sueciae occidentalis. — Animalculum singulare a Priapulis, Echiuris, ut videtur, haud alienum; eorumque fa- miliae interea adnumerandum. (Pornſchuch's Archiv ſcandina⸗ viſcher Beitäge zur Naturgeſchichte I. 1. S. 69.) Ueber die Verfertigung von Abguͤſſen für ethno⸗ graphiſche Muſeen iſt eine Abhandlung von E. Dalton am 5. Maͤrz in der Society of Arts zu London verleſen worden. Es erhellt daraus u. A., daß der verftorbene Sir Francis Chant rey einen Abguß der ganzen Figur eines Negers hat fertigen laſſen, der jetzt in dem College of Surgeons beſindlich iſt. Ein Abguß eis nes in London jetzt anweſenden Neu-Seelaͤnders von dem Ngatiawa— Stamme wurde fuͤr die Ethnographiſche Geſellſchaft beſtimmt. Kopf und Arme dieſes Neufeeländers find aus Wachs, find einzeln abgegoſſen und dann an den Koͤrper befeſtigt. Das Haar kann von dem Kopfe abgenommen werden, damit man die Schaͤdelbildung genau unters ſuchen kann. Die zu dieſem Modell erforderliche Zeit betrug etwa 14. Tage, und die Koſten dafür find zu 20 Pf. Stg. angeſchlagen worden, während die Koſten für ein vollſtaͤndiges Modell nackt und i m Ganzen abgegoſſen auf 40 Pf. Stg. kommen würde. Das Wachs dieſes Modelles iſt mit Oelfarbe uͤbermalt, ſo daß man ihm die Tinten des Fleiſches geben konnte und es das Reinigen ertraͤgt. Auch von feinem Thone, aus einer Tiefe von 150 F. unter der Oberfläche bei London, hat man gute und ſehr harte Modelle ganzer Koͤr— per gefertigt, die ſo hart werden, daß ſie faſt der Feile widerſte— ben. Auch papier mäche iſt dazu verwendet und mit Delfarbe uͤberzogen. He Rein n Din Herausbefoͤrderung eines Geldſtuͤcks aus dem Kehl— kopfe durch Umkehren des Koͤrpers. Von James Duncan, Med. D. etc. Am Abend des 11. Jan. beluſtigte ſich A. C. damit, einen Schilling in die Hoͤhe zu werfen, um ihn mit dem Munde zu fangen, als das Geldſtuͤck ihm ploͤtzlich in den Kehlkopf rutſchte. Es erfolgte ein heftiger Anfall von Hu— ſten und große Athmungsbeſchwerde. Letztere hielt eine Zeit— lang an, legte ſich aber allmaͤlig in dem Grade, daß der Patient einen ziemlich weiten Weg machen konnte, um aͤrzt⸗ licher Hülfe theilhaft zu werden. Der Zufall ereignete ſich um + zehn Uhr Abends, und Herr Paterſon beſichtigte den Patienten um 10 Uhr. Die Dyspnoͤe war zu dieſer Zeit unbedeutend, allein dann und wann trat, wenn der Pa— tient ſeine Stellung aͤnderte oder kraͤftig einathmete, ein heftiger Parorysmus ein. Dr. Paterſon unterſuchte die Rachenhoͤhle ſorgfaͤltig und fuͤhrte eine Speiſeroͤhre (Sonde) ein, um zu unterſuchen, ob die Münze etwa im Schlund⸗ kopfe ſtecke. Das Reſultat der Unterſuchung, ſowie der Ver⸗ nehmung des Patienten, ließ keinen Zweifel daruͤber, daß der fremde Körper in den Kehlkopf geglitten und darin feſt⸗ geklemmt ſey. Da die Symptome keines wegs dringend wa⸗ ren und keine unmittelbare chirurgiſche Huͤlfe erheiſchten, ſo brachte Dr. Paterſon den Patienten um etwa 2 11 Uhr in mein Haus. In Geſellſchaft des Dr. Pater ſon befanden ſich Profeſſor Simpfon und die DD. G. und J. Keith. Die Anweſenheit des fremden Koͤrpers veranlaßte eine ſo geringe Unbequemlichkeit, daß der Mann von Leith ohne große Schwierigkeit heraufging und unterwegs nur einige An⸗ fälle von Dyspnoͤe hatte, die durch gelegentliches Stolpern 27 herbeigeführt wurden. Als ich ihn ſah, ging die Reſpira⸗ tion durchaus leicht von Statten, aber die Stimme war außerordentlich ſchwach, beinahe nur fluͤſternd. Er erklaͤrte jedoch, daß ihm das kraftige Einathmen ſehr ſchwer werde und er dann deutlich fühle, daß der fremde Körper in dem Kehlkopfe wie eine Klappe wirke, die das Eindringen der Luft in die Luftroͤhre verhindere. Die Luftwege wurden nun forgfältig unterſucht, aber nicht das geringſte ungewoͤhn⸗ liche Geraͤuſch vernommen, und bei ſorgfaͤltiger Unterſuchung der Rachenhoͤhle mit dem Finger und der Zange konnte kein fremder Koͤrper darin entdeckt werden. Hierbei fand, wie fruͤher, wieder außerordentliche Dyspnde ftatt, und es trat auch Erbrechen, ein. Der Patient erholte ſich jedoch jedesmal ſchnell wieder. Wenn der Kehlkopf ſeitlich zuſam— mengedruͤckt wurde, erklaͤrte der Patient, er ſey vollkommen uͤberzeugt, daß ſich die Muͤnze daſelbſt befinde, und die Stelle, welche er bezeichnete, entſprach der cartilago eri- coidea. Dieſer Umſtand, ſowie die ſehr deutliche Beſchrei⸗ bung, welche der Patient außerdem mittheilte, uͤberzeugte uns vollſtaͤndig davon, daß der Schilling im Kehlkopfe ein⸗ geklemmt ſey, und demzufolge war die Beſeitigung des frem— den Koͤrpers aus den Luftwegen durchaus nothwendig. Die in Sir B. Brodie's Falle zuletzt erfolgreiche Umkehrung des Körpers *) war hier alsbald angezeigt, und dem Patien: ten ſelbſt war dieß Mittel ſogleich beigefallen. Ich ſcheute mich jedoch, gleich dem Dr. Paterſon, vor der Anwen⸗ dung deſſelben, weil ich es für möglich hielt, daß die Münze ihre Lage in der Art aͤndern koͤnne, daß Erſtickung erfolgte. Profeſſor Simpſon ſtimmte jedoch dafuͤr und empfahl nur, für den unguͤnſtigen Fall die geeigneten Inſtrumente pas rat zu halten. Der Patient war ſogleich dazu bereit. Der Verſuch mußte in einer etwas ungeſchlachten Weiſe ge— macht werden, gelang aber vollkommen. Der Patient wurde mit den Schultern gegen das aufrechtſtehende Ende eines ziemlich hohen Sofa's geſtemmt, dann von drei kraͤftigen Männern ergriffen und umgekehrt, fo daß der Kopf nieder⸗ waͤrts gerichtet war; dann ſchuͤttelte man ihn ein paarmal, während Dr. Sim pſfon den Kehlkopf ſchnell hin und her bewegte, und alsbald rutſchte der Schilling in den Mund und fiel auf den Boden. Nicht die geringſte Dyspnoͤe oder Huſten trat ein, und der Patient ſprang alsbald ſehr ver— gnuͤgt über feine gluͤckliche Herſtellung auf die Fuͤße. Seine Stimme war wieder ſo rein, wie vorher, und es kam auch ſpaͤter nicht die geringſte uͤble Folge zum Vorſchein. Uebrigens moͤchte ich doch nicht dafuͤr ſtehen, daß der ſich ergebende gluͤckliche Erfolg das Verfahren in aͤhnlichen Faͤllen leiten dürfe, wenigſtens nicht in denen, wo eine klei— nere Münze bis in die Luftroͤhre oder in einen der Luftroͤh— renaͤſte hinabgefallen iſt, wie es bei dem Patientin des Sir B. Brodie der Fall war In dem uns hier beſchaͤftigen⸗ den Falle befand ſich der Schilling wohl mit den Raͤndern in der Richtung der größten Axe der rima, alſo in der zum Entweichen guͤnſtigſten und zugleich in einer ſolchen Stel— ) Vergleiche N. Notizen No. 570 (No. 21 des XXVI. Bde.) S. 819. 728. XXXIV. 2. 28 lung, daß er dieſelbe nicht leicht in der Art aͤndern konnte, daß der Durchgang der Luft ganz gehemmt wuͤrde. Waͤre das Geldſtuͤck kleiner geweſen und hätte es ſich in der Luft: roͤhre oder in einem ihrer Aeſte befunden, ſo waͤre die Er— ſtickungsgefahr viel bedeutender geweſen, und die Tracheotomie haͤtte dem Patienten, um der convulſiviſchen Beaͤngſtigung zu ſteuern, nicht erſpart werden koͤnnen. In Sir B. Bro= die's Falle verſuchte man daſſelbe Verfahren gleich An= fangs; es mußte aber davon abgeſtanden werden, weil es heftigen Huſten und ein hoͤchſt beängftigendes Wuͤrgen vere anlaßte, und erſt, nachdem man eine Oeffnung in die Luft⸗ roͤhre gemacht, welche als Sicherheitsventil wirkte, und nach— dem man vergeblich verſucht, den halben Sovereign mit der Zange zu beſeitigen, wagten die Chirurgen, jene Ver— fahrungsart nochmals anzuwenden. Uebrigens wuͤrde in dem Falle des A. C. die Tracheotomie weniger Schwierig⸗ keit gehabt haben, da noch keine bedenklichen Zufaͤlle einge⸗ treten waren und man das groͤßere, hervortretende Geldſtuͤck leichter wuͤrde haben finden, faſſen und ausziehen koͤnnen. Bei der Conſultation, welche wir hielten, gedachte einer der anweſenden Aerzte eines Falles, in welchem ein Drittel⸗ ſchillingsſtuͤck in die Luftroͤhre gerutſcht war, und wo das hier mit vollſtaͤndigem Erfolge gekroͤnte einfache Verfahren, wegen der furchtbaren Erſtickungszufaͤlle, nicht fortgeſetzt were den konnte. (The northern Journal of Medicine, No. X, Febr. 1845.) Faͤlle von acutem Rotz an durch Pferde angeſteck— ten Menſchen. In der Sitzung der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf— ten am 22. Juni 1844 berichtete Herr Arago über drei Faͤlle obiger Art, welche ihm durch drei verſchiedene Corre— ſpondenten mitgetheilt worden waren. Die erſte Mittheilung beſteht in einer Broſchuͤre des Herrn Philippe, Oberchirurgen des Hötel-Dieu zu Rheims, und enthält die Beſchreibung der Krankheit eines Stallknechts (J. N. Radière), der 24 Jahr alt war und am 16. April 1844, vier Tage nach ſeiner Aufnahme in's Hoſpital, ſtarb. Ein am 15. mit der aus der Naſe des Patienten fließenden Materie geimpfter Eſel ſtarb am 23. April mit allen Symptomen des acutem Rotzes. Nas diere hatte, bevor er erkrankte, drei rotzkranke Pferde bes ſorgt. Herr Philippe hat auch den Leichenbefund ume ſtaͤndlich mitgetheilt. Die zweite, in der Gazette médicale vom 20. Juli 1844 berichtete Thatſache ward am 9. deſſelben Monats von Herrn Landouzy der medicinifchen Academie vorgetras gen. Am 19. Dec. 18 13 ſtieß ſich ein Winzer zu Verzy (Mar⸗ nedeparement), der ſeit mehrern Monaten ein rotzkrankes Pferd wartete, bei'm Traͤnken des Thieres mit dem Kopfe an deſſen Zaͤhne und ritzte ſich dabei die Haut uͤber 1 Zoll weit auf. Am 20. ward er krank und bekam Froſtſchauder; am 26. nahm das Leiden, welches anfangs den dagegen an— gewandten Mitteln zu weichen ſchien, einen nicht mehr zu 29 verkennenden Character an, indem ſich bereits der Aus: fluß aus der Naſe einſtellte. An den folgenden Tagen tra— ten die Symptome des acuten Rotzes immer deutlicher hervor, und am 22. Januar 1844 erfolgte der Tod. Herr Landonzy, welcher in den letzten zwei Tagen der Krankheit den Patienten, in Gemeinſchaft mit dem Dr. M os zer, behandelt hatte, nahm im Hötel-Dieu zu Rheims die Section vor und theilt deren Reſultate gleichfalls mit. Der dritte Fall, welcher im Recueil de medecine vétérinaire pratique, Juniheft 1844, mitgetheilt worden, betrifft einen Studenten der Veterinaͤrſchule zu Alfort, Herrn A. A. Coindet, welcher ebenfalls von einem rotzkranken Pferde angeſteckt worden und geſtorben war. Profeſſor H. Boulley ſagt am Schluſſe des Nekro— logs, den er dieſem Studenten a. a. O. gewidmet hat. „Coindet's Ungluͤck moͤge allen ſeinen Mitſchuͤlern und allen Thieraͤrzten zur heilſamen Warnung dienen. Dieß neue traurige Beiſpiel von der contagiöſen Beſchaffenheit der Rotzkrankheit möge alle diejenigen, welche die Behandlung rotzkranker Pferde unternehmen, zur größten Vorſicht veran— laſſen.“ Die Beherzigung dieſer Marnung iſt um ſo mehr zu wuͤnſchen, da ſchon fruͤher Schüler deſſelben Inſtituts (Be no iſt und Perrin, im J. 1839) Opfer derſelben Krankheit ge— worden find. (Comptes rendus des séances de PAc. d. S. T. XIX, No. 4, 22. Juillet 1844.) Ueber die Urethralſchmerzen in Folge von Blen— norrhoͤen und ihre Behandlung vermittelſt der Compreſſion des penis. Von Dr. Caſtelnan. Die Urſachen des Urethralſchmerzes nach Gonorrhoͤen, ſowie die beſonderen Umſtaͤnde, unter welchen ſich derſelbe ent— wickelt, ſind nicht immer mit Leichtigkeit zu beſtimmen; die primitive Heftigkeit der Blennorrhoͤe, die verſchiedenen Com— plicationen derſelben, das Alter und Temperament des Kran— ken haben nur einen ſehr problematiſchen und, meiner An— ſicht nach, gar keinen Einfluß auf die Erzeugung jenes Schmerzes. Zuweilen entftebt derſelbe in Folge einer eigen— thuͤmlich reizbaren Praͤdispoſition, meiſt aber iſt er die Folge einer vernachlaͤſſigten Diät während des Verlaufes der Go— norrhoͤe und wird zuweilen augenblicklich durch Exceſſe in der Diaͤt ꝛc. hervorgerufen. Dieſelben Umſtaͤnde, welche zur Erzeugung der Urethralſchmerzen beitragen, behindern die Beſeitigung des Blennorrhoͤe, weßhalb jene haͤufig bei lang dauernden Gonorrhoͤen vorkommen. Ob adſtringirende In— jectionen die Schmerzen hervorrufen koͤnnen, wagen wir nicht mit Sicherheit zu beſtimmen; in einem Falle wenigſtens folgt auf jene Behandlungsweiſe eine dauernde Steigerung der Schmerzen. Dieſelben haben gewoͤhnlich ihren Sitz am Eingange der Harnröhre und in der kossa navicularis, ebenſo häufig in der hinter dem serotum gelegenen Portion der Harnroͤhre, ſeltner nehmen ſie die ganze Laͤnge des Ca— nals ein, am Seltenſten kommen ſie in der mittlern Partie 728. XXXIV. 2. 30 der urethra vor. Die Schmerzen beſtehen entweder, was am Haͤufigſten der Fall iſt, andauernd fort oder treten während des Coitus oder nach demſelben oder nach irgend einem Ex⸗ ceſſe auf. Die Intenfität derſelben iſt ungemein verſchieden. In Betreff der Behandlung gehören zu den wirſamſten Mitteln wiederholte Application von Blutegeln laͤngs des Canals und örtliche beruhigende Mittel, namentlich mit Opinm verſetzte Cataplasmen, und Belladonnaſalbe mit oder ohne Mercurialſalbe, dabei allgemeine und locale Ruhe. Wirkſam zeigen ſich auch Injectionen von Laudanum und Blaſenpflaſter an den ſchmerzhaften Stellen. Innere Mit: tel leiſten faſt gar nichts. Herr Vidal hat die Compreſ— ſion des penis empfohlen, und umwickelt den penis von der Eichel an mit Streifen von Diachylonpflaſter ſo feſt, als es ertragen wird. Die Compreſſion leiſtet am Meiſten in den Hüllen, wo die Schmerzen auf den, vor dem sero— tum gelegenen Theile der Harnroͤhre ſich beſchraͤnkt haben, wiewohl ſie auch fuͤr andere Faͤlle anzuwenden iſt; ſie muß auch nach dem Aufhoͤren der Schmerzen ſo lange, als moͤglich, fortgeſetzt werden, um Ruͤckfaͤlle zu verhuͤten. Der Verfaſ— ſer fuͤhrt nun 2 Faͤlle an, in welchen die Compreſſion den erwuͤnſchten Erfolg hatte. Ueber die Anwendung des Schmerzes und der Empfindungen in Beziehung auf die Therapie hat Herr Ducros der Pariſer Academie der Wiſſenſchaf— ten eine Abhandlung uͤberreicht, welche er folgendermaaßen reſumirt: 1) Der Schmerz, welcher durch Aetzmittel und durch Blaſenpflaſter verurſacht wird, iſt von Nutzen in neuralgis ſchen und rheumatiſchen Krankheiten; aber der unzeitige Ge— brauch dieſer ſchmerzhaften Arzneimittel vermehrt oft die all— gemeine Reizbarkeit und traͤgt dazu bei, die neuralgiſche Af— fection noch mehr aufzuregen. 2) Die Anwendung des Schmerzes durch Druck und durch Kneipen an zwei einander entgegengeſetzten Puncten, laͤngs des Verlaufes der Nerven, welche in einen plexus oder in eine plexusförmige Dispoſition übergehen, iſt eine der ſicherſten und unſchuldigſten Heilbehandlungen, welche an— dere, bisjetzt allgemeiner gebraͤuchliche, ſchmerzerregende Heilan⸗ wendungen erſetzen kann. 3) In der Migräne, bei'm Geſichtsſchmerz, in der Gas ſtralgie, in den Schmerzen des Aorten-Plexus, ſowie in der Sternalgie, bewirkt ein auf dem Vorderarme laͤngs dem Laufe des m. radialis angebrachter Druck, welcher eine Viertel— ſtunde lang fortgeſetzt wird, ſo daß er eine erythemartige Roͤthe hervorbringt, ein Aufhoͤren des Schmerzes. 4) Der Druck der Facialnerven in der Parotidengegend, beſeitigt die neuralgiſchen Schmerzen der Migraͤne und die neuralgiſchen und rheumatiſchen Schmerzen des Kopfes. 5) Die Leberſchmerzen koͤnnen gehoben werden, wenn man einen Druck auf das ſchmerzende rechte Hypochondrium 81 anbringt und die vordere Flaͤche des Schenkels etwa 10 Mi⸗ nuten hindurch kneipt. 6) Alle neuralgiſche, rheumatiſche, nicht entzuͤndliche Schmerzen der verſchiedenen Theile des Körpers koͤnnen ver— mindert und gehoben werden durch Kneipen und Druͤcken in eutgegengeſetzten Richtungen. 7) Ein bis zum Schmerz gehender Druck auf den Ge⸗ ſichtsnerven in der Parotidengegend wirkt auch zuruͤck auf die portio mollis des ſiebenten Paares, traͤgt dazu bei, den betaͤubten Gehoͤrnerven in den anaͤſthetiſchen Taubheiten zu erleichtern und kann ſelbſt zuweilen plotzlich ein neuentſtan— denes Ohrenbrauſen fortſchaffen; ſo daß dieſer Druck zugleich zur Diagnoſtik und als Heilmittel dient. — Ein ſchmer⸗ zender Druck auf die Euſtachiſche Roͤhre, mittels des hinten in den Mund gebrachten Zeigefingers, fuͤhrt auch einen Schmerz im Ohre herbei und veranlaßt bei Tauben oft im Augen» blick in der torpiden Taubheit eine merkliche Beſſerung. 8) Die Anwendung des Ammoniaks oder des falpeters ſauren Silbers auf die Euſtachiſche Roͤhre mittels eines Pin⸗ ſels bringt ein ſehr merkliches Sumſen im Ohre hervor: in der nicht aͤſthetiſchen Taubheit hört der Taube nach dem Eins tritte dieſer Empfindung unmittelbar beſſer. Mi s e elle n. Ohrabſceß. Eine Dame von 42 Jahren war ſeit ihrem ſiebenten Jahre, aus unbekannten Urſachen, auf dem rechten Ohre taub geweſen. Vor 2—3 Monaten wurde fie von heftigen Kopf ſchmerzen befallen, wegen welcher ein Blafenpflafter hinter den Dh: ren applicirt wurde. Am 17. December a. u. nahm der Schmerz an Heftigkeit ungemein zu, ſo daß er faſt Delirien hervorbrachte. Der facialis war gelähmt, welches man ermittelte, als man die Kranke die Zunge ausſtrecken ließ. Auch fand ein heftiger Schmerz längs der Wirbelſäule ſtalt, welcher einem Falle, den fie bei'm Auf— ſtehen aus dem Bette erlitten hatte, zugeſchrieben wurde. Der Puls indicirt keine kraͤftige Entleerung, und man legte deßhalb 2—3 Blutegel hinter das Ohr, ein großes Cataplasma uͤber das Geſicht, das Ohr wurde mit warmem Waſſer ausgeſpritzt und ſaliniſche Mittel verordnet. Am 18. hatte ſie etwas Schlaf in der Nacht, klagte aber über einen faſt unertraͤglichen Schmerz im Rüden. Die menses traten nun ein, und die Urſache des Schmerzes blieb im Dunkeln. Die Kranke war vollkommen bei Bewußtſeyn, die Pu— pillen reagirten normal, aber die Hornhaut der leidenden Seite hatte zu exulceriren begonnen. Das entgegengeſetzte Ohr war etwas taub geworden, und aus dem rechten fand ein geringer Ausfluß ſtatt. Man glaubte auch im Trommelfelle eine Oeffnung zu be— merken (Calomel und Opium). Am folgenden Tage hatte fie bef- fer geſchlafen und blieb ziemlich wohl bis gegen 5—-6 Uhr N. M. am 21., wo ſie ploͤtzlich von coma befallen wurde, in welchem Zu: 728. XXXIV. 2. 32 ſtande fie bis zum folgenden Morgen blieb, worauf fie ſtarb. Bei der Unterſuchung des Gehirns fand man einen geringen Subara⸗ chnoidalerguß und Vascularitaͤt an der Oberflache der Hemiſphaͤ⸗ ren. In der Trommelhoͤhle und im Labyrinth fand man einen Ab— ſceß, ſowie auch in der verdichteten arachnoidea und pia mater ein zweiter Abſceß von dem Umfange einer großen Erbſe vorhan⸗ den war, welcher die Grube einnahm, wo die nn. facialis und acu- sticus von der Vereinigungsſtelle der medulla oblongata mit dem pons Varoli und dem kleinen Gehirn abgehen. Die die rechte Seite der oberen Portion der medulln oblongata und den angraͤnzenden Theil des rechten Lappens des kleinen Gehirns uͤberkleidende ara- chnoidea und pia mater waren auf einem Raum von „entzuͤndet und durch Erguß von Fibrine verdichtet. — Die Entzuͤndung hatte ſich wahrſcheinlich vom Labyrinthe aus laͤngs des Neurilems und der Um⸗ kleidung des ſiebenten Paeres nach Innen durch den meatus audit. internus auf die Umhüllungsmembran der medulla oblongata ver⸗ breitet. Der äußere und innere Abſceß ſtanden in keiner Commu⸗ nication miteinander. Die pars petrosa des Schlaͤfenbeins zeigte deutliche Spuren von Entzuͤndung. (Lancet, 20. Jan. 1844.) Die Exſtirpation der Gebärmutterpolypen durch die Torſion empfiehlt Dr. Mathias Mayor, als einfachere, wirkſamere Exſtirpationsweiſe von Aterinpolypen ſtatt der Exci⸗ ſion und Ligatur. Zur Erläuterung feiner Anſicht giebt er fols gende 2 Fälle: Erſter Fall. Eine 55 Jahr alte Frau, wel⸗ che ſeit 11 Jahren an Gebaͤrmutterblutfluͤſſen litt, bemerkte im Fruͤhling des Jahres 1843 das Erſcheinen einer Geſchwulſt zwi⸗ ſchen den labia majora. Sie hielt das Uebel fuͤr einen Vorfall des uterus, und da ſie ſich weder unterſuchen, noch behandeln laſſen wollte, fo erreichte die Geſchwulſt einen enormen um— fang, nahm eine ſchwaͤrzliche Faͤrbung an und verbreitete einen hoͤchſt foͤtiden Geruch. In dieſem Zuſtande conſultirte mich die Kranke am 8. Juli a. c. Ich fand bei der Unterſuchung in der vulva einen dem verfaulten Kopfe eines ausgetragenen foetus ganz aͤhnlichen Koͤrper, welcher nichts Anderes, als der untere Abſchnitt eines ſehr großen Polypen, ſeyn konnte. Ich ergriff ihn ſogleich mit beiden Haͤnden, zog ihn ſo weit, als moͤglich, aus der vagina hervor und drehte ihn 8 — Amal um ſeine Axe, worauf der Stiel brach und der tumor ganz ohne Schmerz abſiel. Es trat keine Blutung ein, und die Kranke wurde 12 Tage nach der Erftirpas tion aus dem Spitale entlaſſen, ohne weiterer Sorgfalt zu beduͤr— fen. — Zweiter Fall. Eine andere, 46 Jahre alte, Frau litt ſeit 1838 an einem hoͤchſt foͤtide riechenden Vaginalfluſſe, in deſſen Folge fie ein völlig anaͤmiſches Ausſehen bekommen hatte. Bei der Une terſuchung fand ich einen, die vagina vollftändig ausfüllenden, fibroͤ⸗ ſen Polypen. Mit vieler Muͤhe zog ich denſelben vermittelſt einer Zange ſo weit, als moͤglich, heraus und drehte ihn dann mehrmals um ſeine Axe, bis er vom uterus abriß. Die Operation dauerte ungefaͤhr 8 Minuten, und es trat dabei ein Darmriß von ungefaͤhr 2 Centimeter Tiefe ein. Der Polyp wog 6 Unzen, er maß im Laͤngendurchmeſſer 115 Millimeter, im Queerdurchmeſſer 105 und im Umfange 30—34 Centim. Die Kranke erholte ſich ſeitdem raſch und verließ am dritten Tage das Bett und am achten das Spital. Dr. Mayor hat die Torſion auch bei Geſchwuͤlſten angewendet, welche am Halſe oder unter dem Unterkiefer ihren Sitz haben. (Gaz. méd. de Paris, No. 33. 1844.) Bibliographische Recherches microscopiques sur le Systeme nerveux, par Adol- he Hannover. Avec sept planches, Copenhague, Paris et Leipzig 1844. 4. (Eine vortreffliche Preisſchrift, von der Aca⸗ demie zu Kopenhagen gefrönt.) Contributions towards a Fauna and Flora of the County of Cork. London 1845. 8. neuigkeiten. On some exhausting Diseases, particularly those incident to Wo- men. By Sir J. Eyre. London 1845. 12. Avis medical sur la qualité et la falsification de quelques medi- camens les plus journellement employ&s et vendus ailleurs que dans les pharmacies. Par A. Moitier, Pharmacien. Pa- ris 1845. 8. — ug ——ͤ— Neue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur - und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin, Ne. 729. (Nr. 3. des XXXIV. Bandes.) April 1845. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar, Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 N. oder 3 . 30 M, des einzelnen Stückes 3 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 8) Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 ru rk Studien uͤber die Tauſendfuͤße. Von Herrn Paul Gervais. (Hierzu Figur I. bis 19. der mit Nr. 727. bieſer Bl. ausgegebenen Tafel.) (Fortſetzung.) 3) Glomeridesmus, Ger vais. Die Glomeris haben am Kopfe 12 Segmente, und das erſte derſelben iſt unvollſtaͤndig und ſchildfoͤrmig, waͤh— rend das zweite, gleich dem zwoͤlften, größer iſt, als die uͤb— rigen. Die Zephronien beſitzen, wie auch Herr Brandt angiebt, 13 Segmente, und wenn Herr Jones ihnen nur 12, ſowie den Glomeris nur 11, zuerkennt, ſo ruͤhrt dieß daher, daß er das ſchildfoͤrmige Segment nicht mitgezaͤhlt hat. Dieſes hat bei den Zephronien das Eigenthuͤmliche, daß es mit dem Kopfe feſt verwachſen, waͤhrend es dagegen dei den Glomeris frei iſt. Die Glomeris beſitzen 17 Paar Fuͤße, die Zephronien deren 21. Die Gattung, welche wir Glomeridesmus nennen, ſcheint uns eine merkwuͤrdige und neue Form der Familie der Glomeriden zu ſeyn, welche jedoch durch ihre Charactere gewiſſermaaßen mit den Polydesmen zuſammengraͤnzt. Der Glomeridesmus porcellus ), die typiſche Art dieſer Gattung, iſt ein kleiner Tauſendfuß, den Herr Go u— dot in Columbia geſammelt hat, und von dem ich leider nur ein einziges Exemplar unterſuchen konnte. Er iſt 0,01 Meter lang und an der breiteſten Stelle 0,003 M. breit. In Betracht der allgemeinen Geſtalt hat er mit Glomeris viel Aehnlichkeit. Uebrigens iſt er ein Wenig mehr abgeplat— tet, auch geſtreckter und vorn, zwiſchen dem zweiten und dritten Ringe, etwas breiter als hinten; ſo daß ſein Umriß einer ovoidiſchen Ellipſe gleicht. Seine Farbe iſt graubraun, vorn und hinten am Koͤrper, ſowie am hintern Rande der Ringe, zumal unten und an den Fuͤhlern, heller. Der Koͤr— per iſt unten glatt. Die Füße treten nicht Über deſſen Seis tenränder hervor, find ſechsgliederig und mäßig zuſammenge— *) Gervais und Gou dot, Ann. d. I. Soc. entom. 1844, p. XXVII. No. 1829. — 729. E. la druckt. Sie nehmen an Länge ab, je mehr ſich der Körper verſchmaͤlert. Ihre Anzahl betrug 32 *). Ungeachtet dieſes merkwürdigen Characters ſcheint der Glomeridesmus, feis nen Kopf und ſeinen Ringen nach, zu den Glomeriden zu gehoͤren. Sein Stirnſtuͤckchen (Chaperon) iſt, in Folge eines dop— pelten Ausſchnitts, zwiſchen welchem auf der Medianlinie ein Zaͤhnchen ſitzt, welches, wie die beiden Seitenzaͤhnchen, abgeſtutzt iſt, dreizackig geſtaltet. Die Seitenzaͤhnchen verlaufen ſich an ihrer aͤußern Seite in die Raͤnder der Stirn. Der Kopf iſt an feinem Scheitel, der die Mundaonhaͤngſel verbirgt, kugel— formig. Die Fühler find ungefahr fo lang, als der Kopf breit iſt, ziemlich kurz und dick und aus 7 Gliedern gebil⸗ det, welche vom erſten bis ſechsten immer dicker werden und ziemlich gleichlang ſind, waͤhrend das ſiebente, knopffoͤrmige, von dem ſechsten beinahe umſchloſſen wird. Augen ſind nicht vorhanden, aber hinter jedem Fuͤhler befindet ſich in der Naͤhe ſeiner Wurzel ein faſt kreisfoͤrmiges Gruͤbchen, welches ſich mit demjenigen vergleichen laͤßt, das die Glo— meris neben der aͤußern Baſis der Fuͤhler beſitzen. Der erſte Koͤrperring iſt ſchildfoͤrmig, nach der Queere ziemlich oval, nicht feſtgewachſen und viel groͤßer, als der ent— ſprechende Ring bei den andern Glomeriden. Der zweite iſt dagegen weniger groß, denn ſeine Seitenfluͤgel ſind nicht ſo ausgedehnt und ſenken ſich nicht ſo tief hinab, wie bei den Gattungen dieſer Familie; allein er neigt ſich, gleich den folgenden, zur halbkreisfoͤrmigen Geſtalt der Ringe der Glomeriden hin. Ihre Raͤnder find in der That verduͤnnt, und der untere Bogen jedes Ringes iſt concav, indem er auf jeder Seite aus zwei Platten beſteht und ſich der Stru— ctur nähert, die Herr Brandt pentazoniſch nennt. Ich habe im Ganzen außer dem Kopfe 20 Ringe gezaͤhlt; allein es gab deren wahrſcheinlich 21. Die hinteren Winkel der ) Dieß iſt eins mehr, als bei den Weibchen der Polydesmen. Das unterſuchte Exemplar war alſo wahrſcheinlich ein Weib: chen, und da ſeine Analklappen abgefallen waren, ſo ließ ſich nicht erkennen, ob ſich die Geſchlechtstheile hinten, in wel chem Falle das Thier eine aͤchte Glomeride ſeyn würde, oder, wie bei den Polydesmen, unter dem vordern Drittel öffnen, 3 35 letzten Ringe, welche tiefer liegen, als der, mit denen fie ans gefuͤgt ſind, ertheilen dem entſprechenden Theile des Umriſ— ſes des Thieres ein ſaͤgezaͤhniges Anſehen. III. Polydesmiden (Polydesmidae). Durch meine und Herrn Brandt's Unterſuchungen über die Gattung Polydesmus, Latr., fowie die der Vers faffer, welche wir zu Rathe gezogen haben, find die zu Dies ſer Gruppe gehoͤrenden Arten bis auf beinahe 50 vermehrt worden. Sie beſitzen ſaͤmmtlich einen einguͤrteligen Koͤrper, d. h., die Ringe deſſelben beſtehen aus einem einzigen Stuͤk— ke, mag daſſelbe nun ringfoͤrmig, halbgekielt oder ſehr ſtark gekielt und dann mehr oder weniger ellipſoidiſch ſeyn. Als ein nicht weniger wichtiges Kennzeichen der Polydesmen, die ich nunmehr, nach Herrn Brandt's Vorgange, von der Fa— milie der Julen trennen zu muͤſſen glaube, betrachte ich den Umſtand, daß fie nur 20 Ringe, excl. des Kopfes, und nur 31 Paar Fuͤße beſitzen. Ohne in dieſen Zahlen ſelbſt den Character von Po— lydesmus finden zu wollen, darf man doch behaupten, daß die beſtimmte Zahl der Fuͤße und Ringe in dieſer Gruppe fie in der Rangfolge gewiſſermaaßen höher ſtellt, als die Su: liden, wo die Zahl dieſer Theile von einer Species zur an— dern ſich aͤndert. Deßhalb haben wir ſie zwiſchen die letz— tern und die Glomeriden geſtellt. Herr Brandt, welcher die Unterabtheilungen der Di— plopoden von der Zahl der Stuͤcke, aus denen ihre Ringe zuſammengeſetzt ſind (bei den Glomeriden 5, bei den Julen 3 und bei den Juliden 1) abhaͤngig macht, iſt nicht da— mit einverſtanden, daß die Polydesmen das Verbindungsglied zwiſchen Glomeris und Julus bilden. Er ſtellt die Poly: desmiden in dieſelbe Gruppe, wie die Pollyxenen, laͤßt hier— auf die Juliden folgen und ſtellt die Glomeriden gleich hin— ter dieſe, ſo daß er die Verwandtſchaften vorwalten laͤßt, welche die Glomeriden und Platyulen allerdings in gewiſſen Beziehungen zu einander haben. Soviel dieſe Art von Claſſification aber auch fuͤr ſich zu haben ſcheint, ſo geſtat— ten das Wenige, was wir über Pollyxenus wiſſen, ſowie einige den Glomeriden und Polydesmiden gemeinfchaftliche Charactere doch nicht, daß wir dieſelbe gelten laſſen. Man kennt gegenwaͤrtig Polydesmiden aus allen Welt— theilen, und in den Sammlungen finden ſich noch unbeſchrie— bene Arten. Dieſe Familie iſt uͤbrigens in mehrere Gattun— gen eingetheilt, die jedoch nicht auf ſo ſcharfen Characteren beruhen, wie, z. B., die Anweſenheit oder Abweſenheit von Augen, die Anordnung dieſer Organe in Reihen oder Kreiſe oder aͤhnliche ſcharfe Unterſcheidungszeichen; daher ihre Tren— nung ziemlich viel Schwierigkeiten darbietet. Uebrigens hat man zwiſchen dieſen verſchiedenen Gattungen wirkliche Ue— bergaͤnge nachgewieſen, und zwiſchen der den Glomeriden am Naͤchſten ſtehenden, ſowie der am Meiſten cylindriſchen und daher den Julen aͤhnlichſten Species kennt man bereits die Zwiſchenformen. Ich hatte im J. 1837 die Polydesmen in drei Grup⸗ pen eingetheilt. 729. XXXIV. 3. 36 1) Glomeridenfoͤrmige Polydesmen, welche, wie ich ſpaͤter ') gezeigt, der Gattung Fontaria, Gray, entſprechen. J 2) Eigentliche oder aͤchte Polydesmen. 3) Juloidiſche Polydesmen, die Gattung Stron- gylosoma des Herrn Brandt, welche Hr. Gray neuer⸗ ding Stosatea genannt hat. “) Später hat Hr. Brandt die bis dahin bekannten Polydesmen, von denen er die Strongyloſomen getrennt laͤßt, in einer verſchiedenen Weiſe geordnet. Die Herren Jones und Gray haben ebenfalls vier Gattungen dieſer Thiere aufgeſtellt: Holydesmus, Fontaria, Stenonia und Stosatea. Ihre Stenonien characteriſiren ſich durch die parallelogrammfoͤrmige Geſtalt der Koͤrperglieder, deren Kiele an den Raͤndern gezaͤhnelt ſind. Ich habe ſelbſt Polydesmiden beobachtet, die Glome- ris ähnlicher find, als diejenigen, aus denen ich meine Ab⸗ theilung zuerſt gebildet hatte, und da einer derſelben ““) auch durch feine allgemeine Geſtalt an Oniscus erinnert, fo habe ich eine Untergattung daraus gebildet, welche ich Oniscodes- mus nenne. Mit dieſer werde ich den Anfang machen, jedoch das bei nicht zu bemerken unterlaſſen, daß deren Character ſich von dem der uͤbrigen Polydesmiden bedeutend entfernt. 1) Oniscodesmus, Gervais. Die einzige bekannte Art dieſer Gruppe ift von Hrn, Juſtin Goudot während feines Aufenthaltes in Columbia entdeckt worden. Sie iſt braun von Farbe und hat in der Geſtalt mit Oniscus Aehnlichkeit, d. h., ſie iſt auf dem Ruͤcken oval, und die Kiele der Ringe neigen ſich an den Aus ßeren Seiten abwaͤrts, indem ſie die Fuͤße verbergen, ſo daß durch die nach Hinten vorſpringenden Ecken der Ringe ein geſaͤgtes Anſehen entſteht. Der Perianalring oder der den After umgebende Ring iſt klein und trägt auf der Median⸗ linie einen kurzen, abgeſtumpften und plattgedruͤckten Fort⸗ ſatz, welcher zwiſchen den beiden, ebenfalls abgeſtumpften, ſeit— lichen Ecken des vorletzten Ringes vorſpringt. Die beiden Ecken des vorvorletzten Ringes ſind dagegen ſpitz und er— heben ſich zu derſelben Hoͤhe, wie die des vorletzten Ringes. Der hintere Rand jedes der Ringe ſtuͤtzt eine einzige Reihe von mehr oder weniger parallelogrammfoͤrmigen Tuberkeln, des ren Hervorragen dem Ringe ſelbſt, namentlich an der unte— ren Seite, haͤufig ein gezaͤhntes Anſehen ertheilt. Die Ringe ſelbſt ſcheinen beinahe pentazoniſch, und man erkennt, in der That, an der unteren Flaͤche, uͤber die der Kiel, wie bei den Glomeriden, hinausragt, zwei Paar Platten, das eine an der Innenſeite, das andere, welches jenes mit dem Kiele in Ver— bindung ſetzt, an der Außenſeite. Das aͤußere iſt groͤßer, als das innere, aber fie ſetzen ſaͤmmtlich weniger deutlich von— einander ab, als bei den Glomeriden. Der erſte Koͤrper— ring beſteht, wie gewoͤhnlich, nur aus ſeinem oberen Bogen, *) Revue Cuverienne de Mr. Guerin, II, 281. ) Jones, a. a. O., p. 546. %) Polydesmus oniscinus, Gerv. et Goudot. Ann. Soc. ent. 1844, p. XXVIII. vom Gipfel der Anden Columbia's. 87 welcher ſchildfoͤrmig und ziemlich ellipſoidiſch geſtaltet iſt. Sein vorderer Rand iſt ziemlich gerade; der hintere etwas concav, und die Seitenraͤnder find krummlinig adgeſtutzt. Es ſind im Ganzen 18 Ringe vorhanden, und die Zahl der Fuͤße, die nicht zuſammengedruͤckt ſind, betraͤgt 28 Paare. Der Kopf, deſſen Haube geradlinig iſt, entbehrt der Augen und des ohrfoͤrmigen Gruͤbchens. Die Fühler find ſiebengliederig; das 2., 3. und 5. Glied ſind die laͤngſten und einander ziemlich gleich, waͤhrend das ſiebente dagegen kleiner und Enopfförmig iſt. Die letzten Glieder dieſer Fuͤh— ler ſind dicker, als die erſten, und ihre Geſtalt iſt im Allge— meinen ſpindelfoͤrmig. Die Fuͤhler ſind ungefaͤhr ſo lang, als der Kopf breit iſt. Laͤnge des Thieres: 0,015 Meter. Von dem Oniscodesmus oniseinus iſt uns nur ein einziges getrocknetes Exemplar vorgekommen. 2) Polydesmus. Indem wir uns nach den fruͤher aufgeſtellten Grund— fügen richteten, find wir zu folgender Eintheilung der Poly— desmen gelangt. 1) Kiele flach niederliegend (procumbentes), die Fuͤße unter dem Unterkoͤrper verborgen, welcher ein Wenig concav iſt; Körper laͤnglich, am hinteren Ende ſtumpf. P. velutinus, Gerv. et Goudot; P. granosus, lid.. dieß find zwei neuentdeckte Arten, die diefer Abtheilung als Typus dienen. Beide ſind von Herrn Juſtin Goudot in Columbia entdeckt worden. 2) Kiele queerlaufend, ein Wenig uͤber der mittleren Seitenlinie; haͤufig ununterbrochen; ein Wenig oder nicht herabgeneigt, zuweilen an ihrem freien Rande, welcher keine Einſchnitte beſitzt, wulſtfoͤrmig verdickt. a) Der letzte Ring bildet Über dem After eine mehr oder weniger hervortretende Spitze. In dieſe Gruppe gehoͤ— ren namentlich die Polydesmen, welche ich die glomeridenfoͤr— migen genannt habe oder die Gattung Fontaria, Gran, ſowie die Abtheilung 6, a. a. O. S. 131, des Herrn Brandt. Als Beiſpiele wollen wir Polydesmus scaber, zebratus, virginiensis und granulosus aus unſerem Prodromus, ferner P. dilatatus, Brandt, P. Blainvil- lii, Eydoux et Gervais, fowie eine von Herrn Lucas beſchriebene Species aus der Berberei anführen. b) Mit unterbrochenen, aber ganzen Kielen; der vor— ſpringende Theil des den After umgebenden Ringes iſt palm— zweigfoͤrmig. P. margaritiferus, Edou et Gerv.; P. Meyeni, Brandt, P. Klugii, id., etc. c) Dieſelben Kennzeichen, Kiele dreizaͤhnig. Stenonia, Gray. P. dentatus? Olivier. — cas, Diet. ’Orbigny. Atlas. 3) Kiele unterbrochen, mit dem Ruͤcken in derſelben Ebene, Perianalring oben eine Spitze tragend; Gattung Polydesmus Gray. Die Abtheilung A (a ?) der Polydesmen Brandt's: P. complanatus, Latr. — P. rubescens, Gerv. — P. diadema, id. \ P. mexicanus, Lu- 729. XXXIV. 3. 88 b) Kiele ein Wenig aufſteigend und flügelförmig. 4) Kiele wenig oder nicht vorſpringend; Körper ey⸗ lindriſch oder ziemlich cylindriſch: Gattung Strongylosoma, Brandt; Polydesmus juloides, Gerv., Stosatea Gray. Die Art, welche mir zur Aufftellung dieſer Gruppe diente und die ich Polydesmus pallipes genannt habe, da Olivier dieſelbe als Julus pallipes auffuͤhrt, iſt das⸗ ſelbe Thier, wie das, welches Eichwald Julus stigmato- sus und Coſta P. Genei nennt.“) Vielleicht iſt Stron— gylosoma monilis, deſſen Newport nach Bonelli er— waͤhnen, ebenfalls damit identiſch. Ein faſt unmerklicher Uebergang wird zwiſchen dieſen Polydesmen und den vorhergehenden, namentlich der Unters gattung Fontaria, durch einige exotiſche Arten: P. Ger- vaisii. Lucas, P. Bibronii, Eydoux et Souleyet, St. trilmeata, Newport ete. gebildet; andere find noch mehr cylindriſch, als: P. Guerinii, Gervais, P. eylin- draceus, id., P. vermiformis, Eydoux et Souleyet. 3) Die Gattung Craspedosoma, Leach, ſteht der Gattung Polydesmus offenbar nahe; allein ſie entfernt ſich von derſelben durch eine betraͤchtlichere Anzahl von Ringen und Füßen, ſowie durch das Vorhandenſeyn von haͤufchen— weiſe hinter der Baſis der Fuͤhler gruppirten Augen. Ich habe dieſe Kennzeichen nach einem von Herrn Waga an Herrn Guerin eingefandten Exemplare von Craspedoso- ma polydesmoides, welche Species in der Nachbarſchaft von Warſchau vorkommt, abbilden laſſen. Herr Jones ſtellt, nach Hrn. Gray's Vorgange, die Fa— milie Craspedosomadae auf, welche die Gattungen Cras- pedosoma, Cylindrosoma, Reasia und Cambala ent- bält, welche letztere mit Platyulus für ſynonym erklärt wird. Die zweite und dritte dieſer Gattungen ſind uns unbekannt, und Hr. Newport, welcher die Sammlungen in London, namentlich die des britiſchen Muſeums, ſorgfaͤltig unterſucht hat, ſchweigt uͤber dieſelben. Von Cambala und Platyulus wird weiter unten die Rede ſeyn. IV. Juliden (Julidae). Die allgemeine Characteriſtik der Julen als Familie hat keine Schwierigkeit, wogegen die ſpecifiſchen Charactere ſich nicht fo leicht feftftelen laſſen. Man hat indeß eine betraͤcht— liche Anzahl dieſer Thiere beſchrieben und unter ihnen mehrere Gattungen unterſchieden. a Alle Arten der Gattung Julus, wie wir dieſelbe be— grenzt haben, ſowie auch die Unterabtheilungen, welche Hr. Brandt in derſelben aufgeſtellt hat; die Calipus Risso’s, Blaniulus, nob., und einige andere generiſche Abtheilungen gehoͤren zu der Familie der Juliden, einer der wichtig— ſten und zahlreichſten der uns hier beſchaͤftigenden Claſſe. Herrn Brandt zufolge, bilden dieſe Thiere die Gruppe Trizonia, welche er im Jahre 1887 folgendermaaßen cha— racteriſirt hat: „A media corporis eingula e partibus tribus imbricatis composita, e eingulo annuliformi fere ) Pocchi cenni intorno alla Fauna del Gran Sasso d'Italia. 3 * 39 completo dorsum et abdominis latera occupante et e laminis duabus una pone alteram in medio ab- dominis sitis quarum posteriori margini pedes sunt. )“ Im Jahre 1840 ſagt er daruͤber Folgendes: Bei einigen Trizonien find alle fußfuͤhrenden Platten (Petalen) frei, bei den anderen meiſt (mit Ausnahme derje— nigen, welche die 2 — 3 vorderften Fußpaare tragen, und die immer frei ſind) durch eine Naht an die Koͤrperringe be— feſtigt. Die Trizonien laſſen ſich nach dieſem Character in zwei Abtheilungen bringen: Lysiopetala unb Synpodo- petala Die Abtheilung der Synpodopetalen in welche faſt alle bekannten Species der Gattung Julus, Latr., ge: hoͤren, nähert ſich, vermoͤge der Verbindung ihrer fußfuͤhren— den Platten, den Monozonien, und muß alſo, unſerer Me— thode zufolge, die Reihe der Trizonien eroͤffnen. Die Abtheilung der Lyſiopetalen beſteht aus einer ein— zigen Gattung, Lysiopetalum, nob. Dieſelbe zeigt, ver— moͤge ihrer freien fußfuͤhrenden Platten oder Schuppen, eine nähere Verwandtſchaft zu den Glomeriden. **) Ich geſtehe, daß dieſe Theorie der Zuſammenſetzung der Ringe der Juliden mich nicht befriedigt, und das es mir ſcheint, als ob ſich dieſe Thiere aus einem vortheilhaftern Ge: ſichtspuncte betrachten laſſen, welcher den ſonderbaren Cha— racter, dem die Diplopoden ihren Namen verdanken, ſchaͤr— fer hervortreten laͤßt, als bei irgend einer anderen Familie. Jeder der zwei Fußpaare fuͤhrenden Ringe iſt durch Ver— ſchmelzung zweier urſpruͤnglichen Ringe entſtanden und bei vielen Arten laͤßt ſich, in der That, das eingulum annu— liforme fere completum Brandt 's leicht in zwei mit den Enden aneinanderſtoßende und ein Wenig ineinan— dergeſchobene Cylinder trennen; wenigſtens deutet eine kreis— foͤrmige Runzel auf die Moͤglichkeit einer ſolchen Trennung hin. Was die Petalen betrifft, ſo ſind deren zwei, eine hinter der anderen, an jedem zuſammengeſetzten Ringe vor— handen, weil dieſer ſelbſt eigentlich aus zweien beſteht und die Petalen die unteren Boͤgen derſelben bilden. Die fuͤnf erſten Segmente, an deren jedem nur ein Fußpaar ſitzt, has ben nur ein Petalum ***), und man kann, in Folge dieſer Theorie, auch annehmen, daß ein einziger dieſer Bogen, der obere oder untere, doppelt ſey, wie dieß bei Glomeris der Fall iſt. Von den fuͤnf Stuͤcken, welche Hr. Brandt an deren Ringen erkennen will, iſt das des Ruͤckens das obere, und die beiden unteren ruͤhren von dem unteren Bogen und zwar von derjenigen Portion deſſelben her, welche bei den Polydesmen unter dem ſeitlichen Kiele befindlich iſt. Dieſe Stuͤcke ſind doppelt vorhanden (Petalen und untere ſeitliche Platten), weil zwei Fußpaare zu tragen ſind. Der obere Bogen fehlt alſo hier einem der Plattenpaare, wie dagegen der untere Bogen dem ſchildfoͤrmigen Stuͤcke der Polydesmen und Glomeriden fehlt. Dieſe für die Diplopoden characteriſtiſche Verdoppelung ſteht mit der Beſchaffenheit ihres Ganglienſyſtems yollkom— ) Bulletin de Moscou, VI, 200. ) Receuil, p. 41. 9e) welches häufig auf der Medianlinie getrennt iſt. 729. XXXIV. 3. 40 men im Einklange. Hiervon kann man ſich überzeugen wenn man die huͤbſchen Abbildungen derſelben, die Herr Newport mitgetheilt hat *), aufmerkſam unterſucht und mit denjenigen vergleicht, die er und vor ihm Trevir a— nus und Müller in Betreff des Nervenſyſtems der Chi⸗ lopoden geliefert haben, und wir ſelbſt haben durch Sectio nen dieſen Einklang beſtaͤtigt gefunden. Die mit zwei Fuß⸗ paaren ausgeſtatteten Ringe der Julen beſitzen ein mehr oder weniger verſchmolzenes doppeltes Ganglion, das ſich von den einfachen und iſolirten Ganglien der Chilopoden durch dieſe deutlich erkennbare Zuſammenſetzung unterſcheidet. Die erſten Ganglien der Diplopoden, von denen jedes nur ein Fuß paar verſorgt, gleichen dagegen denen, die man im gan⸗ zen Körper der Chilopoden findet, weit mehr. Claſſific ation. Die neuen Bemerkungen, welche hinſichtlich dieſes Pun⸗ ctes der Naturgeſchichte der Juliden veroffentlicht worden ſind, verdankt man ebenfalls den Herren Brandt und Newport. Ueber die Gattung Callipus. Die Art der Juliden, welche Leach zur Bildung einer neuen Gattung benutzt, und die Herr Riſſo unter dem Namen Callipus rissonius oder longipes aufgefuͤhrt hat **), während ich ihrer als eines Julus, den ich ſelbſt noch nicht unterſucht, erwaͤhnte, war, in der That, in den wenigen Worten, die Herr Riſſo über dieſelbe mitges theilt, nur ſehr unvollkommen beſchrieben. Indeß laͤßt ſich aus denſelben doch erſehen, daß ſie mit dem Julus foeti- dissimus von Savi einige Aehnlichkeit hat; die Laͤnge ihrer Fuͤße und Fuͤhler ſcheint dieſe Zuſammenſtellung, in der That, ſehr zu rechtfertigen. Wenn wir auf der einen Seite bemerken, daß der Julus foetidissimus nach Herrn Brandt in deſſen Abs theilung: Lysiopetalum ***) fo gut gehört, wie der J. carinatus (plicatus, Guerin), und daß auf der andern Seite die Gattung Platops, Newport +), ſich von Lysiopetalum in zu geringem Geade unterſcheidet, als daß man fie davon trennen koͤnnte, fo daß fie Herr New— port ſogar, wenngleich nicht mit Sicherheit, als mit Cal- lipus, Leach et Jiisso, zuſammenfallend betrachtet, fo ſcheint es mir möglich, daß dieſe drei Benennungen einer und derſelben Gattung der Juliden beigelegt worden ſeyen, welche Gattung durch lange Fuͤhler, Augen von der Ge— ſtalt dreieckiger Platten, die Abplattung des Kopfes an ſei⸗ ner vordern Flaͤche, lange ſehr zahlreiche Fuͤße und die mehr zuſammengedruͤckte, als cylindriſche Geſtalt der Ringe charac— teriſirt wuͤrde, von welchen letztern die vordern und hintern ein Wenig enger find, als die mittlern, fo daß der Körper nach beiden Enden zu verſchmaͤlert erſcheint, waͤhrend das vordere *) Philos. Transact, 1843, part. II, pl. XI, Figur 1 und 6. Vergl. Neue Notizen, No. 606, No. 12 d. XXVIII. Bandes, S. 177. **) Europe mérid. V. 151. **r) Recueil 1840, p. 42. 4) Ann. and Mag. of nat. Hist. XIII, 267, 1844. 41 Ende deſſelben duͤnner iſt, als det Kopf und der Koͤrper mit ſtaͤrkern Streifen gezeichnet iſt, als bei den aͤchten Julen. In den Annales de la Société entomologique habe ich nachgewieſen *), daß die Gattung Cambala, Gray ), in gewiſſen Beziehungen dem Julus plicatus und folglich Callipus nahe ſteht. Dieſer Angabe, welche ſich auf das im Britiſchen Mufeum befindliche Normalexem⸗ plar gruͤndet, hat Herr Newport in einem uͤber daſſelbe Thier herausgegebenen Aufſatze widerſprochen **), und da dieſelbe auch mit der von Herrn Jones behaupteten Vers wandtſchaft zwiſchen Platyulus und Cambala in Wider⸗ ſpruch ſteht, uͤbrigens auch die von Herrn Gray mitge— theilte Abbildung mich anfangs faſt zu derſelben Meinung beſtimmt hatte, wie die, welche Herr Jones aufgeftellt hat, ſo bin ich in Betreff der Gattung Cambala durchaus nicht im Klaren. Es iſt demnach recht ſehr zu wuͤnſchen, daß die engliſchen Naturforſcher dieſen Gegenſtand gründlis cher aufklaͤren. Herr Brandt bildet mit dem Julus lactarius, dem Typus der Gattung Cambala, die Untergattung Spirostre- phon +), und bemerkt über dieſelbe u. A.: „Differt ha- bitu a Julis genuinis, et Julo (Lysiopetalo) foeti- dissimo et plicato affinis apparet, was von unferer Anſicht nur wenig abweicht. 2) Ueber die ächten Julen. Herr Brandt betrachtet Lysiopetalum und Spiro- strephon nur als Untergattungen, nicht als Gattungen; ebenſo die verſchiedenen Abtheilungen: Spirobolus, Spi- rostrepsus, Spiropoeus, Spirocyelistus etc., die er ſelbſt zuerſt als ebenſoviel verſchiedene Gattungen aufitellte ct). ) 1844, p. XXII. ) Animal kingdom von Griffith. *) Annals and Mag. of nat. Hist. XIII, 266. +) Recueil, p. 90. +?) Recueil, p. 80. Aus dem Julus Blainvillii (Leguillou, Bull. Soc. philom., 1841, p. 80.) von Neuguinea muß uͤbrigens auch eine neue Untergattung gebildet werden. Herr Leguil— lou redet in dieſem Artikel von mehrern Arten Diplopoden aus den Gattungen Polydesmus und Julus, unter denen aber fein Julus Blainvillii ſicher die merkwuͤrdigſte iſt. Die Augen ſtehen in einem Dreiecke zuſammen; die Fuͤhler haben 6 deut— liche Glieder, und das ſiebente liegt faſt ganz im ſechsten ver⸗ borgen. Die Ringe find mit vorfpringenden Streifen verfes hen, und man bemerkt faft nach der ganzen Ränge des Koͤr— pers vier gleichweit voneinander entfernte Reihen von Dor— nen, ſowie den Anfang einer fünften auf der Medianlinie des Ruͤckens. Die Farbe iſt braͤunlich; die Länge beträgt 0 140. Wir bilden aus dieſer Species die Untergattung Acanthiulus. 729. XXXIV. 3. 42 Wir bekennen uns zu dieſer Anſicht, und wenden dieſelbe ebenfalls auf die von uns aufgeſtellten Abtheilungen: Stem- miulus *) und Blaniulus **) an. 3) Ueber die Stemmiulen. Der Julus bioculatus, Gerv. et Goudot, ift der Typus diefer Gattung. Er iſt befonders durch feine Augen merkwuͤrdig, welche nicht, wie bei allen den vorhergehenden Arten, in der Vielzahl vorhanden, ſondern einfach und kranz— foͤrmig (Stemmatiformes) find, fo daß hinten an der Baſis jedes Fuͤhlers ein einziges Auge ſitzt. Dieſe Art iſt klein und findet ſich in Columdien. (Schluß folgt.) Nie e een Ueber das von der Allantois ausgehende Gefaäß⸗ ſyſtem, und folglich die Nabelvenen, verdient die „Histoire generale et particulière du développement des corps organises‘* nachgeſehen zu werden. Man glaubt gewöhnlich, daß die Umbilicals oder Als lantoidals Venen, wenn ſie in den Unterleib des foetus gelangt find, erſt nach ihrem Eintritte in die Leber ſich verzweigten. Aber dieſe Meinung, welche vollkommen richtig iſt, ſolange von einer ſpaͤteren Epoche der Entwickelungsperiode die Rede iſt, iſt vollig unrichtig in den erſten und wichtigſten Perioden des Embryo Lebens. Als⸗ dann naͤmlich bemerkt man, in der That, daß die Umbilical-Venen, noch ehe fie in die Leber gelangen, einen ſehr beträchtlichen Gefäß- apparat abgeben, welcher ſich nicht allein uͤber den ganzen Umfang der Unterleibs- und Bruſtwandungen, fondern auch an die Wirbel⸗ ſaule verbreitet. Dieſer fo beträchtliche Apparat, welcher eine wich⸗ tige und ziemlich langdauernde Rolle in der Primitiv-Circulation ſpielt, bildet mit den Zweigen der vena azygos den Hauptweg, mittelſt deſſen das Blut des ſoetus zum Herzen zuruͤckkehrt. — Herr Coſte hat ihn bei allen mit einer allantois verſehenen Wir⸗ belthieren angetroffen und bewahrt mehrere Praͤparate, welche deſ— ſen Anweſenheit bei'm Menſchen darthun. Ueber die auf den Sunda-Inſeln lebenden unge⸗ ſchwaͤnzten Affen-Arten findet ſich eine intereſſante Mitthei⸗ lung in dem von Herrn Profeſſor Erichſon zu Berlin herausge- gebenen Archive fuͤr Naturgeſchichte, aus welchem hervorgeht, daß nur die drei großen Inſeln ungeſchwaͤnzte Affen beſizen: Borneo den Orang⸗Utan (Pith, satyrus) und den Kalawet (Hylobates concolor), Sumatra den Orang⸗Utan (Pith. satyrus), den Stamang (Hylobates syndactylus) und den Ungko (Hylobates variegatus) und Java den Da (Hylobates leuciscus); daß dagegen keine von den vier, dem indiſchen Archipel angehoͤrigen Armaffen auf mehr als einer Inſel ſich findet, daß Sumatra zwei, durch verſchiedene Eigen— tyuͤmlichkeiten ausgezeichnete Arten dieſer Affen ernaͤhrt, während Java und die große Inſel Borneo jede nur einen beſitzen, und die außerdem in allen weſentlichen Puncten große Uebereinſtimmung miteinander zeigen. Mehr, als dieſe vier Arten von Hylobates, kommen auf den oſtindiſchen Inſeln nicht vor. *) Ann. Soc. ent. 1844, p. XXXVIII. *) Bulletin Soc. philom. 1836, p. 72. n Galvanismus, gegen Blutung aus dem uterus angewandt. Von Thomas Radford, Dr. Med. etc. Dr. Radford zu Mancheſter hat den Galvanismus in einer ſcharfſinnigen Weiſe in die geburtshuͤlfliche Praxis eingeführt. Als er in einem Falle zu Rathe gezogen wurde, wo waͤhrend der Wehen eine graͤßliche innere Blutung eins getreten war, die eine außerordentliche Hinfaͤlligkeit der Pa— tientin veranlaßt hatte, und wo der Muttermund fo ſtarr war, daß er und der Mutterhals haͤtten zerriſſen werden muͤſſen, wenn die Geburt (ohne Zerſtuͤckelung der Leibes⸗ frucht?) haͤtte bewirkt werden ſollen, uͤberzeugte er ſich davon, daß ſich durch Galvanismus eine ſehr kraͤftige Zuſammenziehung 43 des Muttermundes zu Wege bringen laſſe, und zwar nicht nur eine toniſche oder bleibende Contraction, ſondern auch eine periodiſch wiederkehrende Zuſammenziehung, wenn man jenes Agens von einer Zeit zur andern einwicken laͤßt. „Die durch Galvanismus bewirkte abwechſelnde Zuſam— menziehung iſt durchaus aͤhnlich und ganz ebenſo kraͤftig, wie die, welche durch normale Wehen veranlaßt wird, und die toniſche Contraction iſt dem Grade nach bedeutender. Ich werde keine Faͤlle mit allen Einzelnheiten mittheilen, da dieß mich zu weit fuͤhren wuͤrde; allein ich darf nicht un— bemerkt laſſen, daß ich den Galvanismus in einem Falle an— wandte, wo die Membranen noch nicht geborſten und die Membranen (Wandungen des uterus?) aͤußerſt unthaͤtig was ren, und daß ich ſo augenblicklich abwechſelnde Contractionen veranlaßte. Vorher waren die Membranen ungemein ſchlaff; allein ſowie der galvaniſche Kreis geſchloſſen war, wur— den ſie außerordentlich ſtark geſpannt und ragten tief in die vagina hinab; ja, dieſer angefpannte Zuſtand hielt noch an, als die abwechſelnde Contraction nachließ, waͤhrend je— nes bei normalen Wehen in gewiſſem Grade nicht der Fall iſt. Denn obgleich die galvaniſchen Leiter beſeitigt wurden, ſo war doch die, durch den Galvanismus veranlaßte, toniſche Contraction des uterus ſo bedeutend, daß dieſer haͤutige Sack nicht zuſammenfallen konnte. „Daher bin ich uͤberzeugt, daß wir auf dieſe Weiſe ei— nen ſolchen Zuſtand von toniſcher Contraction des uterus veranlaſſen koͤnnen, daß, wenn durch Blutungen ein hoher Grad von Erſchoͤpfung herbeigefuͤhrt worden iſt, die Patien— tin alsbald der Lebensgefahr enthoben und ſo lange hingehal— ten werden kann, bis der Zeitpunct eintritt, wo die Ent— bindung ohne Gefahr moͤglich iſt; waͤhrend wir in der Zwi— ſchenzeit die zur Hebung der Lebenskraft geeigneten Mittel anwenden koͤnnen.“ Da die Ausleerung des uterus in den Faͤllen, wo ſich der Mutterkuchen praͤſentirt, ſey dieſe Ausleerung nun par— tiell oder total, ſtets eine groͤßere Schwaͤchung der Patientin herbeifuͤhrt, fo hält Dr. Radford dafür, daß unter ſolchen Umſtaͤnden vor allen Dingen der liquor amnii allmälig ab: gezapft werden muͤſſe. „Zu dieſem Ende habe ich das von Herrn Holmes zur Perforirung der Membranen beſtimmte Inſtrument ein Wenig abgeaͤndert, indem ich die Roͤhre von bedeutend ſtaͤrkerm Caliber anfertigen und zu jeder Seite ihres offenen Endes eine ovale Oeffnung anbringen ließ. Das ganze Inſtrument beſteht aus einer Roͤhre (Canuͤle) und einem Troikar, welcher letztere ſtets mittelſt einer Spi— ralfeder in der Roͤhre zuruͤckgezogen gehalten wird, außer wenn er durch Druͤcken auf das knopffoͤrmige Ende heraus— getrieben wird. Dieſer Troikar laͤßt ſich ganz aus der Roͤhre ziehen, fo daß die Fluͤſſigkeit frei durch die letztere abziehen kann. Ich ſchlage nun vor, dieß Inſtrument durch den Mutterkuchen in den Sack des amnion einzuſenken und den Troikar dann herauszuziehen, ſo daß der liquor amnii entweichen kann, was mir gerathener ſcheint, als die Zerrei— ßung der Membranen zur Seite des Mutterkuchens, weil das Waſſer im letztern Falle zu ſchnell ausfließen wuͤrde, indem der Geburtshelfer die Größe der Oeffnung nicht gehoͤ— 729. XXXIV. 3. 44 rig reguliren koͤnnte. Ueberdem wird bei dem hier vorgeſchla⸗ genen Verfahren der Zuſammenhang der Membranen nicht geſtöͤrt, alſo der Mutterkuchen in einer guͤnſtigern Lage er⸗ halten, um als ein Pfropf zur Verſtopfung der geoͤffneten Venen zu wirken, wenn der Kopf gegen denſelben druckt. „Wenn man, wie es gewoͤhnlich geſchieht, die Membra⸗ nen zerreißt, fo liegt es auf der Hand, daß, ſowie die Vers bindung zwiſchen den Membranen und dem Mutterknchen aufgehoben iſt, der letztere mehr oder weniger tief in die va- gina hinabfallen kann. Wenn man nun den liquor am- nii in der angezeigten Weiſe abgezapft hat, ſo muß man zunaͤchſt die Hand in die vagina einführen, dann die Fine ger an dem Rande des Mutterkuchens vorbeigleiten laſſen und ſie zwiſchen denſelben und den Muttermund bringen und die Hand um den ganzen Mutterkuchen herumfuͤhren, ſo daß deſſen Maſſe völlig abgeloͤſ't wird, wobei man jedoch ſehr vorſichtig verfahren muß, damit man die Membra⸗ nen nicht zerreiße.“ Dr. Rad ford wendet alsdann den, Galvanismus an, um die Contraction des uterus zu bes wirken, und die fernere Behandlung iſt nach den bisher geltenden Regeln einzurichten, z. B., daß die Patientin durch reizende Arzneiſtoffe, eine naͤhrende Diaͤt oder Trans⸗ fuſion bei Kraͤften erhalten werde, ꝛc. Obwohl Dr. Radford ſeine Bemerkungen auf die Behandlung derjenigen Faͤlle von Haͤmorrhagie beſchraͤnkt hat, bei welchen vor der Entbindung Erſchoͤpfung eintritt, ſo glaubt er doch, daß auch in andern der Galvanismus mit Vortheil angewandt werden koͤnne, z. B., in denen, wo vor der Entbindung eine zufaͤllige Haͤmorrhagie eintritt, wo die kuͤnſtliche Zerreißung der Membranen den Blutfluß nicht hat hemmen koͤnnen und bei manchen Blutungen, welche in den erſten Monaten der Schwangerſchaft vorkommen; kurz, wenn Atonie des uterus bei dem Zufalle die Haupt⸗ rolle ſpielt. Der vom Verfaſſer in Anwendung gebrachte Apparat beſteht aus einer Batterie in einer kleinen Flaſche Gar) und einer Spirale nebſt Polſtaͤben oder Conductoren. Der Bequemlichkeit wegen werden die letztern durch lange, mit einer iſolirenden Subſtanz uͤberſponnene Draͤhte mit der Spirale in Verbindung geſetzt. Die Staͤrke des Schlags wird durch eine kleine Vorrichtung regulirt, welche ſich auf dem Stative der Spirale befindet, und vermittelſt deren der Schlag verſtaͤrkt oder geſchwaͤcht werden kann. Einer der Conductoren, welcher aͤußerlich angelegt wird, iſt mit einem hohlen hölzernen Griffe verſehen, durch welchen der früher erwaͤhnte Draht ſtreicht, um ſich an einen meſſingenen Stab zu begeben, der oben mit einer Kugel endigt. Der andere Conductor beſteht aus einem ſtarken meſſingenen Stabe von 7 Zoll Laͤnge, der ſo gebogen iſt, daß er ſich der vagina anpaßt und mit einer nicht leitenden Subſtanz uͤberzogen iſt. An ſeinem aͤußern Ende befindet ſich eine kleine Schraube, mittelſt deren ſich eine verſilberte Kugel an denſelben anſetzen läßt; am andern Ende iſt er in einen Griff von Ebenholz eingelaſſen, welcher hohl iſt und durch den ein ſtarker Meſ— ſingdraht geht, der am Ende einen Ring hat und mit den fruͤher erwaͤhnten langen Draͤhten in Verbindung geſetzt 45 iſt. Dieſer Draht wird durch eine in dem Griffe von Eben⸗ holz verborgene Spiralfeder von dem meſſingenen Stabe ent⸗ fernt gehalten. Der Ring iſt mit Seide umſponnen und fuͤr den Daumen des Operateurs beſtimmt, wenn dieſer den Draht mit dem Stabe in Verbindung bringt. „Bei Anwendung dieſes Apparats wird die meſſingene (verſilberte ?) Kugel des Vaginal-Conductors bis an den Mut: termund eingefuͤhrt und von Zeit zu Zeit mit einer andern Stelle dieſes Organes in Beruͤhrung gebracht. Zugleich muß der andere Conductor uͤber dem fundus uteri an die Abs dominalwandung angelegt werden. Auch kann man Schläge queer durch den uterus ſtreichen laſſen, indem man die Gons ductoren gleichzeitig an beide Seiten des Unterleibes anlegt. „Die Anlegung der Conductoren iſt von einer Zeit zur andern zu bewirken, ſo daß die Contractionen ungefaͤhr eben— ſo ſchnell aufeinander folgen, wie bei natuͤrlichen Wehen, und ſie kann ſo lange fortgeſetzt werden, bis der beabſich— tigte Zweck erreicht iſt.“ Allen practiſchen Accoucheurs iſt die Beachtung und Prüs fung des Verfahrens des Dr. Radford gewiß recht ſehr zu empfehlen. (London med. Gazette, January 1845.) Eigenthuͤmliche Hypertrophie der vulva. Von H. Des ruelles. I. Loui ſe R., Plätterin, 27 Jahre alt, aufgenommen in das Spital zu Lourcine am 9. Febr. 1843, eine kleine, zartge— baute Frau mit roͤthlichem Haare, ſehr weißer Haut und lympha⸗ tiſcher Conſtitution; feit dem 14. Jahre regelmäßig menſtruirt, was auch ſeit der Krankheit der Fall geweſen ift, habituelle, ſtarke Leucorrhoͤe; zu 24 Jahren verheirathet; Allgemeinbefinden gut, Ap: petit, Schlaf und Verdauung ungeſtoͤrt. Die großen Schaamlippen ſind bedeutend angeſchwollen, die linke 4 Mal ſo groß, als gewoͤhn⸗ lich, beide von blaß⸗blaͤulicher Farbe, unſchmerzhaft, ſelbſt bei'm Drucke, an mehreren Stellen erweicht. An der einen Stelle bieten ſie wenig umſchriebene, harte Kerne von faſt fibroͤſer Haͤrte dar, an einer anderen ſind ſie elaſtiſch, wie bei'm Oedem. Uebrigens iſt die Haut glatt, weich, ohne Granulation und unverſehrt. Die linke Nymphe iſt normal beſchaffen. Von der Spitze der clitoris erhebt ſich ein 5 Centim. langer und 3 Cent. breiter, glatter, hellroth gefaͤrbter, elaſtiſcher Koͤrper von der Conſiſtenz des Flei— ſches, an allen Stellen gleich, an der Baſis eingezogen, in ein rundes, aufgetriebenes Ende auslaufend. Dieſer Koͤrper iſt die rechte, hypertrophiſche Nymphe Der zur Haͤlfte kahle Schaamberg zeigt eine rauhe, huͤgelige, wie mit abgeplatteten, an ihren Nändern zus ſammenfließenden Tuberkeln beſetzte, harte, unſchmerzhafte Ober: flaͤche. Hier und da zeigen ſich einige braͤunliche Kruſten und ei— nige Fungoſitaͤten, die durch ihre Roͤthe und ihre Erhöhung gegen den blaͤulichen Grund des Schaamberges abfteten. Die Leiſtendruͤ— fen bilden auf jeder Seite 2 voluminöfe Maſſen von dem Umfange eines halben Eies chreniſch angeſchoppt, von Steinhaͤrte, etwas ſchmerzhaft bei ſtarkem Drucke, wahrſcheinlich nur deßhalb, weil man dann die Nervenäſte der Leiſte druͤckt. An der Außenſeite der Ober: ſchenkel befinden ſich eine Menge von Puſteln auf dem Wege der Vernarbung, die einander ſehr genaͤhert find; einige derſelben find mit gelblichen Kruſten bedeckt. Aus der Scheide fließt eine geringe Menge einer milchartigen, ſehr hellen Fluͤſſigkeit ab, welche das Lei- nen nicht beſchmutzt. Das collum uteri ift normal. Die Kranke war immer geſund geweſen, ihre Mutter iſt geſund, ihr Vater iſt in Folge des Steinſchnittes geſtorben; ſie hat zwei Bruͤder, welche niemals krank geweſen ſind. Die Krankheit iſt 4 Jahre alt. Nach großer koͤrperlicher Anſtrengung und vielem Nachtwachen ſchwollen 729. XXXIV. 3. 46 damals die Leiſtendrüſen unter heftigen Schmerzen an. Sie hatte damals nur ihre habituelle Leucorrhoͤe, und verſichert, niemals ſyphi⸗ litiſch geweſen zu ſeyn. Drei Monate nach dem Auftreten der er⸗ ſten Symptome fingen die großen Schaamlippen ohne bekannte Urs ſache an, zu ſchwellen. Sarſaparill, Einreibungen mit Calomelſalbe (wenigſtens wahrſcheinlich), Baͤder und Pillen wurden angewendet, ohne Heilung herbeizuführen. Während dieſer Zeit empfand fie Schmerzen in den Gliedern, welche alle Charactere der dolores os- teocopi hatten. Sie war nun 1 Jahr krank geweſen, die Schmerzen in der Leiſte waren verſchwunden, aber die Druͤſen waren angeſchwollen geblieben. Die großen Schaamlefzen hatten ſich allmaͤtig bis zu ih⸗ rem doppelten Umfange vergroͤßert, als ſie ſich verheirathete. Ihr Mann hat nie die Syphilis gehabt und iſt auch nie bei'm Bei- ſchlafe von ihr inficirt worden, welcher übrigens nur ſehr mäßig aus gefuͤhrt wurde und ihr bis vor Kurzem keine Schmerzen verurſach⸗ te. Seit ihrer Verheirathung hat die Kranke keine Mittel mehr angewendet und hat nicht bemerkt, daß das Uebel von da an ra⸗ ſcher fortſchritt. Nach und nach nahm jedoch die Anſchwellung zu, und ſeit 2 Jahren haben die labia majora den Umfang erreicht, welchen fie jetzt darbietenz ſeitdem iſt das Uebel ftationnär geblieben. Vor 3; Jahren bildete ſich ohne bekannte Urfache eine Puſtel⸗ eruption auf dem Schaamberge aus, die Puſteln ſanken dann ein und platteten ſich ab. Seit dieſer Zeit leidet auch die Kranke un⸗ gefaͤhr alle 14 Tage an einem ſtarken Fieber, die großen Schaamlef⸗ zen ſchwellen dann an, werden etwas heiß und ſchwer, Puſten bre⸗ chen darauf gewoͤhnlich an der Außenfeite der Schenkel aus, und Als les kehrt nach einigen Tagen zur Ordnung zuruͤck. Alle 3—4 Tage ſchwitzt aus den großen Lefzen eine feröfe Fluͤſſigkeit aus, der eine Turgescenz und dumpfe Schmerzen an dieſen Theilen vorangehen. Einmal fand die Puſteleruption auf dem Rüden ſtatt, ein anderes= mal war fie allgemein. Darauf fielen die Haare aus. Seit 6 Mo— naten iſt auch die rechte Nymphe, gleichfalls ohne Schmerzen, hy— pertrophiſch geworden. Die Kranke blieb nur wenige Tage im Spitale; Punctionen, welche an der rechten Schaamlefze ausgeführt wurden, waren ſchmerz⸗ baft und ließen nur Blut abfließen. Das Gewebe knarrſcht gleich Speck. Man räth der Kranken die Anwendung des Jodkali inner⸗ lich und Einreibungen einer Salbe aus ung. einereum und plumb. jodatum. Als fie nach einem Monate wiederkam, war keine be= merkbare Verbeſſerung eingetreten. Seitdem iſt ſie uns aus den Au— gen gekommen. II. Maria C., 32 Jahre alt, Dienſtmaͤdchen, von fanguinis ſchem Temperamente, aber etwas ſcrophulös, aufgenommen am 11. Juli 1843. Seit 16 Jahren bis jetzt regelmäßig menſtruirt, un= verheirathet, nie ſchwanger, kein fluor albus, Allgemeinbefin⸗ den gut. Die gänzlich difforme Schaam zeigt auf den erſten Blick eine ſehr voluminöfe Geſchwulſt in der Mitte, welche von 2 kleinern ſeitlichen Geſchwuͤlſten umſchrieben iſt. Dieſe letztern ſind die noch ziemlich deutlich zu erkennenden beiden labia majora, die erſtere die ganz unkenntliche linke Nymphe. Die rechte große Lefze iſt dop- pelt fo groß, als gewoͤhnlich, etwas roth, weich, wie odematdͤs, durch die urſpruͤngliche Geſchwulſt nach Außen umgeftülpt. Die linke iſt dreimal ſo groß, als gewoͤhnlich, dunkler gefaͤrbt und von einer zwiſchen Scirrhus und Oedem mitteninne ſtehenden Conft— ſtenz. Alle beide, ohne Hitze noch Schmerz, haben eine gelbliche Färbung, gleich einer Speckhaut des Blutes, fie find glatt und faſt haarlos. Mitten zwiſchen denſelben und wie an dem Gipfel der clitoris zeigt ſich eine Geſchwulſt, in der Mitte dicker, als an den Enden, ſchwer, 9 Gentim, lang und 5 Gentim. breit, von unregek⸗ maͤßiger Geſtalt; ſie hat eine livide, leicht blaͤuliche Faͤrbung, wel⸗ che am unteren Theile in's Violette uͤbergeht, eine harte, durch— weg gleiche, der des Scirrhs oder der fibroͤſen Gebaͤrmutter⸗ polypen ähnliche Conſiſtenz, iſt ſchmerzlos bei der Berührung und ſelbſt bei einem ziemlich ſtarken Drucke, gegen Nadelſtiche empfind⸗ lich. Bei'm erſten Anblicke ſcheint ſie geſtielt zu ſeyn; wenn man ſie aber in die Hoͤhe hebt und genau unterſucht, ſo erkennt man, daß fie ſich mit der linken Nymphe in ihrer ganzen Ausdehnung forte ſetzt, von der fie augenſcheinlich eine Verlängerung iſt. Die ſe Bafis 47 iſt nach Oben ſehr ausgedehnt, aber nur 1 Gentim. dick; fie ift von großen, dicken Venen durchzogen. Die Spitze iſt dick, abgerundet, blauviolett, aus der Anhaͤufung einer Menge großer Vegetationen von verſchiedener Dicke zuſammengeſetzt, die, oben voneinander geſondert, an ihrer Baſis wie Blumenkohl zuſammenhaͤngen. Dieſe Vegetationen, welche ſyphilitiſchen Auswuͤchſen nicht ähnlich ſind, nehmen das ganze untere Dritttheil der Geſchwulſt ein, welche oberhalb ders ſelben einige Fiſſuren darbietet. Die rechte Nymphe iſt 5—6mal größer, als gewohnlich, hart, blaͤulich, an ihrer unteren Portion mit hirſekornartigen Auswuͤchſen bedeckt. Wenn man die Haupt: geſchwulſt in die Höhe hebt, fo bemerkt man mehrere unregelmaͤßige Geſchwuͤre mit erhabenen Raͤndern und graulichem, mit Jauche be— decktem Grunde. Eine lange Reihe von Ulcerationen nimmt die linke Schenkelfalte ein; in der Dammnath findet ſich ein harter, rother, 1 Centim. hoher Wulſt. Die auf beiden Seiten ange— ſchwollenen Inguinaldrüfen ſind von kleinem Umfange, unſchmerz⸗ haft; in beiden Leiſten ſind Narben von in Eiterung uͤbergegange— nen Bubonen vorhanden. Die Karunkeln find hart und hypertro— phiſch; aus der vagina fließt eine klare, roͤthliche Fluͤſſigkeit in ges ringer Menge ab; die portio vaginalis iſt normal. Die Kranke war früher geſund geweſen und hatte nur an habituellen Kopf⸗ ſchmerzen gelitten. Ihre Krankheit datirt ſeit 2 Jahren. Um dieſe Zeit bekam ſie eine Blennorrhoͤe, welche ſeitdem nicht aufgehoͤrt, ſich aber dem, mit welchem ſie lebte, nicht mitgetheilt hat. Der Ausfluß war gering, klar, weißlich, das Leinen ſteifend und roͤ⸗ thend; iſt nie von Schmerzen oder Brennen bei'm Harnlaſſen be— gleitet geweſen. Zwei Monate nach dem Eintritte desſelben em- pfand die Kranke ein Jucken an den Geſchlechtstheilen, welches lange andauerte, und zu einer nicht genau anzugebenden Epoche bildeten ſich rothe Knoten von dem Umfange eines Stecknadelkno— pfes aus, voneinander geſondert, weich, aber ohne Eiterung, wel⸗ che durch das Kratzen hervorgebracht zu ſeyn ſchienen und bald fpontan verſchwanden. Ungefähr zwei Monate nach dem Beginne des Uebels wurden die Leiſtendruͤſen hart, heiß, ſchmerzhaft, ſchwol— len an und gingen in Eiterung uͤber; die Oeffungen vernarbten nell. 10 Vor einem Jahre ſchwollen die labia majora ohne beſtimmte Urſache auf allen Puncten zu gleicher Zeit an, welche Anſchwellung ohne Schmerz fortſchritt und weder den Gang noch den Beiſchlaf ſchmerzhaft machte. Die Vegetationen der Hauptgeſchwulſt datiren erſt feit 6 Mo: naten; die Geſchwuͤre ſeit 2 Monaten. Seit dieſer Zeit iſt auch Brennen bei'm Harnlaſſen vorhanden. Unter der Anwendung der Sarſaparille und Pillen aus Mercur-Protoiodur vernarbten die Geſchwuͤre. Eine Eruption von Impetigo im Geſichte, welche nun eintrat, verſchwand nach wenigen Tagen Auf den Wunſch der Kranken wurden die beiden Nymphen mit dem Meſſer am 2. Sept. 1843 exſtirpirt; keine Blutung; einfacher Verband der Wunde. Die linke Nymphe knirrſcht unter dem Meſſer, wie ein ſcirryhoͤſes Gewebe und bietet eine gelblichweiße, gleichfoͤrmige, wenig gefaͤß reiche Flache dar, von der etwas helles Serum abfließt. Die Haut iſt nur an der Stelle der Vegetationen verhaͤrtet. Man kann in der Geſchwulſt nur verdichtetes, mit Serum imprägnirtes Zellgewebe erkennen; fie erſcheint im Inneren als eine weißliche Maſſe, in des 729. XXXIV. 3, 48 ren Mitte hier und da einige Faſerbuͤndel ſich zeigen. Die rechte Nomphe bietet dieſelben Veränderungen dar, iſt nur weniger conſi⸗ ſtent und etwas mehr gefaͤßreich. Die Wunde vernarbte ſehr ſchnell: am 14. Sept., 12 Tage nach der Operation, war die Vernarbung vollitändig. Seit dem 10. d. M. hat fie die früheren Mittel wies der angewendet, und die labia majora haben ſich betraͤchtlich ver⸗ kleinert, die Anſchwellung der Leiſtendruͤſen verſchwand faſt voll⸗ ſtaͤndig, und der Ausfluß hörte auf. Am 28. verließ die Kranke auf ihren Wunſch das Spital. Der Verfaſſer haͤlt die Affection, von welcher die beiden eben erzählten Fälle Beiſpiele darbieten, für eine eigenthuͤmliche Art von Elephantiasis und zwar nicht ſyphilitiſch; der Herausgeber aber weiſ't mit Recht darauf hin, daß aͤhnliche Hypertrophieen der aͤuße⸗ ren Geſchlechtstheile bei der Syphilis vorkommen, an deren Vors handenſeyn im zweiten Falle wenigſtens gewiß nicht zu zweifeln iſt. (Arch. gen. de Med., Mars 1844.) Miscellen. Ein Fall von Häͤämorrhagie aus der Leber iſt von Dr. J. Abercrombie in dem Dublin Journal, Sept. 1844 er⸗ zaͤhlt. Die Kranke war eine Dame von 35 Jahren, welche in den zwei letzten Monaten ihrer Schwangerſchaft ſehr an Dyspepſie gelitten hatte. Am 28. Sept. 1841 wurde fie von heftigen Schmer- zen in der Magengegend, einem Gefühle von Ausdehnung, Aufſto— ßen und Uebelkeit befallen. Eine Binde wurde ſo feſt, als es er— tragen wurde, um den Leib gelegt, Opium und Aether gegeben, und am Abende fühlte ſich die Kranke ganz frei. Am folgenden Mor- gen Geburtsſchmerzen, raſche Entbindung; placenta folgte bald, der uterus zog ſich gut zuſammen. Nach einer Stunden traten jes doch Symptome des collapsus ein, welcher den Verfaſſer eine Mes trorrhagie argwoͤhnen ließ, aber bei der Unterſuchung fand ſich der uterus vollkommen contrahirt und der Ausfluß ſehr mäßig. Die Kranke klagte uͤber Schmerz im rechten Hypochondrium und in der rechten Seite des Halſes; Opium und Reizmittel wurden reiche lich gegeben, und die Kranke ſchien ſich zu erholen, aber bald trat Erbrechen ein, der collapsus nahm zu, und der Tod erfolgte am Morgen des erſten Octobers. Bei der Section fand man an der vorderen und oberen Flaͤche der Leber einen großen Sack, wele cher bei dem Verſuche, das Organ zu entfernen, barſt und gegen 2 Pfund theils fluͤſſiges, theils geronnenes Blut entleerte. Daſſelbe war aus einem Zweige der Pfortader gekommen, und der Sack war vom Bauchfelle gebildet. Das Parenchym der Leber ſah durchweg geſprenkelt aus und war ſehr weich. Alle anderen Organe waren geſund. Opium gegen Mercurialzittern. Dr. Coronet heilte ein bereits inveterirtes Mercurialzittern durch die Anwendung der Opiate in großen Gaben (2 grammes Laudanum in 24 Stunden). Das Uebel wurde berkits nach 2 Tagen fo weit gebeſſert, daß die Gabe des Mittels auf die Haͤlfte reducirt werden konnte, und wenige Tage ſpaͤter war der Kranke vollſtaͤndig geheilt. (Gazz. med. di Milano) P — — — Bibliographische Venetien The Conchologist's Nomenclator. By Agnes Catlow, assisted by L. Reeve. London 1845. 8. Zur vergleichenden Phyſiologie der wirbelloſen Thiere. Eine phy— ſiologiſche chemiſche Unterſuchung. Von Dr. Carl Schmidt. Braunſchweig 1845. 8.—— Statistique du personnel médical en France et dans quelques au- tres contrees de Europe ete. Par Louis Championnıeres Paris 1845. 8. London medical Directory for 1845. London 1845. 8. — . —»W“?— Neue Notizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Beilkiunde, gefammelt und mitgetheilt von dem Obers Medieinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalraide und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 730. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 4, des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 f 30 A, April 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, A Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 / 9 Die Tafel colorirter Abbildungen 7¼ 895 Nea ener Ueber Erhebungskrater. *) St. Helena, St. Jago und Isle de France bieten in Anſehung ihrer Structur und geologiſchen Geſchichte viel Aehnlichkeit miteinander dar. Alle drei Inſeln ſind, wenig— ſtens in den Theilen, die ich, zu unterſuchen, Gelegenheit hatte, von einem Kreiſe von Baſaltbergen umgeben, die jetzt ſehr zerriſſen find, aber offenbar einſt ziemlich ununterbrochen fort— liefen. Der Abhang dieſer Berge iſt nach dem Lande zu ſteil, und ihre Schichten ſenken ſich vom Lande abwaͤrts. Nur in wenigen Faͤllen gelang es mir, den Neigungswinkel derſel— ben zu ermitteln, da ſich die Schichtung in der Naͤhe nicht ſo deutlich darſtellte, wie aus der Ferne geſehen. Uebrigens bezweifele ich die Richtigkeit der Beobachtung des Herrn Elie de Beaumont, daß dergleichen Schichten ſtaͤrker geneigt ſind, als dieß, in Betracht ihrer Maͤchtigkeit und Derbheit, moͤglich waͤre, wenn ſie lediglich an einer geneigten Ober— flaͤche hinabgefloſſen waͤre, auch in dieſem Falle keinesweges. Auf St. Helena und St. Jago liegen die Baſaltſchichten auf aͤltern, wahrſcheinlich unter dem Meere gebildeten, Lagern von verſchiedenartiger Beſchaffenheit. Auf allen drei Inſeln haben ſich aus dem Inneren derſelben juͤngere Lavaſtroͤme nach den Baſaltbergen zu und zwiſchen dieſelben ergoſſen, und auf St. Helena iſt die mittlere Plattform durch ſie ausgefüllt worden. Alle drei Inſeln find in Maſſe empors geſchoben worden. Auf Isle de France muß die See noch in einer ſehr jungen geologiſchen Periode den Fuß der Ba— ſaltberge beſpuͤlt haben, wie dieß bei St. Helena noch jetzt der Fall iſt, und auf St. Jago gewinnt ſie auf der zwiſchen ihr und den Bergen liegenden Ebene immer mehr Terrain. Wenn man auf dieſen drei Inſeln, in'sbeſondere aber auf St. Jago und Isle de France, den Gipfel eines der Ba— ſaltberge erſtiegen hat, ſo ſieht man ſich vergebens nach dem *) Aus Charles Darwin’s Geological observations on the vol- canie Islands, visited during the voyage of H. M. S. Bea- gie during the years 1832 — 1856, London, 1844, 8. pp. 176. No. 1830. — 780. ka nr Nee Mittelpuncte der Inſel, nämlich dem Puncte, nach welchem die Schichten, die man unter ſich und zu beiden Seiten er— blickt, im Allgemeinen convergiren, oder nach einem Heerde um, aus dem dieſelben hervorgebrochen ſeyn moͤchten; man erblickt nur eine große vertiefte Plattform oder Haufen von Producten neueren Urſprungs. Dieſe Baſaltberge gehören, meiner Anſicht nach, zu den Erhebungskratern. Es iſt kein weſentlicher Punct, ob die Kreiſe je vollſtaͤndig geſchloſſen waren; denn die gegenwaͤrtig vorhandenen Portionen derſelben beſitzen eine fo gleichfoͤrmige Structur, daß, wenn ſie auch keine Fragmente aͤchter Krater waͤren, ſie doch nicht in die Claſſe gewoͤhnlicher Erhebungs— linien gehoͤren koͤnnten. Was ihren Urſprung anbetrifft, ſo kann ich, nach der Durchleſung der Schriften von Lyell (Principles of Geology. 5th edition, Vol. II, p. 171), C. Prevoſt und Vir let, nicht glauben, daß die großen Mittelvertiefungen ſich durch bloße kuppelfoͤrmige Erhebung und folglich gewoͤlbartige Geſtaltung der Schichten gebildet haben. Auf der anderen Seite ſcheint mir die Annahme ſehr ſchwierig, daß dieſe Baſaltberge lediglich die Truͤmmer des Fußes großer Vulcane ſeyen, deren Gipfel abgeſprengt, oder durch Verſenkung verſchlungen worden ſeyen. Dieſe Kreiſe ſind in manchen Faͤllen von ſo ungeheurem Umfange (J. B. auf St. Jago und Isle de France) und kommen fo haͤufig vor, daß mich dieſe Erklaͤrung durchaus nicht befrie— digt. Uebrigens glaube ich, daß folgende Umſtaͤnde, welche häufig zuſammentreffen, auch in ihrem Urſprunge Gemein: ſchaft miteinander haben, welche Gemeinſchaft bei den obi— gen Theorien nicht vorauszuſetzen waͤre, naͤmlich 1) die Zer— riſſenheit des Kreiſes, aus der ſich ergiebt, daß die ge— genwaͤrtig ifolirten Theile eine ſehr ſtarke Entbloͤßung erlitten haben, und aus der ſogar in manchen Faͤllen mit Wahr— ſcheinlichkeit hervorgeht, daß der Kreis nie geſchloſſen gewe— ſen ſey; 2) die große Maſſe der aus dem mittleren Areale nach der Entſtehung des Kreiſes hervorgebrochenen Materia— lien, und 3) die Erhebung des ganzen Terrains in Maſſe. Was den Umſtand anbetrifft, daß die Neigung der Schich⸗ 4 51 ten bedeutender iſt, als diejenige, welche dle Trümmer am Fuße gewöhnlicher Vulcane von Natur darbieten würden, fo kann ich mir wohl erklaͤren, daß dieſe Boͤſchung durch denje— nigen Grad von Erhebung, von welchem, nach Herrn Elie de Beaumont's Anſicht, die zahlreichen ausgefuͤllten Spalten oder die ſenkrechten Waͤlle ſowohl Zeugniß ablegen, als das Maaß abgeben, welche neue und wichtige Anſicht wir den von jenem Geologen am Aetna angeſtellten Un— terſuchungen verdanken, allmaͤlig bewirkt worden ſey. Eine, obige Umſtaͤnde mit in Anſchlag bringende Hy— potheſe fiel mir bei, als ich, nachdem mich die 1835 in America vorgekommenen Erſcheinungen *) vollſtaͤndig da⸗ von überzeugt hatten, daß die Kräfte, welche Subſtanzen aus den Vulcanen ausſchleudern und ganze Laͤnder in Maſſe em— porſchieben, durchaus die naͤmlichen ſeyen, denjenigen Theil der Kuͤſte von St. Jago uͤberſchaute, wo das horizontal emporgeſchobene Kreidelager ſich hart unter einem Kegel ſpaͤter ausgebrochener Lava in das Meer verſenkt. Meine Conjectur beſteht darin, daß waͤhrend der allmaͤligen Erhe— bung eines vulcaniſchen Diſtricts oder einer vulcaniſchen Ins ſel, in deren Mitte eine oder mehrere Muͤndungen offen bleiben und den unterirdiſchen Kraͤften ſo als Ausweg die— nen, die Raͤnder ſich in bedeutenderem Grade erhoͤhen, als der mittlere Raum, und daß die fo am Staͤrkſten gehobenen Por: tionen ſich nicht ſanft gegen den Mittelpunct hin abboͤſchen, wie es das Kalklager unter dem Lavakegel von St. Jago thut, und wie es bei einem großen Theile des Umkreiſes von Island der Fall iſt “'), ſondern daß fie von demſelben durch *) In einem der geologifchen Geſellſchaft im März 18388 vorge⸗ leſenen Aufſatze habe ich eine detaillirte Beſchreibung dieſer Er⸗ ſcheinungen mitgetheilt. S. Phil. Mag. Ser. 3, Vol. XII. p. 584. In dem naͤmlichen Augenblicke, wo ein ausgedehnter Flä— chenraum heftig bebte und ein großer Strich emporgehoben wurde, blieben die in der unmittelbaren Nähe mehrerer Haupt— vulcane der Anden liegenden Diſtricte ruhig, indem die unter— irdiſchen Kraͤfte ſich durch den Ausbruch erſchoͤpften, waͤhrend ſie ſpaͤter wieder ſehr heftig zu wuͤthen begannen. Ein aͤhn— liches Ereigniß, obwohl in viel kleinerem Maaßſtabe, ſcheint, nach Ab ich (Anſichten vom Veſuv, Taf. I. u. IX), im großen Krater des Veſuvs ſtattgefunden zu haben, woſelbſt an der eis nen Seite einer Spalte eine Plattform in Maſſe 20 F. hoch gehoben ward, waͤhrend auf der anderen Seite eine Menge kleiner Krater entftanden und zu ſpeien begannen. ) Aus den mir von Herrn E. Robert gütigft mitgetheilten Nachrichten geht hervor, daß die peripheriſchen Theile Island's, welche aus alten, mit Tuff abwechſelnden Baſaltlagern beſtehen, ſich landeinwaͤrts neigen und ſo einen rieſigen Napf bilden. Herr Robert fand die Kuͤſte, mit wenigen durchaus localen Ausnahmen, mehrere 100 engl. M. weit von dieſer Beſchaffen⸗ heit. Dieſe Angabe wird, wenigſtens in Bezug auf eine Lo— calität, durch Mackenzie in deſſen Reiſen (S. 377), ſowie durch eine Anmerkung beſtaͤtigt, die ſich in einer mir von Dr. Holland geliehenen Handſchrift ſindet. In die Kuͤſte dringen viele enge Buchten ein, an deren Hintergrunde das Land meiſt flach iſt. Herr Robert theilt mir mit, daß die landeinwärts geneigten Schichten ſich bis zu dieſer Linie auszudehnen ſcheinen, und daß deren Neigung meiſt mit der Boͤſchung der Oberflaͤche von den hohen Kuͤſtenbergen bis zu den Niederungen im Hin— tergrunde der ſchmalen Buchten uͤbereintreffe. In dem von Sir G. Mackenzie beſchriebenen Abſchnitt iſt der Neigungswinkel 12° Die inneren Theile der Inſel beſtehen, ſoweit man dieſel— ben kennt, meiſt aus neueren vulcaniſchen Producten. Die ans * 730. XXXIV. 4. J 1 52 krummlinige Brüche getrennt find. Nach dem, was ſich ſchon an gewoͤhnlichen Bruͤchen hin bemerken läßt, laͤßt ſich annehmen, daß die Schichten auf der gehobenen Seite, die ſchon bei ihrer urfprünglihen Bildung als Lavaſtröͤme eine auswaͤrtsgerichtete Neigung erhielten, von der Bruchlinie abwärts gekippt worden ſeyen und fo eine ſtaͤrkere Neigung erhalten haͤtten. Dieſer Hypotheſe zufolge, die ich jedoch auf wenige Fälle beſchraͤnken mochte, liegt keine Wahrſchein— lichkeit vor, daß der Kreis je vollſtaͤndig geweſen ſey, und da die Erhebung langſam geſchieht, fo werden die emporge⸗ ſchobenen Fragmente ſtets ſtarker Entbloͤßung unterworfen ſeyn, ſo daß die Zerreißung des Kreiſes einen immer hoͤheren Grad erreicht. Auch laͤßt ſich erwarten, daß die Neigung der gehobenen Maſſen nicht durchgehends dieſelbe ſey, wie wir es auf St. Jago wirklich finden. Nach dieſer Hypo— theſe ſtehen die Erhebung ganzer Diftricte in Maſſe und das Ausflieſien von Lavauͤberſchwemmungen aus den Mittels plattformen ebenfalls miteinander in Verbindung; aber die baſaltiſchen Randberge der drei beſchriebenen Inſeln koͤnnen uns, trotz dieſer Hypotheſe, noch für Erhebungskra ter gelten; nur hätte die Erhebung langſam ſtattgefunden, und die Mittelhoͤhlung oder Plattform hätte ſich nicht durch Woͤlbung der Oberflaͤche, ſondern lediglich in Folge des Um— ftandes gebildet, daß dieſer Theil weniger hoch emporgeſcho— ben worden waͤre. (London, Edinburgh & Dublin Philos. Mag. 3d Series, No. 173, April, 1845.) Abriß einer neuen Claſſification der Voͤgel, welche ſich auf die Beſchaffenheit des os palatinum gruͤndet. Von Herrn Cornay. Da mir die bis jetzt aufgeſtellten anatomiſchen Kennzeis chen zur Begruͤndung einer natuͤrlichen Claffification der Voͤ— gel nicht genuͤgend ſchienen, ſo fuͤhlte ich das Beduͤrfniß, de— ren neue aufzuſuchen, und ich habe dieſelben in einem Kno⸗ chen des Geſichtes zu finden, geglaubt. Dieſer Knochen iſt das vordere Gaumenbein, welches darbietet: 1) ein Marillarende; 2) ein entgegengeſetztes Ende, das mit dem hintern Gaumenbein artikulirt, das ich das Gegen-Gaumenbein nenne, weil es ſich hinten gegen das os quadratum ſtuͤtzt und folglich vorn dem vordern Gaus menbein als Widerlager dient; 3) den Koͤrper, einen duͤnnen, ſehnliche Groͤße Island's macht es problematiſch, ob daſſelbe zu den von uns hier beſchriebenen Inſeln zu rechnen ſey; als lein ich kann nicht umhin, die Vermuthung auszusprechen, daß, wären die Kuͤſtenberge, ftatt ſich nach dem Mittelraume ſanft abzuböfchen, durch unregelmäßig gekruͤmmte Bruͤche von dem⸗ ſelben getrennt worden, die Schichten nach der See zu umge⸗ kippt worden ſeyn wuͤrden, ſo daß ein aͤhnlicher, aber bedeutend größerer Erhebungskrater entſtanden wäre, wie die, welche uns die Inſeln St. Jago und Isle de France darbietens Ich will nur noch bemerken, daß das häufige Vorkommen von bedeuten⸗ den Seeen am Fuße großer Vulcane und das gar nicht ſeltene Aneinandergrenzen von vulcaniſchen und Süßwaſſexformationen darauf hinzudcuten ſcheinen, daß die um die, Vulcane her lie⸗ genden Areale häufig unter dem allgemeinen Niveau der benach⸗ barten Diſtricte liegen, indem fie entweder weniger ſtark ges hoben worden ſind oder ſich ſpaͤter wieder geſenkt haben. 53 runden oder abgeplatteten Theil, welcher die Fortſetzung des Maxnillarknochens bildet; 4) den Rand oder den ſich aus» breitenden Theil des Knochens, welcher zwiſchen dem eigens thuͤmlichen Koͤrper und dem entgegengeſetzten Ende liegt. Dieſer Rand beſteht aus einer untern oder Mund : Platte, aus einer obern oder Naſen-Platte und einer Seitenplatte. In gewiſſen Gruppen hat der Rand nur eine Platte; in andern beſitzt er deren zwei; zuweilen iſt eine, zuweilen ſind zwei Platten rudimentaͤr; in andern Gruppen endlich ſind alle drei Platten vorhanden. Das Gaumenbein dietet in der Reihe der Voͤgel eine Menge verſchiedenartiger Formen dar, wie ſie ſich fuͤr ihre Lebensweiſe eignen. Es bildet naͤmlich den hintern Theil der Naſenhoͤhlen, und daraus ergiebt ſich, daß es, je nach der Schnelligkeit des Flugs der Voͤgel und der Quantitaͤt Luft, welche dieſelben binnen einer gegebenen Zeit einzuath— men haben, ſich abaͤndert. Es dient gewiſſen Muskeln, welche bei den Bewegungen des Unterkiefers und Schling— apparaats wirken, als Anheftepunct und erleidet fo in den verſchiedenen Ordnungen zahlreiche Modificationen, je nach der Art und Weiſe, wie die Voͤgel ſich naͤhren. Auch die membrana pituitaria und palatina ſind an daſſelbe ange⸗ heftet. Es liegt zwiſchen dem eranium und dem Geſichte, und die Structur dieſer Theile hat alſo auf die des Gau— menbeines einen weſentlichen Einfluß, und unter allen Kno— chen iſt mir dieſer als derjenige erſchienen, welcher die geeignet— ſten Kennzeichen zur Claſſification der Voͤgel darbietet. Aus den ſchon ziemlich zahlreichen Beobachtungen, wel— che ich habe machen koͤnnen, ergeben ſich folgende drei Ge— ſetze: 1) Eine beſtimmte Form des vordern Gaumenbeins ent⸗ ſpricht einer beſtimmten Form des eranium der Vögel ders ſelben Ordnung. 2) Die vordern Gaumenbeine ſind bei Voͤgeln derſelben Ordnung einander aͤhnlich. 3) Bei den einander nabeſtehenden Voͤgelgruppen fins det man auch an den vordern Gaumenbeinen eine entſpre— chende Aehnlichkeit. Auf dieſe drei Geſetze gruͤndet ſich meine Claſſification, welche, wie das erſte Geſetz andeutet, durchaus auf der Ge— ſtalt des Schaͤdelknochens beruht. Die von mir angewand— ten Kennzeichen find alſo offenbar folche erſten Ranges, wäh: rend die, welche man bisher bei den Claſſificationen ange— wandt hat, und welche von dem Schnabel und den Beinen entlehnt ſind, nur ſolche zweiten Ranges ſind. Der Schnabel kann eine mehr oder weniger verlaͤngerte mehr oder weniger aufgetriebene oder gekruͤmmte Geſtalt, kurz eine eigenthuͤmliche Beſchaffenheit beſitzen; die Fuͤße koͤnnen mit Membranen verſehen ſeyn, die Zehen (zum Theil) nach Hinten ſtehen, die Beine mehr oder weniger lang ſeyn, ohne daß der Vogel ſich deßhalb weſentlich von denjenigen entfernt, bei welchen man dieſe Bildung nicht trifft; waͤh— rend die weiter oben angezeigten Kennzeichen fuͤr alle Voͤ— gel, die großen, wie die kleinen, gelten, wie denn, z. B., bei der Wachtel das vordere Gaumenbein dem des Pfaues ganz aͤhnlich iſt. 730. XXXIV. 4. 54 Bei den huͤhnerartigen Voͤgel hat das vordere Gau— menbein die Geſtalt eines antiken Pfluges, und ich kann, vermoͤge dieſes Kennzeichens, ſchon jetzt mehrere Voͤgel, die man bisher faͤlſchlich zu den Gallinaceen ſtellte, aus denſel⸗ ben ausmerzen, naͤmlich die Tauben und Turteltauben. Cuvier meinte, die Tauben bildeten eigentlich den Uebergang von den huͤhnerartigen zu den ſperlingsartigen Voͤgeln, was mir jedoch durchaus irrig ſcheint. Mir zu⸗ folge bilden die Tauben eine beſondere Gruppe, indem ihr Gaumenbein und Schaͤdelknochen von denen der Passe- res durchaus abweichen. (Comptes rendus des séances de l’Acad. d. Sc. T. XVIII, No. 3.) Ueber die Bildung der Seide. Von Herrn Robinet. In der neueſten Zeit hat ſich eine Discuſſion daruͤber erhoben, in welchem Zuſtande ſich die Seidenmaſſe befindet, ehe dieſelbe in Geſtalt eines Fadens aus den Raupen und in'sbeſondere aus dem Seidenwurme ausgetrieben wird. Einige haben die alte Meinung vertheidigt, nach wel— cher dieſe Maſſe in den zu deren Aufbewahrung beſtimmten Behaͤltern im fluͤſſigen Zuſtande enthalten ſeyn ſoll; Andere meinen, der Seidenfaden ſey in der Raupe ſchon gebildet, und dieſe wickele bei'm Spinnen des Cocons nur einen Strang ab. Ich habe mich bemuͤht, dieſer Ungewißheit durch neue Beobachtungen ein Ende zu machen, und meine Unterſu— chungen haben mich auf folgende Hauptergebniſſe geführt. 1) Die Seide entweicht durch eine einfache haͤutige Oeffnung, welche ſich in einem kegelfoͤrmigen fleiſchigen Fort— ſatze der Unterlippe des Seidenwurms befindet. Dieſes ganze Organ nenne ich den Seiden ruͤſſel. 2) Die Seide gelangt zu dieſer Oeffnung durch einen einfachen, ganz kurzen Canal, welcher aus der Vereinigung der beiden Seidenroͤhren entſteht. 8) Der vordere Theil der Seidenroͤhren iſt haarfoͤr— mig. Sie ſchließt ſich an den ſehr aufgetriebenen mittlern Theil an, welcher den eigentlichen Behaͤlter der Seiden— maſſe bildet. Der hintere Theil beſteht in einem ſehr lang gedehnten duͤnnen Cylinder, der das eigentliche ſecernirende Organ iſt. 4) Die Seide befindet ſich im Zuſtande einer dicken gallertartigen Fluͤſſigkeit in den beiden hintern Theilen des Organes; fie wird in der haarfoͤrmigen Röhre feſt und langt im concreten Zuſtande an dem aͤußern Canale an. 5) Die Raupe druͤckt ihren Faden mittelſt der Con— tractionen eines Knies zuſammen, welches die beiden haar— foͤrmigen Röhren an ihrer Vereinigungsſtelle bilden. So ge: lingt es ihr, die Excretion der Seide zu hemmen und ſich an ihrem Faden aufzuhaͤngen. ) Die Seidenmaſſe an ſich iſt immer farblos. Sie verdankt ihre Faͤrbung in gewiſſen Faͤllen der Anweſenheit eines Ueberzugs, welcher dieſelbe in den Behaͤltern be— gleitet und mit ihr austritt. 4 * 7) Die kegelfoͤrmige Geftalt des Seidenfadens rührt von der ſtufenweiſen Verengerung der haarfoͤrmigen Roͤhren her, welche bei der Seide dieſelbe Rolle ſpielen, wie das Zieheiſen bei'm Drahte. 8) Alle uͤbrigen Erſcheinungen, welche die Anſicht ver— anlaßt hatten, als ob die Seide ſich in den Behältern im Zuſtande eines Stranges befinde, erklaͤren ſich ohne Schwie— rigkeit aus dem Umſtande, daß fie in den haarfoͤrmigen Roͤh— ren vor deren Vereinigung feſt wird. Dieſe letztere Erſcheinung iſt noch zu erklaͤren, d. h., zu beſtimmen, unter welchem Einfluſſe die Seidenmaſſe in den haarfoͤrmigen Roͤhren die Geſtalt eines feſten Fadens annimmt. In dieſer Beziehung hat man bisjetzt nur Con— jecturen aufgeſtellt. Als ich die haarfoͤrmige Roͤhre des einen Seidenbehaͤl— ters ſo nah', als moͤglich, an ihrer Verbindungsſtelle mit der andern Roͤhre zerriß, gelang er mir, einfache Seidenfaͤden auszuziehen, von denen manche mehrere Centimeter (halbe Zolle) lang ſind, und ich habe dieſelben ſorgfaͤltig aufbewahrt. Meines Wiſſens hat dieß vor mir noch Niemand gethan. Dieß Reſultat wurde unter Waſſer erhalten. (Com— ptes rendus des seances de I'Acad. d. Sc. T. XVIII, No. 3.) Der electriſche Telegraph der Herren Wheat— ftone und Cooke auf der South-Weſtern— Eiſenbahn ſcheint mir ſo wichtig, ſowohl in der Einrichtung, als wegen ſeiner bereits dreifachen Anwendung (a. für die Eifenbahnsbedürfniffe, b. für Gouvernementszwecke, als Verbindungsmittel zwiſchen der Admiralitaͤt in London und den Marine-Etabliſſements zu Ports— mouth und «. für Privatperſonen, denen er zur Benutzung zur Correſpondenz (oder vielmehr Beſprechung) gegen Bezahlung einer kleinen Geldabgabe uͤberlaſſen wird), daß ich mir nicht verſagen kann, Etwas darüber mitzutheilen. Ein wichtiger, bisher unentſchiedener Punct iſt bereits durch dieſen Telegraph feſtgeſtellt. Es war naͤmlich zweifelhaft, wie weit die Witterung auf die Weiterleitung des electriſchen Stromes in— fluiren moͤge. Der Reif, der Thau und der Nebel, welche ſeit Er⸗ richtung deſſelben eingetreten ſind, haben hinlaͤngliche Gelegenheit gegeben, uͤber dieſe Einwirkung ein Urtheil zu faͤllen. Man hat gefunden, daß bei ſchoͤnem Wetter die Kraft des Stromes nicht merkbar geſchwaͤcht wird, ſelbſt durch eine Fortleitung, 88 engl. Meilen weit (171 deutſche Meilen), d. h., die hervorgebrachte Wirkungs-In⸗ dication iſt beinahe ebenſo ſtark am aͤußerſten Ende der Bahn, als an dem Ende, von wo das Signal ausgegangen, — indem die Minderung der Kraft nicht über 5 — 10 pCt. beträgt bei ſchoͤnem Wetter. Herr Wheatſtone hat einen ſchoͤnen kleinen Volta— metriſchen Apparat angewendet, um dieſe Differenz zu entdecken. Es iſt dieß eine ſinnreiche Modification des gewoͤhnlichen Apparats zur Waſſerzerſetzung, aber noch viel empfindlicher gemacht. Hier— durch ſcheint es, daß der größte Betrag des Verluſtes durch Weiz terleitung auf eine Strecke von zweimal 88, oder 176 Meilen, uns ter den unguͤnſtigſten Umftänden, 50 pCt. beträgt. Wenn man alfo Kräfte anwendet, die von doppelt fo großer Intenſität find, als die fuͤr die guͤnſtigeren umſtände noͤthig ſind, ſo findet er es leicht, die vollkommene Wirkungsweiſe des Apparates ſelbſt unter den uns guͤnſtigſten Umſtaͤnden zu ſichern. Die auf dieſer Linie angenommene allgemeine Einrichtung iſt diejenige, welche Herr Cooke und Wheatſtone nach ihrer nun beträchtlichen Erfahrung für die beſte erkannt haben. Die Drähte, welche von einem Ende zum andern reichen, ſind nicht laͤnger in 730. XXXIV. 4. 56 einer geſchloſſenen eiſernen Roͤhre eingeſchloſſen, ſondern ſind den vorbeipaſſirenden Reiſenden ſichtbar. Laͤngs der ganzen Bahn ſind in gleichen Zwiſchenraumen Pfoſten errichtet, welche höher hinauf⸗ reichen, als die Decken der Wagen, und laͤngs der Spitzen dieſer Pfoſten laufen die Draͤhte in ahnlicher Weiſe fort, wie eine gewoͤhn⸗ liche Drahteinfuͤgung. So iſt Alles ſichtbar und zugaͤnglich, ſo daß, wenn eine Beſchaͤdigung einträte, ſelbige ſehr leicht entdeckt und res parirt werden kann. Die Drähte laufen, der Iſolirung wegen, durch porcellanene Oehre und werden gegen Corroſion durch Ueberzug von Zink geſchutzt. Dieſe Einrichtung iſt jetzt ſo practiſch vollkom⸗ men, daß ſie wenig zu wuͤnſchen übrig läßt. Es ſind zwei Methoden im Gebrauch, um Worte von einem Ende zum andern mitzutheilen. Nach der einen Verfahrungsart werden zwei Dräste angewendet; dieſe Drähte find voneinander uns abhangig und geben die Signale an, indem jeder eine Magnetnadel aflicirt. Zwei Magnetnadeln dienen, um alle Buchſtaben des Al⸗ phabets zu geben. Der den Dienſt Beſorgende ſteht vor einer Platz te, wie vor einem Zifferblatte; an ihm find zwei Zeiger; beide dere ſelben zeigen aufwaͤrts und niederwärts, wenn fie von der electri— ſchen Stroͤmung afficirt ſind. Wenn der Dienſtbeſorgende wuͤnſcht, das Inſtrument wirken zu laſſen, fo dreht er einen Handgriff nach Rechts; dieß bringt ein Drahtgewinde auf der rechten Seite in Vers bindung mit der pojitiven Seite der Batterie und afficirt die Nas del auf der rechten Seite, und im Augenblicke, wo der Dienftbefors gende dieß bemerkt, dreht er den Griff in feine vorige Stellung zus ruck; die Wirkung hört auf, und die Nadel, nachdem fie eine Os— cillation nach Rechts gemacht hat, hängt vertical, wie zuvor. Er hat ſo ein Signal gegeben, denn der Draht, welchen er mit der Batterie an diefem Ende in Verbindung ſetzt, endet in ein Draht: gewinde an der rechten Seite einer Nadel am anderen Ende der Verbindung und bewirkt eine Abweichung derſelben in demſelben Augenblicke, wo eine ſolche an der Nadel an dieſem Ende erfolgt. Der Dienſtbeſorgende an dem anderen Ende hat alſo genau daſſelbe geſehen, was der Dienſtbeſorger an dieſem Ende gethan hat, kurz die Nadel an ſeinem Ende macht gerade dieſelbe Abweichung nach Rechts, welche die Nadel an dieſem gemacht hat und in demſelben Augenblicke. Dieſe Abweichung mag, wenn wir wollen, für den Bubſtaben A gelten. Nun wollen wir annehmen, daß die zweite Nadel an dieſem Ende durch einen zweiten Handgriff auch zum Abweichen nach Rechts gebracht werde und wiederum gerade herabhaͤnge. Die zweite Nadel am anderen Ende weicht in demſelben Augenblicke nach Rechts ab und hängt dann herab; dieß ſoll, wenn es gefällig iſt, für den Buch⸗ ſtaben R gelten. Der Dienſtbeſorger an dieſem Ende dreht nun beide Handgriffe auf einmal nach Rechts; beide Nadeln an beiden Enden weichen zu gleicher Zeit nach Rechts ab, und nachdem ſie von Beiden geſehen worden, wird ihnen geſtattet, in den Zuſtand von Ruhe zu⸗ ruͤckzuſinken — dieſe doppelte Abweichung mag fuͤr den Buchſtaben E gelten. Die fo uͤbermachten Buchſtaben bilden das Wort ARE (ſeyd). Der Dienſtbeſorger laͤßt alsdann die erſte Nadel nach Rechts abweichen, ſtellt ſie wieder gerade und laͤßt ſie augenblicklich ein zweites Mal abweichen — an beiden Enden hat die erſte Nadel alſo eine doppelte Abweichung nach Rechts gemacht: dieß mag fuͤr den Buchſtaben Y gelten. Er giebt darauf der zweiten Nadel eine dop⸗ pelte Schwingung, und dieß gilt fuͤr den Buchſtaben O — und eine doppelte Abweichung beider Nadeln nach Rechts und an beiden Ens den zeigt den Buchſtaben U an. Wir haben alſo an beiden Enden die Buchſtaben des Wortes YOU (ihr). Der Dienftbeforger wiederholt nun eine Schwingung der zwei⸗ ten Nadel nach Rechts, welche, wie zuvor, den Buchſtaben R giebt. Eine Oscillation beider nach Rechts giebt, wie zuvor, den Buchſta⸗ ben E; eine Oseillation der erſten Nadel nach Rechts giebt den Buchſtaben A; Alles ohne neue Zeichen. Nun wollen wir mir den Oscillationen nach inks anfangen. Eine Oscillation nach Links an der erſten Nadel mag D ausdrucken, und da eine doppelte Oscilla⸗ tion nach Rechts W ift, fo haben wir ſchon das letzte Wort der Frage uͤberſendet: READY? (bereit?) Die Antwort kann zurückgeſendet werden durch eine doppelte Oscillation nach Rechts für X, eine einfache Oscillation an beiden für E, und eine einfache Oscillation nach Links für S. So daß Ihr ſicher ſeyd, verftanden zu ſeyn und Eure Antwort aus einer Entfer— nung von 88 engl. Meilen zuruͤckerhaltet in dem Worte. YES (a). So erhält man durch die Combination von einfachen Oscillatio- nen mit doppelter und dreifacher Oscillation, entweder einfach nach Rechts oder Links, oder beider zugleich nach Rechts oder Links alle Buchſtabenzeichen des Alphabets von einem Paar Nadeln, und dieß wird bewirkt durch die Bewegung von nur zwei Hand— griffen durch die zwei Hände des Operators, welche gar nicht erfor: dern, das Inſtrument fuͤr einen Augenblick zu verlaſſen. Dieß kann geſchehen faſt, wenn nicht gleich, ſo ſchnell, als gewoͤhnliches Spre— chen — gewiß ſchneller, als Buchſtabiren der Worte mit dem Munde. Dieſe ſehr einfache Combination ruͤhrt, wie ich glaube, von Herrn Cooke her. Eine zweite Methode beruht auf einer kleinen ſinnreichen Vor⸗ richtung des Herrn Wheatſtone. Die Buchſtaben des Alphabets ſind ſammtlich um ein Circularrad eingegraben Um zu ſprechen, dreht man jeden Buchſtaben herum an einen beſtimmten Punct, wo dann derſelbe Buchſtabe für den Leſer am anderen Ende durch eine kleine Oeffnung ſichtbar wird, Dieſe Methode iſt ſehr ſinnreich, — fuͤr den Ungeübten ſcheint ſie die leichtere, einfachere; Jeder— mann kann, nach einer geringfuͤgigen Unterweiſung, auf dieſe Weiſe vertraulich mit ſeinem Freunde am anderen Ende und ohne Anwe— ſenheit eines Dritten ſprechen; aber der Mechanismus iſt zu compli— cirt, als daß er aus bloßer Beſchreibung und ohne Erläuterung an einem Modelle verftanden werden konnte. Es iſt intereſſant, daß die Urheber der Erfindung ihre wiſſen⸗ ſchaftliche Nachforſchung bereits auch belohnt erhalten. Das Gou— vernement zahlt jahrlich 1500 Pf. St. für den Telegraph, welcher von den Eigenthuͤmern der Eiſenbayn und den Erfindern des Te— legraphen auf gemeinſchaftliche Koſten errichtet worden iſt. Miscellen. Bei der Annelidengattung Exogone und uber die Entwickelung der Jungen (vergl. Figg. 28. bis 41. auf der mit No. 727 (No. 1 dieſes Bds.) ausgegebenen Tafel) hat Herr M. Oerſted in Erichſon's Archive fuͤr Naturgeſchichte im 1. Hefte des XI. Jahrg. 1845 S. 20 feine Beobachtungen mitges theilt, aus welchen Folgendes ausgehoben iſt: Figur 28 zeigt von Exogone naidina *) das Maͤnnchen vergrößert, welches vom neun⸗ ten Ringe an ein Bündel ſehr langer, haarfoͤrmiger Borſten hat. Fig. 29. eine Hakenborſte (seta falcata) von demſelben. Fig. 30. ein Saamenthierchen, ebenfalls ſtark vergroͤßert. Fig. 31. zeigt das Weibchen, welches nur kurze Hakenborſten und an den meiſten Koͤr— perringen Eier traͤgt, deren Entwickelung mit Leichtigkeit beobach— tet werden kann. — Die erſte Entwickelung der Eier hat Herr Oerſted nicht verfolgen koͤnnen, indem ſie da, wo ſie ſich der Beobachtung darboten, bereits in den Foͤtuszuſtand uͤbergegangen, obwohl noch unter der Form von Eiern (Fig. 33.) waren, und feſt auf der Bauchflaͤche der Mutter aufſitzen, bis faſt alle Organe aus— gebildet find und fie Leben äußern. — „Die Entwickelung, welche ) Die Characteriſtik der Gattung und Art ſehe man am ang. Orte. 730. XXXIV. 4. 58 die Jungen durchgehen, iſt folgende: Das im Anfange ovale und dun⸗ kelbraune Junge (Fig. 33.) verlängert ſich nach und nach und wird heller, beſonders an der Stelle, wo ſpaͤter der Mund entſteht (Fig. 34.); darauf tritt mitten auf dem vorderſten Ende eine kleine Pupille hervor, die erſte Spur der Fuͤhlhoͤrner (Fig. 35.). Waͤh⸗ rend das Junge noch langer und heller wird, koͤmmt noch eine Pa— pille an der Seite der erſten hervor (Fig. 36.). Gleichzeitig mit der dritten Papille zeigt ſich der Rumpf deutlich in zwei Parthien getheilt, naͤmlich eine vordere, breitere, welche zum Kopfe wird und ſchon eine deutliche Mundoͤffnungz am Grunde hat, und eine hintere, aus der die übrigen Ringe des Rumpfes ſich bilden (Fig. 37.). Zwei Tage ſpaͤter ſitzen die Fuͤhlhoͤrner nicht mehr am Ende des Kopfes, ſondern auf der vordern Fläche deffelben, man ſicht Spu— ren von zwei Augen und die beginnende Bildung von 4 Ringen.“ — „Den zwoͤlften Tag, nachdem dieſe Beobachtungen begonnen waren, zeigten ſich 4 Augen und der Kopf war deutlich vom Rumpfe durch einen Halsring getrennt, mit einer kleinen Papille an jeder Seite, demnaͤchſt 3 deutliche Ringe mit einem Rudimente des cirrhus dor- salis und rudimentären Borſten. Nun fand ſich auch eine deutliche Mundroͤhre (Fig. 40.).“ — „Den vierzehnten Tag war die Ente wickelung aller dieſer Organe etwas weiter fortgeſchritten (Fig. 41.), und nun verließen die Jungen das Mutterthier, um frei umherzu— ſchwimmen. Das erſte Organ, das entwickelt wurde, war alſo die Mundoͤffnung, demnaͤchſt der Kopf mit feinen Organen und endlich die Ringe des Rumpfes. Ungeachtet die Jungen nun im Weſentlichen mit dem Mutterthiereuͤbereinſtimmen, fo iſt doch, beſonders in Ruͤckſicht der Form des Kopfes, ein großer Unterſchied zwiſchen beiden, doch nicht größer, als daß man ihn ſich nicht durch eine ſtufenweiſe Ent⸗ wickelung umgebildet denken koͤnnte, fo daß dieſe ganze Veraͤnde— rung, welche die Jungen durchmachen, eigentlich nicht den Namen einer Metamorphoſe verdient; daß es dagegen andere Anneliden giebt, die eine foͤrmliche Metamorphoſe erleiden, iſt hoͤchſt wahrſcheinlich. (F. Loven Jagtagelse ofver metamorfos hos en Annelid in Va- tenscap’s Academiens Handlingar und in Wiegman's Arch. 8. Jahrg, 1. Hft. und Oersted Conspect. Annulat. Dan., p. 39. 5. VI. fig. 96.).“ Arteſiſche Brunnen würden ſich, der Anſicht des Inge— niers Four nel zufolge, in der Wuͤſte von Algier in großer Menge anlegen laſſen. Die bedeutende Hoͤhe des Atlasgebirges und das ſehr niedrige Niveau der Wuͤſte laſſen vermuthen, daß ſich unter der letztern in unbedeutender Tiefe große Waſſervorraͤthe bes finden. Der gegenwärtige Stand unſerer geologiſchen Kenntniſſe und die Erfahrungen, die man bisher bei'm Bohren nach arteſiſchen Brunnen geſammelt, ſiud dieſer Anſicht guͤnſtig. Herr Fournel glaubt, man brauche in der Wuͤſte hoͤchſtens 200 F. tief zu bohren, um arteſiſche Brunnen aufzuſchließen. Auch die Erfahrung iſt die— fer Meinung günftig, da die Araber Brunnen zu graben verſtehen. Uebrigens geht unter ihnen die Sage, daß ſich unter dem Sande der Wuͤſte ein gewaltiger See befinde. Iſt Herrn Fournel's Anz ſicht die richtige, fo ließen ſich in der Wuͤſte eine Menge arteſi⸗ ſcher Brunnen erbohren. Um jeden derſelben wuͤrde ſich eine Oaſe bilden; dieſe Oaſen wuͤrden endlich zuſammenfließen, ſo daß die ganze gegenwärtige Wuͤſte eine culturfähige Ebene bildete. Denn Wärme iſt genug vorhanden, und es bedarf nur des Waſſers, um dieſe Wärme für die Vegetation gedeihlich zu machen. Die Ver: wirklichung deſſen, was jetzt nur als ein Phantaſiegebilde erſcheinen möchte, iſt vielleicht einer gar nicht fernen Zukunft vorbehalten. (Revue de Paris, 1845. No. 117.) ird Ueber Vorfall der Nabelſchnur. (Aus Chailly, Traité pratique de l’accouchement.) Unter Vorfall der Nabelſchnur verſteht man das Vor⸗ treten derſelben vor den vorliegenden Theil des foetus; ders ſelbe kommt am Haͤufigſten bei den Lagen vor, wo die obe— re Beckenapertur nicht vollſtaͤndig ausgefuͤllt wird, wie bei Geſichts⸗ und namentlich bei Schulterlagen. Es kann in jeder Geburtsperiode eintreten, iſt aber am Haͤufigſten in der erſten Periode und im Momente des Blaſenſprunges. Na e⸗ 59 gele ſah einmal die Nabelſchnur an der Seite der Schulter vorfallen, nachdem der Kopf bereits geboren war. Der Vor— fall der Nabelſchnur kommt keinesweges ſelten vor; nach den ſtatiſtiſchen Beobachtungen von Herrn S hure in Straß: burg einmal unter 265 Fällen. Die in der Clinique an: geſtellten Beobachtungen haben faſt daſſelbe Reſultat ge— geben. Urſachen. Praͤdisponirende Urſachen find: Menge des Fruchtwaſſers, Länge der Nabelſchnur, Kleinheit des foe- tus, mangelnde Contraction in den unteren Abſchnitten des uterus oder mangelhafte Einwirkung des letzteren auf den herabſteigenden Theil des foetus, abnorme Kindeslagen, namentlich des Stammes, Abnormitaͤten des Beckeneingan— ges, Inſertion der placenta uͤber dem Muttermunde oder in der Naͤhe derſelben; insertio velamentalis; endlich Fuß⸗ und Handlagen. Zu den naͤchſten Urſachen gehoͤrt plöslicher oder vorzeitiger Blaſenſprung und die raſche Ent: leerung einer großen Menge Fruchtwaſſer; oft bewirken auch mechaniſche Eingriffe den Vorfall. Diag noſe. Die Leichtigkeit der Diagnoſe hängt da— von ab, ob die Haͤute zerriſſen ſind, oder nicht. Im erſten Falle iſt die Erkenntniß ſehr leicht, der Nabelſtrang wird leicht gefuͤhlt und zuweilen ſelbſt geſehen; doch auch vor dem Blaſenſprunge iſt die Diagnoſe nicht ſchwer. Der Finger fuͤhlt durch die Haͤute einen weichen, ſchmalen, leicht zu ver— ſchiebenden, ſtark und oft pulſirenden Koͤrper. Zuweilen iſt jedoch die Nabelſchnur zwiſchen dem vorliegenden Kindestheile und der oberen Beckenenge ſo ſehr comprimirt, daß die Be— ſchaffenheit der Pulſationen veraͤndert wird, und der Geburts— helfer zum Irrthume verleitet werden kann. Auch die ab— norme Inſertion der Nabelſchnur in den Haͤuten kann irr— thuͤmlich als Vorfall derſelben angeſehen werden; der Finger fuͤhlt in dieſem Falle die Pulſationen einer der Verzweigun— gen der Nabelſchnur, welche an den Haͤuten verbreitet ſind. Prognoſe. Vorfall der Nabelſchnur iſt einer der ge— faͤhrlichſten Zufaͤlle für das Kind und führt meiſt zum Tode deſſelben, doch iſt die Vorherſage nach der Integrität oder Ruptur der Haͤute, dem Zuſtande der vorgefallenen Nabel— ſchnur, der Dauer des Vorfalls, dem Grade des auf den— ſelben ſtattfindenden Druckes ıc. verſchieden. Für die Mut— ter iſt der Vorfall der Nabelſchnur ohne Einfluß und hat nur in dem Falle fuͤr ſie Bedeutung, wenn in Folge einer zu kurzen Nabelſchnur die placenta ſich zu fruͤh loͤſ't und Blutung darauf eintritt. Folgen des Vorfalles der Nabelſchnur. Die Compreſſion des Nabelſtranges und demzufolge die in dem— ſelben aufgehobene Circulation iſt die einzige Urſache des To— des des Kindes. Guillemot und Velpeau ſind der Anſicht, daß die Kaͤlte allein, welche die aus der vagina hervorgehende Nabelſchnur empfindet, oft den Tod des Kin— des, ohne eine Compreſſion derſelben, zu bewirken vermag. Ich theile jedoch dieſe Anſicht nicht und halte Jenes nur für einen erſchwerenden Umſtand. Mad. Lachapelle, wel— che den Einfluß der Kaͤlte auf die Circulation in der Nabel— ſchnur laͤugnet, hat dieſelde Stunden lang aus der vulva hervorhangen geſehen, ohne ihre Pulſationen zu verlieren. 730. XXXIV. 4. 60 Baudelocque und Delamotte führen ähnliche Fälle an. — Der Einfluß der Compreſſion wird von verſchiede⸗ nen Autoren verſchieden angegeben. Nach Einigen beraubt die Unterbrechung der Circulation den foetus feiner Nahrung, und er geht an Inanition zu Grunde; nach Anderen ſtirbt der foetus apoplectiſch, weil das durch die Nabelvene reiche lich herbeiſtroͤmende Blut durch die Nabelarterien nicht zur placenta zuruͤckkehren kann. Die letztere Anſicht bedarf keiner Widerlegung, denn wenn die Arterien comprimirt find, ſo muß daſſelbe auch mit der Vene der Fall ſeyn und das Blut koͤnnte nicht zum foetus gelangen. Aus derſelben Urſache kann derſelbe nicht an Synkope fterben, indem fonft die Vene al⸗ lein comprimirt werden muͤßte. Die meiſten Geburtshelfer unſerer Zeit halten 9 75 fuͤr die Haupturſache des Todes des Kindes, indem ſie da— bei zugeben, daß dieſer Zuſtand oft mit einer Blutuͤberfuͤllung im Gehirne, Herzen, in den Lungen und in der Leber com— plicirt iſt. Nach der von den Meiſten angenommenen Uns ſicht iſt die placenta waͤhrend des Uterinlebens das einzige Organ, von welchem der foetus fein Blut erhält. Wenn daher die Foͤto-Placentar- Circulation durch die Compreſſion des Nabelſtranges unterbrochen wird, ſo kann das Foͤtalblut nicht in die placenta gelangen, um durch den mittelbaren Con⸗ tact des muͤtterlichen Blutes neu belebt zu werden, und der foetus, in den Zuſtand eines der atmoſchaͤriſchen Luft be— raubten Erwachſenen verſetzt, ſtirbt aſphyetiſch. — Der Körs per eines in Folge der Compreſſion des Nabelſtranges ge— ſtorbenen Kindes iſt livide, ſelten blaß und farblos; das Ges ſicht und namentlich die Lippen tragen vorzuͤglich die Spu⸗ ren der venoͤſen Anſchoppung in den Capillargefaͤßen an ſich. — Bei der Section habe ich oft die Gefaͤße und Haͤute des Gehirns injicirt gefunden, aber Dieſes iſt keinesweges conſtant. Was die Blutanſchoppung in den Lungen betrifft, fo trifft man dieſelbe fo haͤufig an, daß fie als eine natuͤr— liche Folge der Afphyrie angeſehen werden kann; das ganze Venenſyſtem iſt mit Blut angefuͤllt, während die Arterien faſt blutleer ſind. Endlich findet man die Leber weit haͤu— figer angeſchoppt, als das Gehirn, und Dieſes findet ſeine Erklaͤrung in dem Umſtande, daß die Leber an der Reinigung des Blutes participirt. Behandlung. Der Vorfall der Nabelſchnur, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, bringt dem Kinde faſt immer den Tod, und daher wird das Einſchreiten des Arztes nothwendig. Zoͤge— rung ſteht nur in einigen wenigen Faͤllen frei, welche ich hier ſo genau, als moͤglich, angeben will. a. Vor dem Blaſenſprunge. Wenn man ſich von ber Vorlagerung der Nabelſchnur vor dem Kopfe über- zeugt hat, fo muß der Geburtshelfer die vollſtaͤndige Erwei— terung des Muttermundes abwarten, bevor er einen Eingriff wagen darf. Sobald die Erweiterung vollſtaͤndig ſtaitgefun⸗ den hat und die Wehen ziemlich ſtark geworden ſind, ſo fuͤhre man 2 — 5 Finger und ſelbſt die ganze Hand, ſobald die Beſchaffenheit der aͤußeren Theile es geſtattet, ein, um den Nabelſtrang durch die Eihaͤute hindurch aufwaͤrts zu ſchieben; dann ſprenge man waͤhrend einer kraͤftigen Wehe die Blaſe entweder mit der eingefuͤhrten Hand oder vermittelſt einer 61 gewöhnlichen Feder. In dem Augenblicke, wo die Waſſer abfließen, ſtelt ſich der Kopf von felbft dicht über den Mutz termund, waͤhrend der von den Fingerſpitzen getragene Na— belſtrang über die obere Beckenenge hinausgezogen wild und der Compreſſion entgeht. Wenn das Becken ſehr geraͤumig, der Kopf klein und die Eihaͤute ausdehnſam genug ſind, um den Kopf in die Aushoͤhlung hinabſteigen zu laffen: fo fprenge ar nicht die Blaſe, ſondern warte fo lange, bis die aͤußeren Theile hinlaͤnglich erſchlafft ſind, um die Anlegung der Zange, wenn dieſelbe nothwendig werden ſollte, ohne Nachtheil fuͤr die Mutter zu geſtatten. Sobald nun die Theile in der ge— eigneten Beſchaffenheit ſich befinden, ſprenge man die Blaſe. Oft wird um dieſe Zeit der der vulva naheſtehende Kopf ſpontan ausgetrieben, und da keine Compreſſion der Nabel- ſchnur ſtattfindet, namentlich wenn dieſelbe im hinteren Theile des Beckens vorgefallen iſt, ſo wird jede mechaniſche Huͤlfe unnöthig, oder wenn das Kind in Gefahr ſeyn ſollte, fo wird es leicht ſeyn, daſſelde mit der Zange zu extrahiren. Aus dem Geſagten geht alſo hervor, daß die Umſtaͤnde, unter welchen eine Zögerung vor der Ruptur der Eihaͤute geſtattet iſt, ſehr beſchraͤnkt find und ſich auf folgende reduciren: Un— verletztheit der Eihaͤute, ſobald die Auſcultation keine Leiden des Kindes nachweiſ't; weites Becken; kleiner Kopf, kraͤftige Wehen, Vorfall der Nabelſchnur nach Hinten. 5. Nach dem Blaſenſprunge. Hier darf der Geburtshelfer nicht unthaͤtig bleiben, wofern nicht der Kopf noch hoch oben im Becken ſteht und die Zuſtaͤnde, welche eine ſchnelle Geburt anzeigen, wie Weite des Beckens, Klein: heit des Kindes, Relaxation der aͤußeren Theile und kraͤftige Contractionen, fehlen; der Zuſtand der Nabelſchnur muß aber ſorgfaͤltig bewacht werden, um unverzuͤglich die Zange an: zulegen, ſobald die Sicherheit des Kindes gefaͤhrdet wird. Wenn in Folge des weiteren Herabſteigens des Kopfes die Nabelſchnur nicht mehr gefuͤhlt werden kann, ſo muß der Geburtshelſer ſich vermittelſt der Auſcultation uͤber den Zus ſtand des Kindes vergewiſſern, und wenn die Unruhe der Kreiſenden Dieſes unmoglich macht, und beſonders wenn der lig. Amnii mit Kindspech gemiſcht iſt, fo iſt die ſchleunige Entbindung angezeigt. Sobald aber keine der Umſtaͤnde, welche eine Zoͤgerung zulaſſen, vorhanden ſind, ſo bemuͤhe man ſich, wo moglich, die Nabelſchnur zu reponiren, oder, wenn Dieſes nicht ausführbar iſt, beendige die Geburt ver— mittelſt der Wendung oder der Zange. Die Repoſition der Nabelſchnur iſt keine ſchwierige Operation, aber ſie gelingt auch nicht immer und laͤßt ſich keiner beſtimmten Regel unterwerfen. Eine Menge von In— ſtrumenten ſind zu dieſem Behufe empfohlen worden, deren Anwendung meiſt mehr oder weniger unbequem und unwirk⸗ ſam iſt. Die Hand iſt ſtets denfelben vorzuziehen; fie agirt mit weit groͤßerer Sicherheit und bietet den großen Vor— theil dar, ſich vermittelſt des Touchirens von dem Zuſtande des Kindes uͤberzeugen zu koͤnnen. Die Repoſition iſt mit der linken Hand auszufuͤhren, wenn der Nabelſtrang ſich in der rechten Mutterſeite befindet, und umgekehrt, und ſie ge— ſchehe ſoviel, als möglich, nach einer der belden symphyses 730 XXXIV. 4. 62 sacro-iliacae hin, wo im Allgemeinen mehr Raum gege⸗ ben iſt. Man begnuͤge ſich nicht damit, die Nabelſchnur in den Uterus zuruͤckgeſchoben zu haben, ſondern bringe ſie hoch genug zuruͤck, um ſie vor jeder Compreſſion zu ſichern, und fixire ſie mit der Hand ſo lange, bis der durch die Wehen abwaͤrts gedraͤngte Kopf den Beckeneingang ausfuͤlt Man hat zu dieſem Behufe die Anwendung eines Stuͤckes feinen Schwamms empfohlen, um den Raum auszu⸗ füllen, durch welchen der Vorfall ftattgefunden hat; ich habe oft Gebrauch davon gemacht, gebe aber der Hand den Vorzug. Einige Schriftſteller haben zur Vermeidung des Vor⸗ falls angerathen, die Hand in den Uterus einzuführen, und die Nabelſchnur um ein Glied des Kindes zu ſchlingen, als lein dieſes Verfahren iſt nur in den Fallen ſtatthaft, wo das Becken ſo verbildet iſt, daß die Wendung des Kindes nicht ausgeführt werden kann, obwohl der Kopf ſpontan herab ſteigen koͤnnte. Wenn die Beſchaffenheit des Muttermundes und die Enge der aͤußern Theile die Einfuͤhrung der ganzen Hand und demzufolge die Repoſition der Nabelſchnur verhindern, ſo laͤßt ſich mit Vortheil ein mit ſeinem Drathe und einem ſchmalen Bande verſehener Katheter aus Gummi elasti- cum anwenden. Man ſchlingt hier zuerſt das Band loſe um die Nabelſchnur, fuͤhrt dann den Theil des Bandes in das Oehr des Katheters, da, wo man das Ende des Drathes bemerkt, führt dann denſelben durch das Band hindurch und ſchiebt ihn nach dem Ende des Katheters vor, wo er dann die Nabelſchnur mit ſich foctzieht. Von zwei Fingern geleitet, wird dann das Katheter in den Mutterhals eingefuͤhrt und fo weit, als möglich, in denſelben hinaufgehoben. Sobald die Repoſition vollſtaͤndig gelungen und der Kopf in den Becken— eingang eingetreten iſt, ziehe man zuerſt das Stilet zu— ruͤck, fo daß der Nabelſtrang mit der Bandſchlinge im Uterus zuruͤckbleiben und entferne dann den Katheter. Dieſe Repoſition iſt, wie bereits angegeben, oft nutzlos, entweder weil der Nabelſtrang nur unvollkommen zurüdges bracht werden kann, oder weil er nicht zuruͤckbleibt. Das Verfahren des Geburtshelfers iſt in einem jeden dieſer bei— den Faͤlle verſchieden: 1) Wenn die Repoſition unmöglich ift, oder die Nabels ſchnur nicht reponirt bleiben kann. Da dieſer Fall ſelten vor— kommt und nur dann, wenn der Muttermund vollſtaͤndig erwei— tert iſt, ſo koͤnnen wir mit Erfolg einſchreiten. Wenn der Kopf uͤber dem Beckeneingange ſteht und das Leben des Kindes in Gefahr kommt, ſo muß die Wendung vorgenom⸗ men und die Nabelſchnur dann ſorgfaͤltig in den uterus zuruͤckgeſchoben werden, damit dieſelbe nicht durch die herab- ſteigenden Theile des foetus comprimirt werde. Wenn das Leben des Kindes nicht gefaͤhrdet erſcheint, die Pulſationen der Nabelſchnur regelmäßig fortdauern und eine raſche Ent⸗ bindung zu erwarten ſteht: ſo kann jeder Eingriff ſo lange verſchoben werden, bis das Herabſteigen des Kindes eintritt, indem wir jedoch ſtets bereit ſeyn muͤſſen, im nöthigen Falle die Zange anzulegen. Endlich, wenn der Kopf in das kleine Becken getreten iſt, moͤchte es nicht gerathen ſeyn, die Aus⸗ 63 treibung desſelben durch die Kräfte der Natur abzuwarten, ſondern man applicire hier ſtets die Zange, namentlich bei einer erſten Entbindung. In dieſer Periode der Geburt koͤnnen wir naͤmlich uns nicht vermittelſt der Nabelſchnur genau uͤber den Zuſtand des Kindes vergewiſſern, da es un— möglich iſt, die Nabelfalte zu erreichen, und die Auſcultation giebt uns auch, wegen der Unruhe und des Geſchreies der Kreiſenden, keine Aufklaͤrung uͤber den Thatbeſtand. 2) Wenn nach verrichteter Repoſition die Nabelſchnur mit dem Finger nicht mehr zu erreichen iſt. Die Auſcul— tation und das Abfließen des mit meconium gefärbten Fruchtwaſſers koͤnnen allein in dieſem Falle anzeigen, ob die Repoſition vollſtaͤndig gelungen iſt, oder nicht, ob die Na— belſchnur comprimirt wird, oder nicht, und ob wir daher ru— hig bleiben muͤſſen, oder einzuſchreiten haben. Dieſes ſind die einzigen allgemeinen Regeln fuͤr dieſen gefaͤhrlichen und ſchweren Fall; die Indicationen laſſen ſich unmoͤglich genau angeben, und Alles muß hier der Einſicht des Geburts— helfers uͤberlaſſen bleiben. In dieſen Fällen iſt die Auſculta— tion ein ſehr ſchaͤtzbares Huͤlfsmittel. Wenn die Herzſchlaͤge ſchwach und langſam find, nachdem fie vorher ungemein frequent geweſen, namentlich, wenn der Rhythmus derſelben unregel— ßig, intermittirend iſt, ſo iſt das Leben des Kindes augen— ſcheinlich gefaͤhrdet und kuͤnſtliche Huͤlfe nothwendig. Wird aber dieſe Huͤlfe ſtets zur rechten Zeit kommen? und zwingt uns nicht die Erfahrung, mit Paul Dubois zuzugeben, daß ein foetus, bei dem die Pulfationen einige Staͤrke und Regelmaͤ— ßigkeit haben, und welcher im uterus lebt, durch irgend— welche unbekannte Beſchaͤdigung unfähig ſeyn kann, außer— halb des Uterus zu leben, und bei der Geburt ſtirbt? Nie— mand kann im Voraus uͤber den rechten Zeitpunct fuͤr die mechaniſche Huͤlfe entſcheiden. Der Geburtshelfer muß, ich wiederhole es, ſich an den Ergebniſſen der Auſcultation und an den verſchiedenen, die Entbindung begleitenden Umſtaͤnden halten. (Dublin Journal, Sept. 1844.) 730. XXXIV. 4, 64 Miscellen. Ueber die Entwickelung des Kopfes in der rha- chitis von Dr. Alex. Shaw. — Aus den zahlreichen Meſ⸗ ſungen, welche der Verfaſſer bei dem häufigen Vorkommen der rhachitis in London anzuſtellen Gelegenheit gehabt hat, ſchließt er, daß der Kopf, in ſeiner Geſammtheit betrachtet, kleiner, als im Normalzuſtande, iſt, aber dieſe Verkleinerung des Umfangs bezieht ſich mehr auf das Geſicht, als auf den Schädel, cher nur un Zr, während das Geſicht um;; verkleinert iſt. — er Kopf des gefunden Kindes zeichnet ſich durch den Umfang des Schaͤdelgewe bes und die verhaͤllnißmaͤßige Kleinheit des Geſichtes aus, a dem Maaße, als das Wachsthum fortſchreitet, erleidet formation eine allmaͤlige Veränderung, das Geſicht ni mehr an Umfang zu, fo daß es bei'm Exwachſenen im ? zum Schädel groß erſcheint. Bei der Vergleichung eines kopfes mit dem eines Erwachſenen fand Herr Shaw, Schädel nur um 1, das Geſicht dagegen um 1 an Un 9 nommen hatte. Da die rhachitis eine Hemmung des Wachsthums bedingt, ſo tritt dieſe Hemmung ſchaͤrfer an der Partie hervor, welche ſchnell hätte wachſen müſſen, daher die verhaͤltnißmaͤßige Kleinheit des Geſichtes bei den Rhachitiſchen. Bei dem geſunden Kinde iſt das Verhaͤltniß des Volums des Schaͤdels zu dem des Geſichtes hoͤchſtens wie 8 : 1, bei'm Erwachſenen wie 6 : 1 und bei'm Erwachſenen, deſſen Wachsthum durch die Krankheit gehemmt worden iſt, wie 7: 1. Dr. Shaw ſchließt feinen Aufſatz mit der Unterſuchung des Einfluſſes der rhachitis auf die Dentition und weiſ't auf das Mißverhaͤltniß hin, welches aus der gehemmten Ent⸗ wickelung des Kiefers zwiſchen dem Umfange der Zaͤhne und ih— rer Baſis entſteht; die Zähne, in den Kinnladen dicht aneinander gedraͤngt, kommen ſchwer hervor und ſchießen unregelmaͤßig auf. (London med. chirurg. Transact. 1843.) Eine Modification des Operationsverfahrens von Crampton bei'm Entropium hat Mackenzie bei ei⸗ ner 45jaͤhrigen Frau auf die Art in Anwendung gebracht, daß er zwei Verticalſchnitte zu beiden Seiten des obern Augenlids durch die ganze Dicke deſſelben machte, hierauf eine Queerfalte aus dem Augenlide ausſchnitt und dieſe Wunde mit zwei Suturen heftete, um den Augenlidrand frei zu erhalten. Der uͤbrige Verband be— ſtand in einer einfachen Compreſſe, die beiden ſeitlichen Spalten vereinigen ſich ſpaͤter von ſelbſt, und es iſt, nach Mackenzie, ſogar vortheilhaft, dieſe Wiedervereinigung durch Anwendung des Hoͤllen— ſteins etwas zu verzögern. (London med. Gaz., Sept.) Nekrolog. — Der verdiente Geheime Medicinalrath und Profeſſor, Dr. J. Wendt, zu Breslau, iſt am 13. April daſelbſt verſtorben. Bibliographische Neuigkeiten. Conchologists Text-book; embracing the Arrangements of La- marck and Linnaeus, with a Glossary of technical Terms: to which is added a brief account of the Mollusca. Sixt edition etc. By William Macgillivray. Edinburgh 1845. 8. Zur Kenntniß des Wirbelthierſkelettes, als Huͤlfsſchrift für die ver⸗ gleichende Anatomie der Knochen. Von Bernhard Carl Bruͤhl. Wien 1845. 4. Mesmerism True — Mesmerism False, A critical Examination of the Facts, Claims and Pretensions of Animal» ted by J. Forbes, MD. London 1845. 8. The Diagnosis, Prevention and Treatment of D Heart and of Aneurism; with Observations ©: By J. J. Furnivall, MD. London 1845. 8. The Domestic Management of the Sick-Room, necessary in Aid of Medical Treatment in the Cure of Diseases. By Anthony Todd T’komson, MD. 2. Edition. London 1845. 8. — — . — ÜU—U—E„ — Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Beil kunde, geſammelt und mitgerbeilt von dem Ober ⸗Medieinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrothe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 131. (Nr. 5. des XXXIV. Bandes.) April 1845. Gedruckt im Landes Industrie- Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g 30 7%, des einzelnen Stückes 3%, 975. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 9. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Ip, rt dn dee. Vom Nervenſyſteme der kopfloſen zweiſchaaligen Mollusken oder Lamellibranchen. Von Herr Du vernoy. Der ö ter Theil. Allgemeine Beſchreibung; inner ſte Structur. Dieſe Abhandlung zerfaͤllt in drei Theile: Der erſte iſt hiſtoriſch; der zweite enthaͤlt 20 Mono— graphien '); der dritte eine aus dieſen ſpeciellen Beobach— tungen abgeleitete allgemeine Beſchreibung. Wir werden hier nur dieſen letzten Theil mittheilen. § 1. Das Nervenſyſtem der kopfloſen zweiſchaligen Mollusken oder Lamellibranchen laͤßt ſich, wie das jedes an— dern Thieres, in ein Centralſyſtem und ein peripheriſches Syſtem eintheilen. § 2. Das Centralſpſtem beſteht, in der Regel, aus drei Paar Ganglien und Neivenſtraͤngen, welche dieſelben miteis ander in Verbindung ſetzen und zwei Halsbaͤnder oder Ringe, einen großen und einen kleinen, bilden. § 3 Die drei Ganglienpaare dieſes Centralſyſtems ha— ben ſtets zu einander, und mehrentheils auch zu den uͤbrigen Theilen des Organismus, dieſelbe relative Lage. $ 4. Das eine, naͤmlich das vordere Paar, liegt meh⸗ rentheils zu beiden Seiten des Mundes neben den Lippen⸗ palpen oder ſelbſt hart an deren Wurzel, ein Wenig hinter dieſer. Die Ganglien, aus denen es beſteht, ſind immer voneinander getrennt und liegen einander eher fern, als nahe. Eine Schnur oder Commiſſur, welche vor der Mund— Öffnung, ſeltener hinter derſelben voruͤberſtreift, verbindet ſie. *) 1) Ostrea edulis; 2) Chama gigas; 3) Pecten maximus; 4) Anoma ephippium ; 5) Pinna nobilis; 6) Arca inaequival- vis; 7) Unio pietorum; 8) Anodontes eygneus; 9) Mytilus edulis; 10) Lithodomus caudigerus; 11) Modiola albicosta; 12) Lucina tigerina; 13) Cardium edule; 14) Mactra semi- striata: 15) Mesodesma Quoyi; 16) Psammobia vespertina- lis; 17) Solen vag'na; 18) Pholas dactylus; 19) Pandora rostrata; 20) Panopea australis, No. 1831. — 73ʃ. § 5. Das zweite Paar Ganglien liegt in den Bauch⸗ wandungen und iſt nur vorhanden, wenn ſich dieſe musculoͤ— ſen Wandungen von den Eingeweiden entfernen, um einen deutlichen Fuß zu bilden. Dieſes Paar liegt immer in ei— ner tiefern Ebene, als die beiden andern. Es kann durch ein einziges Ganglion (ganglion ungulinum) erſetzt werden. Wenn deren zwei vorhanden ſind, welcher Fall der haͤu— figere iſt, fo find fie immer einander genäbert oder berühren einander wenigſtens, während fie oͤfteis mehr oder weniger ſtark miteinander verwachſen find. $ 6. Das dritte Paar iſt das hintere. Es iſt zu: gleich das obere, weil es ſtets an der untern und vordern Flaͤche des musculus adductor diefer Seite, wenn zwei dieſer Muskeln vorhanden find, oder des einzigen musc. ad- ductor liegt, welcher bei den Monomyarien vorhanden iſt. Die Ganglien dieſes dritten Paares liegen mebrentheils einander ſehr nahe, oder ſind wohl auch mehr oder weniger miteinander verwachſen. Seltner ſind die beiden Ganglien voneinander entfernt, wie dei der gemeinen Miesmuſchel und Lithodomus caudigera (). Gleich den mittlern Ganglien, koͤnnen ſie zu einem einzigen verſchmolzen ſeyn. 7. Die vordern Ganglien und ihre Commiſſur— ſchnur bilden mit den hintern Ganglien, mittelſt des Nerven— ſtranges, der das vordere Ganglion mit dem hintern derſelben Seite verbindet, einen großen Ring, welcher das Obertheil der Abdominaleingeweidemaſſe wie ein Guͤrtel umgiebt, in den dieſelbe mehr oder weniger vollſtaͤndig eingeſenkt iſt. $ 8. Dieſelben vordern Ganglien bilden mit den Fuß— ganglien einen kleinen Ring, mittelſt zweier Schnuren, welche die beiden Ganglien derſelben Seite miteinander verbinden. Dieſer Ring iſt um ſo weiter, je voluminoͤſer der Fuß ſelbſt iſt. Er findet ſich, gleich den Fußganglien oder dem einfachen Fußganglion, bei allen Bivalven, welche einen Fuß beſitzen, ſeyen fie nun monomyariſch (Pecten), dimyas riſch, oder trimyariſch (Anomia). $ 9. Die fußloſen Bivalven beſitzen nur den großen Ring. In dieſem Falle entſpringen die Visceralnerven, wel⸗ 5 67 che, wenn Fußganglien vorhanden’ find, dieſen angehören, aus den Labial- oder vordern Ganglien. $ 10. Wenn nur ein großer Ring vorhanden iſt, ſo bilden die hintern Ganglien den centralen Theil des Sy— ſtems, welcher durch ſeinen Umfang und die Zahl der aus denſelben hervorkommenden Nervenfaͤden der wichtigſte iſt (die Auſter; Tridacna gigas?) $ 11. Die peripheriſchen Theile des Nervenſyſtems der Bivalven gehen gewoͤhnlich aus den drei Ganglienpaaren hervor, wenn das Nervenſyſtem den ſtaͤrkſten Grad von Zu— ſammenſetzung beſitzt. $ 12. Die Stränge oder Schnuren, welche den gro: ßen und kleinen Ring bilden, erzeugen anſcheinend keinen einzigen Nervenfaden. $ 13. Der erſte Nerv, welchen das hintere Ganglion außerhalb des Stranges des großen Ringes abgiebt, iſt der nervus branchialis, weicher den obern feſtſitzenden Rand der Kiemen entweder direct, oder indem er nach Vorn ein mehr oder weniger gedehntes Knie bildet, erreicht, um als: dann die Richtung nach der entgegengeſetzten Seite einzuſchlagen. Dieſer Nerv iſt conſtant vorhanden. Zu ſeinen Eigen— ſchaften, wie zu denen der Straͤnge des großen und kleinen Ringes, gehoͤrt noch, daß er in ſeinem Laufe keinen einzigen Aſt abgiebt und ſich bis an ſein Ende, nach welchem zu er indeß duͤnner wird, durchaus nicht theilt. Dieſer Nerv iſt um ſo laͤnger, als der m. adductor, an den er ſich anlegt, weiter nach Vorn liegt, und als ſich hinter ſeinem Urſprunge eine groͤßere Portion der Kiemen be— findet. 9 14. Hinter dem Kiemennerven und auf der Seite erzeugen dieſelben Ganglien einen nervus pallialis latera- lis und weiter hinterwaͤrts einen nervus pallialis po- sterior, welche Stämme mehr oder weniger bedeutend, mehr oder weniger zertheilt ſind, und deren Aeſte und Zweige ſich, wenigſtens bei'm erſtern, ausſchließlich uͤber den Mantel ver— theilen; waͤhrend ſie bei'm letztern ebenfalls dem Mantel, den Roͤhren (tubes), wenn ſolche vorhanden ſind, dem Herzen und dem Maſtdarme, ſowie dem muse. adductor dieſer Seite, zugehen. Häufig find dieſe Nervenſtaͤmme zu einem einzigen ver: einigt. Bei Pecten tritt der nervus pallialis lateralis an den Seiten aus dem Ganglion und theilt ſich dichoto— miſch, ſo daß er 12 Hauptzweige bildet, die ihre kleinern Zweige drei Viertheilen der Peripherie jedes Halbkreiſes des Mantels zuſenden. Bei der Auſter zaͤhlt man drei Nerven, welche aus der ganzen aͤußern Peripherie des Ganglion hervorkommen und ſich ſtrahlenfoͤrmig, theils indem fie ſich theilen, theils direct nach der ganzen Peripherie des Mantels begeben. $ 15. Nach Vorn entſpringt aus den vordern Gan— glien ein nervus pallialis anterior, welcher ſich in den Mantel, den m. adductor anterior und die Palpen ver— theilt. Mehrere dieſer Nerven entſpringen zuweilen nicht aus einem und demſelben Stamme, ſondern unmittelbar aus die— 731. XXXIV. 5. 68 ſen Ganglien. Dahin gehoͤren die an den Palpen befindlichen Nerven. Zuweilen begiebt ſich ein duͤnner Faden nach dem vor— dern Theile der Kiemen, ſowie ein anderer nach dem Magen (Auſter). $ 16. Wenn Fußganglien vorhanden find, fo vers theilen ſich die aus denſelben hervortretenden Nerven, deren Zahl bei jeder Art, Gattung und Familie eine andere iſt, aber wenigſtens zwei und bis zu ſechs (Unio) beträgt, hauptſaͤch— lich nach den mus culoͤſen Theilen des abdomen, oder auch nach dem Fuße. Es iſt ſelten immer und ſchwer, daß man diejenigen unterſcheiden kann, welche den Eingewei— den, dem Eierſtocke, der Leber und dem Darmcanale zugehen. $ 17. Die Nerven, welche den Bewegungs- oder Ges fuͤhlsorganen oder den Baucheingeweiden zugehen, welche letztere der einen oder andern Function der Ernaͤhrung oder Zeugung vorſtehen, entſpringen oder ſitzen ſaͤmmtlich an eis nem oder dem andern der centralen Ganglien. Sie ſtreichen gewoͤhnlich von den Ganglien nach den Theilen, fuͤr welche ſie beſtimmt ſind und gehen daſelbſt aus. $ 18. Das Nervenſyſtem von Pecten maximus bildet von vorſtehender Regel eine Ausnahme. Alle Gefuͤhls— oder Bewegungsnerven, welche den vordern und hintern Gan— glien angehoͤren, vereinigen ſich in ihren letzten Zweigen in einen Strang, der einen weiten Ring bildet, welcher dem Rande des Mantels in allen ſeinen Kruͤmmungen oder Falten folgt. Dieſer Strang ſendet dann von ſeiner innern Seite eine Anzahl Fäden aus, welche den Tentakeln oder Augen⸗ ſtielen zugehen, mit denen dieſer naͤmliche Rand des Manz tels beſetzt iſt. Dieſer peripheriſche Strang iſt gleichſam ein Huͤlfsganglion, welches unſtreitig noͤthig war, um dieſem Theile alle erforderliche Nervenkraft und vielleicht die Ein— heit der Thaͤtigkeit und Empfindung zu ertheilen. Ich habe allen Grund zu glauben, daß dieſer ringfoͤrmige Strang bei allen Mollusken vorhanden ſey, deren Mantel, wie bei Pec- ten, weit offen und am Rande mit Taſtorganen beſetzt ift. *) *) Jetzt, fügt er fpäter hinzu, bin ich dahin gelangt, dieß nicht allein glauben zu koͤnnen, ſondern es in einer Art Lima (Li- ma glacialis, Lam., aspera, Born.) und in Ostrea edulis zu erkennen. — In dieſer fonderbaren Dispoſition des Nerven- ſyſtems richten ſich die von den Centralganglien ausgehen— den Nerven ſtrahlenartig gegen die Eircumferenz des Mantels und endigen mit ihren letzten Theilungen in den Girculars ſtrang (cordon circulaire). Dieſer Strang, welcher wenig⸗ ſtens einen Nervenfaden an jeden Tentakel abſchickt, iſt um fo dicker, als die Zahl dieſer Tentakeln groͤßer und ſelbige mehr entwickelt ſind. — In einer anderen allgemeinen Dispoſition des Nervenſyſtems der Bivalven, welche die gewoͤhnlichſte iſt, theilt ſich die circulaͤre Nervenaction in die zwei Haͤlften des Mantels. — Zu dieſem Behufe wenden ſich die Nerven, welche wir den vorderen und den hinteren Mantelnerven nennen, von jeder Stite mit ihrem Stamme oder mit einem Hauptaſte um den Rand des Mantels, in der Weiſe, wie der Circulaͤrſtrang der Pectenarten und endigen, indem fie ſich vereinigen (fo wird es wenigſtens bei Mytilus edulis gefunden). Hieraus entſteht, daß die Nervenaction ſich hier in einen doppelten Umlauf theilt, während bei der vorhergehenden Dispoſition für den ganzen Umfang des Mantels nur eine einzige jtatthar., — Es entſteht daraus noch, daß die Dispoſition der Hauptnerven, welche von 69 731. Bei Lithodomus caudigera haben wir vor dem Mantel ein Nervenſegment entdeckt. $ 19. Ein ſonderbares Kennzeichen des Nervenſyſtems der Bivalven iſt die geringe Entwickelung der Visceralner— ven und die außerordentliche Schwierigkeit, welche es hat, auch nur einige Spuren derſelben zu entdecken. Beinahe alle Nerven der Bivalven ſind entweder Be— wegungs⸗ oder Empfindungsnerven. Dieſes ſtarke Verhaͤlt— niß der Nerven, welche den Functionen der Bewegung und des Gefuͤhls angehören, im Vergleich zu denen, die dem Er: naͤhrungs- und Reproductionsleben dienen, iſt allerdings im ganzen Thierreiche wahrzunehmen, jedoch bei den Bivalven beſonders hervortretend. Bei dieſer Claſſe, wie bei allen uͤbrigen, erheiſchen die Bewegung und das Gefuͤhl eine weit bedeutendere Nervenkraft, als die Ernaͤhrung und die Se— cretionen. $ 20. Wie zu erwarten ſtand, zeigt das Nervenſy— ſtem der Bivalven in feiner Zuſammenſetzung Verſchieden— heiten, welche mit der Exiſtenz gewiſſer Organe oder dem Grade der Entwickelung der letztern, ihrer Form und Zu— ſammenſetzung, ſowie der allgemeinen Koͤrpergeſtalt, in Ein— klang ſtehen. § 21. Das Vorhandenſeyn oder Nichtvorhandenſeyn eines Fußes bedingt die Anweſenheit oder Abweſenheit eines kleinen Nervenringes und der Fußganglien, und die Entwik— kelung dieſer Ganglien ſteht mit derjenigen des Fußes im geraden Verhaͤltniſſe. Dieſer Umſtand beweiſ't unter Anderem, daß die aus den Fußganglien kommenden Nerven hauptſaͤch— lich Bewegungsnerven ſind. $ 22. Die hintern Ganglien find im Allgemeinen die wichtigſten. Dieß geht hervor: 1) aus deren conſtantem Vorhandenſeyn und ihrer ſtarken Entwickelung, wenn die uͤbrigen Theile des Centralnervenſyſtems in nur rudimentaͤrem Zuſtande vorhan— den find (wie bei den Lippenganglien), oder ganz fehlen (Fuß— ganglien); 2) aus ihrer, in vielen Faͤllen vorkommenden Verſchmel— zung in ein einziges; 3) aus ihrer gegenſeitigen Annaͤherung auf der Me— dianlinie; 4) aus ihrer ſtaͤrkern Entwickelung bei denjenigen Mol⸗ lusken, welche nur einen muse. adductor posterior be: ſitzen, an welchem dieſelben ſtets anliegen; 5) aus der Zahl und Wichtigkeit der von ihnen aus— gehenden Bewegungs-, Gefuͤhls- und Reſpirationsnerven; 6) aus dem conſtanten Vorkommen dieſer letzten. $ 25. Die Entwickelung der vorderen Ganglien ſteht mit derjenigen der hintern Ganglien im umgekehrten Ver— bältniffe. Bei den Monomparien (Tridacna, Auſter, Pecten) werden ſie außerordentlich klein. Ihre Entwickelung verhaͤlt ſich gerade wie die des vor— dern Theils des Mantels, der Palpen und des m. adduc- tor auterior, welche Theile ſie zu beleben beſtimmt ſind. den Nervencentren ausgehen, voͤllig ſtrahlenfoͤrmig im letzteren Falle ſind, und daß ſie es weit weniger deutlich in dem an— deren Falle ſind. XXXIV. 5. 70 Gehirnganglien haben wir ſie nicht genannt, weil wir eine nicht genuͤgend nachgewieſene Wichtigkeit ihnen nicht zuſchreiben zu duͤrfen glaubten. Bei Pecten bilden die ſtarke Entwickelung der hintern Ganglien und die verhaͤltnißmaͤßige Stärke der von denfels ben ausgehenden Bewegungs- und Gefuͤhlsnerven aus die— fen Ganglien eher ein wahres Gehirn, als aus den Lippen— ganglien und Fußganglien, welche rudimentaͤr ſind. $ 24. Das Nervenſyſtem der zweiſchaaligen Acepha— len iſt in Betreff feiner centralen Theile faſt immer ſym m es triſch. Auch ruͤckſichtlich der Form und Vertheilung ſeines peripheriſchen Theils iſt es dieß faſt durchgehends. Allein die Geſtalt und Entwickelung dieſer centralen und peripheriſchen Theile kann auch unſymmetriſch ſeyn, wenn die Organe, in die ſich die letztern vertheilen, es ſind. Die— ſer ausnahmsweiſe ſtattfindende Mangel an Symmetrie iſt bei dem Nervenſyſteme von Anomia ephippium ſehr auf: fallend. § 25. In dem Nervenſyſteme der Bivalven habe ich mit Huͤlfe des Mikroſcops dieſelben Zellen entdeckt, welche Herr Hanovre in dem der Gaſteropoden aufgefunden hatte. An den Nerven zeigen ſich parallele Laͤngsſtreifen, wel— che unregelmaͤßige Unterbrechungen darbieten. Die Ganglien find mehrentheils gelb gefaͤrbt, doch weicht der Ton der Farben verſchiedenartig ab. Letztere hat ihren Sitz in der markartigen Portion und erſtreckt ſich auch zu: weilen bis in die Nervenſtaͤmme. Gewoͤhnlich ſind jedoch dieſe Staͤmme und die von ihnen ausgehenden Faͤden weiß. Bei einem Exemplare der Malermuſchel (Unio picto- rum) ſah ich die von jedem Fußganglion ausgehenden Ner- ven in dieſen Ganglien mit einer blaſenartigen Auftreibung beginnen, welche ſich, wie der Nerv, durch ſeine weiße Farbe auszeichnete, waͤhrend das Ganglion gelb war. Im Allgemeinen beſtehen bei den zweiſchaaligen Mol— lusken, wie überhaupt bei den niedrig organiſirten Geſchoͤpfen, die Nerven und Ganglien aus einem wenig feſten Neuri— lem, welches Roͤhren oder Kapſeln bildet, die eine beinahe fluͤſſige Markportion enthalten. Aus dieſem Grunde haben Manche das Nervenſyſtem der Bivalven fuͤr das lymphatiſche Syſtem gehalten, und ebendeßhalb hat man wohl auch Anſtand genommen, bei manchen niedrig organiſirten Thieren die Nervenſtraͤnge, wel— che Gefaͤßſtaͤmmen ſehr aͤhneln, fuͤr das zu erklaͤren, was ſie wirklich find *). § 26. Die kopfloſen zweiſchaaligen Mollus⸗ ken, welche den Mantel weit offen und mit zahlreichen Taſtanhaͤngſeln und zum Sehen geeigneten Tuberkeln befeßt haben, find die am Weiteſten vorgeruͤckten oder die hoͤchſten auf der Stufe der Animalitaͤtz waͤhrend diejenigen, welche den Mantel voͤllig geſchloſſen haben, nur mit Ausnahme der einen vorderen Oeffnung fuͤr den Eintritt des Waſſers und der Nahrungsmittel, ſowie der beiden hinteren Oeffnungen für die Reſpirations- und Ex— *) Später hat Herr Duvernoy geglaubt, aus den Unterſu⸗ chungen noch einen Paragraphen hinzufügen zu muͤſſen. 5 * M 731. erementens Möhren, die niedrigſten find. — Dieß Re: fultat zeigt übrigens, wie ſehr Cuvier Recht gehabt, die kopfloſen zweiſchaaligen oder blaͤtterkiemigen Mollusken nach den Verſchiedenheiten zu claſſificiren, welche der Mantel in ſeinem Grade von Oeffnung und in ſeinen Anhaͤngſeln darbietet. . Der Abhandlung des Herrn Duvernoy ſind neun große Tafeln mit 41 Figuren beigefügt, welche ſich fämmt: lich auf das Nervenſyſtem der Arten beziehen, die in den 20 Monographien, welche den zweiten Theil der Schrift bilden, beſchrieben ſind. (Comptes rendus des seances de l’Ac. d. Sc. T. XIX, No. 22, 25. Nov. 1844.) Ueber die Klapperſchlange. S. Hochw. Herr J. H. Linsley hat in dem Ameri- can Journal feine Bemerkungen über die Reptilien im Staate Connecticut mitgetheilt und dabei auch über die Klapper ſchlange Einiges, was mir intereſſant und zum Theil neu war. Dieſe Schlangen ſind in Connecticut ſeltener als ſonſt, wo, ob— gleich ſie noch in allen Diſtricten angetroffen werden: in Georgien find fie häufiger. Sie erreichen eine Laͤnge von 6 — 8 F. Länge. Herr Floyd hat ſieben Wochen lang eine Klap— perſchlange in einem Faſſe lebend aufbewahrt, ohne ihr waͤh— rend der Zeit zu freſſen, oder zu ſaufen zu geben. Das Faß ſtand in der Ecke eines großen Zimmers; und obgleich Herr Floyd oft, waͤhrend des Tages und der Nacht, ver— ſucht hat, ſich dem Faſſe zu naͤhern, ohne von der Schlange gehoͤrt zu werden, ſo hat er doch nie uͤber die Thuͤrſchwelle kommen koͤnnen, ohne daß das Thier feine Klapper hören ließ. Er mochte immerhin in bloßen Fuͤßen kommen und, auch das geringfte Geraͤuſch zu machen, vermeiden, die Klap— pern zeigten doch an, daß das Thier feine Annäherung bes merke; das Geraͤuſch war anfangs langſam und mäßig, nach— her aber, vermehrte es ſich allmaͤlig, in dem Maaße wie er naͤher kam. Uebrigens iſt dem nicht immer ſo; in einigen Faͤllen hat man geſehen, daß dieſe Schlange im Zuſtande der Frei: heit nicht dahin gebracht werden konnte, ſeine Klapper hoͤren zu laſſen, oder ſich, wie zum Angriffe, zuſammenzurollen, ins dem dieſe zwei Bewegungen in der Regel gleichzeitig ſind, im Gegentheile, ſie ſuchte nur ſich davon zu machen. Man hat geglaubt, daß ſie das Bewußtſeyn gehabt haben moͤge, es ſey momentan kein Gift in ihren Hakenzaͤhnen. Unter den Experimenten, welche mit der eben erwaͤhnten Klapperſchlange gemacht wurden, mag eins erwähnt werden, mit einem jun⸗ gen, 2% Fuß langen Kaiman. Als derſelbe in die Mühe der Schlange gebracht wurde, zeigte er großen Schreck und mach⸗ te alle Anſtrengung, um ſich umzukehren und zu entfliehen. Man zwang ihn jedoch, im Bereiche der Klapperſchlange zu bleiben, welche ihn zwei Mal an den Kopf biß. Eine Mi: nute nachher ſchien das Crocodil ganz betaͤubt, ungefähr fo, wie dieſe Thiere es im Winter ſind. Man ſetzte es nun in's Waſſer, es blieb etwa eine Stunde lang, ohne ſeine Stellung zu veraͤndern, indem es den verwundeten Theil außer dem Waſſer erhielt; dann ſtarb es. Bei der Unter— XXXIV. 5. 72 ſuchung des Cadavers fand man einen der Hakenzaͤhne zer⸗ brochen auf der harten Kopfbedeckung. Es war alſo erwie— fen, daß das Gift der Klapperſchlange feinen toͤdtlichen Eins fluß auf amphibiſche Reptilien ausuͤbe, was man bezweifelt gehabt hatte. Herr L. hat mehrere Hunde geſehen, welche von Klapperſchlangen gebiſſen worden waren; ein einziger uͤberlebte ſeine Verwundung welche im October ſtatt hatte, aber das Thier war ſeitdem immer leidend und elend aus ſehend Der Tod erfolgt gewoͤhnlich binnen einer Stunde bis binnen einem Tage nach dem Biſſe; in einem Falle, welcher im Juli ſtatt hatte, ſtarb der Hund zwei Minuten nach dem Biſſe. Die Jahreszeit uͤbt einen großen Einfluß auf den Buftand des Giftes der Klapperſchlange und modificirt wes ſentlich deſſen Wirkung Man glaubt gewoͤhnlich, daß die Klapperſchlange ſich mit ſolcher Gewalt zuſammenziehe, daß auch der kraͤf⸗ tigſte Menſch ſie nicht faſſen koͤnne, ohne daß ſeine Haͤnde gezwungen waͤren, ſich einander zu nähern, indem der Körs per des Reptils unter ihrem Feſtgreifen fortgleite. Herr L. hat ſelbſt einen ſolchen Verſuch mit einer ſieben Fuß langen Klapperſchlange gemacht. Nachdem der Kopf ſo gehalten worden, daß er ihn ergreifen konnte, umfaßte er mit der einen Hand den Hals unmittelbar unter dem Kopfe und mit der anderen feſt hinter die Mitte des Koͤrpers; der Kopf des Reptils wurde nun frei gemacht. Die Schlange brachte es nicht dahin, die Hände, von denen fie gefaßt war, völlig einander zu naͤhern; indeſſen gleitete ſie doch allmaͤlig und ohngeachtet der Anſtrengungen des Herrn L., ſo daß der Kopf frei wurde und bald auf eine ſolche Entfernung gelangte, daß es gefaͤhrlich wurde, das Experiment fortzuſetzen. Während er ſie zuſammendruͤckte, empfand Herr L. ein ſchwer zu be— ſchreibendes Uebelſeyn, durch den erſchrecklichen Geruch ver— anlaßt, welchen die Schlange willkuͤrlich von ſich zu geben ſchien, und durch das Gefühl von Kälte, welches das Durch⸗ gleiten des ſchuppigen Koͤrpers auf die Nerven der Haͤnde hervorgebracht. Sowie er uͤbrigens losgelaſſen hatte, erlangte er vollſtaͤndig ſeinen gewoͤhnlichen Lebenszuſtand wieder. Herr L. glaubt uͤbrigens nicht an das Vermoͤgen der Klapperſchlange, die Thiere, welche ſie zu ihrer Beute machen will, durch ihren Blick zu bezaubern. Er hat ſelbſt mehrere Mal die Thiere ſtarr angeſehen, ohne daß ihm daraus irgend eine beſondere Empfindung erwachſen waͤre. Es iſt nun wahrſcheinlich, daß der Schrecken, welchen ihre Gegenwart den Thieren einfloͤßt, der Schlange behuͤlflich iſt, die Eich: hoͤrnchen, Kaninchen und Vogel, welche hauptſaͤchlich ihre Nahrung abgeben, zu uͤberraſchen und ſich ihrer zu bemaͤch— tigen, Wenn fie ihre Beute verfolgt, iſt fie fo darauf ers picht, daß man fie mit einem Stocke ſchlagen kann, ohne ſie aufzuhalten, oder von ihrem Gegenſtande abzulenken. — Ein Bewohner von Connecticut, welcher eine große Klapper— ſchlange getoͤdtet hatte, wollte ſich Überzeugen, ob fie wirklich einen unangenehmen Geruch verbreite, naͤherte ſein Geſicht dem Unterleibe des noch friſchen Thieres, und obgleich die Schlange völlig todt war, fo wurde der Beobachter doch als ſobald von heftigem Erbrechen befallen. — 78 Ueber die Gattung Serpula hat Herr Dr. A. Philippi ſeine, die von ihm im Mittelmeere mit dem Thiere beobachteten Arten betreffenden Bemerkungen in Erich⸗ ſon's Archive der Naturgeſchichte zehnter Jahrgang, zweites Stuͤck, S. 186 mitgetheilt, indem er ausfuͤhrlichere Beſchreibung fuͤr einen andern Ort vorbehalten hat. Er hat die Beſchaffenheit des Deckels als das beſte Kennzeichen erkannt, um die Unterabtheilungen der Gattung zu bilden, was zugleich noch den Vortheil gewaͤhrt, daß man es oft bei den trocknen in Muſeen aufbewahrten Exemplaren noch beobachten kann. Die Bildung der Deckel iſt aber weit mans nichfaltiger, als bisher, angegeben, und Herr Dr. Philippi hat deßhalb folgende Abtheilungen gemacht: A. Thiere mit Deckel und B. ohne Deckel: von den letztern (B.), die Herr Philippi Apo- matus nennt, haben einige ſpiralfoͤrmige Kiemen, Protula; bei den übrigen find die Kiemen einfachfaͤcherfoͤrmig, Psygmobranchus, Ph. — Bei den mit Deckeln verſehenen hat die Beſchaffenheit des Dek— kels zu der Trennung folgender Arten geführt: 1) Serpula (im en- gerem Sinne): Deckel hornartig, flach oder trichterfoͤrmig, am Rande gekerbt, oben ſtrahlenfoͤrmig geſtreift, auf einem verkehrt kegelfoͤrmigen fleiſchigen Stiele ſitzend; 2) Placostegus. PR.: Dek⸗ kel kalkig, eine flache Scheibe bildend, ganzrandig; 3) Vermilio, Lamark: Deckel kalkig, kegelfoͤrmig, kurzer oder verlängert, ohne Anhaͤngſel; 4) Pomatoceros, Ph.: Deckel kalkig, halbkugelfoͤrmig, mit Fortſätzen (die innen hohl find); 5) Cymosspira: Deckel kal⸗ fig? hornartig? aus einer elliptiſchen flachen Platte beſtehend, mwels che am hinteren Ende zwei Aftige Hörner, am vorderen Rande aber hakenfoͤrmige Borſten trägt; 6) Eupomatus, PH.: Deckel hornartig, faſt wie Serpula, aber auf der vorderen Seite im Centrum mit beweglichen Spitzen verſehen, die (wenigſtens bei einer Art) auch hornig ſind; 7) Spirorbis, Lamk.: Deckel kalkig? fchräg abgeſtutzt? Gehaͤuſe klein, ſtets ſpiralfoͤrmig aufgewunden? Kiemen ſtets? aus wenigen Faden zufammengefegt; 8) Galeolaria: der Deckel kalkig, aus ſehr vielen Stuͤcken zuſammengeſetzt. Die Characteriſtik der einzelnen Arten iſt nun am angefuͤhr⸗ ten Orte, S. 190 ffg. Die Abbildungen der Deckel aber ſind mit No. 705. (No. 1. des XXXIII. Bandes) ausgegebenen Tafel in den Figuren 30 bis 48 copirt, welche folgendermaaßen erklaͤrt ſind. Figur 30. Der Deckel don Serpula vermicularis, L. Figur 31. Serpula aspera, PA. Figur 32. Serpula subquadrangula, Ph. Figur 33. Placostegus crystallinus. Figur 34. Placostegus fim- briatus. Figur 35. Vermilia triquetra, Lam. Figur 36. Ver- milia infundibulum, Gm. Figur 37. Vermilia clavigera, Ph. Fi⸗ gur 33. Vermilia calyptrata, PR. Figur 39. Vermilia multicrista- ta, Ph. Figur 40. Vermilia e'ongata, PR. Figur 41. Vermilia quinquelineata, PBR. Figur 42. Vermilia polytrema, Ph. Fi⸗ gur 33. Vermilia emarginata, Ph. Figur 44. Pomatoceros tri- cuspis, Ph. Figur 45. Eupomatus uncinatus, Ph. Figur 46. 731. XXXIV. 5. 74 Eupomatus pectinatus, Ph. Figur 47. Spirorbis cornu arietis, Ph. Figur 48. Vermilia triquetra, Blainv. Miscellen. Ueber das Vorhandenſeyn eines electriſchen Or- gans bei Raja Batis und andern Rochen hat Dr. Stark am 2. Dec. 1844 der Royal Society von Edinburgh eine Mittheilung gemacht. Die innerſte Structur des Organs, welche durch die beis gedruckte Figur erlautert wird, beſteht aus zahlreichen Scheidewaͤnden, welche einander ſchraͤg begegnen und Kegel bilden, waͤhrend zwiſchen denſelben kleine Queerſcheidewaͤnde ſtreichen, deren Zwiſchenraͤume mit einer gallertartigen Subſtanz gefuͤllt ſind, wie dieß bei den electri⸗ ſchen Organen des Zitterrochens ꝛc. der Fall iſt. Dieſes bei Raja Batis ſehr ſtark, bei Raja elavata und andern Rochen weniger ent— wickelte Organ läuft zu beiden Seiten des Schwanzes hin und bil⸗ det über den mm laterales zu jeder Seite ein dickes Polſter. Die daſſelbe verſorgenden Nerven rühren von dem achten Paare oder dem großen Seitennerven her, und die endſtaͤndigen Fäden bilden große regelmaͤßige Schlingen, welche in der gallertartigen Maſſe ſchweben. In der Sitzung der Geſellſchaft am 6 Jan. 1845 be⸗ leuchtete Herr Goodſir die Anſicht des Dr. Stark über die Natur der fraglichen Organe. Er hält fie für den hintern Theil der mitt⸗ lern Maſſe der Schwanzmuskeln. Allerdings iſt die Structur die⸗ ſes Theils ſehr abweichend, und er hat im Allgemeinen das Anſehen und die Beſchaffenheit eines electriſchen Organes. Ob es aber wirklich Electricität entwickelt, iſt noch näher zu ermitteln. (Annals and Mag. nat. Hist. No. CXVI, Febr. 1845.) Ueber die gemeine Kröte in America (Bufo america- nus) erzählt Herr kinſey in Connecticut, daß er einmal eine in einem verſchloſſenen Auswuchſe angetroffen habe, welche ſich an dem Stamme einer Dahlia gebildet hatte. Als er denſelben oͤffnete, fprang das Thier zur Erde und ſchien in ſehr guter Geſundheit. Er nimmt an, daß die Kröte in ihrer Jugendkleinheit in ein Loch, was ein Inſect an dem Dahliaſtamme gemacht habe, eingedrungen ſey und nicht wieder habe herauskommen koͤnnen, waͤhrend die Pflanze raſch um fie gewachſen. Aber wie erhielt die Kroͤte die Nahrung, die zu ihrem voͤlligen Wachsthume noͤthig waͤre? — Die gemeine Kröte wechſelt ihre Haut und ein naturforfchender Freund des Herrn Linſey hat einmal die Operation angeſehen. Das Reptil fing damit an, an der Seite der alten Haut Loͤcher zu machen, indem es ſelbige mit den Hinterfuͤßen zerriß; alsdann gelang es ihm, mit⸗ tels verſchiedener Bewegungen und Wendungen das Ende der Haut mit dem Maule zu faſſen; dann trieb es ſich wie eine Blaſe auf und zog mit dem Maule an, und dieſe abwechſelnden Ausdehnungen und Zuſammenziehungen wiederholend, gelang es ihm, die ganze Haut in den Rachen zu ziehen und zu verſchlingen. Das Anſehen des Thieres, unſcheinbar und ſchmutzig wie es war, wurde nun hell und glänzend. RN d e. Ueber die Diaͤt der Neugebornen. Von J. Stewart, Dr. M. zu Newyork. Die vor mehreren Jahren von Herrn Natalis Guillot zu Paris angeſtellten Sectionen von Kinderleichen, welche be⸗ zweckten, den Zuſtand der Contenta der Eingeweide ſolcher Kinder zu ermitteln, welche die in den Hospitälern übliche Koſt erhalten hatten, haben über das Geheimniß des Ver⸗ dauungsproceſſes viel Licht verbreitet. In jenen Anſtalten iſt es gebräuchlich, daß man jeden Säugling, welcher er— krankt, die Bruſt entzieht und ihn mit einem mehligen Breie fuͤttert, entweder mit einem Decoct von Arrow-root oder mit Gummi verſetztem Reiswaſſer oder einem dicklichern Reisbrei (fog, er&me de riz) oder anderen Ähnlichen Nahrungsmit⸗ teln. In dem Findelhauſe und dem Hospitale für kranke Kinder bilden Recepte dieſer Art einen ſehr erheblichen Theil der Behandlung, was ſich auch aus den Schriften der franzoͤſiſchen Aerzte uͤber Kinderkrankheiten ergiebt. Die Sterblichkeit iſt aber in den franzoͤſiſchen Hospitaͤlern ſehr groß, und es bieten ſich daher dort fo zahlreiche Gelegenhei— ten zu Sectionen dar, daß ſich faſt jede Thatſache, welche auf anatomiſchem Wege zu erledigen iſt, zur Gewißheit er= heben laͤßt. Als Herr Guillot ſeine Aufmerkſamkeit den Veränderungen, welche die den Kindern gereichten Speiſen ers litten, ſowie der unter ihnen außerordentlich ſtark graſſiren— den Sterblichkeit zuwandte, ſtellte er eine Reihe von Unter 75 ſuchungen hinſichtlich der Beſchaffenheit der Contenta des Nahrungsſchlauches einer großen Anzahl von Kinderleichen an. Es fiel ihm die große Aehnlichkeit dieſer Contenta auf, indem die Daͤrme mit einer gallertartigen Subſtanz gefüllt waren, welche in manchen Fällen ſowohl den Dick- Wals den Duͤnndarm auskleidete. Mit Jodinetinctur gepruͤft, faͤrbte ſich dieſelbe tiefblau, ſo daß ſich ergab, ſie enthalte viel Staͤrke. Hier haben wir den directen Beweis von einer Unzu— laͤnglichkeit der Verdauungskraft; die gereichten Nahrungs— mittel waren durch den Nahrungsſchlauch gegangen, ohne er— hebliche Veraͤnderungen erlitten zu haben, und hatten demnach nur als fremdartige reizende Stoffe auf denſelben einwirken koͤnnen. Die faſt gaͤnzliche Aufhebung des Verdauungspro— ceſſes haͤtte allerdings vielleicht bei jeder Art von Nahrungs— ſtoffen eintreten koͤnnen; allein wenn man bedenkt, daß jeder plögliche Wechſel in der Diät, ſelbſt bei erwachſenen Perſo— nen, bedeutende Nachtheile mit ſich fuͤhrt, und daß vegetabi— liſche Subſtanzen an ſich ſchwerer zu verdauen ſind, als ani— maliſche, ſo kann uns die Unterdruͤckung der Verdauung, die Verſchlimmerung der Krankheit und der toͤdtliche Ausgang derſelben in dieſem Falle nicht Wunder nehmen. Aus den hier angefuͤhrten Umſtaͤnden ſcheint ſich zu er— geben, daß das rationellſte Verfahren darin beſtehe, die Diaͤt ſo einfach einzurichten, als die Natur der Krankheit und die Nebenumſtaͤnde es geſtatten. Wenn geſunden Saͤuglingen, wo die Verdauungskraft ungeſchwaͤcht iſt, animaliſche Koſt die zuſagendſte iſt, ſo laͤßt ſich dieſe bei kranken Kindern nicht wohl ohne große Uebelſtaͤnde durch eine durchaus ver— ſchiedene Koſt erſetzen. Ich will keinesweges behaupten, daß gar keine Veränderung in der Diät eintreten dürfe, und daß, weil die Natur dem Saͤuglinge nur eine Art von Speiſe angewieſen hat, von dieſer unter keiner Bedingung abzuge— hen ſey. Denn dieß hieße jeder geſunden Theorie den Weg vertreten, jedem Verſuche, die Krankheit zu controlliren, ent: ſagen, und man duͤrfte dann, um ganz conſequent zu ver— fahren, nicht einmal Arzneimittel verordnen. Waͤhrend wir die einfachen Regeln der Wiſſenſchaft und den ſeit Jahrtau— ſenden gewonnenen Schatz der Erfahrung benutzen, muß das ſo Gebotene der beſonderen Claſſe von Kranken, mit der wir es zu thun haben, in der Art angepaßt werden, daß kein Nach— theil daraus entſtehen kann. Der kraͤftige und der alte oder erſchoͤpfte Arbeitsmann, der Stadt- und der Landbewohner, die zaͤrtliche Frau und das zarte Kind erheiſchen ſaͤmmtlich eine ihrem beſonderen Zuſtande angemeſſene Modification der allgemein fuͤr richtig anerkannten Grundſaͤtze der Medicin. Was die Saͤuglinge betrifft, ſo koͤnnen wir, ohne ihnen die Bruſt voͤllig zu ent— ziehen, uns der milden und nicht reizenden Wirkung von aͤhnlichen Subſtanzen, wie die, von welchen ſich das Kind für gewohnlich naͤhrt, recht wohl bedienen. Ein Hauptgrund, mit dem man das Reichen von vegetabiliſchem Schleime, als Aufguͤſſe von Leinſaamen, Arrow-root ete., vertheidigt, iſt, daß dieſe milden und lindernden Stoffe ſich fuͤr den Zu— ſtand der zarten und entzuͤndeten Schleimhaut eignen. Wenn nun aber derſelbe Zweck ſich durch irgend eine Subſtanz er— 731. XXXIV. 5. 76 reichen läßt, welche dieſelben milden Eigenſchaften beſitzt und zugleich ihrer Natur nach der Kinderſpeiſe mehr aͤhnelt, ſo liegt die Nothwendigkeit nicht vor, fo unverdauliche Subſtan⸗ zen anzuwenden, wie vegetabiliſche Speiſen es ſind. Es kommt hier darauf an, aus den einfachen Nahrungsſtoffen, die zugleich eine guͤnſtige mediciniſche Wirkung zu aͤußern verſprechen, denjenigen auszuwaͤhlen, welcher der Milch am Naͤchſten kommt und alſo der phyſiſchen Conſtitution des Kin⸗ des am Wenigſten Gewalt anthut. Ein ſolches Nahrungsmittel findet ſich in gewiſſen thie— riſchen Geweben und bildet, in Waſſer aufgeloͤſ't, eine Gal— lerte. Die Oeſchaffenheit der Gallerte richtet ſich einiger— maaßen nach dem Theile des Thierkoͤrpers, aus welchem dies ſelbe ſtammt, obgleich ſie weſentlich in allen Faͤllen dieſelbe iſt. Die Gallertaufloͤſung, welche einen bedeutenden Ver— haͤltnißtheil der Suppen, Paſteten ꝛc. bildet, iſt keineswegs leicht zu verdauen, indem ihre Beſchaffenheit durch einen ho— hen Hitzgrad veraͤndert worden und ſie mit andern Stoffen vermiſcht iſt, welche deren Aſſimilirung ſehr erſchweren. Dieß iſt jedoch mit der reinſten Art von Gallerte, z. B., ſolcher, die aus Kalbsfuͤßen oder Hauſenblaſe bereitet wer— den, nicht der Fall. Dieſe Gallerte ſagt dem Magen des empfindlichſten Dyspeptikers in der Regel zu, wenn ſie in der gehoͤrigen Weiſe bereitet und friſch iſt; und wenn die Schleimhaut des Magens irgend entzuͤndet iſt, wenn Ar— row-root und andere vegetabiliſche Gallerten Schmerzen und Aufſtoßen und Blaͤhungen veranlaſſen, habe ich gefunden, daß dieſe thieriſche Gallerte von dem Magen gut angenom— men und verdaut wird. Beaumont's Verſuche beweiſen, daß die Kaͤlberfußgallerte leicht und ſchnell verdaut wird, und er erklaͤrt die Gelatine, vorausgeſetzt, daß ſie nicht zu feſt ſey, für ein ſehr verdauliches Nahrungsmittel. Hinſichtlich der Nahrhaftigkeit der Gallerte hat man manche ſehr uͤbertriebene Anſichten aufgeſtellt, und verſucht, aus der bloßen Knochengallerte einen allen Anfoderungen ent— ſprechenden Nahrungsſtoff zu bereiten; daß dieſer Verſuch durchaus fehlgeſchlagen iſt, duͤrfte von Manchen als eine Widerlegung der Beaumont'ſchen Angaben angeſehen wers den; allein gegen die Fibrine und das Eiweiß laͤßt ſich, inſo— fern ſie die alleinige Nahrung bilden, derſelbe Einwurf ma— chen, was ſich aus Magendie's Bericht an die Academie der Wiſſenſchaften ergiebt, in welchem geſagt wird: daß Gal— lertſtoff, Eiweißſtoff und Faſerſtoff, jeder für ſich, die Thiere nur eine kurze Friſt und auch waͤhrend dieſer nur unvoll— ftändig ernähren koͤnnen. Der Zweck, weßhalb wir vorſchlagen, die kranken Saͤug— linge mit Thiergallerte zu fuͤttern, iſt nicht, ihnen reichliche Nahrung zukommen zu laſſen, ſondern der Oberflaͤche des Magens etwas darzubieten, das den Anfoderungen der Na— tur entſpricht und, ſtatt dieſes Organ zum Austreiben einer fremdartigen Subſtanz anzuregen, eine geſunde Thaͤtigkeit deſſelben veranlaßt, fo daß eine leichte Verdauung erfolgte. „Bei (kranken?) erwachſenen Perſonen,“ ſagt Liebig, „muß die Intenſitaͤt der Lebenskraft und deren Faͤhigkeit, Veraͤnderungen zu bewirken, ſowohl im Magen, als in al— len übrigen Koͤrperorganen, ſich mindern. In dieſem Zus 77 ftande üben, rah der gleichfoͤrmigen Erfahrung der practis ſchen Aerzte, die gallertartigen Stoffe einen hochſt entſchie— denen Einfluß auf die Geſundheit aus.“ Bei einem franz ken Säuglinge muß aber die Fähigkeit des Magens, Veraͤn— derungen in den Nahrungsſtoffen zu bewirken, noch weit mehr herabgeſtimmt ſeyn, da in dieſem Lebensalter der Ma— gen von Störungen in der Lebenskraft weit ſchneller zur Mitleidenheit gezogen wird, als irgend ein anderer Theil des Körpers, woher es rührt, daß er vegetabiliſche Stoffe dann ſo ſchwer verdaut. Der Stickſtoff iſt ein ſehr weſentlicher Beſtandtheil der Nahrungsmittel junger Thiere; er iſt, in der That, für das Wachsthum des Koͤrpers unentbehrlich, da er ein nothwen— diger Beſtandtheil der lebenden organiſchen Gebilde iſt. Die Natur liefert ihn in den erſten Lebensſtadien in Menge; er bildet einen ſtarken Verhaͤltnißtheil derjenigen Portion des Eies, von welchem der Embryo ſich nähert, ſowie des Kaͤſe— ſtoffs der Milch, welche allen jungen Saͤugethieren gleich nach der Geburt zur Nahrung dient. Die Nahrungsmittel, welche man bei Krankheiten oft fo plotzlich an die Stelle der Milch treten läßt, als: Arrow-root und andere ſtaͤrke— mehlhaltige Stoffe, enthalten durchaus keinen Stickſtoff, und es leuchtet, auch ohne ein tiefes Eingehen in die Wirkungen der ſtickſtoffhaltigen und nichtſtickſtoffhaltigen Nahrungsmittel, vollkommen ein, daß eine ſo bedeutende Abweichung von dem regelmaͤßigen Gange der Natur nicht ohne nachtheilige Fol— gen bleiben kann, da der Magen, ſeiner urſpruͤnglichen Dis— poſition zufolge, nur auf das Einnehmen von Nahrungsmit— teln ganz anderer Zuſammenſetzung eingerichtet iſt. Der Verhaͤltnißtheil des in dem Kaͤſeſtoffe der Milch enthaltenen Stickſtoffs iſt 15,724 Proc.; im Eiweiße des Vogeleies: 15,920 und in der Hauſenblaſe: 18,790. Wir ſehen da— her, daß der bedeutende Antheil an Stickſtoff, welchen die Hauſenblaſe enthält, den Anfoderungen des jugendlichen Körs pers vorzuͤglich entſpricht, und wir vermuthen daher, daß die aus ihr bereitete Gallerte vorzuͤglich leicht verdaulich ſey. Die bequemſte Weiſe, thieriſche Gallerte zu erlangen, iſt, fie aus Hauſenblaſe zu bereiten, welche 75 bis 90 Proc. Gelatine enthaͤlt, und die Anwendung dieſer Gallerte duͤrfte einer der wichtigſten Indicationen, die ſich bei geſtoͤrter Ver— dauung der Saͤuglinge darbieten, vollkommen entſprechen Seit mehrern Jahren bin ich gewohnt, bei der Be— handlung der Kinderkrankhelten, wo eine lindernde, nicht reizende Diaͤt angezeigt iſt, einen duͤnnen Schleim aus Hau— ſenblaſe, ſtatt eines ſolchen aus Arrow-root, zu verordnen, und dieß iſt mit ſo gleichfoͤrmig gutem Erfolge geſchehen, daß ich vollkommen uͤberzeugt bin, dieſe Diaͤt ſey der Con— ſtitution der Saͤuglinge durchaus angemeſſen. Wollte ich hier Beiſpiele anfuͤhren, ſo muͤßte ich uͤber faſt alle Faͤlle der Art berichten, die ich in den letzten Jahren zu behandeln gehabt. Selten ereignet es ſich, daß Säure oder andere Kennzeichen von unvollftandiger Verdauung ſich bei dem Gebrauche dieſer Gallerte in irgend bedeutendem Grade zeigen, und die Beſchaffenheit der Stühle ſpricht dafür, daß dieß Nah» tungsmittel vollſtaͤndig verdaut werde. Seit ich mich fuͤr dieſe Art von Diät entſchieden, habe ich noch keine Gelegen— 731. XXXIV. 5. 78 heit gehabt, die Ausleerungen durch den After in Betreff der Anweſenheit von unverdautem Staͤrkemehl zu pruͤfen; denn ich habe die thieriſche Gallerte ſo entſchieden nuͤtzlich gefunden, daß ich mich durchaus nicht entſchließen konnte, bloß des Verſuches wegen irgend eine andere Diaͤt zu ver— ordnen. Uebrigens wuͤrde es zur Beſtaͤtigung der hier auf— geſtellten Anſichten gereichen, wenn ſich bei Anwendung von Sodinetinetur in den Stuͤhlen der mit vegetabiliſchem Schleim gefuͤtterten Kinder dieſelben Zeichen von unverdau— tem Staͤrkemehl zu erkennen gaͤben, welche man bei Sectio— nen in den Contenta des Darmcanals der Saͤuglingsleichen gefunden hat. Es iſt lange uͤblich geweſen, Saͤuglingen, die an der ſo furchtbaren Cholera infantum leiden und dadurch abgemagert und voͤllig kraftlos geworden ſind, verſchiedene reizende thieriſche Nahrungsſtoffe, als Venusmuſchel- und Auſterbruͤhe, Huͤhnerbruͤhe, ein Stuͤckchen geroͤſteten Schin— kens ꝛc., zu verordnen, da ſich die gute Wirkung dieſer Mittel in vielen Faͤllen bewährt hat. Man ſtaunt, mit wels cher Gier der kleine Patient ein Stuͤckchen fetten Schweineflei— ſches ergreift und genießt, waͤhrend er alle andre Nahrung von ſich weiſ't. Dieſem Inſtinct kann man erfahrungsmäs ßig nicht nur ohne Schaden, ſondern ſelbſt mit großem Nutzen genuͤgen; und mehrere angeſehene Aerzte empfehlen dieß Mittel ſehr nachdruͤcklich. (New Vork Journal. The Dublin Journal of Medical Science, No. LXXIX, March 1845.) Ein Fall von Aufſpießung, wo eine eiferne Spin— del durch die rechte Hinterbacke eindrang und rechts vom Nabel wieder heraustrat, ohne die Einge— weide zu beſchaͤdigen. Von Herrn Beſſems. Ein 14jaͤhriger Burſche von mittlerer Statur, welcher mit ſeinem Vater, einem Seidenſpinner, auf die Arbeit ging, ſtieg auf ein etwa 4 Fuß hohes Bett, neben welchem zu— faͤllig ein hoͤlzerner Klotz ſtand, in welchen zwei ſtumpfe ei— ferne Spindeln von 1 Fuß Laͤnge und der Dicke eines flars ken Federkiels eingeſtemmt waren. Der Burſche glitt aus und fiel, ohne bedeutenden Schmerz zu verſpuͤren, mit der Schulter gegen die Wand und mit den Fuͤßen auf den Bo— den, waͤhrend die Schenkel ein Wenig gegen das Becken bin gebogen waren. Als er ſich aufrichten wollte, fühlte er ſich am Geſaͤße feſtgehalten und bemerkte zugleich, mehr mit Verwunderung, als mit Schrecken, die Spitze einer der Spin⸗ deln neben dem Nabel aus ſeinem Bauche hervorragen, da dieſelbe auch durch das Hemd und die Hoſe gedrungen war. Mit außerordentlicher Kaltbluͤtigkeit loͤſ'te er die Spindel von dem Blocke ab und ging, ſo durchſtochen, eine Treppe von etwa 12 Stufen hinab, um ſeine Mutter aufzuſuchen, welche die Spindel herauszog und dann nach einem Chi— rurgen lief. Die Spindel hatte ſich, an der Stelle, wo ſie in dem Blocke ſaß, nur ein Wenig gekruͤmmt. 79 Als der Patient drei Tage nach dem Vorfalle in's Hofpital aufgenommen wurde, zeigten ſich an ihm nur zwei kleine runde Wunden, die eine an der vordern Wandung des abdomen, etwa 4 Zoll rechts vom Nabel, in der Richtung einer von da bis zur vordern spina iliaca gezogenen Linie; die andere in der Falte des linken Hinterbackens, etwa 22 Zoll vom After. Aus dieſen beiden, von einem roͤthlichen Kreiſe umgebenen Wunden ſchwitzte nur wenig Feuchtig— keit aus. Der Schmerz, welcher am vorigen Abend vag und ſich durch das ganze abdomen verbreitend geweſen, war jetzt ſehr unbedeutend und auf den Rand der vorderen Wunde beſchraͤnkt. Uebrigens zeigte ſich kein Krankheitsſymptom; der Bauch war geſchmeidig; der Appetit, die Verdauung, die Stuͤhle, das Harnen naturgemaͤß. Nicht die geringſte fieberiſche Reaction fand ſtatt. Dieſer guͤnſtige Zuſtand dauerte bis zu der Entlaſſung des Patienten, zwanzig Tage nach dem Ungluͤcksfalle, fort. Die Spindel mußte von Unten durch die linke Haͤlfte der Beckenhoͤhle und einen Theil der Abdominalhoͤhle ge— drungen ſeyn, um an der erwaͤhnten Stelle herauszukommen. Nach der anatomiſchen Lage des Bauchfells war offenbar der durch daſſelbe gebildete ſeroͤſe Sack von der Spindel durchs ſtochen worden. Dennoch hatte dieſe, von den Chirurgen fuͤr ſo gefaͤhrlich ausgegebene, Verletzung nicht die geringſten uͤblen Folgen veranlaßt. Auch die Eingeweide hatten nicht im Geringſten gelit⸗ ten, und wenn man bedenkt, daß bei der ſenkrechten Stel— lung, in der ſich der Burſche bei'm Fallen befand, die ganze Beckenhoͤhle mit Darmwindungen angefuͤllt ſeyn mußte, ſo moͤchte man es fuͤr ein Wunder halten, daß die Spindel durch dieſelben gedrungen war, ohne ſie zu beſchaͤdigen. Dieß gluͤckliche Reſultat war indeß wohl dem Umſtande zuzuſchrei— ben, daß die Spindel ſtumpf war und die Darmwindungen ihr, bei der ſchluͤpfrigen Beſchaffenheit und runden Form die— ſer Organe, ausweichen konnten. (Annales de la So- ciété de Médecine d'Anvers, Janv. 1845, p. 43. London medical Gazette, March, 1845.) Miscellen. Von Heilung eines Lupus superficialis durch die Application der Paſte aus Ch lorz ink erzählt Ga: zenave in den Annales des maladies de la peau einen Fall: 731. XXXIV. 5. 80 Antoinette G., 29 Jahr alt, aufgenommen in das St. Louis⸗Spi⸗ tal 12. Mai 1842, wegen eines Lupus superficialis ohne Ulceras tion, welches die mittlere Haͤlfte beider Wangen, das Kinn, einen Theil des Halſes einnahm. Die Kranke hatte zu 14 Jahren Druͤ⸗ ſenanſchwellungen hinter den aufſteigenden Aeſten des Unterkiefers bekommen, welche in Eiterung übergingen und der Vernarbung nahe waren, als 2 Jahre nachher um die Narben herum Tuberkel von derſelben Beſchaffenheit, wie man fie jetzt im Geſichte ſieht, ſich ents wickelten. Die Menſtruation trat erſt zu 21 Jabren ein, worauf das Uebel ſich ungemein raſch entwickelte. Zu 23 Jahren kam die Kranke mit einem Maͤdchen nieder, welches 2 Jahre darauf eine Druͤſenanſchwellung am Halſe bekam, welche noch jetzt in voller Eis terung iſt. Bei ihrer Aufnahme bot die Kranke Folgendes dar: Zahlreiche, wenig hervorſpringende, abgeplattete, glanzloſe, falbe Tuberkeln bedeckten die Wangen des Kinns und einen Theil des Halſes. Auf einigen derſelben fand ſich eine kleine, weißgelbliche Schuppe; zwiſchen den Tuberkeln der Wange zeigten ſich einige lis vide, wenig feſte Narben. Die Haut des Kinns war hypertrophiſch, Ufceration nirgends vorhanden; auch hatte die Kranke, trotz der Narben, nie Geſchwuͤre gehabt. Die Eruption war auf allen Geis ten von einem Saume begraͤnzt, welcher aus ziemlich regelmaͤßig gruppirten Tuberkeln beſtand. Das Allgemeinbefinden der Kranken war durchaus befriedigend. Da eine Menge der verſchiedenſten Mite tel ohne Erfolg angewendet worden war, ſo applicirte ich eine Paſte aus Chlorzink, welche ich gerade bei der ferophulöfen Varie⸗ taͤt des Lupus, wie ſie hier vorlag, als wirkſam erprobt habe. Die Application war wenig ſchmerzhaft; die Tuberkeln verſchwan⸗ den, mit Zuruͤcklaſſung einer weißen, oberflächlichen, unregelmäßigen, feſten Narbe, und nach 3 Monaten verließ die Kranke voͤllig geheilt das Spital. Von einer fiftulöfen Communication zwiſchen dem Dünndarme und der Harnblaſe, die für Blajens ſtein gehalten wurde, hat Herr W. C. Worthington in der London medical Gazette einen Fall erzaͤhlt. — Eine Frau von 65 Jahren, fruͤher geſund, hatte 4 Jahre vorher, ohne be— ſtimmt nachzuweiſende Urſache, Schmerzen in der regio iliaca be⸗ kommen. Im November ſtellten ſich Stoͤrungen in den Harnor— ganen ein, der Schmerz wurde heftiger, dabei ſchmerzhafter Harn— drang, Urin ſehr klebricht und von hoͤchſt unangenehmem Geruch, mit Stuͤcken einer fremdartigen Materie. Der eingeführte Cathe— ter wies keinen Stein, nach, aber durch die Bewegung des In— ſtrumentes, wurde eine Art von Knirſchen hervorgebracht. Die Be— handlung beſchraͤnkte ſich faſt nur auf ſchmerzſtillende Mittel. Vier Monate darauf ſtarb die Kranke an einem Anfalle von Diarrhoe. Bei der Section fand man Adhaͤſionen zwiſchen den Windungen der Gedaͤrme und den Beckeneingeweiden; eine Falte des Dunndar— mes adhaͤrirte an dem fundus vesicae, und zwiſchen den beiden Höhs len war eine Communication vorhanden, vermittelſt einer geſchwuͤ⸗ rigen Oeffnung, welche groß genug war, um die Spitze des Zeige» ſingers durchzulaſſen. Die Harnblaſe war mit faͤculenten Maſſen und unverdauter Speiſe angefuͤllt. Die Haͤute des Duͤnndarms, nahe an der Verſchwaͤrung, waren verdickt und verhaͤrtet und der Canal verengt. Bibliographische Lecons d’Anatomie comparée de G. Cuvier, 2. edition, corrigée et augmentée; tome III. contenant le Systeme nerveux et les organes des Sens, revue par M. M. F. G. Cuvier et Lauril- lard. Paris 1845. 8. Traité élémentaire de physiologie vegetale. Par L. J. Leboui- dre Delalande. Paris 1845. 8. neuigkeiten. Essay upon Cretinism and Goitre. By Edward Wells, DM. etc. London 1845. 8. The County Lunatic Asylum at Hanwell, its Size and Expense and the Number of its Cures. London 1845. 8. Vertrauliche Briefe an einen deutſchen Staatsmann über perſonelle und wiſſenſchaftliche Zuſtaͤnde in Verwaltung, Lehrweiſe, Vertre— tung und Ausübung der Medicin. Aus den Papieren eines Vers ſtorbenen. Caſſel 1845. 8. —— — — Vene Notizen a us dee m Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mirgetbeilt don dem Obers Medieinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Meditinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin, Noe. 732. (Nr. 6. des XXXIV. Bandes.) April 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 f 30 2%, des einzelnen Stüdes 3%, AH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 8 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975 Na t u 1 Zoologiſche Forſchungen, angeſtellt auf einer Reiſe an den ſicilianiſchen Kuͤſten. Von Herrn Milne Edwards. Zweite Abhandlung. Beobachtungen und Ver ſuche — Über die Circu— lation der Weichthiere. Als ich der Academie die zoologiſchen Studien vorlegte, mit denen ich mich vergangenen Sommer auf einer Reiſe an die ſicilianiſchen Kuͤſten beſchaͤftigte hatte, zeigte ich ihr zugleich an, daß ich in einer Reihe von beſonderen Abhand— lungen die Reſultate meiner Beobachtungen uͤber die Entwik— kelung der Anneliden, uͤber die Circulation des Blutes bei den Mollusken und Cruſtaceen, über die Structur der cilio— graden Acalephen und uͤber die Organiſation der Stephano— mien mittheilen werde. In einer unſerer letzten Sitzungen begann ich die Loͤſung meiner Zuſage durch Vorlegung mei— ner Forſchungen uͤber die Anneliden; gegenwaͤrtig erlaube ich mir darin fortzufahren, indem ich einige Bemerkungen uͤber die Circulation der Mollusken vortrage. In einer, der Academie im Jahre 1839 von mir mit— getheilten Abhandlung *) habe ich gezeigt, daß bei den nie— drig organiſirten Mollusken, welche unter den Namen zu— ſammengeſetzte Afcidien und geſellſchaftlich le— bende Aſcidien bekannt find, ein betraͤchtlicher Theil des von dem Blute durchſtroͤmten Kreiſes aus roͤhrenfoͤrmigen Gefaͤßen beſteht, die ſich mit den Arterien und Venen der hoͤheren Thiere vergleichen laſſen, waͤhrend es ſich mit einem anderen Theile dieſes Kreiſes anders verhaͤlt; indem dort keine den Gefaͤßen analoge Organe vorhanden find, fondern die naͤhrende Fluͤſſigkeit ſich zwiſchen die Organe ergießt, de— ren Oberflaͤche direct beſpuͤlt und durch eine Art von Infil— tration in die Tiefe der Gewebe eindringt. Wirklich circu— *) Observations sur les Ascidies composées des cötes de la Manche. Mémoires de Acad. des Sciences. T. XVIII. Vergl. 254 No. 12 d. XII Bds. S. 183 d. Bl. No. 1832. — 732. au er lirt bei dieſen Weichthieren das Blut, ſtatt, wie gewoͤhnlich, in einem geſchloſſenen Syſteme von Canaͤlen mit beſonderen Wandungen enthalten zu ſeyn, in den Zwiſchenraͤumen der Eingeweide, ſo daß es die große Hoͤhle, in welcher dieſe Or— gane liegen, ausfüllt. Dieſe ſonderbare Art von Circulation erinnert gewiſſer— maaßen an Dasjenige, was Herr Aud ouin und ich vor faſt 20 Jahren bei den Cruſtaceen conſtatirt haben, vertraͤgt ſich aber ſo wenig mit den in Betreff der Structur des Circulationsſyſtems der gewöhnlichen Mollusken allgemein ans erkannten Anſichten, daß ich an der Richtigkeit meiner Re— ſultate gezweifelt haben wuͤrde, wenn die Beobachtung der erwähnten Thatſachen mehr Schwierigkeiten dargeboten hätte, Allein wenn man dieſe Thiere in der vollſten Lebensthaͤtig— keit, alſo in einem Zuſtande unterſucht, wo die natuͤrliche Durchſichtigkeit ihrer Gewebe nicht durch die zur Erhaltung je— ner in den Muſeen angewandten Mittel aufgehoben worden iſt, ſo ſieht man den Blutſtrom, der ſich an den in der Fluͤſſigkeit ſich fortbewegenden Kuͤgelchen erkennen läßt, aus der Gefaͤßportion des Circulationskreiſes in die Abdominal— hoͤhle uͤbergehen, dieſe in verſchiedenen Richtungen durchzie— hen und ſelbſt in die handſchuhfingerfoͤrmigen Auslaͤufer ein— dringen, mit denen der untere Theil des Peritonealſackes haͤu— fig beſetzt iſt. Wenn man ſich mit dem Studium des Le— bens am lebloſen Koͤrper begnuͤgt, ſo kann man dieſe merk— wuͤrdige Einrichtung verkennen; allein wer eine lebende Cla— velina unterſucht und die Kunſt zu ſehen verſteht, der wird ſie unmoͤglich uͤberſehen koͤnnen. Wenn ich uͤbrigens in die— ſer Beziehung noch einigermaaßen im Zweifel geweſen waͤre, fo würde ich aufgehört haben, es zu ſeyn, als ich Gelegen— heit hatte, gewiſſe, einer anderen Familie, ater derſelben Claſſe angehörende Mollusken (naͤmlich die Doppelreiher, Salpa) zu beobachten, welche zu manchen Jahreszeiten an verſchiedenen Stellen der Kuͤſten des Mittelmeeres, z. B., in der Gegend von Nizza, in Menge vorhanden find. Auf den erſten Blick ſchien mir dieſe Unvollkommenheit des Circulationsapparates in der Claſſe der Tunicata oder 6 88 kopf⸗ und ſchaalloſen Mollusken Cuvier's ein dieſer Gruppe eigenthuͤmliches Kennzeichen ſeyn zu muͤſſen und einen neuen Beleg zu jener Verkuͤmmerung der phyſiologiſchen Hauptap— parate abzugeben, welche in den unteren Gliedern der natuͤrlichen Hauptreihen des Thierreiches ſo haͤufig zu be— merken ſind, ohne daß ſie deßhalb das Verſchwinden des der ſo modificirten Reihe eigenthuͤmlichen Grundtypus nach ſich ziehen; allein, als mir eine ſchon alte Beobachtung Cuvier's beifiel, vermuthete ich, daß dieſe halb in Gefaͤßen, halb in Luͤcken vor ſich gehende Circulation in der Phyſiologie der Mollusken nicht als vereinzelte Thatſache daſtehen moͤchte. Sn feiner trefflichen Abhandlung über die Aplysia *) bes lehrt uns nämlich Cuvier darüber, daß bei dieſem Gaſtero— poden die Canaͤle, welche die Beſtimmung haben, das Venen— blut den Kiemen zuzufuͤhren, keine anderen Wandungen ha— ben, als die benachbarten Muskelbuͤndel, und daß die zwi— ſchen dieſen Buͤndeln befindlichen Raͤume eine directe Com— munication zwiſchen den Hohlvenen oder Kiemenarterien (moͤge man nun dieſer oder jener Benennung den Vorzug geben) und der Abdominalhoͤhle bilden; daß ſich dieſe ſtarken Gefaͤße mit ihren vorderen Enden ſogar mit der allgemeinen Koͤrperhoͤhle vermengen, und daß die in jenen enthaltenen Fluͤſſigkeiten ungehindert in das Circulationsſyſtem eindrin⸗ gen und umgekehrt. Dieſe Communication, ſagt Cuvier, ſteht mit dem, was wir bei den Wirbelthieren finden, ſo wenig im Ein— Elange, daß ich lange nicht an dieſelbe glauben wollte, und ſelbſt nachdem ich vor einigen Jahren das Inſtitut von der— ſelben in Kenntniß geſetzt, ſcheute ich mich, dieſelbe dem gro— ßen Publicum gedruckt vorzulegen. Allein da ich mich auf das Zeugniß meiner Augen berufen kann und ich mich an einer Unzahl von Aplyſien von der Richtigkeit der Thatſache uͤber— zeugt habe, ſo ſtehe ich nicht laͤnger an, dieß zu thun. Es ſteht nun vollkommen feſt: 1) daß das Blut durch kein anderes Gefaͤß zu den Kiemen gelangt, als durch jene beiden großen, durch die Muskeln ſtreichenden und unmittelbar von ihnen begraͤnzten Canaͤle; 2) daß alle Venen des Koͤrpers mittelbar oder unmit⸗ telbar in dieſe großen Canaͤle ausgehen. Da nun deren Communication mit der Abdominalhoͤhle augenfaͤllig und handgreiflich iſt, ſo leuchtet doch, mag man fie nun Hohlvenen oder Kiemenarterien oder dem rechten Herzventrikel analoge Hoͤhlungen nennen, (indem fie offen— bar die Functionen dieſer drei Organe vollziehen) auf jeden Fall ein, daß die in der Bauchhoͤhle befindlichen Fluͤſſigkei— ten ſich unmittelbar mit der Blutmaſſe vermengen und in die Kiemen eindringen koͤnnen, und daß die Venen zugleich als abſorbirende Gefaͤße fungiren. Dieſe außerordentliche freie Communication bildet un— ſtreitig den Uebergang zu der noch viel weniger begraͤnzten, welche wir an den Inſecten wahrnehmen, wo nicht einmal *) Memoires pour servir à histoire et a anatomie des Mol- lusques, Paris, 1817, und Annales du Museum, T. II. 732. XXXIV. 6. 84 beſondere Gefaͤße für die ernaͤhrende Fluͤſſigkeit vorhanden find *) Die Beziehung zwiſchen der von Cuvier bei'm Seci⸗ ren der Aplysia gemachten Entdeckung und den Reſultaten, zu denen ich durch die mikroſkopiſche Unterſuchung der Bis phoren und Aſcidien gelangte, liegt auf der Hand, und uͤbri⸗ gens war die Aplysia bereits nicht mehr das einzige Weich⸗ thier, bei welchem eine freie Communication zwiſchen den Blutgefaͤßen und der Abdominalhoͤhle erkannt worden war. So haben die Herren Owen ) und Valenciennes) bei dem Nautilus eine betraͤchtliche Anzahl großer Muͤn— dungen gefunden, welche aus der vena cava direct in die Bauchhoͤhle ausgehen, und Herr Delle Chiaje entdeckte bei'm Tintenfiſche Octopus, bei Pecten und mehrern andes ren Mollusken eine aͤhnliche Anordnung des Circulationsſy— ſtems, welche mir der eben erwaͤhnten Structur analog zu ſeyn ſcheint, obgleich jener geſchickte Anatom dieſelbe anders ausgelegt hat. +) Dieſen Betrachtungen zufolge, bin ich zu der Anſicht veranlaßt worden, daß das Gefaͤßſyſtem der Mollusken im Allgemeinen wohl nicht die ihm gemeinhin zugeſchriebene Vollſtaͤndigkeit beſitze, und daß es intereſſant ſeyn würde, zu erforſchen, ob der nach meinen Unterfuchuns gen bei den Tunicata vorkommende beſondere Character des⸗ ſelben nicht in der ganzen großen Abtheilung der Malacozoa— rien in einem mehr oder minder ſtark ausgepraͤgten Grade anzutreffen ſey. Dieſe Frage iſt eine derjenigen, mit denen ich mich waͤhrend meines Aufenthaltes an den ſicilianiſchen Kuͤſten beſchaͤftigt habe, und um dieſelbe zu erledigen, habe ich ſowohl phyſiologiſche Experimente, als anatomiſche Unterſuchungen angeſtellt. Der Academie ſind die Reſultate, auf die mich dieſe Unterſuchungen gefuͤhrt haben, bereits bekannt. Selbſt bei den vollkommenſten Mollusken iſt das Gefaͤßſyſtem, durch welches das Blut im Organismus circulirt, mehr oder weni— ger luͤckenhaft, fo daß ſich an gewiſſen Stellen des Circus lationskreiſes das Blut in die großen Hoͤhlen des Koͤrpers oder in Luͤcken ergießt, die ſich in der Subſtanz der Gewebe befinden 4). Zugleich bemerkte ich damals, daß die Structur dieſer Thiere ſich der von mir früher bei den Gruftaceen be— obachteten Organiſationsweiſe naͤhere, wo das allgemeine Ve— nenſyſtem ganz fehlt und deſſen Functionen von den unregel— maͤßigen Raͤumen, die ſich zwiſchen gewiſſen Organen befinden, ausgefuͤhrt werden. Ich begreife das Staunen, welches einige Anatomen ergriff, als ſie dieß zum erſten Male laſen, ſowie die Zwei— fel, die in ihnen hinſichtlich der Richtigkeit meiner Behaups *) A. a. O. p. 13. ) Memoir on the pearly Nautilus, by Richard Owen, 4. London, 1832. ) Nouvelles recherches sur le Nautile flambe. Archives du Museum, T. II. p. 287. +) Animali invertebrati, T. J. und II. ! ++) Siehe den Bericht an den Minifter des öffentlichen Unterrichs tes über das Reſultat einer wiſſenſchaftlichen Sendung nach Sicilien, im Moniteur, Nov. 1844. Vergl. No. 704. (No. 22. d. XXXII Bds.) S. 337 d. Bl. 85 tung aufſtiegen; denn man macht ſich gewöhnlich von dem ECirculationsſyſteme der Mollusken einen ganz andern Begriff. In den neueſten Werken uͤber dieſen Gegenſtand findet man, in der That, angegeben, dieſer Apparat ſey ein geſchloſſe— nes Gefaͤßſyſtem, in welchem das Blut des gan zen Körpers enthalten ſey ), und in anderen Wer— ken, die zwar etwas aͤlter, aber darum nicht weniger geſchaͤtzt find, werden die Venen als beſtaͤndig von einer eigenthuͤmli— chen Membran eingeſchloſſen und als von allen Theilen des Koͤrpers ausgehend und ſich zu Aeſten und immer ſtaͤrkeren Staͤmmen geſtaltend, endlich aber in das Reſpirationsorgan eindringend beſchrieben. Man erinnert allerdings an die von Cuvier angeführten Muͤndungen in den Venen der Aply— ſien; allein man behauptet nichtsdeſtoweniger, daß bei als len Weichthieren der Circulationsapparat voll: ſtaͤndig ſey *). Ich habe dieſem allgemein verbreiteten Irrthum ebenfalls gehuldigt *); allein gegenwärtig glaube ich, nachweiſen zu koͤnnen: 1) daß der Circulationsapparat bei keinem einzigen Weichthiere vollſtaͤndig iſt; 2) daß in einer mehr oder minder bedeutenden Portion des Circulationskreiſes die Venen immer fehlen und durch Luͤcken oder die großen Koͤrperhoͤhlen erſetzt ſind; 3) daß die Venen haͤufig vollſtaͤndig fehlen, und daß dann das durch die Arterien in alle Koͤrpertheile verbreitete Blut nur durch die bereits erwaͤhnten Luͤcken nach der Oberflaͤche der Reſpirationsorgane zuruͤckgeleitet wird. Zur Unterſtuͤtzung dieſer Saͤtze werde ich nicht alle Thatſachen, nach denen ich nach und nach meine Anſicht gebildet habe, hier beibringen, ſondern mich damit begnuͤgen, eine kleine Anzahl mir entſcheidend ſcheinender Verſuche an— zufuͤhren, welche uͤbrigens ſo leicht zu wiederholen ſind, daß alle Anatomen die Richtigkeit meiner Beobachtungen prüfen koͤnnen. Ich habe geſagt, daß bei den Mollusken das Venen— ſyſtem ganz oder theilweiſe fehle, und daß die Eingeweidehoͤhle einen Theil des Circulationskreiſes bilde. Um ſich davon zu uͤberzeugen, braucht man nur ein Wenig Milch in die Bauchhoͤhle einer lebenden Gehaͤusſchnecke (Weinbergſchnecke) einzuſpritzen. Dieſe Fluͤſſigkeit, deren ſich unſer gelehrter College Hr. Dumeril bereits zum Ausſpritzen des Magengefaͤßſyſtems der Meduſen bedient hat, bietet den Vortheil dar, daß ſie die Gefaͤße, mit denen ſie in Beruͤhrung kommt, nicht reizt und im Allgemeinen an ihrer Undurchſichtigkeit und Farbe leicht zu erkennen iſt. Wenn man ſie in die Bauchhoͤhle ) Vergl. Duvernoy, Additions aux Legons d' Anatomie compa- ree de Cuvier, T. VI, p. 359, Paris 1839. — Owen, Lec- tures on the comparative Anatomy and Physiology of the invertebrate animals, p. 13. London, 1843. ) Cuvier, Regne animal, T. I. p. 50 u. T. III, 2e. edit. 1829. u. 1830. Meckel, Vergleichende Anatomie, Bd. VI, Cap. 7. Blainville im Art. Mollusques des Dict. d. Sc. nat. T. XXXII, p. 109, Paris 1824. und Manuel de Malacologie, p. 130. Paris 1825. e! ©. Meine Elements de Zoologie, T. I. p. 50, 2e edit. Paris, 1340, 732. XXXIV. 6. 86 der Weinbergſchnecke einſpritzt, ſo vermiſcht ſie ſich daſelbſt mit dem aus den verſchiedenen Körpertheilen dahin ſtroͤmenden Venen⸗ blute, ſtreicht in die Lungenvenen ein und gelangt endlich in das Herz, welches fie bei jeder Contraction feines Ventri— kels in die Arterien eintreibt. Um dieſe freie Communication zwiſchen der Bauchhoͤhle und der Gefaßportion des Circulationsapparats noch deut— licher zu machen, wendet man, ſtatt der Milch, eine mit chromſaurem Blei ſtark gefärbte Auflöfung von Gallerte an; denn dieſe Subſtanz dringt ebenfalls leicht aus der Bauch— hoͤhle in die Gefaͤße der Lunge, ſowie von da in das Herz. Ihre grell gelbe Farbe ſticht gegen die der verſchiedenen Ge— webe ab, und durch das Gerinnen der Gallerte läßt dieſelbe bleibende Spuren ihres Durchgangs zuruͤck. um das Ge— lingen dieſes Verſuches gehörig ſicher zu machen, muß man das Thier daran hindern, ſich heftig zuſammenzuziehen, was es gewöhnlich thut, wenn man eine fremde Fluͤſſigkeit in deſſen Abdominalhoͤhle einſpritzt, und dieß laͤßt ſich dadurch erreichen, daß man durch Untertauchen eine un vollſtaͤndige Aſphyxie bewirkt. Der Körper der Schnecke bleibt dann ſo vollſtaͤndig entfaltet, als ob ſie auf dem Boden hin⸗ kroche, und iſt dabei ſchlaff und fehr wenig erregbar. Ich lege der Academie hier mehrere auf dieſe Weiſe erlangte Praͤparate vor. Das Einſpritzen ward jederzeit be= wirkt, indem man die farbige Fluͤſſigkeit durch ein am Ruͤk⸗ ken oder an der Baſis eines der Kopftentakel der Schnecke eingeſchnittenes kleines Loch vorſichtig in die große Einge— weidehoͤhle des Korpers einbrachte. Dann wurden die Wundraͤnder zuſammengedruͤckt, ſo daß die durch das ſchnei⸗ dende Inſtrument geöffneten Gefäße ſich wieder ſchloſſen. An andern Koͤrpertheilen ward weder eine Arterie noch Vene geöffnet, Dennoch fuͤllten ſich die zahlreichen Gefaͤße, welche das Blut aus allen Organen dem Reſpirationsapparat zus führen und an der gewoͤlbten Decke der Lungenhoͤhle ein prächtiges Netz bilden, mit chromſaurem Blei, und die ein⸗ geſpritzte Fluͤſſigkeit drang, nachdem ſie den ganzen Kreis der Lungencirculation durchlaufen, in das Herzohr ein. Um ſich davon zu uͤberzeugen, genuͤgt die Beobachtung mit uns bewaffnetem Auge; allein wie der Uebergang bewirkt wird, laͤßt ſich nur mit Hülfe der Lupe erkennen. Die erwaͤhnten Praͤparate beweiſen auch, daß die in der Abdominalhoͤhle enthaltenen Fluͤſſigkeiten unmittelbar in die Venencanäle eindringen, die das Blut aus der Leber, den Eierſtoͤcken und den uͤbrigen Organen nach dem Reſpirationsapparat, ſowie in die Zwiſchenluͤcken, welche im Fuße die Stelle der Venen einnehmen, zu leiten beſtimmt find. Kurz man ſieht, daß alle Venen des Koͤrpers frei mit der Eingeweidehoͤhle com— municiren, daß in vielen Theilen des Organismus bloße Luͤcken die Venen erſetzen, wie bei den hoͤher organiſirten Thie ren die Haargefaͤße, mittelſt deren die letzten Veraͤſtelungen der Arterien mit den Wuͤrzelchen des Venenſyſtems com: municiren, ebenfalls nur mikroſkopiſche Luͤcken in der Sub: ſtanz der Gewebe ſind. Ich werde die anatomiſche Beſchaf⸗ fenheit dieſes nur zum Theil aus eigentlichen Gefäßen bes ſtehenden Circulationsapparats bald ausfuͤhrlich beſchreiben, was ich hier nicht thun koͤnnte, ohne mich von dem Haupt— 6 * 87 732 zwecke dieſer Abhandlung zu weit zu entfernen, weßwegen ich mich beeile, zu dem phyſiologiſchen Theile der Frage zuruͤck— zukehren. Die Verſuche, deren ich ſo eben erwaͤhnt habe, bewei— ſen, daß die in der Abdominalhoͤhle der Gehaͤusſchnecke ent— haltenen Fluͤſſigkeiten und ſelbſt die in dieſen ſchwebenden feſten Theilchen ohne Weiteres in die Blutgefaͤße uͤbergehen; allein ſie beweiſen fuͤr ſich noch nicht, daß die Eingeweide— hoͤhle eine Portion des durch die Circulation beſchriebenen Kreiſes bildet. Man koͤnnte mir vielleicht einwenden, daß ſelbſt der ſehr ſchleunige Uebergang einer Fluͤſſigkeit aus der Bauchhoͤhle in die Venen nichts weiter, als eine Erſcheinung der Abſorption ſeyn duͤrfte, und daß die von mir als exiſti⸗ ſtirend angenommene freie Communication in entgegenge— ſetzter Richtung dadurch keineswegs nachgewieſen ſey. Um dieſe Schwierigkeit zu heben, machte ich einen Vers ſuch, der ein aͤhnliches Reſultat herbeifuͤhrte, wie die vorſte— hend erwaͤhnten, aber in einer verſchiedenen Weiſe ausge⸗ führt ward. Statt die Venencanaͤle mittelbar von der Bauch— hoͤhle aus zu injiciren, ſpritzte ich die gelbgefaͤrbte Fluͤſſig— keit direct in einen der Venencanaͤle ein, und alsbald ſah ich dieſelbe fi in die Eingeweidehoͤhle ergießen nud dann, wie feuͤ— her, in die Lunge gelangen. Endlich unterſuchte ich das unmittelbar aus dem Hetze ventrikel bezogene Blut, ſowie die in der Eingeweidehoͤhle befindliche Fluͤſſigkeit, beides bei einer lebenden Gehaͤusſchnecke unter dem Mikroskope, und ich konnte nicht den geringſten Unterſchied zwiſchen den beiden Fluͤſſigkeiten erkennen. In beiden ſchwebten dieſelben Kuͤgelchen, und beide ſchienen die— ſelbe Dichtigkeit zu beſißzen. Daraus ſchloß ich denn, daß die in die Eingeweidehoͤhle ergoſſene Fluͤſſigkeit zu der Blut— maſſe gehoͤre. Bei der Gehaͤusſchnecke kehrt alſo die durch veraͤſtel— te Rohren des Arterienſyſtems in alle Theile des Organis— mus geleitete naͤhrende Fluͤſſigkeit entweder durch Venen oder bloße Luͤcken in die Eingeweidehoͤhle zuruͤck, ergießt ſich in dieſelbe, benetzt die Verdauungsröͤhre und dringt dann in andere Canaͤle ein, welche die Beſtimmung haben, ſie mit der Luft in Beruͤhrung zu bringen und ſie bis in das Aorta— Herz zu leiten. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit allen gaſteropodiſchen Mol— lusken, bei denen ich durch aͤhnliche Mittel die Art und Weiſe, wie das Blut circulirt, unterſucht habe, und wenn ich vorzugsweiſe der Weinbergſchnecke erwaͤhne, ſo geſchieht dieß nur, weil dieß Thier ſo gemein und ſelbſt auf dem Markte zu haben iſt, daher Jeder, der meine Verſuche wiederholen will, ſich daſſelbe ohne Umſtaͤnde verſchaffen kann. Uebrigens ſtellte ich meine erſten beweiſenden Verſuche nicht mit dieſem Thiere, ſondern mit dem großen Triton des Mittelmeeres an, und ich lege der Academie eine zu Milazzo gefertigte Zeichnung vor, welche zeigt, daß eine große Portion des Venenſyſtems dieſes Geſchoͤpfes mit dem in die Einge— weidehoͤhle deſſelben eingeſpritzten Berlinerblau gefüllt ward, waͤhrend zugleich die großen klaffenden Muͤndungen ſichtbar ſind, durch welche dieſe Gefaͤße mit der Eingeweidehoͤhle ommuniciren. XXXIV. 6. 88 Waͤhrend meines Aufenthalts an den ficilianifchen Küften habe ich ebenfalls den Circulationsapparat der Aply- sia ſtudirt, bei welchem Weichthiere die Communication zwiſchen dem Blutſyſtem und der Bauchhoͤhle ſchon von Cuvier deutlich dargelegt, aber von dieſem beruͤhmten Anatomen als eine höchſt ſonderbare Anomalie betrachtet worden war 5). Zweifel über die Richtigkeit dieſer Beob⸗ achtung waren von Meckel *) und Carus ***) ges aͤußert worden; allein Herr Delle Chiaje, deſſen gruͤnd— liche Forſchungen von allen Zoologen anerkannt werden, hat nachgewieſen +), daß Cuvier ſich nicht getaͤuſcht hat, und hat gezeigt, daß der ſiebartig durchbrochene sinus, welchen derſelbe beſchreibt, mit einem unter der Haut liegenden Sy— ſteme von Luͤcken communicirt. Indeß ſchien mir der Ge— faͤßapparat der Aplysia noch nicht hinreichend bekannt zu ſeyn; denn Herr Delle Chiaje ſelbſt erklaͤrt, die Venen: circulation dieſes Weichthieres ſey ihm noch eine unerklaͤr⸗ liche Erſcheinung ++). (Schluß folgt.) Miscellen. Zur Naturgeſchichte des Härings find einige in: tereſſante Thatſachen in der Sitzung der K. Academie der Wiſſenſchaften in Stockholm am 12. Juni 1844, aus einem Briefe des Probſtes Ekſtroͤm, datirt Tjoͤrn 15 Mai, zur Sprache ge—⸗ bracht: „Die Fiſcher von Tjoͤrn gingen, wegen des langen und ſtren— gen Winters, am 15. April zum erſten Male im Jahre zur See und ſteuerten den gewoͤhnlichen Curs, d. h., hinaus nach Skagen. Waͤhrend des Seegelns wurden ungefaͤhr 4 Meilen von der Kuſte in den ſogenannten Rinnen, deren Tiefe bis zu 60 Ellen ſteigt, große Haufen ſtarken Harings getroffen. Einige von dieſen wur— den gefangen und als theits ausgelaichte, theils laichende Indivi— duen erkannt. Es freut mich, einen factiſchen Beweis daruͤber er— halten zu haben, daß der Häring draußen im Kattegat, weit vom Lande, laicht, beſonders weil Profeſſor Nilſſon vor beinahe 20 Jahren ſchon daffelbe geſagt, ohne daß es vom Publicum geglaubt worden waͤre. Nun wird wohl Keiner es in Zweifel ſetzen, da die Fiſcher es geſehen und kennen gelernt haben. Unter den getroffes nen Haͤringshaufen fanden ſich eine unglaubliche Menge neuerlichſt ausgekrochener Jungen (Haeringsangen), welche von dem groͤßeren ausgelaichten Haͤringe begierig verſchluckt wurden, Um mich von dieſer letzten Angabe der Fiſcher zu uͤberzeugen, oͤffnete ich 40 Stuͤck große, in der Nacht vom 29. April gefangene Haͤringe. Von die— fen hatten 22 den Magen mit Haͤringsjungen vollgepfropft, 2 hats ten im Grunde des Magens ungefaͤhr den vierten Theil der Ma— genhoͤhle mit Ueberbleibſeln von verzehrten Ringelwuͤrmern, aber den uͤbrigen Theil mit jungen Haͤringen, angefuͤllt; 7 hatten nur Ringelwuͤrmer verzehrt, bei dreien fanden ſich nur Ueberbleibſel von kleineren Cruſtaceen und der Magen uͤbrigens leer; 6 hatten gar nichts im Magen, ſo daß die Magenwaͤnde ganz rein waren. *) Ihre Structur, ſagt Cuvier in Betreff der Hohlvene oder Kiemenarterie, iſt vielleicht die außerordentlichſte Er— ſcheinung, welche mir die Phyſiologie der Mollusken bis jetzt dargeboten hat. A. a. O. S. 13. *) Meckel, vergleichende Anatomie, T. IX. %) Vergleichende Anatomie, T. II. +) Memorie sugli animali senza vertebre del regno di Na- poli, T. I, p. 63. Descrizione e notomia degli animali in- vertebrati della Sicilia citeriore, T. II, p. 73. 1) Die Venencirculation der Aplysia iſt bis jetzt noch ein Proe blem, das zu loͤſen mir wenigſtens nicht gelungen iſt. Descri- zione e notomia, T. II, p. 71. 1841. 732 89 Hierdurch iſt das fruͤher unbekannte Verhalten in der Naturgeſchichte des Haͤrings entdeckt, daß der ausgelaichte Häring nach der Laich⸗ zeit, in der Gegend der Laichſtelle ſich aufhält und die eben ausges brüteten Jungen verzehrt. Die Fiſcher geben nun einhellig zu, daß dieſer große Haring, von dem es erwieſen iſt, daß er im Kat: tegat gelaicht hat, ganz derſelbe iſt, welcher waͤhrend der großen Häringsſiſcherei gefangen wird ꝛc.“ (Hornſchuch's Archiv ꝛc. I. 1. S. 142.) Verſteinerter Wald am Nile. — „Es giebt,“ ſagt ein Mitarbeiter an den Bombay Times, „kaum irgendwo auf der Erde ein merkwuͤrdigeres Schauſpiel, in geologiſcher oder pittoresker Hinſicht, als das, welches der verſteinerte Wald in der Naͤhe von Cairo darbietet. Wenn der Reiſende die Gräber der Caliphen in der Naͤhe der Stadt paſſirt hat, ſo ruͤckt er ſuͤdlich, auf einem faſt unter rechtem Winkel auf den durch die Wuͤſte nach Suez treffen— den Wege, vorwaͤrts, und wenn er ſo etwa 2 deutſche Meilen weit ein niedriges, unfruchtbares, mit Sand, Kies und Seemuſcheln bes decktes Thal binaufgezogen ift, ein Thal, friſch, als wenn die Ebbe ſich erſt geſtern zuruͤckgezogen hätte, kreuzt er eine niedrige Reihe von Sandhuͤgeln, welche fuͤr eine gewiſſe Strecke mit ſeinem Wege XXXIV. 6. 90 parallel gezogen war. Die nun ſich darbietende Scene iſt uͤber alle Vorſtellung ſonderbar und entblößt. Eine Maſſe von Baumfrag⸗ menten, alle in Stein verwandelt und, von den Hufen eines Pfer— des beruͤhrt, wie Gußeiſen klingend, erſtreckt ſich Meilen und Mei— len weit in die Runde in der Form eines eingegangenen und nie— dergeworfenen Waldes. Das Holz iſt von dunkelbrauner Farbe, behielt aber vollkommen ſeine Form; die Stuͤcke ſind von 1 bis 15 Fuß Laͤnge und von z bis 3 Fuß Durchmeſſer, und ſind, fo weit das Auge reichen kann, fo dick zuſammengeſtreut, daß ein Aegypti— ſcher Laſteſel kaum ſeinen Weg durch dieſelben verfolgen kann und fo natürlich, daß, wäre fie in Schottland oder Ireland, fie für eis nen ungeheuren ausgetrockneten Sumpf gehalten werden könnte, auf welchem ausgegrabene Bäume in der Sonne lagerten. Die Wur- zeln und Rudimente der Aeſte find in manchen Faͤllen faſt vollſtaͤn— dig, und in einigen ſind die Wurmhoͤhlen unter der Rinde leicht er— kennbar. Die allerzarteſten Saftgefaͤße und alle die feineren Theile im Mittelpuncte des Holzes ſind voͤllig unverletzt und koͤnnen mit den ſchaͤrfſten Vergroͤßerungsglaͤſern unterſucht werden. Sie find durchaus verkieſelt, ſo daß ſie Glas ritzend die hoͤchſte Politur annehmen.“ — — — Nei el kun n d. . Zwei Faͤlle von Verrenkung der Articulation des Darmbeines mit dem Heiligenbeine. Der Herausgeber der Experience erwähnt in der Num— mer dieſes Journals vom 28. Sept. 1843 zweier Faͤlle dieſer aͤußerſt ſeltenen Art von Luxation, mit denen ihn die Herren Tavignot und Peſte, Huͤlfsaͤrzte des Herrn Lenoir am Nederhofpitate, bekannt gemacht haben. Er ſchickt die Bemerkung voraus, daß, nach Boyer' s Anſicht, Beiſpiele von einfacher Luxation der Beckenknochen durch aͤu— ßere Urſachen ſo außerordentlich ſeyen, daß ſich ſchwerlich an deren Vorkommen glauben ließe, wenn deren nicht von Maͤn⸗ nern beobachtet worden waͤten, deren Glaubwuͤrdigkeit und Sachkenntniß ſich nicht bezweifeln laſſe. Beide Faͤlle kamen gleichzeitig im Hospitale vor, wenngleich einer derſelben, ges nau genommen, keine einfache Verrenkung betraf, indem die Luxation des Darmbeines offenbar mit dem Bruche des Sitz- und Schaambeines complicirt war. Erſter Fall; geſchildert durch Herrn Tavignot. Am 1. Auguſt ward ein 32 Jahre alter Schmidt, Namens Bonhomme, in die chirurgiſche Clinik des Hrn. Lenoir gebracht. Er gab an, er ſey am Abend des vorigen Tages, als er eben nach Hauſe gekommen, auf ein Fenſter, ohne alle Bruͤſtung zugegangen, geſtolpert und aus dem dritten Stocke auf das Straßenpflaſter hinabgeſtuͤrzt. Wie er ge— fallen ſey, konnte er nicht naͤher angeben, da er bis zum fol— genden Morgen bewußtlos gelegen hatte. Bei der Unterſu— chung ſeines Zuſtandes ergab ſich dieſer, wie folgt: Der ganze obere Theil des rechten Schenkels war gewaltig mit Blut unterlaufen, und die Extravaſation ſchien ſich bis uͤber die benachbarten Bauchwandungen zu erſtrecken. Er konnte dieſe Extremitaͤt nicht bewegen, die uͤberdem kuͤrzer zu ſeyn ſchien, als die andere. Die Fußſpitze war ein Wenig eins waͤrts gekehrt. Der Harn ging ſchwer ab und ward zwei Tage lang mittelſt des Catheters ausgeleert. Man ließ dem Patienten zweimal zur Ader, legte ihm 20 Blutegel an den Schenkel und legte ihn dann auf den Ruͤcken. Es trat kein bedenkliches Symptom ein Die Geſchwulſt, das extravaſirte Blut und der Schmerz verſchwanden allmaͤlig, ſo daß der Pas tient, welcher anfangs ſich nur mit der groͤßten Muͤhe im Bette bewegen konnte, am 15. September aufſtand und ſo— gar an Kruͤcken ein Wenig gehen konnte. Worin beſtand aber ſein Leiden eigentlich? Dieß wird ſich aus folgender Schilderung ergeben. Die Länge der unteren Extremitaͤten war, von der spina ilii bis zum aͤußeren Knoͤchel gemeſſen, genau dieſelbe, und dennoch erſchien das rechte Bein um we— nigſtens 2 Centimeter kuͤrzer, als das linke. Der Fuß war weder auswaͤrts noch einwaͤrts gekehrt. Der rechte, vordere, obere Dorn (Spina) des ilium lag in einer borizontal durch den Nabel ſtreichenden Linie, waͤhrend der linke 5 Centimeter tiefer lag. Die Falte der rechten Leiſte zeigte ſich etwas hoͤher, als die der linken. Als man die horizontale Portion der beiden Schaambeine ſorgfaͤltig und vergleichend befuͤhlte, be— merkte man leicht, daß auf der rechten Seite und von der symphysis ossis pubis aus, das Schambein etwas höher lag, als auf der linken; zugleich ließ ſich ein harter, feſten Widerſtand leiſtender Koͤrper mit ununterbrochener Oberflaͤche in der fossa iliaca, vor der spina iliaca bis zur spina des Schaambeines fuͤhlen. Dieſe Oberflaͤche war offenbar nichts Anderes, als die horizontale Portion des Schaambei— nes, welche etwa 2 — 3 Centimeter höher lag, als im normalen Zuſtande. Die Unterſuchung durch den Maſtdarm ließ erkennen, daß der Hoͤcker des rechten ischium der Me: dianlinie bedeutend naͤher und zugleich hoͤher war, als der linke. Auch zeigte ſich der rechte Aſt des os pubis an der symphysis hoher, als der der anderen Seite, fo daß man ihn mit dem Finger in einer Ebene fuͤhlte, die ſich vor der— jenigen befand, in welche der linke Aſt fiel. Hinten bemerkte man, daß die Falte des Geſaͤßes 4 — 5 Centimeter hoͤher lag, als die der entgegengeſetzten Seite. Der Hoͤcker des rechten ischium war wenigſtens 4 — 5 Centimeter nach 9 der Medianlinie in die Höhe geſtiegen; das Heiligenbein hatte ſeine normale Geſtalt; allein an ſeinem rechten Rande zeigte ſich bei der Hoͤhe, wo daſſelbe mit dem Darmbeine zuſammenſtieß, eine ſehr merkliche Vertiefung. Der Druck auf dieſe Stelle veranlaßte bedeutende Schmerzen, doch war fie nur wenig oͤdematoͤs. Die beiden eristae ossis ilii befanden ſich keinesweges in gleicher Hoͤhe, indem eine von der rechten aus gezogene horizontale Linie 5 Centimeter uͤber der linken hinſtrich. Die linke spina posterior ilii und zumal die rechte crista waren gleichſam ruͤckwaͤrts verfchos ben, d. h., ſie lagen in einer Ebene, die hinter diejenige fiel, in der ſich dieſelben Theile auf der entgegengeſetzte Seite befanden. Die Wirbelſaͤule ſchien unverſehrt zu ſeyÿn. Spu⸗ ren von extravaſirtem Blute waren damals nicht mehr zu erkennen, und Alles ſchien darauf hinzudeuten, daß die Für higkeit der Ortsveraͤnderung allmälig in dem Grade zuruͤck— kehren werde, durch welchen der Mann in den Stand geſetzt werden wuͤrde, ſeinen Geſchaͤften wieder nachzugehen, obwohl er, wegen der Verkuͤrzung des rechten Beines, offenbar zeitle⸗ bens hinken wird. Zweiter Fall, durch Herrn Peſte geſchildert. — Chavanne, ein 39 Jahre alter Lumpenſammler, wurde am 28. Juli in's Neckerhoſpital gebracht, nachdem er ſoeben eine Treppe hinabgeſtuͤrzt war. Er hatte Blut geſpuckt, und es fanden ſich mehrere Rippen, ſowie beide Knochen des Vorderarmes gebrochen; außerdem war eine ſchwere Contu— ſion an der rechten Huͤfte wahrzunehmen. Die Schmer— zen waren ungemein heftig, die Geſchwulſt bedeutend, die Blutergießung ſehr ſtark. Jede Bewegung, die der Patient machte, preßte ihm laute Jammertoͤne aus, und er ſtraͤubte ſich gegen jede Unterſuchung. Da ſich das Bein ein Wenig verkuͤrzt zeigte, ſo fuͤrchtete man erſt, der Schenkelbeinhals ſey gebrochen. Herr Peſte ergriff daſſelbe und bewegte es leicht in die Hoͤhe, obwohl der Patient vor Schmerz die Muskeln heftig zuſammenzog. Der große trochanter folgte allen drehenden Bewegungen des femur, und es wurde we— der irgend ein Knirſchen, noch eine Abweichung nach Außen wahrgenommen. Wegen der Abweſenheit dieſer Symptome ließ Herr Peſte ſeine erſte Vermuthung fallen und glaubte nun, es mit einer durch ſtarke Blutertravafation complicirten Contuſion an der Huͤfte zu thun zu haben. Am folgenden Tage nahm Herr Lenoir dieſe ſaͤmmt— lichen Verletzungen wieder wahr; allein die Geſchwulſt und der Schmerz verhinderten eine gruͤndliche Unterſuchung des Zuſtandes der Huͤfte. Der Patient hatte uͤberdem Eiter ausgeworfen und litt bedeutend an Schwerathmigkeit, welchen Symptomen vor Allem Aufmerkſamkeit geſchenkt wurde. Durch Aderlaͤſſe brachte man den Eiterauswurf zum Stehen; die Knochenbruͤche wurden eingerichtet und heilten; die Geſchwulſt und die Blutergießung an der Huͤfte verſchwanden; aber die Schmerzen blieben, und der Patient konnte ſich nicht bewe— gen. Bei einer um dieſe Zeit veranſtalteten neuen Unterz ſuchung ergab ſich Folgendes: Der Patient wurde auf den Ruͤcken gelegt. Alsdann fuͤhlte man bei der Hoͤhe der spina des rechten Schambei— nes eine ziemlich tiefe Vertiefung, uͤber welcher ſich, wenn 732. XXXIV. 6. 92 man die Abdominalwandung niederdruͤckte, eine ſpitze, bewege liche knochenharte Geſchwulſt fuͤhlen ließ, welche durch den horizontalen Aſt des Schambeines, welcher gebrochen und in die Höhe geſtiegen war, gebildet wurde. Die spina iliaca anterior superior lag mehr nach Hinten und hoͤher, als die spina der entgegengeſetzten Seite. Eine Sonde ließ ſich ungehindert durch die Harnroͤhre in die Blaſe einfuͤhren, und der Patient litt nicht an Harnverhaltung. Als man den Zuſtand der Dinge durch den Maſtdarm unterſuchte, lie⸗ ßen ſich auf der rechten Seite Regelwidrigkeiten bemerken, die ſich nur aus einem Bruce des os ischii erklären ließen. Oben, und ebenfalls auf der rechten Seite, war, wenn man die vordere Portion des rectum ſtark niederdruͤckte, noch eine Geſchwulſt zu fühlen, welche durch den Bruch des Scham: beines veranlaßt worden zu ſeyn ſchien, waͤhrend auf der an⸗ deren Seite nichts Aehnliches zu finden war. Der Patient hatte ſeit dem Unfalle elf Tage lang keinen Stuhlgang gehabt. Als man den Patienten auf den Bauch gelegt hatte, bemerkte man, daß die rechte Hinterbacke flach, weich und eingefallen war; die Falte des Geſaͤßes war um 2 Centime⸗ ter hoͤher und beſchrieb eine gerade Linie, die ſchraͤg von Oben nach Unten und von Außen nach Innen lief. Die auf der linken Seite war dagegen horizontal und beſchrieb eine Curve, deren Concavitaͤt aufwaͤrts gerichtet war. Die Spina iliaca posterior superior war um etwa 3 Centim. hoͤher, als die der entgegengeſetzten Seite, und daſſelbe war in Betreff der eristae ossis ilii und ossis ischii der Fall. Wenn man bei der Hoͤhe der linken spina iliaca Druck ausübte, fo ließ ſich der durch dieſelbe gebildete Hoͤk— ker und weiter unten die Hervorragung des ligamentum sacro-spinale wahrnehmen, während ſich an den entfpres chenden Stellen der entgegengeſetzten Seite eine ziemlich tiefe Vertiefung fand, die von dem Aufſteigen der spina iliaca und der Zerreißung des rechten ligamentum sacro-spinale herruͤhrte. Bei Unterſuchung der unteren Extremitaͤten fand ſſch die der rechten Seite verkuͤrzt, indem der rechte malleolus externus um etwa 3 Centimeter höher lag, als der linke; maß man dagegen von der spina iliaca superior anterior bis zu dem malleolus externus, fo erhielt man auf beiden Seiten daſſelbe Reſultat, was ganz natuͤrlich zu— ging, da die Huͤftknochen nur ihre relative Lage zu dem Ruͤckgrate veraͤndert hatten. Alle dieſe Zeichen wurden noch deutlicher, wenn man den Patienten auf die Kniee legte und deſſen Rumpf vorwaͤrts beugte. Er wurde in einer undeweglichen Lage gehalten. Einige Tage vor dem 15. September, dem Datum des Berichts uͤber den Fall, hatte er angefangen, an Kruͤcken zu gehen. Er ſtuͤtzt ſich auf das kranke Bein, jedoch mit großer Vor— ſicht, da daſſelbe das Gewicht des Koͤrpers noch nicht tragen kann. Er hinkt, indem er den Körper ſtark nach der gefuns den Seite hinuͤber wirft. Schmerzen ſind durchaus nicht mehr da. Der Patient wird vollſtaͤndig geneſen, aber ſein rechtes Bein wird verkuͤrzt bleiben. Hier war offenbar die Luxation nicht einfach, indem zugleich das os pubis und ischii 93 gebrochen waren, was durchaus noͤthig war, wenn ſich das ganze Huͤftbein aufwaͤrts bewegen ſollte, es ſey denn, daß eine Trennung der symphysis ossis pubis ſtattgefunden haͤtte. Wenn dieſe Trennung vorhanden iſt, ſo findet das ſchon von Hippocrates beobachtete Symptom, naͤmlich Harnverhaltung, ſtatt. In dieſem Falle fehlte daſſelbe, und der Bruch hatte, in der That, die nach der Blaſe ftreichens den Baͤnder unverſehrt gelaſſen; dagegen war Darmverſtop⸗ fung vorhanden, welche vielleicht dem Knochenbruche zuzufchreis ben war. Der Herausgeber der Expérience bemerkt in einer Anmerkung, daß dieſe Luxationen in Folge aͤußerſt heftiger aͤußerer Gewalt, und nicht etwa bei, dergleichen Verletzungen in beſonders hohem Grade unterworfenen, ferophulöfen Pers ſonen, ſondern bei ſtarken, geſunden Maͤnnern vorkamen, bei denen ſich eine vorher ſchon ſtattgefundene Erſchlaffung der Baͤnder des Beckens nicht annehmen laͤßt. Die Dia⸗ gnoſe der Luxation war hinreichend deutlich, da die Erhebung der erista iliaca und der Falte des Geſaͤßes, das Eingeſunken⸗ ſeyn des Hinterbackens und die Verkuͤrzung der Extremi⸗ tät, ohne daß die relative Lage ihrer ſaͤmmtlichen Portionen ſich geändert hatte, ꝛc., die Beſchaffenheit des Leidens hin— laͤnglich characteriſirten. Die Prognoſe dieſes Falles wird von den Schriftſtellern als aͤußerſt bedenklich geſchildert, indem, z. B., Boyer daruͤber ſagt, daß, abgeſehen von den un— mittelbaren Folgen der aͤußern Gewaltthaͤtigkeit, beſtaͤndig eine Entzuͤndung eintritt, deren Folgen ſehr uͤbel ausfallen koͤnnen, weil einestheils die betheiligten Gelenkoberflaͤchen ſehr ausgedehnt ſind, und ſich die Entzuͤndung anderntheils auf das Bauchfell und die Eingeweide des Beckens und des uns tern Theils des abdomen erſtrecken und eine Vereite— tung der Gelenkflaͤchen oder des Zellgewebes des Beckens veranlaſſen kann. Keine dieſer Folgen trat in den hier be— ſchriebenen Fällen ein, und Boyer hat dieſelben wohl mehr a priori, als aus eigner Erfahrung, angeführt. Die: ſer Chirurg ſelbſt citirt einen Fall, in welchem der Verlauf des Leidens in der fraglichen Beziehung genau derſelbe war, wie in den oben dargelegten Faͤllen. „Der intereſſanteſte Fall von Luxation der Huͤftknochen,“ ſagt er, „welcher dem chirurgiſchen Publicum bekannt geworden iſt, und bei dem dieſe furchtbaren Folgen nicht eintraten, wurde von Enauf, Ho in und unſerm Collegen Profeſſor Chaus— ſier beobachtet und in den Denkſchriften der Academie der Wiſſenſchaften zu Dijon mitgetheilt. Das linke os inno- minatum war aufwaͤrts verſchoben; der entzuͤndliche Zu— ſtand geſtattete die Einrichtung der Luxation nicht. Nach einigen Tagen, waͤhrend deren erſchlaffende Umſchlaͤge und eine antiphlogiſtiſche Diaͤt angewandt worden waren, wurde die Einrichtung der Knochen verſucht, aber, wegen des Wie— dereintretens der Entzuͤndung und Schmerzen, nicht be— werkſtelligt. Einige Tage darauf wurde ein neuer erfolglo— ſer Verſuch gemacht, und nun erſt entſchloß man ſich, die Einrichtung aufzugeben. Nach laͤngerem ruhigen Verhalten, deſſen Dauer indeß im Verhaͤltniſſe zu dem Leiden nicht be— deutend war, verließ der Patient das Bett, und nachdem er eine Zeitlang an Kruͤcken gegangen, brachte das Gewicht 732. XXXIV. 6. 94 des Beines die Reduction der Verrenkung theilweiſe zu Wege. Der Patient ward ſoweit hergeſtellt, daß er ſeine Profeſſion als Dachdecker wieder betreiben konnte. Dieſer Fall beweiſ't ſchlagend, daß es bei Verrenkungen dieſer Art nicht ſowohl auf die Reduction, als vielmehr darauf ankommt, die Entzuͤndung und deren Folgen auf jede moͤgliche Weiſe zu bekaͤmpfen, und man muß ſich gluͤcklich ſchaͤtzen, wenn man den Patienten nur am Leben erhaͤlt, moͤge er auch noch ſo deform bleiben.“ Hr. Lenoir befolgte die Vorſchrift Boyer's und enthielt ſich jedes Verſuchs, die Luxation einzurichten; aber wie haͤtte er es auch anfangen ſollen, um eine Verrenkung dieſer Art zu reduciren oder eingerichtet zu erhalten? *) (American Journal of the medical Sciences, Jan. 1845. London medical Gazette, March, 1845.) Fall von ſpeckartigem Scirrhom der Lunge. Von Dr. Finniswoode. William D., Weber, 41 Jahre alt, aufgenommen Oct. 10. 1843., litt ſeit 12 Monaten an Huſten, Haͤmoptyſis und Dyspnöe; ſchleimiger Auswurf, zuweilen mit Blut tin girt, Reſpirationsgeraͤuſch ſchwach auf der rechten Seite, pue— ril und ſonor auf der linken, Herztoͤne normal, aber ſehr verbreitet, Impuls ſchwach. Ein großer, harter tumor er- hob ſich von der erſten Rippe und der clavicula, den Ur: ſprung des sternomastoideus mit umfaſſend und in dem hinteren, unteren Dreieck des Halſes rechterſeits gelegen, vom Kranken zuerſt vor 6 Monaten bemerkt. Im Anſange De— cember anasarca des Geſichtes und der Arme, Schmerz und Taubheit im rechten Arme, die Venen der Bruſt ge— wunden und aufgetrieben, in der Nacht Gefuͤhl von Druck und Unbehaglichkeit in der Geſchwulſt. Der tumor nahm immer mehr an Groͤße zu, das Schluͤſſelbein brach ſpontan 1“ vom sternum, der rechte Arm wurde gelaͤhmt; Tod am 18. Februar. Section. Rechter Arm ſtark oͤdematoͤs, der uͤbrige Körper etwas abgemagert; die clavicula lag in einem ge— lappten tumor eingebettet, welcher bis zum Halſe hinauf— reichte und die Gefaͤße des Halſes etwas dislocirt hatte. Die aa. subelavia und innominata verliefen durch die Geſchwulſt, ſie waren etwas verdickt und vergroͤßert, die ſie begleitenden Venen dagegen faſt obliterirt, beſonders die zum bloßen Faden zuſammengeſchrumpfte innere Droſſelader. Der tumor nahm die ganze linke Seite der oberen Bruſthoͤhle ein, von der Lunge, in der er ſeinen Urſprung zu haben ſchien, aufwärts reichend; der obere Lappen war gaͤnzlich von dem— ſelben eingenommen, waͤhrend der mittlere, verdichtet und vollſtaͤndig ſolidificirt, dieſelbe Beſchaffenheit anzunehmen be— gonnen hatte. Der Clavicularurſprung des m. pectoralis major, des m. sternomastoideus und trapezius tru⸗ gen gleichfalls die Spuren beginnender Entartung und hatten das Ausſehen des tumor angenommen, welcher an der erſten Rippe und dem manubrium sterni feſt adhaͤrirte; dieſe Knochen waren in ihrem Gefüge alterirt, und ihre Zel— 95 len mit ſcirrhoͤſer Maſſe angefuͤllt. Das Schluͤſſelbein war bis auf einen bloßen Knochenſplitter reſorbirt. Bei'm Ein- ſchneiden knirſchte der tumor unter dem Meſſer und bot namentlich in der Lunge das Ausſehen friſch angeſchnittenen Schweinefleiſches dar; bei'm Drucke quoll eine Fluͤſſigkeit aus zahlreichen kleinen Oeffnungen hervor. Ein Theil des uns teren Lappens der Lunge war emphyſematös, und nur eine kleine Portion uͤberhaupt geſund; das Parenchym war in der Naͤhe der Geſchwulſt mit Blut uͤberfuͤllt. In der linken Lunge waren die Bronchien betraͤchtlich erweitert; die Pleura— blaͤtter waren auf beiden Seiten durchweg adhaͤrent. Im pericardium war eine kleine Menge roͤthliches Serum, die aorta etwas erweitert und die kleineren Gefäßen mit Blut injicitt, die rechte Kammer und Vorkammer erweitert. (Die waͤhrend des Lebens beobachteten Symptome ſtimmen ganz mit de— nen von Dr. Stokes als für den Lungenkrebs characteri— ſtiſch angegebenen uͤberein.) (Aus London and Edinb. monthly Journal in Dublin Journ. Sept. 1844.) Sonderbare Deformitaͤt des uterus, in Folge de— ren ſich bei drei aufeinanderfolgenden Geburten das Kind mit dem Arme praͤſentirte. Von Dr. Lecluyſe. Als ich am 4. Auguſt 1844 zu einer Frau von klei⸗ ner Statur gerufen wurde, die das dritte Mal gebar und welche die beiden erſten Male, wegen Praͤſentation des Arms, durch Wendung des Kindes entbunden worden war, fand ich zu meinem Erſtaunen, daß der Arm abermals vorlag. Erſt konnte ich mir den Grund der regelmäßigen Wiederkehr dies ſer Erſcheinung nicht erklaͤren; als ich aber mit der einen Hand uͤber das abdomen ſtrich, waͤhrend ich eine Wehe abwartete, fühlte ich, daß der obere Rand der Baͤrmutter ſo tief und dem os pubis ſo nahe war, daß ich annehmen mußte, dieſes Organ ſey nur ſehr unvollſtaͤndig entwickelt oder vorwaͤrts geſtuͤlpt oder wenigſtens in einer abnormen Lage. Als ich das abdomen forgfältiger unterſuchte, erkannte ich jedoch, daß dieſe Vermuthungen ungegruͤndet ſeyen, und nur aus der geringen Hoͤhe der Baͤrmutter, ſowie deren ſtar— ken ſeitlichen Entwickelung, ließ ſich auf eine Deformitaͤt die— ſes Organes ſchließen. Die Seiten des Bauches ragten in der That weit ſtaͤrker hervor, als gewoͤhnlich und verurſach— ten eine Breite an den Huͤften, welche mit der kleinen Sta— tur der Frau einen ſonderbaren Contraſt bildete. 732. XXXIV. 6. 96 Statt daß der uterus in ſenkrechter Richtung birnfoͤr⸗ mig war, zeigte er ſich ellipſoidiſch und zwar ſo, daß die lange Axe nach der Queere gerichtet war: So gewann er in der Breite, was ihm an Höhe fehlte. Dieſer ſonderbaren Ano⸗ malie moͤchte ich die haͤufige Wiederkehr der horizontalen Lage des foetus zuſchreiben, indem der große Durchmeſſer der Fo: talhaͤute mit dem der Ellipſoide des uterus zuſammenfiel. Die Geſchlechtstheile waren uͤbrigens natuͤrlich; nur der Mutterhals ſchien ein Wenig mehr gehoben, als gewoͤhnlich, was indeß von der Abweſenheit von Druck von Seiten eis ner hervorragenden Portion des Kindes herruͤhren konnte. Die Wendung des Kindes ließ ſich leicht bewerkſtelli⸗ gen, da die Fluͤſſigkeiten noch nicht ausgelaufen waren. Der obere Rand des uterus blieb auch nach der Ge— burt ein Wenig niedergeſenkt, fo daß die durch deſſen Zufams menſtoßen mit den Seitentändern des Organs gebildeten Ek— ken ſich ſtaͤrker auspraͤgten, als gewoͤhnlich, woraus ſich denn ergab, daß die Deformitaͤt auch im leeren Zuſtande des Organs fortdauerte. (Annales de la Société de Me- decine d’Anvers, Févr. 1845, p. 89. London me- dical Gazette, March, 1845.) Miscellen. Bei ſcrophuloͤſen Augenentzuͤndungen der Kin⸗ der applicirt Herr Seguin die Veſicatorien im zweiten Sta⸗ dium auf den Hinterkopf. Zuerſt muͤſſen durch die gewoͤhnli⸗ chen Mittel Schmerz, Lichtſcheu und Thränenträufeln gemaͤßigt ſeyn; man laͤßt ſodann das Hinterhaupt abſcheeren und legt hier das Blaſenpflaſter in einer Groͤße, wie ſie dem Grade des Leidens entſpricht. Namentlich Lichtſcheu und Epiphora werden, ſelbſt wenn fie durch die allgemeine Behandlung nicht vollſtaͤndig entfernt wer— den konnten, ſogleich vollends beſeitigt. Die Gründe für diefe Ups plicationsſtelle find namentlich geringerer Schmerz, als auf Nacken und Arm, raſchere Einwirkung auf das Augenleiden und guͤnſtiger Einfluß von Ableitungen am Kopfe überhaupt in einem Lebensal- ter, in welchem ohnedem ein Zufluß der Säfte gegen dieſen Koͤrper⸗ theil ſtattfindet. ; Von einer recht mediciniſchen Familie berichten die franzoͤſiſchen Journale, indem, nach ihnen, ein geachteter Arzt zu Lille, Herr Asclar, 22 Kinder hat, von denen 17 Söhne practiſche Aerzte und 5 Töchter Hebammen find, während ihr Vater in ſei⸗ nem hundertſten Jahre noch conſultirender Arzt iſt. (2 2) Bleieſſig gegen Naevi. — Dr. Sigis mond empfiehlt, in den Annales des maladies de la peau, zur Beſeitigung von klei⸗ nen, nicht pulſirenden Naevi bei Kindern Umſchlaͤge von Bleiweiß, welche, nach ſeiner Erfahrung, die kleinen Auswuͤchſe binnen 5 Wochen verſchwinden laſſen. Bibliographische Systems of Natural Philosophy; in which the Elements of that Science are familiarly explained et. By John Comstock. Careful revised etc. by George Lees etc. 4. edition. Lon- don 1845. 18. Le magnetisme animal expliqué, ou Legons analytiques sur la nature essentielle du magnetisme animal, sur ses effets, son histoire, ses applications, les diverses manieres de le prati- quer etc. Par le Docteur Alph. Teste etc. Paris 1845. 8. Neuigkeiten. On the relative Liability of the two sexes to Insanity. By John Thurnam, DM. (Aus dem Quarterly Journal of the statisti- cal Society for Dec. 1844.) Lectures on the Theory and Practice of Surgery. By the late Abraham Colles, DM, Edited by Simon M’Coy. Dublin 1845. 2 Vols. 12. — —— — — Menue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgerbeilt don dem Ober ⸗Medieinalraide Froriep zu Weimar, und dem Medieinalroihe und Profeſſer Frorie p u Berlin. No. 733. (Nr. 7. des XXXIV. Bandes.) April 1845. Gedruckt im Landes⸗Induſtrie-Comptoir zu Weimar. a mu m uns u I 2 a Fe Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 g. 30 A, des einzelnen Stüdes 3¼ 9. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ Hs, Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 95. Nena Zoologiſche Forſchungen, angeſtellt auf einer Reiſe an den ſicilianiſchen Kuͤſten. Von Herrn Milne Edwards. (Schluß.) Als ich bei lebenden Aplyſien farbige Fluͤſſigkeiten in verſchiedene Theile des Circulationskreiſes injicirte, habe ich mich bald von der vollkommenen Richtigkeit der von Cu— vier behaupteten Thatſachen uͤberzeugt; ich habe, gleich Herrn Delle Chiaje, geſehen, daß das Blut nicht durch Gefaͤße zu den Kiemen gelangt, ſondern daß eine große halbkreisfoͤrmige Luͤcke, die von den Muskelfaſerbuͤndeln, zelligen Baͤndern und den Hautbedeckungen des Mantels begraͤnzt wird, die Functionen einer Hohlvene uͤbernimmt, und daß dieſe Luͤcke mit ihren vordern Muͤndungen frei mit der Bauchhoͤhle communicirt. Das Venenblut gelangt theilweiſe durch andere unter der Haut liegende Luͤcken, welche längs dieſes keine eigenthuͤmlichen Wandungen beſitzen— den Canals vertheilt find, in denſelben; allein die Haupt— maſſe der naͤhrenden Fluͤſſigkeit dringt durch die erwaͤhnten endſtaͤndigen Muͤndungen, folglich aus der Bauchhoͤhle in denſelben. Ich habe mich uͤberdem davon uͤberzeugt, daß dieſe große Eingeweidehoͤhle nicht mit einer ununterbrochenen Peritonealmembran, ſondern mit einer Zellhaut ausgeklei— det iſt, die von einer Menge unregelmaͤßiger Köcher durchs brochen iſt; oder vielmehr mit einer membranfoͤrmigen Schicht, die aus zelligen Baͤndern beſteht, welche einander kreuzen und nicht in derſelben Ebene liegen, ſo daß zwi— ſchen ihnen Luͤcken bleiben, welche miteinander communici⸗ ren. Dieſe unregelmäßigen Loͤcher, mit denen die Wandun— gen der Abdominalhoͤhle durchbrochen ſind, communiciren ihrerſeits mit einem ausgedehnten Syſteme von Luͤcken, wel— che durch die Kreuzung der Muskelbaͤnder des Fußes und Mantels gebildet werden, und dieſe Zwiſchenraͤume der Mus: keln ſtehen mit dem von Herrn Delle Chiaje entdeckten Netze von Luͤcken unter der Haut in unmittelbarer Verbin— dung. Dieſes weitlaͤuftige Syſtem von Luͤcken erſetzt die Venen, welche Gefaͤße den Aplyſien durchaus fehlen. Das durch ein ſehr ſtark entwickeltes Arterienſyſtem in alle Or- No. 1833. — 733. E Ar dee gane vertheilte Blut tritt in alle dieſe Luͤcken und gelangt durch ſie in die Bauchhoͤhle, welche als ein weiter Recipient dient, aus dem das Blut in den Reſpirationsapparat ges langt, von wo es dem Herzen -zugeführt und von dieſem in die Arterien getrieben wird. Um ſich hiervon zu uͤber— zeugen, iſt hinreichend, daß man eine gefaͤrbte Fluͤſſigkeit in das vas afferens der Kieme einſpritzt; denn alsbald ſieht man die Fluͤſſiskeit, entweder direct oder durch Vermittelung der Bauchhöhle, in alle Luͤcken eindringen, und wenn man die Fluͤſſigkeit in die Zwiſchenmuskelräume irgend eines Koͤr— pertheils einſpritzt, kann man ſie in umgekehrter Richtung fortſchreiten und bis in die Gefaͤße der Kiemen leiten laſſen. Durch veiſchiedentliche Abänderung dieſer Verſuche, wel— che ich ſaͤmmtlich an lebenden Thieren anſtellte, und durch forgfältige anatomiſche Unterſuchung der verſchiedenen Theile des Circulationsapparats der Aplysia gelangte ich zur voll— ſten Beſtaͤtigung dieſer Reſultate und zugleich zur Erkennt— niß des Grundes, aus dem Herrn Delle Chiaje die Ve— nencirculation dieſes Thieres raͤthſelhaft geblieben war. Ich habe mich nämlich überzeugt, daß der waſſerzufuͤhrende Apparat, welchen dieſer Gelehrte beſchreibt, und der von ihm und einigen andern Anatomen fuͤr ein Complement des Reſpirationsapparats gebalten wird, nichts Anderes iſt, als ein Theil des großen Luͤckenſyſtems, das in dem Körper der Aplyſie die Venen erſetzt. Es ſind nicht, wie der geſchickte neapolitaniſche Anatom vermuthet, Muͤndungen vorhanden, welche eine directe Verbindung zwiſchen dieſen Luͤcken oder der Abdominalhoͤhle und dem Seewaſſer herzuſtellen beſtimmt waͤren, und wenn zuweilen Waſſer in bedeutender Menge eindringt, ſo iſt dieß lediglich eine Erſcheinung der Endos— moſe. Die Turgescenz, welche man haͤufig an den Aplyſien gewahrt, iſt eine Folge der Venenabſorption und nicht etwa eine ſolche der directen Einführung des Waſſers von Außen durch Canaͤle, welche an der Koͤrperoberflaͤche ausgingen. Wenn man das Luͤckenſyſtem ausſpritzt oder auch nur die Venenhoͤhlen durch eingeblaſene Luft ausdehnt, fo kann man ſich vollſtaͤndig überzeugen, daß keine ſolche Oeffnungen nach Außen vorhanden ſind, und wenn man auf der andern Seite 7 99 733, XXIV. 7. > die Experimente unſeres gelehrten Collegen, Herrn Magens die, in Betreff der Geſetze der Venenabſorption bei den hös her organiſirten Thieren beruͤckſichtigt, ſo erklaͤrt ſich die ſchnelle Einführung einer betraͤchtlichen Waſſermenge in's Ins nere des Körpers leicht durch die bloße Wirkung der Endos— mofe, indem die Herabſtimmung der Muskelreizbarkeit eine entſprechende Verminderung des Druckes veranlaßt, dem die im Organismus enthaltenen Fluͤſſigkeiten, in der Regel, un: terworfen ſind. Die Turgescenz des Weichthieres kommt aber gerade unter denjenigen Umſtaͤnden vor, welche eine Er— ſchlaffung der Wandungen der Hoͤhlungen, in denen das Blut enthalten iſt, zu bewirken geeignet find. Auch will ich bes merken, daß ich ganz aͤhnliche Erſcheinungen bei den Ge— haͤusſchnecken beobachtet habe, obgleich dieſe Thiere nicht im Waſſer leben, daher ſich auch nicht annehmen laͤßt, daß ſie mit einem waſſerzufuͤhrenden Apparate verſehen ſeyen, der nur gan; ausnahmsweiſe fungiren koͤnnte. Ich ſtehe alſo nicht an, zu behaupten, daß Herr Delle Chiaje einen Theil des Luͤckenvenenſyſtems als einen waſ— ſerzufuͤhrenden Apparat beſchrieben hat, der gewiſſermaaßen den luftzufuͤhrenden Tracheen der Inſecten analog ſey. Als ich aͤhnliche Unterſuchungen in Betreff des großen Triton des Mittelmeeres anſtellte, überzeugte ich mich, daß auch bei dieſem Weichthiere nur Venencanaͤle von jenem Anatomen für das waſſerzufuͤhrende Syſtem angeſehen worden find “); und wenn es ſich, wie ich annehmen muß, mit den uͤbrigen Gaſteropoden ebenſo verhaͤlt, ſo hat es keine Schwierigkeit, die zahlreichen und intereſſanten Beobachtungen des Herrn Delle Chiaje mit den von mir erlangten Reſultaten voll— kommen in Einklang zu bringen. Dieſer Anatom hat in der That gefunden, daß bei einer bedeutenden Anzahl von Gaſteropoden die Venen in gewiſſen Koͤrpertheilen durch ein Netz von einfachen Luͤcken erſetzt ſind und ſich in einen gro— ßen Behälter münden, der ſich als ein Venenſinus betrach— ten laͤßt; dieſer Sinus iſt aber nichts Anderes, als die Bauch— hoͤhle ſelbſt oder ein Ausläufer dieſer Höhle zwiſchen die Mus: kelbuͤndel des Mantels, und mit ihr communiciren die an— geblichen waſſerfuͤhrenden Tracheen. Die halb in Gefaͤßen, halb in Luͤcken vor ſich gehende Circulation, die ich bei den Tuniciern erkannt hatte und die ich ſoeben bei der Gartenſchnecke, dem großen Triton, Ha— liotis ete., nachgewieſen habe, iſt alſo wahrſcheinlich allen Gaſteropoden eigen. Die Venenportion des Gefaͤßapparats wuͤrde alſo bei ihnen, wie bei den Cruſtaceen, immer mehr oder weniger defect ſeyn, und das in den verſchiedenen Luͤk— ken zwiſchen den Organen ausgetretene Blut ſich, bevor es dem Reſpirationsapparate zugefuͤhrt wird, in der Abdominal— hoͤhle anſammeln. Ebenſo verhaͤlt es ſich mit der Claſſe der kopfloſen Mol— lusken. Die Verſuche, die ich mit der großen Schinkenmu— ſchel des Mittelmeeres oder Pinna marina, mit Mactra *) Descrizione di un nuovo apparato di canali aquosi scoperto negli animali invertebrati marini delle Due-Sicilie. Memo rie sulla storia e notomia degli animali senza vertebre del regno di Napoli T. II, p. 259. — Instituzioni di Anato- mia e Fisiologia comparativa, T. I, p. 279, Napoli, 1532. 100 7 und der gemeinen Auſter angeſtellt habe, beweiſen es zur Genuͤge; nur treten, da bei dieſen Thieren die Eingeweide nicht in der Bauchhoͤhle ſchwimmen, ſondern mit den Muss keln des Fußes und den unter der Haut liegenden Baͤndern der entſprechenden Portion der gemeinſchaftlichen ‘hr nte innig verwebt find, an die Stelle des durch die Visceralhoͤhle der Gaſteropoden gebildeten großen Recipienten kleine Luͤk⸗ ken. Uebrigens communiciren dieſe Lücken zwiſchen den Ein⸗ geweiden frei mit den Gängen, die im Fuße der Mactra durch die Kreuzung der fleiſchigen Streifen entſtehen, und wenn man eine farbige Fluͤſſigkeit in dieſe Lücken zwiſchen den Muskeln einſpritzt, ſo dringt dieſelbe bis in die Gefaße der Kiemen und die Venencanaͤle des Mantels. Allein in dem Mantel, wie im Fuße, ſcheinen keine eigentliche Ve⸗ nen oder, mit andern Worten, Röhren mit beſondern Wan— dungen vorhanden zu ſeyn, welche die Beſtimmung bitten, das Blut aus den Geweben, welche dieſe Fluͤſſigkeit ernährt hat, nach dem Herzen oder dem ſpeciellen Organe der Re— ſpiration zu leiten. Ein bloßes Syſtem von Luͤcken verrich⸗ tet die Functionen des bei hoher organiſirten Thieren vor— handenen Netzes von Haargefaͤßen, und dieſe faſt mikroſko— piſchen Luͤcken muͤnden in andere Gaͤnge, welche, ihrer An— ordnung zufolge, mit eigentlichen Venen viel Aehnlichkeit has ben, aber keine von den denachbarten Theilen unabhaͤngigen Wandungen beſitzen. Bei einer andern Gelegenheit gedenke ich auf die Anatomie und Phyſiologie dieſes Luͤcken-Venen⸗ ſyſtems des Mantels der kopfloſen Mollusken zuruͤckzukom— men, indem ich hier nur noch bemerken will, daß man daſ— ſelbe ebenſowohl erkennt, wenn man eine farbige Fluͤſſigkeit in die Arterien, als wenn man eine ſolche in die Luͤcken der Bauchhoͤhle einſpritzt. Auch iſt zu bemerken, daß Herr Delle Chiaje die— ſes aus Luͤcken beſtehende Netz bei Pecten gefunden und eine ſehr ſchoͤne Abbildung deſſelben mitgetheilt hat; allein mir iſt nicht bekannt, ob er dieſe Gaͤnge als Theile des Venen— oder als ſolche des waſſerzufuͤhrenden Syſtems betrachtet, denn der erklaͤrende Text zu der ſich auf dieſes Weichthier beziehenden Tafel iſt noch nicht im Druck erſchienen *). *) S. Descrizione e notomia degli animali invertebrati della Sicilia citeriore, T. III, Tab. 73. Auf den erſten Blick konnte man glauben, daß ich in Betreff des Citats einen Fehler be- gangen habe; denn jeder der 5 Bände dieſes neuen Werkes des Herrn Delle Chiaje trägt auf der Titelſeite die Jab⸗ reszahl 1841; allein dieß ſcheint daher zu ruͤhren, daß der Ti— tel die Zeit des Anfangs des Drucks bezeichnet, während man in Frankreich gewohnt iſt, die Jahreszahl auf dem Titel mit der Zeit des Erſcheinens des Werkes uͤbereinſtimmen zu laſſen. Da die Geſundheitsumſtaͤnde des Herrn Delle Chiaje ihn verhinderten, den Druck ſeines Werkes nach Wunſch zu foͤr— dern, ſo waren der dritte und fuͤnfte Band, als ich im Juli 1844 zu Neapel anlangte, noch nicht vollendet, und ſie ſind es wahrſcheinlich zur Stunde noch nicht. Der dritte Band hört mit S. 44 auf, hebt mit S. 65 wieder an und ſchließt wieder mit S. 140. Der fuͤnfte iſt nur bis S. 68 gedruckt. Auch befinden ſich unter den Tafeln des dieſem intereſſanten Werke beigegebenen Atlas mehrere, die nur ſtizzirt find, obwohl fie die Jahreszahl 1841 oder eine noch frühere führen. Dieſe um⸗ ſtaͤnde waren nicht außer Acht zu laſſen, wenn man fpätır ein— mal die Geſchichte der Entdeckungen hinſichtlich der Organiſa— 101 733. Demnach iſt bei den blaͤtterkiemigen Acephalen (Lamel⸗ libranchen), ebenſowohl wie bei den Acephalen ohne Schaa— len oder Tuniciern und bei den Gaſteropoden, der Gefaͤßap— parat unvollkommen, und eine mehr oder weniger bedeutende Portion des Venenſyſtems durch einfache Luͤcken erſetzt, in welche ſich das Blut zwiſchen den Organen ergießt. Auf den erſten Blick koͤnnte man glauben, daß die hoͤ— hern Weichthiere, aus denen die Claſſe der Cephalopoden be— ſteht, eine Ausnahme von dieſer Regel bilden und einen voll- ſtaͤndigen Gefaͤßapparat, d. h., einen ſolchen beſitzen, der durchaus aus von eigenthuͤmlichen Wandungen eingeſchloſſenen Adern beſteht. Wirklich hat Cuvier an ſeiner bedeutenden Arbeit über die Anatomie des Tintenfiſches (Octopus) ſowohl eines Venenſyſtems, als eines Arterienſyſtems gedacht, und dieſe Venen beſitzen allerdings eigenthuͤmliche Wandungen, wie wir dieſe Röhren bei den höher organiſirten Thieren ſehen. Monro *) und Hunter **) haben die Venen des Kalmar und der Sepia beſchrieben, und Herr Delle Enviaje dieſe Gefaͤße weit genauer abgebildet, als es bis dahin geſchehen war; ferner kennt man auch die Hauptve— nen des Nautilus, und folglich laͤßt ſich, indem man dieſe beſondern Thatſachen generaliſirt, hehaupten, daß in der Claſſe der Cephalopoden immer ein ſehr ſtark entwickeltes Venen— ſyſtem anzutreffen ſey. Die Herrn Owen und Valen— ciennes haben allerdings das Vorhandenſeyn einer großen Menge von Muͤndungen entdeckt, mittelſt deren die Hoͤhlung der Hauptvene des Nautilus mit der Peritonealhoͤhle frei communicirt; allein man koͤnnte in dieſer Anordnung nur die letzten Spuren der Organiſation erkennen, die ich bei den niedrigen Mollusken getroffen habe, und glauben, der Circulationskreis den Cephalopoden beſtehe durchgehends aus Roͤhren, wenngleich dieſe mit haͤutigen Wandungen verſehe— nen Gefaͤße an manchen Puncten in der Art durchbrochen ſeyen, daß das Blut in ihnen, wenigſtens nach dem Tode des Thieres, nicht vollſtaͤndig abgeſperrt ſey; denn manche Anatomen ſind der Anſicht geweſen, dieſe Oeffnungen klaff— ten erſt nach dem Tode der Thiere. Dem iſt aber nicht alſo, und ich kann leicht nachweiſen, daß bei den Cephalopoden, wie bei den uͤbrigen Mollusken, die Eingeweidehoͤhle als Verbindungsglied zwiſchen verfchies denen Theilen des Circulationsapparats dient und wirklich eine Portion des Circulationskreiſes bildet. In der That iſt der neuerdings von Herrn Delle Chiaje bei dem Tintenfiſche (Oetopus) entdeckte Venen⸗ ſinus nichts Andres, als die Eingeweidehoͤhle dieſes Thieres ***) tion der wirbelloſen Thiere zuſammenſtellte, da in Betreff ei⸗ ner großen Menge dieſer Entdeckungen die Prioritaͤt unſtreitig dem Herrn Delle Chiaje gebuͤbrt. *) The Structure and Physiology of Fishes explained and compared. Edinburgh, 1785. ’ *) Descriptive and illustrated Catalogue of the Hunterian Museum, published by M. R. Owen, T. II. 5 *) Man darf die Eingeweidehoͤhle des Tintenfiſches weder mit der Kiemenhoͤhle, noch mit den großen häutigen Beuteln ver⸗ wechſeln, die ſich an den Venenſtammen hinziehen, deren Wan⸗ dungen mit den von Cuvier beſchriebenen ſchwammigen Koͤr⸗ XXXIV. 7. 102 und ich habe mich auf die allerunzweideutigſte Weiſe über: zeugt: 1) Daß ſelbſt ſehr dicke Fluͤſſigkeiten, wenn man. fie in die Höhle einfprigt, in welcher der Magen, der Vorma⸗ gen, die Speiferöhre, die aorta, die Speicheldruͤſen und die Fleiſchmaſſe des Mundes loſe ſchweben, nachdem ſie die Oberfläche dieſer Organe benetzt haben, in die Venen der übrigen Körpertheile eindringen, durch die Lungenherzen ſtreichen und die Haargefaͤße der Kiemen fuͤllen; 2) daß die tieftiegenden Venen der Arme, die Venen der Augen und der benachbarten fleiſchigen Theile, entweder direct oder durch Vermittelung einer großen Luͤcke oder eines Sinus, welcher ſich im Grunde jeder orbita befindet, mit der Eingeweidehoͤhle communiciren, und daß das Venenblut, um ſich von den eben erwähnten Venen nach den Lungenher— zen zu begeben, jederzeit durch die Eingeweidehoͤhle ſtreicht; 3) Daß dieſe letztere Hoͤhle ebenfalls direct mit dem hintern Theile der großen Hohlvene, und zwar mittelſt zweier Gefaͤße von bedeutendem Caliber, communicirt. In einer andern Denkſchrift werde ich eine in's Einzelnſte gehende Beſchreibung dieſer verſchiedenen Theile des Circu— lationsapparats des Tintenfiſches (poulpe) mittheilen; ge— genwaͤrtig beſchraͤnke ich mich darauf, der Academie einige Abbildungen vorzulegen, welche das durch die Visceralhoͤhle ausgeſpritzte Venenſyſtem darſtellen, waͤhrend die Hoͤhle ſelbſt mit derſelben farbigen Fluͤſſigkeit gefüllt erſcheint. Bei'm gemeinen Kalmar beſteht ebenfalls ein Theil des Circulationsapparats lediglich aus Luͤcken einer Kammer, die zugleich als Eingeweidehoͤhle und als Venenſinus dient. Die Eingeweidehoͤhle iſt aber weit weniger geraͤumig, als bei'm Tintenfiſche und reicht kaum über den Kopftheil des Koͤrpers hinaus. Dieſe Modification erklaͤrt ſich uͤbrigens ſehr leicht; denn hier haͤngen die Speiſeroͤhre und der Ma— gen, ſtatt wie bei'm Tintenfiſche in der Eingeweidehoͤhle loſe zu ſchweben, innig mit der gemeinſchaftlichen Eingewei— demembran zuſammen, ſo daß die Hoͤhle ſelbſt in ihrem gan— zen hintern Theile obliterirt iſt und nur da noch exiſtirt, wo fie den vordern Theil der Speiſeroͤhre und die Fleiſch— maſſe des Mundes einſchließt, woſelbſt ſie denn auch, wie gewohnlich, die Functionen eines Venenſinus übernimmt. Auch reicht es hin, eine farbige Fluͤſſigkeit in die auf dieſe Weiſe auf ihren Kopftheil beſchraͤnkte Visceralhoͤhle einzu— ſpritzen, um augenblicklich die ſaͤmmtlichen Venen aller Kör- pertheile zu faͤrben. Das vorliegende Praͤparat iſt auf dieſe Weiſe erlangt worden. Die blaue Fluͤſſigkeit ward in die Hoͤhle eingeſpritzt, welche den vordern Theil des Nahrungs— pern beſetzt ſind. Dieſe Beutel, welche faſt die ganze hintere Portion des Koͤrpers einnehmen, communiciren direct durch zwei Oeffnungen mit der Reſpirationshoͤhle und enthalten das Waſſer (einen Theil des Waſſers 2), welches in dieſelbe eindringt. Allein zwiſchen dieſen Beuteln nnd der gro— ßen Eingeweidehoͤhle, welche ſich vom Munde bis hinter den Magen erſtreckt, findet durchaus keine Verbindung ſtatt. Der Darm iſt nicht, wie die Speiferöhre und der Magen, frei, und wegen feiner Verwechſelung mit der innern Wan— dung der gemeinſchaftlichen Visceralmembran kann das Ber nenblut ihn nicht, wie bei den Gaſteropoden, benetzen. 7 103 ſchlauchs umgiebt, und ift von da durch die große Hohl⸗ vene in die Venen des Mantels, der Eingeweide, der Arme gedrungen, hat die Lungenherzen gefuͤllt und iſt bis in die Kiemen gelangt. Die hier vorgetragenen Thatſachen ſcheinen mir die Ein⸗ gangs dieſer Abhandlung aufgeſtellten Folgerungen hinreichend zu rechtfertigen. Der Tintenfiſch (Octopus) und Kalmar unter den Cephalopoden, die Gartenſchnecke, der Triton, Haliotis und Aplysia aus der Claſſe der Gaſteropoden, Mactra, Pinna und Ostrea aus der großen Abtheilung der Acephalen, end— lich die Biphoren und zuſammengeſetzten oder geſellſchaftlich lebenden Afcidien aus der Gruppe der Tunicier haben mir ſaͤmmtlich einen mehr oder weniger unvollſtaͤndigen Circus lationsapparat dargeboten, bei welchem die Venen ganz oder theilweiſe fehlen und da, wo fie nicht vorhanden find, durch die Eingeweidehoͤhle ſelbſt und durch Lücken zwiſchen den Organen oder in dem Gewebe derſelben erſetzt ſind. Auf der anderen Seite habe ich bei keinem einzigen Weichthiere ein vollkommen geſchloſſenes Syſtem von Blutgefaͤßen getrof— fen und die Beobachtungen, welche gemacht worden ſind, be— vor die Aufmerkſamkeit der Zoologen auf dieſe Frage gelenkt worden, koͤnnen keinesweges als Belege fuͤr die Anſicht dienen, daß bei irgend einer Species dieſer Hauptabtheilung des Thierreiches ein ſolches geſchloſſenes Circulationsſyſtem vorhanden ſey. Die von mir fo allgemein angetroffene Ans ordnung des Circulationsapparates der Mollusken kann alſo kuͤnftig nicht mehr als eine Anomalie gelten; vielmehr ſcheint mir der Schluß gerechtfertlgt, daß bei allen nach demſelben allgemeinen Typus, wie der Tintenfiſch (Octopus), Kalmar (Loligo), die Weinbergs ſchnecke, der Triton, die Aplysia, Ila- liotis, Auſter, Mactra, Schinkenmuſchel, Biphoren und Afeis dien, organiſirten Gejchöpfen dieſe Function mehr oder weniger denſelben Character darbieten werde. Allerdings ſehen wir das Syſtem der Hoͤhlungen, welche die naͤhrende Fluͤſſigkeit zu enthalten und zu vertheilen beſtimmt ſind, ſich ſtufenweiſe vervollkommnen und in einer immer groͤßern Portion des Cir— culationskreiſes mit eigenthuͤmlichen Wandungen bekleiden, je mehr wir uns von den niedrigſten Weichthieren nach den Cephalopoden zu erheben, denn bei den Bryozoarien, welche unter allen Weichthieren die niedrigſte Organiſationsſtufe eins nehmen, iſt keine Spur von einem Herzen oder von Arte— rien und Venen wahrzunehmen, und die das Blut darftels lende Fluͤſſigkeit iſt geradezu in der großen Höhle enthalten, in der die Verdauungsorgane ſchwimmen. Bei den weiche thierartigen Tuniciern iſt ſchon ein Herz und ein Syſtem von blutfuͤhrenden Roͤhren in der Kiemenportion des Orga— nismus enthalten; allein in der Eingeweide- oder Abdomi— nalportion des Koͤrpers exiſtiren weder Arterien noch Venen. Bei der Auſter, Mactra und Aplysia zeigt ſich das Arte— rienſyſtem vollſtaͤndig; allein nirgends, wenn nicht etwa in den Kiemen, bemerkt man ein Netz von aͤchten Gefaͤßen, wel— ches die Functionen des Haargefaͤßſyſtems verrichtete, und es ſind noch keine Gefaͤße anzutreffen, welche das Blut aus den verſchiedenen Organen nach dem Reſpirationsapparate zus tuͤckfuhrten. Bei dem Triton und der Weinbergsſchnecke haben 733. XXXIV. 7. 104 wir das Circulationsſyſtem um noch einen Grad höher vers vollkommnet gefunden, denn die Venen fangen an, fi) uns ter der Form haͤutiger Rohren in gewiſſen Theilen des Or⸗ ganismus zu bilden, obgleich fie in dem Muskelſyſteme, ſo⸗ wie in dem zwiſchen den Haupteingeweiden und dem Reſpi⸗ rationsorgane liegenden Raume, noch durch einfache Luͤcken vertreten werden. Bei dem Tintenfiſche (Octopus) entwik- kelt ſich die Gefaͤßportion des Venenſyſtems noch ſtaͤrker; endlich ſind bei dem Kalmar nur um den vorderen Theil der Verdauungsroͤhre her große Lucken vorhanden, welche die Functionen von Venen verſehen, während übrigens im gan— zen Circulationskreiſe das Blut in Röhren eingeſchloſſen iſt, deren Wandungen von den benachbarten Organen unabs hangig find. Dieſer ſtufenweiſen Vervollkommnung nach, wuͤrde die Moͤglichkeit eines noch höhern Grades von Entwickelung des Gefaͤßſyſtems, wo naͤmlich ſaͤmmtliche biutführende Luͤcken durch achte Gefaͤße erſetzt wären und das Circulationsſyſtem ſolcher Mollusken in dieſer Beziehung dem Gefaͤßſyſteme der höhern Thiere vollkommen aͤhnlich ſeyn würde, keinesweges abzulaͤugnen ſeyn. Uebrigens hat man allen Grund zu glau- ben, daß dieß nirgends der Fall ſeyz denn der Tintenfiſch (Octopus) und Kalmar ſind die, am Hoͤchſten organiſirten Repraͤſentanten des der Abtheilung der Weichthiere eigen— thuͤmlichen Typus, und weil bei dieſen vollkommenſten Mol- lusken die Visceralhoͤhle noch einen Theil des Venenſyſtems erſetzt, iſt es nicht wahrſcheinlich, daß bei irgend einem an⸗ deren Weichthiere ein vollkommener Gefaͤßapparat anzutreffen ſeyn werde. Wenn dieß uͤbrigens auch der Fall waͤre, ſo würde dadurch die Bedeutung der hier dargelegten Thatſachen keinesweges gemindert, indem die mehr oder weniger durch Luͤcken vermittelte Circulation nichtsdeſtoweniger einen Haupt⸗ character des malacelogiſchen Typus bilden würde, Es wuͤrde, wie es mir ſcheint, unnuͤtz ſeyn, hier den Einfluß hervorzuheben, welchen eine ſolche Organiſation auf den Mechanismus einiger andern Functionen, z. B., die allgemeine oder chyloͤſe Abſorption, ſowie die erectilen Bewe— gungen, aͤußern muß; denn man braucht nur zu wiſſen, daß das Blut eine mehr oder minder große Portion der aͤußeren Oberflache des Nahrungsſchlauches befeuchtet, um zu begrei— fen, daß die durch den Magenſaft mehr oder weniger flüffig gemachten Nahrtungsſtoffe ſich ſchnell mit der ernaͤhrenden Fluͤſſigkeit (dem Blute) vermiſchen koͤnnen, ohne daß Venen oder chylusfuͤhrende Gefaͤße vorhanden ſind, welche jene der Blutmaſſe zuleiten. Ebenſo bedarf es nur eines geringen Nachdenkens über die Rolle, welche eine in einem ausgedehn⸗ ten Syſteme von zuſammenziehungs- und ausdehnungsfühis gen Luͤcken verbreitete Fluͤſſigkeit in dem Mechanismus der Bewegungen jener Thiere fpielen wird, um ebenfalls einzufes hen, daß dieſe anatomiſche Einrichtung die Urſache der Er⸗ ſcheinungen der Erection ſey, welche wir an dem Fuße der Acephalen, ſowie an den Tentakeln der Gaſteropoden, haͤufig wahrnehmen. Ich werde mich alſo bei dieſen Betrachtun⸗ gen nicht aufhalten; allein es wäre vielleicht intereffant, zu unterſuchen, inwiefern die durch das Studium der Circulation bei den Mollusken erlangten Kenntniſſe dem Studium der 105 Phyſiologie der höher organifirten Thiere in Betteff der ins nerſten Beſchaffenheit und der Bildungsweiſe der Blutgefäße überhaupt foͤrderlich ſeyn konnen. Ich gedenke auf dieſe Frage zurückzukommen, nachdem ich die Academie mit mei— nen neuen Unterſuchungen über die Circulation bei den Cru— ſtaceen bekannt gemacht haben werde. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XX, No. 5, 3 Fevr. 1845.) Misretten Ueber die Urſache der erſten Bewegung des Saf— tes im Frühling hat Herr Henfrey der Linnean Society in London am 4 Febr. eine Abhandlung vorgeleſen. Man hat die Saft: bewegung der Endosmoſe, der Capillaranziehung und der Oeffnung der 733. XXXIV. 7. 106 Knoſpen zugeſchrieben. Herr Henfrey glaubt, daß es eine chemiſche Thätigkeit joy, welche in der Knoſpe vor ſich gehe, durch Abſorption von Feuchtigkeit in der Atmofphäre und durch die Thaͤtigkeit erhöhter Warme. Die Starke in der Knoſpe werde in Dextrine und Zucker verwandelt, und indem dieſe in Wirkſamkeit treten, werde die Fluͤſ⸗ ſigkeit in der Knoſpe dichter, dann komme Endosmoſe in Thaͤtigkeit und bewirke die Bewegung des Saftes. Ueber die Phosphorescenz von Mooſen war eine Ab— handlung von Stra ngways der britiſchen Aſſociation als verloren gegangen angezeigt, worauf mehrere mündliche Mittheilungen über denſelben Gegenſtand erfolgten. — Mehrere Mooſe, unter anderen die Schistostega pinnata, zeigen einen beträchtlichen phosphori— ſchen Schein, ſo auch mehrere andere Kryptogamen. Einige Schwaͤm⸗ me in Guyana verbreiten oft in den Wäldern einen ſehr glaͤnzen— den Schein. Der Grund ſcheint aͤhnlich zu ſeyn dem, wodurch ver— faultes Holz leuchtet. Kryſtalle hat man dabei auch nicht mit dem Mikroſkope entdecken koͤnnen. rie en a Kataleptiſcher Lungenſchlag. Von Dr. Byron. Unter den Arten von Apoplexie, welche Dr. Cullen aufzaͤhlt, finden wir die apoplexia cataleptica. Manche Aerzte bezweifeln die Wirklichkeit dieſer Krankheit, andere halten ſie fuͤr idiopathiſcher Art und fuͤr hoͤchſt ungewoͤhnlich. Dr. Gregory ſagt daruͤber in ſeinen Vorleſungen: „Dieſe Krankheit kommt ſelten vor; allein ich habe einen Fall er— lebt, wo uͤber deren Natur kein Zweifel obwalten konnte, und wo ſie den Tod herbeifuͤhrte.“ Galen und einige an— dere Aerzte des Alterthums haben die Katalepſie beſchrieben, und unter den neuern iſt ſie in'sbeſondere von Sauvages geſchildert worden, der ſie als genus der Ordnung co— mata aufführt und mehrere Arten derſelben aufzaͤhlt. Sauvages ſagt: „Die Krankheit aͤußert ſich in Paroxysmen, waͤhrend deren der Rumpf und die Extremitä— ten, der Patient mag nun ſitzen oder ſtehen, ihre Lage un— verändert beibehalten.“ Iſt die Katalepſie vollſtaͤndig ausges bildet, jo wird der Arm, wenn er gerade gehoben und ausge— ſtreckt iſt, nicht herabſinken, und die Muskeln werden uͤber— haupt genau dieſelbe Lage beibehalten, in der ſie ſich bei'm Ein— treten des Zufalles gerade befinden, ſo daß, wenn z. B., der Patient lacht oder weint, die Geſichtszuͤge dieſen Aus— druck ſo ſtarr behalten, wie bei einer Wachsfigur. Die Dauer des Paroxysmus kann nur einige Minuten oder meh— rere Stunden betragen.“) Dr. Copland bringt in feinem Woͤrterbuche der Me⸗ dicin die Extaſe und Katalepſie in dieſelbe Kategorie **) und ) Foreſtus (Liti. and Obs. 41) beſchreibt dieſe Krankheit kurz, aber bündig, folgendermaaßen: Auum catalepsia quis corri- pitur, confusim instar marmoreae statuae gelatur, nec mu- tat constrietus praesentem corporis habitum, sed subito tan- quam afllatus sidere, aut (quod est in fabulis) Meduseos vul- tus conspexerit attonitus rigidusque constitit. Dieſe Bes merkungen beziehen ſich auf die Gehirnapoplexie, und es iſt mir nicht bekannt, daß die Katalepſie bis jetzt von irgend ei— nem fruͤhern Schriftſteller oder Zeitgenoſſen unter den Urſachen des Lungenſchlages aufgeführt worden ware. *) P. 290. Catalepsy and cataleptic extasy. thut offenbar daran ganz Recht, da die erſtere nur eine Mo— dification oder mildere Form der letztern iſt. Er ſagt da— ruͤber: „Viele der Faͤlle, welche unlaͤngſt in London ſoviel Aufſehen erregt haben, indem man glaubte, es redeten Leute in unbekannten Zungen, gehoͤren offenbar zu dieſer Krank— heit, wenngleich haͤufig auch Verſtellung im Spiele geweſen ſeyn mag. Viele italieniſche Improviſatoren koͤnnen nur, während fie ſich in einem Zuſtande extatiſcher Ueberſpann— ung befinden, ihre Profeſſion ausuͤben, und ſie ſelbſt be— trachten ihre Faͤhigkeit als ein Krankheitsſymptom.“ “) Wenn die Extaſe einen ſehr hohen Grad erreicht, ſo wird der Im— proviſator weniger gefchwäßig. **) Fall. Mlle O., 26 Jahre alt und von geſunden Eltern abſtammend, hatte ſich bis zum 20ſten Lebensjahre, wo die Menſtruation zuerſt bei ihr eintrat, ununterbrochen des beſten Wohlbefindens erfreut. Vor etwa drei Jahren hatte fie ziemlich heftige hyſteriſche Zufaͤlle bekommen, und obwohl ſie geſund und kraͤftig ausſah, ſo betrachteten ſie doch ihre Verwandten als ſehr kraͤnklich. Ihre Nerven waren auch ſehr reizbar. ) ueber die gefaͤhrliche Tendenz der Leiden dieſer Art ſind alle Schriftſteller einig. Gooch kam ein Fall vor, wo in Folge deſſelben Melancholie eintrat. Dr. Burrow's Fall war mit Wahnſinn complicirt; eines ähnlichen gedenkt Frank. Pinel gedenkt eines Falles von Katalepſie, welcher mit Apoplexie en⸗ digte; Roſtan eines ſolchen, der von Lungenentzuͤndung beglei— tet war. „Haͤufig,“ ſagt Dr. Copland, „endigen dieſe Leiden, wie ſie beginnen, mit ſehr boͤsartiger Hyſterie, und dieſe Krank— heit ſteht mit der Katalepſie uͤberhaupt in ſehr inniger Bezie— hung.“ Lienland und Herr Heers erwaͤhnen faſeriger Concretionen, die ſich im Laͤngsſinus (longitudinal sinus) bil⸗ den, ſowie der krankhaften Veraͤnderung der Lunge und Leber. Werden, fragen wir die Regierungen noch länger den ſchaͤnd— lichen Handel mit der Geſundheit und dem Leben der Menſchen dulden, welcher ſo lange von den Nachfolgern Mesmer's betrieben worden iſt und leider noch betrieben wird, in'sbeſon⸗ dere da at meiſten diefer Wunderdectoren keine betrogenen Betruͤ⸗ ger ſind ) Das Original druͤckt ſich hier wörtlich folgendermaaßen aus: „Je tiefgreifender die Extaſe iſt, deſtoweniger aufgeregt und geſchwaͤtzig wird die davon befallene Perſon. 107 Etwa 3 Jahr vor meinem erſten Beſuche im Jahre 1827 hatte ſich ihrer eine gewiſſe Niedergeſchlagenheit be: maͤchtigt; fie ſuchte die Einſamkeit auf und ſaß ſtundenlang, ohne zu ſprechen oder auf das, was um ſie her vorging, zu achten. Man ſchrieb dieß dem ploͤtzlichen Tode eines Herrn zu, mit dem ſie verſprochen geweſen war. Ihre Verwandten wuͤnſchten, daß ihr Zuſtand nicht be— kannt wuͤrde und hofften, die Zeit wuͤrde ihre troͤſtende Wir— kung auf ſie aͤußern; deßhalb ſuchten ſie nicht eher aͤrztliche Huͤlfe, bis zu den obigen Symptomen noch ein heftiger Blutſturz hinzutrat, der ihr beinahe das Leben gekoſtet hätte. Ich fand fie, kurz nachdem fie faſt 1 Quart ſehr dun— keln, theilweiſe coagulirten und nur wenige Luftblaͤschen ent— haltenden Blutes verloren hatte, ſchwach, blaß, beſinnungs— und bewegungslos. Dennoch ſaß ſie ohne fremde Huͤlfe auf— recht auf ihrem Stuhle. Ihre Geſichtszuͤge waren ſtarr und wie durch einen vor ihr befindlichen Gegenſtand in Spannung erhalten, waͤhrend ihre beinahe geſchloſſenen Au— genlider ſich in zitternder Bewegung befanden. Zog man ſie in die Hoͤhe, ſo zeigten ſich die Augen eben ſo ſtarr, wie die Geſichtszuͤge. Die Pupillen zeigten ſich ziemlich erwei— tert, zogen ſich aber, wenn man ihnen ein brennendes Licht naͤherte, langſam zuſammen. Die Haͤnde hingen an den Seiten ſchlaff herab, und wenn man ſie aufhob und losließ, ſo fielen ſie wieder in dieſelbe Lage hinab. Der Rumpf dagegen war, gleich dem Halſe und den Fuͤßen, vollkommen ſteif. Ihr Puls war regelmaͤßig, aber ſchwach und ſchlug 67mal in der Minute; ihre Reſpiration war nicht hoͤrbar, wenn man nicht das Ohr unmittelbar oder mittelbar (mit— telſt des Stethoſkops ?) an ihre Bruſt legte, und auch dann war ſie kaum zu hoͤren; der Ton der Bruſt war an allen Stellen gut. Man ſagte mir, fie erhole ſich von dieſem Zuſtande ges woͤhnlich nach etwa 2 Stunden. Das erſte Symptom der Ruͤckkehr des normalen Zuſtandes war eine ungewoͤhnliche zuckende Bewegung der Augenlider. Sie aͤchzte, öffnete die Augen, als ob ſie aus dem Schlafe erwache, und ſprach ſchwach. Ihr Puls nahm nun an Haͤufigkeit und Kraft zu; ſie nahm einige Nahrung zu ſich, und aͤußerte, ſie wiſſe durchaus von Nichts, was mit ihr vorgegangen ſey, außer daß ſie Blut geſpuckt habe. Ihr wurde geſagt, ich ſey eben dieſes Zufalls wegen zu Huͤlfe geholt worden. Die Behandlung, welche in Anwendung gebracht wurde, beſtand in gelegentlichen ſchwachen Blutentziehungen an der Bruſt, nachmals in Auflegen von Blaſenpflaſtern von der ungefähren Größe eines Thalers; Warmhalten und gelinder Reizung der Beine und Fuͤße, Abfuͤhrungsmitteln von Alos und paſſenden toniſchen, ſowie krampfſtillenden Mitteln mit Blei (2), Mineralſaͤuren ꝛc. Fuͤnf Tage lang ſtellte ſich kein neuer Blutſturz ein, obgleich fie während dieſer Zeit drei Anfälle von Katalepſie hatte, welche dem fruͤher beſchriebenen aͤhnlich waren, jedoch mit dem Unterſchiede, daß die Arme um ſo ſteifer und unbe— weglicher wurden. Auf jeden Anfall folgte heftiges Kopfweh, welches mehrere Stunden anhielt. Ihr Puls, welcher ftuͤ— 733. XXXIV. 7. 108 her um 15 Schläge in der Minute ſank, wenn fie von Kas talepſie ergriffen wurde, that nunmehr unter ſolchen Umſtaͤn⸗ den nur 6 — 8 Schlaͤge weniger. Waͤhrend der folgenden 10 Tage wurden dieſe Anfälle kuͤrzer und ſchwaͤcher, und es trat nur einmal eine Blutentleerung aus der Lunge ein. Waͤhrend der folgenden 10 Monate ſchienen die Blut ſtuͤrze an die Stelle der Menſtruation zu treten, indem dieſe ganz ausblieb und die erſtern regelmäßig nur zu den Men— ſtruationsperioden eintraten. Der allgemeine Geſundheitszu— ſtand der Patientin verbeſſerte ſich, je ſeltener die katalepti— ſchen Anfälle wiederkehrten und je kuͤrzer fie dauerten. Ge— gen das Ende des Jahres hin war fie im Stande, ein Stahl: bad zu beſuchen, und bald darauf erfuhr ich, daß die Men- ſtruation wieder eingetreten ſey, die Katalepſie, das Blut— ſpucken ꝛc. aber ganz ausgeblieben ſeyen. Dieſe Dame iſt gegenwaͤrtig die Mutter vieler Kinder, hat ſeit ihrer Verheirathung der beſten Geſundheit genoſſen und während dieſer Zeit nur ganz gelinde Anfälle von Blut— ſpucken gehabt. Sie verſicherte mir, jene Anfaͤlle von Kata— lepſie haͤtten ſie nicht ſehr angegriffen, es habe ihr immer nur geſchienen, als habe ſie geſchlafen; ſie habe das, was um ſie her vorging, nur ganz kurze Zeit, bevor ſie die Au— gen aufgeſchlagen, wahrgenommen und dann auch bedeutende Bruſtbeklemmung verſpuͤrt, die aber immer bald verſchwunden fen “). *) Nachſtehender Fall von Katalepſie, wo der Kranke die Faͤhig⸗ keit, Dasjenige, was um ihn her vorging, zu bemerken, nicht einbuͤßte, iſt bemerkenswerth und ward von Prof. Thomſon in der Lancet, Vol. I. 1836 — 1837, p. 803, mitgetheilt. Eine junge Dame, die bei der Fuͤrſtin v. — Geſellſchafts⸗ dame war, hatte lange an einer heftigen Nervenkrankheit ge— litten und war endlich, allem Anſcheine nach, verſchieden. Ihre Lippen waren vollkommen blaß, ihr Geſicht ſah aus, wie das eines Todten und ihr Koͤrper erkaltete. Sie wurde eingeſargt und der Tag ihres Begraͤbniſſes feſtgeſetzt. Als dieſer heran⸗ gekommen war, ertoͤnten vor dem Haufe die ublichen Leichenge⸗ ſaͤnge, aber als man eben den Deckel auf den Sarg nageln wollte, zeigte ſich auf ihrem Koͤrper eine Art Schweiß, der immer ſtaͤrker ausbrach, und zuletzt bewegten ſich die Haͤnde und Fuͤße der angeblichen Leiche convulſiviſch. Einige Minuten darauf, waͤhrend deren ſich noch andere Symptome der Ruͤck⸗ kehr zum Leben kund gegeben hatten, oͤffnete fie plöglich die Augen und ſtieß einen hoͤchſt durchdringenden Schrei aus. Es wurden Aerzte geholt, und nach wenigen Tagen hatte ſich ihr Zuſtand bedeutend gebeſſert. Sie lebt wayrſcheinlich noch jetzt und hat ihren Zuſtand während des Scheintodes folgendermaa- ßen beſchrieben: Es kam ihr wie im Traume vor, als ſey ſie wirklich geſtor⸗ ben; indeß war ſie ſich alles Deffen, was in dieſer fuͤrchterlichen Lage um ſie her vorging, vollkommen bewußt. Sie hoͤrte ihre Freunde am Sarge deutlich uͤber ihren Tod wehklagen. Sie fühlte, wie ihr die Todtenkleider angezogen wurden und ſie in den Sarg eingelegt ward. Sie ſtand dabei eine unbeſchreib⸗ liche Angſt aus. Sie verſuchte, zu ſchreien; allein ihre Seele hatte die Macht über den Koͤrper eingebuͤßt. Es kam ihr vor, als ſey ſie zugleich in ihrem Koͤrper und außerhalb deſſelben. Ebenſo unmoͤglich fand ſie es, den Arm auszuſtrecken oder die Augen zu öffnen und zu weinen, obgleich fie ſich heftig ans ſtrengte, um dieſe Handlungen zu vollziehen. Der Gedanke, daß ſie lebendig begraben werden ſollte, gab endlich ihrer Seele die zur Einwirkung auf den Koͤrper erforderliche Energie zuruͤck. 109 Folgende Schluͤſſe ſcheinen ſich aus den vorſtehenden Thatſachen und Beobachtungen ableiten zu laſſen: 1) Blutſtuͤrze, Lungenſchlag oder beide zugleich koͤnnen unabhängig von irgend einer organifchen Krankheit in den Lungen ſelbſt oder ſonſtwo vorkommen, und wenngleich die Faͤlle ſelten ſind, in denen vollſtaͤndige Geneſung eintritt, ſo ſind ſie doch haͤufig genug, um eine jeder beſondern Va— tietät angemeſſene rationelle Behandlung zuzulaſſen. 2) Die aſtheniſche Form des Lungenſchlages iſt ſelten von Blutſtuͤrzen begleitet, waͤhrend dieſes Symptom ein weit 5 Begleiter der ſtheniſchen Varietaͤt dieſer Krank— heit iſt. 8) Waͤhrend der ſtheniſche Lungenſchlag ſeinen Grund in dem Strotzen der ſtaͤrkern Stämme und Aeſte des Lun— genblutſyſtems zu haben ſcheint, ſind bei der aſtheniſchen Varietaͤt die Haargefaͤße diejenigen Gefäße, welche hauptſaͤch— lich betheiligt ſind. 4) Das Gefuͤhl der Hitze, das Ameiſenlaufen ꝛc., wel⸗ che bei'm ſtheniſchen Lungenſchlage gemeiniglich verſpuͤrt wer— den, fehlen bei'm aſteniſchen ebenſo regelmaͤßig. 5) Je ſtheniſcher dieſe Art der Apoplexie ſeyn kann, deſto weniger ſcheint ſie unter dem Einfluſſe des Nervenſy— ſtems zu ſtehen; und umgekehrt ſcheint die aſtheniſche Varie— taͤt dieſer Krankheit, vielleicht mit Ausnahme der niedrigſten Form derſelben, durch dieſe geheimnißvollen Kraͤfte am Staͤrk— ſten modificirt zu werden. 6) Die vom Aufenthalte an feuchten Arten oder von Miasmen, vom uͤbermaͤßigen Genuſſe geiſtiger Getraͤnke oder unordentlicher Lebensweiſe überhaupt u. ſ. w. herruͤhrende Schwaͤ⸗ chung der Lebenskraft zeigt ſich am Deutlichſten bei derjenigen Varietaͤt des Leidens, welche ich „einfache Congeſtion ges nannt habe und welche ſowohl die ſtarken Venenſtaͤmme als die Haargefaͤße zu betheiligen ſcheint “). 7) Die Natur derjenigen kataleptiſchen Lungenapoplexie, welche durch den Einfluß des Nervenſyſtems veranlaßt und wahrſcheinlich unterhalten wird, kennt man noch nicht genau. Die Macht der Gewohnheit (Praͤdispoſition?) iſt bei Krank— heiten dieſer Art ſo groß, und es droht bei ihnen dem Ge— hirne, Magen oder den Lungen“) durch Congeſtion in deren Gefaͤßen ſo bedeutende Gefahr, daß einem ſolchen Zuſtande, mag er nun Katalepſie, Schlafſucht **) oder mesmeriſche „) Hierher gehören wahrſcheinlich die Fälle derjenigen Form des Lungenſchlags, die zuerſt von Dr. Watſon in deſſen trefflichen Vorleſungen uͤber Haͤmorrhagieen beſchrieben worden iſt, naͤm— lich eine ſchnelle und ausgedehnte Ergießung von entweder fluͤſ— ſigem oder coagulirtem Blute in die Luftroͤhre, indem ſich zwi chen ihr und einem oder mehreren greoͤffneten Gefäßen eine Communication herſtellt. Hierdurch ſoll ebenſogut ein Lungen— ſchlag veranlaßt werden koͤnnen, als wenn die Ergießung in die bläschenförmige Structur der Lunge erfolgt iſt. *) Dieſe Organe find der Congeſtion in der Ordnung, in welcher ich ſie hier aufgefuͤhrt habe, unterworfen. „%) In einer ſehr intereſſanten Abhandlung bemerkt Dr. M. Hall, daß zwiſchen dem Winterſchlafe und dem gewöhnlichen Schlafe eine (große Aehnlichkeit beftebe, indem der erſtere nur ein aus ßerordentlich hoch potenzirter Grad des letztern ſey. In beiden Fällen iſt das Bedürfnig des Athemholens vermindert, was die Herren Allen und Pepys nachgewieſen haben. Bei einem hohen Grade von Starrſucht oder Katalepſie laͤßt ſich nicht 733. XXXIV. 7. 110 Starrſucht heißen, durchaus vorzubeugen, oder, wenn er ſchon vorhanden, ſo ſchnell, als moͤglich, abzuhelfen iſt. (The Dublin Journal of medical science, No. LXXIX, March, 1845.) Ueber die haͤufigſten Krankheiten des niederländi- ſchen Oſtindiens. (Aus einem Briefe des Pr. v. Engelbronner zu Batavia.) Im Spitale zu Batavia oder vielmehr zu Weltevrede befinden ſich gewöhnlich 250 bis 300 Kranke. Die am Haͤufigſten dacelbſt herrſchende Krankheit iſt das ſogenannte Bataviſche Fieber (Febris bilioso- nervosa). Es kommt namentlich an der ſumpfigen Kuͤſte und in der alten Stadt Batavia vor, welche jetzt von den Europaͤern verlaſſen iſt. Waͤhrend der Regenzeit des Jahres 1842 graſſirte das Fieber ſehr heftig an der Kuͤſte und auf der Inſel Onruft, welche man als den ungeſundeſten Ort Indiens anſieht. Dieſe Krankheit ſcheint ſich immer mehr und mehr auszubrei— ten, man hat fie feit einiger Zeit ſelbſt in Amboina beobach— tet, einer Inſel, welche ſonſt für geſund gegolten. Die Krankheit beginnt gewoͤhnlich mit einem heftigen Schmerze, Druck in der epigaſtriſchen Gegend und heftigem galligen Erbrechen, bauptſaͤchlich während der Remiſſion und dem Froſt⸗ ſtadium. Ueberdieß iſt die Krankheit auch mit Kopfweh verbunden. Zu dieſen Syſtemen geſellen ſich noch ſtarke Congeſtionen nach den Hypochondrien, in dem Maaße, daß die hierdurch entſtehenden Symptome einen ſo hohen Grad von Heftigkeit erlangen, wie ſie in Europa niemals beob⸗ achtet werden. Dieſes Fieber iſt remittirend. Gewoͤhn— lich iſt die zweite oder dritte Exacerbation toͤdtlich, wenn die Kranken ſich ſelbſt uͤberlaſſen bleiben, oder wenn die Krankheit in das nervos-putride Stadium uͤbergeht, in wel— chem letzten die Krankbeit faſt immer toͤdtlich wird. Wie: wohl die Symptome Verdacht auf einen entzündlichen Zu— ſtand erregen, ſo hat es doch den Anſchein, als wenn active immer leicht ermitteln, ob der Patient athmet oder nicht. In beiden Faͤllen ſinkt die Temperatur, und das Erwachen aus beiden Zuftänden hat große Aehnlichkeit, indem es, wie aus dem gewoͤhnlichen Schlafe, plotzlich eintritt. Dr. Hall wurde durch ein ſinnreiches Experiment in den Stand geſetzt, die Circulation in dem Fluͤgel einer Fledermaus waͤh⸗ rend des Winterſchlafes zu beobachten. Er fand, daß, obgleich das Thier nicht wahrnehmbar athmete, die Circulation doch ununterbrochen fortging; die Zahl der Pulsſchlaͤge betrug etwa 28 in der Minute. Alles Blut war vendͤs, und merkwürdiger—⸗ weiſe zieht ſich unter tiefen umſtaͤnden die linke Herzkammer und das ganze Arterienſyſtem unter dem Einfluſſe des Venen⸗ blutes zuſammen. Dieſe Erſcheinung iſt in phyſiologiſcher Be⸗ ziehung eine der merkwuͤrdigſten, die es überhaupt giebt. Sie bewei'ft, daß die Fortdauer des Lebens, wenigſtens im hohen Grade, von der Reſpiration unabhängig it, und iſt der Schluͤſ⸗ ſel zur richtigen Erklärung der Empfaͤnglichkeit mancher Thiere fuͤr den Winterſchlaf. Das in den vorſtehend angefuͤhrten Faͤllen von kataleptiſchem Lungenſchlage ausgeworfene Blut war offenbar venöſes. 111 oder paffive Congeſtionen vorhanden ſeyen; wenigſtens iſt eine allgemeine Blutentziehung ſelten von guͤnſtigem Erfolg und be— guͤnſtigt den Uebergang in's zweite Stadium. Durch den Aderlaß folgt gemeiniglich ein collapsus, fo daß der Kranke in der darauf folgenden Exacerbation ſtirbt. Hingegen iſt die Application einer großen Menge Blutegel auf die epi— gaſtriſche Gegend von guter Wirkung. Gegen das Er— brechen wendet man die Potio Riveri an oder ein anderes aͤhnliches Mittel. Waͤhrend der Remiſſion verordnet man das ſchwefelſaure Chinin in großen Doſen, und hiermit ver— bindet man, je nach der Indication, Rhabarber, Calomel oder Opium. Geht die Krankheit in's typhoͤſe Stadium uͤber, ſo verordnet Dr. v. Engelbronner mit Erfolg das Chlor— waſſer, nachdem, wo es noͤthig erſchien, Blutentziehungen vorausgeſchickt waren. Selbſt nach Beſeitigung des Fiebers war jene Verordnung ſehr zutraͤglich. Er ſchreibt dem in— nern Gebrauche des Chlors eine die Digeſtionsorgane kraͤf— tigende Wirkung zu; er beobachtete naͤmlich nach ſeiner Anwendung reichlichen Abgang galliger Stoffe, und die Zunge verlor hierbei ihren gelben Belag. Außer dem Bataviſchen Fieber herrſchen daſelbſt auch noch Diarrhoͤe und Dysenterie, welche Krankheiten namentlich auf Java vorkommen; wiewohl das Fieber ſeit einiger Zeit vor— herrſcht. Durch Dysenterie werden eine Menge Menſchen aufge— tieben. Selten iſt dieſe wirklich entzuͤndlicher Art, häufiger iſt fie bilioͤſer Natur mit nervoͤſen Erſcheinungen und Neigung zum putriden Character. Zuweilen iſt fie auch mit Rheu— matismus complicirt. Nach dieſen verſchiedenen Modifica— tionen muß die Behandlung geleitet werden. Die Krankheit kann ſehr acut oder chroniſch ſeyn; zuweilen find hierbei die Stuͤhle braun, uͤbelriechend und purulent und belaufen ſich auf 80 bis 100 in 24 Stunden. Die Veraͤnderungen, welche ſie in kurzer Zeit erleiden koͤnnen, ſind unglaublich: fo findet man in ihnen nicht ſelten Spuren von Darmſchleim— haut. Dieſe Haut loͤſ't ſich oft in Form bruͤchiger, grauer, purulenter, mit Streifen, Blutpuncten und Flecken ver: ſehener Stuͤcke ab. Hie und da findet man auch gangraͤnes— cirte Stuͤcke; bald iſt die Schleimhaut ein Zoll dick, bald außerordentlich verduͤnnt; ebenſo die Muskelhaut; und es 733. XXXIV. 7. 112 bleibt nur noch die ſeroͤſe Haut unverſehrt. Zuweilen fin: det ſich die Schleimhaut völlig abgeloͤſ't. Das lumen des Darmes betraͤgt zuweilen nicht mehr, als 1 Centimeter im Durchmeſſer, bald iſt es auf das Doppelte ſeines normalen Durchmeſſers vergrößert. Abgeſehen von der kraͤftigen Behandlungsweiſe und den ſtarken Doſen, die in Indien bei dieſer Krankheit noth— wendig werden, unterſcheidet ſich die Behandlung von der in Europa gegen Dysenterie gebraͤuchlichen nur wenig. Die purulente Ophthalmie, wiewohl weniger häufig, als die, welche fruͤher in der niederlaͤndiſchen Armee heerſchte, wird häufig in Java, ſelbſt bei den Eingebornen, angetrof⸗ fen. Herr v. Engelbronner bedient ſich zu deren Ber handlung des ſchwefelſauren Kupfers, da wegen der feuchten Atmoſphaͤre der lapis infernalis bruͤchig und zum Cauteri⸗ ſiren nicht geeignet erſcheint. (Journ. med. de la Neer- lande. Janv. 1844). Miscellen. Medical Missionary Society ofEdinburgh. Die mediciniſche Miſſionaͤrgeſellſchaft zu Edinburgh hat zum Zwecke, in Beziehung auf mediciniſche Miſſionen Kenntniſſe zu verbreiten, ähn⸗ liche Inſtitutionen zu unterſtützen und die Miſſionen in andern Erd: theilen mit ſoviel ärztlichen Agenten zu verſorgen, als die dispo⸗ nibeln Geldmittel zu bezahlen geſtatten. Durch Dr. Parker zu Canton und Dr. Aber cromby in Edinburgh iſt zuerſt eine Com⸗ mitte veranlaßt worden, aus welcher die Societät erwachſen iſt. Es find jetzt mit der mediciniſchen Miſſionsgeſellſchaft in China drei Aerzte verbunden, welche allen, die ſich an ſie wenden, ohne Anſehen des Standes, des Alters und Geſchlechtes, Rath und Hülfe ertheilen; zwei andere befinden ſich in Perſien. — Jetziger Präs ſident der Geſellſchaft iſt Dr. Beilby, und der Geiſtliche Dr. Chal⸗ mers und der Profeſſor der Medicin Dr. Aliſon find Vicepraͤ⸗ ſidenten. Die Koſten werden aufgebracht durch jaͤhrliche Beitraͤge der Mitglieder, 5 Schillings die Perſon. Zur Erhaltung von Leichen fuͤr Sectionen hat bereits im Jahre 1774 Joshua Brookes ein Verfahren erfunden, wel ches darin befteht, den Leichnam mit einer heißen ſaturirten Solu— tion von gepuͤlvertem Salpeter in Waſſer zu injiciren, bevor die Blutgefäße mit der Ceratmaſſe injicirt werden. In dem heißen Sommer 1822 wurde ein auf dieſe Weiſe behandelter Leichnam + Monate hindurch zu Sectionsuͤbungen benutzt. ...... ee Bibliographische Cuvier, Histoire de ses travaux. Par P. Flourens. edition, revue et corrigee. Paris 1845. 12. Traite complet de l’anatomie des animaux domestiques. Par Rigot. Quatrieme Livraison, quatrieme partie: Angeilogie, ou description des vaisseaux. Paris 1845. 8. Seconde Neuigkeiten Trait@ des maladies veneriennes. Toulon 1845. 8. Par le docteur Reynaud. Philosophie medicale. Examen des doctrines de Cabanis et de Gall. Par Fred. Dubois (d’Amiens). Paris 1845. 8. Vene Notizen aus dem Gebiete der Hatur - und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt don dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalratde und Profeſſor Froriep zu Berlin, Noe. 734. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 8. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 . 30 2%, April 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 9 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995 Nat u k Studien uͤber die Tauſendfuͤße. Von Herrn Paul Ger vais. (Hierzu Figur x. bis 19. der mit Nr. 727. d. Bl. ausgegebenen Tafel.) (Schluß.) V. Poly zoniden (Polyzonidae). Ich habe einer Gattung der Myriapoden, die unter jedem Ringe zwei Fufpaare trägt, die, wie die Julen, zahlreiche Fuͤße beſitzt, deren Geſchlechtsorgane ebenfalls am Vorder— theile des Koͤrpers ausmuͤnden, deren Kopf aber ſehr klein iſt, die einen Saugruͤſſel beſitzt, bei der die Augen nicht zu— ſammengehaͤuft, die Koͤrperringe abgeplattet und, wie bei lomeris, aus 5 Stuͤcken zuſammengeſetzt find, den Na» men Platyulus gegeben ). Dieſe Gattung, deren merk— wuͤrdige Kennzeichen erſt von Herrn Brandt, dann von mir ermittelt worden ſind, hatte bereits von ihm einen Na— men erhalten, der mir jedoch nicht bekannt ſeyn konnte, da Herr Brandt ſeine Beobachtungen erſt gleichzeitig mit dem Erſcheinen der meinigen bekannt gemacht hat. Ich kann ihm alſo nicht darin Recht geben, wenn er meint, ſeine Be— obachtungen ſeyen fuͤnf Jahre aͤlter, als meine *). Was den *) Bull. Soc, philom. 1836, p. 71. — Ann. Sc. nat. 1837. Atlas de Zoologie, pl. 55. Apteres de M. Walckenaer, p. 45. **) Auf folgende Citate ſtuͤtzt Herr Brandt feine Anſpruͤche auf Prioritaͤt. 1) Der Bericht, den er am 5. Sept. 1831 der Petersbur— burger Academie abgeſtattet hat (Bull. des Mem. de l’Acad. VI. Serie. Sc. math. et phys. T. II, p. XI). 2) Iſis, 1834, ©. 704. 3) Bullet. de l’Acad. de St. Petersb., 1837, 2. Dec. T. I, No. 23, p. 178. Indem ich den II. Bd., Jahrg. 1831 des Bulletin des Mem. etc. nachſchlage, finde ich auf der angezogenen Seite: „Herr Brandt lieſ't eine Abhandlung unter dem Titel: De nova insectorum multipedum seu Myriapodum familia, Glo- meridiorum nomine designanda,““ und fonft nichts über die Myriapoden. Das zweite Citat hat mehr Grund, allein man findet das ſelbſt keine genuͤgenden Details, ſelbſt um nur die Gattung zu erkennen. Die Stelle lautet wie folgt: Brandt glaubt au— ßer den Latreilleſchen Abtheilungen der Myriapoda, Chi- lopoda und Chilognatha noch eine aufſtellen zu koͤnnen, die er Colobognatha nennt. Der Typus dieſer Art iſt ein in Deutſchland heimifches, bisher unbekanntes Genus, Polyzo- nium germanicum, Brandt. Dieſe Ordnung Colobognatha, welche Herr Brandt ſpaͤ⸗ ter Siphonizantia etc. genannt hat, und die er als mit den Chilognathis und Chilopodis zuſammengenommen von gleichem No. 1834.—734 BE e. Namen anbetrifft, ſo hatte ich damit beabſichtigt, die Be— ziehungen der neuen Gattung zu den Julen auszudrucken; allein da die Thiere einer beſondern, wenngleich verwand— ten Familie angeboͤren, fo koͤnnte man allerdings dem Na- men Pentazonium den Vorzug einraͤumen, obwohl er ſich des Rechts der Priorität nicht erfreut, weil er erſt nach dem Erſcheinen meines Aufſatzes im J. 1836 bekannt gemacht worden iſt. Die Familie der Polpzoniden enthält, nach der Claſ— ſification des Herrn Brandt, nur drei Arten, mit denen er drei verſchiedene Gattungen bildet. In dieſelbe Gruppe ſtellt Herr Lucas ſeine Gattung Platydesmus. Herr Goudot und ich haben eine Art von Siphonophora be⸗ kannt gemacht *), und ich finde in meinen Notizen, daß Craspedosoma Savii, Costa **), ebenfalls eine den Platyulen naheſtehende Species iſt. 1) Poly z onium. Die Gattung Polyzonium, von welcher Herr Brandt im J. 1854 nur den Namen bekannt gemacht hat, und deren Character ich theilweiſe im J. 1836 zur Kenntniß des naturhiſtoriſchen Publicums brachte, indem ich ihr den Namen Platyulus beilegte, muß uns zuerſt beſchaͤftigen. Herr Brandt und Herr Wa ga haben dieſelbe ebenfalls ſorgfaͤltig ſtudirt, und dem Erſtern zufolge iſt Herrn Mot— ſchulski's Leiosoma auf daſſelbe Thier gegründet. Es Werthe betrachtet, iſt in der Zuſchrift dieſes gelehrten Na— turforſchers an die Petersburger Academie vom 6. Dec. 1836 folgendermaaßen characteriſirt worden: Mandibulae et maxillae, nec non labia, in proboscidem plus minusve evolutam coalita. Corpus valde elongatum, angustum, corporis media eingula, ut in Pentazoniis, e par- tibus quinque composita. a. Ormatophora — Oculi parvi simplices in fronte inter antennas conspicui. Genus Polyzonium, Brandt, Isis 1834, p. 704. Genus Siphonotus, Brandt. b. Typhlogena, — Oculi nulli. Gen. Siphonophora, Brandt. Herr Brandt theilt auch die kurzgefaßten Charactere die— ſer drei Genera, nicht aber ihrer Species mit, deren nur drei vorhanden ſind. Meine Abhandlung ift vom 17. Dec. 1836 und erſchien zu= erſt im Journal l'Institut. Ich konnte alfo von Hrn. Brandt's Arbeit damals noch keine Kenntniß haben. *) Siphonophora luteola, faͤlſchlich Siphonotus luteolus genannt. Ann. Soc. ent. 1844. **) Pocchi cenni intorno alla fauna del Gran saso d'Italia. 8 115 iſt eine ungemein merkwürdige Gattung, deren Studium einige Schwierigkeiten darbietet. Herr Brandt hat das Pentazonium in Deutſchland getroffen und es P. germanicum genannt. Herr Au: douin und ich haben es in der Gegend von Paris, zumal im Gehoͤlze von Meudon gefunden, allein es kommt daſelbſt eben nicht haͤufig vor. Er haͤlt ſich vorzugsweiſe an feuchten Orten, zwiſchen dem in Graͤben oder Waſſerriſſen an ziemlich ſtark geboͤſchten Orten angehaͤuften abgeſtorbenen Laube, auf. Seine Farbe iſt gelblich, unten an den Fuͤßen blaſſer, oben dagegen, und vorzuͤglich an dem Mittelqueerſtreifen jeder Articulation, dunkler. Die gewöhnliche Laͤnge iſt 0,015 Meter und die Breite in der Mitte des Koͤrpers 0,002. Der Körper iſt ein wenig abgeplattet und an den Sei— tenraͤndern, ſowie vorn und hinten, duͤnner. Seine Ringe ſind, mit Ausnahme der drei erſten, oben mit einer Queerlinie gezeichnet, der anfangs ſich faſt vorn, dann ziemlich in der Mitte befindet und die Scheidelinie der beiden, jede Articulation bildenden Ringe anzeigt. Man bemerkt an denſelben weder Streifen, wie bei den Julen, noch Granulationen, wie bei den Polydesmen. Sie ſind, wie bei Glomeris, glatt. Man zählt deren etwa 45—50. Da ſie vorn etwas ſchmaͤler ſind, als hinten, ſo erhalten durch die Aufeinanderfolge ihrer hintern Winkel die Koͤrper— raͤnder ein leicht gezaͤhneltes Anſehen. Die Bauchſeite iſt nicht, wie bei den Julen, concav, und wenngleich der Rand jedes Ringes kielartig aufgezogen iſt, ſo laͤßt ſich doch die Fortſetzung der untern aͤußern Platte in diejenige, aus der der obere Bogen beſteht, leicht verfolgen, und dieſelbe iſt weniger abgeſondert, als bei Glomeris. Die feitlihen Platten, naͤmlich die vordere und hintere jeder Articulation, ſind daſelbſt noch deutlicher getrennt, als auf dem Ruͤcken, und mitten an ihrer Zuſammenfuͤgung ſieht man den klei— nen weißen, mehr oder weniger kugelfoͤrmigen Secretionsbeu— tel, welcher die weiße milchichte Fluͤſſigkeit erzeugt, welche dieſe Thiere als ihre Vertheidigung ſpritzen. An den 5 bis 6 vorletzten Ringen ſind dieſe Beutel vorzuͤglich groß; ihre Geſtalt iſt queer⸗eifoͤrmig, und wenn man das Thier, zumal zur Begattungszeit, druͤckt, fo fließt eine zaͤhe mil: chichte Feuchtigkeit in faſt nudelfoͤrmigen Faͤden aus. Die untern ſeitlichen Platten ſetzen an der Anfuͤgungsſtelle der Fuͤße faſt ploͤtzlich ab, und dieſe Anfuͤgung findet an Platten ſtatt, welche zu der von Herrn Brandt Petalen genann— ten Art gehoͤren. Auch erklaͤrt dieſer Naturforſcher die Po— lyzoniden für fuͤnfguͤrtelige Myriapoden. Die Füße find, während das Thier geht, unter dem Körper verborgen, und daſſelbe rollt ſich, wenn man es beunruhigt, oder wenn es ruhen will, auf einer Ebene oder ſpiralfoͤrmig zuſammen. Sehr lebhaft iſt es nicht, allein ſeine Fuͤhler ſind beſtaͤndig in Bewegung. Ich habe ſchon geſagt, daß der Koͤrper hinten und vorn abgeſtutzt iſt. Der erſte Ring iſt ſchildfoͤrmig, queer⸗ oval, hinten mehr geradlinig als vorn: er verbirgt den kleinen geſenkten, die Geſtalt eines Wappenſchildchens dar— bietenden Kopf, welcher mit einem Saugruͤſſelchen beſetzt iſt. Der Kopf traͤgt die Augen und Fuͤhler an der obern Seite, die letztern nach Außen und die erſtern an der innern Baſis der Fühler. Dieſe bieten die den Diplopoden cha 734. XXXIV. 8. 116 racteriſtiſche Art der Zuſammenſetzung, d. h. ſieben Glieder, dar. Sie ſind ziemlich ſpindelförmig und faſt dreimal ſo lang, als der Kopf. Die Augen nehmen ſich wie zwei ſchwarze Flecken aus, ſo daß man glauben koͤnnte, es ſey nur ein einziges Paar vorhanden; indeß hat es mir geſchienen, als ſtaͤnden auf jeder Seite drei, was mit Herrn Waga's, ſowie Herrn Brandt's Angaben uͤbereinſtimmt. Die drei erſten Ringe tragen nur ein Paar, die uͤbrigen zwei Paar Fuͤße, die drei letzten ausgenommen, welche fußlos ſind. Bei dem Weibchen ſind alle Fuͤße einander aͤhnlich; allein bei dem Maͤnnchen ſieht man an der Baſis des dritten Paares ein gegliedertes Anhaͤngſel, das das zweite Paar dieſes Ringes zu ſeyn ſcheint griffelförmig und nach hinten gerichtet iſt; ferner hinter dem achten Fußpaare ein Paar Warzen, welche die Stelle des zweiten Fußpaares des fiebens ten Ringes einnehmen. An dem ſechsten und achten Rin— ge ſind dagegen die beiden Fußpaare vollſtaͤndig. Daher haben, trotz geringer Verſchiedenheiten in der Anordnung, die Geſchlechtstheile bei Polyzonium dieſelbe Lage, wie bei Julus, d. h. am Vordertheile des Koͤrpers. Auch wird die Begattung bei beiden in gleicher Weiſe vollzogen. Ich habe von dieſen Thieren nicht genug Exemplare erhal⸗ ten koͤnnen, um deren innere Organiſation, z. B. deren Ner⸗ venſyſtem, genau ſtudiren zu koͤnnen. Herr Waga hat gefun⸗ den, daß ſie ſich in derſelben Weiſe entwickeln, wie die Julen. Dieſe Einzelnheiten uͤberheben uns, unter Beruͤckſichtigung alles fruͤher Geſagten, der Muͤhe, die von Herrn Brandt aufgeſtellte Anſicht, daß Polyzonium und die ihm verwand⸗ ten Gattungen eine den Chilognathen und Chilopoden zu: ſammengenommen gleich wichtige Gruppe bilden, weiter zu beleuchten. Dieſe Meinung iſt irrig und beruht auf dem uͤbertrieben hohen Werthe, den viele Naturforſcher den Kauwerkzeugen beilegen, ſowie Cuvier und Latreille die Bedeutung der Reſpirationsorgane zu hoch anſchlu⸗ gen, indem ſie den Myriapoden ihre Stelle unter den achten Inſecten anwieſen. Gegenwaͤrtig giebt man allge— mein zu, daß die aͤußere Geſtalt, mit Bezugnahme auf die Vertheilung der Nerven, die Locomotion und die Sinnes— organe der ſicherſte Leitfaden bei'm Ordnen der Hauptgrup— pen der Thiere ſey, und daß dieſelben Organe in ihren wer niger wichtigen Modificationen bei der Claſſification der Ars ten jeder Gruppe die beſten Dienſte leiſten. Drittes Capitel. Von den Chiliopoden Chiliopoden, d. h. Tauſendfuͤße; und wir aͤndern in dieſer Weiſe den Namen derjenigen Gruppe der Myria⸗ poden ab, welche die Scutigeren, Scolopendren und Geo— philen umfaßt, und welche Latreille Chilopoden ges nannt hatte. Man wird in einem Abſchnitte dieſes Capitels angegeben finden, daß der Mund dieſer Thiere aͤhnliche Ab- aͤnderungen erleidet, wie der der Diplopoden, und daß die Kauwerkzeuge hier, fo wenig, wie bei dieſen, zur Characteri⸗ ſirung der Gruppe dienen koͤnnen. Aus dieſem Grunde vers werfen wir den Namen Syngnathi, deſſen man ſich eben⸗ falls bedient hat. Die Einfachheit der Koͤrperringe, die einander gleich oder alternirend find, die aber ſtets ein Ganglion und hoͤch⸗ l 117 ſtens ein Fußpaar befigen; die Einfügung der Füße und die Stellung der Tracheen zu beiden Seiten, in Folge der ſtarken Entwickelung des untern Bogens; die veränderliche Vervielfaͤltigung der Fuͤhlerglieder, deren 14 und mehr vor— handen ſind; die Ausmuͤndung der Geſchlechtsorgane am Hintertheile des Koͤrpers in dem Analſegmente: dieß ſind die Hauptcharactere der Chiliopoden. Wir theilen dieſe Gruppe in drei Familien, denen die immer vollſtaͤndiger werdende Aehnlichkeit der Ringe, deren Zahl ſich im geraden Verhaͤltniſſe zu dieſer Homocricitaͤt ver— mehrt; ferner die Verminderung der Zahl der Fuͤhler- und Tarſenglieder; endlich die Vereinfachung des Geſichtsſinnes, welcher bei manchen Gattungen ſogar gaͤnzlich verſchwindet, zu Grunde liegen. Dieſe Charactere ſtehen mit der Vereinfachung des Nervenſyſtems im Einklange, welches bei den Seutigeren offenbar einem hoͤhern Typus angehoͤrt, als bei den Litho— bien, den Scolopondren und beſonders den Geophilen. I. Scutigeriden (Scutigeridae). Aus den fchönen Abbildungen, die Savigny mitge— theilt, konnte man erſehen, daß die Augen dieſer Thiere zu— ſammengehaͤuft und denen der decapodiſchen Kruſtenthiere aͤhnlich ſind; daß ihre Fuͤhler aus ſehr zahlreichen Gliedern dreierlei Art beſtehen, und daß endlich die Tarſen derſelben ebenfalls viele Glieder beſitzen. Herr Brandt hat ſich des letz— tern Kennzeichens bedient, um die Scutigeriden zu benennen und ihnen den Namen Schizotarsia beigelegt, während die Scolopendren nnd Geopbilen, deren Tarſen nur ein Glied darbieten, ihm zufolge Horizopoda heißen. Einzige Gattung: Scutigera. Man kennt Arten derſelben in allen Welttheilen, und mehrere derſelben find erſt neuerdings durch Herrn New: port ') und Herrn Templeton **) zur Kenntniß des Publicums gelangt. II. Scolopendriden (Scolopendridae) Dieſe entſprechen nur einem Theile der Scolopendroiden in der Bedeutung des Worts, wie wir ſie in unſerer erſten Denkſchrift aufgeſtellt haben, naͤmlich denjenigen, die, wie die Lithobien, Scolopendren und Cryptopen, fuͤr jede Spe— cies, ja haufig für jede Untergattung, eine ſich gleichblei— bende Zahl von Koͤrperringen; ſtets mehr als 14 gliedrige (1740) Fuͤhler beſitzen; bei denen der naͤchſt dem Kopfe folgende Ring ein in Mapillarzangen abgeaͤndertes Fußpaar tragt und alle folgenden Articulationen, von der erſten, wel⸗ cher der obere Bogen fehlt, bis zur letzten, deren Fuͤße laͤnger und mit Klauen beſetzt ſind, Fuͤße tragen; bei denen endlich die Tracheen in geringerer Anzahl vorhanden ſind, als die Fuͤße. Die abnehmende Zahl der Fuͤhlerglieder, auf der an— dern Seite die zunehmende Menge der Koͤrperringe, die ſich immer deutlicher auspraͤgende Aehnlichkeit dieſer Ringe unters einander; die anfangs ſehr zahlreichen, dann bis auf 4 be— ſchraͤnkten, endlich ganz wegfallenden Augen, dieß ſind die Charactere, mittelſt deren ſich die kurze Reihe dieſer Thiere in abſteigender Richtung ſehr bequem ordnen laͤßt. *) Ann. aud Mag. nat Hist. XIII, 95. **) Transact. Entom. Soc. London, T. III. 734. XXXIV. 8. 118 1) Lithobius. Zu den von mir angefuͤhrten 5 Arten von Lithobius hat Herr Newport noch 4 hinzugefuͤgt, von denen eine aus Neuſeeland *) ſtammt; in Mexico *) hat man ebenfalls eine gefunden, und in Europa giebt es deren, wie auch ſchon Le ach bemerkt, wahrſcheinlich mehrere. Die Typen dieſer europaͤiſchen Arten, welche ich im Britiſchen Muſeum geſehen habe, ſchienen mir, wie auch Herrn Newport, dieſer Anſicht guͤnſtig, die ſich jedoch nur durch die Unter— ſuchung einer großen Anzahl friſcher Exemplare beider Ge— ſchlechter genuͤgend feſtſtellen laͤßt. Ich muß mich daruͤber wundern, daß die Naturforſcher, welche mittelſt der aͤchten Thyſanuren einen Uebergang von den Hexapoden zu den Myriapoden zu bilden gedachten, ſich zu dieſem Zwecke nicht auch der im Waſſer lebenden Lar— ven der Ephemeriden, ſowie der der Gyrinen, bedient haben. Dieſe Geſchoͤpfe find durch eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit des allgemeinen Anſehens miteinander verwandt; allein bei ge— nauerer Unterſuchung findet man, daß dieſe Aehnlichkeit ledig— lich auf dem Aeußern und nicht auf den aͤchten morpholo— giſchen Kennzeichen beruht. 2) Seolopendra. Die Herren Brandt und Newpor thaben denjenigen Arten, welche ich in meinem Prodromus aufgezaͤhlt und zum Theil ſelbſt entdeckt hatte, eine große Anzahl hinzugefuͤgt, und ich moͤchte faſt glauben, daß fie deren zu viele angeführt haben. Eine der merkwuͤrdigſten darunter iſt diejenige, mit welcher Herr Brandt feine Untergattung Scolopendro- Dosis bildet ***) und die er Scolopendra bahiensis nennt. Sie hat, ſtatt 21, dreiundzwanzig Fußpaare. Degeer redet, wie ich bereits erwähnt, von einer Affel mit 23 Fußpaaren +), und Linn é gedenkt einer, die ſogar 36 Paare habe. Noch merkwuͤrdiger iſt, daß Savigny eine Species abbildet, die deren nur 18 hat. Herr Wal— ckenaer hat dieſelbe auf einer der Tafeln feines noch nicht erſchienenen Werkes uͤber die Apteren nur als zweifelhaft mitgetheilt. Sind dieſe Ausnahmen ebenſoviele aͤchte Untergat— tungen? Man koͤnnte dieß annehmen, aber ebenſowohl die Moͤglichkeit in Anſchlag bringen, daß noch unentdeckte Species den Uebergang von den Aſſeln mit zu wenigen und zu vielen Füßen zu den mit der normalen Fußzahl bilden. 3) Cryptops. Die Cryptopen unterſcheiden ſich von den gemeinen Aſſeln, d. h. denen mit 21 Fußpaaren, nur durch ihre ge— ringere Groͤße, die ſchnurfoͤrmige Anordnung der Fuͤhler— glieder und die Abweſenheit der Augen. III. Geophiliden (Geophilidae). Die Gattung Geophilus, Leach, welche ſchon in der Claſſification dieſes Naturforſchers als eine beſondere Sippe der Chiliopoden abgeſondert wurde, verdient in der That dieſe Auszeichnung, weniger jedoch wegen ihrer zahl— reichen Füße, als wegen anderer Eigenthuͤmlichkeiten, naͤm— *) Ann. and mag. of nat. hist. XIII. 95. *) Revue Cuverienne de Mr. Gucrin. *) Recueil, p. 77. +) Memoires, VII, 568, pl. 43 fig. 36. 8 * 119 lich der Gleichfoͤmigkeit der Ringe und Füße, des Vor— handenſeyns eines obern Bogens am erſten fußfuͤhrenden Ringe, der den Fuͤßen an Zahl gleichen Tracheen, der Ver— wandlung der beiden hinterſten Fuͤße in fuͤhlerfoͤrmige An— haͤngſel und der Anweſenheit von Secretionsbeuteln an der untern Flaͤche ſaͤmmtlicher Ringe. Ich hatte geglaubt, die fuͤhlerfoͤrmigen Anhaͤngſel ſeyen durchgehends nicht mit Klauen verſehen; allein Herr Brandt hat die Bemerkung gemacht, daß bei manchen Arten Klauen vorhanden ſind, und bei andern keine. Jedoch hat er, mei— ner Anſicht nach, darin Unrecht, wenn er glaubt, daß die Geophilen, aus denen er ſeine Abtheilung der Polypoden bildet, diejenigen unter den Chiliopoden ſeyen, welche den Julen am naͤchſten ſtehen. 1) Geophilus. Herr Newport hat mehrere Gattungen der Geophis len aufgeſtellt, welche er: Mecistocephalus Necrophleo- phagus, Geophilus und Gonibregmatus nennt “). Die erſte Gattung entſpricht den Geophilen, die ich Geophili maxillares nenne; die zweite denjenigen, die Leach und ich Geophili longicornes ganannt haben; die dritte meinen Geophili monilicornes, und die vierte ift auf eine neue Species von den Phi— lippinen (Gonibregmatus Cumingii) gegruͤndet, welche Herr Newport mit G. Walckenarii **) für ſehr nahe verwandt haͤlt, waͤhrend ich dieſes letztere Thier zu den Geophili monilicornes rechne. Die Reihe dieſer Thiere bleibt alſo, abgeſehen von der Vermehrung der Arten um einige und von etlichen neuen Namen, ganz ſo, wie ich ſie fruͤher geordnet habe, und auch hier Elärt uns unſer leitender Grundſatz Über die wahren Verwandtſchaften der Arten auf. Es wuͤrde wichtig ſeyn, bei den erwachſenen Exemplaren jeder Species die Grenzen der Verſchiedenheiten in der Zahl der Fuͤße feſtzuſtellen; ich habe alle Urſache, zu glauben, daß dieſelben, ſelbſt bei den Arten, welche die groͤßte Zahl von Fuͤßen erlangen koͤnnen, ziemlich eng ſind. Ein Kennzeichen mehrerer Geophilen iſt, daß die Ringe mit einem Queereindrucke gezeichnet ſind, welcher von einer gewiſſen Anordnung der Muskeln herruͤhrt, aber leicht zu der Anſicht veranlaſſen koͤnnte, als ſey jede Articulation aus urſpruͤnglich zweien zuſammengeſetzt, von denen die eine, von hinten nach vorn gemeſſen, ſchmaͤler ſey, als die andere. In einer, im Jahre 1835 herausgegebenen, Abhandlung uͤber die Geophilen ***) hatte ich über dieſe Eigenthuͤmlichkeiten Folgendes geſagt: Saͤmmtliche Koͤrperringe ſind mit einem Fußpaare ausgeſtattet; ſie ſind unten einfach und oben gleich— ſam doppelt, ihre Geſtalt bietet einige Abweichungen dar, und die Eindruͤcke, welche ſich auf ihrer Oberflaͤche darſtellen, koͤnnen einige brauchbare ſpecifiſche Kennzeichen liefern. Die immer kurzen Beine haben, je nach den Species, eine verſchie— dene Zahl und ſcheinen auch, je nach dem Alter, einige ge— ringe Unterſchiede darzubieten; im erwachſenen Zuſtande iſt *) Proceedings Zool. Soc. London, 1842. *) Eine Abbildung deſſelben habe ich in dem Atlas de Zoologie, pl. 56, fig. 3 mitgetheilt. ) Magasin zool. de Mr. Guerin. CL. IX, No. 133. 734. XXXIV. 8. 120 jedoch bei Exemplaren derſelben Species ſtets dieſelbe Zahl vorhanden; die Abweichungen betragen bei den 163 Paaren des Geophilus Walckenarii nicht über 2 — 3 Paare. Es iſt merkwuͤrdig, daß die Chiliopoden, welche gerade die meiſten Korperringe und Füße unter den Myriapoden beſitzen, gerade zu den Geophiliden oder denjenigen Myriapoden ges hoͤren, welche die unterſte Stelle in der Reihe dieſer Thiere einnehmen; allein der niedrige Rang dieſer Gruppe wird, wie geſagt, weniger durch die Zahl, als die Gleichartigkeit dieſer Theile, ſowie einige andere Charactere, bedingt. Den Beweis hiervon finden wir ferner in der kleinen Gattung, welche wir Scolopendrella genannt haben, und die ſowohl wenige Ringe als Füße beſitzt, während dagegen deren Fuͤh⸗ ler mit mehr Gliedern ausgeſtattet ſind, als die der uͤbrigen Geophiliden. Denn die Seolopendrellae ſcheinen in der Reihe der Arten dieſer Gruppe die hoͤchſte Stelle einzus nehmen. 2) Scolopendrella. Ich habe mehrmals in einem Pariſer Garten, ſowie in den Waͤldern von Clamart und Meudon unfern Paris, einen kleinen, 3 — 4 Millim. langen Myriapoden gefunden. Er lebt im Schatten der cultivirten Pflanzen, unter dem Sande der Baumgaͤnge, an Stellen, wo der Boden etwas feucht iſt, oder auch unter dem abgeſtorbenen Laube, das den Wald⸗ boden bedeckt, meiſt in Geſellſchaft der Campoden und Nico⸗ letien, zweier Gattungen von thyſanuriſchen Hexapoden, de⸗ ren Beſchreibung ich in Hrn. Waldenaer’$ Histoire na- turelle des Apteres, III, 455, mitgetheilt habe. Dies ſes Thierchen hielt ich, als ich es zum erſten Male fand, für einen jungen Geophilus, und es gelang mie damals nicht, etwas Beſtimmtes uͤber daſſelbe zu ermitteln, daher ich davon in den Annales de la Société entomologi- que als von einer noch unbeſtimmbaren Geophilen-Art ge redet habe. Bei ferneren Unterſuchungen fand ich jedoch, daß dieſes Thierchen 14 Glieder, ja im erwachſenen Zuſtande bis 20 Glieder an den Fuͤhlern erlangen kann; daß man an der Baſis der Fuͤhler, hinter der Einfuͤgung des erſten Gliedes oder Gelenkes, ein kleines Nebenauge erkennt, daß der Mund zum Saugen eingerichtet iſt und keine Zaͤngelchen beſitzt, die bei den anderen Chiliopoden ) Huͤlfskiefer bilden; daß der Koͤrper, ausſchließlich des Kopfes, aus 16 Ringen beſteht, daß er 12 Fußpaare trägt **), daß der 15. Ring zu beiden Seiten mit einer kleinen Tuberkel beſetzt iſt, auf der ſich buͤr— ſtenfoͤrmig geſtellte Haare erheben, und daß der 16. kleine fühlerförmige Anhaͤngſel trägt, nach welchen Characteren dies ſes Thierchen allerdings zu den Geophiliden, aber nicht, wie Leach will, zu der Gattung Geophilus gebört. Obwohl die Scolopendrellen der Waͤlder groͤßer ſind, als die der Gaͤrten, ſo habe ich doch ſonſt keine Eigenthuͤm— lichkeiten an ihnen wahrnehmen koͤnnen, und ich habe daher „) Der Name Chiliopoden buͤßt hier feine Allgemeinheit ein, wie es dem der Chilognathen eraing, als Herr Brandt feine Bes obachtungen uͤber die ſaugenden Diplopoden bekannt machte. „) Die Füße find an folgende Ringe angeſetzt: 1, 2, 3, 4 6, 8, 10, 11, 13, 14, der 5te und gte entbehren derſelben. (In obiger Reihe fehlen uͤbrigens auch die Zahlen 7 und 12.) D. Ueberſ. 121 der einzigen mir bis jetzt bekannten Art dieſer Gattung den Namen Scolopendrella notacantha beigelegt “). Ihre Fühler find zweimal fo lang als der Kopf, ro: ſenkranzfoͤrmig, die Glieder derſelben nach der Baſis zu mehr cylindriſch und dichter aneinander, als in der zweiten Haͤlfte, wo ſie mehr ſphaͤriſch geſtaltet ſind; das letzte knopffoͤrmig abgeſtutzt. Dieſe Fuͤhler ſind, vornehmlich in der Mitte der ſphaͤriſchen Glieder, wo die Haͤrchen kranzfoͤrmig geſtellt ſind, behaart. Die Eindruͤcke oben auf der vorderen Platte der Ringe ſind deutlicher als bei den Geophilen und neh— men ſich faſt ſo aus, als ob der Ring mit zwei dornigen Zaͤhnchen beſetzt waͤre. Anmerkung. Berichtigung einiger in dieſem Aufſatze in den N. N. 728 und 729 ſtehengebliebenen Druckfehler. S. 19. 3. 26 ſt. Thorax⸗ und Abdominalringe, lies: Bruſt und Bauch. S. 23. 3. 16. ft. vervielfältigen, lies: vervielfältigten, ebene daſelbſt ſtatt erſt, lies noch 3. 17 ftatt noch, lies ſelbſt. S. 24. 3. 31. ft. ihrer Haube, lies: ihres Kopfſchildes. S. 25. 3. 6 ft. Lamisea, lies: Lamis ca. In Nr. 729. S. 33 3. 11. v. u. ft. 001 Meter, leſe man: Er iſt 0,010 lang. S. 34 3.6. ft. Stirnſtuͤckchen (Chaperon), leſe man: Kopfſchild. 3. II. ſt. kugelfoͤrmig, leſeman: unregelmäßig, kugelfoͤrmig. Ebendaſelbſt 3. 21. u. 22. ft. nach der Queere ziemlich oval, leſe man: queer eiförmig. 3.22. ft. nicht feſtgewachſen, leſe man: nicht verbunden. ne erſte Zeile v. unten ft. es gab deren, lefe man, es waren deren. S. 35. 3. 6. ft. der Verfaſſer, lefe man: der Autoren: ©. 36 3. 33. u. 34. fallen die Worte „oder der den After umge- bende Ring“ und „auf der Medionlinie“ weg. S. 37. 3.5 ft. „Haube,“ leſe man: Schild. — 3.41. ft. „beſchrie⸗ bene,“ leſe man: angegebene. 3. 42. ſt. „unterbrochenen,“ l. man: nicht zuſammenhangenden. ©. 33. 3. 30. l. m.: Craspedosom.tae, 3. 9. v. u., l. m.: Calli- us. S. 39. Z. 6. muß heißen: Wie bei einigen Trizonien ſind alle fuß⸗ tragende. S. 39. 3. 19. l. m.: wegen ihrer fußtragenden Platten. S. 39 3.27. ft. führende, l. m.: tragende. 3.33 fir „Runze!l,“ l. m.: Furche. S. 40. 3. 31. fi. „in der That ſehe,“ l. m.: vollkommen. ©. 40. 3. 40. ſt. zuſammenfallend,“ l. m.: vollkommen. S. 42. Z. 8. ft. „kranzförmige,“ ſetze man: punctaugenförmig. Erklarung der Figuren. Fig. 1. Das vergroͤßerte Ei der Glomeris marginata. Das kleine Erdkuͤgelchen, von welchem es umhuͤllt war, iſt theilweiſe ge— Öffnet worden, um das Ei ſichtbar zu machen. Fig. 2. Fuß eines Thierchens derſelben Art, welches vor dem Auskriechen aus dem Eie genommen worden. Fig. 3. Hinterfuͤße und Begattungsanhaͤngſel der Glomeris marmorata oder Gl. marginata S. Fig. 4. Kopf: und Schildglied des Glomeridesmus porcellus, viermal vergrößert, Fig. 5. Ein Ring von demſelben Thiere, von der Mitte des Körpers, um zu zeigen, daß er ebenſo gebildet iſt, wie bei Glomeris. *) Comptes rendus des séances de l’Ac. d. Sc. 1839 — Re- vue Cuverienne de Mr. Guerin. II. 279. — Atlas de Zoo- logie, p. 16., pl. 56, fig. 3. 734. XXXIV. 8, 122 Fig. 6. Hintere Ringe deſſelben Thieres. Fig. 7. Kopf und Schildglied des Oniscodesmus oniscinus, vierfach vergrößert. Fig. 8 Einer der Ringe dieſes Thieres von dem mittleren Theile des Koͤrpers. Fig. 9. Ringe von dem Hintertheile des Koͤrpers, von oben geſehen. Fig. 10. Ringe von dem Hintertheile des Körpers des Poly- desmus velutinus, im Profile geſehen. Fig. 11. Kopf und erſte Ringe des Stemmulus bioculatus in ſechsfacher Vergroͤßerung. 0 Fig. 12. Kepf und Vordertheil des Polyzonium germanicum (Platyulus audouinianus) ; daruͤber und abgeſondert feine drei Aus genpaare. Fig. 13. Kopf und Schildglied des Siphonophorus luteolus, von oben geſehen. Fig. 14. Kopf deſſelben, Oberlippe und Mandibeln voneinan— der entfernt dargeſtellt. Fig. 15. Scolopentrella notacantha, etwa fuͤnffach vergroͤßert. Fig. 16. Das vordere Ende deſſelben Thieres ſehr vergroͤßert, um die Fühler die Nebenaugen und die beiden erſten Fußpaare deutlich erkennbar zu machen. Fig. 17. Das hintere Ende deſſelben ſehr vergroͤßert. Fig. 18. Geophilus Walckenaerii. Eines feiner ſecernirenden Orgare am Bauche. Fig. 19. Hintere endftändige Organe deſſelben. a) Snteftinalröhre in ihrem erweiterten Theile oder chylusbereitender Ventrikel (Leon Dufour Anato- mie de la Scutifere.) 5 u. c) Lebergefaͤße (id.). d) Duͤnndarm. e) Deſſen Ende. 7) Talgdruͤſen des Eierleiters oder oviductus (Leon Dufour). 2 Einziger Eierſtock. turelles, Juillet et Aoüt. 1844.) Miscellen: Ueber die verwilderten Hunde auf der Inſel Juan de Nova (auf dem Wege von den Seſchellen nach Isle de France) giebt G. Clarke, Eſg., in einem Briefe von Port Louis auf Isle de France folgende Nachrichten: Auf dieſer hufeifenfor= migen, etwa 21 engl. Meilen langen Koralleninſel find zu verfchies denen Zeiten Hunde verſchiedener Ragen zuruͤckgelaſſen worden, und da fie dort an den Schildkroͤteneiern, jungen Schildkroͤten und See⸗ voͤgeln ihre gute Nahrung hatten, fo haben fie ſich fo gewaltig ver—⸗ mehrt, daß deren jetzt mehrere Tauſende vorhanden ſind. Sie ſau⸗ fen das ſalzige Serwaſſer, wie ich mit eigenen Augen geſehen, und baben das Bellen durchaus verlernt. Mehrere eingefan— gene Exemplare hatten ihr ſcheues Weſen nach vielen Monaten noch nicht abgelegt, zeigten keine Neigung zu den zahmen Hunden und erhielten auch ihre Stimme nicht wieder. Auf der Inſel rotten ſich die Hunde zu großen Meuten zuſammen, und fie wiſſen die Seevoͤgel ſo geſchickt zu fangen, wie Fuͤchſe. Bei den meiſten haͤngt der Schwanz herab; manche tragen ihn aber auch nach Oben aufgerollt. Sie ſcheinen ein Gemiſch vom Huͤhnerbunde, hochbeinigen Dachs (Pin— ſcher), Neufundländer und Schweißhund, und man trifft fie von allen Fatben, außer Weiß und Schaͤckig. (Annals and Mag. nat. Hist. No. XCVI, Febr. 1845.) Fur eine wiſſenſchaftliche Reife des Profeſſors Agaſſiz nach den Vereinigten Staaten Nordameri⸗ ca's hat S. M. der Koͤnig von Preußen waͤhrend zwei Jahren eine jährliche Summe von 8,000 Neuenburger Livres bewilligt. (Annales des Sciences na- BA . m an eu on ac ir n Da Beobachtungen uͤber Exoſtoſen an der Wirbelſaͤule. Von Dr. Francis Battersby. Exoſtoſen oder Knochenauswuͤchſe an den Koͤrpern der Wirbel — unabhaͤngig von einer Desorganiſation derſelben — kommen keinesweges ſelten vor, und viele pathologiſche Samm— lungen enthalten zahlreiche Beiſpiele ihrer verſchiedenen Sta⸗ dien, beſonders des Ausgangs derſelben, die vollſtaͤndige An⸗ kyloſe der afficirten Knochen. Dieſe Ankyloſe kann mehr, oder weniger ausgebreitet ſeyn, nur zwei nebeneinanderliegende 125 Wirbel, oder auch den größeren Theil, feltener die ganze Wirs belſaͤule betreffen; und die neugebildete Knochenmaſſe varürt von der Form einer duͤnnen Platte bis zu der eines rauhen Vorſprungs, der die Stelle des darunterliegenden Zwiſchen— knorpels einnimmt, oder ihn vielmehr bedeckt. Die verſchie— denen Varietaͤten dieſer krankhaften Vereinigung der Wirbel, modificirt durch den beſonderen Theil der Wirbelſaͤule, wel— cher auf dieſe Weiſe afficirt wird, find von den Schriktſtel— lern uͤber dieſen Gegenſtand bis jetzt nicht angegeben wor— den. Wenzel iſt der Einzige, der ſie einzeln durchnimmt, und ſeine Beſchreibung iſt ſo ſehr naturgetreu, daß ich die— ſelbe hier mitzutheilen mir erlaube. Er ſagt (Krankheiten des Ruͤckgrates. Bamberg 1824. Fol. S. 129 seqq.): Bei der Ankyloſe der Halswirbel erſcheinen die Wirbelkörper als eine einfoͤrmige Maſſe, ohne daß eine bemerkbare Knochen— lamelle ſich gebildet hatte. Bei der Ankyloſe der Ruͤckenwir— bel findet man gewoͤhnlich eine eigenthuͤmlich gebildete Kno— chenplatte, weniger haͤufig nur eine Knochenleiſte, welche an der aͤußeren Flaͤche der Wirbel ausgebreitet liegt, jedoch vie— len Varietäten unterworfen iſt. Am Haͤufigſten findet man die Wirbel auf der rechten Seite feſt miteinander verbunden, während fie auf der linken ganz frei find. Wenn die verbin— dende Platte auf der linken Seite vorhanden iſt, ſo findet ſie ſich auch zu gleicher Zeit an der rechten, und zwar weit ſtaͤr— ker und dicker. Unter vielen Praͤparaten beſitze ich nur drei, bei welchen die neugebildete Knochenplatte auf beiden Seiten vorhanden iſt; die Urſache dieſes Unterſchiedes ſcheint mir in der Lage der aorta zu liegen. Die Lendenwirbel ſind auf verſchiedene und ſehr ausge— ſprochene Weiſe ankyloſirt. Wir finden ſie gewoͤhnlich 2 und 2 vereinigt, und zwar weder am ganzen Umfange ihres Koͤr⸗ pers, noch auch durch eine einzelne Knochenleiſte, welche laͤngs der einen oder der anderen Seite verlaͤuft. Sie ſind ge— woͤhnlich verbunden durch einen deutlichen runden Knochen— wulſt, welcher in der Geſtalt eines dicken, umſchriebenen Knopfes an beiden Seiten der Wirbelkoͤrper liegt, die in der Mitte frei und voneinander getrennt ſind. Was die Fortſaͤtze betrifft, fo find am Haͤufigſten die processus obliqui ankyloſirt, und oft findet ſich nur dieſe Ankyloſe, wenn dieſelbe an den Stachelfortſaͤtzen vorkommt, ſo hat ſie das Ausſehen, als ob die Knochenmaſſe von einem ſpitzen Fortſatze zum anderen heruntergetropft waͤre. Die Bogen der Wirbel ſind ſelten durch Knochen verbunden; die der Halswirbel ſind am Haͤufigſten afficirt, und ſie ſcheinen dann zuſammengeſchmolzen. In Faͤllen von ſehr ausgedehnter Ankyloſe, und da, wo die Knochenmaſſe ſehr groß iſt, finden wir die Oeffnungen fuͤr die Nerven und die Arterien, ſowie die Gelenkverbindungen der Rippen, frei. Was die Ankyloſe der Wirbel in Folge einer Verknoͤ— cherung der Zwiſchenwirbelknopel betrifft, ſo kommt dieſelbe ſelten vor. Iſt dieſes der Fall, ſo finden wir keine neue Knochenmaſſe an der Oberflaͤche der ankyloſirten Wirbel. Obwohl nun dieſe Beſchaffenheit der Wirbel ſo haͤufig vorkommt, ſo bringt ſie doch Wenzel, gleich vielen Schrift— 734. XXXIV. 8. 124 ſtellern uͤber dieſen Gegenſtand, nicht mit deutlich waͤhrend des Lebens bemerkbaren Symptomen zuſammen. Shaw (über die Verkruͤmmungen der Wirbelſaͤule und der Bruſt, S. 108) ſagt: Ankyloſe und Exoſtoſe der Wirbel ſind oft mit einer allgemeinen Vorwaͤrtsneigung der ganzen Wir⸗ belſaͤule verbunden, und aus zahlreichen Beiſpielen von an⸗ kyloſirten Wirbelſaͤulen ohne ſolche Kruͤmmung oder andere Zeichen von Krankheit koͤnnen wir die Erklärung der dum⸗ pfen Schmerzen im Ruͤcken, innerhalb des Beckens und in dem Ober- und Unterſchenkel entnehmen, welche viele Kranke empfinden, obgleich keine Kruͤmmung der Wirdelſaͤule ſtatt⸗ findet und nur ein ſtarker Druck auf die Wirbel ſchmerzhaft empfunden wird. Dieſes gewoͤhnliche Fehlen des heftigen Schmerzes iſt um fo merkwuͤrdiger, wenn man an die Ver: ſchiebung und Zerrung denkt, welche jene wichtigen Nerven erleiden muͤſſen, die fo eng mit der Vorderſeite der Wirbel fäule, beſonders am unteren Theile der Ruͤcken- und Len⸗ dengegend, zuſammenhangen. Daß fie zuweilen leiden, iſt durch mehrere Fülle und Sectionen erwieſen. Was die Urſache der Exoſtoſen an der Wirbelſaͤule be— trifft, fo iſt fie ziemlich dunkel. Bei einer vorhandenen ſeit— lichen Kruͤmmung ſcheinen ſie von der Natur angebracht zu werden, um die Wirbel zu verſtaͤrken, ungefaͤhr auf dieſelbe Weiſe, wie die innere Kruͤmmung rhachitiſcher Knochen ver— ſtaͤrkt wird, und bei caries der Wirbelſaͤule iſt Ankyloſe der guͤnſtige Ausgang derſelben. Außer dieſen Faͤllen wird die Exoſtoſe fuͤr eine Folge oder ſelbſt einen nothwendigen Begleiter des hohen Alters gehalten, aber die Individuen in den oben angeführten Fällen waren keines- weges alt. Mit größerer Wahrſcheinlichkeit läßt fi eine Analogie dieſer Ankyloſe bei alten Leuten mit der des Steiß— beines bei denſelben aufſtellen, und ſie entſteht durch das Auf— trocknen der Ligamente im Allgemeinen oder der zwiſchenlie— genden ligamentös-cartilagioͤſen Körper, welche dann fo dünn wie Papier und fo hart wie altes Leder werden (cf. Por- tal, Cours d' Anatomie médicale, t. I. p. 297.) Die⸗ ſes erklaͤrt den Verluſt der aufrechten Haltung, ſowie die Schiefheit der Wirbelſaͤule bei alten Leuten, und die auf dieſe Weiſe aneinander gebrachten Knochen vereinigen ſich ohne die Neubildung von Knochenmaterie. Es iſt auch nicht unwahrſcheinlich, daß in vielen Faͤllen Exoſtoſen, bei alten Leuten vorgefunden, dem Alter zuge— ſchrieben worden ſind, obwohl ſie, in der That, ſich bereits weit fruͤher gebildet hatten. Wenzel, der zwei Figuren einer in dieſer Lage ſich befindenden Wirbelſaͤule giebt (opus eit. Tafel 2. Figur 2 und 3.), fuͤhrt die Exoſtoſe auf eine langanhaltende und heftige Anſtrengung zuruͤck und bemerkt, daß ſie haͤufig bei den arbeitenden Claſſen, wie bei Laſttraͤgern, ſowie auch bei Laſt- und Zugthieren, vor— kommen. Er behauptet, daß eine Congeſtion der Theile ftattfinde, und daß der Knochen zwiſchen dem äußeren pe— riosteum und dem vorderen Wirbelligamente gebildet werde, welches letztere bei hervorragenden Knochenlamellen geſpannt, verdickt und ſehr glaͤnzend iſt, bei groͤßerer Hervorragung der Knochenauswuͤchſe aber faſt verſchwunden iſt. 125 Lobſtein (Traite d’Anatomie pathol. t. II. p. 337) iſt geneigt, die Ankyloſe der Wirbel einer gichtiſchen und rheumatiſchen Dispoſition zuzuſchreiben, und behauptet, daß jene am Haͤufigſten bei Individuen vorkommen, die am Rheumatismus gelitten haben. Delpech giebt 2 Faͤlle, um zu beweiſen, daß nach Rheumatismus nie ein organi— ſches Leiden eintrete, und daß, wenn auch die Deformität faſt unglaublich weit vorgeſchritten iſt, ſie doch am Leichteſten zu beſeitigen ſey. In dem erſten Falle konnte der Kranke nicht ſo weit ſeinen Kopf heben, um vor ſich hin zu ſehen, und in dem anderen, in welchem der Stamm in dem groͤßtmoͤg— lichſten Zuſtande von Flexion fixirt war, ſtand der Kopf tie— fer, als die Schultern, und das Geſicht war gegen die Bruſt gewendet; in beiden Faͤllen wurde die Deformitaͤt geheilt, nachdem ſie mehrere Jahre hindurch beſtanden hatte. (Cf. op. cit. p. 229.) Er ſagt, daß wenn eine Seite der proc. obliqui afficirt iſt, die Muskeln, um den gegenſeitigen Druck der afficirten Flaͤchen zu verhindern, den Kopf gegen die ſchmerz— hafte Stelle hinwenden und nach der entgegengeſetzten Seite nei— gen, welches, nach ihm, jenes Uebel von der Contraction des m. sternomastoideus unterſcheidet; da aber das fibröfe Gewebe vorne an der Wirbelſaͤule ſehr zur Entzuͤndung ge— neigt iſt, ſo verbreitet ſich dieſe auf derſelben, ſobald ſie et— was laͤnger dauert, und die Kruͤmmung nach Vorne wird unvermeidlich, und wenn dieſe Theile afficirt ſind, ſo koͤnnen die Faſerknorpel nicht frei bleiben. Was nun endlich die Behandlung von Exoſtoſen be— trifft, ſo geben, mit Ausnahme von kraͤftig wirkenden aͤuße— ren Mitteln, keine anderen irgend eine Hoffnung auf Erfolg. Es iſt eine Sache von Wichtigkeit für den Arzt, zu entſchei— den, ob er zu activen Mitteln in den Faͤllen ſchreiten ſoll, wo keine anderen Symptomen ihn leiten, als der Schmerz, welchee auch dem aneurysma aortae eigen iſt. Es moͤchte vielleicht ſicherer ſeyn, den Kranken auf das von uns befchries bene Uebel zu behandeln, oͤrtliche Blutentleerungen, durch Schroͤpfkoͤpfe, Gegenreize, wie Moxen, anzuwenden, und innerz lich Mercur bis zur Salivation und dann Jodkali zu geben. Selbſt im Falle, daß ein aneurysma vorhanden ſeyn ſollte, koͤnnen dieſe Mittel nur wenig ſchaden, und man hat im— mer Zeit, ſie auszuſetzen, ſobald die Symptome ſich verſchlim— mern. Wenn das Uebel ſo weit vorgeſchritten iſt, daß es der Pottſchen Kruͤmmung aͤhnlich iſt, ſo ſind noch immer diagnoſtiſche Merkmale wuͤnſchenswerth, da die eben erwaͤhn— ten Mittel noch von einigem Nutzen ſeyn koͤnnen. Vielleicht dienen hier der uͤberaus große Schmerz, die Tendenz zum ploͤtzlichen collapsus und die allmaͤlige Beugung der Wir: belſaͤule, welche im Pottſchen Uebel bei einer Affection der Len— denwirbel gar nicht vorhanden iſt, zur Diagnoſe. Die allgemeine und ſehr ſtarke Beugung des Halſes unmittelbar nach Vorne unterſtuͤtzt die Diagnoſe des Uebels in dieſer Gegend, wenn es von Rheumatismus ab— haͤngig iſt, und dieſes zuſammen mit dem Nichtvorhandenſeyn eines Gefuͤhls von großer Schwere des Kopfes, von Dys— phagie am hinteren Theile des Schlundes oder von Heiſer— keit dient zur Unterſcheidung von der Verſchiebung des Hinter— 734. XXXIV. 8. 126 hauptes auf den Wirbeln in Folge einer deſtructiven Ent⸗ zuͤndung der Knochen und Ligamente. Wenn bei der Exoſtoſe die Kruͤmmung urſpruͤnglich zur Erleichterung der Streckung auf den entzuͤndeten Ligamenten entſteht, ſo wird nach Beſeitigung der Entzuͤndung die Na— tur die Entſtellung heilen, wofern ſie nicht organiſche Ver— anderung der Theile, oder eine knoͤcherne Vereinigung zur Folge gehabt hat. Auf die Entfernung des einmal gebilde— ten Knochens laͤßt ſich von keinem Mittel irgend ein Ein— fluß erwarten, und die Gegenwart deſſelben empfiehlt Vor— ſicht bei der Anwendung mechaniſcher Mittel zur Beſſerung der Deformitaͤt. Sie ſind gefaͤhrlich und ohne Nutzen. Die Entzuͤndung kann ſich wohl auf die Membranen des Ruͤk— kenmarkes oder des Gehirns fortpflanzen; aber die groͤßte Ge— fahr iſt von der aͤußeren Gewalt zu befuͤrchten, indem das Material zur Abwehrung des Stoſes durch die Verknoͤcher— ung der Theile zerftört iſt. (Dublin Journal, Septemb. 1843.) Fall von eiternden Schleimbeuteln in der Fußſohle. Von Caͤſar Hawkins. Thomas Nicklin, 43 Jahre alt, ward in das St. George » Spital mit einem ſinuoͤſen Geſchwuͤre an dem uns teren Theile der rechten Ferſe aufgenommen, welches tief hinab gegen den unteren Theil des calcaneum hin vers laͤuftz eine eingefuͤhrte Sonde traf jedoch keinen bloßgelegten Knochen. Die Haut» und Weichtheile ringsum waren ſehr verdickt, die Oberflaͤche der Hoͤhle blaß und ohne Granula— tionen. Als Urſache ward Erkaͤltung vor 16—18 Mona— ten angegeben, wo eine kleine eiternde Oeffnung in der Haut ſich bildete. Diagnoſe: Eiterung einer bursa mucosa unter eis nem Huͤhnerauge. Daß die kleine Höhle nicht ausheilte, hat in der eigenthuͤmlichen Beſchaffenheit der bursa ihren Grund, welche unfaͤhig iſt, Granulationen zu bilden. Eine ſolche bursa bildet ſich nicht ſelten unter einem Leichdorn, um die Ligamente und Gelenke vor dem Drucke desſelben zu ſchuͤtzen, entweder an derſelben Stelle, wie in obigem Falle, oder unter dem Ballen der großen Zehe, oder unter dem Metacarpalgelenke der kleinen Zehe. Dieſelbe geht leicht in Eiterung uͤber, welche dann aus einer kleinen Oeff— nung mit harten Raͤndern ſtattfindet. Bei'm Einfuͤhren eis ner Sonde findet man zuweilen, daß die Verſchwaͤrung ſich auch nach der entgegengeſetzten Richtung hin erſtreckt und die Beinhaut des Knochens zerſtoͤrt oder ſelbſt ein Gelenk geöffnet hat, fo daß der ſich exfoliirende Knochen mit der Sonde gefuͤhlt wird, oder das Gelenk endlich voͤllig ankyloſirt. Die Behandlung ſolcher Faͤlle beſteht in der Erweite— rung der Oeffnung und, wenn es noͤthig iſt, in der Zerſtoͤ— rung der ganzen innern Flaͤche mit rauchender Salpeter— ſaͤure, worauf ſich Granulationen bilden und die Heilung durch die Anwendung des rothen Praͤcipitats, einer Solution des Silberſalpeters oder Kupfers ꝛc. herbeigefuͤhrt werden kann. 127 Außerdem muß von dem verhaͤrteten Rande ſoviel, als mög: lich, fortgeſchnitten werden. (London med. Gaz., May 1844.) Ueber kuͤnſtliche Pupillenbildung machte Herr Gu Epin der Academie folgende Mittheilungen, als Reſultate einer Reihe von 92 kuͤnſtlichen Pupillenbildun— gen, die er im Laufe von dreien Jahren zu machen Gelegenheit atte. g 1) Die kuͤnſtliche Pupillenbildung gluͤckt im Allgemei— nen mehr, als die Staaroperation. 2) Die kuͤnſtliche Pupillenbildung kann mit Vortheil in den Faͤllen von angebornem Staare angewendet werden, um die Staaroperation zu erſetzen. 3) Iſt eine hartnaͤckige iritis mit Entzündung der Linſenkapſel, ſowie eine mehr oder weniger vollkommene atre- sia pupillaris vorhanden, fo thut man gut, zur kuͤnſt⸗ lichen Pupillenbildung zu ſchreiten, als einem Mittel, durch welches man uͤberhoben wird, ſpaͤterhin die kuͤnſtliche Pupil— lenbildung und die Staaroperation zugleich zu verrichten. Zu den bekannten Methoden fuͤgt noch der Verfaſſer die Einklemmung des Lappens in die Cornea, die Einklem⸗ mung mit Exciſion, die Exciſion durch die selerotica, die einfache Loͤſung oder zugleich mit Exciſion durch die scle- rotica hinzu. Die Methode der Einklemmung von Guépin, im Weſentlichen verſchieden von denen Himly' s, Adam's und Baratta's, beſteht darin, daß man die Pupille mit Bel— ladonna erweitert, die Verbindungsſtelle der cornea und sclerotica 6 — 7 Millim. weit einſchneidet, ein Stüd der cornea mit einem Meſſer wegnimmt, die hierauf ent— ſtehende Hernie der iris mittelſt Cauteriſationen unterhaͤlt und eine Adhaͤſiventzuͤndung herbeifuͤhrt. Schneidet man mittelſt einer Art von Locheiſen einen Lappen aus der cornea heraus, fo klemmt ſich der freie Rand der iris in die Oeffnung der cornea ein, was ein gluͤckliches Reſultat hat. Herr Gu Epin hat uͤberdieß noch beobachtet, daß, wenn man die Stelle nahe an der Verbin— dung der cornea mit der sclerotica wählt, man durch dieſe Membran in die vordere Augenkammer gelangen koͤnne, ohne die cornea irgendwie zu verletzen; dieſe neue Einſchneid— ungsweiſe geſtattet dem Operateur, Zange oder Haken ein— zufuͤhren und entweder die Exciſion oder die einfache Ab— loͤſung mit Exciſion zu machen. (Revue med. Sept. 1843.) 734. XXXIV. 8. 128 Miscellen. Spontaner Abgang des Zungenbeins iſt von Rozat in der Gazette medicale erwähnt. Ein Mädchen, von 41 Jahren und hectiſcher Conſtitution, war bis zu ihrem ſechsunddreißigſten Jahre ſtets geſund geweſen. Zu dieſer Zeit zeigten ſich Druſenan⸗ ſchwellungen rund um den Unterkiefer, zugleich mit etwas Huſten und Behinderung der Reſpiration. Dieſe Zufaͤlle nahmen nach und nach an Intenſitaͤt zu; nach einigen Jahuen gefellte ſich ein bald fadenziehender, bald zäher, dicker, bald blutſtreiſiger Auswurf dazu, von Zeit zu Zeit Erſtickungsanfaͤlle, Colliquationen, Schweiße, Ma⸗ rasmus, ſpaͤter Aphonie, anhaltender ſtechender Schmerz im Kehl: kopfe, oft eitrige sputa ohne vorgaͤngigen Huſten. Eines Tages, nachdem die Kranke heftigere Stiche, als je, empfunden und ein Zerreißen im pharynx empfunden hatte, brach fie unter Erſtickungs⸗ anfallen, Huſten und allgemeiner convulſiviſcher Aufregung einen ziemlich großen Knochen aus, worauf fie ſich augenblicklich unges mein erleichtert fuͤhlte. Die Zufaͤlle verloren ſich nach und nach; der ausgeworfene Knochen war augenſcheinlich das Zungenbein. Die vordere Portion des Halfes wurde abaeplattet und ſchien vergrös Bert; an der Stelle des Zungenbeins fühlt man, unterhalb der Kinn⸗ lade, ein Wenig nach den Seiten hin, eine leichte, platte, elaſtiſche Anſchwellung. Die Druͤſenanſchwellungen und die Aphonie ſind verſchwunden, und es iſt nur eine geringe Behinderung des Schluk— kens zuruͤckgeblieben. Ueber Vorfall der Intervertebralſubſtanz als Urſache der Paraplegie hat T. Wilkinſon King Beobach⸗ tungen mitgetheilt. Er fand zuweilen in dem Wirbelcanale kleine Vorfaͤlle der weichen Intervertebralſubſtanz, welche eine Art von Stiel hatten und die ligamentöſen Bänder zwiſchen zwei Wirbel⸗ koͤrpern trennten. Ein 53jähriger Mann bekam in Folge einer Bes ſchaͤdigung Paraplegie. Bei der Section fand man an den hinte= ren Flaͤchen der Intervertebralknorpel zwiſchen Hals und Lenden an 2—3 Stellen kleine, gelbe, opake, bruͤchichte Körper in Contact mit der Zwiſchenwirbelſubſtanz und anſcheinend von derſelben aus⸗ gehend. Sie glichen nicht ferophulöfen Geſchwuͤlſten und waren der Intervertebralſubſtanz ſehr aͤhnlich, eine Art von Hypertrophie derſelben, aber gelblicher, feſter und zerbrechlicher; der größte der⸗ ſelben hatte den Umfang einer Erbſe. Dieſe kleinen Koͤrper koͤnnen eine gewiſſe Größe erreichen, aber dann degeneriren und verſchwin⸗ den ſie. Ihr Entſtehen haͤngt wahrſcheinlich von einer Atrophie oder Ruptur der anliegenden Ligamente ab. (London med. Gaz., June 1844.) Als Gegengift gegen aͤtzenden Sublimat hat Dr. Poumet das Proto- chloruretum Stanni, ſalzſaures Zinnorydul, empfohlen. Er ſtuͤtzt ſich dabei auf die Eigenſchaft des letzteren, den in Waſſer aufgeloͤſ'ten Queckſilberſublimat faſt augenblicklich me= talliſch zu reduciren, indem jenes ſelbſt in den Zuſtand des Deutochlo— rurs uͤbergeht. Die Experimente find in Gegenwart der Commiſſion der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris wiederholt, welche Herrn Poumet eine Aufmunterung von 500 Francs zuerkannt hat. Hun⸗ de, welchen man eine Gramme aͤtzenden Queckſilberſublimat und un— mittelbar darauf zwei Grammen von Proto -chloruretum Stanni beigebracht hatte, waren am dritten oder vierten Tage voͤllig her⸗ geſtellt. Bei Menſchen hatte man noch nicht Gelegenheit gehabt, dieſcs Gegengift anzuwenden: was übrigens auch nicht ohne ander= weitige Bedenken geſchehen kann. Bibliographische Neuigkeiten. A History of Infusoria, living and fossil, with descriptions of all the known species, including those in Ehrenberg’s great work, together with those found in Chalk. By Andrew Prit- chard, 8. edit. London 1845. 8. The Grasses of Britain. By Dr. R. Parnell. Part 2. Lon- don 1845, 8 Clinique medico-chirurgicale du professeur Lallemand. Publiee par Hermann Kaula. Tom. I. 1. partie. Affections vene- riennes. Paris 1845. 8. Recherches sur les Aliénés. Toulouse 1845. 8 Par le docteur Gerard Marchant. Neue Uotizen aus dem Gebiete der Hatur - und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Medieinalrathe Freriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 735. (Nr. 9. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3%, 975. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 h 30 M, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 / 973. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 99 Mann u rt a, ED Unterſuchungen in Betreff der characteriſtiſchen Kennzeichen der Ureinwohner America's. Von Samuel George Morton, M. D. Die Ethnographie *), die analytiſche Unterſuchung und Claſſification der Menſchenracen, iſt eine durchaus erſt in neuerer Zeit entſtandene Wiſſenſchaft. Zu einer Zeit, wo die Natur in ihren anderen Zweigen ſchon ſehr eifrig und er: folgreich ſtudirt worden war, lag dieſes Gebiet noch faſt ganz brach, und unter den Schriftſtellern, die im vorigen Jahr— hunderte ſich mit dem Gegenſtande befaßt haben, begnuͤg— ten ſich die meiſten mit Stubentheorieen, in denen die That— ſachen zur Unterſtuͤtzung grundloſer Hypotheſen verdreht wur— den. Deßhalb iſt ganz paſſend bemerkt worden, daß fuͤr Solche, die ſich lieber an Hypotheſen, als an die Wahrheit halten, Aſien das Land der Fabeln, Africa das der Unge— heuer und America das der Syſteme ſey. Das intellectuelle Genie des Alterthumes erregt mit Recht unſere Bewunderung; allein vergebens ſuchen wir bei den Alten nach einer naturgetreuen Schilderung der phyſi— ſchen Kennzeichen mehrerer der beruͤhmteſten Nationen. Ja man ſtreitet ſich noch ernſtlich daruͤber, ob die alten Aegyp— tier zu der Caucaſiſchen oder Negerrace gehoͤrten, und haͤt— ten die in ihren Grabmaͤlern aufgefundenen Ueberreſte nicht Licht über dieſe Frage verbreitet, fo hätte fie ewig unent— ſchieden bleiben muͤſſen. Das gegenwaͤrtige Zeitalter zeich— net ſich jedoch durch eifriges Forſchen auf dieſem Felde aus, fo daß wir über die organiſche Structur, den geiſtigen Cha— racter und die Stammverwandtſchaften der vielen auf der Erdoberflaͤche zerſtreut lebenden Abtheilungen der Menſchen— familie taͤglich neue Aufſchluͤſſe erhalten. Unter dieſen verſchiedenen Nationen nehmen die Ureins wohner America's unſere Aufmerkſamkeit beſonders in An— ſpruch. Dieſer große Schauplatz iſt ſeit unvordenklichen Zei— ten von zahlloſen Staͤmmen bevoͤlkert geweſen, welche einen *) Die Ethnographie zerfällt in drei Zweige: 1) die phyſiſche oder organiſche Ethnographie; 2) die philologiſche Ethnogra⸗ phie und 3) die hiſtoriſche Ethnographie. No. 1835. — 735. Vernichtungskrieg miteinander fuͤhrten und nacheinander von der Oberfläche der Erde abtraten, ohne eine Spur ihres Da— ſeyns zuruͤckzulaſſen. Einen Gegenſatz zu dieſen bildeten einige wenige civiliſirte Gemeinden, deren Monumente unſer Stau— nen erwecken, ohne uns uͤber deren Geſchichte aufzuklaͤren, und wer den Schleier von derſelben heben wollte, den koͤnnte man, um mit dem Dichter zu reden, mit einem Manne ver— gleichen, welcher am Strome der Zeit ſtaͤnde und die in's Meer der Allvergeſſenheit hinabtreibenden Truͤmmer aus demſelben herausfiſchen moͤchte. Die vielen Theorieen, welche in Betreff des Urſprungs der americaniſchen Nationen aufgeſtellt worden ſind, auch nur hier anzufuͤhren, iſt nicht meine Abſicht, wenngleich ich in der Folge zu unterſuchen gedenke, ob deren Stammbaum zu den Polyneſiern oder Mongolen, Hindus, Juden und Ae— gyptiern zuruͤckgeleitet werden kann. Auch werde ich mich nicht mit der kritiſchen Beleuchtung der Anſichten gewiſſer Naturforſcher befaſſen, welche in den Urbewohnern dieſes Welttheiles nicht nur mehrere Menſchenracen, ſondern ſogar mehrere Menſchenſpecies erkannt haben wollen. Es iſt haupt— ſaͤchlich meine Anſicht, einige der characteriſtiſchen Zuͤge die— ſer Voͤlkerſchaften hervorzuheben und darzuthun, daß ſie ſaͤmmt— lich, mit Ausnahme der Eskimos, derſelben Race angehoͤren, ſowie daß dieſe Race eine von allen uͤbrigen voͤllig abwei— chende ſey. 1) Phyſiſche Charactere. Es iſt faſt ſpruͤch— woͤrtlich, daß wer einen Indianerſtamm geſehen hat, ſie alle gefehen habe; fo ſehr gleichen die Individuen dieſer Race einander, trotz deren gewaltiger geographiſcher Verbrei— tung und der extremen climatiſchen Verſchiedenheit ihrer Wohngebiete. Der halbnackte Feuerlaͤnder, den ſein rauher Winter erſtarren macht, beſitzt, wenngleich im hoͤchſt poten— zirten Grade, dieſelben characteriſtiſchen Geſichtszuͤge, wie die Indianer der Tropenebenen, und dieſe letzteren gleichen wie— derum den Staͤmmen, welche die Gegenden im Weſten des Felſengebirges, das große Thal des Miſſiſſippi und die an das Wohngebiet der Eskimos grenzenden Laͤnder im hohen Norden bewohnen. Sie alle bieten uns das lange, ſchlichte 9 131 ſchwarze Haar, die zimmtbraune Haut, die duͤſtere Stirn, das matte, ſchlaͤferige Auge, die vollen, zuſammengepreßten Lippen und die hervortretende, aber ausgeweitete Naſe dar. Der Grad der Wildheit oder Civiliſation, das Jaͤger- oder Fiſcherleben haben in dieſen Puncten keinen Unterſchied zu Wege gebracht Allerdings kann nicht in Abrede geſtellt werden, daß da— gegen eben ſo ſonderbare, als unerklaͤrliche phyſiſche Verſchie— denheiten vorkommen, z. B., in der Farbe, welche von einer ſich der des Europaͤers naͤhernden bis zu einer faſt ſchwarzen und zwar unter Umſtaͤnden wechſelt, die ſich nicht aus dem Clima ergeben, wie denn auch die Statur von dicht neben— einanderwohnenden Staͤmmen oft ſehr abweichend iſt; der— gleichen Erſcheinungen koͤnnen indeß nur als Ausnahmen von der allgemeinen Regel gelten und veraͤndern die eigenthuͤm— liche Phyſiognomie des Indianers nicht, welche ein durchaus fo beſtimmtes Gepraͤge hat, wie die des Negers; denn moͤ— gen wir nun den athletiſchen Caraiben oder den zwerg— artigen Chayma, den dunkeln Californier oder den faſt wei— ßen Borroa betrachten, fo haben wir doch immer einen aͤch— ten Indianer vor uns, der ſich mit keinem menſchlichen We— ſen von irgend einer anderen Race verwechſeln laͤßt. Dieſelbe organiſche Gleichartigkeit zeigt ſich nicht we— niger deutlich in der oſteologiſchen Structur dieſer Natio— nen, in dem viereckigen oder runden Kopfe, dem abgeplatte— ten oder geradaufſteigenden Hinterhaupte, den hohen Backen— knochen, den maſſigen Kieferknochen, den großen viereckigen Augenhoͤhlen und der niedrigen, zuruͤcktretenden Stirn. Ich habe Gelegenheit gehabt, beinahe 400 Schaͤdel zu unterſu— chen, die von Staͤmmen herruͤhren, welche faſt alle Ge— genden Nord- und Suͤdamerica's repraͤſentiren, und bei allen habe ich eine mehr oder weniger auffallende Ueberein— ſtimmung obiger Charactere gefunden. Dieſe Bemerkung gilt ebenſowohl von den ausgeſtor— benen, als von den noch lebenden Voͤlkerſchaften jenes Welt— theils. Denn die aͤlteſten Schädel von den Peruaniſchen Kirchhoͤfen, den Grabmaͤlern der Mexicaner und den wallar— tigen Grabhuͤgeln Nordamerica's bieten denſelben Typus dar, wie die der wildeſten unter den noch lebenden Staͤmmen. Die phyſiſche Organiſation beweiſ't, daß alle einen gemein— ſchaftlichen Urſprung haben. Die verſchiedenen civiliſirten Nationen werden noch heutzutage durch ihre in denſelben Gegenden hauſenden Nachkoͤmmlinge repraͤſentirt, und dieſe unterſcheiden ſich in keiner weſentlichen Beziehung von den wilden, nie civiliſirt geweſenen Indianern. Zugleich fuͤhrt Clavigero als Beweis der Deſcendenz an, daß die Mexi— caner und Peruaner ſich noch jetzt durch eine, wenngleich un— terdruͤckte geiſtige Ueberlegenheit auszeichnen, die der dreihun: dertjaͤhrige Despotismus, unter dem ſie geſeufzt, nicht hat zerftören koͤnnen. Auch in Betreff der Herrſcherfamilien und hoͤhern Staͤnde laͤßt ſich klar nachweiſen, daß ſie der einhei— miſchen Race angehörten und, außer durch ihre fociale und politiſche Stellung, nicht von ihren Landsleuten verſchieden waren. Die Beobachtungen Molina's und v. Humbold's werden öfters angeführt, um dieſe durchgreifende Gleichfoͤr— 735. XXXIV. 9. 132 migkeit der phyſiſchen Charactere zu widerlegen. Molina ſagt, der Unterſchied zwiſchen einem Chileſen und einem Pe— ruaner ſey nicht unbedeutender, als der zwiſchen einem Stas liener und Deutſchen, und Humboldt fuͤgt hinzu, die Ame⸗ ricaniſche Race umfaſſe Voͤlkerſchaften, deren Geſichts— zuͤge fo ſtark voneinander abweichen, wie die der Circaſſier, Mauren und Perſer; dennoch gehoͤren dieſe letztern Nationen zu derſelben Race, und ſie werden, trotz der an ihnen be— merkbaren Abweichungen in der Geſichtsbildung und Haut— farbe, leicht als Stammverwandte erkannt *), und die Ame⸗ ricaniſchen Voͤlker befinden ſich genau in demſelben Falle. Ich war einſt der Anſicht zugeneigt, daß die alten Peruaner, welche um den See Titicaca wohnten, eine mes ſentlich andere Schaͤdelform beſeſſen haͤtten, als die große Americaniſche Race; indem ich mich nicht uͤberreden konnte, daß ihre außerordentlich ſchmalen und langgezogenen Schaͤ— del ihre Geſtalt lediglich durch kuͤnſtliche Zuſammenpreſſung des urſpuͤnglich rundlichen Indianerſchaͤdels erhalten haben koͤnnten. Daß dieß jedoch der Fall ſey, iſt durch die neuern Unterſuchungen D'Orbigny's außer Zweifel geſtellt worden. Dieſer ausgezeichnete Naturforſcher hielt ſich laͤngere Zeit auf dem Tafellande der Anden auf, welches das Wohngebiet dieſer merkwuͤrdigen Nation war, und unterſuchte die ver— trockneten Ueberreſte von Hunderten von Leichen, die feit Jahrhunderten in den Gräbern gelegen hatten. Er bemerk— te, daß, waͤhrend viele Schaͤdel in der angegebenen Weiſe verunſtaltet waren, andere ſich von der gewoͤhnlichen Bildung nicht unterſchieden. Er fand auch, daß die plattgedruͤckten Schaͤdel durchgehends Maͤnnerſchaͤdel waren, waͤhrend die Weiberſchaͤdel die natuͤrliche Form darboten; ferner, daß die am Staͤrkſten verlängerten Schädel ſich in den ſchoͤnſten Grab» maͤlern befanden, woraus ſich ergiebt, daß dieſe Deformität ein Abzeichen der vornehmen Geburt war. Um aber alle Zweifel zu beſeitigen, bewies D’Orbigny, daß die Deſcen— denten dieſer alten Peruaner noch jetzt das Land ihrer Vor— väter bewohnen und den Namen Aymaras fuͤhren, welcher ihr urſpruͤnglicher Name geweſen ſeyn duͤrfte; und endlich gleichen die jetzigen Aymaras den gewoͤhnlichen Quichus oder Peruaniſchen Indianern hinſichtlich der phyſiſchen Bil⸗ dung, und namentlich auch in der Form des Schaͤdels, den ſie jetzt nicht mehr durch Kunſt verunſtalten, durchaus. Derſelben anatomiſchen Pruͤfung unterworfen, erſchei— nen die angeblichen Rieſen- und Zwergracen America's als bloße Erfindungen der Unwiſſenheit und der abſichtlichen Taͤu— ſchung. Durch ſorgfaͤltige Unterſuchung der Ueberreſte beider habe ich mich vollſtaͤndig davon uͤberzeugt, daß die angebliche rieſige Groͤße mancher Nationen auf falſchen Angaben ober— flaͤchlicher Beobachter beruht, während die angeblichen Zwerge des Miſſiſippithales nichts weiter als Kinder ſind, die, aus nicht hinreichend bekannten Gruͤnden, ihren eignen Begraͤb— nißplatz hatten. Demnach ſind alſo die Americaniſchen Indianer von der Suͤdſpitze des Welttheils bis zu deſſen noͤrdlichſten Ge— *) Ein Theil der mauriſchen Bevölkerung Africa's iſt eine ſehr vermiſchte Race, in der arabiſches, berberiſches, Neger - 2, Blut iſt. 133 bieten in phyſiſcher Beziehung dieſelben Menſchen. Abgefes hen von einigen Abweichungen in der Statur und Haut— farbe, ſtellen ſich uns ihre unterſcheidenden Kennzeichen nir— gends durch ſchroffe Verſchiedenheiten verwiſcht dar, und der Kenner iſt im Stande, ſie auf den erſten Blick von jeder andern Menſchenrace zu unterſcheiden, mag er fie nun tref— fen, wo und unter welchen Umſtaͤnden es ſeyn mag; ja ſelbſt an den Leichen, die ſich ſeit Jahrhunderten erhalten haben, iſt der Urtypus der Race, wenn derſelbe nicht kuͤnſtlich ver— dreht worden, nirgends zu verkennen. 2) Moraliſche oder gemuͤthliche Kennzeichen. Dieſe ſind vielleicht ebenſo ſtark markirt, wie die phyſiſchen Kennzeichen, von denen ſo eben die Rede geweſen iſt; allein ſie ſind auch ſchon ſo haͤufig dargelegt worden, daß wir uns hier nicht weitlaͤuftig mit denſelben zu beſchaͤftigen brauchen. Zu den hervorſtechendſten gehoͤren die nie raſtende Vorſicht, die unermuͤdliche Wachſamkeit, mit welcher der Indianer Al⸗ les ausfuͤhrt und ſeine Abſichten verbirgt. Der Indianer laͤßt ſich nie ſorglos gehen, er mag nun ſprechen oder han— deln. So gelingt es ihm, Andere zu taͤuſchen, ohne ſich im Geringſten verdaͤchtig zu machen. Unter Fremden iſt er ſchweigſam und nur mit den Leuten ſeines beſondern Stam— mes deſto geſchwaͤtziger; und dieſer Characterzug bildet die Grundlage der unbeſiegbaren Feſtigkeit, die der Indianer uns ter den ſchwierigſten aͤußern Umſtaͤnden behauptet, ja mit der er dem Tode in ſeiner graͤßlichſten Geſtalt in's Auge blickt. Auch die Liebe zum Kriege iſt bekanntlich dem India— ner ſo characteriſtiſch, daß wir ſie kaum durch Beiſpiele zu erlaͤutern brauchen. Nationen ſtehen Nationen, Staͤmme Stämmen, Männer Maͤnnern beſtaͤndig feindlich gegenüber, und mit dieſer herrſchenden Leidenſchaft ſind unverſoͤhnliche Rachſucht und unbarmherziger Zerſtoͤrungstrieb eng verbun— den. Von den Chickeſaws weiß man, daß ſie einen heimli— chen Marſch von 600 engl. Meilen von ihren Jagdrevieren lediglich zu dem Zwecke unternommen haben, einen ihnen feindlichen Stamm zu vernichten. Die kleine Inſel Nan— tucket, welche nur wenige Quadratmeilen unfruchtbaren Sand— bodens enthaͤlt, war bei der Ankunft der Europaͤer von zwei Indianerſtaͤmmen bewohnt, die einen Vertilgungskrieg gegen— einander fuͤhrten. Noch merkwuͤrdiger iſt aber, daß in den Bewohnern des Feuerlandes, deren Elend ihnen lange Friede und Eintracht auferlegt, ploͤtzlich dieſe wilde Kriegsluſt er— wacht iſt, ſo daß ſie einander auf alle Weiſe zu vernichten ſuchen. Die ſpruͤchwoͤrtliche Zerſtoͤrungswuth der Indianer iſt zu bekannt, als daß ſie durch beſondere Belege nachge— wieſen zu werden brauchte; allein wir wollen doch des Be— richts des Reiſenden Hearne gedenken, welcher eine Bande noͤrdlicher Indianer auf einer Handelsreiſe begleitete, und an— giebt, daß die Indianer jedes lebende Geſchoͤpf, das ihnen vorkam, toͤdteten und ſelbſt kein Vogelneſt verſchonten, ſon— dern Eier oder Junge aus bloßer Mordluſt vernichteten. Dr. Martius theilt uns eine ſehr anſchauliche Schil— derung des gegenwaͤrtigen naturrechtlichen und civilrechtlichen Zuſtandes der americaniſchen Voͤlker mit. Ihre Spaltung in eine faſt unbegraͤnzte Zahl von kleinern Staͤmmen, die gar keinen Verkehr miteinander haben, laͤßt ſie dem Blicke 735. XXXIV. 9. 134 des Beobachters wie die Truͤmmer eines gewaltigen Gebäus des erſcheinen, die nirgends in der Geſchichte der Menſchheit ihr Analogon haben. Dieſe Zerreißung aller Bande, durch welche die Geſellſchaft in alten Zeiten zuſammengehalten ward, die babyloniſche Sprachverwirrung, das Fauſtrecht und der unaufhoͤrliche Krieg Aller gegen Alle, welche aus dieſer Zerreißung entſpringen, ſcheinen dem Dr. Martius die weſentlichſten und in geſchichtlicher Hinſicht bedeutungsvoll— ſten Puncte in dem ſocialen Zuſtande der Urbevoͤlkerung America's. Man koͤnnte behaupten, dieſe Züge des indianiſchen Cha— racters ſeyen allen wilden Nationen gemein. Dieß mag im Allgemeinen wahr ſeyn; allein bei der americaniſchen Race finden ſie ſich in einem vechaͤltnißmaͤßig ſehr hohen Grade, und wenn wir daneben deren habituelle Traͤgheit und Unbe— kuͤmmertheit um die Zukunft, deren Gleichguͤltigkeit gegen das Privateigenthumsrecht, ſowie die Unbeſtimmtheit und Einfachheit ihrer religiöfen Gebraͤuche, bei denen eine Vers koͤrperung der Gottheit in Geftalt von Goͤtzen mehrentheils vermißt wird, in Anſchlag bringen, ſo muͤſſen wir ihnen ſicher einen eigenthuͤmlichen und excentriſchen moraliſchen Zuſtand zuerkennen. Wenden wir uns nun zu den halbcivilifirten Voͤlker— ſchaften, ſo finden wir die Anfaͤnge der Verfeinerung mit den barbariſchen Sitten vergeſellſchaftet, die den Indianer in ſei— nem wilden Zuſtande characteriſiren. Wir ſehen die Mexi— caner, gleich den ſpaͤtern Roͤmern, den unmenſchlichſten und blutigſten Gebraͤuchen im Namen der Religion froͤhnen, um dem Haſſe gegen die Feinde, der Vertrautheit mit Gefahren und der Todesverachtung Vorſchub zu leiſten, und die MWirz kung ſolcher Maaßregeln hat ſich in dem tapferen, wenngleich fruchtloſen Widerſtande, den ſie den ſpaniſchen Eroberern ent— gegenſetzten, zur Genuͤge kundgegeben. Bei den Peruanern verhielt ſich jedoch die Sache an— ders. Sie waren von den Inkas nicht nur phyſiſch, ſon— dern auch geiſtig unterjocht worden. Die Familie der In— kas ward von ihnen als eine ſolche goͤttlicher Abkunft be— trachtet. Die Inkas gaben ſich fuͤr Abgeſandte des Him— mels aus, die den Guten belohnen, den Widerſpenſtigen ſtra— fen und die Kuͤnſte des Friedens, ſowie einen geordneten ſocialen Zuſtand, einfuͤhren ſollten. Die Geſchichte bezeugt hinreichend, daß dergleichen verfuͤhreriſche Angaben benutzt worden find, um anfangs einen ſtarken Eindruck auf die Ein: bildungskraft des Menſchen zu machen und ihn dann zu un: terſochen. Daß das Wiſſen Macht verleiht, war den In— kas vollkommen bekannt; die Gelehrſamkeit wurde demnach von ihnen einer privilegirten Kaſte vorbehalten, und ſo ward der ungebildete große Haufe bald zum Werkzeug einiger ſchlauen Koͤpfe herabgewuͤrdigt. Die Inkas fanden es ih— rer Politik angemeſſen, ihre Unterthanen zum unbedingten Gehorſame zu zwingen. Sie bemuͤhten ſich, das Gefühl der Individualitaͤt ganz auszurotten oder vielmehr, den Willen des Poͤbels in eine gemeinſchaftliche Bahn zu lenken, die ſie ihm vorſchrieben. Als demnach Pizarro den erſten An— griff auf die wehrloſen Peruaner in Gegenwart ihres Inka unternahm, wurde dieſer von vier Maͤnnern auf einem Throne 9 * 135 getragen, und Herrera berichtet, während die Spanier, um den Herrſcher gefangen zu nehmen, die Traͤger getoͤdtet haͤt— ten, waͤren an die Stelle der Gefallenen ſtets neue getreten, und der Geſchichtsſchreiber behauptet, wenn man den ganzen Tag ſo fortgemordet haͤtte, wuͤrden doch immer vier Perua— ner den Thron des Inka geſtuͤtzt haben. So verhielt es ſich ſicher mit der ſogenannten vaͤterlichen Regierung der In— kas; denn ihre Unterthanen waren in Wahrheit Kinder, die keinen eigenen Willen hatten und lediglich nach den Vor— ſchriften eines Andern handelten. So kam es, daß ein Volk, deſſen angeborne moraliſche Triebe bekanntlich von denen ih— rer barbariſchen Stammverwandten wenig oder nicht verſchie— den waren, erſt durch. Ueberredung, dann durch Gewalt in einen Zuſtand entnervter Unterthaͤnigkeit gerieth, wie wir ihn gegenwaͤrtig etwa bei den Hindus finden. Gleich den letz— tern, gaben ſie in den Kriegen mit ihren Nachbaren brauch— bare Soldaten ab, doch nicht aus perſoͤnlicher Tapferkeit, ſondern vermoͤge des Gefuͤhls von paſſivem Gehorſam gegen ihre Herrſcher, und als ſie daher ihren Monarchen von den Spaniern gefangen und gefeſſelt ſahen, verließ ſie ihr con— ventioneller Muth ſofort, und wir ſehen die ſonderbare Er— ſcheinung, daß eine ganze Nation mit einem Schlage zu Bo— den geworfen ward, wie wenn ein ſtarker Mann durch eine anſcheinend unbedeutende, aber tiefgehende Verletzung in Ohn— macht faͤllt. Nachdem jedoch die Macht der Inkas vernichtet wor— den, erwachte der gebunden geweſene Geiſt des Volkes wie— der in ſeiner ganzen angebornen Heftigkeit, und die harmlo— ſen, ſanften Peruaner verwandelten ſich in verſchlagene, un— barmherzige Wilde. Was folgte, iſt zur Genuͤge bekannt. Der Widerſtand kam zu ſpaͤt, und in die Feſſeln, die ſie ſich geduldig hatten anlegen laſſen, wurden ſie nun fuͤr im— mer geſchmiedet. Wie bereits geſagt, unterdruͤckten die Inkas die mora— liſche Kraft ihrer Unterthanen, um ihre eigene Macht zu ſichern. Sie thaten dieß, indem ſie ihnen die Kuͤnſte des Friedens aufzwangen, indem ſie die Menſchenopfer verboten und Todesurtheile nur ſelten vollſtreckten, ſo daß Blut faſt nur bei der Unterjochung von kriegeriſchen und widerſpenſti— gen Nachbarvoͤlkern floß. Bei ſolchen Gelegenheiten brach jedoch die angeborne Wildheit der Peruaner wieder aus; denn Garcilaſo, der Nachkomme und Lobredner der Peruani— ſchen Koͤnige, berichtet, daß es bei manchen ihrer Kriege auf gaͤnzliche Vernichtung eines Stammes abgeſehen war; und unter andern Beiſpielen führt er den Krieg des Inka Mu— panqui gegen die Bewohner der Provinz Callao an, wo ganze Diſtricte in der Weiſe entvoͤlkert wurden, daß Bewoh— ner aus andern Theilen des Reichs dahin verpflanzt werden mußten. Bei einer andern Gelegenheit ließ derſelbe unbarm— herzige Despot zwanzigtauſend Caranques morden und deren Leichen in einen See werfen, der noch jetzt das Blutmeer heißt. Als ferner Guascar mit Atahualpa um die Herrſchaft ſtritt, ließ der Letztere den Erſtern mit ſechzigen ſeiner Bruͤder hinrichten, damit ihm Niemand mehr den Thron ſtreitig machen koͤnne. 735. XXXIV. 9. 136 Wir haben uns nun bemüht, zu zeigen, daß die ſaͤmmt⸗ lichen Ureinwohner dieſes Welttheils, vom humaniſirten Pe— ruaner bis zum roheſten Wilden der Braſilianiſchen Wildniſ— ſe, dieſelben moraliſchen Grundzuͤge darboten. 3) Intellectuelle Faͤhigkeiten. Es ift häufig bemerkt worden, daß die intellectuellen Faͤhigkeiten unter In⸗ dividuen derſelben Race, welche die naͤmliche Erziehung ge— noſſen und auf welche dieſelben moraliſchen ꝛc. Einflüffe ein— gewirkt haben, wunderbar gleichfoͤrmig vertheilt ſeyen. Je— doch finden wir auch in dieſer, wie in phyſiſcher Beziehung, Starke und Schwache, nebſt zahlloſen Zwiſchenabſtufungen. Dieſe Gleichfoͤrinigkeit iſt übrigens bei'm Wilden weit her— vorſtechender, als bei'm civiliſirten Menſchen, und zwar ganz einfach aus dem Grunde, weil bei'm erſtern das ganze Le— ben eine gleichfoͤrmigere Geſtalt hat, indem dort, im Gegen— ſatze zu einem Herrſchergeiſte, der geſammte Poͤbelhaufe ſich beſcheidet, in Unwiſſenheit und Unterwuͤrfigkeit zu leben und zu ſterben. Dieſe Wahrheit dringt ſich uns bei der gegenwaͤrtigen Unterſuchung bei jedem Schritte auf; denn von den zahllos ſen Horden, welche das Feſtland Amerika's bewohnt, haben nur wenige irgend Spuren von ihrer einſtigen Civiliſation hinterlaſſen. Ich wiederhole hier, als das Reſultat meiner gereiften Ueberzeugung, die Anſicht, daß dieſe Race unter der mongolifhen ſtehe. Sie iſt nicht nur dem Zwange einer regelmaͤßigen Erziehung abhold, ſondern ſcheint ſogar eines folgerechten Denkens über abſtracte Gegenſtaͤnde un faͤhig. Ihr Geiſt erfaßt einfache Wahrheiten begierig, weiſ't aber Alles, was tiefere Forſchung und Analyſe erheiſcht, be: harrlich von ſich. Die Indianer haben über zwei Jahrhun⸗ derte lang Europaͤer zu Nachbarn gehabt, ohne daß dieß auf ihre Lebensweiſe einen weſentlichen Einfluß geaͤußert hätte, und was ihre Familien- Einrichtungen betrifft, fo duͤrften ſie ſich noch ziemlich in demſelben Zuſtande befinden, wie in der Urzeit ihrer Exiſtenz. Sie haben im Baue ihrer Wohnungen keine Fortſchritte gemacht, wenn ſie nicht von den unter ihnen wohnenden Europaͤern dazu angehalten worden ſind, und die indianiſche Huͤtte, das indianiſche Zelt, vom Feuerlande bis zum Lorenzſtrome, moͤchte wohl das roheſte Werk ſeyn, was Menſchenhaͤnde zum Schutze gegen die Witterung je errichtet haben. In dem Baue ihrer Boote beweiſen ſie eben nicht mehr Erfindungskraft, indem dieſelben, wie wir ſpaͤter nachweiſen werden, ſich ſel— ten über den allerroheſten Anfang erhoben haben. Ihr Nach⸗ ahmungstrieb ſteht auf einer ſehr niedrigen Stufe, und fuͤr Kuͤnſte und Wiſſenſchaften haben ſie gar keinen Sinn. Die langen Annalen der Miſſionen und von Privatperſonen ausgegange— nen menſchenfreundlichen Plaͤne bieten nur wenige erfreu— liche Ausnahmen von dieſer traurigen Regel dar, welche durch das Zeugniß faſt aller practiſchen Beobachter unter— ſtuͤtzt wird. Selbſt in den Fällen, wo Indianer des Bor: theils einer tuͤchtigen Erziehung theilhaftig geworden ſind und lange inmitten der civiliſirten Geſellſchaft gelebt haben, gaben ſie die Liebe zu ihren Nationalſitten nicht auf und nahmen ſie dieſelben wieder an, ſobald dieß in ihrer Macht ſtand. 137 In ſolcher Geiſtesarmuth leben dieſe wilden Voͤlker— ſchaften dahin, und die halbciviliſirten Nationen erſcheinen unter ihnen gleich Oaſen in der Wuͤſte; ſie ſind in der Geſchichte des Menſchengeiſtes eine wahrhaft raͤthſelhafte Erſcheinung; die Peruaner im Suͤden, die Mexikaner im Norden, und die Muyscas von Bogota zwiſchen ihnen bil— deten gleichzeitig und unabhaͤngig voneinander, von wilden Horden umſchwaͤrmt, die Mittelpuncte der amerikaniſchen Civiliſation. Mit Verwunderung betrachtet man deren cyclopiſche Gebaͤude, welche haͤufig mit denen Aegyptens in die Schranken treten koͤnnen; ihre Tempel, in denen man, außer dem Bogengewoͤlbe, faſt alle Ordnungen der Archi— tectur wiederfindet, ihre Statuen und Basreliefs, die, un— geachtet mancher conventionellen Unvollkommenheiten, weit uͤber den roheſten Anfaͤngen der Kunſt ſtehen. (Fortſetzung folgt.) 735. XXXIV. 9. 138 Miscellen. Zur Pruͤfung und Benutzung eines außerordentli⸗ chen Rechnentalentes (welches ein 6 Jahr 10 Monate alter Knabe, Namens Prolongeau aus Blaye, beſitzt, indem er die verwickeltſten Aufgaben, welche die Mathematiker nur mit der Feder in der Hand mittelſt kuͤnſtlicher Methoden oder mit Anwendung von Logarithmentafeln zu loͤſen pflegen, im Kopfe loͤſ't), hat die Ana— tomie eine Commiſſion, aus Herren Arago, Cauchy, Poniſot, Duhamel und Liouville beftehend, ernannt, und derſelben Herrn Flourens beigegeben, um den Knaben auch in phrenologiſcher Hinſicht zu beobachten. (A. 3) Aetna⸗Lava, welche vor zwei Jahren nach Capo di Bove beruntergefloffen, hat den in Rom lebenden Naturforſchern eine große Menge von Nephelinen, eine Art Silex in der Form von ſechsſeiti⸗ gen Prismen von verſchiedenen (milchweißen, rothen und ſchoͤngruͤ⸗ nen) Farben geliefert, welche bisher die italieniſchen Mineralogen nicht als vulcaniſche Producte kannten. Nekrolog. — Am 4. Mai iſt der Stadtaccoucheur und Mitglied des Phyſicats in Frankfurt a. M., Dr. Ph. J. Cretſch⸗ mar, als Schriftſteller im Gebiete der Zoologie geachtet und um die Senkenbergiſche naturforſchende Geſellſchaft daſelbſt verdient, verſtorben. e in k un de Ueber die freiwillige Austreibung und kuͤnſtliche Ausziehung des Mutterkuchens vor dem Kinde in Faͤllen, wo die placenta auf dem Muttermunde aufſitzt. Von Profeſſor Simpfon. Am 4. December 1844 theilte Profeſſor Simpfon der „Medico -chirurgiſchen Geſellſchaft zu Edinburgh“ eine Abhandlung uͤber obigen Gegenſtand in Faͤllen von unver— meidlicher Haͤmorrhagie mit. Er wies nach, daß, wenn man bei den gewoͤhnlichen Faͤllen des vorliegenden Mutter— kuchens nach dem üblichen Verfahren vorſchreitet, die Sterb— lichkeit der Muͤtter ſehr bedeutend ſey. Unter 174, durch Dr. Churchill aus verſchiedenen Schriften entlehnten und tabellariſch geordneten Faͤllen hatten 48 den Tod der Mut— ter veranlaßt und aus einer andern, von Dr. Simpſon zuſammengeſtellten Tabelle, die 339 Faͤlle umfaßte, ergab ſich eine Sterblichkeit von 115, ſo daß 1 Sterbefall auf 3 Faͤlle von auf dem Muttermunde aufſitzendem Mutterkuchen kommt. Als Gegenſatz zu dieſen ſtatiſtiſchen Ergebniſſen fuͤhrte Dr. Simpſon eine Anzahl File an, einige bereits ver— zeichnet und andere in feiner eigenen Praxis und Bekannt— ſchaft geſammelt, in denen die placenta entweder von ſelbſt oder durch ſogenannte Ungeſchicktheit des Geburtshelfers vor dem Kinde ausgetrieben worden war. Die Zahl betrug im Ganzen 120, und es waren 8 Muͤtter oder eine unter 15 geſtorben. Bei Zweien war die Urſache des Todes von den Berichterſtattern nicht angegeben worden; in einem Falle ſtarb die Mutter am Kindbettfieber, und nur bei Zweien ward die Haͤmorrhagie als Urſache des Todes bemerkt. In einem dieſer beiden letzten Faͤlle ſtand die Blutung gleich nach der Abloͤſung des Mutterkuchens, jedoch zu ſpaͤt, um die Krei— ſende zu retten. Aus denſelben Faͤllen ergiebt ſich auch, daß, wenngleich vor dem Abgehen der placenta viel Blut verloren gegangen ſeyn mag, d. h., ſobald die Ablöfung ſtattfindet, die Haͤmorrhagie gewöhnlich aufhört oder doch hoͤchſt unbedeutend wird. Hier⸗ aus geht hervor, daß die vollſtaͤndige Trennung des Mutter kuchens weit weniger Gefahr bringt, als die theilweiſe, was auf den erſten Blick paradox ſcheinen mag, ſich aber aus der Structur der placenta foetalis leicht erklärt. Die Hä- morrhagte kommt hauptſaͤchlich aus der placenta ſelbſt. Wenn dieſe ſich nur theilweiſe vom uterus trennt, ſo tritt das Blut noch ungehindert in den letztern durch die feſtſiz— zende Portion der placenta und entweicht ebenſo ungehin: dert noch aus der freien Oberflaͤche des Theils, wo die Por: tion der placenta abgelöft iſt. Durch die Beobachtung dieſer Umſtaͤnde fuͤhlte ſich Dr Simpfon ſchon vor 4 Jahren veranlaßt, der geburts— huͤlflichen Geſellſchaft (Obstetrical Society) vorzuſchla⸗ gen, man moͤge doch, wenn die placenta, auf dem Mutter⸗ munde ſitzend, vorliege, dieſelbe ohne Weiteres ausziehen, um die Blutung zu ſtillen, und die Austreibung des foetus dann der Natur uͤberlaſſen oder durch kuͤnſtliche Mittel be— wirken. Dr. Simpfon führte an, er habe im vergange— nen Herbſte dieſes Verfahren mit vollkommenem Erfolge in Anwendung gebracht und die placenta zwei Stunden vor der Geburt des Kindes herauszogen. Er halte daſſelbe vorzuͤglich in ſolchen Faͤllen fuͤr paſſend, wo die Wendung des foetus oder das Zerreißen der Membranen unzulaͤſſig oder unausfuͤhrbar iſt, z. B. da, wo eine gefaͤhrliche Blu— tung ſtattfindet, wenn der Muttermund noch eng und ſtarr iſt; bei unvermeidlicher Haͤmorrhagie bei erſten Geburten; bei Praͤſentation der placenta, wenn die Kraͤfte der Frau durch die Blutung ſchon ſo geſunken ſind, daß ohne Gefahr die Wendung oder die forcirte Entbindung nicht angewandt werden kann; wenn das Kind erwieſenermaaßen todt iſt, ꝛe. 139 Am 8. Januar feste Dr. Simpfon feinem Vortrage noch hinzu, daß er mittlerweile in Erfahrung gebracht habe, die von ihm empfohlene Methode ſey unlaͤngſt in zwei Journalen als neu empfohlen worden. Uebrigens koͤnne er verſichern und beweiſen, daß er vor der Abfaſſung dieſer Artikel auf ſein Verfahren verfallen ſey, ja daß er den Ver— faſſern beider Artikel daſſelbe mitgetheilt habe, daher dieſe auf Driginalität keinen Anſpruch hätten. Schon ſeitdem er Profeſſor der Geburtshuͤlfe an der Edinburgher Univerſitaͤt ſey, habe er denſelben Gegenſtand alljaͤhrlich in feinen Vor— leſungen in ähnlicher Weiſe abgehandelt, auch der “geburts— huͤlflichen Geſellſchaft,, [hen im I. 1841 einen Vortrag über denſelben gehalten. Nur ungern und nur auf Veran⸗ laſſung einiger ſeiner Collegen bringe er dieſe Prioritaͤts— anfprüche zur Sprache. (The northern Journal of Me- dieine. No. X, Febr. 1845.) Ueber die Wirkungen und den aͤußerlichen Ge— brauch des Aconits. Von Herrn Richard Eades. Da die Angaben der Schriftſteller in Betreff der Wir: kungen dieſer Subſtanz ſehr abweichend ſind, indem einige behaupten, fie veranlaſſe Delirium und Convulſionen, *) andere, ſie veranlaſſe weder Betaͤubung, noch Delirium und Convulſionen, ſo lag mir daran, zu ermitteln, inwiefern die Angabe, daß durch dieſes Medicament die Empfindungsner— ven gelaͤhmt wuͤrden, wirklich zuverlaͤſſig ſey. In dieſer Abſicht ſtellte ich einige Verſuche an Thieren an, und ver— ordnete ich dieſes Mittel aͤußerlich bei manchen Arten von Neuralgien, wobei ſich denn Nachſtehendes ergab: 1) Bei Gelegenheit einer Zuſammenkunft mehrerer miteinander befreundeter Aerzte bei Dr. Burton in der Kildare-Straße, brachte ich in das Zellgewebe eines Kanin— chens etwa Z Gran Aconitin. Schon nach wenigen Mi: nuten ſtand dem Thiere ein dicker, klebriger Schleim vor dem Munde; nach einer Viertelſtunde ſchien es an Schwaͤ— che in den Hinterbeinen zu leiden, die es ſo linkiſch ge— brauchte, als ob ſie partiell gelaͤhmt ſeyen; nach einer hal— ben Stunde hatte es in dieſen Beinen alles Gefuͤhl verlo— ren, ſo daß man ein Scalpell durch dieſelben ſtechen konnte, ohne daß das Thier Zeichen von Schmerz offenbarte; die Gefuͤhlloſigkeit erſtreckte ſich ſchnell laͤngs des Ruͤckens hin, ſo daß hinter der Stelle, bis zu welcher ſie reichte, das Thier, wenn man es ſtach, nichts fuͤhlte; waͤhrend es ſich vor derſelben gegen den geringſten Stich ſo empfindlich zeigte, daß krampfhafte Bewegungen entſtanden. Nach 40 Minuten konnte man mit einer Naͤhnadel in die Naſenloͤcher ſtechen und an den Schnurrhaaren zerren, ohne daß es das Kaninchen zu merken ſchien; es ſchwankte bei'm Gehen, aber offenbar nicht deßhalb, weil die Bewegungsnerven ge— laͤhmt waren; denn wenn man es an den Ohren in die Hoͤhe hob, ſo zappelte es mit den Beinen ſo kraͤftig, wie vor der Behandlung mit Aconitin. Wenn man es aber wieder auf den Boden ſetzte, ſo blieben die Beine unbeweg— lich in der Lage, welche fie bei'm Niederſetzen zufällig an— ) S. Thomson’s Therapeutics, p. 424, 735. XXXIV. 9. 140 genommen hatten. Dr. F. Barker erklaͤrte dieſe, einer wirklichen Laͤhmung ſo aͤhnliche Erſcheinung in der Weiſe, daß das Thier den Boden nicht mehr fuͤhle, folglich ruhig auf demſelben liegen bleibe oder bei'm Gehen wanken muͤſſe. Dieſe Erklaͤrung ſchien uns um ſo richtiger, da das Thier den Kopf ganz in deſſen natuͤrlicher Stellung hielt. 2) Ich waͤgte 1 Gran Aconitin ab und brachte das— ſelbe in das Zellgewebe des rechten Hinterbeins einer ſtar— ken Katze. Nach 10 Minuten ſtand derſelben ein dicklicher, klebriger Schleim vor dem Maule; nach 12 Minuten wollte ſie keine Milch mehr ſaufen und bekam Erbrechen; nach einer halben Stunde kroch ſie in einen Winkel und war offenbar ſehr ſchwach und krank; nach einer Stunde fing ſie an, das Gefuͤhl in den Hinterbeinen zu verlieren, und in drei Stunden fuͤhlte ſie nichts mehr, mochte man ſie nun mit einer Nadel in was fuͤr einen Koͤrpertheil ſtechen. Selbſt an den Naſenloͤchern und dem innern Ohre konnte man ſie kitzeln oder ſtechen, ohne daß das Thier das geringſte Zeichen von Empfindung zu erkennen gab. Das Sehvermoͤgen war ſehr geſchwaͤcht, ſo daß man ein brennendes Licht dicht vor das Auge halten konnte, ohne daß das Thier dadurch beunruhigt wurde. Es verhielt ſich voͤllig ruhig und ging, allem Anſcheine nach, dem Tode mit raſchen Schritten entgegen, und doch lief es, wenn man es aus dem Winkel trieb, eine kurze Strecke weit und ohne ſtark zu ſchwanken. In dieſem Zuſtande voͤlliger Gefuͤhllo— ſigkeit blieb es 24 Stunden, worauf es anfing, ſich zu er— holen, und nach 36 Stunden ſchien es wieder voͤllig wohl, wenngleich noch einigermaaßen ſchwach. Die Freßluſt kehrte erſt nach einigen Tagen zuruck. Es wuͤrde uͤberfluͤſſig ſeyn, der uͤbrigen Verſuche zu erwaͤhnen, da ſie genau dieſelben Reſultate gaben. Keines der dazu verwandten Thiere bekam Durchfall. Uebrigens will ich bemerken, daß das bei dieſen Experimenten ange— wandte Aconitin ſchon ſeit einigen Jahren bereitet und in einer feuchten Stube aufbewahrt worden, alfo theilweiſe zer— ſetzt war. Friſch bereitet, wirkt es weit heftiger, ſo daß eine Katze ſterben muß, wenn man auch nur 3 Gran davon in das Zellgewebe derſelben bringt. Aus obigen Experimen⸗ ten ergiebt ſich mit hinlaͤnglicher Beſtimmtheit, daß das Aconitin die Empfindungsnerven laͤhmt, aber keine Betaͤu— bung oder Convulſionen veranlaßt. Wenn die letztern vors kommen, treten fie kurze Zeit vor dem Tode ein, und fie ſcheinen von der Stoͤrung des Blutumlaufes im Gehirne herzuruͤhren. Dieſe Anſicht wird durch die Art und Weiſe beſtaͤtigt, wie die Wurzel des Aconitum Napellus wirkte, als Herr Prescott und deſſen Familie von derſelben ge— noß (S. Pereira, Mat. med., p. 1339). Die Sym⸗ ptome waren in dieſem Falle ziemlich dieſelben. Herr Pres— cott, der die ſtaͤrkſte Portion zu ſich genommen hatte und ſterben mußte, wurde weder von Kraͤmpfen, noch von Con— vulſionen befallen, und ſeine geiſtigen Functionen geriethen auch nicht in Unordnung. Von den Faͤllen von Neuralgie, in denen ich dieſes Medicament aͤußerlich anwandte, iſt Folgendes eine kurzge⸗ faßte Darſtellung. 141 1. Mad. H., von nervoͤſem Temperament, feit ſechs Jah⸗ ren verheirathet, hatte mehrmals abortirt. Bei einer dieſer Ge: legenheiten ward ich, im Auguſt 1842, zum erſten Male zu ihr gerufen. Sie erholte ſich von ſolchen Zufaͤllen ſchnell. Ihr gewoͤhnlicher Geſundheitszuſtand war indeß aͤußerſt ſchwaͤch— lich; die geringſte Koͤrperbewegung ermuͤdete ſie, und ſehr unbedeutende Veranlaſſungen regten ihre leidenſchaftlichen Stimmungen leicht auf, was immer einen ſehr uͤblen Ein— fluß auf ihre Geſundheit aͤußerte. Etwa 2 Monate nach der erwaͤhnten Fehlgeburt wurde ſie wieder ſchwanger, und damit ſie nicht wieder abortire, beobachtete ich ſie ſehr genau. Sie war heftigen ſtechenden Schmerzen unterworfen, welche von dem Sacralnerven abwaͤrts und vorwärts bis in die Schamgegend und nach der innern Seite der Schenkel ſchoſſen. An der symphysis ossis pubis war der Schmerz am Heftigſten. Dieſe Schmerzen kehrten zu den Zeiten der Menſtruation regelmaͤßig wieder, wurden aber auch durch Schrecken oder ſonſtige Gemuͤthsbewegungen zu jeder Zeit veranlaßt. Um dieſe Empfindlichkeit herabzuſtim— men, beſchloß ich einen Verſuch mit Aconitum zu machen, und ich verordnete alſo: R. Tinct Aconiti Tinet. Belladonnae ää 3jj. Aquae Rosarum 5jjj ss. M. fiat embrocatio. Ein Paar Theeloͤffel auf einmal in der Sarcal- und Sn: guinalgegend, ſowie an der innern Seite der Schenkel ein— zureiben. Nach wenigen Minuten hoͤrten die Schmerzen vollkommen auf. Fuͤnf Monate lang hatte ſie alle vier Wochen dieſe Anfaͤlle, die auch bei den erwaͤhnten Veran— laſſungsurſachen ſich zufaͤllig einſtellten. Eben ſolche Zufaͤlle waren es geweſen, unter welchen die fruͤhern Fehlgeburten vorgekommen waren, und nach der ſechsten Woche der Schwangerſchaft erregten ſie jederzeit Schmerzen im uterus, ſowie die Empfindung eines Draͤngens nach Unten. Um das Aconitum ohne Zuſatz zu verſuchen, verordnete ich eine Einreibung von 4 Drachmen bloßer Aconittinctur, aus der ich die Belladonna wegließ. Die Wirkung war ebenſo guͤn— ſtig; nur klagte die Kranke, die Theile, welche ſie damit eingerieben, wuͤrden wie taub. Wenn ich dagegen bloß Bel— ladonnatinctur einreiben oder ein Belladonnapflaſter auf: legen ließ, ſo wurden die Schmerzen nicht geſtillt. Nach dem 5. Monate blieben die Schmerzen ganz weg. Die Frau trug ihre Leibesfrucht voͤllig aus und gebar ein ſtarkes, geſundes Kind. 2. Herr —, 35 Jahr alt, von plethoriſcher Leibesbe— ſchaffenheit, an ein thaͤtiges Leben im Hauſe gewoͤhnt, aber ſich ſelten Bewegung im Freien machend, litt an Anfaͤllen von Neuralgie im Zahnfleiſch, in den Kiefern und Wangen und war einigermaaßen zur Dyspepſie geneigt. Da ich jene Anfaͤlle nur fuͤr ſecundaͤr hielt, ſo behandelte ich ihn gegen Dyspepſie, ohne jedoch meinen Zweck zu erreichen. Ich ver— ordnete ihm nun ein Waſchmittel, welches in 4 Unzen Fluͤſ— ſigkeit 4 Drachmen Aconittinctur enthielt, und mit dem er ſich haͤufig den Mund lauwarm ausſpuͤlen ſollte; zugleich rieth ich ihm, mit dieſer Fluͤſſigkeit getraͤnkte Compreſſen aͤußerlich auf die Backen zu legen. Nachdem er das Mittel 735. XXXIV. 9. 142 einigemal angewandt hatte, hoͤrte der Schmerz auf. Bei drei bis vier Anfällen wurde mit Erfolg auf dieſe Weiſe verfahren, und ſeit den letzten 8 Monaten, die er auf dem Lande zubrachte, waͤhrend er taͤglich ſeiner Geſchaͤfte wegen zur Stadt kam, ſind die Schmerzen nicht wiedergekehrt. 3) Mad. W., 22 Jahre alt, verheirathet, von ner— voͤſem Temperamente, aber ſonſt geſund und Mutter eines Kindes, wurde um den dritten Monat ihrer Schwangerſchaft, ſcheinbar ohne alle beſondere Veranlaſſung, von heftigen ſtechenden oberflaͤchlichen Schmerzen uͤber der hypogaſtriſchen Gegend befallen. Dieſe nahmen an Heftigkeit zu und er— regten zuletzt ſolche Schmerzen im uterus, daß die Dame zu abortiren fuͤrchtete. Ich verordnete folgendes Waſchmit— tel mit Aconitum. R. Tinct. Aconiti, Zjv. Aquae Rosarum 5jjj ss M. Eine halbe Unze in den ſchmerzenden Theil einzureiben. Zugleich ſollen mit der Fluͤſſigkeit befeuchtete Compreſ— ſen auf das Kreuzbein gelegt werden. Gleich nach der Anwendung dieſes Mittels verſpuͤrte die Patientin bedeutende Erleichterung, und nachdem es bin— nen wenigen Stunden dreimal gebraucht worden war, waren die Schmerzen ganz weg. Im Laufe der naͤchſten 2 — 3 Tage kehrten einige gelinde Anfaͤlle wieder, die jedoch durch das Mittel ſchnell gedaͤmpft wurden. Auch dieſe Patientin klagte (wie Mad. H.) über mehrere Tage anhaltende Taub— heit der Theile, auf welche das Waſchmittel angewandt wor— den war und gab an, ſie fuͤhlte die Kleider auf denſelben nicht. Spaͤter kamen keine aͤhnliche Anfaͤlle mehr vor. Auch andere Aerzte haben mir ihre Erfahrungen in Betreff der Wirkung des Aconitum bei Neuralgien mitgetheilt; in manchen Faͤllen ſchlug es an, in anderen wirkte es gar nicht; allein dieß ſtand auch zu erwarten, wenn man bedenkt, aus was fuͤr verſchiedenen Urſachen neuralgiſche Leiden entſprin— gen. Folgenden Falles will ich ſpeciell gedenken; er ward mir von einem mir befreundeten Collegen mitgetheilt. „Ein junger Mann ward den 18. Juni 1843 ziemlich plotzlich von ſehr heftigen Schmerzen über der linken Augen— braue befallen, die ſich zuweilen und gleichſam periodiſch bis uͤber die linke Stirn und Schlaͤfe, ſowie abwaͤrts bis zum Jochbogen, ausdehnten. Die Stelle war auch ein Wenig geröthet, und er fühlte in derſelben die Gefäße klopfen, ſowie eine innere Hitze. Da ich fand, daß der Patient an Ver— ſtopfung litt, ſo gab ich ihm einen Bolus von Calomel und Jalappe und zwei Doſen von einer abfuͤhrenden Mixtur. Dieſe Mixtur wurde, da die erſte nicht hinreichend gewirkt hatte, am 20. Juni wiederholt, und in den Zeiten zwiſchen den Anfaͤllen von Schmerz folgende aufbrauſende Mixtur zu nehmen verordnet: R. Decoct. Cinchon. Zvi. Bicarb. Sodae 31jj. Sumat 3j. e 5 ss succi limonis 2dis horis. Am 21. war keine bedeutende Beſſerung eingetreten. Mit dem Gebrauche der Brauſemixtur ward fortgefahren und 12 Blutegel uͤber der Augenhoͤhle angelegt. Am 22. war noch Alles bei'm Alten; die Blutegel hatten faſt gar keine Erleichterung bewirkt. Jetzt wurden mit Tinct. Aco- 145 niti befeuchtete Compreſſen auf den leidenden Theil gelegt. Am 23. waren die Schmerzen um Vieles gelinder, der Darm: canal etwas verſtopft, weßwegen zwei eroͤffnende Pillen und eine eroͤffnende Magenmixtur, nebſt dem fortgeſetzten Gebrauche der Umſchlaͤge, verordnet wurden. Am 25. war der Schmerz durchaus verſchwunden und er iſt auch ſpaͤter nicht wiederge— kehrt. Ich empfahl dem Patierlten, die toniſche Brauſemix— tur fortzugebrauchen und ſie abwechſelnd mit Baldrian- und Chinapulver bereiten zu laſſen. Später habe ich nichts wies der von ihm gehoͤrt, wahrſcheinlich, weil er meines aͤrztlichen Beiſtandes nicht weiter bedurft hat. In obigem Falle war das Leiden wohl rein neuralgiſcher Art und alſo der Gebrauch des Aconitum vollkommen angezeigt. Die fruͤher angewand— ten anderen Mittel ſchienen gar nichts zu helfen“. F. B. Unter den Aconit-Medicamenten find die aus der Wur— zel bereitete Tinctur und der alkoholiſche Extract aus den Blättern die zuverlaͤſſigſten. Den gewöhnlichen Präparaten iſt nicht zu trauen. Den alkoholiſchen Extract aus den Blättern hat Dr. Lombard zu Genf innerlich gegen rheu— matiſche Krankheiten mit Erfolg angewandt. Meinen eig— nen Erfahrungen zufolge, wirkt derſelbe aber nicht ſo kraͤf— tig, als die Wurzeltinctur. Dr. Moore, in der Annenſtraße, bereitete im Sommer 1842 den Blaͤtterextract ſehr forgfüls tig nach der Vorſchrift des Dr. Lombard; allein aͤußerlich angewandt zeigte ſich derſelbe nicht ſo wirkſam, wie die Wur— zeltinetur. Im Allgemeinen erhält man von der Staͤrke des Praͤparates einen ziemlich genauen Begriff, wenn man es auf die Lippen bringt und nach der prickelnden Empfindung ſowie dem Grade und der Dauer der darauf erfolgenden Taubheit, beurtheilt. Diejenigen Praͤparate, welche keine ſolche Wirkung hervorbringen, habe ich faſt ganz unwirkſam gefunden. In der neueſten Ausgabe (1845) von Ch riſtiſon's Werke uͤber die Gifte wird einer noch nicht gedruckten Ab— handlung des Dr. Alexander Fleming, der unlaͤngſt an der Univerſitaͤt zu Edinburgh promovirt hat, uͤber Aconitum Napellus “) gedacht, und darüber Folgendes mitgetheilt. „Die tuͤchtigſte Arbeit, welche wir bis jetzt uͤber die Wir— kung des Aconitum beſitzen, iſt die Inauguraldiſſertation des Dr. Fleming. Er fand, daß die bemerkenswertheſten Symptome in Schwaͤche und taumelndem Gange, der ſtu— fenweiſe zunehmenden Laͤhmung der willkuͤrlich beweglichen Muskeln, der allmaͤlig ſteigenden Unempfindlichkeit der Koͤr— peroberflaͤche, der groͤßern oder geringeren Schwaͤchung des Sehvermoͤgens, bedeutender Verlangſamung des Pulſes und convulſiviſchen Zuckungen vor dem Verenden des Thieres beſtehen.“ Dr. Fleming bemerkt ferner, daß das Aconitum, in maͤßigen Doſen innerlich gebraucht, das Gefuͤhl von Waͤrme ) Prize Thesis on the physiological and medicinal proper- ties of Aconitum Napellus. Edinburgh, 1844. 735. XXXIV. 9. 144 im Magen, Ekel, Taubheit und Prickeln in den Lippen und Wangen, welche Symptome ſich allmaͤlig mehr oder weniger uͤber den Organismus ausdehnen, Verminderung in der Kraft und Häufigkeit des Pulſes, große Muskelſchwaͤche, verworre— nes Sehen oder gaͤnzliche Blindheit veranlaſſe; ſtaͤrkere Do— ſen verurſachen ein Gefuͤhl, als ob der Tod nahe bevorſtehe, zuweilen gelinde Anfaͤlle von Delirium und den Verluſt der Kraft, die Willensacte auszufuͤhren, aber nicht des Bewußt— ſeyns; einſchlaͤfernd wirkt das Aconitum nicht direct; allein es kann, indem es Geiſtesheiterkeit und Schmerzloſigkeit ver— anlaßt, zum Schlafe praͤdisponiren. In Betreff der abfo= lut tödtlihen Gaben ſagt Dr. Fleming: Die geiſtigen Faͤhigkeiten bleiben unverſehrt, und es iſt keine Neigung zu Betaͤubung oder Schlaftrunkenheit zu bemerken. Nach meinen Experimenten moͤchte ich die von mir an Thieren beobachteten Symptome folgendermaaßen kurz zu— ſammenfaſſen: Schwaͤche, taumelnder Gang, allmaͤlig zuneh— mende Gefuͤhlloſigkeit der Koͤrperoberflaͤche, langſam ſteigende Schwaͤche der willkuͤrlich beweglichen Muskeln, die zuletzt viel- leicht in Laͤhmung ausgeht, große Traͤgheit des Pulſes, groͤ— ßere oder geringere Verminderung der Sehkraft und convul= ſiviſche Zuckungen vor dem Tode. (The Dublin Journal of Medical Science. No. LXXIX, March, 1845.) Mis tee li Fuͤr die Operation der Haſenſcharte hat Malgai⸗ gne eine neue Methode in Gebrauch genommen. — Die Anfri⸗ ſchung der Spalte geſchieht von Oben nach Unten, ſtatt, wie ge— wohnlich, von Unten nach Oben, und die Lappen werden erhalten, ſtatt fie abzutragen. Zu dieſem Zwecke macht man die Schnitte, ſtatt fie bis zu dem freien Rande der Lippen zu verlängern, paral⸗ lel mit den Schnittraͤndern bis zur Hoͤhe der geſunden Schleimhaut, und zwar ſo, daß die Lappen allenthalben dieſelbe Dicke haben; dann ſchlaͤgt man die letztern nach Außen um, bringt die erſte Na— del an dem oberen Theile des Schnittes an und vereinigt die beiden Lappen, indem man fie als eine Fortſetzung der normalen Schleim- haut der Lippen dienen laͤßt, nachdem man das Ueberſchuͤſſige der erforderlichen Länge abgeſchnitten hat. Dieſe neue Methode be- zweckt alſo den Subſtanzverluſt, welcher an den beiden Winkeln des Schnittes bei der Haſenſcharte beſteht, zu vermeiden, in deſſen Folge die Lippen ſelbſt nach der Heilung noch eine Grube, als Rudiment der Haſenſcharte, uͤbrig behaͤlt. Der Verfaſſer fuͤgt als Beweis fuͤr die Zweckmaͤßigkeit ſeiner Methode eine Beobachtung bei, welche von dem befriedigendſten Reſultate begleitet war. Snoculation des Tartarus stibiatus hat der Dr. de Bourge, zu Rollot, anſtatt der Brechweinſteineinreibungen angewendet, die in der Behandlung vieler bedeutender Krankhei— ten ſo nuͤtzlich und unentbehrlich ſind, aber oft verſagen. Auch zieht jetzt Herr de Bourge die Inoculation des Brechweinſteins entſchieden vor! Dieſe Inoculation wird in gleicher Weiſe vorge— nommen, wie die Vaccination, uud gewaͤhrt den Vortheil, die Wir⸗ kung mehr zu begraͤnzen und da zu localiſiren, wo man fie beſon⸗ ders ausgeuͤbt wuͤnſcht. Man miſcht zu dieſem Behufe einige De— cigrammen tartarus stibiatus auf einer Glasplatte mit ein wenig Waſſer oder Oel; und wenn man die Wirkung ſtaͤrker haben will, ſo ſtreicht man, mittels eines Mahlerpinſels, Mergens und Abends etwas von der Miſchung auf die Oberflaͤche, wo die Inoculation gemacht worden. Bibliographische Zoology of the Voyage of H. M. S. Sulphur under the Com- mand of Sir Edward Belcher during the years 1836 — 1842. Ichthyology by J. Richardson, D.M. Part 2. London 1845. roy. 4. British Moths and their Transformations. Westwood. Vol, 2. 4. London 1845. BY Humphreys and Ni g kei, Elémens de Chimie generale. Par E. Ferguin. Lyon 1845. 12 Engravings illustrating the surgical Anatomy of the Head and Neck, Axilla, bend of the Elbow and Wrist, with Description. By T. Morton. London 1845. 8. Treatise on Inflammation as a Process of abnormal Nutrition. By John Hughes Bennet, DM. Dublin 1845. 8. Neue Wotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetdeilt von dem Obere Medicinalratde Froriep ju Werner, und dem Medicinalxaide und Profeſſor Frorien zu Berlin. No. 736. (Nr. 10. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 & 30 7%, des einzelnen Stüdes 3%, IH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 9 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 895 Mora sr ne, £ Unterſuchungen in Betreff der characteriftifchen Kennzeichen der Ureinwohner America's. Von Samuel George Morton, M. D. (Fortſetzung.) Dieſe halbciviliſirten Nationen habe ich früher unter dem Namen der Toltekaniſchen Familie zuſammenge— faßt; denn obgleich die Annalen der Mericaner deren Gi: viliſation in eine weit fruͤhere Zeit verlegen, als die, zu wel— cher die Toltekaner auftraten, ſo ſcheinen dieſe Letztern doch die Kuͤnſte und Wiſſenſchaften viel hoͤher entwickelt zu ha— ben, als ihre Vorgaͤnger. Ueberdieß redeten die verſchiedenen Voͤlkerſchaften, welche hintereinander in Mexico einfielen und dieſes Land in Beſitz nahmen, im Weſentlichen die naͤm— liche Sprache und boten dieſelben phyſiſchen Zuͤge, ſowie ſocia— len Einrichtungen, dar. Da nun das Auftreten der Inkas in Peru ziemlich gleichzeitig mit der Zerſprengung der Tolte— kaner, naͤmlich um's Jahr 1050 unſerer Zeitrechnung, ſtatt fand, ſo laͤßt ſich mit Grund vermuthen, daß die Peruaner Zweige deſſelben Toltekaniſchen Stammes geweſen ſeyen. Wir haben einer vorinkaſchen Civiliſation erwaͤhnt, die ſchon wieder verſchwunden war, als die Inkas Herrſcher von Peru wurden. Sie wird durch Traditionen und Denk— male zur Gewißheit erhoben, obwohl uͤber der Zeit ihrer Exiſtenz ein tiefes Dunkel liegt. Sie kann ſogar vor die chriſtliche Zeitrechnung fallen: wenigſtens ſteht dieſer Annahme nirgends etwas im Wege. Man hat die Chro— nologie die Kruͤcke der Geſchichte genannt; allein mit allen ihren Maͤngeln wuͤrde ſie hier, wo raͤthſelhafte Denkmale uns zur Forſchung auffordern, aber nirgends Andeutungen vorhanden ſind, welche uns bei dieſen Forſchungen leiten koͤnnten, von unfhägbarem Werthe ſeyn. Wir wiederholen jedoch den in Betreff dieſer Frage hoͤchſtwichtigen Punct, daß die alten Peruaner die Aſcendenten der noch jetzt in Peru lebenden Aymara⸗Staͤmme ſind, waͤhrend dieſe in je— der Beziehung mit dem Volke der großen Inkarace uͤberein— ſtimmen. Alle die Denkmale, welche jene verſchiedenen Voͤlkerſchaften in einer Ausdehnung von 3000 engl. M. Laͤnge zuruͤckgelaſſen haben, weiſen ferner auf einen gemein— ſchaftlichen Urſprung hin, indem, mancher unweſentlichen No. 1836.—736 Ball nede 46% Abweichungen ungeachtet, gewiſſe Grund- und Hauptzuͤge bei keinem derſelben vermißt werden. Ob der Heerd oder Ausgangspnnct der civiifirten Na— tionen, wie Manche wollen, in dem fabelhaften nördlichen Lande Aztlan oder, wie der gelehrte Cabrera nachzu— weiſen geſucht, in Chiapas und Guatimala zu ſuchen ſey, konnen wir hier nicht näher erörtern; aber dieſen Nationen allein verdanken die aus einem Steine gehauenen Thore Peru's, die Sculpturen Bogota's, die Tempel und Pyra— miden Mexico's und die Waͤlle und Befeſtigungen des Mis— ſiſſippithales ihren Urſprung. So verhielt es ſich mit der Toltekaniſchen Familie, und man wird nun fragen, wie es moͤglich geweſen ſey, daß in Anſehung des intellectuellen Characters ein ſo gewaltiger Unterſchied zwiſchen den americaniſchen Nationen ſtattge— funden habe, wenn fie ſaͤmmtlich von demſelben Urvolke ab— ſtammten oder, mit andern Worten, der naͤmlichen Race angehoͤrten. Wie laͤßt ſich die Civiliſation der einen mit der Barbarei der andern vereinbaren? Gerade dieſe Frage hat die Philoſophen der drei letzten Jahrhunderte ſoviel zu ſchaffen gemacht und ſie, den Thatſachen zum Trotze, dazu veranlaßt, das Vorhandenſeyn mehrerer Racen anzunehmen. Wir geben zu, daß hier ein ſcheinbarer Widerſpruch vorliege; allein wie ſehr es auch gegen die allgemeine Regel ſtreitet, ſo fehlt es doch in der alten Welt nicht an aͤhnlichen Faͤl— len. Wir brauchen nur auf das Beiſpiel hinzuweiſen, welches ſich uns in der großen arabiſchen Familie darbietet; denn die Saracenen, welche ihre Herrſchaft in Spanien gruͤn— deten, deren Geſchichte das Gepraͤge der Romantik und Ver— feinerung in ſo hohem Grade traͤgt, deren Schulen Jahr— hunderte lang der Mittelpunct des Genie's und der Gelehr— ſamkeit waren, und deren Kuͤnſte und Wiſſenſchaften einen bleibenden Einfluß auf alle kuͤnftige Zeiten ausuͤben, dieſe naͤmlichen Saracenen gehoͤren nicht nur derſelben Race, ſondern ſogar derſelben Familie an, wie die Beduinen der Wuͤſte, dieſe unbezaͤhmbaren Barbaren, die jedes ihnen nicht von ihren eignen Haͤuptlingen auferlegten Zwanges ſpotten, und deren utvaͤterliche Geſetze ihnen verbieten, Korn zu ſaͤen, Obſtbaͤume zu pflanzen und Haͤuſer zu bauen, damit ſie nie 10 147 von der umherſchweifenden Lebensweiſe, die fie nun ſchon uͤber 3000 Jahre gefuͤhrt haben, abgezogen werden moͤgen. Andre, wenngleich nicht weniger ſtarke Beiſpiele ließen ſich vielleicht von den Familien der mongoliſchen Race ent⸗ lehnen; allein ohne die Vergleichung weiter fortzuführen oder dem Grunde dieſer merkwuͤrdigen intellectuellen Verſchieden— heit nachzuforſchen, wollen wir uns wenigſtens vor der Hand mit dem Gegebenen begnuͤgen. Uebrigens duͤrfen wir in Be— zug auf die Americaner nicht unerwaͤhnt laſſen, daß die civiliſirten Staaten von ihren Nachbaien nicht ſchroff ges ſchieden waren, ſondern daß in manchen Fällen Uebergaͤnge zu bemerken find, fo daß man bei manchen Völkerſchaften nicht weiß, ob man ſie zu den civiliſirten oder zu den bar— bariſchen zu rechnen habe. Dahin gehören die Araucaner, deren Sprache und Gebraͤuche, ja ſelbſt Kunſtfertigkeiten auf eine directe Abſtammung von den Peruanern hindeuten, während fie den letztern an Scharfſinn und Muth bei Wei: tem uͤberlegen ſind und ihre ſocialen Einrichtungen zugleich mehrentheils die unmenſchlichſte Barbarei bekunden. So finden wir auch bei den Aztekiſchen Beherrſchern von Me— rico zur Zeit der ſpaniſchen Eroberung, in dem in's Groß: artige gehenden Goͤtzendienſt und den ſcheußlichen Menſchen— opfern, einen auffallenden Gegenſatz zu den ihnen vorherge— gangenen mildgeſinnten Toltekanern, deren Kuͤnſte und Schlauheit ſie geerbt hatten. Noch ſpaͤter ſtanden auf die— fer Mittelſtufe die Natchez-Saͤmme des Miſſiſippithales, an denen ſich noch Spuren von der Civiliſation ihrer mexi— caniſchen Vorfahren neben den roheſten Zügen der wil— den Voͤlkerſchaften wahrnehmen ließen. Auf dieſe Weiſe koͤnnen wir noch jetzt alle Abſtufungen, welche beide Extre— me miteinander verbinden, Schritt fuͤr Schritt verfolgen, und nachweiſen, daß, obgleich die Civiliſation dieſer Voͤlket ſich ſchnell verwiſcht hat, obgleich ihre Kuͤnſte und Wiſſen— ſchaften ſchon zu Grabe getragen ſind, die Nationen doch in andern Beziehungen unveraͤndert geblieben ſind und ſich inmitten vieler auf ihre Herabwuͤrdigung und Ausrottung hinwirkender aͤußerer Urſachen ſo erhalten haben. So ſon— derbar dieſe intellectuellen Umgeſtaltungen auch erſcheinen moͤgen, ſo getrauen wir uns doch zu behaupten, daß ſie, wenn man alle Umſtaͤnde beruͤckſichtigt, nicht bedeutender ſind, als die, welche ſich bei einer Vergleichung der Neugrie— chen mit den alten herausſtellen. Wenn wir nicht uns laͤugbare Beweiſe dafuͤr beibringen koͤnnten, wuͤrde Niemand glauben wollen, daß die jetzigen Griechen die Nachkommen derjenigen ſeyen, welche das Zeitalter des Perikles verherrlichten. Man konnte noch immer geltend machen wollen, daß die Religion und Kuͤnſte der Americaner auf aſiatiſchen und aͤgyptiſchen Urſprung hinweiſen; allein es liegt, wie v. Hum- boldt und Andere bemerkt haben, auf der Hand, daß dieſe Aehnlichkeiten ihren Grund in aͤhnlichen Beduͤrfniſſen und Antrieben haben, welche bei Nationen, die ſich unter gleich— artigen Umſtaͤnden befinden, aͤhnliche Reſultate erzeugen wer— den. „Es wuͤrde,“ bemerkt Dr. Caldwell, „nicht nur fons derbar, ſondern vielmehr wunderbar und unerklaͤrlich ſeyn, wenn Menſchenſtaͤmme und Nationen, welche ähnliche -geis ſtige und koͤrperliche Eigenſchaften darbieten, unter ähnlichen 736. XXXIV. 10. 148 Himmelsſtrichen und in aͤhnlichen Landern wohnen, gleichar— tigen ſocialen Bedingungen unterworfen ſind und ſich auf aͤhnliche Weiſe das Leben friſten muͤſſen, wenn ſolche Na— tionen einander nicht in Sitten, Gebraͤuchen, Lebensweiſe und uͤberhaupt in ihren Handlungen ſehr aͤhnlich waͤren.“ Auch hier koͤnnen wir ein erlaͤuterndes Beiſpiel aus der al— ten Welt anfuͤhren; denn trotz der verhaͤltnißmaͤßigen Nach: barſchaft der Aegyptier und Hindus und der deutlichen Ver— wandtſchaft ihrer Architectur, Mythologie und focialen Eins richtungen, haͤlt ſie gegenwaͤrtig Niemand fuͤr ſtammver— wandte Nationen, und die erwaͤhnten Aehnlichkeiten ſind wahrſcheinlich, ganz unabhängig von phyſiſcher Verwandtſchaft, lediglich durch den gegenſeitigen Verkehr bewirkt worden. So verhaͤlt es ſich auch mit den americaniſchen Nationen. Die zufällige Ankunft ſchiffbruͤchiger Fremden kann die Aehnlich— keit in der Kunſt und in den Gebraͤuchen, ſowie der Woͤr— ter, auf die man ſich in Betreff des gemeinſchaftlichen Ur— ſprungs der Sprachen ſo haͤufig beruft, deren aber ſo weni— ge find, daß ſich dieſe Uebereinſtimmung leicht anders ausle— gen laͤßt, vollkommen genuͤgend erklaͤren. Die Totalzahl der gemeinfhaftlihen Wörter ſoll ſich in Betreff der americaniſchen, ſowie der aſiatiſchen und au— ſtraliſchen Sprachen auf 104, in Hinſicht der americaniſchen und europaͤiſchen auf 43, ruͤckſichtlich der americaniſchen und africaniſchen auf 40 belaufen, ſo daß es ſolcher Woͤrter im Ganzen 187 geben wuͤrde. Allein wenn man die bloßen Zufaͤlligkeiten, auf denen manche dieſer Aehnlichkeiten unſtrei— tig beruhen, in Anſchlag bringt, fo liegt es auf der Hand, daß ſich daraus der gemeinſchaftliche Urſprung der 400 ame- ricaniſchen Dialecte und der verſchiedenen Sprachen der al— ten Welt keinesweges folgern laͤße. Erſt im Jahre 1833 litt eine japaneſiſche Junke an der Nordweſtkuͤſte America's Schiffbruch, und mehrere Leute von der Mannſchaft gelangten wohlbehalten an's Land. Ich ſelbſt habe mehrere Porcellangefaͤße geſehen, die bei dieſer Ges legenheit geborgen worden waren. Dergleichen Zufaͤlle koͤn— nen ſich auch vor Alters ereignet haben, und die Einbildungs— kraft braucht ſich eben nicht anzuſtrengen, um den Einfluß begreiflich zu machen, den dieſe Perſonen in verſchiedener Be— ziehung ausgeuͤbt haben wuͤrden, wenn ſie bei den Hoͤfen von Peru und Mexico eingefuͤhrt worden waͤren. Sie haͤt— ten gewiß viel dazu beitragen koͤnnen, die Kuͤnſte und Wif- ſenſchaften des Volkes, zu dem ſie verſchlagen worden, wei— ter fortzubilden, und zugleich wuͤrden ſie den Sprachſchatz deſſelben unſtreitig um manche Ausdruͤcke bereichert haben. Mein Freund, Hr. Townfend, welcher mehrere Mo— nate unter den Voͤlkerſchaften in der Naͤhe des Columbia— fluſſes verlebte, hat mir mitgetheilt, daß die dortigen In— dianer bereits von den canadiſchen Pelzhaͤndlern mehrere franzoͤſiſche Woͤrter angenommen haben, die ihnen ſo zur an— deren Natur geworden ſind, daß man glauben ſollte, ſie haͤtten urſpruͤnglich in ihrer Sprache exiſtirt. Aus den vorſtehenden Bemerkungen ergiebt ſich ohne Weiteres, daß wir der americaniſchen Race die beiden Ex— treme der intellectuellen Faͤhigkeiten zuerkennen; von denen das eine zur Erlangung eines gewiſſen Grades der Civiliſa— 149 tion und der Verfeinerung, unabhängig von fremdem Bei: ſtande, geſchickt macht, waͤhrend das andere eine Erniedrigung mit ſich fuͤhrt, die jede geiſtige Cultur ausſchließt. In dem Beſatze des einen befand ſich eine geringe Zahl von Leuten, die ſich zu Anſehen und Reichthum emporſchwangen und da— durch die Habſucht fremder Eroberer reizten; das andere ward der gewaltigen Mehrzahl der wilden Staͤmme zu Theil, de— ren Rohheit von Außen und Innen auf ihr Verderben hin— wirkt. Die Zwiſchenglieder nehmen an dem Schickſale der beiden Extreme Theil, ſo daß die ganze americaniſche Race ihrem Ausſterben mit raſchen Schritten und leider, wie es ſcheint, unvermeidlich entgegengeht. 4) Unternehmungen zur See. Einer der cha— racteriſtiſchſten Zuͤge in der geiſtigen Richtung aller civiliſir— ten und vieler barbariſchen Voͤlker iſt die Neigung zu See— abenteuern. Die caucaſiſchen Nationen bieten dieſen Zug in allen Zeitaltern in einer auffallenden Weiſe dar; ihre Se— gel entfalten ſich auf allen Weltmeeren, und ſchon im fruͤ— heſten Alterthume war der Argonautenzug das Vorbild aͤhn— licher abenteuerlicher Unternehmungen. Daher ſchreibt ſich ihre unbeſtrittene Beherrſchung der Meere und der Erfolg, mit welchem ſie in allen Welttheilen Colonien gegruͤndet ha— ben. Den Mongolen und Malaien geht, wenngleich ſie ruͤh— rig und raubgierig und zum Waſſerleben ſehr geneigt find, jener Erfindungsgeiſt und jene Wiſſenſchaftlichkeit ab, auf denen die Möglichkeit großer nautiſchen Reſultate beruht, waͤhrend ſie auch jener geiſtigen Combinationen, die zur voll— ſtaͤndigen Bekanntſchaft mit der nautiſchen Tactik erforderlich find, nicht faͤhig find. Der Neger, deſſen Beobachtungs- und Nachahmungs- Talent ihn in den Stand ſetzen, ſich die Einzelnheiten des Seeweſens leicht anzueignen, wird oft ein tuͤchtiger Matroſe, ſelten ein guter Capitain, und von ſeinen Thaten zur See ſchweigt die Geſchichte. Weit unter dieſen Allen ſteht die americaniſche Race. Sey der Ameri— caner wild oder civiliſirt, ſo bat doch das Meer fuͤr ihn we— nig Reiz, und ſeine Schifffahrt iſt faſt ausſchließlich auf Seen und Fluͤſſen beſchraͤnkt geblieben. Das aus einem ein— zigen Klotze gearbeitete: Canoe war faſt das einzige Fahrzeug, das die Entdecker America's dort vorfanden. Selbſt die ſeeraubenden Caraiben, die urſpruͤnglich aus den Waͤldern Guyana's ſtammten, beſaßen nur dieſe rohen Kaͤhne, in de— nen ſie ſich ſelten ſoweit auf die hohe See wagten, daß ſie das Land aus den Augen verloren, und nur waͤhrend der windſtillen Jahreszeiten der Tropenlaͤnder ſchifften ſie von einer Inſel zur andern, um die weniger kriegeriſchen Bewoh— ner derſelben mit Entſetzen und Verderben heimzuſuchen. Die Canoes der Arouacs auf Cuba waren nicht voll— kommener, als die der weniger civiliſirten Caraiben, wor— uͤber man ſich um ſo mehr wundern muß, als ihre Inſel mitten in einem großen Archipel liegt, alſo zur Entwicke— lung einer irgend vorhandenen Anlage zum Seeweſen die guͤnſtigſte Gelegenheit bietet. Als Cortez ſich mit ſei— nen Schiffen dem mexicaniſchen Hafen Tobasco naͤherte, fand er, zu ſeiner Verwunderung, auch dort die zahlreichen Fahrzeuge des maͤchtigen Reichs ſaͤmmtlich von jener Urform. Folgen wir dieſem Eroberer nach der in einem großen See 736. XXXIV. 10. 150 liegenden und ſtark befeſtigten Hauptſtadt. Cortez, der vorausſah, daß, wer Meiſter des Sees ſey, auch bald der Herr der Stadt werden muͤſſe, ließ zu Tlascala 15 Bri— gantinen bauen, dieſelben auseinandernehmen, nach dem See von Mexico transportnen und dort wieder zuſammenſetzen und von Stapel laufen. So begann der Krieg zu Waſſer, und hier zeigten die Mexicaner, wie unbeholfen ſie auf die— ſem Elemente waren, denn obgleich ſie auf mehreren Tauſend Booten ausruͤckten, ſo wußten ſie ſich dieſer doch ſo wenig geſchickt zu bedienen, daß ihre Flotte binnen wenigen Stun— den zerſtört, zerſtreut oder vom Feinde weggenommen war. Wenden wir uns nun zu den Peruanern, ſo finden wir auch hier bei der Entdeckung des ſich laͤngs des Oceans er— ſtreckenden Landes die Schifffahrt auf der niedrigſten Stufe. Es laͤßt ſich bezweifeln, daß die alten Peruaner je abſichtlich mit ihren Ganoes in die hohe See geſtochen ſeyen, und Kriegszuͤge haben ſie wohl nie zur See unternommen. Hoͤch— ſtens haben vielleicht die Inkas die wilden Bewohner der Inſeln im See Titicaca auf Booten heimgeſucht. Aber ſelbſt der partheiiſche Schriftſteller Garcilaſo ſchreibt den alten Peruanern keine vollkommenern Fahrzeuge, als Ganoes und Rohrfloſſe, zu, und ſo ſinnreich ſich dieſes Volk auch in man— chen anderen Beziehungen gezeigt hat, ſo ſcheint es doch im Schiffbaue nicht die geringſten Fortſchritte gemacht zu haben. Auch diejenigen Stämme, welche faft bloß von der Fi: ſcherei leben, ſind in Beziehung auf den Bau ihrer Fahr— zeuge nicht beſſer daran. Die Chenouks und andere Voͤl— kerſchaften an der Weſtkuͤſte America's haben Boote, die ſehr geſchickt aus einem einzigen Blocke gehauen ſind, in denen ſie ſich jedoch nur bei ſchoͤnem Wetter auf die See wagen. Diejenigen Indianer, welche ihre Boote oft von einem Fluſſe oder See zum anderen tragen muͤſſen, fertigen dieſelben indeß hoͤchſt zweckmaͤßig und ſchoͤn aus Birkenrinde an, ſo daß ſolche, welche neun Maͤnner tragen, nicht uͤber 60 Pfd. wiegen und ſich folglich ſehr leicht transportiren laſſen. In dieſem Falle finden wir faſt allein, daß die Indianer vom Klogcanoe abgegangen find, und auch das iſt characteriſtiſch, daß man ſolche Rindencanoes im Binnenlande ſowohl in Nord- als Suͤdamerica findet, ſowie De Solis dieſelben auch in den mexicaniſchen Provinzen bemerkt hat. Die Feuerlaͤnder ſtehen in dieſer Beziehung noch unter den uͤbrigen Indianern. Bei den Feuerlaͤndern iſt durch die beſtaͤndige Noth, mit der ſie in ihrem rauhen, unfruchtbaren Lande zu kaͤmpfen haben, die Intelligenz bis zu einer wahr⸗ haft kindiſchen Stufe abgeſchwaͤcht worden. Nicht einmal der Sporn der Noth hat die Erfindungskraft wecken koͤnnen, durch die ſie ſich aus ihrem Elende herausarbeiten koͤnnten, und ſie verkuͤmmern mitten in dem reichen Fuͤllhorne, das ihnen der Ocean bietet, weil ſie der Mittel entbehren, den— ſelben auszubeuten. Die Falklands- und Maluinen-Inſeln, die nur unter dem 50ſten Breitegrade liegen, Suͤdgeorgien, Neuſuͤdſchetland und einige ziemlich unter derſelben Breite befindliche Inſeln waren zur Zeit ihrer Entdeckung durchaus unbewohnt, und man hat keinen Beweis, daß ſie je von ir— gend einem americaniſchen Stamme beſucht worden ſeyen. 10 * 151 Dennoch giebt es auf denſelben Seehunde und andere füus gende Seethiere in Menge, und ſie ſind in dieſer, ſowie in allen uͤbrigen Beziehungen, nicht weniger von der Natur be— guͤnſtigt, als das Land der Eskimos. Gewoͤhnlich nimmt man an, die kuͤhneren Unternehmun— gen zu Schiffe ſeyen bei Nationen, die in der Naͤhe der See wohnen, ein Reſultat der aͤußeren Nothwendigkeit. Wir haben jedoch geſehen, daß die Ureinwohner der weſtin— diſchen Inſeln, trotz aller ſie dazu auffordernden aͤußeren Um— ſtaͤnde, keine kuͤhnen Seefahrer geworden find, und ebenfo verhaͤlt es ſich mit denen des Archipels von Chiloe unfern der Kuͤſte Chili's. Dieſe Inſeln ſind von der Kuͤſte aus ſichtbar und ſtark mit Indianern bevoͤlkert, die ſich faſt le— diglich vom Ertrage der Seefiſcherei naͤhren; allein ſelbſt noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts, nachdem ſie uͤber 200 Jahre mit den Spaniern verkehrt hatten, ſcheinen ihre Boote durchaus noch von der urfprünglichen rohen Beſchaf— fenheit geweſen zu ſeyn. Denn der Pater Gonzalez de Agueros, welcher viele Jahre unter dieſen Inſulanern ver— lebte, giebt an, ihre Canoes feyen aus 5 bis 7 Bretern ges baut, die nach den Enden zu ſchmal zuliefen und mit Strik— ken zuſammengeſchnuͤrt ſeyen, waͤhrend die Fugen mit Moos verſtopft wuͤrden. Sie haben Segel, aber weder einen Kiel noch ein Verdeck, und in dieſen zerbrechlichen Fahrzeugen wagen ſich dieſe Leute auf die See, um ſich ihren taͤglichen Lebensunterhalt zu verſchaffen. Dieſelben elenden Kaͤhne ſind auf dem noch ſuͤdlichern Archipel von Guaitecas uͤblich, wo eine ſpaͤrliche Bevoͤlkerung uͤber 800 Inſeln vertheilt iſt und ihre Beduͤrfniſſe ausſchließlich aus dem Meere bezieht. Dieſe Leute beſitzen demnach eben nicht mehr Anlage zur Mecha— nik, als die uͤbrigen Indianer; allein durch Uebung haben ſie eine ungewoͤhnliche Geſchicklichkeit in der Fuͤhrung ihrer Boote erlangt; ja es iſt den Spaniern ſogar in manchen Faͤllen gelungen, gute Matroſen aus ihnen zu bilden. D' Azara erwaͤhnt einer in Betreff der uns hier be— ſchaͤftigenden Frage merkwuͤrdige Thatſache. Er behauptet, daß, als ſeine Landsleute den Plataſtrom entdeckt haͤtten, ſie deſſen Ufer von zwei verſchiedenen Nationen, den Charruas im Norden und den Patagoniern im Suͤden, bewohnt gefunden haͤtten; allein merkwuͤrdigerweiſe wären dieſe ſonſt fo ruͤhrigen Voͤlker nie, weder in friedlichem, noch in feindſeligem Verkehre mit- einander geweſen, weil ſie keine Canoes beſeſſen haͤtten, und ſie folglich durch den Strom voͤllig voneinander geſchieden ge— weſen waͤren. Dem Indianer fehlt es auch zu Waſſer keineswegs an Muth; allein ihm geht das Talent der mechaniſchen Erfin— dung, ſowie im Allgemeinen die Gabe ab, unvollkommene Fahrzeuge geſchickt zu handhaben. So oft er ſich in ſeinen zerbrechlichen Canoes gegen einen europaͤiſchen Feind zu weh— ren hatte, zeigte er die groͤßte Unerſchrockenheit; allein von einem Seegefechte zwiſchen Indianern und Indianern hat man nie etwas gehoͤrt. Die Payaguas- Indianer machten allerdings eine Zeit lang den Paraguay auf ihren Canoes, deren ſie ſich ſehr geſchickt zu bedienen wußten, fuͤr die Spanier unſicher. Sie legten ſich in Hinterhalte und uͤberfielen die von Buenos 736. XXXIV. 10. 152 Ayres kommenden und dahin gehenden Handelsſchiffe, die ſie auspluͤnderten, nachdem fie die Mannſchaft unbarmherzig nie— dergemacht. Die Spanier mußten langjährige Kriege mit dieſen Indianern fuͤhren, bevor es ihnen gelang, ſich derſelben zu entledigen. Das einzige Seegefecht zwiſchen Indianern, von dem ich Kunde erhalten konnte, fand zwiſchen den ſogenannten Mamelucken von St. Paolo in Braſilien und ihren Fein- den, den Guaranies, ſtatt. Dieſe Mamelucken waren übri— gens keine aͤchten Indianer, ſondern die Nachkommen des Auswurfs aller europaͤiſchen Nationen und der benachbarten Indianerſtaͤmme. Mit 2000 Mann Indianern verbunden, zogen fie auf 300 Canoes zum Kampfe aus. Die Guara- nies ihrerſeits hatten 5 mit Kanonen bewaffnete Schiffe. Allein aus dieſer Angabe Dobrizhoffer's ergiebt ſich, daß Europaͤrer den Guaranies Huͤlfe leiſteten. Die Schlacht fand auf dem Fluſſe Mborore in Paraguay ſtatt; allein beide Theile wußten ſich auf dem Waſſer ſo wenig etwas anzu— haben, daß ſie uͤbereinkamen, den Kampf auf dem Ufer auszufechten. 5 In Betreff der Eingebornen Neuhollands wird angeges ben, daß fie kein anderes Fahrzeug kennen, als einen maſſi— ven Block, den ſie rittlings beſteigen und ſich ſo auf's Waſ— fer wagen. Bei den Indianern der Honduras: Bai fand man ebenfalls dieſen roheſten aller Schwimmapparate, und fie wußten ſich, auf demſelben ſtehend, fo geſchickt im Gleich- gewichte zu halten, daß fie dabei dem Fiſchfange obliegen konnte. Kurz, der vieljaͤhrige Verkehr mit den Europaͤern hat die Indianer nicht in den Stand geſetzt, in der Schifffahrt Fortſchritte zu machen, und das Kloßcanoe, ſowie das Rin— denboot, ſind noch jetzt ganz von derſelben Beſchaffenheit, wie damals, als Columbus America entdeckte. 5) Beſtattung der Todten. Die Verehrung, die man den Verſtorbenen widmet, iſt dem wilden, wie dem cis viliſirten Menſchen natuͤrlich; allein die Art, wie ſie ſich aͤu— ßert und die bei Leichendbegaͤngniſſen üblichen Gebraͤuche weichen bei verſchiedenen Voͤlkern ungemein voneinander ab. Die Verletzung der Ueberreſte feiner Stammverwandten iſt dem Indianer ein Graͤuel und erregt feine aͤußerſte Erbitte— rung, und es ſind Beiſpiele bekannt, daß er bei Auswande— rungen die Gebeine ſeiner Vorfahren ausgegraben und in ſeine weitentlegene neue Heimath mitgenommen hat. Die Art und Weiſe der Beerdigung iſt bei den Ins dianern ſo hoͤchſt eigenthuͤmlich und gleichartig, daß auch die⸗ fer Umſtand fie als eine beſondere und einzige Race bezeich— net. Die Todten werden naͤmlich ſitzend begraben, indem die Beine gegen den Unterleib gebogen, die Arme ebenfalls gebeugt und das Kinn auf die Handflaͤchen geſtuͤtzt wird. Die Eingebornen von Patagonien, Braſilien und Guyana, die Caraiben auf den Inſeln und dem Feſtlande, die India— ner von Florida, die zahlreichen Lenapé-Nationen, die zu beiden Seiten des Felſengebirges hauſenden Indianer, ſowie die von Canada und dem Nordweſtgebiete, befolgen, mit we— nigen Ausnahmen, dieſe Sitte, die wir auch bei den halb— civiliſirten Voͤlkern der aͤltern Zeit wiederfinden, indem deren 158 zahlloſe Leichen in der Gegend des Sees Titicaca ſaͤmmtlich fisend begraben find. Eigentlich begraben werden indeß die Todten nicht, ſondern in einen Sack genaͤht und ſo auf den Boden des Grabes geſetzt. Die ſpaͤteren Nachkommen des Inkaſtammes befolgten denſelben Gebrauch, indem fie die Leichen bald unter der Erde, bald in Thuͤrmchen uͤber der— ſelben beiſetzten Garcilaſo de la Vega erzaͤhlt uns, er babe im Jahre 1560 fünf einbalſamirte Leichen koͤnigli— cher Abkunft, ſaͤmmtlich in ſitzender Stellung, mit auf der Bruſt gekreuzten Armen und vorwärts geneigtem Kopfe ges ſehen. Bei den Mexicanern wurden die Leichen aller Staͤnde ebenfalls ſeit den aͤlteſten Zeiten in dieſer Weiſe beſtattet. Die merkwuͤrdigſte Ausnahme von dieſer Regel iſt diejenige, wo der Körper vor der Beſtattung ſecirt wird und nur die Knochen begraben werden. Dieſer ſonderbare Gebrauch fin— det ſich ebenfalls nach der ganzen Ausdehnung America's von Patagonien durch Braſilien, Florida und Miſſuri ꝛc, jedoch nur bei einzelnen Voͤlkerſchaften; allein ſelbſt hier wird das Gerippe haͤufig in ſitzender Stellung begraben. Humboldt theilt uns hiervon ein Beifpiel mit, welches er bei feinem Beſuche der Höhlen vorfand, in denen die Atures-India— 736. XXXIV. 10. 154 ner, an den Quellen des Orinoco, ihre Todten beiſetzen. Er ſah dort Hunderte von Gerippen, von denen jedes in einem beſondern Korbe in ſitzender Stellung ſich defand. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. Ein College of Chemistry wird jetzt in London er⸗ richtet, was eines Theils fuͤr das außerordentliche Intereſſe zeugt, welches ſich in England für Chemie zu erkennen giebt und anderen Tyeils wegen des Umfanges der Anſtalt und der dafür aufzuwenden⸗ den Mittel Aufmerkſamkeit verdient. Es ſoll in ſich begreifen: 1) ein Laboratorium im größten Maaßſtabe zu Original- Unterſuchun⸗ gen, nach dem Muſter des Gießener eingerichtet; 2) ein Collegium, zum Unterrichte Studirender in der analytiſchen Chemie und in wiſſenſchaftlichen Nachforſchungen überhaupt; 3) Departements für Anwendung der Chemie auf ſpecielle Zwecke, als Agricultur, Geologie, Mineralogie, Metallurgie; auf Medicin, auf Phyitologie, auf die Kunſte und auf Manufacturen. 4 Die Anwendung ſolcher Mittel, wel⸗ che gecignet ſcheinen, die Chemie zu einem Theile der allgemeinen Erziehung zu machen. Die von dem verſtorbenen Grafen v. Muͤnſter zu Baireuth hinterlaſſene reichhaltige Sammlung für Geologie und Mineralogie iſt von S. M. dem Könige von Ba’ern um den Preis von 30,000 Fl. für Muͤnchen angekauft. een en n d e Ueber die Sterblichkeit in den Gefaͤngniſſen und die Krankheiten, an denen die Gefangenen am Haͤufigſten ſterben. Von W. Baly, D. M., Arzt am Millbank-Gefaͤngniſſe ꝛc. Dieſe Abhandlung, von welcher der koͤnigl. medicini— ſchen und chiturgiſchen Geſellſchaft zu London am 25. Febr. 1845 ein Auszug vorgeleſen wurde, enthaͤlt die Reſultate der Nachforſchungen, welche der Verfaſſer über obige Gegen: ſtaͤnde ſowohl im Millbank Gefängniffe, als in anderen Straf: anftalten binnen 15 — 20 Jahren angeſtellt hat. Die jaͤhrliche Proportionalzahl der Sterblichkeit hat, nach der Durchſchnittszahl der Gefangenen und der Zahl der Sterbefälle, mit Ausnahme der dutch die aſiatiſche Cholera veranlaßten, berechnet, in England zwiſchen 15% und 89 Promille; in den Staatsgefaͤngniſſen der vereinigten Staa— ten zwiſchen 19 und 39 Promille, in der Schweiz zwiſchen 25 und 35 Promille; in Frankreich, mit Einſchluß der durch die aſiatiſche Cholera verurſachten Todesfaͤlle, in den Ba— gnios Gefaͤngniſſe der Galeerenſtraͤflinge zwiſchen 89 und 55 Promille, ſowie in den Zuchthaͤuſern zwiſchen 305 und faſt 87 Promille betragen. Die jaͤhrliche Proportionalzahl der Sterblichkeit unter freien Leuten betrug in den verſchiedenen Laͤndern und Staͤd— ten, wo ſich dieſe Gefaͤngniſſe befinden, in den Lebensaltern, welche denen der Gefangenen entſprechen, faſt durchgehends nahe an 15 Promille. Die Sterblichkeit iſt in manchen Gefaͤngniſſen weit be— deutender geweſen, als in anderen; allein der Betrag dieſes Ueberſchuſſes kann nicht den Maaßſtab des Grades abgeben, in welchem die Geſundheit der Gefangenen durch die Dis— ciplin, die Diaͤt und die allgemeine Einrichtung der Straf: anſtalten leidet, indem viele, von dieſen Bedingungen ganz unabhängige Umſtaͤnde auf die in den Gefaͤngniſſen herr— ſchende Sterblichkeit einen bedeutenden Einfluß aͤußern. Die wichtigſten dieſer Umſtaͤnde find: 1) der Umfang, in welchem Gefangene, deren Geſundheit ſehr angegriffen iſt, begnadigt worden; 2) der Grad, in welchem die, die Bevölkerung eines Gefaͤngniſſes bildenden Perſonen zu Krankheiten praͤdisponirt ſind; 5) die Dauer der Einſperrung, welche die Gefangenen zu erdulden haben, und 4) der Einfluß, den die Lage der Gefaͤngniſſe auf die Erzeugung von endemiſchen oder epidemi— ſchen Krankheiten aͤußert. Der hohe Grad, in welchem die Gefangenen der Sterb— lichkeit unterworfen ſind, iſt, in der That, eine Wirkung der Strafe und iſt keineswegs der Ungeſundheit der Volksclaſſen zuzuſchreiben, zu denen die Gefangenen großentheils gehören. Dieß ergiebt ſich aus dem Umſtande, daß die Sterblichkeit um ſo bedeutender iſt, je laͤnger die Gefangenſchaft dauert, und aus dem Reſultate einer Vergleichung der Sterblichkeit in den engliſchen Gefängniffen mit der der Bevölkerung Li— verpools, der ungeſundeſten Stadt in ganz England. In den Lebensaltern von 15 bis 80 Jahren betrug dieſelbe in Liverpool im Jahre 1841 18 Promille, waͤhrend ſie in den Grafſchaftsgefängniſſen England's ſich auf beinahe 23 Pro— mille, im Millbankgefaͤngniſſe bei Gefangenen aller Grade der Dauer ihrer Sentenz auf faſt 31 Promille und bei de— nen, welche ihr drittes Jahr in dieſem Gefaͤngniſſe abſaßen, auf mehr als 52 Promille belief. In America, Frankreich und der Schweiz iſt, ebenſo— wohl wie in England, die jaͤhrliche Verhaͤltnißzahl der in den Gefängniffen vorkommenden Sterbefälle weit bedeutender geweſen, als die unter den entſprechenden Volks claſſen au⸗ ßerhalb der Gefaͤngniſſe ſtattgefundene. 155 Die Krankheiten, welche dieſe bedeutendere Sterblichkeit in der Millbank-Strafanſtalt, ſowie in allen Gefaͤngniſſen, wo die Verbrecher lange eingeſperrt werden, hauptſaͤchlich ver— anlaßt haben, find die verſchiedenen Formen von tuberculöfen Scropheln und die Tuberkelſchwindſucht. Keine andere Claſſe von Krankheiten hat durchgehends in den Gefaͤngniſſen im Durchſchnitte mehr Perſonen hingerafft, als außerhalb der Gefaͤngniſſe, wahrend es dagegen viele andere Krankheiten giebt, die in den Gefaͤngniſſen verhaͤltnißmaͤßig weniger To— desfaͤlle veranlaſſen, als außerhalb derſelben. Selbſt da, wo in Folge der ungeſunden Lage der Strafanſtalten endemiſche Krankheiten vorherrſchten, iſt der Ueberſchuß der Sterblichkeit vorzuͤglich durch Tuberkelkrankheiten herbeigefuͤhrt worden. Die Urſachen, aus denen die Tuberkelkrankheiten in den Gefaͤngniſſen ſo ſtark graſſiren, ſind, der Anſicht des Verfaſſers zufolge, 1) unzureichende Luͤftung; Y) Kaͤlte; 3) ſitzende Beſchaͤftigungen und Mangel an Körperbewegung 4) die geiſtige Niedergeſchlagenheit der Gefangenen und 5) die wenig nahrhafte Koſt. Die Koſt iſt in der Millbank-Strafanſtalt, ſowie in den americaniſchen Gefaͤngniſſen, reichlicher, als ſie dem Tageloͤh— ner auf dem Lande zu Theil wird; allein in manchen ande— ren Gefüngniffen erhalten die Gefangenen eine ſehr ſpaͤrliche Nahrung. Waß die Koſt, ſowie die Luͤftung und Heitzung, anbe— trifft, ſo iſt in neueſter Zeit dafuͤr in den engliſchen Gefaͤng— niſſen ſehr viel geſchehen, und es laͤßt ſich erwarten, daß ſich der Erfolg dieſer Verbeſſerungen binnen Kurzem an dem Geſundheitszuſtande der Gefangenen offenbaren wird. Dr. Webſter ſtimmte, ohne ſich in allen Puncten mit den Anſichten des Verfaſſers einverftanden zu erklaͤren, darin mit ihm uͤberein, daß eine kurze Einſperrung der Geſundheit wenig nachtheilig ſey; ja, er behauptete, die Gefangenen ver— ließen unter ſolchen Umſtaͤnden die Strafanſtalt oft geſunder, als ſie hineingekommen ſeyen. Er koͤnne ſich in dieſer Be— ziehung auf die im City-Bridewell-Gefaͤngniſſe waͤhrend der letzten zwei Jahre gemachten Erfahrungen berufen. An dieſes Gefaͤngniß werden bekanntlich ſchlechte Subjecte abgeliefert, deren liederliches Leben ſie vielem Ungemache ausgeſetzt habe, ja, die ſich oft nicht haͤtten ſatt eſſen koͤnnen; daher die mei— ſten derſelben, wenn ſie aus der Strafanſtalt entlaſſen wor— den, weit kraͤftiger geworden ſind. Die Dauer der Einſper— rung betraͤgt einige Tage bis drei Monate, durchſchnittlich einen Monat. Im Jahre 1843, wo uͤber 1000 Leute in dieſes Gefaͤngniß geſteckt wurden, kamen deren nur 16 in's Lazareth, von denen nur einer ſtarb; waͤhrend im Jahre 1844 beinahe 1500 Perſonen in dieſes Gefaͤngniß aufgenom— men wurden, von denen nur 24, meiſt leicht, erkrankten und nur eine ſtarb. Dieſe eine war ein alter Vagabunde, der ſchon, als er in's Gefaͤngniß kam, das Fieber hatte und ſehr heruntergekommen war. Lange Einſperrung ſchadet dagegen haͤufig der Geſundheit der Gefangenen. Auch in Betreff der Haͤufigkeit der Knotenkrankheiten und Darmkrankheiten gab Dr. Webſter dem Dr. Baly Recht, indem die Schwind— ſucht in der letzten Zeit in dem Millbank-Gefaͤngniſſe außer— ordentlich große Verheerungen angerichtet habe. Aus dem 736. XXXIV. 10. 156 Berichte an das Parlament vom Jahre 1844 ergebe ſich, daß unter den 11 im Jahre 1844 im Millbank-⸗Gefaͤngniſſe vorgekommenen Sterbefaͤllen 7 durch die Phthiſis veranlaßt worden ſeyen; ferner ſeyen die meiſten unter den wegen Kraͤnk— lichkeit begnadigten vierzehn Verbrechern Bruſtkranke geweſen, indem 7 an Phthiſis und 1 an Pleureſie gelitten. Ferner habe in demſelben Gefaͤngniſſe im Jahre 1842 die Ruhr epidemiſch graſſirt und 9 Todesfaͤlle veranlaßt. Er mache dieſe Bemerkungen beſonders, um zu erfahren, ob der Verfaſſer mit ihm darin einerlei Meinung ſey, daß die in den Gefaͤngniſſen uͤbliche Luͤftungs- und Heitzmethode auf Erzeugung von Lungenkrankheiten unter den Gefangenen hinwirke. Das Einathmen von heißer, trockener Luft reize die Schleimmembran der Lungen, erzeuge Huſten und wirke, ſeiner Meinung nach, in Verbindung mit der geiſtigen Nie— dergeſchlagenheit der Gefangenen, in'sbeſondere bei ſolchen, die ſchon zu dieſer Krankheit praͤdisponirt ſeyen, auf Erzeugung der Schwindſucht hin. Abgeſehen von localen Urſachen, wirke wohl auch die Koſt, namentlich die vielen flüffigen Nahrungs— mittel, z. B. Erbſenſuppe, auf Erzeugung von Darmkrank— heiten hin. Vielleicht fuͤhle ſich Dr. Baly veranlaßt, der Geſellſchaft ſeine Anſicht uͤber dieſe Puncte mitzutheilen. Ue— brigens moͤchte er, da der Verfaſſer in ſeinem Berichte nur der koͤrperlichen Krankheiten der Gefangenen im Millbank— Strafhauſe gedacht habe, gern Auskunft über die ebenfo wichtige Frage erhalten, inwiefern der geiſtige Zuſtand durch die Disciplin und Abſonderung in dem Gefaͤngniſſe, nament— lich durch die einſame Einſperrung, afficirt werde. Dieſer Frage werde gegenwaͤrtig in allen civiliſirten Laͤndern große Aufmerkſamkeit geſchenkt. Dr. Baly ſey vielleicht, weil er ein oͤffentliches Amt bekleide, nicht geneigt, an dieſer Stelle die gewuͤnſchte Auskunft zu ertheilen; allein er, Dr. Webſter, brauche keinen Anſtand zu nehmen, hier einiger Thatſachen zu erwaͤhnen, die ſich aus den Berichten uͤber das fragliche Gefaͤngniß in Betreff der Wirkung der einſamen Einſperrung auf den Geiſt ergaͤben. Im Jahre 1839 wurden drei Wahn— ſinnige aus dem Millbank-Gefaͤngniſſe in ein Irrenhaus ge— bracht, im Jahre 1840 fuͤnf; und in den 18 Monaten, welche dem Juli 1841 vorhergingen und waͤhrend deren die einſame Einſperrung ſtreng gehandhabt wurde, funfzehn; wo— gegen waͤhrend der folgenden 18 Monate, wo die Disciplin in bedeutend modificirter Weiſe gehandhabt wurde, nur fünf Individuen aus dem Gefaͤngniſſe in's Irrenhaus gebracht wurden, ſowie im Jahre 1844 nur zwei. Dieſe merkliche Verminderung der Zahl der Geiſteskranken ſey entſcheidend, da ſie von der Zeit an ſtattgefunden habe, wo die einſame Einſperrung nur waͤhrend der drei erſten Monate der Ge— fangenſchaft ſtattgefunden habe, ſpaͤter aber den Gefangenen geſtattet worden ſey, in den Erholungſtunden mit 2 bis 3 ihrer Cameraden zu ſprechen, wobei man jedoch das Alter, die Gemuͤthsart und die Verbrechen der Individuen, denen man geſtattet, auf dieſe Weiſe miteinander zu verkehren, be— ruͤckſichtigt habe. Ein ſtaͤrkerer Beweis, in Betreff der Wir— kung der einſamen Einſperrung auf den Geiſt unwiſſender und moraliſch geſunkener Perſonen, laſſe ſich wohl nicht bei— bringen. Er glaube feſt, daß es fuͤr ſolche Leute, die in der 157 Einſamkeit auf keine guten Gedanken und Gefühle zuruͤckkom— men, ſondern nur ihre böfen Leidenſchaften naͤhern konnten, keine haͤrtere und unzweckmaͤßigere Strafe geben koͤnne, als die einſame Einſperrung. Dr. Baly erwiderte, auf die Frage in Betreff der Wirkung der einſamen Einſperrung auf den Geiſt koͤnne er hier nicht eingehen, da ſeine Abhandlung ſich lediglich mit den Koͤrperkrankheiten befaſſe. Was den Einfluß der Luftheitzung aufj Erzeugung von Phthiſis anbetreffe, fo koͤn— er denſelben nicht ohne Weiteres zugeben, da die Kaͤlte in dieſer Beziehung weit ſchaͤdlicher wirke, obwohl allerdings manche Thatſachen dafür zu ſprechen ſchienen, daß die Heitz zung mit erwaͤrmter Luft ſchaͤdlich ſey. Was die Diar— rhoͤe und Ruhr betreffe, ſo ſey er uͤberzeugt, daß, wenn dieſe Krankheiten lange hintereinander vorherrſchten, dieß nicht von der Koſt, ſondern von der ortlichen Lage des Gefaͤng— niſſes herruͤhre. Durch fluͤſſige und nahrhafte Speiſen werden allerdings dieſe Krankheiten verſchlimmert, wenn auch nicht erzeugt. Er habe in feiner Abhandung der geiſti— gen Niedergeſchlagenheit als einer der Urſachen koͤrperlicher Krankheiten gedacht, und dieſe Niedergeſchlagenheit werde natuͤrlich durch die einſame Einſperrung vermehrt. Dr. Webſter bemerkte, er ſchreibe die Phthiſis ſelbſt nicht dem Einfluſſe der Luftheitzung zu; allein dieſe duͤrfte andere Bruſtkrankheiten, z. B Bronchitis, erzeugen, die ſpaͤter in Phthiſis ausgehen koͤnnten. Dr. James Johnſon machte auf den merkwuͤrdi— gen Umſtand, deſſen in Dr. Baly's Schrift gedacht ſey, aufmerkſam, daß die Sterblichkeit nach dem 4. Jahre der Einſperrung ſtets geringer werde und fragte, ob ſich der Grund dieſer Erſcheinung angeben laſſe. Dr. Baly erwiderte, allerdings ſey die Sterblichkeit im Millbank-Gefaͤngniſſe im 5. Jahre regelmaͤßig geringer, als im 4.; auch im Eastern Penitentiary in Nordamerica ſey dieſer Umſtand bemerkt worden und dort ſogar die Sterb— lichkeit im 4. Jahre geringer, als im 3. Er glaube, daß die Gefangenen, welche ſerophuloͤs ſeyen, vor dem Ablaufe des 4. Jahres ſterben muͤßten, und daß die, welche laͤnger aushielten, keine Anlage zu dieſer Krankheit haͤtten. Dr. Cursbam warf die Frage auf, wie vieler Zeit es zur Entwickelung der Scrophelkrankheit bei denjenigen Gefangenen beduͤrfe, dei welchen zur Zeit ihrer Aufnahme in das Millbank-Gefaͤngniß keine Spur von dieſer Krank— heit wahrzunehmen ſey? Dr. Baly erwiderte, die Scropheln begaͤnnen, ſich im zweiten Halbjahre nach der Aufnahme zu entwickeln und naͤhmen waͤhrend der naͤchſten 18 Monate an Boͤsar— tigkeit zu. Nach dem 2. Jahre ihres Verlaufs ſcheine die Krankheit wieder allmaͤlig abzunehmen. Dr. Bransby Cooper wuͤnſchte zu wiſſen, was Dr. Baly in ſeiner Niederſchrift eigentlich unter Scro— pheln verſtehe. Dr. Baly entgegnete, er habe die tuberculoͤſen Sero— pheln als eine Wirkung des Gefaͤngnißlebens dargeſtellt; dieſe Krankheit beſtehe, ihrem Weſen nach, in der Ablage— rung von Tuberkelmaterie in den lymphatiſchen Druͤſen, den ſeroͤſen Membranen oder irgend einem andern Organe. 736. XXXIV. 10. 158 Herr Boſſy bemerkte hierzu, daß Dr. Baly die durch das Gefaͤngnißleben zur Entwickelung kommenden Scropheln ganz richtig als tuberculöfe Kachexie bezeichnet. Sie äußere ſich durch Blaͤſſe und allgemeine Koͤrperſchwaͤche, und dieſe Symptome ſeyen ſo auffallend, daß man aus einer großen Anzahl von Perſonen leicht diejenigen heraus— finden konne, die eben aus Gefaͤngniſſen entlaffen worden ſeyen. Dr. Webſter habe erwähnt, eine kurze Gefangen— ſchaft wirke oft guͤnſtig auf die Geſundheit, und dieß ſey allerdings ſcheinbar der Fall, indem der Mangel an Koͤrper— bewegung und die flüjfigen Nahrungsmittel die Fettbildung beguͤnſtigen. Er habe indeß bemerkt, daß der Geſundheits— zuſtand ſich nicht wirklich verbeſſere; denn ſolche Leule ſeyen keiner körperlichen Anſtrengung faͤhig. Uebrigens vermehret ſich das Geſammtgewicht ihres Koͤrpers nicht. In ſolchen Subjecten entwickele ſich, wenn die Gefangenſchaft länger dauere, die Tuberkelkrankheit. Was dieſe Krankheit be— treffe, ſo habe ſich die durch dieſelbe veranlaßte Sterblich— keit auf den Strafſchiffen durch einen Umſtand vermehrt, der nicht unbeachtet bleiben duͤrfe. Nach dem Durchgehen der Emancipationsacte im J. 1834 feyen die Neger— Verbrecher aus Weſtindien uͤber England nach Vandiemens— land transportirt worden. Sie ſeyen meiſt im Herbſte an— gekommen, und in Folge der Einſperrung und Kaͤlte ſeyen viele an Phthiſis geſtorben. Hieraus erklaͤre ſich die große Sterblichkeit, welche die Phthiſis eine Zeitlang auf den Strafſchiffen angerichtet hade. Dieſem Uebelſtande habe die Regierung abgeholfen. Ferner ſey es nicht uͤblich, die Gefangenen auf den Strafſchiffen Krankheitshalber zu be— gnadigen. Er muͤſſe von Dr. Baly's Anſicht abw eichen, daß die Gefaͤngnißkoſt auf Erzeugung der Ruhr keinen Ein— fluß habe. In einem Falle ſey die Ruhr in einem Ge— fängniſſe durch Suppe, welche Gerſtenſpelzen enthielt, in einem andern durch Brod aus feucht gewordenem und ge— keimtem Waizen veranlaßt worden. In beiden Faͤllen gras— ſirte die Krankheit ſo lange, als die Gefangenen dieſe un— geſunde Koſt erhielten, und verſchwand, ſobald ihnen eine geſundere Nahrung gereicht ward Er pflichte dem Dr. Webſter darin bei, daß durch Heizung mit erwaͤrm— ter Luft Catarrh, chroniſche Bronchenentzuͤndung, wo nicht Phthiſis veranlaßt werde. Im Gefaͤngniſſe zu Chelmsford führe man die Leute aus den ſtalkgeheizten Zellen unmit— telbar in das kalte Local der Tretmuͤhle, und von da wie— der in die Zellen, was haͤufig Catarrh zur Folge habe. Aehnliche Erfahrungen habe man in andern Gefaͤngniſſen gemacht. Dr. Webfter bemerkte hierzu noch, daß im Bride— wellgefaͤngniſſe, obgleich daſſelbe in einem ſehr dumpfen Theile der City unfern des Fleet-Canals und der Puddle— Docken liege, und obwohl ſich die Gefangenen keine regel— mäßige Bewegung im Freien machen duͤrften, keine Darm— krankheiten oder ſonſtige boͤsartige Krankheiten vorherrſchend ſeyen. Dagegen ſey aber auch die Koſt von trefllicher Qualitaͤt, namentlich das Brod aus gutem Mehle bereitet und gut gebacken. Doch moͤchte er, in Bezug auf den Umſtand, daß neuerdings viele Gefangene aus dem Mill— bank⸗Gefaͤngniſſe wegen Phthiſis begnadigt und entlaſſen 159 worden ſeyen, noch fragen, ob manche dieſer Entlaffenen geneſen ſeyen? Denn im bejahenden Falle wuͤrde dieß ſehr dafür ſprechen daß der Aufenthalt im Gefaͤngniſſe die Ent: wickelung der Phthiſis weſentlich beguͤnſtigt habe. Was die aus dem Millbank-Gefaͤngniſſe nach dem Bethlem-Hos— pitale geſchafften Irren betreffe, ſo ſey dort im letzten Jahre deren 4 geheilt werden. Dr. Baly entgegnete, bei ſehr vielen von den aus dem Gefaͤngniß entlaſſenen, dort fuͤr rettungslos verloren gehaltenen Phthiſikern ſey, ſobald fie auf freien Fuß geſetzt worden, die Krankheit ſofort weit milder geworden, und Manche haͤtten ihre Geſundheit vollſtaͤndig wiedererlangt. Ja, ſobald dieſe Leute nur ihre Begnadigung vernom— men, habe ſich ihr Geſundheitszuſtand ſichtlich verbeſſert. Dieſe Faͤlle bewieſen augenfällig, welchen Einfluß der Geiſt auf den Verlauf der Krankheiten hat. Herr Boſſy habe ihn in Betreff der Urſachen der Diarrhoe und der Ruhr theil— weiſe mißverſtanden; denn er (Dr. Baly) gebe gern zu, daß dieſe Krankheiten zuweilen durch ſchlechte Koſt veran— laßt wuͤrden; allein wenn ſie mehrere Jahre hintereinan— der in einem Gefaͤngniſſe graſſirten, fo liege dieß nicht an der Koſt, ſondern an der Oertlichkeit des Gefaͤngniſ— ſes. Dieß ergaͤbe ſich aus den in feiner Abhandlung angehoͤrten Beiſpielen. Auch haͤtten dieſe Krankheiten nicht nur zu gewiſſen Jahreszeiten, z. B. im Fruͤhlinge und Herbſte, ſondern zumal dann geherrſcht, wenn dieſelben Krank⸗ heiten in der Umgegend epidemiſch graſſirt haͤtten. Unter ſolchen Umſtaͤnden ſeyen ſie den Miasmaten zuzuſchreiben. Dr. Gregory erlaubte ſich, den Dr. Baly zu bitten, er moͤge vergleichende Beobachtungen an Perſo— nen anſtellen, die ſich unter ganz entgegengeſetzten Um— ſtaͤnden befaͤnden, wie die Gefangenen, um mit beſonderer Bezugnahme auf das Lebensalter den Grad zu ermitteln, in welchem das Gefaͤngnißleben zur Tuberkelkrankheit praͤ— disponire Seiner Anſicht nach, biete das Soldatenleben einen ſolchen Gegenſatz zum Gefaͤngnißleben dar. Ihm ſey die haͤufige Entwickelung der Phthiſis unter den Re— cruten mehrerer Regimente, namentlich der Fußgarde, auf— gefallen. Es ſey ſonderbar, daß viele dieſer Leute, ſelbſt wenn man ſie ſorgfaͤltig mit dem Stethoſcope unterſucht und fuͤr geſund erklaͤrt habe, nach wenigen Monaten der Tuberkelkrankheit anheimfielen. Solche vergleichende Be— obachtungen wuͤrden uͤber den Gegenſtand von Dr. Baly's Abhandlung unſtreitig viel neues Licht verbreiten. Dr. Baly dankte dem Dr. Gregory fuͤr dieſen Wink und bemerkte, er ſey mit dem Vorheirſchen der 736. XXXIV. 10. 160 Phthiſis unter den Fußgardiſten bekannt; es ſtuͤrben unter ihnen an dieſer Krankheit noch einmal ſoviel Leute, als unter den Cavaleriſten. Daß ihre Lebensweiſe aber einen directen Gegenſatz zu der der Gefangenen bilde, koͤnne er nicht zugeben; vielmehr ſeyen beide Claſſen von Perſonen mehrern unguͤnſtigen Einfluͤſſen derſelben Art unterworfen. So ſeyen, z. B., die Caſernen, namentlich die in Portman- Street und die im Tower, erbaͤrmlich ſchlecht gelüftet. Die Schlafkammern ſeyen es gar nicht, und dieß fenen zu— gleich die Raͤume, in denen ſich die Soldaten dei Tage aufhielten. Bei'm Wacheſtehen feyen fie vielen Erkältungen ausgeſetzt, folglich in dieſer Beziehung nicht beſſer daran, als die Gefangenen. Ferner erzeuge der einfoͤrmige und ſtrenge Militaͤrdienſt ebenfalls eine geiſtige Traͤgheit und Abſtumpfung, welche, in Verbindung mit der koͤrperlichen Unthätigkeir, zur Entwickelung der Tuberkelkrankheit viel beitragen muͤſſe. Dazu komme nun noch in vielen Faͤllen eine liederliche Lebensweiſe. Herr Cooper betrachtete die geiſtige Niedergeſchlagen— heit der Recruten und die bedeutende Anſtrengung bei'm Exerciren als Veranlaſſungsurſachen der Phthiſis. Herr Propert bemerkte, daß die Neigung zum Trun— ke und zur Beftiedigung des Geſchlechtstriebes, welche die Recruten gewoͤhnlich haͤtten, und die ihnen viele Krankheiten zuzoͤgen, ebenfalls ſehr in Anſchlag zu bringen ſey. (Lon- don medical Gazette, March 1845.) Mi ze E Ueber Oedema glottidis, findet ſich in der Lond. med. Gazette, folgender Fall: A. B., 20 Jahre alt, ward in das Weſtminſter-Spital wegen acuter synovitis aufgenommen. — Blutegel. — Es tritt eryfipelatöfe Entzündung ein, die nach und nach durch Fomentationen und ſaliniſche Mittel beſeitigt wird. Der Puls blieb jedoch frequent, dabei fieberhafte Aufregung. Nach einigen Tagen: Klage uͤber Wundſeyn des Schlundes; — die Be— ſchwerden ſtiegen raſch, am naͤchſten Morgen nahm die Athembe— ſchwerde von Stunde zu Stunde zu. 24 Blutegel ſchaffen keine Erleichterungs da die Dyspndͤe ſteigt, wird die Tracheotomie ausgeführt; nach derſelben iſt das Athemholen ganz normal, aber es erfolgt raſcher collapsus und Tod am Abend. Section: D phtheritis bis zur glottis; oedema glottidis bis zur völligen Verſchließung; die Lungen durchweg mit Blut angeſchoppt. Nekrolog. — Der hochverdiente Arzt und Lehrer zu Je⸗ na, Geh. Hofr. Dr. Carl W. Starck, iſt am 15. Mai leider der Univerſitaͤt, ſeinen zahlreichen Freunden und Verehrern und der Wiſ— ſenſchaft, in ſeinem 58. Jahre durch den Tod entriſſen worden. Gibliographis che Etudes sur l'histoire primitive des races océaniques et ameri- caines. Par Gustave d' Hichthal. Paris 1845. 8. Theses de chimie et de physique présentée à sciences de Paris. Par M. Auguste Cahors. la ſaculté des Paris 1845. 4. N igkeit e Memoire sur le traitement des plaies succédant a Pextirpation des tumeurs du sein et de l’aisselle au moyen de la suture en- tortill&ee etc. Par le docteur Alex. Colson (de Noyon) 1845. 8. M. 6 K. Voyage medical dans l’Afrique septentrionale ou de l’Ophthal- mologie consideree dans ses rapports avec les différentes ra- ces. Par le Docteur 8 Furnari. Paris 1845. 8. — —— — Menellotizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fro ie p zu Berlin. No. 737. (Nr. 11. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes = Snduftrie- Gomptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Rp. oder 3 fZ 30 A, des einzelnen Stuͤckes 3%, 9. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 9. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ I. ur ende: Unterſuchungen in Betreff der characteriſtiſchen Kennzeichen der Ureinwohner America's. Von Samuel George Morton, NM. D. (Fortſetzung.) Allerdings iſt der naͤmliche Gebrauch auch von mehrern Reiſenden auf den Inſeln Polyneſien's beobachtet worden; allein dieſe Faͤlle ſind doch verhaͤltnißmaͤßig dort ſo ſelten, daß fie, wie der der Naſſamonen in Nordafrica, für Aus⸗ nahmen gelten muͤſſen, und unter den Nationen des aſiati⸗ ſchen Feſtlandes habe ich mich vergebens nach aͤhnlichen Bei— ſpielen umgeſehen, obwohl ſich vermuthen ließe, daß, waͤre dieſe Sitte in Aſien je uͤblich geweſen, ſie ſich bei manchen Staͤmmen bis auf unſere Zeit erhalten haben wuͤrde. Nach dieſer kurzen Ueberſicht der Hauptcharactere der americaniſchen Race wollen wir nun unterſuchen, ob dieſel— ben auf einen auslaͤndiſchen Urſprung hinweiſen, oder ob ſie nicht vielmehr dafuͤr ſprechen, daß dieſe Race ebenſowohl eine urſprüͤnglich americaniſche fen, als die Mongolen Aſien und die Neger Africa fuͤr ihr Urvaterland anzuſprechen haben. Zuvoͤrderſt wenden wir uns zu der mongoliſchen Race, zu der man allgemein auch die noͤrdlichen Polarvoͤlker und die americaniſchen Eskimos rechnet. Viele haben geglaubt, daß von dieſen Eskimos, die offenbar der Polarfamilie Aſien's angehoͤren, ein unmerklicher Uebergang zur americaniſchen Race ſtattfinde, und daß ſie alſo das Mittelglied zwiſchen der mongoliſchen und americaniſchen Race bildeten. Allein wie weit iſt nicht die phyſiſche Beſchaffenheit des Eskimo von der des Indianers verſchieden! Der Eskimo hat einen gro— ßen und ziemlich langen Kopf, der vorn niedrig und hinten herz vorragend iſt. Die große Breite und Abplattung ſeines Geſichts iſt allen Reiſenden aufgefallen. Seine Augen ſind klein und ſchwarz; ſein Mund iſt klein und rund, und ſeine Naſe ſo winzig und platt, daß, wenn man den Schaͤdel im Profile ſieht, die Naſenknochen kaum zu erkennen ſind. Die Hautfarbe des Eskimo iſt ferner verhaͤltnißmaͤßig weiß, und er hat durchgehends viel Anlage zur Wohlbeleibtheit. Als der Reiſende Hearne mit den noͤrdlichen Indianern umher⸗ No. 1837. — 737. zog, uͤberfielen dieſe ein Lager der Eskimos, die ihnen durchs aus nichts in den Weg gelegt hatten und mordeten alle Be— wohner ſchonungslos. Die Indianer rechtfertigten dieſe uner— hoͤrte Grauſamkeit durch die Angabe, die Eskimos ſeyen ein von ihnen ganz verſchiedenes Volk, deſſen Geſchlechtstheile ſogar eine andere Geſtalt hätten, als die der Indianer *). Der moraliſche Character der Eskimos weicht von dem der Indianer hauptſaͤchlich inſofern ab, als es jenen an Muth, Liſt und Grauſamkeit gebricht und als er mehr für die Zukunft ſorgt, auch mehr Talent für Mechanik, nament⸗ lich für den Schiffbau, hat. Trotz des kalten Himmelsſtrichs, den der Eskimo bewohnt, iſt er eine Art von Amphibium, das ſich nicht im Mindeſten vor dem Waſſer ſcheut. Sein Boot iſt ein Meiſterſtuͤck der Mechanik, und er weiß daſſelbe ungemein geſchickt zu fuͤhren. Die Frauen ſind darin nicht weniger erfahren und kuͤhn, als die Maͤnner; jede derſelben beſitzt ihr eigenes Boot, und durch Crans erfahren wir, daß 7 —Fjaͤhrige Kinder ſchon ohne Huͤlfe in kleinen Fahr: zeugen Uebungsfahrten anſtellen. Welchen auffallenden Contraſt bilden dieſe und viele an— dere Zuͤge, deren wir gedenken koͤnnten, mit der phyſiſchen und geiſtigen Beſchaffenheit der Indianer! daher ſich an der totalen Verſchiedenheit der beiden Racen durchaus nicht zwei— feln laͤßt. Einige Schriftſteller glauben indeß, in dem Feuerlaͤnder ein Geſchoͤpf zu erkennen, das durch aͤhnliche phyſiſche Um— ſtaͤnde ganz das characteriſtiſche Gepraͤge des Eskimo erhal ten hat; allein wir behaupten zuverſichtlich, daß der Letztere dem Erſtern ſowohl hinſichtlich der koͤrperlichen Organiſation, als der geiſtigen Anlagen bei Weitem uͤberlegen iſt. In der That finden ſich zwiſchen Beiden viel mehr Verſchiedenheiten, als Aehnlichkeiten. Der Feuerlaͤnder hat ganz das Gepräge der indianiſchen Race, nur daß es bei ihm den groͤbſten Aus⸗ „) Dieſe umbarmherzige Vertilgung der Eskimos durch die Ins dianer hat übrigens noch jetzt ihren Fortgang, worüber Frank⸗ lin, Back und andere neuere Reifende berichten. D. Ueberſ. 11 163 druck darbietet. Sein rauhes Clima, die Entbehrungen, die er fortwaͤhrend zu erdulden hat, haben in ihm den urſpruͤng— lichen Typus ſeiner Race zur Thierheit, zur Carricatur her— abgewuͤrdigt. Man vergleiche den Mongolen Mittelaſien's und China's mit dem Mongolen der aſiatiſchen Polarlaͤnder; den Hottentotten mit den benachbarten ſchwarzen Voͤlkern, den Tasmaniſchen Neger mit dem aͤchten Neuhollaͤnder; und endlich den jaͤmmerlichen Feuerlaͤnder mit dem Indianer auf der andern Seite der Magelhaens-Straße, und man wird in allen dieſen Faͤllen finden, daß der Bewohner des unfrucht— baren, rauhen Landes koͤrperlich und geiſtig tief unter ſeinem, eines gluͤcklichern Bodens und Clima's theilhaftigen Stamm— verwandten ſteht. Aber auch im Laufe der Jahrhunderte iſt unter ſolchen unguͤnſtigen Umftänden der urſpruͤngliche Ra— centypus nicht verloren gegangen, ſondern nur verunſtaltet worden. Ohne uns in die bodenlofen Tiefen der Philologie zu verſenken, wollen wir auf die Anſicht des Herrn Gallat in hinweiſen, daß alle Voͤlkerſchaften vom Cap Horn bis zum noͤrdlichen Polarmeere Sprachen reden, die einen gemein— ſchaftlichen eigenthuͤmlichen Character beſitzen, welcher ſie von den bekannten Sprachen anderer Welttheile ſcheidet. Die Aehnlichkeit dieſer Sprachen untereinander beruht aber gro— ßentheils auf der eigenthuͤmlichen Conjugation der Zeitwoͤrter durch Einſchiebung von Sylben. Manche Schriftſteller ha— ben die Stammverwandtſchaft der Indianer mit den Eski— mos auf dieſem Wege beweiſen wollen. Allein wenn in al— len andern Beziehungen eine ſo entſchiedene Unaͤhnlichkeit zwi— ſchen Beiden ſtattfindet, ſo iſt man berechtigt, anzunehmen, daß die Aehnlichkeit in den Sprachen derſelben eine ſpaͤter erworbene ſey; und zwar ſo, daß die Sprache der Eskimos durch die der Indianer modificirt worden ſey. Denn jene gelangten als Einwanderer in kleinen Geſellſchaften nach Ame— rika und konnten daher, indem ſie zwiſchen dem Urvolke zer— ſtreut wohnten, nach und nach von deſſen Sprache anneh— men, bis ihre urſpruͤngliche Sprache endlich ganz in der der Chipewyer und anderer benachbarten Indianer aufging. Die Eskimos find in neuerer Zeit an der Meftküfte America's weit mehr nach Suͤden vorgedrungen und in weit größerer Zahl vorhanden, als an der Oſtkuͤſte, indem fie dort bis zum St. Elias-Gebirge hinabreichen, auch mit den In— dianerſtaͤmmen weit mehr in Freundſchaft leben, als mehr nach Oſten, ſo daß die letztern von ihnen manche mechani— ſche Fertigkeiten gelernt haben. Die ſtaͤrkere eskimoiſche Bevoͤlkerung des Weſtens erklaͤrt ſich aus der groͤßern Naͤhe ihres urſpruͤnglichen Vaterlandes, Aſien's, wohin ſogar ein Stamm, die Tſchuktſchen, zuruͤckgewandert zu ſeyn ſcheint, da die Sprache dieſes Volkes ein Dialect des Indianiſchen iſt. Daher bilden die Tſchuktſchen gleichſam ein Verbin— dungsglied zwiſchen den Polarvoͤlkern beider Welttheile. Auch die Anſicht, daß America durch die eigentlichen Mon— golen Centralaſien's und Oſtaſien's bevoͤlkert worden ſey, iſt ziemlich verbreitet, und es ſind ganze Baͤnde geſchrieben worden, um die phyſiſche, moraliſche und intellectuelle Verwandtſchaft der betreffenden Nationen darzuthun. Was die Charactere der Mongolen anbetrifft, wie fie ſich in ihrer roheſten und ſchroff— 737. XXXIV. 11. 164 ſten Form in den Polarvoͤlkern ausſprechen, ſo haben wir dieſelben bereits in's Auge gefaßt; allein manche characteri⸗ ſtiſche Züge find allen Mongolen, vom ſcheußlichen Kalmuͤk— ken bis zum verfeinertſten Chineſen, eigen, naͤmlich die kleine, niedergedruͤckte und wie gebrochene Naſe, das ſchraͤggeſtellte, mit dem aͤußern Winkel aufwaͤrts gezogene Auge, der große Abſtand der Backenknochen voneinander, die nicht hoch, ſon— dern breit ſind, die gewoͤlbten ſchmalen Augenbrauen und endlich die Hautfarbe, welche ſtets in's Gelbliche und Oliven gruͤnliche ſpielt und zwiſchen der Weiße des Europaͤers und der Kupferfarbe des Indianers ziemlich die Mitte haͤlt. Ohne uns auf eine in's Einzelne gehende Vergleichung einzulaſſen, wollen wir kuͤrzlich bemerken, daß ſich der Mongole uͤberall durch ſeine Nachahmungsfaͤhigkeit und ſein Talent fuͤr Me⸗ chanik, auch bis zu einem gewiſſen Grade durch ſeine Anlage zur Schifffahrt auszeichnet, in welcher letztern Beziehung er der caucafifchen Race nahe ſteht. Kurz, wir muͤſſen uns zu der Anſicht bekennen, daß ruͤckſichtlich der Kuͤnſte, Wiſ— ſenſchaftlichkeit, geiſtigen Beſchaffenheit uͤberhaupt und ſocia— len Gebraͤuche zwiſchen den Indianern und Mongolen keine groͤßere Aehnlichkeit zu finden ſey, als zwiſchen irgend zwei andern beſondern Menſchenracen. Herr Ranking hat eine ausfuͤhrliche Abhandlung geſchrieben, um darzuthun, daß die Mongolen unter einem Abkoͤmmlinge Oſchingiskhan's im 13. Jahrh. Peru und Mexico erobert hätten; allein die ganze engliſche Literatur hat keine Schrift nachzuweiſen, in welcher die That— ſachen in gleichem Grade verdreht oder ſo in's Blaue hinein geurtheilt waͤre. Der Verfaſſer beginnt mit der ſonderba— ren Behauptung, daß, als Cuzco von Manco Capac ges gründet worden ſey, von der durch die Peruaner und Meri- caner eingeführten Civiliſation noch keine Spur exiſtirt ha— be, und er laͤßt alſo die vor dem Auftreten der Inkafamilie vorhanden geweſene Civiliſation, ſowie die verſchiedenen halb- civiliſirten Nationen, welche in Mexico nacheinander geherrſcht haben, bevor dieß Land von den Azteken unterjocht wurde, ganz unbeachtet. Herr Ranking laͤßt die Mongolen in großen Schiffen mit allem Kriegsgeraͤthe, ſelbſt Elephanten, nach America ſegeln, und damit der Zartarengeneral mit Manco Capac Aehnlichkeit habe, laͤßt er ihn vom See Ti— ticaca aus, der doch uͤber hundert engliſche Meilen vom Meere entfernt iſt, in Peru einfallen. Dergleichen alberne Angaben verdienen gar keine Widerlegung; allein andere Schriftſteller haben ſich ſolcher ebenfalls ſchuldig gemacht, um haarklein darzuthun, wie die neue Welt von der alten aus bevoͤlkert worden ſey. Nirgends findet ſich aber auch nur das allergeringſte Beweismittel, durch welches ſich darthun ließe, daß Mongo— len nach America geſegelt waͤren, wenn dieß nicht etwa wider ihren Willen geſchehen iſt, in welchem Falle ſie jedoch gewiß nicht daran haͤtten denken koͤnnen, einen Welttheil zu erobern, der ſeit der Urzeit von vielen Millionen Menſchen bewohnt geweſen iſt. Noch eine dritte Anſicht uͤber dieſe Frage verdient be— ſprochen zu werden; denn wenn man auch zugiebt, daß die Eskimos und die ihnen verwandten Polarvoͤlker nicht die Ahnen der americaniſchen Race ſind, und daß die Mongolen 165 von Mittelafien nie vermöge einer directen Seereiſe in hin: reichender Anzahl nach America haben gelangen koͤnnen, ſo wollen doch manche Gelehrte daran glauben, daß dieſe Mon— golen zu Lande und uͤber die Behringsſtraße nach und nach in die neue Welt haͤtten eindringen koͤnnen, indem ſich auf den hieroglyphiſchen Charten manche Umſtaͤnde einer ſolchen anhaltenden Wanderung angedeutet finden. Allein in Betreff der Richtung und der Localitaͤten dieſer Wanderung finden ſich nirgends beſtimmte Anhaltepuncte, wenngleich man ſich allgemein daruͤber vereinigt zu haben ſcheint, ſie ſey gegen Norden und Nordweſten gegangen. Cabrera dagegen ver— legt, nach der gruͤndlichſten Unterſuchung, zu der ihm außer: gewöhnliche Huͤlfsmittel zu Gebote ſtanden, den Urſitz der civiliſirten Nationen America's nach Suͤdmexico, wo die in Trümmern liegenden Städte Copan, Urmal und Palenque auf eine weit frühere Epoche hinzudeuten ſcheinen, als die Alterthuͤmer, welche man in der Nachbarſchaft der jetzigen Hauptſtadt des Landes findet. Wenn wir uns zu der allgemeiner verbreiteten Meinung bekennten, daß die Azteken aus Californien oder von der Behringsſtraße (Strait) gekommen ſeyen, ſo haben wir in der That nichts, worauf wir uns verlaſſen koͤnnen, als eine vage Tradition uͤber eine Handvoll Leute, die ebenſowohl aͤchte Americaner ſeyn konnten, als Ausländer. Die Ur— einwohner dieſes Welttheils haben immer eine wandernde Lebensweiſe geliebt, was ſich auch aus der auf Sagen be— ruhenden Geſchichte Mexico's ergiebt. Selbſt die barbari— ſchen Stämme, die Lenapé, Florida-Indianer, Irokeſen, Ins ſel⸗Caraiben ꝛc., waren erobernde Eindringlinge, die aus ir— gend einem Grunde ihre urſpruͤnglichen Wohnſitze verließen und ſich neue aufſuchten. Dieſe Nationen pflegten, gleich ihren civiliſirtern Nachbarn, von jeher die Begebenheiten in Krieg und Frieden in ſymboliſchen Hieroglyphen niederzules gen, die ſie nach Umſtaͤnden auf Baͤumen, Pergament oder Felſen anbrachten, und dieſe rohe aber ausdrucksvolle Zei— chenſchrift wird mit Recht für die erſten Anfänge der mexi⸗ caniſchen Bilderſchrift gehalten. Der Unterſchied zwiſchen beiden iſt, nach Herrn Coates, nicht größer, als der zwi— ſchen unwiſſenden Kriegern und Jaͤgern in dem einfachen geſellſchaftlichen Zuſtande und einem civiliſirten Volke, welches nicht nur Privateigenthum kannte, ſondern ſogar wiſſenſchaft— liche Kenntniſſe und eine Art von Literatur beſaß. Dieſer Uebergang von der rohern zu der vervollkomm— neten Hieroglyphenſchrift bietet uns nicht nur ein Argu— ment mehr fuͤr die Einheit des Urſprungs der americani— ſchen Nationen, ſondern giebt auch wiederum einen Beleg fuͤr die Beſonderheit ihrer Race ab. Denn dieſe Bilder⸗ ſchrift hat, ſelbſt in ihrer ausgebildetſten Form, mit den auslaͤndiſchen Hieroglyphen nur eine ganz allgemeine Aehn— lichkeit, und eine eigentliche Identitaͤt hat ſich nirgends zwi⸗ ſchen beiden entdecken laſſen. Wir duͤrfen alſo unſere Ueber— zeugung wiederholen, daß ſich in den mexicaniſchen Annalen durchaus kein zuverlaͤſſiges Zeugniß in Betreff einer Ein⸗ wanderung von Aſien aus findet, ſondern daß ſie vielmehr ebenfo viele Auslegungen geſtatten, als Theorien zu unters ſtuͤtzen find. 737. XXXIV. 11. 166 Dr. Coates behauptet, die fo eben betrachtete mon⸗ goliſche Theorie ſey, weil fie eine Uebertreibung enthalte, nicht wohl haltbar. „Wenn die ganze Bevoͤlkerung Ameri— ca's aus deſſen nordweſtlichem Winkel herſtammte, ſo muͤßte man annehmen, es ſey viele Jahrhunderte hintereinander eine lange Kette von Colonien geſtiftet worden, in denen ſich eine große Sprachverſchiedenheit entwickelt und die ſich an der gewaltigen Kette der americaniſchen Anden von Prinz Wil- liams-Sund im Norden bis zum Feuerlande im Suͤden über 115 Breitegrade oder 8000 engl. Meilen erſtreckt hätte. Eine ſolche langwierige Aufeinanderfolge der Ereigniſſe iſt bei dieſer Theorie Grundbedingung, und ſo macht dieſelbe alſo wieder eine andre gewagte Hypotheſe noͤthig. Von demſelben Puncte mußten mehrere hundert ſelbſtaͤndige Co— lonien ausgegangen ſeyn, die, wie ſich aus der Verſchieden— heit ihrer Sprachen ergiebt, in keinem friedlichen Verkehre mit- einander geftanden, ſondern einander durch Krieg und Ver: tilgung der jagdbaren Thiere von einem Orte zum an— dern getrieben hatten, Eine ſolche Voͤlkerwanderung aus dem hohen Norden koͤnnte ihren Grund nur darin gehabt haben, daß ſich dort die Bevölkerung übermäßig vermehrt hätte und fo ein be— ſtaͤndig wiederkehrendes Draͤngen gegen Suͤden entſtanden wäre. Hierfür ſpricht aber durchaus nichts. Suͤdame— rica, die Landenge Darien, Guatimala und Mexico ſind weit dichter von Indianern bevölkert, als die weiter nördlich liegenden Laͤnder, und ſelbſt die alten Denkmale der Civili— ſation, aus denen man die dauernde Bewohnung eines Landes in der Vorzeit mit am Sicherſten erkennt, ſpre— chen, wie in der alten Welt, weit mehr zu Gunſten der Tropenlaͤnder. *) (Schluß folgt.) Anwendung der Electricitaͤt auf die Landwirthſchaft. Unter den mannichfaltigen und wichtigen Zwecken, zu welchen die Electricitaͤt in der neueſten Zeit verwandt wor— den iſt, verſpricht keiner fo glänzende Reſultate, als die An⸗ wendung dieſes Agens auf die Landwirthſchaft. Daß die Electricitaͤt auf die Vegetation einen ſehr bedeutenden Ein— fluß aͤußert, war lange bekannt; allein erſt jetzt hat man aus dieſem Umſtande practiſchen Nutzen zu ziehen verſucht. Neuerdings ſind viele Experimente und noch dazu in einer Weiſe angeſtellt worden, die uns eine Vergleichung der Ne: fultate und des Koſtenaufwandes mit andern Culturmetho— den geſtattet; und der Erfolg iſt ſo ausgefallen, daß ſich mit ziemlicher Sicherheit vorausſagen laͤßt, dieſes Agens werde in der Landwirthſchaft eine ebenſo große Umgeſtaltung hervorbringen, als fie durch die Erfindung der Dampfma⸗ ſchine und Spinnmaſchine im Manufacturweſen erzeugt wor⸗ den ift. 68 liegt uns das Reſultat eines Verſuchs vor, der in betraͤchtlich * Maaßſtabe ausgefuͤhrt worden iſt, und — the . Of of the Indian Population of America. By Coates M. D. 1834. dr 4 167 787. der gewiß die Aufmerkſamkeit des landwirthſchaftlichen Pu— blicums im hohen Grade verdient. Er fand in Nordſchott— land ſtatt. Diejenige Abtheilung eines Gerſtenfeldes, welche mit Electricitaͤt behandelt wurde, producirte im vergangenen Jahre 134 Quarters pro Morgen (acre), während das uͤbrige, in andern Beziehungen ebenſo behandelte, Feld den gewoͤhn— lichen Ertrag von 5—6 Quarters pro Morgen gab. Nachſtehend theilen wir eine Beſchreibung der einfachen Methode mit, wie die Electricitaͤt geſammelt und zur Ein— wirkung auf das Land gebracht wird. Man theilt ein Feld in laͤngliche Vierecke von 76 Yards (228 Fuß) Laͤnge und 40 Yards (120 F.) Breite ein, die alſo genau einen engl. Morgen halten. S. d. Fig. 4 G B | An den vier Puncten A B C D werden Pfloͤcke in den Boden getrieben, und von dieſen aus ſtarke Eiſendraͤhte um die ganze Peripherie des Ackerbeetes geſpannt. Dieſe Draͤhte communiciren miteinander und ſtreichen drei Zoll unter der Bodenoberflaͤche hin. Bei E und F find 15 Fuß hohe Stangen in den Boden eingelaſſen. Vom Puncte E aus ſtreicht ein mit dem in den Boden eingeſenkten Drahte com— municirender Draht an der Stange hinauf und dann mit— ten uͤber das Ackerbeet bis zur Spitze der Stange F, von wo er dann an dieſer Stange hinabgeleitet und mit dem dort befindlichen unterirdiſchen Queerdrahte verbunden iſt. Das Ackerbeet iſt der Laͤnge nach von Nord gegen Suͤd gerichtet, fo daß der von E nach F ſtreichende Draht ſenkrecht zum Aequator gerichtet iſt. Bekanntlich wird in der Atmoſphaͤre ſtets bedeutend viel Electricität entwickelt, die von Oſten ge: gen Weſten ſtreicht. Von dieſer Electricitaͤt wird ein Theil von dem Drahte E F abforbirt und den unter den Boden hinſtreichenden Draͤhten A B, A C, B D und CD zu: geleitet. Ein mit dieſem Gegenſtande ſehr vertrauter Mann hat uns indeß darauf aufmerkſam gemacht, daß ſich eine belie— bige Menge Electricität erzeugen laſſe, wenn man bei G ei: nen Sack mit Holzkohlen und bei II Zinkplatten eingrabe und beide durch einen Draht verbinde, der uͤber zwei bei G und II eingelaffene Stangen ſtreiche und den von E nach F ſtreichenden Draht unter einem rechten Winkel kreuze. Dieſe Verrichtung wuͤrde pro Morgen etwa 1 Pfd. St. (7 Thlr.) koſten und 10 bis 15 Jahre dauern, wenn man XXXIV. 11. 168 die Draͤhte nach der Erndte aus der Erde naͤhme und an einem paſſenden Orte aufhebe. Uebrigens muß noch bemerkt werden, daß die unter dem Einfluſſe der Electricitaͤt gewachſene Gerſte weit ſchwerer in's Gewicht fiel (auf den bushel 2 Pfd.), als alle in der Nachbarſchaft gebaute Gerſte. Wenn alſo auch die Guanovorräthe bald erſchoͤpft ſeyn ſollten, ſo wird man in der Electricitaͤt das Mittel beſitzen, die Fruchtbarkeit des Bodens außerordentlich zu erhoͤhen. Mi a c e a Ueber den Einfluß der fucoidiſchen Pflanzen auf die geologiſchen Formationen, über Metamorphis⸗ mus im Allgemeinen und über den Metamorphismus des ſcandinaviſchen Alaunſchiefers im Beſondern hat Profeſſor Forſchhammer der letztern britiſchen Gelehrtenverſamm— lung einen Vortrag gehalten, indem er zuvoͤrderſt darauf aufmerkſam machte, daß die Geologen zwar ausgedehnte Forſchungen in Betreff der in den Ocean geſchwemmten Bänke von Sand und Thon ane geſtellt, ſich aber mit den aufloͤslichen Salzen, die durch die Tage— waſſer in die See gefuͤhrt werden, nur wenig beſchaͤftigt haben. Auf dieſe Weiſe gelangen, z. B., große Quantitäten Kali und Kalk in den Ocean. Hierauf betrachtete er den Zuſtand der Meervege— tation und wies durch die Analyſe vieler tangartigen Pflanzen nach, daß ſie ſaͤmmtlich ſehr viel Kali, naͤmlich oft 5, ja bis 8 Proc. enthalten. Das Seewaſſer ſelbſt enthaͤlt von dieſem Salze nur wenig; die Meerpflanzen muͤſſen daher die Faͤhigkeit beſitzen, daſſelbe leicht auszuſcheiden. An Magneſia wurde in der Aſche dieſer Pflanzen gewöhnlich etwa ein Gewichtsprocent der trocknen Pflanzen gefun— den. Aus dieſer chemiſchen Beſchaffenheit der tangartigen Gewaͤchſe erklaͤren ſich manche großartige Erſcheinungen im Naturhaushalte, und Profeſſor Forchhammer bemerkte, daß, wenn man das Land mit Zangen dünge, dieſem ein Theil des ihm entzogenen Kali zuruͤcker⸗ ſtattet werde. Hierauf ging der Profeſſor ausführlich auf den Me— tamorphismus ein und legte die Verhaͤltniſſe des ſcandinaviſchen Thons dar Er zeigte, wie die tangartigen Pflanzen einen weſent— lichen Einfluß auf die Structur und Zufammenſetzung der Schich— ten, auf denen fie wuchſen, ausgeübt haben, und ſprach die Vermu⸗ thung aus, daß die Beſchaffenheit des ſcandinaviſchen Thonſchiefers auf dieſe Weiſe modificirt worden ſey. Profeſſor Liebig bemerkte zu dieſem Vortrage, daß der ſtarke Gehalt an Kali in den Tangen allerdings hoͤchſt auffallend ſey, da das Seewaſſer 1 Promille von dieſem Salze enthalte; und Herr Lyell hob die Wichtigkeit ſolcher chemiſchen Forſchungen in Betreff der Loͤſung bedeutender geologi⸗ ſchen Fragen hervor. Wiſſenſchaftliche Aufforderung. Se. Majeſtaͤt der Koͤnig von Daͤnemark wird im Juni dieſes Jahres ein Schiff der koͤnigl. Marine zu einer Reiſe um die Erde abgehen laſſen. Daſ— ſelbe wird um das Cap der guten Hoffnung nach Oſtindien gehen; dort, ſowie auf den Nikobariſchen Inſeln und in China längere Zeit verweilen, und durch das ſtille Meer um Cap Horn im Jahre 1847 zuruͤckkehren. Auf dieſer ganzen Reiſe wird daſſelbe bei zahl⸗ reichen im Wege liegenden Puncten anlegen. — Naturforſcher, die die Hauptabtheilungen der Naturwiſſenſchaften vertreten, wer⸗ den an der Expedition Theil nehmen. — Da es der lebhafte Wunſch Sr. Majeftät iſt, durch dieſes Unternehmen den Naturwiſſenſchaf⸗ ten moͤglichſt foͤrderlich zu werden, ſo iſt mir der ehrenvolle Auftrag geworden, an die Naturforſcher aller Staaten die Aufforderung er— gehen zu laſſen, wiſſenſchaftliche Fragen und Auftraͤge, zu deren Beantwortung und Ausführung dieſe Expedition Gelegenheit bieten koͤnnte, an den Unterzeichneten nach Kiel baldmoͤglichſt und ſpaͤte⸗ ſtens vor Mitte Juni einzuſenden. — Ich darf hinzufuͤgen, daß die jene Expedition begleitenden Naturforſcher es ſich zur Ehre an rechnen werden, allen Fleiß auf die Beantwortung und Ausführung 169 der ihnen auf dieſe Weiſe zugehenden, die Wiſſenſchaft zu fördern geeigneter Fragen und Aufträge zu verwenden. — Schließlich be: merke ich, daß, falls beſondere Inſtrumente erforderlich ſeyn 737. XXXIV. 11. 170 ſollten, dieſelben, mit einer genauen Angabe des wiſſenſchaftlichen Zweckes und der Art der Bae Behn mit eingeſandt wer⸗ den muͤſſen. Behn, Profeſſor in Kiel. J e i l k un de. Ueber die drei Bilder im Auge behufs der Dia— gnoſe des grauen und ſchwarzen Staars ꝛc. Von Dr. Mayne. Wenige Jahre vor ſeinem Tode machte Sanſon, Pro— feſſor der chirurgiſchen Clinik am Hoſpitale La Pitié zu Pa— ris, eine intereſſante Entdeckung, die fuͤr die Diagnoſe meh— rerer Augenkrankheiten ſehr nuͤtzlich zu werden verſprach; daß naͤmlich, wenn man ein brennendes Licht vor ein geſun— des Auge ſtellt, drei Bilder der Flamme ſich deutlich darin darſtellen, waͤhrend, wenn auch nur der geringſte Grad von Verdunkelung der Cryſtalllinſe vorhanden iſt, die Bilder ſich entweder matt darſtellen oder, je nach den Faͤllen, nur 2 oder nur 1 Bild wahrgenommen werden.“) Ich war damals ein Zuhörer in Sanſon's Clinik und erinnere mich ſehr wohl des Aufſehens, welches ſeine Entdeckung machte. Mehrere Wochen lang machten Alle, die mit dem Hoſpitale in Verbindung waren, beſtaͤndig Ber: ſuche, um die drei Bilder im geſunden Auge zu ſehen und, wo moͤglich, die Urſache der mit den Bildern in Eonken Augen vorgehenden Veränderungen zu entdecken. Man glaubte damals allgemein, daß die Erſcheinung bei der Diagnoſe ver— ſchiedener Krankheiten von großem Werthe ſeyn werde, und in Sanſon's Haͤnden war ſie dieß auch ganz unſtreitig. Nach ſeinem Tode haben ſich viele andere Chirurgen mit ſehr ungleichem Erfolge mit dieſem Verfahren befaßt, ſo daß daſſelbe bei den Pariſer Aerzten in Mißcredit gekommen iſt. Unter dies fen Umſtaͤnden hat Dr. Mayne, ein Lieblingsſchuͤler Sans ſon's, in einer der neueſten Nummern der Gazette mé— dicale einen intereſſanten Artikel mitgetheilt, den wir hier wiedergeben, da er eine klare Ueberſicht des ganzen Gegen— ſtandes gewaͤhrt. Profeſſor Sanſon bemerkte zuerſt im Jahre 1836, daß, als er ein brennendes Licht vor ein mit Amauroſe be— haftetes Auge ſtellte, deſſen Pupille weit geoͤffnet war, drei hintereinanderbefindliche Bilder der Flamme ſich darin dar— ſtellten. Das vorderſte, hellſte ſteht aufrecht; das zweite, mittlere, iſt blaſſer und verkehrt; das dritte oder hinterſte ſteht wieder aufrecht Sanſon theilte dieſe Entdeckung feinen Zuhörern im Jahre 1837 mit und erklärte fpäter den Mechanismus der Erſcheinung mittelft eines Apparats von Glaͤſern, die dem menſchlichen Auge nachgebildet waren, und an denen ſich die durch den grauen Staar veranlaßten Wir— kungen demonſtriren ließen. Seine beiden Huͤlfsaͤrzte, Bar— dinet und Pigné, bewieſen ſpaͤter daſſelbe bloß mittelſt einiger Uhrglaͤſer. Sanſon und ſeine Famuli gelangten zu demſelben Reſultate. Sie fanden, daß das vordere auf— *) Vergl. über dieſen Gegenſtand No. 113 (No. 4 d. VI Bds) S. 48 d. Bl. D. Ueberſ. rechte Bild von der Hornhaut, das zweite, oder mittlere ver— kehrte, von dem hinteren Segmente der Kapſel der Kryſtall— linſe, das hintere, aufrechte aber von dem vorderen Segmente der Kapſel herruͤhrt. Iſt die Hornhaut undurchſichtig, ſo nimmt man gar kein Bild wahr; die Undurchſichtigkeit des vorderen Kapſelſegmentes bringt die beiden hinteren Bilder zum Verſchwinden, und wenn das hintere Kapſelſegment ver— dunkelt iſt, ſo fehlt das umgekehrte Bild. Mit ande— ren Worten, bei'm grauen Staare, wo die Kapſel hinten un— durchſichtig iſt, bemerkt man das mittlere oder umgekehrte Bild nicht; bei'm grauen Staare mit vorn verdunkelter Kapſel ſieht man bloß das vorderſte, gerade Bild, und dieß iſt auch bei der Art von grauem Staare der Fall, wo ſo— wohl die Kapſel als die Kryſtalllinſe verdunkelt iſt. Sanſon ſchloß aus ſeinen Verſuchen, daß der graue Staar, ſelbſt in feinem Anfangsſtadium, auf dieſe Weiſe von der Amauroſe und dem Glaucoma unterſchieden werden koͤn— ne. Bei den vielen Gelegenheiten, die ſich ihm zum Stu— dium der Augenkrankheiten darboten, konnte er ſeine Ent— deckung bei vielen Patienten zur Anwendung bringen, und er that dieß mit großem Erfolge. Wie kommt es nun, daß dieß diagnoſtiſche Verfahren ſchon jetzt faſt wieder in Ver— geſſenheit gerathen iſt? Die Schuld kann nur daran liegen, daß die Schwierigkeiten, welche daſſelbe in den Haͤnden we— niger geuͤbter Chirurgen darbietet, die Reſultate zu unſicher macht, und daß es ihnen folglich kein Zutrauen einflößt. Wirklich haben mir mehrere ſonſt ſehr geſchickte Chirurgen mitgetheilt, daß ſie durch das Lichtexperiment zu Irrthuͤ— mern verleitet worden ſeyen; allein dieß beweiſ't durchaus nicht, daß Sanſon's Entdeckung auf Irrthum beruht, fondern nur, daß die Experimente fehlerhaft ausgeführt wur» den. Man hat dabei mehrere Vorſichtsmaaßregeln zu be— obachten. Die erſte, ſehr weſentliche, iſt, daß man die Pupille vor Anſtellung des Experimentes erweitert. Das Feld der Pupille iſt ſehr klein, und die Annaͤherung einer Lichtflam— me macht einen ſolchen Eindruck auf das Auge, daß die iris ſich zuſammenzieht und die Pupille noch enger wird. Wird die Pupille alſo nicht kuͤnſtlich erweitert, ſo hat man die Bilder der Flamme in einem Kreiſe zu ſuchen, der nicht uͤber 3 Millimeter im Durchmeſſer haͤlt. Selbſt ein mit der Beobachtung der Bilder voͤllig vertrauter Chirurg wuͤrde es unter ſolchen Umſtaͤnden aͤußerſt ſchwierig finden, dieſel— ben zu erkennen. Wenn wir nun annehmen, die Unter: ſuchung werde von einem Chirurgen zum erſten Male vor— genommen und die Pupille nicht kuͤnſtlich erweitert, ſo iſt ſehr begreiflich, daß er nur ein Bild wahrnimmt und deß— halb ſchließt, das Subject ſey mit dem grauen Staare be: haftet. Mit der Zeit findet er dann vielleicht, daß dieß nicht der Fall iſt, und nun glaubt er, das von ihm angewandte 171 diagnoſtiſche Verfahren fey unzuverlaͤſſig, während die Schuld doch darin zu ſuchen iſt, daß er daſſelbe nicht in der gehoͤ— rigen Weiſe vorgenommen hat. Das Feld der Pupille muß alſo ſoviel, als moͤglich, vergroͤßert werden, und durch die An— wendung von Belladonna laͤßt ſich daſſelbe doppelt, ja drei— fach vergroͤßern. Man bewirkt dieß auf der Stelle, indem man einige Tropfen Atropin-Solution in das Auge bringt, was allerdings einige Schmerzen und Roͤthung der Binde— haut und Thraͤnenfluß verurſacht. Indeß iſt der Schmerz ſehr ertraͤglich, und die Injection der Bindehaut, ſowie die epiphora, geht bald voruͤber. Die Augenlider muͤſſen nach dem Eintropfeln geſchloſſen gehalten werden, weil ſonſt die Solution durch die Thraͤnen weggefuͤhrt wird. Ferner iſt noͤthig, daß die Unterſuchung des Auges in einem voͤllig verdunkelten Zimmer geſchieht, weil ſonſt das Tageslicht Re— flexre in dem Auge erzeugt, welche man manchmal faͤlſchlich fuͤr Bilder der Lichtflamme nehmen kann, oder welche zuwei— len das Erkennen der Letzteren verhindern wuͤrden. Wenn die Pupille auf dieſe Weiſe erweitert und der Patient in ein verdunkeltes Zimmer gebracht worden iſt, hat man die Kerzenflamme vor dem Auge hin und her zu bewegen. Au— ßer den erwaͤhnten Urſachen des Irrthums giebt es noch an— dere, welche den Beobachter zu der falſchen Anſicht veranlaſ— fen koͤnnen, daß das Verfahren truͤgeriſch ſey. Der graue Staar kann in einem ſo geringen Grade vorhanden ſeyn, daß er nur in einem kaum bemerkbaren Woͤlkchen beſteht, welches, wenngleich ſchwer, von den Lichtſtrahlen durchdrun— gen wird; oder die Verdunkelung kann an dem Umkreiſe be— ginnen und nur eine ſehr ſchmale Portion der Kapfel oder Linſe betheiligen, waͤhrend ſie uͤbrigens noch vollkommen ge— ſund ſind. Wenn nun der Chirurg in dergleichen Faͤllen drei Bilder wahrgenommen und daraus auf Abweſenheit von grauem Staare geſchloſſen hat, aber ſpaͤter findet, daß ſich wirklich Undurchſichtigkeit der Kryſtalllinſe herausſtellt, ſo wird er das von ihm angewandte diagnoſtiſche Verfahren fuͤr unzu— verläffig erklären. Dieſe Faͤlle find allerdings ungemein ſchwer zu erkennen, aber die Ermittelung derſelben iſt doch keinesweges unmöglich. Wenn nur ein ſehr geringes Woͤlkchen vorhan— den iſt, ſo ſtellen ſich die Bilder anders dar, als im ge— ſunden oder amaurotiſchen Auge: nur das vorderſte iſt glaͤn— zend, waͤhrend die anderen ungemein blaß und duͤſter ſind. Schon dieſer Umſtand muß den Chirurgen zur Vorſicht mah— nen und wird ihn, wenn er ihn mit den uͤbrigen Sym— ptomen zuſammenhaͤlt, auf eine richtige Diagnoſe fuͤhren. Wenn auf der anderen Seite die Undurchſichtigkeit des Ap— parates der Kryſtalllinſe von ſehr geringer Ausdehnung iſt; wenn die verdunkelte Stelle der Flamme nicht im Wege iſt, ſo bemerkt man allerdings drei glaͤnzende Bilder, aber zugleich kann die Abnahme des Sehvermoͤgens weder auf Rechnung einer Amauroſe, noch eines Glaucoma geſetzt werden. Als— dann muß man den Patienten das Auge nach allen Rich— tungen bewegen laſſen, indem man ihn einen Gegenſtand anblicken und verfolgen laͤßt, den man hin und her bewegt. Wenn dieſer Gegenſtand nun der verdunkelten Stelle gegen— uͤber zu liegen kommt, ſo wird er nicht mehr geſehen. Nach— dem der Chirurg auf dieſe Weife die kranke Stelle ermit⸗ 737. XXXIV. 11, 172 telt hat, bringt er die Flamme biefer gegenüber, und nun wird er, je nach der Varietaͤt des grauen Staars, nur ein oder zwei Bilder ſehen und die Natur der Krankheit erken— nen. Dieß waͤren alſo die Gruͤnde, aus welchen manche Chirurgen die Verdienſte der Entdeckung Sanſon's nicht haben anerkennen wollen. Folgende Faͤlle find in dieſer Ber ziehung von Intereſſe. Erſter Fall. Im Juni 1841 fragte die Herzogin von M. Sanſon um Rath. Derſelbe litt damals ſchon an der Ruͤckenmarks-Krankheit, die ſeinem Leben ein Ende machte, und bat mich, die Patientin zu unterſuchen. Die Augen ſchienen geſund und waren von mehrern Chirurgen dafuͤr erklaͤrt worden. Die iris war empfindlich und die Pupillen beider Augen erweitert. Die beiden hintern Bil: der ließen ſich kaum bemerken. Ich war alſo geneigt, das Vorhandenſeyn eines grauen Staars anzunehmen, und um daruͤber mehr Gewißheit zu erlangen, bat ich die Dame, eine Belladonnaſalbe uͤber den Augenhoͤhlen einzureiben und am folgenden Tage fich wieder einzufinden. Bei'm zweiten Beſuche unterſuchte fie Sanſon ſelbſt mit mir. Wir fas hen die beiden (hintern ?) Bilder, aber fo undeutlich, daß wir fie kaum bemerken konnten. Sanſon pflichtete mir darin bei, daß zwei graue Staare in ihrem Anfangsſtadium vorhanden ſeyen, und die Zeit bewies die Richtigkeit der Diagnoſe. Zweiter Fall. In demſelben Jahre wurde San— fon von Mad. B. confultirt. Er bat mich, fie zu unterſu⸗ chen, und ich fand, daß an einer Stelle des linken Auges nur ein Bild zu bemerken war. Sanſon ſtarb, und Mad. B. zog nun einen andern ſehr berühmten Arzt zu Rathe. Derſelbe behandelte ſie mehrere Monate lang auf Amauroſe. Als ſie keine Beſſerung verſpuͤrte, kam ſie zu mir. Als ich ihr Auge mit der Kerze pruͤfen wollte, erinnerte ſie mich daran, daß dieß ſchon fruͤher geſchehen ſey, und daß ich eine Stelle des Auges fuͤr krank erklaͤrt habe, welcher Umſtaud mir entfallen war. Ich fand die kranke Stelle wieder, ver- ordnete der Patientin den Gebrauch der Belladonnaſalbe und entdeckte am folgenden Tage durch die erweiterte Pupille hindurch eine undurchſichtige Stelle in der Naͤhe des innern Winkels. Dort ward nur ein Bild wahrgenommen, und als ich das Auge bei Tageslicht beſichtigte, zeigte ſich die verdunkelte Stelle deutlich. Als ich den Finger dieſer Stelle gegenuͤber brachte, ſah die Kranke denſelben nicht. Ich ſtellte alſo die Diagnoſe auf beginnenden grauen Staar des vordern Kapſelſegments, und die Richtigkeit dieſer Vorauss ſage ward ſpaͤter vollkommen beſtaͤtigt. (The Dublin 184570 of medical Science, No. LXXIX, March, 1845.) Ueber purpura haemorrhagica. Von Profeſſor Sacchero. Aetiologie. Purpura — der Verfaſſer ſpricht hier nur von der gefaͤhrlichern acuten Form dieſes Uebels — iſt eine ſeltene Affection, welche vorzuͤglich in der Jugend und bei'm weiblichen Geſchlechte vorkommt, namentlich bei zarten Perſonen, welche an feuchten Orten wohnen, oder ſonſt der Feuchtigkeit ausgeſetzt ſind, 173 ſchlechte Koſt genießen, oder spirituosa trinken. Meift ift das Uebel von chroniſchen oder mehr oder weniger ſchleichenden Affectionen der Baucheingeweide begleitet, oder dieſe gehen denſelben voran. Es ſcheint demnach ein krankhafter Zuſtand der arteriellen und venoͤſen Capillargefaͤße in Folge einer Veraͤnderung oder Verminderung der Hautausduͤnſtung ein weſentliches Moment fuͤr die Entwickelung der purpura zu feyn. Hauterſcheinungen. Mit Unrecht zaͤhlen Willan und Rayer die purpura zu den Exanthemen, denn die Ecchymoſen entwickeln ſich nicht allein auf der aͤußern Haut, ſondern auch auf innern Membranen und an den parenchymatoͤſen Organen, weßhalb das Uebel mit Lordat beſſer unter die Haͤmorrhagieen aufzunehmen iſt. Die aͤußeren Charactere ſind, wie bekannt, mehr oder weniger zahlreiche Flecken oder Petechien, welche in ihrer Entwickelung und in ihrem Verſchwinden keine regelmaͤßige Zeitfolge beobachten. Haͤmorrhagieen. Dieſelben kommen nicht nur an allen Schleimhaͤuten, ſondern auch auf der aͤußern Haut vor, zur ſelben Zeit, zu welcher ſich die rothen Flecken auf den Membranen und in den ſeroͤſen Höhlen entwickeln. Die Diſſolution des Blutes und die groͤßere Fluͤſſigkeit deſſelben ſcheinen dazu beizutragen, die Haͤ— morrhagieen reichlicher und raſcher toͤdtlich zu machen. Allgemeine Symptome. In vielen Faͤllen gehen dem Uebel ein allgemeines Unwohlſeyn, Schmerzen, Affectionen der im Gebiete der Pfortader liegenden Organe ꝛc. voran; in andern da— gegen entwickelt ſich die purpura ploͤtzlich, was wahrſcheinlich dann der Fall iſt, wenn die die letztern erzeugenden Urſachen heftig ſind und in kurzer Zeit die Functionen des Circulationsſyſtems zu alte— riren vermögen. Zu den verſchiedenen die purpura characteriſiren⸗ den Symptomen, wie Kopfſchmerzen, Athembeſchwerden, heftiges Fieber, zuweilen von periodiſchem Typus, lebhafter Durſt, heiße, trockene Haut, truͤber Harn 2c., gehört auch die Beſchaffenheit des Pulſes, welcher frequent, oft hart und vibrirend, zuweilen voll und leicht zuſammendruͤckbar iſt. Verlauf und Dauer. Dieſe ſind von der Krankheit ab— haͤngig, welche die purpura begleitet, oder derſelben vorangeht, und richten ſich nach dem acuten oder chroniſchen Character derſelben. Veranderungen des Blutes. Parry, Bateman, Jef— freys, Johnſton, Rayer und der Verfaſſer haben das Vorhan— denſeyn einer ziemlich großen Menge von Blutkuͤgelchen und Fibrine in dem Blute der an purpura leidenden Kranken conſtatirt, eine Quantität, welche nach ſtattgehabten Haͤmorrhagieen abnimmt, wie— wohl auch dann, nach Profeſſor Giacomini, das Blut dick, klum— pig iſt, was von einer diffuſen Entzuͤndung im Venenſyſteme oder, nach Kreyſig, von einem beſonderen Mißverhaͤltniſſe in der Vita— lität der Venen herruͤhrt, nicht aber die Folge einer bedeutenden Schwaͤchung dieſes Syſtems ift. Autopſieen hat der Verfaſſer ſelbſt nicht angeſtellt, fuͤhrt aber als die Befunde der von Anderen angeſtellten Sectionen Ausſchwiz— zungen, active Congeſtionen, ſelten vorgaͤngige Entzuͤndungen an und iſt der Anſicht, daß das Benenſyſtem primaͤr afficirt werde. Pathologiſches Verhalten. In der Mehrzahl der vom Verfaſſer geſammelten und ſelbſt beobachteten Faͤlle war der pri— mare Sitz der Affection das Circulationsſyſtem und namentlich das Venenſyſtem, für welche Anſicht das oft ſtarke Fieber, die allge: meinen und localen Phaͤnomene, die Beſchaffenheit des Pulſes, die Beziehungen der Urſachen zu den Symptomen ꝛc. ſprechen. In den Faͤllen, wo die Krankheit ſich nicht ploͤtzlich entwickelte, war die Pfortader gewiſſermaaßen der Ausgangspunct, indem hier Leber und Milz ſeit lange afficirt waren. Die Haͤmorrhagieen, die Haut— flecken oder Ecchymoſen, eine Folge der activen Durchſchwitzung des Blutes durch die Wandungen der arteriell-venoͤſen Capillargefaͤße, die denſelben vorangehende oder ſie begleitende Reaction beweiſen zur Genuͤge, daß eine Steigerung der Vitalitaͤt, der Action, eine auffallend erhoͤhte Erregung des Herzens und der Gefaͤße, ja ſogar in den ſchwerſten Fällen eine wahre phlebitis ſtattfinde. Die Ver: änderungen des Blutes, welche primaͤr von einer Stoͤrung im Ver— halten der Capillargefaͤße und der Haͤmatoſe — und, nach Gi aco— mini, von einer vorgaͤngigen phlebitis — abhängen, koͤnnen fecun- dar die Durchſchwitzung des Blutes, d. h., die inneren und aͤuße— ren Haͤmorrhagieen beguͤnſtigen. Letztere find, nach dem Verfaſſer, 737. XXXIV. 11. 174 oft wohlthaͤtige Ausgleichungen und gewiſſermaaßen Kriſen der Af: fection des Herzens und der Gefaͤße. Diagnofe. Purpura haemorrhagica kann nur mit ty- phus petechialis und Scorbut verwechſelt werden. Der Petechial⸗ typhus entwickelt ſich meiſt bei Gefangenen oder bei Individuen, welche in großer Menge zuſammengedraͤngt und des Lichtes und der Luft beraubt ſind; demſelben geht ſtets eine Incubationsperiode voran, der Puls iſt gereizt, zwiſchen dem vierten und ſiebenten Tage erſcheinen die ſtets kleinen Petechien zuerſt am Halſe, an der In— nenſeite der Arme und auf dem Leibe, dann auf dem ganzen uͤbri— gen Koͤrper; die Augen liegen tief, die Zunge iſt trocken, braun, ruſiger Anflug der Zaͤhne, kurz die Charactere des Typhus ſind vorhanden. Der Scorbut entſteht, wie bekannt, nach dem Genuſſe geſalze— ner oder ſchlechter Speiſen, unreinen Waſſers, bei dem Einathmen einer verdorbenen Luft, in Folge von Unreinlichkeit, eines ſitzenden Lebens, oder zu ſtarker Anſtrengung ꝛc. Dieſes Uebel kommt ſehr ſchleichend heran und giebt ſich durch eine allgemeine Schwaͤche, Anſchwellung und Roͤthung des Zahnfleiſches, welches livide, ſchwam— mig wird, leicht blutet, uͤblen Geruch des Athems zu erkennen; lange Zeit nachher zeigen ſich kleine, runde, rothe Papeln, welche ſpaͤter Petechien ähnlich werden, die Beine ſchwellen an ꝛc. Alle dieſe Symptome der erſten Periode, welche Monate oder Jahre lang fortbeſtehen, find niemals von Reaction begleitet, wofern keine Com- plication mit einer anderen Krankheit ſtattfindet. In der zweiten Periode ſteigern ſich alle dieſe Symptome, das Zahnfleiſch wird ge— ſchwuͤrig, brandig, die Zaͤhne fallen aus, und nun finden die ver— ſchiedenen Blutungen aus dem Munde, den Lungen, dem Darmcanale ſtatt. Spaͤter treten ſtinkende Schweiße ein, und die Kranken ge— hen bei vollem Bewußtſeyn an Zahnfieber zu Grunde. Was die Hautſymptome anbetrifft, ſo geht dem Auftreten der Flecke bei purpura keine Invaſionsperiode voran, wie bei'm Typhus, und das Beſtehen derſelben hat nichts fixes, ſondern richtet ſich nach dem vorhandenen Grunduͤbel. Die Flecken treten hier gleich von vorn herein auf; die Haͤmorrhagieen ſind hier conſtant den ganzen Ver— lauf der Krankheit hindurch, das Fieber iſt vom Anfang an heftig, die Hirnfunctionen bleiben ſtets ungetruͤbt, endlich iſt purpura nicht contagiös und niemals die Folge eines Giftes. Prognoſe. Die Intenſitaͤt und Bedeutendheit der Symptome laſſen die Vorherſage ſehr zweifelhaft erſcheinen, doch ſind hier auch das Alter des Kranken, die aͤußern Verhaͤltniſſe deſſelben, vorange— gangene Krankheiten, habituelle Blutungen ꝛc. zu beruͤckſichtigen. Wenn das Uebel einen periodiſchen Typus annimmt, ſo ſtellt ſich die Prognoſe weit guͤnſtiger. Behandlung. Sobald eine lebhafte febrile Reaction ſtatt— findet, der Puls geſpannt, vibrirend und hart iſt, die Blutungen reichlich und andauernd ſind und Visceralcongeſtionen drohen, iſt der Aderlaß injicirt, welcher vorſichtig wiederholt werden kann, bis der Gefaͤßſturm beſchwichtigt iſt. Blutegel, beſonders an die Haͤmorrhoidal— gefaͤße applicirt, zeigen ſich dann ſehr wirkſam, wenn vornehmlich die Pfortader und die mit derſelben in Verbindung ſtehenden Ein— geweide afficirt find. Innerlich find hier Digitalis, Ag. Lauroce- rasi, Extr. Aconiti, Dulcamara etc. anzuwenden. Vielleicht möchte auch das Extr. aquos. Secal. cornuti als blutſtillendes und herab— ſtimmendes Mittel nuͤtzlich ſeyn; wenn keine Complication mit ga- stritis oder gastro-enteritis ſtattfindet, ſind ſaliniſche Purganzen und Calomel ſtets ſehr wirkſam. Zum gewoͤhnlichen Getraͤnke dient am Beſten Limonade aus mineraliſchen oder vegetabiliſchen Saͤu— ren. Wenn die Symptome maͤßig ſind, ſo verfaͤhrt man am Be— ſten erpectativ. Bei der periodiſchen Form des Uebels iſt natürlich der Gebrauch der Chinapraͤparate und beſonders des ſchwefelſau— ren Chinins angezeigt. Wenn der Kranke durch ſtarke Blutverluſte ſehr geſchwaͤcht iſt, ſo kann man eine nahrhaftere, mehr toniſirende Koſt, wiewohl mit Vorſicht geſtatten, um nicht die Gefäßaufregung wieder zu erwecken. (Annales des maladies de la peau.) Ein neues wurmtreibendes Mittel Der Bandwurm (Taenia solium) iſt in Abyſſinien unter allen Volksclaſſen ungemein häufig, fo daß wenige Eingeborne von dem— 175 ſelben frei bleiben. Man ſchreibt die Entftehung des Wurmes dem Genuſſe von rohem Fleiſche zu und behauptet, Diejenigen, die ſich dieſes Nahrungsmittels enthielten, würden nicht damit beimgeſucht; habe er ſich aber einmal eingefunden, ſo werde man denſelben nicht leicht wieder voͤllig los, was die Abyſſinier um ſo mehr annehmen, da fie glauben, jedes Glied koͤnne einen vollſtaͤndigen Wurm erzeugen. Zum Gluͤcke beſitzt das Land, in welchem dieſes Leiden ſo vor— herrſchend iſt, zugleich in den Bluͤthen des Koſſobaumes ein hoͤchſt kraͤftiges Heilmittel gegen daſſelbe, und man trifft daher in der Nähe jedes Dorfes eine Gruppe dieſer Bäume 5). Dieſes unſchäͤtz— bare Wurmmittel wird von allen Eingebornen regelmaͤßig alle zwei Monate gebraucht; die Kinder bequemen ſich dazu vom ſechsten Jahre an und fahren damit bis zu ihrem Tode fort. Dieſe haͤufige und unmethodifche Anwendung des Mittels hat aber manche nach— theilige Folgen, unter denen der prolapsus ani die häufigfte iſt; ja, wenn es unvorſichtig gebraucht wird, fo kann die große Erſchoͤ— pfung, in welche man, wenn es zu heftig wirkt, verfällt, ſogar toͤdt— lich werden. Obgleich der fortgeſetzte Gebrauch dieſes draſtiſchen Purgirmittels dort zu Lande zur Erhaltung der Geſundheit noͤthig iſt, ſo duͤrfte derſelbe doch das Leben abkuͤrzen, indem man in Schoa nur ſelten ſehr alte Leute findet. Der Koſſobaum (Hagenia Abyssinica) erreicht eine mittelmä= ßige Baumgroͤße, und ſeine rothen Bluͤthentrauben gleichen in der Geſtalt und der Art ihrer Vertheilung denen der Roßcaſtanie be— deutend. Die Bluͤthen werden erſt in der Sonne getrocknet; dann beſeitigt man alle Stiele und Unreinigkeiten und ſtoͤßt ſie dann fein. Die Doſis betraͤgt 6 — 8 Drachmen, je nach der Qualitaͤt des Pulvers und den Koͤrperkraͤften der Perſon, und man nimmt dieſelbe Fruͤhmorgens in einer Taſſe Waſſer. Wenn man das Pulver laͤngere Zeit mit Waſſer gemiſcht ſtehen laͤßt, ſo ſoll es ſehr an Wirkſamkeit verlieren. Es wirkt gewoͤhnlich im Laufe einiger Stunden, indem die erſten Stuͤhle waͤſſerig ſind und der Wurm meiſt bei dem dritten oder vierten abgeht. So lange es wirkt, hat man zu faſten; allein gegen Abend genießt man reich— lich ſtark gewürzhafte Gerichte, in'sbeſondere Wotz oder Dillee, und trinkt Meth oder Bier. Wenn 5—6 Stunden verftrichen find, ohne daß die Purganz gewirkt hat, ſo hat der Patient eine reich— liche ſtark gewuͤrzte Mahlzeit zu genießen, welche die Wirkung be— ſchleunigen ſoll. Es bot ſich eine guͤnſtige Gelegenheit dar, die Koſſobluͤthen bei einem europaͤiſchen Soldaten der Escorte zu probiren, welcher mit dem Lumbricus teres behaftet war, und bei dem es mild und er— folgreich wirkte. Wenn man fuͤr gut faͤnde, dieſes Mittel der eu— ropäiſchen materia medica einzuverleiben, ſo ließe ſich daſſelbe von Maſſowah am rothen Meere aus in Menge beziehen, da dieſer Han— delsplatz nur 5—6 Tagereiſen von der Gegend entfernt iſt, wo der Koſſobaum waͤchſ't. Ja, der Baum ſelbſt ließe ſich vielleicht in Europa einheimiſch machen, da europaͤiſche Pflanzen ebenfalls in Abyſſinien zu gedeihen ſcheinen. (Transactions of the Med. and *) Wieviel Werth man auf den Beſitz dieſer Bäume legt, er— giebt ſich u. A. aus dem Umſtande, daß ein Dorf unfern An— golalla, in deſſen Nachbarſchaft keine Baͤume dieſer Art ſtehen, den Namen Dewasa Kosso (Gott ſchenke Dir Koſſobaͤume) führt. 737. XXXIV. 11. 176 Phys. Society of Bombay. The Dublin Journal of Med. Scien- ce, No. LXXIX, March 1845.) Miscellen. In Hinſicht auf die Eigenthümlichkeit des Seh⸗ vermoͤgens iſt folgende Mittheilung des Dr. Dalton, nach ſeinen eigenen an ſich ſelbſt gemachten Beobachtungen und das Reſultat der von ihm ſelbſt angeordneten anatomiſchen Unterſuchung ſeiner Augen, ſehr intereſſant. „Ich habe oft,“ ſagt er, „ernſthaft eine Perſon gefragt, ob eine Blume von blauer oder rother Farbe ſey: gewöhnlich aber wurde dieß als Scherz aufgenommen. Indeſſen war ich nie wirklich von der Eigenthuͤmlichkeit meines Sehvermoͤ⸗ gens überzeugt, bis ich zufällig die Farbe der Blume des Geranium zonale bei Kerzenlicht geſehen hatte. Die Blume war purpurroth (pink), mir aber erſchien ſie ein voͤlliges Himmelblau bei Tage; bei Kerzenlichte aber war ſie erſtaunlich veraͤndert, indem ſie dann nicht eine blaue Faͤrbung, ſondern, was ich ſo nannte, roth war. Da ich nun nicht zweifelte, daß die Veraͤnderung der Farbe fuͤr alle andere Menſchen gleichfalls vorhanden ſeyn werde, erſuchte ich ei⸗ nige meiner Freunde, die Erſcheinung zu beobachten, wo ich dann ſehr uͤberraſcht war, zu finden, daß ſie alle darin uͤbereinkamen, die Farbe ſey nicht viel anders, als bei Tageslichte, mit Ausnahme von meinem Bruder, der ſie in demſelben Lichte ſah, wie ich. Dieſe Beobachtung bewies deutlich, daß mein Sehen nicht den anderen Perſonen gleich war.“ — — — „Indem ich uͤber dieſe That⸗ ſachen nachdachte,“ faͤhrt er fort, „ſcheint es faſt außer Zweifel, daß eine der Fluͤſſigkeiten meines Auges ein gefaͤrbtes Medium iſt, wahr⸗ ſcheinlich eine Modification von blau.“ „Ich vermuthe, fuͤgt er hinzu, daß es der Kryſtallkoͤrper ſeyn moͤge, denn ſonſt wuͤrde es bei'm Anblicke des Auges entdeckt werden, was nicht der Fall gewe— ſen iſt“ — Nach dem Tode wurde die angeordnete Unterſuchung des Auges von den Aerzten des Krankenhauſes zu Mancheſter, den Herren Ranſome und Wilſon, vorgenommen, welche Folgendes mitgetheilt haben: „An der Hornhaut erſchien der gewoͤhnliche arcus senilis, aber ihr Mittelpunct war völlig durchſichtig. Die waͤſſerige Feuchtigkeit, welche nach einem Einſtiche in die Hornhaut, in einem Uhrglaſe aufgefangen worden war, wurde bei reflectirtem und bei durchgelaſſenem Lichte betrachtet und zeigte ſich völlig durche ſichtig und farblos. Der Glaskörper mit feiner membrana hyaloi- dea war ebenfalls vollkommen farblos; die Kryſtalllinſe war bern⸗ ſteinfarbig, wie gewoͤhnlich bei alten Perſonen, und durch dieſe Por⸗ tion des Auges, horizontal gelegt, wurden einige der Farben un— terſucht, welche Dr. Dalton nicht im Stande gewefen war, zu unterſcheiden, namentlich roth und gruͤn, ohne daß Herr Ranſome etwas von ſeinem Sehvermoͤgen Verſchiedenes haͤtte bemerken koͤnnen. Dieſe Reſultate wurden Sir David Brewſter mitgetheilt, welcher Herrn Ranſome beſuchte, um die Augen zu unterſuchen. Sie ſtimm⸗ ten darin überein, daß die Unvollkommenheit eher von einem man⸗ gelhaften Empfindungsvermoͤgen (sensorial power), als von einer Eigenthuͤmlichkeit in dem Auge ſelbſt, herruͤhre.“ Nekrolog. — Der verdiente Anatom und Chirurg Bre⸗ ſchet zu Paris, Profeſſor an der Ecole de médecine zu Paris, con- ſultirender Leibarzt des Königs, Chirurg am Hötel-Dieu und Offi⸗ zier der Ehrenlegion, — iſt am 10. Mai in ſeinem 70. Jahre mit Tode abgegangen. Bibliographische De la fecondation naturelle et artificielle des végétaux et de l’Hybridation. Par Henri Lecog. Paris 1845. 8. Monographie du genre Camellia. Traite complet sur sa culture, avec la description et la classification de chaque variete. Par labbe Berlese. Paris 1845. 12. M. 7 K. Neuigkeiten. Medical Education. A lecture delivered at Kings College, Lon- don. By Forbes Royle, DM., Prof. of Mat. med. and The- rapeutics. London 1845. 8. Lectures on the Principles and practice of Physic, delivered at Kings College, London. By Thomas Watson, DM. 2. edit. 1. London 1845. 8. — — — é Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Ober- Medicinalratde Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Sroriep ju Berlin. No. 738, Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. (Nr. 12. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 350 30 2%, 5 Mai 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, Is Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 9 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ H„e u Unterſuchungen in Betreff der characteriſtiſchen Kennzeichen der Ureinwohner America's. Von Samuel George Morton, NM. D. (Sch lu ß.) Es laͤßt ſich ferner fragen, wie es kommt, daß im Laufe von mehr als 300 Jahren ſeit der Entdeckung von America durchaus keine neuere Einwanderung von Aſien aus geſche— hen iſt? Eine ſolche iſt wenigſtens nicht bekannt. Die langen, verheerenden Kriege, welche ganze Nationen aus den mittleren Laͤndern dieſes Welttheils in die noͤrdlichen trieben, haben der neuen Welt nicht eine einzige Colonie verſchafft. Ja, wenn eine ſolche Coloniſation binnen der letzten 1000 oder 2000 Jahre ſtattgefunden haͤtte, wuͤrden wir dann nicht noch unlaͤugbarere Zeugniffe für ihre Sprache, Gebraͤu⸗ che und Kuͤnſte beſitzen? Zunaͤchſt wollen wir einige Bemerkungen uͤber die An⸗ ſicht beibringen, daß America durch die malaiiſche Race, welche, nach der gewoͤhnlichen Claſſification, die eigentlichen Malaien des indiſchen Archipels und die ſaͤmmtlichen Poly— neſier umfaßt, bevoͤlkert worden ſey. Die Malaien ſind in— deß den Mongolen in vielen Beziehungen ſo aͤhnlich, daß die gegen die Letztern erhobenen Bedenken auch in Betreff der Erftern mehrentheils ſtattfinden. Der Kopf des aͤchten Malaien iſt als lerdings dem des Indianers inſofern aͤhnlicher, als das Hin— terhaupt haͤufig hoch anſteigt, und der Queerdurchmeſſer, von einem Seitenwandbeine zum anderen gemeſſen, ebenfalls ſehr bedeutend iſt. Allein mit Ausnahme dieſer Puncte ſtimmt die oſteologiſche Entwickelung der Malaien mit der der Mon— golen uͤberein. Abgeſehen von den Verſchiedenheiten in der Organiſation, gleicht der Malaie dem Indianer auch durch— aus nicht in Anſehung des Kunſtfleißes und der geſellſchaft— lichen Einrichtungen, und zwar in dem Grade nicht, daß Dr. Lang, einer der ſcharfſinnigſten Vertheidiger dieſer Theorie, den Grund dieſer Unaͤhnlichkeit in eine intellectuelle Entar: tung ſetzt, die er dem Clima und anderen Umſtaͤnden zu— ſchreibt. „Das Herabſinken des Menſchen auf der Stufen⸗ leiter der Civiliſation, „ſagt er,“ iſt ein nicht ungewoͤhnlicher, ſowie ganz natürlicher Proceß, den die Aſiaten offenbar auf No. 1838.—738 Bu n e. ihren Wanderungen gegen Norden und Oſten erlitten haben. Der Menſch hat ſich nur mitten in eine Wildniß zu bege— ben, wo er von dem Verkehre mit civiliſirten Voͤlkern voͤllig abgeſchieden iſt, und dieſer Proceß wird mit faſt unglaubs licher Geſchwindigkeit fortſchreiten. Denn mag er nun mit Wilden in Beruͤhrung kommen oder nicht, ſo werden doch ſeine Nachkommen in den einſamen Urwaͤldern ſchnell der Barbarei verfallen.“ Wir finden es indeß ſchwer begreiflich, wie die Poly— neſier, die ſelbſt Barbaren, wenngleich in einigen Stuͤcken mehr oder weniger civiliſirt ſind, in den Tropenlaͤndern Ame— rica's haͤtten verwildern koͤnnen, da das dortige Clima ihrer Conſtitution zuſagen und die ganze Natur eher anregend, als deprimirend auf ſie wirken mußte. Aber das Vorherrſchen der Oſtwinde auf dem ſtillen Oceane iſt der Coloniſirung America's von Polyneſien aus nicht günftig, da die naͤchſte der Inſeln nicht weniger als 1800 engl. Meilen von der americaniſchen Kuͤſte entfernt iſt, und wenn wir die vielen Schwierigkeiten bedenken, welche lediglich in dieſer Entfernung fuͤr die Schifffahrt in kleinen Booten liegen, da dieſe ſich nicht für eine lange Reife mit Mundvorrath und Waſſer verſorgen koͤnnen, ſo ſehen wir uns zu der Anſicht genoͤthigt, daß America von Polyneſien aus keinen erheblichen Theil ſeiner Bevoͤlkerung erhalten haben kann. Sind dergleichen Seereiſen überhaupt vorgekommen, fo iſt es zufällig geſche— hen; denn es laͤßt ſich nicht denken, daß dieſe Inſulaner weite Entdeckungsreiſen gegen den Strich der Paſſatwinde unter: nommen haben werden, und der Ausgang eines ſolchen Wa— geſtuͤcks würde wahrſcheinlich hoͤchſt ungluͤcklich geweſen ſeyn. Selbſt angenommen, die Polyneſier haͤtten Alles, was die Theorie verlangt, wirklich ausgefuͤhrt, ſo laͤßt ſich doch nicht denken, daß ſie, ſobald ſie den americaniſchen Boden be— treten, alsbald die ihnen angeborene Liebe zur Schifffahrt aufgegeben, die Conſtruction ihrer Boote vergeſſen und ſich in die furchtſamſten und unbeholfenſten Schiffer verwandelt haͤtten. Die Vergleichung der Sprachen gereicht uͤbrigens der polyneſiſchen Hypotheſe nicht zur Unterſtuͤtzung; denn all' 12 179 der Eifer und der Scharfſinn, welche auf diefe Unterſuchung verwandt worden ſind, haben bloß zur Erkenntniß einer voll— ftändigen phil ologiſchen Verſchiedenheit geführt. Die Theorien, welche wir hier kurz beleuchtet haben, wollen ſaͤmmtlich die Bevoͤlkerung America's aus einer ein: zigen Quelle ableiten. Dagegen ſind noch mehrere andere viel verwickeltere aufgeſtellt worden, vermoͤge deren die in— dianiſchen Voͤlkerſchaften von mehreren Racen, zu denen felbft die caucaſiſche gehoͤrt, abſtammen ſollen. So werden, z. B., die Peruaner, Muyscas und Mexicaner von den Verthei— digern dieſer Anſicht fuͤr Malaien oder Polyneſier, dagegen die ſaͤmmtlichen wilden Staͤmme fuͤr Mongolen ausgegeben, und die Civiliſation der einen, ſowie die Barbarei der andern auf dieſe Weiſe erklaͤrt. Allein wir muͤſſen nachdruͤcklich da— rauf beſtehen, daß alle dieſe Voͤlker einen gemeinſchaftlichen Urſprung haben, weil ihre ſaͤmmtlichen ethnographiſchen Kenn» zeichen, und ſelbſt die Bildung ihrer zahlloſen Sprachen, da- fuͤr ſprechen. Eine andere Theorie, die ſich zahlreicher Anhaͤnger er— freut, zu denen auch der verſtorbene Lord Kingsborough, der Verfaſſer der mexicaniſchen Alterthuͤmer, gehoͤrt, will die ſaͤmmtlichen Americaner zu Nachkommen der Juden machen und von den zehn verloren gegangenen Staͤmmen ableiten, die durch Salmanaſſar, Koͤnig von Aſſyrien, aus ihrem Va— terlande getrieben wurden. Aber auch hier ſollten die Ab— weichungen in der phyſiſchen Organiſation die Sache ein fuͤr allemal zur Ruhe verweiſen; allein abgeſehen von dieſem Puncte, muͤßte man gewiß annehmen, daß ein ſo hartnaͤk⸗ kig an ſeiner Sprache, Literatur und Religion haͤngendes Volk, wie die Juden, auch in America dieſen ſo weſentlichen Characterzug geltend gemacht haben würde, wenn die ame⸗ ricaniſchen Voͤlkerſchaften wirklich Deſcendenten der Juden waͤren. Ein witziger Schriftſteller bemerkt, nachdem er alle angeblichen Beweiſe, die fuͤr dieſe Theorie beigebracht worden ſind, durchgegangen hat, ſehr treffend: „Die Judentheorie kann nicht richtig ſeyn, weil ſie unmoͤglich iſt.“ Derſelbe Einwurf laͤßt ſich gegen jede Art von Hypo— theſe erheben, welche den Urſprung irgend eines Theils der americaniſchen Voͤlkerſchaften von der caucaſiſchen Race her— leiten möchte. Um das Problem der in America aufgefun: denen Baudenkmale in einer Art zu loͤſen, bei welcher man die Ureinwohner ganz aus dem Spiele laſſen konnte, ſtell— ten Manche die Anſicht auf, dieſe Werke ruͤhrten von einem Zweige der großen cyclopiſchen Familie der alten Welt her, welche in Aegypten als Hirtenkoͤnige, in Syrien unter dem Namen Anakim, in Etrurien als Askanier, in Griechenland als Pelasger auftrat. Dieſe wandernden Maurer, wie ſie gleichfalls genannt worden ſind, ſollen vor ſehr alter Zeit aus Aſien nach America gelangt ſeyen und daſelbſt jene älteren Baudenkmale errichtet haben, welche der Toltecani— ſchen Nation zugeſchrieben werden. Obgleich fuͤr dieſe An— ſicht einige auffallende Aehnlichkeiten, namentlich in den ars chitectoniſchen Verzierungen, ſprechen, fo läßt fie doch mehrere wichtige Schwierigkeiten durchaus unerledigt. Sie ſetzt na— tuͤrlich eine ſtarke Einwanderung voraus, weil die Ueberreſte der gigantiſchen Baudenkmale ſo zahlreich ſind, und dennoch 738. XXXIV. 12. 180 laſſen ſich unter der jetzigen indianiſchen Bevoͤlkerung keine Spuren von dieſer auslaͤndiſchen Race erkennen. Hoͤchſtens laͤßt ſich alſo annehmen, daß kleine Geſellſchaften dieſer wan⸗ dernden Baumeiſter nach America gelangt ſeyen und auf die Kuͤnſte einer fruͤhern Civiliſation einen gewiſſen Einfluß ausgeuͤbt haben, waͤhrend ihre Anzahl zu unbedeutend war, als daß ſie irgend einem der Urſtaͤmme ihr Gepraͤge haͤtten ertheilen koͤnnen. i Dieſer Theorie kommt diejenige des Nordamericaners Delafield ſehr nahe, welcher die halbceiviliſirten Nationen America's von den Cuthiten “, welche die Baudenkmale Ae⸗ gyptens und Hindoſtans aufgefuͤhrt haben, herleiten will Er nimmt an, ſie ſeyen durch ganz Aſien bis zur Behringsſtraße gezogen und ſo nach America gelangt, das ſie alsdann bis in die Tropengegenden von einer Nation zur andern durch- wandert haͤtten. Unſere Einwuͤrfe gegen dieſe Theorie liegen in dem bereits Geſagten, und wir brauchen nur hinzuzufüs gen, daß der Weg, auf welchem der Erfinder dieſer Theorie ſeine kuͤhnen Einwanderer nach America und Mittelamerica fuͤhrt, ein ſehr abenteuerlicher iſt. Die wilden Nationen America's leitet Hr. Delafield von den Mangolen ab, und er nimmt alſo mehrere Racen in America an. Endlich wollen wir noch einer, lediglich in der Phantas ſie ihres Erfinders exiſtirenden Claſſification gedenken, nach welcher in America, außer den Eskimos, vier Menfchenfpes cies leben ſollen. Dieſe ſonderbare und ganz unphiloſophi— ſche Hypotheſe hat Hr. Bory de St. Vincent aufge- ſtellt, welcher die civiliſirten Nationen America's für Stamm⸗ verwandte der Malaien hält, die er unter der Collectivbenen⸗ nung: Neptuniſche Art auffuͤhrt, waͤhrend er den drei anderen Menſchenarten, der columbiſchen, americaniſchen und patagoniſchen, gewiſſe vage geographiſche Graͤnzen an: weiſ't, ohne dieſe angeblichen Menſchenarten ſelbſt irgend ge— nau zu characteriſiren. Dieſes Syſtem iſt fo wenig in der Natur der Dinge gegruͤndet und in allen ſeinen Theilen ſo phantaſtiſch, daß es eine ernſtliche Beurtheilung kaum ver— dient, weßhalb wir ſeiner nur als eines Beiſpiels gedenken, wie leichtfertig Manche an die Loͤſung des uns hier beſchaͤf— tigenden Problems gegangen ſind. Als meine Ueberzeugung ſteht feſt, daß ſchon durch das Studium der phyſiſchen Bildung der Americaner die cauca⸗ ſiſche Race von der Bevoͤlkerung dieſes Welttheils ausge— ſchloſſen bleiben muß. Wenn die Aegyptier, Phoͤnicier, Hinz dus oder Gallier zufaͤllig oder abſichtlich Colonien in America gegruͤndet haben, ſo muͤſſen dieſe ſich ſpaͤter mit dem Gros der Urbevoͤlkerung amalgamirt haben. Dieß war bekanntlich mit den Normannen der Fall, deren wiederholte, jedoch ſehr partielle Niederlaſſungen in den gegenwaͤrtigen neuengliſchen Staaten vom 10. bis 13. Jahrhunderte hiſtoriſch feſtſtehen, obwohl man im Lande ſelbſt auch nicht eine einzige ganz zuverlaͤſſige Spur von deren einſtigem Vorhandenſeyn aufge— funden hat. „) Die Bewohner des Landes Kutha, welche Salmanaſſar in das von ihm zerſtoͤrte Reich Israel verſetzte, koͤnnen hier wohl nicht gemeint feyn. Uebrigens wiſſen wir ebenſowenig anzugeben, welches Volk unter dieſem Ausdrucke zu verſtehen iſt. D. Ueberſ. 181 Kurz unſere, durch forgfältige Erwägung der hier aus: zugsweiſe dargelegten Thatſachen gewonnene Anſicht iſt und bleibt, daß die Americaner, nach ihren phyſiſcheu, moraliſchen und intellectuellen Eigenſchaften, eine voͤllig eigenthuͤmliche Menſchenrace ſeyen. Mir ſehen nirgends eine deutliche oder directe Verbindung zwiſchen der alten und neuen Welt; denn ſelbſt wenn man die erwaͤhnten ſcheinbaren Analogien als ſolche anerkennt, ſo ſind deren doch ſo wenig und dieſelben tragen den Character der Zufaͤlligkeit ſo ſehr an ſich, daß dadurch unſer Hauptſatz keineswegs an Haltbarkeit verliert; und ſelbſt, wenn einſt der Nachweis gelaͤnge, daß die Kuͤnſte, Wiſſenſchaften und die Religion der Americaner ausländis ſchen Urſprungs ſeyen, wuͤrde doch die Thatſache nicht weni— ger feſtſtehen, daß die organiſchen Charactere der America— ner, in deren unendlich mannigfaltigen Staͤmmen, dieſelben zu einer von allen uͤbrigen Menſchenracen verſchiedenen und ein einziges Ganze bildenden Race machen. Dieſe Anſicht ſcheint allerdings auf den erſten Blick mit den Angaben der heiligen Schrift im Widerſpruche zu ſtehen; dieß iſt aber nur ſcheinbar der Fall. Wo Andre nur die Wirkung des Zufalls erkennen, erblicken wir einen weiſen und klar vorliegenden Plan, vermoͤge deſſen die Urs bewohner jedes Welttheils dem Clima und den uͤbrigen lo— calen Umſtaͤnden in der Art angepaßt ſind, daß ſie dort ge— deihen, waͤhrend dieſe aͤußeren Verhaͤltniſſe vielleicht einer andern Race verderblich ſind. Die Zeugniſſe der Geſchichte und der aͤgyptiſchen Baudenkmale beweiſen, daß dieſe Racen vor 3500 Jahren ein ſo deutliches Gepraͤge beſaßen, wie gegenwaͤrtig, kurz daß ſie gleichzeitig mit der urſpruͤnglichen Zerſtreuung unſerer Species exiſtirten. Den Anhang zu dieſer trefflichen Arbeit des Dr. Mor— ton gedenken wir in einer ſpaͤtern Nummer nachzuliefern. (Edinburgh new phiclos. Journal, Oct. — Jan. 1845.) Ueber den Megascolex caeruleus. Bon Robert Temple, Dr. M. Waͤhrend der Regenzeit finden ſich in den bergigen Gegenden Ceylon's gewaltig große Würmer, die 20—40 Zoll lang und 1 bis 13 Zoll dick werden, und denen ich den Nas men: Megascolex caeruleus gegeben habe. Der Koͤrper dieſes Wurmes beſteht aus 270 Ringen, und an dem ſechszehnten, ſiebenzehnten und achtzehnten ſitzen die Geſchlechtstheile; zwiſchen dieſem Theile und dem Kopfe iſt der Körper etwas aufgetrieben, aber bei'm ſiebenzehn— ten Ringe befindet ſich eine merkliche Einſchnuͤrung. Jeder Ring bildet bei der Mitte ſeiner Laͤnge einen Ruͤcken, auf welchem, ausgenommen auf der Medianlinie des Ruͤckens, winzige kegelfoͤrmige Waͤrzchen ſitzen, deren 100 vorhanden ſind, und von denen jede oben eine kleine, hinterwaͤrts ge— kruͤmmte Borſte trägt. Die Hautbedeckung iſt in entgegens geſetzten Richtungen ſchraͤg geſtreift, ſo daß ſich die darun— ter liegenden Muskeln ungehindert zuſammenziehen koͤnnen. Auf der Ruͤckenſeite find die niedrigen Theile der Ringe gläns zend dunkelblau gefaͤrbt; an den Seiten herab werden die blauen Streifen erſt ſchmaͤler, und dann ſetzen fie plößlich 738. XXXIV. 12. 182 ab, und an ihre Stelle tritt eine orangegelbe Faͤrbung, die Bauchſeite ſelbſt aber iſt rein gelb. Der Darmcanal iſt ſehr ſtark und ſchon + Zoll unter der Oberflaͤche des Körpers zu treffen, waͤhrend er auf allen Sei: ten durch eine Reihe von haͤutigen Scheidewaͤnden geſtuͤtzt wird, die an die Raͤnder der ſaͤmmtlichen Ringe angeſetzt ſind. Die Wandungen des Darms beſtehen aus einer duͤn— nen, aber feſten Membran, die ſich in verſchiedene Lagen zertren— nen laͤßt, in der man aber nirgends deutliche Faſern wahr— nimmt. Auf der äußern Seite derſelben liegen die Muskel- buͤndel, welche die Locomotion des Thieres vermitteln. Sie ſind zuſammengeſetzte, weißliche glaͤnzende Faſern, die zu Laͤngsbuͤndeln vereinigt ſind, die durch ziemlich ſtarke Zell— membran voneinander getrennt ſind und, ſoweit ich nachkom— men konnte, nur an einer Stelle fehlen (and are defi- cient, as far as Jam aware, only in one position). In allen von mir nachgeſchlagenen Werken findet ſich die Angabe (welche urſpruͤnglich von Sir Everard Ho me herruͤhrt), daß die Reſpiration dieſer Thiere, wie bei'm Blutegel, durch ein an den Seiten des Thieres angebrachtes Syſtem von Poren bewirkt werde. Dieß iſt durchaus irrig, denn die Sache ver: haͤlt ſich fo: Laͤngs der Medianlinie des Ruͤckens fehlen, wie ich bereits bemerkt habe, die Waͤrzchen und zwar auf einem etwa 1 Zoll breiten Raume, und zwiſchen je zwei Ringen befindet ſich auf jener Stelle immer ein ſchmaler Queerruͤcken, bei deſſen Mitte ſich ein ſchmal-ovales Reſpi— rationsloch zeigt, welches die ganze Breite des Ruͤckens ein— nimmt. Dieſe Loͤcher zeigen ſich zuerſt in dem Zwiſchenraume zwiſchen dem vierzehnten und funfzehnten Ringe und zuletzt in dem zwiſchen dem ſiebenzehnten und achtzehnten, von dem Schwanze aus gerechnet. Die Arterie laͤuft an dem ganzen Ruͤcken des Thieres hin, indem ſie den septis entſprechende Seitenaͤſte ausſendet, und an den Stellen, wo ſich die Ath— mungsmuͤndungen befinden, bildet ſie die untere Graͤnze ei— nes viereckigen Feldchens, das auf allen Seiten von Zellmem— bran eingeſchloſſen iſt, ſo daß es ſich wie ein kleines Sack— netz mit rechtwinkeligem Boden ausnimmt. Die Waͤnde die— ſes Raumes werden folgendermaaßen gebildet; der Muskel verliert ſich daſelbſt, gewinnt einen neuen Anheftepunct und entſpringt jenſeits der Reſpirationsoͤffnung von Neuem. Im Profil ſtellt er ſich ziemlich ſcharf gebogen dar, und ſo ha— ben wir eine vordere und hintere Wand; die Seitenwaͤnde werden durch Muskelbuͤndel gebildet, und auf dieſe Weiſe muß nothwendig eine ziemlich rechtwinkelige Figur entſtehen. Die Membran, welche den Sack auskleidet, iſt ſo fein und locker, daß ſich die Form von Innen nicht deutlich wahrneh— men läßt; allein wenn ich von Außen einen dünnen, ſtum— pfen Draht einfuͤhrte, konnte ich das Vorhandenſeyn der Hoͤhle gehoͤrig conſtatiren. Sie ſchien jedoch vorn, hinten und in den Winkeln nicht ſo weit, als ich nach der Geſtalt der feſtern aͤußern Stuͤtzen geglaubt haͤtte. Ich gedenke die Anatomie des Megascolex ſpaͤter zu vervollſtaͤndigen. Als ich dieß Thier zuerſt erhielt, glaubte ich mit Be— ſtimmtheit ein Geſchoͤpf entdeckt zu haben, welches die Schei— dewand zwiſchen den Abranches setigeres und den Abran- 127 183 ches sans soies niederreißen wuͤrde; denn bie Borſten find fo winzig, daß ich fie anfangs uͤberſah. Daß es ein aͤch— ter Lumbricus ſey, laͤßt ſich nicht bezweifeln. Mit Ver⸗ gnuͤgen bemerkte ich, daß die auf einem Kennzeichen, das ans zeigt, ob die Thiere auf dem Lande oder im Waſſer leben, beruhende Trennung der Sippen ſich auch hier bewaͤhrte. (Annals & Mag. of Nat. Hist., No. XCV, Jan. 1845.) Ueber ausgeſtorbene rieſige Saͤugethiere in Au— ſtralien. Vom Profeſſor Owen. Der Verfaſſer ſchickt die Bemerkung voraus, daß die erſte Kunde uͤber die ausgeſtorbene Fauna Auſtralien's durch Major Mitchell' s Unterſuchungen in den Knochenhoͤhlen des Wellington-Thales nach Europa gekommen ſey. Alle dort aufgefundenen Ueberreſte gehoͤrten, mit Ausnahme einer ein— zigen Species, offenbar Marſupialthieren von erloſchenen Spe— cies an, die ſich von den jetzt lebenden hauptſaͤchlich durch ihre bedeutendere Größe unterſcheiden. Das Foſſil, welches anſcheinend nicht zu den Marsupialia gehörte, war das Fragment eines Unterkiefers mit Backenzaͤhnen und der Hoͤhle eines einzigen Schneidezahns. Es kam dem Wombat am Naͤchſten und erhielt vom Profeſſor Owen den Namen: Diprotodon. Seit dieſer Zeit (1835) haben Sir Thomas Mitchell, Graf Strelitzki und Andere Sammlungen von Knochen aus den Hoͤhlen von Darling Downs, weſtlich von der Morton-Bai, und andern von dem Wellington-Thale ziem: lich entfernten Localitaͤten erlangt. Nach der Unterſuchung dieſer Sammlungen hat Profeſſor Owen die vormalige Exi— ſtenz eines mit Mastodon angustidens, deſſen Ueberreſte in Europa fo haͤufig find, ſowie mit dem Mastodon An- dium Nord- und Suͤdamerica's, nahe verwandten Masto— don in Auſtralien ermittelt, und er bemerkt, daß, da Ueber: reſte von Maſtodonten in Europa, Aſien und America ſo haͤufig vorkommen, ihn die Entdeckung dieſes foſſilen Thieres in Auſtralien eben nicht uͤberraſcht habe. Herr Owen wandte ſich hierauf zur Betrachtung der foſſilen Ueberreſte der Marsupialia, einer Thierclaſſe, zu der, mit Ausnahme einiger kleiner Nagethiere, z. B., Rat: ten und Maͤuſe, alle einheimiſchen Saͤugethiere Auſtralien's gehoͤren. Ruͤckſichtlich des fruͤher erwaͤhnten Diprotodon waren viele Umſtaͤnde ermittelt worden, die darauf hindeuten, daß dieſes Thier, welches dem Rhinoceros an Größe gleich— kam ebenfalls zu den Marsupialia gehöre; und unter den unlaͤngſt aus dem Bette des Condaminefluſſes, unfern der Morton-Bai, erlangten Foſſilien befand ſich ein Exemplar, das aus dem vordern Theile eines Unterkiefers beſtand und die Wurzel eines Vorderzahns, ſowie das Bruchſtuͤck eines Backenzahns, enthielt. Der Vorderzahn war einem ſolchen aͤhnlich, der im Wellington-Thale aufgefunden worden war. 738. XXXIV. 12. 184 An dieſem Exemplare ließ ſich wahrnehmen, daß das Thier große Schneidezaͤhne, ſowie Backenzaͤhne, beſaß, die, gleich de⸗ nen des Kaͤnguruh, durch zwei Queerruͤcken characteriſirt find. Daß dieſes foſſile Thier zu den Marsupialia gehöre, ward ferner durch die Einwaͤrtsbiegung des Kieferwinkels beftätigt. Herr Owen machte auf einen zweiten rieſigen Typus von ausgeſtorbenen Marſupialien aufmerkſam, bemerkte jedoch, daß man noch fernere Aufſchluͤſſe abwarten muͤſſe, bevor ſich mit Beſtimmtheit behaupten laſſe, daß dieſe rieſigen Saͤugethiere aͤchte Marsupialia geweſen ſeyen. Nach ſeinen Forſchun⸗ gen muͤſſe er annehmen, dieſe großen ausgeſtorbenen Beutel⸗ thiere haͤtten die den Kaͤnguruhs characteriſtiſche gewaltige Abweichung in den Dimenſionen der Extremitaͤten nicht dar⸗ geboten, ſondern deren Beine ſeyen, wie die des Wombat, ziemlich von gleicher Laͤnge geweſen. Die Marsupialia, von denen man bereits wußte, daß ſie in Auſtralien lebten, bil⸗ den, wie Cuvier bemerkt, eine kleine Reihe des Thierreichs, welche die Vierfuͤßer Europa's und America's repraͤſentirt, und dieſelbe iſt nunmehr durch die Entdeckung von ausgeftorbes nen Gattungen, welche die Pachydermata repraͤſentiren und den jetzt lebenden Dickhaͤutern im Durchſchnitt an Koͤrper⸗ groͤße gleichen, verlaͤngert worden. Bericht uͤber die britiſche Gelehrtenverſammlung im Athenaeum, No. 886, p. 956. (Edinb. new philosoph. Journal., Oct. 1844 — Jan. 1845.) Miscellen. Baumſtucke und abgeſchnittene Ueberbleibfel von Arbeiten des Bibers hat Herr Huß dem zoologiſchen Reichs⸗ muſeum zu Stockholm zu uͤberſenden Gelegenheit gehabt. Er hatte feit 20 Jahren verſchiedene Male einen kleinen Fluß, der Grano genannt, in Medelpad, beſucht, an welchem eine Biberfamilie ihren Aufenthalt gehabt und ſowohl Häufer, als vollſtaͤndige Daͤmme aufs gefuͤhrt hatte. Bei einem Beſuche im Sommer 1844 fand er die Häufer ſowohl als die Daͤmme zerſtoͤrt, weil die Biberfamilie ſich vor einigen Jahren wegbegeben hatte, nachdem ſie durch das Floͤßen von Bauholz, welches man dort vorzunehmen angefangen hatte, beunruhigt worden waren. Die Biber ſollen ſich nach einem zwei Meilen weiter hinauf gegen die Berge befindlichen Fluſſe, dem Loma, gezogen und dort neue Baue auszufuͤhren begonnen haben. — Die geſammelten und eingeſendeten Ueberbleibſel der Arbeiten dieſer Thiere beſtanden in abgefägten Stuͤcken 3—6 Zoll dicker Stämme von Erlen und Espen, welche vom Biber mit den Zähnen abgeſchnitten und abs geſchaͤlt worden waren. Die Abſchnittsenden find ziemlich unregel— mäßig, ſchief oder coniſch zugeſpitzt, wie ein mittels der Axt gefälls ter Baum, und uͤberall erſcheinen die, queer gegen die Faſern des Holzes ſtehenden, langen und deutlichen Merkzeichen von den Vor⸗ derzaͤhnen des Thieres, wie von einem etwas convexen Meißel oder einem ſolchen Stemmeiſen. Unter dieſen großen Baumſtuͤcken fand ſich eine Menge kleinerer von ungleicher Groͤße, bis zum Umfange einer halben Fauſt, welche die von den Bibern bei'm Abſchneiden der Staͤmme auf einmal ausgebiſſenen Spaͤne waren. (Hornſchuch's Arch. ſcandinav. Beiträge zur Naturgeſch. 1. 1. S. 134.) Die koſtbare Mineralienſammlung des Marquis de Dree zu Paris, unter Beirath des berühmten Dolomieu ges ſammelt, eine der vollſtaͤndigſten, die es giebt (14,576 échantillons und 4,000 roches) iſt zu verkaufen. Preis 11,000 Francs. a nn 185 738, XXXIV. 12. 186 Nei lake d e. Ueber pulſirende Knochengeſchwuͤlſte, nebſt einem Berichte uͤber einen Fall, wo die gemeinſchaft— liche arteria iliaca unterbunden wurde.“) Von Edward Stanley, Chirurgen am St. Bartholomew : Hoſpitale. Der Verfaſſer bemerkt, daß das Pulſiren der Knochens geſchwuͤlſte von drei Urſachen herruͤhre: 1) von der Nach— barſchaft einer ſtarken Arterie; 2) von der Entwickelung von Blutgefaͤßen und Blutzellen, welche innerhalb der Geſchwulſt eine Art von erectilem Gewebe bilden; 3) von der Erwei— terung der Arterien des Knochens, in welchem die Geſchwulſt ſich ausgebildet hat. Die Naͤhe einer ſtarken Arterie iſt der gewoͤhnlichſte Grund des Pulſirens ſolcher Geſchwuͤlſte, und es werden in dieſer Beziehung ſechs Beiſpiele angefuͤhrt. Drei kamen im St. Bartholomew-Hoſpitale vor. Bei einem der— ſelben, wo ſich eine hirnartige Geſchwulſt am humerus ent⸗ wickelt hatte, wurde das Unterbinden der art. Subclavia empfohlen, aber vom Patienten nicht geſtattet. In einem anderen Falle kamen die conſultirenden Aerzte dahin überein, daß die Geſchwulſt ein aneurysma der arteria poplitaea ſey, und deßhald ward die art. femoralis bei der Mitte des Schenkels unterbunden. Die Geſchwulſt beſtand aus einem Gemiſch von weichem faſerigen und dichtem knochigen Ge: webe; das letztere lag tief und umgab das femur, aus wel— chem es hervorgewachſen zu ſeyn ſchien. Von den uͤbrigen drei Fallen wurden zwei durch Hrn. Hodgſon in Birming⸗ ham und der dritte durch Hrn. Lawrence mitgetheilt. Der dritten iſt bereits im 17. Bde. der Verhandlungen der Geſellſchaft gedacht worden. Dieſe ſechs Fälle von Ge: ſchwuͤlſten ſind ihrer Beſchaffenheit nach verſchieden und be— treffen verſchiedene Knochen, ſtimmen aber inſofern miteins ander uͤberein, als nur in der benachbarten Lage von großen Arterien der Grund des Pulficens zu liegen ſchien. Zu ders ſelben Claſſe von Fällen gehört, nach des Verfaſſers Dafuͤr— halten, der wichtige, deſſen Hr. Guthrie gedenkt, wo eine Markgeſchwulſt, ziemlich fo groß wie der Kopf eines erwach⸗ ſenen Menſchen, an der rechten Hinterbacke einer Frau ſich befand und die Merkmale eines aneurysma ſo entſchieden an ſich trug, daß Sir A. Cooper und andere erfahrene Wundaͤrzte, welche zu Rathe gezogen wurden, fie für ein fol- ches erklärten und demnach die gemeinſchaftliche arteria iliaca unterbanden In Betreff des Pulſirens von Knochengeſchwuͤlſten, wel— ches von der Entwickelung von Blutgefaͤßen und Blutzellen herruͤhrt, die innerhalb des Knochens eine Art von erectilem Gewebe bilden, gedenkt Hr. Stanley eines unlaͤngſt im St. Bartholomew-Hoſpitale vorgekommenen Falles, wo of: fenbar eine Structur vorhanden war, die, vermoͤge der Aus— dehnung ihrer Gefaͤße und Zellen, ihr Volumen vergroͤßern oder in Erection treten konnte, und wenn man annahm, daß dieſe Gefaͤße und Zellen mit den umgebenden Arterien *) Mitgetheilt der königl. Geſellſchaft für Medicin und Chirur— gie zu London am 11. Maͤrz 1845. Gemeinſchaft haͤtten, ſo konnte ein ſtarker Blutandrang nach jener Structur leicht in der ganzen Maſſe ein Pulſiren er— regen, welches dem eines aneurysma glich. Außerdem wer⸗ den zwei Faͤlle beigebracht, wo das Pulſiren der Geſchwulſt einer aͤhnlichen Urſache beigemeſſen ward. In einem, der dem Verfaſſer von Herrn John Lawrence, jun., mitge⸗ theilt wurde, war die an dem oberen Theile des femur ent— ſtandene Geſchwulſt mehr gallertartig, als gehirnartig, und das gallertartige Gewebe nahm uͤber die Haͤlfte ihres Volu— men ein. Die andere Geſchwulſt, uͤber die Hr. Luke am Londoner Hoſpitale berichtete, ſaß am unteren Theile des femur, und weil man auf ein aneurysma ſchloß, fo wurde die Femoralarterie unterbunden. Das Bein wurde ſpaͤter amputirt, wobei ſich denn fand, daß die Geſchwulſt aus Zel— len von verſchiedener Groͤße beſtand, von denen einige der größten etwa 1 Zoll im Durchmeſſer hatten, und die mit Blut gefuͤllt waren. i Ruͤckſichtlich des durch Erweiterung der Arterien in dem Knochengewebe veranlaßten Pulſirens von Knochenge— ſchwuͤlſten erwaͤhnt der Verfaſſer mehrerer Beiſpiele, von de— nen das eine durch Dupuytren, die anderen durch Pel— letan mitgetheilt worden ſind In Betreff der Beſchreibung dieſer verſchiedenen For— men von pulſirenden Geſchwuͤlſten hebt der Verfaſſer haupt— ſaͤchlich einen Umſtand hervor, da er auf die Erzeugung des Klopfens in denſelben einen entſchiedenen Einfluß zu haben ſcheint, naͤmlich die Dichtigkeit und Feſtigkeit der unmittel— baren Umhuͤllung der Geſchwulſt. Er fuͤgt hinzu, es ſey zu bezweifeln, daß irgend eine dieſer Geſchwuͤlſte pulſiren wuͤrde, wenn der Knochen oder ihre Huͤllen nicht nach der einen oder anderen Richtung einen ſtarren Widerſtand darboͤten. Eine in weichen Theilen entſtehende und mit keinem Kno— chen in Verbindung ſtehende, aber dicht an einer ſtarken Ar— terie liegende und von feſten Geweben umhuͤllte Geſchwulſt, die alſo aͤhnliche Verhaͤltniſſe darbietet, wie die pulſirenden Knochengeſchwuͤlſte, kann, gleich dieſen, in einer ſolchen Weiſe klopfen, daß man ſie fuͤr ein aneurysma haͤlt. In dieſer Beziehung wird der Fall eines Mannes angefuͤhrt, der mit einer pulſirenden Geſchwulſt unter dem linken Schluͤſſelbeine in's Bartholomew-Hoſpital und die Behandlung des Herrn Earle kam. Die Geſchwulſt glich einem aneurysma durch⸗ aus, und deßhalb unterband man die art. subelavia. Sie verminderte ſich in dem Grade, daß man ſich uͤber die Na— tur des Leidens nicht geirrt zu haben glaubte, und der Pa— tient ward entlaſſen. Sechs Jahre darauf ward er wieder wegen allgemein zerruͤtteter Geſundheit in's Hoſpital aufge— nommen und ſtarb daſelbſt. Bei der Section ſchien es nicht, als ob die art. axillaris der Sitz einer aneurysma ge— weſen ſey. Gleich hinter der Arterie befand ſich aber eine feſte Geſchwulſt, welche aus der Scheide eines ſtarken Ner— ven entſprungen war. Nach einigen Bemerkungen, die den Zweck haben, dar— zuthun, daß man behufs der Unterſcheidung der Aneurysmen 187 von den pulſirenden Knochengeſchwuͤlſten wenig Werth auf das Vorhandenſeyn der Blaſebalgtoͤne zu legen habe, erzaͤhlt der Verfaſſer die Geſchichte einer pulſirenden Geſchwulſt am Darmbeine, die endlich im St. Bartholomew-Hoſpitale vor⸗ kam, und gegen welche die gemeinſchaftliche art. iliaca unterbun⸗ den wurde. Der Patient, ein Mann von 42 Jahren, hatte an der innern Seite des rechten Oberarmes eine Geſchwulſt von dem Umfange einer kleinen Apfelſine, die mit den um⸗ gebenden Structuren ſehr locker verbunden, frei von Schmerz und nicht pulſirend war. Man hatte ſie zuerſt zehn Jahre zuvor bemerkt, und ſeit drei Jahren war ſie nicht mehr ge— wachſen. Eine pulſirende Geſchwulſt im Becken war haupt⸗ ſaͤchlich an dem linken Darmbeine befeſtigt und ragte von beiden Oberflaͤchen des Knochens hervor. Sie reichte ab: waͤrts bis zum Poupar t'ſchen Ligamente und etwa drei Zoll tief in das abdomen hinein. Sie fuͤhlte ſich maͤßig feſt an, und etwas unter der crista, neben der spina an- terior superior, bemerkte man ein kleines bewegliches Kno— chenſtuͤck, das ſich, wie es ſchien, innerhalb der Geſchwulſt befand. Ueberall, ſo weit man mit dem Finger gelangen konnte, pulſirte die Geſchwulſt, nicht etwa ſchwirrend, ſon— dern mit ſchweren Schlägen, wie ein aneurysma, Legte man das Ohr an die Bauchwandungen an, ſo vernahm man deutlich den Blaſebalgton. Nachdem der Verfaſſer die lo— calen Verhaͤltniſſe und die conſtitutionalen Erſcheinungen der Krankheit genau beſchrieben, bemerkt er, daß man ſich in Betreff der Natur und Behandlung der Krankheit fol— gende Fragen habe ſtellen muͤſſen: Hat man es mit ei— nem aneurysma zu thun? und im bejahenden Falle, aus welcher Arterie iſt es entſtanden? oder liegt hier eine pulſirende Knochengeſchwulſt vor? Er fuͤhrt dann die Gruͤnde an, weßhalb man ſich bei einer Conſultation zu Gunſten eines aneurysma entſchieden habe. Bei der Uns gewißheit, ob das angebliche aneurysma ſeine Entſtehung der innern oder aͤußern art. iliaca verdanke, mußte offenbar fuͤr Unterbindung der art. iliaca communis geſtimmt wer⸗ den, und da der Patient ganz entſchieden in die Operation willigte, ſo hielt es der Verfaſſer fuͤr ſeine Schuldigkeit, die— ſelbe auszufuͤhren, was Montags den 27. Januar geſchah. Der Fall hatte bis um die Mitte des zweiten Tages, wo Symptome von Peritonitis eintraten, einen guͤnſtigen Ver: lauf, und der Patient ſtarb am dritten Tage nach der Ope— ration. Bei der Leichenoͤffnung wurden in der linken Seite in den tieferen Theilen des abdomen die Wirkungen der Peritonitis wahrgenommen. In der Wandung des linken Herzenventrikels befand ſich eine Markgeſchwulſt von der Groͤße einer Haſelnuß. Ebenſo zeigte ſich Markſubſtanz in den Bronchendruͤſen und einige aͤhnliche Ablagerungen in den Lungen. Von der Geſchwulſt im Becken wird eine genaue Beſchreibung mitgetheilt. Dieſelbe war mit dem Darmbeine in Verbindung und beſtand aus ſchwammigem Gewebe mit durch daſſelbe vertheilten Zellen und gewundenen Gefaͤßen. Die Geſchwulſt am Arme, welche alle Kennzeichen ei— ner gutartigen Structur darbot, beſaß, zur Verwunde— rung des Verfaſſers, genau dieſelbe Structur, wie die des Beckens. 738. XXXIV. 12. 188 Den Schluß der Abhandlung machen einige Bemerkun⸗ gen uͤber die Operation der Unterbindung der art. iliaca communis oder der art. iliaca externa in der Naͤhe ih⸗ res Urſprungs, deren Zweck iſt, darzuthun, daß man, um vor der Verletzung des Bauchfells möglich ficher zu feyn, durch den hinteren Theil der Bauchwandungen einzuſchnei⸗ den habe, um zu dieſen Gefaͤßen zu gelangen. Herr Toynbee erwaͤhnte im Vorbeigehen eines Falles, der ihm bei der Section eines an der Schwindſucht geſtorbe— nen 19jaͤhrigen Juͤnglings vorgekommen ſey. Der Patient hatte eine pulſirende Knochengeſchwulſt, mit der es ſich an— ders verhielt, als mit denen, die Hr. Stanley beſchrieben, indem ſie faſt lediglich aus Blutgefaͤßen beſtand und keine Zellen oder andere Structuren enthielt. Sie lag an der Stelle der Verknoͤcherung der Seitenbeckenknochen (2). Hr. Ferguſon hielt die Abhandlung des Dr. Stan- ley fuͤr ſehr intereſſant, inſofern ſich daraus ergebe, daß ſelbſt erfahrne Chirurgen über die Natur gewiſſer in der Becken⸗ gegend vorkommender Geſchwuͤlſte ungewiß bleiben koͤnnten. Ihm ſeyen mehrere Faͤlle vorgekommen. Zwei derſelben ſeyen von Herrn Syme in Edinburgh behandelt worden, und der— ſelbe habe daruͤber in ſeiner Zeitſchrift fuͤr Clinik berichtet. In einem befand ſich eine Geſchwulſt unfern der art. iliaca externa, und Hr. Syme hielt ſie fuͤr ein aneurysma, obwohl andere Chirurgen dieſer Anſicht nicht waren. Herr Syme hielt jedoch für rathſam, entweder die art. iliaca externa hoch oben oder die art. iliaca communis, je nach den Umſtaͤnden, zu unterbinden. Nachdem zu die— ſem Ende die Bauchwandungen durchſchnitten worden waren, entdeckte man, daß man es mit keinem aneurysma zu thun habe. Die Geſchwulſt ward indeß ausgeſchnitten, und der Pas tient gab nach einigen Tagen den Geiſt auf. Man fand hierauf, daß aͤhnliche Geſchwuͤlſte an den ſtaͤrkſten Arterien hin befindlich waren: ſie waren kleiner, als die beſeitigte; allein es lag auf der Hand, daß das in denſelben wahrge— nommene Klopfen von deren Verbindung mit den Arterien herruͤhre. Bei einem zweiten Falle, wo ebenfalls eine Geſchwulſt in der Nähe der art. iliaca externa lag, hegten die aus— gezeichnetſten Chirurgen Edinburgh's ruͤckſichtlich der Natur des Leidens Zweifel. Zuletzt ward die art. iliaca com- munis unterbunden. Der Patient ftarb, und es fand ſich, daß die Geſchwulſt ein aneurysma ſey. Ein anderer Fall, welchen Herr Ferguſon zu beobachten Gelegenheit hatte, glich in vielen Beziehungen den von Herrn Stanley ers waͤhnten. Das Pulſiren und das angeblich für Aneurysmen characteriſtiſche Geraͤuſch waren vorhanden. Hr. Fer gu⸗ ſon wollte aber keine Operation vornehmen, da er unlaͤngſt mit Hrn. Guthrie's Fall bekannt worden war, deſſen Hr. Stanley in ſeiner Abhandlung gedenkt. Nach dem Tode des Patienten fand ſich, daß die Geſchwulſt denen, welcher Hr. Stanley erwaͤhnt hat, ſehr aͤhnlich war. Sie ragte in das Becken, ſowie außerhalb deſſelben hervor, und das os innominatum fand ſich gaͤnzlich zerftört. Die Ges ſchwulſt beſtand hauptſaͤchlich aus Markſubſtanz, Blutklum⸗ pen und Knochennadeln (spiculae). Herr Nicol zu Inverneß hatte um dieſelbe Zeit, wo dieſe Fälle vorkas 189 men, eine mit dem oberen Theile der Schulterknochen zuſam⸗ menhaͤngende Geſchwulſt behandelt, die er faͤlſchlich fuͤr ein aneurysma hielt. Dieſer Fall war dem von Herrn Luke mitgetheilten inſofern ähnlich, als er von einer aͤußern Ver— letzung herruͤhrte. Die art. subelavia ward unterbunden, und anfangs ſchien die Operation einen guten Erfolg zu ver— ſprechen; allein der Patient ſtarb bald, und es fand ſich, daß die Geſchwulſt boͤsartiger Natur war. (London medical Gazette, March, 1845.) Behandlung des Delirium tremens. Von Dr. Morehead. Dr. Blake erwaͤhnt ausdruͤcklich, daß die geiſtige Aufregung bei'm delirium tremens einer gewiſſen Zeit bedarf, um ſich wieder zu legen, und Dr. Ware zu Boſton iſt ebenfalls der Meinung, daß die Krankheit einen beſtimm— ten Verlauf habe. Bei Betrachtung der mir vorgekomme— nen Faͤlle war ich zu einem aͤhnlichen Schluſſe gelangt, und zwar wußte ich damals noch nicht, daß andre Aerzte ſchon früher dieſe Anſicht ausgeſprochen hatten. Die Umſtaͤnde, die mich zu dieſer Meinung veranlaß: ten, waren: 1) die haͤufig wahrnehmbare Thatſache, daß die— ſelbe Doſis Opium, welche an dem einen Tage keinen Schlaf zu Wege bringen konnte, am folgenden Tage anſchlug; was ſich nur durch die Annahme erklaͤren laͤßt, daß entweder die Symptome nach einem beſtimmten Verlaufe von ſelbſt nach— laſſen, oder daß die Wirkung des Opiums cumulire, was jedoch aller ſonſtigen Erfahrung uͤber die Wirkung dieſes Mittels in andern Krankheiten widerſprechen wuͤrde. 2) Ferner habe ich in Faͤllen, welche mit haͤufig wiederholten ſtarken Gaben Opium behandelt wurden, mehrmals beobach— tet, daß der Patient 3—4 Stunden lang ſchlief, aber bei'm Erwachen ſo geiſtesverwirrt war, wie zuvor, und in manchen dieſer Faͤlle trat der Tod ein. Der Umſtand, daß das zweite Stadium dieſer Krank⸗ heit einen beſtimmten Verlauf hat, ſcheint mir nun bisher bei der Behandlung nicht gehoͤrig beruͤckſichtigt worden zu ſeyn; denn wenn man zugiebt, daß es ſich mit der Natur der Krankheit ſo verhalte, ſo laͤßt ſich mit Sicherheit be— haupten, daß das rationelle Heilverfahren nicht darin beſte— hen kann, daß man durch ſtarke Gaben von narkotiſchen Mitteln den Schlaf erzwingt, ſondern daß es vielmehr da— rauf ankommt, den Kranken durch Entfernung aller Ver— anlaſſungsurſachen der Aufregung, durch Regulirung und Unterſtuͤtzung des Blutumlaufs und durch Beruhigung der nervoͤſen Reizung leidlich durch die Periode des delirium zu fuͤhren. Obwohl Dr. Blake in folgender Stelle: „Es ſcheint mir durchaus nicht angemeſſen, die Kette der Krank: heitsſymptome zu ploͤtzlich zu zerreißen, da das Stadium der geiſtigen Aufregung zur Beruhigung der letztern einer gewiſſen Zeit zu beduͤrfen ſcheint, die ſich nach der Dauer des Stadiums der Erſchoͤpfung, der in Anwendung gebrach— ten Behandlung und den Veranlaſſungsurſachen richtet,“ eine aͤhnliche Meinung ausgeſprochen hat, ſo iſt doch, mei— nes Wiſſens, von keinem ſpaͤtern Schriftſteller dieſer ſo 738. XXXIV. 12. 190 wichtige Character der Krankheit genuͤgend hervorgehoben worden. Den Kuranzeigen wird, meines Erachtens, am Beſten durch kalte Begießungen, Brechweinſtein in Verbindung mit Opium oder einem andern Narcoticum und paſſende reis zende Arzeinen entſprochen. Was die kalten Begießungen betrifft, fo koͤnnen die— ſelben mit außerordentlich gutem Erfolge binnen 24 Stunden 3—4 mal angewandt worden; am Beſten wirkt jedoch die— jenige, welche vor dem Schlafengehen vorgenommen wird, in allen den Faͤllen, wo der Blutumlauf regelmaͤßig, die Haut nicht mit Schweiß bedeckt oder unnatuͤrlich kuͤhl, wo ferner keine oͤrtlichen Complicationen vorhanden ſind, welche die Anwendung dieſes Mittels contraindiciren. Unter Umſtaͤn⸗ den, wo die Beſchaffenheit des Pulſes die Nuͤtzlichkeit der kalten Begießungen zweifelhaft macht, iſt es haͤufig durchaus zulaͤſſig, derſelben ein Reizmittel (Branntwein ꝛc.) vorher— gehen zu laſſen, und in den noch zweifelhaftern Faͤllen oder ſolchen, wo dieß Mittel geradezu contraindicirt iſt, wird ſich das kalte Begießen des Kopfes, unter gleichzeitiger Anwen— dung eines warmen Fußbades, als nuͤtzlich erweiſen. Meiner Erfahrung nach, haͤlt es nicht ſehr ſchwer, die Pa— tienten dahin zu bringen, daß ſie ſich der Anwendung die— ſes Mittels unterwerfen, und wir brauchen kaum hinzuzu— fuͤgen, daß Zwangsmitel hier durchaus unzulaͤſſig ſeyn wuͤr— den. Dabei darf man aber nicht uͤberſehen, daß ich meine Erfahrungen unter einem Himmelsſtriche geſammelt habe, des— fen mittlere Temperatur 80° Fahr. iſt, daß das Waſſer, wel: ches ich anwandte, nie kuͤnſtlich abgekuͤhlt wurde, und daß viele meiner Patienten ohnehin haͤufig zu baden pflegten. Der erſte Punct iſt, inſofern er auf die Temperatur des Waſſers einen weſentlichen Einfluß uͤbt, ſehr wichtig, und aus dem zweiten duͤrfte ſich die geringe Schwierigkeit er— klaͤren, die ich fand, wenn ich meine Patienten zur Anwen— dung der kalten Begießungen zu beſtimmen ſuchte. Das Verordnen von Brechweinſtein mit Opium oder einem andern Narcoticum, welches, meines Wiſſens, zu— erſt von Dr. Law in Dublin in die Praxis eingefuͤhrt und ſpaͤter von Dr. Graves, Dr. Clendinning und An— dern angewandt wurde, bildet indeß das wirkſamſte Mittel zur Regulirung der Symptome dieſes Stadiums der Krankheit. Dieſe Behandlungsart iſt die letzten 5 Jahre her bei der Kur des delirium tremens in dem allgemeinen Hospitale fuͤr Europaͤer zu Bombay ſehr haͤufig in Anwendung gebracht worden, und waͤhrend dieſer Zeit hat man auch vielfach Gelegenheit gehabt, deren Reſultate mit denen zu verglei— chen, die man durch Anwendung haͤufig wiederholter ſtarker Gaben Opium erlangt. Brechweinſtein und Opium in Miſchungsverhaͤltniſſen welche den Symptomen angemeſſen ſind, und mit kalten Begießungen und Reizmitteln vergeſellſchaftet, zeigen ſich, meiner Anſicht nach, waͤhrend des zweiten Stadiums des delirium tremens weit erfolgreicher, als die ſo gewoͤhn— lichen ſtarken Doſen von reinem Opium oder nur mit Reiz— mitteln vermiſchtem Opium, waͤhrend man zugleich bei An— wendung der erſtern Arzneien nicht Gefahr laͤuft, wirklichen 191 Schaden anzurichten, was bei der Anwendung der letztern Behandlungsart immer mehr oder weniger der Fall iſt. Der Brechweinſtein ward von mir in Doſen von + bis 1 Gran in 14 Unzen Kampfermixtur nebſt 20— 380 Tropfen (minims) Opiumtinctur oder Hyoscyamustinctur verordnet, und dieſe Doſis wurde ſtuͤndlich oder alle 2 oder 3 Stunden gereicht. Abweichungen in Anſehung der Staͤrke und Haͤufigkeit der Gabe richteten ſich nach dem Zuſtande des Blutumlaufes und der Haut, ſowie dem Grade der geiſtigen Aufregung. Obwohl man in jedem beſondern Falle in Abſicht auf dieſe Abweichungen einen gewiſſen Spielraum hat, ſo wird man doch in den meiſten Faͤllen finden, daß 3 Gran Brechweinſtein und 30 Tropfen (minims) Opium oder Hyoscyamustinctur, alle zwei Stunden fo lange gereicht, bis Schlaf eintritt, vollkommen genügen. Uebri⸗ gens wird man den Gebrauch der Medicin gelegentlich eine Stunde laͤnger auszuſetzen haben, wenn das Sinken des Pulſes und der Hauttemperatur dieß als zweckmaͤßig erſchei⸗ nen läßt. Die Opiumtinctur iſt, in der Regel, der Hyos— cyamustinctur vorzuziehen, welche letztere für mildere Fälle paßt und nicht, wie die erſtere, ſtopfend wirkt. Der Brech⸗ weinſtein veranlaßt, ſelbſt wenn man ihn allſtuͤndlich in Gaben von 1 Gran verordnet, ſelten Erbrechen oder Ekel; uͤberhaupt hat es mir geſchienen, als ob in dem zweiten Stadium des delirium tremens der Brechweinſtein ebenſo vollſtaͤndig ohne erbrechenerregende Wirkung bleibe, wie bei der Pneumonie, und dieß habe ich fogar in den Faͤllen be: obachtet, wo der Magen waͤhrend des erſten Stadiums ſehr reizbar war. Dieß wird durch Dr. Law's Erfahrung beftätigt. In Fällen, wo dieſe Behandlung etwa 24 Stunden fortgeſetzt wurde, ohne daß Schlaf eintrat, iſt es oft ſehr nuͤtzlich, die Medicin einige Stunden vor Schlafengehen aus zuſetzen, dann, wenn der Puls und der Zuſtand der Haut es rathſam machen, ein Reizmittel (Branntwein ꝛc.) zu rei⸗ chen, hierauf die kalte Begießung vorzunehmen und dann eine Doſis Antimonialtinctur (antimonial) nebft 1 bis 12 Drachmen Opiumtinctur zu verordnen. Auf dieſe Weiſe tritt oft der Schlaf einige Stunden fruͤher ein, als er ſich, wenn man keine reichliche Opiumgabe gereicht hätte, einge⸗ funden haben wuͤrde. Uebrigens wuͤrde man nicht wohl daran thun, wenn man vor Ablauf von 24 Stunden waͤh— rend des zweiten Stadinms des delirium tremens in dieſer Weiſe verfuͤhre. Reizmittel, als Wein, Branntwein zc., find bei der Behandlung dieſes Stadiums der Krankheit mehr oder we— niger erforderlich, und deren Anwendung vertraͤgt ſich durchs 738. XXXIV. 12, 192 aus mit der der kalten Begießungen und des Brechweinſteins mit Opium. Der Grad, in welchem diefe Reizmittel ſich noͤthig machen, muß insbeſondere nach dem, was man uͤber die fruͤhere Krankheitsgeſchichte weiß, ſowie nach dem Zuſtande des Pulſes und der Haut zu der jedesmaligen Zeit bemes⸗ ſen werden, und zumal iſt in dieſer Beziehung der Zuſtand der Haut zu beruͤckſichtigen. (Transactions of the medi- cal and physical Society of Bombay. The Dublin Journal of med. Science, No. LXXIX, March, 1845.) Miscellen. ueber Contraction der Finger an beiden Händen hat Caͤſar Hawkins folgenden Fall mitgetheilt. — William Kisby, 39 Jahre alt, Kutſcher, ward in das St. George⸗Spital mit Contraction aller Finger in hoͤherem oder geringerem Grade, beſonders aber des Zeige-, Ring: und kleinen Fingers der linken Hand und des Ring- und kleinen Fingers der rechten Hand, aufgenommen. Die fascia palmaris war mit den Theilen, welche nach dem Meta⸗ carpalknochen hin verlaufen und an den Seiten der Phalangen ſich hinziehen, ſehr hart und geſpannt; dabei partielle Dislocation des zweiten Phalangealgelenks an dem Ringfinger der rechten Hand; die cutis an den contrahirten Theilen ſehr verdickt und gefurcht. — Nach Dupuytven, welcher zuerſt die wahre Natur dieſes Uebels nachgewieſen hat, beſteht daſſelbe in einer Contraction der Portio⸗ nen der Fascie, welche von dem lig. annulare in der vola manus abgehen, und der Partieen der fibroͤſen Maſſe, welche nach den Pha⸗ langen der Finger hingehen; durch den langen Nichtgebrauch ver⸗ kuͤrzen ſich die Sehnen, die Haut wird etwas haͤrter und dichter und verwaͤchſ't innig mit der Fascie. — Das Uebel kommt, nach Dupuytren, bei Perſonen vor, welche eine anſtrengende Hands arbeit (Beſchaͤftigung) haben, beſonders bei Kutſchern. Dr. Haw⸗ kins hat es jedoch auch bei Perſonen aus hoͤheren Staͤnden beob⸗ achtet. Die Behandlung beſteht in der Durchſchneidung der afficirten Partieen der Fascie, in dem vorliegenden Falle jedoch nicht ſubcu⸗ tan, um keine Veranlaſſung zu Eiterſenkungen zu geben, ſondern vermittelſt mehrerer Einſchnitte. Eine Vaginalſchwangerſchaft iſt, nach Dr. Oppen⸗ heim's Zeitſchrift, von Dr. Mackeprang auf der Inſel Moen beobachtet worden. Eine Frau bemerkte im vierten Monate ihrer erſten Schwangerſchaft ein ſtarkes Draͤngen. Durch krampfſtillende Mittel ging dieß voruͤber, es blieb aber eine Geſchwulſt im hintern Theile der vagina. Dieſe nahm allmaͤlig zu. Im achten Monate fand Herr Mackeprang die Frau im hoͤchſten Grade entkraͤftet mit ſehr kleinem Pulſe. Eine Geſchwulſt von der Groͤße eines Hutkopfes ragte aus den Geburtstheilen zwiſchen den Schenkeln hervor; ein Kindesarm war durch eine Oeffnung vorgefallen. Er war faulig und wurde abgedreht. Das Kind wurde mit dem Haken ohne Schwierigkeit ausgezogen. Die Nachgeburt war ſehr feſt mit der Mutterſcheide verwachſen, ſo daß Herr Mackeprang aus Furcht vor einer Blutung, fie nicht entfernen mochte. Die Geſchwulſt nahm ſo⸗ gleich an Groͤße ab. Zwei Tage danach verſchied die Woͤchnerin. — Das Kind war maͤnnlichen Geſchlechts, 7 — 8 Monate alt. Herr Mackeprang meint, bei dieſer Extrauterinſchwangerſchaft ſey das Ei erſt im vierten Monate in die Scheide gelangt und habe ſich dort weiter entwickelt. Eine Section iſt nicht gemacht. » ³Ä— Bibliographische Histoire des sciences naturelles, depuis leur origine jusqu’a nos jours, chez tous les peuples connus, commencee au College de France par G. Cuvier, completée par M. T. Magdaleine de Saint-Agy, 3. partie, contenant la fin de la seconde moitié du XVIII. siecle et une partie du XIX. tome V. complemen- taire. Paris 1845. 8. Anatomiſch⸗phyſiologiſche Beobachtungen über die Sagitta bipun- ctata. Von Dr. Aug. Krohn. Hamburg 1845. 4. Neuigkeiten Observations on the Growth and Irregularities of Childrens Teeth ; followed by Remarks and Advice on the Teeth in general, to which is added a short Essay on artificial Teeth. By W. H. Mortimer. 2. edit. London 1845. 8. Mit K. Manuel pratique de Percussion et d’Auscultation. Par le docteur F. Andry. Paris 1845. 12. — — —̃ UUUU—¼ Menellotizen a us dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgerheilt von dem Ober ⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p ju Berlin. No. 739. (Nr. 13. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ro. oder 3 % 30 A, des einzelnen Stüdes 3%, 9. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 9. Die Tafel colorirker Abbildungen 7½ 99%. Na t u r i u n Ueber die Vulkane auf Hawaii.“) Die Geſellſchaft, welche zur Unterſuchung der Vulkane unter meiner Anfuͤhrung (der des amerikaniſchen Capitains Wilkes) auszog, war ſehr zahlreich. Sie fuͤhrte bei ſich 200 Laſttraͤger, 40 Schweine, einen Ochſen und einen Och⸗ fenfänger, worunter 50 mit poe (landesuͤblichem Mundvor: rathe) beladene Leute, 25 Leute mit Calabaſſen von verſchie— dener Geſtalt und Groͤße, von 2 F. bis 6 Zoll Durchmeſſer. Manche der Laſttraͤger waren mit den Feldern des tragbaren Hauſes, andre mit Bratpfannen und Keſſeln, noch andre mit Zelten und Torniſtern beladen. Da ſah man lahme Pferde, die, ſtatt ihre Herren zu tragen, von ihnen gefuͤhrt wurden, da einen ſtarken Troß von Muͤttern, Weibern und Kindern, deren wenigſtens ebenſoviele waren, als Traͤ— ger, die ſich alle uͤber die Schwere ihrer Buͤrde beklagten, ſo daß, wenn wir anhielten, immer viel Verwirrung ent— ſtand. Ich fuͤhlte mich gluͤcklich, daß ich die Landesſprache nicht verſtand, ſo daß ich nicht erfuhr, woruͤber ſie eigentlich klagten. Offenbar waren die Laſten ungleich vertheilt, allein dieß hatten die Eingebornen untereinander auszumachen. Die Meiſten wollten erſt als Schweinetreiber angeſtellt ſeyn; allein ich hoͤrte ſpaͤter, daß ſie ſich bei dieſer Anſtellung ſehr uͤbel befunden haͤtten. Nachdem wir Olaa bei 1138 F. Höhe uͤber der Mer: resflaͤche im Ruͤcken gelaſſen hatten, war kein deutlicher Weg mehr vorhanden. Die ganze Bodenoberflaͤche ward zu einer Lavamaſſe, welche noch ihren vollen Metallglanz beſaß und erſt kurz zuvor herabgeſtroͤmt zu ſeyn ſchien, da man faſt gar keine Zerſetzung an derſelben wahrnahm. Es be— fanden ſich auf unſerm Pfade nur einige verkruͤppelte Buͤſche; zu unſerer Rechten bemerkten wir jedoch einige dichte Ge— *) Aus dem Werke: Narrative of the United States Explo- ring Expedition. By C. Wilkes. Vol. IV. Wir haben in dieſen Blättern ſchon mehrere Beſchreibungen dieſer Vulkane, namentlich des Kirauea, mitgetheilt, die jedoch durch dieſe ergaͤnzt werden, waͤhrend eine Vergleichung der aus verſchie— denen Zeiten herruͤhrenden Schilderungen in Betreff der vor— gegangenen Veraͤnderungen nicht ohne Intereſſe iſt. No. 1839. — 739. hoͤze. Der Tag war warm, die Sonne ſchien hell, und wenn wir an Waſſertuͤmpfeln voruͤberkamen, die ſich in Ver: tiefungen des Lavafelſens angeſammelt, wie es haͤufig geſchah, ſo ſtuͤrzten ſich die Eingebornen, wie ſtark erhitzte Hunde es zu thun pflegen, hinein und ſchienen ſich der durch die Verduͤnſtung von ihrem Körper veranlaßten vorübergehenden Abkuͤhlung zu freuen. Bei der Ankunft auf der großen Ebene des Vulkans Ki: lauea (Kirauea) näherten wir uns der ſuͤdlichen Grenze der Waldregion, und als wir um eine Ecke des Gehoͤlzes bogen, trat der Mauna Loa (Mauna Roa) in ſeiner ganzen Groͤße hervor. Das Wetter war außerordentlich ſchoͤn, die Luft, einige leichte Woͤlkchen ausgenommen, voͤllig klar und rein, und der gewaltige Bergrieſe erhob ſich vor uns von einer etliche zwanzig engliſche Meilen breiten Ebene. Der Berg ſelbſt nahm ſich bronzefarben aus, und ſein ununterbrochener gerad— liniger Umriß ſtach ſchroff gegen den tiefblauen Himmel ab. Dieſer Gegenſtand machte einen ſolchen Eindruck auf mich, daß, als Dr. Judd mir zurief, ich moͤchte doch den Vulkan Kilauea betrachten, ich mich in meinen Erwartungen ſehr getaͤuſcht fühlte; denn ich ſah nichts vor mir als eine große ſchwarze Grube, keine Feuerſtroͤme oder Ausbruͤche von gluͤhenden Steinen, ſondern eben nur eine Vertiefung, die, umgeben von einer gewaltigen Ebene, nicht einmal durch ihre Groͤße imponirte. Am entgegengeſetzten Ende derſelben zeigte ſich eine kleine kirſchrothe Stelle, von welcher Dämpfe aufſtiegen, die ſich weiter oben zu einer ſilberglaͤnzenden Wolke verdichteten. Dieſe Wolke nahm ſich uͤbrigens ſo prächtig aus, daß es ſich allein um ihretwillen verlohnt hätte, den Berg zu beſteigen. Wir eilten an den Rand der Gru: be oder des Kraters, um deren Inneres beſſer uͤberſchauen zu koͤnnen, und als wir uns demſelben naͤherten, erkannten wir an den aus vielen Ritzen im Boden kommenden Daͤmpfen, daß unter demſelben vulkaniſches Feuer wuͤthete. Der Wind fuhr an uns nach dem Innern des Kraters vorbei, als ob er in denſelben hineingezogen werde, um einen gewaltigen Brand anzufachen. Als wir den Rand des Kraters erreicht hatten und den letztern ganz uͤberſchauten, konnten wir uns 13 195 einen richtigern Begriff von deſſen Weite machen, waͤhrend uns einige unſerer Begleiter, die bereits eine Strecke in denſelben hin⸗ abgeſtiegen waren, als Maaßſtab ſeiner Tiefe dienten. Von dieſem Standpuncte aus macht der Krater einen gewaltigen Eindruck, der beftändig im Steigen begriffen iſt; denn der Krater iſt 31 engl. M. lang, 21 breit und über 1000 F. tief. Bei der Höhe von 66° F. unter dem Rande zieht ſich eine breite ſchwarze Leiſte oder Terraſſe rings um denſelben, und von da bis zur Sohle beträgt die Hoͤhe noch 384 F. Die Sohle ſieht bei Tage wie ein Haufen rauchender Truͤmmer aus. Es ſcheint, als ob man leicht und ſchnell bis zu der Leiſte hinabſteigen koͤnne; allein man braucht dazu eine volle Stunde. Die Geſellſchaft ſtieg nun in den Krater hinab, und als ſie den Rand der Leiſte erreicht hatte, befand ſie ſich gerade uͤber dem Feuerſee, etwa 400 Fuß uͤber demſelben. Das Licht, welches von ihm ausging, war ſo intenſiv, daß man die kleinſte Schrift dabei leſen konnte. Der See iſt 1500 F. lang und 1000 breit. Auf⸗ fallend war die Abweſenheit alles Geräufches, abgeſehen von einem leiſen Gemurmel, welches dem vom Sieden einer dicklichen Flüffige keit herruͤhrenden glich. Das Aufkochen war, wie wenn das Feu⸗ er nur an die eine Seite eines Keſſels ꝛc. ſchlaͤgt, in der Naͤhe des noͤrdlichen Randes des Feuerſees am Staͤrkſten. Der Rauch und der Dampf, die beſtaͤndig aufſtiegen, waren ſo durchſichtig, daß fie in der Nähe der Oberfläche nicht zu bemerken waren und erft weiter oben als eine glaͤnzende Wolke ſichtbar wurden, die ſich ab⸗ wechſelnd ſenkte und hob. Wir bemerkten von Zeit zu Zeit Steine oder Maſſen gluͤhender Stoffe, die etwa 70 Fuß hoch emporgeſchleu⸗ dert wurden und in den Feuerſee zurückfielen. Der Weg in den Krater führt an der Nordfeite über furcht— bare Abgründe, manchmal bloß über einen ſchmalen Rand und Fel⸗ ſen mit Spalten von mehreren Hunderten Fuß Tiefe. Aus dieſen Spalten faͤhrt Dampf, welcher fi) oben zum Theil niederſchlaͤgt und eine Menge von Farrnkraͤutern, ſowie eine Art Vaccinium waͤſſert, die eine kleine, angenehm ſchmeckende Beere traͤgt, welche die Eingebornen Ohela nennen. Uebrigens iſt der Pfad nur an einigen Stellen ſchwierig, wo man uͤber Haufen von Baſaltbloͤcken klimmen muß. Die von Oben glatt erſcheinende ſchwarze Leiſte iſt mit großen Stuͤcken Lava bedeckt, die ſtellenweiſe Kegel von 30 — 40 F. Hoͤhe bilden, deren Fuß mit dicken gewundenen Maſſen, wie mit Tauen, umſchlungen iſt. An andern Stellen ziehen ſich dieſe der Laͤnge nach an der ſchwarzen Leiſte hin, gleich ſcheußlichen Schlangen mit ſchwarzen Schuppen, aus denen zuweilen Rauch und Feuer fährt. Das Gehen auf der ſchwarzen Leiſte iſt nicht im⸗ mer gefahrlos, und man hat ſich dabei einer langen Stange zu bedienen, um an den verdächtigen Stellen zu probiren, ob die Rinde traͤgt. Dieſe Rinde beſteht aus blauem und gelbem Glas, das fo ſproͤde ift, daß, wenn man darauf tritt, es wie Eis bei ſehr kaltem Wetter kniſtert. Hin und wieder gewahrt man ſchwarze Hoͤhlen, aus de— nen eine brennend heiße Luft faͤhrt, die, da ihre Temperatur bis 1800 F. beträgt, Einem den Athem verſetzt. Manche Felſenſtücke, über die man gehen muß, ſcheinen fo wenig befeftigt, daß man fuͤrchtet, man werde mit ihnen in den Feuerſee hinabſtuͤrzen. An dem nordweſtlichen Ende der ſchwarzen Leiſte war dieſelbe zuſam⸗ mengebrochen und ſo eine bis auf die Sohle des Kraters reichende geneigte Ebene entſtanden, auf welcher man binabſteigen konnte. Aber dieß hatte große Schwierigkeiten, da ſie haͤufig von Spalten durchſetzt und die Glaskruſte mit ſo vielen ſcharfen Nadeln beſetzt war, daß man ſich die Haͤnde leicht verletzen konnte und das Schuh⸗ werk zerriß. Die Herrn Waldron nnd Drayton hatten meinen Hund Sydney mitgenommen, deſſen Füße jedoch hier fo wund wur⸗ den, daß ſie ihn zuruͤckjagen mußten. Er blieb in Folge dieſes Ausflugs nach dem Krater mehrere Wochen lahm. Dieſe Herren erreichten nach großen Muͤhſeligkeiten endlich die Sohle des Kra⸗ ters; dieſe war keinesweges eben, ſondern mit Hügeln und Kaͤm— men von 20—30 F. Höhe beſetzt, die mitunter fo ſteil waren, daß es ſchwer hielt, daruͤber zu kommen. Von dem noͤrdlichen Rande der Sohle aus brauchten die Herrn Waldron und Drayton zwei volle Stunden, um an den großen Feuerſee zu gelangen, der von Zeit zu Zeit über feine Ufer austritt, und dem man ſich das her nur mit der größten Vorſicht nähern darf. Naͤher als 1000 739. XXXIV. 13. 196 F. wagte ſich keiner, da man ſich ſchon in dieſer Entfernung die Schuhe verbrannte und man dort die Stoͤcke an der Lava anzuͤn⸗ den konnte, die in der vorhergehenden Nacht ausgetreten war. Den kleinern See konnte man von einer benachbarten Anhoͤhe aus gut uͤberſchauen; derſelbe war in mäßiger Thaͤtigkeit; die großen rothen Maſſen erhoben ſich aus demſelben periodiſch 6—8 F. hoch, und die kleinern wurden weit hoͤher geſchleudert. Auf 50 F. Ent⸗ fernung waren die Dämpfe nicht ſichtbar, obwohl die ganze flüffige Maſſe mit einem leichten Dufte uͤberzogen ſchien. Stoßweiſe aus⸗ fahrende Rauchwolken wurden durchaus nicht bemerkt. Anfangs glaubten fie, fie koͤnnten ſich dem Rande des Sees fo weit nähern, daß ſie die fluͤſſige Maſſe erreichen koͤnnten, obwohl die Stelle, wo ſie ſich befanden, ſo heiß war, daß ſie die Stoͤcke auf den Bo⸗ den legen und ſich darauf ſtellen mußten, um ſich die Fuße nicht zu verbrennen; allein bald kamen fie von ihrem Irrthume zuruck, da die fluͤſſige Maſſe anfing, ſich auszubreiten; die Kruſte um den See her bekam einen leuchtenden Riß, aus dem alsbald Lava quoll, die eine große Scholle verſchlang. Dieß ging ſo fort, bis der See nur noch 15 Fuß von ihrem Standorte entfernt war und der Fuͤh⸗ rer ſie zum ſchleunigen Ruͤckzuge mahnte. Ueberhaupt befindet man ſich in dieſem Krater auf einem Boden, der jeden Augenblick berften und Einen in die flüfjige Lava verſenken kann. Es wurde nun beſchloſſen, den obern Krater (den des Mauua Roa oder Mauna Kea?) zu beſuchen. Waͤhrend des Marſches trat ein Schneegeftöber ein. Das Thermometer zeigte 189 F. (57 R.), und die meiſten Leute litten an der Berg⸗Uebligkeit (der Ekel, von dem man auf hohen Bergen befallen wird), nebſt Kopf⸗ weh und Fieber und waren jeder Art von Anſtrengung unfähig. Ich ſelbſt, ſagt Capit. Wilkes, befand mich aus demſelben Gruns de ſehr unwohl, fühlte heftiges Klopfen in den Schlaͤfen und aths mete ſehr kurz, ſchmerzhaft und beklommen. Die wenigen Leute, die noch zu arbeiten vermochten, mußten eine kreisrunde Mauer von Lavabloͤcken auffuͤhren, und uͤber dieſe wurde ein Stuͤck Segeltuch geſpannt. Die Waͤnde wurden inwendig mit wollnen Decken be⸗ haͤngt, um uns vor dem Erfrieren zu ſichern. Gegen, Abend waren wir mit dieſer Arbeit fertig, und nun ward ein Feuer angemacht, um ein ſpaͤrliches Abendeſſen und Thee fuͤr die Kranken zu bereiten. Ich bemerkte nun, daß drei meiner Leute fehlten, und erfuhr, daß fie hinabgeſtiegen ſeyen, um mein Zelt zu holen, von dem fie glaub⸗ ten, es ſey an einem, etwa 1 engl. M. entfernten Orte zuruͤck⸗ gelaſſen worden. Man kann ſich meine Unruhe denken, da es ſtockfinſter war und ich nicht wußte, wie ſich meine Leute auf dem pfadloſen Boden Über viele gefährliche Spalten zurüdfinden ſollten. Ich hatte kaum Holz genug, um zu kochen und nur ein Paar End⸗ chen Licht ohne Laterne, alſo kein Mittel, ein Feuerſignal zu geben. Indeß ſteckte ich ein Licht in eine Kalabaſſe und ſtellte dieſe auf einen hohen Punct. Mit Huͤlfe dieſes unvollkommenen Leucht⸗ thurmes gelang es den Leuten denn auch wirklich, ſich zu uns zu⸗ ruͤckzufinden, nachdem ſie den groͤßten Theil des Wegs auf Haͤn⸗ den und Fuͤßen gekrochen waren. Es fing nun an, ſtark zu ſchnei⸗ en, und nachdem wir zu Abend gegeſſen, wurde uns wohler, und wir legten uns zur Ruhe. Draußen wehte ein wuͤthender Wind, das Thermometer zeigte 155 F. ( 78 R). Unſer Standpunct air nach der Barometermeſſung, 13,190 F. über der Meeresober⸗ fläche. Der Berg bietet eine Scene der gewaltigſten Verwuͤſtung dar; die ganze Oberflaͤche deſſelben iſt eine Lavamaſſe, die einſt aus dem ginfelftändigen Krater deſſelben gefloſſen iſt. Nirgends bemerkt man Sandſtein oder andere Gebirgsarten. Die Lava iſt von vers ſchiedenem Alter, manche darunter ſehr alt, obgleich noch nicht zer⸗ ſetzt, und die Wechſel von Hitze und Kälte, Regen und Schnee ſchei⸗ nen ihr nichts anhaben zu koͤnnen. An manchen Stellen bietet ſie eine vollkommen glatte Oberflaͤche dar, an anderen iſt ſie in Bloͤcke zerriſſen, die ſelten eigentliche Haufen bilden, ſondern meilenweite Strecken bedecken und zuweilen 10 — 20 Fuß über die umgebende Lava emporfteigen. Zwei Tage fpäter beobachtete Capitän Wilkes Folgendes: Waͤhrend die Uebrigen ſich damit beſchaͤftigten, unſere Zelte fo lufte dicht, als moͤglich, zu machen, entdeckten Dr. Judd und ich in demjenigen, wo wir uns befanden, einen ſtarken Niederſchlag von 197 Feuchtigkeit, der, wie ſich bei näherer Unterſuchung ergab, von Dampf herruͤhrte, der aus einem Spalte in der Lava hervorkam. Als man ein Thermometer hineinſteckte, ſtieg daſſelbe bis 68° F. Das Zelt befand ſich 40 F. vom Rande der jaͤhen Wand des Kras ters, und es war nicht zu verwundern, daß die von dem Feuer in der Tiefe herruͤhrenden Daͤmpfe an dieſer Stelle austraten. Wir ſtampften nun Lava und füllten den Spalt damit aus. Bei dieſer Gelegenheit fanden wir etwas Moos, den einzigen lebenden Gegens ſtand, den wir innerhalb 4000 F. ſenkrechter Höhe, vom endſtaͤn⸗ digen Krater aus gerechnet, getroffen hatten. Dieſes Moos wurde hier durch den Dampf genaͤhrt, welcher aus dem erwahnten Spalte hervorkam. Auf dieſer oͤden Stelle blieb die Geſellſchaft drei Wochen, um Beobachtungen anzuſtellen. Nachdem ſie herabgeſtiegen war, be⸗ ſuchte fie abermals den Kilauea und die Schwefelbank. Dieſe Schwefelbank iſt etwa 450 F. lang und 120 F. breit und von den ſenkrechten Baſaltfelſen, welche die Ebene begrenzen, durch eine Schlucht getrennt, aus der Dampf in Menge aufſteigt. Als wir in dieſelbe ſo tief hinabſtiegen, als die Hitze es zuließ, ver⸗ ſchafften wir uns einige ſchoͤne Stufen kryſtalliſirten Schwefels, die wir in kleinern Hoͤhlen fanden. An einigen Stellen der Schlucht er⸗ reichte die Temperatur den Siedepunct. Die Bank ſchien durch die Zerſetzung des Geſteins unter der Einwirkung von Hitze und Waſſer gebildet zu ſeyn. Außerhalb der Schlucht beſtand ſie aus einem ſchmierigen rothen und blauen Thone oder vielmehr Maͤrgel, der einem Farbeſtoffe fo ähnlich iſt, daß ſich die Miſſionaͤre deſſelben zum Ans ſtreichen (ihrer Haͤuſer 2) bedienen. Die von Unten aufſteigenden Dämpfe ſchienen die ganze Bank mit Feuchtigkeit zu ſaͤttigen. Um etwa 3 Uhr, als wir den öftlihen Rand des Lua Pele (Kirauea) erreicht hatten, ſahen wir eine dicke Rauchſaͤule aus dem Krater ſteigen, und deßhalb liefen wir eilig an deſſen Rand; allein die Schwefelbaͤnke verhinderten uns, den Grund des Kraters und die ſchwarze Leiſte zu ſehen. Es ſchien mir ſehr glaubhaft, daß ein Ausbruch ſtattgefunden und die ganze Sohle des unteren Kraters uͤberfluthet habe, und daß Dr. Judd, der ſich unten befand, in ei⸗ ner gefährlichen Lage ſeyn muͤſſe. Da wir uns in der Unmögs lichkeit befanden, uns naͤher von der Sachlage zu unterrichten, ſo mußten wir unfern Weg fortfegen. Als wir höher an der Bank hinaufkletterten, uͤberzeugten wir uns davon, daß ein Ausbruch aus dem kleinern Krater ftattgefunden habe, und wir waren deßhalb unſerer Gefaͤhrten wegen ſehr beſorgt. Ich beſichtigte mit dem Fernglaſe den ganzen Krater, konnte aber Niemanden gewahr wer⸗ den, und als ich zu unſerem Lagerplatze zuruͤckgekehrt war, fand ich Dr. Judd auch dort nicht, und Niemand wußte, was aus ihm geworden ſey. Daher fuͤhlte ich mich ſehr beruhigt, als ich ihn nach einer Viertelſtunde mit feinen Gefährten zurückkehren ſah. Er war mit mehreren Eingebornen hinabgeſtiegen und dann auf der ſchwarzen Leiſte hin gegen Weſten gegangen und auf demſelben ges faͤhrlichen Abhang, wie vor einem Monate, auf die Sohle des Kra— ters hinabgeſtiegen. Dort angelangt, fand er einen zum Auffangen der Dämpfe bequemen Spalt. Er ſammelte das nach dem Nieders ſchlagen des Waſſerdampfes zuruͤckbleibende Gas in einer Flaſche, welche ein durch Kalk gebläutes Decoct von rothem Kohl enthielt, und das Decoct ward alsbald wieder hochroth gefärbt. Dr. Jud d ſuchte dann nach einer Stelle, wo er etwas von der noch fluͤſſigen Lava herausſchoͤpfen koͤnne, fand aber keine Lava, die zu dieſem Zwecke fluͤſſig genug geweſen wäre. Da es ihm hier nicht gluͤckte, ſo begab er ſich nach dem großen Feuerſee am ſuͤdlichen Ende des Kraters. Das Ufer deſſelben war nach Außen ſteil, da die Lava— ſtroͤme, die nacheinander ausgefloſſen waren, uͤbereinandergriffen. Der ſo entſtandene Lavafelſen war beinahe ſchwarz, und wenn man darauf ſpuckte, fo ziſchte der Speichel ſtark und verdampfte ſchnell. Wenn man die äußere, 2 — 3 Zoll ſtarke Rinde zerſchlug, fo zeigte ſich die innere, wenngleich rothgluͤhende, Maſſe feſt. Die Stange, mit der die Rinde durchſtoßen wurde, brannte, als man fie heraus- zog. Von dieſer Seite konnte man ſich dem See offenbar nicht weiter naͤhern; denn wenn man auch der Hitze wegen uͤber die Rinde hätte weggehen koͤnnen, fo fragte es ſich, ob dieſelbe feſt genug geweſen waͤre, um einen Menſchen zu tragen, und wer ein⸗ gebrochen wäre, hätte eines gr äßlichen Todes ſterben muͤſen. Dr. 739. XXXIV. 13. 198 Judd begab ſich daher an das weſtliche ufer, welches er über Steine, an denen man ſich die Hände verbrannte, erkletterte, waͤh⸗ rend ſeine Fuße durch dicke, wollne Struͤmpfe und Sandalen von Rindsleder, die über die Schuhe gebunden waren, geſchuͤtzt wurden. Als er ſo weit, als moͤglich, vorgedrungen war, erblickte er etwa 30 F. von ſich einen Lavaſtrom, der an dem Abhange, über wel⸗ chen er und ſeine Begleiter ſoeben geklettert waren, hinabfloß. Der kuͤhne Beobachter ließ ſich aber dadurch nicht abſchrecken, ſondern ging neuen Abenteuern entgegen, von denen eines folgendermaaßen geſchildert wird. An den inneren Wänden eines Kraters erblickte Dr. Judd ei: nige ſchoͤne Proben von haarfoͤrmigem Glaſe, die er gern unferen Sammlungen hinzugefügt hätte. Er ließ ſich alſo von einem der Eingebornen an der einen Hand feſthalten, ſtieg eine Strecke in den Krater hinab und fing an, von dem Glaſe zu ſammeln. Als er unten angelangt war, fand er es ſehr ſchwer, feſten Fuß zu fafs ſen, allein fein Eifer trieb ihn dennoch weiter. Indem er fo fort⸗ ſchritt, ſah und hoͤrte er eine geringe Bewegung in der etwa 50 F. von ihm entfernten Lava, welche Bewegung ſich zweimal wie⸗ derholte. Die Neugier trieb ihn, ſich dieſer Stelle zu nähern. Ploͤtzlich brach die Rinde mit furchtbarem Getöfe, und ein wenig⸗ ſtens 15 F. im Durchm. haltender Strahl geſchmolzener Lava ſtieg etwa 45 F. hoch empor. Dr. Judd floh eiligſt, befand ſich aber gerade unter einer vorſpringenden beiſte, und die Stelle, wo er her⸗ abgeſtiegen, war einige Fuß entfernt. Die Hitze war ſchon zu groß, als daß er das Geſicht der Lava haͤtte zuwenden koͤnnen, waͤhrend der Boden, auf dem er ſtand, immer heftiger erbebte. Er hielt ſich fuͤr verloren, verſuchte aber uͤber die Leiſte zu klettern und rief laut um Huͤlfe, als er die rettende Hand Kalumo's über die Leiſte hervorragen ſah. Er ergriff fie und wurde fo heraufgezogen, aber Ka⸗ lu mo wurde bei dieſer Gelegenheit ſchwer verfengt, und einen Augen⸗ blick ſpaͤter wäre Dr. Jud d verloren geweſen. Die übrigen Eingebornen waren bei dem Ausbruche entflohen. Sie kehrten jedoch zuruck und brachten dem Dr. Judd eine Bratpfanne und Stange. Nach etwa 15 Minuten hatte ſich der Krater mit Lava gefüllt, die auf der niedrigſten (noͤrdlichen) Seite überlief. Es gelang nun dem Dr. Judd, eine Pfanne voll herauszuſchoͤpfen; allein als die Lava oben angelangt war, hatte fie ſich bereits fo weit abgekühlt, daß fie eine Rinde darbot. Bei einem zweiten Verſuche gelang es, ſie fluͤſſig heraufzubringen, und Dr. Judd verſuchte, einen Marineknopf in derſelben abzudrücken; doch die Maſſe war zu ſchaumig, und der Abdruck gab nur die allgemeine Geſtalt des Knopfes, nicht aber deſſen Gepraͤge wieder. Der ſo erlangte Lavaſtein befindet ſich als eine Curioſität in der Sammlung der Expedition. Dieſen Feuer⸗ ſee habe ich, gewiß verdientermaaßen, nach Dr. Judd benannt Dr. Judd fand nun, daß er keine Zeit zu verlieren habe; denn die Lava floß fo geſchwind gegen Norden, daß zu befürchten war, es koͤnne ihm der Rückzug abgeſchnitten worden. Er beeilte ſich daher, mit feinen Gefährten den Rückweg anzutreten, und wirklich verdankten ſie nur dieſer Eile die Rettung ihres Lebens. Als Dr. Judd ſich außer Gefahr befand, fuͤhlte er Schmerzen an den Hand gelenken und Ellenbogen und bemerkte, daß ſein Hemd ein Wenig verſengt war, und als wir ihn im Lager unterſuchten, fanden wir an dieſen Stellen, wo das Hemd unmittelbar an der Haut angele⸗ gen, Brandblaſen. Kalumo's ganzes Geſicht war mit Blaſen bedeckt. Dr. Judd hatte vorher den Krater gemeſſen und ihn 38 F. tief, ſowie 200 F. weit, gefunden. Dennoch füllte er ſich binnen 12 Minuten ganz mit Lava. Wir gingen gegen Abend an den Rand des großen Kraters hinab, um den Ausbruch aus dieſem partiellen Krater (dem Judd's⸗ See) in Augenſchein zu nehmen. Unſere Erwartungen wurden weit übertroffen. Das glaͤnzendſte Feuerwerk würde neben dieſem Schauſpiele hoͤchſt unbedeutend erſchienen ſeyn. Einen richtigern Begriff von der Stärke des von dieſem Vulcane ausſtroͤmenden Lichtes wird man ſich machen koͤnnen, wenn man erfaͤhrt, daß es in dem gerade fallenden Strichregen einen Regenbogen erzeugte, was von Herrn Drayton beobachtet wurde. Der ganze Grund des Kraters noͤrdlich von dem Judd's⸗See war, in einer Ausdeh⸗ nung von mehr als 15 engl. M. Länge und 2 M. Breite, mit flüf- ſiger Lava bedeckt, die ſo leicht floß, als ob ſie Waſſer geweſen 13* 199 wäre. Hier und da theilte ſich der Strom, um ſich dann wieder zu vereinigen, und er ſtuͤrzte ſich in Cascaden uͤber die verſchiede⸗ denen vorſpringenden Stuͤcken. Die Fluͤſſigkeit war von kirſchro⸗ ther Farbe und durch das von ihr ausgehende Licht wurde der ganze Krater illuminirt. Der jenſeits liegende große See ſchien auch thaͤtiger zu werden, und wir erwarteten jeden Augenblick, auch ihn überftrömen zu ſehen. Wir ſahen dieſem Treiben viele Stun: den lang zu. Es bildete ſich ein Lavatuͤmpfel nach dem andern, bis einer nach dem andern uͤberfloß und die gluͤhende Maſſe ſich in neue Vertiefungen ergoß. Dieß furchtbar⸗praͤchtige Schauſpiel als lein iſt eine Reiſe um die Welt werth. Mit Widerſtreben kehrte ich endlich nach meinem Zelte zuruͤck und nahm mir vor, den Aus⸗ bruch am folgenden Morgen genauer zu beſichtigen. Wir ſtanden fruͤh auf und ſahen alsbald nach dem Krater. Der große See war von unſerm Standpuncte aus nicht mehr ſichtbar, indem die Oberflache feiner Lava bedeutend gefallen war; dagegen ſtroͤmte die Lava aus dem kleinern noch immer uͤber deſſen Ufer, woraus ſich mit Beſtimmtheit ergab, daß ſie nicht in unterirdiſcher Verbindung mit einander ſtanden. Die Reiſenden beſichtigten auch die Stelle, wo vor acht Monaten ein großer Ausbruch ftattgefunden hatte *). Der Lavaſtrom war oben aus einer ſchmalen Oeffnung ausgebrochen, hatte ſich dort angehaͤuft und zu beiden Seiten ausgebreitet und war, nachdem er etwa 2 engl. Meilen weit gefloſſen, zu einem 10 bis 15 Fuß tiefen Gießbach von ge⸗ ſchmolzenem Geſtein geworden, der unaufhaltſam Alles mit ſich fort⸗ riß, den Boden uͤberlagerte und die Vegetation zerſtoͤrte. Wir ge— langten zuerſt an einer Stelle zu ihm, wo er etwa eine engl. Meile breit war und einem ploͤtzlich verſteinerten Fluſſe glich, an dem ſich alle Wellen und Strudel darſtellten. Hier und da lagen umge- ſtuͤrzte Baͤume auf demſelben, die ſich zum Theil wie gebleicht aus⸗ nahmen. Wo der Stamm geſtanden hatte, zeigte ſich nur ein Loch, indem das Wurzelende der Stämme vollftändig verbrannt war. Dieſe Löcher waren oft 12 — 15 F. tief. Ueber ihre Entſtehungs— art konnte kein Zweifel obwalten, und meiner Anſicht nach, war der Strom binnen der Zeit, welche die Stammenden zum Verkoh— len brauchten, erſtarrt, ſo daß die Baͤume noch ganz in der Naͤhe der Stelle lagen, wo fie einſt geſtanden. Mehrere der letztern wa— ren theilweiſe verbrannt, an andern hingen noch Schmarotzerpflan— zen. An manchen Stellen ſah man Lava an den Aeſten und Blaͤt— tern haͤngen, gleichſam als ob ſie darangeſpritzt waͤre. Man haͤtte ſie zuweilen fuͤr Vogelneſter anſehen koͤnnen, und dennoch war das Holz nicht durch dieſelbe entzuͤndet worden. Am Meiſten ſetzte mich der Zuſtand eines Dickichts von Bambusrohr (Bambusa arundina- cea) in Staunen, das die Lava nicht nur durchſtroͤmt, ſondern auch zu beiden Seiten umfloſſen hatte, und in dem ſich dennoch viele le— bende Schaͤfte mit theilweiſe unbefchädigten Blättern befanden. Viele große Forſtbaͤume, die nicht uͤber 20 F. von dem Strome ſtanden, ſchienen wenig gelitten zu haben, und dennoch konnten wir, keine 90 F. von denſelben, noch jetzt unſere Stoͤcke anzuͤnden, wenn wir die Lava zwei Fuß tief von der Oberflaͤche beſeitigten. Weiter nach der See zu war alles Laub bis auf eine Entfernung von 1000 F. vom Lavaſtrome verdorrt. Zur Erklaͤrung dieſer Erſcheinung muß man annehmen, daß die Lava in der obern Region ihre ſtrahlende Waͤrme in weit geringerer Wirkſamkeit ausgegeben habe, als in der untern. Der ſtarre Strom ſah ſo taͤuſchend aus, wie eine fließende Maſſe, daß derſelbe noch in Bewegung zu ſeyn ſchien. An vielen Stellen ſah man Feuer und Rauch. Die Boͤſchung betrug im Durch— ſchnitte 100 F. auf die engliſche Meile, und da die Lava binnen 36 *) Unſere Quelle, das Athenaeum, welches nur Auszüge aus der Beſchreibung des Capitaͤns Wilkes mittheilt und in den ers klaͤrenden Bemerkungen zwiſchen einem Fragmente und dem andern oft ſehr luͤckenhaft erſcheint, giebt die Localitaͤt, wo dieſer Ausbruch ſtattgefunden leider nicht genau an. Der große Ausbruch der Mauna Roa, von dem in No. 625 (No. 9 d. XXIX Bandes, S. 136 d. Bl. die Rede war, kann wohl nicht gemeint ſeyn, da die Entfernung deſſelben vom Meere weit bedeutender war. D. Ueberſ. 789. XXXIV. 13. 200 Stunden bis zum Meere gelangt war und im Ganzen etwa 10 Mei⸗ len Wegs zuruͤckgelegt hatte, ſo war ſie in der Stunde etwa 400 F. weit gefloſſen. In der Naͤhe der Kuͤſte beſinden ſich viele ausgebrannte Kra⸗ ter, unter denen die Reiſenden drei beſuchten, die nicht über 1! engl. M. von der See entfernt waren. Sie find 465 F. hoch und von unregelmaͤßiger Geſtalt, und obgleich ſie ziemlich weit voneinander entfernt liegen, ſo ſcheinen ſie doch einſt miteinander in Verbindung geweſen zu ſeyn. Das Innere derſelben nahm ſich ſehr maleriſch aus, und in einem fanden wir eine gut beſtellte Meierei, in deren Mitte eine von Baͤumen umgeben huͤbſche Huͤtte ſtand. Einer der Matroſen bemerkte, er moͤchte wohl dieß Gütchen beſitzen, wenn es in Neuengland laͤge. Auf dem Grunde eines dieſer Krater befindet ſich ein fpiegelglatter See, deſſen Waſſer hellgruͤn gefärbt und ſehr fiſchreich iſt. Nach Erdbeben iſt daſſelbe oͤfters roth oder gelb ge⸗ worden und hat ſtark nach Schwefel gerochen. Er hat etwa 600 F. im Durchmeſſer und ſoll 6 Faden tief ſeyn. In einem andern Krater findet man einen kleinen Teich mit ſuͤßem Waſſer; wieder in einem andern eine heiße Quelle, die von den Eingebornen zu Baͤ⸗ dern benutzt wird. (The Athenaeum, No. 910, April 5, 1845), Mis ee Ueber das Vorhandenſeyn der Schilddrüſe bei den Wirbelthieren hat Hr. J. Simon der Royal Society zu London, die Reſultate feiner Unterſuchung vorgelegt. Er beftätigt die frü= here Annahme uͤber ihr allgemeines Vorhandenſeyn der Druͤſe bei den Saͤugethieren. Er hat Voͤgel aus allen Ordnungen und aus mehreren Familien jeder Ordnung zergliedert, hat bei allen die Druͤſe gefunden und die Structur derſelben mittelft des Mikroſkops ers kennen koͤnnen. Er hat ſie auch in den vier Ordnungen der Rep⸗ tilien verfolgt und giebt umſtaͤndliche Details uͤber deren Lage, An⸗ ſehen und Structur bei den Cheloniern, Sauriern, Batrachiern und Ophidiern. — Er glaubt, daß ſie in dem Organismus der Fiſche nicht immer vorhanden ſey; er verſichert, ſie bei dem Karpfen, Hecht, Rochen, Stör, Aal, Hai ꝛc. gefunden, dagegen in dem Barſch, Schley, der Makrele, dem Lachs, der Forelle, dem Haͤringe, Turbot und der Sohle (Pleuronectes) u. a. vergeblich geſucht zu haben. Er behauptet, als ſonderbare Folgerung, daß die Vertheilung der glandula thyroidea durch ein einförmiges, einfaches Gefäß regulirt ſey, daß ſie von dem Vorhandenſeyn eines anderen Organs abhange, welches beſtimmt ſey, ſie zu erſetzen, und welches bei mehrern Fiſchen die Form einer Supplementarkieme annehme, deren Gefaͤße auf der einen Seite mit dem Venenſyſtem an der basis cranii und an der ande⸗ ren durch einen einzigen Canal mit der erſten Kiemenvene com⸗ municire. — Obgleich die glandula thyroidea verſchiedene Stellen einnehme, je nach den verſchiedenen Thieren, ſtehe ſie immer in einiger Beziehung mit dem Gefaͤßſyſteme des Hirns und ſey immer fähig. eine mehr oder minder beträchtliche Ernährung zu erhalten, jenachdem das Nerven-Centrum in einem Zuſtande von groͤßerer oder geringerer Activitaͤt ſey. (Phil. Mag. Aug. 1844) Von einer neuen phosphorescirenden Pflanze wurde am 5. April die Wurzel der Asiatic Society zu London vor⸗ gelegt. Man glaubte, daß fie ein Cardiospermum fey: fie war drei Monate fruͤher durch General Cullen von Ooraghum bei Tritchoor an Dr. Wight zu Ootacamund geſendet worden und nachher an die Geſellſchaft befoͤrdert. Die Pflanze beſitzt die beſondere Eigen⸗ thuͤmlichkeit, zu phosphoresciren Das begleitete Schreiben des General Cullen giebt an, daß die Pflanze vor Kurzem durch einen Tahſil⸗ dar entdeckt worden iſt, der den Capitain Bean auf einer Reiſe begleitet hatte, und als der Regen ihn gezwungen, des Nachts unter einer Felſenmaſſe in den Dſchungles Schutz zu ſuchen, ſehr erſtaunt geweſen war, als er ein phosphorifches Licht über alles Gras in der Nachbarſchaft verbreitet ſah. Dieſer Mann brachte einige Ex emplare nach Trevandrum. General Cullen gab an, daß die Pflanze den Braminen ſchon bekannt und in ihren Buͤchern beſchrieben ſey. In dem Amera Kosha iſt fie unter verſchiedenen Namen aufgeführt. 201 739. XXXIV. 13, 202 d e. Practiſche Betrachtungen uͤber die großen Ope— rationen und die Mittel, durch welche dieſelben ge— fahrloſer gemacht werden koͤnnen. Von Herrn Ballard. Nachdem der Verfaſſer ſich bemuͤht hat, darzuthun, daß der gluͤckliche oder ungluͤckliche Ausgang einer Operation weit weniger, als man glaubt, von der Wahl des Operationsver— fahrens abhaͤnge, ſucht er zu beweiſen, daß die Diät, die man dem Patienten verordnet, ebenſowenig zu denjenigen Mos menten zu zählen ſey, welche auf den Ausgang einen vorzuͤg— lich entſcheidenden Einfluß haben. Ich habe, ſagt Hr. Ballard, Operirte unter dem Einfluſſe einer ſchwaͤchenden, ſowie unter dem einer ftärfen- den Diaͤt ſterben ſehen; nur ließ ſich bemerken, daß ſie nicht gleich früh ſtarben. Diejenigen, die man gleich eſſen ließ, die man toniſch behandelte, ſtarben am 5. — 10. Tage nach der Operation und der Tod ward oft auf Rechnung des Chirurgen geſetzt; die, welche man mit Blutentziehungen und ſtrengem Faſten behandelte, ftarben vom 30.— 40. Tage, und die Ehre des Arztes ließ ſich ſtets retten, da ſich im— mer einige Diaͤtfehler ausfuͤndig machen ließen. Dagegen fand ich, daß bei den erſtern die Reconvalescenz ſchleunig erfolgte, waͤhrend die letztern ſich nur ſehr langſam er— holten. Hieraus wuͤrde man ſich vielleicht zu ſchließen berechtigt glauben, daß eine ſich von beiden Extremen gleichweit ent— fernt haltende Diaͤt die zweckmaͤßigſte ſey; allein ich habe ge— funden, daß unter dem Einfluſſe einer furchtſamen Behand— lung die Sterblichkeit wohl noch bedeutender war. Da auch dieſe Methode nicht anſchlug, ſo that ich zuletzt dasjenige, womit ich hätte beginnen ſollen, d. h., ich ſtudirte die Ur⸗ ſachen des Todes in jedem beſonderen Falle, mit Bezugnahme auf die verſchiedenen Perioden der Behandlung, um, wo moͤg— lich, jeder dieſer Urſachen zeitig vorbeugen zu koͤnnen. Mei: ne Forſchungen blieben nicht erfolglos; das Reſultat derſel— ben uͤbertraf vielmehr alle meine Erwartungen, und ich kann mich gegenwaͤrtig auf 28 Amputationen, wovon 20 an den Bei— nen und unter dieſen 12 am Schenkel, berufen, in Folge deren auch nicht ein einziger Todesfall vorkam. Die erſte Urſache, welche einen ungluͤcklichen Ausgang veranlaſſen kann, iſt die Angſt des Patienten vor der Ope— ration. Dieſe Potenz wirkt in weit hoͤherem Grade, als man gewoͤhnlich glaubt. Unter ihrem Einfluſſe wird der vorher beſchleunigte und volle Puls klein, zuſammengezogen, ausſetzend. Es treten Coliken, Ekel und verſchiedene Sym⸗ ptome ein, die an ſich nicht toͤdtlich find, die aber noch nach der Operation einzuwirken fortfahren und das Gehirn und das Herz in einen krankhaften Zuſtand verſetzen koͤnnen, den ich bei den Leichenoͤffnungen vorgefunden habe, Die erſte Anzeige, der man zu entſprechen hat, beſteht alfo darin, daß man dem Kranken, ſelbſt wenn er noch ſo— viel geiſtige Staͤrke zu beſitzen ſcheint, nicht wiſſen läßt, wann die Operation erfolgen ſoll, ja, daß man ihm ſogar die Nothwendigkeit derſelben ſo lange, als moͤglich, verſchweigt. Die zweite Urſache, die einen unguͤnſtigen Ausgang vers anlaſſen kann, iſt der Schmerz, welcher eine ſolche Erſchuͤt— terung des Nervenſyſtems zu Wege bringen kann, daß der Patient waͤhrend oder gleich nach der Operation, vor der Entzuͤndungsperiode, den Geiſt aufgiebt. Der Puls wird klein und zuſammengezogen, die Haut entfaͤrbt ſich und bes deckt ſich mit kaltem, klebrigem Schweiße, und wenn es nicht gelingt, die Citculation in dem Capillargefaͤßſyſteme neu zu beleben, ſo tritt ſchnell eine toͤdtliche Congeſtion nach dem Herzen, dem Gehirne oder der Lunge ein. Wenn die erſte der erwähnten Urſachen vermieden wor⸗ den iſt, ſo wirkt die zweite ſelten ſehr nachtheilig ein; allein wenn beide zuſammenkommen, iſt ein ungluͤcklicher Ausgang leider nur zu haͤufig zu erwarten. Die zweite Anzeige wird alſo ſeyn, daß man die Em— pfindlichkeit des Nervenſyſtems in dem Grade herabſtimmt, daß der Schmerz waͤhrend der Operation ertraͤglich wird. Mehrere Verſuche haben mir die Moͤglichkeit der Betaͤubung einer Extremitaͤt durch Druck auf die Hauptnervenſtaͤmme, die dieſelbe verſorgen, gelehrt; allein die Erfahrung hat mir auch gezeigt, daß man derſelben Anzeige ebenſowohl dadurch genügen koͤnne, daß man 2 bis 3 Tage hintereinander nar- cotica in ſtimulirenden Gaben verordnet. Salzſaures Mor: phin, 3, 4 bis 5 Centigramme in einem Tranke von 120 Grammen taͤglich, und zwar eßloͤffelweiſe zwiſchen den Mahl— zeiten und waͤhrend der Nacht genommen, haden ſich mir ſtets ausreichend bewaͤhrt, um die Empfindlichkeit des Nerven— ſyſtems in dem erforderlichen Grade herabzuſtimmen. Die dritte Urſache des Todes, und zwar die haͤufigſte, iſt das ſogenannte Wund- oder Eiterungsfieber; dieſe Kriſis hat bisher fuͤr ſo unvermeidlich und gefaͤhrlich gegolten, daß man jederzeit wartet, bis dieſelbe voruͤber iſt, ehe man uͤber den Ausgang der Operation ein Prognoſticon zu ſtel— len wagt. Die dritte Anzeige wird ſeyn, nicht die Bekaͤmpfung dieſer Entzuͤndung, denn wenn ſie ſich einmal entwickelt hat, ſo laͤßt ſie ſich weder in ihrem Verlaufe noch in ihren Folgen hemmen — ſondern die Vorbeugung derſelben, indem man die, Entwickelung der Hitze und des Schmerzes verhindert; denn fie find hauptſaͤchlich diejenigen Potenzen, welche dieſe Lebens thaͤtigkeit hervorrufen, die man mit Recht Entzuͤndung nennt. Die Hitze und den Schmerz hat man, indem ſie ſich zu entwickeln ſtreben, durch aͤußere Kaͤlte zu beſchwichtigen. Blaſen mit kaltem Waſſer, die man hinreichend oft wechſelt, thun in dieſer Beziehung die beſten Dienſte. Die vierte Urſache der Sterblichkeit iſt die Aufloͤſung der entzündet geweſenen Gewebe in Eiter, ſowie die fammts lichen daraus entſpringenden Stoͤrungen, z. B., die Abloͤ— ſung der Haut, die Entbloͤßung der Knochen, die Bildung von Eiterablagerungen, die Reſorption des Eiters ꝛc. 203 Wenn man den vorſtehenden Anzeigen entſpricht, fo hat man auch dieſe Urſache des Todes nicht zu fürchten, ins dem ſich nicht mehr Eiter bildet, als zur Vernarbung der verletzten Theile noͤthig iſt, die, ſo ausgedehnt ſie auch ſeyn moͤgen, in dem Zuſtande einer einfachen Wunde bleiben und ohne alle Entzuͤndung vernarben. Noch laſſen ſich der Einfluß einer ſtarken Anhaͤufung von Patienten, Sumpfluft, ſtockende Luft und dergleichen ſchaͤd⸗ liche Potenzen als Urſachen des toͤdtlichen Ausgangs von Operationen erwaͤhnen. Deſſault bemerkte haͤufig, daß ihm noch kein Fall vorgekommen, wo im Hötel Dieu ein Patient durch die Trepanation gerettet worden ſey. Ich hatte dieſen Winter im Buͤrgerſpitale zu Beſangon Gelegenheit, den nachtheiligen Einfluß dieſer Potenzen auf Operirte zu beobachten. Vier Hauptoperationen wurden dort von einem geſchickten Chi⸗ rurgen in Saͤlen ausgeführt, in denen ſich Patienten befan⸗ den, die an typhoͤſem Fieber und Diarrhoͤe litten. Alle vier ftarben nach dem dreißigſten Tage, während in dem Mili⸗ taͤrſpitale, das ſich in bedeutender Entfernung von den Fie⸗ berfälen befindet, drei ebenſo bedeutende Operationen einen ſehr gluͤcklichen Erfolg hatten. Wenn man den Verlauf der Heilung bei den, nach den bisher uͤblichen Methoden behandelten Operirten beobachtet, fo ſieht man ſtets vom 2. bis öten Tage ein lebensgefaͤhr⸗ liches Fieber, ferner ſtarke Eiterung eintreten; die Verbaͤnde nehmen viel Zeit in Anſpruch und veranlaſſen große Schmer⸗ zen, waͤhrend bei meinem Verfahren die Behandlung aͤußerſt leicht, einfach und verhaͤltnißmaͤßig kurz iſt. (Comptes rendus des seances de Ac. d. Sc., T. XX, No. 6, Fevr. 1845.) Vergiftung durch eſſigſaures Morphium. Ein 24jaͤhriger Mann, Commis bei einem Pharmas ceuten zu Marſeille, beſchloß, ſich um's Leben zu bringen und verſchluckte am 14. Juli 1844 um Mittag 55 Gran eſſigſauren Morphin's, das in 1 Unze Waſſer und ebenſoviel Gummiſyrup aufgeloͤſ't war. Einige Minuten darauf zwingt der Pharmaceut den Commis, 2 Gran Brechweinſtein und bald nachher 2 Eßl. Dlivenöl zu nehmen, ohne daß Erbre— chen erfolgt. Eine Stunde nachdem der junge Mann Gift genommen, geht derſelbe, da er ſich nur ein Wenig ſchwinde⸗ lig fuͤhlte, mit einem Bekannten aus und trinkt Bier. Zwei Stunden nach dem Verſchlucken des eſſigſauren Morphins ſtellen ſich Gefuͤhlloſigkeit der Extremitaͤten und Neigung zum Schlafe ein. Der Kranke wird in's Buͤrgerhoſpital ge⸗ bracht, und dort erhaͤlt er einen Trank mit Brechweinſtein und Ipecacuanha; man kitzelt ihm die Rachenhoͤhle mit ei⸗ ner Federfahne, aber es erfolgt kein Erbrechen. 33 Uhr. Violete Färbung des Geſichts; Augen inji⸗ cirt; Extremitaͤten kalt und livid; ſtarke Schlaftrunkenheit; Laͤhmung der Aufhebemuskeln der Augenlider; ſchmerzhaftes Jucken in den Lippen, der Stirn und Naſe. Man entzieht dem Patienten ein Pfund Blut, worauf der Geiſt deſſelben wieder etwas thaͤtiger zu werden ſcheint, der Puls wird voll, 739. XXXI V. 13. 204 hart und ſelten. Ammoniacalifch- Einreibungen auf den Uns terleib; Moxen an die Unterſchenkel. 3 Uhr. Geſichtszuͤge entſtellt; die matten Augen wer⸗ den convulſiviſch nach Oben und Außen gezogen; Haut am ganzen Koͤrper kalt. Ein mit Jodur verſetzter Trank wird auf zweimal gereicht. Gleich nach der zweiten Gabe erfolgt Erbrechen. Da der Zuſtand der Betaͤubung und Schlaftrun⸗ kenheit anhielt, ſo ließ man den Kranken alle 5 Minuten concentrirte Aufguͤſſe auf Kaffee nehmen, auf welche jedesmal Erbrechen erfolgte. 4 Uhr. Zweiter Aderlaß von 1 Pfd. Blut, in Folge deſſen das coma theilweiſe verſchwindet, obwohl es nach ei⸗ ner halben Stunde in vielleicht noch größerer Staͤrke wies derkehrt. 5 Uhr. Dritter Aderlaß; mit dem ſtarken Kaffee wird fortgefahren; Senfpflaſter auf die Schultern. Abends er⸗ kennt der Patient die Perſonen, die ihn anreden, ſpricht ei⸗ nige Worte und kann mit Erfolg der Neigung zum Schlafe widerſtehen. Am ſolgenden Tage um 8 Uhr Morgens befindet er ſich ziemlich wohl und klagt nur noch uͤber Schwere im Kopfe und Schwindel. Ein Krankenwaͤrter hatte ihn die ganze Nacht munter erhalten und ihn beſtaͤndig Kaffee trinken laſ⸗ ſen muͤſſen. Am 17. Juli wurde der Patient voͤllig geheilt entlaſſen. Hr. Bonjean von Chambery, dem man die Mitthei⸗ lung dieſes intereſſanten Falles verdankt, iſt der Meinung, daß, wenn der Kranke der gewaltigen Doſis von dem Gifte, die er genommen, nicht erlag, dieß einestheils daher geruͤhrt habe, daß das Salz in der geringen Quantitaͤt Waſſer, mit der es vermiſcht worden, ſich nicht voͤllig aufloͤſen koͤnnen, und daß das von ihm ſpaͤter genommene Olivenoͤl deſſen Aufſaugung in den Organismus ebenfalls großentheils ver- hindert habe. Das Erbrechen wurde hauptſaͤchlich durch den Jodurtrank bewirkt, und die aufregende Wirkung des Kaffee's neutraliſirte die Wirkung des abſorbirten Theils des Giftes. Hr. Bonjean iſt der Anſicht, daß in dieſem Falle ein De⸗ coct von Gallaͤpfeln oder eine Aufloͤſung von Tannin das Gegengift ſey, welches man zuerſt zu verordnen habe. (Ga- zette des Höpitaux, 27. Mars, 1845.) Ueber Porrigo decalvans und Herpes tonsurans Von Cazenave. Porrigo decalvans (von Bateman richtig beſchrieben und gezeichnet) beſteht in mehr oder weniger kreisrunden Flecken auf verſchiedenen Stellen der behaarten Haut, an welchen die vollkom⸗ men kahle Haut eine gleichfoͤrmige, glänzende, milchweiße Oberflache bildet. Ohne vorangehende Hitze, ohne begleitendes Jucken fallen die Haare an einer Stelle der behaarten Haut nach und nach aus, und man findet an ihrer Wurzel eine entfaͤrbte, weiße Oberflaͤche, welche, ohne ganz beſtimmte umgraͤnzung, in die übrige Haut uͤber⸗ geht. Später graͤnzt ſich die kranke Stelle mehr und mehr an ih ⸗ rer Peripherie ab, der Kreis vergroͤßert ſich, und nach einiger Zeit beobachtet man eine ziemlich unregelmaͤßig kreisrunde, voͤllig kahle Hautſtelle, welche ſich durch Weiße und Glanz auszeichnet. An der Graͤnze dieſer Stellel ſtehen die Haare ebenſo voll und dicht, wie anderwaͤrts. Zuweilen bilden ſich mehre ſolcher Stellen nahe bei einander und fließen zuletzt in einander über. Das Uebel kommt auf allen Stellen der behaarten Oberhaut vor, am Haͤufigſten jedoch 205 an dem Hinterkopfe, Hinter den Ohren, an den Schläfen, felten am Vorderkopfe. [Die Dauer deſſelben iſt ſehr lang und ſtets von mehren Monaten; zuweilen, jedoch ſelten, tritt eine ſpontane Hei⸗ lung ein. Wenn das Uebel bei einer zweckmaͤßigen Behandlung vers ſchwindet, ſo verlieren die Flecken nach und nach ihre mattweiße Farbe, nehmen eine lebhaftere Faͤrbung an und werden roth, die ganze Oberflaͤche bedeckt ſich mit einem zarten Flaumhaar, wel⸗ ches allmälig ſtaͤrker, baͤrter und anfangs weiß, ſpaͤter graulich wird; nach einiger Zeit iſt die Stelle voͤllig mit Haaren bedeckt, wie der uͤbrige Kopf und bietet keinen Unterſchied mehr dar. Un⸗ ter gewiſſen Umftänden jedoch, welche beſonders vom Alter des In⸗ dividuums abhaͤngig ſind, erſcheinen die neuen Haare weder ſo zahl⸗ reich noch fo dicht, wie die anderen. Das Uebel kommt in jedem Lebensalter vor, am Seltenſten jedoch bei Kindern, am Haͤufigſten zwiſchen 20 und 30 Jahren. Es kommt weit haͤufiger bei Frauen, als bei Männern, vor; die von demſelben befallenen Individuen has ben faſt in'sgeſammt eine lymphatiſche Conſtitution. — Das Por- rigo decalvans iſt nicht anſteckend und an ſich ein Uebel von ges ringer Bedeutung. Es unterſcheidet ſich weſentlich von der Alope- cia in Folge eines Favus: hier iſt die Haut nicht nur entfaͤrbt, ſondern auch verduͤnnt, es iſt eine wirkliche Narbe vorhanden, es dildet ſich kein Flaumhaar, es ſind keine Spuren von Haaren mehr nach Außen vorhanden, und unter dem Narbengewebe kann man zuweilen das Haar und ſeine Wurzel antreffen; zuweilen bleiben ſelbſt auf den von Favus afficirt geweſenen Stellen noch einige Haare ſtehen. — Die Behandlung beſteht in der Belebung und Erregung der kranken Hautſtellen: Ich laſſe gewoͤhnlich Abends ein Wenig von folgender Salbe einreiben. B Medullae bovis ppt. grammes XXX, Tinct. aromat. codicis gr. IV, und Morgens und Abends die Stellen mit Salzwaſſer vor Application der Salbe wa⸗ ſchen. Schwefelthermen haben ſich in mehren Stellen wirkſam gezeigt. ; Ganz verſchieden von der eben befchriebenen Krankheit ift der Herpes tonsurans (ringworm Angl., teigne tondante Mahon). Derſelbe characteriſirt ſich durch meiſt wohl abgerundete Stellen der behaarten Oberhaut, an welchen die ungleiche, trockene, von ſicht⸗ und fuͤhlbaren Rauhigkeiten durchzogene Haut von Haaren bedeckt iſt, welche, gleichmaͤßig 3—4 Millim. oberhalb der epidermis abgeſtutzt, eine wahre Tonſur bilden. Dieſelbe iſt oft iſolirt, mehr oder weniger ausgebreitet, aber immer ziemlich regelmaͤßig kreis⸗ rund; in einigen Faͤllen finden ſich mehre iſolirt entwickelte Schei— ben, welche zuletzt in eine große, unregelmaͤßige Flaͤche zuſammen⸗ laufen, was jedoch der ſeltenſte Fall iſt. Das Uebel beginnt mit einer ſehr kleinen Stelle, welche der Mittelpunct eines ſich vergroͤ— ßernden Kreiſes wird, indem ſie ſich an der Peripherie entwickelt. Die Haare brechen zuerſt, und erſt fpäter bemerkt man den ſchuppi⸗ gen Zuſtand des Fleckens; in Ausnahmsfaͤllen ſteigt die kleine Schuppe am Haare aufwaͤrts und bildet eine Art von Gehaͤuſe um daſſelbe. Der Herpes tonsurans iſt weder von Hitze noch von Rös the oder Feuchtigkeit begleitet, ſelten iſt Jucken dabei. Sehr häufig findet man kleine Stellen von Herpes circinnatus in der Nähe, an der Stirn, auf den Wangen bis zum Halſe. Die Affection findet ſich nur in der zweiten Kindheit, kommt gleich häufig bei beiden Ges ſchlechtern und an allen Stellen der behaarten Oberhaut, am Häus figften jedoch an der hintern Partie des Scheitelbeins vor. Das Uebel iſt augenſcheinlich contagids, Leicht iſt die Diagnoſe deſſelben von Favus, ſowohl in Bezug auf die Form durch das Fehlen der fo characteriſtiſchen Puſteln und Kruſten des Favus, als auch durch das Fortbeſtehen der Haare und die conſtante Integri⸗ tät der Haarwurzeln. Bei'm Porrigo decalvans iſt die Haut ent⸗ färbt, milchweiß, die Oberfläche glatt, glänzend und vollkommen kahl; beim Herpes bewahrt die Haut ihre natürliche Farbe unter einer Decke von mehr oder weniger graulichen Schuppen; die Obers fläche iſt ungleich, hoͤckrig und rauh, die Haare fehlen nicht, ſon⸗ dern find nur kuͤrzer. Endlich iſt der herpes tonsurans contagiög, Porrigo decalvans dagegen nicht. Die Prognoſe des Herpes ton- surans iſt ſtets gut und er heilt immer, nur iſt ſeine Dauer ſtets ſehr lang, ſelten weniger, als 5—6 Monate, zuweilen geht ſelbſt ein Jahr bis zur völligen Heilung hin. Was die Behandlung betrifft, fo habe ich eine Menge der verſchiedenſten Mittel in Anwendung gezogen. 739. XXXIV. 13. 206 Zu reizende Applicationen, zu kraͤftige Salben, Aetzmittel, Blaſen⸗ pflaſter zeigten ſich ſtets nachtheilig. Nuͤtzlich zeigten ſich oft Sal⸗ ben von Calomel, Kali carbonicum, Schwefelborat, rothem Queck⸗ ſilberoryd, in dem Verhaͤltniſſe von 1 Gramme zu 20 — 30 Gram⸗ men Fett; Waſchungen mit einem Aufguſſe der rothen Roſen, einer Abkochung der Alantwurzel, mit Seifenwaſſer, einer Aufloͤſung des Schwefelſubborats, des unterkohlenſauren Kali in dem Verhaͤlt⸗ niſſe von 2—3 Grammen zu 500 Grammen deſtillirten Waſſers. In mehren Faͤllen waren die Einreibungen mit folgender Salbe wirkſam: B Ung. citrin . . Picis liquidae . 2 —— . M. Am Meiften leiſtete aber folgende Behandlung: Abends vor Schlafengehen Einreibungen mit einer Salbe: B Tannini puri gr. 1, Axung. porc. gr. XXX, Ag. comm. d. 8. auf die kranken Stellen; am naͤchſten Morgen Waſchungen derſelben Stelle mit ei- ner der oben erwähnten alkaliſchen Waͤſſer und endlich 2 — 3 Mal woͤchentlich ein alkaliſches Bad, wobei der Kopf mit dem Badewaſ— fer gewaſchen wird. Zuweilen, aber ſelten, wandte er ſtatt des Bas des eine leichte Douche von Waſſerdunſt an. Dabei innerlich dem Zuſtande des Kranken angemeſſene Mittel, welche meiſt aus der Claſſe der amara zu entnehmen ſind. Es ſcheint ſchließlich noch kaum noͤthig, zu bemerken, daß die kranken Kinder vollſtaͤndig zu ifoliren find, und wenigſtens jeder unmittelbare Contact mit ande⸗ ren vermieden werden muß. (Cazenave: Annales des malad. de la peau etc. Sept. 1843.) Ueber die mediciniſche Wirkung des Waſſers von verſchiedenen Temperaturen. Von Dr. Wilkinſon zu Bath. Aus der Geſchichte lernen wir, daß ſchon unter den aͤlteſten Zeiten das Bad fuͤr der Geſundheit ſo zutraͤglich galt, daß es bei mehren Voͤlkern durch die Geſetze vorgeſchrieben oder zu den wich⸗ tigſten religiöfen Gebräuchen gezählt ward, indem es die koͤrperliche Reinheit, als Symbol der geiſtigen, bewirkte. Wahrſcheinlich kam dieſe Sitte zuerſt in warmen Rändern auf, und die heilſamen Wir: kungen derſelben wurden dann durch Geſetze dem ganzen Volke ge⸗ ſichert. Nicht nur das Moſaiſche Geſetz ſchreibt ſolche Abwaſchun⸗ gen vor, ſondern ſelbſt die fruͤheſten Chriſten pflegten ſich, bevor ſie das heilige Abendmahl genoſſen, zu baden. Im geſunden Zuſtande hat jeder Theil des thieriſchen Organis⸗ mus eine gewiſſe Capacitaͤt für den Waͤrmeſtoff und die Electricie tät, und bei jeder localen oder allgemeinen Abweichung von dieſem Normalzuſtande findet auch eine Veränderung in Betreff dieſer kraͤf⸗ tigen Agentien ſtatt; in den Faͤllen, wo der Waͤrmeſtoff durch Krank⸗ heit frei wird, bei partiellen oder allgemeinen Strömungen deſſel⸗ ben, bedient ſich der Arzt in einer durchaus rationellen Weiſe er kaͤltender Mittel, um die erforderliche weſentliche Veraͤnderung zu bewirken. Dieß findet, z. B., bei gewiſſen krankhaften Zuftänden in der Subſtanz des Mittelpunctes des Bewegungsapparates des Koͤr⸗ pers ſtatt, wenn eine gluͤhende Hitze und eine ſchnelle Stroͤmung des Blutes nach dem Kopfe zu auf eine krankhafte Veraͤnderung des Gehirns hindeuten, und die Erfahrung lehrt, daß, wenn dieſer Zu⸗ ſtand eine Zeit lang anhält, alle Bewegungen des Körpers aufhös ren. Jedem practiſchen Arzte iſt bekannt, daß, wenn man in ſol⸗ chen extremen Faͤllen den Kopf mit Eis belegt, die Temperatur ſich bald erniedrigt, und man hat das Eis nicht eher zu beſeitigen, als bis durch das Entziehen von freiem Wärmejtoffe die natürliche Tem⸗ peratur des Koͤrpers wiederhergeſtellt iſt. Ich werde die maͤchtige Wirkung, welche jene thaͤtigen Impon⸗ derabilien, Woͤrmeſtoff und Electricität, bei den verſchiedenen Func⸗ tionen des thieriſchen Organismus aͤußern, ſpaͤter naͤher darzulegen ſu⸗ chen und mich hier zunaͤchſt auf die Betrachtung der verhältnigmäßigen Menge des in Eis und Waſſer enthaltenen Waͤrmeſtoffs beſchraͤnken. Man hat ermittelt, daß wenn ein gewiſſer Gewichtstheil Eis von 325 F. oder OR. Temperatur mit einem gleichen Gewichtstheil Waſſer von +172°8.(4622°R.)vermifcht wird, das Eis ſchmilzt und die Geſammt⸗ maſſe des Waſſers zu + 329 F. temperirt wird, fo daß das Waſ⸗ fer 140° F (625° R.) verliert und das Eis während feiner Ver⸗ grammata XX, X 207 wandlung in Waſſer dieſe Wärme abſorbirt. Daſſelbe Princip gilt von dem menſchlichen Koͤrper, wenn irgend eine Structur deſſelben veraͤndert wird Der Waͤrmeſtoff iſt dann entweder im Ueberſchuß oder mangelhaft vorhanden, und die Ausgleichung dieſes Mißver— haͤltniſſes ſollte der erſte Zweck der ärztlichen Behandlung ſeyn. Je— dermann, der früh Morgens bei'm Aufſtehen an ein kaltes Bad ges woͤhnt iſt, kennt deſſen treffliche Wirkung. Das Oberhaͤutchen des Körpers wird dadurch in Ordnung gehalten, und alle Unregelmaͤßig⸗ keiten in Betreff der Temperatur werden corrigirt. Zum Baden oder Abſpuͤlen bedient man ſich eines paſſenden Apparats von Blech oder Zink, der 4—6 Fuß Durchmeſſer und 2 F. Tiefe hat. Man ſtellt ſich mitten in dieß flache Kuͤbel und waͤſcht ſich den ganzen Koͤrper, den man ſpaͤter gehoͤrig abtrocknet, mit einem Schwamme. Je groͤber das Handtuch iſt, deſſen man ſich bedient, deſto beſſer iſt es. Iſt das Wetter ſehr kalt, ſo mag man die Temperatur des Waſſers ein Wenig erhoͤhen; allein je kaͤlter das letztere iſt, deſto kraͤftiger wird die Reaction ſeyn. Ein ſolcher Badeapparat läßt ſich bequem im Schlafzimmer aufſtellen, und wenn man ſich deſſen jedesmal gleich nach dem Aufſtehen bedient, wird man ſich ſehr wohl dabei befinden. Wenn bei geſchwaͤchten Conſtitutionen die Douche zu kraͤftig wirkt, laſſen ſich ſolche Abwaſchungen ſehr paſſend an deren Stelle ſetzen, indem man alle beſonders leidenden Theile ges linde abreibt. Nach dem Ankleiden thut man wohl, ein halbes Nö: ſel kaltes Waſſer zu trinken und, wenn das Wetter es erlaubt, vor dem Fruͤhſtuͤck einen tuͤchtigen Spatziergang zu machen. Auf dieſe Weiſe wird die durch übermäßige Ausdünſtung veranlaßte Schlaff⸗ heit ſehr wirkſam beſeitigt. In den Tropenländern haben die Aerzte von jeher gegen Fie⸗ berkrankheiten Begießungen mit kaltem Waſſer Morgens und Abends verordnet, zumal bei typhoͤſen Fiebern, und überhaupt, wenn dabei eine Verminderung der Nerventhaͤtigkeit ſtattfindet. Dr. Currie zu Liverpool hat dieſe Begießungen in dergleichen Krankheiten mit ausgezeichnetem Erfolge angewandt. Er ließ dem Patienten 2—3 Quart Waſſer uͤber den Kopf und Rumpf gießen; und wandte dieß Mittel zumal bei dem contagioͤſen Faulſieber (low fever) zu Anfang des Stadiums der groͤßten Hitze an. Dagegen empfahl er, das Waſſer während der Froſtperiode, ſelbſt wenn das Thermos meter einen ſehr hohen Temperaturgrad anzeigte, fo wenig anzu⸗ wenden, als bei Fieber, welches von oͤrtlicher Entzuͤndung herruͤhrt oder von ſolcher begleitet iſt. Es iſt hoͤchlich zu bedauern, daß wegen der Unbequemlichkeit dieſes trefflichen Mittels, oder weil man glaubt, es greife den Patienten zu ſehr an, daſſelbe ſo ſelten zur Anwendung kommt. In Faͤllen, wo die Haut heiß und trocken iſt, oder der Puls in der Minute mehr als 120 Schlaͤge thut, und die Zunge trocken und mißfarbig iſt, thut die kalte Begießung dem Gefühl aͤußerſt wohl. Die Hitze des Körpers wird raſch vers mindert, die reizende Trockenheit der Haut beſeitigt und der Puls auf dasjenige Maaß zuruͤckgefuͤhrt, welches einen ruhigen Schlaf und eine gelinde Ausduͤnſtung geſtattet. Wenn der Puls mehr als 120 Schläge in der Minute thut, läßt ſich im Allgemeinen ſchließen, daß feine Häufigkeit von conſtitutionaler Schwäche her: rühre, indem das Herz den Mangel an Kraft der Schläge durch 739. XXXIV. 13. 208 deren Geſchwindigkeit zu compenfiren ſucht. Als dieſe Art von Fieber im Findelhauſe herrſchte, wandte Dr. Stranger ſchon vor mehr als 40 Jahren dieſe Behandlung durch Äußere Kälte mit dem groͤßten Erfolge an. * In Betreff der Wirkung des kalten Waſſers bei verſchiedenen neuralgiſchen Leiden ſind die Meinungen abweichend. Dr. Wat⸗ ſon fuͤhrt an, ein an Tetanus leidender Patient ſey im St. Tho⸗ mas⸗Hospitale, auf ſein eignes Verlangen, in ein kaltes Bad ge⸗ bracht worden und auf der Stelle geſtorben. Sir James Macs grigor bemerkt, daß während des ſpaniſchen Kriegs warme Bär der nur ganz voruͤbergehende Erleichterung bewirkt haͤtten, und daß das kalte Bad eher ſchaͤdlich, als nuͤtzlich gewirkt habez allein Dr. A id meinte, daß er, wenn er ſelbſt von Tetanus be⸗ fallen würde, ſich augenblicklich kalte Begießungen verordnen würde, (London medical Gazette, March 1845.) Miscellen. Ueber die Abſchabung der Hornhaut, als letztes Mit⸗ tel gegen die Verdunkelung dieſer Membran, bat Malgaigne der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 25. April eine Mittheilung gemacht, nachdem er ſchon vor mehr als 2 Jahren dieſe Operation in Vorſchlag gebracht hatte, was damals viele Bedenklichkeiten er⸗ regte. Jetzt ſtellte er der Academie ein junges Maͤdchen vor, das am 20. Maͤrz 1843 operirt worden war. Es war ſeit mehrern Jahren auf der Hornhaut des rechten Auges mit einem großen dun⸗ keln Flecken behaftet geweſen, welchen Hr. Malg aſig ne beſeitigte, indem er die Hornhaut tiefer, als bis zur halben Stärke, wegpraͤ⸗ parirte. Funfzig Tage nach der Operation verließ die Patientin das Hospital, da ſie mit dem krankgeweſenen Auge die kleine Schrift der Hospitalregiſter leſen konnte und die Hornhaut alſo faſt voll⸗ kommen durchſichtig war. Vier Monate ſpaͤter kam ſie wieder, da ſie die Augen bei ihrer Beſchaͤftigung als Naͤherin ſtark angeſtrengt hatte und die Undurchſichtigkeit der Hornhaut zuruͤckgekehrt war. Man bemerkte an der Hornhaut noch immer die von dem Subſtanz verluſte herruͤhrende runde Vertiefung. Aufloͤſende oͤrtliche Mittel ſtellten die Durchſichtigkeit wieder her, welche ſeitdem nicht wieder getruͤbt iſt. Gegenwaͤrtig arbeitet dieſes Mädchen vom Morgen bis zum Abend bei einer Naͤherin, ohne daß ſeine Augen ermuͤden. Die mit dem Biſtouri bewirkte Vertiefung und ein geringer Hoͤcker auf der iris, welcher dadurch entſtanden war, daß die Hornhaut bei der Operation aus Verſehen durchſtochen wurde, find völlig verſchwun⸗ den. Hr. Malgaig ne wirft die Frage auf, ob hier eine wirk⸗ liche Regeneration der Hornhaut ſtattgefunden habe, und iſt geneigt, dieſe Frage bejahend zu beantworten. Ein neues Inſtrument zur Zertruͤmmerung von Blaſenſteinen hat Herr Cornay erfunden und unter dem Na⸗ men Multitritor empfohlen. Die Einrichtung ſcheint complicirt und ich bin nicht im Stande, ſie mir nach der in der Gazette des H pitaux gegebenen Beſchreibung deutlich zu machen. Bibliographische Neuigkeiten. Memoires sur la famille des fougeres, Par M. Fee, 1. Mem. Examen des bases adoptées dans la classification des fouge- res et en particulier de la nervation. Strasbourg 1845; in Folio, Vestiges of theN atural History of the Creation etc., its Argu- ments examined and exposed. By S. R. Bosanguet, Esg. 2. edit. 1845. Encyclopédie du Dentiste ou a général de toutes les connaissances médico-chirurgicales sur l’anatomie et la patho- logie des dents etc., précédé de l' Histoire du Dentiste chez les anciens etc. Par William Rogers. Paris 1845. 8. Mit . Traite d’hygiene vétérinaire appliquse. Etudes des régles d’apres lesquelles il faut diriger le choix, le perfectionnement, la multiplication, l’elevage, l’education du cheval, de l’äne etc. Par I. H. Magne. 2 Vols. Lyon 1845. 8. — uL¼. —— —— ü—P Neue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Medicinalrathe Fror jep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror iep zu Berlin. N 0: 740. (Nr. 14. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 f 30 , des einzelnen Stuͤckes 3 87, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 97 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 875 oer Ueber die phyſiologiſchen Erſcheinungen, welche ſich beobachten laſſen, wenn man ſich auf den Alpen bis zu einer gewiſſen Hoͤhe erhebt. Von Herrn A. Le Pileur. Wenn man ſich auf Gebirgen binnen wenigen Stun— den uͤber ein gewiſſes Niveau hinaus erhebt, ſo tritt in dem menſchlichen Organismus eine Reihe von Erſcheinungen auf, die zuſammengenommen von Acoſta in deſſen Historia natural de las Indias mit dem Namen: Bergkrank— heit bezeichnet worden ſind. De Sauſſure und nach ihm viele Forſcher, welche die Alpen bereiſt haben; die Herren v. Humboldt, Bouſ— ſingault, Roulin, d'Orbigny, welche die Anden Süd: americas beſuchten; Moorcroft, Fraſer, V. Jacque— mont, die das Himalaya-Gebirge erſtiegen, endlich die Her— ren Biot und Gay-Luſſac, welche Luftreiſen anſtellten, haben dieſe Erſcheinungen bei verſchiedenen Hoͤhen wahrge— nommen. Das mehr oder weniger geſchwinde Auftreten und die Heftigkeit der Symptome haben ihren Grund in Idioſyn— craſien, ſo wie mehrern andern beſtimmenden Umſtaͤnden. Die Erſcheinungen. welche von den Reiſenden am All: gemeinſten wahrgenommen worden ſind, ſind die Beſchleu— nigung des Pulſes, das ſchnelle Athemholen, Mattigkeit in den untern Extremitaͤten, welche ſchnell nachlaͤßt, ſobald man zu ſteigen aufhoͤrt, die Nothwendigkeit oft Halt zu machen und zwar mit um ſo kuͤrzern Zwiſchenzeiten, je hoͤher man bereits geſtiegen iſt, ferner, je nach den individuellen Praͤdis— poſitionen, die Verminderung oder das gaͤnzliche Verſchwin— den der Eßluſt, Uebligkeiten, Erbrechen, mit einem Worte ähnlihe Symptome, wie bei der Seekrankheit. La Condamine und v. Humboldt beobachteten, daß bei ihnen und ihren Reiſegefaͤhrten das Zahnfleiſch zu bluten begann. Ein einziger Reiſende, Herr D'Oerbigeny, berichtet, daß er von heftigem Naſenbluten befallen worden ſey, das allerdings freiwillig und in Folge von Blutandrang No. 1840.—740 Bit n d e. nach dem Kopfe, jedoch erſt am Abende eines Tages, an dem er ziemlich hoch geſtiegen war, und erſt dann eintrat, als er wieder um mehrere hundert Meter herabgeſtiegen. Folgendes find die phyſiologiſchen Erſcheinungen, welche der Verfaſſer der Abhandlung an ſich ſelbſt, ſeinen Reiſege— faͤhrten und Fuͤhrern, bei Gelegenheit der von ihm, in Ge— ſellſchaft der Herren Bravais und Martins unternom— menen Beſteigung des Montblanc, beobachtet hat. Die ſich ſpeciell auf eine oder mehrere Perſonen beziehenden Um— ftände find durch in Parentheſe ſtehende Anfangsbuchſtaben bezeichnet. Bei 3046 Meter, den 30. Juli 1844. Waͤhrend der erſten Stunde nach der Ankunft, Mattigkeit, Schwindel, wenn man ſtehend den Kopf erhebt (L), Appetit faſt erlo— ſchen, Ekel gegen Fleiſch (Ms und L). Am folgenden Tage Zuſtand normal, doch noch wenig entwickelter Appetit. Auf den beiden anderen Reiſen war der Zuſtand normal ge— weſen. Bei 3200 Meter den 28. Auguſt. Ein Gepaͤcktraͤger wird von Uebligkeit befallen, verliert alle Kraft und iſt zum Umkehren genoͤthigt. Bei 3700 Meter, den 31. Juli. Wenn man ges gen den Wind geht, Erſtickungszufaͤlle und Gefühl von Ekel L.). ; Bis 3800 M. Der Schlummer übermannt ihn im Gehen, Durſt brennend (B.). Bei 3911 M. Gebieteriſches Beduͤrfniß des Schla— fes, nachdem man ſich unter dem Zelte eingerichtet. Abends und waͤhrend der Nacht heftige kurze Froſtſchauder (MS.), periodiſche dergleichen (L.); Appetitloſigkeit und haͤufiges Beduͤrfniß zu Stuhle zu gehen, ohne Diarthoͤe und Kolik (MS.). Den 8. Auguſt Kolik und Diarrhoͤe bei einem der Traͤger; leichtes Blutharnen bei der Ruͤckkehr nach Chamo— nir (Ms.) Den 28. Auguſt, Mattigkeit, Niedergeſchlagen— heit, Schlaͤfrigkeit, Ekel bei zwei Traͤgern im Augenblicke der Ankunft und waͤhrend der folgenden 8 — 4 Stunden; Anwandlungen von Ohnmacht bei einem dritten, der ſich je— doch ſchnell erholt. Gefühl von Ekel, das 1 — 2 Se: 14 211 cunden dauert, wenn man ſeine Aufmerkſamkeit ſtreng auf Beobachtung der Inſtrumente heftete (Ms. L.). Bei 4400 M., 29. Auguſt. Keichen, Klopfen in den Carotiden (Ms.) wenn man 10 — 12 Schritte gemacht; ſchmerzhafte Mattigkeit in dem m. rectus anterior des Schenkels (Ms. B.); im Unterſchenkel und Kniee (L.); Unfähigkeit mehr als 100 Schritte hintereinander zu ma⸗ chen, waͤhrend die letzten 20 die groͤßte Anſtrengung erfordern (Ms. B. L. und mehrere Traͤger). Bei 3500 M. Allgemeine Unbehaglichkeit, Erſchoͤpfung, Durſt, einiges Klopfen in den Carotiden (L) Staͤrkeres (als ; fortwährendes Klopfen in den Carotiden, Herzklopfen S.). Bei 4660 M. Das Uebelbefinden nimmt zu, und die ganze Geſellſchaft iſt von demſelben ergriffen. Bei 4790 M. Dieſelbe Wirkung wird durch den Wind erzeugt, wie bei 3700 M. (L.); Unfaͤhigkeit bei'm Klettern mehr als 40 Schritte (B. und L.). bei'm ſchnel— len Klettern in der Richtung der ſtaͤrkſten Boͤſchung, mehr als 32 Schritte hintereinander zu thun (B.). Das Uebel: befinden hört, nachdem man 2 — 8 Stunden ſtille geſtan⸗ den und ein Paar tiefe Athemzuͤge gethan, vollſtaͤndig auf. Bis zum Gipfel iſt das Uebelbefinden beſtaͤndig im Zuneh⸗ men (Ms.). Waͤhrend der 20 letzten Meter hoͤrt es faft gaͤnzlich auf (L.). Bei 4811 M. Vollkommnes Wohlbefinden, durchaus keine Unbehaglichkeit, ſehr wenig oder kein Appetit, ohne Ekel (P. und L.). Während der erſten Stunde nach der Ankunft, ein der Seekrankheit ähnlicher Zuſtand, Ekel, Er: brechen, auf der hoͤchſten Station Uebelbefinden, das ſich bei'm Niederlegen mindert; waͤhrend der zweiten Stunde des Aufenthaltes Beſſerung; waͤhrend der drei letzten Stunden faft normaler Zuſtand (Ms.). Bei 4100 M. Heftiges Herzklopfen, welches Erſtik— kungsanfaͤlle veranlaßt; Nothwendigkeit einige Minuten lang anzuhalten (Ms.). Bei 4000 M. Mattigkeit in den Unterſchenkeln, et— was Uebelbefinden (B. und L. und einer der Fuͤhrer). Bei 4911 (39112) ) — In der Nacht, vier Stun- den lang heftiges Huͤftweh (L.). Im Laufe des folgenden Tages ſtellt ſich der Appetit wieder ein. Auf der Station von 4911 (39112) M. ) Höhe uud darüber war derſelbe bei Allen ohne Ausnahme nur ſchwach entwickelt. Harn ſpaͤrlich und roth gefaͤrbt; waͤhrend der ganzen Dauer des Aufenthaltes auf den Gletſchern Verſtopfung, ausgenommen bei Hr. Martins. Schnelles Verſchwinden des Anfangs eintretenden Schnu⸗ pfens und Catarrhs (Bronchitis) (Ms. B. L.). Das Verhaͤltniß der Beſchleunigung des Pulſes, die Geſchwindigkeit des Pulſes auf dem Gipfel — 1 geſetzt, zwiſchen Paris und dem Gifel (deſſen Hoͤhe 4811 M. be— traͤgt) wurde zu 0,75; das zwiſchen Chamonix und dem Gipfel zu 0,68 gefunden. Aus den Beobachtungen ergiebt ) Da der Gipfel des Montblanc nur 4811 M. hoch iſt, ſo muͤſ⸗ ſen dieſe Zahlen fehlerhaft ſeyn. D. ueberſ. 740. XXXIV. 14. waͤhnten Erſcheinungen zu ſeyn. 212 ſich, daß die Beſchleunigung des Pulſes waͤhrend des Hoͤher⸗ ſteigens nicht im Verhaͤltniſſe der Verminderung des atmo⸗ ſphaͤriſchen Druckes ſtattfindet. Dieſes Reſultat ſtimmt mit den im Jahre 1826 von Dr. Roulin bekannt gemachten Beobachtungen uͤberein. Die Muskelbewegung ſcheint gewiſſermaaßen die we⸗ ſentliche Bedingung der Entwickelung einiger der eben er⸗ Wenn man, in der That, die Berge zu Pferde beſteigt oder ſich im Luftballon erhebt (wie die Herren Biot und Gay-Luſſac) ſo bemerkt man nur eine geringe Beſchleunigung der Reſpiration und des Pulſes, ſelbſt in einer Höhe von 6997 M. (Gay-Luſſach, d. h., bei einer weit bedeutendern Hoͤhe, als die, welche man je auf Bergen erreicht hat. Auf der anderen Seite ruͤhren der Ckel vor Speiſen, die Uebligkeiten und überhaupt die der Seekrankheit aͤhn— lichen Symptome hauptſaͤchlich von der Verdünnung der Luft und der ber bei einem geringeren Drucke von Außen ſtatt⸗ findenden Ausdehnung der in den Daͤrmen enthaltenen Gaſe her, Man hat behauptet, die Bergkrankheit trete im Allge⸗ meinen erſt an der Grenze des ewigen Schnees ein, bei welcher abſoluten Hoͤhe dieſelbe ſich auch befinden moͤge. Dieſe Regel gilt lediglich fuͤr die innerhalb des 55 oder 60 Breitegrades liegenden Gegenden und erleidet zahlreiche Aus: nahmen. Sie laͤßt ſich jedoch im Allgemeinen als richtig annehmen, da fie mit den meiſten Beſchreibungen von Reiz fon auf die Anden, Alpen und das Himalaya-Gebirge uͤber⸗ einſtimmt. Auch ſcheint uns die durch fie feſtgeſtellte That— ſache gar nicht ſchwer zu erklaͤren, wenn man bedenkt, daß man in gleicher Hoͤhe mit der Grenze des ewigen Schnees die der Vegetation und folglich die des Wohngebietes des Menſchen findet. Es gehoͤrt einige Zeit dazu, um aus den niederen Gegenden in die hoͤchſten bewohnten zu gelangen, und in dieſen haͤlt man ſich jederzeit ein Wenig auf, bevor man ſich auf die oͤden Hoͤhen begiebt. So hat man Zeit, ſich allmaͤlig an die duͤnnere Luft der hoͤchſten bewohnten Orte zu gewoͤhnen. Wenn man aber von dieſen aus binnen wes nigen Stunden 1200 bis 1500 M. hoͤher ſteigt, ſo findet ein ſchroffer Wechſel in den Umſtaͤnden ſtatt, und man ge— langt zu einem Puncte, wo die relative Duͤnne der Luft zu bedeutend iſt, als daß fie ohne nachtheilige Wirkungen ertra= gen werden koͤnnte. Unter den verſchiedenen Erſcheinungen, die bei'm Erſtei— gen hoher Gebirge, namentlich der Alpen, vorkommen koͤn— nen, gehoͤren alſo manche ganz eigentlich dem hohen Niveau an, naͤmlich: die Beſchleunigung des Pulſes, der Verluſt des Appetits und die in manchen Faͤllen ſtattfindende Neigung zum Schlafe; andere rühren von der gemeinſchaftlichen Wir kung der Hoͤhe und der Bewegung her, naͤmlich die eigenthuͤm— liche Ermuͤdung gewiſſer Muskeln der Beine, die Athmungs— beſchwerden, das Klopfen in den Carotiden ıc. (Comptes rendus des séances de Ac. d. Sc. T. XX, No. 16. 21. Avril 1845) b 213 Ueber die Cruſtaceen aus der Familie der Clo— portiden (Onisciden), welche in der Gegend von Straßburg zu finden ſind. Von Herrn Lereboullet. Die Familie der Cloportiden aus der Ordnung der iſo— podiſchen Cruſtaceen beſteht aus einander auf den erſten Blick ſo aͤhnlichen Gattungen und Arten, daß deren Unterſcheidung bedeutende Schwierigkeiten zu haben ſcheint. Ich habe mich ſchon ſeit mehrerern Jahren mit den im Elſaß vorkommen⸗ den Thieren dieſer Familie beſchaͤftigt, und lege nunmehr die Reſultate meiner Forſchungen der Academie vor. Meine Arbeit zerfaͤllt in drei Theile, von denen der eine geſchichtlich, der zweite beſchreibend und der dritte ana= tomiſchen Inhalts iſt. Ich habe in ebenſoviel beſonderen Capiteln 1) die Ligidia des Persoon *), 2) die Gruppe der Porcellioniden, welche die Gattungen Cloporte (onis- cus?) und Procellio enthält, und 3) die Gruppe der Ar: madillier beſchrieben. Ich habe vorgeſchlagen, die Gattung Philoscia ganz auszumerzen, indem ſie ſich auf einen nichts⸗ ſagenden Character gruͤndet und ich nachgewieſen zu haben glaube, daß zwiſchen cloporta (Cloporte, oniscus?) und Philoscia kein wirklich generiſcher Unterſchied beſteht. Ich theile die genaue Beſchreibung von neun hier zu Lande einheimiſchen Porcellio-Arten mit. Im anatomiſchen Theile meiner Abhandlung habe ich die Structur der Theile des Mundes, der Verdauungsroͤhre, der Leber, der Geſchlechtstheile und des Nervenſyſtems ſorgfaͤltig ſtudirt. Die Kieferanhaͤngſel werden durch ſehr zuſammen— geſetzte hornige Theile, die man bis jetzt noch nicht beſchrie— ben hatte, geſtuͤtzt und mit einander verbunden; auch iſt die Unterlippe mit einem merkwuͤrdigen hornigen Apparat verſehen, welcher dieſelbe ſtuͤtzt und mit den benachbarten Theilen vereinigt. Die Form dieſer Anhaͤngſel aͤndert, je nach den verſchiedenen Arten, nur ſehr wenig ab, und kann keinesweges zu deren Characteriſtik benutzt werden. Die Gat⸗ tungen ſelbſt bieten an dieſen Organen nnr ſehr unbedeutende Verſchiedenheiten dar. Die Theile des Mundes koͤnnen da— her hoͤchſtens Familienkennzeichen, keineswegs aber Kennzei— chen fuͤr die Gattungen oder Arten abgeben. Der Magen dieſer Thierchen bietet eine merkwuͤrdige Zuſammenſtellung von zur Zerreibung der Nahrungsftoffe dienenden Theilen dar. Er enthaͤlt zwei zum Zerkleinern beſtimmte Apparate; einen vorderen, den ich cardiacus nenne, und einem hintern und unteren, den ich durch pyloricus bezeichne. Der erſte beſteht aus zwei buͤrſtenfoͤr— migen Wuͤlſten, welche in's Innere des Magens vor— ſpringen und gegen elliptiſche Polſter wirken, die mit Queer— ſtreifen verfehen find und hart unter den Wuͤlſten liegen. Eine hornige Klappe nimmt die Decke der Magenhoͤhle ein und ſenkt ſich zwiſchen die Wuͤlſte, um die vordere Portion dieſer Hoͤhle hinterwaͤrts zu ſchließen. Der zweite Reibapparat beſteht aus einem Laͤngsſtuͤcke, das die Geſtalt eines in der Richtung ſeiner Axe halbirten ) Vergl. die Abhandlung, welche ich unterm 29. Mai 1844 der Academie mitgetheilt habe. 740. XXXIV. 14. 214 Kegels hat, und aus zwei elliptiſchen Seitenſtuͤcken. Dieſer halbe Kegel iſt hohl; an den Seiten iſt er platt und queer= ſtreifig. Die Seitenſtuͤcke ſind mit kleinen runzligen Un⸗ ebenheiten beſetzt, welche als Raſpeln wirken. Ueber dieſem kleinen Apparate erheben ſich zwei horizontale Klappen, welche fi gleich den Flügeln einer Thür öffnen und ſchließen, ſo— daß die Nahrungsſtoffe fo lange, als noͤthig, zwiſchen dieſem zweiten Zerkleinerungsapparate zuruͤckgehalten werden koͤnnen. Das Geruͤſte des Magens beſteht übrigens aus einer gewiſ⸗ fen Anzahl von hornigen Theilen, welche zur Bewegung der beiden Zerkleinerungsapparate und zum Stuͤtzen des dieſe ganze Hoͤhle auskleidenden Epithelium dienen. Der Darmcanal oder derjenige Theil des Nahrungs— ſchlauches, welcher auf die eben beſchriebene, zur Zerkleine— rung der Nahrungsſtoffe beſtimmte Portion folgt, beſteht aus zwei ſehr ungleichen Theilen. Der eine iſt ſehr lang, der andere dagegen anßerordentlich kurz, und beide ſind durch eine Einſchnuͤrung voneinander geſchieden. Um dieſe her bemerkt man einen ſtarken Muskelring, der für einen aͤchten pylorus gelten kann. Die ihm vorhergehende Portion des Darmes muß alſo den Duodenalmagen oder den chylusberei— tenden Ventrikel der Inſecten repraͤſentiren. Sie verſieht offenbar deſſen Functionen, indem der eigentliche Magen rein mechaniſch wirkt. Dieſer Duodenalmagen beſteht aus drei Membranen, einem hornigen Epithelium, welches ſehr duͤnn, durchſichtig und von feſtem Gefuͤge iſt. Es bedeckt die ziemlich dicke Schleimhaut, die aus ovalen Zellen beſteht, welche regelmaͤ— ßig geordnet ſind und agglomerirte, aͤußerſt winzige Blaͤschen enthalten. Die dritte oder die Muskelhaut iſt aus Länge: faſern und aus kuͤrzern Queerfaſern gebildet, welche ein re— gelmaͤßiges Netz darſtellen, deſſen Maſchen mit den Zellen der Schleimhaut ausgefuͤllt ſind. Eine ziemlich merkwürdige Eigenthuͤmlichkeit dieſer er— ſten Portion des Darmes iſt das Vorhandenſeyn zweier Laͤngsfurchen, welche von der Ruͤckenſeite des Magens aus— gehen und ſich laͤngs der Ruͤckenflaͤche des Darmes bis etwa zur Mitte ſeiner Laͤnge hinziehen. Dieſe beiden Furchen ſcheinen mir die Galle in die hintere Hälfte der Darmroͤhre zu leiten, obwohl ich nicht behaupten will, daß dieß ihre Be— ſtimmung gewiß ſey. Die auf die Einſchnuͤrung oder den pylorus folgende Darmportion iſt ſehr kurz. Sie iſt unten mit Laͤngsmus⸗ kelfaſern umgeben, welche nach den Klappen des Afters zu convergiren und dieſelben bewegen. Dieſe Muskelfaſern hat Treviranus fuͤr Excretionscanaͤle angeſehen. Die Gallenbeutel boten mir in der deutlichſten Weiſe dieſelbe Structur dar, welche ich bereits bei Ligidia beobach— tet hatte. Dieſe Beutel oder Schlaͤuche beſtehen aus einer ſehr duͤnnen Membran, die mit dicken, breiten, vorfpringen= den, rundlichen oder ovalen Zellen bedeckt iſt, welche, wenn Alkohol auf dieſelben einwirkt, zuweilen polyedriſch werden. Sie haͤngen an der Membran des Schlauches feſt; laſſen ſich jedoch mit einer feinen Nadel leicht davon abloͤſen. Manche davon ſind frei und ſchwimmen in der den Schlauch fuͤllenden Fluͤſſigkeit umher. Dieſe Zellen beſtehen aus einer 14 * 215 ſehr dünnen Hülle und einem koͤrnigen Fuͤllſel, welches nichts Anderes iſt, als eine Anhaͤufung von kleinen oͤligen Blaͤs— chen. Die Huͤlle der Zellen iſt ſo wenig conſiſtent, daß ſie waͤhrend der Beobachtung oft platzt, ſodaß der Inhalt der Zellen herausfaͤllt. Es ſcheint demnach erwieſen, daß bei den Cloportiden die Galle in den Epithelialzellen bereitet wird, welche ſich an der inneren Oberflaͤche der Membran des Schlauches ent— wickeln und ſich, ſobald ſie ihre Reife erlangt haben, von derſelben abloͤſen, um in der Roͤhre fortgeleitet und in den Nahrungsſchlauch eingefuͤhrt zu werden. Die Gallenfluͤſſig— keit ſchwitzt unſtreitig durch die Wandungen der Zellen, welche dieſelbe einſchließen, oder ergießt ſich in Folge des Berſtens der Zellen. Dem, was Hr. Duvernoy und ich in einer anderen Arbeit) über die Anordnung des Reſpirations- und Circu— lationsorgane mitgetheilt haben, wuͤßten wir nichts Neues hinzuzufuͤgen. Ich will nur bemerken, daß ich die roͤhrige Structur des baumfoͤrmigen Organes nach deſſen ganzer Ausdehnung erkannt habe. Die feinen Membranen, aus de— nen daſſelbe beſteht, bilden außerordentlich duͤnne Roͤhren, welche, wie ſchon Hr. Milne Edwards erkannt, mit Luft gefüllt find. Ich habe die Zeugungsorgane nochmals bei beiden Ge: ſchlechtern unterſucht. Die Saamenbeutel, welche durch die Straͤnge von Spermatozoiden immer genau ausgefuͤllt ſind, enthalten in den endſtaͤndigen Theilen ihrer Anhaͤngſel, d. h. an ihrem Urſprunge, koͤrnige Beſtandtheile von verſchiedenen Dimenſionen, welche mehrentheils Saamencapſeln in verſchie— denen Graden von Entwickelung ſind. Die beiden Ruthen ſind nicht, wie bei den Krebſen, voneinander getrennt; ſie vereinigen ſich auf der Medianlinie bei der Höhe des hinteren Randes des letzten Thoraxringes, indem fie miteinander zuſammenwachſen und ſich in ein hor— niges Futteral einlegen, welches zwiſchen den beiden Begat— tungsanhaͤngſeln liegt. Dieſe ſind zwei dreieckige hornige Stuͤcke, welche an der Wurzel breit ausgehen und zum Stuͤtzen des zwiſchen ihnen eingeſchloſſenen Organes dienen. Bisher kannte man die Structur der Excretionascanaͤle der Eierſtoͤcke nicht. Ich habe beobachtet, daß dieſelben zwi— ſchen die beiden Lamellen eindringen, aus denen das untere Segment beſteht, und ſich zwiſchen denſelben öffnen. Die Eier werden alſo in den Brutſack geſchuͤttet, welcher ſich zu dieſer Zeit bildet, und wahrſcheinlich in demſelben, nicht aber im Eierſtocke befruchtet. Aeußerlich iſt durchaus keine ſicht— bare Oeffnung vorhanden; der Begattungsapparat, deſſen beide Spitzen ſehr fein auslaufen, dient ohne Zweifel zur Erhebung der äußeren Lamelle des Segmentes, ſo daß die Ruthe die zur Befruchtung dienenden Saamenfaͤden in den Brutſack ausſchuͤtten kann. Was die Eierſtoͤcke ſelbſt betrifft, fo find dieſelben zwei lange cylindriſche Schlaͤuche, die mit Eierchen gefuͤllt ſind, ) Der Academie der Wiſſenſchaften vorgetragen in den Sitzungen vom 23. und 30 Rov. 1844. 740. X XXIV. 14. 216 welche von einer koͤrnigen Subſtanz umhuͤllt werden. Ich habe mehreremal bei den traͤchtigen Cloportiden die Eierſtoͤcke durch eine gelbliche, eiweißſtoffige Feuchtigkeit, die durch Al⸗ kohol coagulirte, ausgedehnt gefunden. Ich glaube, dieſe Fluͤſſigkeit ergießt ſich in den Brutſack und dient zur Ent⸗ wickelung der Eier. Der Brutſack ſtellt ſich erſt zur Zeit der Traͤchtigkeit dar und wird durch das Sichauseinandergeben der unteren Segmente der fünf erſten Thorarringe gebildet. Die haͤu⸗ tigen Lappen (die Cotyledonen des Treviranus) welche er enthält, find frei; die Embryonen ſetzen ſich an denſelben in keiner Weiſe feſt; allein dieſe Anhaͤngſel ſind hohl und ihre Hoͤhlung communicirt mit der gemeinſchaftlichen Hoͤhlung. Moͤglicherweiſe ſchwitzt der in ihnen enthaltene Nahrungs- ſaft durch ihre Wandungen, um in den Brutſack einzu⸗ dringen. Das Gehirn beſteht aus 4 Ganglien, zwei vorderen und oberen, die ſich nach der Queere erſtrecken und die Seh— lappen ſind, und zwei hinteren und unteren, die auf der Me⸗ dianlinie miteinander verbunden und faſt zu einer einzigen Maſſe verſchmolzen ſind, welche vor dem Oeſophagus liegt und den vordern Theil des Halsringes bildet. Aus den vorderen Ganglien kommen nur die Sehnerven; die hinteren dagegen biegen ſich nach den Seiten um, um den Speiſe— roͤhrenring zu bilden und aus ihnen geht ein ziemlich be— traͤchtlicher ſeitlicher Nervenknoten hervor, welcher die Nerven der Fühler und Mandibeln verſorgt. Andere, für die ver⸗ ſchiedenen Theile des Mundes beſtimmte Nerven ent— ſpringen aus dem Vereinigungspuncte der beiden feitlichen Schnuren. Es ſind nur ſieben Paar untere Ganglien vorhanden, welche ungefähr den ſaͤmmtlichen Thoraxſegmenten entſprechen. Im Abdomen iſt kein einziges Ganglion vorhanden, indem die Nervenkette bei der Hoͤhe des hinteren Randes des letz— ten Ringes des Thorax ein Ende hat. Aus den Commu— nicationsſtraͤngen ſelbſt entſpringen Nerven, welche ſich ſchraͤg nach Hinten und Außen richten, indem fie ſich mit der Nice tung der aus den Ganglien kommenden Nerven kreuzen. Ich kann verſichern, daß dieſe Queernerven aus den Zwiſchen— ganglienſtraͤngen ſelbſt, und nicht aus einem anderen unpaa— rigen Strange kommen, der etwa uͤber jenen laͤge und an denſelben adhaͤrirte. Bei den Cloportiden iſt eine aͤhnliche Structur durchaus nicht vorhanden. In allen Ganglien unterſcheidet man deutlich die Hau— fen von Nervenkuͤgelchen, aus denen die Anſchwellung oder der Knoten und die denſelben umgebenden Faͤden beſtehen. Die Augen find aus einer Anhaͤufung von kleinen ſphaͤ⸗ riſchen, abgeplatteten Cryſtalllinſen gebildet, an denen eben ſoviele Nervenfaͤden ausgehen. Eine dicke Pigmentmaſſe um⸗ giebt die Cryſtalllinſen und das Ende der ſich dahin bege— benden Nerven, und bildet ebenfoviele kleine Keulen, in die ſich die Nervenfaͤden verſenken. Einen Glaskoͤrper habe ich nicht auffinden koͤnnen. Aller meiner Nachforſchungen ungeachtet, habe ich eben— ſowenig ein beſonderes Gehoͤrorgan entdecken koͤnnen. (Comptes * 217 rendus des seances de l’Ac. d. Sc., T. XX, No. 6, 10. Fevr. 1845.) Miscellen. Behufs des Transports von Bienen aus England nach Neuſeeland hat, nach Angabe des „Athenaͤum“, Mad. T. Allom folgende Vorrichtung erfunden. Ein großer laͤnglicher Ka— nen ift mit einem Deckel und einer Vorderwand von fiebartig durch— loͤchertem Zinkbleche verſehen. In der Mitte ſteht ſich ein ger woͤhnlicher Bienenkorb von Stroh deſſen Flugloch ſich vorn befin— det, und mit dem zu beiden Seiten ein Brutmagazin communicirt. Am Deckel befindet ſich ein runger Futtertrog von Zink, zu dem von Innen eine cylindriſche Röhre führt, und der mittelſt eines Trichters mit fluͤſſigem Honig verſorgt wird. Vermoͤge des glaͤſer— 740. XXXIV. 14. 218 nen Deckels dieſes Futtertroges kann der Bienenvater die Inſecten bei der Fuͤtterung beobachten. Auf der Reiſe wurden die Bienen woͤchentlich zweimal mit einer Miſchung von 3 Honig und I Waſ⸗ ſer gefuͤttert. Sie langten woslbehalten an. Die ſogenannten Talbotypen oder Gemaͤlde, die durch eine Verbindung der Heliographie mit der Miniaturmalerei erzeugt wer⸗ den, weiß Hr. Claudet zu London in einer Vollkommenheit zu liefern, vermöge deren dieſelben zu den angenehmſten photographi— ſchen Bildern werden. Derſelbe hat durch ſeine neue Entdeckung, daß die Sehbrennweite nicht zugleich die photogeniſche Brennweite ift, feine Leiſtungen in dieſem Zweige ſehr weſentlich verbeſſern koͤn- nen. Die Extremitaͤten der ſitzenden Perſon weiß er nunmehr ſtets in den genau richtigen Verhaͤltniſſen darzuſtellen, waͤhrend ſie fruͤ— her faſt durchgehends unproportionirt erſchienen. Allein die hoͤchſte Vollendung ertheilt den Bildern der Pinſel des Hrn. Manſion der den Lichtern und Schatten nachhilft nnd beide in kuͤnſtleriſcher Schoͤnheit erſcheinen laͤßt. (Literary Gazette.) nne Ueber phlegmonoͤſe und phlebitiſche Ophthalmitis. Von Dr. W. Mackenzie in Glasgow. Wir bedienen uns nicht des Ausdrucks Ophthalmia, ſondern des Namens Ophthalmitis, wenn der ganze Aug— apfel oder wenigſtens deſſen ſaͤmmtliche wichtigſte Structuren zugleich und in Folge derſelben Veranlaſſungsurſache ent— zuͤndet ſind. Haͤufig wird anfangs nur eine Textur des Auges von Entzuͤndung ergriffen, und dieſe verbreitet ſich dann von einer Structur zur andern, bis zuletzt das ganze Organ eingenommen und in ſeinen Functionen geſtoͤrt iſt. Von dieſem Falle handelt es ſich jedoch hier nicht. Die Krankheit, von der ich hier reden will, ergreift den ganzen Augapfel ſchneller, und dehnt ſich auch uͤber die umgebenden Theile, namentlich die Art von Augenkapſel aus, welche den Augapfel einhuͤllt und von den in die Sclerotica einge: fuͤgten ſechs Muskeln durchſetzt wird. Die hier in Rede ſtehende Ophthalmitis kann von mehrern Urſachen herruͤh— ren, und auf dieſe Weiſe ließen ſich allenfalls mehrerer Un— terarten der Krankheit aufſtellen. Die beiden wichtigſten Veranlaſſungsurſachen ſind jedoch, aͤußere Beſchaͤdigungen des Auges und die Circulation von Eietrmaterie im Blute. Wenn die Krankheit aus der erſtern entſpingt, hat man fie Ophthalmitis phlegmonosa seu traumatica, wenn fie von der letztern herruͤhrt, ophthalmitis phlebitica genannt. Mir ſind einige Faͤlle vorgekommen, in denen die Urſache durchaus dunkel war, indem die Krankheit ganz von ſelbſt zu entſtehen ſchien, nnd ſolche Fälle dürften ſich als idio— pathifch betrachten Laffen. Die fragliche Krankheit ift, außer mit dem Namen Ophthalmitis, noch mit verſchiedenen andern belegt worden. Beer bezeichnet fie als Ophthalmia interna proprie sie dieta, Dr. Rognetta als phlegmon oculaire. Da fie in Betracht des gefpannten Zuſtandes der entzuͤndeten Theile und des begleitenden heftigen Schmerzes mit der pa- ronychia Aehnlichkeit hat, ſo iſt ſie auch panaris (pana- ritium) oculi genannt werden. Stadien der Ophthalmitis Man hat verſucht, die Symptome in drei Stadien einzutheilen, ohne daß dieß, meiner Anſicht nach, mit vollſtaͤndigem Erfolge geſchehen waͤre. Das erſte Stadium ſoll durch reine Entzuͤndung characterifirt ſeyen, die ſich hauptſaͤchlich als pyropsia offenbart und ſich immer ſtaͤrker auspraͤgt, bis die Netzhaut ihre Empfindlichkeit einbüßt. Das zweite Stadium iſt das des Hervorquellens des Augapfels, ſowie das der Eite— rung in und hinter demſelben; das dritte dasjenige des freiwilligen Berſtens der Augenkapſel oder des Augapfels oder Beider. Bevor dieß jedoch eintritt, erliegt der Patient haͤufig, namentlich bei der ophthalmitis phlebitica, der Krankheit. Symptome. Wenn man diejenigen Symptome, die vor dem Hervorquellen des Augapfels aus der orbita eintreten, zum erſten Stadium rechnet, ſo ſind in dieſem Stadium folgende Symptome zu beobachten. Man bemerkt eine geringe aͤußere Roͤthung, indem die Bindehaut mehr oͤdematoͤs als entzuͤndet und in dem Zuſtande iſt, welchen Manche durch den Ausdruck: weiße Chemosis bezeich— net haben. Die waͤſſerige Feuchtigkeit bietet ein truͤbes Anſehen dar oder iſt ſogar von Blut leicht geroͤthet. Der fundus oculi erſcheint roͤthlich; die iris verändert in Folge der Entzuͤndung ihre Farbe; die Pupille wird ein we⸗ nig zuſammengezogen und die Krankheit kann leicht mit iritis verwechſelt werden. Die Kapfel der Linſe wird manch— mal undurchſichtig, oder bleibt in andern Faͤllen durchſich⸗ tig. Im Grunde des Auges, ſowie in der Augenhoͤhle, findet gewoͤhnlich heftiger Schmerz ſtatt; derſelbe iſt klopf— end und durchaus ſo, wie bei heftigem panaritium. Er erſtreckt ſich bis in die Schlaͤfen und Stirn und iſt von brennender Hitze, Spannung und dem Gefuͤhl begleitet, als ob ſich der Augapfel ſtark vergroͤßere. Das Auge iſt gegen das Licht ſehr empfindlich, und es zeigen ſich glaͤnzende flammenartige Spectra. Dieſe verſchwinden allmaͤlig, da die Netzhaut durch Structurveraͤnderungen oder indem ſie an beiden Oberflaͤchen in Eiterung uͤbergeht, unempfindlich wird. Eine Zeit lang wird durch den Druck auf die Netz— 219 haut photopsia oder pyropsia veranlaßt, allein wenn der Druck ſich ſteigert, tritt vollſtaͤndige Unempfindlichkeit der retina ein. Der vollſtaͤndige Verluſt der Empfindlichkeit der Netz⸗ haut läßt ſich als ein Kennzeichen innerer Vereiterung be= trachten; allein das auffallendſte Symptom des zweiten Stadiums iſt das Hervorquellen des Augapfels. Man möchte denſelben für ſehr geſchwollen und vergrößert halten; allein dieß iſt eine Taͤuſchung; denn nach dem Tode findet ſich derſelbe, wenn irgend, doch nur ſehr wenig vergrößert. Das Auge wird durch eine Ergießung in die Hoͤhlung der eben ſo genannten Augenkapſel nach Vorn gedraͤngt, und da bei dieſem Zuſtande von Exophthalmus der Augapfel mit einer an chemosis leidenden Bindehaut bedeckt und mit dem ſtraf— fen obern Augenlid uͤberſpannt, das untere Augenlid aber zugleich auswaͤrts gekehrt iſt, ſo erſcheint derſelbe außeror⸗ dentlich voluminoͤs. Auch fuͤhlt er ſich gewaltig hart an, ſo daß man glauben ſollte, die Fluͤſſigkeiten in demſelben ſeyen in weit größerer Quantität vorhanden, als im norma⸗ len Zuſtande. Dieß iſt zum Theil wahr, allein die innere Er— gießung iſt nicht die einzige, nicht die hauptſuͤchlichſte Urſache der außerordentlichen Haͤrte und Anſpannung des Augapfels. Dieſe ruͤhren vornehmlich von der Ergießung in die erwaͤhnte Augenkapſel her, worin auch der Grund des Hervortretens des Augapfels liegt. Dieſes letztere Symptom ftellt ſich zuweilen ſehr früh, zuweilen ſehr ſpaͤt, und zwar nicht eher ein, als bis das innere Auge desorganiſirt und die Sehkraft erloſchen iſt. Solche Verſchiedenheiten bietet die Krankheit in An— ſehung ihres Verlaufes und der Aufeinanderfolge der Symptome dar. In dieſem Stadium findet eine unwillkuͤr⸗ liche Starrheit des Augen ſtatt, indem der Schmerz und die Geſchwulſt jede Contraction der Muskeln fruchtlos oder vielleicht unmoglich machen. Man kann den Augapfel nicht einmal mechaniſch in der Orbita hin und herbewegen da er feſt eingeklemmt iſt. Die Bindehaut bleibt ſtark ge— ſchwollen und iſt namentlich an dem Theile, welcher das untere Augenlid auskleidet, mit einer Schicht coagulabler Lymphe bedeckt, die ſich wie eine Membran abſchaͤlen laͤßt und ſich dann von Neuem bildet; eine Erſcheinung, die mir lediglich in Faͤllen von phlegmonoͤſer oder phlebitiſcher Au— genentzuͤndung vorgekommen iſt. Da ſie bei beiden Varie— taͤten zu beobachten iſt, ſo geht daraus die innere Verwandt— ſchaft derſelben des Mehreren hervor. Wenn die Cryſtall— linſe und ihre Kapſel durchſichtig bleiben, ſo bemerkt man zuweilen an der Glasfeuchtigkeit eine gruͤne Farbe, welche von Ergießung von Eiter in jene Feuchtigkeit herruͤhrt. Man ſieht nun, daß ſich die iris der Hornhaut naͤhert, und es findet offenbar eine Ablagerung von Eiter in die vordere und hintere Augenkammer ſtatt. Das ganze Auge iſt jetzt mit Eitermaterie gefüllt, und dieß iſt auch mit der Augenkapſel der Fall. Wenn nun der Patient nicht unterliegt und die Krankheit der Kunſt nicht weicht, ſo geht ſie in's dritte Stadium uͤber. Der Eiter bricht nach außen durch, gerade wie bei'm pana- ritium. Das Berſten des Augapfels und der Augenkapſel rettet dem Patienten das Leben, der, wenn die Krankheit ſich 740. XXXIV. 14. 220 ſelbſt uͤberlaſſen bleibt und keine freiwillige Ausleerung des Eiters ſtattfindet, gewoͤhnlich unterliegt. Nunmehr wird die Hornhaut zuweilen der Sitz von Eiterinfiltration und Sphacelus, ſodaß ſie berſtet, und dieß iſt die einzige Augenkrankheit, bei der ich geſehen habe, daß ſich ein deutlicher lederartiger Sphacelus oder Schorf vom Auge trennt, welcher in der That die eiue in Subſtanz, welche einem in Waſſer geweichten Stuͤck weißen Leders gleicht, ver⸗ wandelte Hornhaut iſt. Man hoͤrt in der That oft von Spha⸗ celus der Hornhaut reden; allein das, was man gewoͤhnlich fo nennt, iſt nur die Zerſtoͤrung durch Erweichung und Ver⸗ eiterung, keine wirkliche Abloͤſung in mortificirtem Zuſtande, wie ſie dei Ophthalmitis vorkommt. Auf dieſe Abloͤſung der Horn⸗ haut folgt das Auslaufen des Auges, und der Augapfel wird atrophiſch. In manchen Fällen berſtet die sclero- tica, und zwar meiſt in die Hoͤhlung der Kapſel, welche ihrerſeits die Bindehaut zum Platzen bringt, worauf eine große Menge Eiter auslaͤuft. In noch andern Fällen ber⸗ ſtet nur die Kapſel und der Augapfel bleibt ganz; allein dieſer Fall iſt dem, wo die Sclerotica platzt, ſo aͤhnlich, daß man beide leicht mit einander verwechſelt. Man ſieht eine Oeffnung in der Bindehaut, aus welcher Eiter entweicht, und wenn man eine Sonde in dieſelbe einfuͤhrt, ſo glaubt man leicht, daß dieſelbe in den Augapfel eingedrungen ſey, waͤhrend ſie ſich doch lediglich in die Augenkapſel verſenkt hat. Wenn das Auge fein natürliches Anſehen, feine nas tuͤrliche Größe und Geſtalt und insbeſondere feine Sehkraft irgend beibehaͤlt, ſo kann dieß nur unter der Bedingung geſchehen, daß nicht der Augapfel, ſondern nur die Augen⸗ kapſel geborſten iſt. Die die Ophthalmitis begleitenden conſtitutionalen Symptome koͤnnen von verſchiedener Heftigkeit ſeyn, ſind jedoch im Allgemeinen ſehr intenſiv. Der Patient wird von Starrfroſt, Beaͤngſtigung, Schlafloſigkeit, Delirium, zuwei⸗ len von Convulſionen befallen, von Letztern namentlich, wenn die Krankheit einen toͤdtlichen Ausgang haben ſoll. Ans fangs iſt der Puls voll und klopfend, in den letzten Stadien der Krankheit klein, ſchwach und ſehr geſchwind. Ausgang. Der Ausgang der Krankheit kann ver— ſchieden ſeyn. Eine vollſtaͤndige Geneſung iſt hoͤchſt ſelten. Zuweilen geht die Krankheit in Amauroſe uͤber, indem das Auge feine natuͤrliche Geſtalt behält, die Pupille ſich zus ſammenzieht, die Kapſel der Kryſtalllinſe undurchſichtig und die Netzhaut unempfindlich wird. In ſolchen Faͤllen iſt die Behandlung theilweiſe wirkſam geweſen. Ferner kann die Krankheit mit Vereiterung und Berſten des Augapfels oder der Augenkapſel oder Beider endigen. In dieſem Falle findet zuletzt collapsus des Auges ſtatt. Toͤdtlich geht die Ophthalmitis ebenfalls nicht ſelten aus, und dieſer Fall wuͤrde noch oͤfter vorkommen, wenn das Auge nicht platzte oder kuͤnſtlich geoͤffnet wuͤrde. Durch die hierdurch, herbeigefuͤhrte Erſchlaffung mindert ſich die Entzuͤndung gerade wie dieß bei'm panaritium der Fall iſt, wenn der Finger von ſelbſt aufgeht oder mittelſt eines tiefen Ein⸗ ſchnitts geoͤffnet wird. Wenn weder die Natur ſich hilft, noch die Kunſt dem Eiter einen Ausgang verſchafft, ſo tritt 221 Coma ein, und der Patient ſtirbt zuweilen ſehr plötzlich. Bei der Section ſindet man Eiter in der Augenkapſel, auf beiden Oberflächen der Netzhaut und innerhalb der mem- brana hyaloidea. Die Urſachen der Ophthalmitis find vor Allem äußere Verletzungen, z. B. die Operationen gegen grauen Staar nicht nur bei Ausziehung der Kryſtalllinſe, ſondern zuwei⸗ len auch dei'm Durchſchneiden der Hornhaut oder Sclero- tica, das Ausſchneiden des Staphyloma, Verſetzungen, die beim Sptengen von Steinen vorgekommen find, ꝛc. Bei beiondern conſtitutionalen Zuſtaͤnden konnen ſehr ge⸗ ringe Beſchaͤdigungen, ein bloßer Stich, die ophthalmitis traumatica veranlaſſen. Eine zweite durchaus feſtgeſtellte Urſache iſt die in Folge der Entzündung einer Vene ſtatt⸗ findende Circulation von Eiter im Blute. Der von der Membran der Vene fecernirte Eiter vermiſcht ſich mit dem Blute und veranlaßt in den winzigen Gefaͤßen des Auges, vielleicht in den Venen der Choroidea, eine Stockung und Entzündung, in Folge deren eine neue Eiterung eintritt, deren Producte man nach dem Tode an den erwaͤhnten Stellen findet. Dieß iſt nicht, wir man früher glaubte, eine bloße Ablagerung des Eiters, welcher von der primär entzuͤndeten Vene aus in die Circulation eingeführt worden iſt, ſondern eine durchaus neue Eiterſecretion, welche durch die Entzündung der Gefäße, die von Eiterkugelchen verſtopft und gereizt werden, veranlaßt wird. Der ſich in Folge von ausgebreiteter Entzündung des Zellgewebes in den Venen dildende Eiter kann auf dieſe Weiſe Ophthalmitis veran⸗ laſſen. Vor einiger Zeit ward ich von einem mir befreun⸗ deten Arzte erſucht, eine Dame zu beſuchen, die wenige Tage nachdem fie in die Wochen gekommen, von Kopfweh, Starr⸗ froft. ſchnellen Puls, beftigem Schmetze in dem einen Auge, Verluſt der Sehkraft auf dieſem Auge und Geſchwulſt der Bildehaut befallen worden war. Bald nachdem ich ſie ge⸗ ſehen, ſtellte ſich Coma ein, und ſie ſtard 11 Tage nach ihrer Entbindung. Ich erklärte das Leiden für eine oph- thalmitis phlebitica, welche ihten Gtund wahrſcheinlich in der Entzuͤndung der Sinus der Bärmutter habe. Bei der Leichenoffnung ließen wir an mehrern Stellen in die Wandungen des Uterus einſchneiden, ohne daß wie irgend Spuren von krankhafter Veränderung bemerkten. Als wir jedoch die Stelle unterſuchte, wo der Mutterkuchen ange heftet geweſen war, fanden wir dieſelbe mit einem jauchich⸗ ten Eiter bedeckt, und mehrere der von jener Stelle ausge⸗ henden Venen mit Eiter gefüllt. Es iſt ein merkwürdiger Umſtand, daß die Symptome der phlebitiſchen Ophthalmitis mit denen der traumatiſchen ſoviel Aehnlichkeit haben. Dieſelbe blaſſe Chemoſis der Bin⸗ dehaut, dieſelbe Schicht von coagulabler Lymphe auf der inneren Oberflache des unteren Augenlides, daſſelbe außer⸗ ordentlich ſtarke Heraustreten des Augapfels aus der Orbita, dieſelde Mortiſication der Hornhaut wurden es unmöglich ma⸗ chen, die phlebitifhe von der traumatiſchen Ophthalmitis zu unterſcheiden, wenn wir mit der Geſchichte des Falles un⸗ bekannt wären. Rührt dieß daher, daß der pathologiſche Zus ſtand in beiden Fällen von ähnlicher Beſchaffenheit, daß in 740. XXXIV. 14, 222 beiden Entzündung in den Venen des Auges vorhanden iſt, die in dem einen direct, in dem anderen indirect, durch den in dem Blute circulirenden Eiter, erregt worden? Es iſt Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß in Folge der Ausſchlags⸗ und anderen Fieber, als Maſern, Pocken, Scharlachfieder und Typhus, eine Ophthalmitis entſtehen konne. Liegt nun in dieſen Fällen der Grund in einer Circulation von Eiter der vielleicht in den Venen der Bauch⸗ eingeweide fecernirt worden iſt? Dieſe Fragen laſſen ſich vor der Hand nicht mit Beſtimmtheit entſcheiden. Die Behandlung der Ophthalmitis, mag fie nun phlebitiſcher oder traumatiſcher Art ſeyn, erheiſcht zuvoͤrderſt reichliche Aderlaͤſſe, Schröpfen und Blutegel. Man dat ſtarke Gaben von Brechweinſtein empfohlen, z. B., von einer Auflöſüng von 6 Gran in 6 Unzen Wafs fer halbſtundlich einen Eßloͤffel voll zu nehmen. Allein dieß Mittel habe ich nicht verſucht, da es ſich mit dem reichlichen Gebrauche von Queckſilber, den ich für wirkſamer halte, nicht vortragen würde. Der einzige Fall von Ophthalmitis. in dem ich eine vollſtaͤndige Heilung beobachtete, war einer, bei welchem ich den Mund ſchnell durch Calomel und Opium in Salivation verſetzt hatte. Der Fall ließ mich das Schlimm⸗ fie befürchten, fo daß ich es für meine Schuldigkeit hielt, die Verwandten des Patienten von deſſen gefährlicher Lage in Kenntniß zu ſetzen; allein ſobald das Queckſilber auf den Mund wirkte, begann die Ophthalmitis ſich zu legen, der Augapfel zog ſich in die Orbita zuruͤck, und es wurde eine vollſtaͤndige Cur bewirkt. Gegenreize an den Füßen, z. B. mittelſt Senfbaͤder oder Senfcataplasmen, und Gegenreize an dem Nacken durch Blaſenpflaſter. ſowie dergleichen hinter den Ohren, werden ſich empfehlen. Im erften Stadium der Krankheit find in kaltes Waſ⸗ fer getauchte und ausgerungene Compreſſen, ſpaͤter warme Breiumſchlaͤge die beſten örtlichen Mittel. Belladonnaertract kann füylib an den Augenlidern und Augenbraunen auf: geſtrichen werden: Sollte der Patient in Folge des Schmerzes und des Fiebers oder des ſchwaͤchenden Einfluſſes der Behandlung ſeht ſchwach werden, fo muß er milde Nahrungsmittel und China erhalten. Allein im Anfangsſtadium hat man natuͤr⸗ lich Faſten, fo wie nur Waſſer zum Getränke zu ver⸗ ordnen Der letzte Punct in der Behandlung bezieht ſich auf die Ausleerung der ſich in die Augenkapſel ergoſſen habenden vder im Innern des Auges abgelagerten ſeroͤſen oder eiter⸗ foͤrmigen Fluͤſſigkeit. Ich hade in mehreren Fällen von Ophthalmitis dieſe Fluͤſſigkeit abgezapft und dadurch, mei⸗ nes Erachtens, dem Patienten das Leden gerettet. Zuwei⸗ len ſtach ich dabei in die Hornhaut, zuweilen in die sele- rotica ein, und ſelbſt wenn kein Eiter, ſondern nur Blut und wäſſerige Fluͤſſigkeit ausfloſſen, verſchaffte dieſe Opera⸗ tion durch die Erſchlaffung des eingeklemmten und ausge⸗ dehnten ſtrotzenden Auges große Erleichterung. Die Operation der Oeffnung der Augenkapſel nahm ich zum erſten Male im Februar 1843 in der Augenheilanſtalt 223 740, (zu Glasgow) vor. Das in Folge einer aͤußeren Verlez⸗ zung von Ophthalmitis ergriffene Auge war ungemein hart und ſehr hervorragend; allein um daſſelbe her fuͤhlte ich ein undeutliches Schwappen, welches von Feuchtigkeit, die ſich in der Augenkapſel angeſammelt, herzuruͤhren ſchien, und dieſe abzuzapfen war ich feſt enrſchloſſen. Ich ging ungefaͤhr in derfelben Weiſe zu Werke, als ob ich einen Fall von Stras bismus zu behandeln haͤtte, indem ich in die Bindehaut am inneren canthus gegen das untere Augenlid hin ſenkrecht einſchnitt und hierauf die Lanzette hinterwaͤrts an der Seite des Augapfels, zwiſchen dieſem und der unteren und inneren Wandung der orbita hin führte, ſodaß ich den m. rectus internus und rectus inferior vermied. Es ſchoß ein Strahl ſeroͤſer, mit Eiter vermiſchter Fluͤſſigkeit hervor, der Augapfel ſank ſogleich zuruͤck, und die Hornhaut wurde ſchlaff, woraus ſich ergab, daß die Urſache der außerordent— lichen Haͤrte des Auges und deſſen Heraustreten nicht im Augapfel ſelbſt, ſondern hinter demſelben gelegen hatte. Dieß wuͤrde ich alſo in allen aͤhnlichen Faͤllen empfehlen, und zwar ſollte es zeitig geſchehen und nicht damit ſolange gewartet werden, bis das Auge desorganiſirt oder der Patient von coma ergriffen iſt. Die Operation iſt einfach und leicht auszufuͤhren und bietet wahrſcheinlich das beſte Mittel dar, um das Auge, ſowie das Leben des Patienten zu retten. Dieſes Oeffnen der Augenkapſel duͤrfte auch in anderen Faͤl— len von Hervorquellen des Augapfels, die durchaus nicht durch Entzuͤndung veranlaßt worden ſind, und wo man durchaus keine Volumvergroͤßerung der Thraͤnendruͤſe ſowie keine derbe oder eingebalgte Geſchwulſt in der orbita, ſondern nur eine Waſſerſucht der Augenkapſel zu vermuthen hat, von Nutzen ſeyn; allein die ausfuͤhrliche Eroͤrterung dieſes Gegenſtandes wuͤrde, uns hier zu weit fuͤhren. (London medical Ga- zette, Febr. 1845.) Miscellen. Ein neues Reagens auf Strychnin iſt von Eugen Marchand angegeben, um für gerichtlich-mediciniſche Unterſuchun⸗ gen bei Vergiftungsfaͤllen angewendet zu werden. Wenn man eine ſehr kleine Portion Strychnin mit wenigen Tropfen eoncentrirter Schwefelſaͤure, welche 168 Gewichtstheil Salpeterfäure enthält, zus XXXIV. 14. 224 ſammen reibt, fo verſchwindet das Strychnin, ohne irgend eine wahrnehmbare Erſcheinung: aber wenn man zu der Miſchung nur ein Atom von Bleioxyd hinzuthut, ſo entwickelt ſich unmittelbar eine praͤchtige blaue Farbe, welche ſchnell in Violett, dann allmaͤlig in Roth übergeht und zuletzt nach mehreren Stunden in Ganarien- gelb endigt. Dieß haͤlt Hr. M. fuͤr characteriſtiſch, weil es ihm bisjetzt unmoͤglich geweſen iſt eine Subſtanz aufzufinden, welche un⸗ ter ähnlichen Umſtaͤnden in gleicher Weiſe wirke. — Wenn man es mit unendlich kleinen Quantitaͤten Strychnin zu thun hat‘, fo hält es Hr. M. noch fuͤr vorzuͤglicher, um die Reaction empfindlicher zu machen, wenige Partikelchen von Bleiperoxyd mit dem organiſchen Als kali im trocknen Zuſtande zuſammenzureiben und auf die Miſchung einen einzelnen Tropfen der ſauren Fluͤſſigkeit fallen zu laſſen. Man kann dann die erwaͤhnte Reihe von Farben noch bei etwa einem Tauſendtheile eines Grans Strychnin beboachten. (Dublin Jour- nal, May.) 5 Einen ſogenannten Einrichter, welcher zum Einrichten von Verrenkungen und Knochenbruͤchen und zum Erhalten der Bruchflaͤchen in der richtigen Lage dient, hat Herr Jarvis aus Connecticut in den Vereingten Staaten erfunden; die Maſchine be= ſteht aus einer 133 Zoll langen 13 Zoll breiten und Z Zoll hohen meſſingnen oder uͤberhaupt metallnen Buͤchſe, deren Hoͤhlung durch eine ziemlich in der Mitte befindliche Laͤngsſcheidewand getrennt iſt ſo daß zwei Rinnen entſtehen, von denen die eine, in welche eine Zahnſtange eingelaſſen wird, viereckig, die andere, mit Mutter- ſchraubengaͤngen verſehene, rund iſt. In dieſer letztern bewegt ſich die Vaterſchraube der Schenkelgabel (Femur-Fork). In der Nähe des andern Endes der Buͤchſe iſt ein Sperrrad angebracht, und die Zaͤhne des Getriebes deſſelben paſſen in die Luͤcken der Zahnſtange. Die Welle des Rades endigt mit einem viereckigen Zapfen, der in das Loch einer Kurbel paßt, mittelſt deren die Ausdehnung und Gegenausdehnung bewirkt werden. In die runde Rinne der Buͤchſe werden die als Vaterſchrauben geſchnittenen Stiele von verſchiede— nen, der Geſtalt der Koͤrpertheile angepaßten Gabeln eingelaſſen, Zu dem Apparate gehoͤren noch cylinderfoͤrmige Polſter, Guͤrtel, Riemen und eine doppelte geneigte Ebene. Für den Werth deffels ben zeugten vor der Geſellſchaft der Kuͤnſte mehrere Chirurgen. (Athenaeum.) Salpeterdämpfe gegen bedeutende Anfälle von Aſthma werden in der Mediciniſchen Zeitung zu New-Pork als beſonders huͤlfreich empfohlen. Man ſoll Loͤſchpapier in eine fa= turirte Salpeteraufloͤſung tauchen, trocknen laſſen und bei'm Ein- tritte eines Paroxysmus in dem Krankenzimmer verbrennen oder aus einer Tabackspfeife rauchen laſſen. Nekrolog. — Der ſehr verdiente Dr. Theodore Gordon, Generalinfpector der Militaͤr-Hospitaͤler Englands, iſt am 30. A pri in 59. Jahre ſeines Alters zu Brighton geſtorben. Bibliographische De l’instinet et de intelligence des animaux. Resumé des ob- servations de Frederic Cuvier sur ce sujet. Par P. Flourens. Seconde édition revue et augmentee. Paris 1845. 12. De la texture intime des glandes; des produits de la seore- tion en general. 'These presentee et soutenue par A. Aug. Dumeril. Paris 1845, 8. 4 —_ Neuigkeiten Salubrite publique. De l’eclairage au gaz, étudié au point de vue Economique et administratif, et specialement de son action sur le corps de l’homme. Par le docteur Hippolyte Combes Paris 1845. 18. Des Kystes de l'Ovaire. These par P. Cazeau. Paris 1845. 4. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober-Meditinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 741. (Nr. 15. des XXXIV. Bandes.) Mai 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 9. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 975. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 99. F Zoologiſche Forſchungen waͤhrend einer Reiſe an den Kuͤſten Siciliens. Beobachtungen in Betreff der kopfloſen Schaalthiere oder Lamellibranchen. Von Herrn E. Blanchard. Auf der Reiſe, die ich vergangenes Jahr mit Herrn Milne Edwardt an die ſicilianiſchen Kuͤſten machte, wid— mete ich meine Zeit zum Theil dem Studium der Organi— ſation der Mollusken, und ich werde die Reſultate meiner Forſchungen der Akademie nach und nach mittheilen. Das Nervenſyſtem der kopfloſen Schaalthiere wird der Gegenſtand meiner erſten Abhandlung ſeyn. Nach den Arbeiten eines Pol i, Mangili, de Blain— ville, Brandt und Ratzeburg und Grant, deren Reſultate unlaͤngſt von Herrn Duvernoy beſtaͤtigt wurden, haͤtte man glauben ſollen, es waͤren nur noch noch geringe Motificationen in Betreff der näheren oder fernern Stellung der Markmaſſen und der Anzahl der Nerven, je nach den Familien und Gattungen, zu ermitteln. Die von mir an— geſtellten Unterſuchungen haben das Gegentheil bewieſen. Man behauptet: „Wenn bei den Blaͤtterkiemigen kopf— loſen Mollusken das Nervenſyſtem den hoͤchſten Grad von Zuſammenſetzung darbietet, ſo ſind drei Paare Ganglien vor— handen.“ Indeß habe ich bei manchen derſelben, 6, 8 und mehr Paare gefunden; ja bei einer Art ſind deren ſogar 15 vorhanden. Ich habe mich auch davon uͤberzeugt, daß das Ner— venſyſtem bei den kopfloſen Mollusken, die mit Hebern oder Roͤhren verſehen find, welche durch mm. retractores an die Schaale befeſtigt find, zuſammengeſetzter iſt, als bei de: nen, die ſolche nicht beſitzen. Die Hauptnerven, welche aus den hintern Markceentren entſpringen, bieten dann in ihrem Laufe mehrere kleine Ganglien dar, die ſich mitten in den mm. retractores der Heber befinden. Jedes Paar dieſer Nervencentren wird durch eine Commiſſur mit einander verbunden, welche uͤber der innern Oeffnung des einen und des andern Hebers hin— ſtreicht. No. 1841.— 741. „„ Die Mactren, Venus, Cythereen, die aͤchten Solenar— ten haben mir dieſe zuſammengeſetztere Structur des Ner— venſyſtems dargeboten, welche mit dem Vorhandenſeyn von Roͤhren und beſonders mit dem von Muskellagen zuſam— mentrift, welche jene an die Schaale zu befeſtigen beſtimmt ſind. Denn wenn die Roͤhren ohne ſolche Anheftepuncte vorkommen, wie bei der Gattung Solecurtus, fo find die bei den Mactren, Venus und aͤchten Solens anzutreffen den Huͤlfsganglien auch nicht vorhanden. Demnach weichen die Solecurten durch ihre Organi— ſation deutlich von Solen ab, mit welcher Gattung man ſie lange zuſammengeſtellt hat, und ſie ſind von derſelben mit vollem Rechte getrennt worden. Die Heber der Solecurtus ſind mit kraͤftigen Muskeln beſetzt, und es ſtreichen durch dieſelben der Laͤnge nach ſehr ſtarke Nerven, die jedoch in ihrem ganzen Laufe keine Gang— lien darbieten. Bei den meiſten kopfloſen Mollusken ſetzt der Mantel vor dem Munde ſchroff ab. Alsdann geben die gehirnarti— gen Ganglien nur einige, gewoͤhnlich nicht ſehr bedeutende und mehr oder weniger veraͤſtelte Nerven an das Vorder— theil dieſes Mantels ab. Bei Solen dagegen verlaͤngert ſich der Mantel weit uͤber den Mund hinaus und bietet in der Mitte eine große Muskelſchicht dar, welche ihrer gan— zen Laͤnge nach an die Schaale befeſtigt iſt. Dieſe Bil⸗ dung fuͤhrt eine ziemlich bedeutende Modification iu der Entwickelung des Nervenſyſtems mit ſich Nerven, wel— che von den hirnartigen Ganglien kommen, ſteigen ge— gen die Muskelſchicht hinauf und andre vertheilen ſich in der dicken Muskellage, welche um den Mantel her einen Saum bildet. Noch merkwuͤrdiger iſt der bis jetzt von mir nur bei Solen beobachtete Umſtand, daß auf jeder Seite 12 bis 13 Ganglien auf dieſen Muskeln ſich befinden und durch Nervenfaͤden mit einander communiciren. Die meiſten nicht mit Hebern oder Roͤhren verſehnen kopfloſen Mollusken bieten nur die drei Paare von Mark— maſſen dar, welche bei einer gewiſſen Anzahl von Gattun— gen ſchon fo vollſtaͤndig beſchrieben worden find. Dieß iſt 15 227 bei Pinna, Unio etc. der Fall. Bei mehrern habe ich jedoch im Verlaufe der Nerven, welche die gehirnartigen Ganglien mit den hintern Ganglien verbinden, ein kleines Ganglion beobachtet, welches an die Muskeln der ſeitlichen Theile des Fußes Faͤden abgiebt. Dieß habe ich bei den Gattungen gefunden, wo der Fuß die ganze Breite der Ein: geweidemaſſe beſitzt, bei den Archen (Arca Noae), den Solens (Solen vagina) u. ſ. w. Man ſieht demnach, daß das Nervenſyſtem der kopf— loſen Weichthiere haͤufig zuſammengeſetzter iſt und wichti— gere Modificationen darbietet, als man bisher vermuthet hatte. Es iſt dieß eine fuͤr die vergleichende Anatomie gewonnene neue Thatſache. Bei den, meiner Denkſchrift bei: gegebenen Abbildungen habe ich mich bemuͤht, die jedem Ty— pus zukommenden Eigenthuͤmlichkeiten ſo genau als moͤglich darzuſtellen. Noch muß ich auf einen bei den kopflloſen Mullusken haͤufig, ja vielleicht am Haͤufigſten vorkommenden Typus aufmerkſam machen. Die Auſter (Ostrea edulis) beſitzt bekanntlich keinen Fuß, und dieſer Umftand hat eine Modification ihres Mer: venſyſtems zur Folge. Vor etwa 10 Jahren behauptete Herr Garner, die Fuß⸗ oder Visceral = Ganglien fehlten bei dieſem Thiere. Neuerdings hat Herr Duvernoy dieſe Bemerkung beſtaͤtigt. Die von dieſen Anatomen behauptete Ausnahme iſt aber in der Wirklichkeit nicht vorhanden. Ich habe bei der Auſter zwei ein wenig von einander entfernte Ganglien ganz nahe an den hirnartigen Markmaſſen entdeckt, ſo daß dieſe vier Nervencentren beinahe in dieſelbe Linie fallen und durch eine Commiſſurſchnur mit einander verbunden ſind. Sie find nur kleiner und dem Munde mehr genaͤhrt, als gewoͤhn— lich. Das Nervenſyſtem der Auſter hat mir keine wichtigere Modificationen dargeboten. Neuerdings hat auch ein Anatom behauptet, die Ner— ven, welche zwiſchen den vordern und hintern Markmaſſen eine Verbindung herſtellen, boͤten in ihrem Verlaufe nie Veraͤſtelungen dar. Die Solen, Arca, bei denen man ge: gen die Mitte dieſer Verbindungsnerven hin ein Ganglion bemerkt, beweiſen das Gegentheil; allein bei den Auſtern gehen ſogar an verſchiedenen Stellen Faͤden von dieſen Ner— ven aus, ohne daß ſich ein Ganglion wahrnehmen ließe. Was den Nutzen anbetrifft, den dieſe anatomiſchen Unterſuchungen fuͤr die Claſſification haben koͤnnen, ſo ſcheint mir derſelbe nicht zweifelhaft. Die Hauptunterſchiede, die es mir zwiſchen den aͤchten Solen und der Gattung So- lecurtus zu ermitteln gelang, beweiſen zur Genuͤge, daß dieſe Gattung, welche lange mit jener als eine und dieſelbe betrachtet wurde, ſogar in eine andre Familie gehoͤrt. Dagegen findet ſich bei den Mactren und Venus, be— ſonders den Cythereen, welche in den meiſten Claſſificationen un— ter zwei verſchiedene Familien gebracht ſind, durchaus keine wichtige Verſchiedenheit in der Organiſation. Ihr Nerven— ſyſtem iſt faſt von gleicher Beſchaffenheit. So ſieht man denn, daß die Acephalen, bei denen der Mantel welt offen und nicht mit Roͤhren beſetzt iſt, 741. XXXIV. 15. 228 in Betreff des Nervenſyſtems tiefer ſtehen, als diejenigen, bei denen der Mantel gefchloffen iſt und ſich in Ge⸗ ſtalt von, mit zuruͤckziehenden Muskeln verſehnen Hebern verlaͤngert. Alles ſcheint uͤberhaupt darauf hinzudeuten, daß die von dem Scharniere oder Schloſſe der Schaalen entlehnten Charactere keineswegs immer mit der Organiſation der Thie⸗ re uͤbereinſtimmen, daher auch Kennzeichen dieſer Art nur ein untergeordneter Werth beizulegen iſt. Comptes ren- dus des seances de l’Ac. d. Sc. T. XX, No. 8, 24. Fevr. 1845. Beobachtungen uͤber die Grenze der tiefen und hohen Toͤne. Von Herrn C. Desp retz. Was hat man unter einem im Ohre deutlich zur Perception gelangenden Tone zu verſtehen? etwa jeden möglichen Ton, der auf dieſes Organ eine Wirkung hervorbringen kann oder nur einen ſol— chen, der ſich, in Bezug auf andere Toͤne, claſſificiren läßt? Unſerer Anſicht nach, iſt jede Reihe von langſamen oder ſchnel— len Schwingungen, welche ſich nicht mit einer anderen Reihe ver⸗ gleichen laͤßt, die einen gehoͤrig beſtimmbaren Ton erzeugt, z. B, das tiefe C des Violoncells, der Bratſche oder Violine, kein Ton, ſondern nur ein ſummendes oder gellendes Geraͤuſch. Wollaſton ſcheint in feinen Bemerkungen über die, gewiſſen Ohren nicht vernehmbaren Toͤne, ſowenig wie Savart in einer ſpaͤtern Arbeit uͤber die Grenze der vernehmbaren Toͤne, die Noth— wendigkeit dieſer Unterſcheidung gehoͤrig beachtet zu haben, und ohne dieſelbe kann doch, unſerer Anſicht nach, der fragliche Gegen- ftand nie genügend aufgeklaͤrt werden. In franzoͤſiſchen und auslaͤndiſchen Schriften beruft man ſich auf die von Sauveur, Wollaſton und Savart erlangten Res fultate, ſowie die von Chladni und Biot angenommenen Zahlen. Wir wollen zuerſt den Stand der Frage betrachten. Fuͤr das gefunde und im normalen Zuftande befindliche Menfchen- ohr, ſagt Wollaſton (Vergl. Annales de Chimie et de Physi- que, T. XVI, p. 208), ſcheint die Fähigkeit der Unterſcheidung der Toͤne keine feſte Grenze zu haben. Wenn man die Zahl der Schwins gungen, aus denen die Toͤne beſtehen, ſtufenweiſe abnehmen läßt, fo wird man, aller Sorgfalt ungeachtet, den Punct, wo man inner halten muß, wenn die Toͤne noch eine muſicaliſche Wirkung erzeu— gen ſollen, nicht leicht beſtimmen koͤnnen. Wenn übrigens das Or⸗ gan völlig fehlerfrei ift, fo empfindet es die ſchwingenden Bewegun— gen ſelbſt dann noch, wenn ſie zu einem bloßen Zittern geworden ſind, das ſich durch den Taſtſinn erkennen und deſſen Schwingungen ſich beinahe zaͤhlen laſſen. Nach Chladni (Akuſtik, S. 6) entſprechen die tiefſten Toͤne, welche das menſchliche Ohr vernehmen oder wuͤrdigen kann, dreißig einfachen Schwingungen in der Secunde. Biot und andere Phy— ſiker haben ſich für die Zahl 32 entſchieden, welche dem tiefſten Tone der Orgel entſpricht. Man weiß (Bergl. Memoires de Académie, 1700, p. 140), daß Sauveur durch Verſuche ermittelt hat, daß eine Pfeife von 40 F. Länge den tiefſten Ton erzeugt, welchen das menſchliche Ohr unterſcheiden kann. Wenn das Geſetz der Laͤngen unter dieſen Ver⸗ haͤlrniſſen fortbeſtaͤnde; wenn der erzeugte Ton der Grundton wäre, ſo wuͤrde er das Reſultat von 25 einfachen Schwingungen pro Secunde ſeyn. Der Verfaſſer beſchreibt aber ſein Verfahren nicht genau genug; er hätte dieſen Ton in Bezug auf einen anderen gez hoͤrig beſtimmten claſſificiren müffen, und infofern dieſe Bedingung nicht erfuͤllt worden iſt, bleibt der Werth des Verſuches jenes be⸗ ruͤhmten Akuſtikers immer problematiſch. Savart hat (Annales de Chimie et de Physique, T. XLVII) einen mittelſt feines Apparates durch 7 — 8 Stoͤße oder 14 — 16 einfache Schwingungen erzeugten Ton für muſicaliſch erklärt. 229 Die bei dieſen Verſuchen angewandte Eifenftange hatte etwa 83 Centimeter Laͤnge, und da eine kuͤrzere Stange eine betraͤchtlichere Anzahl Stoͤße erheiſchte, ſo ſchloß der Verfaſſer, daß eine uͤber 83 Centim. lange Stange bei einer geringeren Anzahl von Stoͤßen ei—⸗ nen vernehmbaren Ton erzeugen muͤſſe. So folgerte er denn wei- ae in Betreff der Perception der tiefen Töne keine feſte Grenze exiſtire. Wenn der Ton, den das Ohr vernimmt, wirklich von der Zahl der Stoͤße herruͤhrte, welche die Stange der Luft ertheilt, fo müßte er außerordentlich tief, ja um eine Octave tiefer ſeyn, als der einer 32fuͤßigen Pfeife. Dieſer letztere läßt ſich aber ſchon nicht mehr muſicaliſch nennen, da er nur aus einer Aufeinanderfolge von Schlaͤ⸗ gen, einer Art von rollendem Geräufche beſteht. Auch fällt es den Orgelbauern ſehr ſchwer, den erſten Theil der 32füßigen Octave ohne Zuziehung einer höheren Octave oder ohne ſie in die hoͤ— here Octave fallen zu laſſen, zu ſtimmen. Uebrigens iſt zu bemer— ken, daß bei'm Orgelſpiel die Kraft des Geblaͤſes faſt immer das Vorherrſchen der Octave beſtimmt. Bei der Einweihung der von den Herren Cavallier Coll gebauten ſchoͤnen Orgel zu St. Denis und der Vergleichung der dort von mir angeſtellten Beobachtungen mit den von Savart angekuͤndigten Reſultaten, fiel mir bei, daß dieſer beruͤhmte Akuſtiker durch die große Intenſitaͤt des durch feinen Apparat erzeugten To- nes irre geleitet worden ſeyn duͤrfte. Dieß veranlaßte mich zur Anſtellung einiger Verſuche, durch die ich jedoch mehr hoffte, mir ſelbſt uͤber dieſen Gegenſtand klarer zu werden, als etwas Neues zu entdecken. Ich wiederholte einige Verſuche mit dem Apparate der wiſſen⸗ ſchaftlichen Facultät. Die Stange deſſelben ift 86 Centim. lang und nur an den Enden, und zwar an den Kanten, welche der Luft die Stoͤße ertheilen ſollen, mit einer Kupferſchiene belegt. Eine Ei— ſenſtange laͤßt ſich nicht gut anwenden, da ſie den Apparat zu ſtark erſchuͤttern und aus der Stelle ruͤcken wuͤrde. Wenn man dieſen Apparat allmaͤlig ſchneller anſchlaͤgt, ſo hoͤrt man bald einen aͤußerſt maͤchtigen Ton, und wenn man aufmerſam horcht, fo fällt es nach dem Verſuche nicht ſchwer den Einklang auf der Baßgeige zu er— zeugen. Man wird finden, daß bei keinem Verſuche ſich ein tieferer Ton erzeugen läßt, als G- (S), waͤhrend der tiefe (tiefſte?) Ton der Baß— geige C—, (O) iſt. Ich machte alsdann den Verſuch mit den beiden Bretern, wie fie Savart angewandt. Mit einem oder zwei Bretern und der von Hrn. Marloye hinzugefuͤgten Lade (Kaſten, Buͤchſe) war die Hoͤhe nur um einen Ton verſchieden. Wenn man weder ein Bret, noch die Lade anwandte, ſo blieb der Ton doch immer ziem— lich derſelbe oder wurde nur um etwas hoͤher. Ich vermuthete, daß wenn der intenſive Ton durch die Stoͤße der Stange gegen die zwiſchen den beiden Bretern befindliche Luft erzeugt wuͤrde, derſelbe durch eine doppelt ſo große Anzahl von Schlaͤgen um eine Octave erhoͤht werden muͤſſe. Ich bat Herrn Marlo ve die Breter in der Art anzubringen, daß die Stange waͤhrend einer Umdrehung zweimal durch die Oeffnung ſtriche. Es machten ſich aber offenbar 4 Paar, ſtatt des bei'm urfprünglichen Apparat vorhandenen einen Paars Breter noͤthig, weil ſonſt die Stoͤße keinen gleichweiten Abſtand voneinander gehabt hätten, Der tiefſte vernehmbare Ton, den der ſo eingerichtete und mit ei— nem Zaͤhler ausgeſtattete Apparat erzeugte, war mit dem G, im Eins klange. Er entſpricht 96 einfachen Schwingungen in der Secunde; das Cr entſpricht 128 Schwingungen. Bei 15 — 16 Stoͤßen oder 31 einfachen Schwingungen war kein Ton mehr vernehmbar. Man verſetzte den Apparat nun wieder in den Zuſtand, in welchem er ſich bei Savart's Verſuchen befunden, d. h., ſo daß er nur eine Oeffnung darbot; und der tiefſte vernehmbare Ton war unter ſolchen Umſtaͤnden nicht merklich verſchieden. Er entſprach immer noch 96 einfachen Schwingungen. Die Zahl der Stoͤße ward indeß noch einmal fo gering und betrug etwa 8 auf die Secunde. Dieſe Stoͤße waren ſehr deutlich. Wenn es mit dieſen Beobachtungen ſeine Richtigkeit hat, ſo iſt Savart wahrſcheinlich durch die Intenſitaͤt der durch feinen Ap— parat erzeugten Toͤne irre geleitet worden. Ich lege hiermit der Academie eine auf mein Erſuchen von Herrn Maloye für die 741. XXXIV. 15. 250 wiſſenſchaftliche Facultaͤt angefertigte Stimmgabel vor, welche das Ci des Violoncells anklingt. Der Ton diefer großen Stimmgabel erſcheint felbft geübten Ohren anfangs weit tiefer, als er es in Wirklichkeit iſt. Wir fuͤgen hinzu, daß der geſchickte Verfertiger des Apparats den durch die Schläge der Stange erzeugten Ton bei den Verſu— chen Savart 's ſelbſt nie vernehmen konnte, und daß dieß mit Herrn Cagniard⸗Catour ebenfo der Fall war. In dieſem Apparate erzeugen fi, wie bei den zuſammenge—⸗ ſetzten Apparaten, eine Menge von Toͤnen. Die in demſelben ein- geſchloſſene Luft, die Breter, welche die Oeffnung bilden, der Rie- men ꝛc. koͤnnen ſchwingen und verſchiedene Toͤne erzeugen. Man hoͤrt mehrere Toͤne, die ſich deutlich unterſcheiden und claſſificiren laſſen. Es handelt ſich hier aber nur um den tiefſten vernehmba⸗ ren Ton. { Wir wenden uns nun zu den hoͤchſten Tönen. Wollaſton glaubte, das Pipſen der Fledermaus und das Zirpen der Feldgrille bildeten die hoͤchſte Grenze der vernehmbaren Toͤne. Er nahm an, die hoͤchſten Toͤne der Inſecten wuͤrden durch 6 bis 7 hundertmal geſchwindere Schwingungen erzeugt, als die tiefſten Toͤne der Orgel, und fo würden alſo die hoͤchſten vernehm— caren Toͤne durch 19,000 bis 22,000 einfache Schwingungen in der Secunde veranlaßt. Sauveur ſtellte in ſeiner oben citirten Abhandlung die hoͤchſte Zahl zu 12400 feſt. Er gelangte zu dieſem Reſultate durch die Vergleichung der Lange derjenigen Pfeife, wel- che den hoͤchſten vernehmbaren Ton erzeugte, mit der Länge derjeni— gen, deren Grundton 100 Schwingungen auf die Secunde entſprach. Chladni entſchied ſich für 22,000 Schwingungen. Sa vart ſuchte durch verſchiedene Verſuche dieſe obere Grenze der vernehm— baren Toͤne genauer zu beſtimmen, als dieß von ſeinen Vorgaͤngern geſchehen war. Die von dieſem beruͤhmten Phyſiker erlangten Reſultate ſind folgende: Die meiſten Perſonen, welche ſeinen Verſuchen beiwohn— ten, konnten den durch das kurze Glasſtaͤbchen (von 159 Millim. Laͤnge) erzeugten Ton vernehmen, welcher 31,000 einfachen Schwing— ungen entſprach. Der Ton des 150 Millim. langen Glasſtaͤb— chens, der 33,000 einfachen Schwingungen entſprach, wurde bald gehort, bald nicht gehört. Mit Stahlſtäbchen war die aͤu— ßerſte Grenze der Vernehmbarkeit der Toͤne bei 32,000. Bei Pfeifen konnten hoͤchſtens die Toͤne vernommen werden, die durch 20,000 Schwingungen erzeugt wurden. Bei dieſen ver— ſchiedenen Verſuchen berechnete man die Zahl der Schwingungen nach Maasgabe des Geſetzes der Rängen. Durch Anwendung von Zahnraͤderwerk ließ ſich die Grenze der vernehmbaren Toͤne hoͤher hinauftreiben. Einen Zaͤhler haͤtte man hier nicht wohl anbringen koͤnnen. Man ſchaͤtzte die Zahl der Schwingungen mittelſt eines auf der Axe des Rades, welches die Toͤne erzeugte, befeſtigten und mit einer weit geringern Anzahl von Zähnen verſehenen Rades. Die hoͤchſte Grenze wurde in dieſem Falle bei 48,000 einfachen Schwingungen gefunden. Demnach kann, nach Savart, das Ohr noch einen durch 48,000 einfache Schwingungen in der Secunde erzeugten Ton ver— nehmen, wenn dieſer intenſiv genug iſt. Ich habe zuſehen wollen, wie weit das Ohr die Toͤne nicht nur zu vernehmen, ſondern auch mit einander zu vergleichen vermoͤge. Herr Marloye hatte mir bereits zwei kleine Stimmgabeln angefertigt, welche das Cs (das viermal geſtrichene c) des Fortepiano anklangen, und die ich zu Verſuchen in Betreff der Interferenz der Toͤne angewandt hatte, deren Reſultate jedoch noch nicht beſtimmt genug ſind, als daß ich ſie der Academie vorlegen duͤrfte, obwohl ich mittelſt zweier Pfeifchen mit einander abwechſelnde klingende und nichtklingende Linien erlangt habe, wie man bei dem Verſuche mit zwei leuchtenden Oeffnungen mit einander abwechſelnde helle und dun— kele Linien beobachtet. Er fertigte mir hierauf C, (das fünfmal ges ſtrichene e), Cs (das ſechsmal geſtrichene c), C,, Co an. Bei gehoͤriger Uebung vernimmt das Ohr dieſe aufeinanderfolgenden Octa— ven. Viele Perſonen haben dieſe Toͤne gehoͤrig deutlich vernommen und für Octaven erklaͤrt. Wenn man ſich alſo auf die Octave, als das dem Organe an— genehmſte und am Leichteſten vernehmbare Intervall, beſchraͤnkt, ſo 15 * 231 hört das Ohr nicht nur die Töne bis zu 65,536 einfachen Schwin⸗ gungen hinauf (das C, der Baßgeige-=123 gefegt), ſondern es kann dieſelben bis zu dieſer Hoͤhe ſogar noch claſſificiren. Ich wuͤnſchte nun in Erfahrung zu bringen, bis wie weit man die übrigen In⸗ tervalle noch zu vernehmen vermoͤge. Ich ließ eine Tonleiter von C, bis C, anfertigen, in welcher Reihe man alle Intervalle einer diatoniſchen Tonleiter unterſcheidet. Ich will zwar nicht behaup⸗ ten, daß hier die Intervalle ebenſo genau ſeyen, wie wenn man ſie aus dem mittlern Theile der ganzen muſikaliſchen Tonleiter nimmt; man wuͤrde dieſelben nur durch ein langes, mühfeliges und fuͤr das Organ nicht ganz gefahrloſes Studium voͤllig ſcharf auffaſſen, denn ſchon das laͤngere Zeit fortgeſetzte aufmerkſame Horchen erzeugt heftige Kopfſchmerzen. Wenn man indeß dieſe Reihe aufmerkſam unterſucht, ſo erkennt man, daß das Intervall der Quarte von C, bis Fs und das der Quinte von F, bis C, richtig find. Der vollſtaͤndige Accord ce gs iſt noch leicht zu vernehmen. Eine Octave zwiſchen C, und C,, zu erlangen, habe ich nicht verſucht, da das Organ dadurch zur ſehr angeſtrengt worden, und der Erfolg auch zweifelhaft geblieben ſeyn wuͤrde. Da ich jedoch zu erfahren wuͤnſchte, ob es nicht möglich ſey, noch über Co oder den 65,536 einfachen Schwingungen entſprechenden Ton hinauszu— gehen, fo bat ich Herrn Marloye, drei einander aͤhnliche Stimm: gabeln von C,, anzufertigen und an jeder einen Stiel von ger gewiſſer Laͤnge anzubringen, damit der Ton mehr Fuͤlle erhalte. Ich hoffte durch allmaͤlige Verkuͤrzung dieſer Stimmgabeln vielleicht ein vernehmbares Intervall bei C,, zu treffen. Die Stimmgabeln in Einklang zu bringen gelang ohne Schwierigkeit; allein als man die eine fo weit verkürzt hatte, daß fie mit Dre anſprach, und unn noch ein wenig weiter abfeilte, hörte fie auf zu tönen; ſobald man ihr aber ihre erſte Laͤnge zuruͤckgab, tönte fie wieder. Ueber Dro hinaus ließ ſich aber keine Stimmgabel zum Toͤnen bringen, ſodaß hier die aͤußerſte Grenze bei 73,700 einfachen Schwin— gungen war. Dieſe Stimmgabeln beſitzen, trotz ihrer Winzigkeit, ſehr viel Intenſitaͤt; fo hört man z. B., das Cs durch eine Thür hindurch und zwar noch in der Entfernung von mehrern Schritten. Neun Perſonen unter zehnen vernahmen den Ton des Oro von der Mitte des großen Amphitheaters der Sorbonne aus bis an deſſen Endpuncte. Wenn es mit vorſtehenden Verſuchen ſeine Richtigkeit hat, ſo ergiebt ſich daraus: 1) daß das menſchliche Ohr keine Toͤne ver— nehmen und claſſſficiren koͤnne, die durch weniger als 32 einfache Schwingungen auf die Secunde erzeugt werden; 2) daß das ganze Bereich der vernehmbaren und vergleichbaren Toͤne zwiſchen 32 und 73,000 einfachen Schwingungen in der Secunde liege. Ich muß uͤbrigens hier bemerken, daß das Ohr die ſehr hohen Tone nicht ſchnell genug vernimmt, als daß man ſie in die muſica— liſche Tonleiter aufnehmen duͤrfte. Die Verfertiger muſicaliſcher Inſtrumente haben in dieſer Beziehung die practiſche Grenze ſchon erreicht, wo nicht uͤberſchritten, wovon man ſich durch die Unterſu— chung mancher Inſtrumente uͤberzeugen kann. Bei'm umfangsreichſten Fortepiano entſpricht der tiefſte Ton dem C—, oder dem C des offenen Sechzehnfußes, und der hoͤchſte dem Cz. Bei den meiſten Inſtrumenten dieſer Art beſteht aber die Haͤlfte der unterſten Octave aus unbeſtimmten Toͤnen, und die Hälfte der oberſten Octave aus nichts bedeutenden, ſchwer zu claſ— ſſficirenden Toͤnen. Man koͤnnte ſolche Fortepianos alſo um cine ganze Octave verkuͤrzen, ohne ihnen etwas von ihrem muſicaliſchen Werthe zu benehmen. Bei'm Contrabaß, wo die tiefſte Note C—, *) iſt, müffen ſelbſt geuͤbte Tonkuͤnſtler, um den Accord zu erlangen, auf den erſten Grund— ton zuruͤckgehen. Bei den großen Orgeln findet man Pfeifen von 32 Fuß bis zu wenigen Linien Laͤnge. Wir haben ſchon weiter oben geſagt, daß der Accord der tiefſten Toͤne immer etwas unbeſtimmt bleibt, und was die hoͤchſten betrifft, fo iſt man bei mehr als einem Sn: ſtrumente über die hoͤchſten Toͤne des Vogelgeſanges und der Sn: ſectenlaute hinausgegangen. Koͤnnte nicht die Heilkunde aus der Anwendung der kleinen Stimmaabeln von C, bis C, mit oder ohne Reſonnanzlade Nuz— „) Soll wohl heißen E-. 741. XXXIV. 15. 282 zen ziehen, um bei der Behandlung der Gehoͤrkrankheiten die zu⸗ ee oder abnehmende Empfindlichkeit des Gehoͤrorganes zu pruͤfen? Die Wirkung, welche eine Stimmgabel C , hervorbringt, wenn man ſie auf die Stirn oder die Bruſt ſetzt, geſtattet vielleicht einen Schluß auf die Anwendbarkeit dieſes Inſtruments in der Heilkunde; auf der Stirn erzeugt es eine Erſchuͤtterung, welche der aͤhnlich iſt, die die Douche hervorbringt. Wuͤrden die mittlern, mit Reſonnanzladen verſehenen Stimm⸗ gabeln, ſeyen ſie nun einzeln oder zu Accorden vereinigt, nicht in Verbindung mit Fortepianos oder Orcheſtermuſik eine ſchoͤne Wir⸗ kung thun? Eine Reihe von ſolchen Stimmgabeln, welche ich zu dem Zwecke habe anfertigen laſſen, um die Aufeinanderfolge der Grundtöne (harmoniques) einer Saite oder offnen Orgelpfeife dar⸗ zulegen, und die ich hiermit der Academie vorzeige, kann einen Be— griff von der Schönheit und Reinheit der Tone dieſes Inſtruments geben Die großen Stimmgabeln C, und C—, wuͤrden ſich zu Per dalen eignen, die durch Schoͤnheit, Reinheit und ſogar Staͤrke des Tons Alles übertreffen, was Flöten oder Rohrwerke zu leiſten ver⸗ mögen. Man würde durch die zwiſchen Cr und C, liegenden Ac⸗ corde Wirkungen erreichen koͤnnen, wie ſie die Muſik bis jetzt noch nicht zu leiſten vermochte. Es wäre zu wünſchen, daß die mit der Aufſtellung der großen Orgeln in der Madeleine: und Saint-Euſtache-Kirche beauftrag⸗ ten Orgelbauer in dieſer Beziehung einige Verſuche anſtellten. Bei der gegenwaͤrtigen Einrichtung koͤnnte der Organiſt ſelbſt die Stimm⸗ gabeln nicht ſpielen; allein bis ein Mechanismus erfunden iſt, durch welchen dieß durch die Finger oder Fuͤße des Organiſten geſchehen kann, ließe es ſich ohne alle Schwierigkeit ſo einrichten, daß einer der Bälgetreter dieſe Stimmgabeln oder Accorde auf ein vom Dr: ganiſten gegebenes Zeichen anſchluͤge. Bei einem Orcheſter wäre dieß noch leichter zu bewirken. Bis noch vor wenigen Jahren fertigte man nur die Stimm: gabel an, welche zum Angeben des Tones in den Orcheſtern diente, und eine Anzahl temperirte Stimmgabeln, um das Geſchaͤft des Stimmens zu erleichtern. Als ich von einem ſehr geſchickten und geuͤbten Kuͤnſtler eine Stimmgabel C, verlangte, indem er an den meiſten Apparaten Savart's und Biot’s mitgearbeitet hatte, mußte derſelbe erſt mancherlei Verſuche anſtellen. Gegenwärtig hat Herr Marloye eine ſolche Sicherheit in der Anfertigung dieſer Jaſtrumente er: langt, daß er von der Laͤnge der roh aus der Gießerei kommenden Stimmgabel C, nur zwei Linien abzunehmen brauchte, obgleich er vorher nie ein Inſtrument von dieſer Groͤße angefertigt hatte. Dieß dürfte die größte Stimmgabel ſeyn, die je gemacht worden iſt. Ich bilde mir keineswegs ein, der Erſte zu ſeyn, der den Wunſch hegt, in der Kirchen- oder profanen Muſik Inſtrumente angewandt zu ſehen, die bisher nur in den Vorleſungen über Phyſik zum Vorſcheine kamen; im Gegentheil glaube ich, daß ſich dieſer Wunſch Jedem, der die Toͤne der langen Stahlſtaͤbe, der Glocken— ſpiele und Stimmgabeln mit Reſonnanzladen gehoͤrt hat, von ſelbſt aufgedrungen hat. Ich habe nur die Tonkuͤnſtler auf dieſe bisher noch nicht in Anwendung gebrachten Apparate aufmerkſam machen wollen. Bei dem vorſtehend Geſagten iſt durchgehends vorausgeſetzt, daß das Ohr ſich im normalen Zuftande befinde, d. h., in einem ſolchen, wo es die tiefen und hohen Toͤne mit ziemlich gleicher Leich⸗ tigkeit percipirt. Dieß iſt bei den meiſten Perſonen der Fall. Wir haben hier weder die Verſchiedenheiten in Betreff der beiden Ohren deſſelbven Individuums, noch die in Betreff verſchiedener Individuen in's Auge faſſen, ſondern vielmehr die Frage in ihrer einfachſten und zugleich wichtigſten Form auffaſſen wollen, um fie fo am ©i- cherſten zu loͤſen. Wenn uns manche Verſuche, die wir in Betreff anderer Zus ſtaͤnde des Gehoͤrſinns anzuſtellen begonnen haben, erhebliche Are ſultate geben ſollten, ſo werden wir ſie der Academie vorlegen. Comptes rendus des Séances de Acad. d. Sc, T. XX, No. 17, 28. Avril 1845. Der Birichterftatter des Courrier frangais über dieſe Arbeit des Herrn Despretz macht in Betreff des Vorſchlags des Letztern, 233 die Stimmgabeln behufs der practiſchen Heilkunde anzuwenden, fols gende Bemerkungen: Herr Vidal zu Caſſis hat bereits Stimmgabeln zum Meſſen des Grades der Taubheit mit Nutzen angewandt, und ſchon zu An⸗ fang des Jahres 1843 machte ein ausgezeichneter Pariſer Arzt, Herr Amédée Latour, feine Collegen auf die Vortheile der Ans wendung der Stimmgabel zur Diagnoſe der Bruſtkrankheiten auf: merkſam. Er druͤckt ſich hierüber folgendermaaßen aus: „In al: len den zahlreichen Faͤllen, wo die Percuſſion nicht zur Anwendung kommen kann, z. B., ſolchen, welche ihren Grund in Aetzmitteln (cauteres, Fontanellen?) oder Blaſenpflaſtern, einem durch Brech— weinfteinfalbe erzeugten Hautausſchlag ꝛc. haben, kann die Stimm: gabel zur Erlangung dieſes werthvollen diagnoſtiſchen Moments die beſten Dienſte thun. Die Schwingungen dieſes Inſtruments ſind mehr oder weniger intenſiv und ſonor, je nachdem die Lungen die Luft leichter oder ſchwerer durchlaſſen. Der Umfang der Ergießun— gen in die Bruſt laͤßt ſich mittelſt der Stimmgabel ſehr leicht er— kennen. Seit drei Jahren habe ich mich in zahlreichen Faͤllen von der Brauchbarkeit dieſes Inſtrumentes zu dem erwaͤhnten Zwecke uͤberzeugt. Uebrigens ſcheint es mir auch, als ob es ſich mit dem beſten Erfolg zur Diagnoſe der Bruͤche des Schaͤdelknochens be: nutzen laſſe. Ich habe in dieſer Beziehung zwar noch nicht hinlaͤng— liche Erfahrungen geſammelt, um dieſelben ſyſtematiſch zu ordnen, allein doch ſchon fo viele, daß ich die Aufmerkſamkeit der Chirur— gen auf dieſen Gegenſtand ziehen darf.“ Bericht uͤber die Sitzun— gen der Academie der Wiſſenſchoften am 28. April und 5. Mai, im Courrier frangais, 7. Mai 1845. 741. XXXIV. 15. 234 Miscellen. Ein Naturforſcher⸗Verein für die Oſtſee⸗provin⸗ zen Rußland's iſt, nach erfolgter Kaiſerl. Genehmigung am 9. April zu Riga in's Leben getreten. Der Verein, welcher den Zweck hat, ſoviel wie möglich die Liebe zu der Naturwiſſenſchaft zunaͤchſt in den Oſtſee⸗Provinzen zu wecken, bildet fuͤnf Claſſen: 1) die zoo⸗ logiſche, 2) die botaniſche, 3) die mineralogiſche, 4) die phyſicali— ſche und aſtronomiſche und 5) die chemiſche. Für eine dieſer Claſ⸗ ſen muß ſich jedes Mitglied beſtimmt erklaͤren und hat, wenn auch zu allen Zutritt, ſo doch nur fuͤr die ſeinige Stimmrecht. Jaͤhrlich werden 4 allgemeine Verſammlungen gehalten; außerdem eine oder zwei außerordentliche in Dorpat, Mitau oder an einem anderen Orte. Die Oirection verſammelt ſich monatlich, ſowie die einzel— nen Claſſen an verſchiedenen Tagen ꝛc. Ein maͤnnlicher Chimpanſee iſt in den Zoological Gar- dens, Regents-Fark zu London in der Menagerie einer der inte— reſſanteſten Gegenftände. Vor etwa u 8 Jahren befand ſich daſelbſt, wie die Leſer ſich erinnern werden, zum erſten Male ein Exemplar dieſer in Europa noch nicht beobachteten Affenart; allein es war ganz jung und ſtarb bald an Lungenentzuͤndung. Das jetzt vorhan— dene Exemplar iſt mehr ausgewachſen und erregt durch ſein lebhaf— tes Weſen ſeine Intelligenz und ſeine Anhaͤnglichkeit an ſeinen Waͤrter großes Intereſſe. Ueber den Anjing-Out an oder den wilden Hund der Mas layiſchen Halbinſel ( Chrysaeus soccatus Cant.) iſt der Linne an Society zu London am 15. April eine ausführliche Beſchreibung von dem Hrn. D. Cantor, M. D., vorgeleſen worden. e i Ein Fall von Verſtopfung des Dickdarms, in wel— chem das aufſteigende colon mit Erfolg geoͤffnet wurde, da der Patient erſt drei Monate ſpaͤter an einer andern Krankheit ſtarb. Von Samuel Evans, Eſg. zu Derby *). Der 28jaͤhrige Pachter Lewis Street war feit meh: rern Jahren Anfaͤllen von Diarrhoͤe unterworfen geweſen. Im Sept. 1843 wurde er von heftigen Schmerzen in den Gedaͤrmen befallen, welche colikartig zu ſeyn ſchienen und 13 Stunden anhielten. In der dritten Woche des folgenden Januars wiederholte ſich der Anfall, und am 5. Febr. kehrte derſelbe heftiger wieder. Der Verf. ſah den Patienten am 7. Febr. zum erſten Male. Derſelbe hatte heftige intermit— tirende Schmerzen im Unterleibe, welcher aufgetrieben, aber gegen Betaſtung nicht empfindlich war. In der rechten re- gio iliaca bemerkte man eine deutliche Geſchwulſt. Seit dem 5. hatte kein Stuhlgang ſtattgefunden. Latwergen, kraftige Abfuͤhrungsmittel und reizende Klyſtire wurden fünf Tage lang angewandt, ohne daß die Schmerzen gelindert worden oder Stuhlgang erfolgt waͤre. Am 12. und 13. wurden die Leiden des Patienten durch ſtarke Gaben des Liquor opii sedativus gemildert. Von da an, bis zu Anfang April, nahm das Volumen des Unterleibes allmaͤlig zu, und taͤglich traten viele Exacerbationen der Schmerzen ein. Von Zeit zu Zeit gingen Blähungen in Menge, fo wie kleine Quantitaͤten von thonfarbigen Faͤces ab. Die ) Vorgetragen in der koͤnigl. Geſellſchaft für Medicin und Chi⸗ rurgie, am 8. April 1845. „Ku een d. Geſundheit des Patienten wurde ſehr angegriffen, und Er— brechen fand fait täglich flat. Am 28. März wurde die von Calliſe erfundene und von Amufſſat abgeaͤnderte Operation zur Bildung eines kuͤnſtlichen Afters in der Len— dengegend in Vorſchlag gebracht, jedoch auf die Bitte der Verwandten des Patienten verſchoben. Die Abmagerung des Patienten nahm zu, und das abdomen ward nun im hoͤchſt moͤglichen Grade ausgedehnt. Die Ausleerung von Faͤces hoͤrte ganz auf, und der Puls ward ſchwach und ſchwirrend. Den 9. April. Die Operation wurde ausgefuͤhrt. In der rechten Lendengegend wurde ein 4 Zoll langer Einſchnitt gemacht und das aufſteigende colon geoͤffnet, worauf uͤber zwei Gallonen halbfluͤſſiger thonfarbner Faͤces ausfloſſen. Der Patient erholte ſich von der Operation und war bis zum 9. Mai bedeutend weniger mager geworden. Die Darm: wunde war geheilt, aber die Faͤces entwichen durchaus nur aus dem kuͤnſtlichen After, der fuͤr gewoͤhnlich mittelſt eines Stöpfels verſchloſſen war, welcher 4—5 Mal täglich heraus: genommen wurde. Zu Ende Juni's ward der Harn diabe— tiſch und es ſtellte ſich ſtarker Durſt ein. Der Patient fuhr in einem bequemen Wagen 6 eng— liſche Meilen weit, und bald darauf traten Symptome von Bauchfellentzuͤndung ein. Er ſtarb am 5. Juli. Bei der Leichenoͤffnung fand ſich, daß die Urſache der Verſtopfung in einer Strictur des colon beſtand, die gerade in dem Win: kel lag, den die aufſteigende und die queerlaufende Portion des Darms miteinander bilden. Die eingeſchnuͤrte Stelle war faſt ſo hart, wie Knorpel, und man konnte eben nur einen Rabenfederkiel durchfuͤhren. Ihre innere Oberflaͤche 235 war ulcerirt. Der Blinddarm war gewaltig ausgedehnt und beinahe ſo weit, wie ein Magen von normaler Groͤße. Das aufſteigende colon war ebenfalls bedeutend erweitert. Der Verfaſſer bemerkt, dieß ſey der 11. bekannt ge⸗ wordene Fall, in welchem die Amuͤſſa t'ſche Operation we— gen Verſtopfung des Darmcanals bei einer erwachſenen Per— ſon ausgefuͤhrt worden ſey. Aus der Geſchichte des Falles ergebe ſich, daß die Krankheit langſam fortgeſchritten und wahrſcheinlich von langer Dauer geweſen ſey; allein da die Operation viel zu lange verſchoben worden, ſo habe ſich der Patient damals ſchon in einem fuͤr den Erfolg derſelben hoͤchſt unguͤnſtigen Zuſtande befunden. Zwei Monate nach derſelben habe ſich derſelbe jedoch wieder ſo weit erholt, daß zu ſeiner vollſtaͤndigen Geneſung alle Ausſicht geweſen waͤre. Diaͤtfehler und unvorfichtige Leibesbewegung hätten indeß die Verwirklichung dieſer Hoffnungen nicht geſtattet; die Opera— tion an ſich ſey aber als gelungen zu betrachten. Sir George Lefevre bemerkte, der Patient ſey aller— dings viel zu fruͤh ausgefahren. Oertliche und allgemeine Behandlung, ſtrenge Diaͤt und fortgeſetztes Liegen ſeyen durch— aus zu einem gluͤcklichen Endreſultate dieſer Operation ers forderlich. Er erinnerte kuͤrzlich an zwei von ihm ſelbſt beobachtete Faͤlle dieſer Art. Bei einer vornehmen Dame zu St. Petersburg ward das colon lediglich deßhalb troika— rirt, um die durch Ausdehnung des abdomen veranlaßten Schmerzen zu lindern. Dieſe waren außerordentlich heftig, und zugleich fand fortwaͤhrend Erbrechen ſtatt. Es wurde ein Troikar in's colon eingeſenkt; es entwich Gas und der Schmerz ließ nach. Die Patientin ſtarb indeß 18 Stun— den nach der Operation. In dem zweiten Falle uͤberlebte der Patient dieſelbe um 20 Stunden. Er frage, ob man hier zu Lande eine ſolche Operation wohl bloß vornehmen wuͤrde, um Symptome zu bekaͤmpfen, da doch zur Rettung des Patienten auf dieſe Weiſe keine Ausſicht ſey? Herr Benjamin Phillips betrachtete die Mittheilung des Herrn Evans als ſehr wichtig. Die Operation ſey verſchiedentlich gegen Verſtopfung des Darmeanals und anus imperforatus in Anwendung gebracht worden, allein, ſo weit ſeine Erfahrung reiche, ſtets ohne guten Erfolg. An ſich ſey dieſelbe durchaus nicht ſchwierig, und es komme vor Al— lem auf Beſtimmung der Umſtaͤnde an, welche das Verfah— ren rechtfertigen. Woher ruͤhre dieſe Verſtopfung? Zuwei— len von verhaͤrteten Faͤces, und dann werde der Patient haͤufig mager, und Alles deute auf innere Strangulation hin, waͤhrend dennoch ohne eine Operation Geneſung eintre— ten koͤnne. Liege der Grund der Verſtopfung in Erkrankung des Maſtdarms, z. B. Carcinoma (an welcher Krankheit Brouſſais angeblich geftorben ſey), fo laſſe ſich deren Nas tur unſchwer ermitteln, und eine Operation der hier in Rede ſtehenden Art werde das Leben des Patienten verlängern koͤn— nen; allein auch hier werde nur ein Uebel an die Stelle ei— nes andern geſetzt, und es ſey ſchwer, zu entſcheiden, welches von beiden das ſchlimmere ſey. Nur wenn die verſtopfte Stelle hoͤher liege, halte es ſchwer, die Urſache derſelben und das einzuſchlagende Verfahren zu beſtimmen. Die Einſchnuͤ— rung koͤnne in der That gerade an der Stelle ſich befinden, 741. XXXIV. 15. 286 wo man gewoͤhnlich zu operiren pflege. In Herrn Evan's Falle habe die Diagnoſe durchaus keine ſichern Anhaltepuncte dargeboten, um uͤber die Urſache der Verſtopfung ein ent⸗ ſcheidendes Urtheil zu füllen. Denn wegen des gelegentlichen Abganges thonfarbiger Faces hätte man eher ſchließen ſollen, ſie ruͤhre von Anhaͤufung verhaͤrteter Faͤces, als von einer Strictur des colon her. Dr. Powell bemerkte, es ſey wunderbar, wie lange die Verſtopfung bei hyſteriſchen Patientinnen anhalten koͤnne. Er erzaͤhlte den Fall einer Dame, wo die Verſtopfung 3 Wochen dauerte und durch Opium und Grotonöl gehoben wurde. Spaͤter fand 2 Monate lang keine Ausleerung durch den After ſtatt. Klyſtire halfen nicht, und fie nahm Mor— gens und Abends 2 Gran Morphin und 2 Tropfen Crotonöl. In dieſem Falle habe, ſeiner Meinung nach, die Verſtopfung lediglich von der Hyſterie hergeruͤhrt. Herr Davis erzaͤhlte den Fall eines in Weſtindien invalid gewordenen Mannes, der alle 3 Wochen nur einmal zu Stuhle ging. Außer daß er dann und wann krampf— hafte Schmerzen in dem Unterleibe verſpuͤrte, war ſein Be— finden gut. Coloquintenextract mit Opium brachte keine Beſſerung hervor, und er nahm nun dreimal taͤglich eine Gummiguttpille, nebſt kleinen Doſen Bitterſalz ein. Dieß verſchaffte ihm gewoͤhnlich alle drei Wochen einen Stuhl, der eine große Menge scybalae enthielt. Bei dieſer Behand⸗ lung verbeſſerte ſich fein Appetit, obwohl er die Nahrungs- mittel zuweilen wieder ausbrach. Herr Davis berichtete dann noch uͤber einen zweiten Fall von bei einer Kindbette— rin eingetretener Verſtopfung, in welchem die Faͤces ebenfalls ſehr viele scybalae enthielten. Er gedachte dieſer Fälle, um daran Beiſpiele von der Wirkung einer geeigneten Bes handlung bei anhaltender Verſtopfung aufzuſtellen. Herr Solly pflichtete Herrn Phillips in Betreff der Schwierigkeit, welche es habe, die Urſache langwieriger Vers ſtopfung zu beſtimmen, vollkommen bei. Jeder practiſche Chirurg muͤſſe ſich hiervon uͤberzeugt halten. Er erinnere ſich eines Falles, welcher vor geraumer Zeit bei einer Frau vorgekommen ſey, die wegen angeblicher Bauchwaſſerſucht abgezapft worden, waͤhrend ſich bei der Leichenoͤffnung erge— ben habe, daß das colon durch Faͤces aufgetrieben und der Maſtdarm ſcirrhoͤs war. Er wies in’sbefondere auf diejeni— gen Faͤlle von Verſtopfung hin, wo ſich mittelſt falſcher Baͤn⸗ der Adhaͤſionen zwiſchen verſchiedenen Portionen des Darm— canals bilden. Vor einigen Jahren war ihm, nebſt Dr. Sutton zu Greenwich, ein ſolcher Fall vorgekommen. Er war zu Huͤlfe gerufen worden, um bei einem, an hartnaͤcki— ger Verſtopfung leidenden Individuum eine Bougie durch den Maſtdarm einzufuͤhren. Dieß ließ ſich leicht bewirken, indem man nirgends auf ein Hinderniß traf. Der Patient ſtarb vier Tage darauf, und es fand ſich, daß ein aus einer falſchen Membran beſtehendes Band, das ſich vom colon bis zum Gekroͤſe erſtreckte, das erſtere in der Art niederzog, daß deſſen Canal durchaus verſtopft war. Dr. James Johnſon war der Anſicht, daß in Herrn Evans's Falle keine große Schwierigkeit vorgelegen habe, um zu beſtimmen, an welcher Stelle die Verſtopfung ſich 237 befunden habe. Der Umſtand, daß die Bougie leicht durch den Maſtdarm ging, daß ſich ferner drei Pinten Fluͤſſigkeit durch denſelben einſpritzen ließen, habe, in Verbindung mit der Oertlichkeit der Ausdehnung, darauf hingedeutet, daß die Verſtofung in der Nähe des caput coli ſtattfinde. Er halte die Operation alſo fuͤr durchaus gerechtfertigt. Es ſey erſtaun— lich, wie lange ſich Faͤces in dem Darme anhaͤufen koͤnnten, ohne den allgemeinen Geſundheitszuſtand ernſtlich zu ſtoͤren. Er habe gegenwaͤrtig einen Patienten zu behandeln, durch deſſen Maſtdarm ſeit den letzten drei Monaten durchaus keine Faͤces abgegangen ſeyen. Er leide an einer großen unela— ſtiſchen Geſchwulſt in der Naͤhe des caput coli und vo— mire taͤglich faͤcesartige Stoffe. Sein Appetit ſey dabei gut, ſein allgemeiner Geſundheitszuſtand nicht angegriffen, und es ſcheine nicht, als ob die Krankheit einen toͤdtlichen Ausgang haben werde. Es frage ſich, in wiefern eine Operation in dieſem Falle rathſam ſey. Herr Dunn berichtete uͤber den Fall eines Kindes, das mit imperforirten Darme geboren worden ſey, und bei dem die Verſtopfung ſo hoch gelegen habe, daß man ſie mit ei— ner Bougie nicht habe erreichen koͤnnen. Eine Operation wurde nicht vorgenommen, und nach der Leichenoͤffnung fand ſich, daß das colon nicht ſtaͤrker war, als eine Rabenfeder. Herr Blizard Curling bemerkte, es ſey keineswegs eine leichte Sache, das colon mittelſt einer Operation zu erreichen, in'sbeſondere bei Kindern und wenn dieſer Darm nicht ausgedehnt ſey. Er erzaͤhlte einen Fall, in welchem man dieß verſucht, der Chirurg jedoch auf die Niere ge— ſchnitten habe. In einem Falle von anus imperforatus, wo man nicht in den Maſtdarm habe eindringen koͤnnen, habe er zur Amuſſat'ſchen Operation gerathen; man ſey aber nicht darauf eingegangen. An der Leiche habe er die— ſelbe aber nicht ſo leicht gefunden, als manche Herren zu glauben ſchienen. Indem er etwas zu nahe am Ruͤckgrat eingeſchnitten habe, ſey er auf die Niere gelangt, was, ſei— nes Wiſſens, auch oͤfter geſehen ſey, wenn die Operation bei lebenden Menſchen ausgefuͤhrt worden. Wenn der Grimmdarm ausgedehnt ſey und die Operation ein wenig mehr nach der aͤußern Seite zu vorgenommen werde, halte es allerdings nicht ſchwer, den Darm zu erreichen. Er pflichte dem Dr. Johnſon darin bei, daß in Herrn Evans's Falle der Sitz der Verſtopfung deutlich genug vorgelegen habe, um die Operation zu rechtfertigen. Dieſe Krankenge— ſchichte biete allerdings andern Chirurgen triftige Motive dar, um dieſes Verfahren in'sbeſondere in denjenigen Faͤllen vorzunehmen, wo es ſo deutlich vorliege, daß eine Verſto— pfung des Grimmdarms vorhanden ſey. Dr. Taylor bemerkte, da Herr Evans ſich deut— lich davon Überzeugen koͤnnen, wo die Verſtopfung exiſtire, die Operation durchaus gerechtfertigt geweſen ſey, und das Leben des Patienten unſtreitig verlaͤngert habe. Aus Herrn Evans's Aufſatze ergebe fich nicht, ob die Verſtopfung carcinomatoͤſer oder anderer Art geweſen ſey. Um dieſen Pnunct zu ermitteln, gebe es vielleicht keinen andern Weg, als die mikroſcopiſche Unterſuchung. Aus der Geſchichte des Falles gehe indeß mit einiger Wahrſcheinlichkeit her— 741. XXXIV. 15. 288 vor, daß eine einfache Entzuͤndung zu Grunde gelegen habe. Der Patient habe ſchon ſeit Jahren an Diarrhoͤe gelitten, die ihren Grund wahrſcheinlich in Entzuͤndung gehabt, welche ſpaͤter Ulceration, Vernarbung und Zuſammenziehung des Grimmdarms zur Folge gehabt habe. Ihm ſeyen ähnliche Beiſpiele von Zuſammenziehung in Folge von Fieber, jedoch nicht immer an dieſer Stelle vorgekommen. In den mei: ſten Faͤllen habe man keine Operation in Vorſchlag gebracht, und die Patienten ſeyen an Peritonitis geſtorben, bevor die Verſtopfung fo weit vorgeſchritten ſey, daß man eine Opera⸗ tion fuͤr gerechtfertigt haͤtte halten koͤnnen. Seiner Anſicht nach, laſſe ſich der Punct, ob die Verſtopfung lediglich von einer Anhaͤufung verhaͤrteter Faͤces oder von Structurveraͤn— derung herruͤhre, gewoͤhnlich durch Beruͤckſichtigung des Um— ſtandes entſcheiden, ob der Patient fruͤher an Entzuͤndung der Daͤrme gelitten habe oder nicht. Wenn dieß der Fall geweſen ſey, ſo habe man auf eine Structurveraͤnderung zu ſchließen. Er habe dieſe Verſtopfung in den Duͤnndaͤrmen haͤufig auf Fieber folgen ſehen. Sie ruͤhre dann von Ent— zuͤndung, Vernarbung und Zuſammenziehung her. Herr Hilton war der Meinung, in dem Falle des Herrn Evans ſey die Operation durchaus angemeſſen ge— weſen. Die Lage der Verſtopfung ſey klar und deßhalb die Operation durchaus gerechtfertigt geweſen. Er machte auf diejenigen Faͤlle von Verſtopfung des Darmcanals auf— merkſam, wo der Grimmdarm ſich um ſich ſelbſt geſchlun— gen habe, wovon ihm unlaͤngſt ein Beiſpiel vorgekommen ſey. Die Amuſſat ' ſche Operation wurde in Vorſchlag gebracht, kam aber nicht zur Ausfuͤhrung. Nach dem Tode wurde in der Richtung der Abdominalmuskeln von den falſchen Rippen aus bis in die Gegend der crista ossis ilei ein Einſchnitt gemacht, und der Grimmdarm auf dieſe Weiſe ohne Schwierigkeit erreicht. Die von Sir George Lefevre erwähnten Fälle, wo man das Bauchfell troikarirt habe, ſeyen von den hier in Rede ſtehenden, wo es darauf angekommen ſey, die Verletzung dieſer Membran zu ver— meiden, ſehr verſchieden. Dr. Watſon war, nach Allem, was er von der Ope— ration gehoͤrt und geſehen, zu dem Schluſſe gelangt, daß die Zweckmaͤßigkeit der Operation ſich nur nach den Umſtaͤnden jedes beſondern Falles beurtheilen laſſe. In einem Falle wie der Evans'ſche, ſey dieſelbe gerechtfertigt, vorausgeſetzt daß man den Patienten von der Natur und den Folgen derſelben in Kenntniß geſetzt habe; dagegen koͤnnte es unter andern Umſtaͤnden, wie z. B. in dem von Dr. Johnſon erwähnten Falle, raͤthlicher ſeyn, die Ausleerung der Faͤces durch die Speiſeroͤhre fortdauern zu laſſen, als einen kuͤnſt— lichen After zu bilden. Unter noch andern Umſtaͤnden duͤrfte es a priori ganz unmoͤglich ſeyen, zu unterſcheiden, ob eine Operation nöthig ſey oder nicht. (London medical Ga- zette, April, 1845.) Ueber den Bruch des innern und äußern Knoͤchels. Von Herrn Laſſerre. J. Eine Frau fiel vom Pferde und brach ſich beide Knoͤchel in der Höhe der Gelenkflaͤche des Schienbeincs. Die tibia und die 239 fibula drangen 3“ weit durch die Weichtheile hervor und der Fuß war aufwaͤrts gegen das Knie hin gezogen. Die Knochen wurden reponirt, und das Glied 8 Tage hindurch in einem Bruchapparate erhalten. Unglücklicherweiſe mußte die Kranke nun transportirt wers den, die Knochen drangen von Neuem durch die Wunde hindurch; die Amputation wurde vorgeſchlagen, aber verweigert; bald darauf der Tod. II. Eine Dame ſprang aus einem Wagen heraus, fiel auf den linken Fuß und brach ſich beide Knoͤchelz die Knochen drangen wie bei I. gegen 3“ durch die Weichtheile hervor. Man verſuchte zuerſt nach Repoſition der Knochen einen Verband anzulegen, ſah ſich aber bald genötbigt, da bei unvorſichtiger Lockerung desſelben die Knochen von Neuem hervorkamen, die Amputation auszufuͤhren. Acht Tage nach der Operation tetanus und Tod. III. Eine 72jährige Frau fiel von einer Höhe 9 Fuß hoch herab und brach ſich beide Knoͤchel, die Knochen drangen durch eine mehrere Zoll lange Wunde in der Höhe des Tibio-Aſtragal—⸗ Gelenkes hervor. Die Fußſohle war in die Höhe gezogen und der Fuß ruͤckwaͤrts bis zur Wade hinauf gedrängt. Repoſition des Knochens, Amputation, Tod. IV. Ein Mann fiel von einer Hoͤhe von 25“ herunter und erlitt einen Oueerbruch beider Knoͤchel des linken Fußes. Die Kno— chen drangen ſogleich durch eine weite, an der Außenſeite des Ge— lenkes gelegene Wunde hervor. Erſt am naͤchſten Tage wurde der Verwundete in's Spital gebracht, nachdem das Glied von 3 uhr N. M. bis um 7 Uhr N. M. des folgenden Tages der Luft ausgeſetzt geblieben war. Ueberdies hatte waͤhrend eines Theils dieſer Zeit die Frau des Kranken die Knochen den Sonnenſtrahlen bloßgeſtellt, in der Vorausſetzung, daß die Sonnenwaͤrme den Schmerz lindern würde, Herr Laſſer ere fand die Knochen vor⸗ liegend und den aͤußeru Knoͤchel in 4 ungleiche Stucke zerbrochen. Der Bruch wurde reponirt, und die Theile durch einen Kleiſter— verband in ihrer Lage erhalten. Am 8. Tage war die Eiterung ſo bedeutend, daß man es fuͤr noͤthig fand, den Verband zu erneuern Ein großer Abſceß bildete ſich nahe an der Wade und wude durch einen großen Einſchnitt geöffnet. Die Eiterung war reichlich 2—3 Mo⸗ nate hindurch und mehrere Knochenſtuͤcke gingen ab. Die Vernar— bung war 1 8 Monate nach dem Unfalle vollendet, und der Kranke Eonnte erſt 6 Monate fpäter feine Beſchaͤftigungen als Ar— beitsmann wieder aufnehmen. Anfaͤnglich war der Zuſtand ſeines allgemeinen Befindens beunruhigend, aber bald erholte er ſich und blieb die uͤbrige Zeit der Behandlung hindurch wohl. Herr L. glaubt, daß das Tibio⸗Tarſalgelenk eine leichte Beweglichkeit be— hielt, was jedoch nicht wahrſcheinlich iſt, da die leichten Bewegun— gen, welche er eintreten ſah, ohne Zweifel in den andern Gelenken des Fußes ftattfanden. Die gegebenen Fälle gewähren eine ſehr richtige Anſicht von der Pathologie diefer Art Brüche, Die Urſache war ſtets ein heftiger Fall auf die Fuͤße. Der Bruch ereignete ſich in der Höhe des Tibio-Tarſal-Gelenkes, die Knoͤchel brachen queer, und es fand ein bedeutendes Durchdringen der Unterſchenkel— knochen ſtatt. Obwohl die Perforation ſo bedeutend war, ſo ſcheint doch die Reduction keine Schwierigkeiten dargeboten zu haben, deſto mehr dagegen die Retention. Dieſes iſt ein Haptcharacter der Bruͤche der Knoͤchel. Die Analyſe der obigen Faͤlle zeigt, daß gefaͤhrliche Symptome erſt dann auftraten, als es unmoͤglich wurde die genaue (Coaptation der fracturirten Flaͤchen zu erhalten. Wir koͤnnen 741. XXXIV. 15. 240 alſo daraus den Schluß entnehmen, daß ſobald die Coaptation durch die Kunſt geſichert werden kann, es beſſer fein würde, die Erhaltung des Gliedes zu verſuchen, als ſogleich zu amputiren, was jetzt ge⸗ woͤhnlich geſchieht. Mis cee Ruͤckſichtlich einer verbeſſerten Ligatur bemerkt Dr. Thomas M. Lee, daß er bei Anwendung der gewoͤhnlichen doppel⸗ ten Ligatur es haͤufig, wenn der Patient ſich nicht vollkommen ru⸗ hig verhalten, ſehr ſchwierig gefunden habe, zu beſtimmen, welches Ende zu dem einen und welches zu dem andern Faden gehoͤre. Es ſey ihm beigefallen, daß ſich der Unterbindungsapparat dadurch bes deutend vervollkommnen laſſe, daß man die eine Hälfte jedes zu eis ner doppelten Ligatur beſtimmten Fadens ſchwarz färbe, waͤhrend man der andern ihre urſpruͤngliche helle Farbe laſſe. Hierdurch er⸗ lange man den Vortheil, daß man nach der Entfernung der Nadel die beiden Enden jedes Fadens leicht faſſen und zufammen= knüpfen koͤnne, wodurch viel koſtbare Zeit erfpart werde. Man brauche dann nicht an den Enden der Fäden zu ziehen, um zu ere mitteln, zu welchem Faden fie eigentlich gehören, indem ſchon die Farbe dieß anzeige. Man brauche zur Praͤparirung ſolcher Faͤden nur die Hälfte eines ganzen Strangs in ſchwarze Farbe zu taue chen und denſelben dann entweder einmal, naͤmlich an der Stelle, wo der gefärbte und ungefärbte Theil zuſammengraͤnzen, oder zwei⸗ mal, naͤmlich bei der Mitte des gefaͤrbten und bei der des ungefaͤrb⸗ ten Theils, zu durchſchneiden. (London medical gazette, April, 1845.) . Ueber die Zufälle, welche das Schweinfurter Gruͤn in den Tapetenfabriken veranlaßt, hat Hr. Blan⸗ det der Academie der Wiſſenſchaften am 24. März d. J. einige Beobachtungen mitgetheilt. Er beſchreibt zuvoͤrderſt die Symptome der durch Einathmen des Arſenikſtaubes oder der Aushauchung dieſes Giftes in irgend einer anderen Form erzeugten Krankheit. Sie bietet die meiſten Symptome dar, welche die Arſenikvergiftung durch den Magen erzeugt, jedoch nicht in gleicher Heftigkeit. Das ſpecifiſche Symptom derſelben iſt das ſchmerzhafte Dedem des Ho— denſacks, dem Anſchwellung des Geſichtes, ſowie ein warzen- oder puſtelfoͤrmiger Hautausſchlag vorangeht. Die Urſachen der Krank⸗ heit ſind unverkennbar die bei der Fabrication der Tapeten, welche mit dem aus Grünfpan und arfeniger Säure beſtehenden Schwein⸗ furter Gruͤn gefaͤrbt werden, vorkommenden Geſchaͤfte, das Drucken des Grundes und das Satiniren (Glaͤnzendmachen) deſſelben. Das Letztere iſt die gefährlichite Operation, indem der farbige Grund fo lange gebuͤrſtet wird, bis er den gehoͤrigen Glanz hat. Der dabei in die Luft aufſteigende weiße Arſenikſtaub wird von dem Arbeiter eingeathmet, mit dem Speichel verſchluckt und auf feiner Haut abe geſetzt. Deßhalb weigern ſich die Leute gegenwaͤrtig, täglich mehr als 10 Stuͤck Tapeten zu ſatiniren, während fie fonft 100 Stüd hintereinander in einem Tage glaͤnzend machten. Dennoch erkran⸗ key ſie noch immer zuweilen. In den Tapetenfabriken ſind nur unzulängliche Hausmittel gegen die Krankheitszufaͤlle im Gebrau— che, z. B. Milch. Hr. Blandet raͤth, das Eiſenperoxyd-Hydrat ſogar als Praͤſervativ anzuwenden. Bibliographische neuigkeiten. Synopsis analytique de la flore des environs de Paris ou De- scription abregee des familles et des genres, accompagnée de tableaux dichotomiques , destines à faire parvenir au nom des especes. Par E. Cosson et E. Germain. Paris 1845. 12. Insect Life. By David Badham, D. M., late Radcliffe Tra- velling fellow of the University of Oxford etc., London 1845. Kl. 8. —ͤ —-— Voyage medical dans Afrique septentrionale ou de l’Ophthai- mologie considere€ dans ses rapports avec les différentes ra- ces. Par le docteur Furnari. Paris 1845. 8. Précis de médecine operatoire. Par J. Lisfranc. Tome I, premiere Livraison. Paris 1845. 8. (Das Ganze erſcheint in drei Bänden, jeder Band befteht aus 5 Lieferungen.) — —-¼— nn —ů— Neue Motizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror iep zu Berlin. Noe. 742. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 16. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 ½ 30 M, Mai 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, Is Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 9) Die Tafel colorirter Abbildungen 7¼ 975 Na t ur Ueber die chemiſche Zuſammenſetzung der Knochen der Wirbelthiere. Von James Stark, M. D. Ungeachtet der Aufmerkſamkeit, welche man von jeher den Kno— chen geſchenkt hat, und der neuerdings mit Eifer betriebenen chemi— ſchen Unterſuchung derſelben, waren ſie bisher noch keinesweges in allen Beziehungen genau bekannt. Bis heute beſitzen wir, z. B., noch keine Reihe von Experimenten, aus der ſich das Verhaͤltniß der erdigen und animaliſchen Theile in den Knochen der verſchiede— nen Klaſſen der Wirbelthiere ergaͤbe; noch kennen wir die Weiſe der Verbindung der beiden Arten von Stoffen miteinander, ſo daß das feſte Gewebe der Knochen entſteht, nicht; ja wir beſitzen noch nicht einmal genuͤgende Verſuche oder Beobachtungen uͤber ihre all— gemeine Structur, und ſelbſt die Mikroſkopiſten find in Betreff der wahren Natur der ſogenannten Knochenkoͤrperchen und Knochenzel— len, ſowie der Zwiſchenzellenſubſtanz, noch keinesweges unterein— ander einig. Um dieſen und verſchiedenen anderen Maͤngeln abzuhelfen, habe ich mir vorgenommen, eine Reihe kurzer Abhandlungen aufzuſetzen, in welchen dieſe Puncte eroͤrtert und die Reſultate, zu denen ich durch ſehr zahlreiche und vieljährige Verſuche gelangt bin, dargelegt werden ſollen. Der erſte Theil dieſer Abhandlung wird demnach der Unterſu— chung des Verhaͤltnißtheils an erdigen und animaliſchen Stoffen in den Knochen der den verfchiedenen Klaffen der Wirbelthiere ange: hoͤrenden Geſchoͤpfe, ſo wie einigen daraus abgeleiteten Folgerungen, gewidmet ſeyn. Die Verſuche aller Chemiker haben bewieſen, daß die Knochen aus erdigen und animaliſchen Stoffen beſtehen; die letztern ſind eine Abart des Gelatins (Collin oder Leimſtoff), die ſich durch Kno— chen in Waſſer in eine Gallerte verwandeln laͤßt; die erdigen Stoffe beſtehen hauptſaͤchlich in phosphorfaurem Kalk mit veraͤnderlichen, jedoch geringen, Mengen von kohlenſaurem Kalk und Salzen, als Kali, Natron ꝛc. Die Knochen des Menſchen ſind diejenigen, welche am Haͤufigſten analyſirt worden ſind; von denen der Thiere ſind nur ſehr wenige Analyſen zur Oeffentlichkeit gelangt. Bei'm Durchgehen vieler dieſer chemiſchen Zerlegungen ſchien es mir, als ob die abweichenden Reſultate, zu denen verſchiedene Erperimentatoren gelangt ſind, in manchen Faͤllen daher ruͤhrten, daß die Knochen vor der Unterſuchung derſelben nicht gehörig ge— trocknet, in anderen nicht alles in ihrer Zellſubſtanz enthaltenen Fet— tes oder Oels beraubt worden ſeyen. Dieß ergiebt ſich offenbar aus der Art, wie nicht wenige Chemiker bei der Zerlegung der Knochen zu Werke gegangen ſind. Sie beſeitigten bloß das Mark, wiſchten den Knochen rein ab, trockneten denſelben, bis er aufhoͤrte, an Ge— wicht zu verlieren und brannten ihn dann, bis die ſaͤmmtlichen thie— riſchen Stoffe zerſtoͤrt waren. Uebrigens hat man ſich kaum daruͤber zu wundern, daß die meiſten Chemiker das Vorhandenſeyn von Fett (mit Ausnahme des Markes) in den Knochen uͤberſehen haben, in— dem einige Anatomen von nicht geringem Rufe gelaͤugnet haben, No. 1842.—742 R; u n e. daß die Knochen uͤberhaupt anderes Fett oder Oel enthalten, als dasjenige, welches in der mittleren Hoͤhlung der cylindriſchen Kno— chen der Extremitaͤten enthalten iſt. Uebrigens habe ich in allen Knochen Fett oder Oel angetroffenz ſelbſt der maſſive Theil der cylindriſchen Knochen der Ertremitäten enthaͤlt davon einen erheblichen Verhaͤltnißtheil, der ſich nach deren ſchwammigen Enden zu allmälig vergrößert. Die anderen Knochen enthalten deſſen ebenfalls, und es iſt in der gegitterten Structur aller Knochen des Körpers in größerer oder geringerer Menge ans zutreffen; in den Wirbelbeinen, dem Schulterblatte, dem Becken— knochen, dem Schaͤdelknochen, den Carpal- und Metacarpal-, den Tarſal- und Metatarſal-, ſowie den Finger- oder Zehenknochen, ja ſogar im Seſambeine Da es mir ſchien, als ob dieſer Beſtandtheil in den Knochen eine wichtigere Rolle ſpiele, als man ſich gewohnlich denkt, fo ſtellte ich einige Experimente zu dem Zwecke an, den Betrag an fettigen oder öligen Stoffen, den manche Knochen verſchiedener Thiere ent— halten, genau zu ermitteln. Nachſtehende Tabelle enthaͤlt die Re— ſultate dieſer Analyſen. Hundert Theile trockner friſcher Knochen enthalten: Knochenſubſtanz. Fett. ——ñ— — Köthenbein des Schaafe s 75,0 25,0 Koͤthenbein eines anderen Schaafes . 82,6 17,4 Radius des Schaafes, Gelenkende und halbe N CL UIeNN <. Hau ORGEL 78,3 27 Beinroͤhre (canon bone) des Schaafes. .. 84,5 15,5 Radius eines anderen Schaafes, der ganze Kno— chen nach Beſeitigung des Markes .. 86,5 13,5 Der feſte Koͤrper der Beinroͤhre des Schaafes 95,7 4,3 Koͤthenbein des Schaafes, der ganze Knochen 85,5 14,5 Würfelbein des Schaafes 84,0 16,0 Eine innere Portion des radius vom Ochſen, an der ſich das Gelenkende und die Con— dylen befanden, jedoch ohne Mark. .. 81,2 18,8 Innere Portion des radius vom Ochſen mit dem Gelenkende, doch ohne Mark und Con— d yen 77,2 22,8 Beckenknochen des Ochſen 82,3 17,7 Gelenkflaͤche und derber Koͤrper der tibia des Ochſen, ohne das Mrr k 84,8 15,2 Portion einer anderen tibia des Ochſen, durch das Gelenkende abgeſaͤgt, ohne Mark .. 80,3 19,7 Noch eine Portion von der tibia eines Och: ſen, durch die Gelenkfläche des Kniegelenkes abgeſägt, ohne M rk er 84.8 15,2 Radius vom Ochſen, mit Einſchluß der Gelenk— fläche, jedoch ohne das Mark 81,0 19,0 Os digitale vom Menſchen r 70,8 29,2 Carpalknochen des Menſchen „ = 86,3 13,7 Lumbarwirbelbein des Menſchen . 81,7 18,3 Desgleichen von einem anderen Subjecte .. 85,0 15,0 Wirbelbein der Steinbutte «+ 92,1 7,9 16 243 Aus dieſer Tabelle, der ich eine noch größere Ausdehnung hätte geben koͤnnen, da ich 37 Experimente über dieſen Gegenſtand anges ſtellt habe, ergiebt ſich, daß die Knochen 4—29 Proc. Fett oder Del enthalten. Dieſes iſt von dem Central: Marke ganz unabhängig und findet ſich in Menge in Knochen, die keine Centralhoͤhlung beſitzen. Es traͤgt zu der Staͤrke der Knochen nicht unmittelbar bei; da es jedoch nie fehlt, fo geht daraus hervor, daß es einem nicht un⸗ wichtigen Zwecke dient. 0 5 ö Wenn wir, ſtatt der Gewichts Verhaͤltnißtheile der Knochenſub⸗ ſtanz und des fetten Stoffes, die Volumverhaͤltniſſe beider betrach⸗ ten, fo ergiebt ſich, daß das Fett von 3 bis 3 des cubiſchen Inhal⸗ tes des maſſiven Knochens ſelbſt einnimmt. Doch iſt nicht zu uͤber⸗ ſehen, daß bei allen obigen Verſuchen das Centralmark von der Be⸗ rechnung ausgeſchloſſen war, indem es jedesmal vollftändig beſeitigt wurde, bevor man die in der Knochenſubſtanz ſelbſt enthaltene Fett⸗ menge ermittelte. Die Knochen enthalten alſo, im Widerſpruche mit der Anſicht eines beruͤhmten Chemikers unſerer Zeit, einen be⸗ trächtlichen Antheil Fett, einen weit größern Verhaͤltnißtheil, als bisher irgend Jemand hat zugeben wollen, und der, mit Einſchluß des Markes, an raͤumlichem Inhalte manchmal dem der ſaͤmmtlichen trocknen Knochenſubſtanz gleichkommt. x . Man erkennt gegenwärtig ziemlich augemein an, daß die Kno⸗ chen der Voͤgel hohl ſeyen, und daß deren gegitterte Zell⸗ Structur kein Fett, ſondern nur Luft enthalte. Nicht alle Knochen des Vo⸗ gelkoͤrpers bieten jedoch dieſe Leere dar, und bei jungen Voͤgeln be⸗ findet ſich faft kein einziger Knochen in dieſem Zuſtande. Da ich Gelegenheit gehabt habe, die Knochen ſehr verſchiedener Vogelſpe⸗ cies in allen Lebensaltern zu unterſuchen, ſo konnte ich mich von dieſem Umſtande auf's Vollſtaͤndigſte überzeugen, und ich habe ge⸗ funden, daß die Knochen faſt aller Voͤgel, die weniger als 1 Jahr alt waren, mit einer dlig-eiweißartigen Subſtanz gefüllt find, die mit zunehmendem Alter allmaͤlig abſorbirt wird. Es hat mir ge⸗ ſchienen, als ob dieſe ölig⸗eiweißartige Subſtanz das Innere der zelli⸗ gen Knochen der Vögel ziemlich fo lange ausfuͤlle, als die Vögel noch wachſen, und daß ſie erſt dann verſchwinde, wenn die Voͤgel vollig ausge⸗ wachſen find. Die Knochen der Beine enthalten jedoch ſelbſt in einem ſehr vorgerückten Alter viel Fett und Mark. Aus nachſtehender kurzen Tabelle wird ſich dieß naͤher ergeben. Hundert Theile trockner, friſcher Knochen enthalten: Knochenſubſtanz. Fett. — — Zu — Goldadler, Schenkel beiin 85,1 14,9 Gemeiner brauner Adler (altes Exemplar), N ba. ee oeine 98,7 1,3 Gemeine braune Eule (junges Exemplar), eus... e 88,2 11,8 Seemoͤve, alte, humeruns 3 3 97,3 2,7 Seemoͤve, junge, humeruiuns 89,1 10,9 Silberfaſan, alter, radiun ss. 98,5 1,5 Silberfaſan, junger, radius . r 85,0 15,0 Bei manchen Menſchenknochen bemerkte man, daß das Fett oder Mark theilweiſe entartet war und eine ölig= eiweißartige Bez ſchaffenheit angenommen hatte. Dieſe Veränderung war hauptſaͤch— lich bei den Knochen derjenigen Perſonen wahrzunehmen, die ent— weder ein ſehr hohes Alter erreicht hatten oder an einer ſchleichen— den Krankheit geſtorben waren. In einem Falle bot ſogar die fet⸗ tige Subſtanz in den zelligen Höhlen der Knochen und das Gen: tralmark diefelbe eiweiß- gallertartige Beſchaffenheit dar, welche bei der Knochenerweichung und manchmal bei rachitis vorkommt. Manche Knochen des Koͤrpers enthalten regelmaͤßig weit weni— ger fettige Stoffe, als andere. Die Rippen der Saͤugethiere ſind beſonders in diefem Falle, und es tritt in ihnen die olig= eiweiß— artige Subſtanz an die Stelle des Fettes. In vielen Faͤllen, und bei alten Thieren durchgehends in groͤßerem oder geringerem Grade, find jedoch viele der dieſe Subſtanz enthaltenden Zellhöhlen halb leer; die Rippen haben alfo, mit anderen Worten, eine aͤhnliche Be— ſchaffenheit, wie die Knochen der alten Vögel überhaupt. Bei den Fiſchen dagegen iſt die fette oder oͤlartige Subſtanz faſt lediglich auf die Wirbelbeine, ſowie einige Knochen des Kopfes und der Schulter beſchraͤnkt. Bei den anderen Knochen (Graͤten) find die zelligen Räume entweder mit eimeiß-gallertartiger Subſtanz 742. XXXIV. 16. 244 oder mit einer waͤſſerig⸗ſalzigen Fluͤſſigkeit gefüllt, Dieſes Umftane des wegen verlieren die Graͤten der Fiſche waͤhrend des Trocknens über 3 ihres Gewichts und find fie, ſtatt wie andere Knochen un⸗ durchſichtig zu ſeyn, beinahe durchſichtig. - Ueber den muthmaßlichen Zweck und die Vertheilungsart dies ſer fettigen Subſtanz werden wir uns ſpaͤter ausſprechen, wenn wir von der innerſten Structur der Knochen handeln werden. Viele Experimente wurden zu dem Zwecke angeſtellt, den Be⸗ trag der in den Knochen enthaltenen Feuchtigkeit zu ermitteln. Im Allgemeinen beſitzen die Knochen der Fiſche das meiſte Waſſer, in⸗ dem deſſen Quantität 4 — 5 des Gewichts der friſchen Knochen austraͤgt. Dieß iſt ſehr begreiflich, da die zelligen Räume der mei⸗ ſten Fiſchgraͤten mit einer ſaliniſchen Fluͤſſigkeit oder eiweiß⸗gallert⸗ artigem Stoffe gefuͤllt ſind. Die Knochen der Voͤgel enthalten ebenfalls bedeutend viel Feuchtigkeit, jedoch die der jungen weit mehr, als die der alten, weil ihr Inneres mit oͤlig-eiweißartiger Subſtanz gefüllt iſt, welche bei'm Trocknen eine bedeutende Menge Waſſer verliert. Nach meinen Verſuchen find in den Voͤgelknochen 12 — 25 Procent Waſſer. Die platten Knochen der Saͤugethiere enthalten, in der Regel, mehr Waſſer, als die runden Knochen der Extremitaͤten. Dieß ruͤhrt von dem groͤßeren Verhaͤltnißtheile an Membranen und Gefaͤßen, ſowie von dem häufigen Vorkommen oͤlig-eiweißartiger Subſtanz in deren gegitterter Zell-Structur her. Die platten Knochen und die ſchwammigen Enden der runden Knochen verloren im Durchſchnitte 12-30 Proc. Waſſer, während die Körper oder Mittelſtuͤcke der Knochen der Extremitaͤten, welche ein weit dichteres Gefüge darbie⸗ ten, nur 3 — 7 Proc. ihres Gewichts einbuͤßten. Dieſer Umſtand ſchien zu beweiſen, daß die Menge der in den Knochen enthaltenen Feuchtigkeit zu der Maſſe der ihre inneren Zellen auskleidenden Membranen in einem gewiſſen Verhaͤltniſſe ſtehe. Je weniger Zell⸗ raͤume vorhanden ſind oder je maſſiver der Knochen iſt, deſto un⸗ bedeutender iſt der Verhaͤltnißtheil an waͤſſeriger Fluͤſſigkeit; je 1 der Knochen iſt, deſto mehr Procente Waſſer ent- ält er. Im Allgemeinen ſtellte ſich heraus, daß die Knochen des Men⸗ ſchen unter allen Saͤugethierknochen die meiſte Feuchtigkeit enthal⸗ ten, indem der Betrag oft bedeutender iſt, als bei jungen Voͤgeln. In ganz einzelnen Faͤllen, wo die Knochen ungewoͤhnlich waſſerreich waren, ließ ſich der Grund dieſer Erſcheinung in der krankhaften Veränderung des Kaochenfettes auffinden, welche Veraͤnderung wahrſcheinlich von den Krankheiten, an denen die Individuen geſtor— ben waren, herruͤhrte. Das Mark, wie das Fett in der Subſtanz der Knochen, ſchien jene oͤlig⸗eiweißartige Entartung erlitten zu has ben, von welcher weiter oben die Rede war. Der Betrag an thieriſcher Membran und Blutgefaͤßen, welchen friſche Knochen enthalten, beläuft ſich auf 1 — 3 Proc. In mans chen Rippen wurden 4 Proc. gefunden; allein dieß duͤrfte nur ausnahmsweiſe vorkommen In dem mafliven Mittelſtuͤcke der Beinröhren von Schaafen und Hirſchen ſchien nie mehr als 4 Proc. vorzukommen. Der nächte wichtige Punct, auf deſſen Ermittelung es ankam, war, welcher Betrag an erdigen und thieriſchen Stoffen in den maſſiven, trocknen gereinigten Knochen der Thiere aus den verſchie— denen Klaſſen der Wirbelthiere enthalten ſey. Die Naturforſcher und vergleichenden Anatomen haben bei ihrem Suchen nach einer, in der aufſteigenden Reihe der Organismen ſtets vollkommner wer— denden Entwicklung aller Organe in Betreff der Knochen ihrer Phantaſie freies Spiel gelaſſen und behauptet, der Verhaͤltnißtheil an Erdſalzen nehme von den niedrigſten Fiſchen bis zu den am Hoͤchſten organiſirten Voͤgeln, bei welchen die Gewebe am Vollſtaͤn⸗ digſten verknoͤchert ſeyn ſollen, beftändig zu. 5 Die Angabe, daß die Knochen der hoͤhern Thierclaſſen einen größeren Verhaͤltnißtheil an Erdſalzen enthalten, wird nicht von allen Schriftſtellern genau in derſelben Weiſe vorgebracht. Die meiſten geben einfach an, die Knochen ſeyen bei den Reptilien voll⸗ kommener verknoͤchert, als bei den Fiſchen; und ſie weiſen dann beiſpielsweiſe darauf hin, daß das Knorpelſkelet der niedrigſten Fiſch⸗ familien nach den hoͤher organiſirten Fiſchen zu immer mehr mit Knochenſubſtanz geſchwaͤngert wird. 1 245 Dr. Grant, eine der erſlen jetzt lebenden Autoritäten, erörtert die Anſichten der vergleichenden Anatomen über dieſen Punct aus⸗ fuͤhrlicher. Nachdem er Chevreul's Analyſe des Skelets des Squalus maximus angefuͤhrt, aus der ſich ergiebt, daß daſſelbe faſt gar keine Erdſalze enthaͤlt, bemerkt er, daß der Verhaͤltnißtheil an erdigen Stoffen dem die Knochen ihre Feſtigkeit verdanken, bei den höher organiſirten Geſchoͤpfen immer ſtaͤrker werde, daß ders ſelbe bei den Reptilien noch mehr zunehme, bei den Saͤugethieren wiederum bedeutender ſey und endlich bei den Vögeln den hoͤchſten Grad erreiche *) . Bei Gelegenheit der Reptilien bemerkt er ferner: „Indem wir uns von den Fiſchen durch die kaltbluͤtigen luftathmenden Wirbel thiere erheben, wird die Textur der Knochen, in Folge der groͤßeren Menge von unaufloͤslichen Phosphaten, compacter, weniger durch⸗ ſichtig sfeſter und überhaupt ſolider und verknoͤcherter,“ und: „Bei den am Tiefſten ſtehenden Amphibien enthalten die Knochen die meiſte thieriſche Subſtanz und find weicher und biegſamer.“ **) Da, wo er von den Voͤgeln handelt, ſagt er: „In Anſehung der Textur und Zuſammenſetzung der Knochen wird in der Claſſe der Voͤgel das Maximum der Entwickelung im Thierreiche er— reicht.“ * Endlich bemerkt er in Betreff der Knochen der Saͤugethiere: „Sie beſitzen einen groͤßeren Verhaͤltnißtheil an thieriſchem Stoffe, als die der Voͤgel, und ſind deßhalb zaͤher, weniger ſproͤde und, we— gen ihrer bedeutendern Dicke, ſtaͤrker.“ +) Dieß waͤren alſo die Angaben der vergleichenden Anatomen uͤber dieſen Punct. Da mir aber keine Reihe von Experimenten bekannt war, welche dieſelben beſtaͤtigten; da ich wußte, daß, mit Ausnahme der Menſchenknochen, nicht ein Dutzend Verſuche über den Verhaͤltnißtheil der Erdſalze und thieriſchen Stoffe in den Kno— chen der Wirbelthiere bekannt gemacht worden war, ſo ſtellte ich ſelbſt eine Reihe von Experimenten über dieſen Gegenſtand an ++). Aus den vom Verfaſſer angeſtellten 232 Verſuchen ergiebt ſich, daß der Durchſchnſttsbetrag der in den Knochen von Thieren aus den verſchiedenen Claſſen der Wirbelthiere enthaltenen erdigen und thieriſchen Stoffe folgender iſt: 100 Theile trockner gereinigter Knochen enthalten erdige Theile Knorpel. Menſch, Mittel aus 19 Verſuchen . 5 66,61 33 39 8 1 a Ochs, . 6% . f 64,51 35,49 Schwein 8 r 4 B 2 64,71 35,29 Schaaf 5 12 5 5 0 65,50 34,50 Pferd. N, 66,67 33,33 Hund 5 x 5 4 = > 65,74 34,26 Katze 8 8 0 2 . 66,70 33,30 Kaninchen. 3 85 2 8 6510 34,90 Dale. 8 8 8 ° . 66,76 33,24 Sich . . 0 7 6530 33,70 Si „ ³˙ EEE 331 Baͤr Se a 8 61,90 38,10 Igel 3 SIR) - m 67,03 32,57 Negeraffe . 0 1 R 63 00 32 00 Marmozette-Affe (2) 1 5 62.30 37,70 Lectures by Dr. Grant in der Lancet, 1834, S. 538, *) Ebendaſ. S. 613. „) Ebendaſ. S. 762, 7 Ebendaſ. S. 841. 1) Hier folgt nun im Originale eine nach den verſchiedenen Thier— claſſen geordnete Tabelle, welche die Reſultate von 232 Ana— lyſen von Thierknochen enthaͤlt, die wir jedoch nur in ihren Hauptreſultaten auszugsweiſe mittheilen. In einer Anmer— kung zu ſeiner Tabelle bemerkt der Verfaſſer, daß er die mei— ſten der von ihm zerlegten Knochen dem Ausſtopfer Carfrae zu Edinburgh verdanke, und daß die beſte Praͤparation der zur Analyſe beſtimmten Knochen darin beſtehe, daß man ſie in dünne Schichten zerſtuͤckele und dieſe in Waſſer gehörig mace- riren und faulen laſſe, dann rein waſche, ſo lange trockne, bis ſie nichts mehr an Gewicht einbuͤßen und zuletzt in geſchloſſenen Kapſeln forgfältig brenne. 742. XXXIV. 16. 246 Erdige Theile Knorpel. Eichhorn LM 8 9 . 65,80 84,20 Iltis 5 „ 4 . 5 & R 65,30 34,70 Amphibien u. Cetaceen 5 . 8 8 & 63,10 31,90 Raubvoͤgel . 45 8 € 8 1 65,56 34,44 Waſſervoͤgel . 9 3 u 8 66,94 33,06 Andere Voͤgel „ 29 . 8 0 . 66,08 33,92 Reptilien . 9 d 5 66 41 33,59 Graͤtenfiſche . 13 8 . . oz 32,89 Knorpelfiſche 7 B . S 63,74 31,26 Mittlere Verhaͤltnißzahlen der Knochen der ſaͤmmtlichen Wirbelthiere 8 s 5 66,09 33,91 Aus dieſen Verſuchen erſehen wir, wie wenig das Verhaͤltniß der erdigen und thieriſchen Stoffe der Knochen in dem ganzen Thier— reiche von einander abweicht. Sie ſcheinen zu beweiſen, daß, wo auch immer ein aͤchter Knochen vorkommt, derſelbe im Durchſchnitte dieſelbe Menge an erdigen und thieriſchen Stoffen enthaͤlt. Es iſt in dieſer Beziehung kein Unterſchied zwiſchen den aͤchten Knochen, welche den Mund des Stoͤrs umgeben, und den Knochen der Bd: gel und Saͤugethiere. Dennoch iſt der Stoͤr einer der Fiſche, welche auf der Stufenleiter der Schoͤpfung ſo tief ſtehen, daß ihr Skelet aus bloßem Knorpel beſteht. Dieſe Verſuche beweiſen demnach die Unrichtigkeit der Angabe, als ob die Knochen einen bedeutendern Betrag an erdigen Stoffen enthielten, je hoͤher die Thiere organi— ſirt ſeyen. Außerdem geſtatten dieſelben aber auch noch andere wichtige Schluſſe. 1) Die animaliſirte Grundlage bildet ziemlich genau ein Drit— tel des Gewichts des trocknen gereinigten Knochens. 2) Der Verhaͤltnißtheil der erdigen Stoffe in den Knochen der wilden Saͤugethiere ſcheint um etwas bedeutender zu ſeyn, als bei denen der zahmen Thiere. Waͤhrend, z. B., die Knochen des Och— ſen im Durchſchnitte nur 64,57, die des Schweins 64,71, die des Schaafes 65,50, die des Hundes 65,74 Procent erdige Stoffe ent— hielten, fanden ſich in denen des Haſen 66,76, in denen des Fuch— ſes 67,86, in denen des Igels 67,63, und in denen der Amphibien und Cetaceen 68,10 Procent davon. 3) Die Knochen der kuͤnſtlich ernaͤhrten Thiere, ſowie der an Krankheiten geſtorbenen Thiere weichen in Betreff des Verhaͤltniß— thelis an erdigen und animaliſchen Stoffen am Meiſten von einans der ab. In dieſer Beziehung weiſe ich ganz einfach auf die Kno— chen des Menſchen und Ochſen hin. Bei dem Menſchen boten die Knochen verſchiedener Individuen 60,3 bis 71,4 Procente erdiger Stoffe dar ), eine Verſchiedenheit, die ich mehr den Krankheiten, an denen die Perſonen geſtorben waren, als der bloßen Verſchie— denheit der Nahrungsſtoffe zuſchreiben moͤchte. Nach den Krankhei— ten richtet ſich die Quantitat und Qualitaͤt der Excretionen, wie denn in manchen Fällen die Excretion der Phosphate, in andern die der animaliſirten Stoffe ſich ſteigert. Dadurch muß aber noth— wendig die Zuſammenſetzung der Gewebe des ganzen Körpers bes theiligt werden, und die große Veraͤnderlichkeit des Verhaͤltnißtheils der erdigen Subſtanz in den Menſchenknochen ſcheint ſich daraus hinlaͤnglich zu erklaͤren, da kein Thier fo vielen Krankheiten unter: worfen iſt, wie der Menſch. Da mir daran lag, zu ermitteln, in wiefern eine verſchiedene Ernährung und Lebensweiſe auf die geſunde Ernährung der Kno— chen Einfluß habe, ſo verſchaffte ich mir mit einiger Muͤhe Kno— chen von Ochſen, die auf verſchiedene Weiſe gefuͤttert worden wa— ren. Die unter No. 22 und 23 (der Detailtabelle) aufgefuͤhrten Knochen ſtammten von einem Teeswater-Ochſen, der mit Brautraͤ— bern gemaͤſtet worden war, und enthielten hoͤchſtens 63.9 Proc. er: dige Stoffe. No. 27, 28 und 29 kamen von einem mit Rüben und Rapskuchen gemaͤſteten Galloway-Ochſen, und die Procente der erdigen Stoffe hielten ſich zwiſchen 64,2 und 65,3. No. 31, 32, 33 und 34 waren von einem unmittelbar von der Waidemaſt genom— menen hochſchottiſchen Ochſen und enthielten 65,4 bis 66 6 Proc. erdige Stoffe, und No. 35 ſtammte von einer ebenfalls ſofort von *) Wie ſich aus der im Original enthaltenen Detailtabelle ers giebt. D. Ueberf. 1 247 der Trift weg geſchlachteten Ayrſhireſchen Kuh, und bei ihr war der Procentantheil an erdigen Stoffen ungefaͤhr derſelbe, wie bei dem hochſchottiſchen Ochſen, naͤmlich 65,6. Ich bin geneigt, die Abweichungen in dem Verhaͤltnißtheil an erdigen Stoffen in den Knochen mehr der Verſchiedenheit der ſon— ſtigen Lebensweiſe, als dem bloßen Unterſchied in der Race und dem Futter zuzuſchreiben. Der Teeswater- und Galloway-Ochſe waren lange bei Stallfuͤtterung gehalten worden und hatten, ſolange ſie auf der Maſt ſtanden, gar keine Koͤrperbewegung gehabt. Dieß kann alſo der Grund geweſen ſeyn, weßhalb ihre Knochen weniger Erdſalze enthielten, als die des hochſchottiſchen Ochſen und der Ayrſhireſchen Kuh, deren Fuͤtterung naturgemaͤßer war und die da— bei der Bewegung im Freien genoſſen. Was die Schaafe anbetrifft, fo konnte ich mir lediglich darüber Gewißheit verſchaffen, daß die Knochen derjenigen, die auf dieſelbe Waide gegangen waren, genau denſelben Verhaͤltnißtheil an erdigen und animaliſchen Stoffen enthielten. 4) Das Alter ſcheint den Betrag an erdigen Stoffen in den Thierknochen nicht zu erhoͤhen, und dieß widerſpricht der allgemein verbreiteten Annahme, als ob die Knochen der alten Thiere mehr erdige Stoffe enthielten, als die weichen biegſamen Knochen der jungen Thiere. No. 10 — 15 der Detailtabelle bieten eine verglei— chende Ueberſicht der Beſtandtheile der Knochen von erwachſenen Perſonen und ſolchen im Juͤnglings- und Kindesalter dar, und in allen Fällen iſt ruͤckſichtlich der Proportion der Beſtandtheile kaum ein Unterſchied wahrzunehmen. Der dichte Koͤrper des radius eines nicht volle 6 Jahr alten Kindes und der von Perſonen uͤber 40 Jahre enthielten in der That ganz genau dieſelben Procente an erdigen Stoffen. Um zu ermitteln, ob die niedrigern Thiere demſelben Geſetze unterworfen fiyen, verſchaffte ich mir die Knochen von einer ſehr alten Ayrſhireſchen Kuh, deren Alter (15 Jahre) ich von dem Land— wirthe, der ſie aufgezogen und dem Metzger geliefert hatte, genau in Erfahrung brachte. Bei dieſem Thiere erreichten die Procente der erdigen Stoffe die Zahl 65,6; allein in dem Knochen mehrerer anderer Rinder boten dieſelben die Zahlen 65,7, 65,8, ja 66,6 dar, und dieſe Rinder waren nicht uͤber 4 Jahr alt. Bei den Schaafen war das Naͤmliche der Fall. No. 51, 52, 53 und 54 waren Knochen von Schaafen und Laͤmmern derſelben Trift, und in allen waren die Proportionalzahlen der erdigen und thieriſchen Stoffe dieſelben. Dieſe Beiſpiele moͤgen hinreichen, um zu beweiſen, daß die vollkommenen Knochen der jungen Thiere eben— ſoviel erdige Theile enthalten, als die der alten. Ich will hier bemerken, daß bei'm Zerlegen der Knochen von jungen Thieren die Schicht von weichem Knorpel, welche ſich zwi— ſchen der epiphysis und dem Mittelſtuͤcke des Knochens befindet, ſehr ſorgfaͤltig beſeitigt werden muß. Thut man dieß nicht, ſo er— haͤlt man allerdings einen weit ſtaͤrkern Verhaͤltnißtheil an thieri— ſchen Stoffen, als bei den Knochen alter Thiere. Ich bin geneigt, zu glauben, daß dieſer Punct bei der Analyſe der Knochen von Fo: tus nicht gehoͤrig beruͤckſichtigt worden ſey, und daß die allgemeine Anſicht, als ob die Knochen junger Thiere weniger erdige Stoffe enthielten, als die alter Thiere, dieſem Umſtande zuzuſchreiben ſey. 5) Die Haͤrte des Knochens haͤngt nicht von dem Betrage der in demſelben enthaltenen erdigen Stoffe ab. Dieß geht ſehr deut— lich aus dem Umftande hervor, daß die Fiſchgraͤten, die ſich ſaͤmmt— lich leicht ſchneiden laſſen und mehr zäh als hart find, einen völlig ebenſo ſtarken Verhaͤltnißtheil an erdigen Stoffen enthalten, als die elfenbeinartigen Beinroͤhren der Hirſche oder Schaafe. Wenn wir uns von den Knochen einer ganzen Thierclaſſe zu den einzel— nen Knochen deſſelben Thieres wenden, ſo ſtellt ſich wiederum der— ſelbe Umſtand deutlich heraus. Das Heiligenbein, die Beckenknochen, die Wirbelbeine und Rippen ſind im Allgemeinen die weichſten Kno— chen des Thierkoͤrpers, allein aus meinen Verſuchen ergiebt ſich, daß dieſelben durchaus ebenſoviel erdige Stoffe enthalten, wie die feſte— ſten Mittelſtuͤcke der cylindriſchen Knochen der Extremitaͤten. Bei'm Ochſen gaben die Wirbelbeine, die Beckenknochen und das Heiligen bein zuweilen noch mehr erdige Stoffe, als die feſteſten Theile der Beinroͤhren deſſelben Exemplars. Daſſelbe war in Betreff der Lum— barwirbelbeine des Menſchen der Fall, und bei'm Hirſche enthielten 742. XXXIV. 16. 248 die ſchwammigen Nackenwirbelbeine genau ſoviel erdige Stoffe, wie die elfenbeinartigen Beinroͤhren. Die Härte der Knochen hängt alſo nicht von der Stärke des in ihnen enthaltenen Verhaͤltnißtheils an erdigen Subſtanzen ab, und die ſchwammigen Knochen unter⸗ ſcheiden ſich von denen mit dichtem Gefuͤge in chemiſcher Beziehung nicht. Der Unterſchied in der Härte beruht auf der innerſten Stru⸗ ctur der Knochen. 8 N 6) Erdige Stoffe find im Allgemeinen weit weniger biegfam, als vegetabiliſche oder thieriſche Stoffe. Deßhalb dürfte man er⸗ warten, daß die biegſamſten Knochen zugleich diejenigen ſeyen, welche die wenigſten erdigen Theile enthalten. Dieß iſt jedoch nicht der Fall. Die Fiſchgraͤten, welche im Allgemeinen den ſtaͤrkſten Verhaͤltniß⸗ theil an erdigen Stoffen beſitzen, ſind gerade die Knochen, welche ſich durch ihre Biegſamkeit am Meiſten auszeichnen, und bei der fogenannten mollities ossium, wo die Knochen durch das faſt gaͤnz⸗ liche Verſchwinden der erdigen Theile ſehr weich werden, brechen dieſelben bekanntlich leichter nach der Queere, als unter andern Um⸗ ftänden. Die Erhöhung der Biegſamkeit der Knochen beruht dem⸗ nach nicht auf der Verminderung des Verhaͤltnißtheils der in ihnen enthaltenen erdigen Stoffe, ſondern, gleich der Vermehrung der Härte, auf einer eigenthuͤmlichen Structur der Gewebe *). 7) Die Durchſichtigkeit der Knochen haͤngt nicht von deren Mangel an erdigen Stoffen ab. Obwohl die Fiſchgraͤten völlig ebenſoviel Erdſalze enthalten, wie die Knochen der Vögel, Repti⸗ lien und Saͤugethiere, fo find jene doch durchſcheinend und dieſe völlig undurchſichtig. Dieſe Eigenſchaft der Fifchgräten ſcheint haupt⸗ ſaͤchlich daher zu ruͤhren, daß deren innerſte Zellſtructur mit einer ſalzigen Fluͤſſigkeit oder einer gallert-eiweißartigen Subſtanz und nicht mit Fett oder Oel gefüllt ift, wie dieß bei den Saͤugethieren, Voͤgeln und Reptilien der Fall iſt. Die Knochen am Munde des Stoͤrs, welche Oel enthalten, ſind ſo undurchſichtig, wie die der Saͤugethiere, und dieß iſt auch bei den thranigen Wirbelbeinen vie⸗ ler Fiſche der Fall. Aus meinen zahlreichen Verſuchen ſcheint ſich demnach zu er⸗ geben, daß wir in den Knochen faſt aller Thiere ziemlich denſelben Betrag an erdigen Theilen finden, und daß weder die Dichtheit oder Schwammigkeit, noch die Starrheit oder Biegſamkeit, ſowie die Durchſichtigkeit oder Undurchſichtigkeit der Knochen von der groͤßern oder geringern Menge der in ihnen enthaltenen Erdſalze abhängen. Die geringfügigen Unterſchiede, welche in Betreff des Verhältnig: theils an erdigen Stoffen bei manchen Verſuchen ſich herausſtellten, thun der allgemeinen Regel keinen Eintrag. Von der Art der Nahrungsmittel und des Geſundheitszuſtandes zu der Zeit, wo das Thier getödtet wurde oder eines natürlichen Todes ſtarb, hängt wahrſcheinlich in dieſer Beziehung viel ab. Denn bekanntlich wer⸗ den bei gewiſſen Krankheiten ſtarke Quantitaͤten von phosphorſauren Erden excernirt, bei andern bedeutende Mengen von animaliſchen Stoffen eingebuͤßt. Beide Umftände muͤſſen mehr oder weniger ſtark auf die chemiſche Zuſammenſetzung der vorhandenen Gewebe einwirken. Wir muͤſſen uns mit den allgemeinen Reſultaten begnuͤ⸗ gen, ohne auf Ausnahmen, uͤber deren Grund wir nicht genuͤgende Aufklaͤrungen beſitzen, zuviel Gewicht zu legen. Am Schluſſe dieſes Aufſatzes will ich noch eine kurze Ueberſicht der Reſultate mittheilen, zu denen andere Beobachter in Betreff der Verhaͤltnißheile der erdigen und animaliſchen Stoffe der Kno⸗ chen gelangt ſind. Fourerog und Vauquelin, Davy, Berzelius, Denis, D' Arcet und in noch neuerer Zeit Dr. Rees, Marchand, Fre⸗ richs und Dr. Thomſon zu Glasgow haben Analyſen von (meiſt menſchlichen) Knochen bekannt gemacht, aber dieſelben weichen ſehr voneinander ab. Im Allgemeinen gaben ſie den Betrag an thie— riſchen Stoffen zu hoch an, und dieß hatte feinen Grund wahr: ſcheinlich in zwei Umſtaͤnden: 1) ſie reinigten den Knochen, bevor fie ihn brannten, nicht gehörig von Fett oder Del, und 2) fie trock— neten ihn nicht hinreichend aus, indem dieſe Subſtanz die Feuchtig⸗ *) Die große Biegſamkeit der Fiſchgraͤten dürfte indeß weſentlich von dem ſehr bedeutenden Waſſergehalte derſelben herruͤhren, da ſich mit dem Fortſchreiten der Austrocknung jene Eigenſchaft mehr und mehr verliert. D. Ueberf. 249 keit äußerſt hartnaͤckig an ſich hält. Die Berichte, welche jene Ver: faſſer ſelbſt über ihre Verfahrungsweiſe mittheilen, berechtigen uns zu dieſen Schluͤſſen, und dieſer Umſtand benimmt den Experimen⸗ ten eines Dr. Rees, Denis und Dr. Thomſon ihren Werth und macht, daß ſich zwiſchen den Reſultaten derſelben und denen der Verſuche von Berzelius, D'Arcet, Marchand, Frerichs und mir eine ſo bedeutende Verſchiedenheit herausſtellt. Berzelius fand in den Menſchenknochen 66.70 Proc. erdige und 33,30 animaliſche Stoffe; Marchand 66,75 erdige und 32,25 (33,25?) thieriſche Stoffe. Allein dieſe Chemiker verfielen in den Fehler, daß ſie allen Knochen dieſelbe Art der Zuſammenſetzung zu— ſchrieben. Als daher Frerichs deren Reſultate pruͤfte, fand er, daß die Proportionalzahl der erdigen Beſtandtheile in ſcheinbar ge— ſunden Menſchenknochen von 60,5 bis 70,2 abaͤnderte, ein Reſultat, welches mit dem von mir erlangten durchaus uͤbereinſtimmt. Wenige Chemiker haben ſich indeß mit der Zerlegung der Kno— chen der niedrigern Thiere befaßt. Außer einigen in den Werken von Fourcroy und Vauquelin, Berzelius, D'Arcet und Dr. Thomſon zerſtreuten, hoͤchſt duͤrftigen Bemerkungen, iſt mir uͤber dieſen Gegenſtand nichts vorgekommen. Hoffentlich werden die obigen Experimente dieſem Mangel einigermaßen abhelfen und um ſo werthvoller erſcheinen, da bei ihnen durchgehends daſſelbe Verfahren angewandt worden iſt. Ich darf indeß noch einen Punct nicht mit Stillſchweigen uͤber— gehen, auf den waͤhrend obiger Experimente meine Aufmerkſamkeit wiederholt und nachdruͤcklich gelenkt worden iſt, naͤmlich daß die Knochen des Menſchen, im Vergleich mit denen anderer Geſchoͤpfe, ungemein muͤrbe ſind. Die Knochen aller uͤbrigen Thiere widerſte— hen den aͤußern Agentien weit beſſer, als die des Menſchen. Wenn ich die letztern der chemiſchen Unterſuchung wegen praͤparirte, fand ich, daß fie ſich leicht zerdruͤcken ließen, nachdem man fie ihrer Mem— branen und ihres Fettes beraubt hatte. Dieß war hauptſaͤchlich bei den ſchwammigen Knochen, den Wirbelbeinen, dem Heiligen— beine ꝛc., ſowie bei den ſchwammigen Enden der langen Knochen der Fall, und bei einer Vergleichung derſelben mit den naͤmlichen Knochen der niedern Thiere mußte Jedermann zu demſelben Schluſſe 742. XXXIV. 16. 250 gelangen. Die Knochen der letztern vertragen, nachdem man ſie derſelben Präparation unterworfen, ohne Schaden die derbſte Be— handlung, waͤhrend man die der Menſchen gewoͤhnlich zwiſchen dem Daumen und Zeigefinger zerdruͤcken kann. In dieſem Umſtande duͤrfte der Grund davon zu finden ſeyn, daß man die Knochen des Menſchen nie in jenen tertiaͤren Ablagerungen antrifft, welche von andern Thierknochen wimmeln. (The Edinburgh medical and surgical Journal, No. CLXIII, 1. Apr. 1845.) Miscellen. Ueber Getaceen findet ſich in der Revue médicale eine Beobachtung, die mir neu vorkam. Hr. L. Benard zu Caen un: terſuchte die Reſte eines an die Kuͤſte der Bretagne geworfenen weib— lichen Meerfchweines(Delphinus phocaena) und fand die Lunge der linken Seite faſt ganz mit Tuberkeln ausgefuͤllt, ſo daß die Lungen— Textur zum großen Theile verſchwunden war. Zugleich waren zahl— reiche pleuritiſche Adhaͤſtonen auf derſelben Seite. Die Lunge der an— deren Seite war geſund und in anderen Organen war keine Spur von Tuberkeln. Die fettige Tuberkel-Subſtanz war ſpaͤrlich und von gelblicher Farbe. Hr. B. macht zugleich darauf aufmerkſam, daß dort die tuberculoſe Maſſe in concentriſchen Schichten abgelagert geweſen fen, welche leicht voneinander getrennt werden konnten. Auch hat ihn die verſchiedene Structur der Hautdecken dieſer in ſo verſchiedenen Medien lebenden Thiere zu mehreren Reflexionen uͤber den Einfluß geſtoͤrter Hautfunctionen auf die Aetiologie der Tuberkeln veranlaßt. Das Ozon wird jetzt, nach den fortgeſetzten Verſuchen der Herren Marignac und de la Rive zu Genf, für „electriſirten Sauerſtoff“ erklaͤrt: „Sauerſtoff, der in einem beſonderen Zuſtande ſich befindet, welcher Zuſtand durch die Electricitaͤt bedingt iſt; alle von dem Berichterſtatter in Baſel (Hrn. S.) angeführten Verhäͤltniſſe des Ozons und feiner Bildung erklären ſich fo auf die ungezwungenſte Weiſe, und der Sauerſtoff tritt mit dem Eiſen und vielen anderen Koͤr— pern in die Reihen derjenigen Elemente, deren äußere Erſcheinung auf die bedeutendſte Weiſe modificirt wird.“ A. 3. 1 Ueber die innerſte Structur der Lungen und die Bildung des Lungentuberkeln, ſowie deren Ent— deckung mittelſt der mikroſkopiſchen Unterſuchung des Auswurfs. Von George Rainey. In dem einleitenden Theile ſeines Aufſatzes, welcher am 25 Maͤrz 1845 der koͤnigl. Geſellſchaft fuͤr Medicin und Chirurgie vorgeleſen wurde, bemerkt der Verfaſſer, daß es keineswegs in ſeiner Abſicht liege, uͤber die Structur, die Functionen und die Pathologie der Lungen neue Anſichten aufzuſtellen, ſondern daß er lediglich ſolche Thatſachen vorzu— tragen gedenke, die ſich durch mikroſkopiſche Unterſuchung leicht feſtſtellen, und von denen ſich dann buͤndige Schluͤſſe ableiten laſſen. Er theilt ſeinen Gegenſtand in vier Abſchnitte ein: 1) Anatomie der Lungen mit Beziehung auf deren Phyſio— logie; 2) dieſelbe mit Beziehung auf deren Pathologie; 3) die Art, wie ſich die Tuberkeln bilden und 4) die Entdek— kung der letztern vermittelſt einer mikroſkopiſchen Unterſuchung des Auswurfs. Die erſte Abtheilung enthaͤlt eine allgemeine Beſchrei— bung der Lungen der Reptilien mit Hinweiſung auf die Veränderungen, welche dieſe Organe erleiden, indem fie fi Fick zu ß e. der zuſammengeſetzten Structur der Lungen der Saͤugethiere naͤhern. Der Hauptunterſchied zwiſchen den Lungen der Reptilien und Saͤugethiere beſteht in dem Vorhandenſeyn einer doppelten Schicht von Gefaͤßen zwiſchen einander be— nachbarten Luftzellen in den Lungen der erſtern, waͤhrend in denen der letztern nur eine einfache Schicht vorhanden iſt. Der Verfaſſer wies nach, daß in der Vascularitaͤt der verſchiedenen Theile einer und derſelben Lunge ein großer Unterſchied ſtattfindet, indem diejenigen Portionen am We— nigſten gefaͤßreich find, welche den Luftcanaͤlen erſten Ranges am Entfernteſten liegen, fo daß folglich die Quantitaͤt des der Einwirkung von Seiten der eingeathmeten Luft beduͤr— fenden Blutes um ſo geringer iſt, je weniger Sauerſtoff in die Zellen gelangt, und in dieſen aͤußerſten Zellen geſchieht, feiner Anſicht nach, der Wechſel ihrer contenta mehr nach dem Geſetze der Zertheilung (diffusion), als nach dem der mechaniſchen Ausdehnung und Zuſammenziehung der Bruſt. Der Verſaſſer beſchreibt ausfuͤhrlich die Art und Wei— fe, wie die Bronchencanaͤle mit den Luftzellen und mitein— ander communiciren; und zeigt, daß das wirkliche Ende eines ſolchen Canals in einer Zelle an der Oberflaͤche eines Lungenlaͤppchens oder in mehrern ſolcher Zellen liege, wel— che einen Bronchencanal mit dem andern verbinden. Es wird ferner dargelegt, wie jedes Geflechte von Haargefaͤßen 25i in einer Membranfalte liegt, welche die unmittelbare Wan» dung der Luftzellen bildet. Hieraus ſchließt der Verfaſſer, daß in den Lungen Zellgewebe vorhanden ſeyn muͤſſe, wel— ches dieſe Membranfalten miteinander verbinde. Er bekaͤmpft die Anſicht des Herrn Addiſon, daß in der Lunge des Foͤtus keine Luftzellen vorhanden ſeyen und weiſ't das Irrthuͤmliche dieſer Meinung durch mikroſkopiſche Unterſuchungen nach. Er iſt geneigt, das Vorhandenſeyn der Muskelſtructur in den winzigen Bronchenroͤhren in Ab— rede zu ſtellen, da ſich einestheils in der Lungenmembran durchaus nichts den Muskelfaſern Aehnliches entdecken laſſe und anderntheils die Verbindung der Bronchen mit den Zellen von der Art zu ſeyn ſcheine, daß eine Zuſammenzie— hung dieſer Canaͤle unthunlich waͤre. Zunaͤchſt wird dann die Art und Weiſe beſchrieben, wie ſich durch Ablagerung von Tuberkelmaterie in den Luftzellen, welche durch den Druck, den ſie ausuͤbt, die Abſorption der Haargefaͤßgeflechte veranlaßt, waͤhrend die Lungenmembran fort— beſteht, Tuberkeln bilden. Der Verfaſſer zeigt, wie die, dicht an den Tuberkeln liegenden Gefaͤße, ja ſelbſt diejenigen der Zellen, in welche die Ablagerung nicht ſtark genug iſt, um deren Verſtopfung zu veranlaſſen, ihre natuͤrliche Beſchaffen— heit durchaus beibehalten, waͤhrend die in der Naͤhe der Zel— len, die durch die Entzuͤndung mit Faſerſtoff angefuͤllt wor— den, ein gewundenes, knotiges Anſehen erhalten. Daher meint er, die Ablagerung ſey nicht das Reſultat der Ent— zuͤndung, ſondern nur eine verdorbene Secretion. Der Verf. hat ſeine Beobachtungen uͤber die Bildung der Tuberkeln auf ſolche Falle beſchraͤnkt, in denen er jene mit der gehoͤ—⸗ rigen Genauigkeit anſtellen konnte. Seiner Anſicht nach, laͤßt ſich die Ausdehnung und Lage der Tuberkelmaterie nur an ausgeſpritzten Lungen mit voller Beſtimmtheit ermitteln. In Betreff der hirſenfoͤrmigen Tuberkeln ſtellt er keine Mei— nung auf, da er dieſe Form nur ein einziges Mal zu be— obachten Gelegenheit hatte; allein die Thatſachen in Be— treff der Bildung der gewoͤhnlichen Tuberkeln haben, ſeiner Anſicht nach, mit keiner andern Form des Phthiſis irgend einen Zuſammenhang, indem feine Präparate die Tuberkel— ablagerung in allen verſchiedenen Stadien der gemeinen Tuberkel, von einer fo geringen Quantität, daß nur ein klei— ner Theil einer Zelle, bis zu einer ſo bedeutenden, daß 1, 2 oder ſelbſt eine unbegraͤnzte Anzahl von Zellen gefüllt ſind, erkennen laſſen. Bei allen dieſen Praͤparaten zeigt die Tuberkelmaterie durchaus dieſelbe mikroſkopiſche Beſchaf— fenheit. Endlich ſchlaͤgt der Verfaſſer, indem er ſich in den Umſtand bezieht, daß die Lungenmembran nicht abforbirt wird, eine Methode vor, vermittelſt deren ſich die Tuberkel— materie durch die mikroſkopiſche Unterſuchung des Auswurfs entdecken laͤßt. Wiewohl er nicht hinlaͤnglich zahlreiche Be— obachtungen angeſtellt hat, um ſich uͤber die Ausfuͤhrbarkeit dieſer Art von Diagnoſe völlig zutrauensvoll auszuſprechen, ſo gelang es ihm doch in einem Falle, die Lungenmembran in Tuberkelmaterie, die von der Luftroͤhre eines Phthiſikers abgewaſchen worden war, mit der groͤßten Beſtimmtheit zu entdecken. 742. XXXIV. 16. 252 Herr Grainger bezeugte die Richtigkeit der Thatſa⸗ chen, ſowie der Beſchreibung des in Heren Rainey's Ab⸗ handlung erwaͤhnten Praͤparats. Die Genauigkeit, ſagte er, ſey das Werthvollſte an Herrn Rainey's Beobachtungen, da man dieſelbe bei den fruͤhern Arbeiten uͤber die Anatomie der Lungen me vermiffe, Dr. C. J. B. Williams war der Anſicht, derje⸗ nige Theil der Abhandlung welcher von der innerſten Structur der Lungen handle, beſtaͤtige die Beobachtungen des Hrn. Bour- gery und ſtimme mit denen des Hrn. Addiſon ziemlich ge⸗ nau uͤberein, welche letztern allerdings an und für ſich ſehr werth⸗ voll ſeyen, aber nicht zu den Schluͤſſen berechtigten, welche Herr Addiſon ruͤckſichtlich des erſten Bildungsproceſſes des Zellgewebes der Lungen daraus abgeleitet habe. Er (Dr. Williams) koͤnne aber dem auf die Pathologie der Lunge bezuͤglichen Theile von Dr. Rainey's Abhandlung, in's⸗ befondere darin nicht beipflichten, daß die Oberflaͤche der Luft: zellen der primaͤre Sitz der Tuberkelablagerung ſey. Um dieſen Sitz in einem fo feinen Organ, wie die Lunge, zu ent⸗ decken, ſey noͤthig, daß man die Ablagerung der Tuberkelma- terie in dem allererſten Stadium unterſuche; bevor naͤmlich die Materie ſich angehaͤuft habe und durch das Epithelium an die freie Oberflaͤche der Zellen gedrungen ſey. Herr Nat: ney bekenne ſelbſt, daß er nur einen einzigen Fall von hir: ſenfoͤrmigen oder in dieſem Anfangsſtadium befindlichen Zus berkeln unterſucht habe. Dagegen habe Herr Gulliver die undurchſichtige koͤrnige Tuberkelmaterie ganz deutlich in vielen Faͤllen in den Wandungen der Zellen, ja in den Ge— faͤßgeflechten ſelbſt entdeckt. Einige von Herrn Addiſon's Beobachtungen ſchienen dieß zu beſtaͤtigen, obwohl derſelbe, gleich Herrn Rainey, der Anſicht ſey, daß die Tuberkeln ihrem Weſen nach aus umgebildetem Epithelium beſtaͤnden. Daß indeß die Tuberkelmaterie nicht aus verderbten Scheim— haͤuten beſtehe, gehe mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Umſtande hervor, daß ſich Tuberkeln in der parenchymatoͤſen Structur von Organen faͤnden, denen die Schleimhaͤute ganz abgehen, z. B. in der Milz, den ſeroͤſen Membranen und Blutgefaͤßen. Er glaube, die Natur und Entſtehung der Tuberkeln laſſe ſich auf eine andre Weiſe erklaͤren. Ruͤckſichtlich ſeiner Beobachtungen uͤber die Obliteration der Blutgefaͤße durch Ablagerung von Tuberkelmaterie ſeyen dem Herrn Rainey mehrere andere Phyſiologen, namentlich Herr Natalis Guillot, zuvorgekommen, deſſen Unterſuchun⸗ gen bewieſen, daß an die Stelle der obliterirten Gefaͤße, nicht allein in der geſund gebliebenen Structur der Lunge, ſondern auch in der pleura und ſelbſt in den aͤußern Wandungen des thorax, durch Adhaͤrenzen mit der Coſtalpleura, häufig anaſtomoſirende Gefaͤße traͤten. Aus dieſem Um⸗ ftande erklaͤre es ſich, weßhalb bei Phthiſis oft einige weni— ge Blutegel oder ein Blaſenpflaſter an den Bruſtwandungen fo bedeutende Erleichterung verſchaffen. Er Dr. Williams) wundere ſich, daß der Verfaſſer irgend Unterſuchungen ange— ftellt habe, um zu beweiſen, das ſich in der Lunge keine Muskeln befinden, indem dieß durch feine Dr. Williams's Beobachtungen und Verſuche bereits vollkommen feſtſtehe. Dieſe Verſuche bewieſen, daß ſich durch Galvanismus keine 253 Zuſammenziehung der blaͤschenfoͤrmigen Structur der Lunge bewirken laſſe, waͤhrend dieſes Agens in den Bronchenroͤh⸗ ren ſehr deutliche Contractionen zu Wege bringe. Herrn Rainey 's mikroſkopiſche Unterſuchung des Auswurfs habe ſehr wenig practiſchen Werth; denn dieß Mittel laſſe ſich nur in dem letzten Stadium der Krankheit anwenden, wo ſich die Natur der Krankheit bereits lange durch andere unverkennbare Zeichen herausgeſtellt habe. Dr. Kingston ſprach ſich uͤber Herrn Rainey's Arbeit insbeſondere deßhalb ſehr lobend aus, weil dieſelbe ſei— ne eigenen Beobachtungen über die Vascularitaͤt der Lun— gentuberkeln beſtaͤtige. Er, Dr. Kingston, habe vor ei— nigen Jahren, in einer in den Verhandlungen der Geſell— ſchaft abgedruckten Abhandlung, angegeben, daß man in den Lungentuberkeln zuweilen unter dem Mikroſkop rothe Ge— faͤße entdecken koͤnne. Die von Herrn Rainey gelieferten ſchoͤnen Praͤparate von ausgeſpritzten Lungen boͤten daſſelbe Reſultat dar. In manchen Faͤllen ſey die eingeſpritzte Fluͤſ— ſigkeit in die Tuberkeln eingedrungen, ſo daß deren Vacu— laritaͤt erkennbar werde, in andern nicht. Die Unſichtbarkeit der Gefaͤße bei vielen der von ihm unterſuchten Tuberkeln, ſowie das haͤufige Fehlſchlagen der Injection derſelben bei Herrn Rainey's Experimenten, ruͤhre von der ungemei— nen Winzigkeit der die Tuberkeln ernaͤhrenden Gefaͤße her, welche nur bei ſtarker Congeſtion und Entzuͤndung rothes Blut fuͤhrten. Wo die Gefaͤße der Tuberkeln ſichtbar ſeyen, boͤten ſie eine ſolche Anordnung dar, daß man ſehe, ſie ſeyen der Ernaͤhrung wegen da und truͤgen durch ihre ſpaͤtere Ver— ſtopfung mit zur Bewirkung derjenigen verſchiedenen Ver— aͤnderungen bei, welche im Verlaufe der Ausbildung der Tu— berkeln ſtattfaͤnden. Herr Prescot Hewett konnte nicht recht begreifen, wie Dr. Kingston glauben koͤnne, Hrn. Rainey's An⸗ ſichten uͤber die Vascularitaͤt der Tuberkelmaterie ſtimmten mit den ſeinigen uͤberein. Hr. Rainey ſey zu dem Schluſſe gelangt, die Tuberkelmaterie befige keine Gefaͤße; Dr. Kings: ton nehme an, ſie beſitze ſolche. Die zuweilen in den Tu— berkeln wahrnehmbaren Gefaͤße gehoͤrten, in der That, nicht zu jenen, ſondern zu den benachbarten Geweben, welche mit der krankhaften Ablagerung vermengt ſeyen. Bei einer ſorg— faͤltig ausgeſpritzten, mit großen Tuberkeln gefuͤllten Leber habe er, Hr. Hewett, nur ein Paar Gefaͤße gefunden, wel— che in einige wenige Tuberkeln eingedrungen ſeyen. Bei allen uͤbrigen Tuberkeln habe man einen deutlichen Hof von Gefaͤßen geſehen, der die Tuberkeln ſo ſcharf umgab, daß es geſchienen habe, als ob die Gefaͤße des normalen Gewebes von der krankhaften Ablagerung zuruͤckgedraͤngt worden feyen, Was die Ablagerung von Tuberkelmaterie an der freien Ober— flaͤche der Schleimhaut betreffe, fo ſey er mit Dr. Willi: ams der Anſicht, daß die Meinungen des Verfaſſers ſehr vorſichtig aufzunehmen ſeyen, beſonders weil Hr. Rainey die hirſenfoͤrmige Tuberkel nur einmal mikroſkopiſch unter— ſucht habe. Hr. Hewett bemerkte dann, daß Dr. Cars: well ſich gerade in dieſem Puncte geirrt habe. Auf den pathologiſchen Kupfertafeln dieſes Schriftſtellers ſey eine ſero— phuloͤſe Niere abgebildet, welche ein Beiſpiel von der Ab— 742. XXXIV. 16. 254 lagerung von Tuberkelmaterie an der freien Oberfläche einer Schleimmembran abgeben ſolle. Er (Hr. H.) habe mehrere ahnliche Nieren in einem frühen Stadium unterſucht und häufig Tuberkelmaterie in dem unter der Schleimhaut lies genden Gewebe gefunden, waͤhrend die Schleimhaut ſelbſt noch geſund geweſen ſey. In 2 — 3 anderen Faͤllen, wo die Schleimhaut zum Theil durch Ulceration zerſtoͤrt ge— weſen, ſey allerdings die Tuberkelmaterie ſcheinbar auf de— ren freier Oberflaͤche abgelagert geweſen. Im ſpaͤteſten Stadium der Krankheit habe die Schleimhaut ganz gefehlt. Der Verlauf der Krankheit ſey auch an der Blaſe bemerk— bar geweſen, indem ſich jene uͤber dieſes Organ ausgedehnt und dort alle die ebenbeſchriebenen Erſcheinungen erzeugt habe. Allerdings werde die Tuberkelmaterie zuweilen auf der freien Oberflaͤche einer Schleimhaut abgeſetzt; allein dieß ſey nicht immer der Fall. Dr. Hodgkin pflichtete dem Dr. Williams in Betreff des Sitzes der Tuberkelablagerung bei. Er hatte dieſe Materie an der Oberflaͤche von Druͤſen und an Zell— membranen getroffen. Dr. Golding Bird bemerkte, Hr. Rainey ſcheine zu dem Schluſſe gelangt zu ſeyn, daß die, die Luftzellen aus— kleidende Membran wirklich eine Schleimmembran ſey. Die Pathologie derſelben beſtaͤtige indeß eine ſolche Folgerung nicht. Wenn eine Schleimhaut entzuͤndet ſey, ſo ſecernire fie Schleim ohne Eiter und ohne coagulablen Eiweißſtoff, woge— gen die, die Luftzellen auskleidende Membran in Faͤllen von gewoͤhnlicher Lungenentzuͤndung Eiweißſtoff ſecernire, weßhalb der ſpaͤrliche gelbliche oder roſtfarbene Auswurf bei dieſer Krankheit durch Hitze coagulire. Auch finde man bei der grauen Hepatiſirung, ſowie auch zuweilen bei ſchwaͤchlichen Perſonen lange nach dem acuten Stadium die Zellen zuwei— len mit einer Subſtanz gefuͤllt, die mit coagulirtem Eiwei— ße die groͤßte Aehnlichkeit habe. Deßhalb ſtehe, obwohl die, die Luftzellen auskleidende Membran in anatomiſcher Beziehung nicht fuͤr eine ſeroͤſe Membran gelten koͤnne, die— ſelbe doch in pathologiſcher Hinſicht einer ſolchen naͤher, als einer Schleimmembran. Er ſtimme mit Dr. Hodgkin darin uͤberein, daß es faſt unmoͤglich ſey, die bei Pneumonie in den Luftzellen abgelagerte Subſtanz von Tuberkelmaterie zu unterſcheiden. Die mikroſkopiſche Unterſuchung der sputa ſey nicht neu, und ſelbſt die Reſte von Luftzellen ſeyen be— reits ſchon vor längerer Zeit von Dr. Buhl mann zu Bern in dem Auswurfe entdeckt worden. Dieſer habe in ſeiner Diſſertation über die mikroſkopiſche Beſchaffenheit der expee— torirten Subſtanzen zerborſtene Luftzellen, welche man, mit Flocken von Choleſterine vermengt, in den sputa eines Phthi— ſikers gefunden, abbilden laſſen. (London medical Ga- zette, April, 1845.) Practiſche Bemerkungen über die Necroſe der lan— gen Knochen. Von Dr. W. S. O ke. Wenn aus irgend einer Urſache ein Theil der inneren Structur eines Knochens desorganiſirt wird und ſeine Vita— 255 litaͤt verliert, fo ſtellt ſich ſogleich ein Heilproceß in den ums» gebenden geſunden Theilen ein, und der Kranke empfindet tiefſitzende, heftige und andauernde Schmerzen. Nach eini— ger Zeit wird die Beinhaut verdickt, und der Schaft des Knochens durch die Ablagerung neuer Knochenmaſſe rings um den todten oder abgeſtorbenen Theil vergroͤßert. Endlich wird ein kleiner Abſceß unter der Haut bemerkbar, welcher nach Außen aufbricht und den Kranken erleichtert. Bei eis ner genauen Unterſuchung findet man, daß der Abſceß durch eine Oeffnung in dem neuen Knochen mit der Hoͤhle com— municirt, in welcher der Sequeſter liegt. Wenn man das ſtumpfe Ende einer, in einem ſtumpfen Winkel gebogenen Sonde einfuͤhrt, kann man ſich uͤber die Richtung, welche die Hoͤhle nimmt, vergewiſſern, und ſobald man bei horizon— taler Lage des Gliedes das Ende aufwaͤrts wendet, kommt daſſelbe mit dem knoͤchernen Dache der Höhle, der Innen— flaͤche des neuen Knochens, in Beruͤhrung. Wir ſind auf dieſe Weiſe von der wahren Beſchaffenheit des Falles unter— richtet, daß naͤmlich eine Portion der inneren Structur des Knochens desorganiſirt, in Folge deſſen Eiterung eingetreten und der rund um die ausgeſtorbene Portion gebildete neue Knochen perforirt worden iſt, theils um den Eiter zu ent— leeren, theils um den Sequeſter abzuſtoßen. Necroſe kommt haͤufiger bei Kindern und jungen Perſonen, als im ſpaͤteren Alter vor; gewoͤhnlich iſt das Schienbein der Sitz des Ue— bels, wiewohl auch die anderen Roͤhrenknochen zuweilen von demſelben befallen werden. Was die Behandlung ſolcher Falle betrifft, fo iſt die weſentlichſte Indication die, die Oeff— nung zu erweitern, um den Sequeſter zu entfernen, und je früher Dieſes geſchieht, deſto beſſer iſt es. Man iſt berech— tigt, Dieſes zu thun, ſelbſt bevor ſich eine Oeffnung gebildet hat, vorausgeſetzt, daß man ſeiner Diagnoſe gewiß iſt, und wenn Dieſes nicht der Fall iſt, ſo warte man, bis der Kno— chen perforirt worden iſt, jedoch nicht laͤnger, indem der dem ſchaͤdlichen Einfluſſe der ſich in der Hoͤhle anſammelnden Ma— terie ausgeſetzte Knochen in weiterem Umfange desorganiſirt und eine mehrfaͤltige Application der Trephine zur Entfer— nung der kranken Parthie noͤthig werden wuͤrde. Sobald alſo eine Hoͤhle in dem inneren Gefuͤge eines Knochens, z. B. der tibia, entdeckt wird, fo muß das Glied in horizontaler Richtung gehoͤrig fixirt und ein kegelfoͤrmiger Einſchnitt durch die Oeffnung des Abſceſſes bis auf den Knochen von gehoͤ— riger Laͤnge gemacht werden. Wenn mehr als eine Oeffnung im Knochen vorhanden iſt, ſo muß der Schnitt ſoweit ver— laͤngert werden, bis Alles bloßgelegt iſt. Finden wir nur eine Oeffnung, welche in eine queer verlaufende oder ſehr kleine Hoͤhle fuͤhrt, ſo genuͤgt die Entfernung eines einzigen Knochenſtuͤcks, welches vermittelſt einer coniſchen, an der Seite, wie auch am Ende, ſchneidenden Trephine von mittle— 742. X XXIV. 16. 256 rer Groͤße ausgeſaͤgt wird. Wenn aber die Hoͤhle ſich der Laͤnge nach durch den Schaft hinzieht oder mehre Oeff— nungen vorhanden find, fo find ebenſoviele Knochenſtuͤcke aus⸗ zuſaͤgen, als die Ausdehnung des Uebels erfordert. Die zwiſchenliegenden Knochenbruͤcken koͤnnen durch eine He y'ſche Saͤge oder beſſer mit Hammer und Meißel entfernt werden. Wenn nun die Hoͤhle gehoͤrig freigelegt iſt, ſo iſt der Se— queſter, wofern es loſe iſt, ſogleich zu entfernen, wo nicht, muß man ſeine Ausſtoßung der Natur uͤberlaſſen. Beſteht die Höhle aus carioͤſem Knochen, wie es zuweilen der Fall iſt, fo iſt die krante Oberfläche der Höhle mit einem ſcharfen Hohlmeißel auf die von Hrn. Hey angegebene Weiſe zu reinigen. Zuweilen finden wir einen Sequeſter, welcher in betraͤchtlicher Ausdehnung ſich nach Oben und Unten über die Oeffnung hinaus erſtreckt, ſo daß er nicht durch dieſelbe herausgezogen werden kann. Wir muͤſſen dann denſelben queer durchſchneiden, worauf wir erſt das eine und dann das andere Ende herausziehen koͤnnen. Der Verfaſſer giebt ei: nen Fall von Necroſe des Oberarms, welcher auf dieſe Weiſe mit Erfolg behandelt wurde, und wo der Sequeſter ſo lang wie der Schaft des Oberarmes war. Dieſer Fall bot noch den intereſſanten Umſtand dar, daß bei'm Einſchneiden durch die Bedeckungen der n. musculo- cutaneus durchſchnitten wurde und die rechte Hand gelaͤhmt herabſank, nach wenigen Wochen aber vollkommen ihre Kraft wiedererlangt hatte. (Aus Prov. med. and surg. Journal in Dublin Jour- nal. Sept. 1844.) Miscellen. Einen Fall von Berſten der Leber erzählt Hr. King⸗ dom in der Lancet v 22. März. Es fiel ein Knabe von einem Kohlenwagen, und die Raͤder gingen uͤber ſeinen Leib. Ein herbei— gerufener Arzt fand ihn beſinnungslos, und wegen des Bruches der Lumbarwirbel und der Zerreißung des Ruͤckenmarks waren die un— teren Extremitäten gelaͤhmt. Harn und Faces waren unwillkuͤrlich abgegangen. Binnen 5 Stunden trat der Tod ein, Das merk: wuͤrdigſte bei dieſem Falle war, daß der Unterleib ſtark aufgetrieben und doch in dieſer Gegend nicht die geringſte Spur von einer aͤu— ßeren Verletzung vorhanden war. Bei'm Oeffnen der Bauchhoͤhle entwich eine große Menge Blutes, und als dieſes beſeitigt worden war, ergab ſich, daß die Leber nach ihrer ganzen Ausdehnung in die Queere geborften war. Sie war ſo vollſtaͤndig und ſcharf durch⸗ ſchnitten, als ob ein Meſſer durch dieſelbe gezogen worden waͤre. Die Blutung hatte offenbar aus den Pfortadern ftattgefunden. Die: fer Fall beſtaͤtigt in einer auffallenden Weiſe die Anſicht Ch auſ⸗ ſier's, daß im Innern des abdomen durch Äußere Gewaltthaͤtig⸗ keit die heftigſten Beſchaͤdigungen veranlaßt worden ſeyn koͤnnen, ohne daß man aͤußerlich entſprechende Spuren von Gewaltthaͤtigkeit bemerkt. London med. Gazette, April, 1845.) Die cholera asiatica hat ſich in Sheffield in England gezeigt und ſechs oder ſieben Opfer weggerafft. Bibliographische Neuigkeiten. Physiological Essay on the Thymus Gland. By John Simon. London 1845. 4. (Mit Holzſchnitten.) The physiological Anatomy and Physiology of Man. By Ro- bert Bentley Todd, D. M. and William Bowman Vol. I. Lon- don 1845. 8. (Mit Illuſtrationen.) Practical Treatise on Congestion and Inactivity of the Liver; showing some of the effects produced by these disorders on the most important organs of the body; illustrated by Cases, By Fred. J. Mosgrove, M. D. 2. edit. London 1845. Kl. 8. The principles and practice of Dental Surgery. By Chapen A. Harris, M. D. 2. edition revised, modified and greatly en- larged, illustrated by 69 Wood engravings, Philadelphia 1845, 8. — DEZE Meunellotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Derlkunde, geſammelt und mitgetheilt don dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 743. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 17. des XXXIV. Bandes.) Juni 1845. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 30 A, des einzelnen Stüdes 3 ¾ 95. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 8. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. atu k ä u n de. Neue Beobachtungen uͤber den Circulationsappa— rat bei den Mollusken. Von den Herren Milne Edwards und A. Valenciennes. Bis auf die neueſte Zeit waren die Zoologen der An— ſicht, daß die Circulation des Blutes bei den Mollusken in einem vollſtaͤndigen Gefaͤßſyſteme von Statten gehe, fo daß die ernaͤhrende Fluͤſſigkeit, nachdem ſie durch das Herz und die Arterien allen Theilen des Organismus zugefuͤhrt worden, in das Reſpirationsorgan und das Herz durch Roͤhren mit haͤutigen Wandungen zuruͤckkehre, welche den Venen der hoͤher organiſirten Thiere aͤhnlich ſeyen. Allein nach den neuern Unterſuchungen hat ſich dieſe Meinung als irrig herausgeſtellt *) und gefunden, daß bei den Mollusken, wie bei den Cruſtaceen, ein großer Theil des Circulations— kreiſes einzig aus Luͤcken oder unregelmaͤßig geſtalteten Zwi— ſchenraͤumen beſteht, welche ſich zwiſchen den verſchiedenen Or— ganen finden. Es iſt in der That nachgewieſen worden, daß bei einer gewiſſen Anzahl von Cephalopoden und Gaſtero— poden, ſowie bei verſchiedenen Acephalen und Tuniciern, die Kanäle, welche die Functionen der Venen verrichten, fimmt: lich oder zum Theil in die große Abdominalhoͤhle einmuͤnden, ſo daß das Blut bei dieſen Thieren die Haupteingeweide direct benetzt und daß, wenn man irgend eine Fluͤſſigkeit in die Bauchhoͤhle einſpritzt, man zugleich den Reſt des Venen— ſyſtems injicirt. Man konnte indeß daran zweifeln, daß die— ſer unvollkommene Zuſtand des Circulationsapparats in der großen Abtheilung der Mollusken durchgeheuds vorhanden ſey, und um dieſes Reſultat in jeder Beziehung feſtzuſtellen, hatte man den Lauf des Blutes noch bei einer größern Ans zahl verſchiedener Typen zu ſtudiren. Da wir Beide hieruͤber in's Klare zu kommen wuͤnſchten ſo vereinigten wir uns zu einer Reihe von Unterſuchungen und Sectionen. Zuerſt nahmen wir Mollusken vor, die uns von unſern Correſpondenten von verſchiedenen Kuͤſten— *) Vergl. No. 723 (No. 19 d. XXXIII Bs.) S. 295 und No. 732 (No. 6 d. XXXIV Bös.) S. 81; fo wie auch No. 725 (No. 21 d. XXXIII Bds.) S. 328 d. Bl. No. 1843. — 743. orten lebend zugeſchickt wurden; allein bald fanden wir, daß wir das Feld unſerer Unterſuchungen um Vieles ausdehnen konnten, indem ſich dieſe Thiere vollkommen gut ausſpritzen laſſen, ſelbſt nachdem fie lange in Fluͤſſigkeiten von geeigno— ter Beſchaffenheit aufbewahrt worden ſind, und da Einer von uns (Herr Valenciennes), der den Unterricht in der Malacologie am Muſeum ertheilt, ſeit mehrern Jahren eine Sammlung der Thiere angelegt hat, deren Muſcheln man bisher nur zu ſammeln pflegte, fo ſtand uns behufs unſerer Forſchungen eine große Auswahl zu Gebote. Der von uns dargeſtellten Praͤparate ſind uͤber 50 vor— handen, und wir beehren uns, der Academie etwa 20 davon vorzulegen. Die meiſten darunter ſind voluminoͤs genug, um ohne Huͤlfe der Lupe beſichtigt werden zu koͤnnen, und die daran wahrnehmbaren Erſcheinungen ſind ſo augenfaͤllig daß wir darüber nur wenige Erläuterungen beizubringen brauchen. Ruͤckſichtlich des Octopus und Kalmars haben wir die bereits uͤber dieſelben ermittelten Thatſachen beſtaͤtigt, und um den erſtern auszuſpritzen, uns bald der Gelatine, bald einer Miſchung von Talg und Wachs bedient, wie man fie zu ähnlichen Zwecken anzuwenden pflegt, z. B. um die größten Gefaͤße des menſchlichen Körpers auszuſpritzen. Als wir dieſe Subſtanzen in die Abdominalhoͤhle einſpritzten, ſa— hen wir dieſelbe direct in die Venen eindringen und von da in die Lungenherzen gelangen. Indem wir in gleicher Weiſe mit andern Cephalopoden z. B. Eledone, Argonauta, Sepia und Sepiola, verfuh⸗ ren, erhielten wir daſſelbe Reſultat. Bei dieſen Verſuchen ward die Einſpritzung jederzeit in das vordere Ende der großen Abdominalhoͤhle, d. h. in den zwiſchen der Fleiſch— maſſe des Mundes und der Baſis der Tentakeln liegenden Raum, bewirkt. Die farbige Fluͤſſigkeit füllte alsbald die uͤbrige Eingeweidehoͤhle und drang in die verſchiedenen, mit dieſer in Verbindung ſtehenden Venencanaͤle, von dieſen aus aber in die Lungenherzen und in den meiſten Faͤllen bis in die Kiemen. Die der Academie vorliegenden Praͤparate find auf dieſe Weiſe entftanden, und bei einigen derſelben 17 259 haben wir die ſtarken Candle, mittelft deren die Eingemweides oder Peritonealhöhle ſich direct in die ſtarken Venen fort⸗ ſetzt, welche das Blut den beiden Lungenherzen zuzufuͤh— ren beſtimmt ſind, bloßgelegt. Dieſe Communication iſt ins⸗ beſondere bei den Praͤparaten, welche Argonauta und Ele- done betreffen, deutlich zu ſehen. Der Circulationsapparat bietet daher dieſes merkwuͤr— dige Kennzeichen der Erniedrigung nicht blos in jenen bei— den Gattungen der Cephalopoden dar. Es verhaͤlt ſich in dieſer Beziehung mit den Sepien, Sepiolen Eledonen und Argonauten ebenſo, wie mit Octopus und dem Kalmar, und wenn man zu dieſen neuerlangten Thatſachen diejeni⸗ gen hinzufuͤgt, welche ſchon vor laͤngerer Zeit von Herrn Owen und Einem von uns am Nautilus beobachtet wor: den find, fo laͤßt ſich gegenwärtig ohne alles Bedenken be— haupten, daß in der hoͤchſten Klaſſe der Mollusken das Blut ſich nicht in einem Syſteme von geſchloſſenen Gefaͤßen be— wege, daß bei den Cephalopoden die Venenportion des Cir— culationskreiſes ſtets unvollſtaͤndig ſey und daß bei allen dies ſen Thieren die in die Bauchhoͤhle ergoſſene Ernaͤhrungs— fluͤſſigkeit einen mehr oder weniger bedeutenden Theil der Peritonealoberflaͤche des Nahrungsſchlauchs direct benetzt. In Betreff der Klaſſe der Gaſteropoden konnten wir zahlreichere Unterſuchungen anſtellen. Nachdem wir die bereits von Einem von uns mit den Gehaͤusſchnecken und den Aplyſien vorgenommenen Verſuche wiederholt und da— bei aͤhnliche Reſultate erhalten hatten, wie bei den Cepha— lopoden, ſpritzten wir auf gleiche Weiſe Buceinum undatum Lam. aus, von dem wir durch Herrn Bouchard-Chan⸗ tereug, Arzte zu Boulogne-ſur-mer, eine große Menge lebender Exemplare erhalten. Die in die Abdominalhoͤhle dieſes Weichthiers eingeführte farbige Fluͤſſigkeit verbreitete ſich ſogleich in das Luͤckenſyſtem des Fußes und der aͤußern Zeugungsorgane, drang in die Venen des Mantels ein und fuͤlte ein Syſtem von Gefaͤßen, welches in dem Harnorga— ne entſpringt, aber den groͤßten Theil der aus der Leber, den Eierſtöͤcken oder den Teſtikeln und den Integumenten des Ringes (tortillon) kommenden Blutes aufnimmt und welches, was Einer von uns bereits am großen Triton des Mittelmeeres (Triton nodiferum, Lam.) ermittelt, ei— nen Apparat bildet, welcher dem Syſteme der Nierenpfortader bei den Reptilien und Fiſchen aͤhnlich iſt. Bei Buccinum, ſowohl, als bei Triton, kann man ſich leicht davon uͤber⸗ zeugen, daß der Uebergang der Nahrungsflüffigkeit vom Innern der Blutgefaͤße in die große Eingeweidehoͤhle und von dieſer in die dem Reſpirationsorgane zugehenden Canaͤle nicht eine Erſcheinung der Aushauchung und Abforption iſt. Die Communication zwiſchen dieſer Hoͤhle und dem Venenſy— ſtem wird nicht durch Haargefaͤße, ſondern durch Canaͤle ge— bildet, die manchmal einen Durchmeſſer von 1— 2 Millim. darbieten und direct in jene einmuͤnden. An den der Academie vorliegenden Präparaten find die ſe directen Communicationen wahrzunehmen, und ſie zeigen zugleich, wie bedeutend in gewiſſen Koͤrpertheilen, z. B. der Harndrüfe, das Venenſyſtem, deſſen Hauptſtaͤmme in die Abdominalhoͤhle einmuͤnden, entwickelt iſt. 743. XXXIV. 17. 260 In den Gattungen Dolabella und Notarchus haben wir den Circulationsapparat durchaus ebenſo unvoll- ſtaͤndig getroffen, wie bei den Aplyſien. Die Venen ſchie⸗ nen ganz zu fehlen, und die Functionen dieſer Gefaͤße werden von einem weitläufigen Syſteme von Luͤcken Übers nommen, das ſich durch alle Koͤrpertheile verbreitet und mit der Visceralhoͤhle communicirt, die ihrerſeits direete Ge— meinſchaft mit den Canaͤlen hat, durch welche das Blut in die Reſpirationsorgane gelangt. Bei einem der Praͤparate, welche ſich auf den Circulationsapparat der Dolabellen be⸗ ziehen, iſt der große Canal, der das Blut der Kieme zufuͤhrt, ſo wie die Abdominalhoͤhle, geoͤffnet, und an demſelben kann man wahrnehmen, welche bedeutende Weite die Muͤndung hat, mit welcher dieſer Canal aus der Bauchhoͤhle entſpringt. Bei'm Seciren dieſer Theile haben wir ſorgfaͤltig unterſucht, ob nicht einige Klappen vorhanden ſind, welche die Beſtim— mung haben, die Oeffnungen, mittelſt deren die Abdominal— hoͤhle mit dem Venencanal der Kieme communicirt, voruͤberge⸗ hend zu ſchließen: und wir haben uns leicht davon uͤberzeugt, daß eine ſolche Einrichtung durchaus nicht vorhanden, daher der Durchgang ſtets offen iſt. Daß die Kiemengefaͤße mit der Eingeweidehoͤhle frei communiciren und dieſe letztere ſich in das Luͤckenſyſtem des Fußes, der Lippen, des Mantels ꝛc. fortſetzt, haben wir mittelſt Einſpritzungen bei noch vielen andern Gaſteropoden, namentlich den Pleurobranchen, Doris, Polyeeren, Scyllaͤen, Oscabrion, Oscabrinen *) nachgewieſen, und indem wir bei den Patellen, Umbrellen, Ampullarien, Turbo etc. ebenfalls die Bauchhoͤhle ausſpritzten, ſahen wir die farbige Fluͤſſig⸗ keit direct in andre Theile des Venenſyſtems eindringen. Wir wollen noch hinzufuͤgen, daß bei Onchidium die Ein⸗ ſpritzung gleichfalls aus der Visceralhoͤhle in das Gefuͤßge— flechte der Lunge uͤbergeht. Was Aelois (Aeolidia) und die den Nudibranchien naheſtehenden Gattungen anbetrifft, ſo werden wir von den— ſelben in dieſem Augenblicke nicht handeln, da bekanntlich in Betreff der Art und Weiſe, wie bei dieſen Thieren die Circulation von Statten geht, verſchiedene Meinungen be— ſtehen. Herr von Quatrefages hatte angekuͤndigt, den Aeolidiern gingen die Venen ab, und das Blut ſtreiche, um von den verſchiedenen Koͤrpertheilen aus zu dem Herzen zu— ruͤckzukehren, durch Luͤcken und die Bauchhoͤhle ſelbſt. Herr Souleyet dagegen verſichert, bei dieſen Gaſteropoden ſey das Circulationsſyſtem geſchloſſen, und es halte ſogar nicht ſchwer, die Venen, welche ſich aus den innern Organen nach den Kiemen begeben, von den umgebenden Theilen zu tren— nen. Eine Commiſſion, zu der wir gehoͤren, wird ſich uͤber dieſe Frage auszuſprechen haben, und es waͤre daher vorlaut von uns, wenn wir der Meinung unſerer Collegen hier vor= griffen. Indem wie alſo die Aeolidier hier ganz bei Seite laſſen, werden wir aus unſern eignen Forſchungen durchaus keine abſolut guͤltigen Schluͤſſe in Betreff der allgemeinen *) Eine neue, den Oscabrionen und Oscabrellen Lamarcks ver: wandte Gattung. 261 Einrichtung des Circulationsapparates in der Claſſe der Gaſteropoden ziehen, ſondern uns darauf beſchraͤnken, zu ſa⸗ gen, daß wenn man berechtigt iſt, die Organiſation dieſer naturlichen Gruppe nach der anatomiſchen Structur von 20 aufs Gerathewohl aus den Ordnungen der Lungenſchnecken (Pulmonea), Nudibranchien, Tectibranchien, Pectinibran⸗ chien, Scutibranchien und Cyclobranchien genommenen Gat⸗ tungen zu beurtheilen, man anzunehmen habe, daß der Ge— faͤßappacat bei den Gaſteropoden edenſowohl unvollſtändig ſey, als bei den Cephalopoden, daß die Venen mehr oder weniger fehlen und daß die Canaͤle oder Luͤcken, welche be⸗ ſtimmt find, das Blut aus den verſchiedenen Körpertheilen nach den Reſpirationsorganen zu leiten, theilweiſe oder ganz mit der großen Höhle, in der die Verdauungsroͤhre und die Hauptganglien des Nervenſyſtems ſchwimmen, frei commu⸗ niciren. Die Praͤparate, welche wir hierbei der Academie vor⸗ legen, zeigen dieſe Communication zwiſchen der Abdominal⸗ hoͤhle und dem Blutſyſteme in den Gattungen Onchidium Doris, Polycera, Tritonia. Scyllaea, Aplysia, Do- labella, Notarchus, Ampullaria, Buccinum, Patella, Oscabrion und Oscabrina. Nach dieſer Maſſe von Thatſachen hat es uns übers fluͤſſig geſchienen, in der Klaſſe der mit Schalen verſehe— nen Acephalen nach zahlreichen Beiſpielen von dieſer Unvoll⸗ ſtaͤndigkeit des Circulationsaparats zu forſchen, welche Einer von uns bereits dei Pinna marina, Mactra, Ostrea etc. nachgewieſen; oder die bereits in Betreff der halb in Gefäßen, halb in Luͤcken und Höhlen vor ſich gehenden Cir⸗ culation bei den ſchaalloſen Acephalen oder Tuniciren vor⸗ handenen Beobachtungen durch neue Unterſuchungen noch mehr zu vervielfaͤltigen. Wir wollen indeß hinzufuͤgen, daß alle Acephalen, deren Venenſyſtem wir unterſucht haben, uns dieſe Oeganiſationsart darboten, und wir wollen in die: Beziehung beiſpielweiſe Bucardium, Venus und Solen anführen. Cine vierte Klaſſe der Mollusken, naͤmlich die Ptero⸗ poden, war indeß bisher in dieſer Beziehung nicht unter⸗ ſucht worden, und um die Reihe unſerer Beobachtungen zu vervollſtaͤndigen, mußte es intereſſant ſeyn, mit einigen die⸗ ſer Thiere aͤhnliche Experimente auzuſtellen, wie die, von denen oben die Rede geweſen. Die Schwierigkeit, die es hatte, uns hinreichend feifche Exemplare von Pteropoden zu ver⸗ ſchaffen, und die Winzigkeit der meiſten Species ſtanden uns bei dieſem Vorhaben anfangs ſehr im Wege; allein es ge— lang uns, zwei Pneumodermen auszuſpritzen, und bei zwei Exemplaren ſahen wir die farbige Fluͤſſigkeit aus der Ein⸗ geweidehoͤhle in die, am Koͤrperende ſternfoͤrmig geordneten Gefaͤße der Kiemen uͤbergehen. Bei welcher Klaſſe, Gattung oder Art der großen Ab— theilung der Weichthiere wir alſo auch das Circulationsſy⸗ Zem ſtudiren mochten, ſtellte ſich demnach durchgehends daſ— felde Reſultat heraus Ueberall fanden wir den Gefaͤßappa⸗ rat mehr oder weniger luͤckenhaft; überall zeigte ſich das Ve: nenſyſtem mehr oder weniger vollſtaͤndig durch bloße Zwi⸗ ſchenraͤume zwiſchen den verſchiedenen Organen erſetzt, und 743. XXXIV. 17. 262 überall ließ ſich die freie und direkte Communication dieſes Syſtems mit der großen Eingeweidehoͤhle nachweiſen. Ge⸗ genwaͤrtig, wo dieſes Reſultat gehörig feſtgeſtellt iſt, wird man vielleicht in den Archiven der Wiſſenſchaft viele Beo⸗ bachtungen auffinden, welche den Zoologen einen Fingerzeig hätten geben konnen, um zur Erkenntniß der Wahrheit zu gelangen; allein die Bedeutung dieſer Fingerzeige war nicht verſtanden worden, und wir koͤnnten uns in dieſer Beziehung auf die unumwundenen Erklaͤrungen berufen, welche die aus⸗ gezeichnetſten Naturforſcher über dieſen Punct von ſich ge= ſtellt haben. Cuvier, z. B., deſſen Autorität wohl für uns Alle in Sachen der vergleichenden Anatomie die hoͤchſte iſt erklärte, nachdem er die ſo merkwuͤrdige Beſchaffenheit der das Blut nach den Kiemen fuͤhrenden Canaͤle bei der Aplysia erkannt hatte, foͤrmlich: „Die ganze Klaſſe der Mollusken beſitzt einen ebenſo vollſtaͤndigen Circulationsap⸗ parat, wie irgend ein Wirbelthier“ *). Er vermuthete, daß die Muͤndungen, deren Vorhan⸗ denſeyn er bei den ſtarken Venencanaͤlen der Aplyſien dar⸗ gethan, nur große abſorbirende Oeffnungen feyen, und dieſe Anſicht wurde von den Schriftſtellern, die in neuerer Zeit von dieſem Gegenſtande gehandelt haben, angenommen.“) Auch hat man die Anweſenheit des Blutes in der Abdo— minalhoͤhle der nackten Schnecken und den Uebergang deſſel⸗ ben aus dieſem großen Raume in die Gefaͤße der Lunge mittelſt der gewöhnlichen Aushauchung und Abſorption er— Elären wollen. Allein unfere Präparate beweiſen, daß die Circulation bei den Mollusken nicht auf dieſe Weiſe von Statten geht. Die Bauchhoͤhle communicirt mit dem uͤb⸗ rigen Circulationskreiſe nicht mittelſt der Wuͤrzelchen oder letzten haarfoͤrmigen Verzweigungen der Venen, wie ein Zo⸗ ologe glaubt, deſſen Beobachtungen der Academie vor Kur- zem vorgelegt worden find ***); vielmehr münden die Venen⸗ ſtaͤmme oder die dieſe repraͤſentirenden weiten Luͤcken un⸗ ) Lecons d’anatomie comparée, premiere édition, T. IV, p. 406 und seconde édition, T. VI, p. 386. **) „Wir wollen bier noch an jene centralen Theile des Reini⸗ gungsſyſtems erinnern, welche bei der Aplysia in der durch die Eingeweidehoͤhle ſtreichenden Portion mit weiten Oeffnungen durchbrochen ſind, welche die Apſorption aus dem Stamme oder dem Wurzelſtocke des Ernaͤbrungsſyſtems geſtatten. In⸗ deß laßt ſich ſagen, daß bei dieſem Typus das Blutgefaͤßſy⸗ ſtem vellftändig ſey, daß der Reinigungs- und der Ernaͤhrungs⸗ Baum durch ein Netz von Haargefaͤßen mit einander in Ver⸗ bindung ſtehen, und daß das Blut ih nicht in Lücken ergießt; es iſt durchgehends eingeſchloſſen und circulirt in den geſammten Behältern, welche auchhier ein geſchloſ⸗ ſenes Gefäͤßſyſtem bilden.“ Duvernoy, Additions aux Legons d' Anatomie comparée par Cuvier, T. VI, p. 538, Paris, 1839. **) Die Phyſiologie der rothen nackten Schnecken bietet eine aͤu⸗ ßerſt merkwuͤrdige und, meines Wiſſens, bis jetzt noch nicht hervorgehobene Eigenthuͤmlichkeit dar. Das Blut wird, nach⸗ dem es die Haargefäße, in welche die Arterien ausgeben, durch⸗ laufen hat, wenigſtens großentheils durch dieſelben ausgehaucht, fo daß es ſich in die Eingeweideböhle ergießt; hierauf aber durch die Enden der Venen abforbirt und in das Gefaͤßſyſtem zuruͤckgeleitet. Pouchet, Recherches sur les Mol- lusques, p. 13. Rouen 1842. 1 263 mittelbar in die Abdominalhoͤhle ein. So ſieht man z. B. bei dem Buceinum undatum, einem Thiere, deſſen ganzer Koͤrper nicht viel groͤßer iſt, als ein Huͤhnerei, Venencanaͤle von mehr als 1 Millim. Durchmeſſer, ſobald ſie an dieſe Hoͤhlung gelangen, plotzlich mit einer weiten Oeffnung in dieſelbe einmuͤnden, und bei Octopus, Argonauta und den Übrigen am Hoͤchſten organiſirten Mollusken ſieht man, daß die Cnmmunicationen zwiſchen der Peritonealhoͤhle und den großen Venen, welche die Beſtimmung haben, das Blut den Lungenherzen zuzufuͤhren, durch Kanaͤle bewirkt werden, die häufig bis zu 1 Centimeter Durchmeſſer haben. Uebri— gens kann man ſich immer leicht davon uͤberzeugen, daß der Uebergang des Blutes aus der Eingeweidehoͤhle in das Gefaͤßſyſtem keine Erſcheinung der Infiltration iſt, welche der bei den Wirbelthieren ſtattfindenden Apſorption durch Ein— ſaugung analog wäre; denn nicht nur Fluͤſſigkeiten dringen auf dieſe Weiſe in die Gefaͤße ein, ſondern Talg, welcher mit grobgepuͤlverten Subſtanzen vermiſcht iſt, geht mit der— ſelben Leichtigkeit uͤber, und bei manchen Verſuchen war dieß ſogar mit duͤnn angeruͤhrtem Gips der Fall. Alles ſpricht demnach dafuͤr, daß bei den Mollusken, ebenſowohl wie bei den Cruſtaceen und den Arachniden, die Circulation halb in Gefaͤßen, halb in Luͤcken von Statten geht, und im Allgemeinen laͤßt ſich alſo ſagen, daß bei al— len Thieren mit weißem Blute dieſes nicht in einem ge— ſchloſſenen Gefaͤßſyſteme abgeſperrt iſt, ſondern in einem Syſteme, das ganz oder theilweiſe aus, zwiſchen den ver— ſchiedenen Organen befindlichen Luͤcken beſteht, mehr oder weniger geſchwind circulirt. (Comptes rendus des se- ances de l’Acad. d. Sc. T. XX, No. II, 17 Mars 1845.) e ee Ueber Gefäße im Fett, die viel winziger ſind, als gewoͤhnliche Haargefäße, hielt Alfred Smee am 19. 743. XXXIV. 17. 264 März dieſes Jahres der mikroſkopiſchen Geſellſchaft zu London eis nen Vortrag. Dieſe Gefaͤße gehen von den Haargefaͤßen aus und verbreiten ſich nach allen Winkeln jeder Fettzelle. Er ſchlaͤgt fuͤr fie den Namen: vasa adipis vor, um fie von den vasa serosa ge⸗ wiſſer Anatomen zu unterſcheiden, deren Exiſtenz noch als zweifel⸗ haft zu betrachten iſt. Der Durchmeſſer der hier in Rede ſtehen⸗ den Gefäße beträgt nur ) % bis Yas,ooo Zoll. Man findet fie in jeder Art von Fett, doch nur ſobald daſſelbe ſeinen hoͤchſten Grad von Entwickelung erreicht hat, wo dann die Kuͤgelchen ihre polygo⸗ nale Geftalt erlangt haben; fo daß es ſcheinen moͤchte, als ob der letzte Entwickelungsproceß des Fettes erſt dieſe feinen Anhängfel des Capillargefaͤßſyſtems erzeugte. Man darf indeß nicht vergeſ⸗ ſen, daß, obgleich man ihnen den Namen Gefaͤße beigelegt hat, doch noch keineswegs ausgemacht iſt, daß fie eine Hoͤhlung und be ſondere Wandungen beſitzen. Der Ausdruck Gefaͤße wird hier an⸗ gewandt, um anzudeuten, daß an gewiſſen Stellen Organe mit fe⸗ ſter Begraͤnzung exiſtiren, welche Fluͤſſigkeiten durchganglich find und im Allgemeinen ziemlich regelmaͤßige Dimenſionen beſitzen. Es ſcheint, als ob ſie ihre Entſtehung den Wandungen zweier aneinan⸗ derſtoßenden Bläschen verdankten, in deren Ecken ein kleiner Zwi⸗ ſchenraum bleibt, welcher ſich in eines dieſer winzigen Gefäße ver— wandelt. Ueber ihre Functionen iſt noch nichts ermittelt worden. (London medical Gazette, April 1845.) Die neueſte Arctiſche Expedition. Die bekannten Schiffe Erebus und Terror haben dieſer Tage die Themſe verlafs ſen, um wieder in die Arctiſchen Meere einzudringen. Die Schiffe ſind vortrefflich ausgeruͤſtet, um zwei Jahre lang ihren Zweck ver⸗ folgen zu koͤnnen. Sie ſind als Dampfboote mit Archimedes-(fort⸗ treibenden Schrauben verſehen, und legen, mittels 80 Umdrehungen derſelben in der Minute, 3 bis 4 Knoten in der Stunde zuruͤck. Sie ſie ſind auf dieſe Weiſe im Stande, nach Beduͤrfniß ſtets nach jeder Richtung vorzudringen und das Eis zu durchbrechen. Der Erebus führt, unter Capitain Sir John Franklin, acht und ſech⸗ zig Mann, der Terror, unter Capitain Crozier, fieben und ſech⸗ zig Mann Beſatzung ausgeſuchter Leute. Es ſind der Expedi⸗ tion beigegeben, Surgeon Stanley und Huͤlfschirurg (Affiſtant Surgeon) Goodſir, als Naturforſcher vortheilhaft bekannt; ſo— dann Surgeon Peddie, bekannt durch ſeine Ornithologie der Falk⸗ lands-Inſeln, und Aſſiſtant Surgeon Macdonald. Die Schiffe ſind mit vollſtaͤndiger Heizung der Verdecke durch Waͤrmungsroͤh⸗ ren und überhaupt allen Huͤlfsmitteln und Bequemlichkeiten verſe— hen, welche in den fruͤhern Arctiſchen und Antarctiſchen Expeditio⸗ nen ſich empfohlen und erprobt haben. He i i k un Fr * Beobachtungen uͤber die Wirkungen des Mutter— kornes auf Gebaͤrende und den foetus. Bon Samuel L. Hardy, Dr. M. Vicepraͤſidenten der Dubliner Geſellſchaft für Geburtshülfe, ꝛc. ꝛc. Der Gebrauch des Mutterkornes zu geburtshuͤlflichen Zwecken iſt in neueſter Zeit ſo allgemein geworden, daß man glauben moͤchte, wir ſeyen mit deſſen Wirkungen auf die Kreiſenden und die Kinder vollkommen vertraut. Leider iſt dieß aber nicht der Fall, ſondern der vielen vorhandenen Abhandlungen uͤber dieſes Arzneimittel un⸗ geachtet, beduͤrfen noch viele wichtige Puncte weiterer Aufklärung. In den Jahren, waͤhrend ich am Accouchirhauſe zu Dublin thaͤtig geweſen bin, habe ich ausgedehnte Gelegenheit gehabt, mich von der Wirkungsart des Mutterkornes zu uͤberzeugen und viele Faͤlle zu dem Zwecke verzeichnet, über dieſe Materie neue Aufſchluͤſſe zu ers halten. Hierbei richtete ich meine Aufmerkſamkeit in'sbeſondere auf folgende Puncte. 1) Die Zeit, welche vom Einnehmen dieſes Mittels bis zur Leußerung feiner Wirkung verſtreicht. 2) Deſſen Wirkung auf den Puls der Mutter, inſofern eine ſolche ſtatthat, und wann dieſelbe eintritt. 3) Deſſen Wirkung auf das Herz des foetus, inſofern eine ſolche ftattfindet, und wie bald dieſelbe erfolgt. 4) Den Zuſtand der Baͤrmutter und des Lochialfluſſes waͤh⸗ rend der Reconvalescenz in den Fallen, wo man daſſelbe ange— wandt hat. 1) Wie vieler Zeit bedarf das Mutlerkorn, um auf den uterus feine Wirkung zu aͤußern? Aus der Vergleichung der in dieſer Beziehung von mir zuſam⸗ mengeſtellten Tabellen ſcheint ſich zu ergeben, daß in manchen Fäl: len das Mutterkorn ſchon 7 Minuten nachdem es eingenommen worden, auf die Baͤrmutter wirkt, während es in anderen Faͤllen einer weit längeren Zeit, im Durchſchnitte jedoch etwa einer Vier⸗ telſtunde bedarf. Wenn die Kinder lebendig geboren wurden, dei = ſtrichen nie mehr als 25 Minuten, bevor die Wirkung des Medica— ments eintrat, wogegen in den Fällen, wo daſſelbe erſt ſpaͤter auf die Baͤrmutter einwirkte, die Geburt jedesmal durch Inſtru— mente bewirkt werden mußte oder das Kind todt zur Welt kam. Zuweilen brachte das Mutterkorn eine Art von toniſcher (an: haltender?) Contraction des uterus und keine wirkſamen austrei⸗ benden Wehen zu Wege. In Uebereinſtimmung mit Dem, was von Anderen beobachtet worden iſt, habe ich wahrgenommen, daß in den Faͤllen, wo das 265 Mutterkorn günftig wirkt, daſſelbe ſtarke austreibende Wehen ers zeugt, die allmaͤlig an Haͤuſigkeit zunehmen, ſo daß ſie zuletzt ſich miteinander verſchmelzen, indem man nicht mehr eine deutliche Zwi⸗ ſchenperiode zwiſchen ihnen wahrnimmt. 2) Wirkungen auf den Puls der Mutter. Die Wirkung des Mutterkornes auf die Circulation der Mut— ter iſt ein Umſtand von bedeutendem Intereſſe, aber bisher, meines Wiſſens, von den practiſchen Aerzten nicht hinreichend beruͤckſichtigt worden. In neunzehn der von mir beobachteten Fälle trat eine deut— liche Verminderung in der Häufigkeit des Pulſes der Mutter nach dem Einnehmen des Mutterkornes ein, und dieſe Wirkung erfolgte gewöhnlich binnen T — I Stunde. In allen dieſen Fallen, wo der Puls der Mutter deprimirt ward, fand eine entſprechende Wirs kung auf das Herz des foetus ſtatt. Aus der Betrachtung dieſes Umſtandes ergiebt ſich ohne Wei— teres die practiſche Frage, ob man das Mutterkorn ohne Gefahr verordnen koͤnne, wenn die Kindbetterin durch eine aus der Er— ſchlaffung des uterus nach der Geburt entſpringende Blutung be— deutend geſchwaͤcht worden iſt? Ein Fall, in dem dieſer Punct ge— rade von practiſcher Bedeutung war, kam vor etwa 3 Jahren im Krankenſaale No. 3 unſeres Entbindungshauſes vor, wo dei einer Kindbetterin die Lochien nach etwa 3 Stunden nach der Austreibung des Mutterkuchens zu fließen fortfuhren, fo daß die Patientin ſehr ge— ſchwächt ward. Die gewöhnliche Doſis von Mutterkornpulver wur: den gereicht, und unmittelbar darauf erfolgte ein hoͤchſt bedenkliches Sinken des Pulſes, welches die Anwendung der kraͤftigſten Reizmit— tel noͤthig machte. In mehreren der Faͤlle, wo die Circulation der Patientin durch den Gebrauch des Mutterkornes in dieſer Weiſe deprimirt worden war, hielt die Wirkung mehrere Tage lang an, und dennoch folgte in manchen Faͤllen eine Entzuͤndung der Baͤrmutter auf die Ent— bindung, und dieſes Organ behielt nicht ſelten ein ſehr bedeutendes Volumen, ſelbſt wenn übrigens Nichts auf eine Entzündung deſſel— ben hindeutete. 3) Wirkung des Mutterkornes auf das Herz des foetus. Die Wirkung dieſes Medicaments auf das Herz der Leibes— frucht iſt noch auffallender, als die auf den Puls der Mutter, und verdient in practiſcher Beziehung weit gruͤndlicher erforſcht zu werden. Aus meinen Tabellen ergiebt ſich, daß in bei Weitem den mei— ſten Faͤllen eine Verminderung in der Haͤufigkeit des Herzſchlages des foetus auf die Verordnung des Mutterkornes folgte. Die Zeit, binnen welcher dieſe Wirkung erfolgt, beträgt 1—2 Stunde, manchmal auch etwas darunter oder daruͤber. Die gewoͤhnlichſte und mehrentheils erſte Wirkung iſt eine Abs nahme in der Geſchwindigkeit der Herzſchlaͤge, auf welche nach eini— ger Zeit eine Unregelmaͤßigkeit in den Schlaͤgen folgt, welche in hoͤ— herem oder geringerem Grade fortbeſteht, bis das Geraͤuſch perio— diſch ausgeſetzt und zuletzt nach längerer oder kuͤrzerer Zeit ganz unvernehmbar wird. Meine Beobachtungen haben mich in Betreff der Veraͤnderun— gen des Herzſchlages der Leibesfrucht auf eine practiſche Folgerung geleitet, daß naͤmlich in den Faͤllen, wo die Zahl der Schläge ſtaͤtig unter 110 fiel und dieſelben zugleich ausſetzten, das Kind ſelten, wo je am Leben blieb, ſelbſt wenn die Entbindung äußerſt ſchleu— nig von Statten ging. Hierzu muß ich jedoch bemerken, daß das bloße Sinken des Herzſchlages unter 110, ohne daß die Schläge ausfegen, nicht zu demſelben Prognoſtikon berechtigt, indem mir Faͤlle vorge⸗ kommen ſind, wo ein noch bedeutenderes Sinken ſtattfand (S. den 1ſten Fall, wo es bis 56 erfolgte) und das Kind dennoch durch eine ſehr ſchnelle Entbindung und die Anwendung der gewohnlichen Mit- tel gerettet ward. Aber nie hatte in dieſen Faͤllen ein ſtätiges deutliches und gehörig markirtes Ausſetzen der Schläge ſtattgefunden. 743, XXXIV. 17. 266 Die Kenntniß dieſer Umftände weiſ't auf die Nothwendigkeit hin, die Veränderungen in dem Herzſchlage des foetus nach dem Verordnen des Mutterkornes genau zu beobachten, da ein Verzug uͤber eine gewiſſe Zeit hinaus das Leben des Kindes ſehr gefährdet. Sollte ſich der Fall uͤbrigens zur Anwendung der Zange oder des Hebels (vectis) eignen, fo muͤſſen dieſe Inſtrumente, wenn das Kind gerettet werden ſoll, zeitig und vor dem Eintritte eines Zeitpuncz tes angewandt werden, der ſich lediglich mit Huͤlfe des Stethoſcops ermitteln laͤßt. In dieſer Beziehung ſtimmen meine Beobachtungen durchaus mit denen des Dr. Beatty uͤberein, welcher die Zeit, nach der das Kind ſelten lebendig geboren wird, zu 2 Stunden feſtſetzt. Von dieſer Regel find mir nur drei Ausnahmen, No. 1, 4 und 13 mei: ner Tabellen, vorgekommen. Hieraus folgt aber keinesweges, daß man nach dem Einnehmen des Mutterkornes 2 Stunden verſtreichen laſſen müffe, ehe man die Entbindung bewirkt. In zwei Fällen (No. 20 und 21) ſtarb das Kind, obwohl es in dem einen nur 20 und in dem anderen nur 25 Minuten nach dem Einnehmen des fraglichen Medicaments geboren worden war. In Betreff der Urſache des Todes der Leibesfrucht hat man verſchiedene Meinungen aufgeſtellt. Manche nehmen an, dieß Refuls tat ruͤhre von den heftigen Contractionen der Bärmutter her, wäh: rend Andere glauben, das Mutterkorn wirke giftig auf den koetus. Zuweilen dürfte der Schade durch beide Veranlaſfungsurſachen zu= gleich geſtiftet werden. In zahlreichen Fällen habe ich alle jene Veränderungen in dem Herzſchlage des foetus beobachtet, wenn das Mutterkorn auf die Baͤrmutter nur eine ſehr geringe oder gar keine Wirkung aͤußerte, und deßhalb bin ich der Anſicht, daß die Herabdruͤckung der Girs culation der Leibesfrucht nicht von den Contractionen der Baͤrmut— ter, ſondern von den giftigen Eigenſchaften des Mutterkornes her— rühre. Seine Wirkungen auf den Puls der Mutter beſtaͤtigen dieſe Meinung. Dieſe deprimirenden Wirkungen ſind ſo erheblich, daß nach der Geburt haͤufig eine bedeutend lange Zeit verſtreicht, ehe ſich das Kind völlig erholt, und ich habe beobachtet, daß ſchwäͤchlich geborne Kinder ſich, wenn behufs ihrer Austreibung kein Mutterkorn an— gewandt worden war, weit ſchneller aufnahmen, als wenn dieſes Medicament bei der Entbindung verordnet worden war. Der Mutterkuchen ging, in den meiſten von mir beobachteten Faͤllen, ſehr bald nach der Austreibung des Kindes und in ei— ner guͤnſtigen Weiſe ab. In einem Falle trat eine ſehr bedeutende Blutung, ſowohl vor, als nach deſſen Abgange ein. In einem zweiten ward der uterus durch das Mutterkorn nicht afficirt, wie wohl der Puls der Mutter um Vieles langſamer ward und das Herz der Leibesfrucht etwa 20 Minuten nach dem Einnehmen des Mutterkornes zu ſchlagen aufhoͤrte. In dieſem Falle war zur Be: ſeitigung deſſelben (des Mutterkuchens?) die Einführung der Hand noͤthig. In einem dritten Falle zog ſich die bei der Austreibung der Leibesfrucht ſehr thaͤtig geweſene Baͤrmutter gleich nach der Entbindung am Muttermunde fo feſt zuſammen, daß, obwohl Dr. Johnſon und ich uns davon uͤberzeugten, daß der Mutterkuchen locker in dem uterus liege, deſſen Austreibung doch erſt nach ei⸗ ner Stunde bewirkt werden konnte, als Erſchlaffung des Mutter— mundes eingetreten war. Der erſte der weiter unten fpecificirten Faͤlle verdient, meiner Anſicht nach, ganz beſondere Aufmerkſamkeit, und zwar aus folgen⸗ den Gründen: 1) ergiebt ſich daraus, wie nöthig es iſt, die Aus⸗ treibung des Mutterkuchens in allen den Faͤllen, wo man waͤhrend der Entbindung Mutterkern verordnet hat, genau zu uͤberwachen, welche Regel ich ſtets, doch ſeit mir obiger Fall vorgekommen, mit befonderer Sorgfalt beobachtet habe; 2) dringt ſich dabei die Frage auf, welches der richtige Zeitpunct ſey, um bei denjenigen Kindbet— terinnen, welche nach der Entbindung mit einer ſtarken Blutung aus der Baͤrmutter bedroht ſind, das Mutterkorn zu reichen. Unter ſolchen Umftänden hat man drei Perioden zu unterfcheie den, zu welchen dieſes Medicament gereicht werden kann: 1) wenn der Kopf in die Geburt treten will; 2) wenn der Kopf eben gebo— N 267 ren worden iſt und 3) wenn man die Einfuͤgung der Nabelſchnur in den Mutterkuchen mit der Hand erreichen kann. Wenn man vor der Austreibung des Kindes Mutterkorn reicht, ſo kann einige Zeit gewonnen werden; allein wenn eine krankhafte Adhaͤrenz zwiſchen dem Mutterkuchen und der Baͤrmutter ſtattfin⸗ det, ſo wird es weit ſchwerer halten, die Hand zu deſſen Beſeiti— gung einzufuͤhren. Reicht man das Mutterkorn zu dem dritten Zeitpuncte, ſo läuft man in Betreff der Einführung der Hand zur Beſeitigung der placenta keine Gefahr; allein gegen dieſes Verfahren duͤrfte ſich einwenden laſſen, daß vor dem Verordnen des Mutterkornes viel- leicht ein bedeutender Zeitverluſt und Blutverluſt ſtattfindet. Dens noch darf der Geburtshelfer nie die Moͤglichkeit, daß der Mutter— kuchen in einer krankhaften Weiſe an der Baͤrmutter feſthaͤnge, aus den Augen verlieren, und dieß muß ihn daher in Betreff der Anwendung eines Mittels, welches dieſe Complication um Vieles gefahrvoller machen kann, ſtets zu großer Vorſicht ermahnen. Eine Haͤmorrhagie nach der Geburt des Kindes iſt mir in kei⸗ nem Falle vorgekommen, wo während der Geburtsarbeit die Bär: mutter durch die Wirkung des Mutterkornes bedeutend afficirt wurde. In meinen Tabellen findet ſich nur ein einziger Fall, wo vor und nach der Austreibung des Mutterkuchens eine ſtarke Blu— tung erfolgte. In dieſem Falle war die Baͤrmutter fo unthaͤtig, daß das Mutterkorn faſt gar keinen Einfluß auf deren Gontrac tionen äußerte. Ich bin daher der Anſicht, daß wir im Allgemki⸗ nen einen ſolchen Zufall nur ſelten zu fuͤrchten haben, obwohl man vor demſelben ſtets auf der Hut ſeyn muß. S. den 57. Fall mei: ner Tabellen. 4) Zuſtand des uterus und Lochi alfluſſes. Waͤhrend der Reconvalescenz der Kindbetterinnen verdient meiner Anſicht nach, hauptſaͤchlich der Zuſtand des Pulfes, des ute- rus und des Lochialfluſſes Aufmerkſamkeit. Wie das Mutterkorn auf den Puls der Mutter wirkt, iſt bereits angegeben worden, und wir brauchen daher hier nicht auf dieſen Punct zuruͤckzukommen. Das Volumen des uterus findet ſich oft weit bedeutender, als nach regelmäßigen Entbindungen, ſo daß ſich derſelbe faſt ſo anfuͤhlt, als ob der Mutterkuchen noch nicht ausgetrieben ſey. Dr. Joh n⸗ fon hat dieſen Umftand häufig beobachtet, und ich habe mich von deſſen Richtigkeit wiederholt uͤberzeugt. Außerdem fuͤhlt ſich der uterus auch haͤufig feſt zuſammengezogen an, (wie im Falle No. 1) und dieſer Zuſtand haͤlt gewoͤhnlich mehrere Tage lang an. In mehreren Faͤllen war der Lochialfluß ziemlich blaß und duͤrf— tig, obwohl während der Reconvalescenz Nichts vorgekommen war, woraus ſich dieſer Umſtand hätte erklären laſſen. Mit wenigen Ausnahmen, genaſen die Kindbetterinnen ſchnell. Unter denen, bei welchen Entzuͤndung des uterus eintrat, ſtarben nur zwei. Bei der einen war der Mutterkuchen figen geblieben, ſo daß die Hand eingefuͤhrt werden mußte, und dieſe Frau ſtarb an phlebitis uteri; bei der anderen war zugleich Entzuͤndung des Bauchfells und der Baͤrmutter vorhanden. Die lebend gebornen Kinder gediehen ſaͤmmtlich gut, ein ein— ziges ausgenommen. In dieſem Falle war die Geburt mit der Zange bewerkſtelligt worden, indem das Herz des ſoetus nach dem Gebrauche des Mutterkornes nur noch 100 Schlaͤge that. Dieſe Angabe bezieht ſich nur auf diejenigen Faͤlle, wo ſich nach der Ent: bindung eine voͤllige Belebung des Kindes bewirken ließ, obwol dieß, ſtreng genommen, bei dem als geſtorben aufgefuͤhrten Kinde nicht der Fall war. Daſſelbe verſchied drei Stunden nach der Geburt (S. Fall 11 der Tabellen.). Art der Verordnung. Das Mutterkorn wird von den Aerzten in verſchiedener Weiſe verordnet. In unſerem Entbindungshauſe verfaͤhrt man folgender— maaßen: Eine halbe Drachme des Pulvers wird mit drei Unzen kochenden Waſſers uͤbergoſſen, und nachdem es 10 Minuten gezogen, durchgeſeiht, worauf man noch 10—15 Gran friſchen Pulvers und etwas Zucker eintraͤgt. Dieſe Doſis wird gewoͤhnlich nach 20 Mi— nuten zum zweiten Male, und wenn der uterus ſich auch dann noch nicht gehoͤrig thaͤtig zeigt, zum dritten Male gereicht. In 743. XXXIV. 17. 268 manchen Fällen trat Erbrechen ein; in anderen, wo der Magen reizbar war, ſchien das Mutterkorn denſelben zu beruhigen. Ich erinnere mich nur eines einzigen Beiſpiels, wo waͤhrend der Wirkung des Mutterkornes Delirium eintrat. In dieſem Falle wirkte der uterus kraͤftig, der Puls fiel bis auf (um?) zwanzig Schläge und der Herzſchlag der Leibesfrucht ward binnen 2 Stun⸗ den unvernehmbar. Auf die mittelft des Hakens bewirkte Entbin⸗ dung folgte eine fo gewaltige Traͤgheit des uterus, daß zur Beſei⸗ tigung des Mutterkuchens die Hand eingefuͤhrt werden mußte (Fall 40 der Tabellen). Der Tod erfolgte durch phlebitis. Ich darf nicht unerwaͤhnt laſſen, daß in allen den Faͤllen, wo die Geburtsarbeit traͤge von Statten ging, die zur Erregung der Thaͤtigkeit des uterus gewoͤhnlich angewandten Mittel, als reizende Einſpritzungen, Veraͤnderung der Lage der Kreiſenden ꝛc, vor dem Verordnen des Mutterkorns verurſacht werden müffen, Die hier folgenden Beobachtungen beziehen ſich ſaͤmmtlich auf die Wirkungen des Mutterkornes in der einen angegebenen Form. Es war erſt meine Abſicht, eine vergleichende Ueberſicht der Art und Weiſe zu liefern, wie die verſchiedenen Präparate dieſes Medi⸗ caments, ſowohl in den Magen eingeführt, als mittelſt Einſpritzun⸗ gen angewandt, zu wirken pflegen; indeß ſtehen mir zu einer ſol⸗ chen Arbeit noch keine hinreichend umfaſſenden Materialien zu Gebote. Erſter Fall. — Anna Me. Daniel, 30 Jahre alt, zum dritten Male ſchwanger. Mutterkuchen im Muttermunde feſtſitzend. Herzſchlag der Leibesfrucht 56. Die Wehen begannen am 17. Sept. 1843 und dauerten bis zum 19., wo 25 Minuten vor 8 Uhr Abends, weil die Wehen un⸗ gemein langſam und unwirkſam waren, ſo daß die Geburt binnen 24 Stunden faſt gar keine Fortſchritte gemacht hatte, eine Doſis Mutterkorn gereicht ward. Um dieſe Zeit war der Puls der Mut- ter 104 und das Herz der Leibesfrucht 136. Der Kopf, der ſich präfentivende Theil, befand ſich in der dritten Poſitur, und das Ohr ließ ſich erreichen. Nach 12 Minuten gewannen die Wehen deut— lich an Kraft; nach 15 Minuten that das Herz des ſoetus 152, alſo 16 Schlaͤge mehr, wie vor dem Einnehmen des Mutterkorns, waͤhrend der Puls der Mutter noch derſelbe war, wie vorber. Zwanzig Minuten nach der erften Dofis ward eine zweite gegeben. Um 9 uhr keine Veränderung des Pulſes, Herz des foetus 124, alfo 12 wnniger, wie vor dem Einnehmen des Mutterkornes; Wer hen ſtark, der Kopf im Vorruͤcken begriffen. Zwanzig Minuten nach 9 Uhr (1 Stunde 45 Min. nach dem Einnehmen der erſten Doſis Mutterkorn) war das Herz des foetus ſehr angegriffen, fo daß es von Zeit zu Zeit ſtockte, der uterus in guͤnſtiger Thaͤtigkeit, fo daß der Kopf bei jeder Wehe ganz nach Außen hervortrat, waͤh— rend die Wehen ununterbrochen auf einander folgten. Zehn Min. nach 10 uhr (24 Stunde nach dem Gebrauche des Medicaments) wurde das Kind (ein Knabe) ausgetrieben. Gleich nach der Ge— burt that deſſen Herz 56 Schlaͤge; binnen etwa 1 Minute ſtiegen dieſelben bis 76; nach zwanzig Minuten, als völlige Belebung er— folgt war, bis 136. Der Puls der Mutter war zwanzig Minuten nach der Entbindung von 104, auf welcher Hoͤbe er ſich wahrend der ganzen Geburtsarbeit und unter dem Einfluſſe des Mutterkor⸗ nes erhalten hatte, bis 83 gefallen. Bei der Unterſuchung fand ſich, daß die placenta ſich noch im uterus verhielt; die Einfuͤgung der Nabelſchnur in dieſelbe ließ ſich mit einiger Schwierigkeit mit dem Finger erreichenz allein die Contraction des Muttermundes war ſo ſtarr, daß er ſich nur ge⸗ waltſam hätte erweitern laſſen. Von Außen fühlte ſich die Bär: mutter ſehr hart an. Drei Viertelſtunden nach der Geburt vomirte die Patientin; allein der uterus verharrte in demſelben Zuſtande. Der von Aus ßen mit der Hand angewandte Druck, in der Abſicht den Mutter⸗ kuchen abzuföfen, hatte nicht den geringſten Erfolg. In einer Stunde und 5 Minuten trat eine Blutausleerung ein; alsdann fand man den Mutterkuchen in der Scheide; allein die Baͤrmutter fühlte fi) noch fo feſt an, wie vor deſſen Austreibung. Die Pas tientin bekam einen Anfall von Schwaͤche, der aber einen guͤnſtigen Ausgang hatte. Der uterus blieb einige Tage voluminoͤs. So— wohl die Mutter, als das Kind genaſen endlich. 269 Zweiter Fall. — Eliſabeth Collins, 35 Jahre alt, eine Frau von geſundem Anſehen. Zweite Schwangerſchaft. Die Wehen ſtellten ſich am 15. Januar 1845 um 6 Uhr Mor⸗ gens ein. An demſelben Tage um 4 Uhr Nachm. war der Mut: termund vollſtaͤndig erweitert und die Haͤute der Leibesfrucht gebor— ſten. Der Kopf lag um 10 Uhr ſo tief, daß man das Ohr mit dem Finger erreichen konnte. Da am 16. Jan. die Wehen ſchwach waren und die Geburts: arbeit während der Nacht keine bedeutenden Fortſchritte gemacht hatte, ward 6 Minuten vor Mittag eine Doſis Mutterkorn (3 ss. gr. x) gereicht. Puls 120, Herzſchlag des koetus 136 Nach 12 Minuten zeigte ſich der uterus thätiger, der Puls und das Herz des foetus waren nicht afficirt. Nach 25 Minuten zeigten ſich der Puls und das Herz noch immer nicht betheiligt; die Baͤrmutter wirkte gut. Dieſelbe Doſis ward nunmehr noch einmal gereicht. Der Kopf ruͤckte von der Zeit an, wo die Wirkung des Mutterkor— nes begann, ſtaͤtig vor, und nach einer Stunde 5 Min. war das Kind, ein Knabe, lebend geboren. Bald darauf folgte auch der Mutterkuchen. Dritter Fall. — (Fall 4 der Tabellen). Anna Pierſon, Am 21 Febr. 25 Jahre alt; erſte Schwangerſchaft. Die Geburtsarbeit begann am 20 Febr. 1844. um 9 Uyr M. war der Muttermund vollſtaͤndig erweitert. Um 12 Uhr (Mittag) zerriſſen die Foͤtalhaͤute, und der Kopf war fo tief herabgeſtiegen, daß man das Ohr mit dem Finger erreichen konnte. In dieſer Lage blieb der foetus, wegen der Schwaͤche der Wehen, bis zum 22., an welchem Tage man, 26 Min, nach 4 Uhr Nachm, die Patientin eine Doſis Mutterkorn (3 ss. gr. x) nehmen ließ, waͤhrend der Puls 84 und die Herzſchlaͤge des toetus 140 und ſtark waren. Nach 25 Minuten ſchienen die Wehen etwas kraͤftiger zu werden. Zehn Minuten nach 5 Uhr wurde eine zweite Dofis Mut: terkorn gereicht. Der puls war um 6 Uhr (nach Verlauf von ziems lich 15 Stunde) noch derſelbe, wie damals, als die erſte Doſis Mut— terkorn eingenommen wurde, naͤmlich 84; allein der Herzſchlag der Leibesfrucht war bis 116 geſunken, zuweilen nur 104, und dann und wann ausſetzend. Die Baͤrmutter war nicht gehoͤrig thaͤtig, obwohl der Kopf bei jeder Wehe das perinaeum ausdehnte. Zehn Minuten nach 6 Uhr ward die dritte Doſis gegeben. Um 2 auf 7 Uhr wurde das Kind, ein Maͤdchen, ausgetrieben und mit Muͤhe belebt; die Geburt fand alſo 2 Stunden 20 Minuten nach dem Eins nehmen der erſten Doſis Mutterkorn ſtatt. Der Puls war um 7 Uhr auf 72 gefallen und die placenta lag in der Scheide. Waͤh— rend der Reconvalescenz war der uterus gut zuſammengezogen und der Lochialfluß von der gewoͤhnlichen Farbe und Quantitaͤt. So— wohl die Mutter als das Kind genaſen gut. Vierter Fall. — CFall 5 der Tabellen) Maria Fegan, 25 Jahre alt; erſte Schwangerſchaft. Die Wehen traten am 30 Maͤrz 1843 fruͤhmorgens ein. Am 31. M., als der Kopf des Kindes 12 Stunden lang auf dem Mit— telfleiſche verharrt hatte, ohne im geringſten vorzurucken, wurde 19 Minuten vor Mittag eine Doſis Mutterkorn gerejcht. Der Puls war damals 96, der Herzſchlag des foetus 144. Nach 10 Minus: ten wurden die Wehen kraͤftiger, waͤhrend der Puls auf 88 ge— ſunken war. Zwanzig Minuten nach der erſten Doſis nahm die Patientin die zweite; Puls 80. Um 3 auf 1 Uhr wurde ein le— bendes Mädchen geboren, und eine Viertelſtunde ſpaͤter noch ein Maͤdchen, ebenfalls lebend das ſich naturgemaͤß praͤſentirte. Die placenta ging in einer guͤnſtigen Weiſe ab. Waͤhrend der ſehr er— wuͤnſcht von Statten gehenden Reconvpalcscenz hatte der Lochial— fluß die gewoͤhnliche Farbe und Staͤrke. Die Zwillinge gedie— hen gut. Fuͤnfter Fall. — (Fall 6 der Tabellen). Maria Powell, 20 Jahre alt. Erſte Schwangerſchaft. Eine wohlbeleibte pletho— riſche Frau. Ueber 12 Stunden lang blieb, wegen der Schwaͤche der We— hen, der Kopf in derſelben Lage, ſodaß man das Ohr mit dem Fin— ger erreichen konnte. y Am 5. Oct. 1844, 10 Min. vor 11 Uhr, erhielt fie die gewoͤhn⸗ liche Doſis Mutterkorn (3 ss. gr. x); der Puls war damals 132, der Herzſchlag des foetus 160 und natürlich ſtark. Binnen 20 Min. 743. XXXIV. 17. 270 fiel der Puls bis 120; allein die Wehen wurden nicht im Gering⸗ ſten beſſer, und die Patientin ſchien zum Schlafe geneigt. Sie er⸗ hielt nun eine zweite Doſis Mutterkorn. Die Thaͤtigkeit des ute- rus nahm ſchon nach wenigen Minuten zu, die Neigung zum Schlafe verſchwand, und das Herz des foetus that, indem es von Zeit zu Zeit ausſetzte, in der Minute 100 Schlaͤge. Fuͤnfundzwan⸗ zig Minuten nach 11 uhr waren die Wehen ſehr häufig, aber nicht ſtark und ohne das Vorruͤcken der Leibesfrucht merklich zu foͤrdern; Puls 112. Das Kind, ein Knabe, wurde 25 Minuten vor 12 Uhr lebend geboren und der Mutterkuchen gleich darauf in die vagina ausgetrieben. Waͤhrend der Reconvalescenz blieb die Baͤrmutter einige Tage lang vergroͤßert; allein der Lochialfluß war in Anſehung der Farbe und Quantitaͤt normal. Sowohl die Mutter als das Kind erfreuten ſich einer guten Geſundheit. Sechſter Fall. — (Fall 14 der Tabellen). Anna Doran, 30 Jahre alt; dritte Schwangerſchaft. Die Wehen ſtellten ſich am 18. Juli 1843 ein und dauerten ſo lange, bis der Kopf des Kindes auf das Mittelfleiſch druͤckte. Als⸗ dann wurden ſie unwirkſam, und die Geburtsarbeit machte mehrere Stunden lang keine Fortſchritte. Zwanzig Minuten vor 10 uhr Ab. wurde eine Doſis Mutterkorn gereicht; der Puls war damals 92 und der Herzſchlag des foetus 160 und ſehr deutlich. Nach ei- ner halben Stunde war der Puls auf 84 gefallen und das Foͤtal⸗ herz ſchlug ſehr undeutlich. Die Thaͤtigkeit des uterus beſſerte ſich faſt nicht im Geringſten. Die Patientin erhielt nun zum zweiten Male Mutterkorn. Eine halbe Stunde nach dem Einnehmen der erſten Doſis wurde, wenngleich die Wehen nicht kraͤftiger eintraten, das Herz der Leibesfrucht fo bedeutend deprimirt, daß die Geburt mits telſt der Zange bewirkt werden mußte. Das neugeborne Mädchen wurde nur mit Schwierigkeit belebt. Der Mutterkuchen ging güns ſtig ab, und ſowohl die Mutter als das Kind befanden ſich bald in guten Geſundheitsumſtaͤnden. Siebenter Fall. — (Fall 15 der Tabellen). Brigitte Ca: vanagh, 31 Jahr alt; erſte Schwangerſchaft. Die Wehen begannen am 1. Maͤrz 1843. Wegen Starrheit des Muttermundes dauerte das erſte Stadium 34 Stunden. Am 4. Maͤrz um 9 Uhr Abends war der Muttermund voll— ftändig erweitert: die Membranen geplatzt und der Kopf fo in Praͤ— ſentation, daß das Geſicht dem Schaambeine zugekehrt war. Die Geburtsarbeit dauerte bis zum Ab. des 5., wo man um 9 Uhr eine Doſis Mutterkorn reichte, da der uterus nur ſehr ſchwach wirkte, und der Kopf mehrere Stunden lang ziemlich in derſelben Lage verharrt hatte. Der Puls war zu der Zeit, wo das Mutter: korn gegeben wurde, 96, der Herzſchlag der Leibesfrucht 152. Nach 10 Minuten nahmen die Wehen zu, und nach 15 Minuten wurde die zweite Doſis Mutterkorn (Pulver und Infuſion gr. x. 3 ss.) gereicht. Binnen einer halben Stunde fiel der Puls auf 48. Um 10 Uhr, alſo eine Stunde nachdem das Mutterkorn zuerſt gegeben worden, ward ein todtes Knäbchen zur Welt gebracht, und eine halbe Stunde ſpaͤter folgte noch ein ebenfalls todtes Knaͤbchen, das ſich in normaler Weiſe praͤſentirte. Die placenta ging guͤnſtig ab. Der Puls blieb mehrere Stun— den lang deprimirt; am zweiten Tage war er 76. Die Relonva— lescenz der Patientin hatte einen ſehr erwuͤnſchten Verlauf. Achter Fall. — (Fall 17 der Tabellen). Brigitte Dooley, 34 J. alt; erſte Schwangerſchaft. Das Kreiſen begann am 11. März 1843 Um 10 Uhr Ab. deſſelben Tages barſten die Foͤtalhaͤute, und bald darauf zeigte ſich der Muttermund vollſtaͤndig ausgedehnt. Am 12. März 23 Minuten vor 11 Uhr, wurde, da die We: hen ſchwach und unwirkſam waren, eine Doſis Mutterkorn verord— net. Zu dieſer Zeit druͤckte der Kopf beinahe auf das Mittelfleiſch. Der Puls war 104, der Herzſchlag der Leibesfrucht 132. Die Baͤrmutter wurde 15 Minuten nach dem Einnehmen thaͤtiger Um 11 Uhr waren die Wehen faſt ununterbrochen, aber nicht Eräftiger, als vorher. Der Puls war auf 96 gefallen und der kaum hoͤrbare Herzſchlag der Leibesfrucht 100, manchmal auch nur 60 in der Minute. Eine halbe Stunde nach der erſten Doſis wurde eine zweite gereicht. um 212 Uhr war der Puls 80, der Herz: 271 ſchlag ungefähr 90. geruͤckt. Am 13. März um 12 Uhr Morgens, beinahe 3 Stunden, nach⸗ dem die erſte Doſis Mutterkorn eingenommen worden war, wurde ein todtes Knaͤbchen ausgetrieben. Die placenta ging gut ab, und die Patientin hatte auch eine ſehr erwuͤnſchte Geneſung, Neunter Fall. — (Fall 20 der Tabellen). Brigitte Whe⸗ lan, 33 J alt; zweite Schwangerſchaft. Das Kreiſen begann am 20. Sept. 1843 um 6 Uhr M. Am 21. Maͤrz wurde, fuͤnfundzwanzig Minuten vor Mittag, eine Doſis Mutterkorn gereicht, da die Wehen ſchwach waren. Der Puls war damals 88 und der Herzſchlag der Leibesfrucht 136. Nach 7 Minuten trat eine kraͤftige Wehe ein, und bald daraf war die Thätigkeit des uterus ſehr geſteigert, indem die Wehen faſt ununterbrochen ſchnell aufeinander folgten. Nach 20 Minuten druͤckte der Kopf, welcher ſich in der zwei⸗ ten Poſitur praͤſentirte, auf das perinaeum; Puls 88; Foͤtalherz 134 und weniger kraͤftig. Fuͤnfundzwanzig Minuten nach dem Einnehmen des Mutter⸗ kornes wurde das Kind geboren. Sein Herz hatte beinahe aufge— hoͤrt zu ſchlagen, und die Wiederbelebung des Kindes gelang nicht. Der Mutterkuchen folgte nach 10 Min., und die Patientin genas ſchnell. Zehnter Fall. — (Fall 23 der Tabellen). Eſther Mor: erſte Schwangerſchaft; eine wohlbeleibte kraͤftige Die Geburtsarbeit war einigermaaßen vor⸗ ris, 21 J. alt; Frau Das Kreiſen begann am 11. Nov. 1844. Am 13. Nov. wa⸗ ren die Wehen ſehr ſchwach, undder Kopf war mehrere Stunden lang nicht weiter vorgeruͤckt. Puls 88, Herzſchlag des fuetus 160 und ſtark. Zweiundzwanzig Minuten rach 11 uhr erhielt die Kindbetterin eine Doſis Mutterkorn (3 ss. gr. xv). Nach 12 Minuten wurden die Wehen ſtaͤrker. Zwanzig Minuten nach dem Einnehmen Puls 96; Zhätigkeit des uterus ziemlich ununterbrochen; Herzſchlag des koetus 96 108, voll und beide Schläge deutlich wahrnehmbar. Das Mutterkorn wurde nun nochmals gereicht (3 ss. gr. x). (Schluß folgt.) Miscellen. Toödtliche Hämorrhagie aus Verletzung des Aor⸗ tenbogens durch in dem oesophagus hängen geblie⸗ bene falſche Zähne, — Ein junger Dentift, welcher zwei durch Zufälle verloren gegangene Vorderzaͤhne mittels zweier aufgeſetzter kuͤnſtlicher Zähne erſetzt hatte, bemerkte am 28. Februar 1844 bei'm Erwachen, daß ſeine kuͤnſtlichen Zähne nicht mehr an ihrer Stelle waren und klagte uͤber eine Schmerzempfindung und Beſchwerde bei'm Schlingen. — Herr James erkannte mittels einer Sonde die Anweſenheit eines fremden Koͤrpers in der Speiſeroͤhre, der aber zu tief ſaß, als daß er mit einer Schlundzange erreicht werden konnte. Man machte wiederholte, aber vergebliche Verſuche, um den fremden Körper mit einem am Ende der Sonde befeſtigten Knaͤul (Fadenſchlinge) zu fangen. Der Schmerz verſchwand bald; aber 743. XXXIV. 17. 272 acht Tage nachher wurde der Kranke, als er aufſtehen und durch die Stube gehen wollte, von Schwaͤche und Schwindel befallen, er warf einen Mund voll Blut aus, die Reſpiration wurde beſchleu⸗ nigt, das Antlitz wurde blaß, die Haut kalt, aber der Puls behielt eine mäßige Staͤrke. Herr Duncan, indem er einige Verſuche zum Ausziehen des fremden Koͤrpers mittels einer Zange machte, ver⸗ anlaßte einiges Erbrechen und es wurde ein Mundvoll ſchwarzes, uͤbelriechendes Blut ausgeworfen. Auf dieſe Ausleerung folgte ein Auswurf einer großen Quantität Blut (8 bis 10 Unzen etwa). Nach einigen Secunden wurde wiederholt noch einigemal Blut aus⸗ geworfen; die Lippen wurden blaß, der Puls verſchwand am Hand⸗ gelenk, es ſtellte ſich ein convulſiviſches Schluchzen ein und der Kranke ftarb, — Bei der Leichenoͤffnung fand man, daß oesopha- gus, Magen und duodenum von arteriellem Blut gefüllt und aus⸗ gedehnt waren, was man auf 10 Pfund ſchätzte. Etwa 4 Zoll unterhalb des Eintritts des larynx war eine Perforation, von 3 Zoll Laͤnge und 3 Linien Breite, welche in ſchraͤger Richtung von oben und rechts nach unten und links gerichtet war. Die Raͤnder der Per— foration waren rundherum wie die membrana mucosa mit Blut injicirtz durch dieſe Oeffnung drang eine Sonde leicht in die aorta. Als man das Gefaͤß bloßlegte, fand ſich eine ſo große Oeffnung, daß ſie eine Rabenfeder durchließ; ſie befand ſich einen halben Zoll etwa unter dem Urſprunge der a. subelavia sinistra. Die Ränder der Perforation waren aufgeworfen und von unregelmäßiger Form. Am unteren Theile hing ein ziemlich feſter Blutklumpen. Um dieſe kuͤnſtliche Oeffnung ſah man wenig oder keine Gefaͤßinjection. Die aorta war übrigens völlig geſund. Ueber eine Abtrennung des Mutterhalſes bei'm Gebaͤren berichtet Dr. A. Davis zu Newry in der Dublin medical press vom 15. Januar 1845. Die Frau war 46 Jahr alt, von kleiner Statur und ziemlich corpulent. Sie gebar zum vierten Male. Die Geburt war ſchwer, indem der Mutterhals ver⸗ dickt war und ſich ſehr langſam bis zum Umfang eines Thalerftücds ausdehnte. Am dritten Tage erkannte man mittelſt des Stetho⸗ ſcops, daß das Kind todt ſey. Es wurden ſchmerzſtillende Ein⸗ ſpritzungen verordnet; die Wehen dauerten fort, nahmen aber bis zum Morgen des vierten Tages ab, wo ſich dann ein Queerriß von etwa 2 Zoll Laͤnge an der vordern Portion des Mutterhalſes zeigte. Man beſchloß nun den Perforator anzuwenden; allein che dieß geſchah, durchſchnitt Herr Davis die getrennte Portion des Mut⸗ termundes der Laͤnge nach und verordnete eine Doſis vom Aufguß auf Mutterkorn. Nun wurde ein großer weiblicher Foͤtus heraus⸗ gezogen. Der Mutterkuchen ward bald darauf ohne große Schwie⸗ rigkeit befeitigt. Die Patientin ertrug die Operation ſehr gut und ſchlief bald darauf ein. Einige Tage lang litt die Kindbetterin an Geſchwulſt des Unterleibes und geringer bronchitis. Am ſechsten Tage nach der Operation loͤſ'te ſich die durch den Schnitt getrennte Portion des Muttermundes (wohl 3 des ganzen Muttermundes) durch Ulceration ab. Die Kranke genas hierauf ſchnell. Der Her- ausgeber der London Medical Gazette bemerkt hierzu, daß er in einem Falle, wo irgend ein Theil des uterus eine Zerreißung er— litten habe, nicht Mutterkornaufguß verordnet haben wuͤrde, obwohl in dem vorliegenden Falle aus dem Gebrauche dieſes Mittels kein beſonderer Nachtheil entſprungen zu ſeyn ſcheine. (Lond. med. Gaz., April 1845.) Giblio graphische Observations on the fauna of Norſolk, and more particulary of the Broads. By the Rev. Richard Lubbock. Norwich 1845. 8. Madeira flowers, fruits and ferns: a selection of the botanical productions of that Island, foreign and indigenous. Drawn and coloured from Nature by Jane Wallis Penfold. London 1845. 4. Neuigkeiten: Lectures on Subjects connected with clinical medicine, compris- ing Diseases of the Heart. By P. M. Latham, D. M. Vol. I. 1845. 12. Nouveau mode de l’exploration de l’urethre a l'état normal et a l’etat pathologique. Par J. J. Cazenave. Paris 1845. Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetbeilt von dem Obers Medieinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorſiep zu Berlin, Noe. 744. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 18. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 h 30 A, Junius 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 8; Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 955 ar un Parallellaufende Claſſification der Saͤugethiere. Von Hrn. Iſidore Geoffroy Saint⸗Hilaire. Ich lege hiermit der Academie die ſynoptiſche Tabelle einer neuen Claſſification der Saͤugethiere vor, die ich zum erſten Male in meinen Vorleſungen im Jahre 1837 auseinanders geſetzt, ſpaͤter aber von Jahr zu Jahr in den Einzelnheiten vers vollkommnet habe (und nach welcher [jest] die Samm— lung des Muſeums geordnetiſt). Die Tabelle iſt mit der größten Sorgfalt ausgearbeitet und von Hrn. Payer, dem der Academie durch feine Denkſchriften über die Pflanzen— phyſiologie ꝛc. ruͤhmlichſt bekannten außerordentlichen Pro— feſſor an der Facultaͤt der Wiſſenſchaften, beſorgt worden. Waͤre meine Claſſification der Saͤugethiere bereits von mir in einem Werke oder einer Abhandlung dargelegt wor— den, ſo wuͤrde ich dieſer Tabelle nichts hinzuzufuͤgen haben; allein dieſelbe iſt bis jetzt nur durch zwei in den Jah— ren 1838 und 1840 veröffentlichte Beurtheilungen, von des nen die eine von Hrn. Guerin:Meneville*), die ans dere von Hrn. Charles d'Orbig ny) herruͤhrte, bekannt geworden, und obgleich dieſelben ſehr genau ſind, ſo koͤnnen ſie doch, wegen ihrer Kuͤrze, eine ausfuͤhrliche Arbeit daruͤber nicht uͤberfluͤſſig machen. Deßhalb glaube ich der ſynopti— ſchen Tabelle des Hrn. Payer noch einige Bemerkungen hinzufuͤgen zu muͤſſen. Viele Schriftſteller, und unter dieſen der beruͤhmte Na— turforſcher ſelbſt, dem die Claſſification des Thierreiches in unſerm Jahrhunderte die größten Fortſchritte verdankt, find der Anſicht geweſen, daß eine zugleich natuͤrlichſe und ſtreng ſyſtematiſche Claſſification, naͤmlich eine ſolche, wo die Thiere nach ihren aͤchten natuͤrlichen Verwandtſchaf— ten in primaͤre, ſecundaͤre und tertiaͤre Gruppen ſo geordnet waͤren, daß ſie genau characteriſirt und definirt wuͤrden, ein Ding der Unmöglichkeit ſey. Die erſte Bedingung einer ſol— chen, allen Anforderungen entſprechenden Claſſification waͤre offenbar, daß der Character jeder Abtheilung auf alle in der— ſelben enthaltenen Thiere genau paßte. Nun weiß aber Je— dermann, wie haͤufig dieſe Bedingung unerfuͤllt bleibt, indem die in dem allgemeinen Character einer natuͤrlichen Gruppe aufgefuͤhrten Merkmale ſich wohl bei den meiſten, aber nicht bei allen zu dieſer Gruppe gehörenden Geſchoͤpfen finden. ) Revue zoologique, année 1338, p. 218. ) Description des Mammiferes; Paris, 1840, p. VIII. No. 1844. — 744. b un n Fe. Wir koͤnnten dieß mit unendlich vielen, aus allen Claſſen, Ord— nungen, Familien und Gattungen entlehnten Beiſpielen belegen. Waͤre aber die ſtrenge Genauigkeit, ohne welche keine achte Wiſſenſchaft exiſtirt, in der Naturgeſchichte der organi— ſirten Weſen wirklich nicht zu erreichen? Ich glaube gluͤck— licherweiſe das Gegentheil behaupten zu duͤrfen. Ohne in der Claſſification in den noch groͤßern Fehler zu verfallen, die natuͤrliche Ordnung der ſtreng ſyſtematiſchen Zuſammen— ſtellung zum Opfer zu bringen, wie dieß zuweilen geſchehen iſt, laͤßt ſich die eine mit der anderen vereinigen, wenn man eine paſſende Wahl der Elemente der Characteriſtik trifft und zum Theil die bereits uͤblichen Definitonen ein Wenig abaͤndert, um ihnen die Weihe einer allgemeinern Guͤltigkeit zu ertheilen. Dieß in Betreff der Saͤugethiere thatſaͤchlich zu bewei— ſen, war meine Abſicht, und in zwei Denkſchriften, von de— nen die eine bereits vor einem Jahre erſchien, die andere bald veroͤffentlicht werden wird, iſt es mir, wie ich feſt glau— be, in Betreff der erſten Ordnung der Saͤugethiere, ſowie der in dieſelbe gehoͤrenden Gruppen verſchiedenen Ranges ge— lungen. Ebenſo glaube ich in Beziehung auf mehrere andere Gruppen ein befriedigendes Reſultat erlangt zu haben; wo— gegen in manchen anderen Stuͤcken die vorliegende Tabelle, meines Erachtens, nicht zugleich natuͤrlich und ſyſtematiſch ge— nannt werden kann und deßhalb zu reformiren waͤre. So iſt, z. B., abgeſehen von einigen in verſchiedenen Gattun— gen vorkommenden Detailſchwierigkeiten, die in meiner Claſ— ſification, wie in der Cuvierſchen und faſt allen anderen, unter die Ordnung der Fleiſchftreſſer geſtellte Gruppe der Phoken in Folge dieſer Stellung in einer allgemeinen Cha— racteriſtik miteinbegriffen, welche auf ſie nicht genau paßt. Die der Gruppe der Tardigraden angewieſene Stelle, ſowie die der Monotremen, iſt dagegegen in dieſer Beziehung genau; allein in Betreff der natuͤrlichen Ordnung laͤßt ſich dabei Manches erinnern. Hier haͤtten wir drei wichtige Puncte, hinſichtlich deren die wuͤnſchenswerthe Vereinbarung der natuͤrlichen Verwandtſchaften und ſyſtematiſchen Genauig— keit nicht erreicht worden iſt. Aus dieſen kurzen Andeutungen ergiebt ſich bereits, weßhalb ich meine Claſſification noch nicht oͤffentlich bekannt gemacht habe. Sie befindet ſich noch nicht auf demjenigen Standtpuncte der Vollkommenheit, welchen ich zu erreichen ſtrebe, und der nur mit Huͤlfe neuer Materialien, in deren Beſitz ich mich erſt theilweiſe befinde, zu erreichen iſt. Ue 18 275 brigens wollen wir bemerken, daß in Betreff jeder Art von Claſſication eine weit ernſtlichere und bis an die Wurzel der Wiſſenſchaft eingreifende Schwierigkeit vorhanden iſt. Das Princip der Unveraͤnderlichkeit der Species, mit ande— deren Worten, jene keineswegs erwieſene Hypotheſe, daß die gegenwaͤrtig vorhandenen Species ſich ſeit ihrer Erſchaffung unveraͤndert fortgepflanzt haben, bildet noch immer die faſt allgemein anerkannte Grundlage der Zoologie. Die Defini— tonen der Arten, wie ſie faſt uͤberall wiederholt werden, gruͤn— den ſich auf dieſe zweifelhafte Annahme, und auf dieſer Ba— fis ſtehen die Definitionen der Gattungen, Familien und um— fangsreichern Abtheilungen. Man kann alſo ſagen, daß das Geruͤſte der zoologiſchen Claſſification auf einem keineswegs feſten Grunde ſteht, und daß dieſe Materie von vornherein in Zweifel geſtellt werden kann. Und da wir hier gelegent— lich einige Worte uͤber das große Problem der Beſtaͤndigkeit oder Veraͤnderlichkeit der Species geſagt haben, ſo wollen wir zugleich darauf aufmerkſam machen, daß eine der in der letz— ten Sitzung der Academie aufgeſtellten Preisfragen in dieſer Beziehung hoͤchſt nuͤtzlich werden kann, wenn ſich tuͤchtige Forſcher der Loͤſung derſelben mit allem Eifer widmen“). Zu den gewaltigen Schwierigkeiten, welche dieſes Haupt— problem ſchon an ſich bietet, kommen nun noch jene hinzu, welche aus dem verjaͤhrten und von faſt allen Naturforſchern gehegten Vorurtheile entſpringen, daß dieſe Frage laͤngſt ge— löft ſeyʃ. Das Programm der Academie wird ſehr dazu beitragen, dieſe letzteren Schwierigkeiten hinwegzuraͤumen, und ſchon dadurch iſt ein großer Fortſchritt geſchehen. Ich habe nun noch einige Bemerkungen uͤber das Prin— cip und die Form der neuen Caaſſification hinzuzufügen, welche in der Tabelle des Hrn. Payer ſpynoptiſch dargeſtellt iſt. In derſelben ſind die allgemeinen Anſichten uͤber den Parallelismus der Reihen, wie ich fie im Jahre 1832 zu— erſt aufgeſtellt und von 1832 bis 1836 zur methodiſchen Zuſammenſtellung der anomalen Geſchoͤpfe benutzt habe, auf die Saͤugethiere angewandt. Dieſen Anſichten zufolge, iſt nicht nur die Anſicht von der Stufenleiter der Thiere, wie ſie Bonnet aus den philoſophiſchen Doctrinen Leibnitzens abgeleitet hatte, und die fi darauf gruͤndende Hypotheſe, daß die Thiere eine fortlaufende Reihe bilden, gegenwaͤrtig durchaus unzulaͤſſig, ſondern kann auch eine einfache Reihe in anderer Hinſicht zur Darlegung der natuͤrlichen Beziehungen der Thiere zueinander nicht mehr genuͤgen. Wenn auf der einen Seite die Thiere nicht wie die Gelenke einer Kette aufeinander folgen; wenn Luͤcken vor— handen ſind, auf die man von jeher aufmerkſam gemacht hat und die noch jetzt in auffallender Weiſe beſtehen; ſo entfernt ſich auch auf der anderen Seite die Reihe in der entgegen— geſetzten Richtung von dem idealen Plane, den man entwor— fen hatte. Gewiſſe Grade der Organiſation ſind mehrfach re— praͤſentirt, ſo daß die Kette ſich einfach oder ſelbſt vielfach ſpaltet. Dieſe Verdoppelung ꝛc. der Typen macht eine auf eine neue Grundlage baſirte Claſſification nöthig, in welcher die Thiere nicht in einer einzigen, ſondern in mehreren par— allellaufenden Reihen geordnet ſind, die aus wechſelſeitig ana— „) S. das Programm der Preisfrage über die Entwicklung des foetus, p. 668 des gegenwärtigen XXIV Bandes der Comp- tes rendus. 744. X XXIV. 18. 276 logen und einander entſprechenden Gliedern beſtehen, und dieſe Claſſification habe ich die parallellaufende genannt und iſt, nachdem ich ſie auf die Saͤugethiere, Voͤgel und anoma⸗ len Geſchoͤpfe angewandt, von den Herren Dumeril und Bibron mit großem Erfolge fuͤr die Reptilien, ſowie von Hrn. Brullé für mehrere Gruppen der Gliederthiere be⸗ nutzt worden. In Betreff der Saͤugethiere habe ich drei Hauptreihen angenommen. Die erſte, welche weit mehr Gattungen und Arten, als die uͤbrigen beiden zuſammengenommen beſitzt, enthält die vierfuͤßigen Saͤugethiere, bei denen der Repro⸗ ductionsapparat dieſelbe Beſchaffenheit hat, wie bei'm Men⸗ ſchen. In der zweiten befinden ſich die Marsupialia und Monotrema oder die Monodelpha des Herrn v. Blain⸗ ville. Sie bilden drei Ordnungen, welche dreien der acht Ordnungen der erſten Reihe, den Fleiſchfreſſern, Nagern und Zahnloſen, entſprechen. Die dritte Reihe der Saͤugethiere welche die mit nur einem Paar Beine ausgeſtatteten Saͤuge⸗ thiere umfaßt, enthaͤlt zwei Ordnungen, vondenen die eine die laͤngſt von Illiger unter dem Namen Sirenia aufs geſtellt iſt und aus den Lamantinen, Wallroſen und Ry⸗ tinen oder den krautfreſſenden Cetaceen Cuvier's beſteht, waͤhrend die zweite und letzte Ordnung der Claſſe der Saͤugethiere die Cetae Linné 's oder die meiften Ge: taceen Cuvier's enthaͤlt. Es iſt hier nicht der Ort, die Vorzuͤge darzulegen, wel⸗ che die parallellaufende Claſſification vor den gewoͤhnlichen Claſſificationen in ſofern beſitzt, als ſie eine zwar noch nicht voͤllig ſtreng genaue, aber doch den natuͤrlichen Beziehungen der Geſchoͤpfe weit näher kommende Anordnung dardietet; es ſey mir nur geſtattet, eines Beiſpiels zu erwähnen, wels ches die zuletzt genannten Thiere in dieſer Beziehung darbie— ten werden. Bekanntlich find die Anſichten Cu vier's und De Blainville's Über die Lamantins und die uͤb⸗ rigen Sireniden einander anſcheinend ſehr widerſprechend. Herrn De Blain ville zufolge, wären dieſe Saͤugethiere aͤchte Pachydermen, waͤhrend ſie Cuvier ganz an's untere Ende der Saͤugethiere unter die Cetaceen verweiſt. Welche von dies ſen beiden Anſichten iſt nun die richtige? Beide koͤnnen auf Richtigkeit bedingten Anſpruch machen; denn die Sire⸗ niden haben in manchen Beziehungen mit den Cetaceen und in andern mit den Pachydermen viel Aehnlichkeit. Die⸗ fe doppelten Beziehungen laſſen ſich aber in einer eintei- higen Caſſification in keiner Weiſe ausdruͤcken, und das her ruͤhren ſo ſchroffe Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen Zoologen, von denen der eine den einen, der andere den andern Beziehungen den Vorzug einraͤumt und ihnen die übrigen Beziehungen zum Opfer bringt. Dieſe Schwie- rigkeiten und ſcheinbaren Widerſpruͤche verſchwinden jedoch bei Anwendung der parallellaufenden Claſſification. Wenn man aus den zweibeinigen ſaͤugenden Seethieren eine befon= dre, mit der der Vierfuͤßer parallellaufende Reihe bildet, ſo erhalten die Sireniden ganz naturgemaͤß ihre Stellung in der erſtern uͤber den Cetaceen und den Pachydermen gegen— uͤber, und dieß iſt auch in der That ihre richtige Stelle da ſie gewiſſermaßen die Pachydermen der durchaus in Waſ— ſer lebenden Reihe der Zweifuͤßer ſind. Die parallellaufenden Claſſificationen ſind alſo, wie wir 277 ſchon früher gefagt, und wie man aus den obigen kurzen Bemerkungen wahrnehmen kann, nothwendig auf jenen wich— tigen Satz der Naturphiloſophie gegruͤndet, daß die Natur ſich nicht nur in der Bildung der verſchiedenen Theile deſſel— ben Weſens, ſondern auch in der Schoͤpfung der verſchiede— nen partiellen Reihen wiederholt, aus denen die Geſammt— heit der Thiere in der That beſteht. (Comptes rendus des seances de l’Ac. d. Sc., T. XX, No. 11, 17. Mars, 1845.) Anatomiſche und organogeniſche Unterſuchungen über die Lathraea clandestina, Von Herrn Duchartre. (Bericht des Herrn Brongniart im Namen der aus ihm, ſo⸗ wie den Hrn. v. Mirbel und Richard beſtehenden Commiſſion). Die vollftändige Geſchichte einer Pflanze von dem Zeitpuncte ihres Keimens bis zur Reife ihres Saamens, eine Schilderung, wel— che alſo alle Stadien des Pflanzenlebens umfaßt, beſitzt die Botanik noch nicht. Allerdings iſt für die Geſchichte der Entwickelung ein= zelner Pflanzen viel geſchehen, allein in Bezug auf keine iſt etwas Vollſtaͤndiges geleiſtet worden. Bei den meiſten hat man ſich, was die Organe der Vegetation anbetrifft, auf die Beſchreibnng der aͤußern Formen beſchraͤnkt, und nur die Reproductionsorgane hat man im Allgemeinen genauer unterſucht. Unter den Phaneros gamen iſt der Krapp ziemlich die einzige Pflanze, welche den Gegenſtand einer gruͤndlichen und ziemlich erſchoͤpfenden Arbeit dieſer Art bildet, und zwar verdanken wir dieſe Monographie dem Herrn Decaisne. Es waͤre uͤbrigens, ſowohl im Intereſſe der Pflanzen-Anatomie überhaupt, als Behufs der Benutzung der anatomiſchen Kennzei⸗ chen für die natürliche Claſſification, recht ſeyhr zu wuͤnſchen, daß eine gewiſſe Anzahl der Haupttypen des Pflanzenreiches nach allen weſentlichen Organen gruͤndlich unterſucht würde. Vielen That—⸗ ſachen, die man ohne Weiteres generaliſirt hat, wuͤrden auf dieſe Weiſe engere Grenzen angewieſen werden, und durch die groͤßere oder geringere Haͤufigkeit der Ausnahmen wuͤrde ſich bald der Werth der Charactere und die Wichtigkeit dieſes oder jenes Punc⸗ tes der Organiſation herausſtellen. Die Denkſchrift des Herrn Duchartre über die Lathraea clandestina iſt eine Muſterarbeit dieſer Art, und man findet in derſelben viele Puncte ungemein befriedigend und erſchoͤpfend ab⸗ gehandelt, während der Arbeit nur noch wenig zu wuͤnſchen wäre, damit man fie für ganz vollſtändig erklären koͤnnte. Dazu kommt nun noch das beſondere Intereſſe, welches dieſe Abhandlung durch die Beſchaffenheit der Pflanze erhaͤlt, die deren Gegenſtand bildet. Die Art der Exiſtenz der Schmarotzerpflanzen iſt ein intereſſantes Problem, und die anatomiſche Unterſuchung ih— rer Organe muß den phyſiologiſchen Forſchungen zur Grundlage dienen. : Schon mehrere dieſer Gewaͤchſe find der Gegenſtand umfangs— reicher Arbeiten geweſen, und unter dieſen nimmt vor allen die des Hrn. Robert Brown uͤber die Rafflesia einen hohen Rang ein. Die des Hrn. Unger uͤber die Schmarotzerpflanzen im Allgemeinen, die des Herrn Goͤppert über die Balanophoreen und die des Herrn Bo w— mann über die Lathraea squamaria ſind ebenfalls ruͤhmend zu erwähnen; allein mit Ausnahme der erſtgenannten, haben faſt alle nur die Anheftung der Schmarotzerpflanze auf die Pflanze, welche jene ernaͤhrt, ſo wie einzelne Puncte ihrer Organiſation zum Gegen⸗ ſtande gehabt. Herr Duchartre dagegen hatte ſich vorgeſetzt, die ſaͤmmtlichen Organe der Lathraea clandestina nacheinander zu uns terſuchen, und hat uns fo mit einer wirklichen anatomiſchen Mono⸗ graphie dieſer merkwuͤrdigen Pflanze beſchenkt, aus der mehrere wich— tige Aufſchluͤſſe über die Structur dieſer Species hervorgehen. Wir wollen ihm in der Unterſuchung der verſchiedenen Or— gane der Vegetation und der Reproduction folgen und die Puncte andeuten, in denen die Organiſation dieſer Pflanze, von derjenigen der Pflanzen, welche bereits von andern Anatomen ſtudirt wor— den, abzuweichen ſcheint. Die meiften der von Herrn Duch ar— tre mitgetheilten Thatſachen ſind von uns fuͤr richtig erkannt worden, indem er uns zahlreiche Praͤparate zur Anſicht vorgelegt hat. 744. XXXIV. 18. 278 Zuerſt unterſucht der Verfaſſer die Structur des Stengels. Er findet an demſelben, wie bei allen Stengeln von dicotyledo— niſchen Pflanzen, das Mark, das Holzſyſtem und das aus dem Baſte und der zelligen Huͤlle beſtehende Rindenſyſtem; allein er hebt zwei Umſtaͤnde hervor, ruͤckſichtlich deren die Stuctur die⸗ ſes Gewächſes von der der meiſten übrigen Pflanzen dieſer Art ab⸗ zuweichen ſcheint, nämlich erſtens die Abweſenheit einer Markſchei⸗ de oder eines zwiſchen der Markzone und der Holzzone liegenden Ringes von eigenthuͤmlich geſtalteten Gefäßen. Dieß find die Ges faͤße, welche man bei den gewoͤhnlichen dicotyledoniſchen Pflanzen aͤchte Tracheen oder abwickelbare Tracheen genannt hat, und die man nirgends anders, als in dieſer Lage findet. Hier bie⸗ tet ſich nichts Aehnliches dar; die dem Marke zunaͤchſt liegenden Gefaͤße ſind fein gegittert und gleichen, wiewohl ſie feiner, ſind, denjenigen der übrigen Holzzone. Es ſind keine aus ſpiralfoͤrmi⸗ gen freien und abwickelbaren Faſern beſtehenden Tracheen vorhan= den. Dieſe Art von Organiſation iſt uͤbrigens ſchon bei mehrern Dicotyledonen, und namentlich bei den Schmarotzerpflanzen wahr: genommen worden, obgleich ſich mehrere Schriftſteller des Aus— drucks: Spiralgefäße in einer fo wenig beſtimmten Weiſe bedie⸗ nen, daß man uͤber dieſen Punct nicht immer gehoͤrig aufgeklaͤrt wird. Ein zweiter merkwuͤrdiger Character des Holzkoͤrpers dieſer Pflanze beſteht in der vollſtaͤndigen Abweſenheit der Markſtrahlen. Dieſe Thatſache wird durch Hrn. Duchartre befriedigend nach- gewieſen. Die Holzzone beſteht durchgehends aus Zellen, die ſich in der Richtung der Länge des Staͤngels erſtrecken und folglich mit dem Marke parallel ſtreichen,und die mit mehr oder weniger fein gegitterten Gefäßen vermiſcht ſind, daher fie ſich mehrentheils ſtrei— fig oder punctirt ausnehmen. Nirgends wird die Holzzone von je— nen, in der Richtung der Radien vom Marke nach der Rinde laufenden Zelllinien unterbrochen, welche man gewöhnlich Markſtrah⸗ len nennt. Einer der Commiſſaͤre hat bereits eine ahnliche Structur in einer durchaus verſchiedenen Familie, namlich bei den Craſſulaceen, nachgewieſen *), wo der Holzzone ebenfalls die Markſtrahlen abge- hen und dieſelbe lediglich aus Geweben beſteht, die in der Richtung der Axe ununterbrochen fortſtreichen. Da wir zu ermitteln wünſchten, ob dieſes Kennzeichen ſich in der Familie, zu welcher die Lathraea clandestina gehört, noch bei anderen Species finde, ſo unterſuchten wir in dieſer Beziehung das Melampyrum sylvaticum und fanden, daß bei dieſem die ununter⸗ brochen fortlaufenden Laͤngsgewebe der Holzzone ebenfalls nirgends von Markſtrahlen durchſetzt werden. So haͤtten wir denn bei mehreren Dicotyledonen eine Organi— ſation des Staͤngels, von deren Vorhandenſeyn man noch vor we— nigen Jahren keine Ahnung hatte, und welche die Aufmerkſamkeit der Phyſiologen recht ſehr verdient. Die Rinde bietet in ihrem, den Baſt bildenden inneren Laͤngs— gewebe, wegen der Abweſenheit der ſich gewoͤhnlich vom Holze aus in die Rinde erſtreckenden Markſtrahlen, dieſelbe ununterbrochene Structur dar. Das Gewebe, welches dieſe innere Rindenſchicht bil— det, hat die groͤßte Aehnlichkeit mit demjenigen, aus welchem die gefäßloſe Portion der Holzzone beſteht; nur iſt es nach Außen hin dunkler und feſter; nach Innen zaͤrter und mehr duͤnnblaͤtterig. Nirgends hat Hr. Duchartre eiue Spur von eigenthuͤm— lichen oder latexfuͤhrenden Gefaͤßen entdecken koͤnnen. Wenn nun aber auch die Zone des der Laͤnge nach ſtreichen— den Holzgewebes, die das Holz und den Baſt bildet, rings um das Mark ein homogener Cylinder und nicht, wie gewoͤhnlich, eine Reihe von durch Markſtrahlen voneinander getrennten Buͤndeln iſt, fo bil— den ſich dennoch die Gefaͤße in getrennten Buͤndeln von beſtimmter Anzahl. Dieß ergiebt ſich aus Hrn. Duchartre's Unterſuchungen über die allmaͤlige Entwickelung des Staͤngels und feiner verſchie⸗ denen Gewebe. Die Gefaͤße bilden anfangs vier deutlich geſonderte Buͤndel und theilen ſich dann in mehr dergleichen, ſodaß man de— ren 8, 10, 12 und ſogar daruͤber zaͤhlt. Zuletzt zeigen ſich die Gefäße in dieſer ganzen Zone, die an alten, wenigſtens zweijaͤhri— gen Staͤngeln ſogar eine weit groͤßere Dicke erreicht, und ſich oft *) S. Beobachtungen über die innere Structur der Sigillaria ele- gans, von Ad. Brongniart. Archives du Museum, T. I, p. 437. 18% 279 in zwei deutlich verſchiedene concentriſche Zonen trennt, unregelmä: ßig vertheilt. Trotz dieſer beiden weſentlichen Puncte, in welchen der Staͤn— gel der Lathraea clandestina von der gewohnlichen Structur der Dicotyledonen abweicht, naͤmlich trotz der Abweſenheit der Tracheen und Markſtrahlen, geſchieht deren Wachsthum in derſelben Weiſe, wie bei den uͤbrigen Pflanzen dieſer Abtheilung. Die Wurzel bietet in ihren Hauptäͤſten, und ſelbſt in ihren Faͤſerchen dieſelbe Structur, wie der Stängel, nur, wie dieß allge— mein der Fall iſt, kein Mark dar. Wegen der Schmarotzernatur dieſer Pflanze hatte jedoch die Unterſuchung der Wurzelfaſerenden, mittelſt deren jene an die Wurzeln anderer Pflanzen, am Häufig: ſten an die der Pappelarten befeſtigt iſt, ein beſonderes Intereſſe. Da aber dieſer Puuct ſchon von Hrn. Bowmann bei der La- thraea squamaria ſorgfaͤltig ſtudirt worden ift, fo war darüber we⸗ nig Neues zu ermitteln. Beide Species bieten in dieſer Beziehung faſt durchaus dieſelbe Beſchaffenheit dar, fo daß Hr. Duchartre nur auf einige Verſchiedenheiten von ganz untergeordneter Bedeu— tung aufmerkſam machen konnte. Die Lathraea clandestina befeſtigt ſich an die Wurzeln der Bäume mittelſt zahlreicher Saugnaͤpfchen, welche das Ende der Wuͤrzelchen bilden oder laͤngs des Verlaufes dieſer Faͤſerchen ſitzen und ſo die Schwaͤmmchen (Spongiolen) repraͤſentiren. Dieſe ziem— lich halbkugelfoͤrmigen Saugmuͤndungen ſind etwas größer, als bei der Lathraea squamaria: die Oberfläche, mit der fie ſich anheften, iſt eben oder leicht concav und heſteht aus einem Zellgewebe von ſpecieller Geſtalt, das der Laͤnge nach ſtreicht und zu der aͤußeren Oberflaͤche ſenkrecht gerichtet iſt. Die kleine Tuberkel, welche den Saugnapf ſelbſt bildet, iſt we— ſentlich zelliger Art, aber, in'sbeſondere nach ihrer Mitte zu, von zahlreichen roſenkranzfoͤrmigen Gefaͤßen mit gegitterten Wandungen durchſetzt, welche ſich jedoch nicht bis an die Oberfläche erſtrecken, mit der der Saugnapf an der fremden Wurzel anliegt, welche Ein= richtung demnach von derjenigen abweicht, die, nach Bo wmann, bei der Lathraea squamaria ſtattfindet. Die meiſten auf Wurzeln ſitzenden Schmarotzerpflanzen beſiz— zen keine achten Blätter, fondern nur kurze Schuppen, welche der Baſis der Blattſtiele zu entſprechen ſcheinen. Dieß ſieht man an den Orobanchen, bei Monotropa und mehreren exotiſchen Pflanzen, welche in derſelben Weiſe vegetiren; und dieſe verkuͤmmerten fehlgeſchlagenen Blätter ſcheinen, gleich den Staͤngeln, gemeiniglich keine ſolche Poren der Epidermis zu beſitzen, welche man Stomata nennt Die Anhaͤngſel-Organe der Lathraͤen bieten eine ſehr verſchie— dene Form und Structur dar, obwohl ſie kurz und, gleich den Fiſchſchuppen, dachziegelfoͤrmig geordnet find. An ihrer Baſis find ſie zu einer Art von Blattſtiel zuſammengezogen, und ſie beſitzen einen achten fleiſchigen und fehnurförmigen Saum, wie man ihn an mehreren fetten Pflanzen findet. Schon Hr. Bowmann hatte auf die großen regelmäßigen Lücken aufmerkſam gemacht, welche ſich im Innern dieſer blättartigen Anhaͤngſel finden; allein er hatte ge— glaubt, daß dieſe Organe keine Stomaten beſaͤßen, und erſt ganz neuerdings hat Hr. Schleiden das Vorhandenſeyn dieſer Poren an den Blättern der Lathraea squamaria nachgewieſen. Hr. D u: chartre hat ſeinerſeits dieſe Stomata nicht nur an dem Oberhaͤut— chen der Blätter, ſondern auch an dem der Stängel der Lathraea clandestina entdeckt, und hatte ſchon zu einer Zeit, wo ihm noch nicht bekannt ſeyn konnte, daß Hr. Schleiden dieſelben an der La- thraea squamaria aufgefunden habe, darauf aufmerkſam gemacht, daß dieß eine Ausnahme in Betreff eines Kennzeichens bilde, das man bisher allen auf Wurzeln fitzenden paraſitiſchen Pflanzen bei— gemeſſen hatte. 744. XXXIV. 18. 280 Seine Abhandlung enthält uͤberdem eine ſehr volftändige Be⸗ ſchreibung dieſer rudimentaͤren und dennoch fo complicirten Blätter, ihrer Rippen, ihres Parenchyms, der darin regelmäßig vertheilten Luͤcken, der dieſe auskleidenden Waͤrzchen, endlich der Entwickelungs⸗ art dieſer Organe, und hiermit ſchließt der Theil der Arbeit, wel⸗ cher die Organe der Vegetation zum Gegenſtande hat. Was die Reproductionsorgane betrifft, ſo bot die Pflanze, wel⸗ che den Gegenſtand der Arbeit des Hrn. Dudartre bildet, keine Eigenthuͤmlichkeiten dar, welche auf große Abweichungen in deren Structur hindeuten; dennoch iſt aber eine genaue und vollſtaͤndige Beſchreibung der verſchiedenen Organe einer Pflanze ſchon an ſich zu ſelten und nuͤtzlich, als daß jener Umſtand der Arbeit des Hrn. Duchart re irgend etwas von ihrem Werthe für die Wiſſenſchaft, namentlich die vergleichende Pflanzenanatomie, benehmen koͤnnte. In dieſer Beziehung iſt auch die von Hrn. Duchartre unter: nommene anatomiſche Unterſuchung faſt aller Theile der Bluͤthe eine ſehr lobenswerthe Arbeit. Uebrigens bat derſelbe der Art der Ent— wickelung der verſchiedenen Bluͤthenquirle beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet, was mit um ſo mehr Erfolg geſchehen konnte, da er bereits durch manche aͤhnliche Forſchungen in Betreff anderer Pflanzen ruͤhmlichſt bekannt iſt. So hat er denn das Auftreten des Kelches, der Blumenkrone, der Staubgefaͤße und des Griffels, und die Veraͤnderungen, die ſich mit den Staubbeuteln und dem Eierſtocke zutragen, ſorgfaͤltig beobach⸗ tet und bei dieſer Gelegenheit mehrere dieſen Gegenſtand betreffende Theorien beleuchtet; allein da die Lathraea clandestina in dieſer Beziehung nichts beſonders Eigenthuͤmliches darbietet, und Hr. D. dieſe organiſchen Fragen an anderen Orten ſchon weitläuftiger ab- gehandelt hat, ſo koͤnnen wir uns hier bei dieſen Beobachtungen nicht aufhalten. Wir machen in dieſen Beziehungen auf zwei Ar⸗ beiten deſſelben Gelehrten aufmerkſam, von denen die eine, uͤber die Primulaceen, der Academie im letzt verfloſſenen Jahre durch Hrn. Gaudichaud mitgetheilt wurde, waͤhrend die andere, uͤber die Mal⸗ vaceen, gegenwaͤrtig von einer Commiſſion der Academie gepruͤft wird. Aus obiger Kritik der Arbeit des Hrn. Duchartre uͤber die Lathraea clandestina ergiebt ſich zur Genuͤge, daß dieſelbe von ho her wiſſenſchaftlicher Bedeutung iſt, indem fie eine faſt vollftändige anatomiſche Unterſuchung dieſer Pflanze und mehrere neue wichtige Entdeckungen enthaͤlt. Wir bedauern, daß der Verfaſſer nicht auch die Bildungsart des Embryo und deſſen Keimproceß ſtudirt hat, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß er auch dieſe Puncte noch unterſuchte. Wir haben uns von der Richtigkeit der Beobachtungen des Hrn. Duchartre faſt durchgehends uͤberzeugen koͤnnen, und gefunden daß er mit dem neueſten Stande der Wiſſenſchaft ruͤckſichtlich der hier in Rede ſtehenden Materien durchaus vertraut iſt. Es waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß die Botanik mehr ſolche gruͤndliche anato⸗ miſche Monographien beſaͤße, und wir tragen daher darauf an, daß die Academie dem Verfaſſer für feine Arbeit ihren Beifall zus erkenne und zugleich den Abdruck der Abhandlung in den Memoires des Savans &trangers verfügen möge. Dieſe Anträge wurden ge⸗ nehmigt. (Comptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XX, No. 17, 28. Avril, 1845.) . Miscellen. Eine geologifhe Karte der Schweiz, im Maasſtabe von Yzoo,ooo , bearbeitet Herr Studer in Bern, und hofft fie in dieſem Jahre noch zu vollenden. . Von dem Pterodactylus find neuerlich einige Exempkare in den untern Kreidelagern in Kent gefunden worden, welche Hrn. Bowerbank zu einer Mittheilung an die Geological Society veranlaßt hat. ne Beobachtungen uͤber die Wirkungen des Mutter— kornes auf Gebaͤrende und den foetus. Von Samuel L. Har dy, Dr. II., Vicepraͤſidenten der Dubliner Geſellſchaft fuͤr Geburtshuͤlfe, ꝛc. ꝛc. Sch lu ß. Zehn Minuten nach 12 Uhr. Puls 108 und voll. Fötalherz 140 und von gewoͤhnlicher Staͤrke. Thaͤtigkeit des uterus nicht gut, der Kopf etwas vorgeruͤckt. Zweiundzwanzig Minuten vor 1 Uhr. Die Wehen nicht fo haufig; Puls 96, voll. Foͤtalherz 128, zuweilen nur 88 und nicht ſo deutlich. Ein Uhr. Der Kopf weiter vorgeruͤckt, die Wehen mit kurzen Zwiſchenzeiten wiederkehrend. Drei Viertel auf 2 uhr. Das Herz des foetus faſt unhoͤrbar und etwa 80. Zehn Minuten nach 2 Uhr wurde ein Knäbchen geboren; das Herz hatte beinahe aufgehört zu ſchlagen, und mit Huͤlfe der kuͤnſtlichen Reſpiration wurden deſſen Schläge bis 120 gebracht. 28i Obgleich das Herz unter Anwendung der kuͤnſtlichen Reſpira⸗ tion bis faſt eine Stunde nach der Geburt zu ſchlagen fortfuhr, und das Kind unter dem Einfluſſe äußerer Reizmittel die Extremi⸗ taͤten bewegte, ſo mißlangen doch alle Bemuͤhungen daſſelbe wie— derzubeleben. Am 2ten Tage nach der Entbindung war der Puls 92, der uterus gut zuſammengezogen und der Lochialfluß reichlich vorhanden. Am dritten Tage trat Entzuͤndung der Baͤrmutter, nebſt Schmerz, aber ohne Froſt ein, und die Lochien floſſen ſpaͤrlich. In weni⸗ gen Tagen genas die Kranke von dieſem Leiden, und alsdann war der Verlauf der Reconvalescenz guͤnſtig. Elfter Fall. — (Fall 31 der Tabellen). Maria Monag⸗ han, 28 Jahr alt: erſte Schwangerſchaft. Das Kreifen begann am 23. (28 2) Aug. 1843. Etwa 12 Stunden lang machte der beinahe bis auf das Mittelfleiſch herabgeſtiegene Kopf faſt keine Fortſchritte, da die Wehen nicht kraͤftig genug wirkten. Am 31. Aug. um drei Viertel auf 11 Vorm. wurde eine Do: ſis Mutterkorn gereicht. Der Puls war damals 104, und das Herz des foetus that in der Minute 152 kraͤftige Schlaͤge. Nach 10 Min. war die Thaͤtigkeit des uterus ſtaͤrker, der Puls auf 96, der Herzſchlag auf 68 geſunken. Nach zwanzig Minuten ward die Do: ſis wiederholt. Um 112 Uhr waren die Wehen faſt ununterbrochen, der Puls 120, der Herzſchlag kaum hoͤrbar, aber die Geburtsarbeit ruͤckte nicht vor. Drei Viertel auf zwölf (Mittags), eine Stunde nachdem die erſte Doſis Mutterkorn eingenommen worden, wurde die Frau mittelſt der Zange von einem Knaͤbchen entbunden. Das Herz fuhr fort zu pulſiren; allein die Wiederbelebung des Kindes gelang nicht. In 16 Minuten hoͤrte alle Thaͤtigkeit des Herzens auf. Der Mutterkuchen ging bald nach der Geburt des Kindes in guͤnſtiger Weiſe ab. In dieſem Falle trat eine gelinde Entzündung der Barmutter ein, welche der Behandlung wich, und nach 14 Tas gen verließ die Kindbetterin das Hoſpital ganz wohl. Zwoͤlfter Fall. — (Fall 32 der Tabellen). Maria Kelly, 36 Jahre alt, eine leid lich geſund ausſehende, aber magere Frau; erſte Schwangerſchaft. Das Kreiſen begann den 26. Dec. 1844 um 4 hr M. um 8 Uhr M. deſſelben Tages zerriſſen die Mem— branen, und um Mittag war der Muttermund vollſtaͤndig erweitert. Das Ohr des Kindes ließ ſich um 8 Uhr Ab. mit dem Finger er— reichen. Wegen nicht gehoͤrig kraͤftiger Wehen blieb der Kopf bis den 27. Dec. um 27 Minuten nach 11 Uhr ziemlich in derſelben Lage, und alsdann wurde eine Doſis Mutterkorn verordnet (3 ss. gr. Xv.). Der Puls war damals 76, der Herzſchlag des foetus 144 und deutlich. Nach 8 Minuten waren die Wehen bedeutend ſtaͤrker und von laͤngerer Dauer; nach 13 Minuten faſt ununterbrochen und der Kopf auf das Mittelfleiſch druͤckend; nach 20 Minuten der Puls nicht afſicirt; der Herzſchlag des foetus auf 92 geſunken, unregelmaͤ— ßig, voll und ausſetzend. Zweite Doſis Mutterkorn (3 ss gr. x.). Um 12 Uhr waren die Wehen um Vieles weniger kraͤftig; 5 Minuten nach 12 Uhr ward ein Knaͤbchen mittelſt des Hebels zur Welt gebracht. Sein Herz ſchlug ſehr langſam; es ſchnappte mehr» mals nach Luft, konnte aber nicht wiederbelebt werden. Die pla- “ centa ging 10 Minuten nach der Entbindung ab. Die Kindbette— rin hatte einen Anfall von metritis, genas aber zuletzt. Dreizehnter Fall. — Fall 24 der Tabellen). Honor Greene, 27 J. alt; erſte Schwangerſchaft. Der Kopf blieb mehrere Stunden lang in derſelben Lage, ſo— daß man das Ohr fühlen konnte. Die Wehen kehrten zwar regel— mäßig zuruͤck, waren aber ſehr ſchwach und unwirkſam. Zwoͤlf Minuten nach 2 Uhr, wo der Puls 88 und der Herzſchlag des foe— tus 140 und ſtark war, wurde eine Defis Mutterkorn (3 ss. gr x) gereicht, welche nach 12 Minuten wirkte. Nach 15 Minuten wa⸗ ren die Wehen faſt ununterbrochen und in dem Pulſe, ſowie in dem Herzſchlage des foetus, war keine Veränderung eingetreten. Dreiundzwanzig Minuten vor 3 Uhr waren die Wehen ſehr haͤu— fig, aber nicht kraͤftig. Nun wurde die zweite Doſis Mutterkorn gereicht. Der Puls um drei Viertel auf 3 Uhr 80; das Foͤtalherz 84, voll, nicht ausſetzend. Das Kind ein Maͤdchen, wurde um 3 Uhr mittelſt des Hebels todt zur Welt gebracht. Da ſich ein zweites Kind im Uterus befand, ſo brachte man deſſen Haͤute zum Berſten. Der Herzſchlag deſſelben nahm an Häus figkeit ab. Sobald der Steiß, welcher ſich praͤſentirte, tief ge— 744. XXXIV. 18. 282 nug geruͤckt war, wurde er mit dem Finger tiefer gezo i Geburt bewirkt. Sing ngen upb bie Das zweite Kind, ebenfalls ein Knaͤbchen (Mädchen 2), wurde 35 Minuten nach dem erſten geboren. Alles A e bree hatte während der Auszichung des Foͤtus bereits aufgehört. Die Kindbetterin hatte eine gedeihliche Reconvalescenz. Vierzehnter Fall— (Fall 39 der Tabellen.) Agnes Cavanagh, 30 J. alt; erſte Schwangerſchaft. Das Kreiſen begann am 24. Novemb. um 2 uhr Nachm., und die Eihaͤute zerriſſen alsbald. Am 25. um 2 Uhr Morg. war der Muttermund vollſtaͤndig ausgedehnt und der Kopf trat in's Becken ein. um 2 Uhr Nachm. war die Thaͤtigkeit des Uterus ſehr ſchwach; die Wehen kehrten nach längeren Zwiſchenzeiten wieder, und die Geburtsarbeit rüdte nicht vor. Das Ohr iieß ſich mit dem Finger eben erreichen. Puls 72. Das Herz des Foͤtus ſchlug kraͤftig 140 mal in der Minute. Die Patientin erhielt nun eine Doſis Mutterkorn (1 Drachme von der Infuſion und 10 Gran von dem Pulver). Die Thaͤtigkeit des Uterus ſchien dadurch binnen 10 Minuten erregt zu werden. Zwanzig Minuten nach dem Einnehmen fiel der Puls bis 60 in der Minute; die Herzſchläge der Foͤtus waren noch 140 und auch übrigens fo wie früher. Jetzt ward eine zweite Doſis gereicht. Fuͤnf Minnten vor 3 Uhr, Puls 68, Herzſchlag 132, anſcheinend ſchwächer. Die Wehen traten mit regelmäßigen Zwſchenzeiten ein, waren aber nicht ſtark. um 14 Uhr, Puls 76, Foͤtalherz 120, ſehr ſchwach; Thaͤtigkeit des uterus nicht ſo ſtark. Um die Baͤrmutter noch mehr zu reitzen, ließ man die Patientin gehen und die We— hen in aufrechter Stellung aufnehmen. Ein wenig Neigung zum Erbrechen. Die Wehen durch die Koͤrperbewegung etwas gebeſſert. Fünf uhr: Puls 64, Herzſchlag 116, der zweite Schlag ſehr ſchwach hoͤrbar. Drei Stunden nach dem Einnehmen der erſten Doſis hoͤrte das Herz des Foͤtus auf zu klopfen, und etwas ſpaͤter wurde die Entbindung mittelſt des Hakens bewirkt. Der Mutter⸗ kuchen ging in guͤnſtiger Weiſe ab. Die Patientin erholte ſich langſam und ward am 22 Dec. 1843 aus dem Entbindungshauſe entlaſſen. Funfzehnter Kall— (Fall 40 der Tabellen). Jane Thomſon, 25 3. alt; erſte Schwangerſchaft. Am 14. Juni zerriſſen die Eihaͤute Am 15. um 9 Uhr Vorm. war der Muttermund vollſtaͤndig ausgedehnt, und um 8 Uhr Ab. ließ ſich das Ohr fuͤhlen, obgleich der Kopf noch hoch im Becken war. Der Uterus war faſt ganz unthaͤtig geworden; Puls 120; Herzſchlag der Foͤtus 144, ſchwach und zuweilen ausſetzend. Die Zunge rein und feucht; Darmkanal offen. Es ward nun eine Do: ſis Mutterkorn (3 ss. gr. x.) gereicht. Nach 15 Minuten fiel der Puls auf 116 und war voll und weich. Das Herz des Foͤtus klopfte ſo ſchwach, daß ſich die Schlaͤge nicht zaͤhlen ließen, und ſetzte oft aus. Die Thaͤtigkeit des Uterus ſteigerte ſich nicht. Drei und zwanzig Minuten nach der erſten reichte man eine zweite Gabe Mutterkorn. Etwa eine Viertelſtunde lang ſchienen die Wehen beſſer zu werden, und dann traten ſie ſchneller ein, ohne jedoch ein Vorruͤcken der Leibesfrucht zu bewirken. Sechs Minuten vor 9 Uhr ſchlug das Herz des Foͤtus 182 mal und zu⸗ weilen ziemlich regelmaͤßig. Puls 128 und weich. um halb 10 Ubr waren die Wehen ſehr conſtant, aber die Geburtsarbeit hatte faſt nicht den geringſten Fortgang. Das Herz des Foͤtus war faſt unvernehmbar, und that uur von Zeit zu Zeit ein Paar Schlaͤge. Zwei Stunden nach dem Einnehmen des Mutterkornes hoͤrte es ganz zu ſchlagen auf. Die Entbindung mußte mittelſt des Per— forators bewirkt werden, da etwas vor 10 Uhr Delirium eintrat. Der Puls war zu dieſer Zeit 100. Der Mutterkuchen mußte wegen vollſtaͤndiger Traͤgheit des uterus durch Einführung der Hand heraus befoͤrdert werden Die Patientin ſtarb d. 24. Juni an phlebitis. Sechzehnter Fall — (Fall 47 der Tabellen.) Anna Smyth, 30 J. alt, eine kleine ſchwaͤchliche Frau; erſte Swangerſchaft. Das Kreiſen begann um 6 Uhr Nachm. am 28. Januar 1845. Der Muttermund war am 29. um 10 Uhr Abends beinahe voll⸗ ſtaͤndig erweitert. Am 30. um 6 Uhr Morg. zerriſſen die Membranen, und um 9 Uhr des Morgens ließ ſich das Ohr mit dem Finger erreichen, und der Kopf machte wegen ungenuͤgender Thaͤtigkeit des uterus nur geringe Fortſchritte. Zweiundzwanzig Minuten vor 4 Uhr Nachm. hoͤrten die Wehen faſt ganz auf, und der Kopf war nicht 283 weiter vorgeruͤckt. Aus der vagina lief eine gelbliche Fluͤſſigkeit. Es wurde nun eine Doſis Mutterkorn gereicht. Der Puls war 88 und der Herzſchlag des Foͤtus 140 und ziemlich ſtark. Nach 20 Minnten war noch keine Vermehrung der Thaͤtigkeit des uterus eingetreten. Der Puls und Herzſchlag blieben unbetheiligt, und nun ward eine zweite Gabe gereicht. Nach dreißig Minuten wa⸗ ren die Wehen noch nicht ſtaͤrker, der Puls noch wie zuvor, das Herz des Foͤtus faſt unvernehmbar, ſchwirrend und ſehr langſam ſchlagend. Wenige Minuten fpäter gelangte es ganz zum Still⸗ ſtande. Waͤhrend der, mittelſt des Hakens bewirkten Entbindung war der uterus ſo unthaͤtig, daß man eine Blutung fuͤrchtete, die jedoch nicht eintrat. Der Mutterkuchen mußte mit der uͤber dem uterus aufgelegten Hand abgedruͤckt werden. Die Baͤrmutter blieb mehrere Tage nach der Entbindung ſtark vergroͤßert, und der Aus⸗ fluß war dunkelfarbig. Spaͤter gedieh die Patientin gut. 744. XXXIV. 18. 284 Erklarung der Tabellen. Tab. 1 enthält die Fälle, in denen die Kinder durch die Thaͤ⸗ tigkeit der Bärmutter lebend ausgetrieben wurden. Tab. 2. Fälle, in welchen zur Erlangung der Entbindung nach dem Verordnen des Mutterkorns Inſtrumente noͤthig waren, die Kinder jedoch faͤmmtlich lebend geboren wurden. Tab. 3. Fälle, in denen die Kinder durch die Thaͤtigkeit des uterus todt herausgefoͤrdert wurden. Tab. 4. Fälle, in denen, in Folge der Deprimirung des Herzens des Foͤtus durch das Mutterkorn, die Zange oder der Hebel zur An⸗ wendung kam, aber das Kind nicht gerettet ward. Tab. 5. Faͤlle, in denen die Entbindung mittelſt des Hakens bewirkt wurde, nachdem das Herz des Foͤtus nach dem Gebrauche des Mutterkorns zu ſchlagen aufgehört hatte. Tabelle I. Fälle, in denen der uterus die Kinder lebend austrieb. 2 5 — 2 2 2 2 — — 8 E 5 S Geſchlecht 5 \ g 5 S 5 8 a 2 : © Wirkung | Wirfun Stunden 888 = — 2 8 S des Kindes. 5 auf den auf Sr des Kreis sn: a ZEN 1 ER 2238| Puls. Herz. ſens. 8 r 38 | @ |? 258° Ba ie=e o Bemerkungen. 2 2 8 Ss „ „ „ „ „ 25 25 382 3 2 S „ S SS S S SSS b 5° 8 so 2 N e eee s S r & — — s|> S 2 2 & »|5 8 Be ln-l2223| 3 — = SEEN IEL SEEN NE NER WERNTD Re. 0 e e e ee | St. Min. 100 113 30 12 161061 50 | 24 | 2 30 Schwie- Dunkel- Died Der Muttermund ſchloß ſich auf der rig farbig Iminse | placenta, Metritis. Geneſung. 2 2 155) 1 12 1 1130201 5 Guͤnſtig Natürl. |Narürl. Geneſung. 3.| 3 30 15 16 | 11 | 1 o Oesgl. |Desgt. Desgl. Kopf 10 Stunden lang auf dem Mit⸗ telfleiſche. Geneſung. 1 25 1 25 1 1 40 | 24 2 20 Desgl. Desgl. |Desgl. Geneſung. 25 2 10 1 28 | 13 1 15 DOesgl. Det. Desgl. Zwillinge. Bei beiden natuͤrliche Lagen. Das zweite Kind eine Viertelſtunde nach dem erſten. Ge⸗ neſung. 6 1 20 1 25 1 28 160 45 Desgl. |Desst. Groß Der Kopf beinahe 12 Stunden lang in derſelben Lage verharrend. Ge. neſung. 2 1 15 1 6 0 | 0 40 Desgl. Desgl. Natür. Zwillinge. Bei'm erſten der Fuß und die Nabelſchnur vorliegend. Mut⸗ terkorn zur Austreibung des zwei— ten Kindes verordnet. Kopf vor⸗ liegend. Geneſung. Tabelle II. Tabelle II. Falle, in denen die Kinder mit Huͤlfe der Zange oder des Hebels lebend geboren wurden. in denen die Kinder mit Huͤlfe der Zange oder des Hebels lebend geboren wurden. = 2 2 3 8 2 — — ET TE on Te N , /ð ᷣ . . = @l: ve a er Wirkung | Wirkung | Stunden [2858 = = 3 88 2 8 . auf den auf das des Krei⸗ S 8 2 8 S — — S Puls- Herz. ſens. 88 2 38 ©5 2 = , masse san 2 Bemerkungen. e ee 58 2 2 „ SSA SSE SESIS SS S SSS 2 2 = 2 2 8 — 2 ( S S Br 2 3 > S S 5 3 se F Ses 5 Ss SS SS Ss 8 = = S 8 8 8 Oro lssE |S 21% SEEN FR IR r FE Fe ee ee NEE IE Min. St. Min. 81 240 1 Keine 1 1| 27 | ı7 | 0 40 Guͤnſtig Natuͤrl. Natuͤrl. Zange. Geneſung. 9 1.26 1 5 1 28 14 1 0 Desgl. Desgl. Desgl. Hebel. Geneſung. 100 2/30 1 Keine 1 1 28171 30 Oesgl. Desgl. Desgl. Zange. Geneſung. 116125 1 7 I 86 | 13 0 50 Desgl. Desgl. Desgl. Desgl. Herzſchlag des Foͤtus 100. Das Kind ſtarb drei Stunden nach der Geburt. Geneſung. 12 120 1 10 1 1 25 16 |1 0 Desgl. Desgl. Desgl. Hebel. Herzſchlag des Foͤtus 102 Kopf waͤhrend 12 Stunden auf dem Mittelfleiſche. Geneſung. 13 1121 1 2 1 34 23 2 o Desgl. Dunkel] Volu- Desgl. Entzündung des uterus. Ges | | minös | nefung. 14 3130 1 ! Keine | 1 1 126 I ı2 | 0 30 [Desgl. Natürt.|Natürl.IZange. Geneſung. 285 744. XXXIV. 18. 286 Tabelle III. Faͤlle, in denen die Thaͤtigkeit des uterus die Kinder todt austrieb. (S Geſchlecht 8 ] . . 8 5 5 8 5 d. Kindes. 3 Wirkung | Wirkung = Stunden S S 5 = 8 888 3 — =2 | auf d. Herz auf d. Puls des Krei⸗ | EEE | m — 8 22. S des Fötus. d. Mutter. 2 ] ſens. 88 55 78 = Seele |5J33 7 Te2tesmahgaleamelses| E83 = Bemerkungen. 2 G = S2 iE „„ „„ S 2s 2223 3 2 2 2l212| 8 e 2|8|8 eee S 3° 5 5 82|2|58 [8 S SS S SS SS S 8 — 8 = EE Sol 212 M. St. M. St. M. | 15131] 2 10 1 1 1 0| 79 1 30 Guͤnſtig |Natürl. Natuͤrl. Der Puls während der Geneſung de= primirt. Zwillinge; beide natuͤr⸗ lich. Bei'm erſten das Geſicht dem Schaambeine zugewandt. Zwiſchen⸗ zeit 4 Stunde. Geneſung. 162 28 130 1 2 0 25 2 0 Desgl. [Desgl. Desgl. Die Wiederbelebung des Kindes ge= lang nicht. Geneſung. 17134 1 15 1 1 2 30 36 27 3zieml. Desgl. |Desgl, Desgl. | Genefung. 1803 27 1 10 1 1 0 26 18 1 0 Desgl. Dunkel Groß Geneſung. 19128 1 30 1 1 1 45 60 116 [1 45 Desgl. Natuͤrl. Natuͤrl. Zweite Lage. Geneſung. 20 2 33 1 7 1 1 0 25 30 16 |O 25 Desgl. |Desgl. Desgl. Zweite Lage. Das Herz des Foͤ⸗ tus hatte bei der Geburt beinahe aufgehoͤrt zu ſchlagen. Geneſung. 21118 110 1 1 0 20 30 14 |o 20 Desgl. Dunkel Desgl. Das Herz des Foͤtus hatte bei der Geburt faſt zu ſchlagen aufgehoͤrt. Entzuͤndung des uterus. Geneſung. 22384 1 15 1 1 1 40 26 24 1 40 Desgl. Natuͤrl. Groß Geneſung. 23 121 1 12 1 113 0| 42 2 30|Desgl. Spaͤrlich Desgl. Das Herz des Foͤtus fuhr etwa 1 Stunde lang fort zu ſchlagen, da die kuͤnſtliche Reſpiration angewandt ward. Entzuͤndung des uterus. Ge⸗ neſung. 24 1 27 1 10 1 1 1 30 27 2 o Lang: Blaß u. Desgl. Verzug im zweiten Stadium. Ge⸗ fam | fpärlid) neſung. 25 127 1 13 1 111 45] 27 14 1 45|Günftig Natuͤrl. Naturl. Der Puls fiel erſt und ſtieg dann. 26 122 110 1 1 2 0 3217 2 0 Desgl. Braunu. Geneſung. ſpaͤrlich Groß [Puls deprimirt. Einige Tage lang 88. Geneſung. 27124 1 12 11 1 2 30 2912 5 0 Desgl. Natuͤrl. Natuͤrl. Be im zweiten Stadium. Ge⸗ neſung. 28 125 1 15 1 101 350 28 12 1 38 Desgl. Spärlich Groß |Entzündung des uterus. Geneſung. 29 222 1 i 1 1 o] 3612 1 01 esgl. Natuͤrl. Natuͤrl.[Geneſung. Tabelle IV. Faͤlle, in denen die Zange oder der Hebel angewandt, aber die Kinder todt geboren wurden. siele 8 8 8 |$ = ö = 2 ee Wirkung Wirkung Stunden S S = 2 5 8 es-. Ss auf d. Herzſ auf d. Puls] des Krei⸗ 5 = D — = 12 — 8 2 des Foͤtus. d. Mutter. ſens. 38 2 23 > 4 S 2 2 ü 5 N Bemerkungen. 2E z s „ „ 15 2 88 S SS | E28]: |82|2|5 |8je2|82|25 |$® | $ 8 — eas = . = — 7 SJ e eee e E Po ke a 2 M. St. M. n | 30.2 30 1 28 1 13618 1 55 Günſtig Natürl. Natürl. 104 Hebel. Geneſung. 31011 28 1 10 1 1 30 | 15 j1 0 Oesgl. Spaͤrl. Groß 68 |3ange. Ueber 12 Stunden beinahe | kein Fortſchritt. Entzündung des uterus. 32 1 361 8 1 1 32 | 24 0 40 Desgl. Dunkel Desgl. | 92 [Hebel. Schnappte nach Luft. Ent⸗ zündung des uterus. Geneſung. 33130 15 1 1 36 | 14 1 30 Desgl. Natuͤrl. Desgl.] 80 Hebel. Schnappte nach Luft. Der Herzſchlag hob ſich vermittelſt der kuͤuſtlichen Reſpiration bis 120. Ge⸗ neſung. 8 341 27 2 12 1 1 36 27 2 0 Desgl. Desgl. Natuͤrl. 84 [Hebel. Zwillinge. Der erfte natuͤr⸗ lich, mit dem Geſicht nach dem Schaambeine zu; der zweite den Steiß präfentirend. Zwiſchenzeit 35 Minuten. Geneſung. 481 33 4 1 1 33 9 3 Desgl. Desgl. Desgl. 84 Sn Schnappte nach Luft. Ge⸗ | | nefung. 287 744. XXXIV. 18. 288 Tabelle V. Die Kinder todt geboren. Entbindung durch den Haken bewirkt. — . 2 * “nd m u S E Dun. 3 2 3 5 — 2 — 2 32 2 8 2 — 2 2 2 = 2 S582 eee ek ben dee a. 58 „ 5 3 Bess SS.“ 2 8 Puls fm. 828 28 8 3 es. 2 re . . >=! 2 — > a = 2|s 2/2 71e8Sı7 TiosTeeeBEe SE 8 3 22 Bemerkungen. 2 S SS SSS „ |: 23 25 25 „„ 38 2 N S 3 b S 35* S S SSS SS S832 25 = 8 5 5 SS S | 815 S8 8 2 8 S | & 32 82 S 8 88 oe slröls:s | S m a laszE | Min. | St. Min. St. Min. 35020 341 10 1 38 ıs 4 30 Günſtig Blaß |Natürt! 3 0 Perforation. Geneſung. 3610 27 199 20 1 50 | 16 2 10 Desgl. Uebelties | Groß 1 10 |Desgl. Entzündung des uterus, Ge⸗ chend neſung. 3715 351 22 1 30 | 22 Witung | Hämerrhagie Desgl. [Desgl. 6 0 Desgl. Der uterus wirkte ſehr ſchwach. nicht gut vorher u. nachh. Geneſung. 3801 281 15 1 36 24 4 0 [Guͤnſtig Braun |Desal. | 3 0 DOesgl. Geneſung. 3911 301 10 1 35 17 4 0 Desgl. Ungefund |Natürl.| 3 0 Desgl. Genefung. 401 25 1 15 1 37 13] 2 0 uruͤckge-⸗Uebelrie-⸗ Groß 2 0 Desgl. Puls eine Zeit lang depri⸗ halten chend mirt. Starb an phlebitis. 4101 30 1 20 1 58 | 14 | 3 30 |Günftig Natuͤrlich[ Desgl. 2 30 Desgl. Geneſung. 421 361 15 1 28 18 2 45 Desgl. Desgl. Natuͤrl.f 1 45 nn Entzündung des uterus. Ges neſung. 4311 2611 30 1 60 | 14 3 30 [Desgl. Ungefund Groß 2 30 Desgl. Starb am ſechsten Tage an Entzuͤndung des Bauchfells und uterus. 441 231 25 1 48 | 13 | 3 0 Desgl. Natürlich Natuͤrl.ſ“ 2 0 Desgl. Geneſung. 45 2 281 22 46 23 6 0 Desgl. Desgl. Desgl. 2 30 Desgl. Geneſung. 461 25 1 50 125 12 2 O0 Desgl. Desgl. Desgl.. 1 0 Desgl. Geneſung. 47 11 30 1 Keine 1 40 | 12 | 2 30 |Desgl. Dunkel [Groß 0 35 |Desgl. Geneſung. (The Dublin Journal of medical science. No, 80, May 1845. p. 225). aa ne Ueber einen von eigenthuͤmlichen Symptomen ber gleiteten unfall am Schultergelenke berichtet Hr. J. Collier im Aprilhefte 1845 der London med. Gazette. ‚Miss. A. verlor, als fie am 26. Januar d. J. durch ihr Schlafzimmer lief, das Gleichgewicht und ſtreckte, um ſich vor'm Fallen zu be⸗ wahren, den linken Arm heftig nach dem Bettpfoſten aus. Durch dieſe Bewegung verrenkte ſie ſich das Schultergelenk, indem der Kopf des humerus aus feiner Pfanne glitt, und unter dem acro- mion eine kleine Verſenkung entſtand, ſo daß die Schulter ſich wie eingefallen ausnahm. Die Patientin konnte, wenn ſie den Arm hin = und her bewegte, das Gelenk ohne Schmerzen ſelbſt wie⸗ der einrichten und auch ebenſoleicht wieder verrenken. Es wurde ein Sförmiger Verband angelegt, der Arm an der Seite befeſtigt und 6 Wochen lang in einer Binde getragen. Die Patientin kann denſelben jetzt ſehr gut bewegen, ohne ihn zu luxiren. Die Verren⸗ kung hatte in dieſem Falle offenbar durch die Muskkelthaͤtigkeit ſtatt⸗ gefunden. Ein ähnlicher Fall wird im Provincial medical Journal erzählt. Richard M., ein Kreiſer, wollte ein Kaninchen aus ſeiner Hoͤhle ziehen, und konnte daſſelbe eben mit den Fingerſpitzen errei⸗ chen. Um tiefer eindringen zu koͤnnen und es zu faſſen, ſtreckte der Mann den Arm plotzlich mit der größten Anſtrengung aus, und dabei glitt der Kopf des hnmerus aus der cavitas glenoidea. Einen Appparat zur Fabrication von Eis fuͤr den haͤuslichen Bedarf hat Herr Villeneuve erfunden und der Academie der Wiſſenſchaften in einer ihrer letzten Sitzungen durch Herrn Babinet vorlegen laſſen. Mittelſt deſſelben kaun man ſich zu jeder Jahreszeit mit geringen Koſten eine bedeutende Quantität, z. B. mehrere Kilogramme, des reinſten und fefteften Eiſes verſchaffen. Eine Commiſſion hat denſelben gepruͤft und ſehr wirkſam gefunden. Sie ſtellte die Verſuche bei 15 — 20° Eentigr. Temperatur und ſtets mit dem vollſtaͤndigſten Erfolge an. Die da⸗ bei angewandte Gefriermiſchung beſteht aus dem ſchwefelſauren Ras - tron des Handels und nicht concentrirter Salzſaͤure. Das Pfund Eis kommt auf 30 — 40 Centimen (28 — 3 Sgr.) zu ſtehen, der Preis iſt aber geringer, wenn es nicht auf Zeiterſparniß ankommt. Herr Villeneuve nennt feinen Apparat Congelateur oder Gla- ciere des ſamilles (Familieneiskeller). Bibliographische Neuigkeiten. Histoire des sciences del’organisation et de leur progres, com- me base de la philosophie. Par de Blainville et Maupied, pretre, Paris 1845. 8. Manuel general des plantes arbres et abrisseaux, ou flore des jardins de Europe, classés suivant Ja methode de Décandolle. Par M. Jacques. 1. Livraison. Paris 1845. 12. (Das Ganze wird 3 kleine Baͤndchen oder 20 Lieferungen ausmachen.) Essay upon Cretinism and Goitre. By Edward Wells, M. P. Late fellow of New College, Oxford, and Radcliffe’s Travel- ling fellow. London 1845. 8. On the diseases of ſemales: a Treatise illustrating their sym- ptoms, causes, varieties and treatment; including the Disea- ses and Management of Pregnancy and Lying-in: designed as a Companion to the Author’s „Modern Domestic Medicine‘, Containing also an Appendix on the proper Principles of the Treatment of Epilepsy; an Account of the Symptoms and treatment of Diseases of the Heart; and a medical Glossary. By Thomas Graham, M.D. 4, edition revised and enlarged. London 1845. 8. En — Menellotizen aus dem Gebiete der Natur- und Weil kunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Meditinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 745. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3%, I. (Nr. 19. des XXXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 K. oder 3 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 973. Juni 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. Hai t ien d Ueber die Naturgeſchichte des Menſchen. “) Von Herrn Jacquinot. Unter ben unzaͤhligen Geſchoͤpfen, welche die Oberflaͤche der Erde bewohnen, behauptet die Claſſe der Saͤugethiere in Anſehung der Organiſation den oberſten Rang, und ſie iſt zugleich diejenige, welche die wenigſten Arten aufweiſen kann. Ihre Gattungen und Arten duͤrften dermalen ziem— lich durchgedends bekannt ſeyen; ſoviel laͤßt ſich wenigſtens mit Sicherheit behaupten, daß kuͤnftige Entdeckungen in Anſehung der Schluͤſſe, die ſich ſchon jetzt aus der Unter— ſuchung dieſer Claſſe und ihrer geographiſchen Verbreitung ziehen laſſen, weſentlich nichts ändern werden. Man kennt etwa 200 Gattungen oder Genera von Saͤugethieren, un— ter dieſen haben 160 ein mehr oder weniger ausgedehntes, jedoch auf ein einziges, in dieſelbe Zone fallendes Land be— ſchraͤnktes Wohngebiet; nur 20 ſind in allen Zonen zugleich anzutreffen, und die 20 uͤbrigen bewohen die gemaͤßigten Zonen und die heiße Zone. Auf dieſe Weiſe duͤrfte man die fo zahlreiheu Gattungen der erſten Art als die Regel, die uͤbrigen als die Ausnahmen betrachten; allein ſo zahl— reiche Ausnahmen bietet die Natur nicht dar, und wenn man die ſcheinbar cosmopolitiſchen Gattungen genauer betrachtet, ſo findet man, daß ſie denſelben Geſetzen unterliegen, wie die andern, indem die Species, gleich denen der Gat— tungen mit beſchraͤnktem Wohngebiete, an gewiſſe Climate ge— bunden ſind. So iſt, um nur ein Beiſpiel auzufuͤhren, der Eisbaͤr auf die Nordpolargegenden beſchraͤnkt, waͤhrend andre Baͤrenarten die gemäßigten Climate der europaͤiſchen ) In dem hier mitgetheilten Auszuge betrachte ich die Naturge— ſchichte des Menſchen lediglich aus dem Geſichtspuncte der geographiſchen Vertheilung. Spaͤter werde ich die ſich daran anknuͤpfenden wichtigen Fragen der Reihe nach ſeroͤrtern; z. B. den Cinfluß des Klimas und der Lebensweiſe, die Ausartun— gen, Kreuzungen u. ſ. w. Uebrigens geſtatten die engen Gren— zen, die ich mir hier zu ſtecken habe, nur die einfache Anfuͤhrung der Thatſachen und Beweiſe, welche in meiner Abhandlung, die ich naͤchſtens zu veroͤffentlichen gedenke, in groͤßerer Aus— fuͤhrlichkeit behandelt ſind. No. 1845. — 745. und americaniſchen Gebirge bewohnen, und der Malaiſche Baͤr, ſo wie der Baͤr der Inſel Broneo, lediglich in der hei— ßen Zone anzutreffen ſind. Dieſe den Geſchoͤpfen von der Natur auferlegte Hoͤ⸗ rigkeit ſtellt ſich noch deutlicher dar, wenn wir die, das Meer, alfo 2 der Erdoberfläche, bewohnenden Saͤugethiere betrach— ten. Hier bietet ſich nirgends ein Hinderniß, nirgends eine der Bedingungen dar, welche auf dem feſten Lande die Wohn— gebiete und Climate unter denſelben Breitegraden ſo bedeu— tend modificiren. Hier iſt die Temperatur ſehr ausgegli— chen und von einer Breite zur andern ſehr wenig abweichend, und zugleich beſitzen die ſaͤugenden Seethiere die Faͤhigkeit der Ortsveraͤnderung in außerordentlich hohem Grade. So moͤchte man a priori annehmen, daß man vom Pole bis zum Aequator uͤberall dieſelben Arten antreffen werde. Dieß verhält ſich aber nicht fo. Unter den amphibiſchen Fleiſch— freſſern finden ſichm ehrere lediglich im noͤrdlichen Polarmeere; dahin gehören die Gattungen: Calocephalus, Stemma- topus, Trichechus; im Suͤden trifft man dagegen die Gattungen: Otaria, Stenorhynchus, Platyrhynchus etc.; gewiſſe Arten bewohnen ferner nur die gemäßigten unnd heißen Regionen. Unter den krautfreſſenden Cetaceen iſt nur die Gattung: Stelleria, (Stellère der Stellerſche Serlöwe wird fonft zu Otaria gerechnet d. Ueb.) auf die eiſigen Regionen des Nordpols, die Gattung der Lamantins auf die Muͤndungen der Fluͤſſe der Tropenlaͤnder der neuen Welt, der Dugong endlich auf die Kuͤſten der Malayiſchen Inſeln beſchraͤnkt. Mit den Walen verhaͤlt es ſich ebenſo. Dieſe ge— waltigen Cetaceen, die ſich, trotz ihrer rieſigen Groͤße, von ſehr kleinen Thierchen naͤhren und, um ſich dieſe zu verſchaf— fen, den Ocean beſtaͤndig durchſtreichen, find mit einer weit bedeutendern Lecomotionsfaͤhigkeit ausgeſtattet, als irgend ein andres Saͤugethier. Ihr Wohngebiet iſt allerdings ſehr ausgedehnt, hat indeß dennoch beſtimmte Grenzen, wie wir denn in den noͤrdlichen Meeren den gemeinen Walfiſch, den Nordkaper (Rorqual) des Mittelmeeres und den Jupiterfiſch, in den ſuͤdlichen Meeren dagegen den antarctiſchen Walfiſch 19 291 und die knotigen und buckeligen Rorquals finden. Ferner kennt man bereits viele Delphine, die man mehrmals in denſelben Gewaͤſſern getroffen hat und wahrſcheinlich ein für allemal in denſelben verharren. Alle Saͤugethiere be— ſitzen demnach auf der Erdoberflaͤche ein mehr oder weni— ger ſcharf begrenztes Wohngebiet, welches ſie nicht uͤber— ſchreiten, und ſo erhaͤlt jedes Land ſein eigenthuͤmliches zoologiſches Gepraͤge. Welcher Contraſt iſt in dieſer Be— ziehung zwiſchen der alten und neuen Welt, oder zwiſchen den ſo eigenthuͤmlichen Geſchoͤpfen Neuhollands und Mada— gascars wahrzunehmen! Alle Umſtaͤnde wirken darauf hin, die Saͤugethiere an den von ihnen bewohnten Orten feſtzuhalten; ihr Tempera— ment, ihre Organiſation ſtehen mit ihrem Wohnorte im Einklange; ſie finden dort Alles, was zu ihrer Exiſtenz noͤthig iſt, die Natur hat dort für alle ihre Beduͤrfniſſe geſorgt; allein die feſteſte Schranke iſt die des Inſtinkts, je: nes blinden unbegreiflichen Triebes, welcher ſie an ihre Hei— math kettet. Manche Arten, welche von dieſen allmaͤchti— gen Geſetzen eine Ausnahme zu bilden ſcheinen, liefern fuͤr die Macht des Inſtinkts nur neue Belege. So ver: laſſen die Lemmings und die Canadiſchen Moſchusratten (Ondatra americana) waͤhrend der kalten Jahreszeit ſchaarenweiſe ihre Heimath; allein wenn das Klima dort wieder milder geworden iſt, kehren ſie uͤber Berge und Stroͤ— me dahin zuruͤck. Mit den Voͤgeln und Fiſchen verhaͤlt es ſich ebenſo; alljaͤhrlich kehren gewiſſe Arten wieder an dieſelben Orte zuruͤck, ohne dabei eines andern Fuͤhrers als ihres Inſtinkts zu beduͤrfen. Noch andere Ausnahmen ruͤhren vom Menſchen her; allein ſie ſind ſehr wenig zahlreich und aͤndern an den ur— ſpruͤnglichen Zügen der Schöpfung nichts. Sie ſind uͤbrigens hinlaͤnglich bekannt, indem der Menſch das Andenken an ſeine Werke bewahrt. Wenn man die Ordnung der Zweihaͤnder aus dem Ge— ſichtspuncte der geographiſchen Vertheilung unterſucht, ſo fragt es ſich, ob dieſelbe eine Ausnahme von der fuͤr die uͤbrigen Ordnungen der Saͤugethiere von uns aufgeſtellten Regel bilde. Findet ſich bei dem Menſchen der Inſtinkt, welcher die uͤbri— gen Saͤugethiere an ihre Scholle oder Welle bindet ?. Ganz unſtreitig! Dieſer Inſtinkt iſt bei'm Menſchen, wie bei den uͤbrigen Saͤugethieren vorhanden, und Nichts kann denſelben ganz verwiſchen. Er iſt bei ihm vielleicht am Allermaͤchtig— ſten. Im ſogenannten wilden oder Naturzuſtande haͤlt der Menſch an ſeiner Heimath, an ſeinem Klima feſt, und die Individuen, welche man aus demſelben verpflanzt, verkuͤm— mern und ſterben gewoͤhnlich. So unfruchtbar der Boden, ſo rauh das Klima ſeines Vaterlandes auch ſeyn mag, ſo ſucht der Wilde daſſelbe doch nicht mit einem geſegnetern und mildern Lande zu vertaufchen, und der Groͤnlaͤnder zieht ſeine eiſigen Gegenden und ſeinen Walfiſchthran den Laͤndern mit gemaͤßigtem Klima und allen Genuͤſſen des Luxus vor. Erheben wir uns von dem Zuſtande der Wildheit bis zu einem gewiſſen Grade von Civiliſation, ſo finden wir auch noch da den fraglichen Inſtinkt in ſeiner vollen Kraft. Wer kennt nicht die furchtbaren Wirkungen des Heimwehes? Haͤu— 745. XXXIV. 19. 292 fig erkrankt der junge Landmann, den die Geſetze feines Lan⸗ des ſeinem Doͤrfchen entreißen, und geht dem Tode mit ra— ſchen Schritten entgegen, wenn er nicht in ſeine Heimath zuruͤckkehren darf. Auch bei den am Hoͤchſten civiliſirten Nationen findet ſich dieſer Inſtinkt noch. Er nimmt dann den Namen der Vaterlandsliebe an, und aͤußert eine ſolche Kraft, daß man ihm zu Liebe nicht anſteht, Menſchenblut zu vergießen und ſein Leben in die Schanze zu ſchlagen. Allein dieß iſt, wie geſagt, eben nur ein Inſtinkt, und die Intelligenz wird bei'm Menſchen uͤber denſelben Herr. Wenn er aber auch durch die Sucht nach neuen Entdeckungen oder Schaͤtzen fein Va⸗ terland verlaͤßt, ſo ſchwebt ihm dabei dennoch immer die Hoffnung vor, einſt in daſſelbe zuruͤckzukehren. Der Macht dieſes Inſtinktes iſt die bedeutende Unbes weglichkeit gewiſſer Menſchenfamilien hauptſaͤchlich zuzuſchrei— ben. Noch gegenwaͤrtig bewohnen viele Voͤlkerſchaften das Land, welches ihre Wiege war. In America, Oceanien, dem größten Theile Africa's deuten die geringen Fortſchritte, wel⸗ che die Voͤlkerſchaften in der Civiliſation gemacht haben, ſo— wie die Abweſenheit aller Geſchichte und Tradition, darauf hin, daß ſie ſeit der Urzeit das naͤmliche Land bewohnt ha— ben. Mit der alten Welt verhaͤlt es ſich dagegen im All— gemeinen anders. Dort darf man wegen der beſtaͤndigen Kriege und Voͤlkerwanderungen nur gemiſchte Racen und den Untergang der urſpruͤnglichen Typen in Folge beſtaͤndiger Kreuzungen zu finden erwarten. So verhaͤlt es ſich jedoch nicht ganz, und mehrern ge— lehrten Ethnographen zufolge, bewohnen die urſpruͤnglichen Racen noch jetzt die Orte, wo ſie ſich nach den aͤlteſten ge— ſchichtlichen Zeugniſſen aufhielten. Zu dieſem Schluſſe ſind Klaproth, A. de Remuſat, A. Balbi durch das ver⸗ gleichende Studium der Sprachen; Desmoulins, Bory de Saint⸗Vincent, W. Edwards durch das Studium der Geſchichte und die Vergleichung der zoologiſchen Charac— tere gelangt. Wir werden ſpaͤter dieſe verſchiedenen Forſchun⸗ gen naͤher beleuchten; vor der Hand nehmen wir die von den genannten Forſchern erlangten Reſultate als guͤltig an, und wir begnügen uns damit, wie wir es in Betreff der uͤbri— gen Saͤugethiere gethan, auf die Grenzen der Wohngebiete der verſchiedenen Racen des Menſchengeſchlechts einen Blick zu werfen. So ſehen wir, z. B, die oͤſtliche Haͤlfte Aſiens, vom 65 Breitegrade bis faſt zum Aequator, nur von einer einzigen Race, der ſogenannten mongoliſchen, bevoͤlkert, obwohl dieſes Laͤndergebiet alle Klimate und alle durch große Ströme, Bergketten, Wälder, Steppen und cultirirte Ebenen bes dingte Modificationen derſelben in ſich faßt. Die braunſten Staͤmme dieſer Race finden ſich im Norden, die weißeſten im Suͤden! Die andere Haͤlfte des noͤrdlichen Continents, naͤmlich Europa und das uͤbrige Aſien, laͤßt ſich in zwei Abtheilun— gen zerfaͤllen, eine noͤrdliche und eine ſuͤdliche. Die erſtere erſtreckt ſich vom noͤrdlichen Polarkreiſe bis zum 45ſten oder 50ſten Breitegrade, von Scandinavien bis zum Caspiſchen Meere, und enthaͤlt eine Gruppe von Menſchenfamilien mit blondem Haar, weiß und rother Geſichtsfarbe, blauen Au— 295 gen ic. Die zweite oder ſuͤdliche zieht ſich von Nordweſt gegen Suͤdoſt, und reicht von den Britanniſchen Inſeln bis Bengalen und das aͤußerſte Hindoſtan, vom 5Often bis Sten oder 10ten Grade n. Br. Dieſes große Laͤndergebiet wird durchgehends von Menſchen mit ſchlichtem ſchwarzem Haar, ovalem Geſichte ꝛc. bewohnt. Africa iſt, etwa von 25° n. Br. bis zum 33° f. Br., von mehr oder weniger ſchwarzen Menſchen mit krauſem wols ligem Haar bevoͤlkert, und zwar nicht nur zwiſchen den Wen⸗ dekreiſen, ſondern durchgehends; denn die an der Nord- und Oſtkuͤſte lebenden Menſchen, welche andere phyſiſche Charactere darbieten, find ſpaͤter eingewandert. In dieſem audgedehn: ten Gebiete bleibt ſich das Klima gewiß nicht gleich, und dennoch unterſcheiden ſich alle jene Voͤlkerſchaften (nur we— nig?) voneinander. Die Foulahs, deren Haut gelb iſt, be— wohnen den mittleren Strich ). America hat, ſeiner ganzen Laͤnge nach, vom 60 Grade n. Br. bis 550 f. Br., eine Menge Voͤlkerſchaften aufju- weiſen, die manche geringe Verſchiedenheiten darbieten, wegen deren ſie von manchen Schriftſtellern in Arten, Racen oder Varietaͤten eingetheilt worden find; es läßt fi aber behaup— ten, daß ſie im Ganzen oder in Anſehung der allgemeinen Kennzeichen miteinander uͤbereinſtimmen. In dieſem weiten Laͤndergebiete, welches von hohen Gebirgen ſtarrt, ſind aber alle Klimate repraͤſentirt; dennoch findet man dort weder weiße noch ſchwarze Menſchen, weder ſolche mit blondem, noch ſolche mit krauſem Haar. Die Guaricas, die weißeſten von Allen, leben unter dem Aequator *). Der hoͤchſte Norden wird von den Eskimos, den kleinſten aller Menſchen, bewohnt, die Suͤdſpitze dagegen von den Patagoniern, welche bie groͤß⸗ ten unter allen Menſchen ſind. Man hat in den Peſcheraͤs oder Feuerlaͤndern die Repraͤſentanten der noͤrdlichen Eskimos erkennen wollen; allein dieß iſt irrig, denn die Peſcheraͤs ſind von großer Statur, obwohl ſie wegen der Unfruchtbarkeit ih— res Landes nicht den Eräftigen Körperbau der Patagonier bes figen ***). Nach diefen großen Feſtlaͤndern ift das ausgedehnteſte Land Neuholland, welches ſich nicht nur durch ſeine ſonder— baren Thiere, ſondern auch durch die Eigenthuͤmlichkeit ſei— ner menſchlichen Bewohner auszeichnet, welche durchgehends, vom 10ten bis zum 40ſten Grad ſ. Br., dieſelben find. Sie ſind aͤußerſt haͤßlich, ſchwarz und haben nicht, gleich den africaniſchen Negern, wolliges, ſondern nur krauſes hartes aar. . Jenſeit Neuhollands erſtreckt ſich Vandiemensland bis zum 449 f. Br. Dieſe Inſel hat ein gemaͤßigtes Klima, welches dem Frankreichs ähnelt, und ſonderbarer Weiſe fins det man dort andere Ureinwohner, als diejenigen Neuhol— *) Mehreren Ethnographen zufolge, waͤren die Foulahs einge— wandert. Wenn dieß der Fall, fo ift der Umſtand doch bemers kenswerth, daß durch den langen Aufenthalt in den von Schwar— zen bewohnten heißen Laͤndern ihre Haut nicht dunkeler und uͤberhaupt ihr zoologiſcher Character nicht anders geworden iſt. **) Desmoulins, %) Einige übel unterrichtete Autoren haben behauptet, das Feuers land ſey mit Schwarzen bevoͤlkert. Dem iſt aber nicht alſo. 745. XXXIV. 19. 294 lands. Die Vandiemenslaͤnder haben naͤmlich faſt ſo wolli— ges Haar, wie die africaniſchen Neger. Nicht weit von Neuholland und Vandiemensland liegt theilweiſe unter denſelben Breiten, theilweiſe noch ſuͤdlicher, Neuſeeland. Dort beglennt die ſchoͤne polyneſiſche Race mit lichtbrauner Hautfarbe, ſchlichtem ſchwarzen Haar und bei— nahe ovalem Geſichte. Dieſelbe erſtreckt ſich vom 500 f. Br. bis uͤber den Aequator hinaus und erreicht auf den Sand— wich⸗Inſeln den 22° n. Br. Sie bewohnt auf dieſe Weiſe ein Inſelgebiet von etwa 500 Myriamater Breite, ohne in ihrer Farbe oder ihren zoologiſchen Kennzeichen weſentliche Unterſchiede darzubieten. Noch einige andere ſchwarze, von der africaniſchen ver— ſchiedene Menſchenracen bewohnen einige Kuͤſtenpuncte Aſiens, das Innere einiger der großen Malaiſchen Inſeln und drin— gen, neben den Malaien, bis nach Polyneſien vor. Die Malaien endlich haben ſchlichtes Haar, eine helle Hautfarbe und uͤberhaupt eine ganz eigenthuͤmliche Koͤrperbildung. Sie bewohnen die Kuͤſten, waͤhrend die Schwarzen die Gebirge des Inneren der Inſeln innehaben. Vor der Hand begnuͤgen wir uns mit dieſem Ueber— blicke, indem wir uns vorbehalten, von jeder dieſer Racen beſonders zu handeln. Wollten wir in Einzelnheiten einge— hen, ſo wuͤrden wir, neben den angeblich vom Klima ab— haͤngigen Regeln, weit auffallendere Unaͤhnlichkeiten und Con— traſte finden. So ſieht man in Vorderindien die ſuͤdlich vom Ganges lebenden blonden Rohillas an die ſchwarzen Nepau— leſen, an die gelben Mahratten und die dunkelbraunen Ben- galeſen grenzen, wenngleich die Rohillas die Gebirge und die Nepauleſen das platte Land bewohnen“). Wir koͤnnten auch auf die braunen, ſtarkbehaarten Kurilier mit faſt caucaſiſcher Geſichtsbildung hinweiſen, die von allen uͤbrigen Bewohnern der Erde durchaus verſchieden ſind; allein das bereits Ge— fagte bewei'ſt ſchon hinreichend, daß jede Menſchengruppe, mag man ſie nun Varietaͤt, Race oder Art nennen, ſich gleich— zeitig uͤber einen großen Theil der Erdoberflaͤche ausbreitet und unter ſehr verſchiedenen Himmelsſtrichen lebt, dennoch aber ihren eigenthuͤmlichen Typus, d. h. ihre Hautfarbe, ihre Geſichtsbildung, überhaupt alle ihre zoologiſchen Characs tere behauptet. Dieſe Wahrheit, von der ſich Jedermann durch einen Blick auf die Erdkarte uͤberzeugen kann, widerſpricht durch— aus dem von Buffon aufgeſtellten und von Flourens vertheidigten Grundſatz, daß ſich die Tiefe der Hautfaͤrbung des Menſchen nach der Waͤrme des Klimas richte. Die verſchiedenen Abſtufungen der Hautfarbe, welche man lange als ein characteriſtiſches Kennzeichen behufs der Claſſificirung des Menſchengeſchlechts hat gelten laſſen, be— ſitzen die ihnen zugeſchriebene Wichtigkeit keineswegs und ſind durchaus nicht ſo gleichfoͤrmig vertheilt, als man fruͤher glaubte. Findet man nicht bei den Menſchen mit ovalem Ge— ſichte, ſtarkem Geſichtswinkel und ſchlichtem Haar, die Blu: menbach die caucaſiſche Race genannt hat, alle Farbenab— ) Desmoulins, Race humaine, p. 169. 19 295 ſtufungen, vom Weiß bis zum dunkelſten Schwarz? Von den Finnen mit blondem Haar und blendend weißem Teint, bis zu den Bewohnern der Kuͤſte Malabar, deren Haut fo ſchwarz iſt, wie die der aͤthiopiſchen Neger, finden durch die Celten und Iberier, mit weniger weißem Teint und ſchwar⸗ zem Haar, ſowie durch die braͤunlichen Araber und die ver— ſchiedenen Voͤlker Hindoſtans, welche alle Abſtufungen des Brauns darbieten, ſehr mannigfaltige Uebergaͤnge ſtatt. Bei den Oſtaſiaten, die man unter der allgemeinen Be— nennung: Mongolen zuſammengefaßt hat, finden wir eine weiße Haut, welche der krankhaften Blaͤſſe von Europaͤern ähnelt, und daneben alle Abſtufungen des Gelbes bis zum dunkelſten Braun. Bei den Menſchen endlich, welche man Neger nennt, trifft man ebenfalls eine Menge von Farbenabſtufungen, von den Hottentotten und Buſchmaͤnnern, die einen hellen Teint beſitzen, welcher dem vieler Mongolen aͤhnelt, bis zu dem dunkelſten Schwarz der Aethiopier, waͤhrend die Uebergaͤnge ſich bei mehreren Voͤlkern Oceaniens, z. B. den Auſtraliern, den Melaneſiern ꝛc. finden. Hieraus ergiebt ſich, daß die ſchwarze Farbe keineswegs den Negern eigenthuͤmlich iſt, ſon— dern ſich auch bei den Menſchen findet, welche im Uebrigen die groͤßten Abweichungen in der Organiſation darbieten, kurz bei Negern, Mongolen und Caucaſiern. Was die genannte gelbe, rothe, olivenbraune, Kupfer- ꝛc. Farbe anbetrifft (denn alle dieſe Ausdruͤcke bezeichnen ein mehr oder weniger dunk— les Biſtergelb), ſo findet man gleiche Toͤne derſelben bei den Arabern, Hindu, Chineſen, Hottentotten und einigen Negern, Mongolen und Caucaſiern, ſowie auch bei Americanern, Mas laien und Polyneſiern. Aus den Obengeſagten ergiebt ſich: 1) Daß die Hautfarbe kein zur buͤndigen Unterſchei— dung der verſchiedenen Menſchenvarietaͤten ausreichendes Kenn— zeichen iſt; 2) daß die Benennungen: Caucaſier, Neger, Mongolen mit den Namen: weiße, ſchwarze, gelbe Race nicht gleichbe— deutend ſind; 5) daß dieſe letzteren Namen, ſowie überhaupt die, wel— che ſich im Allgemeinen auf die Farbe beziehen, ungenau und folglich verwerflich find. (Comptes rendus des seances de l’Ac. d. Sc. T. XX. No. 18, 5. Mai 1845.) Ueber die Wirkung des Magnetismus auf alle Koͤrper. Herr Edmond Becquerel hat eine Abhandlung ver— faßt, uͤber welche Herr Arago der Academie der Wiſſen— ſchaften in einer ihrer letzten Sitzungen Bericht abſtattete. Dieſer junge Phyſiker conſtatirt die zuerſt von Colomb an— gekuͤndigte Thatſache, daß alle Koͤrper vom Magneten affi— cirt werden. Er hat ſich davon uͤberzeugt, daß dieſe Ein— wirkung ſich bei derſelben Subſtanz nicht gleichbleibt, ſon— dern je nach der Reinheit der letztern abaͤndert. Wenn man cylindriſche Stäbe von weichem Eiſen magnetiſirt, die gleiche Laͤnge, aber verſchiedene Durchmeſſer haben und unter der Einwirkung eines Magneten ſchwingen, ſo ſteht die Cubik— 745. XXXIV. 19. 296 zahl der Zeit der Schwingungen zu dem Gewichte des Sta⸗ bes oder dem Quadrat ſeines Durchmeſſers im geraden Vers haͤltniß. Aus dieſem Geſetze ergiebt ſich das nachſtehende: Wenn Staͤbe von weichem Eiſen unter den erwaͤhnten Um⸗ ſtaͤnden dem Einfluß eines Magnetſtabes ausgeſetzt werden, ſo werden ſie voruͤbergehend in dem Grade magnetiſch, daß die Intenſitaͤt ihres Magnetismus der Cubikwurzel ihres Ge⸗ wichts oder des Quadrats ihres Durchmeſſers proportional iſt. Hieraus geht hervor, daß die auf jede Elementarfaſer des Eiſenſtabes ausgeuͤbte Einwirkung um ſo ſchwaͤcher iſt, je dicker derſelbe iſt. Als Herr Becquerel hohle cylindriſche Staͤbe mit maſſiven verglich, fand er, daß die auf jede Elementarfaſer der erſtern ſtattfindende Einwirkung bedeutender ſey, als die Einwirkung auf jede Elementarfaſer der letztern. Aller Reſultate, welche Herr Becquerel in ſeiner Abhandlung anfuͤhrt, koͤnnen wir hier nicht gedenken; allein die, welche er in Betreff der Einwirkung der Magneten auf andere Metalle als Eiſen erlangt hat, duͤrfen wir nicht mit Stillſchweigen übergehen. So hat Herr Becquerel ge— funden, daß bei gewoͤhnlichen Temperaturen der ſpecifiſche Magnetismus des weichen haͤmmerbaren Nickels ders ſelbe iſt, wie der des weichen Eiſens; d. h., daß die Schwin— gungen zweier gleich langen und gleich ſtarken Staͤbe, von denen der eine aus weichem Eiſen, der andere aus weichem Nickel beſteht, unter der Einwirkung deſſelben Magneten iſochroniſch ſind. Mit dem weichen haͤmmerbaren Ko— balt, den ſich Herr Becquerel indeß nicht verſchaffen konnte, duͤrfte es ſich eben ſo verhalten. Der Nickel buͤßt ſeine magnetiſchen Eigenſchaften bei der Temperatur von gegen 400° Centigr; das Eiſen bei der Kirſchrothgluͤhhitze, der Kobalt bei der Weißgluͤhhitze ein. Zwiſchen der ge— woͤhnlichen Temperatur und der Duͤſterrothgluͤhhitze veraͤndert ſich der ſpecifiſche Magnetismus des weichen Eiſens ſehr we— nig; erſt bei der letztern Temperatur ſteigert ſich derſelbe um 4 Proc., woraus ſich ergiebt, daß dieſes Metall bei gewoͤhn— lichen Temperaturen nicht die ſtaͤrkſte Anziehungskraft beſitzt. — Der ſpecifiſche Magnetismus des Guß eiſens und Stahls ſteigert ſich mit der Temperatur in der Weiſe, daß er, be— vor er bei der Kirſchrothgluͤhhitze ganz verſchwindet, ſich bis zu dem Grade desjenigen des weichen Eiſens erhebt. Wenn das Gußeiſen eden zu gluͤhen beginnt, iſt fein ſpeeifiſcher Magnetismus am Staͤrkſten. Der Nickel, Kobalt und deren Verbindungen mit Kohlenſtoff verhalten ſich wie das Eiſen und deſſen Verbindungen mit Kohlenſtoff. Bei den in dieſer Beziehung von Herrn Becquerel angeſtellten Verſuchen wurden die Staͤbe in einem Steigbuͤgel von Platina an ei— nem gewundenen Draht von demſelben Metalle aufgehaͤngt, das Ganze zu der geeigneten Temperatur erhoben und die Staͤbe durch die Magneten zum Schwingen gebracht. Der ſpecifiſche Magnetismus des natuͤrlichen Magnetſteins (Eiſenorxyduls) wird gegen die Rothgluͤhhitze hin aufgehoben, nachdem er ſich von den gewoͤhnlichen Temperaturen an bis bis gegen dieſe Graͤnze der Temperatur hin geſteigert hat. Wenn man den ſpecifiſchen Magnetismus des Eiſens D 1,000,000 ſetzt, fo ift derjenige des Chroms S 250 und 297 derjenige des Mangans — 1137; wenigſtens gilt dieß von den Proben dieſer Körper, mit welchen Herr Becque— tel experimentirt hat. Allein dieſe Proportionalzahlen find ſo gering, daß daß Chrom und Mangan ihren Magnetismus vielleicht nur einer Beimiſchung von Eiſen verdanken. Herr Becquerel hat, wie bereits bemerkt, ermittelt, daß die magnetiſche Wirkung aller Körper, je nach dem Grade ihrer Reinheit, verſchieden iſt. Je mehr man z. B. die Kieſelerde, das Jod, den Kampher ꝛc. reinigt, deſto geringer wird die Wirkung, und in manchen Proben davon geht ſie ganz unter. Schon ein Gewichtstheil Eiſen von weniger als ein Hunderttauſendſtel des Gewichts der Koͤrper erzeugt in den dem Verſuche unterworfenen Stäben magnetiſche Er- ſcheinungen. Es ſcheint alſo, als ob die magnetiſchen Wir— kungen vieler Koͤrper lediglich daher ruͤhrten, daß die letztern in groͤßerem oder geringerem Grade eiſenſchuͤſſig ſind. Herr Ed. Becquerel hat in einer vergleichenden Tabelle den ſpecifiſchen Magnetismus einer Reihe von Mineralien zu— ſammengeſtellt. Bericht des Herrn Théophile Rouſſel über die Sitzungen der Academie der Wiſſenſchaften vom 2. und 9. Juni, im Courrier francais v. 18. Juni. Ai ee een. Ueber einige Lianenſtaͤmme aus Suͤdamerica hat Hr. Geh. R. Link der Academie der Wiſſenſchaften zu Berlin am 14. April Bemerkungen vorgetragen. Stuͤcke von ſolchen Staͤmmen hat derſelbe von Herrn Gaudichaud in Paris erhalten, auch finden ſich dergleichen in der Sammlung des Koͤnigl. Herbariums zu Ber— lin. Sie fallen dadurch ſehr auf, daß mehrere Staͤmme um einen Centralſtamm im Kreiſe ſtehen, mit ihm und unter einander durch die Rinde, welche jeder Stamm fuͤr ſich hat, verwachſen ſind, auch von einer gemeinſchaftlichen Rinde umgeben werden. Zuweilen zei— gen ſich alle Jahrringe, zuweilen nicht, immer aber fehlt den aͤußern Stämmen das Mark, welches jedoch in dem Centralſtamme immer ſich findet. Es iſt Schade, daß die Straͤucher, von welchen die Stuͤcke des Stammes abgeſchnitten waren, nicht botaniſch konnten beſtimmt werden. — Die fonderbare Form des Stammes dieſer Straͤucher knuͤpft ſich an die ſonderbare Form des Stammes eines Nordame— ricaniſchen Strauches, der in unſeren Gärten häufig gezogen wird, des Calycanthus floridus. Mirbel hat in den Annal. d. sciences naturelles, Tome 14, p. 367, t. 13, einen ſehr alten Stamm dieſes Strauches beſchrieben und abgebildet, wo um einen Central⸗ ſtamm vier andere im Kreuz entgegengeſetzte Nebenſtaͤmme ſich be— 745. XXXIV. 19, 298 finden. Alle fünf Stämme haben Jahrringe. Eine genaue anatos miſche Beſchreibung hat Mirbel nicht gegeben; man ſieht aber, daß dieſer Stamm ganz mit den oben erwaͤhnten Lianenſtaͤmmen uͤbereinkommt, nur ſtehen an den letztern die Nebenſtaͤmme zuwei— len zu drei, zuweilen unregelmaͤßig um den Centralſtamm und ſind nicht immer von gleicher Groͤße. Schon an den juͤngſten Zweigen von Calycanthus floridus ſieht man die Anlage der Nebenſtaͤmme. Sie befinden ſich in der Rinde und zwar an der Stelle, wo ſonſt die Buͤndel von Baſtroͤhren zu ſtehen pflegen. Sie bilden ein Holzbündel von elliptiſcher Geſtalt und haben in der Mitte ein klei⸗ nes laͤngliches Bündel von Spiralgefaͤßen und poröfen Gefäßen. An der hinteren Flaͤche dieſes Buͤndels gegen die Axe des Zweiges, ſowie an den Seiten, iſt daſſelbe von langen und engen Parenchym— zellen, dem gewoͤhnlichen begleitenden Zellgewebe, umgeben; auf der vorderen Fläche gegen den Umfang liegen Baſtroͤhren mit verdick⸗ ten Waͤnden. Die Spiralgefaͤße des inneren Gefaͤßbuͤndels liegen gegen bie Baſtroͤhren, alſo gegen den Umfang, nicht nach der ges woͤhnlichen Anordnung gegen die Axe; die poroͤſen Gefaͤße hingegen liegen gegen das Parenchym und alſo gegen die Are, Eine Spur von Mark hat Hr. Link nicht gefunden, obgleich der Centralzweig, wie gewöhnlich, Mark enthalt; auch ſieht man, wie ſchon angeführt wurde, in allen Nebenſtaͤmmen der gedachten Lianen kein Mark, ob⸗ gleich es ſich in dem Centralſtamme immer befindet, vielleicht weil die Nebenſtaͤmme keine Aeſte treiben. Mirbel vergleicht die Ne= benſtaͤmme von Calycanthus mit den vier Kanten des Staͤngels der Labiaten, aber dieſe ſind gar ſehr verſchieden, ſie beſtehen nur aus langen und engen Zellen ohne alle Gefaͤße. Ueber die Sternſchnuppen hat Herr Goulvier-Gra: vier der Academie der Wiſſenſchaften neuerdings wieder Mitthei— lungen gemacht. Aus feinen fruͤhern Forſchungen, die ſich in’sbefons dere auf die Zahl dieſer Meteore bezogen, ergab ſich, daß dieſelben fortwährend ſtattfinden, aber bei Tage gar nicht, bei Mondſcheine aber nur zu etwa 2 bemerkt werden. Seine zweite Arbeit bezieht ſich auf die Richtung der Sternſchnuppen und weiſ't nach, daß weit mehr von Oſten als von Weſten, von Norden aber ziemlich eben ſo viele kommen, wie von Suͤden. Dieſer Unterſchied iſt aber mehr ſcheinbar, als wirklich, und haͤngt von der Bewegung der Erde ab, ſo daß ſich annehmen laͤßt, daß aus allen Richtungen ziemlich gleich viele Sternſchnuppen kommen. In einer dritten Abhandlung ſtellt der Verfaſſer einen Unterſchied zwiſchen den Feuerkugelſchnup— pen, welche einen mit bloßen Augen erkennbaren Durchmeſſer haben, und den Sternſchnuppen auf, welche einen ſolchen nicht beſitzen. Die groͤßte Feuerkugel, die der Verfaſſer je geſehen hat, beſaß un— gefahr I des ſcheinbaren Durchmeſſers des Mondes. Die Farbe der Sternſchnuppen iſt, gleich der der Firfterne, weiß. Doch giebt es auch rothe, die ſich langſamer bewegen, als die weißen. Endlich giebt es auch ſolche, welche ploͤtzlich erloͤſchen, als ob ſie in Waſſer fielen. Zuweilen zerſtieben die Sternſchnuppen in mehrere Frag⸗ mente, die alsbald und ohne Geraͤuſch erloͤſchen. Die Sternſchnup— pen bewegen ſich gewoͤhnlich geradlinig; allein der Verfaſſer hat bisjetzt 15 beobachtet, die eine Curve beſchrieben. Nein n d e. Voruͤbergehendes Heraustreten des Augapfels und Erloͤſchen der Sehkraft in Folge einer nach Schar— lachfieber eintretenden rheumatiſchen Entzuͤndung. Von Sfaac G. Porter Dr. NM. Zu Anfang October 1841 ward ein ſechsjaͤhriges Maͤd— chen von dem damals ſporadiſch auftretenden Scharlachfieber befallen. Der Hautfrieſel war nur gering und die Rachen— hoͤhle nur kurze Zeit wund und geroͤthet, und dieß fo unbedeu— tend, daß damals gar kein Arzt zu Rathe gezogen wurde. In Erkaͤltung und Diaͤtfehlern konnte wohl der Grund der ſpaͤter eintretenden Krankheitserſcheinungen nicht zu ſuchen ſeyn, wenngleich beide den Eltern entgangen ſeyn duͤrften, da die Krankheit des Kindes ſo wenig auf ſich zu haben ſchien. Zehn Tage nach dem Auftreten des Frieſels offen— barteſich jedoch ein gewiſſer fieberiſcher Zuſtand, und auf die— fen folgte Gelbſucht, indem die Haut, ſowie die tunica al- buginea des Auges, ſich verfärbten, der ſpaͤrliche Harn ges roͤthet ward und die Faͤces aſchfarbig wurden. Dieſer Zu: ſtand dauerte etwa eine Woche uud hatte feinen Grund uns ſtreitig in Entzuͤndung des Magens und Zwoͤlffingerdarmes und als dieſe ſich legte, kuͤndigten ſich Zeichen von Reizung in anderen Portionen des Darmcanals durch Fieber, Jucken an der Naſe, Zaͤhneknirſchen, mißfarbige und uͤbelriechende 299 Excremente und andere Symptome des remittirenden Fiebers an, wie es ſich bei Kindern darſtellt. Darauf traten ein reichlicher Durchfall und, als dieſer nachließ, heftige rheuma⸗ tiſche Schmerzen in den Extremitaͤten ein. Dieſe begannen etwa 14 Tage nach dem Erſcheinen des Frieſels und waren von nun an mit anderen Symptomen vermiſcht, indem ſie von Zeit zu Zeit die Handgelenke und Arme und dann wie⸗ der die Knoͤchel befielen, während der angegriffene Theil fo empfindlich und ſchmerzhaft war, daß man ihn nicht beruͤh— ren durfte, und daß die Patientin ihn nicht bewegen konnte. Eine mäßige Geſchwulſt war das einzige aͤußere Kennzeichen der Entzuͤndung. Die Behandlung war anfangs lediglich auf Bekaͤmpfung der ſich gerade darbietenden Symptome ge— richtet. Die Gelbſucht wich den auf die Magen- und Le— bergegend angewandten Gegenreizen und Baͤhungen, ſowie dem innerlichen Gebrauche von Calomel, pulv. ipecac. comp. und abfuͤhrenden Clyſtiren. Die, wie in anderen Faͤllen, dem Scharlachfieber fol— gende Diarrhoͤe wurde durch einige cathartiſch wirkende Ga— ben von pulv. rhei, 2 Theile, und hydrarch. chlor. mit., 1 Theil, ſchnell gehoben. Die rheumatiſchen Schmer— zen wurden durch ſchmerzſtillende Baͤhungen, Senfpflaſter und pulv. ipecac. comp. erleichtert. Einen Monat nach dem Erſcheinen des Frieſels fingen dieſe, ſeit 14 Tagen vorhandenen Schmerzen an ſich zu ver— mindern, und das rechte Auge wurde geſchwollen nnd ſchmerz⸗ haft. Zuerſt glaubte man, nur das Augenlid ſey angegrif— fen; allein bald zeigte es ſich, daß auch andere Structuren litten. Bald trat der Augapfel um 8 —3 Zoll vor und fühlte ſich ſehr feſt an. Obgleich hier keine Augenwaſſerſucht vor— handen war, ſo haͤtte man den Fall doch, dem Anſehen nach, mit buphthalmos verwechſeln koͤnnen. Die Augenlider wurden dunkelroth und purpurroth, waren gewaltſam + Zoll weit voneinander gedraͤngt und die Augenwimpern ſtanden, aus demſelben Grunde, weit voneinander ab. Die Binde— haut bekam ein eigenthuͤmliches Anſehen, indem ſie um die Hornhaut her Falten bildete, die zum Theil uͤber die Horn— haut griffen, wie dieß bei chemosis der Fall iſt, aber bern: ſteingelb waren, da fie kein Blut, ſondern nur Serum ent hielten. Die iris war kaum ſichtbar, und die Hornhaut, ſoweit man ſie ſehen konnte, matt und nebelig, obgleich man uͤber ihren Zuſtand nicht genau urtheilen konnte, da ſie gro— ßentheils von der Bindehaut bedeckt wurde. Die Sehkraft war wahrſcheinlich faſt ganz erloſchen, wiewohl ſich, wegen des Alters und der Schwaͤche der Patientin, dieſer Punct nicht gehörig feſtſtellen ließ. Schmerzen ſchien fie nicht in hohem Grade zu leiden, was vielleicht daher ruͤhrte, daß ſie fortwaͤhrend mit ſchmerzſtillenden Mitteln behandelt wurde. Das Gefuͤhl von Spannung und Jucken ſchien in dem ge— ſchwollenen Augenlide fortwaͤhrend vorhanden zu ſeyn, da ganz gelindes Frottiren mit einer weichen Buͤrſte angenehm empfunden zu werden ſchien. Indem wir die angewandten Mittel anzugeben, uns vorbehalten, wenden wir uns alsbald zu einer anderen Phaſe der Krankheit. Als das Auge ſeine normale Groͤße wiedererlangt hatte, wurden die Haͤnde und Fauſtgelenke wieder ſchmerzhaft, ſteif und geſchwollen. Hier 745. XXXIV. 19. 300 wurde bald vollſtaͤndige Erleichterung geſchafft; allein nun traten deutliche Symptome von Pericarditis ein. Das An⸗ ſehen des Geſichtes bekundete außerordentliche Qualen und in der Gegend des Herzens fanden heftige ſchießende Schmer— zen ſtatt, waͤhrend zugleich Herzklopfen, ſchwierige und oft ſtockende Reſpiration und Unfaͤhigkeit auf der linken Seite zu liegen vorhanden waren. Zuweilen traten Exacerbationen von Schwaͤche und Qualen ein, die von reichlichen kalten Schweißen begleitet waren. Dann und wann war auch Fies ber vorhanden, gegen welches jedoch, wegen der Schwaͤche des Pulſes, kein Aderlaß vorgenommen werden konnte. Auf die Herzgegend ward ein Blaſenpflaſter gelegt, und bei forts geſetztem Gebrauche von Calomel, Opium und Colchicum wich die Krankheit bald, und das Maͤdchen iſt, nachdem ſie wieder zu Kraͤften gekommen, ſo geſund geweſen, wie je vorher. War hier ein aͤchter Rheumatismus oder nur ein aͤhn⸗ liches Leiden vorhanden, welches in Folge des Scharlach— fieber8 eintreten kann? Watſon (Principles and Prac- tice of Physic, p. 882), deſſen Anſicht die größte Be⸗ achtung verdient, hält dafür, daß in ſolchen Fällen kein Ächs ter Rheumatismus ftattfinde; denn er ſagt: „Ich habe be— obachtet, daß der Schmerz in den Gelenken durch Frottiren gelindert wurde, und dieſer Umſtand kann mit dazu dienen, dieſes Leiden von dem aͤchten Rheumatismus zu unterſcheiden. Ein zweiter unterſcheidender Umſtand iſt, daß obgleich alle dieſe Patienten Kinder waren, doch die Geſchwulſt der Ge— lenke in keinem Falle mit Herzleiden complicirt war.“ Die Guͤltigkeir des letztern Grundes wird durch den hier mitge— theilten Fall, bei dem heftige Symptome von Angegriffen- ſeyn des Herzens vorkamen, umgeſtoßen. Wir moͤchten nicht behaupten, daß nach Scharlachfieber die Pericarditis nicht auch ohne mit Rheumatismus zuſammenzuhaͤngen vorkom— men koͤnne, oder daß ſie nicht auch vorkommen koͤnne, waͤh— rend die Gelenke durch Rheumatismus geſchwollen ſind oder kurz vorher geſchwollen waren; dennoch wird in dieſen Faͤl— len die alte Regel noscitur a sociis ihre volle Gültig: keit behaupten. Ob man dieſe Krankheit als aͤchten Rheu— matismus betrachtet oder nicht, duͤrfte wenig auf ſich haben, obwohl die richtige Erkenntniß ihrer Pathologie unſtreitig Einfluß auf unſere Praxis uͤben muͤßte. Die Schmerzen veraͤndern bei dieſer Krankheit allerdings ihre Stelle und ha— ben ihren Sitz in dem faſerigen Gewebe, ſowie denn auch das Anſehen der Theile und die conſtitutionalen Symptome faſt ganz fo find, wie beim aͤchten Rheumatismus Die Arz— neimittel wirken auch in beiden Faͤllen ganz gleichartig, in⸗ dem Colchicum, Opium und Merkur gute Dienſte thun. Waͤre es nicht moͤglich, daß wegen der beſondern Reizbarkeit, die der Organismus nach dem Scharlachfieber beſitzt, die ges woͤhnlichen Urſachen des Rheumatismus, wenn ſie in gerin— gem Grade einwirken, die in der fraglichen Weiſe modificir— tem Symptome erzeugen? und daß, wenn man in den boͤs— artigern Faͤllen entſchiedenere Mittel (obwohl man in milden Faͤllen ſich immer nur der gelindeſten Mittel bedienen ſollte), z. B., die obenerwaͤhnten, und nicht bloß aͤußere Mittel an— wendete, die bei Rheumatismus ſo leicht Metaſtaſen erzeu— 301 gen, aber dennoch von den Aerzten, die über die Folgen des Scharlachfiebers geſchrieben haben, mehrentheils empfohlen werden, der Rheumatismus ſeltener fliegend und folglich tes niger gefaͤhrlich auftreten wuͤrde? Daß man es bier mit einem aͤchten Rheumatismus zu thun habe, ſcheint ſich auch aus der intereſſanteſten Er— ſcheinung des vorſtehend erlaͤuterten Falles, naͤmlich dem Her— vorquellen des Auges, zu ergeben. Da ſeit dem Anfange der Behandlung der Patientin durch mich eine duͤrftige Se— cretion von dickem und blutigem Harn ſtattfand, ſo wurde wenngleich keine ſehr auffallenden Symptome von anasarca zum Vorſcheine gekommen, doch, als die Geſchwulſt des Au— ges begann, dieſelbe einem oͤdematoͤſen Zuſtande der Augen— lider zugeſchrieben; als ſie aber zunahm, neigte man ſich zu der Anſicht, es ſey hier eine Augenwaſſerſucht vorhanden, und ein in Augenkrankheiten ſehr erfahrner Arzt erklaͤrte das Leiden dafuͤr. Der Harn ließ ſich jedoch durch Erhitzung nicht zum Coaguliren bringen, und die Symptome, naments lich die ſeroͤſe chemosis, welche die Unterſuchung der inneren Structuren verhinderte, rechtfertigte dieſe Diagnoſe nicht. Eben— ſowenig that dieß die Wirkungsart der Arzneimittel. In der Vorausſetzung, daß eine Augenwaſſerſucht zu bekaͤmpfen ſey, wurden, waͤhrend man ſchmerzſtillende und ſchleimige Baͤhungen und Breiumſchlaͤge oͤrtlich anwandte, innerlich Salpeter und digitalis verordnet, ohne daß das Auge das durch gebeſſert oder die Harnſecretion vermehrt worden waͤre, und erſt nachdem einige Tage lang Calomel gebraucht wor— den war, trat einige Beſſerung ein. Das Auge blieb indeß faſt drei Wochen lang hervorgequollen. Allein die innere Structur des Auges hatte unwieder— bringlichen Schaden gelitten, und die Sehkraft war verloren gegangen. Daſſelbe iſt gegenwärtig (November 1344) klei— ner, als das andere, und ſein atrophiſcher Zuſtand ergiebt ſich nicht nur aus deſſen Anſehen, ſondern auch wenn man es, waͤhrend es mit dem Augenlide bedeckt iſt, befuͤhlt. Auch iſt die Bindehaut getruͤbt geblieben, und man bemerkt dieß ſtets, außer wenn ſie durch Einwirkung von Kaͤlte deutlich gefaͤßreich wird. Hrn. Ferrall, dem ein Fall von Rheumatismus vor— gekommen war, auf den ein ſchmerzhaftes Leiden des einen Auges folgte, das 4 Zoll weiter als das andere hervortrat, ſtellte eine genaue anatomiſche Unterſuchung des Organes und ſeiner Huͤllen an. Er fand eine deutliche Scheide von fa— ſeriger Conſiſtenz und gelblichweißer Farbe, welche den Aug— apfel umgab und ihn vor der Einwirkung der Muskeln ſchuͤtte. Dieſe Fascia *) nannte er: tunica vaginalis oculi, und da dieſelbe in dem Falle, welcher die Unterſu— chung veranlaßte, ſowie in mehreren andern, wo ein aͤhn— liches Hervortreten des Augapfels ſtattfand, erkrankt war, fo nannte er die Krankheit: rheum atiſche Entzündung der tunica vaginalis oculi. Ich kann meine eigenen Anſichten über den oben dargelegten Fall, der von *) Dieſe Fascia war bereits von Tenon in einer dem franzoͤſi⸗ ſchen Inſtitut im Jahre 1804 vorgeleſenen Schrift beſchrieben worden. Vergl Memoires et Observations sur l' Anatomie, la Pathologie et la Chirurgie de_l’oeil, Paris 1816. 745. XXXIV. 19. 802 denen, über welche Hr. Ferrall berichtet, nur inſofern ab» weicht, als er in Folge von Scharlachfieber eintrat, nicht beſ⸗ ſer darlegen, als indem ich mich der eigenen Worte des Hrn. Ferall bediene. „Das Hervortreten des Augapfels, welches ſich unmoͤg— lich, wie manche phantaſiereiche Aerzte verſucht haben, aus uncomplicirter periostitis erklaͤren laͤßt, erſcheint als ein ſehr einfaches und unvermeidliches Reſultat der Entzuͤndung der tunica vaginalis oculi. Es ſind hier keine weichen Theile vorhanden, welche den Druck aufnehmen und vertheilen oder den Augapfel ſchuͤtzen koͤnnten. Die tunica iſt an ihrer Außenſeite von anderen faſerigen Schichten, ſowie von den Muskeln, deren Scheiden dieſe Schichten bilden, umgeben. Auf die Entzündung dieſer Kapfel muß demnach unmittel- bar Druck auf den Augapfel erfolgen, und wenn wir beden— ken, daß bei der Entzuͤndung anderer faſeriger Gewebe als— bald Ergießung, und zwar hier in die Zellmembran eintritt, welche die Kapſel mit dem Augapfel verbindet, ſo liegt es auf der Hand, daß der letztere aus feiner Lage geruͤckt wer— den muß. „Dieſe Ergießung in das Zellgewebe offenbart ſich auch noch auf eine andere Weiſe. Die tunica vaginalis wird vorn von der Bindehaut umſchloſſen, naͤmlich an der Stelle, wo dieſe eine Falte bildet, indem ſie ſich vom Augenlide auf den Augapfel umſchlaͤgt. An dieſer Stelle wird die Binde— haut nicht nur von dem ergoſſenen Serum gedruͤckt, ſondern auch durch die Ausdehnung der Infiltration von der tunica sclerotica abgelöf’t werden; daher rührt die bernſteinfarbige chemosis der Bindehaut, ohne daß Vascularitäͤt derſel— ben eintritt. Wenn dagegen durch die Entzuͤndung der Bindehaut eine chemosis entfteht, fo iſt ſtets, außer der ſeroͤſen Infiltration, eine oder die andere Form von Ueber— fuͤlung mit Blut zu bemerken. Die chemosis, von wel⸗ cher hier die Rede iſt, tritt dagegen in Faͤllen, wo keine Com— plication ſtattfindet, in Folge einer Ergießung aus einer tie feren Quelle ein.“ (London medical Gazette, Febr. 1845.) Ueber die Anwendung des Zinkvalerianats bei Chloroſe. Von Dr. Odoardo Turchetti. T. G. Fucecchio, 36 Jahr alt, Spitzenkloͤpplerin, robuſter, kraͤftiger Conſtitution, ſtets geſund, hatte im Herbſte 18 13 waͤhrend der Menſtruation einen heftigen Schreck, wo— durch die menses ſogleich ſiſtirt wurden. Wenige Tage da— rauf Abnahme des Appetits und der Kraͤfte, Muskeln ſchlaff, Haut gelblich, Niedergeſchlagenheit und Melancholie, Oedem an den Knoͤcheln, Abmagerung. Schlaf wenig, ſtets unru— hig und geſtoͤrt, Herzklopfen mit Athembeſchwerden und dro— hender Suffocation, beſonders nach einem langen Spatzier— gange, bei'm raſchen Gehen oder bei'm Treppenſteigen. Die— ſer Zuſtand dauerte einen Monat hindurch fort, die Menſtrua— tion blieb aus. Das Uebel wurde nun ſchlimmer, und es geſellte ſich ein ſehr heftiger trockner Huſten und Ohnmach— ten hinzu. Als Hr. Turchetti jetzt die Kranke ſah, war 303 fie kaum wieder zu erkennen. Geſicht mager, gerunzelt und alt, Augenlider oͤdematoͤs und livid, bleigelbe Hautfarbe, Aus gen tiefliegend und hohl, Oedem an den Knoͤcheln und einem Theile des Beines, Puls klein, frequent und vibrirend, ſicht— bares Pulſiren der Carotiden, Herzſchlag regelmaͤßig, aber nicht ausgebreitet, breit die diastole in der Bruſt hoͤrbar. Reſpiration und Percuſſion normal, Bauchwandungen einge zogen und ſchmerzhaft, Urin fedimentös, Stuhlausleerung ſpar— ſam, regio hypogastrica ſchmerzhaft bei'im Drucke. Die Gemuͤthsſtimmung der Kranken wurde von Tage zu Tage duͤſterer, reizbarer und melancholiſcher, fie wurde ſo ſchwach, daß ſie das Bett nicht mehr verlaſſen konnte, die Ohn— machten traten täglih 15 — 18 mal ein, und dauerten jedesmal 4— 12 Minuten. Hr. Turchetti diagnoſticirte eine ſchwere Form von Chloroſe, und entzog einige Unzen Blut am Arme; das Blut war ſeroͤs, der Blutklumpen weich und hellroth. Der durch den Aderlaß gewonnene Vor: theil war fo dubiös, daß Hr. T. nicht den Muth hatte, den⸗ ſelben zu wiederholen. Einige Tage nachher empfand die Kranke das Gefühl einer großen Laſt in der Herzgegend; 10 Blutegel wurden applicirt, nuͤtzten aber nur wenig, indem nur eine Ohnmacht weniger in 24 Stunden eintrat. Da die Menſtruationsepoche herannahte, ſo hielt es der Verfaſſer für geeignet, einige Blutegel an die Genitalien zu applici— ren; die Menſtruation trat reichlich ein, aber der Zuſtand der Kranken befferte ſich nicht. Limonade zum Getränke, Sorge für Stuhlausleerung, Pillen aus Ferr. sulphur. und extr. Aloës, ein Decoct. Valerianae, Secale cornutum, Blaſenpflaſter an die Magengegend, warme Fomentationen an die Füße, milde Diät u. ſ. w. Alles ohne Erfolg. Verf. dachte nun daran, das valerianſaure Zinkoxyd zu verſuchen, welches ihm in dem vorliegenden Falle von Chloroſe mit nervoͤſer syncope, durch Schreck erzeugt, vorzugsweiſe indicirt erſchien, und verordnete das Mittel in der Doſis von 6 Gr. in 24 Pillen mit extr. chinae, anfaͤnglich 2, dann 3—4 taglich. Schon nach der erſten Gabe fühlte ſich die Kranke ſehr erleichtert; nach 14 Tagen wurden die Ohnmachten nach und nach ſchwaͤcher und kuͤrzer, die Kraͤfte kehrten zuruͤck, Oedem und Huſten verſchwanden und die Kranke nahm an Koͤrperfuͤle zu. Die Wangen roͤtheten fi bald, und ver— mittelſt der Anwendung einiger tonica, kraͤftigen Weines und maͤßiger Bewegung im Freien, wurde die Kranke voll⸗ ſtaͤndig hergeſtellt. (Aus L’Experience, im Dublin Jour- nal, Nov. 1844.) 745. XXXIV. 19. 304 Misere ien. Differentielle Diagnoſtik der Coralgie und neu⸗ vralgiſchen Huͤftſchmerzen. Ein zweifelhafter Fall von Diagnoſtik kam im Hoſpitale Lourcine bei einer Frau von 35 Jah⸗ ren vor, die ſich über Schmerzen im Laufe des n. cruralis und der aufſteigenden Zweige des n. ischiadicus beklagte. Dieſe Schmer⸗ zen waren tief; die Kranke gab an, daß ſie drei Monate eine kalte, feuchte Stube bewohnt habe. War das nun eine bloße Neuralgie oder eine Gelenkkrankheit? Hr. Piorry wendete ein Huͤlfsmittel an, deſſen er ſich unter aͤhnlichen Umſtaͤnden immer bedient, um die differentielle Diagnoſtik zwiſchen dieſen beiden Affectionen zu erhal⸗ ten. Er klopfte leicht auf den großen Trochanter; das einfache Verfahren, welches den Schmerz vermehrte, reichte hin, um Hrn. Piorry für die Anweſenheit einer Coxalgie und die derſelben ge⸗ maße Behandlungsweiſe zu entſcheiden. — Seit längerer Zeit ſchon war Hr. Piorry darauf gekommen, in derſelben Abſicht uns ter die planta pedis zu klopfen. Aber die Percuſſion auf den gro⸗ ßen Trochanter ſcheint ihm vorzuͤglicher, da fie direct in der Rich⸗ tung des Gelenkes wirkt. Als ligamentum dentis beſchreibt Dr. Goddard (Ana- tomy Physiol. and Pathol. of the human teeth etc. Philad. 1844) ein fibroͤs-ligamentoͤſes Band am Rande der Alveole, welches den= ſelben mit dem Halſe des Zahnes verbindet. Daſſelbe iſt bei den Schneidezaͤhnen ſchwach entwickelt oder fehlt auch ganz bei denſel⸗ ben, an den Eck- und Backenzaͤhnen dagegen iſt es ſo ſtark, daß es das Ausziehen derſelben ſehr behindert, wenn es nicht vor= her durchſchnitten wird. Die feſte Anheftung dieſes Ligaments an den Rand der Alveole iſt wahrſcheinlich die Urſache davon, daß bei'm Ausziehen der Backenzaͤhne gewoͤhnlich ein Stück des Knochenran⸗ des mit entfernt wird. Das kigament ſcheint die Zähne bei'm Kauen daran zu verhindern, auf die Alveolen oder empfindlichen Zahnſäcke zu ſtark zu druͤcken; daſſelbe laͤßt ſich, wenn man den geſunden Zahn feſt zwiſchen 2 Fingern faßt und bewegt, ohne Schmerzen etwas bewegen. Zur Beſtaͤtigung ſeiner Anſicht, daß die Backen⸗ zaͤhne bei'm Kauen ſich ſehr wenig bewegen, führt Verf. den Um⸗ ftand an, daß, wenn man 2 einander gegenuͤberſtehende Backenzaͤhne an ihren Beruͤhrungspuncten unterſucht, man ſtets finden wird, daß der Schmelz an dieſen Puncten betraͤchtlich abgenutzt iſt. Ueber Cyanoſe neugeborner Kinder hat Herr Maigs aus Pennſylvania der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften am 16. Juni die Mittheilung gemacht, daß, wenn das ganz blau ausſe— hende Kind auf feine rechte Seite gelegt werde, mit etwas er— hobenem Kopfe und Bruſt, die Arterien meiſtens mit oxygenir⸗ tem Blut gefuͤllt werden und die blaue Faͤrbung verſchwinden wuͤrde. Er verſichert, daß er ourch dieſes einfache Verfahren die Haͤlfte ſolcher Kinder am Leben erhalten habe, waͤhrend alle andern Behandlungsarten erfolglos geblieben ſeyen. (Ausfuͤhrlicheres wer— den wohl die Comptes rendus des seances de l’academie des sciences mittheilen.) Ammonium succinicum gegen Delirium tremens, wandte Hr. Scharn mit großem Erfolge an, und beſeitigte durch dieſes Mittel die wuͤthendſten Delirien und die ganze Krankheit bin» nen wenigen Stunden. (Journal de pharmacie, Mars 1844.) Giblio graphische Outlines of Chemistry far the use of students. gory, M. D. Part 2. Organic Chemistry. sch Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Von v. Siebold und Stannius. Berlin 1845. 8. (Nur von der zweiten Abthei⸗ lung: Wirbelthiere von Stannius iſt das erſte Heft erſchienen.) By Will. Gre- London 1845. Neuigkeiten. Contribution to the medical history and treatment of sexual diseases. By John Hey Robertson, M. D. Edinburgh 1845. 8. De la pneumonie aigue et chronique chez les vieillards. "These Par Edouard Charlton. Paris 1845. 8. Menue Uotizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt ) von dem Ober» Medieimalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medisinalrarhe und Profeſſor Froriep zu Berlin, No. 746. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 20. des XXIV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 ff. 30 * Junius 1845. des einzelnen Stückes 3%, 8 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, As Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 855 Fan wer Ueber die Schaͤdelbildung der Lapplaͤnder und Finnlaͤnder Von James C. Prichard, Dr. M. ) Ruͤckſichtlich der Darlegung der phyſiſchen Kennzeichen des Ugriſchen oder Ugoriſchen Volksſtammes, unter welchem Namen neuere Schriftſteller die Lappen und Finnen, die Ma— gyaren oder Ungarn und mehrere ſibiriſche Nationen zuſam— menfaſſen ““), iſt bis jetzt noch wenig geſchehen. Dieß ruͤhrt zum Theil von dem Umſtande her, daß bis jetzt in keiner der Sammlungen Europas viele Schaͤdel von dieſen Voͤlkerſchaften, ſowie, daß auch noch keineswegs vollſtaͤndige Beſchreibungen derſelben exiſtiren. Blumenbach hat in feinen Decades craniorum die Abbildung des Schaͤdels eines Lappen mitgetheilt und in der Beſchreibung deſſelben angegeben, daß er viel Aehnlichkeit mit dem der Mongolen habe. Dr. Hueck berichtet über das Anfeben und die allgemei— nen phyſiſchen Charactere der Eſthlaͤndiſchen Finnen und zieht aus ſeinen Beobachtungen den Schluß, daß deren Schaͤdelform von der der mongolifhen Race ſehr bedeutend abweiche; kurz er ſagt, beide haͤtten nichts weiter miteinan— der gemein, als eine gewiſſe quadratiſche Geſtalt, die indeß keinesweges conſtant ſey. Nach dieſen Angaben ſollte man annehmen, die Schaͤ— del der Finnen und Lappen weichen ſehr bedeutend vonein— ander ab, und man möchte ſich demnach für die von Leh r— berg aufgeſtellte Anſicht entſcheiden, daß dieſe zwei Voͤlker beſonderen Racen angehoͤrten, zumal da ſich deſſen Meinung ſowohl auf die geiſtigen als phyſiſchen Verſchiedenheiten zwi— ſchen ihnen gründet***), Auf der anderen Seite ſprechen die Geſchichte dieſer Voͤlker und in'sbeſondere die große Aehnlichkeit ihrer Sprachen ſehr fuͤr eine nahe Verwandtſchaft zwiſchen den Finniſchen und Lappiſchen Nationen, ſowie denn auch die Verſchiedenheit in dem Grade der Geſittung keineswegs für eine Verſchieden— heit des Urſprungs beweiſ't, wenngleich jene der Grund *) Aus den Proceedings of the Zoologigal Society for Aug. 13, 1844. ) Der Ugriſche Volksſtamm, von F. H. Müller, *) Lehrberg uͤber die Wohnſitze der Jemen (Finnen ?), ein Bei— trag zur Geſchichte Neu-Finnlands, in Unterſuchungen zur Er— laͤuterung der alten Geſchichte Rußlands. W. 1846. — 746. KR unde. ſaͤmmtlicher geiſtigen und moͤglicherweiſe auch phyſiſchen Ab— weichungen zwiſchen den Finnen und Lappen ſeyn duͤrfte. Wegen dieſer Ungewißheit wird es um ſo wichtiger, daß durch die Unterſuchung der Schaͤdel die phyſiſchen Kennzei— chen jeder Nation genau feſtgeſtellt uud auf dieſe Weiſe er: mittelt werde, ob wirklich Aehnlichkeiten vorhanden ſind, welche auf eine nahe Verwandtſchaft hindeuten, oder ob ſich dagegen ein hinreichender Grad von Verſchiedenheit heraus— ſtellt, um jene Voͤlker als abgefonderte Racen zu betrachten und ſie folglich in verſchiedenen Hauptzweigen des Menſchen— geſchlechts unterzubringen; kurz, ob dieſe Unterſchiede zu be: deutend ſind, als daß ſie ſich lediglich aus der Einwirkung des Klimas und der Lebensweiſe, oder uͤberhaupt der aͤußern Potenzen erklaͤren ließen. Die Unterſuchung dieſer Schaͤdel iſt auch noch in einer andern Beziehung intereſſant. In Scandinavien und Daͤnemaͤrk giebt es zahlreiche Grabhuͤgel, welche oſteologiſche Ueberreſte fruͤherer Bewohner jener Laͤnder enthalten, und man ſtreitet ſich darüber, ob dieſelben von einem Urſtamme der Finnen oder von der Cimbriſchen oder einer unbekannten Race her— ruͤhren, da ſie von den organiſchen Ueberreſten des germani— ſchen Volksſtammes verſchieden ſind. Wenn wir nun eine durch— aus richtige Beſchreibung des ſinniſchen Schaͤdels aufſtellen konnten, fo würde ſich leicht entſcheiden laſſen, ob die frag: lichen Ueberreſte dieſer Race angehören. Da ich mich im Beſitze von 2 finniſchen und 2 lappi— ſchen Schaͤdeln befinde, welche mein Vater durch die Güte des Dr. Ilmoni und Hrn. Daniel Wheeler zu Briſtol erlangt hat, ſo bietet ſich mir eine Gelegenheit dar, ihre Ei— genthuͤmlichkeiten zu unterſuchen und ſie miteinander, ſowie mit den Schaͤdeln der Europaͤer, Chineſen, Americaner, In— dier und Eskimos zu vergleichen, welche letztern ſich durch ihre Pyramidenform und die Breite des Geſichtes auszeichnen. Bei der allgemeinen Betrachtung dieſer Schaͤdel fallen uns an denſelben keine ſolche Eigenthuͤmlichkeiten in der Bil— dung auf, wie wir ſie an dem der Eskimos wahrnehmen. Der einzige Punct, der ſich, wenn man nicht in's Einzelne eingeht, bemerklich macht, beſteht in der bedeutenderen Breite des Geſichts, im Vergleiche mit dem der uͤbrigen Europaͤer, wodurch, wenn der Unterkiefer noch am Kopfe iſt, dieſer ein quadratiſches Anſehen erhaͤlt und die gez Kürze des Ge: 507 ſichts, welche diefe Schädel characteriſirt, um fo ſtaͤrker her— vortritt. Die allgemeine Aehnlichkeit zwiſchen den Schaͤdeln der Finnen und Lappen iſt durchaus ſo bedeutend, wie die zwiſchen vier Normalſchaͤdeln einer und derſelben europaͤiſchen Nation, und ihre Umriſſe haben allerdings mit denen der Mongo⸗ liſchen Schädelform Blumenbach's große Aehnlichkeit, in— dem der Kopf, wie ein Augenzeuge bemerkt hat, in der Ge— ſtalt einem Haͤngedach aͤhnlich iſt. Bei genauerer Unterſuchung entdeckt man übrigens Un— terſchiede, ſowohl zwiſchen den Schaͤdeln der Lappen und Fin— nen auf der einen, als zwiſchen dieſen und den Schaͤdeln der Europäer auf der andern Seite. Von Oben und Hinten geſehen, bemerkt man zwiſchen den Lappen und Finnen einen geringen Unterſchied. Der Hinterkopf iſt bei den Lappen breiter als der Vorderkopf, während bei den Schaͤdeln der Finnen die Geſtalt mehr re— gelmaͤßig und rund iſt, d. h., die Linie zwiſchen den Sei— tenwandbein-Hoͤckern übertrifft den Queerdurchmeſſer der Stirn bei den Lappen mehr an Laͤnge, als bei den Finnen. Ich finde indeß, daß bei europaͤiſchen Schaͤdelnz ſelbſt von dem naͤmlichen Volke, in dieſer Beziehung ein eben ſo bedeuten— der Unterſchied ſtattfindet. Aus derſelben Richtung geſehen, bieten ferner die Schaͤdel der Lappen, wenn man nach dem Umriſſe der Stirn hinblickt, eine Mittelerhoͤhung oder einen Ruͤcken dar, welcher die Vereinigungslinie zwiſchen den bei— den Haͤlften des Stirnbeins iſt, und die bei dem Schaͤdel der Finnen kaum bemerkbar, bei dem der Europaͤer gar nicht vorhanden, bei dem der Eskimos dagegen aͤußerſt ſtark her— vorragend iſt. Von Vorn betrachtet, geben uns dieſe Schaͤ— del im Allgemeinen ein ganz entgegengeſetztes Reſultat; denn die Pfeilnath, welche nun die Medianlinie iſt, und die Fort: ſetzung der Stirnnath des jugendlichſten Alters nach Hinten zu, ſtellen ſich dann, wenn man nach dem Umriſſe oder Ho⸗ rizont des Schaͤdels blickt, bei den Finnen entſchieden ſtaͤr— ker hervortretend, als bei den Lappen, bei beiden aber auf— fallender dar, als bei den andern Europaͤern. Deßhalb laͤßt ſich behaupten, daß die Schaͤdel der Finnen und Lappen, inſofern wir das Gewoͤlbe des Cranium, abgeſehen von der durch die Breite des Geſichts veranlaßten Wirkung, betrachten, der pyramidalen Geſtalt naͤher kommen, als die der andern Europaͤer, aber weniger nah, als die der Eskimos. Wenn man dieſe Schaͤdel von Vorne unterſucht und das Geſicht in Betracht zieht, ſo tritt die dreieckige Geſtalt ſehr deutlich hervor, zum Theil wegen des in Betreff des Gewoͤlbes des eranium eben bemerkten Umſtandes, zum Theil wegen der betraͤchtlichen Entfernung zwiſchen den aͤu— ßern Oberflaͤchen der Backenknochen, deren abſoluter Abſtand bei den zwei Lappen und Finnen wenigſtens um & Zoll, in einem Falle ſogar um 1 Zoll bedeutender war, als dei an— deren Europaͤern, und dem der Eskimos gleichkam. Bei die— ſen letztern, welche die pyramidale Schaͤdelform in ſo auffal— lendem Grade darbieten, ruͤhrt dieß ebenſowohl von der Ge— ſtalt der Stirn, als von dem ſeitlichen Hervortreten der vor— dern Baſis der processus zygomatici her. Dieſer ſtarke Queerdurchmeſſer des Geſichts hat, wie Dr. Hueck richtig bemerkt, ſeinen Grund nicht ſowohl in der groͤßern Breite oder eigenthuͤmlichen Geſtalt der Backenknochen, als in der 746. XXXIV. 20. 308 verſchiedenen Breite und Richtung des processus malaris des Oberkieferknochens. Der Umriß der aͤußeren Oberflaͤche dieſes Knochens iſt, wenn man den Schaͤdel gerade von Vorn betrachtet und ſo die Linie in's Auge faßt, welche von dem hinterſten ſichtba⸗ ren Backenzahne nach der den Backenknochen und den Ober— kieferknochen verbindenden Nath laͤuft, bei den Schaͤdeln der Europaͤer im Allgemeinen entweder ſenkrecht oder zuweilen ſogar anfangs mehr einwaͤrts geneigt und weiter nach Oben zur Bildung des unterſten Theils des zygoma auswaͤrts gerichtet. Bei den Eskimos laͤuft dieſe Linie ſchraͤg nach Oben und Außen, ſodaß ſie im Anfange einen Winkel von 45% bildet, und bei den Finnen und Lappen hält fie zwi— ſchen jenen beiden Richtungen die Mitte, indem ſie ſich ein Wenig nach Außen neigt. Dieſe Schraͤgheit ſpricht ſich bei den Finnen entſchieden deutlicher aus, als bei den Lappen. Bei dieſer Anſicht von Vorn gewahrt man von der ſeitlichen Portion des Unterkiefers eine größere Oberfläche, als gewoͤhnlich, theils wegen der bedeutenderen gegenſeitigen Entfernung der Condylen, von der bei der Betrachtung der Baſis des Schaͤdels mehr die Rede ſeyn wird, theils wegen des Umſtandes, daß die Kieferwinkel ſeitlich ſtaͤrker hervortreten, indem der ganze Knochen eine ſtaͤrkere Entwickelung darbietet, als bei andern Europaͤern. Ruͤckſichtlich einiger mehr in's Einzelne gehenden Puncte dieſer Schädel iſt zu bemerken, daß die eristae supracilia- res ſtark markirt find, daß die ossa nasi, ſowie die auf: ſteigenden Fortſaͤtze der Oberkieferknochen, eine plattere und breitere Vorderflaͤche darbieten, als bei den übrigen Euro— paͤern, und daß die Hoͤhlungen und foramina ſtark ausge⸗ praͤgt ſind. Bei allen dieſen vier Schaͤdeln iſt die uͤber der orbita befindliche Oeffnung fuͤr den Stirnnerven und die Stirnarterie auf der linken Seite ein vollſtandiges fora- men, auf der rechten Seite aber eine bloße Auskerbung. In Folge der groͤßern Breite des Oberkieferknochens, iſt die Geſtalt des Umkreiſes der orbita nicht ſo rund, wie bei den europaͤiſchen Schaͤdeln uͤberhaupt, wo der aͤußere und untere Winkel die tiefſte Stelle iſt, ſondern mehr viereckig mit abgerundeten Ecken, und aus demſelben Grunde iſt der Raum für das antrum weiter, während die Tiefe der kossa infraorbitalis s. canina bedeutend geringer iſt. Bei ei- nem der finnifchen Schädel iſt dieſe Oberfläche, von dem un: teren Rande der orbita bis zu den processus alveolares, beinahe eben. In Betreff der Naſenoͤffnung iſt nichts Be: ſonderes zu bemerken. Die Geſtalt der orbita weicht be: deutend von der bei den Eskimos, wo ſie faſt rund, ſowie von der des Schaͤdels eines Sioux-Indianers ab, wo fie mit der der andern Europaͤer viel Aehnlichkeit darbietet. Die Entfernung der Zaͤhne vom unteren Rande der Naſenoͤffnung, d. h. von der vordern spina der Naſe bis zum Rande des Alveolarfortſatzes, iſt bei allen vier Schaͤ— deln der Lappen und Finnen entſchieden geringer, als bei den ſaͤmmtlichen Schaͤdeln anderer Europäer, die ich mit jenen verglichen habe. Die Zaͤhne ſind ſtark abgenutzt. Betrachtet man dieſe Schaͤdel von der Seite, ſo er— kennt man, daß die Stirn etwas mehr zuruͤckweicht, als bei den Europaͤern im Allgemeinen, wiewohl der Unterſchied nicht 309 bedeutend und wohl nicht größer iſt, als man ihn bei ver: ſchiedenen Individuen deſſelben Stammes findet. Die allgemeine Geſtalt des Kopfes hat Vorn mit der der Europaͤer Aehnlichkeit, wogegen der hintere Theil nicht ſo weit hervorragt. Zwiſchen der Hervorragung nach Hin— ten bei den Finnen und Lappen, ſowie der bei den Eskimos, bemerkt man einen bedeutenden Unterſchied, indem dieſelbe bei den Letztern weit bedeutender iſt. Die Linie, welche den Umriß der ossa nasi etc., d. h. das Profil des Geſichtstheils des Schaͤdels darſtellt, bietet weit weniger auffallende Unregelmaͤßigkeiten dar, als bei den übrigen Europäern. So tritt z. B., wenngleich, wie gefagt, die eristae supraciliares gut markirt find, der Stirnknochen nicht uͤber die Naſenknochen hervor, wie bei den Letztern, wo ein deutlicher Winkel zu bemerken iſt. Bei den Eskimos iſt die Linie von der Stirn bis zur Naſe bei— nahe gerade, und an dem Schaͤdel eines Sioux Indianers, ſowie dem eines Chitamache-Indianers, iſt die Kruͤmmung ungemein regelmaͤßig und offen. Bei den Lappen und Fin⸗ nen iſt daher die Naſe an die Stirn unter einem ſchaͤrfern Win— kel angeſetzt, als bei den zuletzt erwähnten Schaͤdeln; allein un⸗ ter einem weit weniger ſcharfen, als bei den uͤbrigen Europaͤern. Von der Seite geſehen, bieten dieſe Schaͤdel noch ei— nen merkwuͤrdigen Umſtand dar. Da das os oceipitale nach Unten zu nicht fo ſtark entwickelt iſt, wie bei den uͤbri— gen Europaͤern (wir haben ſoeben bemerkt, daß es auch hin— terwaͤrts nicht ſo ſtark hervorrage, wie bei dieſen), und da der hintere Rand des Unterkiefers, von dem condylus bis zum Winkel, länger iſt, wie bei den Letztern, fo beruͤhrt, wenn man den Schaͤdel auf einen Tiſch oder irgend eine ebene ho— rizontale Flaͤche ſetzt, der Unterkiefer dieſe Letztere nur an ſeinem Winkel, ſodaß er nicht mit ſeiner ganzen Baſis auf— liegt, wie es bei den Englaͤndern, Irelaͤndern, alten Irelaͤn— laͤndern (Gypsabguß), Sioux, Italiaͤnern und Mulatten der Fall iſt. Die einzigen Nationen, welches dieſes Kennzeichen mit den Finnen und Lappen gemein haben, ſind die Neger und Hindus. Der Winkel des Unterkieferknochens iſt offenbar ſtum— pfer (als bei den Europäern), wenn man ihn an Schaͤdeln mit vollzaͤhligen Backenzaͤhnen beobachtet. Ruͤckſichtlich der Geſtalt und Richtung des kronfoͤrmigen Fortſatzes ſcheint kein erheblicher Unterſchied vorzuliegen. Die fossae temporales find gut ausgepraͤgt, und bei einem der finniſchen Schaͤdel ſind die vordern unteren Win— kel der Seitenwandbeine auf beiden Seiten mittelſt eines os wor— mianum mit den großen Fluͤgeln des ossphenoideum verbun⸗ den. Dieß iſt auch bei andern crania nicht felten der Fall. Die an dieſen Schaͤdeln bemerkbare allgemeine Kuͤrze des Geſichtes ſtellt ſich, wenn man dieſelben von der Seite betrachtet, noch deutlicher dar, und wir finden dann, daß der untere Rand des os malare ſehr wenig hoͤher liegt, als der processus alveolaris. Dieß rührt nicht ſowohl von eis nem Mangel in der Entwickelung dieſer Forſaͤtze nach Unten (obwohl ich bereits auf die Kuͤrze des Raumes zwiſchen der Naſe und dem Munde aufmerkſam gemacht habe), als von der großen Breite (von Unten nach Oben gemeſſen) des Backenknochens her, wenn man denſelben von feinem freien un: 746. XXXIV. 20. 810 teren Rande bis zu ſeiner Anfuͤgung an den processus orbitalis externus des Stirnbeins mißt; und es iſt ein merkwuͤrdiger Umſtand, daß dieß Maas bei allen Exempla⸗ ren der Schaͤdel von Finnen und Lappen bedeutend groͤßer, als bei irgend einem meiner andern europaͤiſchen Schaͤdel, und völlig fo bedeutend iſt, wie bei den Schaͤdeln der Eskimos und Americaniſchen Indianer. Die Breite dieſer Oberflaͤche des os malare iſt bei einem der finniſchen Schaͤdel um Vieles betraͤchtlicher, als bei irgend einem von allen Schaͤdeln, die zu meſſen ich je Gelegenheit hatte. Auf dieſe Weiſe faͤllt die Kuͤrze des Geſichts, vermoͤge der großen Breite des Backenknochens, von der Seite geſe— hen, um ſo ſtaͤrker auf. Die allgemeine Geſtalt der Baſis des exanium bieet nichts ſehr Auffallendes dar, wenn man die zygomatiſchen Boͤgen ausnimmt. Das foramen magnum iſt mehr oval geformt, als gewöhnlich, und das os oceipitale nicht ganz ſo ſtark entwickelt, wie bei andern Europaͤern. Dieß ſtimmt mit dem überein, was wir bereits bei Gelegenheit der Geiz tenanſichten dieſer Schaͤdel bemerkt haben, ſowie mit Dem, was Dr. Hueck in Betreff des Raumes fuͤr das kleine Ges hirn beobachtet hat, den er bei der Unterſuchung der Schaͤ— delhoͤhle, in Folge der geringen Concavitaͤt der fossa occi- pitalis inferior, verhaͤltnißmaͤßig klein fand. Die Condy— len des Hinterhauptbeins ſind auffallend groß und meſſen bei dreien meiner vier Schaͤdel nach ihrer groͤßten Axe 1 Zoll bei einem (finniſchen) aber noch mehr. Ihre Breite iſt nicht beſonders ſtark. Dieß iſt bei keinem andern von mir unterſuchten europaͤiſchen Schaͤdel der Fall, dagegen bei de— nen der Hindus, des Chitamache-Indianers und in gewiſſem Grade bei denen der Eskimos. Dieſe Gelenke muͤſſen offen— bar eine weit freiere Bewegung von Hinten nach Vorn und umgekehrt geſtatten, als gewoͤhnlich. Die zygomatiſchen Boͤgen, welche von der Baſis aus am Beſten geſehen werden, ſind weit ſtaͤrker gekruͤmmt, als bei andern Europaͤern, und nur um ein Geringes weniger, als bei den Eskimos; auch die Alveolarfortſaͤtze treten uͤber das vor— dere Ende des 2ygoma weiter hervor, als bei den andern Europaͤern, und weniger weit, als bei den Eskimos. Die cavitates glenoideae find flacher, weiter aus: einandertretend und nicht ſo ſcharf begraͤnzt, als bei den üb- rigen Europaͤern, und einen dieſem entſprechenden Unterſchied bemerkt man an dem Unterkiefer, wo die Condylen nicht nur weiter von einander abſtehen, ſondern auch rundlicher ſind und die Bewegung zur Seite in groͤßerm Umfang geſtatten. Mit dieſem Umſtand in Uebereinſtimmung, finden wir auch, daß die processus pterygoidei des os sphenoideum, in'sbeſondere die aͤußern Platten breiter ſind und ſich weiter auswaͤrts erſtrecken, ſo daß die musculi pterygoidei, welche bei'm Kauen die ſeitliche oder reibende Bewegung zu vermits teln haben, breitere Anheftepuncte gewinnen. Ich habe ſchon oben des entſprechenden Umſtandes gedacht, daß die Zaͤhne ſtark abgefuͤhrt ſind. Die zur Anheftung der Muskeln an das Gaumenbein beſtimmten eristae find gehörig markirt, und von Unten ges ſehen, treten die Alveolarfortſaͤtze nicht ſo bedeutend uͤber den horizontalen Theil des Gaumenbeins hervor; der ganze harte 20 * 311 Gaumen bildet nämlich eine gleichfoͤrmige Kruͤmmung, ſtatt erſt eben zu ſeyn und ſich dann ploͤtzlich zu biegen und fo faſt einen Winkel zu bilden, welchen man an andern Euro— paͤiſchen Schaͤdeln an der Stelle bemerkt, an welcher die Al— veolarfortſaͤtze anheben. Dieſe Schädel der Finnen und Lappen find ſehr maſ— ſiv und ſchwer. Wiewohl dieſe Beſchreibung der Finniſchen und Lappi— ſchen Schaͤdel in vielen Beziehungen mit der von Dr. Hueck mitgetheilten uͤbereinſtimmt, ſo fuͤhrt uns deren Unterſuchung doch auf einen ganz entgegengeſetzten Schluß, nämlich daß die Finnen mit den durch einen pyramidenfoͤrmigen Schädel characteriſirten Racen in vielen Stuͤcken Aehnlichkeit haben, und unſere Forſchungen in Betreff der Lappen treffen in ih: ren Reſultaten mit den von Blumenbach ermittelten uͤber— ein. Wir müffen demnach die Anſicht ausſprechen, daß zwi— ſchen den Schaͤdeln der Finnen und Lappen keine wichtigen Unterſchiede ſtattfinden, ſondern daß ſie einander vielmehr ſehr aͤhnlich ſeyen; daß fie im Allgemeinen der hyperboraͤi— ſchen Form naͤher ſtehen, als der Europaͤiſchen, und daß, wenn zwiſchen denen der Finnen und Lappen uͤberhaupt eine weſentliche Verſchiedenheit exiſtirt, dieſe darin beſteht, daß die Finnen in der Schaͤdelbildung den Hyperboraͤern näher ſtehen, als die Lappen. (London Edinb. & Dublin phi- losophical Magazine, Third Series, No. 175, June 1845.) Ueber den Erdmagnetismus hat Prof. Locke der americaniſchen naturforſchenden Geſell— ſchaft am 5. April 1844 einen Vortrag gehalten, in wel— chem er die Reſultate ſeiner mehrjaͤhrigen, in mehreren Ge— genden der vereinigten Staaten angeſtellten Beobachtungen darlegte und der dann der Begutachtung einer aus Prof. Frazer, Herrn M' Euen und Prof. Bache beſtehen— den Commiſion zugewieſen ward. Prof. Locke ſetzte erſt die Umſtaͤnde kurz auseinander, die ihn veranlaßt hatten, dieſe Unterſuchungen zu unterneh— men, bei welcher Gelegenheit er des Unterrichtes, den ihm Prof. Bache in den practiſchen Manipulationen ertheilt, ruͤhmend erwaͤhnte. Er las einen Theil der zwiſchen ihm und dem Oberſten Sabine in Betreff des Maximum der Intenſitaͤt auf oder an dem Obern See gefuͤhrten Corres— pondenz vor, und zeigte, daß nach ſeinen und des Leut. Lefroy Unterſuchungen dieſes Maximum entweder auf der Halbinſel Kewenon, am ſuͤdlichen Ufer des Oberen Sees, oder auf einer von dort bis zum Regenſee (Rainy-Lake) gezogenen Linie zu ſuchen ſey, fuͤr welche letztere Stelle ſich Oberſt Sabine in der erwaͤhnten Correſpondenz entſchei— det. Um dieſen Punct genauer zu beſtimmen, empfahl Prof. Locke fernere Beobachtungen in verſchiedenen Locali— taten in der Nachbarſchaft dieſes Sees. Ehe er ſeine Be— obachtungen darlegte, gab er eine populäre Erklaͤrung der vier Elemente des Erdmagnetismus: Abweichung, Nei— gung, horizontale Intenſität oder magnetiſche Kraft und Totalintenſitaͤt der magnetiſchen Kraft. Hierauf ließ er die Reſultate feiner im Jahre 1833 begonnenen und 746. XXXIV. 20. 312 6 Jahre hintereinander fortgeſetzten Beobachtungen folgen, welche ſich auf die Region zwiſchen der Mitte Kentucky's im Suͤden und dem noͤrdlichen Ufer des Oberen Sees im Norden, ſowie zwiſchen Cambridge in Maſſachuſetts im Oſten und der mittleren Gegend des Staates Jowa im We— ſten ausdehnen. Dieſe Beobachtungen waren durchgehends von Bemerkungen uͤber die geologiſche Beſchaffenheit jeder Station begleitet, und er druͤckte die Meinung aus, daß fich danach der Schluß rechtfertige, daß der allgemeine Cha— tacter der Gebirgsarten, namentlich in Betreff der neptuni⸗ ſchen und plutoniſchen Formationen, durch die magnetiſchen Elemente angezeigt werde, wenn man laͤngs irgend eines Landſtrichs auf einer Reihe von Stationen Beobachtungen anſtelle. Er legte eine dieſen Gegenſtand erlaͤuternde Karte vor, auf welcher die Neigung und Intenſitaͤt durch Curven bezeichnet waren, die durch Ordinaten ſtrichen, welche auf horizontalen Diſtanzen (Abſciſſen?), meiſt längs Linien der geogr. Breite ſtanden. Dieſe Curven ſtellten ſich laͤngs der Regionen neptuniſcher Formation, z. B. laͤngs des Mifjif- ſippi, ungemein gleichfoͤrmig dar, waͤhrend die ſich laͤngs vulkaniſcher Diſtricte hinziehenden außerordentlich unregelmaͤ⸗ ßig und wellenfoͤrmig waren und zuweilen unter ſehr ſpitzen Winkeln in die Höhe fliegen oder ſich abwaͤrts ſenkten. Er bemerkte, daß wenn dieſe Reſultate durch fernere Beo— bachtungen zu einem allgemeinen Geſetz erhoben wuͤrden, die magnetiſchen Inſtrumente dem Geologen als eine Art von Wuͤnſchelruthe dienen koͤnnten. Prof. Locke zeigte auch eine Karte von den Vereinig⸗ ten Staaten vor, welche hauptſaͤchlich zu dem Zwecke ent— worfen worden war, um darzuthun, daß die iſodynamiſchen Linien mit ſeinen Beobachtungen uͤbereinſtimmen. Dieſe Linien bilden um den Obern See her Ovale, deren ſchmale Seiten nach New Vork und nach der entgegengeſetzten Rich— tung zeigen, ſo daß der Obere See deren Axe bildet. Das aͤußerſte Oval ſtreicht längs des Hudſonsfluſſes durch die Stadt New Vork, an der Seekuͤſte hin bis faſt nach Balti— more und, indem es ſich dann gegen Weſten wendet, durch Maryland, Virginien und Kentucky, uͤber den Miſſiſſippi und nach Miſſouri, ungefaͤhr 80 engl. M. unterhalb St. Louis. Die magnetiſche Kraft iſt laͤngs dieſer Linie S994, die zu Cincinnati in Ohio — 1000 geſetzt, und bei jeder Steigerung der Kraft um 10 iſt ein neues Oval verzeich- net, bis ſie bei der Axe am Obern See von 1054 bis 1060 ſteigt. Prof. Locke bemerkte indeß, daß noch mehr Beobachtungen noͤthig ſeyen, um dieſe Linien an den ent⸗ fernten Puncten genauer zu beſtimmen, und druͤckte den Wunſch aus, daß ſeine Beobachtungen mit denen des Pro— feſſors Bache, des Majors Graham und Prof. Loomis combinirt und ſo eine vollſtaͤndigere Karte entworfen werden mochte. Er erklärte hierauf noch zwei andere Karten, von denen die eine die Copie eines Theils der Nordpolarkarte des Oberſten Sabine und mit Zugaben verſehen war, die ſich auf die relative Lage der aftronomifchen Pole, die von Roß entdeckten Pole der Neigung und Intenſitaͤt und den Pol der Intenſitaͤt am Oberen See bezogen, während die ande, re eine Specialkazte des Kupferhafens (Copper Harbour 313 und der Porter's-Inſel war, woſelbſt Locke die größte In— tenfität der magnetiſchen Kraft gefunden hatte. In einer zweiten Abhandlung trug Prof. Locke die Fortſetzung ſeiner Beobachtungen uͤber die Neigung und In— tenſitat vor, welche er im J. 1844 in verſchiedenen Ge— genden der Vereinigten Staaten angeſtellt hatte. Sie be— laufen ſich auf 85 an 24 Stationen angeſtellte Beobach— tungen. Dann theilte er eine Reihe von 13 auf 5 Statio— nen, naͤmlich Fort⸗Lee (im Staate New- Vork), Snake Hill und Patterſon (im Staate New Jerſey), angeſtellten Beo— bachtungen mit, welche die merkwuͤrdigen Veraͤnderungen erlaͤutern ſollten, die in der Neigung und Intenſitaͤt vor— gehen, wenn man von gewoͤhnlichen Gebirgsarten auf die Trappformation uͤbergeht, und in Betreff der Intenſitaͤt ſpricht er ſich Über dieſe Veränderungen folgendermaßen aus. „Die Intenſitaͤt, deren Betrag ſich laͤngs einer Linie von maͤßiger Ausdehnung gewoͤhnlich nur binnen ziemlich engen Grenzen veraͤndert, wird an dem Fuße einer Trappkuppe um ſehr Vieles erniedrigt, ſowie auf der Spitze der Kuppe noch um Vieles mehr erhoͤht“. Dieſe Veraͤnderungen, ſowie die demſelben Geſetze folgenden Veraͤnderungen der Neigung, wurden durch Skizzen erlaͤutert, in denen die Werthe der Neigung und Intenſitaͤt durch die Ordinaten einer Curve dargeſtellt ſind, waͤhrend die Abſtaͤnde der Stationen durch die Abfeiffen angezeigt wurden. Prof. Locke's Meinung zu: folge, rühren dieſe Veränderungen daher, daß die Trappfel— ſen magnetiſche Eigenſchaften annehmen, ſo daß die Are des Magneten mit der Axe des gewoͤhnlich ſenkrecht aufſtei— genden Berges zuſammenfaͤllt. Prof. Locke dringt nachdruͤcklich auf Vermehrung der Beobachtungen uͤber dieſen Gegenſtand, damit man zur Er— kenniniß des allgemeinen Geſetzes gelange, und ſpricht zu— letzt noch ſeinen Dank gegen den Oberſten Sabine und die Britiſche Gelehrtenverſammlung fuͤr die Bereitwilligkeit 746. XXXIV. 20. 314 aus, mit der ſie ihm in ſeinen Forſchungen foͤrderlich gewe— fen. (Proceedings of the American philos. Society. Vol. IV., p. 63. London, Edin. & Dublin phil. Magazine, 3. Series, No. 175, June 1845), Miscellen. Ein ſprechender Automat — (Sprachmaſchi ne). In der Verſammlung der American Philosophical Society am 17. Mai 1844 hat Dr. Patterſon über eine automatiſche Sprach⸗ maſchine Bericht erſtattet, welche Herr Franklin Peale und er ſelbſt vor Kurzem in Augenſchein genommen hatten. Die Ma— ſchine ſollte den menſchlichen Stimmorganen ſo nahe als moͤg— lich kommen, und wurde durch Huͤlfe einer Claviatur in Bewegung geſetzt. Dr. Patterſon war ſehr uͤberraſcht durch die Deutlich: keit, mit welcher die Figur verſchiedene Buchſtaben und Woͤrter hoͤrbar machen konnte. Die ſchwierige Combination des engliſchen Wortes three (etwa: dſri) wurde gut ausgeſprochen. — Das th (etwa: df) weniger vollkommen, aber erſtaunlich deutlich. Sie ſprach auch Diphthongen ſehr deutlich aus. Sechzehn Taſten reichten zur Erzeugung aller Laute hin. Bei der Articulation der einfachen Laute ließen ſich die Bewegungen des Mundes deutlich wahrnehmen. Die weſentlich thaͤtigſten Theile der Maſchine waren aus gummi elasticum verfertigt. Da Herr Patterſon ſich bei dem Verferti— ger angemeldet hatte, ſo ließ dieſer den Automaten ſehr deutlich, wenn gleich mit eigenthuͤmlichem Klange, ſprechen: Astr. Pat-ter-son. J am glad to see you (Herr Pat terſon, ich freue mich Sie zu ſehen). Der Automat fang: God save Victoria und Hail Colum- bia. Herr Faber, der Verfertiger der Maſchine, hat dieſelbe kurz darauf leider in einem Anfalle von Aerger zerſtoͤrt, nachdem er 17 Jahre daran gearbeitet hatte. Proceedings ok the American philosophical Society, Vol IV. p. 83.) In Beziehung auf die Erzeugung des Fettes in der thieriſchen Deconomie hat Herr Bouſſingault der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften ein wichtiges Reſultat ſeiner Unterſuchungen mitgetheilt, nach welchem nämlich aus ſtaͤrkemehl-⸗ oder zuckerhaltigen Beſtandtheilen der Nahrung jedesmal Fett er⸗ zeugt wird, ſobald in der Nahrung ſelbſt ſchon eine gewiſſe Quan⸗ titaͤt Fett ſich vorfindet, — aber kein Fett erzeugt wird, ſo⸗ bald ſtaͤrkemehlige Stoffe allein gegeben werden, ſo daß alſo die Gegenwart von Fett die Umwandlung der ſtaͤrkehaltigen Stoffe in Fett bedingt. ..——ñ;« Ä!•—œ— . —— . H Behandlung der Onychia. Von Herrn Blandin. Auf No. 16 und 21 des Saales St. Johann im Hötel:Dieu liegen zwei Kranke mit Onychia. Die Ony- chia iſt eine ſehr gewoͤhnliche und im Allgemeinen ſehr ſchlecht behandelte Krankheit. Bei der Begruͤndung einer mehr methodifchen und rationellen Behandlung find vor Al— lem die anatomiſchen Verhaͤltniſſe des Nagels und die Ent— ſtehungsweiſe der Krankheiten deſſelben zu beruͤckſichtigen. Der Nagel beſteht bekanntlich aus zwei Theilen, der Ma— trix oder dem Balge, und der Hornplatte. Fuͤr den Ana— tomen bildet die Hornplatte eigentlich nicht den Nagel; fie iſt nur ein Abſonderungsproduct, ohne Leben, kaum organi— ſirt und zu ganz mechaniſchen Functionen beſtimmt; die Matrix hingegen, der weſentliche Beſtandtheil des Nagels, hat eine ſehr ausgeſprochene Vitalitaͤt. Dieſer Theil allein ift fähig zu erkranken. Die Onyehia iſt alſo eine Kranf- heit der Matrix, und nicht der Hornplatte. Wir muͤſſen iudeſſen bemerken, daß zuweilen auch Veraͤnderungen der u de. Hornplatte vorkommen, aber ſie ſind keine eigentlichen Krank— heiten, vielmehr Producte der Erweichung des Nagels, der in Folge von Krankheiten ſeiner Matix zerreiblich und ſchuppig geworden iſt. Bei dieſen beiden Kranken war Entzuͤndung der Ma— trix an der großen Zebe, bei dem auf No. 16 auf beiden Seiten, bei dem auf No. 21 auf einer. Dieſe Onychia laͤßt ſehr oft als Urſache eine ſcrofuloͤſe oder ſyphilitiſche erkennen; die gewoͤhnlichſte Urſache derſelben aber iſt unbe— ſtreitbar das Beſchneiden des Nagels nach Art eines Rund— ſchildes. Dieſe bei den Handnaͤgeln ſehr gewöhnliche Art des Beſchneidens hat an den Zehen ernſte Nachtheile. Die Zehennaͤgel ſollen hauptſaͤchlich eine feſte und reſiſtente Flaͤche dem Drucke entgegenſetzen, welchen der Boden auf die Nagelpulpen, vorzuͤglich waͤhrend des Gehens auf der Fußſpitze ausübt. Wenn daher die Nägel, anſtatt viereckig, rund beſchnitten werden, ſo iſt die Folge davon, daß die nicht geſchuͤtzten Seitentheile der Zehe hervortreten und ſich der Schärfe des Nagels ausſetzen; daher die unaufhoͤrliche Reiz 315 zung dieſer Theile, welche ſich bald entzuͤnden; daher die Bil: dung von Wucherungen, in welche ſich dann der Nagel ein— falzt. Indem man nun dieſen letzten Umſtand nicht be— achtet und den Urſprung und die Entſtehungsweiſe dieſer Entartung uͤberſehen hat, hat man derſelben mit Unrecht den Namen des in's Fleiſch eingewachſenen Nagels gegeben. Dieſen ſprachlichen Fehler, der eine falſche Anficht uͤber dieſe Affection begruͤndet hat, verdankt man die Fehlerhaftigkeit der bis jetzt allgemein angewendeten Behandlungsarten. Nicht der Nagel iſt in das Fleiſch eingewachſen, ſondern die in Folge der beftändigen Reizung entarteten Weichtheile werden ſchwammig und wuchern, und bedecken ſo den Nagel. Diejenigen, nach denen der Nagel in das Fleiſch ein— wachſen ſoll, haben, von dieſer falſchen Anſicht ausgehend, die Entfernung des Nagels vorgeſchlagen. In der That ſo hat man den Proceß der Krankheit gerade umgekehrt. Denn nicht den Nagel muß man entfernen, ſondern im Gegentheil die ſchwammigen Excrescenzen, die ihn bedecken. Ohne Zweifel hat man durch Entfernung des Nagels bis— weilen Erleichterung gebracht, aber immer nur auf Augen— blicke. Das Uebel erzeugt ſich von Neuem, ſobald der Na— gel wieder waͤchſt. In einigen Fällen hat man vollſtaͤndige Heilung durch dieſes Mittel erreichen koͤnnen. Das ſind aber Ausnahmen. Es iſt klar, daß dieß eine irrationelle Methode ſey. Dieſe ſchlechte Methode annehmend, haben einige Chi— rurgen den Vorſchlag gemacht, den Nagel in ſeiner Mitte zu entfernen; man ſoll ein Stuͤck in Form einer V heraus: nehmen. Darnach ſollen die beiden ſeitlichen Bruchſtuͤcke des Nagels aneinandergelegt und vermittelſt einer Naht, die durch eine Fadenſchlinge an beiden Raͤndern augebracht iſt, zuſammengehalten werden. Das iſt ein ſchlechtes Mittel; denn indem der Nagel an den Papillen der Matrix feft: haͤngt, kann man nur ſehr ſchwer die Annaͤherung der Bruch— ftüde bewirken. Man hat noch ein andres Mittel vorgeſchlagen, welches eben ſo ſchlecht iſt, naͤmlich das Abſchaben und das dadurch bewirkte Verduͤnnen des Nagels. Das Brennen des mitt— leren Nagelſtuͤcks iſt nicht beſſer. Alle dieſe Mittel find mangelhaft, einmal, weil ſie nicht die Urſache des Uebels und den beabſichtigten Zweck treffen, dann, weil ſie nicht immer ausfuͤhrbar ſind Man hat endlich die vollſtaͤndige Ausziehung, Ausrei— ßung des Nagels vorgeſchlagen. Die vollſtaͤndige Ausrei— ßung iſt beſſer, als die theilweiſe Ausziehung, wenn ſich die Krankheit auf die ganze Matrix ausdehnt. Wenn die Onychia nur eine theilweiſe und ſeitliche iſt, ſo iſt dieſe Methode irrationell. 8 a Eine ungleich bedeutendere Operation endlich, als die fruͤheren, welche man in den hartnaͤckigſten Faͤllen der Ony- chia anwendet, brauche ich nur zu erwaͤhnen, naͤmlich die vollſtaͤndige Abtragung des Nagels, der Matrix und der Hornplatte, ſammt einer Portion der Haut. Das iſt eine wahre Verſtuͤmmelung, zu der man nur in den verzweifelt— ſten Fällen feine Zuflucht nehmen darf. Die wirklichen Anzeigen fuͤr die Behandlung der Ony— chia find die Einwirkung auf die Wucherungen, die Beſei— 746. XXXIV. 20. 316 tigung derſelben, und außerdem die Entfernung und Ruͤck⸗ waͤrtslegung der Weichtheile, was man leicht mittelſt Streiz fen von Diachylonpflaſter erreicht. Man hat gerathen, in dieſem Falle Bleiplatten unter den Nagel zu bringen, um die weichen Theile von ihm entfernt zu halten; aber dieſe Bleiplatten paſſen nicht, wegen des heftigen Reizes, den ſie hervorbringen. Ich ziehe denſelben den einfachen Ver⸗ band vor, den Fabricius ab aqua pendente empfohlen hat. Das iſt unſere gewoͤhnlichſte Methode. Indeſſen wa— ren wir bei dem Kranken auf No. 21 gezwungen, etwas mehr zu thun. Schon vor ſeinem Eintritte in das Kran— kenhaus hatte er ſich der Reſection des Nagels nach dem von uns getadelten Verfahren unterzogen. Es waren in Folge dieſer Operation Splitter des Nagels zuruͤckgeblieben, welche in das Fleiſch eingedrungen waren. Dieſer Umſtand machte die Einführung der Charpie unter den Nagel unmögs lich. In dieſem Falle raͤth Herr Brachet, die Excrescenzen abzuſchneiden, um die Seitentheile des Nagels frei zu legen, Ich habe ein viel einfacheres Verfahren, als das des Herrn Brachet, angenommen; ich führe, wie er, eine Biſtouri— klinge unter den Nagel, in der Abſicht ihn aufzuheben und die vordere Partie der Matrix zu ſpalten. Dieß Mittel reicht hin, um die Splitter zu entfernen und den gewoͤhn— lichen Verband, der dieſe Behandlung beſchließt, anlegen zu koͤnnen. (Gaz. d. Höpit., Mai 1845, Beobachtungen uͤber Faͤlle von eiweißhaltigem Urin. Von G. H. Barlo w. Unter der Aufſicht des Dr. Bright wurden vom Mai bis Octo⸗ ber 1843 im Guy’s:Spitale alle daſelbſt vorkommenden Fälle von eiweißhaltigem Harn in eigends dazu eingeraͤumten Saͤlen beobach— tet, und von Dr. Rees der chemiſche Theil der Unterſuchung aus⸗ geführt, Verfaſſer giebt nun hier die Ergebniſſe jener Beobach⸗ tungen. Erſter Fall. — Wittwe, heftige Metrorrhagie, mit Schmer⸗ zen in den Lenden und Erbrechen, ſpaͤter Oedem, ſpaͤrlicher, dun— kelfarbiger Urin, tympanitis, pechfarbige Stühle, orampi, allgemeine Schwaͤche. Nach einem Aderlaſſe Metrorrhagie, am naͤchſten Tage ein epileptiſcher Anfall, Tod. Dr. Rees fand 0,54 % Harnſtoff im Blutſerum; ſpec. Gewicht des Harns 1010; 0,50 Gran Eiweiß in 2 fluͤſſigen Unzen. Zweiter Fall. — Knabe von 6 Jahren, nach Scharlach, Oedem und albumindͤſer Urin, Schlafloſigkeit, sopor, beſchleunigte Reſpiration, Tod. Harnſtoff im Blut und in den in den Hirnkam⸗ mern, der pleura, dem Herzbeutel und Bauchfelle ergoſſenen Fluͤſ⸗ ſigkeiten. — Reichliche ſtrohfarbene Fluͤſſigkeit unter der arachnoi- dea und in den Hoͤhlen der pleura, des pericardium und perito- naeum. Mit der pia mater zuſammenhaͤngend, tauchten mehrere kleine Koͤrper, einige aus einer kalkartigen Subſtanz gebildet, andere deut⸗ liche Cyſten, welche eine gelbliche geronnene Subſtanz enthielten, in die aſchfarbene Fluͤſſigkeit ein. Herz vergroͤßert, Corticalſubſtanz der Nieren blaß, Tubularſtructur im Congeſtivzuſtande. Dritter Fall. — Mann von 32 Jahren, erhielt vor meh— rern Jahren einen Schlag auf die Lenden, von welchem er genas. Nach einer Erkaͤltung, Huſten, Dyspnoe, Schmerzen in den Lenden und Schwäche im Knie; in der Nacht häufiger Drang zum Harn- laffen, Zunahme der Quantität und Blaͤſſe des Harns, allgemeine anasarca, heftige Wadenkraͤmpfe, Harn durch Hitze und Salpeter⸗ fäure gerinnbar; Laͤhmung der linken Koͤrperhaͤlfte, Tod. Im rech⸗ ten corpus striatum ein apoplectiſches Blutgerinnſel, arachnoidea etwas opak, geringer Erguß; viel Fluͤſſigkeit in den andern ſeroͤſen Höhlen; Spuren alter Apoplexie in den Lungen. Linke Herz— kammer erweitert und ſtark verdickt; an der erweiterten aorta athe⸗ 317 romatoͤſe Ablagerungen, die Kranzarterien erweitert und ſtark ver— dickt. Ablagerungen von Lymphe an den Bauchwandungen und auf den Darmwindungen. Der Verdauungscanal, namentlich der Ma⸗ gen, in Folge der Contraction der Muskelhaut ſehr verengert, das große Netz auf eine duͤnne Platte reducirt. Die Nieren im Innern dunkelgelb oder ſchmutzigweiß, Corticalſubſtanz faſt ganz geſchwun— den, Tubularſubſtanz nur ſchwach ſichtbar. Dr. Rees fand, daß jede Unze Urin 5,2 Gran albumen enthielt. Vierter Fall. — Mann von 42 Jahren, nach haͤufiger Erkaͤltung kurzer Athem, Anſchwellung der Knoͤchel, Beine und des scrotum, verminderte Quantität des Urins; ſpecif. Gew. des Urins 1021, derſelbe durch Hitze und Salpeterſaͤure gerinnbar; Erythem an der innern Seite beider Beine, Blaſenbildung und beginnende Gangraͤn, größere Athemnoth, Tod. Große Quantität von Fluͤſ— ſigkeit in der pleura, dem pericardium und peritonaeum, in den beiden erſteren klar, in letzterem truͤbe und ſchmutzigbraun; duͤnne Fibrinfaͤden auf der arachnoidea, Dpacität derſelben, Gehirn er⸗ weicht, Lungen oͤdematoͤs und an die pleura adhoͤrirend. Stimm— bänder angeſchwollen und injicirt. Herz erweitert und verdickt; Nieren groß und gelappt mit kleinen blaßgelben Flecken auf rothem Grunde; Corticalſubſtanz durchweg hyperaͤmiſch. Fuͤnfter Fall. — Matroſe von 56 Jahren, nach Erkaͤltung anasarca, gerinnbarer Urin, bronchitis und Emphyſem, Blaſebalg— geräufh, mit dem Pulſe ſynchroniſch, unter der rechten Bruſtwarze hörbar; cholera biliosa, Haͤmoptyſis und Huſten, urin ſpäͤrlich, ſauer und blaß, Steigerung der Athemnoth, Tod. Betraͤchtlicher waͤßeriger Erguß zwiſchen den Hirnhaͤuten, Gehirn klein und blaß; reichliche klare, blaſſe Fluͤſſigkeit in der pleura und im pericardium, eine kleine Menge truͤber, milchichter Fluͤſſigkeit in der Bauchhoͤhle. Hydropiſche Lobularpneumonie, Oedem und leichte Turgescenz der Lungen, oedema laryngis. Herz ſtark vergrößert, linke Kammer verengert und bleich, Zricuspidalöffnung weit und augenſcheinlich bei ausgedehntem Ventrikel Regurgitation zulaſſend. Die Aorten— klappen an den Contactflaͤchen perforirt. Aorta weit, dick, uneben, opak, von beginnendem Atherom afficirt. Gewicht einer jeden Niere 6; Unzen, die Häute derſelben dünn und durch Cyſten, mit hellfar⸗ biger Fluͤſſigkeit gefüllt, in die Höhe gehoben. Dieſe Cyſten etwa fo groß wie Haſelnuͤſſe, an jeder Niere 12 — 18; Corticalſubſtanz blaßbraun, truͤbe und fein granulirt. Dr. Rees entdeckte Urin im Blute, der Harn enthielt 5,2 Gran Eiweiß in jeder Unze. Sechster Fall. — Waͤſcherin von 45 Jahren. Nach ei— nem Falle Schwache und Anſchwellung der Knoͤchel und Beine, häufige Lendenſchmerzen, Uebelkeit und Erbrechen; ſpaͤter Huſten und Dyspnde, Ausbreitung der Anſchwellung über den ganzen Koͤr— per; weit ausgebreitete Dumpfheit des Percuſſionstons in der Praͤ— cordialgegend. Urin uͤberladen mit nußbraunen Lithaten. Hitze klaͤrte denſelben auf und ſchlug dann eine dicke nubecula nieder, Salpeterſaͤure machte ihn truͤber und dunkler, Tod. Seroͤſer Er— guß unter den Hirnhaͤnten, das Gehirn ſelbſt klein und weich. Dunkelfarbiges Serum in der pleura, Lungen an die Rippen ad⸗ haͤrirend, der obere und mittlere Lappen der linken Lunge von einer Pſeudomembran bedeckt. Lungen durchweg oͤdematoͤs, Bronchial— röhren erweitert; viel Fluͤſſigkeit im Herzbeutel und Bauchfell. Herz etwas vergroͤßert; Bauchfell mit faſerſtoffigen Ablagerungen, Darmhaͤute theilweiſe eechymotiſch, durchweg oͤdematoͤs. Jede Niere wog 51 Unze; nach Entfernung der Haͤute zeigte ſich eine rauhe, granulirte Structur und ſtarke Injection; mehrere Harneyſten. Leber etwas zuſammengezogen. Siebenter Fall. — Matroſe von 35 Jahren, Huſten, Dyspnde, ſpaͤrlicher, mit Blut tingirter Auswurf, ſpaͤrlicher, Li— thate ablagernder Harn, Herzaction unregelmäßig, anasarca, Tod. Allgemeine anasarca, reichlicher Erguß in pleura, pericardium und peritonaeum; Lungen adhaͤrent, Spuren früherer Pneumonie in der rechten Lunge. An der oberen Portion der linken Lunge mehrere Stellen von Lungenapoplexie, Bronchialdruͤſen groß uud ſchwarz. An der Oberflache der rechten Vorkammer und Herzkammer weiße Ablagerungen. Rechte Herzhaͤlfte vergroͤßert, Ventrikel weit und dick, die feinſten Gefaͤße wie bei Congeſtion ſehr vergroͤßert. Auf der inneren Membran der rechten Vorkammer Verknoͤcherungen. Linke Auricular-Ventrikularoͤffnung klein und zuſammengezogen, Mitral⸗ klappe verdickt und cartilaginös mit Verknoͤcherungspuncten. Gore 746. XXXIV. 20. 318 ticalſubſtanz der Nieren rauh und leicht granulirt, Schleimhaut des Nieren-Beckens in ſtarkem Congeſtivzuſtande. Leber hart und in ei: nem vorgeruͤckten Stadium der muscatbraunen Degeneration. Bemerkungen. Die 2 Fälle, in welchen die Complication mit Gehirnleiden vorhanden war, zeigen die Gefährlichkeit des ploͤtz— lichen Eintrittes von Gehirnſymptomen, welche immer vorhanden iſt, wenn Eiweiß auch nur in geringer Menge im Urin vorhanden und die ſpecifiſche Schwere des letzteren vermindert iſt — eine Ge— fahr, welche durch das Fehlen oder Nachlaſſen der hydropiſchen Anz ſchwellung nicht vermindert wird. Im Gegentheil ergiebt ſich aus zahlreichen Erfahrungen, daß in den Faͤllen von eiweißhaltigem Urin, in welchen geringe oder keine hydropiſche Anſchwellung und nur eine maͤßige oder ſelbſt ſpaͤrliche Ablagerung von Eiweiß ſtattfindet, die Haut dabei feucht und perſpirabel iſt, aber der Harn in ſeinen fe— ſten Beſtandtheilen fehlerhaft beſchaffen iſt, wie ſich aus dem gerin⸗ geren ſpec. Gew. und den Mangel des urinoͤſen Geruches bei der Application von Hitze oder Salpeterſaͤure ergiebt: — daß in dieſen Faͤllen alſo ganz beſonders die Gefahr eines ploͤtzlichen Auftretens von einer Affection des Gehirns oder ſeiner Haͤute droht. Im drit⸗ ten Falle waren die Gehirnſymptome anderer Art, und augenſchein⸗ lich das Reſultat einer Apoplexie, welche die Folge ſowohl einer krankhaften Beſchaffenheit der Hirnarterien, als auch vielleicht der Hypertrophie der linken Herzkammer war. Hier entſteht nun die Frage, ob in Faͤllen dieſer Art, wo Herzaffectionen mit Nierenlei⸗ den zuſammen vorkommen, erſtere oder letztere als die primaͤren Af— fectionen anzuſehen find, ob in der That die Nierenleiden mehr als eine Folge der durch mechaniſche Obſtruction erzeugten Congeſtion iſt, oder ob die Herzaffection irgendwie als eine Folge des Nieren leidens nachgewieſen werden kann? Die s legten Fälle werfen viel Licht auf dieſen Gegenſtand, und wir halten uns für berechtigt, als Reſultat derſelben folgenden Schluß aufzuſtellen: Obgleich Herz— oder Lungenleiden durch das Hinderniß, welches fie dem Ruͤckfluſſe des Blutes durch die Venen entgegenſtellen, Congeſtion in den Nie⸗ ren, ſowie in anderen Bauchorganen bewirken, und auf dieſe Weiſe die Function derſelben ſtoͤren und zuweilen endlich deren Desorganiſation herbeifuͤhren koͤnnen: ſo duͤrfen wir, da dergleichen Affectionen am Wenigſten da hervortraten, wo das Nierenleiden am Weiteſten vorgeſchritten war, und umgekehrt, nicht den Schluß zie— hen, daß das Bruſtleiden die allgemeine oder auch nur haͤufige Urſache der eigentlichen Nierenaffection iſt, und haben daher nach einer anderen pathogenetiſchen primaͤren Affection zu ſuchen. Es folgen nun 2 Falle von purpura als Complication des Nie⸗ renleidens, einmal bei einem Phthiſiker und im zweiten Falle mit Dysenterie endend. Die purpura wird hier einer Behinderung der Circulation durch die untere Hohlvene, welche die Folge des durch das lange andauernde Bruſtleiden bewirkten Anſchoppung der Leber ſeyn mußte, zugeſchrieben. Es iſt übrigens auffallend, daß purpura nicht häufiger bei den mit albumindſem Harne complicirten Nieren⸗ leiden vorkommt, da bei dieſer Affection eine Tendenz zu Blutun— gen nicht ſelten vorhanden iſt. Der letzte in dieſem Capitel gege⸗ bene Fall iſt ein ſolcher, in welchem Bruſt-, Leber- und Nierenlei⸗ den lange Zeit nebeneinander vorhanden waren, ohne daß es moͤg⸗ lich war, zu entſcheiden, welche Affection die primaͤre geweſen ſey. Es folgen nun 24 Fälle zur Veranſchaulichung der bei der An⸗ wendung der verſchiedenen Heilmittel gewonnenen Reſultate. Queck⸗ ſilber bis zum Speichelfluſſe angewendet, zeigte ſich in den Faͤllen, wo das Nierenleiden die primaͤre und vorzuͤglichſte Affection war, im Ganzen als ein unwirkſames, ja ſelbſt gefaͤhrliches Mittel, und ſelbſt da, wo die Anwendung dieſes Mittels durch Affectionen ans derer Organe indicirt ſeyn ſollte, mußte ſeine Wirkung auf den Or⸗ ganismus vorſichtig und ſorgfaͤltig beobachtet werden. Elaterium in 6 Faͤllen angewendet, erwies ſich als ein ſchaͤtzenswerthes Huͤlfs⸗ mittel; Antimonialien mit Aderlaͤſſen wirkten in 4 Faͤllen im Ganz zen ſehr wohlthaͤtig; Antimonialien mit tonicis in 5 Fällen aͤhn⸗ lich, ſewie auch in einem Falle Antimonialien mit Kampher. In allen dieſen Faͤllen verſchwand meiſt das Oedem und der Harn wurde ganz normal oder doch weniger leicht gerinnbar, Ein faſt gleiches Reſultat ergab die Anwendung von tonicis als Hauptmitteln. Wir reihen hier noch in Bezug auf die ſpecifiſche Schwere des Harns eine Tabelle der Ergebniſſe der Unterfuchungen in den mit getheilten 37 Faͤllen an. 319 In 1 Falle war das ſpec. Gewicht 1788 E 00 — 3 Fällen = E 5 1 — ME 2 E z - 1009 —4 : 5 „ . 1010 — 2 = 7 5 5 1011 — Falle = z 2 2 1012 — 5 Fällen = = 1013 (in einem derſelben bis zu 1026 variirend) — 2 = = E = 1014 — 1 Falle = Eis: = 1015 — 5 fällen ⸗ E = 1016 — 1 Falle : EN: z 1017 —1 : e = z 5 1019-1026 1 = = = 1021 — 3 Fällen = „ 1025 — 1 Falle N - 1027 al = = z 2 3 1030 —1 : = Eu 5 1032 — 1 = = z = = 1034 Aus dieſer Tabelle geht hervor, daß das ſpecif. Gewicht des Harns allein zu keiner Schlußfolge fuͤhren kann; indem daſſelbe in der Hälfte der Fälle dem des gefunden Urins gleichkam, und uͤber⸗ dieß an verſchiedenen Tagen verſchieden ſich geſtaltet. Den Schluß der Abhandlung bilden die chemiſchen Unterſuchun⸗ gen des Dr. Nees in Betreff der Beſchaffenheit des Blutes im morbus Brightii, welchen wir hier nur folgenden Reſultaten ent- nehmen: 1) Im handen. 0 2) Im Blute findet ſich Harnſtoff. 5 3) Letzterer findet ſich auch in der Milch und in den ergoſſenen Fluͤſſigkeiten und den verſchiedenen feröfen Höhlen. 4) Eins oder mehrere der normalen Beſtandtheile des Harns fehlen oder find an Quantität mangelhaft. 5) Der Harn iſt waͤßriger, als im normalen Zuſtande. 6) In demſelben findet ſich Eiweiß. (Aus Guy’s Hospital Re- ports 1844.) Blute iſt eine überwiegende Menge von Waſſer vor: Miscellen. Einimpfung der Blattern bei zwei Affen: Herr Auzias⸗Turenne zeigte der Academie der Medicin in Paris einen lebenden Affen, welchem er die Blattern eingeimpft hatte. Herr Auzias fand ſich mehrfach veranlaßt, einen Verſuch mit dieſer Impfung zu machen, in Folge ſeiner eigenen Anſichten über die Gifte und durch die Ueberſicht einer cliniſchen Vorleſung des Herrn Chomel über die Blattern, welche er in der Gaz. des 746. XXXIV. 20. 320° Höpit. gelefen hatte. Dieſer Profeſſor bedauerte, daß er bei Gele⸗ genheit eines zweifelhaften Blatterausbruches ſeine Zuflucht nicht, wie man es vor der Entdeckung der Schutzpocke gemacht habe, zu einer diagnoſtiſchen Impfung habe nehmen koͤnnen. Herr Auzias hatte zuerſt auf beide obern Augenlider eines Affen oberflaͤchliche Einſchnitte gemacht, auf deren blutende Flaͤche er Pockeneiter that. Sechs Tage nachher waren zwei Puſteln an beiden Impfſtellen er⸗ ſchienen, und den zehnten Tag ſtarb das Thier zu derſelben Zeit, als eine allgemeine Eruption von ſich ſchlecht characteriſirenden Blat— tern auftrat. Die Section ergab nur eine geringe Roͤthung auf der Schleimhaut der kuftwage. Seit dieſem erſten Verſuche benutzte Herr Auzias eine Gelegenheit, um einen zweiten zu machen. Er verfuhr auf dieſelbe Weiſe, er machte eine Einimpfung an einem und dem an= dern obern Augenlide eines Affen; das war den 14. Mai. Den andern Tag und die beiden folgenden Tage war an der Impfſtelle keine Veraͤnderung zu bemerken. Am 17. Mai zeigte ſich Roͤthung in der Nachbarſchaft. Heute (den 20. Mai) iſt auf der einen Seite eine kleine Kruſte vorhanden, welche wahrſcheinlich davon herruͤhrt, daß ſich das Thier gekratzt hat, waͤhrend auf der andern eine Pu— ſtel iſt. Das Thier iſt weniger heiter, als gewoͤhnlich, und hat of— fenbar Fieber. Der Verſuch iſt in dem Hoöpital de Loureine un: ter dem Beiſtande des Herrrn Huguier gemacht worden, wo der Affe gut abgewartet und oͤffentlich beobachtet werden wird. Herr Auzias bat die Academie um Erlaubniß, ihr den weiteren Verlauf ſpaͤter mitzutheilen. (Gaz. de‘Höpit., Mai 1845.) Von Verknoͤcherung und Obliter ation der Pfort⸗ ader hat Herr Profeſſor Gintrac einen Fall mitgetheilt. — Ein Invalid von 45 Jahren, vor 2 Jahren an Herzklopfen, Athemnoth und ascites behandelt, wurde am 1. Juni 1843 mit folgenden Sym⸗ ptomen in das St. André-Spital aufgenommen. Dyspnde bei'm Gehen zunehmend; ſtarke, tumultuariſche Herzaction bei deutlichem Blaſebalggeraͤuſch und leichtem Raspelgeraͤuſch in der Sternalge— gend; Puls voll, aber ruhig; Zunge trocken roth an Raͤndern und Spitze, mit braunem Belag in der Mitte, ascites und tympanitis; Zahnfleiſch leicht blutend, epistaxis, Durſt, Apetitmangel, Kopfs ſchmerz ꝛc., Tod nach wenigen Tagen. — Zellgewebe durchweg in⸗ filtrirt, Herz vergrößert. Die aorta an ihrem Urſprunge und faft auf die Haͤlfte ihres Verlaufes mit roͤthlichen Flecken, runden wei— ßen Vorſpruͤugen von Knorpelconſiſtenz und puſtelartigen Auftrei⸗ bungen beſetzt. Die Peritonaͤalhoͤhle mit Serum angefuͤllt, die Le— ber weißlich und an der Oberflaͤche unregelmäßig gerunzelt oder warzenfoͤrmig. Die Pfortader vollſtaͤndig mit einem alten, adhaͤ⸗ rirenden Blutgerinnſel ausgefüllt, welches ſolid und von tief ſchwar— zer Farbe war. An derſelben Stelle der Vene mehrere Knochen⸗ platten von einigen Linien im Durchmeſſer zwiſchen der innern und mittlern Haut der Venen. Alle hier ausmuͤndenden Abdominalge⸗ fäße mit Blut angeſchoppt und varikoͤs. (Journ. de med. de Bor- deaux, Jan. 1844.) Gibliographis che Histoire des Iusectes, traitant de leurs moeurs et de leurs metamorphoses en general, et comprenant une nouvelle clas- sification fondde sur leurs rapports naturels. Par Emile Blanchard. 2. Vols. Faris 1845. 8. Axde 20 pl. Agaſſiz geologiſche Alpenreiſen, herausgegeben von Agaſſiz, Des Jr und C. Vogt. Frankfurt a/ M. 1845. 8. Mit Abbild. Neuigkeiten. Manuel pratique de Bandage, traitant etc. de la déseription des appareils et bandages appropriés aux fractures, luxations en- torses etc, Par A. Saint-Arroman. Paris 1845. 12. M. 1 K. On Cataract and its appropriate Treatment by the operation adapted for each peculiar case. By Charl. Gardiner Gu- thrie. London 1845. M. color. K. Menellotizen a us deem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober ⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 747. (Nr. 21. des XXXIV. Bandes.) Juni 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 30 A, des einzelnen Stüdes 3 878. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 95. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Ip. RER RE TE ne Bericht über zwei Abhandlungen. 1) Ueber das Beſtreben der Wurzeln in die Erde einzudringen, von Herrn Payer. 2) Ueber eine ſonderbare Thatſache in Betreff der Phyſiologieder Wurzeln, von Herrn Durand, Pharmaceuten zu Caen. (Im Namen der aus den Herren de Mirbel, Becquerel, Pouil— let, Ad. Brongniart und Dutro het beſtehenden Commiſſion, der Academie erſtattet von Herrn Dutrochet.) Den Gegenſtand beider Abhandlungen bilden Unterſuchungen in Betreff der merkwuͤrdigen Erſcheinung, daß die Wuͤrzelchen der keimenden Saamen in Queckſilber eindringen, und deßhalb wurden beide von der Akademie derſelben Commiſſion zur Beurtheilung zu— gewieſen. In ihrer Sitzung des 23. Februars 1829 erhielt die Academie von Herrn Jul. Pinot eine Mittheilung, durch welche derſelbe ihr anzeigte, daß wenn man die Samen von Lathyrus odoratus auf der mit ein wenig Waſſer bedeckten Oberflaͤche von Queckſilber ſchwimmen laͤßt (nicht, wie Decandolle im 2. Bde. ſeiner Physiologie vegetale, p. 827, irrigerweiſe angiebt, mittelſt eines geeigneten Apparats mechaniſch befeſtigt), ihre Wuͤrzelchen in das Queckſilber eindringen,“) welche Thatſache mit den Geſetzen der Hydroſtatik im Widerſpruche zu ſtehen ſchien, nach denen jeder Körper, der ſpecifiſch leichter iſt, als die Fluͤſſigkeit, in der er ſich be— findet, an deren Oberflaͤche ſteigt. Der Berichterſtatter wiederholte da— mals Herrn Pinot 's Verſuch, indem er Saamenkoͤrner mit ein wenig Waſſer auf die Oberflaͤche von Queckſilber brachte. Si— keimten daſelbſt; allein da er kein tieferes Eindringen des Wuͤrzele chens in das Queckſilber entdecken konnte, als ſich aus dem Drucke des Samenkorns erklären ließ, fo theilte er der Academie dieſes negative Ergebniß mit. Bei dieſer Gelegenheit erklaͤrte Herr v. Mirbel, eines der Mitglieder der von der Academie zur Pruͤ— fung der Pinot ſchen Arbeit ernannten Commiſſion, dieſelbe habe die Verſuche des Herrn Pinot wiederholt und das von ihm an— gegebene Reſultat ebenfalls nicht erlangt. Spaͤter machte Herr Mulder in einer deutſchen Zeitſchrift Verſuche uͤber denſelben Ge— genſtand bekannt. Er bedeckte Queckſilber mit einer Schicht Waſ— fer und legte in dieſes im Keimen begriffene Saamen von Vicia faba minima und Polygonum fagopyrum. Die Saamen der Vicia drangen in das Qucckſilber bis zu einer Tiefe ein, die in dem uns zu Geſicht gekommenen Auszug aus der Arbeit des Herrn Mulder nicht angegeben iſt, während die Wuͤrzelchen des Poly- *) S. Notizen a. d. G. d. Nat. u. Heilk. No. 538 (No. 10 d. XXV. Bdes). S. 154. Auguſt, 1829. No. 1847. — 747. gonum fagopyrum an der Oberfläche des Oueckſilbers hinkrochen und ſich nicht in daſſelbe verſenkten. Der Verf. ſchloß daraus, die Keimkraft der Saamen des Buchwaizens ſey nicht ſtark genug, um den Widerſtand des Queckſilbers zu befiegen. Nachdem die Stengel der Puff bohnen etwa 2 Centimeter Höhe erreicht hatten, waren die Wuͤrzelchen von 5 unter den 12, welche auf das Queckſilber gefäet worden, mehr oder weniger tief in das Metall einge drungen, während fie ſich bei den übrigen 7 auf der Oberfläche deſſelben befanden. Hert Mulder wiederholte den Verſuch, indem er auf das mit einer Waſſerſchicht bedeckte Queckſilber eine mit kleinen Löchern durchbrochene Korkſcheibe legte und die Wuͤrzelchen von bereits gekeimten Puffbohnen durch dieſe Löcher ſteckte. Unter dieſen Umftänden krochen die Wuͤrzelchen bis an den Rand des Ge— faͤßes und ſenkten ſich erſt dort zwiſchen der Wandung deſſelben und dem Queckſilber 2—3 Linien tief ein. Bei andern, auf dem Queckſilber ſchwimmenden und nicht an der Korkſcheibe befeſtigten Puffbohnen kruͤmmten ſich die Wuͤrzelchen, wenn fie das Metall er: reicht, in's Waſſer zuruck, und bei einer derſelben ſenkte ſich das Wurzelchen erſt über zwei Zoll tief zwiſchen die Wandung des Ge— faͤßes und das Queckſilber hinab und drang dann, indem ſich feine Spitze umbvg, ungefähr einen halben Zoll tief in das Queckſilber ſelbſt ein. Nachdem ſich laͤngere Zeit Niemand mit dem Studium dieſer Erſcheinung befaßt hatte, nahm Herr Payer daſſelbe wieder auf und legte der Academie die Reſultate feiner Unterſuchungen am 27. Mai 1844 vor. Herr Payer hat eine Vorrichtung erfunden, mittelſt deren er eine Schicht Queckſilber uͤber Waſſer ſchwebend erhaͤlt. Zu die— ſem Ende trennt er die beiden Fluſſigkeiten mittelft eines Roſtes von Platina, den er mit einem Laͤppchen von Züll oder Kattun belegt. Das auf dieſe Scheidewand gegoßene Queckſilber laͤuft nicht durch dieſelbe, ſondern bleibt über dem Waſſer ſchwebend. Die Wuͤrzelchen der Saamen dringen durch das in dieſer Lage be— findliche Queckſilber und gelangen ſo in das Waſſer. Herr Payer brachte abwechſelnd mehrere Schichten Queckſilber und Waſſer auf dieſe Weiſe uͤbereinander, und ſah, wie die Wuͤrzelchen ſich uach und nach durch alle dieſe Stockwerke ſenkten. Indem er auf dieſe— Weiſe die Staͤrke der uͤber dem Waſſer befindlichen Queckſilber, ſchicht verändern konnte, gelang es Herrn bayer zu ermitteln: wie tief die Wuͤrzelchen in dieß Metall eindringen konnten. Sei nen Beobachtungen zufolge, war dieß bei Latbyrus odoratus ſtets bis zu 2 Centimeter Tiefe der Fall, waͤhrend bei manchen andern Saamen das Wuͤrzelchen hoͤchſtens ein Millimeter tief eindrang. Das des Buchwaizens verſenkte ſich, wie bei den Mul derſchen Verſuchen, nie in das Queckſilber, ſondern kroch auf deſſen Oberflaͤche hin. „Alſo bieten, wie ſich Herr Pa y er daruͤber Außert, nicht alle Wuͤrzelchen dieſe Eindringungskraft in demſelben Grade dar; und dieſe Verſchiedenheit rührt nicht von dem Unterfchiede in der 21 323 Schwere (der Saamen) oder in der Steifheit und Dicke (der Wuͤrzelchen) her. Die Wuͤrzelchen des Buchwaizens ſind ſteifer und dicker, als die der Gartenkreſſe, ſie haben ein weit groͤßeres abſolutes Gewicht, und dennoch kriechen ſie an der Oberflaͤche des Queckſilbers hin, waͤhrend die der Gartenkreſſe ziemlich tief in daſ— ſelbe eindringen.“ 5 Wir wollen darauf aufmerkſam machen, daß Herr Payer ſich hier auf die ſcheinbare Abweſenheit der Einwirkung beruft, welche ſeine Saͤmereien, vermoͤge ihres abſoluten Gewichts, auf die Wuͤrzelchen haͤtten ausuͤben koͤnnen, um ſie zum Eindringen in das Queckſilber zu vermoͤgen. Er giebt alſo zu, daß das Gewicht der Saamenkoͤrner bei feinen Verſuchen durch das Queckſilber geftügt worden fey. Herr Payer hat ferner gefunden, daß die Wuͤrzelchen ver— ſchiedener Pflanzen verſchiedener Zeiten bedürfen, um eine gleich ſtarke Queckſilberſchicht zu durchſetzen, daß Wärme und Licht auf die Geſchwindigkeit und Tiefe des Eindringens Einfluß haben, was ſich auch nicht anders erwarten ließ, da einestheils die Waͤrme ein Haupthebel der Vegetatationskraft iſt und anderntheils das Licht, indem es die Vegetationskraft des Federchens anregt, zu— gleich die des Wuͤrzelchens thaͤtiger macht; denn zwiſchen dieſen beiden Theilen beſteht ruͤckſichtlich der Vitaͤlitaͤt eine ſehr innige Beziehung. Demſelben Verf. zufolge, beſitzen die Nebenwurzeln dieſelbe Eindringungskraft, jedoch in etwas geringerem Grade, wie die Haupt oder Pfahlwurzel. Wenn eine Wurzel zwiſchen dem Queckſilber und den Wan— dungen des Gefaͤßes hingleitet, fo erreicht fie eine weit bedeutendere Tiefe, als wenn fie direct in das Queckſilber eindringt. Obgleich Herr Payer nicht angiebt, ob auf der Oberflaͤche des Queckſilbers, wo ſich die keimenden Saamen befanden, Waſſer vorhanden geweſen ſey, fo muß man doch nothweudig annehmen, daß dieß der Fall geweſen ſey. Allein es waͤre wuͤnſchenswerth geweſen zu erfahren, wie ſtark die Waſſerſchicht war, ob ſie die Saamen voͤllig bedeckte oder ob dieſelben nur theilweiſe in dieſelbe eingeſenkt waren. Indeß hat man aus ſeinen Worten zu ſchließen, daß bei ſeinen Verſuchen nur eine duͤnne Lage Waſſer uͤber dem Queckſilber geſtanden habe; denn nachdem er den oben erwaͤhnten Apparat beſchrieben, ſagt er: Als ich dann den Verſuch des Dr. Pinot wiederholte, fand ich, daß das Saamen— korn bei'm Keimen fein Wuͤrzelchen in das Queckſil⸗ ber einfen£te ꝛc. Herrn Payer war das von Herrn Pin ot angewandte Verfahren vollſtaͤndig bekannt; denn im Eingange ſei— ner Abhandlung bemerkt er: Am 13. Febr. 1829 zeigte Dr. Pinot der Academie an, daß die Saamen des Lathyrus odoratus, welche er auf Queckſilber keimen gelaſſen, ihre Wuͤrzelchen ſo tief in das Metall eingeſenkt haͤtten, daß die Wirkung der Schwerkraft zur Erklärung dieſer Erſcheinung nicht ausreiche.“ Indem nun Herr Pay erausdruͤcklich anerkennt, daß fein Verſuch eine Wieder: holung desjenigen des Herrn Pinot fey, erklärt er implieite, daß fein Queckſilber ebenfalls mit einer ſehr dünnen Waſſerſchicht bedeckt geweſen ſey und daß ſeine Saamen ebenfalls auf dem Metalle gelegen haben. Gegen die Commiſſion hat er ſich aber am 14. April 1845 anders geaͤußert, indem er erklaͤrte, er habe das Queckſilber mit einer 2 Centimeter ſtarken Waſ— ſerſchicht bedeckt; auf dieſer habe ein Korkſcheibchen geſchwom— men, in, dem ſich ein kleines Loch befunden, in welches das Wuͤr— zelchen des bereits gekeimten Saamens eingelaſſen worden ſey; zuweilen habe er ſtatt des Korkſcheibchens ein Baumwollenbaͤuſch⸗ chen angewandt und auf dieſes den gekeimten Saamen gelegt. In dem einen, wie in dem andern Falle ſey das Wuͤrzelchen durch das Waſſer hinab in das Queckſilber eingedrungen, und habe daf— ſelbe, welches eine 2 Centimeter ſtarke Schicht bildete, durchſetzt, und ſey fo in die darunter befindliche Waſſerſchicht gelangt. Bei die: ſer Einrichtung des Verſuchs war das Saamenkorn uͤber dem Queckſilber befeftiatz es laſtete mit der Spitze feines Wuͤrzel— chens nicht auf dem Metalle, und ſein Gewicht konnte folglich zum Eindringen des Wuͤrzelchens in das Queckſilber nichts beitragen; das Wuͤrzelchen begegnete dem Queckſilber erſt nachdem es eine ziemlich ſtarke Waſſerſchicht durchſetzt hatte, und da es alſo dann ſchon eine bes 747. XXXIV. 21. 324 deutende Länge befaß, fo meint Herr Payer, man koͤnne die Steife heit deſſelben nicht als die Urſache ſeines Eindringens in das Metall anſehen, zumal wenn das Wuͤrzelchen zugleich ſehr duͤnn iſt, wie das der Gartenkreſſe (Lepidium sativum). Die Urſache des Eindringens der Wuͤrzelchen läßt alfo Herr Payer dahingeſtellt ſeyn, indem er erklart, er wolle in dieſer Beziehung durchaus keine Theorie aufs ſtellen, und wenn er ſich in feiner Abhandlung der Ausdruͤcke: Nei— gung ſich nach dem Mittelpuncte der Erde zu verſen⸗ ken, Eindringungskraft ꝛc. bedient habe, fo ſey dieß Ie= diglich geſchehen, weil dieſelben ſchon lange recipirt ſind. Er ſey weit entfernt, hier an das Vorhandenſeyn einer eigenthuͤmlichen Lebenskraft zu glauben, wie Andere es gethan haben. Leider muͤſſen wir uns hier lediglich an Dasjenige halten, was uns die Abhandlung des Hrn. Payer ſelbſt bietet, in der ſich nicht ein Wort von der uns nachtraͤglich mitgetheilten Einrichtung des Experiments findet, ſondern wo dieſelbe ganz anders dargeſtellt iſt. Weiter oben haben wir nachgewieſen, daß nach den Ausdruͤcken je— ner Abhandlung die Saamen, wie bei Hrn. Pinot's Verſuchen, in einer duͤnnen Waſſerſchicht auf dem Queckſilber ſelbſt lagen, und daß Hr. Payer implicite zugiebt, das Gewicht ſeiner Saamen ſey von dem Metalle geſtuͤtzt worden, was mit feiner gegenwärtigen Behauptung, der zufolge die über dem Merkur von Kork oder Baum: wolle getragenen Saamen auf das Metall durchaus keinen Druck haͤtten ausüben koͤnnen, geradezu im Widerſpruche ſteht. Wir wenden uns nun zur Abhandlung des Hrn. Durand, welche der Academie in deren Sitzung am 24. März 1845 vorgelegt worden iſt. Hr. Durand ſetzt den Fall, daß ein Saamenkorn uͤber der Oberflaͤche des Queckſilbers befeſtigt ſey und daß deſſen Wuͤrzelchen ſenkrecht herabſteige, bis es mit dem Metalle in Beruͤhrung komme. Die Spitze des Wuͤrzelchens wird dann einem Widerſtande begeg— nen, der entſpringt: 1) aus der Cohaͤſion der Partikelchen des Queckſilbers; 2) von dem Drucke, den dieſes Metall von Unten nach Oben ausübt. Er theilt die mathematiſche Formel dieſes Wi— derftandes mit, welcher um fo bedeutender iſt, je ſtaͤrker der Durch meſſer des Wuͤrzelchens ift, Er berechnet, daß bei dem Wuͤrzelchen des Lathyrus odoratus, welches etwa E Millim. Durchm. hat, der gegen deſſen Eindringen in das Queckſilber ftattfindende Widerſtand für jedes Millim, ſenkrechter Tiefe der Einſenkung, etwa 6 Milligr. betrage, fo daß es, um 2 Gentim. tief in das Queckſilber einzudrin⸗ gen, einen Widerſtand von 120 Milligrammen zu uͤberwinden haͤtte. Der Verf beweiſ't hierauf durch Verſuche, daß das Wuͤrzelchen des Lathyrus odoratus eine mehr als hinreichende Steifheit beſitzt, um, ohne ſich zu ſich zu biegen, ein Gewicht von 120 Milligr. zu tras gen, fo daß es den aufwaͤrtsgerichteten ſenkrechten Druck (Wider— ſtand) einer mehr als 2 Gentim, ſtarken Queckſilberſchicht recht wohl aushalten (uͤberwinden) koͤnne. Nachdem Hr. Durand die phyſiſche Möglichkeit des Eindrin⸗ gens des Wuͤrzelchens des Lathyrus odoratus in eine mehr als 2 Gentim. hohe Queckſilberſchicht (ohne daß es gebogen wird) mathe⸗ matiſch nachgewieſen hat, geht er zu directen Verſuchen uͤber. Eine mit kleinen Loͤchern verſehene Korkſcheibe wurde 5 Millim. über der Oberflaͤche des Queckſilbers dauerhaft befeſtigt und ſoviel Waſſer auf daſſelbe gegoſſen, daß es bis über die Korkſcheibe hin⸗ aufreichte. Nun legte man gekeimte Saamen von Lathyrus odo- ratus auf die Korkſcheibe und ſteckte deren Wuͤrzelchen in die Löcher, welche eng genug waren, um jene feſtzuhalten. Indem dieſe Wuͤr⸗ zelchen hinabſtiegen, erreichten ſie die Oberflaͤche des Queckſilbers und drangen in daſſelbe ein. Die Tiefe des Metalls betrug 31 C.; eines der Wuͤrzelchen durchdrang daſſelbe ganz und bog ſich unten an dem Boden des Gefaͤßes um, fo daß es zwiſchen dieſem und dem Queckſilber fortwuchs. Daſſelbe Reſultat erhielt er, wenn er uͤber die auf dem Queckſilber liegenden gekeimten Saamen ein Gazelaͤppchen ausſpannte, ſo daß die Saamen in einer feſten Lage gehalten wur— den. Die Saamen von Polygonum fagopyrum, deren Wuͤrzelchen nach Mulder's und Payer's Verſuchen, nicht in das Queckſil⸗ ber eindringen, wenn fie über der Oberfläche deſſelben nur ſchwim— men, thaten dieß bei den Experimenten Durand' s, fo gut, wie die Wuͤrzelchen anderer Saamen, wenn fie auf die eben beſchriebene 325 Art befeſtigt waren. Die Oberfläche des Queckſilbers war bei dies ſen Verſuchen mit Waſſer bedeckt. Hr. Durand wendet ſich nun zum Studium der Erſcheinung des Eindringens der Wuͤrzelchen zwiſchen das, mit Waſſer bedeckte Queckſilber und die Wandungen des daſſelbe enthaltenden Gefaͤßes. Er zeigt, daß ſie in dieſer Lage durch den ſeitlichen Druck, den das Queckſilber auf ſie ausuͤbt, erhalten werden, ſo daß man ſie, nach— dem man fie herausgezogen, wieder in dieſelbe Lage zuruͤckverpflan— zen kann, und zwar deßhalb, weil ihre Reibung an der Wandung des Gefaͤßes ihrer Austreibung einen groͤßern Widerſtand entgegens ſtellt, als ihn die Kraft des von Unten nach Oben ſchiebenden Queck— ſilbers uͤberwinden kann. Mit den Wuͤrzelchen, welche in die Maſſe des Quͤeckſilbers ſelbſt eingedrungen ſind, verhaͤlt es ſich, wenn man fie herausgezogen hat, anders. Wenn man fie wieder hincins pflanzen will, werden ſie ſogleich herausgetrieben, ſo daß ſie auf der Oberflache ſchwimmen. Nunmehr unterſucht Hr. Durand, wie ſich die Wuͤrzelchen der Saamen verhalten, wenn die Samen in der Waſſerſchicht, die das Queckſilber bedeckt, beweglich ſind. Wenn dieſe Waſſerſchicht die Saamen ganz bedeckt, ſo werden die letztern um ſo viel leichter, als das Gewicht des durch ſie aus der Stelle geruͤckten Waſſers austraͤgt, und da dann die Wuͤrzelchen bei ihrem Wachsthume von Oben nach Unten weniger ſtark auf daͤs Queckſilber druͤcken, ſo dringen ſie nicht in daſſelbe ein. Iſt die Waſſerſchicht duͤnn, ſo daß ſie die Saamen nicht bedeckt, ſo bleibt dieſen ein groͤßerer Theil ih— res Gewichtes disponibel, und dann verſenken ſich die Spitzen ihrer Wür- zelchen ein Wenig in die Oberfläche des Metalls, indem fie ſoviet von dieſem aus der Stelle ruͤcken, als dem auf das Wuͤrzelchen druͤcken— den Theile des Gewichts des Saamenkornes entſpricht. Wenn ine deß die Waſſerſchicht ſehr duͤnn iſt und durch die Verdunſtung im— mer ſchwaͤcher wird, ſo kann zwiſchen dem Saamen und der Ober— flaͤche des Queckſilbers eine Haarroͤhrchenanziehung eintreten und das Wuͤrzelchen dann in das Metall in derſelben Weiſe eindringen, wie wenn das Saamenkorn kuͤnſtlich befeſtigt worden iſt. Eine aͤhn— liche capillariſche Adhaͤſion bemerkt man zwiſchen dem Queckſilber und andern vegetabiliſchen Subſtanzen, z. B. Stuͤcken von Moͤhren oder Rüben, Kork ꝛc., wenn man ſie auf der Oberfläche dieſes Mes talls verweilen läßt. Alsdann berichtet Hr. Durand uͤber einen ſehr merkwuͤrdigen Fall des Eindringens der Wurzeln in Queckfilber. Derſelbe wurde zufällig herbeigefuͤhrt, und gab ihm uͤber die Urſache des tiefen Ein— dringens Aufſchluß. Er hatte vernachläſſigt, einige gekeimte Saa— men, die ſich auf der Oberflaͤche des Queckſilbers befanden, mit Waſſer zu verſorgen. Dennoch bemerkte er, daß dieſelben mit ih— ren Wuͤrzelchen in das Queckfilber eingedrungen waren, und eines davon verſenkte ſich uͤber 4 Centim tief. Das Pflaͤnzchen ſtand aufrecht und ließ ſich transportiren, wobei es nur, wie ein ſchwim— mender Koͤrper, hin und her ſchwankte, und wenn man es ruhig hinſtellte, richtete es ſich wieder von ſelbſt auf. Indem Hr. Du— rand dem Grunde dieſes ſo tiefen und ſtabilen Eindringens des Wuͤrzelchens in das Queckſilber nachforſchte, fand er, das das Saa— menkorn an der Oberflaͤche des Merkurs mittelſt einer duͤnnen halb— feſten und bieafamen Schicht befeſtigt war, welche gleichzeitig das Metall, das Saamenkorn und den nicht untergetauchten Theil des Wuͤrzelchens umhuͤllte. Dieſe Schicht war durch das theilweiſe Ver: trocknen der vegetabiliſchen Stoffe entitanden, die das Waſſer aus den Saamen ausgezogen hatte. Dieſe waren auf dieſe Weiſe an die Oberfläche des Merkurs angeklebt, fo daß das Wuͤrzelchen den ihm von dem Queckſilber gebotenen Widerſtand hatte uͤberwinden koͤnnen. Die fo entftandene Schicht ift ein Gemengſel von den im Waſſer aufgeloͤſ't geweſenen organiſchen Stoffen und Queckſilber. Voͤllſg aufgetrocknet, hängt fie an den Wandungen des Gekaͤßes feſt, und wenn man das Metall durch eine unten angebrachte Oeffnung abziehen laͤßt, ſo kann ſie, wie eine Art Gewoͤlbe, haͤngen bleiben. Hierin iſt, nach Hrn. Durand, der Grund des Eindringens der Wuͤrzelchen in das Queckſilber zu ſuchen, wenn die Saamen auf dem mit wenig Waſſer bedeckten Queckſilber liegen Dieſelben muͤſſen an die Oberflache des Metalls angeklebt werden, wenn une ter dieſen Umſtaͤnden das Eindringen ſtattfinden ſoll. Bleibt die 747. XXXIV. 21. 326 Oberflache deſſelben blank, fo dringen die Wuͤrzelchen nie tiefer ein, als die Schwere der Saamen es zu bewirken vermag. Nicht alle Saamen treten an das Waſſer eine gleiche Menge aufloͤslicher Stoffe ab. Die von Lathyrus odoratus geben uns ter Anderm Eiweißſtoff, Gummi, Gerbeſtoff ꝛc. ab. Es laͤßt ſich denken, daß dieſe in Folge der Verdunſtung des Waſſers auf die Oberflaͤche des Queckſilbers adgefegten Stoffe daſelbſt eine hinrei— chend feſte Schicht bilden, um den Saamen und deſſen Wuͤrzelchen zu fixiren. Nun treten aber, Hrn. Durand zufolge, die Saa— men des Polygonum fagopyrum die zur Bildung einer ſolchen Schicht erforderlichen Subſtanzen nicht an das Waſſer ab, und hier— in waͤre demnach der Grund zu ſuchen, weßhalb die Wuͤrzelchen dieſer Species nicht in das Queckſilber eindringen. Doch würde man ſie dazu bringen koͤnnen, wenn man das Queckſilber mit einer vegetabiliſchen Subſtanz bedeckte, die ſich zur Bildung eines kleb⸗ rigen Ueberzugs eignet. Dieß hat nun Hr. Dur and wirklich er: reicht, indem er zugleich mit den Buchwaizenkoͤrnern einige Tro⸗ pfen von gewiſſen Pflanzenextracten, z. B. Lattichextract, auf das Queckſilber brachte. Ja es gelang ihm fogar, ein Pflaͤnzchen in dem Queckſilber fo zu firiren, daß deſſen Wurzeln darin blieben. Dieſe Pflanze wurde erſt durch mechaniſche Mittel mit den Wurzeln in das Queckſilber eingetaucht gehalten. Auf der Oberflaͤche deſſelben befand ſich etwas Waſſer, das, je nachdem es verdunſtete, erſetzt wurde. Nachdem Hr. Durand nach vier Tagen aufgehoͤrt hatte, das ver— dunſtete Waſſer durch friſches zu erſetzen, konnte ſich das Pflaͤnzchen ganz allein im Queckſilber erhalten indem deſſen Wurzel (Wurzelſtocks) mittelſt eines aus vegetabiliſchen Stoffen und Queckſilber beſtehenden Leimesſixirt war. Als nun neues Waſſer nachgegoſſen wurde, blieb das Pflaͤnzchen an Ort und Stelle und fuhr fort zu wachſen Dieſe Verſuche ließen in Betreff der Urſache des etwas tiefen Eindringens der Wurzeln in das Queckſilber keinem Zweifel Raum. Damit daſſelbe ſtattfinden koͤnne, müffen das Saamenkorn und das Wuͤrzelchen an der Stelle, wo ſich durch das Gewicht des erſtern das letztere ſchon ein Wenig unter die Oberfläche des Metalls ver⸗ ſenkt hat, durch den ſich an deſſen Oberflaͤche bildenden Ueberzug feſtgeklebt werden. Dieß bringt dann die naͤmliche Wirkung her⸗ vor, als ob das keimende Saamenkorn durch mechaniſche Mittel oder mittelſt eines eigends darauf eingerichteten Apparats uͤber der Oberflache des Queckſilbers befeſtigt worden wäre, wie es von Hrn. Durand in der oben angegebenen Weiſe geſchehen war. Das Wuͤrzelchen wird ſich dann, indem es ſich unterwaͤrts verlängert, tiefer in das Queckſilber ſenken, da es an dem befeſtigten Saa⸗ menkorn einen Widerhalt beſitzt. — „Nach fo beweifenden Verſuchen hat ſich Herr Durand noch die uͤberfluͤſſige Muͤhe gegeben, die Ungenauigkeit des nachſtehenden Verſuchs des Herrn Pinot darzuthun. Ein Saamenkorn des Lathyrus odoratus ward an eine ſilberne Nadel befeſtigt, welche nach Art einer Magnetnadel auf einem Stifte balancirte. Am an— dern Ende der Nadel befand ſich zur Herſtellung des Gleichgewick— tes eine Wachskugel. Dieſe Nadel wurde in die Naͤhe der Ober— flache des Queckſilbers gebracht und dann mit einer Glocke bedeckt, die in ein mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß eintauchte, ſo daß die unter der Glocke abgeſperrte Luft bald mit Waſſer gefättigt war. Das Sammenkorn abſorbirt das in der Luft aufgeloͤſ'te Waſſer und keimt; ſein Wuͤrzelchen ſteigt gegen das Queckſilber herab und dringt in daſſelbe ein, ohne daß deſſen Widerſtand die Nadel auf der einen Seite in die Hoͤhe triebe. Nachdem Herr Durand die Ungenauigkeit dieſes Verſuchs dargethan, ſtellte er ſelbſt einen aͤhn— lichen, aber weit buͤndigeren an. Aus diefem ergab ſich denn, daß der Widerſtand, den das Queckſilber dem in daſſelbe eindringen wollenden, ſich verlängernden Wuͤrzelchen entgegenſtellte, den aͤußerſt empfindlichen Apparat, an welchem das Saamenkorn befe— ſtigt war, zu einer Hebelbewegung veranlaßte, und daß das Wuͤr— zelchen nicht in das Queckſilber eindrang. - Die Abhandlung des Hrn. Payer ift der Academie bereits vor faſt einem Jahre vorgelegt worden, und ſeitdem haben wir viele Verſuche angeſtellt, um die Thatſache feſtzuſtellen, daß die mit ein Wenig Waſſer auf die Oberflaͤche von Queckſilber gelegten Saamen mit ihren Wuͤrzelchen in dieſes Metall eindringen; denn ſo hatte der Berichterſtatter die Art und Weiſe, wie Herr Payer 2 1 Bu 327 experimentirt, verſtehen zu müffen geglaubt. Unfere Saamen wa⸗ ren nur theilweiſe in die dünne Waſſerſchicht eingeſenkt. Wir wandten bei dieſen Verſuchen mehrere Arten von Saamen, na— mentlich die des Lathyrus odoratus, an; aber nie ſenkten ſich die Wuͤrzelchen tiefer in das Queckſilber ein, als im geraden Verhaͤlt— niſſe zu dem Drucke, den das Gewicht der Saamen auf die Wür: zelchen ausübte, d. h. nie über etwa 3 Millimeter tief. Häufig drangen ſie aber auch gar nicht ein, ſondern krochen auf der Ober— fläche des Metalls hin. Wir haben Saamen von Lathyrus odo- ratus, die zu keimen begannen, auf die trockne Oberflache des Queckſilbers gelegt; das Gefaͤß, in dem ſich das Metall befand, wurde mitten in eine mit Waſſer gefuͤllte Schuͤſſel geſetzt, und eine in dieſes Waſſer eingetauchte Glocke bedeckte das Gefäß, welches das Queckſilber und die Saamen enthielt. Der Keimproceß hatte in der mit Waſſerdunſt geſaͤttigten Luft unter der Glocke ſeinen Fortgang; die Wuͤrzelchen drangen in das Queckſilber ein, wo ſie jedoch bald abſtarben. Die in daſſelbe eintauchende, ſchwarzgewor— dene Portion war etwa 3 Millimeter lang, und blieb unterge— taucht, auch nachdem ſie abgeſtorben war. Sie wurde durch den Druck des Saamenkorns und des nicht untergetauchten Theils des Wuͤrzelchens, welcher, da er mit der Luft in Beruͤhrung geblieben war, feine Lebensthaͤtigkeit behalten hatte, in dem Queckſilber ges alten. . Dieſe conftant negativen Ergebniffe fielen uns auf, fo daß wir uns fragen mußten, woher es komme, daß bei Hrn. Pa yer's Verſuchen die Wuͤrzelchen des Lathyrus odoratus beftändig durch die ſtaͤrkſten Mercurſchichten, die er ihnen entgegenſtellen durfte, namlich ſolche von 2 Centimeter Dicke, hindurchdrangen. Die Verſuche des Herrn Durand enthielten, wie es ſchien, die Ant— wort auf dieſe Frage. Wir nahmen an, daß bei den Erperis menten des Herrn Payer die Saamen, ohne daß er es gewahr wurde mit dem Queckſilber zuſammengeklebt worden ſeyen, und daß auf dieſe Weiſe die Wuͤrzelchen in daſſelbe tief haͤtten eindrin— gen koͤnnen. Da aber Herr Payer nunmehr laͤugnet, daß er die Saamen auf das Queckſilber gelegt habe, und behauptet, ſie ſeyen über der Oberfläche deſſelben befeftigt worden und feyen von der— ſelben durch eine 2 Centimeter ſtarke Waſſerſchicht getrennt gewe— ſen, ſo wuͤrde ſich hieraus ergeben, daß das Eindringen der Wuͤr— zelchen ſeinen Grund in der mechaniſchen Befeſtigung der Saamen oder des oberen Theils ihrer Wuͤrzelchen gehabt haͤtte, wie es bei den Verſuchen des Herrn Dur and der Fall war. Mag man nun aber die von Herrn Payer erlangten Reſultate auf die eine oder die andere Weiſe erklaͤren, ſo iſt doch die Theorie des Ein— dringens der Wuͤrzelchen in das Queckſilber durch die Durand? ſchen Verſuche als feſtgeſtellt zu betrachten. £ Herr Payer behauptet in feiner Abhandlung, es ſey ihm ge: lungen, die Wuͤrzelchen des Lathyrus odoratus hintereinander durch mehrere Schichten Queckſilber, die durch Waſſerſchichten vons einander getrennt geweſen ſeyen, dringen zu laſſen. Dieß erklaͤrt ſich ohne Schwierigkeit. Nachdem die oberfte Queckſilberſchicht, mit Huͤlfe der mechaniſchen Befeſtigung oder des Anklebens der Saamen an die Oberfläche des Queckſilbers, von den Wuͤrzelchen durchſetzt worden war, mußte dieſes durch eine der engen Maſchen des Tuͤlls oder Kattuns wachſen, mit dem der Platinaroſt belegt war, um das Queckſilber über dem Waſſer zu erhalten. Durch dieſe Maſche wurde nun das Wuͤrzelchen an dieſer Stelle feſtge— halten, und nachdem es durch die darunter befindliche Waſſerſchicht gewachſen war und an der Oberflaͤche der zweiten Queckſilberſchicht Widerſtand fand, konnte es denſelben vermoͤge feiner zweiten Befe: ſtigung leicht überwinden. Ebenſo mußte es ſich mit der dritten Queckſilberſchicht verhalten, wenn eine ſolche vorhanden war, was ſich aus der Abhandlung des Herrn Payer nicht ergiebt, da er ſich des unbeſtimmten Ausdruckes: „mehrere Queckſilberſchichten“ bedient. Wir haben nicht die ſaͤmmtlichen Verſuche des Herrn Du— rand wiederholt, ſondern uns nur von der Richtigkeit des wich— tigſten unter ihnen überzeugt, nämlich desjenigen, wo er fand, daß das Saamenkorn durch einen ſich auf der Oberflache des Queckſil⸗ bers bildenden Ueberzug befeſtigt werden koͤnne, wodurch es dem Wüͤrzelchen möglich wird, tief in das Metall einzudringen. Zu 747. XXXIV. 21. 328 dieſem Experimente bedienten wir uns des Saamens der Gartene kreſſe, welcher ſo leicht iſt, daß er durch ſein abſolutes Gewicht das Wuͤrzelchen kaum in das Queckſilber hineintreiben kann. Zwoͤlf Körner dieſes Saamens wurden auf Quedfilber gelegt und auf je⸗ des ein Waſſertropfen gebracht. Nachdem dieſer erſte Tropfen ver⸗ dunſtet war, wurde er durch einen zweiten erſetzt, und ſo fort. Während der Nacht wurden die Saamen mit einer kleinen Glas— glocke bedeckt, welche in das Queckſilber eintauchte. Die unter der Glocke abgeſperrte Luft ſaͤttigte ſich bald mit Feuchtigkeit, fo daß die Verdunſtung der Tropfen waͤhrend der Nacht bald zum Stille⸗ ſtand gelangte. Am folgenden Morgen ward die Glocke wieder bee ſeitigt. Nach dieſen wiederholten Verdunſtungen war auf dem Queck ſilber um jedes Saamenkorn her ein weißlicher Ueberzug zu erken⸗ nen. Die Saamen hatten gekeimt, und ein einziges Korn fein Wuͤr— zelchen in das Metall eingeſenkt, während die der eilf übrigen auf der Oberflaͤche des Queckſilbers hinkrochen. Das in das Queckſilber eingedrungene Wuͤrzelchen war daſelbſt ſo ſtark befeſtigt, daß man das Metall erſchuͤttern konnte, ohne daß jenes herausgetrieben wurde. Man konnte es ſogar mit einem Zaͤngelchen ein Wenig heben, ohne daß es ſeinen Halt verlor. Dieß war am dritten Tage nach dem Keimen der Fall. Man ſah leicht, daß das Wuͤrzelchen an ſeinem obern Theile, gleich dem Saamenkorne, durch den Ueberzug an der Oberflache des Queckſilbers befeſtigt war, auf welchem jedoch noch einiges Waſſer ſtand, das den klebrigen Ueberzug auflockerte. Als man das Wuͤrzelchen herauszog, fand ſich, daß es eine ſenkrechte Tiefe von 4 Millimetern erreicht hatte. Als man es wieder in das Queckſilber ſteckte, wurde es ſogleich herausgetrieben. So wurde denn Hrn. Durand's Angabe über dieſen Punct beſtaͤtigt; allein in den meiſten Faͤllen gelingt der Verſuch nicht. Schlußfolgerungen. Aus den in dieſem Berichte barge- legten Verſuchen ergiebt ſich, daß die Erſcheinung des Eindringens der Wuͤrzelchen in Queckſilber, welche auf den erſten Blick paradox ſchien, ſich aus hinreichend bekannten Naturgeſetzen erklären läßt. Man muß es dem Herrn Payer Dank wiſſen, daß er dieſe Frage von Neuem angeregt hat (obgleich ihm deren Loͤſung nicht einmal theilweiſe gelungen iſt), daß er Verſuche neuer Art angeſtellt und zumal die Tiefe, bis zu welcher die Wuͤrzelchen eindrangen, genau gemeſſen hat. Seine Abhandlung hat Andere zu Verſuchen veranlaßt, und Hrn, Durand iſt es gelungen, die Anſichten der Phyſiologen und Phyſiker über dieſen Gegenftand aufzuklären. Er hat nachgewie⸗ ſen, daß die Haupturſache dieſer Erſcheinung in der Befeſtigung der Saamenkoͤrner über oder an der Oberflache des Queckſilbers zu ſu⸗ chen ſey, indem, wenn eine ſolche Befeſtigung nicht ſtattfindet, die Wurzelchen ſich nur im Verhaͤltniſſe ihrer Belaſtung durch das Saamenkorn einſenken. Der Scharfſinn, den er bei ſeinen Unter— ſuchungen an den Tag gelegt, und die Genauigkeit der Verſuche, mittelſt deren er das Problem gelöf’t hat, machen ihn des Beifalls der Academie würdig. (Comptes rendus des seances de Acad. d. Sc. T. XX., No. 17, 28. Avril 1845.) Miscellen. Fuͤr das Geruchlosmachen der faeces hatte Hr. Sir ret bei der letzten Preisvertheilung in Beziehung auf der Geſund— heit nachtheilige Kuͤnſte, eine Belohnung für feine Unterſuchungen erhalten. Jetzt kuͤndigt er eine Vervollkommnung ſeines Verfah— rens an. „Mit ſchwefelſaurem Eiſen behandelt, werden die Faͤcal— maſſen augenblicklich geruchlos, wie ich es angekuͤndigt und die Berichtserſtattungs-Commiſſion es anerkannt hatte; aber die ge— latinöfen und albuminoͤſen Theile, welche conſtituirende Theile der faeces find, entgehen der Wirkung dieſes Salzes, und die neuen Verbindungen, zu welchen fie Veranlaſſung geben, moͤchten ſpaͤter unangenehme Ausduͤnſtungen veranlaſſen, wenn man nicht die Gaͤh— rung verhindert. Nach ſpaͤter angeſtellten Verſuchen erreicht man aber dieſen Zweck vollkommen, wenn man zu der durch das ſchwe— felſaure Eiſen desinficirten Maſſe eine gewiſſe Proportien gepulver⸗ ten Aetzkalks hinzufuͤgt ꝛc.“ 329 Ueber die Blätter der Farrn hat Herr Fee der Academie des Sciences zu Paris eine Abhandlung überreicht, worin er ſich bemuͤht, die Wichtigkeit der Rippenvertheilung der Blätter, als Baſis der Claſſification darzuthun und zu beweiſen, 747. XXXIV. 21. 330 daß fie größere Sicherheit und Beftändigkeit befige, als die frucht⸗ tragenden Organe, welche bei den Polypodiaceen kaum beſtimmbare Verſchiedenheiten darbieten. de. Einige allgemeine und practiſche Betrachtungen uͤber die Hautkrankheiten. (Aus einem kliniſchen Vortrage im Höpital Saint Louis zu Paris). Von Hrn. Devergie. Was iſt die Natur dieſer ſo mannigfaltigen Formen der Haut— krankheiten? Offenbar iſt fie eine entzuͤndliche. Wie ſich auch die Krankheiten darſtellen, im acuten oder im chroniſchen Zuſtande, der entzündliche Zuſtand der Haut bietet ſich mit einigen wenigen und wenig allgemeinen Ausnahmen beſtaͤndig unſerer Betrachtung auf eine mehr oder weniger deutliche Weiſe dar. Dieſe Ausnahmen find fo ſelten, daß fie nur einige Varietaͤ— ten geben. Die Tinea-Arten, kavus scutulata und lupinosa, por- rigo decalvans, die kahlmachende Flechte, in welcher bei dem er— ſten Anblick ſich ein entzuͤndlicher Zuſtand nicht ausſpricht, erhal: ten die Kennzeichen der Entzuͤndung, wenn man die Productionen oder Secretionen, welche die Haut entſtehen laͤßt, entfernt. Neh— men Sie vermittelſt eines Umſchlags alle die Hautſchuͤppchen eines favus hinweg und die behaarte Haut wird ein lebhaftes Roth zei— gen. Dieſe Roͤthe und dieſes Uebermaaß von Senſibilitaͤt vers ſchwinden erſt nach der vollſtaͤndigen Heilung der Krankheit, und find das einzige Mittel die Heilung eines favus feſtzuſtellen. Selbſt in der porrigo decalvans hat der von den Haaren entbloͤſ'te Theil eine roſenrothe Faͤrbung, welche von der Blaͤſſe der behaarten Haut abſticht. So find alle Hautkrankheiten, mit wenigen Ausnahmen, ent: zuͤndlicher Natur, und als Herr Rayer fein noſologiſches Syſtem fuͤr die Haut ſchuf, hat er mit Recht als allgemeine Bezeichnung: Entzündungen nach der Anzahl und Form ihrer Ele— mentarveraͤnderungen feſtgeſtellt. Ungluͤcklicher Weiſe lehrt uns dieſe entzuͤndliche Form in Ber ziehung auf die Krankheit ſelbſt nicht genug; aber es iſt ſchon gut, die Thatſache feſtzuſtellen und zu beweiſen, daß „die Haut, wie die anderen Organe des Koͤrpers, keine Verſchiedenheit, keine beſondere Eigenthuͤmlichkeit hat; es iſt hier keine Anomalie in ihre Krankheitsform einzureihen“, und wir werden ſpaͤter aus dieſer Thatſache fuͤr die Therapeutik wichtige Folgen ableiten. Wir wollen indeſſen weiter gehen und die Frage aufwerfen, was 10 Urſache, oder welche die Urſachen aller dieſer Entzuͤndun— gen ſind. Das Abſchreckende, was die Dermatoſen gleich zuerſt einfloͤß— ten, der Gedanke, daß ſie alle contagoͤs waͤren, ließ unmittelbar die Idee eines Flechtengiftes entſtehen, da die Syphilis und die Blatern auf die Annahme der Exiſtenz eines Giftes gefuͤhrt hatten. Spaͤter und nach genaueren Beobachtungen ſuchte man zu be— weiſen, daß in dieſer Beziehung ein Irrthum vorhanden, daß nicht allein die Dermatoſen im Allgemeinen nicht anſteckend, ſondern anch, daß die Anſteckung nur eine Ausnahme fuͤr einige unter ih— nen waͤre; endlich ging man in den letzten Zeiten ſo weit, zu be— haupten, das einzig die Kraͤtze anſteckend wäre, daß ſich die tinea favosa durch Beruͤhrung nicht uͤbertruͤge, daß ſie ſich nicht von einem Individuum auf das andere fortpflanze. Das iſt heutzutage ziemlich der allgemeine Stand der Anſicht in dieſer Beziehung, daß den Kopfgrind, die kahlmachende Flechte und die Kraͤtze abgerechnet, die anderen Hautkrankheiten nicht an⸗ ſteckend ſeyen. Auf dieſe Weiſe iſt man, wie man ſieht, von einem Extrem zu dem anderen gegangen. Weder das eine, noch das andere wird das Wahre ſeyn, und jetzt kann ich durch Thatſachen „die directe Uebertragung von Kindern auf Erwachſene und von Erwachſenen auf Kinder, von anderen Krankheiten, als die, welche ich erwaͤhnt habe, beweiſen. Alibert, deſſen Urtheil wir anzurufen oft Gele— genheit haben werden, und dem man heutiges Tages vielleicht nicht genug Gerechtigkeit wiederfahren läßt, Alibert iſt einer der ſcharfſinnigſten Beurtheiler der betreffenden Thatſachen geweſen. Wie es ſich auch mit der Anſteckung verhalten moͤge, immer iſt von der Menge der Anſichten die Vorſtellung geblieben, daß alle Haut⸗ krankheiten beinahe beftändig von einer inneren Urſache herruͤhrten, und daß man, um fie vollftändig zu heilen, dieſe innere Urſache zerſtoͤren müßte, dieſes heimliche Agens, welches den Ausbruch in dem und jenem Lebensalter bewirke. Daher der Urſprung aller der ſogenanten blutreinigenden Mittel. Aber dieſe Urſache, welche iſt ſie? Fragen Sie die waͤrmſten Vertheidiger dieſes Syſtems; ſie werden Ihnen antworten: Ich weiß es nicht. Und doch werden ſie die Blutreinigungsmittel an— wenden. So ſehr von der Vorſtellung einer verborgenen Urſache eingenommen, zögernfie nicht, blind zu handeln, um das zu zerſtoͤren, deſſen Exiſtenz ſie vermuthen, aber nicht kennen. Giebt es ein ſeltſameres Verfahren, als das, welches durch eine vorgefaßte Idee, durch die Annahme eines eingebildeten Weſens, deſſen Exiſtenz man nicht beweiſen koͤnnte, geleitet wird! Man wird vielleicht einwen⸗ den, daß man auch nicht mehr das Weſen der ſyphilitiſchen Urſa⸗ che kenne, und daß man demohngeachtet nicht die Exiſtenz deſſelben laͤugnen koͤnne. Aber welch' ein Unterſchied! Die Syphilis ers zeugt ſich durch Uebertragung vermittelſt der Beruͤhrung und der Einimpfung. Nichts von Dem bei den Flechten im Allgemeinen. Die Syphilis wird durch Vererbung uͤbertragen; wenn auch einige Flechten ſo uͤbertragen werden, wie viel giebt es vollkommen ge— funde Kinder von mit Flechten behafteten Aeltern, ja ſogar, wie viele geſunde Kinder neben mit Flechten behafteten Kindern aus derſelben Ehe! Endlich, wie viel giebt es an Flechten leidende Individuen, welche weder einen Vater, noch eine Mutter, noch Kinder gehabt haben, die von dieſem Uebel ergriffen find! Fra— gen Sie unſere Kranken in Bezug auf die Forterbung, und Sie werden ſehen, daß es eine ſehr große Anzahl giebt, bei denen dieſe Urſache nicht eingewirkt hat. Fern ſey von mir der Gedanke, den Einfluß der Forterbung bei den Flechten laͤugnen zu wollen, fern ſey von mir es zu läugs nen, daß es Flechten giebt, die von innern Urſachen abhängig find; das, was ich zu beſtreiten beharre, iſt die irrige Meinung „eines Flechtenprincips, welches alle Dermatoſen beherrſche, und welches man auf die Gefahr hin, die Krankheit nach ihrem Verſchwinden wieder entſtehen zu ſehen, durch welches Mittel es auch ſey, ver— nichten muͤſſe.“ Das iſt ein antimediciniſcher Gedanke, der fuͤr die rationelle Behandlung der Dermatoſen hoͤchſt nachtheilig iſt. Er fuͤhrt zu dem empiriſchen Gebrauche derſelben Mittel, welche bei den Ei— nen die Geſundheit zerſtoͤren, bei den Andern aber die Verrichtun— gen des Darmcanals veraͤndern und in den Organismus Unord— nung bringen, anſtatt zu der Wiederherſtellung des Gleichgewichts ſeiner errichtungen beizutragen. Entwickeln wir nun wirklich unſere betreffenden Anſichten. Einige privilegirte Individuen abgerechnet, bei denen die Entwides lung der Organe eine ſeltene Harmonie bietet, werden wir unter 331 ſolchen Bedingungen der Oeganiſation geboren, daß ein Ueberwie⸗ gen eines oder des andern Syſtems vorhanden iſt; daher die Tem— peramente. 5 Wir alle haͤngen ebenſo mehr oder weniger von der Organi— ſation unſerer Aelkern ab; wir bringen bei unſerer Geburt den Keim ihrer Schwaͤche, den Keim ihrer Staͤrke mit. Wenn alſo bei einem Individuum mit geſunder Conſtitution ein Flechtenuͤber entftanden ift, wenn es fich ausgedehnt und mehrere Jahre hin— durch gedauert hat, wenn dieſes Individuum ſpäter mehrere Kinder hat, fo überträgt es ihnen eine in ihren vitalen Eigenthuͤmlichkei⸗ fen modificirte Haut, welche fie geeigneter macht, als eine andere, der Sitz der Entwickelung von Dermatoſen zu ſeyn; auf dieſe Art verſtehen wir die Vererbung. Es kann bei dieſen Krankheiten, in der That, nicht anders ſeyn, als bei den andern angeerbten Affectionen. Das Kind wird nicht mit der Phthiſis geboren; wenn es aber die Lebensepoche er— reicht, in der ſich dieſe Krankheit entwickelt, dann erſcheint ſie mit allen den Symptomen, welche ſich bei dem Vater, von dem es ſtammt, gezeigt hatten, und wenn es in beſſere geſundheitliche Verhältniſſe verſetzt wird, ſo kann es der Entwickelung der Krank⸗ heit entgehen. Eine Mutter, von einer organiſchen Krankheit der Leber ergriffen, überträgt ihrem Kinde eine Anlage zu dieſer Kranke heit. Das Kind, von Aeltern abſtammend, deren Unterleibsorgane ſchlecht waren, wird Anlage zu Unterleibsteiden haben. Sagt man, daß in dieſen Fällen ein phthiſiſches Gift, ein hepatiſches Gift, ein Inteſtinalgift exiſtirt? Warum alſo behaupten, daß es ein Flech⸗ tengift giebt, welches ſich von dem Vater auf den Sohn fortpflanzt? Den Einfluß der Geburt auf die Organiſation, und folglich den der Vererbung nehmen wir vollſtaͤndig an; aber das, was wir nicht annehmen, iſt dieſes fuͤr alle Individuen identiſche Flechten⸗ gift. Außerdem ſehen Sie, zu welcher Folgerung dieſes Gift fuͤhrt. Es exiſtirt, wie fie geſehen haben, in den mannigfaltiaften Formen von Krankheiten der Haut. Dieſe Elementarformen ſind ſehr rein, ſehr geſchieden. Wenn Sie zugeben, daß es ein Flechtengift gebe, ſo muß man ebenſo annehmen, daß es nach Art eines wahren Pro⸗ teus unter hundert verſchiedenen Formen auftrete und ſich unter hundert verſchiedenen Formen von Geſchlecht zu Geſchlecht fort— anze. . Darin wuͤrde es von allen andern Giften eine Ausnahme ma⸗ chen. Die Schuspode, die Blatter erzeugt und pflanzt ſich im⸗ mer auf dieſelbe Art und mit denſelben Symptomen fort. Die Syphilis tritt bei den Neugeborenen immer mit demſelben Char racter auf. Warum ſollte alſo das Flechtengift, wenn es exiſtirte, eine Ausnahme von allen andern machen? Im Allgemeinen nehmen Sie auf die angeſtammte, angeerbte Anlage große Ruͤckſicht; ſeyen Sie verſichert, daß in dieſen Fällen die Affectionen der Haut der Behandlung bei Weitem hartnaͤckfger widerſtehen, daß ſie den Gebrauch innerer, oft energiſcher Mittel nöthig machen werden, aber laſſen Sie die Idee des Giftes bei Seite, welches nicht das iſt, was man unter dieſem Worte verſteht, welches außerdem nicht fein Gegengift, wie das ſyphilitiſche das ſeinige hat. „Es giebt alſo angeerbte Dermatoſen in dem Sinne, daß das Kind bei der Geburt eine Anlage zu Flechten mitbringt und in eis nigen ſeltenen Faͤllen zu den Flechten, mit denen die Aeltern be— haftet waren.“ Dieß alſo die erſte Quelle von innerer Urſache. Eine zweite Urſache der Hautkrankheiten, und die von In: nen ausgeht, iſt die Herrſchaft der Temperamente; an ihrer Spftze muß man das lymphatiſche Temperament ſtellen; ebenſo, wie die Herrſchaft deſſelben die Scropheln herbeifuͤhrt, erzeugt fie Derma— toſen oder wenigſtens die Anlage zu denſelben. Es geht aus einem von uns gemachten ſtatiſtiſchen Verzeichniſſe hervor, daß uͤber die Hälfte der an Flechten leidenden Individuen lymphatiſches Tem perament haben. Eine bemerkenswerthe Erſcheinung, einem gewiſſen Tempera⸗ mente ſcheint ſich eine gewiſſe Form der Dermatoſe beizugeſellen. Alle ſecundaͤren Hautkrankheiten ſind beinahe immer an das lymphatiſche Temperament gebunden, und unter dieſen ſecerniren— den Affectionen muß man diejenigen, welche Eiter liefern, als die 747. XXXIV. 21. 332 gewoͤhnlichſten und als die ſich auf eine beſtimmte Weiſe dieſem Temperamente beigeſellenden aufſtellen. Richten Sie alſo zur Be— ſtaͤtigung dieſer Thatſachen auf die Verfolgung dieſes Momentes in den Citaten allgemeiner Beiſpiele ihr Augenmerk. Nehmen ſie ein Kind in geringem Alter; iſt es groß, dick und mit geringer Farbe, ſo werden Sie waͤhrend der erſten Monate feines Lebens das, was man mit dem Namen Milhfchorf bezeich⸗ net, auftreten ſehen; ſpaͤter die Geſichtsgrindflechte und oft ſelbſt die allgemeine, oder wohl das eczema. Das Kind wählt; mit dem funfzehnten oder ſechszehnten Jahre wird es von Neuem krank; es wird ein ecthyma ſeyn, eine eitrige Krankheit, von den es ergriffen werden wird. Iſt es hingegen Krätze, fo wird es die puftulöfe ſeyn. Die rupia, der lupus exedens, die Eiterfinne, der lichen agrius, beinahe alle die Krankheiten, welche Eiter ſecerni— ren, werden mit dieſem Temperamente verbunden ſeyn. Es geht aus dieſer Thatſache eine wichtige therapeutiſche Fol— gerung hervor, daß es in dieſen Faͤllen unerlaͤßlich iſt, mit der Au« ßeren Behandlung der Dermatoſe die Einwirkung auf das Lymph⸗ ſyſtem zu verbinden. Die Lichenuͤbel, die prurigo ſind im Allgemeinen mit dem nervoͤſen und trocknen Temperamente verbunden. Die Dermatoſen koͤnnen ſich ebenſo mit beſondern Zuſtaͤnden der Apparate der Organe verbinden, welche wichtig iſt zu beachten; in dieſer Beziehung muß man den wichtigen Einfluß des Verdau⸗ ungsapparates auf ihre Erzeugung und ihren Verlauf erwaͤhnen. Die mannichfaltigen Formen des herpes muͤſſen in dieſer Beziehung in der erſten Reihe ſtehen. Nichts iſt gewöhnlicher, als das Ver— ſchwinden dieſer Krankheit zu ſehen, wenn man den Kranken ein Verhalten vorſchreibt, das die Verdauungsorgane wieder in Ordnung zu bringen geeignet iſt. Daher in gewiſſen Faͤllen der guͤnſtige Er⸗ folg der Milchcur; daher die verborgenen Vorzuͤge gewiſſer Mine— ralwaͤſſer, wenn ein ſchlechter Zuſtand der Leberfunctionen die Quelle von Hautkrankheiten iſt, wenn die erſte Urſache in einer Gaſtral— gie ſitzt, oder wenn die Flechtenuͤbel an einen chlorotiſchen Zuſtan— und an eine gewiſſe Atonie der Verdauungsorgane gebunden ſindd Aber dieſe Verbindungen der Flechtenuͤbel mit gewiſſen krank. haften Zuſtaͤnden des Organismus find nicht die einzigen, meld. man anfuͤhren koͤnnte. Man hat die Unterdruͤckung der Haͤmore rhoiden von dem Auftreten einer Flechte begleitet geſehen. Es iſt ſehr haͤufig, Eezema in der critiſchen Periode der Frauen oder nach laͤngerer Unterdruͤckung der Menſtruation u. ſ. f. erſcheinen zu ſehen. Alſo kurz, die Krankeiten der Haut, welche inneren Urſachen ihren Urſprung verdanken, find gewöhnlich; aber dieſe inneren Urſa— chen ſind weit entfernt immer dieſelben zu ſeyn, und folglich ſind es nicht immer die ſogenannten Blutreinigungsmittel, welche an— gewendet werden muͤſſen. Ziehen Sie daraus den Schluß, „daß es hinreiche, die innere Urſache zu zerſtoͤren, um die Hautkrankhei— ten zu heilen“? Huͤten Sie ſich wohl vor ſolch' einer Folgerung. Ungluͤcklicher Weiſe iſt das nicht am Haͤufigſten; wenn die Krank— heit feit längerer Zeit in der Haut ſitzt fo ſcheint fie daſelbſt ihre Wohnung genommen zu haben Man muß auf ſie einwirken; wenn aber die Affection neu ift, fo iſt es oft genug, auf die Urſache, welche ſie hervorgebracht hat, direct zu wirken, um die Heilung der aͤußern Affection zu bewerkſtelligen. (Schluß folgt.) Mikroſkopiſch-pathologiſche Beobachtungen. Von Dr. M. Don né. (Aus deſſen: Cours de Microscopie ete, Paris 1844.) Blut. — Bei der Cbloroſe find die Blutkuͤgelchen nicht nur ſehr an Zahl vermindert, ſondern es findet auch eine merkbare Ent— faͤrbung derſelben ſtatt. Verfaſſer hatte früher angegeben, daß die Kuͤgelchen beim Typhus eine Veränderung erlitten, eine Anſicht, die er jetzt zuruͤcknimmt. Er giebt einen Ueberſchuß von weißen Kuͤgelchen in dem Blute einiger kachektiſcher Perſonen, ſowie in eis nem Falle von arteritis an. In ähnlichen Faͤllen nehmen die vor 333 then Kügelchen oft die Charactere des Blutes ſchlecht genaͤhrter junger Hunde an; denn bei einigen mit Fleiſchbruͤhe, ſtatt mit Milch, gefuͤtterten jungen Hunden wurden die Kuͤgelchen blaß, ſchlecht ums granzt, verloren raſch ihre Form und legten ſich auf eine unregel⸗ maͤßige Weiſe aneinander, waͤhrend die Thiere zu gleicher Zeit an Starke und Gewicht verloren. Verf. laͤugnet die Möglichkeit, Ei⸗ terkuͤgelchen im Blute unterſcheiden zu koͤnnen, da ſie dem Aeußern nach mit den weißen Kuͤgelchen identiſch ſind. Dieſes bezieht ſich natuͤrlich nur auf das Vorhandenſeyn iſolirter Eiterkuͤgelchen; wenn der Eiter in Maſſe vorhanden iſt, wie in einigen Fällen von phle- bitis, ſo iſt es leicht genug, ihn zu unterſcheiden. Verf. hat eine dlige Beſchaffenheit der Blutkuͤgelchen beobachtet, bei welcher fie über die Bluttropfen, gleich Oeltropfen hinfließen, um demſelben einer Hals— binde gleich adhaͤriren. Er beſtaͤtigt die Beobachtung, daß milchich⸗ tes Blut von dem Vorhandenſeyn von Oel herruͤhrt. Menſtrual⸗ blut iſt ihm mit gewoͤhnlichem Blute identiſch und verdankt ſeine ſaure Reaction nur der Beimiſchung von Vaginalſchleim. Schleim. — Vaginalſchleim iſt weiß, rahmartig, nicht eis weißaͤhnlich, und ſtark ſauer; er enthält viel Epithelium, aber keine Kuͤgelchen. Uterinſchleim iſt eiweißartig, alcaliſch und mit Kuͤgelchen uͤberladen — es iſt daher ſehr leicht, mit Hülfe des Mi: kroſkops Uterin- und Vaginal- Leukorrhoͤe von einander zu unters ſcheiden. Im kranken Vaginalſchleime finden ſich zwei Varietäten von Thierchen, nämlich der Trichomonas vaginalis und gewiſſe Vi⸗ brionen; die Gegenwart des erſtern wird durch ein ſchaumiges Aus⸗ ſehen des Schleimes — eine Folge des Vorhandenſeyns zahlreicher Luftblaſen — angezeigt; das Thier hat die Groͤße und Geſtalt ei⸗ nes Eiterkuͤgelchens, iſt aber an dem einen Ende etwas in die Laͤnge gezogen und mit einem langen, peitſchenfoͤrmigen Anhange verſehen, an deſſen Baſis ſich mehr kurze Cilien befinden. Man hat irr⸗ thuͤmlich geglaubt, daß dieſe Thiere den kranken Schleim als ſy— philitiſch beſtimmen. Die sputa gleichen zuweilen ungemein dem Auswurfe aus Tuberkelhoͤhlen, in Folge des Vorhandenſeyns von Maſſen von Epithelium. Eiter. — Durch das Mikroſkop laſſen ſich Schleim- und Eiterkuͤgelchen nicht voneinander unterſcheiden. Der eigenliche Unterſchied zwiſchen Schleim und Eiter liegt in der begleiten⸗ den Fluͤſſigkeit oder dem Cytoblaſt, indem Eiterkuͤgelchen in einer eiweißhaltigen Fluͤſſigkeit ſchwimmen, Schleimkuͤgelchen dagegen von einem zaͤhen, gallertartigen fluidum umgeben find, Die Unter: ſcheidung dieſer Kuͤgelchen von einander ift jedoch von geringer Be⸗ deutung, da beide Krankheit andeuten. Eſſigſaͤure wirkt auf glei⸗ che Weiſe auf Eiter⸗Schleim und weiße Blutkuͤgelchen ein, und kann daher nicht zur Unterſcheidung dienen. In allen dieſen Faͤllen wer⸗ den die Globulinpartikelchen im Innern verdichtet, und die Huͤlle wird klarer und durchſichtiger. Die Globulinpartikelchen widerſte— hen der Einwirkung des Waſſers, in kauſtiſchem Ammoniak dagegen werden fie raſch zerſetzt; dieſes reagens wandelt den Eiter in eine zähe, klebrige Maſſe um, welche fi in Faͤden ausziehen läßt. Die⸗ ſes iſt der Fall, wenn der Eiter in alcaliſchem Urin enthalten iſt. Jodwaſſer färbt Eiterkuͤgelchen gelb, und Aether extrahirt aus denz ſelben eine gewiſſe Quantität Fett, was als ein Unterſcheidungsmit⸗ tel zwiſchen Schleim und Eiter benutzt werden kann. — Reiner Eiter zerſetzt nicht ſo raſch wie Blut, wenn derſelbe aber einige Zeit in offenen Abſceſſen verweilt, ſo veraͤndert er ſich raſch, die Huͤlle berſtet und die Kernchen kommen heraus. Verf. hat die An⸗ ſicht, daß Eiterkuͤgelchen veränderte Blutkuͤgelchen ſeyen, als unhalte bar aufgegeben. Bei Ulcerationen im Magen laſſen ſich Eiterküs gelchen leicht in dem Ausgebrochenen entdecken, während der Magen⸗ ſchleim ſonſt keine Kuͤgelchen, ſondern nur epithelium enthaͤlt. Der Eiter ſyphilitiſcher Geſchwüre enthält gewohnlich Vibrionen, der Bubonenneiter nicht. Diagnoſe des Tuberkel⸗ und Krebseiters vom entzuͤndlichen Eiter. Verf. hält die Diagnoſe für unmoͤglich. Dr. Lebert giebt an, daß außer zahlreichen Kernchen von „I; — 8s Millim. im Durch⸗ meſſer und einem cryftallartigen Bindemittel im Tuberkel auch ge⸗ wiſſe unregelmaͤßige, eckige Koͤrperchen von Is — 138 Millim. im Durchmeſſer vorkommen, welche in ihrer Subſtanz eine groͤßere 747. XXXIV. 21. 384 oder geringere Menge von Kernchen, aber nie wahre Kerne ent⸗ halten, ein Umſtand, der durch Eſſigſaͤure noch deutlicher gemacht wird. Die weſentlichen Elemente des Krebſes ſind Faſern und Kügelchen; die letztern find weit größer als die des Eiters oder Tuberkels, gewoͤhnlich oval, mit deutlichen Kernen. Urin. — Zur Auffindung von Galle im Urin giebt Verfaſſer folgende Methoden an: Man tröpfle auf die Dbjectivplatte Urin und Salpeterfäure, jedes für ſich, bedecke dieſelben dann mit ei⸗ nem andern Glaſe und laſſe ſie ſich einander vermittelſt der Capil⸗ larattraction nähern; an der Stelle wo fie ſich berühren, bemerkt man ſtets die grüne Färbung. Verf. beſtaͤtigt das bereits an⸗ gegebene häufige Vorkommen von Harnſäure bei Phthiſikern und fügt hinzu, daß wenn man Harn von Pyhthiſikern, ſtatt ihn zu cry⸗ ſtalliſtren, auf einer Glasplatte evaporiren läßt, derſelbe einen ſy— rupartiges Ausſehen erhaͤlt. Bei acuten Fiebern bietet der Urin eine bemerkenswerthe Kryſtalliſation dar. — Bei Saamenverluſten kommt fo häufig oralfaurer Kalk im Harne vor, daß man nach den erſtern ſtets ſich erkundigen muß, wenn man letzteren vorfindet. Saamen. — Nach dem Verf. giebt es 3 Arten von Saa⸗ menverluſten nämlich: erſtens, die kuͤnſtlich hervorgerufenen, zwei⸗ tens, die unwillkuͤrlichen mit dem Gefühle des Vergnuͤgens, und endlich die unwillkuͤrlichen ohne Empfindung. Die letztere Varietaͤt bringt die ſchaͤdlichſten Wirkungen hervor, und nur bei derſelben kommt Saamen im Harne vor, ohne daß es der Kranke weiß. Verf. berichtet hier einen Fall, welcher in vielen Bezietzungen ein Gehirn⸗ leiden ſimulirte, wo man aber täglich eine beträchtliche Quantitaͤt Saamen im Urine fand, ohne daß der Kranke Pollutionen hatte oder ſonſt von Saamenverluſten wußte. (Dr. Aldridge, im Dub- lin Journal, Nov. 1844.) Eis bei Tic douloureux. Beobachtung von Dr. Max Jaffé, pract. Arzte zu Hamburg. N. N. ein kraͤftiger, ſtets geſunder Mann von 68 Jahren, ſeit mehrern Jahren leichteren rheumatiſchen Anfaͤllen unterworfen, wurde im Frühjahr 1844 von einer ziemlich heftigen rheumatiſchen Proſopalgie der rechten Geſichtshaͤlfte befallen, welche etwa 6 Wo: chen lang andauernd, ohne hinzugezogene ärztliche Behandlung all- mälig nachließ. Der Kranke blieb bis zum December dieſes Jah- res ziemlich frei, einige leichte, für Zahnſchmerzen gehaltene Paro— rysmen ausgenommen. Im Anfange dieſes Monats verſchlimmerte ſich in Folge der Einwirkung von Naͤſſe und Kälte das Uebel von Neuem und trat zuerſt als rheumatiſche periostitis mit Schmerz und Anſchwellung der leidenden Geſichtshaͤlfte auf. Ein emeticum, die Application von Blutegeln ad locum dolentem, eines Blaſen⸗ pflaſters in den Nacken und der grauen Salbe fruchteten nur wenig, das Uebel machte weitere Fortſchritte; das Genießen feſter Spei⸗ fen wurde faſt ganz unmoglich, die Nächte wurden unruhig zuge⸗ bracht, und wenn auch die Anſchwellung ſich bald verlor, ſo wuͤ⸗ thete der Schmerz doch in längeren oder kuͤrzeren Intervallen fort. Verſchiedene antirheumatica, die Anwendung der Magnetelectrici⸗ tät, die Neurotomie blieben ganz erfolglos, und Mitte Januars nahm endlich das Leiden ganz den Character des Tic douloureux an. Der Schmerz wurde jetzt anhaltend und zuckte im Gebiete des Trigeminus in der höchften Intenſität auf und ab, die leidende Geſichtshälfte ſchwoll oͤdematös auf, der Mund war wie krampf⸗ haft verſchloſſen und die Muskeln im Gebiete des quintus zuckken convulſiviſch. Der Kranke konnte nun faſt Nichts mehr genießen, indem die leichteſte Speiſe den Schmerz augenblicklich ſteigerte; die Pulsfrequenz blieb dabei faſt die normale. Das chininum sulphu- ricum in ſteigender Gabe, die Belladonna, ebenſo, leiſteten Nichts; die ſtaͤrkſten sedativa, Morphium innerlich und endermetiſch, die Ve⸗ retrinfalbe, warme narkotiſche Umfchläge blieben ohne die geringſte Wirkung, und ſo raſ'te der Schmerz faſt unaufhoͤrlich 4 Tage und Nächte hindurch fort. Verf. ließ nun eine Blaſe, gefuͤlt mit Eis, Salpeter und Salz, oͤrtlich auflegen und ſchob dabei von Zeit zu Zeit kleine Eisſtuͤckchen in den Mund, welche ſogleich dem Kranken angenehm kuͤhlend und lindernd waren. Kaum nach 10 Minuten war der Schmerz wie fortgezaubert, und die erſte ruhige Nacht 335 wurde zugebracht. Am naͤchſten Morgen lagerte der Harn eine Maſſe phosphorſaurer Salze ab; der Schmerz, welcher in Folge des durch das Nehmen einer Priſe erzeugten Nieſens neu hervorgerufen wurde, ward auf der Stelle durch neue Application von Eis be— feitigt und iſt nun ſeit 4 Wochen verſchwunden. Der Kranke ißt und trinkt ohne Unterſchied Feſtes und Weiches ohne die geringſte Beſchwerde, und iſt fuͤr jetzt als vollſtaͤndig geneſen zu betrachten. Dagegen hat ſich ſeitdem ein leichter anhaltender Schmerz in dem rechten Knoͤchelgelenk und in der planta pedis eingeſtellt, welcher als wuͤnſchenswerthe rheumatiſche Ablagerung durch Umlegen von Fettwolle fixirt wird. Nachtraͤglich iſt noch zu bemerken, daß an der vom Schmerze ergriffenen Seite ſich kein Zahn mehr befand, von welchem derſelbe haͤtte ausſtrahlen koͤnnen. Die andauernde Heftigkeit des Leidens, die aͤcht kritiſche Entſcheidung deſſelben durch die Sedimentirung im Harne, ſowie die Amauroſe, laſſen die Dia— gnoſe auf eine neuritis rheumatica feſtſtellen. Miscellen. Fall von enormem Leberabſceß, von Thomas Inman. T. Niley, 25 Jahre alt, Matroſe, bis vor 10 Monaten geſund, wurde im Januar 1843, nach großen Strapatzen auf freiem Meere, von Huſten befallen; ſpaͤter Dysenterie 6 Wochen hindurch, dann Uebelkeit und ploͤtzliche Schwaͤche; fpäter fiel er über Bord und blieb eine halbe Stunde im Waſſer liegen, darauf catarrhaliſche Symptome. Bei der Aufnahme alle Erſcheinungen einer bronchi- tis, nach deren Beſeitigung ein harter trockner Huſten ohne viel Auswurf zuruͤckblieb. Um dieſelbe Zeit fing der Leib an, zu ſchwel— len, dabei große Empfindlichkeit in der Lebergegend, Schmerz an— haltend, zuweilen furchtbar; Leber bedeutend angeſchwollen und 2 — 3“ unter den Rippen hervorragend. Die Anſchwellung des Leibes nahm raſch zu, und Fluctuation wurde deutlich, die Schmerz— haftigkeit beſchraͤnkte ſich nun auf eine Stelle von der Größe der Handflaͤche, aber große Reizbarkeit der ganzen Bauch- und Bruſt— Oberflache. Die Leder bildete nun einen immenſen tumor, welcher die unteren Rippen auf der rechten Seite nach Außen draͤngte; die Bauchwandungen geſpannt und retrahirt; Auftreibung der ſubeu⸗ tanen Venen, große Abmagerung, die Augen ſanken ein, der Ge— ſichtsausdruck war angſtvoll, der Schmerz anhaltend und heftig. Lage auf der linken Seite, die Knie aufwaͤrts gezogen, jede andere Lage erzeugte ſtets einen Anfall von Huſten und heftigen Schmerz, großer Durſt, Darmcanal traͤge, Puls 100, reichliche Ablagerung von Lithaten im Urin. Bei der Aufnahme hatte der Kranke zu— weilen Erbrechen, welches aber bald aufhoͤrte. Ploͤtzlicher Tod. — Section. In der Bauchhoͤhle eine Menge braͤunlichen Eiters, die Vorderflaͤche des rechten Leberlappens an den Bauchwandungen adhaͤrirend. Die Leber nahm einen ſehr großen Raum ein, der linke Lappen lag auf der Milz, der rechte reichte nach Unten bis in die regio iliaca hinein, nach Oben bis zur vierten Rippe bins auf. Der rechte Lappen enthielt eine große Menge Fluͤſſigkeit, welche bei'm leichteſten Drucke mit großer Geſchwindigkeit aus eis ner gezackten Oeffnung in die Peritonealhoͤhle floß. Der ſcharfe Rand, ſowie die Gegend um jene Oeffnung, war frei, ſonſt adhaͤ— rirte aber der ganze rechte Lappen an den Bauchwandungen durch pſeudomembranoͤſe Schichten. Die im Abſceſſe enthaltene Fluͤſſig— keit war ein ſchmutzigbraunes eitriges Fluidum von foͤtidem Geru— 747. XXXIV. 21. 386 che, und enthielt hier und da Streifen von gelber Lymphe. Die Quantität betrug 13 Pinten. Die Wandungen des Abſceſſes be— ftanden zum Theil aus Lymphe und zum Theil aus geſundem Lee bergewebe; urſpruͤnglich ſchienen zwei Abſceſſe vorhanden geweſen zu ſeyn, welche ſpaͤter in einen verſchmolzen. Die Innenſeite war von Lymphe bedeckt, welche an einer Stelle das Ausſehen einer braunen, lederartigen Membran hatte, an einer andern Kaldaunen aͤhnlich ſah. Der allein von der Affection freigebliebene ſcharfe Rand der Leber enthielt eine Menge kleiner gelblicher Koͤrper gleich Tuberkeln oder concretem Eiter. Der kleinere Lappen, der lobulus caudatus, quadratus und Spigelii waren geſund; das Ges wicht der ganzen Leber betrug 5 Pfund 1 Unze. Lungen compri⸗ mirt, aber geſund. (Edinb. Journal, July 1844.) Ueber die Verbrennung mit Phosphor und die Huͤlfsmittel dagegen. Von Dr. Ratier, Arzt am College Rollin. Der Unfall, welcher Hr. Barral, Profeſſor der Chemie am College Sainte Barbe zu Paris, betroffen, und von dem in den Zeitungen die Rede geweſen, muß die Aufmerkſamkeit der Aerzte auf die Verbrennung durch Phosphor und die eigenthuͤmliche Weiſe leiten, in welcher man ſich in ſolchen Faͤllen zu benehmen hat. Es iſt um fo nüglicher, darauf hinzudeuten, da in den Elementar- werken ſich nichts daruͤber findet, und auf der andern Seite die Anwendung des Phosphors immer oͤfter vorkoͤmmt, nicht allein zur Verfertigung von Feuerzeugen, ſondern wegen der Verbreitung chemiſcher Studien und Handgriffe. — Man erſieht aus dem Bes richte über den Hrn. Barral zugeſtoßenen Unfall, daß er nur zum Waſſer ſeine Zuflucht genommen, und daß demohngeachtet die Verbrennung ihre Zerſtoͤrung fortgeſetzt hat; auch konnte es nicht anders ſeyn, da der an den lebenden Theilen haͤngende Phosphor fortfuhr, langſam zu brennen, bis er völlig in eine ſaure Zuſam— menſetzung verwandelt war, welche ſelbſt wiederum ein ziemlich heftiges Aetzmittel iſt. Man muß einſehen, daß das Waſſer nur ein ohnmädhtie ges Palliativ iſt. — Was dagegen wahrhaft noͤthig iſt, iſt, daß der an den lebenden Theilen anhaͤngende Phosphor dieſe letzteren wie an ge— lindem Feuer brennt. Nun kann man die Wegſchaffung des Phosphors aber nicht zu Stande bringen, als vermittelſt einer Subſtanz, welche das Aetzmittel aufloͤſet, und dieſe Subſtanz iſt das Oel. Haͤtte Hr. Barral andieſe Thatſache gedacht, ſo wuͤrde er Oel! Oel! geſchrieen, ſtatt Waſſer verlangt haben und wuͤrde eine ſchnelle und vollſtaͤndige Erleichterung empfunden haben. — Als ich vor etwa zwanzig Jahren zu Dr. Blache kam und ihn fand, wie er ſich die Hand mit einem Phosphorfeuerlicht verbrannt hatte, kannte ich dieſe therapeutiſche Specialitaͤt nicht. Herr Blache litt furchtbar, ohne daß das Eintauchen in kaltes Waſſer, obgleich durch Eis kaͤlter ger macht, den Schmerz gemildert hätte. Zum Gluͤck kam Hr. Guers ſon, Vater, hinzu, welcher mittelſt eines mit Oel getränkten Tuchs die Theile von dem anhängenden Phosphor reinigte. — Dieſe Lehre war nicht fuͤr mich verloren; als im Jahr 1835, waͤhrend einer chemiſchen Manipulation, welcher ich anwohnte, wo Phos— phor-Jod bereitet wurde, beide Hände durch den aus der zerbre— chenden Retorte ausfließenden Phosphor Verbrennung erlitten. Das ohne Verzug angewendete Oel war außerordentlich nuͤtzlich, und der junge Mann kam noch gut davon. Das gewoͤhnliche Oel iſt uͤberall leicht zu haben, ſo daß es kaum noͤthig iſt, anzugeben, daß, außer allen fixen Oelen, man auch die fluͤchtigen Oele und ſelbſt den Alkohol anwenden koͤnnte. Bibliographische Bebi gk e n Hortus cantabrigiensis; or an acgented catologue of Indigenous and exotic plants cultivated in the Cambridge Botanic Garden. By the late James Donn, cultivator. With the additions and improvements of the successive editors, F. urs J. Lindley and G. Sinclair. 13th edition, now further enlarged and brought down to the present time, by P. N. Donn. Lon- don 1345. 8. Frammenti dr anatomia comparata di Oronzio Gabriele Costa‘ Napoli 1843. Faec, I. Fol. M. K. Some Observations on Organic alterations of the Heart, and particularly on the bene ficial employment of Iron in the treat- ment of such cases. By S. Scott Alison M. D. London 1845. kl. 8. Traite des établissements insalubres ou incommodes, Ch. Clerault. Paris 1845. Par 8. — —— ——ñꝶñꝝ́ Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Ne. 748. (Nr. 22. des XXXIV. Bandes.) Junius 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 . 30 M, des einzelnen Stuͤckes 3%, 5 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, Hs Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ I Nat u d Ueber das Gehirnende des großen ſympathiſchen Nerven bei dem Menſchen und den Saͤuge— thieren. Von Hrn. J. M. Bourgery. Bericht der aus den Herren Magendie, Serres und Velpeau beſtehenden Commiſſion. Der Verfaſſer glaubt aus den in ſeiner Denkſchrift auseinandergeſetzten Forſchungen folgende Schluͤſſe ableiten zu koͤnnen. 1) Der große ſympathiſche Nerve, deſſen einfacher Mittelſtrang ſich nach der ganzen Laͤnge der beiden großen Höhlen, der Thoraxhoͤhle und der Unterleib-Becken-Hoͤhle, zu beiden Seiten des Körpers vom ganglion cervicale in- ferius aus hinzieht, theilt ſich, ſammt den Arterien, an feinem Nacken-⸗Kopf⸗Ende in zwei Nervenzuͤge, einem vordern oder carotidiſchen und einen hintern oder vertebralen. 2) Der vertebrale Nervenapparat bietet nur in ſeinem Urſprungs-Geflechte, welches die Verbindung des ganglion cervicale inferius und des Geflechtes der arteria subelavia mit den nervi cerebro-spinales der Thorax-Extremitaͤt herſtellt, ein folches Volumen dar, daß man ihn ohne Schwierigkeit mit unbewaffnetem Auge unterſu— chen kann. Weiterhin kann der plexus vertebro-basilaris nur mit Huͤlfe des Mikroſkops verfolgt und unterſucht werden. 3) Die mikroſkopiſche Zartheit des vertebro-baſi⸗— lariſchen Nervenapparats ſcheint daher zu ruͤhren, daß er, indem er, gleich den Arterien, an ſeinem Umkreiſe keine peripheriſchen Anaſtomoſen von einem gewiſſen Volu— men ausgiebt, lediglich die Eingeweide-Kette der hintern Ge— hirnmaſſe (des kleinen Hirns und eines Theils der hintern Lappen des großen Hirns) bildet. Dieſe Annahme wird durch die Vergleichung des vertebrosbafilarifhen Nervenap⸗ parats mit dem carotidiſchen Nervenapparate gerechtfertigt, welcher Letztere ebenfalls auf der vordern und mittleren art. cerebralis, d. h., uͤber dem Puncte, wo er aufhoͤrt, mit No. 1848. — 748. RB a I A Damae: dem Gehirn-Ruͤckenmark- Nervenſyſteme peripheriſche Anaſto— moſen zu bilden, mikroſkopiſch wird. 4) Der mifroffopifche vertebrosbaſilariſche Nervenap— parat ſcheint, vermoͤge der phyſiſchen Charactere ſeiner Or— gane: blendende Weiße, Feſtigkeit, Schaͤrfe des Umriſſes, ſo— wie vermoͤge feiner Ketten von kleinen Ganglien und des dichten Gewebes der Zwiſchennervennetze, allerdings einen von dem ganzen uͤbrigen Eingeweidenervenſyſteme verſchiedenen Ap— parat zu bilden. Die beiden Vertebralhaͤlften des großen ſympathiſchen Nerven zeigen ſich in ihrer Mittelebene in der Nervenſcheide des Baſilarſtammes miteinander verſchmolzen, ſowie denn auch der baſilariſche und der carotidiſche Nerven— apparat durch die gemeinſchaftliche Intermediarkette der art. communicans posterior miteinander in Verbindung ſtehen. 5) Der vordere cervico-thoraciſche oder cas rotidiſche Nervenapparat iſt weit zuſammengeſetzter. Ab— geſehen von der Cervicalportion, welche die Eingeweide- und peripheriſchen Aeſte ausſendet, ſtellt der cephaliſche Nerven— zug, von dem canalis caroticus des ossis temporum, wo ſich zwei kleine Ganglien befinden, ausgehend, bevoc er zum plexus cavernosus gelangt, folgende Apparate dar: 1) unterhalb der beiden kleinen petro-carotidiſchen Ganglien die Fortſetzungskette des ganglion cervicale superius und deſſen Anaſtomoſen mit dem pneumogaſtriſchen, gloſſo— pharyngiſchen, hypogloſſiſchen, Spinal- und den beiden erſten Cervicalnerven; 2) oberhalb der carotidiſchen Ganglien, die Verbindung des Tympanum-Zweiges des n. glosso-pha- ryngeus und des kleinen nerv. petrosus, fo daß die Communication mit dem n. facialis und acusticus her: geſtellt wird. 6) Bei feinem Eintritte in das cranium beſteht der große ſympathiſche Nerv aus zwei Zweigen, aus welchen zu— naͤchſt der plexus cavernosus entſpringt und aus vier in die dura mater eingeſchloſſenen Faͤden, welche ſpäter zur Bildung der Mediangeflechte beitragen. Dieſe ſechs Zweige bilden auf jeder Seite die ſaͤmmtlichen Communicationen 22 — 339 mit dem Eingeweidenervenſyſteme, ſowie die peripheriſchen Anaſtomoſen mit allen Ruͤckenmarksnerven und den ſechs letzten Gehirnnerven. In dem plexus cavernosus felbft befinden ſich die Anaſtomoſen mit den ſechs erſten Gehirn: nerven, welche ihrerſeits weiterhin die centralen Communica— tionen mit allen Nervenapparaten des Geſichtes, des Hal— ſes und ſelbſt ruͤckwaͤrts, vermittelſt der pneumogaſtriſchen Nerven, mit den Eingeweideorganen bilden. 7) Der ſogenannte plexus cavernosus beſteht aus drei Theilen: 1) den großen Zweigen, welche die Fortſetzung des großen ſympathiſchen Nerven bilden und aus den kleinen carotidiſchen Ganglien hervorgehen; 2) einer Kette von Ana— ſtomoſen, welche durch die ſechs erſten Gehirnnerven gebildet wird; 3) den eigentlichen plexus oder Nervengeflechten der arteria carotis. Dieſe mit kleinen Ganglien beſetzten Ge— flechte ſind die einzigen wirklich mikroſkopiſchen und haben 2 bis 2 Millim. und weniger Durchmeſſer, während die Fäden des großen n. sympathicus und die Anaſtomoſen der Gehirnnerven 3 — 3 Millim. Durchm. beſitzen und folglich mit bloßen Augen oder einer einfachen Lupe ſicht— bar ſind. 8) Die Zweige des großen ſympathiſchen Nerven haͤn— gen ſehr feſt an dem aͤußern Bewegungsnerven des Auges (n. oculo-motorius), empfangen von dieſem Fäden und theilen ſich dann in zwei Buͤndel, von denen eins uͤber, das andere unter der Art. carotis liegt. Dieſe Zweige verei— nigen ſich an der inneren Flaͤche der carotis in einen ple- xus pituitarius und gehen in 4—5 Faͤden aus, welche in die glandula pituitaria ſelbſt von deren oberer und unte— rer Seite aus eindringen. Von dem hintern Buͤndel gehen uͤberdieß noch drei endſtaͤndige Faͤden auf die Cerebralarterien ab, und vom plexus pituitarius gehen Anaſtomoſen mit dem n. opticus und, ich glaube auch, dem n. olfacto- rius aus. 9) Die Kette von Anaſtomoſen der Gehirnnerven, welche den aͤußern Bewegungsnerven des Auges, auf den ſie ſich ſtuͤtzt, gleich einer Scheide umgiebt, wird durch die Ver: einigung der aus dem 3., 4., 6. und beſonders Sten Paare, ſowie aus einem auf deſſen ramus ophthalmicus ſitzenden kleinen Ganglien kommenden Faͤden gebildet. Dieſe Kette anaſtomoſirt mit den Pituitarbuͤndeln des großen ſympathi— ſchen Nerven. 10) Von dieſen drei Nervenketten, der Anaſtomoſe der Gehirnnerven und den beiden Pituitarbuͤndeln des großen ſympathiſchen Nerven gehen zu beiden Seiten, ſowohl in Geſtalt iſolirter Fäden, als miteinander anaſtomoſirender Fäden zwei ausgedehnte Medianplexus aus, welche, in der halben Dicke der dura mater, der eine die Baſilaroberflaͤche, der andere die sella tureica überziehen. Der plexus basilaris und plexus suprasphenoidalis nehmen einzeln und gemeinfhaft: lich Fäden auf, welche vom untern Ganglion des Carotiden— canals aufſteigen, an den Seiten und uͤber der vierſeitigen Platte des os sphenoideum miteinander anaſtomoſiren und mittelſt der ſeitlichen plexus des ganglion pituitarium mit dieſem ſelbſt communiciren. 748. XXXIV. 22. 340 11) Alle dieſe Nervenfaͤden, deren Mittelpunct das ganglion pituitarium iſt, ſowohl diejenigen der plexus cavernosi laterales und plexus pituitarii, als die der beiden Medianplexus, ſind grau und ſehr weich. Auch die Zweige des großen ſympathiſchen Nerven und ſelbſt die Ges hirnnerven, in'sbeſondere der trigeminus, nehmen in Betracht ihres Urſprunges den Gangliencharacter ſehr deutlich an. 12) Die glandula pituitaria ſtellt ſich, ruͤckſichtlich ihrer Beziehungen, als ein Organ von ſehr bedeutender phy— ſiologiſcher Wichtigkeit dar. Einestheils iſt ſie, vermoͤge ih— rer Umgebung von plexus, von beiden Seiten der Mittel- punct, nach welchem die Faͤden des großen ſympathiſchen Nerven, die Anaſtomoſen der Gehirnnerven und der ſeitlichen und mittlern plexus convergiren; anderntheils gehen von ihr, außer dem bekannten Stiele des infundibulum, wel- cher fie mit dem tuber einereum und der Oberflaͤche des dritten Hirnventrikels in Verbindung ſetzt, ſowohl von ihrer untern Flaͤche, als von jenem Fortſatze, drei Gruppen von Faͤden aus, welche ſich direct in die Nerven der arteriae communicantes posteriores, carotides und cerebra- les anteriores fortſetzen. Nimmt man zu dieſen Um: ſtaͤnden noch ihre organiſche Zuſammenſetzung, indem fie aus den beiden Arten von Nervenſubſtanz, der weißen und grauen, beſteht, ſowie deren großen Gefaͤßreichthum hinzu, ſo kann man ſie kaum fuͤr etwas Anderes, als fuͤr ein Ganglion des großen ſympathiſchen Nerven halten, wie es von Gall und den Herren v. Blainville, Thierry und Ba zin ge: ſchehen iſt. 13) Wenn wir alſo von der anatomiſchen Anordnung des ganglion pituitarium auf deſſen phyſiologiſche Stel: lung ſchließen, ſo ſcheint es in Bezug auf das Gehirn und die Gehirnnerven, in'sbeſondere die ſechs erſten, dieſelbe Rolle zu ſpielen, welche die Intervertebralganglien (der Hals-, Ruͤk— ken-, Lenden und Kreuzbein-Wirbel) in Betreff des Ruͤcken— marks und der Ruͤckenmarksnerven ſpielen; und dieſe Rolle wuͤrde ſeyn, Verbindungsknoten zwiſchen den Nervencentren und peripheriſchen Nervenſtraͤngen des animaliſchen Lebens, einer— ſeits, und zwiſchen den Nervencentren und Gangliengeflech— ten des organiſchen Lebens, andererſeits, zu bilden. 14) Alle dieſe vom Menſchen entlehnten anatomiſchen Thatſachen finden ſich, allerdings in einfacherer Form, aber mit ähnlichen Einzelnheiten, bei den Saͤugethieren wieder. 15) Als Endreſultat dieſer Arbeit wird die fo oft be= ſprochene Frage, ob das Gehirnende des großen ſympa— thiſchen Nerven von einer Seite nach der andern anaſtomo— ſire, bejahend entſchieden, obgleich die dabei ſtattfindenden Complicationen fo verwickelt find, daß fie, ſowohl in anato— miſcher als phyſiologiſcher Hinſicht, das größte Intereſſe dar— bieten. Statt eines einzigen Gehirnſtranges ſind deren zwei vorhanden, von denen der eine den Wirbelarterien, der an— dere den Carotiden zugeht, und die auf fuͤnferlei (viererlei?) Weiſe ausgehen, und zu denen die Gehirnnerven und die zum ganglion pituitarium gewordene Drüfe hinzutreten. Dieſer geheimnißvolle anatomiſche Conflict der in der ſphe— noidaliſchen Mediangegend der Baſis des Schaͤdels gruppir— 341 ten verſchiedenen Nervenorgane giebt gewiß zu den mannig— faltigſten Beziehungen Gelegenheit, mag man dieſe Organe nun fuͤr ſich oder in der durch ihre Anaſtomoſen gebildeten Verbindungskette betrachten. Fuͤr ſich betrachtet, ſcheint 1) das ganglion pituitarium, cephalicum seu suprasphenoidale eigentlich das Verbindungsorgan zwi— ſchen der Gehirnmaſſe (d. h. den pſychologiſchen und in: ſtinctiven Nervencentren und den Gehirnnerven, als deren thaͤtigſten Inſtrumenten) und dem großen ſympathiſchen Ner— ven, welcher ſeinerſeits das ganze Eingeweidenervenſyſtem um— faßt, zu bilden. Uebrigens ſcheint die relative Größe des ganglion pituitarium, welche bei den Thieren weit bedeutender iſt, als bei'm Menſchen, ſowie auch die Zahl und Staͤrke der dieſem Ganglion von den zwei ſeitlichen Straͤngen des gro— ßen ſympathiſchen Nerven zugehenden Zweige, mit Sicher— heit darzuthun, daß es dem Nervenſyſteme des organiſchen Lebens, deſſen centrale Gehirnganglien-Maſſe es bildet, ei— gentlich am Meiſten angehoͤrt. 2) Der große ſympathiſche Nerv bietet in feinen vier Arten von Ausgaͤngen eine verſchiedenartige Bedeutung dar. Der Hauptausgang oder wenigſtens der voluminoͤſeſte, welcher der eigentliche Verbindungspunct (Suture) des Ein— geweidenervenſyſtems mit der Gehirnmaſſe zu ſeyn ſcheint, findet in dem ganglion pituitarium ſtatt. Derjenige, welcher die beiden Mediangeflechte bildet, bewirkt durch Anaſtomoſe die Vereinigung der beiden ſeit— lichen Haͤlften des großen ſympathiſchen Nerven außerhalb des Central-Ganglions. Der auf den Hirnarterien ſtattfindende Ausgang läßt ſich mehr als ein Urſprung betrachten und wuͤrde dann nur der fuͤr die Gehirnmaſſe beſtimmte Eingeweidenervenapparat ſeyn, der, wie alle nicht in den Eingeweiden liegenden Ge— flechte (plexus extra- viscerales), ſich bei feiner Mitte an die centrale Ganglienmaſſe, hier das ganglion pituita- rium, anſchloͤſſe, ſich jedoch auch, gleich jenem plexus, an den Arterien hin mit der großen gemeinſchaftlichen Kette des großen ſympathiſchen Nerven verbaͤnde. Der letzte Ausgang des großen ſympathiſchen Nerven beſteht in deſſen Anaſtomoſen mit den von den Gehirnner— ven ausgegebenen grauen Faͤden. 5. Was die Gehirnnerven anbetrifft, ſo haben die vier letzten ebenſoviele Beziehungen zu dem ganglion cervi- cale superius, wie zu den ganglia temporo-caroti- dea. Der n. facialis und acusticus communiciren mit den Zweigen dieſer Ganglien. Der graue plexus der ſechs erſten Gehirnnerven ſcommunicirt mit dem gan- glion pituitarium in nicht geringerem Grade, als mit dem großen ſympathiſchen Nerven. Obgleich die ſechs, längs des sinus cavernosus ganglien artig modificirten Gehirn— nerven zur Bildung des plexus communis beitragen, fo iſt doch der nervus trigeminus deſſen Haupterzeuger, in— dem ſeine zahlreichen grauen Faͤden ſich in ihrem Laufe alle uͤbrigen aneignen. In dieſer Beziehung erſcheint dieſer Nerv allerdings als ein Anhaͤngſel des großen ſympathi— ſchen, als ein Mittelglied zwiſchen dem Ganglien-Nervenſy— 748, X XXIV. 22. 342 ſteme und dem Gehien-Ruͤckenmark-Nervenſyſteme, und er rechtfertigt ebenſowohl durch ſeine Structur, als durch ſeine anatomiſchen Beziehungen, den Beinamen: kleiner ſym— pathiſcher Nerv, der ihm von den Phyſiologen gegeben worden iſt. In ihrer gemeinſchaftlichen Verbindungskette und Ge— ſammtheit betrachtet, bieten die drei Arten von Nervenor— ganen der regio suprasphenoidalis fieben Varietaͤten von Anaſtomoſen dar. A. Auf derſelben Seite, von Hinten nach Vorn, die Verbindung der beiden Apparate, des carotidiſchen und ver— tebralen, an den arteriae communicantes posteriores hin. B. Von der einen Seite nach der andern, ſechs Va— rietaͤten von Anaſtomoſen in der Medianebene, und zwar: in Betreff des Vertebro-Baſilar-Zuges, 1) der beiden Vertebral-Apparate in der Medianſcheide des Baſilarſtammes; 2) der Scheiden der arteriae communicantes pos- teriores mit dem infundibulum; und in Betreff des carotidiſchen Zuges und des ple- Xus der ſechs erſten Gehirnnerven, ſowohl durch deren iſolir— te, als durch deren verbundene Faͤden, 3) den großen plexus basilaris; 4) den plexus supra-sphenoidalis und die ple- xus pituitarii laterales, welche mit den vorhergenannten anaſtomoſixen und ſelbſt mit dem Centralganglion communi— ciren; 5) das gemeinſchaftliche Eintreten der Buͤndel des gro— ßen ſympathiſchen Nerven und der grauen Faͤden der Ge— hirnnerven in das ganglion pituitarium s. cephalicum; 6) Die Medianverbindung der letztern Zweige des gro— ßen ſympathiſchen Nerven auf der arteria communicans anterior, welche Zweige ihrerſeits zu beiden Seiten auf den arteriae carotis und cerebrales mit den von dem gan- glion pituitarium, dem infundibulum und dem plexus der Gehirnnerven ausgehenden Fäden anaſtomoſiren. Auf dieſe Weiſe find die ſaͤmmtlichen Theile der Ge: hirnmaſſe und die Anfangspuncte der dem Geſichte zugehen— den Nerven mit dem Gehirnende des Eingeweidenervenſy— ſtems in Verbindung geſetzt, und wenn man die ganze Kette des großen ſympathiſchen Nerven und ſeine Anhaͤng— ſel hinzunimmt, ſo erkennt man, daß das ganze centrale Gehirn-Ruͤckenmark-Nervenſyſtem, Stuͤck für Stuͤck, mit dem ganzen Eingeweide-Nervenſyſtem communicirtz und ſo iſt denn auf anatomiſchem Wege das Bild des ohne Anfang und Ende fortlaufenden Kreisgewebes, welches das Nerven— ſyſtem im Organismus bildet, vollſtaͤndig verzeichnet. Dieſe anatomiſche Anordnung ſcheint mir ungemein— wichtig. Die innige gegenſeitige Verbindung zwiſchen dem ganglion pituitarium und dem großen ſympathiſchen Ner— ven und zwiſchen dieſen beiden und den Gehirnnerven und dem Gehirne giebt allen dieſen Organen, außer ihrer ſelbſt— ſtaͤndigen, eine gemeinſchaftliche Bedeutung und macht aus allen Theilen der beiden großen Nervenſyſteme des organiſchen und animaliſchen Lebens ein großes Ganzes. Und je nachdem 22 * 343 man dieſe Nervenorgane iſolirt oder verbunden betrachtet, bietet dieſes doppelte Verhaͤltniß von Quaſi-Unabhaͤngigkeit und Ge— meinſchaftlichkeit in phyſiologiſcher Beziehung die mannigfaltig— ſten Combinationen und gegenſeitigen Einwirkungen dar. Es ergiebt ſich daraus ganz klar der anatomiſche Grund des blitzſchnellen consensus, der zwiſchen allen Nervenorganen und in'sbeſondere zwiſchen den Gehirnorganen ſtattfindet, ſowie der characteriſtiſche Einfluß der Eingeweideleiden auf die Geſichtszuͤge, ſo daß jedes derſelben einen eigenthuͤmli⸗ chen Ausdruck der Phyſiognomie bedingt. Die ſchnellen Ueber— gaͤnge von einer Neuralgie zur andern auf derfelben Seite oder von einer Koͤrperſeite zur andern, von einer nahen oder entfernten Stelle zur andern, von einem Gehirn-Ruͤckenmarks— nerven auf den gleichnamigen Nerven, auf einen andern Nerven derſelben Art, oder ſelbſt einen Eingeweidenerven, er— klaͤren ſich auf dieſe Weiſe, wenn auch nicht in Betreff ih— rer Veranlaſſungsurſache, doch hinſichtlich des materiellen Weges, auf welchem dieſe Verſetzungen durch Nervenverbin— dungen vermittelt werden koͤnnen. Man begreift nun jene ſo gefaͤhrlichen Verkettungen von Entzuͤndungen, die eine aus der andern entſpringen, ſowie das ebenſo gewoͤhnliche als bedenkliche Hinzutreten von Gehirnſymptomen, endlich die eben ſo haͤufig als ſchnell eintretenden Ruͤckwirkungen von einer nervoͤſen Oberflaͤche auf die andere, welche in der Phyſiologie und Medicin eine fo bedeutende Rolle ſpielen. Insbeſondere wirft aber dieſe Verbindung der pfychologis ſchen Nervencentren und ihrer Inſtrumente mit den Orga. nen des vegetativen Lebens ein helles Licht auf jene mannig— faltige und unaufhoͤrliche Wechſelwirkung zwiſchen Koͤrper und Geiſt, aus der ſo viele Stoͤrungen der Functionen, d. h. Krankheiten und Complicationen, entſpringen, welche die menſchliche Phyſiologie und Heilkunde ſo verwickelt machen, und dieß iſt der Hauptpunct, indem alle uͤbrigen Erſchei— nungen gegen dieſe allgemeine Thatſache in den Hintergrund treten. Es iſt, meiner Anſicht nach, ſchon Viel gewonnen, wenn ſo viele wichtige und intereſſante Erſcheinungen, die man bisher, wegen mangelhafter anatomiſcher Kenntniffe, mit dem vagen Ausdrucke: Sympathieen bezeichnete, ihres geheimnißvollen Characters entkleidet werden. Deß— halb glauben wir aber noch nicht, daß dieſer Ausdruck oder irgend ein Stellvertreter deſſelben lediglich durch die Fort— ſchritte der Anatomie aus der Wiſſenſchaft verbannt werden koͤnne; denn durch die Nachweiſung einer ununterbrochenen Nervenverbindung iſt noch nicht der anatomiſche Beweis ge— liefert, weßhalb die ſecundaͤren Wirkungen oder die Ruͤck— 748. XXXIV. 22. 344 wirkungen des Empfindungsvermoͤgens von einer beſtimmten Oberflaͤche gerade auf die andere ſtattfinden. Deßhalb muß man ſich noch immer auf Sympathieen, d. h. auf die ſpe— ciellen Beziehungen der Empfindlichkeit zwiſchen dieſem und je— nem Nerven berufen, wenn man, z. B., die Wahleinwirkung der krankmachenden Potenzen und der therapeutiſchen Mit— tel oder die gegenſeitigen Einfluͤſſe zwiſchen den aus derſel— ben Art von Gewebe beſtehenden Organen erklaͤren will, oder wenn man ſich Rechenſchaft daruͤber ablegen will, wa— rum die ſogenannten ſympathiſchen Wirkungen zwiſchen den verſchiedenen Geweben, inmitten der mannigfachen Functionen und deren krankhaften Störungen, unter beſtimmten Um— ſtaͤnden ſtets vorzugsweiſe von einer gewiſſen Nervenober— flähe auf eine gewiſſe andere eintreten. Allein wenn die Anatomie für ſich nicht vermag, die fecundären Ruͤckwir— kungen und Complicationen der Krankheiten, ſammt den ge— heimnißvollen Beziehungen der Functionen, auf der Stelle zu erklaͤren, ſo iſt es doch ſchon ſehr anerkennungswerth, wenn ſie der Phyſiologie und Heilkunde inſofern zu Huͤlfe kommt, als ſie ihr den Weg zeigt, auf welchem ſo viele verwickelte Functionen vermittelt werden. (Comptes ren- dus des seances de l' Ac. d. Sc. T. XX, No. 14, 7. Avril 1845.) Miscellen. Die Geſchlechtstheile von Helix pomatia,. Hierzu die Figur 42. auf der mit Nr. 727 (Nr. 1 dieſes XXXIV. Bos.) ausgegebenen Tafel. a. Die Zwitterdruͤſe. db, Die äußere Huͤlle der epididymis. c. d. Das Saamenbläschen. e. Der Uebergang des Saamenblaͤschens in die prostata m. m. F. Glandula uteri- na, Mutterdruͤſe: g deren maſchiger Ausfuͤhrungsgang enthaͤlt bei h ein Ei mit Eiſchaale. J. J. Der uterus mit der prostata m. m, auf welcher die art. uterina 2, verläuft. n. Vas deferens. o. Flagellum. p. Praeputium. 4. Deſſen musculus retractor. r. Der Ausfuͤhrungsgang der Saamentaſche mit einem Divertikel s. t. t. Die vieltheilige Schleimdruͤſe. u. Die Kloake. v. Der Pfeil⸗ ſack. w. Die Scheide. Dieſe Abbildung des Apparates dieſes leicht zu habenden Thieres iſt aus einer Abhandlung von Heinrich Meckel: „über den Geſchlechtsapparat einiger hermaphroditiſchen Thiere“ entlehnt, die ſich in J. Muͤller's Archiv ꝛc. 1844. Heft V. S. 473 findet, und die ich mit beſonderem Intereſſe geleſen habe. Zur Naturgeſchichte der Cetaceen iſt zu bemerken, daß die weiblichen Walfiſche oder Wal-Kuͤhe mit ihren „Kaͤlbern“ zwiſchen den Monaten Mai und October die Kuͤſten von Neu⸗See⸗ land beſuchen. Die dießjaͤhrige Verſammlung deutſcher Natur⸗ forſcher und Aerzte wird in Nürnberg ſtattfinden. Geſchaͤfts⸗ fuͤhrer: Dr. J. S. Dietz, K. Profeſſor und ausuͤbender Arzt und Dr. S. Ohm, K. Profeſſor und Rector der polytechniſchen Schule. FFT Die i R un n d e. Fall von Vergiftung durch den Genuß verdor— benen Fleiſches. Von Alfred Taylor. Drei Glieder der Familie eines Schaͤfers, die Mutter und 2 Kinder, befanden fich am Sonntage den 20. Dez. plotzlich unwohl. Am naͤchſten Tage bereits wieder wohl, aßen ſie mit dem Familienvater Morgens um 11 Uhr Hammelfleiſch, und als derſelbe am Abende nach Hauſe zuruͤckkam, fand er den Sohn todt und Frau und Tochter bewußtlos. Er ſelbſt hatte bei der Arbeit einen ſcharfen, brennenden Schmerz im Leibe empfunden. Die Mutter 345 gab nach ihrer Geneſung an, daß fie nach der Mahlzeit heftige Schmerzen empfunden haͤtte, konnte aber keine weitere Auskunft ertheilen. Man erfuhr jedoch, daß ihr der Schaum vor dem Munde geſtanden haͤtte, und ſie in einem Zuſtande hoher nervoͤſer Aufregung geweſen wäre. Sie litt an leich tem Erbrechen, purgirte aber nicht. Der Knabe und das Maͤdchen wurden beide von Errbechen und Dirarrhoͤe befal— len, und der Knabe mußte binnen weniger als 3 Stunden ge— ſtorben fein, da er um 3 Uhr Nachm. todt gefunden wurde. Die Stuhlausleerungen des Knaben waren von dunkelgruͤ— ner Farbe, die ausgebrochenen Maſſen reichlich und mit gelblichen Streifen. Das von der Mutter Ausgebrochene ſollte ein glaͤnzendes queckſilberartiges Ausſehen an der Oberflache gehabt haben. Der Körper des Knaben bot fol— gende krankhafte Erſcheinungen dar: Haut ungewoͤhnlich bleich, Lungen mit ſcharlachrothem Blute uͤberladen; Leber blaßroth, mit ſehr fluͤſſigem Blute angeſchoppt. Der Magen enthielt eine kleine Quantitaͤt halb verdauter Speiſe, und bot an ſeiner hintern Portion mehrere entzuͤndete und vor— ragende Falten dar; auch zeigten ſich Spuren von Entzuͤn— dung an andern Stellen der Schleimhaut desſelben. Der Duͤnndarm in ſeinen obern Portionen entzuͤndet, weniger tiefer hinab; in demſelben mit Blut gemiſchte Ffuͤſſigkeit. Die Muskelhaut des Maſtdarms ſtark geroͤthet; das Bauch fell ſtark entzuͤndet. Die Harnblaſe contrahirt, und an der bintern Wand derſelben zwei Flecke deutlich umſchriebener Entzuͤndung. In der Bauchhoͤhle gegen 2 Unzen blutiges Serum. Der obere Theil des Larynx und der untere Theil des Pharynx entzuͤndet, Spuren von Entzuͤndung an der Bifurcation der trachea. Die Venen des Kopfes und Gehirnes mit Blut angeſchoppt; die Structur des Ge— hirns normal. Die contenta des Magens und Darmcanals wurden geſammelt und unterſucht, allein es konnte keine Spur von Gift in denſelben aufgefunden werden. Bei genauer Nach— forſchung ergab ſich, daß das Hammelfleiſch, welches die Familie gegeſſen hatte, von einem Thiere genommen war, welches an der Drehkrankheit gelitten hatte, und deſſen Fleiſch nach der Toͤdtung an mehrere arme Familien in der Nach— barſchaft vertheilt worden war. Von den andern Familien jedoch, welche gleichfalls von dem Fleiſche gegeſſen hatten, empfand Keines uͤbele Folgen nach dem Genuſſe deſſelben. Das Fleiſch, von welchem die erkrankte Familie gegeſſen hatte, war von der Hausfrau eingeſalzen worden, und das Salz ſcheint hier, wie auch aus andern uͤberlieferten Faͤl— len erhellt, zur Entwickelung des animaliſchen Giftes beige— tragen zu haben. (Guy’s Hospital Reports.) Einige allgemeine und practiſche Betrachtungen uͤber die Hautkrankheiten. (Ans einem kliniſchen Vortrage im Höpital Saint Louis zu Paris). Von Herrn Devergie (Schluß.) Eine gute Anzahl von Hautkrankheiten ſtammt von äußern Ur: ſachen ab. Gewiſſe impetiginöfe, lichenartige Eezema haben ihre 748. XXXIV. 22. 346 Hauptquelle in den von den Individuen ausgeuͤbten Profeſſionen. Maurer, Gypsmacher, Faͤrber, Hutmacher, Schuhmacher, Gewuͤrz— haͤndler, Gießer u. ſ. w. find Profeſſionen, welche ſolche Krankhei⸗ ten erzeugen. Das Eczema der Beine geſellt ſich am Haͤufigſten zu einer mehr oder weniger alten Verſchwaͤrung, oder zu einer durch Kraz— zen gereizten Excoriation oder zu dem Aufenthalte der Beine im Waſſer bei den Auslaͤdern, oder zu dem varicöfen Zuſtande der Venen dieſer Glieder. Aber noch mehr, eine Krankheit bringt die Anlage zu einer andern hervor. Das Individuum, welches die Kraͤtze gehabt hat, iſt dem Lichen, dem lichenartigen Eczema, dem Eczema ausge— ſetzt. Von hundert mit Eezema behafteten Hautkranken findet man beinahe die Haͤlfte, welche fruͤher ein oder mehrere Mal die Kraͤtze gehabt haben, während z. B., der Psoriasis [die Kräge nur bei einem Fuͤnftel vorausgeht. Schließen wir alſo aus allen dieſen Thatſachen: 1) daß die Krankheiten der Haut keinesweges an eine innere identiſche Flechtenverderbniß gebunden ſind. 2) daß, wenn die Flechten ſehr häufig als Urſache einen inner ren Zuſtand erkennen laſſen, es doch deren eine gewiſſe Anzahl giebt, welche rein an aͤußeee Urſachen gebunden ſind; 3) daß es endlich Flechtenuͤbel giebt, deren Urſprung oder Ur: ſache man nicht bezeichnen kann. Laſſen Sie uns jetzt ſehen, welches im Allgemeinen der Verlauf, die Dauer und das Ende der Flechten iſt. Im Allgemeinen durchlaͤuft jede Hautkrankheit, welche eine acute Form hat, ihre Perioden und endigt ſich nach Art anderer Krankheiten, 1) wenn fie nicht weſentlich an eine innere Urſache, die ſelbſt während der Dauer derſelben fortdauert, gebunden iſt; 2) wenn ſie nicht durch die Anwendung einer ſtoͤrenden Methode gehemmt wird. Dieſe Reihe von Hautkrankheiten, welche eine gluͤckliche Loͤſung haben, wenn man in ihrem Verlaufe nicht eingreift; iſt allerdings wenig bedeutend. Sie wuͤrde viel ausgebreiteter ſeyn, wenn nicht die Haut von allen aͤußern Geweben und Organen inden ſchlechteſten Verhaͤltniſ— fen ſich befände, um freiwillige Heilung der fie ergreifenden Krankhei⸗ ten zu erlangen. Man hat die Aufmerkſamkeit der Aerzte nicht genug auf dieſen Punct der Pathologie gerichtet; erlauben Se mir hierbei einige Augenblicke zu verweilen. Die Lungenſchleimhaut abgerechnet, ſind alle unſere Organe vor der Beruͤhrung der atmoſphaͤriſchen Luft geſchuͤtzt; denn bei den chroniſchen catarrhaliſchen Affectionen ſuchen wir unſere Organe in eineſinnere gleichmäßige Luftumgebung zu verſetzen, um ſie vor den Ver⸗ aͤnderungen der Atmoſphaͤre zu ſchuͤtzen; und oft erreichen wir durch dieſes Mittel allein die Heilung. Man wird einwenden, daß die Haut an die Berührung der Atmofphäre gewöhnt iſt, aber fie iſt es nicht mehr, als die Lungenſchleimhaut; eben fo iſt ein großer Un⸗ terſchied zwiſchen der gefunden und der entzuͤndeten Haut. In die⸗ ſem letzterem Falle ift die Senfibilität dieſes Gewebes geſteigert und der Eindruck bei weitem lebhafter. Sie werden leicht uͤber dieſen Einfluß ein Urtheil faſſen, wenn fie in dieſer Beziehung die ſecerni— renden Krankheiten betrachten. Legen Sie die Flaͤche eines eczema, welche einige Stundenlang vor der Atmoſphaͤre geſchuͤtzt geweſen iſt, bloß; die Haut wird Fluͤſ⸗ ſigkeit im Ueberfluſſe abſondern. Die Atmoſphaͤre iſt alfo für eine entzuͤndliche Hautſtelle ein ſehr maͤchtiges Reizmittel. In der That denken Sie an alle die atmoſphaͤriſchen Veraͤnderungen, an alle die Wechſel der Witterung, die Trockenheit und Feuchtigkeit der Luft, und Sie werden die Kraft einer die Hautkrankheiten unterhaltenden Urſache in ihrem ganzen Werthe erkennen. Dieſe Geſundheitsbe— dingung iſt ſo maͤchtig, daß ſie ſich auf die ſprechendſte Weiſe auf dem großen Theater, das unſerer Beobachtung vorliegt, darthut. Ge⸗ ſtern und ſeit mehreren Tagen blieben alle unſere Kranken ſtehen, heute und die naͤchſten Tage wird ſich eine auffallende Verbeſſerung in ihrem Zuſtande kundgeben, und umgekehrt. Aber die Verhaͤltniſſe der Atmoſphaͤre haben ſich auch geaͤndert. 2 . Ein zweiter Umſtand, welcher die Dermatoſen in die Laͤnge zieht, findet ſich in den beftändigen Bewegungen, die die Haut durch die Bewegungen der Glieder zu erleiden hat. Bei der Streckung, 347 wie bei der Beugung, wird die Haut mehr oder weniger ausgedehnt, fie ſetzt ſich ſelbſt in Bewegung; denn die Bedingung der Ruhe iſt fuͤr ein entzuͤndetes Organ eine Bedingung der Heilung. Bei den Entzuͤndungen der Haut, wo die Senſibilitaͤt ſehr bedeutend iſt, haͤlt ſich der Kranke von ſelbſt ruhig, um nicht uͤber dem Schmerz zu erwachen; das iſt der Fall bei den ſeroͤſen Entzuͤndungen, ſey es bei denen der großen Hoͤhlen oder denen der Gelenke. Der Huſten ruft in der Pleureſie Schmerz hervor: der Kranke bleibt bei der Bauch— fellentzuͤndung auf dem Rüden liegen. Der Rheumatiſche ſtoͤßt bei der Annaherung der Hand, welche das kranke Glied in eine an— dere Lage bringen will, einen Schrei aus. Findet man in der Haut nicht daſſelbe Uebermaaß von Empfindlichkeit, ſo hat doch der Einfluß der Bewegung immer eine relative Wirkung; ſie ruft Reizung hervor und trägt zur Unterhaltung des krankhaften Zuſtan— des bei. ö Eine andere, viel maͤchtigere Urſache der Verlaͤngerung der Dermatofen liegt in der immerwährenden Berührung der Kleider und in der durch dieſelbe bewirkten Reibung. Alles das ſchon Er— waͤhnte reiht ſich auf eine ausgezeichnete Weiſe an dieſe neue Krank— heitsbedingung. Eine große Anzahl von Krankheiten der Haut hat Jucken in ſeiner Begleitung, das Beduͤrfniß ſich zu kratzen iſt unaufhoͤrlich; zuweilen erleichtern ſelbſt Reibung und Kratzen den Kranken; die Reizung entſteht in allen dieſen Faͤllen unaufhoͤrlich immer wieder von Neuem. Es giebt Profeſſionen, in denen die Berührung mit Kohle, Staub, Gyps, Zucker, Gewuͤrz, Farben u. dgl. die Krankheiten, die ſie oft ſelbſt hervorgerufen haben, dauernd machen. Kurz, man ſieht, daß, innere Urſachen, welche die Hautkrank— heiten unterhalten koͤnnen, abgerechnet, die geſelligen Verhaͤltniſſe, in welche wir geſtellt ſind, und die Verrichtungen, welche die Haut als Integument zu erfuͤllen beſtimmt iſt, ſie in Bezug auf die Be— handlung der ſie ergreifenden Krankheiten in die unguͤnſtigſten Ver— haͤltniſſe verſetzt. Sie ſehen in unſeren Saͤlen eine gute Anzahl von Kranken, bei welchen die Affectionen unter dem Einfluſſe dieſer Urſachen fortdauern. Ich behandele in dieſem Augenblicke eine Dame, welche nur auf dem Naſenruͤcken ein leichtes Eezema hat, und obwohl fie ſich der Behandlung von Alibert, Biett, Marjolin unterworfen und ſeit achtzehn Jahren beinahe alle etwas wirkſame Mineralwaͤſ— ſer gebraucht hat, iſt die Krankheit doch immer auf demſelben Puncte ſtehen geblieben. Die Anfuͤhrung dieſer Namen reicht hin, Ihnen zu beweiſen, daß ſie ſehr zahlreiche und wohl angezeigte innere und aͤu— ßere Mittel gebraucht hat. Das aber, was iyre Krankheit unter— haͤlt, iſt die ſeit langer Zeit angenommene Gewohnheit, ein Ta— ſchentuch in der Hand zu haben, ſich in der Minute zehnmal die Naſe abzuwiſchen und zu ſchnauben. Sie thut es ohne ihren Wil— len und ohne es zu bemerken. Eingenommen von der Idee, daß die Haut ſich reinigen muß, druͤckt ſie die Naſe Morgens nach allen Richtungen, ſie reibt ſie, eine reichliche Secretion findet ſtatt, und es tritt Erleichterung ein; aber dieſe Erleichterung dauert nur eine Zeitlang; bald entſteht die Entzuͤndung wieder mit neuer Kraft und es kehrt das Jucken zuruͤck, das noch unertaͤglicher iſt als je. Was ſoll man nun demnach von Angaben denken, welche Sie bei den Schriftſtellern uͤber Hautkrankheiten uͤber die Dauer der Flech— ten finden, von denen einige ihre Perioden in zwei oder drei, an— dere in vier, ja in fünf mal ſieben Jahren durchlaufen? A li— bert, der ſcharfſinnigſte Beobachter, hat nie ſolche Bemerkungen gemacht. Ich komme jetzt zu dem penibelſten Theile der Hautkrankheiten, naͤmlich zur Frage von Ruͤckfaͤllen. Wir zoͤgern nicht, als allgemeinen Ausdruck einer richtigen Beobachtung hinzuſtellen, daß man ſehr haͤufig eie Hautkrankheiten, trotz ihrer ebenſo vollſtaͤndigen als moͤglichen Behandlung, wieder erſcheinen ſieht. Indeſſen man muß hier unterſcheiden. Jede Hautkrankheit, welche an eine erbliche Anlage gebunden iſt, iſt dem Ruͤckfalle ausgeſetzt, und man begreift in der That, daß das Indivi— duum eine unaufhoͤrliche Urſache der Krankheit, die der geringſte Umſtand entwickeln kann, in ſich trägt, So find Jchthyolis, pforiasis, Eozema lichenoides, lichen ſolche Krankheiten, vor des ren Ruͤckfaͤllen ſich der Arzt in Acht nehmen muß. 748. XXXIV. 22. 348 Es giebt ferner gewiſſe Affectionen, welche ſich vorzugsweiſe mit der Wiederkehr einer Jahreszeit zeigen, und zwar hauptſaͤchlich im Fruͤhjahre und Herbſte. Das iſt noch ein Umſtand, welcher die ganze Aufmerkſamkeit des Arztes in Anſpruch nehmen muß, und obwohl ſechs, acht, zehn Monate ſeit der Heilung verfloſſen ſind, iſt es doch ſehr gewoͤhnlich, die Krankheit, wenn die Maßregeln zur Verhuͤtung ihrer Entwik— kelung nicht genommen find, wiederausbrechen zu ſehen. Es ver- haͤlt ſich mit den Krankheiten der Haut ebenſo, wie mit der all— gemeinen plethora, dem galligen Zuſtande, dem Rheumatismus, der Halsentzuͤndung, u. ſ. f. Ebenſo, wie eine Menge Perfonen gezwungen ſind, im Fruͤhjahre oder im Herbſte zur Ader zu laſſen oder ein Brechabfuͤhrmittel zu nehmen, zeigt ſich der krank— hafte Zuſtand bei einigen Individuen in der oder in jener Jahres— zeit. Man kommt dem oͤfters durch eine wohl eingeleitete Verhuͤ— tungscur zuvor. Von allen den bedeutendſten Urſachen des Ruͤckfalles verdienen die Unreinlichkeit und die Profeſſionen bei dem Volke, die wenig gewiſſenhafte Beobachtung von Geſundheitsregeln und die Ausſchwei— fungen aller Art bei den Meiſten die oberſte Stelle. Ziehen wir unſere ſtatiſtiſchen Verzeichniſſe in Bezug auf die Ruͤckfaͤlle zu Rathe, ſo bekommen wir entſetzliche Zahlen, aber ſie beziehen ſich hauptſaͤchlich auf die Hospitalkranken, d. h. auf Ar⸗ beiter, die natuͤrlich den Ruͤckfaͤllen am meiſten ausgeſetzt ſind. Huͤten Sie ſich indeſſen zu glauben, daß nicht auch im uͤbrigen Publicum aͤhnliche Ruͤckfaͤlle auftreten koͤnnten. Sie werden der— gleichen ſelbſt bei den Erſten in der Geſellſchaft fehen. Wenn Sie die Hautkrankheiten in Beziehung auf ihre Dia— gnoſe betrachten, ſo werden Sie nirgends eine ſchaͤrfere finden. Man kann behaupten, daß die Pathologie der Haut in dieſem Puncte zu einer Beſtimmtheit gekommen iſt, welche ſchwer in andern Zweigen der Pathologie zu erreichen iſt. Dieſe Sicherheit der Diagnoſe verdankt man Plenck und nach ihm Wilhan, welche die Haut⸗ krankheiten nach den Elementarformen ihrer Veraͤnderungen zu unterſcheiden ſich bemuͤhten. Plenck und Willan haben nur die einfachen Formen be— ruͤckſichtigt; das find freilich die am wenigſten gewoͤhnlichen For- men. Wir haben ſeit vier Jahren die zuſammengeſetzten Formen aufgeſtellt; wir werden Sie dieſelben noch kennen lernen laſſen. Das iſt übrigens der Weg, den man einſchlagen muß: mit Auf: merkſamkeit die Claſſification von Plenck oder von Willan kennen ler- nen, in jeder krankhaften Veraͤnderung ihre Elementarform ſuchen und ſehen, zu welcher Gattung ſie gehoͤrt. So werden Sie auf dem Wege des Ausſchließens fortgehen und nie einen Irrthum begehen. Ich weiß wohl, daß die Worte Blaſen, Waſſerblaſen, Papeln Puſteln, Knoten, Schuppen u. d. gl. nicht vollkommen von dem Zuſtande der Affection Rechenſchaft abgeben, daß häufig dieſe Elemen— tarformen in dem Augenblicke, in dem man den Kranken beobachtet, verſchwunden find; indeſſen, wenn der Gang der Diagnofe nicht immer leicht iſt, ſo iſt doch dieſe Methode der Claſſification ge— rade die ſtrengſte. Uebrigens werden wir uns mit dem Einzel- nen bei der Darſtellung der Claſſificationen beſchaͤftigen. Nur noch zwei Worte uͤber die Prognoſe der Hautkrankheiten. Im Allgemeinen bringen die Hautkrankheiten in unſerm Klima das Leben nicht in Gefahr, ausgenommen der Pemphigus, das all⸗ gemeine Eezema, die Rupia, die acute Pityriasis und den Scor⸗ but. Dann aber wird eine gute Anzahl von dieſen Affectiouen erſt durch Nebenumſtaͤnde, welche am Haͤufigſten von dem Verdau⸗ ungsapparate ausgehen, bedenklich. Aber die Krankheiten der Haut find laͤſtig, beſchwerlich, ſchmerzhaft und wirken auf das Nerven— foftem und manchmal auf den Geiſt auf eine nachdruͤckliche Weiſe ein. Fuͤgen wir noch hinzu, daß, wenn ſie im Geſicht oder an den Händen ihren Sitz haben, fie alsdann ein Brandmal allge- meiner Zuruͤckſtoßung aufdruͤcken. Sie verſetzen oft dem Geiſte ei- nen Stoß, weil, neben den ſchon an ſich beinahe unertraͤglichen koͤrperlichen Leiden, bei einigen unter ihnen noch die ganze Zukunft, die ganze Exiſtenz, durch die Unmöglichkeit, dieſer oder jener Lauf— bahn zu folgen, eine Verbindung zu ſchließen, oͤffentliche Aemter einzunehmen u. ſ. w. gebrochen und zernichtet wird. Dieſe mo— raliſche Schwaͤchung hat zuweilen einen traurigen Ausgang; denn 349 man hat das Leben dieſer Ungluͤcklichen, welche weder moraliſche, noch körperliche Beruhigung kennen lernten, und welche nicht im Schooße der Familie und der Religion eine Milderung für ihre Leiden fin— den konnten, durch Selbſtmord enden ſehen. (Gaz. d. Höpit., Mai 1845.) Zerreißung des Magens. Dem Charles Hoyle wurde unlaͤngſt bei den Aſſiſen der Grafſchaft Somerſet im Staate Pennſylvanien wegen Ermordung des Jacob Miller der Proceß gemacht. Es ergab ſich, daß Hoyle am 13. Januar 1845 Abends mit mehreren Bekannten im halbbetrunkenen Inftande von der Stadt nach Haufe gegangen und von dem Miller, gegen den er einen alten Groll hatte, eingeholt worden war. Es entſtand eine Rauferei, und Hoyle ſchlug Mil— ler' n mehrmals auf den Kopf und warf ihn gegen einen Zaun, ohne ihn jedoch zu Boden zu ſtrecken. Miller ging weiter und erhielt dabei von ſeinem Gegner mehrmals Fußtritte gegen die Beine. Es war ſchon dunkel, und Miller kehrte, nachdem er etwa eine halbe engl. Meile weit gegangen, bei einem Schwager Hoyle's ein, dem er ſagte, Hoyle habe ihn geſchlagen. Indeß zeigten ſich an ſeinem Koͤrper nirgends Spuren einer Verletzung. Er brach nun wieder auf, um nach Hauſe zu gehen und ward bald darauf, etwa 2 Meilen weiter, mit dem Geſichte auf dem Boden liegend und unfaͤhig zu gehen gefunden. Als er in das naͤchſte Haus getragen worden, klagte er ſehr uͤber ſeinen Kopf, ſowie uͤber Uebligkeit und Schwaͤche, und waͤhrend der Nacht hatte er mehrmals Anfaͤlle von Recken. Hinter dem linken Ohre zeigte ſich nun eine betrachtliche Geſchwulſt, und es floß aus Ohren und Naſe Blut. Er hatte damals den vollftändigen Gebrauch feines Verſtandes und behielt denſelben auch am folgenden Tage, wo man ihn in feine 11 Meilen entfernte Behauſung ſchaffte, ihm zur Ader ließ und Arzneien verordnete. Am zweiten und dritten Tage trat jedoch Delirium ein, welches am vierten Tage wieder verſchwun— den war. Am Abend dieſes Tages, 96 Stunden nach der Raufe— rei, ſtarb er. Drei Tage ſpaͤter ward die Leiche gerichtlich befiche tigt. Hoyle hatte mittlerweile die Flucht ergriffen, wurde aber verfolgt und eingebracht. Die Leichenöffnung wurde von den Doctoren M'Creery und Berkey ſechszig Stunden nach dem Tode vorgenommen. Spu— ren von Faͤulniß waren am Koͤrper nicht wahrzunehmen. Das einige 20 Jahre alte Subject war von kleiner Statur, mager und zart gebaut, ſowie febr ferophulös. Spuren von gewaltſamer Ber: letzung bemerkte man, außer einer geringen Schramme hinter dem linken Ohre und einigen dergleichen im Geſichte, nicht. An der linken Huͤfte bemerkte man zwei Vertiefungen (sinus), welche man fuͤr Zeichen des Vorhandenſeyns des morbus coxarius hielt. Das Huͤftgelenk fand man durchaus ankylotiſch, und der Schenkel— beinkopf war ſehr verdickt, der Schaft des Schenkelknochens aber cariös, fo daß man eine Sonde 4 — 5 Zoll weit in der Längs- richtung des Knochens einfuͤhren konnte. Die Krankheit war offen— bar chroniſch und nirgends eine Spur von neuerdings ſtattgefun— dener Entzuͤndung wahrzunehmen. Bei Unterſuchung des Gehirns fanden ſich deſſen Gefaͤße ſehr ſtark von dunkelem Venenblute ſtrotzend, allein keines derſelben ge— borſten. In den Ventrikeln etwa 2 Unzen farbloſen Blutwaſſers; Membranen natuͤrlich; keine Erweichung der Subſtanz des Ge— bhirns. Die Eingeweide des thorax normal und von geſundem An— ſehen. In den Lungen keine Tuberkeln. In der Abdominalhoͤhle fand ſich eine ſtarke Ergießung flüffigen Blutes, mit den Contenta des Magens vermiſcht, die aus Galle und Magenſaft beſtanden. Sie waren durch einen 3 — 3! Zoll langen Riß im Magen, an der Stelle und in der Richtung ſeiner kleinern Krümmung, ausgefloſſen, der 3 Zoll von dem Pylorus anfing und ſich längs der Unfügung des omentum minus nach der cardia zu erſtreckte. Die Raͤnder deſſelben waren gerade, aber nicht glatt. Der Magen war zuſammengefallen und leer, ſeine Schleimhaut blaß und etwas 748. XXXIV. 22. 850 erweicht, aber deſſen zum Theil bis zur Staͤrke einer Rabenfeder verdickte und fämmtlic von coagulirtem Blute ſtrotzende Gefäße boten eine auffallende Veräftelung dar. Dieß war nach dem ſchma— lern Ende des Magens zu der Fall. Auch zeigte ſich unter der Schleimmembran an der vorderen Flaͤche des Magens eine ausge— dehnte Ecchymoſe. Die Milz ſtrotzte ſtark von Blut und war faſt breiartig erweicht. Auch die Leber war in geringem Grade ſtroz⸗ zend. Die uͤbrigen Organe waren normal. Aeußerlich be⸗ merkte man am Abdomen nicht die geringſte Spur von einer Contuſion. Der Vertheidiger des Angeklagten bemerkte, daß der Sections— befund keine Verletzungen nachgewieſen habe, welche ſich von der durch Hoyle veruͤhten Mißhandlung ableiten ließen. Es ſey aͤu⸗ ßerſt unwahrſcheinlich, ja vielleicht unmoglich, daß ein Menſch, dem durch einen Schleg der Magen zerriſſen worden, noch 2 Mei— len weit gehen oder noch vier Tage lang leben koͤnne. Es wurde bewieſen, daß ſich an der Stelle, wo Miller lag, Eis auf dem Wege befunden habe, und nach den dort befindlichen Blutſpuren laſſe ſich annehmen, er habe ſich bei'm Fallen ſchwer verletzt. Dieß ſey um ſo wahrſcheinlicher, da Miller durch fein Huͤftleiden vers kruͤppelt geweſen ſey und daher überhaupt keinen feſten Gang ge— habt habe. Die Jury fand Hoyle nicht ſchuldig. Uebrigens hatte Miller ausgeſagt, Hoyle habe ihn an der Stelle, wo man ihn liegend gefunden, noch gemißhandelt und ſey ihm auf den Leib geſprungen. Dieſe Ausſage wurde indeß durch das Zeugniß der beiden Begleiter Hoyle's entkraͤftet, welche be⸗ haupteten, derſelbe ſey mit ihnen 3 Meilen weiter gegangen, als die Stelle, wo er, nach der Behauptung Miller's, dieſen zum zweiten Male angefallen habe. Was war nun in dieſem Falle die Urſache des Todes? Wur— de der Magen wirklich durch die Mißhandlung von Seiten Hoy⸗ le's zerriſſen, oder geſchah dieß durch den Fall auf das Eis, oder die Steine, oder durch irgend eine andere bei Lebzeiten des Verſtorbe— nen vorgekommene Urſache? Oder wenn es nach dem Tode geſchah, wie war es dann zugegangen? Es iſt ſehr moͤglich, daß der Ma— gen durch einen Schlag auf das epigastrium zerriſſen wurde, ohne daß ſich am abdomen Spuren von äußerer Gewaltthaͤtigkeit zeige ten; allein daß Jemand mit einer Verletzung von dem angegebenen Umfange noch vier Tage gelebt habe, widerſpricht aller gewoͤhnli⸗ chen Erfahrung, wenngleich der Fall von St. Martin die Mög: lichkeit eines ſolchen Falles zu betätigen ſcheint. Wenn aber der Magen nicht bei Lebzeiten zerriſſen ward, was veranlaßte dann die Congeſtion nach dem Gehirn, und inwiefern wirkte dieſe zu dem Tode Miller's mit? Ruͤhrte fie von Schlägen auf den Kopf oder von dem Zuſtande des Magens her, wie er ſich aus den pa— thologiſchen Erſcheinungen, abgefehen von der Zerreißung, ergab, mochten dieſelben nun durch ein chroniſches Leiden oder eine friſche Verletzung herbeigeführt worden ſeyn? Oder war der Zuſtand des Gehirns von den übrigen Verletzungen ganz unabhängig? Wir geſtehen, daß wir dieſe Fragen nicht genuͤgend zu beantworten mil: fen, da die Geſchichte der Symptome und der Art der Mißhand⸗ lung zu lückenhaft iſt. Der Fall verdient in gerichtlich « medicini— ſcher Beziehung alle Beachtung, mag nun die Zerreißung des Ma: gens vor oder nach dem Tode ſtattgefunden haben. Der Herausgeber des Philadelphia Medical Examiner bemerkt hierzu, daß obiger Bericht in'sbeſondere dadurch an Werth verliere, daß man uͤber die Symptome, welche nach der Mißhandlung Mil: ler's bis zu deſſen Tode eintraten, nichts Näheres erfahrt. Er wurde von einem indianiſchen Aerzte behandelt, der natürlich durch— aus keine genuͤgende Auskunft uͤber den Verlauf der Krankheit zu geben wußte. Uebrigens lebte, wie wir durch Dr. Me Creery erfahren, Miller duͤrchaus regelmäßig und hatte an dem Tage, wo der Handel vorfiel, nicht einen Tropfen geiſtige Getränke genoſ⸗ ſen. Uns ſcheint, trotz des gegentheiligen Ausſpruchs der Jury, aus den Umſtaͤnden mit Sicherheit hervorzugehen, daß Miller in Folge der ihm widerfahrenen Miß handlung ſtarb. Vor derſelben war er, ſoviel man vernommen, durchaus nicht krank. Er wurde ein Paar Mal auf den Kopf geſchlagen, gegen einen Zaun geſchleu— dert und an die Beine getreten; allein wahrſcheinlich erhielt er ei⸗ * 351 nige Fußtritte weiter nach Oben, ohne daß die Zeugen dieß wahr— nehmen konnten, da die Nacht bereits eingebrochen war. Die un— mittelbare Urſache des Todes duͤrfte in der krankhaften Beſchaffen— heit des Magens zu ſuchen ſeyn. Die Erweichung der Schleim— membran, die Ecchymoſen, die ſtark ausgedehnten und von geron— nenem Blute ſtrotzenden Gefaͤße deuten klar genug darauf hin, daß eine Entzuͤndung ſtattgefunden, und die Zerreißung duͤrfte in Folge der durch die Entzuͤndung veranlaßten Erweichung entſtanden ſeyn. Nach der Mißhandlung fand man ihn auf dem Bauche liegend und unfähig, zu gehen, und daß er in der Nacht mehrmals Anfälle von Recken hatte, ohne daß Erbrechen erfolgte, ſcheint ebenfalls darauf hinzuweiſen, daß der Magen bei Gelegenheit der Mißhandlung ge— litten habe, obwohl das Recken auch ſymptomatiſch und durch die Beſchaͤdigung des Gehirns herbeigeführt ſeyn konnte. (The Dub- 1 0 of Med. Science, Vol. XXVII. No. LXXX., May ce Lil en. Die Geſchichte einer Geſchwulſt im rechten hypo- chond rium, die mit galleartiger Fluͤſſigkeit gefuͤllt war, hat Hr. W. A. Barlow mitgetheilt. Der Kranke, ein Strohdecker von 54 Jahren, verlegte ſich bei'im Aufheben einer ſchweren Leiter, und klagte uͤber ſo heftige Schmerzen in der Le— bergegend, daß der Dr. Barlow eine Ruptur dieſes Organs arg— wohnte. Der Kranke war ſehr ſchwach, von kaltem Schweiße be— deckt, Puls kaum zu fühlen. (Aderlaß, Abfuͤhrmittel). Am naͤch— ſten Tage war die Stuhlentleerung weiß und ohne Galle, Urin dunkel, wie bei'm jeterus. Da der Schmerz in der Lebergegend fortdauerte, ſo wurde die Blutentziehung mehrmals wiederholt, Mercur gegeben und ein Blaſenpflaſter auf das rechte hypochon- drium gelegt. Am 15. September zeigte ſich eine Anſchwellung von dem Umfange einer Wallnuß in der Lebergegend, welche all— maͤlig an Groͤße zunahm, bis ſie am 9. October einen ſolchen Umfang erreicht hatte und durch die von derſelben bewirkte Span— nung den Kranken fo ſehr beläftigte, daß man es für gerathen hielt, ſie zu punctiren. Sieben Quart Fluͤſſigkeit wurden entleert, worauf ſogleich Erleichterung eintrat. Die Fluͤſſigkeit ſchien nach Farbe und Geſchmack reine Galle zu ſeyn. Die Geſchwulſt nahm allmälig wieder zu, neue Punction am 21. d. M., Entleerung von 61 Quart. Nach der angeſtellten Analyſe beſtand die Fluͤſſigkeit faſt ganz aus reiner Galle. Spaͤter noch vier Punctionen, bei der letzten am 21. November floſſen nur 3 Pinten ab und die Ger ſchwulſt war nicht ganz geleert, der Kranke empfand heftige Schmerzen. Am folgenden Tage gallichte Stuͤhle, Urin heller, die Geſchwulſt wurde von jetzt an immer kleiner am 4. Februar 1844 der Kranke voͤllig geneſen. (Sitzung der Roy. Med. and chir. Society v. 14. Mai, in Lond. med. Gaz. Mai 1844.) In Betreff der Benutzung des Strychnins ſucht Hr. Dr. Procter nachzuweiſen, daß viele Uebel, wie Waſſerſucht, Impo— 748. XXXIV. 22. 852 tenz ꝛc. von einer Störung der ſympatiſchen Nerven herruͤhren, und die Anwendung ſolcher Mittel verlangen, wie ſie ſpeciſiſch auf dieſen Nerven wirken, zu welchen vorzuͤglich das Strychnin gehoͤrt. Zur Erlaͤuterung ſeiner Anſicht fuͤgt er folgende 2 Faͤlle hinzu: — M. S., 36 Jahre alt, unverheirathet, war vom Dr. Pr. ſeit Jahren an Leber- und Magenleiden und großer Neigung zur Erkaͤltung bes handelt worden, und als derſelbe ihm rieth, ſich zu verheirathen, um durch den Einfluß des Geiſtes eine wohlthaͤtige Veraͤnderung auf ſeinen Koͤrper hervorzubringen, geſtand der Kranke ein, daß er ſeit Jahren ganz impotent geworden ſey. Dr. Pr. wandte dage⸗ gen das Strychnin an, und heilte den Kranken binnen Kurzem von ſeinem Uebel vollſtaͤndig. — Madam P., 18 Jahre alt, ſeit 10 Monaten an Umenorrhöe leidend, wahrſcheinlich in Folge von Er— kaͤltung, Geſicht bleich und gelb, Anſchwellungen um die Augen, Kopfſchmerz, Gefuͤhl von Schwere in den Lenden, Beine und Fuͤße geſchwollen, Puls langſam und ſchwach, bei jedem zwoͤlften Schla⸗ ge intermittirend, große Abgeſchlagenheit und truͤbe Stimmung, Schmerzhaftigkeit in der Gegend des uterus. Verf. reichte ein mildes Abfuͤhrmittel, und wandte dann das Strychnin an. Nach 8 Tagen bereits bedeutende Beſſerung, Hautfarbe mehr geſund, Schmerz und Anſchwellung verſchwunden, reichlicher Menſtrualfluß, Stuhlgang normal, Appetit gut. Die Kranke genas von da an vollſtaͤndig. Ein unter dem Zuſammentritte der unguͤnſtigſten Umſtaͤnde vorgenommener und doch noch gluͤcklich ab⸗ gelaufener Kaiſerſchnitt iſt von Prof. Brescia ni de Borfa zu Verona in den Annali universali di Med. Dec. 1844 erzählt. Die Operation hatte bei einer 20jaͤhrigen Frau, nach zmweitägiger Geburtsarbeit ſtatt, wegen zu großer Enge eines nach Rechts ver— ſchobenen Beckens. Der Schnitt wurde laͤngs des aͤußern Ran— des des musc. rect. der rechten Seite gemacht. Der fundus uteri, unter die Wunde geſchoben und durchſchnitten, das Kind an den Fuͤßen hervorgezogen, die Nachgeburt weggenommen, die Uterushoͤhle mit kaltem Waſſer ausgewaſchen, und dann die umſchlungene Nath angelegt. — Die Mutter wird von peritonitis puerperalis befals len und dieſe unter antiphlogiſtiſcher Behandlung befeitigt. Noch mehr: Einige Tage nach der Operation ſtellten ſich nach Einwir⸗ kung eines heftigen Schreckens heftige Convulſionen ein. Nach dreis undvierzig Tagen konnte ſie wieder aus der Stube gehen, bekam eine phlegmasia alba dolens und eine ſchwere helminthiasis. End⸗ lich brach noch ganz in der Naͤhe der Woͤchnerin in der Nacht eine Feuersbrunſt aus; durch einen entſchloſſenen Mann gerettet, obwohl ſie bei dieſer Veranlaſſung heftige Stoͤße erlitt und ihr Leib gegen Hen ſchlug, gelangte die Frau doch noch zur vollſtaͤndigen eilung. Chromſaͤure. Gegen ulcerirte Haͤmorrhoidalknoten hat Hr. Alex. Ure die Chromſaͤure angewendet. Am Ende Aprils wurde, nachdem ein Purgirmittel gegeben und die Haͤmorrhoidalknoten her— vorgetreten waren, die kranke Flaͤche der letztern mit Chromſaͤure reichlich bepinſelt. Am 29. Der Kranke empfand in kurzer Zeit ein ber traͤchtliches Uebelbehagen, was voruͤberging. Am 1. Mai war Schmer in der Kreuzbeingegend. Die Geſchwuͤlſte fallen zuſammenz nach 1 Tagen war die Heilung vollſtaͤndig. — . —— Bibliographische The Geology of the Neighbourhood of Cheltenham. By R. J. Murchison, Esq. New edition augmented and revised. Lon- don 1845. 8. Des Telegraphes aériens et &lectriques portée de tout le monde. 1845. 8. m. 1 K. Questions prises à Par Ennemond Gonond. Paris Neuigkeiten De la santé des ouvriers employés dans les manufactures de tabac. Par M. le docteur F. Melier. Paris 1845. 8. Saggio illustrativo le tavole della Statistica medica delle Ma- remme toscane, compilata etc. di Antonio Salvagnoli Mar- chetti, Firenze 1844. 8. N e t ieee zu dem vierunddreißigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. (Die Roͤmiſchen Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) A. Abguͤſſe fuͤr ethnographiſche DCCXXVIII. 26. Aconit, aͤußerlich gebraucht. DCC xXXv. 139. Aetna⸗Lava. DCCXXXV. 138. Aetzkali, mit ſchwefelſaurem Eiſen, zur Ver⸗ tilgung des Geſtankes von Faͤcalmaſſen. DCCXLVII. 328. Affenarten, ungeſchwaͤnzte, auf den Sunda— Inſeln. DCCXXIX. 42. Agaſſiz's wiſſenſchaftliche Reiſe nach Ame- rica. DCCXXXIV. 121. Allantois, das von derſelben ausgehende Ge— faͤßſyſtem. DCCXxXIX. 42. Muſeen. America's Ureinwohner, characteriſt. Kenn⸗ zeichen. DCCXXXV. 129. DCCXXXVI. 145. DCCXXXVII. 161. DCCXXXVIII. 177. Ammonium succinicum, gegen delirium trem. DCCXLV. 304. Anatomiſche und organogenetiſche Unterſu— chungen uͤber Lathraea clandestina. DCCXLIV. 277. Anjing-Outan. DCCXLI. 234. Arktiſche Expedition, neueſte. DCCXLIII. 264. Armlagen bei drei aufeinanderfolgenden Ge— burten wegen Deformitaͤt des uterus. DCCXXXI. 9. Arſenik, Zufaͤlle, die durch das Schweinfur⸗ ter Gruͤn in Tapetenfabriken veranlaßt werden. DCCXLI. 240. Arteſiſche Brunnen in Algier. DCCXXX. 58. Articulation des Kreuz- und Darmbeins, Luxation derſelben. DCCXXXII. 89, Arzneiwirkungen, kuͤnſtliche Bildung von entzuͤndlichem Blute hervorbringend. DCCXXVII. 9. Aufſpießung, wo eine eiſerne Spindel durch die rechte Hinterbacke eindrang und rechts vom Nabel wieder heraustrat, ohne die Eingeweide zu beſchaͤdigen. DCCXXXI. 78. Augapfel, Heraustreten deſſelben, Erloͤſchung der Sehkraft in Folge einer nach Schar— lachfieber eintretenden Entzuͤndung. DCCXLV. 297. Auge, die drei Bilder in demſelben zur Diagnoſtik des grauen und ſchwarzen Staares benutzt. DGCXXXVII. 169. Auſtralien, rieſige Saͤugethiere daſelbſt. DCCXXXVIII, 183. Automat, ſprechender. B. Ballard, uͤber die großen Operationen und die Mittel, fie gefahrlofer zu machen. DCCXXXIX. 201. Baly, W., uͤber die Sterblichkeit in den Gefaͤngniſſen und die Krankheiten, an welchen die Gefangenen am Haͤufigſten ſterben. DCCXXXVI. 153. Barlow, über eiweißartigen Urin. DCCXLVI. 316. Battersby, Francis, über Eroftofen an der Wirbelſaͤule. DCCXXXIV. 121. Becquerel, über Magnetismus. DCCXLV. 295. DCCXLVI. 514, Behn, über die Mündungen der Keilbeing: hoͤhlen und der hinteren Siebbeinszellen. DCCXXVII. 8. Beneden, van, uͤber die Circulation bei den niederen Thieren. DCCXXVII. 1. Beſſems, uͤber eine Aufſpießung, wo eine eiſerne Spindel durch die rechte Hinter: backe eindrang und rechts vom Nabel wie- derheraustrat, ohne die Unterleibseinge— weide zu beſchaͤdigen. DCCXXXI. 78. Bieberbauten, Baumſtuͤcke und andere Ar— beitsuͤberbleibſel derſelb. DGCGXXXVIII. 184. Bienen, Transport derſelben aus England nach Auſtralien. DCCXL. 217. Blanchard, E., zoologiſche Forſchungen waͤhrend einer Reiſe an der Kuͤſte Sici— lien's. DCCXL. 225, Blandin, über Behandlung der onychia. DCCXLVI. 313. Blattern, Einimpfung bei DCCXLVI. 319. Bleieſſig gegen naevi. DCCXXXII. 96. Blut, entzuͤndliches, durch Arzneiwirkungen kuͤnſtlich gebildet. DCCXXVII. 9. Blutkoͤrperchen, Structur und Entwickelung derſ. in Inſecten und hoͤheren Thieren. DCCXXVII. 9. Blutung aus dem uterus, durch Anwen⸗ dung des Galvanismus behandelt. DCCXXIX, 41. Bourgery, J. M., uͤber das Gehirnende des großen ſympathiſchen Nerven bei Menſchen und Saͤugethieren. DCCXLVIII. 337. * zwei Affen. 354 Bouſſingault, uͤber DCCXLVI. 314. Brechweinſteinpuſteln, die Lymphe derſelben eingeimpft. DCCXXVII. 16. Bruch des inneren und aͤußeren Kndͤchels. DCCÄALI. 233. Byron, über kataleptiſchen Lungenſchlag. DCCXXXII. 105. Fetterzeugung. C. Caſtelnau, uͤber Urethralſchmerz in Folge von Blennorrhoͤen, und uͤber Behandlung derfelb. vermittelſt Compreſſion des penis. " DCCXXVIII. 29. Cazenave, über porrigo decalvans u, her- pes tonsurans. DCCXXXIX. 204. Cetaceen, zur Naturgeſchichte derſelben. DCCXLVIII. 344. Cetaceen, Lungentuberkeln bei denſelben be— obachtet. DCC XLII. 250, Chaetoderma. DCCXXVIII. 26. Chimpanzee, maͤnnlicher. DCCXLI. 234. Chloroſe mit Zinkvalerianat behandelt. DCCXLV. 302. Cholera asiatica. DCCXLII 256. Chromſäure gegen ulcerirte Haͤmorrhoidal— knoten. DCCXLVIII. 342. Circulation bei den höheren Thieren. DCCXXVII. 1. Circulation der Mollusken. DCCXXXII. 81. DCCXXXIII. 97. Circulationsapparat bei den Mollusken. DCCXLIII. 257. Claſſification der Vögel, auf Beſchaffenheit des os palatinum gegründet. DCCXXX. 52. Claſſification, parallellaufende, der Saͤuge— thiere. DCCXLIV. 273. College of Chemistry in DCCXXXVI. 154. Colon ascendens in einem Falle von Ver: ſtopfung mit Erfolg geöffnet. DCCXLI. 233. Contraction der Finger an beiden Haͤnden. DCCXXXVIII. 192. Cornay, Abriß einer neuen Claſſification der Voͤgel, die ſich auf Beſchaffenheit des os palatinum gründet. DCCXXX. 52, Coxalgie, differentielle Diagnoſtik derſelben. DCCXLV. 304. Cyanoſe neugeborener Kinder. 304. London. DCCXLV. D. Darwin, über Erhebungscrater. DCCxxx. 49. eg ee Delirium tremens und Behandlung deſſelb. DCCXXXVIII. 189. Delirium tremens. DCCXLV. 304. Dentis ligamentum. DCCXLV. 304. Despretz, Beobachtungen über die Graͤnze der tiefen u. hohen Toͤne. DCCXL. 228. Desruelles, uͤber eine eigenthuͤmliche Hyper— trophie der vulya. DCCGXXIX. 45. Devergie, über die Hautkrankheiten. DCCXLVII. 329. DCCXLVIII. 345, Diät der Neugebornen. DECXXXI. 73. Donné, mikroſcopiſch-practiſche Beobach— tungen uͤber Blut, Schleim, Eiter, Urin und Saamen. DCCXLVII. 332. Duchartre's anatomiſche und organogenetiſche Unterſuchungen über die Lathraea clan- destina. DCCXLIV, 277. Ducros, Anwendung des Schmerzes u. der Empfindungen als Therapie. DCCXXVIII. 30. Duncan, Herausbefoͤrderung eines Geldftüf: kes aus dem Kehlkopfe durch Umkehrung des Körpers. DCCXXVIII. 25. Durand, uͤber eine ſonderbare Thatſache in Betreff der Phyſiologie der Wurzeln. DCCXLVII. 324. Duvernoy, vom Nervenſyſteme der kopfloſen zweiſchagligen Mollusken oder Lamelli⸗ branchen. DCCXXXI. 65. E. Eades, Rich., über die Wirkungen und den aͤußerlichen Gebrauch des Aconits. DCCXXXV, 139. Edwards, Milne, zoologiſche Forſchungen auf einer Reiſe an den ſicilianiſchen Kuͤ— ſten über Circulation der Mollusken. DCCXXXI. 81. DCCXXXIII. 97. Edwards, Milne, über den Girculationss apparat der Mollusken. DCCXLIII. 257, Einrichter von Jarvis. DCCXL, 224. Eiſen, ſchwefelſaures, zur Vernichtung des Geſtankes von Faͤcalmaſſen zu verwenden. DCCXLVI. 328. Eis fabrication für DCCXLIV. 228. Elektricitaͤt auf Landwirthſchaft angewen— det. DCCXXXVII. 166. Elektriſcher Telegraph auf der South-We⸗ ſtern⸗Eiſenbahn. DCCXXX. 55. Elektriſches Organ bei Raja Batis und ei: nigen andern Rochenarten. DCCXXXI. 74. haͤuslichen Bedarf. Empfindungen, ſchmerzhafte, als therapeu⸗ tiſche Mittel benutzt. DCCXXVIII. 30. Engelbronner, Dr. v., über die häufigften Krankheiten des niederländiſchen Oſtindiens. DCCXXXIII. 110. Enterotomie in einem Falle von hartnaͤcki⸗ ger Verſtopfung angewendet, mit gluͤckli⸗ chem Erfolge. DCCXLI. 133. Entropium, Sperationsverfahren dabei. DCCXXX. 64, Erdmagnetismus. DCCXLVI. 311. Erhebungskrater. DCCXXX. 49 Evans, S., Verſtopfung des Dickdarmes, wo das aufſteigende colon mit Erfolg ges Öffnet wurde. DCCXLI. 233. Exogone, Entwickelungsart dieſer Anneli⸗ dengattung. DCCXXX. 57. Exoſtoſen an d. Wirbelſaͤule. DCCXXXIV. 121. F. Farrn, die Rippenvertheilung der Blätter derfelben zur Glaffification benutzt DCCXLVII. 329. Finniswoode, Fall von ſpeckartigem Skirrhom der Lunge. DCCXXXII. 94. Finnlaͤnder, Schaͤdelbildung derſ. DCCLXVI. 305. Fiſtuloͤſe Communication zwiſchen dem Duͤnn⸗ darme und der Harnblaſe, fuͤr Harnſtein gehalten. DGCCXXXI. 80. Foetus, Wirkung des Mutterkorns auf dene ſelben. DCCXLIII. 263. DCC XLIV. 279. Fucoidiſche Pflanzen (Fucusarten), uͤber den Einfluß derſelben auf die geologiſchen For: mationen. DCCXXXVIT. 168. G Galvanismus, gegen Blutung aus dem uterus angewandt. DCCXXIX. 41. Gaſe, Condenſation derſelben. DCCXXVII. 10. Gebaͤrmutter-Polypen durch Torſion exſtir⸗ pirt. DCCXXVIII. 32. Gebaͤrende, Wirkung des Mutterkornes auf dieſelben. DCCXLIII. 263. DOCCXLIV. 279. Gefaͤngniſſe, Sterblichkeit in denſelben. DCCXXXVI. 153. Gefaͤße im Fette, die viel winziger ſind, als gewöhnliche Haargefaͤße. DCCXLIII. 263. Geldſtuͤck im Kehlkopfe, durch Umkehrung des ganzen Körpers herausbefoͤrdert. DCCXXVIII. 25. Geoffroy⸗Saint⸗ Hilaire, Iſidore, parallellau⸗ fende Claſſiſication der Saͤugethiere. DCCXLIV. 273. Geologiſche Charte der Schweitz von Studer. DCCXLIV. 280. Gervais, P., uͤber DocxxvIII. 17. DCCXXXIV. 112. Geſchwulſt im rechten Hypochondrion mit Galle gefüllt. DCCXLVIII. 351. Geſtankvertilgung in Abtritten. DCCXLVII 328. H. Hämorrhagie, toͤdtliche, aus Verletzung des Aortenbogens durch, in den Oeſopha— gus haͤngen gebliebene, falſche Zaͤhne. DCCXLIII. 271. Haͤmorrhagie aus der Leber. DCCXXIX 48. Häring, intereſſante Thatſache zur Natur- geſchichte deſſelben. DCCXXXII. 88. Hagenia abyssinica, der Koſſobaum, in den Bluͤthen ein neues wurmabtreibendes Mittel. DCCXXXVI 175. Hardy, Sam. L., über die Wirkungen des Mutterkornes auf Gebaͤrende und den foetus. DCCALII. 263. DCCXLIV. 279. Haſenſcharten, neue Operationsmethode derſ. von Malgaigne. DOCXXAV, 144. Hautkrankheiten, allgemeine und practiſche Betrachtungen uͤber diefelben. DCCXLVII. 329. DCCXIL. VIII. 345. Hawkins's Fall von eiternden Schleim— beuteln in der Fußſohle. DCCXXXIV. 126. Helix pomatia, Geſchlechtstheile derſelben. DCCXLVIII. 344. Henfrey, uͤber die Urſache der erſten Be— wegung des Saſtes im Fruͤhlinge. DCCXXXIII. 105. Herpes tonsurans. DCCXXXIX. 204. Höhen der Alpen, welche gewiſſe phyſiolo⸗ giſche Erſcheinungen bei den jene erſtei— genden Perſonen veranlaffen. DCCXLIV. 280. Hornhaut, Abſchabung derſ. DCGCCXXXIX. 208. Hunde, verwilderte auf der Inſel Juan de die DOCGXXIX. Tauſendfuͤße. 33- Nova. DCCXXXIV. 122, Hypertrophie der vulva. DCCXXIX. 45. 3 Jacquinot, über die Naturgeſchichte des Men⸗ ſchen. DCCXLV. 289. Jaffé, M., uͤber Anwendung des Eiſes bei'm tic douloureux. DCCXLVII. 334. R eg i ſt e v. Inoculation mit der Lymphe aus Brech— weinſteinpuſteln. DCXXXV. 144. Intervertebralſubſtanz, Vorfall derſ. als Urſache der Paraplegie. DCC XXXIVV. 128. K. Kaiſerſchnitt unter unguͤnſtigſten Umftänden. DCCXLVIII. 352. Keilbeinszellen, Muͤndungen derſelben. DCCXXVII. 8. Klapperſchlange. DCCXXXI. 71. Knochengeſchwuͤlſte, pulſirende, nebſt Bericht uͤber einen Fall, wo die art. iliaca com- munis unterbunden wurde. DCCXXXVIII. 185. Knochen der Wirbelthiere, chemiſche Zuſam⸗ menfegung derſ. DCCXLII, 241. Knochen, cylindriſche, Nekroſe derſelben. DCCXLII. 254. Knödyel, der innere und Äußere gebrochen. DCCXLI. 238 Krankheiten, häufigfte, im Niederlaͤndiſchen Oſtindien, DCCXXXIII. 110. Kroͤte, eingeſchloſſen geweſene. DCCXXXI. 74. L Lamellibranchen, kopfloſe Schaalthiere. DCCXL. 225. Lamellibranchen oder kopfloſe zweiſchaalige Mollusken, Nervenſyſtem derſ. DPCCXXXI. 65. Landwirthſchaft, Anwendung der Elektrici⸗ tät auf ſelbige. DCCXXXVII. 166. Lappländer, Schädelbildung bei denſelben. DCCXLVI. 305. Laſerre, über den Bruch des inneren und aͤu⸗ Bern Knoͤchels. DCCXLI. 238. Lathraea clandestina, anatomiſche und or⸗ ganogenetiſche Unterſuchungen über dieſ. DCCXLIV. 277. Leber, Fall von Berſten derſ. DCCXLI. 256. Leberabſceß, enormer. DCCXLVIII. 335. Lecluyſe, Deformitaͤt des uterus, in deren Folge ſich bei drei aufeinander folgenden Geburten das Kind mit dem Arme prä: ſentirte. DCCXXXII. 95. Leichen zu conſerviren. DCCXXXIII. 112. Lereboullet, uͤber die Cruſtaceen aus der Fa⸗ milie der Onisciden in der Umgegend von Strasburg. DCCXL, 213. Lianenſtaͤmme aus Suͤdamerica. DCCÄLV. 297. Ligatur, Verbeſſerung des Verfahrens DCCxLI. 240. 355 Locke, über Erdmagnetismus. DCCXLVI. 311. Lunge, ſpeckartiges Skirrhom derſelben. DCCXXXII 9. Lungenſchlag, kataleptiſcher. DCCXXXIII. 105. Lungenſtructur u. Lungentuberkeln. DCCXLII. 249. Lupus superficialis, durch Application einer Paſte von Chlorzink geheilt. DCCXXXI. 79. M. Mackenzie, über phlegmondſe und phlebi⸗ tiſche Ophthalmie. DCCXL. 217. Magen, Zerreißung deſſelben. DCCXLVIII. 349. Magnetismus, Wirkung deſſelben auf alle Körper. DCCXLV. 295. Mayne, über die drei Bilder im Auge be⸗ hufs der Diagnoſe des grauen u. ſchwar⸗ zen Staars. DCCXXXVII. 169. Mayor, über Polypen der Gebärmutter, durch Torſion exſtirpirt. DCCXXVIII. 32. Medical Missionary Society, DCCXXXIII. 112. Mediciniſche Miffionär = Gefellfchaft DCCXXXIII. 112. Megascolex coeruleus. DCCXXXVIII. 181. Menſch, Naturgeſchichte deſſ. DCCXLV 289. Mercurialzittern durch Opium behandelt. DCCXXIX. 48. Metamorphismus im Allgemeinen und des ſcandinaviſchen Alaunſchiefers in’sbefons dere. DCCXXXVII. 168. Mikroſkopiſche Unterſuchungen von Blut, Schleim, Eiter, Urin und Saamen. DCCXLVIII. 332. Mikroſkopiſche Unterfuhung des Auswurfs in Beziehung auf Lungentuberkeln. DCCXLII. 249. Mineralienſammlung des Marquis de Dres. DCGXXXVIII. 284. Mollusken, Circulationsapparat bei denſelb. DCCXLII. 257. Mollusken, kopfloſe, zweiſchaalige, Nervenfys ftem derſelben. DCC XXXIX. 65. Mollusken, Circulation bei denſelben. DCCXXXII. 81. DCGXXXIII. 97. Mooſe, Phosphorescenz berf. DCCXXXIII. 106. Morehead, Behandlung des delirium tremens DCCXXXVIII. 189. Morphium, eſſigſaures, Vergiftung durch ſelbiges. DCGXXXIX. 203. 356 Morton, Unterſuchungen in Betreff der cha⸗ racteriſtiſchen Kennzeichen der Ureinwoh— ner America's. DCCXXXV. 129. DCCXXXVI. 145. DCCXXXVI. 161. DCCXXXVII. 177. Multitritor. — DCCXXXIX, 208. Mutterhals beiim Gebaͤren abgetrennt. DCCXLIII. 272. Mutterkorn, Wirkung deſſelben auf Gebä: rende und den foetus. DCCXLIV. 279. Mutterkuchen auf dem Muttermunde, vor dem Kinde ausgetrieben oder ausgezogen. DCCXXXV. 137. Muͤnſter, Grafen von, Sammlung fuͤr Geolo⸗ gie u. Mineralogie. DCCXXXVI. 184. Myriapoden. DECXXVIILI. 17. DCCXxXxIX. 32. DCCXXXIV. 112, N. Nabelſchnur, Vorfall derf. DCCXxXxX. 57. Naturforſcher-Verein fuͤr die Oſtſee⸗Provin⸗ zen Rußlands. DCCXxL. 234. DCCXLIII. 263. Nekrolog: C. W. Starck — Breſchet. Gordon, Th. DCXL. 224. J. Wendt. DCCXXX. 64. Gretfhmar, Ph. J. DCCXXXV. 138. Nekroſe der langen Knochen. DSCXxLII. 254. Nervenſyſtem der kopfloſen zweiſchaaligen Mol— lusken oder Lamellibranchen. DCCXXXI. 65. Nervus sympathicus, Gehirnende deſſ. bei Menſchen und Säugethieren. OCCXLVIII. 337. Neugeborne, Diät derſ. DCCXXXI. 73. Niedere Thiere, Circulation bei denſelben. DCCXXVI 1. O. Oedema glottidis. DCCXXXVT, 160. Del gegen Verbrennung mit Phosphor. DCCXLVIII. 336, Derfted, uͤber d. Anneliden- Gattung Exogone und über die Entwickelung der Jungen derſ. DCCXXxX. 57. Ohrabſceß. DCCXXVIII. 31. Oke, W. S., uͤber die Nekroſe der langen Knochen. DCCXLII. 254. Onisciden aus der Gegend von Straßburg. DCCXL. 213. Onychia, Behandlung derſ. DCCXLVI, 313. Ophthalmitis, phlegmonöfe und phlebitiſche— DCCXL. 217. Opium gegen Mercurialzittern. DCCXXIX. 48. R eg ig ſt ent. Oſtindien, niederlaͤndiſche, haͤufigſte Krank heiten daſelbſt. DCXXXIII. 110. Owen, uͤber ausgeſtorbene Rieſen-Saͤugethiere Auſtraliens. DCGCGXXXVIII. 183. Ozon, Weſen deſſelb. DCCXLII. 250. P. Payer, uͤber das Beſtreben der Wurzeln, in die Erde einzudringen. DCCXLVII. 321. Pflanze,neuephosphorescirende.DCCXXXIX. 200. Pfortader, Verknoͤcherung derſ. DCCXLVI. 320. Philippi, A, uͤber die Gattung Serpula und den Deckel derſ. DCCXXXI. 74. Phosphor, Verbrennungen durch denſelben. DCCXLVIII,. 336. Phyſiologiſche Erſcheinungen bei denen, wel— che ſich auf den Alpen bis zu einer gewif: fen Höhe erheben. DCCXL. 209. Le Pileur, über die phyfiologifchen Erſchei— nungen, welche ſich beobachten laſſen, wenn man ſich auf den Alpen bis zu einer ge⸗ wiſſen Höhe erhebt. DCCXL. 209. Porrigo decalvans. DCCXXXIX. 204. Porter, Iſ. G., voruͤbergehendesHeraustre— ten des Augapfels und Erläfchen der Seeh— kraft in Folge einer nach Scharlachfieber eintretenden rheumatiſchen Entzuͤndung. DCCXLV. 297. Prichard, Jam. C. DCCXLVI. 305. Protochloruretum Stanni (ſalzſaueres Zinn: oxydul), Gegengift gegen aͤtzendes Subli— mat. DCCXXXIV. 128. Pterodactylus. DCCXLIV. 280. Pupillenbildung, kuͤnſtliche. DCCXXXIV, 127. Purpura 172. haemorrhagica. DCCXXXVII. R. Rachitis, Entwickelung des Kopfes in derſ. DOCXXX. 64. Radford, Thom. über die Anwendung des Galvanismus gegen Blutung aus dem Uterus. DCCXXIX. 41. Rainey, G., über die innerfte Structur der Lungen und die Bildung der Lun— gentuberkeln, ſowie deren Entdeckung mit— telſt der mikroſkopiſchen Unterfuchung des Auswurfs. DCCXLII. 249. Raja Batis, ein elektriſches Organ bei der— felben. DCCXXXI. 74. Rechnentalent, außerordentliches, bei dem Knaben Prolongeau. DCCXXXV. 138. Reiſe um die Erde, von S. M. d. Koͤnig von Dänemark angeordnet. DGGXXXVI. 168. Rieſige Saͤugeth. Auſtraliens. DCC XXXIII. 183. Robinet, uͤber die Bildung der Seide. DCXXX. 54. Rotz, acuter, vom Pferde durch An ſteckung auf den Menſchen uͤbergetragen. DCCXXVIII. 28. S. Sacchero, über purpura haemorrhagica. DCCXXXVII. 172. Saͤugethiere, parallellaufende Claſſification derſelben. DCCXLIV. 273. Saftbewegung in Bäumen im Fruͤhlinge. DCCXXXIII. 105. Salbe gegen ſyphilit. Fiſſuren. DCC XXVII. 6. N gegen Aſthma. DCCXL. 224. Schaͤdelbildung der Lapplaͤnder und Finn⸗ länder. DCCXLVI, 305. Schleimbeutel, eiternde, in der Fußſohle. DCCXXXIV, 126. Schmerz, als therapeutiſches DCCXXVIII. 30. Schultergelenk, Unfall an demſelben mit eigenthuͤmlichen Symptomen begleitet. DCCKXLIV. 237. Schulz, C. H., Verſuche uͤber kuͤnſtliche Bildung von entzuͤndlichem Blute durch Arzneiwirkungen. DCCXXVII. 9. Sehvermoͤgen, eine Eigenthuͤmlichkeit deſſ. DCCXXXVII. 176. Seide, Bildung derſ. DCGCXXX. 54. Serpula. DCGXXXI. 73. Si ebbeinszellen, Muͤndug derſ. DV CCXXVII. 8. Simpſon, uͤber die freiwillige Austreibung und kuͤnſtliche Herausziehung des Mutterku⸗ chens vor dem Kinde bei placenta prae- via. DGGx XXV. 137. Skirrhom, ſpeckart., der Lunge. DCC XXXII. 94. Smee, uͤber Magnetismus, auf eine neue Weiſe in der Praxis der) Chirurgen ange— wandt. DCCXXVII. 14. Staar, Diagnoſe des grauen und ſchwarzen. DCCXXXVII. 169. Stanley, Edw., uͤber pulſirende Knochen— geſchwuͤlſte, mit Bericht über einen Fall, wo art. iliaca communis unterbunden wurde. DCCXXXVIII, 185. Mittel. Stark, J., über die chemiſche Zuſammenſe⸗ tzung der Knochen der Wirbelthiere. DCCXLI. 241. Sterblichkeit der Gefangenen. DOCCXXXVI. 153. Sternſchnuppen. DCCXLV. 298. Stewart, uͤber die Diaͤt der Neugebornen. DCCXXXI. 73. Strychnin, neues Reagens auf daſſelbe. DCCXL. 223. Strychnin, Benutzung deſſ. DCCXLVIII. 351. Sublimat, aͤtzender, Vergiftung mit Stanni chloruretum zu behandeln. DCCXXXIV. 128. Sympathiſcher Nerv, Gehirnende deſſ. bei Menſchen u. Säugethieren. DCCXLVIII. 337. T. Talbotypen. DCCXL. 218. Tauſendfuͤße. DCCXXVIII. 17. DCC XXIX. 33. DCCXXXIV. 112. Taylor, Alf., Vergiftung durch Genuß ver- dorbenen Fleiſches. DCCXLVIII. 343, Telegraph, elektriſcher, der Hrn. Wheatſtone und Cooke. DCCXXX. 55. Temple, Rob., über den Megascolex coe- ruleus. DCCXXXIII. 181. Tic douloureux mit Eis behandelt. DCCXLVII, 334. Toͤne, Graͤnze der hohen und tiefen. — DCCXL. 228. Turchetti, über die Anwendung des Zinkva⸗ lerianats bei Chloroſe. DCCXLV. 302. B A. Agassiz. DCCXLVI. 319. Alison, S. S. DCCXLVII. 336. Andry, F. — DCCXXXVIII. 192. B. Badham, D. DCCXLI. 239. Blainville. DCCXLIV. 287. Blanchard, E. DCCXLVI. 319. Bennet, J. Hugh. DCCXXXV. 144. Berlese, l' Abbé. DCCXXXVII. 175. Bosanquet, S. R. DCCXXXIX. 207. Bowman, Will. DCCXLII. 255. Brühl, B. C. DCCXXX. 63. Ke ig it e Lr. U. Umkehrung des ganzen Körpers, zur Her: ausbefoͤrderung eines Geldſtuͤcks aus dem Kehlkopfe benutzt. DCCXXVIII. 25. Urethralſchmerzen in Folge von Blennorrhöen und mittelſt Compreſſion des penis behan⸗ delt. DCCXXVIII, 29. Urin, eiweißartiger. DCCXLVI. 316. Uterus, Deformität deſſelben, in deren Folge in drei aufeinanderfolgenden Geburten das Kind mit dem Arme vorlag. DCGCGXXXII. 95. V. Vaginal⸗Schwangerſchaft. DCCXXXVIII. 192. Valenciennes, A., uͤber Circulation der Mol⸗ lusken. DCCXLIII. 257. Vergiftung durch eſſigſaures Morphium. DCCXXXIX. 203. Vergiftung durch Genuß verdorbenen Flei⸗ ſches. DCCXLVIII. 343. Verrenkung der Articulation des Darm⸗ beines mit dem Kreuzbeine. DCCXXXII. 89. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. DCCXVIII. 344. Veſicatorien auf den Hinterkopf bei ſcro⸗ phulöfen Augenentzuͤndungen der Kinder. DCCXXXII, 96. Voͤgel, Claſſification derſ. auf Beſchaffenh. des os palatinum gegründet. DCCXXX. 52. Vorfall der Nabelſchnur. DCCXXX. 57. rere d C. Cahors, Aug. DCCXXXVI. 159. Catlow, Agnes. DCCXXIX. 47. Cazeau, P. DCCXL. 224. Cazenave, J. J. DCCXLIII. 272. Championniere, L. DCCXXIX. 48. Charlton, E. DCCXLV. 304. Clerault, S. Ch. DCCXLVII. 335. Clerault, Ch. DCCXLVI. 320. Colles, Abr. DCCXXXII. 96. Colson, Alex. DCCXXXVI. 160. Combes, Hippolyte. DCCXL. 223. Comstock, John. DCCXXXII. 95. 357 Vorhandenſeyn d. Schilddruͤſe bei den Wirbel: thieren DCCXXXIX. 200, Vulkane auf Hawaii. DCCXXXIX. 193. Vulva, eigenthuͤmliche Hypertrophie derſ. DCCXXIX. 45. B Wald, verſteinerter, am Nile. DCCXXXII. 89. Waſſer von verſchiedenen Temperaturen, mediciniſche Wirkungen deſſ.DCCXXXIX. 206. Wilkes, uͤber die Vulkane DCCXXXIX. 193. Wilkinſon uͤber die mediciniſche Wirkung des Waſſers von verſchiedenen Tem⸗ peraturen. DCCXXXIX. 206. Wirbelfäule, Exoſtoſen an derſ. DCC XXXIV. 121. Wirbelthiere, chemiſche Zuſammenſetzung der Knochen derſ. DCCXLII. 241. Wurmtreibend. Mittel, neues. DCCXXXVII. 174. Wurzeln, eine Thatſache in Betreff der Phyſiologie derſ. DCCXLVII. 324. Wurzeln, über das Beſtreben derf., in die Erde einzudringen. DCCXLVII. 321. auf Hawaii. 3 Zerreißung des Magens. DCCXLVIII. 349. Zinkvalerianat bei Chloroſe. DCCXLV. 302. 1 Cosson. E. DCCXLI. 239. Costa, Or. Gab. DCCXLVII. 335. Cuvier, F. G. DCCXXXI. 79. Cuvier, G. DCCXXXI. 79. D. Delalande, J. J. Lebouillard. DCCXXXI. 79. Donn, P. N. DCCXLVII. 335. Dubois, Fred. DCCXXXIII. 112. Dumeril, A. A. DCCXL. 223. E. Eichthal, Gust. S. DCCXxXXVI. 159. Eyre, Sir J. DCCxXVIII. 32. 358 Lan Fee. DCCXXXIX. 207. Flourens, P. DCCXXXII. 111. Forbes, J. DCCXXX. 63. Furnari, S. DCCXXXVI. 160. Furnari. DCCXLI. 240. Furnivall, J. J. DCCXXX. 64. G. Germain, E. DCCXLI. 239. Gonond, E. DCCXLVIII. 352. Graham, Th. DCCXLIV. 288. Gregory, Will. DCCXLV. 303. Guerreschi, Celestin. DCCXXVI. 56. Guthrie, Ch. Gardin. DCCXLVI. 320. H. Hannover, P. DCCXXVIII. 31. Harris, C. A. DCCXL. 256. Hood, P. DCCXXVII. 16. J. Jaques. DCCXLIV. 237. K. Kaula, H. DCCXXXIV. 128. Krohn, Aug. DCCXXXVIII. 191. L. Lallemand. DCCXXXIV. 128. Latham, P. M. DCCXLIII. 272. Weg ißt e ger Laurillard. DCCXxXXI. 79. Lecay, Henri. DCCXXXVII. 175. Lees, G. DCCXXXII. 95. Lisfranc, J. DCCXLI. 240. Lubbock, R. DCCXLIII. 271. M. M'Coy, Simon. DCCXXXIII. 96. Macgillivray, W. DCCXXX. 63. Magne, J. H. DCCXXXIX. 208. Marchand, Gerard. DCCXXXIV. 128. Maupied. DCCXLIV. 287. Melier, F. DCCXLVIII. 332. Moitiers, A. DCCXXVIII. 32. Mortimer. DCCXXXVIII. 192. Morton, T. DCCXXXV. 144. Mosgrove, F. J. DCCXL. 256. Murchison, R. J. DCCXLVIII. 351. P. Parnell, R. DCCXXXIV. 127. Penfold, Jane W. DCCXLIIT. 271. Pritchard, And. DCCXXXIV. 127. R. Reeve, L. DCCXXIX. 47. Reynaud, DCCXXXIII. 112. Richardson, J. BCCXXXV. 143. Rigot. DCCXXXIII. 111. Robertson, H. DCCXLV. 304. Rogers, Will. DCCXXXIX. 208. Royle, Forbes. DCCXXXVII. 176. S. Saint-Agy, M. T. Magdaleini. DCCXXXVIII. 191. Saint-Arroman, DCCXLVI. 320. Savagnoli Marchetti, A. DCCXLVIII. 352. v. Siebold. DCCXLV. 303. Simon, John. DCCXLII. 255. Stannius. DCCXLV. 303, T. Thomson, Anthony Todd. DPCCXXX. 64. Thurnam, John. DCCXXX. 96. Todd, R. B. DCCXLII. 255. V. Verguin, E. DCCXXXV. 144. W. Watson, Thom. DCCXXXVII. 176. Welles, Edw. DCCXXXI. 80. Westwood. DCCXXXV. 144. Mene Uotizen Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von Ludwig Friedrich v. Froriep, des Ordens der Wuͤrtembergiſchen Krone und des Großherzogl. S. Weimar. Falken- Ordens Ritter, der Philoſophie, Medicin und Chirurgie Doctor und G. H. S. Ober-Medicinalrathe zu Weimar; Director der Koͤnigl. Preuß. Academie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt; der Kaiſerl. Leopoldiniſch-Caroliniſchen Academie der Na— turforſcher, der Ruſſ. Kaiſerl. Academie der Naturforſcher zu Moskwa, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der Wetterauer Geſellſchaft für die geſammte Naturkunde, der phyſicaliſch⸗medieiniſchen Societät zu Erlangen, der mineralogiſchen Geſellſchaft zu Jena, der Niederrheiniſchen Geſellſchaft der phyſiſchen und mediciniſchen Wiſſenſchaften, des landwirthſchaftlichen Vereins im Koͤnigreiche Wuͤrtemberg, der Société d' Agriculture, Sciences et Arts du Département du Bas-Rhin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig, der Senken⸗ bergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt am Main, der Societas physico-medica zu Braunſchweig, der Medical Society zu Philadelphia, des Apotheker- Vereins für das nördliche Deutſchland, des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in Preußen, des Vereins für Blumiſtik und Gartenbau in Weimar, der Geſellſchaft zur Beförderung der geſammten Naturwiſſenſchaften in Marburg, der Schleſiſchen Geſellſchaft fuͤr vaterlaͤndiſche Cultur zu Breslau, der Societas medico -chirurgica Berolinensis, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle, des Kunſt- und Handwerksvereins des Herzogthums Altenburg, der Accademia Pontaniana zu Neapel, der naturforfchenden Geſellſchaft des Oſterlandes, der Geſellſchaft für Natur⸗ und Heilwiſſenſchaft zu Heidelberg, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stockholm, der mediciniſchen Facultät der K. u. Univerſitaͤt Peſth, der Reformed Medical Society of the United States of America zu New York, der Académie Royale de Medecine zu Paris, der Geſellſchaft des vaterkindifchen Muſeums in Boͤhmen zu Prag, der Société d' Agriculture de Valachie zu Buchareſt, der mediciniſchen Geſellſchaft zu Warfhau, des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal-Beamten für die Beförderung der Staats⸗Arzneikunde, der Kaiſerl. Königl. Geſliſchaft der Aerzte in Wien, des naturwiſſenſchaftlichen Vereines des Harzes, des Bezirks- und gerichtsaͤrztlichen Vereins für Staats -Arznefunde im Königreiche Sachſen und der Geſellſchaft für Natur- und Heil⸗ kunde zu Dresden, Mitgliede und Ehrenmitgliede; n d Dr. No bent Fro i e p, des rothen Adler-Orſens vierter Claſſe Ritter, Koͤnigl. Preußiſchem Medicinalrathe und Mitgliede der wiſſenſchaftlihen Deputation für das Medicinalweſen im Miniſterium der Geiſtlichen⸗ Unterrichts- und Möicinal= Angelegenheiten; Profeſſor an der Friedrich-Wilhelms⸗Univerſitaͤt, Profector an der Fharité-Heilanſtalt, Lehrer der Anatomie an der Academie der Kuͤnſte, Mitgliede der Königl. Ober-Examinations-Commiſſion, practiſchem Erzte und Wundarzte in Berlin; Mitgliede und Correſpondenten der Königlichen Academie gemeinnuͤtziger Wiſſenſchaften zu Erfurt, der Academie royale de Medecine zu Paris, der Hufelandiſchen mediciniſchen chirurgiſchen Geſellſchaft, des Vereins für Heilkunde in Preußen, der Geſellſchaft für Natur- und Heilkunde zu Berlin, der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin, der Svenska Läkare-Sällskapet zu Stickholm, der Societas physico- medica zu Moskau, der K. K. Geſellſchaft der Aerzte in Wien, des ärztlichen Vereins zu Hamburg, ler Louisiana Society of Natural History and Sciences zu Neu⸗ Orleans und des Deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin; Ehren⸗Mitgliede des Vereins Großherzogl. Badiſcher Medicinal⸗ Beamten für die Beförderung der Staats- Arzneikunde, 5 ic de Vereins im noͤrdlichen Deutſchland und des naturwiſſenſchaftlichen ereines des Harzes. Fuͤnfunddreißigſter Band, zwei und zwanzig Stuͤcke (Nro. 749 bis 770), eine Lafel Abbildungen in Quarto, Umſchlag und Regiſter enthakend. Juli bis September 1845. Im Verlage des Landes- In duſtris 5. Comptoirs zu Weimar. e, wi N Ueòe Notizen aus dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem ObersMedieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. Ne. 749. (Nr. 1. des XXXV. Bandes.) Juli 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3%, 95. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 g 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 993. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 94%. r Ueber die Urſache der phyſiologiſchen Erſcheinun— gen, welche ſich kundgeben, wenn man ſich auf Bergen zu einer gewiſſen Hoͤhe erhebt. Herr Caftel ſpricht in einem an die Pariſer Academie der Wiſſenſchaften gerichteten Schreiben die Anſicht aus, daß die phyſiologiſchen Erſcheinungen, welche Reiſende, die hohe Berge beſteigen, an ſich wahrnehmen, von der Ver— minderung des atmoſphaͤriſchen Druckes herruͤhren; nicht als ob dieſer Druck, wie manche Schriftſteller angegeben ha— ben, das unmittelbare Agens der Bewegung des Blutes in den letzten Veraͤſtelungen der Arterien und Venen waͤre; fondern indem er vielmehr nur einen directen und unabläfs. ſigen Einfluß auf die Contractilitaͤt ausuͤbe, von welcher der Lauf der thieriſchen Fluͤſſigkeiten nie unabhaͤngig ſey. Die Veraͤnderungen, die ſich im Drucke der Atmoſphaͤre zu— tragen, muͤſſen daher ſtets Anomalien in Anſehung der Contractilitaͤt und des Laufes jener Fluͤſſigkeiten veranlaſ— ſen. Die Contractilitaͤt werde um ſo mehr gehemmt, je mehr ſich der atmoſphaͤriſche Druck vermindere. Die eigentliche Erklärung der von Herrn Lepileur der Academie darge— legten Erſcheinungen *) liege hierin. Der Unterſchied, wel: chen dieſer Reiſende in Betreff der von der Verduͤnnung der Luft und der von der Muskelbewegung abhängigen Wir— kungen aufgeſtellt habe, ſey nicht ſtichhaltig. Wenn dieſe Wirkungen ſich bei'm Reiter in minderem Grade zeigten, als bei'm Fußgaͤnger, ſo ruͤhre dieß daher, daß bei jenem die meiſten Muskeln ruhen, bei dieſem dagegen fortwaͤhrend angeſtrengt werden. Herr Elie de Beaumont erinnerte bei dieſer Ge⸗ legenheit daran, daß die durch das Beſteigen hoher Berge erzeugten phyſiologiſchen Wirkungen nach Maaßgabe der Conſtitution den Reiſenden ſehr verſchieden zu ſeyn ſcheinen. Herr Bouffingault und Herr Hall fliegen am 16. Dec. 1831, in Geſellſchaft eines Negers, an der Wand des Chimboraſſo 6004 Meter hoch und verſpuͤrten dort die ) Vergl. No. 714 (No. 14 d. XXXIV Bds.). S. 209. d. Bl. No. 1849. — 749. Wirkungen der Verduͤnnung der Luft in weit geringerem Grade, als andere Reiſende, die den nur 4810 M. hohen Montblanc beſtiegen *). Herr Victor Jacquemont beſtieg am 16. Aug. 1830 in der Nähe des Kioubrong-Paſſes auf dem Hima— laya ein etwa 5600 M. hohes Plateau und hat dort eben— falls die Wirkungen der Verduͤnnung der Luft nur in ge— ringem Grade verſpuͤrt. Er druͤckt ſich darüber folgenders maßen aus: „Ich erſtieg dieſes Plateau laͤngs einer ſehr gelinden Boͤſchung im raſchen Gange und marſchirte auf demſelben laͤnger, als eine Stunde, ſchnell weiter, ohne ir— gend eine durch die Hoͤhe veranlaßte beſondere Mattigkeit, ohne Kopf- oder Ohrenſchmerz, ohne Neigung zum Schlafe, ohne überhaupt irgend etwas Eigenthuͤmliches zu verſpuͤ— ren, außer etwa eine geringe Beſchleunigung des Athemho— lens. Nachdem ich mich einige Minuten ausgeruht, that mein Puls 82 Schlaͤge in der Minute“ **) Allerdings laͤßt ſich hiergegen einwenden, daß Herr Jacquemont ſich bereits mehrere Tage lang an ſehr hohen Orten aufgehalten hatte, als er die Beſteigung jenes Plateaus unternahm. Herr Elie de Beaumont er— waͤhnte, um dieſem Einwurfe zu begegnen, einer Beſteigung des Aetna, an der er ſelbſt Theil genommen hatte, und aus der ſich ergiebt, daß man ſich ſchnell zu bedeutenden Hoͤhen erheben koͤnne, ohne irgend eine nachtheilige Wirkung zu verſpuͤren. Am 19. Sept. 1834 beſtieg er, in Geſellſchaft des Herrn Leop. v. Buch, Profeſſors Link, Herrn Achille Richard, Mitglieds der Academie der Wiſſenſchaften, und mehrerer andern Gelehrten, den genannten Vulkan von der Meeresflaͤche bei Catanea aus binnen etwa 12 Stunden, und als ſich die Reiſegeſellſchaft bei Sonnenaufgang an dem etwa 3310 M. hohen Rande des Kraters befand, beklagte ſich kein Theilnehmer uͤber Schlaͤfrigkeit oder Uebelbefinden, ſondern alle nur uͤber die Kaͤlte. Allerdings hatten die Rei— *) Boussingault, Annales de Chimie et de Physique, 2. serie T. LVIII, p. 164. *) Victor Jacquemont Voyage dans l’Inde, T. II. p. 297. 1 8 749. XXXV. 1. 4 ſenden einen Theil des Weges auf Maulthieren gemacht; allein Herr Elie de Beaumont hat in mehrern andern Fällen noch höhere Berge, als den Aetna, zu Fuße beſtie— gen und dabei binnen wenigen Stunden groͤßere ſenkrechte Hoͤhen zuruͤckgelegt, als diejenige der letzten Tagesreiſe bei'm Beſteigen des Montblanc, ohne deßhalb an ſich irgend an— dre Symptome zu verſpuͤren, als diejenigen, welche ſich durch die Anſtrengung und die mehr oder weniger heftige Kaͤlte ganz natuͤrlich erklaͤren ließen. (Comptes rendus des Séances de l' Ac. d. Sc., T. XX. No. 20. 19. Mai 1845.) Ueber die Entwickelung der Infuſionsthierchen und des Schimmels. Von Hrn. F. Pineau, Dr. M. (Hierzu die Figuren 17 bis 36 der mit der gegenwärtigen Num- mer ausgegebenen Tafel.) Bei nachſtehenden Unterſuchungen hatte ich mir vorge— ſetzt, die erſten wahrnehmbaren Erſcheinungen, welche das Auftreten von mikroſkopiſchen Thieren und Pflanzen in mit organiſchen Stoffen geſchwaͤngertem Waſſer begleiten, in Erfahrung zu bringen. Unter den auf dieſen Gegenſtand bezüglichen bisher ge— machten Beobachtungen ſind nur wenige, welche Vertrauen einfloͤßen. Manche derſelben ruͤhren aus Zeiten her, wo das Mikroſkop noch ſehr wenig vervollkommnet war; andere tragen die unverkennbaren Spuren vorgefaßter Theorien an ſich. Ueberdieß haben die tuͤchtigſten neueren Mikroſkopiſten, wel— che ſich mit der Unterſuchung der Infuſionsthierchen befaß— ten, dieſelben faſt lediglich im vollkommen entwickelten Zu— ſtande ſtudirt. Ich glaube alſo meine Muͤhe nicht ganz verloren zu haben, indem ich die intereſſante Frage uͤber die Entſtehung der Infuſionsthiere von Neuem zu erledigen ſuchte. Uebrigens beabſichtige ich hier nicht, eine geſchichtliche Ueberſicht der fruͤheren Arbeiten uͤber dieſen Gegenſtand mit— zutheilen. Sie ſind allen Mikrographen, fuͤr die dieſe Mit— theilung beſtimmt iſt, hinreichend bekannt. Ich beeile mich alſo, meine eigenen Beobachtungen vorzutragen. $. 1. Entwickelung der Infuſionsthierchen. Erſte Beobachtung. Ein Stuͤck Muskelfleiſch von einem Kalbe wurde mit Waſſer uͤbergoſſen und an die Luft geſtellt, wobei ſich mir folgende Erſcheinungen kundgaben. Nach 30 Stunden unterſchied man mit unbewaffneten Augen um die infundirte Subſtanz her eine leichte weißliche Wolke, in welcher ich mittelſt des Mikroſkops eine unge— heure Menge Exemplare von Bacterium Termo, Duj.; bemerkte. Uebrigens enthielt die Fluͤſſigkeit kein einziges anderes Infuſionsthier. Hierauf unterſuchte ich ein kleines Muskelbuͤndel, wel— ches von der Oberflaͤche des Stuͤckes Kalbfleiſch genommen wurde. Sein Gewebe war betraͤchtlich erweicht, ſo daß ſei— ne normalen Streifen zum großen Theil verſchwunden wa— ren und eine Portion deſſelben nur noch eine homogene Maſſe darſtellte. Weiterhin hatte ſich die Muskelfaſer in eine aus unregelmäßigen und aͤußerſt zarten Granulationen beſtehende Subſtanz verwandelt. Dieſe granulirte Subſtanz, auf welche Burdach ſchon aufmerkſam gemacht hat *), geht dem Erſcheinen der durch Infuſion organiſcher Subſtanzen entſtehenden organiſirten Weſen, ſowohl Thieren als Pflanzen, ſtets voraus, wie wir ſpaͤter ſehen werden. Etwas weiterhin boten dieſe Granulationen durchaus die Geſtalt und das ganze Anſehen des Bacterium, jedoch noch keine Bewegung, dar. An der Spitze der Faſer endlich ſah man aͤchte Bacteria, die ſich ihrer characteriſtiſchen Ber wegungen erfreuten und in Menge aus der gemeinſchaftli⸗ lichen Maſſe entwichen, um ſich in der umgebenden Fluͤſſig⸗ keit zu verbreiten. Mittelſt gelinder Stoͤße, die ich der kleinen Glasplatte, auf welcher ſich der Gegenſtand befand, mit der Spitze einer Naͤhnadel ertheilte, erleichterte ich die Trennung der lebens— kraͤftigen Bacteria von den noch unbeweglichen, und bald blieben nur noch die an der Muskelfaſer feſtſitzenden zuruͤck. Indeß loͤſ'ten ſich bei jedem Stoße, den ich der Platte er— theilte, noch einige ab, die jedoch unbeweglich blieben, oder wenigſtens nur die, allen lebloſen Partikelchen eignen Brown— ſchen Bewegungen darboten, welche man von der Locomotion, der lebenden Bacteria leicht unterſcheiden kann. Dieſer ſehr haͤufig mit verſchiedenen thieriſchen und ve— getabiliſchen Geweben wiederholte Verſuch hat mir jederzeit dieſelben Reſultate dargeboten, und ich erlangte ſo die Ueber— zeugung, daß die infundirten organiſchen Subſtanzen fidy ſelbſt durch Theilung in Thierchen verwandeln, welche ſtu— fenweiſe die Charactere der Animalitaͤt annehmen. Nach ſechs Tagen hatte ſich die Muskelſubſtanz bedeu— tend erweicht, und man ſah Flocken derſelben umherſchwim⸗ men, die zum Theil in den granulirten Zuſtand gelangt waren. Manche darunter zeigten die Entwickelung des Ba- cterium, wie wir dieſelbe ſoeben beſchrieben haben; an an— dern gewahrte man außerdem noch andere Erſcheinungen. Eine dieſer letztern iſt in Figur 17. dargeſtellt. An einem Theile der Oberflaͤche ſieht man nur gleichfoͤrmige Granulationen (Fig. 17. 4); allein an einem andern bemerkt man ein undeutliches Netz, deſſen Maſchen auf der granus lirten Subſtanz Felderchen von etwa 0,0075 Millimeter Durchmeſſer bilden (Fig. 17.5) An andern Fragmenten war dieſes Netz ſchaͤrfer ausgeprägt (Fig. 18.); der erſt undeut- liche Umriß der Zellen war ſchaͤrfer geworden, und jede der— ſelben ſtrebte, ſich mehr zu individualifiren, fo daß ebenfo viele Kuͤgelchen entſtanden. Endlich ſieht man in Figur 19, wie jedes Kuͤgelchen ſich vollkommen ſelbſtſtaͤndig ausgebildet hat, und wie die am Rande befindlichen ſich von den uͤbri— gen trennen, wenngleich ſie noch mittelſt eines aͤußerſt duͤn⸗ nen Faͤdchens mit denſelben zuſammenhaͤngen (Fig. 19 ha). Hier haben wir die Entwickelung der Monas Lens, Duj., in allen ihren Stadien vor Augen. Es fehlt nur noch die Bewegung. Allein dieſes characteriſtiſche Kennzei⸗ chen des Auftretens des Lebens erſcheint ebenfalls bald. ) In feinem Handbuche der Phyſiologie, Bd. II. 5 749. XXXV. 1. 6 Unter den Kuͤgelchen, welche nur noch mittelſt ihres Faͤdchens mit der Maſſe zuſammenhaͤngen, findet man einis ge, welche leichte ſchwingende Bewegungen ausfuͤhren. Bei andern iſt dieſe Bewegung kraͤftiger; endlich bemerkte ich mit Vergnuͤgen mehrere, die ſich abloͤſ'ten und auf dieſe Weiſe eine völlig unabhängige Exiſtenz erlangten (Fig. 19, %, 5). Sie unterſchieden ſich dann in keiner Beziehung von Mo— naden, welche in der Infuſtonsfluͤſſigkeit umherſchwammen. Zur Unterſtuͤtzung dieſer Beobachtung glaube ich mich auf diejenige Czermak's berufen zu koͤnnen, welche in Burdach's Phyſiologie, Bd. II. angefuͤhrt wird. Dieſer Schriftſteller behauptet, in der That, Kuͤgelchen (Monaden?) geſehen zu haben, die anfangs an der granulirten Mem— bran feſthingen, dann allmaͤlig Bewegung gewannen und ſich endlich von derſelben abloͤſ'ten, wie ich es ſelbſt beob— achtet habe. Zweite Beobachtung. Ein Aufguß auf Fiſchleim bot mir durchaus aͤhnliche Reſultate dar, und ich konnte in dieſem Falle noch die Entwickelung der Euchelys ova- ta, Duj., beobachten. Um unnöthige Wiederholungen zu vermeiden, werde ich die erſten Entwickelungsperioden dieſes Infuſionsthierchens uͤbergehen, da dieſelben in keiner Beziehung von denen der Monas Lens verſchieden ſind. Anfangs bot das Stuͤck Hauſenblaſe theilweiſe das granu— lirte, theilweiſe das netzartige Anſehen dar. Figur 20, 4, , e, Kuͤgelchen, welche ſich von der Maſſe getrennt und verſchiedene Groͤßen erreicht haben. Figur 21. Eines dieſer Kuͤgelchen, wel— ches eifoͤrmig geworden iſt; in dieſem Zuſtande erreicht es beinahe die Dimenſionen der Euchelys; allein es bleibt un— beweglich und bietet keine ſchwingenden Wimperhaare dar. Endlich ſieht man in Figur 22., wie die Wimperhaare ent: wickelt find und ſich mit ihnen die Locomotionsthaͤtigkeit ausgebildet hat. Dritte Beobachtung. Eine Infufion auf ver— ſchiedene Pflanzen, in welcher eine bedeutende Menge Vor— ticellen entſtanden waren, ſetzte mich in den Stand, die Entwickelung dieſes Infuſionsthieres in allen ſeinen Details zu ſtudiren und in Betreff der Umbildungen, welche es in ſeiner Jugend erleidet, einige intereſſante Thatſachen zu er— mitteln. Das erſte Zeichen von Organiſation, welches ich mit— ten unter den zahlreichen Fragmenten von Pflanzen, die auf der Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit ſchwammen, entdecken konnte, war hier, wie früher, eine granulirte Subſtan; (Fig. 23, d.), welche ſich in ſphaͤriſche Kuͤgelchen theilte, deren Durchmeſ— fer 0,012 Millimeter betrug (Figur 23, b.) An einigen dieſer, in der Organiſation weiter fortges ſchrittenen Kuͤgelchen unterſchied ich einige vollkommen un⸗ bewegliche ſtrahlenfoͤrmige Auslaͤufer (Fig. 23, c.) An anderen Stellen waren dieſe Kuͤgelchen deutlicher, und einige hatten ſich von den anderen getrennt (Figur 24.) Sie waren alle mit Strahlen verſehen, an denen man eine aͤußerſt langſame ſchwingende Bewegung wahrnehmen konnte. In dieſem Zuſtande erkannte man ſehr deutlich eine Spe⸗ cies von Actinophrys, Ehr., deren erſtes Entwickelungs— ſtadium durch die Kuͤgelchen Figur 28. dargeſtellt wird. Die ſtrahligen Auslaͤufer boten anfangs eine vollkom— mene Aehnlichkeit miteinander dar; allein bei fortſchreiten— der Entwickelung fixirte ſich einer derſelben an einem benach— barten Koͤrper und gewann ein bedeutenderes Wachsthum, als die übrigen. Man hatte nun die durch Figur 25. dargeftellte Form, die Actinophrys pedicellata, Duj., welche durch alle moͤglichen Uebergangsformen mit der in Fig. 24 abgebildeten Form in Verbindung geſetzt wurde. Unter dieſen Thierchen fand man andere (Figur 26.), welche ſich von den uͤbrigen nur durch ihre mehr oder weni— ger birnfoͤrmige Geſtalt unterſchieden. In dieſem letztern Zuſtande waren die Strahlen mit einer ſehr langſamen Be— wegung begabt; dem Stiele ging alle Contractilitaͤt ab, und man bemerkte an dem oberen Theile des Thieres die Spu— ren einer kreisfoͤrmigen Oeffnung (Figur 26, 4), welche den übrigen Thierchen abgingen. Diefe Form dürfte der Gattung Acinete (Acinete), Ehrenb., angehören. Wie dem auch ſey, fo bot doch das fragliche Thierchen mehrere Grade von Koͤrpergroͤße dar, welche zwiſchen der durch Figur 26. und der durch Figur 27. bezeichneten lagen. Bei dieſer letztern iſt die Muͤndung groͤßer und deren Rand mit einem Kranze von ſehr deutlichen ſchwingenden Wimperhaaren (Figur 27, a) beſetzt. Bei Figur 28 ſind neue Veraͤnderungen hinzugetreten, die Strahlen ſind verſchwunden; der bisher unbewegliche Stiel wird contractil. Wir haben nun eine aͤchte Vorti— celle. Indeß ſieht man dieſelbe erſt etwas ſpaͤter, wenn das Thier einen neuen Grad von Entwickelung erlangt hat, bei deſſen Expanſionsbewegung, die den Vorticellen eigen— thuͤmliche Glockengeſtalt annehmen (Figur 29.) Ich halte das hier abgebildete Thier für die Vorti- cella infusionum, und zwar für die von Duj. aufge— ſtellte nicht geſtreifte Varietaͤt Aus Obigem erſieht man, daß man verſchiedene Ent— wickelungsſtufen derſelben Species durch verſchiedene Namen bezeichnet hatte. Dieſer Fall hat ſich gewiß auch bei vielen andern Infuſionsthierchen ereignet und erheiſcht neue Unter— ſuchungen. § II. Entwickelung des Schimmels. Erſte Beobacht ung. Ein Aufguß auf Brod bot mir bei einer Temperatur von 10 — 12° R. bis zum ſechsten Tage die Entſtehung einer bedeutenden Menge von Exemplaren von Bacterium Termo, Vibrio Lineola und Monas Lens dar. Als nach dieſer Zeit die ſaure Gaͤhrung eingetreten war, ſtarben alle dieſe Thierchen, und die Fluͤſſigkeit bedeckte ſich mit einem einfoͤrmigen koͤrnigen Haͤutchen. Fig. 30. Auch die Oberflaͤche des Brodes hatte ſich mit Gra— nulationen bedeckt, und man ſah in dem Waſſer des Aufguſ— ſes zahlreiche Flocken umherſchwimmen, die mehr oder weni— ger in den granulirten Zuſtand verſetzt waren. 1 * A 749. XXXV. I. 8 Am folgenden Tage entdeckte ich in der koͤrnigen Sub— ſtanz auf der Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit Spuren von Thei— lung in Geſtalt eines Netzes mit polygonalen Maſchen, de— ren Durchm. 0,005 Miltim. betrug (Fig. 31) und von de— nen ſich manche von den uͤbrigen trennten, wenn man den Compreſſor auf ſie einwirken ließ (Fig. 31, a) In der an der Oberflache des Brodſtuͤckes feſthaͤngenden koͤrnigen Sub— ſtanz beobachtete ich dieſelbe Entwickelung von Kuͤgelchen. Nach Verlauf von 12 Stunden boten dieſe Kuͤgelchen vollkommen ſcharfe Umriſſe dar, und ſie fingen an, die Eiform anzunehmen. Fig. 82. Als ich meine Forſchungen fortſetzte, entdeckte ich kleine, aus eifoͤrmigen Kuͤgelchen von bedeutenderem Volumen, als die vorigen, beſtehende iſolirte Plaͤttchen (Fig. 83). Sie wa: ren noch theilweiſe miteinander verbunden, und man ſah ſie im Geſichtsfelde des Mikroſkops in der Fluͤſſigkeit zuſammen umherſchwimmen. Ja, es bedurfte wiederholter Stoͤße auf das Glasplaͤttchen, um einige derſelben zu trennen. Endlich ſchwammen einige Stunden ſpaͤter eine große Menge iſolirter mykodermiſcher Kuͤgelchen in der Fluͤſſigkeit, welche offenbar von der Theilung der ebenerwaͤhnten Plaͤtt— chen herruͤhrten. Dieſe Kuͤgelchen verlaͤngerten ſich bald und bildeten Faͤden (Fig 34 und 55), aus denen das Penicillium glaucum, Link, entſtand, welches in Figur 36 darge ſtellt iſt. Ich freute mich nicht wenig daruͤber, daß ich in der Aufeinanderfolge der Erſcheinungen, welche die Bildung der niedrigen Organismen in den beiden Naturreichen begleiten, eine ſolche Gleichfoͤrmigkeit wahrnahm. Wirklich iſt dieſe Aehnlichkeit ſo bedeutend, daß es unmoͤglich iſt, in den er— ſten Phaſen der Entwickelung eine Monade von einem my— kodermiſchen Kuͤgelchen zu unterſcheiden. Die Milch iſt bekanntlich eine der Subſtanzen, die ſich zur Erzeugung von Schimmel am Beſten eignen. Da Turp in behauptet hatte, daß die Fettkuͤgelchen der Milch ſich ſelbſt in mykodermiſche Fäden verwandeln, ſo richtete ich meine ganze Aufmerkſamkeit auf dieſen Punct; allein ich muß erklaͤren, daß ich die Anſichten dieſes For— ſchers mit den Thatſachen durchaus nicht im Einklange fand. Ich habe die Entſtehung des Penicillium glaucum auf Milch mehrmals beobachtet, und die Erſcheinungen wa— ren denen, welche ich weiter oben angefuͤhrt habe, ſtets durch— aus aͤhnlich. Zuvoͤrderſt bildete ſich auf der Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit eine gleichfoͤrmig beſchaffene granulirte Membran, die ſich in Kuͤgelchen theilte. Jedes von dieſen wurde, in— dem es ſich verlaͤngerte, zu einem mykodermiſchen Faden, aus dem nach einigen Tagen die Staͤngel des Penicillium glaucum hervorwuchſen. Zweite Beobachtung. Da mir durch die Ver— ſuche des Hrn. Dutrochet bekannt war, daß man den Schimmel, fo zu ſagen, willkuͤrlich erzeugen kann, wenn man eine kleine Quantitaͤt Saͤure in eine Infuſion eintraͤgt, ſo fuͤgte ich zu einem Aufguſſe auf Hauſenblaſe einige Tropfen Weineſſig hinzu. Es entwickelte ſich nicht ein einziges Thier— chen, allein dagegen bedeckte ſich die Infuſion, wie ich es er⸗ wartete, mit einem Walde von Schimmel. Die auf der Oberfläche dieſer Infuſion ſich bildende gras nulirte Subſtanz gelangte anfangs theilweiſe in den Zuſtand eines aus Felderchen gebildeten Netzes. Spaͤter wurden die aus den Felderchen entſtandenen Kuͤgelchen frei und ſchwam— men auf der Oberflaͤche der Fluͤſſigkeit; alsdann boten einige ein kleines Anhaͤngſel dar, welches ſich vergrößerte und zu einem ähnlichen Kuͤgelchen wie das Mutterkuͤgelchen wurde. Dieſes zweite Kuͤgelchen bildete ein drittes, und ſo ent— ſtanden roſenkranzfoͤrmige Schnuren von Kuͤgelchen. Nach einiger Zeit verlaͤngerte ſich das letzte Kuͤgelchen der Reihe bedeutend, und aus der Verbindung der fo ent⸗ ſtehenden Faͤden untereinander bildete ſich zuletzt ein dichter thallus. Auf dieſem Standpuncte mußte ich den Verſuch auf ſich beruhen laſſen, ſo daß ich nicht angeben kann, welche Art von Schimmel auf dieſe Weiſe erzeugt wird. Indeß war meine Hauptabſicht doch erreicht, und die Frage ruͤckſichtlich der Species bot nur ein ſecundaͤres Intereſſe dar. Dieß wären die Reſultate, die ich ruͤckſichtlich eines der intereſſanteſten Puncte in Betreff des Studiums der mikro— ſkopiſchen Geſchoͤpfe erlangt habe, und auf die ich die Auf— merkſamkeit der Beobachter mit um ſo mehr Zutrauen lenke, als ich nach ſehr vielfachen und gewiſſenhaft angeſtellten Verſuchen zur vollſtaͤndigen Gewißheit uͤber dieſen Gegenſtand gelangt bin. Erklaͤrung der Figuren. Die Figuren find ſaͤmmtlich im Maaßſtabe der 400fachen Vergroͤßerung des Durchmeſſers gezeichnet. Fig. 17. 18. 19. Entwickelung der Monas Lens. Fig. 20. 21. 22. Entwickelung der Euchelys ovata Fig. 28 — 29. Entwickelung der Vorticella infusionum. Fig. 30—36. Entwickelung des Penicillium glaucum. (Annales des sciences naturelles, Mars 1845). Ueber ein voͤllig ausgetragenes und lebendig ge— bornes zweikoͤpfiges Kind. Von John Wickens Weſt Esg. (vierzu Figur 37 der mit der gegenwärtigen Nummer d. Bl. aus ge⸗ gebenen Tafel.) In der Nacht vom 27. auf den 28. Maͤrz d. J. wurde ich zu einer eben niedergekommenen Frau gerufen, um das Kind zu unterſuchen, welches, nach der Ausſage der Hebamme, zwei Koͤpfe hatte. Bei meiner Ankunft fand ich, daß das Kind wirklich von dieſer Beſchaffenheit, uͤbri— gens von der gewoͤhnlichen Groͤße und Schwere, weiblichen Geſchlechts, lebend und in allen uͤbrigen Beziehungen wohl— gebildet war. Die Mutter war ſehr aufgeregt und beſtand darauf, daß ich die Mißgeburt von ihr entfernen moͤge. Der Nebenkopf war ſo groß, wie der Hauptkopf, und an dem Theile des Ruͤckgrats des Kindes befeſtigt, welcher den beiden unterſten Hals- und den beiden oberſten Ruͤckenwir— beln entſprach, welche Wirbelbeine fehlten. Er war gut ge— bildet und mit voͤllig entwickelten Augen, Naſe und Mund 10 he Ahnungen ha— ch keineswegs als e, May, 1845.) athicus auf die ellte Dr. Procter durch Trennung des ſchoben, und der ſich ıpathicus ſowie auch Draht wurde nun e befeſtigt und mit Pol an die Arterie Ingfam längs einer d die Wirkung war in der Arterie, ſon⸗ en kleinern Gefaͤßen. eckt ſich der Einfluß es ganzen Körpers. le use of the sym- lrung ſcheint Herr gemacht zu haben. zu Paris gemeldet, uerreotypiren kann. ummte Metallplatte eflectirt, durch ein Landſchaft ohne Ab⸗ nicht nur der ingsmitteln aus⸗ die Geſchwindig⸗ des Koͤrpers un⸗ es Arterienblutes 5 Vorhandenſeyn auf den Zuſtand Entdeckung auf e. erſuchung dieſer 2 aaß des binnen n. So einfach hrung keine ge⸗ U oft ſchwer, ir beabſichtigen, bei'm Stuhl- führen. Dieſe endung einiger in den meiſten Patienten ge⸗ einen Harn zu — 3 — Patienten um nur feſtſtellen, inwiefern die Nieren die wichtige Function Mittag harnen und den alsdann ausgeleerten Harn weg⸗ des Reinigens des Organismus beſorgen, ſondern auch An- ſchütten, hierauf aber allen bis zum Mittag des folgenden EN e Lig.. Fiy.2o. [2 * 5 ie Lig ag. 2 ©) „ a 1 0 71 N 15 Life. Sl Fiy.zı. m Fig.s6. WE Til 2. oe» Neue Notizen NO 749 r Mi NN Dandes. 9 749. XXXV. 1. verſehen, obwohl die Ohren fehlten ). Der Hals war theilweiſe mit Haaren bedeckt und erſchien mehr als die Fortſetzung der Kopfhaut des andern Kopfes, als wie die der gewoͤhnlichen Integumente. Das Kind lebte vier Stun— den. An dem zweiten Kopfe ließen ſich keine Zeichen von Leben wahrnehmen; das Athemholen ging bis wenige Mi— nuten vor dem Tode auf die natuͤrliche Weiſe von Statten. Es ward mir nicht geſtattet, die Leiche zu ſeciren, was ich ſehr bedauerte. Die Mutter hatte ſchon mehrere durchaus wohlgebildete Kinder geboren und war dieſesmal ungewoͤhnlich ſchnell, binnen einer Stunde vom Beginn der Wehen an gerechnet, und ohne fremden Beiſtand entbunden worden. Die Frau hegte ſchon waͤhrend ihrer Schwangerſchaft die volle Ueberzeugung, daß ſie eine Mißgeburt zur Welt bringen wuͤrde, da ſie, waͤhrend ſie guter Hoffnung war, einen Eindruck empfangen hatte, der ihr in dieſer Bezie— hung Beſorgniſſe einflöͤßte. Obgleich man allgemein laͤug— net, daß Eindruͤcke auf den Geiſt waͤhrend der Schwan— gerſchaft irgend eine Wirkung auf die Leibesfrucht aͤußern koͤnnen, ſo ſind doch die Faͤlle keineswegs ſelten, wo Schwan— *) In der beigefügten Abbildung, die überhaupt der Beſchrei— bung nicht genau entſpricht, ſind auch an dem Nebenkopfe Ohren zu ſehen. Der Ueberſ. 10 gere, die einen Schreck ꝛc. erlitten, aͤhnliche Ahnungen ha— ben, und wir betrachten dieſe Frage noch keineswegs als entſchieden. (London medical Gazette, May, 1845.) Miscellen! Ueber den Einfluß des n. s ympathicus auf die toniſche Contraction der Arterien ſtellte Dr. Procter folgendes Experiment an: Ein Pferd wurde durch Trennung des Ruͤckenmarks getoͤdtet, die Eingeweide bei Seite geſchoben, und der ſich mit dem n. ischiadicus verbindende Zweig des szmpathicus ſowie auch eine der Arterien des Beines bloßgelegt. Ein Draht wurde nun an den poſitiven Pol einer galvaniſchen Batterie befeſtigt und mit Schwamm bedeckt an den Nerven, der negative Pol an die Arterie applicirt; der pojitive Drath wurde darauf langſam längs einer Batterie von 50 Plattenpaaren hingezogen, und die Wirkung war nicht nur eine Wiedererzeugung der Pulſation in der Arterie, ſon— dern auch eine Erweckung der Circulation in den kleinern Gefäßen. Nach dieſem Experimente alſo zu ſchließen, erſtreckt ſich der Einfluß des n. sympathicus über das Arterienſyſtem des ganzen Körpers. (Aus Dr. T. B. Procter: a Treatise on the use of the sym- pathetic nerve etc.) In Beziehung auf Daguerreotypirung ſcheint Herr Martens einen vielverſprechenden Fortſchritt gemacht zu haben. indem er, wie er der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris gemeldet, ein ganzes Panorama, 150 Grad umfaſſend, daguerreotypiren kann. Sein Verfahren beſteht darin, daß er eine gekruͤmmte Metallplatte anwendet und die Linſe, welche die Landſchaft reflectirt, durch ein Uhrwerk drehen läßt, um fo die Abbildung der Landſchaft ohne Ab— ſatz fortzuſetzen. Bemerkungen uͤber die Art und Weiſe, wie man den im Urine vorhandenen Verhaͤltnißtheil an fe— ſten Subſtanzen ermittelt. Von Golding Bird, Dr. M. Es iſt hier nicht meine Abſicht, darauf aufmerkſam zu machen, wie wichtig es iſt, Verſchiedenheiten in der che— miſchen Zuſammenſetzung des Harns bei Krankheiten zu er— mitteln, ſondern an eine bisher noch nicht genug beachtete Reihe von am Harn vorkommenden Indicationen zu erin— nern, naͤmlich an den Verhaͤltnißtheil der von den Nieren binnen einer gewiſſen Zeit ſecernirten feſten Stoffe, abgeſe— hen von der Anwefenheit abnormer Ingredienzien oder von naturgemaͤßen Beſtandtheilen, die in abnormen Miſchungs— verhaͤltniſſen vorhanden ſind. Vor dem Erſcheinen von Edmond Becquerel's Schrift iſt in der That dieſes in Betreff der Diagnoſe und Behandlung der Krankheiten ſehr wichtige Huͤlfsmittel faſt durhaus vernachlaͤſſigt worden. Angenommen, daß bei jeder beſtimmten Claſſe von Krankheiten die im Harne vorhandenen Ingredienzien ziem— lich daſſelbe Verhaͤltniß behaupten, ließe ſich, im Fall man die abſolute Quantitaͤt des binnen einer gewiſſen Zeit ſe— cernirten Harns einigermaaßen genau ermitteln koͤnnte, nicht nur feſtſtellen, inwiefern die Nieren die wichtige Function des Reinigens des Organismus beſorgen, ſondern auch An— H. h Usa Aer haltspuncte erlangen, vermittelſt deren ſich nicht nur der Betrag des aus den eingenommenen Nahrungsmitteln aus— gezogenen Nahrungsſtoffes, ſondern auch die Geſchwindig— keit der Zerſtoͤrung der abgenutzten Gewebe des Koͤrpers un— ter der Einwirkung des Sauerſtoffes und des Arterienblutes gewiſſermaaßen ergruͤnden ließe. Auf dieſe Weiſe koͤnnten wir leicht das Vorhandenſeyn einer Reihe von Urſachen ermitteln, welche auf den Zuſtand unſerer Patienten Einfluß haben und deren Entdeckung auf irgend eine andere Weiſe kaum moͤglich waͤre. Das erſte Erforderniß bei einer Unterſuchung dieſer Art wuͤrde ſeyn, ein ziemlich genaues Maaß des binnen 24 Stunden ſecernirten Harnes zu erlangen. So einfach dieß ſcheint, ſo hat es doch in der Ausfuͤhrung keine ge— ringen Schwierigkeiten. Einestheils haͤlt es oft ſchwer, den Patienten begreiflich zu machen, was wir beabſichtigen, und anderntheils iſt die Sache wegen des bei'm Stuhl— gang abgehenden Harns nicht leicht auszufuͤhren. Dieſe letztere Schwierigkeit laͤßt ſich jedoch bei Anwendung einiger Vorſicht uͤberwinden, und die erſtere wird ſich in den meiſten Faͤllen dadurch beſeitigen laſſen, daß wir dem Patienten ge— nau vorſchreiben, wann er beginnen ſoll, ſeinen Harn zu ſammeln. Ich laſſe gewoͤhnlich meine Patienten um Mittag harnen und den alsdann ausgeleerten Harn weg— ſchuͤtten, hierauf aber allen bis zum Mittag des folgenden 11 749, XXXV. 1. Tages abgehenden Harn ſammeln und die Blaſe zu biefer Zeit völlig ausleeren. Auf dieſe Weiſe laͤßt ſich der bin— nen vier und zwanzig Stunden ſecernirte Urin ſammeln und meſſen. So uͤberfluͤſſig dieſe genaue Vorſchrift Man- chem auch ſcheinen moͤchte, ſo iſt ſie doch durchaus noͤthig, indem ſonſt der Patient faſt immer zuviel Harn ſammelt, weil er das, was er um Mittag am erſten Tage geharnt hat, mit aufbewahrt. Nachdem wir ſo die binnen einer gewiſſen Zeit aus— geleerte Quantität Harn gemeſſen haben, find wir noch keineswegs im Stande, zu beurtheilen, inwiefern die Nieren die Function der Reinigung erfuͤllen, indem die Secretion der Nieren, je nach der Quantitaͤt der eingenommenen Fluͤſſigkeiten, der Thaͤtigkeit der Haut ꝛc., bedeutend verſchiedene Mengen Harns liefert. So wird derſelbe Patient unter beſondern Umſtaͤnden an dem einen Tage z. B. 40, an dem folgens den Tage nur 20 Unzen harnen, waͤhrend die durch die Nieren bewirkte Reinigung in beiden Fällen dieſelbe geblie— ben iſt, da die erſtere Quantitaͤt Harn, wenn ihr ſpecifiſches Gewicht 1,015 iſt, nicht mehr feſte Stoffe enthält, als die letztere, wenn ihre ſpecifiſche Schwere 1,050 iſt. Wiewohl die Excretion von Waſſer zu den wichtigſten Functionen der Nieren gehoͤrt, ſo darf man dieſelbe doch nicht als die Hauptſache betrachten, da dieſe Fluͤſſigkeit auch von jeder andern ſecernirenden und reinigenden Oberflaͤche des Körpers ausgehaucht wird. Die characteriſtiſche Func— tion der fraglichen Organe muß unſtreitig in der Excretion von ſtark ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen geſucht werden, die theils von abgenutzten organiſchen Geweben, theils von un— vollkommen aſſimilirtem Nahrungsſtoffe herruͤhren. Um alfo die Unverſehrtheit dieſer Hauptreinigungsfunction genau beurtheilen zu koͤnnen, muͤſſen wir nicht allein den Harn meſſen, ſondern auch den Betrag der in ihm wirklich vor— handenen feſten Stoffe ziemlich genau ermitteln. Dieß laͤßt ſich natuͤrlich dadurch erlangen, daß man eine gegebene Quan— titaͤt Harn bis zu dem moͤglichen Grade von Trockenheit abdampft. Doch ſind die practiſchen Schwierigkeiten, die dieß hat, Jedem bekannt, der ſich mit dieſem Geſchaͤfte be— faßt hat, und uͤberdem erheiſcht daſſelbe ſoviel Zeit, daß es nur in feltenen Fällen ausfuͤhrbar iſt. Ich habe ſchon fruͤ— her auf dieſe Uebelſtaͤnde aufmerkſam gemacht und eine Ta— belle berechnet, nach welcher man die Menge der im Urin enthaltenen feſten Beſtandtheile ohne Weiteres finden kann“). Seit dem Erſcheinen dieſer Tabelle habe ich nach Dr. Chriſtiſon's Formel (A 2,28) eine zweite berechnet, welche die Quantitaͤt der feſten Subſtanzen in Granen, ſo— wie das Gewicht einer Fluͤſſigkeitsunze Harn von jeder Dich— tigkeit zwiſchen 1,010 und 1,040 angiebt. Wenngleich ich zugebe, daß dieß Verfahren, die Quantitaͤt der im Harn enthaltenen feſten Stoffe zu berechnen, kein mathematiſch genaues Reſultat giebt, ſo behaupte ich doch, daß der in einer Reihe von auf dieſe Weiſe ausgefuͤhrten Experimenten enthaltene Totalfehler weit geringer ausfaͤllt, als wenn man den Harn wirklich abdampft; und zugleich kann jeder practis ſche Arzt auf dieſe Weiſe eine ſo große Menge von Beobach— „) Urinary Deposits, p. 16. 1844. 12 tungen anſtellen, ohne deßhalb ſeine uͤbrigen Geſchaͤfte zu vernachlaͤſſigen, daß dieß Verfahren dadurch, im Vergleich mit dem andern, welches viel Zeit und Geſchicklichkeit in An⸗ ſpruch nimmt, entſchieden den Vorzug verdient. Specififches Gew. des Gewicht von 1 Fluͤſ⸗ ſigkeitsunze. In 1 Fluͤſſigkeitsunze enthaltene feſte Stoffe Gran. 10,283 11,336 12,377 13,421 14,470 15,517 16,570 17,622 18,671 19,755 20,792 21,852 22,918 23,981 25,051 26,119 27,188 28,265 29 333 30,413 31,496 32 575 33,663 35,746 35,831 36,925 38,014 39,104 40,206 41,300 Aus dieſer Tabelle erkennt man, daß, wenn ſie auch nicht gerade bei der Hand iſt, deren Zahlen leicht ſo weit zu merken find, daß man dadurch ein practiſches Huͤlfs— mittel gewinnt. Wenn, z. B., die ſpecifiſche Schwere ir— gend einer Probe von Urin in vier Zahlenſtellen ausgedruͤckt wird, ſo zeigen die beiden letzten die Quantitaͤt der in einer Fluͤſſigkeitsunze enthaltenen feſten Stoffe mit einem Fehler von wenig mehr als 1 Gran an, wenn bie fpecififche Schwere 1,030 nicht uͤberſteigt. Ueber dieſe Zahl hinaus iſt der Fehler etwas bedeutender. Um dieß durch ein Bei⸗ ſpiel zu erläutern, wollen wir annehmen, wir würden zu ei— nem Patienten gerufen, in Betreff deſſen uns daran gelegen waͤre, den Zuſtand der Reinigungsfunction der Nieren zu ermitteln. Die Quantität des binnen 24 Stunden ausge- leerten Harns ſoll ſich, z. B., auf 3 Pinten oder 60 Unzen belaufen und die ſpec. Schwere alles zuſammengegoſſenen Urins 1,020 betragen. Alsdann haben wir nur die Zahl der Unzen mit den beiden letzten Ziffern der fpec. Schwere zu multipliciren, um den Betrag der im Harne vorhandenen feſten Stoffe in Granen zu erfahren, alſo: 608401200 Gran. Waͤre die Tabelle zur Hand, ſo wuͤrde man ein genaueres Reſultat erlangen, indem wir dann 60 mit 20,79 multipliciren und 1247 Gran erhalten würden, ba= her im erſtern Falle der Fehler 47 Gran betragen haben Harns. 13 würde, was indeß in Betreff der am Krankenbette vorzu⸗ nehmenden Diagnoſe wenig auf ſich hätte. Nach einer großen Anzahl von Beobachtungen hat man zu ſchließen, daß die Nieren eines Erwachſenen im Durchſchnitte 600 bis 700 Gran feſte Stoffe binnen 24 Stunden ausſcheiden. Obwohl nun hierauf gewiſſe, mit der Muskelthaͤtigkeit, der Diaͤt und den Idioſyncraſien des Patienten in Verbindung ſtehende Umſtaͤnde Einfluß ha— ben koͤnnen, ſo werden wir doch im Allgemeinen die Menge der von den Nieren binnen 24 Stunden excernirten ausge— nutzten Stoffe zu 650 Gran anſchlagen duͤrfen. Uebrigens darf man es bei Berechnungen dieſer Art nicht zu genau nehmen, und die Nieren koͤnnen recht wohl 50 Gran mehr oder weniger als dieſe Durchſchnittsquantitaͤt ausſcheiden, ohne deßhalb hinter ihrer normalen Thaͤtigkeit zuruͤckzublei— ben oder dieſelbe zu überfchreiten. Ich will hier nicht durch voreilige Folgerungen die Wich— tigkeit der uns auf dieſem Wege zugehenden Anzeigen uͤber— treiben; denn allgemeine Schluͤſſe werden in dieſer Beziehung erſt nach vielfachen Beobachtungen moͤglich ſeyn; allein auf einen Umſtand darf ich gewiß ſchon jetzt aufmerkſam machen, daß ſich naͤmlich auf die obige einfache Weiſe eine fruͤher unbeachtet gelaſſene Urſache der Erſchoͤpfung und Abmagerung, naͤmlich die abnorme ſchnelle Zerſtoͤrung und Abnutzung der Gewebe, ermitteln laͤßt. In den Krankenſaͤlen des Guy's Hoſpitals ſind ſeit einiger Zeit unter meiner Leitung Beob— achtungen dieſer Art angeſtellt worden, und nach den auf dieſe Weiſe ermittelten Reſultaten zu urtheilen, hoffe ich bald im Stande zu ſeyn, etwas wirklich für die aͤrztliche Praxis Wichtiges daruͤber mitzutheilen. Schließlich will ich den Leſer noch darauf aufmerkſam machen, daß bei Ermittelung der ſpecifiſchen Schwere des Urins der Stab des Araͤometers lang genug ſeyn muß, daß die Grade gehoͤrig in's Auge fallen, und daß man den hart unter die Oberflaͤche fallenden Grad abzuleſen hat, um den Fehler zu compenſiren, der durch die Haarroͤhrchenanziehung zwiſchen dem Harn und dem Glaſe veranlaßt wird. Auch iſt dem Harn eine moͤglichſt mit 60° F. (125 O R.) uͤber⸗ einſtimmende Temperatur zu ertheilen, und man hat die Probe aus dem ſaͤmmtlichen binnen 24 Stunden geharnten Urin und nicht aus einer Quantitaͤt Harn zu nehmen, welche zu irgend einer beſonderen Zeit gelaſſen worden iſt. Diejenigen, welche ſich mit der Unterſuchung dieſes wich— tigen Gegenſtandes befaſſen wollen, werden wohlthun, wenn ſie bei irgend einem gut characteriſirten Krankheitsfalle taͤg— lich die Menge und ſpecifiſche Schwere des Harns genau be— obachten und bei jeder etwas auffallenden Veraͤnderung den Zuſtand der Haut, die Beſchaffenheit und Haͤufigkeit der Stuͤhle ꝛc. bemerken. Zugleich kann die Art der Wirkung des Harns auf Lackmuspapier, die Anweſenheit oder Abwe— ſenheit von Niederſchlaͤgen ꝛc. beobachtet werden. Derglei— chen Unterſuchungen, die nur Aufmerkſamkeit, aber faſt gar keine chemiſche Kenntniſſe und nur wenig Zeit in Anſpruch nehmen, Eönnen ſelbſt von vielbeſchaͤftigten practifchen Aerzten vorgenommen werden, und es laſſen ſich auf dieſe Weiſe ge— wiß ſehr wichtige Reſultate erlangen, wenn von vielen Sei— 749, XXXIV. 1. 14 ten auf dieſe Weiſe geforſcht wird. Sollte man geneigt ſeyn, mir Beobachtungen dieſer Art mitzutheilen, ſo wuͤrde ich mich jedem meiner Collegen ſehr verpflichtet dafuͤr fuͤhlen. (London medical Gazette, May 1845.) Practiſche Bemerkungen uͤber einige entkraͤftende Krankheiten, insbeſondere der Frauen. Von Sir James Eyre. Der Hauptzweck der S. 32 aufgefuͤhrten Schrift iſt die Anempfehlung des Silberoryds gegen Pyroſis, gegen gewiſſe gaſtriſche Leiden, gegen Haͤmoptyſis und Haͤmatemeſis, be— ſonders aber gegen aus Atonie entſpringende Menorrhagie, habe dieſe nun ihren Grund in übermäßig lange dauernder Men⸗ ſtruation, oder ſey ſie in Folge einer Niederkunft oder eines Abortus, während der Schwangerſchaft oder durch eine or= ganiſche Verletzung eingetreten. Dieſes Mittel wurde von Hrn. Charles B. Lane in einem Aufſatze angeprieſen, wel— cher in dem Medico-Chirurgical Review, Jahrgang 1840, erſchien, woſelbſt auch bemerkt ward, daß es Herr Serre zu Montpellier in Gaben von 4 Gran bis 6 Gr. binnen 24 Stunden gegen syphilis mit Erfolg angewandt haben wolle. Entſchieden guͤnſtig wirkte es bei Gaſtrodynie, Pyroſis, Menorrhagie, Blutfluß aus dem Darmcanale, Di— arrhoͤe, in einem Falle von Reizbarkeit der Blaſe und in eis nem andern, wo colliquative Schweiße ſtattfanden; ſeine Wirkung ſoll ſich raſch und ohne irgend ein nachtheiliges Nebenſymptom geaͤußert haben. Dr. Golding Bird hat es in hundert Faͤllen verſucht und bei Menorrhagie nuͤtzlich gefunden, indem es toniſch und gewiſſermaaßen beruhigend wirke. Dr. Clendinning hielt es bei epileptiſchen und gaſtralgiſchen Leiden fuͤr paſſend. Das Reſultat von Sir J. Eyre's Beobachtungen hat den großen Nutzen des Sil— beroxyds vollkommen beſtaͤtigt. Der Verf. verbreitet ſich uͤber die Erfahrungen, die er in Betreff dieſes Mittels bei Pyroſis, Haͤmoptyſis und Me— norrhagie gemacht. Was die Pyroſis anbetrifft, fo hält er daſſelbe in Gaben von 5 Gr. dreimal täglich für wirkſamer, als irgend eine andere je verſuchte Medicin. Er hat es nicht ein einziges Mal erfolglos angewandt, und in ſieben, ſaͤmmtlich bei Frauen vorkommenden Faͤllen wurde die Cur dadurch binnen ſechs Wochen erlangt. In den meiſten Faͤl— len ward deſſen Gebrauch einen Monat lang fortgeſetzt; al— lein in einigen war dieß lediglich deßhalb noͤthig, weil durch zufällige Umſtaͤnde Ruͤckfaͤlle veranlaßt worden waren. In faſt allen trat ſchon nach wenigen Tagen Beſſerung ein, und mehrentheils war Verſtopfung vorhanden, welche vor dem Gebrauche des Oxyds beſeitigt werden mußte. Auch berichtet der Verf. uͤber drei Faͤlle von Gaſtralgie, in denen das Silberoryd mit Erfolg angewandt ward. Zunaͤchſt werden ſechs Faͤlle von Haͤmoptyſis und zwei von Haͤmatemeſis angefuͤhrt, in welchen dieſes Mittel ver— ordnet wurde. In Betreff des erſtern Leidens koͤnnen wir dem Verf. in der Anſicht: „daß die große Wirkſamkeit des Silberoxyds durch feine Erfahrungen ſattſam erwieſen ſey“, nicht ganz beipflichten, und zwar aus folgenden Gruͤnden: 15 Die Wirkung gegen die Krankheit ſcheint ſich keineswegs ſchnell herausgeſtellt zu haben: ſo wurde in einem Falle die Haͤmoptyſis in 5, und in einem anderen erſt in 10 Tagen zum Stehen gebracht. In drei andern ſoll die Medicin „bald“, „allmaͤlig“ (binnen 14 Tagen) und „ſtufenweiſe“ ge— wirkt haben. In dem ſechsten Falle ſcheint die Cur etwa 1 Monat in Anſpruch genommen zu haben. Wir bezwei— feln nicht, daß in den meiſten dieſer Faͤlle der Verf geglaubt hat, ſein Mittel habe gut gewirkt; allein es iſt keineswegs bewieſen, daß in manchen die Haͤmoptyſis nicht von felbft aufgehoͤrt habe, z. B. im erſten und fuͤnften, wo die Blu— tung noch 1 Monat oder daruͤber nach dem Gebrauche der Medicin fortgedauert zu haben ſcheint. In keinem einzigen Falle dürfte das Leiden durch das Silberoxyd ſchneller beſei— tigt worden ſeyn, als dieß durch die bisher gebraͤuchlichen Mittel haͤtte geſchehen koͤnnen, und uͤberhaupt nicht ſo ſchnell, als der Zuſtand des Patienten es erheiſcht haben wuͤrde, wenn die Symptome ſehr dringlicher Art geweſen waͤren. Nach den durch dieſe ſechs Fälle gebotenen Anhaltepuncten zu ur— theilen, moͤchte es ſcheinen, daß das in den uͤblichen Gaben verordnete Silberoryd die Haͤmorrhagie erſt dann zum Ste: hen bringe, wenn es mindeſtens fuͤnf Tage lang gebraucht worden iſt, und in bedenklichen Faͤllen waͤre dieß viel zu lang. Haͤufig macht es ſich noͤthig, der Blutung binnen wenigen Stunden Stillſtand zu gebieten, und dieß laͤßt ſich gewoͤhnlich durch eſſigſaures Blei: Deutoryd in Verbindung mit den uͤblichen Mitteln erreichen In weniger Eile erfor— dernden Faͤllen iſt es indeß allerdings wuͤnſchenswerth, ein Mittel zu beſitzen, das, wenngleich es langſam wirkt, doch nicht die Nachtheile herbeifuͤhrt, welche den Gebrauch des Bleies oder des ſalpeterſauren Silbers begleiten, welches letz— tere eine Mißfaͤrbung der Haut veranlaßt. Auffallend ift die gewaltige Quantitaͤt Blut, welche von den meiſten der hier in Rede ſtehenden Patienten auf einmal expectorirt wur— de. Die geringſte Quantitaͤt war 2 Pinte, und bei zweien betrug ſie 15 Pinte bis 1 Quart. Allerdings huſten Per— fonen, die mit Haͤmoptyſis behaftet find, zuweilen noch groͤ— ßere Blutmaſſen aus; allein dergleichen Faͤlle gehoͤren doch zu den Seltenheiten. Der Verf. ſcheint ſich auch durchaus auf die Angaben der Patienten verlaſſen zu haben, die be— kanntlich in dergleichen Fallen faſt immer übertreiben, In Betreff der Behandlung der Menorrhagie ſcheint der Verf. weit mehr Erfolg erlangt zu haben. Eingewur— zelte Leiden dieſer Art hat er oft binnen weniger als einer 749. XXXV. 1. 16 Woche geheilt. Da ſich das Silberoxyd, ſobald es mit dem Magenſafte in Berührung tritt, ſofort in Silberchlorid ver— wandelt, ſo ließe ſich fragen, ob man nicht paſſender gleich dieſes Salz verordnete. Auf die Eroͤrterung dieſer Frage koͤnnen wir jedoch hier nicht naͤher eingehen. (London Medical Gazette, May 1845). Miscellen. Ueber die Tabes dorsalis hat Hr. Prof. und M. R. Froriep in der Juni-Sitzung des deutſchen Vereins für Heilwiſſenſchaft zu Berlin einen Vortrag gehalten. Zuerſt machte er in Bezug auf den anatomiſchen Beſtand bei Tabes dor- salis darauf aufmerkſam, daß außer den ſchon von Anderen bemerk— ten atrophiſchen braunen Stellen am Ruͤckenmark auch an den Spis nalnervenwurzeln Veraͤnderungen vorkommen, entweder eine Atrophi— rung derſelben bis auf I ihrer normalen Dicke, oder kleine, graue, durchſcheinende, kaum ſtecknadelknopfgroße Knoͤtchen an den Huͤllen dieſer Nervenwurzeln. Sodann machte er eine Mittheilung uͤber zwei Formen der Tabes dorsalis, bei deren einer (der haͤufigeren) die Symptome mehr eine Minderung des Gefuͤhls fuͤr die Muskel⸗ reſiſtenz ausdruͤcken, auch haͤufig mit Stoͤrungen des Gefuͤhls, entwe— der als Anaſtaſie odek als anfallsweiſe auftretende Neuralgie, vers bunden find; während bei der andern nur Symptome der Schwaͤ— chung der motoriſchen Thaͤtigkeit vorhanden ſind. Da derſelbe nun bei der erſten Form bereits mehrmals eine Atrophie der hintern (ſen— ſoriſchen) Nervenwurzeln durch die Section aufgefunden hatte, ſo ſprach er die Vermuthung aus, daß bei der zweiten Form die vor— deren (motoriſchen) Nervenwurzeln leidend ſeyn möchten; Gelegen— heit zur Section dieſer ſeltenen Faͤlle war noch nicht vorgekommen. Hr. Fro riep forderte daher auf, in vorkommenden Fällen mit Beachtung der vorher erwaͤhnten Veraͤnderungen, die uͤberhaupt bis jetzt an den Spinalnervenwurzeln bemerkt worden ſind, die vorderen Wurzeln genau zu unterſuchen, indem alsdann zum erſtenmale die wichtige Entdeckung Bell's auch in der Pathologie unmittelbar ihre Stelle und ihre Anwendung gefunden haben wuͤrde. Was die aͤrztliche Behandlung der Tabes dorsalis betraf, ſo konnte derſelbe nur die eine Beobachtung aus ſeiner Erfahrung hinzufuͤgen, daß der Eintritt der eigenthuͤmlichen blitzartigen neuralliſchen Erſcheinungen den Zeitpunct bezeichne, nach welchem von jeder Behandlung, und namentlich auch von der magneto:electrifchen nichts, Weſentliches mehr zu erwarten fey. Einen mediciniſchen Congreß in Paris zu eroͤffnen, iſt im Vorſchlag, der mit Beifall aufgenommen zu werdrn ſcheint. Die Pariſer gelehrten Geſellſchaften intereſſiren ſich ſehr dafuͤr, und namentlich die Societé medico- pratique, die Societé médicale du Temple und die Societé médicale d’emulation zu Paris, die So- cieté de médecine du Département de la Seine etc. haben be⸗ reits eine Vorbereitungverſammlung gehalten und Commiſſionen er⸗ nannt, welche ſich mit dieſem Gegenſtande beſchaͤftigen ſollen und mehrere große Staͤdte in Frankreich, namentlich Bordeaur, Lyon und Toulouſe erwarten nur ein Signal, um ſich anzuſchließen. Bibliographische Neuigkeiten. Traité de Mineralogie par A. Dufrenoy. Tome II. und Tome IV. 1. partie. Atlas in 8. Paris 1845. Notizie naturali e civili su la Lombardia. Milano 1844. Tomo I. (enthält u. a. den catalogo dei coleopteri della Lombardia, dei fratelli Antonio e Giovanni Battista Villa und den cata- logo dei molluschi della Lombardia von ebendenſelben Gebruͤ— dern Billa). Lettre sur la syphilis ou Vues nouvelles sur la nature et le traitement de la maladie venerienne, par F. S. Ratier. Paris 1845. 8. On Cataract and its appropriate Treatment, By C. Guthrie, London 1845, 8. m | (Hierzu 1 Tafel Abbildungen in Quarto.) Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt . von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin, N 750. (Nr. 2. des XXXV. Bandes.) Julius 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 , 30 M, des einzelnen Stuͤckes 3 / I Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, I Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 895 N ü re X Beſchreibung des Thyone fusus und der Cuvieria squamata. Von J. Koren. (Hierzu die. Fig. mbis 16 auf der mit der vorhergehenden Nummer aus gebenen Tafel.) Thy one fusus ). Der berühmte O. F. Müller hat in der Zoologia danica im erſten Hefte S. 10 eine Holothurie beſchrieden und Taf. X. Fig. 4 abgebildet, die er penicillus genannt hat. Derſelbe iſt noch daruͤber in Zweifel, ob es eine voll— ſtaͤndige Holothurie oder bloß ein Theil einer ſolchen ſey. Seit jener Zeit haben nun mehrere Naturforſcher den von Muͤller beſchriebenen H. penicillus bloß für einen Theil einer Holothurie mit Recht erklaͤrt; aber Niemand hat, ſo— viel mir bekannt, das Thier angegeben, von welchem er ein Theil ſeyn ſoll. Da ich mehrmals Gelegenheit hatte, den H. penicillus zu unterſuchen, ſo habe ich die vollkommene Ueberzeugung gewonnen, daß er nichts Anderes iſt, als der Mundapparat des H. fusus “). Da Müller bloß des Thieres aͤußere Form beſchrieben hat, ohne ſeinen innern Bau zu erwaͤhnen, ſo glaube ich, daß eine vollſtaͤndigere Beſchrei— bung dieſes hoͤchſt intereſſanten Thieres nicht uͤberfluͤſſig ſeyn duͤrfte. Der Koͤrper iſt cylindriſch, an beiden Enden zugeſpitzt, mit Queerfalten, beſonders wenn das Thier ſich zuſammen— zieht, von graubrauner Farbe und uͤberall mit einer Menge fadenfoͤrmiger Fuͤße beſetzt. Das Thier ſtreckt an dem einen Ende einen coniſchen Mundapparat aus, deſſen Spitze in den Koͤrper hinein und deſſen Baſis nach Auswaͤrts gekehrt iſt. Derſelbe hat in der Mitte eine runde Mundoͤffnung, welche das Thier mit Huͤlfe einer die erſtere umgebenden contractilen Haut erweitern oder zuſammenziehen kann. Am Rande iſt dieſer Apparat mit 10 Tentakeln verſe— hen Die Tentakeln ſind im ausgeſtreckten Zuſtande gegen ) Oken hat den von Müller beſchriebenen H. fusus von den uͤbrigen Holothurien getrennt und zuerſt die Gattung Thyone aufgeſtellt. ) Müller hat in der Zool. dan. Fasc. I. S. 11. denſelben beſchrieben und Taf. X. Fig. 5 u. 6 abgebildet. No. 1850, — 750. R. „n eee 2 Zoll lang, von einer lichtbraunen Farbe, verzweigt und die einzelnen Zweige mit Floſſen (finnede ) beſetzt; werden diefelben irritirt, fo verkürzen fie fi bedeutend. Die zwei Tentakeln (zuweilen auch vier derſelben) habe ich immer ru— dimentaͤr angetroffen; ſie ſind ſo klein, daß man ſie erſt durch die genaueſten Unterſuchungen entdeckt. Auch Muͤller giebt an, daß er bei I. fusus die zwei Tentakeln rudimentaͤr ges funden habe. Dieſen Mundapparat kann das Thier mit Huͤlfe von fuͤnf Paar Laͤngenmuskeln nach Belieben ausſtrek— ken und in den Koͤrper einziehen. An dem anderen Ende, welches mehr zugeſpitzt iſt, findet man den runden After. Die Haut iſt ungefaͤhr 2 Linie dick und beſteht aus zwei Schichten von einer graubraunen Farbe, rauch anzufuͤhlen und uͤberall mit einer Menge von Fuͤßen beſetzt, welche dem Koͤr— per das Ausſehen verleihen, als ſey er uͤberall mit einem wollenen Ueberzuge verſehen. Die aͤußere Schicht iſt ſehr duͤnn und beſteht, durch's Mikroſkop betrachtet, aus einer koͤrnigen Maſſe, in welcher man eine bedeutende Menge brau— ner Pigmentkugeln antrifft. Außerdem findet man in dieſer Schicht eine Menge kalkiger Stuͤcke, welche, nach den ver— ſchiedenen Theilen des Koͤrpers, eine verſchiedene Form haben. Am Leibe haben die Stuͤcke Aehnlichkeit mit vier eckigen Ringen, welche in der Mitte vereinigt ſind. Aus der Mitte erheben ſich zwei Saͤulen, um ſich in einem ſpitzen Winkel zu einer einzigen zu verbinden; ſie zertheilen ſich alsdann wieder in zwei, von denen eine jede oͤfters mit zwei Spitzen verſehen iſt, zuweilen hat die eine drei Spitzen. Nicht fel- ten fehlen die Saͤulen; beſonders iſt dieſes bei jungen Exemplaren der Fall, und weil die Stuͤcke dicht anein— ander liegen, ſo giebt dieſes der Haut ein Ausſehen, als waͤre ſie mit einem Netze uͤberzogen. (Fig. 6, a, b, c, d. ſtellt die erwähnten Stuͤcke in 300 facher Vergrößerung theils mit, theils ohne Säulen dar und Fig. 6, e ein ſolch es Stuͤck mit 6 Oeffnungen.) An der Haut, welche das Mund— ſtuͤck und die Tentakeln uͤberkleidet, haben die Stuͤcke Aehn— lichkeit mit laͤnglichrunden Platten, die von einer Menge theils groͤßerer, theils kleinerer eckiger Oeffnungen durchbohrt find. Die Anzahl dieſer Oeffnungen varlirt, je nach der Größe 2 19 750, XXXV. 2. des Stuͤckes, von 12 20. Aus der Mitte der Platte erheben ſich ebenfalls zwei Saͤulen, die oͤfters kuͤrzer und dicker ſind, als die ebengenannten; ſie verbinden ſich in einem ſpitzen Win— kel zu einer einzigen und theilen ſich dann, wie die vorhin erwaͤhnten. Nicht ſelten ſind beide Hauptſaͤulen zu einer einzigen zuſammengewachſen, und dann findet man in der Mitte der Säule eine laͤngliche Oeffnung. Zuweilen man⸗ geln die Saͤulen. Unter den Platten findet man eine Menge unregelmaͤßige verzweigte Stuͤcke, welche eine, wie in Fig. 9 abgebildete, Form haben. Die Fuͤße ſind fadenfoͤrmig und im ausgeſtreckten Zu— ſtande ungefaͤhr eine Linie lang. In der Haut derſelben befinden ſich eine Menge kalkiger Stuͤcke, welche der Queere nach ſo dicht aneinander liegen, daß es ſehr ſchwierig iſt, ein einzelnes Stuͤck von den uͤbrigen zu iſoliren; ſie haben eine laͤngliche Form; in der Mitte ſind ſie bauchig und mit vier Oeffnungen verſehen, von welchen die zwei Seitenoͤffnungen eine laͤngliche Form haben; die zwei vorderen Oeffnungen, welche rund und kleiner ſind, befinden ſich zwiſchen den Sei— tenöffnungen, eine über und eine unter denſelben. An bei— den Enden ſind die Stuͤcke am Meiſten abgerundet und mit einer runden Oeffnung verſehen. Zuweilen findet man Stuͤk— ke, die 4—5 Oeffnungen haben. (Auf Taf. I. Fig. 7 e. d. ſind Stuͤcke mit mehreren Oeffnungen abgebildet). An der Spitze der Fuͤße findet man eine runde kalkige Platte mit einer Menge Oeffnungen durchbohrt, von denen die in der Mitte kleiner und eckig ſind; außen an der Peripherie dage— gen find fie größer und von laͤnglicher Form. Die Stüde, welche man zunaͤchſt dieſer Platte findet, ſind nach den Con— veritäten der Platte gebogen. Unter der Haut liegt eine ſehr duͤnne Muskelſchicht. Die ganze aͤußere Hautſchicht des Thieres iſt mit einer ſehr feinen lichtbraunen Epidermis überzogen. Die innere Schicht iſt ſehr dick, fibroͤs und elaſtiſch, Überall von den Füßen durchbohrt, welche an der inneren Flaͤche dieſer Schicht in kleine Blaſen enden; dieſe iſt durch Zellgewebe an die aͤußere Flaͤche der Queermuskeln geheftet. Die Haut, welche das Mundſtuͤck uͤberkleidet, iſt von hellerer Farbe und feinerer Structur, als der Leib, und aus dieſem Grunde iſt es nicht ſelten, daß ſie zerreißt, in— dem das Thier den Mundapparat ausſtreckt, wodurch ein coniſches, fuͤnfkantiges, knorpeliges, mit kalkartigen Theilchen durchdrungenes Mundſtuͤck“), welches den Mund und die Speiſeroͤhre umgiebt, zum Vorſcheine kommt. Dieſes Mundſtuͤck beſteyht aus 10 Stuͤcken, fünf langen und fuͤnf kurzen, die wechſelsweiſe umeinander ſtehen; die langen Stuͤcke find auswendig convex, die kurzen dage— gen eben; gegen die Mitte des Mundſtuͤckes hoͤren die kurzen auf, und die langen ſpalten ſich von hier in zwei Theile. Jede Spitze der geſpaltenen Stuͤcke traͤgt mit da— zu bei, die Spitze eines Kegels zu bilden, welche in den Korper des Thieres hineingewendet iſt. Die Baſis des Ke— *) Durch die chemiſche Unterſuchung bat man gefunden, daß die kalkartigen Theilchen im Mundſtuͤcke, und die kalkigen Stuͤcke. die in der Haut, den Tentakeln und den Fuͤßen angetroffen werden, aus kohlenſaurem Kalke beſtehen. 20 gels iſt nach Auswaͤrts gewendet und laͤuft in 10 Spitzen aus, wovon die fuͤnf langen Stuͤcke an der Spitze zweiſpal⸗ tig ſind. Zwiſchen den 10 Spitzen ſind Vertiefungen, an welche die Tentakeln geheftet ſind. An der inwendigen Flaͤche iſt jedes der langen Stuͤcke mit einer Furche verſehen. Die Größe des Mundſtuͤckes variirt bei verſchiedenen Individuen von 6 — 10 Linien Laͤnge; bloß einige wenige Male habe ich Exemplare gefunden, wo das Mundſtuͤck eine Länge von 13 Linien hatte. So habe ich auch die Erfahrung gemacht, daß die Laͤnge des Mundſtuͤcks nicht immer zu derjenigen des Koͤrpers im Vechaͤltniſſe ſteht; denn ich habe oft bei ſehr großen Exemplaren ſie kleiner gefunden, als bei mittelmaͤ— ßigen. Die Breite variirt von 8 — 4% Linien. Dieſes Mundſtuͤck vertritt bei Thyone fusus die Stelle des kalkigen Ringes der Holothurien und unterfcheidet ſich bloß dadurch von demſelben, daß die Stüde bei jenem laͤn⸗ ger und von knorpliger Beſchaffenheit ſind. Von den Laͤn— genmuskeln ſind 5 Paar vorhanden; ſie entſpringen an den Spitzen der langen Stuͤcke, nehmen in der Mitte an Dicke zu, werden ſehr duͤnn, indem ſie ſich der Kloake naͤhern, und enden am After. Die aͤußere Flaͤche dieſer Muskeln iſt an die Queermuskeln geheftet. Der Raum zwiſchen dieſen Muskeln iſt ausgefuͤllt mit Queermuskeln, welche die ganze inwendige Flaͤche der Haut des Koͤrpers uͤberkleiden. So— wohl Laͤngen- als Queermuskeln ſind ſehr ſtark, weßhalb das Thier ſowohl nach der Laͤnge, als nach der Breite ſich ſtark zuſammenziehen kann. Der Tentakeln ſind ſtets 10, ſehr ſtark verzweigt, an's Mundſtuͤck geheftet und mit Haut uͤberzogen, worunter eine Muskelſchicht von Queer- und Laͤngsfaſern und darunter eine innere Haut liegt. Die Blaſe liegt an der Seite des Magens, iſt oval, ziemlich groß, enthaͤlt eine weiße Fluͤſſigkeit, in welcher ein Theil braune Kugeln ſchwimmen; ſie iſt verſehen mit Laͤngs— und Queerfaſern, unten zugeſpitzt, und oben läuft über die— ſelbe ein kreisfoͤrmiger Canal, der den Magen umgiebt. Aus dieſem Canale wird die Fluͤſſigkeit in 5 Canaͤle uͤbergefuͤhrt, die von den langen geſpaltenen Stuͤcken in der Haut gebil— det werden, welche den kreisfoͤrmigen Canal bildet, in Form eines Cylinders emporſteigt und jedes der langen, geſpalte⸗ nen Stuͤcke umfaßt. Der Raum zwiſchen dieſen 5 Canaͤlen iſt hohl und wird ausgefuͤllt durch die aͤußere Flaͤche der Speiſeroͤhre, die durch Muskelfaſern und Zellgewebe an der inneren Wand der 5 Canaͤle befeſtigt iſt. Wenn die Blaſe ſich zuſammenzieht, wird die Fluͤſſigkeit von dieſer nach dem kreisfoͤrmigen Canale, der den Magen umgiebt, von da em— por in die fuͤnf Canaͤle und von dieſen weiter empor in die Furchen der langen Stuͤcke gefuͤhrt, welche dadurch zu Canaͤlen gebildet werden, daß eine ſehr duͤnne Membran, eine Fortſetzung der Haut, welche die 5 Canaͤle bildet, die Furchen verſchließt. Von dieſen wird die Fluͤſſigkeit in eis nen kreisfoͤrmigen Canal geführt, welcher den Mund umgiebt, und den man innerhalb des knorpligen Mundſtuͤcks findet; mit dieſem Canale ſtehen auch die 10 hohlen Tentakeln durch Oeffnungen in Verbindung. Aus dieſem Canale entſprin⸗ gen 5 Gefaͤße, von denen jedes zwiſchen ſeinem Muskelpaare gerade nieder zum After laͤuft; dieſelben geben auf dieſem 21 Wege eine Menge Zweige aus, welche in die Blaſen der Fuͤße ausmuͤnden. In der Mitte des Mundapparates fin— det man die runde Mundoͤffnung, welche hinab in die Spei⸗ feröhre fuͤhrt; dieſe, ſammt der Mundoͤffnung, beſteht aus einer duͤnnen Haut von einer dunkelbraunen Farbe; dieſelbe bildet an der inneren Flaͤche Laͤngsfalten. Diefe Falten ſind in der Mundoͤffnung kaum ſichtbar, werden etwas ſtaͤrker in der Speiſeroͤhre, nehmen an Anzahl zu, je naͤher ſie nieder zum Magen gelangen, liegen ſehr dicht aneinander im Magen und enden mit Pylorusfalten. Die innere Flaͤche dieſer Haut iſt mit ſehr feinen Queer- und Laͤngsfaſern ver— ſehen, auch durch Muskelfaſern und Zellgewebe an der inne— ren Flaͤche des Mundſtuͤcks befeſtigt. Der Magen iſt deut: lich von den Daͤrmen unterſchieden, von ovaler Geſtalt, an 3 Linien lang und 2 Linien breit; feine innere Fläche ent haͤlt dichte Laͤngsfalten, welche in eine kreisrunde Falte (den pylorus) auslaufen; er iſt von ſtarker musculoͤſer Struc⸗ tur und kann ſich mit Huͤlfe ſtarker Laͤngs- und Queerfa— fern ſowohl in die Länge, als in die Breite zufammenziehen, Der Darmcanal iſt ungefaͤhr 3 Mal ſo lang, als der Koͤr— per, macht mehrere Biegungen und iſt durch ein Meſente— rium an des Koͤrpers innere Flaͤche geheftet; er iſt kleiner und von einer feineren Structur, als der Magen; ſeine in— nere Haut iſt glatt, und außen an derſelben liegt eine Schicht feiner Queer- und Laͤngsfaſern; er wird kleiner, je näher er der Kloake kommt, in welche er ſich öffnet. Sie iſt angefuͤllt mit einer grauen ſandigen Maſſe, in welcher man Conchylien-Fragmente findet. Die Kloake iſt oval und durch Faſern an den Queer⸗ muskeln befeſtigt. Es war fuͤr mich unmoͤglich, das Gefaͤßſyſtem des Darmcanales, wegen der außerordentlichen Feinheit deſſelben, zu verfolgen. Am freien Rande des Darmes habe ich ein feines Gefaͤß geſehen, welches eine gelbliche Fluͤſſigkeit ent— hielt, aber ſeine weitere Verzweigung war ich nicht im Stande, zu verfolgen. Das Reſpirationsorgan entſpringt am oberſten Ende der Kloake mit einem Hauptſtamme, theilt ſich ſogleich in zwei Hauptzweige, welche ſich von Neuem in mehrere Zweige theilen, die in ovalen Blaſen endigen. Die beiden Hauptzweige ſind ebenſo lang, als der Koͤrper und durch Faſern an die Queermuskeln geheftet; bloß das oberſte Ende der beiden Zweige iſt frei. Das Zeugungsorgan beſteht aus einer Menge lan— ger einzelner Roͤhren, welche den Darmcanal umſchlingen. Dieſe Roͤhren ſind nach Unten zu verſchloſſen; nach Oben oͤffnen ſie ſich ſaͤmmtlich in einen Sinus. Aus dieſem entſpringt ein ſehr langer Ausfuͤhrungsgang, welcher zwiſchen den Lamellen des Meſenteriums liegt und unter der Haut emporſteigt, die das Mundſtuͤck uͤberkleidet, endlich zwiſchen zwei Tentakeln in eine kleine coniſche Spitze ausmuͤndet, welche zuweilen eine Länge von 14 Linien erreicht. Die birnfoͤrmigen Körper, welche bei den Holothurien in den Aus: fuͤhrungsgang einzumünden pflegen, finde ich nicht bei Thyo- ne fusus. Bei den Weibchen habe ich das Zeugungsors gan mit einer Menge hellgelber Eier, die mit Keimblas 750. XXXV. 2. 22 ſen und Keimpuncten verſehen waren, angefuͤllt gefunden. Bei den Maͤnnchen dagegen war daſſelbe angefuͤllt mit einer weißen Saamenfeuchtigkeit, in welcher man eine Menge runder Kugeln bemerkte, die ſich hurtig bewegten und einen undeutlichen Schwanz hatten. Dieſe runden Kugeln mit dem undeutlichen Schwanze waren ſicherlich Saamenthier— chen, welche ich wegen der Unzulaͤnglichkeit des Mikroſkopes nicht im Stande geweſen bin, deutlich zu verfolgen. Eine Spur von Nerven habe ich bei dieſer Holothurie nicht angetroffen. Die Laͤnge des Thieres iſt ſehr verſchieden. Ich habe Exemplare angetroffen, die im ausgeſtreckten Zuſtande eine Länge von 37 Zoll und eine Breite von 9 Linien hatten. Die gewoͤhnliche Laͤnge iſt 2 Zoll 2 Linien und die Breite 8 Linien. 5 Man findet dieſe Holothurie, bedeckt mit Sand und Conchylienfragmenten, auf dem ſandigen Meeresgrunde in der Bucht von Bergen in einer Tiefe von 80 Faden ziem- lich ſelten. Zum Schluſſe will ich noch eine Characteriſtik ſowohl der Gattung, als der Art hinzufuͤgen. Gattung Thyone: Körper cylindriſch, überall bes ſetzt mit Füßen, die nicht in beſtimmten Reihen ſtehen. Haut, Tentakeln und Fuͤße ſind mit verſchiedengeſtaltigen kalkigen Stuͤcken uͤberkleidet. Das Mundſtuͤck iſt umge— kehrt coniſch und knorpelig; die Tentakeln ſind veraͤſtelt. Art Thyone fusus: Der Koͤrper cylindriſch, von einer graubraunen Farbe, an beiden Enden etwas zu— geſpitzt: zehn verzweigte Tentakeln, wovon zwei beſtaͤndig rudimentaͤr ſind. Cuvieria squamata. O. F. Müller hat zuerft in der Zool. dan. 1. Fasc. pag 10 die II. squamata beſchreiben und Taf. X Fig. 1 und 3 abgebildet. Später fand fie Otto Fab ri— cius in Grönland. PeEron hat Exemplare davon aus der Suͤdſee mitgebracht und zuerſt die Gattung Cuvieria auf⸗ geſtellt. Cuvier hat in feinem Regne animal, Taf. 15 Fig. 9, davon eine Abbildung gegeben. Dieſe Holothurie iſt groͤßer, als die von Muͤller beobachtete, ſcheint aber uͤbrigens nicht von derſelben verſchieden zu ſeyn. Aus der Tiefe der Bai von Bergen habe ich mehrmals eine Cuvie- ria erhalten, die nicht in Allem mit Müller’s Beſchrei— bung der Cuvieria squamata uͤbereinſtimmt, ſondern ei— nige Verſchiedenheiten von derſelben, beſonders was die Groͤße des Koͤrpers, auch die Zahl und Farbe der Tentakeln anlangt, darzubieten ſcheint. Gleichwohl trage ich kein Be— denken, ſie, ungeachtet dieſer Verſchiedenheiten, zu derſelben Art zu rechnen. Was die Groͤße anlangt, ſo iſt dieſelbe bei den ver— ſchiedenen Individuen gar ſehr verſchieden: einige erreichen eine Laͤnge von 3 Zoll und eine Breite von 2 Zoll 3 Linien, andere dagegen ſind nicht groͤßer, als das von Muͤller beob— achtete Individuum. Was die Zahl der Tentakeln anlangt, ſo giebt Muͤller bloß 8 Tentakeln an, ich aber habe beſtaͤndig bei allen Exemplaren die ich Gelegenheit, hatte, zu unterſu— chen, 10 Tentakeln angetroffen; aber die zwei Tentakeln 2 * 23 koͤnnen dem ſonſt genauen Schriftſteller leicht entgangen ſeyn, da er, nach der Zeichnung zu urtheilen, weder Gelegenheit gehabt hat, den Mundapparat vollkommen ausgeſtreckt zu ſehen, noch auch, irgend eine anatomiſche Unterſuchung anzuſtellen, wodurch er hinlaͤnglich in den Stand geſetzt worden waͤre, mit Zuverlaͤſſigkeit die Anzahl zu beſtimmen. Die Farbe der Tentakeln iſt verſchieden: bei den meiſten Exemplaren iſt ſie fleiſchroth mit eingeſprengten ſchwarzen Puncten, bei andern habe ich ſie ſchwach blaßroth gefunden, ſo daß auch dieſes Zeichen keinesweges als conſtant betrachtet werden kann. Die von Brandt*) beſchriebene neue Art Cuvieria sitchaensis hat ſo große Aehnlichkeit mit der von mir beobachteten, daß ich nicht im Getingſten zweifele, daß auch dieſe mit der Muͤller' ſchen Cuvieria squa- mata zuſammenfallen werde. Da die Cuvieria den 300= logen noch nicht vollkommen bekannt iſt, ſo will ich jetzt hier anſuͤhren, was ich in Betreff dieſer hoͤchſt merkwuͤrdi— gen Holothurie beobachtet habe. Der Koͤrper dieſes Thieres gleicht der Haͤlfte eines durch— ſchnittenen Eies. Den convexen ſchuppigen Obertheil will ich jetzt beſtaͤndig Ruͤcken und den ebenen weichen Untertheil Bauch nennen. Der Ruͤcken iſt uͤberall bedeckt mit kalki— gen Schuppen, die wie Dachlatten aufeinander liegen. In der Naͤhe beider Enden bilden die Schuppen zwei coniſche Erhöhungen, welche das Thier -nach Willkuͤhr erheben und ſenken kann. Die Spitzen der Erhoͤhungen werden von 5 Schuppen gebildet, die in der Mitte zuſammenſtoßen. Aus der oberſten Erhoͤhung, welche die groͤßte iſt, ſtreckt das Thier, nachdem die 5 Schuppen ſich voneinander ent— fernt haben, den cylindriſchen Mundapparat aus. In der Mitte der niedrigſten Erhoͤhung findet man, wenn die Schuppen ſich voneinander entfernt haben, einen runden After. Die Schuppen ſind ſehr unregelmaͤßig, ſo daß es aͤußerſt ſchwierig iſt, ſie unter irgend eine beſtimmte Form zu bringen. Unter dem Mikroſkope betrachtet, beſteht jede einzelne auf dieſer Oberflaͤche wieder aus einer Menge kleiner Schuppen, die gleichfalls wie Dachziegeln uͤber— einander liegen; auch ſitzen auf denſelben kleine Kalk— koͤrner. Die untere Flaͤche iſt an der Haut befeſtiget. Der freie Rand der Schuppen iſt groͤßtentheils conver, ) Prodromus deseriptionis animalium ab H. Mertensio in orbis terrarum eircumnavigatione observatorum. (1 Fasc. Petersb. 1835. 4.) 750. XXXV. 2. 24 auch iſt die Convexitaͤt beſtaͤndig gegen eine der coni⸗ ſchen Erhoͤhungen gewendet und nimmt bedeutend ab, je naͤher die Schuppen den Spitzen der Erhoͤhungen kommen; ſie ſind da mehr zugeſpitzt, ſo daß ſie beinahe eine dreieckige Form bekommen. Die Größe der Schuppen iſt auferor- dentlich verſchieden: bei ſehr großen Exemplaren haben die größten 3 Linien Höhe und 35 Linien Breite; die kleinſten dagegen ſind zuweilen nicht groͤßer, als der Kopf einer Steck— nadel. Die groͤßten Schuppen ſindet man gewoͤhnlich auf dem mittleren Theile des Ruͤckens und die kleinſten am Rande: übrigens ſtehen große und kleine Schuppen um— einander herum, und mit der Convexitaͤt nimmt auch ihre Groͤße bedeutend ab, je naͤher ſie gegen die Spitze der Er— hoͤhungen zu liegen kommen; doch machen die 5 Schuppen, welche die Spitze der oberſten Erhoͤhung bilden, hiervon oft eine Ausnahme. (Schluß folgt.) Miscellen. Die Toͤdtung einer gewaltigen Menge Wespen hat Graf Traquair ſeit einigen Jahren dadurch zu Wege ger bracht, daß er den Kindern auf ſeinen Guͤtern in den Monaten April und Mai das Dutzend Wespen zu einem gewiſſen Preiſe be— zahlt. Dieß Jahr ſind ganz vorzuͤglich viel Wespen eingeliefert worden, naͤmlich an den folgenden Sonnabenden; am 28. April 756 Dutzend, Gewicht 2 tb 1 Unze; am 3. Mai 117 Dutzend, Gewicht 6 Unzen; am 10. Mai 591 Dutzend, Gewicht 21 Unze; am 17. Mai 643: Dutzend, Gewicht 115 Unze. Im Ganzen 1577 Dutzend, im Geſammtgewicht zwiſchen 4 und 5 6. Da nun jede Wespe, welche zu dieſer Jahreszeit zu finden iſt, eine eigene Colo— nie gruͤndet, ſo ſind auf dieſe Weiſe binnen 4 Wochen in einem Kirchſpiele 18,876 Wespenneſter weniger entſtanden, und es iſt da— durch von dem Obſte, dem Bienenſtande ꝛc. ein unberechenbarer Schade abgewendet worden. Die Sache verdiente wohl Nachahmung. Ueber den inneren Baud des Stammes von Pot a- mogeton hat Hr. G. R. Linck neuere Unterſuchungen angeſtellt, die ſich auch auf verwandte Pflanzen erſtrecken, und das Reſultat in der Verſammlung der Geſellſchaft naturforſchender Freunde am 17. Juni mitgetheilt. Die Rinde iſt von dem Holze ganz geſchie— den, und dieſes beſteht aus einem wenig unterbrochenem Kreiſe von groͤßeren Spiralgefaͤßen, wie bei den Dicotyledonen. Die Rinde aber ift mit einzelnen Buͤndeln von engen Spiralgefaͤßen durchzo⸗ gen, wodurch wiederum eine Aehnlichkeit mit den Monocotyledonen hervorgebracht wird. Sie ſtehen alſo in der Mitte zwiſchen die— ſen beiden großen Pflanzen-Abtheilungen, umgekehrt wie die Ama⸗ rantaceen, daß das Mark mit Gefaͤßbuͤndeln durchzogen wird. (Berl. Nachr. 1. Jul.) — — — r —— ei k eee Von Contractur der Glieder mit heftigen Schmerzen iſt ein ſeltener und merkwuͤrdiger Fall in dem Höpital des la Charité zu Paris, in der Abtheilung des Herrn Cru: veilhier, vorgekommen. Am 26. Januar 1845 kam in dieß Hoſpital Joſeph Traſtaven, 36 Jahr alt, von ſtarker Conſtitution und ſanguiniſchem Temperament, und erzaͤhlte, daß er bereits mehr als zehn Mal von der Affection befallen worden ſey, die ihn jetzt zwinge, ſeine Zuflucht hier zu ſuchen. Zweimal ſchon u. a. ergriff ein tetaniſches Erſtarren alle ſeine Muskeln, und er war gezwungen, unbeweglich in ſeinem Bette zu bleiben, außer Stande, zu ſprechen, waͤhrend er zum Antworten auf die an ihn gerichteten Fragen nichts hatte, als die Bewegung der Augenlider, die ihm geblieben war. 25 Die Beſchaͤftigung ſchien zu der Entſtehung der Anfälle nichts beigetragen zu haben. Der Kranke war nacheinan— der Soldat, Erdarbeiter, Domeſtik, Caoutſchuckbereiter, Gold— arbeiterlehrling geweſen und hatte ſich durch die Krankheit nach und nach gezwungen geſehen, ſeine verſchiedenen Beſchaͤf— tigungen zu unterbrechen. Was er jedesmal bemerkt hat und was auch von den Schriftſtellern notirt worden war, iſt, daß die Kaͤlte und beſonders die feuchte Kaͤlte auf das Wie— dererſcheinen ſeiner Contracturen einen nicht zu bezweifelnden Einfluß hatte. Immer zeigten ſie ſich im Winter, und oft, nachdem die Haͤnde in kaltes Waſſer geſteckt worden waren. Auch noch das gegenwaͤrtige Mal war es waͤhrend der Kaͤlte des Monats Januar, daß er die erſten Anfaͤnge davon em— pfand. Einige Tage vor dem Eintritt in das Hoſpital be— klagte er ſich über eine leichte Mattigkeit, wandernde Schmers zen in den Gliedern, und am Vorabende ſeiner Ankunft hat— ten die Haͤnde bereits den Anfang einer Contractur, die ſchon ſo weit ging, daß er nicht allein eſſen konnte. Bald kamen Kraͤmpfe und allgemeine Schmerzen hinzu, welche ſich aber auf beide Haͤnde und Handwurzeln concentrirten. Er kam am 26. Januar zu Fuß in's Hoſpital, und im Augenblicke ſeines Eintritts waren die Schmerzen wenig hef— tig. Gegen 4 Uhr Abends hatte er aber einen heftigen An— fall; er kruͤmmte ſich auf ſeinem Bette, das Antlitz zeigte den Ausdruck eines ſehr heftigen Schmerzes; der Kranke ſtieß Schreie aus; er konnte nicht einen Augenblick dieſelbe Stel— lung beibehalten: bald war er liegend, bald ſitzend; meiſt lag er queer uͤber dem Bette, Kopf und Arm herabhaͤngend; die Finger ſind gewaltſam gebogen, als wenn die Fauſt ſich con— vulſiviſch geſchloſſen haͤtte; die Haͤnde ſind gewaltſam am Vorderarme geſtreckt, der letztere in einem geringeren Gra— de; wenn man mit den Theilen die geringſte Bewegung vor— nimmt, ſo ſteigert man die Schmerzen des Kranken. Die Schultern geben ihm das Gefuͤhl, als waͤren ſie mit einer ungeheuren Laſt beladen; von ihnen gehen ſtechende Schmerzen aus, welche ſtrahlenartig bis an das Ende der Finger fahren. Die Haͤnde und Vorderarme ſind der Sitz eines von einer ſich ausbreitenden Roͤthe begleiteten geringen Oedems. Die unteren Extremitaͤten zeigen nichts Ungewoͤhnliches. Laͤngs des Ruͤckgrats iſt nichts ſchmerzhaft; die Bewegung des Halſes, der Kinnladen, des Rumpfes ſind vollig frei; der Geiſt ſehr klar; Kopfſchmerz iſt nicht vorhanden; völlige Apyrexie, der Appetit gut. — Er hat laudaniſirte Cataplas— men aufgelegt bekommen und erhält zwei Pillen von ex- tractum opii aquosum, jede von 5 Centigr. Am 27. Januar. Der Kranke hat die ganze Trace gelitten; die Contractur hat den linken Fuß eingenommen, der das Anſehen eines mit varus complicirten pes equi- num hat. Die mm. gastrocnemii find contracturirt. Nur mit Muͤhe und indem er auf den Zehenſpitzen geht, kann der Kranke einige Schritte machen. Doch ſind die Schmerzen des Fußes weniger lebhaft, als die der Haͤnde. Wie den Tag zuvor, iſt die Intelligenz vollſtaͤndig verhan— 750. XXXV. 2. ſich uͤber eine ſtarke Zuſammenſchnuͤrung der Bruſt; 26 den; weder Fieber noch Kopfſchmerz. Der Appetit iſt ſtark. Er erhält 1 Decigr. Opium in zwei Pillen. Am 28. Januar. Der Zuſtand iſt derſelbe, ebenſo die ärztliche Behandlung. Am 29. Januar. Die Contractur hat ſich auf die untern Extremitaͤten verbreitet; ſie hat die Muskeln der Bauchwandungen ergriffen. Die geraden Bauchmuskeln ſtel— len ſich dar, wie zwei harte Stricke. Der Kranke beklagt es iſt Beſchwerde bei'm Schlucken, Schwierigkeit bei'm Uriniren und zu Stuhle zu gehen; die Augenlider, leicht herabge— ſenkt, ſind durch ein beſonderes Zittern bewegt. Der Puls giebt 70 wenig entwickelte Pulſationen. — Verordnung: Blutlaſſen, Schroͤpfkoͤpfe auf die regio lumbaris; ein ab⸗ fuͤhrendes Klyſtier. Am 30. Januar. Der Kranke iſt durch die Blutent— ziehungen nur wenig erleichtert. Die Contracturen beſtehen in demſelben Grade. Der Schmerz, etwas weniger acut, macht von Zeit zu Zeit heftige Exacerbationen. Wenn der Anfall eintritt, empfindet der Kranke ein unangenehmes Amei— ſenlaufen, auf welches eine Empfindung von beißender Waͤrme folgt, welche an der Handflaͤche ſo weit vordringt, daß er ſagt, es ſey ihm, als halte er gluͤhende Kohlen. Die Bruſt iſt zuſammengeſchnuͤrt, und es ſcheint Erſtickung zu drohen; hernach tritt nach 10 Minuten unausſprechlicher Angſt Nachlaß ein, und der Kranke empfindet einige Erleichterung bis zum Wiedereintritt eines neuen Anfalls. Die Contractur dauert fort. Die Conſtipation iſt einem abfuͤhrenden Lave— ment nicht gewichen. — Aderlaͤſſe. Das Blut der letzten war mit einer Speckhaut bedeckt. — Schroͤpfkoͤpfe auf die Lenden; ein draſtiſches Purgans. Am 31. Januar. Die Symptome haben ſich raſch gebeſſert, die Schmerzen merklich abgenommen. Die Haͤnde fangen an, ſich oͤffnen zu koͤnnen, und man bemerkt auf der Seitenflaͤche der Finger wahre Schorfe, Reſultat eines ſtar— ken und fortgeſetzten Druckes. Der Kranke ſagt, daß er eine ahnliche Thatſache in Folge der fruͤhern Anfaͤlle bemerkt habe, und uͤberdem das Ausfallen aller Naͤgei nach dem Ende der Krankheit. Dieſe Beſſerung, die man an den oberen Extre— mitaͤten wahrnimmt, exiſtirt auch an den unteren; der Un— terleib iſt wieder weich geworden; der Kranke hat mehrere Stunden lang ruhig geſchlafen und verlangt inſtaͤndig Nah— rungsmittel. — Man ſetzt ihm Schroͤpfkoͤpfe, und er er— haͤlt ein . Am 3. Februar haben die Contracturen völlig aufge: hoͤrt; die Bewegungen der Extremitaͤten find leicht, die Schmer= zen haben aufgehoͤrt und dem Prickeln und Ameiſenlaufen in den Händen nnd Vorderarmen Platz gemacht, welches übrigens auch taͤglich abnimmt. Der Kranke ißt zwei Portionen mit einem heftigen Hunger. Alles iſt beendigt, aber der Kranke ſagt doch, ſich noch nicht voͤllig curirt glaubt. Am 8. Februar. Er hat Steifigkeit in den Fingern, Stiche im ganzen Koͤrper und einiges Zucken in den Augen— lidern empfunden und hat Über die Untruͤglichkeit dieſer Vors boten Erfahrungen. daß er 27 Am 9. Februar. Die Contracturen find an den Haͤn— den und Handwurzeln wieder erſchienen; heftige Schmerzen haben ſich von Neuem an der vordern und aͤußern Parthie des Vorderarms und an dem Vorderarm-Handgelenke fuͤhl— bar gemacht; die Finger ſind ſteif, unbeweglich, halbgebogen und nebeneinander gelegt. 78 wenig entwickelte Pulsſchlaͤge — Aderlaͤſſe. In der Nacht vom 10. — 11. Februar find die Con- tracturen und Schmerzen faſt allgemein geworden; die Haͤnde ſind convulſiviſch geſchloſſen, die Handwurzeln nach Hinten gezogen und geſchwollen; der Ellbogen ſteif; die Zehen zu— ruͤckgezogen und die Ferſen in die Höhe gezogen. Es iſt Zu: ſammenſchnuͤrung der Bruſt, beſchwerliches Sprechen, gehin— dertes Schlucken vorhanden. Die Muskeln des Unterleibes ſind geſpannt und ſehr empfindlich gegen Druck; Verſtopfung, Dysurie; die Augenlider ſind faſt voͤllig geſchloſſen und von convulſiviſchem Zittern bewegt; etwas Trismus, 120 Puls— ſchlaͤge, heiße Haut, das Geſicht wie injicirt und ein lebhaf— tes Leiden ausdruͤckend. — Aderlaͤſſe; das Blut mit Speck— haut. Herr Rodier hat bei der Analyſe deſſelben eine bes traͤchtliche Proportion Fibrine darin gefunden. Am 12. Februar. Der Kranke befindet ſich viel beſ— ſer, die Schmerzen haben faſt ganz aufgehoͤrt; und die rechte Hand allein iſt noch contracturirt; Schwierigkeit bei'm Harnen; Puls 75 — 80. Oedem und diffuſe Roͤthe am Vorderarme. — Eine Potion mit einer Decigramme von extractum gummosum opii; ein abfuͤhrendes Lavement. Am 13. Februar. Außer einer leichten Steifigkeit der Finger und der noch vorhandenen Verſtopfung ſind alle Zu— fälle verſchwunden. Der Kranke verlangt eine vierfache Pors tion. Er befindet ſich wohl. Sein Ausſehen iſt gut. Er hat nur noch etwas Schwaͤche und einige Stiche in den Extremitaͤten. Er bleibt bis zum 27. Februar in dieſem Zuftande, wo er waͤhrend der Viſite dieſes Tages plotzlich von einer betraͤchtlichen Oppreſſion und acuten Schmerzen in den Haͤnden befallen wird; er hat eine Empfindung von Verbrennung in den Fußſohlen und einen Anfang von Con— tractur an den Fingern und Handwurzeln — der Puls hat 90 Schlaͤge. Man giebt ihm ſogleich einen Julep mit 1 Decigramm extractum opii gummosum, und kurze Zeit nachher vers ſchwinden die Symptome. Man faͤhrt mit Opiatmitteln ei— nige Tage lang fort. Er verlaͤßt das Hoſpital am 20. Maͤrz, nach allem Anſcheine geheilt. Die Wiſſenſchaft beſitzt nur erſt eine kleine Zahl von Beobachtungen uͤber Contracturen der Extremitaͤten. Dance ſcheint die ſchon von Schriftſtellern des vorigen Jahrhunderts bemerkte Krankheit gut beſchrieben zu haben. Er gab ihr den Namen Tetanus intermittens, eine Name, welcher die bei— den weſentlichen Erſcheinungen der Krankheit gut bezeichnet: Muskelſteifigkeit und Periodicitaͤt der Anfälle, Seit der Zeit, bei Kindern und Erwachſenen ſtudirt, hat ſie folgende Benennungen erhalten: neue convulſiviſche Krankheit der Kinder (Tonnelé), kurz dauernde Muskelzu⸗ ruͤckziehung (Delaberge), krampfhafte Muskelzuruͤck⸗ 750. XXXV 2. 28 ziehung (Murdoch), partielle toniſche Convulſion (Gazette des höpitaux 1837 No. 56, 57), weſentlich, idiopathiſche Contractur (Teſſier und Hermel), Contractur der Extre⸗ mitaͤten (Rilliet und Barthez). Die Geſchichte dieſer ſonderbaren Affection iſt indeß noch lange nicht vollſtaͤndig ꝛc. Behandlung von Perſonen, die durch Blauſaͤure vergiftet worden ſind. Von Thomas Taylor. H. G., 59 Jahre alt, ein geſunder Feldarbeiter von ziemlich kraͤftigem Koͤrperbau, wuͤnſchte von Ascariden be— freit zu ſeyn und erhielt eine Mixtur aus Ol. Ricini Zvj, Spt. Tereb. 3jj, welche er fruͤhmorgens einnehmen ſollte. Zugleich war feiner Frau Blauſaͤure von Scheeleſcher Staͤr— ke gegen Dyspepſie verordnet worden. Das Arzneiglas der Frau enthielt 60 Tropfen (minims) von dieſer Säure in 3 Unzen Waſſer, und von dieſer Miſchung nahm fie täglich dreimal einen Theeloͤffel voll in einer Waſſerſuppe. Sie hatte, ſoweit ſich nachkommen ließ, etwa den vierten Theil dieſer Medicin verbraucht, fo daß in dem Glaſe noch 45 Tropfen Blauſaͤure vorhanden waren, und dieſe verſchluckte ihr Mann auf einmal, ſtatt des fuͤr ihn beſtimmten Trankes. Alsbald wurde er von einer heftigen Zuſammenziehung des Zwerchfells und dem Gefuͤhle des Erſtickens befallen. Er ging an die Hausthuͤr, etwa 12 — 14 Schritte weit, fiel dort bewußtlos nieder und zerbrach im Fallen eine große Pfanne voll Waſſer, durch welches feine Kleidung vollſtaͤn— dig durchnaͤßt ward, was unſtreitig ein ſehr guͤnſtiger Um: ſtand war. Dieß geſchah um halb acht Uhr M., und erſt 20 Minuten nach eilf Uhr oder ungefaͤhr vier Stunden, nach— dem er die Blauſaͤure verſchluckt, ſtellten ſich Zeichen von Lebensthaͤtigkeit wieder ein. Um dieſe Zeit beſuchte ihn Hr. Currie, mein Gehuͤlfe, und nachdem ſich dieſer von der Natur des Falles uͤberzeugt hatte, wandte er Begießungen mit kaltem Waſſer, ſowie Ammonium, an und brachte den Patienten bald wieder in's Leben zuruͤck. Als dieſer wieder zu ſich gekommen war, erbrach er ſich, allein an dem Aus: gebrochenen ließ ſich kein Geruch von Blauſaͤure wahrneh— men. Am folgenden Tage litt er an den Nachwehen der heißen Backſteine und Waͤrmflaſchen, mit denen man ihn im bewußtloſen Zuſtande und ehe Hr. Currie ihn ſah, allzuſtark zugeſetzt hatte; uͤbrigens war er wieder geſund. Man hielt die in dieſem Falle verſchluckte Blauſaͤure anfangs fuͤr Scheeleſche. Durch die Analyſe uͤberzeugte man ſich jedoch, daß in 50 Tropfen nur 5 Gran wohlge— waſchenen und getrockneten Silber-Cyanids oder 1 Gran waſſerfreier Blauſaͤure enthalten war. Der Patient hatte alſo 55 Gran waſſerfreier Blauſaͤure genommen, und dieſe Doſis iſt daher nicht abſolut toͤdtlich. Uebrigens war der Patient ein kraͤftiger Mann, und er wäre beinahe um's Le⸗ ben gekommen, da er ſtundenlang bewußtlos blieb. In den Faͤllen, wo eine Vergiftung mit Blauſaͤure ſtattgefunden, 29 hat man, wo möglich, ſtets die Staͤrke des Giftes zu unter: ſuchen; denn hier war angeblich Scheeleſche Blauſaͤure ges nommen worden, da ſich doch bei naͤherer Unterſuchung fand, daß die Saͤure nicht ſtaͤrker war, als die gewoͤhnliche der Pharmacopoͤe. Auch erſieht man aus dieſem Beiſpiele, daß das Individuum, welches eine fo bedeutende Doſis Blau: fäure verſchluckt hat, noch eine Strecke weit gehen kann, und daß nach vier Stunden die Contenta des Magens nicht mehr nach Blauſaͤure rochen. Dieſer Fall iſt daher in mehrfacher Beziehung intereſſant. Wir laſſen noch zwei andere Beobachtungen folgen, um den Nutzen der kalten Begießung weiter darzuthun. Die eine wird von Hrn. Harthill erzaͤhlt. Der— ſelbe ward um 9 Uhr Abends am 15. Januar 1845 zu einem 23 Jahre alten Soldaten gerufen, welcher Gift ge— nommen hatte Er fand den Patienten bewußtlos und in Convulſionen. Der Mund ward gewaltſam geöffnet und ein Brechmittel von Senf und ſchwefelſaurem Zink einge— bracht. Bald darauf langte Hr. Law mit einer Magens pumpe an, deren man ſich bediente, um Einſpritzungen in den Magen zu machen, da ſich die Roͤhre nicht tief genug einführen ließ, um die Fluͤſſigkeit auszupumpen. Das Ruͤck⸗ grat wurde mit kaltem Waſſer begoſſen und Terpenthincly— ſtire geſetzt. Das kalte Waſſer aͤußerte ſeine Wirkung ſo— gleich, indem das Gefuͤhl und das Bewußtſeyn zuruͤckkehr— ten. Kraͤftige Reizmittel, Branntwein und Ammonium, wurden verordnet, Senfpflaſter an die Schenkel gelegt, und nach etwa vier Stunden 8 Tropfen (minims) Opiumtin: ctur gereicht. Am folgenden Tage hatte ſich der Patient bedeutend erholt, und ſeitdem iſt er in's Hauptquartier ab— gegangen. Man fand bei ihm ein Unzenglaͤschen, welches ſtark nach Blauſaͤure roch; aber es ließ ſich nicht ermitteln, wo er ſich das Gift verſchafft, oder wieviel er davon genom— men hatte. Nachſtehender Fall wurde zuerſt im Edinburgh Med. & Surgical Journal, Vol. XLVIH, p. 44, von Hrn. Banks zu Louth erzähle. Ein 19jähriges dyspeptiſches Mädchen ſollte Blauſaͤure einnehmen, von der fie 50 Tro— pfen in einem 1% Unzenglaͤschen erhielt, um davon jedesmal einen Theeloͤffel voll in Kamillenthee zu nehmen. Sie nahm aber unbeſonnener Weiſe etwa drei Viertel der gan— zen Quantitaͤt (alſo 30 Tropfen Blauſaͤure) auf einmal. Gleich darauf ſchrie fie: Brod, Brod! erhob ſich convulſi— viſch vom Stuhle, und als ihr die Mutter zu Huͤlfe eilte, fand ſie ihre Tochter ſchon bewußtlos, mit feſtgeſchloſſenen Kiefern und ſtarren Augen. Nach fuͤnf Minuten waren ſchon zwei Aerzte bei der Hand; allein es konnten der Pa— tientin keine Reizmittel eingegeben werden, weil ſie unfaͤhig war, zu ſchlingen. Das convulſiviſche Stadium war bereits vorüber. Das Mädchen lag auf dem Fußboden, bewußtlos, mit ſchlaffen Extremitaͤten und ſtieren, glaͤnzenden Augen. Pupillen erweitert und durchaus unempfindlich; Athem lang— ſam und ſchwach, Puls kaum fuͤhlbar; Haut mit kaltem, klebrigem Schweiße bedeckt. Obwohl nun mittelſt der Ma— genpumpe Reizmittel eingefuͤhrt wurden, zeigte ſich in den Symptomen keine Beſſerung. Kalte Begießungen wurden 750. XXXV. 2. 30 angewandt, indem man Waſſer aus einem großen Kruge und von einer gewiſſen Hoͤhe herab auf den Kopf fallen ließ. Eine Minute ſpaͤter fing die Patientin an, ſich zu bewegen, bekam Convulſionen und ſtoͤhnte jaͤmmerlich. Die Reſpiration war kraͤftiger, der Puls voller. Die Begießung wurde fortgeſetzt, worauf ſie einen Angſtſchrei ausſtieß, die Extremitaͤten ſtreckte und ein unwillkuͤhrlicher Stuhl erfolgte. Puls und Reſpiration wurden immer guͤnſtiger, und das Bewußtſeyn ſchien zuruͤckkehren zu wollen. Man brachte ſie in ein gewaͤrmtes Bett; es erfolgte eine Reaction, und bins nen wenigen Stunden war ſie voͤllig bei Sinnen, ohne ſich jedoch deſſen, was mit ihr vorgegangen, im Geringſten zu erinnern. Ein Paar Tage lang fuͤhlte ſie ſich noch unwohl und klagte uͤber Schwere, Schmerz und Hitze im Kopfe, ſowie Magenbeſchwerden, welche Symptome jedoch bald ge— hoben wurden. Dieſe Patientin wuͤrde wohl ohne kalte Begießungen nicht zu retten geweſen ſeyn. Aderlaͤſſe koͤnnen unter dieſen Umſtaͤnden, wo die Thaͤtigkeit des Herzens bereits ſo ſehr herabgeſtimmt iſt, nur unguͤnſtig wirken. Leider erfahren wir nicht, wieviel waſſerfreie Blauſaͤure in den 30 Tro⸗ pfen, welche verſchluckt wurden, enthalten war. Wir er fahren nur, daß die Blauſaͤure von Garden in der Ox— ford⸗Straße geliefert worden ſey Dr. Chriſtiſon ſagt zwar, es ſey in dieſem Falle faſt ein Gran waſſerfreie Blauſaͤure genommen worden, allein, wie dieſe Quantität ermittelt worden ſey, wird nicht angegeben. Auch in Schmidt's Jahrbuͤchern wird vom Dr. Hayn ein Fall erzaͤhlt, in welchem ein hypochondriſcher Mann von mittleren Jahren 13 Unzen Kirſchlorbeerwaſſer verſchluckte. Erſt nach drei Stunden ſtellte ſich Lähmung der Haͤnde und Fuͤße ein, und der Kranke konnte den Kopf nicht aufrecht halten. Faeces und Harn gingen unwillkuͤhr— lich ab. Die Extremitaͤten waren unbewegbar und kalt, aber nicht gefühllos. Puls klein, Stimme heiſer, aber deutlich vernehmbar. Der Patient war bei vollem Be: wußtſeyn. Er freute ſich darüber, daß er immer ſchwaͤcher wurde, und trotz der angewandten Gegenmittel ſtarb er ge— gen Abend ruhig. Bei der Section fand ſich das Blut auffallend ſchwarz und ſchmierig, allein ein Geruch nach Blaufäure war daran nicht zu bemerken. (London med. Gazette, May 1845.) Ueber das Legen von Fontanellen. Von Dr. T. G. Geogbegan, Prof. der medicina forensis am Koͤn. Collegium der Wundaͤrzte in Ireland. Da das Oberhaͤutchen der Einwirkung des geſchmolzenen Kali (potassa fusa), wenn daſſelbe als escharoticum angewandt wird, einen gewiſſen Widerſtand entgegenſtellt, fo bin ich darauf vers fallen, das bei'm Legen von Fontanellen uͤbliche Verfahren in einer Art zu modificiren, welche gewiſſe Vortheile für die Praxis ver⸗ ſpricht. Ob mein Verfahren durchaus neu iſt, kann ich nicht wiſ⸗ ſen; allein jedenfalls hat es, inſofern es nicht das gewöhnliche iſt, Anſpruch auf fernere Prüfung. Beobachtet man die bei'm Legen von Fontanellen in der Haut vorgehenden Veraͤnderungen genau, 31 fo wird man bemerken, daß das Oberhaͤutchen ſich an iſolirten kreisrunden Stellen abloͤſ't, die bei fortdauernder Reibung zuſammenfließen, und daß folglich das Aetzmittel nacheinander mit einer Anzahl von kleinen Stellen der Lederhaut in Beruͤh— rung kommt. Dieſer letztere Umſtand, ſowie die heftige Reizung der Oberflaͤche der Lederhaut an denjenigen Stellen, wo das Aetz⸗ mittel nur von der Epidermis aufgeſogen worden, aber bis da— hin nur unvollkommen durchgedrungen iſt, macht die Operation weit ſchmerzhafter, als ſie es zur Erreichung des Zweckes zu ſeyn braucht. Bei Betrachtung obiger Umſtaͤnde und der Art, wie das Kali die Vitalitaͤt der Haut vernichtet, indem es naͤmlich das darin enthaltene Waſſer gierig an ſich zieht, fuͤhlte ich mich veranlaßt, die Lederhaut erſt durch ein Blaſenpflaſter bloßzulegen und dann das Kali unmittelbar mit deren Oberflaͤche in Beruͤhrung zu brin— gen. Dieſe Methode hat ſich mir in mehreren Faͤllen, in denen ich dieſelbe anwandte, als weit bequemer und milder gezeigt, als die gewoͤhnliche. Das Blaſenpflaſter muß genau von derſelben Groͤße ſeyn, wie das zu legende Fontanell, und nachdem jenes ſo lange, wie gewöhnlich, gelegen, befeitigt man das Oberhaͤutchen vor— ſichtig, aber vollſtaͤndig und läßt die Feuchtigkeit von einem Schar⸗ piebaͤuſchchen aufſaugen, ohne daß man dabei die Oberflaͤche der Haut völlig trocken macht. Man führt dann das Kaliſtaͤb⸗ chen einmal leicht uͤber die ganze Oberflaͤche, ohne im Geringſten zu frottiren. Die Operation iſt dann beendigt, und man hat nur nach Verlauf von etwa einer halben Minute das uͤberfluͤſſige Kali zu beſeitigen, indem man mit Scharpie darauf drückt, was ſich jedoch nicht noͤthig machen wird, wenn man bei der Anwendung des Kali mit der gehoͤrigen Sorgfalt verfahren iſt. Das Aetzmittel wirkt alsdann auf einmal nach der ganzen Tiefe der Subſtanz auf dieſe ein, und der Schmerz, welcher einige Se— cunden lang heftig brennend iſt, laͤßt ſchnell nach und verſchwindet in den meiſten Fällen binnen 1 — 2 Stunde durchaus. Durch das eben beſchriebene Verfahren wird dem Kranken viel Schmerz und die Beſorgniß bei'm Einreiben des Aetzmittels erſpart, und er braucht nicht einmal zu erfahren, wovon es ſich handelt, ſondern man kann ihn bei dem Glauben laſſen, als ob die leidende Stelle nur ſtark gereizt werden ſolle. Uebrigens laͤuft man auch nicht, wie bei dem gewoͤhnlichen Verfahren, Gefahr, die Haut an einer weit groͤßeren Stelle zu zerſtoͤren, als man beabſichtigt, und ich glaube daher, daß die hier beſchriebene Methode im Allgemeinen den Vorzug verdiene. (London medical Gazette, May 1845.) ieee lle n. Eine neue Art von Bruch des humerus. Dr. Hou⸗ ſton legte der pathologiſchen Geſellſchaft von Dublin einige Praͤpa— rate uͤber eine beſondere Verletzung des humerus vor, welche, ſeiner Angabe nach, fruͤher in Anſehung ihres eigentlichen Weſens ver— kannt und erſt von Hrn. Smith richtig ausgelegt worden waͤre, nämlich diejenige Verletzung des anatomiſchen Halſes des humerus, 750. XXXV. 2. 32 die man den ineinandergeſchobenen Bruch nennen koͤnne. Er zeigte drei Praͤparate vor. Die Beobachtung dieſes Leidens erhaͤlt zumal dadurch viel Intereſſe, daß es mit einem anderen Aehnlichkeit hat, welches zuerſt von Dr. Colles, ebenfalls in Dublin, beobachtet wurde, naͤmlich den ineinandergeſchobenen Bruch des Schenkel— beinhalſes. Sir Aſtley Cooper hatte in einem, in den Guy’s Hospital Reports abgedruckten Aufſatze über die Brühe des Hal⸗ ſes des humerus dieſes Leiden beſchrieben und ſelbſt abbilden laſſen, ohne jedoch der merkwürdigen Zuſammenſchiebung der Knochenfrag⸗ mente zu gedenken. Eine von Dr. Houſton vorgebrachte Bemer— kung von practiſcher Wichtigkeit war, daß in allen von ihm beob- achteten Fällen die Fragmente durch Knochenſubſtanz feſt miteinans der vereinigt worden waren und nur eine ſehr geringe Deformität vorhanden war. Ruͤckſichtlich der Diagnoſe dieſer Verletzung ber merkt Sir A. Cooper in dem eben erwähnten Aufſatze, das uns tere Fragment verſchiebe ſich nach Vorn, ſo daß es ſich unter dem musculus pectoralis fühlen und druͤcken laſſe, und dieſen Umftand betrachtet er als eines der characteriſtiſchſten Symptome dieſes Leidens. Dr. Houſton zeigte, daß in ſeinen Faͤllen, ſowie in den von Sir A. Cooper und Herrn Smith veröffentlichten Abbil⸗ dungen, wo der Bruch den anatomiſchen Hals des humerus dicht an den Gelenkoberflaͤchen betroffen hatte, die Verſchiebung des uns teren Fragments eher nach Außen, als nach Innen gerichtet, und die Zuſammenſchiebung von der Art war, daß der innere Rand des Schaftes mitten in den ſchwammigen Theil des Kopfes hineinge— trieben war, eine Lage, welche die Knochen offenbar in dem naͤmli— chen Augenblicke, wo der Bruch ſtattfand, angenommen und beibe— halten hatten, und welche es phyſiſch unmoͤglich machte, daß das untere Fragment ſich unter dem musculus pectoralis fuͤhlen ließ, was doch, nach Sir A. Cooper's Angabe, der Fall geweſen ſeyn ſollte. In allen Faͤllen dieſer Art von Knochenbruch, welche dem Dr. Houſton bekannt geworden ſind, ſprang der an der verletzten Stelle, naͤmlich an der großen tuberositas, befindliche Winkel nach Außen vor; und er wies nach, daß dieß ſehr mit derjenigen De= formitaͤt contraſtire, welche in einem Falle ſtattfand, wo der Bruch den chirurgiſchen Hals des humerus betroffen hatte, oder dicht unter den Tuberoſitaͤten vorgekommen war, indem in dieſem Falle das untere Fragment an der inneren Seite des oberen uͤber dieſes hinausragte, und zwar in einer ſolchen Weiſe, daß man es im friſchen Zuſtande leicht hätte fühlen und in der Richtung der Achſelgrube und der mm. pectorales ſchieben koͤnnen. (Dublin Hospital Gazette, April 1. 1845. London medical Gazette, May 1845). Die Heilquellen von Aqua santa (bei Ascoli im alten Piſenum), dem Grafen Piccolomini gehoͤrig, duͤrften in kur— zer Zeit mit Lucca concurriren. Die chemiſche Analyſe ergab, „daß die in wunderbar durch Kalk- und Alaunkryſtalliſationen gebildeten Grotten entſpringenden Waſſer bei einer beſtaͤndigen Temperatur von 27 — 23° R. aus der Erde kommen und vorzüglich Schwe⸗ fel, Eiſen, Jod und Silex, doch ohne alle Gasausduͤnſtung, mit ſich fuͤhren. Bibliographische A Treatise on the forces which produce the organisation of Plants, By J. W. Draper, D. M. Newyork 1845. 8. Traité el&mentaire de Paléontologie ou Histoire universelle des animaux fossiles consideres dans leur rapports zoologiques ir e Par F. L. Pictet etc, Vol. I. Geneve 845. a Neuigkeiten. Traité complet des bains considérés sous le rapport de hy- giene, ou le nouveau guide des baigneurs, contenant etc. Par Corbel-Lageau, Paris 1845. 8. Observations on alterations of the Heart. By Dr. Alison. don 1845. 12. Lon- Neue Notizen aus deem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 151. (Nr. 3. des XXXV. Bandes.) Juli 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3¾ 995. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 ½ 30 M, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 897. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. F RE Dr Beſchreibung des Thyone fusus und der Cuvieria spuamata, Von J. Koren. (Hierzu bie Figg. 1 bis 16 auf der mit Nr. 749. [Nr. f. d. B.] aus gegebenen Tafel.) (Schluß.) Auch die Dicke der Schuppen iſt verſchieden: die dick— ſten find die fünf, welche an der Spitze der größten Erhö- hung liegen; die am Rande ſind die duͤnnſten. Ferner ſind die einzelnen Schuppen dicker in der Mitte und nehmen ge— gen den Rand hin ab. Die Farbe der Schuppen iſt weiß. Die lichtbraune und zuweilen rothbraune Farbe, welche der Ruͤcken hat, ruͤhrt von einer außerordentlich feinen Haut her, mit welcher die Schuppen uͤberkleidet ſind; zuweilen fehlt dieſe Haut, und dann kommt die weiße Farbe der Schup— pen zum Vorſcheine. Der Bauch iſt eben und glatt, weiß von Farbe und hat vollkommene Aehnlichkeit mit den Fuͤ⸗ ßen eines Gaſteropoden; derſelbe unterſcheidet ſich deutlich vom Ruͤcken durch einen ziemlich ſcharfen wellenfoͤrmigen Rand, der von der unterſten Ruͤckenſchuppe gebildet wird, deren innere Flaͤche mit einer Menge Furchen verſehen iſt, die eine Laͤnge von 2 — 8 Linien und eine Breite von ? Li— nie haben; hierin liegen die Fuͤße. Dieſe find im ausgeſtreck— ten Zuſtande 2 — 3 Linien lang, dagegen eingezogen ha— ben ſie Aehnlichkeit mit kleinen Saugwarzen; ſie umgeben den Rand der Bauchflaͤche, ſtehen nicht in irgend einer be— ſtimmten Ordnung, durchbohren die Bauchhaut und befeſti— gen ſich mit dem einen Ende an die Seitengefaͤße, mit welchen ſie durch Oeffnungen in Verbindung ſtehen; mit dem an— deren Ende, welches frei und mit einer kleinen Scheibe ver— ſehen iſt, die in der Mitte eine napffoͤrmige Vertiefung hat, heftet ſich das Thier feſt an Steine. Außer dieſen Rand— fuͤßen trifft man noch zwei oder drei Reihen Fuͤße an, die Aehnlichkeit mit kleinen Saugwarzen haben und aus dem oberſten und unterſten Ende des Bauches entſpringen; dieſe ſteigen gegen die Mitte der Bauchflaͤche nieder, naͤhern ſich einander, ohne ſich jedoch zu vereinigen, fo daß ſtets in der Mitte des Bauches bei allen Exemplaren, die ich zu unter— No. 1851. — 751. ſuchen Gelegenheit gehabt habe, die Fuͤße gefehlt haben. Dieſe Fuͤße heften ſich an das Bauchgefaͤß. Mit Huͤlfe al— ler dieſer Fuͤße befeſtigt ſich das Thier ſo feſt an Steine, daß man oft eine Meſſerklinge unter das Thier bringen muß, um es von denſelben abzuloͤſen. Bringt man das Thier in ein Gefäß mit Seewaſſer, ſo liegt es oft in demſelben mehrere Tage, ohne ein ande— res Lebenszeichen zu verrathen, als daß es die zwei coni— ſchen Erhoͤhungen hebt und ſenkt und den Rand gegen die Bauchflaͤche einbiegt, wodurch ſowohl der transverſale, als auch der longitudinale Durchmeſſer des Thieres bedeutend vermindert wird; nicht ſelten ſtirbt es in dieſer Stellung, ohne daß man Gelegenheit gehabt hat, den Mundapparat zu ſehen. Nur ſehr ſelten bin ich ſo gluͤcklich geweſen, den Mundapparat ausgeſtreckt zu ſehen. Wenn das Thier den- ſelben ausſtrecken will, wird die groͤßte coniſche Erhoͤhung bedeutend emporgehoben, die 5 Schuppen, welche die Spitze des Kegels bilden, entfernen ſich voneinander, und die Ten— takeln kommen nun erſt zum Vorſchein, alsdann der ganze Mundapparat. Derſelbe iſt cylindriſch, ungefaͤhr den dritten Theil ſo lang, als der Koͤrper des Thieres, breiter nach Oben und ſchmaͤler unten gegen die Spitzen der Erhoͤhun— gen hin. In der Mitte des Mundapparates findet ſich eine runde Mundoͤffnung, welche mit einer contractilen Haut umgeben und am Rande mit 10 Tentakeln verſehen iſt. Die Tentakeln ſind cylindriſch, dick, hohl, ſehr verzweigt, haben im ausgeſtreckten Zuſtande ziemlich die Laͤnge des Koͤrpers, eine fleiſchrothe Farbe, ſind mit einer Menge brauner Puncte beſetzt, und zwiſchen jedem Tentakel findet man einen dunkelbraunen Fleck. Es ſteht in der Willkuͤhr des Thieres, die Tentakeln nach allen Richtungen zu bewe— gen; werden dieſelben irritirt, ſo verkuͤrzen ſie ſich bedeutend, und nicht ſelten zieht ſich der ganze Mundapparat in den Koͤrper hinein, erſt nachdem einige Zeit verlaufen iſt, ſtreckt er ſich wieder aus. Die Haut iſt von einer faferigen Structur, viel duͤn— ner, als bei den übrigen Holothurien, auf dem Ruͤcken be: 3 35 deckt mit den erwähnten Schuppen, am Bauche dagegen nackt und weiß von Farbe, ausgenommen am Mundappa⸗ rate, wo ſie roͤthlich iſt. Unter der Haut liegen die Queer⸗ muskeln; ſie bilden eine duͤnne Schicht und uͤberkleiden die ganze innere Flaͤche der Haut; die mittelſten Faſern laufen transverſal, aber, nachdem fie ſich den zwei coniſchen Oeff— nuͤngen genaͤhert haben, nehmen ſie eine ſchraͤge Richtung aufwaͤrts nach der großen und niederwaͤrts nach der kleinen Erhöhung*), und in den Hoͤhlungen dieſer Erhöhungen ver: folgen ſie einen kreisrunden Weg. Mittelſt dieſer Muskeln kann der transverſale Durchmeſſer des Thieres bedeutend vermindert werden, indem es beide Seitenraͤnder einander zu naͤhern vermag. Die Bauchhaut iſt eine feine, durchſichtige, contractile Membran, welche ſowohl die Queermuskeln, als auch die uͤbrigen inneren Organe uͤberkleidet; ſie iſt lichtbraun von Farbe, und unter dem Mikroskope betrachtet, erſcheint ihre Structur koͤrnig und ohne die geringſte Spur von Faſern. Die Mundoͤffnung iſt rund, umgeben mit einer con— tractilen Haut und fuͤhrt hinab in die Speiſeroͤhre, welche durch den kalkigen Ring hinab in den Magen laͤuft. Der Magen iſt nicht ſehr verſchieden von dem Darm; auf der innern Flaͤche iſt er, gleich der Speiſeroͤhre, ſtark gefaltet und mit einem kreisfoͤrmigen Pylorus verſehen. Der Darmcanal iſt drei Mal ſo lang, als des Thie— res Koͤrper; derſelbe ſteigt nieder an des Ruͤckens innerer Flaͤche, an welcher er durch das Meſenterium befeſtigt iſt, dann ein Wenig nach Rechts gerade herab in den Kloak; alsdann macht er einen Bogen auf die linke Seite (in die— ſem Bogen liegt oft ein Theil des linken Reſpirationszwei— ges), ſteigt an derſelben empor, folgt dem Rande der Bauch— fläche, wendet ſich dann wieder rechts, folgt auch hier dem Rande derſelben und oͤffnet ſich, indem er auf dieſem Wege bedeutend ſchwaͤcher wird, in den Kloak. Die beiden letzten Biegungen ſind durch ein Meſenterium an den Bauch ge— heftet. Der Darmcanal iſt ſehr duͤnn von Structur, ver— ſehen mit feinen Laͤngs- und Queerfaſern, auch an der in— nern Flaͤche ſtark gefaltet. Ich habe ihn angefuͤllt gefunden mit einer Menge Schleim, worunter Sand und Conchylien— fragmente waren. Der Kloak iſt gewoͤhnlicherweiſe rund, zuweilen naͤhert ſeine Form ſich der ovalen; derſelbe liegt in der Höhlung, welche gebildet wird von der hinterften Schup— penerhoͤhung, und iſt auf's Genaueſte verbunden mit den kreisfoͤrmigen Faſern in den Erhoͤhungen, auch außerdem mittelſt anderer ſtarken Faſern ſowohl mit den Queermus— keln des Ruͤckens, als mit denjenigen des Bauches; derſelbe iſt verſehen mit einem runden After, der mit Huͤlfe einer kreisfoͤrmigen Falte verfchloffen und geöffnet werden kann. Die Gefäße des Darmcanals und deren weitere Ver— zweigung bin ich jedoch nicht im Stande geweſen, bei der Cuvieria squamata zu verfolgen. ) Es muß hier bemerkt werden, daß in der Zeichnung auf Taf. III. Figur 2. ein Fehler untergelaufen iſt, in Folge deſſen dieſelbe der Beſchreibung in dieſem Puncte nicht entſpricht. 751. XXXV. 3. 36 Das Reſpirationsorgan entſpringt aus dem oberſten Ende des Kloaks mit einem Hauptſtamme; die Laͤnge deſ⸗ ſelben varüürt bei den verſchiedenen Individuen: bei einigen habe ich es übermäßig kurz, bei anderen dagegen länger ges funden. Es theilt ſich hierauf in zwei ziemlich dicke Haupt⸗ zweige, und dieſe theilen ſich wiederum in mehrere kleine Zweige, die in ovale Blaſen endigen. Der rechte Zweig, welcher der laͤngſte iſt, hat mit dem Koͤrper des Thieres ziemlich gleiche Laͤnge, auch iſt er auf's Genauſte durch Fa⸗ fern mit den Queermuskeln des Ruͤckens verbunden, wenn man den oberſten Theil ausnimmt, der beſtaͤndig frei iſt. Der linke Zweig iſt bloß halb ſo lang, als der rechte und durch einzelne ziemlich lange Faſern ſowohl mit den Queer⸗ muskeln des Ruͤckens, als mit denen des Bauches verbun⸗ den. Die Farbe des Reſpirations organes iſt am Haͤufigſten hochroth; zuweilen iſt der tiefſte Theil hochroth und der oberſte ſchwach gelb mit dunkelrothen Puncten verſehen. Es hat dieſelben Hautſchichten, wie die uͤbrigen Holothurien. Die Blaſe liegt auf der linken Seite des Magens, iſt ſehr groß, rund von Geſtalt, nimmt einen bedeutenden Theil der Bauchhoͤhle ein, enthaͤlt eine weiße Fluͤſſigkeit, in welcher braune Kugeln ſchwimmen, und iſt verſehen mit Laͤngs- und Querfaſern; nach Oben enden dieſelben in einen kreis— foͤrmigen Canal, welcher den Magen umgiebt. Aus dieſem Canale wird die Fluͤſſigkeit in fuͤnf Canaͤle uͤbergefuͤhrt, von denen drei unter und zwei uͤber dem Magen liegen; dieſe münden wieder in einen kreisfoͤrmigen Canal ein, der inner⸗ halb des kalkigen Ringes liegt, welcher die Mundoͤffnung umgiebt. Aus dieſem Canale entſpringen Gefaͤße, welche die Fluͤſſigkeit in die hohlen Tentakeln fuͤhren; außerdem entſpringen auch aus dieſem Canale fuͤnf andere Gefaͤße, naͤmlich zwei Ruͤcken-, zwei Seiten- und ein Bauchgefaͤß; dieſe kommen dicht an den Anheftungspuncten der fuͤnf Laͤn— genmuskeln zum Vorſchein. Die zwei Ruͤckengefaͤße, welche ziemlich breit ſind, ſtei— gen am Ruͤcken nieder und find auf das Genaueſte an den Queermuskeln befeſtigt; ſie naͤhern ſich einander, je weiter fie gegen den Kloak hinkommen, werden da kleiner und en= den am After. Die beiden Seitengefaͤße ſteigen eins an der rechten und eins an der linken Seite des Mundapparates nieder, folgen dem Rande der Bauchflaͤche und ſind auf's Genaueſte an den Queermuskeln des Ruͤckens befeſtigt; ſie enden, indem beide Gefaͤße ſich einander naͤhern, am After. Von dem breiteren Theile laufen aponeurotiſche Faſern von einem Gefaͤße an das andere. Dieſe zwei Seitengefaͤße ſte⸗ hen durch Oeffnungen mit den hohlen cylindriſchen Füßen in Verbindung, ſo daß die Fluͤſſigkeit aus den Gefaͤßen in die Fuͤße gefuͤhrt und dieſe dadurch ausgeſpannt werden koͤnnen. Das Bauchgefaͤß läuft niederwaͤrts an die Bauch): flaͤche des Mundapparates, von hier nieder an den Bauch, verfolgt die Mitte deſſelben, iſt auf's Genaueſte an den Queermuskeln des Bauchs befeſtigt und endet am After. Der kalkige Ring liegt unter der Haut und den Muskeln des Mundapparates, bedeckt den kreisfoͤrmigen Canal, wel cher die Mundoͤffnung umgiebt und beſteht aus zehn Stuͤk— ken, — fuͤnf großen und fuͤnf viel kleineren, — welche 57 durch eine feine Haut verbunden find; dieſelben wechſeln miteinander ab, nach Oben zu mit den großen in zwei zahn⸗ foͤrmigen Spitzen, die kleineren bloß mit einer Spitze; nach Niederwaͤrts ſind alle Stuͤcke in der Mitte eingeſchnitten. Durch chemiſche Unterſuchung hat man gefunden, daß der Ring ſowohl, als die kalkigen den Ruͤcken bedeckenden Schuppen aus kohlenſaurem Kalke beſtehen. Die Tentakeln find an dem kalkigen Ringe befeſtigt und mit Haut überflei= det; darunter liegt eine Muskelſchicht aus Queer- und Laͤngsfaſern und darunter eine innere Haut. Die Längen: muskeln liegen unter der Haut und den Queermuskeln und find fünf an der Zahl, nämlich zwei Nüden-, zwei Seiten» und ein Bauchmuskel, die alle aus den Spitzen der fuͤnf großen Stuͤcke des kalkigen Ringes entſpringen. Die zwei Ruͤckenmuskeln ſteigen nieder an die Ruͤcken⸗ flaͤche des Mundapparates, dann an die innere Flaͤche der Queermuskeln des Ruͤckens und heften ſich da, jeder beſon— ders, an den unterſten dritten Theil ſeines Ruͤckengefaͤßes. Die zwei Seitenmuskeln ſteigen an den Seiten des Munds apparates und Ruͤckens nieder und befeſtigen ſich, jeder be— ſonders, an ſeinem Seitengefaͤße, etwas unten vor dem ober— ſten dritten Theile deſſelben. Der Bauchmuskel ſteigt nie⸗ der an die Bauchflaͤche des Mundapparates, ſetzt ſich von hier weiter am Bauche fort und befeſtigt ſich am oberſten dritten Theile des Bauchgefaͤßes. Mit Huͤlfe dieſer Muskeln kann das Thier den Mundapparat aus dem Koͤrper ausſtrek— ken und wieder in denſelben zuruͤckziehen; zugleich dienen dieſe Muskeln, den Mundapparat ſowohl empor, als nieder und auch zu beiden Seiten zu bewegen. Wenn der Mund— apparat ausgeſtreckt iſt, gleichen die Laͤngenmuskeln ſchma— len weißen Baͤndern; wenn derſelbe dagegen in den Koͤrper eingezogen iſt, ſind ſie in der Mitte dick, von einer ſtarken musculöfen Structur und gegen die Anheftungspuncte hin aponeurotiſch. Dieſe Muskeln ſind alſo mit dem einen En— de an dem kalkigen Ring und mit dem andern Ende an den Gefaͤßen ſelbſt befeſtigt; uͤbrigens ſind ſie frei und nicht, wie bei den übrigen Holothurien, an den Queermuskeln be: feſtigt. Der Zeugungsaparat liegt uͤber dem Magen, wenn das Thier den Mundapparat ausgeſtreckt hat; iſt letzterer da— gegen in den Koͤrper hineingezogen, ſo liegt jener mehr rechts unter den Seitenmuskeln. Er beſteht aus einer Menge einzelner Roͤhren, die nach Unten geſchloſſen ſind; nach Oben dagegen öffnen alle ſich in einen gemeinſchaftli— chen sinus, aus welchem ein Ausfuͤhrungsgang entſpringt, der zwiſchen den Lamellen des Meſenteriums des Magens liegt und am Mundapparat emporſteigt; er muͤndet zwiſchen den zwei Ruͤckententakeln in eine kleine cylindriſche Vorra⸗ gung aus. Bei'm Weibchen ſind die einzelnen Roͤhren an— gefüllt mit einer Menge runder, zuweilen eckiger, violett gefaͤrbter Eier, die mit Keimblaſe und Keimpunct verſehen ſind. Bei'm Maͤnnchen ſind die einzelnen Roͤhren oft viel länger, als beim Weibchen und angefuͤllt mit einer weißen Saamenfluͤſſigkeit, in welcher ſich mit großer Haſtigkeit eine Menge runder Kugeln mit einem undeutlichen Schwanze 751. XXXV. 3. 38 (Saamenthierchen) bewegen. Nerven bin ich nicht fo gluͤck— lich geweſen, mit Sicherheit nachweiſen zu koͤnnen. Ich habe noch ganz deutlich einige feine Zweige von der Speiſe⸗ roͤhre hin nach den Tentakeln laufen ſehen, war aber nicht im Stande, ſie weiter verfolgen zu koͤnnen. Dieſe Holothurie wird ziemlich ſelten in der Bai von Bergen in bedeutender Tiefe gefunden. Erklaͤrung der Figuren. (Hierzu Figuren 1. bis 16. auf der mit Nummer 1. ausgegebenen Tafel.) Figur 1. — Thyone fusus in natürlicher Größe. a Körper mit Füßen. 5 Mundapparat. e Ausmündung des Zeugungsorganes. d After. Figur 2. Thyone fusus, aufgeſchnitten und die Theile auseinan⸗ der gelegt. a der Mundapparat mit feinen Theilen. 5 die Tentakeln. o die zuruͤckgezogene Haut. d fünf Paar Laͤngenmuskeln. e die fuͤnf langen Stuͤcke des Mundſtuͤckes. F die fünf kurzen Stuͤcke des Mundſtuͤckes. g die Kat welche jedes der geſpaltenen Stüde zu Canälen vereinigt. h der kreisfoͤrmige Canal, welcher den oberſten Theil des Ma⸗ gens umgiebt. © die Blaſe. k die auswendige Fläche der Speiferöhre. U der Magen. m der Darm. n der Kloak. o der After. p Faſern, welche von den Queermuskeln an 4 Stämme für das Reſpirationsorgan. r Hauptzweige deſſelben. s Faſern, welche von den Queermuskeln an das Reſpirationsor⸗ gan laufen. t Laͤngsgefaͤß. u Queermuskeln. v Eierſtocksroͤhren. * Sinus des Eierſtockes Y Ausfuͤhrungsgang des Eierſtockes. 2 Coniſch zugeſpitzte Ausmuͤndung deſſelben. Figur 3. Der aufgeſchnittene Mundapparat bei Thyone fusus, a die Tentakeln. b der Ereisförmige Canal, welcher die Mundoͤffnung umgiebt. e das Mundſtuͤck. d der Mundhöhle oberfter Theil. e die Speiſeroͤhre. F der Magen. g die Pylorusfalte. Fig. 4. Das Mundftüc deſſelben Thieres auseinander gebreitet. a die langen Stuͤcke. 5 die kurzen Stüde, e die Furchen der langen Stuͤcke. d die Bifurcation der langen Stuͤcke. Fig. 5. Das Ei deſſelben Thieres, vergroͤßert. a die aͤußere Haut. b der Dotter c die Keimblaſe. d der Keimpunct. Fig. 6. a, b, c, d, e Kalkſtuͤcke, welche man in der Haut des Körpers theils mit, theils ohne Säulen antrifft, ungefähr 300 Mal vergroͤßert. 3 * den Kloak laufen. 39 Fig. 7. a eine Kalkplatte, wie man fie am Ende der Füße findet, 300 Mal vergrößert. ] 5, c, d, verſchiedene Kalkſtuͤcke, welche an den Füßen queer in der Haut liegen. (200 Mal vergroͤßert.) Fig. 8. a, b, c, verſchiedene Kalkſtuͤcke, die man in der Haut findet, welche das Mundſtuͤck und die Tentakeln uͤberkleidet. (Ge⸗ gen 300 Mal vergroͤßert). Fig. 9. Verzweigte Kalkſtuͤcke, die man zwiſchen der ebener⸗ waͤhnten Fig. 8 findet. (300 Mal vergroͤßert). Fig. 10. Cuvieria squamata, in natürlicher Größe, vom Ruͤk⸗ ken aus geſehen. Der Rand des Koͤrpers iſt einwaͤrts gegen den Bauch gebogen, und der Mundapparat iſt ausgeſtreckt. a der Mundapparat. b Ausmuͤndung des Zeugungsorganes. e die 5 Schuppen, welche den runden After bedecken. Figur 11. (Die Anatomie der Cuvieria squamata.) Die Haut der Bauchflaͤche ſammt den Queermuskeln und der Bauchhaut find aufgeſchnitten, um die inneren Theile in ihrer natuͤrlichen Lage zu eigen. ; cn der durchſchnittenen Theile. b der Mundapparat. e der kalkige Ring. d die große Blaſe. e der kreisfoͤrmige Canal, welcher den Magen umgiebt. F Sanäle, welche aus dem kreisfoͤrmigen Canal entſpringen, der den Magen umgiebt, und welche in den kreisfoͤrmigen Canal ausmuͤnden, der den Mund umgiebt. 8 Bauchgefaͤß. 8 die zwei Seitengefaͤße. h Darm. 1 Kloak. f k Faſern, welche von den Queermuskeln an den Kloak gehen. 1 Hauptzweige des Reſpirationsorganes. m Bauchmuskeln. m! die zwei Seitenmuskeln. n Eierſtock. o Queermuskeln. p Furchen, in welchen die cylindriſchen Fuͤße liegen. Figur 12. Der groͤßte Theil der Haut der Bauchflaͤche zu⸗ gleich mit den Queermuskeln und Bauchhaͤuten, ſammt der Blaſe, dem Darm und dem Eierſtocke, find weggenommen, um das Gefäß: ſyſtem darzulegen. a der zuruͤckgebliebene Theil der Haut der Bauchflaͤche, der Queermuskeln und Bauchhaͤute. b der eingezogene Mundapparat. o der kalkige Ring. d die Stelle, wo die Blaſe abgeſchnitten worden. e der kreisfoͤrmige Canal, der den Magen umgiebt. F Sanäle, welche aus dem kreisfoͤrmigen Canale, der den Ma: gen umgiebt, entſpringen und in den kreisfoͤrmigen Canal, der den Mund umgiebt, ausmuͤnden. g das Bauchgefaͤß. 8“ die zwei Seitengefaͤße, in welche die cylindriſchen Fuͤße auss muͤnden. g“ die zwei Ruͤckengefaͤße. h der abgeſchnittene Darm. 751. XXXV. 3. 40 i der Kloak. k Faſern, welche von den Queermuskeln an den Kloak laufen. 1 Hauptzweige des Reſpirationsorganes. m Bauchmuskeln. m die zwei Seitenmuskeln. m“ die zwei Ruͤckenmuskeln. n die Queermuskeln. o Faſern, welche von den Queermuskeln an das Reſpirationsor⸗ gan laufen. p Faſern, welche von dem einen Seitengefaͤß an das andere lau⸗ en. q Furchen, in welchen die cylindriſchen Füße liegen. Fig 13. Der Eierſtock in natuͤrlicher Größe. a die einzelnen Röhren, woraus der Eierſtock beſteht. b der Sinus des Eierſtockes. c der Ausfuͤhrungsgang des Eierſtockes. Figur 14. Eine Ruͤckenſchuppe, vergroͤßert. a die einzelnen kleinen Schuppen. 5 Kalkknoten, welche man auf den kleinen Schuppen findet. Figur 15. Der kalkige Ring, abgeſchnitten. a die an den Spitzen geſpaltenen Stuͤcke. 5 Die ungeſpaltenen Stuͤcke. Figur 16. Das Ei deſſelben Thieres, vergroͤßert. a aͤußere Haut. b der Dotter. c die Keimblaſe. d der Keimpunct. (Nyt Magazin for Naturvidenfkaberne. Christiania fierde Binds tredie Heide 203—225.) Miscellen. Als eine zuverläffige Methode, das Alter der Fi⸗ ſche zu tariren, bezeichnet Herr Dr, Mekarski Edler von Menk die Unterſuchung der Beſchaffenheit der Schuppen. „Die Schuppengebilde des Fiſchkoͤrpers, genauer und einzelnerweiſe einer Unterſuchung unterworfen, beſtehen aus mehreren übereinander gela= gerten Blaͤttchen oder vielmehr verdichteten Haͤutchen. Alljaͤhrlich ſetzt ſich ein neues Blaͤttchen an. Nimmt man die Schuppe eines al⸗ ten Fiſches und ſchneidet ſie in der Mitte voneinander, ſo kann man von der Seite des Durchſchnitts oder von der Kante, mittels eines guten Vergroͤßerungsglaſes, die Zahl der Blaͤttchen, mithin auch die Zahl der Jahre deutlich unterſcheiden und mit Beſtimmt⸗ heit angeben. Auf dieſe Weiſe bietet ſich von ſelbſt eine ebenſo ein⸗ fache als ſichere Methode dar, die Geburtsregiſter uͤber groͤßere Fiſche, die in Teichen domiciliren oder ihrer Freiheit in offenen Stroͤmen und Waſſern verluſtig geworden ſind, mit numeriſcher Si⸗ cherheit anzufertigen. Ueber den Schmelz- und Gefrierpunct des Queck⸗ ſilbers ſtellte Profeſſor Faraday unlaͤngſt vor der Royal In- stitution Verſuche an. Der erſtere Punct liegt bekanntlich bei — 29 F. Den letztern erreichte der Profeſſor leicht durch eine Miſchung von Aether und Kohlenſaͤure. Er fertigte einen Abdruck von einer Medaille in Queckſilber an, indem er zuerſt das fluͤſſige Metall auf die Medaille goß und hierauf die Gefriermiſchung mit jenem in Beruͤhrung brachte, da denn das Queckſilber bald erſtarrte und einen ſehr vollkommenen Abdruck der Medaille darſtellte. ei k un den, Steine in den Naſenhoͤhlen. Die 35jaͤhrige Burrou, eine großgewachſene Frau von guter Conſtitution, obwohl lymphatiſchen Temperaments, conſultirte vor etwa zwei Monaten Hrn. Blandin wegen einer bedeutenden Erſchwerung der Reſpiration, die von ei— nem in der linken Naſenhoͤhle befindlichen Hinderniß her— ruͤhrte. Seit einiger Zeit war auch ein uͤbelriechender Eiter aus der Naſe gefloſſen. Sie brachte einen Stein von der Größe einer Linſe mit, welchen ihr Herr Barth vor we— nigen Tagen ausgezogen hatte. Die Kranke wurde vom Dr. Blandin in den Saal Saint Paul, No. 26. des Hötel-Dieu, gebracht und dort vier Tage lang behandelt. Waͤhrend der drei erſten Tage zog Herr B. jeden Morgen Steinchen aus, die bald die Groͤße eines Stecknadelkopfes, bald die einer kleinen Linſe darboten. Am dritten Tage 41 ertrahirte er einen von dem Volum einer Bohne und chagrinartiger Oberflaͤche, der unter dem untern Horne (cornet) ſaß. Er durcfägte denſelben und fand, daß def: ſen Kern aus einem Kirſchkern beſtand. Die Totalzahl der 75 9 7 Naſe dieſer Frau genommenen Steine iſt ſehr be— eutend. Analyſe. Schleim. Phosphorſaurer Kalk und Talk. Kohlenſaurer Kalk und Talk. Natriumchloruͤr. Spuren von kohlenſaurem Natron (Bouchardat). Sitz und Kennzeichen dieſer Steine. Die Rhinolithen koͤnnen in ſehr veraͤnderlicher Zahl in den Na: ſenhoͤhlen vorkommen. Zuweilen trifft man einen einzigen, zuweilen ſehr viele; ſie koͤnnen ſich auf der rechten, wie auf der linken Seite, hoch oder tief, entwickeln; indeß ſcheint es mir, als ob fie in'sbeſondere in den untern Theilen der Nas ſenhoͤhlen, dem meatus inferior, entſtaͤnden. Endlich koͤnnen ſie in den Stirnhoͤhlen entſtehen und hierauf herab— ſteigen, wie fie, ſtrenggenommen, auch in dem Marillarfinus auftreten und durch die Naſenhoͤhlen heraufkommen koͤnnten. Lanzoni berichtet, in der That, von Steinen, welche ſich in dem antrum Highmori gebildet hätten. Die Concretio— nen koͤnnen die Naſenhoͤhlen vollſtaͤndig verſtopfen, die Scheide— wand ſogar ſtark auf die Seite ſchieben und theilweiſe zerſtoͤren, ſo daß ſie ſich in beiden Naſenhoͤhlen zugleich befinden. Hier— aus geht hervor, daß deren Volumen ſehr verſchieden iſt. Zu— weilen find fie nicht größer, als eine Linſe, zuweilen fo groß wie ein Taubenei; manchmal iſolirt, manchmal, was We— pfer beobachtet, mit einer Haut umhuͤllt. Seyen ſie groß oder klein, ſo bieten ſie doch ein chagrinartiges Anſehen dar. Ihre Farbe iſt ſchwaͤrzlich, graulich, oder weißlich; ihr Kern beſteht haͤufig aus einem fremden Koͤrper, z. B. dem Kern einer Obſtſorte, oder der Wurzel eines Schneidezahns. Diefe Steine find von Axman, Prout und Bou— chardat analyſirt werden. Ayman hat in ihnen gefunden: Thieriſchen Stoff, Eiweißſtoff, Schleim, Faſerſtoff, Fett, Osmazom 8 2 0 } 0,35 Phosphorſauren Kalk 0 0,8 Kohlenſauren Kalk 0,225 Kohlenſauren Talk 0,125 Spuren von Natron, ſalzſaurem Natron und Eifenoryd. Prout: Schleim. Phosphorſauren Kalk. Herrn Bouchardat's Analyſe haben wir bereits oben mit— getheilt. Wenn man nun die Beſtandtheile der Naſenſteine mit den in denſelben Ocganen ſecernirten und abgeſetzten Pros ducten vergleicht, ſo wird man ſich uͤber das Vorkommen der erſtern nicht zu wundern haben, indem dieſelben gewiſ— ſermaaßen nur eine hoͤhere Potenz der normalen Secretionen ſind. Die Salze, welche man in dieſen Concrementen fin— det, find, wie man ſieht, in'sbeſondere phosphorſaurer Kalk, kohlenſaurer Kalk und kohlenſaurer Talk, und dieſe trifft man ja in faſt allen Steinen an, die ſich in Schleimhoͤhlen ) Ephemer, cur. nat. dec. 3, an 9 and 10, Obs, 143. p. 267. 751. XXXV. 3. 42 bilden. Es hat alſo an ſich nichts Auffallendes, daß in den Naſenhoͤhlen, in welchen haͤufig Schleim in Menge ausgeſondert wird, und in welche die Thraͤnen abziehen, Steine vorkommen, deren Grundlage dieſelben Salze bilden, welche man in den normaleu Secretionen antrifft. Urſachen. Die Urſachen der Naſenſteine find nicht beſſer bekannt, als die der meiſten übrigen Coneremente. Graͤfe glaubte, ſie entwickelten ſich unter dem Einfluſſe einer allgemeinen arthritiſchen oder gichtiſchen Urſache. Oh— ne dieſen Einfluß zu laͤugnen, will ich doch bemerken, daß man ſich auf dieſe Weiſe auf eine ſehr allgemeine Urſache zur Erklärung einer ſehr beſonderen Thatſache berufen wuͤr— de. Unter den uns vorliegenden Beobachtungen befindet ſich nur eine, wo der Grund ſpeciell auf dieſen pathologiſchen Zuſtand bezogen wird, und ſie ruͤhrt von Graefe ſelbſt her. Uebrigens muͤßte ſich, wenn dieſe Urſache die richtige wäre, dieſe Krankheitsanlage auch in andern Secretionen, als in denen der Naſenhoͤhlen und Thraͤnenwege, zeigen. Graefe ſagt, aber kein Wort daruͤber, daß bei ſeinem Patienten die Producte dieſer arthritiſchen oder gichtiſchen Urſache auch an andern Orten, als in der Naſe, vorgekom— men ſeyen. Ich wuͤrde andern Umſtaͤnden mehr Wichtigkeit beilegen, z. B., der chroniſchen Entzündung der Naſenhoͤh— len und der Thraͤnendruͤſe, welche Entzuͤndung die Secretion dieſer Organe modificiren und auf dieſe Weiſe Steine er— zeugen kann Gewiſſe anatomiſche Verhaͤltniſſe duͤrften in Betreff der Erzeugung der hier in Rede ſtehenden Krank— heit eine Rolle ſpielen, z. B., die Engigkeit des meatus inferior, welche die Austreibung der ſecernirten Producte erſchwert. Auch die Anweſenheit fremder Koͤrper darf nicht überfehen werden, da man ja oft im Innern dieſer Steine dergleichen, wie Kirſchkerne, Bernſteinkuͤgelchen, Zahnwur— zeln ꝛc., gefunden hat. Man wird vielleicht ſagen, dieſe fremden Koͤrper haͤtten nur unter der Bedingung Naſen— fteine erzeugen koͤnnen, daß die durch einen conſtitutionalen Einfluß modificirten Secretionen ſelbſt die Beſtandtheile die— ſer krankhaften Producte enthielten, und daß folglich die fremden Koͤrper nur eine Nebenrolle geſpielt haͤtten. Dieß iſt allerdings möglich; allein wie oft iſt nicht der Fall da— geweſen, daß ein fremder Körper, der, z B., in die Blaſe eines ſonſt geſunden Menſchen gelangt iſt, dort alsbald die Erzeugung eines Steines veranlaßt hat. Man wird nicht behaupten, daß ſich in dieſem beſonderen Falle eine allge— meine Urſache mit der rein localen verbunden habe, um einen jener Koͤrper hervorzubringen, von denen hier die Rede iſt. Symptome und Verlauf. Die Anweſenheit eis nes oder mehrerer Steine in den Naſenhoͤhlen kann dem Pa— tienten zuweilen ſo wenig beſchwerlich fallen, daß er ſich kaum daruͤber beklagt; in anderen Faͤllen veranlaſſen dieſe fremden Koͤrper ſo bedeutende Beſchwerden, daß chirurgiſche Huͤlfe nachgeſucht wird. Wenn wir die vorliegenden Beobachtun— gen betrachten, ſo erkennen wir, daß eine gewiſſe Trocken⸗ heit in der kranken Naſenhoͤhle, nebſt dem Gefuͤhle von Stumpf— heit und Schwere auf derſelben Seite, auch wohl Schwie— rigkeit, durch die Naſe zu athmen, zuweilen ſelbſt lebhafte, 43 intermittirende Schmerzen in der Naſe und der Stirn, die gewoͤhnlichſten Symptome ſind. In einem von Axman beobachteten Falle kehrten die Schmerzen alljährlich zu einer gewiſſen Zeit wieder; ſie traten dann ſehr heftig und mit allgemeinen Symptomen vorgeſellſchaftet in einem Theile des Kopfes auf und hoͤrten erſt mit der Ausziehung der Steine auf. Oft fuͤhrt der Stein die Entzuͤndung der ihn umgebenden Theile herbei; alsdann fließt aus der kranken Naſenhoͤhle ein reichlicher Schleim, zuweilen ſelbſt Eiter, und die Naſe verbreitet dann einen ſo uͤbeln Geruch, daß man das Leiden leicht verkennt. Das Riechorgan kann ſogar de— form werden und namentlich auf der Seite, wo ſich die Steine befinden, ſtark anſchwellen und ſchmerzhaft werden. Selbſt das Auge ſcheint dabei zur Mitleidenheit gezogen zu werden, indem es, wie bei der Thraͤnengeſchwulſt (tu- mor lacrymalis), thraͤnt, oder an der Entzündung der bes nachbarten Organe theilnimmt. Dieſe Erſcheinungen treten in'sbeſondere dann auf, wenn die Steine ſich in dem mea— tus inferior gebildet haben. Indeß duͤrfen wir die Wirkung nicht fuͤr die Urſache nehmen, und den entzuͤndlichen Zuſtand des Auges nicht fuͤr die Folge der Anweſenheit der Naſen— ſteine halten, wenn dieſ letzteren ſelbſt vielleicht in Folge ei— ner chroniſchen Reizung der Membranen des Auges und der Thraͤnenwege entſtanden ſind, indem durch dieſe Reizung die chemiſche Zuſammenſetzung der Thraͤnen veraͤndert worden iſt. Wenn man die Nafenlöcher erweitert, fo ſieht man manchmal den fremden Koͤrper, manchmal aber auch nicht. Fuͤhrt man eine Sonde, eine Polypenzange ein, ſo treffen dieſe Inſtrumente nicht nur auf einen Widerſtand, ſondern ver— anlaſſen auch einen dumpfen Ton. Dieß Kennzeichen kann uͤbrigens begreiflicherweiſe auch fehlen, wenn die Steine ſehr hoch oder in den Stirnhoͤhlen liegen. Solche in den Na— ſenhoͤhlen entwickelte Steine haben manchmal ſehr lange in denſelben verweilt, ohne daß man ſie bemerkt hat; zuweilen ſind ſie bei'm Huſten oder Nieſen ausgetrieben, mehrentheils jedoch durch eine chirurgiſche Operation beſeitigt worden. Diagnoſe. Die Diagnoſe dieſes Leidens hat keine Schwierigkeit. In den meiſten Faͤllen braucht man nur zu wiſſen, daß ſo etwas vorkommen kann, und man wird dann bei einer nur einigermaaßen ſorgfaͤltigen Unterſuchung die Steine entdecken. Oft haben ſich die Chirurgen aber auch durch die Symptome irre führen laſſen und, weil die Kran: ken nicht durch die Naſe athmen konnten, an das Vorhan— denſeyn eines Polypen geglaubt. Der uͤble Geruch aus der Naſe hat oͤfters die Anweſenheit eines Naſengeſchwuͤrs ver— muthen laſſen, oder man hat, wegen der Deformitaͤt der Naſe, wegen der mehr oder weniger reichlichen Eiterung, an ein primaͤres Erkranken der Knochen dieſes Organes geglaubt, und die Behandlung danach eingerichtet. Behandlung. Die erſte Indication iſt die Auszie⸗ hung der krankhaften Producte. Die Operation iſt, zumal wenn ſich die Steine in dem meatus inferior oder in dem oberen Theile der Naſe entwickelt haben, zuweilen zieme lich ſchwierig, und man bedient ſich dabei der Kornzange oder Polypenzange. Die Ausziehung muß vorſichtig ges ſchehen, da die Rauhigkeit und das Volumen des frem⸗ 751. XXXV. 3. 44 den Koͤrpers die Reizung der benachbarten Organe veran⸗ laſſen koͤnnten. Nach der Operation muͤſſen die durch die Steine verurſachten Leiden durch geeignete Mittel bekaͤmpft werden. Man kann erweichende und reinigende Ein⸗ ſpritzungen verordnen, um die Thaͤtigkeit der chroniſch ent⸗ zuͤndeten Schleimhaut guͤnſtig zu veraͤndern. Haͤtte man Grund zu ſchließen, daß die Entſtehung der Naſenſteine von einer allgemeinen Urſache herruͤhrt, ſo muͤßte man na⸗ tuͤrlich die Behandlung gegen dieſe richten. (Archives ge- nérales de Médecine, Juin 1845.) ü Ein Fall einer Geſichtswunde mit Fractur der basis cranii und der Kieferbeine durch einen Flintenſchuß. Von Baudens. Broucé, Municipalgardiſt, 25 Jahre alt, von kräftiger Con⸗ ſtitution und ſanguiniſchem Temperament, wurde am 15. Dec. 1843 nach dem Val-de-Gräce gebracht, wegen einer bedeutenden Ge⸗ ſichtswunde, die er ſich bei einem Verſuche zum Selbſtmorde bei⸗ gebracht hatte. An demſelben Morgen hatte er ſich naͤmlich er⸗ ſchießen wollen, wobei er den Flintenlauf unterhalb des Kinns an⸗ ſetzte. Hierbei entſtand eine betraͤchtliche Zerſtoͤrung der Weichtheile des Geſichts, welche auf der linken und rechten Seite in mehreren Lappen herabhingen. Außerdem waren mehrere Fracturen des Un⸗ terkiefers und des Gaumentheils beider Oberkieferbeine vorhanden; ſelbſt die Zunge war zerfleiſcht, wiewohl ſie nur an ihrer Spitze einen kleinen Subſtanzverluſt zeigte. Dieſe Verwundung gewährte ein widerwaͤrtiges Ausſeben, die Verſtuͤmmelung war fo bedeutend, daß einer der Eleven bei deren Anblick in Ohnmacht fiel. Die Cameraden des Verletzten, welche ihn nach dem Spitale brachten, berichteten, daß die Kugel wieder herausgefallen ſey, in⸗ dem ſie gegen einen Knochen zuruͤckprallte. Gegenwaͤrtig war kein Blutfluß mehr vorhanden, aber fruͤher hatte der Kranke viel Blut verloren. Der Verwundete war der Sprache nicht maͤchtig; auch ſtieß er keinen Laut aus und ſchien an einer heftigen Hirnerſchuͤtte⸗ rung zu leiden. Nachdem er zu Bette gebracht worden, ſchritt Hr. Baudens zum Verbande. Es wurden zunaͤchſt mehrere Knochen⸗ fragmente mit einigen Schneidezähnen und ſehr viele Knochenſplit⸗ ter, die dem Unterkiefer, den beiden Oberkieferbeinen und dem vo- mer angehörten, entfernt. Die Spitzen wurden mit der Kettenſaͤge abgetragen; hierauf wurden die verſchiedenen Lappen der Weichtheile gereinigt, die brandigen Stuͤcke beſeitigt, einander genähert und an mehreren Stellen mittelſt der blutigen Naht vereinigt. An die innere Seite der Backe legte man vom Kinne bis zu den Augen kleine Baͤuſchchen Watte, um die Weichtheile zu unterftügen, und auf dieſe Weiſe die verloren gegangenen Knochenſtuͤcke, beſonders auch den ganzen mittleren Theil des Unterkiefers, zu erſetzen. Der untere Theil der Wunde wurde nicht vereinigt, damit die Fluͤſſigkeiten und der Eiter freien Abfluß hätten. Ueber den, übs rigens ſehr lockeren, Verband wurden Eisumſchläge gemacht. Die allgemeine Erſchuͤtterung nahm nach und nach ab, und kein uͤbeler Zufall truͤbte den Zuſtand. Da der Kranke nicht kauen konnte, ſo wurde er mit Bouillon, Eigelb, Looch, ſchleimigen Ge⸗ traͤnken ꝛc. ernaͤhrt. Die Vernarbung ging ziemlich raſch von Statten, nur der tiefſte Punct der Wunde ſchloß ſich erſt gegen die Mitte Januars. Man glaubte, daß nach der Heilung eine große Verunſtaltung zu⸗ ruͤckbleiben werde, indeß geſtaltete ſich dieß anders. Das Geſicht war naͤmlich kaum entſtellt, und da der Kranke ſich den Bart wach⸗ fen ließ, fo waren die Züge faſt gar nicht verändert, Durch den theilweiſen Verluſt der Knochen und der Zunge konnte Brouc é nur mit Schwierigkeit ſprechen, kauen und die Bewegungen mit der Kinnlade machen. Da der Kranke, den Umſtaͤnden nach, gut geheilt war und nur durch Uebung Erleichterung im Kauen und Sprechen zu ere 45 warten ftand, fo erwartete er den Abfchied.— Aber am 25. Febr. beklagte er ſich, daß er bereits feit einigen Tagen anhaltend an ſtarkem Kopfweh leide, weßhalb man Sinapismen an die Waden verordnete. Am 26 Febr. dauert der Kopfſchmerz fort; zugleich war der Puls ſehr langſam, nur 35 Schläge in der Minute, und eine all gemeine Schwäche war unverkennbar; Senfbaͤder und 15 Blutegel auf jeden processus mastoideus, Am 27. Febr. keine Beſſerung. Veſicator in den Nacken; fsb Kranke erhielt 0,5 ſchwefelſaures Chinin und ein Senf⸗ ußbad. Am 28. Febr. Der Kopfſchmerz hat zugenommen; Puls 35; große Hinfälligkeit des Kranken. Senffußbad; 0,5 ſchwefelſaures * abfuͤhrendes Clyſtier; Veſicatoren an die innere Seite des chenkel. Am 29. Febr. Die Schwaͤche des Kranken iſt außerordentlich, der Kopfſchmerz ſehr ſtark, Puls 35. Bitterwaſſer. Um 9 Uhr Abends erfolgte der Tod. Es muß bemerkt werden, daß Kopf⸗ ſchmerz, Hinfaͤlligkeit und ein langſamer Puls die einzigen Sym⸗ ptome während des Lebens waren. Der Kranke hat nie an Stoͤ⸗ rung des Bewußtſeyns gelitten, es waren niemals Delirien, ſelbſt nicht kurz vor dem Tode, vorhanden geweſen, ebenſowenig wie alle gemeine oder partielle Störung der Motilitaͤt oder Senſibilitaͤt; auch war der Kranke vollkommen frei von Paralyſe, Convulſionen und Contracturen geblieben. Er empfand es ſehr, wenn man ir— gend einen Theil der Haut kneipte oder ſtach, und das Gehoͤr, Ge— ſicht ꝛc. waren immer normal. Section 86 Stunden nach dem Tode. — An der dasis des Schaͤdels, und zwar an deren vordern Theil und rechts von der la- mina cribrosa des Siebbeins und rechts neben der crista galli war die dura mater theils vollkommen von den Knochen abgeloͤſ't, die an dieſer Stelle fracturirt waren; theils hing ſie innig mit der Subſtanz des vordern rechten Hirnlappens zuſammen. An dieſer Stelle war die Haut maͤßig verduͤnnt; ſonſt war ſie normal. Die anderen Hirnhaͤute waren nicht veraͤndert. Im Gehirne fanden ſich merkwuͤrdige Veraͤnderungen. Der vordere rechte Hirnlappen iſt ganz und gar erweicht, und an eini: gen Stellen iſt die Erweichung der Art, daß die Hirnſubſtanz in eine weißliche Bruͤhe umgewandelt iſt. An der ganzen untern Flaͤche dieſes Lappens befindet ſich ein Eiterheerd, welcher nach Hinten hin über die fossa Sylvii verläuft und mit dem vorderen Theile der rechten Seitenventrikel in Verbindung ſteht. Die Waͤnde dieſes Abſceſſes werden von einer aͤußerſt duͤnnen Membran ausgekleidet, welche von der Hirnſubſtanz nicht getrennt werden kann. Dieſe Membran iſt weiß, glatt, ohne Rauhheit und Gefäße, Der Eiter heerd enthält eine braͤunliche uͤbelriechende Jauche. Dieſe eiterige Fluͤſſigkeit iſt auch in großer Menge in dem rechten Seitenventri⸗ kel enthalten; auch wird ſie im mittleren Ventrikel, in dem linken Seitenventrikel und bis zum Wirbelcanale hin angetroffen. Um den ganzen Abſceß herum zeigt die erweichte Hirnmaſſe verſchiedene Faͤrbungen; an einigen Stellen iſt ſie weiß, an andern gelblich oder gruͤnlich, fo daß man hier die weiße, gelbe und grünes liche Erweichung, wie ſie von einigen Schriftſtellern bezeichnet wird, antrifft. Um den Eiterheerd, ganz an der vordern Parthie des Lappens, iſt die Subſtanz nicht erweicht und zeigt vielmehr an einer kleinen Stelle eine merkliche Induration; hier iſt auch die Subſtanz vollkommen ſchwarz, wie melanotiſch; ſie iſt ſehr reſiſtent und zeigt die Haͤrte von Narbengewebe; ſie kniſtert unter dem Skalpell wie Faſerknorpel. Die dura mater iſt, wie bereits ange: geben, mit dieſer indurirten Stelle verwachſen. Eine umſchriebene Stelle der unteren Flaͤche des rechten vor— dern Hirnlappens wurde zerſtoͤrt und reſorbirt gefunden; ſie fehlte ganz und gar. An dieſer Stelle bilden die Hirnhaͤute die Wand des Eiterheerds. Auch der vordere linke Hirnlappen iſt nicht frei vor aller Ver⸗ aͤnderung; er zeigt nämlich eine ſehr weit gediehene braͤunliche Er⸗ weichung, indeß iſt dieſe mehr oberflaͤchlich und beſchraͤnkt ſich auf den Umfang eines Fuͤnffrankenſtuͤcks. An dieſer alterirten Stelle iſt der linke Lappen unmittelbar mit dem rechten vereinigt, und auf dieſe Weiſe die scissura interlobularis vollkommen verſchwunden. 751. XXXV. 3. 46 An den uͤbrigen Stellen iſt das Gehirn geſund und hat nor⸗ male Farbe und Conſiſtenz; es iſt nicht injickrt; im kleinen Gehirn und dem verlaͤngerten Marke iſt nichts Abweichendes. Man hat vergebens nach einem fremden Koͤrper im Gehirne und in der Schaͤdelhoͤhle nachgeforſcht, wie nach Haaren, einer Kugel, Splittern, welche durch den Schuß dorthin gelangen konn⸗ ten; man fand aber nichts. An der Baſis des Schaͤdels, rechts von der crista galli, be⸗ merkt man eine Fractur mit Subſtanzverluſt, welche die vordere Parthie der Rinne fuͤr den Geruchsnerven der rechten Seite betraf. Dieſe Fractur ſtellte eine runde, ziemlich breite Perforation dar, ſo daß man die Spitze des kleinen Fingers einführen konnte; durch fie communicirte die Schaͤdelhoͤhle direct mit der rechten Naſenhoͤhle und mit dem sinus frontalis derſelben Seite. Die Raͤnder dieſer Oeffnung ſind ohne Rauhheiten und bedeutende Vorſpruͤnge. Sieht man jedoch durch die Naſenoͤffnung und die Perforation, ſo bemerkt man einen fremden Koͤrper in der oberen Oeffnung dieſer Höhle, welcher daſelbſt durch die mittlere Muſchel, die unmittelbar darun⸗ ter gelegen iſt, feſtgehalten wird. Mit dem kleinen Finger kann man den fremden Koͤrper nicht erreichen, indeß war es leicht, ihn mit der Pincette zu entfernen, worauf man ihn für ein ganz ver⸗ ändertes Fragment der Kugel erkannte. Dieſes Stuͤck Blei, wel⸗ ches ſich über der Perforation an der Baſis des Schaͤdels befand, iſt darauf durch ſeine eigene Schwere bis in den Naſencanal hin⸗ abgeſunken. Die Augenhoͤhle iſt dabei nicht intereſſirt, wiewohl die Kugel mit der lamina cribrosa des Siebbeins unmittelbar in Be⸗ ruͤhrung ſtand. Nachdem das Stück der Kugel die Fractur bewirkt hatte, iſt es wohl durch ſeine eigene Schwere ſchnell bis zur mitt⸗ leren Muſchel hinabgeſunken; dieß kann aber auch langſam geſchehen ſeyn, und im letzten Falle mag dieß durch den Abfluß des Eiters nach Außen beguͤnſtigt worden ſeyn. Die verſchiedenen Fracturen der Unterkiefer betreffend, ſo kam die Vereinigung uͤberall zu Stande. Die beiden Theile des Koͤrpers des Unterkiefers haben ſich in Form eines ſehr ſpitzen Winkels an ihrem vorderen und mittleren Theile vereinigt. Dier ſer Winkel vertritt die Stelle des Kinns. Die Vereinigung war ſehr feſt, ohne die geringſte Callusgeſchwulſt. Dieſer Knochen be⸗ ſaß noch drei Backzähne auf der rechten Seite: der erſte kleine Backzahn dieſer Seite ſaß an der Stelle des mittleren Schneide⸗ zahns; links iſt nur noch ein Zahn, ein großer Backzahn, vor— handen. Der Subſtanzverluſt beider Oberkiefer an dem mittleren Theile des Zahnrandes und an dem vordern Theile des harten Gaumens veranlaßte eine weite Oeffnung, deren Raͤnder nunmehr vernarbt waren und weder Rauhigkeiten noch merkliche Vorſpruͤnge zeigten. Es blieben nur noch vier Zähne im Oberkiefer: namlich zwei Back— zähne auf jeder Seite. Außerdem war noch der vordere Theil des Bodens der Naſenhoͤhle, ſowie der vordere Theil der knorpeli— gen Naſenſcheidewand, ein Theil des vomer und die processus nasales der Oberkieferbeine zerſtoͤrt. Die eigentlichen Naſenbeine blieben unverletzt; endlich war noch eine Perforation des Wangen⸗ beins in der fossa canina rechterſeits, etwas unter dem foramen infraorbitale von ungefähr einem Centimeter im Durchmeſſer, vor⸗ handen, durch welche die Kieferhoͤhle nach Außen hin ſich oͤffnete. — Der ſoeben beſchriebene Fall kann zu zahlreichen Betrach⸗ tungen fuͤhren, und wir wollen uns nur auf folgende beſchraͤnken: 1) Obgleich man es mit einer gequetſchten Wunde zu thun hatte, ſo ging die Vernarbung nichtsdeſtoweniger ſehr raſch von Statten. Zwar heilen, wie bekannt, Geſichtswunden außerordentlich leicht; was aber im vorliegenden Falle die Heilung ſehr beguͤnſtigte, war der Umftand, daß man forgfältig die complicirte Wunde in eine einfache zu verwandeln ſtrebte, indem man Splitter, Hautlappen ꝛc. entfernte. 2) Die beiden Unterkieferſtuͤcke vereinigten ſich ohne eine Spur von callus, bloß unmittelbar. Dieſe knoͤcherne Vereinigung durch prima intentio iſt für die pathologiſche Anatomie von Intereſſe. 3) Die Vernarbung wurde durch die anatomiſche Verletzung des Gehirns in keiner Weiſe beeinträchtigt. 47 4) Die Commotion war das einzige primäre Gehirn: Symptom, trotz der Fractur der basis cranii. Den Mangel von Symptomen des Hirndruckes muß man unſtreitig der freien Communication zwiſchen der Schaͤdelhoͤhle zuſchreiben, wodurch ein freier Abfluß des Blutes und Eiters ſtattfinden konnte. Dieſe Abweſenheit al— ler primitiven heftigen Hirnſymptome iſt übrigens etwas Gewoͤhn⸗ liches bei Kopfwunden, ſelbſt durch Feuergewehre. 5) Die Abweſenheit jeder Störung des Bewußtſeyns und der all gemeinen und partiellen Beweglichkeit bei ſo tiefen anatomiſchen Veraͤnderungen kann nur der Langſamkeit zugeſchrieben werden, mit welcher jene Veraͤnderungen ſich entwickelt haben; und in die— ſer Beziehung muß vorliegender Fall zu den in der Wiſſenſchaft be— reits bekannten Faͤllen gezählt werden, bei welchen die geringe Stoͤ— rung der Functionen mit der Intenſitaͤt und der Groͤße der Ver— letzung, welche man bei der Section vorfindet, nicht in Ueberein— ſtimmung ſteht. Schwerlich möchte jedoch noch ein analoger Fall vors handen ſeyn, wo das Mißverhaͤltniß zwiſchen den Symptomen und den Verletzungen ſo in die Augen ſpringend waͤre. Wie ſoll man in der That auf eine ſo tiefe Veraͤnderung des Gehirnes ſchließen, wenn dieſe nach Außen hin ſich nur durch die drei Phä- nomene: Kopfweh, Retardation des Pulſes und Hinfaͤlligkeit kund giebt? (Gaz. des höpitaux, 28. Mai 1844.) Miscellen. In Beziehung auf den Einfluß der Luft und Lei⸗ besbewegung auf die Conſtitution und zum Beweiſe, wel: chen bedeutenden Einfluß ſchon eine voruͤbergehende phyſiſche Erzie— hung auf den menſchlichen Koͤrper und deſſen Energie hat, laͤßt ſich folgendes Beiſpiel anfuͤhren: Im Sommer 1839 hatten wir Ge— legenheit, einem der Proberennen von Oscroft beizuwohnen, der da— mals einer der ſchnellſten Laͤufer in England war. Bei der hier in Rede ſtehenden Gelegenheit legte er 120 Pards (360 F.) in 11 Se⸗ cunden zuruͤck. Bevor er auslief, ſchlug ſein Puls 61 Mal in der Minute, und als er dieſe gewaltige Leiſtung vollbracht, nur 94 Mal! Bringt man ferner in Anſchlag, daß er waͤhrend des Laufens nie vollſtaͤndig ein- oder ausathmete, fo erſcheint die Leiſtung noch wun— derbarer. Os croft ſelbſt theilte uns mit, daß, obwohl er von Natur ungemein ſchnellfuͤßig ſey, er doch keineswegs eine gute Bruſt habe. Zwei Monate vorher hatte man ihn vom Strumpfwirker— ſtuhle weggenommen und lediglich durch methodiſche Einuͤbung in den erwaͤhnten Koͤrperzuſtand verſetzt. Waͤre er vor dieſer Einuͤbung im Stande geweſen, die angegebene Diſtanz binnen der erwaͤhnten Zeit zu durchlaufen, fo würde ihn die Anſtrengung getödtet, wenig— ſtens ihm einen Erſtickungsanfall zugezogen haben. Sein Puls wuͤrde ſo ſchnell geſchlagen haben, daß man ihn nicht haͤtte zaͤhlen koͤnnen. Und dennoch athmete er nach jener Leiſtung ohne Schwie— rigkeit, und fein Puls war nur um 33 Schläge in der Minute ges 751. XXXV. 3. 48 ſteigert. Nach dem hier erwaͤhnten Falle zu ſchließen, braucht Nie⸗ mand, der nicht wirklich krank iſt, daran zu verzweifeln, kraͤftig und behend zu werden, wenn er nur die einfachen Regeln genau beobach⸗ tet, welche ſeiner phyſiſchen Einuͤbung zuſagen. Aehnliche Beiſpiele ließen ſich uͤbrigens in großer Zahl beibringen. Der Menſch, von dem hier die Rede iſt, hatte keine gute Bruſt, und haͤtte in keiner⸗ lei Weiſe dahin gebracht werden koͤnnen, einen weiten Wettlauf zu unternehmen; ja die Form ſeines Bruſtkaſtens ſchien ihm ſelbſt das ſchnelle Laufen auf kurze Strecken zu verbieten; allein dieſes Hin⸗ derniß wurde durch eine keineswegs langwierige Einuͤbung uͤberwun— den. Vielleicht darf man hier nicht ſagen: ex und disce omnes; allein wenn binnen zwei Monaten durch ſtrenge Diät und Leibesbe⸗ wegung in freier Luft in Betreff der Leibesbeſchaffenheit und Staͤrke ſoviel gewonnen werden kann, um wieviel mehr darf man nicht hoffen, durch beſtaͤndige Beobachtung der geeigneten Verhaltungs⸗ regeln zu erlangen. Wieviele unerregbare und ſchwache Organis⸗ men ließen ſich nicht neu beleben und fuͤr die Muͤhſeligkeiten eines langen Lebens wieder tuͤchtig machen! Wieviele in Entnervung verſunkene, oder in hypochondriſchen eingebildeten Leiden ſich auf⸗ reibende Geiſter koͤnnte man nicht auf dieſe Weiſe zur practiſchen und heitern Thaͤtigkeit erwecken! Wie Mancher verliert ſich zu tief in ſeinen Studien oder in ſeinen weltlichen Geſchaͤften, und koͤnnte denſelben wohl täglich eine Stunde entziehen, in der er fuͤr ſich ſelbſt lebte, und die er doppelt wieder einbraͤchte. Statt deſſen rechnet er dieſe Stunde fuͤr Verluſt, bis ſein Geiz gegen ſich ſelbſt ihm eine ſolche Schuld aufbuͤrdet, daß er vor der Zeit altert und bis zum Tode dahinſiecht. (Medical Times.) Ueber das emphysematraumaticumspontaneum hat Herr Malgaigne in dem Journal de Chirurgie einen Auf- fag mitgetheilt, wovon Folgendes das Weſentliche iſt. Erſt ſeit 1836 iſt dieſes von ſelbſt entſtehende traumatiſche Emphyſem, z. B. bei Fracturen, beſonderer Aufmerkſamkeit unterworfen worden (Mar: tin de Bazas, Velpeau und Colſon); es iſt eine ſchwere Complication; Herr Malgaigne glaubt, daß in den Geweben, welche die Verletzung umgeben, unter dem Einfluſſe der Verletzungs⸗ gewalt und der Betäubung eine eigenthuͤmliche Alteration eintrete, welche das Leben angreife, wie eine außerordentliche Kaͤlte den Keim im Eie und die Vitalität in einem Blutklumpen toͤdte, ohne eine von dem Auge wahrnehmbare Veränderung. Die Aushauchung eines mehr oder weniger nachtheilig wirkenden Gaſes iſt das einzige Zeichen ders felben. und meiſt der Vorbote einer bevorſtehenden Gangraͤn. In ei⸗ nem Falle der Art, wovon Herr Malgaigne die in's Einzelne gehende Geſchichte mittheilt und in Beziehung auf ein Subject, welches am Schenkel durch ein großes Stuͤck Zimmerholz verletzt worden war, und wo Gangraͤn und Tod eintrat, nahm man die Analyſe des in das emphyſematiſche Gewebe infiltrirten Gaſes vor, als deren Reſultat ſich in den gangraͤnescirten Theilen Waſſerſtoff ergab. Bibliographische History of fossil Insects by Rev. P. Brodie. London 1845. 8. Recherches sur les quantités de chaleur dégagées dans les combinaisons chimiques. 'These; par A. C. Grassi. Paris 1845. 8. Mit 2 K. Neu ig b een Practical Notes on Insanity by Dr. Steward. Edinburgh 1845. 12. Richerche statistiche sui pazzi in Europa con un appendice sul gran manicomio di Milano di Giovanni Capsoni. Milano 1844. 8. Neue Wotizen aus dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Fror iep zu Berlin. Noe. 752. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 4. des XXXV. Bandes.) Juli 1845. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 h 30 M, des einzelnen Stuͤckes 3%, I Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 5 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 895 au Unterſuchung des Kraters des Rucu⸗- Pichincha in der Republik Aequator. Aus einem Briefe des Herrn Wiſſe an Herrn Regnault. Wiewohl Quito dem Pichincha ſehr nahe liegt, ſo iſt doch das Terrain von ſo vielen Schluchten durchſchnitten, daß man von jener Stadt aus bis auf den Gipfel des Vulkanes eine ſtarke Tagereiſe hat. Ich reiſ'te alſo den 14. Januar um 3 Nachm. mit Herrn Garcia Moreno ab, um auf der Meierei Lloa zu Übernachten, die auf eis ner kleinen Ebene am Fuße des Vulkans liegt. Wir mach— ten uns von da am folgenden Morgen um 7 Uhr auf den Weg und ritten auf Maulthieren bis an die Grenze der Vegetation, wo wir abſteigen mußten. Sch überließ die Thiere meinem Bedienten und fing nun mit meinem Be— gleiter und einem indianiſchen Fuͤhrer zu klettern an. Der Ab— hang war aͤußerſt ſteil, und wir konnten ihn nur im Zickzack er: ſteigen. Ueberdem iſt der ganze obere Theil des Vulkans mit kleinen Bimsſteinen bedeckt, in welche man gegen 4 Zoll tief einſinkt, und es koſtet die groͤßte Anſtrengung, wenn man auf dieſem Boden vorwaͤrts kommen will. Wir wanderten auf einen Pik zu, deſſen Gipfel wir um 11% Uhr erreichten. Dort fanden wir uns aber ſehr getaͤuſcht, in— dem wir, wegen eines ſehr dichten Nebels, keine 50 Fuß weit vor uns ſehen konnten. Ich brachte Waſſer in's Kochen und beobachtete den Stand des Barometers, wonach ich die Höhe unſeres Standpunctes zu 4775,60 M. bes rechnete. Mittlerweile klaͤrte ſich der Blick in das Innere des Kra— ters etwas auf, obwohl wir deſſen Grund nicht erkennen konnten. „Wir wollen in denſelben hinabſteigen!“ riefen wir aus, und alsbald machten wir uns an die Ausfuͤhrung die— ſes tollkuͤhnen Unternehmens. Es war Mittag; unſer Fuͤh— rer wollte uns nicht folgen; wir ließen ihm unſere Pon- chos (kurzen Maͤntel), ſowie Alles, was uns im Gehen hinderlich ſeyn konnte. Ein großer Hund begleitete uns, allein er kehrte bald um, da ihm die großen Bloͤcke, die Mo. 1852. — 752. R ͤ u n lan ch ſich beſtaͤndig von den Waͤnden des Kraters abloͤſ'ten und mit gewaltigem Getoͤſe in den Grund deſſelben hinabrollten, Furcht einjagten. Wir ließen uns dadurch nicht abhalten, weiter hinabzuſteigen. Unterdeſſen hatte der Wind die Wolken ein Wenig vertrieben, und wir erblickten den Grund des Kraters und deſſen gegenuͤberliegende Wand. Endlich befanden wir uns in einer tiefen, langen, ſchmalen, zur Linken offenen und an ihren Waͤnden uͤberall von ungeheuern loſen Steinbloͤcken ſtarrenden Schlucht, deren Sohle das Bette eines damals ausgetrockneten Gießbaches war. Nach der Anzeige mei— nes Barometers waren wir über 800 Meter hinabgeſtiegen. Wir ſetzten unſern Weg rechter Hand fort und erreich— ten auf einem ziemlich gelinden Abhange die tiefſte Stelle des Ruͤckens, welcher die beiden Krater trennt. Wir ver— ſpuͤrten nun den Geruch der Schwefeldaͤmpfe, deren Quelle wir zu entdecken entſchloſſen waren, in ſtaͤrkerem Grade und kletterten, uns der Gnade Gottes empfehlend, auf einem immer ſchwieriger werdenden Terrain weiter hinab, ohne zu wiſſen, was aus uns werden wuͤrde. Die Waͤnde des zweiten Kraters ſind ſteiler, als die des erſten. Bevor wir unten anlangten, entdeckten wir mitten im Krater einen Huͤgel oder eine Landzunge. Links ſtiegen Daͤmpfe empor, die wir erſt fuͤr Nebel hielten, ferner lange gelbliche Guͤr— tel, welche hier und da den Boden bedeckten. Daß wir uns der Muͤndung des Vulkanes naͤherten, unterlag keinem Zweifel. An jenen Schwefelſtreifen hin erkletterten wir den Huͤgel und gelangten ſo an die Muͤndung, aus welcher die Daͤmpfe kraͤftig und mit ziemlich ſtarkem Geraͤuſch heraus— fuhren. Dort befanden wir uns in directer Communication mit dem Mittelpuncte der Erde (9, vielleicht mit unſern Antipoden auf Sumatra. Unſer Fuß ruhte nicht mehr auf feſtem Geſteine, ſondern nur auf einem Gemiſch von Aſche, Schwefel und Erde. Hier und da fah man Spal— ten und Verſenkungen von 20 Centimeter Tiefe. Ich legte mich nieder und ſtreckte den Arm in einen der Schloͤte, um Schwefelkryſtalle zu ſammeln, aber die Hitze geſtattete mir 4 51 nicht, denſelben tief einzuſenken. Ein Thermometer, wel— ches an der Mündung nur 60° Centigr. zeigte, ſtieg im Innern des Schlotes ſchnell bis an die Grenze der Scale, indem 20 Centim. unter der Mündung die Tempe— ratur über dem Siedepuncte ſtand. Die nadelfoͤrmigen Kryſtalle waren aͤußerſt durchſichtig und kleideten die Schloͤte völlig aus. Die Daͤmpfe, welche nach verbranntem Schwe— fel und faulen Eiern rochen, fielen mir ſehr wenig beſchwer— lich, und mein Begleiter ſammelte, was ich heraufholte, in ſein Schnupftuch. Die Muͤndung, in welche ich den Arm einfuͤhrte, hatte 20 Centim. Durchmeſſer, und ich konnte nicht uͤber ein Meter tief in den Schlot hinabblicken, da er eine aͤußerſt gewundene Geſtalt hatte Vier andere Schloͤte, die ich unterſuchte, boten dieſelbe Beſchaffenheit dar. Es ſind Muͤndungen vorhanden, zu denen wir nicht gelan— gen konnten, da wir zu dieſem Zwecke uͤber einem Boden haͤtten gehen muͤſſen, der nicht feſter war, als ein friſchauf— geworfener Maulwurfshuͤgel, und ſo tollkuͤhn waren wir denn doch nicht, dieß zu verſuchen. An, die ſaͤmmtlichen 10 Mundlöcher, welche über einen Raum von etwa 15 F. Durch— meſſer vertheilt waren, konnten wir aber von allen Seiten gelangen. Die Temperatur des Bodens betrug an manchen Stellen dieſes Raumes 439. An der Oberflaͤche ſammelte ich eine Art harter gruͤner Schlacke mit halbverglaſ'tem Ueberzuge. Sie war duͤnn und kam in etwa handgroßen Stuͤcken an vielen Stellen vor. Sie ruͤhrte offenbar von einem kurz vorher ſtattgefundenen kleinen Ausbruche her; denn die Oberflaͤche war weder durch Aſche beſchmutzt, noch durch Schwefeldaͤmpfe angelaufen, welche jedem Gegenſtande, mit dem ſie hier in Beruͤhrung kommen, ihre gelbe Farbe ertheilen. Gegen das Bette des Gießbachs hin zeigte ſich ein Trich— ter, welcher theilweiſe mit großen Steinen gefuͤllt war, zwi— ſchen denen Daͤmpfe emporſtiegen. Er ruͤhrte wahrſcheinlich von einem vor nicht gar langer Zeit ſich ereignet habenden Ausbruche her und war durch das von den faſt ſenkrechten benachbarten Waͤnden herabſtuͤrzende Geroͤlle einigermaaßen verſchuͤttet worden. Gegen den Gießbach hin gewahrt man mehrere Haufen großer Bloͤcke, die ſich, aus der Ferne geſehen, genau fo ausnehmen, wie Maulwurfshaufen. . Es fing ſtark zu regnen an, und wir fluͤchteten uns in das Bett des Gießbachs, um dort unter einem großen Blocke das Barometer zu beobachten. Leider war das Inſtrument zerbrochen. Es war 4 Uhr Nachm., und nun hoben unſere Leiden an. Regen und Schnee fielen ſtromweiſe herab; im Augen— blicke war die Landzunge des weſtlichen Kraters von zwei ſtarken Baͤchen umfloſſen. Die Schluchten, in welchen ſich noch am Leichteſten klettern ließ, waren ebenfalls mit Waſ— ſer gefuͤllt und daher unzugaͤnglich, und die von dem Waſ— ſer herabgefuͤhrten zahlreichen Steinmaſſen ſchoſſen in dieſe Schluchten hinab. Der Krater fing furchtbar an zu krachen; die herabſauſenden Bloͤcke ſprangen 10 — 20mal ab, ehe fie den Grund erreichten und machten gewaltige Saͤtze, zu: 752. XXXV. 4. 52 weilen uͤber uns hinweg. Die Echos vermehrten das graͤu— liche Getoͤſe. Die Steine, an denen wir uns bei'm Klettern feſthielten, gaben oft nach, ſo daß wir mit ihnen ein Stuͤck herabrollten; Alles war mit Waſſer, Koth und Schnee be— deckt. Unſere Haͤnde erſtarrten, und ich konnte die Geſtalt der Gegenſtaͤnde, nach denen ich faßte, nicht mehr erkennen. Wir verſchluckten Schnee, um den Hunger zu beſchwichti— gen, und mußten uns fortwaͤhrend hinſetzen, um zu Athem zu kommen. Vor uns lag nun der oͤſtliche Krater; allein wir wußten nicht, wie wir uͤber denſelben hinwegkommen ſollten. Ich war immer der Vorderſte und erklimmte einen anſcheinend ziemlich feſten Felſen; als ich beinahe auf deſſen Gipfel gelangt war, loͤſ'te die letzte Anſtrengung, die ich machte, die Maſſe ab. „Rette dich, Garcia“, rief ich aus, und wenn mein Begleiter ſich nicht unter einen andern Fel— fen hätte drucken koͤnnen, fo war er verloren. Wir riefen dem Indianer zu, der uns aber nicht antwortete, weil er uns nicht hoͤren konnte. Wir konnten nicht mehr vorwaͤrts und kamen auf den Gedanken, die Nacht im Krater zuzus bringen. Allein, bis auf die Haut durchnaͤßt und ohne Le— bensmittel, ſahen wir unter ſolchen Umſtaͤnden nur den ge— wiſſen Tod vor Augen; wenn wir uns retten wollten, durfz ten wir unſere Gliedmaaßen nicht erſtarren laſſen. Ich will einen Schleier uͤber die Muͤhſeligkeiten werfen, die wir nunmehr zu erdulden hatten, und nur anfuͤhren, daß wir uns um 7 Uhr Ab. auf dem Gipfel des Kraters befanden. Dort verſchlang ich zwei ſtarke Haͤnde voll Schnee, um das in mir brennende Feuer zu loͤſchen, von welchem mir noch jetzt der Gaumen wund iſt, Vom Indianer war nichts zu ſehen; wir glaubten, er befaͤnde ſich bei den Maulthieren. Seit einer Stunde war es Nacht, und der Regen ſtuͤrzte noch ſtromweiſe herab. Wir ſetzten uns auf den Bimsſtein und rutſchten ohne wei— tere Anſtrengung, als die, welche zur Erhaltung des Gleich— gewichts noͤthig war, mit unglaublicher Geſchwindigkeit bis an den Fuß des Kraters Wir riefen und riefen vergebens. Von einem Führer und Bedienten war Nichts zu hören. Wir eilten ſchnell vorwaͤrts, um uns ein Wenig warm zu erhalten; wir gingen fehl, und ich bemerkte es. Nun muß⸗— ten wir durch eine tiefe Schlucht, um dahin zu gelangen, wo wir uns, wie ich glaubte, wieder auf dem rechten Wege befinden wuͤrden. Bald darauf hoͤrten wir Hunde bellen, und unſer Rufen ward beantwortet. Wir befanden uns am Abhange einer tiefen Schlucht, die wir nur mit Huͤlfe des herbeieilenden Führers paſſiren konnten. Gegen 9 Uhr ber fanden wir uns in einer Huͤtte, nachdem wir vom Krater aus etwa 3 Wegſtunden zuruͤckgelegt hatten. Dort fanden wir unſern Bedienten heulend, da er uns von dem Augen— blicke an, wo der Hund zuruͤckgekehrt war, fuͤr verloren ge— halten hatten. Am folgenden Tage kehrten wir nach der Meierei zuruͤck, deren Beſitzer wegen uns in großer Sorge geſchwebt hatte; alsdann zogen wir wieder in Quito ein. Der Zeitpunct unſerer Expedition war übel: gewählt, da die ſchoͤne Jahreszeit bereits zu Ende ging; allein wir hate ten nicht geglaubt, daß die Regenzeit gerade an dem Tage, wo wir in den Krater hinabſtiegen, beginnen werde. 53 Von allen Neugierigen und Gelehrten, welche bis jetzt den Vulkan beſucht haben, iſt außer uns noch keiner in den Krater hinabgeſtiegen. Vor hundert Jahren wurde es ver— ſucht, aber fuͤr unmoͤglich erklaͤrt. Ich habe ſoviel Steine, als unſere Taſchen faſſen konn— ten, aus dem Krater mitgebracht: porphyrartigen Trachyt von rother und gelber Maſſe mit weißen Kryſtallen; ſehr ro— then Trachyt mit zahlreichen Spuren von Eiſenoryd; Schwe— felconglomerate, Aſche und calcinirten Feldſpath; kryſtalliſirte Schlacken und kryſtalliſirten Schwefel. Die Schlacken bren» nen mit ſchoͤn blauer Flamme und entwickeln dann einen ſchwefeligſauren Geruch. Der Ruͤckſtand iſt pulverfoͤrmig und feucht und wird durch Salpeterſaͤure nicht angegriffen. Der Porphyr mit rother Grundlage ſcheint mir in dem Krater der vorherrſchende. Der ſchwarz und braungefaͤrbte Krater bietet einen furchtbarſchoͤnen Anblick dar Er ſtarrt von ſpitzen Felſen, die ſich wie Lanzen erheben; von SO Meter hohen Maſſen, die nur an ihrer Baſis feſtſitzen und ſo ſtark nach dem Innern des Kraters zu geneigt ſind, daß man ih— ren Sturz jeden Augenblick befuͤrchtet. Der zweite Krater iſt mehr kreisfoͤrmig, als der erſte. Ich halte den weſtlichen fuͤr juͤnger, als den anderen, da die gegenwaͤrtig thaͤtigen Schlotoͤffnungen ſich in demſelben befinden. Er iſt tiefer, und feine Wände find ſteiler. Ein Kamm, der links fo ſcharf wie ein Meſſer auslaͤuft, iſt gegen den oͤſtlichen Kra— ter hin abgerundet, waͤhrend er gegen den weſtlichen hin ge— rade und ſenkrecht emporſteigt. Der oͤſtliche Krater ſcheint mir von dem fortwaͤhrend herabſtuͤrzendem Geroͤlle ſchon gro— ßentheils ausgefuͤllt. Welcher gewaltigen Kraft hat es be— durft, um bei der Entſtehung des neuen Kraters dieſe gewal— tigen Maſſen emporzuſchleudern, zumal da der noch vollſtaͤn— dige Kegel damals mehr, als 1000 Meter höher war, als gegenwaͤrtig! Ich beabſichtige, in der kommenden ſchoͤnen Jahreszeit den Vulkan noch vollſtaͤndiger zu unterſuchen und mich dann, mit Mundvorrath und allem Noͤthigen wohl verſehen, etwa eine Woche dort aufzuhalten. Ich werde dann folgende Fragen zu erledigen ſuchen: 1) den Umkreis der Krater und der beiden Oeffnungen gegen Weſten und im Innern aufzuneh— men; 2) die gegenwärtigen Ausbruchmuͤndungen genau zu unterſuchen; 8) die Hoͤhenmeſſungen zu vervollſtaͤndigen; 4) die geologiſche Bildung des Kraters zu ermitteln. Dieſe Arbeit wird uͤberhaupt und in'sbeſondere fuͤr die Stadt Quito von Intereſſe ſeyn; denn der Pichincha iſt keineswegs aus— gebrannt, wie die Quitonianer es, nach der Ausſage der Geologen, die den Krater aus der Ferne betrachtet haben, allgemein glauben. Deßgleichen beabſichtige ich, eine vollſtaͤn— dige Stufenſammlung mitzubringen. Hier folgen nun noch einige phyſicaliſche Beobachtun— gen, die ich auf meiner Expedition geſammelt habe. Temperatur der freien Luft.. .. 8,10 Temperatur des Barometers . . . 10,60 Berichtigte Barometerhoͤhe . 438,40 Millim. 15 Hohe bei Oo Grad . . . 437,60 Millim. des Januar JSiedepunct des Waſſers . 85,168 ch um Barometerhoͤhe fuͤr 1 Uhr Pichincha Mits und die Temperatur von tag. 10,6 berechnet. 438,20, Millim. 752. XXXV. 4. 54 u Temperatur der freien Luft. 6,05 Hoͤhe des 1 Uhr Temperatur des Barometers . .. 8,00% oͤſtlichen Berichtigter Barometerſtand 455,80 Millim.] Kraters Unterſchied der Höhe zwiſchen den beiden obigen Standpunc⸗ ten 380,80 Meter. (Comptes rendus des séances de I'Ac. d. Sc., T. XX. 23 Juin 1845.) Ueber die Elektricitaͤt der Pflanzen in verſchiede— nen Stadien ihrer Entwickelung In einer der Royal Institution zu London am 16. Mai vorgetragenen Abhandlung ſtellte der Geiſtliche E. Sidney als das Nefultat feiner Beobachtungen über die Elektricitaͤt der Pflanzen folgende ſechs Saͤtze auf: 1) Die Elektricitaͤt ſcheint auf wachſende Pflanzen einen Einfluß zu aͤußern. Nachdem Herr Sidney der Experimente Mai mbray's, Nollett's Bertholon's, Davy's und Anderer gedacht hatte, be— richtete er, er ſelbſt habe das Wachsthum einer in einem gewoͤhnlichen Glasgefaͤße ſtehenden Hyacinthe dadurch be— ſchleunigt, daß er ihr einen Tag um den andern Funken aus einer Elektriſirmaſchine zugeleitet. 2) Die in den vegetabiliſchen Geweben ent: haltenen Fluͤſſigkeiten beſitzen eine bedeu- tende Leitungskraft im Vergleich mit den ge woͤhnlich auf der Erdoberflaͤche anzutreffenden andern Sub ftanzen. Um dieß zu beweiſen, wurden mehrere Verſuche angeſtellt. Auch wurde des Umſtandes gedacht, daß es unmoͤglich ſey, von einer auf einem Raſen— platze im Kreiſe ſtehenden Anzahl Leute mehr als einem Individuum an jedem Ende des Kreiſes einen elektriſchen Schlag zu ertheilen, wogegen der Fall auf einem Kieswe— ge fi anders geſtaltete. Im erſtern Falle ſtreift die Strö- mung durch das Gras, ſtatt von einem Menſchenkoͤrper in den andern uͤberzugehen. Eine Leydner Flaſche mit einer Belegung von 46 Q. Zoll entlud ſich durch einen Gras— halm binnen wenig mehr als 4 Minuten, waͤhrend es uͤber dreimal ſolang dauerte, bevor dieſelbe Wirkung durch eine Metallnadel erreicht ward. Uebrigens bemerkte Herr Si d— ney, daß der Grashalm wahrſcheinlich viele Spitzen ges habt habe. Er zeigte auch eine Abbildung des Weekes— ſchen Elektroſkops mit vegetabiliſchen Spitzen, welches, nach Herrn Weekes's Erfahrung, ſich im Freien bei'm Vor— uͤberziehen einer Gewitterwolke weit empfindlicher zeigt, als irgend ein anderes. 3) In den verſchiedeneu Stadien der Ent wickelung der Pflanzen laſſen ſich verſchiede— nen Formen an ihnen beobachten, welche darauf hindeuten, daß ſich die Pflanzen dem Einfluſſe der Eleftricität anpaſſen. Auf dieſe Weiſe wird der befeuchtete Keim eines vegetirenden Saamens zu einem guten Leiter. Die aufſteigenden und niederſteigenden Theile ſind, in der Regel, ſpitzig. Pflanzen, welche ſchnell wachſen, ſind gewoͤhnlich ſtark mit weichen Haaren bedeckt. Die, welche den Wechſeln der Jahreszeiten am Kraͤftigſten wis derſtehen, ſind oft mit Dornen oder Stacheln beſetzt. Wenn 4 * 55 zu andern Zwecken eine ausgedehnte Oberfläche noͤthig iſt, fo nehmen die Organe diefelbe an. Wenn die Zeit der Fruchtbildung herannaht, ſo ſcheint es wuͤnſchenswerth, daß die Elektricitaͤt abgeleitet werde; deßhalb trocknen dann die Haare auf oder fallen ab. Eine ſcheinbare Ausnahme bildet die Entwickelung des pappus, welcher indeß die Be: ſtimmung hat, die Verbreitung der Saamen zu bewirken. Die Gaͤrtner legen uͤber die Fruͤchte anſetzenden Melonen Metallreife, welche die Elektricitaͤt von ihnen ableiten. 4) Manche Naturerſcheinungen ſcheinen dieſe Anſichten zu beſtaͤtigen. Weinreben uud Hopfenranken ſollen waͤhrend eines und nach einem Gewit— ter ſchnell wachſen, und Erbſen ſollen dann ſchnell Schoten anſetzen. Was den Hopfen anbetrifft, ſo koͤnnte man die— fen Umſtand auf Rechnung der Toͤdtung der Blattlaͤuſe durch den Blitz ſetzen; allein dieſe Erklärung ſcheint viel zu geſucht, da die Blattlaͤuſe und andere Schmarotzerinſee— ten ein zaͤhes Leben und ein Blitz, welcher ſie toͤdtete, auch der Pflanze nachtheilig ſeyn würde. Ferner will man beobs achtet haben, daß der Samum, weicher durch einen ſehr in— tenſiven elektriſchen Zuſtand der Atmoſphaͤre entſteht, nur da herſcht, wo keine Vegetation exiſtirt. Herr Brydone beobachtete, daß auf dem Aetna die Atmoſphaͤre uͤberall ſtark elektriſch war, wo die Bodenoberflaͤche kahl war, und daß dagegen an mit uͤppiger Vegetation bedeckten Stellen die Luft nicht elektriſch war, was ebenfalls auf eine Ableitung der atmoſphaͤriſchen Elektricitaͤt durch die Pflanzen hindeutet. Dieß wurde mittelſt eines Kegels von Kreide erlaͤutert, der an einer Stelle mit Moos bedeckt war. Wenn man den Theil des Kegels, der kein Moos enthielt, an die Maſchine hielt und dem Elektrometer näherte, fo afficirte er das In— ſtrument nur wenig, während das Moos die Elektricitaͤt voll— ſtaͤndig ableitete. 5) Die geographiſche Vertheilung gewiſ— fer Pflanzenarten ſcheint auf deren elektri— ſches Verhalten berechnet. In dieſer Beziehung iſt das Vorherrſchen der Nadelhoͤlzer in kalten Laͤndern be— merkenswerth. Dieſe Baͤume zeichnen ſich durch ihre nadel— fürmigen Blätter aus und werden dadurch zu vorzuͤglich wirkſamen Elektricitaͤtsleitern, fo daß fie der Trockenheit und Kaͤlte entgegenwirken und den Niederſchlag von Regen und Schnee beguͤnſtigen duͤrften 6) Practiſche Winke, die Elektricitaͤt für die Landwirthſchaft und den Gartenbau nutz⸗ bar zu machen a. In Betreff der freien Elektricität der Atmoſphaͤre. Herr Sidney gedachte der Verſuche des Herrn Foſter zu Finbraſſie *) in Bezug auf die Verbeſſerung des Getraidebaues und beſchrieb die Veraͤnde— rungen, welche Prof. E. Solly und er ſelbſt an dem Foſterſchen Apparate vorgenommen haben. Die letztere beſteht darin, daß von horizontalen Draͤhten, die an iſolir— ten Stangen befeſtigt ſind, Draͤhte gegen die Pflanzen hin herabhaͤngen. 5. In Betreff der durch die galvani— *) Vergl. No. 11 Band XXXIV. d. Bl. 752. XXXV. 4. 56 ſche Batterie kuͤnſtlich erzeugten Elektrieitaͤt. Herr Sidney hat gefunden, daß Kartoffeln, Senf und Kreſſe, Cinerarien, Fuchſien und andere Zierpflanzen ſich kraͤftiger entwickeln, wenn fie zwiſchen einer Kupfer- und einer Zinkplatte ſtehen, die durch einen Leitdraht miteinan⸗ der verbunden find, während auf der andern Seite Pelargos nien und Balſaminen unter ſolchen Umſtaͤnden abſterben. Herr Sidney iſt der Meinung, daß die Elektricitaͤt mit Nutzen bei'm Gartenbau verwendet werden koͤnne. In Be⸗ treff der Landwirthſchaft muͤſſen noch mehr Erfahrungen ges ſammelt werden, bevor man die Theorie des Verſuches voll⸗ ſtaͤndig zu erkennen vermag. (The Athenaeum, 24. May 1845.) Miscellen. Experimente über die kugelförmige Geſtalt, wel⸗ che verſchiedene Subſtanzen auf heißen Oberflaͤchen annehmen, fowie die Anwendung dieſes Princips auf die Dampfkeſſel; Gefrieren von Waſſer in rothglü- henden Gefäßen. — Unter dieſem Titel hat Profeſſor Bo u- tigny der eben geſchloſſenen dießjaͤhrigen Gelehrtenverſammlung zu Cambridge einen Vortrag gehalten, in welchem er zuerſt dar⸗ legte, daß, wenn man Waſſer auf eine heiße Metallflaͤche gießt, die Hitze demſelben nicht mitgetheilt wird, ſondern es eine kugelige Ge⸗ ſtalt annimmt und hin und herrollt, indem es bei einem geringen Abſtande von der Overflaͤche des Metalls erhalten wird und nicht kocht. Wenn man Waſſer in ein gluͤhendes Platinaſchaͤlchen gießt, ſo gleicht es einem umhertanzenden Glaskuͤgelchen. Ein ziſchendes Geraͤuſch und Dampf waren nicht wahrzunehmen, obwohl das Waſ— fer natürlich ſchnell verdunſtete; denn nachdem das Kuͤgelchen all- maͤlig an Groͤße verloren, verſchwand es nach etwa 2 Minuten vollſtaͤndig. Daſſelbe geſchieht, wenn man irgend eine Subſtanz, welche die Kugelgeſtalt anzunehmen fähig iſt, auf eine erhitzte Ober— fläche bringt. Um dieß zu beweiſen, that der Profeſſor in das glü- hende Platinaſchaͤlchen Jodine, Ammonium und einige brennbare Subſtanzen, die ſammtlich die Kugelform annahmen und gleich den Waſſerkuͤgelchen umhertanzten, ohne Dampf oder Geruch zu ent: wickeln oder anzubrennen, bis ſich das Platinaſchaͤlchen einigermaa— ßen verkuͤhlt hatte. — Ein anderer Verſuch war noch merkwuͤrdi— ger. Profeſſor Boutigeny erhitzte ein ſilbernes Gewicht, von ders felben Geſtalt wie das einer Uhr, bis zur Rothgluͤhhitze und ſenkte es dann an einem Drahte in ein Glas mit Waſſer ein, ohne daß im Waſſer eine größere Thaͤtigkeit erregt wurde, als wenn das Ge— wicht kalt geweſen wäre. — Profeſſor Boutig ny ſtellte hinſicht⸗ lich dieſer verſchirdenen Erſcheinungen keine weitere Theorie auf, als daß ſich zwiſchen dem erhitzten Koͤrper und der Subſtanz eine duͤnne Schicht Dampf bilde, welche die Mittheilung der Wärme verhin⸗ dere. Indeß hielt er die Umſtaͤnde in practiſcher Beziehung fuͤr wichtig, ſowohl in Betreff des Haͤrtens und Anlaſſens der Metalle, als in Bezug auf das Platzen der Dampfkeſſel. So werde, z. B., bei'm Härten der Metalle, wenn dieſe zu ſtark erhitzt feyen, die Wirkung des Eintauchens in das Waſſer geſchwaͤcht werden. Bei den Dampfkeſſeln werde, wenn das Waſſer in einen ſtark erhitzten Keſſel eingeführt werde, die Hitze dem Waſſer nicht mitgetheilt wer⸗ den, und der Keſſel kann, ohne daß ſtarke Dampfentwickelung ſtatt⸗ findet, rothgluͤhend werden, bis endlich, wenn er ſich abkuͤhll, ploͤtz⸗ lich eine gewaltige Menge Dampf erzeugt wird und eine Exploſion ſtattfindet. — Das letzte und merkwuͤrdigſte Experiment des Pro⸗ feſſors Boutigny betraf das Gefrieren von Waſſer in einem roth⸗ gluͤhenden Gefäße, Er erhitzte eine Platinaſchale bis zum Roth: gluͤhen und goß dann ein Wenig Waſſer hinein, welches, wie bei den fruhern Verſuchen, die Kugelgeſtalt annahm. Hierauf goß er etwas tropfbarflüſſige ſchwefelige Säure in das Gefäß, worauf eine ploͤtziche Verdunſtung eintrat und, als die Schaale ſchnell umge⸗ dreht wurde, eine kleine Eismaſſe herausfiel. Dieſes Experiment 57 erweckte lauten Beifall. Das Princip, auf welchem es beruht, ift folgendes: die ſchwefelige Säure kocht bei einer niedrigern Tem: peratur, als der Gefrierpunct des Waſſers, und wenn dieſelbe in das erhitzte Gefäß gegoſſen wird, fo entſteht eine fo ploͤtzliche Ver: dunſtung, daß das Waſſer gefriert. (Calignani's Messenger, 5. July 1845.) Paraſit des Ohrs. — Herr Berger ließ in der Acade⸗ mie der Wiſſenſchaften zu Paris in der Sitzung vom 19. Mai ein verſiegeltes Paquet oͤffnen, welches den 2. November 1841 nieder⸗ gelegt worden war. Die Anmerkung, welche ſich in demſelben ein— geſchloſſen befand, war betitelt: Paraſit des Ohrs. — Dieſer Pa— raſit (gehort zu den Tardigraden, Thieren, mit welchen Spallan— zani, Blafnville und Schultze ſich viel beſchaͤftigt haben) lebt in dem Schmalze des Ohres; er hat eine bedeutende Größe. Es iſt eine Art von verlaͤngertem Wurm, mit einer leichten Anſchwel— 752. XXXV. 4. 58 lung an dem vordern Theile, wo ſich nach Unten zu der Mund bes findet, welcher aus zwei elliptiſchen, an ihren Enden zuſammenlau⸗ fenden und in der Mittellinie nach der Achſe des Körpers verlan⸗ gerten Kiefern beſteht. — Auf jeder Seite des Mundes ſind zwei kurze Roͤhren, welche der Verfaſſer fuͤr zwei Saugwerkzeuge haͤlt, oder fuͤr zwei Augen, welche ſich unter eine Art von feſtem Bruſt⸗ kaſten zurückziehen. Der letztere iſt auf jeder Seite wie durch ſechs Rippen befeſtigt, deren in der Mittellinie und ein Wenig nach Hin⸗ ten befindliche Vereinigung ein Bruſtbein bildet, welches oͤfters ſelbſt ein ſchwertfoͤrmiger Fortſatz verlängert. — Dem äußern Ende der vier letzten Rippen entſprechen vier Fuͤße, welche kurz und geglie⸗ dert ſind, ſich in eine mit vier Klauen verſehene Hand endigen und ſich ebenſo, wie die Saugwerkzeuge, unter den Bruſtpanzer zu= ruͤckziehen. Die allgemeine Farbe iſt blaͤulich. Herr B. behaͤlt ſich eine ausfuͤhrlichere Unterſuchung und Beſchreibung vor. Ueber den Einfluß gewiſſer Veraͤnderungen in der Milch auf die pathologiſchen Zuſtaͤnde neugeborner Kinder. Von Hrn. Girard, Prof. der Medicin zu Marſeille. Die Pathologie der Neugebornen iſt noch in bedeuten— des Dunkel gehuͤllt. Da dieſe kleinen Weſen ihren Willen nur mangelhaft kund geben koͤnnen, da ſie ſehr ſchwer zu beobachten ſind und ihr normaler Zuſtand nicht hinreichend bekannt iſt, ſo erklaͤrt ſich aus all' dem, weßhalb wir uͤber ihre Pathologie noch wenig im Klaren ſind. Seit einiger Zeit ſind nuͤtzliche und wichtige Arbeiten ruͤckſichtlich der Foͤrderung dieſes Theils der Medicin geſche— hen. Ich habe geglaubt, daß nachſtehende Thatſachen zur Kenntniß der Krankheiten des zarteſten Kindesalters beitra— gen koͤnnten. Dieſe Thatſachen kommen, glaube ich, ſehr haͤufig vor, werden aber oft von den practiſchen Aerzten uͤberſehen. Ich ſchreibe mir bei deren Darſtellung kein an— deres Verdienſt zu, als daß ich ſie ſorgfaͤltig beobachtet habe und vielleicht dadurch die Aufmerkſamkeit der Aerzte auf einen bisher noch allzuſehr vernachlaͤſſigten Punct der Pa— thologie ziehe. Erſte Beobachtung. Im September 1840 wurde mir ein fuͤnfmonatliches Kind gebracht. Dieſes Kind wurde angeblich kraͤftig geboren, und man hatte ihm eine Amme gegeben, deren Milch 14 Monate alt war. Daſſelbe ward nach und nach heißhungrig, ſchrie unaufhoͤrlich und ſchwieg erſt am Buſen. Statt zuzunehmen, magerte es nach und nach ab. x Die Diarrhoͤe hatte ſich ausgebildet; die Stühle waren grün. Als mir das Kind gebracht wurde, fand ich daffelbe in folgendem Zuſtande. Das Geſicht war abgemagert und blaß, die Zunge roth mit einzelnen Schwaͤmmchen (mu— guet); der Bauch ſtraff, an den Hinterbacken und Schen— keln lebhaftes Erythem; Durchfall ſtark mit grünen faeces; Rn de es brach mehrmals des Tages geronnene Milch aus. Schlaf ſchlecht und haͤufig unterbrochen. Die Mutter des Kindes erzaͤhlte mir, daß ſich an dem— ſelben ſchon zweimal aͤhnliche Symptome gezeigt haͤtten, und daß dieſesmal nur die Schwaͤmmchen (plaques de muguet) zum erſten Male zum Vorſchein gekommen feyen. Die andern Symptome haͤtten etwa 14 Tage angehalten und ſeyen durch Anwendung von Faſten, Baͤdern und eini— gen Staͤrkemehlclyſtiren gehoben worden; nur der Durchfall habe angehalten. Bei dieſem dritten Anfalle waren jedoch die Symptome heftiger, als fruͤher, aufgetreten, und zugleich hatten ſich die Mundſchwaͤmmchen (muguet) eingeſtellt, wegen deren die Mutter aͤrztliche Huͤlfe ſuchte. Ich beſaß damals eine nur ſehr allgemeine Bekanntſchaft mit der mikroſkopiſchen Be— ſchaffenheit der Milch und beſchraͤnkte mich alſo darauf, ſie mit Reagentien zu pruͤfen. Da ich ſo eine Urſache der Leiden des Kindes zu finden glaubte, ſo ließ ich die Amme Magneſia einnehmen. Zugleich verordnete ich dem Kinde Klyſtire, Baͤ— der, Gurgelwaſſer, ohne daß dieſe Mittel anſchlugen. Die Diarrhoͤe dauerte (10 — 12 Mal taͤglich) fort, und die Schwaͤmmchen vergrößerten ſich. Ich rieth nun zur Annahme einer Amme und waͤhlte eine ſolche, deren Milch drei Monate alt war. Nach zwei Tagen hatte der Durchfall ſich vermindert, und nach einer Woche waren alle Symptome verſchwunden, und ſie kehrten auch nie wieder. Zweite Beobachtung. Mad. S., 25 Jahre alt, zum erſten Male ſchwanger, gebar am 14. Novbr, 1844 ein ſtarkes, kraͤftiges Knaͤbchen. Sie wuͤnſchte das Kind ſelbſt zu ſtillen; allein da die Milchſecretion ſich nur lang— ſam einſtellte und das Kind beſtaͤndig nach Milch ſchrie, ſo legte eine Nachbarin, deren Milch neun Monate alt war, und die ein ſehr ſchoͤnes Kind hatte, deſſen Schlaf und Verdauung durchaus in Ordnung waren, das Knaͤbchen die erſten drei Tage an ihre Bruſt. 59 Miährend diefer Zeit gab fih an dem Kinde nichts Be— merkenswerthes kund, und da mittlerweile deſſen Mutter Milch genug bekam, ſo ſtillte dieſe es, und das Kind ſaugte kraͤftig. Am 24. November ſchwollen die Bruͤſte der Mutter, und ſie entſchloß ſich dazu, ihrem Kinde eine Amme zu ge— ben. Daſſelbe befand ſich damals wohl, nur ſchlief es ein Wenig lange und ſchrie oft. Die Stuͤhle waren aber von guter Beſchaffenheit und fanden binnen 24 Stunden 2— 3 Mal ſtatt. Sie waren gelb und nicht zu fluͤſſig. Die Amme, welche man annahm, war von mittlerer Statur, von etwas -olivenfarbenem Teint und etwa 30 Jahre alt. Sie ſchien durchaus geſund; ihr Buſen war klein, die Milch ſuͤß, weiß, von guter Conſiſtenz, 14 Tage aͤlter, als das Kind, und ſchien reichlich zu fließen, da das nur mit Milch genaͤhrte Kind immer daran genug hatte. Kaum waren einige Tage verfloſſen, ſeitdem dieſe Amme das Kind ſaͤugte, ſo ſchlief daſſelbe nicht mehr. Sein Geſicht magerte von Tage zu Tage mehr ab; die Stuͤhle wurden zahlreicher und fluͤſſig, und jedesmal, wenn man die Windeln wechſelte, waren dieſelben mit einer gruͤnen oder ſchwaͤrzlichen Fluͤſſigkeit gefarbt Es ſtellten ſich Ekel und Erbrechen ein; bald roͤtheten ſich die Hinterbacken ſtark, und dieſe Roͤthung verbreitete ſich auch uͤber die Schenkel. Der Puls war haͤufig, indem er in der Minute 120 Schlaͤge that, inſoweit ſich dieß bei der Unruhe des kleinen Patien— ten ermitteln ließ. Am 3. December endlich befand ſich das Kind in folgendem Zuſtande: aͤußerſte Abmagerung, Haut trocken und erdfahl; Diarrhoͤe häufig, grün; Bauch gefpannt, ſchmerzhaft; das ſehr lebhaft rothe Erythem hatte ſich wei— ter ausgedehnt; die Epidermis hatte ſich vom serotum abgeſchaͤlt; das Kind brach die geringſte Quantität Fluͤſſig— keit, die es zu ſich nahm, wieder aus; die rothe Zunge war, gleich der Schleimhaut der Lippen und Wangen, mit zahlreichen feſtſitzenden Mundſchwaͤmmchen (muguet) bedeckt, welche, wenn man ſie abrieb, ſich wiedererzeugten. Ich verordnete Kleienbaͤder, eiweißhaltiges Waſſer zum Getraͤnke, Klyſtire von Leinſaamen mit einem Tropfen Opium; zweimal taͤglich Breiumſchlaͤge auf den Bauch, Bü: der und Faſten. Trotzdem dauerten die Symptome nicht nur fort, ſondern ſie wurden noch heftiger. Das Erythem breitete ſich aus; die Mundſchwaͤmmchen (muguet) floſſen beinahe zuſammen; an den Unterſchenkeln entwickelten ſich Ekthyma-Puſteln; der Durchfall ward haͤufiger, und die Abmagerung nahm zu. Dieſer Zuſtand dauerte bis zum 9. Dec. Alsdann bat ich meinen gelehrten Collegen, den Dr. Dufoffe, welcher in mikroſkopiſchen Unterſuchungen ſehr bewandert iſt, die Milch der Amme zu pruͤfen, und er theilte mir, als das Reſultat ſeiner Pruͤfung, Folgendes mit: Die Farbe der Milch bietet nichts Beſonderes dar; ihre Conſiſtenz iſt diejenige einer Milch, welche viel Rahm enthält. Mit Ammonium behandelt, wird fie ein Wenig klebrig; ſie iſt weder ſauer, noch alkaliniſch. Bringt man einen Tropfen von dieſer Milch zwiſchen zwei Glasplatten, die man leicht uͤbereinanderlegt, und un— 752. XXXV. 4. 60 terſucht man den Gegenſtand bei 300facher Vergroͤßerung des Durchmeſſers, ſo beobachtet man Folgendes: 1. Es ſind hinreichend viel Milchkuͤgelchen vorhanden, um eine ſogenannte fette Milch zu bilden. Dieſelben ſind im Allgemeinen groß, und die groͤßten darunter gleichen kleinen, halb mit Fluͤſſigkeit gefüllten, ſchlaffen Blaſen. Statt wie Perlen zu glaͤnzen, bieten die meiſten, und na— mentlich die groͤßten, eine merkwuͤrdige Farbe dar. Sie ſind mattweiß und opalescirend; manche darunter ſind mit andern zuſammenhaͤngend und bilden ſo kleine Gruppen, welche man nach allen Richtungen auf dem Gegenſtands— traͤger verſchieben kann, ohne daß ſich ein einziges Kuͤgelchen ablöftt. Uebt man auf dieſelben den leiſeſten Druck aus, ſo werden ſie breit und nehmen verſchiedene Formen an, während fie eine 4 — 5 mal größere Oberflaͤche darbieten, als vorher. Wenn man zwiſchen die Glasplatten ein We— nig Schwefelaͤther bringt, ſo loͤſen ſich die Kuͤgelchen ge— ſchwind auf. 2. Das ganze Geſichtsfeld des Mikroskops iſt dicht mit rundlichen Theilchen gefüllt, die in der Geſtalt die größte Aehnlichkeit mit breitgedruͤckten Himbeeren haben. Sie ſind durchaus farblos, bieten aber uͤbrigens die Hauptkennzeichen dar, welche die Mikrographen (J. Henle, Al. Donné, Mandl, Gutberlet, Naſſe, D'Outrepont) den Körperchen des colostrum zugeſchrieben haben. Dieß find offenbar granulirte Körper*). Ich rieth der Mad. S., augenblicklich eine andere Am: me zu nehmen, und ſie ließ ihr Kind einſtweilen wieder von derſelben Nachbarin ſaͤugen, welche daſſelbe ſchon in den er— ſten Lebenstagen geſtillt hatte. Schon in der folgenden Nacht ſchlief das Kind fuͤnf Stunden. Nachdem ich die Milch von 8 — 4 ſich anbietenden Ammen mikroſkopiſch gepruͤft und ungeeignet gefunden, gelang es mir endlich, eine zu treffen, deren Milch gut und 2 Monate alt war. Kaum hatte dieſe das Kind zwei Tage lang ge— ſtillt, fo nahm der Durchfall ab, das Erbrechen wurde ſelte— ner und hoͤrte endlich ganz auf; die Mundſchwaͤmmchen (muguet) erzeugten ſich nicht mehr, die Zunge wurde blaß und das Erythem verſchwand. Am 21. December war das Kind nur noch mager, und am 2. Januar waren alle Krank- heitsſymptome verſchwunden. Am 27. Januar ſtellte ſich jedoch eine Haargefaͤß- Bronchitis ein, welche aber wieder— holten Brechmitteln wich. Am 18. Maͤrz ſah ich dieſes Kind vollkommen geſund wieder. Die Stühle waren regelmäßig, eher etwas zu fel: *) Herr Donn é, welcher die Partikelchen des colostrum zuerſt beſchrieben und ihnen den Namen granulirte Körper ges geben hat, behauptet in feinem Cours de microscopie, 1843, p. 400 fie ſeyen ein Wenig gelblich. Dieſe Farbe haben ſie allerdings mehrentheils, allein man trifft ſie auch ſo oft völlig farblos, daß man nicht annehmen kann, dieß bilde eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, und die gelbe Farbe laͤßt ſich daher nicht als ein unterſcheidendes Kennzeichen der granulirten Koͤrper aufſtellen. 61 en, der Schlaf gut; das Kind wohlbeleibt und nur ein Wenig blaß. Dritte Beobachtung. Mad. R., 28 Jahre alt, zum ſiebenten Male ſchwanger, gebar im Februar 1842 ein großes, geſundes Knaͤbchen. Ihr viertes Kind, ein Maͤd— chen, welches ſie ſelbſt geſtillt hatte, war im Alter von ſechs Monaten mit den Symptomen einer gallertartigen Er— weichung des Magens, naͤmlich brennendem Durſt, aͤußer— ſter Abmagerung, gruͤnem Durchfall und Ausbrechen ſchlei— miger Stoffe, geſtorben. Das letzte Kind, welches ſie geboren, nahm die Bruſt willig an, und die Milch beſaß anſcheinend alle Eigenſchaf— ten einer guten Milch; auch war ſie reichlich vorhanden. Das Kind war geſund und erbrach ſich nur ziemlich haͤufig, nachdem es geſtillt worden. Zu Anfang des zweiten Monats nahm das Erbrechen an Haͤufigkeit zu, und die Milch ging dabei in einem vol— len Strahl ab. Da ich glaubte, man habe das Kind zu— viel trinken laſſen, ſo empfahl ich, daß es nur alle zwei Stunden geſaͤugt werde, und daß, wenn es in der Zwiſchen— zeit durchaus etwas erhalten muͤſſe, um ſich zu beruhigen, man ihm Zuckerwaſſer oder ganz duͤnnes Brotwaſſer geben ſolle. Dieß geſchah, und das Kind vomirte etwas weniger; allein es brach immer die Milch und nie die andern Fluͤſ— ſigkeiten aus. Indeß magerte das Kind nicht ab, aber es nahm auch nicht zu. Sein Geſicht war blaß, und es litt abwechſelnd an Verſtopfung und Diarrhoͤe. Um die Mitte des zweiten Monats bot es ploͤtzlich fol— gende Symptome dar; er ſtieß einen Schrei aus, verlor das Bewußtſeyn und hoͤrte auf zu athmen. Geſicht und Haͤnde wurden violet. Dieſer Zuſtand dauerte einige Secunden und ging von ſelbſt voruͤber. Einige Stunden lang blieb das Kind ein Wenig matt. Dieſe Symptome, welche mit denen des thymiſchen asthma Aehnlichkeit hatten, wiederholten ſich binnen der naͤch— ſten 20 Tage mehrmals. Ein Blaſenpflaſter und krampf— ſtillende Mittel, z. B., Zinkoxyd, Baͤder, wurden ohne Er— folg dagegen angewandt. Die Anfälle traten bei Tag oder Nacht, zu ganz unbeſtimmten Stunden, ohne alle ermittel— bare Veranlaſſung ein. Indeß dauerte das Erbrechen immer fort; das Geſicht des Kindes war leidend. eine aͤhnliche Krankheit bekommen, wie die, an welcher der Frau ſchon ein Kind geſtorben war, ſo wollte ich, ehe ich ihr rieth, eine Amme anzunehmen, ihre Milch unterſuchen. Dr. Dufoffe that dieß für mich und fand, daß die Milch eine gewaltige Menge Schleim enthielt, uͤbrigens von nor— maler Beſchaffenheit war. Ich kuͤndigte nun der Mutter an, daß das Kind durch— aus andere Milch erhalten muͤſſe. Dieß war ihr ſehr zu— wider, und ſie bat ſich einige Tage Bedenkzeit aus. Als acht Tage ſpaͤter das Erbrechen nachgelaſſen hatte, wurde die Milch abermals unterſucht, und es fand ſich in 752. XXXV. 4. Da ich fuͤrchtete, daſſelbe werde, 62 derſelben weit weniger Schleim; allein dieſer ſtellte ſich nach einigen Tagen wieder in groͤßerer Menge und mit ihm auch das Erbrechen wieder haͤufiger ein. Das Kind wurde immer magerer und bekam etwas Durchfall. Die Symptome der Reſpirationswege dauerten fort, und die Dame willigte nun ein, eine Amme anzuneh— men. Erſt die achte der Frauensperſonen, deren Milch wir unterſuchten, hatte ſolche von untadelhafter Beſchaffenheit. In der Milch der uͤbrigen fanden wir Schleim, granulirte Körper, oder andere Abnormitaͤten. Zwei Tage nach der Anſtellung der Amme verſchwand das Erbrechen und ſtellte ſich auch nicht wieder ein. Ebenſo hoͤrten die aſthmatiſchen Symptome vollkommen auf. Ge— genwaͤrtig, am 20. Maͤrz, iſt das Kind ſehr ſtark und wohl— beleibt; es hat unter den günftigften Umſtaͤnden 4 Zähne bes kommen und geht ohne Beihuͤlfe. Ohne auf fo wenig zahlreiche Beobachtungen eine all gemeine Theorie gruͤnden zu wollen, darf ich doch annehmen, daß hier ein Cauſalnexus zwiſchen der Beſchaffenheit der Milch und den Krankheitserſcheinungen ftattgefunden habe. Die zweite Beobachtung fuͤhrt uns eine ſehr bedenk— liche, in den meiſten Faͤllen toͤdtliche Krankheit vor Augen, die ſich unter der Anwendung einer rationellen Behandlung immer mehr verſchlimmert hatte und ohne Weiteres ver— ſchwand, als das Kind andere Milch bekam. Solange es eine unreine und ſchlecht beſchaffene Milch erhalten, war es krank, und ſobald es eine gute Milch bekam, genas es wun— derbar ſchnell. Die dritte Beobachtung zeigt uns ebenfalls ein Beiſpiel, wo Symptome, die allerdings noch keine ſo ſtarke Stoͤrung in den Functionen herbeigefuͤhrt hatten, waͤh— rend der Ernaͤhrung mit unreiner Milch eintraten und fort— beſtanden, aber ſogleich aufhoͤrten, als man dem Kinde eine Amme gab, deren Milch von guter Beſchaffenheit war. Waͤre es nun unlogiſch, zu ſchließen, daß gewiſſe, ge— faͤhrliche, pathologiſche Zuſtaͤnde lediglich durch unguͤnſtige Beſchaffenheit der Milch veranlaßt und, ſelbſt wenn ſie fhon einen hohen Grad erreicht, durch den Genuß einer ge— ſunden Milch gehoben werden koͤnnen? Man haͤtte nun zu ermitteln, ob dergleichen fehlerhafte Beſchaffenheiten der Milch ſtattfinden koͤnnen, ohne daß die Kinder, welche ſolche Milch genießen, an ihrer Geſundheit leiden; ſowie, ob dieſe oder jene fehlerhafte Beſchaffenheit der Milch gewoͤhnlich oder conſtant dieſen oder jenen patho— logiſchen Zuſtand veranlaſſe. So finden wir in obigen Be— obachtungen, daß bei dem granulirten Zuſtande der Milch Schwaͤmmchen, und daß bei dem ſchleimigen Zuſtande der Milch ein Erkranken des Magens und der Reſpirationsor— gane eintrat. Ich will keinesweges behaupten, daß alle Krankheiten der Saͤuglinge von der Beſchaffenheit der Milch abhängig ſeyen; allein ich glaube doch, daß viele noch uner— klaͤrte Zuſtaͤnde lediglich von der Beſchaffenheit der Milch her: ruͤhren und ſich vermeiden oder heben ließen, wenn man dieſe Fluͤſſigkeit genau unterſuchte. 63 Ruͤckſichtlich der Erzeugung der Schwaͤmmchen will ich hier noch einige Betrachtungen hinzufuͤgen. Hr. Valleix hatte bereits bemerkt, welche bedeutende Rolle die Ernaͤh— rung in Betreff der Aetiologie dieſer Krankheit ſpielt; denn in ſeiner: Clinique des maladies des enfants nou- veau-nes, Paris 1838, Art. Muguet hat er davon ges handelt, und in feinem neueſten Werke: Guide du me- decin praticien, Paris 1844, T. IV. p. 79, drüdt er ſich daruͤber folgendermaaßen aus: „Wenn die uͤble Beſchaf— fenheit der Milch Mundſchwaͤmmchen (muguet) erzeugen kann, was ſehr wahrſcheinlich iſt, wenngleich ſich noch keine be— ſtimmten Beobachtungen dafuͤr angeben laſſen, ſo begreift man, wieviel von der Unterſuchung der Ammenmilch abhaͤngt und dieſe Unterſuchung muß waͤhrend der Saͤugperiode von Zeit zu Zeit wiederholt werden. Hr. Donne hat mehrere Faͤlle bekannt gemacht, aus denen ſich ergiebt, daß ſich die Urſache der Kinderkrankheiten öfters durch ſorgfaͤltige Pru— fung der Milch entdecken laͤßt“. Die beiden erſten Beobachtungen, welche ich oben mit— getheilt habe, beſtaͤtigen die Anſichten des Herrn Valleir in Betreff des Weſens der Kinderkrankheiten und der Schwaͤmm— chen. In dieſen Faͤllen fand offenbar zuvoͤrderſt eine Stoͤ— rung in den Verdauungswegen ſtatt; das Erbrechen, der Durchfall, das Erythem der Hinterbacken und Schenkel, die Unruhe und die Abmagerung des Kindes beweiſen dieß voll— ſtaͤndig. Dieſe Thatſachen ſind alſo in pathologiſcher Bezie— hung intereſſant; allein ich werde mich nicht weiter uͤber den Gegenſtand verbreiten, ſondern glaube, meinen Zweck erreicht zu haben, wenn obige Bemerkungen die practiſchen Aerzte veranlaſſen, dem Zuſtande der Milch mehr Aufmerkſamkeit zu ſchenken und ſie namentlich mikroſkopiſch zu unterſuchen. (Archives générales de Médecine, Juin 1845.) Muscel.ken. Die Heilung ber fistula vesico-vaginalis ift von Herrn Jobert (de Lamballe) im Hoſpital Saint-Louis mit ausgezeichnetem Erfolg mittelſt der ſogenannten autoplaſti— ſchen Vereinigung durch Verſchiebung bewirkt worden. 752. XXXV. 4. 64 Man macht einen halbkreisfoͤrmigen Queereinſchnitt in den vordern Theil des Mutterhalſes, wo ſich dieſer an die vagina anſchließt. Man praͤparirt dann von Unten nach Oben und richtet dann die Schneide des Biſturi nach dem Mutterhalſe zu, um den Grund der Blaſe vor Verletzung zu ſchuͤtzen. Gleich, nachdem man dieſen Einſchnitt gemacht und den Grund der Blaſe losgetrennt hat, zieht ſich die vordere Wandung der vagina zuruck, während die hintere Portion der Blaſe vorwaͤrts ruͤckt. Dadurch wird es ſehr leicht, die Lefzen des Schnittes einander gegenuͤberzubringen und zu verei⸗ nigen, und es laſſen ſich auf dieſe Weiſe gewaltige Subſlanzverluſte unſchaͤdlich machen, z. B., ein ſolcher, welcher in einem Falle ſtatt⸗ fand, den Herr Jobert bei dieſer Gelegenheit der Academie mit- theilte. Derſelbe verſpricht naͤchſtens Ausfuͤhrlicheres uͤber die— ſen fuͤr die Chirurgen hoͤchſt intereſſanten Gegenſtand. (Aus dem Berichte uͤber die Sitzung der Acad. d. Wiſſenſch. am 14. Juli, im Courrier frangais, 16. Juillet 1845.) Ueber den Gebrauch des Ergotins gegen aͤußere Blutungen hat Herr Bonjean zu Chambery der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris in deren Sitzung vom 7. Juli eine Mit⸗ theilung gemacht, in der er anfuͤhrt, er habe am Schenkel eines Schaafes eine Vene geoͤffnet und ſofort ein Charpiebaͤuſchchen, wel⸗ ches mit einer Auflöfung von Ergotin befeuchtet worden, auf die Wunde gebunden. Nach wenigen Secunden ward daſſelbe befeitigt, und es floß kein Tropfen Blut mehr aus, indem die Oeffnung in der Vene vollkommen obliterirt war. Bei einem Kaninchen ward eine Arterie geöffnet, aus welcher das Blut in einem Strome von der Staͤrke eines Gaͤnſefederkiels ausfloß; man verband die Wunde mit Charpie, das mit Ergotinaufloͤſung befeuchtet war, und nach 5 Minuten war die Oeffnung nicht mehr ſichtbar. Ebenſo erfolg— reiche Verſuche wurden mit andern Thieren angeſtellt. Das Ergo: tin ward bei dieſen Experimenten in dem zwoͤlf- bis fuͤnffachen Gewicht Waſſers aufgeloͤſ't. Sehr ausgebreitete Lager von ſalpeterſaurem Na⸗ tron ſind in der Nachbarſchaft von Angra Pequena an der Weſt⸗ kuͤſte vom ſuͤdlichen Africa aufgefunden worden. Ob ſie hinreichen werden, um an die Stelle desjenigen ſalpeterſauren Natrums zu treten, welches bisher von Atacoma in Suͤdamerica bezogen ward, iſt noch nicht entſchieden. Dieſe Salze werden in der Chemie, den Kuͤnſten und bei'm Ackerbau jetzt ſo reichlich angewendet, daß die Entdeckung eines fuͤr Europa naͤheren Lagers, als die in Ceylon und Peru, ſehr vortheilhaft und willkommen ſeyn wuͤrden. Die Anwendung des Glüheifens bei den nach Ent⸗ bindungen oft eintretenden Gichtanfaällen wird von Dr. Doherly in der Dublin Hospital Gazette ſehr empfohlen. Er hat nun ſchon fünf Faͤlle geſehen, in welchen Gichtanfälle, die die gefaͤhrlichſte, mit Venenſtockungen complicirte Form der Kinds bettſieber begleiten, durch Anwendung des Gluͤheiſens gehoben ſind. Bibliographische Hrui gk fen. — 0 Instructions pratiques sur l’observation et la mesure de pro- prietes optiques appelees rotatoires, avec Pexposé suceinct de leur application a la chimie medicale, scientifique et indu- strielle. Par Biot. Paris 1845. 4, Note Book of a Naturalist, By M. Thompson, London 1845. 8 Du Hachisch et de l’ali&nation mentale, Etudes psychologiques. Par J. Moreau (de Tours.). Paris 1845. 8. Sopra due alterazioni morbose del sistema circolatorio sangui- gno, osservazioni cliniche di Pietro Biagini, pistojese. Bolo- gna 1844. 8. — ——— —⁊— —f0ũV neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Freriep ju Weimar, und dem Medicinalratde und Prefeſſer Froriep zu Berlin. Mo. 753. (Nr. 5. des XXXV. Bandes.) Juli 1845. 2 ⁰yds y : h ˙ . ˙⸗¹m 7˙tꝛͤ—?——— ̃˖‚ oe Gedruckt im Landes ⸗Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 RE. oder 3 . 30 ur des einzelnen Stückes 3 9, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, As Die Tafel colorirter Abbildungen 7½¼ 895 N a u Ueber die Kryſtalle, welche ſich voͤllig ausgebildet in den Pflanzengeweben vorfinden.“ Vom Prof. Bailey. Die Chemiker und Phyſiologen haben bereits lange das Vorhandenſeyn von verſchiedenen ſaliniſchen Stoffen in der Aſche ſaͤmmtlicher Vegetabilien dargethan. Manche Natur: forſcher haben ſelbſt in den Zellen der noch lebenden Pflan— zen mit Huͤlfe des Sonnenmiktoſkops dergleichen Salze ent— deckt. So hat Hr. Raſpail in den Zellen des Panda- nus, der Typha, Orchis etc. phosphorſauren Kalk, in der Iris, im Theligonum cynocrambe etc. kleeſauren Kalk gefunden. Die Aufmerkſamkeit des Verf. wurde bei Gelegenheit der Unterſuchung einer geringen Menge Aſche, welche die Geſtalt des Holzes, von dem ſie herruͤhrte, beibehalten hatte, auf dieſen Gegenſtand gelenkt. Mittelſt etwas geſchmolze⸗ nen canadiſchen Balſams gab er der Form dieſer Aſche mehr Dauer und unterſuchte ſie alsdann unter dem Mikroſkope, da er denn eine große Anzahl brauner oder undurchſichtiger, eckiger Koͤrper in derſelben entdeckte. Alle Aſchen von aus— laͤndiſchen oder in America einheimiſchen Baͤumen hatten ihm ähnliche polyédriſche Körper dargeboten, und er wuͤnſchte, ſich davon zu uͤberzeugen, ob dieſelben im Baume ſelbſt ſchon als Kryſtalle vorhanden ſeyen, oder ob deren Subſtanz die eckige Geſtalt durch Abformung in den Zellen annaͤhme. Er fand bald, daß man ſowohl in der Rinde, als im Baſte nicht allein die Kryſtalle an Ort und Stelle ſehen, ſondern ſogar leicht iſoliren koͤnne, indem man ein Wenig von der Rinde uͤber einer Glastafel raſpelte, durch Anhauchen der letztern die Kryſtalle auf ihr fixirte und die Holztheile durch Blaſen beſeitigte. Man ſah dann unter dem Mikroſkope die ſchon mit bloßen Augen erkennbaren glaͤnzenden Puncte ſich in ſehr reine und ſcharf begrenzte Kryſtalle verwandeln. Erhitzte man dieſelben, ſo wurden ſie undurchſichtig, und that man ſie in canadiſchen Balſam, ſo glichen ſie durchaus No. 1853. — 753. Nan n d den in der Aſche beobachteten polyédriſchen Körpern, fo daß ruͤckſichtlich ihrer Identitaͤt kein Zweifel ſtattfinden konnte. Die Rinde von verſchiedenen Eichen, Pappeln, Obſt— und anderen Baͤumen zeigte ſich mit Kryſtallen gefuͤllt. Duͤnne Schichten von dem Baſte der Pappel, der Kaſtanie ꝛc., die man, leicht befeuchtet, unter das Mikroſkop brachte, lie ßen ein ſehr ſchoͤnes Moſaik von Kryſtallen erkennen. Jede Zelle der Populus grandidentata enthielt, z. B., einen einfachen oder doppelten Kryſtall, und betrachtete man denſelben bei polariſirter Beleuchtung, ſo glaubte man ein Moſaik von Rubinen und Smaragden zu ſehen. Es haͤlt zuweilen ſchwer, die Kryſtalle an Ort und Stelle in den Zellen zu ſehen, weil Kuͤgelchen von Amidon und Chlorophyll vorhanden und die Gewebe ſehr dicht ſind; allein ſie laſſen ſich faſt immer dadurch iſoliren, daß man das Holz in Waſſer raſpelt und die holzigen Theile beſeitigt. Durch dieſes Verfahren laſſen fie ſich ſelbſt aus dem Kerns holze der Eiche, aus dem Mahagoniholze und uͤberhaupt den haͤrteſten Holzſorten darſtellen. Es finden ſich deren in den Saͤgeſpaͤnen, in dem Wurmmehle, den zarteſten Theilen der pulveriſirten Faͤrbehoͤlzer, z. B., der gelben americani: ſchen Eichenrinde (ſog. Quercitron), dem Braſilienholze, Campecheholz, Sandelholz ꝛc. Wenn man die Blaͤtter ſorgfaͤltig verbrennt, ſo daß die Aſche die Geſtalt jener beibehaͤlt, und der Aſche dann mit canadiſchem Balſam Conſiſtenz giebt, ſo zeigt ſich darin un— ter dem Mikroſkope das ſaliniſche Skelet des Blattes. Eine Reihe von Kryſtallen begleitet in den vollſtaͤndig entwickelten Blättern jede Veraͤſtelung der Gefaͤßbuͤndel, ſelbſt der fein— ſten darunter; allein bei den jungen Blaͤttern ſieht man nur in der Mittelrippe und in deren Hauptzweigen Kryſtalle. Bei manchen Blättern, z. B. denen des Nelumbium lu- teum, der Salisburia adiantifolia, der Acalypha vir- ginica etc., ſieht man die Kryſtalle in ſtrahligen Grup— pen durch die verſchiedenen Portionen des Parenchyms ver— theilt. 5 67 Die gewoͤhnlichſte Form der Kryſtalle, die man in den Zellen der Dicotyledonen antrifft, ſcheint das Rhomboid— Prisma, deſſen ſpitze Winkel haͤufig durch Facetten erſetzt ſind. Der Verf. hat Kryſtalle von dieſer Geſtalt in mehr, als hundert Species von holzigen und krautartigen Pflan— zen angetroffen, die mehr als 30 verſchiedenen Familien an— gehoͤren. Mehrentheils beſtehen dieſelben aus Baͤumen und Straͤuchern, die theils in America einheimiſch, theils dort nicht einheimiſch ſind. Dahin gehoͤren die Ahorne, die Amen— taceen, bei denen die Kryſtalle zuweilen ſtrahlig geordnet ſind, die Leguminoſen, in'sbeſondere die Faͤrbehoͤlzer, die Ro— ſaceen, Weidenarten, Ulmaceen ꝛc. Die Kryſtalle alle die— ſer Pflanzen glichen einander nicht nur in der allgemeinen Geſtalt, ſondern wenn man deren Winkel mit dem Wol— laſton'ſchen Reflectionsgoniometer maß, ſo erhielt man ſtets dieſelben Zahlen, ſo daß ruͤckſichtlich ihrer Identitaͤt kein Zweifel obwalten kann. Chemiſch unterſucht, zeigten ſich dieſe Kryſtalle ſowohl in warmem, als in kaltem Waſſer aufloͤslich. In Schwefel =, Salpeter- und Salzſaͤure loͤſ'ten ſie ſich ohne Aufbrauſen auf. In Klee- und Eſſigſaͤure find fie nicht loͤslich. Erz hitzt werden ſie undurchſichtig, und ſie bleiben in Waſſer un— aufloͤslich. Bis zum Rothgluͤhen erhitzt, loͤſen fie ſich in allen Saͤuren unter Aufbrauſen auf. Eine ſolche concen— trirte Aufloͤſung giebt mit kleeſaurem Ammonium einen wei— ßen Niederſchlag, ſelbſt nachdem man ſie mit Waſſer ver— duͤnnt hat. Loͤſ't man die iſolirten Kryſtalle in Schwefel— ſaͤure auf, fo bleibt, nach dem Abrauchen der Fluͤſſigkeit, eine reichliche Kryſtalliſation zuruck, in der man leicht die For— men des ſchwefelſauren Kalks und der Kleeſaͤure unterſchei— det. Laͤßt man das Holz oder die Rinde eines Baumes, in welchem man Kryſtalle dieſer Form erkannt hat, einige Tage in Waſſer maceriren, um alle aufloͤslichen Theile zu beſei— tigen, und behandelt man den Ruͤckſtand mit Schwefelſaͤure, ſo erhaͤlt man durch theilweiſe Evaporation eine reichliche Kryſtalliſation von ſchwefelſaurem Kalk. Filtrirt man die Fluͤſſigkeit, um das Salz von ihr abzuſcheiden, und laͤßt man ſie von ſelbſt verdunſten, ſo erhaͤlt man ſehr ſaubere Kryſtalle von Kleefäure. Das Reſultat dieſer verſchiedenen Verſuche geſtattet keinen Zweifel daruͤber, daß dieſe Kryſtalle kleeſaurer Kalk ſeyen. Die Experimente ſind mit einer großen Zahl ver— ſchiedenartiger Baͤume wiederholt worden, z. B., der Acacie Eiche, Pappel, dem Kirſchbaume ꝛc., und haben ſtets auf dieſelben Folgerungen gefuͤhrt. Niemals hat dagegen der Verf. phosphorſauren Kalk gefunden, der, nach der Behauptung Anderer, ebenfalls im kryſtalliſirten Zuſtande in den Pflan— zen vorkommen ſoll. Alle Kryſtalle, die er unterſucht hat, haben ſich in im Waſſer unaufloͤsliche, aber mit Saͤuren aufbrauſende kohlenſaure Salze verwandelt und enthielten durchaus keine Mineralſaͤure. Eine ſeltenere Varietaͤt der Formen ſtellte ſich bei den Kryſtallen einiger Coniferen, Juglandeen, Polygaleen ꝛc. dar. Sie naͤhert ſich dem rechtwinkligen vierſeitigen Prisma. Al— lein nach ihren Modificationen glaubt der Verf. dennoch, daß ſie demſelben Kryſtalliſationsſyſteme angehoͤre, wie die andern, 753. XXXV. 5. 68 und ſich von derſelben Urform ableiten laſſe. In der That finden ſich die beiden Varietaͤten der Form zuweilen, obwohl felten, in denſelben Pflanzen beiſammen, und uͤberdem hat ſich aus der chemiſchen Analyſe ergeben, daß die Kryſtalle der letztern Varietaͤt bei Iris florentina, Quillaia sapo- naria, Carya alba etc. ebenfalls aus kleeſaurem Kalke beſtehen. Die dritte Form, unter welcher ſich die Kryſtalle in den Pflanzenzellen darſtellen, iſt die ſtrahlenartiger Buͤndel. Dieſe finden ſich öfters mit iſolirten Kryſtallen vermengt, herrſchen aber haͤufig vor und ſind ebenfalls oft ohne jene Beimiſchung anzutreffen. Die Familien, in denen ſie ſich vorzuͤglich haͤu— fig finden, find die Cacteen, Caprifolieen, Polygoneen, Mal: vaceen, Geranieen, Urticeen 2c. Bei'm Feigenbaume und Rhabarber zeigen ſich dieſe Buͤndel, welche nichts weiter find, als Anhaͤufungen von Kryſtallen, in denen man zu— weilen die Geſtalt der einzelnen Kryſtalle unterſcheiden kann, in groͤßter Menge. Im letzteren Falle findet man ſie von einer der bereits beſchriebenen Formen, und die Winkel ge— ben, wenn ſie ſich meſſen laſſen, dieſelbe Gradzahl, wie bei den einfachen Kryſtallen. Bekanntlich hat DeCandolle feine nadelfoͤrmigen Körper, welche ſich in den Iris und ans deren Pflanzen finden und nichts weiter ſind, als die hier in Rede ſtehenden Kryſtallbuͤndel, Raphiden genannt, jedoch deren Natur keinesweges genau beſtimmt. Quekett nannte die Kryſtallbuͤndel conglomerirte Raphiden. Ihre chemiſche Zuſammenſetzung iſt dieſelbe, indem die Analyſe dargethan hat, daß ſie aus kleeſaurem Kalke be— ſtehen. Es iſt demnach erwieſen, daß Kryſtalle von dieſem Salze, die mehr oder weniger regelmaͤßig find, in den mei— ſten dicotyledoniſchen Pflanzen exiſtiren, und zwar oft in bedeutender Menge vorhanden ſind. Hrn. Queckett iſt es ſogar gelungen, in den Zellen des chineſiſchen Reispapiers welches bekanntlich aus der Rinde einer Pflanze aus der Familie der Leguminoſen (Aeschynomene aspera) bereitet wird, ſolche zu Buͤndeln von kleeſauren Kalkkryſtallen conglo— merirte Raphiden kuͤnſtlich darzuſtellen, indem er dieß Pa— pier zuerſt in Kalkwaſſer einweichte und es dann in eine ſchwache Solution von Kleeſaͤure eintauchte. Die Kryſtalle von kleeſaurem Kalke ſind in den Pflan— zen, wo man dieſelben trifft, ſehr klein. In der Pappel, der Weide ꝛc. haben fie kaum s Zoll Laͤnge; allein fie ſind daſelbſt ſo zahlreich, daß der Verf. berechnet, daß de— ren in einer Baſtſchicht, die nicht dicker, als Schreibpapier, iſt und 16 Q. Zoll Oberflaͤche darbietet, uͤber eine Million vorhanden ſeyen. Wenn man alfo die Zahl der Quadrat- zolle in Anſchlag bringt, welche die Baſt- und Rindenſchich— ten eines großen Baumes enthalten, und die Zahl der Kry— ſtalle dazugerechnet, die ſich in den Wurzeln, den Blaͤttern und dem Holze finden, ſo kann man ſich einen Begriff von der gewaltigen Menge von Kryſtallen und der bedeutenden Quantitaͤt kleeſauren Kalkes machen, die ein einziger großer Baum erzeugt. Der Behauptung des Hrn. Queckett, welcher in allen Pflanzenfamilien Raphiden angetroffen haben will, ent⸗ 69 gegen verſichert Hr. Bailey, daß er in den Compositae, Labiatae, Gramineae, Farrn, Mooſen, und Algen nie Kryſtalle von kleeſaurem Kalke gefunden habe. Da indeß dieſe Reſultate nur negativ ſind, ſo werden ſie natuͤrlich nicht ſofort als ſtreng nachgewieſen betrachtet werden, und uͤber— dem bleiben noch immer ſehr viele dicotyledoniſche und mo— nocotyledoniſche Pflanzen uͤbrig, welche ſolche Kryſtalle be— ſitzen. Intereſſant waͤre es, zu unterſuchen, wie die Kleeſaͤure in dieſen Pflanzen erzeugt wird, und aus welcher Quelle der Kalk ſtammt. Der Zweck der ſo reichlichen Erzeugung die— ſes Salzes, die Veraͤnderungen, welche es in dem Boden, den es vielleicht fruchtbar zu machen beſtimmt iſt, hervor- bringen kann; die Art und Weiſe, wie es die Lichenes aus den Baͤumen, auf denen ſie wachſen, ziehen, ſind Puncte, deren Erledigung wir den Phyſiologen empfehlen. Schließlich erkennt der Verf. an, daß, obwohl er nach— gewieſen habe, daß die in den Pflanzen vorkommenden Kry— ſtalle meiſt aus kleeſaurem Kalke beſtehen, dennoch vielleicht noch andere ſaliniſche Subſtanzen in denſelben vorkommen. So ſieht man zuweilen, in Vermiſchung mit den Amidonkoͤr— nern (Staͤrkemehlkoͤrnern) der Kartoffel, kleine Wuͤrfel, ſowie in den aͤußeren Haͤuten der Gartenzwiebel, und der andern Zwiebeln der Gattung Allium vierſeitige Prismen. Bei Rhus typhina findet man abgeplattete Octaéder und ge— rade Prismen, welche Formen ſaͤmmtlich mit dem urſpruͤng— lichen ſchiefwinkeligen Prisma des kleeſauren Kalkes verein— bar find. Der Verf. vermuthet, daß die Ktryſtalle der Kar— toffel und Gartenzwiebel allerdings phosphorſaurer Kalk ſeyn dürften, weil dieſe Pflanzen Phosphorſaͤure enthalten, und daß die der Rhus typhina aus apfelſaurem Kalke beſtaͤn— den, indem man denſelben in den Fruͤchten dieſes Strauches antreffe. Er ſetzt uͤbrigens ſeine Unterſuchungen uͤber die— ſen Gegenſtand fort und verſpricht fernere Mittheilungen da— ruͤber. (American Journal of Science, Jan. 1845.) Plan zur Einrichtung mikroſkopiſcher Obſervatorien und Muſeen. Die Wichtigkeit des Mikroſkops fuͤr die meiſten Zweige der Naturforſchung, ſowie fuͤr die Zwecke mediciniſcher und techniſcher Unterſuchungen, iſt anerkannt: dennoch iſt die Anwendung dieſes Inſtrumentes außerordentlich weit hinter dem kaum genugſam erwogenen Beduͤrfniſſe zuruͤck, und wird es bleiben, ſolange ſeine Benutzung nur durch iſolirte autodidaktiſche Beſtrebungen und eben ſo ſeltene als ſchwierige Einzelunterweiſung Foͤrderung findet, alſo ſolange nicht fuͤr die verſchiedenen Richtungen wiſſenſchaftlicher und practiſcher Unterſuchungen, welche auf das Mikroſkop hingewieſen ſind, in aͤhnlicher Weiſe durch Staatsinſtitute Sorge getragen wird, wie es fuͤr die Aſtronomie durch Obſervatorien, fuͤr die beſchreibenden Naturwiſſenſchaften durch Muſeen und Sammlungen aller Art, für die Geſammtheit der Wiſſen— ſchaften durch Öffentliche Bibliotheken geſchieht. 753. XXXV. 5. 70 Meine mehrjaͤhrigen Beſtrebungen fuͤr die Ausbildung eines Verfahrens zur ſicheren Herſtellung und Aufbewah— rung miktoſkopiſcher Praparate haben vorzugsweiſe dieſen allgemeinen Zweck im Auge gehabt und koͤnnen nur mit Ruͤckſicht auf denſelben eine genuͤgende Beachtung in An— ſpruch nehmen. Nachdem gegenwaͤrtig viele practiſche Schwierigkeiten uͤberwunden ſind, ein ſehr vereinfachtes Verfahren zu vielſei— tiger Anwendung auffordert, nachdem die nachweisbar mehr— jährige Erhaltung derartiger Präparate, welche ſich in vers ſchiedenen Haͤnden befinden, keinen Zweifel an der Beſtaͤn— digkeit derſelben uͤbrig laͤßt, ſcheint es im Intereſſe vieler Wiſſenſchaftszweige an der Zeit, Plan und Zweck mikroſko— piſcher Obſervatorien und Sammlungen in ihren Grundzuͤ— gen vorzulegen. Von den phyſiologiſchen Inſtituten, bei deren Einrich— tung allerdings eine Beruͤckſichtigung des Mikroſkopes be— ſonders indicirt war, wuͤrden ſich die mikroſkopiſchen Obſer— vatorien durch Ausſchließung alles deſſen unterſcheiden, was nicht Anwendung dieſes Inſtrumentes erfordert, ſowie ande— rerſeits durch Beruͤckſichtigung ſaͤmmtlicher Zweige der Un— terſuchung, fuͤr welche die Benutzung deſſelben noͤthig iſt. Einer Vereinigung beider Zwecke, namentlich einer Erweite— rung der phyſiologiſchen Inſtitute durch Mitaufnahme ſaͤmmt— licher Beſtimmungen der mikroſkopiſchen Obſervatorien, ſtaͤnde natuͤrlich kein inneres Hinderniß im Wege. Von der groͤßten Wichtigkeit fuͤr den beregten Zweck wuͤrden Sammlungen von bedeutendem Umfange ſeyn. Bei der Compendioſitaͤt derſelben ließen ſich viele Praͤparate ohne betraͤchtlichen Aufwand von Raum und Arbeitskraͤften in mehrfacher Zahl aufbewahren, ſo daß ihre Benutzung noch mehr, als bei einer Bibliothek, durch Ausleihen koͤnnte zu— gaͤnglich gemacht werden. Bei der Aufnahme dieſer Arbeit, die, falls ſie irgend zweckentſprechend ſeyn ſollte, in groͤßerer Ausdehnung geſche— hen muͤßte, als es der Thaͤtigkeit eines Einzelnen moͤglich iſt, ließen ſich leicht viele wiſſenſchaftliche Kraͤfte vereinigen, wenn von vorn herein die Beduͤrfniſſe der betreffenden In— ſtitute in dem Umfange Beruͤckſichtigung faͤnden, als die Directoren derſelben fuͤr zweckmaͤßig und foͤrdernswerth er— achten. Aus der Beziehung der mikroſkopiſchen Sammlungen auf verſchiedene Wiſſenſchaftszweige würde ein Zerfallen ders ſelben in ebenſoviele Abtheilungen hervorgehen, welche fuͤr die ſpeciellere Benutzung den betreffenden Inſtituten zu uͤber— weiſen waͤren, waͤhrend dieſe wiederum fuͤr Vervollſtaͤndigung derſelben mitzuwirken haͤtten. Eine allgemeine Sammlung muͤßte aus ihnen eine ſolche Auswahl enthalten, wie ſie fuͤr das Studium des Naturforſchers und fuͤr eine allgemeinere Auffaſſung der organiſchen Structurverhaͤltniſſe erforderlich iſt. Analog der Einrichtung der botaniſchen Gaͤrten und Menagerien muͤßte demnaͤchſt ausgedehnte Gelegenheit zur Unterſuchung lebender mikroſkopiſch-inſtructiver Organismen und zur Beobachtung von Entwickelungsreihen geboten ſeyn. Die Zahl und der Umfang der erwaͤhnten Abtheilun— gen iſt abhängig von dem Beduͤrfniſſe und der Benutzung. 5 * 71 Die wichtigeren wuͤrden etwa folgende ſeyn: Fuͤr Zoophyſiologie und Anatomie. Fuͤr Pathologie, welche die normalen und pathologiſch abnormen Zuſtaͤnde nebeneinander zu ſtellen haͤtte. Unter den einzelnen Zweigen der Zoologie waͤren als fuͤr ſich beſtehende Abtheilungen beſonders hervorzuheben die entomologiſche und diejenige fuͤr Infuſorien. Den verſchiedenen Abtheilungen fuͤr Zoophyſiologie wuͤrde die pflanzenphyſiologiſche gegenuͤberſtehen. Aus beiden waͤre in einer beſonderen Abtheilung eine Auswahl fuͤr die Zwecke der Vorleſungen uͤber organiſche Chemie zu treffen, desgleichen eine andere für das Beduͤrf⸗ niß der oͤkonomiſchen Studien. Von ſpecieller Nutzbarkeit fuͤr Droguenpruͤfungen wuͤrde eine pharmakologiſche Abtheilung ſeyn. Der Geognoſie und den betreffenden Zweigen der or: ganiſchen Naturforſchung zugleich würden die Verſteinerun— gen angehoͤren, ſoweit ſie der mikroſkopiſchen Unterſuchung zugaͤnglich gemacht werden koͤnnen. Jede Abtheilung muͤßte durch einen beſonderen Kata— log und ihr eigenthuͤmliche Präparate moͤglichſt felbftftändig und unabhängig von den Übrigen daſtehen und ihren Direc— toren moͤglichſt freie Dispoſition uͤber Einrichtung und Be— nutzung derſelben gegeben ſeyn, da nur dadurch ein dauern— des reges Intereſſe an der gleichmaͤßigen Entfaltung des Inſtitutes erwachſen koͤnnte. Um einerſeits genauere mikroſkopiſche Demonſtratio— nen nicht zu langwierig zu machen, andererſeits Gelegen— heit zur gleichzeitigen Benutzung durch verſchiedene Unterfus chende zu gewaͤhren, müßten etwa ſechs Mikroſkope von ers ſter Groͤße, wenn auch nicht in allem Zubehoͤr vollſtaͤndig, vorhanden ſeyn, außerdem aber zur Uebung fuͤr Studirende mindeſtens die doppelte Zahl kleinerer Inſtrumente, von de— nen einzelne ſogar zur privaten Benutzung zu verleihen waͤren. Die größte und eigenthuͤmliche Schwierigkeit bei mikro⸗ ſkopiſchen Demonſtrationen veranlaßt unſtreitig der Umſtand, daß die Auffaſſung nur nacheinander geſchehen kann und ſubjectiv iſt, wodurch namentlich dem Anfaͤnger gegenuͤber die Verſtaͤndigung ſehr ſchwer wird. Dieſe Hinderniffe fal— len bei den Vorrichtungen fort, wo die Auffaſſung des Ob— jectes in ſeinen Details durch die vermittelnde Uebertragung des vergrößerten Bildes auf eine Fläche erleichtert iſt. Deßs halb waͤre die Anwendung des Sonnenmikroſkopes, ſowie ſelbſt anderer Erleuchtungsmittel zur Erzielung objectiver mis kroſkopiſcher Bilder von hoher Wichtigkeit, zumal da bei zweckmaͤßiger Einrichtung und nicht uͤbertriebener Vergroͤße— rung die Schärfe und Klarheit der Bilder uͤberraſchend iſt, ſo daß in den meiſten Faͤllen eine unmittelbare Auffaſſung gaͤnzlich dem Einzelſtudium koͤnnte uͤberlaſſen bleiben. Durch die hiernach ſehr zu empfehlende Aufſtellung ei— nes Sonnenmikroſkopes, das zugleich fuͤr die Beleuchtung mit Gaslicht einzurichten waͤre, ließen ſich die Sammlungen der mikroſkopiſchen Obſervatorien zugleich fuͤr Schulanſtalten und für ein größeres Publicum zugänglich machen. 753. XXXV. 5. 72 Neben anderweitigen Abbildungen wuͤrden beſonders in⸗ ſtructiv und namentlich dem Zwecke der Orientirung foͤrder⸗ lich mikroſkopiſche Lichtbilder ſeyn. Es find dergleichen in ſolcher Vorzuͤglichkeit von den Mechanikern Bottich er und Halske hierſelbſt, bei Gelegenheit der hieſigen Gewer⸗ be- Ausſtellung, mit einem eigenthuͤmlich conſtruirten Sonnen⸗ mikroſkope gefertigt worden, daß es nur einer Anſicht derſel⸗ ben bedarf, um die Wichtigkeit dieſes Huͤlfsmittels augen⸗ fällig zu machen. Da hierbei häufig die Nebeneinanderſtel⸗ lung des Originales mit der photographiſchen Abbildung von Wichtigkeit iſt und die zweckmaͤßigſte Auswahl der cha⸗ racteriſtiſchen Stellen nur bei genauer wiſſenſchaftlicher Kenntniß moͤglich iſt, ſo wuͤrde die Herſtellung von derglei⸗ chen Lichtbildern mit zu den Arbeiten gehoͤren, welche in's Bereich der mikroſkopiſchen Obſervatorien zu ziehen waͤren. Ueber die aͤußere Einrichtung und Verwaltung eines Inſtitutes, das die erwaͤhnten Zwecke in ſich vereinigte, koͤnnten nur nach detaillirtem Plane Vorſchlaͤge gemacht werden. Was die erforderlichen Fonds anbetrifft, ſo duͤrfte ſchwerlich ein der mannigfaltigſten Benutzung zugaͤngliches öffentliches Inſtitut mit verhaͤltnißmaͤßig fo geringen Koſten, als das vorgeſchlagene erfordert, eingerichtet und erhalten werden koͤnnen. Dr. A. Oſchatz. Dorotheenſtr. 42. in Berlin. Analyſe der im bunten Sandſteine America's ge: fundenen Koprolithen. Von Herrn Dana. Da Prof. Hitchcock dem Verf. Proben von einer foſſilen Subſtanz zugeſchickt hatte, die in demſelben Sand⸗ ſteine aufgefunden worden war, welcher die Abdruͤcke von Voͤgelfuͤßen enthielt, fo ſtellte derſelbe eine ſorgfaͤltige Ana= lyſe derſelben an. Die pulveriſirte Subſtanz brauſ'te mit Saͤuren auf und gab bei Erhitzung Ammonium; aus der Aufloͤſung in Salpeterſaͤure ſchlugen fi) die Silberſalze gelb nieder, und der Niederſchlag ſchwaͤrzte ſich an der Luft ein Wenig. Außerdem wurde die Anweſenheit von Phosphor— ſaͤure durch die Bildung von phosphorſaurem Ammoniakkalk und durch die Verwandlung dieſes Salzes in phosphorſau⸗ res Blei bewieſen, welches vor dem Luftrohre mit gruͤnlich⸗ gelber Flamme brannte. Waſſer und Alkohol loͤſ'ten kochend eine geringe Menge von einem Salze auf, welches nach dem Abrauchen bis zur Trockniß mit Kali einen ammoniakaliſchen Geruch entwickelte, und welches, mit Salpeterſaͤure behandelt und dann abgeraucht, erſt gelb, dann orangeroth und nach dem Erhitzen roſaroth wurde. Dieſe Kennzeichen und meh rere andere, deren Erwähnung überflüfig ſeyn würde, deuten darauf hin, daß in dieſem Foſſil gegen 3 Proc. harnſaures Ammonium und harnſaurer Kalk enthalten ſeyen. Die Re— ſultate der Analyſe dieſes merkwuͤrdigen Foſſils finden ſich in nachſtehender Tabelle zuſammengeſtellt. Waſſer, animaliſcher Stoff und fluͤchtige Salze . 7,30 Harnſaures Ammonium und harnſaurer Kalk Ns Natrium: Chloruan ok BA N. oral 73 Schwefelſaurer Kalk und Talk. 5 N 1,75 Phosphorſaurer Kalk und Talk 39,60 Kohlenſaurer Kalk. 8 5 2 34,77 Kiefelfaure Salze 8 > 8 8 . 13,07 Eifen und Thonerde . 2 2 x Spuren 100 Dieſe Reſultate beweiſen deutlich, daß das vom Prof. Hitchcock im bunten Sandſteine gefundene Foſſil ein Koprolith iſt, und die Anweſenheit der Harnſaͤure, in Ver bindung mit dem Umſtande, daß man die Koprolithen in der Nachbarſchaft der Ornithichniten findet, deutet darauf hin, daß dieß Product von Voͤgeln herruͤhre. Indeß ent: halten auch die Excremente der Reptilien Harnſaͤure. Ihr Urin beſteht, was Schreibers in Betreff der Eidech— fen, Prout hinſichtlich der Boa constrietor, Dr. J. Davy in Bezug auf andere Reptilien nachgewieſen, aus faſt reiner Harnſaͤure. Der Alligator macht hiervon eine Ausnahme, indem bei ihm die Harnſaͤure mit vielem phos— phorſauren und kohlenſauren Kalke vermiſcht iſt. Die Ex⸗ cremente der fleiſchfreſſenden oder ſich von Fiſchen naͤhrenden Voͤgel beſtehen weſentlich aus harnſaurem Ammonium und etwas phosphorſaurem Kalke. Wenn man nun die neueren Analyſen des Guano betrachtet, mittelſt deren man in letz— term ſchwefelſaure und phosphorſaure Alkalien und Erden, harn— ſaure Salze, organiſche Stoffe und alkaliniſche Chlorure ıc. gefunden hat, ſo iſt die Aehnlichkeit der Zuſammenſetzung mit der des von Hrn. Dana zerlegten Koprolithen ſehr auf: fallend. Und wie der Guano offenbar nur aus Vogelexcre— menten beſteht, welche eine theilweiſe Zerſetzung und chemi— ſche Umbildung erlitten haben, fo ſcheint dieſer nordamerica— niſche Koprolith nichts weiter zu ſeyn, als durch Hinzutre— ten der kieſelſauren Salze und des kohlenſauren Kalkes ver: ſteinerter Guano. Uebrigens hat man in den zu Lyme- Regis in England aufgefundenen, nach Dr. Buckland vom Ichthyosaurus herruͤhrenden Koprolithen ebenfalls viel baſiſch phosphorſauren Kalk, Eohlenfauren Kalk, harnſaures Ammonjum. und harnſauren Kalk, Kieſelerde, etwas kleeſauren 753. XXXV. 5. 74 Kalk und ſchwefelſaure Alkalien gefunden. Dieſe Koprolithen enthielten uͤbrigens auch unverdaute Fiſchſchuppen. Hr. Dana ſcheint bei feiner Analyſe der Kleeſaͤure nicht nachgeſpuͤrt zu haben, welche bekanntlich im Guano enthalten iſt; allein es ſtand ihm auch nur eine ſehr geringe Quantität der Subſtanz, etwa 20 Gran, zur Verfügung. (Bibliotheque univ. de Geneve, Nr.112, Avril 1845.) Misc e Ireen ueber das Mäften der Ganſe hielt Herr Perroz am 7. Juli der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften einen Vortrag, in welchem er angab, daß die Gaͤnſe ebenſo ſchnell fett werden, wenn man fie, ſoviel fie wollen, freſſen läßt, als wenn man fie freckt, allein ſie muͤſſen dann auch in einer ſolchen Lage gehal⸗ ten werden, daß ſie ſich kaum ruͤhren koͤnnen. Uebrigens giebt Herr Perroz zu, daß die Lebern der gefreckten Gaͤnſe größer ſeyen, als die der ungefreckten. In manchen Gegenden Frankreich's na⸗ gelt man die Gaͤnſe wirklich mit den Fuͤßen an den Boden des Be⸗ bälters an, in welchem fie gehalten werden. Obwohl die Behaup⸗ tung, daß man die Gaͤnſe einer unertraͤglichen Hitze ausſetze, um ſie in den krankhaften Zuſtand zu verſetzen, in Folge deſſen die Le⸗ bern groß und teigig werden, ungegruͤndet zu ſeyn ſcheint, ſo iſt doch gewiß, daß man in vielen Gegenden Frankreich's durch Mohn⸗ ſaft ein kuͤnſtliches Fieber bei dieſen zum Beſten der Feinſchmecker geplagten Voͤgeln erzeugt, um die ſich zu Paſteten eignenden Lebern zu erhalten. Wie ein Schäfer ſich aus einer Verlegenheit zog und ſeine Schaafe hoͤchſt bereitwillig auf ſeine Abe fit eingingen, ſah Thomſon einft mit vielem Intereſſe in Belgien. Der Schäfer ging vor feiner Heerde, um fie auf eine friſche Weide zu führen, als er ſich ploͤtzlich vor einem großen, mit Getraide beſtellten Gebreite befand, durch welches nur ein ſchmaler Fußſteig führte. Da er den Appetit und die Gewohnheiten feiner Pflegebefohlenen kannte, ſo wußte er wohl, daß ſie dem Getraide großen Schaden zufügen würden, wenn er fie langſam durch das⸗ ſelbe gehen ließ. Nachdem er ſich daher einen Augenblick beſon⸗ nen, lief er aus Leibeskraͤften vor den Schaafen her durch das Feld, die ihm, ohne den geringſten Schaden anzurichten, ziemlich in einer einzelnen Reihe nachgalloppirten. (Note-book of a natu- ralist, London 1845.) Nekrolog. Der vorzuͤglich um die Ordnung der Zwei⸗ fluͤgel⸗Inſecten verdiente Entomolog, Dr. J. W. Meigen in Stolberg, iſt, 82 Jahre alt, am 11. Juli geſtorben. ß ee Nie l k un de. Kindermord durch Opium. Unter den zahireichen Urſachen von Krankheiten und Sterbefaͤllen, welche durch den Bericht der Commiſſion, die ſich auf Befehl des engliſchen Parlaments mit der Verbeſ— ſerung des Geſundheitszuſtandes in den Staͤdten zu beſchaͤf— tigen hat, an das Tageslicht gezogen worden ſind, befindet ſich eine, auf welche bisher noch wenig Ruͤckſicht genommen worden iſt, und die dennoch, wie ſich aus den Angaben des Dr. Lyon Playfair ergiebt, ein hoͤchſt ernſtlicher Miß— ſtand iſt, indem ſie den arbeitenden Claſſen in weiten Krei— ſen die Axt an die Wurzel legt. Die Thatſachen werden Vielen, die mit der Lebensweiſe der aͤrmern Volksclaſſen nicht naͤher bekannt ſind, unglaublich ſcheinen. Mit Abſcheu leſen wir, wie der Kindermord ungeſcheut und gewiſſenlos in Oſtindien betrieben wird; allein was ſollen wir dazu fa: gen, daß es in England ganz gewoͤhnlich iſt, die Kinder mit Opium einzuſchlaͤfern, damit die Muͤtter ungeſtoͤrt in den Fabriken arbeiten koͤnnen? Leider geſchieht dieß in vies len Faͤllen, ohne daß man an die graͤßlichen Folgen eines ſolchen ſchaͤndlichen Mittels denkt, die ſich bald in Mißge⸗ ſtaltung, Krankheiten und Tod kundgeben. Der Gebrauch kam, wie Dr. Playfair angiebt, zuerſt dadurch auf, daß Kinder, die an Krankheiten der Verdauungswege litten, welche durch Diaͤtfehler bei'm Füttern und Saͤugen, vor: nehmlich aber durch den beſtaͤndigen Aufenthalt in verdorbener Luft entſtehen, zu Quackſalbern gebracht wurden, welche durchweg Opiummittel verordneten und dadurch die Kinder 75 allerdings beruhigten, fo daß die Mütter glaubten, deren Geſundheitszuſtand ſey dadurch wirklich gebeffert worden, und dieſelben Mittel ohne Zuziehung irgend eines Arztes anzuwenden fortfuhren. Sie fanden es bald ſehr bequem, die Kinder durch narkotiſche Arzneien einzuſchlaͤfern, um ſo ungeſtoͤrt ihrer Arbeit in den Fabriken obliegen zu koͤnnen, und ſo riß der Gebrauch ein, ſelbſt ganz geſunden Kindern fuͤr gewoͤhnlich Opium zu geben. Die Pharmaceuten und Droguiſten, welche damit handeln, wiſſen am Beſten, in welcher gewaltigen Menge dieſe Gifte conſumirt werden, und man kann deren Ausſagen in dieſer Beziehung um ſo mehr Vertrauen ſchenken, als es ihrem Vortheil zuwi— der laufen wuͤrde, zu übertreiben. Dr. Playfair beruft ſich, z. B., auf das Zeugniß eines achtbaren Droguiſten in Mancheſter, deſſen Kunden jedoch durchaus den aͤrmern Claſſen angehoͤren, und der be— hauptet, daß ihm keine einzige Familie dieſer Claſſen bekannt ſey, in welcher jener ſchaͤndliche Gebrauch nicht ſtattfinde. Man verfaͤhrt dabei folgendermaaßen: Die Mutter geht des Morgens an die Arbeit und uͤberlaͤßt ihr Kind entwe— der einer andern Frau, die keine Zeit hat, daſſelbe zu be— aufſichtigen, oder einem andern Kinde von vielleicht 10 Jahren. Man giebt dem kleinen Kinde alſo, damit es gut thue, eine Doſis „Beruhigungstropfen“. Daſſelbe ſchlaͤft ein und wacht vielleicht um Mittag auf, wo die Mutter zuruͤck— kehrt. Wenn dieſe wieder ausgeht, erhaͤlt das Kind wieder eine Doſis. Abends kommt die Mutter, fammt den übrigen arbeitenden Familienmitgliedern, ganz erſchoͤpft heim, und da ſie ruhig ſchlafen wollen, damit ſie ſich am andern Tage wieder zur Arbeit tuͤchtig fuͤhlen, ſo werden dem Kinde wieder die beliebten Beruhigungstropfen gegeben, damit es die Nacht uͤber nicht ſchreie. So erhalten viele Kinder taͤglich dreimal Opium. Jener Droguiſt verkauft woͤchentlich etwa 5 Gallonen Beruhigungstropfen und 5 Gallone „Gott: fried“ ). Die Beruhigungstropfen enthalten in einer Unze Fluͤſſigkeit 100 Tropfen Laudanum, und die gewoͤhnliche Doſis iſt 1 Theeloͤffel, ſo daß, wenn man auf jede Familie woͤchentlich 1 Unze rechnet, dieſer einzige Droguiſt 700 Fa— milie mit Opium verſorgt. (London & Paris Obser- ver, No. 1054, 6. July 1845.) Fall von ſpeckartigem Krebs am Kniegelenke. Von Herrn Grompton. Anna Dowling, 39 Jahre alt, unverheirathet, pflegte in den letzten 20 Jahren taͤglich eine große Zahl von Kuͤ— hen zu melken, wobei ſie auf das rechte Knie niederkniete. Sie empfand weiter keine nachtheiligen Folgen, als zuwei— len etwas Steifheit, bis vor 18 Monaten das Knie etwas anſchwoll und ſchmerzhaft wurde, wobei der Schmerz durch die leiſeſte Bewegung geſteigert wurde. Verſchiedene ange— wandte Mittel leiſteten Nichts, und das Knie wurde immer *) Welches Opiumpraͤparat in England unter dem Namen: Gottfried verkauft wird, giebt das Original nicht an. D. Ueberf. 753. XXXV. 5. 76 dicker und ſchmerzhafter. Bei der Aufnahme der Kran⸗ ken am 12. April 1844 in das allgemeine Kranken⸗ haus befand ſich das Knie in einer gebogenen Stellung und war beträchtlich vergrößert, indem es rund um die Mitte 17“, 15“ rund um das untere Dritttheil des Ober ſchenkels und 153" über das tuberculum tibiae maaß. Die Kniekehlenraum war von einer verhaͤrteten Maſſe gaͤnz— lich ausgefuͤllt, und die patella konnte von der dieſelben umgewendeten harten Structur nicht unterſchieden werden; dasſelbe war mit den Condylen des Oberſchenkels der Fall. Das Knie war anhaltend ſchmerzhaft und zuweilen ſehr heiß; die Kranke konnte es nicht bewegen, indem die leichteſte Bewegung den Schmerz ſteigerte. In den letzten 6 Mo— naten war der Schlaf der Kranken ſehr unruhig geworden, ſie waͤr weit ſchwaͤcher und magerer geworden; Appetit ſchlecht, Zunge belegt, Haut heiß, frequent. Ungefaͤhr 14 Tage nach der Aufnahme wurde das kranke Glied vermit— telſt der Amputation entfernt. Als man nach derſelben einen perpendiculaͤren Durchſchnitt des Gelenkes machte und die Bedeckungen entfernte, zeigte ſich die ganze Gelenkhoͤhle, ausgenommen etwa 1“ queer oberhalb des Endes des Ober— ſchenkels und unmittelbar unter der patella, in ein elaſtiſches, weißes, fibroͤſes Gewebe umgewandelt, welches ſich vom Kopfe der tibia bis zum Gelenkende des Ober— ſchenkels erſtreckt und ein Theil der ganzen Maſſe war, welche den tumor ausmachte. Die Gelenkknorpel waren zerſtoͤrt oder entartet, ausgenommen an der oben angegebe— nen Stelle; die patella war von dichterem Gefüge, als ges woͤhnlich, und das ganze Gelenk war aus einer elaſtiſchen, feſten, weißen, ſpeckartigen Maſſe zuſammengeſetzt. Das Ende des Oberſchenkels und 3“ vom Schafte deſſelben waren auf aͤhnliche Weiſe degenerirt, indem die dichte Schale des Kno— chens nach Unten, jedoch nicht nach Oben, unverſehrt erſchien. Der Kopf der tibia war weniger entartet, aber der Knor— peluͤberzug degenerirt. Unterhab des Gelenkes befand ſich eine ausgebreitete Ablagerung desſelben Gewebes, mit großen, erdigen Ablage— rungen gemiſcht; die a. u. y. poplitea waren comprimirt, aber nicht obliterirt. Die pathologiſche Structur der Ober— flaͤche ſchien durch die Ausdehnung der Synovialflaͤche, mit Einſchluß der Schleimbeutel, begraͤnzt zu ſeyn, tiefer reichte fie weiter, und im Verlaufe der Gefäße an der Amputations— ſtelle befand ſich eine knochichte oder erdige Ablagerung, welche die Unterbindung der Arterien behinderte. Einige wenige iſolirte Tuberkel wurden aus den Mus: kelflaͤchen am untern Theile des Gliedes ausgedruͤckt, und das Uebel ſchien nicht auf das Kniegelenk allein ſich be⸗ ſchraͤnkt zu haben. Da wo die dichtere Structur des Kno— chenſchaftes verloren gegangen war, war es ſchwer, ja unmoͤg⸗ lich, irgend einen Unterſchied zwiſchen dem Zuſtande des In— nern des condylus femoris und der nach Außen gelege— nen krankhaften Alteration wahrzunehmen. (Aus Prov. Med. and Surg Journal in Dublin Journal, Sept. 1844.) 77 Ueber ſcrophuloͤſe Rachengeſchwuͤre. Von John Hamilton. Die ſcrophuloͤſe Ulceration des Schlundes kommt uns ter zwei Formen vor, einer milden und einer heftigeren, welche bald iſolirt, bald vereinigt auftreten. Ein Individuum klagt uͤber Schmerzen im Schlunde, welcher des Morgens bei'm Erwachen trocken iſt, und harte Stuͤcke oder Kruſten bluti— gen Schleimes werden muͤhſam losgeriſſen und ausgeworfen. Bei der Unterſuchung findet ſich der hintere Theil des Schlund— kopfes von einer gruͤnlichen, ſchleimigen Materie bedeckt, un— ter welcher die Oberflaͤche dunkelroth und weniger glatt, als gewoͤhnlich, erſcheint, oder es zeigt ſich auch ein mehr oder weniger ausgebreitetes Geſchwuͤr, welches oft ſo groß iſt, daß der unterſte Theil nicht geſehen werden kann, wenn man auch die Zunge ſo weit, als moͤglich, herabdruͤckt; der Rand deſſelben iſt unregelmaͤßig, die Oberflaͤche ſeicht und ungleich mit hier und da verſtreuten Granulationen, und mit einem gruͤnlich-gelben, ſchleimig-eiterigen Secrete bedeckt. Der Kranke hat dabei oft, auffallend genug, gar keine Schmerzen, aber ſtets findet ſich dabei bedeutende, allgemeine Störung, erdfahle Haut, Abmagerung, frequenter Puls, oft hectifches Fieber, und nicht ſelten findet man jene Geſchwuͤre als Complication der Phthiſis. Die Ulceration beſchraͤnkt ſich nicht immer auf den hinteren Theil des Schlundes, ſondern breitet ſich auch auf den vorderen Gaumenbogen und auf eine oder beide Tonſillen aus. Bei der heftigeren Form iſt die Verſchwaͤrung tiefer und greift den weichen Gaumen an, den es zum Theil, ſowie auch die uvula, zerſtoͤrt. Auch dieſe heftigere Form des Uebels iſt gewoͤhnlich nicht ſo ſchmerz— haft, als man es erwarten koͤnnte, wiewohl zuweilen auch heftige Schmerzen vorkommen; die Kranken klagen uͤber Schmerz in den Ohren, welcher laͤngs der Euſtachiſchen Roͤhre vom Schlunde aus hinaufſchießt. Zuweilen iſt auch Schmerzhaftigkeit der Schaͤdelhaut am Scheitel und Hinter— haupte vorhanden, wenn man mit einem Kamme durch die Haare faͤhrt. Das Uebel beginnt zuweilen mit einem kleinen Tuberkel im Gaumen und ſcheint dann den Character des lupus an ſich zu tragen. Wenn die Verſchwaͤrung den Rand des weichen Gau— mens und die Gaumenboͤgen afficirt, fo bildet ſich häufig eine Verwachſung dieſer Theile mit dem hinteren Theile des Schlundes, wodurch die Communication mit der hinteren Naſenhoͤhle faſt ganz aufgehoben wird. Als Complication des Uebels, tritt zuweilen periostitis in ihrer ſchleichenden ſerophuloͤſen Geſtalt auf, welche namentlich die flachen oder ſchwammigen Knochen oder die ſchwammigen Enden der lan— gen Knochen ergreift. Bei vorhandener ſyphilitiſcher Dys— kraſie iſt Dieſes immer der Fall. — Die ſcrophuloͤſe Ulce— ration laͤßt ſich leicht von dem tiefen, ausgehoͤhlten, kreis— runden Geſchwuͤre auf den Tonſillen, ſowie von dem tiefen, runden, ſchorfigen Geſchwuͤre an dem hinteren Theile des pharynx und dem weichen, weißen, erhabenen Geſchwuͤre an dem vorderen Gaumenbogen und der Mandel, wie ſie bei Syphilis vorkommen, unterſcheiden. Es giebt jedoch einige oberflaͤchliche und unregelmaͤßige ſyphilitiſche Ulcerationen des Schlundes mit gelblicher Oberflaͤche, welche ſehr ſchwer von 753. XXXV. 5. 78 dem ſcrophuloͤſen Rachengeſchwuͤre zu unterſcheiden ſind; hier muͤſſen die Anamneſe und die begleitenden Symptome die Diagnofe ſichern. — Die Ulceration breitet ſich zuwei— len auf den Kehlkopf aus und wird dann hoͤchſt gefährlich und peinigend. Was die Behandlung betrifft, ſo zeigen ſich Sarſaparill und Jodkali ſehr wirkſam, vorzuͤglich aber die aͤu— ßere Application des Hoͤllenſteins, nachdem man das zaͤhe Se— cret entfernt hat; auch Mercur kann mit Erfolg angewendet wer— den. (Dublin Journal, Nov. 1844.) Fall von merkwuͤrdiger Hemmungsbildung bei einem neugeborenen Kinde. Von Dr. T. R. Mitchell. Ein im Maͤrz 1844 von einer jungen primipara geborenes Kind bot folgende auffallende Eigenthuͤmlichkeiten dar. Die linke Seite des thorax und der Bauchwandung fehlte, und aus der Deffs nung ragten Bruſt- und Baucheingeweide frei hervor; das Bruſt⸗ bein war auf der rechten Seite vollſtaͤndig und verſchloß die Bruſt— hoͤhle auf dieſer Seite völlig, die Bauchdecken dagegen unterhalb des Zwerchfells fehlten. Der linke Vorderarm war gleichfalls man— gelhaft entwickelt und war permanent gegen den Oberarm hin flectirt. Das Kind zeigte zuerſt keine Spur von Reſpiration, aber nach etwa 4 — 5 Minuten fing die Bruſt auf der rechten Seite an, ſich etwas zu heben, und das Athmen trat bald vollſtaͤndiger ein, wiewohl es mehr convulſiviſch war und dem Kinde große Schmerzen zu verurſachen ſchien, welches das Geſicht wie zum Schreien verzog, aber keinen Ton von ſich gab. Das Herz pul⸗ ſirte frei, indem es bei jeder Contraction mit betraͤchtlicher Kraft das Blut aus dem linken Ventrikel in die aorta ſandte, welche letztere vollkommen unbeweglich blieb. Solange die Nabelſchnur noch nicht getrennt war, pulſirte das Herz 25 Mal, nach der Loͤ— ſung derſelben dagegen erſt 20, dann 17 Mal in der Minute, wel— ches letztere etwa eine Stunde lang der Fall war, worauf die Pul— ſationen immer weniger wurden und endlich ganz aufhoͤrten. Das Herz pulſirte 1 Stunde und 50 Minuten nach der Geburt des Kindes, und die Pulſationen dauerten noch 25 Minuten fort, nach— dem die Reſpirationsverſuche aufgehoͤrt hatten. Die Herzaction ging auf folgende Weiſe vor ſich: Die Vorkammern wurden zus erſt mit Blut angefuͤllt, und die Ventrikel ſchienen ihr Blut ohne bemerkbare Contraction der Vorkammern zu erhalten, aus welchen das Blut leicht abfloß, wobei nur am linken Herzohre eine Bewe- gung ſichtbar war. Sogleich nach der Entleerung der Vorkam⸗ mern zogen ſich die Kammern zuſammen, und das Blut ſtroͤmte zunaͤchſt in die Kranzarterien, welche ſehr ausgedehnt und aufge— trieben wurden; bei dieſer Contraction verkuͤrzte ſich das Herz von Unten nach Oben und machte in der Mitte einen betraͤchtlichen Vorſprung, die Spitze des Herzens wurde nicht im Geringſten ers hoben und war bei der Contraction gar nicht ſichtbar. Das Blut ſtroͤmte mit großer Gewalt in die aorta ein, und das Herz er: ſchien nach jeder Contraction ganz ſchlaff und zufammengefallen, obwohl es augenſcheinlich nicht vollſtaͤndig geleert war. Es war weder irgend ein Ton, noch irgend eine Unregelmaͤßigkeit bemerk— bar, nur wurde bei den convulſiviſchen Athmungsverſuchen eine ſchwankende Bewegung dem Herzen mitgetheilt, als wenn es mite ten in der Syſtole angehalten worden waͤre. — Bei der Unter— ſuchung der vorliegenden Eingeweide fand ſich nur ein Rudiment vom Herzbeutel, Vorkammern und Kammern waren ſtark mit Blut angefuͤllt, die Baſis des Herzens war von duͤnner, feröfer, etwas Fett enthaltender Membran bedeckt, welche ſich an den Gefaͤßen entlang zog und bis zur aͤußeren Haut reichte: dieſelbe ſetzte ſich auch in eine die Leber bedeckende ſeroͤſe Membran fort. Die Spitze des Herzens war ſehr abgerundet, der rechte Ventrikel weit grös ßer, als der linke, die Kranzarterien traten deutlich hervor, das rechte Herzohr war ſehr klein. Ein ſehr kleiner Theil der Lunge zeigte ſich unter dem linken Herzohre, von der pleura bedeckt, welche ſich in das Bauchfell und die ſeroͤſe Membran des Herzbeutels fortzu— 79 fegen ſchien. Die Leber lag vollftändig vor, indem fie auf der rechten Seite des thorax lag und die Oeffnung, durch welche die Theile vorgefallen waren, bedeckte. Die Nabelvene trat an der oberen und rechten Seite durch eine kleine Spalte ein, an der un- teren Flaͤche fand ſich eine andere Spalte, der fissura horizontalis entſprechend. Der lobus Spigelii war ſehr groß, 2“ lang und von birnfoͤrmiger Geſtalt, er lag uͤber dem Magen, vom großen Netze bedeckt und deutlich durch daſſelbe erkennbar. Der Magen lag nach der linken Seite hin, das duodenum und der ganze Duͤnndarm nach der rechten. Das colon hatte bis zur flexura sigmoidea nur den Durchmeſſer einer Gaͤnſefeder, auch fehlten an demſelben die normalen laͤnglichen Muskelſtreifen. Es nahm einen faſt queeren Verlauf durch die Bauchhoͤhle von Rechts nach Links, vom Magen, Duͤnndarme, lobulus Spigelii und von der Milz bedeckt. Die Milz adhaͤrirte feſt an dem linken Ende des Magens und der linken Seite des lobulus Spigelii. Von den Nebennieren und Nieren waren die linken vollſtaͤndig und von den rechten der obere Rand ſichtbar. Die Teſtikel hingen unterhalb der Nieren an einem kurzen Strange und lagen vor. Section: Die linke Lunge nur 2 von der Größe der rech⸗ ten, von faſt viereckiger Geſtalt und ohne deutliche aͤußere Spal⸗ tung in ihren Lappen, welche aber bei'm Einſchneiden deutlich hers vortraten. Die pleura war auf der rechten Seite normal, ging dagegen, wie bereits angegeben, auf der linken in die ſeroͤſe Mem⸗ bran der Bauchhoͤhle, des Herzens und der Teſtikel über. Bei'm Einſchneiden in die Leber konnte man die Nabelvene verfolgen, wel: che im Innern mit der Pfortader in Verbindung ſtand, indem ſie einen kleinen ductus venosus abgab. Die Gallenblaſe war nur rudimentär vorhanden. Das Zwerchfell war auf der rechten Seite vollſtaͤndig bis zur Oeffnung für die Hohlvene, von da an bis zum foramen oesophageum fehlte es, von welcher letzteren Oeffnung noch einige wenige Muskelfaſern auf der linken Seite ſich fanden, welche die Nieren von der pleura trennten. Die linke Niere war ſehr groß und erſtreckte ſich von der vierten Rippe bis zum tiefſten Theile der fossa iliaca hinter dem Bauchfelle, fie war viereckig, hinten concav, vorne convex, mit einer nierenfoͤrmigen Nebenniere an der Vorderflaͤche. Die rechte Niere war weit kleiner, als die linke, und die Nebenniere lag auf ihrer oberen und aͤußeren Flaͤche. Die Thymusdruͤſe lag dicht unter der Haut am unteren Theile des Halſes, ſehr klein und unregelmaͤßig von Geſtalt, von der Groͤße einer Pferdebohne. Gehirn, Ruͤckenmark und Arterienſyſtem normal. Der Delta’ muskel am linken Arme dick und fleiſchig; die portio sternalis des m. pectoralis fehlte, latissimus dorsi fehlend, vom teres major nur ein Rudiment, inſerirt in eine Fascie an der inneren Seite des Armes. Der m. brachialis anterior hatte zwei Koͤpfe, der eine entſprang hoch oben am inneren Rande des m. deltoideus, der andere an dem oberen und aͤußeren Rande deſſelben, beide ver— einigten ſich nach Vorn und inſerirten ſich an dem aͤußeren Theile des Vorderarmknochens mit einer breiten, ſehnenartigen Ausbreitung, welche fo kurz war, daß fie den Vorderarm andauernd flectirt ers hielt. Der triceps fehlte bis auf wenige Faſern, welche dicht am Gelenke an der aͤußeren Seite des Oberarms entſprangen und ſich an dem oberen Ende des Vorderarmknochens inſerirten; der biceps fehlte ganz. Der plexus brachialis beſtand aus dem vierten, fünf: ten, ſechsten, ſiebenten und achten Halsnerven und dem erſten Dor— ſalnerven, welche beide letzteren bloße Faͤden von der Dicke eines Haares waren. Der plexus fpaltete ſich in einen ramus supra- 753. XXXV. 5. 80 scapularis, circumflexus und drittens in einen großen Aſt, welcher an der inneren Seite des Arms herablief und ſich dann in einen äußeren und inneren Aft ſpaltete, von denen der ‚Äußere unter dem brachialis internus durchging und ſich dann, dem n. cutaneus ex- ternus entſprechend, an der aͤußeren Seite des Armes vertbeilte. Der innere groͤßere Aſt gab einen n. cutaneus internus ab und be⸗ gleitete dann die Arterie bis zur Armbeuge, dem n. medianus ent⸗ ſprechend; er theilte ſich dann in ein Buͤndel von fuͤnf Nerven, von denen eines an der inneren Seite des Vorderarms bis zum Ende der phalanx hinlief, und die andern ſich an die Muskeln rund um das Elnbogengelenk vertheilten. — Der linke Oberarmknochen en⸗ dete mit einem Wulſte, welcher in einem Winkel mit dem rudimens tären Vorderarme durch Knorpel verbunden war, ohne Spur von Synovialmembran oder Gelenk. Der Vorderarm beſtand aus einem einzigen Knochen, welcher weder den Kopf des radius, noch das olecranon ber ulna hatte; er beſtand aus einem Garpals, einem Metacarpalbein und drei Phalangen und endete in einen wohl⸗ gebildeten, hakenfoͤrmigen Nagel an der letzten Phalanx. Die Ge: lenkflaͤche des Schultergelenkes war klein, von Knorpel bedeckt und zeigte nach Vorn ein Rudiment der Rinne für den biceps, Der n. respiratorius externus war ſehr groß, erhielt einige Faͤden vom zweiten, dritten, vierten, fuͤnften und ſechsten Halsnerven und en⸗ dete im m. serratus magnus. Der n. phrenicus nahm ſeinen ge⸗ woͤhnlichen Verlauf und vertheilte ſich an dem rudimentaͤren dia- phragma; er erhielt einen großen Zweig vom erſten Ruͤckennerven, ſowie auch ein kleiner Faden von ihm zum Armgeflechte hinlief. (Dublin Journal, Nov. 1844.) - Miscellen. Von einer Indiſchen Behandlung des rheumati- ſchen tetanus giebt Herr D. Hille zu Surinam folgende Nachricht: Er hatte Gelegenheit, bei einer kleinen Negerin von zwölf Jahren einen Fall von tetanus zu beobachten, welcher durch Erkältung in kaltem Waſſer entſtanden war. Ein alter Neger machte Scarificationen über die Oberflache des ganzen Körpers der jungen Kranken und dann Einreibungen mit ſpaniſchem Pfeffer. Uns: mittelbar nachdem dieß geſchehen, fing das Kind an, die Glieder zu bewegen und den Mund bei'm Schreien weit aufzumachen (bis da⸗ hin war der Mund durch den Trismus geſchloſſen geweſen) und fles hete dringend, daß man mit den Einreibungen aufhoͤren moͤge, welche ihr brennende Schmerzen verurſachten; demohngeachtet aber fuhr man damit mit kurzen Zwiſchenraͤumen fort, und erſt den folgenden Tag erſetzte man fie durch Einreibung mit Baumoͤl. — Das Rer ſultat dieſer Behandlung war ſehr guͤnſtig, denn nach einigen Ta⸗ f Herr Hille das kleine Maͤdchen mit andern Kindern pielen. Zeugtodon Sillimanni ift der Name, den Hr. Dr. Al⸗ bert Koch einem ungeheuer großen foſſilen Reptilsſkelett gegeben hat, welches von ihm im Staate Alabama aufgefunden und zu Mobile in dem Mobile daily Advertiser vom 23. Mai d. J. bekannt gemacht iſt: „Die Länge beträgt 104 Fuß, die Ruͤckenwirbel haben 14 bis 18 Zoll Lange und 8 bis 12 Zoll Durchmeſſer, und jeder wiegt durchſchnittlich 75 Pfund. Die ſehr langen Kinnbacken haben nicht weniger als 40 Schneidezaͤhne, 4 Hundszaͤhne oder Fänge und 8 Backenzaͤhne. — Hoffentlich wird eine Abbildung und aus⸗ fuͤhrliche Beſchreibung nicht ausbleiben. Bibliographische De la fecondation naturelle et artificielle des vegetaux et de Thybridation; par Henri Lecog. Paris 1845. 12, Des causes de migrations des divers animaux et particuliere- ment des oiseaux et poissons; par Marcel de Serres. Secon- de édition, m. 1 K. Paris 1845. 8. Nıean.iog. keiten Nouvelles recherches d’anatomie pathologique sur le cerveau des alienes affecté de paralysie generale; par le docteur Bel- homme. Paris 1845. 8. (Mit 5 Kupf.) Uterotherme. Nouveau procédé pour le traitement des affections de la matrice; par C. S. Cliet. Paris 1845. 8. m ꝶk—iꝛññf Ueue Uotizen aus dem Gebiete der Nakur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem ObersMedieinalratbe Froriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 754. Gedruckt im Landes⸗Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3¾ 94. (Nr. 6. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 7 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 893. Juli 1845. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 9. a ct nh rin Ueber die Organiſation eines neuentdeckten, zur Unterabtheilung der Wuͤrmer oder Ringelthiere gehoͤrenden Geſchoͤpfes. Von Hrn E. Blanchard. (Auszug aus dem Berichte der Herren Milne Edwards und Valenciennes). Ich beſchaͤftigte mich mit dem Studium mehrerer Puncte in der Anatomie der Weichthiere aus der Gattung Mya. Als ich den Mantel eines derſelben der Laͤnge nach aufgeſchnitten hatte, wunderte ich mich nicht wenig da— rüber, in dieſer Hülle ein Thier zu finden. Ich unterfuchte daſſelbe ſofort, und alle Kennzeichen, die ich an demſelben auf den erſten Blick finden konnte, uͤberzeugten mich, daß es einem bisher noch nicht beobachteten Typus angehoͤre. Ich hatte die Weichthiere, in denen es vorkam, von Herrn Va— lenciennes erhalten und theilte ihm meine Entdeckung mit, und da derſelbe gerade noch einige Exemplare der Mya truncata beſaß, fo unterſuchte er dieſelben und fand darin bald noch vier andere Individuen des von mir beobach— teten Thierchens, welche er mir zu uͤbermachen die Güte hatte. Dieſes Thierchen iſt ein plattgedruͤckter, weicher, weiß: licher Wurm, deſſen Breite etwa ein Viertheil ſeiner Laͤnge beträgt, und letztere mißt etwa 4 Centimeter. Der Wurm iſt vorn rundlich und endigt hinten in einen großen Saug— napf, wie die Blutegel. Als ich dieſes Geſchoͤpf zuerſt bemerkte, brachte mich der Saugnapf auf den Gedanken, es moͤge zur Familie der Hirudineen gehoͤren; allein bei der Unterſuchung ſeiner innern Organiſation zeigte es ſich, daß es von derſelben gar ſehr abweiche. Der Darmcanal hebt mit einer Mundoͤffnung an, die am vordern Koͤrperende liegt und ſich wie eine einfache drei— eckige Auskerbung auf der obern Seite des Körpers aus: nimmt. Die vordere Portion des Nahrungsſchlauchs iſt ſehr platt und inwendig in ihrem ganzen Umkreiſe mit in Laͤngsreihen ſtehenden Waͤrzchen beſetzt, welche Reihen ſich wie kleine ſcharfe Schienen ausnehmen. No. 1854, — 754. Auf dieſe Art von ſehr weitem und langem oesopha- gus folgt die engere cylindriſche Verdauungsroͤhre, die ſich mit verſchiedenen Kruͤmmungen bis an's hintere Koͤrperende erſtreckt. Wir wollen nicht unterlaſſen, zu bemerken, daß dieſer Darmcanal keine Spur von Blinddaͤrmen darbietet, welche denen aͤhnlich ſind, die man bei verſchiedenen Anneliden und bei den Planarien wahrnimmt, ſo wie uͤberhaupt nichts, was einem Gallenapparat gliche. Der Darmcanal endigt, wie geſagt, am hintern Koͤrperende, uͤber dem endſtaͤndigen Saug— napfe. Die Aftermuͤndung iſt groß, rundlich und mit einer Hautfalte geraͤndert. Das Nervenſyſtem beſteht, der Hauptſache nach, aus zwei weit voneinander abſtehenden gehirnartigen Ganglien und einer doppelten Kette von ſeitlichen Ganglien. Die bei— den, im Verhaͤltniß zur Größe des Thieres ziemlich voluminoͤ⸗ ſen, gehirnfoͤrmigen Ganglien liegen nach dem vordern Koͤr— perende zu, jedoch von dem eigentlichen Ende noch ziemlich weit entfernt. Man gewahrt ſie zu beiden Seiten des dort ſehr ſtarken Nahrungsſchlauchs, ſo daß die Ganglien den ſeitlichen Raͤndern des Körpers auf beiden Seiten ziemlich nahe liegen. Dieſe beiden eifoͤrmigen und gelblich gefaͤrbten Nervencentren ſind durch eine uͤber den Nahrungsſchlauch hinſtreichende Commiſſur miteinander verbunden. Jedes der gehirnartigen Nervencentren giebt nach Vorne und ſeitlich Nervenfaͤden aus, welche ſaͤmmtlich in den In— tegumenten endigen. Nach Hinten zu ſendet es eine Haupt— ſchnur aus, die ſich neben dem Darmcanale bis zu dem Saugnapfe erſtreckt, ohne daß dieſe beiden Schnuren an ir— gend einer Stelle miteinander verbunden waͤren, ſo daß der bei den meiſten Ringelthieren vorhandene Nervenring oder Kragen fehlt. Von einer Entfernung zur andern bemerkt man an dieſen Nervenſchnuten ganglienartige Anſchwellungen, und in dem Saugnapfe zaͤhlt man deren 4 Paare. Die Augen fehlen bei dieſem Wurme durchaus, wenigſtens konnte ich keine Spur davon auffinden. Der Circulationsapparat beſteht in einem Ruͤckenge⸗ faͤße, welches man ſeiner ganzen Laͤnge nach deutlicher kennt. 6 83 Dieſes Gefäß, welches weiß und undurchſichtig iſt, ſtreicht uͤber den ganzen Nahrungsſchlauch, jedoch von demſelben ab— geſondert, hin und folgt allen ſeinen Windungen. Man bemerkt es unter der durchſichtigen Haut des Thieres ſehr leicht; ein ſeitliches Gefäß habe ich, ſoviel Mühe ich mir auch deßhalb gegeben habe, nicht wahrnehmen Eönnen. Die Geſtalt und Structur der ſo eben beſchriebenen Organe geſtatten nicht, daß man dieſen Wurm in irgend einer der bereits bekannten Abtheilungen unterbringe. Ich habe alſo mit demſelben eine eigne Gattung bilden muͤſſen, die ſogar für den Typus einer beſondern Familie gelten kann, und die ich Xenistum genannt habe. Einzige Art: Xenistum Valenciennaei. Betrachtet man die abgeplattete Geſtalt des Kenistum und die Abweſenheit gegliederter Mundanhaͤngſel, ſo wird man dieß Thier den Planarien und Nemerten verwandt finden und in die Claſſe Turbellaria, Ehrenb. zu ſtellen ge: neigt ſeyn. Bringt man die Lage des Afters und den gro— ßen endſtaͤndigen Saugnapf in Anſchlag, ſo muß man das Thier fuͤr den Blutegeln naheſtehend erkennen und ſich ver— ſucht fühlen, es in der Claſſe der ſaugenden Anneliden oder Hirudineen unterzubringen. Man hat bereits dieſe ſaugenden Anneliden fuͤr den Uebergang von den chaͤtopodiſchen (cheto— podiſchen ?) Anneliden zu den Planarien und andern Turbel— larien halten wollen. Das Xenistum wuͤrde ein Mittel: glied zwiſchen dieſen beiden Hauptabtheilungen bilden, obwohl dieſer neue Typus ſowohl von jenen Anneliden, als von den Planarien ſehr bedeutend abweicht. Die Anordnung des Nervenſyſtems iſt von der, welche man bei den Hirudineen trifft, durchaus verſchieden. Bei allen dieſen ſaugenden Anneliden beſteht das Nervenſyſtem in einer einzigen, in der Richtung der Medianlinie hinlau— fenden Ganglienkette, während bei Xenistum dieſer Apparat aus zwei, ſich zu beiden Seiten des Koͤrpers hinziehenden Ketten beſteht. Dieſe ſonderbare Einrichtung erinnert durchaus an die— jenige, welche von Hin. Milne Edwards bei Peripatus beobachtet worden iſt. Uebrigens weicht das Peripatus be— deutend ab. Bei dem Letztern liegen die gehirnfoͤrmigen Gan— glien einander nahe und unmittelbar auf dem oesophagus, waͤhrend fie ſich bei dem Erſtern zu beiden Seiten des 0e- sophagus befinden. Das Nervenſyſtem der Nemerten hat in Anſehung ſei— ner Anordnung mit dem von Xenistum einige Aehnlichkeit; allein bei den Erſtern ſtreicht die, die beiden gehirnfoͤrmigen Ganglien miteinander verbindende Commiſſur unter, bei dem Letztern über dem Darmcanal weg. Was den Circulationsapparat betrifft, ſo wuͤrde derſelbe, wenn er bei Xenistum wirklich fo einfach iſt, als ich glau⸗ be, ſich ebenfalls bedeutend von dem der uͤbrigen Anneliden entfernen. Bei dem gegenwaͤrtigen Stande der Wiſſenſchaft iſt es faſt unmoglich, dem Xenistum feine wahre Stel: lung anzuweiſen, und wir muͤſſen uns vor der Hand damit begnügen, die großen Verſchiedenheiten anzuzeigen, welche zwiſchen ihm und den ihm am Naͤchſten ſtehenden Typen exiſtiren. 754. XXXV. 6. 84 Da ich hier keine Claſſification der Anneliden und Tur bellarien aufſtelle, fo halte ich es für unnüß, für dieſes eins zige Thier eine befondere Familie, welche den Namen Xe- nistides fuͤhren wuͤrde, oder eine Abtheilung hoͤherer Art zu errichten. Uebrigens iſt zu vermuthen, daß noch andere Entdeckungen gemacht werden, in Folge deren uͤber die zwi⸗ ſchen den ſaugenden Anneliden, den Turbellarſen und Helmin- then beſtehenden Verwandtſchaften, die ſich jetzt ebenſowenig genau beſtimmen laſſen duͤrften, als die Grenzen der Sippen der dieſe verſchiedenen Claſſen bildenden Familien, viel neues Licht verbreitet werden wird. Ich will nur bemerken, daß dieſer neue Typus der von Hrn. Milne Edwards vorge— ſchlagenen Claſſification der Ringelthiere zur Unterſtuͤtzung dient, indem das Xenistum ein neues Verbindungsglied zwiſchen den verſchiedenen Claſſen bildet, welche dieſer Zoo— loge unter dem Namen Wuͤrmer in eine einzige Gruppe vereinigt hat. (Comptes rendus des seances del’Ac. d. Sc. T. XX. No. 18, 5 Mai 1845.) Ueber den Beiſtand, den der wiſſenſchaftliche Cal— cul den phyſikaliſchen und ſelbſt den moraliſchen Wiſſenſchaften leiſten kann, und uͤber die Ueber— einſtimmung der mathematiſchen und phyſikali— ſchen Theorien mit der wahren Philoſophie. Herr Cauchy, einer der gelehrteſten Mathematiker Frankreich's, las am 14. Juli d. J. der Academie eine Abhandlung vor, welche die obige Ueberſchrift führte uud mit geſpannter Aufmerkſamkeit angehört ward. Bei Beute theilung dieſer Arbeit darf nicht uͤberſehen werden, daß der Verf. zugleich großer Mathematiker und myſtiſch- religioͤſer Dichter iſt, und dieſe letztere Geiſtesrichtung hat offenbar auf dieſe Leiſtung deſſelben einen bedeutenden Einfluß ge— habt, ſo daß man, wenngleich ſie in Proſa abgefaßt iſt, darin eher den Verfaſſer der Hymne an die heil. Gertrud, als den der mathematiſchen Uebungen (Exereices mathe- matiques) wiedererkennt. Herr Cauchy macht in ſei⸗ ner Eigenſchaft als Mathematiker mit Recht auf die Vor— theile, welche das gleichzeitige Studium mehrerer Wiſſen— ſchaften mit ſich bringt, ſowie auf die gegenſeitige Huͤlfe aufmerkſam, welche die phyſikaliſchen, mathematiſchen, Natur: und philoſophiſchen Wiſſenſchaften einander leiſten koͤnnen, wenn man, mit allen zugleich ausgeruͤſtet, der Wahrheit nachforſcht. Hierin ſind wir durchaus mit ihm einig, und würden ihm ſogar darin beipflichten, daß der Caleul und die Analyſis mit Vortheil auf die Erforſchung aller Wahr— heit, ſelbſt der moraliſchen, angewandt werden koͤnnen, wenn dieſe Anwendung nicht, wegen der ungemeinen Schwierig— keiten, die ſie darbietet, bis jetzt vielleicht mehr Irrthuͤmer, als Wahrheiten, zu Tage gefördert hätte. Die wichtigſte Frage, welche der Verf. behandelt, ift die Theorie der Kraͤfte. Was iſt eine Kraft? Nach einer weitläufigen Auseinanderſetzung nimmt Herr Ca uch y, der Spur der Natur folgend, drei Arten von Kraͤften an: 1) Phyſiſche Krafte; 2) intellectuelle Kräfte. 3) moraliſche 85 Kräfte. Und hier ift es dem Verfaſſer, indem er fich be: liebig bald in Definitionen, bald in Metaphern ergeht, und bald als Philoſoph, bald als Dichter auftritt, allerdings gelungen, ſeine Zuhoͤrer, wo nicht zu uͤberzeugen, doch zu erheitern. Die phyſiſche Kraft hat er, wie gewoͤhnlich, durch ihre Wirkungen definirt, und bei der intellectuels len und moraliſchen Kraft hat er es, wie es von je— her geſchehen, vorgezogen, ſich bildlich auszudruͤcken, ſtatt zu definiren. "Die intellectuelle Kraft, ſagt er, iſt die— jenige, welche Kepler zum Demonſtriren derjenigen Geſetze anwandte, welche ſeinen Namen fuͤhren, und was die moraliſchen Kraͤfte anbetrifft, ſo ſehen wir deren Manifeſtation, z. B. in dem jungen Maͤdchen, welches, mit allen Vorzuͤgen der Jugend, des Standes und des Reichthums begabt, ſich aus Liebe zum Ueberirdiſchen aller dieſer Vortheile begiebt, um die Magd der Armen zu werden., Dieß Beiſpiel wird von Herrn Cauchy (dem religiöfen Dichter) ausführlich erörtert, und der Leſer erkennt ohne Weiteres, daß dieſe Er— klaͤrung der intellectuellen und moraliſchen Kraft alles wiſſenſchaftlichen Gehalts entbehrt, ja daß ſelbſt die Poe— ſie dabei eben nicht viel gewinnt. Wir wenden uns wieder zur phyſiſchen Kraft, auf welche Herr Cauchy feine Argumente concentrirt. Iſt die phyſiſche Kraft materiell? Iſt ſie wenigſtens ein weſent— liches Attribut der Materie? Dem Verf. zufolge, we— der das Eine noch das Andere. „Die phyſiſche Kraft, ſagt er, iſt ſo wenig ein weſentliches Attribut der Materie, daß gerade der Satz: Die Materie fey träge und an ſich unfaͤhig, aus ihrem Zuſtande der Ruhe oder der Bewegung herauszutreten, einer der Hauptgrundſaͤtze der rationellen Mechanik iſt.“ Man muß ſich wirklich auf den Schwingen der Poeſie in ganz eigenthuͤmliche Regionen erhoben haben, um nicht einzuſehen, daß dieſer Satz der Mechanik nichts weiter, als eine Hypotheſe, iſt; und warum fuͤhrt uns der Verfaſſer, da er doch ſonſt ſo gern durch Beiſpiele unter— richtet, nicht lieber ein Beiſpiel von dieſer traͤgen Mate— rie vor Augen? In welcher Sphaͤre ſoll er aber ein ſol— ches ſuchen, da dieſe Traͤgheit der Materie lediglich im Ge— hirne der theoretiſchen Mechaniker exiſtirt, die derſelben beduͤr— fen, um die Bewegung zu erklaͤren? In der Wirklichkeit iſt nirgends traͤge Materie zu finden, ſondern uͤberall ſind die Kraͤfte weſentlich an die Materie, und iſt die Materie we— ſentlich an die Kräfte gebunden. (Théophile Roussel, im Feuilleton des Courrier francois von16. Juillet.) Ueber ſtumme Hunde. enthaͤlt ein von der Mauritius-Inſel an Profeſſor Bell in Kings-College zu London eingelaufener Brief folgende ſonderbare Thatſache. Auf unſerer Fahrt von den Sechelles hierher legten wir bei Juan de Nova an, wo ich zum erſten Mal Gelegenheit hatte, eine Inſel von reiner Corallenbil— dung zu ſehen. Sie hat die Geſtalt eines Hufeiſens, iſt etwa 20 engl. Meilen lang und von 2 bis 4 Meilen breit, 754. XXXV. 6. 86 von ausgebreiteten Klippen und Untiefen umgeben, die voll von Seeſchildkroͤten ſind. Hunde verſchiedener Art ſind von Zeit zu Zeit daſelbſt zuruͤckgelaſſen und da fie in den Schildkroͤ—⸗ teneiern, den jungen Schildkroͤten und Seevoͤgeln Nahrung in Ueberfluß fanden, haben fie ſich wunderbar vermehrt, fo daß jetzt einige Tauſend derſelben daſelbſt vorhanden ſeyn moͤgen. Ich kann aus eigener Beobachtung bezeugen, daß ſie Salzwaſſer trinken, und daß ſie gaͤnzlich das Vermoͤgen, zu bellen, verloren haben. Einige derſelben, welche mehrere Monate lang eingeſperrt worden waren, hatten ihre wilden Blicke und Gewohnheiten noch nicht verloren; noch hatten ſie irgend einige Neigung zur Geſellſchaft mit andern Hun— den, noch hatten ſie ihre Stimme erlangt. Sie moͤgen hiervon vielleicht ſchon gehoͤrt haben, und dann mag meine Mittheilung Ihnen als Beſtaͤtigung eines Augenzeugen dienen. Auf der Inſel halten ſich die Hunde in großen Hau— fen zuſammen und fangen Seevoͤgel mit einer Gewandtheit, wie nur ein Fuchs thun koͤnnte. Sie graben die Schild— kroͤteneier aus, und nicht ſelten beißen ſie ſich uͤber ihrer Beute herum. Die meiſten laſſen ihre Schwaͤnze haͤngen, wie Woͤlfe, manche aber tragen ſie gekruͤmmt uͤber ihren Ruͤcken. Sie ſcheinen aus Windſpielen, Dachshunden, Neu— foundlaͤndern und Hunden in verſchiedenen Miſchungen zu beſtehen und ſind von allen Farben, ausgenommen rein weiß oder geſchaͤckt. ee ee Die Communication durch Brieftauben wird, wie Thompſon in feinem Notizenbuche eines Naturforſchers bemerkt, zwiſchen Lendon und Paris in betraͤchtlicher Ausdehnung und mit bedeutendem Koftenaufwande unterhalten. In den Häfen von Dos ver und Calais, ſowie auf regelmaͤßigen Stationen zwiſchen dieſen Staͤdten einerſeits, ſowie London und Paris andererſeits, befinden ſich zu dieſem Behufe mehrere Anſtalten, wo die Tauben nach ei— ner regelmaͤßigen Ordnung durch andere erſetzt werden, ſowie ſie mit ihrem Briefchen eintreffen. Der durch die Nacht veranlaßten Unterbrechung der Taubenpoſt wird durch Couriere abgeholfen, wel— che, wenn fie des Morgens bei der Taubenſtation anlangen, ihre Depeſchen an den Taubenvogt abliefern, der eine Taube in Bereit— ſchaft haͤlt. Bei Tage wird der Weg in 8 Stunden zuruͤckgelegt. Die Raubvoͤgel find für dieſe geflügelten Boten gefaͤhrliche Feinde, und die Geſellſchaften, welche die Taubenpoſt unterhalten, bezahlen daher für jeden Habichts⸗ und Sperberkopf einen Preis von 21 Schilling (20 5). Der Lohn eines Taubenvogts iſt 50 Pfd. St. (350 Kg.) jaͤhrl., und wenn man die Fuͤtterungskoſten, die Miethe fuͤr das Local, die Transportkoſten fuͤr die nach den verſchiedenen Stationen zu ſchickenden Tauben ꝛc. in Anſchlag bringt, ſo ſieht man, daß dieſe Anſtalten einen nicht unbedeutenden Aufwand erhei— ſchen. Die Abrichtung der jungen Tauben, die Fütterung zu den geeigneten Zeiten, das Aufbewahren der abzuſendenden Tauben im Finſtern bis zu der Zeit des Abfliegens ꝛc. verlangt große Sorg— falt und Berufstreue. Eine gute Taube bleibt uͤber zwei Jahre dienſtfaͤhig. Die Art, wie ſich die Leid enſchaften der Thiere äußern, zeigt ſich in vorzüglich intereſſanter Weiſe bei’m Anz griffe und der Vertheidigung, z. B. bei'm Secretär und der Schlange. Der Vogel ſchneidet der Schlange augenblicklich die Moͤglichkeit der Flucht ab. Die Schlange fuͤhlt inſtinctmaͤßig, daß ſie ſich ihrem Todfeinde gegenuͤber befindet und macht ſich ſofort zum Kampfe bereit. Halb aufgerchtet, mit ſpruͤhenden Augen und zuſam⸗ 6 * 87 mengeringeltem oder langgeſtrecktem Schwanze, ſtellt fie fich ihrem An— greifer entgegen. Sie windet ſich, bewegt den Schwanz convulſi⸗ viſch und haͤlt ſich, wie ein geſchickter Fechter, auf der Defenſive, bis der Kampf auf Tod und Leben unvermeidlich wird. Allein der ſchlaue Vogel iſt auch auf feiner Hut; er läßt den einen Flügel wie einen Schild vor ſich nieder, parirt mit dieſem jeden moͤg— lichen Anfall und ſchlaͤgt damit die Schlange wiederholt zu Boden, ſpringt dann pfeilgeſchwind hinter dieſelbe und hackt ſie in den Kopf. Die Lebenskraft und Leidenſchaften beider Thiere werden bei dieſem toͤdtlichen Kampfe im aͤußerſten Grade erregt, und die von jedem andern lebenden Weſen gefuͤrchtete Schlange findet hier ihren Meiſter, den die Natur dazu auserſehen hat, die allzuſtarke Ver— 754. XXXV. 6. 88 mehrung der Schlangen zu verhindern. (Thomson's Notebook of a Naturalist. London 1845.) Phosphorescirenden Regen beobachtete Dr. Morel⸗ Deville am 1. Nov. 1844 um halb neun Uhr Abends, als er uͤber den Hof des College Louis - le- Grand in Paris ging. Der Regenſchauer war heftig, und ſowie die Tropfen den Boden bes ruͤhrten, entwickelte ſich aus ihnen Licht in Geſtalt von Funken und Buͤſcheln, und zugleich ließ ſich ein kniſterndes Geraͤuſch vernehmen. Auch war ein Schwefelgeruch bemerkbar. Dr. M. bemerkte die Erſcheinung dreimal. Zu derſelben Zeit beobachtete Herr Du: pleffy eine auffallende Hellung am noͤrdlichen Himmel. (Edinb. new philos. Journal. April — July 1845.) Be i Ueber die haͤufig von ſelbſt erfolgende Heilung der Lungenſchwindſucht und die rationelle Be— handlung derſelben. Von John Hughes Bennett, M. D. Wer viele Leichen ſecirt hat, dem ſind gewiß zu— weilen runzelige, verſchrumpfte Stellen in der Subſtanz der Lungen vorgekommen, welche manchmal nach Außen mit feſten weißen Narben, manchmal nach Innen mit kreidigen oder kalkigen Concrementen in Verbindung ſtehen. Da dieſe Narben und Concremente keineswegs ſelten vorkommen, fo muß, wenn ſie das fruͤhere Vorhandenſeyn von Tuberkeln beweiſen, dieſe Krankheit viel haͤufiger von ſelbſt heilen, als man gewoͤhnlich annimmt. Und wenn dieß der Fall, ſo iſt die Tuberkelkrankheit den Lungen keineswegs, wie das Pu— blicum und die Aerzte mehrentheils glauben, faſt durchge— hends toͤdtlich, ſondern an und fuͤr ſich leicht zu curiren. Dieß wird aus folgenden Angaben hervorgehen: Seit dem letztverfloſſenen November habe ich 78 Leichen unterſucht und bei 28 derſelben ſolche runzelige Stellen und Concremente in den Lungen gefunden. Bei 12 derſelben waren dieſe runzeligen Stellen nur mit Verhaͤrtungen, bei 16 dagegen mit kreidigen oder kalkigen Concrementen vergeſellſchaftet. Sie kamen in der rechten Lunge ſiebenmal, in der lin— ken zweimal und in beiden Lungen 19 Mal vor. In mehr als 500 Leichen, die ich ſeit dem Auguſt 1843 theils allein, theils mit Gehuͤlfen unterſucht habe, fanden ſich dieſe Narben ebenſo haͤufig; da indeß oͤfters Verwech— ſelungen mit pleuritiſchen Adhaͤrenzen vorgekommen ſeyn dürften, auch keine genaue Verzeichnung der Fälle vorgenoms men worden iſt, ſo kann ich keine beſtimmte Zahl an— geben. Wenden wir uns zu den Beobachtungen Derjenigen, die in hinreichend ausgedehntem Maaßſtabe unterſucht ha— ben, fo finden wir, daß Hr. Rogée in 51 von 100 Lei— chen, die er im Salpétrière-Hospitale in Paris unterſuchte, dergleichen Vernarbungen entdeckten). Hr. Boudet ſagt in einer der Academie der Wiſſenſchaften vorgetragenen Ab— handlung, er habe dergleichen Verletzungen in 116 Leichen *) Archives générales de Médecine, Vol. V, 1839. Dieſe Abhandlung verdient gewiß mehr Aufmerkſamkeit, als ihr bis— her zu Theil geworden iſt. Ek u nd e. von den 135, die er beſichtigt, alſo in etwa 5 der Ge: ſammtzahl, angetroffen ). Das durchſchnittliche Alter der Individuen iſt nicht angegeben; allein die Subjecte waren 15 — 76 Jahre alt. In der Salpetriere find alle Haus— genoſſen hochbetagt. In den obenangefuͤhrten 28 Faͤllen habe ich Lungen⸗ narben und Concremente bei 3 Individuen von 18 Jahren, bei 6 von 18 — 40 Jahren und bei 19 aͤltern Perſonen gefunden. Es laͤßt ſich nicht bezweifeln, daß ſie bei betag— ten Leuten, welche uͤber die Krankheiten juͤngerer Lebensjahre hinaus ſind, ſehr haͤufig vorkommen, und daraus duͤrfte ſich die verhaͤltnißmaͤßig große Zahl der in den Pariſer Ho— ſpitaͤlern angetroffenen Fälle dieſer Art erklären, Bevor wir weiter gehen, moͤchte es angemeſſen ſeyn, zu unterſuchen, ob die hier in Rede ſtehenden Verletzungen wirklich von früher vorhandenen Lungentuberkeln herrühren: Dieß ſcheint ſich aus folgenden Umſtaͤnden mit Sicherheit zu ergeben. 1) Man trifft haͤufig eine Form von Tuberkeln, die ſcharf umſchrieben und hart, dabei ſandig anzufuͤhlen ſind, und welche, wenn man ſie trocknet, ſich durchaus wie jene kreidigen Concremente ausnehmen. 2) Dieſe Concremente werden genau an denſelben Stel— len angetroffen, wie die, welche die Tuberkeln einzunehmen pflegen. So kommen fie am Häufigften in dem Gipfel und in beiden Lungen vor. Sie zeigen ſich oft in den Bron— chen :, Gekroͤs- und andern lymphatiſchen Druͤſen, ſowie in den mm. psoae und anderen Geweben, in denen Tuberkel⸗ ablagerungen oder fcrophulöfe Abſceſſe vorzukommen pflegen. 3) Wenn eine ganze Lunge der Sitz von Tuberkelin⸗ filtration iſt, waͤhrend die untere Portion von friſchen, ſo— wie die obere Portion von aͤltern Tuberkeln eingenommen und letztere vielleicht theilweiſe ausgehoͤhlt iſt, ſo findet man die kreidigen oder kalkigen Coneremente an dem Gipfel. 4) Bei Vergleichung beider Lungen miteinander wird man haͤufig finden, daß auf der einen Seite feſte einge— balgte, zum Theil in kreidige Coneremente umgebildete Tu— berkeln vorhanden ſind, waͤhrend auf der anderen Seite die Umbildung ſchon vollendet und die kreidige Subſtanz ftein- hart geworden iſt. 5) Die runzeligen Narben, welche nicht mit ſolchen Concrementen vergeſellſchaftet ſind, gleichen durchaus denen, ) Comptes rendus des séances de l’Ac. d Sc, T. VI. 1843. 89 754. XXXV. 6. 90 welche es ſind. Waͤhrend man ferner runzelige Narben mit grauen Verhaͤrtungen in dem Gipfel der einen Lunge fin⸗ det, zeigt ſich vielleicht in dem Gipfel der anderen Lunge eine runzelige Narbe um ein kreidiges Concrement her. 6) Endlich zeigen ſich in Betreff des Sitzes der Nar— ben dieſelben Ausnahmen, wie in Bezug auf den Sitz der Tuberkeln. In einem Falle fand ich die runzelige Narbe nur im unteren Lappen, und es find mir drei Fälle vorgekommen, wo der ganze untere Lappen dicht mit Tu⸗ berkelmaterie infiltrirt war, während der obere nur wenig ans gegriffen war. Wenn noch fernere Beweiſe dafuͤr noͤthig waͤren, daß dieſe runzeligen Narben und Concremente wirklich nichts wei— ter ſeyen, als ausgeheilte Tuberkeln, ſo wuͤrden wir ſie in dem Umſtande erkennen, daß ſeit Laennec's (von welchem dieſelben genau beſchrieben und abgebildet wurden) Zeit kein Patholog dieſe für durchaus als feſtgeſtellt zu betrachtende Thatſache in Zweifel gezogen hat. Bisher betrachtete man indeß dieſe Verletzungen als hoͤchſt ſelten vorkommend. Laennec fuͤhrt nur 6 Faͤlle an, Andral 8, und verſchiedene Schriftſteller machten Be— richte Über einzelne Fälle der Art bekannt, die fie für fels tene Ausnahmen hielten. Dr. Williams ſagt: „Oef— ters trifft man in den Lungen Derer, die einſt an Sym— ptomen von Phthiſis gelitten haben, manche dieſer Hoͤhlen mit einer mehr oder weniger vollſtaͤndigen Membran ausge— kleidet und, namentlich am Gipfel der Lungen, zu weilen eine faſt bis zur Vernarbung zuſammengezogene Hoͤhle, auch wohl eine bloße Narbe, welche vielleicht in ihrem Innern ein Wenig zerreibliche kaͤſeartige Subſtanz enthaͤlt““). Dieß iſt die allgemeine Anſicht. Auf der anderen Seite werden die Beobachtungen von Rogée und Boudet in Paris, welche durch die meini— gen, die im Royal Infirmary zu Edinburgh gemacht wor— den, beſtaͤtigt werden, wahrſcheinlich darthun, daß dieſe frei— willige Heilung von Tuberkeln bei einem Drittel, ja viel— leicht der Hälfte, fämmtlicher in einem höheren Alter als 40 Jahre ſterbenden Perſonen vorkomme. Obwohl ein ſolches Reſultat Manche Wunder nehmen duͤrfte, da es der herrſchenden Meinung durchaus wider— ſpricht, ſo laͤßt ſich doch leicht nachweiſen, daß weder die chemiſche Zuſammenſetzung, noch die Structur der Tuberkeln oder die Art der Thaͤtigkeit, welche bei deren Ablagerung ſtattfindet, den durch die pathologiſche Anatomie enthuͤllten Thatſachen im Geringſten widerſpricht. Ohne in eine genaue Erörterung dieſer Thatſachen einzu— gehen, wollen wir bemerken, daß die chemiſche Beſchaffenheit der Tuberkeln zwar noch nicht vollſtaͤndig aufgeklärt iſt, daß ſie ſich aber von Lymphe in ihrem fruͤhen Stadium nur durch einen groͤßern Gehalt an Eiweißſtoff, ſowie in den ſpaͤtern Stadien nur durch einen betraͤchtlichern Verhaͤltniß⸗ theil an Erdſalzen, unterſcheiden. Was die Structur der Tuberkeln anbetrifft, ſo iſt die— ſelbe ſicher nicht bösartig. Gulliver und Vogel führen an, daß dieſelben unter gewiſſen Umſtaͤnden aus mit Kernen *) Diseases of the Chest, Ath edit. p. 192. verſehenen Zellen beſtehen. Eine ſolche Structur habe ich jedoch, wenngleich ich Tuberkeln aller Formen häufig unter- ſucht habe, nie an denſelben entdecken koͤnnen. In dieſer Beziehung ſtimmen Lebert's Beobachtungen beſſer mit den meinigen uͤberein, denen zufolge die Tuberkeln ſtets aus zahlreichen Koͤrnchen und unregelmaͤßig geſtalteten Körperchen beſtehen, die ſich vielleicht ſchwer beſchreiben, aber in ihs rer Geſammtheit von einem geuͤbten Auge leicht erkennen laſſen. Ruͤckſichtlich der die Ablagerung der Tuberkeln beglei— tenden Thaͤtigkeit haben ſich endlich zwei Anſichten geltend machen wollen. Von Manchen werden die Tuberkeln fuͤr eine conſtitutionale Krankheit gehalten, welche unabhaͤngig von Entzuͤndung entſtehe. Andere behaupten, ſie werden durch Entzuͤndung erzeugt. In den Reihen beider Partheien finden ſich bedeutende Namen; in denen der einen: Laen⸗ nec, Bayle, Chomel und Louis; in denen der andern Brouffais, Bouillaud, Cruveilhier und Andral. In England hat Dr. Ali ſon den entzuͤndlichen Urſprung der Tuberkeln mit vielem Talent vertheidigt, waͤhrend Dr. Carswell und Sir James Clark der entgegengeſetzten Meinung gehuldigt haben. Bei nur einiger Aufmerkſamkeit wird man ſich übers zeugen, daß der ganze Streit darauf beruht, was man un— ter Entzuͤndung verſteht. Iſt darunter Schmerz, Hitze, Roͤthung, ſowie Geſchwulſt und die Anweſenheit von Lym— phe oder Eiter zu verſtehen, ſo ſind die Tuberkeln allerdings nicht entzuͤndlicher Natur. Bedenken wir aber auf der an— deren Seite, daß die weſentlichſte Erſcheinung der Entzuͤn— dung in vermehrter Ausſchwitzung des Blut-Plasma be— ſteht, ſo muͤſſen die Tuberkeln als ein entzuͤndliches Product angeſehen werden. Einzig auf dieſe Weiſe laſſen ſich, uns ſerer Anſicht nach, die in Betreff dieſer Frage bekannten Thatſachen miteinander in Einklang bringen. Worin, wird man fragen, liegt nun aber der Unter— ſchied zwiſchen den Producten der gewohnlichen Entzündung und den Tuberkeln? Wir antworten: in der verhaͤltnißmaͤ— ßig geringen Organiſationsfaͤhigkeit der letztern, und glau— ben dieſe Meinung beweiſen zu koͤnnen. In der Tuberke haben wir Koͤrnchen und unvollkommene Zellen; in den Pro— ducten der gewöhnlichen Entzündung Koͤrnchen und voll: kommene Zellen. Beide krankhafte Producte werden durch Ausſchwitzung von Blut-Plasma erzeugt. Bildet ſich dieſes in vollſtaͤndig organiſche Gewebe um, fo entſteht Dasjenige, was die Pathologen in manchen Faͤllen das Reſultat der Entzuͤndung, in andern verſchiedene Arten von Geſchwuͤlſten genannt haben. Werden dieſe Umbildungen in ihrer Em ts wickelung aufgehalten, oder ſchlagen ſie theilweiſe fehl, ſo entſtehen die ſogenannten Tuberkeln oder ferophulöfen Abla— gerungen. Wenn die ausgeſchwitzte Tuberkelmaterie ſich aber zertheilt oder molechlär wird, fo kann fie ebenſowohl reſorbirt werden, wie die Producte der gewöhnlichen Ent— zuͤndung. Dieß findet häufig ſtat.. Da aber die Ge— ſchwindigkeit der Auflöfung der ausgeſchwitzten Materie in Partikelchen von der Organiſationskraft der Ausſchwitzung abhaͤngig ſeyn wird, ſo wird dieſe Veraͤnderung in den Tu— berkeln, je nach deren Organiſationskraft, mehr oder weniger 91 754. XXXV. 6. langſam von Statten gehen. Der weſentliche Unterſchied zwiſchen den Producten der Entzuͤndung und Tuberkeln muß alſo in der Verſchiedenheit der (chemiſchen und vitalen) Zu— ſammenſetzung des Blutplasma's, aus dem ſie beſtehen, ge— ſucht werden. Bisher hat uns die Chemie noch keinen Auf— ſchluß über dieſen Unterſchied gegeben, aber es doch wahr— ſcheinlich gemacht, daß das Blutplasma der Tuberkeln aus einer Form des Protein's beſtehe, die weniger organiſirbar iſt, als die Fibrine. Die mangelhafte Organiſation ſelbſt laͤßt ſich durch eine mikroſkoͤpiſche Unterſuchung leicht ermit— teln und oft in Texturen entdecken, wo Lymphe und Tu— berkeln allmaͤlig ineinander uͤbergehen ). Da nun in der Beſchaffenheit der Tuberkeln an ſich nichts liegt, was den fruͤher erwaͤhnten anatomiſchen Thatſachen widerſpraͤche, ſo laͤßt ſich die freiwillige Ausheilung der Tu— berkeln als Thatſache betrachten. Schlagen wir die Schrif— ten der beruͤhmteſten Autoritaͤten uͤber dieſen Gegenſtand nach, ſo werden wir finden, daß darin durchgehends die Moͤglichkeit einer freiwilligen Cur der Tuberkeln zugegeben wird. Laennec, Andral, Cru veilhier, Kingſton, Preſſat, Rogee, Boudet und viele Andere haben Faͤlle bekannt gemacht, wo alle functionelle Symptome und phyſiſche Zeichen der Krankheit, ſelbſt in deren vorgeruͤckte— ſtem Stadium, vorhanden waren und der Patient dennoch noch viele Jahre lebte und an einer andern Krankheit ſtarb, da ſich denn bei der Section runzelige Narben und Concre— mente in den Lungen vorfanden. Rokitanski bemerkt, daß die Lungenſchwindſucht ohne allen Zweifel heilbar ſey. Rogse ſagt uns, Brouſſais ſelbſt habe in feiner Jugend daruͤber geklagt, daß er am Gipfel ſeiner rechten Lunge ein Gefühl habe, als ob dort Tuberkeln vorhanden ſeyen. Bei der Unterſuchung ſeiner Leiche fand ſich der Gi— pfel der rechten Lunge feſt mit der Coſtalpleura verwachſen. Auch war daſelbſt das Lungengewebe runzelig, und als man in daſſelbe einſchnitt, bemerkte man eine kleine kreidige Maſſe, welche von dichtem ſchwarzen Parenchym umge— ben war. Boudet bemerkt in der bereits erwaͤhnten Abhand— lung, es ſeyen ihm in einem Jahre 14 Fälle vorgekommen, in denen offenbar eine Erweichung von Tuberkelmaterie in einer Hoͤhle ſtattgefunden habe, von der ſpaͤter jede Spur verſchwunden ſey. Nogee führt viele aͤhnliche Fülle an. Dr. Stokes behauptet, er habe haͤufig beobachtet, daß Pa— tienten hergeſtellt worden ſeyen, ſelbſt nachdem Aushoͤhlung der Lungen eingetreten ſey. Zur Beſtaͤtigung dieſes Punc— tes darf ich mich dreiſt auf die Erfahrung alter Practiker berufen, von denen viele mir verſichert haben, daß ihnen Beiſpiele von ausgebildeter Phthiſis vorgekommen ſeyen, in denen der Kranke genas. Uebrigens iſt die Anſicht von der Unheilbarkeit dieſer Krankheit ſo eingewurzelt, daß, da damals die Auſcultation noch nicht angewandt werden konnte, man bloß deßhalb, weil Geneſung erfolgte, ſchloß, man habe es mit keiner aͤchten Phthiſis zu thun gehabt, ſo daß die Aerzte *) Es wurde der Geſellſchaft eine Reihe von Präparaten verſchie— dener Texturen vorgezeigt, in denen Lymphe den Tuberkeln fo genau glich, daß fie ſich nicht von ihnen unterſcheiden ließ. 92 lieber ihrer eignen Diagnoſe mißtrauten, als daß ſie der herrſchenden Meinung widerſprochen haͤtten. Die Behandlung der Lungenſchwindſucht ward bisher faſt durchgehends nach ſtreng empiriſchen Regeln betrieben. Ein angeprieſenes Mittel folgte dem andern, und jedes ward wieder als unbrauchbar bei Seite gelegt. Dieſer Umſtand erklaͤrt ſich leicht aus der Pathologie der Krankheit, da kein Mittel bei einer ſolchen anſchlagen kann, welche in ihrem Verlaufe ſelbſt fo verſchiedene Charactere und Anzeigen dar bietet. Dieſe Charactere und Anzeigen laſſen ſich nur von einem geſchickten und erfahrnen Kenner der Auſcultation er— mitteln, und er wird ſich in der Behandlung durch Kenn— zeichen leiten laſſen, welche Andern, die ſich nicht auf die Auſcultation verſtehen, durchaus entgehen. Da nun die em— piriſchen Mittel zur Heilung dieſer Krankheit notoriſch un— zureichend ſind, ſo laͤßt ſich vielleicht dadurch mehr erreichen, daß man unterſucht, wie die Natur bei der Heilung derſelben zu Werke geht. Die bekannt gewordenen Thatſachen geben gewiß der Hoffnung Raum, daß ſich auf die allgemeine Pa: thologie der Krankheit eine erfolgreiche rationelle Behandlung derſelben gründen laſſe. Rokitanski bemerkt in feinem Handbuche der pathologiſchen Anatomie, Bd. III, S. 148. „Die Unterſuchung der Umſtaͤnde, unter denen die Heilung von freien Stuͤcken ſtattfindet, iſt die einzige Methode, durch die wir zu einem rationellen Heilverfahren gelangen koͤnnen, da daſſelbe nicht gegen die Lungengeſchwuͤre, ſondern gegen die allgemeine Tuberculoſis gerichtet ſeyn muß.“ Daher muß uns vor Allem daran liegen, den Gang kennen zu lernen, den die Tuberkelablagerungen bei ihrer Zertheilung und Heilung verfolgen, und nach meinen Beobachtungen findet dieſer Verlauf folgendermaaßen ſtatt. Zuerſt wird die Tuberkel im flüffigen Zuſtande in der— ſelben Weiſe abgeſetzt, wie Lymphe. Die hirſenkornartige und infiltrirte Form werden, ſey die Farbe nun grau oder gelb, nach einiger Zeit weich, und dieſer Proceß kann an irgend einer Stelle der Maſſe beginnen und ſich allmaͤlig uͤber die ganze Maſſe ausdehnen. Wir finden in'sgemein, daß das Parenchym der Lunge oder der Pleura in der un— mittelbaren Nachbarſchaft einer ſolchen Ablagerung mehr oder weniger entzündet, verhaͤrtet und verdickt iſt. Die Pleura namentlich iſt faſt ohne Ausnahme angegriffen und erreicht in ſolchen Faͤllen eine bei keiner andern Krankheit vor— kommende Dicke und Dichtheit. Das Parenchym wird gleichfalls dichter und erzeugt um die ganze Tuberkelablage— rung her eine dicke, verhaͤrtete Kapſel, welche oft von faſt knorpelartiger Haͤrte und ſo feſt iſt, daß ſie ihre Geſtalt ſelbſt dann noch beibehaͤlt, wenn die erweichte Tuberkel durch die Bronchen expectorirt worden iſt. Dadurch entſteht das trockne, blaſende Geraͤuſch, welches man oft uͤber ſolchen Hoͤhlen vernimmt. Wenn die Zerſtoͤrung des Organs nicht ſo weit fortſchreitet, daß der Tod erfolgt, und wenn ferner die Ablagerung friſcher Tuberkeln verhindert werden kann, fo zieht ſich die Höhle allmaͤlig zuſammen; ihre Wan— dungen verwachſen miteinander, oder legen ſich dicht um die Tuberkel an, welche die alsbald zu beſchreibenden Veraͤnde⸗ rungen erlitten hat, und ſo bildet ſich eine Narbe. 93 Die Narben koͤnnen ein verſchiedenartiges Anfehn dar⸗ bieten, je nachdem die Hoͤhle, aus der ſie entſtanden ſind, eine oberflaͤchliche oder tiefe Lage hatte. Im erſtern Falle wird man gewoͤhnlich bemerken, daß die Pleuren mehr oder weniger adhaͤriren und verdickt ſind, und ſo entſteht haͤufig eine aͤußere Wandung der Tuberkelhoͤhle. Sobald die Sub— ſtanzen, welche dieſelben enthalten, expectorirt oder umgebil— det werden, zieht ſich die Lymphe allmaͤlig zuſammen, und die Lunge wird dadurch dicht an die Wandung des Thorax gezogen, von der ſie ſich ohne bedeutende Gewalt nicht tren— nen laͤßt. Haͤufiger liegt jedoch die Hoͤhle tiefer, und dann iſt die Adhaͤrenz ſehr gering oder auch gar nicht vorhanden. In dieſem Falle wird, wenn die Wandungen der Hoͤhle zu— ſammenfallen, die der Pleura zugekehrte Oberflaͤche der Lun— ge nach Innen gezogen, und auf dieſe Weiſe entſtehen die an der Oberflaͤche ſichtbaren runzeligen Stellen. Zuweilen laſſen ſich weder in dieſen Narben, noch in deren Nachbarſchaft Spuren von Tuberkelmaterie entdecken. Unter ſolchen Umſtaͤnden ſcheinen ſie aus dichtem Faſerge— webe zu beſtehen, und das Parenchym in ihrer Naͤhe hat eine blaͤulichſchwarze Farbe, da es in Folge der chroniſchen Ent— zuͤndung nicht nur dichter und haͤrter geworden iſt, ſon— dern auch mehr Pigment in daſſelbe abgelagert worden iſt. Noch haͤufiger wird man jedoch finden, daß die Zuſammen— ziehung und Runzelung um eine Tuberkel her ftattgefunden hat, welche verſchiedene Umbildungen erlitten. Zuweilen ſind runde Maſſen roher Tuberkelmaterie von einem Balge umgeben. Sie ſind von der gewoͤhnlichen Derbheit, noch gelblich gefaͤrbt, enthalten aber mehr oder weniger zahlreiche Koͤrnchen von Erdſalzen. Oft ſind ſie weiß und zerreiblich, ſo daß ſie mit Kalk oder Kreide Aehnlichkeit haben. In dieſem Zuſtande ſind die weichen Theile, wie es ſcheint, ab— ſorbirt worden, und die ganze Maſſe beſteht, nach der mi— kroſkopiſchen Unterſuchung, aus unregelmaͤßigen Maſſen erdi— ger Stoffe, mit zahlreichen Koͤrnchen und Kryſtallen von Choleſterine vermiſcht. In andern Faͤllen iſt Alles in eine feſte kalkige Maſſe verwandelt, die haͤufig rund, oͤfters auch mit zahlreichen Auslaͤufern und unregelmaͤßigen Hoͤckern be— ſetzt iſt, welche ſich den Oberflaͤchen und Bronchenaͤſten, mit denen ſie ſich in Beruͤhrung befinden, genau anpaſſen. Dieſe kreideartigen Concremente koͤnnen beträchtlich lange Zeit in dem parenchymatöfen Gewebe der Lungen verweilen oder auch durch die Bronchen ausgeleert und dann in dem Auswurfe gefunden werden. Die dieſelben umgebende Cyſte bildet im letztern Falle eine zellige oder dichte linienfoͤrmige Narbe *). Dieß ſcheint der Proceß zu ſeyn, welcher bei'm Aus: heilen der Tuberkeln ſtattfindet, und alſo genau denſelben Verlauf haͤtte, wie die Heilung von Abſceſſen, die in an— dern parenchymatoͤſen Geweben durch gewoͤhnliche Entzuͤn— dung entſtanden ſind. Daß der Verlauf in beiden Faͤllen derſelbe iſt, ergiebt ſich auch daraus, daß in den letztern Abſceſſen ebenfalls ſehr haͤufig kalkartige Ablagerungen vor— kommen. Wenn alſo die weitere Bildung von Tuberkeln verhin— dert werden koͤnnte, ſo laͤßt ſich annehmen, daß Hoͤhlen in den *) Es wurde der Geſellſchaft eine Reihe von Präparaten vorge— legt, welche alle dieſe verſchiedenen Formen von Narben und 754. XXXV. 6. 94 Lungen ebenfo häufig heilen würden, wie Abſceſſe und Ge— ſchwuͤre in andern innern Organen. Jenes laͤßt ſich aber nur durch Beſeitigung der pathologiſchen Zuſtaͤnde erreichen, von welchen die Ablagerung der Tuberkelmaterie abhaͤngt. Dieſe ſind 1) ein krankhafter Zuſtand des Blutes, welcher von Fehlern in der Ernährung herruͤhrt; 2) oͤrtliche Ent⸗ zuͤndung, vermoͤge deren eine ungeſunde Ausſchwitzung flatt= findet, welche die Form von Tuberkel- oder Scrophelmaterie annimmt. [ Ich enthalte mich der theoretifchen Betrachtungen uͤber die Natur dieſer unvollkommenen Ernaͤhrung, indem ich nur bemerke, daß chemiſche, morphologiſche und phyſiologiſche Umftände darauf hindeuten, daß fie 1) von uͤberſchuͤſſigem Sauerſtoffe im Organismus, welcher eine ſchnelle Abnutzung der Gewebe und Saͤure im Nahrungsſchlauche veranlaßt, und 2) von einem Ueberſchuſſe an ſtickſtoffhaltigen oder ei— weißſtoffigen, ſowie einem Mangel an kohlenſtoffigen oder fettigen Subſtanzen im Chylus, Blut und in allen Geweben, ausgenommen der Leber, welche ganz beſonders zur Exere— tion der fettigen und kohligen Steffe dient, herruͤhre. Auf den Umſtand, daß alle localen Symptome und phyſiſchen Kennzeichen mit denen der Entzündung uͤberein— ſtimmen, brauche ich nicht naͤher aufmerkſam zu machen. Nur inſofern findet ein Unterſchied ſtatt, als die Tuberkeln haͤufiger im Gipfel, als an der Baſis der Lungen, vor— kommen. Die Indicationen in Betreff der Behandlung ſind da— her: 1) die Dyspepſie und Saͤure im Nahrungsſchlauche zu beſeitigen; 2) die zur Bildung eines geſunden Chymus noͤ⸗ thigen Stoffe in den Organismus einzuführen; 8) die oͤrt— liche Entzuͤndung zu bekaͤmpfen. Die Hauptſchwierigkeit bei der Behandlung wird da— rin beſtehen, daß gleichzeitig eine allgemeine unvollkommne Ernährung und Schwache des Syſtems und die von dieſen abhaͤngende örtliche Entzündung und Reizbarkeit zu beſeiti— gen find ). Die dyspeptiſchen Symptome dauern haͤufig waͤhrend der ganzen Krankheit fort und laſſen ſich oft gar nicht beſchraͤnken, indem die ungemeine Reizbarkeit der Schleim- membran ſich durch Erbrechen, Durchfall, Bronchorrhoͤe und Kehlkopfentzuͤndung kund giebt. Dieſe Symptome und die Dpspepſie laſſen ſich haͤufig durch Naphtha erleichtern, nachdem alle gewoͤhnlichen Mittel unwirkſam geblieben ſind. Die geruͤhmten guten Wirkun⸗ gen der Naphtha ſind, meines Erachtens, ihrer Kraft, die Reizbarkeit des Magens zu vermindern und den Kranken auf dieſe Weiſe in den Stand zu ſetzen, Nahrung zu ſich zu nehmen, zuzuſchreiben.““) die verſchiedenen Umbildungen, welche die Tuberkeln erleiden, erläuterte; desgleichen Proben von kalkiger Subſtanz, die aus den Lungen ausgeworfen worden war. ) Dieſer Punct iſt von Dr. Evans zu Dublin in ſeinen Vor⸗ leſungen über die Lungenſchwindſucht ſehr gruͤndlich behandelt worden. „) Ich habe die, zuerſt vom Dr. J. Haſtings empfohlene Naph⸗ tha nunmehr in mehrern Faͤllen von Phthiſis mit bedeutendem Nutzen verordnet. In drei Fällen, wo ich dieſelbe in dem Krankenſaale fuͤr Frauen anwandte, beſeitigte dieß Mittel das Erbrechen augenblicklich, nachdem alle andere Arzneien unwirk⸗ ſam geblieben waren. Eine dieſer Patientinnen hatte ſeit vier Monaten nach jeder Mahlzeit und jedesmal, wenn der Huſten 95 Die unvollſtaͤndige Ernährung Lüfte ſich am Beſten durch eine leichtverdauliche und nahrhafte Koſt bekaͤmpfen: Milch, Subſtanzen, die mehr fette als eiweißſtoffige Be— ſtandtheile enthalten, und ein gleichfoͤrmiges mildes Klima, durch das, in Verbindung mit der Diät, der Ueberſchuß des Sauerſtoffs im Organismus beſeitigt wird. Um dieſer zwei— ten Indication zu entſprechen, kann ich nunmehr, nachdem ich den Kabeljauleberthran ſeit vier Jahren ſowohl in mei— ner Privat- als Hospital-Praxis in Anwendung gebracht habe, dieſes Mittel ausnehmend empfehlen, *) Die locale Entzuͤndung muß in den erſten Stadien durch oͤrtliche Blutentziehungen, durch Blutegel und Schroͤpf— koͤpfe, bekaͤmpft werden. Dr. Graves empfiehlt in dieſer Beziehung ſehr nachdruͤcklich Queckſilber, um die Reſorption der Ausſchwitzung zu bewirken. In den ſpaͤtern Stadien hat man Gegenreize, Embrocationen, Brechweinſteinſalbe, Bla— ſenpflaſter und die Mora in Anwendung zu bringen. Es waͤre leicht, uͤber die Art und Weiſe, wie man dieſe verſchiedenen Mittel zur Erfuͤllung der angegebenen Indicationen in Anwendung zu bringen habe, weitlaͤufige Vorſchriften zu ertheilen. Dieſer Punct iſt allerdings wich— tig und erfordert großen Tact, ſowie Erfahrung und eine vollſtaͤndige Kenntniß der in den Lungen vorgehenden phy— ſiſchen Veraͤnderungen. In den verſchiedenen Stadien muß auch natuͤrlich der einen oder der andern Indication kraͤfti— ger entſprochen werden, als den uͤbrigen. Allein ich bin der Meinung, die Erfahrung werde darthun, daß, fo oft eine Behandlung bei der Phthiſis anſchlaͤgt, dieß nur darum der Fall iſt, weil fie, abſichtlich oder zufällig, fo ge— heftig wurde, vomirt. Dieſes Symptom verſchwand nach zwei Doſen von der folgenden Mixtur, und die Patientin erholt ſich gegenwaͤrtig bei einer nahrhaften Koſt und dem Einneh— men von Kabeljauleberthran. B. Naphthae medicinalis 3 i.; Tr. Card. c. 3 j; Ag. Camphorae Zv ; Mist. Capt. 3 ij. ter die, „) In Leith und Edinburgh werden gegenwärtig große Quanti— täten Kabeljauleberthran zu mediciniſchen Zwecken bereitet, und es findet ein bedeutender Verbrauch dieſes Medicaments ſtatt. Der Thran iſt ſehr rein, faſt geſchmacklos und bei allen an- geſehenen Droguiſten Edinburgh's zu haben. Seit der Bekanntmachung meiner Abhandlung uͤber die therapeutiſchen Eigenſchaften dieſer Subſtanz iſt deren Wirk— ſamkeit gegen Phthisis pulmonalis und Tinea favosa, von der darin die Rede iſt, durch den Dr. Pereyra zu Bor— deaur beftätigt worden Seine Erfahrungen in Betreff des Nutzens und der allgemeinen Wirkung dieſes Mittels ſtimmen mit den meinigen durchaus überein. Man vergleiche die Bro: ſchuͤre: Du Traitement de la phtbisie pulmonaire, par Emile Lt. Pereyra, Meédecin titulaire de P'Höpital de Bordeaux, auf welche Schrift wir hierdurch alle practiſchen Aerzte aufmerkſam machen wollen 754. XXXV. 6. 96 leitet worden iſt, daß dadurch den oben angedeuteten patho- logiſchen Bedingungen entſprochen wurde. Soviel iſt wenig— ſtens gewiß, daß dieſe letztern nie durch das blinde Verord— nen eines und deſſelben Mittels beſeitigt werden koͤnnen. Mir ſind vielfache Beiſpiele vorgekommen, daß Leute aus den aͤrmern Volksclaſſen mit großen Hoͤhlen in den Lungen ihre Berufsgeſchaͤfte fortſetzen konnten. Viele da— runter nahmen ſich im Hospitale, oder wenn ſie zufaͤllig in beſſere Vermoͤgensumſtaͤnde geriethen, wieder auf. In meh— rern Fällen wurde durch die hier angedeutete Behandlungs- weiſe eine vollſtaͤndige Cur erreicht; allein da dieſe Beiſpiele noch zu wenig zahlreich find, als daß ſich durch dieſelben der Be⸗ weis der Heilbarkeit der Lungenſchwindſucht durch therapeutiſche Mittel fuͤhren ließe, ſo werde ich derſelben hier nicht naͤher erwaͤhnen. Was fuͤr eine Anſicht man indeß in Betreff des Wer— thes der hier angedeuteten Indicationen und Behandlung auch haben moͤge, ſo wird man doch hoffentlich zugeben, daß die von mir beigebrachten Thatſachen und Betrachtungen hinreichend wichtig ſeyen, um die Aerzte zu veranlaſſen, ſich mehr eine curative als palliative Behandlung der Phthiſis angelegen ſeyn zu laſſen, waͤhrend gegenwaͤrtig die letztere faſt allein gebraͤuchlich iſt. (The Edinburgh medical and surgical Journal, No. CLXIII, I. Apr. 1845.) Mise ee Zur Unterſtutzung der Entdeckung fremder Körper in der Blaſe mittelſt der Auſcultation hat Hr. Brooke noch einen beſondern Apparat erfunden, aus einem Katheter oder Sonde mit einem daran befeſtigten runden Schallbrete beſtehend. Letzteres hält 6 Zoll im Durchmeſſer, iſt perpendiculaͤr an dem Ende angebracht und erhöht die Empfindung, welche durch das Beruͤh— ren des anderen Endes mit einem kleinen Steine oder Fragmente nach Lithotripſie hervorgebracht wird, und welche außerdem vielleicht der Auffindung entgehen und den Grund kuͤnftiger Krankheitszufaͤlle le— gen moͤchten. Hr. B. hat in der Verſammlung zu Cambridge die wirkliche Zweckmaͤßigkeit des Apparates practiſch für das Ohr nach— gewieſen. Bierbefen gegen Verbrennungen. Herr Dr. Szer⸗ lecki, auf vielfaͤltige practiſche Erfahrung geſtuͤtzt, empfiehlt die Bierhefe als das einfachſte und wirkſamſte Mittel, welches die Therapie beſitze, um die Folgen von Verbrennungen zu bekaͤmpfen. — Er ſtreicht eine Schicht Hefe auf Leinwand, legt ſie auf die verbrannte Oberflaͤche und laͤßt dieß erneuern, ſowie die Hefe an⸗ fängt, zu trocknen. Der guͤnſtige Erfolg iſt um fo mehr geſichert, je fruͤher das Mittel angewendet wird. Eine neue, zum Selbſtgebrauch eingerichtete Ely: ftirfprige ift von Herren Philp und Wicker in London er- funden und fo finnreih conſtruirt, daß man über Zweckmaͤßigkeit und Bequemlichkeit derſelben ganz einſtimmig iſt. Adreſſe: M. M. Philp and ILicker, of St. James’s Street, London. Bibliographische Neuigkeiten. Arcana entomologica by J. O. Westwood, Esq. Vol. II. With (48) coloured plates. London 1845. 18. Inquiry into the nature and course of Storms in the Indian Ocean, by Alexander Thoms. With diagrams, London! 845. 8. Inquiry into the physiological and medicinal Properties of the Aconitum Napellus, by Alexander Fleming M. D. London 1845. 8. Denkſchrift über den derzeitigen Standpunct und die Verhältniffe der Pharmacie in Deutſchland überhaupt. Ergaͤnzungsheft zum Mai— hefte des Archives fuͤr Pharmacie pr. 1845. (Von dem Directorium des Apothekervereins in Norddeutſchland: Dr. Bley. Dr. Dum é⸗ nil Dr. Willing, Dr. C. F. Aſchoff, L. Overbeck, F. Faber, Dr. L. Aſchoff, Geiſe ler, Dr. Herzog.) — — — Neue Notizen a u 8 dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ep zu Berlin. Noe. 755. Gedruckt im Landes =» Snduftrie Comptoir zu Weimar. (Nr. 7. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 . 30 X Juli 1845. des einzelnen Stuͤckes 3%, 9 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 5 Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 95 NM tin Ueber die Auflöfung der Nebelſterne mit Hülfe des Roſſeſchen Rieſenteleſkops Y. In der Aſtronomie wird das letztverfloſſene Jahr ſtets Epoche machen, indem in demſelben der Rofſeſche ſechsfuͤ— ßige Reflector gluͤcklich vollendet worden iſt, eine gewaltige Leiſtung, nicht nur in Bezug auf die Wichtigkeit der Ent— deckungen, welche durch denſelben ermoͤglicht werden, ſondern auch in Betreff der bei feiner Conſtruction zu uͤberwinden⸗ den Schwierigkeiten. Ich ſelbſt bin noch nicht ſo gluͤcklich geweſen, mit demſelben zu beobachten; allein nach dem zu urtheilen, was mir Graf Roſſe uͤber deſſen Leiſtung ruͤck— ſichtlich eines gewiſſen Nebelſterns mitgetheilt, den ich durch ſtarke Teleſkope häufig betrachtet habe, bin ich auf die au: ßerordentlichſten Reſultate gefaßt. Inwiefern durch dieſes Teleſkop unſere Kenntniß der naͤchſten Himmelskoͤrper erweis tert werden mag, laſſe ich dahingeſtellt ſeyn; allein in Be— treff der Nebelſterne wird dadurch ein ganz neues Feld der Entdeckungen eroͤffnet. Bei Weitem der groͤßte Theil, wahr— ſcheinlich wenigſtens neun Zehntel der nebeligen Stellen am Himmel, beſteht aus Nebelſternen von ſphaͤriſcher oder ellip— tiſcher Geſtalt, welche jeden Grad von Verlaͤngerung oder centraler Verdichtung darbieten. Viele derſelben ſind bereits in einzelne Sterne aufgeloͤſ't worden, waͤhrend eine zahlloſe Menge derſelben jenes marmorirte Anſehen darbietet, wel— ches mit ziemlicher Sicherheit darauf ſchließen laͤßt, daß auch fie bei ſtaͤrkerer Vergroͤßerung aufgelöft werden würden. Hieraus rechtfertigt ſich gewiſſermaaßen der Schluß, daß alle nicht aufloͤsbare Nebelſterne nur deßhalb nicht aufloͤs⸗ bar ſind, weil die Sterne, aus denen ſie beſtehen, zu klein und zu dicht beiſammen ſind, kurz, daß ſie nur optiſch, aber nicht phyſiſch nebelfoͤrmig ſeyen. Ein Umſtand verdient in⸗ deß beſonders hervorgehoben zu werden, den ich gegenwaͤr— „) Aus der Adreſſe des Sir John Herſchel bei der Eröffnung der dießjaͤhrigen britiſchen Gelehrtenverſammlung zu Cambridge. No. 1855. — 755. KRK u RN „ tig, wo ich die Nebelſterne in beiden Hemiſphaͤren eifrig beobachtet habe, zutrauensvoll fuͤr ein allgemeines Geſetz er— klaͤren darf, daß nämlich die Eigenſchaft, in deutliche eins zelne Sterne aufgeloͤſ't werden zu koͤnnen, faſt lediglich den⸗ jenigen Nebelſternen zukommt, welche nur wenig von der Kugelgeſtalt abweichen, waͤhrend dagegen ſtark elliptiſche Ne— belſterne, ſelbſt wenn fie groß und glänzend find, in dieſer Beziehung weit mehr Schwierigkeit darbieten. Die Urſache dieſer Verſchiedenheit muß vor der Hand noch problematiſch bleiben; allein Niemand wird eine Reihe von Nebelflecken am Himmel unterſuchen, ohne ſich von der Wirklichkeit die— ſes phyſiſchen Characters zu überzeugen. Die Graͤnzen der Bedingungen der dynamiſchen Stabilitaͤt ſind vielleicht bei einer ſphaͤtiſchen Gruppe mit einer geringeren Anzahl groͤ— ßerer Beſtandtheile (Sterne) vereinbar, als bei einer ellipti— ſchen. Dem ſey wie ihm wolle, ſo ſind doch, wenngleich in vielen elliptiſchen Nebelſternen bisjetzt noch keine einzel— nen Sterne beobachtet worden ſind, dergleichen doch in ſo vielen andern ſchon wirklich geſehen worden, und die Ueber— gaͤnge von der vollkommenſten Kugelgeſtalt zu der laͤngſten elliptiſchen fo allmaͤlig, daß die Buͤndigkeit des allgemeinen Schluſſes durch die fragliche Eigenthuͤmlichkeit kaum ge— ſchwaͤcht wird, und ich meinestheils moͤchte ohne Bedenken annehmen, daß alle Nebelſterne dieſer Art Sternhaufen ſeyen. Auch mein Vater ſchien dieſer Anſicht zu ſeyn, und nur in Betreff gewiſſer Nebelflecken von ganz eigenthuͤmli— chem Anſehen Zweifel zu hegen. Unter all' den Wundern, die uns der Himmel vor Augen fuͤhrt, ſind aber das an— ſtaunenswuͤrdigſte dieſe eng zuſammengedraͤngten Familien oder Gemeinden von Sternen, die entweder ganz voneinan⸗ der abgeſonderte Sternſyſteme, oder ſolche von doppelter Zu— ſammenſetzung bilden, indem zwei Nebelſterne mit ihrem Umriſſe uͤbereinandergreifen; und die aus Sternen von ziem⸗ lich gleicher ſcheinbarer Groͤße beſtehen, die in ſolcher Menge zuſammengehaͤuft ſind, daß ſich ihre Zahl kaum abſchaͤtzen laͤßt. Was find diefe geheimnißvollen Sternfamilien eigent⸗ lich? Unter was fuͤr dynamiſchen Bedingungen exiſtiren ſie? 7 99 Iſt es begreiflich, daß fie nach dem Newton'ſchen Geſetze der Gravitation ohne beſtaͤndige Colliſionen fortdauern koͤn⸗ nen? Und wenn dieß moͤglich iſt, welche unergruͤndliche Complicationen wuͤrde uns dann ein ſolches Syſtem darbie— ten, wenn wir es unternehmen wollten, mit unſerer ſchwa— chen Analyſis, deſſen Perturbationen und Bedingungen der Stabilität zu ermitteln! Jene von meinem Vater entdeck— ten merkwuͤrdigen Gegenſtaͤnde, welche keine regelmaͤßigen Umriſſe, keine ſyſtematiſche Abſtufung des Glanzes darbie— ten, ſondern ſich mehr ausnehmen, wie die Streifen und Kraͤuſelungen der Cirrhus-Wolken, brachten ihn Anfangs auf den Gedanken, daß die Nebelflecken aus leuchtender Materie beſtehen duͤrften, welche nicht in ſternartigen Koͤr— pern concentrirt, ſondern in Dunſtform durch weite Regio— nen des Weltraums verbreitet und in einem langſamen Proceſſe der Aggregation durch die Schwerkraft begriffen ſey. Die ausſchweifendſte Einbildungskraft kann nichts Launen— hafteres ſchaffen, als dieſe wolkenartigen Gebilde, welchen in vielen Faͤllen ſo wenig ein regelmaͤßiger Plan zu Grun— de zu liegen ſcheint, als wirklichen Wolken, und die in an— dern Fällen Zeichen von einem kaum weniger ungeſchlachten und characteriſtiſchen Plane darbieten, waͤhrend ſie zuweilen Spuren von zelliger oder ſtratificirter Structur erkennen laſ— ſen, die ſich veraͤndert, als ob es im Innern derſelben ſtuͤrmte. Sollte es ſich durch Inſtrumente von der Vergroͤße— rungskraft des Roſſeſchen erlangen laſſen, daß auch dieſe Himmelskoͤrper in Sterne aufgeloͤſ't wuͤrden, und daß dar— gethan würde, daß auch die regelmaͤßig elliptiſchen Nebelflek— ken, die bisher unaufloͤslich waren, aus einzelnen Sternen beſtehen, ſo muͤßte natuͤrlich die Anſicht von dem Vorhan— denſeyn einer Nebelmaterie in Form einer leuchtenden Fluͤſſigkeit oder eines verdichtbaren Gaſes aufgegeben werden, wenngleich die Kosmogoniſten in Betreff der Schweife und Atmoſphaͤre der Kometen, ſowie hinſichtlich des Zodiakallichts, noch ſehr geneigt ſind, eine ſolche gelten zu laſſen; denn die Beobachtung des geſtirnten Himmels wuͤrde uns Nichts mehr bieten, was dieſe Anſicht unterſtuͤtzte. Aber wenn man auch den Gedanken, daß es dem ſterblichen Auge moͤg— lich ſey, einen Ueberreſt des Urchaos zu ſchauen, voͤllig auf— geben muͤßte, ſo waͤre ſelbſt dann noch nicht bewieſen, daß un— ter den ſo verworren zuſammengehaͤuften Sternen keine aggre— girenden Kraͤfte wirkſam ſeyen, die ſie zu Gruppen zu concen— triren und von den benachbarten Gruppen zu iſoliren ſtreben, und, nach meinen Beobachtungen, kann ich nicht anders glau— ben, als daß die Structur der Wolken des Magellan von der Thaͤtigkeit ſolcher Kräfte Zeugniß ablege. Diefer Theil von meines Vaters Anſicht uͤber die allgemeine Conſtruction des Himmels iſt demnach von der ſogenannten Nebelſtern— Hypotheſe durchaus verſchieden und hat, auch wenn dieſe gefallen, als philoſophiſche Speculation ebenſoviel a als vorher. (The Athenaeum.) 755. XXXV. 7. 160 Ueber die geologiſche Stellung der foſſilen Kno- chen des Mastodon giganteum etc., welche an ver⸗ ſchiedenen Orten Nordamerica's gefunden worden ſind. Von Herrn Lyell. (Vorgetragen der Londoner geologiſchen Geſellſchaft.) Der Verfaſſer hat ſich in dieſer Abhandlung vorges ſetzt, die Beziehungen des Bodens, in welchem die Knochen des Mastodon gefunden worden find, zu den Fuͤndlings⸗ Bloͤcken, ſo wie die geologiſchen und geographiſchen Veraͤnde⸗ rungen, die ſich ſeit der Ablagerung dieſer Knochen ereignet haben, endlich die Muſcheln, in deren Geſellſchaft fie vor— kommen, zu unterſuchen. Der vorzuͤglichſte Fundort, welchen er ſtudirt hat, ift Bigbone⸗-Lick“) im noͤrdlichen Theile des Staates Kentucky, 25 engl. M.“ ſuͤdweſtlich von Eincinnati und 1 engl. M. vom Fluſſe Ohio. Lick nennt man in Nordamerica eine Salzquelle. Gewoͤhnlich bilden dieſe Quellen eine Art Teich oder einen ſalzigen Sumpf, an den ſich Büffel, Antilopen ꝛc. im Sommer begeben, um Salz zu lecken. Die ganze Ge⸗ gend an beiden Ufern des Ohio beſteht in der Nachbar⸗ ſchaft von Bigbone-Lick aus einem blauen thonhaltigen Kalk⸗ ſteine und Maͤrgel, die eine der aͤlteſten Schichten der Uebergangs- oder ſiluriſchen Formation find. Die Schichten ſind beinahe horizontal und bilden Hochebenen, welche von zahlreichen Thaͤlern durchſchnitten ſind, in denen man allu⸗ viale Geſchiebe und alluvialen Schlamm findet. Uebrigens iſt dieſe Gegend mit keinen Geſchieben bedeckt. Dieſe Bo— denart iſt noͤrdlich von den Staaten Ohio und Indiana ſehr gewoͤhnlich, verſchwindet aber, ehe man zum Ohioſtrome ge— langt, vollſtaͤndig. Noch jetzt ſieht man bei den Salzquellen von Bigbone⸗ Lick die Pfade, welche die Buͤffel getreten haben. Sehr viele Thiere dieſer Art, ſowie Pferde und Rinder, ſind in den ſchlammigen Boden verſunken und umgekommen. Ne— ben den Knochen dieſer Thiere finden ſich in Menge Mafto: dontens, Elephanten: und andere Knochen ausgeſtorbener Ar— ten, welche dieſe Quellen zu einer Zeit beſucht haben, wo das Thal bereits ſeine gegenwaͤrtige Geſtalt beſaß, und in dem Moraſte umgekommen ſeyn muͤſſen, wie es mit den noch jetzt lebenden Thieren der Fall iſt. Am Haͤufigſten ſind die Knochen der Maſtodonten, ſowohl alter als junger Exemplare. Der ſchlammige Boden iſt ſchwarz, leicht und ſehr tief. Zuweilen ſteht er auf dem Kalkſteine auf; an andern Stellen, wo er vorzuͤglich maͤchtig iſt, erhebt er ſich mehrere Fuß über die allgemeine Oberfläche der Ebene. Zu: weilen iſt er mit einer Ablagerung von gelber Thonerde, welche mit dem Schlamme des Ohio ziemlich viel Aehnlich⸗ keit und am Ufer des die Ebene durchſchneidenden Baches 10 bis 20 F. Maͤchtigkeit hat, uͤberdeckt, und haͤufig geht er an dieſem Bache in Geſtalt eines jaͤhen Abhangs zu Tage. Dieſer Schlamm ſcheint ſich ruhig an der Ober— flaͤche des Moraſtes abgeſetzt zu haben und dann ſtellenweiſe *) Zu deutſch: die Salzlecke der großen Knochen. 101 fortgeführt worden zu ſeyn. Die Maſtodonten und andere Vierfuͤßer ſind vor der Ablagerung des Schlammes verſunken, denn unter dieſem findet man die meiſten foſſilen Knochen. Neben dieſen zeigen ſich die Schalen von Suͤßwaſſer- und Landſchnecken, die meiſt den noch jetzt in jener Gegend le— benden Species angehoͤren. Die Oberflaͤche des Moraſtes iſt, entweder in Folge der theilweiſen Ablagerung des Schlammes, welcher auf ge— wiſſe Stellen druͤckt, auf andere nicht druͤckt, oder in Folge des Anſchwellens des Torfes in der Naͤhe der Quellen, wo er ſich mit Feuchtigkeit ſaͤttigt, ſehr uneben. Der Verf, ſchließt, daß die Ablagerung der foſſilen Knochen von Bigbone⸗Lick zu einer ſpaͤtern Zeit ſtattgefun⸗ den habe, als die Entſtehung der geſchobenen Formation, welche in dieſem Diſtricte fehlt. Dieſe Periode waͤre alſo in geologiſcher Beziehung ſehr jung; allein dennoch koͤnnen ſeit dem Ausſterden des Mastodon und der uͤbrigen Arten mehrere Tauſend Jahre verſtrichen ſeyn. Man findet deren Knochen mehrere Fuß unter der Oberflaͤche der Torfformation; allein es laͤßt ſich durchaus nicht mit Gewißheit beſtimmen, um wieviel ſich dieſelbe alljaͤhrlich oder binnen einem Jahrhunderte verſtaͤrkt, oder ob nicht deren obere Schichten vielleicht mehr— mals durch Fluthen weggeſchwemmt worden ſind. In den Staaten Georgien und den beiden Carolinas hat man dieſelben Species von Maſtodonten und Elephan— ten, wie bei Bigbone-Lick, und mit Pferdeknochen vergeſell— ſchaftet gefunden. In Georgien fand man neben dem Masto- don auch den Mylodon und das Megatherium, und bei Bigbone-Lick den Megalonyx. Bei Cincinnati, auf dem rechten Ufer des Ohio, hat man Zaͤhne von Maſtodonten und Elephanten in einer Kiesbank getroffen, über welcher ein Granitblock von 12 F. Durchm. und andere kleinere Blöcke lagen. Dieſe Bloͤcke ſcheinen alſo vor der alten Als luvialablagerung des Ohio an ihre gegenwaͤrtigen Fundoͤrter gelangt zu ſeyn. Im Staate Newyork hat man in der Naͤhe des Niagara Falles bei 12 F. Tiefe Maſtodontenknochen in einer Suͤß— waſſerformation gefunden, deren Schalthiere in jener Ge— gend noch jetzt leben. Zu Rocheſter, zu Geneſſee, in der Nähe des Hudſon— fluſſes, hat der Verf. Maſtodontenknochen mit Muſcheln von noch lebenden Arten in Kies- und Torfbaͤnken getroffen. Der hoͤchſte Punct, wo man dieſe Knochen in Nordamerica gefunden, iſt Honsdale im Staate Newyork, wo ſie 1500 engl. Fuß uͤber der Meeresflaͤche liegen. Zwiſchen dem Apaladyen:Gebirge und dem atlantiſchen Ocean, mitten in einer gewaltigen Formation von horizon— talen tertiaͤren Schichten, die am Fuße des Gebirges bis 500 F. Maͤchtigkeit haben und Seemuſcheln von jetzt noch lebenden Species enthalten, findet man einige moraſtige Niederungen, und in dieſen hat man, z. B., bei Newbern, eine große Ablagerung von Maſtodontenknochen in Suͤß— waſſerboden angetroffen. Herr Darwin fand bei Entre Rios am Ufer des Plataſtromes genau unter denſelben Umſtaͤnden Knochen von Maſtodonten und Pferden und bei Bahia-Bianca in Pata— 755. XXXV. 7. 102 gonien ſolche vom Mylodon, Megatherium und Mega- lonyx, ebenfalls in Geſellſchaft von Pferdeknochen, und dieſe Ablagerungen von Knochen waren offenbar juͤnger, als die juͤngſten tertiaren Meerformationen. Er iſt fogar übers zeugt, daß einige ausgeſtorbene Arten derſelben Familie noch nach der Zeit gelebt haben, zu welcher die Fuͤndlings— bloͤcke Patagoniens an ihre jetzige Stelle gelangt ſind. Man hat demnach zu ſchließen, daß die jetzt ausgeſtor⸗ benen großen Dickhaͤuter noch nach der Epoche der Ablage— rung der geſchobenen Formation, welche von Norden gekom— men iſt, in America gelebt haben, und die Anſicht mancher Geologen, als ruͤhre das Ausſterben dieſer Rieſenthiere von der Kaͤlte her, welche zur Zeit dieſer Formation eingetreten ſey, ſteht alfo auf ſehr ſchwachen Füßen. (Bibliothèque universelle de Geneve, No. 112, Avril 1845.) Ueber die Statur der Guanches, der ausgeſtor— benen Ureinwohner der Canariſchen Inſeln. Bekanntlich waren die Canariſchen Inſeln vor deren Entdeckung durch die Spanier und deren ſpaͤterer Colonifis rung durch die Portugieſen von einer Menſchenrace bewohnt, deren zahlreiche Ueberreſte man in Geſtalt von Mumien vor— fand und die in vielen Beziehungen eigenthuͤmlich geweſen ſeyn muß. Von vielen Geſchichtsſchreibern, welche entweder als Augenzeugen oder fo bald nach der Coloniſirung der Inſeln ſchrieben, daß ſie leicht authentiſche Nachrichten uͤber die Guanches einziehen konnten, werden dieſe als von ſehr ho— her Statur, ſowie ausnehmender Koͤrperkraft und Behendigkeit, geſchildert. Dr. Pritchard hate in feinen ſehr gründlichen ethnographiſchen Schriften dieſe Beſchreibung fuͤr richtig an— genommen, und Sabin Barthelot, der eine intereſſante Abhandlung uͤber dieſe Nation verfaßt hat, welche in den Verhandlungen der Pariſer ethnographiſchen Geſellſchaft ab— gedruckt iſt, hat ſich auf alte Autoritaͤten berufen, welche bezeugen, daß die Ureinwohner der Canariſchen Inſeln die eben erwaͤhnten phyſiſchen Eigenſchaften beſeſſen haͤtten. Die hin und wieder aufgefundenen Guanche-Mumien gaben jedoch dem Dr. Hodgkin einen ſo verſchiedenen Be— griff von der Koͤrperbeſchaffenheit dieſes ausgeſtorbenen Vol— kes, daß jene Beſchreibungen ihn nicht wenig Wunder nah— men, und daß er ſich veranlaßt fuͤhlte, dieſem Gegenſtande, theils durch Correſpondenz mit auf jenen Inſeln wohnenden Freunden, theils durch naͤhere Unterſuchung der in den eu— ropaͤiſchen Sammlungen befindlichen Ueberreſte weiter nach— zuforſchen. Den von 8 — Ivollftändigen oder mehr oder weniger beſchaͤdigten Skeleten von Maͤnnern und Weibern genom— menen Maaßen zufolge, betrug die Totalhoͤhe der Indivi⸗ duen 4 Fuß 65 bis 4 Fuß 64 Zoll, fo daß ſelbſt die größe ten darunter von ſehr kleiner Statur waren. Dr. Hodg— kin ſchließt daraus nicht, daß die Angaben der fruͤher er— waͤhnten Schriftſteller irrig ſeyen, ſondern vielmehr, daß die Canariſchen Inſeln, gleich anderen Laͤndern, zu verſchiedenen 7 * 103 Zeiten von verſchiedenen Menſchenracen bewohnt worden ſeyen, und zwar ſchon vor der Ankunft der Spanier. Die von den erſten europaͤiſchen Ankoͤmmlingen vorgefundenen Bewohner ſcheinen, nach deren Sprache und phyſiſcher Be— ſchaffenheit zu urtheilen, derſelben Menſchenrace angehoͤrt zu haben, wie die africaniſchen Berbern. In ihren Gebraͤuchen, z. B. dem Einbalſamiren der Leichen, wichen ſie jedoch von den Berbern ab. Er empfiehlt eine genaue Vergleichung der Guanche- und Berbern⸗Sprache, um in der erſtern Wörter aufzufinden, die von denen der letztern abweichen, ſowie eine forgfältige Unterſuchung aller noch vorhandenen Ueberbleibſel und Denkmale der alten Bewohner der Canariſchen Inſeln und eine neue Durchſicht aller Quellenſchriften, indem viel— leicht auf dieſe Weiſe dieſe ſtreitige ethnographiſche Frage erledigt werden koͤnne. (Edinburgh new philosophical Journal, April — July 1825.) Miscellen. Trinkgefaͤße aus Menſchenſchaͤdeln ſind bei den Ein⸗ gebornen Suͤdauſtraliens uͤblich. Prof. Owen zeigt ein ſolches vor, welches vom Gouverneur Grey nach England geſchickt wor⸗ den. Nachdem die Hirnſchaale von den Geſichtsknochen ꝛc. befreit worden, hängt man fie in eine Art Netz und trägt fie an Schnur ren. Das Auslaufen durch die Knochennaͤthe wird durch Auspichen und Bedecken derſelben mit Perlmutterſtreifen verhindert. Dieß barbariſche Kunſtwerk iſt durch den taͤglichen Gebrauch ganz glatt abgeführt, und die Fortſaͤtze und andere Hervorragungen abgenutzt, was ſich vorzüglich an den Fortſaͤtzen der äußern Winkel der Au: 755. XXXV. 7. 104 genhöhlen wahrnehmen laßt. Dieſe Trinkgefäße ſcheinen bei den Eingebornen Suͤdauſtraliens ſeit unvordenklichen Zeiten in Gebrauch. Jede Hausfrau fertigt ſich ein ſolches an, holt darin ihr Waſſer aus der naͤchſten Quelle und hängt es in der Hütte oder an einem Baumzweig auf. Auf die Toͤpferei verſtehen ſich jene Wilden nicht, und mit Gefäßen aus dem Pflanzenreiche, wie fie begünftig« tere Laͤnder in den Calebaſſen, Cocosnußſchalen ꝛc. beſitzen, hat ſie die Natur nicht verſorgt. In den Scandinaviſchen Legenden iſt von Kriegern die Rede, welche ihren Meth aus den Schaͤdeln ihrer Feinde tranken; allein Prof. Owen glaubt, dieß ſey das erſte Beiſpiel, daß dieß Geſchirr bei einem Volke allgemein in Gebrauch gefunden worden fey. (The Edinb. new philos. Journ., April — July 1845.) Ueber die Zuſammenſetzung der Atmofphäre zur Zeit der Steinkohlenformation hat Prof. H. D. Rogers der americaniſchen geologiſchen Geſellſchaft mitgetheilt, daß, nach den neueſten Unterſuchungen der americaniſchen Geologen, die Ge: ſammtmenge der in jenem Lande und auf der Erde überhaupt vor— handenen Steinkohle ſich einigermaaßen abſchaͤtzen, alſo auch die in der damaligen Atmoſphaͤre enthaltene Menge Kohlenſaͤure berechnen laſſe. Er wies nach, daß die gegenwaͤrtige Atmoſphaͤre ſoviel Koh⸗ lenſaͤure enthalte, als zur Bildung von 850,000,000, 00 Tonnen Steinkohle erforderlich ſey, wogegen der muthmaßliche Betrag der auf der ganzen Erde vorhandenen Steinkohle 5,000,000, 000,000 Tonnen, alſo etwa das Sechsfache deſſen ſey, den die jetzige Atmo⸗ fphäre produciren koͤnne. Dieſe gewaltige Verminderung der Koh: lenfäure der Atmoſphaͤre, welche eine entſprechende Vermehrung des Sauerſtoffes bedinge, iſt ein fuͤr die Geologie ſehr wichtiger Umſtand, indem ſich daraus gerade diejenige Veraͤnderung in der chemiſchen Zuſammenſetzung der Luft ergiebt, vermoͤge deren dieſes Gas fuͤr die Unterhaltung des Lebens hoͤher organiſirter Geſchoͤpfe geſchickt wird, die bekanntlich einer ſchleunigen Oxygenifirung ihres Blutes bedürfen. (American Journal of Science and Arts, Vol, XLVII, No. 1. July 1844, p. 105.) Al En ieh BA er De Ueber die erſten Eindruͤcke eines glücklich operir— ten Blindgebornen. Von Herrn Hegefippe Duval, D. M. Wer erinnert ſich nicht der eben fo ruͤhrenden als bes lehrenden Geſchichte von Cheſelden's Blindgebornem? Der nachſtehende Fall bietet ebenfalls viel Intereſſe dar und ſteht zugleich mit manchen allgemein geltenden Anſich— ten im Widerſpruche. Julien Faligot, 11 Jahre alt und zu Antrain im Arrondiſſement Saint-Malo des Departements Ille-et-Vilaine wohnhaft, kam, mit doppeltem grauen Staar behaftet, zur Welt. Er wurde vor etwa 6 Jahren zu mir gebracht, und da ich damals eine Operation fuͤr ungeeignet hielt, ſo rieth ich den Aeltern, damit ſo lange anzuſtehen, bis der Patient die Bedeutung derſelben begreifen koͤnne. Am 6. Oct. 1840 wandte man ſich abermals wegen dieſes Kran— ken an mich. Obwohl er noch ſehr jung war, ſo fand ich ihn doch ſo gefaßt, daß ich dieſesmal den Bitten, ihm zu helfen, nachgeben zu muͤſſen glaubte. Ich operirte ihn ſo— gleich, und die Operation ſelbſt bot nichts Bemerkenswer— thes dar. Ich oͤffnete die durchſichtige Hornhaut, zerſchnitt die Kryſtalllinſe und zog dieſelbe aus, ohne daß der Kranke dabei Schmerzen empfunden oder ſich eine Entzuͤndung ein⸗ geſtellt hätte. Das cranium dieſes Kindes war vollſtaͤndig entwickelt; dennoch fehlte ſeiner Phyſiognomie aller feſte Character. Sein Kopf, den er maſchinenmaͤßig hin und her bewegte, und ſeine ſich beſtaͤndig in ihren Hoͤhlen drehenden Augen gaben ihm ein bloͤdſinniges Anſehn, das uͤbrigens durchaus nur ſcheinbar war. Allein feine Intelligenz war fo unent⸗ wickelt, daß er mir uͤber ſeine innern Empfindungen weit weniger Aufſchluß geben konnte, als ich gewuͤnſcht hätte. Waͤhrend der erſten Tage nach der Abnahme des Ber: bandes ſchien mir der Patient durch das Licht nur geblen— det zu werden. Wenngleich fein Bett mit dichten, dunkel⸗ farbigen Vorhaͤngen umgeben war, ſo konnte er dieſe ſchwache Beleuchtung nicht vertragen, und er oͤffnete die Augen offen— bar nur aus Gehorſam gegen meine Anordnungen, und nicht, um ſich des ihm gewordenen neuen Sinnes zu bedienen. Als ſich einige Tage ſpaͤter dieſe Photophobie gelegt hatte, und ich auf die Ausbildung feines Geſichtsſinnes ſyſtemati⸗ ſcher hinwirken konnte, erlangte ich die Gewißheit, daß er lebhafte und ſich ſcharf auspraͤgender Farben weit deutliz cher unterſcheiden konnte, als vorher. Allein nach einem Monate und daruͤber nach der Operation war er in Betreff des Eindrucks der gemiſchten Farben Tiufhungen ausgeſetzt: 105 fo hielt er häufig Grau für Weiß, Goldgelb für Roth, Blaßroſa bald für Roth, bald für Weiß ic. Unter den Blumen, die er über Alles liebgewann, gab er den rothen, gelben und blauen, ſo wie denen von brennender Farbe, den Vorzug. Da ich in Erfahrung zu bringen wuͤnſchte, ob er den Unterſchied der Formen wuͤrdigen koͤnne, ſo legte ich roth, ſchwarz und weiß gefaͤrbte hoͤlzerne Kugeln, Wuͤrfel und Py— ramiden auf einen Papierbogen. Ohne daß er das, was er ſah, genau definiren konnte, machte doch jede dieſer For: men offenbar einen verſchiedenen Eindruck auf ihn, was er mehr durch Geberden, als durch Worte auszudruͤcken ſich beſtrebte. Nie klagte Julien Fali got daruͤber, daß er dieſe Koͤr— per, die bald übereinander, bald nebeneinander gelegt wur⸗ den, doppelt oder verkehrt ſehe, ſondern er wußte deren Lage ſtets richtig anzugeben. Cheſelden giebt an, der von ihm operirte Kranke habe geglaubt, die Gegenſtaͤnde, die er ſah, beruͤhrten ſeine Augen in derſelben Weiſe, wie die mit dem Taſtſinne wahr— genommenen Gegenſtaͤnde die Haut. Dieſe Erſcheinung habe ich bei keinem der von mir operirten Patienten zu beobachten Gelegenheit gehabt. Sie bewegten ihre Haͤnde, indem ſie dieſelben oͤffneten und ſchloſſen, als wollten ſie den vor ihnen befindlichen Koͤrper ergreifen, und ſie irrten ſich nur in Anſehung des Abſtandes deſſelben von ihnen ſehr bedeutend, ſo daß ſie oft ganz nahe Gegenſtaͤnde fuͤr entfernte, ſowie umgekehrt entfernte Gegenſtaͤnde fuͤr nahe anſahen. Um mich zu uͤberzeugen, daß Julien eine Vorſtellung von der Bewegung der Koͤrper habe, legte ich einige Schritte weit von ihm eine Apfelſine hin und zog dieſelbe mittelſt ei— nes daran befeſtigten Fadens hin und her, da er denn allen Bewegungen, welche der Koͤrper machte, mit den Augen folgte. Haͤngte ich die Apfelſine auf und ließ ich ſie dann nach Art eines Pendels ſchwingen, ſo bemuͤhte ſich Julien anfangs vergebens, ſie nach der ganzen Ausdehnung der Schwingungen mit den Augen zu verfolgen; allein es ge— lang ihm, die periodiſche Wiederkehr des Koͤrpers zu bemer— ken und ihn jedesmal, wenn er zuruͤckkehrte, zu erblicken. Ich habe bemerkt, daß Julien fuͤr gewiſſe Farben eine Vorliebe zeigte; dieſe fand auch in Betreff gewiſſer For— men ſtatt. So hatte er, z. B., ruͤckſichtlich der Geſichts— bildung der Perſonen, die ich ihn genau beſehen und mit— einander vergleichen laſſen, ein ſehr entſchiedenes Urtheil. Fuͤr ihn war das eine Geſicht huͤbſch, das andere haͤßlich; er kannte keine Abſtufungen zwiſchen beiden Extremen und beruͤckſichtigte damals nur den Totaleindruck, den eine Phy— ſiognomie auf ihn machte, ohne ſich um deren Einzelnheiten zu bekuͤmmern. Drei Wochen nach der Operation waren feine Begriffe von der Geſtalt der Koͤrper, ſelbſt derjenigen, deren er ſich fuͤr gewoͤhnlich bediente, noch ſehr unentwickelt, obwohl ich mir die Ausbildung ſeines Geſichtsſinnes ſehr angelegen hatte ſeyn laſſen. Er wußte, z. B., zwar einen Schluͤſſel und 755. XXXV. 7. 106 ein Meſſer, die man nebeneinander auf einen Tiſch legte, vollkommen ſicher voneinander zu unterſcheiden; allein wenn man ſie ihm mit andern Gegenſtaͤnden von aͤhnlicher Farbe, z B. Scheeren, Löffeln ꝛc., vermiſcht vorlegte, fo erkannte er keinen Gegenſtand mehr genau. Seine Hand, die er, hoͤchſt naiv, fo niedlich, fo ſchoͤn, fo weiß fand, als ich fie ihn zum erſten Male betrachten ließ, hörte auf, ihm anzus gehoͤren, wenn ich meine Haͤnde zwiſchen die ſeinigen legte, ohne daß er die Finger bewegen durfte; oder er konnte, mit andern Worten, unter ſo vielen Haͤnden die ſeinigen nicht mehr herausfinden. Ich fand ihn oft niedergeſchlagen und muthlos, da er die Hoffnung verlor, ſich aus dem Gewirre von Linien und Formen herauszufinden, die einander in ſeinem Gedaͤchtniſſe verdraͤngten, und die er in ihrer Beſonderheit nicht darin zu ſixiren vermochte. „Wie kommt es,“ fragte er mich haͤufig, „daß ich nicht ſofort durch den Geſichtsſinn Alles das unter— ſcheiden kann, was ich ſo leicht wiedererkenne, wenn ich es betaſte?“ ö Wenn ich in den erſten Tagen nach dem Abnehmen des Verbandes keine Seelenregungen an Julien wahrnahm, als Furcht und Zaghaftigkeit, ſo oͤffnete ſich dagegen ſpaͤter ſeine Seele dem Gluͤcke, wie ſeine Augen dem Lichte er— fchloſſen worden waren. Vor dir, ſagte ich ihm eines Tages, breitet ſich das Meer aus. Oh, mein Gott, rief er, wie ſchoͤn iſt das! Wenn du nach Oben ſchauſt, ſagte ich ein anderes Mal zu ihm, ſo erblickſt du den Himmel; er that es und verſtummte, machte das Zeichen des Kreu— zes, weinte und gerieth in eine Art von Verzuͤckung. Eine der barmherzigen Schweſtern, die ſich ſehr fuͤr ihn intereſſirte, fragte ihn, woran er denke. An Gott, antwortete er. Züge lich wiederholten ſich ſolche ruͤhrende Auftritte. Zufällig gerieth er vor einen Spiegel; nachdem er denſelben von Vorn, Oben und Unten, beſonders aber von Hinten ſorg— faͤltig unterſucht hatte, nachdem er ſich ſelbſt darin mit großem Wohlgefallen betrachtet, ohne zu begreifen, was er eigentlich ſah, gerieth er vor Freude außer ſich, als man ihm ſagte, daß er ein treues Bild ſeiner ſelbſt erblicke. Als er aus dem Hospitale entlaſſen wurde, kannte er die Farben genau, deren verſchiedene Toͤne ziemlich, und er konnte ſaͤmmtliche im Saale befindliche Gegenſtaͤnde benen— nen. Seine Vorſtellungen von den Entfernungen waren noch einigermaaßen unbeſtimmt; desgleichen hatte er noch nicht hinreichende Uebung darin, ſeine Augen auf einen Ge— genſtand zu richten. Wenn man ihm, z. B., einen Gegen— ſtand, mochte derſelbe ihm nun bekannt ſeyn oder nicht, vor— hielt, ohne daß er denſelben beruͤhren durfte, ſo gelang es ihm erſt nach muͤhſeligen und lange fruchtloſen Anſtrengun— gen, denſelben im Bereiche ſeines Geſichtsfeldes zu finden und zu ſehen. Auf ſeinen phyſiſchen Zuſtand hatte die neue Lage, in die er verſetzt worden war, offenbar einen bedeutenden Einfluß. Sein Gang wurde feſt; der duͤſtere und alberne Ausdruck feines Geſichts ward offen und heiter; er lernte ſich des Loͤffels, des Meſſers und der Gabel, des Glaſes bedienen, kurz ſich bei'm Eſſen wie Andre benehmen, was 107 er bisher nicht gekonnt hatte. Er legte die Gewohnheit ab, den Kopf und den ganzen Koͤrper mechaniſch hin und her zu bewegen. Fuͤnf Wochen nach der Operation verließ das gute Kind das Hospital, in der Ueberzeugung, daß es im vaͤter— lichen Hauſe, wo ihm alle Gegenſtaͤnde bekannter waren, ſchnellere Fortſchritte im Sehen machen werde, als im Hos— pitale, wo es von Neugierigen beſtaͤndig ſo ſehr belaͤſtigt wurde, daß es ſeine Aufmerkſamkeit nicht gehoͤrig auf ſeinen Hauptzweck richten konnte. (Annales d'oculistique; Mars, 1845.) Von den Vortheilen des expectativen Verfahrens in gewiſſen Faͤllen der acuten Pleuro- Pneu— monie. Von Herrn Fuſter. Die Expectation ſcheint auf den erſten Blick bei der acuten Pleuro-Pneumonie durchaus unzulaͤſſig; denn da ſchon der Name dieſer Krankheit unwillkuͤrlich an die Dring— lichkeit der Gefahr und die Nothwendigkeit einer ſchnellen Anwendung der kraͤftigſten Heilmittel erinnert, ſo ſcheint nichts widernatuͤrlicher, als ruhig zuzuſehen, was aus der Sache werden wolle. Wenn man ſich, wie dieß heut zu Tage nur allzuſehr geſchieht, der falſchen Vorausſetzung uͤber— läßt, daß die Pleuro-Pneumonie nie etwas Anderes ſey, als eine die Functionen des Hauptorganes der Reſpiration mit Zerſtoͤrung bedrohende Blutcongeſtion, und wenn man ſich auf der anderen Seite unter Expectation einen Zuſtand voll— kommener Paſſivitaͤt oder gaͤnzlicher Gleichguͤltigkeit gegen die Symptome einer immer bedenklichen Krankheit denkt, ſo hat man allerdings Recht, die erpectative Methode unter ſolchen Umſtaͤnden, wie ſie angeblich die acute Pleuro- Pneumonie ſtets begleiten, als ſchlechterdings widerſinnig zu verwerfen. Allein man macht ſich theils von einem rationellen erpectatis ven Verfahren, theils von dem Weſen der hier in Rede ſte— henden Krankheit oft ganz irrige Vorſtellungen. Zuvoͤrderſt ſind wir uͤberzeugt, daß man die Pleuro-Pneumonien aus ei— nem weit umfaſſendern Geſichtspuncte zu betrachten habe, als der, aus welchem ſie lediglich als ein oͤrtliches Leiden er— ſcheint, und auf der anderen Seite hegen wir die Anſicht, daß die aͤchte Expectation keinesweges in einem abſoluten Nichtsthun beſtehe, ſondern vielmehr das Reſultat eines wohluͤberlegten und hoͤchſt rationellen Syſtems ſey. Wir wollen ruͤckſichtlich dieſer beiden Fragen noch einige Eroͤrte— rungen folgen laſſen, da wir dadurch beſſer in den Stand geſetzt werden, die ſich daran knuͤpfenden Thatſachen zu wuͤr— digen. Zuvoͤrderſt wollen wir in Betreff der Pleuro-Pneumo⸗ nien an Einiges erinnern. Bei der Pneumonie hat man es, wie bei allen anderen Krankheiten, mit zwei Reihen von Thatſachen zu thun, die allerdings mehrfach ineinandergreifen. Die eine betrifft den Zuſtand des direct angegriffenen Organes, hier der Pleura und der Lunge; die andere die Art des krankhaften Eindruf: kes, der den ganzen Organismus betheiligt. Die gewoͤhn⸗ 755. XXXV. 7. 108 lichen Practiker wiſſen dieſe beiden Reihen nie gehörig von⸗ einander zu unterſcheiden; ſie uͤberſehen deren Beſonderheit, und die meiſten haben ſogar keine Ahnung von ihrer Exiſtenz. Fuͤr Aerzte dieſes Schlags, die noch immer die Mehrzahl bil⸗ den, bietet die mediciniſche Praxis kaum mehr Schwierigkeiten dar, als die Behandlung einer aͤußern Wunde. Fuͤr ſie liegt die ganze Schwierigkeit in der Hebung des oͤrtlichen Leidens, und fie bringen dabei hoͤchſtens die relative Wich- tigkeit des kranken Organes oder Gewebes in Anſchlag. Mit den Unterſuchungsmitteln ausgeruͤſtet, welche ihnen die Fort: ſchritte der Heilkunde an die Hand geben, befleißigen ſie ſich einzig der Ermittelung des wahren Sitzes der Congeſtion oder Reizung, und ſobald ſie hieruͤber im Reinen ſind, wenden ſie auf das Leiden daſſelbe Verfahren an, welches ſie zur Bekämpfung einer Quetſchung oder aͤußeren Reizung befolz gen wuͤrden. Dieſe Aerzte bemuͤhen ſich, mit einem Worte, die Medicin in die Chirurgie zu verwandeln, ſtatt, was weit rationeller ſeyn wuͤrde, die letztere auf den Standpunct der erſtern zu erheben. Indem fie fo das Feld der Medicin willkuͤrlich beſchraͤnken, ſchreiben fie derſelben eine Einfachheit zu, die ſie durchaus nicht beſitzt, und gerathen, indem ſie von einem Itrthum in den andern verfallen, zuletzt auf den Gedanken, daß man mit den Kunſtgriffen der ſogenannten poſitiven Methoden ausreiche. Leider ſind die Pneumonien keinesweges ſo einfache Krankheiten. Der locale Zuſtand, naͤmlich das Lungenlei— den, iſt nur ein Symptom derſelben, ja oft nur ein ſecun⸗ daͤres Symptom. Dieſes beſchraͤnkte Leiden iſt faſt ſtets von einem conſtitutionalen Eindrucke begleitet, welcher deſſen eigentliches Weſen bildet. Waͤre dem anders, d. h., waͤre das Leiden der Lunge das einzige vorhandene, ſo muͤßte man offenbar in allen Faͤllen dieſelbe Behandlungsweiſe und nur in Betreff der Ausdehnung der localen Störungen Mobdifis cationen eintreten laſſen. Allein der krankhafte Eindruck, ſey er nun Urſache oder Folge der materiellen Stoͤrung, iſt nach einer Menge von weſentlichen Bedingungen verſchieden; ſo daß man ebenſoviel Arten von Pneumonie ſtatuiren muß, als verſchiedene Eindruͤcke vorkommen koͤnnen, was wiederum darauf hinauslaͤuft, daß man in der Praxis ſelten zwei ganz identiſche Faͤlle von Pneumonie treffen wird. Man wird nun den Fehler der Aerzte beurtheilen koͤnnen, die auf alle Arten von Pneumonie daſſelbe Heilverfahren anwenden. Wir wenden uns nun zu der Vorſtellung, die man ſich von einem aͤchten erpectativen Verfahren zu machen hat. Nur unter zwei Umſtaͤnden muß der Arzt es ſich ver⸗ ſagen, zu handeln; erſtens, wenn die Natur, d. h. die ſaͤmmt⸗ liche im Patienten wirkende Lebenskraft, zur Heilung der Krank⸗ heit ausreicht; zweitens, wenn wir die Ueberzeugung hegen, daß wir gegen eine Krankheit mit unſerer Kunſt nichts aus⸗ zurichten vermögen. Wenn die Natur ſich ſelbſt genug iſt, fo kann man fie nicht ohne Gefahr durch die Kunſt unters fügen ; denn da wir im Allgemeinen nicht wiſſen, wie jene. zu Werke geht, ſo laufen wir Gefahr, ihre Thaͤtigkeit zu ftören und, z. B., bei gefaͤhrlichen Krankheiten den Patienten zu toͤdten, waͤhrend die Natur ihn geheilt haben wuͤrde. Selbſt bei den gefaͤhrlichſten Krankheiten tritt zuweilen die 109 Nothwendigkeit ein, ſich alles Einſchreitens zu enthalten, naͤmlich wenn die Geſammtheit der Symptome offenbar auf Zertheilung der Krankheit hinarbeitet. Bei gewiſſen Pleuro— Pneumonien iſt dieß gluͤcklicherweiſe der Fall, und bei die— fen hat man defhalb auch die Expectation anzuwenden. Wie dieſelbe anzuwenden iſt, wollen wir durch ein Beiſpiel erlaͤutern. Mad. B., 83 Jahre alt, eine Kreolin von lympha— tiſch⸗nervoͤſem Temperamente, ſehr mager und zart, übrigens fuͤr gewoͤhnlich einer guten Geſundheit genießend, wurde im vorigen Monate, in Folge einer Erkaͤltung, von einer Pleuro— Pneumonie befallen. Die Krankheit begann Nachmittags mit heftigem Froſte, der mehrere Stunden anhielt, und auf welchen fofort ſtarke Hitze folgte. Die Kranke legte ſich nieder. Als ich am folgenden Tage zu ihr gerufen ward, fand ich ihr Geſicht geroͤthet und beinahe livid, Zunge und Lippen geſchwollen und dunkelroth, den Kopf eingenommen und die Kranke von einer unuͤberwindlichen Schlaͤfrigkeit be: fallen. Durch die Fragen, die ich an ſie richtete, ward ſie ermuntert; allein ſie verſank alsbald wieder in den Zuſtand von Schlaftrunkenheit. Zugleich fand Bruſtbeklemmung ſtatt und man hörte in der Luftroͤhre und Lunge verſchiedene roͤ— chelnde Toͤne, ſowie denn auch von Zeit zu Zeit ein tiefer unterbrochener Huſten eintrat, der indeß nicht ſchmerzhaft zu ſeyn ſchien. Die Haut war heiß, der Puls ungleich, unre— gelmaͤßig, haͤufig. Die Kranke lag auf dem Ruͤcken. Die Haut war indeß maͤßig feucht. Da ich anſtand, zur Beſei— tigung der Eingenommenheit des Kopfes und der Bruſt Blutentziehungen vorzunehmen, weil ich bei dem Alter und der Leibesbeſchaffenheit der Patientin fuͤrchtete, daß ein ſo direct ſchwaͤchendes Mittel ſpaͤter uͤble Folgen herbeifuͤhren koͤnne, ſo verordnete ich Senffußbaͤder und einen leicht ſchweiß— treibenden, mit einigen Tropfen Hoffmann'ſchen Liquors verſetzten Trank. Meine Abſicht war, die obern Theile frei zu machen, zugleich aber die Bewegungen von dem Mittel: puncte nach der Peripherie zu unterhalten, welche Richtung, wie ſich aus der Feuchtigkeit der Haut zu ergeben ſchien, die Natur eingeſchlagen hatte. Meine Erwartungen wurden nicht getaͤuſcht. Die bisher ſchweigſame und in einem fort— waͤhrenden Zuſtande von Schlaftrunkenheit geweſene Kranke erhielt, gleich nachdem ſie das Fußbad genommen, ein Wenig von ihrer natuͤrlichen Lebhaftigkeit wieder, waͤhrend die Feuch— tigkeit der Haut ſich in einen reichlichen Schweiß verwandelte, welcher die ganze Nacht anhielt. Derſelbe Trank wurde die naͤchſten Tage uͤber eingenommen, und zugleich erhielt die Patientin Fleiſchbruͤhe. Ein weniger reichlicher Schweiß dauerte waͤhrend dieſer Zeit fort und hielt den Puls geſchmei— dig. Mitten unter dieſen Symptomen fuͤhlte die Patientin, waͤhrend der Kopf ganz frei war, nach der ganzen Ausdeh— nung der rechten Seite einen Schmerz unter den Rippen, welcher ſich bei Druck auf jene Gegend vermehrte und durch Huſten ſtark aufgeregt wurde. Der nunmehr ziemlich haͤu— fige und durch den pleuretiſchen Schmerz unterbrochene Huſten veranlaßte von Zeit zu Zeit einen Auswurf von reinem Blute und ſpaͤter von den ſchleimigen Stoffen, welche bei Pneumonien auf bedeutende Beſſerung hindeuten. Das Fie— 755. XXXV. 7. 110 ber hielt ſich inmitten dieſer Symptome auf derſelben Hoͤhe, ohne ſich in einer beunruhigenden Art zu ſteigern. Endlich brachten in der Nacht vom ſechsten auf den ſiebenten Tag einige von ſelbſt erfolgende Stuͤhle, von der Conſiſtenz einer Erbſenſuppe, das voͤllige Verſchwinden aller uͤblen Symptome zu Wege. Der Schmerz unter den Rippen wurde fortwaͤh⸗ rend durch ſehr häufig und heiß aufgelegte erweichende Brei— umſchlaͤge bekaͤmpft. Nun erhielt die Patientin Suppen und kehrte allmaͤlig zu ihrer gewoͤhnlichen Diaͤt zuruͤck. Ihre ſehr ſchnell ſtattfindende Reconvalescenz ward durch einige Gaben ſchwefelſauren Chinins und einige Schlucke guten Weins befoͤrdert. Bald befand ſie ſich wieder vollkommen wohl. Wir ſind unſern Leſern noch Rechenſchaft uͤber die Gruͤnde ſchuldig, welche uns bei dieſer Pleuro-Pneumonie zu dem hier angegebenen Verfahren beſtimmten. Bei unſerm erſten Beſuche glaubten wir allerdings anfangs, wegen der Gonges ſtion nach dem Kopfe und der Bruſt, es ſeyen Blutentzie— hungen angezeigt, und haͤtten wir es mit einem jungen, kraͤftigen Subjecte oder ſelbſt mit einem ſolchen von weniger zarter Leibesbeſchaffenheit zu thun gehabt, ſo wuͤrden wir uns dieſes Mittels gewiß nicht enthalten haben. Hier aber fanden Gegenanzeigen in großer Zahl ſtatt: Das Alter der Patientin, ihre ſchwaͤchliche Conſtitution, ihr lymphatiſch⸗ner— voͤſes Temperament und noch mehr die gelinde Befeuchtung der Haut, auf welchem Wege ſich Krankheiten dieſer Art fo häufig zu zertheilen ſtreben. Der leichte Lindenbluͤthentrank, der mit einigen Tropfen Hoffmann'ſchen Liquors pro Taſſe verſetzt war und ziemlich ſchnell hintereinander einge⸗ nommen wurde, brach, in Verbindung mit dem Senffußbade, gleich bei'm Eintritte der Krankheit deren Heftigkeit und erregte einen anhaltenden reichlichen Schweiß. Nun wollen wir den Fall ſetzen, wir haͤtten uns durch die Congeſtion nach Kopf und Bruſt, durch dieſe localen Erſcheinungen, be— ſtimmen laſſen, ſofort Blutentziehungen vorzunehmen, wuͤrden wir dadurch wohl eine ſo ſchnelle und gruͤndliche Heilung erlangt haben? Es iſt wenigſtens erlaubt, daran zu zwei— feln. Wir glauben vielmehr, daß die Blutentziehungen die Kräfte der Patientin völlig erſchoͤpft haben wuͤrden, und wäre danach auch eine augenblickliche Beſſerung eingetreten, ſo wuͤrde doch die auf Hebung des Leidens hinwirkende Natur— kraft dadurch ſo unterdruͤckt worden ſeyn, daß die Heilung gewiß viel längere Zeit als 7 Tage in Anſpruch genommen haben wuͤrde, ſelbſt wenn wir den guͤnſtigen Fall anneh— men wollten, daß ein ſo alter und ſchwaͤchlicher Koͤrper dann noch im Stande geweſen waͤre, die Krankheit zu uͤber— winden. Abgeſehen von den zur Beſeitigung der Hirncongeſtion gleich anfangs verordneten Mitteln, wandten wir das expec⸗ tative Verfahren an, indem wir zwar keineswegs der Pati— entin geſtatteten, ihren Impulſen und Gelüften zu fol— gen, aber uns des Verordnens aller innern Arzneimittel ent⸗ hielten und nur die Naturkraft in angemeſſener Weiſe aufs recht zu erhalten ſuchten. Hierdurch wurde offenbar in kei— ner Weiſe geſchadet, da der Verlauf der Krankheit ſchnell und in der guͤnſtigſten Weiſe der Heilung entgegenſchritt. 111 Genau an dem durch die alten Aerzte feſtgeſetzten Tage wur de deren Ende durch eine unverkennbare Kriſis herbeigefuͤhrt, und unſerer Anſicht nach wuͤrde man aͤhnliche Anſtrengungen der Natur haͤufiger zu beobachten Gelegenheit haben, wenn man ſich nicht faſt immer beeilte, die Krankheiten, auf die Gefahr hin, den Kranken zu toͤdten, im Entſtehen zu unter— druͤcken. Die Expectation iſt demnach ſelbſt bei den bedenklich— ſten Pleuro-Pneumonien vollkommen zulaͤſſig. Es bleibt nun noch zu ermitteln, an welchen Zeichen ſich die Angemeſſen— heit einer ſolchen Behandlung erkennen laͤßt. Der oͤrtliche Zu— ſtand kann uns in dieſer Beziehung keine Auſſchluͤſſe gewaͤh— ren. In Anſehung dieſes Punctes gleichen alle Pleuro— Pneumonien einander, mit Ausnahme des hoͤhern oder ge— ringern Grades von Intenſitaͤt. Anders verhält es ſich mit dem allgemeinen Eindruck auf den Organismus, unter deſſen Einfluß das oͤrtliche Leiden ſteht. Dieſer Eindruck, die weſentliche Grundlage der Krankheit, bietet vielmehr eine große Mannigfaltigkeit des Characters dar, und von ihm muß man ausgehen, um die Faͤlle zu beurtheilen, in denen es angemeſſener iſt, der Krankheit ihren Lauf zu laſſen, als handelnd einzuſchreiten. Aus der Wuͤrdigung der Kraͤfte und ihrer Wirkungsart muß die Anzeige entnommen werden, wie man unter ſolchen Umſtaͤnden am Beſten zu verfahren habe. Folglich wird man die Symptome in ihrem Wer: laufe nicht hemmen, wenn ſie durchaus nicht gefahrdrohend ſind, und noch viel weniger, wenn ſie auf Hebung der Krankheit hinwirken; dagegen wird man ſie ſo ſchnell, als moͤglich, zu beſeitigen ſuchen, wenn man erkennt, daß ſie einem guͤnſtigen Verlaufe der Krankheit hemmend in den Weg treten. Auf dieſe Weiſe floͤßt uns ein regelmaͤßiger Anfall von Podagra keine Beſorgniſſe ein, indem man uͤberzeugt iſt, daß ſpaͤtere Anfaͤlle um ſo ſeltener wiederkehren werden, je vollſtaͤndiger ſich der gegenwaͤrtige entwickelt, waͤhrend man ſich beeilt, ein boͤsartiges Fieber, welches dem Leben Gefahr droht, in ſeinem Laufe aufzuhalten. Wie laͤßt ſich aber der Zuſtand der Kraͤfte und die Richtung, welche dieſelben einſchlagen, beurtheilen? Wir werden uns hier nicht auf Betrachtungen einlaſſen, die uns weit uͤber die Grenzen des beabſichtigten Zweckes hinausfuͤhren wuͤrden. Nur ſoviel wollen wir ſagen, daß Regeln hier ſehr wenig helfen koͤnnen, und daß gerade eine von allen vorgefaßten Anſichten freie, aber geſchickte Auffaſſung der jedesmal vorliegenden Umſtaͤnde 755. XXXV. 7. 112 die nuͤtzlichſten Reſultate verſpricht. (Bulletin general de therapeutique, T. XXVIII, 7. et 8. Livraison, 15. et 30 Avril 1845.) Miscellen. Fall von innerer Einklemmung in Folge einer Rotation der flexura sigmoidea hat Dr. Bigelow im American Journal erzählt. — Der General- Anwalt der verei⸗ nigten Staaten wurde am 16. Juni 1841 von heftigen Colikbe⸗ ſchwerden befallen. Ausleerende Clyſtire und Gegenreize beſeitigten weder die Verſtopfung noch den Schmerz. Am naͤchſten Tage Zur nahme des Schmerzes und der Empfindlichkeit des Leibes, Clyſtire drangen nicht über die flexura sigmoidea coli hinaus, drastica wirkten nicht; ebenſowenig fruchtete die Injection von Waſſer durch eingeführte elaftifhe Röhren. Ein warmes Bad und große Gaben Opium verſchafften einige Erleichterung und etwas Schlaf, aber am naͤchſten Tage tympanitis, Puls 140; zwei Tabacksclyſtire (je⸗ des von 36) und Aufblaſen des Maſtdarms durch einen Blafebal ganz ohne Wirkung. Tod am naͤchſten Morgen. — Der Bau ſtark aufgetrieben und von der flexura sigmoidea faſt ausgefüllt, welche ſich queer durch die Bauchhoͤhle in das rechte hyochondrium hineinerſtreckte und fo ſehr ausgedehnt war, daß ihr aͤußerer Um⸗ fang 15“ betrug; fie hatte eine dunkelgruͤne Farbe, wie von be⸗ ginnendem Brande. Die beiden Enden am colon transversum oben und am rectum unten waren miteinander um das mesenterium zu einem feſten Strange von 1“ im Durchmeſſer verſchlungen, indem ſie ſich zweimal ganz umeinander gewunden hatten. Duͤnndarm und colon etwas ausgedehnt, aber der Maſtdarm contrahirt. Die Peri⸗ tonaͤalhoͤhle enthielt eine geringe Menge einer truͤben, roͤthlichen Fluͤſſigkeit, und an einer der Windungen des Duͤnndarmes fand ſich ein kleiner Lympherguß. (American Journal, Oct. 1843.) Ueber die Diät bei Typhuskranken theilt Hr. Pior ry nicht die gewoͤhnliche Anſicht der practiſchen Aerzte, welche im Typhus den Kranken eine ſtrenge Diaͤt vorſchreiben und lange, zu⸗ weilen 14 Tage und ſelbſt einen ganzen Monat hindurch, beobachten laſſen. Man giebt zwar wohl etwas Huͤhnerbruͤhe, etwas Reis, oder einige Löffel Panade; aber ſelbſt dieß thut man nur mit Zite tern. — Herr Piorry aber hat ſechs von den Typhuskranken in den Saͤlen St. Raphael und Sainte Genevieve ein ganz ans deres Regim vorgeſchrieben und nur Urſache gehabt, damit zufries den zu ſeyn: kein einziger Kranke iſt an Indigeſtion geſtorben. Es iſt wahrſcheinlich, daß diejenigen, von denen man behauptet hat, daß fie in Folge der Alimentation unterlegen hätten, etwas an der Lunge hatten. — — Herr Piorry hat ſich in der Kli⸗ nik folgendermaaßen reſumirt: Wenn die Kranken Hunger haben, fo muß man keine Furcht hegen, ihnen Nahrung zuzugeſtehen. — — Der kranke Menſch bedarf der Nahrung zum Leben, wie der ges ſunde. Wenn man ſie ihm nicht gewaͤhrt, ſo wird ſeine Reconva⸗ lescenz um Vieles länger dauern. (Gaz, des Höpit. 1845. No. 62. pag. 246.) r ͤ T— ——I Bibliographische Travels in North America ; with geological observations on the United States, Canada and Nova Scotia, By Charles Zyell, Esq. etc. London 1845. Histoire naturelle des Insectes: Hymenopteres; par M. le comte Ame&dee Lepelletier de Saint Fargeau. Tome III. m. 1 K. Paris 1845. 8. Neuigkeiten Memoire sur les accouchemens artificiels, par le docteur Kos- cia-Kiewicz. Lyon 1845. 8. Memoire sur l’insufflation de P'air dans les voies aeriennes chez les enfans qui naissent dans un état de mort apparente; par M. Depaul. Paris 1845. 8. nn ſ¶ w Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Freriep ju Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 756. Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3¼ 85. (Nr. 8. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 & 30 A, Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 9. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. Juli 1845. Na tan er R Un de Ueber einen Rieſenvogel, welcher auf dem Grab— male eines Hausbeamten eines der Pharaonen Aegyptens in Stein gehauen iſt. Von Herrn Bono mi. In der Gallerie der organiſchen Ueberreſte findet man im Britiſchen Muſeum zwei Platten, welche der Formation des jungen rothen Sandſteins angehoͤren, und welche Ab— drüde von den Füßen mehrerer ſtorchartiger Voͤgel enthals ten. Sie wurden, durch Vermittelung des Dr. Mantell, vom Dr. Deane in Maſſachuſetts erlangt, welcher dieſel— ben in einem Steinbruche bei den Turners-Faͤllen ent— deckte. Desgleichen hat Capitain Flinders an der Suͤd— kuͤſte Neuhollands in der König Georgs-Bai einige gewal⸗ tige Vogelneſter von 26 F. Umfang und 32 Zoll Hoͤhe entdeckt, welche mit denen uͤbereinzukommen ſcheinen, die Capit. Cook an der Nordoſtkuͤſte deſſelben Landes unter 159 f. Br. beobachtet haben wollte. Aus mehreren, durch Prof. Hitchcock in Maſſachuſetts gemachten Mittheilungen moͤchte man ſchließen, daß dieſe Neſter dem Moa oder Rieſenvogel Neuſeeland's angehoͤren, von dem Prof. Owen nach ihm aus Neuſeeland zugeſandten Knochen mehrere Species beſtimmt hat“). Auf Neuſeeland ift dieſer Vogel bereits ausge: ſtorben; allein in dem waͤrmeren Clima Neuhollands duͤrfte er vielleicht noch lebend anzutreffen ſeyn, da Capit. Cook und neuerdings Capit Flinders dort die erwaͤhnten großen Neſter entdeckt haben. Zwiſchen 1821 und 1823 fand Hr. James Burton an der weſtlichen oder Aegyptiſchen Kuͤſte des Rothen Meeres, der Halbinſel des Berges Sinai gegenuͤber, an einer Stelle, die den Namen Gebel Ezzeit fuͤhrt, und wo man auf eine bedeutende Strecke von der Wuͤſte aus nicht an die Kuͤſte gelangen kann, drei coloſſale Neſter, innerhalb einer Entfernung von Z Stunde Wegs. Dieſelben waren nicht gleich gut erhalten; allein ihre Höhe mochte, als fie völlig *) Vergl. No. 689 und 690 (No. 7 u. 8 d. XXXII. Bos.) d. Bl. No. 1856. — 756. unverſehrt waren, etwa 15 Fuß betragen haben. Sie be— ſtanden aus einer Maſſe verſchiedenartiger Materialien, die in einen kegelfoͤrmigen Hügel aufgethuͤrmt und dauerhaft mit— einander verſchraͤnkt waren. An der Baſis hatte der Hügel einen Durchmeſſer, welcher ungefaͤhr ſeiner Hoͤhe gleich kam, und der ausgehoͤhlte Gipfel maß 28 Fuß — 3 Fuß. Die Materialien der Neſter beſtanden aus Gras, Stöden, Holz: ſtuͤcken von geſtrandeten Schiffen und Fiſchgraͤten; aber in einem derſelben fand ſich der Bruſtkaſten eines Mannes, eine ſilberne Uhr, gefertigt von George Prior, einem Lon— doner Uhrmacher, der im vorigen Jahrhunderte ſtarke Lie— ferungen nach dem Oriente machte, endlich in der Vertie— fung am Gipfel einige wollene Lappen und ein alter Schuh. Daß dieſe Neſter erſt vor Kurzem gebaut worden waren, ergab ſich aus dem Umſtande, daß die Lumpen und Knochen des an jener Kuͤſte verungluͤckten Mannes, deſſen Uhr, Schuh ıc. in einem der Neſter vorgefunden wurden, nicht weit von demſelben lagen; allein was fuͤr einem Vogel das Neſt an— gehoͤre, konnte Hr. Burton aus eigner Beobachtung nicht ermitteln. Nach den Berichten der Araber ſollten dieſe Ne— ſter jedoch von großen ſtorchartigen Voͤgeln herruͤhren, welche die Kuͤſte erſt kurz vor Herrn Burton's Beſuche verlaſſen haͤtten. Zu dieſen Thatſachen macht nun Hr. Bon omi fol⸗ gende Bemerkungen: In den aͤlteſten Denkmalen der civi— liſirten Voͤlker findet ſich ein ſtorchaͤhnlicher Vogel von der Hoͤhe des Menſchen abgebildet, von dem ich hier eine Zeich— nung beifuͤge. Das Gefieder iſt weiß, der Schnabel ſtark und lang, der Schwanz mit langen Federn beſetzt. Das Maͤnnchen hat hinten auf dem Kopfe einen Buͤſchel und ei: nen zweiten auf der Bruſt. Er ſcheint geſellſchaftlich gelebt zu haben. Dieſes merkwuͤrdige colorirte Basrelief findet ſich auf dem Grabmale eines Hausbeamten des Pharao Schufu (des Sophis der Griechen), eines Herrſchers der vierten Dy— naſtie, welche Aegypten zu einer Zeit regierte, wo noch ein großer Theil des jetzigen Delta von mit Papyrusſtauden be— deckten Seen eingenommen war, wo ſelbſt die kleinern Arme des Nils mit Crocodilen und Flußpferden bevoͤlkert waren, wo 8 115 das Land noch nicht von verheerenden Kriegen heimgeſucht worden, indem man auf keinem Grabmale dieſer Periode ein Pferd oder eine Waffe abgebildet findet. In dieſer Pe— riode, welcher auch die Erbauung der großen Pyramide an— gehoͤrt, und die manche Geſchichtsforſcher bis 2100 J. v. Ch. Geb. oder 240 Jahre nach der Suͤndfluth verlegen, be— wohnte dieſer Rieſenſtorch das Delta oder deſſen Nachbar— ſchaft; denn nach jenen Urkunden wurde er zuweilen von den Bauern des Delta gefangen. Das erwähnte colorirte Basrelief ſtellt nämlich die Jagd auf Vögel und Fiſche dar, wie ſie damals von den Bewohnern des Delta betrieben wur— de. Daß die Groͤße des Vogels nicht uͤbertrieben iſt, laͤßt ſich daraus ſchließen, daß die vierfuͤßigen Hausthiere, welche ebendaſelbſt abgebildet ſind, durchaus das richtige Groͤßenver— haͤltniß zum Menſchen haben, und da der Vogel auf den weniger alten Bildnereien Aegyptens durchaus fehlt, ſo laͤßt ſich auch ſchließen, daß er bald nach der Errichtung jener Grabmaͤler in der Gegend des Delta nicht mehr anzutreffen geweſen ſey. In Betreff der gegenſeitigen Beziehungen der erwaͤhnten Thatſachen will ich bemerken, daß alle jene coloſſalen Neſter nicht weit von der Seekuͤſte und ungefaͤhr gleichweit vom Aequator gefunden wurden; allein inwiefern der aͤgyptiſche Vogel, welcher auf jenen ſehr alten Sculpturen dargeſtellt iſt, mit demjenigen uͤbereinkommt, deſſen Fußtapfen in dem jungen rothen Sandſteine gefunden worden ſind, oder mit demjenigen, deſſen foſſile Knochen Prof. Owen aus Neuſee— land erhalten hat, bin ich nicht im Stande, anzugeben, und es iſt auch hier lediglich meine Abſicht, durch dieſe Zuſammenſtel— lung verwandter Thatſachen, eine naͤhere Unterſuchung des Ge genſtandes zu veranlaſſen. Hr. Strickland bemerkte, daß dieſe an ſich inter— eſſanten Thatſachen wenig innern Zuſammenhang miteinan— der haͤtten. Die Aegyptiſchen Kuͤnſtler haͤtten ſich wenig an die richtigen Groͤßenverhaͤltniſſe der von ihnen abgebildeten Gegenſtaͤnde gekehrt, und der Umſtand, daß die Voͤgel größer dargeſtellt ſeyen, als die Menſchen, laſſe nicht mit Sicher— heit darauf ſchließen, daß dieß in der Wirklichkeit der Fall geweſen ſey. Er halte die fraglichen Voͤgel fuͤr Stoͤrche, Kraniche oder Reiher, die ſaͤmmtlich in Aegypten vorkommen. Die von Hrn Burton gefundenen Neſter verdienten aller: dings naͤhere Unterſuchung; allein von der Groͤße eines Ne— ſtes laſſe ſich keinesweges auf eine verhaͤltnißmaͤßige Groͤße des Vogels ſchließen, denn der Megapodius Auſtraliens, der nicht groͤßer ſey, als ein Haushuhn, baue ein enorm großes Neſt. (The Athenzeum, aus den Verhandlungen der letzten Britiſchen Gelehrtenverſammlung.) Characteriſtik Cuvier's durch Herrn Flourens. Das Beduͤrfniß der Methoden entſpringt fuͤr unſern Geiſt ebenſowohl aus dem Beduͤrfniſſe des Letztern, zu un— terſcheiden, um zu erkennen, als aus deſſen Beduͤrfniſſe, das Erkannte zu generaliſiren, um im Stande zu ſeyn, die groͤßt— moͤgliche Anzahl von Thatſachen und Ideen zu umfaſſen und ſich klar vorzuſtellen. 756. XXXV. 8. 116 Jede Methode hat alſo einen doppelten Zweck, naͤmlich die Unterſcheidung und die Generaliſirung der Thatſachen. Bis auf Cu vier hatte ſich nun die Methode auf das Unterſcheiden beſchraͤnkt, und erft er wandte dieſelbe auf das Generaliſiren an, wodurch er nicht nur der Naturgeſchichte, ſondern der Wiſſenſchaft uͤberhaupt einen unermeßlichen Dienſt leiſtete. Denn die wahre Methode iſt weſentlich ſtets dies ſelbe; ihr Zweck iſt jederzeit, ſich zu den allgemeinſten Ver⸗ haͤltniſſen, zum einfachſten Ausdrucke der Dinge zu erheben, und zwar ſo, daß alle dieſe Verhaͤltniſſe auseinander und aus den beſondern Thatſachen, die ihnen zu Grunde liegen, folgerecht entwickelt werden. Dieß meinte Baco, als er ſagte, alle unſere Wiſſen⸗ ſchaften ſeyen nur generaliſirte Thatſachen, und in dieſem Sinne verfuhr Cu vier durchaus. Durch dieſe maͤchtige Generaliſirung der Thatſachen erſchuf er die Wiſſenſchaft der foſſilen Knochen, erneu⸗ erte er die ganze Zoologie und vergleichende Ana— tomie; verfolgte er jede Reihe von Thatſachen bis zu ihrem oberſten Princip und leitete er die zoologiſche Claſſi— fication auf ihren rationellen Gipfelpunct, die Rangord— nung der Organe. Er gründete die Wiederzuſammen— ſetzung der ausgeſtorbenen Thiere auf die gegenſeitigen Be— ziehungen der Formen, und wies die Nothwendigkeit gewiſſer Luͤcken und Unterbrechungen in der Stufenleiter der Ge— ſchoͤpfe durch die Unmoͤglichkeit des gleichzeitigen Vorhanden⸗ ſeyns gewiſſer organiſchen Bedingungen nach. In dieſer Gewohnheit ſeines Geiſtes, ſich ſtets bis zu einem feſten und bewieſenen Principe zu erheben, liegt der Schluͤſſel zu jener außerordentlichen Klarheit, die er uͤber alle von ihm behandelten Gegenſtaͤnde verbreitet; denn eine logiſche Anein⸗ anderkettung der Gedanken muß uͤberall zur Klarheit und Wahrheit fuͤhren. In dieſer ſeiner Gewohnheit liegt fer— ner der Grund, weßhalb ſeine Anſichten uͤber Alles ſo beſtimmt, ſo unbeſtreitbar ſind; denn er beſchraͤnkte ſich nie auf Betrachtung vereinzelter oder zufaͤlliger Beziehungen, er ſuchte fie alle zu umfaſſen und vor Allem diejenigen zu etz gruͤnden, welche nothwendig ſind. Zwei Umſtaͤnde ſichern ihm unſere Bewunderung vor Allem: 1) Jene außerordentliche Fruͤhreife ſeiner Anſichten; denn ſchon in feiner erſten Abhandlung über Linn 6's Claſſe der Wuͤrmer hat er dieſe Claſſe und zugleich die ganze Zoologie umgeſtaltet; in ſeinem erſten Werke uͤber verglei— chende Anatomie hat er dieſer ganzen Wiſſenſchaft eine neue Baſis und Form gegeben; in ſeiner erſten Abhandlung uͤber die foſſilen Elephanten hat er den Grund zu einer durchaus neuen Wiſſenſchaft, der der ausgeſtorbenen Thiere, gelegt; 2) jener ſtaͤtige, conſequente, ausdauernde Geiſt des Forſchers, durch welchen er ſeine Anſichten entwickelte und fruchtbar machte, in Folge deſſen er ſein ganzes Leben der Ausbildung und Zeitigung ſeiner Ideen weihte, durch welchen er kuͤhne geniale Ahnungen zur wiſſenſchaftlichen Wahrheit erhob. In ſeinen beredten Vorleſungen ward die Geſchichte der Wiſſenſchaften zur Geſchichte des menſchlichen Geiſtes 117 ſelbſt; denn indem er die Urſachen ihrer Fortſchritte und Verirrungen darlegte, zeigte er ſtets, wie dieſelben mit der richtigen oder irrigen Richtung zuſammenfielen, welche der menſchliche Geiſt einſchlug. Hier brachte er, ſo zu ſagen, den Menſchengeiſt auf den Probirſtein, indem er durch das Zeugniß der Geſammt⸗ geſchichte der Wiſſenſchaft darthat, daß die ſinnreichſten Hy— potheſen, die glaͤnzendſten Symptome nur voruͤbergehende Er— ſcheinungen ſind, und daß nur die Thatſachen ewig beſtehen; indem er uͤberall den ſpeculativen Methoden, die nie ein dauerndes Reſultat hervorgebracht haben, entgegentrat und ſich lediglich an die Methoden der Beobachtung und des Experi⸗ mentirens hielt, denen die Menſchheit Alles verdankt, was ſie kennt und weiß. Seitdem die Menſchen genau beobachten und buͤndig experimentiren, d. h. ſeit etwa 2 Jahrhunderten, geht die Wuth, zu phantaſiren und zu errathen, ſtatt zu bobachten, nach und nach aus, und man fängt nachgerade an, einzufes hen, daß das, was man ſich einbildet, durchaus nicht den Werth des Wirklichen hat, und daß der Glanz der Theo— rien, die Wunder der Einbildungskraft vor der Majeftät und den Wundern der Natur verſchwinden. (Le Courrier francais, 16. Juillet 1845.) Ueber die Ichthyologie China's las Dr. Richard ſon der zoologiſchen und botaniſchen Section der Britiſchen Gelehrtenverſammlung zu Cambridge einen Be— richt vor. Bis noch vor kurzer Zeit wußte man uͤber die Fiſche China's ſehr wenig. Linné kannte etwa 20 Japaniſche Fiſche, und Langsdorff, welcher den ruſſiſchen Admiral Kruſenſtern auf deſſen Reiſe nach Japan und den Suͤdſeeinſeln begleitete, fuͤgte dieſer Liſte in neuerer Zeit noch einige Species hinzu. Außer dieſen wenigen Arten waren die Fiſche der Oſtkuͤſte Aſien's vom Ochotskiſchen Meere bis Cochinchina hinab bis auf die neueſte Zeit den Europaͤiſchen Naturforſchern lediglich aus den Abbildungen der Chineſen bekannt, und man trifft mehrere Sammlungen von dieſen Abbildungen in den Bibliotheken von Frankreich und England. Dennoch wimmeln jene Kuͤſten von Fiſchen, und die Fiſchereien ſind dort ſehr eintraͤglich. An Materia— lien zur Beſchreibung dieſer Fiſche fehlte es nicht. Herr John Reeves hatte ſchoͤne colorirte und meiſt lebensgroße Abbildungen von 340 Species gemacht, welche auf den Markt von Canton kommen. Das Britiſche Muſeum beſitzt gegenwaͤrtig Copien von dieſen Zeichnungen. Manche Fiſche ſind unlaͤngſt von Tſchuſan nach England geſchickt worden; andere findet man in dem Berichte über die Reiſe des Sul- phur beſchrieben. Eine zu Canton angelegte Sammlung von 100 Fiſchen iſt in dem Muſeum der naturforſchenden Geſellſchaft zu Cambridge anzutreffen. Nach dieſen und andern neuern Quellen hatte Dr. Richardſon ſeinen Be— richt ausgearbeitet. Der Verfaſſer ſchloß aus ſeinen Unter— ſuchungen, daß Ketten von Inſeln oder Kuͤſten, die von Weſten gegen Oſten ſtreichen, dahin wirkten, daß Fiſchſpe— cies oder Fiſchfamilien ein ſehr ausgedehntes Wohngebiet 756. XXXV. 8 118 erhielten. So findet man, wenn man die zwiſchen den Wendekreiſen liegenden Striche des Oceans in's Auge faßt, ſehr viele Fiſche, welche ſowohl im Rothen Meere, als an den Kuͤſten von Madagascar und Isle de France, im In— diſchen Ocean, an den Suͤdkuͤſten China's, den Philippinen, im ganzen Malaiifhen Archipelagus, an den Nordkuͤſten Auſtralien's und in ganz Polyneſien, mit Einſchluß der Sandwichinſeln, anzutreffen ſind. Ruͤckſichtlich der generi— ſchen Formen ſeiner Suͤßwaſſerfiſche hat China mit Vor— derindien ſehr große Aehnlichkeit. Wenn wir annehmen, daß der große Strich der Oceane, von dem ſoeben die Rede ge— weſen, ploͤtzlich über den Meeresſpiegel gehoben würde, fo ließe ſich erwarten, daß man in dieſer gewaltigen Region faſt durchgehends dieſelben Ueberreſte von Fiſchen finden wuͤrde, indem nur wenige Species dieſes faſt zwei Drittel des Umkreiſes der Erde umfaſſenden Striches ein auf eine gewiſſe Localitaͤt beſchraͤnktes Wohngebiet beſitzen. Dieſe Fiſchuͤberreſte wuͤrden, den Beobachtungen des Profeſſors E. Forbes zufolge, unſtreitig mit ſehr verſchiedenen Gruppen von Mollusken und andern Seethieren vergeſellſchaftet ſeyn, je nach der Tiefe, in welcher deren Ablagerung ſtattgefunden haͤtte. Dieß ſey in geologiſcher Beziehung hoͤchſt beach— tungswerth. Hr. Ogilby meinte, daß die hier von Dr. Richard— ſon aufgeſtellte Anſicht fuͤr die Geologie von außerordent— licher Bedeutung ſey. Sie eroͤffne der zoologifchen und pa— laͤontologiſchen Forſchung ein ganz neues Feld. Was die geographiſche Vertheilung der Fiſche betreffe, ſo ließen ſich die Suͤßwaſſerſpecies allerdings weit leichter ſtudiren, als die Seefiſche, da ſie durch das ihnen unzugaͤngliche Meerwaſſer auf ein beſtimmtes Wohngebiet eingeſchraͤnkt wuͤrden. Der Biſchof von Norwich erwaͤhnte mehrerer Thatſachen, aus denen ſich ergebe, daß Fiſchlaich, ohne zu verderben, uͤber das Meer von einem Lande zum andern gefloͤßt werden koͤnne. Er erzählte auch einen allerdings etwas wunderbar klingen— den Fall, in welchem Hechtlaich auf das Strohdach einer Huͤtte geworfen worden und dort Jahre lang geblieben ſey, bis das Stroh vom Dache abgenommen und in einen Gras ben geworfen worden ſey, der ſich mit Regenwaſſer gefuͤllt habe, da denn junge Hechte darin zum Vorſcheine gekommen ſeyen. Dr. Richardſon bemerkte noch, daß in vielen Ge— genden der Erde dieſelben Fiſche unter gleichen Breitegraden zu finden ſeyen; am Atlantiſchen Ocean ſey dieß aber, wenn dieſe Gegenden durch die tiefe See voneinander getrennt ſeyen, nicht der Fall; an den beiden entgegengeſetzten Kuͤ— ſten dieſes Oceans treffe man Fiſche verſchiedener Art. (The Athenaeum.) Miscellen. In Betreff des Verdauungsproceſſes haben die Her⸗ ren Bernard und Barreswill der Pariſer Academie der Wiſ— ſenſchaften in deren Sitzung am 7. Juli abermals eine Mittheilung gemacht, in welcher fie angeben: 1) daß die ſpeciſiſche Verdauungs⸗ thaͤtigkeit der in den Nahrungsſchlauch eingefuͤhrten Fluͤſſigkeiten ſtets durch die Beſchaffenheit ihrer Reaction bedingt wird, ſo daß, z. B., der Magenſaft ſtickſtoffhaltige Subſtanzen lediglich deßhalb 8 * 119 aufloͤſ't, weil er ſauer reagirt, wahrend er, wenn man ihn alkali⸗ niſch macht, gleich dem Speichel und der pancreatiſchen Fluͤſſigkeit, mehlige Subſtanzen auflöf't; 2) daß die merkwuͤrdige Eigenſchaft diefer Fluͤſſigkeiten, Staͤrkemehl durch alkaliniſche Reaction, ſowie Fleiſch und Gluten durch ſaure Reaction umzubilden, lediglich auf einem, allen drei erwaͤhnten Fluͤſſigkeiten zukommenden, thaͤtigen or⸗ ganiſchen Stoffe beruhe; 3) daß die chemiſchen Veraͤnderungen, welche die Nahrungsſtoffe im Magen- und Darmcanal erleiden, durch einen unveränderlichen thaͤtigen Stoff vermittelt werden, welcher nur bald durch ſaure, bald durch alkaliniſche Reaction auf dieſe oder jene Art von Nahrungsſtoff einwirkt; 4) daß dem Speichel und der pancreatiſchen Fluͤſſigkeit nur zwei weſentliche Elemente, der organis ſche Stoff und die alkaliniſche Reaction, zukommen; 5) daß die an⸗ geſtellten Verſuche ganz folgerecht auf den Gedanken fuͤhren, die Bildung eines kuͤnſtlichen Magenſaftes zu verſuchen. Es iſt dazu in der That nichts weiter noͤthig, als daß man ſich den organiſchen Stoff verſchafft, welcher bei der Verdauung thätig iſt, und demſel— ben eine Säure zuſetzt. Die HHrn. Bernard und Barres⸗ will hoffen von dieſem Winke practiſche Vortheile. Bisher haben die zur Befoͤrderung der Verdauung, in Faͤllen, wo die natuͤrlichen Saͤfte nicht hinreichend kraͤftig wirkten, angewandten Mittel der Wiſſenſchaft eben nicht zur Ehre gereicht. Man frage ein halbes Dutzend Aerzte wegen Verdauungsſchwaͤche um Rath, und vier da⸗ von werden gewiß der Meinung ſeyn, das Uebel ruͤhre von uͤber— ſchuͤſſiger Säure im Magen her, die durch Alkalien neutraliſirt werden muͤſſe, weßhalb fo häufig Natron verordnet und der Mas gen des armen Patienten zu einem Laboratorium zur Bereitung einer aufbrauſenden Fluͤſſigkeit gemacht wird, welche die Magen: haͤute angreifen muß. Die beiden andern Aerzte werden ſagen, 756. XXXV. 8. 120 die vegetabiliſche Saͤure im Magen muͤſſe durch eine mineraliſche uͤberwunden werden, und dieſe werden dem Patienten ſtarke Do⸗ ſen Schwefelſaͤure verordnen und ihm, wenn der Magen dabei auch leidlich wegkommt, wenigſtens die Zaͤhne verderben. Das rationelle Verfahren wäre die Darftellung eines kuͤnſtlichen Magenſaftes. Ueber die Statur und Körperproportionen des Menſchen in verſchiedenen kändern hat W. B. Brent Folgendes ermittelt. Die durchſchnittliche Statur des Englaͤnders beträgt 5 Fuß 71 Zoll. Nach den Armeeliſten, welche von der Statur der laͤndlichen Bevoͤlkerung eine richtige Anſicht zu geben geeignet find, hält ſich dieſe zwiſchen 5 Fuß 6 Zoll und 5 Fuß 73. In der Miliz, welche ſich aus den hoͤhern Ständen recrutirt, ha⸗ ben die Leute eine Hoͤhe von 5 Fuß 1 Zoll bis 6 Fuß 3 Zoll. Die franzoͤſiſchen Conſcribirten haben, nach officiellen Angaben, eine durchſchnittliche Statur von 5 Fuß J Zoll; allein feinen perſoͤnlichen Beobachtungen zufolge, haͤlt Hr. Brent dieſelbe fuͤr bedeutender. Nach den von Prof. Forbes an feinen Schülern zu Edinburgh gemachten Wahrnehmungen, find die Sreländer von größerer Sta⸗ tur, als die Schotten, und dieſe von groͤßerer Statur, als die Engländer. Die Belgier ſcheinen kleiner, als die Engländer. (Edinb. new philos, Journal, April — July 1845.) Eine Verſammlung deutſcher Ornithologen iſt zu Koͤthen auf den 27., 28. und 29. Sept. d. J. angeſetzt. Anmel⸗ dungen für die zu haltenden wiſſenſchaftlichen Vorträge und für Pri⸗ vatwuͤnſche in Beziehung auf das Unterkommen ꝛc. koͤnnen unter der Adreſſe des Hn. E. Balda mus, Collaborator am Gymnaſio das ſelbſt, gemacht werden. e i lk u n DER Beobachtung einer eingeklemmten Hernie des rechten Eierſtockes. Operation. Heilung. Von Hrn. Neboux, Dr. M., Oberchirurgen bei der Koͤn. Franz. Marine. Am 24. Juli 1841 — ich war damals Oberchirurg des bei Braſilien ſtationirten Geſchwaders — wurde ich zu einer in Rio Janeiro wohnenden Franzoͤſin, Mad. C., ges rufen. Bei meiner Ankunft brachte ich Folgendes in Erfah— rung: Mad. C lag auf dem Ruͤcken und litt fortwährend heftige Schmerzen. Die Geſichtszuͤge waren krampfhaft zu— fammengesogen, die Haut trocken, der Puls ſehr klein und häufig, die Zunge weißlich und feucht; der ſehr voluminoͤſe Unterleib aufgeblaͤht und nach ſeiner ganzen Ausdehnung gegen Druck aͤußerſt empfindlich, in'sbeſondere gegen den Nabel hin, welcher der Sitz unaufhoͤrlicher ziehender Schmer— zen war. Harnexcretion fand durchaus nicht ſtatt, und die Darmausleerungen waren hoͤchſt ſpaͤrlich. Es wurden haͤu— fig ſchleimige und zuweilen gallichte Subſtanzen ausgebro— chen. Die geringſte Quantitaͤt Fluͤſſigkeit, welche in den Magen eingefuͤhrt wurde, ward augenblicklich wieder ausge— ſpieen. In dem Ausgebrochenen fanden ſich keine Spuren von faeces. Am Tage vorher hatte die Patientin in Fol: ge von abfuͤhrenden Clyſtiren eine unbedeutende Ausleerung durch den After gehabt. Das abdomen bot eine Menge Blutegelbiſſe, ſowie Spuren von unlaͤngſt angewandten trocknen Schroͤpfkoͤpfen, dar. Als ich daſſelbe aufmerkſam unterſuchte, entdeckte ich eine eifoͤrmige Geſchwulſt von der Groͤße einer Fauſt, welche ſich in der Falte der rechten Weiche uͤber dem ligamentum Fallopii und in der Richtung der Falte befand. Der groͤßte Durchmeſſer der Baſis dieſer Geſchwulſt betrug 10 — 12 Centimeter. Die Haut fuͤhlte ſich in jener Gegend etwas feſt an, ohne jedoch ihre Farbe veraͤndert zu haben. Der Druck darauf veranlaßte keine bedeutenden Schmerzen, indem dieſe wahrſcheinlich wegen der Empfindlichkeit des ab- domen wenig hervortreten konnten. Es gelang mir durch Druͤcken, die Geſchwulſt um die Haͤlfte kleiner zu machen, aber weiter durfte ich nicht gehen, da dieſelbe ſehr ſchmerz— haft wurde. Wenige Augenblicke, nachdem ich dieſen Ver⸗ ſuch zur Taxis aufgegeben, hatte die Geſchwulſt ihr frühe: res Volumen wieder angenommen; dieß fiel mir auf, ohne daß ich es mir erklaͤren konnte. Wir werden ſpaͤter ſehen, woher es ruͤhrte. Den vorſtehenden Anhaltepuncten zufolge, ſtellte ich folgende Diagnoſe auf: Eine durch das epiploon oder vielleicht durch das ovarium gebildete, in dem Ingui⸗ nalcanal enthaltene und innerlich ſtrangulirte Hernie. Die Unterſuchung fand am Morgen ſtatt, und am Abend deſſel— ben Tages hatte ich eine Conferenz mit dem Dr. Fai⸗ vre, dem Hausarzte, welcher in Rio Janeiro wegen ſeiner Geſchicklichkeit allgemein geachtet iſt. Er theilte mir mit, Mad. C. habe vor 15 bis 2 Jahren an einer heftigen Ruhr gelitten und ſey ſchon ſeit geraumer Zeit bedeutend abgemagert und kraͤnklich geweſen; ſchon vor laͤngerer Zeit 121 habe er ihr gerathen, wegen einer in der Falte der Weiche zum Vorſcheine gekommenen nicht betraͤchtlich großen Ge: ſchwulſt ein Bruchband zu tragen; allein er wiſſe nicht, ob die Geſchwulſt je gehörig reponirt worden ſey; übrigens has be die Kranke, da ſie dadurch eben nicht belaͤſtigt worden, verſaͤumt, ein Bruchband anzulegen; die Geſchwulſt ſey von Zeit zu Zeit groͤßer geworden, und Mad. C. habe ſo— gar einigemal aͤhnliche, aber bei Weitem nicht ſo bedenkliche, Zufaͤlle bekommen, wie der gegenwaͤrtige, die jedoch ſtets durch ſehr einfache Mittel gehoben worden ſeyen; endlich ſeyen Freitags d. 22. Juli ſo bedenkliche Symptome ein⸗ getreten, daß Dr. F. dieſelben einem eingeklemmten Bruche zugeſchrieben und, nachdem er die Taxis vergebens verſucht, allgemeine und oͤrtliche Blutentziehungen, trockne Schroͤpf— koͤpfe, abfuͤhrende Clyſtire, Calomel, Baͤder ꝛc. verordnet habe. Noch will ich bemerken, daß Mad. C. etwa 50 Jahre alt, ſehr abgemagert, Mutter mehrerer Kinder und noch gut menſtruirt war. Dr. Faivre und ich waren hinſichtlich der Pathologie des Falles durchaus einerlei Meinung und beſchloſſen, vorerſt noch diejenigen Mittel anzuwenden, durch welche ſich viel— leicht die Repoſition der Hernie erlangen ließ. Am 26. Juli ward ich von Neuem gerufen und fand die Symptome in dem Grade verſchlimmert, daß ich vor— ſchlug, augenblicklich zu operiren. Man wollte die Opera— tion jedoch nicht ſofort geſtatten. Am 27. Juli war der Zuſtand noch derſelbe. In der Nacht wurde ich in aller Eile geholt, und ich fand die Pa— tientin in einer klaͤglichen Verfaſſung. Der Puls war kaum fuͤhlbar; das Vomiren war unaufhoͤrlich, die Aufbläs hung des abdomen gewaltig, die Fuͤße kalt ꝛc. Ich rieth zur Operation, allein man verlangte zuvor noch eine Bera— thung mehrerer Aerzte, damit die Verwandten ſaͤmmtlich von der Nothwendigkeit dieſer Maaßregel uͤberzeugt wuͤrden. Um 5 Uhr M. fand die Conſultation ſtatt, und die Opera— tion ward für unumgaͤnglich erklaͤrt. Auf inſtaͤndiges Bit: ten der Familie nahm ich die Operation nun in Gegenwart von vier Aerzten in folgender Weiſe vor. 1) Ich machte nach der Richtung des großen Durch— meſſers der Geſchwulſt einen 12 Centimeter langen Schnitt durch die Integumente. 2) Ich zertrennte das adipoͤſe Gewebe, welches an manchen Stellen wenigſtens 1 Centimeter ſtark war. 3) Ich durchſchnitt die Muskeln. Eine kleine Arterie blutete und wurde zuſammengedreht. 4) Ich ſchnitt in den mit! außerordentlich dicken Wan⸗ dungen verſehenen Sack ein (ſtellenweiſe waren dieſelben 3 bis 4 Millim. dick), indem ich die verſchiedenen Schichten des Gewebes ſehr vorſichtig durchſchnitt. Sobald ich eine kleine Oeffnung in denſelben gemacht, wurden mehrere Hee— togrammen Serum kraͤftig ausgetrieben, welcher Umſtand den Anweſenden einige Unruhe einfloͤßte. Mittelſt der ge— furchten Sonde, welche durch die kleine Oeffnung eingefuͤhrt ward, machte ich nun von Oben nach Unten einen großen Einſchnitt in den Sack, und alsdann erkannte ich in dem 756. XXXV. 8. 122 Grunde der Wunde den in den innern Bauchring einge⸗ klemmten Eierſtock. Er bildete eine Geſchwulſt von der Größe eines Taubeneies und hatte eine ſehr tief geroͤthete, in's Violette ziehende Farbe. Mittelſt eines geknoͤpften Bi⸗ ſtourt loͤſ'te ich den innern Ring an zwei Stellen; als ich aber die Repoſition bewirken wollte, erkannte ich eine nach Oben und Innen zu ſtattfindende Adhaͤrenz. Dieſe zerſtoͤrte ich mit dem Nagel, und alsdann ließ ſich der Eierſtock leicht zuruͤckbringen“) Da der Sack ſehr dick, granulirt und in dem Grade ausgedehnt war, daß feine Ueberreſte der Heis lung ſehr hinderlich geweſen ſeyn wuͤrden, ſo entſchloß ich mich, von demſelben zwei 10 — 12 Millim. breite und etwa 70 Millim. lange Streifen abzuſchneiden. Ich ließ die Patientin eine Stunde lang ohne Verband und legte dann einen ſolchen auf die eiternden Wunden, wobei ich je: doch nur gefenſterte Leinwand und weiche Charpie anwandte. Schon nach einer Stunde hatten ſich die Schmerzen ver— mindert, der Puls gehoben, das Erbrechen gelegt. Als man Mad. C. in ihr Bett zuruͤckbrachte, hatte ſie eine reichliche Ausleerung aus dem After und der Blaſe, welche ihr be— deutende Linderung verſchaffte. Am 28. und 29. Juli blieb der Zuſtand der Kranken erwünſcht; am 30. und 31. Juli fanden zwei Anfaͤlle von Mechfelfieber ſtatt, die ich mit Erfolg durch ſchwefelſaures Chinin nebſt Opium behandelte, und nach 40 Tagen war die Heilung vollendet. Im Mai 1844 ſah ich Mad. C. zum letzten Male. Sie war damals ſehr wohlbeleibt und im beſten Geſundheitszuſtande. Aus dieſer Beobachtung laſſen ſich, meines Erachtens, folgende practiſche Folgerungen ziehen: 1) Daß der Eierſtock betraͤchtlich lange Zeit compri⸗ mitt, ja eingeklemmt ſeyn koͤnne, ohne daß die Patientin deßhalb in unmittelbarer Lebensgefahr ſchwebt; 2) daß die theilweiſe Entzuͤndung des Bauchfells, die in Verdickung, Verhaͤrtung und ſelbſt Verderbniß der „In: nerften Gewebe dieſer Membran ausgeht, nicht immer toͤdt— lich ſey; 5) daß man von dem Bruchſacke nach der Zuruͤck⸗ bringung einer Hernie ziemlich beträchtliche Portionen ab» ſchneiden duͤrfe, und daß namentlich in dem hier in Rede ſtehenden Falle dieß Verfahren wirklichen Vortheil gebracht habe; 4) daß, wenn man bei einer Frau in dem Schambug eine Geſchwulſt findet, die ſich durch die Taxis nur bis zu einem gewiſſen Puncte verkleinern laͤßt, dann aber Mider: ſtand leiſtet und gegen das Betaſten empfindlicher wird, man auf das Vorhandenſeyn einer eingeklemmten Hernie *) Aus dem Auslaufen von Serum bei dem Oeffnen des Sackes ſowie aus der von dem Eierſtocke eingegangenen Adhaͤrenz, ers klaͤrt ſich vollkommen, weßhalb ſich die Geſchwulſt theilweiſe und nur theilweiſe reponiren ließ. Uebrigens gelang dieſes theilweiſe Zuruͤckbringen nicht immer, ſondern es war dazu er⸗ forderlich, daß die Taxis auf eine beſondere Weiſe und in eis nem gewiſſen Maaße vorgenommen wurde. 123 des Eierſtockes zu ſchließen habe. (Bulletin général de Therapeutique, T. XXVIII., 7 et 8 livrais. 15. et 30. Avril 1845.) Ueber die Diagnoſe und Behandlung der Her- nia vagino-labialis. Nachſtehende Stelle Boyer's enthaͤlt eine Characteri— ſirung der Entſtehung der Hernie, welche Stoltz h. vagino- labialis nennt. „Eine Darmportion, welche längs der va- gina herabſteigt, dehnt die Wandungen dieſes Canals nicht immer aus, um eine enterocele vaginalis zu bilden; ebenſowenig richtet ſie ſich immer nach dem perinaeum, indem ſie zwiſchen den Faſern des Aufhebemuskels des Afters durchſtreicht, um eine enterocele perinaealis zu bilden; zuweilen ruͤckt ſie naͤmlich zwiſchen der vagina und dem Aſte des ischion bis zur Mitte der großen Schaamlefze vor und bildet dort eine Geſchwulſt. Herr Cooper iſt der Erſte und vielleicht der Einzige, welcher eine ſolche Her: nie beobachtet hat.“ Die Thatſachen, welche die Wiſſenſchaft damals er— langt hatte, beſchraͤnkten ſich auf die beiden Beobachtungen, die Sir. A. Cooper in ſeinen Werken mitgetheilt hat. Dieſer berühmte Arzt bezeichnete dieſe Hernie mit dem Nas men hernia pudendalis. Einen Fall dieſer Art hat ſo eben Herr Stoltz bekannt gemacht, und wir theilen denfel= ben mit allen denjenigen Umſtaͤnden mit, welche in practi⸗ [her Beziehung intereſſiren koͤnnen. Mad. P., 35 Jahre alt, von zaͤrtlicher Conſtitution, war im Monate Juni 1843 zum Drittenmale ſchwanger geworden. Ihr letztes Kind war noch keine 18 Monate alt, und die beiden erſten Niederkuͤnfte waren gluͤcklich von Stat: ten gegangen. Sie litt an hartnaͤckiger Verſtopfung, welche bei'm Stuhlgange eine außerordentliche Anſtrengung noͤthig machte, ſowie an einem chroniſchen Huſten mit ſchleimig⸗ei— terigem Auswurfe, und nach dergleichen Anſtrengungen dei'm Stuhlgange und einem heftigen Anfalle von Huſten bemerkte Mad. P. an der rechten Seite der vulva eine Geſchwulſt, die vorzuͤglich, wenn die Frau ſtand oder eine etwas ſchwere Arbeit vornahm, groß erſchien. Sie wurde dann bald von Colik und betraͤchtlicher Spannung des abdomen befallen. In der Nacht legten ſich dieſe Symptome, während zu⸗ gleich die Geſchwulſt an der vulva verſchwand. Letztere kehrte wieder, nachdem Mad. P. ſich eine Zeitlang außer— halb des Bettes befunden. Als Dr. Stoltz zu dieſer Dame gerufen wurde, uͤber— zeugte er ſich zuvoͤrderſt von der Anweſenheit der Geſchwulſt an der vulva, Die große rechte Lefze war voluminoͤs und zugleich weich und gegen Druck durchaus nicht empfindlich. Als er ſie zuſammendruͤckte, bemerkte er, daß Etwas unter ſeinen Fingern wegglitt und die Lefze bis auf ihr normales Volumen zuſammenfiel. Wenn nun die Kranke huſtete, ſo ſchwoll die Lefze wieder an, und zwar offenbar dadurch, daß Etwas aus dem abdomen in dieſelbe herabtrat. An dem Geraͤuſche, welches ſich bei der Taxis hoͤren ließ, erkannte 756. XXXV. 8. 124 Dr. Stoltz, daß die Hernie durch eine Darmſchlinge vers anlaßt wurde. Welchen Weg hatte dieſe Darmportion aber eingeſchlagen, um in die Schaamlefze zu gelangen? Dieß ergiebt ſich aus nachſtehenden Umſtaͤnden. Nachdem die Taxis vollſtaͤndig bewirkt worden war, ſchloß Dr. Stoltz den Leiſtenring mit dem Daumen und ließ die Kranke huſten. Sofort bildete ſich die Hernie wieder, ohne daß der Finger die mindeſte Verſchiebung erlitten hätte. Allein noch ein andres Kennzeichen war vorhanden, wel— ches bewies, daß hier keine hernia inguinalis ſtattfinde, namlich daß die Geſchwulſt die untere Hälfte der Lefze ein⸗ nahm, während die obere frei war. Bei der hernia inguina- lis findet aber gerade das Gegentheil ſtatt. Dr. Stoltz bemerkt, es koͤnne ebenſowenig eine durch das foramen ovale ausgetretene Hernie geweſen ſeyn, denn in dieſem Falle be— finde ſich die Geſchwulſt an dem innern und obern Theile des Schenkels und ſtehe von der vulva etwa um die Breite ei- nes Fingers ab. Um über die Beſchaffenheit der hier in Rede ſtehenden Art von Hernie nicht den geringſten Zwei⸗ fel zu laſſen, hat man ſolgende Unterſuchungsweiſe in An— wendung zu bringen. Nachdem man den Darm reponirt hat, fuͤhrt man den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand in die vagina ein, indem man die Wandung dieſes Canals gegen den entſprechenden Körper des ischion zufam> mendruͤckt. Nachdem Dr. Stoltz dieß gethan, veranlaßte er die Patientin, zu huſten und Anſtrengungen zum Stuhl- gange zu machen. Nun erzeugte ſich die Hernie nicht wie— der; allein ſobald er aufhoͤrte, zu druͤcken, fühlte er etwas an ſeinen Fingern hingleiten, und die Geſchwulſt an der Lefze erſchien von Neuem. Die vagina ſelbſt bot durchaus keine Hervorragung dar, die an eine Hernie erinnert haͤtte. Nun ſtellte es ſich heraus, daß die Hernie ſich in der Art erzeugte, wie wir fie oben in den Worten Boyer's geſchildert ha- ben, naͤmlich durch eine Oeffnung in dem Aufhebemuskel des Afters. Da die fragliche Hernie bei Mad. P. durch⸗ aus keine bedenklichen Zufaͤlle veranlaßte, ſo wollte Dr. Stoltz bis zu deren Niederkunft, welche am 16. Maͤrz ſtattfand, nichts dagegen unternehmen. Als die Frau ſich legte, verſchwand die Hernie, wie gewöhnlich, von ſelbſt, und waͤhrend der Geburtsarbeit, die nur 4 Stunden anhielt, entſtand dieſelbe nicht wieder. Die Woͤchnerin ſtand am 10. Tage auf, ging erſt einige Tage ſpaͤter umher, hielt ſich den Leib offen und beugte ſo der Wiederkehr der Hernie vor. Drei Monate lang nach der Niederkunft war die Ges ſchwulſt ganz weggeblieben. Demnach, ſagt der Verf., läßt ſich annehmen, daß die Schwangerſchaft das Herabſteigen einer Darmſchlinge in die Schaamlefze, in Folge der dadurch in der relativen Lage der Beckenorgane eingetretenen Veraͤn⸗ derungen veranlaßt oder beguͤnſtigt habe. Nachdem die Niederkunft in dieſer Beziehung den normalen Zuſtand wies derhergeſtellt hatte, kam auch der Darm wieder in feine nas tuͤrliche Lage. Dem Dr. Stoltz zufolge, ward alſo die Heilung hauptfächli dadurch herbeigeführt, daß ſich die Baͤr— mutter in ihre gewoͤhnliche Lage zuruͤckzog und ſo gleichſam wie ein Mutterzaͤpfchen wirkte; denn mit Huͤlfe eines ſolchen in die vagina eingefuͤhrten und die Wandung dieſes Canals 125 gegen das ischion draͤngenden Inſtrumentes koͤnnte man hoffen, eine ſolche Hernie in Repoſition zu erhalten, da man auf dieſe Weiſe die Oeffnung, durch die ſie herausgetreten, * halten würde, (Journal de chirurgie, Mars A 9 Unterſuchungen über die Brüche der basis cranii. Von Dr. Fr. A. Aran. Verfaſſer giebt am Schluſſe eines längeren Aufſatzes in Folgendem ein resume der Symptomatologie oben bezeichne— ter Schaͤdelbruͤche. 1) Directe Fracturen. a) Aetiologiſche Symptome. Dieſe Fracturen find ſtets das Reſultat der Einwirkung ſtechender, ſchneiden⸗ der, oder quetſchender Inſtrumente, welche entweder durch die natuͤrlichen Oeffnungen des Geſichtes eingedrungen ſind, oder ſich einen kuͤnſtlichen Weg durch das Geſicht oder durch den Hals gebahnt haben. Hierher gehoͤren vornehmlich Feuer— waffen. Das verwundende Inſtrument hat hier faſt immer eine ſchraͤge Richtung von Unten nach Oben genommen. b) Naͤchſte Folgeſymptome. Die directen Frac⸗ turen ſind gewoͤhnlich, ausgenommen bei Einwirkung von Feuerwaffen, nur von einer geringen Erſchuͤtterung begleitet, daher auch meiſt hier die Symptome einer Gehirnerſchuͤtte⸗ rung fehlen. Die Verwundeten können jedoch das Bewußt— ſeyn verlieren, was aber erſt einige Zeit nach dem Unfalle, ſey es in Folge der ſtattfindenden Gemuͤthsaufregung, ſey es in Folge der Haͤmorrhagie, eintritt. Die unmittelbaren Schaͤdelbruͤche koͤnnen ſich im Augenblicke ihres Entſtehens mit Erguͤſſen von Blut oder Serum und ſelbſt mit dem Hervortreten von Gehirnſubſtanz compliciren, welches beiz des aber ſtets im Verlaufe der Wunde ſelbſt ſtattfindet. c) Spätere Folgeſymptome. Die im Momente des Unfalles eingetretenen Erguͤſſe von Blut oder Serum koͤnnen mehrere Stunden, ja ſogar mehrere Tage, andauern. Wenn die Haͤmorrhagie durch die Verletzung eines betraͤcht— lichen Gefaͤßes innerhalb des Schaͤdels hervorgebracht worden iſt, fo kann an der basis cranii ein ſtarker Bluterguß ſtattfinden, welcher das Gehirn comprimirt und eine He— miplegie erzeugt. Wenn durch das verwundende Inſtrument ei: ner oder mehre der durch die Loͤcher dieſes Theiles des Schaͤdels hindurchtretenden Nerven verletzt worden, ſo bemerkt man an den von denſelben verſehenen Partieen Mangel der Sn: nervation. Endlich wird die Diagnoſe noch durch die Eine fuͤhrung einer Sonde in die Wunde, die Richtung, welche dieſelbe nimmt, die Tiefe ihres Eindringens und die rauhen Flaͤchen, auf welche ſie ſtoͤßt, genauer beftimmt. 2) Mittelbare Fracturen durch Irradiation. a) Aetiologiſche Symptome. Als Urſache dieſer Fracturen finden wir ſtets verwundende Einfluͤſſe, welche mit großer Gewalt und auf eine große Oberflaͤche einwirken, 756. XXXV. 8. 126 wie ein Fall auf den Kopf von hohen Puncten herab, oder Schlaͤge auf denſelben, mit voluminoͤſen Inſtrumenten ausge⸗ fuͤhrt. Dieſe Bruͤche ſind conſtant von einer Fractur des Schaͤdelgewoͤlbes begleitet, welche ſich immer und naͤher bis zur Grundflaͤche des Schaͤdels hinzieht. Wenn eine Wunde oder eine Blutgeſchwulſt vorhanden iſt, durch welche man die Fracturen des Schaͤdelgewoͤlbes erkennen kann, ſo iſt groͤ⸗ ßere Wahrſcheinlichkeit zu Gunſten einer Fractur der basis cranii. Je näher endlich die Stelle, auf welche die ver⸗ wundende Urſache eingewirkt hat, der basis cranii, und je duͤnner und ſchwaͤcher dieſelbe iſt, deſto wahrſcheinlicher iſt eine Fractur der basis. 5) Naͤchſte Folgeſymptome. Da alle indirec⸗ ten Fracturen die Folge einer heftigen Erſchuͤtterung ſind, fo finden ſich auch bei dieſen Fracturen ſtets die Phänomene der Gehirnerſchuͤtterung. Dieſe Phänomene koͤnnen längere oder kuͤrzere Zeit fortbeſtehen und in dem Falle, wo keine Reaction eintritt, lethal verlaufen. Waͤhrend der Dauer der: ſelben find die einzigen wahrnehmbaren Symptome der Frac— tur rein aͤußere, wie, z. B., Blutungen aus der Naſe, dem Ohre, dem Schlunde und der Vorfall von Gehirnſubſtanz durch den Gehoͤrgang. Im Allgemeinen verſchwinden die Symptome der Erſchuͤtterung nach einiger Zeit, um den c) ſpaͤteren Folgeſymptomen Platz zu machen. Die anfangs eingetretenen Blutungen, namentlich die aus dem Gehoͤrgange, dauern noch fort und geben ſich an der orbita durch Ekchymoſe der Augenlider und der conjunctiva, zuweilen ſogar durch Vortreten des Augapfels, zu erkennen. An die Stelle dieſer Haͤmorrhagien treten zuweilen ſeroͤſe Erz guͤſſe, welche ſehr lange fortbeftehen koͤnnen. In den Faͤl— len, wo die Gehirnnerven bei dieſen Fracturen mit bethei— ligt worden ſind, findet ſich Verluſt der Motilitaͤt oder Sen— fibilität in den von jenen verſehenen Theilen. Endlich kann, gewoͤhnlich 12 — 15 Stunden nach dem Unfalle, an der der Verletzung gegenuͤberliegenden Seite eine ſehr ſcharf aus— geſprochene Hemiplegie eintreten. Zum Schluſſe noch einige Worte über die den Frac⸗ turen an den verſchiedenen Stellen des Schaͤdels eigenthuͤm⸗ lichen Symptome. 1) Bei den Fracturen der vordern Partie der basis cranii findet ſich eine Wunde im Geſichte oder in der Stirn⸗ gegend mit Fractur, ſtarkes und andauerndes Naſenbluten, Ekchymoſen des conjunctiva und der Augenlider, auf— gehobene Function des Geruchs- und Sehnerven, in einigen Faͤllen eine ſehr reichlicher ſeroͤſer Ausfluß aus der Naſe. 2) Bei den Fracturen der mittlern Partie, welche ge— woͤhnlich die pars basilaris betreffen, finden wir direct auf dieſen Theil des Schaͤdels, ſey es durch das Geſicht oder den Hals, ſey es unmittelbar einwirkende Urſachen, ſowie eine Wunde in der Hinterhaupts- oder Schlaͤfengegend mit Frae— tur, ferner Blutungen aus dem aͤußeren Gehoͤrgange, ſpaͤ— ter mehr oder weniger reichliche feröfe Erguͤſſe aus dem ſelben, in einigen ſehr ſeltenen Fällen Hervortreten von Ge— hirnmaſſe aus dem Ohre; oft Verletzungen des fuͤnften, ſechs⸗ ten und ſiebenten Paares, namentlich des n. facialis, und in 127 Folge derſelben Lähmung der Senfibilität und Motilitaͤt im Geſichte und im m. rectus externus. 3) Bei den Fracturen der hintern Partie als Urſache meiſt Fall oder Erſchuͤtterung der Hinterhauptsgegend, oft Complication mit Fracturen der pars basilaris, Sym⸗ ptome der letztern mit denen der erſtern vereinigt, namentlich reichliche und andauernde Blutungen innerhalb des pharynx, gewoͤhnlich in Folge der Zerreißung eines der großen Ge— fäße dieſer Gegend. (Arch. gen. de Med. Nov. 1845.) Miscellen. Ueber die Compreſſion der aorta abdominalis bei ſtarker Metrorrhagie nach Entbindungen, von Herrn Sentin. Verf. räth bei irgendwie ſtarken Uterinblutfluͤſſen nach Entbindungen ſogleich die Compreſſion der Bauchaorta in Anwens dung zu bringen, ſtatt zuerſt die gewoͤhnlichen Mittel zu verſuchen. Was die Ausfuͤhrung der Compreſſion anbetrifft, ſo wird die linke Hand hierzu benutzt, waͤhrend die rechte zur Unterſtuͤtzung der Com— preſſion oder zur Ausführung anderer noͤthigen Manipulationen freis bleibt. Nachdem die Entbundene in eine horizontale Lagegebracht wor— den iſt, druͤckt der Arzt feine 3, etwas einwaͤrts gebogenen, Mittelfinz ger in ſanfter und ſucceſſiver Wellenbewegung nach Hinten und Links von der Uterinkugel, ungefähr im Niveau des Nabels, in den Leib ein. Sobald die Pulſationen der aorta fuͤhlbar werden, legen ſich die Finger an den Gefaͤßcylinder in der Laͤngsrichtung, aber zugleich in einer ſchraͤgen Richtung von Oben nach Unten und von Innen nach Außen an, wodurch die Axe der Arterie an der linken Sei⸗ tenfläche der Wirbelkoͤrper firirt wird. Die Compreſſion der vena cava vermeidet man dadurch, daß man die Finger nicht zu weit nach Rechts hindraͤngt. Die freigebliebene rechte Hand oder, beſſer, die Hand eines Gehülfen unterſtuͤtzt die Compreſſion, indem fie auf die comprimirende Hand aufgelegt wird. Gewoͤhnlich reichen 40 — 50 Secunden der Compreſſion aus, um den Blutfluß zu maͤßigen, oft ſelbſt, um ihn ganz zu hemmen. Sn gefährlichen Fällen iſt die Compreſſion länger fortzuſetzen; da aber ein ſehr lange anhaltend fortgeſetzter Druck eine nachtheilige Pyperaͤmie in den oberhalb des comprimirten Gefaͤßes liegenden Eingeweiden verurſachen koͤnnte, ſo muß man von Zeit zu Zeit die Schließung der aorta aufheben, ins dem man den einen oder den andern Finger aufhebt, um einen ſchwachen Blutſtrom durchfließen zu laſſen. Auf dieſe Weiſe läßt ſich die Compreſſion 10 — 20 Minuten lang fortſetzen, und man hoͤrt nicht eher auf, als bis alle Gefahr beſeitigt iſt. (Aus Arch. de la méd. Belge in Gaz. med. No, 21, 1845.) 756. XXXV. 8. 128 Ein Fall von Abſceß im Saamenſtrange iſt von John Hamilton im Dublin Journal mitgetheilt worden. — James Bannin, 53 Jahre alt, aufgenommen in das Richmond ⸗ Spital, Febr. 4. 1844. In der linken Schaamgegend findet ſich vom äußeren Bauchringe bis zum Grunde des scrotum eine fehr bedeutende Anſchwellung, deren unterer Theil von dem Öbematöfen scrotum, einem geringen Erguſſe in die Scheidenhaut des Hodens, ſowte von einer ganz weichen Anſchwellung des Hodens, gebildet wird; von der Spitze des Teſtikels aber bis zum Bauchringe er⸗ ſtreckt ſich ein harter, oblonger tumor, als wenn der Saamenſtrang ſelbſt in ſehr großer Ausdehnung verdickt waͤre; der Durchmeſſer der Anſchwellung beträgt 2 — 3“ dieſelbe hat eine dunkelrothe Färbung und laßt ſich längs des Leiſtencanals bis zur Leiftengrube hin verfolgen. Dieſer Theil der Geſchwulſt iſt ſehr empfindlich und ſchmerzhaft, der Schmerz ſchießt in die Bauchhoͤhle hinauf, und man fühlt daſelbſt eine dunkle, augenſcheinlich ſehr tief gelegene Fluxion. Der Kranke giebt an, daß er ſeit 2 Jahren einen Lei⸗ ſtenbruch dieſer Seite gehabt habe, wegen welches er ein Bruch⸗ band getragen hatte; vor 14 Tagen brach das letztere und die Her⸗ nie wurde ploͤtzlich größer und ſehr ſchmerzhaft; nach wenigen Ta⸗ gen ſchwoll der Teſtikel an, und die Anſchwellung wurde ſo hart, wie ſie ſich jetzt zeigt. Stuhlgang regelmaͤßig, Zunge mit dickem gelben Belag, Puls 76 (Blutegel). Verf. machte einen Einſchnitt in der Richtung des Saamenſtranges ungefaͤhr in der Mitte der Geſchwulſt, bis auf 1“ tief und trennte dann auf einer Sonde die Zellgewebsſchichten, worauf endlich eine geringe Menge Eiters her: vorquoll, und als der Schnitt nach Oben und Unten verlängert worden war, ſtroͤmte eine betrachtliche Menge ſehr dicken Eiters, gleich kluͤmprigem Rahm, hervor; zwei Arterien mußten unterbunden werden. Die Abſceßhoͤhle war groß genug, um einen kleinen Apfel zu faſſen; an dem oberen Theile derſelben befand ſich eine kleine Höhle, welche zu der Härte in der Leiſtengrube hinauffuͤhrt. Nach der Operation erfolgte große Erleichterung des Kranken; die Wunde fuͤllte ſich raſch mit Granulationen aus, und der Kranke wurde nach 14 Tagen geheilt entlaſſen. — Die von dem Kranken ſoge⸗ nannte Hernie ſcheint in dieſem Falle eine eingebalgte hydrocele funiculi spermatici geweſen zu ſeyn. Faͤlle von erblicher microphthalmia und Taub⸗ ſtummhelt. Die Tochter einer an microphthalmia leidenden Mutter, ſelbſt beide Augen vollkommen normal beſitzend, verheira⸗ thete ſich mit einem Manne, deſſen Großmutter taubſtumm war. Aus dieſer Ehe entſprangen 3 Knaben und 2 Maͤdchen, welche beide letzteren von Microphthalmie afficirt waren. Bei dem einen der⸗ ſelben, welches zugleich taubſtumm iſt, fehlt die iris vollſtaͤndig, die andere Tochter iſt verheirathet und hat 1 Kind, welches taubſtumm iſt und an microphthalmia und coloboma iridis leidet. (Cunier in Annal. d'oculistique; Gaz. méd. No. 21. 1845.) Tr en Bibliographische Transactions of the ethnological Society. 1845. 8. M. 10 K. Vol. I. New-York Du mariage consider dans ses rapports physiques et moraux. Inconyeniens de l’union entre des individus entichés d'un prin- eipe constitutif héréditaire ou se developpant sous Pinfluen- ce d'une predisposition native; par le docteur Serrurier. Paris 1845. 8. Neu ig k Practical Treatise on Inflammation, Ulceration and Induration of the Neck of the Uterus; with Remarks on the Value of Leucorrhoea and Prolapsus uteri as Symptoms of uterine diseases; by James Henry Bennet, M. D. London 1845. 8. The Half yearly Abstract of the medical sciences, being a pra- ctical and analytical Digest of the contents of the british and continental medical works published in the preceding six months together with a series of critical reports on the Pro- gress of medicine and the collateral sciences during the sa- 165 period. Edited by W. H. Ranking, M. D. Londo 1845. 8. — —ͤ—ę— — . — Neue Notizen a us de m Gebiete der Nakur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalrathe Freriep ju Weimar, und dem Medicinalrarhe und Profeſſor Fror iep zu Berlin, No. 757. (Nr. 9. des XXXV. Bandes.) Auguſt 1845. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 K. oder 3 7 30 r des einzelnen Stuͤckes 3 gs Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ I. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. Mr a Unterſuchung der Lie big ſchen Anſichten über die Ernaͤhrung der Pflanzen. Von Will. Sel ler, M. D., Bicepräfidenten der botaniſchen Gefell- ſchaft zu Edinburgh. Durch die immer weiter fortſchreitende Anwendung der chemiſchen Analyſe auf die organiſchen Koͤrper ſind die Schranken zwiſchen der Chemie und der Pflanzen-Phyſiologie beinahe niedergeriſſen worden. Liebig's Werk uͤber Agri— culturchemie ıc. macht in der Geſchichte der Chemie und Pflanzenkunde Epoche, nicht ſowohl wegen der Neuheit der darin vorgetragenen Thatſachen und Lehren, als vielmehr, weil es uns die Einheit in den Proceſſen der Natur in ei— ner nirgends unterbrochenen Kette vorfuͤhrt, weil es uns uͤber viele paradox ſcheinende Puncte gruͤndlich belehrt, weil uns darin von einem der kundigſten Ausleger der Natur die vorher kaum geahnte Verkettung zwiſchen verſchiedenen Zweigen des Naturhaushalts bezeugt wird, und weil es uͤber— haupt zur wiſſenſchaftlichen Erörterung von Verhaͤltniſſen an: regt, welche nach den bisherigen Anſichten fuͤr ſchlechthin unergruͤndlich gehalten wurden. Liebig's Werk hat jedoch eigentlich nicht den Zweck, ſchwierige Puncte in der Pflanzenoͤkonomie zu erledigen, fons dern vielmehr den, die Zuverlaͤſſigkeit gewiſſer Hauptgrund ſaͤze der Forſchung zu beglaubigen, deren Werth in Betreff der Fortſchritte der Phyſiologie bisher nicht gehörig aner= kannt worden iſt. Seine Betrachtungen beziehen ſich auf gewiſſe Methoden der Unterſuchung, die nothwendig zur Wahrheit fuͤhren muͤſſen, waͤhrend ſeine Lehrſaͤtze oͤfters mehr den Character von Hypotheſen zur Erläuterung der Anwen— dung feiner Grundſaͤtze, als den von folgerechten Schluͤſſen haben, auf die man ſich unbedingt verlaſſen koͤnnte. Ich habe mir hier den Zweck vorgeſetzt, die von Kies big aufgeſtellten Anſichten uͤber die Ernaͤhrung der Pflanzen zu prüfen, und fo zu ermitteln, inwiefern dieſelben richtig ſeyen, oder inwiefern denſelben nur eine bedingte Guͤltigkeit beigelegt werden duͤrfte; und zwar werde ich beſonders fol— gende Lehrſaͤtze in's Auge faſſen: No. 1857. — 757. Run d e. 1) daß die Pflanzennahrung durchaus mineraliſcher oder unorganiſcher Art ſey; 2) daß Ammonium, Kohlenſaͤure und mit einigen fa> liniſchen Subſtanzen angeſchwaͤngertes Waſſer die geſammte Pflanzennahrung bilde; 3) daß die organiſchen Stoffe des Erdbodens in den mineraliſchen Zuſtand, naͤmlich in ſaliniſches Waſſer, Am: monium und Kohlenſaͤure übergehen muͤſſen, bevor fie zur Ernaͤhrung der Pflanzen dienen koͤnnen, und 4) daß die ſaliniſchen Stoffe ꝛc., aus welchen die Aſche der Pflanzen beſteht, ohne Ausnahme dem Boden entnom— men worden und in keiner Weiſe das Product der Vegetation ſind, wie man zu Anfang des laufenden Jahrhunderts lehrte. Die von Liebig ausgeſprochenen Grundſaͤtze ſind auf dieſe Weiſe negativer Art; denn wenn ſich nachweiſen laͤßt, daß die Lehre von der Ernaͤhrung der Pflanzen durch in dem Boden befindliche organiſche Zuſammenſetzungen unge— gruͤndet iſt, ſo iſt zugleich die Wahrheit von Liebig's Hauptſatz, daß die Pflanzennahrung unorganiſcher Art ſey, bewieſen. Liebig 's Anſichten widerſtreiten zwei früher aufgeftell: ten Meinungen, von denen die eine annimmt, die Pflanzen⸗ nahrung ſey einzig oder hauptſaͤchlich organiſcher Art, und von denen die andere behauptet, die Pflanzennahrung ſey zwar der Hauptſache nach unorganiſcher Natur, werde aber erſt dadurch zur Ernährung geſchickt, daß gewiſſe ſtick— ſtoffhaltige organiſche Stoffe im Boden vorhanden feyen. Uebrigens ſteht nur die erſtere dieſer beiden Meinun⸗ gen mit der Liebig ſchen direct in Widerſpruche, und dieſe werde ich alſo vorzuͤglich in's Auge faſſen; denn bevor ſie nicht vollſtaͤndig widerlegt iſt, kann man die Liebig ſche Anſicht unmoͤglich gelten laſſen. Wenn die Pflanzennahrung ausſchließlich aus organis ſchen Stoffen beſteht, ſo muß urſpruͤnglich oder wenigſtens 9 131 iegend einmal) im Boden ein Vorrath von organiſchen Stoffen vorhanden geweſen ſeyn, welcher zur Entwickelung des Pflan⸗ zen⸗ und Thierreichs und zum Erſatze der in beiden organiſchen Reichen, von deren Entſtehung bis zu deren einſtigem Erloͤ⸗ ſchen, fortwaͤhrend ſtattfindenden Verluſte hinreichte. Unter dieſen Verluſten ſind diejenigen Stoffe zu verſtehen, welche in den unorganiſchen oder mineraliſchen Zuſtand uͤbergehen, ohne als Pflanzennahrung gewirkt zu haben. Das Thierreich haͤngt ausſchließlich von den organiſchen Subſtanzen ab, die ihm das Pflanzenreich liefert. Hieraus folgt, daß nach der Hypotheſe, welche der Liebig ſchen wis derſpricht, beide organiſche Reiche auf Koſten der im Boden enthaltenen organiſchen Stoffe unterhalten werden. Dieß iſt nur unter zwei Bedingungen moͤglich, entweder daß in der Natur kein bedeutender Verluſt an organiſchem Stoffe ſtattfindet, d. h., daß (was auf daſſelbe hinauslaͤuft) die organi⸗ ſchen Stoffe nur in unerheblicher Menge in mineraliſche verwandelt werden, ſondern daß vielmehr eine fortwaͤhrende Circus lation der organiſchen Stoffe ftattfindet, die ihre Form beftändig veraͤndern, aber ihren organiſchen Character beibehalten, indem ſie vom Boden in die Pflanzen, von dieſen in die Thiere und von dieſen in den Boden zuruͤckwandern, ohne daß dies ſer alſo von ſeinen organiſchen Beſtandtheilen etwas einbuͤßt; oder daß, wenn wirklich bedeutende Verluſte ſtattfinden, von der Entſtehung der beiden organiſchen Reiche bis zu ihrer vollſtaͤndigen Ausbildung der Boden ſtets hinreichend viel organiſche Beſtandtheile liefern konnte, um dieſe Verluſte auszugleichen, und daß er deren bis zum Erloͤſchen der or— ganiſchen Reiche immer fo viele beſitzen wird, um dem jedes⸗ maligen Beduͤrfniſſe zu entſprechen. Allein die Verluſte an organiſchem Stoffe find offens bar auf der ganzen Erdoberflaͤche ungeheuer groß. Man wuͤrde ein umfaſſendes Werk ſchreiben muͤſſen, wenn man alle die Umſtaͤnde eroͤrtern wollte, unter denen organiſche Subſtanzen fortwaͤhrend in mineraliſche umgebildet werden. Nur bei der Reſpiration conſumirt jedes Thier alljaͤhr— lich viel mehr, als ſein eignes Gewicht an Kohlenſtoff, welcher nur einer der Beſtandtheile des organiſchen Stoffes iſt. Die Vögel conſumiren deſſen mehr, die weniger vollkomm⸗ nen Thiere weniger. Deßhalb laͤßt ſich durchſchnittlich an— nehmen, daß jedes lebende Geſchoͤpf alljaͤhrlich nur bei'm Athemholen fein eignes Gewicht an Kohlenſtoff von organi⸗ ſchen Zuſammenſetzungen conſumire. Bei den Inſecten iſt der Verbrauch an Sauerſtoff, nach welchem ſich die bei *) Die Annahme, daß der Boden im Laufe der Zeit durch den allmaͤligen Anwachs des Pflanzenreichs aus der Atmoſphaͤre gebildet worden ſey, wuͤrde bei Unterſuchung der hier in Rede ſtehenden Frage auf eine petitio principii hinauslaufen. Die Frage uͤber die Bildung des Bodens muß alſo, gleich der uͤber die Entſtehung der organiſchen Geſchoͤpfe, nicht als unter die Geſetze der Natur fallend, ſondern als zum Urſprung aller Dinge gehoͤrig betrachtet und folglich aus dem Bereiche der wiſſenſchaftlichen Induction verbannt werden. Was man dem⸗ nach bei Unterſuchungen dieſer Art den Anfang des gegenwaͤr— tigen Zuſtandes der Dinge nennt, muß als von dem gegen— waͤrtigen Zuſtande der Erdoberfläche nicht weſentlich verfcies den betrachtet werden. 757. XXXV. 9. 132 der Reſpiration ausgehauchte Kohlenfäure ziemlich genau be: meſſen laͤßt, im Vergleiche mit dem Gewichte ihres Koͤrpers faſt ſo bedeutend, wie bei den Saͤugethieren, und die von den letztern confumicte Quantität hält, im Vergleiche mit dem Koͤrpergewichte, ungefaͤhr die Mitte zwiſchen der von den Voͤgeln, einerſeits, und den kaltbluͤtigen Thieren, andrerſeits, verbrauchten. Der Einwurf des Berzelius, daß man die Menge des bei'm Athmen zerſtoͤrten Kohlenſtoffs uͤberſchaͤtze, weil ſie angeblich mehr betrage, als der ſaͤmmtliche mit den Nahrungsmitteln eingenommene Kohlenſtoff, gruͤndet ſich offenbar auf eine Ueberſchaͤtzung des in den Nahrungsmitteln des Menſchen enthaltenen Quantums Waſſer, waͤhrend das angenommene Quantum Kohlenſtoff zu niedrig iſt. Er rechnet 3 des Gewichts auf das Waſſer und 2 auf den Kohlenſtoff, was nur in Betreff weniger Nahrungsftoffe fuͤr richtig gelten kann. Eine zweite Hauptquelle der Verwandlung von organi⸗ ſchen Stoffen in mineraliſche ſind die Verbrennungsproceſſe aller Art, der des Brennholzes, des Lampenoͤls, der Lichte, der vegetabiliſchen Dochte ꝛc. Auf dieſe Weiſe wird durch den Menſchen auf der ganzen Erde, zur Heitzung, zum Kos chen, zur Beleuchtung, taͤglich eine gewaltige Menge or: ganiſchen Stoffes in unorganiſchen verwandelt, und nur in wenigen Laͤndern treten die organiſchen Ueberreſte der Vor⸗ welt in Geſtalt von Steinkohle ꝛc. an die Stelle der aus der jetzigen bezogenen Heitz- und Beleuchtungsmittel. Wie gewaltig die Quantitaͤt des conſumirten Brennſtoffes iſt, wird man ermeſſen koͤnnen, wenn man erfaͤhrt, daß Groß⸗ britannien, welches nicht den funfzigſten Theil der Bewoh⸗ ner der Erde enthält, jahrlich, außer Torf und Holz, 20 Millionen Tonnen Steinkohle verbraucht, von denen 17 le⸗ diglich zu haͤuslichen Zwecken verwandt werden. Feuersbruͤn⸗ ſte und Kriege vermehren den durch den Verbrennungspro⸗ ceß veranlaßten Abgang an organiſcher Materie. Durch je⸗ des an einem Winterabend brennende Licht werden 1 bis 2 Unzen Kohlenſtoff zerſtoͤrt, und man kann daher rechnen, daß die 250,000,000 Familien, aus denen das Men⸗ ſchengeſchlecht beſteht, durch den taͤglichen Gebrauch von Talg und Oel ꝛc. viele Millionen Pfund Kohlenſtoff con⸗ ſumiren. Manche Gewaͤchſe werden nur gebaut, um Brennſtoffe zu erlangen, daher faſt der ganze Ertrag der Ernte einem Verluſt des Bodens an organiſchen Stoffen gleichzuſtellen wäre. Dahin gehören Taback, Kelp ıc. Bei dem Proceſſe der Gaͤhrung, durch den Wein, Bier, Alkohol und Eſſig erzeugt werden, wird eine ſehr bedeutende Quantitaͤt organiſcher Materie in unorganiſche verwandelt, und zwar abgeſehen von jenen Fluͤſſigkeiten ſelbſt, denen man den Character organiſcher Zuſammenſetzungen zugeſtehen kann. Bei'm Gaͤhrungsproceſſe des Brodes iſt dieß auch der Fall. Wieviel organiſche Materie auf dieſe Weiſe ſeit der Urzeit zerſtoͤrt worden ift, läßt ſich ſchwer ſagen; allein hoͤchſt bes deutend muß der Verluſt ſeyn. Noch weit betraͤchtlicher iſt jedoch derjenige, welcher durch die voͤllige Zerſetzung der ſaͤmmtlichen thieriſchen und vegetabiliſchen Abgaͤnge, die in großen Städten ꝛc. nicht als 133 Dünger zur Verwendung kommen, veranlaßt wird. Wie wenig von den organiſchen Stoffen, die auf dieſe Weiſe in Fluͤſſe und in das Meer gelangen, entgeht der voͤlligen Zer⸗ ſetzung! Der Ertrag der ſaͤmmtlichen Fiſchereien leiſtet da⸗ fuͤr einen nur ſehr geringen Erſatz. Uebrigens wird durch die Fließwaſſer alljaͤhrlich eine gewaltige Menge organiſcher Stoffe aus dem Boden ſelbſt geſpuͤlt und dem Meere zu⸗ geführt. Alle für den Gebrauch des Menſchen angefertigten Ar⸗ tikel aus Holz, Leinwand, Wolle, Baumwolle, Stroh, Le⸗ der, Haar, Horn, Knochen ꝛc. find, nach der Hypotheſe, welche der Lie bigſchen widerſpricht, lediglich aus der organi⸗ ſchen Materie des Bodens erzeugt, und ſoviel davon voͤllig zetſetzt oder dem Boden als Mineralförper zuruͤckgegeben wird, müßte als Abgang von dem urſpruͤnglichen Vorra⸗ the von organiſcher Materie betrachtet werden, welcher fuͤr den Bedarf der beiden organiſchen Reiche waͤhrend deren ganzer Dauer geſchaffen worden wäre. Viele ſolche Sub: ſtanzen werden abſichtlich zerſtoͤrt, um Zuſammenſetzungen aus Cyanogen und Ammonium zu erlangen. Andere, z. B., Papier, werden verbrannt ic. Wie wenig von der 2 engl. Meilen langen Papiermaſſe, die taͤglich in England ver: fertigt wird, geht dem Boden in unzerſetztem Zuſtande wies der zu. Wenn man alſo annimmt, daß die Pflanzen lediglich durch organiſche Materie ernährt werden, fo muß in Folge die: fer und vieler anderen Verhältniffe, ſeit dem Anfange der gegen? waͤrtigen Ordnung der Dinge, alljaͤhrlich ein ungeheurer Ver luſt von dem in dem Erdboden enthaltenen organiſchen Stoffe ſtattgefunden haben, und daraus wuͤrde offenbar folgen, daß die beiden organiſchen Reiche nicht laͤnger beſtehen koͤnnen, als der urfprüngliche Vorrath an organiſcher Materie im Boden ihs rem alljaͤhrlichen Beduͤrfniſſe entſprechen kann. Wenn ſich alſo die Richtigkeit dieſer Hypotheſe nachweiſen ließe, ſo wuͤrde man ein Princip beſitzen, vermoͤge deſſen ſich, nach genauer Ermittelung der dahin einſchlagenden Data, die Zeit im Voraus berechnen ließe, zu welcher die gegenwaͤrtige Ordnung der organiſchen Natur aufhoͤren muͤßte. Wenn ſich dagegen Liebig's Anſicht, daß die Pflanzennahrung lediglich unorganiſcher Art ſey, rechtfertigen ließe, ſo wuͤrde daraus folgen, daß die beiden organiſchen Naturreiche in ſich ſelbſt die Bedingungen einer unbegrenzten Fortdauer beſitzen, wenngleich ſie durch andere Zufaͤlligkeiten in ihrer Exiſtenz bedroht ſeyn dürften “). „) Seit der Niederſchrift obigen Aufſatzes iſt dem Verf. die Ue⸗ berſetzung des Dr. Fromberg von Mulder's Chemie der vegetabiliſchen und animaliſchen Phyſiologie aus dem Hollaͤn⸗ diſchen zu Geſicht gekommen. In dieſem Werke prophezeiht Mul der, daß das Thierreich nach einer gewiſſen Periode def: halb ausſterben werde, weil ſich durch die Reſpiration der Thiere mehr Kohlenſaͤure in der Luft anſammle, als das Pflan⸗ zenreich deren zerſetze. Er uͤberſieht aber, daß die Zahl der Thiere nicht hoͤher ſteigen kann, als der Vorrath an Pflan⸗ zenſtoffen es geſtattet, und daß, ſeinen eignen Anſichten zufolge, dieſer Vorrath ſich nicht vergrößern kann, ohne daß eine ents ſprechende Quantität Kohlenſaͤure der Atmoſphaͤre entzogen werde. Die Menge der fuͤr das Beduͤrfniß des Menſchen an⸗ gebauten Pflanzen dürfte in dieſer Beziehung den vormaligen Ur- waͤldern ziemlich das Gleichgewicht halten, und den in der Schrift 757. XXXV. 9. 134 Zunaͤchſt haben wir zu unterfuhen, was für Anhalte⸗ puncte uns behufs der Berechnung des gegenwaͤrtigen Bes trags an organiſcher Materie oder, um die Sache zu verein⸗ fachen, an Kohlenſtoff in den organiſchen Zuſammenſetzungen der Dammerde zu Gebote ſtehen. Selbſt der leidenſchaft⸗ lichſte Anhänger der Theorie, daß die Pflanzennahrung les diglich organiſcher Art fey, wird, meines Erachtens, folgende Zugeſtaͤndniſſe als feiner Meinung hoͤchſt guͤnſtig betrachten muͤſſen. Ungeachtet ein fo großer Verhaͤltnißtheil der Erd⸗ oberflaͤche vom Ocean, Seen, Fluͤſſen, Sandwuͤſten, nackten Felſen und ewigem Schnee bedeckt iſt, will ich doch anneh⸗ men, daß ein Fünftel der Erdoberflache 1 Fuß hoch mit Dammerde belegt ſey, daß ein Zehntel dieſer Dammerde aus organiſcher Materie und daß drei Fuͤnftel dieſes Zehntels aus Kohlenſtoff beſtehen. Dieſen Annahmen zufolge, würde der Boden der ganzen Erde ungefähr 34 Billionen Tonnen Kohlenſtoff in organiſchen Zuſammenſetzungen enthalten. Mehr Dammerde iſt auf der Erdoberflaͤche ſicher nicht vorhanden, und wir duͤrften der Wahrheit naͤher kommen, wenn wir annaͤhmen, nur der zehnte Theil der Erdoberflaͤche ſey nur 6 Zoll hoch mit Dammerde belegt, und in dieſer ſeyen nur 5 Proc. organiſche Stoffe enthalten. Laͤßt man dieſe Data gelten, fo werden aus den 34 Billionen Tonnen Koh— lenſtoff nur 400,000 Millionen Tonnen. Zwiſchen dieſen beiden Grenzen liegt, meiner Anſicht nach, die Wahrheit. Entſcheidet man ſich fuͤr die erſtere Annahme, ſo wuͤrde der Boden einen jaͤhrlichen Verluſt von 600 Millionen Ton⸗ nen Kohlenſtoff etwa 6000 Jahre lang, alſo ſo lange er— tragen koͤnnen, als der Menſch bis jetzt ein Bewohner der Erde geweſen ſeyn duͤrfte. Nach der zweiten Schaͤtzung wuͤrde bei gleich ſtarkem Verbrauche der Erdboden ſchon nach 740 Jahren feines ſaͤmmtlichen Kohlenſtoffs oder organiſchen Stoffes beraubt werden. Nun wird man aber fragen, ob die jaͤhrliche Conſum— tion an Kohlenſtoff aus organiſchen Zuſammenſetzungen ſich gegenwaͤrtig wirklich auf 600 Mill. Tonnen belaufe? Schaͤtzt man die taͤgliche Conſumtion des Kohlenſtoffes bei dem Athemholen fuͤr jeden Menſchen nur auf 5 Unzen, fo beläuft ſich der jährliche Verbrauch für das ganze Menfchen- geſchlecht ſchon auf den 12ten Theil jenes Quantums, naͤmlich auf 50 Mill. Tonnen. Die ſaͤmmtlichen Hausthiere conſumiren wenigſtens noch einmal ſoviel, alſo 100 Millionen Tonnen, und fuͤr die uͤbrigen Thiere kann man wenigſtens 150 Mill. Tonnen rechnen. Auf alle übrigen Urſachen der Verluſte an Kohlenſtoff, von denen weiter oben die Rede war, wollen wir, gewiß zu niedrig, 300 Mill. Tonnen rechnen, ſo daß im Ganzen 600 Mill herauskommen. Die naͤhere Begruͤndung dieſer Berechnung findet man am Schluſſe unſeres Artikels. angegebenen muthmaßlichen Berechnungen zufolge, würde durch die Verwandlung des ſaͤmmtlichen, in der organiſchen Materie des Bodens, ſowie in den lebenden Pflanzen und Thieren ent⸗ haltenen Kohlenſtoffs in Kohlenſäure der geringe Verhaͤltniß⸗ theil, den die Atmoſphaͤre gegenwärtig an Kohlenſaͤuregas be⸗ ſitzt, hoͤchſtens verdoppelt werden. 9 * 135 757. Das völlige Erloͤſchen der zwei organiſchen Naturreiche wuͤrde allerdings erſt zu einer ſpaͤtern Zeit eintreten, als die hier berechnete, weil allmaͤlig alle Jahr weniger Verluſt an Koblenftoff ſtattfinden wuͤrden, waͤhrend das Abſterben der Thiere und Pflanzen dem Erdboden neue Zuſchuͤſſe an un— zerſetztem organiſchen Stoff ertheilen wuͤrden. Aus einer ge— nauen Berechnung duͤrfte ſich aber ergeben, daß mit dem ſaͤmmtlichen in den lebenden Pflanzen und Thieren enthalte— nen Kohlenſtoff der gegenwaͤrtige Aufwand ſich nicht viel laͤn— ger als 300 Jahre beſtreiten ließe, waͤhrend auf der anderen Seite Vieles dafuͤr ſpricht, daß gegenwaͤrtig der Aufwand noch ſtark im Zunehmen begriffen, und daß daher an eine Abnahme deſſelben vor der Hand gar nicht zu denken ſey. Die Erſchoͤpfung der Fruchtbarkeit des Bodens durch aufeinanderfolgende Koͤrneraͤrnten ſcheint auf den erſten Blick für die Anſicht zu ſprechen, daß die organiſche Materie im Boden die Hauptnahrung der Pflanzen ſey; allein dieß laͤßt ſich auch in einer verſchiedenen Weiſe erklaͤren, waͤhrend an— dere Thatſachen fuͤr die entgegengeſetzte Anſicht zeugen, z. B. die offenbare Steigerung des Betrags an organiſchem Stoff in der Ackerkrume eines Feldes, das einige Jahre hinterein— ander als Waide benutzt worden iſt; und uͤberhaupt deutet das gegenwaͤrtige Anſehen der Erdoberflache im Allgemeinen durchaus nicht darauf hin, daß ihr bereits vielleicht die Haͤlfte ſeines urſpruͤnglichen Vorrathes an zur Unterhaltung von Pflanzen und Thieren beſtimmten Stoffen entzogen wor— den ſey. Allein ich wuͤrde zu ſehr in's Einzelne eingehen muͤſſen, wenn ich hier von den Veraͤnderungen beſonderer Theile des Erdbodens handeln wollte, waͤhrend ich mit der Behandlung meines Hauptthema's erſt halb fertig bin. Bisher haben wir vorausgeſetzt, nach jener Hypotheſe werde angenommen (wie es manche Phyſiologen noch jetzt wirklich thun), daß durch die gruͤnen Theile der Pflanzen keine Kohlenſaͤure aus der Luft zerſetzt, oder daß wenigſtens durch das Pflanzenreich kein Erſatz fuͤr die durch das Thierreich und andere Agentien veranlaßten Verluſte an Kohlenſtoff ge— leiſtet werde. In dieſer Form wird jedoch die Hypotheſe gegenwaͤrtig im Allgemeinen nicht mehr hingeſtellt, da ſo buͤndig nachgewieſen iſt, daß ſich die Pflanzen die unorgani— ſche Kohlenſaͤure der Atmoſphaͤre aneignen, daß faſt Niemand mehr das Gegentheil zu behaupten wagt. Und gleich hier wollen wir bemerken, daß, wenn man anerkennt, ein großer Theil des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenſtoffs ſtamme aus der unorganiſchen Zuſammenſetzung der Atmoſphaͤre, man zugleich zugiebt, daß moͤglicherweiſe, ja wahrſcheinlich, alle Pflanzennahrung unorganiſcher Art ſey. Allein kann dieſe Beſchraͤnkung der Hypotheſe, daß die aus dem Boden bezogene Pflanzennahrung organiſche Ma— terie ſey, irgend Vorſchub leiſten? Der Kohlenſtoff iſt nicht der einzige Beſtandtheil der Pflanzen. Wo das vegetabili— ſche Gewebe Kohlenſtoff enthaͤlt, iſt jederzeit auch Waſſer— ſtoff in feſten Verhaͤltnißtheilen, nebſt Sauerſtoff, ja wohl auch Stickſtoff vorhanden. Nun kann es nichts helfen, wenn man annimmt, daß die Erſchoͤpfung des im Boden enthal⸗ tenen Kohlenſtoffs dadurch hinausgeſchoben werde, daß ein XXXV. 9. 136 großer Theil des Kohlenſtoffs der Pflanzen von der unorga⸗ niſchen Materie der Atmoſphaͤre herruͤhre, inſofern ja der übrige Kohlenſtoff, nebſt dem Waſſerſtoffe ıc., von der ors ganiſchen Materie im Boden bezogen werden muͤßte. Denn die feſten Verhaͤltniſſe in Betreff der Beſtandtheile der veger tabiliſchen Gewebe muͤſſen aufrecht erhalten werden. Eine Pflanze kann keinen Kohlenſtoff in ihrem Gewebe fixiren, ohne zugleich die angemeſſenen Verhaͤltnißtheile an Waſſer⸗ ſtoff und ihren übrigen Beſtandtheilen irgendwoher zu bezie⸗ hen. Muß bieſer Waſſerſtoff von der im Boden enthalte⸗ nen organifhen Materie erlangt werden, fo kann es durch⸗ aus keinen Vortheil bringen, wenn ſich die Pflanze auch noch for viel Kohlenſtoff aus der Atmoſphaͤre aneignet; denn indem die organifhe Materie im Boden den noͤthigen Verhaͤltnißtheil an Waſſerſtoff liefert, wird zugleich ebenſoviel Kohlenſtoff aus ihr entbunden oder frei, als zum Wachsthum der Pflanze hingereicht haben wuͤrde, wenn dieſe auch keinen aus der Atmoſphaͤre bezöge, wenn nicht etwa die organiſchen Zuſam⸗ menſetzungen im Boden, im Vergleiche mit deren Waſſerſtoff, einen geringern Verhaͤltnißtheil an Kohlenſtoff enthalten, als die Pflanzengewebe, was jedoch bekanntermaaßen nicht der Fall iſt. Waͤre demnach die organiſche Materie im Boden die einzige Quelle des den Pflanzen zugehenden Waſſerſtoffs, ſo müßte ſich im Boden beſtaͤndig Kohlenſtoff anhaͤufen, es fen denn, daß er ſich fortwährend mit dem Sauerſtoffe ver» baͤnde und als Kohlenſaͤuregas in die Atmoſphaͤre entwiche. Liebig''s Annahme, daß das Waſſer die Quelle des in den Pflanzen enthaltenen Waſſerſtoffs ſowohl, als Sauer: ſtoffs ſey, deutet dagegen auf einen unerſchoͤpflichen Vorrath von dieſen beiden Elementen hin, der mit der Fixirung von Kohlenſtoff aus der Luft, fo ſchleunigen Fortgang dieſelbe auch haben mag, vollkommen Schritt halten kann. Hier bietet ſich indeß eine Schwierigkeit dar, daß naͤm⸗ lich manche vegetabiliſche Zuſammenſetzungen, im Vergleiche mit dem Sauerſtoffe, einen weit groͤßeren Verhaͤltnißtheil Waſſerſtoff enthalten, als das Waſſer ſelbſt, und dieſer Um: ſtand ſcheint auf den Schluß hinzufuͤhren, daß der Waſſer— ſtoff der Pflanzen aus noch anderen Quellen bezogen werde, die vielleicht unorganiſcher Art ſind, wie Ammonium und Kohlenwaſſerſtoffgas. Dieſen Gegeuſtand muß ich vor der Hand auf ſich beruhen laſſen; allein ich wollte bemerken, daß die noch nicht hinreichend genau unterſuchte Entwickelung von Stickſtoff aus den Blaͤttern der Pflanzen mit der Frage zuſammenhaͤngt, ob die Pflanzen einen Theil ihres Waſ⸗ ſerſtoffgaſes dem Ammonium verdanken. Liebig nimmt an, der in den Pflanzen enthaltene Sauerſtoff ruͤhre von der Zerſetzung des Waſſers her. In dieſer Beziehung ſind bereits die meiſten Schwierigkeiten er⸗ ledigt. Uebrigens iſt die Quantitaͤt Sauerſtoff, die der Boden bei der Praͤparation deſſelben vor dem Beſaͤen, ſo— wie während des Wachsthums der Pflanzen, abſorbirt, offen- bar größer, als ſich nach der aus demſelben gezogenen ges ringen Menge Kohlenſtoffs ſchließen laſſen moͤchte. Auch dieſer Punct bedarf noch fernerer Unterſuchung. (Schluß folgt.) 137 Miscellen. Ueber die Tropfbarflüſſigmachung des Stickſtoff⸗ oxydgaſes hat Herr Natterer jun. zu Wien ſchon am 18. November 1844 der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften eine Mit⸗ theilung gemacht. Als es Hrn. Thilorier vor mehreren Jahren gelang, Kohlenfäuregas tropfbarfluͤſſig und feſt zu machen, Erſteres mittelſt eines Druckes von etwa 70 Atmoſphaͤren, ſchloß man, daß es überhaupt kein Gas gebe, welches ſich durch ſtarke Erniedri⸗ gung der Temperatur und Eräftige Zuſammendruͤckung nicht tropf⸗ barflüffig machen laſſe. Hr. Natterer hat es nun dahingebracht, das ſogenannte Lachgas, welches durch die Eigenſchaft, die Perſo⸗ nen, die es einathmen, heiter zu ſtimmen, dem Publicum ſehr be= kannt iſt, in einer Flaſche von geſchmiedetem Eiſen tropfbarfluͤſſig zu machen. Den Druck, welchen er mittelſt einer kleinen eiſernen Pumpe zu Wege brachte, ſchaͤtzt er auf 50 Atmoſphaͤren. Die ſo erhaltene Fluͤſſigkeit nimmt etwa ½¼ o des Volumens des Gaſes ein, bleibt an der freien Luft mehrere Stunden fluͤſſig und iſt ſehr duͤnnfluͤſſig. Mit der Haut in Beruͤhrung gebracht, verurſachte ſie ein heftiges Brennen. Herr Natterer erhielt etwa 1 Pinte von derſelben und konnte daher mehrfache Experimente damit anſtellen. 757. XXXV. 9. 138 (Athenacum, Nr. 892, p. 1099.) Ueber Faraday 's gelungenen Verſuch, dieſes Gas tropfbarfluͤſſig zu machen, iſt bereits in Nr. 723. (Nr. 19. d. XXXIII. Bes.), S. 293 berichtet worden. Ueber die Phytelephas macrocarpa (vegetabilifches Elfenbein oder Tagua= Pflanze) hat Hr. Dr. Lankeſter der Ge: lehrtenverſammlung zu Cambridge eine Mittheilung gemacht, in⸗ dem er zugleich die Zeichnung einer jungen Pflanze vorlegte, welche jetzt gerade in dem Garten der HHrn. Eoddiges zu Hackney im Wachsthume iſt. Auch befindet ſich in dem britiſchen Muſeum eine Frucht dieſer Pflanze, wovon ebenfalls eine Zeichnung vorgelegt wurde. Ein bemerkenswerther Umſtand in der Oekonomie dieſer Pflanze war, daß das hornartige Eiweiß des Saamens waͤhrend des Keimungsproceſſes keiner Veraͤnderung zu unterliegen ſchien. In der Pflanze in dem Loddigges ſchen Garten, welche jetzt fünf Jahre alt iſt, war der Saamen noch an der Oberflaͤche des Bodens verblieben, allem Anſcheine nach ſo hart, wie jemals. Im Keimen war der junge Embryo durch eine rhizoma etwa 1 Zoll tief in die Erde abwärts geführt und hatte da angefangen, zu wach⸗ ſen. Mehrere Analyſen des Eiweißes des Saamens waren von Payen, Connel, Baumhauer und, auf Hrn. Lankeſter's Erſuchen, von Dr. Percy zu Birmingham vorgenommen worden. Men Ueber die Entzündung und Verſchwaͤrung des Mutterhalſes bei Frauen, die noch keine Kinder geboren haben. Von Dr. Henry Bennet. Um die krankhaften Veraͤnderungen, welche in Folge von Entzuͤndungen am Mutterhalſe ſtattfinden, genau wuͤr— digen zu koͤnnen, iſt es noͤthig, die eigenthuͤmliche Structur dieſes Organs ſich zu vergegenwaͤrtigen. Der cervix uteri enthaͤlt, wie bekannt, eine Quantitaͤt Fett, welches dem uterus ſelbſt gaͤnzlich fehlt, iſt gefaͤßreicher, als die anderen Partieen der Gebaͤrmutter und zeigt auch einige wenige Muskelfaſern. Der Umfang und die Länge des cervix find bei verſchiedenen Frauen ſehr verſchieden, letztere variirt von wenigen Linien bis zu 1“ und darüber, ja zuweilen reicht die portio vaginalis bis zum Ausgange der vul- va, ohne vom gefunden Zuftande abzuweichen. Der cer- vix iſt bei normalem Verhalten vollkommen weich und glatt, und bei'm Druck auf denſelben fuͤhlt man weder Haͤrte noch Reſiſtenz. Ferner findet auch ein gewiſſer Grad von Elaſticitaͤt an demſelben ſtatt, welcher, mehr oder mins der von der Norm abweichend, allgemeine oder locale Con— geſtion oder Atonie des Uterinſyſtems andeutet. Die Ober— flaͤche des Mutterhalſes fuͤhlt ſich oft, faſt immer, bei der Berührung klebrig an, in Folge der vorhandenen Schleim⸗ ablagerung; der Druck iſt unſchmerzhaft, und bei Ausfuͤh— rung deſſelben bewegt ſich der Koͤrper des uterus frei. Was nun den pathologiſchen Zuſtand des Mutterhalſes betrifft, fo kommen Entzündungen und Ulcerationen deſſel— ben bei Jungfrauen hoͤchſt ſelten vor; dagegen treten letztere beſonders bei verheiratheten Frauen, wo durch die geſchlecht— liche Vereinigung Reizung und Erſchuͤtterung des cervix uteri ſtattfindet, um fo leichter nach entzündlichen Zuſtaͤn— Rau d den deſſelben, ein. Der concubitus kann in den meiſten Fällen als causa proxima angeſehen werden. Die Ent⸗ zuͤndung und Verſchwaͤrung kommt entweder mit Leukorrhoͤe vor, oder dieſelbe iſt nur ſehr unbedeutend oder fehlt gaͤnz— lich. Die Entzuͤndung, welche jenes Organ bei noch nicht ſchwanger geweſenen Frauen befaͤllt, beſchraͤnkt ſich faſt im⸗ mer auf die Schleimhaut und implicirt ſelten die tieferen Structuren, ausgenommen bei allgemeiner metritis. Die Entzündung kann mit allgemeiner vaginitis complicirt ſeyn, wie es gewoͤhnlich bei Gonorrhoͤe der Fall iſt, oder ſie be— ſchraͤnkt ſich auf die portio vaginalis und den Theil der vagina, welcher dicht an dieſelbe anſtoͤßt, wie, z. B, das obere Viertel oder Fuͤnftel, oder ſie iſt auf die Muͤndung des Muttermundes beſchraͤnkt. Die Leukorrhoͤe fehlt gewoͤhnlich dann, wenn die Entzuͤndung ſehr begraͤnzt iſt, faſt ganz, indem das geringe fehleimig = eitrige Secret ſich in der vagina verliert. Dieſes iſt meiſt dann der Fall, wenn die Entzün: dung eine Folge des concubitus iſt. Die Kranke klagt dabei uͤber Schmerzen in den Lenden, und zuweilen uͤber tiefſitzende Schmerzen in der regio hypogastrica hinter dem Schaambein, und der coitus iſt ſchmerzhaft; in ſelte— neren Faͤllen iſt ein Gefuͤhl von Hitze an der obern Por— tion der vagina vorhanden, ſobald die Affection einige Ausdehnung gewonnen hat. Bei lange vernachlaͤſſigten Faͤl len ſtellt ſich auch ein Gefuͤhl von Schwere und Abwaͤrts— draͤngen ein. Bei'm Touchiren findet man den Mutterhals heißer, als den unteren Theil der vagina, derſelbe fuͤhlt ſich nicht mehr klebricht an, auch ſind ſein Volum und ſei⸗ ne Elaſticitaͤt mehr oder weniger vermehrt. Wenn Ulceras tion eingetreten iſt, welche faſt immer vom Muttermunde aus ſich verbreitet, ſo findet man eine leichte, oberflaͤchliche Verhaͤrtung der Schleimhaut und des Unterbautzellgewebes vor, welche am Deutlichſten am Rande der Muttermunds⸗ 189 lippen gefühlt wird, Dieſe Verhärtung iſt jedoch nicht im⸗ mer im Anfange vorhanden, oder ſie beſteht auch nach Hei— lung der Ulcerationen noch einige Tage fort. In ſolchen Faͤllen ſichert man die Diagnoſe durch Anwendung des Mut⸗ terſpiegels. Bei der Unterſuchung mit demſelben findet man ſtets eine gewiſſe Quantität ſchleimig⸗eitriger Materie an der oberen Partie der vagina, der cervix uteri iſt ge woͤhnlich angeſchwollen, und zwar am Meiſten an der obe⸗ ren Lippe und mehr oder weniger geroͤthet und glaͤnzend. An der portio vaginalis ſieht man haͤufig kleine, weiße oder rothe blaͤschenfoͤrmige oder knoͤtchenartige Erhabenhei⸗ ten — die aufgetriebenen oder hypertrophiſchen Schleimfol⸗ likeln. Auf der ulcerirten Schleimhaut zeigen ſich kleine, vasculaͤre Granulationen von hellrother Farbe; die ulcerirte Flaͤche iſt bald uͤber die umgebende erhoͤht, bald vertieft. Wenn die Ulceration am Eingange des Muttermundes ſtatt⸗ findet, ſo iſt es oft ſchwer, ſie zu entdecken, wofern man nicht die Uterinlappen etwas voneinander entfernt. Gewoͤhn⸗ lich fuͤllt eine Maſſe halbdurchſichtigen Schleims die Uterin⸗ hoͤhle aus. In vielen Faͤllen verurſacht der Druck des Randes des speculum oder ſelbſt des zum Abwiſchen des Schleims angewandten Charpiepinſels ein leichtes Hervor— quellen von Blut aus der ulcerirten Oberflache, was auch haͤufig der Fall iſt, wenn bei dem angegebenen Zuſtande der Theile der coitus ſtattfindet. Die Menſtruation iſt meiſt ſchmerzhafter, als im geſunden Zuſtande, und zuweilen iſt in Folge einer Reizung der Harnorgane haͤufiger Drang zum Uriniren vorhanden. Selten findet eine bedeutende allge— meine Reaction ſtatt, wenn dieſelbe nicht durch die in Folge der oͤrtlichen Beſchwerden eintretende Gemuͤthsaufregung herbeigefuͤhrt wird. Dieſes ſind die Symptome, welche durch Entzuͤndung und Verſchwaͤrung des Mutterhalſes bei unge— ſchwaͤngerten Frauen erzeugt werden, und welche ſelten oder nie die Heftigkeit erreichen, wie ſie bei Frauen vorkommt, welche Kinder geboren haben, und wo bei der Entzuͤndung ein Lympherguß in die Centralgewebe des Mutterhalſes vor: kommt. Verfaſſer giebt zum Schluſſe zwei Faͤlle, wo die Heilung durch Enthaltſamkeit vom Koitus, oͤrtliches Caute— riſiren, emollirende Injectionen und allgemeine Bäder voll— ftändig herbeigeführt wurde. (Lancet, Nr. VII. 1845.) Ueber die Zuſammenſetzung des Blutes im kran— ken Zuſtande. Von Dr. A. Becquerel und A. Rodier. In der Mehrzahl der Fälle find die Modiſicationen der Zus ſammenſetzung des Blutes die Folgen der Entwickelung der Krank⸗ heit und der dieſelbe begleitenden Phänomene: In zwei Fällen jedoch kann die pathologiſche Veränderung des Blutes die Urſache der Krankheit oder gewiſſer beſonderer Zufaͤlle ſeyn, ohne jedoch an und fuͤr ſich allein die ganze Krankheit auszumachen. So iſt es erſtlich bei der Mehrzahl der Sumpfvergiftungen, welche Typhus, Peſt, gelbes Fieber u. ſ. w. erzeugen, wahrſcheinſich, daß das krank⸗ machende Agens, die Urſache der Krankheit, zunaͤchſt in's Blut ein⸗ dringt und von da aus die Krankheit hervorbringt. Zweitens giebt es Veränderungen des Blutes, weiche die Urfache beſonderer Zufälle find, jo die Anämie in Folge der Abnahme der Blutkuͤgelchen, Häͤ⸗ morrhagien in Folge einer beträchtlichen Verminderung des Faſer⸗ 757. XXXV. 9. 140 ſtoffes u. ſ. w. — Was nun aber gewiſſe allgemeine Einflüffe bee trifft, welche im pathologiſchen Zuſtande die Juſammenſetzung des Blutes modificiren, fo laſſen ſich dieſelben in Form von folgenden acht Geſetzen aufſtellen. 1. Die Entwickelung einer Krankheit an ſich verändert fait immer merkbar die Zuſammenſetzung des Blutes, und dieſe Ver⸗ änderung iſt in der Mehrzahl der Fälle faſt eine und dieſelbe. Eine Krankheit und in'sbeſondere eine acute kann ſich als lo⸗ cale oder conſtitutionelle entwickeln. Im erſtern Falle findet ſich keine merkbare Modification des Blutes, im zweiten Falle dagegen findet dieſelbe ſtatt. Die durchſchnittliche urſpruͤngliche Verände⸗ rung des Blutes in Folge von bronchitis, pneumonia, pleuritis, rheumatismus acutus, typhus, Lungentuberkeln u. ſ. w. ift fol⸗ gende, ein Ergebniß von 120 an den erſten Aderlaͤſſen angeſtellten Analyſen. | Mittlere Zuſammenſetzung des Blutes in acuten Krankheiten. Maͤnner Frauen Dichtigkeit des ſeines Faſerſtoffs beraubten Blutes . . 8 . . 1056 1055 Dichtigkeit des Serums. . 5 1027 102 Waſſer. . . . . . . 800 804 Blutkuͤgelchen "hr: 5 . 125 118 Eiveige a ee: 2353 66 65 Extractivſtoff und freie Salze 7 7,5 ett . . . 5 . 5 . 1,700 1,700 Serolin 8 5 2 5 . veraͤnderlich veraͤnderlich Phosphorſtoff 5 b © - 0,560 0,600 Choleſterine ° > . 2 » 0,110 0,130 Seife . 0 8 2 9 0 1 0,900 Auf 1,000 grammes calcinirten Blutes. Chlorkali - - 2 5 3 3,1 3,0 Loͤsliche Salze . . . ° 2,6 25 Phosphate 8 5 8 8 a . 0,450 0,450 Eifen 8 2 & 2 - . 0,500 0,490 Wenn wir die gegebenen Befunde mit dem Normalzuſtande des Blutes vergleichen, ſo finden wir, als Folge der Krankheit, Ver⸗ minderung der Blutkuͤgelchen, weniger beträchtliche Abnahme des Eiweißes, Zunahme des fetten Phosphorſtoffes, der Choleſterine, des Kalkphosphats. Was die Urſache dieſer Veränderungen betrifft, fo ſcheint die Abnahme der Blutkuͤgelchen und des albumen eine Fol⸗ ge der Diaͤt und des Einfluſſes der Krankheit zu ſeyn und die Zu⸗ nahme der Choleſterine durch die unter dem Einfluſſe der Diaͤt ab⸗ nehmende Secretion der Galle, wodurch die Beſtandtheile der letz⸗ teren nicht in dem Maaße, wie ſonſt, aus dem Blute ausgeſchie⸗ den werden und ſich in demſelben anhaͤufen, hervorgebracht zu werden. Die Zunahme des Fettſtoffes bleibt unerklaͤrlich, die des Kalkphosphats dagegen mag wohl der in Folge der Anomalien der Nutrition entſtehenden mangelnden Affimilation jener Materie durch die Knochen und der Reſorption derſelben zugeſchrieben werden koͤnnen. Das Geſagte bezieht ſich nur auf acute Krankheiten, der Einfluß chroniſcher Krankheiten auf das Blut iſt nach dem Ver⸗ laufe derſelben verſchieden und tritt erſt weit ſpaͤter hervor. 2. Aderläſſe üben auf die Zuſammenſetzung des Blutes einen auffallenden Einfluß aus, welcher um ſo ſtaͤrker hervortritt, je oͤf⸗ ter dieſelben wiederholt werden. Nach Andral und Gavarret haben Aderläffe namentlich eine Verminderung der Blutkügelhen zur Folge, während das Ver⸗ haͤltniß der Fibrine und der feſten Beſtandtheile des Serums weit weniger von denſelben modificirt wird. Folgende Analyſen beftäti- gen dieſe Angaben. Durchſchnittliche Zuſammenſetzung des Blutes bei 20 In⸗ dividuen, denen zwei Mal zur Ader gelaſſen wurde. 1. Aderlaß. 2. Aderlaß. Dichtigkeit des defibrinirten Blutes . 1055 1051,2 — — Serums . . 1036,1 1025,3 Waſſer £ & E . 796,2 812 Kuͤgelchen ee ve eee 125,4 112 141 1. Aderlaß. 2. Aderlaß. Albumen . . . . . - 66,2 62,5 Faſerſtoff 5 . . e 3,7 3,8 Extractivſtoff und freie Salze. 3 6,8 7,6 Fettſtoff 5 8 „„ 1,560 Serolin . - 3 c - - 0,027 0,047 Phosphorſtoff Ä . . > . 0,490 0,465 Choleſterine . . . > 8 0,178 0,150 Seife „% 9 8800 Auf 1000 Theile calcinirten Blutes. ' Chlorkali . = . . . 2,8 3,4 Loͤsliche Salze „ EN 74 2,5 Phosphate a 3 x x a 0,435 0,417 Eiſen . 8 . . 5 . . 0,527 0,488 Durchſchnittliche Zuſammenſetzung des Blutes bei 10 zwei Mal zur Ader gelaſſenen Individuen. 1. Aderlaß 2. Aderlaß 3. Aderlaß Dichtigkeit des bdefibrinirten Blutes 1056 1053 1049,6 — — Serum 1025,8 1026,3 1025, Waſſer . ° 5 3 793 807,7 823,1 Blutkuͤgelchen . - 0 1292 116,3 99,2 Albumen . 8 . . 65 63,7 64.6 Faſerſtoff - . . + 35 38 3,4 Extractivſtoff und freie Salze 7,7 6,9 8 CCC 1584 1,530 Serolin 2 - - 8 0,026 0,888 0,212 Phosphor» Fettftof » © 8 0,637 0,489 0,450 Choleſterine 1 0 5 0,106 0,156 0,149 Seife 8 8 0,893 0,851 0,919 Auf 1000 Theile calcinirten Blutes. Chlorkalium 8 8 e 8 2,8 3,5 3 Loͤsliche Salze la Te f 2.6 2,5 2,7 Phosphate 004 0,498 O,348 Eiſen 8 x 8 5 0,513 0,471 0,468 Aus dieſen Tabellen geht alfo in Bezug auf die durch Ader- läſſe bewirkte Veraͤnderung des Blutes hervor: Bedeutende Ab— nahme der Dichtigkeit des defibrinirten Blutes, geringe Abnahme des albumen und der Dichtigkeit des Serums, keine Veraͤnderung des Faſerſtoffes, der Extractivſtoffe und freien Salze, geringe Ab— nahme des Fettes, veraͤnderliche Zunahme des Serolins, keine Ver: änderung des Phosphor⸗Fettſtoffes, geringe Zunahme des Choleſte⸗ rins, keine Veränderung der Seife, des Chlorkaliums und der ans deren Salze, geringe Abnahme des Eiſens. 3. Der plethoriſche Zuſtand und die denſelben begleitenden Zufälle ſind wahrſcheinlich eine Folge der Zunahme der im Orga— nismus enthaltenen Blutquantität, aber keinesweges einer Mi⸗ ſchungsveränderung des Blutes und in'sbeſondere einer Vermehrung der Blutkuͤgelchen. Als das Reſultat von ſieben Analyſen fanden die Verfaſſer, daß bei der plethora die Zuſammenſetzung des Blutes faſt ganz die normale bleibt, eine geringe Zunahme des albumen ausgenommen. Die Zufälle der erſteren ſcheinen alſo nur eine Folge der Anhaͤu— fung des Blutes in den Gefaͤßen und nicht der Zunahme der Blut— kuͤgelchen zu ſeyn, wofuͤr auch das Vorkommen der plethora bei Chloroſe und Schwangerſchaft, bei welchen beiden eine Verminde— rung der Blutkuͤgelchen ſtattfindet, ſpricht. 4. Die Verminderung der Normalquantität der Blutküuͤgelchen, wie fie den in neuerer Zeit ſogenannten anaͤmiſchen Zuſtand charak⸗ teriſirt, wird häufig, ſey es als weſentliches Symptom, ſey es als Complication, ſey es als Folgeſymptom bei Krankheiten, beobachtet. Die Symptome des ebenbezeichneten anaͤmiſchen Zuſtandes ſind Blaͤſſe der Haut, Abnahme der Kraͤfte, leichtes Ermuͤden, Herz⸗ klopfen u. ſ. w. Neben dieſem aus einer Verminderung der Blut— kuͤgelchen hervorgehenden Zuſtande kann eine wahre plethora vor: handen ſeyn, deren Symptome ſich dann mit den eben angefuͤhrten compliciren; endlich kann dagegen bei der Anaͤmie eine wirkliche Abnahme der Blutquantität vorkommen, wo wir dann beſonders 757. XXXV. 9. 142 Abmagerung, Schlaffheit der Muskeln, große Blaͤſſe, leidenden Ge⸗ ſichtsausdruck u. ſ. w. vorfinden. Dieſe drei Varietäten der Anä⸗ mie (Abnahme der Blutkügelhen, Zunahme oder Abnahme der Blutmaſſe) kommen vor bei der Chloroſe, nach wiederholten Ader⸗ laͤſſen und profuſen Haͤmorrhagieen, nach großen Saͤfteverluͤſten, bei Bleivergiftung und langdauernden Wechſelfiebern, in der Recon: valescenz von ſchweren, ſchwaͤchenden Krankheiten, bei ſchlechtge⸗ naͤhrten oder einer langen Diät unterworfenen und bei in feuchten, ungeſunden Orten wohnenden Individuen. Von allen dieſen Zu⸗ ftänden iſt es die Chloroſe faſt allein, bei welcher plethora vors kommen kann. Wir laſſen hier eine Tabelle uͤber die durchſchnitt⸗ liche Zuſammenſetzung des Blutes in 35 Fällen von betraͤchtlicher Abnahme der Blutkuͤgelchen folgen. Dichtigkeit des defibrinir- Serolin 2 „ veränderlich ten Blutes. 1047, Phosphorſtoff 3 0,663 Dichtigkeit des Serums 1017,1 Choleſterine 0 0,110 Waſſer 5 5 822 Seife 8 0,992 Blutkuͤgelchen 94,7 auf 1000 gr. calcinirten Eiweiß 0 . 68 Blutes. Faſerſtoff . Chlorkalium . 5 358 Extractivſtoff und freie Loͤsliche Salze 5 2,4 Salze . - Phosphate u 0525 Fett . = 1,806 | Eifen 8 < . 0,366 In allen dieſen Fällen war wegen der vorhandenen plethora vera der Aderlaß durchaus indicirt. Obige Tabelle ergiebt nun: eine bedeutende Abnahme der Dichtigkeit des defibrinirten Blutes und der Blutkuͤgelchen, Unveraͤndertheit der Dichtigkeit des Serums, geringe Zunahme des Faſerſtoffes, des Fettes, des PhosphorsFetts ſtoffes und des Kalkphosphats, Abnahme der Seife und des Ei⸗ ſens, keine Veränderung der Choleſterine, der Chlor- und löslichen Salze. — Die Bezeichnung Anaͤmie ſollte nur fuͤr die Faͤlle an⸗ gewendet werden, wo eine wirkliche Verminderung der gehemmten Blutmaſſe ſtattfindet, wobei faſt immer eine Abnahme der Quanti⸗ taͤt der Blutkuͤgelchen vorhanden iſt. 5. Die Entwickelung einer Entzuͤndung hat bemerkenswerthe Modificationen in der Zuſammenſetzung des Blutes zur Folge, wel— e in einer Zunahme des Normalgehaltes an Faſerſtoff beſtehen. Obige Thatſache, von Andral und Gavarret zuerſt ange⸗ geben, hat ſich durch die Unterſuchungen der Verfaſſer beftätigt ges funden, wie es folgende Tabellen ergeben, welche wegen der auffal— lenden bei den beiden Geſchlechtern ermittelten Reſultate getrennt aufgefuͤhrt werden mußten. Mittlere Zuſammenſetzung des Blutes bei Entzuͤndungen. Maͤnner. Frauen. Dichtigkeit des defibrinirten Blutes . 1056,3 105 4,5 — — Serums . . 1027 1026,8 Waſſer g 8 . . 72175 801 Blutkuͤgelchen . . . 128 118,6 Albumen 8 . 8 0 66 65,8 Fibrine 8 . 8 . 35,8 57 Ertractivftoff und löslihe Salze . 7 7,2 Fett 8 a 0 8 x . 1,742 1,669 Serolin 8 - 0 2 2.120288 0,024 Phosphorſtoff . © R . 0,602 0,601 Choleſterine . 0 & . R 0,136 0,130 Seife 8 0 . 0 8 0 0,984 0,914 Auf 1000 grammes calcinirten Blutes. Chlorkalium 0 . . . & 3 3,0 Löslihe Salze - 5 8 5 . 2,4 2,7 Phosphate 6 0 8 8 8,448 0,344 Eifen x B 0,490 0,480 Aus dieſer Zuſammenſtellung ergiebt ſich eine Zunahme der Fi—⸗ brine und der Choleſterine und eine Abnahme des albumen bei den Entzuͤndungen, im Vergleiche mit dem Normalzuſtande. Ob die Fibrine durch Umwandlung des albumen, alſo auf Koſten deſſelben, 143 unahm, kann hier nur als eine Hypotheſe aufgeftellt werden. icht aber bei Entzündungen allein findet ſich die Normalquantitaͤt des Faſerſtoffes vermehrt, ſondern auch bei der Chloroſe und bei der Schwangerſchaft, wiewohl in einem viel geringeren Grade. 6. Die Normalquantität des Faſerſtoffes kann in zwei Faͤllen ſich vermindern und vielleicht auch letzterer in ſeinen phyſicaliſchen Eigenſchaften alterirt werden, nämlich 1) bei Vergiftungen und 2) bei einer ſchlechten und ungenuͤgenden Koſt. Jene Verminderung braucht aber nicht nothwendigerweiſe einzutreten. Unter die Vergiftungen, in der ausgedehnteſten Bedeutung ge— nommen, zählen wir auch das Typhusfieber, den Kriegstyphus, die Peſt, das gelbe Fieber und das Wechſelſieber, bei welchen Krankheiten wahrſcheinlich das Blut primär durch die Einführung eines fremden Princips, eines beſonderen miasma, alterirt wird. Wir rechnen ferner hieher die aus aͤhnlichen Urſachen entſtehenden fieberhaften Exantheme, den Milzbrand, die Hundswuth u. ſ. w. In allen dieſen Faͤllen finden zuvoͤrderſt, ſobald ſich die Krankheit gehoͤrig entwickelt hat, die in Folge der Entwickelung der letzte— ren an ſich entſtehenden Veraͤnderungen des Blutes, wie Vermin— derung der Blutkuͤgelchen u. ſ. w., ſtatt; nach und nach aber tritt auch eine Verminderung des Faſerſtoffes ein, wiewohl durchaus nicht regelmäßig und in allen Fällen. — Zuweilen faͤllt dieſe Verminde— rung der Fibrine mit zwei deutlich hervortretenden Allgemeinleiden zuſammen, naͤmlich mit einem Zuſtande von Anaͤmie und mit einer Tendenz zu Haͤmorrhagieen. Bei ungeſunder und ungenuͤgender Koſt kann gleichfalls eine Verminderung des Faſerſtoffes eintreten, wie wir fie auch bei dem aus obiger Urſache hervorgehenden Scor⸗ but oder der Werlhof'ſchen Krankheit beobachten. 7. Wenn eine Secretion unterdruͤckt oder auch nur vermin— dert worden iſt, fo concentrirt ſich oft eine gewiſſe Anzahl der Mi- ſchungsbeſtandtheile jenes Secrets im Blute und findet ſich demzu— folge in demſelben in groͤßerer Menge vor. Als Beweiſe fuͤr dieſen Lehrſatz dienen einerſeits die Reſultate der Unterſuchungen von Prevoſt und Dumas, nach welchen bei Unterbindung der Harnleiter eine betraͤchtliche Menge von Harn— ſtoff im Blute gefunden wurde und andererſeits die Thatſache, daß bei Unterdruͤckung oder Verminderung der Gallenſecretion, Choles ſterine in weit groͤßerer Menge, als im Normalzuſtande, im Blute ſich findet, welche Zunahme mit der ſtaͤrkeren Abnahme der Gal— lenſecretion ſteigt. 8. Das Eiweiß des Serums erleidet eine beträchtliche Abnah⸗ me in feiner Quantität bei'm morbus Brightii, bei gewiſſen von hydrops begleiteten Herzkrankheiten und bei ſchweren Puerperalſie⸗ bern. (Gaz. méd. de Paris, No. 48. 1844.) 757. XXXV. 9. 144 Miscellen. Ein Abgang von Spulwuͤrmern durch den Nabel, wird von Dr. M. Nicolich in Gazz. med. di Milano, Nr. 11. 1845 beſchrieben: Der Fall betraf eine Dame von 25 Jahren, welche, fruͤher ganz geſund, kurze Zeit nach dem Tode ihres Saͤug⸗ lings, nach welchem ſich auch die Menſtruation wieder eingeſtellt hatte, von den Symptomen einer orphoritis befallen wurde. Die Entzuͤndung ging in Eiterung uͤber, am Nabel bildete ſich ein Ab⸗ ſceß, welcher ſich oͤffnete und foͤtiden Eiter entleerte. Mit dem Eiter gingen einige Tage darauf zu zweien Malen 3 und 6 Spul⸗ wuͤrmer ab. Wahrſcheinlich hatte ſich die Entzuͤndung auch auf die Darmhaͤute verbreitet und dieſelben perforirt, die contenta des Darmes konnten dagegen wegen der fruͤh ſich bildenden Adhaͤſion nicht austreten, und nur die Lumbrici waren durch die gebildete Oeffnung herausgekommen. Ein Fall von ſpontaner Hydrophobie bei einer Hündin, der von Prof. Patellani als Beweis angeführt wird, daß die ſpontan aus unbefriedigter Geſchlechtsluſt hervorgehende Hunds⸗ wuth nicht nur bei Hunden, ſondern auch bei Huͤndinnen vor⸗ kommt. Ein ſehr junger weiblicher Jagdhund, welcher mit Rindvieh zuſammen in einem Stalle gehalten wurde, wurde am 10. Januar 1844 bruͤnſtig, verließ den Stall und lief anderen Hunden nach, welche jedoch, wegen Mißverhaͤltniß der Geſchlechtstheile, feine auf: geregte Geſchlechtsluſt nicht zu befriedigen vermochten. Von ihrem Herrn in den Stall zurückgebracht, verſchmaͤhte die Hündin Speiſe und Trank, und binnen Kurzem bildete ſich die Hydrophobie vollſtaͤndig bei ihr aus. Aus dem Stalle verjagt, lief ſie in's Freie hinaus und wurde daſelbſt den Woͤlfen zur Beute. Der Stier, welcher neben ihr geftanden hatte, wurde ſogleich iſolirt und blieb bis zum 10. Febr. geſund, an welchem Tage er gleichfalls wuͤthend wurde und todtges ſchlagen werden mußte. Ueber den Cyſtenkropf und ſeine Behandlung mit Jodeinſpritzungen von Bouchacourt. Der Cyſtenkropf entſteht, nach dem Verf., bald durch die Entwickelung einer anoma⸗ len feröfen Taſche inmitten der glandula thyreoidea, bald durch die Eiterung einer der um dieſe Druͤſe herum oder im Innern derſel⸗ ben befindlichen Druͤſen (2) Dieſe anatomiſche Differenz iſt jedoch für die Behandlung von keinem Belange. Sobald ſich nun Fluͤſ⸗ ſigkeit in der Geſchwulſt zeigt, zieht Hr. B. die Punction und da⸗ rauf folgende Injection einer reizenden Fluͤſſigkeit der Inciſion vor. Er wendet hierzu eine Sodauflöfung, in dem Verhaͤltniſſe von 1 Th. tinctura Iodi auf 2 — 5 Th. Waſſer an. In den zwei vom Verf. mitgetheilten Faͤllen entzuͤndete ſich der tumor nach der Injection, und in ſeinem Inneren bildete ſich Eiter, welchem man zuletzt bei dem einen Kranken durch die Inciſion, bei dem anderen vermittelſt des Aetzmittels Ausgang vetſchaffen mußte. In beiden Faͤllen war die Heilung eine radicale. (Aus Bull. gen. de therap, in Gaz. med, de Paris, No. 45. 1844) Bibliographische Description des mollusques terrestres et fluviatiles du Portugal par Arthur Morelet. Paris 1845. gr. 8. M. 14 colorirten K. Arcana entomologica, or Illustrations of new, rare and interes- ting Insects. By J. O. Westwood. Vol. 2. London 1845. 8. pl. 49 — 94. Neuigkeiten Fievres intermittentes compliquees de pneumonies. Premier mé- moire; par Marce. Nantes 1845. Traité pratique des maladies de l’enfance, ſondé sur de nom- breuses observations cliniques; par F. Barrier, D. M, Deu- xieme edition. Tome I. — II, Paris 1845. 8. Neue Notizen aus de m Gebiete der Nalur- und Beil kunde, 4 geſammelt und mitgethellt von dem Ober ⸗Meditinalrathe Freriep gu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 758. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 10. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 e 30 A, Auguſt 1845. des einzelnen Stüdes 3½¼ 978. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, Kr, Die Tafel colorirter Abbildungen 7%, Ar. renn Unterſuchung der Liebig ſſchen Anſichten über die Ernährung der Pflanzen. Von Will. Seller, M. D., Vicepräſidenten der botaniſchen Ges ſellſchaft zu Edinburgh. (Schluß.) Ihren Stickſtoff beziehen, nach Liebig, die Pflanzen einzig und allein aus dem in dem Boden angehaͤuften Am— monium. Er will nicht daran glauben, daß der Stickſtoff der Luft von den Pflanzen entweder direct, in ſeiner einfa— chen Form, oder indirect, nachdem er in Ammonium umge— bildet worden, abſorbirt und fixirt werde. Dieß iſt ein hoͤchſt wichtiger Punct, welcher Liebig's Anſicht uͤber die Ernaͤhrung der Pflanzen ein ganz neues Gepraͤge giebt. a Das zur Ernaͤhrung der Pflanzen dienende Ammonium iſt, Liebig's Meinung zufolge, urſpruͤnglich mineraliſch, und, z. B., vulkaniſchen Urſprungs. Dieſes Ammonium ſoll in die ſtickſtoffhaltigen Theile der Pflanzen, namentlich in diejenigen uͤbergehen, welche zur Ernaͤhrung der Thiere beſtimmt ſind, und dieß iſt die Quelle des in dem Thier— reiche ſo haͤufigen Stickſtoffs. Die Excretionen der Thiere, ſowie die Zerſetzung thieriſcher und vegetabiliſcher Subſtan— zen, erſtatten dieſes Ammonium dem Boden zuruͤck, oder wenn es in die Luft entwichen iſt, ſo wird es durch den Regen wieder niedergeſchlagen. In beiden Faͤllen beſchreibt es denſelben Kreislauf. Dieſe Anſicht Liebig 's kann dieſelbe Prüfung, wel— cher wir die Meinung, daß die Pflanzennahrung lediglich aus unorganiſcher Materie beſtehe, oben unterworfen haben, nicht wohl beſtehen. Denn inſofern fie richtig iſt, muß die Summe des organiſchen Lebens auf der Erde durch die Quantität des an deren Oberfläche vorhandenen Ammonſums bedingt und beſchraͤnkt ſeyn, ſo daß ſie dieſe Graͤnze nie zu uͤberſchreiten vermoͤchte. Wenn alſo irgend ein Verluſt an Ammonium ſtatt⸗ faͤnde, wenn ein Theil des in Pflanzen und Thieren ent: haltenen Stickſtoffs, der, nach Liebig's Hypotheſe, aus No. 1858. — 758. jener Quelle herruͤhrt, nicht wieder in den Zuſtand von Ammonium zuruͤckkehrte, ſo muͤßte das organiſche Leben all— mälig erloͤſchen, wie wir dieß oben in Betreff der Conſum— tion des organiſchen Kohlenſtoffs nachgewieſen. Nur dann wuͤrde dieß nicht der Fall ſeyn, wenn die Vulkane und an— dere Erzeuger des Ammoniums deſſen immer ſoviel wieder bereiteten, als fortwaͤhrend verloren geht. Aber unſtreitig findet in der Natur eine beſtaͤndige Zerſtoͤrung von Ammonium, das heißt eine fortwaͤhrende Zerſetzung in deſſen mineraliſche Elemente oder in diejenige Form deſſelben ſtatt, in der deſſen Stickſtoff, nach Liebig, weder direct noch indirect von den Pflanzen aſſimilirt wer— den kann, und auf der andern Seite laͤßt ſich nicht nach— weiſen, daß beſtaͤndig aus dem Innern der Erde neues Am— monium auf deren Oberflaͤche gefuͤhrt werde. Profeſſor Johnſon hat ſehr richtig bemerkt, daß das ſich in die Luft erhebende Ammonium nothwendig haͤufig in feine Grundbeſtandtheile aufgeloͤſ't werde, indem es ſich im Laboratorium leicht durch elektriſche Schlaͤge zerſetzen laͤßt. Auf dieſe Weiſe wuͤrde es aber, nach Liebig, fuͤr die or— ganiſche Natur unwiederbringlich verloren gehen. Außer dieſer Urſache von Verluſten iſt auch noch zu bedenken, daß das ſich von der Erdoberfläche waͤhrend der Zerſetzung thieriſcher Subſtanzen erhebende Ammonium, nach dem Geſetze der Verbreitung der Gaſe, namentlich bei anhaltender trockner Witterung, uͤber die Region des Waſ— ſerdampfes hinaufſteigen wird, ſo daß es durch den Regen nicht wieder der Erdoberfläche zugeführt werden kann. Kurz, wenn nicht die Elektricitaͤt der obern Atmoſphaͤre das Am— monium zerſetzen kann, ſo muß es ſich uͤber der Region des Waſſerdampfes fortwaͤhrend anhaͤufen und nur dann her— abſteigen, wenn die unteren Regionen der Atmoſphaͤre von der Erdoberflaͤche aus weniger reichlich damit verſorgt wer— den; und wenn das Ammonium in den oberen Regionen zerſetzt wird, fo erkennen wir darin eine Quelle des brenn= baren Gaſes, naͤmlich des Waſſerſtoffgaſes, durch welches leuchtende Meteore in jenen Hoͤhen erzeugt werden duͤrften, 10 147 während die Elektricitaͤt zugleich im Stande ift, deſſen Ver⸗ einigung mit dem Sauerſtoffgaſe zu Waſſer zu bewirken *). Indeß iſt zu bemerken, daß, wenn durch dieſe Zerſetzung Jahrtauſende lang Stickſtoff entwickelt wuͤrde, der Gehalt der Atmoſphaͤre an Stickgas vermehrt werden muͤßte, wenn daſſelbe nicht an der Oberfläche der Erde wieder in Ammo⸗ nium verwandelt wuͤrde. Andere Urſachen des Verluſtes an Ammonium ließen ſich leicht nachweiſen, wie denn, z. B., Salpeter größtens theils, nach Liebig, wie es ſcheint, ausſchließlich, auf Kos ſten des Ammoniums thieriſcher Stoffe erzeugt wird, ohne daß ſich angeben ließe, wie der Salpeter wieder die Form des Ammoniums annaͤhme. Namentlich wird bei einer der Hauptconſumtionen des Salpeters, nämlich bei'm Verpuffen des Schießpulvers, der Stickſtoff als Stickgas frei, ſo daß er, nach Liebig's Anſicht, fuͤr den Unterhalt der lebenden Weſen auf immer verloren ginge. Auf dieſe Weiſe wuͤrde ſich das Schießpulver in doppelter Art als todtbringend er— weiſen, einmal, indem es toͤdliche Geſchoſſe forttreibt, und auf der andern Seite, indem es die Dauer des ganzen organi— ſchen Lebens abkuͤrzte. Allein die vielen bekannten Fälle, in denen ſich Ammo⸗ nium aus feinen Grundbeſtandtheilen bildet, machen es un= moͤglich, der Liebig'ſchen Anſicht beizupflichten, daß ſich in der Natur nie ohne die Anweſenheit thieriſcher Stoffe Am⸗ monium aus ſeinen Elementen bilde. So intereſſant dieſer Gegenſtand iſt, ſo kann ich dem— ſelben doch hier nur wenige Zeilen widmen. Die Chemiker haben demſelben ſchon ſeit laͤngerer Zeit ihre Aufmerkſamkeit geſchenkt. Prieſtley beobachtete, daß ſich unter gewiſſen Umſtaͤnden flüchtiges Alkali bilde, und vor etwa 60 Jah- ren trug Auſtin ſeine Abhandlung uͤber die Entſtehung des sal volatile der Koͤnigl. Geſellſchaft zu London vor. Das, was er daruͤber in Erfahrung gebracht, berechtigte ihn zu dem Schluſſe, daß Stickſtoff und Waſſerſtoff im Entſtehen ſich zu Ammonium verbinden, ja daß ſelbſt Ammonium erzeugt werde, wenn einer feiner Grundbeſtandtheile, naͤm— lich der Waſſerſtoff, im Entſtehen begriffen ſey. Er be— ruft ſich auf das merkwuͤrdige Experiment, wo feuchte Eiſenfeilſpaͤne in einem mit Queckſilber abgeſperrten Cy— linder voll Stickgas Ammonium erzeugen, und ſchließt daraus, daß, wenn Eiſen in freier Luft in Beruͤhrung mit Waſſer roſte, sal volatile gebildet werde. Mir iſt bewußt, daß Liebig die Anweſenheit des Ammoniums im Eiſenroſt *) Unter dem gewöhnlichen atmoſphaͤriſchen Drucke an der Erd⸗ oberflaͤche bedarf das Ammoniakgas, um tropfbarfluͤſſig zu wer⸗ den, eines Kältegrades von — 61 F. (— 414 R.). Dieſe Temperatur iſt niedriger, als die des Planetenraumes, welche, nach Fourier's Berechnungen, nicht tiefer, als — 57° (— 395° R.) ſtehen kann. Allein, da die zur Tropfbarfluͤſ⸗ ſigmachung eines Gaſes erforderliche Kälte um ſo bedeutender iſt, je bünner das Gas wird, fo laͤßt ſich um fo weniger an⸗ nehmen, daß das Ammonium ſich aus der obern Atmoſphaͤre dadurch ausſcheiden koͤnne, daß es in den tropfbarfluͤſſigen Zu⸗ ſtand geräth und auf dieſe Weiſe in die Region des Waſſer⸗ dampfes hinabſteigt. 758. XXXV. 10. 148 der Atmoſphaͤre zuſchreibt, und daß er einen in feinem La⸗ boratorium angeſtellten Verſuch zur Bekraͤftigung dieſes Schluſſes anfuͤhrt. Allein hinſichtlich eines ſolchen Punctes darf man nicht zu ſchnell aburtheilen. Wenn man einen Strom feuchter Luft uͤber gluͤhende Holzkohlen hinſtreichen laͤßt, fo entſteht Kohlenſaͤure und Ammonium. Mulder hat neuerdings Verſuche gemacht, die denſelben Schluß recht: fertigen. Prof. Johnſon hat uͤber dieſen Gegenſtand viel Licht verbreitet, und es iſt ihm, meiner Anſicht nach, ge⸗ lungen, nachzuweiſen, daß die Pflanzen, namentlich in war⸗ men Klimaten, wenigſtens einen Theil ihres Stickſtoffes durch die in den ſalpeterſauren Salzen des Bodens enthal⸗ tene Salzſaͤure erlangen. Was alſo den Stickſtoff betrifft, mit welchem die Pflan⸗ zen verſorgt werden, kann man Liebig unmoͤglich weiter Recht geben, als darin, daß Ammonium einen Theil der Pflanzennahrung bildet. Die Zeit iſt noch nicht gekommen, wo man uͤber dieſen Punct eine voͤllig entſchiedene Anſicht erlangen kann; allein das Intereſſe, welches Liebig's Bes hauptungen in Betreff dieſes lange vernachlaͤſſigten Gegen⸗ ſtandes fuͤr denſelben erweckt haben, ſichert deſſen baldige Erledigung. Ich beſchließe dieſen Theil meiner Arbeit mit zwei Saͤtzen, welche die gruͤndlichſte Unterſuchung verdienen: 1. Ammonium wird im Boden waͤhrend der Zerſez⸗ zung von Pflanzentheilen erzeugt, welche keinen Stickſtoff enthalten, indem, nach Berzelius, die atmoſphaͤriſche Luft den Stickſtoff liefert. 2. Wenn eine Maſſe thieriſchen Stoffes in Zerſetzung begriffen iſt, ſo veranlaſſen die zuerſt aus dem Stickſtoffe der thieriſchen Subſtanz erzeugten ſalpeterſauren Salze auf catalytiſchem Wege die Bildung fernerer ſalpeterſauren Salze mit dem Stickſtoffe der Luft, was der Meinung der meiſten Chemiker entgegen iſt. Der letzte der Lehrfäge aus Liebig's Werk, die ich hier zu beleuchten gedachte, iſt, daß die in den Pflanzen ent⸗ haltenen ſaliniſchen Stoffe lediglich aus dem Boden erlangt und keineswegs durch den Vegetationsproceß ſelbſt erzeugt werden. In Betreff dieſes Gegenſtandes muß ich mich ebenfalls kuͤrzer faſſen, als ich anfangs beabſichtigte. Die Pflanzenaſchen beweiſen, abgeſehen von ihren ſon⸗ ſtigen Verſchiedenheiten, wenigſtens ſoviel, daß alle Spe⸗ cies im normalen geſunden Zuſtande eine gewiſſe Menge ſaliniſcher Beſtandtheile enthalten. Bei der Unterſuchung die⸗ ſes Gegenſtandes bieten ſich uns hauptſaͤchlich zwei Schwie⸗ rigkeiten dar; naͤmlich daß unter gewiſſen Umſtaͤnden, ver⸗ moͤge einer Art von Iſomorphismus, eine Subſtanz an die Stelle einer andern tritt, und daß in den meiſten Faͤllen ſaliniſche Stoffe vorhanden find, die nicht weſentlich, fon- dern rein zufällig zur Pflanze gehören. Das allgemeine Princip in Betreff der ſaliniſchen Conſtitution der Pflanzen iſt ſo, wie es Liebig lehrt, hinreichend feſtgeſtellt, allein in den Einzelnheiten iſt der Gegenſtand noch nicht hinreichend genau ſtudirt. Bis zu einer gewiſſen Graͤnze iſt derſelbe ziemlich klar eroͤrtert, allein bevor nicht die ſaͤmmtlichen Functionen der unorganiſchen und organiſchen Portionen des 149 Bodens vollkommen aufgeklärt find, werden wir keine ganz zuverlaͤſſigen Folgerungen ziehen koͤnnen. Kali in verſchiedenen Formen, ſowie manche phoephors ſaure Salze, d. h. die beiden in den Pflanzen am Haͤufig— ſten vorkommenden ſaliniſchen Beſtandtheile, find in gerin⸗ ger Menge in den Gebirgsarten der Erdrinde faſt durch—⸗ gehends zu finden. Dieſe koͤnnen in die Bodenkrume nur dadurch gelangen, daß ſich das Geſtein, in welchem ſie enthalten ſind, allmaͤlig zerſetzt und zerbroͤckelt. Eine ſchnelle Aufeinanderfolge von Aernten, die einer bedeutenden Menge ſolcher ſalziger Beſtandtheile beduͤrfen, wird demnach den Boden in Betreff der zum Fahrenlaſſen jener Salze hinrei⸗ chend zerkleinerten und präparirten Theile ſo ſchnell erſchoͤp⸗ fen, daß die ſpaͤtern Aernten nicht mehr fo ergiebig aus⸗ fallen, wie die fruͤhern. Mit der Zeit werden neue Theile zerkleinert, und der Boden kann ſo ſeine Fruchtbarkeit, inſo— weit ſie auf dieſer Urſache beruht, von ſelbſt wiedererlangen, oder fie wird ihm ſofort zuruͤckerſtattet, indem dieſelben fa: liniſchen Subſtanzen in dem Dünger enthalten find. Soviel ſteht wenigſtens bereits feſt, daß die im Thier⸗ reiche ſo haͤufig vorkommenden phosphorſauren Salze keine andere Quelle haben, als die Steinarten der Erdrinde, Durch die Verwitterung dieſer Steine gehen fie in die Bo: denkrume, von da in die Pflanzen, von dieſen in die Thiere uͤber, und in den Excrementen der letztern kehren ſie wieder in den Erdboden zuruͤck. Dieſer letzte Satz iſt erſt ganz kuͤrzlich und erſt nach heftigen Debatten von allen Partheien anerkannt worden. Schrader und Braconnot lehrten zu Anfang des laufenden Jahrhunderts das Gegentheil, und ihre Anſichten ſcheinen, trotz des Widerſtandes des be— ruͤhmten De Sauffure, bei den meiſten Naturforſchern Eingang gefunden zu haben. Vor etwa 40 Jahren ſagte De Sauſſure: Die chemi⸗ ſche Analyſe beweiſ't, daß alle in den Pflanzenaſchen vorberr: ſchenden Beſtandtheile im Boden enthalten ſind, und daß deſſen aufloͤslicher Theil, welcher allein in die Pflanzenorganismen übergeht, deren mehr beſitzt, als deſſen unaufloͤslicher Theil; fer- net: die Erläuterungen, die ich über dieſen Punct zu geben ver: mag, ſind allerdings zuweilen nicht voͤllig erſchoͤpfend, indem ich, um etwas durchaus Befriedigendes zu leiſten, mich beſſer auf Pflanzenanatomie und Pflanzenphyſiologie verſtehen müßte; allein meine Anſichten find doch jedenfalls vernuͤnfti⸗ ger, als die der Phyſiologen, welche den Pflanzen in Betreff ihrer Grundbeſtandtheile eine ſchoͤpferiſche Kraft beilegen. “) Doch ich eile zum Schluſſe. Der Geiſt, in welchem De Sauffure vor fo langen Jahren die Oekonomie der Pflanzen ſtudirte, ſcheint ſeit längerer Zeit in den Bo— tanikern latent geblieben zu ſeyn. Sie vertrauten den Re⸗ ſultaten der neuern Chemie zu wenig, als daß ſie dieſelben bei ihren Forſchungen gehörig benutzen konnten, und zu An: fang unſeres Jahrhunderts, wo die Chemie ſich noch in ih— ter Kindheit befand, war dieß auch nicht anders, wie billig. Nicht wenigen Wiſſenſchaften iſt dadurch Eintrag ge— ſchehen, daß man Grundfäge und Unterſuchungsmethoden, ) Recherches chimiques sur la Vegetation, par Theod. de Saussure. Paris, 1804, p. 284. 758. XXXV. 10. 150 die ſich bei andern Zweigen des Wiſſens bewaͤhrt hatten, voreilig auf ſie anwandte; allein keine Wiſſenſchaft, die ſich mit der Materie beſchaͤftigt, darf die Folgerungen ignoriren, zu denen die Chemiker in Betreff der Umdildungen der Materie gelangt ſind. Die neuere Chemie kann in Betreff der ermittelten Thatſachen nur inſofern Veraͤnderungen erleiden, als ein hoͤherer Grad von Genauigkeit zu erlangen ſteht, und dieß bleibt ſelbſt für den keineswegs unwahrſcheinli— chen Fall richtig, daß die ganze Wiſſenſchaft der Chemie eine neue Geſtalt und Nomenclatur erhielte; denn dadurch wuͤr— den doch nimmermehr die gegenwaͤrtig feſtgeſtellten That— ſachen umgeſtoßen oder die jetzigen Fortſchritte der Chemie ruͤckgaͤngig gemacht, ſondern nur der Standpunct veraͤndert werden, von welchem aus dieſe Reſultate zu betrachten und zu beurtheilen find. Die Ergebniffe, welche die Phyſiolo— gie von der Chemie entlehnt, koͤnnen alſo durch die etwa⸗ igen Veraͤnderungen, welche die Letztere erleidet, nicht wieder aufgehoben werden, ſondern muͤſſen, wenngleich unter ver— ſchiedener Form, für das Studium der Pflanzenoͤkonomie ſtets ihren Werth behalten. Kurz, die Chemie muß ſtets die eigentliche Grundlage der Pflanzenphyſiologie bleiben. Sie muß uns die Zahl, die Eigenſchaften, die Verhaͤltniſſe der Beſtandtheile kennen lehren, welche die Lebenskraft zuſammenbindet und auf wel— che fie einwirkt; und hätte man dieſe Wahrheit früher deut⸗ licher begriffen nnd mehr beherzigt, fo würde nicht erſt Kies big die Welt mit der Ankuͤndigung der umfaſſenden Ver⸗ bindung, in der die Proceſſe der Pflanzenoͤkonomie mit des nen des Thierreichs und Mineralreichs ſtehen, in Staunen geſetzt haben. Denn Liebig ſagt uns ſehr wenig, was nicht in De Sauſſure's Werke wenigſtens ſchon andeutungswei⸗ ſe enthalten waͤre. De Sauſſure lehrte 1804, daß die Pflanzen ſowohl aus der Kohlenfäure der Atmoſphaͤre, als aus dem Boden Kohlenſtoff fixiren; daß ſie den Waſſerſtoff und Sauerſtoff aus dem Waſſer fixiren; daß fie ihre falinis ſchen Beſtandtheile aus dem Boden beziehen. Er wußte, daß in manchen ſich zerſetzenden vegetabiliſchen Stoffen Am= monium enthalten iſt; allein er ſcheint nicht zu Liebig' s Schluſſe gelangt zu ſeyn, daß Ammonium ein weſentlicher Beſtandtheil der Pflanzennahrung ſey, und ohne zu behaup— ten (was Liebig ſo nachdruͤcklich laͤugnet), daß die Extrac⸗ tivſtoffe des Bodens zur Ernährung der Pflanzen dienten, begnuͤgt er ſich mit der Angabe, „dieſelben trügen zur Frucht⸗ barkeit des Bodens bei, und die Aſchen dieſer Extractivſtoffe enthielten dieſelben Grundbeſtandtheile, wie die Aſchen der Pflanzen“ ). Ueberdieß bemerkt De Sauſſure ausdruͤck lich, daß die vegetabiliſche Dammerde mehr Ammonium ent⸗ halte, als das Holz, durch deſſen Zerſetzung fie entſtanden⸗ iſt, und den Grund dieſer Erſcheinung findet er in der Ein⸗ wirkung der vielen ſich in ſolcher Erde aufhaltenden Inſecten. Der Geiſt der Lieb ig ſchen Anſichten iſt demnach nicht von neuem Datum. Daß die Pflanzen mineraliſche Stoffe in ihren Organismus aufnehmen, hat man beinahe ) Recherches chimiques sur la Vegetation, par Théod. de Saussure, p. 185. 10. 151 ſchon fo lange geglaubt, als die Beſtandtheile von Luft, Waſſer und Erde genau ermittelt worden ſind, und das Weſentliche von dieſem Satze wuͤrde ſelbſt dann noch fortbeſtehen, wenn die auf die Liebigſche Anſicht gepfropfte Mulde rſche durchdraͤnge, naͤmlich daß gewiſſe ſtickſtoffhaltige Subſtanzen im Boden, welche ihren organiſchen Character noch nicht eingebuͤßt haben, zur Ernaͤhrung der Pflanzen unumgaͤnglich noͤthig feyen. Denn wenn ſolche Zuſammenſetzungen bei dieſem Proceſſe mitwirken, ſo kann es doch nicht in ei— ner andern Weiſe geſchehen, als die, in welcher die Hefe bei der Gaͤhrung thaͤtig iſt. Die Subſtanz der Pflanzen ruͤhrt aus dem Mineralreiche her. Sie verwandeln Theile der mineraliſchen Rinde unſeres Planeten in organiſche Materie. Die Thiere loͤſen die Zauberbande, welche das vegetabiliſche Leben in dieſe Stoffe gelegt hat, und verwan⸗ deln die organiſche Materie wieder in mineraliſche. So entſtehen aus Luft, Waſſer und ein wenig Erde alle orga= niſche Koͤrper. Sie modo quae fuerat rudis et sine imagine tellus Induit ignotas hominum conversa figuras. Und auf diefe Weiſe verwirklicht die neuere Wiſſen— ſchaft die gluͤckliche Conjectur der Alten in Betreff der Zahl der Elemente. Die vier Elemente der Alten ſind wirklich die Elemente der organiſchen Natur; Luft, Waſſer, Erde und Feuer repraͤſentiren das ganze organiſche Leben, denn das Feuer repraͤſentirt die Waͤrme, ohne welche alles Le— ben erliſcht. Anhang. Man wird es fuͤr nicht unangemeſſen hal— ten, wenn ich hier naͤher angebe, wie ich zu den oben aufgeſtell— ten numeriſchen Reſultaten gelangt bin, indem man ſich, dadurch uͤberzeugen kann, daß ich mich zum Nachtheile der Anſicht, die ſaͤmmtliche Pflanzennahrung ſey organiſcher Art, keine Uebertreibungen habe zu Schulden kommen laſſen. Den Flaͤchengehalt der Erdoberflaͤche erhaͤlt man in runden Zahlen, wenn man die Zahl der engl. Meilen der Peripherie mit der des Durchmeſſers multiplicirt. » 240008000 = 192,000,000 Flaͤchengehalt der Erde in Q. Meilen. eee = 238,400,000 Fünftel des Flaͤchengehalts der Erdoberfläche i in engl. Q. M. Jede Quadratmeile haͤlt 27,878,400 Q. Fuß, alſo find 38,400,000 & 27,878,400 81,060,520, 560,000,000 Cubikfuß Erdkrume von 1 F. Tiefe auf dem fuͤnften Theile der Erdoberflaͤche enthalten. Ein Cubikſuß Waſſer wiegt 1000 Unzen Avoirdupois. Man nehme an, die Bodenkrume beſitze das doppelte ſpe— cifiſche Gewicht des Waſſers, ſo wiegt ein Cubikfuß Erde 2000 Unzen oder 125 Pf. 125 1,060, 520,560,000, 000 182.564,07 1,000,000,000 und dieſe Zahl repraͤſentirt die Geſammtmaſſe der nach unſern Vorausſetzungen vorhandenen Erdkrume in Pfunden. Dieſelbe beträgt in Tonnen: 59,180,388,839,285. Zehn Procent von dieſer Summe, welche den Betrag an organiſcher Materie repraͤſentiren, machen aus: 5,918,088,883,928 758. XXXV. 10. 152 Drei Fuͤnftel der organiſchen Materie beſtehen aus Kohlen⸗ ſtoff, daher 3,550,823,320,352 oder etwas mehr als 33 Billionen Pfund Kohlenſtoff in der geſammten Erdkrume vorhanden waͤren. Wenn tauſend Millionen Menſchen taͤglich bei der Reſpiration je 5 Unzen Kohlenſtoff conſumiren, ſo betraͤgt der jaͤhrliche Totalverbrauch 50,922,420 Tonnen. Ein Pferd haucht, nach Bouſſingault, taͤglich 6,07 Pfd. Kohlenſtoff oder das Jahr uͤber ziemlich 1 Tonne aus. Nun rechnet man auf Großbritannien wenigſtens 12 Million Pferde ), und die Einwohner Großbritanniens machen kein 50 ſtel der ſaͤmmtlichen Menſchen aus. Man nehme nun an, daß es auf der ganzen Erde 50 mal ſoviel Pferde gebe, als in Großbritannien, und man wird finden, daß als lein die Pferde jaͤhrlich 75,000,000 Tonnen Kohlenſtoff aus der organiſchen Materie conſumiren. Ein Ochs oder eine Kuh verwandelt täglich etwa 47 Kohlenſtoff in Kohlenſaͤure. Großbritannien zählt etwa SE Mill. Stud Rindvieh r“), fo daß das Rindvieh dieſes Landes jaͤhrlich mehr als 34 Millionen Tonnen Kohlenſtoff bei'm Athemholen confumict, Rechnet man für die ganze Erde 50 mal ſoviel Rindvieh, als fuͤr Großbritannien, ſo verbraucht daſſelbe jaͤhrlich 162,500,000 (oder in runden Zahlen 150 Millionen) Tonnen Kohlenſtoff der organiſchen Materie. Schaafe enthält Großbritannien etwa 40 Mill. ***). Jedes derſelben wiege durchſchnittlich nur 50 Pf., ſo be— traͤgt das Totalgewicht derſelben faſt 1 Mill. Tonnen; da nun warmbluͤtige Thiere alljaͤhrlich bei'm Athemholen bedeu— tend mehr, als ihr eignes Gewicht, an Kohlenſtoff conſumiren, fo muͤſſen die Schaafe Großbritannien's jahrlich wenigſtens 1 Million Tonnen Kohlenſtoff der organiſchen Materie ver: brauchen Daraus wuͤrde ſich nach obigen Vorausſetzungen ergeben, daß ſaͤmmtliche Schaafe der Erde jaͤhrlich 50 Mill. Tonnen Kohlenſtoff conſumiren. Schweine, Kaninchen, Hunde, zahmes Gefluͤgel ꝛc. muͤſ— ſen in ſolcher Menge vorhanden ſeyn, daß ſie zuſammen wenigſtens halb ſoviel wiegen, wie die ſaͤmmtlichen Schaafe, und man kann daher auf ſie fuͤr die ganze Erdoberflaͤche eine Kohlenſtoffconſumtion von 25 Mill. Tonnen rechnen. Wir haben alſo: Tonnen Kohlenſtoffconſumtion der Menſchen 50,000,000 — — — der Pferde „„ 00% 00 — — — der Rinder 150,000,000 — — — der Schaafe 50,000,000 — — — der übrigen Hausthiere 28,000,000 Verbrennung des Holzes, halb ſoviel von letzterm fuͤr den Hausbedarf gerech— net, als in Großbritannien Steinkohlen verbrannt werden 425,000,000 Summa 775,000,000 *) Macculloch, Statistical Account of the British Empire, ol. I. 84 ) Ebendaſ. p. 490. *) Ebendaſ. p. 496. 153 Ein Ruͤckblick auf obige Abhandlung zeigt, daß in obi⸗ ger Berechnung ſehr viele Urſachen der Zerftörung des Koh— lenſtoffes organiſcher Zuſammenſetzungen nicht in Anſchlag gebracht worden ſind, und daß namentlich dabei von der un⸗ geheuren Anzahl wilder Thiere gar nicht die Rede geweſen iſt. Statt der angenommenen 600 Millionen Tonnen Kohlenſtoff dürfte daher wohl das Doppelte dieſer Summe der Wahrheit näher kommen. (Edinburgh new philos. Journal, April July 1845.) Ni Daß ſich die Kannelkohle zur Anwendung in den ſchoͤnen Künſten ſebr wohl eignet und ſich, z. B., zu Pie⸗ deſtalen 2c., wozu man fonft ſchwarzen Marmor oder andere Steinarten benutzt, zweckmaͤßig und wohlfeil verarbeiten läßt, iſt nicht ſo bekannt, als zu wuͤnſchen waͤre. Eine hoͤchſt elegante Vaſe 758. XXXV. 10. 154 aus dieſem Material, welche in der Geſtalt der berühmten Warwick⸗ Vaſe ähnelt, iſt unlängft aus einem Blocke von dieſer Steinkohle auf der Drehbank zugerichtet worden. Hr. J. Dallaway hat ſich dazu ähnlicher Inſtrumente bedient, wie die, welche man bei'm Drehen von Holz oder Meſſing benutzt. Die Vaſe ſteht auf einer kannelirten Säule von demſelben Material und hat eine ungemein ſchoͤne Politur angenommen. Der Block ſtammt von dem Gute des Herzogs von Norfolk bei Sheſſield. In Beziehung auf das Mutterkorn hat Dr. Latham der Gelehrtenverſammlung zu Cambridge mitgetheilt, wie, ſeiner Ueberzeugung zufolge, das Mutterkorn in England zunehme. Als er vor acht Jahren anfing, ſeine Aufmerkſamkeit darauf zu wenden, fand er es nur an wenigen Pflanzen; jetzt fand er es in großen Quantitäten. Er hat es ſchon von achtzehn verſchiedenen Arten von Graͤſern geſammelt. Es hat auch an den gebaueten Kornar⸗ ten zugenommen, und Hr. L. glaubt, daß das Mutterkorn uͤberhaupt in dieſem Augenblicke abſolut und unbefchränft im Zunehmen begrif⸗ fen ſey. Einer ſeiner Freunde ſchreibt die Zunahme dem Gebrauche des Duͤngers zu und giebt an, daß er das Mutterkorn ſtets in gro⸗ ßer Menge an den Graͤſern auf Kirchhoͤfen gefunden habe. I. er e een Der Merkwuͤrdiger Fall von complicirtem Lungenleiden mit beſonderer Beruͤckſichtigung der Menſuration der Bruſt. Von E. Corbin. Julie Moreau, 20 Jahre alt, aufgenommen in die Charité, Febr. 14. 1829. Seit dem zwoͤlften Jahre regelmaͤßig menſtruirt, verlor ſie vor ungefaͤhr einem Jahre ihre Regeln in Folge eines Schreckes. Bald darauf Fieber, Erbrechen von Speiſen und Galle, Diarrhoͤe, welche Symptome bis auf die Diarrhoe durch Blutegel ad regionem hypoga- stricam und ad vulvam, Sinapismen an die Beine und Sitzbaͤder u. ſ. w. beſeitigt wurden. Die Menſtruation trat nicht wieder ein, das Athmen wurde erſchwert und die Kranke von einem trocknen, quaͤlenden Huſten befallen. Dieſer Zus ſtand dauerte faſt unveraͤndert bis zum Januar d. J. fort, zu welcher Zeit bei der herrſchenden ſtarken Kälte alle Sym⸗ ptome an Intenſitaͤt zunahmen Namentlich wurde der Hu: ſten haͤufiger und es geſellte ſich vor 8 Tagen Aphonie hin— zu. Kranke ſehr abgemagert, Puls klein und frequent, Stimme faſt erloſchen, Schmerzen im Halſe. Bei der Un— terſuchung findet ſich nur eine kleine oberflaͤchliche Verſchwaͤ— rung an der vordern rechten Partie des Gaumenſegels. Schlucken von Fluͤſſigkeiten leicht, nur oft von Huſten und zuweilen von Erbrechen begleitet; Percuſſion und Auſculta— tion normal. (Nach und nach 40 Blutegel zur Seite des Kehlkopfes, emollirende Getraͤnke und Gurgelwaͤſſer.) Am 20. Febr., Stimme faſt normal, nur rauh (vesicatoria vo- lantia in der Höhe des Bruſtbeines). Am 2. Maͤrz ver: ließ die Kranke, trotz dem Fortbeſtehen des Abends exacerbi— renden Fiebers, des Huſtens und der Diarrhoͤe, wiewohl im Ganzen bedeutend gebeſſert, das Spital. Das Beſinden der Kranken beſſerte fich ſeitdem weſentlich bis auf das Aus: bleiben der menses. Im Anfange des Juni Morgens bei'm Erwachen plotzlich ſtarke Fieberhitze, heftiger Huſten und Bruſtbeklemmung. Neue Aufnahme der Kranken Juni 16. Große Schwaͤche, Haut heiß, Puls 140, ſtarke Athembe— ſchwerde, häufiger, ſchmerzhafter Huſten, gelbgruͤnlicher, ges ballter Auswurf, welcher einige Tage vorher mit Blut ges miſcht geweſen war. Linke Seite der Bruſt weiter, als die rechte, beſonders nach Oben und Vorn aufgetrieben, Per— cuſſionston daſelbſt allenthalben ſehr hell, nach Hinten durch⸗ weg, beſonders aber am unteren Winkel des Schulterblat-⸗ tes amphoriſches und metalliſches Blaſen, von Zeit zu Zeit außerdem tinnitus metallicus, Reſonanz der Stimme, von metalliſchem Zittern begleitet, vorne Reſpirationsgeraͤuſch, von amphoriſchem Geraͤuſche begleitet, rechte Bruſthaͤlfte normal. Diagnofe: pneumothorax lateris sinistri in Folge einer durch Ulceration eines Tuberkels herbeigefuͤhrten Communica— tion zwiſchen den Bronchien und der Pleura (potio gum- mosa, Bruſtthee, Reis und Bouillon). Am 28. Juni Percuſſionston links nach Unten und Hinten weniger hell, Re⸗ ſpirationsgeraͤuſch nicht mehr amphoriſch, in der fossa infra- spinata verſchleierte Pectorilequie, bei'm Huſten Höhlentafs ſeln. Der Percuſſionston an der hintern, untern linken Bruſtſeite wurde immer dumpfer und endlich ganz matt, blieb aber, beſonders nach Vorn und Oben, noch ſehr hell; Lage der Kranken nur auf der linken Seite moͤglich, Nachtſchweiße, wenig Schlaf. Meſſung der Bruſt am 28 Juni: Umfang der Bruſt unterhalb der mamma 2“ 1“ 6“, links 1“ 16.5 rechts 1’ 6°"; gerader Durchmeſſer unterhalb der mamma links 6" 7% rechts 5“ 10%. Die betraͤchtliche Erweite— rung der linken Seite erklaͤrt ſich aus dem ſeit einigen Ta⸗ gen vorhandenen fluͤſſigen Erguſſe. Der Zuſtand der Krane ken beſſerte ſich weſentlich, ſie erhielt Eräftige Koſt, blieb aber ſtets ſehr mager. Am 17. Juli aphthenartige, weiße 155 Flecke im Munde und auf der Zunge; die Kranke klagte immer ſehr uͤber den Hals, wiewohl die Unterſuchung nichts Abnormes ergab. Am 23. Juli beginnender hydrothorax, Verdraͤngen des Herzens nach Rechts, lebhafter Schmerz in der rechten Seite, durch den Druck zunehmend; voͤlliges Verſchwinden des Reſpirationsgeraͤuſches in der linken Seite. Im September ſcheint ſich die Tuberkelaffection auch auf die rechte Bruſtſeite verbreitet zu haben, Hoͤhlenraſſeln an der ſelben hoͤrbar. Am 18. November war faſt die ganze linke Bruſtſeite von Fluͤſſigkeit angefuͤllt, Percuſſionston matt, nur oben in der regio subclavicularis und in der fossa Supraspinata einige Spuren von Reſpiration oder vielmehr ein cavernöfes Blaſen mit Pectoriloquie und gargouillement; rechts Reſpirationsgeraͤuſch pueril und rein, nur oben mit Hoͤhlenraſſeln vermiſcht; wenig Huſten, wenig Auswurf, Ver⸗ dauung gut. Meſſung der Bruſt am 26. Nov.: Umfang der Bruſt unterhalb der mamma 27, links 1“, rechts 1‘, oberhalb der: felben 2“, 6“, links 1' 3“, rechts 13“. Gerader Durch— meſſer unterhalb der mamma links 5“ 104, rechts 6“ 2“, oberhalb links 4“ 3“, rechts 6“. Die Abnahme des Umfangs der Bruſt erklärt ſich leicht aus der fortgeſchrittenen Abma⸗ gerung der Kranken Am 11. Decemb. brennende Hitze uns ter dem Bruſtbeine, Auswurf einer klaren, ſauren Fluͤſſig⸗ keit aus dem Munde; am 18. Decemb. tiefſitzender Schmerz in der rechten Bruſtſeite, bei ſtaͤrkerem Athem zunehmend, Auswurf reichlicher, am mittleren und hinteren Theile der rechten Bruſt feuchtes Blaſenraſſeln. Meſſung am 31. Januar 1830. Umfang der Bruſt unterhalb der mamma 1“ 11“ 6, links 11“ 9“, rechts 11“ 9"; gerader Durchmeffer unterhalb links 5“ 7, rechts 5“ 11°, in der Höhe der mamma links 5" 7 rechts 6“ 2“. Die Raſſel geraͤuſche in der rechten Bruſt wurden immer deutlicher und zahlreicher, der Percuſſionston wurde oben faſt ganz matt, links dagegen in groͤßerer Ausdehnung heller, als früher, neben dem Hoͤhlenathmen zuweilen mes talliſches Klingen. Meſſung am 7. April: Umfang der Bruſt unterhalb der mamma 1’ 11” 3%, links 11“ 8%, rechts 11“ 7“, oberhalb 2“, links 1“ 3“ rechts 11“ 9, Gerader Durch: meſſer unterhalb links 5“ 7°, rechts 5“ 10“, im Niveau der mamma links 5“ 73, rechts 5“ 10. Der ſtatio— naͤre Zuſtand der linken Seite waͤhrend eines Zeitraumes von 7 Monaten bei der bedeutenden Abnahme der Durchmeſſer der rechten Seite erklärt ſich aus dem vorhandenen hydro- pneumothorax der erſtern. Am 15. September conſta⸗ tirte man einen pneumothorax der ganzen linken Seite, ſo daß alſo der fluͤſſige Erguß voͤllig reſorbirt war. Von da an nahmen die Kraͤfte der Kranken bedeutend ab, und ſie ſtarb am 22. October. Autopſie. Extremitaͤten ungemein abgemagert, Brüfte und Bruſtmuskeln in noch ziemlich gutem Zuſtande. Vor Eröffnung der Bruſthoͤhle applicirte man oberhalb der lin⸗ ken mamma ein mit Waſſer gefuͤlltes Gefäß und führte dann ein Biſtouri in einen der Intercoſtalraͤume ein, worauf 758. XXXV. 10. 156 eine Menge Luftblaſen im Waſſer aufſtiegen. Das medi- astinum etwas, das Herz betrachtlich nach Rechts hinge⸗ drängt; die unteren Stel der Bruſthoͤhle leer, indem die linke Lunge nach Oben hin zuruͤckgeſchoben war; dieſelbe adhaͤrirte allenthalben feſt an den Bruſtwandungen. Die ganze Bruſt⸗ hoͤhle mit gelb-gruͤnlichen, ſehr dicken, rauhen und granu⸗ lirten, mit einer dünnen Schicht eitriger Fluͤſſigkeit uͤberzoge⸗ nen Pſeudomembranen ausgekleidet, außerdem keine Fluͤſſig⸗ keit. Vorne neben dem. Mittelfelle, ungefähre in der Höhe der dritten Rippe, an der Oberflaͤche der Lunge ein Klum⸗ pen graulicher, kaͤſeartiger Maſſe von dem Umfange einer Haſelnuß, ringsherum eine Art grau und ſchwarz geſtreifter Guͤrtel. Nachdem man die Bruſthoͤhle mit Waſſer angefuͤllt hatte, blies man die Lunge, von den Bronchien aus, auf, worauf an einem Puncte dieſes Guͤrtels große Luftblaſen hervortraten. Nach Entleerung des Waſſers fand man die Oeffnung, aus welcher die Luft hervorgetreten war; ſie war nur ſehr klein. Die ganze Lunge hatte kaum den Umfang einer Mannsfauſt von mittlerer Groͤße, die beiden Lappen waren durch Pſeudomembranen feſt aneinander geheftet, nur die vordern und untern Enden waren geſondert und bildeten zwei zugeſpitzte, 2 — 3“ lange Hörner. Das Innere dieſer Lunge war in eine große Caverne mit mehreren Abtheiluns gen umgewandelt, in derſelben etwas roͤthliche, dickliche Fluͤſ⸗ ſigkeit; die Wandungen der Caverne mit halbconcreter Zue berkelmaſſe bedeckt, welche ſich unterhalb einer fibroͤs- cellulds ſen Pſeudomembran befand; die Bruͤcken bildeten Gefaͤße und Ueberreſte des Lungengewebes. Die Huͤlle dieſer Caverne hatte faſt durchweg nur 2“ Dicke; nur unten und an den Enden fand ſich ein dickeres Parenchym von ſchiefergrauer Farbe, condenſirt und nicht crepitirend, in demſelben einige kleine Tuberkelkerne. In der rechten Lunge viele rohe und erweichte Tuberkeln, oben mehrere Höhlen, vorne und un⸗ ten faft ganz geſund, nur einige Miliartuberkeln und vers haͤrtete Stellen daſelbſt. — Die Ventrikel des Kehlkopfes und die hintere Seite des Kehldeckels von großen und tiefen Geſchwuͤren durchloͤchert, die Stimmbaͤnder faſt vollſtaͤndig zerflört. Im Becken etwas blutiggefaͤrbtes Serum. Im Duͤnndarme Stellen von mehreren Zollen und einige faſt von dem Umfange eines Fußes ſehr ſtark injicirt, in der Nähe der valvula ileo- coecalis unter der Schleimhaut mehrere Tuberkeln, welche kleine, roͤthliche Geſchwuͤlſte bil« deten und theilweiſe bereits zu verſchwaͤren anfingen. Sen- feit der Klappe große Geſchwuͤre, namentlich im coecum, weniger im colon transversum, zahlreicher im colon descendens und im rectum. Die Geſchwuͤre hatten ei⸗ nen unebenen, graulichen, mit Tuberkelkernen beſetzten Grund und unregelmaͤßig abgeſchnittene, vorſpringende und meiſt ſtark injicirte Ränder. Auch zwiſchen den Geſchwuͤren fan⸗ den ſich Tuberkeln. Linker Leberlappen in Folge des hydro- thorax dislocirt und mißgeſtaltet, hinterer Rand deſſelben abgeplattet und ſchraͤge von Hinten nach Vorn und von Rechts nach Links gerichtet. Parenchym der Leber dunkel⸗ roth, ſehr dicht und von etwas ſeifenartiger Conſiſtenz. (Gaz. méd. de Paris, 1844, No. 44.) 157 Falle vonlangſamem Pulſe. Von T. Wilkinſon King. Es iſt bekannt, daß Druck auf das centrum der ba- sis cerebri das Athmen erſchwert macht. Dr. Whytt beſchreibt eine auffallende Verlangſamung des Pulſes im 2. Stadium des hydrocephalns acutus. Nach An⸗ dral iſt der Puls bei Apoplexie oͤfter langſam, als ſchnell; bei der Gehirnerweichung fand ſich der Puls in 15 Fäls len verlangſamt und in 27 beſchleunigt. Bei Vergiftun⸗ gen durch narcotica und bei der Gelbſucht find Athmen und Pulsſchlag verlangſamt. Eine ſchwache Stimme und langſame Sprache ſind charakteriſtiſch fuͤr Verletzungen der medulla cervicalis, und es wird ſich ohne Schwierig: keit als Thatſache aufſtellen laſſen, daß eine langſame Re⸗ ſpiration, ein retardirter Puls und eine kalte Hautober⸗ flaͤche vornehmlich von Beſchraͤnkung oder Behinderung der Function des oberen Theiles des Ruͤckenmarksabhaͤngig ſind. Herzleiden verurſachen, meines Wiſſens, keine Verlang⸗ ſamung des Pulſes; dieſelbe kommt uͤberhaupt im Gan⸗ zen ſelten vor. Floyer fand nie den Puls unter 55; Dr. W. Guy zaͤhlte bei einer Dame bei jeder Lage des Körpers 38; Dr. Bright erzählt von einem Herrn, wel- cher eine Reihe von Jahren einen noch langſameren Puls hatte. Ich habe an einem andern Orte nachgewieſen, daß die Sicherheitsklappe in Verlaufe des Lebens und durch eine Reihe von Thiergattungen hindurch an Umfang zunimmt, und daß in einem ähnlichen Verhaͤltniſſe die Häufigkeit des Pulſes abnimmt. Nach pathologiſchen Erfahrungen nun ſcheinen mir eine verlangſamte Reſpiration und eine ungewöhnliche freie Sicherheitsklappe, oder ein freier Ruͤck⸗ fluß des Blutes aus dem rechten Ventrikel, faſt nothwen— dige Elemente der einfacheren Faͤlle von langſamem Pulſe zu ſeyn, ſowie, meiner Anſicht nach, eine Behinderung in dem tractus respiratorius oder im Centrum, ſey es in Bezug auf motoriſchen Impuls oder excitoriſche Impreſſibilitaͤt, die beſte Erklaͤrung einer Verlangſamung der Reſpiration allein abgiebt. Folgende zuſammengeſtellte Faͤlle moͤgen zur Erlaͤuterung dieſer Anſicht dienen: Thomas Kean, 45 Jahre alt, an rheumatiſcher Gicht leidend; ſeit 3 Jahren Geſichtslaͤhmung, ſeit 18 Monaten epileptiſche Anfaͤlle; Puls 22— 30 die Minute, Bruſtbeklem⸗ mung, Orthopnoͤe und Herzklopfen (28 Athemzuͤge). Die geringſte Aufregung erzeugt ein Zucken im Geſichte; wenn der Kopf fich raſch nach Vorne uͤberbeugt, ſo entſteht ein prickelndes Gefuͤhl im ganzen Koͤrper. Die dura mater an der basis cranii war auffallend kohlenartig, das Herz doppelt fo groß, als gewoͤhnlich, [hwac und dünn. (Bright, p. 270.) Hier ſind Zeichen von Krankheit nahe am atlas. Ein Kaufmann von 64 Jahren litt nach Gemuͤths— aufregungen haͤufig an Schwindel und Kraͤmpfen; Puls ſtark, voll und langſam; Geneſung; Ruͤckfall, Puls 2 we: niger frequent, als gewohnlich. Das Herz fand ſich erwei— tert. (Morgagni, II. p. 64.) 758. XXXV. 10. 158 Ein Maͤdchen von 6 Jahren litt 14 Tage lang an Kopfſchmerzen und Convulſionen an der rechten Seite; Puls 30— 40. Die Section ergab hydrocephalus und Tuberkeln in der linken Hirnhemiſphaͤre nach Vorn. (Aber- crombie, p. 128.) Ein Stallknecht von 49 Jahren, von Kindheit an, wahrſcheinlich in Folge mehrmals auf den Kopf erlittener Schlaͤge, Kopfſchmerzen unterworfen, war ſeit 9 Mo⸗ naten, hinfaͤllig, ſchlaͤfrig, geiſtesabweſend, ſchwindlich, ſpaͤter aber wieder etwas beſſer geworden. Das linke Bein wur— de nachgeſchleppt, Puls 42 — 36, Reſpiration 14, ſpaͤter Puls 44-78. Der Kranke wurde dann ganz huͤlflos, mußte gefuͤttrt werden die Sphincteren wurden gelaͤhmt, und er ſtarb 6 Monate darauf. Der ganze Schaͤdel dick und ſchwer, in der regio occipitalis nach Außen eine une regelmaͤßige Knochenablagerung; Gehirn an der rechten Schlaͤfe adhaͤrent, und an 2 — 3 Stellen oberflaͤchlich verhaͤrtet (Bright, p. 355.) 6 Ein Bleiarbeiter von 45 Jahren wurde ploͤtzlich bes wußt⸗ und kraftlos, stupor und Phantaſien, strabismus, Puls 44; ſpaͤter Zunahme des stupor und der Aufregung, Puls 7684, Reſpiration 16. Das Gehirn war ſehr trocken und ſtark hypertrophiſch. (Ibid. p. 371.) Ein Mann fiel von einem Baume und bekam Para⸗ plegie, mehre Kopfſymptome, ſowie auch ſchwere Deglutition und stertor, Puls 38. Herſtellung binnen drei Wochen Abercrombie, p 378.) Ein Kind von 16 Monaten wurde nach einer Verlez⸗ zung am Halſe nach und nach hinfaͤllig und paralytiſch, bes kam Kraͤmpfe und gegen das Ende einen ſehr langſamen Puls, fein coma, Tod unter Kraͤmpfen. Es fand ſich ein Abſceß an der Spitze des Ruͤckenmarks. (Ib. p. 101.) Ein Huſar wurde ſchwindlich und fiel, erbrach ſich, hatte Kopfſchmerz und Ohnmachten, aber bei vollkommnem Bewußtſeyn; Puls langſam und ſchwach. Rund um das foramen magnum fanden ſich 2 Unzen Blutgerinnſel. (Ib. p. 238) Bei einem Manne von 47 Jahren beſchreibt Dr. Budd (Med. chir. Transact.) eine Fractur des 4. und 5. Ruͤckenwirbels, von Reflexerſcheinungen begleitet; Puls eine Zeitlang 48, Reſpiration 13, Verſtand ungetruͤbt. Der Kranke lebte noch 7 Tage. Ein Mann von 20 Jahren brach den 8 Halswirbel, vollſtaͤndige Lähmung unterhalb desſelben, Puls 40 - 50, Athmen wie bei unruhigem Schlafe, Hautoberflaͤche kalt, Tod nach 3 Tagen. Die Lecons orales von Dupuyt ren enthalten (Ollivier obs. 9.) 2—3 Fälle von toͤdtlicher Verletzung des Ruͤckenmarks, von langſamem Pulſe begleitet. Ein Mann von 33 Jahren fiel einige Fuß tief herz ab und blieb lange ohne Bewußtſeyn, der Hals war difform, ſteif und ſchmerzhaft; am naͤchſten Tage retentio urinae, Verluſt der Motilität, Ameiſenkriechen in einem Arme und Beine, Puls 30. Am 3. Tage Athmen ſehr behindert, Puls 42, Bewußtſeyn frei; Zunahme der Laͤhmung, Tod am 12. Tage. Es fand ſich eine Luxation und Erweichung 159 des Ruͤckenmarks zwiſchen dem 4. und 6. Halswirbel. (Dr. Schuk, Med. gaz., Mai 1844.) Ein Mann von 35 Jahren bekam, in Folge eines Falles von einem Karren, Paralyfe der Extremitaͤten, Me: ſpication und Puls ſchwach und langſam, Tod am folgen: den Tage; Luxation mit Abflachung und Erweichung des Ruͤckenmarks zwiſchen dem 5. und 6. Halswirbel. (Ibid.) Der Marquis de Cauſan wurde im Verlaufe von faſt 2 Jahren nach und nach gelaͤhmt, Verluſt des Geſich— tes, Gehoͤres und der Sprache, erſchwertes Schlucken, kurze Zeit vor dem Tode Reſpiration auffallend langſam, Puls 30—40, Es fand ſich nur eine Verhaͤrtung des Ruͤcken— marks. (Abercrombie, p. 369.) Ein Mann von 43 Jahren hatte ſchwache Beine, langſamen Puls, Schwaͤche des Geiſtes und der Sphin— cteren; Heilung durch Calomel und Haarſeil. Tod apoplectiſch. (Dr, Holland, Notes, p. 280.) Ein Mann von 24 Jahren war einen Tag lethargiſch, Puls 50, ploͤtzlicher lethaler Steckanfall; 4 Unzen Blutge— rinnſel an der basis cerebri, eine a. vertebralis aneurys⸗ matiſch und perforirt. " Ein Mann von 50 Jahren verrenkte ſich den Hals, Kopf unbeweglich nach Hinten uͤbergebogen, Laͤhmung der Extremitaͤten, Reſpiration und Sprache nur wenig affi— cirt, Puls ſehr langſam, Bewußtſeyn ungetruͤbt, Tod binnen 48 Stunden. (Med. gaz. vol. XVII. p. 90l.) Ein Herr von 64 Jahren erlitt in Folge eines Falles eine Verletzung am Halſe und wurde faſt ganz gelähmt. Der Theil blieb 6 Wochen lang ſchmerzhaft, und der Kranke blieb 3 Monate bettlaͤgerig. Nach 3 Jahren wo noch et: was Steifheit des Halſes zuruͤckgeblieben war, wurde der Kranke bei'm Gehen plotzlich ohnmaͤchtig, Puls 20. 3—4 Monate ſpaͤter ein zweiter und 1 Monat darauf ein dritter Anfall, Puls 25. Gewoͤhnlich war der Puls waͤhrend die— ſer Zeit 33. Verſtopfung, Dyspnoͤe und Gicht waren gleichfalls zugegen. Im nachfolgenden Jahre nahmen die Anfaͤlle an Häufigkeit zu, und der Puls fiel während der— ſelben zuweilen auf 12—7 bei vollkommenem Bewuß ſeyn. Vor jeder Ohnmacht ſetzte der Puls 1—2 Secunden aus, kehrte dann wieder, das Geſicht roͤthete ſich, und der Kranke kam wieder zu ſich, mit einer Art Schnupfen, Schaum vor dem Munde und Zwinkern im Geſichte. Zuweilen traten an einem Tage 2-8 Anfaͤlle ein, zuweilen einer alle 2—8 Tage oder Wochen, zuweilen traten fie nur unvollftändig ein. 758. XXXV. 10. 160 Tod 5 Jahre nach der Verletzung. Das Herz war groß und weich, das endocardium verdickt, die Mitraloͤffnung war 3, die Tricuspidaloͤffnung 5 Finger breit, der Schädel ungemein duͤnn, die medulla oblongata klein und ſehr feſt; das foramen occipitale ließ kaum den kleinen Finger durch, in Folge der Verdickung des proc. odontoideus und der vordern Ligamente; der atlas war mit dem Schaͤ⸗ del ankylotiſch verwachſen; das rechte ganglion cervicale medium war ungewoͤhnlich groß, (Holberton: Med. chir. Transact. vol. 24.) (Lancet No. XII. 1845.) Miscellen. Ein Präfervativmittel gegen die Bleicolik giebt Herr Meillet im Bull. de la méd. de Poitiers an. Man lege eine Art Geſichtsmaske von Blei an, an welcher der Naſe und dem Munde gegenuͤber eine cylindriſche Roͤhre angebracht iſt; in dem Innern der Letztern befindet ſich ein kleines metalliſches Git⸗ ter, oberhalb welches man einen feinen, in einer Aufloͤſung von Schwefelkaliumhydrat getauchten Schwamm ſo anbringt, daß er die ganze Hoͤhle des Cylinders ausfuͤllt. Man befeſtigt denſelben vermittelſt eines, gleichfalls mit einem metallenen Gitterwerk vers ſehenen, Deckels. Indem nun die Luft genoͤthigt wird, ſich durch einen Körper hindurchzudrängen, welcher mit einer den Staub zer⸗ ſetzenden Fluͤſſigkeit befeuchtet iſt, bleiben die Duͤnſte insgeſammt oben im Zuftande des Schwefelkaliums zurüd. Dieſes Salz wird langſam und gleichfoͤrmig durch die in den Fabriken ſtets ſehr reich- lich vorhandene Kohlenfäure zerſetzt. Die Arbeiter athmen auf dieſe Weiſe den Tag über eine ſehr geringe Quantität von Schwefelwaſ⸗ ſerſtoff ein, wodurch die Einwirkungen des Bleies am Sicherften neutraliſirt werden. Die Haͤnde laͤßt Hr. M. mit einer Salbe aus 30 grammes Schwefelkaliumhydrat auf 1 Pf. Fett einreiben. Die Verfahrungsweiſe des Verf. iſt bereits in mehreren Fabriken mit anſcheinend ſehr guͤnſtigem Erfolge in Anwendung gebracht wor⸗ den. (Gaz. méd. No. 21. 1845.) Ein neues Operationsverfahren bei entropium congenitum giebt Herr Gaillard im Bullet. de la soc, de med.de Poitiers an. Eine mit doppeltem, gewichsten Faden verſehene Suturnadel wird von Oben nach Unten vor dem Ciliarrende, einige Millim, vom inneren Winkel des Augenlides, in die Dicke des m. orbicularis ein⸗ geſtochen und ungefähr 2 Centim. unterhalb des Einſtichpunctes wieder ausgeführt, worauf dann die beiden Enden zuſammengeknotet werden, ſo daß der Ciliarrand nach Außen gezogen wird. Ein zwei⸗ ter Faden wird auf dieſelbe Weiſe an dem äußern Winkel des Augenlides applicirt. Die Faͤden wirken gleich einer Ligatur, ſie durchſchneiden die Haut und das Muskelgewebe, und ſo bildet ſich nach Hinten ein Inodulaͤr-Gewebe, welches nach der vollſtaͤndigen Ver⸗ narbung als ein Stamm dient, wodurch das Augenlid in der demſel⸗ ben durch die Ligaturen gegebenen Stellung erhalten wird. Verf. operirte auf dieſe Weiſe einen Kranken, welcher nach 25 Tagen ge⸗ heilt das Spital verließ. (Ein ſpaͤterer Erfolg iſt nicht angegeben!) (Gaz. méd. No. 21. 1845.) ——————— ——ðW᷑ 3 ——— Bibliographische neuigkeiten. Fauna Japonica, auctore Ph. Fr. v. Siebold. Animalia verte- brata, elaborantibus C. J. Temminck et H. Schlegel, — Aves. Fasc. I. Lugd. Bat. 1845. Fol, Abgebildet ſind: Falco tinnunculus Japonicus. Astur (Ni- sus) gularis. Milvus melanotis. Buteo vulgaris Japonicus. Otus semitorques. Otus scops Japonicus. Hirundo alpestris Japonica, Caprimulgus Jotaka (mas et fem.) . Muscicapa hy- locharis. Cahiers d'Histoire naturelle; par M. Milne Edwards et M. Achille Comte. Nouvelle édition. Botanique, Paris 1845. 12. Sulla Scuola di ostetricia ed annesso ospizio delle partorienti in Milano e sulle cose notabili osservate si nella clinica ostetricia nel corso d'un decennio, di Felice Billi. Milano 1844, 8. Fig. (Estratto dagli Annali universali di Medicina.) Visite à l’etablissement d’alienes d’Illenau (pres d’Achern, grand- duche de Bade) ou Considerations sur les asiles d’alienes. Par M. Falret, Paris 1845. 8. ——̃ — — Neue Uotizen a us dem Gebiete der Nakur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Prefeſſor Fror ie p zu Berlin. Noe. 759. (Nr. 11. des XXXV. Bandes.) Auguſt 1845. Gedruckt im Landes -Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 % 30 2 des einzelnen Stuͤckes 3¼ Hs Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 99. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Sa. 1 eee Ueber das Alter der Americaniſchen Menſchen— race und uͤber deren angeblichen Zuſammenhang mit den Racen der ſogen. alten Welt. In einem Briefe aus Braſilien des, wie es ſcheint, noch immer in jenem Lande verweilenden Dr. Lund an Herrn Rafn zu Kopenhagen fest derſelbe die bereits in No. 626 (No. 10 des XXIX Boss), S. 147 d. Bl., kurz angedeu⸗ teten Anſichten uͤber das Alter ꝛc. der Americaniſchen Racen weiter auseinander. Von dieſem Briefe theilen die Com- ptes rendus des seances de l’Acad. d. Sc. T. XX. No. 18, 5. Mai 1845, einen der Academie durch Herrn Elie de Beaumont vorgetragenen Auszug mit, welcher auf das Vorkommen und die Beſchaffenheit der gleichzeitig mit Knochen verſchiedener ausgeſtorbener Thiere in einer Hoͤhle am Sumidouro⸗See (Lagoa do Sumidouro) aufgefünde: nen Menſchenknochen folgende Schluͤſſe gruͤndet: 1) Das Vorhandenſeyn der Menſchenſpecies in Suͤd— america reicht wahrſcheinlich bis über die hiſtoriſche Zeit bins aus, bis in die geologiſche Epoche zuruͤck, wo mehrere gegen— waͤrtig ausgeſtorbene Thiere mit dem Menſchen zugleich je: nen Welttheil bewohnten. 2) Die Menſchenrace, welche in den aͤlteſten Zeiten Suͤdamerica bewohnte, war in Anſehung ihres allgemeinen Typus dieſelbe, welche die Europaͤer bei der Entdeckung des Landes dort vorfanden. Dieſe Reſultate ſind offenbar der ſehr allgemein verbreite— ten Anſicht, als ob America von der alten Welt aus bevoͤl— kert worden ſey, nicht guͤnſtig; denn je weiter wir in die Vorzeit America's zuruͤckgehen, deſto ſtaͤrker finden wir den Typus der ihm eigenen Menſchenrace ausgepraͤgt und deſto weniger haben wir Grund, eine ſolche Einwanderung der Be— voͤlkerung anzunehmen. Bekanntlich ſteht mitten unter den einander widerſprechenden Meinungen uͤber die Zahl und die Wichtigkeit der verſchiedenen Menſchenracen ein Hauptfac⸗ tum feſt, in welchem alle dieſe abweichenden Anſichten ein= ander, ſo zu ſagen, begegnen, daß es naͤmlich in Anſehung No. 1859. — 759. r ER eee der Schaͤdelbildung drei allgemeine ſcharf markirte Typen giebt, welche Prich ard ganz paſſend mit den Namen: der ovale, der prognathiſche und der pyramidale, bezeichnet hat. Die letztgenannte Form iſt der Mongoliſchen und der Ameri— caniſchen Race eigen. Die große Verwandtſchaft zwiſchen dieſen beiden Racen iſt von allen Forſchern wahrgenommen worden, und nur der geographiſchen Verhaͤltniſſe wegen hat es vielen Anthropologen bedenklich geſchienen, diefelben als verſchiedene Varietäten derſelben Urrace zu betrachten. Die Americaniſche Race wuͤrde, wegen der noch ſtaͤrker hervortre— tenden Backenknochen und der niedrigern Stirn, eine niedrigere Stufe der Entwickelung darbieten, als die Mongoliſche. Nach der ruͤckſichtlich des gerontogeiſchen Urſprungs dieſer Racen herr— ſchenden Anſicht, waͤre demnach die Americaniſche als eine Abaͤnderung der Mongoliſchen zu betrachten, welche durch ihre Verpflanzung nach America auf eine niedrigere Organiſa— tionsſtufe zuruͤckgeſunken waͤre, als die, welche die Urrace im Urvaterlande erlangt hatte. Allein einer ſolchen Anſicht wi— derſpricht der Umſtand, daß man bei den Nationen des gan— zen oͤſtlichen Theils Suͤdamerica's durchaus keine Denkmale einer fruͤhern hoͤhern Civiliſation findet. Bedenkt man da— gegen, daß die Natur regelmaͤßig vom weniger Vollkommnen zum Vollkommnern fortſchreitet; daß dieſer Welttheil in geo— logiſcher Beziehung aͤlter erſcheint, als die gewoͤhnlich ſogen. alte Welt; ferner, daß die Unterſuchung der fraglichen Hoͤhle fuͤr die Thatſache ſpricht, daß dieſer Welttheil ſchon in den aͤlteſten Zeiten vom Menſchen bewohnt geweſen ſey, endlich, daß ſich der Urtypus ſeiner Bewohner durch alle Zeiten ſo rein erhalten hat: ſo fehlt es, meiner Anſicht nach, nicht an Gründen, um, neben weit weniger haltbaren Gonjectus ren, eine Anſicht aufzuſtellen, welche die voͤllige Umkehrung der bis jetzt angenommenen chronologiſchen Verhaͤltniſſe zwi— ſchen den beiden hier in ſtehenden Racen involviren würde. Die hier ausgeſprochene Meinung gruͤndet ſich allerdings nicht auf unumſtoͤßliche Beweiſe; allein man wird ſie hoffentlich doch erheblich genug finden, um ſie der Beachtung werth zu halten. 11 163 Demzufolge ſcheint alfo Dr. Lund zu meinen, daß der Urſprung der Mongoliſchen Race in Suͤdamerica zu ſu⸗ chen ſey, und daß dieſelbe Aſien bevoͤlkert und dort unter guͤnſtigen climatiſchen ꝛc. Verhaͤltniſſen eine höhere organi⸗ ſche Entwickelung und Civiliſation erlangt habe. Ueber wahre und falſche corpora lutea. Von Dr. Robert Lee. In einem Berichte an die Medical Society of Lon- don am 3. Febr. theilte der Verf. folgendes Ergebniß feis ner Unterſuchungen des uterus und der ovaria eines ploͤtz⸗ lich waͤhrend oder bald nach der Menſtruation geſtorbenen Mädchens mit, deren Fall von Hrn. Pilcher der Gefell: ſchaft in der vorhergehenden Sitzung vorgelegt worden war. Der uterus war gegen 3“ lang und 2“ breit, und die ganze innere Membran des Koͤrpers und Halſes mit einer rothen, zaͤhen Fluͤſſigkeit bedeckt; der linke Eierſtock hatte den normalen Umfang, und an der vorderen und hinteren Peritonaͤalflaͤche waren mehrere alte Narben ſichtbar. Das stroma des Eierſtocks war ſehr gefäßreih, und in demſel⸗ ben eingebettet fanden ſich mehrere mit klarem Fluidum ge: fuͤllte Graafſche Blaͤschen von verſchiedenen Groͤßen. Der rechte Eierſtock enthielt den von Hrn. Pilcher als wahres corpus luteum angeſehenen gelben Koͤrper; derſelbe befand ſich nahe am aͤußeren Ende des Eierſtocks und glich an Form, Größe und Farbe ganz fuͤnf der Geſellſchaft vorliegenden wah⸗ ren mit Schwangerſchaft zuſammenhangenden corpora lutea. Dr. Lee glaubte jedoch zu erkennen, daß die gelbe Stelle im Eierſtocke von einer Alteration der Wandungen des Graaf'ſchen Blaͤschens ſelbſt ausgehe, indem die beiden Haͤute des Blaͤschens, in Folge eines an ſich nicht zu erklaͤ⸗ renden Proceſſes, eine gelbe Farbe angenommen hatten. Die gelbe Materie konnte nicht durch innerhalb des Blaͤschens enthaltenes und dann mit fortfchreitender Reſorption gelb ges wordenes Blut den Haͤuten des Blaͤschens mitgetheilt wor— den ſeyn, denn obwohl ein wenig geronnenes Blut an der Innenflaͤche der Cyſte adhaͤrirte, ſo hatte daſſelbe doch die gewoͤhnliche rothe Farbe. Bei den vorliegenden wahren Corpora lutea befanden ſich die beiden Huͤllen des Blaͤschens inner— halb der gelben Materie, welche in unmittelbarem Contact mit dem stroma des Eierſtocks ſich befand, und zwiſchen dem gelben Stoffe und der Subſtanz des ovarium befand ſich keine Kapſel. Bei ihnen war weder die gelbe Materie zwiſchen den Haͤuten, noch waren letztere ſelbſt gelb gefaͤrbt, wie es der Fall bei dem corpus luteum der Menſtruation war. Ein Umſtand, welcher die Schwierigkeit der Unter: ſcheidung wahrer und falſcher Corpora lutea ſehr erhöht, iſt der, daß Befruchtung ſtattfinden und das corpus lu- teum nur unvollkommen oder unregelmaͤßig ſich ausbilden kann. So war, z. B., bei einem Praͤparate die gelbe Ma— terie faſt allein auf die eine Seite des Graaf'ſchen Bliss chens beſchraͤnkt und umgab daſſelbe nicht, wie bei den anderen. Dr. Lee legte zugleich die Zeichnung eines corpus luteum aus dem ovarium einer am 2. Januar im St. 759. XXXV. 11. 164 George⸗Spital verſtorbenen jungen Frau vor, welche am 30. December menſtruirt hatte; die menses waren vor dem Tode plotzlich verſchwunden. Beide Fallopiſche Roͤhren ad⸗ haͤrirten ſo vollſtaͤndig an den Eierſtoͤcken, daß nach Dr. Lee's Anſicht bei dieſem Individuum Befruchtung ganz un⸗ moͤglich geweſen war. Im uterus fand ſich keine Spur eines Eies, ſondern nur eine geringe Quantitaͤt Menſtrual⸗ fluͤſſigkeit. In dem rechten Eierſtocke befand ſich dagegen unmittelbar unter der Peritonaͤalhuͤlle eine gelbgefaͤrbte, oval⸗ foͤrmige, zuſammengerollte Subſtanz, welche einem wahren corpus luteum auffallend aͤhnlich ſah. Dieſe gelbe Sub: ſtanz war augenſcheinlich das Graaf'ſche Blaͤschen ſelbſt. In der Höhle der gelben Cyſte fand ſich gleichfalls ein Blut: klumpen, welcher an der einen Seite an der Cyſte leicht ad⸗ haͤrirte, und deſſen aͤußere Oberflaͤche gleich der Fibrine von gelblicher Farbe war. Bei'm Einſchneiden in dieſes Gerinn⸗ ſel erſchien ein dunkeler Blutklumpen, das rothe coagulum war von der Schicht gelber Fibrine eingeſchloſſen. In die⸗ ſem Falle alſo, wo Befruchtung unmoͤglich geweſen war, fand ſich dennoch ein corpus luteum vor, welches an Ge⸗ ſtalt und Farbe den vorliegenden wahren Corpora lutea ganz aͤhnlich war, jedoch nur eine Folge der Menſtruation ſeyn konnte. Dr. Lee ſprach ferner uͤber die Unterſu⸗ chung des uterus und der ovaria der kuͤrzlich zu Salt⸗Hill durch Blauſaͤure inmitten der Menſtruation vergifteten Frau; in dem rechten Eierſtocke war eine mit der Hoͤhle eines Graaf'ſchen Blaͤschens communicirende Oeffnung imperito- neum, das Blaͤschen war theilweiſe mit geronnenem Blute angefuͤllt, aber ohne Spur einer gelben Materie. Schließ⸗ lich legte er noch den halben Eierſtock einer acht Jahre verheiratheten und kinderlos gebliebenen Frau vor. Im ute- rus war kein Ei zu finden, die tuba Fallopii adhaͤrirte feſt am ovarium, und in letzterem fand ſich eine Subſtanz, welche groͤßeren Theiles uͤber die Oberflaͤche des Eierſtockes hinausragte, in der Mitte einen duͤnnen, unregelmaͤßigen, membranöfen Fetzen zeigte und augenſcheinlich nur ein Blut⸗ gerinnſel war. (Lancet No. IX. 1845.) Bericht über Meſſungen an Individuen von ver: ſchiedenen Nationen zur Ermittelung der menſch— lichen Koͤrperverhaͤltniſſe. Von Dr. G. Schult, Conſervator des anatom. Mufeums zu St. Petersburg. Der Endzweck dieſer Meſſungen war hauptſaͤchlich das Bild zu ergaͤnzen, das wir von den menſchlichen Typen durch die fruͤheren Unterſuchungen am Schaͤdel und Becken bereits gewonnen haben. Es war dann ferner zu ermitteln, ob bei Voͤlkern, die einer Race angehoͤren, die aber durch Phyſiognomie und Lebensweiſe, ſowie in geiſtiger Hinſicht ſich unterſcheiden, nicht auch eine merkbare koͤrperliche Ver— ſchiedenheit obwalte. Zu dieſem Zwecke bot unſere Refiden; die erwuͤnſchte Gelegenheit und ich uͤbergebe hiermit einige vorläufige Mes 165 fultate, um über die Nuͤtzlichkeit einer Fortſetzung und Er: weiterung folder Unterſuchungen mich zu vergewiſſern. Das Verfahren dabei war folgendes: Es wurden nur vollkommen ausgewachſene Individuen von mittlerer Hoͤhe gewaͤhlt und auf bloßem Leibe wurden dann die wichtigſten anſtehenden Vorſpruͤnge des Knochenſyſtems und einige an⸗ dere deutliche Puncte beſtimmt. Der Maaßſtab hatte einen horizontalen Fuß und einen beweglichen Arm, wodurch die Entfernung aller Puncte vom Fußboden auf's Genaueſte be⸗ ſtimmt und daraus nachher die einzelnen Maaße gefunden wurden. Zu naͤherem Verſtaͤndniß folgt hier eine genaue Angabe der einzelnen Puncte: 1. Die Hoͤhe. Das Individuum ſteht baarfuß auf einem ebenen Fußboden und ſieht gerade vor ſich hin, ohne ſich nach Hinten zu lehnen. 2. Der Klafter. Entfernung der Mittelfingerſpiz⸗ zen bei gerade auseinandergeſtreckten Armen. Der Maaß⸗ ſtab wurde in gleicher Hoͤhe mit der Schulter horizontal an die Wand geſtuͤtzt. Der zu Meſſende nahm dann einen be⸗ quemen Klafter am Maaßſtabe ſelbſt, ohne ſich anzuſtrengen. 3. Der legte Halswirdel. Wo der Dornfort⸗ ſatz nicht deutlich war, erſchien er ſofort bei einer leichten Beugung des Nackens. 4. Manubrium sterni. Der obere harte Rand des Bruſtbeins. 5. Das untere Ende des Bruſtbeins. Der Winkel, den der untere Rippenrand mit dem Bruſtbeine macht, wurde hier gewaͤhlt, da er leicht zu finden iſt. 6. Das perinaeum. Ein Lineal wurde mit ſei⸗ ner ſcharfen Kante an's perinaeum maͤßig angedruͤckt, waͤh⸗ rend der zu Meſſende mit geſchloſſenen Fuͤßen aufrecht ſtand; dann wurde die Entfernung der Kante vom Fußboden ges meſſen. 7. Symphysis. Der bewegliche Arm des Maaß⸗ ſtabes wurde dicht uͤber der insertio penis angeſetzt. 8. Trochanter. Der aͤußerſte Punct, wo der Knochen auch am Fuͤhlbarſten iſt, wurde hier beſtimmt. 9. Die erista oss. il. wurde in ihrer Mitte beſtimmt. 10. Die spina oss. il. ant. sup. iſt immer leicht zu fuͤhlen. 11. Das Knie. Hier wurde entweder die glaͤnzende Hautfalte in der Kniebeuge gemeſſen oder der untere Rand der patella. 12. Vorder arm. bis zur tuber. infer. 13. Hand. Carpus, metacarpus bis zur Spitze des Mittelfingers. 14. Beckenbreite. andern. 15. Die Schulterbreite wurde bei herabhaͤngenden Armen gemeſſen, die Dicke des Oberarms alſo mitbegriffen. 16. Die Entfernung der Bruſtwarzen voneinander. 17. Die aͤußere Ohroͤffnung wurde nur bei einigen Voͤlkern beſtimmt. Laͤnge der ulna, vom Oberarme Von einem trochanter zum 759. XXXV. 11. 166 18. Der Fuß. Laͤnge; bei den ſpaͤtern Meſſungen auch der Umfang vorn und hinten. 19. Der Nabel. Aus den beigefuͤgten Tabellen ſcheint Folgendes ſich zu ergeben: Die Stellung des Halswirbels zeigt, daß die Neger den kuͤrzeſten Hals und Kopf haben, woraus ſich manche ihrer Gewohnheiten erklaͤren ließe; die Juden ſcheinen den laͤngſten zu haben, dann die Ruſſen. Hier iſt aber zu bes merken, daß aus dieſen Meſſungen das eigentliche Verhaͤlt⸗ niß zwiſchen Hals und Kopf nicht erſichtlich iſt, ſondern nur das relative Maaß beider zuſammen. Das perinaeum iſt am Niedrigſten bei den Juden. Ihre unteren Ertremitäten find alſo die kuͤrzeſten. Die Ne: ger haben die laͤngſten. Das Knie iſt auffallend niedrig bei den Ruſſen. Das Becken zeigt bei durchgaͤngig ziemlich gleicher Hoͤhe die auffallendſten Verſchiedenheiten in den einzelnen Dimenſionen. Ich wage nicht zu beſtimmen, wieviel An⸗ theil hieran die Beckenneigung und die Stellung der Pfan- ne — mehr nach Hinten oder Vorn — haben mag. Die breiteſte Bruſt zeigten die Eſthen. Auffallend iſt, daß bei ihnen ſaͤmmtliche Breitendurchmeſſer am Staͤrkſten find. Alle Individuen zeigten eine bemerkenswerthe Webers einſtimmung im Bau. Ich habe indeß nur wenige gemeſ— fen, weil diejenigen, die in der Garde dienen, mir viel ger⸗ maniſches und ſchwediſches Blut zu haben ſchienen und ſich von dem finniſchen Typus entfernen. Die laͤngſten Arme hatten wiederum die Neger, die Eürzeften die Juden. Wenn im Ganzen bei'm Europaͤer der Klafter die Koͤrperhoͤhe um 2 — 3 engliſche Zoll übers trifft, fo fand ſich dagegen ein Neger, der hier am Eaifers lichen Hofe dient, deſſen Klafter 10 Zoll mehr zeigt, als ſeine Hoͤhe. Vergleicht man die einzelnen Elemente ſeines Klafters mit dem eines Juden von faſt gleicher Hoͤhe: Border: | Schulter | Hoͤhe. | Hand. arm. breite. Klafter. Reger | 673 83 118 | 161 | 77 Jude 671 8 10 161 681 fo ergiebt ſich von dem Unterſchiede von 83 Zoll im Klafter für jede Hand 3 macht für 2 Hände 4 für jeden Vorderarm 12 macht 3 die Bruſt 2 der Oberarm folglich 22 44 8 Von den übrigen Negern zeigten die 2 juͤngſten von 19 und 21 Jahren 3 Zoll, die andern 4 und 6 Zoll mehr im Klafter, als in der Höhe. Die Juden waren die einzi⸗ gen, bei denen ſich Individuen fanden, deren Klafter um einen Zoll kuͤrzer war, als ihre Koͤrperhoͤhe. Die kleinſten Haͤnde zeigten die Ruſſen, die groͤßten die Letten. Den groͤßten Fuß zeigten die Ruſſen, den klein⸗ ſten die Tſchuwaſchen. 110° 167 759. XXXV. 11. 168 1. Mittelzahlen der gefundenen Maaße in engliſchen Zollen. (NB. Die Summe der Maaße wurde durch die Zahl der Gemeſſenen dividirt.) 2 5 . * 2 = E 2 2 = 2 gs 8 = = =] = = O 5 — 2 * Nation. 8 e 3 1 = .EsE 5 2 , Je leız — — 1 3 2 = — 5 , c „ MW la ses 16 | Ruſſen . 56,59 81,56018,95 32, 11038, 3840,13 39,76 33,9247, 3954,95 8,26 7, 710,57 10,23 12,7516 68,87 66, 9 16 Juden. . 654,32 29,2917, 5 31,3937 37,89 37,56 32,1647, 852.54 8 7,45 9,96 10,06 11,34 15,88 67,21 64,46 3 | Ifcherkeffen. |57,37\81,12118,54\33, 4138, 1|40, 340, 2|33, 9148, 3055, 5| 8,33 12,29116,54 68, 468,16 7 Letten. 57, 7 31,50 18,39 33, 1138, 3040, 5 39, 534, 2647,85 55 8,64 8,1710, 2110,35 12,2815, 2068,78 66,98 10 | Ruſſen aus Tobolsk . 157, 131, 318,25 33,0738, 340,93 39,5533, 6 55,79 8,85 12,57 16,57 69, 9067,66 5 Neger .. 6,62 32.379,27 33,1588, 9 41,73 38,67 34, 947,37 54, 48,87 7,85 10,35] 10,08 12,3515 9771,15 66,15 6 Eſchuwaſchen 58, 8 82, 519, 1134,16,39,16|41, 6140, 8/34, 3147, 8156 | 8, 5| 7, 810,66110 |13 ji6 68, 50685 II. Relative Maaße in Hunderttheilen der Hoͤhe. (NB. Die Summe der Maaße mit der Summe der Höhe dividirt.) 4 5 2 8 2 E : 1 = a © =. E = > 3 (73 - [9] = .2 0 = — 2 Nation. 8 Een eee e eee 5 = S S „ „ EEE Sr See 0 — 2 — 65 S e e e e eee 70 | Ruſſen 945 46, 2226,78 49,220 56,54|60,26] 59,8250 4171078157 12,6911, 15,58 15,72 18,89 23,82 102,61 20 Juden .. |84,26145,38|27,15|48,5657,39158,78| 58,18|49,74,71,14|81,51|11,92 11,5514, 7915,61 18 61 23,8601, 7 8 Letten 185,28 46,95127,29\49,46| 57,14160,34| 59,06 | 50,957 1,42 32,06 | 12,33|12,15| 15,25 18,33 23,4500, 41 6 Fſchuwaſchen |85,40|47,44127,98|49,87|57,17|60,82| 59,61 |50,12)69,80|81,99| 12,43 11,42| 15 5514,84 18,97 23,35 104,37 4 | Eſthen . 84,83 48, 3127,84, 50,14|57,5260,91|59,71 |51,45,67,28|81,55 |13,80 11,77[|15,70|15,35| 19,22 24,75!104,28 5 Neger 85,75 49,09 29,09 50 58,76 62,7260 \52,72]71,51|81,81|13,33\11,81| 15,64|15,15| 18,78 24,24 107,57 13 | Sehr langekeute verſchiedener Nation. 49,08 29,19 61,26 60 82,78 104,93 III. Laͤngenverhaͤltniß der Hauptgliedmaaßen zu einander, ebenfalls in Hunderttheilen der Hoͤhe. m 555 => — = 5. = 2 2 2 rl Erle ss ⁴ -S 5 3 8 = 55 = 8 8 3 5.2 5254 Summe der Zahl [Nation. „= . 2 = 3x = 2. 235 53% | 5823| lesten drei E 5 8 8 = 8 2 3 ss#| Sen Rubriken. =, — 2 22 © » 2 5 5 5 2 = 8 SE Selle 70 | Rufen . 18,43 | 35,53 | 5347 | 26,69 26,78 | 14,04 3,72 7,32 3, 14,04 20 Juden 18,49 | 36,07 | 53,56 26,41 27,15 13,40 1,39 8.83 3,18 13 8 Letten 17,94 | 35,11 | 5404 | 26,75 27,29 | 13,39 3,20 7,68 2,51 13˙39 6 Fſchuwaſchen 18,01 | 34,55 53,64 25,66 27,98 | 13,38 3,65 7,30 2,43 13 38 5 Neger 18,19 32,72 55,74 26,65 29,09 13,63 3,96 8,76 0,91 13,63 ) Vom manubrium bis zum Scheitel. 2) Vom manubrium zum perinaeum, 3) Von der Sohle bis zur Pfanne. „) Die Pfanne und ſomit die Höhe des Oberſchenkels beſtimmte ich, indem ich die Entfernung der spina vom Äußerften Puncte des trochanter halbirte. 5) Zwiſchen erista und perinaeum. (Aus Bullet, de la classe physico-mathematique de l’academie imper. des sciences de St. Petersbourg, Nr. 87. 88.) — 169 Miscellen. Eine Relief⸗ Nachbildung des Mondes iſt bei der letzten Gelehrtenverſammlung zu Cambridge von Sir J. Herſchel vorgezeigt worden und hat große Aufmerkſamkeit erregt. Es iſt die forgfältige und ſchoͤne Arbeit von einer Hannoveranerin, einer Madame Witte, nach wirklichen Beobachtungen durch ein vortreff— liches Frauenhofer'ſches⸗Teleſcop in einem kleinen Obſervatorium auf dem Boden ihres Wohnhauſes verfertigt worden, nachdem die fele: nographiſchen Ortsbeſtimmungen zuerſt auf die ebene Oberfläche nach der Herren Beer's und Maedler's mikrometriſchen Meſſungen und Karten niedergelegt worden waren. Der Durchmeſſer des Modells iſt 12 Zoll und 8 ½ Lin. Rheinl. Maaß oder Y/ıo,ooosooo Theil von des Mondes wirklichem Durchmeſſer. Der Maaßſtab der Hoͤhen iſt aber um das Doppelte dieſes Betrags vergroͤßert, weil ſonſt das Relief zu niedrig geweſen ſeyn wuͤrde fuͤr die Deutlichkeit. Das Material iſt eine Miſchung von Maſtix und Wachs, und das Ganze iſt in ſolcher Vollkommenheit von Detail gearbeitet, daß jeder ſicht⸗ bare Krater und Bergſpitze, ja ſelbſt die kleineren Erhebungslinien, welche die ſogenannten Seeen ꝛc. bilden, in wahrer Form und paſ— ſender Proportion nachgebildet ſind. Die Folge iſt, daß, wenn das Modell gehoͤrig erleuchtet iſt und in der Entfernung von 30 bis 40 Fuß mit einem guten Teleſcope angeſehen wird, das kuͤnſtliche Modell kaum von dem wirklichen Monde zu unterfcheiden ift. Die Genauig— keit und Feinheit der Arbeit kann nur durch mikroſkopiſche Unter: ſuchung gewürdigt werden; wirklich ſoll, nach Mad. Witte's Ans gabe, das ganze Modell mit Huͤlfe von Vergroͤßerungsglaͤſern gear⸗ beitet worden ſeyen. — Sir J. Herſchel begleitete feine Erlaͤu⸗ terung dieſes Modelles mit mehreren Bemerkungen uͤber die phyſi— ſche Conſtitution des Mondes hinſichtlich des Elima's, der Atmo— ſphaͤre, Feuchtigkeit ꝛc. und verglich die Oberflaͤche deſſelben mit der Karte eines Theiles des Aetna's, welche ihm zu dieſem Behufe von dem Baron v. Waltershauſen geliehen worden war und mit einer von ihm ſelbſt gefertigten Zeichnung eines der bedeutendſten Mond: Krater, wie er in feinem 20fuͤßigen Reflector erſcheint, wos durch der vulcaniſche Character der Ringberge außer allen Zweifel geſetzt ward. Mit Huͤlfe einer großen Karte von den Herren Beer u. 759. XXXV. 11. 170 Maedler wurden mehrere Berge, als Ariſtarchus, Tycho, Kepler, Copernicus ꝛc bezeichnet und ihre Eigenthümlichkeiten beſchrieben, während ihre Stelle auf dem Modelle mittels Meſſingkreiſe (Ae⸗ quator und Meridian des Mondes) ſixirt waren. — Indem Sir J. Her ſchel von dem Clima des Mondes ſprach, hielt er die Erreichung eis ner ſehr hohen Temperatur (weit uͤber der des kochenden Waſſers) fuͤr die Oberflache deſſelben für wahrſcheinlich, nachdem fie faſt volle 14 Tage lang dem fortgeſetzten und ungemilderten Sonnenſcheine ausgeſetzt ge— weſen. Wenn daher der Mond voll iſt (und einige Tage nachher) muß er auch in einem geringen Grade eine Quelle von Waͤrme fuͤr die Erde ſeyn; aber dieſe Wärme, mehr von der Natur der Kuͤchen-, als der Son— nenhitze (da fie von einem Körper ausftrömt, der unterhalb der Tem⸗ peratur der Gluͤhhitze ſteht), wird nie die Oberfläche der Erde errei— chen, da ſie von den oberen Schichten einer Atmoſphaͤre aufgehalten und abſorbirt wird, wo ihre ganze Wirkung nothwendig darauf verwendet wird, ſichtbare Wolken in unſichtbaren Dunſt zu ver— wandeln. Die Erſcheinung der raſchen Zerſtreuung von Wolken (bei gemäßigter Witterung) bald nach dem zum Vorſcheinkommen des Vollmondes oder eines dem Vollſeyn nahen Mondes, welches er ſelbſt in ſo vielen Faͤllen beobachtet zu haben verſichert, daß er von der Realität einer ſtarken Tendenz in dieſer Richtung uͤberzeugt ſeyn muͤſſe, ſchien ihm nur nach dieſem Grundſatze erklaͤrbar. Ein mechaniſches Pferd, eine der merkwuͤrdigſten Erfinduns gen, iſt zu Stuttgard von dem Stallmeiſter Sr. M. des Koͤnigs von Wuͤrtenberg, Oberſtlieuten. v. Hamel, gemacht worden. Dieſes kuͤnſtliche Pferd iſt nämlich, nach funfzehnjaͤhrigen Bemühungen des Erfinders fo ausgefallen, daß es alle bei'm Reiten in Betracht Toms menden Bewegungen eines Pferdes, des wildeſten, wie des völlig ge— ſchulten, vollſtaͤndig nachahmen kann, und einen angehenden Reiter in den Stand ſetzt, alle zur Bezaͤhmung und Behandlung jener Bewegungen noͤthigen Reiterbewegungen und Kuͤnſte ohne alle Ge⸗ fahr zu erlernen, und ſich im vollen Maaße anzueignen, um hernach auf jedem lebenden Pferde als vollſtaͤndiger Reiter zu erſcheinen. Ueber das Einzelne muß auf das Programm der ernannten Prüfungss Commiſſion, ſowie auf viele oͤffentlich bekanntgemachte Zeugniſſe der tuͤchtigſten Sachkenner, verwieſen waren. (Vergleiche u. a. die Beilage zu No. 212 der Allgem. Zeitung. d. J.) HB. ei eingeklemmter Bruͤche. Von George Macilwain. Verf. ſchließt eine Abhandlung uͤber die Urſachen der Sterblichkeit bei Brucheinklemmung, namentlich in Bezug auf die ungeeignete Behandlung derſelben mit Abfuͤhrmitteln, mit folgender Angabe feiner eignen durch practiſche Erfolge bewaͤhrten Behandlungsweiſe: Sobald ich zu einem Falle von eingeklemmtem Bruche gerufen werde, fuͤhre ich ſogleich die taxis aus, ſobald ich den Bruch fuͤr reponibel halte, im umgekehrten Falle wird vorher der Tabak angewendet. Die Wirkung des letzteren muß vom Arzte uͤberwacht, und un— mittelbar nach dem Eintritte der Abſpannung die Repoſition der Hernie verſucht werden, wofern nicht, was zuweilen ge— ſchieht, der Bruch von ſelbſt zuruͤcktritt. Sobald die Repo— ſition unausfuͤhrbar iſt, laſſe man den Kranken ſich von der Wirkung des Tabaks erholen, und ſchreite unverzüglich zur Operation. Der Transport des Kranken in ein anderes Zimmer oder in den Operationsſaal iſt tadelnswerth, indem jede unnoͤthige Bewegung zu vermeiden iſt. Der Nutzen der Operation bedarf keiner Beſprechung fie mißlingt nur hoͤchſt ſelten. Fuͤr den juͤngeren Operateur bemerke ich hier, daß der aͤußere Schnitt gehoͤrig groß und hoch hinauf gemacht L KR Practiſche Bemerkungen uͤber die Behandlung Nen werde, indem man ſich dadurch vor mancher Unannehmlich— un keit ſichert; man gewoͤhne ſich auch daran, ein gewoͤhnliches gut gefertigtes Biſtouri, ſtatt des entbehrlichen Bruchmeſſers, zu gebrauchen, unterſuche ſtets ſorgfaͤltig die Strictur, bevor man ſie zu trennen verſucht, und fuͤhre ſein Biſtouri, auf dem Zeigefinger flach aufgelegt, bis zum Ende durch. Alle Manipulationen muͤſſen ſehr ſchonend ausgeführt werden, und ſobald der Darm reponirt und der Kranke in's Bett gebracht worden iſt, ſo iſt vor Allem die abſoluteſte Ruhe erforderlich. In einigen Fällen von ungewöhnlicher Erſchoͤ— pfung mag man einen Eßloͤffel voll Hafergruͤtze und ſelbſt etwas Wein geſtatten; im Allgemeinen iſt Dieſes jedoch durchaus unnoͤthig. Verfaͤllt der Operirte in Schlaf, ſo huͤte man ſich wohl, denſelben zu ſtoͤren. Die erſten ein oder zwei Tage erhalte der Kranke ſo wenig Nahrung, als moͤglich, vor Allem aber keine Abfuͤhrmitttel. Die Anwendung der— ſelben ift ſelten nöthig, die Zeit ihrer Zulaͤſſigkeit iſt verſchie— den und haͤngt von der Dauer der Einklemmung, der Geſpanntheit der Strictur, im Allgemeinen von dem Zuſtande des Darmes ab. Gewoͤhnlich erfolgt von ſelbſt Stuhlgang ſo bald nach der Operation, als es den Umſtaͤnden angemeſſen iſt; in Faͤl— len jedoch, wo der Darm in ſehr ſchlechtem Zuſtande, z. B. in dem drohender Mortification, ſich befindet, iſt dieſes zu— 471 weilen nach 2 — 3 Tagen oder fpäter der Fall. Befindet ſich der Darm nur in einfachem Congeſtivzuſtande, ſo treten gewöhnlich innerhalb der erſten 24 Stunden Darmausleerun⸗ gen ein; in keinem Falle jedoch duͤrfen Abfuͤhrmittel fruͤher, als einen Tag nach der Operation, gereicht werden. Will man den Darmcanal kuͤnſtlich erregen, ſo beginne man mit einem Clyſtir von warmem Waſſer, und wenn dieſes nicht aus— reicht, ſo reiche man am zweiten oder dritten Tage ein mildes Abfuͤhrmittel in kleiner Gabe, welche in längeren oder kuͤr— zeren Zwiſchenraͤumen wiederholt werden kann. Sobald die purgantia Aufſtoßen, Uebelkeit oder Reizbarkeit des Mas gens bewirken — vorausgeſetzt daß dieſelben nicht der Art ſind, wie ſie gewoͤhnlich dieſe Wirkungen hervorbringen, Jalappe, z. B. — fo ſetze man dieſelben ſogleich aus. Eine ſpon⸗ tane Entleerung iſt ſtets ſehr willkommen, daſſelbe laͤßt ſich aber nicht von der kuͤnſtlich erzeugten behaupten. Bei an⸗ dauernder Verſtopfung iſt der Darmcanal zuweilen in Folge einer Traͤgheit der Leberſecretion torpide, und dann reicht man am Zweckmaͤßigſten 1 — 2 Gr. Calomel mit 2 Gr. confect. Opii. Wenn man die Kranken auf dieſe Weiſe behandelt, ſo wird ſelten peritonitis eintreten, und iſt die⸗ ſelbe ſchon vor der Operation vorhanden geweſen, ſo wird ſie meiſt auch nachlaſſen. Wenn dagegen die peritonitis ac⸗ tive Maaßregeln erheiſcht, ſo entſteht die Frage: ſoll dem Kranken zur Ader gelaſſen werden? Sobald derſelbe bereits vor der Operation viel Blut verloren hat, ſtelle ich keinen neuen Aderlaß an, und in den Faͤllen von großer Depreſſion, wo nicht vorher ſchon Blut entzogen worden iſt, bin ich hoͤchſt vorſichtig mit der Venaͤſection, und wende lieber kraͤf— tige derivantia, wie heiße Kruͤge an die Fuͤße, Senfteige auf den Leib, ſowie Terpenthin-Fomentationen an. Blaſenpfla⸗ ſter deprimiren zwar oft mehr, find aber zuweilen ſehr nuͤtz— lich. Iſt dagegen der Kranke kraͤftig und blutreich, und iſt ihm vor der Operation nicht zur Ader gelaſſen worden, ſo ſtelle ich ſogleich einen reichlichen Aderlaß aus großer Venenoͤff— nung an; ſobald jedoch darauf keine entſchiedene Remiſſion der Symptome eintritt, wiederhole ich denſelben nicht. Zur Antreibung der Leberſeeretion und Hautthaͤtigkeit, welche bei allen Membranen⸗Entzuͤndungen fo wichtig iſt, dienen am Zweckmaͤßigſten Calomel und Opium, letzteres jedoch in nicht zu großer Gabe. In Faͤllen von großer Erſchoͤpfung bei alten Leuten reiche man etwas Wein mit oder ohne ei⸗ nige Tropfen Laudanum; eine einzige Gabe reicht hier meiſt aus. Unmittelbar nach der Operation tritt zuweilen eine große Unruhe ein, der Kranke iſt aufgeregt, ſchlaflos, der Puls klein und frequent, Durſt, Zunge in der Mitte et⸗ was trocken, oder derſelbe Zuſtand kommt in erhoͤhtem Grade vor, der Mund iſt trocken, der Kranke unruhiger, er klagt ohne deutliche Urſache, will aus dem Bette und collabirt ſchnell. Dieſe beiden Zuſtaͤnde deuten reinen Kraftmangel an und erfordern die raſche Anwendung maͤßiger Reizmittel. Auch die nicht ſelten bei Brucheinklemmungen vorkommende Diarrhoͤe macht zuweilen die Anwendung von Reizmitteln nothwendig. Der Verf. reiht hier zum Schluſſe einige Fälle aus ſeiner Praxis an, welche die Zweckmaͤßigkeit ſeiner Ver⸗ fahrungsweiſe bezeugen. (Lancet Nr. XII. 1845.) 759. XXXV. 11. 172 Ueber die Behandlung der anchylosis spuria und der Contractur durch Compreſſion und Extenſion ohne Anwendung der Tenotomie. Von Herrn Dancel. In einer, vom Verf. unter obigem Titel, Paris 1843 bei Bailliere herausgegebenen Schrift giebt derſelbe meh⸗ rere Faͤlle, aus welchen wir folgenden herausheben: Henriette Cannevin, 24 Jahre alt, Arbeiterin, wurde im Maͤrz 1841 am rechten Arme zur Ader gelaſſen. Gleich nach dem Aderlaſſe entwickelte ſich eine Geſchwulſt, welche am naͤchſten Tage die Groͤße eines großen Huͤhnereies erreicht hatte und lebhafte Schmerzen verurſachte. Nach ſechswoͤchent⸗ licher Application erweichender Umſchlaͤge brach die Geſchwulſt auf und entleerte eine große Menge Eiter, die Oeffnung vernarbte binnen 25 Tagen, aber die Stelle des Aderlaſſes blieb ſchmerzhaft. Das Elnbogengelenk hatte ſeine Beweg⸗ lichkeit verloren und war im ſpitzen Winkel fixirt. Trotz der Anwendung fliegender Blaſenpflaſter und mehrerer Linimente verſchlimmerte ſich das Uebel, die Finger bogen ſich ein und die in der Richtung der Adduction ſtark angezogene Hand blieb in einem Winkel zum Vorderarme ſtehen. Die Nägel der eingeſchlagenen Finger drangen in's Fleiſch ein und ver⸗ urſachten der Kranken furchtbare Schmerzen. Douchen, Bäder von Ochſenblut, ſowie mechaniſche Redreſſionsverſuche, leiſteten Nichts. Als die Kranke in die Behandlung des Verfaſſers kam, bemerkte er, daß die rechte Schulter 3 Centim. tiefer, als die linke, ſtand; die Muskeln, welche vom Schul: terblatte zum Oberarme gehen, ſowie die des Ober- und Vor⸗ derarmes, waren hart geſpannt; die Sehne des m. biceps, for wie die der Flexoren der Hand und der Finger, ſprangen unter der Haut ſtark hervor; der Zuſtand des Elnbogens, der Hand und der Finger derſelbe, wie oben angegeben. Hr. D. verſuchte zunaͤchſt, den kleinen Finger gerade zu ſtrecken, je⸗ doch vergeblich; er umwickelte dann den Vorder-und Ober⸗ arm mit einer Binde von ſtarker Leinwand, welche er feſt anzog und erneuerte nach einigen Augenblicken die Redreſ⸗ ſionsverſuche, wobei es ihm gelang, die Finger einen nach dem anderen hinlaͤnglich zu erheben, um einen Tampon zwiſchen dieſelben und die Handflaͤche ſchieben zu koͤnnen. Der Compreſſivverband wurde abgenommen und dann von Neuem zugleich auch auf die Hand applicirt. In der da⸗ rauf folgenden Nacht ſchlief die Kranke wegen Schmerzen in der Hand und dem Vorderarme wenig. Am naͤchſten Mor⸗ gen war der von der Hand mit dem Vorderarme in der Richtung der Adduction gebildete Winkel ein Wenig ſtum⸗ pfer, als fruͤher; der Daumen, deſſen zweite Phalanx am Tage vorher unbeweglich gegen die erſte hin flectirt war, ſtand gerade, und man konnte ihn ohne große Anſtrengung vom Mittelfinger, an welchem er früher wie angewachſen gewe⸗ ſen war, entfernen. Die Finger ließen ſich etwas mehr in die Höhe heben. Erneuerung des Compreſſivverbandes. Am naͤchſten Tage nach einer von Neuem durch Schmerzen geſtoͤr⸗ ten Nacht konnte man die Hand mit Leichtigkeit in Supi⸗ nation bringen, ſowie auch die Finger faſt ganz gerade ge⸗ richtet werden konnten. Eine Schiene wurde nun an die 173 Vorderflaͤche des vorher mit einer feftanliegenden Binde ums gebenen Vorderarmes angelegt und vermittelſt einer zweiten Rollbinde befeſtigt. Nach 3 Tagen befand ſich die Hand in einer normalen Stellung zum Vorderarme. Am 16. Juni zuerſt vermochte die Kranke die einzelnen mit einer kleinen Binde umwickelten Finger etwas zu beugen und zu ſtrecken; wenn man die Binde jedoch abnahm, ſo ſchlugen ſich die Finger von ſelbſt wieder ein und verurſachten heftige Schmerzen in der Handflaͤche und in der Vorderſeite des Vorderarmes bis zur Stelle des Aderlaſſes hinauf. Die Anchyloſe des Elnbogens ſtand nur in einem ſtumpfen Winkel. Die Binde wurde von Neuem angelegt und acht Tage applicirt erhalten, indem man fie alle Morgen erneu⸗ erte. Am 24. Juni konnte die Kranke nach abgenommener Binde mit dem Daumen und Zeigefinger ein Stuͤck Leinen erfaſſen, einige Zeit halten und dann freiwillig loslaſſen. Die Schulter, deren Bewegungen frei geworden waren, ſtand in gleicher Hoͤhe mit der anderen, der Vorderarm ſtreckte ſich gut, die fruͤher vorſpringende Sehne des m. biceps hatte ihre Hervorwoͤlbung verloren. Am 30. Juni wurde die Kranke geheilt entlaſſen und konnte mit der rechten Hand, wie früher, wieder arbeiten. Am 28. Mai 1843 (zwei Jahre nach ihrer Heilung) kam die Kranke wieder zum Verf. wegen einer permanenten Flexion des Vorderarmes und der Haud, welche vor 6 Wo— chen nach einer angeſtrengten Arbeit binnen 24 Stunden ein: getreten war. Die vom Oberarme zum Schulterblatte und zum Stamme gehenden Muskeln befanden ſich in einem Zuſtande ſpasmodiſcher Contraction, fo daß die Bewegungen der Schul: ter ſehr beſchraͤnkt und erſchwert waren, die Sehne des bi- ceps ſprang vor, und dieſer Muskel, ſowie die des Ober— und Vorderarmes, waren hart anzufuͤhlen, die Beweglichkeit des im rechten Winkel gebogenen Elnbogens war verloren, die Hand geſchloſſen und die Fingerſpitzen feſt gegen die Handflaͤche angedruͤckt. Nach 6 Tagen wurde auch Dieſes⸗ mal durch Anlegen eines Compreſſivverbandes die Heilung erzielt. (Gaz. méd. No. 22. 1845.) Ueber die Maaßregeln der Geſundheits-Polizei zum Schutze der Menſchen gegen die Wuthkrank— heit der Hunde und über die Kruttgeſche prophylactiſche Methode „hat Hr. Medicinalrath Dr. Ebers in Breslau in der mediciniſchen Section der Schleſiſchen Geſellſchaft fuͤr vater— laͤndiſche Cultur am 2. Aug. 1844 einen Vortrag gehalten. Die Aufgabe iſt, nach Hrn. Medicinalrath Ebers, eine dreifache: 1) die uͤbertriebene Furcht vor der Krankheit zu ver: mindern; 2) die Krankheit in engere Grenzen einzufchräns ken und 3) der Gefahr, wo die Krankheit den Menſchen wirklich bedroht, vorzubeugen. 1) Hr. Medicinalr. E. wies aus der Volkszahl des Breslauer Regierungs: Departements, des Breslauer Kreiſes und der Stadt Breslau nach, daß die Zahl der Menſchen, welche der furchtbaren Krankheit erliegen, viel geringer iſt, 759. XXXV. 11. 174 als man gewoͤhnlich annimmt. Im Jahre 1831 betrug die Volkszahl des Breslauer Regierungsdepartements 987,370 Einwohner, im Jahre 1841 1,069,580. Es ſtarben in dem Zeitraume von 1831 — 1840 an der Wuthkrankheit 19 Menſchen. Die wenigſten wuthkranken Hunde pflanzen das Uebel fort. Daſſelbe gilt von anderen Thieren und vom Menſchen. Bei einzelnen Individuen gelangt das waͤhrend der Krankheit ſich entwickelnde Contagium nicht zu dem Grade von Ausbildung, daß es ſich fortpflanzen kann, und ebenfo fehlt der Mehrzahl der Menſchen und Thiere die Re⸗ ceptivität für das Gift. Nach den Beobachtungen des Gra⸗ fen R., Beſitzers großer Guͤter und Waldungen, findet man in den Doͤrfern wenige Hunde nach Verlauf einiger Jahre noch an ihrem alten Platze, die mehrſten Hunde verlaufen ſich im Delirio, ſuchen die Einſamkeit und ſterben in Waͤl⸗ dern.“ 2) „Zur Verminderung der Gefahr, von wuthkranken Thieren verletzt zu werden, hat ſich die Aufmerkſamkeit des Menſchen zunaͤchſt auf den Hund zu richten. Die Aufgabe iſt, nicht das Thier auszurotten, ſondern es geſund zu er— halten. Der Hund ift feit den aͤlteſten Zeiten der treueſte Freund und Begleiter des Menſchen. Er iſt dem Menſchen unentbehrlich. Unpaſſende Nahrung, mangelhaftes Obdach, zu heftige Bewegung, ſchneller Wechſel der Temperatur, oͤf— teres Reizen zum Zorn, unbefriedigter Geſchlechtstrieb ſind die eigentlichen Urſachen der Entwickelung der Wuthkrankheit. Das verzärtelte und uͤberfuͤtterte Schooshuͤndchen, die ſchlecht— gehaltenen Kettenhunde, Dorfhunde, Schaͤferhunde und falſch⸗ gepflegte Jagdhunde ſind es, die am Haͤufigſten von der Krankheit befallen werden.“ 3) „Die Kruttgeſche prophylactiſche Cur giebt die moͤglichſt größte Gewißheit, das Wuthgift zu zerſtoͤren, wenn es einmal in den menſchlichen Koͤrper gebracht iſt. Sie iſt jetzt ſeit länger als 50 Jahren mit dem größten Gluͤcke ans gewendet und, mit wenigen Ausnahmen, von allen Aerzten Schleſiens angenommen. Hr. Medicinalr. E. hielt dem ſel. Hrn. Medieinalr. Kruttge, dem Erfinder dieſer wichtigen Cur, eine warme Lobrede und zollte dem Hrn. Ober-Wund⸗ arzt Aller, welcher die von wuthkranken Thieren Verletzten, welche im Hospital zu Allerheiligen der Cur unterworfen werden, zunächſt uͤberwacht, die verdiente Anerkennung. Seit dem Erſcheinen der Wendt' ſchen Schrift: Darftellung einer practiſchen und durchdie Erfahrung erprob⸗ ten Methode zur Verhütung der Waſſerſcheu nach dem Biſſe eines tollen Hundes. Breslau 1844“ find 68 Individuen an Verletzungen durch tolle oder der Wuth verdaͤchtige Hunde im Hoſpital zu Allerheiligen nach der Kruttge’fhen Me: thode behandelt, und bei keinem iſt die Wuthkrankheit aus⸗ gebrochen. Die durch oͤrtliche Anwendung der Canthariden erhaltene Eiterung zerſtoͤrt das Wuthgift, welches kein fluͤchtiges iſt, oft vielleicht vom Organismus ſelbſt verniche tet wird; der Speichelfluß, durch aͤußere und innere Anwen⸗ dung des Mercurs hervorgebracht, erweckt eine allgemeine Reaction des Organismus gegen die Aufnahme des Giftes. — Die oͤrtliche Anwendung des Glüheifens hält Hr. M. R. Ebers fuͤr ſchaͤdlich, wegen der heftigen Einwirkung auf 175 das Nervenſyſtem und weil, wenn das Feuer das Gift nicht erreicht, der ſofort ſich bildende Brandſchorf ihm zur ſchuͤz— zenden Decke werden und ſo zur Aufnahme des Wuthgif— tes in den Organismus Veranlaſſung geben kann. (Ueber: ſicht der Arbeiten und Veraͤnderungen der Schleſiſchen Ge— ſellſchaft für vaterlaͤndiſche Cultur im Jahre 1844. Breslau 1845. S. 36.) Ueber die ſyphilitiſche Chloroſe und ihre Behandlung. Von Ri cord. Eine der erſten Folgen der ſyphilitiſchen Diatheſe be: ſteht in einer conſtanten Veraͤnderung des Blutes, und zwar, nach zahlreichen vom Verf. angeſtellten Unterſuchungen, in einer größeren oder geringeren Abnahme des Blutkuͤgel— chen, welchen Zuſtand Verf. die ſyphilitiſche Chloroſe nennt. Die eigenthuͤmliche Veraͤnderung der Hautfarbe bei conſti— tutioneller Syphilis, die phyſiſche und moraliſche Schwaͤchung und die Ausdrucksloſigkeit der Geſichtszuͤge und des Auges laſſen ſich auf jene Alteration des Blutes zuruͤckfuͤhren. Die ſyphilitiſche Chloroſe iſt gewöhnlich vorhanden, bevor ſich ein ſecundaͤres oder tertiaͤres Symptom gezeigt hat. Die Haupt: chargctere derſelben find, außer den bereits angegebenen, ein Zuſtand allgemeiner Hinfaͤlligkeit, Schmerzen mit naͤchtlicher Exacerbation in der Naͤhe der Gelenke ohne Anſchwellung, Veraͤnderung der Hautfarbe oder Empfindlichkeit bei'm Drucke, Kopfſchmerzen, Neuralgien des u. quintus, Para— lyſen des n. facialis, Ausfallen der Haare und Anſchwel— lung der hintern oder ſeitlichen Cervical- oder Maſtoidal— Druͤſen. Alle dieſe Symptome koͤnnen iſolirt oder vereinigt vorkommen und ſind nur ſelten von Fieber begleitet. Die vorhandene Alteration des Blutes verſchlimmert ſich, ſo— bald die ſecundaͤren oder tertiaͤren Symptome der lues universalis eintreten, und kann auch noch nach dem Ver— ſchwinden derſelben fortbeſtehen. Aus dem Geſagten geht hervor, daß, da die Syphilis eine anaͤmiſche Krankheit oder wenigſtens ſtets mit Anaͤmie complicirt iſt, die antiphlogiſtiſche Methode der Behandlung gefaͤhrlich iſt und nur ausnahmsweiſe wegen partieller und localer Inflammation ihre Anwendung findet, und ferner, vaß eine kraͤftigende Diät und ſpecifiſch antichlorotiſche Mit— tel angezeigt find. Die Behandlung des Verf. beſteht in einer Verbindung von Eiſen- und Queckſilberpraͤparaten; im Allgemeinen giebt er den Pillen von Vallet den Vor zug, welche er zu 6—18 Stuͤck taͤglich in 3 Doſen neh— men läßt; dabei reicht ec das Queckſilberprotoioduͤr zu 5— 30 Centigr. und eine bittere Tiſane aus einer Abkochung 759. XXXV. 11. 176 des Hopfens oder der Saponaria. Uebergangsperiode der ſecundaͤren Symptome zu den tertlaͤren reichen Mercurialien, combinirt mit Jodeiſen oder, beſſer, mit Jodkali, zur Redintegration des Blutes aus. Bei ter tiaͤren Zufaͤllen erlangt man, dasſelbe Reſultat durch die Anwendung des Jodeiſens oder des Jodkali's allein. (Aus Bull. gen. de Therap. in Gaz. méd. de Paris No. 45.) Miscellen. Unterſuchungen uͤber die Quantität des Blutes im Verhaͤltniſſe zur Maſſe des Körpers bei den Saͤu⸗ gethier en. Von Wanner. Verf. ſtellte feine Unterſuchungen in den Schlachthaͤuſern zu Paris an, wo er die Thiere vor dem Ab: ſchlachten wägen ſah und das Gewicht des Blutes ſorgfaͤltig no: tirte. Nach ſeinen Angaben gab ein Ochſe von 750 Kilogr. Schwere 31,50 Kilogr. Blut (ein Verhaͤltniß von 1: 23,81 oder etwas uͤber 4: 100), ein anderer Ochſe von 700 Kilogr. 29,50 (1: 23,73), eine Kuh von 588 Kilogr. 27 (1:21,77 oder 5: 100), ein Hammel von 50 Kilogr. 2,50 (1: 22,72), ein anderer Hammel von 40 Kil. 2 (1: 20 oder 5: 100). Bei einem Kaninchen war das Verhaͤltniß wie 1: 28. Die Analogie der Ergebniſſe bei ſo verſchiedenen Thiergattungen laͤßt annehmen, daß der Menſch keine große Abweichung von jenen darbietet, und daß man die Quan⸗ tität des in feinem Körper enthaltenen Blutes als 25 —25 feiner Schwere abſchaͤtzen kann. In phyſiologſſcher Beziehung geht aus obigen Beobachtungen hervor, daß 1 Kilogr. Blut zur Ernaͤhrung von 20—25 Kilogr. Gewebsmaſſe ausreicht, und daß ein Jadivi⸗ duum um ſo mehr Blut hat, je mehr es wiegt. In pathologiſcher Beziehung folgt daraus, daß ein Aderlaß von 2 Taſſen bei einer Frau von 50 Kilogr. Gewicht dem Organismus ebenſoviel Blut entzieht, wie ein Aderlaß von 4 Taſſen bei einem Manne von 100 Kilogr. Schwere. Bei einem Individuum von 50 Kilogr. entzieht ein Aderlaß von 2 Pf. ungefähr die Hälfte der vorhan⸗ denen Blutmaſſe. Einem Kinde von 5 Jahren, welches im Durch⸗ ſchnitte 30 Pf. wiegt, wird durch 9 Blutegel, von dem jeder eine Unze Blut entzieht, ebenſoviel Blut genommen, wie dem eben an— gegebenen Individuum durch den Aderlaß von 2 Pf. Da end— lich ein neugebornes Kind von 6 Pf. Schwere nur 4—5 Unzen Blut hat, ſo ſieht man, wie vorſichtig man mit dem Aderlaſſe am Nabelſtrange bei Apoplerie ſeyn muß, und wie eine anſcheinend leichte Blutung gefaͤhrlich werden kann. (Aus Journal de chirurs gie in Gaz. med. de Paris No. 46. 1844.) Einen neuen Zahnkittempfiehlt Oftermayerin Arch. de la méd. Belge. Derfelbe befteht aus 13 Theilen Aetzkalk und 12 Th. waſſerfreier Phosphorſaͤure. Der Kalk muß chemiſch rein und fein gepuͤlvert ſeyn; die waſſerfreie Phosphorſaͤure erhält man durch das Verbrennen von Phosphor in trockner Luft. Beide Subſtanzen werden ſchnell gemiſcht, worauf man ein Pulver erhält, welches waͤhrend des Miſchens feucht wird. Nachdem man die Zahnhoͤhle gehoͤrig ausgetrocknet hat, fuͤllt man dieſelbe mit dem Pulver an, glaͤttet die Oberfläche ab und befeuchtet endlich dieſelbe mit Waſſer. — Der Vorzug dieſes Zahnkittes ſoll beſonders darin beſtehen, daß derſelbe in ſeiner Zuſammenſetzung dem Email ſehr nahe kommt. (Gaz. méd. de Paris No. 21. 1845.) Bibliographisch e neuigkeiten. Des changemens dans le climat de la France; histoire de ses revolutions meteorologiques. Par Fuster. Paris 1845. 8. Anatomie des formes exterieures du corps humain, à l’usage des peintres et des sculpteurs. Par le Docteur J. Fau. Pa- ris 1845. 1. partie, in 8. de 7 f. Atlas 1. partie in 4. d'une feuille, plus 12 pl. Der zweite Theil wird im December ers ſcheinen. Manuale eclectico dei rimedii nuovi, ossia raccolta dei pre- parati et dei semplici di recenti scoperti. Di Giovanni Rus- pini. Bergamo 1844. 8. Deontologie médicale, ou des devoirs et des droits des mede- eins dans l'état actuel de la civilisation. Par le Docteur Max. Simon, Paris 1845. 8. — . — Bei den Zufaͤllen der Menellotizen aus dem Gebiete der Nakur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medicinalratbe Freriep ju Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 760. (Nr. 12. des XXXV. Bandes.) Auguſt 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Kg. oder 3 ½ 30 7%, des einzelnen Stüdes 3 87. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 9. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ I. N. ne kun d Meteorologiſche Beobachtungen, angeſtellt zu Am— 2. Fahrenh. Therm. in der Luft. Auf das Gras. Auf Baumwolle. 8 > - 2 — 13. 7 Uhr Vorm. . blefide in Weſtmoreland in den Jahren 1843 bis 5 e 90 = 23 1845 (in Beziehung auf Ausftrahlung der Wär- TR MEI = = Es me, Entſtehung von Grundeis und Eiszapfen). — . .. Mitternacht 27 25 19 & Nov. 1. 8 Uhr Vorm. 29 23 Von John Davy, D. M. Dec. 1. 11 Nachm. 29 25 cx 2 8 X * Wenn wir uns an einem neuen Wohnorte niederlaffen, fo fühe 5 ee 2 ir 2 Se 25 PA 3 len wir uns gewoͤhnlich zu ſorgfaͤltigerer und eifrigerer Beobachtung — Mitternacht 20 10% und Forſchung angeregt, als wenn wir uns in einer Gegend aufs Febr. 1 9 uhr Vorm. 25 21 9 halten, an die wir gewoͤhnt ſind. So beobachtete auch ich hier ä a 26 19 9 während der letzten beiden Jahre mit ungewoͤhnlich lebhaftem Ins S 17 9 tereſſe, zumal da die Umgegend in mehrern Beziehungen recht ei⸗ — 23. 358888888 28 2 genthuͤmlich iſt, und ich erlaube mir nun, die Reſultate meiner For⸗ 9 13 9 ſchungen vorzulegen, die großentheils meteorologiſcher Art find und Ni 27 22 über manche bisher noch ſtreitige Puncte einige neue Auffchlüffe ges 8 e ee 20 ben dürften. i un — 20. Mitternacht 28 23 Ruͤckſichtlich des allgemeinen Characters der Gegend will ich — 21. 8 uhr Vorm. 28 22 bemerken, daß ſie aus einer Aufeinanderfolge von Thaͤlern beſteht, — 28 7 f 32 27 die ſich nicht bedeutend uͤber den Meeresſpiegel erheben, und daß , BR 35 32 fie von mäßig hohen Bergen eingeſchloſſen iſt. An Fluͤſſen und — Mitternacht 38 29 Seeen ift kein Mangel, da jedes Thal, je nach dem Umfange ſeines April : 1. 7 uhr Vorm. 35 31 Waſſergebiets, von einem Fluſſe oder Bache durchſtroͤmt wird und 25 4. Mitternacht 38 31 faſt jedes einen oder mehrere Seeen beſitzt. e 7 Uhr Vorm. 40 32 1) Die Wirkung der Ausſtrahlung der Waͤrme zeigt ſich u 8 Mitternacht 29 hier oft in auffallendem Grade, wenn man ein auf das Gras oder 10 38 28 auf Baumwolle gelegtes Thermometer mit einem ſolchen vergleicht, — 27. . 38 28 das in der freien Luft haͤngt. Da dieſer Punct in klimatologiſcher En 29. . 36 29 Beziehung von beſonderer Wichtigkeit iſt, ſo will ich deſſelben zuerſt Mai 4. 1 uhr Vorm. 45 30 gedenken. 0 R — 8. Mitternacht . 32 Nachſtehende Beobachtungen hebe ich aus den ſehr zahlreichen — 26. 1 uhr Vorm. 36 31 aus, welche ich in The Oaks, einem vor dem Dorfe Ambleſide une 275 Mitternacht 35 29 fern der Kirche ſtehenden Haufe, das 240 Fuß über der Meeres⸗ — 28. 35 28 fläche liegt, angeſtellt habe. Was die Localitaͤt betrifft, will ich 2 21. 7 39 29 noch bemerken, daß der Raſenplatz, auf welchen das die Wirkung Juni F 40 32 der Ausſtrahlung anzeigende Thermometer gelegt wurde, beſchattet Juli 16. 5 40 iſt, bis die Sonne ziemlich hoch geſtiegen, indem ſich der Wansfell, Au a 44 38 einer der höchften Berge der Gegend, öftli von ihm erhebt. 9 12. 1 uhr Vorm. 32 Fahrenh. Therm. in der Luft. Auf das Gras. Auf Baumwolle. Sept. 22. 11 uhr Nachm. 38 32 1843 Juni 26. 2 uhr Vorm. 400 33° uhr Bom 40 32 Sept. 14. Mitternacht 44 725 35 V 36 32 — 26. 10 Uhr Nachm. 44 380 32 Octbr. 148 32 30 — .... Mitternacht 38 33 32 u ee 34 31 — 30. 7 uhr Vorm. 35 32 30 — — Ic: 12128 32 2 24 *) Auf Schnee. No. 1860. — 760. 179 Fahrenh. Therm. in der Luft. Auf das Gras. Auf Baumwolle. Nov. 12. 9 Uhr Vorm. 35 31 — 22. 8 31 27 — BI Bee. 28 23 Decbr. 5.8 une u. 93 14 „5 1 18 11 — 180, I ran 30 25 1845 Jan. 1. 8 24 20 = Bu} od 32 25 =. Bibi ar 22 18 —— SL dogs 20 16 Bebre 1 99 22 19 5 DD * 27 24 — 18. Mitternacht 26 22 März 13. 8 uhr Vorm. 20 14 5 19 9 end 21 11 pri 3 8 38 29 = (5 850058 31 21 — 3309 388885 37 27 — 9. 11 uhr Nachm. 35 28 — 11. Mitternacht 32 26 — 17. 1 Uhr Vorm. 35 28 „„ Et 38 31 „ 38 28 In allen dieſen Faͤllen, wo ſich eine merkliche Verminderung der Temperatur in Folge der Ausſtrahlung zeigte, war natuͤrlich der Zuſtand der Atmofphäre der Ausſtrahlung guͤnſtig, namlich der Himmel unbewoͤlkt und die Luft ruhig. Bekanntlich wirken Wolken und Nebel nicht nur wie ein Schirm, ſondern ſelbſt als ausſtrahlende Oberflaͤchen, welche nach der Erde einen bedeuten: den Theil der ihnen zugehenden Waͤrme zuruͤckſtrahlen. Aus dem Unterſchiede zwiſchen der Temperatur im December 1843 und der im December 1844 ergiebt ſich dieß in einer ſehr auffallenden Weiſe. Der erſtere dieſer Monate war ungewöhnlich mild, fo daß Frühlingsblumen zum Vorſcheine kamen und die Amſel zu ſingen begann. Das Thermometer fiel nie unter 32 und ſtand gewoͤhnlich zwiſchen 50 und 45°; das Fließwaſſer war gewoͤhnlich um 6 höher temperirt, als im vorhergehenden October, und nur in einer Nacht, der des 1., reifte es. Das Wetter war, mit Ausnahme dieſer eis nen Nacht, faſt unausgeſetzt trübe, und nur an vier Tagen blickte die Sonne zuweilen durch die Wolken. Desgleichen war es faſt durchgehends windſtill, und der geringe Luftzug kam von W. und S. W. Der letzte December (1844) war dagegen ungewoͤhnlich kalt; es fing am 5. zu frieren an, und der Froſt dauerte ununter— brochen bis zu Ende des Monats fort. Schnee fiel wenig, es ging kein oder nur wenig Wind, und das Wetter war mehrentheils hei⸗ ter. Des Nachts reifte es nicht nur häufig, ſondern der Reif ver mehrte ſich ſelbſt oft bei Tage im Schatten, und zwar ſo ſehr, daß man hätte glauben koͤnnen, es habe geſchneit. Ich kann eines Fal⸗ les gedenken in welchem ſich dieſe Wirkung binnen wenigen Stun: den offenbarte. Am 50. März um 1 Uhr Vorm. fiel ein Thermo⸗ meter, welches bei heiterm, windſtillem Wetter auf bereiftes Gras gelegt wurde, von 34? (welchen Stand es hatte, als es über der— ſelben Stelle in der Luft hing) bis 288. Sieben Stunden ſpaͤter, als der Himmel ſich durch Nebel verduͤſtert hatte und ein ganz fei— ner Regen herabrieſelte, zeigte daſſelbe Inſtrument, daß das Gras an derſelben Stelle um eben ſoviele Grade waͤrmer geworden war, als die Luft, als es deren vorher unter der Temperatur der Luft ftand, indem das Thermometer dort nun auf 44° flieg, wahrend es in der Luft 389 zeigte. Die hier mitgetheilten Beobachtungen beweiſen, daß hier faſt das ganze Jahr uͤber die Temperatur gelegentlich durch die Aus— ſtrahlung bis auf den Gefrierpunct herabgedruͤckt werden kann, und dieß ſtimmt mit der Erfahrung der Bewohner überein, welche mir mitgetheilt haben, daß es ſelbſt mitten im Sommer in hellen Naͤch⸗ ten zuweilen reife. Eine auffallende Befonderheit des Klima's des Seediſtricts beſteht darin, daß, während die Abweichungen im Thermometer⸗ ſtande das ganze Jahr über keinen bedeutenden Umfang (ich glaube 760. XXXV. 12. 180 einen geringern, als zu London oder in den mittlern Grafſchaften) haben, die taͤglichen Abweichungen ſehr dedeutend ſind, was eben daher ruͤhren duͤrfte, daß die die Ausſtrahlung befoͤrdernden und verhindernden Veraͤnderungen in der Atmoſphaͤre ſehr haͤuſig vor⸗ kommen. In der einen Stunde der Nacht kann die Temperatur unter dem Schirme des bewoͤlkten Himmels mehrere Grade über den Gefrierpunct ſteigen und, wenn ſich der Himmel plotzlich auf⸗ hellt, ebenſoviele Grade unter den Gefrierpunct fallen. Es iſt nicht ungewoͤhnlich, binnen wenigen Stunden alle Witterungswech⸗ ſel eintreten zu ſehen; auf Regen folgt oft ploͤtzlich ein Froſt, der jenen zum Gefrieren bringt; der thauende Schnee bedeckt ſich oft durch ſchnell eintretenden Froſt mit einer Eiskruſte, und ſowie der Himmel bewoͤlkt oder heiter wird, wechſeln Thauen und Gefrieren miteinander. Vergangenen Winter ſah man haͤufig gefrorene Re— gentropfen an den Blaͤttern immergruͤner Pflanzen haͤngen, und einmal zeigten ſich dieſe Blätter nach einem feinen Regen, auf wel⸗ chen heiteres kaltes Wetter folgte, mit einer Glaſur von Eis uͤber⸗ zogen, die ſo dick war, daß ſie ſich abheben ließ und einen genauen Abdruck der feinſten Linien des Blattes darſtellte. In Betreff der ſchnellen atmoſphaͤriſchen Wechſel, denen dieſes Klima unterworfen iſt, will ich noch das Zeugniß eines beruͤhmten Mannes anfuͤhren, der ſich in jener Gegend aufhaͤlt. Derſelbe machte mit ſeiner Schwe⸗ ſter an einem Winternachmittage einen Beſuch bei Freunden, die in einem der benachbarten Thaͤler wohnen. Als fie in's Haus tra⸗ ten, war der Himmel truͤbe, und die Atmoſphaͤre nebelig; es fiel ſogar vielleicht ein ganz feiner Regen. Der Beſuch dauerte etwa 10 Minuten, und als ſie aus dem Hauſe traten, fanden ſie den Bo⸗ den in der Weiſe mit Glatteis überzogen, daß fie nach dem Dorf- ſchuſter ſchicken und ſich Zwecken in die Sohlen ſchlagen laſſen muß⸗ ten, um den Ruͤckweg ohne augenſcheinliche Gefahr zu machen. Aus demſelben Grunde, d. h. wegen der Wirkung der Aus ſtrahlung, beobachtet man oft binnen wenigen Minuten, wenn man ſich von einer Stelle zur andern begiebt, bedeutende Temperaturver⸗ ſchiedenheiten. Am 20. Maͤrz war, z. B., die Atmoſphaͤre kurz nach Sonnenuntergang heiter und windſtill, und das Thermometer zeigte in der Luft uͤber einer im untern Theile des Thales von Ambleſide liegenden Wieſe 26° , waͤhrend es, auf das Gras gelegt, bis 18° ſiel. Ich begab mich nun ſchnell nach einem nur wenige Minuten entfernten und etwa 30 F. hoͤher liegenden Felde, und dort zeigte das Thermometer in der Luft 28° und auf dem Graſe 25°. Auf einer niedrigen Mauer, etwa 12 Fuß von einem auf demſelben Felde ſtehenden Hauſe, ſtieg das Queckſilber bis 31°, und auf dem nicht gefrornen Boden dicht an der Mauer des Hauſes bis 32,39. Nirgends zeigt ſich die Einwirkung einer, zumal gegen Suͤden ſchauenden Mauer deutlicher, als in dieſer Gegend, in Betreff des Schutzes gegen Reife und der Beſchirmung zaͤrtlicher Gewaͤchſe vor durch Ausſtrahlung herbeigefuͤhrtem ſchnellen Sinken der Tempera- tur. Daſſelbe gilt von Felſen und Baͤumen, namentlich der dun⸗ keln Kiefer und dem Taxus, die ſehr dichte Nadelmaſſen darbieten, ſowie auch von den Waͤnden maͤßig hoher Berge im Vergleich mit den tiefer liegenden Thalgruͤnden. Deßhalb bauen auch die Einwoh- ner ihre Haͤuſer viel lieber an die Bergwaͤnde, als auf die Thal⸗ ſohle. Dort beginnt die Vegetation im Fruͤhjahr bedeutend eher, als hier. Im letzten December war der Contraſt zwiſchen dem friſchen Grün der Bergwaiden und der duͤſtern Farbe der Thal⸗ wieſen, wenn letztere nicht gerade bereift waren, ſehr auffallend. Wie ſehr in dieſer Gegend und uͤberhaupt aller Orten der Gaͤrtner und Blumenliebhaber auf die Wirkungen der Ausſtrahlung zu ach⸗ ten hat, wird nicht genug beherzigt. Man beobachte nur waͤhrend einer heiteren, windſtillen Nacht den Zuſtand der Pflanzen deſſelben Gartens, je nachdem fie eine gefchügte oder ungeſchuͤtzte Stellung haben. Hier, bei The Oaks, bemerkte man, z. B., in der Nacht auf den 5. April, welche ungemein heiter war und einem warmen Tage folgte, ſchon ſehr bald Reif auf dem Raſenplatze, wo das Gras keinen Schutz hatte, waͤhrend in der Naͤhe von Baͤumen und Mauern keiner lag. um 1 Uhr Morgens zeigte ein Thermometer auf dem Graſe einer offenen Stelle 21” und in der Luft, etwa 4 F. daruͤber, 312; auf einer Gartenrabatte, etwa 1 F. von einer Mauer, 53°, an der Mauer ſelbſt 35%; auf dem Graſe unter einem Taxus— baume, 35°, in der Luft unter demſelben ebenfalls 35°, und in ei⸗ 181 ner etwa 2 Zoll tiefen Hoͤhlung im Stamme ides Baumes 42°; in einem ungeheizten Zimmer 60%, Ruͤckſichtlich des Schutzes ger gen die Ausſtrahlung der Wärme hatten allerdings die alten Gaͤr⸗ ten mit ihren Terraſſen, beſchnittenen Hecken und ſchnurgeraden Kreuzgängen viele Vorzüge vor den neuern, indem nicht nur da⸗ durch der Luftzug vielfach gebrochen, ſondern auch die Temperatur der Luft, des Bodens und der Pflanzen ſelbſt zu der kritiſchen Jah⸗ reszeit des Erwachens der Vegetation vor ſchneller Erniedrigung bewahrt wurde. 0 2) Eine merkwuͤrdige und (in England) ziemlich ſeltene Erſchei⸗ nung iſt die Entſtehung von Grundeis auf dem Boden der Fluß: waſſer, was dem gewoͤhnlichen Geſetze des Gefrierens des Waſſers von der Oberfläche aus zu widerſprechen ſcheint. Dieſe Erſcheinug erklärt ſich ebenfalls durch die Ausſtrahlung, indem ſie nie anders vorkommt, als unter Umftänden, welche der letztern beſonders güns ſtig find ). Da nun dieſe Umftände im Seediſtricte häufig ſtatt— finden, da namentlich die Fließwaſſer dort bei ſchoͤnem Wetter faſt ſo durchſichtig ſind, wie die Atmoſphaͤre, ſo erwartete ich zu hören, daß Grundeis dort eine gewoͤhnliche Erſcheinung ſey; allein es wollte Niemand etwas davon wiſſen, und bis zum heurigen Fruͤh⸗ jahr hatte ich ſelbſt keine Gelegenbeit, ſolches zu beobachten. Erſt am Morgen des 13. Maͤrz kam mir welches vor, die Nacht war ſehr kalt geweſen, indem das Ausſtrahlungsthermometer um 3 Uhr M. bis 14 F. (— 8° R.) geſunken war. Um 11 Uhr Morgens, als daſſelbe im Schatten noch auf 25° F. (— 339 R.), aber in der Sonne auf 52° F. (+ 83 R.) ſtand, unterſuchte ich den Zu⸗ ſtand zweier in den Rothafluß muͤndenden Baͤche. Der Rothafluß kommt aus einem See und iſt daher faſt beſtaͤndig, ſelbſt bei'm käl⸗ teſten Wetter und wenn der See zugefroren, frei von Eis. Die Nebenbäche dagegen, welche aus den Bergthaͤlern herabkommen, frieren ſehr leicht zu. An dem Stock-⸗gill und Scandale⸗gill, den beiden fraglichen Baͤchen, nahm ich nun ſehr merkwuͤrdige Erſchei⸗ nungen wahr. Ueberall, wo die Ufer niedrig waren und keine Baͤume uͤber denſelben hingen, oder keine Felſen dieſelben ſchuͤtzten, kurz, wo die Umſtaͤnde der Ausſtrahlung günftig waren, ſah man Grundeis an den Felſen, Steinen, untergeſunkenen Aeſten und Staͤm— men haͤngen, und dieß war ſogar oft an Stellen der Fall, wo das Waſſer ſehr reißend ſtroͤmte. An manchen Stellen bemerkte man eine ununterbrochene Eisſchicht, haͤufiger zeigte ſich aber das Eis in nadelfoͤrmigen Kryſtallen, die moosartig angeſchoſſen waren, ſo daß ich ſie auf den erſten Blick fuͤr abgeſtorbene Conferven hielt. Die Temperatur des Waſſers, wo ſich Grundeis fand, war 329 (0° R.), auch an langſam fließenden Stellen wohl 2 oder 1 Grad niedriger. Das Waſſer der Rotha, in dem ſich, außer an der Münz dung dieſer Bäche, nicht das mindeſte Eis befand, war zu 37° tem: perirt. Im untern Theile des Scandaleraill, und zwar von der Stelle an, wo ein Abzugsgraben, deſſen Waſſer zu 40° temperirt war, in denſelben floß, und von welcher aus die Temperatur des Baches 33° betrug, war kein Grundeis zu bemerken. An einer ſonnigen Stelle dieſes Baches war viel Eis am Rande und in der Mitte einiges Grundeis zu bemerken, waͤhrend die Forellen in dem eiskalten Waſſer munter umherſchwammen und ſich der Schlag der Amſel in dem benachbarten Gebuͤſch hoͤren ließ, daher der helle Sonnenſchein ſowohl die Fiſche, als die Voͤgel, trotz der niedrigen Temperatur, zur Thaͤtigkeit und Heiterkeit ſtimmte. Die Bildung des Grundeiſes beobachtete ich mehrere Tage hin— tereinander in denſelben Baͤchen und Localitaͤten. Gegen Abend verſchwand es, und des Morgens war es nach einer hellen Nacht wieder da, und je nach der Klarheit des Himmels war deſſen Quan— tität ſehr verſchieden. Bis zum 20. waren die Erſcheinungen, die das Eis darbot, den bereits beſchriebenen durchaus aͤhnlich. An dieſem Tage und am folgenden Morgen machte ſich eine Verſchie— denheit in der Form bemerkbar. Es zeigte ſich naͤmlich mehr glattes Eis und weniger nadelförmiges auf dem Boden, und an ſehr vielen Stellen, ſelbſt an ſolchen, wo das Waſſer ziemlich ſchnell lief und Wellen ſchlug, bemerkte man unter demſelben tafelfoͤrmi⸗ ges Eis, manchmal 2 oder 3 Tafeln von vollkommner Durchſich— ) Vergl. die treffliche Abhandlung des Rev. James Farquhar- son über dieſen Gegenftand, in den Phil. Trans. 1835. 760. XXXV. 12. 182 tigkeit uͤbereinander und voneinander durch fließendes Waſſer ge⸗ trennt, zuweilen von beträchtlicher Ausdehnung, ja ſich nach der gan- zen Breite des Baches erſtreckend. Sie waren duͤrchgehends an Steinen befeftigt und ſchienen an dieſe, in Geſtalt horizontaler Nadeln, ans geſchoſſen zu ſeyn. Die ſtellte ſich deutlich dar; allein warum die Kryſtalle dieſe Richtung eingeſchlagen hatten, konnte ich nicht ermitteln. Niemals war dieſe fonderbare Erſcheinung, die, meines Wiſſens, fruͤher noch nie beobachtet oder beſchrieben worden iſt, mit Erzeugung von Eis auf dem Grunde des Bettes ſelbſt vergeſell⸗ ſchaftet. Wenn nur eine horizontale Eisſchicht vorhanden war, ſo konnte dieſelbe, indem ſie die Ausſtrahlung von Unten hemmte, die Erzeugung von Eis daſelbſt verhindern. Wenn mehrere vor- handen waren, ſo hatte ſich offenbar die unterſte zuerſt gebildet. Dieſe war auch immer die feſteſte, während die oberſte, ſchwaͤchſte, oft noch kryſtalliniſche, zuweilen nur aus vereinzelten Streifen be— ſtand. An dieſen beiden Morgen bemerkte man auch an den ſeich— tern Stellen des Baches und an den Ufern eine große Menge honigſcheibenfoͤrmiges Eis, das aus zahlreichen dünnen Platten be— ſtand, die einander in verſchiedenen Richtungen kreuzten und auf dieſelbe Weiſe entſtanden zu ſeyn ſchienen, wie das Grundeis, ins dem ſie aus dem Waſſer ſelbſt emporſtiegen und an Steinen feſt⸗ ſaßen. Sie erhoben ſich an manchen Stellen 2—3 Zoll hoch uͤber das Waſſer, indem das Letztere wahrſcheinlich durch Haarroͤhrchenan— ziehung zwiſchen den anwachſenden Plättchen emporgeſtiegen und dann erſtarrt war, wie wir eine ähnliche Kryſtallbildung in dem Halſe von Flaſchen wahrnehmen, welche ſaliniſche Aufloͤſungen ent— halten. Nach dem 21. März wurde das bis dahin ungewoͤhnlich kalte Wetter milder, und an dieſem Tage bewoͤlkte ſich der Himmel. Die Temperatur ſtieg auf 41° und das Grundeis verſchwand. Während der naͤchſten 24 Stunden fielen heftige Regengüffe (2,94 Zoll Niederſchlag), durch welche die Baͤche ſtark anſchwollen und gaͤnzlich von Eis befreit wurden. Am 23. Nachmittags ſtand der Thermometer auf 55°, die Temperatur des Fließwaſſers hatte ſich in einer merkwürdigen Weiſe geändert. Die Nebenbaͤche, welche von dem milden Regen ſtark angeſchwollen waren, hatten 48°, waͤh⸗ rend die Rotha, welche waͤhrend des Froſtes viel hoͤher temperirt gewefen war, als fie, nur 40-459 hatte, je nachdem man das Waſſer naͤher oder entfernter von dem Seee beobachtete. Bei Gelegenheit des Grundeiſes habe ich des Einfluſſes gedacht, welchen ein Abzugsgraben auf den Scandale:gill ausübte, indem er die Bildung des Eifes in dieſem Bache verhinderte. Dieſe Wirkung iſt intereſſant, indem ſich daraus ergiebt, daß die Entwaͤſſerung des Bodens nicht nur die Fruchtbarkeit deſſelben befoͤrdert, ſondern auch deſſen Temperatur und die der darüber befindlichen Luft erhoͤht. Zur Beſtaͤtigung dieſes will ich noch einige Beobachtungen aufüh- ren. Am 13. März, als der kleine erwähnte Graben zu 42 tem: perirt war, hatte ein andrer, der aus einem ſchlecht entwäfferten, theilweiſe ſumpfigen Felde kam, nur 55°, und während der ſumpfi— ge Theil dieſes Feldes gefroren war, zeigte das Gras auf dem gut entwäflerten Felde an feinen Wurzeln 35“ und die darüber beſind⸗ liche Luft 33». Und außer der durch eine Oberfläche von Eis ver: anlaßten Kälte, muß man auch in Anſchlag bringen, daß ſelbſt nach dem Wegthauen des Eiſes das ſtockende Waſſer bei'm Verdunſten erkaͤltend auf den Boden und die Luft wirken muß. 3) Eine andre, mit der Bildung des Grundeiſes einjgermaaßen verwandte Erſcheinung, nämlich die ſich an vorſpringenden Felſen— kanten bildenden Eiszapfen und die Eisplatten, mit denen ſich die geneigten Flachen der Felſen überziehen, ſo daß Gletſcher en miniature entſtehen, iſt in dieſen Thaͤlern natuͤrlich ebenfalls ſehr haͤufig wahrzunehmen und bietet oft ein ſehr ſchoͤnes Anſehn dar. Ich brauche kaum zu bemerken, daß deren Entſtehung mit den die Ausſtrahlung beguͤnſtigenden Umſtaͤnden, namentlich der Klarheit des Himmels, dem Thauen im Sonnenſchein und Gefrieren im Schatten, ſehr eng zuſammenhängt. Daß in dieſen Thälsen einſt gewaltige Gletſcher exiſtirten, die ſich ziemlich mit den gegenwaͤrtig auf den Alpen befindlichen meſ— ſen konnten, geht deutlich aus den abgerundeten, glattpolirten Ober— flaͤchen der untern Berge und Felſen, ſowie aus der gut characteri— ſirten Furchung nnd Ritzung der Lesern hervor. Auch findet man 1225 183 Steinhaufen, welche man für Moränen halten muß, und große vereinzelte Steinbloͤcke, ſogenannte Fuͤndlinge, an Stellen, wo⸗ hin ſie nicht hinabgefallen oder gerollt ſeyn koͤnnen. Sie haben die characteriſtiſchen Kennzeichen der Fuͤndlinge und ſind, wie die noch an ihrer urſpruͤnglichen Stelle befindlichen Felſen, häufig mit Riefen und Ritzen verſehen. Und wenn man bedenkt, daß in die— ſem Diftrict die Temperatur das ganze Jahr über in Folge der Ausſtrahlung haͤufig bis auf den Gefrierpunct ſinkt, ſo laͤßt ſich nicht laͤugnen, daß die Umſtaͤnde daſelbſt der Gletſcherbildung ſehr günftig waren, und es war zu Letzterer nichts weiter noͤthig, als ein noch oͤfteres Vorkommen des die Ausſtrahlung begünftigenden Zuſtandes der Atmoſphaͤre, namlich: beſtaͤndigen heiteren und wind— ſtillen Wetters, einer hoͤheren Temperatur bei Tage, durch kraͤfti— gern Sonnenſchein veranlaßt, und einer ſich oft erneuernden nie⸗ drigern Temperatur bei Nacht, in Folge der ſtärkern Ausſtrahlung der Wärme. Ein ſolcher Zuſtand der Atmoſphaͤre konnte gleich— zeitig mit einer bedeutendern Hoͤhe der Berge vorhanden ſeyn, und daß dieſe einſt viel hoͤher waren, als gegenwaͤrtig, ergiebt ſich ohne Weiteres aus den gewaltigen Maſſen von Schutt und Ge— roͤll, welche ſich am untern Theile ihrer Boͤſchung und in den Thaͤ— lern finden. Gebirge und ein die Ausſtrahlung beguͤnſtigender durchſichtiger Zuſtand der Atmoſphaͤre ſcheinen im Allgemeinen in dem Verhaͤltniſſe von Urſache und Wirkung zu einander zu ſtehen, ins dem die erſtern erfältend wirken und folglich die Niederſchlagung des Waſſerdunſtes beguͤnſtigen und, indem ſie ſtarke Regen veran— laſſen, einen feuchten, truͤben, mit Duͤnſten geſaͤttigten Zuſtand der Luft verhindern. Die erwähnte Wirkung zeigt ſich in dieſem Di— ſtricte in einer auffallenden Weiſe, wenn man die Quantitaͤt des Regens, die daſelbſt im Vergleiche mit den davon entferntern Ge— genden faͤllt, beruͤckſichtigt, was bei den vielen Regenmeſſern, die in Weftmoreland und den benachbarten Grafſchaften aufgeſtellt ſind, keine Schwierigkeiten hat. Waͤhrend, z. B., im Jahre 1843 zu Kendal 58 Zoll fielen, betrug die Regenmenge zu Bowneß 60 Zoll, zu Troutbeck 64 3., zu Eſthwaite 73 3. und zu Grasmere 90, während fie auf der entgegengeſetzten Seite zu Keswick bis 60 Zoll und zu Withehaven bis 46 Zoll hinabging. Daß noch jetzt eine bedeutende Hinneigung zur Gletſcherbildung ſtattfinde, ſcheint ſich aus dem Zuſtande der verſchiedenen mit dem Windermere in Verbindung ſtehenden Seeen und Teichen zu erge— ben, wie ich denſelben im letzten Monate Maͤrz beobachtete, wo das Wetter in Weſtmoreland, ſowie überhaupt in England und Schott: land und dem groͤßten Theile Europa's, ungewoͤhnlich kalt war. Das Windermere war am 16. 17. und 18. des erwaͤhnten Monats, an welchen Tagen die beſonderen Beobachtungen, deren ich alsbald erwaͤhnen werde, angeſtellt wurden, von Eis frei; ſeine Temperatur betrug, ſelbſt an ſeichten Stellen, damals 37°. Es nimmt den Ro⸗ tha⸗Fluß auf, welcher aus dem etwa 2 engl. M. entfernten Rydal—⸗ See kommt. Auch die Rotha war von Eis frei, und ihr Waſſer war, bei etwa der Hälfte ihres Laufes, am 16. zu 35°, dicht bei dem Rydal-⸗See aber zu 382 temperirt. Der untere Theil dieſes Seecs, wo die Rotha aus demſelben entſpringt, war zugefroren; der obere, auch groͤßere Theil deſſelben frei von Eis. Er nimmt ein Fluͤßchen auf, das man die obere Rotha nennen koͤnnte, und welches aus dem groͤßern und tiefern See von Grasmere kommt, der etwa 4 Stunde Wegs vom Rydal-See entfernt iſt. Auch die— ſer Fluß war nicht mit Eis bedeckt; ſeine Temperatur betrug 37 bis 33°, und zwar nur wenige Fuß von feinem Urſprung, obgleich er unter Eis hervorkam. Da das Grasmere tiefer iſt, als der Nydal See, fo friert es gewöhnlich nicht fo leicht zu, wie dieſer, allein dieſesmal fand eine Ausnahme ſtatt; es war faſt ganz zu— gefroren, und das Eis war ſo ſtark, daß es trug, ausgenommen an einer kleinen Stelle, die keineswegs die tiefſte iſt, und wo der Haupt— bach einmuͤndet. Die Temperatur dieſes Baches war gerade da, wo er in den See füllt, 36°. Derſelbe war dort frei von Eis, ausgenommen an den Ufern, wo ſich ein Wenig davon an denjeni— gen Stellen zeigte, wo die Stroͤmung nicht reißend war. Dieſes Fluͤßchen, welches noch immer als ein Theil der Rotha gelten kann, wird durch den Zuſammenfluß zweier Baͤche gebildet, von denen der eine vom Dunmail Raiſe herabkommt, der andere durch den Eaſedale Teich ſtroͤmt. Beide waren uber ihrer Vereinigungsſtelle 760, XXXV. 12. 184 ziemlich ſtark mit Eis belegt, der Letztere aber am Wenigſten an der Stelle, wo er aus dem Eaſedale Teiche läuft, welcher 6 bis 7 hundert Fuß höher liegt, als das Grasmere, und welcher fo feſt zugefroren war, daß ich queer darüber ging. Das unter dem dik⸗ ken Eiſe des Teiches hervorſtroͤmende Waſſer war zu 36° temperirt, und ich ermittelte deſſen Temperatur, indem ich auf dem Eiſe des Teiches ſelbſt ſtand; einige Fuß weiter abwaͤrts, wo der Bach zwi⸗ ſchen Felſen reißend ſtroͤmt und das aus der Tiefe des Teiches kommende Waſſer mit dem gemiſcht iſt, welches ſich mit dem Eiſe in Berührung befunden hat, beobachtete ich 37 und 38°, Der kleine Bach, welcher den Eaſedale-Teich ſpeiſ't und aus einem 5 bis 6 hundert Fuß höher liegenden Teiche entſpringt, war voll; kommen zugefroren, ſo daß man das Waſſer wohl rauſchen hoͤrte, aber nicht ſah, Als ich das Eis durchhauen hatte, fand ich die Temperatur des Fließ waſſers zu 355. Der höher liegende Teich, Codale-tarn genannt, war ebenfalls zugefroren und der ihn ſpeiſende kleine Bach mit Eis uͤberwoͤlbt. Das Waſſer des Letztern hatte, hart an der Einflußftelle, nur 332, während das aus dem Teiche fließende Waſſer dicht am Eiſe eine Temperatur von 35° zeigte und an dieſer einzigen Stelle nicht uͤberfroren war. Die Temperatur der Luft betrug damals 30°. Dieſe Beobachtungen bedürfen kaum eines Commentars, und ich will nur beiläufig erwähnen, daß ſich aus der ſtufenweiſen Vermehrung des Eiſes und dem Sinken der Temperatur, je mehr man aufwaͤrts ging, die erwaͤhnte Nei— gung zur Gletſcherbildung ergiebt, und in der That laͤßt ſich der oberſte Teich als eine Art von mer de glace betrachten, indem das in ihn ſtroͤmende Waſſer nur 1° höher temperirt war, als der Gefrierpunct, und das aus ihm fließende Waſſer nur 3° über die— ſem Punct, fowie 4 bis 5° unter derjenigen Temperatur (40°) ftand, bei welcher das Waſſer die größte Dichtigkeit beſitzt. Daß das Grasmere damals faſt vollkommen zugefroren, waͤh— rend der benachbarte untiefe Rydal-See großentheils offen war, rührt, meines Erachtens, mit von der Eigenſchaft des Waſſers her, daß es bei 40° am Dichteſten iſt, indem der letztere See ſeit mehrer ren Wochen lediglich mit dem aus dem tiefen Grasmere kommen— den Waſſer geſpeiſ't worden war. Denn binnen geraumer Zeit war nur ſehr wenig Regen und Schnee gefallen, indem der Regen— meſſer zu Ambleſide binnen der vorhergehenden 6 Wochen nur 3,425 Zoll aufgenommen hatte, von denen 0,745 3. auf den Schnee kamen. Die Landleute, welchen die Erſcheinung, daß der Rydalſee gewoͤhnlich früher zufriert, als der Grasmere, aufgefallen iſt, fchrei= ben dieſelbe faͤlſchlich dem Umſtande zu, daß das Grasmere ſtaͤrker vom Winde bewegt werde. Dieſe Auslegung iſt natürlich falſch, denn ſelbſt wenn die Angabe richtig waͤre, daß der Wind das Gras— mere ſtaͤrker bewege, als den Rydalſee, fo müßte gerade das Ger gentheil dadurch bewirkt werden, nämlich eine ſchnellere Erniedri— gung der Temperatur des Waſſers und ein fruͤheres Zufrieren. Diejenigen, welche dem Grunde der Erſcheinung irgend aufmerk— ſam nachdenken, werden durchaus nicht daruͤber im Zweifel bleiben koͤnnen, warum der Rydal-See gemöhnlich früher zufriert, als das Grasmere. Sobald die Temperatur des Waſſers bis 40° geſunken iſt, muß der erſte ſcharfe Froſt dieſe Wirkung veranlaſſen, und die ſtarken Regen zu Anfang des Winters haben haͤufig keine hoͤhere Temperatur, als 40°, ſowie denn auch die Verbindung mit dem Grasmere die Temperatur des Seees beftändig ziemlich niedrig hält. Ich habe bereits erwähnt, daß die Nebenbaͤche der Retha bei'm Eintreten milder Witterung am 21. Maͤrz durch die warmen Re— genguͤſſe ſehr ploͤtzlich eine bedeutend hoͤhere Temperatur annahmen, während die der Rotha ſelbſt verhaͤltnißmaͤßig wenig ſtieg. Wir haben oben geſehen, daß, als der untere Theil des Rydal-Sees und faft das ganze Grasmere zugefroren waren, das unter dem Eiſe hervorkommende Waſſer der Rotha etwa 40° hatte, während die Temperatur des in das Grasmere einſtroͤmenden Waſſers nur 36° betrug. An dem Tage nach den heftigen Regenguͤſſen unterſuchte ich dieſe Seen, ſowie das in dieſelben und aus denſelben fliaßende Waſſer. Das herausfließende Waſſer war an der kälteſten Stellee zu 41°, das hereinfließende etwa zu 48°, und das oberflächlich Waſſer beider Seeen zu etwa 47° temperirt, obwohl es erſt Tages zuvor noch mit ſtarkem Eiſe bedeckt geweſen war. Dieſe Tempera⸗ turunterſchiede ſtimmten mit dem überein, was ſich erwarten ließ, 185 wenn man die eigenthuͤmliche Natur des Waſſers in Betreff feiner von der Temperatur abhaͤngigen Dichtigkeit in Anſchlag brachte, der zufolge es, wenn es 40° hat, niederſinkt und auszuſtroͤmen be: ginnt und, wenn es eine hoͤhere Temperatur beſitzt, wie es ſie in dieſem Falle durch das Regenwaſſer erhielt, in die Hoͤhe ſteigt und ſich auf der Oberflache verbreitet. Demzufolge werden Bäche, wels che nicht aus Seeen entſpringen, ſchneller durch warme Regen erz waͤrmt werden und ſtaͤrkeren Temperaturwechſeln unterworfen ſeyn, als ſolche, die aus Seeen kommen, und dieß ſtimmt auch mit meis nen Erfahrungen durchaus uͤberein. Iſt es nicht vielleicht dieſem Umſtande zuzuſchreiben, daß Fiſche, z. B., Forellen, bei gros ßem Waſſer aus den Seeen in die Fluͤſſe gehen und, wenn das Waſ⸗ fer fallt, wieder in die Seren zuruͤckkehren, zumal im Fruͤhjahre, wo die Laichzeit vorüber iſt und die Fiſche ſich fettgefreſſen haben? Man wird allgemein finden, daß der Angler zuerſt in den waͤrm— ſten Fluͤſſen auf guten Fang rechnen kann, und er wuͤrde wohl— thun, wenn er ſeine Wahl mit dem Thermometer in der Hand traͤfe. (Schluß folgt.) Mic len Ueber die Eingeborenen von Alt⸗Calebar in Africa bat Profeſſor Daniell der diesjährigen Gelehrten-Verſammlung zu Cambridge eine Mittheilung gemacht. Obwohl dieſe Eingeborenen von Eboe herſtammen, ſo bieten ſich doch einige phyſiſche Abweichungen dar, welche dazu dienen, um fie von andern Staͤmmen gleicher Abſtam— mung zu unterſcheiden. Die Eingeborenen von Bonny Mun, welche 760. XXXV. 12. 186 von reiner Eboe⸗Abſtammung und daher mit andern Nationen we⸗ niger vermiſcht find, koͤnnen als typiſche Illuſtration zur Verglei⸗ chung dienen. Sie ſind im Allgemeinen von kurzer Statur, klein (slight) und von hellgelber Haut. Rumpf und andere Theile des Koͤrpers ſind, mit dieſer phyſiſchen Configuration zuſammenſtimmend, kräftig und ſymmetriſch mit einer Tendenz zu großer Muskelent⸗ wickelung. Das Haar auf dem Kopfe der Maͤdchen iſt ſtets abra⸗ ſirt, mit Ausnahme eines kleinen Buͤſchels, und darf nicht eher wachſen, als bis fie verheirathet find, wo es dann in eine Anzahl Flechten ger ſchlagen und mit Glasperlen verziert wird. Theile ihres Koͤrpers und beſonders das Antlitz find mit Kreisfiguren taͤttowirt, und die vordere Fläche des Arms, bei Männern wie bei Weibern, iſt mit runden glatten Narben, von der Groͤße eines Groſchens, verziert. Die Regierungsform dieſes Volks iſt ein monarchiſcher Despotismus, aber von mildem Character. Ihre Verbrecher vergiften, erfäufen oder enthaupten ſie. Eine einfache Uebereinkunft zwiſchen den beiden Theilen gilt fuͤr Ehebund; und vor ihrem endlichen Zuſammenleben figen fie mehrere Tage lang in voller Begleitung und feſtlicher Be⸗ kleidung zuſammen. Polygamie iſt bei ihnen in vollem Gebrauch. Ehebruch wird mit furchtbarem Tode beſtraft. Unter ihren Begraͤb⸗ nißgebräuchen findet ſich Hinopferung, in ungeheurem Maaßſtabe, von Maͤnnern, Weibern und Kindern; und vormals war die Beobach⸗ tung dieſes Gebrauchs fo ſchrecklich, daß viele Städte kaum der Entvoͤlkerung entgingen. Zwei zuſammengewachſene Seehundsfoͤtus find von Franz und Karl Orpen am Cap der guten Hoffnung aufgefuns den worden. (Lancet No. 8. 1845.) 8 Ueber Gries in den Harnroͤhrchen. Von Spencer T. Smyth. Verfaſſer wurde vor Kurzem von der Mutter eines 10 Monate alten Kindes folgender Umſtaͤnde halber conſultirt. Das Kind, ein geſunder, kraͤftiger Knabe, wurde zuweilen von heftigen Kraͤmpfen befallen, welche binnen 24 Stunden haͤufig wiederkehrten. Dieſelben traten gewoͤhnlich bei der ſehr erſchwerten Harnentleerung ein; der Harn war ſehr ſpaͤr— lich, ſtark ſauer und lagerte ein ziegelfarbiges Sediment ab; zuweilen wurde in 24 Stunden kein Harn gelaſſen; au— ßerdem war Diarrhoͤe zugegen. Milde Mercurialpraͤparate, mit Alkalien und Hyoseyamus verbunden, taͤglich warme Baͤder und Regulirung der Diät bewirkten eine reichlichere und weniger erſchwerte Harnabſonderung; in dem abgeſonder— ten Harne ließen ſich einige kleine Partikelchen Harnſaͤure erkennen, welche mehre Tage hindurch abgeſondert wurden, wor— auf dann die Kraͤmpfe nachließen. Dieſer Fall war zweifelsohne einer von Gries in den tubuli uriniferi der Nieren, ein Phaͤnomen, welches Prof. Engel in Wien ſo haͤufig bei Neugebornen beobachtet hat, daß er dasſelbe fuͤr einen nor— malen Zuſtand haͤlt. Dr. Schloßberger giebt an, daß, wenn man in eine Niere des auf obige Weiſe afficirten Kindes einen Laͤngseinſchnitt macht, man auf beiden Schnitte flächen die Harnroͤhrchen von den Papillen bis zum Ende der Nindenjubftanz hin von einem gelben Pulver ſchoͤn in— jicirt findet; durch einen Druck auf die Roͤhrchen tritt das Pulver mit einer Quantität dunkler Fluͤſſigkeit in das Nie: renbecken, welches an und fuͤr ſich von einem aͤhnlichen Pul— ver faſt angefuͤllt iſt. Die chemiſche Analyſe ergiebt, daß das Pulver ſtets Harnſaͤure und Harnfaͤrbeſtoff enthoͤlt und ak BE nd bei'm Erhitzen mit Salpeterſaͤure ſchoͤn roth wird und aufs brauſ't. Die Harnſtein-Diatheſe des Kindes haͤngt meiſt mit einer Störung im Verdauungscanale — hoͤchſt wahrſcheinlich eine Folge unpaſſender Nahrung — zuſammen; ein nicht unweſentliches Cauſalmoment liegt aber auch in der ploͤtzlichen Erniedrigung der Hauttemperatur, welcher Kinder ſehr aus⸗ geſetzt ſind, und welche, nach Magendie, bei alten Leuten die Haupturſache der Bildung von Harnſteinen iſt, indem der Urin dann nicht mehr dieſelbe Quantitaͤt Harnſaͤure, wie ſonſt, gelͤſ't erhalten kann. Nach Dr. Schloßberger's Erklarung, wirkt die plöglihe Abkühlung der Haut wie ein adstringens auf die Nierenawaͤrzchen, wodurch die bei Kin⸗ dern in Menge vorhandene Harnfäure als ein sedimen- tum lateritium niedergeſchlagen wird; vielleicht tritt auch zuweilen, in Folge einer entzuͤndlichen Action, ein Krampf, oder Obſtruction der Papillen ein. In dem Umfange der Harnröhrchen ſelbſt hat ſich bis jetzt noch kein Moment für die Griesbildung auffinden laffen, denn dieſelben ſind bei Neugebornen verhaͤltnißmaͤßig » größer, als bei Erwachſenen. Als das beſte und zweckmaͤßigſte Mittel bei der beſproche— nen Affection empfiehlt ſich vor Allem das warme Bad durch feine Beförderung der normalen Ereretion der Haut— oberflaͤche. (Lancet No. X. 1845.) Ueber die Injection von Tannin zur Heilung der Aneurysmen. Von R. A. Varicas. Verfaſſer ſchlaͤgt zur Vermeidung der oft gefährlichen, oft nutzloſen und bei aneurysma per anastomosin nicht 187 ausfuͤhrbaren Unterbindung der Gefäße bei Aneurysmen vor, durch Injection von Tannin ein kuͤnſtliches coagulum und dadurch eine Obſtruction der Circulation zu erzeugen. Die Injection findet auf folgende Weiſe ſtatt: Man verſehe eine kleine Spritze von Silber oder Glas mit einer in eine feine Spitze aus laufenden, ſtark gekruͤmmten und mit einem Hahne verſehenen bewaffneten Canuͤle. Nachdem nun das Blutge— faͤß hinlaͤnglich frei gelegt worden, um daſſelbe leicht mit dem Finger zu erreichen, fuͤhre man die Canuͤle laͤngs des Letztern, die Concavitaͤt dem Herzen zugewendet, in die Arterie ein und befeſtige dann an der Canuͤle die vorher mit einer gefättigten Tanninaufloͤſung gefüllte Spritze. Während nun ein Gehuͤlfe die Arterie an der vom Herzen abgewendeten Seite comprimirt, um die Circulation in derſelben zu behins dern, führe man die Injection mit einer der größern oder gerin— geren Entfernung vom Herzen entſprechenden Staͤrke aus. Bei einem aneurysma per anastomosin oder einer Te: leangiektaſie muß die Einſpritzung Eräftig genug geſchehen, um ziemlich tief in die Gefäße einzudringen, und die Canuͤle iſt hier mit ihrer Convexitaͤt dem Herzen zugewendet einzu— führen. Sobald die Pulfationen im aneurysma nachlaſſen, entferne man allmaͤlig den Druck von der Arterie und laſſe dem Herzen Zeit, feine Kraft auf das coagulum wirken zu laſſen; treten die Pulſationen darauf von Neuem wieder ein, fo wiederhole man vor dem Zuruͤckziehen des Inſtruments die Injection. Es iſt möglih, daß nach einiger Zeit das gebildete coagulum ſich außer Verhaͤltniß zu dem Sacke zuſammenzieht, und die Pulſationen demnach in demſelben von Neuem eintreten, aber auch hier laͤßt ſich die Injection mit Leichtigkeit wiederholen. Die Einſpritzung der Tan— ninſolution iſt auch bei Arterienwunden anwendbar. In ſolchen Faͤllen comprimire man die Arterie auf beiden Seiten und entferne nach und nach waͤhrend des Einſpritzens die Compreſſion. Die angegebene Injection eignet ſich auch für varicoſe Venenerweiterung, wo natuͤrlich die Compreſſion auf der dem Herzen zugewendeten Seite ftattfinden muß. (Lan- cet No. VI. 1845.) Ueber die Einwirkung der fetten Oele auf den thieriſchen Organismus. Von Gluge und Thierneſſe. Die Verfaſſer ſtellten eine Reihe von Experimenten mit Olivenoͤl und Leberthran an, welche beiden Subſtan— zen ſie theils in die v. jugularis externa, theils durch den Mund reichten und gelangten zu folgenden Reſultaten: 1) Das Olivenoͤl und der hellfarbige Leberthran bie— ten keine bemerkbare Verſchiedenheit in ihrer Einwirkung auf den thieriſchen Organismus dar, moͤgen ſie nun durch den Mund oder durch Injection in die Venen den Thieren beigebracht werden, einige Faͤlle ausgenommen, wo der Fa— ſerſtoff des Blutes und des Muskelfleiſches unter dem Ein— fluſſe des bei Hunden innerlich angewendeten Leberthrans größere Dichtigkeil erlangten, welches Reſultat aber nicht conſtant war. 760. XXXV. 12. 188 2) Der dunkelbraune, ungereinigte Leberthran bewirkt, in den Kreislauf eingebracht, raſch Aſphyrie des Thieres und erzeugt eine ſchnelle Zerſetzung des Blutes, wofuͤr hin— laͤnglich die Unregelmaͤßigkeit der Blutkuͤgelchen und das Vor: handenſeyn von Kryſtallen im Blute bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung zeugen. 3) Die fetten Oele haben, auf welchem Wege ſie auch immer den Thieren beigebracht werden moͤgen, eine natuͤrliche Tendenz, ſich in der Leber, den Lungen und den Nieren ab— zulagern. 4) Sie lagern ſich in dieſen Organen auf zwei verſchie— dene Weiſen ab: entweder ergießen ſie ſich in das Paren— chym, indem ſie durch die capillaͤren Blutgefaͤße durchſchwitzen, oder ſie gelangen durch dieſelben Wege in die Gallenzellen, Lungenblaͤschen und Harncanaͤlchen. 5) Die Thiere uͤberleben lange die Einfuͤhrung dieſer Oele in das Blut durch eine Vene, ſelbſt wenn man die Injection wiederholt, ſobald man nur jedesmal eine geringe Quantitaͤt anwendet: das Oel verſchwindet dann zuerſt aus dem Blute und dann nach und nach aus den Lungen, der Leber und den Nieren. 6) Die Wirkung der innerlich durch den Mund gereich— ten Oele iſt nach der groͤßern oder kleinern Gabe, in welcher man dieſelben auf einmal beibringt und nach der Zeitdauer, waͤhrend welcher die Thiere davon nehmen, ſehr verſchieden. 7) Wenn man von Tage zu Tage mit der Gabe ſteigt, ſo verlieren die Thiere den Appetit, magern ab, lei— den ſehr an Dyspnoͤe und bieten endlich alle Symptome einer heftigen Pneumonie dar, welcher die Hunde etwa bin⸗ nen einem Monat und die Kaninchen weit fruͤher erliegen. 8) Die pathologiſchen Befunde bei der Section ſind totale oder partielle Hepatiſation der Lungen, Anhaͤufung einer fettigen Fluͤſſigkeit im Parenchym dieſer Organe und endlich eine Ablagerung derſelben fetten Materie in der Le— ber, in den Nieren und im Blute. 9) Die Hepatiſation der Lungen ſteht ſtets in Bezug auf ihre Ausdehnung im Verhaͤltniß zur Quantitaͤt des durch die Verdauungswege in den Organismus eingebrach— ten Oeles. 10) Das durch den Mund beigebrachte Oel wird von den Darmzotten reſorbirt, und auf dieſe Weiſe in das Blut gefuͤhrt, mit welchem es circulirt, ſich dann in die obengenannten Organe ablagert und den pathologiſchen Zus ſtand der Fettlungen, Fettleber und Fettnieren erzeugt. 11) Vorhandene Verdauungsſtoͤrungen, ſowie fie durch Darreichung zu ſtarker Gaben der Oele erzeugt werden, koͤn— nen eine eigenthuͤmliche Art von Pneumonie hervorrufen, wie fie von den alten Aerzten als pneumonia biliosa etc. bezeichnet worden iſt. 12) Wenn ein fettes Oel in kleiner Quantität und kurze Zeit hindurch gereicht wird, fo verſchwindet es unmerk—⸗ lich aus dem Blute und den als Ablagerungsſtellen dienen⸗ den Organen. 13) Die Thiere, denen man die Oele in ſehr kleiner und ſtets gleicher Gabe täglich reichte, blieben vollkommen wohl. 189 14) Die Oele erleiden bei ihrer Reſorption von den Darmzotten aus oder auf dem Wege durch die Venen zu den Lungen, ꝛc. keine Veränderung. 15) Ihre Umwandlung geht erſt in den ebengenannten Organen vor ſich, was die Hyppotheſe ſehr wahrſcheinlich macht, daß die fetten Oele in den Lungen verbrannt, in der Leber in Galle umgewandelt werden und in den Nieren zur Bildung des Harns mit beitragen. 16) Wenn man die Oele als Arzneimittel anwendet, fo iſt es nothwendig, die Muskeln, ſowie die Lungen, in Ue⸗ bung zu erhalten (exercer) und auf die Doſis, in welcher man ſie reicht, ſeine Aufmerkſamkeit zu wenden, indem ſonſt leicht Nachtheil aus dem Gebrauche jener Mittel hervor— gehen koͤnnten. 17) Der dunkelfarbige Leberthran iſt therapeutiſch zu verwerfen, ſelbſt wenn die vorhandene gute Verdauungskraft die nachtheiligen Wirkungen deſſelben zu verhuͤten oder theilweiſe zu beſeitigen vermoͤgen ſollte. 18) Die fetten Oele bewirken dieſelben organiſchen Ver: aͤnderungen, namentlich die pneumonia adiposa, bei den kraͤuterfreſſenden, wie bei den fleiſchfreſſenden Thieren. (Gaz. med. de Paris N. 45. 1844.) Neue Form von Krankenbett. Von Dr. Corigan. Der Apparat beſteht aus einem einfachen hoͤlzernen Geſtelle, welches an den Ecken mit Schwalbenſchwaͤnzen verſehen iſt und die Groͤße einer kleinen Bettſtelle, naͤm— lich 6“ Laͤnge, 2° 8" Breite und 12“ Tiefe hat. Daſſelbe enthaͤlt ein Bret von 14 Zoll Dicke und zwei queer am Bo— den angebrachte Gurte, um das Weichen der Seitentheile nach Einwaͤrts zu verhindern. An der einen Seite des Ge— ſtelles ſind der ganzen Laͤnge derſelben nach 33“ breite Stuͤcke ſtarken Gewebes, ſowie ſie die Tapezirer gebrauchen, feſt angenagelt; an der andern Seite, ein Wenig unterhalb des oberen Randes, ſind ebenſoviele Schnallen mit doppelten Zungen angebracht; die Zungen muͤſſen fein- und ſcharfſpitzig ſein, ſo daß ſie die Gewebe nicht zerreißen, ſondern leicht zwiſchen die Faͤden desſelben eindringen. Bei'm Befeſtigen der Schnallen muͤſſen ſie abwechſelnd hoch und niedrig an— gebracht werden, damit die Raͤnder der Gurte dicht anein— ander liegen koͤnnen. Wenn man das Bett zur Aufnahme des Kranken bereiten will, ſo ziehe man alle Gurte feſt quecruͤber und ſchnalle fie an, fo daß eine glatte Fläche ge— bildet wird, lege eine zuſammengelegte Decke auf den obern Theil des Bettes, welche bis zu den Huͤften des Kranken hinabreicht, und bedecke den unteren Theil des Bettes mit einem auf gleiche Weiſe zuſammengefalteten Betttuche, wel— ches ſo weit hinaufreicht, daß es ſich uͤber den unteren Rand des oberen Tuches hinwegſchlaͤgt. Durch dieſe ein— fache Anordnung des Betttuches kann man, ohne das obere Betttuch zu verſchieben oder eins der Betttuͤcher zu beſchmu— tzen, den Beduͤrfniſſen des Kranken genuͤgen, indem man, wenn es noͤthig iſt, nur den oberen Theil des unteren Tuches zu= ruͤckzuſchlagen braucht. Die unteren Bettlaken werden dann 760. XXXV. 12. 190 auf dieſelbe Weiſe, wie die erwaͤhnten Betttuͤcher, aufgelegt. Der Kranke wird nun in das Bett gebracht, und ſobald er an irgend einer Stelle einen ſchmerzhaften Druck empfindet, lockert man daſelbſt einen Gurt. In Faͤllen von decubi- tus auf dem Heiligenbeine oder an den Huͤften kann man den daſelbſt befindlichen Gurt ſeiner ganzen Laͤnge nach loͤ— ſen, ſo daß der leidende Theil durchaus keinen Druck er— faͤhrt. Eine Oeffnung in der Seite des Geſtelles dient zur bequemern Anbringung eines Bettwaͤrmers u. ſ. w. (Aus Dublin Hospital Gazette in Lancet. No. XI. 1845.) Von einer doppelten Vergiftung durch Kali hy- drocyanicum hat Hr. Hofrath Dr. Weidner der mediciniſchen Section der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländifche Cultur im Jahre 1844 die Geſchichten mitgetheilt, deren erſte einen Kranken, die andere den be⸗ handelnden Arzt betraf. — Einem kraͤftigen Manne von etwa 30 Jah⸗ ren, der an ſehr ſchmerzhaften blinden Haͤmorrhoiden litt, wurde von ſeinem Arzte folgende Arznei verordnet: R. Kali hydrocyanic, 3jj Aquae Chamom. 3jj Sach. alb. 3jj M. D. S. vierſtuͤndlich einen halben Eßloͤffel voll zu nehmen. Nachdem der Kranke ſich noch lebhaft mit einem Verwandten unterhalten hatte, nahm er, (am 13. Januar 1844 um 2 uhr Nachm.) von der Arznei einen Kaffeelöffel voll, der kaum 100 Tropfen faſſen mochte. Gleich nach dem Verſchlucken äußerte ſich der Kranke über die nachtheilige Wir⸗ kung. Es trat Neigung zum Erbrechen ein, das Bewußtſeyn ſchwand. Ein ſofort verordneter Sinapismus und eine Moxa blie⸗ ben ohne Erfolg. Nach Verlauf einer Stunde war kein äußeres Lebenszeichen mehr wahrzunehmen. Der inzwiſchen herbeigerufene Arzt, der die Medicin verordnet hatte, nahm, in der Meinung, das mehr, als 100mal von ihm in derſelben Formel verordnete milde Kali ferruginoso-hydrocyanicum vor ſich zu haben, von der noch zuruͤckgebliebenen Arznei, in der viele Flocken ſchwammen, die aber fonft keinen auffallenden Geruch zeigte etwa einen Kaffeelöffel voll in den Mund, hielt fie einen Augenblick darin, verſchluckte etwa! davon und ſpuckte das Uebrige wieder aus, weil er im Schlunde ein eigenthuͤmliches, ſchrumpfendes Gefühl empfand, welches dem durch eine ſaturirte Alaun- oder Eifenvitriolauflöfung erzeugten aͤhnlich war. Es erfolgte Druck im Vorderhaupte, mit Schwindel bis zum Verlieren des Gleichgewichts, Verdunkelung des Geſichtes, ſo daß nur undeutlich die Umriſſe der gegenwartigen Perſonen un- terſchieden werden konnten, ſtarker Brechreiz, Rauſchen vor den Ohren, faſt völlige Bewußtloſigkeit. Ohne einen beſtimmten Schmerz zu empfinden, hatte der Arzt das Vermögen, tief zu athmen, ver⸗ loren. Die Sinnesthaͤtigkeit verging faſt wie bei einer tiefen Ohn macht. Nachdem der Arzt mühſam eine ihm dargereichte Taſſe Milch verſchluckt hatte, trat ſofort Wuͤrgen mit reichlichem Erbre⸗ chen und Erleichterung ein. Dennoch konnte der Arzt nach Verlauf einer Stunde kaum auf den Fuͤßen ſich aufrecht erbalten, der Kopf war wuͤſt und ſchwer, Schwindel blieb noch zuruͤck, das ſchrum⸗ pfende Gefuͤhl im Schlunde und Uebelkeiten dauerten bis nach Mit⸗ ternacht fort. Nach einem unruhigen Schlafe war am Morgen des folgenden Tages nur noch eine koͤrperliche Abſpannung zurüͤck⸗ geblieben. — Am 15. Januar Morgens wurde die Obduction des am 13. Geſtorbenen angeſtellt, welche im Weſentlichen Folgendes ergab: Ein auffallender Geruch war nicht bemerkbar, die Leichen⸗ ſtarre allgemein, der Unterkiefer nur mit vieler Muͤhe etwas be⸗ weglich, das Geſicht und die vordere Flaͤche des Leibes blaß, eini⸗ germaaßen in's Gelbliche ſchillernd, faſt wachsartig gefaͤrbt, die Hinterflaͤche des Leichnams, mit Ausnahme der Stellen,, auf wel⸗ chen die Laſt des Körpers unmittelbar geruht hatte, blaͤutichroth, namentlich am Ruͤcken und an den Oberſchenkeln; die Finger wa⸗ ren halb, beide Fuͤße krampfhaft nach Innen, gebogen, die Naͤ⸗ 191 gel an Fingern und Zehen blau, die Augenlider halb gefchloffen, die Conjunctiva erſchien maͤßig geroͤthet, die Hornhaut etwas ge— truͤbt, doch nicht undurchſichtig, die Pupille weder erweitert noch verengert, die Lippen waren blaß, der Unterleib war weich, das scrotum und die Vorhaut blaͤulich, die Oeffnung der Harnroͤhre mit ſchleimiger Fluͤſſigkeit verklebt, in der Umgebung des offenen Afters etwas Darmkoth. Saͤmmtliche Hirngefaͤße, beſonders die venöfen, die sinus durae matris, waren mit fluͤſſigem, blaurothem Blute gefüllt; aus der durchſchnittenen Markſubſtanz, ſowohl des großen als des kleinen Gehirns, quollen Blutstropfen, die plexus choroidei waren maͤßig injicirt. Die rechte Lunge war allgemein mit der Rippenpleura verwachſen, die linke einigermaaßen zuſam— mengeſunken. Bei'm Eroͤffnen des linken Pleura-Sackes, der gegen vier Loth roͤthliches Serum enthielt, wurde ein eigenthuͤmlicher ſuͤß⸗ licher, dem der bitteren Mandel aͤhnlicher Geruch bemerkt, der an der rechten Seite fehlte. Der linke Herzventrikel war leer, der rechte enthielt etwa 1 Unze ſchwarzrothes, von Gerinnſel freies Blut. Das Endocardion war von gewohnlicher Farbe, ſonſt aber die Muskelſubſtanz des Herzens tief dunkelroth. Bei'm Einſchnei⸗ den der Lungen wurde der bittere Mandelngeruch ebenfalls bemerk— bar. Der hintere Theil der Lungen war ſtark mit ſchaumigem Blute infiltrirt, in der Luftroͤhre nahe an der Theilungsſtelle et: was weißer Schaum, die Leber und Milz erſchienen blutreich, die Galle dunkelgruͤngelblich. Im Magen befanden ſich etwas Luft, etwas gelblicher Schleim und einige Graupenkoͤrner; feine Schleim: haut war in der Naͤhe des Pylorus etwas geroͤthet. Die Nieren waren blutreich, die Harnblaſe enthielt gegen 6 Unzen Harn, das Blut der, Hohlvenen war dunkel und fluͤfſig. — Chemiſch unterſucht wurde von den Theilen der Leiche: 1) alles aus dem Herzen, den großen Bruftgefäßen und den Gefäßen der Schaͤdelhoͤhle geſammelte Blut, nebſt einem Stuͤcke Subſtanz von der Baſis des Hirns; 2) die Harnblaſe ſammt dem Harne; 3) der Dickdarm nebſt ſeinen gontentis. Nur in dieſem fanden fi die zur Conſtituirung des Cyan Kaliums erforderlichen Stoffe, naͤmlich Cyan und Kalium, welche auch in dem Reſte der noch bei'm Kranken übrig gebliebes nen Arznei und in dem in der Apotheke noch vorgefundenen Kali hy- drocyanicum nachgewieſen wurden. — Die Todesurſache war Blau— ſaͤurevergiftung, herbeigefuͤhrt durch das in der Arznei enthaltene blauſaure Kali, eigentlich Cyan⸗Kalium, oder Kalium:Cyanür, Ka: lium⸗Cyanid, welches wegen feines großen Gehaltes an Cyan und ſeiner leichten Zerſetzbarkeit in Kali und Acidum hydrocyanicum nur in kleinſten Gaben gegeben werden darf. Nach der Berechnung des Hrn. Dr. Weidner entſprach der Blauſaͤuregehalt der von dem Kranken verſchluckten, circa 100 Tropfen oder 14 Drachme be: tragenden Arznei wenigſtens dem Blaufaͤure-Gehalt, der in 2 Dr. oder 120 — 130 Tropfen der officinellen Hydrocyan⸗Saͤure enthal⸗ ten iſt, welche letztere ſchon in einigen Tropfen eine tödtliche Wir: kung hervorbringt. Daß der Tod nicht plotzlich erfolgte, ſondern der Kranke noch einen Todeskampf von einer Stunde zu beſtehen hatte, wurde daraus erklaͤrt, daß das Cyan-Kalium erſt langſam ſich zerſetzte, durch die Saͤure des Magens das Kalium als Kali 1 05 und das eben gebildete Acidum bydrocyanicum frei wurde. 760. XXXV. 12. 192 Miscellen. ueber die Gelenkreſectionen von Herrn Chaſſaig⸗ nae. Der Verfaſſer glaubt ſich durch feine Erfahrung berechtigt, folgende Lehrſaͤtze aufzuſtellen: Bei allen Reſectionen der Gelenke kann man ſich mit einem einzigen, meiſt geradlinigen, zuweilen auch nur krummlinigen Einſchnitte begnuͤgen; in allen Faͤllen thut man gut, vor der Exarticulation den zu exarticulirenden Knochen zu durch⸗ ſchneiden; mag nun das Gelenk aus 2 oder 3 Knochen beſtehen, fo muß man ſtets die ſucceſſive Extraction der Knochenenden an demjenigen an= fangen, welches am Leichteſten zu erarticuliren iſt. Eine Reſection be⸗ reitet die folgende vor und erleichtert fie. — In Betreff der Exar— ticulation des Unterkiefers raͤth Herr Chaſſaig nac, vor der Exar⸗ ticulation des condylus den processus coronoideus an feiner Ba⸗ fis mit der Liſton'ſchen Knochenſcheere zu durchſchneiden und dann erſt die uͤbrige Partie des Fortſatzes zu entfernen. Verfaſſer har namlich an mehreren Leichen eine ſolche Länge des proc, coronoi- deus beobachtet, daß derſelbe nach Oben das horizontale Niveau des condylus faſt um 1“ überragte, welcher Umſtand die Tren- nung der Inſertionsfaſern des Schlaͤfenmuskels ſehr erſchweren wuͤrde, welche Schwierigkeit dadurch noch erhoͤht wird, daß das Biſtouri an die zu durchſchneidenden Partieen in einer mit der ih- rigen faſt parallelen Richtung applicirt wird, was für die Durch- ſchneidung der reſiſtirenden Aponeuroſen und Sehnen, mit welchen der Schlaͤfenmuskel den ganzen proc. coronoideus gewiſſermaaßen umhuͤllt, die unguͤnſtigſte Ausfuͤhrungsweiſe abgiebt. (Aus Arch. gen. de méd. in Gaz. med. de Paris, Nr. 23. 1845.) Ueber Craniotomie, sectio caesarea und Sym⸗ phyſiotomie giebt Dr. Smith folgende practiſche Regeln: Die Craniotomie iſt in allen den Fällen angezeigt, wo wegen Verenge— rung des Beckens durch knochige oder andere Geſchwuͤlſte und Con⸗ traction des Ausganges durch zu große Annäherung der tubera os- sis ischii aneinander der ganze foetus nicht herausgezogen werden kann und weder die Zange, noch andere Mittel anwendbar find, ein verkleinertes Kind aber herausbefoͤrdert werden kann. Der Kaiſerſchnitt findet da ſtatt, wo die Deformität fo groß iſt, daß ſelbſt ein verſtuͤmmelter foetus nicht durch die natuͤrlichen Oeffnun⸗ gen hindurchkann. Die Symphyſiotomie iſt nur in den Faͤllen an⸗ wendbar, wo die Entbindung nicht durch die Zange vollendet wer: den kann und die Craniotomie angezeigt iſt, die Obſtruction aber von der Trichterform des Beckens herrührt und man ſich überzeugt hat, daß eine leichte Vergroͤßerung des verengerten Durchmeſſers einem ganzen Kinde den Durchgang geftatten würde. Aus Nor- thern Journal in Lancet No. VI. 1845.) Einen Blutſtillungsapparat bei Metrorrhagie giebt Arthur Haſſall in Lancet No. VII. 1845 an. Derſelbe beſteht in einer kreisfoͤrmigen Platte oder Scheibe von etwa 6“ im Durchmeſſer und 3“ Dicke, welche leicht ausgehoͤhlt und von feſtem, unnachgiebigem Material angefertigt iſt. An dieſe Scheibe wird ein ledernes Band von etwa 4“ Breite befeſtigt, an deſſen einem Ende eine große Schnalle und an dem anderen Ende eine Anzahl Löcher zur Aufnahme der Schnallenzaͤhne angebracht find. Durch die Application dieſes Inſtrumentes wird ein dauernder und ſtarker Druck auf den uterus ausgeuͤbt. ——— — nu SE — — Bibliographische Neniokteıse m Maag 905 la e de l'electricite a la surface des eux spheres conductrices completement isolées. 1 5 Plana. Turin 1845. 4. W Elements of Meteorolegy; being the third edition revised and enlarged of meteorological Essays. By the late John Frede- derie Daniell. London. 2 Vols 8. Mit K. i Traite de toxicologie médico-legale et de Ja falsefication des ali- mens, des boissons et des médicamens. 1. partie. Paris 1845. 8. On Cataract and its appropriate Treatment. By C. Guthrie, London 1845. 8. ——ꝝ òwſᷣ————ñ ᷑ ſU———— ä H(—ͤ Neue Motizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt i von dem Ober⸗Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin, * No. 761. Gedruckt im Landes-Induſtrie⸗ Comptoir zu Weimar. W. +. Phyſiologiſche Unterſuchungen über die Bruſtdruͤſe und vergleichende Anatomie der Schilddruͤſe. Von Hrren Simon, Prof. der Anatomie am King's College zu London. Die Hauptreſultate, zu denen der Verf. ruͤckſichtlich der Structur und Functionen dieſer Organe gelangt iſt, lafe ſen ſich in Folgendem zuſammenfaſſen. Nachdem ich, ſagt Prof. Simon, durch eine verglei— chende Unterſuchung der verſchiedenen ſecernirenden Organe das ihnen Gemeinſchaftliche in Betreff der anatomiſchen Structur und folglich auch das einem jeden derſelben Eigen— thuͤmliche ermittelt hatte, ging ich von dieſem erſten Reſul— tate aus, um die Verwandtſchaften zwiſchen der glandula thymus, der glandula thyreoidea, den glandulae supra- renales und den glandulae Malpighi der Mil; nachzu⸗ weiſen. In allen dieſen Organen habe ich einen weſentlich ſecernirenden Apparat, ein aͤchtes druͤſiges Gewebe erkannt. Ich habe gefunden, daß ſich dieſes Gewebe in dieſen Or— ganen ſtets in Geſtalt geſchloſſener Hoͤhlen darſtellt, in de— nen die ſpecifiſchen Producte laͤngere oder kuͤrzere Zeit zuruͤck— gehalten werden, und aus denen ſie nicht anders herauskoͤn⸗ nen, als indem ſie durch die Lymphgefaͤße wieder in die Cir— culation eintreten. Die Abweſenheit eines Excretionscanals iſt der gemeinſchaftliche Character dieſer Druͤſen; was die Einzelnheiten ihrer Structur betrifft, ſo findet man, daß jede ihre eigenthuͤmliche Anordnung darbietet. Die Hoͤhlen der glandula thymus find röhren=bläschenförmig, die der glandu- lae suprarenales röhrenförmig,, die der glandula thy- reoidea und der glandulae Malpighi der Milz blaͤschen⸗ förmig. Was die glandula thymus anbetrifft, fo habe ich de⸗ ren Entwickelung von dem Augenblicke an verfolgt, wo die— felbe erſt in einer einfachen, geſchloſſenen, langgeſtreckten Roͤhre beſteht, von der ſich ſpaͤter Veraͤſtelungen entwickeln, die eine druͤſige Maſſe bilden. Ich habe die bereits in den Werken Becker's und Haugſted's aufgezeichnete Thatſache, daß No. 1861. — 761. (Nr. 13. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen des einzelnen Stückes 3%, AH Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3% 995. Auguſt 1845. andes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 R 3 8 je, Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. Ran n e die glandula thymus im Fötus unthaͤtig ſey, durchaus bez ſtaͤtigt gefunden. Ihre Hauptfunction hebt erſt mit der Geburt an und findet vorzuͤglich in den erſten Lebensmona— ten, in der Periode des Wachsthums, Anwendung. Ich habe die Druͤſe uͤberall angetroffen, wo das Ath— men durch Lungen ſtattfindet, ſelbſt bei den Marsupialia, bei denen ſie, der Behauptung mancher vergleichenden Ana— tomen zufolge, fehlen ſoll, ſowie bei den Voͤgeln und Rep— tilien, bei denen man ſie entweder uͤberſehen oder verkannt hatte. In der Claſſe der Fiſche habe ich keine Spur ders ſelben auffinden koͤnnen. Bei den Winterſchlaͤfern, bei denen fie mehrentheils zu einem permanenten Organe wird, habe ich eine ſehr inter- eſſante Umbildung der chemiſchen Beſtandtheile, ſowie der innerſten Structur dieſer Druͤſe beobachtet. Die Function der glandula thymus ſcheint lediglich in einer organiſirenden Ausſonderung der naͤhrenden Stoffe zu beſtehen, welche Thaͤtigkeit mit der gemeinen Fettbildung eine ſehr innige Analogie darbieten wuͤrde. Ich habe in meiner Abhandlung die Gruͤnde auseinan— dergeſetzt, welche mich glauben laſſen, daß dieſe Ausſonderung, welche nur bei denjenigen Thieren zu beobachten iſt, deren Re⸗ ſpiration eine geringe Intenſitaͤt beſitzt, die aber aufhört, ſo— bald die Reſpiration ihre Vollkommenheit erlangt hat, zu dem Athemholen in einer gewiſſen Beziehung ſtehen muͤſſe; und eine Anhaͤufung der zur Verbrennung beſtimmten Ma— terialien erkenne ich deßhalb als den Zweck dieſer Function, weil die Ausſonderung nur in derjenigen Epoche des Lebens (dem erſten Kindesalter) oder bei denjenigen Species (den Winterſchlaͤfern) ftartfindet, wo durchaus keine Muskelthaͤ⸗ tigkeit, keine Zertheilung der chemiſchen Beſtandtheile des Koͤrpers, kein erheblicher Aufwand an fuͤr die Reſpiration beſtimmtem oxydirbaren Stoffe ſtattfindet. Sobald die Eräftigen Bewegungen haͤufig zu werden beginnen, fobald die gewoͤhnliche Art und Weiſe der Ausſonderung der Mate⸗ rialien im vollen Gange iſt, wird die Function der glandula thymus zwecklos, und ſie hoͤrt daher auf, außer bei den Win⸗ 13 195 terſchlaͤfern, die von Zeit zu Zeit in dieſelbe Unthaͤtigkeit zu: ruͤckverfallen, wie ſie im zarteſten Kinderalter ſtattfindet. Die glans thyreoidea ift, wenigſtens im rubimentä- ren Zuſtande, bei allen Wirbelthieren anzutreffen. Die rudi— mentaͤrſte Form, in der ſie ſich erkennen laͤßt, iſt die des Or— ganes, welches Brouſſonet bei den Fiſchen branchiolae (Kiemchen) genannt hat. Brouſſonet hat daſſelbe nur in den Faͤllen erkannt, in denen es aͤußerlich vorhanden iſt; allein bei gewiſſen Arten hört es auf, aͤußerlich wahrnehmbar zu ſeyn, ins dem es durch die Schleimhaut bedeckt iſt; bei andern hat es mit der Membran durchaus keine Gemeinſchaft und bil— det eine aͤchte glandula thyreoidea. Selbſt wenn ſich dieſes Organ unter der Form von branchiolae darſtellt, iſt daſſelbe nichts weiter, als ein An: haͤngſel, ein diverticulum der Gehirncirculation, und es ge: hoͤrt in keiner Weiſe zum Reſpirationsapparate. Es er— hält das oxygenirte Blut nicht von der arteria branchia- lis, ſondern von der vena branchialis. Den Character eines Anhaͤngſels oder Auslaͤufers der Gehirncirculation verliert dieſes Organ niemals. So ſtark es auch entwickelt, ſo vollkommen ſeine Structur auch ſeyn mag, ſo erkennt man darin doch immer eine Anordnung der Gefaͤße, welche an die Kiemen erinnert. Unterſucht man daſſelbe aber bei den hoͤhern Thierclaſ— fen, fo bemerkt man, daß ſich mit dem Gefäßnese Secretions— hoͤhlen vermengen, und man muß natuͤrlich annehmen, daß die Function dieſer geſchloſſenen Hoͤhlen mit derjenigen der Gefaͤße, zu denen fie hinzutreten, in nothwendiger Bezie— hung ſtehe. Da nun dieſe Gefaͤße das Blut vom Gehirne ableiten, ſo muß man annehmen, daß die in den Hoͤhlen der Druͤſe ſtattfindende Secretion ebenfalls ableitender Art ſey, d. h, daß ſie im umgekehrten Verhaͤltniſſe zu der ernaͤhren— den Thaͤtigkeit des Gehirns zu- und abnehme. Bei Gelegenheit der Anſicht des Prof. Simon über das corpus thyreoideum, erinnerte Herr Serres an eine von Herrn Maignien, Chirurgen der Municipalgarde von Paris, der Academie vorgelegte Abhandlung, in welcher aͤhnliche Meinungen vorgetragen worden ſeyen. Der Verf. ſetzt in derſelben auseinander, daß bei den Saͤugethieren die Thaͤtigkeit der Lappen (Hörner) der Schilddruͤſe darin beſtehe, den Lauf des Arterienblutes in der Gehirn-Ruͤckenmarksaxe zu compenſiren und zu reguliren. Dieſe Anſicht ſtuͤtzt er einestheils auf das vergleichende Studium dieſer Lappen bei den verſchiedenen Claſſen der Wirbelthiere, anderntheils auf directe Verſuche mit Thieren. Bei dieſen Verſuchen be— obachtete Dr. Maignien, daß die theilweiſe oder gaͤnzliche Exſtirpation der Schilddruͤſenlappen auf die Thaͤtigkeit der Gehirn-Ruͤckenmarksaxe des Nervenſyſtems in verſchiedenen Graden einwirke. Als er nunmehr die an Thieren beob— achteten Reſultate auf den Menſchen anwandte, ſuchte er durch die Anatomie des Embryo und Foͤtus den Einfluß zu beſtimmen, welchen die Entwickelung des corpus thyreoi- deum auf die allgemeine Entwickelung des Organismus aͤu— ßert. Die ſo erlangten Reſultate veranlaßten ihn ferner, den Zuſtand dieſes Organes unter den verſchiedenen Bedin— gungen des extra-uteriniſchen Lebens zu unterſuchen und die 761. XXXV. 13. 196 Modificationen zu beobachten, welche daſſelbe, je nach dem Geſchlechte, Alter, den Krankheiten und den Racen, darbietet. So glaubte er zwiſchen dem Zuſtande dieſes Koͤrpers und den Aeußerungen der Intelligenz gewiſſe Beziehungen nachwei⸗ ſen zu koͤnnen, ſo daß er auf dieſe Weiſe zur Aufſtellung ei⸗ ner neuen Claſſification der Menſchenracen gelangte. In Be⸗ treff des Einfluſſes der glandula thyreoidea auf die Zeu⸗ gung, iſt Dr. Maignien ebenfalls durch Experimente zu den von ihm aufgeſtellten Anſichten gelangt, welche ſich in'sbeſondere auf den Act des coitus und des Gebaͤhrens beziehen. Die: fen Betrachtungen zufolge, trägt Herr Serres darauf an, daß die Mittheilung des Herrn Simon der Beurtheilung derſelben Commiſſion uͤberwieſen werde, welche die Arbeit des Dr. Maignien gepruͤft habe. Herr Flourens, welcher die Mittheilung des Prof. Simon der Academie vorgetragen hatte, bemerkte dagegen, daß dieſe Arbeit ſich weſentlich mit der vergleichenden Ana— tomie der glandula thyreoidea beſchaͤftige und deßhalb zu der des Dr. Maignien nur in ſehr entfernter Beziehung ſtehe. Uebrigens habe er ſich durch ſehr zahlreiche directe Verſuche davon uͤberzeugt, daß die Anſicht des Dr. Mai: gnien in Betreff des Einfluſſes der glandula tlıyreoidea auf die Fruchtbarkeit ungegruͤndet ſey. (Comptes rendus des seances de l’Ac. d. Sc. T. XX, No. 24, 16. Juin 1845.) Meteorologiſche Beobachtungen, angeſtellt zu Am— bleſide in Weſtmoreland in den Jahren 1848 bis 1845 (in Beziehung auf Entſtehung von Thau, Reif und Nebel.) Von John Davy, D. M. Schlau ß. 4) Das Erſcheinen des Thaues bringt man im Allgemeinen mit der Waͤrmeausſtrahlung in Verbindung, indem man annimmt, daß die in Form eines unſichtbaren Dunſtes in der Luft vorhandene Feuchtigkeit auf das Gras und andere bethaute Gegenſtaͤnde deß⸗ halb niedergeſchlagen werde, weil dieſe kaͤlter, als die Luft, ſeyen. Oftmals habe ich Ausnahmen von dieſer Regel beobachtet, naͤmlich daß das Gras bethaut wurde, wenn das auf demſelben liegende Thermometer einen hoͤheren Stand hatte, als das in der daruͤber befindlichen Luft haͤngende. So zeigte am 1. Sept 1843 um 11 Uhr Ab. nach einem warmen Tage und bei bewoͤlktem Himmel, als das Gras ſehr ſtark bethaut war, ein auf daſſelbe gelegtes Ther⸗ mometer 60°, während es darüber in der Luft auf 589 ſank. Eine Stunde ſpaͤter, wo der Himmel noch in derſelben Weiſe bewoͤlkt und das Gras noch ſtaͤrker bethaut war, ſtieg ein mit den Wurzeln des Graſes in Berührung gebrachtes Thermometer bis 62°, während es, oben auf dem bethauten Graſe liegend, bis 58° fiel. Ein Trinkglas, welches man um⸗ gekehrt auf das Gras ſtellte, wurde inwendig ſtark bethaut, waͤhrend es auswendig vollkommen trocken blieb. Beweiſ't dieß nicht, daß die ſich niederſchlagende Feuchtigkeit aus dem warmen Boden empor⸗ ſtieg und die mit dieſem in unmittelbarer Beruͤhrung befindliche Luft fättigte? Und würde nicht in dieſem Falle der Thau in derſelben Weiſe erzeugt, wie es gewoͤhnlich mit dem Nebel der Fall iſt? Ich will noch ein Beiſpiel anführen. Am 14. deſſelben Monats, um 8 Uhr M., als das Gras ſtark mit Thau belegt war, hatte die Luft eine Temperatur von 55°, die naſſe Oberflaͤche des Gra⸗ ſes eine ſolche von 58° und die Graswurzeln eine ſolche von 63°. Zu dieſer Zeit nebelte es, ſo daß die Sonne nicht ſichtbar war. Ich koͤnnte aus meinem Tagebuche viele ähnliche Fälle aufzählen, in de⸗ 197 nen die höhere Temperatur des Graſes, auf welchem ſich Thau niedergeſchlagen hatte, mit einem dunſtigen oder nebligen Zuſtande der Atmofphäre vergeſellſchaftet war. Sie kamen mehrentheils in den Herbſtmonaten und zu Wintersanfang, der Jahreszeit der Ne: bel, vor, wo die Rotha und beſonders die Seeen gewoͤhnlich eine hoͤhere Temperatur haben, als die Luft bei Nacht, und wo häufig Windſtille herrſcht. 5) Der Reif tritt bekanntlich an die Stelle des Thaues, wenn die Oberflaͤche, auf die der Niederſchlag ſtattfindet, eine niedrigere Temperatur hat, als 32° F. oder 0° R. Nichtsdeſtoweniger habe ich den Thau öfters zu 32° oder ſelbſt niedriger temperirt gefun⸗ den, ohne daß er gefroren geweſen waͤre. Dieß beobachtete ich am 29. Maͤrz v. J. und in der Nacht des 4. und 7. Aprils, wo der Thermometer auf dem Graſe reſp. 29°, 32° und 30° zeigte. Zu: erſt wurde daſſelbe um 12 Uhr Ab. bei ſehr ruhigem und heiterem Wetter beobachtet; eine Stunde ſpaͤter war das Thermometer auf dem Graſe bis 27° gefallen und der Thau war gefroren. Es laͤßt fi vermuthen, daß der Thau in dieſem und in ähnlichen Fällen bei einer nicht viel uͤber dem Gefrierpuncte ſtehenden Temperatue niedergeſchlagen worden und wegen der ungemeinen Ruhe der At: moſphaͤre, ſelbſt nachdem deſſen Temperatur unter den Gefrier⸗ punct gefallen war, fluͤſſig geblieben fey, wie man, z. B., Waſſer in engen Röhren bis 20° und 17° (— 43 und — 57° R.) hat er⸗ kalten laſſen, ohne daß es ſich in Eis verwandelte. 6) Obwohl der Nebel meiſt unter den oben erwähnten Umftänden erzeugt wird, fo tritt er doch auch zuweilen unter andern Verhaͤltniſ⸗ ſen auf, naͤmlich wenn die Luft waͤrmer iſt, als die von ihr be⸗ deckte Oberfläche, oder mit Waſſer oder Geftein in Berührung tritt. Ruͤckſichtlich der Berggipfel hat man dieſe Beobachtung ſchon vor Alters gemacht. Homer erwaͤhnt des feuchten Suͤdwindes, wel: cher die Berge in Nebel huͤlle. Die Annaͤherung deſſelben Windes wird zu Conſtantinopel durch das Erſcheinen einer niedrigen Nebel⸗ bank auf dem Meere von Marmora, deſſen Waſſer betraͤchtlich kaͤl— ter iſt, als das des Mittelmeeres, verkuͤndet. Aehnliche Beiſpiele find auf manchen großen Strömen America's wahrgenommen wor- den. Ich kann eines ſolchen gedenken, das ich hier am 6. Januar v. J. beobachtete. Etwa um 10 Uhr Ab. war nach einem heftigen Regenguſſe die Luft zu 47° temperirt und ſehr feucht, die Tempe⸗ ratur des Grasmere und Rydal-Sees aber dem Gefrierpuncte ſehr nahe, da der letztere den ganzen vorhergehenden Monat faſt ganz, das erſtere theilweiſe zugefroren geweſen war. Waͤhrend übrigens die Luft ziemlich hell war, zeigten ſich die hoͤheren Berge in Nebel gehuͤllt, und über dem größten Theil der beiden Seeen lag ein Nebelſchwaden. Die Luft war beinahe ganz ſtill, wenig⸗ ſtens ſchlug das Waſſer nirgends Wellen, obwohl ſich der Nebel gelinde bewegte. Bald darauf erhob ſich ein leichter Wind, der alsbald beide Seeen von Nebel reinigte. 7) Schließlich will ich noch einiger Eigenthuͤmlichkeiten des Seediſtricts in der Kürze gedenken. Obwohl hier mehr Regen fällt, als in den meiſten uͤbrigen Gegenden England's, ſo iſt doch die Zahl der Regentage verhaͤltnißmaͤßig nicht bedeutend. Die Guͤſſe ſind heftig und kommen bei Nacht faſt ſo haͤuſig vor, wie bei Tage. Aus folgender Tabelle, welche uͤber die Geſammtmenge des Regens, der im verfloſſenen Jahre zu Ambleſide fiel, Auskunft giebt, wird dieß naͤher hervorgehen. Nach Sonnen- Nach Sonnen- Theils bei Tage, Total⸗ aufgang untergang theils bei Nacht menge Januar. 5 mal 6 mal 8 mal 7,4230 Februur 7 2. 6 =: . 8 = 5,70 =: März ee 3 : 7,99 : April 8 6 DI: 3,17 = n een 0,13 : Juni e 3 . 1 » 4,23 = Jule en 2 * 5 =. 424 = Augutonen 10 112: — 3,35 September 2 = 2 6 6,60 = Sctober reihe 7 Sr 7,28 = November 6⸗ gu 8 : 475 =: December 2 = . 3 — 1,30 ⸗ 67 mal 61 mal 58 mal 58,08 — 761. XXXV. 13. 198 Obwohl hier ſoviel Regen faͤllt und die Gegend ſo waſſerreich iſt, kann die Atmoſphaͤre des Seediſtricts nicht fuͤr feucht, ſondern vielmehr für ziemlich trocken gelten. Sie iſt ſelten ſehr trocken und ſelten ſehr feucht, was, wie früher bemerkt, von der gebirgigen Be— ſchaffenheit der Gegend herruͤhren mag, welche auf Niederſchlagung des Waſſerdunſtes hinwirkt und zugleich die häufigen Regenguſſe veranlaßt; und was zum Theil von dem ſtarken Gefälle der Berg- waſſer herruͤhrt, welche alles Regenwaſſer ſchnell hinabfuͤhren. Auch die Beſchaffenheit des Bodens, der die Feuchtigkeit nicht lange an ſich baͤlt, indem er poroͤs und ſteinig und ſehr wenig mit Thon verſetzt iſt, waͤhrend die bewohnten und cultivirten Vorberge und Thaͤler von Torf befreit und entwaͤſſert ſind, mag dazu beitragen. Wegen dieſer beſonderen Beſchaffenheit des Landes und Bodens iſt die Waſſermenge, welche die Baͤche enthalten, oft binnen ganz kur— zer Zeit ungemein verſchieden. Wenn es lange nicht geregnet hat, kann ein Kind die Bäche durchwaten, und nach heftigen Regenguͤſ— fen werden fie zu reißenden, gefährlichen Strömen. Binnen weni⸗ ger als 12 Stunden fiel zu Grasmere 3 Zoll hoch Regen herab, und in dem benachbarten Thale Eaſedale richteten die 30 40 Baͤche, welche in daſſelbe einmuͤnden, binnen ganz kurzer Zeit eine Ueber— ſchwemmung an, ſo daß das Thal unter Waſſer geſetzt war und dieß noch blieb, waͤhrend die Baͤche laͤngſt wieder klein geworden waren. Wegen dieſes ſchnellen Wechſels in ihrer Waſſermenge laffen ſich auch die Bäche dieſer Gegend nur in ſehr geringem Maaße zum Treiben umgehender Werke benutzen, und es iſt durch— aus nicht zu befürchten, daß der Friede dieſer Thaͤler durch um: fangsreiche Fabrikanlagen zerſtoͤrt oder deren Schoͤnheit durch die Errichtung jener ſteifen, haͤßlichen, kaſernenartigen Gebäude geſchmaͤ— lert werden koͤnne. Man ſollte erwarten, daß in dieſem bergigen, regenreichen und ſchnellen Temperaturwechſeln unterworfenen Diſtricte die At— moſphaͤre häufig elektriſchen Störungen unterworfen ſey; dieß iſt aber keinesweges der Fall. Gewitter und Hagel gehoͤren hier zu den ſeltenen Erſcheinungen. In den letzten zwei Jahren donnerte es nur an drei Tagen, dem 8. Juli und 17. Auguſt 1843 und dem 6. Sept. 1844, und keinmal war das Gewitter heftig. Nicht ein einziges Haus iſt mit einem Blitzableiter verſehen, und doch iſt mir kein Beiſpiel bekannt, daß der Blitz in irgend eines eingeſchlagen haͤtte, obwohl ich mich deßhalb bei Maurermeiſtern erkundigt habe, bat gewiß, wenn der Fall vorgekommen waͤre, darum gewußt ten. Obgleich nun Gewitter hier ſo ſelten ſind, ſo kommen doch haͤu— fig heftige Winde und Stuͤrme vor, die bedeutenden Schaden an— richten. In der kurzen Zeit meines Aufenthaltes daſelbſt habe ich drei Sturmwinde erlebt, durch welche einige der groͤßten Baͤume der Gegend entwurzelt wurden. Der Heftigkeit der Winde und der geringen Tiefe der Dammerde iſt es auch wohl beizumeſſen, daß man hier fo wenig große Bäume findet, wie fie andere Graffchaf- ten Englands aufzuweiſen haben, wo dieſelben fuͤr die Abweſenheit von Bergen und Felſen einigen Erſatz leiſten. Gluͤcklicherweiſe ſind die Winde hier ſelten kalt, und dieſem Umſtande verdankt wohl der Seediſtrict die verhaͤltnißmaͤßige Milde feiner Winter. Es iſt merk: wuͤrdig, was fuͤr eine Temperaturveraͤnderung des Nachts bei hei⸗ terem Himmel eintritt, ſobald die Ruhe der Atmoſphaͤre durch Wind geſtoͤrt wird. Ich koͤnnte hierzu viele Belege liefern, doch es mag mit einem genug ſeyn. Am 11. April 1845 um 11 Uhr Ab. ſtand bei heiterem und windſtillem Wetter das in der Luft hän- gende Thermometer auf 35° und das auf dem Graſe liegende auf 289. Als zwei Stunden ſpaͤter ſich ein maͤßig ſtarker Wind erhob, flieg das Thermometer auf dem Graſe bis 36°, und das in der Luft auf 38“, während der Himmel, einige Stellen ausgenommen, wo dunkelgraue Wolken erſchienen, heiter geblieben war. 8) Es würde hier nicht der rechte Ort ſeyn, von der Schön, heit des Seediſtricts zu handeln. Der berühmte Words worth hat dieſelbe in manchen ſeiner trefflichen Gedichte verherrlicht; allein abgeſehen von dem Maleriſchen, ſcheint dieſe Gegend ſich fuͤr man⸗ che Patienten oder Conſtitutionen als Aufenthalt ſehr zu empfehlen, namentlich für ſolche, welche durch das Klima der Zropenländer mitgenommen worden ſind. Hier ſind die Naͤchte, ſelbſt im Som⸗ mer, ſtets kuͤhl, und die Hitze iſt bei Tage, ſelbſt im Hochſommer, 13 * 199 ſelten druͤckend. Die Luft ift, in der Regel, rein und kraͤftigend, und von laͤſtigen Inſecten in den Haͤuſerg, ſowie von ſchaͤdlicher Sumpf⸗ luft außerhalb der Wohnungen, hat man ſelbſt nach Sonnenunter⸗ gang nichts zu fürchten. The Oaks d. 1. Mai 1845. (Edinburgh new philos. Journal, April — July 1845.) Miscellen. Ueber die Haͤufigkeit meteoriſcher Eiſenmaſſen findet ſich in einem Schreiben des Herrn Daru, aus Güdamerica, welches in der Academie der Wiſſenſchaften zu Paris verleſen wor⸗ den, folgende merkwuͤrdige Stelle: „Seit zwei Jahren habe ich die Sternſchnuppen in den Naͤchten vom 11. und 15. November hier beobachtet, ohne daß ich jene Himmelskoͤrper in groͤßerer An⸗ 761. XXXV. 13. 200 zahl, wie ſie gewoͤhnlich vorkommen, hatte bemerken koͤnnen. Was mich zu dieſen Beobachtungen veranlaßt hat, iſt die Erſcheinung, daß man in der Wuͤſte von Attacama (Ober⸗Peru) gewiſſermaaßen bei jedem Schritte Aerolithen zerſtreut findet. In der Argentini⸗ ſchen Republik ſoll, wie man mir als zuverläſſig mitgetheilt hat, fo zu fagen, ein ganzer Wald von enormen Aexolithen vorhanden ſeyn; die Einwohner verarbeiten dieſelben als Eiſen.“ — In Beziehung auf die vulcaniſche Thaͤtigkeit des Veſuvs iſt von Hrn. Leopold Pilla in der letzten Sitzung der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften ein Schreiben eingegangen, wo⸗ rin er meldet, wie er einige iſolirte Kryſtalle von Amphigen (Leucit nach Werner) und Pororen erhalten habe, welche am 22. April d. J. ausgeworfen worden ſind; etwas, was bis dahin nie beobach⸗ tet worden. — Y ei e REDE Faͤlle von cancer penis mit Bemerkungen. Von Hancock. 1) George C., 65 Jahre alt, aufgenommen in das Charing-Croß-Spital. Januar 30. 1844. Penis ſtark angeſchwollen, Haut verdickt und von livider Farbe; Vor— haut hart, geſchwollen, nicht uͤber die Eichel zuruͤckzuſtrei— fen. An der basis praeputii, der corona glandis ent⸗ ſprechend, ein ſtark ſecernirendes Krebsgeſchwuͤr, ein anderes an der Wurzel des penis auf der rechten Seite dicht am serotum; die ganze Subſtanz des penis krankhaft alterirt. Vor einem Jahre hatte der Kranke einige Warzen an der unteren Flaͤche des penis bei der corona glandis bemerkt, die er durch Aufſtreuen von gepuͤlvertem Alaun zerſtoͤrte; eine Haͤrte war zuruͤckgeblieben, ohne Beſchwerde zu verur— ſachen; vor 9 Monaten heftiger Stoß gegen den penis mit einem Holze, 3 Monate darauf Froſt und Hitze, Entzuͤn— dung und Anſchwellung des linken Beines, dann des penis. Der Kranke hatte warme Umſchlaͤge, Eintauchen des Gliedes in warmes Waſſer und reichliche Abfuͤhrmittel angewendet. Bei der Unterſuchung zeigte ſich Fluctuation; Einſtich auf beiden Seiten des penis. Operation der Phimoſe. Ein reichlicher Ausfluß trat nach den Inciſionen ein, und nach Entbloͤßung der Eichel zeigten ſich ei— nige warzige Excrescenzen an derſelben. Die Abſonderung war theils der kalkwaſſerartigen Krebsjauche, theils dem Eiter aͤhn— lich; die Fluͤſſigkeit war nicht in einem Sacke enthalten, ſondern quoll aus zahlreichen Puncten, anſcheinend aus den Zellen der corpora cavernosa, hervor. Die Mündung der Harn— roͤhre war groͤßer, als gewoͤhnlich, die Lefzen derſelben ver— dickt und nach Außen umgeſtuͤlpt, wodurch die geſchwuͤrige innere Oberflaͤche des Canals, von welcher ſich eine Oeff— nung nach der rechten Seite der corona glandis hin er⸗ ſtreckte, ſichtbar wurde. Die Leiſtendruͤſen hart und, na— mentlich die rechten, betraͤchtlich angeſchwollen. Der Kranke empfand große Erleichterung nach den Inciſionen (Hebung des Allgemeinbefindens; Blutegel und ſchmerzſtillende Um— ſchlaͤge von Zeit zu Zeit). Der Kranke verließ am 17. Juni das Spital; die Haut des Scrotum war nun mit afficirt, verdickt, hart, purpurfarbig und knotig, die Geſchwuͤre am penis hatten ſich bedeutend vergroͤßert und ſich tief in die Subſtanz der Corpora cavernosa hinein ausgebreitet, fo daß eine Sonde von der einen Seite des penis bis zur anderen durchgefuͤhrt werden konnte. Bei dem ſo weit vorgeſchritte— nen Uebel war an keine Operation zu denken geweſen. 2) Francis F., 55 Jahre alt, aufgenommen Mai 30. 1844. Er giebt an, eine angeborne Phimoſis und vor SO Jahren Syphilis gehabt zu haben, ſeit welcher Zeit die Theile nie geſund waren. Zuerſt hatte der Kranke einige warzen- artige Auswuͤchſe am praeputium bemerkt, welche ausge⸗ ſchnitten worden und nicht wiedergekommen waren; allein es war eine kleine, verhaͤrtete Anſchwellung zuruͤckgeblieben, welche vor etwa 18 Monaten nach und nach an Umfang zugenommen hatte und ſchmerzhaft geworden war, bis die Eichel nicht mehr entbloͤßt werden konnte. Das praepu- tium wurde aufgeſchlitzt, worauf die Schmerzen bedeutend erleichtert wurden; nach einigen Wochen zeigte ſich ein Ge— ſchwuͤr, und der Kranke wurde, wiewohl erfolglos, ſalivirt. Bei der Aufnahme kein betraͤchtlicher Schmerz, Allgemeinbe: finden ziemlich gut, ein Geſchwuͤr am praeputium, ein an⸗ deres an der glans penis, ſich uͤber die corona glandis hinaus erſtreckend. Oberflaͤche des Geſchwuͤrs ungleich, Grund mit brauner Jauche bedeckt, Raͤnder erhoͤht, unregelmaͤßig, hart und weißlich; praeputium, glans und corona glan- dis ſehr hart, gleich Knorpel, die glans penis nach der linken Seite hingeneigt ([ Opii auf die Wunde, inner⸗ lich China und Fleiſchkoſt). Bei dieſer Behandlung beſſerte ſich das Allgemeinbefinden, da aber das Uebel ſich weiter verbreiten zu wollen ſchien und einige neue verhärtete An⸗ ſchwellungen am praeputium ſich zeigten, ſo wurde am 24. Jun 1“ hinter der corona glandis, bei gutem Allgemein: befinden des Kranken, die amputatio penis ausgeführt. Bemerkungen. Der cancer penis kommt ſelten eher zur Behandlung, als bis er bereits einige Ausdehnung erreicht hat, und zwar theilweiſe wegen der ſchleichenden Natur des Uebels und der fehlenden Schmerzen, theilweiſe aber und am Häufigften wegen der vorher vorhandenen Phi: moſe. Das Uebel kann entweder am praeputium, oder an der glans penis, oder an der corona glandis entſtehen, verbreitet ſich aber ſehr raſch uͤber die anderen Gebilde. Praͤdispoſition zu dieſer Krankheit haben Individuen mit an⸗ geborner Phimoſe oder langer Vorhaut; dieſelbe kommt fer 201 ner am Häufigften bei Bejahrteren, ſehr ſelten vor der mitt- leren Periode des Lebens vor. Die Aufmerkſamkeit des Kran⸗ ken wird gewoͤhnlich zuerſt auf eine Verhaͤrtung gelenkt, wel— che aber ſchmerzfrei iſt; die Haͤrte iſt die Steinhaͤrte des Krebſes, ſpaͤter geſellt ſich ein dünner, reichlicher, jauchich— ter und foͤtider Ausfluß hinzu. Bei'm Aufſchlitzen der Vor⸗ haut findet man fungoͤſe Auswuͤchſe, entweder an der unte— ren Flaͤche der Eichel, oder dieſelbe vollig bedeckend, oder auch am praeputium. Bei'm weiteren Fortſchreiten des Uebels tritt Ulceration ein. Zuweilen bei Vernachlaͤſſigung des Ue— bels ſchließt ſich die Oeffnung des praeputium, und Urin und Jauche erzeugen durch ihre Zuruͤckhaltung eine ſo bedeu— tende Irritation, daß die untere Flaͤche der Vorhaut an meh— teren Stellen geſchwuͤrig durchbohrt wird und ſich kuͤnſtliche Entleerungsoͤffnungen für jene Fluͤſſigkeiten bilden. — Der anfangs unbedeutende Schmerz wird ſpaͤter ſcharf, brennend und lancinirend mit naͤchtlicher Exacerbation. Waͤhrend des Fortſchreitens des Uebels ſchwellen die Leiſtendruͤſen an und werden ſchmerzhaft; dieſe Anſchwellungen nehmen dann ſpaͤ— ter den bösartigen Character an und gehen in maligne Ul— ceration uͤber. In einigen Faͤllen bleibt das Uebel am pe— nis ſtationaͤr, ſchreitet aber in den Druͤſen unaufhaltſam bis zum lethalen Ausgange vorwärts (ef. Travers in Trans- act. of the medical-chirurg. Society, vol. XVII.) Im Allgemeinen ſind die Fortſchritte des Uebels weit raſcher und verderblicher bei Individuen, die nicht vorher an Phimoſe gelitten hatten. Der cancer penis kann verwechſelt wer— den mit Gonorthoͤe (Ausfluß dicker, weniger foͤtide), Condy— lomen und Syphilis. Die Baſis der Condylome iſt kleiner, als die Oberflaͤche, dieſelben dringen nicht tief ein, und die Schleimhaut zwiſchen ihnen bleibt geſund; die Krebsgeſchwuͤlſte dagegen haben eine breite Baſis, fie dringen tief in die Sub: ſtanz des penis oder des praeputium ein und ſind ſtets von großer Haͤrte begleitet. Die Diagnoſe von Syphilis er— giebt ſich aus der Anamneſe, aus dem ſpaͤteren Eintreten der Ulceration, dem Character der Haͤrte und den ſcharfen, lancinirenden Schmerzen. Hr. Travers erwaͤhnt eine Art von hartnaͤckigem fungus praeputii, ſowie von Druͤſen⸗ verſchwaͤrungen, welche bei Individuen von 20 — 30 Jahren vorkommen Dieſes Uebel iſt weder krebshaft noch veneriſch, haͤngt dagegen ſo innig mit organiſchen Leiden, die ſich durch Hectik zu erkennen geben, zuſammen, daß die Operation das Leben der Kranken eher verkuͤrzt, als verlaͤngert. Nach Herrn Travers entſteht das Uebel urſpruͤnglich aus Con— dylomen, verdeckt und beguͤnſtigt durch vorhandene Phimoſe. Die einzuſchlagende Behandlung richtet ſich nach der Beſchaffenheit des vorl'egenden Falles. Bei Complication mit organiſchen Leiden, bei'm Vorhandenſeyn entfchiedener Hectik, wenn das Uebel wahrer Krebs iſt, wenn daſſelbe ſehr raſch fortgeſchritten iſt, ſich in die corpora cavernosa hin: ein verbreitet hat und die Leiſtendruͤſen an der Steinhaͤrte participiren, ſtehe man von der Operation ab und beſchraͤnke ſich auf Beſſerung des Allgemeinbefindens und Milderung der Schmerzen durch innere und aͤußere Anwendung ſchmerz⸗ ſtillender Mittel. Aetzmittel oder reizende Mittel duͤrfen oͤrt— lich nicht angewendet werden. Ein Cataplasma aus Brod 761. XXXV. 13. 202 und Waſſer mit pulv. Cicutae oder extr. Opii oder Bel- ladonnae iſt zuweilen ſehr angemeſſen, ſobald der Kranke den Druck ertragen kann, ſonſt zeigt ſich das Aufſtreuen von pulv. Opii wohithätig. Cooper applicirte mit Nutzen von Zeit zu Zeit 2—3 Blutegel in der Nähe der Ulceration, wenn ſie ſich weiter auszudehnen drohte. Wenn das Uebel durch Irritation hervorgebracht iſt, auf die Vorhaut oder die Ei— chel beſchraͤnkt iſt und die corpora cavernosa, ſowie die Haut des penis, geſund geblieben ſind, ſo kann man die Operation mit der Ausſicht auf eine vollſtaͤndige und dauernde Heilung ausführen. Eine leichte Anſchwellung der Leiſten— druͤſen contraindicirt die Operation nicht, da dieſelbe oft nur die Folge ſympathiſcher Reizung iſt. Wenn das Uebel auch nur auf die Vorhaut beſchraͤnkt zu ſeyn ſcheint, ſo begnuͤge man ſich doch niemals mit der alleinigen Entfernung dieſes Theiles, denn der eigentliche Erfolg der Operation haͤngt von der Ausführung der Inciſionen in geſundem Gewebe ab. Was die Menge der zu erhaltenden Haut betrifft, ſo richtet ſich dieſelbe nach der Groͤße der entfernten Partie des penis. Die von einigen Operateuren angefuͤhrte Schwierigkeit, die Muͤn— dung der Harnroͤhre nach der Operation aufzufinden, iſt mehr ſcheinbar, als wirklich vorhanden, und die Einfuͤhrung eines elaſtiſchen Catheters vor der Operation daher unnoͤthig. Eben ſowenig ſcheint es erforderlich, gleich nach der Operation ei— nen Catheter in die Blaſe einzufuͤhren, dagegen mag dieſes ſpaͤter bei ſtarker Contraction der Narbe angemeffener ſeyn. Wenn der penis dicht an ſeiner Wurzel amputirt werden muß, ſo iſt es zweckmaͤßig, ſogleich einen Catheter einzufuͤh— ren, um Harninfiltrationen zu verhuͤten; auch iſt hier die allmaͤlige Abtragung des penis der einfachen Durchſchnei— dung vorzuziehen. 5 In Frankreich ſcheint der cancer penis nicht ſo lethal, wie in England, zu ſeyn; nach Langon hatten von 2168 bin- nen 10 Jahren in Paris und deſſen Umgebungen geftorbenen maͤnnlichen Individuen nur 10 an cancer penis gelitten. (Lancet, No. VI. 1845.) Sectionsbefund einer partiellen Dislocation der Schulter nach Aufwaͤrts. Von Alfred Smee. Bei der Section einer Leiche in der Aldersgate School of Medicine fand ſich der obere Theil des tuberculum maius humeri, ſtatt den Muskeln als Anheftungspunct zu dienen, in eine Gelenkflaͤche umgewandelt, rund um welche das Zellgewebe ein Wenig verdickt war und eine Art von ſchwachem Kapſelligament bildete. Die Gelenkflaͤche entſprach einer anderen am acromion, theils an der unteren Flaͤche deſſelben, theils durch neue Knochenmaſſe gebildeten glatten Fläche, welche ſich T — 3“ weit in die Sehne der m. del- toideus hinein erſtreckte. Die Sehnen der mm. supra- spinatus, infraspinatus waren zugleich mit dem Kapſel— ligamente vom tuberculum abgeriſſen, und ein an dem ab— geriſſenen Rande der Sehnen noch ſitzen gebliebenes Knochens ſtuͤck gab zu erkennen, daß das tuberculum ſelbſt bei dem Unfalle mehr oder weniger verletzt worden ſey. Die auf die 207 8) Metaftafe auf andere Ge: lenke (häufig), auf den Magen (häufig), auf die Hirnhaͤute (ſel⸗ ten), auf den Herzbeutel (kaum jemals). 9) Im Auge iſt am Haͤufig⸗ ſten die Hornhaut der Sitz gich— tiſcher Entzuͤndung. 10) Der Localiſation der Gicht geht nicht immer Schuͤttelfroſt voran. 761. XXXV. 13. 8) Metaſtaſe auf andere Ge⸗ lenke (immer), auf den Magen (ſelten), auf die Hirnhaͤute (haͤu⸗ fig), auf den Herzbeutel (ſehr Kelle“ auf die Intercoſtalmus⸗ eln. 9) Der Rheumatismus befaͤllt die sclerotica. 10) Die rheumatiſche Gelenk⸗ entzuͤndung wird wohl ſtets durch Schuͤttelfroſt eingeleitet. Nach einer Darlegung der bekannten Symptome acuter Gicht paroxysmen, ſucht Verf. die Anſicht zu motiviren, daß arthritis acuta ihrem Weſen nach ein entzuͤndlicher Proceß in den Endmo— Das Herzklopfen kommt haͤu⸗ figer bei Männern, als bei Kraus en, häufiger nach, als vor der Pubertaͤt vor. Lippen und Wangen ſind oft li⸗ vide, das Geſicht aufgedunſen, 1 haͤufig Oedem der Extremi⸗ taͤten. Das Herzklopfen wird durch Bewegung, reizende und toniſi⸗ rende Mittel geſteigert, dagegen durch Ruhe, allgemeine und oͤrt⸗ liche Blutentziehungen, antiphlo⸗ 208 Herzklopfen häufiger bei Frauen und vor der Geſchlechtsreife. Lippen und Wangen inicht li⸗ vide, Geſicht gewoͤhnlich bleich, oft chlorotiſch, keine venoͤſe Con⸗ geſtion oder anasarca, welches letztere jedoch in einem vorgerüc ten Stadium der Krankheit ein⸗ treten kann. Das Herzklopfen nimmt zu bei ſitzender Beſchaͤftigung, allgemei⸗ nen und localen Blutentziehun⸗ gen ꝛc., nimmt ab durch maͤßige lekuͤlen der Nerven ſey, aus welcher Theorie ſich dann auch die der arthritis eigenthuͤmliche Metaſtaſe als eine Attraction oder Repuls fion des Stromes der Nervenmolekuͤle erklären laſſe. (Lancet, No. XII. 1845.) Ueber das Herzklopfen. Von Dr. Bellingham. Der Verfaſſer giebt folgende differentielle Diagnoſe zwiſchen dem Herzklopfen in Folge organiſcher Veraͤnderungen des Herzens und dem aus andern Urſachen hervorgehenden. A. Bei vorhandener Structur⸗ veraͤnderung. Das Herzklopfen iſt andauernd, wenn auch zu gewiſſen Zeiten ſtaͤrker, als zu andern, es tritt haͤufig anfallsweiſe ein. Herzimpuls meiſt ſtaͤrker, als gewoͤhnlich, zuweilen bedeutend geſteigert (ſelten vermindert), bald allmälig eintretend und verlaͤn— gert, bald ploͤtzlich und huͤpfend, zuweilen doppelt. Percuſſionston in der Praͤcor— dialgegend ſehr matt. Oft ſthetoſkopiſche Zeichen von Klappenfehlern. Herzſchlaͤge bald regelmaͤßig bald unregelmaͤßig oder ausſetzend, zuweilen ſchneller, als gewoͤhnlich. Das Herzklopfen fuͤr den Kran— ken gewöhnlich weniger beſchwer— lich und ſchmerzhaft, als das nicht organiſche, zuweilen jedoch von Schmerzen begleitet, welche ſich nach der linken Oberextremitaͤt hin verbreiten und die ſogenannte angina pectoris ausmachen. B. Bei nicht vorhandener Stru⸗ cturveraͤnderung. Herzklopfen nicht andauernd, daſſelbe bietet vollkommene In- termiſſionen dar. Impuls durchaus nicht ver⸗ ſtaͤrkt, weder allmaͤlig eintretend noch verlängert, oft plotzlich, kurz und umſchrieben und von einem Zittergefuͤhl in der Prä- cordialgegend begleitet. Keine Zunahme der normalen Mattheit des Percuſſionstons. Keine phyſikaliſchen Zeichen von Klappenleiden; Herztöne, be— ſonders der erſte, kuͤrzer und ſtaͤr⸗ ker, als gewoͤhnlich, Blaſebalgge— raͤuſch in den großen Arterien und andauerndes Murmeln in den Jugularvenen. Rhythmus der SHerzfchläge meiſt unveraͤndert, nur ſind die— ſelben immer ſchneller, als ge— woͤhnlich. Das Herzklopfen tritt leichter nach pſychiſchen Affectionen ein und iſt gewoͤhnlich ſchmerzhaft. Oft Empfindlichkeit in der Herz— gegend, aber kein Symptom der angina pectoris. Bewegung und durch die Anwen- dung reizender und toniſirender Mittel, namentlich der Eifenpräs parate. (Aus Dublin med. prefs in Arch. gen, de méd. Nov. 1844) giſtiſche Behandlung u. ſ. w. ge⸗ mildert. Miscellen. Fall von Cataracta traumatica und ſpontaner Reſorption der Kryſtalllinſe nach 18 Monaten wird von Hrn. Verhaeghe erzählt. — Einem Mann von 38 Jahren, Mecha⸗ nicus, flog am 12. Maͤrz 1842 ein Stuͤckchen Eiſen in das rechte Auge. Verf. ſah ihn bald nach dem Unfalle und bemerkte in der Mitte der durchſichtigen Hornhaut eine kleine, linienfoͤrmige Wunde von der Größe eines Millimeters, außerdem ſtarkes Thraͤnen, Photophobie und ſtarke Roͤthung der conjunctiva bulbi. Die Entzündung war bin: nen wenigen Tagen beſeitigt, aber das Sehvermoͤgen blieb an dem Auge getruͤbt, nahm nach und nach ab und war nach einem Mo: nate vollftändig verſchwunden. Herr Verhaeghe conſtatirte nun einen ausgebildeten Cataract, in deſſen Mitte ein mit bloßem Auge deutlich erkennbares Stuͤckchen Eiſen ſteckte; die Hornhautnarbe war um dieſe Zeit kaum bemerkbar. Im Auguſt 1843 wurde der Kranke von einer catarrhaliſchen Entzuͤndung des rechten Auges befallen, und bald nach der Heilung derſelben fing das Sehvermoͤgen ſich zu beſ⸗ ſern an. Der Staar war binnen Kurzem vollſtaͤndig verſchwun⸗ den, ſowie auch von dem Eiſenſplitter keine Spur uͤbrig geblieben war; die Pupille wurde klar und voͤllig ſchwarz und blieb nur er⸗ weitert und unbeweglich. Das Sehvermoͤgen war ſoweit wieder— hergeſtellt, daß der Kranke Tag und Nacht unterſcheiden und Per⸗ ſonen, ſowie Gegenſtaͤnde von einigem Volum, dunkel erkennen konnte. (Aus Journ. de med. etc. de Bruxelles in Gaz. med. No. 21. 1845.) Bei der Behandlung der Thränenfifteln und des chroniſchen Thraͤnentraͤufelns empfiehlt Hr. Paul Ber⸗ nard die Cauteriſation des oberen Theiles der Naſenſchleimhaut mit einer mehr oder weniger concentrirten Aufloͤſung von Hoͤllen⸗ ſtein. Bei einfachen Lacrymalgeſchwuͤlſten erfolgt die Heilung nach 2—4 Wochen, bei complicirten Fiſteln ſpaͤter. Wenn in Folge der Cauteriſation, welche die afficirten Gewebe nur umſtimmen ſoll, der Thraͤnenſack oder die Thraͤnencanaͤle obliterirt werden und Thraͤ⸗ nenträufeln eintri, fo exſtirpirt Verf. die geſunde Thraͤnendruͤſe! — (Gaz. méd. No. 25. 1845.) 7. ²˙· 1 A on. 0} Bibliographische neuigkeiten. Nota d'un viaggio nella Persia e nelle Indie orientali negli anni 1841 1842 0 coleopterorum enumeratio quae ad Persiam et Indias orientales itinere a Cajetano Osculati collecta. 1844. 8. First Book of Botany. By Mrs. Loudon. London 1845. 18. Monza With Illustrations. Urologie. Des angusties ou rétrécissemens de l’uretre, leur trai- tement rationnel. Par le docteur Leroy-d’Etiolles. Paris 1845. 8. Mit 5 K. Letters on the unhealthy condition of the lower class of Dwel- lings, especially in large Towns etc. By the Rev. C. Gir- dlestone. London 1845. 8. Em —-„-T Neue Notizen aus dem Gebiete der Hatur- und Heilkunde, geſammelt und mitgetbeilt 5 5 von dem Ober- Medicinalratbe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalratde und Profeffor Froriep zu Berlin. Noe. 762. Gedruckt im Landes = Induftrie » Comptoir zu Weimar. (Nr. 14. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 . 30 A. Auguſt 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 978 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 93. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995. air Ueber Bevoͤlkerung und Sterblichkeit *) (vorzuͤglich Großbritanniens). Ueber die Wichtigkeit ähnlicher ſtatiſtiſcher Documente, wie diejenigen, deren Ergebniſſe wir hier zu beſprechen ge— denken, koͤnnen wir uns aller vorläufigen Bemerkungen ent— halten, da wir bei unfern Leſern eine hinreichende Bekannt— [haft mit der Bedeutſamkeit des Gegenſtandes vorausiegen duͤrfen. Wer demſelben naͤhere Aufmerkſamkeit geſchenkt hat, weiß zugleich, welchen Verluſt dieſe Angelegenheit durch den Tod des Herrn Rickman erlitten hat, der von 1801 bis 1841 feine Thaͤtigkeit der Ermittelung der Verhaͤltniſſe und Bes völkerung der britiſchen Inſeln in fo hohem Grade gewid- met hat. In der Parlamentsacte, welche den Cenſus von 1831 verfuͤgte, ward beſtimmt, daß die, auf dieſen Gegen⸗ ſtand bezuͤglichen Papiere dem Parlamente binnen 10 Mo— naten nach Bewirkung des Volkszaͤhlung vorgelegt werden ſollten; allein ſelbſt unter der eifrigen und einſichtsvollen Lei— tung des Hrn. Rickman konnte dieſe Aufgabe erſt binnen 20 Monaten gelöſ't werden. Nach dieſer Erfahrung brach— ten die damaligen Miniſter drei Acten (vom 10. Aug. 1840 bis zum 6. April 1841) durch's Parlament, von denen jede folgende die bei der vorhergehenden begangenen Fehler ver— beſſern ſollte, und nachdem ſie ſo 8 Monate lang mit der Beſeitigung der bei Regulirung der Sache ſich dardietenden ) Nach der im Quarterly Review enthaltenen Recenſion der nachſtehenden Schriften: 1) Reports of Commissioners ap- ointed to take the Census of Great Britain and Ireland in 1844, 4 Vol. Folio 1843 — 1844; 2) First six Annual Reports of the Registrar-General of Births, Deaths, and Marriages 1835 — 1843; 3) Tables showing the Number of eriminal offenders, committed for Trial in the year 1840 and the result of the proceedings, Fol. 1841; 4) Statisti- cal Reports presented to Parliament of the Sickness, Mor- tality and Invaliding among H. M. Troops. 4 Vol. Fol. 1838 —1841. London 1845; 5) Situation economique de la Belgique, exposée d’apres les documens officiels par M. le comte d’Arrivabene. 8. 1843; 6) Statistique generale de la Belgique. par MM. Heuschling et Fandermaelen. 8. 1841. 7) Aggregate of the Statistics of the United States on the 1. of June 1840, No. 1862, — 762, | AR ar a formellen Schwierigkeiten gekämpft hatten, geſtatteten fie nur 14 Monate zur Ausfuͤhrung derſelben, obwohl die Ma— terialien dieſesmal weit umfangreicher waren, als in dem früheren Falle. Die Commiſſaire, Herren Phipps und Var don, brauchten aber 23 Monate und bemerken ganz richtig: Wegen des Verzugs iſt keine Entſchuldigung noͤ— thig. Bei der Ankunft der Liſten in London ward uns der Name jedes Individuums der Bevölkerung mit 5 beſonde— ren Bemerkungen vorgelegt, ſo daß wir uͤber 100 Millionen einzelne Thatſachen tabellariſch zu ordnen und die Reſultate mittelſt 330,000 einzelner Berechnungen nach den geogra⸗ phiſchen Diſtricten zu ermitteln hatten. Uebrigens haben die Commiſſaire ihre Aufgabe in einer hoͤchſt tuͤchtigen Art ge— loͤſ't, und daſſelbe laͤßt ſich den Iriſchen Commiſſaͤren, den Herren Hamilton, Bromnrigg und Larcom, nach— ruͤhmen. Vor alten Zeiten, d. h., wie Bacon ſich ausdruͤckt, waͤhrend der jugendlichen Unerfahrenheit der Welt, ſchaͤtzte man die Bluͤthe und Macht eines Staates nach der Volks— menge; uns aber, den an Erfahrung Reichen, hat dieſelbe gelehrt, daß ein Land nicht ſowohl im Verhaͤltniſſe der Zahl ſeiner Bewohner, ſondern vielmehr in dem des guͤnſtigen moraliſchen und phyſiſchen Zuſtandes derſelben gluͤcklich iſt. Daher kann man ſich jetzt nicht mit magern Bevoͤlkerungs⸗ liſten begnügen, ſondern es muͤſſen auch andere Umſtaͤnde in Anſchlag gebracht werden, und eine kurze Darlegung der— ſelben nach den Rubriken, deren ſich die Commiſſaͤre in ih— rem Vorberichte bedient haben, dürfte unſere Leſer intereſſiren. Zu der Columne, welche den Flaͤchengehalt der Ortſchaf— ten angiebt, wird bemerkt, daß derſelbe durch eine ſehr ge— naue Abſchaͤtzung, nicht aber durch eine eigentliche Vermeſ— ſung erlangt worden iſt, deren Koſten ſich um ſo weniger hätten rechtfertigen laſſen, als ſich das bewohnte Areal durch Neubauten, Abtragen alter Haͤuſer ꝛc. beſtaͤndig aͤndert. Die naͤchſte Rubrik, welche die Zahl der Haͤuſer ent— haͤlt, iſt von außerordentlicher Wichtigkeit, indem von dem Verhaͤltniſſe der Haͤuſerzahl zu der Einwohnerzahl die Ge— ſundheit und Moralitaͤt der Bewohner in hohem Grade abe hängt, Uebrigens kann dieß Verhaͤltniß nur ein allgemeines 14 211 Criterium abgeben, indem recht wohl der Fall vorkommen kann, daß 6 Familien in einem Hauſe mit 12 Zimmern anſtaͤndiger und bequemer und geſunder wohnen, als eine Familie in einer Huͤtte, die nur ein Zimmer beſitzt, und was die Perſonenzahl betrifft, fo kann der Landſitz eines Edel— mannes, der nur fuͤr ein Haus gilt, vielleicht 40 Indivi— duen eine bequeme Unterkunft bieten, waͤhrend deren vier in einer Huͤtte vielleicht ſehr ſchlecht logirt ſind. In Betreff beider Puncte bieten die elenden Huͤtten Schottlands und Irelands vielfache Beiſpiele dar. Auch haben die Iriſchen Commiſſaͤre ſich die fehr lobenswerthe Mühe gegeben, die Haͤu— ſer zu claſſificiren und in jeder Claſſe die Zahl der Haͤuſer und der Bewohner zu ermitteln, und wenngleich dieſer Theil ihrer Arbeit hinſichtlich der Genauigkeit noch viel zu wuͤn— ſchen übrig laͤßt, fo iſt für die Beurtheilung des Gegenftan: des dadurch doch ein Bedeutendes gewonnen worden. In England und Wales hat ſich die Zahl der von ei— ner gleichen Anzahl Perſonen bewohnten Haͤuſer um 0.7 Proc. vermehrt. 1 Jahre 1831 kamen auf jedes Haus durch⸗ ſchnittlich 5.6, im Jahre 1841 5.4 Bewohner, alſo 5 Per: ſon weniger. Selbſt in vielen Fabrikdiſtricten iſt einige Beſſerung wahrzunehmen. Auch in Ireland haben ſich die Familienverhaͤltniſſe in Etwas gebeſſert. Im Jahr 1831 gehoͤrten zu jeder Familie durchſchnittlich 5.61, im J. 1841 nur 5.55 Perſonen, und dieß findet ſeine Beſtaͤtigung da— rin, daß im J. 1841 7 Proc. mehr Haͤuſer vorhanden wa— ren, als 1831, waͤhrend ſich die Bevoͤlkerung in dieſem Zeit— raume nur um 5.25 vermehrt hatte. Dieſe Zunahme in Anſehung des geſunden Wohnens macht deſſen Abnahme in Schottland, namentlich in den Handels- und Fabrikdiſtricten, um ſo bedauerlicher. Zu Greenock betraͤgt die Verminderung der Familien auf 100 Köpfe 3; zu Dundee 1.7, zu Glasgow 1.3, in Schottland uͤberhaupt 0.2. Dieſe Angaben ergeben ſich aus der Tabelle S. 7. des Vorberichts; wie ſie ſich aber mit folgender Stelle derſelben Seite vereinigen laſſen, iſt ſchwer zu begreifen: „Nach genauer Unterſuchung und der Vergleichung der jez— zigen Liſten mit denen von 1881 ſind wir zu dem Schluſſe gelangt, daß das Verhaͤltniß der Volksmenge zu der Zahl der bewohnten Haͤuſer etwas ſtaͤrker iſt, als 1831.“ Die Englaͤnder pflegen ſich zu ruͤhmen, daß ſie allein das Wort und den Begriff des Wortes comfort beſitzen; aber was die Wohnungen anbetrifft, ſcheinen die Belgier eifriger nach comfort zu ſtreben, als die Englaͤnder; denn obgleich Belgien doppelt fo dicht bevölkert, wie England, und folglich dort weit mehr Veranlaſſung zum Ueberfuͤllen der Haͤuſer mit Bewohnern vorhanden iſt, ſo kommen doch dort auf ein Haus nur 6 und auf eine Familie nur 5 In— dividuen, waͤhrend deren in ganz England auf das Haus 5.52, in London 7.4, in Lancaſhire und Middleſex 7.5 kommen. Die naͤchſte Rubrik beſchaͤftigt ſich mit der Zahl der Perſonen alſo mit dem Hauptzwecke jedes Cenſus, zu dem die übrigen Data nur als Nebenumſtaͤnde hinzutreten. Das allgemeine Reſultat findet ſich in folgender Tabelle geordnet. 762. XXXV. 14. 212 1831 | 1841 Vermehrung Vermehrung ae | feit 1821 Volksmenge ſeit 1831 Proc. Proc. England 13.091.005 16 14,995,138 14.5 Wales 806 182 12 911,603 13.0 Schottland 2,365,114 13 2,620,184 10.7 Canal-Inſeln 10 re, 124,040 19.6 Armee, Marine und Matroſen im activen See- dienſte. 377.017 - ee 188, 1 In der Nacht auf d. 6. Juni unkerwege ss 1 a re 5016 RR Ireland 7,767,401 14.19 8,175,124 5.25 Totalſumme 24,410,429 14.6 27,019,558 10.68 Wir ſehen hier, daß ſich die Bevoͤlkerung in jedem Theile der Vereinigten Koͤnigreiche vermehrt hat, daß aber, mit Ausnahme von Wales und den Canal-Inſeln, die Zahl von 1821 — 1831 ſtaͤrker zugenommen hat, als von 1851 bis 1841. Allein da nach dieſen kleinen Diſtricten Ein⸗ wanderungen von den benachbarten groͤßeren aus ſtattgefun— den haben duͤrften, ſo laͤßt ſich daraus kein ſicherer Schluß in Betreff der wirklichen Fruchtbarkeit der ſtaͤndigen Bewoh⸗ ner ziehen. Die Geſammtabnahme des Steigens der Bevoͤlkerung in dem letztern Zeitraume hat man jedoch, was man auch ſonſt daruͤber gedacht hat, unter den gegenwärtigen Um⸗ ſtaͤnden, keineswegs fuͤr einen Nachtheil zu halten. Dieſe Umſtaͤnde ſind allerdings mit Recht zu beklagen, allein bis ſie ſich aͤndern, bis wir ausgedehntere Mittel beſitzen, unſere Capitalien anzulegen, und folglich die gegenwaͤrtig disponible Summe von Menſchenkraft theurer zu bezahlen, wuͤrde die Vermehrung der Volkszahl nur dazu beitragen, die gegen— waͤrtige Beſchaͤftigungsloſigkeit zu ſteigern, oder den ſchon alls zuſehr herabgedruͤckten Preis der Arbeit noch mehr zu ernies drigen. Natuͤrlich giebt der unwiſſende Handarbeiter dieſen Zuſtand der Dinge nicht ſeiner eignen Unvorſichtigkeit im Eingehen einer Ehe ohne Ausſicht auf Unterhalt, in Ver— geudung ſeines Lohnes, wenn dieſer zufaͤllig einmal hoch iſt, ſondern der gefuͤhlloſen Habſucht des Capitaliſten ſchuld, der nicht mehr arbeiten laſſen, oder feine Arbeiter nicht ge= nuͤgend bezahlen will. Daß aber gebildete Leute in dieſes unſinnige Geſchrei mit einſtimmen, iſt hoͤchlich zu verwun— dern, da doch der Capitaliſt nur unter der Bedingung mehr Waaren, als gegenwärtig verlangt werden, verkaufen konnte, wenn er zu niedrigern Preiſen losſchluͤge, und daß, wenn er den Verkaufspreis erniedrigt, er auch nothwendig auf Ver⸗ ringerung der Productionskoſten, d. h., des Lohnes denken, oder ſein Kapital, d. h., das Mittel, uͤberhaupt arbeiten zu laſſen, zuſetzen muß. Die geſellſchaftlichen Uebel, fagt Prof. Smyth in ſei⸗ nen trefflichen Vorleſungen über die franzoͤſiſche Revolution *), laſſen ſich leichter erkennen, als deren unvermeidliche Nothe wendigkeit.“ Wir wollen uns jedoch bemühen, ein Verhaͤlt— *) Lectures on the french Revolution, Vol. III, p. 299, 213 niß aufzuklaͤren, welches unlängft allgemeine Aufmerkſamkeit erregt und die dabei betheiligten Capitaliſten der unbilligſten Beurtheilung ausgeſetzt hat, namlich den Fall der von Schneis dern, Putzmacherinnen und den Unternehmern von Kleider— magazinen beſchaͤftigten Leute. Der wohlwollende Eifer für nothleidende Arbeiter hat ſich in mancherlei uͤbertriebenen Be— ſchuldigungen gegen die Capitaliſten kundgegeben, die man anklagt, fie machten einen übermäßigen Profit und bezahl— ten unbillig niedrige Preiſe. Nun iſt es aber zuvoͤrderſt hoͤchſt unwahrſcheinlich, daß Unternehmungen dieſer Art reich— licher lohnen, als andere Manufacturzweige; denn wenn eine ſolche Ungleichheit auf die Dauer wirklich ſtattfaͤnde, fo würde ſie durch dieſelde Concurrenz aufgehoben werden, welche die bei dieſen Geſchaͤften angeſtellten Arbeiter genoͤthigt hat, ſich mit geringem Lohne zu begnuͤgen. Denn da dieſe meiſt Frauenzimmer ſind, welche keine andere Beſchaͤftigung finden koͤnnen, ſo draͤngt ſich Alles nach dieſer. Da ruft nun der wohlmeinende Enthuſiaſt aus: Warum ſoll der Capitaliſt in Traͤgheit und Ueppigkeit leben, waͤhrend er ſeine Arbeiter ſo erbaͤrmlich bezahlt, daß ſie eher davon verhungern, als leben koͤnnen!? So vermengt man aber zwei ganz entgegenge— ſetzte Dinge, Wohlthaͤtigkeit und Sparſamkeit, miteinander; denn ſoviel muß zugegeben werden, daß die Sparſamkeit, ſey es in oͤffentlichen oder haͤuslichen Angelegenheiten, mit der Wohlthaͤtigkeit nichts zu ſchaffen hat; und der Capitaliſt kann dreiſt erwidern: Wenn Ihr mit dieſen armen Leuten ſoviel Mitleid habt, daß Ihr ihnen zu Liebe Euer Einkom— men ſchmaͤlern wollt, fo will ich Euren Wohlthaͤtigkeitsſinn loben. Tadelt mich alſo wegen meiner Sparſamkeit nicht. Beides ſind facultative Tugenden, oder, mit dem Moralphi— loſophen zu reden, unvollkommene Verbindlichkeiten. Aber wir wollen den Fall annehmen, Ihr wolltet mich als Mit— telsmann auf die Seite ſchieben und den Schilling, den Ihr mir bezahlt, unmittelbar dem Arbeiter zuwenden; dann wuͤrde anfangs der Arbeiter allerdings den vollen Schilling erhalten, es wuͤrden ſich aber gleich Andere anbieten, welche dieſelbe Arbeit fuͤr 10 Pence, 8 Pence oder 6 Pence thun moͤch— ten, und dieſe wuͤrden vorſtellen, es ſey viel billiger, ihnen die Arbeit zuzuwenden, da ſie ſo beduͤrftig ſeyen, daß ſie wohl— feiler arbeiten wollten, als der erſte. Auf dieſe Weiſe wuͤr— det Ihr zu demſelben Reſultate gelangen, welches, wie Ihr zu ſagen beliebt, durch meine ſchmutzige Sparſamkeit herbei— gefuͤhrt worden iſt. Der ſehr bedeutende Ausfall in der Zunahme der Be: voͤlkerung Irelands ſcheint von den Commiſſaͤren mit Recht auf Rechnung der ſtarken Auswanderung geſetzt zu werden, und den Einfluß derſelben hat man nicht allein nach der Zahl der Auswanderer zu ſchaͤtzen, ſondern auch den Umſtand in Anſchlag zu bringen, daß dieſe Leute meiſt im fortpflanzungs— faͤhigſten Alter ſtehen. Unter 45,848 Emigranten waren über zwei Drittel zwiſchen 16 und 36 Jahre alt. (Vor: rede zum Berichte uͤber Ireland, S. 26). Die Aus— wanderungsſucht der Irelaͤnder, ſey fie nun angeboren oder durch Armuth erzeugt, giebt ſich ſehr deutlich in dem Um— ſtande zu erkennen, daß die Irelaͤnder in Großbritannien ſechs— mal ſo haͤufig ſind, als die Großbritannier in Ireland, und 762. XXXV. 14. 214 der Betrag der dortigen Emigration in's Ausland von 1831 — 1841 berechnet ſich zu 4.9 Proc., während er fuͤr Schottland nur 2.5 und fuͤr England und Wales nur 2.1 Proc. der jetzigen Volksmengen betraͤgt. £ Abgeſehen von der Auswanderung, findet ſich ein Grund der geringeren Zunahme der Seelenzahl in dem Umſtande, daß die irelaͤndiſche Bevoͤlkerung eine weſentlich ackerbauende iſt und zugleich wenig Capitalien beſitzt, um neues Land in Cultur zu nehmen, oder das ſchon bebaute zu verbeſ— fern. Die Geringfuͤgigkeit des iriſchen Capitals, trotz der Wohlfeilheit der Arbeit, hat zwei Haupturſachen: erſtens, die Unſicherheit der Anlage von Geldern in einem ſo unru— higen Lande und zweitens, das Verſenden der Erträge nach andern Laͤndern ohne Gegenleiſtung, und noch dazu geſchieht dieſe Ausfuhr in Form von Nahrungsſtoffen, was einen ge— waltigen Unterſchied macht. Aus einem Lande, welches keine Nahrungsſtoffe zu kaufen braucht, kann man Geld ausfuͤh— ren, ohne daß die Bewohner dadurch nothwendig ver— kuͤmmern, wenngleich auch dieſe Form der Ausfuhr darauf hinwirkt; allein Nahrungsſtoffe laſſen ſich auf die Laͤnge nicht in Maſſe in's Ausland verſenden, ohne daß das Volk im Lande in Hunger und Noth geraͤth und in Folge deſ— ſen demoraliſirt wird. Wir haben Ireland ein weſentlich ackerbauendes Land genannt, und dieß iſt es auch im Ver— gleiche mit den uͤbrigen Theilen der Vereinigten Koͤnigreiche. In Großbritannien und auf den Canalinſeln beſchaͤftigen ſich nicht ganz halb ſoviel Menſchen mit Ackerbau, als mit Han— del und Induſtrie (das genaue Verhaͤltniß ift wie 1 zu 2.07), waͤhrend es in Ireland mehr als dreimal ſoviel Ackerbauer giebt, als handeltreibende und Fabrikarbeiter (das genaue Verhaͤltniß iſt wie 3.55 zu 1). Ob dieß Verhaͤltniß ſeit 1831 zu- oder abgenommen hat, laͤßt ſich nicht genau ermitteln, indem damals die Be— ſchaͤftigungsliſten nach Familien verzeichnet wurden und im Jahre 1841 nach Koͤpfen zuſammengeſtellt worden ſind. Dieſe Ungewißheit hat viele Discuſſionen uͤber das relative Um— ſichgreifen und das gegenwaͤrtige Verhaͤltniß der induſtriellen und handeltreibenden Bevoͤlkerung zu der ackerbauenden, ſo— wie in Betreff ihrer refpectiven Wichtigkeit für den Natios nalreichthum, veranlaßt. Im Laufe dieſer Verhandlungen iſt der Bericht der Commiſſaͤre vielfach getadelt worden, und man hat ihn beſchuldigt, daß er die landwirthſchaftliche Be— voͤlkerung zu niedrig anſchlage, indem er die Handwerker, welche unmittelbar fuͤr landwirthſchaftliche Zwecke beſchaͤftigt ſind, nicht mit zur ackerbauenden Claſſe rechne. Dahin gehoͤren Schmiede, Stellmacher, Sattler, Zimmerleute, welche Pfluͤge, Karren, Geſchirr, landwirthſchaftliche Gebäude ꝛc. produci— ren. Allein wohin waͤre dann die Grenze zu ſtecken? Sol— len die Bergleute, die das Eiſenerz zu Tage foͤrdern, und die Huͤttenarbeiter, die es zu Gute machen, ebenfalls zur ackerbauenden Claſſe gerechnet werden? Soll man den Kauf— mann, der das Bauholz kauft, und den Matroſen, der es transportiren hilft; ſoll man den Metzger, der die Haͤute ab— zieht, und den Gerber, der ſie gerbt, unter die Landwirthe zaͤhlen? Dieſelben Handwerker, die heute fuͤr den Landwirth arbeiten, werden morgen von dem Fabrikherrn zur Anferti⸗ 14 * 215 gung von Webmaſchinen, Spinnmaſchinen und Dampfma⸗ ſchinen in Anſpruch genommen, die Tauſende von Men— ſchen und Pferden außer Thaͤtigkeit ſetzen. Kurz, wenn die Producenten eines Artikels mit denen, die ihn conſumiren oder gebrauchen, zuſammengeworfen werden, ſo hat aller Unterſchied ein Ende und entſteht endloſe Verwirrung; der Schneider wuͤrde in alle Claſſen zugleich gehoͤren, weil ihn jede braucht. Es ſcheint uns, als ob die Commiſſaͤre die vernuͤnftigſte Claſſification angenommen haͤtten; allein wie dem auch ſey, ſo wird doch von allen Seiten zugegeben, daß die handeltreibenden und fabricirenden Claſſen die Mehr: zahl der Bevoͤlkerung bilden, und wir geſtehen ohne Weiteres ein, daß durch dieſe Claſſe der Nationalreichthum in gewiſ— ſer Beziehung am Meiſten gefoͤrdert werde; allein wir fra— gen dagegen, ob ein auf dieſe Weiſe erlangter Nationalwohl— ſtand fo feſtbegruͤndet ſey, als der auf der Landwirthſchaft beruhende? Jedenfalls iſt das Uebergewicht der handeltrei— benden und fabricirenden Claſſen furchtbar groß; nicht, als ob wir die Vermehrung der Bevoͤlkerung irgend einer Claſſe an ſich fuͤr ein Uebel anſaͤhen, ſolange die beſtehenden Einrich— tungen zur Aufrechthaltung eines geſunden phyſiſchen und moraliſchen Zuſtandes ausreichen; was uns Befuͤcchtniſſe ein: floͤßt, iſt vielmehr, daß wir auf die Fortdauer eines Sys ſtems, welches, nach dem Zeugniſſe der Geſchichte und der taͤglichen Erfahrung, ſehr wandelbar iſt, ein ſolches Ver— trauen ſetzen, daß wir uns keck eine Schuldenlaſt aufbuͤrden, deren Zinſen bei dem geringſten unguͤnſtigen Schwanken in der Handelsbilanz oder einem voruͤbergehenden Mangel an Nachfrage nach unſern Fabricaten nur mit Schwierigkeit be— zahlt werden koͤnnen, waͤhrend, wenn dieſe Zinſen auch nur ein Jahr lang unbezahlt blieben, unſer ganzes geſellſchaftli— ches Syſtem zu Grunde gehen muͤßte. Opera mortalitate damnata sunt; inter peritura vivimus. Solche politiſche Ausſichten ſtellen ſich unſerem Blicke dar, und wenn wir unſere Aufmerkſamkeit auf die haͤuslichen Verhaͤltniſſe der Volksmaſſen richten, ſo ſteht die Zukunft nicht weniger drohend vor uns. Denn was laͤßt ſich Gu— tes erwarten, wenn die am Wenigſten ſtabile und zugleich ges faͤhrlichſte Claſſe die Mehrzahl bildet? Ihre Stellung iſt fo ſchwankend, weil dieſe Stellung ja auf dem ſo unſichern Frieden nach Innen und Außen, auf dem Frieden zwiſchen fremden Voͤlkern beruht, die ſaͤmmtlich unſere Kunden ſind; weil ſie durch fremde Concurrenz, durch die Launen der Mode, durch Veränderungen in den Gewohnheiten, durch neue Erfindungen im In- und Auslande geſtoͤrt werden kann; am Gefaͤhrlichſten iſt aber dieſe an ſich ſchon zahlreich— ſte Claſſe, weil ſie ſich am Leichteſten zuſammenrotten kann und zur Rebellion geneigt, ja an Erregung derſelben gewoͤhnt iſt; weil ſie den ihr von Zeit zu Zeit werdenden hohen Lohn in Voͤllerei durchbringt, ebendeßwegen Armuth und Entbeh— rungen weniger geduldig ertraͤgt und ihr jedes Mittel gut genug iſt, um ſich an Denjenigen zu raͤchen, denen die Maſſen aus Unwiſſenheit, ſowie die Raͤdelsfuͤhrr aus Liſt, die Schuld der Verarmung aufbuͤrden. Um die ſchnelle Vermehrung dieſer Volksclaſſe darzuthun, haben wir, in Er— mangelung umfaſſenderer Belege, die Bevölkerung von 12 762. XXXV. 14. 216 Grafſchaften, die uͤberdem als vorzuͤglich ackerbautreibend gel⸗ ten ) und zuſammen eine Seelenzahl von 2,519,726 be⸗ ſitzen, zu Grunde gelegt. Daſelbſt hat ſich dieſe Volksclaſſe ſeit 1831 um 8.64 Proc. vermehrt. In Lancaſhire und Weſtyorkſhire dagegen, wo das Fabrikweſen die ſtaͤrkſte Ausbreitung gewonnen hat, und die zuſammen eine Bevöle kerung von 2,391,888 Seelen beſitzen, betraͤgt die Zunahme 23.3 Proc. (alſo 14.66 Unterſchied). Dieſe Umſtaͤnde hal⸗ ten wir nun fuͤr aͤußerſt gefaͤhrlich, und ſie ſind mit der Er⸗ haltung der phyſiſchen und moraliſchen Wohlfahrt des Volkes ſicher nicht vereinbar. d Ruͤckſichtlich des phyſiſchen Zuſtandes erhalten wir durch den Bericht des General-Regiſtrators officielle Auskunft. Es ergiebt ſich aus demſelben, daß in den ebenerwaͤhnten 12 ackerbautreibenden Grafſchaften, in dem mit dem 30. Juni 1840 endigenden Jahre, 27,674 Sterbefaͤlle vorge⸗ kommen find, während die Bevölkerung im Jahre 18381 2,576,682 betrug. Die Todesfaͤlle betrugen demnach 1.07 Proc. In Weſtyorkſhire und Lancaſhire unter einer Bevoͤl⸗ kerung von 2,333,204 kamen 39,576 (oder 1.69 Proc.) Ster⸗ befaͤlle vor, oder mit anderen Worten, es kamen auf je zwei Sterbefälle in den ackerbautreibenden Grafſchaften mehr als drei in den Fabrik⸗Grafſchaften. Betrachten wir aber, ſtatt der ganzen Grafſchaften Weſt⸗ york und Lancaſter einzelne Diſtricte derſelben, wo faſt die ganze Bevoͤlkerung aus Fabrikarbeitern beſteht, ſo finden wir die Sterblichkeit noch viel furchtbarer. Die Seelenzahl von Birmingham, Leeds, Mancheſter und Salford betrug im J. 1831 483,450, die Sterbefälle im J. 1839 17,250 **) oder 8.56 Proc., d. h. es kamen auf jede zwei Sterbefälle in obigen 12 ackerbautreibenden Grafſchaften auf dieſelbe Zahl ſieben in dieſen Manufacturſtaͤdten. Es ließe ſich dagegen ein⸗ wenden, daß dieſe Vermehrung der Sterblichkeit großentheils dem dichten Zuſammenwohnen der Menſchen in Staͤdten und weniger der Art der Beſchaͤftigung zur Laſt zu legen ſey. Als lein hierauf antworten wir, daß das allzudichte Zuſammen⸗ wohnen großentheils eine Folge des Fabrikweſens iſt, und obwohl ſich zur Abwendung der aus dem dichten Beiſam⸗ menleben entſpringenden Uebel mancherlei Mittel anwenden laſſen, fo beweiſ't doch die Erfahrung, daß die induſtriellen Bevoͤlkerungen zur Anwendung dieſer Mittel immer die we: nigſte Neigung gezeigt haben, obwohl ſie deren am Meiſten beduͤrfen. So leben, z. B., in London, Hull, Liverpool und Bath auf einem Flaͤchenraume von 1 acre 22 Perſonen, waͤhrend in Leeds, Birmingham, Mancheſter und Salford 58 Individuen auf den acre kommen. Nimmt man London für ſich, fo kommen 35 Perſonen auf den acre, und vergleicht man die Sterblichkeit in der Hauptſtadt mit der in den obi— gen vier Manufacturſtaͤdten, ſo findet man dort bei einer Bevölkerung von 1,594,890 Seelen im Jahre 1831, in dem „) Beds, Bucks, Cambridge, Eſſer, Hereford, Hants Lincoln, Norfolk, Oxford, Rutland, Suffolk, Suffer. %) S. den Anhang zum Berichte des General-Regiſtrators, S. 3336. 217 Jahre 1339—40 45,132 Tobesfäle, alfo eine Sterblichkeit von 2.82 Proc., waͤhrend dieſe in den Manufacturſtaͤdten 3.56 Proc, betrug, fo daß auf 11 Todesfaͤlle in London etwa 14 in Leeds ꝛc. kommen. Ueberall, wo die fabricirende Bevoͤlkerung vorherrſcht, tritt uns auch eine verhaͤltnißmaͤßige Sterblichkeit entgegen. Fuͤr Schottland fehlt es an allgemeinen Geburts-, Sterbe— und Ehe⸗Liſten, aber in Bezug auf Glasgow hat der dor— tige Magiſtrat ſolche bekannt gemacht, aus denen ſich er— giebt, daß unter einer Bevoͤlkerung von 282,184 dort im J. 1840, ausſchließlich der todtgebornen Kinder, 9,541 oder 3.38 Proc. ſtarben; mit andern Worten, wenn in den 12 ackerbautreibenden Grafſchaften 3 Menſchen ſterben, ſo ſter— ben zu Glasgow jedesmal 10. Vergleichen wir nun die moraliſche Statiſtik der aders bautreibenden und der induſtriellen Bevoͤlkerung miteinander. In dieſer Beziehung koͤnnte man ſich mit einem einzigen Satze begnuͤgen, der ſich in der Darſtellung der im J. 1842 vorgekommenen Criminalfaͤlle findet. Die Steigerung dieſer Faͤlle betrug in dem fabricirenden und gemiſchten Diſtricte 2417; in dem ackerbautreibenden 466, d. i. 83.83 und 16.12 Procent, alſo im Erſtern 5 mal ſoviel, wie in dem Letztern “); wobei jedoch in billigen Anſchlag zu bringen iſt, daß bei eis ner dichten Bevoͤlkerung auch eine ſtrengere und thaͤtigere po— lizeiliche Ueberwachung ſtattfindet. In ganz Schottland fand von 1836 1841 eine Ver- mehrung der Verbrechen um 17.96 Proc. ſtatt, waͤhrend in den Grafſchaften Lanark und Renfrew, wo das Fabrikweſen am Staͤrkſten entwickelt iſt, dieſelbe 36 Proc. betrug. Und doch beruht die financielle und folglich politiſche Exiſtenz des Reiches vorzugsweiſe auf dieſer moraliſch verderb— ten Claſſe, auf welche die Reformbill von 1832, die den Stadtbewohnern ſo große Vorrechte einraͤumt, einen ſo bedeu— ) Die hier in Rede ſtehenden Grafſchaften find: 1) Fabrici— rende und gemiſchte: Middleſex, Lancaſter, Surrey, Dur— ham, Northumberland, Stafford, Warwick, Cheſter, Pork, Glouceſter, Derby, Monmouth, Nottingham; 2) ackerbau— treibende: Bedford, Huntingdon, Hereford, Lincoln, Cam— bridge, Bucks, Eſſex, Suffolck, Wilts, Oxford, Northampton, Hertford, Berks. 762. XXXV. 14. 218 tenden Einfluß uͤbertragen hat, daß zu befuͤrchten ſteht, ſie werde zuletzt die geſetzgebende Gewalt in ihre Haͤnde bekommen. (Fortſetzung folgt.) Miscellen. Ueber den Einfluß der galvaniſchen Elektricität auf das Keimen der Saamen hat Prof. E. Solly der Ver⸗ ſammlung zu Cambridge das Reſultat ſeiner Verſuche mitgetheilt. In einer Reihe von Experimenten, wo die Saamen von Gerſte, Waizen, Roggen, Runkelruͤben und Radieschen dem Einfluſſe eines ſchwachen Stromes von Elektricitaͤt ausgeſetzt waren, kamen die Pflanzen ſchneller und waren geſuͤnder, als andere, welche nicht elektriſirt worden waren. Auf der andern Seite hatte eine Anzahl von Verſuchen mit andern Saamen entgegengeſetzte Reſultate geges ben — zum Beweis, entweder daß das Keimen einiger Saamen ver: zögert und das anderer beſchleunigt wurde durch Elektricität: oder daß die beobachteten Wirkungen in beiden Fällen zufällig waren. Aus einer Reihe von 55 Verſuchen an verſchiedenen Saamen ſchienen 21 zu Gunſten der Elektricitaͤt, 10 gegen dieſelbe, und 25 zeigten gar keine Wirkung; und wenn man die ganze Zahl der einzelnen Saa⸗ men in der ganzen Neihe genau zählte, fo wurden 1,250 elektriſirt und 1,253 nicht elektriſirt gefunden. Zum Schluſſe äußerte Prof. Solly noch, daß er ſelbſt in Zweifel ſey, ob die beobachteten Wir⸗ kungen wirklich dem Einfluſſe der Elektricität zuzuſchreiben ſeyen. ueber das Keimen der Pflanzen hat Dr. Lankeſter der Verſammlung zu Cambridge folgende Anſichten der Erſcheinung mitgetheilt: — daß der einzig weſentliche Proceß in der Keimung das Wachsthum der jungen Pflanze oder Embryo fey. Der Pro: ceß der Entwickelung des Embryo's von primitiven ihre Gewebe entfaltenden Cytoblaſten iſt genau derſelbe, wie in jedem anderen Theile der Pflanze, und von einer Identitaͤt der Structur moͤchte auch eine Identitat der Function im Voraus angenommen werden. Aber die gewoͤhnliche Theorie des Keimens gab den Geweben des Embryo's eine verſchiedene Function. Herr Lankeſter betrachtete die Abſorption des Oxygens, die Freimachung von Kohlenfäure und Ammonium als die Folge der Zerſetzung der Staͤrke und des Pro: teins, welche in dem Eiweiß oder Periſperm des Saamens enthal⸗ ten find; und daß die wachſenden Zellen des Embryo's die Kohlen— ſaͤure, das Ammonium und das Waſſer ſich ebenſo aneigneten, als alle anderen Zellen in dem Pflanzenreiche. Hinſichtlich der foſſilenelephantenartigen Thiere in Indien hat Dr. Falco ner der Verſammlung zu Cambridge eine Mittheilung über die von ihm und Capt. Cautlbey angeſtellten Un⸗ terſuchungen gemacht und durch Schaͤdelzeichnungen und Zeichnungen von Zahndurchſchnitten erläutert. Das Reſultat war, daß in der Zahnſtructur ein ſtufenweiſer, aber ununterbrochener Uebergang zwi⸗ ſchen dem Maſtodonten und Elephanten nachgewieſen werden kann, wozu die von Clifft mit dem Namen Mastodon Elephantoides belegten Zähne und eine noch unbeſchriebene Indiſche Species als Mittelglieder eintreten. eit k une. Fall von Exſtirpation einer fibroͤſen interſtitiaͤren Uteringeſchwulſt mit Sectionsbericht. Von L. Boyer. Demoiſelle B., 47 Jahre alt, ſtets regelmaͤßig mens ſtruirt, litt ſeit 10 Jahren an Metrorrhagieen, welche einen hohen Grad von Anaͤmie herbeifuͤhrten. Bei der Unterſu— chung fand ſich die vagina eng und empfindlich, der ute- rus an Volum vergroͤßert. Durch die Palpation erkannte man, daß der uterus in feiner Totalität abwärts gedraͤngt war, aber man konnte nicht den noch im kleinen Becken be⸗ findlichen Körper mit der Hand durchfuͤhlen. Der Mutter: 219 mund war abgerundet, klein und nach Hinten und Links gewendet. Eine 1 Centimeter tief eingefuͤhrte Sonde ſtieß auf einen harten Koͤrper, welcher ſich nach vorhergegangener kuͤnſtlicher Erweiterung des Muttermundes als ein an der rechten Seite des uterus entwickelter tumor ergab, welcher interſtitiaͤr zu ſeyn und auf breiter Baſis aufzuſitzen ſchien. Bei der Erneuerung ſeiner Unterſuchungen fand Herr Boyer eines Tages, daß ploͤtzlich ein Riß in der Umhuͤllung des tumor an der Stelle eintrat, wo dieſelbe ſich vom uterus auf das untere Ende des tumor hinuͤberſchlug, und es ge— lang ihm, mit dem Finger die ganze untere Partie loszu— loͤſen. Da auf dieſe Weiſe Alles ſich guͤnſtig für eins Ope— ration zu geſtalten ſchien, ſo entſchied man ſich fuͤr die Ex— ſtirpation. Am 19. Oct. 1843 wurde ein speculum ein⸗ gefuͤhrt und der Mutterhals vermittelſt eines geknoͤpften Bi— ſtouri's an jeder Seite leicht eingeſchnitten und die Oeffnung durch Andruͤcken des Fingers gegen die Einſchnitte vergroͤ— ßert. Nachdem man nun den tumor ſo weit hinauf, als möglich, loszuloͤſen verſucht hatte, erfaßte man denſelben mit einet Hakenpincette und uͤbte mehrere Tractionen aus; da aber der Mutterhals noch Widerſtand leiſtete, ſo wur— den an mehreren Stellen deſſelben noch einige Einſchnitte gemacht und dann durch Rotation des tumor um ſich ſelbſt und Herabziehen derſelbe vollſtaͤndig geloͤſ't und rotirend vermittelſt der Hakenpincette hervorgezogen. Das Gewicht der Geſchwulſt betrug 102 Grammen; dieſelbe war fibröfer Natur, und ſein dichtes, gedraͤngtes, mattweißes, durchweg homogenes und gefaͤßloſes Gewebe knirſchte unter dem Meſ— ſer. Nachdem 2 Tage hindurch der Zuſtand des Kranken ſehr befriedigend geweſen war, verfiel fie in eine Erſchoͤpfung, der ſie am 24. October erlag. Section. Die Oberflaͤche der am Mutterhalſe ge— machten Schnittwunden enthielt keinen Eiter; die Dicke der vorderen Wandung des uterus betrug 7 Millimeter, das Gewebe deſſelben war bleich und ſchwitzte weder Eiter noch Blut aus. Die Uterinhoͤhle war groß und von einer duͤn— nen ecchymotiſchen Schicht ausgekleidet; gegen den Grund hin und auf etwa; der Laͤnge war fie durch eine dünne, nach Unten zerriſſene, verticale Scheidewand in 2 Theile ge— theilt, welche den Ueberreſt der Partie des Uteringewebes, welche den tumor von Seiten der normalen Uterinhoͤhle be— kleidete. Eine in den Mutterhals eingefuͤhrte Sonde drang nach Rechts hin in die große Hoͤhle ein, welche den tumor ſelbſt enthalten hatte. Die normale Uterinhoͤhle war ver— laͤngert und verbreitert mit glatter, gleichfoͤrmiger Oberflaͤche. Die rechte Höhle war groß und hatte eine ſchleimhaut— loſe, muskuaͤrre, ecchymotiſche Oberfläche. Der Grund der Blaſe lag auf eine Ausdehnung von 10 Millimetern dicht an der Vorderflaͤche der vagina an, von derſelben nur durch eine duͤnne Schicht Zellgewebes getrennt; nach Hinten ſtieg der peritondale Blindſack zwiſchen Maſtdarm, uterus und vagina bis 15 Millimeter unterhalb des Mutterhalſes hinab. 415 nr medicale in Gaz. med. de Paris No. 24. 762. XXXV. 14. 220 Tracheotomie bei laryngitis syphilitica. Von Dr. Watſon. 1) Ein Kaͤrrner, 30 Jahre alt, aufgenommen in's Spi⸗ tal Dec. 30. 1843, klagte uͤber ein Halsuͤbel, an dem er ſeit 5 Monaten litt. Die ganze linke Seite des Gaumenſee⸗ gels war völlig zerſtoͤrt, das Zaͤpfchen angeſchwollen, dunkel⸗ braun und an der Baſis geſchwuͤrig; die rechte Seite des Gaumenſeegels, ſowie die rechte Mandel, angeſchwollen und exulcerirt. Der Kranke hatte zuerſt vor 10 Jahren am Halſe gelitten, aber keinen Merkur gebraucht; vor einem Jahre war er wegen eines dem jetzigen aͤhnlichen Halsuͤbels ſali— virt worden. Starker Schmerz in der Gegend des Kehl— kopfes, Athem erſchwert, zuweilen durch dicken, reichlichen, eitrigen Schleim, welchen der Kranke fortwährend auswarf, faſt unmoͤglich gemacht; ziſchende und oft undeutliche Sprache; dabei Appetit gut, Puls 80. In den erſten 6 Tagen ſchien der Zuſtand des Kranken unter der Application von Blutegeln und Aetzmitteln in der Hoͤhe des Kehlkopfes und Cauteriſa— tion der Geſchwuͤrsflaͤchen mit Hoͤllenſtein ſich zu beſſern, wurde aber vom 10. Januar an in Folge des rauhen Wet— ters immer ſchlimmer. Drei Tage und Naͤchte hindurch große Angſt, Unruhe, Inſpiration ſehr muͤhſam, faſt völlige Aphonie, anhaltender Huſten, Anorexie, fortſchreitendes Sin— ken der Kraͤfte. Am 13. Januar wurde die Tracheotomie ausgefuͤhrt; 2 Stunden darauf Athmen leichter, bei jedem Huſtenſtoße kam eine Menge Schleim aus der Trachealoͤff— nung hervor; Nacht gut. Der Huſten wurde geringer, der Zuſtand des Schlundes beſſerte ſich one jan mit Hoͤl⸗ lenſtein, Jodſtaͤrke 3j täglich). In den erſten Tagen des Februars konnte die Canuͤle entfernt werden; am 14 d. M. Wunde vollſtaͤndig vernarbt; Athmen frei, Sprache normal. Wenige Tage darauf verließ der Kranke geheilt das Spital. 2) Eine Frau von 22 Jahren, aufgenommen 24. April 1844. Vor 2 Jahren primaͤr-ſyphilitiſche Symptome, bald darauf Hautausſchlag uͤber den ganzen Koͤrper verbreitet. Die Kranke nahm damals einige Merkurialpillen, die Be— handlung blieb aber nur unvollſtaͤndig. Vor 6 Monaten, in Folge einer Erkaͤltung, heftiger Schmerz im Halſe, Huſten und Dyspnoͤe, Zunahme aller dieſer Symptome bis zur Aufnahme. Rachen und Gaumenſeegel angeſchwollen und geſchwuͤrig, Zaͤpfchen an der Baſis durch Ulceration faſt, gänzlich abgeloͤſ't, Reſpiration muͤhſam und erſchwert, Ins ſpiration ziſchend und behindert, Stimme erloſchen, andauern⸗ der Huſten, ſehr reichliche Expectoration, Percuſſionston uͤber die ganze Bruſt hin hell, reſpiratoriſches Geraͤuſch ſehr ſchwach, Lippen und Geſicht livid, Puls 136, ſehr ſchwach, Deglutition erſchwert. Am 27. April Tracheotomie an der faſt in den letzten Zuͤgen liegenden Kranken ausgefuͤhrt, welche mehrere Stunden hindurch faſt völlig bewußtlos blieb, wors auf fie fi erholte und das Athmen durch die Canuͤle frei von Statten ging, nachdem ſie durch dieſelbe eine Menge Schleim ausgeworfen hatte. Opium, Wein und kraͤftige Koſt ſtellten die Kraͤfte der Kranken nach und nach wieder her, die Rachengeſchwuͤre vernarbten, und die Kranke iſt jetzt als geheilt zu betrachten. 221 3) Ein Steinhauer, 38 Jahr alt, litt ſeit 2—8 Mo: naten an einem Halsuͤbel. Gaumenſeegel völlig zerſtoͤrt, Mandeln geſchwuͤrig und dick mit eitrigem Schleim bedeckt, Athmen erſchwert und pfeifend, große Unruhe, völlige Stimm: loſigkeit, große Empfindlichkeit bei'm Druck in der Gegend des larynx, Huſten, Reſpirationsgeraͤuſch rauh und ſchwach; der Koͤrper mit Rupia-Puſteln bedeckt, Puls 116, große Schwaͤche. Tracheotomie, das Athmen wurde etwas leichter, aber an demſelben Abende ſtarb der Kranke. Sectionsbefund. Kehldeckel großentheils durch die Ulceration zerſtoͤrt, der Ueberreſt verdickt und rauh; Stimm— ritze durch die ſtarke Verdickung und Infiltration der benach— barten Theile faſt vollſtaͤndig obliterirt; trachea und Bron— chien, etwas Roͤthe der inneren Membran ausgenommen, nor— mal; Lungen oͤdematoͤs, in den Bronchien eine große Menge ſchaumigen Schleims; Leber vergrößert und ſehr feſt. (Aus Monthly Journal in Arch. gen, de med. Nov. 1844.) Fall von Unterbindung der a. subelavia dextra an ihrer Durchgangsſtelle zwiſchen den mm. sca- leni wegen eines aneurysma a. axillaris, Von Prof. Valentine Mott. C. R. M., 35 Jahre alt, Maſchiniſt, war mit ei— nem Freunde auf der Jagd, als plöslich bei'm Hindurchge— hen durch ein Gebuͤſch die Flinte des Letztern losging und M. an der rechten Schulter verwundete. Zwei Kugeln drangen ſchraͤge durch die Achſel ein und wurden aus der Vorderſeite des Oberarms extrahirt, 12 andre wurden durch Breiumſchlaͤge entfernt, aber 2 wurden noch unter den all— gemeinen Bedeckungen unter der Mitte der clavicula ge: fuͤhlt. Zur Zeit des Unfalls wurde der Verwundete weder be— taͤubt, noch empfand er ein Gefühl von Taubheit in irgend einem Theile des Arms; wenige Stunden nachher jedoch zeigte ſich ein tumor in der Achſelgrube, welcher bis zum 5. Tage an Umfang zunahm, worauf man zuerſt Pulſation in demſelben entdeckte. Erſt am 6. Tage empfand der Kranke, nachdem ein Anfall der heftigſten, ihn faſt zum Wahnſinn treibenden Schmerzen, welche ſich uͤber den ganzen Arm hin verbreiteten, eingetreten war, ein Gefuͤhl von Taubheit in der ganzen Extremitaͤt. Hierauf bildete ſich eine oͤdematoͤſe Anſchwellung des Arms, die Schmerzen kehrten an zwei auf— einanderfolgenden Tagen ungefaͤhr um dieſelbe Stunde und von gleicher Dauer mit derſelben Heftigkeit zuruͤck, worauf eine anhaltende brennende Empfindung in der Handflaͤche, welche ſelbſt nach der Operation noch fortdauerte, ſich ein— ſtellte. 22 Tage nach dem Unfalle kam der Kranke in meine Behandlung. Bei der Unterſuchung zeigte ſich das Oedem von der Schulter bis zu den Enden der Finger ausgebreitet, und das Extravaſat in der axilla war fo beträchtlich, daß der Umfang der oberen Partie des Arms gegen 28“ betrug. Bald darauf ſchaͤlte ſich die Oberhaut in betraͤchtlicher Aus— dehnung an dem hervorragendſten Theile der Anſchwellung in der Achſelgrube ab, die Haut bekam Riſſe, und aus der— 762. XXXV. 14. 222 ſelben ſickerte eine duͤnne, ſanioſe Fluͤſſigkeit hervor. Die nun nicht laͤnger aufſchiebbare Operation wurde am 11. April 1844 folgendermaaßen ausgefuͤhrt. Nachdem der Kranke, Arm und Schulter ſoviel, als möglich, abwärts gedruͤckt, auf einen Stuhl placirt worden war, wurde ein Einſchnitt vom etwa 3“ Länge durch die Haut gemacht, wel— cher ſich vom vordern Rande des m. sterno- mastoideus 13“ oberhalb des Schluͤſſelbeins in der Richtung nach Un— ten und Außen bis zum proc. acromialis scapulae hin erſtreckte. Die fascia superficialis und der platysma myodes wurden darauf bloßgelegt und getrennt, worauf eine Maſſe extravaſirten Blutes zum Vorſcheine kam, welche die darunter gelegenen Theile vollſtaͤndig der Anſicht ent— zog. Wenn der Kranke zu ſchlucken verſuchte, zeigte ſich eine prominirende, nach Oben und Innen verlaufende Li— nie in dieſer wirren Maſſe, welche ſich bei weiterer Praͤ— paration als der m. omo-hyoideus, von weit dunklerer Farbe, als gewöhnlich, herausſtellte. Die fascia cervica- lis profunda wurde nun durchſchnitten, und es zeigte ſich die a. Subclavia, auf ihrer aͤußern und oberen Seite, von eis nem der Straͤnge des plexus axillaris begleitet, gerade an der Stelle, wo fie hinter dem m. scalenus anticus hervorkommt. Eine Aneurysmanadel, mit ſtarkem Seiden— faden verſehen, wurde nun, die Spitze auswaͤrts und ruͤck— waͤrts gerichtet, um die vena subelavia zu vermeiden, um die Arterie gefuͤhrt, dieſelbe unterbunden, und die Wunde wurde durch 2 unterbrochene Naͤthe und Heftpflaſterſtreifen aneinander gebracht. Waͤhrend der Operation mußten noch 2—z8 kleine Gefäße, Aeſte der a. transversalis humeri und transversalis colli, unterbunden werden; die v. iu-— gularis externa wurde durchſchnitten und auf beiden Sei— ten der Wunde unterbunden. April 12. Kranke ſehr erleichtert, Oberarm und Schul— ter an Umfang bedeutend verkleinert, Haut weicher und mehr normal, Temperatur des Arms etwas erhoͤht. Puls 117. (Kraͤftige Nahrung, Einhuͤllen des Arms in Watte.) Das Oe— dem der Hand und des Arms verlor ſich nach und nach, das Gefuͤhl kehrte allmaͤlig in dem Gliede zuruͤck, der aneu— rysmatiſche tumor entleerte eine Menge dunklen Blutes und verkleinerte ſich mehr und mehr, und im Juni wurde der Kranke aus der Behandlung entlaſſen. Als er ſich im November wieder vorſtellte, zeigte ſich das Ausſehen des ganzen Arms faſt normal, der Aneurysma-Sack war vollſtaͤndig obliterirt und Empfindung und Bewegung am Vorderarme und den Fingern faſt ganz wiederhergeſtellt. (New-York Journal Jan. 1845.) Experimentale Unterſuchungen uͤber die Bildung des Blutpfropfes bei durchſchnittenen Arterien. Von Amuffat. Aus ſeinen Verſuchen, welche Verf. auf die Weiſe an— ſtellte, daß er nicht, wie frühere Experimentatoren, die Ge— faͤße von den benachbarten Theilen trennte und iſolirte, ſon— 223 dern nur eine Wunde ohne vorgaͤngige Präparation machte, zieht Derſelbe folgende Schlußfolgen: 1) Der ſpontane Blutpfropf an den in einer großen, queeren Wunde voͤllig durchſchnittenen Arterien bildet ſich ſehr raſch und unter den Augen des Experimentators. 2) Dieſer Blutpfropf wird von dem Faſerſtoffe des Blutes gebildet und durch die aͤußere Zellhaut oder vierte Membran der Arterie in ſeiner Lage erhalten. 3) Die Centralhoͤhle der ſpontanen Blutpfroͤpfe, wel— che der Aushoͤhlung der Blutgeſchwuͤlſte ſehr analog iſt, giebt ein wichtiges Huͤlfsmittel ab, um eine durch einen Blut- pfropf maskirte Arterie zu entdecken. 4) Die Arterie genuͤgt ſich allein (eine der Anſicht von Jones, Beclard u. A. widerſprechende Beobach- tung), indem der Pfropf ſich an dem Ende einer Arterie bilden kann, welche das Niveau des Muskelſchnittes über: ragt. 5) Der Blutpfropf iſt um fo voluminoͤſer und reſi⸗ ſtenter, je geſpannter die Arterie und die Zellhaut im Mo— mente des Schnittes waren. Hieraus geht die Nothwen— digkeit hervor, eine ſtarke Traction an den Arterien vor ih— ter Durchſchneidung auszufuͤhren, um die Bildung feſter Blutpfroͤpfe zu beguͤnſtigen. 6) Wenn man die beiden Carotiden zu gleicher Zeit bei einem lebenden Thiere durchſchneidet, ſo bilden ſich ſtets dle Blutpfroͤpfe an den dem Herzen zugekehrten Enden die— ſer Gefaͤße, und dieſe Blutpfroͤpfe ſtehen in einem genauen Verhaͤltniſſe zu der groͤßeren oder geringeren Anſpannung des Halſes und der Arterie im Augenblicke des Durchſchnei— dens. 7) Wenn man dagegen die Carotiden 1—2 Minuten nach erfolgtem Tode durchſchneidet, ſo bilden ſich keine oder nur ſehr kleine Blutpfroͤpfe an den Herzenden der Gefaͤße, welche durchaus nicht denen gleichen, welche ſich an den durchſchnittenen Gefaͤßen bei lebenden Thieren zeigen, die unmittelbar in Folge der Haͤmorrhagie ſterben. 8) Die Herzenden der durchſchnittenen Arterien ſind alfo in medico⸗legaler Beziehung ein wichtigerer Anhaltspunct, als der Zuſtand der Muskeln, um zu entſcheiden, ob die 762. XXXV. 14. 224 Trennung der Gefaͤße waͤhrend des Lebens oder nach dem Tode geſchehen iſt. (Gaz. med. de Paris, No. 25. 1845.) Miscellen. Ueber eine neue Methode der Rhinoplaſtik hat Hr. Sedillot in der Sitzung der Acad. des sc. eine Vorleſung gehalten. Nach ihm laͤßt ſich von der Rhinoplaſtik in den Faͤllen Nichts erwarten, wo die Naſen-Knochen und Knorpel, ſowie die aͤußeren Bedeckungen, vollftändig zerſtoͤrt find, während dagegen das Vorhandenſeyn der Kno⸗ chen und Knorpel ſehr guͤnſtige Reſultate geſtattet, indem der zur Nas ſenbildung beſtimmte Stirnlappen an erſteren einen genuͤgenden Stuͤtz⸗ punct findet. Am Beſten gelingt die Operation dann, wenn die Seitentheile der Naſe nur theilweiſe zerſtoͤrt find. Wenn der Nas ſenfluͤgel voͤllig fehlt, ſo iſt die indiſche Methode vorzuziehen, wo der Lappen der Wange entnommen wird und die Deformität volls ftändig beſeitigt werden kann. Der Lappen muß hier ziemlich groß ſeyn, um den Subſtanzverluſt bei'm Brandigwerden zu erſetzen, doch wiederum nicht zu groß, da die Atrophie derſelben weniger häufig, als die Hypertrophie, iſt. Man kann übrigens die Gangraͤn dadurch verhuͤten, daß man ſich mit einer halben Torſion des Stieles des Lappens begnuͤgt; die Narben ſind dann weniger deutlich und der Stiel weniger hervorſpringend. Die Anwendung der umſchlungenen Nath iſt, nach dem Verf., unumgaͤnglich, indem einfache Klebverbaͤnde (natürlich) nicht ausreichen. Gelingt die prima intentio nicht, fo wird die unmittelbare reunio secunda ein ſehr ſchaͤtzbares Huͤlfsmit⸗ tel und gelingt viel beſſer, als man gewoͤhnlich glaubt. Wenn die ſich beruͤhrenden Partieen von einer Schleimhaut bedeckt ſind, ſo iſt es niemals noͤthig, die Haut in ſich ſelbſt umzuſchlagen, um ſtoͤ⸗ rende Adhaͤrenzen zu vermeiden. Die blutende Oberfläche des Lap⸗ pens organiſirt ſich waͤhrend des Vernarbens und bietet endlich die Charactere der normalen Gewebe, deren Stelle ſie einnimmt, dar. In keinem Falle darf man dem Kranken verſprechen, ihn durch eine einzige Operation vollftändig herzuſtellen. (Arch. gen. de med. Nov. 1844.) N 0 Eine neue Form von Suturen, welche bei allen plaſti⸗ ſchen Operationen anwendbar iſt, iſt von Dr. Brooke erfunden und beſonders bei innern Fiſſuren angewendet worden, wo die ge— woͤhnlichen Suturen nicht paſſen. Bei der neuen Sutur hielt Dr. Brooke die Ränder der Fiſſur zuſammen mittelſt einiger Ligatu⸗ ren, welche in geringer Entfernung vom Rande durchgeſtochen wer⸗ den, die Ligaturen werden ſodann durch durchbohrte Glasperlen gezogen, die dann den Druck lediglich auf geſunde Theile ausuͤben. Man hat ihr den Namen „Perlennath“ gegeben. Auf innere Theile kann ſie nur mittels eigener dafuͤr ausgeſonnener Inſtrumente ange⸗ bracht werden, wo auch ſchon ihre Anwendung ſich erfolgreich erwie⸗ ſen hat. !!. ᷣͤ (mund Bibliographische Neuigkeiten. Flore des serres et jardins de Europe. Scheidweiller et van Houtte. Paris 1845. Traité pratique des arbres resineux coniferes a grandes dimen- sions que l'on peut cultiver en futaie et dans les climats tem- peres. Par Mr. le Marquis de Chambrais. Paris 1845. 8. Mit 7 K. Par MM. Lemaitre, Physiologie pathologique, ou recherches cliniques experimentales et microscopiques sur l’inflammation, la tuberculation, les tu- meurs, la formation du cal etc. 2 Vols. 8. Mit Atlas. Forinulaire du régime curatif et du régime alimentaire des ma- lades traités dans les höpitaux militaires et les höpitaux ci- vils. Par F. Q. A. de Piis. Paris 1845. 8. Traité de l’art de formuler, ou notion de pharmacologie appli- quee a la médecine. Par le Docteur Mialke. Paris 1845. 12. Par H. Lebert. Paris 1845. TH . ——k Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Meditinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Frorie p zu Berlin. No. 763. (Nr. 15. des XXXV. Bandes.) Auguſt 1845. Gedruckt im Landes- Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 r 30 2%, des einzelnen Stuͤckes 3%, 8). Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 A. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. rn rer Ueber Bevoͤlkerung und Sterblichkeit (vorzuͤglich Großbritanniens). (Fortſetzung.) Da die außereheliche Schwangerſchaft nicht zu den Cri⸗ minalverbrechen gehoͤrt, ſo iſt derſelben in dem Berichte uͤber die Criminalfaͤlle des Jahres 1842 nicht gedacht, und auch die Geburtsliſten geben daruͤber nur ungenuͤgende Auskunft. Da die unehelichen Geburten jedoch in Betreff der Beur— theilung des moraliſchen Zuſtandes der Bevoͤlkerung ein ſehr wichtiges Element bilden, ſo hat man dieſelben bei dem Cenſus von 1831 ſehr paſſend beruͤckſichtigt, und man fin— det auf S. 490 der Gemeinde-Regiſter eine tabellariſche Ueberſicht der im J. 1830 in England und Wales vorgekom— men unehelichen Geburten, nebſt Angabe der durchſchnittlichen Zahl der der anderen in demſelben Jahre geborenen Kinder. Aus dieſer Tabelle, nach welcher ſich die Zahl der unehlichen Ges burten zu der der ehelichen in England verhielt, wie 1:19, oder erſtere 5.26 Proc. der Geſammtgeburten ausmachten, haben wir das Verhaͤltniß in den obenangefuͤhrten 13 ackerbautreiben— den und den 13 Fabrik-Grafſchaften berechnet, und mit eis niger Verwunderung fanden wir daſſelbe in dem induſtriellen Diſtricte nur 1: 23.23, waͤhrend es in dem ackerbau— treibenden 1 in 22.53 iſt. Allein die Verwunderung hört auf, wenn wir Middlefer und Surrey (die Grafſchaften, in denen London liegt) in's Auge faſſen, wo man wohl jede andere Tugend eher zu ſuchen hat, als die der Keuſchheit, während die unehelichen Geburten in den beiden Grafſchaf— ten nur 1 ſind in 34. Dieß beruht wahrſcheinlich auf dem Umſtande, daß bei dem im J. 1831 befolgten unvollkom⸗ menen Verfahren in Anfertigung der Liſten, die unehelichen Geburten ſich in großen, dichtbevoͤlkerten Städten leichter ver— heimlichen ließen und viele uneheliche Kinder entweder ganz aus den Liſten wegblieben oder als eheliche eingetragen wurden. Andre und noch erheblichere Urſachen jener ſcheinbaren Anomalie duͤrften in der durch Hurerei veranlaßten Unfruchtbarkeit und dem in Fabrikdiſtricten häufig vorkommenden Eingehen fruͤh⸗ zeitiger Ehen zu ſuchen ſeyn, da dort beide Geſchlechter No. 1863. — 763. ſchon im jugendlichen Alter einen verhaͤltnißmaͤßig hohen Lohn beziehen. Uebrigens iſt die letztere Urſache in den ackerbautreibenden Diſtricten noch wirkſamer, als in den Fa— brikdiſtricten, weil dort die Gelegenheit zur außerehelichen Be— friedigung des Geſchlechtstriebes, mit Freudenmaͤdchen von Pro— feffion, ſeltener iſt. Daß dieſe Urſachen einen bedeutenden Ein— fluß uͤben, wird dadurch ſehr wahrſcheinlich, daß an Orten, wo die Geburteliften mit der gehörigen Genauigkeit geführt werden, und wo junge Perſonen nicht viel Gelegenheit zu Geldverdienſt haben, ein bedeutender Contraſt wahrzunehmen iſt. So verhalten ſich in ganz Frankreich die unehelichen Ge— burten zu den ehelichen, wie 1 zu 13, aber in den Seinede— partement, in welchem die Hauptſtadt liegt, wie 1 zu 2.20! Dieß find die Durchſchnittszahlen des Zeitraums von 1824 bis 1832. Herr Rickman ſchrieb dieſen gewaltigen Ue— berſchuß dem Umſtande zu, daß Fuͤndlinge als uneheliche Kin— der eingetragen worden ſeyen; dieß iſt aber nicht der Fall, indem eine beſondere Liſte fuͤr die Fuͤndlinge vorhanden iſt, nach der ſich die Zahl derſelben im ganzen Lande, wie 1 zu 80 und im Seinedepartement, wie 1 zu 7.27 zu der der ſaͤmmt— lichen Geburten ſtellt. Und dieſer Unterſchied iſt mit vollem Rechte gemacht worden; denn in Frankreich giebt es Raben— eltern genug, die ihre ehelichen Kinder ausſetzen und den oͤf— fentlichen Wohlthaͤtigkeitsanſtalten die Sorge uͤberlaſſen, fuͤr dieſelben zu ſorgen; ja, der ſentimentale Jean Jacques Rouſ— ſeau trug kein Bedenken, dieß zu thun. Unſtreitig wird durch die Leichtigkeit, mit der man ſich in Frankreich der Laſt der Kinderaufziehung entledigen kann, die Liederlichkeit der unverheiratheten Perſonen befoͤrdert, wie das alte Armenge— geſetz vermoͤge ſeiner ſchlechten Handhabung (denn dieſe iſt mehr zu tadeln, als das Princip des Geſetzes ſelbſt) dem Leichtſinn in England Vorſchub that; allein bei der hoͤhern Stufe, auf welcher die oͤffentliche Sittlichkeit in England ſteht, indem dort nicht, wie in Frankreich, 1 uneheliche Ge— burt auf 12.5 eheliche, ſondern nur 1 der erſtern auf 19 der letztern kommt, aͤußerte ſich dieſer Leichtſinn mehr durch das unvorſichtige Eingehen von Ehen, als durch die Laſter des unehelichen Lebens. Und da, in England, gegen⸗ 15 Ber 763. waͤrtig Fuͤndelhaͤuſer nur dem Namen nach beſtehen, ſo ha⸗ ben wir in Frankreich, im Vergleiche mit England, die Funds linge, deren Zahl „7; der Geburten gleichkommt, ebenfalls lediglich der Immoralitaͤt zur Laſt zu ſchreiben, denn die Fuͤndlinge, die keine Baſtarde ſind, verdanken wenigſtens ihr Daſeyn unnatuͤrlichen Eltern. Wo es Fuͤndelhaͤuſer giebt, da wimmelt es auch von unehe— lichen Kindern. In dem kleinen Koͤnigreiche Belgien beſitzen 17 Staͤdte Fuͤndelhaͤuſer, von denen manche erſt ſeit 1820 gegruͤndet ſind. Im ganzen Koͤnigreiche belaͤuft ſich die Zahl der unehelichen Geburten auf 2s der ehelichen, waͤhrend fie in Luxemburg, wo ſich kein Fuͤndelhaus befindet, nur 38 bes traͤgt, und uͤberhaupt, bemerkt Herr Arrivabene, werden gerade in den vier Provinzen, wo ſolche Haͤuſer nicht exiſti— ren, die wenigſten Kinder ausgeſetzt. Aber waͤhrend an die Regierungen die Mahnung ergeht, ſolche Brutheerde des Laſters zu zerſtoͤren, muͤſſen ſie ſich vor dem entgegengeſetz— ten Extreme huͤten, naͤmlich leichtſinnigen Heirathen durch poſitive Geſetze entgegenzuarbeiten. Gegen dieſes, wie gegen alle übrigen moraliſchen Uebel, giebt es kein anderes Mittel, als durch Aufklaͤrung und religiöfen Unterricht die Tugend der Vorſicht unter dem Volke einheimiſch zu machen. Will man die Ausuͤbung dieſer Tugend durch politiſche Geſetze er— zwingen, ſo faͤngt man die Sache am verkehrten Ende an. In Frankfurt am Main darf keine Ehe geſchloſſen werden, wenn die Brautleute nicht ein gewiſſes Vermoͤgen beſitzen, und die Folge davon iſt, daß dort auf 64 Geburten eine uneheliche kommt. Eine Verbeſſerung hat jedoch in unſerm Manufactur— ſyſteme ſtattgefunden, die gewiſſermaaßen troͤſtlich iſt. Die Habſucht der Fabrikherren hatte in den Eltern die unnatuͤr— liche Begierde zur uͤbertriebenen Verwendung ihrer Kinder zur Arbeit hervorgerufen. Allein hier iſt das Geſetz huͤlf— reich eingeſchritten. Denn in Vorkfhire hatten ſich die Fa— brikarbeiter von 1838 — 1843 nur im Ganzen um 11,500 vermehrt, während man daſelbſt 1843 12,000 erwachſene Ar— beiter (d. i. nach dem Factorei-Geſetze ſolche uͤber 18 Jahre) mehr zählte, als 1838, und junge Leute (ſolche von 13 bis 18 Jahren) um 1,500 mehr, ſo daß die Zahl der in den Fabriken arbeitenden Kinder unter 13 Jahren um 2,000 ab» genommen haben mußte. Nachdem wir ſo lange bei den Folgen eines Vorherr— ſchens der fabricirenden Volksclaſſe verweilt haben, duͤrfte es nuͤtzlich ſeyn, einen durchaus entgegengeſetzten geſellſchaftli— chen Zuſtand in's Auge zu faſſen und an dieſem zu erlaͤu— tern, wie ſich in beiden Vortheile und Nachtheile das Gleich— gewicht halten. Wir haben hier die Vereinigten Staaten im Auge, wo nach der Volkszaͤhlung vom 1. Juni 1840, (bei einer Totalbevoͤlkerung von 17,068,666) 82.45 Procent auf die ackerbautreibende und 17.55 Proc. auf die fabrici— rende Claſſe kamen. Allein leider beſteht dieſe Bevoͤlkerung aus einer Miſchung von freien Weißen, freien Schwarzen und Negerſelaven. Da die erſten ruͤckſichtlich der phyſiſchen Conſtitution und geſellſchaftlichen Lage ſich am Paſſendſten mit der engliſchen Nation vergleichen laſſen, ſo hielten wir es für zweckmaͤßig, die Lebensſtatiſtik der Vereinigten Staa⸗ XXXV. 15. 228 ten mit der jenigen England's zu vergleichen. Während ſich die Seelenzahl in England binnen 10 Jahren nur um 14.5 Procent vermehrte, ſtieg ſie in den Vereinigten Staaten um 32.6 Proc. Daher ließ ſich ſchon a priori annehmen, daß hier ein verhaͤltnißmaͤßig großer Theil der Bevoͤlkerung aus Kindern unter 5 Jahren beſtehen werde, und wir finden wirk⸗ lich, daß dieſe Claſſe in den Vereinigten Staaten 5.7 Pro: cent der Population betraͤgt, waͤhrend ſie in England nur 7.5 ausmacht. Aber merkwuͤrdig iſt der Umſtand, daß un⸗ ter der Claſſe von 5 — 10 Jahren die Sterblichkeit in Amerika ſich zu 18 Procent ſtellt, waͤhrend ſie in England nur 9 Proc. betraͤgt. Dieß laͤßt ſich nur durch die An⸗ nahme erklaͤren, daß das Klima Amerika's fuͤr das jugend⸗ liche Alter beſonders gefaͤhrlich ſey. Da wie vermutheten, daß dieß hauptſaͤchlich in den ſuͤdlichen Staaten der Fall ſey, fo berechneten wir die Sterblichkeit während der erſten 5 Lebensjahre für die noͤrdlich und ſuͤdlich vom Potomac lies genden Staaten beſonders und fanden, daß ſie dort 13.8 und hier 24 Proc. betrage. Dieß iſt eines der Uebel, welche, unſerer Anſicht nach, ein Gegengewicht gegen die aus einer allzuſtarken induſtriel⸗ len Bevoͤlkerung entſpringenden Nachtheile bilden. Jede Na— tion hat ſich mit Ermittelung der Urſachen der fie ſpeciell heim⸗ ſuchenden Uebel zu beſchaͤftigen, und, nachdem ſie dieſelben aufgefunden, die Mittel zu ergründen, durch welche die He⸗ bung oder Milderung der nachtheiligen Zuſtaͤnde erlangt wer⸗ den kann. Gegen die Ungunſt des Klima's läßt ſich am Wenigſten thun; allein durch Lichtung der Waͤlder, Eindei— chung der den Ueberſchwemmungen ausgeſetzten Striche und Austrocknung der Suͤmpfe kann doch Viel geleiſtet werden. Indeß haben die Uebel in Amerika ihren Grund doch gro— ßentheils in den Fehlern des geſellſchaftlichen Zuſtandes, in willkuͤrlich erzeugten und hartnaͤckig beibehaltenen Einrichtun⸗ gen. Die Peſtbeule Amerika's iſt die Hausſclaverei und deren nothwendige Folge, eine zahlreiche farbige Bevoͤlkerung. Un— ter der Totalzahl der Bevoͤlkerung (17,068,666) befinden ſich 2,487,213 Sclaven und 386,245 freie Farbige. Dieſe Letztern genießen zwar bürgerliche Freiheit, find aber geſell— ſchaftlich geaͤchtet und muͤſſen daher, da ſie den Weißen eben— ſowohl entfremdet find, wie den Sclaven, gleich dieſen Letz— tern, fuͤr heterogene Elemente in der Zuſammenſetzung des Staates gelten. Die freie farbige Race iſt in dem ganzen Gebiete der Vereinigten Staaten verbreitet, und der Gift— ſtoff findet ſich alſo überall. Gewiß kann da nur boͤſes Blut erzeugt werden, wo eine bürgerlich freie Claſſe geſellſchaftlich geächtet iſt, während fie durch Erziehung auf eine Stufe des Gefuͤhls gehoben wird, die ihr das angethane Unrecht um ſo ſchreiender erſcheinen laͤßt. Wenn man alſo die freien Farbigen mit zu den Sclaven rechnet, ſo iſt das Verhaͤltniß dieſer Claſſe zu der der Weißen etwas ſtaͤrker, als 6 zu 1. Die Gefahr, welche aus dieſem Umſtande fuͤr die Sta— bilität des ſocialen und politiſchen Zuſtandes entſpringt, fin— det aber in einem weit hoͤhern Grade ſtatt, als ſich aus dieſem Zahlenverhaͤltniſſe zu ergeben ſcheint. Dieſe Gefahr hängt nicht von dem Verhaͤltniſſe der Farbigen zu der Total- zahl der Weißen, ſondern vielmehr von dem Verhaͤltniſſe 229 der Erſtern zu den mit ihnen zuſammenwohnenden Weißen ab. Nun giebt es aber in 11 Staaten *) nicht mehr als 145,729 freie Farbige und 69 Sclaven. In vier derſelben *) fin⸗ det man gar keine Farbige, und in den uͤbrigen Staaten, Ge— bieten und Diſtricten ſtellt ſich das Verhaͤltniß der Weißen zu den Sclaven und freien Farbigen (zuſammengenommen) nicht ganz wie 2 zu 1. Die politiſchen und ſocialen Beziehungen, in denen die Glieder einer ſolchen Bevoͤlkerung zu einander ſte— hen, ſchildert der alte Howell in folgenden Worten ſehr tref— fend: „Was der Eine iſt, das iſt der Andre nicht, und der Contraſt iſt fo grell, daß Antipoden ſich beſſer miteins ander vertragen wuͤrden.“ Einen ſolchen geſellſchaftlichen Zuſtand kann man nicht mit einem Holzpflafter vergleichen, wo alle Beſtandtheile gut zuſammengefuͤgt ſind und einan— ander ſtuͤtzen, und Alles glatt und ruhig abgeht, ſondern mit einem ſchlechten Steinpflaſter, deſſen Beſtandtheile ge— waltſam aneinandergerammt ſind, und das ein beſtaͤndiges Raſ⸗ ſeln und Getoͤſe veranlaßt. Bei einer ſolchen Beſchaffenheit des geſellſchaftlichen Zu: ſtandes kann die oͤffentliche Sicherheit nur durch eine ſtarke geſetzgebende und entſchieden eingreifende executive Gewalt ge— ſichert werden. Aber was finden wir in den Vereinigten Staaten? Eine geſetzgebende Gewalt, die aus den Repraͤ⸗ ſentanten von Staaten beſteht, die in ihrem eignen Gebiete unabhaͤngig ſind, die alle den allgemeinen geſetzgebenden Koͤr— per mit eiferſuͤchtigem Auge bewachen, damit er ihre Unab— haͤngigkeit nicht beeintraͤchtige, und deren Regierungen ihrer— ſeits durch einen auf feine Unabhaͤngigkeit eben fo eiferſuͤch— tigen, leicht erregbaren Poͤbel gewaͤhlt werden. Einen ſolchen geſellſchaftlichen Zuſtand hatte Montesquieu im Auge, als er ſchrieb: „Das Princip der Democratie verliert nicht allein dadurch ſeine Reinheit, daß der Geiſt der Gleichheit untergeht, ſondern auch dadurch, daß dieſer Geiſt der Gleich— heit bis auf die hoͤchſte Spitze getrieben wird, ſo daß jeder denen gleichſtehen will, die er gewaͤhlt hat, damit ſie ihn re— gieren. Alsdann kann das Volk die von ihm ſelbſt auf Einzelne uͤbertragene Gewalt nicht mehr ertragen; es will überall ſelbſtthaͤtig einſchreiten, ſtatt des Senates rathſchla— gen, ſtatt der Beamten ausführen, ſtatt des Richters ſtrafen. Dann muß alle Tugend aus der Republik verſchwinden.“ Da: her ſehen wir auch in den Vereinigten Staaten die niedris gen Leidenſchaften des Poͤbels die Herrſchaft fuͤhren; man weigert ſich, die maͤßigſte Erhöhung der Steuern zu bewilli= gen, und hindert ſo die oͤffentlichen Behoͤrden an der Er— fuͤllung der anerkannteſten Pflichten der Ehrlichkeit. Obwohl dieſer Fall nur bei einigen Staaten eingetreten iſt, ſo iſt dadurch doch die Ehre aller beſudelt worden, und dieſelbe ſcheint nur dadurch reingewaſchen werden zu koͤnnen, daß der Congreß ohne Weiteres die Schulden der bankerotten Staa— ten bezahlt und dieſe zwingt, ihn in gewiſſen Raten wieder— zubezahlen. Die Amerikaner prahlen damit, daß ſie die Mittel beſitzen, ihre Schulden einſt ſaͤmmtlich zu tilgen; al— *) Maine, New⸗Hampſhire, Maſſachuſetts, Rhode⸗Island, Con⸗ Miche Vermont, New⸗ York, Pennſylvania, Ohio, Indiana, ichigan. ) Michigan, Maine, Maſſachuſetts, Vermont. 763. XXXV. 15. 230 lein darin liegt ein Beweis mehr, daß das Volk der banke— rotten Staaten niedrig geſinnt und daß die Staatsregierung voͤllig ohnmaͤchtig iſt, dieſe Staaten auch nur zur Tilgung der Intereſſen zu zwingen. Troͤſtlich iſt indeß der Umſtand, daß, wenn man die amerikaniſche Volkszaͤhlung von 1830 mit der von 1840 vergleicht, man findet, daß bei einer Totalvermehrung von 32.6 Proc., die der Weißen 34,7 Proc. und die der Far— bigen. ſowohl die der Sclaven, als die der Freien, nur 20.8 Proc. betraͤgt. Daß ſich die Weißen ſtaͤrker vermehren, als die Farbigen, rührt von zwei Urſachen her. Jene allein ers halten durch Einwanderer Zuwachs, und ſie leben zugleich reinlicher und bequemer als die Sclaven. Die freien Far: bigen genießen des letztern Vortheils ebenfalls, und wenn ſie ſich nicht ſtaͤrker vermehren, als die Sclaven, ſo mag dieß zum Theil darin ſeinen Grund haben, daß viele darun— ter in die Klaſſe der Weißen uͤbertreten. Denn obwohl in den reichen Staͤnden uͤber die Abkunft genau gewacht wird, ſo iſt dieß unter dem gemeinen Volke doch keineswegs der Fall, und ſobald ſich die afrikaniſche Geſichtsbildung und Farbe verwiſcht hat, gilt jeder Freie fuͤr einen Weißen, was umſomehr geſchieht, da der Strom der Civiliſation ſich be— ſtaͤndig von Oſten gegen Weſten bewegt und man in den hintern Diſtricten uͤber die Abſtammung eines Eingewander— ten nicht genau nachkommen kann. Ehe wir die Vereinigten Staaten verlaſſen, moͤchten wir die Aufmerkſamkeit der Phyſiologen auf einige ſonderbare Ano— malien ihrer Lebensſtatiſtik lenken. In Europaͤiſchen Bevoͤl— kerungen uͤberſteigt das coexiſtirende weibliche Geſchlecht das maͤnnliche um etwa 5 pCt. (2), während in den Vereinigten Staaten die maͤnnlichen Weißen die weiblichen um 4 PCt. uͤberſteigen. Die einzige Annaͤherung zu einer Erklaͤrung ſcheint in den größeren Proportionen von männlichen Ein: wanderern zu liegen. (In 1820 waren von 7001 Einwan⸗ derern 5042 Männer.) Aber die Angaben über den Betrag fremder Einwanderer ſind ſo unbeſtimmt und auch bei der hoͤchſten Annahme ſo unverhaͤltnißmaͤßig auf die allgemeinen Proportionen einer ſo großen Bevoͤlkerung influirend, daß noch ſehr viel bei dieſem Gegenſtande zu erklaͤren uͤbrig bleibt. Noch mehr aber in Beziehung auf die anderen Claſſen der Americaniſchen Bevölkerung, In der freien farbigen Bevoͤl— kerung der Vereinigten Staaten iſt das Uebergewicht der weib— lichen über die männlichen 6.7 pCt. größer als in Europa, waͤhrend die maͤnnlichen Sclaven die weiblichen um 5 pCt. überfteigen, (Dieſe ſonderbaren Abweichungen verlangen, wie geſagt, weitere phyſiologiſche und ſtatiſtiſche Nachforſchungen.) Wenden wir uns wieder nach Europa und zwar nach Ireland, ſo finden wir daſelbſt ebenfalls ein entſchiedenes Vorherrſchen der landwirthſchaftlichen Bevoͤlkerung, welche ſich zu der induſtriellen verhält, wie ungefaͤhr 8: 3; oder wie 73:27 und auch hier gewahren wir, wie bei dem verwickelten Zu— ſtande der geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe ſo wenig, als bei dem zuſammengeſetzten menſchlichen Organismus, die Ab— weſenheit eines, wenngleich noch ſo gefaͤhrlichen, Uebels die Befreiung von andern vielleicht noch ſchlimmern Leiden ver— buͤrgt. Doch von den chroniſchen und acuten Krankheiten Irelands werden wir hier nicht handeln; der Gegenſtand Tas: 231 iſt zu zart und zu ſchwierig, als daß man ihn nur fo im Vorbeigehen behandeln koͤnnte. Soviel iſt indeß gewiß, daß Irelands ganze Hoffnung auf der Volkserziehung beruht. Solange die Leute nicht leſen koͤnnen, erlangen ſie Alles, was ſie uͤber Religion und Moral erfahren, aus dem Mund ihrer Prieſter, und die ganze Geſchichte legt, ſeitdem die roͤmiſche Prieſterherrſchaft ihr Haupt erhoben, Zeugniß von dem herabgewuͤrdigten Zu— ſtande der Voͤlker ab, deren innere Nacht nur durch die Zau— berlaterne der roͤmiſchen Pfaffen mit blendenden Trug- und Schlaglichtern beleuchtet und nicht durch das reine volle Licht des Himmels aufgehellt ward. Und welchen Einfluß das Papſtthum in Ireland noch jest hat, ergiebt ſich aus dem Umſtande, daß es unter feinen 8,175,238 Einwohnern 6,427,712 Roͤmiſchkatholiſche und nur 852,064 Engliſchhoch— kirchliche, 642,256 Presbyterianer und 21,308 andere Pro— teſtanten zaͤhlt. Aus den Tabellen der Commiſſaͤre, welche ſich auf den Zuſtand des Unterrichtsweſens in Ireland bezie— hen, ergiebt ſich aber, daß ſich die voͤllig Ununterrichteten, d. h. Solche, die weder leſen noch ſchreiben koͤnnen, in den letzten 50 Jahren bei'm maͤnnlichen Geſchlechte von 48 bis auf 35 Proc. und bei'm weiblichen Geſchlechte von 60 bis auf 45 Proc. vermindert haben. Es macht der Regierung Ehre, daß die Militaͤrſchulen in der Art eingerichtet worden find, daß von den 16 — 25 Jahre alten Soldaten, welche bei Weitem die Mehrzahl bil— den, gegenwaͤrtig 66 Proc. leſen und ſchreiben koͤnnen. In Frankreich, wo keine ſolchen Militaͤrſchulen beſtehen, fan— den ſich unter den Conſcribirten des Jahres 1836, abgeſehen von denen, die nur leſen konnten, 49 Proc., welche leſen und ſchreiben konnten, wenngleich, nach Herrn Boulay's Angabe, uͤber die Haͤlfte der Einwohner Frankreichs weder zu leſen, noch zu ſchreiben verſteht. Uebrigens erklaͤrt ſich dieß guͤnſtige Verhaͤltniß bei den Conſcribirten ſattſam aus dem Umſtande, daß ſich unter den hoͤhern Altersclaſſen ver— haͤltnißmaͤßig eine weit geößere Zahl von völlig ununterrich— teten Individuen befindet, als unter den juͤngern. Wenn wir die irelaͤndiſche Bevoͤlkerung mit der nord— americaniſchen vergleichen, ſo ſtellt ſich der verfinſternde Ein— fluß des Papſtthums recht grell dar. Unter den weißen Bewohnern Nordamerica's koͤnnen in den Altersclaſſen uͤber 20 Jahre nur 3.87 Proc. nicht leſen und ſchreiben, wogegen man in Ireland noch volle 40 Proc. ſolcher Ignoranten trifft. Es waͤre intereſſant, wenn man in dieſer Beziehung auch einen Vergleich Irelands mit Großbritannien anſtellen koͤnnte; allein es mangelt uns dazu an den geeigneten Ma— terialien. Es ließen ſich in dieſer Hinſicht lediglich die in dem Berichte des General-Regiſtrator aufgezeichneten Faͤlle benutzen, wo die in die Heirathsregiſter eingetrage— nen Perſonen ſtatt ihrer Unterſchrift ein Kreuz machten, allein viele, die nicht ſchreiben koͤnnen, ſind des Leſens doch mächtig und koͤnnen ſich auf dieſe Weiſe aus der Bibel ꝛc. unterrichten, und dann iſt das Alter der Brautleute oft ſo verſchieden, daß ſich hieraus in Betreff des gegenwaͤrti— gen Umfangs des Volksunterrichts nichts Beſtimmtes ergiebt, während zugleich die Zahl der Heirathen im Verhaͤltniſſe zur Seelenzahl ſo gering iſt, daß ſchon deßhalb auf dieſes Re— 763. XXXV. 15. 232 ſultat kein buͤndiger allgemeiner Schluß gegruͤndet werden kann. Die Protocolle der Commiſſion des Erziehungsra— thes v. J. 1832 und 1843 enthalten allerdings uͤber die moraliſche und intellectuelle Statiſtik vieler Anſtalten, die das Erzieh ungsweſen betreffen, intereſſante Angaben, allein, um danach das Verhaͤltniß der Unterrichteten und Ununterrichte⸗ ten zur Geſammtſeelenzahl auch nur einigermaaßen zu beur⸗ theilen, muͤßten dieſe Materialien weit vollſtaͤndiger ſeyn. Die wichtigſte Frage bei'm Volksunterrichte iſt, inwies fern derſelbe die Zahl der Verbrechen zu vermindern geeignet ſey. Herr Guerrey ſagt in ſeiner ſonſt guten Schrift: Essai sur la statistique morale de la France: „Die Unwiſſenheit wird als die Haupturſache der Verbrechen ge— ſchildert, und dieſe Anſicht iſt gegenwaͤrtig ſo ſehr ein Ge⸗ meinplatz geworden, daß man keine Beweiſe mehr dafür ver⸗ langt. Allein iſt dem auch wirklich alſo?“ Indem er nun das einzige Jahr 1831 zu Grunde legt (ſeine Schrift er⸗ ſchien 1833), ſucht er zu beweifen, daß die Zahl der Ver: brechen durch Unterricht gerade vermehrt werde. Er hat aber weiter nichts bewieſen, als daß es völlig unzulaͤſſig ſey, aus einzelnen Thatſachen auf das Ganze zu ſchließen. Denn hätte er nur das Jahr 1830 oder 1852 mit zu dem Jahre 1831 hinzugenommen, fo würde er gefunden haben, daß je— ner Gemeinplatz voͤllig richtig iſt. Uebrigens muß zugegeben werden, daß der Unterricht, wie jede andere phyſiſche oder geiſtige Faͤhigkeit, ebenſowohl zum Boͤſen, als zum Guten angewandt werden koͤnne, und es fragt ſich alſo nur, wozu iſt er in den meiſten Faͤllen angewandt worden? Die Ant— wort iſt, daß er da, in der Regel, zum Guten angewandt worden iſt, wo der moraliſche Unterricht mit dem intellectuel⸗ len Hand in Hand ging. Denn die Faͤhigkeit zu leſen und zu ſchreiben kann an ſich weder dem Einzelnen, noch dem Ganzen frommen, wenn ſie nicht mit ſteter Beziehung auf hoͤhere moraliſche Zwecke ausgeuͤbt und ſo in eine gute Bahn gelenkt wird. Dennoch darf man nicht uͤberſehen, daß das Leſen immer das Hauptmittel bleibt, um den Einfluß ſolcher moraliſchen Zwecke auszubreiten, waͤhrend das Schrei— ben in dieſer Beziehung erſt unter der Vorausſetzung vieler Zwiſchenbedingungen nuͤtzlich wird. Der Criminalbericht vom J. 1841 eroͤffnet eine wenig troͤſtliche Ausſicht. In England und Wales haben ſich von 1836 bis 1841 die Verbrechen um 24.4 Proc, in Schott⸗ land um 17.96 Proc. vermehrt. Ueber Ireland fehlen, vielleicht gluͤcklicherweiſe, die Angabenz das Gemaͤlde iſt ſo ſchon duͤſter genug. Uebrigens läßt ſich der Sache eine we: niger entmuthigende Anſicht abgewinnen. Durch die Ver: beſſerungen im Polizeiweſen werden eben jetzt eine Menge von Verbrechen entdeckt, die früher verborgen blieben, und auf der andern Seite ſind gegenwaͤrtig die Strafen um ſoviel gelinder, als ſonſt, daß die Magiſtratsperſonen um ſo bereit— williger ſind, jeden Verbrecher vor Gericht zu ſtellen, ſowie die Juries, denſelben zu verurtheilen, daher die Unterſuchungen und DVerurtheitungen ſelbſt dann weit zahlreicher ſeyn würden, als ſonſt, wenn ſich die Zahl der Verbrechen auch nicht ver— mehrt haͤtte. Welche bedeutende Veraͤnderung die engliſche Criminalgeſetzgebung in neueſter Zeit erlitten hat, ergiebt ſich hoͤchſt ſchlagend aus dem Umſtande, daß, wenn die im J. 233 1841 vorgekommenen Verbrechen nach den im J. 1831 gültigen Geſetzen beurtheilt worden wären, ſtatt 80 Todesur— theilen deren 2172 haͤtten ausgeſprochen werden muͤſſen; und wie wirkſam eine milde Geſetzgebung im Vergleiche mit einer blutduͤrſtigen iſt, geht daraus hervor, daß in den Jah— ren 1835, 1836 und 1837, wo auf Nothzucht noch To— desſtrafe ſtand, unter 10 dieſes Verbrechens Angeklagten je— desmal 9 freigeſprochen wurden, waͤhrend in den Jahren 1839, 1840 und 1841 auf einen Verurtheilten nur 2,4 Freigeſprochene kamen. Ferner iſt auch der Umſtand troͤſt— lich, daß die Vermehrung der Verbrechen in der empoͤrend— ſten Claſſe derſelben, naͤmlich den Leib und Leben bedrohen— den Angriffen, nur 9.4 Proc., dagegen in der zweiten Claſſe (gewaltſame Verletzung des Eigenthumsrechts) 42.2 Proc., in der dritten Claſſe (Verletzungen des Eigenthums ohne Gewalt) 36.1 Proc., in der vierten Claſſe (boͤswillige Ver— letzungen des Eigenthums) nur 4.28 Proc. betragen hat, während in der fünften Claſſe (Faͤlſchung und Falſchmuͤn— zerei) eine Verminderung von 4.17 Proc. und in der ſechs— ten Claſſe (Verbrechen verſchiedener Art) eine Vermehrung von 14.13 ſtattgefunden hat. Uebrigens ſind unſere Erfahrungen uͤber dieſe hoͤchſt wichtige Angelegenheit noch nicht ausgedehnt genug, daß wir uns eine entſchiedene Anſicht bilden koͤnnten. Daß die groͤbſten Verbrechen ſich verhaͤltnißmaͤßig wenig vermehrt ha— ben, kann mit darin ſeinen Grund haben, weil ſie noch jetzt mit Todesſtrafe bedroht ſind, waͤhrend der weniger groben Verbrechen ebendeßhalb bedeutend mehr geworden ſeyn duͤrf— ten, weil ſie nicht mehr mit dem Tode beſtraft werden. Wenn dem ſo waͤre, ſo muͤßte uns die offenbare Unzulaͤng— lichkeit der gelinderen Strafen vorſichtig dagegen machen, die Geſetzgebung noch mehr zu mildern, und die Erfahrung duͤrfte lehren, daß die im J. 1831 eingetretene Milderung heilſam, dagegen die im J. 1837 in ihrer Wirkung ſehr zweifelhaft ſey. Moͤge die Regierung dieſer Angelegenheit die gewiſſenhafteſte Aufmerkſamkeit widmen! Naͤchſt der moraliſchen und geiſtigen Statiſtik eines Volkes verdient die phyſiſch-geſundheitliche die größte Beruͤckſichtigung. Allein durch ihre Eroberungen und Colonien hat ſich die engliſche Nation in dieſer Beziehung eine weit uͤber ihr Vaterland reichende Verantwortlichkeit aufgebuͤrdet, die ſich bis China und Peru und alſo weiter erſtreckt, als der alte Dichter die Grenzen der Welt in folgenden Verſen ſteckte: Omnibus in terris quae sunt a Gadibus usque Auroram et Gangem. Wie man dieſer Verantwortlichkeit bis jetzt entſprochen hat, das iſt eine haͤklige Frage, und die Geſchichte giebt auf 763. XXXV. 15. 234 dieſelbe eine grauſige Antwort, indem ſie die aus dem Ehr⸗ geize der Herrſcher und Miniſter, ſowie aus der Habſucht der Privatleute entſprungenen Thaten aufgezeichnet hat. Beide haben ſich wenig darum gekuͤmmert, daß blutige Kriege zur Erreichung ihrer Zwecke fuͤhrten. So wurden Laͤnder erobert und Colonien gegruͤndet, ohne daß man danach fragte, wieviele Menſchen dabei Leben und Geſundheit einbuͤßten, wies viele der Krieg ſchlachtete, oder wieviele das Clima mordete. Solche Dinge laſſen ſich heut zu Tage nicht mehr entſchul— digen. Die Geiſter der Geopferten ſteigen aus ihren Graͤ— bern und zeugen gegen die Thaͤter mit officiellen Beweiſen in der Hand. Solche Beweiſe findet man in den Berich— ten über die Krankheiten, Sterblichkeit und Dienſtunfaͤhig— keitsgruͤnde bei der engliſchen Armee *), und wir wollen da— ruͤber hier kurz berichten, wozu wir uns um ſo mehr auf— gefordert fuͤhlen, als Schriften dieſer Art, welche doch die Reſultate der ausgedehnteſten und muͤhevollſten Unterſuchun— gen uͤber die wichtigſten Gegenſtaͤnde enthalten, gemeiniglich in den Archiven ad acta gelegt und von dem großen Putli— cum faſt gar nicht beachtet worden, ja kaum zu deſſen Kenntniß gelangen. (Schluß folgt.) ieee Ueber die Entſtehung des Nordlichtes hat Herr G. Fiſher der britiſchen Gelehrten-Verſammlung zu Camdridge fol— gende Anſicht mitgetheilt. Das Hauptauftreten der Aurora borea- lis findet am Rande oder an den aͤußeren Graͤnzen der gefrorenen See ſtatt, wo der Proceß der Congelation mit der größten Schnel— ligkeit vor ſich geht. Das Nordlicht iſt ein elektriſches Phaͤnomen und erhebt ſich aus der poſitiven Elektricitaͤt, welche ſich bei der Congelation der feuchten Duͤnſte entwickelt, und aus der als Folge herbeigefuͤhrten negativen Elektricitaͤt der umgebenden Portionen der trocknen Atmoſphaͤre. Es iſt die begleitende Anzeige der durch die Dazwiſchenkunft und Leitungskraft kleinſter gefrorner Theilchen her— beigefuͤhrten Wiederherſtellung des elektriſchen Gleichgewichts, welche Partikelchen vermittelft des Durchganges der Elektricitaͤt leuchtend werden und ſo die Entſtehung der Erſcheinung der Aurora veran— laſſen. Ueber das Schwaͤrmen der Inſecten hat Herr Weſt— wood der zoologiſchen und botaniſchen Section der Verſammlung zu Cambridge einige Bemerkungen mitgetheilt. Nachdem er kuͤrz— lich der allgemeinen Oekonomie der Bienenſtöcke in Beziehung auf Hervorbringung der Koͤniginnen und auf Schwaͤrmen gedacht hatte, behauptete er, nach den analogen Erſcheinungen bei Ameiſen, Muͤk— ken, Termiten u. a. Inſecten: 1) daß das Schwaͤrmen der Inſecten die Vereinigung der Geſchlechter zum Hauptgegenſtande habe; 2) daß Arten in dieſer Hinſicht nicht von andern ſchwaͤrmenden Arten ab— weichen; und 3) daß es die neu ausgekrochenen Königinnen ſeyen, welche die Schwaͤrme anfuͤhren und nicht die alten. *) Reports on the Sickness, Mortality and Invaliding among the troops. (EIER ——— ——— —— — SEHEETTETT h Knochenbruchverbaͤnde: Unmittelbare Anlegung und Erneuerung derſelben. Von Herrn Blandin. Das iſt ebenfalls einer der Gegenſtaͤnde, auf welche Herr Blandin am Oefteſten die Aufmerkſamkeit ſeiner Zu⸗ hoͤrer richtet. Wir wollen einige der allgemeinen Grund—⸗ ſaͤze, welche er neulich bei Gelegenheit mehrerer Knochen— bruͤche in dieſem Bezuge aufgeſtellt hat, wiedergeben. Ei— nige werden der Gegenſtand beſonderer Betrachtungen ſeyn. Einige Wundaͤrzte, unter welchen Herr Lis france, wol⸗ len nicht, daß man unmittelbar zur Anlegung von Knochenbruch— 235 Verbänden ſchreite. Die Gründe, auf die fie ihre Anſicht ſtuͤtzen, verdienen unterſucht zu werden. Der erfte Grund, der ſie zu der Verwerfung des unmittelbaren Anlegens beſtimmt, iſt, daß, wie man ſagt, das Beſtreben der Vereinigung nicht unmittelbar beginne, und daß es folglich nicht nothwendig ſey, die Knochenbruͤche ſogleich zu verbinden. Dieſer erſte Einwurf iſt leicht zu widerlegen; das iſt erſtlich ein Irrthum, wenn man glaubt, das Beſtreben der Vernarbung beginne nicht unmittelbar; die phyſiologiſchen Angaben und die That— ſachen der pathologiſchen Anatomie zeigen das Gegentheil. Außerdem geſchieht die Anlegung von Verbaͤnden nicht ein— zig deßhalb, um die Vereinigung zu befoͤrdern, ſondern haupt— ſaͤchlich, um die Bruchſtuͤcke zuſammenzuhalten und ihrer Be— weglichkeit und den Verletzungen, die daraus entſtehen koͤnn— ten, wie, z. B., die Reizung, die Zerreißung der umgebenden Gewebe durch die Bruchſtuͤcke, vorzubeugen. Beſonders in dieſem letzteren Puncte ſind die Verbaͤnde gleich vom Anfange vortheilhaft, und, das iſt allerdings wahr, erſt ſpaͤter tragen ſie als Haltmittel zu dem Beſtreben der Vereinigung bei. Die gebrochenen Glieder werden der Sitz einer mehr oder minder betraͤchtlichen Anſchwellung; daher, ſagt man, eine Zuſammenſchnuͤrung, welche zu bedenklichen Zufaͤllen Veranlaſſung geben kann. Das iſt der Grund des zweiten Einwurfes, den man der unmittelbaren Anlegung entgegen— ſtellt. Aber man iſt von dieſem Umſtande im voraus unter— richtet und verfaͤhrt demzufolge: man macht den Verband nicht ſehr feſt und hat auf denſelben Obacht. Man legt uͤbri— gens nur einen proviſoriſchen Verband an; der Hauptver— band wird erſt dann angelegt, wenn die erſten Zufaͤlle geho— ben oder nicht mehr zu fuͤrchten ſind. Der proviſoriſche Verband verlangt zwar eine große Obacht, ſeine Nothwendig— keit aber ift unbeſtreitbar. Fuͤr uns, die wir den nicht abzuneh— menden Verband anwenden, iſt die Unterſcheidung zwiſchen proviſoriſchen und feſten Verband ſehr beſtimmt. Den al— ten, gewoͤhnlichen Verband wenden wir als proviſoriſchen, und den Kleiſterverband als letztern an. Dieſer letztere wuͤrde ohne Zweifel unpaffend ſeyn, wenn er ſogleich vom Anfange an angelegt wuͤrde. Dann haͤtte man Grund, uns dieſen Vorwurf zu machen, wenn wir ſogleich den unbeweglichen Ver— band anlegten, wie es einige Wundaͤrzte nach unſerer Anſicht mit Unrecht thun. Man hat auch wirklich in Folge der fruͤhzei— tigen Anlegung des unbeweglichen Verbandes in einigen Faͤl— len den Brand und andere ſchwere Zufaͤlle, welche man der Methode der unmittelbaren Anlegung zur Laſt legt, ſich ent— wickeln ſehen. Aber dieſe Zufaͤlle ereignen ſich niemals bei unſerer Methode. Ein Wort uͤber die Abnahme des Verbandes. Bei den Knochenzertruͤmmerungen nehmen wir häufig den proviſo— riſchen Verband ab, ſelbſt alle vierundzwanzig Stunden, wenn es noͤthig. Wenn wir aber einmal den unbeweg— lichen Verband angelegt haben, ſo erneuern wir ihn in dem ganzen Verlaufe der Behandlung hoͤchſtens einmal, oder wir nehmen ihn gar nicht ab. Es giebt in'sbeſondere Fälle, wo man ihn nie abnehmen darf, wie, z. B., die Bruͤche des radius oder des Wadenbeins. Solange man aber bei an: dern Knochenbruͤchen ſieht, daß die Richtung des Gliedes gut 763. KXXV, 15. 236 ift, iſt es unnuͤtz, den Verband zu erneuern. Was die lee: ren Raͤume betrifft, die ſich in dem Verbande nach ſeiner vollſtaͤndigen Abtrocknung bilden, ſo haben ſie keinen Nach— theil und geben zu dem Entſchluſſe, ihn zu erneuern, kein hinreichendes Motiv ab. Einige Wundaͤrzte, und wir gehoͤren zu dieſer Reihe, wenden Schutzſchienen an, die ſie ſo lange an der Stelle liegen laſſen, bis der Verband genug abgetrocknet iſt, um allein hinreichend zuſammenhaltend zu ſeyn. Wenn man den Verband von dem Augenblicke ſeiner Anlegung an ſich ſelbſt uͤberlaſſen wuͤrde, ſo wuͤrde er wirklich große Gefahr laufen, ſich durch die Bewegungen und die Zuſammenziehun⸗ gen der Muskeln zu verruͤcken. Dieſe Vorſicht iſt alſo von unbeſtreitbarem Nutzen. Indeſſen erhoben ſich in der Zeit, als wir zum erſten Male den Nutzen dieſes Verfahrens vor der Academie der Medicin, bei Gelegenheit des Berichtes uͤber die Methode des Herrn Seutin in Bruͤſſel, darlegten, faſt alle Wundaͤrzte gegen dieſe Anſicht. Herr Seutin behaup⸗ tete damals, die Pappſchienen waͤren hinreichend. Wir ha⸗ ben nichtsdeſtoweniger unſer Verfahren fortgeſetzt; wir legen immer ſolide Schutzſchienen an, welche wir ſo lange liegen laſſen, bis der Apparat vollſtaͤndig getrocknet iſt, und wir ſind immer mit dieſem Verfahren zufrieden geweſen. Eine an: dere Vorſicht, welche wir fuͤr die unteren Glieder empfehlen, iſt, ſie ein Wenig erhoben zu halten, aus dem doppelten Zwecke, die Circulation zu erleichtern und den Zutritt der Luft zu beguͤnſtigen, um das Trocknen zu beſchleunigen. (Gaz. des Höpit., Avril 1845.) Ueber eine neue Form von aneurysma varicosum. Von M. A. Bérard. Die Schriftfteller unterſcheiden zwei Arten dieſes Uebels, den varix aneurysmaticus, bei welchem eine unmittelbare Communication zwiſchen der Vene und der Arterie vorhan— den iſt, und das aneurysma varicosum, wo zwiſchen den beiden Gefaͤßen eine Geſchwulſt ſich findet, welche von dem angraͤnzenden Zellgewebe umgraͤnzt wird. Folgender vom Verfaſſer beobachteter Fall iſt eine Varietaͤt der zweiten Art, denn die aneurysmatiſche Geſchwulſt bildete, ſtatt eines Com— municationsweges zwiſchen den beiden Gefaͤßen, eine Art von diverticulum an der nicht an der Arterie anliegenden Ve— nenwandung, waͤhrend die andere Wandung eine Oeffnung darbot, durch welche die Vene mit der Arterie in Verbin— dung ſtand. Fall. — Einem 40jaͤhrigen Manne wurde bei'm Aderlaſſen die a. brachialis geoͤffnet. Trotz der ſofortigen Application eines Druckverbandes bildete ſich eine weiche, fluctuirende, mit der Arterie iſochron pulſirende Geſchwulſt, welche durch Compreſſion der a. brachialis in der Mitte des Arms theilweiſe reponirt werden konnte, worauf dann die Pulſationen aufhoͤrten und in der Geſchwulſt nur ge⸗ ronnenes Blut uͤbrig geblieben zu ſeyn ſchien. Der Eintritt des Blutes in den Sack war von einem deutlich hörbaren Reibungsgeraͤuſche begleitet. Ein ſehr lautes Rauſchen zog 237 fih an den Venen gegen den Vorderarm hin 8 — 10 Centi⸗ meter weit, und — wiewohl weniger ſtark — auch nach Oben gegen den Oberarm hin. Das an dieſen verſchiede— nen Stellen angelegte Ohr vernahm das fuͤr den Eintritt des arteriellen Blutes in die Venen pathognomoniſche Geraͤuſch. Herr Bérard entleerte zuerſt den Sack von flüffigem Blute und zahlreichen faſerſtoffigen Blutgerinnſeln und applicirte dann eine Ligatur an dem oberen Ende der Arterie, 2 Gens timeter von der Stelle entfernt, wo er das Blut aus dem Grunde der Wunde hervorkommen ſah. Trotz der ſogleich zuſammengezogenen Ligaturſchlinge aber fuhr das Blut zu fließen fort, ſchwarz, wenn man die a. brachialis an ih- rem Urſprunge comprimirte, zugleich arteriell und venoͤs, wenn man die Compreſſion ausſetzte. Da dieſer Umſtand zeigte, daß ein Ruͤckfluß des Blutes durch die aa. colla- terales und articulares ſtattfand, fo erſchien die Unter: bindung des unteren Arterienrandes noͤthig. Bei der ſehr erſchwerten Ausfuͤhrung derſelben fand ſich Folgendes: in der Tiefe zeigte die Arterie an ihrer vorderen Seite eine große, faſt queere Wunde, welche uͤber die Haͤlfte des Umfanges des Gefaͤßes einnahm. Vor der Arterie zeigte ſich die dicht an jener anliegende Vene, welche an ihrer hinteren Wandung gleichfalls eine Wunde darbot, welche der Arterienwunde ganz aͤhnlich ſah und genau derſelben gegenuͤberlag. An der vorderen Venen— wand zeigte ſich gleichfalls eine zweite Wunde von derſelben Form und denſelben Dimenſionen, wie die erſte; endlich vor der Vene befand ſich der aneurysmatiſche Sack, welcher mit der Vene durch die vordere Wunde derſelben communicirte, ſo daß er das aus der Arterie ihm zufließende Blut nur mittelbar erhielt. Vene und Arterie adhaͤrirten unterhalb der Stichwunde ſo feſt aneinander, daß ſie in einer einzigen Ligatur zuſammengefaßt werden mußten; das Blut hoͤrte ſogleich auf zu fließen, Verlauf guͤnſtig, vollſtaͤndige Heilung binnen kaum 2 Monaten. Herr Bérard glaubt, daß dieſe Form des aneurysma haͤufiger vorkommt, als dieje— nige Varietaͤt, wo zwiſchen Arterie und Vene eine interme— diäre Geſchwulſt ſich befinden fol. (Gaz. med. de Paris, No. 23. 1845.) Ueber die Anwendung berauſchender Gaben des Alkohol bei traumatiſchem Starrkrampfe. Von J. M. Stapleton. C. P., Dienſtknecht, 17 Jahre alt, erhielt am 24. Dec. durch eine Haͤckſelmaſchine eine oberflaͤchliche zerriſſene Wunde an der Palmarflaͤche und dem aͤußeren Rande des carpus der rechten Hand, welche bei einfacher Behandlung bereits in voͤlliger Heilung begriffen war, als am 12. Tage der Kranke von opistothonus und cloniſchen Kraͤmpfen der Hals- und Kinnbackenmuskeln befallen wurde. Das Wund— ſecret hatte zugleich eine uͤbelriechend jauchigte Beſchaffenheit angenommen, und die Wunde war ſehr ſchmerzhaft gewor— den. Trotz der Anwendung von ol. Crotonis, Morphium, Terpenthinklyſtiren, Blaſenpflaſtern u. ſ. w., ſchritt das Ue— 763. XXXV. 15. 238 bel unaufhaltſam fort, und opistothonus und trismus er⸗ reichten bei ungeſtoͤrt bleibendem Bewußtſeyn des Kranken ihren hoͤchſten Grad. Die Lippen waren zu ſardoniſchem Lachen verzerrt, die Augen ſtierten aus ihren Hoͤhlen her— vor, der Puls war 90, ſcharf und huͤpfend, die Haut heiß und trocken und die Wangen hochgeroͤthet. Verfaſſer machte nun einen Verſuch mit dem Alkohol und gab dem Kranken von einer Miſchung von Alkohol und Waſſer zu gleichen Theilen auf Einmal 6 Unzen, und + Stunde darauf noch 4 Unzen. Nach 25 Minuten lag der Kranke — zum Er— ſtenmale ſeit dem Anfalle auf der Seite in tiefem, ruhigem Schlafe ohne stertor oder ein Zeichen von Hirncongeſtion und bei vollkommner Relaxation des Muskelſyſtems. Der Puls war auf 60 gefallen und voller geworden, die Geſichts— zuͤge hatten ihren natürlichen Ausdruck wieder angenommen, und der ganze Koͤrper war von reichlicher Tranſpiration bedeckt. 72 Stunden blieb der Kranke unter dem Einfluſſe des Al— kohol, und das ol. Crotonis bewirkte mehrmaligen, leichten Stuhlgang. Mit der Ruͤckkehr des Bewußtſeyns kehrten die Kraͤmpfe, wiewohl in weit ſchwaͤcherm Grade, als fruͤher, zu— ruͤck, wichen aber alsbald der erneuten Anwendung des Alko— hol. Am Abende des 17. Tages erneute ſich der opisto- thonus, das Athmen wurde beſchleunigt und der Kranke verſchied ruhig, augenſcheinlich in Folge von Erſchoͤpfung. — In dieſem Falle verſchafft der Alkohol große Erleichterung und möchte, vielleicht früher angewendet, die Ausbildung des Starrkrampfes völlig verhuͤtet haben. (Lancet, No. XII 1845.) Ueber die Freilegung des Teſtikels bei parenchy— matoͤſer orchitis. Von Vidal de Caſſis. Es iſt bekannt, daß die Entzuͤndung der Subſtanz des Teſtikels gefaͤhrlichere Zufälle und Folgen, als die epidy- dimitis oder die Entzuͤndung der tunica vaginalis herbeizus führen vermag. Die parenchymatoͤſe orchitis iſt oft von ausnehmend heftigen Schmerzen begleitet, welche einer Art von Einſchnuͤrung, hervorgebracht durch die Reſiſtenz der tu- nica albuginea, zuzuſchreiben ſind, und in dieſen Faͤllen, wo der Schmerz heftig iſt und den gewöhnlichen therapeuti— ſchen Mitteln widerſteht, iſt uͤberdieß der Ausgang in Ders eiterung des Teſtikels zu befuͤrchten. Verf. ſchlaͤgt nun das Bloßlegen des letzteren zur Beſeitigung der heftigen Schmer— zen und zur Verhuͤtung der Eiterung vor. Er ſchneidet Schicht nach Schicht in einer Ausdehnung von ungefaͤhr 15 Centim. die Hüllen des Teſtikels und die tunica albuginea ein und hat dieſes Verfahren 15mal mit Erfolg ausgefuͤhrt. Als Reſultate der Operation giebt Verf. folgende an: Die Entzuͤndung des Hodens zertheilt ſich, die Wunde der fibroͤ⸗ ſen Membran verſchmilzt mit der der ſeroͤſen Membran, der anderen Membranen und der aͤußeren Haut, und eine einzige Narbe vereinigt ſie in'sgeſammt; dieſe Narbe wird endlich linienfoͤrmig und die Stelle der Adhaͤrenz des Teſtikels an den Membranen ſtets ſchwaͤcher; endlich erlangt der Teſtikel 239 feine völlige freie Lage, feinen normalen Umfang und Con⸗ ſiſtenz wieder. (Aus Annales de la chirurgie in Arch. gen. de med. Nov. 1844.) Bericht über die Behandlung des pellagra durch Baͤder. Von C. Calderini. Waͤhrend des Sommers 1843 wurden 352 an pel- lagra Leidende in dem großen Spitale zu Mailand durch Baͤder behandelt. Die letzteren, von einer Temperatur von 27-28, wurden, zu kalte oder regnichte Tage ausgenom— men, taͤglich eine Stunde lang angewendet, dabei reichliche Nah— rung und Sorge fuͤr die Erfuͤllung anderer Heilindicationen. Alle jene Kranken hatten noch genug Kraͤfte, um ſich auf— recht zu erhalten und umherzugehen. Das Reſultat der Behandlung war folgendes: Von 352 Kranken wurden 160 als geheilt entlaſſen, 118 bedeutend gebeſſert, 51 we— nig gebeſſert, 28 ohne Veraͤnderung. Verf. ſchließt aus ſei— nen, bei dieſer Gelegenheit gemachten Erfahrungen, daß die Bäder um fo wirkſamer ſeyen, je regelmaͤßiger man den Ges brauch derſelben alle Jahre wiederhole; daß ſie um ſo ſicherer heilen, je juͤnger das kranke Individuum, und je kuͤrzer die Dauer der Krankheit iſt, wiewohl das erſtere Moment weit einflußreicher, als das letztere, ſey. Er macht ferner darauf aufmerkſam, daß eine große Anzahl der oben bezeichneten In— dividuen das kalte Fieber gehabt hatte, ein Umſtand, der von einigen Aerzten in Abrede geſtellt worden iſt. Das Uebel iſt nach ihm hereditaͤr und ſcheint mit der Syphilis nahe verwandt zu ſeyn. (Aus Ann. univ. di med. in Gaz. méd. de Paris, No. 47. 1844.) Miscellen. Einen Fall von Nekroſe der beiden Knochen des Vorderarms hat Hr. Gaillard in dem Bull. de la Soc. de med. de Poitiers in Gaz. méd. No. 21 1845 bekanntgemacht. Bei einem jungen Menſchen von 20 Jahren entwickelte ſich etwa 7 Mo— nate nach einem Sturze vom Pferde eine betraͤchtliche Anſchwellung des Elnbogens, von lebhaften Schmerzen begleitet. Bei feinem Ein: tritte in's Hoſpital zeigte ſich der ſtark angeſchwollene Elnbogen von 7 fiſtuloͤſen Oeffnungen durchbohrt, der Arm war dabei ſehr abgemagert. Die Sonde drang durch die Fiſtelgaͤnge bis auf die entblößten Knochen ein, welche ſich ſehr rauh anfuͤhlten. Nachdem einen Monat hindurch innere Mittel ohne Erfolg angewendet wor« 763. XXXV. 15. 240 den waren, fuͤhrte Hr. Gaillard die Reſection des Elnbogens aus. Ungefaͤhr 20 Tage nach der Operation entwickelte ſich eine ausgebreitete phlegmonoͤſe Entzuͤndung, das Fieber nahm zu, die Diarrhoͤe und die Eiterung untergruben die Kraͤfte des Kranken, und bei der drohenden Lebensgefahr entſchloß ſich Hr. Gaillard, den Vorderarm durch einen einzigen Biſtouriſchnitt zu entfernen, wodurch das Leben des Kranken gerettet wurde. Beide Knochen des Vorderarms waren ihrer ganzen Laͤnge nach nekrotiſch und mit einer neu gebildeten Knochenmaſſe bedeckt, welche dem verknoͤcherten Perioſt oder wenigſtens den zwiſchen demſelben und den alten Knochen ſecernirten plaſtiſchen Fluͤſſigkeiten angehoͤrte. Dieſes an mehrern Stellen perforirte und unvollſtaͤndige Knochengehaͤuſe bildete dennoch zum größeren Theile eine vollkommene Scheide. Dieſelbe beſtand aus einem zelligen und ſpongioͤſen Areolargewebe, von einer Menge von Gefaͤßcanaͤlchen durchbohrtz das Gewebe war weiß, trocken und bruͤchig, von einer Dicke von 1— 2 Millimeter und von dem alten Knochen faſt allenthalben durch einen Zwiſchenraum von 2—3 Mils limeter entfernt. Der alte Knochen war glatt an feiner Oberflaͤ— che, abgenutzt, corrodirt und an mehrern Stellen durchloͤchert. Ein neues Oſteotom mit zwei Kreisrädern iſt von Dr. Broͤnner angegeben. Ein Vorwurf, den man gewoͤhnlich den Kreisſaͤgen macht, beſteht darin, daß ſie nur ſo tief in den Knochen einſchneiden, als der Radius des Jaſtrumentes iſt, und wenn man daher eine tiefe Inciſton erzielen will, ſo muß man eine Saͤge von betrachtlich großem Durchmeſſer anwenden. Um dieſen Uebelſtand zu beſeitigen, kam Verf. auf die Idee einer Kreisſaͤge mit 2 paral⸗ lelen Raͤdern. Dieſe Saͤge, an welcher jedes Kreisrad den Durch— meſſer eines Zolles hat, dringt 3“ tief in den Knochen ein, waͤh— rend die gewöhnliche Kreisſäge bei gleichem Durchmeſſer nur 1 tief einſchneidet. Das Inſtrument beſtebt aus einem Geſtell von Stahl, 14“ lang, 1“ breit und 1““ dick; der obere Theil deſſelben endet mit einer zungenfoͤrmigen Verlängerung von 1 Länge, einer etwas kleineren Breite und etwa 1% Dicke, welche am Ende von einer zur Aufnahme einer Achſe beſtimmten kreisfoͤrmigen Oeffnung durchbohrt iſt. Zur Rechten jener Verlangerung befindet ſich das eine und zur Linken das andere Rad, welche beiden Raͤder durch die oben angegebene Achſe feſt miteinander verbunden ſind, ſo daß ſie ſich nur zugleich bewegen koͤnnen, wobei ſie einen ſehr kleinen Raum zwiſchen ſich laſſen. Das rechte, zum Durchſaͤgen des Kno⸗ chens beſtimmte Rad wird durch 3 Raͤder mit ineinander greifen⸗ den Zaͤhnen bewegt, welche miteinander in Verbindung ſtehen und zuletzt mit einem großen gezahnten Rade communiciren, welches der Operateur mittels einer elnbogenfoͤrmigen Spindel in Bewegung ſetzt. Der Griff des Inſtrumentes iſt 5“ lang und 13“ breit; zur Linken des letzteren befindet ſich ein Stüspunct, welcher dazu dient, daſſelbe an den Theilen, auf welche es wirken ſoll, zu fixiren. Ueber Purpura haemorrhagica hat T. S. Wells vor Kurzem einen Fall beobachtet, welcher von Dr. Laycock zur Kenntniß des zu Cambridge verfammelten Gelehrten-Vereins ger bracht wurde. — Der Kranke war ein tuͤchtiger, ſtarker Matroſe, welcher 8 Tage, nachdem ſich die erſten Symptome gezeigt hatten, ſtarb. Es fand ſich eine Blutergießung in dem Hirnventrikel und auch unter der aͤußeren ſeroͤſen Bedeckung des Herzens, von welcher ſeltenen Erſcheinung eine Zeichnung verfertigt worden war und der Verſammlung vorgezeigt wurde. Bibliographisce Neuigkeiten. Voyage au Pole sud et dans l'Océanie sur les corvettes l’Astrolabe et la Zelee, exécuté par ordre du roi pendant les années 1837, 1838, 1839 1840, sous le commandement de M. J. Dumont- d' Uroille. Botanique, par MM. Hombron et Jacquinot. Tome I. Plantes cellulaires, par M. C. Montagne. Paris 1845. Recherches sur la dilatation des liquides, "These de physique, par W. Isidore Pierre. Paris 1845, 8. Memoires et observations cliniques de médecine et de chirurgie, par L. Morand, Paris 1845. 8. Essai medical sur l’abus et le danger des expectorans au début et dans le cours de la phthisie pulmonaire, par Alex. Bou- mard. Paris 1845. 8. Neue Notizen a us dem Gebiete der Hatur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 764. (Nr. 16. des XXV. Bandes.) Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Auguſt 1845. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 Ng. oder 3 sh 30 7%, des einzelnen Stuͤckes 3 9% Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 85. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 85. an | Me Ueber Bevölkerung und Sterblichkeit (vorzüglich Großbritanniens). (Schluß.) Die fraglichen Documente befinden ſich natuͤrlich auf dem Kriegsbuͤreau, wo ſie auf Veranlaſſung und unter der Direction des Lord Ho wick, unter ſpecieller Leitung des Oberſtlieutenannts Tulloch und Dr. Marſhall, aufgeſetzt wurden, ſowie in den Expeditionen der beiden Parlaments— haͤuſer. In England ſelbſt ſcheinen die Fußgarden am Haͤrteſten mitgenommen zu werden, da bei ihnen die jaͤhrliche Sterb— lichkeit 21.6 Promille und die Zahl der alljaͤhrlich als dienſt— unfaͤhig entlaſſenen Individuen 36.4 Promille betraͤgt, waͤh— rend wir bei den Dragonern und Gardedragonern die Sterb— lichkeit nur zu 132, und die Dienſtentlaſſungsfaͤlle nur zu 26.3 Promille finden. Nach den ſorgfaͤltigſten Unterſuchungen hat ſich der Grund dieſer bedauernswerthen Beſonderheit nicht ermitteln laſſen. Die naͤchſte Urſache findet ſich aller— dings in Lungenkrankheiten; allein dieß giebt uͤber die eigent— liche Veranlaſſungsurſache keine Auskunft; denn bei den Ci— viliſten iſt die Sterblichkeit an demſelben Orte nicht halb ſo bedeutend. Unſerer Anſicht nach nimmt man zu Recruten zu junge Leute, deren Conſtitution ſich noch nicht gehoͤrig befeſtigt hat, und ferner haben dieſe von Gold ſtarrenden Soldaten ungewoͤhnlich viel Dienſt bei Nacht zu thun. Da in der Linieninfanterie beſtaͤndig Garniſon-Wechſel vorkommen, ſo laͤßt ſich auf den langen Zeitraum, welchen jene Bericht— Documente umfaſſen, in Bezug auf ſie nichts Sicheres er— mitteln; allein nach in Ireland vom Jahr 1797 bis 1828 angeſtellten Beobachtungen betrug die Zahl der kranken In— fanteriſten durchgehends verhaͤltnißmaͤßig um & auf's Tauſend mehr, als die der kranken Cavalleriſten, was wahrſcheinlich daher ruͤhrt, daß jene bei Nacht mehr Dienſt zu verrichten und auch beim Exerciren, ſowie auf dem Marſche, ſtaͤrkere Anſtrengungen zu erdulden haben. Nach ſorgfaͤltigen Unterſuchungen, deren N. 1864. — 764. R „n DR, Einzelnheiten wir hier uͤbergehen muͤſſen, ergiebt ſich nun das erfreuliche Reſultat, daß in dem gemäßigten Clima Eng: lands unter den Soldaten verhaͤltnißmaͤßig keine groͤßere Sterblichkeit und Kraͤnklichkeit vorkommt, als bei den glei: chen Altersclaſſen der mit koͤrperlichen Arbeiten befchäftigten Civiliſten. Wir wollen nun dem Soldaten in fremde Climate fol— gen und zwar zuerſt ein Bataillon von 1000 Mann in Weſtindien in's Auge faſſen. Von dieſen ſind am Ende eines Jahres 98 todt, während im Vaterlande nur 14 geftorben ſeyn wuͤrden. Jeder einzelne Soldat der Garniſonen auf den Inſeln unter und über dem Winde iſt binnen 26 Wochen durchſchnitt— lich einmal im Hofpital geweſen (im Vaterlande nur binnen 13 Monaten einmal), obwohl die Aufnahmen in's Hoſpital verhaͤltnißmaͤßig ſeltener ſind, weil weniger Patienten wie— derhergeſtellt werden, indem immer einer unter 18 ſtirbt, waͤhrend in England erſt der 76ſte mit Tode abgeht. In den Jahren 1817 — 1837 ſtarben auf jenen Inſeln von den weißen Soldaten jaͤhrlich 133 Promille. Von den ſchwar— zen kamen 820 Promille jaͤhrlich in's Hoſpital und 40 ſtar— ben, ſo daß die Sterblichkeit unter dieſen letztern wenigſtens dreimal ſo ſtark iſt, als unter den eingebornen Soldaten in Oſtindien. Noch trauriger lauten die Berichte über Jamaica. In das Spital wurden dort allerdings weniger Leute, (nur noch einmal ſoviel, als in England) aufgenommen, aber vorzuͤglich deßhalb, weil ſo wenige wieder herauskamen, in— dem jaͤhrlich 143 Promille ſtarben, ſo daß nach 7 Jahren das ganze Regiment (1000) dem Tode verfallen iſt. Auf Jamaica ſtirbt alſo jaͤhrlich der ſiebente, in England nur der vierundſiebenzigſte Mann. Wir fragen: Welche Zwecke der Macht oder des Ge— winnes koͤnnen eine ſo furchtbare Aufopferung von Geſund— heit und Leben rechtfertigen, zumal da man ſich jetzt nicht, wie in der Vorzeit, mit Unwiſſenheit entſchuldigen kann? Denn Jahrhunderte lange Erfahrung hat dieſe Umſtaͤnde zur vollen Gewißheit gebracht und jede Hoffnung auf die Moͤglichkeit der Beſeitigung des Uebels zu Schande gemacht. 16 243 Von 1803 bis 1836 find jaͤhrlich 127 Promille geſtorben; allein ſo lange man Jamaica kennt, wußte man von dem moͤrderiſchen Clima dieſer Inſel zu erzaͤhlen. Im Jahre 1685 ſtarben dort waͤhrend der ungeſunden Jahreszeit jede Woche durchſchnittlich 140 Soldaten, und einige Jahre ſpaͤ— ter waren von 800 Mann neuangekommener Truppen nach 14 Tagen nur noch zwei Dritttheil am Leben. In den Schilde— rungen der Peſtſeuchen finden wir immer, daß ſich die, welche von der Krankheit verſchont geblieben, aͤußerſt gleichgültig ge: gen die um ſie herfallenden Opfer gezeigt haben, und die— ſelbe Gleichguͤltigkeit gewahren wir bei denen, welche ſicher zu Hauſe ſitzen und jaͤhrlich Tauſende ihrer Mitmenſchen nach Weſtindien ſchicken, von wo aus die, welche mit dem Leben davon gekommen ſind, aber an ihrer Geſundheit be— deutend gelitten haben, unmittelbar nach Canada transportirt werden, wo der Schnee 5 Monate lang 3 — 4 Fuß hoch liegt und das Thermometer bis 62° unter den Gefrierpunct fällt, wo binnen 12 Stunden der Temperaturwechſel oft 70° betraͤgt und wo die Intenſitaͤt der Kaͤlte nicht immer gemeſſen werden kann, weil das Queckſilber in dem Barometer gefriert. Aber ſo traurig auch das Gemaͤlde iſt, welches unſe— rem Blicke in Weſtindien begegnet, ſo iſt es doch gegen das, welches wir an der Weſtkuͤſte Africas, in Sierra Leone, gewahren, noch ſehr heiter. Dort war binnen 18 Jahren die Sterblichkeit 483 Promille; an der Goldkuͤſte aber waͤh— rend eines Zeitraumes von 4 Jahren 668 Promille. Dieſe furchtbare Sterblichkeit mußte jedoch ſelbſt auf die gleichguͤl— tigſte Regierung Eindruck machen, und deßhalb wurden im Jahre 1828 die weißen Truppen von der Goldkuͤſte entfernt und auf die Inſel Fernando Po uͤbergeſiedelt, welche man ihres angeblichen Gefundheitsgemäßen Zuſtandes wegen wählte, die ſich aber ebenſo verderblich zeigte, ſo daß auch dieſe Sta— tion im Jahre 1834 aufgegeben ward. Man muß ſich aber wirklich daruͤber wundern, daß nicht gleich, nachdem die erſten Jahre unter jenen 18 Jah— ren ſo traurige Ergebniſſe geliefert hatten, ſelbſt wenn keine fruͤhern Erfahrungen vorgelegen haͤtten) die Station Sierra Leone von allen weißen Truppen geraͤumt und entweder ganz aufgegeben ward oder nur mit ſchwarzen Truppen beſetzt blieb, die das Clima beſſer vertragen. Was Oſtindien betrifft, ſo fehlt es an umfaſſender Aus— kunft, und zwar wohl aus derſelben Urſache, aus der es in Bezug auf unſere Infanterie in England daran gebricht, naͤmlich weil dort eine ſo haͤufige Verſetzung der Truppen ſtattfindet, daß ſich fuͤr dieſelbe Garniſon die durchſchnitt— liche Sterblichkeit vieler Jahre nicht hat ermitteln laſſen. Doch liegen Documente genug vor, die die Maaßregeln be— klagen laſſen, vermoͤge deren die britiſche Herrſchaft uͤber Oſtindien mit Aufopferung der Geſundheit und des Lebens von Millionen von Britten erkauft worden iſt. Auf Ceylon kam binnen 20 Jahren jeder Soldat alle 7 Monate einmal, alſo ungefaͤhr noch einmal ſo oft, wie im Vaterlande, unter aͤrztliche Behandlung, und die Sterb— lichkeit war dort etwa 5mal ſo ſtark, als hier. Im Birmaniſchen Reiche wurden nach der beklagens— werthen Eroberung von Rangun am 25. April 1824 vier 764. XXXV. 16. 244 Regimenter an's Land geſetzt, die zuſammen 2,716 Mann ſtark waren, und von dieſen ſtarben bis zum 25. Maͤrz 1825, außer denen, die im Kampfe blieben oder in Folge von Verwundungen mit Tode abgingen, 1,215 an Krank-⸗ heiten. Allein durch die Eroberung Rangun's wurden die Provinzen von Tenaſſerim dem ungeheuren Reiche der oſtindiſchen Handelsgeſellſchaft einverleibt. Wo will das end— lich hinaus? Selbſt in Weſtindien haͤtte man das Uebel beſchraͤnken koͤnnen. Auf Antigua und Monſerrat war die Sterblichkeit nur 40 Promille; allein Guiana mußte erobert werden, wo ſie binnen 20 Jahren alljaͤhrlich 84 Promille betragen hat. Im Oriente ſtirbt ferner auf Isle de France und Bourbon jaͤhrlich nur 1 Mann unter 45, fo daß die dortige Mortas lität ziemlich der im Vaterlande gleichſteht; allein Ceylon mußte erobert werden, damit man dort ſeit 20 Jahren all— jaͤhrlich 75 Promille oder von 13 Mann einen verloͤre. Doch ſelbſt auf dieſer Inſel befindet ſich ein Ort, die Halb— inſel Galle, welche uͤber eine engl. Meile im Umfange hat und die Einfahrt in eine geraͤumige Bucht beherrſcht, wo— ſelbſt die Sterblichkeit binnen 17 Jahren jaͤhrlich nur 23 Promille betragen hat, obwohl die Kranken von anderen Sta— tionen dahin geſchickt wurden, ſo daß die Sterblichkeit unter der eigentlichen Garniſon dort nicht groͤßer geweſen ſeyn kann, als ſie es in den geſundeſten Climaten zu ſeyn pflegt, obgleich Galle unter allen Britiſchen Stationen dem Aequa— tor am Naͤchſten liegt. Dennoch beſetzt man Trincomalee, wo jaͤhrlich 91, und Badulla, wo jaͤhrlich 97 Promille ſterben! ä Die außerordentlich geſunde Beſchaffenheit des Clima's der Halbinſel Galle iſt eine der merkwuͤrdigſten Anomalien, die ſich aus dieſen intereſſanten Documenten ergeben. Es werden dadurch die Theorieen beruͤhmter Aerzte und die Hy— potheſen der Phyſiologen widerlegt. Wir wollen dieſen Ge— genſtand etwas naͤher betrachten. Das Vorherrſchen der Lungenkrankheiten in Großbritannien und Ireland wird gewöhnlich auf Rechnung der Unbeſtaͤndigkeit des dortigen Clima's, namentlich der haͤufigen und ploͤtzlichen Temperaturveraͤnderungen, geſetzt, weßhalb man als vorbeugen— des und heilendes Mittel einen Aufenthalt an den ſuͤdeuropaͤiſchen Kuͤſten oder auf den Inſeln im Mittelmeere zu empfehlen pflegt. In den uns vorliegenden Documenten findet ſich nun aber nicht nur die Zahl der Sterbefaͤlle, ſondern auch die Art der Krankheit, welche dieſelben herbeigefuͤhrt, angegeben und claſ— ſificirt. In Großbritannien und Ireland ſterben an Lungen— krankheiten jaͤhrlich 8 Promille der Soldaten, in Gibraltar: (J5jaͤhriger Durchſchnitt) 12 Promille; auf Malta (Jjaͤh— riger Durchſchnitt) wurden wegen Lungenſchwindſucht jaͤhrlich 6.7 Promille in's Hoſpital aufgenommen (waͤhrend unter den Dragonern und Gardedragonern in England nur 6.4 Promille wegen dieſer Krankheit unter Behandlung kamen), und es wurden daſelbſt durch Lungenkrankheiten + mehr dienſt⸗ unfäbig, als im britiſchen America. Selbſt unter den Ci: viliſten, welche der Nachtluft nicht in demſelben Grade aus— geſetzt ſind, wie das Militair, betrug auf Malta die durch Lungenuͤbel veranlaßte Sterblichkeit kaum 1 Promille weni— 245 ger und faſt foviel, wie in Schweden, und dies in einem Clima, wo das Thermometer nie auf den Gefrierpunct fällt, wo die Temperatur der Nacht gewoͤhnlich nur um wenige Grade von der des Tages abweicht, und wo ploͤtzliche Ueber— gaͤnge von Wärme zu Kälte ungemein ſelten find. Dage— gen find auf den joniſchen Inſeln, wo ſolche Temperatur— wechſel, ſowie ſtuͤrmiſches Wetter, haͤufig vorkommen und das Clima uͤberhaupt weit unbeſtaͤndiger iſt, Lungenkrankheiten ſowohl weniger haͤufig, als weniger gefaͤhrlich, als auf Malta und zu Gibraltar. Demſelben Character des Clima's wird das haͤufige Vor— kommen von Rheumatismus in Großbritannien und Ire— land zugeſchrieben, und feuchte Kaͤlte gilt fuͤr die Hauptver— anlaſſungsurſache dieſes Leidens. Allein aus den officiellen aͤrztlichen Documenten, welche uns vorliegen, ergeben ſich folgende Thatſachen: Das Clima von Neuſchottland und Neubraunſchweig zeichnet ſich durch ploͤtzliche Temperaturwech— ſel aus, und man kennt Fälle, wo dieſelben binnen 24 Stun— den 52° Fahrenh. betrugen. Die Atmoſphaͤre iſt außeror— dentlich feucht, und das Thermometer ſteht im Winter auf bis 6 oder — 8° Fahrenh. (165 oder — 175 R.). In dieſer Colonie wurden jaͤhrlich 30 Promille der Solda— ten wegen Rheumatismus behandelt; auf Malta und den ioniſchen Inſeln 34 Promille; zu Gibraltar 38 Prom.; auf Isle de France 46 Prom.; in Weſtindien 49 Prom, in Großbtitannien und Ireland 50 Prom. und auf dem Vor— gebirge der guten Hoffnung 57 Promille. So ſehr weichen ruͤckſichtlich der climatiſchen Einfluͤſſe die Thatſachen von den Theorieen ab, und in Betreff ver— ſchiedener unter demſelben Himmelsſtriche liegender Localitaͤ⸗ ten bemerkt man ganz aͤhnliche Anomalien. Ruͤckſichtlich des bedeutendern Vorherrſchens von Fieberkrankheiten in tropi— ſchen Climaten, ſowie daruͤber, daß die gefaͤhrlichſten Fieber intermittirender und remittirender Art ſind, kann kein Zweifel obwalten, und in Betreff der Umſtaͤnde, welche die— ſen Krankheiten den boͤsartigſten Character verleihen, hat bisher nur eine Meinung geherrſcht, daß dieß naͤmlich durch eine heiße und feuchte Atmoſphaͤre geſchieht, die ſtark mit den ſich aus faulenden thieriſchen und vegetabiliſchen Stof— fen entwickelnden Duͤnſten angeſchwaͤngert iſt. Nun ver— gleiche man aber damit die Beſchreibung der Garniſon Moelmyne in den Tenaſſerim- Provinzen. Sie liegt nicht volle 17 Grad vom Aequator; das Thermometer ſteigt im Schatten zuweilen bis 96 und 98°, ja über 100° F. Der Ort liegt auf einer etwa 1 engl. M. breiten Ebene zwiſchen einer Huͤgelkette von 2 bis 3 hundert Fuß Hoͤhe und dem Fluſſe Saluen. Jenſeits der Huͤgelkette erſtreckt ſich eine gewaltige Alluvialebene, die von drei Fluͤſſen bewaͤſſert wird, die der Garniſonſtadt gegenuͤber ineinander muͤnden. Im Norden und Suͤden dieſer Ebene befinden ſich unabſehbare Waͤlder und Geroͤhrichte, kurz die ganze Umgegend iſt im hoͤchſten Grade feucht und mit wuchernder Vegetation bedeckt. Die Atmoſphaͤre iſt in der naſſen Jahreszeit ſo ſtark mit Waſſerdunſt geſchwaͤngert, daß ſich faſt kein Metall vor Roſt ſchuͤtzen laͤßt, daß die Kleider ſich beſtaͤndig feucht an— fuͤhlen, und daß wollne und lederne Artikel binnen einer 764. XXXV. 16. 246 Nacht ſchimmelig werden. Hier ſollten wir alſo, den aͤrzt— lichen Theorieen zufolge, einen Heerd der boͤsartigſten, Fieber zu finden vermuthen, und doch ſchickt man gerade hierher die Kranken von andern Stationen, damit ſie leichter ge— neſen, und die Erfahrung ſprach für dieſe Maaßregel fo ſehr, daß der Obergeneral im J. 1836 dem Medicinalamt zu Madras befahl, entweder zu Moelmyne oder zu Amherſt, welches etwa 9 Meilen davon an der Muͤndung deſſelben Fluſſes liegt, eine Geneſungsanſtalt zu gruͤnden. Auch ka— men von 1833 — 1357 auf dieſer Station weniger durch Fieber herbeigefuͤhrte Sterbefaͤlle vor, als ſich deren unter einer gleichen Anzahl von Truppen in Großbritannien und Ireland ereignet haben wuͤrden. Aehnliche Beiſpiele ließen ſich noch in großer Anzahl anfuͤhren. Die Vorzuͤge der Baconiſchen oder inductiven Philoſophie ſind nie ſo practiſch dargelegt worden, als in den Berichten an das britiſche Parlament und in andern officiel— len Documenten (z. B. denen, von welchen hier die Rede iſt), welche in Betreff des jedesmaligen Gegenſtands der Unter— ſuchungen eine große Menge von Thatſachen zu Tage foͤrder— ten, von welchen alle practiſchen Denker ihre Gruͤnde entnehmen, und nach welchen alle Forſcher ihre Theorieen zu bilden hatten. So hat man, z. B., nach den in Großbritannien fuͤr alle Alters— claſſen der Bevölkerung ermittelten Verhältnißzahlen, nach der Zahl der Geburts- und Sterbefaͤlle unter einer gegebenen Volks— menge, nach den Zahlen der in verſchiedenen Altersclaſſen vor— kommenden Sterbefälle ꝛc. zu ganz Europa die Grundſaͤtze feſt— ſtellen koͤnnen, nach welchen die Probabilitaͤtsrechnungen hinſicht— lich der Lebensdauer der Perſonen von verſchiedenem Alter, Ge— ſchlecht ic. zu machen find ). Das Reſultat iſt eine all— gemeine Herabſetzung der Koften der Lebensverſicherungen gez weſen, ſo daß Jedermann um ſo mehr Veranlaſſung hat, auf dieſe Weiſe fuͤr ſich und die Seinigen zu ſorgen. Fuͤr einen andern Zweig der Wiſſenſchaft, naͤmlich die Heilkunde, hat der Bericht der General-Regiſtratur die wich— tigſten Aufſchluͤſſe geliefert, die von den Herren Farr und Wilde genau zuſammengeſtellt und durch die Fuͤrſorge der Praͤſidenten der Collegien der Aerzte und Wundaͤrzte, ſowie der Apothekergeſellſchaft, dem großen Publicum zugaͤnzlich gemacht worden ſind, ſo daß dadurch eine in der Geſchichte der Wiſſenſchaft beiſpielloſe Menge von Thatſachen fuͤr die Bearbeitung der mediciniſchen Statiſtik vorliegt. Indeß wuͤrde uns die genaue Darlegung dieſer Reſul— tate hier zu weit führen, und wir muͤſſen uns damit begnuͤ— gen, einige Enzelnheiten von allgemeinerm Intereſſe hervor— zuheben. Eine der wichtigſten iſt die Frage ruͤckſichtlich der Zunahme oder Abnahme der leichtſinnig geſchloſſenen Ehen, *) um ein Beiſpiel zu geben, wie verſchieden die Grundlagen ſind, auf die man zu verſchiedenen Zeiten ſolche Berechnungen ſtuͤtzte, wollen wir, z. B., bemerken, daß nach den Tabellen von Dr. Price von 100,000 fuͤnfundzwanzig Jahre alten Indivi—⸗ duen 34,286 das 65ſte Jahr ihres Lebens erreichen würden; nachlHerrn Finlaiſon's im J. 1827 berechneten Tabellen da— gegen 53,950. Ueberdem machte Dr, Price in Betreff des Werthes des Lebens beider Geſchlechter keinen Unterſchied, wäh: rend man gegenwaͤrtig genau nachweiſen kann, daß ein ſolcher wirklich ſtattfindet. 16 * 247 inſofern dieſelbe auf das koͤrperliche Wohlergehen nnd die moraliſche Achtbarkeit der Bewohner eines civiliſirten Lan— des großen Einfluß uͤbt. Den beſten Maaßſtab dafuͤr giebt die Zahl der Perſonen unter 21 Jahren ab, welche Ehen eingehen, und in dieſer Beziehung haben ſich die Verhaͤltniſſe in England nur wenig gebeſſert. Die noch nicht majoren— nen Perſonen, welche in den drei Jahren vor Ende Juni 1841 heiratheten, machten 9.23 Procent der ſaͤmmtlichen Individuen aus, die ſich binnen dieſes Zeitraums verehelich— ten. Die noch nicht majorennen Maͤnner beliefen ſich indeß nur auf etwa „5 der majorennen, waͤhrend das Verhaͤltniß bei dem andern Geſchlechte etwa z war. Uebrigens gewahrt man mit Befriedigung, daß man in dieſer Beziehung gerade in den Kreiſen vorſichtiger geworden iſt, wo man es am Wenigſten erwarten ſollte, und wo zugleich der Mangel an Vorſicht das meiſte Unheil ſtiftet. Wenn man die fruͤher aufgezaͤhlten Grafſchaften betrachtet, in denen die ackerbau— treibende Bevoͤlkerung das Uebergewicht hat, ſo findet man, daß dort 14 Procent ſaͤmmtlicher binnen der drei erwaͤhnten Jahre getrauten Perſonen unter 21 Jahre alt waren, waͤh— rend die Proportionalzahl in den 12 eine ziemlich gleiche Seelenzahl enthaltenden induſtriellen Grafſchaften nur 12 Procent ift. Aehnliche erfreuliche Erſcheinungen ſind in den Berg⸗ werksdiſtricten wahrzunehmen, indem, z. B., in den drei Graf— ſchaften Cornwall, Durham und Stafford, die zuſammen eine Seelenzahl von 2,270,590 beſitzen, die Zahl der vor der Volljährigkeit getrauten Perſonen in obigen drei Jah— ren nur 9.97 Proc. der ſaͤmmtlichen Getrauten, alſo wenig mehr betrug, als das Durchſchnittsverhaͤltniß in ganz Eng— land (9.23), wenngleich dort die Verſuchung zum Eingehen fruͤh— zeitiger Heirathen ſehr ſtark iſt, weil ſich die Juͤnglinge ſchon fruͤh durch ihrer Haͤnde Arbeit ohne Beihuͤlfe der Aeltern ihr Brod verdienen koͤnnen. Die numeriſche Wichtigkeit der Bergleute iſt wohl nicht hinreichend bekannt. In Cornwall und Staffordſhire befchäftigen ſich ziemlich ebenſoviel Leute mit dem Bergbau, als mit dem Ackerbau; naͤmlich in Cornwall mit jenem 25.275 und mit dieſem 26.120, und in Staffordſhire mit jenem 19.735 und mit dieſem 26.120; dagegen betragen in Dur— ham die Ackerbauer nur 13,382 und die Bergleute 17.994. Schließlich noch eine Curioſitaͤt. Man giebt im Al: gemeinen dem andern Geſchlechte ſchuld, daß es ſehr darauf bedacht ſey, ſein Alter zu verheimlichen. Dieß ſcheint jedoch, wenigſtens fuͤr Großbritannien, nicht richtig; denn in dem Berichte uͤber das Alter der Perſonen in Großbritannien lieſ't man, daß unter den Perſonen, deren Alter nicht genau nach— gewieſen worden, nur 13,794 Frauenzimmer, dagegen 132,481 Mannsperſonen ſind. Miscellen. Capocci's Beobachtung über Arago's Idee einer Planetenzone. Die Sonnenflecken, deren meteorologiſche Be— 764. XXXV. 16. 248 deutung immer noch ſehr zweifelhaft iſt, haben zu einer Entdeckung geführt, die böchft merkwuͤrdig ift. Der Director der K. Sternwarte zu Neapel, Capocci, gewahrte nämlich zuerſt am 11. Mai d. J. bei Beobachtung der Sonnenflecken um 81 Uhr Morgens, mit Huͤlfe eines großen Refractors von Cauchoi, einen runden Koͤrper von der hal⸗ ben Größe des Merkurs und bald darnach einen kleineren von 3“ 4 Durchmeſſer, mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit an der Sonnen⸗ ſcheibe voruͤberziehen. — Bald nachber draͤngten ſich allmaͤlig ſehr viele kleine Kügelchen von verſchiedenem Durchmeſſer und mit un gleicher Geſchwindigkeit vor. Sie hatten auch eine rechte Linie oder von jener der Wolken verſchiedene Richtung, indem manche davon der Windrichtung entgegen, andere aber in abwechſelnden Winkeln dahinzogen. Obgleich ihrer nie mehr, als fuͤnf oder ſechs auf einmal an der Sonnenſcheibe voruͤberzogen, ſo wurden doch im Laufe von einer Stunde 102 dieſer Koͤrper gezaͤhlt. — Durch Verſchaͤrfung der Gläfer zeigte ſich, daß die voruͤberziehenden ſphaͤriſchen Körper in einer weit geringeren Entfernung, als vermuthet wurde, von der Erde ſtanden, indem man ihre ungleichen Umriſſe deutlich wahrneh- men konnte. Oft, wenn mehrere dieſer Koͤrperchen in großer Rich⸗ tung nebeneinander zogen, ſchienen die kleineren von den groͤßeren angezogen zu werden, denn offenbar ging die urſpruͤnglich geradlie nige Richtung der erſteren zuletzt in eine krumme uͤber. Am 11. Mai Nachmittags war die Anzahl dieſer Koͤrper ſchon geringer. Den 12. Mai bei abwechſelnder neblichter Witterung wurden ihrer im Ganzen 29 gezaͤhlt. Den 13. Mai zogen innerhalb 5 Minus ten 55 ſolcher Koͤrperchen an der Sonne voruͤber. Den 14. Mai, eine Stunde vor Sonnenuntergang, hellte ſich der regneriſche Him— mel auf, aber keine ſolche Erſcheinung wurde wahrgenommen, ſo wenig als am 15. Mai, welcher ein heiterer Tag war. — Ca: pocci ſchließt daraus, daß des berühmten Arago's vor zehn Jah— ren geaͤußerte Anſicht ſich bewaͤhre, daß naͤmlich „die Exiſtenz einer aus Millionen kleiner Koͤrper zuſammengeſetzten Zone nun außer Zweifel geſetzt ſey, deren Bahnen den Plan der Ekliptik berühren, welchen die Erde vom 11. bis 13. November einnimmt. Es iſt eine planetariſche Welt, die ſich uns erſchließt.“ Von dieſen Koͤr— pern wollen Arago und Capocci auch den Urſprung der Asro⸗ lithen und Sternſchnuppen ableiten. (Malten's n. Weltk.) Ruͤckſichtlich der Fortpflanzung der Auſter hat Hr. Carbonnel der Academie der Wiſſenſchaften in deren Sitzung am 11. Auguſt eine Mittheilung gemacht, die nicht nur den Natur- forſcher, ſondern auch den Gutſchmecker und Staatsoͤkonomen ins tereſſirt, da an faſt allen europaͤiſchen Kuͤſten die Auſtern in einem ſehr bedenklichen Grade ſich vermindern. Hrn. Carbonnel zufolge giebt es an den Kuͤſten Frankreich's nur eine Species, und alle Verſchie⸗ denheiten in der Farbe und Größe hängen nur von zufälligen Um— ſtaͤnden ab. Die Lebensdauer der Auſter iſt durchſchnittlich 10 Jahre, und erſt im dritten wird fie fortpflanzungsfaͤhig. Alsdann läßt fie von Zeit zu Zeit waͤhrend 6 Monate, bei halbgeoͤffneten Schaalen, eine klebrige milchichte Feuchtigkeit fahren, in welcher man mittelſt des Mikroſkops unzaͤhlige Koͤrperchen erkennt, welche die Keime der jungen Auſtern find, Viele dieſer Keime gehen unſtreitig vers loren; aber andere ſetzen ſich auf der Schaale der Mutter, an Klips pen, an Meerpflanzen ꝛc. feſt, und wenn fie nicht vom Sand oder von den Miesmuſcheln, die naͤchſt dem Menſchen ihre furcht⸗ barſten Feinde ſind, erſtickt werden, ſo entwickeln ſie ſich waͤhrend der warmen Jahreszeit, vom April bis September, binnen welcher Zeit die junge Auſter drei deutliche Verlaͤngerungsplatten anſetzt. Die kalten Monate hindurch waͤchſ't ſie nicht. Nach zwei Jahren iſt ſie genießbar. Die auf Meerpflanzen, namentlich dem Ufergraſe, ſitzenden Auſtern ſind diejenigen, welche dieß Fortpflanzungsgeſchaͤft vorzugsweiſe beſorgen, und wenn eine Auſternbank von einem Strome ſuͤßen Waſſers getroffen wird, fo entwickeln ſich die Auſtern in einer weit guͤnſtigern Weiſe, als wenn dieß nicht der Fall iſt, daher, z. B., die Aufternbänfe an der Mündung des Fluͤßchens Leyre fo vorzuͤg— lich ſchoͤne und fette Auſtern liefern. Auf dieſe Beobachtungen ge— ſtuͤtzt, hat Hr. Carbonel zu Agen, weit vom Meere, eine Auſtern⸗ colonie angelegt, die den beſten Fortgang hat, und er ſchlaͤgt vor, dergleichen überall, wo fich eine paſſende Localitaͤt findet, zu gründen. —— ..... CHE 249 764. XXXV. 16. 250 ee ung d e. Fall von Schließung fiſtuloͤſer Oeffnungen des Gaumengewoͤlbes durch eine autoplaſtiſche Operation. Von Herrn Pancoaft. Malek Moore, 30 Jahre alt, aufgenommen in das Spital zu Philadelphia im October 1840, hatte vor 16 Jahren zum Erſtenmale und dann von Neuem 12 Jahre darauf Sy— philis gehabt, in deren Folge eine Perforation des Gaumen— gewoͤlbes von der Größe eines 50 centimes-Stuͤckes ſich gebildet hatte, welche die Sprache und Maſtication behin— derte. Am 28. November fuͤhrte Herr P. die Uranoplaſtie auf folgende Weiſe aus. Nachdem der Kranke dem einfal— lenden Lichte gegenuͤber placirt worden war, ſchnitt Herr Pancoaſt mit einem doppeltſchneidigen an der Spitze ge— kruͤmmten Biſtouri zwei Lappen der Schleimhaut aus, von denen ein jeder die Form eines an der Spitze abgeſtumpf— ten Dreiecks hatte, und von welchen der eine von der rech— ten und vorderen, der andere von der linken und hinteren Seite der Perforation ausging. Die Baſis oder der brei— tere Rand der Lappen war 4“ breit und ſtieß an die Alveo— len; der an der Peripherie der Oeffnung anliegende Stiel derſelben war 3“ breit. Man friſchte nun mit dem Biſtouri den Rand der Oeffnung an und ſcarificirte die Partie der Lappen, welche auf beiden Seiten aneinander gelegt werden ſollten. Die Blutung wurde durch Ausſpuͤlen des Mundes mit alaunhaltigem Waſſer geſtillt. Als man nun zur Ap— plication der Suturen die Lappen ſo wandte, daß ihre Schleim— hautflaͤche zu den Choanen hinſah, ſtießen dieſelben an der Mittellinie dicht aneinander; allein es war noch noͤthig, ſie gegen das Gaumengewoͤlbe hinzudrängen, welches durch ſeine Kruͤmmung ſich einige Linien oberhalb der Vereinigungsebene der Lappen befand. Um dieſen Zweck zu erreichen, fuͤhrte Herr P. 2 mit gutgewichſ'ten Seidenfaͤden verſehene Nadeln vermittelſt der Pincette von Phyſick durch den breiteſten Rand der Lappen, ſo daß das freie Ende jeder Ligatur aus dem Munde heraushing. Die intermediaͤren Schlingen wur⸗ den nun durch das Oehr einer gekruͤmmten Sonde und vom Munde aus durch die Fiſtel und zur Naſe wieder heraus— gefuͤhrt. Man brachte nun unter die beiden Schlingen die Spitze einer ausgehoͤhlten Bougie, welche man dann in die Naſe und durch die mit dem Munde communicirende Oeff— nung hindurchfuͤhrte. Die Enden der Faͤden wurden dann nach der Seite des Mundes hin gezogen, und die Schlin— gen ſaßen gewiſſermaaßen rittlings auf dem Stuͤck Bougie auf, welches man nach Hinten ſo weit hineingeſtoßen hatte, dis es ſich unterhalb der Fiſteloͤffnung befand. Die Lappen wurden nun nach Oben gegen das Gaumengewoͤlbe bis zum Niveau der Bougie hin gedraͤngt und die Faͤden im Munde geknotet. — Um den Folgen der ſtets eintretenden conſecu— tiven Retraction vorzubeugen, waren die Lappen in groͤßeren Dimenſionen, als der Umfang der Oeffnung betrug, ausge— ſchnitten worden. Trotz der genauen Vereinigung der Lap— pen bildeten ſie dennoch noch im Munde nach Unten einen kielfoͤrmigen Vorſprung. Zur Beſeitigung deſſelben fuͤhrte Herr P. eine ſtarke, ſcharf geſchliffene und gekruͤmmte Pal⸗ ladium-Nadel von Vorne nach Hinten durch die Dicke der beiden Lappen und brachte dann auf derſelben einen Faden nach Art der umſchlungenen Naht an, durch welche Vor— richtung die Lappen nun ganz genau aneinanderlagen. Die Enden der Nadeln wurden abgeſchnitten, damit ſie im In— nern des Mundes keine Verletzung bewirkten. — Mehrere Tage hindurch konnte man ſich ein völlig guͤnſtiges Reſul— tat verſprechen; am 6. Tage jedoch wurde der Kranke, in Folge einer Erkaͤltung, von bronchitis befallen, welche heftige Huſtenanfaͤlle berbeiführte. Die ſchon zu Stande ges kommene Vereinigung gab nach, und man mußte die Liga⸗ turen entfernen. Nach Beſeitigung der bronchitis fand man die Oeffnung um die Haͤlfte verkleinert. Der Kranke verließ nun das Spital, indem er ſich ſoweit hergeſtellt fand, daß er ſich keiner zweiten Operation unterwerfen wollte. Der Zuſtand der Oeffnung iſt ſeitdem unveraͤndert geblieben. (Aus the medical Examiner in Gaz. méd. de Paris, No. 26. 1845.) Ueber die Beſchaffenheit der Enden durchſchnitte— ner Arterien und Venen gleich nach der Ver— wundung. Von Amuſſat. Verf. ſchließt einen in der Sitzung der Acad. d. sc. mitgetheilten Aufſatz uͤber obigen Gegenſtand mit folgenden Schlußfolgen: 1) Wenn eine quer durchſchnittene Arterie in einer großen Wunde zu bluten aufhoͤrt, ſo geſchieht dieſes nicht, wie man gewoͤhnlich annimmt, in Folge eines Krampfes, Erethismus oder einer Contraction dieſes Gefaͤßes. 2) Das Stehen der Blutung iſt die Folge eines me— chaniſchen Hinderniſſes, eines Blutklumpens, welcher das Ende des Gefäßes verſchließt und völlig verſtopft. 3) Wenn man eine gaͤnzlich durchſchnittene Arterie be— obachtet, ſo ſieht man zuerſt, wie aus derſelben ein voller Blutſtrom hervorſpringt, und man unterſcheidet oberhalb des Niveau's der Wunde das Ende des hervorragenden Gefaͤßes. Bald darauf bemerkt man einen rothen, kegelfoͤrmigen Vor⸗ ſprung und der Strom nimmt ab; endlich hoͤrt er ganz auf, und man ſieht dann eine kleine, roͤthliche, warzenartige Hervorragung, welche bei jedem Herzſchlage in die Hoͤhe ge— hoben wird. Dieſes iſt der ſpontane Blutpfropf, welchen man auf gleiche Weiſe bei Menſchen, wie bei Thieren, beob— achtet. 4) Dieſer Blutklumpen iſt nicht ein einfacher Pfropf, ſondern eine Art Kappe oder hohler Kegel, welcher mit dem 251 Rande der kuͤnſtlichen Oeffnung und beſonders mit der cel: luloͤſen Membran innig verſchmolzen iſt. Die Arterienroͤhre verlaͤngert ſich demnach in den Klumpen und laͤuft in einen Blindſack aus. Wenn man dieſen coniſchen Klumpen an ver— ſchiedenen Stellen zwiſchen ſeiner Spitze und dem Ende der getrennten Arterie quer durchſchneidet, ſo findet man ein Loch oder einen Centralcanal, deſſen Durchmeſſer in dem Maaße abnimmt, als man ſich von der Durchſchneidungs— ſtelle des Gefaͤßes entfernt. 5) Die Thatſache der Bildung des ſpontanen Blut— pfropfes iſt von hoher practiſcher Wichtigkeit fuͤr den Wund— arzt, denn ſtatt die klaffende Oeffnung eines durchſchnittenen Gefaͤßes, den Compendien gemaͤß, aufzuſuchen, muß er den Pfropf aufſuchen. (Gaz. méd. de Paris, No. 44, 1844.) Ein neues Beiſpiel einer Geburt bei ſchraͤg ver— engtem Becken mit Ankyloſe (der linken Huͤftkreuz— beinfuge) iſt Herrn Prof. Dan yau zu Paris vorgekommen und im Journal de Chirurgie par Malgaigne, März d. J., befchrieben worden. G., 30 Jahre alt, kam 21. Oct. mit kaum eroͤffnetem Muttermunde in die Maternité. Sie hatte ſeit dem 10. Jahre an Coralgie gelitten, es hatten ſich Abſceſſe um das Gelenk gebildet, welche ſich geoͤffnet hatten. Auf der linken Seite war das Huͤftgelenk unbeweglich, und die Kreiſende hinkte. Koͤrpergroͤße 4 Zoll 9 Lin. Bei der Unterſuchung konnte man den Vorberg nicht erreichen, die linke Seiten— wand der Beckenhoͤhle erſchien ein Wenig platter, und der un— terſuchende Finger konnte weniger leicht zwiſchen Kopf und Bek— ken emporgeſchoben werden. Am 28. Oct., 5 Uhr, ſprang die Blaſe, um 6 Uhr war der Muttermund vollſtaͤndig erweitert und hatte 7 Uhr der Kopf den Muttermund paſſixt; der Kopf ruͤckte ein Wenig herab, behielt aber einen ſchiefen und fo weit geneigten Stand, daß man leicht die oberſte Spitze des aͤußeren Ohres erkennen konnte (der Foͤtalherzſchlag hatte vor und nach dem Blaſenſprunge 124 Schlaͤge in der Mi— nute); der Kopf ruͤckte nicht tiefer; das Kindspech ging in Menge ab. Die Ob. Hebamme, Mad. Charrier, legte 10 Uhr die Zange an, die Schließung aber gelang nicht; die Kreiſende wurde in ein Bad gebracht, und Prof. Danyau wurde herbeigerufen; auch er legte die Zange an, brachte ſie zum Schließen und beförderte mit einigen methodiſchen Tractionen den Kopf heraus. Das Kind war anfangs ſcheintodt, ward aber wieder belebt und blieb am Leben. Der Kopf war verlaͤngert und maaß im ſchraͤgen Durch— meſſer 5“ 7“ und im ſchraͤgen 8" 5", im Querdurch— meſſer aber 3“ 1". Abgang der Nachgeburt regelmäßig, und die Woͤchnerin kam in einem „ziemlich guten Zuſtande“ auf ihr Wochenlager. Schon am folgenden Tage wurde ſie aber unter einem Schuͤttelfroſte von einem gerade epidemiſch herrſchenden Puer— peralfieber ergriffen und ſtarb 55 Stunden nach der Ent— bindung. Bei der Section: An der inneren Flaͤche der Schaͤ— delknochen einige Spuren des bekannten Oſteophyts: fonft 764. XXXV. 16. 252 Hirn und Hirnhaͤute, Herz und Lunge dem Weſentlichen nach normal. In der Bauchhoͤhle eine truͤbe Fluͤſſigkeit, doch ohne Eiter und Pſeudomembranen. Die Daͤrme et— was meteoriſtiſch. Gebaͤrmutter wenig zuſammengezogen, auf der Innenflaͤche mit weißlicher, uͤbelriechender Ausſchwiz— zung bedeckt. Kein Eiter in den Waͤnden der Gebaͤrmutter, in den Venen- oder Lymphgefaͤßen. Zerreiß ung der Schaam⸗ fuge, deren beide Seitenwände um 4,7“ voneinander ab- weichen; der Schaamknorpel auf der linken Seite vollkom— men losgetrennt, auf der rechten noch wenig adhaͤrent; eine braͤunliche Fluͤſſigkeit zwiſchen den Schaambeinen und in dem hinter den Knochen liegenden Zellgewebe. Dieſelbe Fluͤſſig— keit in dem Zellgewebe vor der rechten Huͤftbeinfuge, deren vor— derer Rand ebenfalls klafft. Alle Weichtheile, welche das linke Huͤftgelenk umgeben, ſowie diejenigen, welche die aͤußere und innere fossa iliaca dieſer Seite bedecken, in'sbeſondere die mm. iliacus und psoas bis zur Höhe des vierten Len— denwirbels in weißes, fibroͤſes Gewebe umgewandelt und von aͤußerſter Dichtigkeit, daher ſchwer zu ſchneiden und unter dem Skalpelle knirſchend. Bei der Beſchreibung des Beckens unterſcheidet Hr. Dan yau diejenige Veränderung der Knochen, welche uns mittelbar Folge der Coxalgie geweſen (A) (worüber das Ori— ginal nachgeſehen werden kann), von denjenigen Abweichungen der Maaße und Geſtalt, welche dem Becken die Charactere eines ſchraͤgen ertheilten (B), welche hier folgen. B. 1) Die linke Synchondroſe iſt vollkommen ankylo⸗ ſirt, doch ſcheint die Verſchmelzung nicht uͤberall gleich innig zu ſeyn. So bemerkt man kaum eine Spur der Vereinigung an dem— jenigen Theile der Synchondroſe, welcher der Beckenhoͤh le ent— ſpricht. An der vorderen Hälfte des in der fossa iliaca interna gelegenen Theiles der Synchondroſe iſt die Vereinigung noch ſehr wenig auffaͤllig, aber in der hinteren Haͤlfte trennt die beiden Kno⸗ chen nur eine oberflaͤchliche Furche. Der Grad der Verſchmelzung ſcheint genau mit dem Grade der Affection des anliegenden Huͤft— knochens im Zuſammenhange zu ſtehen, fo daß dieſelbe an denjeni⸗ gen Stellen minder vollkommen erſcheint, wo der Knochen ſich we— niger afficirt zeigt. 2) Das Heiligbein iſt augenſcheinlich weniger entwickelt in ſei⸗ ner linken Haͤlfte, als in ſeiner rechten, und dieſe Verſchiedenheit iſt an der vorderen wie an der hinteren Flaͤche dieſes Knochens wahrnehmbar. Die oberen Heiligbeinloͤcher find hier, wie dort, auf der linken Seite kleiner, als auf der rechten. 3) Der linke Sitzbeinausſchnitt iſt merklich enger, als der rechte. Das linke Huͤftbein ſelbſt iſt ein Wenig kleiner, jedoch minder von Vorn nach Hinten, wie dieß bei der Mehrzahl der ſchraͤg verengten Becken der Fall iſt, als von Oben nach Unten, und zwar ebenſo⸗ wohl von der crista ossis ilium zur Baſis dieſes Knochens, oder zur Synchondroſe, als von dieſer bis zum Scheitel des Sitzbeinaus⸗ ſchnittes. Kurz, die Verkuͤmmerung des Huͤftbeines iſt hervorſte— chend rings um die Synchondroſe. Die Verdickung des Knochens, welche am vorderen Theile ſich findet, rührt von der Knochenent⸗ ablagerung in Folge der Knochenentzuͤndung her. 4) Das nach der linken Seite geneigte Kreuzbein iſt mit ſei⸗ nem oberen Theile ein Wenig nach Rechts gedreht und mit ſeinem unteren merklich nach Links. 5 5) Die linke Beckenwand iſt viel platter, als die rechte, die uns genannte Linie iſt auf der linken Seite weniger ausgeſchweift, als auf der rechten. 6) Auf der rechten Seite erſcheint die Krümmung normal, je« doch weit ſtaͤrker hinten, wie vorn. 7) Der Schaambogen ift faft dreieckig (2), der linke Schaam- bogenſchenkel iſt ſchmaͤler, kleiner, geradlinig, ein Wenig zuruͤckwei— 253 chend im Verhaͤltniſſe zum rechten, er liegt zu wenig auswärts, Der rechte Schaambogenſchenkel hingegen weicht nach Außen und zeigt eine ſehr leichte Kruͤmmung. Der linke Sitzknorren iſt merk: lich kleiner, als der rechte. Po wichtigſten Maaße des Beckens und feiner Theile find fol⸗ gende: Kreuzbein. Hoͤhe 0 5 g . . 0,098m = 3“ 7,7" Breite der Baſis 5 0 > f e ee ee. Von der obern Verbindungsflaͤche mit dem letzten Lendenwirbel bis zum oberen Rande der rechten Synchondroſe .. „„ ess e Von der obern Verbindungsflaͤche mit dem letz⸗ ten Lendenwirbel bis zum oberen Rande der linken ankyloſirten Synchondroſe . . 0,0 25m = 1 Höhe der rechten Synchondroſe . „ — 3210 Höhe der linken ankyloſirten Synchondroſe 0,055m = 2“ Von der Mitte des Heiligbeines bis zur lin— ken Synchondroſe in der Hoͤhe der Verbin— dung des 1. und 2. Kreuzwirbels . . 0,0 36m — 1“ 4% Von der Mitte des Heiligbeines bis zur lin— ken Synchondroſe in der Höhe der Verbin⸗ dung des 2. und 3. Kreuzwirbels 0,037m = Von der Mitte des Heiligbeines bis zur rech— ten Synchondroſe in der Höhe der Verbin: dung des 1. und 2. Kreuzwirbels „sm 1“ 8ʃ½ Von der Mitte des Heiligbeines bis zur rech— ten Synchondroſe in der Hoͤhe der Verbin— dung des 2. und 3. Kreuzwirbels . . 0,0 47m = 1“ 8,8"! Huͤftbein. Von der spina posterior su- erior ossis ilium bis zum 0 Serben Rande der e 3 nentia ileopectinea . 0,127 m 48,7“ 0, 130m = 4, 9,7¼ Von der spina posterior su- perior ossis ilium bis zur spina anterior superior Die Breite des Sitzbeinaus⸗ ſchnittes am untern Theile 0,0 38m = 1% 4,9“ 0,51m —1' 5,8““ Beckeneingang Linker ſchraͤger Durchmeſſer 8 0 0% N Rechter ſchraͤger Durchmeſſer 5 © 0,105m = 3“ 10,6'" (Das Oval, welches der Beckeneingang bildet, zeigt fein breiteres Ende vorn und rechts, ſein ſchmaͤleres Ende hinten und links.) Gerader Durchmeſſer 2 8 0,112m = 4“, 1,8“ 17, 4,6" 0,142m =5.', 3" 0,145m = 5. 5,8%" Querdurchmeſſer » 8 . 0,122m = 4 1,810 Linke distantia sacro-cotyloide . 0,065m = 2 5% Rechte distantia sacro-cotyloidea 0,085m = 3 3,4% (Eine gerade Linie, von der Mitte der Verbindungsflaͤche des Kreuz— beins mit dem letzten Lendenwirbelkoͤrper nach Vorn gezogen, ſchnei⸗ Ae linke Schaambein 0,0 22m (=9,8'') von der Schaamfuge entfernt.) Beckenhoͤhle. Gerader Durchmeſſeer » e eee Querdurchmeſſer von der einen Pfanne zur an⸗ deren . . . 3 „ O, sm = u 6“¼% Von einer spina ischiadica zur anderen . 0,08 2m = 3’ 0,““ Beckenausgang. Gerader Durchmeſſer von der Spitze des Kreuz— beins zum Schaambogenſcheitel 0,123m — 4“ 8,6““ Querdurchmeſſer zwiſchen den Sitzknorren 0,100m = 3“ 8,5% Breite des Schaambogens an feiner Baſis. . 0,072u = 2 8,31" Von der Spitze des Kreuzbeines zum linken Sitzknorren . . 8 5 0,064m = 2“ 4“ 764. XXXV. 16. 254 Von der Spitze des Kreuzbeins zum rechten Sitzknorren 8 ER 8 8 . 0,089m — Von der Spitze des Kreuzbeins zum linken Sitzbeinſtachel 8 5 > A . 0,050m = 1’ 10,2““ Von der Spitze des Kreuzbeins zum rechten Sitzbeinſtachel . 5 . 2 „ 0,073 288% Vom linken Sitzknorren zur rechten spina po- sterior superior ossis ilium „ . 0,130m Vom rechten Sitzknorren zur linken spina po- sterior superior ossis ilium 8 0 0,150m = 5“ 6,5“ Vom Scheitel des Schaambogens zur linken spina posterior superior ossis ilium . 0, 170m = 6“, 4,5““ Vom Scheitel des Schaambogens zur rechten spina posterior superior ossis ilium. . 0,160m = 5“ 11’ Betrachtet man das Becken von Vorn, ſo wird man uͤberraſcht von der Verſchiedenheit der Direction, welche die beiden Pfannen zeigen; die linke ſieht merklich mehr nach Vorn, als die rechte. Betrachtet man daſſelbe aber von Hinten, ſo bemerkt man fol— gende Eigenthuͤmlichkeiten: 1) Den Vorſprung, welchen der bins tere ankyloſirte Theil des linken Huͤftbeines vor dem Heiligbeine bil— det; 2) die merkliche Verduͤnnung dieſes Theiles im Vergleiche mit dem entſprechenden Theile des anderen Huͤftbeines, welche um ſo mehr aufhält, als man bei vielen ſchraͤg verengten Becken das Ger gentheil beobachtet hat. (Vergl. Martin's Programm, S. 7); 3) die merkliche Annaherung der spin a posterior su- perior des linken Hüftbeins anden erſtenproces sus spinosus ossis sac ri. 4) Die verſchiedene Richtung der bei⸗ den Fluͤgel des Kreuzbeins, deren rechter merklich breiterer, nach Oben, Hinten und Innen (2), der linke nach Unten, Innen und Hin⸗ ten gewendet iſt. 5) Die ſchon erwaͤhnte geringere Groͤße der bei— den oberen linken Kreuzbeinloͤcher. Endlich bemerkte ich noch an der Leiche, daß die Lendengegend eine leichte Kruͤmmung der Wirbelſaͤule nach Rechts und zugleich un. ſolche Drehung zeigte, daß die Vorderflaͤche der Wirbel nach Links ſah. Das ebenbeſchriebene Becken gehoͤrt zu der Art fehlerhafter Becken, welche Nagel é zuerft unter dem Namen „ſchraͤg vers engte“, beſchrieben hat; der Fehler findet hier in einem maͤßigen Grade ſtatt. — In Betreff der Entſtehung des in Rede ſtehenden Fehlers fragt es ſich nun, ob die Ankyloſe und die Beckenverſchie⸗ bung urſpruͤnglich und die Coxalgie zufällig hinzugetreten iſt, oder nicht im Gegentheile die Huͤftgelenkentzuündung das urſpruͤngliche, die Ankyloſe und Verſchiebung der Beckenknochen das conſecutive iſt? In einem faſt gleichen Falle trägt Nägele (a. a. O. ©. 61.) kein Bedenken, ſich fuͤr die erſte Anſicht auszuſprechen. Unter die⸗ ſer Annahme duͤrfte es mindeſtens ſehr auffallend ſeyn, daß die Anky⸗ loſe und Coxalaie in Naͤgelé's Falle, wie in dem unſrigen, auf der ſelben Seite ſich findet. Eine große Anzahl ahnlicher Thatſachen ſpricht mindeſtens nicht zu Gunſten der Anſicht Naͤgelé's, noch weit mehr aber die Beſchaffenheit der betreffenden Theile. In dem oben beſchriebenen Falle waren die umgebenden Weichtheile, in Folge der vorausgegangenen Entzündung, in ein ſehr feſtes, ſpeckartiges Gewebe umgewandelt, und zwar ganz im Verhältniffe zu den Ver⸗ änderungen des Knochens, beſonders in der Höhe des vordern Thei⸗ les der Synchondroſe; ebendaſelbſt zeigte der Knochen die deut- lichſten Spuren der uͤberſtandenen Knochenentzuͤndung, die Verſchmel⸗ zung war dort ganz beſonders innig, während an denjenigen Stellen, welche von der Entzuͤndung in minder bedeutendem Grade ergriffen zu ſeyn ſchienen, die Ankyloſe minder vollkommen und ausgebildet iſt. Sollte man nun nicht glauben, daß die Entzuͤndung der be⸗ nachbarten Weichtheile die ſo ausgedehnte Knochenentzuͤndung, welche die Synchondroſe nicht verſchonen konnte, Urſache der Ankyloſe gez geweſen ſey? Dieſe Anſicht ſcheint mir mindeſtens ſehr wahrſcheinlich. Martin, welcher dieſe Meinung uͤber die Entſtehung der ſchraͤg verengten Becken überhaupt, nämlich, daß bei diefen die An: kyloſe, als Folge einer Entzündung, der primäre, urſpruͤngliche Feh⸗ ler, die Verkümmerung der umliegenden Theile das ſecundaͤre, end: lich die Verſchiebung des ganzen Beckens das conſecutive ſey, gegen Nägele behauptet hat, macht zugleich die Bemerkung, daß die Verſchiebung des Beckens um fo geringer ſeyn muͤſſe, je ſpaͤter die gu 1 44 1094 I 255 Ankyloſe erworben werde, indem er ſich dabei beſonders auf ein von ihm ſorgfaͤltig unterſuchtes und beſchriebenes Praͤparat aus der anatomiſchen Sammlung zu Halle bezieht. Der maͤßige Grad von Verunſtaltung in unſerem Falle duͤrfte demgemaͤß auf eine Entſtehung des Fehlers in einer Lebensepoche hinweiſen, in welcher die Knochenkerne des Heiligbeins bereits ſaͤmmtlich vorhanden, ja wo ſchon mehrere derſelben untereinander verwachſen geweſen ſind. Und in der That war das fragliche Subject erſt im zehnten Lebensjahre von der Huͤftgelenkentzuͤndung ergriffen. Nimmt man an, daß die in dieſem Lebensalter aufgetretene Knochenentzuͤndung Urſache der Ankyloſe war, ſo ſteht es damit ganz im Einklange, daß die Verkuͤmmerung des Kreuzbeins einen ſo maͤßigen Grad zeigt. — Waͤhrend der Entbindung haben wir den vorliegenden Becken— fehler weder erkannt, noch auch nur geahnet; wir waren in dieſer Hinſicht nicht gluͤcklicher, als andere Geburtshelfer, denn das ſchraͤg verengte Becken ift bis jetzt in einer lebenden Frau noch nicht dia⸗ gnoſticirt worden. Wir konnten nicht verkennen, daß das Becken fehlerhaft geſtaltet ſey, allein gerade der Umſtand, daß eine Krank— heit der Knochen vorausgegangen war, verſcheuchte bei uns den Gedanken an ein ſchraͤg verengtes Becken mit Ankyloſe, weil wir mit Nagels geglaubt hatten, daß dieſer Beckenfehler ein urſpruͤng— licher Bildungsfehler und nicht das Product einer Krankheit ſey. Hätten wir Martin's Anſicht getheilt, fo würde unſere Aufmerk— ſamkeit auf die Moͤglichkeit des Zuſammentreffens, auf die wahr— ſcheinlichen Folgen der vorausgegangenen Entzuͤndung gerichtet worden ſeyn und wir den Fehler um ſo gewiſſer diagnoſticirt haben, als ein von Martin angegebenes pathognomoniſches Zeichen der ſchraͤgver— engten Becken mit Ankyloſe, die Annäherung der spina posterior superior ossis ilium auf der ankyloſirten Seite an die processus spinosi der Kreuzwirbel, vorhanden war und uns augenblicklich bei etwaigem Zweifel Sicherheit gegeben haben würde. Und wer moͤchte hier die aͤußerſte Bedeutung der richtigen Di— agnoſe leugnen? Man denke nur an die bisher faſt immer toͤdt— lichen Ausgänge der Geburten bei ſchraͤg verengten Becken mit An: kyloſe! Wir waren nicht gluͤcklicher, als die übrigen Aerzte, welche mit den Schwierigkeiten zu kaͤmpfen hatten, welche der in Rede ſtehende Beckenfehler mit ſich fuͤhrt. Das Kind wurde allerdings am Leben erhalten, allein die Mutter unterlag; und ihr Leben wuͤrde auch, wenn das epidemiſch herrſchende Puerperalſieber ſie nicht hinweggenommen haͤtte, durch die Zerreißung der Schaamfuge und rechten Huͤftkreuzbeinfuge ſehr beſtimmt in Gefahr geweſen ſeyn. Von dieſer ſchweren Verletzung kann ich mir noch keine genuͤgende Rechenſchaft geben. Weder Madame Charrier, noch ich, haben einen Augenblick auf dem Schluſſe der Zange, der in einer gewiſſen Lage des Inſtrumentes unmoͤglich war, mit Gewalt beftanden; und in Betreff der endlichen Extraction des Kopfes, kann man fuͤr— wahr nicht einem Falle begegnen, in welchem das Anlegen des In— ſtruments, der Schluß deſſelben und die Ausziehung des Kopfes ge— ringere Schwierigkeiten geboten und weniger Gewalt erfordert hät- ten. (Journal de Chirurgie par Malgaigne. 1845. Mars.) Mi ac lie Eine neue Art der Sutur bei Darmwunden giebt Hr. Sely im Journal de la soc. acad. de la Loire inferieure livr. 94 und 95 (1844) an. Er führt eine gewöhnliche, mit einem einfachen gewichſ'ten Faden verſehene Nadel im Niveau und 4 Millim. nach Außen von dem einen Wundrande bis zur entgegengeſetzten Seite deſſelben Wundrandes ein, und dann in der Richtung von Vorne nach Hinten auf demſelben Wege, nur in umgekehrter Rich— 764, XXXV. 16. 256 tung, durch den anderen Wundrand zuruͤck, ſo daß die 4 Stichpuncte die Winkel eines Rectangels bilden, von welchem die Wunde den mittleren Theil in der Richtung des groͤßten Durchmeſſers und der innerhalb der Darmhoͤhle befindliche Theil des Fadens die der Wunde parallel laufenden Seiten ausmachen. Die kleinen, den Winkeln der Wunde entſprechenden Seiten dagegen werden von den außer⸗ halb auf dem Bauchfelle befindlichen Faͤden gebildet, und fuͤr den ei⸗ nen Wundwinkel durch die mittlere Partie des Fadens, fuͤr den anderen durch die zu einfachen Knoten vereinigten Faden deſſelben repraͤſentirt. Bei'm Feſtziehen der auf dieſe Weiſe gekreuzten Faͤ⸗ den fuͤhrt eine jede Wundlefze eine Rotationsbewegung von einem Viertheile des Kreiſes von Seiten des Canals aus, und die ge— naue Annaͤherung wird dann durch einen doppelten Knoten erhal⸗ ten, worauf die Faͤden dicht am Darme abgeſchnitten werden. Die angegebene Sutur hatte, in einem Falle einer doppelten Darm- wunde angewendet, den beſten Erfolg. Verf. giebt noch eine andere Art der Darmnaht an, welche er die Doppelſtich-Naht nennt. Ein gewichſ'ter Faden wird an beiden Enden mit einer gewöhnlichen Na= del verſehen, von denen die eine parallel mit der Wunde, nach Au— ßen und Hinten von der einen Wundlefze, die andere auf aͤhnliche Weiſe an der anderen Wundlefze durchgefuͤhrt wird. Die Faͤden werden dann gekreuzt und die Nadeln von Neuem ſtets durch die Austrittsoͤffnung der Fäden zuruͤck durchgeführt, und zwar fo oft, als es die Größe der Wunde nothwendig macht. Die Fäden wer- den zuerſt an jedem Austrittspuncte und zuletzt in'sgeſammt in eine Schlinge geknotet, wodurch das genaue Aneinanderlegen der Wund— lefzen erzielt wird. Letztere Naht ſcheint befonders für größere Darmwunden geeignet zu ſeyn. 0 Ueber die Wirkſamkeit des valerianfauren Zink- oxyds bei mehren Augenleiden hat Hr. Fario Beobach⸗ tungen in Memor. della med. contempor, in Gaz. med, de Paris, No. 48 1844 mitgetheilt. Er berichtet zuerſt mehrere Faͤlle, in welchen obiges Mittel ſelbſt in ſtaͤrkerer Gabe ganz unwirkſam blieb: Erſter Fall: heftige Neuralgie des n. trigeminus in Folge einer Erkaͤltung, Anwendung des Zinc. valer zu gr. jß täglich, dann zu gr. ji — jv taglich; nach 26 Tagen, binnen welchen 110 Gr. ge⸗ nommen worden waren und außerdem auch das Mittel in Salben— form angewendet worden war, nur ſehr geringe Beſſerung; Hei— lung durch magist. Bismuthi c. extr. Aconiti bewirkt. Zwei⸗ ter Fall: Heftige neuralgia n. trigemini in Folge der Anwen⸗ dung der Elektricitaͤt bei einem Amaurotiſchen: Zinc. valer. bis zu 40 Gr. innerlich, ſowie auch aͤußerlich ohne Nutzen; Heilung durch Arnica. Dritter Fall: Aehnliche Neuralgie mit dem Zinc. valer. bis zu 60 Gr. erfolglos behandelt, Linderung durch Cupr. ammo- niat. c. Aconit. bewirkt. Vierter Fall: Hemicranie mit Neuralgie des rechten Auges, Zinc. valer, bis zu 33 ohne Erfolg gereicht. Fünfter Fall: Epilepſie, Zino. valer. bis zu 600 Gr. ohne die geringſte Wirkung angewendet. — Verf. führt dann an, daß ihm das Zinc. valer. in zwei Fällen, wiewohl in ſtaͤrkerer Gabe, als gewoͤhn— lich, gereicht, ſich wirkſam zeigte. Der eine war ein Fall von Neur— algie der Kopfhaut und des Auges; Heilung durch Yj binnen 2 Tagen genommen; in dem anderen Falle verſchafften 18 Gr. bin⸗ nen 2 Tagen augenblickliche Beſeitigung der Schmerzen. Verf. macht beſonders auf die Wirkſamkeit des Mittels, aͤußerlich anges wendet, aufmerkſam. In der Form des Augenwaſſers (gr. jj—jv: 55) wendet er es mit Nutzen bei Blennorrhöen der Augenlider, Ul- cerationen und friſchen Truͤbungen der Hornhaut, bei chronifcher Keratitis etc. an, kurz in allen den Fällen, wo ein antiphlogifti- ſches und zugleich gelinde adſtringirendes Mittel angezeigt iſt — Die Zinkvalerianat-Salbe wird durch ihren widerwaͤrtigen Geruch unangenehm. — . ———— Bibliographische Neuigkeit e Vestiges of the Natural History of Creation. London 1825. 8. Florigraphia Britannica. Vol. 2. London 1845. 8. Precis de Médecine opératoire. Par le Doct Li: & Fol. Pals 18 octeur Lisfranc. 3 Sopra una particolar forma di febbre puerperale, osservazione elinica del dottor Pietro Biagini di Pistoja. Firenze 1845. 8. (Aus der Gazetta toscana delle scienze medico-fisiche anno III. No. 23 — En — Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. No. 765. (Nr. 17. des XXXV. Bandes.) September 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 N. oder 3 FA 30 , des einzelnen Stuͤckes 3 897. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 87. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Ip. Nara rtrk u Die Ueber die Zeitrechnung der Gebirgsarten und die a Gleichzeitigkeit der Formationen. Von Herrn Conſtant Prevoſt. (Auszug.) Das Studium des Bodens muß der Geſchichte der Erde als Grundlage dienen. Es iſt wichtig, in dieſem Studium einen methodiſchen rationellen Gang zu verfolgen, welcher die Thatſachen auf eine natuͤrliche Weiſe zuſammenzuſtellen erlaubt, um eine jede derſelben nach ihrem wahren Werthe ſchaͤtzen zu koͤnnen. Die Abhandlung des Herrn Conſtant Prevoſt ſoll hauptſaͤchlich eine Ueberſicht der Lehre darſtellen, welche ihn ſeit mehr als zwanzig Jahren bei feinem Unterrichte leitet.! Nachdem er verſucht hat, die geologiſche Nomenclatur feſtzuſtellen, indem er mehreren der alltaͤglich faſt auf's Gerathewohl und im entgegengeſetzten Sinne von den meis ſten Geologen gebrauchten Ausdruͤcke eine feſte und unver— aͤnderliche Bedeutung giebt, unterwirft er die verſchiedenen Geſichtspuncte, von welchen aus der Boden der Reihe nach unterſucht werden muß, einer Pruͤfung. Man muß einſehen, wie nothwendig es iſt, ſich von der Gleichzeitigkeit der Formationen Rechenſchaft zu geben, und eine jede Art derſelben abzuſondern und zu characteriſi— ren, um dahin zu kommen, daß man eine chronologiſche Reihe der Gebirgsarten aufſtelle, von denen Ausdruͤcke ver— glichen werden koͤnnen. Der Boden iſt das Ganze der ſaͤmmtlichen feſten mi— neraliſchen Subſtanzen, welche den unſerer directen For— ſchung zugaͤnglichen Theil der Erde bilden. Der Boden iſt entſchieden nicht immer ſo geweſen, wie er heute iſt. Die Materialien oder die mineraliſchen Subſtan— zen, aus denen er zuſammengeſetzt iſt, koͤnnen unter drei beſtimmten Geſichtspuncten ſtudirt werden: 1. Sie ſind nicht von derſelben Art. 2. Sie ſind nicht durch dieſelbe Urſache gebildet. 3. Sie find nicht in demſelben Augenblicke gebildet worden. No. 1865. — 765. Eine jede traͤgt das dreifache Gepraͤge ihrer innerſten Natur, ihres Urſprunges und ihrer Epoche an ſich. Die Felsarten (roches) ſind die weſentlichen Mas terialien des Bodens, welche einzig nach ihren, ihnen eis genthuͤmlichen, mineralogiſchen oder phyſikaliſchen Kennzeichen geordnet find; fo giebt es Feldſpath-, Augit-, Kalk-, Thon— oder kryſtalliniſche, erdige, ſchieferige und andere Felsarten. Die Formationen (formations) find die Felsarten, welche, wie auch ihre Natur und ihr Alter ſeyn moͤgen, durch analoge oder verſchiedene Urſachen gebildet worden ſind: Feuer ⸗, Waſſer-, Meer-, Suͤßwaſſer-Formationen u. ſ. w. Die Gebirgsarten (terrains) vereinigen die Fels— arten jeder Natur und jeden Urſprungs, welche in derſel— ben Periode der Zeit gebildet worden find: primäre, ſecun— daͤre, tertiaͤre Gebirgsarten, oder untere, mittlere, obere Ge— birgsarten ꝛc. Die Gebirgsarten und die Formationen ſind für den Geologen bis auf einen gewiſſen Punct das, was die Breiten- und die Laͤngengrade fuͤr die Aſtronomen ſind. Die Gebirgsarten theilen die Dicke des Erdbodens in horizontal parallele Abſchnitte, wie der Aequator, die tro— piſchen und polaren Kreiſe die Erdkugel, waͤhrend die ver— ſchiedenen Formationen denſelben Boden in Verticalabſchnitte theilen, wie es die Meridiane thun. Die Verſchiedenheit in der Sprache der Geologen er— klaͤrt ſich durch die allmaͤlige Einführung von Ideen; welche von denen, die dazu beigetragen hatten, die erſte Nomencla— tur zu bilden, verſchieden waren. Werner, auf welchen man immer als auf den Gruͤn— der der pofitiven und methodifchen Geologie hinweiſen muß, erfaßte zuerſt die Nothwendigkeit, eine feſte Technologie auf: zuſtellen; er wendete immer verſchiedene Ausdruͤcke an, von denen die Worte roche, formation und terrain die mehr oder weniger genaue Ueberſetzung ſind; aber, nach Werner, hatte eine und dieſelbe Urſache alle die, den Erdboden zufam: menſetzenden Subſtanzen erzeugt, ſie gehoͤrten der neptuni— ſchen Formation an, und, nach ihm, waren die Verſchieden— heiten, welche die uͤbereinanderliegenden Lagen darſtellten, einzig der Verſchiedenheit der Epoche, in der die Formation 17 259 ſtatt hatte, zuzuſchreiben, fo daß Formation und Gebirgsart zwei beinahe ſynonyme Ausdruͤcke waren, welche ſich beide gleich auf das Alter der Lagen bezogen. Es ſind die wuͤrdigſten Schuͤler von Werner, welche am Beſten ſeine Vorleſungen benutzt und ſie durch die un— ter ihrem Einfluſſe entſtandenen koſtbaren Arbeiten und ſchoͤ— nen Entdeckungen unſterblich gemacht haben, denen die Wiſ— ſenſchaft die Ideen verdankt, welche heutigen Tages ſie be— herrſchen und ſie leiten. Herr von Buch, der Europa vom Aequator bis zum Pol durchwanderte, und Herr von Humboldt, der uͤber die Meere ging, um die Lagerung der Felsarten in den bei— den Hemiſphaͤren zu vergleichen, haben faſt zu derſelben Zeit die Wahrheit gefunden, indem ſie den Weg, welchen ihr verehrungswuͤrdiger Lehrer vorgezeichnet hatte, verfolgten. In den Augen dieſer zwei großen Beobachter erhielt die Feuerurkraft, welche bis dahin von der Freiberger Schule als unbedeutend vernachlaͤſſigt und verworfen worden war, eine der Waſſerurkraft vergleichbare Bedeutung, und die gleichzeitige Darſtellung der Wirkungen beider zu einer Zeit thaͤtiggeweſenen Bildungsurſachen wurde die nothwendige Folge dieſes erſten Geſichtspunctes. Herr von Humboldt, einer der Erſten, hat auf eine beſtimmte Weiſe die Gleichzeitigkeit gewiſſer Feuer- und Waſſerbildungen dargeſtellt, indem er bei der chronologiſchen Ordnung der ſecundaͤren und tertiaͤren Gebirgsarten zwei ſich entſprechende parallele Reihen aufſtellte. Seitdem haben alle Geologen dieſe Idee, welche die Herrn Brongniart und Boue mit fo großer Kenntniß in den von ihnen herausgegebenen Gemaͤlden der Gebirgs— arten entwickelt haben, angenommen. Die Eintheilung in zwei parallele Reihen der Feuer— und der Waſſerbildungen war ein ſehr großer Schritt; ſie iſt nunmehr auf die ebenſo zahlreichen, als ſichern, Be— obachtungen der Herren von Buch, von Humboldt, Hausmann, Brongniart, de Bonnard, Elie de Beaumont gegruͤndet, welche in ſehr entfernten Gegenden die Ueberlagerung der granitartigen Felſen uͤber die foſſilienhal— tigen Kalkfelſen von verſchiedenen Altern beſtaͤtigten, und auf, der andern Seite auf die gradweiſen Uebergaͤnge, welche die Zuſammenſetzung, der Bau und die Lagerung zwiſchen den älteſten Graniten und gewiſſen vulcaniſchen Bildungen der neuſten Zeit bilden. Das Studium der gegenwaͤrtigen Erſcheinungen und ihre Anwendung auf die Erklaͤrung aͤlterer Erſcheinungen haben den Beweis der gleichzeitigen Thaͤtigkeit der beiden Haupturſachen, der plutoniſchen und neptuniſchen, ſeit den älteften Zeiten, als einer unumſtoͤßlichen Wahrheit,, vollendet. Dieſe Trennung der zwei Claſſen der Urſachen und der Wirkungen bietet fuͤr die chronologiſche Eintheilung der Gebirgsarten und die Charackeriſirung einer jeden derſelben einen großen Vortheil; denn abgeſehen von allen den nicht geſchichteten Felsarten heurigen Urſprungs, welche man in dem Erdboden findet, und deren Lagerung kein relatives Al— ter anzeigt, bleibt nichts mehr uͤbrig, als die in dem Schooße und durch die Thaͤtigkeit der Waͤſſer gebildeten 765. XXXV. 17. 260 Felsarten unter ſich zu vergleichen. Aber alle die Waͤſſer ſind nicht von derſelben Natur, die Stoffe, die ſie mit ſich fuͤhren und ablagern, ſind nicht identiſch, die Thiere und Pflanzen, deren Ueberreſte ſie in den von ihnen gebildeten Niederſchlaͤgen einſchließen, ſind nicht von denſelben Arten, ſo daß in demſelben Augenblicke gleichzeitig Ablagerungen von neptuniſcher Bildung ſtatthaben koͤnnen, die ſich durch ihre Natur, ihre Ausbreitung, ihre Foſſilien unterſcheiden, jenachdem dieſe Ablagerungen in Suͤßwaͤſſern oder in Meer— waͤſſern entſtanden ſind und je nach verſchiedenen ſecundaͤren Umſtaͤnden. Auf der andern Seite begreift man, daß Ab— lagerungen beinahe unter ganz gleichen Verhaͤltniſſen in den Zwiſchenraͤumen ſehr entfernter Zeiten, entweder in Süß:, oder in Meerwaͤſſern u. ſ. w., entſtanden ſeyn koͤnnen. Ebenſo muͤſſen dieſelben Grundſaͤtze und dieſelben Gruͤn— de, welche dazu gefuͤhrt haben, daß man die Feuerbildungen für die Claſſification der Gebirgsarten entfernt hat, natuͤr— lich dazu führen, daß man die Waſſerbildungen verſchiede— ner Arten die einen von den andern unterſchieden hat, um die chronologiſchen Wirkungen einer jeden nur unter ſich und aufeinanderfolgend zu vergleichen. Man gelangte, mit einem Worte, zu der Untereinthei— lung der allgemeinen Reihe der Gebirgsarten in ebenſoviele gleichzeitige Reihen, als es beſtimmte Bildungen giebt. Nachdem Herr Conſtant Prevoſt gezeigt hat, daß die Bildungen des Erdreichs und des ſuͤßen Waſſers nothwen— dig geringere Ausdehnung, Feſtigkeit und folglich geringere Bedeutung haben, als die Untermeerbildungen, macht er die Bemerkung, daß im Meere ſelbſt verſchiedene Urſachen zu— ſammenwirken; kalk- und kieſelhaltige Quellen, uͤberſchwemmte Vulkane bringen Wirkungen hervor, von denen man im Augenblicke abſehen muß, indem fie keine große Allgemein— heit haben und keinen ausſchließlichen Meercharacter darſtellen. Es bleiben noch die Wirkungen der beiden großen, um fo zu ſagen, wetteifernden und ſich bekaͤmpfenden Urfachen, welche zugleich auf eine dauernde Weiſe in denſelben Meere baſſins thaͤtig ſind; dieſe Wirkungen von gleicher Wichtig— keit unterſcheiden ſich genau, wenn ſie getrennt ſind, aber ſie vermiſchen, verbinden, verflechten, folgen und veraͤndern ſich oft an denſelben Puncten. Dieſe zwei großen Urſachen find eines Theils die Salz⸗ waͤſſer des Meeres, mit den zahlreichen Thieren, die fie bes wohnen; die Myriaden der Polypen, Mollusken, Fiſche, welche nach ihrem Abſterben feſte Ueberreſte zu Verfuͤgung der Wellen, Fluthen, Stroͤme, Stuͤrme zuruͤcklaſſen, die ſie fortſchaffen, zertruͤmmern, zermalmen und ſie durcheinander aufhaͤufen, um aus ihnen maͤchtige ſteinige Sandbaͤnke zu bilden. Andern Theils bringen die zufließenden Flußwaͤſſer, welche ſich, nachdem ſie den Continentalboden abgeſpuͤlt und abgeſchwemmt haben, mit einer periodiſch ſich verändernden Menge und Schnelligkeit in die Meerbaſſins einmuͤnden, in dieſelben alles das zum Tribut, was ſie dieſem Boden ha— ben nehmen und entreißen koͤnnen; mineraliſche Stoffe, Pflanzen, Thiere, welche ſie mit Heftigkeit fortrollen oder ſie ſehr leicht fortfuͤhren, um ſie an den Ufern, an ihrer 261 Mündung, und oft ſehr fern in den tiefiten Gründen abzus lagern, wo unberührte Trümmer von Land- und Flußpro— ducten ſich mit denen der Thiere der tiefften Meere vereinis gen (Holz, Ichthyoſauren, Crocodile, Belemniten, Ammoni— ten, Nautile, Crinoiden u. ſ. w.) Man hat es nicht genug erwogen, wenn man geſagt hat, daß die Flußmeerbildungen nur oͤrtliche Zufaͤlligkeiten der Muͤndung und des Meerbuſens ſeyen, man koͤnnte ohne Widerſinn faſt behaupten, daß in gewiſſen von ungeheuren Feſtlanden umgraͤnzten Meeren die zufließenden ſuͤßen Waͤſ— ſer mehr, als die Meerwaͤſſer ſelbſt, in dem Meere erzeugen. Der Miſſiſſippi und ſeine Nebenſtroͤme entreißen dem Feſtlande, welches ſie durchſchneiden, mehr Niederſchlaͤge ge— bende Stoffe und organiſirte Koͤrper, um ſie in das Meer zu bringen, als die Meereswogen ſelbſt an dem ganzen Um— kreiſe der beiden Amerika wegſpuͤlen; und man weiß durch alltägliche Beiſpiele, daß von dieſem Strome geführte Pflan— zen von den Ufern des Miſſouri in dem Golf von Mexiko, an den Kuͤſten von Island und ſelbſt von Spitzbergen ans landen. Nachdem man die Complication verſchiedener hervorge— brachter und zugleich in den Meeren thaͤtiger Wirkungen kennen gelernt und feſtgeſtellt hat, daß in jeder früheren Pe— riode aͤhnliche Wirkungen gleichzeitig ſtattgefunden haben, ſo wird man die Fluß-Meerformationen von den ausſchließlichen Meerformationen aller Zeiten durch folgende Charactere un— terfcheiden, 1. Fluß⸗Meerformationen. Ueberwiegen von re— gelmaͤßig geſchichteten abwechſelnden Thon- und Sandnieder— ſchlaͤgen, Reichthum an Landpflanzen und folglich von Koh: lenmaſſen und -Baͤnken; Vorhandenſeyn von Fluß- oder Landthieren, welche in denſelben Lagern mit Meerthieren ver— einigt ſind. Man kann hinzufuͤgen, daß in den im Meere befindlichen Fluß-Meerformationen die Thone über die Sand— ſteine uͤberwiegen, daß die Foſſilien gut erhalten, daß ſie ge— ſondert oder in Ordnung in Familien und Lagern gruppirt ſind, daß die Meerfoſſilien an Thiere des hohen Meeres er— innern; endlich die beinahe abſolute Abweſenheit von Stein— polypen. 2. Meerformationen. Ueberwiegen von Kalkfel⸗ ſen, zuſammengeſetzt aus mehr oder weniger zerkleinerten, aber wiedererkennbaren Bruchſtuͤcken, Meermuſcheln und vorzuͤglich zahlreichen Sterncorallen, und mit noch mehr Grund, aus Polypenbaͤnken. Die Seltenheit und Abgeſondertheit von Pflanzenreſten, faſt immer durch Rollen abgenutzt, ganze Skelette, die unordentliche Aufhaͤufung von ein- und zwei— ſchaaligen Ufer- und Meermuſcheln, die Trennung der Schaa— len, die Vermengung mit Geſchieben u. ſ. w., koͤnnen als Ergaͤnzungskennzeichen angegeben werden. Wenn man von dieſem erhabenen Geſichtspuncte aus, den die Beobachtung von dem, was ſich jetzt unter unſeren Augen zutraͤgt, gewaͤhrt, ohne ſich bei erklaͤrlichen Anoma— lieen aufzuhalten, auf eine allgemeine Weiſe die zahlloſe Reihe der abwechſelnden Thon-, Sandſtein- und Kalkſchich⸗ ten, welche das Ganze der Gebirgsarten zuſammenſetzen, umfaßt, ſo ſieht man ſich zwei große Gruppen bilden, de— 765. XX XV. 17. 262 ren beſondere Eigenthuͤmlichkeiten die ſoeben erwaͤhnten und nicht der Epoche, ſondern der Art der Bildung zuzuſchrei— ben ſind, weil die Glieder dieſer zwei großen Gruppen ſich verflechten und vielmal wechſeln bis zu einer ungeheueren Dicke, welche die Beſtaͤndigkeit der beiden Urſachen waͤhrend einer ſehr langen Zeit anzeigt. Eines Theils: Meerforma- Andern Theils: Fluß-Meer⸗ tionen. formationen. Polypenbaͤnke der tropiſchen [Subſtanzen und Schlamm mit Meere. Muſchelmaſſen von Kuͤſten und jetzigen Untiefen. Tertiaͤre Schichten von Palermo, Syracus, Dax, Bordeaux, der Touraine, Crag von Suffolk U w. Kalk rings um das Mittellaͤndi⸗ ſche Meer. Pariſer grober Kalk. Kreide von Maſtricht, Meudon, England. Kalk von Portland. Korallenkalk u. ſ. w., Polypen⸗ kalk von Caen. Oolithenkalke. Obere Kalke. Mittlere Kalke. Untere Kalke. Kalk mit Enkrinen, mit Gry— phaͤen. Muſchelkalk. Zechſtein und Magnesiau Lime- stone. Kohlenhaltiger Kalk. Devon⸗Kalkſtein. Siluriſcher Kalkſtein. Cipolin-Kalk. Zuckeraͤhnlicher Marmorkalk ? ac. Herr Conſtant Pre voſt Holzmaſſen, die ſich an der Mündung der Ströme auf: häufen und in das Meer ges führt werden. Unterapenniniſche Thonerden. Tertiaͤre Mergel- und Thonerden. Mergel und Thon von London. Mergel und plaſtiſcher Thon. Gault und thonige, Eörnige La— ger von grünem Sandſtein. Thon von Weald, Sandſtein von Tilgaͤet und Haſtings. Thonerde von Honfleur Kimmeridge. Thonerde von Vives und Oxford. Thonerde, Sandſtein und Stein: kohle von Brora und York: ſhire. Thonerden und Sandſtein mit Liasbraunkohle. Steinkohle von Petit-Coeur. und Mergelerden, Sandſtein mit Pflanzen u. Kohle des Trias. Die Steinkohlengebirgsart. Kohlen von Devon und von der Loire. Tafelſchiefer. Anthracit, Graphit. Glimmerhaltige und andere Schiefer. hat der Academie ein uͤber— ſichtliches Gemaͤlde vorgelegt, welches auf eine theoretiſche Weiſe die Beziehungen und die Uebergaͤnge der beiden großen Pa— rallelcelaſſen der Meer- und der Fluß-Meerformationen vor— ſtellen, und er citirt zur Unterſtuͤtzung zahlreiche Thatſachen, welche er beobachtet hat, oder welche in den allgemeinen Werken und in den ausfuͤhrlichen Beſchreibungen, die man den beruͤhmteſten Geologen der Zeit verdankt, niedergelegt ſind. Er hat auch mehre Zeichnungen vorgelegt, welche zum Gegenſtande haben, den wirklichen Synchronismus der Forma— tionen von allen Arten darzuſtellen und ein Beiſpiel von den Wirkungen zu geben, die in drei verſchiedenen Zeiten auf einem Puncte des Erdbodens durch Veraͤnderungen in der Oberflaͤche deſſelben und durch die Verruͤckung des Heer— des der wirkenden Urſachen entſtanden ſind, ſo daß ſich Meer- und Fluß- Meer, Ufer: und See-, Feuer- und Waſſerformationen folgen und veraͤndern koͤnnen, obwohl die ſchaffenden Urſachen nicht zu wirken aufhoͤren. 17% 263 Kurz gefaßt, um durch eine chronologiſche Ordnung die Materialien, welche den Boden bilden und die Gebirgsarten characteriſiren, zu claſſificiren, muß man vorläufig dieſe Ma— terialien nach ihrem Urſprunge oder nach der Art ihrer Bil— dung in getheilte Reihen gruppiren. Man muß die Gebirgsarten unter ſich in den Forma— tionen derſelben Art vergleichen, indem man diejenigen, welche die allgemeinſten, die beſtaͤndigſten ſind, zum Typus nimmt; wenn die Madreporenformationen oder Baͤnke von Poly: pengehaͤuſen ſich in allen Altern des Erdbodens vorfaͤnden, ſo wuͤrden ſie als Grundlage fuͤr die Claſſification der Ge— birgsarten dienen, und das Studium der foſſilen Polypenge— haͤuſe wuͤrde am Beſten die organiſchen und ſpecifiſchen Ver— aͤnderungen, welche ſich einzig unter dem Einfluſſe der Zeit entwickelt haben, kennen lernen laſſen. In Ermangelung koͤnnte man die groben Kalke mit den Meermuſcheln und mit Polypengehaͤuſen von allen Al— tern nehmen, dann die thonig= ſandſteinartigen und kohlen— haltigen Felsarten, welche in inniger Verbindung ſind und miteinander wechſeln. Es bleibt nur noch uͤbrig, mit die— fen erſten Fundamental-Reihen die Waffer-, Strommuͤndungs⸗-, Fluß ⸗„ See-, Sumpf, Kalktuffformationen u. f. w. zu verbinden, dann die gleich zeitigen ſich entſprechenden Feuer— formationen; auf dieſe Weiſe wird das Studium des Erd— bodens, wie man ſieht, ebenſo einfach und leicht, als me— thodiſch. N Der Synchronismus iſt alſo fuͤr das Studium des Erd— bodens und fuͤr das der Geſchichte der Erde ein Haupt— grundſatz, welcher der erſten und ernſtlichen Betrachtung un— terworfen werden muß; denn es giebt einen Synchronismus in den Phaͤnomenen, in den Ereigniſſen, wie in den Er— zeugniſſen; man findet den Synchronismus in den großen Thatſachen, wie in den kleinſten Einzelnheiten. Der Synchronismus, welcher die Gleichzeitigkeit ver— ſchiedener zugleich wirkender Urſachen iſt, ſcheint Alles gleich anfangs in der Geologie um ſo viel ſchwerer zuzulaſſen, als die Wirkungen dieſer Urſachen auf allen Puncten in einer nacheinander folgenden oder wechſelnden Ordnung erſcheinen; ebenſo hat man den Synchronismus einer zwar geiſtreichen, ſich aber mit den Thatſachen im Widerſpruche befindenden, oder, wie man ſagt, dem Augenſchein entgegengeſetzten Hypo— theſe beſchuldigt. Es verhaͤlt ſich indeſſen mit dem Synchronismus der geologiſchen Urſachen, wie mit der Fortdauer und der Gleich— zeitigkeit derjenigen, welche den Tag und die Nacht, den Morgen, den Mittag und den Abend hervorbringen, ſeitdem die Erde von der Sonne beleuchtet wird. Fragen Sie ei— nen Einwohner von Philadelphia, oder von Europa, oder von China, und jeder wird Ihnen ſagen, daß er immer den Tag und die Nacht ſich abwechſelnd aufeinanderfolgen geſe— hen hat; daß es ihm niemals geſchienen habe, als ſey der Abend, der Morgen, der Mittag vermengt worden. Ebenſo wie es einen Synchronismus der Formationen, der Felsarten, der Mineralien giebt, giebt es einen Synchro— nismus der Exiſtenz unter den organiſchen Weſen aller Claſ— ſen, aller Ordnungen, aller Arten, unter den Pflanzen und 765. XXXV. 17. 264 den Thieren, unter den Weſen, die auf dem Lande zu leben beſtimmt ſind, oder in den Suͤßwaͤſſern, oder in den Mee— ren, an den Kuͤſten, oder in den Tiefen u. ſ. w. Wenn folglich, wie es gewiß iſt, Umſtaͤnde, welche denen analog find, deren Zeugen wir find, in früheren Epochen exiſtirt haben, ſo haben die in derſelben Zeit zu Foſſilien gewordenen Weſen nicht uͤberall dieſelben ſeyn koͤnnen, oder vielmehr, ſo haben aͤhnliche Weſen in ſehr verſchiedenen Epochen vergra— ben werden muͤſſen Aus dieſen letzten Betrachtungen geht hervor, daß, wenn foſſile organiſche Koͤrper zur Characteriſirung der Formatio— nen dienen koͤnnen, ſie auch mit ebenſoviel Sicherheit zur Characteriſirung der Gebirgsarten angewendet werden koͤnnen. Die durch dieſe Foſſilien fuͤr die Geſchichte der Erde und fuͤr die verſchiedenen Perioden, durch die ſie gegangen iſt, gelieferten Documente ſind ohne Zweifel ſehr koſtbar, es iſt aber eine große Vorſicht noͤthig, um ſie mit Erfolg zu gebrauchen, und vorzuͤglich, um nicht ſolche Folgerungen da— raus abzuleiten, wie die find, welche viele Palaͤontologen je— den Tag als Wahrheiten ausgeben, welche von den Thatſa— chen abgeleitet ſeyen, und welche man im Publicum als ſolche annimmt, trotz ihrer Unwahrſcheinlichkeit, um nicht mehr zu ſagen. Kann man, z. B., zugeben, daß die Laͤnder und die Meere in demſelben Augenblicke von denſelben Arten be— wohnt worden ſind, weil man a priori die Lager, welche dieſelben Foſſilien einſchließen, als von demſelben Alter be— trachtet, waͤhrend es viel wahrſcheinlicher iſt, daß dieſelben Arten nacheinander verſchiedene Orte bewohnt haben, daß Verruͤckungen, Wanderungen, Veraͤnderungen und ſelbſt Vertauſchungen in Folge der zahlreichen Formveraͤnderungen, welche die Oberflaͤche der Erde erlitten hat, ftattgefunden ha— ben u. ſ. w.? Eine gute Geologie und eine geſunde Logik laſſen durchaus nicht die Annahme zu, daß ganze Schoͤpfun⸗ gen plotzlich durch Univerſalwaſſerfluthen zerſtoͤrt worden find, nach den Wirkungen, deren neue Schoͤpfungen wunderbarer Weiſe die fruͤheren erſetzt haben wuͤrden, und das nicht vier— oder fünfmal, ſondern hundert- und mehrmal, wenn man mit den Wahrſcheinlichkeiten conſequent ſeyn wollte. Nichts kuͤndigt auch in einer anderen Hppotheſe, welche mit der erſten ſchlecht paßt, an, daß die zuerſt einfache und uranfängliche Organiſation in Folge der allmaͤlig oder ploͤtzlich in der Natur der umgebenden Medien entſtandenen Veraͤn⸗ derungen ſich vervollkommnet haben würde, u. ſ. Alles ſcheint, im Gegentheile, dem beobachtenden Geolo— gen zu beweiſen, daß die lebenden oder die foſſilen Weſen, die neueſten wie die aͤlteſten, einem und demſelben großen, in feinem Ganzen gefaßten und nicht Stud vor Stuͤck und, um ſo zu ſagen, nach zufaͤlligen Umſtaͤnden und nach den Beduͤrfniſſen eines jeden Augenblickes ausgefuͤhrten Organi— ſationsplane angehoͤren. Man kann beinahe verſichern, daß, als die Älteften Felsarten, in welchen wir die erſten Spuren von organiſir— ten Koͤrpern unterſcheiden, gebildet wurden, die Erdkugel und ihre Oberfläche ſchon in den Verhaͤltniſſen waren, die denje— nigen, welche ſie heut zu Tage umgeben, faſt analog ſind; daß ſich die foſſilen Pflanzen und Thiere durch ihre Organi— 265 ſation nicht weſentlich von den jetzigen Pflanzen und Thies ren unterſchieden, und daß ſich die jetzigen Weſen mit dem aͤußeren Zuſtande der Erde, wie er in der Epoche der oberen Urgebirge war, behelfen koͤnnten. Giebt es, phyſiologiſch und zoologiſch geſprochen, mehr Verſchiedenheiten zwiſchen den foſſil gewordenen Thieren und denen, die uns umgeben, als es deren zwiſchen den Arten von America, Europa und Neu— holland giebt. Es giebt ohne Zweifel eine große Thatſache, welche aus den geologiſchen Beobachtungen und dem chronologiſchen Studium der bekannten Gebirgsarten hervorgeht, naͤmlich, daß die alten Pflanzen- und Thierarten nicht dieſelben waren, wie die jetzt beſtehenden, daß es ſelbſt eine Art von Ueber— gang zwiſchen den Faunen und den Floren der nacheinander— folgenden Perioden bis auf unſere Zeiten giebt; aber das iſt in der Zeit eine andere Gattungsverſchiedenheit, als diejenige iſt, welche die gegenwaͤrtige geographiſche Vertheilung im Raume darſtellt. Der Geologe und der Zoologe ſind beide nicht im Stande, von dieſen Verſchiedenheiten Rechenſchaft abzugeben; warum giebt es nicht Cameele und Dromedare in America, warum nicht Lama's und Vicuna's in Africa; warum ſind die Affen des neuen Feſtlandes in der Gattung von denen des alten verſchieden? warum beſondere Arten des Katzengeſchlechts, der Loͤben, der Kuguar's u. ſ. w. Wenn das nicht fuͤr den menſchlichen Verſtand undurch— dringliche Geheimniſſe ſind, ſo ſcheint es, ehe man ſie zu entſchleiern ſucht, unumgaͤnglich nothwendig zu ſeyn, daß man lerne, die Kennzeichen, welche von dem inneren Weſen der Dinge abhaͤngen, nicht mit den, ſey es durch ihren Ur— ſprung, ſey es durch die Epoche, ihnen aufgedruͤckten, zu vermengen. Durch die Anwendung dieſer Grundſaͤtze iſt Hr. Con— ſtant Prevoſt zu der Anſicht gekommen, daß man, um den Erdboden wirklich kennen zu lernen, nacheinander und fuͤr ſich die Zuſammenſetzung, den Urſprung und das Alter der ihn zuſammenſetzenden Stoffe ſtudiren muß. Er kuͤndigt an, daß dieſer Abhandlung zwei andere Er— gaͤnzungsabhandlungen folgen werden, die eine uͤber die An— 765. XXXV. 17. 266 wendung der Foſſilien in der Beſtimmung des Alters der Gebirgsarten; die andere enthaͤlt, als Gegenſtand, den Be— weis, daß die geologiſchen Erſcheinungen der jetzigen Ordnung auf einer ebenſo großen Stufenleiter, wie in vorhergehenden Zeiten, wirkſam ſind, und daß die Wirkungen, welche heu— tigen Tages hervorgebracht werden, oder durch außerordent— liche, aber moͤgliche Ereigniſſe entſtehen koͤnnten, weder in der Ausdehnung, noch in der Groͤße, noch in der Macht, denen, welche uns die Aufeinanderfolge der Gebirgsarten darbietet, untergeordnet ſind, indem man, um jeden Anſchein von Uebertreibung zu vermeiden, nicht weiter, als bis auf die Epoche der einſchließlich kohlenhaltigen Gebirgsarten, zuruͤck— gehen will. (Comptes rendus des seances de l’Ac. des Sciences, No. 15. Avril 1845.) Nie n Ueber die Menge des Speichels, welche bei'm Kauen von Futterſtoffen abſorbirt wird, hat Herr Laſſaigne mit Pferden, Eſeln und Schaafen Verſuche angeſtellt, deren Reſul— tat der Academie der Wiſſenſchaften am 11. Auguſt mitgetheilt ward. Er machte zu dieſem Ende einen Queerſchnitt in die bloß. gelegte Speiſeroͤhre und fing ſo den durch die letztere ſtreichenden Speiſebrei auf. Da nun die in den Futterſtoffen enthaltene Wal: ſermenge bekannt iſt, fo ließ ſich nach der im Speiſebrei enthalte nen leicht berechnen, wie viel Speichel und ſchleimige Fluͤſſigkeit waͤhrend des Kauens von den Futterſtoffen abſorbirt worden war, wobei die verhaͤltnißmaͤßige Quantität der in dieſen Fluͤſſigkeiten, der chemiſchen Analyſe zufolge, enthaltenen fixen Salze beruͤckſich— tigt wurde. Aus der der Abhandlung des Herrn Laſſaigne bei- gefuͤgten vergleichenden Tabelle ergiebt ſich nun, daß, z. B., bei'm Pferde die im gekauten Hafer enthaltene Quantität Waſſer ſich zu der im gekauten Heu befindlichen verhält, wie 0,60 : 0,82, während der erſtere Futterſtoff vor dem Kauen 0,14 und der letztere 0,15 be— ſitzt. In Bezug auf die Theorie der Verdauung ſcheinen die von Herrn Laſſaigne gewonnenen Reſultate nicht ohne Bedeutung zu ſeyn. In dem kohlenfuͤhrenden Syſteme von Nordame⸗ rica haben ſich geologiſche Spuren von Voͤgeln vor⸗ gefunden, wenn ſich die in der neueſten Nummer von Silli- man's Journal mitgetheilten thatſaͤchlichen Angaben beſtaͤtigen. G Fall von Oeſophagotomie bei organiſcher Ob— ſtruction der Speiſeroͤhre. Von Herrn John Watſon. Ames, 24 Jahr alt, fruͤher ſtets geſund, bis auf eine fuͤr ſcrophuloͤs gehaltene chroniſche Verſchwaͤrung im Geſichte, conſultirte am 19. Januar 1844 Hrn. W. wegen Schling— beſchwerden, welche vor 3 Monaten eingetreten waren und ſeitdem immer mehr und mehr zugenommen hatten. Ein eingefuͤhrter Catheter ſtieß etwa 7“ von dem oberen Schnei— dezaͤhnen aus auf eine Verengerung, durch welche derſelbe nicht einzudringen vermochte. Der Kranke lebte nur von Getraͤnk; er hatte weder im Munde noch im Schlunde oder Lak un 0.6 am Halfe je Schmerzen empfunden, und weder die Infpection noch die Palpation ergaben an dieſen Theilen etwas Abnor— mes. Nur die Schilddruͤſe erſchien etwas groͤßer, als ge— woͤhnlich, zu ſeyn, ſowie auch an den Winkeln des Unterkie— fers 2 — 3 Lymphdruͤſen angeſchwollen waren. Der innere Gebrauch des Jodkali, die Application von 2 Blafenpflaftern an den Seitentheilen des Halſes, die wiederholte Einfuͤh— rung verſchiedener Catheter, ſowie die Cauteriſation mit Hoͤl— lenſtein, leiſteten Nichts und ſchienen das Uebel eher zu ver— ſchlimmern, fo daß die Nothwendigkeit der Oeſophagotomie deutlich hervortrat, welche auch am 12. Februar folgender— maaßen ausgefuͤhrt wurde: Der erſte Einſchnitt wurde an der linken Seite des Halſes in der Mitte zwiſchen dem Zun— 267 genbeine und dem oberen Rande des Schildknorpels begon— nen und nach Unten parallel mit dem vorderen Rande des m. sterno-mastoideus bis zu 1“ von der articulatio sterno-clavicularis durch die Haut, die fascia super- ſicialis und das platysma myoides geführt. Der zweite transverſale Schnitt ging von dem oberen Ende des erſten aus und wurde nach Vorne hin faſt parallel mit dem oberen Rande des Schildknorpels verlaͤngert. Man entfernte hier— bei eine angeſchwollene Lymphdruͤſe, welche in ihrer Mitte etwas concreten Eiter enthielt, und darauf wurde das lockere Zellgewebe, welches die groͤßeren Gefaͤße und Nerven des Hal— ſes von der trachea trennt, mit dem Scalpellſtiele bei Seite geſchoben, bis auf dieſe Weiſe der untere Theil des pharynx und eine Portion des oesophagus bloßgelegt war. Waͤhrend nun die Wundränder auseinander gehalten wurden, wollte der Operateur den pharynx erfaſſen und etwa 1“ unterhalb des Ringknorpels öffnen; da jener aber ſtets den Fingern entſchluͤpfte, fo wurde eine ſilberne Hohl: ſonde durch den Mund bis zur Strictur eingefuͤhrt und die Wandungen des Canals auf der Spitze des Inſtruments eine geſchnitten. Man erkannte nun nach Eroͤffnung der Speiſe— röhre, daß die Verengerung dicht unter dem Einſchnitte ſich befand, und um bei der Trennung derſelben eine Verletzung der a. thyreoidea ascendens zu vermeiden, wurde der Schnitt nur nach Außen geführt, der m. sterno-mastoi— deus getrennt und der obere Rand des corpus thyreoi- deum nach Unten gewendet, wobei das n. recurrens ſicht— bar wurde. Nach mehrfachen Schwierigkeiten, ſowie nach einer Haͤmorrhagie in Folge der Durchſchneidung eines Aſtes der a. thyreoidea superior, kam man endlich dazu, die Wandung der Speiſeroͤhre im Niveau der Strictur in einer Ausdehnung von 13“ zu durchſchneiden. Die Obſtruction ſchien, ſoweit man dieſelbe beurtheilen konnte, in einer einfa— chen Verhaͤrtung und Contraction zu beſtehen. Man fuͤhrte nun eine Roͤhre ein, durch welche der Kranke ein Glas Wein und Arrowroot erhielt. Nach einer kleinen Pauſe wurde die quere Partie der Wunde durch die blutige Nath vereinigt, die andere Partie dagegen offen erhalten. Die Roͤhre blieb 6 Tage liegen und wurde dann mit einer andern vertauſcht, welche durch die Naſe eingefuͤhrt ward, worauf dann die Wunde verbunden wurde, um ihre Vereinigung zu erzielen. Die zweite Schlundſonde blieb 25 Tage liegen, worauf man dieſelbe mit einer andern vertauſchte, weil jene einen unan— genehmen Geſchmack im Munde bewirkte. Der Kranke war, zwei Indigeſtionen, in Folge eines Uebermaaßes, von Speiſe ausgenommen, ganz wohl geblieben. Am 31. März; noͤthig— ten im Halſe eintretende Schmerzen, die Sonde zu entfer— nen, was aber den Kranken nicht erleichterte; er verſuchte vergeblich, etwas Wein und Waſſer zu verſchlucken. Die rechte Seite des Halſes erſchien etwas aufgetrieben und war empfindlich bei'm Drucke. Die Sonde konnte weder vom Munde noch von der Naſe aus eingeführt werden, und da Herr W. die bereits vernarbte Wunde des Oesophagus nicht wieder eröffnen wollte, fo ließ er den Kranken einige Tage lang durch Klyſtire ernähren. Am 7. April wurde die friſche Narbe der Halswunde von Neuem geöffnet, eine 765. XXXV. 17. 268 elaſtiſche Roͤhre in den oesophagus eingeführt und etwas Wein durch dieſelbe injicirt. Gleich darauf fuͤhrte Hr. W. durch dieſelbe Oeffnung eine Roͤhre von größerem Kaliber ein, durch welche der Kranke von nun an ernaͤhrt wurde, indem man nach jeder Mahlzeit die Roͤhre fortnahm. Bis zum 10. April ging Alles gut, von da aber traten von Zeit zu Zeit Stickanfaͤlle ein, welche anfangs durch harzige Fu— migationen gemildert wurden, bald aber von Anſchwellung des Halſes begleitet wurden und die Tracheotomie nothwen— dig machten. Am 8. Mai wurde die membrana crico- thyreoidea des Schildknorpels und der zwei erſten Ringe der trachea eingeſchnitten und eine Roͤhre eingefuͤhrt. Dieſe Operation verſchaffte nur augenblickliche Erleichterung, der Kranke collabirte ſchnell, verfiel in einen halb aſphyetiſchen Zuſtand und ſtarb am 14. Mai. Section. — Lungen frei von Tuberkeln, ein Theil des mittleren und die groͤßere Partie des unteren Lappens der rechten Lunge, ſowie der untere Lappen der linken Lunge, im Zuſtande der rothen Hepatiſation, die linke pleura mit einem friſchen Exſudate gerinnbarer Lymphe bedeckt. Der pharynx und Oesophagus waren in einer Ausdehnung von 4“ von der Baſis der Gießkannenknorpel an ulcerirt; die unregelmaͤßige Oberflaͤche des Geſchwuͤrs zeigte eine gruͤn— liche Faͤrbung; derſelbe war von einer Reihe blaſſer, weiß— gelblicher Tuberkelablagerungen von verſchiedenem Umfange faſt ganz umgeben, deren urſpruͤnglicher Sitz augenſcheinlich das ſubmucoͤſe Zellgewebe war. Die Schleimhaut fehlte an einer großen Partie des Geſchwuͤrs, an andern Stellen hing ſie fetzenweiſe herab. Die Alteration war beſonders ſtark an der den oesophagus von der trachea trennenden Scheidewand ausgeſprochen, welche letztere an 2 Stellen voll- ſtaͤndig perforirt war. Bis auf eine Roͤthe rings um die Ulcerationen war die uͤbrige innere Flaͤche der Speiſeroͤhre völlig normal. Ungefähr 1“ unterhalb der inneren Oeffnung der Schnittwunde des oesophagus fand ſich eine zweite Ulceration, welche in eine Ausſackung fuͤhrte, von derſelben Farbe, wie die ulcerirte Partie der Speiferöhre und von der inneren und unteren Portion des m. sterno-mastoideus begraͤnzt. Eine andere, gleichfalls mit der Speiſeroͤhre com— municirende Ausſackung war auf der rechten Seite zwiſchen dem m. pharyngis superior und medius vorhanden. Vor dem m. sterno-mastoideus lag eine Lymphdruͤſe, welche in demſelben Zuſtande, wie die bei der Operation erftirpiete, ſich befand. (Aus American Journal in Gaz. med. de Paris, No. 26, 1845.) Fall von Operation der vollftändigen Obliteration der pars membranacea urethrae. Von Herrn L. Atlee. Ein Mann von 52 Jahren litt ſeit 14 — 15 Jahren an Harnverhaltung, welche, anfaͤnglich oͤfters durch den Ca— theterismus erleichtert, nach und nach ſich ſo ſehr verſchlim— mert hatte, daß ſeit 3 Jahren der Catheter nicht mehr in die Blaſe eindrang. Bei der Aufnahme des Kranken in's 269 765. Spital im Februar 1843 fand ſich außer 2 großen Leiſten⸗ bruͤchen und Haͤmorrhoidalknoten am hinteren Dritttheile des scrotum eine voluminoͤſe Maſſe von ſeirrhoͤſer Härte und von mehreren fiſtuloͤſen Oeffnungen durchbohrt, durch welche allein die Entleerung des Harns ſtattfand. Eine in die Harnroͤhre eingefuͤhrte Bougie drang nicht bis uͤber das Ni— veau dieſer Maſſe hinaus. Der Kranke vermochte ſeinen Harn nicht über 2 Stunden zuruͤckzuhalten. Auf den drin— genden Wunſch des Kranken wurde am 24. April folgende Operation ausgefuͤhrt. Nachdem Herr Atlee einen an der hinteren Flaͤche mit einer Rinne verſehenen Catheter ſo weit, als moͤglich, in die Harnroͤhre eingefuͤhrt, welchen er darauf einem Gehuͤlfen zu halten gab, machte er am scrotum und perinaeum in der Mittellinie einen 2“ tiefen und 5“ lan⸗ gen Einſchnitt, durch welchen einige der die verhaͤrtete Maſſe durchziehenden Fiſtelgaͤnge geoͤffnet wurden. Hierbei ſtellte ſich nun heraus, daß die vordere Portion der Harnroͤhre in— mitten der Induration in einen Blindſack auslief, und wei— ter hinaus war keine Spur von Harnroͤhre mehr aufzufin— den. Da ein an mehreren Stellen eingeſtoßenes Stilet auf keine Oeffnung der Harnroͤhre traf, ſo ſchnitt Herr Atlee immer tiefer in die dichte Maſſe nach dem os pubis, der prostata und dem spatium recto-vesicale hin ein und ſuchte von Neuem nach jedem Meſſerſchnitte mit dem Sti— let nach einer Oeffnung der Harnroͤhre. Da auch dieſe Ver— ſuche vergeblich blieben, ſo entſchloß er ſich, einen kuͤnſtlichen Weg in die Blaſe ſich zu bahnen, und ließ den Gatheter nach der fuͤr den Catheterismus gewuͤnſchten Richtung hin drehen, in der Hoffnung, daß die Kruͤmmung deſſelben ſein Ende gegen den Blaſenhals hin richten wuͤrde. Da er je— doch beſorgte, daß die Alteration der Gewebe eine Veraͤnde— rung der normalen Verhaͤltniſſe herbeigefuͤhrt haben koͤnnte, ſo hatte er die Vorſicht, den Finger in den Maſtdarm ein— zufuͤhren, wobei er fand, daß der Catheter ganz dicht an der vorderen Wand des Darmes anlag. Er erfaßte nun ſelbſt den Catheter und gab ihm eine ſolche Richtung, daß die Spitze deſſelben bis hinter die Schaambeinvereinigung hinauf— ſtieg, worauf er das Biſtouri in die Rinne einſetzte und ge— gen die Blaſe hin einſchnitt, allein er vermochte auch jetzt noch nicht, mit dem Stilet die Excretionsoͤffnung des Harnes aufzufinden. Mehrere Schnitte trennten nun alle noch vor der Maſtdarmwandung befindlichen Gewebe. Der in der Rich— tung der Blaſe hin eingebrachte Finger ſtieß auf ein abge— plattetes Ligament, welches entweder fuͤr das verſchobene li— gamentum triangulare oder fuͤr die fascia pelvis ſelbſt gehalten wurde; aber auch in dieſem Ligamente war keine zur Blaſe fuͤhrende Oeffnung aufzufinden. Herr Atlee fuͤhrte nun einen kleinen, 3“ langen Troikar auf der Rinne bis zu jenem Ligamente hin und ſtieß ihn in der Richtung der Blaſe ein, aber die Spitze des Stilets ſtieß noch auf ein wie durch die Beruͤhrung eines feſten Koͤrpers bewirktes Hinderniß. Er fuͤhrte nun den Troikar am Finger entlang aufwaͤrts dicht unter den Schaambogen und ſtieß ihn von Neuem ein, bis jeder Widerſtand beſeitigt war und der Kranke ſelbſt ausrief, daß das Inſtrument in die Blaſe gedrungen waͤre. Nachdem die Canuͤle vermittelſt des Stilets von einem XXXV. 17. 270 Blutklumpen befreit worden war, floſſen nun auch einige Tropfen Harn ab. Ein elaſtiſcher Catheter wurde nun in die Blaſe eingefuͤhrt, welchen man dann mit einer Lei— tungsſonde vertauſchte, auf welcher man ein Cooper 'ſches Bruchmeſſer einfuͤhrte und auf beiden Seiten die abwaͤrts ſteigenden Faſern des m. levator ani durchſchnitt, um den Weg zu erweitern. Herr Atlee fuͤhrte nun einen, eigends fuͤr die Operation conſtruirten, breiten ſilbernen Catheter durch die Ruthe und die Wunde in die Blaſe ein, welcher dann ge— hoͤrig firiet wurde. Von dieſem Augenblicke an konnte der Kranke den Harn länger, als früher, zuruͤckhalten, und ent— leerte denſelben ſogar im Strahle durch den Catheter. Nach der Operation traten einige leichte Colikbeſchwer— den, ſowie etwas Empfindlichkeit in der Magengegend, ein, welche aber bereits am 29., als man den Catheter entfernte, um ihn zu reinigen, beſeitigt waren. Am 24. Mai war die Wunde vernarbt. Am 4. Juni urinirte der Kranke ohne den Catheter, und der Harn extravaſirte ſich nicht in den benachbarten Geweben. Der Kranke konnte nun ſeinen Harn nach Belieben zurüdhalten; die harte Maſſe am Scro- tum war gaͤnzlich verſchwunden, und am 28. Juni verließ der Kranke voͤllig geheilt das Spital. (Aus American Journal in Gaz. med. de Paris, No. 26. 1845.) Ueber die Anwendung der Magnefiafalze, der Eſſigſaͤure, des Naphtha und des kieſelſauren Kali bei der Gicht. Von Dr. A. Ure. Nach der allgemein guͤltigen Anſicht ſind die Perſo— nen, welche animaliſche Koſt und gegohrene Getränke reich: lich genießen und eine ſitzende Lebensweiſe fuͤhren, vornehm— lich der Gicht ausgeſetzt. In Folge der obigen Cauſalmo— mente wird das Blut mit ſtickſtoffhaltigen Elementen und Kalkſalzen uͤberladen, und wenn die Nieren und die Haut dieſelben nicht aus dem Organismus wieder hinausſchaffen, ſo lagern ſich dieſe Producte ſpaͤter oder fruͤher in den Sy— novialhaͤuten, den Sehnen oder den Arterienhaͤuten, im er— ſteren Falle als harnſaures Natron, im zweiten Falle als phosphorſaurer Kalk, ab. Dr. Ure ſchloß aus dieſen That— ſachen ſowohl, als aus einigen anderen, wie, z. B., aus dem Vorhandenſeyn einer großen Menge Harnſaͤure im Harne waͤhrend eines Gichtanfalles, waͤhrend vor demſelben der Harn nicht die geringſte Quantität jener Säure enthält, und aus der Leichtigkeit, mit welcher ſich die Harnſaͤure mit dem Na— tron des Blutes verbindet und harnſaures Natron bildet — er ſchloß alſo daraus, daß mehrere Phaͤnomene der Gicht von der durch die Vermiſchung mit jenem Salze bewirkten Veraͤnderung des Blutes abhaͤngig ſeyn moͤchten. Indem er nun zur Unterſtuͤtzung dieſer Behauptung noch erwog, wie sangraena senilis vornehmlich die Perſonen ergreift, welche früber an der Gicht gelitten oder ein luxurioͤſes und unthaͤ— tiges Leben gefuͤhrt haben, und deren Organismus im All— gemeinen unter dem Einfluſſe eines vorhandenen Ueberſchuſ— ſes von Harnſaͤure zu ſtehen ſchien — indem er ferner auch der Verminderung der Secretionsthaͤtigkeit der Leber bei, im 271 Organismus vorhandenem Ueberſchuſſe an Harnſaͤure, ſo— wie auch der allgemein anerkannten Nothwendigkeit, die Se— cretion der Leber durch geeignete Mittel zu bethaͤtigen, ge— dachte: ſo kam er auf den Gedanken, in Faͤllen der Art die ſchwefelſaure Magneſia verſuchsweiſe anzuwenden, ein neu— trales Salz, welchem ein ſpecifiſcher Einfluß auf die Leber und die Secretion derſelben zugeſchrieben wird, und welches als Protocarbonat in den Waͤſſern von Marienbad, Karls— bad u. a. Baͤdern vorkommt, welche jaͤhrlich von einer gro— ßen Menge von Gichtkranken beſucht werden. Gmelin zu— erſt hat nachgewieſen, daß die Magneſiaſalze, in die Blutge— faͤße injicirt, die Secretion der Galle fo bedeutend vermeh— ren, daß die Gedärme und die großen Blutgefäße eine deut— liche gelbe Faͤrbung erhalten. — Vier Grammen Magnes. sulphur., in einer halben Pinte Waſſer aufgeloͤſ't und des Mor— gens früh genommen, bewirken nach etwa einer Stunde eine oder mehre fluͤſſige Stuhlentleerungen, in welchen die Analyſe das Vorhandenſeyn der Gallenelemente nachweiſ't. Jenes Salz kann alſo als ein ſpecifiſches cholagogum angefehen wer— den; ſeine Wirkung iſt uͤbrigens raſch und bald voruͤberge— hend, und durchaus nicht die eines ſchwaͤchenden Gegenreizes, wie die des Mercur's und Antimon's. Die ſchwefelſaure Magneſia hat einen friſchen, bitteren Geſchmack, gleich dem des Glauberſalzes; Dr. Thomſon raͤth, daſſelbe als Ab— fuͤhrmittel in einer Gabe von 16 — 32 Grm. anzuwenden, nach dem Verf. reichen jedoch kleinere Gaben aus. Die Wirkung dieſes Mittels iſt gewoͤhnlich ſtaͤrker, wenn es in einer großen Menge Waſſer aufgeloͤſ't iſt. — Sehr nuͤtzlich iſt die topiſche Anwendung des aether aceticus und des gereinigten Kohlennaphtha's zur Beſeitigung des Ere— thismus der Circulation, zur Beſchleunigung der Reſorption der ergoſſenen Fluͤſſigkeiten und zur Verhütung der Ruͤckkehr der Anfälle. Der Eſſigaͤther — urſpruͤnglich von SEdil— lot in Frankreich empfohlen — wirkt ſchnell ſedativ in der acuteſten Periode der Krankheit, wenn man denſelben zu 45 Grammen pro die auf der ganzen kranken Oberflaͤche ſanft verreibt und nach jeder Friction den Kranken warm im Bette erhaͤlt. Im ſubacuten Stadium des Uebels reichte Verf. mit der Anwendung eines kleinen in oleum Naph- thae getauchten Pinſels aus, durch welches Mittel oft ein Anfall, welcher bedeutend zu werden drohte, beſeitigt wurde. Verf. wurde auf die Anwendung dieſes Mittels gegen die Gicht durch die Angabe des Beſitzers einer großen Manu— factur in Birmingham gebracht, daß Gelenkkrankheiten bei ſeinen Arbeitern gar nicht vorkaͤmen, waͤhrend dieſelben bei den Arbeitern anderer Fabriken in der Naͤhe ſehr haͤufig waͤ— ren. Das Naphtha der Braunkohle iſt ein reines Hydro— Carbon und in ſeiner Beſchaffenheit und ſeinen Eigenthuͤm⸗ lichkeiten faſt identiſch mit dem Naphtha, welches ſich an den Ufern des Caspiſchen Meeres, in Perſien und anderen Gegenden Aſiens findet und welches ſchon in den aͤlteſten 765. XXXV. 17. 272 Zeiten gegen Gelenkſchmerzen u. a. Uebel angewendet wurde. Das Naphtha bewirkt, oͤrtlich applicirt, ein Gefuͤhl von Hitze, welches zuweilen von leichtem Brennen begleitet iſt; es wirkt nach Art eines milden, durchdringenden Gegenreizes, ſteigert die Contractilitaͤt der Capillargeſaͤße und die Circulation in denſelben und beſchleunigt die Reſorption der ergoffenen fluida. In keinem Falle, in welchem Verf. dieſes Mittel anwandte, hat er eine Dispoſition zu Gichtmetaſtaſen beobachtet. In einem Falle von fractura fibulae, in welchem 24 Stun: den nach der Verletzung heftige arthritiſche Schmerzen von den Zehen bis zu den Knieen hinauf eintraten, beſeitigte ein mildes Abfuͤhrmittel und eine Einreibung mit Napheha ſo— gleich dieſe Complication, und die Heilung der Fractur ging ungeſtoͤrt vor ſich. Daſſelbe Individuum vermochte ſpaͤter mehrmals drohenden Ruͤckfaͤllen des Uebels durch die topi— ſche Application des Naphtha vorzubeugen. Bei einem an— deren Individuum, welches bereits mehrmals an gichtiſchen Anz faͤllen gelitten hatte und ploͤtzlich von einer Anſchwellung des Kniees mit Schmerzen in demſelben und einem Gefuͤhle von Spannung und Steifheit in den Beugemuskeln des Ober— ſchenkels befallen wurde, verſchwanden alle dieſe Symptome nach einmaliger Anwendung des Naphtha faſt augenblicklich. Verf. giebt zum Schluſſe noch 4 Falle, in welchen der Eſ— ſigaͤther, die ſchwefelſaure Magneſia und das kieſelſaure Kali mit Erfolg von ihm angewendet wurden. (Aus London med. Gazette in Gaz. med. de Paris, Nr. 28, 1845.) Miscellen. Ueber den Einfluß der Tabaks fabrication auf Phthiſis, Rheumatismus und Wechſelfieber ſagt Dr. Rueff in einem Briefe an die Acad. de méd.: Phthiſis ift ſelten bei den von ihrer Kindheit an mit Tabak beſchaͤftigten Arbeitern und macht bei denen, welche den Keim zu dieſer Krankheit in die Fabriken mitbringen, weniger raſche Fortſchritte, als gewoͤhnlich. Gegen den Rheumatismus ſcheinen die Ausduͤnſtungen des Tabaks Nichts zu leiſten, er kommt im Gegentheile häufig bei den Arbei- tern vor und macht ungefähr z der Geſammtkrankheiten aus. Bei 271 männlichen und weiblichen Arbeitern kamen 1842 auf 192 Affectionen 38 Rheumatismen; 1843 auf 191 — 41, und 1844 auf 138 — 81. Gegen Wechſelfieber ſcheint der Tabak ebenſo wenig zu leiſten, und dieſelben kommen ebenſo haͤufig bei Tabaksarbeitern, wie bei anderen Claſſen der Bevoͤlkerung, vor. (Gaz. med. de Paris, No. 21 1845.) Kinnbackenkrampf nach Ausſchneiden eines Leich⸗ dorns. Vor wenig Wochen wurde ein in London lebender Kutſchfe— dernmacher bei'm Fruͤhſtuͤck plotzlich vom Kinnbackenkrampfe befal⸗ len. Es ergab ſich, daß er am vorhergegangenen Freitage ſich mit einem Raſirmeſſer an der großen Zehe einen Leichdorn geſchnitten hatte, daß der Schnitt nur klein geweſen, aber ſtark geblutet hatte. Nachdem die Blutung nachgelaſſen, wurde ein Laͤppchen uͤber den Schnitt gelegt mit etwas Salz. Am Sonnabend hatte er wie ge— woͤhnlich gearbeitet und an den Schnitt nicht weiter gedacht. Des Abends nahm er reichlich geiſtige Getraͤnke zu ſich, klagte nachher uͤber heftigen Schmerz in der Zehe und begab ſich zu Bett. Am andern Morgen ſtellte ſich Kinnbackenkrampf ein. Er ſtarb den folgenden Tag. Bibliographische Voyage de la Commission scientifique du Nord, en Scandinavie, en Laponie, au Spitzberg et aux Fero& pendant les années 1838, 1839 et 1840 sur la Corvette la Recherche, publié etc. sous la direction de M. Paul Gaimard. Aurores Boréales par MM. v. Lottin, A. Bravais, C. B. Lilliehook, P. A. Sil- jesstrom. 1. part. Paris 1845. 8. Flore descriptive et analytique des environs de Paris. Par E. Cosson et E. Germain. Deuxieme (et derniere) partie. Paris 1284 10 —— Neuigkeit Recueil de mémoires de médecine, de chirurgie et de pharma- cie militaires, faisant suite etc. par MM. Jacob, Casimir Broussais et Marchal (de Calvi) Vol. LVIII. Paris 1845. 8. Sur les abscès metastatiques qui résultent des operations chirur- gicales. Par le docteur Dominique Cambria. Paris 1845. 8. Neue Notizen a u 8 dem Gebiete der Hatur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober- Medicinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medieinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. Mo. 766. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 18. des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 . 30 Mr. September 1845. des einzelnen Stuͤckes 3 3 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3%, 8933. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ I, ane u en d. Ueber den Mesmerismus und die Magnetiſeurs. Von Dr. Forbes. In London haben ſich neuerdings wiederum mehrere Perſonen als Hellſeher oder als Hellſeherinnen producirt, naͤmlich ein gewiſſer Adolphe und deſſen Bruder Alexis, ſowie eine ſomnambuͤle Dame bei Hrn. Vernon in Duke- Street und ein Fraͤulein von Goͤnnern. Mit dieſen Per— ſonen ſtellte Hr. Forbes mehrere Verſuche an, die ihm zu folgenden Bemerkungen Anlaß geben. Ich ſuchte bei meinen Experimenten, wo moͤglich, wenig— ſtens einige zuverlaͤſſige Reſultate zu erlangen und ging da— bei durchaus von keiner vorgefaßten Anſicht aus, ſondern war bereit, Alles, was dadurch wirklich bewieſen werden wuͤrde, fuͤr wahr, und Alles, was dadurch Wahrſcheinlich— keit gewaͤnne, fuͤr wahrſcheinlich gelten zu laſſen, mochte es nun mit meinen fruͤheren Anſichten uͤber den Gegenſtand uͤberein— ſtimmen, oder nicht. Ich ging an mein Geſchaͤft in voͤllig ſkeptiſchem Sinne, indem ich von Vorn herein Alles in Zwei— fel ſtellte, was die Mesmerianer, mit denen ich es zu thun hatte, fuͤr ausgemachte Thatſachen hielten oder ausgaben. In einer Angelegenheit, wo ſoviel Betrug untergelaufen iſt und, nach dem eignen Geſtaͤndniſſe der Mesmerianer, noch unterlaͤuft, wuͤrde es offenbar ganz unzulaͤſſig ſeyn, ir— gend eine Behauptung irgend einer bei dergleichen Vorſtel— lungen mitwirkenden Perſon fuͤr thatſaͤchlich gelten zu laſſen, oder irgend einen Schein als Wahrheit hinzunehmen. Auch in dieſer Sache wird die Wahrheit, wenn wir aufrichtig nach ihr forſchen, ihre Rechte, trotz aller Theorieen und Vor— urtheile, geltend machen; allein man muß auch dem Schei— ne, der ſich als Wahrheit geltend machen will, jeden Fuß: breit Bodens ſtreitig machen. Zuerſt will ich alſo bemerken, daß aus meinen Verſu— chen mit obigen Perſonen ſich durchaus nicht mit Sicherheit oder Wahrſcheinlichkeit ergeben hat, daß ſie ſich wirklich im Zuſtande des Mesmerismus befanden; kurz, ſie gaben nur vor, magnetiſirt zu ſeyn und waren folglich Betruͤger. Ihr No. 1866. — 766. ganzes Benehmen, nachdem ſie aus dem kurzen ſcheinbaren Schlummer erwacht, war genau wie bei Perſonen, die ſich im gewöhnlichen Zuftande des Wachens befinden; wenigſtens koͤnnen ſolche, wenn fie wollen, ſich durchaus ebenfo beneh= men, denn die halb oder ganz gefchloffenen Augen beweiſen nichts fuͤr den magnetiſchen Zuſtand, und nach meinem und meiner anweſenden Bekannten Urtheile gerirten ſich dieſe an— geblichen Somnambuͤlen weit eher wie im normalen Zuftande befindliche Betruͤger, als wie Leute, die ſich in einem ein— fach krankhaften oder abnormen koͤrperlichen und geiſtigen Zuſtande befunden hätten. Die hier anweſenden Mesmeria— ner, namentlich Dr. Engledue, haben mir auch ſelbſt eingeſtanden, daß ſich der Beweis, daß ſich eine Perſon wirk— lich im magnetiſchen Zuſtande befinde, nicht ſtreng führen laſſe, wenigſtens nicht fuͤr Solche, die daran zweifeln und auf poſitive Beweiſe dringen, bevor ſie Dinge, welche an ſich hoͤchſt außerordentlich ſind und obendrein mit aller Er— fahrung im Widerſpruche ſtehen, fuͤr wahr gelten laſſen. Die Schluͤſſe, welche man in ſolchen Faͤllen auf die bloßen Erſcheinungen oder den Schein gruͤndet, beruhen lediglich auf Annahmen, deren Wahrheit nirgends bewieſen iſt, naͤm— lich, daß die Somnambuͤlen ſich nicht verſtellen. Hr. Ver: non ſagte aus, er glaube, daß hoͤchſtens bei Einem unter Zehn die Pupille gegen den Eindruck des Lichtes voͤllig un— empfindlich ſey. Unter ſolchen Umſtaͤnden ließe ſich die Wirk— lichkeit des mesmeriſchen Zuſtandes nur dadurch beweiſen, daß die angeblich ſomnambuͤle Perſon einige der Leiſtungen ausfuͤhrte, die fuͤr niemand anders, als eine hellſehende Perſon, moͤglich ſeyn wuͤrden; allein bei den von mir angeſtellten Verſuchen iſt eine ſolche Handlung nirgends vorgekommen. Die einzige Handlung, welche ſcheinbar einen ſolchen außerordentlichen Character an ſich traͤgt, iſt, daß Adolphe im angeblich ſomnambuͤlen Zuſtande das Wort Maschalla las oder ſo ziemlich las, allein ich kann darin keinen Be— weis des wirklichen Hellſehens erkennen, weil erſtens nicht bewieſen iſt, daß zwiſchen dem Somnambuͤlen und den mit dem Inhalte des beſchriebenen Papiers bekannten Perſonen kein 18 275 Einverſtaͤndniß obgewaltet habe, und weil zweitens, ſelbſt in der Vorausſetzung, daß ein ſolches Einverſtaͤndniß nicht obge— waltet habe, nicht bewieſen iſt, daß das Wort nicht mit— telſt des gewoͤhnlichen Sehens durch das Papier geleſen wer— den konnte. Der erſte hier angefuͤhrte Grund hat natuͤrlich nur fuͤr mich und Diejenigen Guͤltigkeit, die ſich mit mir in gleicher Lage befanden. Der Herr, welcher das Wort aufſchrieb und das Papier vorlegte, muß am Beſten wiſſen, ob ein ſolches Einverſtaͤndniß vorhanden war, oder nicht. Ich will ſeiner Ehre keineswegs zu nahe treten, ſondern nur behaupten, daß die Unmöglichkeit eines Einverſtaͤndniſſes bewieſen werden muß, bevor durch ein Experiment dieſer Art irgend etwas bewieſen werden kann; und da jener Beweis mir und mei— nen Freunden nicht geliefert wurde, ſo ſind wir auch vollkom— men berechtigt, dieſen Beweis des Hellſehens nicht fuͤr voll anzunehmen. Die Guͤltigkeit des zweiten Grundes muß aber Jeder— mann zugeben. Ich unterſuchte das Papier, auf welchem das Wort Maschalla ſtand, und ich behaupte, daß die zwiſchen dem Worte und dem Auge befindlichen Papierlagen nicht ſo zahlreich waren und das Papier keine ſolche Staͤrke hatte, daß es unmoͤglich geweſen waͤre, das Wort durch das Papier hindurch mittelſt des gewoͤhnlichen Sehens zu leſen. Da dieß auf viele Leiſtungen der dem Publicum producirten Somnambuͤlen Licht zu werfen im Stande iſt, ſo will ich des Umſtandes gedenken, welcher mich zuerſt darauf aufmerk— ſam machte. Bei Gelegenheit einer der oͤffentlichen Vorſtellungen, die Adolphe gab, bei der ich aber nicht ſelbſt gegenwaͤrtig war, legte ihm Herr Ottley einen aus mehreren zuſammenge— ſchlagenen Bogen beſtehenden verſiegelten Brief vor, in wel— chem das Wort Toulon ſtand. Nachdem Herr Ottley dem Adolphe in verſchiedener Weiſe zu Huͤlfe gekommen war, ſo daß die ganze Procedur, ſelbſt wenn das Papier voͤllig undurchſichtig geweſen waͤre, nur auf ein gluͤckliches Rathen hinauslaufen konnte, ſprach der Somnambuͤle wirk— lich das Wort Toulon aus. Herr Ottley zeigte mir das Papier am folgenden Tage. Als ich daſſelbe unterſuchte, konnte ich das darin ſtehende Wort nicht leſen, und ich mußte glauben, daß dieß mittelſt des gewoͤhnlichen Sehens unmoͤglich ſey. Allein da Herr Ottley dem angeblichen Somnambuͤlen viel Auskunft gegeben hatte, welche dieſen in den Stand ſetzen konnte, das Wort zu errathen, ſo glaubte ich deßhalb noch nicht an das Hellſehen des Subjectes. Allein die Sache erklaͤrte ſich ganz einfach durch den Um— ſtand, daß eine Dame, der das Papier vorgelegt wurde, das Wort ohne Weiteres durch die Huͤlle hindurch las, indem ſie das Licht ſchraͤg von Unten auf das Papier fallen ließ, fo daß es nach Oben dem Auge zuging, und derſelben Dame ges lang es, noch weit feinere Schrift, als die, in welcher das Wort Toulon aufgeſetzt war, durch eben ſo zahlreiche Papierlagen hindurch zu leſen. Seitdem habe ich den Verſuch ſelbſt ge— macht, und auf dieſe Weiſe konnten ich und Andere ſehr gut durch fünf Lagen mittelſtarken Briefpapiers, naͤmlich 3 Fal⸗ ten oben und 2 Falten unten, hindurchleſen. 766. XXXV. 18. 276 In den uͤbrigen mir perſoͤnlich bekannten Faͤllen, wo Adolphe und Alexis dergleichen niedergeſchriebene Worte mehr oder weniger genau entzifferten, waren nicht mehr, als 4—5 Papierlagen, vorhanden, während man gewöhnlich an: nimmt, daß eine noch weit ſchwaͤchere Verhuͤllung das ge— woͤhnliche Sehen durchaus verhindere. Einmal wurde dem Adolphe ein Papier vorgelegt, welches nur einfach zufam= mengeſchlagen war, ſo daß ſich zwiſchen der Schrift und dem Auge nur eine einfache Papierlage befand, und dennoch glaubte der Herr, welcher es vorlegte, er wirke bei einem völlig beweiſenden Verſuche mit. Dieſe Thatſache beweift, wie wenig manche bei dergleichen Verſuchen als Zeugen auf— tretende Perſonen fähig find, die Bedeutung derſelben zu bes urtheilen, was fuͤr Beweiſe bei mesmeriſchen Vorſtellungen fuͤr guͤltig paſſiren, und wie ſehr man berechtigt iſt, alle ſich auf ſolche Zeugniſſe ſtuͤtzenden angeblichen Thatſachen zu be— zweifeln. Die Entzifferung des Wortes Toulon wurde von faſt allen bei dem mit Adolphe angeſtellten Verſuche anweſen— den Perſonen fuͤr einen vollen Beweis des Hellſehens gehal— ten und von Herrn Vernon als ein ſolcher triumphirend verkuͤndigt. Seitdem ich mich genuͤgend davon uͤberzeugt habe, daß man mit Huͤlfe des gewöhnlichen Sehens durch weit ſtaͤr— kere Papierſchichten hindurch leſen kann, als ich fruͤher glaubte, ſind mir auch mehrere Umſtaͤnde in dem Benehmen der ſo— genannten Somnambuͤlen beigefallen, die ich fruͤher mit je— nem Umſtande nicht in Beziehung brachte. Die Lage, in welche ſie die zu leſenden Schriften brachten, war haͤufig diejenige, die, nach meinen Verſuchen, die geeignetſte iſt, um das durch— fallende Licht dem Auge zuzuleiten, indem ſie das Papier in eine ſchraͤge Lage zum Auge brachten. Auch beobachtete man in Betreff beider Bruͤder Alexis und Adolphe, daß, wenn man ihnen die Wahl ließ, ſie jederzeit zuſammenge⸗ ſchlagenes Papier den verſchloſſenen Schachteln vorzogen, und bei mehr als einer Gelegenheit bemerkte ich, daß ſie den duͤnnſten und am Wenigſten oft zuſammengefalteten Papieren den Vorzug gaben. Uebrigens muß den Mesmerianern zugegeben werden, daß die Claſſe von Faͤllen, von denen wir hier handeln, eine ihren Anſichten guͤnſtigere (obwohl ihren anmaaßlichen Ber hauptungen keineswegs entſprechende) Erklaͤrungsart zulaͤßt, als die hier aufgeſtellte. Wir koͤnnen naͤmlich die Moͤglich⸗ keit, ja ſelbſt die Wahrſcheinlichkeit zugeben, daß, wenn ſich eine Perſon im mesmeriſirten Zuſtande befindet (vorausge- ſetzt, daß ein ſolcher möglich iſt), ihr Geſichtsſinn fo geſchaͤrft ſey, daß fie durch ein Medium hindurch ſehen, welches für Perſonen im normalen Zuſtande voͤllig undurchſichtig iſt. Dieß wäre nach allgemeinen wiſſenſchaftlichen Grundſaͤtzen völlig erklaͤrlich, aber durchaus nicht daſſelbe, wie das, was die Mesmerianer fuͤr Wirklichkeit ausgeben, naͤmlich, daß ihre Somnambuͤlen durch dicke Kaͤſten und überhaupt abfos lut undurchſichtige Gegenſtaͤnde hindurch ſehen koͤnnten. Der erſtere Fall iſt, wie geſagt, ſehr möglich, ja ſelbſt wahrſchein⸗ lich; der letztere, nach den anerkannten Grundſaͤtzen der Phyſik und Phyſiologie, rein unmoͤglich. Die oben angeführten Um: 277 ſtaͤnde machen indeß die Theorie, daß in den Fällen, wo es den Somnambülen gelungen iſt, Wörter oder Sylben durch zu⸗ ſammengeſchlagene Papiere hindurch zu entziffern (und in manchen Faͤllen iſt dieß ihnen, wie es ſcheint, gelungen), dieß ihnen durch Schaͤrfung der gewoͤhnlichen Sehkraft möglich geworden ſey, ſehr zweifelhaft. Daß ſie durch völlig un⸗ durchſichtige Medien hindurch geleſen haben, it, unferes Er⸗ achtens, weder bewieſen, noch irgend zu beweiſen. Alle Leiſtungen, die Adolphe mit verbundenen Augen ausfuͤhrte, und ſeine ſaͤmmtlichen Kartenkunſtſtuͤcke beweiſen keineswegs, daß er wirklich ein Hellſeher war. Die Karten⸗ kunſtſtuͤckchen, die er und fein Bruder zeigten, waren in die⸗ ſer Beziehung ſo voͤllig ungenuͤgend, daß ich ſie nur ruhig hinnahm, um den Magnetiſeur nicht zu beleidigen und den Magnetiſirten nicht mißmuthig zu machen. Die Leichtigkeit, mit der ſich mit Karten ein Hokuspokus machen laßt, wie wir dieß bei allen Taſchenſpielern gewahren, rechtfertigt unſere Weigerung, Leiſtungen der Art irgend eine Beweiskraft zu⸗ zuerkennen, gewiß vollkommen. Aber ſelbſt wenn ſich dieß anders verhielte, ſo giebt es ſonſt noch Gruͤnde genug, um alle mit verbundenen Augen gemachten Kunſtſtuͤcke als Be— weiſe fuͤr das Hellſehen durchaus zu verwerfen. Bekanntlich haͤlt es ungemein ſchwer, die Augen ſo zu verbinden, daß das Sehen an der Naſe hin niederwaͤrts voͤl⸗ lig verhindert wird, waͤhrend die Muskeln der Augenlider und des Geſichtes immer auf die Verſchiebung der Binde hinz wirken koͤnnen. Dieß hat ſich bei Perſonen, denen die Au— gen durchaus ebenſo ſorgfaͤltig verbunden worden waren, wie den angeblichen Somnambuͤlen, wiederholt beſtaͤtigt. Es mag allerdings moͤglich ſeyn, die Binde fo anzulegen, daß durchaus kein Sehen ſtattfinden kann, und bei einem der mit Adolphe angeſtellten Verſuche ſcheint dieß wirklich geſchehen zu ſeyn, denn bei dieſem zeigte ſich auch keine Spur von Hellſehen. Uebrigens kamen bei den Experimenten mit Adolphe und Alexis viele Umſtaͤnde vor, die es minde⸗ ſtens hoͤchſt wahrſcheinlich machen, daß in allen den Fallen, wo dieſe Individuen mit verbundenen Augen ſahen, dieß unter den Binden hin und nicht durch dieſe hindurch, alſo mittelſt der gemeinen Sehkraft geſchehen ſey. Dieſe Anſicht von der Sache beruht unter Anderm auf folgenden Gruͤnden. 1) Man bemerkte jederzeit, daß dieſe beiden jungen Leute gleich bei'm Verbinden der Augen gewiſſe Kniffe anwendeten, um das Anlegen der Binde moͤglich unwirkſam zu machen, und daß ſie nachher alles Moͤgliche thaten, um die Binde aus der richtigen Lage zu bringen, wenn dieſelbe wirkſam angelegt war. Adolphe legte jedesmal, waͤhrend die Binde um ſeinen Kopf geſchlagen wurde, bevor der Knoten ge⸗ knuͤpft oder die Binde feſt angezogen ward, die Haͤnde an beide Schlaͤfen und druͤckte die Binde ſo lange gegen die Schlaͤfen feſt, bis der Knoten gemacht war. Die Wirkung dieſes Manoͤvers war, mochte fie nun beabſichtigt ſeyn, oder nicht, daß die Binde nicht gehoͤtig feſt gezogen werden konnte, da die vor den Schlaͤfen liegende Portion durch Adolphe's Haͤnde fixirt ward, mochte man auch hinter denſelben noch ſo feſt zuknoͤpfen. Auf dieſe Weiſe ſtand es offenbar in der Macht des angeblichen Somnambuͤlen, die Lage der Baum⸗ 766. XXXV. 18. 278 wolle und der Binde uͤber den Augen in der Weiſe zu ſtoͤ⸗ ren, daß es ihm eher moͤglich war, unter der Binde hinweg zu ſehen. Dieſer Kunſtgriff Adolphe's fiel mir um fo mehr auf, da Alepis denſelben ebenfalls regelmaͤßig anwandte. Beide wandten denſelben uͤbrigens ganz unverhohlen an, gleiche ſam, als ob es nur geſchehe, um die Schlaͤfen von unange⸗ nehmem Druck zu befreien. Dieß konnte allerdings auch der wahre Grund des Manoͤvers ſeyn, allein da daſſelbe je— desmal ganz in derſelben Weiſe ausgeführt [wurde und es, inſofern die Abſicht zu betruͤgen vorhanden war, einen fols chen Betrug ungemein erleichterte, ſo mußte ich auf dieſen Umſtand bei meinen Unterſuchungen großen Werth legen, und dieſer Verdacht veranlaßte mich, bei Gelegenheit der bei Herrn Ottley ſtattfindenden Sitzung die Binde in ſolcher Weiſe anzulegen, daß dieſes Manoͤver wirkungslos bleiben mußte. Und der Erfolg beftätigte unfere Vermuthung vollkom⸗ men; denn bei dieſem Experimente, und nur bei dieſem, zeigte ſich der Somnambuͤle ſtockblind. Bei der naͤchſten Sitzung wurden die Augen durch eine Perſon verbunden, welche keinen Verdacht dieſer Art hegte; Adolphe druͤckte die Hände, wie gewoͤhnlich, gegen die Schlaͤfen, und nunmehr ſpielte er ganz vortrefflich Ecarté. 2) Außer dieſem gleich bei'm Verbinden der Augen an⸗ gewandten Kniffe, wandten ſowohl Adolphe als Alexis fpäter mancherlei Manöver an, um die Binde zu verſchieben, indem ſie dieſelbe von Zeit zu Zeit mit den Haͤnden beruͤhr— ten und die Geſichtsmuskeln in einer anſcheinend auf jenen Zweck berechneten Weiſe bewegten. Jedenfalls benahmen ſie ſich in einer verdaͤchtigen und die Gültigkeit des Ver⸗ ſuchs nothwendig ſchwaͤchenden Weiſe. 8) In den Fallen, wo die Experimente kein befriedigen⸗ des Reſultat gaben, pflegte Herr Vernon den Adolphe zu entmagnetiſiren und die Binde dann von Neuem anzu⸗ legen. Auf dieſe Weiſe war es moͤglich, dieß in einer we— niger wirkſamen Weiſe zu thun, und zuweilen ſah Adolphe nun weit beſſer, als vorher; wurde aber die Binde das zweite Mal ebenſogut angelegt, wie das erſte Mal, ſo fiel das Reſultat auch eben ſo uͤbel aus. Bei Herrn Ottley hatten wir uns eine Lift ausgedacht, um über dieſen Punct mehr in's Klare zu kommen. Wir beabſichtigten, wenn Adolphe zum zweiten Male entmagnetiſirt worden waͤre, das dritte Mal die Binde recht nachlaͤſſig anzulegen und erwarteten dann, daß er vorzuͤglich gut ſehen und arbeiten wuͤrde; allein Herr Vernon wollte keinen dritten Verſuch zulaſſen, und wir beſtanden nicht darauf. Bei allen Leiſtungen mit Karten war zu bemerken, daß die Gegenſtaͤnde, welche der angebliche Somnambuͤle ſah, ſich in einer Richtung befanden, in welcher ſie unter der Binde hinweg haͤtten geſehen werden koͤnnen. Nie befanden ſie ſich in gleicher Hoͤhe mit den Augen, oder in einer ſolchen Rich— tung zu denſelben, daß ſie durchaus nur durch die Binde hindurch haͤtten wahrgenommen werden koͤnnen. Der ſich hieraus ergebende Schluß liegt auf der Hand. Daß die Mesmerianer ruͤckſichtlich der Faͤhigkeit der Somnambuͤlen, mit ſolchen Perſonen, die mit ihnen nicht in beſonderm Rapporte ſtehen, in Beziehungen zu treten, oder 182 279 äußere Eindruͤcke auf die Sinne zu empfinden, fo ſehr vers ſchiedener Meinung ſind, iſt hoͤchſt auffallend und verdaͤchtig. Ich gedenke dieſes Umſtandes jedoch hier lediglich in Bezie— hung auf die Frage, ob die hier in Rede ſtehenden Perſonen wirklich ſomnambuͤl geweſen ſeyen, oder nicht. Was Adolphe, Alexis und Fraͤulein v. Goͤnnern anbetrifft, ſo geben die Magnetiſeurs zu, daß der Sinn des Gehoͤrs in Thaͤ— tigkeit trete, es moͤge ſprechen, wer da wolle Dagegen behaup— tete Herr Brookes, feine Somnambüle ſey für Alles, was noch ſo laut um ſie her geredet werde, voͤllig taub, und wenn irgend ein Anweſender mit ihr zu reden wuͤnſchte, ſo entmagnetiſirte Herr Brookes zu dieſem Zwecke eines ihrer Ohren! Dieß that er mir zu Gefallen, und die Dame vernahm nun Alles, was ich zu ihr ſprach, ganz genau, waͤhrend ſie vorher nichts gehoͤrt hatte In Betreff des ſomnambuͤlen Frauenzimmers, welches Herr Vernon behan— delte, verſicherte dieſer, fie höre von all' dem, was um fie her geredet werde, durchaus nichts, und er erlaubte uns, dicht neben ihr zu ſprechen, waͤhrend ſie ſich bemuͤhte, eine mei— ner verborgenen Schriften zu entziffern. Indeß uͤberzeugten wir uns vollkommen, daß ſich Herr Vernon in dieſem Falle wenigſtens irrte, denn ſie vergaß ſich mehreremal und beant— wortete Fragen, die ich an ſie ſtellte, deutlich und richtig. Ich nahm dabei meine Zuflucht zu mehreren kleinen Liſten, um mich zu uͤberzeugen, ob die angebliche Taubheit wirklich ſtattfinde, und Dr. Sharpey und Andere koͤnnen mir be: zeugen, daß ich meinen Zweck vollftändig erreichte. Mehrere der bei meinen Verſuchen erlangten negativen Reſultate ließen ſich durchaus nicht durch das Lieblingsargu— ment der Magnetiſeurs beſeitigen, daß die Somnambuͤlen gerade nicht mit der geheimnißvollen Kraft begabt geweſen ſeyen, und daß ein negativer Beweis nichts bedeute; denn zu den negativen Reſultaten geſellten ſich mehrmals die po— ſitivſten Verſtoͤße gegen die Richtigkeit der von den Mag: netiſeurs aufgeſtellten Behauptungen. Das falſche Buchſtabiren eines Wortes, das bloß theil— weiſe Entziffern deſſelben, das Verwechſeln eines einzelnen Buchſtabens mit einem andern oder dergleichen kleine Feh— ler wuͤrden von billigen Richtern nicht als ein Mißlingen des Verſuchs betrachtet werden koͤnnen; wenn aber bei einem Verſuche ein aus zwei Buchſtaben, von denen jeder einen Quadratzoll Oberflaͤche hatte, beſtehendes Wort fuͤr ein ſol— ches angeſehen wurde, das aus ſechs ganz verſchiedenen Buch— ſtaben beſteht, ſo laͤßt ſich dieß ſchwerlich in einer Weiſe erklären, welche auf die Ehrlichkeit und den guten Glauben des Magnetiſeurs und Somnambuͤlen kein ſchiefes Licht wuͤrfe. Desgleichen wurden auch bei andern Verſuchen die auffallend— ſten Krankheiten uͤberſehen, und in andern Fällen ſolche er: kannt, die gar nicht vorhanden waren. Der Betrug, welchen Fraͤulein v. Goͤnnern in Be— treff der von ihr verſuchten Wundercuren ſpielte, war fo grob, daß er Niemand taͤuſchen konnte. Man hat ſich uͤber nichts zu wundern, als daß ſie auf einen jetzt ziemlich ſelten gewordenen Grad von Leichtglaͤubigkeit rechnete. Waͤre ihr ein ſolcher Dummkopf aufgeſtoßen, wie ſie ihn zu finden hoffte, ſo wuͤrde ihr Bruder wohl dafuͤr geſorgt haben, daß 766. XXXV. 18. 280 derſelbe die vorgebliche Offenbarung theuer genug hätte be— zahlen muͤſſen. Aus dem Vorſtehenden ergeben ſich folgende Schlüffe mit hinreichender Gewißheit: 1) Daß bei manchen der angeſtellten Verſuche ſich die Abſicht zu betruͤgen von Seiten der Magnetiſeurs und der Somnambuͤlen klar herausgeſtellt bat. 2) Daß in allen Fällen, wo die Verſuche ein den Mag: netiſeurs guͤnſtiges Reſultat hatten, dieſes ſich auch auf an— dere Weiſe erklären läßt, als daß es durch den ſogenannten Mesmerismus erlangt worden ſey. 3) Daß alle Erfolge unter Umſtaͤnden erlangt wur— den, welche der Moͤglichkeit, daß die gewoͤhnliche Thaͤtigkeit der Sinne das Reſultat erlangt habe, Raum genug laſſen. 4) Daß, wenn die Thaͤtigkeit der gewöhnlichen Sinne durch beſondere Vorſicht unmoͤglich gemacht wurde, ſtets ein Mißlingen des Verſuchs ſtattfand. 5 5) Daß durch keinen der Verſuche das Vorhandenſeyn des abnormen Zuſtandes der ſogenannten Hellſeher bewie— ſen wurde. 6) Daß folglich durchaus nicht erwieſen iſt, daß die angeblichen Somnambülen ſich wirklich in dem Zuſtande des Somnambulismus befunden haben. 7) Daß ſich vielmehr aus allen Umſtaͤnden mit großer Wahrſcheinlichkeit ergiebt, der ſcheinbare abnorme Znſtand habe auf Verſtellung beruht, und man habe es mit gemei- nen Betruͤgern zu thun gehabt. (Medical Gazette.) Miscellen. Ueber die Toͤdtung eines Maͤdchens durch die Ent⸗ ladung zweier einander begegnendenelektriſchen Stroͤ⸗ mungen hat Dr. Regnier am 11. Auguſt der Academie der Wiſſenſchaften durch Hrn. Arago folgende Mittheilung gemacht, die ſich auf einen ſchon vor 30 Jahren vorgekommenen Fall bezieht, aber, da ſie erſt jetzt zur Kenntniß des Publicums gelangt, noch im⸗ mer das Intereſſe der Neuheit darbietet. Bei ſehr heißem und trockenem Wetter befand ſich ein Bauer unweit Coulommiers mit ſeiner Frau und Tochter mitten auf einer nur mit wenig Baͤumen beſetzten Ebene, von der die Aernte theilweiſe ſchon eingeheimſt war, als er plotzlich eine ſchwarze Wolke auf ſich zu kommen ſah, die ein ſchweres Gewitter zu verkuͤnden ſchien. Die Leute ließen alsbald von der Arbeit ab, und die Tochter eilte den Eltern voraus nach der Behauſung zu, und in der Richtung der Wolke, welche von Oſten gegen Weſten zog. Als nun die Eltern ihr gleich darauf nachliefen, ſahen dieſe das Maͤdchen mit dem Bauche gegen den Boden liegen, und als ſie zu demſelben gelangten, fanden ſie es leblos. Sie hatten keinen Blitz geſehen und keinen Donner gehoͤrt. Hr, Regnier befand ſich drei Stunden nach dem Vorfalle bei der gerichtlichen Aufhebung der Leiche. Die Haͤnde waren nicht vor— waͤrts ausgeſtreckt. Der vier Schritte weit fortgeſchleuderte Hut hatte im Deckel einen weiten Riß, der offenbar von Innen nach Außen bewirkt worden war, da die Faſern an dem Umkreiſe ſaͤmmt⸗ lich auswaͤrts gerichtet waren. Hr. Arago erinnerte an mehrere ähnliche Fälle, die es wahrſcheinlich machen, daß eine elektriſche Entladung der Atmoſphaͤre ohne Donner und Blitz einen Menſchen toͤdten koͤnne. Ueber den Kampf zwiſchen Scorpion und Spinnen enthalten die eben erſchienenen Three Years in Constantinople; or Domestic Manners of the Turks in 1844. By C. White Esg. London 1845 Folgendes aus eigner Anſchauung des Verf. 281 „Ein halb Dutzend der größten und giftigften Spinnen, jede einer Wespe uͤberlegen, werden unter eine Glasglocke gethan und dann ein Scorpion zu ihnen geſellt. Eine Zeitlang beobachtete jede Par⸗ thei die andere mit deutlichen Zeichen von Mißtrauen und Abnei⸗ gung. Endlich machte der Scorpion eine Bewegung und beruͤhrte dabei zufällig eine der Spinnen. Dieß war das Zeichen des Kam— pfes. In einem Augenblicke flog die Spinne zum Angriffe heran und richtete dieſen gegen die Augen des Feindes (2). Aber der Kampf war von kurzer Dauer. Der Scorpion, Zeichen von großer Aufregung von ſich gebend, brauchte ſeine ſcharfſchneidenden Klauen als Scheeren 766. XXXV. 18. 282 und maͤhete im Nu Fuͤße ab. Zu gleicher Zeit feinen Schwanz erhe— bend und kruͤmmend, brachte er den giftigen Stachel in ihre Koͤrper. In weniger als funfzig Secunden blieb der Scorpion Herr des Schlacht⸗ feldes, ohngeachtet aller Anſtrengung der Angreifer, welche ſich tapfer auf den Augen fixirten und, fo zu fagen, auf der Breſche ſtar⸗ ben. Der Scorpion blieb hierauf bewegungslos und ſchien auf ſeinen Lorbeern zu ruhen. Aber als eine Stunde ſpaͤter die Glasglocke aufgehoben wurde, fanden wir ihn todt Die Spinnen hatten nicht vergebens gekaͤmpft, ihr Gift hatte ihnen nach ihrem Tode Rache verſchafft. 1 —!— — er i k Cm: Ueber die Pathologie der Lungenſchwindſucht. Von Dr. Addiſon. Wenn in einigen Faͤllen von Pneumonie die in das Lungenparenchym ſelbſt ergoſſene eiweißſtoffige Materie mehr plaſtiſch und zur Organiſation geneigt iſt, ſo wird ſie nicht vollſtaͤndig organiſirt, ſondern bleibt theilweiſe im Lungen— gewebe andauernd zuruͤck. Nach einiger Zeit findet ſich dies ſelbe dann in kleinen, abgeloͤſ'ten und mehr oder weniger abgerundeten Maſſen vor, oder ſie iſt in ziemlich großer Quantitaͤt und ziemlich unregelmaͤßig im Lungengewebe ver— breitet, und ſie ſtellt dann unter dieſen beiden Formen die iſolirten Tuberkel und die Tuberkelinfiltration dar. Gewoͤhn— lich ergiebt die Anamneſe, vor nicht gar langer Zeit, einige Jahre vielleicht, eine Lungenentzuͤndung, und nach dem Tode findet man als Beweiſe derſelben in den Adhaͤrenzen der Pleurablaͤtter, daß die Pſeudomembranen den Stellen ent— ſprechen, wo ſich die eiweißſtoffigen Depots finden, welche ſelbſt lange Zeit paffiv bleiben koͤnnen und nur eine allmaͤ— lige Umwandlung in eine kalkichte Maſſe erleiden. Der vi— tale Einfluß jedoch, welcher dieſe Maſſe in ihrer Integritaͤt erhaͤlt, iſt ſo ſchwach, daß, wenn eine Entzuͤndung an eini— gen Puncten ringsherum ſich entwickelt und beſonders wenn die vitalen Kraͤfte des Kranken bedeutend geſchwaͤcht ſind, jene Maſſen ihre Cohaͤſion verlieren, ſich erweichen u. f. w. Die oben angegebenen permanenten Verhaͤrtungen des Lun— gengewebes ſind zuweilen mit einer betraͤchtlichen Erweiterung der fie durchziehenden Bronchialroͤhren complicirt. Die durch Entzündung und ihre Folgen erzeugten Desorganifationen des Lungengewebes nun treten, nach dem Verf., in dreifacher Form, als pneumoniſche, tuberculoͤs-pneumoniſche und tuber— eulöfe Phthiſis, auf. Die phthisis pneumonica beſteht einzig und allein in der Desorganiſation der albuminoͤſen Depöts und des Gewebes, dem fie angehören. Sie kann acut ſein, d. h., faſt unmittelbar nach dem Erguſſe oder der Infiltration eintreten, und verlaͤuft dann ungemein raſch — oder acut-chroniſch (ſubacut?), indem die eiweißſtof— fige Materie ſich ein oder mehre Male zu conſolidiren ſtrebt — oder chroniſch. Die chroniſche Form bietet zwei Varietaͤten dar, indem entweder alte Indurationen durch ein langſames Desintegrationsbeſtreben zerſtoͤrt werden und Eiter— hoͤhlen ſich bilden, oder in ſeltneren Faͤllen wird eine große Partie des Lungengewebes durch eine ſchleichende Entzuͤn— dung in graue Induration umgewandelt, ohne daß ſich Hoͤh⸗ len bilden. — Die phthisis tuberculo-pneumonica iſt diejenige, bei welcher zugleich Lungentuberkeln und ergoſſene oder infiltrirte organiſirbare Materie vorhanden iſt, und Verf. ſchreibt der Einwirkung der letzteren, oder vielmehr der Zer⸗ ftörung derſelben durch die Entzuͤndung die Mehrzahl der Zufälle der Phthiſis zu, indem das Vorhandenſeyn von Tu— berkeln bei dieſer Form nur die ſcrophuloͤſe Anlage oder den kachektiſchen Zuſtand des Individuums anzeigt, und daſſelbe zu Entzuͤndungen praͤdisponirt, ohne jedoch einen weſentlichen Einfluß auf die im Lungengewebe eintretenden bedeutenden Alterationen auszuüben. Der Lungentuberkel iſt, nach dem Verf., kein Entzuͤndungsproduct, und er unterſcheidet 2 Va⸗ rietaͤten deſſelben, von denen die eine, die ſtheniſche, glass artig, transparent und homogen iſt und dem Drucke wider: ſteht, die andere — die aſtheniſche — opak-weiß, zuweilen gelblich gefärbt, glanzloſer, zuweilen bruͤchiger, als die erſte Varietät iſt; die aſtheniſche Varietaͤt iſt mehr der Desinte— gration ausgeſetzt und ſpielt die Hauptrolle bei der tuber⸗ culöoͤs⸗pneumoniſchen Phthiſe. Die etwas voluminoſen Tuberkel ſind alſo eigentlich nur Aggregate einfacher Tu⸗ berkel oder die letzteren von Entzuͤndungsproducten ums huͤllt, welche noch mehr zur Auflöfung geneigt find, als die einfachen und iſolirten Tuberkel. Im Anfange ihres Ent⸗ ſtehens ſind dieſelben ſchwer zu entdecken, indem ihr Vor⸗ handenſeyn keine bedeutende Modification in den benachbar⸗ ten Geweben erzeugt; ſobald aber die letzteren ſich entzünden, ſo beginnen auch die Symptome und phyſicaliſchen Zeichen der Phthiſe deutlicher hervorzutreten. Dann macht entweder die Entzündung raſch Fortſchritte und geht binnen Kurzem in Erweichung, Desorganiſation und Cavernenbildung über, oder es ergießt ſich eine gewiſſe Quantität der albuminoͤſen Materie in das Gewebe und ſolidificirt ſich rings um den Tuberkel, deſſen Volum ſie vermehrt und mit welchem ſie oft verwechſelt wird. Dieſe Tendenz jedoch zur Induration oder zur Reparation iſt ſtets unvollkommen und von kurzer Dauer, und ſpaͤter oder früher wird dieſe Partie von der Desintegration ergriffen, ſie erweicht ſich, und es bilden ſich Cavernen, nachdem Tage, Wochen, Monate und felbft Jahre nach der erſten Ablagerung verſtrichen ſind. Der Unter⸗ ſchied zwiſchen dem Tuberkel und der albuminoͤſen Materie iſt mehr ein moleculaͤrer, als chemiſcher, und fuͤr die Dia⸗ gnoſe derſelben iſt daher mehr von Seiten der mikroſkopiſchen, als der chemiſchen Unterſuchung zu erwarten. 283 Die phthisis tuberculosa endlich beſteht in der Bil⸗ dung von Tuberkeln, beſonders der vom Verf. ſogenannten aſtheniſchen, welche, ſich zuſammengruppirend, im Lungen⸗ parenchym oft Maſſen bilden, welche in Folge der dem Tu— berkel eigenthuͤmlichen Tendenz zur Desorganiſation ſich er— weichen, und nach und nach Eiterung und ſelbſt die Zerſtoͤrung der benachbarten Partieen herbeifuͤhren. — Indem Verf. zum Schluſſe über die Unheilbarkeit dieſer Form ſpricht, behaup— tet er, daß, wenn man einſt ein Mittel auffinden ſollte, welches das Uebel vielmehr verhuͤtet, als heilt, dieſes nur dann geſchehen koͤnnte, wenn man die ſchwaͤchenden Mittel aufgiebt, deren man ſich heutzutage ſo allgemein bei der Behandlung der Phthiſis bedient. (Aus Guy's Hospit.- Report, in Gaz. méd. de Paris, No. 30. 1845.) Heilung einer anchylosis angularis genu durch die Behandlung nach der Barton' ſchen Methode. Von Herrn Platt Burr. Ein robuſter, geſunder Neger von 40 Jahren verſetzte ſich bei der Arbeit durch Fehltreffen einen heftigen Hieb mit einem Beile an der inneren Seite des linken Kniees, die Wunde drang bis in das Gelenk ein, und wurde durch Be— wegung und die Einwirkung der aͤußeren Luft weſentlich verſchlimmert. Das Knie ſchwoll zu einem enormen Um— fange an, es bildete ſich Suppuration, welche ſich durch mehre Oeffnungen einen Weg nach Außen bahnte. Die Eiterung ſtand endlich, aber das Glied wurde atrophiſch, waͤhrend das Knie ſehr voluminoͤs blieb. Ein Jahr nach dem Unfalle (Dec. 1841) waren der Oberſchenkelknochen, das Schienbein und die Knieſcheibe miteinander verwachſen und ſchienen nur einen Knochen auszumachen; der Unter— ſchenkel war im rechten Winkel gegen den Oberſchenkel ge— bogen. Mit Einwilligung des Kranken wurde am Sten Dec. 1841 folgende Operation ausgefuͤhrt. Der erſte vom obe— ren und vorderen Rande des condylus femoris externus ausgehende Einſchnitt wurde ſchraͤge nach Oben auf der vor— deren Seite des Oberſchenkels gemacht und an der inneren Seite beendet. Der zweite, gleichfalls an der aͤußeren Seite, aber 3“ unterhalb des erſteren beginnende Schnitt verlief ſchraͤge nach Unten vor dem Oberſchenkel hin und endete an derſelben Stelle wie der erſte, mit demſelben einen ſpitzen Winkel bildend. Nachdem nun der dreieckige Haut- und Fleiſch-Lappen zuruͤckgeſchlagen und praͤparirt worden war, wurde an das auf dieſe Weiſe freigelegte Oberſchenkelbein eine gewöhnliche Amputationsſaͤge geſetzt und durch zwei ſchraͤge Schnitte ein keilfoͤrmiges Stuͤck dieſes Knochens entfernt, welches 4“ an der Bafis und 3.“ an der nach Hinten ges richteten Spitze maß. Nach der Vorſchrift Barton's wurde nicht der Knochen in ſeiner Totalitaͤt durchgeſaͤgt, ſondern man ließ denſelben an ſeinem hinteren Theile in einer Dicke von 3“ unverſehrt, und beendete dann die Trennung des femur, indem man denſelben fracturirte, um eine Der: letzung der a. poplitaea zu vermeiden. Die Operation dauerte 5 Minuten, der Lappen wurde durch Suturen und 766. XXXV. 18. 284 Heftpflaſter befeſtigt. Gleich darauf brachte man das Glied in dieſelbe winklige Stellung, welche es vor der Operation gehabt hatte, und auf eine dem Apparate von Ames bur y aͤhnliche doppelt geneigte Ebene, deren Neigungsgrad belie— big veraͤndert werden konnte. Man ließ das Glied in dieſer Lage mehre Wochen lang, bis man annehmen konnte, daß die Splitter und Rauhigkeiten des Knochens reſorbirt oder mit friſchem Exſudat bedeckt ſeyn wuͤrden; die Vereinigung der Weichtheile war in dieſer Zeit ohne weitere Zufaͤlle voll⸗ ſtaͤndig erfolge. Man fing nun an, das Gelenk nach und nach gerade zu ſtrecken, ſchritt jedoch nicht bis zur voͤlligen Geradrichtung vor, ſondern ließ dem Knie einen leichten Grad von Beugung, um zu verhindern, daß die Ferſe beim Gehen nicht jeden Augenblick gegen die Ungleichheiten des Fußbodens anſtieße. Man vertauſchte nun die doppelt ge— neigte Ebene mit der gewoͤhnlichen Bruchſchiene, in welcher man das Glied laͤnger, als 3 Monate, liegen ließ. Im Juni 1842 konnte der Kranke ohne Stock gehen und feine Ar— beit wieder beginnen. Am 15ten Juli glitt er jedoch bei'm Erſteigen einer Lelter aus und brach ſich bei'm Fallen den Oberſchenkel an der Operationsſtelle. Da der Kranke fruͤher über Schmerzen in der Fußbeuge, am metatarsus und an den Zehen, beſonders wenn er viel gegangen war oder lange geſtanden, geklagt hatte, ſo benutzte man dieſen neuen Un⸗ fall, um nun das Glied nicht mehr im Winkel, ſondern in gerader Richtung zu conſolidiren. Binnen 2 Monaten war die Fractur geheilt und der Kranke konnte wieder an die Arbeit gehen, welche er ſeitdem ungeſtoͤrt verrichtet hat. (Aus American Journal in Gaz. med. de Paris, No. 26. 1845.) Ueber die Verſchiedenheit zwiſchen der Achten Anaͤmie und der feröfen Polyamie. Von Herrn Beau. Die Perſonen, welche Blutverluͤſte erlitten haben, bie— ten eine bedeutende Blaͤſſe und Schwaͤche dar, welche man aus einer Verminderung in der Quantität des Blutes erklaͤ⸗ ren will und mit dem Namen Anaͤmie bezeichnet. Der Puls ſoll dann klein und ein gewiſſes Geraͤuſch in den Ars terien vernehmbar ſeyn. Es iſt hier ein wichtiger Unterſchied zu machen; denn der Zuſtand von Blaͤſſe und Kraftloſigkeit, welcher auf Blut- verluͤſte folgt, kann von zwei ſehr verſchiedenen aufeinander folgenden Umſtaͤnden herruͤhren, nämlich von wirklicher Anaͤ⸗ mie oder Verminderung der Blutmenge des Koͤrpers, und von ſeroͤſer Polyaͤmie, d. h., einer Vermehrung der Quantitaͤt des Blutes, im Vergleiche mit der vor dem Blutverluſte vor— handenen, welche Vermehrung jedoch von einem Vorherrſchen des Blutwaſſers im Blute herruͤhrt. Die aͤchte Anaͤmie, welche dem Blutverluſte auf dem Fuße ſolgt, iſt von Blaͤſſe und Schwaͤche begleitet; der Puls iſt klein; allein in den Arterien iſt kein Geraͤuſch zu verneh⸗ men, obwohl dieß allgemein geglaubt wird. Der Durft, welchen der Patient fuͤhlt, veranlaßt dieſen, viel zu trinken, 285 und die fo eingenommenen Fluͤſſigkeiten dringen in Menge in die Gefaͤße und machen dadurch die Quantitaͤt des Blu⸗ tes bedeutender, als fie es vor dem Verluſte war. So ent— ſteht die ſeroͤſe Polyaͤmie. Die ſeroͤſe Polyaͤmie, welche, in der Regel, auf die wirk— liche Anaͤmie folgt, tritt 2 — 3 Tage nach dem Blutver— luſte ein, giebt ſich aber erſt am ten Tage kund, nament- lich wenn ein ſtarker Blutverluſt ſtattgefunden hat. Sie kann lange dauern und bietet, gleich der Anaͤmie, die Sym— ptome der Blaͤſſe und Kraftloſigkeit dar; allein der Puls iſt ſtaͤrker entwickelt, als vor dem Blutverluſte; man ſieht die ſtarken Arterien ſchon in einiger Entfernung klopfen und vernimmt ein arterielles Geraͤuſch. Aus der anatomiſchen Unterſuchung ergiebt ſich unzweifelhaft, daß das Volumen der Arterien vergrößert iſt, und daß ſich ſogar ſaͤmmtliche Herz— hoͤhlen erweitert haben, ſowie ſich denn auch die Wandun⸗ gen dieſes Organs ein Wenig hypertrophiſch zeigen. Die unterſcheidenden Kennzeichen, auf welche ſich die Trennung der aͤchten Anämie und der feröfen Polyaͤmie gruͤn— det, haben ſich mir aus der Beobachtung am Krankenbette, ſowie aus zahlreichen, an Thieren angeſtellten, Verſuchen, er— geben. Dieſe beiden Zuſtaͤnde haben zwei Symptome mit— einander uͤberein, wegen deren man ſie haͤufig miteinander verwechſelt und beide mit dem Namen Anaͤmie bezeichnet, naͤmlich die Blaͤſſe und Schwaͤche, welche in dem einen, wie in dem anderen Falle von der geringen Menge der rothen Blutkuͤgelchen herruͤhren; allein in dem einen Falle iſt zu— gleich uͤberhaupt eine geringe Blutmenge vorhanden, und in dem anderen iſt dagegen die Blutmenge groͤßer, als vor der Veranlaſſungsurſache der Krankheit, doch die Vermehrung der Blutmaſſe ruͤhrt lediglich von Serum her. Noch will ich bemerken, daß die Voͤlle des Pulſes und die Erweiterung, ſowie Hypertrophie des Herzens, in allen dergleichen Krankheiten vorkommen, die man Chloroſe, Hydraͤmie ıc. nennt, ſowie auch bei allen denjenigen, welche ſich durch Geraͤuſch in den Arterien characteriſiren. Meines Erachtens, ruͤhrt dieſes Geraͤuſch daher, daß die durch die Erweiterung des Herzens verſtaͤrkte Blutwelle eine unge— woͤhnlich ſtarke Reibung an den Wandungen der Arterien veranlaßt, waͤhrend ſie zugleich den Puls voller macht. (Comptes rendus des seances de l’Ac. d. Sc. I. XXI, No. 1, 7 Juillet 1845.) Fall von Heilung eines chroniſchen Empyems durch Injectionen nach gemachter Paracenteſe. Von Herrn Wells. Ein Arzt, 38 Jahre alt, kam im Jahre 1886 in die Behandlung des Verfaſſers mit einem Empyem der linken Brufthälfte, welches vor 11 Monaten in Folge einer pleu- ritis acuta ſich gebildet hatte. Die Dyspnde, die Palpi— tationen, die zunehmende Schwaͤche und abendliche Fieberbe— wegung beſtimmten den Kranken, ſich einer chirurgiſchen Be— iin zu unterwerfen. Die linke Bruſthaͤlfte hatte eine 3 größere Ausdehnung, als die rechte. Am 7. Juni 766. XXXV. 18. 286 machte der Verf., nachdem er eine Binde um die Bruſt ges legt hatte, einen zolllangen Einſchnitt in die Bedeckungen in der Hoͤhe des oberen Randes der ſiebenten Rippe, ſenkte dann das Biſtouri in die Hoͤhle und fuͤhrte dann ſogleich einen elaſtiſchen, mit einer großen Oeffnung verſehenen Ca— theter ein, worauf 3 Quart eines dicken, aber geruchloſen Eiters abfloſſen und der Kranke ſich erleichtert fuͤhlte. Da Letzterer jedoch bald ſich ſchwach zu fühlen begann, fo ent— fernte man den Catheter, verſchloß die Oeffnung mit Diachy— lonpflaſter und zog die Binde mäßig faſt um die Bruſt zu⸗ ſammen. Am Nachmittage deſſelben Tages wurde der Ca— theter von Neuem eingefuͤhrt — wobei man, um das Ein— treten von Luft zu verhuͤten, die Wundraͤnder dicht an das Inſtrument andruͤckte, — und 2 Quart Eiter entleert. Am 8. und 9. wurde daſſelbe Verfahren wiederholt, und der Kranke empfand bereits eine bedeutende Beſſerung, als er am 10. durch ein Verſehen in dem Augenblicke, wo die Fluͤſſigkeit abzufließen aufhoͤrte, tief inſpirirte, worauf man ſogleich Luft in die Bruſt eindringen hörte. Ein Bourdon— net wurde in die Wunde eingefuͤhrt, um ſie offen zu er— halten. Am 11. ſtarkes Fieber, Athmen etwas erſchwert, aus der Oeffnung fließt ein Quart ſehr foͤtiden und weit dunkeler, als fruͤher, gefaͤrbten Eiters ab. (Tart. stib. dosi refracta). Am 12. und 18. Fieber geringer, Fluͤſ— ſigkeit von derſelben Beſchaffenheit, der Kranke fuͤhlt ſich ſehr matt und unwohl (Injection von 2 Pinte ſchwacher Chlor: natriumaufloͤſung, welche 10 Minuten in der Höhle zurüd: gehalten wird). Der Kranke fühlt ſich bedeutend beſſer. Am 14. hatte der Eiter den foͤtiden Geruch verloren, neue In— jection einer größeren Quantität, Befinden des Kranken ſehr gebeſſert. Die Einſpritzungen wurden bis zum 20. Juli, dem Tage der Abreiſe des Kranken, taͤglich wiederholt, in— dem man nach und nach das Verhaͤltniß des Salzes ſtei— gerte und die Quantitaͤt der Injectionsfluͤſſigkeit immer mehr erhoͤhte, bis ſie der Quantitaͤt des abfließenden Secrets gleich— kam. Die Geſundheit des Kranken hat ſich ſeitdem voͤllig wiederhergeſtellt, das Secret iſt duͤnnfluͤſſiger geworden und an Quantität ſehr vermindert, und die linke Bruſthaͤlfte hat ſich zuſammengezogen. (Aus American Journal in Gaz. med. de Paris, No. 26. 1845.) Vervollkommnung des Marfh’fchen Verfahrens behufs der mediciniſch-gerichtlichen Entdeckung des Arſeniks. Von Herrn Blondlot. Ich habe mich in meiner Abhandlung vorzuͤglich mit zwei Puncten befaßt, naͤmlich der Desorganiſation der thie— riſchen Subſtanzen, welche Arſenik enthalten, und den an dem Marſh' ſchen Apparate vorzunehmenden Abaͤnderungen, damit derſelbe feinen Zweck ſicherer und bequemer erfuͤlle. Was den erſtern Punct anbetrifft, ſo desorganiſire ich die Gewebe mittelſt concentrirter Schwefelſaͤure, nach dem Verfahren der Herren Flandin und Danger; allein ſtatt die Erhitzung fo weit zu treiben, daß eine trockene, zerreib— 287 liche Kohle entſteht, wodurch man Gefahr läuft, das Gift theilweiſe zu zerſtoͤren, halte ich an, ſobald die Maſſe eine teigige Conſiſtenz erlangt hat. Ich behandle ſie hierauf mit einer gewiſſen Quantität Waſſers, welches eine truͤbe, ſchwaͤrz— liche Fluͤſſigkeit bildet, durch die man einige Minuten lang einen Strom von Chlorgas ſtreichen laͤßt. Hierauf filtrirt man fie, und die klare Fluͤſſigkeit wird in den Mar ſh'- ſchen Apparat gebracht, woſelbſt ſie nur ſehr wenig Flocken abſetzt. Der Vortheil dieſes Verfahrens beſteht darin, daß durchaus nichts von dem Arſenik verloren geht, und daß man die Anweſenheit von ſchwefeliger Saͤure nicht zu be— fuͤrchten hat, waͤhrend zugleich die noch vorhandene wenige organiſche Materie zerſtoͤrt oder niedergeſchlagen wird. Was die Modification anbetrifft, welche ich mit dem Marſh'⸗ ſchen Apparat vorgenommen habe, ſo hat ſie zum Zwecke, die Gasentwickelung beliebig zu regeln und zu unterbrechen. Zu dieſem Ende bediene ich mich einer gewoͤhnlichen Woolf— ſchen Flaſche mit drei Haͤlſen. Durch den einen der zwei ſeitlichen Haͤlſe ſtreicht eine gerade Roͤhre, mittelſt deren die Fluͤſſigkeit eingetragen wird, durch den anderen die Gasent— bindungsroͤhre, deren Einrichtung, je nach dem Verfahren, das man zur weiteren Zerſetzung des arſenikaliſchen Waſſer— ſtoffgaſes anwendet, eine verſchiedene iſt. In dem dritten Halſe ſteckt ein Glasſtab welcher ſich in dem Stöpfel hin— und herſchieben laͤßt und von demſelben feſt umſchloſſen wird. Dieſer Stab ſteht oben weit genug hervor, daß man ihn leicht handhaben kann, waͤhrend er unten bis zu einer ge— wiſſen Höhe mit ſpiralfoͤrmigen Zinkſtreifen bedeckt iſt, welche mehr oder weniger tief in die ſaͤuerliche Fluͤſſigkeit eingetaucht werden koͤnnen, ſo daß ſich der Proceß unter allen Umſtaͤn— den leicht reguliren laͤßt, was ein großer Vortheil iſt, den keiner der bisher in Anwendung gebrachten Apparate darbie— tet. (Comptes rendus des seances de I' Ac. d. Sc. T. XXI, No. 1, 7 Juillet 1845.) Miscellen. Abreißung des linken Armes und des Schulter: blattes. Gluͤcklicher Ausgang. — Ein ſtaͤmmiger, wohlge— bildeter Knabe, ſich an den Raͤdern einer Muͤhle herumtreibend, ge— rieth mit feiner Hand zwiſchen die Zähne des Muͤhlenrades und das ganze Glied, plotzlich einwärts gezogen. wurde von dem Körper ge— riſſen. Einige Secunden lang, lag er ohnmaͤchtig da, wurde aber leicht aufgeweckt. Nicht ein einziger Tropfen Blut floß aus der un— geheuren und graͤulichen Wunde, und es war wahrſcheinlich, daß vielleicht nicht mehr, als zwei gewoͤhnliche Theetaſſen voll Blut, im Augenblicke der Verletzung verloren gegangen waren. Nicht ein 766. XXXV. 18. 288 kleines Stuͤckchen des Schullerblattes war an ihrer Stelle aufge— funden worden. Die arteria axillaris ragt unter dem nur 23 Zoll verſchobenen Schluͤſſelbeine hervor, aber ließ kein Blut hervordrin⸗ gen; bei genauerer Unterſuchung der zerriſſenen Oeffnung fand ſich die aͤußere Haut des Gefaͤßes in drei ungleiche Stücken zertheilt, welche einander umgaben und ein kleines Blutcoagulum zwiſchen ſich hielten. Venoͤſe Haͤmorrhagie war nicht vorhanden, und es fand ſich kein großer venoͤſer Stamm. Die Arterie wurde mit einer Li⸗ gatur verſchloſſen. Etwa zwei Zoll der vorſtehenden Portion des Schluͤſſelbeines wurden abgeſaͤgt. Die Integumente wurden mittels Heftpflafter zuſammengezogen, um ohne gewaltſame Störung Gefäße, Nerven und die ganze Wundflaͤche zu bedecken, mit Ausnahme einer kleinen, unregelmäßigen Portion in der Nähe des Ruͤckgrates, etwa drei Zoll im Umfange. Die Reaction, welche auf dieſe furchtbare Verletzung eintrat, war ſehr unbedeutend. Die Portion Integu— mente, welche uͤber die zerriſſenen Nerven hergezogen war, ward brandig, und der Nervenplexus, welcher in einem Umfange von drei Zoll bloßgelegen hatte, wurde zum Theil ſphacelirt, doch traten allgemeine uͤble Symptome nicht ein. In Folge der außerordent⸗ lichen Senſibilitaͤt des Theiles überließ man die Ligatur ſich ſelbſt, bis fie mit den fphacelirten Nerven in der Mitte der ſechsten Woche abfiel, nachdem der Knabe bereits einige Tage, übrigens völlig ge— fund, herumgegangen war. (London and Edinb. Monthly Jour- nal) Ein ſehr aͤhnlicher Fall wurde nach dem New-York Journal of medicine, im Jahre 1844 citirt. Ueber die angeborene Haſenſcharte fprah Herr Du⸗ bois in der Sitzung der Acad. de med. vom 27. Mai und theilte 7 Faͤlle mit, in welchen die Operation der Haſenſcharte bei neuge⸗ borenen Kindern 1, 2, 4 — 15 Tage nach der Geburt, theils von ihm ſelbſt, theils von den anderen Wundaͤrzten mit dem beſten Er— folge ausgeführt worden war. Das Operationsverfahren beſtand in einfacher Anfriſchung der Raͤnder und Anlegung der umſchlungenen Naht ohne weitere Application von Heftpflaſtern und Gompreffiv- verbaͤnden. Die Faͤlle betrafen theils einfache Haſenſcharten, theils Complicationen derſelben mit Spaltung des weichen oder harten Gaumens; in allen Faͤllen ging die Heilung raſch und ohne weitere Zufaͤlle vollſtaͤndig vor ſich. Die Blutung während der Operation war meiſt unbedeutend, und das bei zweien Kindern verſchluckte Blut wurde bei dem einen ausgebrochen, bei dem anderen durch den Stuhlgang entleert, ohne weitere uͤble Zufaͤlle zu veranlaſſen. Was die Nachbehandlung betrifft, ſo wurden nach 20 — 24 Stunden die erſten Faͤden entfernt und neue weniger feſt angelegte applicirt, und dieſes Verfahren alle Tage erneuert; die oberen Nadeln wur: den meiſt nach 72, die unteren nach 80 — 92 Stunden herausge— zogen. Die Ernährung war nach der Operation durchaus nicht bes hindert, und die Kinder nahmen theils die Mutterbruſt, theils kuͤnſt⸗ liche Nahrung. N. Die galvaniſche Behandlung aͤußerer Krankhei ten, welche von Hrn. Cruſell geuͤbt wird, iſt von ihm in neuerer Zeit vorzüglich auf ſyphilitiſche primäre Geſchwuͤre und offenen Krebs angewendet, und, wie man verſichert, mit großem Erfolge. Nach einer Mittheilung des Bulletin de la classe physico-mathé- matique de Académie impériale des sciences de Saint Peters- bourg No. 82 vom 20. Jan. d. J S. 167 nennt Hr. Erufell das Product der eindringenden Strömung ésjontide und das der austretenden Strömung exiontide. Er hat von der Behörde die Erlaubniß erhalten, in St. Petersburg ein Hoſpital zur galvanis ſchen Behandlung aͤußerer Krankheiten zu errichten. Gib die hi che eu igke ite n Preuve de P'Iuségescence du Sens intime de l'Homme, Applica- tion de cette vérité a la determination du Dynamisme humain, à la comparaison de ce Dynamisme avec celui des animaux et à l’appreciation des résultats de certaines vivisections, Par M. le Prof. Lordat. Montpellier 1844. 8. Memoires de la Société médicale d' emulation de Lyon. Tome II. Paris 1845. 8. Etudes thérapeutiques sur la pharmacodynamie etc, par H. Golfin. Montpellier 1844. 8. Traité des établissemens dangereux, insalubres ou incommodes, par S. Ch. Clerault, Paris 1845. 8. — . —ö . Neue Notizen a us dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗Medieinalrathe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin, Noe. 767. (Nr. 19. des XXXV. Bandes.) September 1845. Gedruckt im Landes -Induſtrie⸗Comptoir zu Weimar. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 . oder 3 ½ 30 A. des einzelnen Stuͤckes 3 / 5 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¼ 87. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 95. Not u r Zootomiſch-phyſiologiſche Beobachtungen über die Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schild— kroͤten. Vom Profeſſor Panizza. Der Mechanismus des Athemholens iſt bei allen Voͤ— geln weſentlich derſelbe; unter den Reptilien dagegen finden ſich zwei Ordnungen, die Batrachier (Froͤſche und Sala— mander) und Chelonier (Schildkroͤten), bei denen alle Zoo— logen das Vorhandenſeyn einer ſonderbaren Anomalie in dieſer wichtigen Function anerkennen; da ſich naͤmlich der thorax nicht bedeutend ausdehnen und alſo nicht nach Art einer Saugpumpe wirken kann, ſo hat es die Natur ſo ein— gerichtet, daß die Luft durch einen Schlingmechanismus in die Lungen gelangt. Man nimmt in der That an, daß das Thier, waͤhrend der Mund geſchloſſen iſt, die Kehlgegend ausdehne, ſo daß ein partielles Vacuum entſtehe, in welches die Luft durch die Naſenloͤcher einſtreiche. Die mit Luft gefuͤllte Kehle ziehe ſich dann zuſammen, und da die Naſenloͤcher und der pharynx durch eine Klappe geſchloſſen würden, fo ſtreiche die comprimirte Luft durch den einzigen ihr offenſtehenden Weg, die Luftroͤhre, in die Lungen. Das Ausathmen ge: ſchehe dann mittelſt der, durch die Thaͤtigkeit der Muskeln der Eingeweidehoͤhle unterſtuͤtzten Zuſammenziehung der Lungen. Dr. Haro hat in den Annales des sciences na- turelles. Juillet et Aout 1842, 2 série, Vol. XVIII, eine Abhandlung abdrucken laſſen, welche die Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schildkroͤten zum Gegenftande hat ), und in der er verſichert, daß, feinen zahlreichen Ver: ſuchen zufolge, die Reſpiration bei dieſen Reptilien auf aͤhn— liche Weiſe, wie bei den Voͤgeln, naͤmlich durch abwechſelnde *) 580 No. 559 und 560 (No, 9 und 10 des XXVI. Bdes) No. 1867. — 767. R u n de. Zuſammenziehung und Ausdehnung der Hoͤhle der Lungen, von Statten gehe, und daß dieß durch ein beſonderes Sy— ſtem von Muskeln und knorpeligen Organen, nicht aber durch einen Schlingmechanismus, bewirkt werde. Die Wichtigkeit des Gegenſtandes und die abweichenden zootomiſch-phyſiologiſchen Anſichten des Verfaſſers floͤßten mir den lebhaften Wunſch ein, mich davon zu uͤberzeugen, ob die von ihm ausgeſprochene Meinung gegruͤndet ſey oder nicht. Allein bevor ich an die Beurtheilung des ſich auf Experimente gruͤndenden Theils der Arbeit des Dr. Haro gehe, glaube ich, an nachſtehende anatomiſche Thatſachen er— innern zu muͤſſen. Die Oeffnungen der Naſenhoͤhlen beſitzen einen weichen und am vordern Theile beweglichen Rand, welcher ſich gleich einer haͤutigen Klappe hinterwaͤrts bewegen und die Oeff— nung ſogar hermetiſch ſchließen kann, was ſich nachweiſen laͤßt, wenn man einen Froſch einige Minuten lang in eine ſchwache Aufloͤſung von eiſenblauſaurem Kali hält; denn wenn man den Froſch, der den Mund geſchloſſen haͤlt, her— auszieht, die Mundraͤnder ſorgfaͤltig abtrocknet, ihm dann den Mund oͤffnet und die innere Oeffnung der Naſenloͤcher, ſowie die Mundhoͤhle, mit einer Aufloͤſung von chlorſaurem Eiſen betupft, ſo zeigt ſich keine Spur von blauer Faͤr— bung dieſer Theile. Man darf nicht etwa glauben, daß die Zunge der Fluͤſſigkeit das Eindringen in die Mundhoͤhle verwehre; denn wenn man einem Froſche die Zunge aus— ſchneidet, nachdem man deren Wurzel unterbunden hat, um die Blutung zu verhindern, und dann den eben angegebenen Verſuch anſtellt, ſo erhaͤlt man das naͤmliche Reſultat; und fo iſt denn bewieſen, daß die Naſenloͤcher ſelbſt eine herme— tiſche Verſchließung bewirken. Durch dieſe Verſuche iſt demnach dargethan, daß dieſe haͤutigen Klappen an den aͤußeren Oeffnungen der Naſen— hoͤhlen dieſe hermetiſch ſchließen koͤnnen. Bei der ſchwachen und kurzen Reſpiration bemerkt man durchaus keine Be— wegung an den Naſenloͤchern; allein wenn die Reſpiration 19 291 den Außerften Grad von Kraft erreicht, fo ſieht man deutlich, wie die Naſenloͤcher ſich erweitern und verengern, Letzteres in dem Augen— blicke, wo die Kehlgegend in die Hohe ſteigt. Der Austritt der Luft wird jedoch nicht vollſtaͤndig verhindert; denn wenn man in demſelben Augenblicke eine Flaumfeder vor die Naſenloͤcher hält, fo wird fie abgeftoßen, Die innere Oeffnung der Naſenhoͤhlen ift weit und ihr unbe— weglicher Rand ſchließt ſich nie, ſelbſt wenn bei verſchloſſenem Munde die Zunge ſich an den knochigen (harten) Gaumen anlegt, indem der aͤußere Rand der Zunge nicht bis an den Rand der in— neren Naſenhoͤhlen reicht, ſondern in nerhalb deſſelben zwiſchen die untere Region des Mundes und des os hyoideum zu liegen kommt. Der breite, knorpelig-haͤutige Theil dieſes Knochens liegt nach Vorn; der haͤrtere Theil deſſelben hinterwaͤrts und geht in zwei knochige Hoͤcker aus, welche ſich voneinander entfernen, und die man die großen Hörner des os hyoideum nennen kann. Zwiſchen dieſen beiden Erhabenheiten iſt, mittelſt eines kleinen, bandfoͤrmigen Haͤut— chens, der Anfang der Luftwege, die glottis, angeheftet, und einige der zu denſelben gehörenden Muskeln find an die großen Hörner des os hyoideum angeſetzt. Dieſer Knochen verdankt ſeine Be— wegungen den mm. mylo-hyoidei, genio-hyoidei, omo-hyoidei, temporo-hyoidei und sterno-hyoidei. Um den Mechanismus des beftändigen Auf- und Niederbewe— gens des os hycideum und der Bewegungen der im Inneren der Mundhöhle enthaltenen Theile kennen zu lernen, ſchnitt ich bei mehrern lebenden Froͤſchen, mittelſt einer Scheere, den vordern Theil des Oberkiefers bis in die Nähe der Augen, bei einigen auch zugleich, mittelſt eines Querſchnittes, den vordern Theil des Unter—⸗ kiefers weg. Nach diefen Operationen konnte ich die wahre Lage der ver— ſchiedenen Theile im Innern des Mundes, ſowie die Thaͤtigkeit eines jeden derſelben bei dieſem Mechanismus, deutlich beobachten. Im Grunde der Mundhoͤhle zeigt ſich oben die ſtark gefaltete Schleimhaut mit fo dicht aneinanderliegenden Laͤngsrunzeln, daß der Eingang zur Speiſeroͤhre vollſtaͤndig geſchloſſen iſt. Unter die— fer Stelle ſieht man eine kleine, kegelfoͤrmige Erhabenheit, durch deren Mitte ſich ein kleiner Laͤngsſpalt zieht, den das Thier will— kuͤrlich oͤffnen und ſchließen kann. Dieß iſt die glottis. Ich habe geſehen, daß bei der Ausdehnung der Kehlgegend oder des Schlundes das os hyoideum, an welchem die glottis befeſtigt iſt, ſich hinter- und niederwärts bewegt, fo daß auf dieſe Weiſe die Thoraxhoͤhle verkuͤrzt und die Lunge nach Hinten gedrängt wird. Während dieſer Zuruͤckziehung des os hyoideum, von wel— cher die Ausdehnung des Schlundes abhängt, bleibt die glottis fort— während geſchloſſen. Sobald aber die Zuruͤckziehung aufhört, oͤff— net ſich die Stimmritze, die Luft ſtreicht heraus, und eine Flaum— feder wird dadurch vorwaͤrts bewegt. Die nunmehr offene glottis bewegt ſich mit dem os hyoideum auf- und vorwärts, und auf dieſe Weiſe wird die Bruſthoͤhle ein Wenig weiter und die Lunge verlaͤngert. Zugleich wird die Mundhoͤhle enger, die Zunge legt ſich an den knochigen (harten) Gaumen an, und die Luft ſtreicht durch die Stimmritze ein. Sobald dieſes Tempo voruͤber iſt, d. h. fobald die ſtaͤrkſte Verengerung der Mundhöhle eingetreten iſt, ſchließt ſich die glottis und das Einathmen iſt vollendet. Die Kraͤfte, welche bei dieſen beiden Bewegungen thaͤtig ſind, gehen von den mm. omo-hyoidei und sterno-hyoidei aus, welche Muskeln das os hyoideum zuruͤck- und niederziehen und fo den Schlund erweitern. Daß ſie dieß bewirken, geht nicht nur aus ihrer Lage und ihren Beziehungen hervor, ſondern läßt ſich auch durch Verſuche demonſtriren, denn wenn man ſie durchſchneidet, ſo hebt ſich das os hyoideum und folglich auch die glottis und die Rachengegend nicht mehr. Die mm. mylo-hyoidei, genio- hyoidei, genio-glossi und temporo-hyoidei ziehen alsdann das os hyoideum und mit ihm die glottis und den Schlund aufwärts und vorwärts und verengern ſo die Rachen: und Mundhöhle. Un— ter dieſen Muskeln tragen vorzüglich die temporo-hyoidei zur He— bung und Vorwaͤrtsbewegung des os hyoideum bei, was man deut⸗ lich bemerkt, wenn man die ſeitliche Region der Mundhoͤhle hinter dem Hoͤrloche beobachtet; wo man, während das os hyoideum ſich 767. XXXV. 19. 292 vorwärts und aufwärts bewegt, die Contraction jener Muskeln wahrnimmt. Wenn man, nachdem man den Mund eines Froſches geoͤffnet hat, die Schleimhaut hinter dem Hoͤrloche beſeitigt und, nachdem man die genannten Muskeln auf dieſe Weiſe bloßgelegt hat, diefels ben durchſchneidet, fo wird das os hyoideum in weit geringerem Grade erhoben Bei dieſem Verſuche habe ich ſogar bemerkt, daß die Erweiterung der glottis aufhoͤrte; allein bei näherer Unter: ſuchung ward ich gewahr, daß ich bei Durchſchneidung der mm. temporo-hyoidei auch die Nervenfaͤden durchſchnitten hatte, welche hinter dieſen Muskeln nach der glottis und Zunge ſtreichen, fo daß auf dieſe Weiſe auch die die Erweiterung der glottis bewir: kenden Bewegungskräfte gelaͤhmt worden waren. Nachdem wir die Thaͤtigkeitsart der verſchiedenen inneren Mundtheile bei der Erweiterung und Verengerung dieſer Hoͤhle er— kannt haben, wollen wir nun die Thatſache betrachten, wegen deren Hr. Haro die bisher hinſichtlich des Mechanismus des Athem= holens der Froͤſche ꝛc. allgemein geltende Anſicht fuͤr durchaus irrig erklaͤrt. Um ſeine Behauptung zu beweiſen, druͤckt ſich Hr. Haro folgendermaßen aus: „Ich nehme einen recht lebenskraͤftigen Froſch, loͤſe von dem Unterkiefer die Haut, den musc. genio-glossus, my lo-hyoideus und die Schleimhaut der Mundhoͤhle ab; die Zunge faͤllt heraus, und dennoch haben die Reſpirationsbewegungen ihren Fortgang; bei jeder Inſpiration ſenken ſich dieſer Knochen und alle mit demſelben in Verbindung ſtehenden Theile; die Mundhoͤhle erweitert ſich; zugleich oͤffnet ſich die nur aus einer einfachen Spalte beſtehende glottis weit, und vermoͤge einer entgegengeſetzten Bewegung be— ſtrebt ſich die Zunge, ſich dem Gaumen zu naͤhern, ohne ſich jedoch an die Naſenloͤcher anlegen zu koͤnnen. Waͤhrend dieſer Zeit dringt die Luft in die Lunge ein, worauf dann die Expiration wie gewoͤhn— lich geſchieht, was ſich aus der Contraction des abdomen und der Flanken ergiebt. Am folgenden Tage war der Froſch ſo lebens— träftig, wie vor der Operation *).“ Da nach dieſem Verſuche, den ich mehrmals mit demſelben Erfolge wiederholt habe, die Froͤſche 6—7 Tage und. darüber fort: lebten, ſo moͤchte man allerdings geneigt ſeyn, dem Hrn. Haro beizupflichten, welcher durchaus laͤugnet, daß bei der Reſpiration der Froͤſche irgend ein Mechanismus thaͤtig ſey, der mit dem des Schlingens Aehnlichkeit habe. Da ich dieſen Gegenſtand aber gruͤnd— lich erledigen wollte, fo hielt ich es für durchaus noͤthig, zu unters ſuchen, ob die Lungen ſich nach der erwaͤhnten Operation noch in demſelben Grade ausdehnten, wie vor derſelben, ob alſo die Reſpi⸗ ration noch eben ſo kraͤftig von Statten gehe, wie vorher. Zu dieſem Zwecke beſeitigte ich bei einem lebenskraͤftigen Fro— ſche einen Theil der Haut an der Seite des thorax hinter dem einen Vorderbeine. Nachdem ich auf dieſe Weiſe die musculöfe Wandung der Flanke bloßgelegt hatte, konnte ich, bei der durch⸗ ſcheinenden Beſchaffenheit dieſer Wandung, die Volumveraͤnderungen, welche die Lunge beim Athemholen erleidet, deutlich ſehen, und ich nahm auf dieſe Weiſe von dem Grade der Ausdehnung und Zu— ſammenziehung des Organes bei'm normalen Fortgange des Ein— und Ausathmens Kenntniß. Dann nahm ich an demſelben Froſche die Ha ro'ſche Operation vor, d. h., ich beſeitigte die Haut unter dem Unterkiefer, die mm. mylo-hyoidei und genio-glossi und die Schleimhaut des Mundes, fo daß die Zunge vorfiel. Unter dieſen Umſtanden zeigten fi die Bewegungen der glottis und folglich des os hyoideum kraͤftiger und haͤufiger, wie jemals. Dennoch drang, obwohl die auf- und niederwärts gehenden Bewegungen im hoͤchſten Grade ſtattfanden, nur wenig Luft in die Lunge ein. Sie wurde nicht mehr in demſelben Grade, wie früher, und nur an ihrem vordern Ende mit Luft gefuͤllt. Da ich auf dieſe Weiſe wahrnahm, daß die Inſpiration nur unvollſtaͤndig ſtattfand, was nach Haro's Behauptung nicht der Fall ſeyn ſollte, ſo fuͤhlte ich mich veranlaßt, einige Verſuche anzuſtellen, um zu erfahren, ob die Aufwaͤrtsbewegung der Kehle, d. h. die Verengerung der Mund—⸗ hoͤhle dazu beitragen würde, das Einathmen vollkommner zu machen. *) Vergl. No. 559 (No. 9 des XXVI. Bdes) d. Bl., S. 130. 293 Nachdem ich bei einem kraͤftigen Froſche die Haut an den Seiten des Koͤrpers beſeitigt und den Zuſtand der Lungen bei den Athmungsbewegungen genau beobachtet hatte, zerſtoͤrte ich den Rand der aͤußern Nafenöffnungen in der Weiſe, daß eine permanente Communication zwiſchen der Äußeren Luft und dem Innern der Mundhöhle bewirkt wurde. Der Froſch machte nunmehr die groͤß— ten Anſtrengungen, um die Mundhoͤhle zu erweitern, ohne daß es ihm gelungen waͤre, die Lungen in irgend einem bedeutenden Grade auszudehnen. Dieß geſchah nicht in Folge eines eingetrete— nen Hinderniſſes, welches der Luft den Eintritt aus der Mund— hoͤhle in die Luftwege verſchloſſen haͤtte, denn dieſe Communication war vollkommen frei; ſondern es geſchah, weil die Naſenhoͤhlen, zu der Zeit, wo die Mundhoͤhle verengert wurde, vollkommen offen blieben und folglich faſt alle Luft aus der Mundhoͤhle durch die Naſenloͤcher entwich, ſo daß nur ein kleiner Theil derſelben in die Lungen gelangte. Bei dieſem Verſuche bietet ſich ein der Aufmerkſamkeit wuͤr— diger Umſtand dar. Der Froſch, welcher das Beduͤrfniß des Athem— holens fühlt, ſenkt auch die Augen bedeutend tief in dem Augen: blicke ein, wo er die Mundhoͤhle ſo ſtark, als moͤglich, verengert. In die Augenhoͤhlen zuruͤckgezogen, bilden ſie in der Mundhoͤhle eine Hervorragung, ſo daß ſie zur Verengerung derſelben und zum Eintreiben der Luft in die Lungen beitragen. Um dſe Thatſache, daß eine Art von Schlingmechanismus bei der Reſpiration des Fro— ſches mitwirkt, noch deutlicher zu beweiſen, ſtellte ich, ohne die Mundhöhle im Geringſten zu beſchaͤdigen, folgenden Verſuch an. Das Gehoͤrorgan communicirt mit dieſer Hoͤhle durch eine weite Hoͤhle mit knochigen Wandungen. Nachdem ich die Lunge wie fruͤher ſichtbar gemacht, beſeitigte ich bei einem kraͤftigen Froſche die Membran der Trommelhoͤhle auf beiden Seiten. Als ich nun eine Flaumfeder vor das Hoͤrloch hielt, wurde dieſelbe in dem Augenblicke, wo ſich die Kehle hob, zuruͤckgeſtoßen. Der Froſch athmete unter dieſen Umſtaͤnden nicht ohne Schwierigkeit und be— ſchleunigte daher die Bewegungen, durch welche die Mundhoͤhle abwechſelnd ausgedehnt und zuſammengezogen wurde, um auf dieſe Weiſe die bedeutende Unvollſtaͤndigkeit der Inſpiration auszuglei— chen. Die Lungen wurden nicht nur weniger ausgedehnt, wie fruͤ— her, ſondern zeigten ſich ſogar zuſammengefallen und welk, ſo daß ſie nur ſehr wenig Luft enthielten. Wenn ich alsdann die der beſeitigten Membran der Trommel entſprechenden Loͤcher mit den Fingern ſchloß, ſo ſah man, nachdem die Rachenhoͤhle ſich ein Paar— mal ausgedehnt und verengert hatte, die Lungen ſich ſtark aus— dehnen, und dieſe Anſchwellung fand deutlich in dem Augenblicke ftatt, wo ſich die Kehle hob. Die Wichtigkeit dieſer Thatſachen wird durch den Hauptver— ſuch des Hrn. Haro nicht geſchmaͤlert, bei welchem er, wie oben geſagt, die Haut unter der Kehle und einige Muskeln beſeitigt hatte, fo daß die Zunge vorfiel, und in Folge deſſen er, da der Froſch nichtsdeſtoweniger noch mehrere Tage lebte, geſchloſſen hatte, daß die Reſpiration ihren Fortgang in normaler Weiſe habe. Als Gegenbeweis läßt ſich anführen, daß, wenn man einen Froſch 24 Stunden unter Waſſer getaucht haͤlt, er deßhalb doch nicht ſtirbt, wenn die Temperatur des Waſſers und der Luft einige Grade über dem Nullpuncte ſteht. Zumal wenn ſie ſich ſtets auf dem Nullpuncte haͤlt, bleibt der ſcheintodte Froſch ſehr lange leben— dig. Ich habe auf dieſe Weiſe einen Froſch 5 Tage lang auf dem Boden eines mit Waſſer gefuͤllten Gefaͤßes gelaſſen; als ich ihn herausnahm, gab er noch Zeichen von Reizbarkeit zu erkennen, und nachdem er einige Stunden bei einer Temperatur von + 6° in der Luft verweilt hatte, war er wieder ſo lebhaft, wie fruͤher. Auch lebt der Froſch mit vollſtaͤndig geſchloſſener glottis mehrere Tage lang fort. Von dieſem Verſuche iſt in meinem Werke uͤber das Lymph— ſyſtem der Reptilien die Rede geweſen, und ich habe denſelben dieſes Jahr mehrmals an demſelben Froſche wiederholt, dem ich die glot- tis verſchloß, und der in meiner Stube bei einer Temperatur von 7 — 3° einundzwanzig Tage lebte. Dieſer Verſuch, bei welchem die glottis verſchloſſen wird, kann als ein ſehr beweiſender Beleg zu der Anſicht gelten, daß bei'm Athemholen eine Art von Schlinge mechanismus thätig iſt. Man öffnet einem Froſche den Mund und 767. XXXV. 19. 294 verſchließt die glottis mittelſt zweier Faͤden, die man mit einer Na⸗ del einheftet, worauf man, um ſeiner Sache ganz gewiß zu ſeyn, noch eine Ligatur um die glottis legt. Wenn man den Froſch loslaͤßt, fo fängt er ſogleich die Kehle mit Macht zu erheben und zu ſenken an, indem er die Augen tief in die Augenhoͤhlen zuruͤckzieht und die Naſenloͤcher weit oͤffnet. Beobachtet man ihn nach einigen Stunden, ſo erſcheint er gewoͤhnlich in der Flankengegend ſehr voll, ſo daß man meinen ſollte, die Lungen ſeyen ſtark ausgedehnt; allein dieß iſt nicht der Fall. Durch die wie= derholten angeſtrengten Ausdehnungen und Zuſammenziehungen der Mundhöhle iſt die Luft vielmehr in den Darmcanal und durch die— ſen in die Harnblaſe getrieben worden, und dieſe Organe ſind auf— geblaͤht. Es iſt, in der That, klar, daß, da die bei dieſen An— ſtrengungen zum Athmen im Munde comprimirte Luft bei'm Erhe: ben der Kehle nicht in die Lungen eindringen kann, dieſelbe, wenns gleich ein Theil derſelben durch die Nafeniöcher entweicht, den Sphine— ter der Speiſeroͤhre oͤffnen und in den Nahrungsſchlauch einſtreichen muß. Hiervon kann man ſich leicht uͤberzeugen, wenn man das abdomen des Froſches öffnet und beobachtet, wie die Luft jedes mal, wenn die Mundhoͤhle ſich verengert, in den Nahrungsſchlauch eintritt; und wenn man in dem von Luft ausgedehnten Magen eine Oeffnung angebracht hat, ſo daß die Luft herausgefahren iſt, ſo ſieht man, ſo oft die Kehle ſich erhebt oder die Mundhoͤhle ſich ver— kleinert, Luftblaſen aus der Oeffnung kommen. Was die Expiration betrifft, fo wird dieſelbe durch die Con- traction des Lungengewebes und durch die Thaͤtigkeit der mm, sterno- hyoidei bewirkt, aber nicht ſowohl, wie Hr. Haro meint, deßwe— gen, weil dieſe Muskeln ſich vom hintern Theile des sternum bis zu der Wirbelfäule hinziehen und zur Verengerung des thorax, ſo— wie zur Zuſammendruͤckung der Lungen, beitragen, ſondern vielmehr, weil ſie das os hyoideum und die glottis hinter- und niederwärts ziehen und auf dieſe Weiſe die Hoͤhle, in welcher ſich die Lungen befinden, verengern. Ich bemerkte, in der That, daß dieſe Mus— keln in ihrem Verlaufe nirgends mit den Lungen in directe Bezie— bung treten, indem jie vom os hyoideum zum sternum unter den ſtarken Gefäßen und den Lappen der Leber hinſtreichenz und die Senkung des hinteren Theiles des sternum, welche ich uͤbrigens bei der Expiration nie wahrgenommen habe, koͤnnte, ſelbſt wenn ſie ftattfände, nie bedeutend und immer nur indirect einwirken, da die Lungen eine hohe Lage zu den Seiten der Medianlinie haben. Um mich davon zu uͤberzeugen, daß dieſe Muskeln bei der Ex— piration nur wenig einwirken, durchſchnitt ich bei einem kraͤftigen Fro— ſche die Kehlhaut, zog hierauf das vordere Ende des sternum vor— ſichtig in die Höhe und durchſchnitt dann beide mm. sterno-hyoidei nach der Quere. Das Ausathmen hatte demungcachtet feinen unge— ftörten Fortgang. Meine Verſuche mit dem Waſſer- und Landſalamander hatten, im Ganzen genommen, ganz aͤhnliche Reſultate, wie die mit Froͤ— ſchen angeſtellten, ſo daß ich derſelben nicht naͤher gedenke, um nicht in Wiederholungen zu verfallen. Nur will ich bemerken, daß ich Hrn Haro nicht darin beipflichten kann, daß die Natur bei den Salamandern und Tritonen den Muskel des Ausathmens, naͤm— lich den sterno-hyoideus, deßhalb fo lang eingerichtet habe, weil die Laͤnge der Lungen dieſer Reptilien erfodert haͤtte, daß dieſer zur Entleerung der Lungen beſtimmte Muskel noch tiefer, als dieſelben, angeſetzt ſey. Dieſer Grund der Verlaͤngerung der Muskeln hat mehr den Schein, als die Wahrheit fuͤr ſich, da dieſe Muskeln eine ſolche Lage haben, daß ſie bei ihrer Contraction nicht direct auf die Lun— gen einwirken koͤnnen, und weil, ſelbſt bei'm Froſche, die Lungen ziemlich haͤufig bis in die regio pubis reichen, waͤhrend die mm. sterno-hyoidei nicht über die hintere Portion des sternum hinaus- gehen, welche von dem in die regio pubis hinein reichenden Ende der Lungen um einen vollen Zoll abſteht. Ich bin überzeugt, daß die Verlängerung jener Muskeln bei'm Salamander einen anderen Zweck hat. Dieſelben muͤſſen nothwen— dig bis zum os pubis reichen, weil ſie nirgends anders angeheftet werden koͤnnen, indem bei dieſen Reptilien, wie bei den Tritonen, kein aͤchtes sternum, wie die Froͤſche es beſitzen, ſondern nur zwei von den Schultern ausgehende und nach der Medianlinie zu breiter TO 295 werdende, ſich locker anelnanderfuͤgende häutige, Enorpelige Bänder vorhanden ſind. Auf dieſe Weiſe pflanzt ſich jede Bewegung der Vorderbeine auf dieſe Sternalbaͤnder fort, und die fraglichen Mus— keln hätten an dieſen keine feſten Stügpuncte gefunden, daher fie an das os pubis angeheftet werden mußten. Dieß iſt noch nicht Alles, ſondern der Thaͤtigkeit derſelben mußte noch durch einen anderen Umſtand zu Huͤlfe gekommen wer— den, naͤmlich durch den, daß ſie nach ihrer ganzen Laͤnge frei ſind. Sie ſtreichen naͤmlich in einer in der Dicke der Bauchwandungen liegenden Scheide hin, ſo daß ſie bei ihrer Zuſammenziehung das os hyoideum hinter- und niederwaͤrts ziehen koͤnnen. Was die Schildkroͤte anbetrifft, ſo laͤßt ſich, wenn man die Ausdehnung der zwiſchen dem Ruͤcken- und Sternalſchilde liegenden Hoͤhle, die Beweglichkeit des Beckens und der Schulter, die Anhef— tung der letztern mittelſt Zellgewebes an die Membran, welche die Eingeweidehoͤhle umgiebt, endlich die kraͤftigen Muskellagen, welche ſowohl vor, als hinter dem Knochengehaͤuſe den großen elliptiſchen Spalt ſchließen, in Anſchlag bringt, wohl nicht bezweifeln, daß dieſe anatomiſche Structur eigends darauf berechnet iſt, der Reſpi— ration dieſes Reptils den Character derjenigen zu ertheilen, welche durch einen beweglichen thorax ermittelt wird. Die anatomiſchen und phyſiologiſchen Betrachtungen, welche Dr. Haro anſtellt, um den wahren Mechanismus des Athemho— lens bei der Schildkroͤte darzuthun, ſind ungemein belehrend und berichtigen einen Irrthum, in welchen die ausgezeichnetſten Zoolo— gen verfallen find. Um dieſe ſo wichtige Anſicht zu beſtaͤtigen, ſtellte ich folgenden entſcheidenden Verſuch an. Bei einer Meerſchildkroͤte, welche den Kopf nie in das Kno— chengehaͤuſe zuruͤckzieht, legte ich den vorderen Theil der Luftroͤhre und dann die glottis mittelſt eines Einſchnittes in die Haut bloß, ohne Gefaͤße irgend einer Art zu verletzen. Ich zog ein Baͤndchen unter derſelben durch, ſchnitt dann durch einige Knorpelringe und führte eine kleine Metallroͤhre ein, welche ich mittelſt des Baͤnd— chens verſchloß. Das Thier hatte nicht im Geringſten gelitten und das Athemholen ging in der normalen Weiſe von Statten. Um mir vollſtaͤndige Gewißheit daruͤber zu verſchaffen, was im Au— genblicke der Inſpiration und Erpiration geſchehe, brachte ich an der Oeffnung des Roͤhrchens eine Flaumfeder an, welche das Ein— und Ausſtreichen der Luft anzeigte. Durch die kraͤftige Anziehung und Abſtoßung des Faͤhnchens der Feder überzeugte ich mich voll: kommen, daß das Athemholen ſeinen normalen Fortgang hatte. Auf dieſe Weiſe lag es auf der Hand, daß bei der Schildkroͤte dieſe Function in derſelben Weiſe, wie bei Thieren, die mit beweg— lichen Rippen und zur Erweiterung und Verengerung des thorax beſtimmten Muskeln verſehen ſind, und nicht vermittelſt einer Art von Schlingmechanismus ſtatthat. Denn obwohl die Metallroͤhre durchaus nicht mit dem Munde communicirte, ſo athmete das Thier doch vollkommen. Vorzuͤglich lag mir aber daran, die von Dr. Haro erwaͤhnte Thatſache zu beſtaͤtigen, daß die Schildkroͤten, gleich den Voͤgeln, einer doppelten Reſpiration theilhaftig ſind, in— dem die Luft aus den Lungen in Luftbehaͤlter ſtreiche, von denen einer bei der Schildkroͤte, mit welcher Dr. Haro experimentirte, ein volles Drittel der inneren Höhle einnahm ). (Schluß folgt.) Mies eee een Ueber eine neue Kraftäußerung für Locomotiven macht das Memorial de Rouen folgendes Schreiben aus Philadel- pbia bekannt: „William Evans hat ein Problem gelöf’t, welz ches unfer gegenwaͤrtiges Eiſenbahn- und Dampfboot:Princip über den Haufen werfen würde. Mittels einer ungeheuren Compreſſion iſt es ihm gelungen, die atmoſphaͤriſche Luft tropfbar fluͤſſig zu machen; und dann ſind wenige Tropfen von einer chemiſchen Zus ſammenſetzung hinzugeſetzt hinreichend, um zu bewirken, daß ſie ) Vergl. No. 560. (No. 10 d. XXVI. Bos.) S. 147. d. Bl. 767. XXXV. 19. 296 ihr urſpruͤngliches Volum mit einer voͤllig wunderbaren elaſtiſchen Gewalt wieder annimmt. Ein Experiment in einem großen Maaß⸗ ſtabe hat ſo eben ſtattgehabt. Ein Zug von zwanzig beladenen Wagen wurde in weniger als fuͤnfviertel Stunden eine Entfernung von ſechzig engliſchen Meilen geführt, — indem die ganze Bewe— gungskraft in fluͤſſiger Luft in einem Gefäße von zwei und einer halben Gallone enthalten iſt, in welche, von Tropfen zu Tropfen und von Minute zu Minute, die fragliche chemiſche Compoſition hineinfiel. Schon ſind reichliche Subſcriptionen gemacht, und eine Geſellſchaft bildet ſich. Der Erfinder erklaͤrt, daß ein regelmaͤßiges Paketſchiff die Ueberfahrt von Philadelphia nach Havre in acht Tagen machen koͤnne, indem fie eine Tonne ſeiner fluͤſſigen Luft fuͤhre. Eine Dampfmaſchine von ſechs Pferdekraft kann dieſe Quantitaͤt in acht Stunden liefern.“ — Als Daͤmpfer ſolcher uͤber⸗ ſanguiniſchen Hoffnungen moͤge auch folgende Bemerkung aus dem Journal des debats hier Platz finden: „Dieſer Bericht über die Fluͤſſigmachung von atmofphärifher Luft aus einem Privatſchrei— ben, deſſen Quelle nur unbeſtimmt angedeutet iſt, ſcheint authen⸗ tiſcher Beftätigung durch americaniſche Journale zu bedürfen und jedenfalls mehr umſtaͤndlicher Details. — Nicht daß die Thatſache theoretiſch unmoͤglich waͤre: alle bekannten Experimente uͤber die Compreſſion der Luft ſcheinen die Wahrſcheinlichkeit ihrer Fluͤſſig— machung feſtzuſtellen. Aber man kann nicht umhin, ſich zu fragen, unter welcher Intenſitaͤt von Kraft ſie hervorgebracht worden, ob das Agens eine Dampfmaſchine oder irgend eine andere Treib- kraft? Kohlenſaͤure iſt fluͤſſig gemacht worden unter dem Drucke von dreißig Atmoſphaͤren, ſie iſt in der Form von Eis ſolidificirt unter dem Drucke von vierzig Atmoſphaͤren. Aber dies Gas iſt dichter und ſchwerer, ſeine conſtituirenden Atome ſind dichter und folglich von leichterer Condenſation. In England und in Frank⸗ reich ſind ſchon Schluͤſſe erlaubende Experimente gemacht uͤber die Moͤglichkeit, Eiſenbahnzuͤge durch die Expanſionskraft von compri⸗ mirter Luft fortzutreiben; — der Einwurf und die Schwierigkeit beſteht in der Nothwendigkeit, Dampf- oder andere Maſchinen in wiederholten Entfernungen herzurichten, um mit comprimirter oder fluͤſſig gemachter Luft die Recipienten zu füllen, die beſtimmt find, auf die Locomotive an die Stelle der Dampfcylinder gebracht zu werden. Dieſe Koften und Schwierigkeiten haben bisjetzt die Anz wendung des Syſtems mit comprimirter Luft noch gänzlich verhin⸗ dert. Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß das fragliche Problem in America geloͤſet ſeyn moͤge; aber man muß vollere und ſicherere Einzelnheiten beſitzen, ehe die ſcientifiſche oder Manufactur-Welt wagen darf, darauf zu fußen. Was noch auffallender iſt, als die Fluͤſſigmachung ſelbſt, iſt die Verſicherung, daß dieſe Luft in einem Faſſe, wie jede andere Fluͤſſigkeit, enthalten ſey, da wir doch wiſſen, daß ſie in dieſem Zuſtande nur in Recipienten von außerordentli— cher Widerſtandskraft erhalten werden kann. Die Leſer erinnern ſich des Ungluͤcksfalles in der Ecole de pharmacie zu Paris, bei Gelegenheit der Fluͤſſigmachung der Kohlenfäure, Ein metalliſcher Cylinder von großer Dicke, welcher drei- oder viermal vorher ſchon demſelben Experimente widerſtanden hatte, explodirte plotzlich doch, ſo daß einer der Operatoren getoͤdtet und mehrere der Umſtehenden ver— wundet wurden. Nun hat atmoſphaͤriſche Luft gar noch eine weit mehr elaſtiſchen Widerſtand leiſtende Kraft, als Kohlenſaͤure. Auch iſt die Nothwendigkeit des Tropfens eines namenloſen Agens nicht begreiflih, um der Luft ihre ausdehnende Wirkung wieder zu vers ſchaffen, weil zu dieſem Zweck ſchon hinreichen wuͤrde, ein Ventil zu oͤffnen, wenn man nicht darauf ausgehen wollte, die Luft zu dem Zuſtande einer permanenten Fluͤſſigkeit zu reduciren — und das wird kein Naturforſcher glauben, bis er es geſehen hat. Ueber ein neues Aernteverfahren hat der Ingenieur Irroy der Akademie der Wiſſenſchaften, in deren Sitzung am 11. Auguſt, Folgendes mitgetheilt. Es werden dabei die Aehren von dem beſtehenden Halme abgeſchnitten. Es geſchieht dieß mittelſt eines Hackemeſſers und Klotzes, an welchem letzteren Pfloͤcke ange— bracht ſind, mittelſt deren der Sack, in welchen die Aehren fallen, oben offen gehalten wird. Nach dem Abſchneiden der Aehren wer— den dieſe in eine zu 40° bis 50° Centigr. geheizte Trockenſtube gebracht. Nach 20 Minuten ſind die Aehren trocken, und werden durch neue erſetzt, während man beſtaͤndig ein Schmauchfeuer un: 297 terhält. Hr. Irroy behauptet, daß, wenngleich das Schneiden mehr Zeit in Anſpruch nehme, als ſonſt, doch dagegen im Vergleich mit dem gewoͤhnlichen Aernteverfahren wieder viel gewonnen werde, weil man alle in Betreff des Einſcheuerns und Hin- und Hertra⸗ gens der Garben noͤthige Zeit und Arbeit erſpare. Ein großer Vortheil iſt, daß man das Auswachſen des Getraides nicht zu be— fuͤrchten hat, und daß man das Stroh ungequetſcht erhält, Fer— ner behauptet Hr. Irroy, daß das ſo behandelte Getraide von dem Kornwurme verſchont bliebe, und daß das aus demſelben ge— wonnene Mehl weit ſchoͤner ausfalle. 767. XXXV. 19. 298 In Beziehung auf Bevoͤlkerung der Vereinigten Staaten von Nordamerica führt Hr. Lyell an, daß die Volkszählungen ſeit dem Jahre 1800 ſehr forgfältig gemacht ſind, und daß das Verhaͤltniß des Zuwachſes der Bevoͤlkerung 35 Proc. für die erſte zebnjährige Periode betragen, und daß fie in den letzten bis auf 32 Proc. abgenommen hat. Aus dieſen Daten fol gert Prof. Tucker, daß die Bevoͤlkerung im Jahre 1850 in run⸗ den Zahlen bis auf 22 Millionen ſteigen werde ꝛc.; und 1900 auf 80 Millionen. e i Bericht uͤber die neueſten Unterſuchungen im Ge— biete der phyſiologiſchen und pathologiſchen Chemie und Mikroſkopie. Von Dr. George E. Day. Vom Blute. Unterſcheidende Charaktere des arteriellen und venoͤſen Blutes. — Nach Dr. Simon's Unterſuchungen enthaͤlt das Arterienblut weniger feſte Ruͤckſtaͤnde, weniger Fett, Eiweiß, Haͤmatin, Extractivſtoff und Salze, als das Venenblut, ſowie auch die Blutkoͤrperchen des erſteren weniger Faͤrbeſtoff, als die des letz— teren, darbieten. Stellen wir dieſe Reſultate mit denen anderer Phyſiologen (Denis, Hering, Lecanu ꝛc.) zuſammen, fo ergiebt ſich, daß bei einem und demſelben Thiere beſtimmte Unterſchiede zwiſchen arteriellem und venoͤſem Blute vorhanden, jedoch nicht conſtant ſind, und nach dem Geſundheitszuſtande, der Beſchaffen— heit der Nahrung u. ſ. w. variiren. Pfortaderblut und Arterienblut. — Das Blut der Pfortader iſt dunkler, als das gewoͤhnliche Venenblut, es gerinnt langſam, und das Coagulum nimmt eine gelatinöfe Beſchaffenheit an und bricht leicht. Im Verhaͤltniſſe zum Arterienblute, hat das Pfortaderblut weniger Faſerſtoff, mehr Fett, Extractivſtoffe und Salze, ſowie auch eine größere Quantität von Faͤrbeſtoff im Vers hältniſſe zum Globulin, als das letztere. Blut der v». hepatica und der v. portae. — Das erſtere iſt reicher an feſtem Ruͤckſtand, dagegen aͤrmer an Faſerſtoff, Fett, Globulin und Faͤrbeſtoff, auch iſt bei demſelben das Verhaͤlt— niß des Faͤrbeſtoffs zum Globulin und die Quantität des Eiweißes größer, als bei dem letzteren. Aus dieſen Verſchiedenheiten ſcheint hervorzugehen, daß die Blutkörperchen (oder wenigſtens der Haupt— beſtandtheil derſelben, das Globulin) eine größere Rolle bei der Bildung der Galle als das Eiweiß, der Hauptbeſtandtheil des plasma, ſpielen. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung des mit einer Salmiafauflöfung verſetzten Blutes der Lebervene zeigen ſich die Koͤrperchen mittlerer Groͤße von einem Kranze perlartiger Excrescenzen umgeben, ſowie auch eine große Menge kleiner Koͤr— perchen von 4 oder 8 der gewoͤhnlichen Größe ſichtbar werden, welche nur durch ihre gelbe Farbe und Scheibenform ſich als Blut— koͤrperchen kenntlich machen. Die Bewegungen dieſer kleinen Koͤr— perchen gleichen denen der Brown'ſchen Molekule und ſind weit lebhafter, als die der gewoͤhnlichen Blutkoͤrperchen in anderem Blute. Blut der Nierenvene und Aortenblut. — Simon konnte keinen Faſerſtoff im Nierenvenenblute entdecken; ſeine Ana— lyſen ſind außer dieſem auch in Bezug auf die Quantitaͤt des Globulins ziemlich unvollftändig. Unter dem Mikroſkope floſſen die Blutkörperchen in dem unvermiſchten Blute der v. venalis in kleine Inſeln und amorphe Gruppen zuſammen. Nach dem Zu⸗ fage einer Auflöfung von Kochſalz zeigten ſich eine große Menge Ehn u n de. kleiner und mittelgroßer Koͤrperchen, jedoch nicht ſo zahlreich, wie im Blute der Lebervene. Abfolute Zuſammenſetzung des gefunden Venen⸗ blutes beim Menſchen. — Nach Simon's und Naſſe's Analyſen enthalt daſſelbe 203 feſter Beſtandtheile, 0,25 Faſerſtoff und eine ungefähr gleichgroße Menge Fett; die Blutkörperchen übers wiegen an Menge bei Weitem das Eiweiß und enthalten ungefähr 5—62 Faͤrbeſtoff. Die Salze des Blutes find von Denis, Marz Hand, Naffe und Enderlin analyfirt worden, und der Letztere weiſ't deutlich nach, daß die bei der Verbrennung des feſten Ruͤck⸗ ſtandes des Blutes erhaltene Aſche weder Carbonate noch freie Alkalien, ſondern eine beträchtliche Menge tribaſiſchen Natronphos⸗ phats enthält, von welchem die Alkalescenz des Blutes herruͤhrt. Nach Enderlin's Unterſuchungen müffen die Lactate aus der Reihe der Miſchungsbeſtandtheile des Blutes geſtrichen werden. Blut in verſchiedenen Krankheiten. — Folgende Tabelle giebt eine Ueberſicht der Schwankungen der Beſtandtheile des Blutes bei verſchiedenen krankhaften Zuftänden. Das Waſſer variirte von 871 — 757 der feſte Ruͤckſtand = — 243 — 129 Faſerſtoff s : 91— 15 Fett : : 4,3 — 0869 Eiweiß : „ 126 — 63 Globulin x - 8,7 — 18 Haͤmatin 5 s f Haͤmatoglobulin = 114 — 36 Ertractivftoffe u. Salze : = 16,5— 7,6 Blut bei Hyperinosis. — Ueberſchuß an Fibrin, Ab⸗ nahme der Blutkörperchen, Zunahme des Fettes, Verminderung des feſten Ruͤckſtandes; das Blut gerinnt langſamer, als im geſunden Zuſtande; das Coagulum von mittlerer Groͤße, Geſtalt und Con- ſiſtenz, faſt immer von einer roͤthlich-gelben Haut bedeckt, erzeugt durch das Niederſinken der Blutkoͤrperchen vor dem Eintritte des Gerinnens. Dieſe Haut iſt feſt, zaͤhe und haͤngt feſt mit dem Coa⸗ ulum zuſammen, ſie iſt eine Verbindung von 2 Proteinoxyden 840 f 81 N 50 14 und C 40 H 31 N 5 O 15 und enthält wahrſcheinlich kein aͤchtes Fibrin. Dieſe beiden Oxyde find immer im Blute vorhanden, aber bei entzündlichen Zuſtaͤnden in größerer Quantität. Bei'm Schlagen des Blutes ſcheidet ſich der Faſerſtoff in dickere und ſolidere Maſſen, als bei gewoͤhnlichem Blute, und nach der Entfernung deſſelben ſinken die Blutkörperchen raſch und nehmen faſt den Aten Theil der ganzen Fluͤſſigkeit ein, waͤhrend ſie bei geſundem Blute ſehr unvollſtaͤndig oder gar nicht nieder⸗ ſinken. Die Temperatur des Blutes iſt hoͤher, als gewoͤhnlich. Das Mikroſkop hat noch keine conſtanten Eigenthuͤmlichkeiten nach⸗ gewieſen. Verf. giebt hier Analyſen des Blutes bei Metrophlebi- ts puerperalis, Bronchitis, Pneumonia, Pn. biliosa, Peritonitis, Metroperitonitis, Rheumatismus acutus und Phthisis nach Si⸗ mon, Heller, Scherer und Busk. 299 Blut bei Hypinosis. — Quantitat des Faſerſtoffes oft geringer, als gewöhnlich, oder wenn dieſelbe die normale iſt oder über dieſelbe hinausgeht, fo nehmen die Blutkörperchen in einem entſprechenden Verhältniß ab; die Blutkoͤrperchen und die feſten Miſchungsbeſtandtheile zuſammengenommen gehen oft über das normale Verhaͤltniß hinaus. Der Blutklumpen iſt groß, weich und von einer faſt ſchwarzrothen Farbe, zuweilen bildet ſich gar kein Blutklumpen; die gelbliche Haut zeigt ſich ſelten, und ſtets we— nig entwickelt. Krankhafte Formen, bei denen das Blut obige Beſchaffenheit zeigt, find Typhus, Exantheme, Wechfelfieber, Hirn— blutungen und Purpura haemorrhagica. Analyſen von Andral und Gavarret, bei Purpura von Routier. Blut bei Spanaemia. — Quantität des Faſerſtoffes und der Blutkoͤrperchen vermindert, Ruͤckſtand des Serum normal oder vermindert, Waſſer vermehrt. Geringe fpecifiihe Schwere des Blutes, Gerinnung unvollſtaͤndig oder gar nicht eintretend. Dieſe Form des Blutes findet ſich bei Anaͤmie, Scropheln, Chloroſis, Faulfiebern u. ſ w., auch in Folge unpaſſender Nahrungsmittel, ſchlechter Ventilation. Analyſe von Simon und Herberger. Blut bei Heterochymensis. Uraemia. — In der Brightſchen Krankheit findet ſich ſtets eine nachweisbare Quanti— taͤt Harnſtoff im Blute. Analyſen des Blutes bei dieſer Krank— heit haben Chriſtiſon (1839), Andral und Gavarret (Ann. d. Chim. et Phys. t. 75) und Simon (Anthropochemie) gegeben. In allen dieſen Fällen enthielten die Blutkörperchen einen Ueber— ſchuß an Haͤmatin, variirend von 8 — 93 (im Normalzuſtande 5 — 73), der Urin enthielt ſtets Eiweiß. Nach Huͤnefeld bieten die Blutkoͤrperchen in der genannten Krankheit zuweilen ein ganz eigenthuͤmliches Ausſehen dar, als wenn ſie mit kleinen perlartigen Auswuͤchſen beſetzt wären. Vgl. auch den Aufſatz von Dr. G. O- Rees in Guy’s Hosp. Rep. Apr. 1843. Harnſtoff findet ſich ferner im Blute bei Cholera (Rainy, O' S haugneſſy, Mar: hand, Simon und Heller), bei gewiſſen Fieberformen (cf. Taulor on the presence of urea in the blood in a peculiar form of fever: Med. Gaz. 1844) und bei Gicht (L'Héritier). Bei dem Blute der Cholerakranken fand ſich die Quantitaͤt des Faſerſtoffes vermindert, des Fettes etwas vermehrt, ſowie auch die Menge der firen Salze, namentlich der Chloride. Unter dem Mikroſkope erſchie— nen die Blutkörperchen an den Raͤndern zerriſſen, auch zeigten ſich zahl— reiche an der Oberfläche mehr oder weniger unregelmaͤßige Fettblaͤschen. Melitae mia. — Zucker wurde im Blute Diabetiſcher von Bence Jones, Percy und Simon entdeckt. Der Letztere giebt folgende 3 Analyſen: (1) (2) (3) Waſſer . . 794,663 789,490 802,000 Feſte Beſtandtheile . 205,337 210,510 198,000 Kaferitoffe aus 2,432 2,370 2,030 Fett 2,010 3,640 2,250 SR 114570 86,000 97,450 Globulin. 66,300 98,500 74,350 Gama er 5.425 5,100 3,700 Sucker, 2.0 SEEN RATE: 2,500 Eine Spur. Eine Spur. Extractivſtoffe u. Salze 9,070 14,900 12,680. (1) 2 Stunden nach einer ſtarken Mahlzeit, (2) und (3) vor der Zuſammenſetzung des normalen Darns, (S) 1011.0 (S) 1012.0 de I 963,20 956,00 Feſter Ruͤckſtand . 36,80 44,00 Harnſtof ff 12,46 14,578 Ha. 2? 0 52 0,710 Alkoholextract und Milchſaͤure 5,10 4,800 Spiritus:Ertradt e 200 5,500 12,94 Waſſerextract und Schleim. 1,00 ,10,14 2,550 Ammoniumlactat . 1,03 Ammoniumchlorid ... 25 Chlor natrium. .. 5,20 7.280 alia 300 3,508 Natronphosphat . 2,41 11,19 2,330 513,77 Kalk: und Magneſiaphosphat 0,58 0.654 Sehe % s n Spur) Spur 767. XXXV. 19 300 Mahlzeit entnommen. Vgl. auch Dr. Percy über Diabetes: Med. Gaz. Vol. 11, 1842—3. Cholaemia. — In einem ſehr intenſiven Falle von Joterus fand Simon im Blute: Waſſer 770,00; feſte Beſtandtheile 230,00; Fibrin 1 50; Fett 2,64; Albumen 126,50; Globulin 72,60; Haͤ⸗ matin 4,34; Haͤmaphaͤin mit Biliphaͤin 2,64; Extractipſtoffe und Salze mit Biliphaͤin 16,50. Das Serum hatte eine faſt blutrothe Farbe, beim Erhitzen derſelben mit Salpeterſaͤure bildete ſich ein weißlich⸗gelbes Coagulum (Eiweiß), welches nach und nach gras— gruͤn, blau, blaßroth und endlich gelb wurde. Piaraemia. Freies Fett im Blute, ſtets ein Zeichen un= vollkommener Sanguification, fanden Marcet bei Diabetes, Trail bei Hepatitis, Zanarelli bei Pneumonia, Chriſtiſon bei Hy- drops, Donne bei Gicht und Heller bei Peritonitis. Vgl. auch Archiv fuͤr Chemie, S. 6. 5 Haematoz oa. In dem expectorirten Blute zweier Phthiſiker entdeckte Delle Chiaje das Polystoma sanguiculum; Dr. Goodfel⸗ low fand eine ungeheure Menge von Thierchen in dem Blute eines Fieberkranken, welche / — %o“ lang waren und /o — 20000 im Durchmeſſer hatten. Gruby und Delafond erwähnen eines eigenthuͤmlichen Thierchens, welches im Blute der Hunde vorkommt. Unterſuchungen uͤber das Blut der Hausthiere im geſunden und kranken Zuſtande haben Andral, Delafond und Naffe angeftellt. Vo m Harn. Normaler Harn. Nach Liebig kommen im Harne nur zwei organiſche Säuren, Harnſaͤure und Hippurſaͤure, dagegen keine Milchſaͤure vor. Dieſe Säuren loͤſen ſich ſehr leicht in mit phos— phorſaurem Natron verfegtem Waſſer auf, die früher alkaliſche Fluͤſſigkeit wird ſauer, und es bilden ſich ein Natron-Urat und Hippurat und ein ſaures Natron-Phosphat. Der Harn wird aber auch durch die Schwefelſaͤure ſauer, welche aus dem Schwefel der Beſtandtheile des Blutes durch den bei'm Athmungsprozeſſe abſor⸗ birten Sauerſtoff gebildet wird und im Harne unter der Form von Sulfaten vorkommt. Die mit der Schwefelſaure combinirte alkaliſche Baſis wird von den loͤslichen alkaliſchen Phosphaten her: gegeben, welche in Folge dieſes theilweiſen Verluſtes der Baſis in ſaure Salze umgewandelt werden. Die ſaure, neutrale oder alka— liſche Reaction des Harns haͤngt von der Beſchaffenheit der Nah— rungsmittel und den vermittelſt derſelben in den Organismus ein— gebrachten alkaliſchen Baſen ab. Heintz hat kuͤrzlich eine neue Säure im Harn entdeckt, welche gleich der Milchſaͤure nur ſehr ſparlich loͤstiche Salze mit Zinkoryd bildet, dagegen von derſelben, außer Anderem, vornehmlich darin abweicht, daß fie prismatiſche Kry—⸗ ſtalle bildet und Stickſtoff enthält. Aus 50 Pfd. Harn erhielt H. nur etwa 8 Gran dieſer Säure (ek. Poggendorf's Annalen 62, p. 602). Hippurfäure findet ſich in großer Quantität im Harne Diabetiſcher, ſowie auch bei gewiſſen krankhaften Zuſtaͤnden (Bouchardat) und nach der! Darreichung von Zimmt- oder Benzoeſaͤure. Nach Bence Jones kommt im Harne nur ein Ammonium-Urat vor, welches aus 1 Th. Harnſaͤure und 1 Th. Ammoniumoxpd beſteht, ſtets in Na⸗ deln kryſtalliſirt, aufgelöf’t und mit etwas Chlornatrium verſetzt, ein amorphes Sediment bildet, und, mit Waſſer in dem Verhaͤltniſſe von 259 : 1000 vermiſcht, an Loͤslichkeit in dem Verhaͤltniſſe von 1000 : 450 oder mehr als das Doppelte zunimmt. Nach den Analyſen von Simon, Becquerel und Day. (S) 1010, (S)1008 (S) 1004 (8) 617,01 |(D)1022,5 972,600 981,090 957,600 971,935 961,00 27,400 19,000 42,400 28,065 39,00 8,402 7,568 15,275 12,102 16,60 0,389 0,61 13,964 8,618 19,140 8,647 12,07 2,790 2,200 5 000 1.250 1,250 2,750 6,919 9,72 0,264 0,264 0,657 301 Einfluß der Diät auf den Urin. Aus den von Leh⸗ mann an ſich ſelbſt angeſtellten Verſuchen geht hervor, daß ani⸗ maliſche Koſt die feſten Beſtandtheile des Urins vermehrt, vege⸗ tabiliſche Subſtanzen dagegen, namentlich die ſtickſtoffloſen, dieſelben vermindern. Der Gehalt des Harns an Stickſtoff haͤngt gleichfalls von der Nahrung ab, indem wir finden, daß eine ſtark ſtickſtoffige Koſt die Quantität des Harnſtoffs um ein Bedeutendes erhoͤht. Der feſte Ruͤckſtand enthält bei gemiſchter Koſt 802, bei rein ani⸗ maliſcher Koſt 592, bei vegetabiliſcher 393 und bei ſtickſtoffloſer Koſt 319 Harnſtoff. Die Quantität der Harnfäure ſcheint weniger von der Nahrung abzuhangen. Aus einer Vergleichung des im Urin und in der Nahrung enthaltenen Stickſtoffs geht hervor, daß die Nieren die einzigen Canale ſind, durch welche der Organismus ſich auf Einmal von einem Ueberſchuß an Stickſtoff befreien kann, und daß die im Ueberſchuß in den Darmcanal eingeführten Proteins verbindungen in einem genuͤgenden Grade abſorbirt werden, um Galle und Harn zu bilden, und nicht unveraͤndert den Organismus verlaſſen. — Nach den von Segalas uͤber den Einfluß von Verletzungen des Ruͤckenmarks auf die Harnſecretion angeſtellten Verſuchen wird dieſelbe bei Unterhaltung des Athmens durch die Zerſtoͤrung jedweden Theiles der medulla spinalis durchaus nicht beeinträchtigt. Harn in Krankheiten. Pericarditis, 2 Analyſen von Simon auf der Höhe der Krankheit nach ſtarker Antiphlogoſe; ſpec. Gew. 1018. (1) 2) W 937,50 960,10 Feſte Beſtandt heile 8 39,90 FF! ! 720065 2 17,50 EHRT EEE Er NE 1,50 0,99 EErlEIcHhURoen- 4 0 20 15,00 Erdige Phosphate. 1 0,55 ) Schwefelſaures Natron 4,89 57,50 3,65 Phosphorſaures Kal!!. 0,56 \ Chlornatrium und kohlenſaures Kali 1,40 | \ In 100 Theilen feſten Ruͤckſtandes find enthalten (1) (2) normal ß Deren eee C | ee BEtEReHDftONee +. == ce 38, 1308 1123,53 Fire Salze 12,0 8,9258 Pneumonia. In einem von Heller gegebenen Falle fand ſich Schwefelwaſſerſtoffgas im Urin; derſelbe enthielt: Waſſer und ſchwefelwaſſerſtoffſaures Ammoniak 952,00; feſte Beſtandtheile 48,00; Harnſtoff 12,21; freie Harnſäure keine Spur; Sediment von harnſaurem Natron 1,80; Extractivſtoff mit ſalzſaurem und kohlenſaurem Ammoniak 27,40; fixe Salze 6,61; Albumen Spuren. Pleuropneumonia. In einem Falle von Simon wurde der dunkle und truͤbe Harn plotzlich klar und ambrafarbig und la⸗ gerte bei'm Erkalten ein weißes kryſtalliniſches Sediment von rei⸗ ner phosphorſaurer Ammoniak-Magneſia ohne Beimiſchung ab. Der filtrirte Harn war leicht alkaliſch, wurde durch Hitze nicht afficirt. aber durch die Hinzufuͤgung einer Säure weißlich getruͤbt; ſpec. Gew. 1022. Es enthielt: Waſſer 951,10; feſte Beſtandtheile 48,90; Harnſtoff 20,81; Harnſaͤure 1,48; Extractivpſtoffe 15,50; phosphorſaure Ammoniak⸗Magneſia und andere fixe Salze 10,20. Hepatitis. Nach Simon war der Harn in einem Falle ſpaͤrlich, von ſaurer Reaction und tief braunrother Farbe, lagerte ein reichliches rothes Sediment von harnſaurem Ammonium und Harnſaͤure ab und enthielt Biliphäin und etwas Eiweiß. Analyſe des Urins: Waſſer „ e 939,70 Feſte Beſtandt heile 60,30 Barnſto ff er Dinſ dure 1,70 Alkoholiſcher Extraaeoaee 9,70 Waſſer und fpirituöf. Extr. mit Eiweiß 6,30 Erdige Phosphate 0,84 Schwefelſaures Kali 5.30 Phosphorſaures Natron 3,13 Chlornatrium und kohlenſ. Natron . 9,50 767. XXXV. 19. 302 Peritonitis puerperalis Simon: Harn ſauer, et⸗ was truͤbe, in demſelben unter dem Mikroskope Schleimkoͤrperchen, Fragmente von Epithelium und zahlreiche aneinander liegende längs liche Zellen. Der Harn enthielt: Waſſe r 935988 Feſte Beſtandtheile . . 48,20 Barnſta ff 208 Banned su Dei 0,83 Ertractivfofe . » » 16,36 Fire Sale Dr 9,20 Eiweiß = Spur Nephritis albuminosa. Fall von Simon mit Haͤma⸗ turie, Harn neutral, blutroth, Niederſchlag von Blutkoͤrperchen, ſpec. Gew. 1017. Analyſe: Waſſer 948,12; feſter Ruͤckſtand 51,883 Harnſtoff 7,63; Eiweiß 15,00; Globulin 1,00; Haͤmatin, Extrec⸗ tivſtoff und Salze 25,80. — In einem Falle, von Anasarea und Ascites begleitet und bei ſtarker Verminderung der Secretionen Harn dunkelgelb, ſauer mit weißlichem Schleimſediment, welches, unter dem Mikroſkop unterſucht, zumeiſt aus langen, gegliederten Rohren, Conferven aͤhnlich, beſtand, welche zum Theil mit einer dunklen, granulirten Maſſe gefüllt waren; außerdem viele mit ahn⸗ licher Materie gefüllte Kuͤgelchen, Schleim- und Eiterkoͤrperchen und in einem Falle einige wenige ſchoͤne gelbe Kryſtalle von Harn— ſaͤure. Analyſen von Simon und Dr. Perey. Typhus. Im erſten Stadium der Harn gewoͤhnlich dunkel— gefaͤrbt, dick und ſauer, beim Eintreten des Torpors verliert der Harn feine Säure, wird neutral und ſelbſt alkaliſch. Aus 10 von Simon angeſtellten Analyſen ergiebt ſich, daß das ſpecif. Gewicht des Harns abnimmt, die Darnfäure zunimmt und die fixen Salze beträchtlich vermindert werden. Andere Ana⸗ lyſen von Scherer. Nach Schoͤnlein iſt der Harn im erſten Stadium der Krankheit dunkelgefärbt und ſtark ſauer, ſpaͤter wird er neutral, dann alkaliſch und endlich bei'im Herannahen der Res convalescenz wieder ſauer. Scorbutus et morbus maculos us Werlhofii. Si⸗ mon: Harn mild ſauer oder ſchwach alkaliſch, die chemiſche Zu⸗ ſammenſetzung deſſelben ähnlich der bei'm Typhus, Harnſtoff we⸗ niger als normal (25 — 303 vom feſten Ruͤckſtande), fire Salze 14 — 182% bei 2 Männern, 272 bei einer Frau, Harnſaͤure etz was vermehrt. In der Werlhof'ſchen Krankheit Harn, nach Heller, tief gelbbraun, ziemlich truͤbe, zuerſt leicht ſauer, aber bald darauf alkaliſch; keine Spur von Eiweiß, in den fixen Gal: zen kaum etwas Chlornatrium; Harnſaͤure bedeutend vermehrt. In einem Falle ſtarker Niederſchlag von phosphorſaurer Ammo- niak⸗Magneſia und harnſaurem Ammonium, welcher mit der fort⸗ ſchreitenden Beſſerung des Kranken allmälig verſchwand, ſtets Spu⸗ ren von Eiweiß bis zur Reconvalescenz. In beiden Faͤllen das harnſaure Ammonium ſehr vermehrt, Harnſaͤure desgleichen (2: 1000.) Chlorosis. — Analyſen von Herberger vor und nach dem Gebrauche des Eiſens. Nach dem Gebrauche des Eiſens. (1) (2 (3) (4) (5) Specif. Gewicht 1010 1009 1012 Waſſer 8 975,43 | 978,21 | 971,98 | 940,16 938,70 Harnſtoff -» < 7,04 7,00 7,12 | 25,84 27,36 Harnſaͤure 013 0,21 0,19 0,94 0,96 Extractivſtoffe 10,48 9,00 13,99 | 18,62 16 28 Fixe Salze . 6,80 5,50 6,62 13,32 15,71 H. entdeckte waͤhrend der Behandlung Eiſen im Blute und Schweiße. Cholerasporadica. Analyfen von Simon und Heller: Harn ſpaͤrlich, gewöhnlich dunkelgelb, ſauer, ſpecif. Gewicht 1011 bis 18, Waſſer 975,9; feſter Ruͤckſtand 21,1; Harnſtoff 7,1— 10,50. Mit fortſchreitender Beſſerung wird der Urin blaͤſſer und endlich anämiſch. Kohlenſäure in großer Menge vorhanden, zuweilen beim Erkalten ein leichtes Sediment von Schleim und ſehr fein vertheil— ten erdigen Phosphaten. Rheumatismus. Harn, nach Heller, ſehr reich an feſten Beſtandtheilen in Folge des Ueberſchuſſes an waͤſſrigem Extract und Salmiak, Farbe dunkelgelb, ſauer und klar, nach 24 Stunden ein Sediment von harnſaurem Ammonium ablagernd. Spec. Gewicht 303 1028,3; Waffer 928,63; feſte Beſtandtheile 71,32; Harnſtoff 18,65; Harnſaͤure 0,86; Ertractivftoff mit viel Salmiak 37,61; fixe Salze 14,20. Im acuten und chroniſchen Rheumatismus kommen oft ok— taedrifhe Kryſtalle von oxalſaurem Kalke im Urine vor. Rhachit is. — Analyſe von Simon: (1) (2) 8) (4) Waſſer . 978,40 968,50 964,90 962,80 Feſte Beſtandtheile 21,60 31,60 35,10 37,20 Harnſtoff . 3,58 6,70 6,17 7,36 Harnfäure . unbeſtimmt 0,26 0,35 0,26 Fixe Salze . 3,50 8,60 14,71 16,17 Natron phosphoricum 2,82 4,01 4,27 3,74 Kaliſulfat . . 190 1,80 1,31 1,80 Erdige Phosphate . 0,48 0.52 0,58 Aus dieſer Analyſe ergiebt ſich vornehmlich die Zunahme der fixen Salze, namentlich der Phosphate. Phthisis pulmonalis. Harn nach den Stadien der Krank: heit verſchieden. Analyſe von Simon bei einem Manne von 30 Jahren im stad. colliquativum: Harn braun und truͤbe, ſtark ſauer, Sediment von harnſaurem Ammoniak, ſpec. Gew. 1026,6 Waſſer 935,92; feſte Beſtandth. 64,08; Harnſtoff 23,905 Harn— ſaͤure 2,40; fixe Salze 10,85. Diabetes mellitus. Simon, Reich und Percy. mon, Reich und Pery. Unterſuchungen von Lehmann, Wir geben 3 Analyſen von Si: Specif. Gewicht (S.) 1018,0 (R.) (P.) 1042 Waſſer . - . N 907,88 894,50 Feſte Beſtandtheile 43,00 92,12 105,50 Harnſtoff . 9 . Spuren 8,27 12,16 Harnſaͤure 8 0 95 0,16 Zuder 3 6 5 39,80 56,00 40,12 Extractivſtoff und Salze 2,10 27,39 53,06 Erdige Phosphate 0,52 0,52 £ Zuweilen Eiweiß im Harne, in einem Falle von Reich Dip: purſaͤure. Vgl. Percy in Med. Gaz., Dr. Golding Bird ibid. 1844 und Day in Lancet 1844. Vom Speichel. In 1000 Theile normalen Speichels fand Simon: Waſ— ſer 991,225; feſte Beſtandth. 8,775; Fett mit Choleſterin 0,525; Ptyalin und Ertractivftoff 4,375; Extractivſtoff und Salze 2,450; Eiweiß, Schleim, Zellen 1,400. Nach Enderlin enthalten 100 Theile Aſche normalen Speichels: Tribaſiſches Natronphosphat 28,122 Kalium- und Natrium-Chlorid 61,930 Kaliſulfat 2 0 8 2,315 Kalk⸗Magneſia- Phosphat und = 92,367 unloͤsliche Salze Eiſenſubonyd . . = 5,509 do Verluſt 8 . . . . — 2,124 100,000. Nach Dr. Wright (Lancet) ift normaler Speichel ſtets al— kaliſch, ſchwaͤcher vor, ſtaͤrker nach der Mahlzeit; freies Alkali iſt Natron. Analyſe, von Budge und Lehmann beftätigt: Waſſer . 5 . 9 a . 8 988,10 Ptyalin . 8 8 © 5 N . x 1,80 Fettſaͤure 8 0 8 2 8 0,50 Kalium- und Natrium-Chlorid 0 . 1,40 Eiweiß mit Natron 5 > e 0 0,90 Phosphorſaurer Kalk 0 . a 8 0,60 Natronalbuminat » - 8 8 0 0,80 Kali⸗ und Natron-Lactat 0 3 5 5 0,70 Schwefelblauſaures Kali . : : 0,90 Bibliographische Geographie zoologique. Par M. Gerard. Paris 1845. 8. (Ex- trait du Dictionnaire universel d'histoire naturelle ) Precis de chimie organique. Par Charles Gerhardt, Prof. Tome deuxieme (et dernier) Paris, 1845. 8. 767. XXXV. 19, Naktrong naar ash. Ice Keine Schleim mit Ptyalin ° % 5 A . 2,60 Verluſt 0 8 8 2 8 1,20 Er giebt 19 Varietäten des pathologiſchen Speichels und be- zweifelt das Vorhandenſeyn eines ſpecif. Giftes im Speichel wuth⸗ kranker Thiere. Die phyſiologiſchen Zwecke des Speichels ſind, nach ihm: Anregung der Thaͤtigkeit des Magens, Beförderung der Verdauung durch ſpecif. Einwirkung auf die Nahrungsmittel, Neu⸗ traliſation ungeeigneter Säure im Magen, Unterſtuͤtzung des Ge- ſchmacksſinnes, Beguͤnſtigung des Ausdruckes der Stimme, Reini⸗ gung der Mundſchleimhaut und Maͤßigung des Durſtes. — In ei- nem Falle von Mercurial-Salivation von mehrwoͤchentlicher Dauer enthielt der Speichel, nach Simon, gelbliches Fett, Spuren von Caſein und freie Eſſigſaͤure. (Schluß folgt.) Miscellen. Ueber Ausſchneidung des oberen Endes des kemur in einem Falle von morbus coxarius hat Herr William Ferguſon, Esq., Prof. der Chirurgie am Kings College zu Lon⸗ don, folgenden Fall mitgetheilt. Der 15jährige John Clark litt funfzehn Monate an Huͤftkrankheit und ſtand im Februar 1845 im letzten Stadium von Hektik. Der Kopf des Schenkels war auf das dorsum ilei dislocirt und konnte mit dem Finger in einem mit der Krankheit verbundenen großen sinus gefuͤhlt werden. Das Glied war auf der afficirten Seite zwiſchen vier und fuͤnf Zoll kuͤrzer, als das andere und durch Beugung des Knies und Huͤft— gelenks ſehr entſtellt. Es war kein Zeichen von vorhandener Krank— heit des Beckenknochens zu bemerken und der Schenkelkopf ſchien die Haupturſache des Leidens. — Am 1. Maͤrz 1845 machte Hr. F. einen langen Einſchnitt an der Huͤfte uͤber dem Kopfe und Halſe des Knochens, und dieſe Theile ſammt einer Portion des Schenkel— beines mit den Trochantern wurden entfernt, nachdem der Knochen mit einer gewoͤhnlichen Saͤge gerade durchgeſaͤgt worden. Der Patient hielt die Operation gut aus, die uͤbeln Symptome ver— ſchwanden bald und in zwei Monaten konnte er in den Saͤlen auf Kruͤcken herumgehen und die Wunde war faſt gaͤnzlich geſchloſſen. — Die Abhandlung ſchließt mit einer kurzen hiſtoriſchen Beſchreibung der Operation, wodurch gezeigt wird, daß dieß der zweite Fall iſt, wo dieſe Operation in England mit gluͤcklichem Erfolge gemacht iſt, nachdem fie zuerſt von Charles White zu Mancheſter 1770 vor: geſchlagen worden und 1818 von Anthony White im Weftminfter: Hospital ausgefuͤhrt wurde. (London medical Gazette, July 1845, p. 521.) In einem Aufſatze uͤber die Pathologie und The⸗ rapie der Krankheitendes Eierſtocks hat Hr. Jeaffreſon ſich zu Gunſten der Exſtirpation des Eierſtockſyſtems ausgeſprochen und hat folgende ftatiftifche Ueberſicht von 74 wegen wirklich vorhan⸗ dener oder praͤſumirter Eierſtockstumoren von Dorval, Smith, Hy ſars, Chrysmer, Clay, Caumönier, Walne, Bird, Ho: pfer, Atlee, Lane, Weſt, Dohlhoff und ihm ſelbſt ausge⸗ fuͤhrten Operationen zuſammengeſtellt. In dieſen 74 Faͤllen wurde der tumor 37 mal mit gluͤcklichem, 14 mal mit lethalem Ausgange exſtirpirt. In 23 Faͤllen konnte die Operation nicht völlig beendet werden und zwar 14 mal wegen Adhaͤrenzen, 3 mal, weil gar kein tumo vorhanden war, und 6 mal, weil der tumor nicht mit dem Eierſtocke zuſammenhing. Von dieſen 23 Fällen endeten 13 gluͤck— lich, 10 toͤdtlich. In Betreff der Prognoſe fuͤgt Verf. die Bemer— kung hinzu, daß die Tumoren des Eierſtocks, welche Fluͤſſigkeit ent— halten, weit weniger uͤble Folgen und Gefahren herbeifuͤhren, als die ſoliden Geſchwuͤlſte. (Aus Lond. med. Gaz. in Gaz. méd. de Paris No. 28, 1845.) . . Neuigkeiten Apergu general sur état actuel de la médecine vétérinaire en France. Paris, 1845. 8. Statistique du personnel medical etc., par M. Lucas Champion- nière. Paris, 1845. 8. — —— Neue Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Meilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober sMedieinalrathbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 768. (Nr. 20. des XXXV. Bandes.) September 1845. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. des einzelnen Stuͤckes 3 / 895. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 8975. Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 K. oder 3 t 30 , Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 995. iat u er kene de Ueber die Entwickelung der Muskelprimitivbuͤndel. Schwann gelangte durch Vergleichung ſeiner eigenen mit fremden Beobachtungen zu der Anſicht (Mikr. Unterſ., S. 168), daß die Muskelprimitivbuͤndel aus kernhaltigen Zellen entſtehen, welche ſich in Laͤngslinien nebeneinander legen, an den Beruͤhrungsſtellen miteinander verſchmelzen, worauf die Scheidewaͤnde reſorbirt werden und ein hohler, an ſeinen Enden geſchloſſener Cylinder, die ſecundaͤre Mus— kelzelle (das Muskelprimitivrohr), entſteht. In dieſem Cy— linder ſind, nach Schwann, die Kerne der einzelnen Zellen, aus denen die ſecundaͤre Zelle entſtanden iſt, enthalten und nahe zuſammen meiſt an der Wand gelegen. Waͤhrend dann der Cylinder ſich verlaͤngert und an der Innenflaͤche deſſelben die Ablagerung der eigenthuͤmlichen Muskelſubſtanz von Statten geht, ruͤcken die Kerne auseinander und kommen zwiſchen der Muskelſubſtanz und der Zellenmembran (der ſtructurloſen Scheide) zu liegen. Nach Schwann wuͤrde alſo jeder Kern eines Muskelprimitivbuͤndels im erwachſenen Zuſtande je einer urſpruͤnglich geſonderten (primitiven) Zelle entſprechen. — Dieſe Anſicht von der Entwickelung der Muskeln iſt als die herrſchende zu betrachten. Nur Pre— voſt und Lebert ſcheinen Beobachtungen gemacht zu ha⸗ ben, welche ſich mit dieſer Anſicht nicht vereinen laſſen. (Vergl. Henle's Bericht in dem Jahresbericht uͤber die Fortſchritte der geſammten Medicin im J. 1844, herausg. von Canſtatt u. Eifenmann, Bd. I. Erlangen 1845. p. 21.) Nach jenen Beobachtern ſind die Muskelfaſern, welche ſich bei Froſchlarven von etwa 2““ Laͤnge bald nach der Bildung der Wirbelplatten zeigen, nichts als „nach bei— den Seiten ſich verlängernde Zellen, anfangs oval, ſpaͤter Cylindern mit abgerundeten Enden aͤhnlich, im Innern ent— halten ſie reihenweis geordnete Kuͤgelchen.“ Meine an Froſchlarven angeſtellten Beobachtungen uͤber die Entwickelung der Muskelprimitivbuͤndel ergeben Folgendes: Wenn man nach dem Schluſſe der Ruͤckenfurche die Stelle unterſucht, an welcher ſich alsbald die ſog. Urwirbel kenntlich machen, ſo findet man, daß die Dotterzellen eine im Allgemeinen laͤngliche Geſtalt haben. Der verhaͤltniß— No. 1868. — 768. maͤßig große, einfache, runde, mit einem Kernkoͤrperchen ver— ſehene Kern liegt ungefaͤhr in der Mitte zwiſchen den bei— den Enden der cylindriſchen Zelle, ſo zwar, daß er, bis zu dem Seitenrande der Zelle reichend, nur die halbe Dicke des Cylinders einnimmt, waͤhrend die andere Haͤlfte, gleich— wie der uͤbrige Zellenraum, von den, zum Theil quadratiſchen Dotterkoͤrnchen (Vogt's Stearintaͤfelchen) erfuͤllt iſt. Durch Zuſatz von Waſſer entſtehen am Rande dieſer Zellen blaſige, durchſichtige Auftreibungen der zaͤhen Grundſubſtanz, welche die Dotterkoͤrnchen zuſammenhaͤlt, ohne daß ſich jedoch eine zuſammenhaͤngende Zellenmembran darſtellen ließe. Ueber die Lagerung der Cylinder laͤßt ſich um dieſe Zeit noch nichts mit Sicherheit ermitteln. Die weitere Entwickelung laͤßt kaum zweifelhaft, daß ſie mit ihrer Laͤngsrichtung in der Laͤngsrichtung des Koͤrpers liegen. Auch gelang es mir zuweilen, die Cylinder zu zweien verbunden und zwar mit— telſt ihrer langen Seiten zuſammenhaͤngend zu ſehen, wo dann der Kern in beiden eine homologe Lagerung hatte, — gleich als waͤren beide Zellen durch Zerkluͤftung einer mit doppeltem Kern verſehenen Zelle entſtanden. Bevor noch die Froſchlarve ſeitliche Koͤrperkruͤmmungen zu machen beginnt, laſſen ſich ſchon in der Mitte des Koͤr— pers nach Abloͤſung der durch Galläpfeltinctur und Alkohol erhaͤrteten Haut geſonderte ſogenannte Urwirbel darſtellen. Dagegen zerfallen die Urwirbelplatten in der Schwanzgegend erſt etwas ſpaͤter in geſonderte Stuͤcke. Die Urwirbel zei— gen alsbald (bei 20maliger Vergroͤßerung) Laͤngsſtreifung. Die letztere ruͤhrt davon her, daß das Urwirbelſtuͤck aus lau— ter cylindriſchen parallel gelagerten Dotterzellen beſteht, deren Richtung der Laͤngsrichtung des Koͤrpers entſpricht. In den bereits ſcharf geſonderten Urwirbeln des Mittelkoͤrpers hat jede cylindriſche Dotterzelle vier runde Kerne, von de— nen je zwei, quer nebeneinander liegend, in der Mitte einer jeden Cylinderhaͤlfte ſich befinden. Dieſe Stellung der Kerne iſt von merkwuͤrdiger Regelmaͤßigkeit und Symmetrie. Wenn z. B. ſechs Cylinder in ihrer natuͤrlichen Nebeneinanderlage angetroffen werden (wie mir dieß zu beobachten gelungen), ſo ſieht man in der von ihnen gebildeten oblongen Platte zwei Reihen von je zwoͤlf Kernen, welche, untereinander und 20 307 mit der langen Seite der Platte parallel, die letztere in drei ungefähr gleiche Theile ſcheiden. Der übrige Raum der Cy— linder iſt von Dotterkoͤrnchen erfuͤllt, und bei'm Zuſatze von Waſſer zeigen ſich an den abgerundeten Enden blafige Auf: treibungen der die Koͤrnchen verbindenden Grundſubſtanz. — In dem Schwanztheile der Urwirbelplatten findet man Cy— linder mit einfachen, mit zweien oder mit dreien Kernen. Spaͤter, wenn auch hier die Entwickelung fortgeſchritten, ſieht man ebenfalls je vier Kerne in einem Cylinder. Ob die mit zwei (drei oder vier) Kernen verſehenen Dotterzellen durch Verſchmelzung von einkernigen Zellen oder durch Verlaͤngerung der letzteren mit Hinzukommen neuer Kerne entſtehen, ließ ſich durch directe Beobachtung nicht ermitteln. Doch ſpricht die Analogie der folgenden Stadien für die letztere Anſicht. Sobald die Froſchlarve ſeitliche Kruͤmmungen des Koͤr— pers zeigt, haben die ſogen. Urwirbel (oder richtiger die Ur— muskeln) einen deutlich laͤngsfaſerigen Bau. Die Cylinder, aus denen ſie jetzt beſtehen, unterſcheiden ſich von denen des früheren Stadiums in doppelter Hinſicht. Zuvoͤrderſt fieht man nicht mehr je zwei Kerne quer nebeneinander liegend, ſondern eine Reihe von drei, vier bis ſieben Kernen, welche in der Laͤngsrichtung des Cylinders hinter einander gela— gert find, fo zwar, daß fie ſaͤmmtlich (gleichwie die Kerne der oben beſchriebenen primaͤren Zellen mit einfachen Kernen) eine laterale Lage haben. An der ihnen entgegengeſetzten Seite zeigt der Cylinder eine zarte Querſtreifung der durchſichtigen und homogenen Grundſubſtanz, welche die den uͤbrigen Raum des Cylinders noch erfuͤllenden Dotterkoͤrnchen zuſammenhaͤlt. Jetzt laſſen ſich am Rande weder blaſige Auftreibungen noch Zellenmembran ſehen. Je groͤßer die Zahl der Kerne iſt, um ſo geringer iſt die Zahl der Dotter— koͤrnchen und um ſo weiter reicht die Querſtreifung der Grundſubſtanz von der entgegengeſetzten Seite bis in die— jenige Seitenhaͤlfte des Cylinders hinein, in welcher die Kerne gelagert ſind. Auf dieſer Entwickelungsſtufe kann bei einer gewiſſen Lage des Cylinders, welche man als Ruͤcken— lage bezeichnen koͤnnte, das Anſehen entſtehen, als wenn die Kerne und die Dotterkoͤrnchen in einem Centralcanal des Cylinders gelagert waͤren. Bei der Seitenlage des Cylin— ders uͤberzeugt man ſich jedoch, daß die Kerne und Dotter— koͤrnchen eine laterale Lage haben, waͤhrend die andere, mit Querſtreifen verſehene Seitenhaͤlfte keine Kerne und keine Dotterkoͤrnchen enthält. — Erſt nach dem gaͤnzlichen Schwin— den der Dotterkoͤrnchen erſcheinen auch auf der anderen Sei— tenhaͤlfte, von welcher die Querſtreifung ausging, Kerne, gleichwie im erwachſenen Zuſtande. Ich vermag nicht zu behaupten, daß die Bildung neuer Kerne immer von den vorhandenen ausgeht, obwohl einige Beobachtungen dafuͤr ſprechen. Auch beſitze ich keine directen Wahrnehmungen in Betreff der. Entſtehung der ſtructurloſen Scheide. Es iſt mir nur wahrſcheinlich, daß ſie ſich erſt ſpaͤter von der ho— mogenen Grundſubſtanz der Cylinder abloͤſ't, — fie müßte denn anfaͤnglich ihrer großen Zartheit wegen nicht wahrnehm— bar ſeyn. Ich behalte mir die bildliche Darſtellung dieſer Ver: 768. XXXV. 20. 308 haͤltniſſe fuͤr meine „embryologiſchen Unterſuchungen“ vor, welche, falls nicht neue Hinderniſſe eintreten, zu Oſtern k. J. erſcheinen ſollen, und beſchraͤnke mich hier auf eine Andeutung der gewonnenen Reſultate: 1) Die Muskelprimitivbuͤndel entſtehen nicht durch Verſchmelzung, ſondern durch Verlaͤngerung von Dotterzellen, in welchen ſich die Zahl der Kerne vermehrt. Dieſer Aus— ſpruch gilt mit Sicherheit von denjenigen cylindriſchen Mus— kelzellen, bei welchen die Bildung von Querſtreifen bereits begonnen hat und iſt fuͤr die fruͤheren Stadien ſehr wahr— ſcheinlich. 2) Vor dem Erſcheinen der Querſtreifung koͤnnen die cylindriſchen Muskelzellen in ihrer Laͤngsrichtung zerfallen. 3) Sobald die cylindriſchen Muskelzellen Contractionen zeigen, laͤßt ſich auch ſogleich eine Andeutung von Quer— ſtreifen wahrnehmen. 4) Waͤhrend die Kerne und die Dotterkoͤrnchen die eine Seitenhaͤlfte des Cylinders einnehmen, zeigt ſich die Quer— ſtreifung (als Faltung der homogenen Grundſubſtanz) in der anderen Seitenhaͤlfte und ſchreitet in dem Maaße auf die erſtere Haͤlfte fort, als in dieſer die Dotterkoͤrnchen ſchwinden. 5) Die Kerne des entwickelten Muskelprimitivbuͤndels gehoͤren nicht urſpruͤnglich geſonderten Zellen an, ſondern vermehren ſich ſelbſtaͤndig, und zwar anfaͤnglich nach einer gewiſſen Symmetrie und Geſetzmaͤßigkeit innerhalb der ſich verlaͤngernden Muskelzelle. 6) Bis zu dem Schwinden der Dotterkoͤrnchen laͤßt ſich keine Scheide an den Muskelcylindern wahrnehmen. In den letzteren läßt ſich zu keiner Zeit eine Höhle be= merken. Berlin, den 1. Sept. 1845. Dr. Remak. Ueber Wimperbewegung in den Canaͤlchen des Wolff ſchen Körpers bei Eidechſenembryonen. Waͤhrend dieſes Sommers hatte ich Gelegenheit, eine Anzahl Eidechſenembryonen zu unterſuchen, bei welchen der Darmnabel theils in der Schließung begriffen, theils bereits geſchloſſen war. Als ich behufs der Pruͤfung des Verhaͤlt— niſſes, in welchem die malpighiſchen Koͤrperchen des Wolff ſchen Koͤrpers zu den Canaͤlchen ſtehen, die letzteren mikro— ſkopiſch unterſuchte, fand ich in vielen Canaͤlchen ſehr leb— hafte Wimperbewegung. Bei einem Embryo, bei welchem der Darmnabel (je— doch nicht der Hautnabel) geſchloſſen war, der Schwanz drei Linien weit uͤber die hinteren Extremitaͤten hinausragte und die Lungen ſchon haͤutige Saͤcke bildeten, fand ich (am 29. Juni 1845), eine Stunde nach begonnener Zergliederung des Embryo bei 250facher Vergrößerung, in vielen Canaͤl— chen des Wolf f'ſchen Körpers eine fo lebhafte Wimper— bewegung, daß es den Anſchein hatte, als wenn eine Fluͤſ⸗ ſigkeit ſehr raſch durch den Canal ſtroͤmte. An durchſchnit— tenen Roͤhrchen ragten die uͤberaus langen Wimpern (bis e Linie lang) hervor, und an einzelnen Stuͤckchen der 309 Zellenſchicht, welche die Höhle des Roͤhrchens auskleidet, war die Bewegung der Wimpern noch lange zu beobachten. Die Wimpern nahmen waͤhrend der Bewegung eine geſchlaͤngelte Form an, waͤhrend die ruhen— den gerade waren. Ich bediente mich, wie gewoͤhnlich bei zarten Embryonen, des Blutes vom Flußkrebſe zur Be— feuchtung der Präparate, Als ich Waſſer zuſetzte, wurde die Bewegung ſehr heftig, hoͤrte aber ſofort auf. In man— chen Roͤhrchen, namentlich den engeren, vermißte ich den Anſchein von Strömung und die Wimpern. Dieſe Canaͤl— chen waren gleichwie von einer granulirten Maſſe ausgefuͤllt. Auch in dem Ausfuͤhrungsgange fand ich keine Wimpern. Die Innenflaͤche deſſelben erſchien mit regelmaͤßig und dicht geſtellten ſoliden Koͤrpern (den Kernen von Zellen?) beſetzt. An einem vier Tage aͤlteren Embryo ſah ich die Wim— perbewegung ebenfalls nicht in allen Canaͤlchen, ſondern nur in den weiteren, welche eine verhaͤltnißmaͤßig dünne Wan— dung hatten, bei manchen erſt nach dem Durchſchneiden des Roͤhrchens, als Fluͤſſigkeit in daſſelbe eindrang. Ich fand ſie nur an ſolchen Roͤhrchen, welche in malpighiſche Koͤr— perchen endeten, und bin zweifelhaft, ob ſie auch bei anderen vorkommt. Am Lebhafteſten und Dauerndſten war ſie immer in der Naͤhe des malpighiſchen Koͤrperchens. Dieſes ſenkt ſich naͤmlich (ganz ſo wie in die Nierencanaͤlchen bei'm Froſch) in das Ende eines Roͤhrchens ein, deſſen Waͤnde an dieſer Stelle ſich verduͤnnen und das malpighiſche Koͤrperchen umfaſ— ſen. Das letztere iſt an ſeiner dem Canale zugewandten Flaͤche (gleichwie in den Nieren) mit Pflaſterepithelium uͤberzogen. Doch ſah ich auf dieſem keine Wimperbewegung— Berlin, den 10. Sept. 1845. Dr. Remak. Zootomiſch-phyſiologiſche Beobachtungen uͤber die Reſpiration der Froͤſche, Salamander und Schild— kroͤten. Vom Prof. Panizza. (Sch hu ß.) Da Dr. Haro ſich uͤber die Reſpiration der Schildkroͤte ge— naue Auskunft zu verſchaffen wuͤnſchte, fo beſeitigte er bei einer leben— den Landſchildkroͤte das Sternalſchild, ohne irgend ein wichtiges Organ zu verletzen, ſo daß das Thier athmete, wie fruͤher. Bei dieſer un beobachtete er Folgendes: „Die ganze durch die Abtrennung des sternum bloßgelegte Por— tion iſt mit einer ſehr dichten, perlmutterartig glaͤnzenden, nur am hinteren Theile durchſcheinenden aponeurotiſchen Membran bedeckt. Dieſe erſtreckt ſich von dem vorderen Rande der Schulterblaͤtter bis zum unteren Schaambeinrande, ſchlaͤgt ſich in die Beckenhoͤhle um, indem ſie die Schenkelmuskeln uͤberzieht, bedeckt die Seitenwand des Ruͤckenſchildes, giebt ein Blatt ab, welches die Daͤrme ſtuͤtzt, dringt zwiſchen dieſe und die Lungen ein, welche ſie mit einer dop— pelten ſackfoͤrmigen Schicht umhuͤllt und ift mit dem vorderen Ende an einen Muskel befeſtigt, der ſich von der crista transversalis des Ruͤckenſchildes bis zur spina dorsalis erſtreckt. Sie bildet auf dieſe Weiſe vier große, ſaͤmmtlich miteinander communicirende Saͤcke, was ſich aus deren abwechſelnder Ausdehnung und Zuſammenzie— hung ergiebt. Zwei dieſer Saͤcke, welche ſich zu beiden Seiten der Wirbelſaͤule nach deren ganzer Länge erſtrecken, enthalten die Lun⸗ gen, der dritte die Abdominaleingeweide und der vierte, welcher mes 768. XXXV. 20. 310 nigſtens ein Drittel der inneren Hoͤhlung der Schildkroͤte umfaßt, ſcheint nur zur Aufnahme von Luft beſtimmt. Waͤhrend der vier Stunden, die ich mit Beobachtung des Thieres in dieſem Zuſtande hinbrachte, uͤberzeugte ich mich, daß nach jeder Inſpiration der Lungenſack zuerſt anſchwoll, daß die Schildkroͤte dann die Schultern hob und den Hals unter das Ruͤckenſchild zog, wobei die Luft in den Lungen comprimirt und in die uͤbrigen Saͤcke gedraͤngt ward, die ſich nun nacheinander ausdehnten. Indem das Thier nun eine entgegengeſetzte Bewegung machte, hob ſich, waͤhrend die beiden zu— letzt aufgetriebenen Saͤcke angeſchwollen blieben, das früher zufams mengefallene Lungengewebe von Neuem, und die Schildkroͤte ath— mete einige Minuten lang nicht mehr. Zwang man ſie, den Hals oder die Fuͤße unter den Panzer zu ziehen, ſo ſchwoll die durch den Druck auf die Luftſaͤcke ausgedehnte Haut um die Füße her in Ger ſtalt dicker Wuͤlſte auf, und wenn man das Thier durch leichte Schläge auf die Naſe veranlaßte, die Saͤcke noch kraͤftiger zuſam— menzudruͤcken, ſo trieb es die Luft durch eine ploͤtzliche Exſpirations— bewegung aus, da denn die Wandungen ſaͤmmtlicher Luftſaͤcke zu gleich zufammenfielen. „Waͤhrend eines der auf die Inſpiration ſtattfindenden Still— ſtaͤnde, als alle Zellen (Luftſaͤcke) den hoͤchſtmoͤglichen Grad ihrer Entwickelung erlangt hatten, durchbohrte ich den großen Behaͤlter mit der Spitze eines Biſturi, worauf die Luft mit Geraͤuſch ent— wich. Indeß fuhr die Schildkroͤte, jedoch nur mittelſt der Lungen, welche ſich abwechſelnd ausdehnten und zuſammenzogen, fort zu athmen. Der Reſpirationsact hatte ſeine einfache Form angenom— men, die Rolle der Luftſaͤcke war ausgeſpielt. Ich verſtopfte nun erſt mit dem Finger, dann mit Heftpflaſter die Oeffnung in dem großen Luftſacke, durch welche die Luft entwichen war, und bei der Inſpiration ſchwollen die Luftſaͤcke wieder an, ſo daß ſie wieder in normale Function traten“. Nach meinem oben dargelegten Verſuche, welcher deutlich be— wies, daß das Athmen bei der Schildkroͤte wie bei uns von Stat— ten geht, nahm ich das sternum vorſichtig weg, ohne die haͤutige Hülle der Thorax-⸗Abdominal-Eingeweidehoͤhle zu verletzen. Dann legte ich die Schildkroͤte auf den Ruͤcken und brachte ſie ſo unter Waſſer, daß ſie, mit Ausnahme des Kopfes und des an die Luft— roͤhre befeſtigten Metallroͤhrchens, ganz von demſelben bedeckt war. Nachdem ich 2 — 3 Reſpirationen beobachtet hatte, bei denen die Eingeweidehoͤhlenmembran ſich hob und ſenkte, machte ich unter Waſ— ſer eine Oeffnung in den haͤutigen Apparat des großen Luftſackes. Es kam keine Luft heraus, und ich ſah vielmehr das Waſſer in die Abdominalhoͤhle eindringen, ſo daß es auf die Eingeweide druͤckte und auf dieſe Weiſe die Reſpiration unterſtuͤtzte. Als die Schildkroͤte geſtorben war, legte ich ſie auf den Ruͤk— ken in einen mit Waſſer gefuͤllten Recipienten, und nun beobach— tete ich, waͤhrend ein Gehuͤlfe in das Roͤhrchen blies und die Aus— dehnung der Lungen bewirkte, ob Luftblaſen aus dem Waſſer auf— ſteigen und die Verbindung der Lungen mit den Luftſaͤcken, nament— lich mit dem großen Luftſacke, den ich geoͤffnet hatte, anzeigen würden, Allein obgleich die Lungen im aͤußerſten Grade ausger dehnt wurden, kam doch keine einzige Luftblaſe durch den großen oder irgend einen andern Sack zum Vorſcheine, ſo daß auf dieſe Weiſe bewieſen iſt, daß die Lungen die einzigen Behaͤlter der ein— geathmeten Luft ſind. Dieß geht ferner aus dem Umſtande hervor, daß, wenn man bie Lungen übermäßig auftrieb und das Roͤhrchen ſchloß, die Lungen beſtaͤndig in gleichem Grade ausgedehnt blieben, obwohl der ſogenannte große Luftſack geoͤffnet war; und dem kann auch nicht anders ſeyn, denn wenn man die Oberflaͤche der Lungen unterſucht, ſo findet man, daß dieſelbe durchaus mit einer Mem— bran uͤberzogen iſt, welche von derjenigen ausgeht, welche die allge— meine Hoͤhlung auskleidet. Wenn man dieſe Membran, welche nichts Anderes, als das Bauchfell, iſt, von einer ziemlich großen Portion der von Luft ausgedehnten Lungen beſeitigt, ſo entweicht keine Luft. Da Hr. Haro feinen Verſuch mit einer Landſchild— kroͤte angeſtellt hatte, fo wiederholte ich den meinigen mit der Tes- tudo graeca und Testudo europaea. Zuerſt uͤberzeugte ich mich, indem ich ein Roͤhrchen in den oberſten Theil der Luftroͤhre einfuͤhrte und eine Flaumfeder an die Muͤndung deſſelben brachte, wieder davon, daß bei den beiden 20 311 Tempos der Reſpiration die Luft durch das Roͤhrchen frei ein- und ausſtrich; alsdann ſuchte ich zu ermitteln, ob die in dem Zellge— webe unter der Haut an der Baſis des Halſes und um die Vorder— und Hinterbeine her erſcheinenden Wuͤlſte wirklich, wie Dr, Haro verſichert, durch Luft veranlaßt wuͤrden. Zu dieſem Ende tauchte ich die Schildkroͤte in einen Eimer mit Waſſer, deſſen Temperatur, wie die der Atmoſphaͤre, 18° Gen: tigr. betrug, und von dem fie, mit Ausnahme des Kopfes und ei— nes Theiles des Halſes, voͤllig bedeckt war. Nun bildete ich an ei— ner der Stellen, welche den von Hrn. Haro beobachteten Wuͤlſten entſprachen, naͤmlich an der Baſis eines Vorderbeines, eine Haut— falte und durchſchnitt die Haut, ſowie die darunter liegende Mem— bran, ſo daß die Muskelſchicht bloßgelegt wurde, welche bei der Be— wegung der Extremität mitwirkt und zur Bildung der Eingeweide— hoͤhle beitraͤgt. Nun ſtellten ſich wirklich bei der Inſpiration die von Dr. Haro beobachteten Wuͤlſte ein; allein es trat durchaus keine Luftblaſe aus denſelben, was doch der Fall hätte ſeyn müffen, wenn ſich, wie er verſichert, um die Baſis der Extremitaͤten her mit Luft ge— füllte Saͤcke befunden hätten. Wenn ſich dieſe Hautgegend bei'm Betaſten ſo anfuͤhlt, als ob ſie von einer elaſtiſchen Fluͤſſigkeit aus— gedehnt waͤre, ſo beruht dieß auf einer Taͤuſchung, und es ruͤhrt von dem zwiſchen der Haut und den Muskeln befindlichen Fette her. Die Muskelſchichten erheben ſich in Folge ihrer Contraction und der Ausdehnung der Lungen und heben mit ſich die daruͤber liegende Haut, welche ſich ausdehnt und anzuſchwellen ſcheint. Daſſelbe Reſultat erhielt ich, als ich unter Waſſer die Haut an der Baſis der Hinterbeine durchſchnitt, woſelbſt bei der Inſpi— ration ebenfalls Wuͤlſte erſchienen. Um in Betreff der als Huͤlfs— organe der Lungen dienenden Luftſaͤcke alle Zweifel zu beſeitigen, nahm ich mit der groͤßten Vorſicht das Sternalſchild weg, ohne die Membran zu verletzen, und machte unter Waſſer eine Oeffnung in den ſogenannten großen Luftſack. Ich ſah auch nicht eine einzige Luftblaſe erſcheinen, und ſo bin ich feſt uͤberzeugt, daß die Luft nicht über die Lungen hinaus dringt, und daß folglich der Neſpi— rationsapparat der Schildkroͤten nicht die geringſte Aehnlichkeit mit dem der Voͤgel hat Ferner bieten die Lungen der Schildkroͤte, wenn ſie ausgedehnt ſind, einen bedeutenden Umfang dar, und wenn man deren ſehr zuſammengeſetzte Luftcanaͤle genau unterſucht, fo ergiebt ſich, daß ſie eine dem Beduͤrfniſſe des Thieres vollkommen entſprechende Quantität Luft faſſen, fo daß man den Zweck von Huͤlfsluftwegen, die ich uͤberdieß nirgends habe auffinden koͤnnen, durchaus nicht abſieht. Es iſt mir wirklich unerklaͤrlich, warum Dr. Haro, wenn er von mit den Lungen communicirenden Luftſaͤcken redet, die Verbin— dungswege nicht genauer zu ermitteln geſucht hat, und wie er an die Exiſtenz ſolcher Luftſaͤcke hat glauben koͤnnen, da die Lungen der Schildkroͤten iſolirt ſind und nicht einmal mit der ſie umgeben— den Membran communiciren. Ich muß mich in der That daruͤber wundern, daß er das Vorhandenſeyn ſolcher Luftbehaͤlter lediglich auf ſeine Beobachtung hin behauptet hat, daß waͤhrend einer der auf die Inſpiration folgenden Stillſtaͤnde, als alle Zellen den hoͤchſt— moglichen Grad ihrer Entwickelung erlangt hatten, die Luft mit Geräufh entwich, als er den großen Behälter mit der Spitze eines Biſturi durchbohrte. Weßhalb hat er nicht daran gedacht, daß das Geraͤuſch, wie es denn wirklich der Fall iſt, von dem Einſtreichen der aͤußeren Luft in einen leeren Sack herruͤhren koͤnnte? Bei folgendem Verſuche habe ich mich davon uͤberzeugt, daß die Reſpiration bei der Schildkroͤte in derſelben Weiſe von Statten geht, wie bei uns; denn wenn man die Oeffnung ſo groß macht, wie ein Guldenſtuͤck, und die entſprechende ſeroͤs-faſerige Membran der Eingeweidehoͤhle beſeitigt, damit die Luft frei einſtreichen koͤnne, dann aber die Schildkroͤte auf den Ruͤcken legt, damit die Oeff— nung nicht durch das Vorfallen der Eingeweide verſtopft werde, ſo wird man ſehen, daß ſelbſt bei der ſtaͤrkſten Thaͤtigkeit der an den beiden Enden des Knochengehaͤuſes befindlichen Muskeln und während die Beine und der Hals nacheinander heftig geſtreckt und zuruͤckgezogen werden, und waͤhrend das abdomen ſich ſtark auf: und niederbewegt, die vor dem Röhrchen in der Luftroͤhre befind— 768. XXXV. 20. 312 liche Flaumfeder nicht im Geringſten anzeigt, daß Luft ein- oder ausſtreiche. Aus dem, was ich ſoeben in Betreff des Mechanismus der Reſpiration bei den Schildkroͤten, Froͤſchen und Salamandern dar— gethan habe, ergiebt ſich, daß die Anſichten des Dr. Haro in vie— len Puncten richtig ſind, und daß die Reſpiration auch bei dieſen Reptilien, namentlich bei den Schildkroͤten, in ähnlicher Weiſe ges ſchieht, wie bei den Thieren, welche mit einem beweglichen thorax ausgeftattet find. In Betreff der Schildkroͤten ergiebt ſich ſchon aus anatomiſchen Gruͤnden, daß, vermoͤge der an beiden Enden des Knochengehaͤuſes liegenden Muskeln und der Beweglichkeit der Extremitaͤten, die Bruſthoͤhle ſich bedeutend erweitern und verengern kann, und die oben mitgetheilten Verſuche beweiſen, daß dieß wirk— lich der Fall iſt. Was jedoch die Huͤlfsorgane der Lunge, die Luftſaͤcke, anbe— trifft, welche, dem Dr. Haro zufolge, die Schildkroͤten mit den Voͤgeln gemein haben ſollen, ſo kann ich, den oben erwaͤhnten Verſuchen zufolge, behaupten, daß ſolche bei den Schildkroͤten nicht exiſtiren *). Was die Froͤſche und Salamander anbetrifft, ſo iſt die An— ſicht des Dr. Haro die einzige, nach welcher ſich erklaͤren läßt, wie bei dem Froſche, nach dem von ihm angeſtellten Verſuche, die Reſpiration noch ihren Fortgang haben konnte. Dieß laͤßt ſich durch einen ſehr einfachen Verſuch zur Gewiß— heit erheben. Man entbloͤße die Muskeln der Flanken, um die Lungen ſichtbar zu machen, oͤffne dem Froſche den Mund weit, und fuͤhre das platte Ende eines gewoͤhnlichen Stilets in die glottis ein, drehe daſſelbe dann halb um, fo daß es die glottis weit Öffnet, und druͤcke hierauf in der Art auf die Flanken, daß die Luft voll— ftändig aus den Lungen getrieben wird. Nachdem die Lungen auf dieſe Weiſe entleert worden, entferne man das Stilet aus der glot- tis und halte den Mund vermittelſt einer Kornzange fortwaͤhrend offen, fo daß die Kiefer 2 Linien weit oder noch weiter voneinan— der abſtehen. Wenn man nun beſtaͤndig in das Innere der Mund— hoͤhle ſchaut, fo ſieht man, wie die glottis ſich von Zeit zu Zeit öffnet und ſich aufwärts und vorwaͤrts bewegt, dann ſich ſchließt und hinter- und niederwaͤrts bewegt. Nachdem ſich dieſe Bewe— gungen öfters wiederholt haben, bemerkt man, wenn man die Flan— ken betrachtet, daß ſich Luft in den Lungen befindet, ohne daß die— ſelbe durch den Mechanismus des Schluckens in dieſelbe eingedrun— gen ſeyn kann, da ja der Mund fortwährend offen geweſen iſt. *) Die Verſchiedenheit der Reſultate, zu welchen Dr. Haro und Hr. Panizza gelangt ſind, erklaͤrt ſich auf eine ſehr einfache Weiſe. Als ich die Experimente des erſtern Beobachters mit der kleinen europaͤiſchen Landſchildkroͤte wiederholte, ſah ich häufig die von dem Thiere eingeathmete Luft ſich in die unter der Haut liegenden Zellen verbreiten und durch Oeffnungen, welche ich an der oberen Schultergegend in die Haut machte, entweichen; aber in anderen Faͤllen trat dieſe Erſcheinung nicht ein, und ich überzeugte mich, daß die Luft in den Lun⸗ gen völlig abgefperrt fey. Dieß veranlaßte mich, den Com⸗ municationen, vermittelſt deren bei den erſten Verſuchen die Luft aus den Reſpirationswegen in den übrigen Körper einge: drungen war, genauer nachzuforſchen, und ich bemerkte nun, daß dieſe Erſcheinung von einem pathologiſchen Zuſtande der Lungen herruͤhre, in der ſich Loͤcher befanden, die hinſichtlich der Zahl, Groͤße und Lage voneinander abwichen. Zuweilen zeigten ſich die Ränder dieſer Löcher ulcerirt, zuweilen gut ver- narbt, und allem Anſcheine zufolge, ruͤhrten dieſe Verletzungen von einer Krankheit her, die mit der Lungenſchwindſucht Aehn⸗ lichkeit hat. Wie dem auch ſey, ſo ergiebt ſich doch hieraus, daß das zuerſt vom Dr. Haro wahrgenommene Austreten der Luft aus den Lungen der Schildkroͤten einer Krankheit dieſer Organe zuzuſchreiben iſt, und da dieſe Erſcheinung zumal bei den Suͤßwaſſerſchildkroͤten häufig vorkommt, fo iſt leicht be= greiflich, daß man in den Irrthum verfallen konnte, die dop— pelte Reſpiration fuͤr den normalen Zuſtand der Reſpiration bei dieſen Reptilien zu halten. 3 Milne Edwards. 313 Da ſich indeß nicht erklären ließe, warum bei dieſem Verſuche oder auch nach bloßer Beſeitigung der Membranen der Trommel— hoͤhle die Reſpiration unvollkommen wird, d. h. nicht mehr ſoviel Luft in die Lungen eindringt, daß dieſelben gehoͤrig ausgedehnt werden (wie ſich dieß aus den oben angefuͤhrten Verſuchen ergiebt), während, wenn man die Oeffnungen verſchließt, welche durch Be— ſeitigung der Membran der Trommelhoͤhle entſtanden ſind, die Lungen ſich bei der Verengerung der Mundhoͤhle oder der Aufwaͤrts— bewegung der Kehlgegend ſtark anſchwellen, ſo iſt durchaus anzu— nehmen, daß bei den Froͤſchen und Salamandern die vollſtaͤndige Reſpiration durch eine Art von Schlingmechanismus erreicht wird, mittelſt deſſen mehr Luft in die offene glottis getrieben wird, als deren durch die Nafenlöcher ausſtreicht, zumal da, während die Kehlgegend ſich hebt, die aͤußeren Naſenoͤffnungen ſich ſchließen. Uebrigens war eine ſolche Modification der Organiſation in Betreff des Reſpirationsactes der Froͤſche und Salamander ganz unentbehrlich, weil zur Ausdehnung des thorax keine anderen Kraͤfte vorhanden find, als die, welche das os hyoideum vor- und auf: waͤrts bewegen. Wenn dieß geſchieht, ſo dringt, obgleich die offene glottis ebenfalls vor- und aufwärts gezogen wird und die Lunge ſich verlaͤngert, doch nur wenig Luft in die letztere ein, wie ſich aus den vorſtehenden Verſuchen zur Genuͤge ergeben hat. Auch läßt ſich nicht annehmen, daß der Reſpirationsact durch eine ſelbſt— thaͤtige Ausdehnung der Lungen vervollſtaͤndigt werde, indem deren Organiſation auf eine ſolche durchaus nicht hindeutet und bei den von mir angeſtellten Experimenten ſich keine felbftändige Thaͤ— tigkeit der Lungen kundgegeben hat. Ich wiederhole alſo, daß die Anfuͤllung der Lungen uͤber eine gewiſſe Grenze hinaus einzig und allein durch die Aufwaͤrtsbewegung der Kehle bewirkt wird, und je ausgedehnter und geſchwinder dieſe Bewegung der Kehle geſchieht (nachdem fie ſich jedesmal geſenkt hat), deſto ſtaͤrker wird die Luft in der Mundhoͤhle comprimirt, deſto mehr Luft ſtreicht folglich in die offene glottis ein, und deſto weniger geht durch die Naſenloͤcher verloren, da dieſe ſich in demſelben Verhaͤltniſſe ſchließen. Bei der Exſpiration wirken die ſelbſtthaͤtige Kraft der Lungen, die Verengerung des thorax, das Zuruͤckgehen des os hyoideum und die Contraction der Wandungen der Bruſt- und Bauchhoͤhlen zuſammen. Nach dem Obigen erklaͤrt ſich, inwiefern die Inſpiration un: abhaͤngig von dem Luftſchlucken geſchieht, und inwiefern das Letztere ir Beſchleunigung und Vervollſtaͤndigung der Inſpiration beis traͤgt. 9 Cbenſo wird dadurch begreiflich, weßhalb ſich am Eingange der Speiſeroͤhre eine Art Schließmuskel befindet, und weßhalb die Lungen ſich mit einer bedeutenden Quantitaͤt Luft fuͤllen koͤnnen, wenngleich der thorax geöffnet worden iſt, wenn nur die die Mund— hoͤhle umgebenden Theile unverſehrt geblieben ſind. (Annales des sciences naturelles, Avril 1845.) 768. XXXV. 20. 314 Miscellen. Von der Kohlenformation in Neu-Schottland ſagt Hr. Lyell in ſeiner Reiſebeſchreibung: „In der Naͤhe von Minu— die ſind mehrere aufrecht ſtehende Baͤume in den Kohlenbetten ge— funden worden. Kein Theil der urfprünglichen Pflanze iſt erhalten, ausgenommen die Rinde, welche eine Röhre von reiner bituminöfer Kohle iſt, angefuͤllt mit Sand, Thon und anderen Ablagerungen, welche einen feſten inneren Cylinder bilden, ohne Spur einer orga— niſchen Structur.“ Hr. Lyell glaubt, daß dieſe Baͤume identiſch ſeyen mit den bei Dixonfold an der Bolton-Eiſenbahn gefundenen. Es wurden ſiebenzehn ſolcher Baͤume beobachtet, und an zehn ver— ſchiedenen Hoͤhepuncten, ſo daß ſie als die Ueberbleibſel von wenig— ſtens zehn unterſchiedenen Wäldern anzuſehen find, welche nachein— ander der Wirkung des Meeres ausgeſetzt und bedeckt worden, und wieder über die Oberfläche des Waſſers gebracht find. Aus der aufrechten Stellung dieſer Bäume und dem Umſtande, daß fie ei⸗ ner übereinander gebracht find, folgert Hr. Lyell, daß die Pflan— zen, welche das Kohlenbette bilden, an der Stelle gewachſen ſeyen, wo die Kohle jetzt vorhanden iſt. Ueber Ameiſenzuͤge in Guyana erzählt Sir Robert H. Schomburgh in feinem Journal of an Expedition from Pirama to Demerara, wie Legionen von Ameiſen auf ihren Zuͤgen in die Hütte eines Reifegefährten, Hrn. Goodall, eingedrungen war ren, ihn in ſeiner Haͤngematte angegriffen und ihn eigentlich aus derſelben getrieben hatten. Der Hauptzug der Ameiſenarmee war etwa ſechs Zoll breit, marſchirte bis neun Uhr ohne Unterbrechung durch das Zelt, und ihm zur Seite waren mehrere Zuͤge, die ſich nicht ſo weit erſtreckten. — Er unterſuchte nun ſeine eigene Huͤtte genauer und fand daſelbſt mehrere Zuͤge von geringerem Umfange, welche ihren Weg eben ſo ununterbrochen fortſetzten, bis die Hitze der Sonne ſie zwang, in ihrer Hoͤhle Schutz zu ſuchen. Es war namlich der ganze offene Raum vor den Hütten durch zahlreiche Colonnen durchzogen, welche Heuſchrecken, Spinnen und andere Inſecten, die fie auf ihren naͤchtlichen Wanderungen uͤberraſcht oder gefangen haben mußten, in ihre Hoͤhlen ſchleppten. — Die Ameiſen waren klein und ohne die kleinen Stacheln, welche die den Colo— niſten bekannten Atta- oder Cushi-Ameiſen unterſcheiden. Ein vegetabiliſcher Nichtelektricitätsleiter (9). — Die Birke, ſagt ein americaniſches Blatt unter der Rubrik „Etwas, was bekannt zu ſeyn verdient,“ ſoll ein Nichtleiter des Blitzes ſeyn. Die Thatſache iſt ſo allgemein bekannt, daß die Indianer, wenn der Himmel die Zeichen eines bevorſtehenden Gewitters an ſich traͤgt, ihre Arbeiten aufgeben und ihre Zuflucht unter dem erſten beſten Birkenſtamme ſuchen. In Teneſſee ſehen die Leute in der Birke einen vollkommnen Schutz. Dr. Becton, in einem Schreiben an Dr. Mitchell, verſichert, daß man keinen Fall kenne, wo die Birke durch atmoſphaͤriſche Electricität getroffen worden wäre, waͤhrend andere Baͤume oft in Splitter geſchlagen werden. I . ern sen nn — nne Fall von Auffinden von Opium im Magen mehre Tage nach dem Tode. Von Dr. Letheby. Corniſh, 56 Jahre alt, ſtarb am 17. September und wurde begraben; da ſich bald darauf aber Geruͤchte von einer Vergiftung erhoben, ſo wurde die Leiche 12 Tage nach der Beerdigung wieder ausgegraben und unterſucht. Die Zerſetzung des Leichnams war bereits betraͤchtlich vorgeſchrit— ten; die Bruſthoͤhle bot nichts Abnormes dar. Der Darm— canal war ſeinem ganzen Verlaufe nach injicirt und purpur— farbig; der Magen enthielt 45 Grammen einer dicken, ſchmutzig⸗gelben Fluͤſſigkeit. Man kochte die letztere mit Al- kohol und filtrirte ſie dann, worauf eine dunkelrothe Faͤrbung entſtand, welche Papier hellgelb faͤrbte. Dieſe Faͤrbung er— litt keine Veränderung durch den Zuſatz von Alkalien, waͤh— rend fie durch Salpeterfäure purpurfarbig grün wurde; eine andere mit Bleieſſig behandelte Partie der Fluͤſſigkeit ergab einen reichlichen Niederſchlag. Die oben ſchwimmende Fluͤſ— ſigkeit nahm, durch Schwefelwaſſerſtoff vom Bleie getrennt und bis zur Trockniß verdampft, durch einen Zuſatz von Ei— ſenchlorür eine gruͤnliche, und durch Salpeterſaͤure eine glaͤn— 315 zend rothe Färbung an — zwei Charactere, welche das Vor⸗ handenſeyn von Morphium anzeigen. Der Niederſchlag, mit Waſſer gemiſcht und einem Strome von Schwefelwaſ— ſerſtoff ausgeſetzt, dann filtrirt und bis zur Trockniß einge— dampft, zeigte bei'm Zuſatze eines Eiſenſalzes eine glaͤnzend rothe Farbe, welche durch Salpeterſaͤure, Kali und Zinnchlo— ruͤr, nicht aber durch Sublimat verſchwand; Chlorgold modificirte die Faͤrbung nicht, wurde aber durch Blei und Baryt weiß niedergeſchlagen. Aus dieſen Ergebniſſen ſchloß der Verf, auf das Vorhandenſeyn von Meconſaͤure, ſowie von Safran und kohlenſaurem Kalk in dem Mageninhalte; von einem mineraliſchen Gifte war jedoch keine Spur vor— handen; dennoch fand ſich Arſenik in der Leber. Man er— fuhr ſpaͤter, daß der Verſtorbene an Dysenterie gelitten habe, gegen welche man ihm die confectio aromita mit Opium und Kalk gegeben hatte. (Aus London med. Gaz. in Gaz. méd. Paris, No. 29. 1845.) Bericht uͤber die neueſten Unterſuchungen im Ge— biete der phyſiologiſchen und pathologiſchen Chemie und Mikroſkopie. Von Dr. George C. Day. Von den Darmentleerungen. (Sich hu ß.) Meconium, — Nach Simon eine dicke, glutinöfe, gruͤn⸗ lich-ſchwarze Maſſe unter dem Mikroſkope mit zahlreichen Epithe— liumzellen und rhombiſchen Platten neben einer grünen, amorphen Materie und wenigen abgeflachten, kreisrunden Koͤrperchen, anſchei— nend entfaͤrbten Blutkoͤrperchen. In 100 Th. getrockneten meco- nium: Choleſterin 16,0; Ertractivjtoff und Bilifellinfäure 14,0; Ca: fein 34,0; Bilifellinfäure mit Ueberſchuß von Bilin 6,0; Bili⸗ verdin mit Bilifellinfäure 4,0; Zellen, Schleim und Eiweiß 26,0, Nach Davy in 100 Th. friſchen meconjum: Schleim und Epi⸗ theliumfchuppen 23,6; Choleſterin und Margarin 7,0; Farbe und Geſchmack gebender Stoff der Galle und Olein 3,0; Waſſer 72,0. Das meconium brannte mit heller Flamme und ließ 6,93 roͤthliche Aſche zuruͤck, in welcher Eifenfuboryd und Magneſia mit Spuren von phosphorſaurem Kalk und Kochſalz. Faeces der Kinder. Analyſe von Simon: Fett 52,05 Gallenpigment mit Fett 16,0; geronnenes Caſein mit Schleim 18,03 Feuchtigkeit und Verluſt 14,0; unter dem Mikroſkope eine große Anzahl von Fettblaͤschen und eine amorphe Maſſe. Faeces der Erwachſenen. Enderlin's Analyſe der Aſche menſchlicher Faͤcalſtoffe: Chlornatrium und alkaliſche Sul— fate 1,367; tribaſiſches phosphorſaures Natron 2,633; beide 4,000 loͤsliche Salzez phosphorſaurer Kalk und Magneſia 80,373; ſchwe— felſaurer Kalk 4,530; phosphorſaures Eiſenoxydul 2,090; silicium 7,940, in'sgeſammt — 94,933 loͤsliche Salze. Faeces in Krankheiten. Typhus abdominalis nach Simon: Bei'm Fortſchreiten der Krankheit ſcheiden ſich die faeces in 2 Schichten, die untere eine leichtgelbe, flockige Maſſe, die obere eine truͤbe, molkenartige Fluͤſſigkeit. Die flockige Maſſe beſteht aus kleinen Klumpen Schleim oder Eiter, aus einer amorphen, gelben Materie (wahrſcheinlich geronnenes Eiweiß mit Gallenpigment), aus einer verhaͤltnißmaͤßig kleinen Quantität Epithelium und zuweilen aus ſehr ſchoͤnen, zahlreichen Kryſtallen von phosphorſaurer Ammo— niak⸗Magneſia; zuweilen finden ſich auch kleine, weiße Maſſen von der Groͤße der Hirſekoͤrner, welche, mikroſkopiſch unterſucht, aus Zellen, aͤhnlich den Entzuͤndungskuͤgelchen, beſtehen. Sie enthalten in einer ſehr zarten Membran eine grobkoͤrnige Materie eingeſchloſ— ſen; in einigen der groͤßeren Zellen zeigten ſich kleine Zellen mit Kernen. Beim Verbrennen eines Theiles des trocknen Ruͤckſtandes 768. XXXV. 20. 316 erhielt Simon 323 Salze, zur Hälfte erdige Phosphate. Die obere Fluͤſſigkeit enthielt eine große Menge von Eiweiß und kohlen— ſaurem Ammoniak; in einigen Faͤllen trat bei'm Hinzuſetzen von Sal peterſaͤure eine ſchoͤne Roſenfarbe ein. Cholera sporadica nach Simon und Heller: Faeces ſtark alkaliſch, mit Säuren aufbrauſend, wobei Kohlenſaͤure und Schwe— felwaſſerſtoffgas frei werden, Sediment groͤßtentheils aus Schleim— koͤrperchen mit einigen Kryſtallen von phosphorſ. Ammoniak-Ma⸗ gneſia beſtehend; Salpeterſaͤure ſcheidet geronnenes Eiweiß aus und faͤrbt die Fluͤſſigkeit roſenroth. In 1000 Theilen: Waſſer 980,00; Fett 0,08; Ertractivftoff 4,80; albumen und Schleim 0,52; Chlor⸗ natrium, milch- und eſſigſaures Natron und alkaliſche Phosphate 13,40; phosphorſaurer Kalk und Magneſia 0,60. — Analyſe der faeces bei cholera infantilis von Landerer. Diabetes mellitus nach Simon: Faeces thonartig, im Durch⸗ ſchnitte 18,5 Unzen binnen 24 Stunden, kein Zucker in denſelben, Waſſer faſt doppelt ſoviel, als feſte Beſtandtheile. In 100 Thei⸗ len der letzteren: Fett 84,0; Galle und alcohol. Extract 2,03 Waſ⸗ ferertract 2,0; alkaliſche Salze 6,5; kohlenſaurer Kalk 2,5; erdige 470 und Eifenorydul 4,0; unlögliche, ſtickſtoffhaltige Stoffe „0. Aus der Zuſammenſtellung des Betrages der aufgenommenen Nahrung und der Faͤcalſtoffe geht hervor, daß 5,4 Unzen Kohle, 6 Drachmen Waſſerſtoff und 1,7 Unze Stickſtoff durch Lungen und Haut ausgeſchieden werden, während im Normalzuſtande die Quan— tität von C. und H. weit größer iſt. Calomel-Stuͤhle nach Simon: Ausleerung fluͤſſig, ganz grün, ohne Faͤcalgeruch, ſchwach ſauer reagirend, unter dem Mikro⸗ ſkope eine große Anzahl von Schleimkoͤrperchen und Epitheliumzel⸗ len. In 100 Theilen feſten Ruͤckſtandes: grünes Fett mit Chole— ſterin 10,0; Speichelſtoff, nur in Waſſer löslich und durch Tannin und Bleieſſig ſchwach gefaͤllt 24,3; Bilin mit Bilifellinſaͤure und Biliverdin 21,4; ſpirit. Extract 11,0; Eiweiß, Schleim und Epi⸗ thelium 17,1; Salze 12,9. Vernix caseosa, unterſucht von Simon und Da vy: unter dem Mikroſkope eine große Menge von Wuͤrfelepithelium, zahlreiche Fettblaͤschen, einige Kryſtalle. Analyſe: Epitheliumplat⸗ 085 Olein 5.75; Margarin 3,13; Waſſer 77,37. Aſche 0,050. Von der Milch. Nach Simon's Unterſuchungen variiren die Beſtandtheile derſelben folgendermaaßen: Waſſer - et e . 914,0 — 861,4 Butter . . > - 54,0 — 8,0 Caſein 8 . . 5 „„ 45, 1955 Milchzucker und Ertractivftoffe . 5 62,4 — 39,2 Fire Salze . 0 . . . 22,7 — 16 Feſte Beſtandtheile . a © . 116,4 — 102,0 Das colostrum ift dicker, als gewöhnliche Milch; Analyſe: Waſſer . 8 . + . . 828,0 Feſte Beſtandtheile . . 0 172,0 Fett 0 . . . . . . 50,0 Caſein . . . . . 8 . 8 . 40,0 Milchzucke - . © R 900 Fixe Salze . x R 8 571 Von der Lymphe. Unterſuchungen von Rees und Naffe. Wir geben des Erſtern Analyſe: Waſſer 965,36 Feſte Beſtandtheile 34,64 Eiweißhaltiger Stoff 12,00 Faſerſtoff 1,20 Alcoholiſches Extract 2,40 Waͤſſriges 19 Salze Fettſtoff . 13, 5,85 | (alkal. Chloride, Sulfate und Carbonate, 5 7 „8 Spuren eines Phosphats und Eifenoryd) Spur 317 Zuſammenſtellung des Gehaltes von Serum und Lymphe an Salzen von Naſſe: alk. Chlorid alk. Carbonatalk. Sulfatalk. Phosphat — — — — — — — Serum. 4055 1,130 0,311 0115=5611 Lymphe. . 4,123 1,135 0,233 0,120 — 5,611 Die Lymphe ift ein verdünntes Serum, Waſſergehalt 950:922, Salze der erftern 11,222, des letzteren 9,652 des feſten Ruͤckſtandes. Chylus, unterſucht von Rees und Simon. Letzterer erhielt 2 Arten von Chylus, einen milchichten und truͤben und einen blut— rothen, beide alkaliſch, im erſteren Fett, im letzteren Blutkoͤrperchen. Analyſe deſſelben: Milchichter Chylus. Roͤthlicher Chylus. Waſſer . . - 928,000 916,000 Feſte Beſtandtheile 0 72,000 84,000 Faſerſtoff 9 ° 0 0,805 0,900 Fett „ 3,480 Eiweiß mit eymphe und Chyluskoͤrperchen . 46,430 60,530 Haͤmatoglobulin 5 Spuren 5,691 Ertractivftoff 3 320 5,265 Alkaliſche Chloride u. Lactate 7,300 6,700 Schwefelſ. u. phosphorſaurer Kalk u. Eiſenoxydul. 1,100 0,850 Vom Schleime. Friſcher Naſen- oder Bronchſalſchleim zeigt ſich unter dem Mi⸗ kroſkope als eine Fluͤſſigkeit mit kleinen, rundlichen oder laͤnglichen Koͤrperchen von granulirtem Ausſehen, Epitheliumzellen und einer fein granulirten Subſtanz. Die Schleimkoͤrperchen haben, nach Henle, einen Durchmeſſer von 0,003 — 0,007, Zellen und eine Fluͤſſigkeit conſtituiren alſo den Schleim, erſtere umfaſſen di» Schleim: koͤrperchen und Epitheliumſchuppen, letztere enthaͤlt Mucin (als Hauptbeftandtheil), Extractiv- und fettige Stoffe, Salze und zus weilen eine Spur von Eiweiß. Das Mucin wird durch Waſſer niedergeſchlagen. Analyſe des geſunden Lungenſchleims von Naſſe. Waſſer . . . + . . . 955,520 Feſter Rückſtand 6 . 0 . . 5 44,480 Mucin mit etwas Eiweiß © . £ 23,754 Waſſer⸗Extract . 8 B = R 8,006 Alcohol = * 0 0 5 . . 1,810 SD 8 3 8 © 5 5 5 2,887 Chlornatrium . ° . . . . 5,825 Schwefelſaures Natron 5 ß 8 . 0,400 Kohlenſaures Natron 5 © . 2 0,198 Phosphorſaures Natron . 0,080 Phosphorſaures Kali mit Spuren von eife . 0,974 Kohlenſaures Kali . . . 0,291 Silicium und ſchwefelſ. Kali x 0 5 8 0,555 Analyſe des Naſenſchleims von Simon; vergl. auch Gru by Observatt. mieroscopp. ad morphologiam patholog. und Buhl: mann on the microsc. examin. of the morbid products of the respirat. mucous membrane. Kemp unterſuchte den Schleim der Gallenblaſe eines Ochſen und zog aus ſeinen Unterſuchungen die empiriſche Formel C48 H39 N6 017; er macht auf die Aehn⸗ lichkeit der Formeln für Schleim (Pr + 3 HO) und Arterienmem— bran (Pr + 2 HO) und auf das Vorkommen von dicken, flockigen, der Arterienmembran phyſicaliſch ſehr analogen Maſſen bei gewiſſen Phlogoſen der Schleimhaͤute aufmerkſam. Vom Eiter. Nach Simon find Eiter- und Schleimkoͤrperchen bis jetzt noch nicht voneinander zu unterſcheiden; Guͤterbock hat das Pyin ente deckt, nach Mulder ein Tritoxyd von Protein. Analyſen von Guͤ— terbock, Valentin, Golding Bird und Wood. (6) (V) Waſſer 0 861,0 Waſſer 2883,78 Feſte Bestandtheile > 139,0 Feſte Beftandtheile 116 22 Fett nur in heißem Waſſer loͤslich 16,01 Choleſterin . 11,86 768. XXXV. 20. 318 (G.) (V.) Fett u. Extractivſtoff in kaltem Oelſ. Kali, Olein Alkohol loͤslich . 43,0] und Chlorkalium 10,02 Eiweiß, Pyin and Gitertörpens Stearin 8 6,85 enge 74,0 Geronnenes Eiweiß Verluſt 6,0 u Fibrin 79,78 Fluͤſſiges Eiweiß u. Chlornatrium . 19,34 (G. B.) (W) Waſſer 898,00 Waſſer 857,15 Feſte Beſtandtheile 0 102,00 Feſte Beſtandtheile 142,85 Fett 5,00 Choleſterin : 1,57 Wafferestract u artaiphe Lac Delfaures Natron 10,91 boten: . 8,00 Eiweiß 6 19,09 Eiweiß 75,75 Extractivſtoff mit Chlor-Kalium und Natrium u. Chlornatrium ꝛc. 8,34 Carbonate 5,75 Thieriſche Materie 16,57 Phosphorſ. Kalk mit etwas Fibroͤſe Materie phosphorſ. Eifenorydul 7,50] m. Kalkphosphat, Eifenorydul und Schwefel 86,37 Fernere Unterſuchungen von v. Bibra, Lehmann, Meffer: ſchmidt, Simon und Naſſe. Simon's Analyſe eines Eiter- ſediments im Harne. Im Eiter finden ſich zuweilen Infuſorien, (Valentin, Donn é: Vibrio lineola, Trichomonas vaginalis). Von der Galle. Nach Demarcay und Liebig iſt die Galle eine Natronſeife (Hauptbeſtandtheil Cholein), nach Berzelius aus einer Menge von Subſtanzen zuſammengeſetzt (Hauptbeſtandtheil Bilin). Saͤu⸗ ren, namentlich Salpeterſaͤure, faͤrben Galle gruͤn, durch letztere wird ſie erſt gruͤn, dann blau, violett, gelb und endlich wird der Faͤrbe— ſtoff zerftört. Nach Plattner bringt der bloße Zutritt von Luft dieſelben Farben hervor. Unfehlbares Reagens fuͤr Galle nach Liebig: man miſche die zu unterſuchende Fluͤſſigkeit mit einfachem Syrup und füge dann eis nige Tropfen concentrirter Schwefelſaͤure hinzu, worauf ſie, wenn Galle vorhanden iſt, eine ſchoͤne Purpurfarbe annimmt. Man vergl. auch die Unterſuchungen von Kemp, Theyer, Schloſſer, En— derlin, Plattner u. ſ. w. Krankhafte Galle. — Analyſe derſelben bei Icterus: Schwaͤrzlichgruͤne Farbe, dickfluͤſſig, mit vielen ſchwarzen Pigmentzel— len; in 1000 Th.: Waſſer 859,6; feſte Beſtandtheile 140,4; Bilin 48,6; Bilifellinſaͤure 30,5; Fett 8,6; Gallenpigment 44,3; Salze 8,0. — Lehmann giebt einen Fall von hydrops, in welchem die Galle ſtark nach Schwefelwaſſerſtoffgas roch. Functionen der Galle, nachgewieſen von Berzelius, Theyer, Schloſſer und Schwann als weſentlich für die thie— riſche Oekonomie. Man vergl. auch Dr. Kemp's Vorleſung vor der British Association in York. Vom Fette. Nach Liebig kann der thieriſche Koͤrper das Fett aus gewiſſen ſtickſtoffloſen Nahrungsmitteln (Stärke, Zucker u. ſ. w.) für ſich bilden, nach Dumas und Bouſſingault kann der Koͤrper Nichts ſchaffen, und das Fett iſt als Fett in den Nahrungsmitteln vorhanden. Für Liebig 's Anſicht ſprechen die Verſuche von Perſoz mit der Maͤſtung von Gaͤnſen, ſowie auch die fettmachende Kraft des Bieres (Vogel). Die von Gelis und Pelouze entdeckte kuͤnſtliche Bildung der Butterſaͤure aus Zucker erſcheint von Belang für die Entſcheidung obiger Streitfrage. Leh mann hat eine ſehr gruͤndliche Arbeit uͤber die Wichtigkeit des Fettes fuͤr den Aſſimi— lationsproceß und die ſogenannte Milchgaͤhrung geliefert. Bei ſei— nen mit einer Miſchung von Eiweiß (Proteinverbindung ), Eidotteröl (Fett) und Milchzucker (ſtickſtoffloſe Subſtanz) bei einer Temperatur von 100° angeſtellten Verſuchen erlitt die Proteinverbindung we— der quantitativ noch qualitativ eine Veränderung, es entwickelten ſich keine Gaͤhrungskuͤgelchen, Schimmel oder eine andere 1 niederer Organiſation, geronnenes Eiweiß wurde wieder loͤslich und 319 Faſerſtoff in Eiweiß umgewandelt. Die Fette wurden meiſtentheils, aber nicht immer, in die ihnen entſprechenden Fettſaͤuren, die phos— phorhaltigen in phosphorloſe, Staͤrke und Zucker gewoͤhnlich in Milchſaͤure, zuweilen jedoch in 2 andere nicht kryſtalliniſche und an⸗ ſcheinend unbekannte Saͤuren umgewandelt. Bei guͤnſtigem Verlaufe des Erperimentes fand keine Gasentwickelung ftatt, zuweilen ent— wickelte ſich Kohlenwaſſerſtoffgas, aber dann waren ſtets Infuſorien in der Fluͤſſigkeit vorhanden, haͤufig auch Spuren von Kohlenſaͤure. Verſchiedene krankhafte Fluͤſſigkeiten. Pemphigus-$lüffigfeit nach Simon. . (2) 940,00 Waſſer . 60,00| Feſte Beſtandtheile 40,2 Fett mit Choleſterin . 5 2,60| Eiweiß m. Schleim: Eiweiß mit erdigen Phospha— koͤrperchen ten 8 0 9 8 48,00 Fett 2 A 3,0 Alcohol. Extract mit milchſ. Alcohol. Extract . 3,0 Natron u. Kalium- u. Na⸗ Fire Salze. 4,5 Waſſer . 9 0 Feſte Beſtandtheile . trium⸗Chloriden . 9 8 6,50 Waſſer⸗Extract, Ptyalin glei: chend B 5 5 e 1,90 In beiden Fällen fand ſich freie Eſſigſaͤure Hydrocele-Flüſſigkeit, unterſucht von Simon und Percy. S. fand in 1000 Theilen: Waſſer 0 . 8 8 860,000 Feſte Beſtandtheile 8 . 9 . . . 140,000 Choleſterin mit etwas Margarin- und Olein-Saͤure 8,40 Eiweiß 5 8 > . 2 8 8 o 48,30 Natronalbuminat mit Extractivſtoff 5 3 6,88 Alcohol Extract . 3 8 8 . S . 2,30 Natrium- und Calcium Chloride, etwas Sulfat u. Spu⸗ ren von phosphorſaurem Kalk 8 > - . 72,32 Phosphorſ. Kalk mit Spuren von Eiſenoxydul . 5 0,70 Perey's Anaiyfe ergiebt eine weit größere Quantität Waſſer. Ascites-Flüſſigkeit unterſucht von Marchand, Hel— ler und Percy. (M.) (H.) (P) Waſſer . 952,2 Waſſer 950,00 Waſſer . 952,0 Feſte Beſtandth. 47,8 0Feſte Beſtandth. 50,00 Feſte Beſt. 48,0 Eiweiß 23,8 Extractivſtoff mit Eiweiß 38,0 Harnſtoff. . . 42 Spuren von Ei: Unbeſtimm⸗ Chlornatrium . 8,1 weiß. . 5,97 teorganif. Kohlenſ. Natron . 2,1 Fett .. 0,84] Materie „ 3,2 Phosphorf.u. ete Fixe Salze (faſt Salze 7,6 was ſchwefelſ. nur Chlorna⸗ Natron . 0,6 trium) 44.00 Klebrig. Thierſtoff 8,9 „Harnſtoff kommt oft in dieſer Fluͤſſigkeit vor, aber felten fo reichlich, wie in Marchand's Falle. (Lancet. No. VII. und VIII. 1845). 768, XXXV. 20. 320 Miscellen. Die practiſchen Apparate, deren ſich Hr. Cruſell in ſeinenelektrolytiſchen Euren bedient, find der Methode angemeſſen, welche Hr. C. fuͤr die von ihm ſogenannte doppelte elektrolytiſche Behandlung ausgeſonnen hat, und haben ſich, nach dem Zeugniſſe der Aerzte des großen Marine⸗Hoſpitals zu Cronſtadt, auffallend wirkſam bewieſen. Hr. Cruſell fängt das mit an, den galvaniſchen Strom aus der Wunde auszufuͤhren und nachher denſelben wieder eine gewiſſe Zeitlang eintreten zu laſſen. In dieſen Operationen bringt er den metalliſchen Elektroden nie mit dem gefunden Körper in unmittelbare Beruͤhrung, fondern er trennt ihn immer davon durch eine zwiſchengebrachte Fluͤſſigkeit. Der andere Elektrode dagegen wird unmittelbar auf das Geſchwuͤr angebracht, jedesmal, wenn es hart iſt; iſt das aber nicht der Fall, ſo wird die Communication von Neuem durch Dazwiſchentreten ei⸗ ner Fluͤſſigkeit bewerkſtelligt. Die Gefäße, welche die Fluͤſſigkeiten enthalten, wo die Elektroden einſenken, ſind auf eine ſehr ſinnreiche Weiſe an den Koͤrper angebracht, um die Luft nicht durchzulaſſen, und ihre Fuͤllung und Entleerung wird mit groͤßter Leichtigkeit und Nettigkeit bewerkſtelligt. Das Metall der Elektroden, wie die Fluͤſ⸗ ſigkeiten, werden fo gewählt, daß fie mit dem Körper ein galvani⸗ ſches Element ausmachen, welches in demſelben Sinne wirkt, wie die Elemente der fortdauernden Daniell ſchen Batterie, deren Hr. Cruſell ſich gewoͤhnlich bedient. Die Dauer der elektrolytiſchen Thaͤtigkeit wird durch einen ſinnreich dazu eingerichteten Voltame— ter regulirt, der, indem er nichts Anderes, als ein thaͤtiges Zink⸗ Platina-Element, iſt, dazu dient, die Quantität des freigewor⸗ denen Hydrogens zu meſſen. Fall von Communication einer äußeren Oeffnung zwiſchen der erſten und zweiten Rippe mit einer bun⸗ gencaverne, von Hrn. Stafford. Thomas Butler, 27 Jahre alt, aufgenommen in das St. Marylebone = Spital am 20. Juli 1844, litt ſeit langer Zeit an der Lungenſchwindſucht. Der Auswurf war purulent, und die Auſcultation wies in beiden Lun— gen mehrere Cavernen nach. Sechs oder acht Monate vor ſeiner Aufnahme hatten ſich Geſchwuͤre am Halſe und an der Bruſt ge⸗ bildet, von denen die erſteren dicht oberhalb des Schluͤſſelbeines ſich befanden und tief hinter daſſelbe hinein ſich erſtreckten. An der linken Seite war zwiſchen den erſten beiden Rippen ein ſehr tiefes, 1“ breites Geſchwür, welches mit der Lunge in Verbindung ſtand. Wenn man Charpie oder die Flamme einer Kerze dieſer Oeffnung näherte, fo erkannte man an, dieſen Körpern bei der Inſpiration und Expiration mitgetheilten Bewegungen, daß die Luft wirklich aus der Lunge nach Außen drang. Der Kranke hielt die Oeffnung ſtets ſelbſt geſchloſſen und litt ſehr, wenn ſie lange offen blieb. Bei der Section fand ſich, daß das Geſchwuͤr zwiſchen den Rippen mit einer Tuberkelhoͤhle im oberen Theile der linken Lunge in Ver— bindung ſtand; beide Lungen waren in großer Ausdehnung alterirt. (Loud. med. Gaz.; Gaz. med. de Paris, No. 29, 1845.) Gitronenfaft gegen Haͤmorrhoidalblutungen em= pfiehlt Dr. Giadoro; er hat dieſes Mittel mit dem beiten Er⸗ folge zu 2 Eßloͤffeln alle 2 Stunden in 2 Faͤllen chroniſcher Haͤ⸗ morrhoidalblutung, mit Oedem, Hydrothorax und Ascites complicirt, angewendet. In beiden Faͤllen war die Blutung raſch geſtillt, die Harnſceretion bedeutend vermehrt, und die Waſſerſucht beſeitigt. Das Mittel wurde 27 Tage lang in ſteigender Gabe angewendet. (Gazz. med. di Milano No. 25. 1845.) . Bibliographische Des Hallucinations, ou histoire raisonn&e des apparitions, des visions, des songes, de l’extase, du magnétisme et du somn- ambulisme, Par A. Brierre de Boismont. Paris 1845. 8. Revue botanique, recueil mensuel, renfermant l’analyse des tra- vaux publies en France et à l’etranger sur la botanique et sur ses applications à l’hortieulture, l’agriculture, Ja médecine etc. redige par P. Duchartre. Paris 1845, 8. NMeuigkei been Fragment d'un essai de Statistique médicale appliquee à la ville de Lyon par Julia de Cazere. Lyon 1845. 8. Sopra uno straordinario sarcoma cerebrale; lettera del Dottor Pietro Biagini di Pistoja al chiarissimo signor D. Carlo Burci, professore di anatomia patologica nella scuola medico- chirurgica di perfezionamento in Firenze. Firenze 1845. 8. (aus der Gazetta toscana delle scienze medico-fisiche. — —— Neue Wotizen aus deem Gebiete der Natur- und Beilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober⸗ Medicinalrathe Freriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Fror ie p zu Berlin. Noe. 769. Gedruckt im Landes -Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 21, des XXXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 g. oder 3 g 30 A. September 1845. des einzelnen Stuͤckes 3¾ 8 Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3 ¾ 893. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ 975. aer r Ueber die anthropologiſchen Charactere. Von Herrn Jaquinot. So wenig die wiſſenſchaftliche Anthropologie auch noch fortgefchritten iſt, fo hat fie doch bereits eine ſichere Grund— lage, und in welchem Sinne man auch die Namen der aͤch— ten Charactere verſtehen mag, ſo laſſen ſich dieſe ſelbſt doch nicht verkennen. Die unterſcheidenden Kennzeichen der Menſchenracen ſind zweierlei Art: die erſtere beſchaͤftigt ſich lediglich mit dem phyſiſchen Menſchen, und dieſe Kennzeichen nennt man zoo— logiſche oder anthropologiſche; die letztere hat nur die Betrachtung des geiſtigen Menſchen aus verſchiedenen Geſichtspuncten, z. B. dem der Sprache, dem der Geſchichte, dem der Gebraͤuche ꝛc., zum Gegenſtande, und dieſe Cha— ractere nennt man die ethnologiſchen. Ich werde mich hier lediglich mit den erſtern beſchaͤf— tigen, die ihrestheils in ͤußere und innere oder ana— tomiſche zerfallen. Die aͤußeren Charactere ſind die Geſichtszuͤge, Haut— farbe, Farbe der Schleimhaͤute, der iris, der Naͤgel; die Beſchaffenheit, Farbe und Häufigkeit der Haare am Körper und des Haupthaares; die Geſtalt und die Proportionen der verſchiedenen Koͤrpertheile. Die inneren Charactere beziehen ſich auf die Form und Staͤrke der Knochen des Schaͤdels und Skelets, auf die Farbe, Groͤße und Conſiſtenz der inneren Organe. Dieſe letztern Charactere ſind allerdings ſehr wichtig, allein ſie ſcheinen mir aus mehrfachen Gruͤnden den aͤußeren untergeordnet. Zuvorderſt find fie zum Theil mit in dieſen einbegriffen, indem ſich die Geſtalt des Schaͤdelknochens und Skelets ſchon aͤußerlich verräth und ſich die ſtaͤrkere oder geringere Bie⸗ gung der Wirbelſaͤule, die Weite und die Richtung des Beckens, die Laͤnge und Krümmung der langen Knochen ꝛc. ſchon am lebenden Menſchen beurtheilen laͤßt. Ferner werden dieſe vom cranium und Skelet entlehn⸗ ten Charactere, obwohl fie bei ſchroff voneinander geſchiede— nen Racen, z. B. bei'm Kaukaſier im Vergleiche mit dem No, 1869. — 769, BO ID Neger, ſehr ſtark voneinander abweichen, bei den vielen Zwiſchenracen und Varietaͤten ſehr undeutlich, wo nicht ganz gehaltlos. Endlich hat der Beobachter ſehr ſelten Gelegenheit, dieſe anatomiſchen Charactere zu unterſuchen, und bekanntlich ſind die anthropologiſchen Sammlungen noch ſehr unvollſtaͤndig. Hieraus ergiebt ſich, daß, wenn die anatomiſchen Cha— ractere ruͤckſichtlich der Beſtimmung der Racen unentbehrlich waͤren, die Anthropologie nur bis auf eine ſehr niedrige Stufe gelangen koͤnnte. Die hoͤhere Wichtigkeit der aͤußeren Charactere liegt alſo auf der Hand; durch ſie erkennt ſelbſt der Ungebildete auf der Stelle die geringſten Abſtufungen oder Varietaͤten der naͤmlichen Menſchenrace, kurz den Nationalcharacter, und um ſo mehr laͤßt ſich von einem wiſſenſchaftlich gebildeten Beobachter erwarten, daß er mittelſt derſelben genaue unter— ſcheidende Kennzeichen werde auffinden koͤnnen. Die anato— miſchen Charactere kann er dann nebenbei zur Vervollſtaͤndi— gung ſeiner Beſtimmungen benutzen. So wird, z. B., der aͤußerlich fo gut characteriſirte Neger von den Übrigen Ra— cen noch beſtimmter durch die Haͤrte und Dicke ſeiner Leder— haut, durch die dunkele Farbe ſeiner Hirnſubſtanz, Muskeln, ſeines Blutes und ſeiner uͤbrigen Feuchtigkeiten, endlich durch die Dicke des Schaͤdelknochens geſchieden. Ich will noch bemerken, daß ein einziges dieſer Kenn— zeichen für ſich zur Beſtimmung der Menſchenracen nicht ausreichen würde. Ich habe gezeigt *), daß die meiften For: ſcher, welche ihre Claſſification auf die Hautfarbe gegründet haben, in bedeutende Irrthuͤmer gerathen find. Ebenſo würde es ſich mit dem Studium des cranium oder irgend eines anderen Theiles des Skelets verhalten. Bei der Characteriſirung der Joways *) habe ich mich in keiner Beziehung von den hier aufgeſtellten Grund— ſaͤtzen entfernt. Hr. Serres beſtreitet deren Genauigkeit *) Essai sur l’histoire naturelle de homme. 289 d. Bl. *) Welche in einer der erſten Nummern des XXXVI. Bandes erſcheinen wird. 21 S. No. 737, S. 323 und behauptet, ich habe die wahren anthropologiſchen Cha— ractere, auf die ſich die Wiſſenſchaft gruͤnde, vernachlaͤſſigt. Indeß hat er ſelbſt bei feiner Beſchreibung der Botocuden “) nur die aͤußeren Charactere beruͤckſichtigt, wie ich es in Be— treff der Joways gethan. Dieß konnte uͤbrigens gar nicht anders ſeyn. Nur hat er fie anthropologiſche Cha— ractere genannt, während ich fie zoologiſſche nenne. Beide Woͤrter bedeuten alſo das Naͤmliche. Uebrigens habe ich in Hrn. Serres's beiden Artikeln vergebens nach einer De— finition der anthropologiſchen Charactere geſucht. In ſeiner Beſchreibung der Botocuden iſt von dem cranium kaum die Rede, indem er nur bemerkt, daß der Kopf bei der Frau rundlicher fey, als bei dem Manne. Er geht dann mit Ausfuͤhrlichkeit auf die Beſchreibung der Geſtalt, der Bruſt, des abdomen 2c. ein, und obwohl ich dieſen Thei— len ihre Wichtigkeit in der fraglichen Beziehung nicht abſprechen will, ſo betrachte ich ſie doch als von nur ſecundaͤrer Be— deutung. Meine Beſtimmungen bleiben daher in aller Kraft, und ich hoffe, daß ſie ſich in keiner Weiſe erſchuͤttern laſſen. Hr. Serres erinnert bei dieſer Gelegenheit an die Grundſaͤtze, die ihn bei ſeinen Vortraͤgen am Muſeum ge— leitet haben, und die er der Academie ausfuͤhrlich vorzulegen gedenke. (Comptes rendus des Séances de l’Ac. de Sc. T. XXI, No. 4, 30 Juillet 1845.) Der Faſerſtofſ. Form der Gerinnung, Nachdem man ziemlich allgemein darin uͤbereingekommen iſt, daß bei der Gerinnung des Faſerſtoffs ein Aneinander— treten der vorher getrennten Molecuͤle des letzteren ſtattfindet, handelte es ſich nur um die Entſcheidung, ob dieſe Mole— cuͤle in den Grenzen des Sichtbaren laͤgen, oder nicht. Es konnte nicht ſchwer fallen, ſich zu uͤberzeugen, daß ſolche ſichtbare Molecuͤle von Vorn herein nicht exiſtirten; allein nun fragte es ſich, ob nicht der erſte Act der Gerinnung in der Bildung kleiner Koͤrnchen beſtaͤnde, und ob nicht nach der Bildung ſolcher Koͤrnchen ein Stillſtand in der Gerinnung eintreten konne. Mandl (L’Experience. Aoüt. 1838 Janv. 1839.) vertrat nach dem Vorgange von Letellier beſonders dieſe Anſicht, welche mit der, von Baum gaͤrt— ner und Arnold vertheidigten Kugeltheorie in innigſter Be— ziehung ſteht; Simon, Valentin, Naſſe, Scherer, Zimmermann und Wunderlich in Deutſchland, Ad— diſon, Buchanan und Bennett in England, Piorry in Frankreich haben nachher die moleculaͤre Gerinnung des Faſerſtoffs behauptet. Nach der Angabe von Magendie (das Blut, überf. von Krupp, S. 92 u. 239) hielt Letellier die farbloſen Blutkoͤrperchen für Faſerſtoffpartikeln, deren Gerinnung er unter dem Mikroſkope beobachtet zu haben glaubte. Mandl (Manuel d'anat. gén. 1843. p. 252.) will bei der Ge— rinnung runde, ovale, granulirte, aus einer Menge kleiner Molechle beſtehende Koͤrperchen, globules fibrineux, entſte⸗ *) Wir werden den Aufſatz naͤchſtens mittheilen. 769. XXXV. 21. 324 hen geſehen haben. Simon (Medic. Chemie II. p. 584.) beſchreibt einen aͤhnlichen Vorgang, wenn man friſches Blut zwiſchen zwei Glasplatten unter dem Mikroſkope gerinnen laſſe. Ich ſtimme Naſſe vollkommen bei, wenn er (R. Wagner's Handwoͤrterbuch I. Art. Blut, S. 99.) dieſe Entſtehung darauf reducirt, daß ſchon vorher exiſtirende Koͤr— perchen erſt nach und nach zum Vorſcheine kommen, wenn die Blutkoͤrperchen, welche ſie bis dahin verdeckten, ſich zu Saͤulen oder Haufen vereinigen. Bei genauer Beobachtung findet man naͤwlich, daß dieſelben ſchon vor der Gerinnung da ſind. Valentin bezog daher die körnige Form auf den ſchnell gerinnenden Theil des Faſerſtoffs und fand eine Beſtaͤtigung ſeiner Anſicht darin, daß dieſe Koͤrnchen bei Zu— ſatz von kohlenſaurem Kali zu friſchem Blute fehlen. Dieſe Erſcheinung kann aber mit demſelben Rechte von der Loͤslich— keit praͤexiſtirender Koͤrnchen in kohlenſaurem Kali abhängen, da die Wirkung des letzteren Salzes immer eine chemiſche iſt. Blut, welches man ftiſch in concentrirte Loͤſungen von Mittelſalzen fließen laͤßt, deſſen Gerinnung alſo mechaniſch gehindert wird, enthaͤlt ſtets ſolche Koͤrnchen. Simon be— zog dieſe daher auf die gehinderte, d. h., verlangſamte Ge— rinnung. Addiſon (Lond. med. Gaz. 1840. Dec.) theilte fruͤher dieſe Meinung, ſcheint aber ſpaͤter (ibid. 1842 April) ſelbſt davon zuruͤckgekommen zu ſeyn. Daß jene Koͤrnchen, in der That, mit allen dieſen Dingen nichts zu thun haben, folgt aus dem Umſtande, daß man ſie in glei— cher Anzahl vorfindet, wenn man daſſelbe Blut unter ver— ſchiedenen Verhaͤltniſſen beobachtet, z. B., indem man es unter einem Deckglaſe, oder frei gerinnen laͤßt, oder endlich daſſelbe durch eine Loͤſung von Mittelſalzen fluͤſſig erhaͤlt. In fibrinhaltigen Fluͤſſigkeiten, welche frei von koͤrperlichen Theilen ſind, z B. in manchen hydropiſchen Exſudaten, ſieht man unter keinen Bedingungen ſolche Koͤrnchen entſtehen. Die einzige einigermaaßen aͤhnliche Erſcheinung geſchieht bei der flockigen Gerinnung des Faſerſtoffs, wenn er in Aether fällt, einer Gerinnung, auf welche zuerſt Joh. Müller aufmerkſam gemacht hat. Dabei kommt naͤmlich oft eine Art von koͤrniger Gerinnung vor, welche dem beigemiſchten Eiweiße angehoͤrt. Schuͤttelt man rein albuminoͤſe Fluͤſſig— keiten mit Aether, fo ſcheint zuerſt eine gallertartige Gerin— nung einzutreten. Allein dieſer Anſchein beruht nur darauf, daß die fein vertheilten Aetherpartikelchen ſich zwiſchen die Theilchen der Fluͤſſigkeit legen und ſo ein Haufwerk verſchie— denartiger Kugeln uͤbereinander bedingen, deren unter dem Mikroskope leicht erkennbare Ungleichartigkeit die Bewegung der Maſſe erſchwert und ſo jenen Schein von Gerinnung erzeugt. In der Ruhe ſcheidet ſich allmaͤlig, oft erſt nach mehreren Tagen, die Fluͤſſigkeit wieder in zwei Theile, indem der leichtere Aether oben ſchwimmt. An der Grenze ſieht man dann gewoͤhnlich eine truͤbe, weiße Schicht von mi— kroſkopiſchen Koͤrnchen, von denen es ſich ſchwer ausmachen laͤßt, ob fie ſchon vorher in der Fluͤſſigkeit vorhanden gewe— ſen und nur durch das Aufſteigen der Aetherblaͤschen mit in die Hoͤhe gebracht ſind, oder ob ſie durch Flaͤcheneinwirkung geronnenes Eiweiß darſtellen. Jedenfalls liegt kein Grund vor, ſie fuͤr Faſerſtoff zu halten. 325 Alle dieſe Dinge würden eine geringe Wichtigkeit haben, wenn man ſie nicht auf die Praxis, namentlich auf die Frage von dem milchigen Serum, angewendet haͤtte. John Hunter, (Verſuche über das Blut, deutſch herausg. von Hebenſtreit I. S. 113.) fand zuerſt, daß das molkige Serum Kuͤgel— chen enthalte, welche durch ihre Farbe, ſpecifiſche Schwere, Dichtigkeit und Unaufloͤslichkeit in Waſſer ſich von den ro— then Blutkoͤrperchen unterſchieden und jedenfalls kein Fett waren. Traill und Raspail bezogen ſie daher auf Ei— weiß. Naſſe (das Blut, S. 267.) ſtimmte dem bei und unterſchied das molkenaͤhnliche Serum mit kleinen, platten, runden, albuminoͤſen Koͤrperchen von dem milchigen, fetthal— tigen. Magendie (das Blut, S. 84 und 240.) fand bei morbus Brightii ein Blut mit einer Menge kleiner Kuͤgel— chen oder vielmehr Koͤrperchen ohne beſtimmte Form, die man faſt fuͤr aus Eiweißſtoff beſtehend halten konnte und die dem Chylus oder der Lymphe anzugehoͤren ſchienen. Das Se— rum dieſes Blutes coagulirte bei'm Erhitzen flockig, ſtellte alſo eine-Fluͤſſigkeit dar, in welcher, nach den Unterſuchungen von Scherer, ein Waſſerzuſatz ſtets einen koͤrnigen Niederſchlag von Eiweiß erzeugt. Simon (Med. Chemie II. S. 220.) fand gleichfalls bei morbus Brightii ein milchiges Serum mit kleinen, ſoliden Koͤrperchen, welche durch ein etwas un— ſicheres Verfahren (Verduͤnnen des Serums mit Waſſer, Ab— ſetzen und Waſchen) gewonnen wurden. Das Erhaltene war in Waſſer, Alkohol und Aether unloͤslich, bei anhaltender Digeſtion in verduͤnnter Eſſigſaͤure loͤslich und aus dieſer Loͤ— fung durch Kaliumeifencyanür faͤllbar, und ſoll demnach Ka: ſerſtoff geweſen ſeyn. Allein der chemiſche Beweis iſt durch— aus nicht entſcheidend, denn jede ſalzarme Proteinfubitanz (das durch Waſſerzuſatz zu neutralen Eiweißloͤſungen praͤci— pitirte Albumin, das feiner Alkalien beraubte Gafein), je: des zur Zellenbildung fortſchreitende Elementarkoͤrnchen theilt jene Eigenſchaften. In einem anderen Falle (Beiträge 1. 2. S. 287.) fand Simon eine dem Fibrin aͤhnliche Pro— teinverbindung, mit feſtem und fluͤſſigem Fette verbunden, welche er ſelbſt mit den Vorgaͤngen bei der Zellenbildung zu— ſammenſtellt. Scherer (Chem und Mikroſk. Unterf. S. 85.) entſchied ſich in einem analogen Falle gleichfalls fuͤr Fibrin, weil die kleinen Kernchen in Waſſer unloͤslich, in Eſſigſaͤure und Salpeterwaſſer, beſonders bei gelinder Dige⸗ ſtion, loͤslich waren, das Serum eine ziemlich große Quan— tität feſter und namentlich albu mind ſer Stoffe bei einer verminderten Quantitaͤt anorganiſcher Salze enthielt, und endlich durch das Auswaſchen des Blu— tes eine geringe Menge Fibrin gewonnen wurde ) Rech— net man den letzteren, mehr negativen Grund ab, ſo bleibt eben auch keiner uͤbrig, der bewieſe, daß jene Kernchen ge⸗ ) Die angefuͤgte Bemerkung, daß das Zuruͤcktreten der anors ganiſchen Salze „bekanntlich“ die Ausſcheidung fibrin artigen Stoffes in fein zertheiltem, mehr koͤrnigem Zuſtande befoͤrdert, während durch größere Mengen derſelben ein mehr gallertartis ger, zuſammenhaͤngender Faſerſtoff aus dem Blute ſich abſchei⸗ det, ſcheint ſich auf die fruͤher widerlegte Angabe von Simon zu beziehen. Eine ſonſtige Beobachtung der Art iſt, meines Wiſſens, nicht bekannt und wuͤrde auch direct allen anderen Angaben und Erfahrungen widerſprechen. 769. XXXV. 21, 326 rade Faſerſtoff geweſen ſeyn müßten. Auch Zimmermann (Zur Analyſis und Syntheſis der pſeudopl. Proceſſe S. 106.) hat nur gezeigt, daß eine koͤrnige Proteinſubſtanz vorgelegen hat. Andere haben gar keine Beweiſe, als ihre einfache An— gabe, dargebracht. In der That, waͤren zwei Koͤrperchen Molecularfibrin, fo würde man gar keinen Grund haben, die Proteinmolecuͤle im Chylus und Eiter fuͤr etwas Anderes zu halten. Allein hier laͤßt ſich ihre Entwickelung zu Zellen verfolgen, und daß ihre Entſtehung nicht auf einer koͤrnigen Gerinnung des Fa— ſerſtoffs beruht, zeigt ihre Bildung in dem zerfallenden Ei— terpfropfe der Vene, wo ſie ſo maſſenhaft vorkommen, daß ſich ihre Neubildung durch Vergleichung mit den, in den an— grenzenden, noch unverſehrten Theilen des Gerinnſels vor— kommenden Koͤrnchen direct beweiſen laͤßt. Die Unterſuchun— gen, welche Buchanan (Lond. med. Gaz. 1844. Oct.) und Rob. Thomſon (Philos. Magaz. 1845. May.) zu: ſammen angeſtellt haben, thun ziemlich uͤberzeugend dar, daß das milchige Serum von einer vermehrten Chyluszufuhr oder einer gehinderten Umbildung deſſelben abhaͤngt. Die mi— kroſkopiſchen Elemente in dem durch die Nahrung milchig gewordenen Serum waren dieſelben, wie wir ſie zum Oefte— ren angefuͤhrt haben; die chemiſche Unterſuchung ergab eine in Waſſer, Alkohol und Aether unloͤsliche, ſchwefelhaltige Proteinſubſtanz. Auch Quivenne (Gaz. des höp. 1845. Juin No. 76.) hält die Molecuͤle des milchigen Serums fuͤr identiſch mit den Koͤrperchen des Chylus. Aus alle dem folgt nun freilich noch nicht, daß die Molecuͤle, durch deren Anhaͤufung das milchige Anſehen des Serums bedingt iſt, unter allen Umſtaͤnden aus dem Chy— lus ſtammen muͤſſen, da ſie ſich auch im Blute ſelbſt bilden koͤnnen; aber wohl, daß die Zuſammenſetzung derſelben aus Faſerſtoff vollſtaͤndig unerwieſen und in hohem Grade un— wahrſcheinlich iſt. Auf Albumin deutet auch die Beobach— tung von Magendie (das Blut, S. 240.), der bei einem Hunde, dem er Eiweiß injicirt hatte, dieſe Koͤrperchen in ſehr großer Menge im Blute fand. Die Angabe von A d— diſon und Buchanan, welche ſchon Anderſon wider— legt hat, daß die gewoͤhnliche Gerinnung des Faſerſtoffs auf einer Agglutination der Koͤrnchen beruhe, fallen damit von ſelber weg; ebenſo die practiſche Anwendung, welche Piorry und Zimmermann davon gemacht haben. Der Erſtere (Gaz. des höp. 1845. Mai. No. 62.) ſucht den Grund der Pneumonieen in einer Staſe des Blutes, bedingt durch die Gerinnung oder unvollkommene Aufloͤſung des Faſerſtoffs, welche die erſte Wirkung der Erkaͤltung auf das, durch die vorhergegangene reichliche Tranſpiration eines großen Thei— les ſeines Waſſergehaltes beraubte Blut ſeyn ſoll. Der zweite (Zur Analyſis, S. 350.) erklaͤrt die Truͤbung der Hornhaut bei Blennorrhoͤen und Rheumen aus einer Anfuͤl— lung der ſeroͤſen Gefäße mit Molecularfibrin. Wenn demnach die Gerinnung des Faſerſtoffs auf ei— nem Aneinandertreten ſeiner Molecuͤlen beruht, ſo darf man nie vergeſſen, daß dieſe Molecuͤlen nie und unter kei⸗ nen Verhaͤltniſſen ſichtbar find. Was nun den Vorgang und das ſichtbare Reſultat der 2 327 Gerinnung betrifft, ſo iſt, nachdem Malpighi das Wort fibra auf den gerinnbaren Theil des Blutes angewendet hat, die Meinung immer verbreiteter geworden, daß in der That eine Faſerbildung zu Stande komme, und ſeit John Hun— ter die Anſicht von einem eigenthuͤmlichen Blutleben aufſtellte, haben die Vertheidiger einer autokratiſchen Lebenskraft jene Faſerbildung ſtets als einen willkommenen Beweis für die Meinung, daß der Faſerſtoff das hoͤchſt belebte Product des thieriſchen Koͤrpers, der eigentliche Lebensſtoff ſey, feſtgehal— ten. Beobachtungen uͤber den Act der Gerinnung ſelbſt be— ſitzen wir von Naſſe, E. H. Weber, Addiſon, An der— ſon, Gulliver, H. Hoffmann, wenn wir von den ſchon erwaͤhnten und widerlegten Angaben abſehen. Weber (Amtl. Bericht uͤber die 19. Naturf. Verſ. zu Braunſchweig 1841 S 93.) ſah in dem gerinnenden Bluts⸗ tropfen zwiſchen den Blutkörperchen Luͤcken, mit Blutwaſſer erfüllt, und ein Netz ſich kreuzender Faͤden erſcheinen, die we— gen ihrer Duͤnnheit und Durchſichtigkeit an den Grenzen des Sichtbaren lagen und durch Zuſatz von Jod deutlicher wur— den. Addiſon und Gulliver ſahen es aͤhnlich, nur daß der Erſtere (Lond. med. Gaz. 1842. Apr.) die Form von ſternfoͤrmig vereinigten Nadeln für die Faſern anſpricht, der Andere (Philos Magaz. 1842. Sept. Oct.) parallele und gewundene Faſern neben netzfoͤrmigen angiebt. Herr Hoff— mann (Oeſterlen's Jahrbücher 1845. 3. S. 367.) laßt die fibrinhaltige Fluͤſſigkeit ſich mit feinen, lockern Maſ— fen von gelatinos-faſeriger Subſtanz, die völlig waſſer— hell durchſcheint, durchweben und ſich allmaͤlig zu einem Ag— gregate von amorphen (S. 368. nicht organiſirten) Fa— fern erhaͤrten. Naſſe (das Blut, S. 40.) ſah ſchon 1836 keine mikroſkopiſchen Veraͤnderungen an dem gerinnenden Blutstropfen, und 1841 (Muͤller's Archiv, S 439) erklärte er die Faſern für ein Kunſtproduct, indem ſich die Schollen, die vollendetſte Form des Faſerſtoffgerinnſels, durch Quet— ſchen und Reiben zu Faſern vereinigen. Anderſon (Fro— riep's N. Notiz. 1844 Aug. No. 676.) endlich fand au— ßer dem Feſtwerden des Plasma's keine Veraͤnderung; es ent— ſtand ein homogenes, ungemein zartes Gerinnſel von ſo ge— ring faferiger Structur, daß man es nur wahrnahm, wenn es mit einer Nadel gezerrt wurde, und daß nur mit der groͤß. ten Schwierigkeit auf der Oberflaͤche ein zartes, ſtreifiges An— ſehen erkannt werden konnte Das Faſerigwerden geſchieht, nach ihm, nur in Folge der Zuſammenziehung in einer eigen— thuͤmlichen, noch nicht genuͤgend erklaͤrten Weiſe. Uebereinſtimmend mit dieſen letztern Angaben, hat mir eine große Reihe oft wiederholter Unterſuchungen gezeigt, daß das Faſerſtoffgerinnſel eine durchaus gleichmaͤßige, ſtruc— turloſe Maſſe iſt, an der nur durch Faltung der Oberflaͤche, durch Einreißen oder Aufrollen vom Rande her der Anſchein von Faſern entſteht. Dieſe Verſuche ſind ſowohl mit fri— ſchem Blute und friſchen, gerinnbaren, hydropiſchen Fluͤſſig— keiten angeſtellt, als auch mit Blut, welches in Salzloͤſun— gen gefloſſen war, um die Gerinnung zu hindern; ſie ſind ebenſo unter dem Deckglaſe, als auf dem freien Objectglaſe wiederholt worden. Die einzige Veraͤnderung, welche man in einem gerinnenden Blutstropfen wahrnimmt, iſt das Ent— 769. XXXV. 21. 328 ſtehen von Rollen durch die Aneinanderlagerung der Blutkoͤr⸗ perchen; nachher iſt alles ruhig. Dieſelbe Erſcheinung kann man bei gerinnenden hydropiſchen Fluͤſſigkeiten ſehen, wenn man Blutkoͤrperchen zuſetzt. Nach vollendeter Gerinnung hat man eine durchaus gleichfoͤrmige und durchſichtige, zit— ternde Gallerte, in welcher die leichtern Zellen und Koͤrnchen in verſchiedenen Hoͤhen ſchweben, und deren Vorhandenſeyn ſich eben nur durch dieſe in einer beſtimmten Lage ſuspendir⸗ ten Koͤrperchen erkennen laͤßt. Setzt man vorſichtig etwas Waſſer zu, ſo bleibt dieſes gleichmaͤßige Anſehen unveraͤndert und man erkennt den Rand des Gerinnſels bei ſtaͤrkerer Blen— dung als eine vollkommen ſcharf abgegraͤnzte Linie. Man kann ſelbſt einen vorſichtigen Druck von Oben her durch das Deckglas ausuͤben und dieß Gerinnſel zu einer flachen Scheibe zuſammendruͤcken, ohne auch nur den entfernteſten Schein von Faſerung zu erhalten. Erſchuͤttert man aber die Maſſe lebhafter, ſo entſtehen ſchnell dieſelben Falten auf der Ober— flaͤche, die ſich manchmal bei der allmaͤligen Contraction des elaſtiſchen Gerinnſels von ſelber bilden. Durch einen mäßigen und vorſichtigen Druck laſſen ſich dieſe Falten wies der zerſtreuen und das alte, gleichfoͤrmige Anſehen wiederher— ſtellen. Faſern gewinnt man leicht, wenn man die Maſſe zerrt, mit einem Inſtrumente zerreißt oder in ſchiefer Rich⸗ tung bei ſtaͤrkerm Drucke preßt; allein gewoͤhnlich erkennt man auch dann noch an den bald breitern, bald feinen Fi— brillen und an der zwiſchen ihnen ausgeſpannten, gleichfoͤr— migen, membranartigen Maſſe das alte Bild wieder. Bei einer vorſichtigen Praͤparation kann man aber auch aus je— dem Gerinnſel ſolche Objecte gewinnen. Schiebt man unter die lockern Coagula, die ſich in hydropiſchen Fluͤſſigkeiten bil⸗ den, das Objectglas und hebt fie fo vorſichtig aus der Fluͤſ— ſigkeit, ſchneidet man mit einer feinen Scheere kleine Scheib— chen von einem Blutkuchen, oder ſucht man vorſichtig die feinen Lagen, aus denen es zuſammengeſetzt iſt, abzuheben; entfernt man unter Waſſer die duͤnnen Faſerſtoffſchichten, welche ſich auf ſeroͤſen Haͤuten fo häufiz vorfinden, fo fieht man homogene, oftmals leicht gekoͤrnte Membranen ohne de geringſte Spur von Faltung oder Faſerung. Ganz vor— zuͤglich eignet ſich hierzu die feine, blaſſe Fibrinſchicht, wel— che die Blutpfroͤpfe innerhalb der Gefaͤße (der Thrombus der Arterien und Venen) zu umhuͤllen pflegt, und welche man meiſt als Exſudatſchicht betrachtet. Es iſt demnach ganz willkuͤrlich, ob man glatte, gefal—⸗ tete oder gefaferte Gerinnſel haben will. Jede Erſchuͤtte— rung, jede ungleichmaͤßige Bewegung, jedes Verſchieben der einzelnen Theile des Gerinnſels zu einander bedingt eine Fal⸗ tung, welche ſich bei einer dicken Schicht auf die Oberflaͤche beſchraͤnkt, bei einer mehr membranartigen Ausbreitung durch die ganze Dicke derſelben reicht. Dieſe Falten ſind bald ſternfoͤrmig, bald netzartig, bald mehr parallel, ſtets aber als aͤußerſt feine, glatte Linien erkennbar. Die Richtung und Breite der Faſern haͤngt gleichfalls nur von der Art der Zu— bereitung ab; man kann an demſelben Stuͤcke das Bild der Arterien- und der Bindegewebs-Faſer, der netzfoͤrmigen oder gefenſterten Haut hervorbringen. Auf dieſe Weiſe erklaͤren ſich alle die Verſchiedenheiten, 829 welche die Beobachter bei der Unterſuchung der Blut- und Exſudatgerinnſel gefunden haben. Vogel (R. Wagner's Handwoͤrterbuch I. Art. Entzuͤndung. S. 343.) iſt der ein— zige, der den geronnenen Faſerſtoff für vollkommen amorph, ohne alle Spur von Organiſation, nur bisweilen unbeſtimmt faſerig oder mit Fettkoͤrnchen bedeckt, erklaͤrt. Lehmann und Meſſerſchmidt (Roſer und Wunderlich, Archiv 1842 1. S. 235.) geben an, daß die Faſerſtoffgerinnſel aus dem Herzen, obwohl ſie faſerige Structur zu haben ſcheinen, doch unter dem Mikroſkope gewoͤhnlich als granuloͤſe, ganz ſtructurloſe Aggregate erſcheinen. Magendie (das Blut, S. 104.) ſah in dem „mol— kigen“ Blutkuchen eine unendliche Menge kleiner, buchtiger, wellenfoͤrmiger, gleichſam buͤſchelfoͤrmiger, nebeneinanderliegen— der Linien. Auch Henle (Allgemeine Anatomie, S. 44.) bezeichnet den geronnenen Faſerſtoff als anfangs waſſerhell, ohne Koͤrnchen oder Faſern, nach einiger Zeit ſich zuſammen— ziehend und faſerig werdend; die Faſern verſchwinden durch Druck. Außer den feinen, netzfoͤrmigen Faſern be— ſchrieb er (Zeitſchrift fuͤr rationelle Medicin 1844 II. S. 173.) breitere, durch Zerreißen des geronnenen Fibrins ge— wonnene, in deren Interſtitien ſich eine helle, oft feinkoͤrnige, granuloͤſe Subſtanz befindet; dieſe Faſern haben das Anſehen der glatten Muskelfaſern. Die Faſern der geſtreiften Arte— tienhaut gleichen in Form und Anordnung ſo ſehr den Fa— ſerſtofffaſern, daß ſie ſich nur durch die Unloͤslichkeit der er— ſtern in Eſſigſaͤure unterſcheiden (S. 177.). Die aͤußerſte Linke in dieſer Frage nimmt Zwicky ein (die Metamorphoſe des Thrombus, S. 38.) : Der geronnene Faſerſtoff iſt nicht vollkommen amorph, was er allerdings in groͤßeren Maſſen auf den erſten Anblick zu ſeyn ſcheint, ſondern er beſteht bei feiner Präparation aus eigenthümlichen, dünnen, va— ricoͤſen, netzfoͤrmig verflochtenen Faſern. Alle dieſe Angaben beſtaͤtigen, trotz ihres ſcheinbaren Widerſpruchs, die von mir angeſtellten Beobachtunegn. Der 769. XXXV. 21. 330 geronnene Faferftoff ſtellt eine durchaus gleich: mäßige, durchſichtige, gallertartige Subſtanz dar, welche in groͤßern Maſſen ſtets homogen er— ſcheint, in membranartigen Stuͤcken aber durch die Bildung von Falten und Runzeln ein fafe riges Anſehen von ſehr verſchiedener Art er— langt. Berlin 15. Aug. 1845. Dr. Virchow. e eee ee Eine intereſſante Sammlung lebender Pflanzen aus Puerto Cabello, von Hrn. Dr. Karſten nach Berlin geſendet und den 16. Auguſt daſelbſt eingetroffen, iſt am 19. Aug. in der Verſammlung der Geſellſchaft naturforſchender Freunde von Hrn. Dr. Klotſch vorgezeigt worden, unter welchen namentlich Galactodendron utile, Geonoma Wildenowii, Zamia muricata, Karstenia odorata, eine neue Gattung der Melaftomaceen, Da- naea Augusti und zehn baumartige Farrn, von 3 bis 6 Fuß Hoͤhe, bei deutſchen Gaͤrtnern Aufmerkſamkeit erregen werden. An den Fruͤchten der Mangifera indica und an ei⸗ ner Frucht von Cyclanthus Plumerii, welche der Geſell⸗ ſchaft naturforſchender Freunde in Berlin im Weingeiſte aufbe— wahrt von Puerto Cabello eingeſendet worden ſind, hatte Dr. Karſten in dem Saamen der erſtern mehrzaͤhlige Embryonen und an dem Saamen der letzteren eine Abweichung von dem Geſetze wahrgenommen, nach welchem das Wurzel- und das Stengelende zwei entgegengeſetzte Pole einnehmen, indem das Wurzelende des im Centrum des Eiweißes gelegenen cylindriſchen Embryo's, welcher die Laͤnge des Saamens hat, eine Zeitlang in gerader Richtung aus— waͤchſt und dann eine ſeitliche nach Oben ſich wendende Knospe treibt. (B. N.) Von den Nacktſchnecken hat in der Verſammlung natur— forſchender Freunde zu Berlin Hr. Dr. Paaſch eroͤrtert, daß bei ihnen nach der Begattung ein Koͤrper ausgeworfen wird, den man jenem Concremente bei einigen Helix-Arten verglichen und ebenfalls Liebespfeil genannt habe, der aber durchaus etwas Anderes, naͤm⸗ lich ein dichtes Conglomerat von Saamenfaͤden, ſey. (B N.) iii u n d . Fall von Behandlung einer Lungencaverne durch Eroͤffnung derſelben von der Bruſtwand aus. Von Haſtings, Storks und Hocken. M. G., ein Geiſtlicher von 38 Jahren, fruͤher ſtets geſund und von geſunden Eltern geboren, bekam im Jahre 1841, in Folge einer Erkaͤltung, Huſten, Auswurf und Blut— ſpeien, von welcher Zeit an er ſchwach und leidend blieb. Im Jahre 1843 Erneuerung derſelben Zufaͤlle, einige Zeit darauf Anfall von Nervenfieber. Als der Kranke kaum von demſelben geneſen war, nahmen Huſten und Auswurf be— deutend zu; der Zuſtand wurde durch die Anwendung des Naphtha gebeſſert. Am 10. Auguſt 1844 conſultirte der Kranke Hrn. Haſtingsz er litt an einem quaͤlenden Huſten, welcher zuweilen an mehren Stellen der Bruſt Schmerzen erzeugte; der eitrige und blutſtreifige Auswurf betrug 2 Un- zen bis X Pinte taͤglich. Das Veſiculaͤrathmen fehlte in der linken regio clavicularis, wo auch der Percuſſionston matt war, an derſelben Stelle ausgebreitetes Blaſegeraͤuſch, hie und da Hoͤhlenraſſeln und ſtarke Pectoriloquie. In der entſprechenden Gegend der rechten Seite Reſonanz der Stimme, faſt bronchophoniſch, Reſpirationsgeraͤuſch mehr oder weniger bronchial, Percuſſionston weniger matt, als auf der linken Seite. Das Hoͤhlenraſſeln und die Pectoriloquie waren am Staͤrkſten in dem Zten Intercoſtalraume links aus— geſprochen. Außerdem bedeutende Dyspnoͤe, Puls 152, Athem— zuͤge 32 in der Minute. Man fuhr mit der Anwendung des Naphtha und einer ſtaͤrkenden Diaͤt bis zum Anfange des Novembers fort, und dieſe Behandlung wurde nur waͤh— rend 5 Anfaͤllen von pleuritis unterbrochen, bei welchen man Blaſenpflaſter applicirte. Der Allgemeinzuſtand war im November gebeſſert und der Puls auf 108 geſunken, aber die Hoͤhle in der linken Lunge hatte augenſcheinlich an Ausbreitung zugenommen. Herr H. beſchloß nun, die Ca— verne von der Bruſtwand aus zu eroͤffnen, welche Operation am 15. November 1844 von Hrn. Storks folgendermaßen 331 ausgeführt wurde, Nachdem der Kranfe auf ben Rücken gela⸗ gert war, wurde ein verticaler Einſchnitt von 2“ Laͤnge von der Mitte des linken Schluͤſſelbeins aus in der Richtung der Bruſtwarze gemacht, und nachdem auf diefe Weiſe der dritte Intercoſtalraum freigelegt war, ein kleiner (Hydrocele-) Troikar eingeſtoßen, bis aus der Canuͤle Luft hervortrat. Man ſenkte nun ein Biſtouri in die Mitte des Intercoſtal— raums und fuͤhrte es ſchraͤge nach Oben in die Caverne ein, worauf man es zuruͤckzog, nachdem man längs der Klinge eine Hohlſonde eingeleitet hatte. Nachdem nun der Opera— teur ſich noch einmal von der Communication der Oeffnung mit der Caverne uͤberzeugt hatte, ſchnitt er mit einem ge— Enöpften Biſtouri auf eine Ausdehnung von 1“ die ſehr dichte und faſt knorpelartige Wandung der letzteren ein und fuͤhrte dann einen zweiten Schnitt parallel mit den Rippen, um die Oeffnung zu vergroͤßern. Sogleich darauf drangen Luft und Blut hervor, und die eingefuͤhrte Sonde bewegte ſich frei nach allen Seiten. In dieſem Augenblicke huſtete der Kranke und warf gegen 2 — 3 Drachmen Blut aus, welche in die Hoͤhle gekommen waren. Der Kranke wurde nun in's Bett gebracht und die Wunde mit in laues Waſſer getauchter Leinwand bedeckt. Bald nach der Operation fank der Puls, welcher vor derſelben 120 Schlaͤge gehabt hatte, auf 100; Huſten, Auswurf und Dyspnde waren verſchwunden. Da der Kranke ſich etwas ſchwach fuͤhlte, ſo erhielt er Branntwein mit Waſſer. Am naͤchſten Mor— gen hatte er 6 Stunden geſchlafen, Puls 68, am Abend vorher 80. Am 17ten, um 5 Uhr Abends, wurde ein Stuͤck Bougie aus Gummi elasticum in die Oeffnung eingeführt und durch Heftpflaſter befeſtigt. In den folgenden Tagen blieb der Puls zwiſchen 72 und 80, Huſten und Dyspnoe hatten bedeutend abgenommen, der Auswurf dauerte noch fort, aber in geringerem Grade. Am 20. trat, wahr— ſcheinlich in Folge von Indigeſtion, Fieber mit Erbrechen und Kopfſchmerz auf; Puls 120; ein Abfuͤhrmittel, wieder— holt gegeben, beſeitigte dieſe Zufaͤlle; die Bruſtſymptome waren nicht ſchlimmer geworden. — Den 22. Puls 68, Re— ſpiration 24; weder Huſten, noch Dyspnoe, noch Auswurf. — Den 23. Naphtha wird von Neuem angewendet. — Den 24. Erpectoration eines Eßloͤffels voll ſchaumigen Schleims mit etwas Eiter gemiſcht; am Abend, nach einem Schlafe bei tiefer Kopflage, Huſten, Oppreſſion und heftiger Schmerz in der Wunde. Die Roͤhre wurde entfernt, und es floß un— gefaͤhr ein Eßloͤffel voll guten Eiters ab, worauf ſich der Kranke ſehr erleichtert fuͤhlte und zu gleicher Zeit gegen eine Unze ſchaumigen Schleim expectorirte. Nach drei Tagen ziemlichen Wohlbefindens von Neuem Fieber und zaͤher Aus— wurf, dabei allgemeine Abgeſchlagenheit, Anorexie und Dys— pnoͤe; Abnahme dieſer Symptome am 1T7ten und 18ten. Vom 1. Dec. an kehrten Schlaf, Appetit und Kraͤfte merk— lich wieder, die Luft trat frei aus der Roͤhre hervor, der Kranke nahm ſehr raſch an Fleiſch zu und fuͤhlte ſich von Tage zu Tage wohler und kraͤftiger. Mehremale fand ſich bei'm Ausziehen der Roͤhre dieſelbe adhaͤrent, und man ent— fernte mit derſelben Granulationen, welche derſelben anhin— gen. Am 15. Dec. Puls 88, Reſpiration 16, Appetit vor— trefflich, der Kranke geht im Zimmer umher. Seit mehren 769. XXXV. 21. 332 Tagen iſt der Auswurf rein ſchleimig und betraͤgt in 24 Stunden nicht mehr, als 3 — 1 Drachme; in der linken regio subelavicularis iſt eine deutliche Depreſſion ſicht— bar. Die am 17. Dec. angeſtellte phyſikaliſche Unterſuchung ergab Folgendes: Percuſſionston in der regio subelavicu- laris sinistra ebenſo und an derſelben Stelle matt, wie vor der Operation. Reſpirationsgeraͤuſch an der oberen Partie der linken Bruſthaͤlfte noch cavernoͤs, allein anſtatt ſlark, rauſchend und blaſend, wie vor der Operation, zu ſeyn, war es nun mild, ruhig und faſt dem normalen Reſpirations— geraͤuſche gleich; keine Pectoriloquie mehr ſondern die Stimme nur ſtark reſonirend; an der rechten Seite Reſpirations— geraͤuſch normaler, als fruͤher. Bemerkungen. Nach den Verff. liegt die große Schwierigkeit der Heilung einer phthisis consumata we⸗ niger in der Beſchaffenheit des Uebels ſelbſt, als vielmehr in der fortwaͤhrenden Irritation der Tuberkelhoͤhlen durch die in Folge der Reſpiration fortwaͤhrend ſtattfindende Erweite— rung und Zuſammenziehung der Wandungen derſelben. Durch die Eroͤffnung der Caverne von Außen nun wird dieſelbe dem unmittelbaren Einfluſſe der Athembewegungen entzogen, ſie hoͤrt gewiſſermaßen auf, einen Theil des Athmungsapparats auszumachen, und in Folge deſſen wird die innere Urſache der Secretion der in den Hoͤhlen ſich anſammelnden Fluͤſſig— keit neutraliſirt, indem die durch die Bronchien einſtrömende Luft, ohne die ſo ſehr irritirenden Athembewegungen in der Caverne zu veranlaſſen, ſogleich aus der durch die äußere Wunde eingefuͤhrten Roͤhre wieder hinausſtroͤmt. Auf dieſe Weiſe wird die Hauptbedingung der Heilbarkeit, die Ruhe, der Caverne geſichert und dieſelbe in die der Vernarbung guͤnſtigſten Verhaͤltniſſe verſetzt. Die Operation an und fuͤr ſich vermag jedoch nicht, die Phthiſis zu heilen, wenn nicht zu gleicher Zeit eine allgemeine Behandlung zur Verhuͤtung weiterer Tuberkelablagerungen eingeleitet wird. Was nun die Indicationen zur Thoracenteſe betrifft, ſo muͤſſen zu— voͤrderſt die Falle der phthisis acuta ausgeſchloſſen werden, wo die Tuberkeln ſich mit einer Schnelligkeit in den Lungen ablagern, welchen die vitalen Kraͤfte nicht zu widerſtehen vermoͤgen. Die Operation iſt dagegen beſonders anwendbar bei großen, nahe an der Oberflaͤche der Lungen gelegenen Cavernen, welche ſich langſam entwickelt, keine bedeuten— den allgemeinen Stoͤrungen herbeigefuͤhrt und inneren Mit— teln getrotzt haben. Eine nothwendige Bedingung hierbei iſt das Vorhandenſeyn ſolider Adhaͤrenzen zwiſchen dem Lun— gen- und Rippenblatte der pleura im Niveau und rings um die Tuberkelhoͤhle, was gluͤcklicherweiſe faſt immer bei großen und oberflächlich gelegenen Cavernen der Fall iſt. Als aͤußeres Zeichen dieſer Adhaͤrenz giebt Hr. Storks die ſtaͤrkere Erhebung und Senkung der Bruſtwand bei der In- und Exſpiration in dem der Caverne entfprechenden Zwiſchenrippen⸗ raume an. Wenn mehre Cavernen vorhanden ſind, ſo raͤth Hr Hoden zur Operation, ſobald nur zwei Cavernen in einer Lunge, oder eine in jeder Lunge, oder ſelbſt zwei in jeder Lunge vorhanden ſind, wobei natuͤrlich die Conſtitution und das Allgemeinbefinden vorzuͤgliche Beruͤckſichtigung verdienen. Sind mehre operirbare Cavernen bei einem und demſelben Indie viduum vorhanden, ſo ſcheint es gerathen, alle zu gleicher 333 Zeit zu eröffnen. Der Moment zur Operation ift gekommen, fo: bald auf die Wirkſamkeit einer allgemeinen Behandlung durchaus nicht mehr zu hoffen, und ſobald das Uebel weit genug vorge— ſchritten iſt, um das Leben zu bedrohen, der Kranke jedoch noch Kraft genug uͤbrig behalten hat, um die Operation zu ertragen. Was das Sperationsverfahren betrifft, fo zieht Herr Storks dem von ihm im obigen Falle angewendeten Folgendes vor. In dem entſprechenden Intercoſtalraume macht man mit einem geraden, ſchmalen Biſtouri einen Einſchnitt von 2“ Laͤnge laͤngs des oberen Randes der unteren Rippe, ſtoͤßt dann vorſichtig daſſelbe Inſtrument in die Hoͤhle ein und vergroͤßert unmittelbar darauf den Ein— ſchnitt um 1“ und daruͤber. Tritt in Folge der Trennung der Gefaͤße der Bruſtwand eine Haͤmorrhagie ein, ſo ſind dieſelben vor Erweiterung der Oeffnung zuvoͤrderſt zu unter— binden. Wenn das Blut aus den Wandungen der goeoͤffne— ten Caverne kommt, ſo fuͤhre man eine Roͤhre ein, deren Druck allein ſchon die Blutung ſtillen wird. Die Roͤhre muß, nach Hrn. Hoden, 25“ lang ſeyn bei einem Durchmeſſer von 4” und aus Gummi elasticum angefertigt. Auf die aͤußere Oeffnung derſelben raͤth Hr. Storks eine mit zahl— reichen Loͤchern durchbohrte elfenbeinerne Platte zu legen, ſo— wie in die Roͤhre ein Stuͤck erwaͤrmten Schwamm zur Er— waͤrmung der eintretenden Luft und zur Abſorption der aus der Wunde abfließenden Feuchtigkeiten. London med. Gaz.) In ſeinen Bemerkungen zum obigen Aufſatze ſchlaͤgt Hr. Guerin, um den nachtheiligen Einfluß der ſowohl von Außen durch die Wunde, wie durch die Bronchien, in die Hoͤhle ein— dringenden Luft zu vermeiden, vor, an der aͤußeren Oeffnung der Roͤhre eine leichte Klappe anzubringen, welche ſich nur von Innen nach Außen oͤffnet und ſo die von den Bronchien ein— tretende Luft austreten, nicht aber zugleich den Luftſtrom von Außen durch die Wunde eintreten laͤßt. Auch empfiehlt er, ſtatt des Einſchnittes, die Anwendung des Aetzkali's, wie daſſelbe auch zur Entleerung von in der Bauchhoͤhle ange— ſammelten Fluͤſſigkeiten auf die Bauchwandung applicirt wird, welches Mittel uͤberdieß den Vortheil hat, daß es die für das Gelingen der Operation ſo nothwendigen und doch weder immer vorhandenen noch ſtets ſo leicht vorher zu erkennen— den Adhaͤrenzen zwiſchen den beiden Pleurablaͤttern in feiner Umgebung hervorbringt. (Gaz. méd. de Paris, No. 29, 1845.) Ueber das anhaltende Malariafieber. Von Dr. Thomas Stratton. Das Fieber, welches den Gegenſtand dieſer Arbeit aus— macht, iſt uͤber einen großen Theil des ſuͤdweſtlichen oder Ober⸗Canada, und vorzuͤglich längs der Waſſergraͤnze, welche dieſen Theil des britiſchen America von den vereinigten Staaten trennt, verbreitet. Die erſten Fülle der Affection kommen im Mai vor, werden allmaͤlig immer zahlreicher im Juni und Juli, ſind am Zahlreichſten und Heftigſten im Auguſt und nehmen im September und October nach und nach an Haͤufigkeit und Intenſitaͤt wieder ab. Nach dem Eintreten des Froſtes kommen keine neuen Fälle mehr vor, und die noch uͤbriggebliebenen gehen raſch der Geneſung entgegen. 769. XXXV. 21. 334 Symptome. Das Uebel beginnt gewoͤhnlich mit einem Gefuͤhle von Schwaͤche, mit Stoͤrungen der Appetenz und leichten Kopfſchmerzen; oft wird auch eine gereizte Stim— mung oder ein anderer ungewoͤhnlicher Zuſtand des Ge— muͤths der Umgebung des Kranken bemerkbar. Nach 2— 8 Tagen nehmen dieſe Symptome ſo ſehr zu, daß der Kranke das Bett huͤten muß; es ſtellen ſich nun krankhafte Hitze der Haut, Durſt, Abneigung vor Speiſe, ſchlechter Ge— ſchmack im Munde, ungemeine Schwaͤche und Mattigkeit ein, dabei Kopfſchmerzen, welche bald die Stirn bald den ganzen Kopf einnehmen, und durch Geiſtesanſtrengungen, Licht und Geraͤuſch, beſonders ſprechender oder laut leſen— der Perſonen, geſteigert werden. Zuweilen ſind leichte De— lirien, vorzuͤglich in der Nacht, vorhanden; im Anfange der Krankheit findet Schlafloſigkeit ſtatt, welche ſpaͤter durch Schlaͤfrigkeit erſetzt wird. Der Puls iſt ſchwach und be— ſchleunigt, der Darmcanal traͤge, zuweilen Erbrechen einer gruͤnlichen oder gelblichen Fluͤſſigkeit. In einigen Faͤllen iſt Schmerz in der rechten oder linken regio hypochondriaca oder an anderen Stellen des Unterleibes, in anderen Schmerz in der Bruſt mit leichtem Huſten vorhanden. Dieſe Bruſt— ſymptome zeigen ſich nur bei Perſonen, welche fruͤher eine Affection der Lungen oder der Bronchialſchleimhaut gehabt haben; von den bedeutenderen Localſymptomen kommen nur die auf den Kopf bezuͤglichen conſtant vor. Letztere ſind in den verſchiedenen Faͤllen von ſehr verſchiedener Intenſitaͤt, deren Grad ſtufenweiſe von der Form der milden gewoͤhn— lichen febris continua zu der des typhus gravior über: geht. Nachdem die angegebenen Symptome 10, 20 — 30 Tage angedauert haben, nimmt die Affection einen der fol— genden Ausgaͤnge: 1) Sie verläuft lethal, und als weſent— lichſter Sectionsbefund findet ſich dann Erguß an der Oberflaͤche oder in den Ventrikeln des Gehirns. 2) Das anhaltende Fieber laͤßt nach, der Kranke klagt uͤber Nichts mehr, als Schwaͤche, und iſt binnen 14 Tagen oder mehr hergeſtellt. 3) Die kebris continua geht in eine remittens uͤber, gewoͤhnlich mit dem Quotidiantypus, und die Geneſung tritt etwa binnen einer Woche ein. 4) Die continua geht anfaͤnglich in eine remittens und nach einigen Wochen in eine intermittens uͤber, worauf gleichfalls nach einigen Pa— roxysmen die Geneſung erfolgt. 5) Das anhaltende Fieber geht ſogleich in ein intermittirendes uͤber. 6) Das Fieber geht in unregelmaͤßige periodiſche Anfaͤlle von remittirendem oder intermittirendem Character, oder von beiden gemiſcht uͤber. Von allen dieſen moͤglichen Ausgaͤngen des Malariafiebers kommt der erſte ſelten, der 4. und 5. am Haͤufigſten vor. Folgekrankheiten. In einigen ſeltenen Faͤllen bildet ſich nach dem Aufhoͤren des Fiebers ein faſt dem Bloͤdſinne nahekommender Geiſteszuſtand aus, welcher bald wenige Monate, bald ein ganzes Jahr lang andauert Complicationen. Zuweilen iſt eine Affection der Leber vorhanden, und wenn der Kranke wiederholt an Wech— ſelfieber oder an febris remittens gelitten hat, eine Auf: treibung der Milz. Urſachen. Das Fieber entſteht in Folge der verein— ten Wirkung einer großen Hitze und eines feuchten Bodens, indem die ſchlammigen Ufer und Ränder der Moraͤſte, Seeen, 335 Fluͤſſe und Candle leicht uͤberfluthet werden, und der Boden ſelbſt mehre Zoll tief aus ſehr uͤppiger Dammerde beſteht. Ein Individuum, welches einen Anfall gehabt hat, iſt, wenn es in einem malarioͤſen Diſtricte lebt, zu neuen Anfaͤllen ſowohl, als zur febris remittens und intermittens praͤ— disponirt; wenn es dagegen in einer nicht malarioͤſen Ge— gend ſich aufhaͤlt, nur Anfaͤllen der febris intermittens in Folge von Erkaͤltung und Durchnaͤſſung. Diagnoſe. Das anhaltende Malariafieber weicht in fol— genden Einzelheiten vom gewoͤhnlichen anhaltenden Fieber ab. Anhaltendes Malaria— Gewoͤhnliches anhalten— Fieber. des Fieber. 1. Herrſcht in malariöfen Gegen- 1. Herrſcht nicht vorzugsweiſe in den, oder kommt bei Perſonen malariöfen Diſtricten. vor, welche vor Kurzem in je— nen gelebt haben. 2. Iſt die Folge einer Malaria. 3. Iſt nicht anſteckend. 4. Geht haͤufig oder gewoͤhnlich in febris remittens oder inter- mittens oder in beide und dann in Geneſung uͤber. 5. Ein Anfall praͤdisponirt zu 5. Ein Anfall vermindert eher die neuen Anfaͤllen. Empfaͤnglichkeit fuͤr neue Anfaͤlle. Vom Typhus unterſcheidet ſich das vorliegende Fieber durch ſein Entſtehen, durch ſeine Contagioſitaͤt, durch das Fehlen einer Hauteruption, durch ſeinen Uebergang in nach— laſſendes oder Wechſelfieber und durch ſeine Praͤdispoſition zu wiederholten Anfaͤllen. Die Prognoſe 1) deutet auf Geneſung bei Veräns derung des Wohnorts in einen gefünderen, 2) iſt guͤnſtig, wenn das Fieber nachlaͤßt oder in ein Wechſelfieber uͤbergeht, 3) und iſt unguͤnſtig, wo das Fieber anhaltend bleibt, und keine Ortsveraͤnderung eintreten kann. Behandlung. Das beſte Heilmittel iſt Entfernung aus der Malaria-Gegend, welche jedoch nicht immer be— werkſtelligt werden kann. Im Beginne des Uebels kann ein einzelnes Brechmittel gereicht werden; gegen die Hitze der Haut wende man kalte Waſchungen, und zwar bei'm Auf— treten von Bruſt- oder Bauchſymptomen nur am Geſichte und an den Extremitaͤten, an. Gegen den Durſt reiche man Eiswaſſer oder ſaͤuerliche Getraͤnke, letztere jedoch weniger gern, wegen leicht folgender Verſtopfung. Gegen die Kopf— ſymptome wende man nach und nach Kurzſchneiden oder Abſcheeren der Haare, kalte Uebergießungen, Abfuͤhrmittel, allgemeine oder oͤrtliche Blutentziehungen und Blaſenpflaſter an. Man ſchuͤtze den Kranken vor Gemuͤthsaufregung und Irritation durch Licht oder Geraͤuſch und ſorge durch pur— gantia für tägliche Entleerung des Darmeanals. Bei ans dauerndem Fieber gebe man Tart. stib. gr. B. mal taͤglich, bei ſtarker Uebelkeit und etwas Erbrechen ein emeticum aus Ipecacuanha, bei zu ſtarkem Erbrechen Opium oder 2. Geht nicht aus Malaria hervor. 3. Iſt anſteckend. 4. Geht nicht in ein nachlaffens des oder ein Wechſelfieber uͤber. 769. XXXV. 21. 336 applicire einen örtlichen Gegenreiz. Das letztere Mittel ift auch bei Schmerzen in der Bruſt oder im Unterleibe ange⸗ zeigt. Wenn das Fieber 20 oder 25 Tage angedauert hat und der Kranke ſehr geſchwaͤcht iſt, ſo gebe man 5—6mal täglich eine kleine Quantität Wein (Sherry); hat das Fie⸗ ber 10—15 Tage oder laͤnger gedauert und an Heftigkeit nachgelaſſen, fo kann man Chinin anfangs zu gr. Jj—jj in Solution und dann (bei gutem Erfolge) ſteigernd ver— ſuchen, beſonders wenn eine Verminderung des Fiebers ge— gen Mittag eintritt. Daſſelbe Mittel findet ſeine Anwen— dung, wenn das Fieber den remittirenden, oder intermittiren— den, oder einen unregelmäßigen periodiſchen Typus angenoms men hat, waͤhrend der fieberfreien Zeit. Bei Gelbſucht und Leberſchmerz applicire man oͤrtlich ein Blaſenpflaſter und gebe ſpaͤter innerlich pill. coerul. und Rheum; bei Schmerz: haftigkeit in der Milzgegend und Anſchoppung dafelbft wende man das ung. Tart. stib. oder Jodi local an; gegen Reizzuſtaͤnde und Schmerzen in den Nieren zeigen ſich warme Baͤder oder trockenes Schroͤpfen wohlthaͤtig. Verf. giebt hier einige Faͤlle. Verſchiedenheit der Malariafieber. Das Ma: lariafieber iſt entweder ein Marſch-( Sumpf-) Fieber oder ein Malariafieber, welches nicht durch Suͤmpfe erzeugt wird. Die verſchiedenen Malariafieber Canada's laſſen ſich folgen— dermaaßen ordnen: I. Anhaltendes Malariafieber. a. Milde Form. b. Schlimme Form. II. Nachlaſſendes 5 1. Remittens quotidiana 2. 2 en? Varietaͤt: Remittens biliosa. III. Wechſelfieber. Varietaͤten: a. Asthma intermittens. 1. Intermittens quotidiana 2. — tertiana b. Intermittens incompleta. 3 — quartana ) e. - irregularis. IV. Intermittens mit einem Paroxysmus. (Edinb.-Journal, July 1845.) Mise e lee Eine Art von Schwaͤche der rechten Hand, welche am Schreiben hindert, hat Hr. Cazenave mehreremale be: obachtet; es war entweder der Daumen oder auch ein anderer Fin— ger, wo die Schwaͤche ihren Sitz hatte. Nachdem Hr. C. der Ur— ſache des Uebels durch eine directe mediciniſche Behandlung, Anwen— dung von Aetzmitteln ꝛc, abzuhelfen vergeblich verſucht hatte, gelang es ihm, wenigſtens dem Symptome abzuhelfen durch Anwendung eines Apparates, mittels deſſen die Feder in gehoͤriger Lage gehalten und die Operation des Schreibens leicht ausgeführt wird. Gegen ſyphilitiſche Auswuͤchſe, welche oft hart⸗ nackig wuchern, hat Hr. Vid al (de Cassis) in den Annales de Chirurgie als ſehr wirkſam ein Pulver ganz beſonders empfoh- len, welches anfangs aus gleichen Theilen gebrannten Alaun und Sabina bereitet ward, worin er aber allmälig den Alaun bis zu ¼ der Miſchung vermehrt. Seit vier Monaten hat Hr. Vidal ſich dieſes Aetzmittels mit dem günftigften Erfolge in der Hoſpital-, wie in der Privat-Praxis bedient, indem er das Pulver des Tages zweſmal aufſtreute. Bibliographische Narrative of the United States exploring Expedition during the yars 1838 — 1842. By Charles Milſes, U. S N. Comman- der. Mit K. und Ch. Philadelphia 1845. 8. History of the British fresh Waters Algae; including Descrip- tions of the Desmideae and Distomaceae. With upw ards of one hundred plates illustrating the various species. By Arthur Hill Harrison. London 1845. 2 Vol. 8. Nit u ig kei tar Guide du Medecin praticien, ou Résumé general de pathologie interne et de therapeutique appliquée par le Docteur F. L. J. Falleix. Tome. I — VI. Paris 1845. 8. (Es werden 10 Bände erfcheinen.) Chirurgiſche Kupfertafeln ꝛc. von Dr. R. Froriep. 92tes Heft enthält tab. 463 ad doctrinam de femoris luxatione spontanea 8. d. T. 464 retractio fasciae latae. T. 465 Anatomia intes- tini recti. T. 466. Paracentesis thoracis, T. 467. Hernia. (Taf. 463 und 464 ſcheinen ganz beſonders intereſſant). Menellotizen aus dem Gebiete der Nalur- und Weilkunde, geſammelt und mitgetheilt von dem Ober sMetieinalratbe Froriep zu Weimar, und dem Medicinalrathe und Profeſſor Froriep zu Berlin. No. 770. Gedruckt im Landes-Induſtrie-Comptoir zu Weimar. (Nr. 22. des XXV. Bandes.) Preis eines ganzen Bandes, von 24 Bogen, 2 September 1845. M. oder 3 30 , des einzelnen Stuͤckes 3%, 8. Die Tafel ſchwarzer Abbildungen 3¾ 958. Die Tafel colorirter Abbildungen 7½ Yz. Wa Knee Ueber die americaniſche Menſchenrace. Von Hrn. Serres. Nachſtehende Bemerkungen bilden einen Nachtrag zu denjenigen, welche ich in der Sitzung des 19. Mai d. J. vorgetragen habe, und ſchließen ſich an die unlaͤngſt von Hrn. Aug. de Saint-Hilaire mitgetheilten an. Da mich die Academie beauftragte, die Joways zu unterſuchen, wie es fruͤher in Bezug auf die Botocuden geſchehen war, ſo richtete ich meine Aufmerkſamkeit vorzugsweiſe auf die Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten, welche dieſe beiden in— dianiſchen Staͤmme darbieten, von denen der erſtere, die Joways, die nordamericaniſchen Indianer, der letztere, die Botocuden, die ſuͤdamericaniſchen Indianer repraͤſentirt. Beide gehoͤren zu den Voͤlkerſchaften America's, die haupt— ſaͤchlich von der Jagd leben, und die ſich von denen, welche Ackerbau und Fiſcherei treiben, in mehrfacher Beziehung unterſcheiden. Ich werde mich hier insbeſondere mit den Botocuden beſchaͤftigen. Die Botocuden nennen ſich ſelbſt Engerec- moung; der Name Botocuden, welcher ihnen von den Portugieſen deßhalb beigelegt wurde, weil die Maͤnner Holz— ſtuͤcke in den Ohren tragen, mißfaͤllt ihnen ſehr. Sie be: wohnen die dichten Waͤlder, die ſich zwiſchen dem Rio Prado und Rio Doce erſtrecken, nach dem Prinzen Maximilian von Wied zwiſchen 13 und 25° ſ. Br., nach Hrn. Charles Morton von Philadelphia aber zwiſchen 15 und 19° ſ. Br. Die Individuen, welche von Hrn. Porte nach Frankreich gebracht wurden, und die wir genau zu unterſuchen Gele: genheit hatten, gehoͤrten dem Stamme Nakionuk an. Ihre Statur war mittelgroß ), ihre Farbe roͤthlich⸗ braun, etwas mehr ins Roſaroth ziehend, als die der Jo— ways; ihre Haare waren ſchwarz, dicht, kurz, ſchlicht und *) Nach Hrn. Porte's Angaben hält ſich die Größe der Maͤn⸗ ner zwiſchen 1,85 und 1,18 Meter, die der Frauen zwiſchen 1,38 und 1,16 M. No. 1870. — 770. r an der Stirn in einen Halbkreis abſetzend, bei den Maͤn— nern groͤber, als bei der Frau; bei beiden Geſchlechtern wa— ren die Augen ſchwarz, die der Frau aber weiter geoͤffnet, als die des Mannes; bei dem letztern der äußere Augen- winkel ſtaͤrker aufwaͤrts gezogen, als bei der erſtern. Bei beiden Geſchlechtern ſtanden die breiten Backenknochen weit vor. Bei'm Manne zeigte ſich die Naſe gerade, bei der Frau an der Baſis leicht gewoͤlbt; der Mund war groß, die Lippen dick, bei der Frau etwas ſtaͤrker hervortretend, was von der Deformitaͤt herruͤhren mochte, die durch das Durchbohren der Unterlippe zum Einhaͤngen eines Ringes veranlaßt worden war. Der Kopf der Frau war mehr abge⸗ rundet, als der des Mannes, die Zähne bei beiden Geſchlech— tern ſchoͤn und gut aneinandergereiht. Das wenig abſtehende Ohr der Frau war gut geformt, das des Mannes durch das Stuͤck Holz, welches er ſeit ſeiner Kindheit im Ohr— laͤppchen getragen, verunſtaltet. Bei beiden war die Stirn niedrig und das Geſicht ein Wenig abgeplattet. Die Bruſt des Mannes war gut gebildet, vorn etwas flach, gleichſam aus einem Stuͤcke und nicht, wie bei in gleichem Grade entwickelten Maͤnnern der kaukaſiſchen Race, bei der Höhe des großen Bruſtmuskels eine Art von Woͤl— bung darbietend, waͤhrend man bei den Joways dieſe Woͤl— bung in auffallendem Grade bemerkt. Die Schulterblatt— gegend trat nach Hinten wenig hervor, waͤhrend ſie bei den Joways ſo gewoͤlbt war, wie man es bei den ſtaͤrkſten Maͤnnern der kaukaſiſchen Race bemerkt. Dagegen zeigte ſie ſich bei den Botocuden laͤnger und nach Unten zu breiter. Die Bruſt der Frau war hinten ſtaͤrker gewoͤlbt, als die des Mannes; vorn fiel ſie unterwaͤrts ſo ſteil ab, daß ich ſie mehrmals meſſen mußte, um mich davon zu uͤber⸗ zeugen, daß unſer Muſeummaler, Hr. Berner, dieſelbe richtig abgebildet habe. Aus dieſer ſtarken Neigung der Bruſt entſpringt die tiefe Lage des Buſens, welcher an den der aͤthiopiſchen Frauen erinnert und ein ſehr wichtiger Cha— racter ſeyn würde, inſofern ſich dieſe Form als die allge meine Regel herausſtellen ſollte. 22 339 Wie bei dem Manne, zeigte ſich auch bei der Frau der thorax unterwaͤrts ſehr weit, und dieſe Erweiterung ſcheint mir ihren Grund in der tiefen Lage und dem Volumen der Leber zu haben, welche, wie ich vermittelſt der Percuſſion erkannte, viel weiter nach Unten reicht, als dieß im norma— len Zuſtande des Organs je bei der kaukaſiſchen Frau der Fall iſt. Mit dieſer Tieflage der Leber ſtimmte die niedrige Lage des Nabels uͤberein, und durch dieſe war hinwiederum die Senkung des os pubis bedingt, das ich wegen der ſtarken Fettſchicht, mit der der mons Veneris belegt war, nur ſchwer fühlen Eonnte Wegen der tiefen Lage des Nabels trat dag abdomen nach Unten und an den Seiten ſtark hervor, und wegen der tiefen Lage des os pubis war das Becken niederwaͤrts und hinterwaͤrts geneigt, ſo daß ſich die Lendengegend unge— woͤhnlich voll, dagegen die Hinterbackengegend, die an ſich nicht ſo ſtark entwickelt war, wie bei der kaukaſiſchen Frau, ungewoͤhnlich flach ausnahm. Begreiflicherweiſe war mir viel daran gelegen, dieſe anthropologiſchen Charactere auch bei der Frau der Joways zu unterſuchen; allein ich habe bis jetzt noch keine Gele— genheit dazu gehabt. Zweimal habe ich geſehen, wie eine ſolche ihrem Kinde die Bruſt reichte, und dieſes Organ ſchien mir eine hoͤhere Lage zu haben, als bei der Boto— cudin. Allein da dieſe Beobachtungen in einer verſtohlenen Weiſe gemacht werden mußten, und da ferner einer der Ah— nen dieſer Frau ein Europaͤer war, ſo haben ſie wenig Werth. Die obern Extremitaͤten waren bei den Botocuden gut entwickelt; nur waren die Haͤnde, zumal die der Frau, ſehr klein. An den untern Gliedmaßen waren die Waden ſchwach und die Fuͤße klein. Bei den Maͤnnern der Jo— ways hatten die Extremitaͤten eine der Staͤrke des Rum— pfes proportionale Staͤrke, allein auch bei ihnen bemerkte man eine relative Duͤnne der Waden, ſowie Kleinheit der Hände und Füße, Die Frauen ſchienen mir wohlpropor— tionirt. Eine der Joways-Frauen ſtarb an einer Tuberkelkrank— heit der Lungen. Als ich ſie an ihrem Krankenbette be— ſuchte, fiel mir der mongoliſche Ausdruck ihrer Phyſiognomie auf. Durch die Magerkeit traten die Backenknochen ſtark hervor, und da die Augen eingefallen waren, ſo zeigte ſich der aͤußere Winkel derſelben ſtaͤrker in die Hoͤhe gezogen. Bei dem Manne, der nicht von ihrer Seite wich, und den ich recht genau beſichtigen konnte, waren dieſe Charactere nicht zu erkennen. Da uͤbrigens die Kranke im Todes— kampfe lag, ſo konnte meine Unterſuchung derſelben lediglich eine aͤrztliche ſeyn. Die Anhaͤnglichkeit, welche der Joway-Indianer fuͤr ſeine Frau zeigte, fiel mir um ſo mehr auf, als die gegen— ſeitige Gleichguͤltigkeit der botocudiſchen Gatten mir eben ſo ſonderbar erſchienen war. Bei der Mahlzeit nahm der Botocude ſtets das Beſte vorweg und gab den Reſt ſeiner Frau, und dieſe benahm ſich gegen jenen noch gefuͤhlloſer, da ſie, als er krank darniederlag, verlangte, man ſolle ſich 770, XXXV. 22. 340 ſeiner entledigen, da er zu Nichts mehr tauge. Und den— noch zeigt die Botocudin bei dem wandernden Leben in den Wildniſſen einen unbeſchreiblichen Muth, eine beiſpielloſe Hingebung. In anthropologiſcher Beziehung hat man die Vethaͤlt— niſſe zwiſchen den beiden Geſchlechtern ſehr zu beruͤckſichtigen, denn die geringe Achtung, in welcher die Frauen, z. B., bei der americaniſchen Raſſe ſtehen, traͤgt ſehr zum Herabſinken dieſer letztern bei, waͤhrend die hohe Achtung, welche, z. B., die Franzoſen und Scandinavier den Frauen zollen, eine der Urſachen iſt, weßhalb dieſe Voͤlker eine ſo entſchiedene Einwirkung auf die ganze Menſchheit ausgeuͤbt haben. Die Joways naͤhern ſich auch in Betracht der Achtung fuͤr die Frauen mehr den Scandinaviern. Die gewoͤhnliche Stellung des Botocuden war eine zu— ſammengekauerte, affenartige, in der er haͤufig ſogar ſeine Mahlzeit einnahm. Die Frau dagegen kreuzte die Beine nach Art der Orientalen. Auf einem Stuhle oder irgend einem andern Seſſel konnte ſie nicht behaglich ſitzen. Die Maͤnner und Frauen der Joways befanden ſich auf Stuͤh— len ganz wohl; allein wenn die ſo ſchoͤnen und kraͤftigen Maͤnner ſtanden, ſo hielten ſie ſich nicht vollkommen gerade, ſondern die Schenkel waren ein Wenig gegen die Unterſchen— kel gebeugt. Dieß war bei allen Joways der Fall, jedoch nicht in demſelben Grade, wie bei den Botocuden. Die Leichtigkeit, mit welcher die Frauen der Wilden gebaͤren, iſt den meiſten Reiſenden aufgefallen. Mehrere haben darin einen Beweis von Muth geſehen; es iſt aber ganz einfach eine Folge der Geſtalt des Beckens, welche, z. B., bei der Botocudin dem Gebaͤren ungemein guͤnſtig iſt. Sollte die Gefraͤßigkeit der Botocuden, von welcher der Prinz von Wied ſo außerordentliche Beiſpiele erzaͤhlt, ihren Grund etwa in dem Vorherrſchen der Abdominaleingeweide haben? Sollte das Beduͤrfniß, dieſe Gefraͤßigkeit durch thie— riſche Nahrungsmittel zu befriedigen, der Beſtimmungsgrund ſeyn, weßhalb ſie nur in Waͤldern leben, nur kleine Geſell— ſchaften bilden und gegen den Ackerbau Abneigung verſpuͤ— ren? Wenn dieß der Fall waͤre, ſo ließen ſich manche Umſtaͤnde, die Dr. Martius metaphyſiſchen Urſachen bei— mißt, von phyſiſchen Urſachen herleiten. Wie dem auch ſey, ſo ſieht man doch, daß ich mich bei der Unterſuchung der Botocuden und Joways, mit wel— cher mich die Academie beauftragt hat, vorzugsweiſe mit der allgemeinen Ermittelung ihrer Aehnlichkeiten und Verſchie— denheiten beſchaͤftigen und vor der Hand den anthropologi— ſchen Kennzeichen mehr Aufmerkſamkeit widmen mußte, als den zoologiſchen. Die Botocuden ſind mir durch den unverkennbaren Stempel der mongoliſchen Race aufgefallen, welchen Hr. Aug. de Saint-Hilaire bereits an ihnen erkannte und den, nach Hrn. Roulin's Angabe, ſchon Amerigo Ves— pucci in ihnen fand. Mehrere phyſiologiſche Beobachtun— gen, welche wir v. Humboldt verdanken, finden in dieſem Umſtande ihre Erklaͤrung. Bei den Joways habe ich dieſes Gepraͤge nur bei den Frauen gefunden, und da, wie ich in meinen Vortraͤgen am Muſeum nachzuweiſen verſucht, der 341 Racentypus hauptſaͤchlich durch die Frau forterbt, fo fiel mir dieſer Umſtand um ſo mehr auf, da das Gepraͤge der mongolifhen Race bei den Männern durchaus verwiſcht war. Welch intereſſanter Gegenſtand ſind nicht die nordame— ricaniſchen Indianer fuͤr das Studium der Anthropologen! Jedermann hat an ihnen die Hauptcharactere der Scandi— navier erkannt; woher ruͤhrt dieſe Aehnlichkeit? Wie kommt es, daß ſich der americaniſche Typus dort dem kaukaſiſchen fo ſehr nähert? ?) Ruͤhrt dieß etwa von einer Kreuzung der beiden Raſſen her? Bietet ſich uns hier ein Verbin— dungsglied zwiſchen der alten und der neuen Welt dar? Dieſe Frage verdient allerdings genau erörtert und erledigt zu werden. Was mir die Werke unſeres gelehrten Philoſophen Jean Reynaud an Materialien zur Beurtheilung dieſer Frage boten, habe ich benutzt und, z. B., zu Nachforſchun— gen uͤber das Schickſal der alten ſcandinaviſchen Colonie in Vinland aufgefordert, welche ſich wohl in dem Norden der neuen Welt verbreitet haben koͤnnte. Dieſe Scandinavier duͤrften der eingebornen Race manche ihrer Charactere mit— getheilt haben. Aehnliche Umſtaͤnde verdienen die genaueſte Unterſu— chung, wenn man ſich uͤber die eigentliche Abſtammung der Racen und den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Menſchheit auf der Erdoberflaͤche Auskunft verſchaffen will. (Comptes ren- dus des seances de I'Ac. d. Sc., T. XXI, No. 1, 7 Juillet 1845.) Ueber die Ausdehnung der Oberflaͤche des Gehirns und die Beziehungen derſelben zu der Entwicke— lung des Verſtandes las Herr Baillarger in der Academie, in der Sitzung Jm 15. April, eine Abhandlung vor. Um die Ausdehnung der Oberflaͤche des Gehirns zu meſſen, entfaltet Herr Baillarger dieſes Organ durch ein von dem Gall'ſchen verſchiedenes Verfahren. Anſtatt nach und nach durch Auseinanderziehen der Gehirnſubſtanz mit den Fingern die Hemi— ſphaͤre auszubreiten, hebt er ſchrittweiſe durch einen langen und vorſichtigen Schnitt beinahe die ganze weiße Subſtanz ab. Wenn das Gehirn nach und nach auf eine fehr zarte Dicke reducirt worden iſt, ſo entfaltet ſich die hemiſphaͤriſche Membran, ſo zu ſagen, von ſelbſt. Dieſe Entfaltung iſt nicht vollſtaͤndig, nicht mehr als die, welche man durch das Verfahren von Gall erhaͤlt; aber fie reicht hin, die Hemiſphaͤre ausbreiten und ſie ſehr ſorgfaͤltig in Gyps ab— druͤcken zu koͤnnen. Die Ausdehnung der Oberflaͤche des Modells, welche der des Gehirns gleich iſt, wird vermittelſt eines duͤnnen Stoſſes erhalten, welchen man uͤberall eindringen laͤßt, indem man nach und nach die Form mit Thonerde ausfuͤllt. Es bleiben dann nur noch ſehr einfache mathematiſche Berech— nungen uͤbrig, um die genaue Ausdehnung der Oberflaͤche des Ge— hirns zu bekommen. : Herr Baillarger hat für das Gehirn des Menſchen im Mittel 1700 Quadratcentimeter gefunden. Die Meſſung der Ausdehnung der Gehirnoberflaͤche bei mehren Thieren iſt auf dieſelbe Art erhalten worden. ) Hr. Catlin ſagt von einem dieſer Indianer: feine Geſichts⸗ bildung iſt vollkommen roͤmiſch und hat einen ſanften Ausdruck. 770. XXXV. 22. 342 In einem zweiten Theile ſeiner Abhandlung unterſucht Herr Baillarger die phyſiologiſche Frage und zeigt, daß man einen großen Irrthum begeht, wenn man behauptet, daß der Grad der Entwickelung des Verſtandes mit der Ausdehnung der Gehirnober⸗ flaͤche im Verhaͤltniß ſtehe. Von zwei Dingen iſt es eins: entweder man betrachtet die Ausdehnung der Gehirnoberflächen auf eine abſolute Weiſe, oder im Gegentheil, man nimmt auf das relative Volumen verſchiedener Gehirne Ruͤckſicht. Im erſten Falle kann ſich der Satz unmoͤglich halten; denn das Gehirn des Hundes hat, z. B., eine geringere Oberfläche, als das des Schaafes. Im zweiten Falle iſt es ebenſo unmöglich, die Beziehung, de— ren Exiſtenz man behauptet hat, aufzuſuchen. Herr Baillarger weiſ't nach, daß in Beziehung auf das Volumen das Gehirn des Kaninchens, z. B., zwei und ein halb mal mehr Ausdehnung der Oberfläche hat, als das des Menſchen, wel— cher ſich in dieſem Bezuge auf der Stufe befindet, auf der die Thiere ſtehen. Daß es ſich bei ihm anders verhielte, bedurfte es viel zahl— reicherer und viel tieferer Windungen. Das Gehirn erfüllt wirklich das mathematiſche Geſetz, daß das Volumen der Körper ſich wie der Cubus ihrer Durchmeſſer verhält, während die Oberfläche wie das Quadrat dieſer Durchmeſſer. Es geht daraus hervor, daß die größten Gehirne im Verhaͤlt⸗ niſſe nur eine ſehr kleine Oberflaͤche haben. Nur das kleine Gehirn koͤnnte in der Ausdehnung ſeiner Ober— flaͤche mit dem Gehirne der niederen Saͤugethiere ſtreiten. Der Irrthum, den man begangen hat, liegt daran, daß man von der relativen Ausdehnung den Schluß gezogen hat, ohne die Zahl und die Erhebung der Windungen zu beruͤckſichtigen; das wuͤrde bei Gehirnen verſchiedenen Volumens nicht genau ſeyn. Herr Baillarger ſchließt mit folgenden Folgerungen: 1. Das Gehirn kann durch allmaͤlige Abnahme der weißen Subſtanz beinahe vollſtaͤndig entfaltet werden. 2. Die Ausdehnung der auf dieſe Weiſe entfalteten Oberflaͤche des Gehirns betraͤgt 1700 Quadratcentimeter. 3. Das Gehirn des Menſchen hat im Verhaͤltniſſe zu ſeinem Volumen viel weniger Ausdehnung der Oberflache, als das der nie— dern Saͤugethiere. 4. Man kann nicht ohne großen Irrthum von der relativen Ausdehnung der Oberflaͤche mehrer Gehirne auf das verſchiedene Volumen ſchließen, wenn man nicht die Zahl und die Ausdehnung der Windungen beruͤckſichtigt. 5. Der Grad der Entwickelung des Verſtandes, weit entfernt, in directem Verhaͤltniſſe zu der relativen Ausdehnung der Ober— flaͤche des Gehirns zu ſtehen, ſcheint vielmehr in umgekehrtem Ver— haͤltniſſe zu ſeyn. (Gaz. des Höpit., Avril 1845.) Ueber die Einwirkung des Speichels auf das Staͤrkemehl. Von Herrn Laſſaigne. Aus einer Reihe von Verſuchen zieht Verf. folgende Schluß— folgen: 1. Das Amylum wird in dem Aggregationszuſtande, in welchem es ſich in den ſtaͤrkemehlhaltigen Nahrungsmitteln vorfindet, bei der Temperatur des Koͤrpers der Saͤugethiere durch den Speichel nicht veraͤndert. 5 2. Bei dem Maſticationsacte der amylumhaltigen Roggenkorner wird das Amylum durch die Zaͤhne der Thiere nicht ausgeſchieden, wie mehre Phyſiologen es angenommen haben, und kann daher in der Reihenfolge der organiſchen Actionen, welche der Magen- und Darm⸗Verdauung vorangehen, in Dextrin umgewandelt werden. 3. Bei dem Pferde kann die Umwandlung des Staͤrkemehls in Dextrin nicht ſtattfinden, und zwar nicht nur, weil, nachdem der Hafer gekaut und verſchluckt worden, die Amylumkoͤrnchen unver- ſehrt bleiben, ſondern auch, weil, ſelbſt wenn dieſelben von den 22 343 Backenzaͤhnen zerquetſcht würden, der Speichel des Thieres nicht a ihre innere Subſtanz, wie der menſchliche Speichel, einwirken oͤnnte. 4. Der menſchliche Speichel, welcher bei einer Temperatur von + 23° C. auf das in den Körnern enthaltene rohe Amylon keine Einwirkung ausuͤbt, wirkt ſelbſt bei einer Temperatur von + 18°— 20 C. auf das ausgeſchiedene Staͤrkemehl ein und wandelt das— ſelbe, binnen weniger als 12 Stunden theils in Dextrin theils in Glycin um, wobei den zerriſſenen Huͤllen noch die Eigenthuͤmlichkeit bleibt, durch Jod blau- violett gefärbt zu werden. 5. Bei'm Menſchen, welcher ſich von gekochten oder in Gaͤh— rung uͤbergegangenen und gekochten ſtaͤrkemehlhaltigen Speiſen er— nährt, muß das in letzteren befindliche Amylum von Seiten des Speichels waͤhrend des Kauens einen Theil der sub 4 angegebenen Veraͤnderungen erleiden, abgeſehen von der Einwirkung, welche der Speichel auf die anderen, im Waſſer loͤslichen Elementarbeſtand— theile ausuͤbt. (Gaz. méd. de Paris, No. 23, 1845.) Ueber foſſile Pflanzen. Hr Murchiſon hielt der geologifhen Section der britiſchen Gelehrtenverſammlung einen Vortrag uͤber die Reſultate, die Hr. Goͤppert bei Zuſammenſtellung einer tabellariſchen Ueberſicht aller bis jetzt bekannt gewordenen foſſilen Pflanzen erlangt hat. Hrn. Ad. Brongniart waren im J. 1836 nur 527 foſſile Pflanzenſpecies bekannt; die neue Lifte zählt deren 1792, und da unter den 80000 jetzt auf der Erdoberfläche vegetirenden und be— kannten Gewaͤchſen eine ſehr bedeutende Zahl zu den Fucoides und Fungi gehört, die keine Verſteinerungen bilden, fo ſtellt ſich die Zahl der entdeckten foſſilen Species zu der der lebenden bereits in ein ziemlich guͤnſtiges Verhaͤltniß. Nach Hrn. Goͤppert's Ans gaben ſind dieſe 1792 Arten in folgenden Gebirgsarten vertheilt: Die palaͤozoiſchen enthalten deren 52 — Steinkohlenformation enthaͤlt 819 permiſ ce 58 = triaſſiſc : 886 — oHolithiſche — Waͤlderthon (Wealden) . 16 — Kreideformation . 62 e Fundort unbekannt... 11 Summa 1792 Aus dieſer Zuſammenſtellung ergiebt ſich, daß die Steinkohlen— formation beinahe die Haͤlfte aller bekannten Species foſſiler Pflan— zen enthaͤlt, was einigermaaßen auffaͤllt, wenn man bedenkt, daß die großen krautfreſſenden Landthiere vor der tertiaͤren Periode nicht vorhanden waren. Daß in der Kreideformation ſo wenig foſſile Pflanzen vorkommen, ruͤhrt wahrſcheinlich daher, daß das Meer, in dem ſich dieſe Formation niederſchlug, eine gewaltige Tiefe hatte. Hr. Greenough bemerkte, daß Hr. Keferftein ebenfalls eine Liſte ſämmtlicher bekannten foſſilen Pflanzen bekannt gemacht habe. Er warnte die Geologen davor, auf die verhaͤltnißmaͤßige Zahl der in verſchiedenen Formationen gefundenen Species irgend Folgerungen zu gruͤnden, denn ob die Pflanzen Ueberreſte hinter— laſſen haͤtten, dieß haͤnge von der Beſchaffenheit der Gangart, der Tiefe der Meere und insbeſondere auch von der Natur der Pflan— zenſpecies ſelbſt ab, indem ſich aus Dr. Lindley's Verſuchen ergebe, daß manche Pflanzen im Waſſer durchaus verſchwinden, andre darin beträchtlich lange ausdauerten. 5 Hr. C. J. Bunbury bemerkte, man habe den Verſuchen Lindley's zu viel Wichtigkeit beigelegt. Man behaupte, die Er— haltung der Pflanzen in Waſſer haͤnge von der Natur ihres Ge— webes und von ihrer Conſiſtenz ab, und die ein ſtaͤrkeres Gefüge darbietenden Arten erhielten ſich am Laͤngſten: dennoch ſey das Equisetum hyemale, eine Pflanze, welche ungewöhnlich viel Kieſel— erde beſitzt, vollſtaͤndig verſchwunden. Bei jenen Verſuchen haͤtten die großen ſtaͤmmigen Farnkräuter der Zerſetzung durch das Waſ— ſer mit am Beſten widerſtanden: allein in den Kohlenfloͤtzen haͤtten viele, der am Beſten erhaltenen Species die größte Aehnlichkeit mit Trichomanes und Hymenophyllum, welche fo zart und muͤrbe wie 770. XXXV. 22. 344 Mooſe ſeyen. Ferner ſeyen die foſſilen Pflanzen in den Kohlen⸗ flögen offenbar nicht nur der Maceration in Waſſer ausgeſetzt ge⸗ weſen, wie bei den Lindley'ſchen Verſuchen, ſondern ſie haͤtten auch einen gewaltigen Druck aushalten muͤſſen; indem die ſtaͤrkſten Stängel von Sigillaria und Lepidodendron plattgedruckt feyen und ſich mit Wahrſcheinlichkeit annehmen laſſe, daß ſich bei Abweſenheit von Druck die vegetabiliſchen Subſtanzen nicht in vollkommene Steinkohle haͤtten verwandeln koͤnnen, indem die fluͤchtigern Theile entwichen ſeyn würden. Das Verhaͤltniß der Zahl der foſſilen Pflanzen in den verſchiedenen Formationen muͤſſe noch von anderen Umftänden herruͤhren, als der Fähigkeit der Species, der Zerfegung zu widerſtehen, und es wäre zu wuͤnſchen, daß andere Verſuche mit mancherlei Modificationen angeſtellt wuͤrden. Ein ſonderbarer Umſtand ſey, daß man in den aͤltern Formationen keine, ſowie in den tertiaͤren Formatſonen nur zwei Arten von Mooſen entdeckt habe; denn obgleich die auf dem Lande wachſenden Species bei den Lindley'ſchen Verſuchen vollkommen verſchwunden ſeyen, ſo laſſe ſich doch nicht annehmen, daß es ſich mit den im Waſſer und an ſum— pfigen Orten vorkommenden Arten ebenſo verhalten werde. (The Athenaeum.) Miscellen. Zwei mit der Vorderſeite des Unterleibes vereis nigte Zwillinge. Am 6. Aug. 1843 iſt die Frau G. (von Chasse pain, aus der Gemeinde Mers im Dep. de l’Indre) von zwei Zwil— lings⸗Kindern entbunden, welche durch die Bauchſeite miteinander vereinigt find und eine der ſeltenſten und wunderbarſten Monſtroſi— täten darbieten. Die Zwillinge waren ausgetragen, lagen in den— ſelben Eihaͤuten, hatten nur einen Mutterkuchen und einen Nabel- ſtrang. Das Doppelkind war anfangs als zwei maͤnnlichen Geſchlechts gehörig angeſehen und unter den Namen Jean und Pier re ges tauft worden. Da es aber zum weiblichen Geſchlechte gehoͤrt, ſo iſt man uͤbereingekommen, daß die beiden Zwillinge unter den Vornamen Philomene und Helene eingeſchrieben wurden. Folgende Haupt— einzelnheiten ſind von Hrn. Dr. Decerfs erhoben und berichtet. Helene und Philomene zeigen zwei Körper auf eine horizontale Flaͤche geſtellt und bis an die Baſis des Bruſtkaſtens. Verbindung dieſer beiden Koͤrper durch ein gemeinſchaftliches abdomen; ein einziger Nabel etwas zur Seite der Mittellinie des Bauches; ein einziger After, an dem niedrigſten Theile der Lendengegenden gele— gen, bedeckt von zwei laͤnglichen, nymphenaͤhnlichen Carunkeln welche das Anſehen einer vulva darbieten. Wenn man dieſe Gas runkeln in die Hoͤhe hebt, ſo ſieht man deutlich zwei Oeffnungen: die eine rechts dient zur Kothentleerung, die andere links, welche die vulva erſetzt, giebt einen Ausfluß dem Urin, welcher durch eine einzige und deutliche Harnroͤhrenoͤffnung heraustritt. Der einzige und gemeinſchaftliche Bauch, welcher die beiden Kinder vereinigt, iſt verhaͤltnißmaͤßig von groͤßerem Umfange, als die anderen Theile. Die beiden Koͤpfe ſind einander gerade entgegengeſetzt und wohlge— bildet; fie haben beide dieſelbe Größe, denſelben Umfang. Alle Or⸗ gane, alle Gegenden der beiden Körper zeigen die vollkommenſte Regelmaͤßigkeit, die genaueſte Correlation bis an die Baſis der Bruſt; aber hier iſt es, wo Alles abnorm wird und die Monſtroſi— taͤt anfaͤngt. Jedes Kind hat ein eigenes Herz, deſſen Schlaͤge fuͤr das Gefuͤhl wahrnehmbar und mit dem Pulſe iſochroniſch ſind. Auch zwei Lungen ſind vorhanden, deren Functionen regelmaͤßig und eigenartig find. Nur eine der beiden Zwillinge, Philomene, nimmt die Bruſt, die von der anderen immer verweigert wird, obgleich Mund und Zunge gutgebildet ſind. Ihre Nahrung beſteht nur in einigen Tropfen, welche die Mutter ihr in den Mund ſpritzt, und bemerkens⸗ werth iſt, daß dasſenige der Zwillingskinder, welches nichts nimmt, das lebhafteſte und geſundeſte, auch das einzige iſt, welches einige Seufzer ausſtoͤßt. Dieſer neue Fall von Monſtroſitaͤt ſcheint bedeu— tend von den bekannteſten analogen Faͤllen abzuweichen. Er hat nur entfernte Beziehungen mit den Ungariſchen Maͤdchen, Helena und Judith, von welchen Buffon und andere Naturforſcher ſprechen, und welche mit den Nierengegenden zuſammenhingen, wo aber die Organe, mit Ausnahme des Afters, getrennt waren, und mit den bei— den ſiameſiſchen Bruͤdern, welche nur durch einige Anbaͤnge der Hautdecken zuſammenhingen. 345 Von einem ungeheuer großen natuͤrlichen Bienen- ftode hat der Texan Telegraph folgende Beſchreibung mitgetheilt, welche in dem Allgem. Anzeiger und N. 3. d. D. vom 17. Sept. d. J. uͤberſetzt iſt. In einer Höhle auf dem rechten Ufer des Colorado, ungefaͤhr 7 Miles von Auſtin, findet ſich ein unermeßlicher Wild— bienenſtock. Der Eingang zu dieſer Hoͤhle liegt in einer Schicht Kalk— ſtein, welche eine hohe Klippe bildet, die faſt ſenkrecht von dem Ufer des Fluſſes in einer Höhe von 150 Fuß auffteigt, von der Ober— flaͤche des Waſſers aus, und die Oeffnung der Hoͤhle iſt etwa 10 F. von dem Gipfel der Klippe entfernt. — „An einem warmen Tage (vielleicht 80° R.) ſieht man fortwährend einen dunkeln Strom von Bienen ſich aus der Hoͤhle, wie eine lange ſchwarze Rauchwolke, winden. Der Strom (der Bienen) erſcheint oft nahe an der Klippe in einem Durchmeſſer von zwei und drei Fuß und breitet ſich nach und nach aus wie ein Faͤcher, wird dann duͤnner und duͤnner, je weiter er ſich von der Hoͤhle entfernt, bis er ganz verſchwindet. Die Zahl der Bienen in dieſer Hoͤhle muß unberechenbar groß ſeyn, wahrſcheinlich groͤßer, als die Zahl, welche in zehntauſend der ge— woͤhnlichen Bienenſtoͤcke hauſet. Die aͤlteſten Anbauer ſagen, daß dieſer Bienenſtock ſchon da geweſen, als ſie zuerſt in dieſem Lande 770. XXXV. 22. 346 ankamen, und es ift ganz augenſcheinlich, daß er ſich in demſelben Zuſtande ſchon viele Jahre vor der Niederlaſſung in dieſer Gegend hier befand. Die Bienen, ſagt man, haben niemals geſchwaͤrmt, und es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß der Bienenſtock fort und fort ein ganzes Jahrhundert hindurch wuchs, Jahr fuͤr Jahr, wie an— dere Schwaͤrme wachſen. Die Hoͤhle erſtreckt ſich in die Bergſchicht mehrere Ruthen tief hinein und hat wahrſcheinlich viele Seitenkam— mern. Die Bienen nehmen, wie es ſcheint, viele dieſer Seitenkam— mern ein, und es iſt wohl gewiß, daß die neuen Schwaͤrme alljaͤhr— lich neue Kammern zu ihrer Wohnung finden und ſo nicht veran— laßt werden, in der Ferne ſich Wohnftätten zu ſuchen. Einige der anwohnenden Anbauer haben wiederholentlich, indem ſie den Fels ſprengten, ſich einen Zugang zu dieſen Kammern geoͤffnet, und auf dieſe Weiſe ſich viele hundert Pfund Honig verſchafft. Aber die Hauptniederlagen liegen zu tief in der Bergſchicht, als daß man fie ohne große Schwierigkeit, ja vielleicht Gefahr, erreichen koͤnnte. Es bildete ſich vor wenigen Jahren einmal eine Geſellſchaft zu Aus ſtin, mit dem Zwecke, dieſe Hoͤhlen zu durchſuchen und den Honig heraus zu holen; allein einige unerwartete Ereigniſſe vereitelten die Ausfuͤhrung des Unternehmens. Nek u n. Dune; Ueber die Behandlung der Harxroͤhrenſtricturen. Von Dr. L. A. Mercier. Unter den Mitteln, welche dazu dienen, der Harnroͤhre ihren normalen Durchmeſſer wiederzugeben, nimmt die kuͤnſt— liche Erweiterung oder die Ausdehnung des die Strictur bil— denden fibroͤſen Gewebes die erſte Stelle ein. Die Elaſti— cität des fibroͤſen Gewebes aber, welche leicht eine Ausdeh— nung derſelben geſtattet, laͤßt ebenſo leicht eine Contraction derſelben zu, und es iſt daher noͤthig, um eine permanente Dilatation zu erreichen, die letztere anhaltend oder wenigſtens in nicht zu langen Pauſen anzuwenden. Die antiſyphiliti— ſchen, beruhigenden, antiphlogiſtiſchen u. a. Mittel, welche nach der Reihe gegen Harnroͤhrenſtricturen anempfohlen wor— den ſind, vermoͤgen nur die Complicationen zu beſeitigen, ohne Necidive verhüten zu koͤnnen. In einigen Faͤllen iſt die Strictur von einer ſolchen Senſibilitaͤt der Harnroͤhren— ſchleimhaut begleitet, daß die Einfuͤhrung von Inſtrumenten nicht, ohne hoͤchſt lebhafte Schmerzen zu erzeugen, vorge— nommen werden kann, oder die Verengerung leiſtet einen ſolchen Widerſtand, daß die erforderlichen Erweiterungsmittel nicht lange genug und nicht mit hinreichender Kraftanſtren— gung angewendet werden koͤnnen, ohne uͤble Zufaͤlle herbei— zuführen, oder endlich die Strictur erzeugt ſich jedesmal fo raſch wieder, daß die Anwendung der Dilatation nicht ein— mal auf wenige Tage ausgeſetzt werden darf. In dieſen Fällen hat man die Cauteriſation, das Abſchaben, die Er: ciſion und die Inciſion vorgeſchlagen. Faſt alle dieſe Me— thoden haben jedoch den Nachtheil, daß ſie theils die Ver— engerung noch mehr verſchlimmern, theils an die Stelle des alten Narbengewebes ein neues von derſelben Beſchaffenheit, wie das fruͤher zerſtoͤrte, entſtehen laſſen, abgeſehen von den uͤblen Zufaͤllen und Verletzungen, welche dieſe Verfahrungs— weiſen herbeiführen koͤnnen. Die Ineiſion allein bietet noch einige Vortheile dar und geſtattet die Hoffnung, durch con— ſecutive Anwendung von Contentivmitteln die Ruͤckkehr des Uebels in derſelben Ausdehnung, wie früher, verhüten zu koͤn— nen. Die Behandlungsweiſe der Harnroͤhrenſtricturen be— ſchraͤnkt fi) demnach auf die beiden Methoden der Dilata— tion und der Inciſion, von denen jene immer zuerſt anzu— wenden iſt, und dieſe nur dann in Anwendung tritt, ſobald die Ausfuͤhrung der erſteren unmoͤglich iſt, oder dieſelbe nur ſehr unvollſtaͤndige Wirkungen hervorbringt. Was die Aus— fuͤhrungsweiſe der Dilatation betrifft, ſo kann dieſelbe ent— weder (nach Default, Chopart, Boyer u. A.) langfam durch ſucceſſive Einfuͤhrung immer dickerer Bougies, oder (nach Mayor) raſch und auf einmal ausgeführt werden. Beide Methoden bieten jedoch große Nachtheile dar: die erſtere iſt oft unausfuͤhrbar wegen großer Senſibilitaͤt des Canals, ſie zwingt den Kranken zu einer langen Ruhe, und das lange Verweilen der Bougies in der Harnroͤhre erzeugt oft Ent— zuͤndungen in den benachbarten Organen, Ulcerationen an der untern Wandung der urethra im Niveau des ligam. suspensorium penis u. f. w. mit den daraus refultitenz den, nicht ſelten hoͤchſt gefaͤhrlichen und ſelbſt das Leben be— drohenden Folgen; Ma yor's Methode dagegen ſetzt der Ge— fahr von Zerreißungen und Bahnung falſcher Wege aus und verurſacht ſtets ungemein heftige Schmerzen. Alle dieſe Nachtheile bewogen in neuerer Zeit mehre Practiker, eine gemiſchte Methode anzuwenden, welche, mit Beibehaltung der Vorzuͤge beider genannten Methoden, die Nachtheile der— ſelben ſoviel, als moͤglich, zu vermeiden ſucht. Dieſe Me— thode befolgt auch Verf., indem er auf folgende Weiſe ver— führe, Nachdem ein Bougie durch die Strictur hindurch gefuͤhrt worden iſt, wird daſſelbe ſogleich mit einem anderen, gleichfalls elaſtiſchen und gut polirten vertauſcht, deſſen 347 Schaft ungefaͤhr 4 Millim. im Durchmeſſer beträgt, und deſſen Spitze nicht ſo ſchmal, wie die des erſten Bougies, aber ſtets ſehr biegſam am Ende iſt, wodurch die Gefahr der Bahnung falſcher Wege mehr verhuͤtet wird. Vermittelſt dieſes Bougies wird die Strictur ſoviel, als moͤglich, erwei— tert; ſobald aber dieſelbe nicht mehr einem maͤßigen Drucke nachgiebt, oder der Kranke das Gefuͤhl einer zu ſtarken Aus— dehnung hat, ſo wird mit jedem Verſuche weiterer Dilata— tion innegehalten, das Bougie 15 — 20 Minuten liegen gelaſſen und der Durchmeſſer deſſelben an dem der Verenge— rung entſprechenden Puncte notirt. Wenn nur eine geringe Erweiterung erzielt worden iſt, ſo wird am naͤchſten Tage daſſelbe Bougie von Neuem applicirt; in den Faͤllen da— gegen, wo das Inſtrument bis zu ſeinem breiteſten Theile eingeführt werden konnte, was ſehr häufig geſchieht, wird am naͤchſten Tage ein cylindriſches Bougie von demſelben, oder etwas kleinerem Durchmeſſer, wie das am Tage vorher angewendete, eingebracht und, ſobald daſſelbe, was gewoͤhn⸗ lich der Fall iſt, ohne Schwierigkeit hindurchdringt, ſogleich mit einer hoͤheren Nummer vertauſcht und ſo weiterſteigend fortgefahren, bis der Kranke lebhafte Schmerzen oder eine zu ſtarke Ausdehnung empfindet Es iſt ſelten der Fall, daß man nicht wenigſtens um 2 Nummern der nach 3 Milli— metern graduirten Charrière'ſchen Schnur ſteigen kann, zu— weilen ſteigt man um 8, 4, 5 und ſelbſt mehr Nummern, und ſo kommt man binnen wenigen Tagen zu einem Durch— meſſer von 6 und ſelbſt 8 Millim., uͤber welchen man faſt nie hinausgeht. Sobald die geraden elaſtiſchen Bougies wegen ihres Volums zu ſtarr erſcheinen, um ſich leicht den Kruͤmmungen des Canals anzuſchmiegen, ſo nehme man die mit firieter Krümmung oder die nicht durchbohrten Katheter von Mayor. Verf. hat dieſe Methode in vielen Faͤllen und ſelbſt bei ſehr engen Stricturen mit dem beſten Erfolge angewendet. Die Erweiterung kann jedoch nicht immer ſo leicht ausgefuͤhrt werden, und zuweilen kann man, zu einem gewiſſen Grade derſelben gelangt, unmoͤglich weiter dringen. In dieſem Falle muß eine langſamere Einwirkung in An— ſpruch genommen werden und der erweiternde Koͤrper laͤngere Zeit liegen bleiben. Dieſes find jedoch Ausnahmsfaͤlle und 2, 3 — 24 Stunden hoͤchſtens genügen, um der Strictur einen bedeutenden Grad von Ausdehnbarkeit mitzutheilen, welche die Folge einer entzuͤndlichen Erweichung zu ſeyn ſcheint, wie ſie bei normalen fibroͤſen Geweben oͤfters beobachtet wird. Jedenfalls laͤßt Verf. einen Katheter liegen, weil derſelbe dem Kranken zu uriniren geſtattet, ohne jedesmal ausge— zogen werden zu muͤſſen; ſobald aber das Volum des In— ſtruments oder die Senſibilitaͤt des Canals eine zu ſtarke Irritation befuͤrchten laͤßt, ſo zieht Verf. ein Wachsbougie vor. Er giebt hier 2 Faͤlle von ſehr engen Stricturen, welche durch die angegebene Methode mit dem beſten Erfolge behandelt wurden, und in welchen bis jetzt — ein Zeitraum von 5 — 6 Jahren — kein Ruͤckfall eingetreten iſt. Er geſteht jedoch ſelbſt ein, daß auch dieſe Methode Ruͤckfaͤlle nicht immer verhuͤtet und empfiehlt daher ſeinen Kranken, ſich ſelbſt alle 8, 14 — 30 Tage, je nachdem die Verenge— rung eine Tendenz zur Recidive zeigt, ein elaſtiſches Bougie 770. XXXV. 22. 348 mit fixirter Kruͤmmung von derſelben Nummer, wie das gegen Ende der Behandlung angewendete, auf einen Augen— blick in die Harnroͤhre einzufuͤhren. — Die kuͤnſtliche Er— weiterung gelingt jedoch nicht immer, ſelbſt nicht einmal momentan, und zuweilen bietet die Strictur derſelben Trotz, oder giebt nur nach, um ſogleich wieder einzutreten. In dieſen Faͤllen iſt die Trennung der verengten Stelle mit dem Meſſer angezeigt. Da die verſchiedenen, bis jetzt gebraͤuch— lichen Urethrotomen theils der Gefahr der Bahnung falſcher Wege, theils der Verletzung des geſunden Gewebes ausſetzen, fo hat Verf, folgendes Inſtrument conſtruirt, welches er nun bereits mehre Jahre hindurch angewendet hat. Es be— ſteht aus einer metallenen Röhre von 3 Millim. im Durch— meſſer und 25 Decim. Länge, welche an ihrem inneren Ende auf eine Ausdehnung von 5 — 6 Gentim. leicht ge— kruͤmmt iſt und mit einem olivenfoͤrmigen Knopfe von ver— ſchiedener Dicke, je nach dem Grade der Ausdehnbarkeit der vorliegenden Strictur, endet. Drei Nummern von 5, 6 und 7 Millim. im Durchmeſſer werden allen Indicationen genuͤgen. Der Knopf, welcher in einen laͤnglichen, glatten Kegel auslaͤuft, hat an ſeiner Baſis vier Einſchnitte, in welchen ſich vier kleine Meſſerklingen verdeckt befinden, welche von einem in der Roͤhre auf- und abgleitenden Stiele ge— tragen werden. Die Einſchnitte des Knopfes laufen an der Roͤhre 4 — 5 Cent. weit entlang, fo daß die Klingen bei'm Anziehen oder Anſtoßen des Centralſchaftes dieſen Raum nach der einen oder anderen Richtung hin durchlaufen. Eine zweite, um 5 Centim. kuͤrzere Roͤhre dient der erſteren als Scheide und gleitet an derſelben auf und nieder; ſie laͤuft gleichfalls in einen Knopf von gleichem Umfange, wie der an der an— dern Roͤhre, aus, welcher aber die umgekehrte Richtung hat, indem ſeine Baſis der des anderen Knopfes gegenuͤber liegt, und auch vier den angegebenen entſprechende Einſchnitte dar— bietet. Auf dieſe Weiſe kann der Knopf der aͤußeren Roͤhre dem der inneren Roͤhre mehr oder weniger genaͤhert werden, und die in der letzteren befindlichen Meſſerchen koͤnnen in die erſtere hineingeſchoben werden. Vorausgeſetzt nun, daß die Strictur dem Zwiſchenraume zwiſchen den beiden Knoͤpfen entſpricht, ſo werden die Meſſerchen, indem ſie dieſen Weg durchlaufen, auf jeder Seite in dieſelbe einſchneiden. Da die Meſſerchen nicht über die Peripherie der Knöpfe hinaus— dringen, ſo kam es zuweilen vor, daß ſie nur die Oberflaͤche des verhaͤrteten Gewebes leicht beruͤhrten, und Verf. hat deßhalb einen Mechanismus erſonnen, vermittelſt welchem man die Klingen, bevor man ſie in die Strictur eindringen laͤßt, vorſpringen und ſie dann ſogleich wieder in den zum Schutze der geſunden Theile beſtimmten Knopf zuruͤckkehren laſſen kann. Die Operation ſelbſt wird nun vom Verf. auf folgende Weiſe ausgeführt. Um ſich zuvoͤrderſt genau über den Sitz, die Ausdehnung und die Zahl der einzuſchneiden— den Stellen zu vergewiſſern, fuͤhrt er ein Bougie mit einem Knopfe von demſelben Durchmeſſer, wie der des zuletzt bei den Dilatationsverſuchen — welche, wie bereits oben ange— geben worden iſt, ſtets vor der Scarification angewendet wer— den muͤſſen — gebrauchten Bougies, bis zur Strictur ein und ſieht dann an der auf dem Schafte angegebenen Scala, 349 bis zu welcher Tiefe das Inſtrument eingedrungen iſt. Man notirt ſich dieſelbe und druͤckt dann das Bougie tiefer ein, bis es das Hinderniß uͤberwunden hat, worauf man jenes langſam ſo weit wieder zuruͤckzieht, bis der Knopf ſtch dicht hinter jenem Hinderniſſe befindet, und notirt ſich dann auch dieſe Tiefen. Die Differenz zwiſchen den beiden Maaßen ſtellt die Laͤnge der Strictur dar; man thut jedoch gut, von dieſer Differenz 1— 2 Miltim, abzuziehen, indem der Knopf in den beiden Faͤllen nicht an derſelben Stelle ſtehen bleibt. Das Bougie wird nun von Neuem tiefer eingeſtoßen, und wenn es auf eine zweite Strictur trifft, ſo wird auf dieſelbe Weiſe, wie oben angegeben, verfahren, und ſo weiter, bis der Knopf in die Blaſe eingedrungen iſt. Waͤhrend dieſer Procedur merke man auch auf den Grad der Reſiſtenz der Stricturen, der Senſibilitaͤt der verſchiedenen Partieen der Harnroͤhre und der Kraftanſtrengung, welche erforderlich iſt, um uͤber den Hals der Blaſe hinwegzukommen. Endlich wird nun das Bougie langſam zuruͤckgezogen und dabei noch einmal die Genauigkeit der gemachten Beobachtungen in um— gekehrter Richtung gepruͤft — und man kennt nun die Zahl, den Sitz und die Laͤnge der Stricturen, die relative Senſi— bilitaͤt der verſchiedenen Partieen der Harnroͤhre und das etwaige Vorſpringen des hinteren Randes des Blaſenhalſes. Der Canal wird hierauf durch ein Wachsbougie, welches man einige Augenblicke liegen laͤßt, ſoviel als moͤglich erweitert, worauf man das Bougie wieder zuruͤckzieht und die an dem— ſelben hervorgebrachten Eindruͤcke mit dem Reſultate der fruͤ— heren Unterſuchung zuſammenſtellt. Man nehme nun ein Urethrotom, deſſen Knöpfe gleich groß, oder auch etwas groͤßer als die Stelle find, mit welcher das Bougie der Strictur entſprach, oͤle das Inſtrument ein, entferne die beiden Knoͤpfe voneinander und ſchiebe die innere Roͤhre ſo weit ein, bis der Knopf derſelben jenſeits der Strictur angekommen iſt. Nach einigen Minuten, binnen welcher Zeit die Strictur ſich wieder ſo weit zuſammengezogen hat, daß der hinter derſelben befindliche Knopf nicht ohne einige Kraftanſtrengung zuruͤckgezogen werden koͤnnte, ſchiebe man die aͤußere Roͤhre ſo weit vorwaͤrts, bis der Knopf derſelben dicht vor der Strictur zu liegen kommt, und ſehe dann an der Scala, welche an dem Theile der inneren Roͤhre, welcher uͤber die aͤußere hinausragt, angegeben iſt, wie groß der Abſtand zwi— ſchen den beiden Knoͤpfen iſt. Iſt dieſer Abſtand der Laͤnge der Strictur gleich, ſo draͤnge man die Roͤhre noch etwas tiefer und mache mit dem ganzen Inſtrumente einige leichte Bewegungen hin und her, bis man ſich davon uͤberzeugt hat, daß die Strictur zwiſchen den beiden Knoͤpfen gehoͤrig fixirt iſt, worauf man dann den Gentralftiel anzieht und die Meſſerchen die zwiſchenliegenden Gewebe ſo weit einſchnei— den, bis ſie in den entgegengeſetzten Knopf eingedrungen ſind. Die Leichtigkeit der Herausfuͤhrung des Knopfes zeigt das Gelingen der Operation an. Dieſe iſt wenig ſchmerzhaft und koſtet kaum einige Tropfen Blut. Hat man mehre Stricturen zu ſcarificiren, ſo iſt es gut, dieſes in einer Sitzung auszufuͤhren. Nach der Operation wird ein Wachs— bougie eingeführt, welches man 10, 12 — 15 Tage hindurch jedesmal einige Stunden liegen laͤßt; ſpaͤter kann der Kranke 770. XXXV. 22. 350 ſich ſelbſt das Bougie, anfaͤnglich zweimal, dann einmal taͤg—⸗ lich, auf einen Augenblick einfuͤhren. — Handelt es ſich um eine Strictur am orificium urethrae, fo genügt es, die: ſelbe von Unten aus mit einem geknoͤpften Biſtouri einzu» ſchneiden, und die ſich jedesmal bilden wollende Narbe mit der Meſſerſpitze taͤglich zu zerſtoͤren, bis ſich die Wundraͤnder mit einem Haͤutchen bedeckt haben. — So erfolgreich auch die angegebene Inciſionsmethode ſich dem Verf. bewährt hat, fo geſteht er doch, daß auch fie Ruͤckfaͤlle nicht ganz aus— ſchließt, ſobald nicht durch Einfuͤhrung eines Erweiterungs— mittels von Zeit zu Zeit die Neubildung einer Verengerung verhuͤtet wird. — Es kommen aber auch Faͤlle vor, in wel— chen trotz der Dilatation und Scarification und trotz dem, daß ein ſehr dickes Bougie in die Harnroͤhre eingefuͤhrt wer— den kann, die Harnentleerung doch auch ſehr unvollſtaͤndig und ungenuͤgend von Statten geht, und dieſes haͤngt faſt immer davon ab, daß ſich am Blaſenhals eine Klappe ge— bildet hat — ein Umſtand, welcher bis jetzt durchaus nicht beachtet worden iſt. In ſolchen Faͤllen huͤte man ſich, wie— derholt dicke Katheter einzufuͤhren, welche nur den Canal irritiren und die vorhandene Dysurie verſchlimmern. Die einzig rationelle Behandlungsweiſe beſteht hier, nach dem Verf., in der Anwendung des von ihm in den Recherches sur la nature et le traitement d'une cause fréquente et peu connue de retention d'urine vorgeſchlagenen Verfahrens und namentlich in der Inciſion der Klappe. Es folgt ein Fall von retentio urinae in Folge der angegebe— nen Klappenbildung am Blaſenhalſe, in welcher das Ver— fahren des Verf. mit dem beſten Erfolge in Ausuͤbung ge— bracht wurde. Zum Schluſſe fuͤgt Verf. noch einige Bemerkungen uͤber Harnroͤhrenſtricturen bei Frauen hinzu; bei denſelben ſind, nach ihm, die ſpasmodiſchen oder voruͤbergehenden Valveln am hinteren Rande des Blaſenhalſes die gewoͤhnlichſte Ur— ſache von Dysurie, da organiſche Stricturen hoͤchſt ſelten bei ihnen vorkommen. Verf. giebt hier noch einen Fall von organiſcher Strictur in Folge einer ſchweren Entbindung, wo die kuͤnſtliche Dilatation die Verengerung beſeitigte, da— gegen aber eine incontinentia urinae herbeiführte. (Gaz. méd. de Paris, No. 30, 1845.) Urſachen des Emphysema pulmonum. Von Dr. Ed. Bonino. Die in Folgenden gegebenem Bemerkungen ſtuͤtzen ſich auf 24 vom Verf. ſelbſt gemachten Beobachtungen von emphysema vesi- culare und auf 15 aus anderen Schriftſtellern zuſammengeſtellten Fallen von emph. interlobulare. Aetiologie: — Emphysema vesiculare. In den eben angegebenen 24 Fällen war daſſelbe Amal angeboren und 20 mal zufallig entſtanden. Dem erworbenen Emphyſem ging ſtets bronchitis voran, welche auf die Erzeugung deſſelben einen ſicht⸗ lichen Einfluß ausgeübt zu haben ſchien. In 7 Fällen betrug der Zwiſchenraum zwiſchen dem erſten Auftreten des Catarrhs und dem der Symptome des Emphyſems eine Zeitperiode von 2 u Jah⸗ ren, in den uͤbrigen Faͤllen ließ ſich Dieſes nicht mit Beſtimmtheit nachweiſen. Das Emphyſem kann ſich ſowohl aus einer acuten, 351 wie aus einer chronifchen bronchitis hervorbilden; Letzteres iſt je— doch bei Weitem der häufigere Fall. Entſteht das Emphyſem aus einer acuten bronchitis — welche dann faſt immer eine capilläre iſt, ſo entwickelt es ſich raſcher, als im entgegengeſetzten Falle, und man kann die Fortſchritte deſſelben von Tage zu Tage verfolgen. Zuweilen exiſtirt der chroniſche Catarrh bereits lange Zeit, und die Dyspnde zeigt ſich erſt bei'm Auftreten einer entzündlichen Recru⸗ descenz; hier ſcheint das Emphyſem bereits laͤngere Zeit latent vor⸗ handen geweſen zu ſeyn, und es tritt nun erſt bei geſteigerter Func⸗ tionsſtoͤrung der Haͤmatoſe und der Reſpirationsorgane deutlicher her— vor. — Das emphysema vesiculare kann in dreifacher Form, als emphysema congenitum, acquisitum und senile, auftreten. Das emphysema congenitum iſt ſtets fecundär, und demſelben geht kein Catarrh vorher; das emphysema acquisitum ift ftets das Reſultat eines Gatarrhs; das e. senile ift nichts weiter, als die Abnutzung der Lunge, als nothwendige Folge des hoͤheren Alters, es iſt ein normaler Zuſtand dieſes Alters und kein wirkliches Emphyſem. — Als fernere — wiewohl ſeltene — Urſachen des e. vesiculare hat man noch angegeben: die Verengerung der Bronchialroͤhren in Folge von Compreſſion durch Tumoren in der Bruſthoͤhle, oder von Krampf, Herzkrankheiten und Affectionen der Lunge, welche eine Partie der— ſelben lange Zeit hindurch unwegſam machen. In Faͤllen letzterer Art iſt das Emphyſem meiſt wenig entwickelt und nicht ausſchließ— lich veſiculaͤr. Im Allgemeinen iſt es den angegebenen Cauſalmo— menten des e. vesiculare gemeinſam, daß ſie langſam wirken, und dieſe Haͤrte des Emphyſems bietet daher eine unmerklich fortſchrei— tende Entwickelung dar. 1402 Emphysema interlobulare. Dieſe Varietaͤt des Em— phyſems entſteht nur durchaus von den obigen verſchiedenen Ur— ſachen. In den 15 vom Verf. geſammelten Faͤllen entſtand das Emphyſem Amal während des Geburtsactes, Imal bei'm Keuchhu⸗ ſten, 5mal in Folge eines heftigen, krampfhaften Huſtens, theils durch das Einathmen reizender Daͤmpfe, theils durch die Gegen— wart eines fremden Körpers in der trachea, theils durch croup erzeugt; 1mal in Folge einer heftigen Gemuͤthsaufregung, Imal bei'm Erbrechen in Folge eines genommenen Brechmittels, und Zmal iſt die Urfache nicht angegeben. Welcher Art aber auch immer das Cauſalmoment dieſer Varietaͤt des Emphyſems ſeyn mag, tft die Einwirkung deſſelben ſtets raſch, indem das Emphyſem ſchnell eintritt. Eine der haͤufigſten Urſachen iſt das Vorhandenſeyn eines heftigen, ſpasmodiſchen, anfallsweiſe eintretenden Huſtens, wel— cher die Lungenzellen ſtark und plotzlich ausdehnt. Dieſe Aus⸗ dehnung tritt entweder waͤhrend der tiefen und energiſchen Inſpira— tionen, wie ſie bei'm Keuchhuſten vorkommen, oder waͤhrenddem die Luft bei einer ſtarken Anſtrengung in den Lungen eingeſchloſſen iſt und durch die Temperatur, der dieſelbe ausgeſetzt iſt, zur groͤ— ßeren Ausdehnung gebracht wird. Alle Urſachen wirken hier auf die Weiſe, daß die Luft mit Gewalt gegen die Wandungen der Lungenbläschen ſich andraͤngt, und dieſelben werden um ſo leichter 770. XXXV. 22. 852 zerriſſen, je ploͤtzlicher jene Gewalt einwirkt. Thieren betätigen das eben Gefagte. 31, 1845.) Die Experimente an (Gaz. med. de Paris, No. Mis ede lle Ueber die Ventilation der Hoſpitaͤler und Ge— faͤngniſſe mittelſt Oeffnungen in der Mauer, vor des nen ſich Metalldrahtnetze befinden, hat Hr. Petit de Maurienne der Pariſer Academie der Wiſſenſchaften Bericht abs geſtattet. Sein Verfahren ſcheint indeß dem des Hrn. Wro ug h⸗ ton weder an Neuheit noch practiſchem Werthe gleichzukommen, bei welchem ein Queckſilberventil auf eine Feder wirkt, die in der Weiſe thaͤtig iſt, daß ein Fenſterchen in dem Grade geoͤffnet wird, daß die Raͤume ſtets bei der angemeſſenen Temperatur erhalten und gehoͤrig geluͤftet werden. Dieſe Art der Luͤftung waͤre auch fuͤr die Theater ſehr zu empfehlen, in welchen oft eine peſtilentialiſche Luft und das Publicum durch heiße und kalte Luftſtroͤmungen den groͤßten Gefahren fuͤr die Geſundheit ausgeſetzt iſt. Herrn Wroughton's Apparat iſt eigentlich nur eine Modification von dem am Arnottſchen Ofen angebrachten ſelbſtthaͤtigen Queckſilber— ventil; indeß iſt die Anwendung deſſelben zum Zwecke der Luͤftung hoͤchſt verdienſtlich. Ueber die pathologiſche Anatomie des Gehirns bei Geiſteskranken berichtete Hr. Jolly in der Sitzung der Acad. de med. am 11. März in Betreff eines Aufſatzes von Hrn. Belhomme, in welchem derſelbe durch eine Reihe von Thatſa— chen darzuthun ſuchte, daß der chroniſche Wahnſinn oder der Wahn— finn mit Paralyſe die Folgen einer chroniſchen encephalitis ſey, ſo⸗ wie der acute Wahnſinn oder der Wahnſinn mit Delirium eine acute Hirnentzuͤndung zur Urſache habe. Die Erweichung und die Verhaͤrtung des Gehirns ſind, nach dem Verf., 2 conſtante Folgen einer und derſelben Urſache: die erſtere nämlich geht aus einer acus ten, die letztere aus einer chroniſchen Hirnentzuͤndung hervor. Hr. Jolly beſtritt dieſe Anſichten als im Widerſpruche mit der philo⸗ ſophiſchen Analyſe, der phyſiologiſchen Beobachtung und den Ergeb- niſſen der pathologiſchen Anatomie und erklaͤrte den Irrſinn fuͤr unabhaͤngig von einer materiellen Alteration des Gehirns. Fuͤr den Verf. erklärten ſich Rochoux und Ferrus, gegen denſelben Baus Caſtel und Gerdy. (Gazz. med. di Milano, No, 23 1845.) Fasciolae in der Pfortader eines Menſchen find von Dr. Duval, Profeſſor an der anatomiſchen Schule zu Rennes aufgefunden. Das Cadaver war von einem Jgjaͤhrigen Schiefer— decker. Von den Eingeweidewuͤrmern fand ſich ein ſehr großes Exemplar in dem Stamme der Hohlader und mehrere kleinere in den Zweigen der innern Vene der Leber. . T——— Giblio ger a pech e Transactions of the American Ethnological Society. New- Vork and London 1845. 8. Florigraphia Britannica; or Engravings and Descriptions of the Flowering Plants and Ferns of Britain. By R. Deakin M. D. Vol. 2. (6. bis 15. Claſſe) 1845. 8. m. K. Vb Considérations sur les poisons végétaux. Neunes These de Chimie par Charl. Ferd. Oppermann. Strasbourg. 8. Recherches sur quelques points de I' Histoire de la Fevre ty- phoide, par le docteur Felix Jacquot. Paris 1845. 8. Neis er zu dem fuͤnfunddreißigſten Bande der Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und (Die Roͤmiſchen A. Abreißung des linken Armes und des Schul— terblattes mit gluͤcklichem Ausgange. DCCLXVI. 287. Addiſon, uͤber die Pathologie der Lungen— ſchwindſucht. DCCLXVI. 281. Aernteverfahren, neues. DCCLXVII. 296. Alkohol in berauſchenden Gaben gegen trau— matiſchen Starrkrampf. DCCLXIII. 237. Ameiſenzuͤge in Guyana. DCCLXVIII. 314. America, Alter der Menſchenracen daſ. und angebl. Zuſammenhang derſelben mit den Racen der alten Welt. DCCLIX. 161. Americaniſche Menſchenrace. DCCLXX. 337. Americaniſcher bunter Sandſtein mit Kopro⸗ lithen. DCCLIII. 72. Amuſſat, Unterſuchung uͤber die Bildung des Blutpfropfes bei durchſchnittenen Arterien. DCCLXII. 221. DCCLXIV. 250 Anaͤmie, Verſchiedenheit der aͤchten von der feröfen Polyaͤmie. DCCLXVT. 284. Anchylosis angularis genu nach der Barton: ſchen Methode behandelt. DCCLXVI. 233. Anchylosis spuria und Contractur durch Compreſſion und Extenſion behandelt ohne Tenotomie. DCCLIX. 172. Aneurysma der art. axillaris durch Unter⸗ bindung der a. subelavia dextra geheilt. DCELXI1. 221. Aneurysma varicosum, neue Form deſſelben. DCCLXIII. 236. Anthropologiſche Charactere.DCCLXIX. 321. Aqua santa, Heilquellen. DC CL. 32. Heilkunde. Ziffern bezeichnen die Nummern, die Arabiſchen die Seiten.) Aran, F. A., Unterſuchungen über die Fra— cturen der basis craniı. DCCLVI. 125. Arſenik, gerichtl. mediciniſche Entdeckung deſ— ſelben nach Marſh, vervollkommnet durch Blondlot. DCCLXVI, 286. Arterien, durchſchnittene, und Bildung des Blutpfropfs. DCCLAXII, 222, Arterien, toniſche Contraction derſ. von dem n. sympathicus influirt. DOGGXLIX. 10. Arthritis acuta, Aehnlichkeit derſelben mit rheumatismus acutus. DCCLXI. 206. Atlee, L., Operation der vollſtaͤndigen Obli— teration der pars membranacea urethrae. DCCLXV, 268. Atmoſphaͤre, Zuſammenſetzung zur Zeit der Kohlenformation. DCCLV. 104. Aufternin ſuͤßem Waſſer gehalten. DCCLXIV, 248. Autoplaftie auf Schließung fiftulöfer Oeff— nungen im Gaumengewoͤlbe angewendet. DCCLXIV. 249. B. Bäder gegen Pellagra. DCCLXIII. 239. Bailey, über die Kryſtalle, welche ſich völlig ausgebildet in den Pflanzengeweben finden. DCCLIII, 65. Baillard, uͤber die Ausdehnung der Oberflaͤche des Gehirns u. die Beziehungen derſ. zu der Entwicklung d. Verſtandes. DCCLXX. 341. Barton's Behandlungs-Methode der anchy- losis angularis genu. DCCLXVI. 283. Basis cranii, Fracturen derſ. DCCLVI. 125. Baudens, über eine Geſichtswunde mit Fra: ctur der basis cranii und der Kieferbei⸗ ne durch einen Flintenſchuß. DCCLI. 44. Beau, uͤber die Verſchiedenheit der aͤchten Anämie u. der feröfenPolyämie. DCCLXVI. 284. Becken, ſchraͤg verengtes, mit Anchyloſe der linken Huͤftkreuzbeinfuge. DCCLXIV. 251. Becquerel und Rodier, uͤber Zuſammenſetzung des Blutes im krankenZuſtande. DCCLVII. 139. Bell, über ſtumme Hunde auf der Mauritius— Inſel. DCCLIV, 85. Bellingham, über das Herzklopfen. DCCLXI. 207. Bennet, H., uͤber Entzuͤndung und Verſchwaͤ— rung des Mutterhalſes bei Frauen, die noch nicht geboren haben. DOCLVII. 137. Bennet, uͤber die haͤufig von ſelbſt erfolgende Heilung der Lungenſchwindſucht und die rationelle Behandlung derſ. DCCLIV. 87. Bérard, über eine neue Form von aneurys- ma varicosum. DCCLXIII, 236. Berge. Hoͤhenerſteigung, phyſiologiſche Er— ſcheinungen bei derſelben. DOCXLIX. 1. Bevoͤlkerung der nordamericaniſchen vereis nigten Staaten. DCCLXVII. 298. Bevölkerung u. Sterblichkeit (vorzuͤgl. Groß: britanniens). DCCLXII. 209. DCCLXIII. 225. DCCLXIV. 241. Bienenſtock, ungeheurernatuͤrl. DCCLXX. 345. Bildung des Blutpfropfs bei durchſchnitte— nen Arterien. DCCLXII. 222. Bird. G., uͤber die Art und Weiſe, wie man den im Urin vorhandenen Verhaͤltnißtheil an feſter Subſtanz ermittelt. DGG XLIX. 9. Blanchard, E., über die Organiſation eines neuen Ringelthiers. DCCLIV. 81. * 354 Blandin, uͤber Steine in den Naſenhoͤhlen. DCCLI. 39. Blandin, uͤber unmittelbare Anlegung und Erneuerung der Knochenbruchverbaͤnde. DCCLXIII, 233. Blauſaͤure-Vergiftung, Behandlung derfelb, DCCL, 28. Bleicolik, Präfervativ dag. DCCLVIII. 160. Blindgebornen, erſte Eindruͤcke eines gluͤck— lich operirten. DCCLV. 103. Blondlot, Vervollkommnung des Marfh’fchen Verfahrens Behufs der mediciniſch-gericht— lichen Entdeckung d. Arſeniks. DCCLXVI. 286. Blut, phyſiologiſch-vathologiſche Chemie u. Mikroſcopie deſſ. Blut, über Zuſammenſetzung deff. im kranken Zuſtande. DCCLVII. 139. Bonino, Ch., Urſachen d. emphysema pulmo- num. DCCLXX. 350. Bononi, uͤber einen Rieſenvogel, welcher auf dem Grabmale eines Hausbeamten eines der Pharaonen Aegyptens in Stein ge— hauen iſt. DCCLVI. 113. Boyer, L., Extirpation einer fibröfen inter— ſtitiaͤren Uteringeſchwulſt. DCCLXII. 217. Brieftauben, Communication mittelſt derſ. DCCLIV. 86. Brüche, eingeklemmte, über Behandlung derſ. DCCLIX. 169. Bruſtdruͤſe, phyſiologiſche Unterſuchungen über dieſelbe. DCCLXI. 193. Bruſtwand wegen Lungencaverne eröffnet. DCCLAXIX. 329. Burr, Platt, Heilung einer anchylosis an- gularis genu durch die Behandlung nach der Barton'ſchen Methode. DCCLXVI, 283. C. Calcul, der wiſſenſchaftliche, und deſſen Ein— wirkung auf die phyſicaliſchen und ſelbſt auf die moral. Wiſſenſchaften. DCCLIV. 84. Calderini, C, über die Behandlung des pel- lagra durch Bäder. DCCLXIII. 239. Canariſche Inſeln, Ureinwohner Guanches. DCCLV. 102. Cancer penis. DCCLXI. 199. Caſtel, uͤber die Urſachen der phyſiologiſchen Erſcheinungen, welche ſich kund geben, wenn man ſich auf Bergen zu einer gewiſſen Höhe erhebt. DCCXLXI. 1. Cataracta traumatica und ſpontane Reforp- tion der Kryſtalllinſe nach 18 Monaten. DCCLXI. 208. Cauchy, über den wiſſenſchaftlichen Calcul u. deſſen Anwendung. DCCLIV. 84. R e g i ſt e China's Ichthyologie. DCCLVI. 117. Chloroſe, ſyphilitiſche, und deren Behand— lung. DCCLVIII. 175. Citronenſaft gegen Haͤmorrhoidalblutungen. DCCLXVIII. 320. Clyſtirſpritze zum Selbſtgebrauche. DCCLIV. 96. Compreſſion der aorta abdominalis bei ſtar⸗ ker Haͤmorrhagie nach Entbindungen. DCCLVI. 127. Congreß, medicin,, zu Paris. DCCXLIX. 16. Contractur der Glieder mit heftig. Schmerz. DCCL. 23. Contractur durch Compreſſion u. Extenſion behandelt ohne Tenotomie. 172. Corbin, merkwuͤrdiger Fall von complicirtem Lungenleiden, mit beſonderer Beruͤckſich— tigung der Menſuration der Bruſt. DCCLVIII. 153. Corpora lutea, wahre und falſche. DCCLIX. 163. Corrigan, neue Form von Krankenbetten. DCCLX. 189. Cox, W. S., Fall von exarticulatio femo- ris, mit Erfolg ausgeführt. DCCLXI 204. Craniotomie, Kaiſerſchnitt u. Symphyſioto— mie. DCCLX. 192. Crompton, uͤber ſpeckartigen Krebs am Knie— gelenke. DCCLIIT. 75. Cruſell's elektrolytiſche Apparate u. Curen. DCCLXVIII. 320. Cruſell's galvaniſche Behandlung von Krebs, Geſchwuͤren ꝛc. DCCLXVI. 288. Cruveilhier, uͤber Contractur der Glieder mit heftigen Schmerzen. DCCL. 23. Cuvieria squamata, Beſchreibung derſelben. DCCL. 17. DCCLI. 33. D. Daguerreotypirungsfeld erweit. DCCXLIX. 10. Dana, Analyſe der im bunten Sandſtein America's gefund, Koprolithen. DCCLIII. 72. Dancel, über Behandlung der anchylosis spuria und der Contractur durch Compreſ— ſion und Extenſion, obne Anwendung der Tenotomie. DCCLIX. 172. Danyan, neues Beiſpiel einer Geburt bei ſchraͤgverengtem Becken mit Ankyloſe der linken Huͤftfuge. DCCLXIV. 251. Darmausleerungen, chemiſch u. mikroſcopiſch unterſucht. DCCLXVIII, 315. Davy, J., meteorologiſche Beobachtungen, angeſtellt zu Ambleſide in Weſtmoreland in den Jahren 1843 1845 (in Beziehung DCC LIX. auf Ausſtrahlung der Waͤrme, Entſtehung ven Grundeis und Eiszapfen). DCCLX, 177. Entſtehung von Thau, Reif und Ne⸗ bel. DPCCLXI. 196. = Day, G. E., Bericht über die neueſten un⸗ terſuchungen im Gebiete der phyſiologiſchen und patholog. Chemie und Mikroſcopie. DCCLXVIM. 297. DCCLXVIIT. 315. Dislocation der Schulter nach Aufwaͤrts. DCCLXI. 202. ? Duval, H., über die erſten Eindruͤcke eines gluͤcklich operirten Blindgebornen. DCCLV, 103. E. Ebers, uͤber die Maaßregeln d. Geſundheits⸗ Polizei zum Schutze der Menſchen gegen die Wuthkrankheit der Hunde und uͤber die Kruttge'ſche prophylactiſche Methode. DCCLIX, 173. Eierſtock, Extirpation DCCLXVII, 304, Eingeborne von Alt-Calabar in Africa. DCCLX. 185. Einklemmung, innere, in Folge einer Rota- tion der flexura sigmoidea. DCCLV. 112. Elektricitaͤt der Pflanzen in der Entwicke— lungsperiode. DCCLII. 54. Elektricitaͤt, Einfluß derſ. auf das Keimen der Saamen. DCCLXII. 218. Elektriſche Strömungen in den Wolken, Ents ladung zweier einander begegnender mit Toͤdtung eines Mädchens. DCCLXVI. 280. Elephantenartige Thiere, foſſile, in Oſtin— dien. DCCLXII. 218. Empyem, chroniſches, durch Paracenteſe und Injectionen geheilt. DCCLXVI. 285, Emphysema pulmonum, Behandlung deſſelb. DCCLXX. 350. Emphysema traumaticum DCCLI, 48 Entropium congenitum, neues Operations- verfahren. DCCLVIII. 160. Entzuͤndung und Verſchwaͤrung des Mutter— halſes bei Frauen, die noch nicht geboren haben. DCCLVII. 137. Ergotin geg aͤußere Blutungen. DCCLII. 64. Ernaͤhrung der Pflanzen, nach Liebig. DCCLVII. 129 DCCLVIII. 145. Exarticulatio femoris. DCCLXI. 204. Expectatives Verfahren in acuten Pleuro— Pneumonieen. DCCLV. 107. Extirpation einer interftitiären Uterin-Ge⸗ ſchwulſt. DCCLXII. 217. Eyre, Sir J., pract. Bemerkung. über entkraͤf— tende Krankheiten, insbeſondere d. Frauen. DCCXLIX. 14. des kranken. spontaneum. Fasciolae in der Pfortader eines Menſchen. DCCLXX. 352. Faſerſtoff, Form der Gerinnung deſſelben. DCCLXIX. 323. Femoris exarticulatio. DCCLXI. 204. Fiſche, das Alter derf. zu tariven. DCCLI, 40. Fistula vesico-vaginalis. DCCLII. 63. Flintenſchuß⸗Geſichtswunde mit Fractur der basis crauii u. d. Kieferbeine. DC CLI. 44. Fontanelllegen. DCCL. 30. Forbes, uͤber den Mesmerismus und die Magnetiſeurs. DCCLXVI. 273. Formationen, Gleichzeitigkeit geologiſcher. DCCLXV. 257. Foſſile Knochen d. Mastodon giganteum in Nordamerica. DCCLV. 100. Foſſile Pflanzen. DCCLXX. 343, Fractur des humerus, neue Art. DCCL. 31. Fremde Körper in der Blaſe zu diagnoſtici⸗ ren und zu auſcultiren. DCCLIV. 96. Früchte d. Mangifera Indica u. des Cy clanthus Plumerii. DCCLXIX. 330, Fuſter, von den Vortheilen des expectativen Verfahrens in gewiſſen Faͤllen von acuter Pleuro-Pneumonie. DCCLV. 107. G. Galvaniſche Behandlung von Geſchwuͤren, Krebs. DCCLXVI. 288. Gaͤnſe maͤſten. DCCLIII. 74. Gaumengewoͤlbs-Fiſteloͤffnung durch autopla= ſtiſche Operat. zu ſchließen DCCLXVI. 250. Gebirgsarten, Zeitrechn.derſ. DCCLXV. 257. Geburt b. ſchraͤgverengt. Becken. PCCLXIV. 251. Gehirn, Ausdehnung der Oberflaͤche d. menſchl. DCCLXX. 341. Geiſteskranke, patholog. Anatomie d. Gehirns bei denſelben. DCCLXX. 352. Gelenkreſectionen. DCCLX. 192. Genu anchylosis angularis. DCCLXVI 283. Geoghegan, uͤb. d. Legev Fontanell. DCCL 30. Geſichtswunde mit Fractur der basis cranii und der Kieferknochen. DCCLI. 44. Gicht, durch Anwendung der Magneſiaſalze, der Eſſigſaͤure und des kieſelſauren Kali's behandelt. DCCLXV. 270. Girard, über einen Einfluß gewiſſer Berände- rungen in der Milch auf die pathologiſchen Zuſtaͤnde Neugeborner. DCCLII. 57. Glieder, Contractur derſelben mit heftigen Schmerzen. DCC L. 23. Gluͤheiſen bei den nach Entbindung eintre— tenden Gichtanfaͤllen. DCCLII. 64. Gluͤhen und Gefrieren. DCCLII. 56. N. e ig zi zt ern Gluge und Thierneſſe, über Einwirkung der fetten Oele auf den thieriſchen Organis- mus. DCCLX. 187. Gries in den Harnroͤhrchen. DCC LX. 185. Guanches, Natur derſ. auf den Canariſchen Inſeln. DCCLV. 102. Hamilton, J., über ſcrophuloͤſe Rachenge— ſchwüͤre. DCCLIII. 77. Haͤmorrhagie des Uterus durch Compreſſion d. aorta abdominalis zu heb. DCCLVI. 127. Hancock, Falle v. cancer penis. DCCLXI. 199. Harn, phyſiologiſch-pathologiſche, chemiſche und mikroſcopiſche Unterſuchung deſſelben. DCCLXVII, 300. Harnroͤhrchen, Gries in denſ. DCCLX, 185. Harnroͤhrenſtricturen, Behandlung derfelben. DCCLXX, 345. Haro, Dr., über d. Reſpiration der Schild— kroͤkten. DCCLXVIII. 309. Haſenſcharte, angeborene. DCCLXVII. 288. Haſtings, Storks u. Hoken, uͤber Behandlung einer Lungencaverne durch Eröffnung derf. v. d. Bruſtwand aus. DCCLXIX. 329, Hemmungsbildung bei einem Neugebornen. DCCLIII, 78. Hernia vagino-labialis, Diagnoſe und Ber handlung. DCCLVI. 123. Herſchel's Mittheilungen über den Mond. DCCLIX, 170. Herſchel, Sir J., uͤber die Aufloͤſung der Nebelſterne mit Huͤlfe des Roſſe'ſchen Ries ſenteleſcops. DCCLV. 97. Herzklopfen. DCCLXI. 207. Hunde, ſtumme, auf den Klippen der Se— chelles. DOGCLIV. 85. Hydrophobie, ſpontane, bei einer Huͤndin. DCCLVI. 144. fo} Jaquinot, uͤber d. anthropologiſch. Charactere. DCCLAIX. 321. Ichthyologie China's. DCCLVI. 117. Infuſionsthierchen, Entwickelung derſelben. DCCXLIX. 3. Inſecten, Schwaͤrmen derſ. DCCLXIII. 234. Jodin-Einſpritzung bei struma cystica, DCCLVII. 144. K. Kali hydrocyanicum, doppelte Vergiftung durch daſſelbe. DCCLX. 190. Kannelkohle zu Sculpturen DCCLVIII. 153. Keimen der Pflanzen. DCCLXII. 218. Keimen der Saamen, Einfluß der galvani— ſchen Elektricitaͤt darauf. DCCLXII. 218. Kind, zweikoͤpfiges, lebendes. DCCXLIX. 8. brauchbar. 855 Kindermord durch Opium. DCCLIII. 73. King, T. W., Faͤlle von langſamem Pulſe. DCCLVII. 157. Kinnbackenkrampf nach Ausſchneiden eines Leichdorns. DCCLXV, 272. Knochenbruchverbaͤnde, unmittelbare Anlegung u. Erneuerung derſelb. DCCLXIII. 233. Kohlenformation in Neu = Schottland. DeCLXVIII. 314. Koprolithen im bunten Sandſtein America's. DCCLIII. 72. Korren, J., Beſchreibung der Thyone fusus und der Cuvieria squamata. DCCL. 17. DCCLI. 33. Kraftaͤußerung, neue, DCCLXVII. 295. { Krankenbett, neue Form eines ſolchen. DCCLX. 189. Krankheiten, entkraͤftende, Frauen. DOCXLIX. 14. Krater Rucu-Pichincha. DCCLII. 45. Krebs am Kniegelenke. DCCLIII. 75. Kruttge'ſche prophylact. Methode gegen die Hundswuth bei Menſchen. DCCLIX. 173. Kryſtalle, voͤllig ausgebildet in Pflanzenge— weben. DCCLIII. 65. fuͤr Locomotiven. beſonders der 2 Langſamkeit des Pulſes. DCCLVIII. 157, Laryngitis syphilitica, wobei Tracheotomie angewendet worden. DCCLXII. 220. Laſſaigne, uͤber Einwirkung des Speichels auf das Staͤrkemehl. DCCLXX. 342. Lee, Rob., über wahre und falſche corpora lutea. DCCLIX, 163. Leidenſchaften der Thiere, Aeußerung derſ. DCCLIV. 86. Letheby, Auffinden v. Opium im Magen mehre Tage nach d. Tode. DCCLXVIII. 313. Liebig's Ideen uͤber Ernährung der Pflanzen. DCCLVII. 129. DCCLVIII. 145. Luft und Leibesbewegung in ihrem Einfluß auf die Conſtitution. DCCLI. 47. Lund, uͤber das Alter der americaniſchen Menſchenracen, und uͤber deren angeblichen Zuſammenhang mit den Racen der alten Welt. DCCLIX. 161. Lungencavernen mit aͤußerer DCCLXVIII. 320. Lungencaverne u. Eröffnung der. von d. Bruſt⸗ wand aus. DCCLXIX. 329, Lungenleiden, complicirter Fall mit beſonde— rer Berückſichtigung der Menſuration der Bruſt. DCCLVIII. 153. Lungenſchwindſucht, von ſelbſt erfolgende Heilung derſ., auch rationelle Behandlung derſ. DCCLIV. 87. Oeffnung. 556 Lungenſucht, Pathologie derſ. DCCLXVI. 281. Lyell, uͤber die geologiſche Stellung der foſ— ſilen Knochen des Mastodon giganteum in Amerika. DCCLV. 100. M. Macilwain, G., practiſche Bemerkungen uͤber die Behandlung eingeklemmter Bruͤche. DCCLIX. 169. Mackin, C. T., uͤber arthritis acuta u. die Aehnlichkeit deſſ. mit rheumatismus acutus. DCCLXI. 206. Magnetiſeurs. DCCLXVI. 273. Malariafieber, anhaltendes. DCCLXIX. 333. Marſh'ſches Verfahren vervollkommnet durch Blondlot. DCCLVI. 286. Mastodon giganteum in Amerika und ſeine geolog. Stellung. DCCLV. 100. Menſchen, Statur und Koͤrperproportionen derf. in verfchiedenenLändern. DCCLVI. 120. Menſchenracen, Alter der amerikaniſchen u. Zuſammenhang derſ. mit den Racen der alten Welt. DCCLIX. 161. Menſchenrace, Amerikaniſche. DCCLXX. 337. Menſchenſchaͤdel als Trinkgefaͤße. DCCLV. 102. Menfuration der Bruſt bei complicirten Zun: genleiden. DCCLVIII. 153. Mercier, L. A., uͤber die Behandlung der Harnroͤhren-Stricturen. DCCLXX. 345. Mesmerismus. DCCLXVI. 273. Meſſungen an Individuen verſchiedener Na— tionen. DCCLIX. 164. Meteoriſche Eiſenmaſſen DCCLXI. 199. Meteorologiſche Beobachtungen zu Ambleſide, in Beziehung auf Ausſtrahlung von Waͤrme, Entſtehung von Grundeis und Eiszapfen. DCCLX 177. Entſtehung von Thau, Reif u. Nebel. DCCLXI. 196. Metrorrhagie, Blutſtillungsapparat bei derſ. DCCLX. 192. Mikrophthalmie, erbliche und Taubſtumm— heit. DCCLVI. 128 Mikroſcopiſche Obſervatorien und Muſeen. DCCLIN. 69. Milch, Einfluß der Veränderungen derfelben auf die patholog. Zuſtaͤnde Neugeborener. DCCLI. 57. Mitchell, Dr. T. R., Fall von merkwuͤrdiger Hemmungsbildung. DCCLIII. 78. Mond, Relief-Nachbildung deſſ. DCCLIX. 169. Mott, Valent., Fall von Unterbindung der A. subelavia dextra an ihrer Durchgangs— in Suͤdamerika. eig di iſt re. ſtelle zwiſchen den mm. scalenis wegen eines aneurysma a. axillaris. DCCLXII. 221. Mutterhals, Entzündung und Verſchwaͤrung deſſelben bei Frauen, die noch nicht gebo— ren haben. DCCLVII. 137. Mutterkorn in England DCCLVIII 154. 5 N. Nachahmungsſucht der Schaafe. DCCLIII. 74. Nacktſchnecken, Entdeckung uͤber Begattung und Saamenfaͤden. DCCLXIX. 330. Naſenhoͤhle, Steine in der. DCCLI. 39. Nationen, verſchiedene, an Individuen ge— meſſen zur Ermittelung der Koͤrperver— haͤltniſſe. DCCLIX. 164. Nebelſterne mittels des Roſſeſchen Rieſen— telecops unterſucht. DCCLV. 97. Nebour, uͤber eine eingeklemmte Hernie des rechten Eierſtocks, Operation, Heilung. DCCLVI. 119. Nekrolog — Meigen, J. W. DCCLIII. 74. Nekroſe der beiden Knochen des Vorderarms. DCCLXIII. 239. Neugeborene, pathol. Zuſtaͤnde derſelben durch Veraͤnderungen der Milch influirt. DCCLII, 57. Nicht- Elektricitätsleiter, DCCLXVIN. 314. Nordlicht, Entſtehung def. DCCLXIII. 234. zunehmend. vegetabiliſcher. O. Oele, fette, Einwirkung derf. auf den Orga— nismus. DCCLX. 187. Oeſophagotomie bei organiſcher Obſtruction der Speiſeroͤhre. DCCLXV, 265. Operation der vollſtaͤndig obliterirten pars membranacea urethrae, DCCLXV. 268. Opium, Auffinden deſſ. im Magen, mehrere Tage nach dem Tode. DCCLXVIIL. 313, Opium, Kindermord durch daſſ. DCCLIII. 73. Orchitis, parenchymatoſe, durch Freilegung des Teſtikels zu behandeln. DCCLXIII. 238. Organismus, thieriſcher, Einwirkung der fetten Oele auf denſ. DCCLX. 187. Ornithologen, deutſche, zu Koͤthen verſam— melt. DCCLVI, 120, Oſchatz, A., Plan zur Einrichtung mikroſco— piſcher Obſervatorien u. Muſeen. DCCLIII. 69. Oſteotom, neues, mit zwei Kreisraͤdern, nach Broͤnner. DCCLXIII. 240. P. Pancoaſt, Schließung fiftulöfer Oeffnungen des Gaumengewoͤlbes durch eine e. Operation. DCCLXIV. 249. j Panizza, zootomiſch-phyſiologiſche Beobach⸗ tungen über die Reſpiration der Fröſche, Salamander u. Schildkroͤten. DCCLXVII. 239. DCCLXVIII, 305. Paracenteſe u. Injectionen bei chroniſchem Empyem. DCCLXVI. 255. Paraſit des Ohres. DCCLII. 57. Pathologie der Lungenſucht DCCLXVI. 281. Pellagra mit Bädern zu behandeln. DCCLXIII. 239, Penis cancer, Bemerkungen über Fälle deff. DCCLXI. 199, Pferd, Mechanismus zur Nachahmung ber Bewegungen deſſ. DCCLIX. 170. Pflanzen, Elektricitaͤt derſ. in den Stadien ihrer Entwickelung. DCCLII. 54. Pflanzen: Ernährung nach Liebig. DCCLVII. 129. DCCLVII, 145. Pflanzen, foſſite. DCCLXX. 343. Pflanzen, lebende, von Puerto Cabello. DCCLXIX, 330. Pflanzengewebe, worin voͤllig ausgebildete Kryſtalle. DCCLIII. 65, Phytelephas macrocarpa (vegetabiliſches Elfenbein) oder Taguapflanze. DCCLVII. 138. Pineau, F., über Entwicklung der In—⸗ fuſions-Thierchen und des Schimmels. DGCXLIX. 3. Planeten-Zone, von Capocci beobachtet. DCCLXIV. 247. Pleuro- Pneumonie, Vortheile des expec⸗ tativen Verfahrens in gewiſſen Fällen, DCCLV. 107. Polpaͤmie, feröfe, Verſchiedenheit derf. und der aͤchten Anaͤmie. DCCLXVI. 284. Potamogeton, innerer Bau des Stammes deſſelben. DCCL 24. Praͤſervativmittel gegen DCCLVII. 160, Prevoſt, C., über die Zeitrechnung der Ge- birgsarten und die Gleichzeitigkeit der Formatlonen. DCCLXV, 257. Pulmonum emphysema, Behandlung deſſ. DCCLXX. 350. Puls, Fälle von langſamem. DCCLVIII. 157. Purpura haemorrhagica. DCCLXIII. 240. Q. Queckſilber, Schmelz- und Gefrierpunct beff- DCCLI. 40, Bleicolik. R. Rachengeſchwuͤre, ſcrophuloͤſe. DCCLIL. 77. Remak, Dr., über Muskel-Primitivbuͤndel. DCCLXVIII, 305. Remak, Dr., über Wimperbewegungen in den Canaͤlchen der Wolf'ſchen Koͤrper bei Eidechſen-Embryonen. DCCLXVIII. 307. Reſpiration der Froͤſche, Salamander u.Schild— kroͤten. DCCLXVII, 289. DCCLXVIII. 305. Rheumatismus acutus, Aehnlichkeit deſſ. mit arthritis acuta. DCCLXI. 206. Rhinoplaſtik, neue Methode nach Sedillot. DCCLXII. 224. Richardſon, uͤber die Ichthyologie China's. DCCLVI. 117. Ricord, uͤber die ſyphilitiſche Chloroſe und ihre Behandlung. DCCLIX. 176. Rieſenvogel, Sculptur auf einem Pharaonen⸗ grabe. DCCLVI. 113. Ringelthier, Organiſation eines neuentdeckten. DCCLIV. 81. Rodier und Becquerel, über Zuſammenſez⸗ zung des Blutes im kranken Zuſtande. DCCLVII. 139. Roſſe's Rieſenteleſcop. DCCLV. 97. Rucu Pichincha, Vulkan. DCCLI. 45. ©. Saamenſtrang-Abſceſſe. DCCLVI, 128. Salamander und Schildkroͤten, Reſpiration dert. DCCXILVII. 289. DPCCLXVIII. 305. Salpeterſaure Natron-Lager. DCCLII. 64. Schenkel, Extirpation des obern Endes deſſ:. im morbus coxarius. DCCLXVII. 304. Schilddruͤſe, vergleichende Anatomie derſ. DCCLXI. 193. Schimmel, Entwicklung deſſ. DCCXLIX. 3. Schulter, Dislocation derſelben nach Auf: waͤrts. DCCLXI. 202. Schultz, uͤber Meſſungen an Individuen von verſchiedenen Nationen zur Ermittelung der menſchlichen Körper -Verhaͤltniſſe. DCCLIX. 162. Schwäche der rechten Hand, welche am Schrei: ben hindert. DCCLXIX. 336. Schwaͤrmen der Inſecten. DCCLXIII. 234. Seehundsfoͤtus, zwei zuſammengewachſene. DCCLX. 186. Sehen, erſte Eindruͤcke deſſ. bei einem gluͤck⸗ lich operirten Blindgebornen DCCLV. 103, Seller, uͤber Ernaͤhrung der Pflanzen, nach den Liebig'ſchen Anſichten. DCCLVII. 129. DCCLVIII. 145. Serres, über die amerikaniſche Menſchenrace. DCCLXX. 337. Steine in der Naſenhoͤhle. Re t e. Sidney, uͤber die Elektricitaͤt der Pflanzen in den Entwicklungsſtadien. DCCLII. 54. Simon, phyſtologiſche Unterſuchungen uͤber die Bruſtdruͤſe und vergleichende Anatomie der Schilddruͤſe. DCCLXI. 193. Skorpion u. Spinnen kaͤmpfend. DCCLXVI. 280. Smee, A., Sectionsbefund einer partiellen Dislocation der Schulter nach Aufwaͤrts. DCCLXI. 202. Speichel, phyſiologiſch⸗pathologiſche Chemie und Mikroſcopie def. DCCLXVII. 303. Speichel, Einwirkung deſſ. auf das Stärke: mehl. DCCLXX. 342. Speichelmenge, welche bei'm Kauen von Fut⸗ terſtoffen bei Pflanzenfreſſern abſorbirt wird. DCCLXV. 266. Speiſeroͤhre, organiſche Obſtruction derſel⸗ ben. DCCLXV. 265. Spencer, Th. Smyth, uͤber Gries in den Harnroͤhrchen. DCCLX. 185. Spulwuͤrmer durch den Nabel abgehend. DCCLVII. 144. 2 Stapelton, J. M., über Anwendung berau⸗ ſchender Gaben des Alkohols bei traumati— ſchem Starrkrampf. DCCLXIII. 237. Staͤrkemehl, Einwirkung des Speichels auf daſſelbe. DCCLXX. 342. Starrkrampf, traumatiſcher mit berauſchen⸗ den Gaben von Alkohol behandelt. DCCLXIM. 237. DCCLI. 39. Sterblichkeit, vorzuͤglich in Großbritannien. DCCLAII. 209. DCCLXIII. 225. DCCLXIV. 241. Stickſtofforydgas tropfbarfluͤſſig zu machen. DCCLVI. 137. Stolz, uͤber Diagnoſe und Behandlung der hernia vagino-labialis. DCCLVI. 123. Stratton, Thom., uͤber das anhaltende Malariafieber. DCCLXIX. 333. Stricturen der Harnroͤhre. DCCLXX. 345. Sutur, neue Art, bei Darmwunden. DCCLXIV. 255. Suturen, neue Form derſ. DCCLXII. 224. Sympathiſcher Nerve in ſeinem Einfluſſe auf die toniſche Contraction der Arterien. DCCXLIX. 10. Syphilitiſche Auswuͤchſe, oft hartnaͤckig wur chernd, Mittel dagegen. DCCLXIX. 336. Syphilitiſche Chloroſe und deren Behandlung. DCCLIX. 175. T. Tabaksfabrication in ihrem Einfluſſe auf Phthiſis, Rheumatismus und Wechſelfie⸗ ber. DCCLXV, 272, 357 Tabes dorsalis, v. R. Froriep. DCCXLIX 16. Taylor, Th., Behandlung von Perſonen, die durch Blauſaͤure vergiftet worden ſind. DCCL. 28. Teſtikel bei parenchymatoͤſer Orchitis frei⸗ gelegt. DCCLXIII. 238. Tetanus, rheumatiſcher, Indiſche Behand— lung deſſelben. DCCLIII. 80. Thierneſſe, uͤber Einwirkung der fetten Oele auf den thieriſchen Organismus. DLX. 187. Thraͤnenfiſteln und DCCLXI. 208. deren Behandlung. Thyone fusus, Beſchreibung def. DCCL. 17. DCCLI. 33. Tracheitis bei laryngitis syphilitica. DCCLXII, 220. Typhuskranke, Diät derſ. DCCLV. 112. U. Unterbindung der a. subelavia dextra wegen eines aneurysma a. àxillaris. DCCLXII. 221. Ure, A., über Anwendung der Magneſiaſalze, der Eſſigſaͤure, der Naphtha und des kie— ſelſauren Kali's bei der Gicht. DCCLXV. 270. Urethrae pars membranacea, vollſtaͤndig obliterirte, operirt. DCCLXV, 268. Urin, Verhaͤltnißtheil an feſten Subſtanzen in demſelben zu ermitteln. DCCXLIX. 9. Uteringeſchwulſt, interftitiäre, fibroͤſe extir⸗ pirt. DCCLXIL. 217. V. Varicas, R. A., uͤber die Injection von Tannin zur Heilung von Aneurysmen. DCCLX. 186. Ventilation der Hofpitäler und Gefängniffe. DCCLXX. 352. Verbrennungen mit Bierhefen zu behandeln. DCCLIV. 96. Verdauungsproceß. DECLVI. 118. Vergiftung durch Kali hydrocyanicum. DCCLX. 190. Verſtand, Entwicklung deſſelben in Bezie: hung auf die Ausdehnung der Oberfläche des Gehirns. DCCLXX. 341. Veſuv, deſſen vulcaniſche Thaͤtigkeit betr. DCCLXI. 200. Vidal (de Cassis), uͤber die Freilegung des Teſtikels bei parenchymatoͤſer Orchlitis. DCELXI. 238. Virchow, über den Faſerſtoff, Form der Ge— rinnung deſſelben. DCCLXIX. 323. 358 Voͤgel, Spuren von Vögeln in dem kohlen⸗ fuͤhrenden Syſteme von Nordamerica. DCCLXV. 266. | W. Watſon, John, Fall von Oeſophagotomie bei organiſcher Obſtruction der Speiſe— rohre. DCCLXV. 265. Watſon, über Tracheotomie bei laryngitis syphilitica. DCCLXII. 220. Weiler, von einer doppelten Vergiftung durch Kali hydrocyanicum. DCCLX. 190. R eg re Wells, Fall von Heilung eines chroniſchen Empyems durch Injectionen nach gemach— ter Paracenteſe. DCCLXVI. 285. Wespen, Vertilgung derſ. DCCL. 24. Wimperbewegungen in den Canaͤlchen der Wolf'ſchen Körper bei Eidechſen-Embryo— nen. DCCLXVIII. 307. Wiſſe, Unterſuchung des Kraters Rucu-Pi- chincha in d. Rep. Aequator. DCCLII. 45. Wiſſenſchaften, Einwirkung des Calculs auf die phyſicaliſchen und ſelbſt die moralis ſchen. DCCLIV. 84. Wolf'ſche Körper, Wimperbewegungen in den N B i li o r ͤ a p h A. DCCL. 32. B. Barrier, F. DCCLVII. 144. Belhomme, D. DCCLIII. 80. Bennet, J. H. DCCLVI. 128. Biagini, P. DCCLII. 64. DCCLXIV. 256. DCCLXVIII. 320. Billi, F. DCCLVIII. 160. Biot. DCCLII. 63. Boumard, Al. DCCLXIII. 240. rierre de Boismont. DCCLXVII. 319. Brodie, Rey. P, DCCLI. 47. C. Cambria, Dom. DCCLXV, 272. Capsoni, Giov. DCCLI. 48. Cazere, Julia de. DCCLXVIII. 320. Chambrais, Marg. de, DCCLXII. 223. Championnaire, Lucas. DCCLXVII. 304. Clerault, S. Ch. DCCLXVI. 288. Cliet, C. S. DCCLIII. 80. Comte, A. DCCLVIII. 159. Corbel-Lageau. DCCL. 32. Cosson, E. et Germain, E, DCCLXV, 271. D. Daniell, J. F. DCCLX. 192. Deakin, R. DCCLXX. 351. Depaul. DCCLV. 112. Draper, J. W. DCCL. 31. Duchartre, P. DCCLXVIII. 319. Dufrenoy, A. DCCXLIX. 15. Dumont-Durville. DCCLXIII. 239. F. Falret. DCCLVIII. 160. Fau, J. DCCLIX, 175. Alison. Fleming, Alex. DCCLIV. 9. Froriep, Rob. DCCLXIX. 336. Fuster. DCCLIX. 175. G. Gaimard, P. DCCLXV. 271, Gerard. DCCLXVII. 303. Gerhard, Char, DCCLXVII. 803. Girdlestone, Rev. C. DCCLXI. 208. Golfin. DCCLXVI. 288. Grassi, A. C. DCCLI. 47. Guthrie, C. DCC XLIX. 16. DCCXLL 192. H. Harrison, Arthur Hill. DCCLXIX. 335. Hombron. DCCLXIII. 239, Houtte, van. DCCLXII. 223. J. Jacob, Casim. Broussais und Marchal. DCCLXV. 272. Jacquet, Felix. DCCLXX. 352. Jacquinot. DCCLXIII. 239. K. DCCLY, 112. L. Lebert, H. DCCLXII. 224. Lecoq, H. DCCLIII. 79. Lemaire. DCCLXII. 223. 5 Lepelletier de St. Fargau. DCCLV. 112. Leroy-d’Etiolles.. DCCLXI. 208. Lisfrane. DCCLXIV. 256. Lordat. DCCLXVI. 287. Loudon, Mrs. DCCLXI. 207. Lyell, Ch. DCCLV. 111. Koscia-Kiewiez, Canaͤlchen derſelben, bei Eidechſen⸗Embryo⸗ nen. DCCLXVIII, 307. Wuthkrankheit der Hunde, Hu thbiß und Behandlung des Biſſes bei en nach Kruttge's Methode. DCCLIX. 173. 3 x Zeugtodon Sillimanni. DOCLIM. 80. Zinkoxyd, valerianſaures, bei mehreren Augenleiden. DCCLXIV 256. Zweikoͤpfiges Kind. DCCXLIX. 8. Zwillinge, monftrös mit der Vorderſeite des Unterleibs vereinigt. DCCLXX. 344, 1 M. Marcé. DCCLVII 144. Mialhe. DCCLXII. 224. Montagne. DCCLXIII. 239. Morand, L. DCCLXIII. 240. Moreau, J. DCCLII. 64. Morelet, A. DCCLVII. 143. O. Oppermann, Chrl. Ferd. DCCLXX. 352. 15 Pictet, F. L. DCCL. 31. Piis, F. Q. A. de. DCCLXII. 224. Plana, M. J. DCCLX. 191. R. Ranking, W. H. DCCLIX. 128. Ratier, F. S. DCCXLIX. 16. Ruspini, G. DCCLIX. 176. S. Scheidweiller. DCCLXII. 223. Serres, Marcel de. DCCLII. 79. Serrurier. DCCLVI. 127. Siebold, Ph. F. v. DCCLVIII. 159 Simon, Max, DCCLIX, 175. Steward, Dr. DCCLI. 48. T. Thompson, M. DCCLII. 63. Thoms, Alex. DCCLIV. 9. V. Valleix, F. L. J. DCCLXIX. 336. Villa, A. u. G. B. DCCXLIX, 15. W. Westwood, J. O. DCCLIV. 95. DCCLVII. 143. Wilkes, Charl. DCCLXIX. 335. kann 10001207 * IR: ya Ta Mile 8 05 >»