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Neues Archiv

für

Sächsische Geschichte

un(

Alterthumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermisch,

K. Archivrath.

Zweiter Band.

Dresden 1881.

Wilhelm Baenscli Verlagsliandlung.

THtGElTYCENicH LIBRARY

Inhalt.

Seite

I. Studien zur Geschichte der sächsisch-böhmischen Bezieh- ungen in den Jahren 1468 bis 1471. Vom Herausgeber . 1

II. Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz während des Mittelalters. Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden. 50

in. Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. Von Ministerial-Assessor M. J. Meissner in Altenburg ... 68

IV. Ein fliegendes Blatt über den Antheil der sächsischen Armee an der Schlacht am Kaienberge bei dem Entsätze von Wien im Jahre 168.3. Mitgetheilt von Archiv- Sekretär Dr. E. Joachim in Idstein 77

Literatur 85

V. Herzog Wilhelm von Sachsen und sein böhmisches Söldner- heer auf dem Zuge vor Soest. Von Professor Dr. Adolph Bachmann in Prag 97

VI. Heinrich Friedrich Graf von Friesen, königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Geheimer Kabiiietsminister und General der Infanterie. Von Generalmajor z. D. 0. von Sclümpff zu Dresden 130

Literatur 180

VII. Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wildenstein, Tollenstein und ihre Beziehungen zu den meissnischen Fürsten. Von Professor Dr. Hermann Knothe in Dresden. 19.3

VIII. Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). Von Hermann Freiherrn

von Friesen, k. Überhofmarschall a. D. in Dresden . . . 237

IX. Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in Mittweida und Freiberg, zu Ende des 17. Jahrhunderts. Von Ch. G. Ernst am Ende, Bibliothekar am k. Statistischen Bureau in Dresden 251

Literatur 259

IV

S'eite

X. Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens im 15. Jahrhundert. Von Eathsarchivar Dr. Otto Richter in Dresden 273

XT. Nachträge zum ürkundenbuche der Stadt Chemnitz. Vom Herausgeber 290

XII. Die wirthschaftlichen Einrichtungen, namentlich die Ver- ptlegungs-Verhältnisse bei der kursächsischen Kavallerie vom Jahre 1680 bis zum Anfange des laufenden Jahrhun- derts. Von Wirkl. Geheimen Rath und Oberhofmeister Freiherrn A. von Minckwitz zu Dresden 312

Literatur 330

Register 347

Besprocliene Schriften.

Bachmann, Niclas Storch (G. Müller) 330

Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisi- tationen (G. Müller) -^ ^^

Dürr, Ad. Friedr. Oeser (Gurlitt) ."* . 259

Knabe, Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529 (G.Müller). 188 Geschichte der Stadt Torgau bis zur Zeit der Reformation

(Ermisch) 261

Knothe, Der Antheil der Oberlausitz an den Anfängen des dreissig-

jährigen Krieges (G. Droysen) 91

Leipzig und seine Universität vor hundert Jahren (Wustmann) 92 Nebe, Die Kirchenvisitationen des Bisthums Halberstadt (G. Müller) 265 Opel, Denkwürdigkeiten des Halleschen Rathsmeisters Spitten-

dorf (Schum) 180

Posse, Die Markgrafen von Meissen (Schum) 332

Scheuffler, Hans Fabian von Ponickau (Knothe) 268

Weissenborn, Acten der Erfurter Universität, I. Theil (Stübel) 342

L

Studien zur öeschichte der sächsisch-böhmischen Beziehungen in den Jahren 1468 bis 1471.

Von Hubert Er misch.')

I.

Wenig Glück hatten bis Anfang 1468 der bölnnisclie Herrenbund und die Curie in ihrem Kampfe gegen den Böhraenkönig Georg Podiebrad gehabt. Man brauchte Bundesgenossen. Die deutschen Fürsten in ihrer Gesammt- heit schienen nicht geneigt, thätig einzugreifen.^) Ver- geblich verhandelte man mit Burgund, mit Polen, auch mit Brandenburg wegen Annahme der böhmischen Krone. König Kasimir von Polen hielt es nicht für nöthig, eine Krone zu erobern, die, wie er ganz richtig vermuthete, über kurz oder lang doch seinem Hause zufallen musste; er schloss sich den deutschen Fürsten an, vermittelte ohne Aussicht auf Erfolg. Hochinteressant sind die Verhand- lungen, welche Legat Rudolf im Februar 1468 mit dem Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg pflog. Die Ge- fahr für die Mark, die in einer Besitznahme der böhmischen

') Vergl. meinen Aufsatz in Bd. I S. 209 fgg. dieser Zeitschrift, an den sich der nachstehende unmittelbar anschliesst. Ich habe daher von einer orientierenden Einleitung absehen zu können geglaubt und verweise in dieser Beziehung auf meine frühere Arbeit.

*) Ein Tag zu Regensburg im Februar 1468 hatte noch weniger Erfolg wie die früheren. Vergl. das Schreiben Markgraf Albrechts von 1468 Februar 20 bei Riedel, Cod. dipl. Brand. III, 1, 465.

Neues Archiv f. S. G. u. A. U. I X

2 - Hubert Ermisch:

Lande durch Polen lag, war nicht zu verkennen, und obwohl Alter und Kränklichkeit den Kurfürsten wenig Neigung für so weitaussehende Pläne empfinden Hessen, hat er sich doch seinen Pflichten gegen Land und Dynastie nicht ent- ziehen wollen und die Sache ernstlich erwogen. Vielleicht war es auch die Rücksicht auf Sachsen, was den Kurfürsten beeinflusste; er warnt nicht nur vor den Polaken, sondern auch vor den „andern Leuten, die fast sehre auch danach stehen", und deren Aufkommen den Brandenburgern Ver- derben bringen werde. Konnten doch sowohl Herzog Wil- helm als Herzog Albrecht Erbrechte, wenn auch sehr un- sichere, für sich anführen; ersterer hatte es schon gethan, und letzterer trat bekanntlich nach Georgs Tode damit hervor. Mit Recht weist Droysen, dem wir die ein- gehendsten Belehrungen über jene Verhandlungen zwischen dem Legaten und Brandenburg verdanken, auf sonder- bare Vorschläge hin, welche die Wettiner im Jahre 1466 gemacht hatten und die allerdings auf weitreichende Ent- würfe schliessen lassen. Es handelte sich dabei um nichts geringeres als um einen Verkauf der Mark Brandenburg an Ernst und Albrecht, die dagegen Vogtland und Thüringen, .das ihnen ja nach dem Tode des kinderlosen Oheims zufallen musste, zum Kaufe anboten. In der That ein Vorschlag, dessen Verwirklichung die gesammte neuere Geschichte in ganz andere Bahnen hätte lenken können. Markgraf Albrecht Achilles, der, wie überall, so auch bei dieser Gelegenheit das letzte Wort in der Politik seines Hauses zu sprechen hatte, Hess sich auf den kühneu, wenn auch vielleicht jugendlich kühnen Plan nicht ein.^)

Er war es auch, der nach reiflicher Ueberlegung jetzt den Bruder bestimmte, die böhmische Krone auszu- schlagen. Wir können hier auf die Gründe nicht näher eingehen und heben nur hervor, dass die gesammten Ver- handlungen das Verhältnis der Brandenburger zu Georg doch weit weniger eng erscheinen lassen als das der säch- sischen Fürsten. Markgraf Albrecht äussert einmal bei Er- wähnung einer auf den 24. April 1468 angesetzten Zu- sammenkunft mit den Wettinern und den Landgrafen von Hessen, bei welcher die so oft besprochene und noch immer nicht entschiedene Frage der Erbhuldigung zur Sprache kommen sollte: „Würden sie den Braten schmecken von

') Vergl. Droysen, Sitzungsber. derK. sächs. Gesellsch. d. Wissen- schaften IX (1857), 146 fgg. u. Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 2.S5 fgg.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 3

Böhmen, es würde nichts daraus. Unser Bruder weiss, wie sie dem Könige gewandt sind. Wollten sie mit ihm gekriegt haben, sie hätten ihm nicht Land und Leute gegeben und sich zu ihm gefreundet."'')

Als die Zusammenkunft dann um die festgesetzte Zeit zu Schleiz stattfand, wurde auf derselben die Vermählung des Markgrafen Johann von Brandenburg mit der Tochter des Herzogs Wilhelm, deren Vollziehung man erst auf Pfingsten 1468, dann auf Estomihi 1470 in Aussicht ge- nommen hatte, bis zum Jahre 1473 verschoben; auch dies dürfte darauf hindeuten, dass in der That die böh- mischen Verhältnisse die sächsisch-brandenburgischen Be- ziehungen zu lockern anfingen. ^)

Die Rolle, die der Polenkönig und der Brandenburger nicht spielen wollten, übernahm bekanntlich König Matthias von Ungarn. Mit dem Angriffskriege gegen Oesterreich, den Prinz Victorin, des Böhmenköuigs Sohn, seit Ende Januar 1468 führte, erhielt der Kamj)f einen anderen Charakter; er war nicht mehr blos ein Krieg des Lehns- herrn gegen die Vasallen. Seit dem Eingreifen des Ungarnkönigs aber, der im April mit einem trefflich ge- rüsteten Heere in Mähren erschien, wandte sich das ^\^afFen- glück mehr und mehr von Georg ab. Jene „acht Un- glückswochen" von Mitte August bis Mitte October 1468 schienen den Gegnern den nahen Siea; in sichere Aussicht ZU stellen.

Die Haltung der sächsischen Fürsten blieb auch jetzt eine vollkommen neutrale; wenn man von Hilfstruppen zu erzählen wusste, die sie dem König Georg gestellt, so war dies wohl ein ungerechtfertigtes Gerücht.^) Dass man ihnen jedoch auf der Georg feindlichen Seite miss- traute und scharf auf die Finger sah, beweist, wohin nach der allgemeinen Meinung ihre Sympathien neigten. Dies Misstrauen trat besonders bei der Belagerung von Hoyerswerda zu Tage, die bis über die Mitte des Jahres 1468 hinaus dauerte. Schon im Januar wusste Jaroslaw von Sternberg , der Landvogteiverweser , den Gör- litzern zu melden, „dass etliche Böhmen zu Meissen im

*) Instruction für AlbrechtStyeber von 1468 März IT) bei Riedel, Cod. dipl. Brand. III, 1, 480. Ver^rl. überhaupt ebendaselbst 454 fgg. Palacky, Gesch. Böhmens IV, 2, 492 fgg. Kluckhohn, Ludwig der Reiche 281 fgg.

*) Urk. von 1468 Apr. 26. Riedel II, 5, 121. Vergl. Droysen, Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 236.

*) Vergl. Lichnowsky, Gesch. d. Hauses Habsburg VII, 112.

4 Hnhert Ermisch:

Lande an etlichen hcimliclien Oertern lägen und meinten die auf Hoyerswerda zu stärken." ') Bedenklicher schien die Sache werden zu Avollen, als Anfang Juli 1468 die Markgrafen mit nicht unbeträchtlichen Truppen nach Senftenberg kamen; eine Diversion gegen Hoyerswerda oder auch gegen Luckau wurde befürchtet. Man erzählte sich, König Georg und die Herren von Schönburg hätten das Schloss den sächsischen Fürsten angeboten, und dies klang nicht eben unwahrscheinlich; allein man wusste auch schon, dass die Fürsten, ihrer sonstigen Haltung entsprechend, das Anerbieten abgelehnt hätten. Als man dann weitere Nachrichten einzog, erfuhr man, dass die Truppen nur in 200 Reisigen und 600 Trabanten bestan- den, die der von Köckeritz dem Kurfürsten von Branden- burg zuführen sollte. Hatte die Sache überhaupt eine Bedeu- tung, dann war es gewiss nur die eines Scheinmanövers, wofür die Hauptleute der Sechsstädte den Zug von Anfang an gehalten hatten: „sie werden sich dahin fügen um Ge- schreies willen, ob sie uns möchten abschrecken."^)

Ein Heraustreten aus der Neutralität lag in alledem nicht. Ein solches hätte auch jetzt, nachdem Matthias auf dem Kriegsschauplatze erschienen war, geradezu ver- hängnisvoll für das Haus Wettin werden können. Die Lage der Dinge in Deutschland war keineswegs derart, dass man nur auf ein Signal wartete, um sich zu einem Waflfenbunde für Georg zu einigen.

Auch fällt noch ein anderes Moment schwer in die Wag- schale. Es sind uns aus dem fünfzehnten Jahrhundert meist nur einzelne Fäden feiner diplomatischer Gespinnste in den Archiven erhalten, die wir mit Mühe zu einem Ge- samratbilde zu vereinigen suchen; es verführt dies gar leicht zu der Annahme, die Geschichte jener Zeit sei allein in den Kabinetten gemacht worden. Man hüte sich jedoch davor, diejenigen Einwirkungen zu unterschätzen, die das gesammte geistige und materielle Volksleben auf die Welt- . ereignisse damals Avie heute und zu jeder Zeit geübt hat, wenn auch nur dürftige Ueberlieferuugen über dasselbe auf uns gekommen sind. Nicht umsonst hat die kluge Politik der Curie zu allen Zeiten, seit den Tagen Gregors VII.,

') Palacky, Urk. Beitr. 547. Vergl. diese Zeitschrift I, 265.

') Palacky, Urk. Beitr. 550 fgg. Eine „Ausgabe den trabanton, die man Markgraf Friedrich in die Mark sandte tercia in vigilia Margarete'' (Juli 12), führt die Dresdner Stadtrechnung von 1468 (Rathsarchiv zu Dresden) an.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 5

einen Aufruf an die Massen gerichtet, wenn es galt, grosse Erfolge zu erzielen. Auch diesmal setzte man den ganzen Apparat der geistlichen Waffen in Bewegung, und, so oft dieselben schon gebraucht und gemissbraucht waren, sie zeigten sich doch noch als wirksam. In den meissnischen Landen kam ihnen freilich ein sehr schätzbarer Bundes- genosse zu Hilfe: der tiefgewurzelte nationale Hass, der die beiden Nachbarvölker von jeher, besonders aber seit den Hussitenkämpfen, trennte. So stand das Volk in der böhmischen Frage entschieden nicht auf der Seite seiner Herrscher. Es hatte seiner Zeit gemurrt, als es von den Familien Verbindungen vernommen, welche die Wettiner mit dem Hause Podiebrad vereinen sollten^); es hatte später protestiert gegen jede thätige Unterstützung des Böhiuenkönigs. ^") Die Herrscher wussten sehr wohl, warum sie so grosses Gewicht darauf legten, dass die Kreuzpredigt und sonstige aufregende Mittel in ihrem Lande nicht zur Anwendung gebracht würden. Nichts ist bezeichnender, als die oft angeführte Thatsache, dass zahlreiche Studenten und Magister zu Leipzig und Erfurt ihre Bücher und Kleider verkauften und das Kreuz gegen die Ketzer nahmen, während gleichzeitig die Gelehrten der Hochschulen darüber disputierten, ob man die Gebote des Papstes für rechtsverbindlich halten solle oder nicht.") Der Umschwung in der Lage Georgs veranlasste den Legaten, auch in Meissen jetzt energischer aufzutreten. Schon Anfang März 1468 hatte er durch den Minoriten Jacobus jene Bulle vom 15. Mai 1467, durch welche ihm

•) Gravis illis temporibus rumor ortus est a populo undique in Misna et Thoringia contra suos dominos de concordia cum hereticis inita et affinitate contracta, maledicendo vituperando et expresse publiceque eos maledicendo, dicentes non esse vestigium majorum progenitorumque suoruui, qui adversus hereticos Bohemos sauguinem fuderint. Eschenloer (SS. rer. Sü. VII) 42. Vergl. das Schreiben Wilhelms d. d. 1459 Mai IG. Ebendas. 43 fgg.

'0) Vergl. 1, 227 dieser Zeitschrift.

") Vergl. Palacky IV, 2, 421 fg. Kluckhohn 2G5. lieber Ver- handlungen zu Erfurt wegen der böhmischen Ketzerei (1466) vergl. ein merkwürdiges Schreiben o. D. bei Kiedel, Cod. dipl. Brand. III, 1, 406. lieber die Betheiligung von Leipziger Studenten s. I, 265 dieser Zeitschr. Legat Rudolf dankt 1468 Febr. 20 dem Rector und den Magistern der Universität Leipzig wegen ihres Eifers, quod tot legales persone . . . venumdatis eorum libris et vestibus relictisque aliis rebus arma susceperunt, theilt mit, dass einige davon die Zit- tauer unterstützen sollen, und stellt eine geeignete Verwendung der übrigen in Aussicht. SS. rer. Sil. IX, 260 (Cod. dipl. Sax. reg. II, 11, 179).

6 Hubert Ermisch:

die Befugnisse eines Lateranlegaten und weitgehende Voll- machten gegen Georg und seine Anhänger übertragen waren, förmlich publicieren lassen; es ist wohl anzunehmen, dass diese Sendung gerade für Meissen berechnet war, wenn sich dies auch aus dem Wortlaut des betreffenden Schreibens nicht ergiebt. '^) Gleichzeitig ersuchte Rudolf den Meissner Domdechanten Heinrich Leubing, der damals in Erfurt weilte, seinen Fürsten und deren Räthen und den Prälaten und Edlen des Landes die Gründe, aus denen der Papst gegen Georg so entschieden vorgehe, auseinanderzusetzen; Leubing schrieb in Folge dessen einen erregten Brief an Bischof Dietrich und bat ihn dringend, seine bisherige Haltung den Böhmen gegenüber zu ändern.'*) Vielleicht gab dies den Herzögen Anlass zu einer neuen Gesandtschaft nach Rom ; Heinrich von Ein- siedel und Heinrich Truchsess trafen dort am 14. April ein, erlangten aber keine Audienz beim Papste: „wen seine Heiligkeit geantwort hat, es wäre genugsam ge- schrieben".''')

Der Angriff Georgs gegen Kaiser Friedrich IH. hatte den Zorn des Papstes aufs höchste gesteigert. Noch schärfer lautete in diesem Jahre der am grünen Donners- tag (14, April) ausgesprochene Bannfluch '*); und wenige Tage später (am 20. April) ergingen zwei neue Bullen, zu deren Publication Laurentius Rovarella, Bischof von Ferrara, als Legat nach Deutschland gesandt wurde. Die erste derselben verdammte alle diejenigen, die in irgend welcher Weise, besonders aber durch Zuführung von Lebens- mitteln, Waffen u. dergl., die Ketzer begünstigten, ver- fügte die Beschlagnahme ihres Vermögens, verhängte das Interdict über ihre Aufenthaltsorte u. s. w. ; die zweite verlieh allen, die zu dem bevorstelienden Kriege Geld beisteuerten oder selbst daran theilnahmen, Ablässe und andere kirchliche Spenden.'^) An demselben Tage rich- tete der Papst ein Schreiben an Kurfürst Ernst und Her-

'*) Wir kennen es nur aus einer im HStA. zu Dresden (WA. Bölim. S. Kaps. IV Bl. 120 fgg.) vorhandenen Abschrift.

'^) 1468 März 13. Nam si in alia via non ambulaveritis, timeo patriae pericuium imminere, quod difticulter removebitur. Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, 178; vergl. die Aum. dazu.

'^) Bericht des Meissner Domherrn Melchior v. Meckau, der in päpstlichen Diensten in Rom weilte, d. d. 1468 Mai 12. HStA. WA. Italien. S. Bl. 10.

'*) SS. rer. Sil. IX, 264.

'•) Ebendas. 265 fgg., 267 fgg.

Studien zur Gesch. der siichs.-böhm. Beziehungen 1468 71.

ö^

zog Albrecht; in welchem er dieselben dringend aufforderte, die von ihm angeordneten Massregeln in ihren Landen zuzulassen, insbesondere die Kreuzpredigt und Ablassver- kündigung zu gestatten, den Handelsverkehr mit Böhmen zu verbieten und der Verwendung des Zehnten von allen kirchlichen Gütern zum Kampfe gegen die Ketzer keine Hindernisse in den Weg zu legen. ^'')

Noch bevor diese Bullen und Schreiben nach Meissen gelangt sein können, Hess die Fanatisierung der Massen daselbst Zustände entstehen, die schlechterdings unerträg- lich waren. Eine sehr merkwürdige Episode, die sich im Laufe des Sommers 1468 in Freiberg, zu jener Zeit einer der bedeutendsten Städte der sächsischen Lande, abspielte, erlaubt uns einen Einblick in das erregte Volksleben jener Tage, der uns um so willkommener ist, je dürftiger und trockener unsere Quellen gerade nach dieser Richtung im übrigen sind. Wir dürfen uns daher wohl gestatten, den Vorgang etwas eingehender darzustellen, als es viel- leicht seiner Bedeutung im grossen Ganzen der politischen Geschichte entspricht.'*)

Etwa Anfang Mai mögen Emissäre des Legaten Ru- dolf, der inzwischen Bischof von Breslau geworden war, die Kreuzpredigt in grösserm Stile in den meissnisclien Landen begonnen haben. Auch in Freiberg erschienen um diese Zeit einige Barfüssermönche und riefen gegen den Ketzer Girzik zu den Waffen; sie hatten ausser- ordentlich viel Erfolg. Eine gewaltige Aufregung ergriff Stadt und Umgegend. An 400 Personen, darunter Lehns- leute der Landesherren, angesessene Bürger und Berg- werksbesitzer, wie Lucas Schönberg, Sigmund Kolbing, Merten Ortwein, besonders aber viele Handwerker, Hessen sich mit dem Kreuze zeichnen. Diese ausserordentlich starke Betheiligung erklärt sich einerseits zwar aus der

") Abschrift HStA. Loc. 7216. Irrungen zwischen K. Georg und dem Papste fol. 23.

'*) Unsere Hauptquelle ist ein bisher unbeachtet gebliebenes Aktenstück des Gemeinschaftlichen Archivs zu Weimar (Reg. A fol. 28a No. 7.^); da ich die betreffende Correspondenz in dem unter der i'i'esse beündlichen ersten Bande des Urkundenbuchs der Stadt Freiberg (Cod. dipl. Sax. reg. II, 12) vollständig mittheilen werde, so citiere ich nicht die einzelnen Schriftstücke. Bisher waren über die Kreu- zigerunruhen nur zwei landesherrliche Schreiben bekannt, die sich im Freiberger Rathsarchiv befinden und von Klotzsch (Sammlung vermischter Nachrichten I, 266 fgg.) abgedruckt und, soweit dies ohne anderes Material möglich war, erläutert worden sind.

8 Hubert Ermisch:

grossen Macht; welche die Geistlichkeit trotz der hie und da hervortretenden Züge von Indifferentismus, ja von Ver- höhnung kirchlicher Institutionen*®) noch immer über die Gemüther hatte und welche auch den Bussprediger Jo- hannes von Capistrano 16 Jahre früher eine so gewaltige Wirkung in Freiberg wie in anderen meissnischen Städten hatte ausüben lassen; andererseits aber doch auch daraus, dass die Mönche den Kreuzfahrern die Sache so bequem wie möglich zu machen suchten. Die päpstlichen Gebote, die sie verkündeten, untersagten jeden Verkehr mit Böh- men und befahlen die Wegnahme aller Güter, die Böhmen gehörten, aus diesem Lande kamen oder in dasselbe ein- geführt Averden sollten.*") Es war vorauszusehen, dass es an Uebertretungen dieses Verkehrsverbotes nicht fehlen würde; denn die Bewohner der böhmisch - sächsischen Grenze, namentlich der Bergwerksdistricte, waren auf Zufuhr aus Böhmen angewiesen, und die Einfuhr hatte selbstverständlich auch die Ausfuhr solcher Artikel, die man jenseit der Grenze brauchte, zur Folge. Wenn nun auch die Kreuzfahrer eigentlich das Kreuz nahmen, um in Böhmen gegen die Ketzer zu kämpfen, so war es doch viel leichter, bequemer und einträglicher, den Grenz- verkehr zu überwachen, als mit den Waffen in der Hand in das Land des streitbaren Böhmenkönigs, der schon mehrmals grosse Kreuzigerschaaren zu paaren getrieben hatte, einzudringen; und die Kreuzprediger scheinen eine derartige grenzpolizeiliche Thätigkeit auch begünstigt zu haben. Zwar waren eine Anzahl Freiberger Kreuziger nach Riesenberg und Graupen gezogen. Wir wissen nicht, was sie dort gethan haben; jedenfalls aber kehrten sie bald, schon in der ersten Hälfte des Juni, nach Freiberg zurück. Verstärkt durch neue Schaaren, betrachteten sie

'») Manche Belege hierfür bietet das „Verzellbuch" des Frei- berger Rathsarchivs, das zahlreiche Verurtheilungen wegen Gottes- lästerung, Schmähung geistlicher Personen und Störung des Gottes- dienstes enthält. Vergl. Klotzsch, Das Verzellen 189, 195, 196; noch mehr wird im dritten Bande des Urkundenbuchs der Stadt Freiberg, der eine Ausgabe des Verzellbuchs enthalten soll, mitge- theilt werden.

'*) Es bezieht sich dies wohl auf eine der päpstlichen Bullen vom 15. Mai 1467, in welcher dem Legaten Rudolf u. a. Vollmacht ertheüt wurde, bona quecunque mobilia et immobilia hereticorum quibuscunque licite occupanda concedendi et donandi ac ea que heretici ad terras catholicorum vel econtra ex terris catholicorum in vel extra regnum ducerent aut duci facerent in predam dandi. SS. rer. Siles. XI, 234.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen U68— 71. 9

es nun als ihre Aufgabe, den Verkehr mit Böhmen zu hindern. Alle dorthin bestimmten Waaren Avurden con- fiscirt; ja auch die Habe derjenigen, die Avider die päpst- lichen Gebote zu murren wagten, war gefährdet. Die ganze Umgebung von Freiberg wurde beunruhigt; Fuhr- leute wurden auf den Landstrassen ermordet, Pferde und Güter weggenommen. Handel und Wandel litten darunter furchtbar. Selbst in der Stadt war niemand sicher. Die „leichtfertigen Leute, die das Kreuz in solcher Weise an sich genommen hatten", drangen in die Häuser der Bürger ein, suchten in denselben nach böhmischen Gütern und drohten, wenn Einwendungen versucht wurden, mit Mord und Misshandlung. Ueberall beriefen sie sich auf die päpstlichen Gebote, und dies sowie die Furcht vor ihren Gewaltthätigkeiten hielten sowohl den landesherrlichen Amt- mann Nickel Monhaupt als die städtischen Behörden von einem thatkräftigen Einschreiten ab.

Indes auf die Dauer konnte dies Unwesen doch nicht geduldet werden. Mussten doch auch die landesherrlichen Einnahmen, die ja zum grossen Theile in den Erträgnissen der Bergwerke bestanden, sclnver darunter leiden. Auch konnte man nicht wissen, ob nicht doch noch die meissnischen Lande in den Krieg verwickelt werden würden * ') und ob man nicht in diesem Falle die Mannen brauchen würde, die sich jetzt auf Leben und Tod der Politik der Curie verschrieben hatten.

Freiberg war damals im gemeinsamen Besitz der beiden Linien des Hauses Wettin *^); ein gemeinschaft- licher Amtmann vertrat die landesherrlichen Rechte. Das nächste Interesse an der Herstellung eines geordneten Zu- standes hatten jedoch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht; ihre Lande Avurden in erster Linie durch das Treiben der Kreuziger betroffen. Aber ohne Zustimmung des Herzogs Wilhelm wollten und durften sie nichts luiternehmen. Sie sandten daher ihren Obermarscliall Hugold von Schleinitz an denselben zur Bei'ichterstattung ab und entwarfen bald darauf in einem längern Schreiben vom 6. Juni 1468 in lebhaften Farben ein Bild von dem Unfuge, den die Kreuz-

" (Am .SO. Mai befahlen Ernst nnd Albrecht ihren Mannen, sich in Kriegsbereitschaft zu halten, da sie gewarnt seien, dass etliche Abgönner ihre Lande und Leute zu schädigen beabsiclitigten. WA. Defensionssachen Bl. 51.

'*) Vergl. den Burgfrieden vom 11. Nov. 1448, der im ersten Bande des Freiberger Urkundenbuches zum Abdruck kommen wird

10 Hubert Ermisch:

scliaaren anrichteten. Ungern möchten sie, so heisst es in dem Briefe, den Geboten des h. Vaters zuwider handehi; aber unter den obwaltenden Verhältnissen könne man den Zustand nicht länger dulden, sondern müsse auf Mittel und Wege denken, die Kreuziger dahin zu schaffen, wohin sie gehörten.

Wilhelm stand der Sache ferner ; er hatte sich niemals in dem Masse für Georg interessiert als seine Neffen und scheint zudem damals schon auf gespanntem Fusse mit ihnen gestanden zu haben. In seiner Antwort vom 11. Juni spricht sich ein gewisses Misstrauen gegen ihre Angaben aus; er findet es auffällig, dass noch keine Mel- dung des Amtmanns und des Freiberger Rathes vorliege. Auch versäumte er nicht, darauf hinzuweisen, dass ihre Vorfahren sich stets um den Christenglauben besondere Verdienste erworben hätten, und warnte davor, ihre Fuss- stapfen zu verlassen. Dass dem Unfuge gesteuert werden müsse, leuchtete indes auch ihm ein; er verlangte aber, seine Neffen sollten nur gemeinschaftlich mit ihm handeln.

Man wurde einig, ein Schreiben an Vogt, Bürger- meister und Rathmannen zu erlassen; allein über die Fassung desselben kam es zu weiteren Streitigkeiten. Uns liegt sowohl der Entwurf Ernsts und Albrechts, als der Gegenentwurf ihres Oheims vor. Der erstere, der das Datum des 15. Juni trägt und nur im Namen von Ernst und Albrecht, nicht zugleich in dem des Oheims, abge- fasst ist, berührt ziemlich kühl die Thatsache der Kreuz- predigt — wegen der Gebote des Papstes würden die Fürsten dieselbe ungern verhindern wollen und ent- hält dann einen scharfen Verweis gegen Vogt und ßath, weil sie das Treiben der Kreuziger nicht sofort mit aller Energie unterdrückt hätten; sie wüssten doch, wie die Fürsten bisher auf Frieden in ihren Landen gehalten hätten; wer den Frieden bräche, gleichviel an wem, müsse unnachsichtlich bestraft werden. Die Kreuziger sollen versammelt und ilmen mit allem Nachdruck folgendes vorgehalten werden. Diejenigen unter ilmen, welclie als angesessene Bürger oder Lehnsleute den Landesherren eidlich verpflichtet seien, hätten ohne deren Genehmigung das Kreuz nicht nehmen dürfen; da es indes einmal ge- schehen, so sollte ihnen gestattet sein, gegen die Böhmen zu ziehen; nur sollten sie dafür sorgen, dass nöthigenfalls auch in ihrer Abwesenheit ihre Pflicht gegen ihre Lehns- und Landesherren erfüllt, also namentlich bewaffnete Folge

Studien zur Gesch. der s<ächs.-bölim. Beziehungen 1468—71. H

geleistet würde. Alle Kreuziger ausnahmslos sollten bei strenger Strafe in Freiberg und im ganzen Lande nie- manden, gleichviel wer er sei und woher er komme, ohne ausdrückliche Genehmigung der Landesherren an Leib und Gut schädigen.

Die rücksichtslose Schärfe, die sich in dem Entwurf ausspricht, billigte Wilhelm nicht. Sein Gegenentwurf (vom 20. Juni) ist kürzer, allgemeiner und viel milder gehalten. Der Lehuspflichten und ihrer Verletzung durch die Kreuznahme geschieht keine Erwähnung. Der Rath wird aufgefordert, den Kreuzigern alle Plackereien zu verbieten und sie zum Abzüge nach Böhmen zu veran- lassen.

Wie der Befehl lautete, der schliesslich nach Frei- berg gesandt wurde, ist uns nicht bekannt. Jedenfalls hatte er fürs erste den gewünschten Erfolg. Die Kreu- ziger verhielten sich mehrere Wochen lang ruhig, und ein Theil von ihnen hat vielleicht die Stadt verlassen; eben zu jener Zeit lagen bedeutende Kreuzschaaren unter Fried- rich von Schönburg bei Schlackenwerda in der Gegend von Elbogen, und König Georg musste die Lande ringsum gegen sie aufbieten. ^^) Andere Haufen, angeblich über 15000 Mann, wurden bei Pilsen von einer kleinen Anzahl Böhmen in die Flucht getrieben. Man erzählte sich da- mals, die säclisischen Herzöge hätten unter schweren Be- drohungen die Ihren aus dem Kreuzheere abberufen; ein Gerücht, zu dem die Freiberger Auftritte Anlass gegeben haben mochten. ^*)

Inzwischen war der päpstliche Legat Laurcntius Ro- varella in Deutschland erschienen, um die oben erwähnten päpstlichen Bullen vom 20, April bekannt zu machen. Anfang Juli hielt er sich mehrere Wochen in Grätz bei Kaiser Friedrich auf und crliess von hier aus Verord- nungen über die Kreuzpredigt, die zu gunsten des Krieges gegen die Ketzer zu veranstaltenden Sammlungen u. a. Obwohl es seine Aufgabe war, die Leidenschaften noch mehr zu entfesseln, was er auch nach Kräften that, ent-

**) Palacky, Urk. Beitr. 544. Erwähnt wird dieser Zug Fried- richs V. Schönburg mit Kreuzigern noch in einem Schreiben ver- schiedener wegen Theilnahme an demselben aus Cadan vertriebener Personen von 1472 Aug. 18, in welchem sie Ernst und Albrecht um Verwendung bei ihrem Herrn Jan v. Lobkowitz wegen Wiederauf- nahme bitten. WA. Böhm. Sachen K. II Bl. 132c.

»«) Eschenloer (SS. rer. Siles. VII) 187.

12 Hubert Ermiscli:

ging es ihm doch nicht, dass das bisherige zuchtlose Trei- ben der Kreuziger der Sache, der sie dienten, mehr schadete als nutzte; trotz ihrer grossen Zahl hatten diese Truppen bisher noch nicht einen nennenswerthen Erfolg zu verzeichnen gehabt. Der Legat strebte dem abzu- helfen und bestimmte daher, dass nur solche mit dem Kreuze gezeichnet werden sollten, die zum Kampfe ge- eignet und im Stande seien, sich Avenigstens sechs Monate lang zu unterhalten; auch sollten die Kreuziger sich nicht einzeln und ungerufen auf den Weg machen, sondern die Befehle des Legaten oder seiner Commissarien abwarten.**)

Gleichzeitig verkündeten Beauftragte des Legaten, unterstützt durch kaiserliche Empfehlungsschreiben *^), aller Orten die päpstlichen Bullen vom 20. April. Bereits An- fang Juli waren dieselben in Breslau bekannt geworden, und Bischof Rudolf sorgte für ihre schnelle Verbreitung.^'')

Am 21. August wurden sie in Freiberg zur öffentlichen Kenntnis gebracht, nachdem sie vorher in Meissen vor Ernst und Albrecht officiell pubUciert worden waren.**) Wir sahen bereits, dass auch in diesen Bullen jede Zufuhr nach Böhmen mit den strengsten Strafen bedroht war. Es bedurfte blos eines solchen Anlasses, um die noch immer in der Stadt weilenden Kreuziger zur Wiederaufnahme ihrer angemassten grenzpolizeilichen Thätigkeit zu bewegen. An demselben Tage^ an dem die päpstlichen Gebote verkündigt wurden, kamen zwei Kaufleiite aus Nürnberg und Leipzig, die nach Böhmen Handel trieben, von dort nach Freiberg. Niemand wollte sie beherbergen; so allgemein wurde der Inhalt der Bullen respectiert. Die Kreuziger aber nahmen den Kaufleuten ihre Pferde und eine Summe Geld ab, führten sie vor den Kreuzprediger und dann vor den Rath, und der letztere wusste, um sie zu retten, nichts besseres zu thun, als dass er sie in den städtischen Ge- wahrsam setzte. Schon war auch der Gottesdienst wegen ihrer Anwesenheit eingestellt worden; darum hielt es der Rath für das Beste, die Kaufleute aus der

") SS. rer. Siles. XI, 285.

") 1468 Juli 13. Janssen, Frankfurts Keichscorresp. II, 1, 255. Das an Kurfürst Ernst gerichtete Exemplar des kaiserlichen Schreibens abschriftlich HStA. Cop. 12 fol. 20.

^') SS rer. Siles. IX, 267 Anm.

*») Ein von Rudolf am 12. Juli 1468 aufgenommenes notarielles Traussumpt der Bulle Regnans HStA. Loc. 10 297. Verschiedene alte Copeyen in Religionssachen 1468, 1566 fol. l.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 13

Stadt zu entlassen, ihre Habe aber wurde, theils der Bullen wegen, theils um sie vor den Kreuzigern zu sichern ; zurückbehalten. Kurfürst Ernst imd Herzog- Alb recht, denen der Rath eilends den Vorfall meldete, waren sehr aufgebracht und verlangten sofortige Fest- nahme der Schuldigen. Am folgenden Tage, bevor noch dieser landesherrliche Befehl eingetroffen war, griffen die Kreuziger in Geraässheit der Bulle und auf Anweisung der Priesterschaft, wie sie später zu ihrer Entschuldigung sagten, fünf Wagen mit Salz auf, die theils landesherr- lichen Unterthanen zu Frauenstein, theils den Herren von Raben stein zu Riesenberg und dem Abte von Ossegg ge- hörten und nacli Böhmen bestimmt waren, führten sie nach Freiberg und verkauften dort die Fracht. Der Rath entbot nunmehr zwar die Kreuziger vor sich und machte ihnen unter Bezugnahme auf die ergangenen landesherr- lichen Befehle Vorstellungen; alleiii diese beriefen sich auf den Wortlaut der päpstlichen Gebote und behaupteten dreist, die Landesherren würden mit ihrem Vorgehen völlig einverstanden sein.

Amtmann und Rath, denen inzwischen ein neuer scharfer Befehl, die „Strassenräuber imd Landesbeschädi- ger" festzunehmen, von Ernst und Albrecht zugegangen war, befanden sich in grosser Verlegenheit; sie wollten gern als „fromme, christliche Leute" befunden werden, wagten anderseits aber auch nicht, den Landesherren zu trotzen. In ihrer Noth wandten sie sich (am 24. August) an Herzog Wilhelm. Fast gleichzeitig schrieben diesem seine Neffen (am 25. August) und erklärten energische Mass- reguln für unumgänglich nothwendig. Noch bevor ihr Brief abgegangen war, lief die Nachricht eines neuen durch Kreuziger begangenen Strassenraubes ein; die Frei- berger hatten aber die Heimkehrenden nicht eingelassen, und so hatten sie sich mit ihrem Raube nach Altzelle ge- wandt. Dort trafen Ernst und Albrecht Anstalten, sich ihrer zu bemäclitigen.

Am 2(). August erschien der Freiberger Amtmann und der Rath, denen die Sache immer bedenklicher wurde, in Meissen vor den Landesherren. Sie baten ihres säu- migen Vorgehens wegen um Entschuldigung; sie hätten gern, so sagten sie, die befohlenen Festnehmungen voll- zogen, aber Gott wüsste, dass sie es sich nicht getraut hätten; „denn der Kreuziger wären so viele und faste eigenwillig und wären sehr in der Stadt gefreundet und

14 Hubert Erniisch:

hätten auch von dem gemeinen Volke grossen Anhang, weshalb sie ihnen kein Wort zu sagen wagten"; sie müssten befürchten, dass sie sämmtlich erschlagen werden würden, wenn sie die landesherrlichen Befehle ausführten. Sie ständen auch sonst in grosser Gefahr; die Kreuziger liefen ihnen durch Haus und Hof, und sie wüssten nicht, ob sie in die Stadt eingelassen würden, wenn sie heim- kehrten.

Ernst und Albrecht befahlen ihnen, sich sofort nach Freiberg zurückzubegeben, Handwerker und Gemeine vor sich zu entbieten und sie zu befragen, wie sie sich den Kreu- zigern gegenüber verhalten wollten. So sollten sie in Er- fahrung bringen, auf wie viel Beistand sie zählen dürften. Nöthigenfalls wollten die Landesherren schleunigst zu Hilfe eilen; sie hatten ihren Marschall mit andern Hofleuten so- fort in die Gegend von Freiberg geschickt und den Rath angewiesen, auf seine Aufforderung Folge gegen die Kreu- ziger zu leisten.

Als der Rath heimkehrte, gelangte er zwar ohne Schwierigkeit in die Stadt; aber die Kreuziger, die sich mehr und mehr in Gefahr fühlten, hatten sich auf dem Kirchhofe der Peterskirche, ganz in der Nähe des Rath- hauses und des Obermarktes, gesammelt und nahmen dort eine bedrohliche Haltung an; sie wollten Kirche und Kirchhof besetzen und sich in ihrem Besitze behaupten. Offener Aufstand und Strassenkampf schien bevorzustehen. Doch fanden sich zum Glück Vermittler, welche die Schaa- ren zum Abzug aus der Stadt bewogen. Wohin sie sich begeben, wissen wir nicht; später haben sich zu Lössnitz in d^r Grafschaft Hartenstein Pferde vorgefunden, welche flüchtige Kreuziger dorthin gebracht hatten. Freibergs Tliore wurden auf Befehl des Rathes besetzt, damit keiner der Entwichenen wieder in die Stadt zurückkehren könnte.

Dann berief der Rath, wie ihm befohlen war, Hand- werker und Gemeine zusammen. Ihre Antwort war zu- friedenstellend; die Kreuziger waren eben schon aus der Stadt verschwunden und der von ihnen geübte Terroris- mus hatte aufgehört; auch schreckte wohl der Ernst, mit dem der Kurfürst und sein Bruder die Sache auffassten. Diese billigten die Massregeln des Rathes und befahlen ihm zugleich, Kundschaft über die Kreuziger ein- zuziehen und mit ihnen zu verhandeln, ob sie sich gutwillig ergeben wollten; sie sollten sich in diesem Falle am 29. August unbewaffnet vor Freiberg einfin-

Sttxdien zur Gesch. der silchs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 15

den; in die Stadt dürften sie jedoch nicht eingelassen werden.^")

Trotz der friedlichen Wendung, welche die Sache genommen und welche die baldige Heimkehr des Mar- schalls veranlasst hatte, hielten es Ernst und Albrecht für gut; die bewaffnete Demonstration ^ die sie anfangs auf den 27. August festgesetzt hatten, noch nachträglich zur Ausführung zu bringen. Mit 1000 Mann zu Fuss und 300 Pferden begaben sie sich am 29. August nach Frei- berg. Um der Geistlichkeit, „die solches viel zugerichtet und gemacht hat" (wie es in einem Schreiben vom 2. Sep- tember lieisst), jeden Anlass zu nehmen, das Thun der Landesherren zu verdammen und zu hemmen, hatten die- selben den Bischof Dietrich von Meissen, der, wie wir wissen, sich durch eine sehr gemässigte Gesinnung und durch Treue gegen seine Fürsten auszeichnete, mit sich genommen. An der Spitze eines Heeres hatten sie leichtes Spiel. Am 30. August früh beschieden sie Rath und Ge- meine vor sich und trafen mit ihnen ein Abkommen, über das sie absichtlich oder luiabsichtlich in dem an ihren Oheim gerichteten Schreiben vom 2. September keine näheren Mittheilungen machten. Was die Räubereien der Kreuziger betrifft, so sollte die geraubte Habe, soweit dieselbe sich noch im Gewahrsam der Stadt befand, den rechtmässigen Besitzern zurückgegeben werden •, soweit sie nicht mehr vorhanden war, sollte die Stadt Ersatz dafür leisten und sich an den in Freiberg zurückgelassenen Gütern der Entflohenen schadlos halten; die flüchtigen Kreuziger aber, die der an sie ergangenen Aufforderung, sich freiwillig zu ergeben, nicht nachgekommen waren, sollten verfolgt und festgenommen werden.

Herzog Wilhelm hatte inzwischen von Schleiz aus, wo er in jenen Tagen mit den Brandenburgern wegen eines Bündnisses verhandelte (vcrgl. S. 24), in einem Schreiben vom 29. August den Neffen vorgeschlagen, dass beiderseitige Rätlie am 6. September in Freiberg die Sachen beizulegen suchen sollten. Als er nunmehr aus ihrer Antwort vom

*') Vergl. das Schreiben vom 27. Aug. 1468. Samml. verm. Nachr. 1, 266. Der Herausgeber glaubt (275), dass in der Wendung : „ob sie sich ane not unde gutwilliglichen yn unser Strasse gebin wolten, so wolten wir die in unser Strasse uftiiemcn" das Anerbieten, die Kreuziger in landesherrliche Kriegsdienste aufzunehmen, ent- halten sei. Doch ist mir ein Gebrauch des Wortes „Strasse" in diesem Sinne ganz unbekannt.

16 Hubert Ermisch:

2. September ihr einseitiges energisches Vorgehen erfuhr, nahm er dies sehr übel auf. Er sandte sofort seine Räthe Hermann Lugel und Lorenz von Kochberg nach Freiberg; sie sollten erkunden, was für ein Vertrag zwischen Rath und Gemeinde geschlossen worden sei, und sowohl den Räthen seiner Neffen als dem Freiberger Rathe unumwunden Wilhelms Missbilligung zu erkennen geben. Insbesondere versagte der Herzog seine Einwilligung zu der Abmachung, dass die Stadt Ersatz für die von den Kreuzigern geraubte Habe leisten und sich dafür an iln\e Güter halten soUte.

Die Verhandlungen der Räthe führten indes bald zu einer Verständigung*, Wilhelm erklärte sich schliesslich im grossen und ganzen mit den getroffenen Massregeln einverstanden; nur die Art, wie das confiscierte Gut er- stattet werden sollte, scheint er noch bemängelt zu haben.^")

Inzwischen hatten mehrere der Kreuziger um freies Geleit gebeten, um sich wegen der ihnen zur Last ge- legten Verbrechen zu entschuldigen. Wilhelm verwandte sich für sie; aber Ernst und Albrecht nahmen Anstand^ ihr Gesuch zu gewähren. Es gebe viele Kreuziger zu Freiberg und an anderen Orten, heisst es in ihrem Schrei- ben vom 18. September, die an jenen Thaten unschuldig seien, und diese würden in keiner Weise behelligt; aber denen, welche die Räubereien verübt und den Petrikirch- hof besetzt hätten, könnten sie kein Geleit geben.

Die Vertriebenen, deren Lage immer bedrohter wurde, wandten sich nochmals au den Vogt und den Rath zu Freiberg mit der Bitte, dass ihnen wenigstens für einige Tage Geleit gegeben würde, damit sie sich sammeln könnten; sie wollten sich dann ganz in der Landesherren Gehorsam begeben. Auch erboten sie sich, das geraubte Gut zurückzuerstatten, soweit es noch in ihrem Besitze sei. Vogt und Rath, die selbst in grosser Verlegenheit waren Er-nst und Albrecht drängten sie, den Frauensteinern schleunigst Ersatz zu leisten, ^A' ilhelm hatte es verboten theilten ihr Gesuch am 21. September diesem wie jenen mit.

Einige Kreuziger hatten sich inzwischen nach Weimar zu Herzog Vv'ilhelm begeben und überreichten diesem am 26. September ein langes Schreiben, in dem sie die ganzen Vorgänge von ihrem Standpunkte aus schilderten. Sie beriefen sich dabei auf die päpstlichen Gebote: nicht

*") Das uns vorliegende flüchtige Concept eines Schreibens des Herzogs au seine Netien vom 12. September ist nicht ganz ver- ständlich.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Bezieliungen 1468—71. 17

um Gutes, sondern um Gottes Willen hätten sie die Nähme verübt; hätten sie gewusst, dass ihr Verfahren ihren Herren unangenehm sei, so würden sie es ganz unterlassen haben. Auf den an den Rath ergangenen Befehl, sie in Haft zu nehmen, hätten sie sich zu allem bereit erklärt, was man von ihnen verlangen würde; da aber seien die Herzöge mit vielem Volke vielleicht „durch unbeständiges Vor- bringen etlicher ihrer Abgönner" veranlasst gegen sie gezogen, und sie hätten in Sorge für ihr Leben fliehen müssen. Ihre neuerdings an deii Rath gerichtete Bitte, sie wieder aufzunehmen, sei von den Landesherren abge- schlagen worden. So seien sie vertrieben und müssten mit Weib und Kind zu Bettlern werden. Und doch seien sie ihre Lebtage niemals Räuber gewesen, sondern sie hätten sich meist redlich mit ihren Handwerken ernährt; Lucas Schönberg aber mit seinem Bergbau „ich habe euern Gnaden mehr Silbers geantwortet und erbauet als irgend ein anderer in langer Zeit gethan hat", so sagt derselbe von sich. Sie baten den Herzog inständigst, sie wieder in Gnaden aufzunehmen und sich auch bei seinen Neffen für sie zu verwenden.

Der Leser dieser beweglichen Bittschrift fühlt in der That Mitleid mit den Irregeleiteten. Bei vielen derselben war es sicher nur eine absonderliche Art der Frömmig- keit, die bei dem rohen Charakter der Zeit diese gewalt- thätigen Formen annahm.

Wilhelm antwortete dem Freiberger Rathe auf sein Schreiben vom 2L September ziemlich kurz: er werde bei einem auf den 10. öctober angesetzten Tage zu Erfurt die Sache mit seinen Neffen des weiteren besprechen. Was die Rückgabe der Güter anlange, so werde ilnlen ja wohl seine Antwort noch in Erinnerung sein; was davon noch vorhanden, sollten sie den Besitzern überantworten, auf Ent- schädigung für das übrige sich jedoch gar nicht einlassen.

Gern willigten Ernst und Albrecht in die Abhaltung eines Tages zu Erfurt. Zugleich aber Hessen auch sie Verhandlungen mit den Kreuzigern anknüpfen, und diese verpflichteten sich schliesslich, nach Leipzig zu kommen und sich in den Gehorsam der Brüder zu begeben. Was dort abgemacht worden ist, Avissen wir nicht; ebenso ist uns nicht bekannt, welche Beschlüsse wegen der flüch- tigen Kreuziger auf dem noch zu erwähnenden Tage in Erfurt gefasst wurden, da das über denselben vorhandene Instrument sie gar nicht erwähnt. Jedenfalls wurde noch

Neues Archiv f. S. 0. u. A. U. 1. 2

Ig Hubert Ermisch:

mohrnials, so im Anfange Deceniber zu Meissen, mit ihnen verhandelt, schliesslich jedoch ein Ausgleich erreicht. Den Beraubten zu ihrer Habe zu verhelfen, hielt freilich schwer; noch am 13. December erging ein Befehl an den Rath zu Freiberg, derselbe solle die Kreuziger zur Auszahlung der 146 Schock 10 Gr., die sie den Frauen steinern als Ersatz für das Geraubte zu geben sich verpflichtet hatten, nöthigen. ^*) Die Behauptung, dass sie in landesherr- liche Kriegsdienste eingetreten seien, ist nicht beweisbar.^^) Auch noch später finden wir Spuren ihrer Thätigkeit. So klagt König Georg in einem Schreiben an die herzog- lichen Brüder vom 20. Februar 1469, dass Paul Meissner von Freiberg und sein Hausknecht Philipp Juncker der Regina, der Frau eines gewissen Kaufmanns Valentin aus Prag, seidene und andere Waaren in der Nähe von Frei- berg abgenommen haben, und bittet, derselben zu ihren Gütern wieder zu verhelfen. ^^) Können wir hier nur vermuthen, dass kein gewöhnlicher Strassenraub, sondern ein Werk der Kreuziger vorliegt, so ist dies in einem anderen Falle, der noch mehrfache Reclamationen be- wirkte, ganz klar. Unter den geraubten Salz wagen be- fanden sich auch solche, die den Unterthanen der Agnes von Landstein, zu Graupen in Böhmen gesessen, gehörten; den letztern waren einige der Räuber bekannt geworden, und sie nannten die theilweise anderweit als Kreuziger be- zeichneten Georg Wagner, Merten Ortwein, die Schuster Grunbach und Zipser, die Büttner Feielrose und Gelhar, Lorenz Strol, den Fleischer Georg von Dippoldiswalde. Ihre Herrin hatte nun bereits zu wiederholten Malen so- wohl die Stadt Freiberg als die beiden Herzöge um Er- satz für den angerichteten Schaden, der auf 80 Schock geschätzt wurde, gebeten; die Fürsten hatten ihr auch mitgetheilt, dass einige Kreuziger sich mit ihnen ausge- söhnt hätten, aber mit dem Zusätze, dass diese nicht im Stande seien, den geforderten Ersatz zu leisten. Obwohl nun Agnes von Landstein in einem Schreiben vom 21. Febr. 14ö9 mit Recht darauf hinwies, dass ja die Thäter sämrat- lich in Freiberg mit Haus und Hof angesessen seien und dass die Landesherren sich also täglich an sie halten und sie zwingen könnten, Ersatz zu leisten, blieb ihr Gesuch

*•) Sammlung vermischter Nachrichten 1, 268.

**) V. Langenn, Albrecht der Beherzte 410. Vergl. oben Anin. 29.

»') Original im WA. Böhm. Sachen K. I Bl. 203.

Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 71. 19

doch, wie es scheint, erfolglos; noch im September 1469 schrieb sie dringend in dieser Angelegenheit mid berief sich dabei darauf, dass anderen der geforderte Ersatz ge- leistet worden sei. '*)

Noch 1470 waren die Kreuziger nicht allen Ver- pflichtungen zum Ersatz des Geraubten nachgekommen und wurden deshalb von Ernst und Albrecht mit einer Geldbusse von 100 Schock bedroht; dies veranlasste wieder Beschwerden von Seiten des Herzogs Wilhelm, über welche am 29. Januar 1470 auf einem Münzprobationstage zu Leipzig verhandelt wurde. *^)

Die Freiberger Kreuzigerunruhen sind nur eine ein- zelne Episode aus jener aufgeregten Zeit; an andern Orten mag ähnliches vorgekommen sein. Allenthalben waren die Bemühungen der deutschen Fürsten darauf gerichtet, dem Unwesen ein Ende zu machen.

Hauptsächlich diesem Zwecke dienten auch die Ver- handlungen, die um die Mitte October zwischen den sächsi- schen Fürsten und dem Markgrafen Albrecht zu Erfurt stattfanden. Sie betrafen insbesondere die Kreuzpredigt, die Sammlung von Ablassgeldern, das Verbot des Verkehrs mit Böhmen und den zehnten Pfennig von der Geistlichkeit, mit welchem der Papst dem Könige Matthias die stets ausgehenden Kriegsmittel zu ergänzen suchte.^'*) Es wurde vereinbart, dass der Fürst, welchen der päpstliche Legat zuerst in dieser Sache angehen würde, nicht sofort Ant- wort geben, sondern die anderen benachrichtigen und ihnen einen Tag zur Berathung anberaumen sollte; was auf diesem Tage beschlossen werde, sollte für alle bindend sein. Zugleich wurde bestimmt, dass man sich auch über das Verhalten der anderen deutschen Fürsten unterrichtet halten solle; Ernst und Albrecht sollten deshalb bei den Erzbischöfen von Salzburg und Köln, dem Pfalzgrafen und den bayerischen Fürsten, Herzog Wilhelm bei den Erzbischöfen von Mainz und Magdeburg mid bei den

") Original im WA. Böhm. Sachen Kapsel I Bl. 201. 294.

**) Gemeinschaft!. Archiv zu Weimar Reg. U fol. 24 No. 6.

SO) Vergl. Eschenloer (SS. rer. SU. VII) 190 und das Schreiben des Legaten Laurentius ßovarella an Bischof Rudolf von Breslau d. d. 1468 Oct. .5 SS. rer. Sil. IX, 297. Eine Aufforderung des Erz- bischofs Johann von Magdeburg an Bischof Dietrich von Meissen zu einer Berathung wegen des Zehnten d. d. 1468 Oct. 29, die den letztern zu sorglicher Wahrung seiner exempten Stellung dem Erz- bischofe gegenüber veranlasste, s. Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 180 fg.

2*

20 Hubert Ermisch:

hessischen Fürsten, Markgraf Albrecht bei dem Erzbischof von Trier, dem Bischof von Metz, dem Markgrafen voiP Baden, den von Württemberg und anderen weltlichen Fürsten, Grafen, Herren und Edelleuten, sowie bei den ihm nahe gelegenen Reichsstädten fleissige Forschung halten und das Ergebnis derselben den anderen mit- theilen. ^')

Für den November wurde ein Fürstentag nach Mün- chen ausgeschrieben, der jedoch nicht hier, sondern in Landshut abgehalten wurde ^^) und auf dem dieselben Gegenstände zur Sprache kamen. Die sächsischen Her- zöge sandten Burggraf Georg von Leisnig und Herrn Kaspar von Schönberg als ihre Vertreter dorthin und wiesen dieselben an, vorher mit den Herzögen Ludwig und Sigismund von Bayern allein zu verhandeln, um deren Meinung in Erfahrung zu bringen. Ihre uns vorliegenden Instructionen sind, wie dies leider gebräuchlich geworden war, so gehalten, dass sie in der Hauptsache jeden Be- schluss vereiteln mussten. Sie knüpfen an kürzlich ein- gelaufene päpstliche und kaiserliche Schreiben an, welche Kreuzpredigt, Ablasshandel, Zehntenforderung und den geplanten allgemeinen Krieg gegen Georg betrafen. Wür- den sie um die Ansicht ihrer Fürsten über diese Schreiben befragt, so sollten sie erklären, dass dieselben erst un- mittelbar vor ihrer Abreise eingelaufen und ihnen die Entschlüsse ihrer Herren daher nicht bekannt seien; sie sollten darum auch die Meinung der anderen Fürsten lediglich ad referendum nehmen. „Von sich aus und nicht aus unserm Befehle" sollten sie sodann die Anschauungen ihrer Herren über die Kreuzpredigt, den Ablasshandel und den Verkehr mit Böhmen vortragen. Die Kreuz- predigt hätten dieselben schon vor einem Jahre gestattet und wollten ihr, „wiewohl das zu der Zeit wenig Frucht gebracht hätte", auch jetzt kein Hindernis in den Weg legen, „doch so das fürder sollte verkündigt werden, dass das mit Ordnung geschehe, als dass nicht das gemeine Volk und unendlich Pofel alleine dazu bewegt und mit dem Kreuze gezeichnet würde, dadurch ihren Gnaden als Fürsten der Lande mehr Widerwärtigkeit dann den Un- gläubigen davon entstehen möchte". Nur die besonders

") HStA. Orig. 7989, ohne Datum. Angesetzt war der Tag auf den 10. October, s. oben S. 17.

*') „Die fursten, so zum tag gen München beschieden sein, der zu Landshut gehalten worden" HStA. Cop. 12. fol. 70 b.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Bezieluiugen 1468 71. 21

Bevollmächtigten sollten das Kreuz ertheilen dürfen und auch diese nur an solche, die gehörig gerüstet und ilu'cm Vermögen nach im Stande Avären, die festgesetzte Zeit im Felde zu bleiben, nicht aber an leichtfertige Leute, die nur zum Scheine das Kreuz nehmen und dadurch „eine Freiheit haben" wollten, einen Tag wider die Un- gläubigen zu ziehen, den andern Tag das Kreuz abzu- reissen und davonzulaufen. Entschiedener noch sollten die Gesandten sich gegen den Ablasshandel und die Er- hebung des Zehnten aussprechen, weil durch ersteren schon früher das niedere Volk, das zur „Innigkeit" ge- neigt sei, furchtbar ausgesogen und viel Geld ausser Landes gebracht worden sei, die Erhebung des Zehnten von der Geistlichkeit aber in ihren Landen nie stattge- funden habe; auch sei zu vermuthen, dass das, was ein- kommo, zu anderen als den angegebenen Zwecken ver- wendet werden möchte. Wenn von der deutschen Nation etwas in der Sache geschehen solle, so müsse ein „ge- meiner Tag" angesetzt werden. Werde dann ein Reiclis- krieg beschlossen, so würden die Herzöge es an sich nicht fehlen lassen; aber allein den Krieg anzufangen und ihn anderen abzunehmen, das würde ihnen und dem Reiche nur schaden können. ^^)

So hatte der Landshuter Tag nicht mehr Erfolg als seine Vorgänger. Wenn hier und auf einem Speierer Tage, der wohl kurz nachher stattfand, Anschläge über die zu leistende Kriegshilfe aufgestellt wurden, so hatten dieselben so gut wie gar nichts zu bedeuten. *^)

Auch die Frage des Handelsverkehrs mit Böhmen hatten die nach Laudshut bestimmten Gesandten zu be- rühren gehabt: dersell:)e sei schon lange in Sachsen ver- boten. Das war wohl richtig, aber die Lage der Lande und ganz besonders auch der Umstand, dass im Herbst 1468 eine Theuerung entstand, machten eine strenge Durch- führung des Verbots, wenn eine solche überhaupt beab- sichtigt war, unmöglich. ^^) Der Legat zu Breslau, dessen

*«) HStA. Loc. 9300. Acta den Zug wider Gersiken betr. 1468. Der Credenzbrief für die Gesandten d. d. 1468 Nov. 9 s. eben- daselbst Loc. 7385 Acta die Churfürstentäge zu Frankfurt 1461, München 14G8 u. s. w. fol. 2. Vergl. auch Jordan 296 Anm. und Kluckhohn 283 Anm.

*•) IIStA. Cop. 12 fol. 70.

*') Tempore autumni ist das jare in Mejssner lande und sust an vil andern enden das nasse jare gewest, hirurabe ein kleine zceit theurung im lande worden. HStA. Cop. 1301 fol. 48.

22 Hubert Ermiscli:

rücksichtsvolle Haltung wir schon mehrfach hervorzuheben gehabt haben, trug dem Rechnung und bevollmächtigte den Dominicaner Dr. Joh. Breslauer für gewisse Fälle mit der Ertheilung von Ablass wegen Verletzung der päpstlichen Bulle. Insbesondere sollte es den Böhmen ge- stattet sein, Getreide, Korn und Hafer einzuführen und dafür Salz, Häringe, gesalzene Fische u. a. , aber nicht Wehr und Waffen einzuhandeln und über die Grenze zu schaffen; doch sollten sie nicht länger beherbergt werden als durchaus nöthig und namentlich keine Kirche betreten. Dies wurde in den Grenzorten Böhmens und im Lande selbst bekannt gemacht. ^^) Die wiederholten Verbote und Dro- hungen der Landesherren und des Legaten beweisen, dass die Ausnahmen bald zur Regel wurden; wir werden auf diesen Punkt, der immer von neuem den Landesherren Un- annehmlichkeiten bereitete, noch zurückzukommen haben.

n.

Die Erfurter Abmachungen blieben wenigstens wäh- rend der nächsten Monate massgebend für die Politik von Ernst und Albrecht. Als im December der Bischof von Würzburg ein Ausschreiben wegen des durch die päpst- liche Bulle vom 20. April 1468 vorgeschriebenen Setzens von Opferstöcken in allen Städten und Diöcesen erliess und gleichzeitig der päpstliche Legat dem Markgrafen Albrecht seinen Besuch auf Anfang Januar in Aussicht

**) Vergl. ein Runclschreibeu von Ernst und Albrecht an die Amtleute d. d. 1468 Nov. 16 (WA. Böhmische Sachen K. IV Bl. 124) und ein Schreiben des Bischofs Rudolf von Breslau au Bischof Dietrich von Meissen d. d. 1468 Dec. 12 (Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 180). Bereits am 21. October hatte Joh. Breslauer den Leuten der Frau von Waidenburg den Handelsverkehr mit den christlichen Böhmen gestattet. HStA. Orig. 80,35. Vergl. auch den Dialog des Johannes Rabensteineusis (Anfang 1469): Ümnes oras confinium penes Bohemiam frumento adipe piuguetudine in Boheraia collectis vivere oportet, quibus rebus commutacionis titulo sal, quo solum ad victum necessario egent, et cetera Bohemi facile acquirunt; et i'acient certe, quoniam absque frumento ille vulgaris Boheraie vicinus popnlus enervatur. Archiv f. Österreich. Gesch. LIV, 383. Vides enim, quot pene corporales et pecuniarie Theutonis, ne commeatum salis permittant, inüiguntur, quibus omnibus postpositis sal in com- rautacionem frumenti dant, ne frumenta ceteraque careant annona, cujus ob carenciam jam plerique fame compulsi suos dulcissimos penates fere relinquere compelluntur ... In marchie Missnensis continibus magna tocius annone extat caristia et tanta, quod clamore pauperum nimio Missnensibus ad aliquod tempus salis cum frumento commutacionem legatus concessit poutiticis summi. Ebeudas. 398.

Studien zur Gesch. der siichs.-böhm, Beziehungen U68 71. 23

stellte, um, wie dieser glaubte, die Landsliuter Proposi- tionen *^) noch einmal vorzubringen, machten der INIark- graf und Herzog Wilhelm sofort davon die nöthige Mit- theilung an Ernst und Albrecht und setzten auf den 15. März einen Tag zu Naumburg zu weiteren Verhand- lungen an, zu dem auch Kurfürst Friedrich von Branden- burg und der Landgraf von Hessen geladen werden sollten. *^) Wenige Wochen nach dieser Korrespondenz, am I.Fe- bruar 1469, wurden Ernst und Albrecht durch Schreiben des Bischofs Laurentius von Ferrara, des Grafen Hugo von Montfort namens des Kaisers und des Propstes Georg von Pressburg namens des Königs Matthias zu einem auf den 19. Februar angesetzten Reichstage nach Regensburg eingeladen. Ein dem kaiserlichen Schreiben beiliegender Zettel besagte, dass auf diesem Tage verhandelt werden solle „von Hauptleuten und wie viel* Volks zu Ross und zu Fuss man aus deutschen Landen anschlagen solle", ferner „um Verstcändnis zu machen zwischen den Haupt- leuten in deutschen Landen und dem Könige von Ungarn". Die Lage Georgs schien so bedenklich, dass man sich nicht mehr hinter den Türkenkrieo- verstecken zu brauchen glaubte; andrerseits war aber doch Matthias nicht im Stande, allein mit dem Ketzer fertig zu werden. Die sächsischen Fürsten erfüllte die Botschaft mit nicht ge- ringem Unwillen ; sie verhehlten nicht, „dass es sie ver- wundere, solche Sachen zu schreiben und vorzunehmen, davon vorher mit uns allen unsres Wissens kein Handel gewest ist." Aber es befremdete sie auch, dass ihr Oheim, dem sie darüber berichteten und der, wie ihnen mitgetheilt wurde, bereits vor ihnen ähnliche Schreiben erhalten hatte, sie nicht davon unterrichtet habe.''*) Wilhelm entschul- digte sich: er habe gewusst, dass die Botschaft auch an seine Neffen kommen werde, und habe daher von einer besonderen Benachrichtigung abgesehen; übrigens werde er, obwohl auch ihm über das Programm des Tages vor- her nichts mitgetheilt worden sei, seine Boten doch nach Regensburg schicken, jedoch nur zur Berichterstattung.***)

**) Ueber dieselben sind wir übrigens nur mittelbar durch die oben erwähnte Instruction der sächsischen Gesandten untcrriclitet.

") WA. Böhm. Sachen Kaps. IV Bl. 125. Bejahende Ant- wort d. d. 14Ü9 Jan. 22 (Concept) ebendas. Kaps. V Bl. 251.

**) Bachmann, Urk. und Aktenstücke 456. Concept WA. Böhm. Sachen K. IV Bl. 126.

*«) Bachmaun a. a. 0. 457. Original WA. a. a. 0. Bl. 127.

24 Hubert Ermisch:

Ohne Zweifel entsprach die Haltung Wilhelms nicht o-anz den Erfurter Verabredungen. Das Einvernehmen zwischen Oheim und Neffen schien überhaupt ein immer weniger gutes zu werden, während die Politik der Bran- denburger sich mehr und mehr der Wilhelms näherte. Bereits im Sommer 1468 hatte der letztere auf einer Zu- sammenkunft zu Schleiz eine engere Vereinigung mit jenen geschlossen. ^ ') Die Freiberger Wirren hatten schon Zeug- nis von einer bedenklichen Gereiztheit zwischen den beiden Linien des Hauses Wettin abgelegt. Dazu kamen neben den niemals aufhörenden Münzdifferenzen vor allem zwei Punkte, die viel böses Blut machten: die Erbhuldigung, welche die jungen Herzöge bis jetzt vergeblich von den Gebieten ihres Oheims gefordert hatten, und der Schutz, den sie dem mit Wilhelm verfeindeten Grafen Ernst von Hohnstein angedeihen Hessen. Was die Erbhiddigung an- langt, so hatten Ernst und Albrecht auf Grund der be- stehenden Familienverträge unmittelbar nach ihres Vaters Tode darum ersucht; Wilhelm jedoch hatte verlangt, dass sie zunächst die (Gesammt-)Belehnung vom Kaiser em- pfangen sollten, und als sie diese erlangt, sie immerfort hingehalten. Vergeblich wurden die Neffen immer dringen- der; weder auf dem Tage zu Naumburg am 15. März 1469, noch auch bei späteren Verhandlungen, die wir im ein- zelnen hier nicht verfolgen können, erlangten sie, was sie wollten.***) Ende Juni 14Ü9 wollte Herzog Albrecht noch einmal persönlich mit Herzog Wilhelm darüber sprechen; auf einer ßeise an den kaiserlichen Hof, die wir in an- derem Zusammenhange zu erwähnen haben werden, be- suchte er auch Jena und bat den Oheim, dort zu einer freundlichen Unterredung zu erscheinen. Allein als Al- brecht nach Jena kam, war in seinem Gefolge eben jener Graf Ernst von Hohnstein, und für diesen Fall hatte Wil- helm seinen Käthen Befehl gegeben, zu sagen, dass er verhindert sei. Albrecht reiste ihm darauf nach Rudol- stadt nach, wo Wilhelm sich beim Grafen Heinrich von Schwarzburg aufhielt; der erzürnte Oheim wich ihm auch hier aus. Seine Antwort auf Albrechts unwilligen Brief, in dem derselbe seine vergeblichen Bemühungen schilderte, sprach sich rund und entschieden gegen die Vornahme

*') Vergl. die Urkk. von 1468 Aug. 28 bei Riedel, Cod. dipl. II, 5, 124. 126.

*') Die betreffenden Schriftstücke befinden sich im WA. Hand- schreiben Bl. 83. Huldigungssachen Bl. 1—7. Irrungen Bl. 5—8.

Studien zur Gesch. der siichs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 25

der Erbhuldigung ans. Albreclit wollte nun die Saclie am kaiserlichen Hofe weiter führen und erbat sich Zusendung der betreffenden Urkunden des Meissner Archivs nach Nürnberg.**)

Es wäre von nicht geringem Interesse, die tieferen Ursachen dieser heftigen Verstimmung zwischen den Höfen von Weimar und Meissen und der auffallenden Weigerung- Wilhelms einer doch wohl unzweifelhaften Verpflichtung gegenüber zu kennen; aus den uns vorliegenden Akten ergeben sie sich nicht, auch ist es nicht unsere Aufgabe, ihnen hier weiter nachzugehen. -Lagen ihnen vielleicht Combinationen zu Grunde, die es Wilhelm geflissentlich vermeiden Hessen, seine Neff'en als Erben anzuerkennen? Die politische Hinterlassenschaft des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, die über so viel dunkles Auskunft giebt, lässt uns hier vollständig im Stiche.

Doch wir sind den Ereignissen vorangeeilt und kehren wieder in den Anfang des Jahres 1469 zurück. Der an- gekündigte Reichstag fand vom 22. Februar bis 11. März zu Kegensburg statt, war aber sehr schwach besucht und hatte so gut wie kein Resultat. Der Reichskrieg gegen Böhmen, der Hauptgegeustand der Tagesordnung, schei- terte daran, dass die sächsischen und brandenburgischen Gesandten erklärten, sie hätten keine andere Vollmacht als „zu vernehmen und zu hören, was das Vornehmen sei, und das wieder an ihre gn. Herren zu bringen", während Herzog Ludwig von Bayern dem Plane nicht abgeneigt war. ^") Wohl mochte der Legat zornig sein auf die Herren von Meisseu ^'), deren Einfluss man ge- wiss nicht mit Unrecht die Hauptschuld an dieser aus- weichenden Antwort gab. Ebenso wenig kam es zu der vorgeschlagenen Einung der Fürsten mit dem Kaiser, in die auch König Matthias aufgenommen werden sollte;*^)

. *») Vergl. WA. Handschreiben Bl. 8. 84. 117. 82.

*") Vergl. den Bericht des Joh. Ilausner nach Eger von 1469 März 7 bei Bachraann a. a. 0. 4(30. Den Irrthum Palackys (IV, t?, 558), der annimmt, wegen der Abwesenheit der sächsischen und brandenburgischen Gesandten sei kein Beschluss zu Stande gekom- men, hebt bereits Khickhohu 287 Anm. hervor. Die Instruction Lud- wigs für Martin Mayr s. Kluckhohn .380 fgg. ; die Ilauptmannscliait in dem etwaigen Keichskriege wünschte Ludwig einem sächsischen oder bayerischen Fürsten übertragen zu sehen.

*') Item der legat ist zornig auf den herrn von Meissen. Bach- mann a. a. 0. 464.

**) Hieran glauben wir, mit Kücksicht auf die den sächsischcu

26 Hubert Ermisch:

endlich hatte auch Ludwig keinen Erfolg mit dem Plane einer Defensivallianz zwischen Pfalz, Bayern, Sachsen und wenn nöthig Brandenburg, der ihn eifrig beschäftigte. *^) Der einzige Beschluss, der auf dem Tage gefasst wuide, war der, dass auf Georgi (23. April) eine Vorberathuug der fürstlichen Rätlie zu Regensburg, am 11. Mai ein neuer Reichstag zu Nürnberg stattfinden sollte.

Noch waren die Verhandlungen in vollem Gange, als ein Ereignis bekannt wurde, das die gesammte Sachlage mit einem Schlage umzugestalten schien. König Georg hatte seinen Gegner bei Wilimow so eingeschlossen, dass dem- selben nur die Wahl zwischen Untergang und Capitula- tion blieb. Die Folge war der am 27. Februar zu Auhrow abgeschlossene Waffenstillstand, an den sich Friedensverhan'dlungen zu Olmütz anschliessen sollten. Ganz unverhofft zeigte sich am politischen Horizonte noch einmal die Möglichkeit eines friedlichen Ausgleichs, und es ist bezeichnend, dass, so fanatisch das Volk jener Tage auch war, doch diese Aussichten allgemein mit Jubel be- grüsst wurden. ^^)

Unter dem Eindrucke der Capitulation von AVilimow schloss der Regensburger Reichstag; unter demselben Ein- drucke fand auch die verabredete Zusammenkunlt zwischen den drei sächsischen Fürsten und dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg zwar nicht am 15., aber am 21. März zu Naumburg statt; ^*) sie diente unter den veränderten Verhältnissen jetzt hauptsächlich zu Vorbesprechungen für die auf Georgi festgesetzten Regensburger (jonferenzon. Es waren dieselben Personen, die wenige Monate früher sich in Erfurt zu gemeinsamem Handeln verbunden hatten; indes mag die Hoffnung, dass der Krieg demnächst ein Ende nehmen werde, oder mögen die wiederholten Zwistig-

Fürsten übermittelten Reichstagspropositioiien (oben S. 23), trotz der leisen Zweifel Kliickholins (287 Anm.) festhalten zu müssen.

5j) Vergl. die schon erwähnte Instruction bei Kluckhohn 380. Sonstige Naclirichten über den ßegcnsburger Tag bei Palacky IV, 2, 556 fgg. Kluckhohn 284 fgg.

**) Interea multi et varii rumores in terra Misne et aliis pro- vinciis oriebantur de tractatibus illis; communis omniuni opinio de firmata pace fuit; ram ad malum omnes loquentes inclinati proh dolor sunt, scandalum sedis apostolice malentes quam honorem. Eschen- loer (SS. rer. Sil. VII) 200. Vergl. Palacky IV, 2, 566 fg.

") Vergl. obeu S. 23. 1469 März 15 erklären Herzog Wilhelm und Markgraf Albrecht, nicht, wie beabsichtigt war, am 19., sondern erst am 21. März nach Naumburg kommen zu können. WA. Hand- schreiben Bl. 1.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 27

keiten und das gegenseitige Misstrauen die Ursache ge- wesen sein, der Naumburger Tag hob jene Erfurter Ver- bindung völlig auf. Auf die Frage des Markgrafen, ob sie in Kraft des Abschieds zu Erfurt gemeinschaftlich zu Regensburg handeln wollten, antworteten Ernst und Albrecht: sie hätten jenem Abschiede Genüge geleistet und es sei nicht nothwendig, ferner „in Kraft desselben" zu handeln; trotzdem erklärten sie sich zu einer gemein- samen Haltung bereit. Auch bei diesen Vorbesprechungen standen die beiden Punkte im Vordergrunde , die jüngst auf dem Regensburger Tage den Mittelpunkt der Ver- handlungen gebildet hatten: das Bündnis mit dem Kaiser und der Krieg gegen Georg. In Bezug auf ersteres er- klärte Albrecht, dass seine Räthe die Sache nach wie vor nur ad reiferendum zu nehmen hätten, und dem schlössen sich die meissnischen Fürsten an. Was Georg anlangt, so äusserten Ernst und Albrecht, so lange sie den Krieg vermeiden könnten, würden sie es thun; „wo es aber ja auf das Härteste kommt und Ehren und Gewissens halber nicht anders sein mag, wollen sie sich von Papst, Kaiser, Kurfürsten und andern christlichen Fürsten im Reich nicht setzen." Markgraf Albrecht bezeichnete dies auch als die Ansicht des Hauses Brandenburg; er traute indessen seinen Schwägern gar nicht recht: „Wir halten es dafür, dass sich unsere Schwäger weiter vertieft haben um ihres eignen Nutzens willen, dann sie vielleicht uns sagen, oder wissen vielleicht, dass der Girsick eine Rich- tigung hat, von der wir nichts wissen, und sie meinen vielleicht, wir sollten aussher biedern, dass sie den Dank gegen ihn allein behielten. Wir wollen Forschung nach den Dingen allen haben; desgleichen wollen wir auch thun, auf dass man sich von allen Theilcn darnach habe zu richten; denn die Sage ist hie, sie seien gerichtet."^") Der Kurfürst schloss sich der Meinung seines Bruders in allen Stücken an; den Krieg mit Böhmen wollte auch er so lange als irgend möglich vermeiden, von dem Bünd- nisse mit dem Kaiser aber vollends gar nichts wissen.'")

**) Schreiben des Markgrafen Albrecht an Kurfürst Friedrich d. d. 1409 März 2.S bei Palacky, Urk. 13eitr. .'Sß? und Riedel, Cod. dipl. Brand. III, 1, 499. Das Schreiben haben Minutoli (Kaiserl. Buch 330) und Droysen (Sitzungsberichte der k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1857. IX. 171 fg.) irrig ins Jahr 1468 gesetzt; vergl. Palacky IV, 2, 569 fg. Droysen, Gesch. d. preuss. Politik II, 1, 244.

") Schreiben von 1169 April 5 bei Kiedel III, 2, 42.

28 Hubert Ermisch:

Es war nur ein trügliclier Schimmer von Frieden gewesen, der im März die Gremütlier erfreut hatte. Zwar schien es eine kurze Zeit, als beabsichtige Matthias, seinen Ehrgeiz auf ein anderes Ziel zu lenken: auf die römische Königskrone; er maclite insgeheim Anstrengungen, sie mit Hilfe seines bisherigen Gegners Georg zu erlangen, und dieser schien auch nicht abgeneigt, ihn zu unter- stützen, jedoch nicht ohne Wissen und Willen der bran- denburgischen und sächsischen Fürsten. Span von Barn- stein, ein in Georgs Diensten viel gebrauchter Diplomat, war in dieser Sache im März 1469 zu Baiersdorf bei Markgraf Albrecht, ^®) Doch musste der Ungarnkönig bald einsehen, dass die deutschen Fürsten wenig Neigung empfanden, einen Ausländer und ganz besonders ihn sich zum Herrn zu setzen. Sobald ihm dies klar geworden, strebte er nur danach, die Fesseln des Wilimower Ver- trages möglichst bald abzustreifen. Das wurde ihm leicht; denn sein Bundesgenosse war ja die Macht, die lösen und binden konnte. Wir gehen in das Detail der Olmützer Verhandlungen nicht weiter ein: ihr Resultat war nicht der Friede, sondern nur eine Verlängerung des Waffen- stillstandes bis Neujahr 1470, zugleich aber auch wenige Tage später die Wahl des Matthias zum Könige von Böhmen (3. Mai 1469), die jenen Waffenstillstand noth- Avendig aufheben musste. Von neuem sah sich Georg vor die Entscheidung des Schwertes gestellt. „Ich sah nie keinen grossmüthigen Mann lieber Friede haben; doch hat er nun erlernt, dass er den Frieden crkriegen muss und nicht mit Geduld oder Gütigkeit erlangen mag", schreibt Gregor von Heimburg am 4. Juli 1469 an Mark- graf Albrecht.

Beide Theile waren jedoch in zu hohem Grade er- schöpft, als dass der Krieg sofort hätte ausbrechen können. Monate vergingen unter Vorbereitungen und insbesondere unter diplomatischen Verhandlungen; Matthias und Georg sahen sich nach Bundesgenossen um. Diese Bedeutung hatte es, wenn der böhmische Landtag zu Prag Anfang Juni 1469 den polnischen Prinzen Wladislaw zum Nach- folger Georgs, der längst darauf verzichtet hatte, die Krone in seinem Hause zu vererben, designierte; gleich-

**) Seine Instruction bei Baclimann a. a. 0. 485. Vergl. auch das eben citierte Schreiben Markgraf Albrechts von 1469 März 23 und die Schreiben von 1469 März 26 und April 3 in Höüers Kais.» Buch 186 fgg.

Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 71. 29

zeitig wurde ein Bündnis mit Polen eingeleitet. Auch mit Frankreich und Burgund verhandelte Georg. **)

Um die Gunst der deutschen Fürsten warben beide Könige. Auf den Frohnleichnamstag 1469 (1. Jimi) hatte König Matthias nach Breslau, wo er die Huldigung der Schlesier und Lausitzer entgegen nehmen wollte, sowohl den Kurfürsten Friedrich von Brandenburg ®") als die sächsischen Herzöge Ernst und Albi-echt eingeladen. Ueber die Verliandlungen, die Matthias mit den Brandenburgern pflog, sind wir aus den Korrespondenzen des Kurfürsten mit seinem Bruder Albrecht gut unterrichtet. Er verlangte ein Bündnis und stellte dagegen Landerwerb und Geld- gewinn in Aussicht. Allein Kurfürst Friedrich benahm sich vorsichtig und zurückhaltend, besonders da Matthias sich auf die brandenburgischer Seits gewünschte eheliche Verbindung mit der Tochter des Kurfürsten nicht ein- lassen zu wollen schien. Es kam schliesslich zu gar nichts als zu sehr allgemein gehaltenen Freundschaftsversiche- rungen.®') Was Matthias mit den Käthen der sächsischen Fürsten verhandelt hat persönlich scheint keiner der letzteren erschienen zu sein, obwohl Albrecht anfangs nach Breslau zu reisen beabsichtigte®^) , wissen wir nicht; seine Anerbieten werden ähnlich gelautet haben, vielleicht stellte er ihnen Gebietserweiterungen in der Oberlausitz in Aussicht.

*') Vergl. das Schreiben des Markgrafen Albrecht von 14ü9 Juli 1 bei Höfler, Kaiserl. Buch 195 fg. (Riedel III, 1, 511).

'") 1469 Mai 16 theilt Kurfürst Friedrich die an ihn ergangene Einladung Ernst und Albrecht mit und bittet sie, ihm Käthe und Amtsleute zur Hilfeleistung anzuweisen, wenn in der Zeit seiner Abwesenheit dem Lande etwas zustiesse, wozu sich die Fürsten be- reit erklärten. WA. Brandenburg. S. Kaps. II Bl. 225 fg.

*') Schreiben Kurfürst Friedrichs von 1409 Juni 17 bei Höfler, Kaiserl. Buch 191 fgg. ; über die projectierte Heirat vergl. auch ebendas. 186 fgg. (Riedel III, 1, 501 fgg). Palacky, Urk. Beitr. 589. Broysen II, 1, .346 fg. Jordan .3.37 fgg.

") Die an sie ergangene Einladung ergiebt sich aus einem Schreiben Herzog Wilhelms von 1469 Juni 1. WA. Handschreiben Bl. 2. Das Verzeichnis der von der Stadt Breslau gespendeten Ehrengeschenke (Eschenloer SS. rer. Sil. VII, 209) nennt unter den Empfängern zwar Friedrich und Johann von Brandenburg, aber keinen sächsischen Fürsten, sondern nur die „Räthe aus Meissen". Verhandlungen zwischen Matthias und den sächsischen Fürsten liatten übrigens schon früher stattgefunden, doch kennen wir ihren Inhalt nicht. Ein Beglaubigungsschreiben für einen Gesandten an Ernst und Albrecht d. d. 1468 Oct. 16 s. WA. Ungarische Sachen Bl. 4.

30 Hubert Ermisch:

Indes auch König Georg blieb nach wie vor mit den sächsischen und brandenburgischen Fürsten in Fühhmg.®'')

Ebenso bewarben sich beide Fürsten um die Gunst des Herzogs Ludwig von Bayern, der noch immer mit der ReaHsierung seines Lieblingsplanes, eines Defensivbundes gegen Georg, beschäftigt war. Diesem Zwecke sollte zu- nächst der Gesandtencongress, der auf Georgi 1469 nach Regensburg berufen war, dienen. Wie zwischen Mark- graf Albrecht und den sächsischen Fürsten zu Naumburg, so fand zu München eine Vorberathuno; zwischen den bayrischen Herzögen Ludwig und Albrecht statt, in wel- cher diese über eine Einigung, in die sie nebst dem Pfalz- grafen und den sächsischen Fürsten mit dem Kaiser treten sollten, schlüssig wurden. Ernst und Albrecht hatten mit ihrer Vertretung auf dem Regensburger Tage den ge- wandten Dr. Martin Mayr, die Seele der Politik Herzog Ludwigs, beauftragt, und man darf daraus schliessen, dass sie dem proponierten Bündnis nicht so abgeneigt waren als die brandenburgischen Fürsten.*'*) Allein der Tag verlief ganz erfolglos, ohne Frage hauptsächlich in Folge der Haltung Brandenburgs. ^^) Es kam nur der Entwurf eines engen Bündnisses zwischen dem Pfalzgrafen, den bayrischen Herzögen und dem Bischöfe von Würzburg zu Stande;®^) an denselben knüpfte sich ein lebhafter diplo- matischer Verkehr zwischen Herzog Ludwig und den sächsischen Brüdern, deren Beitritt Ludwig sehr wünschte. Gleichzeitig bestürmten Boten des Kaisers, des Königs Matthias und des Königs Georg den Herzog Ludwig mit Anträgen auf eine engere Vereinigung; allein Herzog Ludwig war, wie Martin Mayr an Hugold von Schleinitz schreibt, „nit gemeint sich zu der einem diesmal zu thun, doch so schlägt er nichts ab, wird sich der Läufe, wie

**) Vergl. z. B. das Schreiben Albrechts von 1469 Juli 1 bei Hofier, Kaiserl. Buch 195 (Kiedel IH, 1, 509).

") Vergl. das Schreiben des Mayr an Ernst und Albrecht d. d. 1469 April 22 WA. Bündnisse Bl. 28. Die Herzöge verwandten Martin Mayr übrigens auch sonst in ihrem Dienste. So antwortet er z. B. 1469 Oct. 19, er habe sich noch nicht, wie Herzog Albrecht gewünscht, zu Kurfürst Ernst begeben können, weil Herzog Ludwig ihm keinen Urlaub ertheilt habe. WA. Bergwerkssachen Kaps. I Bl. 31.

•*) Vergl. Kluckhohn 288 Anm.

»') Es ist dies vielleicht der undatierte und ohne Nennung der Vertragschliessenden aufgesetzte Vertragsentwurf WA. Bünd- nisse Bl. 35 fgg.

Studien zur Gesch. der sächg.-böhm. Beziehungen 1468 71. 31

sich die begeben, bass erkunden und dann gebührlich halten". Auf alle Fälle schien ihm jene Fürsteneinigung das Rathsamste zu sein. "') Ernst und Albi-echt schrieben darüber an Herzog Willielni; ^^) er zeigte sich indes, wiederum in engem Anschlüsse an die Haltung Branden- burgs, ihren Wünschen nicht geneigt. Das Ende der Verhandlungen war der Abschluss eines allerdings sehr farblosen Defensivbündnisses zwischen Ernst, Albrecht, Herzog Ludwig und dem Pfalzgrafen (8. Juli 1469), bei dem übrigens die sächsischen Fürsten ihre freundschaft- liche Stellung zu Georg förmlich wahrten. ^^) Unmittelbar darauf näherte sich zwar die bayerische Politik ausser- ordentlich dem Ungarnkönige''"); am 2. September 1469 kam sogar das ersehnte Bündnis mit demselben zu stände. Allein auch dies war so vorsichtig abgefasst, dass es ihnen nicht viel nutzte. ")

Der auf den 11. Mai festgesetzte Reichstag zu Nürn- berg wurde erst auf Johannis "), dann auf Michaelis ''), endlich auf das nächste Jahr verschoben.

So blieb der Ungarnkönig auch in dem zweiten Ab- schnitte des Krieges um die Krone Böhmens ohne Unter- stützung durch das Reich. Auch der Kaiser konnte ihm nicht helfen; wiederholte Aufstände seiner Vasallen in Steiermark, vor allem aber ein neuer Türkenzug, der erste, der die österreichischen Erblande empfindlich traf, banden ihm die Hände. Die sächsischen Fürsten dachten sogar an einen neuen Versöhnungsversuch; gegen Ende Juni sehen wir Herzog Albrecht zu diesem Zwecke in Wien weilen, ohne dass er jedoch bemerkbaren Erfolg erzielt hätte. ''^) Im Gegentheil liest man aus einem an ihn gerichteten kaiserlichen Schreiben vom 28. Juli 1469

«') Schreiben von 1469 Mai 4, 6, 15, 16. WA. Bündnisse Bl. 29—32.

«») Schreiben von 1469 Mai 27 ebendas. Bl. 3.S fg.

*») Kremer, Kurfürst Friedrich von der Pfalz Urkk. .398. Vergl. Palacky IV, 2, 599.

'") Vergl. die Instruction der an König Matthias abgefertigten Räthe des Herzogs Ludwig (1469 Juli 21 fgg.) bei Palacky, Urk. Beitr. COO fg.

") Kremer a. a. 0. 401.

") Ernst und Albrecht an Wilhelm d. d. 1469 Mai 27 WA. Bündnisse Bl. ,33.

'*) Kaiser Friedrich an Herzog Albrecht d. d. 1469 Mai 29 WA. Böhm. Sachen Kapsel IV Bl. 128, 129.

'*) Hofler, Kais. Buc^h 195 fg. (Riedel IH, 1, 510).

32 Hubert Ermisch:

eher eine gewisse Gereiztheit lieraus; der Kaiser beabsich- tigte auf den Rath des Papstes, Anfang September eine glänzende Fürstenbotschaft nacli Rom zur Berathung von Plänen gegen die Feinde der Christenheit zu senden, und hatte auch Albrecht zur Theilnahme an derselben aufge- fordert, dieser aber hatte die Ladung unbeantwortet ge- lassen, was ihm einen verblümten Verweis einbrachte.'^)

Der Krieg zwischen Georg und Matthias war seit Anfang Juli auf den verschiedenen Schauplätzen, in Böh- men, Mähren und Schlesien, wieder zum Ausbruch ge- kommen; indes jetzt wandte sich das Kriegsglück im ganzen zu den böhmischen Waffen zurück, und der grosse Sieg, den Georgs Sohn Heinrich am 2. November über Matthias bei Hradisch erfocht, war ein glänzender Ab- schluss der Waffentliaten des Jahres 1469. Dass trotz des päpstlichen Segens die Waffen des Ungarnkönigs nicht glücklicher waren, machte doch irre; dazu kam die all- seitige Sehnsucht nach dem Frieden. Sie unterdrückte allmählich die noch vor kurzem so jäh auflodernde Volks- leidenschaft, Hess die nationalen und religiösen Antipathien verstummen. Das Kreuzigerunwesen hörte auf; es hatte keinerlei Erfolg gehabt, nur Greuel, Unruhen und Wirren ohne Ende hervorgerufen. "*) Einzelne Fürsten untersagten die Kreuzpredigt und die Sammlungen für den heiligen Krieg geradezu, so insbesondere Markgraf Albrecht von Brandenburg, der keinen Anstand nahm, in dieser Sache Gregors von Heimburg, des alten Pfaffenfeindes, Rath- schläge zu hören und zu befolgen.")

Meissen, wo wir von der Kreuzpredigt schon seit den Freiberger Wirren nichts mehr hören'*), wurde durch die Kriegsereignisse ringsum wenig berührt. Verschiedene Fehden mögen in näherer oder entfernterer Beziehung dazu gestanden haben. ''') Wir heben darunter nur die

") Kaiser Friedrich an AUirecht d. d. Grätz 1469 Jali 28. WA. Religionssachen ßl. 138.

") Vergl. Palacky IV, 2, 616 fgg.

") Hofier, Fränlc. Studien I, 49. Dess. Kaiserl. Buch 199. 201 fg. 204. 209. Miuutoli, Ivaiseil. Buch 352. Vergl. Droysen H, 1, 247 fg. Lieber die Haltung des Pfalzgrafen und dn- bayerischen Herzöge Kluckhohn 291 fg.

") Melchior v. Meckaw schreibt schon 1468 Oct. 18 aus Rom: „Man red gar faste daruff, daz yn awern landen daz crewce nicht tar (= darf) geprediget werden wyder dy Beliemen, und etliche schriö\t) davon komen siut." WA. Italien. Sachen Bl. 1,3.

'"} So eine im Spätherbst 1468 beginnende Fehde mit mehreren

Studien zur Gescb. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 33

mit Hans von der Oelsnitz hervor, dessen Schloss Rathen 1468 von den Leuten der Herzöge eingenommen und lange besetzt gehalten wurde; es gab dies dem Legaten Rudolf Anlass zu der Beschuldigung, die Herzöge hätten jenen nur deshalb befehdet, weil er und seine Brüder sich dem Papste gehorsam erwiesen und Feinde des abgesetzten Ketzers seien. ^") Die Sache, die schon 1467 ihren An- fang genommen, zog sich dann bis ins Jahr 1471 hinein.*') Welchen Inlialt die Warnungen vor Gefahren aus Böh- men hatten, die Konrad Metzsch im Mai den Herzögen zu- kommen Hess, wissen wir nicht; nur so viel ist sicher, dass diese Gefahren nicht von Georg ausgingen. **) Im September schien es noch einmal, als drohe ein Bruch der Neutralität Meissens durch die königlichen Truppen, die bei Zittau lagerten; Kurfürst Ernst wies den Vogt zu Hohnstein an, sobald er etwas Beunruhigendes erfahre, sofort mit dem obersten Hauptmann der Böhmen aufs Freundlichste und Gütlichste und nicht herrlich" zu ver- handeln und zu verlangen, dass meissnisches und bischöf- liches Gebiet unverletzt blieben. *^) Die Gefahr zog vorüber. Im Herbste fand eine Fürstenversammlung am Hofe des Kaisers statt, der in seiner Bedrängnis nach allen Seiten ängstlich nach Hilfe ausschaute; Ernst und Albrecht wohnten derselben persönlich bei **), auch wohl Markgraf Albrecht. Man vereinbarte, dass die Fürsten, die in der nächsten Nachbarschaft Böhmens sässen, wie Markgraf Albrecht, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, gegen die Türken, die entfernteren, wie Kurfürst Friedrich und Her- zog Wilhelm, gegen König Georg Hilfe leisten sollten. Doch hatte auch dieser ßeschluss keine Folgen. Zugleich

Vasallen der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer, vergl. Eschen- loer (SS. rer. Sil. VII) 195.

*") Vergl. das angeblich vom Bischof Dietrich, wahrscheinlich aber vom Legaten ausgehende Schreiben von 1469 März 27 in ürnnd- manns Dipl. episcop. Misn. VIII, 4051 (llandschr. des IIStA.).

«') Vergl. ebendas. 5018, 4064 mal WA. üerter Käthen Bl. 1 fgg. Mon. Pirnensis bei Menclre 2, 1597. Näheres bei K. Gautsch, Aelteste Gesch. d. Sachs. Schweiz 64 fgg.

'*) Vergl. ein Schreiben des Dr. Martin Mayr von 1469 Mai 6 und die Antwort darauf von 1469 Mai 15. WA. Bündnisse Bl. .30, 31.

") Grundmann, Collectanea II, 91 (llandschr. des IIStA). Hasche, Magazin III, .300.

'*) Rechnungen des Paulus llartraann und des Dr. Heinrich Meilerstadt über eine Reise nach üesterreich mit ihren Herren von 1469 Nov. 3 und 10 im HStA. Loc. 4335 Rechenuüge der Anipt- lewte 1468/69. fol. 83 fg.

Neues Archiv f. S. ü. u. A. II. 1. 3

34 Hubert Ermisch:

wurde ein neuer Tag am kaiserlichen Hofe verabredet; den die säclisisclien und brandenburgischen Fürsten zu besuchen versprachen, falls auch andere Fürsten dorthin kämen. *^)

Der Zustand des Reiches, wie er sich in alle dem zeigte, war in der That ein überaus kläglicher. Die all- gemeine Neutralität der böhmischen Frage gegenüber schien den Krieg ins Endlose verlängern zu sollen; vor allem aber war es Georg, der einen Abschluss herbei- sehnte, schon um seinem Hause eine nicht ganz ungewisse Zukunft zu sichern. Es kann nicht wunder nehmen, dass er sich mit weit ausschauenden Plänen beschäftigte, die, wären sie durchgeführt worden, der Reichsverfassung viel- leicht den Gnadenstoss gegeben hätten. Schon ein Send- schreiben des Königs vom 1. Januar 1470 wies auf die Gefahr einer Lostrennung Böhmens vom Reiche hin, falls ihm nicht endlich ein wirksamer Schutz gewährt werde.*^) Wenig später, noch im Januar 1470, erschien der in Georgs Dienst stehende Georg vom Stein im Auftrage des Königs bei Albrecht Acliilles und trug demselben Pläne vor, die auf eine Erhebung des jungen und ehrgeizigen Herzogs Karl von Burgund zur Würde eines römischen Königs hinausliefen. Als er bei beiden brandenburgischen Fürsten eine durchaus ablehnende Haltung bemerkte, wies er darauf hin , dass andere Fürsten , besonders Pfalzgraf Friedrich, weniger spröde sein würden, und bot zugleich die Niederlausitz oder das Egerland oder eine Summe von 60000 Gulden den Brandenburgern an; die Sechsstädte, heisst es bei dieser Gelegenheit, würden gern den jungen Herren von Sachsen huldigen und diese würden sie gern aufnehmen, wenn der König darein willigen wollte, warum wollten sie, die Brandenbur^-er, denn nicht auf die Anerbietungen eingehen? Man darf hieraus wohl schliessen, dass auch mit Ernst und Albrecht über jene wichtigen Fragen verhandelt worden ist. Der Markgraf wies jedoch alle jene blendenden Erbietungen zurück und lehnte auch unter verschiedenen Ausflüchten weitere Verhandlungen

^*) Vergl. die Instruction Markgraf Albrechts für einen Ge- sandten an Herzog Wilhelm d. d. 1469 Oct. 25 bei Kluckhohu 289 Anm.

") Palacky, ürk. Beitr. GIO fgg.; vergl. dessen Gesch. von Böh- men IV, 2, 621 fg. Das für Ernst und Albrecht bestimmte Exemplar dieses Sendschreibens WA, Böhm. Sachen K. IV Bi. 133; vergl. Jordan, Das Königthum Georgs von Podebrad 315 fgg.

Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 71. 35

mit Papst und Kaiser ab®'), wälireud Herzog Albreclit beabsichtigte, mit Herzog Otto von Bayern den Papst zu besuchen, um eine Ausgleichung zwischen ihm und dem Böhmenkönige anzubahnen. * *) Zu dieser ßeise kam es nachmals freilich nicht; doch hatte Dr. Weisseubach, der Anfang 1470 nach Rom gesandt wurde, vielleicht ent- sprechende Aufträge. ®^)

Ueber die Betheiligung der sächsischen Herren an dem Tage, der im Februar und März 1470 zu Wien statt- fand und dessen Folge war, dass die kaiserliche Politik und die des Ungarnkönigs plötzlich verschiedene Wege einschlugen, ist uns nichts bekannt. ^°) Der Kampf brach trotz der allgemeinen Friedenssehnsuclit und trotz der Vermittlungsversuche, die namentlich Markgraf Albrecht von Brandenburg machte, noch einmal aus und dauerte bis in den August 1470 hinein, ohne dass er Matthias oder Georg einen entscheidenden Vortheil gebracht hätte.

Die sächsischen Herzöge behielten auch in dieser letzten Periode des Krieges ihre neutrale Haltung bei. So forderten sie im Februar oder März 1470 auf die Bitte des Bischofs von Meissen die Herren Jan von Tho- waczaw, Sigmund und Christoph von Wartenberg und Tetschcn und den Hauptmann im Pilsener Kreise, Wotyk von Kzisatie, Anhänger Georgs, die in seinem Auftrage den Krieg in der Lausitz führten, ernstlich auf, dem Bischöfe die zugefügten Schäden zu vergüten; an ihrer Stolle antwortete König Georg: nicht an Unterthanen des Bischofs von Meissen sei Nähme und Brand geschehen, sondern an abtrünnigen und ungehorsamen Untergebenen

") Instruction für Georg vom Stein bei Palacky, Urk. Beitr. 61G fgg. Vergl. dessen Gesch. von Böhmen IV, 2, 624 fg. Droysen, II, 1, 254 fg.

»') Schreiben Gregor Ileimburgs von 1470 Febr. 6 bei Ilötier, Kaiserl. Buch 219. Vergl. Palacky IV, 2, 660. Droysen II, 1, 255.

»•) Seine Rechnung über eine Reise nach Rom d. d. 1470 März 31 im HStA. Loc. 4335 Rechnung der Amtlewte Sachsen, Meysseu und Vogtland 1470.

■»«) Vergl. über den Tag Palacky IV, 2, 625 fg. Auch was zwischen den sächsischen und brandenburgischen Fürsten auf dem Tage, der zu Schleiz am 6. Mai 1470 stattfinden sollte, verhandelt worden ist (vergl. Riedel III, 1, 529. WA. Brandenburg. S. K. II ßl. 352. Ilandschr. Bl. 143), wissen wir nicht; vielleicht betraf es nur die unbedeutenden Irrungen, über die schon am 2. April 1470 von brandenburgischen und sächsischen Rätüen zu Jüterbogk ver- handelt worden war (WA. Brandenb. Sachen Bl. 201—204).

3*

36 Hubert Ermisch:

von böhmiscLen Beamten die verdiente Strafe vollzogen worden.®^) Auf die wiederholten Klagen des Vogtes der Sechsstädte, Jaroslaw von Sternberg, dass seine ünter- thanen von böhmischen Widersachern geschädigt würden, die ihren Aufenthalt in Meissen zu Ottendorf an der Heide (bei ßadeberg), zu „der Hoenkruls" (?), zu „Nieder- rudigsdorf" (Röhrsdorf bei Königsbrück?); Mückenberg (bei Ortrand), Knapsdorf (bei Moritzburg), Eschdorf und Dittersbach „im Kretschmar" nähmen, erliessen die Herzöge am 9. März 1470 einen strengen Befehl an ihre Amtleute, dergleichen Räubereien nicht zu dulden, sondern die Schuldigen festzunehmen. ^^)

Trotz dieser entschiedenen Abneigung gegen eine oflfene Unterstützung des Böhmenkönigs wurde das Ver- hältnis der sächsischen Herzöge zur Curie eher schlechter als besser. Vor allem gab der Grenzverkehr immer von neuem Anlass zu Differenzen^*); das Handelsverbot Hess sich nun einmal nicht aufrecht erhalten, der Papst selbst erklärte, dasS; wenn singularis necessitas vorliege, ein Ver- kehr mit den Ketzern behufs Einkaufs noth wendiger Nah- rimgsmittel zu gestatten sei. Auf Grund hiervon erlaubte der Legat Bischof Rudolf von Breslau am 27. August 1469 den Bürgern von Chemnitz wegen der drohenden Hungersnoth den Ankauf von Lebensmitteln in Böhmen, verbot ihnen jedoch, den Ketzern dafür Salz, Spezereien oder Waffen zuzuführen. **) Eine ähnliche Erlaubnis erhielten auf ihre dringenden Bitten einige Wochen später die Städte Freiberg, Dresden und Pirna. ^^)

»') 1470 März 7. WA. Böhm. S. Kapsel IV Bl. 137.

»*) WA. Oberlausitz. Sachen Bl. 15. Hierher gehört auch wohl ein Angriff gegen Wenzel von Poleuz auf Schirgiswalde (vergl. Pa- lacky, Urk. Beitr. 620. 622), über den uns näheres nicht bekannt ist.

") Nur wenige Fälle von Beschlagnahme böhmischer Güter sind aus dem Jahre 1469 bekannt; so liess Balthasar von Redern bei der Neujahrsmesse 1-469 einige böhmische Kaufleute in Leipzig aufhalten, vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II, 11, 184. üeber Confiscation von böhmischen Gütern im Bisthum Naumburg s. Schreiben des Bischofs Rudolf und des Burggrafen Georg von Leisnig d. d. 1469 Juli 21. 30. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 130.

") Cod. dipl. Sax. reg. IL 6, 164. 1469 Aug. 28 beauftragt Rudolf den Plebau Balthasar zu Chemnitz mit der Absolution der wegen ihres Verkehrs mit den Ketzern excommunicierten Chemnitzer bei aufrichtiger Reue, ebendas. 165.

") Schreiben des Bischofs Rudolf an Bischof Dietrich von Meissen d. d. 1469 Sept. 23 bei Grundmanu, Cod. dipl. Misn. VIII, 5006 (Handschr. des HStA.). Von den Bemühungen der Dresdner lim diese „Erlaubunge" legen mehrere Posten der Dresdner Stadt-

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 37

Diese Nachsicht, weTche die bezüglichen Bestimmungen der päpstlichen Bulle vom 20. April 1468 allmählich ganz ausser Kraft zu setzen drohte ^^), fand keineswegs allge- meinen Beifall. Der am kaiserlichen Hofe weilende päpst- liche Legat, Laurentius von Ferrara, sah sich veranlasst, am 12. November 1469 ein Schreiben an Bischof Dietrich von Meissen zu richten, in welchem er mit Rücksicht darauf, dass dem Vernehmen nach seit zehn Jahren reich- liche Ernten im Lande stattgefunden hätten, von einem Nothstand also nicht wohl die Rede sein könne, eine strengere Befolgung der Vorschriften über die Absolution derjenigen einschärfte, welche Handel mit den Ketzern getrieben hätten.^') Aehnliche Mahnungen mögen diesen gefolgt sein, so dass auch Bischof Rudolf von Breslau sich zu einem ernsten Schreiben an Bischof Dietrich (vom 1. April 1470) veranlasst sah, in dem er, damit nicht auch ihm Schuld an diesen IMissbräuchen beigemessen werde, die strengste Befolgung seiner Indulte verlangt und die Unterdrückung jedes das Mass des durchaus Nothwen- digen überschreitenden Verkehrs mit Böhmen anbefiehlt, insbesondere ihn auch ersucht, das Verfahren des mit der Absolution beauftragten Dr. Johannes Breslauer zu über- wachen, da das Gerücht denselben einer allzu grossen Duldsamkeit beschuldigte. "*) Allerdings wurde nun der Geistlichkeit eine strengere Haltung zur Pflicht gemacht und mit Bann mid Interdict den Uebertretungen entgegen- gearbeitet; aber dies veranlasste auch die Herzöge wieder zu Vorstellungen beim Bischof Rudolf, und dieser, der wohl

rechnung dieses Jahres (Rathsarchiv) Zeugnis ab. Auf die Bitte des Rathes zu Dresden, die Entschliessuug des Legaten förmlich publicieren zu lassen, ging der Bischof nicht ein, weil er nicht mehr thun dürfe, als in der commissio des Legaten stehe. ISchreiben von 1469 Oct. 14 im Rathsarchiv zu Dresden.

'*) Ex Misna liber aditus fuit in Bohemiam cum omnibus mercibus et rebus, ex qua allata sunt allecia sal i^lumbum omnium generum pisces boves etc. Nolebant illi principes seduci ad destruc- cionem subditorum. Eschenioer (SS. rer. Sil. VII) 220.

«') Cod. dipl. Sax. reg. II. 3, 188.

•') Ebendaselbst 193. Da zwischen diesem und dem vorhin erwähnten Schreiben fast ein halbes Jahr liegt, so darf wohl kaum mit Gersdorf angenommen werden , dass das Schreiben des Lau- rentius vom 11. November 1469 den unmittelbaren Anlass dazu ge- geben hat. Ebenso ist der Zusammenhang der in der Anm. zu ersterem erwähnten weiteren Schritte des Bischofs und der sich daran knüpfen- den Korrespondenz mit dem Schreiben Rudolfs schwerlich so eng, als man nach den Ausführungen Gersdorfs a. a. 0. annehmen möchte.

^o"-

38 Hubert Ermisch:

einsah, dass eine solche Strenge „zum grossen Schaden guter Christen in christlichen Landen, die des christlichen Stuhls Gehorsam halten", sei, und überhaupt zur Milde neigte, gestattete in einem Schreiben an den Bischof vom 19. Mai 1470 nicht bloss den Einwohnern der Städte Pirna, Dresden, Freiberg und der Grenzdistricte bis nach Geier hin, die an anderen Orten nicht ohne die grössten Kosten und Beschwerden Getreide und andere Nothdurft kaufen konnten, den Handel mit den Ketzern, unter der Voraus- setzung, dass sie denselben den Aufenthalt in den Städten, den Verkehr mit den Gläubigen und die Ausfuhr von Salz, Würze, Harnisch u. a. nicht gestatteten, sondern er befahl auch, die rechtgläubigen Bewohner Böhmens, die vom Handel mit den Nachbarlanden lebten, nicht als Ketzer zu behandeln, sondern sie zu beherbergen und wegen ihrer Anwesenheit kein Interdict zu verhängen. Endlich sollte auch in dem Falle, dass zufällig ein Ketzer in eine Stadt kommt, aber sofort, nachdem man dies be- merkt hat, wieder hinausgetrieben wird, das seiner An- wesenheit halber verhängte Interdict aufgehoben werden. Bischof Dietrich soll für die Publication dieses Schreibeas in den Böhmen benachbarten Städten Sorge tragen^*); es wurde auch wirklich nach Wolkenstein, Scharfenstein, Saida, Pirna, Chemnitz, Freiberg und an den Abt zu Grünhain gesandt. '"")

Die Herzöge wussten diese rücksichtsvolle Haltung zu würdigen und wirkten dem Handel nach Böhmen, so- weit er diesen Verordnungen zuAviderlief, durch Verbote entgegen; sie wiesen sogar darauf hin, dass jetzt Lebens- mittel im eigenen Lande gekauft werden könnten. ^" *)

Trotzdem wurden bald wieder Anschuldigungen gegen sie laut, die ernsterer Art waren als die bisherigen. Sie gingen vom Bischof Laurentius von Ferrara und mittel- bar wohl vom Könige Matthias aus, dem die Haltung der sächsischen Fürsten allerdings ausserordentlich unbequem sein mochte. An des Königs Hofe, so schrieb Laurentius an Bischof Rudolf nach Breslau, liefen nicht bloss Ge- rüchte über die Einfuhr von Lebensmitteln, Salz und

") WA. Böhm. Sachen K. IV Bl. 138, gedruckt bei Jordan 455 und Schlesinger, Stadtbuch von Brüx 138. Ich bemerke dabei, dass die Drucke dieser und anderer noch zu erwähnenden Urkk. bei Jordan sehr fehlerhaft sind.

'"") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 140.

'»') Befehl von 1470 Juni 1. WA. Böhm. Sachen K. IV Bl. 141.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 39

Waffen aus Meissen nach Böhmen um, sondern man er- zählte sich auch, dass kürzlich Hugold von Schleinitz, der sächsische Oberraarschall, und Konrad Metzsch als Ge- sandte der Fürsten in Prag gewesen wären und dem König Georg den Beistand ihrer Herren in Aussicht gestellt hätten, ferner, dass diejenigen, die das Kreuz genommen hätten, verfolgt und der Kreuzpredigt allerhand Hinder- nisse in den Weg gelegt würden. Die Herzöge, die Bischof Rudolf deswegen in einem Schreiben vom 27. Juni 1470 zur Rede setzte ^"*), waren über diese gehässigen Ver- leumdungen in hohem Grade entrüstet. In ihrer Antwort an Rudolf (vom 13. Juli) wiesen sie auf ihre erst vor kurzem erlassenen Verkehrsverbote hin; nur den Gebirgs- bewohnern, die selbst kein Getreide bauten und es aus anderen Gegenden nur unter grossen Schwierigkeiten er- halten könnten, sei gestattet worden, ihre Leibesnahrung aus Böhmen zu holen, und wenn die Böhmen dieselbe nur gegen Salz hergeben wollten, so müssten sie eben „ihnen selbes rathen, dass sie nicht verderben dürften". Mit ihrer Erlaubnis sei jedoch den Ketzern nichts zugeführt worden. Dass Schleinitz und Metzsch in Prag gewesen, stellten die Brüder nicht in Abrede, wie denn überhaupt der Verkehr mit dem Böhmenkönige niemals ganz ab- gebrochen worden ist;'**') aber sie seien nicht als förm- liche Botschaft, sondern ohne Credenz hingegangen, ledig- lich um im allgemeinen Besten thätig zu sein, nicht aber, um dem Könige Anerbietungen zu machen oder Beistand zu- zusichern: „wir sind so unverständig nicht, dass wir nicht wüssten, dass uns solches zu thun nicht fuget, aber die Meinung, die wir vor uns hatten, mag uns ohne Zweifel von niemand verkehrt werden, wie wir das zu bequemer Zeit und an gebührlichen Enden zu eröffnen nicht weigern wollten." Ihre Rätho hätten einigen Commissarien des Legaten die Sache vorgestellt und seien in Folge dessen auch bereits absolviert. Was endlich die angebliche Ver- folgung der Kreuziger anlangt, so wird dies geradezu als eine Unwahrheit bezeichnet: „dass es von uns in Tabern oder anderswo im Rücken nachgesagt wird, soll e. L. nicht bewegen; wie können wir jedermann sein Maul ver-

'") WA. üöhm. S. K. IV Bl. U2. Gedruckt bei Jordan 448 fg.

"") So war auch um Fastnacht eine Sendung von Käthen nach Prag beabsichtigt geT\'esen, wie sich aus einem Schreiben des Beuesch von der Weitmühl, Burggrafen zu Karlstein, d. d. 1470 Februar 28 ("WA. Böhm. S. K. IV Bl. 136) ergiebt.

40 Hubert Ermisch:

binden!" Im Gegentheil hätten sie die Kreuz predigt, die Sammlung von Almosen sowie die kürzlich durch den Do- minicanerprior in Leipzig im Auftrage des Legaten er- lassene Aufforderung an die Kreuziger, sich bereit zu halten, in keiner Weise gehindert. '^*)

In noch viel schärferem Tone antworteten Ernst und Albrecht dem Legaten Laurentius von Ferrara und dem Könige Matthias selbst auf die Schreiben, welche sich diese veranlasst gefühlt hatten, derselben Gerüchte wegen an sie zu richten. Dem ersteren werfen sie eine für sein hohes Amt gar nicht passende Leichtgläubigkeit gegen Verleumder vor und widerlegen seine Anschuldigungen in ganz derselben Weise, wie in dem Briefe an den Legaten Rudolf. '"*) Mit Matthias entspann sich eine sehr gereizte Korrespondenz; die Herzöge machten ihm heftige Vorwürfe, dass er üble Nachrede gegen sie an seinem Hofe dulde. Auf die wiederholt vorgebrachten Klagen der Mitglieder des Herrenbundes, dass die meissnischen Lehnsmannen, die in ihrem Solde ständen, zurückberufen würden, antworteten sie, dass sie als Fürsten das vollste Recht dazu hätten, ihre Lehnsmannen „von redelicher Sach wegen" aus fremdem Dienst zu sich zu fordern. Was die Klagen wegen der Zufuhr aus Meissen anlange, so sei es nicht seine Sache, sie zur Befolgung der päpst- lichen Befehle anzuhalten; sie hätten darüber nur den Legaten Rede zu stehen. ^"'*)

Die Gerüchte über die Unterstützung, welche die Herzöge den Ketzern angedeihen Hessen, dauerten trotz- dem fort, und dass Legat Rudolf ihnen Glauben schenkte und sich durch die Versicherungen der Meissner nicht beruhigen Hess, beweist, dass sie nicht ganz grundlos waren. Man erzählte, dass Herzog Albrecht 300 Pferde dem König Georg zur Hilfe gegen die Schlesier gesandt habe; und der Umstand, dass zahlreiche gefangene Meiss- ner nach Breslau gebracht wurden, schien das Gerücht zu bestätigen. Obgleich die gesammte Haltimg der Her-

»•*) WA. Böhm. S. K. IV Bl. 148. Theilweise gedruckt bei Jordan 449.

•"*) Das Schreiben, dessen Adressat wol ohne Zweifel Lau- rentius ist, d. d. 1470 Juli 12. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 144.

'"*) Das undatierte Schreiben, dem wir die.-? entnehmen, mag etwa in den August 1470 gehören, da demselben bereits ein Brief- wechsel zwischen den Höfen vorangegangen ist. WA. Böhm S. K. IV Bl. 263, gedruckt bei Jordan 453^.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 41

zöge einer immittelbaren Unterstützung des Böhmenkönigs widersprechen dürfte, so war doch wold so viel richtig, dass sie nicht ungern sahen, Avenn ihre Lehnsleute in den Kriegsdienst Georgs traten, während sie nicht duldeten, dass dieselben in dem ihm feindlichen Heere kämpften. Bischof Rudolf verlangte mit Rücksicht auf diese That- sachen, dass die Herzöge die, welche den kirchlichen Ge- boten entgegen für Georg die Waffen trügen, ausfindig machen und entweder selbst strafen oder sie den Com- missarien des Legaten zur Bestrafung überweisen sollten; ihre Güter seien nach dem Laute der päpstlichen Bullen verwirkt. Ueberhaupt war er mit der Antwort der Her- zöge nicht sehr zufrieden, bedauerte, dass eingestandener- massen den Böhmen Salz verkauft worden sei, tadelte, dass, wie er bestimmt wisse. Prager Kaufleute zu Leipzig und an anderen Orten Handel trieben, schenkte auch ihren Angaben über das Verfahren gegen die Kreuziger und über die Sendung nach Prag keinen rechten Glauben. Dr. Johannes Breslauer, dem ein Missbrauch seiner Ab- solutionsbefugnis zur Last gelegt wurde, ward nacli Bres- lau beschieden, um sich dort selbst zu verantworten. '"') Mochte dies nun auch wieder einige strengere Mass- regeln veranlassen*"^), so erliessen die Herzöge dieselben doch gewiss widerwillig und nur der Form wegen. Sic hatten natürlich heftige Beschwerden zur Folge; die an der Grenze wohnenden Uuterthanen klagten, dass sie zu Grunde gehen oder fortziehen müssten, wenn das kürz- lich erlassene vollständige Handelsverbot aufrecht erhalten würde. Die Herzöge antworteten darauf am 19. October 1470 mit einem Befehle an ihre Amtleute, den Handel mit allen Waaren ausser mit Salz, AA'^ürze, Blei imd Har- nischen, also besonders mit Häringen und anderen Fischen, Leinwand, Tuch und Victualien zu gestatten, aber darauf zu achten, dass kein fremder Kaufmann mit den ver-

"") 1470 Juli 28. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 152, im Auszug gedruckt bei Jordan 451.

">«) 1170 Juli .30 vcrtheidigt sich Abt Joliann von Grinihain gegen die Anklage, dass er dem Verbote der päpstlichen Bulle zuwider Handel mit Böhmen treibe. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 153. 1470 Juli 28 fragt Waltzk von Bernstein den Marschall Friedrich von Schönberg, wie er es mit zwei beladenon Wagen halten solle, die er auf der Durchfahrt nach Böhmen in seinem Gebiete angehalten habe, ebendas. Bl. 151. Vergl. auch das Schreiben des Legaten Laurentius von Ferrara an den Prager Dompropst Colowrat d. (1. 1470 Sept. 19 bei Bachmann 502.

42 Hubert Ermisoh:

botenen Waaren durchgelassen und dass nicht von den herzoglichen Unterthanen Betrügerei damit getrieben würde. '"^) Auch Bischof Rudolf zog wieder mildere Saiten auf, als sich herausstellte, dass des Matthias Er- folge auch in diesem Jahre sehr unbedeutend waren und die Möglichkeit eines Friedens näher rückte. Er hatte sich die Absolution derer, die zu Georg zögen oder mit den Ketzern Handel trieben, kürzlich in einer an den Bischof von Meissen ergangenen Verordnung vorbehalten, während sie früher diesem überlassen war."") Aber auf eine Anfrage, welche die Herzöge durch Dr. Johannes Breslauer (der sich übrigens wegen der ihm zur Last ge- legten Beschuldigungen vollständig gerechtfertigt hatte) an ihn richten Hessen, antwortete er, dass dadurch die früher erlassene Erlaubnis des Handels mit Böhmen für die am Gebirge Wohnenden nicht aufgehoben sein sollte. Er habe nur bemerkt, dass diejenigen, die früher mit Erthei- lung der Absolution beauftragt worden seien, vielfach sehr leichtfertig verfahren wären. Auch gestattete er dem Bischof wieder die Absolution der Uebertreter, wenn diese sich bessern, brieflich um Nachlass der Kirchenstrafen an- suchen und alles, was sie durch den sündhaften Handel erworben, in den Kasten legen wollten. ^ ' ')

Die sächsischen Prohibitivmassregeln hatten übrigens bereits böhmischerseits Repressalien veranlasst. Ein Han- delsverbot wurde auch in Böhmen erlassen, „da sich die Priesterschaft in e. f. G. Fürstenthum so gar schwer und hart wider das Königreich legen und gelegt haben"; frei- lich ist dasselbe wohl ebensowenig mit Strenge gehandhabt worden wie das meissnische. ***)

Wir haben diese Irrungen, deren Spuren übrigens noch bis ins Jahr 1471, ja über den Tod Georgs hinaus zu verfolgen sind, ausführlicher behandelt, da sie be- raerkenswerthe Schlaglichter auf die wirthschaftliche Be-

'«•) WA. Böhm. S. K. IV Bl. 156.

"») Vergl. diese Zeitschrift I, 260 Anm.

'") 1470 Nov. 7. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 157.

"*) In einem Schreiben des Burggrafen zu Karlstein Benesch von der Weitmühl an Ernst und Albrecht d. d. 1470 Nov. 18 erklärt sich dieser bereit, trotz des Handelsverbots den Unterthanen Anarks von Waidenburg den Einkauf zu Konimotau und die Ausfuhr der Waaren gestatten zu wollen, falls gleiches seinen Unterthanen in Wolkenstein, der Stadt Anarks, gestattet werde, und bittet zugleich um diese Erlaubnis auch für andere Städte Sachsens. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 158.

Studien zur Gesch. der sächs.-bölim. Beziehungen 1468 71. 43

deutung der damaligen Beziehungen zwischen Böhmen und Meissen werfen. Gewiss waren es auch Rücksichten dieser Art, nicht bloss politische Erwägungen, welche den Herzögen ihre Stellung zu Georg anwiesen und sie bis aufs äusserste einen Bruch zwischen Meissen und Böh- men vermeiden Hessen, trotz der schweren Unannehmlich- keiten, die ihnen daraus erwuchsen. Drohten ihnen doch sogar Ende 1470 die Coramissarien des Legaten so ernst- haft mit der Verhängung eines allgemeinen Interdictes über ihre Lande, dass sie hiergegen förmlich Appellation beim Papste einlegten. "^^

Wie in Meissen, so waren auch anderwärts die Zu- stände allmählich völlig unleid licli geworden. Man fluchte allgemein in den Böhmen benachbarten Ländern den Breslauern, denen man nicht mit Unrecht einen grossen Theil der Schuld an dem unseligen Kriege zuschrieb, und schon konnten die Breslauer Kauf leute nicht mehr unge- fährdet Handel treiljen. "^) Dazu kam die Türkengefahr, die unaufhaltsam näher rückte.

So geschah es, dass der Congress, der im Juli 1470 zu Villach beim Kaiser tagte und an dem sich die sächsi- schen Herzöge auch durch Gesandte betheiligt liaben mögen, von einem sehr versöhnlichen Geiste beherrscht war. *'^) Gesandte des Königs von Polen wohnten dem- selben bei, und wahrscheinlich wurden damals die Funda- mente zu dem Bündnisse zwischen dem Kaiser und dem Könige Kasimir gelegt, das am 20. October 1470^'®) ab- geschlossen wurde und das dem Ungarnkönige den Boden unter den Füssen fortzog. War Markgraf Albrecht, dem um diese Zeit nach der Abdankung seines Bruders der brandenburgische Kurhut zufiel, die eigentliche Seele dieser neuen Coalition "''), so standen ihr doch auch die sächsischen Herzöge nahe. Ob die polnischen Gesandten Derslaw Rytwianski, Woywode zu Sendomir, und Stani-

"*) Das Instrumentura appellationis von 1470 Dec. 15 im HStA. Orig. 809.H.

"*) Omnes ad pacem \ocx\ti sunt et Wratislaviensis inculpantes vituperantes maiedicentes tanquam causam oinnium haruni litium. Ididem in curiis princlpura Misnc Thovingie lirandeburg Polonie et in omni terra maledicebantur Wratislavienses, et jam mercatores non publice audebant negoriari. Eschenloer (SS. rer. Sil. VIT) 223. Vergl. Palacky IV, 2, 615.

"*) Vergl. über diesen Congress Palacky IV 2, 616.

"•) Dogiel, Cod. dipl. Polen. I, 163.

'") Vergl. Droysen II, 1, 258 fg.

44 Hubert Ermiscli:

slaw Ostrorog, Woywode zu Kaiisch, die Anfang August an den kaiserlichen Hof gingen und ihren Weg durch Meissen nahmen ' ' % mit den Herzögen bereits Verhand- lungen angeknüpft haben, ist uns zwar nicht bekannt. Wir wissen aber, dass gegen Ende des Jahres eine eben- falls zum Kaiser gehende polnische Gesandtschaft die Fürsten besuchte und ihnen Pläne offenbarte, die eine friedliche Beilegung des böhmischen Krieges bezweckten; ja die Sendboten deuteten wohl noch auf andere Projecte Irin, die auf eine enge Einung zwischen Polen und Sachsen und eine Familienverbindung zwischen beiden Häusern hinausliefen. Der Meissner Dechant Dr. Heinrich Leu- bing, der gegen Ende December ' ' ^) an den polnischen Hof ging, um dem Könige als Antwort auf die Werbung seiner Gesandten die freundschaftlichen Gesinnungen der sächsischen Fürsten und ihre vollkommene Billigung seiner Pläne auszusprechen, hatte auch Instructionen für den Fall von Verhandlungen über einen Ehebund zwischen dem Sohne Kasimirs, Wladislaw, und Ernsts Tochter Christina und über ein Bündnis der sächsischen Fürsten mit Polen. *^") Das merkwürdige Project, das uns die meissnische Politik wieder eng Hand in Hand mit der brandenburgischen zeigt fast gleichzeitig fanden Ver- handlungen über des jungen Markgrafen Friedrich Ver- lobung mit der polnischen Prinzessin Sophia statt , führte jedoch zu keinem Resultate.*^')

König Matthias hatte wenig Gefallen an diesen Ver- handlungen mit Polen, um so weniger, als sich gleichzeitig auch für seinen ungarischen Thron ein polnischer Präten- dent fand. Zweifellos auf seiner Seite standen die Ver- treter der Curie in Deutschland, besonders Laurentius von Ferrara, wenn auch der Stuhl zu Rom selbst den Polen- könig sehr behutsam behandelte, obgleich die Friedens-

"«) 1470 Juli 27 bittet Kurfürst Friedrich von Brandenburg um sicheres Geleit für sie. WA. Poln. S. Bl. 1. Vergl. auch das Schreiben desselben von 1470 Aug. 1 bei Palacky, Urk. Beitr. 630.

"•) 1470 Dec. 18 schreibt er au Ernst und Albrecht, dass er zu einer so grossen Reise nicht vorbereitet und durch Amtsgeschäfte verhindert sei, sich vor Weihnachten in Dresden einzufinden. WA. Stift Meissen, Reisen Bl. 45. Wir glauben dies auf die Reise nach Polen beziehen zu müssen.

'='<') Entwürfe zur Instruction für die Gesandtschaft nach Polen WA. Poln. Sachen Bl. 64 fgg., 88 fgg., 96 fg., 98 fg. Vergl. auch V. Langenn, Albrecht der Beherzte 62 fg.

'=•') Aber es ging gar abe. WA. Poln. Sachen Bl. 64.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1168 71. 45

bedingungen, die Kasimir dem König Georg zugestanden wissen wollte, ihm nicht genehm sein konnten. ^**)

Die Stellung unserer Herzöge zu den kirchlichen Ge- walten wurde durch alles dies nicht besser. Sogar mit Bischof Dietrich von Meissen, der trotz seiner peinlichen Lage dem Legaten gegenüber sich im Grunde stets den AVünschen und der Politik der Landesherren accommo- diert hatte, kam es um diese Zeit zu Differenzen. Durch seinen Official hatte er das Ausfuhrverbot an den Grenz- orten nochmals einschärfen lassen; das trug ihm ernste Vorwürfe seiner Herren ein: „es ist uns eine grosse Be- fremdung, dass sich ein Fremder die Eäthe unserer Städte zusammen zu verboten anmassen und denen Gebot thun und Ordnung geben solle; es wäre wohl genug, das man sich gemeiner Gebote auf dem Predigtstuhl gebrauchte." Bischof Dietrich entschuldigte sich mit den Drohungen, die ihm direct von Rom oder durch den Legaten zugegangen seien; auch habe der Official „nicht allein die Räthe und Gewaltigen, sondern auch die PfafFheit und die Priester- schaft sämmtlich versammelt", was freilich an der Sache wenig änderte. *^^) Wenig später wurde der Fran- ciscaner Jacob von Glogau (vergl. S. 5) nochmals durch Bischof Rudolf von Breslau mit der Kreuz- und Ablass- predigt in den meissnischen Landen beauftragt, da der Papst ausdrücklich befohlen hatte, dieselbe nicht einzu- stellen. ^^*) Ganz besonders heftig spricht sich der Un-

•**■) Eine päpstliche Bulle von Ende 1470 oder Anfang 1471 (pridie kal. Januarii das ist der virde adir fumffte tag ym hornunge!?), die Bischof Laureutius in Uebersetzung dem Herzog Albrecht mit- theilt (undat. Schreiben WA. Böhm. S. K. IV Bl. 159), spricht sich sehr missbilligend über die Verhandlungen angeblicher Sendboten des Königs Kasimir mit dem Ketzer Georg aus.

'*■') 1471 Jan. 1.3; das Schreiben der Landesherren ist daher wohl auch in den Anfang 1471 zu setzen. Cod. dipl. Sax. reg. IL S, 19.3 (Anm.). In denselben Zusammenhang gehört auch ein Schreiben des Kurfürsten Ernst (?), wahrscheinlich ebenfalls an den Bischof zu Meissen, von 1471 Jan. 7, in welchem diesem befohlen wird, auch das wegen dos Handels seiner Zeit erlassene Indult zur Verhütung weiterer Irrungen in den Grenzorten nochmals verkündigen zu lassen, da der Oflicial dasselbe vielfach unberücksichtigt gelassen habe, was „faste Aufruhr und Irrniss unter den unseren und anderen" zur Folge gehabt. WA. Keligionssachen Bl. 140.

'='*) Bischof Rudolf an Ernst und Albrecht d. d. 1471 Jan. 29. Ebendas. 141. lieber die Beschwerden, welche die Thätigkeit des Bruders Jacobus veranlasste, vergl. ein Schreiben desselben d. d, 1471 April 4 ebendaselbst 142.

46 Hubert Ermisch:

willen der curialen Partei in einem Briefe des ßiscliofs Laurentius von Ferrara an Herzog Albrecht, der etwa in den Februar 1471 geboren mag, aus. '^*J

Auf dem Landtage, der Mitte Februar 1471 zu Prag stattfand und auf welchem bekanntlich auch Matthias eine Annäherung an Georg versuchte, erschienen der polnische Kanzler Jacob von Dambno und der Abt des Benedictiner- klosters zum h. Kreuz (bei Sendomir), Michael, um die Ver- handlungen zwisclien Georg und Kasimir zum Abschluss zu bringen.'^*') Ihren Rückweg nahmen sie durch Meissen.'^') Als sie in Zwickau anlangten, mussten sie erfahren, dass trotz aller Noth, die der Krieg über das Land gebracht, der Fanatismus im Volke doch noch fortglimmte und nur eines Anlasses bedurfte, um wieder aufzulodern. In Folge der Aufreizungen des Pfarrers fand ein förmlicher Auf- stand gegen die polnischen Gesandten statt, der ihnen Anlass zu einem in sehr derbem Tone g^ehaltenen Schrei- ben an den Landrentmeister Hans von Mergental und an den Rath zu Zwickau gab. '^*) Die Herzöge, denen der Zwischenfall höchst unangenehm war, ordneten die Fest- nahme des Pfarrers und der Schuldigen an. *^^)

Im übrigen aber zeigten sie sich den polnischen Herren gegenüber weniger zuvorkommend, als im Jahre vorher der Fall gewesen sein mag, sei es, weil die da- maligen Verhandlungen ihren Erwartungen nicht ent- sprochen hatten, sei es, weil der Plan, die Krone Böh- mens für das Haus Wettin zu erwerben, schon festeren Fuss gefasst hatte; vielleicht auch mit Rücksicht auf die entschieden missbilligende Haltung der Curie. König Kasi- mir beabsichtigte bereits seit längerer Zeit, eine Gesandt- schaft'^") nach Rom zu senden, einmal, um eine Entschei- dung der böhmischen Angelegenheiten im polnischen In- teresse anzubaluien, dann, um endlich die noch immer nicht ertheilte päpstliche Bestätigung des mit dem deutschen Orden zu Thorn am 19. October 1466 geschlossenen Friedens

'") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 159, theilweise gedruckt bei Jordan 452.

'") Palacky IV, 2, 655 fg.

'*') Vergl. ein Schreiben von Ernst und Albrecht an ßenesch von der Weitmühl 1471 Febr. 23. WA. Böhm. S. K. II Bl. 63.

•»«) 1471 März 3. WA. Böhm. S. K. IV Bl. 161c; theilweise ge- druckt bei Jordan 456.

'") WA. Böhm. S. K. IV Bl. 317. 318.

'*") Von dieser Gesandtschaft ist schon in Leubings oben Anm. 120 erwähnter Instruction (WA. Poln. S. Bl. 98) die Kede.

Studien zur Gesch. der sächs.-böhm. Beziehungen 1468—71. 47

zu erwirken. Der Kanzler Jacob von Dambno hatte den Auftrag, auf der Rückreise von Prag empfehlende Sclu'eiben für diese Gesandtschaft von den sächsischen Herzögen, dem Herzoge Ludwig von Bayern und dem Kurfürsten Albrecht von Brandenburg zu erwirken. Die Herzöge hatten Hermann von Weissenbach beauftragt, über die Sache mit den Polen zu verhandeln; sein Bericht vom 6. März 1471 liegt uns vor. Der polnische Kanzler warf den Herzögen vor, sie hätten schon im vorigen Sommer versprochen, ein Schreiben an den Papst wegen des preus- sischen Friedens zu richten, und ersuchte dringend um Aus- stellung desselben, da der Kaiser, Herzog Ludwig, Kurfürst Albrecht und andere Fürsten ebenfalls schreiben würden. Allein Weissenbach antwortete, dass Ernst und Albrecht nur unter Vorbehalt der Einwilligung der übrigen Kur- fürsten dies zugesagt hätten. Darauf bat der Kanzler, der fortwährend betheuerte, dass sein Wunsch nur Freundschaft zwischen dem Könige von Polen und den sächsischen Her- zögen sei, einstweilen den gewünschten Brief nach einem von ihm vorgelegten Formulare auszustellen; er wolle ihn dann nach Landshut an Herzog Ludwig schicken und, falls dieser ebenso zu schreiben bereit sei, dem Könige überreichen, wenn nicht, ihn zurückgeben, dem Könige aber die Bereitwilligkeit der Herzöse rühmen. Es sieht dies aus wie eine ziemlich plump angelegte Falle. Weissen- bach versprach, die Sache an seine Herren gelangen zu lassen. Dem Dr. Martin Mayr in Landshut aber theilte er das Begehren der Polen und zugleich die Absicht seiner Herren mit, sich bei der Curie nur für die Beilegung des böhmischen Krieges, nicht aber für die Bestätigung des preussisch- polnischen Friedens zu verwenden, und bat ihn, den Herzog Ludwig zu einer entsprechenden Ant- wort zu bestimmen. ^^*)

Die polnischen Vermittlungsversuche haben, so viel uns bekannt, keinen Erfolg gehabt. Auch Ernst und Albrecht sandten nochmals eine Gesandtschaft nach Rom, um die Versöhnung zwischen Georg und der Kirche an- zubahnen. Sie langte um den 20. März 1471 in der hei- ligen Stadt an; es war ein Zeichen der Zeit, dass sie nicht so schroffe Abweisung fand als die früheren. *^*) Viel-

»»') WA. Poln. Sachen Bl. 4—6.

'") Relatio de legatione Saxonica versus Romam in causa Bo- hemica bei Rainald a. a. 1471 und Müller, Reichstagstheatrum II, i31 fgg.

48 Hubert Ermisch:

leicht wäre doch schliesslich den sächsischen Sendboten das gelungen, woran man seit vielen Jahren vergeblich gearbeitet, da übernahm es eine höhere Macht, die böhmischen Wirren zu lösen. Noch verhandelte man in Rom über Vergleichspunkte, als die Botschaft eintraf, dass am 22. März 1472 König Georg Podiebrad gestorben sei; unbesiegt und ungebrochen, wenn auch freilich tief ge- beugt. Die Vorsehung hatte es gewollt, dass er die Lösung des Zwiespalts, der sein Verhängnis war, nicht erleben, vielleicht, dass er nicht nochmals die Unmöglich- keit dieser Lösung schwer empfinden sollte.

Das Haus Wettin hat an ihm bis zum letzten Augen- blicke mit einer Treue festgehalten, wie kein anderes unter den deutschen Fürstenhäusern. Wenn auch Ernst und namentlich Albrecht dem Könige ganz besonders nahe standen, so hat doch auch Herzog Wilhelm, so viel Diffe- renzen es sonst zwischen ihm und den Neffen gab , in dieser Beziehuno; im wesentlichen eine o-leiche Politik verfolgt: wenige Wochen vor dem Tode des Königs, in den letzten Februartagen 1471, fand die Vermählung seiner Tochter Katharina mit dem jüngeren Sohne Greorgs, Hinko, statt. ^^'), Die Fortsetzung dieser Politik über Georgs Tod hinaus zeigt sich in Albrechts Bewerbung um die böhmische Krone, in dem noch lange bemerkbaren Gegensatze der wettinischen Fürsten gegen König Matthias und die Curie, in dem Schutze, den Gregor Heimburg, die Seele der Politik des Königs Georg, in Meissen fand, und in anderen Momenten, deren weitere Verfolgung wir uns versagen müssen.

Zu einem thatkräftio'en Eintreten für den Böhmen- könig ist es freilich nicht gekommen und konnte es nicht kommen. Wenn ein neuerer Historiker ^^*) ein hartes Ver- dammungsurtheil über die „Neutralität deutscher Ge- sinnungsschwäche" ausspricht, die abwarten musste, „was die grosse Politik verhängen würde", und ihr die Ver- antwortung dafür aufbürdet, „dass alles, was sich in nächster Folge begab, dem deutschen Namen zu Schande und Gefahr gereichte", so ist dies Urtheil schwerlich ge- recht. Eine „entschlossene Parteinahme für den Böhmeu-

'**) Vergl. das Schreiben Johanns von Krumau an Laurentius von Ferrara d. d. 1471 März 12 bei Palacky, Urk. Beitr. 646, nnd Heinrichs von Miinsterberg an Markgrat' Albrecht d. d. 1471 Februar 27 bei Bachmann, Urkk. und Akten. 510.

'") Jordan, Das Konigthum Georgs von Podebrad 297.

Studien zur Gesell, der sächs.-böhm. Beziehungen 1468 71. 49

könig", eine „energische Vermittlung mit dem Schwerte in der Hand" hätte zu jener Zeit ohne Frage die Gefahr eines allgemeinen Krieges heraufbeschworen, der das Haus Wettin in die gefährlichste Lage gebracht haben würde.

So macht denn die sächsisch-böhmische Politik während der Jahre 1464 71 in der Hauptsache den Eindruck eines behutsamen Lavierens zwischen unversöhnlich sich gegen- über stehenden Kräften; sie kommt eben deswegen nicht zu klaren Resultaten, und dies giebt ihr etwas Unfertiges und Unbefriedigendes, Aber einmal dürfen wir nicht vergessen, dass ein unsicheres Tasten im allgemeinen Cha- rakter des fünfzehnten Jahrhunderts, wie wohl jeder Ueber- gangszeit, liegt; und ferner müssen wir zugeben, dass ein abschliessendes Urtheil über die von uns behandelten Jahre erst dann möglich sein wird, wenn die gesammte politische Geschichte des Hauses Wettin während des spä- tem Mittelalters, die noch sehr viel Räthsel zu lösen giebt, eine gründliche und allseitige Durchforschung erfahren haben wird. Für diese Arbeit, an die wir über kurz oder lang herantreten zu können hoffen, sollen unsere Studien nur eine bescheidene Vorbereitung bilden.

Neues Archiv f. S. 3. u. A. II. 1.

n.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz während des Mittelalters.

Von

Hermann Knothe.

Den Anschauungen der mittelalterliclien Kirche zu- folge war bekanntlich jedes Ausleihen von Geld um Zins als sündhafter Wucher allen Christgläubigen verboten. Fürsten und Herren verschafften sich daher Geld durch Verpfändung von grösseren oder kleineren Gütei-n sanimt allen darauf haftenden Rechten und Einkünften, kleinere Grundbesitzer durch sogenannte Zinsverkäufe auf Wieder- kauf, d. h. durch Ueberlassung einer Anzahl von erb- unterthänigen Bauern sammt den von diesen an den Erb- herrn zu entrichtenden Renten und Diensten, wofür von den nunmehrigen Gläubigern gewöhnlich der acht- bis zehnfache Betrag der an sie abgetretenen Rente ausge- zahlt wurde. Bei wem aber sollte der Kaufmann, der Handwerker, der verarmte Edelmann in dringender Noth borgen? Wesentlich für diese Stände wurden die Juden ein dringendes Bedürfnis in allen irgend grösseren Städten. Den Juden verbot ihr Gesetz nicht, Geld auf Wucher auszuleihen; sie liehen auch nicht bloss auf Grundbesitz, sondern auf jedes beliebige Pfand, ja selbst auf einfachen Schuldschein und die Siegel hinlänglicher Bürgen. Des- halb erbaten sich die meisten grösseren Städte von dem

Hermann Knothe: Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 51

Kaiser oder von den Landesherren, wenn diese bereits im Besitz des „Judenschutzes" waren, die Vergünstigung, eine Anzahl Juden aufnehmen oder „halten" zu dürfen. Diese hatten alsdann entweder blos an den Landesherrn oder ausserdem auch noch an die Stadtkasse ein jähr- liches Schutzgeld (..Judenzins") zu zahlen, wofür sie von dem Rath gegen jedermann, besonders aber vor Gericht in ihren Rechtshändeln gegen säumige Schuldner geschützt wurden. Giern kamen in solchem Falle aus irgend einer benachbarten grösseren Stadt so viel Juden mit ihren Familien, als man begehrte. Gern unterwarfen sie sich der drückenden Bestimmung, dass sie in der Regel nur auf die Frist von einigen Jahren und niemals als Bürger, sondern nur als des Kaisers oder des Landesherrn „Kammer- knechte" aufgenommen wurden. Gern begnügten sie sich mit unscheinbaren Wohnungen in irgend einer engen Gasse, die nun nach ihnen, meist bis auf den heutigen Tag, „Jüdengasse" hiess. Denn dafür versprach ihnen das Monopol des Geldgeschäfts binnen kürzester Zeit grossen Gewinn. Auch an den neuen Aufenthaltsort nah- men sie mit den Glauben ihrer Väter, ihre religiösen Ge- bräuche, ihre häuslichen Sitten. Der schnell erworbene Reichthum gestattete ihnen alsbald, eine eigene Synagoge oder „Judenschule" zu begründen und einen besonderen Judenkirchhof anzulegen. So bildete sich bald mitten in der christlichen Stadt eine eigene, strenggesonderte jüdische Gemeinde mit eigenen Vorstehern und eigenem Recht wenigstens in ihren Beziehungen unter einander.

Allein eben dieser wesentlich auf Kosten der Bürger- schaft gewonnene Reichthum erregte alsbald den Neid der- selben Bürger, welche sie erst herbeigewünscht hatten. Der hohe Zinsfuss, zu welchem sie Geld ausliehen, brachte häufig den Schuldner, Bürger wie Edelmann, sammt deren Bür- gen um Hab und Gut. Bis zum Verfalltag des ausge- stellten Scheines begnügte sich zwar der jüdische Gläu- biger meist mit 20 Procent; aber wenn ihm da nicht Zahlung ward, so trat nun der Wucherzins ein, nämlich gewöhnlich von jeder Mark (zu 48 Groschen) wöchentlich 'I2 Groschen, d. h. 54% Procent'), ja von dem Schock (zu 60 Groschen) wöchentlich 1 Groschen, d. h. 86% Pi'o- cent. Der Rath musste, wenn auch mit Unlust, zu gunsten

•) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden, im Archiv für Kunde Österreich. Gesch. -Quellen XXXI, 81.

4*

52 Hermann Knothe :

der Juden Pfändung und Subhastation vollstrecken. Den Handwerker und Arbeiter erbitterte das mühelose Reicli- werden der Juden ohne äusserlich anstrengende Arbeit. Der fremde Glaube und die zäh beibehaltene Eigenart des fremden Stammes verhinderte jede Verschmelzung. Schürten nun irgend fanatische Geistliche den Glaubens- hass, riefen elementare Ereignisse oder gar ein „grosses Sterinen" den Aberglauben wach, dann wurde sicher auch der alte Verdacht gegen die Juden wegen Missbrauchs mit geweihten Hostien und mit dem Blute von Christenknaben aufs neue verbreitet. So erfolgte dann fast jedesmal eine Judenverfolgung, welche, meist von dem niederen Volke ausgehend, von den städtischen wie den landesherrlichen Behörden kaum gehindert, oftmals unterstützt ward. Denn die hinterlassene Habe der vertriebenen oder gar erschla- genen Juden fiel an diese Behörden und ward zwischen beiden getheilt.

Und dennoch machte sich binnen kurzem wieder das Bedürfnis fühlbar, Capital auch ohne hypothekarische Sicherheit aufnehmen zu können. So wurden aufs neue Juden herbeigerufen. Sie kamen, aber nur um alsbald selbst wieder ähnliches zu erfahren und zu erleiden.

Wir haben geglaubt, die Geschichte der Juden, wie sie sich während des Mittelalters in fast allen Ländern und grösseren Städten abgespielt, in kürzesten Umrissen vorausschicken zu sollen, ehe wir versuchen, dasjenige zusammenzustellen, was sich an zuverlässigen Nachrichten über die Juden in der Oberlausitz w^ährend des Mittel- alters noch auffinden lässt. Auch hier wiederholte sich genau der so eben geschilderte Verlauf, nur, so viel wir wenigstens haben ermitteln können, nicht auch der Judenmord.

Unsere Nachrichten sind in Betreff der meisten ober- lausitzischen Städte sehr dürftig'^). In wenigen gehen Stadtbücher imd Stadtrechnungen zurück bis ins vier- zehnte Jahrhundert. Und selbst dann sind die betreffen- den Rathsbeschlüsse niemals verzeichnet. Ueberall sind es vielmehr nur gelegentliche Notizen und einige landes- herrliche Erlasse, welche aber immerhin einmal zusammen-

=•) M. Wiener, Kegesten zur Gesch. der Juden in Deutschland ■während des Mittelalters (Hannover 1862), bringt in dem ersten Theile seines "Werkes keinß oberlausitz. Urkunden. Auch Otto Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters (Braunschweig 1866), scheint dieselben nicht zu kennen.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 53

gestellt zu werden verdienen. Nur von Görlitz ist es möglich, ein einigermassen anschauliches Bild von dem Leben und Treiben sowie von den wechselnden Geschicken der Juden, zumal während des vierzehnten Jahrhunderts^ zu entwerfen. "Wir behandeln daher absichtlich diese Stadt zuletzt.

Es müsste Wunder nehmen, wenn in Bautzen, der alten Hauptstadt der Oberlausitz, um welche herum in weitem Kreise der älteste, zahlreichste und zum guten Theil zugleich ärmste Adel des Landes wohnte, sich nicht aucli einmal Juden auf längere oder kürzere Zeit sollten niedergelassen haben. Freilich war Bautzen keine Handels- stadt im eigentlichen Sinne, ausgenommen den Handel mit Tuch, Getreide und sonstigen Feldfrüchten. Dennoch be- richten die Lokalhistoriker nichts Thatsächliches '^) von einst dort wohnenden Juden. Auch alle diejenigen hand- schriftlichen Chroniken von Bautzen, die wir zu diesem Zwecke durchgegangen haben, schweigen. Und dennoch haben auch hier in der That Avährend der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts Juden gewohnt. Von 1356 bis 1359 wird in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach ein Jude „Jacob de Budcssin" erwähnt^), der diesen Bei- namen nicht führen konnte, wenn er nicht von Bautzen nach Breslau übergesiedelt wäre. Und in der That soll die jetzige Häringsgasse früher „Jüdengasse" geheissen haben*).

In Zittau setzt die lokale Sasje die Anwesenheit von Juden schon in die Zeit voi-' der Aussetzung des einstigen Dorfes Zittau zur Stadt, wozu eine wahrscheinlich falsch gelesene Jahreszahl (1250) an einem später zu erwälmen-

*) Wilke, Chronik der Stadt Budissin 25, sagt zwar, die An- zahl der dasigen Juden müsse gross gewesen sein , denn „auf eine Beschwerde, die von der Bürgerschaft wegen des Wuchers bei dem König "Wenzel geführt wurde, erlicss der König die Verordnung, dass alle Wucherer die Pfänder ohne Zinsen herausgeben sollten". Allein Wilke fügt weder irgend einen Nachweis, woher er diese Nachricht genommen, noch auch das Jalir der vermeintlichen Ver- ordnung bei. Da nun die „Oberlausitzer Urkunden-Sammlung" (Mspt. Görlitz) und ebenso das gedruckte „Oberlausitzer Urk. -Verzeichnis" aus der ganzen Kegierungszeit Wenzels eine solche oder ähnliche Verordnung nicht aufführt, so können wir jener Angabe Wilkes keinen Werth beimessen.

*) L. Oelsner, Schlesische Urkunden zur Gesch. der Juden im Archiv für Kunde Österreich. Gescli.-Qiiellen XXXI, 111. 120. 127.

*) Wilke 22.340. .336, Andere meinen, die Vorstadt Seidau, wendisch Zidow, habe ihren Namen von den einst dort wohnenden Juden erhalten.

54 Hermann Knothe:

den Hause Anlass gegeben haben mag. Zu der Zeit, wo der Stadtsclu'eiber Johann von Guben seine ältesten Jahr- bücher von Zittau schrieb (1363 81), gab es daselbst eine „Judenburg"®), welche nach einem nicht mehr vor- handenen Stadtbuche von 1395 ') „in der Badergasse", einer engen, vom Markt südlich gegen die Mandau hin führen- den Gasse, gelegen haben soll. Noch einmal wird 1399 ebendaselbst ein Haus bezeichnet *) als „gelegen in der Mandau, benieden der Judenburg". Dies sind nach Carpzov, dem gewissenhaften Historiker und Stadtschrei- ber, der die seitdem verbrannten Stadtbücher alle benutzt hatte, die einzigen Spuren davon, dass es bereits im vier- zehnten Jahrhundert zu Zittau Juden gegeben hat®). Wann und weshalb sie fortgekommen, weiss er nicht, und auch spätere Forschungen haben zu keinerlei Resultaten geführt. Wohl aber berichtet Carpzov '") genaueres über einen zweiten Aufenthalt von Juden im fünfzehnten Jahr- hundert. Im Jahre 1424 nahm der Ratli „auf Geheiss Kaiser Sigismmidi mit Willen und Wissen der Hand- werkmeister und ganzer Gemeinde" den Juden Smoyl aus Löwenberg in Schlesien sammt seinem Sohne Jonas und seinem Schwiegersohne Caiphas „mit ihren Weibern, Kindern, Dienern, Dienerinnen, Schulmeistern und Glöck- nern" auf und vergönnte ihnen, zunächst auf 7 Jahre, hier zu wohnen. Dafür mussten sie jährlich ein Schutz- geld von 40 Mark polnischer Zald erlegen, wogegen sie „alle gute Gewohnheiten, die sie im Fürstenthum zu Schweidnitz und Jauer vormals gehabt", geniessen sollten. Auch von König Wenzel und später von Kaiser Siegmund ihnen speciell ertheilte Schutz- und Freibriefe brachten

") N. Script, rer. Lusat. I. 3 : Ottackerus, eyn konig zcu Beme sacz vz dese stat vnd hatte nicht verrer vmme gereten, wen als di gasse wendt hindir der cruczeger hovfe czu dem webirthore vnd von dem webirthore bis her czu der Judenhorg^ gerichte czu der clobin gasse etc.

') Carpzov, Analecta I, 25.

«) Ebendas. IV, 167.

•) Die allerdings nur chronikalische Angabe, dass der könig- lich böhmische Landvogt über das Weichbild Zittau unter anderen Revenuen auch „in der Stadt den Judenzoll gehabt" habe (Carpzov, Anal. I, 155), hat an sich viel Wahrscheinlichkeit für sich; nur wird in den Urkunden über die Verpachtung dieser Landvogtei an die Stadt Zittau von 1366—1405, in denen alle die Einkünfte derselben, darunter auch andere Zölle, aufgezählt werden, ein solcher Juden- zoll nirgends erwähnt. Carpzov, Anal. II, 251 fgg.

">) Anal. IV, 168.

Zur Geschichte der Jutleu iu der Oberlausitz. 55

sie vor, und so stellte ihnen der Rath unter dem grösseren Stadtsiegel ein (nicht mehr vorhandenes) Dokument aus, welches für beide Theile die Einzelbestimmungen des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages enthielt. Dies war also thatsächlich die Einwanderung einer ganzen Juden- colonie, bestehend zwar nur aus drei Familien, aber gewiss aus ziemlich vielen Köpfen. Die Erwähnung von „Schul- meistern und Glöcknern" (d. h. Synagogendienern) deutet darauf, dass die Errichtung einer besonderen Synagoge von vorn herein von ihnen beabsichtigt gewesen sei. Nun bezeichnet die lokale Tradition mit Bestimmtheit einen nachmaligen Bierhof (nach einander den Familien ßandig. Hübner; Weise gehörig, Katasternummer 239) in der Jüdengasse" als die ehemalige Synagoge. Und in der That soll in diesem wie in einem anderen Hause derselben Gasse der Bau zumal der Fenster noch jetzt auf eliemalige jüdische Einrichtungen schliessen lassen. Demzufolge dürften sich jene Juden 1424 hier angebaut und erst hierdurch die „Jüdengasse" ihren Namen erhalten haben. Der Jude Smoyl kam übrigens bald darauf der Stadt ziemlich theuer zu stehen. Er hatte unter anderem mit Herrn Jan von Wartenberg auf Dewin (bei Warten- berg in Böhmen) Geldgeschäfte gehabt. Wahrscheinlich zahlte letzterer weder Zins noch Capital. Da Hess ihm 1426 der Jude „sein Gewand mit Rechte verhindern"*'), d. h. von ihm in Zittau erkaufte Tuche durch den Rath mit Beschlag belegen. Jan von Wartenberg rächte sich dafür an der Stadt selbst. Er fiel (28. August) 400 Pferde stark in deren Dörfer ein, raubte Schafe, Kühe und Pferde und trieb den Raub zurück, seiner Burg zu. Allein die Zittauer Bürger kamen, obgleich nur zu Fuss, den böh- mischen Räubern zuvor, überfielen sie im Spittelholz und nahmen ihnen den gesammten Raub wieder ab. Der Ver- trag mit Smoyl scheint nach Ablauf der 7 Jahre erneuert worden zu sein. Noch 1434''^) Hess Kaiser Siegmund von ihm und seinem Sohne Lazarus 96 fl. ungarisch imd 400 fl. rheinisch als eine Strafe, die sie „verwirkt", den Cölestinern auf dem Oybin auszahlen zu Baugeldern. Wie lange die Juden noch in Zittau geblieben, weiss man nicht. Der Umstand, dass nach ihrem Abzüge das Haus mit der ehemaligen Synagoge „in eine bürgerliche

") N. Script, rer. Las. I, 60.

'») Pescheck, Gesch. der Cölestiner des Oybins (1840) 60.

Hermami Knothe:

Wohnung" verwandelt und über der Hausthüre ein Bild mit der Kreuzigung Christi gemalt wurde '^); scheint doch auf den üblichen Glaubenshass gegen die Juden hinzudeuten. Die früher ebenfalls über dieser Thür an- gebracht gewesene Jahrzahl dürfte statt 1250 vielmehr 1450 gelautet und sich auf den Umbau des Hauses be- zogen haben.

Hinsichtlich des Aufenthaltes von Juden in Laub an liegen zwei sehr sicher auftretende Aufgaben vor. Der einen zufolge ^*) habe Markgraf Otto von der Lausitz und Brandenburg im Jahre 1294 den Laubanern die Ober- gerichtsbarkeit in ihrem Weichbild bewilligt und die Er- laubnis gegeben, zwei Juden mit gleichen Abgaben und Dienstlasten, wie sie selbst, zu halten. Allein dieser Otto der Lange konnte 1294 noch nicht Markgraf der (Nieder-) Lausitz heissen, da dieselbe erst 1308 von den Branden- burgern erwoi-ben ward; die Behauptung von der zugleich verliehenen Obergerichtsbarkeit im VVeichbilde erweist sich als unrichtig^*); eine völlige Gleichstellung der Juden mit den Bürgern hinsichtlich der städtischen Leistungen erscheint im höchsten Grade unwahrscheinlich, und end- lich die Quelle, auf welche die ganze Angabe zurückge- führt wird, nämlich Hosemann, gräcisiert Knemiander, der berüchtigte Laubaner „Lügenhistoriker'*, raubt derselben jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Eine zweite Nach- richt meldet ^'^), am ersten Osterfeiertage 1390 sei in Lau- ban ein Priester, der mit der Monstranz zu einem Kranken sich begeben, „bei der Judengasse" mit Steinen geworfen worden, so dass die Hostie zur Erde gefallen. Darauf seien die Christen auf die Juden losgestürmt, hätten viele davon erschlagen und deren Güter eingezogen. Obgleich diese Erzählung dem Ausbruche von Judenverfolgungen in anderen Städten auf das Haar gleicht, würden wir ihr vielleicht doch einioen Glauben schenken, wenn zu Lauban

'*) Carpzov, Anal. I, 2.5.

") Maiilius bei Hoffmaini, Scriptor. rer. Lus. I, 277: Anno 1294, refereute Cneniiandro, Otto marcbio Lusatiae et Brandepurgi Laubanensibus jurisdictionem superiorem in ipsorum territorio con- cessit, et ut binos Judaeos paribiis secum censibus ac oneribus habitautes retiuere ipsis liceret, indulsit. Ihm nach: Wiessner in seinen Laubaner Stadtannalen (Mspt.). Grosser, Merkw. I, 40. Carpzov, Ehreut. I, 40. Urk.-Verz. I, 18. Worbs im Lausitz. Mag. 18S0. 485. Schelz, Gesammtgesch. 175 u. s. w.

'*) Vergl. Knothe, ßechtsgesch. der Oberlausitz 42 fg.

'*) Gründer, Chronik von Lauban 141.

Zur Geschichte der Juden ia der Oberlausitz. 57

sonst irgendwo eine „Judengasse" erwähnt und das Vor- handensein von Juden sonst irgend urkundlich bestätigt wäre.

Wir glauben daher, dass es in Lauban ebensowenig als in Karaenz und Löbau '') jemals Juden gegeben hat.

Wühl aber scheint in dem Städtchen Reichenbach mindestens ein Jude gehalten worden zu sein. Als, wie später zu erzählen sein wird, die Görlitzer 1389 ihre Juden vertrieben hatten, schickten sie häufig Boten „nach Reichenbach wegen der Juden". Ihr Herzog, Johann von Görlitz, hatte ihnen nämlich zugestanden, dass fortan im ganzen Lande Görlitz kein Jude mehr solle wohnen dürfen. Es galt daher wahrscheinlich, jetzt auch Hans von Gersdorff, den damaligen Besitzer von Reichenbach ^^), zu vermögen, dass er seinen Juden ausweise. Gleichzeitig sendeten die Görlitzer aber auch sehr häufig Boten an die Herzogin Agnes von Schweidnitz, welche den Juden günstig gesinnt war, und aus deren Städten die meisten Juden nach der Oberlausitz gekommen waren. Bei solcher Gelegenheit heisst es das eine Mal, es sei zu ihr gesendet worden „wegen Ydam (Adam ?), Juden in Reichenbach" '**).

Ausführlichere Nachrichten haben wir, wie schon er- wähnt, über die Juden in Görlitz^"). Alte Privilegien über den Waidhandel und den Strassenzug machten das- selbe zum Haupthandelsplatze der gesammten Oberlausitz. Kein Wunder, dass sich aus dem benachbarten Schlesien frühzeitig auch Juden dahin gewendet hatten. Es nuiss dies bereits unter den Brandenburger Herrschern aus dem Hause Askanien geschehen sein; denn das mit dem Jahr 1305 beginnende älteste Stadtbuch ^^) erwähnt schon vor 1307 (Bl. 4) eini'. „Judengasse", später (1338 und öfter)

") Das Wahrzeichen von Ijöbau, ein Judenkopf an der Stadt- uhr, der sidi bei jedem Glockensclilaije üft'net und wieder schliesst, ist ein häufig vorkommender Ausdruck mittelalterlichen Volkshumors.

") Knothe, Gesch. des Oberlausitzer Adels l'Jl.

'") Nach den Görlitzor Kathsrechnungen, Mspt.

-") Eigenthümlicher Weise sclieint die Geschiclite der Juden in Görlitz noch niemals im Zusammenhange behandelt worden zu sein. Der „Görlitzer Wegweiser" ]8o2. .S22 fg. bringt nur wenige dürftige Thatsachou im wesentlichen nach Grosser, Merkw. I, 97; Naumann, Gesch. von Görlitz 1 11 fg. allerdings mehr, aber der An- lage des Buches zufolge luu- bei Gelegenheit der Geschichte Herzog Johanns von Görlitz. Nach einer etwaigen Monographie aus älterer oder neuerer Zeit haben wir vergeblich geforscht.

*') Mspt., jetzt auf der Miliclfscheu liibliotliek.

58 Hermann Knothe:

eine Synagoge oder „Judenschule"; desgleiclien (1335 Bl. 31) einen Judenkirchhof ", gelegen „in der Kalowe". Aber auch ausserhalb der Judengasse besassen die Juden Häuser oder Höfe und zwar als Erbe, so z. B. (1345) in der „Oelschlägergasse", desgleichen in der „Kniegasse", wo (vor 1327) „Katharine, Johannes des Juden Tochter", ein Haus aufgab Heinrich Salczhuter'n „zu einem rechten Erbe". Sie durften also von Christen beliebig Häuser erwerben, nur dass sie von denselben einen besonderen Zins an die Stadtkasse zu erlegen hatten. „Die Juden habbent gecoyft Otten Buteners Hof und sullen davon den burgern cinsen drizig phenninge alle jar. Shymon Jude vnd Hanna judinne haut gecoyft kegen Merkele einen Hof, davon sullen sie geben den burgern vünf Schillinge cinses" (Bl. 9, circa 1309). Käufe und Ver- käufe liegender Gründe wurden auch von den Juden, ebenso Avie von den Christen abgeschlossen „in gehegtem Ding", „an rechter Dingstatt" oder „coram judicio item coram judeorum bannito" und dann eingetragen in das allgemeine Stadtbuch *^). Als 1329*^) Herzog Heinrich

^^) In der vollständigen Abschrift des „Magdeburger Rechts", welches die Schoppen von Magdeburg der Stadt Görlitz 1304 zu- kommen Hessen, handelt § 118 (nach dem Abdruck in Tzschoppe und Stenzel, Urk.-Samml. 473) : „Von des Juden Gewere. Der Jude en muz des Cristenen mannes gewere nicht sie, her en wolle danne ant- worten in Cristenes mannes stat. Sleit der Jude einen Cristenen man tot oder tut her ungerichte an im, da her mite begriffen wirt, man richtet ubir en, als ubir einen Cristenen man. Sleit ouch ein kristenen man einen Juden, man richtet ubir en durch des konigs vride, den her an im gebrochen hat oder tut her ungerichte an im." Ein „Judeneid" und zwar der sogenannte Erfurter Eid (Otto Stobbe, Die Juden in Deutschi. 157) auf dem Vorsetzblatte eines Görlitzer Rechtsbuches (N. Script, rer. Lus. I, Vorwort XXXV) lautet und zwar in abweichender Fassung: „Das man dich suldich, des bistu vnsuldihc; daz dir got zo helfi, der himel vnde erdi giswf vnde loub vnde gras, vnde als dir ginad adonay vnde seni ginedichi got- heit, vnde als du di ee nimmir mvzis bihaldin, di got gap moizi vf dem bergi zv sinay an der stenin tafilin. Op du nicht reht vnde war habis, zo mvizi dich ani gen das vreisliche gisvcti, daz gezi ane ginch, do her dv gabi von naaman vntphinc ; ap dv niht rechti vnde wäre habis, zv mvzi dich dv erdi wirslindin vnde das fwr virbrennen, daz datan vnde abiron verbranti vnd ir mani. Daz swerstu vffe dem fünf buchin moizi bi dem abraham, ysanc vnde yacop." Wir dürfen wohl annehmen, dass sowohl jene Bestimmungen des Magdeburger Rechts, als dieser Judeneid auch zu Görlitz in Anwendung waren.

^*) Köhler, Cod. dipl. Lus. sup. 280. Et ne quis presumat tutele Judeorum Gorlitczensium, quos civibus sepedictis gubernandos, regendos et ab injuriis quibuslibet perpetuo defensandos nostro,

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 59

von Jauer das Land Görlitz an König Jolianu von Böli- men abtrat, bestätigte dieser der Stadt Görlitz ihre bis- herigen Rechte und Privilegien, darunter auch das, „die Görlitzer Juden zu regieren und vor jedem Unrecht zu beschützen".

Auch über die Natur der von den Görlitzer Juden damals vorzus-sweise betriebeneu Geschäfte erhalten wir mancherlei Kunde. 1323^*) hatten mehrere Adlige die Güter des Klosters Marienstern auf dem Eigen beraubt und zwar aus den Ortschaften Bernstadt, Schönau und Kiessdorf Pferde und Vieh fortgetrieben nach Görlitz und bei den dortigen Juden „Johannes, dem Schwiegersohne von Jakob, Johannes, dem Schwiegersohne von Salomon und dem kleinen Jakob" versetzt. Infolge dessen erliess der Executor der Concilbeschlüsse für das Bisthum Meissen an sämmtliche oberlausitzische Geistliche den Befehl, nicht bloss die Räuber selbst, sondern auch jene Juden den cano- nischen Satzungen gemäss zu admonier^n, dass sie den Raub binnen vierzehn Tagen dem Kloster zurückerstatten soll- ten, widrigenfalls allen Christen jeder Verkehr mit jenen Juden bei Excommunication verboten werden würde. 1343 '^^) zahlten die Brüder Jan und Otto von GersdorfF auf Radmeritz einem Görlitzer Juden Daniel vor Gericht Geld ratenweise ab. Diese selben Brüder hatten aber auch noch von dem Görlitzer Juden Jeckil 80 Schock Groschen erborgt, welche dieser ihnen, wie er sagte, von dem Liegnitzer Juden Hannus verschafft hatte, und zwar »jedes Schock um einen Groschen die Woche zu Wucher" (d. h. zu SG'/s Procent). Später war eine Abrechnung erfolgt, so dass nur noch 40 Schock verblieben; aber nach einiger Zeit waren dieselben infolge des Wucher- zinses wieder auf 70 Schock angewachsen. Alles dies

heredum et successorum nostrorum nomiüe et vice committimus, cui'am sibi ausu temerario vendicaro. Köhler schreibt freilich (nach einer ganz unzuverlässigen Abschrift in der „Oberlaus. Urk.Saninil.") statt Judeorum ,,judiciorum", was gar nicht in die Construction passt; schon Tzschoppe und Stenzel, Urk.- Samml. 5.31, dagegen richtig: Judeorum. Und so blos und nicht anders kann auch die Abbreviatur in dem allein noch erhaltenen Vidimus von 1424 im liathsarchiv zu Görlitz aufgelöst werden. Das Verbot des Königs gilt den Land- vögten, welche keinerlei Gewalt über die Juden haben sollten.

") Knothe, Gesch. des Eigenschen Kreises 66 fg.

**) Liber vocationum, proscriptionum, actitationum 1342. Mspt. Görl. Blatt 70 b.

ßO Hermann Kiiothe:

bezeugten 1345^®) Richter und Schoppen dem Juden Jeckil auf dessen Ansuchen „mit der Stadt heimlichen Insigel" und trugen es auch in das Ladebuch ein.

N^amentHch liaben wir ausserdem während der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts von Görlitzer Juden noch erwähnt gefunden^") Simon imd Hanna, welche (um 1309) einen Hof kaufen^ von Merkele, Katharine, des Johannes Tochter, welche ein Haus verkauft (vor 1326), Friczko, der an Leo einen Hof abtritt (1338), Isaak, welchem seine Brüder Jeckil und Noah ebenso wie Melach ihre Höfe aufgeben, und der selbst einen Hof an Daniel, einen anderen an Zharnak auflässt (1345, 1346).

Da sehen wir diese, wie es scheint, durchaus fried- lichen und völlig geregelten Verhältnisse der Görlitzer Judenschaft plötzlich aufgelöst. Mittels Urkunde vom 25. Juli 1350^*) schenkte Kaiser Karl IV., der damalige Landesherr, auf Bitten seines Onkels, des Herzogs Wenzel von Liegnitz, dem Apotheker Chunrad in Görlitz und dessen Erben „die Synagoge der Juden zu Görlitz sammt allem Zubehör, welche, wie bekannt, in diesen Tagen an steine, des Kaisers, Kammer rechtmässig zurückgefallen sei", und befahl dem Landvogte, sowie dem Bürgermeister und Rathe, den Apotheker bei dieser Schenkung zu „manu- teniren". Und beim Jahre 1352 enthält das Stadtbuch die Notiz, dass Heincko von Bischofsdorf (d. h. Heinrich von Gersdorff auf Bischdorf) den Judenkirchhof von Hans Wicker gekauft habe. Beides deutet ohne Zweifel auf eine (erste) Vertreibung der Juden aus Görlitz. Sollte die Synagoge, an welcher doch die ganze Jiidengemeinde Antheil hatte, nur durch den mibeerbten Tod irgend eines Juden, als des Kaisers und Landesherrn„Kammerknechtes", an diesen „zurückgefallen" sein? Und auch der Juden- kirchhof gelangte 1352 durch Verkauf schon in die zweite christliche Hand. Die ganze Judengemeinde muss also aufgelöst worden sein. Weshalb imd wie, Avir wissen es nicht (die Stadtrechnungen beginnen erst mit dem Jahre 1376), können es aber wohl vermuthen auf Grund von ähnlichen Vorgängen, die eben damals sich in anderen Städten abspielten.

Eben in jenen Jahren wüthete bekanntlich durch

*«) Ebendas. Bl. 69b. Abgedruckt in Köhler, Cod. Lus. 370. *') Vornehmlich im ältesten Stadtbuch. *') Oberlausitzer Urk.-Verz. I, 57 No. 284.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 61

fast ganz Europa die fürchterliche Pest, „der schwarze Tod". Die fanatischen Geissler predigten Busse, aber zu- gleich auch Vertilgung der Ungläubigen. Fast aller Orten beschuldigte man die Juden der Vergiftung der Brunnen. So begann der Hass des armen Volkes gegen die reichen Juden deren Verfolgung. Die Obrigkeit connivierte und theilte sich mit dem Landesheri'n in deren Güter. So geschah es im Jahre 1349 , um von entfernteren Städten zu schweigen; in Breslau, Guhrau, Brieg, in Eger, in Dresden und Meissen^^). So dürfte es auch in Görlitz hergegangen sein. Die Anwesenheit von Geisslern auch in Görlitz und in Bautzen wird wenigstens bei dem Jahre 1349 von den Chronisten berichtet^"). Ob die Juden in Görlitz bloss vertrieben oder auch erschlagen worden seien, erfahren wir nicht. Wir möchten nur das erstere annehmen. In den Jahren 1351 bis 1359 '^O^ also immittelbar darauf, Averden in den Breslauer Stadtrechnungen mehrfach die Juden Aaron und Arnold von Görlitz, letzterer mit seiner Schwester Ruth und einem Schulmeister (Hauslehrer), er- wähnt, welche noch dazu eine ziemlich hohe Steuer er- legten. Wir vcrmuthen, dass sich dieselben nach ihrer Vertreibung aus Görlitz nach Breslau gewendet haben.

Darauf schweigen die einheimischen Quellen eine lange Zeit gänzlich von Juden zu Görlitz. Und dennoch hatten sich alsbald deren aufs neue dahin gewendet. 1389, wo eine abermalige Verfolgung über sie hereinbrach, lebte daselbst wieder eine respectable Anzahl, gab es wieder eine Synagoge, einen Kirchhof, auch längst schon (1377) eine eigene „Judenbadestube".

Diese zweite Vertreibung galt gar nicht dem Glauben, sondern bloss dem Vermögen der Juden. Sie war wohl vorbereitet und zwar von den sämmtliclien betreffenden Behörden. König Wenzel von Böhmen hatte schon 1385 besonders in den freien Reichsstädten der Judenschaft grosse Summen abgenommen**). Sein Bruder Joliann, seit 1377 Herzog von Görlitz, war nicht minder geldbe- dürftig als er und nicht minder unbedenklich in seinen

*') L. Oelsner, Schles. Urkunden zur Gesch. der Juden im Mittelalter, im Archiv für Kunde Österreich. Gesch.-Quellen XXXI, 7.3 fgg. Pclzel, K. Karl, I, 305. Klemm, Chronik von Dresden I, 7?.. Cod. dipl. Sax. reg. II. 4, 25 vergl. 34.

»») Wilke, Chronik von Budissin 21. Grosser, Merkw. I, 77.

»') L. Oelsner a. ä. 0. 111. 11.3. 120. 127.

") Stobbe, Die Juden in Deutschland 134.

62 Hermann Knothe:

Mitteln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass er sich sowohl mit der Ritterschaft des Weichbildes, als mit dem Rathe der Stadt Görlitz schon im voraus verständigt hatte. Die dasigen Juden mochten ihr Schicksal ahnen und suchten ihre Liegenschaften durch Verzichtleistung an andere so gut als möglich zu sichern. „Sara judinne hat aufgegeben ihr haus, das Smerlin gewest ist, Isag Juden und danach gemeinlich allen Juden zu einer schule erplichen (1388). Jeckil jude hat aufgegeben Peter Stein Grebers garten." Ebenso giebt auch „Smoel jude einen garten" auf (1389).

Da brach zum Osterfeste (18. April) des Jahres 1389 zu Prag eine blutige Judenverfolgung fast unter den Augen König Wenzels aus. Er soll gezürnt haben. In der Woche nach Ostern begaben sich von Görlitz der Bürgermeister Vincenz Eczel, der Rathsherr Jakob Sleife und der Stadtschreiber in Begleitung von Abgeordneten der Ritterschaft nach Prag „propter alienationem Judeo- rum"^^). Das Ergebnis dieser Reise war unzweifelhaft die Urkunde Herzog Johanns vom 30. April 1389**), in welcher er erklärt, die Ritterschaft und Bürgerschaft von Görlitz sei zu ihm gekommen und habe ihm nachgewiesen grosse Schäden, die sie von seinen Juden in diesem Lande merklich gehabt, und habe ihn gebeten, dass er sie fürder von allen Juden befreien möge. Demzufolge begnadigt er die Genannten, „dass von jetzt kein Jude noch Jüdin in seinen Landen und seiner Stadt Görlitz ansässig sein noch Wohnung haben solle in irgend einer Weise". Zu- gleich bestimmte er vier Personen, „um die Güter der Juden in Empfang zu nehmen" *^). Zwei davon, Ticze von Sor (auf Sohra, nordöstlich von Görlitz) und Peschel Schaff (^auf Horka), gehörten der Ritterschaft, jedenfalls die beiden anderen dem Rathe an.

In der Stadt Görlitz herrschte grosse Freude. Man sendete sofort Wagen mit Bier nach Prag an den Herzog und an die Herzogin „pro honore", bald darauf auch Geldgeschenke an den Kanzler, an Otto von Kittlitz, einen anderen Hofbeamten des Herzogs, an Anshelm von Ronow, den Landvogt von Görlitz „wegen verschiedener Förde-

**) Alles Folgende wesentlich nach den Görlitzer Rathsrech- nnngen, Mspt.

»*) Urk.-Verz. I, 127 Nr. 628,

*') Et ibidem dominus noster dux quatuor constituit, quod bona Judeorura reciperout.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 63

rungen". Man fragte sogar beim Herzog an, ob das be- absichtigte Turnier in Görlitz noch stattfinden solle, was doch voraussichtlich der Stadt viel Geld kosten musste, ja man sendete abermals nach Prag, „um Gläubiger zu bezahlen auf Befehl des Herzogs".

Was mit den Juden selbst, jedenfalls gleichzeitig, geschehen sei, melden die Stadtreclmungen freilich nicht mit klaren Worten; aber sie lassen es zwischen den Zeilen lesen. Da werden mehrmals Adlige vom Lande durch den Rath „geehrt mit Wein und Bier in captivitate Ju- deorum". Man hatte also die Juden wahrscheinlich ein- fach überfallen und gefangen gesetzt. Ihre Häuser waren, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, mit Beschlag belegt worden. Anfang August ward ein reitender Bote nach Prag zum Herzog geschickt „propter vituperium Judeorum". Wahrscheinlich hatten dieselben Klage über den Herzog erhoben, wohl bei der Herzogin Agnes von Schweidnitz, welche stets den Juden möglichst gerecht zu werden bemüht war und aus deren Lande die meisten Görlitzer Juden stammten. Wenigstens sendete der Rath sofort nach Ankunft von obigem Befehl des Herzogs einen Boten nach Schweidnitz „mit einem Briefe des Herzogs wegen der Juden". Gewiss sollte der Brief die verhängte Verfolgung rechtfertigen oder entschuldigen. Auch später gehen noch sehr häufig Boten an die Herzogin „propter Judeos". Die Antwort Herzog Johanns auf die Beschwerde der Juden bestand in einer zweiten Urkunde vom 9. August 1388^^), durch welche er der Stadt Görlitz erlaubt, „dass sie, da (wo) etwa die Synagoge und Judenschule gewest ist in der Langegasse, daselbst aus derselben mögen eine Kapelle errichten und bauen zu Lob und Ehre des hei- ligen Leichnams", für welchen Zweck er den Judenkirch- hof „zu Hülfe giebt".

So war denn über die liegenden Gründe der bis- herigen Judengemeinde zu Görlitz verfügt. Aber bei allen derartigen Judenverfolgungen kam es den Landes- herren ganz besonders auf die Schuldverschreibungen an, welche sich in den Händen der Juden befanden. In diesem Sinne glauben wir die vielen Boten verstehen zu sollen, welche jetzt der Rath ausschickte, so nach Horka und auf andere Dörfer „wegen der aussenstehenden Gelder (debita) der Juden", ferner nach Bautzen „wegen des

«) Urk.-Verz. I, 128 Nr. 636.

64 Hermann Knothe :

Juden Simon und andrer Juden", nach Löwenberg „wegen Baruch und andrer Juden". Im Laufe des Jahres 1390 Avar der Herzog Joliann mehrmals (Anfang Januar und Mitte Juli) persönlich in Görlitz. Dabei dürften wohl mündliche Bestimmungen über das confiscierte Vermögen der Juden getroffen woi'den sein. Nur von demjenigen, was die Bürgerschaft betrifft, erhalten wir nähere Kunde. Uebrigens zog sich die definitive Entscheidung noch lange hin. Wir wissen nicht, ob ein schon lange andauernder Aufruhr der Handwerker gegen den Rath von Einfluss auf diesen Aufschub, vielleicht sogar auf die ganze Juden- verfolgung gewesen sei. Leider fehlen gerade aus der Zeit unmittelbar nach 1390 die Rathsrechnungen.

Endlich im Jahre 1395 stellte Herzog Johann zu Raudnitz zwei Urkunden in dieser Angelegenheit aus. Mittels der einen bestimmte er abermals „die Judenschule, genannt Synagoge, in seiner Stadt Görlitz zu Gottes Dienste" und befahl, sie „zu einer Kirche und Kapelle zu wenden und zu machen, Gotte zu Lobe und seiner Mutter Marie", und zwar solle sie den „Namen des hei- ligen Leichnams unsers Herrn Jesu Christi" tragen, die beiden darin zu errichtenden Altäre aber St. Christo- phorus und St. Barbara geweiht werden^'). Wir er- blicken hierin nicht sowohl die Erneuerung der Schenkung hinsichtlich der Synagoge, als vielmehr die der Verpflich- tung zum Umbau derselben in eine Kapelle, womit es der Rath gar nicht so eilig hatte. Die Synagoge war längst abgebrochen. Schon im Frühling 1390 ward „den Knechten, welche an der Synagoge arbeiteten", Lohn ge- zahlt aus der Stadtkasse. Aber der Aufbau einer Kapelle mit zwei Altären kostete viel Geld. So ist denn dieselbe auch nie gebaut worden. Im Jahre 1396 starb Herzog Johann von Görlitz. Der Platz in der Langengasse, wo die Synagoge gestanden, blieb leer und heisst noch heute „der Judenring''. In der zweiten Urkunde vom 21. Sep- tember 1395 wiederholte Herzog Johann, wie ihn die Mannen des Landes und die Bürger der Stadt Görlitz unterwiesen hätten, dass „von den Juden daselbst grosse Schäden und Verderbniss seiner armen Leute geschehen sei, davon sie merklich an ihren Gütern abgenommen hätten und noch täglich abnähmen". Darum sei er mit seinen Räthen übereingekommen und habe „der Stadt

") Ürk.-Verz. I, 139 Nr. 691.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 65

Görlitz ganz vollkommen Macht und Gewalt gegeben, mit den Juden zu Görlitz zu thun und zu lassen, sie zu weisen, nimmer dahin wohnhaftig zu kommen, und [d. h. oder] von ihnen solche Sicherung zu nehmen, als sie es ihnen und dem Lande nützlich erkennen, also doch, dass ihm, dem Herzoge, zuvor ausgerichtet und bezahlt werde von denselben Juden das Geld ganz und gar, das ihm, dem Herzoge, bei ihnen werden mag und soU"^*), Hiermit wurde also das absolute Aufenthaltsverbot von Juden aus dem Jahre 1389 nicht wiederholt, sondern es ward in das Ermessen des Rathes gestellt, ob dieser sie für immer ausweisen oder unter gewissen Vorsichtsmassregeln auch ferner zulassen wolle. Charakteristisch ist, dass jetzt wie 1389 das Aussaugesystem des jüdischen Wuchers von Herzog, Rath und Mannschaft als gemeingefährlich und als alleiniger Grund der Vertreibung hingestellt wird. Vor allem aber behielt sich jetzt der Herzog vor, dass, wenn Juden auch ferner in Görlitz behalten oder neu aufge- nommen werden sollten, ihm selbst für alle die Jahre, auf welche ihr Aufenthaltschein laute, die übliche Juden- steuer an den Landesherrn praenumerando ausgezahlt werde-

Im Jahre 1396 erfolgte nun endlich auch die defini- tive Ueberweisung der seit 1389 mit Beschlag belegten Judenhäuser, deren Besitzer entweder entflohen waren oder vertrieben bleiben sollten. Dem Stadtbuche zufolge gab Vincenz Heller, Bürger zu Görlitz und Gutsbesitzer von Sercha von Seiten des Herzogs ", in dessen Namen also die Häuser bisher confisciert gehalten worden waren, auf: „David Juden Haus dem Niclos Bebirstein und dessen Frau erblich, Jeckil Juden Haus an Peter Wayn- knecht, ein andres Judenhaus an Nicol. OssindorfF erb- lich, noch ein andres an Martin Lewfer, eins in der Jüdengasse an Otto von der Besenicz, des Juden Isaac Haus an Frenzel Ossindorff, endlich eins an den Pfarrer Lorenz. Ebenso gab Claus Heller auf: Smoel Juden Haus an Czachmann. „Judex bohemicalis hat aufgegeben einen Hof ex parte domini Anshelmi [von Ronow, Land- vogts von Görlitz] Niclos Hefenern." Vielleicht waren die Gebrüder Heller die beiden schon 1389 vom Herzog bestimmten bürgerlichen Mitglieder der Vierercoramission zur Inempfangnahme der Judengüter. Auch der Land-

*') ürossei', Merkw. I, 100, Anmerk. s.

Neue» Archiv f. S. G. u. A. U. 1.

QQ Hermann Knothe:

vogt hatte und zwar schon früher seinen Antheil erhal- ten; jetzt ward auch dem Pfarrer von Görlitz ein Haus zutheil.

Ob und wieviel Juden damals noch in Görlitz ver- blieben, wissen wir nicht. Zwar werden im Stadtbuch (1411 und 1427) gelegentlich Häuser als j,in der neuen Judengasse" gelegen erwähnt; wir glauben aber nicht, dass dies eine nach 1396 angelegte, sondern die im Gegensatze zu der vor dem Jahre 1350 so bezeichnete war. 1401 ^®) ward ein Görlitzer Bürger vor Gericht citiert „von Seiten Isaacs wegen Beleidigung"; aber wir erfahren nicht, ob dieser Isaac ein Görlitzer Jude war. Jedenfalls scheint seitdem der Adel des Görlitzer und Zittauer Weichbildes Geld nicht mehr, wie bisher, bei Juden in Görlitz, sondern in Liegnitz aufgenommen zu haben. So z. B. „versetzten" (d. h. setzten als Bürgen) 1413*°) vier Adlige des Zittauer Gebietes drei Adlige des Görlitzer „bei Ozar Juden von Liegnitz für 118 Schock" und gelobten, sie zu lösen oder einzureiten nach Görlitz.

Im Jahre 1433 aber, mitten in den Nöthen des Hus- sitenkrieges, empfand der Rath von Görlitz, dessen Finanzen durch die ewigen Rüstungen, Feldzüge und Verluste ganz erschöpft waren, aufs neue lebhaft das Bedürfiais nach Juden in der eigenen Stadt. Er sendete daher den Stadt- schreiber Laurentius Ehrenberg an Kaiser Siegmund, um ihn unter anderem auch darum zu bitten, dass man wie- der Juden aufnehmen dürfe. Der Stadt schreib er suchte den Kaiser vergeblich in Italien und fand ihn endlich beim Concil in Basel"*'). Und hier stellte denn Siegmund den 27. November 1433*^) der Stadt Görlitz, da dieselbe von den verdammten Ketzern zu Böhmen viele Jahre be- kriegt und schwer beschädigt worden sei, sich aber gegen ihn, den Kaiser, stets treu und beständig gehalten habe, damit sie sich von den erlittenen Schäden desto besser erholen möge, aus besonderer Gnade das Privilegium aus, „dass dieselben Rathmannen und Bürger zu Görlitz zu ihnen nehmen und in ihrer Stadt halten mögen zwölf oder minder, wie ihnen das füglich sein wird, Juden mit ihren

'*) Liber III. vocationuni.

*") Ürk.-Verz. I, 177 Nr. 897. Bas Regest ist ungenau,

*') N. Script, rar. lus. I, 231 fgg.

") Urk.-Verz. II, 35 e.

Zur Geschichte der Juden in der Oberlausitz. 67

Weibern und Kindern, und die Rente, Steuer oder Schätzung, die diese geben sollen, in ihre Hand und Ge- walt nehmen und zu ihrer Stadt Nutz imd Frommen wenden sollen und mögen" bis auf seinen, des Kaisers^ Widerruf. Der Kaiser verzichtete also auf den ihm zu- stehenden Judenzins zu Gunsten der Stadtkasse.

Dies war also nun das dritte Mal, dass Juden nach Görlitz berufen werden sollten. Ob sich welche gefunden haben, wissen wir nicht, zweifeln daran aber nicht. Doch nur bis hierher reichen unsere Forschungen darüber.

5*

III.

Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg.

Nach archivalischen Quellen.

Von M. J. Meissner.

Der interessante Aufsatz von Posern - Klett über: Frauenhäuser und freie Frauen in Sachsen " *) veran- lasste uns zu Nachforschungen darüber, ob auch in Alten- burg in vorlutherischer Zeit ein Frauenhaus vorhanden gewesen sei, worauf der Name der sogenannten Frauen- gasse hindeutete. Freilich fanden sich aus leicht begreif- lichen Gründen nur unbedeutende Spuren, wenige Posten in den Altenburger Stadtrechnungen, aus denen sich j edoch, weil sie nach der Sitte damaliger Zeit mit Bemerkungen begleitet sind, manche für die Sache nicht unerhebliche Schlussfolgerungen ziehen lassen.

Wie in den meisten Städten, war auch das hiesige Frauenhaus in einem der kleinen, gegen die Stadtmauer ausmündenden Gässchen erbaut; es lag in der noch jetzt, wie erwähnt, „Frauengasse" benannten Strasse, unweit der sogenannten Bergpforte ^), und zwar zwischen dieser und dem Burgthore.

') V. Webers Archiv für die sächsische Geschichte XII, 63 fgg.

*) Bei Gelegenheit verschiedener Bauten an den Mauerthürmen bei der Berg- und Mühlpforte 1494 wird erM'ähnt, dass am Thürm- lein der ßergpforte, dann von der Stadtmauer von „bemelten törm-

M. J. Meissner: Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 69

Die erste Erwälmung des Hauses findet sich in der ältesten Stadtrechnung auf 1437/38, in welcher es, zugleich einen Schluss auf die Cxrösse des Hauses gestattend, heisst: „Item XIX Gr. Cronemeistern vor fünf Kacheloflfen nuwe zcu machen mit namen in dem Frauenhuze." Geht schon aus diesem Posten hervor, dass das Frauenhaus auf Stadt- kosten in baulichem Stande erhalten wurde, sonach aber wohl unzweifelhaft in städtischem Eigenthume sich befand, so wird diese Annahme zur Gewissheit, wenn man die weiteren bezüglichen Notizen der Stadtrechnungen in Be- tracht zieht. So wurden 1443 und 1448 aus der Stadtkasse verschiedene Ofenausbesserungen für das Frauenhaus be- zahlt imd zwei Fenster gemacht „in das Frouwenhuss der nuwen Frouwen", und weiter heisst es in der Rechnung auf 1444/45: „IX Gr. Jhenichen topfFer zcu machen den offen den fryhen Frouwen."

Die auf Stadtkosten vorgenommenen Reparaturen dauern fort und erscheinen in den Rechnungen, bis das Haus selbst abgebrochen wurde. Insbesondere sind Bau- aufwände verzeichnet in den Rechnungen auf die Jahre 1458/59, 1465/66, 1475/76, 1500/01, 1506/07, 1509/10, 151011 und 1518/19, für das „Freyenhawss" oder später „Hurhawss"; in der Stadtrechnung auf 1455/56 wird be- merkt: „Item I Gr. X Heller servo der daz Frauwin- Hüssichin kleibete" und in der Rechnung auf das Jahr 1448/49: „1 Gr. VI Heller vor III breth in den Rotenschilt" ; so ist nämlich das Haus in den Rechnungen wiederholt zubenannt. Anderwärts, namentlich im Würzburger Frauen- hause „zum Esel", hatten die Wirthe das Haus in bau- lichem Zustande zu erhalten und das ihnen überwiesene Hausinventar, darunter auch die Betten, in Würzburg deren 9, zur Zeit ihres Abzuges wieder abzuliefern. ^)

An Einnahmen aus dem Frauenhause oder, wie es in der Rechnung auf 1459/60 heisst, „Rotschilt sew Lu- panar" kommt in der ältesten Stadtrechnung auf 1437/38 unter der nurerwähnten Rubrik eine Abgabe vor, welche jeden Montag mit 2 Groschen einging. In der Stadt- rechnung auf 1442/43 ist diese Abgabe zuerst verschieden;

lein an biss zum hoben törmlein hinderm FraivenJmse gegen Waltzar Tischer über gebawt worden" sei (Stadtrechnung 1493/94). In der Stadtrechnung 1502/3 findet sich eine Reparatur an einem Thurme hinter dem Frauenhause unweit des Burgthores. *) Yergl. Vulpius, Curiositäten IX, 5, 401.

70 M. J. Meissner;

sie ging da nur vierzelinmal ein und zwar in Beträgen von 1 Gr. 12 Pf. bis zu 2 Gr. Im Jahre 1449 erscheinen in der Rechnung Beträge von 1 Gr. 6 Pf. bis zu 2 Gr. 12 Pf., zusammen in erwähntem Jahre 1 Schock 6 Gr. 6 Pf. Nachdem die Einnahme aus dem „Rotschilte" in den Jahren 1455/56 sehr wenig betragen hatte, ist sie in den Rechnungen auf 1458/59 in Posten von je 3 Gr. 12 Hllr., 1462/63 in sieben Posten, zusammen mit 48 Gr., 1464/65 mit zusammen 28 Gr., 1469/70 wieder mit nur 10 Gr. aufgeführt, in letzterer Rechnung mit dem Zu- sätze: „da es oft vaciret". Von 1475/76 steigen wieder die Gefälle von dem Hause, welche nach der Rechnung die „Wirthin" einzahlte. Im Jahre 1479/80 erliielt der Rath aus dem Frauenhause oder „Lupinar" 1 Schock 30 Gr. Im Jahre 1499/1500 findet sich die Einnahme: „1 Schock VI Gr. Rotenschiltzcynsse gibt eine Woche II Gr. (XLIIII Wochen, das ander wüste gelegen)." In den Rechnungs- jahren 1501/02 und 1502/03 wird ein wöchentlicher Zins von IV» Gr. vom „Rotenschilte" verzeichnet, 1505/06 ist der Ertrag nur 15 Gr. und heisst es dabei, dass er „viel wüste gelegen". Weiterhin wird die Einnahme noch un- sicherer. 1512/13 finden sich nur 22 Gr., 1514/15, 1515/16 und 1517/18 kommt bei der Rubrik „Rotenschilt" kein bestimmter wöchentlicher Zins, sondern nur je ein ganz kleiner Betrag vor mit dem missvergnügten Zusätze: „was man gehaben kann". Auch in der Rechnung 1519/20 findet sich die letztere Bemerkmig und zwar bei einem Einnahmebetrag von 30 Gr. 6 Pf.

In den Jahren 1520/21 bis 1524/25 wurde nichts ver- einnahmt, und es dürfte hiernach der Besuch des Hauses sein Ende erreicht haben.

Die besten Einnahmen in der letzten Zeit des Be- stehens des Hauses scheinen noch zum Jahrmarkt und zum Ablass vorgekommen zu sein. In der Stadtrechnung auf das Jahr 1513/14 wird dies besonders bemerkt und angegeben, dass zum Jahrmarkt 3 Gr., zum „appelas" 5 Gr., ausserdem aber nur 5 Gr. eingegangen seien. Während des Ablasses scheint es besonders lebhaft und tumultuarisch in der Stadt hergegangen zu sein, denn der Rath war zu den betreffenden Zeiten, wie es in der Rech- nung auf 1519/20 heisst, „auffrur zcu vorhuthen", auf dem Rathhause in der „Kavete" versammelt, wie denn bei diesen Gelegenheiten Bürger im Harnisch bereit stehen und die Bierschröter, wahrscheinlich schon damals be-

n

Zur Geschichte des Fraueiihauses in. Altenburg. 71

sonders kräftige Leute, in der Nacht Wache halten mussten. *)

Wie auch anderwärts, war das Altenburger Frauen- haus der Aufsicht und dem Unternehmungsgeiste eines Wirthes oder einer Wirthin Meisterin gegen die obenerwähnten Abgaben unterstellt. In der Rechnung auf 1498/99 ist eines „Hurenwirtts" gedacht, und in der- jenigen auf 1447/48 wird der wöchentliche Zins unter der Eubrik Rotschilt mit den Worten verzeichnet: „1 Gr. 6 Hllr. die nuwe wertynne", 1448/49 wird angemerkt: Item II Gr. VII Hllr. vor I slos in Frauwenhusse vor der wertynne kamere" und 1471/72: „Frauwenhauss. Item XLIII Gr. aus dem rotenschilt über das das ST/e darinne verbuwet hat."

Obgleich bisher keine Frauenhausordnung für Sachsen gefunden worden ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass in Altenburg, wie anderwärts in Sachsen, für den Wirth oder die Wirthin und die Bewohnerinnen des Hauses gewisse Verpflichtungen bestanden, denen aber auch wieder bestimmte Rechte entsprochen haben dürften.

Nach Gemeiners Regensburger Chronik*) hat sich von einigen Frauenwirthen, so von Hans Krausshärl von Leipzig, ein Revers erhalten, worin sich derselbe unter anderem verschreibt: „alle Samstag, mit Ausnahme des Palm- und Osterabends, 60 Pfennige Zins zu verabreichen, böse Leute über Nacht nicht zu behalten, der Stadt Diener jedesmal ohne Widerrede einzulassen und die Leute nicht zu verbergen, niemanden ein Spiel spielen zu lassen, das er nicht zu verantworten wüsste, niemanden zu den hei- ligen Zeiten, nämlich an den Samstagen unserer Lieb- frauen, der Zwölfboten und in keinen heiligen Nächten bei den Frauen liegen zu lassen, noch dieselben an Sonn- tagen von der Messe abzuhalten; wenn ihm junge Dirnen oder Frauen zugebracht würden, die frommer Leute Kinder wären, dieselben nicht in das Haus zu kaufen, noch ein mehreres auf sie zu leihen, als drei Schilling Pfennig" u. s. w.

Aehnliche Verpflichtungen haben nach den vorhan- denen Notizen auch bezüglich des Altenburger Frauen- hauses bestanden.

*) Stadtrechuungeii auf die Jahre 1513/14, 1514/15, 1516/17, 1518/19.

") Vergl. Scheiblo, Das Kloster VT, 488 fgg.

72 M. J. Meissner:

So war den Dirnen eine Beschränkung in ihrer Klei- dung auferlegt. Dieselbe musste sich auf irgend eine in die Augen fallende Weise von derjenigen ehrbarer Frauen unterscheiden; es findet sich hierfür insofern ein Nachweis, als es auf Seite 5 eines Gerichts- und Handelsbuches des Altenburger Rathes auf die Jahre 1433 bis 1478 heisst: „Item die genanten frouwichin und die czuchtigeryen die sollen alle tage tegelichen, wenn sie usgehn, gehele leppichen uf den sleyer tragen." ^)

Es mag hier eingeschaltet werden, dass es vielfach im Mittelalter hergebracht war, Seiten des Rathes der Städte gefallenen Mädchen einen Schleier zuzuschicken. ') Auch in Altenburg findet sich dieser Brauch. So heisst es in der Rechnung auf die Jahre 1465/66: „Item II Gr. VI mir. Langenmertyns maid für einen sleyer zum nuwen jare das sie nicht dorfFte barhoitig gehen." Aehnliche Einträge finden sich in den Rechnungen auf 1513/14 und 1523/24.

Die anderwärts, z. B. in Nürnberg, vorkommende Bestimmung, dass Priester, Ehemänner und Juden in den Frauenhäusern des Mittelalters nicht eingelassen werden durften, scheint wenigstens bezüglich der ersteren, so be- quem auch das Haus für die Insassen des Klosters unserer lieben Frau auf dem Berge lag, denn unweit desselben mündete der heute noch „Mönchsgässchen" geheissene Treppenweg zu jenem Kloster, nach der Bemerkung: „Item I Gr. IUI Hllr. vortrungkin, alz man den monck fing by nacht in dem Frouwenhusse quinta post epiphania domini" (Stadt- Rechnung auf das Jahr 1441/42), auch in Altenburg gegolten zu haben.

Hier ist jener Bulle *) des Papstes Sixtus IV. vom 10. April 1480 zu gedenken, welche die frühere Exemtion der Dechanten des Georgen Stiftes auf dem Schlosse zu Altenburg von aller Gerichtsbarkeit auch auf die seit der Gründung des Stiftes bis dahin erworbenen Lehnsleute und Unterthanen ausdehnte und allem Anschein nach*) durch den Competeuzconflict veranlasst worden war, in welchen der pleissnische Archidiakon Nicolaus von Ert-

*) Ebenso sollen sie in Leipzig „einen grossen gelen läppen tragen, der eins grosschen breit ist". Cod. dipl. Sax. reg. II, 8, 293.

') Posern-Klett a. a. 0. 84 fgg.

*) Vergl. Mittheilungen der Geschichts- u. Alterthumsforscheu- den Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg I, 90 fgg.

') Vergl. Lobe in denselben Mittheilungen II, 285 fgg.

Zur Geschichte des Fraueuhauses in Altenburg. 73

raarsdorfF mit dem Georgenstift wegen der Gerichtsbar- keit über dessen Mitglieder namentlich um deswillen ge- rieth, weil er den Domherrn Georg Schurzauf, ersten Dechanten des Stiftes, wegen des Besuchs des öffentlichen Frauenhauses in Altenburg vor sein Gericht nach Naum- burg oder vor seinen Dechanten Kilian in Altenburg citiert hatte, wogegen Schurzauf und das Capitel auf die Ex- emtion von aller Gerichtsbarkeit sich beriefen.

Ertraarsdorff schreibt zu seiner Vertheidigung das Capitel hatte sich beschwerend an die Kurfürstin Margare the, diese an Herzog Wilhelm in Weimar, dieser an den Bischof zu Naumburg gewendet „er habe dem Probst, Techant und Capitel ihre Exemtion nicht verletzen wollen" ; allein fährt er fort «von gots wegen und der kirche Numburg bin ich ein archydiakon jn der stat zu Aldenburck vnd so weyt mir das zusteht, ist mir vor- komen, wy eyn cappellan gnannt Jorge SchorczufF sie in derselbigen stat Aldenburck an unczemlichen steten, do ich zcu stroffen habe, geistlichen gewest, mit czuchten vor uwr gnaden zcu vorluten, in dem offenbar Frauwen- huss" und fügt hinzu: „dohyn an solche unerliche stete zcu gehin. und zcu legin bebistliche exemcion nymandt erloubt, auch so sie exeuipt weren".

Die oben bemerkte Beschränkung des Besuchs des Frauenhauses an gewissen Tagen hat auch in Altenburg bestanden, denn es findet sich in der Stadtrechnung auf das Jahr 1442/43 der Eintrag im Kapitel „Bussen": „Fry- dangk LIX Gr., er lag in dem guten Fritag in dem Hur- huss." Ob die Notiz in derselben Stadtrechnung: „Item X Gr. dedit Kriwiczsch, er hatte bie eyner süberlichen Frawen gelegen in dem Hüssichin", darauf bezogen werden kann, dass den verheiratheten Frauen ebenso wie den Ehemännern der Aufenthalt im Frauenhause untersagt gewesen sei, mag dahingestellt bleiben.

Fast allgemein wurden Stadtkinder zu Frauenwirthen oder -wirthinnen nicht angenommen, ebensowenig fanden aus dein Orte gebürtige Mädchen Aufnahme. Ob dies in der Stadt Altenburg der Fall gewesen, hat sich bei der Dürftigkeit der vorhandenen Nachrichten nicht mit Bestimmtheit ermitteln lassen; doch möchte für die gleiche Annahme sprechen, dass in der Rechnung auf das Jahr 1491/92 erwähnt wird, es seien vier Wirthinnen, ohne den Zins voll gegeben zu haben, ohne Wissen des Rathes fort- gegangen; dafür spricht ferner, dass in dem einzigen

74 M. J. Meissner:

Falle, in welchem eine Bewohnerin des Franenhauses in den Rechnungen erwähnt wird, sich deren Heiraathsort „Katherina von Glauchaw" bemerkt findet.

Unter den Rechten, welche im Mittelalter den Frauen der hier besprochenen Gattung und den Frauenhäusern gewährt gewesen zu sein scheinen, sind nach den vor- handenen Quellen insbesondere zu erwähnen die Befug- nisse, eigene Zünfte zu bilden, öifentliche Umgänge zu halten, bei sogenannten Rathsmahlzeiten und öffentlichen Bällen mit Blumensträussen , welche früher ein auszeich- nendes, den Mann herausforderndes Attribut der Freuden- mädchen waren, zu erscheinen, endlich den sogenannten „heimlichen Frauen^' verbieten zu lassen, ihr Gewerbe auf eigene Hand zu betreiben.

In letzterer Beziehung finden wir in den Stadtrech- nungen unter dem Capitel „Bussen" Spuren einer ähn- lichen Berechtigung; es heisst nämlich da, es sei einer gestraft worden, weil er Hurerei in seinem Hause gestattet habe'"), ein Bürger habe 5 Gr. büssen müssen, weil er in seinem Hause „Hurenvolk gehausset" und „Puberey" gestattet habe. ' ') Ferner wurde einer um 30 Gr. ge- straft „von wegen des Hurmeidichens, so er gebraucht hatt", imd Matthias Winkler hatte X Gr. zu entrichten „des unlusts halben, so die jungen Gesellen in seym Hause mit dem Leyptzschen Hurmeidlein begangen".

Noch erwähnen wir für Altenburg einer gewissen Be- rechtigung der Dirnen, bei Rathsmahlzeiten und Hoch- zeiten einen Antheil zu erhalten, in folgendem Eintrag, welcher sich auf Seite 5 des obengedachten Gerichts- und Handelsbuches findet: „Auch ist bethingit vor allen dryen reten, dass die gehenden Frau wen nicht mehr zu essen holen sollen zcu keynen herrenessen noch zcu hochzeiten, und wer yn darabir das gebe, der sulle der stat eynen halben gülden geben."

Die Frauenhäuser des Mittelalters gehörten zu den besonders „befriedeten" Orten. Es werden daher nicht selten nach den in den Stadtreclmungen unter den Rubri- ken „Unfugeu, Bussen, Ansprachen" befindlichen Notizen auch im Altenburger Frauenhause vorgekommene Schläge- reien, Körperverletzungen und grobe Excesse streng ge- ahndet. So heisst es z. B.: „VUII Gr. ein schuknecht von

»«) Stadtrechnuug 1499/1500. ") Stadtrechuung 1502/3.

Zur Geschichte des Frauenhauses in Altenburg. 75

Penik in dem Frawenliuse gefrevuilt"; **) „I Schock XV Gr. Jiirge Koch die wertynne im Frouwenhuse geslagen"*'); „item X Gr. Michil Dornbach im Frawenhuse gefrevilt".'*) Nach der Rechnung auf das Jahr 1473/74 wurde einer um 30 Gr. gestraft, weil er im Frauenhause gefrevelt hatte, andere um 10 Gr., weil sie an dem Hause eine Bierstange ausgesteckt hatten, und in der Rechnung auf 1476/77 heisst es: „Item X Gr. nuwe muntze von Glorius Gentzsch ein fryen frowen über vorboth des Richters ge- slogen unnde gestossen." Weiter wurde 1488/89 ein Bäckergesell um 8 Gr. gestraft, weil er in dem „fryhen Hawsse unvernunfft geubet", 1504/05 einer um 15 Gr., weil er in der Weinstube gefrevelt und eine freie Frau im Rotschild geschlagen hatte, eine Notiz, welche vielleicht als Beleg dafür anzusehen ist, dass auch mit dem Alten- burger Frauenhause, wie anderwärts, Weinschank verbun- den war. Endlich findet sich unter den Einnahmen aus Unfugen in der Rechnung auf das Jahr 1481/82, dass elf Bürgerssöhne um je 6 Gr. gestraft wurden, weil sie das „freye Hawss" gestürmet und davor Unfug mit mannich- faltigem Geschrei getrieben hatten.

Aber auch von den Bewohnerinnen des Hauses geben die kurzen Bemerkungen der Rechnungen einige Belege, dass sie nicht allein der duldende Theil Maaren. Im Jahre 1493 rausste die Wirthin, hospita genannt, zum rothen Schilde, Anna Botticher, nachdem sie im Gefängnis ge- sessen, „Urfride" schwören und die Stadt so lange ver- lassen, bis sie dem Rathe ein halbes Schock Busse gezahlt hatte, weil sie einen fremden Kürschnergesellen gestochen hatte, und ebenso musste die oben schon genannte Katha- rina von Glauchau Urfriede schwören, nachdem sie in der Stadt Gefängnis gesessen, weil sie Joste Plettener ein Tuch entfremdet hatte **).

Die Stadtrechnungen enthalten noch folgende wenige, das Frauenhaus betreffende Notizen, welche über die Ver- hältnisse, in welchen seine Bewohnerinnen lebten, noch einiges, wenn auch spärliches Licht verbreiten.

Es heisst in der Stadtrechnung auf das Jahr 1441/42 : „Item I Gr. der nuwen meisteryn'") zcu vortringkin, alz

") Stadtrechnung von 1462/G3. '*) Stadtrechnung von 1464/65. '*) Stadtrechnung von 1465/66. '*) Stadtrechnung von 1493/94. ") d. i. Hebamme.

76 M. J. Meissuer: Zur Geschichte des Frauenhauses iu Altenburg.

man sy uffnam in dem Frouwenhusse vnd da sy das kind brachte, daz eyne Frouwe lis legin." „Item I Gr. den Frouwen zcu uortringkin, alz abir das kind vor den rat brachten." „Item I Gr. VI HUr. der Frouwen, dy das kind uff nam zcu zcihin."

In derselben Rechnung steht: „Item I Gr. der frouwen zcu vortringkin in dem Huse, alzi uff zcouch in den ßotenschilt "; und bei einem Baue am Frauenhause heisst es einige Jahre später: „VII Heller den Frauwen, daz sy die schindel langitten, zcu vortringkin."

Obwohl nach den bis zum Jahre 1518/19 in den Stadtrechnungen verzeichneten Bauaufwänden der Rath nicht gesonnen gewesen zu sein scheint, das Rothschild, welches neben den Badstuben, der Wage, dem Marstall, den Thorhäusern, der Garküche, dem Ziegelofen, den Hirtenhäusern, der Büttelei, der Henkerei fort und fort unter den städtischen Gebäuden in den städtischen Rech- nungen fortgeführt wird, eingehen zu lassen, wm'de das- selbe doch und zwar mit einem Aufwände von VH Gr. 1524/25 gänzlich abgebrochen. Wahrscheinlich fand es gleich den anderen Fraueuhäusern Sachsens sein uner- wartetes Ende durch das Eifern der Reformatoren, ins- besondere Luthers, welcher wiederholt und in der heftig- sten Weise gegen das Diüden der Frauenhäuser in Schrift und Wort auftrat.

IV.

Ein fliegendes Blatt über den Antheil der säch- sischen Armee an der Schlacht am Ealen- berge bei dem Entsätze von Wien im Jahre

1683.

Mitgetheilt von

£. Joachim.

In Raumers Historiscliem Tasclienbuche, neue Folge, Jahrgang 9 (1848) findet man einen vortrefflichen Auf- satz über „Churfürst Johann Georg III. bei dem Entsätze von Wien im Jahre 1683", eine durchsichtig-klare Dar- stellung nach gleichzeitigen archivalischen und anderen Quellen. Man kann sich aber bei dessen Leetüre leider des Wunsches nicht entschlagen, dass die Schilderung der Schlacht selbst ausführlicher sein möchte. Nament- lich wird die Thätigkeit des sächsischen Contingents an jenem ruhmreichen Tage, dem 12. September 1683, wenig erschöpfend behandelt. Es wird daher manchem nicht unerwünscht sein, von einem Flugblatte Kenntnis zu ge- winnen, welches einen durchaus reichhaltigen und aus- führlichen Bericht über den Anthcil der sächsischen Ai'mee am Kalenberger Tage giebt/) Diese Quelle scheint dem Autor des Artikels in dem Historischen Taschenbuche

') Dieses Flugblatt hat sich erhalten unter den Beständen des Staatsarchivs zu Idstein (Extranea, Sachsen), Druck ohne Angabe des Orts.

78 E- Joachim:

nicht vorgelegen zu haben*): denn sonst hätte ihn ja nichts gehindert, einen genügenden Schlachtbericht zu liefern. Doch stimmt die Darstellung an beiden Orten im wesentlichen überein, ein Beweis dafür, dass die Nachrichten des Flugblattes genau und getreu sind, da sie dem Vergleiche mit den anderen Quellen, welche dem Aufsatze des Taschenbuches zu Grunde liegen, sehr wohl stand halten.

Die Schilderung des fliegenden Blattes hat, wie in der Einleitung bemerkt wird, den Zweck, die Bravour und die Verdienste der Sachsen am Gelingen des Be- freiungswerkes in das richtige Licht zu setzen, da die von den anderen mitbetheiligten Mächten kundgegebenen Berichte in dieser Hinsicht die wünschenswerthe Unpartei- lichkeit vermissen Hessen. Es ist daher eine Parteischrift, jedoch keineswegs eine einseitig-falsche, sondern eine, wie hervorgehoben werden muss, unbefangene, ruhig und ob- jectiv gehaltene. Die Schilderung ist weit entfernt davon, die Sachsen etwa auf Kosten der anderen Waffen- genossen besonders herauszustreichen. Und nur einer von den letzteren ist es, auf welchen ein ungünstiges Streif- licht fällt: der Fürst von Waldeck, dessen Verhalten den Sachsen gegenüber, falls das Flugblatt recht berichtet (und auch der Aufsatz im Taschenbuch meldet ähnliches), auch in der That wenig waffenbrüderlich sich zeigte.

Diese Haltung des Fürsten von Waldeck während der Schlacht, welche den Sachsen hätte übel bekommen können, mag vielleicht einer von den verschiedenen Grün- den gewesen sein, von denen Johann Georg sich bewegen Hess, wie im Unmuth, ohne Abschied von den Waffen- gefährten, mit kühlen Worten schriftlich bei dem hoch- fahrenden, undankbaren Kaiser sich mit zugestossener Unpässlichkeit " entschuldigend, schon am 16. September den Rückmarsch anzutreten. Hatte er doch auch, gleich den anderen Befreiern Wiens, Sobiesky keineswegs aus- genommen, bei dem aus der dringendsten Gefahr befreiten Kaiser statt des gebührenden Dankes nur ein „stolzes, frostiges, theilnahmloses Wesen" finden müssen, hatte er bei diesem doch nicht einmal Erhörung der gewiss nicht

*) Das Wort des Herzogs von Lothringen: „Allons marchons" wird in das Hist. Taschenbuch aus einer anderen Quelle genommen sein, da die dasselbe motivierenden Worte des Feldmarschalls V. d. Goltz hier, obwohl dem Sinne nach dieselben, anders und ausführlicher als im Flugblatte wiedergegeben werden.

Antheil der sächs. Armee an der Schlacht am Kaienberge. 79

unbescheidenen Bitte um Anstellung eines ihm verwandten Prinzen im kaiserlichen Heere zu finden vermocht. Ja es erwuchsen ihm noch nachträglich Unannehmlichkeiten, da später der Kaiser lebhafte, so viel man zu sehen ver- mag, wenig begründete, Beschwerden wegen des Verhal- tens der sächsischen Truppen auf dem Rückmarsche durch die kaiserlichen Lande erhob. Nichts als Verstimmung und Aerger war also der Lohn, welchen dieser Reichs- fiirst für seine energische Hilfeleistung vom Hause Habs- burg davontrug. Wenn man dies in Erwägung nimmt, so muss man sich wundern, dass die uns vorliegende Flug- schrift so ruhig und leidenschaftslos gehalten ist. Und doch ist sie offenbar wenn man so sagen darf officiösen Charakters. Sie erweckt auf den ersten Blick den Eindruck einer aktenmässigen, in massgebenden Krei- sen entstandenen Darstellung. Und um so mehr müssen wir deren Unparteilichkeit rühmen, deren sie sich bei allem Hervorheben der anerkennenswerthen Leistungen der sächsischen Truppen befleissigt. Wer möchte ferner in Abrede stellen, dass die ganze Darstellung von einem Augenzeugen, und zwar einem militärischen Fachmanne herrühre? Und darum verdient dieses fliegende Blatt gewiss, aus der Vergessenheit ans Tageslicht gezogen zu werden.

Freilich bliebe auch ohne dies die Schlacht am Kaien- berge ein unverwelkliches Blatt in dem blühenden Kranze sächsischer Waffenehre.

Eelation von der Victoria der Christen, so sie bey Entsatz der Stadt Wien gegen die Türeken erhalten.

1683.

Nachdem unterschiedene Relationes von der Victorie der Christen, so sie bey Entsetzung der Stadt Wien über die Türckeu erhalten, aller Orten ausgegeben worden, darinnen die Gazettiers den grössern Theil derselben denenjenigen zugeeignet, auff welche fast nichts von dem Feinde gekommen, hingegen die Sachsen, die das ihrige rühmlich darzu contribuiret, dergestalt mit Stillschweigen übergangen, als wenn gar keiner von ihnen darbey gewesen, da doch S. Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen etc. einen so ansehU'

gO E. Joachim:

liehen Succurs selbst in Person zu- und angeführet, so hat man der Billigkeit zu seyn erachtet, der Wahrheit zu Steuer folgende Nach- richt der Welt mitzutheilen , in welcher alle die Particularia, so nicht minder zu grossem Ruhm der Sachsen gereichen würden, nicht berühret, sondern nur dasjenige, was von allen unpartheyischen Zuschauern gesehen, bemercket und zugestanden ist, angeführet werden soll.

Ist demnach anfänglich zu wissen, dass Se. Churfl. Durchl. zu Sachsen sich mit Dero Armee eifective 11000 Mann starck in 6 Regi- mentern zu Fuss, 4 zu Pferde und 1 Regiment Dragoner samt 1 Com- pagnie Grenadiers und Sr. Churfarstl. Durchl. Leib-Garde zu Ross, wie dann auch mit einer wohlmontirten Feld-Artillerie den 8. Sept. st. n. mit denen bey Thul stehenden Kayserl. , König!. Polnischer, auch anderer Alliirten Armeen conjungiret, worauf noch selbigen Tages die Battaille aufgesetzt worden, die Kayserl. und Sächsische Infanterie, an den Sächsischen die Fränckischen und an dieser die Bayrische sich schlösse, und zusammen das gantze Corps de Battaille machten; den rechten Flügel machten die Polen neben einigen Kayserlichen und andern Alliirten Esqvadronen. Die gantze Battaille ist in 3 hinter einander stehenden Linien bestanden und hat die Sächsische Infanterie in der ersten Linie 6 Battaillons, in der andern 4 und in der dritten 2 stehende gehabt. Folgenden Tag ist die gantze Armee von Thul aufgebrochen und hat sich an dem Wieni- schen Wald gesetzet. Den 10. Sept. avancirte die Infanterie das Gebirge obigen Waldes, die Sächsische nahm die Route der engen Passage, so zwischen den Bergen und der Donau lieget, wendete sich endlich auf die rechte Hand in das Gebürge und erstieg den Berg, welcher nechst an dem Kaienberge lieget; die Kayserlichen und übrige Infanterie blieben unten im Thale, so hinter diesem Berge läge, die Cavallerie ingesamt nahm ihren March hinter der Infanterie und war desswegen noch zurücke, ausserhalb einige Dra- goner, so sich auf den Berg postiret hatten. Es befanden sich auf gemeklten Berge auch der König in Polen selbst und der meiste Theil der Generals, um daselbst alles wol zu recognosciren und in Augenschein zu nehmen. Weil man nun dazumahl vermeinet, dass der Feind sich auf dem Kaienberg postiret, gestalt auf selbigen sich frühe starcke Trouppen sehen liessen, und in dem vorstehenden Thale sich auch verdeckt hielte, so befahlen Se. Königl. Majest. aus Polen, auf einen Felsen gegen dem Grunde zu und wovon mau den Thal in etwas entdecken kunte eine Wache von seiner Heyducken- Garde zu setzen, ersuchten auch Se. Churturstl. Durchl. zu Sachsen etc. einige Battaillons den Berg hinunter avauciren zu lassen, damit, wenn der Feind seine Wache angreiüen und repousiren möchte, sie sich auf dieselben retiriren und davon souteniret werden könten. Worauf dann der Sächsischen Infanterie erste Linie begehrter raassen fortgerücket und sich gegen dem Grunde postiret, es lieff aber in der darauf folgenden Nacht nichts vor. Mit anbrechenden Tage, welcher war der l./ll. Sept., marchirete die gantze Infanterie den Kalenbcrg zu, da sie dann ein sehr gross precipice hinunter und einen hohen Berg wiederum hinauf zusteigen vor sich funden. Die .Sächsische Infanterie kam der andern weit vor, weil die Kayserl. den Grund durch tiliren muste, die lincke Hand zu gewinnen, die andern aber den Berg, worauf die Sächsische sich den vorigen Tag gesetzet, zu ersteigen hatten, wesshalben denn die Sächsischen, da sie den Kalcrberg fast hinan waren, einen Halt machten, damit die

Antheil der sächs. Armee an der Scblacht am Kaienberge. 81

andern mit ihnen in gleiclie Lienie gelangen möcliten, und schickten unter dieser Zeit einen Ofticirer mit 30 Fuziliers voraus, das Oberste vom Berge zu recognosciren, welcher bey Zeiten zurücke kam und berichtete, dass die Türckeu sich jenseits des Berges in Battaille gesetzt; auch gegen den Berg avancirten, und würden mit ihnen selbigen wol zuifleich erreichen; die Kayserl. Infanterie war zwar inzwischen den Sächsischen gleich gekommen, aber weit von der- selben wegen einer grossen Klufft, so zwischen dem Berge lag separiret, die Fräuckische und übrige Infanterie aber befand sich annoch unten au dem Berge weit zurücke. Dieses alles ungeachtet avancirte die Sächsische Infanterie auf vorgemeldten Bericht den Berg hinan mit der Resolution, dem Feinde die Avautage des Berges zu disputiren, als sie aber das Oberste des Berges erreichten, be- funden sie, dass der Feind noch unten an dem Berge stille hielte, desswegen sie sich dann nach der linckeu Hand begaben, umb sich wieder an die Kayserliche zu schliessen, allwo sie an ein abge- brantes Kloster kimen, welches sie sich so ^ol als die Kayserlichen impatronirten und selbiges besetzten, auch auf die Spitze des Berges, worauff das Kloster lag, 2 Sächsische und 1 Kayserlich ßegiments- Stücke führen und darmit auf den Feind feuern Hessen, welcher, nachdem er zuvor eine Weile mit etlichen Volontairs, so den Berg hinunter zu ihm gegangen, gescharmutziret, sich ein wenig zurücke zöge und in einem Grunde und Graben verdeckt setzte.

Die folgende Nacht über gienge nichts sonderliches vor, als aber der Tag anbrach, welches "war der 2./12. Sept., zöge sich die Sächsische Infanterie etwas den Berg hinunter und setzte sich an einen Ort, allwo sie alles entdecken und sich vortheilhafftig postiren kunte, masseu sich längst dem Fusse des Berges ein rideau von Steinen Mannes hoch angesetzet und auf demselben eine Planque von Holtze befand, deren sich die Battaillons erster Linie gar füg- lich zu ihrer Avantage zu gebrauchen hatten. Es war auch der Feld-Marschall von der Goltz in Begrifl', an einem bequemen Orte eine Batterie legen zu lassen, den Feind dadurch zu incomrnodiren. Als man aber damit umgieng, sähe mau plötzlich den Feind mit hellen Häuften in dem Grunde, welcher dem Theile des Berges, worauf die Sachsen sich postiret, entgegen lag, avauciren. Man ward auch zugleich gewahr, dass der Feind, so gegen den untern Theil des Berges stunde, worauf die Kayserlichen sich hinter einer Planque und zwar noch weiter den Berg hinunter als die Sächsischen ge- postiret hatten, dieselben furieusement angriff. Hierauft' musten sich die Sächsischen Battaillons gleichsam Hals über Köpft" von der Hohe herunter werften und wurden aufs schleunigste von dem was in solcher Eyl herunter kam 2 Battaillons gestellet, dem Feind damit teste zu bieten, damit derselbe in dem unten an dem Berge und an dem Grunde gelegenen holen Graben, welcher ihnen zu einen grossen Vortheil hätte dienen können, nicht posto fassen möchte. Mittler- weile kamen die andern Battaillons auch heran und wurden die- selben gleichfals auf das beste gegen den Feind gesetzet. Der Feind, als er dieses sähe, hielt an in dem Grunde ferner zu avau- ciren, seine Infanterie aber suchte lauter verdeckte Oertei', darinnen sie sicher stehen kunten , woraus sie dann und wann mit eintzelen Schüssen auf die Sächsische Infanterie Feuer gaben, welche hin- gegen ferme in ihren Posten blieben, biss dass mau gewahr wurde, dass die meiste Macht des Feindes etwas mehr auf die lincke Hand ankam, allwo die Sächüischeu Grenadiers und Kayserl. Infanterie

ISBUes Archiv f. S. (J. ii. A. 11. 1. V

82 E. Joachim:

sich hinter eine höltzerne Planque längst dem Berge gepostiret hatten. Worauf dann die Sächsische Infanterie erster Linie sich lindes sckwenckte, gegen den Feind, welcher die Grenadiers und die Kayseri. Infanterie attaquirte, fronte zu machen. Der Feind stunde nun alda im holen Wege ziemlich verdeckt, hatte vor sich Sträucher und Steine zu seiner Verblendung und feuerte hefftig auf die Säch- sischen, welche gantz unvei'deckt stunden und von Fuss biss auf den Kopff kunten gesehen werden. Indem dieses nun dergestalt vorlieff, sähe man oben am Berge die Fränckische Infanterie gantz stille stehen, wohin der General-Major Keuss geschickt, den da commandirenden General-Major zu ersuchen, mit seinen Battaillons zu avanciren, weil der Feind denen Sächsischen leichtlich hätte können in den Rücken gehen, der sich auch willig darzu erzeigte, darbey aber vorstellete, dass der Fürst von Waldeck, welcher bey den Fränckischen das Ober-Commando hätte, ihm auf das aller- schärfFste verboten, mit denen Battaillons von der Stelle nicht zu weichen, biss er selbst ihm solches andeuten würde; worauf dann die Sächsischen Battaillons der andern und dritten Linie gegen den Grund rückten, wo die erste Linie zuvor gestanden, dieselbige zu beobachten, damit der Feind von daher nichts tentiren könte, dass also die Sächsische Infanterie ihrer Sicherheit halber nothwendig aus ihren drey Linien nur eine mit zwo Fronten machen rauste. Inzwischen fügte der Feind den Battaillons erster Linie, sonder dass er mit gleicher Müntze bezahlet werden koute, mit Schiessen ziem- lichen Schaden zu, weil, wie schon gesagt, er verdeckt und sie hin- gegen gantz bloss stunden; es schiene also vorträglicher und besser zu seyn, den Feind aus solcher Avantage zu delogiren. Nachdem man nun des Feindes Posto ein wenig recognosciret, avancirte die Sächsische Infanterie gleich darauf, griff den Feind zugleich in Fronte und Flanquen an, welcher darüber in Confusion gerieth, sich wendete und nach dem hinter sich habenden Berge eilete, den die Sächsischen allezeit verfolgeten und zu keinem Stande kommen Hessen, auch, als er sich eben auf denselben wiederpostiren wolte, zu ihm hinaufeileten und von den erwehuten grossen weitgestreck- ten Bergen (so vor ihn sehr avantagenx würden gewesen seyn, wenn er sich daraufhätte setzen können) trieben und zurRetirade zwungen. Immittels waren die Sächsischen Battaillons, so sich zuvor, wie schon gemeldt, gegen dem Grunde gesetzet, auch avanciret und hatten den vor ihnen stehenden P'eind repoussiret, welcher sich aber in gemeldtem Grunde, allwo eine ziemliche Ebene war, die sich längst um den Berg und an das erste Türckische Lager auch an dem- selbigen hinauf erstreckte, in einem Graben mit etlichen Fähnlein gesetzet, daraus er mit continuirlichen Feuergaben verhinderte, dass dieselben nicht weiter avanciren, noch sich mit denen aufif dem Berge stehenden gleich stellen kunten. Als man dieses gewahr wui'de, commandirte man alsobald etliche Mannschafft von denselben, welche den Feind in der Seiten anfiel und ihn also auch vollends von dar zu decampii'en zwunge, wodurch die in etwas zurück stehenden Battaillons Lufft bekamen, sich mit den andern aiiff dem Berge zu conjungiren.

Se. Churfl. Durchl. zu Sachsen etc. kamen alsofort auf den Berg selbst in Person und contestirten gegen Dero Generals, so bey dieser Action allezeit ä la teste gewesen waren und die Infanterie angefübret, öffentlich, dass' sie mit ihrer Action sehr satisfait wären, und Wünscheton, dass Sie selbst in Person bey ihnen hätten seyu

Antheil der sächs. Armee an der Schlacht am Kaleuberge. 83

können, weil Sie aber bey dem lincken Flügel das Commando führeten, hätte die Nothdurfft erfordert, sich davon nicht zu ab- sentiren.

Was inzwischen bey der Kayserlichen Infanterie mit dem Feinde vorgegangen, hat man Sächsischer Seite so genau nicht observiren können; unpartheyische Zuschauer berichten, dass die Türeken, so gegen sie gestanden, als sie gesehen, dass ihre Cameraden gepous- siret und verfolget worden, auch angefangen zu wancken und sich zu wenden, auf welche zwey Battaillons Kayserliche, so von dem Hertzog de Croy angeführet, gedrungen und sie endlich den Berg hinauf getrieben; es haben aber die Tiircken die descente jenseits des Berges den Kayserlichen liart disputiret, biss dass Priuce Louis von Baden mit den Sächsischen Dragonern, welche er aus der andern Linie des lincken Flügels genommen, hinzu gerücket, die- selben absitzen lassen und damit den Feind vollends gar von dem Berge chargiret, worzu denn 2 Sächsische Kegiments- Stücke, welche auf den Berg gebracht waren und aus welchem dem Feinde ziem- licher Schade zugefüget ward, nicht wenig geholffen. Hierauf hat die sämtliche Kayserliche Infanterie sich auf den Berg gleichfals gezogen und sich allda postiret. Biss hieher, welches schon gegen 2 Uhr um Mittag war, ist das geringste auf der rechten Seite, worauf die Bayerische und Fränckische Infanterie wie auch der rechte Flügel gestanden, nichts vorgelauffen und nur allein ein Theil Kayserl. und denn die Sächsische Infanterie mit dem Feinde in Ope- ration gewesen ; jedoch hatte inzwischen die Bayer- und Fränckische Infanterie sampt dem rechten Flügel sich allmählich moviret und näher mit angerücket, man sähe aber darauö' alsobald starcke Türckische Trouppen nach dem rechten Flügel zu marchiren, wie denn auch einige Türeken, welche biss in den vorgedachten Grund poussiret worden, sich gleichfals dahin wendeten, so ingesamt den rechten Flügel angriffen. Diesen gieng ein Theil Polen frisch ent- gegen, wurden aber von dem Feinde repoussiret und retirirten sich auf die 4 Battaillons Infanterie, so von den Kayserlichen, Bayeri- schen, Sächsischen und Fränckischen waren, dem König in Polen auf Begehren, ehe man den Kaienberg erstiegen, gegeben und her- nachher vor den rechten Flügel an einen advantageusen Ort gesetzet worden. Diese soutenirten die Polen zu .3 unterschiedlichen mahlen, und hatte es damahls das Ansehen, als wann der rechte Flügel Noht leiden würde, wesswegen denn der Sächsische Feld- Marschall an die Bayrische und Fränckische Infanterie, welche dem rechten Flügel am nechsten stunde, unterschiedliche Officirers schickte und sie er- suchen liesse, dem rechten Flügel zu Hülffe zu kommen, worzu denn der Fränckische General-Major sich abermahl gantz willig be- wiese, aber vom Prince von Waldeck contramandiret worden, mit dem Fürwenden, dass allda niemand als er zu commandiren hätte. Endlich rückten die Ilussaren herfür, welche den Feind auch in die Flucht brachten, und hat man darbey gar nicht mercken können, dass einige Infanterie ausser die vorgemeldten 4 Battaillons mit dem Feinde zuthun gehabt, vielweniger denselben, wie die Gazettiers melden, repoussiret hätten. Unter dieser Zeit kam der Hertzog von Lothringen neben andern Kayserl. Generals zu dem Sächsischen auff den vorgedachten Berg und schaueten der Action auf dem rechten Flügel biss zu Endung derselben zu, und da man den Feind fliehen sähe, fragte der Ilertzog von Lothringen den Feld-Marschall Goltzen, ob man mit der Ehre und grossen Avantage, so man über

84 E. Joachim: Antlieil d. Sachs. Armee a. d. Schlacht a. Kaienberge.

den Feind gewonnen, diesen Tag vergnüget seyn oder weiter avan- ciren wolte? NYorauf Feld-Marschalf Goltz die Antwort ertheilet: Weil es schiene, dass der Feind epouvantiret, so hielte er vor gut, dass man denselben verfolgte und die Victorie weiter prosequirte. Der Hertzog von Lothringen sagte darauif: Marchons donc! und ritte nebst andern bey sich habenden Generals wieder zu den Kayser- lichen. Die Sächsische Infanterie avancirte darauff alsofort den Berg hinunter, denen folgeten die Kayserlichen , und begunte die gantze Battaille darauff sich zu bewegen. Die Türeken, so noch im Grunde •waren, als sie dieses sahen, retirirten sich in ihr erstes Lager und sähe man, dass deren sich bey etlich viel Tausend oben an ihrem Lager zur Lincken Seite, allwo ein gross eben Feld war, versam- leten. Es hatte auch der Feind auf der Ecke dieser Höhe etwas auiFgeworffen , welches das Ansehen einer Redoute hatte und mit 6 Metallenen Stücken besetzt war, womit er auff die Avancirenden zwar Feuei- gab, jedoch allezeit zu hoch schoss. Man hielte damalils gar gewiss dafür, der Feind würde diese Höhe disputiren, weil im Grunde nicht zu sehen war, was eben in der Höhe vorgienge; es avancirten so wol Ivayserl. als Sächsische immer nach der Höhe zu, und ein jeder sich in guter Bereitschatit zum Fechten haltende war beschäfftiget dieselbe anzusteigen. Endlich da mau darauf gelangte und vermeinete den Feind anzutrelfen, hatte er sich schon aus dem Staube gemacht und seine Ketirade nach dem letzten Lager ge- nommen. Die Sächsischen waren hierbey gleichfals die ersten, welche desswegtsn auch die 6 Metallene Stücke zur Beute bekamen, wie man dann derselben Fähnlein in des Feindes Lager hat am ersten fliegen sehen. Es haben nachmahls die Sächsischen Dragoner des Feindes Approchen angreiffen helffen, woraus ziemlicher Gegenstand gethan worden, und ein gut Theil von den Dragonern geblieben. Folgends hernach ist die Cavallerie zu erst der Infanterie vorge- kommen, welche den fliehenden Feind nuchgesetzet. Was nun weiter vorgangen, weil die Nacht einfiel, hat man von Sächsischer Seite nicht bcmercken und also nichts mehr allhier melden können, massen auch ohne dem die Gazetten hiervon voll sind. Alles diss, was in dieser Relation vorbestellet worden, verhält sich in der Wahrheit also und wird solches von allen unpartheyischen Zuschauern , wie nicht weniger von allen Kayserlichen Generals selbst, so auf dem lincken Flügel gewesen, zugestanden, daher dann unrecht, dass man in den Gazetten den Sächsischen nicht einmahl den geringsten Part von dieser Action zueignen, noch derselben mit einem Worte darbey gedencken wollen.

Literatur.

Gescliichte der sächsischen Kirchen- und Sclmlvisitationeu Ton 1524 bis 1545. Umfassend: Die Visitationen in den hcntigen Ge- bietstheilen der Königreiclie Prenssen und Sachsen, des Gross- herzogthums Weimar, der Herzogthümer Gotha, Meiningen, Alten- burg, des Ilerzogthums Brannschweig und der Fürstenthümer Schwarzburg-Rudolstadt, Sondershausen, Reuss j. und Reuss ä. L. Quellenmässig bearbeitet von G. A. H. Burkhardt. Leipzig, Grunow. 187«. 8». XXVIII. 347 SS. (A. u. d. Titel: Geschichte der deutschen Kirchen- und Schulvisitationen im Zeitalter der Re- formation von C. A. H. Burkhardt.)

„Man rauss sich wundern; wie es gekommen sei, dass bis dahin dieser wichtige Pimkt (die Kirchenvisitationen), der doch so Vieles zur Aufklärung jener Zeit beitrtägt, ganz mit Stillschweigen übergangen worden, und ist da- her dem verdienten Plerrn Verfasser, der mit so vieler Wärme und einer so trefflichen Einkleiduns' die Geschichte jener Visitationen erzählt, die um so angenehmer und zu- verlässiger, da sie mit den nöthigen Documenten belegt imd versehen ist, für diese Mittheilung den verbindlichsten Dank schuldig." Mit diesen Worten eröffnete im Jahre 1797 der Allgem. Literar. Anzeiger (Sp. 296) eine Be- sprechung von Kapps Umständlicher Nachricht von der allgemeinen Kirchenvisitation in dem Fürstenthum Bai- reuth in den Jahren 1561 1564. Referent schickt die- selben der Besprechung des obengenannten Werkes vor- aus. Denn auch heute noch gilt die Verwunderung dar- über, dass noch so wenig für die Publication dieser hochwichtigen officiellen Documente geschehen ist, wie die von Burkhardt (S. VI) citirte Literatur beweist. Frei- lich hebt er mit Reclit die grossen Schwierigkeiten hervor, die sich einer solchen Arbeit entgegenstellen. Reicht doch zu derselben selbst das reichste Archiv nicht aus; eine Benutzung verschiedener ist unbedingt uothwendig, so dass für gewisse Lebensstellungen eine grössere zusannnen-

Literatur.

liängendc Arbeit über die Kirchen- und Sclmlvisitationen selbst in einer beschränkten Epoche " nicht möglich ist. Um so mehr sind wir dem Verfasser für das angezeigte Werk zum Dank verpflichtet. Durch seine amtliche Stellung an die Quelle gesetzt befinden sich doch ge- rade in Weimar sehr viele Yisitationsprotocolle , durch frühere eingehende Studien auf dem Gebiete der Refor- mationsgeschichte wohl vorbereitet, war er in ganz be- sonderem Grade berufen, die Lücke auszufüllen. Es war eine mühevolle Arbeit, die Berge von Akten durchzuar- beiten, aber als reiche Frucht derselben bietet das Buch eine unendliche Fülle von Stoff zur Orientierung über die kirchliche Lage in Sachsen und den angrenzenden Ge- bieten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zwar nach einer noch wenig beachteten Seite. Mit Recht sagt der Verfasser Seite V, dass sich die Forschimg „eingehen- der mit der Geschichte des Dogmas unserer Kirche be- schäftigt hat, während die Studien zur Geschichte der äusseren Entwickelung unserer evangelisch -lutherischen Kirche ausserordentlicli spärlich aufgetreten sind". Auf Grund der VisitationsprotocoUe sucht nun der Verfasser die Ergebnisse der Forschung durch Zahlen darzustellen. Demnach wird erstens der Procentsatz der Tüchtigkeit der Geistlichen in den eiczelnen Gegenden fixiert. Zu diesem Zwecke hat der Verfasser die in den Akten mit Worten ausgedrückten Censuren durch die Nummern 1 bis 4 bezeichnet; von denen die letztere die Unbrauch- baren umfasst, deren Untüchtigkeit entweder auf dem Mangel theologischer Bildung oder auf sittlichen Gebrechen beruht. Zweitens werden die Patronatsverhältnisse sta- tistisch dargestellt. Es ist das von grosser Wichtigkeit, da die Patrone bei der Anstellung der Geistlichen, wie bei der Einführung der Reformation von grösstem Ein- fluss waren. Interessant ist, wie die unter dem Patronat des Kurfürsten wie einzelner Städte (z. B. merkwürdiger- weise Zwickaus) stehenden Geistlichen sich vor anderen auszeichneten. Drittens handelt es sich um Feststellung der Zahl der Mutterkirchen, um deren Verhältnis zu den Filialen und eingepfarrten Ortschaften. Nicht selten wer- den hierbei die Bevölkerungszahlen angegeben. Viertens aber führt uns der Verfasser das numerische Verhältnis der Stiftungen und Vicareien, der Klöster und ihrer In- sassen, die Bewirthschaftung und Einkünfte derselben vor. Gerade die letzteren Angaben gestatten uns einen höchst

Literatur. 87

interessanten Blick in die wirthscliaftlichen Verhältnisse der jungen Kirche, welche das Erbe der alten benutzte und umgestaltete.

Der Verfasser theilt nun den Stoff local in 3 Gruppen ein; er bespricht zuerst die Visitationen im Ernestinischen Gebiete, dem Kurfürstenthuvn Sachsen, dann in den Al- bertinischeu Ländern, woran sich als drittes das Braun- schweig--Wolfenbüttel'sche Gebiet anschliesst. Es fällt diese Eintheikmg zugleich mit dem historischen Gange zusammen. Denn in ersterem Lande begann die Visitation 1526 und dauerte die ganze folgende Zeit fort, während sie im zweiten erst 1537 und in Braunschweig sogar erst 1542 ihren Anfang nahm.

Wenn nun das Buch die Kirchen- und Schulvisita- tionen behandelt, so tritt doch die Geschichte der letzteren wesentlich in den Hintergrund, weil sich die Prüfung der kurfürstlichen Commissäre namentlich in der ersten Zeit mehr auf die kirchliche Lage bezog. Doch finden sich auch über die Schulverhältnisse höchst interessante Notizen, so namentlich über die Schulen zu Zwickau und zu Torgau S. 188 fgg. Im ganzen beziehen sich diese Nachrichten mehr auf die äusseren Verhältnisse, doch thun wir auch manchen Blick in das innere Schulleben, die Methode u. s. w. Gerade hier, aber auch sonst, hat es der Ver- fasser verstanden, das allgemeine Bild, die todten Zahlen, durch einzelne kleine Züge zu beleben. So wird S. 188 erzählt, dass den Schulmeistern „das Stauchen, Stossen und übermässige Schlagen" verboten worden sei, damit die Jugend nicht vom Schulbesuch abgeschreckt würde; kein Lehrer soll für die Kleinen angestellt werden, der „ein lispelnd oder sunst böse ausspräche hat, damit die Knaben, welche bald fahen, nicht erst's anfangs damit in- ficirt werden". Das Bild, das uns von den Schulverhält- nissen entworfen wird, ist kein günstiges; nur einzelne Städte setzten ihre Ehre darein, gute Bildungsstätten für die heranwachsende Jugend aiifzurichten, auf dem Lande war dafür sehr schlecht gesorgt.

Nicht minder ungünstig erscheint uns die kirchliche Lage. Es war unbedingt eine Besserung nothwendig, namentlich nachdem die Wiedertäufer und Bauern so furchtbare Schläge gegen die öffentliche Ordnung und die Kirche geführt hatten. Die Noth drängte zur Zuhülfe- nahrae der territorialen Gewalt, wie die Worte Luthers S. 8 es ergreifend schildern. Wenn der Kurfürst zunächst

88 Literatur.

auch eine ßetlieiligung ablehnte, so verstand er sich doch schliesslich dazu. 1526 wird zur Visitation im Amt Borna neben einem weltlichen Comraissar Georg Spalatiu abge- sendet. Letzterer eröffnet hiennit seine für die Organi- sation der lutherischen Kirche hochwichtige Thätigkeit, welche ilm in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in Anspruch nimmt. Sie würde eine Würdigung in einer besonderen Monographie auf Grund des reichen, nament- lich im Archiv zu Weimar befindlichen Materials ver- dienen. Spalatin führte sehr oft selbst das Protocoll, wie wir aus zahlreichen, uns erhaltenen Conccpten sehen. Es würde von Interesse sein, dieselben mit den officiellen Protocoll en zu vergleichen, welche uns nur das Resultat der Verhandlung kurz berichten Wir würden daraus manche Interpretation für die Beschlüsse erhalten, nament- lich auch für die Censuren der Geistlichen. Die Urtheile über die letzteren fallen bei den ersten Visitationen sehr ungünstig aus, namentlich bei der im Jahre 1526 im Amte Tanneberg vorgenommenen, wo von zwölf Geistlichen nur einer die Censur „ziemlich gut" bekommt, während elf (wie es S. 12, Anm. 2 statt 1 Geistlicher heissen muss) für untauglich erklärt Averden. Höchst interessant sind einzelne Urtheile, welche hier, wie auch an anderen Orten, wörtlich angeführt werden (S. 12 fg). Ein eingehender Bericht geht an den Kurfürsten, in welchem ausdrücklich hervorgehoben wird, dass der Kurfürst im Interesse seines Landes „kein l^esser Ding habe fürnehmen könnnen". Von ihm wurden einige Zeit nachher zwei Räthe nach Wittenberg gesendet, um mit den Vertretern der Uni- versität eine Instruction auszuarbeiten. Später wurde von Melanchthon der Visitationsimterricht verfasst, welcher dann mit einer geharnischten Vorrede Luthers erschien. Die genannten Arbeiten bilden nach Burkhardts Dar- stellung die erste Periode.

In der zweiten (1527 1529) werden die Visitationen auf Grund der gemachten Erfahrungen vmd ausgearbei- teten Instructionen planmässig und energisch im ganzen Lande in Angriff genommen. Dieselben begannen im Kurkreise am 22. October 1528, in Meissen und im Voigt- lande Ende November, zu gleicher Zeit in Franken, im Januar 1529 in Zwickau und Umgegend, dann die von Plauen u. s. w.

Nach kurzer Charakterisierung der dritten Periode 1529—1532, der Zeit des Stillstandes, wird die vierte,

Literatur. 89

von 1532 1545, besprochen, bei welcher man sich be- sonders mit der Aufhebung und Verwendung der geist- lichen Güter beschäftigt. Die Visitation erstreckt sich hier auf einen Theil der Grafschaft Schwarzburg wie die reussischeu Länder, im übrigen werden die schon früher von der Visitation besuchten Gegenden berührt. Dies hat den Verfasser veranhisst, dieser Thätigkeit weniger eingehend zu gedenken. Und doch wäre eine Ver- gleichung des Zustand es dieser Gegenden mit dem Be- funde aus den Jahren 1528 29 höchst interessant gewesen, namentlich nach der finanziellen Seite hin. Das Raths- archiv zu Zwickau enthält ausser den Visitationsakten vom Jahre 1533 auch noch ein Exemplar der Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben des gemeinen Kastens. Dieses „Verzeichnus des einkommens aller Lehen etc. 1533" wurde auf Befehl der Visitatoren, wie sich aus einem Briefe Spalatins an den Stadtschreiber Stephan Roth er- giebt, ausgefertigt und von letzterem persönlich nach Altenburg gebracht (s. die Rathsrechnungen vom Jahre 1533 34 S. 17). Mit diesen Visitationen schloss vorläufig die Thätigkeit der Commissäre in des Kurfürsten Lan- den ab.

Die Aufsicht wurde jetzt den Superattendenten und den Visitatoren übertragen, während der Kurfürst die höchste Instanz in streitigen Fällen bildete. Lnmer mehr machte sich aber die Begründung einer Centralaufsichts- behörde nöthig: so entstand das Consistorium zu Witten- berg wohl im Jahre 1539, während die in anderen Städten in Aussicht genommenen äusserer Schwierigkeiten wegen nie ins Leben getreten sind.

Von neuem lebten die Visitationen 1537 auf, als Herzoo- Heinrich von Freibcrg sich der Reformation an- schloss. Auf seine Bitte wurde Georg Spalatin zur Un- terstützung hingesandt*, er war es auch, der die Leitung des Visitationswerkes übernahm, als im Jahre 1539 nach Herzog Georgs Tode dessen Land an die Frciberger Linie kam. Die Protocolle dieser Verhandlungen sind, wie Burk- hardt S. 234 Anm. 4 erwälmt, zum grossen Theil noch nicht zu finden gewesen. Referent weist hier auf ein Aktenstück hin, welches uns wenigstens Aufschluss über die Thätigkeit der Visitatoren in Dresden giebt. Dasselbe befindet sich im Dresdner Stadtarchiv (A. II. 66) und ent- hält auf Bl. 23 34 unter dem Titel: „V^'^as in der ersten Visitation zu Dressden in Eyle verordnet ist worden^ dem

90 Literatur.

Rathe zu Dressden zu Händen zu stellen 1539" die Beschlüsse der herzoglichen Commissäre. Die Verhand- lungen begannen am 19. Juli Vormittags (wonach wohl das Datum S. 234 Anm. 4 zu ändern ist) und bezogen sich auf die Barfüssermönche , ferner auf „die bestellung der pfarr, predigstuls, diaconat, Schulmeisters, sein ge- sellen u. s. w.", wäJirend es sich „nach gehaltener maltzeit" um die Behausung und das Recht des ßierschanks seitens des Pfarrers handelt. Auch wird dem letzteren befohlen, „ein fleissiges aug darauff zu haben, das nyemands hie nichts schreibe wider Gottes wort und die reyne lere", wie auch „der Buchdrucker nichts auflegen noch auss- gehen lassen soll, er habs denn zuvor dem Superatten- denten fürgetragen". Am 21. Juli werden die Verhand- lungen geschlossen. Aber die Visitatoren sind von der Nothwendigkeit einer neuen und eingehenderen Visitation überzeugt: „Dann do man nicht bald mit einer ordent- lichen Visitation folgen und nachdrucken wurde, so wer es taushent mal besser und sicherer nutzlicher und er- liclier, beide gegen Gott und der weit, das raans nie an- gefangen liette, denn das man dabey Hess bleibenn." Diese für so dringend erklärte Visitation wird am 21. De- cember 1539, an einem Sonntage, gehalten und merk- würdigerweise auch an demselben Tage beendet. Das Protocoll befindet sich ebenfalls in dem oben citierten Aktenstück Bl. 35 39. Die Beschlüsse beziehen sich auf das Einkommen der geistlichen Lehen, welche eben so wie die der Fleischerbruderschaft dem Rath anheimfallen und zur Besoldung der Kirchen- und Schuldiener ver- wendet werden sollen. Weiter handelt es sich um die Auf- richtung von zwei deutschen Schulen, „eine vor die megdtlein, die andere vor die kneblein".

Im Jahre 1540 erfolgte dann die Visitation im Al- bertinischen Thüringen, vier Jahre später im Hochstift Merseburg, über welche Burkhardt S. 273 fgg. berichtet. Zu gleicher Zeit fanden die Verhandlungen zu Braun- schweig-Wolfenbüttel statt (S. 297—320). Das Ganze wird vom Verfasser durch einen recapitulierenden Ab- schnitt: „Rückblick und Resultate" abgeschlossen. Das Namen- und Sachregister S. 327 347 führt uns noch einmal die Fülle des Stoffs vor Augen.

Niemand, der sich mit der Reformationsgeschichte beschäftigt, wird an dem Buche vorübergehen können, ohne dasselbe einem eingehenden Studium zu unterwerfen.

Literatur. 91

Niemand aber wird dasselbe aus der Hand legen, ohne reiche Anregung und Förderung erhalten zu haben, Referent schliesst mit dem Wunsche, dass dem ersten Bande der in Aussicht gestellte zweite Theil recht bald folgen möge. Dresden-Neustadt. Georg Müller.

Der Aiitheil der Oberlausitz den Aufäugen des dreissig:- jährigeu Krieges, 1618 bis 1G23. Von Dr. Hermann Knofrhe. Von der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz prämiirte Preisschrift. Dresden, Burdach. 1880. 8". 95 SS. (Auch im Neuen Lausitzer Magazin LVI, 96 fgg.)

Wie Palm in der Zeitschrift für Geschichte und Alterthümer Schlesiens die Stellung dieses böhmischen Nebcnlandes zu der böhmischen Rebellion von 1618 be- handelt hat, unternahm es H. Knotlie, die Stellung der Oberlausitz in den ersten Jahren des dreissigj ährigen Krieges darzustellen. Die Abhandlung, gleich ausge- zeichnet durch die Verarbeitung eines sehr reichen ar- chivalischen Materials, durch Schlichtheit und Klarheit der Darstellung, durch Mittheihmg von einer Fülle neuer Details, verdient vollauf die Anerkennung, welche ihr die Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften zu Theil hat werden lassen.

Es sind im Grunde' zwei Momente, um die es sich handelt: einmal das Verhältnis der Oberlausitz zur böh- mischen Bewegung, sodann ihr Verhältnis zu Kursachsen. Wie die Lausitzer sich nur zögernd und man möchte fast sagen wider ihren Willen den Böhmen anschlössen und sich im Verein mit ihnen gegen den designierten König Ferdinand und für Pfalzgraf Friedrich erklärten, wird in den ersten drei Kapiteln sehr eingehend und an- ziehend dargelegt. (I. „Vom Beginn des Aufstandes in Böhmen bis zur Aufnahme der Oberlausitz in die böh- misch - schlcsische Union; Mai 1618 bis Mai 1619." IL „Abschluss der allgemeinen Conföderation und Wahl Friedrichs von der Pfalz; Juli und August 1619." in. „Die neue Ordnung der Dinge in der Oberlausitz seit Herbst 1619.") In den folgenden vier Kapiteln han- delt es sich um die dem Kurfürsten Johann Georg von Sachsen von Kaiser Ferdinand aufgetragene Execution, die Unterwerfung des Landes, das dann dem Kaiser und Kurfürsten die Interimsliuldigung leistet und nach einer Reihe weiterer Verhandlungen in den Pfandbesitz Kur-- sachsens kommt. (IV. „Die kursächsische Exe.cutiou, September bis December 1620." V. „Der Dresdner

92 Literatur.

Accord und der Karaenzer Landtag 1621." VI. „Die Gesandtschaft an den Kaiser und die Restitution der Katholiken, Sommer 1G22." VII. „Die Mission Kur- Sachsens in den Pfandbesitz der Oberlausitz 1623.") Wie man sieht, endet die Arbeit mit dem nur vorläufigen Abschluss der Frage. Vielleicht, dass der Herr Verfasser sich entschliesst, sie in einer anderweiten Abhandlung bis zu* ihrem definitiven Abschluss fortzuführen; bis dahin, "WO, wie er sagt, „dui'ch den Prager Frieden von 1635 und den Traditionsrecess von 1636 diese beiden einst den "Wettinern gehörigen (lausitzischen) Länder aus dem blossen Pfandbesitz in Erblehnbesitz übergingen."

Halle. G. Droyseii.

Leipzig und seine Universität vor hundert Jabren. Aus den

gleichzeitigen Aufzeichnungen eines Leipziger Studenten jetzo zuerst an's Licht gestellt. Mit Titelbild, Plan von Leipzig und Karte der Umgegend. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1879. 8«. XIL 128 SS.

Mit diesem Büchlein hat es eine eigene Bewandtnis. In den Jahren 1777 1779 studierte in Leipzig der nach- malige Lüneburgische Arzt Johann Heinrich Jugler (f 1814). Frühzeitige Neigung zur Schriftstellerei er entfaltete nach Abschluss seiner Studien eine sehr ausgedehnte schriftstellerische Thätigkeit und das Bedürfnis, über alle Verhältnisse, in die er versetzt wurde, sich möglichst, genau zu orientieren, veranlassten ihn, während seines Leipziger Aufenthaltes aucii Material zu einer Beschrei- bung Leipzigs zu sammeln. Nachdem er dann die Uni- versität verlassen, arbeitete er im Winter 1779—1780 dieses Material aus, doch wohl in der Absicht, seine Darstellung zu veröffentlichen. Doch vergingen noch einige Jahre, während deren er seine Arbeit durch Nachträge zu ver- bessern und zu vervollständigen suchte. Schliesslich unter- liess er aber die Veröffenflichung, da ihm im Frühjahr 1784 J. G. Schulz mit seiner allbekannten, weit umfäng- licheren „Beschreibung der Stadt Leipzig" zuvorkam, und begnügte sich damit, über die Arbeit von Schulz eine Recension in die „Gothaischen Gelelirten Zeitungen" zu schreiben. Sein sorgfältig und zierlich geschriebenes Ma- nuscript aber legte er bei Seite, bewahrte es auf, es erhielt sich in den Händen seiner Nachkommen, und dieses ist es, welches nun, hundert Jahre nach seiner Entstehung, hier doch noch das Licht der Oefi'entlichkeit erblickt hat. Nach dem Vorstehenden drängt sich sofort die Frage

Literatur. 93

auf: Lohnte es überhaupt der Mühe, das Manuscript, das durch das Schulz'sche Buch augenscheinlich überflüssig wurde, jetzt noch herauszugeben? Und diese Frage wird sich jeder wiederhoh^n, der das Büchlein selbst zur Hand nimmt und sieht, wie der Verfasser überall in seinem Texte auf die ältere Literatur hinweist, die er benutzt hat und die uns natürlich nocli ebenso gut zur Verfügung steht wie ihm. Dennoch möchten wir die Frage nicht ohne weiteres verneinen. Rein thatsächliche Angaben über Einrichtungen und Personen jener Zeit findet man allerdings bei Schulz und in den Leipziger Adressbüchern der siebziger Jahre, die Jugler natürlich benutzt hat, weit ausführlicher, wiewohl eine so ausführliche Aufzäh- lung vmd Beschreibung der damals auf der Stadt- und der Universitätsbibliothek befindlichen Bilder, wie Jugler sie giebt, die entsprechende Partie bei Schulz weit hinter sich lässt. Dazu kommt, dass die Aufmerksamkeit des Verfassers keineswegs nach allen Seiten hin gleichmässig gerichtet ist: vor allem interessiert ihn Kunst und Wissen- schaft, gelegentlich auch das gesellschaftliche Leben, für den Handel dagegen hat er sehr geringes Interesse. Den- noch macht der ungenannte Herausgeber unseres Büch- leins mit Recht darauf aufmerksam, dass, während die Beschreibung von Schulz „das Werk eines halbgelehrten, nicht unabhängig dastehenden Mannes ist, der urtlieilslos und schönfärbend eine schablonenhafte Literatenarbeit lieferte", Jugler an Personen und Sachen eine sehr un- befangene Kritik übt. Dies lässt sich an Einzelheiten durch das ganze Büchlein hin verfolgen, am fühlbarsten tritt es hervor in dem Absohnitt über die Leipziger Pro- fessoren jener Zeit, der interessantesten Partie des ganzen Schriftchens, und insofern ist der vollständige Abdruck des Manuscriptes immerhin dankenswerth.

Nach der vom Herausgeber vorgenommenen Einthei- lung zerfällt der Inhalt in neun Kapitel von sehr un- gleicher Ausdehnung. Das erste giebt eine Beschreibung der Stadt im allgemeinen, das zweite und dritte behandeln die öflfentlichen und die wichtigeren Privatgebäude, das vierte, umfänglichste, ist der Universität gewidmet daher die Wahl des Titels , das fünfte bespricht die gelehrten Gesellschaften und die Sammlungen der Stadt. Ziemlich werthlos sind das sechste (Gasthöfe, Speisewirthe, Münz- cours), achte (Messen) und neunte (Städtchen und Städte in der Nachbarschaft); und ähnliches würde von dem

94 Literatur.

siebenten (Plaisirs und Zeitvertreibe) gelten, wenn der Herausgeber hier nicht aus dem bekannten, aber selten gewordenen Buche „Das nach der Moral beschriebene galante Leipzig" (1768) demselben, in welchem sich zuerst die Bezeichnung „Klein -Paris" für Leipzig nach- weisen lässt einige Abschnitte, wie über das „Fischer- stechen", die „Schönefelder Kletterstange" und das öffent- liche Vogelschiessen, zur Ausfüllung herangezogen hätte. Im übrigen hat er das Manuscript wörtlich zum Ab- druck gebracht und mit einer Reihe sorgfältiger und sachkundiger Anmerkungen, theils berichtigender, theils ergänzender Art, begleitet, die uns nur selten Veranlassung zu einer abweichenden Meinung gegeben haben. So treffen die Nachweise der angeführten Häuser nicht durch- weg zu, und die Aussprache „Eichels Pfuhl" (Anm. 91) dürfte auf dieselbe verschönernde Volksetymologie zurück- zuführen sein, die auch „eingal" aus „egal" gemacht hat; der erwähnte Ort hiess der „Egelpfuhl". Der Druck des Werkchens ist sehr correct (nur S, 18 ist uns Lentzel statt Tentzel, S. 115 Jocander statt Iccander aufgefallen), und die Verlagshandlung hat auch ihrerseits durch eine Anzahl artistischer Beigaben das Interesse für die merk- würdige Publication zu steigern gesucht.

Noch eine Bemerkung. Der Herausgeber sagt unter anderem im Vorwort: „Für Den, der sich gerne ein möglichst zutreffendes Bild von [dem] Leipzig zu der Zeit, als Goethe in demselben weilte, entwerfen möchte, giebt es keine Schilderung, die so nahe an jene Zeit hinanrückt, wie diese." Dieser scheinlsare Wink war zu verlockend, als dass nicht fast sämmtliche Recensenten in unseren Wochen- und Monatsschriften ihm hätten folgen sollen: allgemein ist das Schriftchen als eine Art von Bei- trag zur Goethe-Literatur in Anspruch genommen worden. Das kommt aber nur davon, wenn man die Vorreden liest, anstatt der Bücher. Wir haben nirgends Veranlassimg gefunden, das Buch mit Goethes Namen in Zusammen- hang zu bringen. Wenigstens wird unser bisheriges Bild von Leipzig zu Goethes Studentenzeit auch nicht um den leisesten Zug dadurch bereichert.

Leipzig. G. Wust mann.

Literatur. 95

Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und

Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Böhmert, V. Urkundliche (jroschichte und Statistik der Meissner Porzelianraanufaktur von 1710 bis 1880, mit besonderer Rücksiclit auf die Betriebs-, Lohn- und Kassenverhältnisse: Zeitschrift des Königlich Sächsi- schen statistischen Bureaus. Jahrg. XXVI. Heft I II. S. 44—102.

(6 Byrn, Frhr.J Die Hofsilberkamraer und die Hofkellerei zu Dresden. Dresden, Wilhelm Baensch. 1880. 8». 208 SS.

Distel, Th. Nachtrag zu „Die im Königlich Sächsischen Hauptstaatsarchiv befindlichen Leibniz - Corresponden- zen": Berichte der philosophisch-historischen Classe der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. 1880. S. 187—189.

V. Eherstein, Louis Ferd. Frhr. Urkundliche Nachträge zu den geschichtlichen Nachrichten von dem reiclis- ritterlichen Geschlechte Eberstein vom Eberstein auf der Rhön. Dritte Folge. Dresden. 1880. 8». 305 SS.

Frantz, Adolph. Das katholische Directoriura des Corpus Evangelicorum. Nach handschriftlichen Quellen darge- stellt. Marburg, N. G. Elwert. 1880. 8". VIII, 180 SS.

Filrstenau, M. Die Oper Antiope und die Bestallungen des Kurfürstlich Sächsischen Vicekapellmeisters Nicolaus Adam Strunck und des Hofpocten Stefano Pallavicini: Monatshefte für Musik-Geschichte, herausgegeben von der Gesellschaft für Musikforschung. Jahrg. XIII. S. 1—6.

Gradl. Eger und Heinrich von Plauen 1451 bis 1454: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Jahrg. XIX. S. 198—214.

Hrdlu-ich, H. AYallcnstein und die Sachsen in Böhmen (1631 1632): Forschungen zur Deutscheu Geschichte. Bd. XXI. S. 115—222.

Hitzigrath, H. Die Publicistik des Prager Friedens (1635). Halle, Niemeyer. 8». 134 SS.

Holder -Egger, 0. Ueber eine Chronik aus Altzelle: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Gc- schichtskundc. Bd. VI. S. 399-414.

Ö6 Literatur.

Mitzschke, Paul. Die Bibliotheken Naumburgs. Naum- burg a. S., J. Domrich. 1880. 8". 16^SS.

Perschmann, Theodor. Die Reformation in Norclhausen. 1522—1525. HaUe, C. E. M. Pfeffer (Comm.) 1881. 8^ 39 SS. A. u. d. T. : Neujahrsblätter. Heraus- gegeben von der historischen Commission der Provinz Sachsen. 5.

Petzhohlt, J. Das Militärische aus dem Leben des Königs Johann von Sachsen. Im Anhange die Oper: „Saul König in Israel." Mit einem Portrait. Dresden, R. V. Zahn. 1881. 8^ 69 SS.

V. Savauw , Christian. Die Feldzüge Karls XII. Ein quellenmässiger Beitrag zur Kriegsgeschichte und Ka- binetspolitik Europas im XVIII. Jalirhundert. Mit einer Uebersichtskarte des nordischen Kriegstheaters und sechs lithographirten Tafeln, Leipzig, Bernhard Schlicke. 1881. 8°. VII, 328 SS.

Scheuffter, [Jeinrich Johann. Bilder aus der Oberlausitzer Reformationsgeschichte. I. Einführung und Schicksale der Reformation in der Oberlausitz. Barmen, H. Klein. 1881. 8«. 55 SS. (A. u. d. T. : Evangelische Bruder- liebe. Vorträge über die Aufgaben und Arbeiten des evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung. Her- ausgegeben von A. Natorp. III. Bd. 4. Heft.)

(Schnorr v. Carolsftld.) Briefe von Peter Watzdorft'. Aus dem Königlichen Hauptstaatsarchiv zu Dresden: Archiv für Literatur-Geschichte. Bd. X. S. 174—188.

Theile, F. Lockwitzer Nachrichten aus alter und neuer Zeit. No. 18—22. 1880. 1881. 8^ S. 65—158.

Wernicle, E. Meister Oswald Hilger in Freiberg: An- zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1880. No. 11. Sp. 331 fg.

Christoph Walter, Bildhauer in Dresden: ebenda. 1881. S. 13 fg.

Bruder' Hans, Paramentensticker von Leipzig: ebenda S. 16. "

Wustniann, G. Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig. Gestiftet im Herbst des Jahres 1680. Festschrift den Mitgliedern gewidmet vom Senior zum 22. November 1880. Leipzig 1880. 4». 93 SS.

V.

Herzog Wilhelm von Sachsen und sein böh- misches Söldnerheer auf dem Zage vor Soest.

Von Adolph Bachmanu.

Wie wenig Deutschlands Fürsten und Volk um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf der Höhe ihrer Aufgabe standen, zeigt nicht der klägliche Ausgang der grossen Reformbewegung auf kirchlichem Gebiete allein. Die Niederlage der Keichspolitik ist vielmehr begleitet, frei- lich auch wesentlich herbeigeführt, von dem rücksichts- losen EfToismus, mit dem sich allenthalben die Territorial- politik in den Vordergrund drängt. Noch hat da das Wiener Concordat von 1448 die kirchliche Reform nicht begraben '), als eine mächtige Bewegung anderer Art das Reich von den Bergen der Scliwciz bis zu den Ge- staden der Nordraeere erschüttert: der Gegensatz von Fürstenthum und Nobilität zu dem freien Bürger und Bauern. Wie die Kirchenfrage wirft der neue Conflict seine Schatten in alle Verhältnisse, alle Streithändel im Reiche. So schafft er auch mit dem Zuge Herzog Wil- helms von Sachsen vor das weit entlegene Soest zugleich eine bedeutungsvolle Episode mitten hinein in die erbitterte

?

') Vergl. G. Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini I, 417 fgg.

Neues Axcbiv f. S. U. u. A. II. 3. I

98 Adolph Bachmann:

Fehde, die zwischen den Brüdern von Meissen und Thü- ringen, Kurfürst Friedrich II. und Herzog Wilhehn, an- lässlich der „zweideutigen"^) Theilung des väterlichen Erbes vom 10. Dezember 1445 entstanden war.

Umsonst gaben sich die brandenburgischen Mark- grafen, gab sich Erzbischof Friedrich von Magdeburg, Landgraf Ludwig von Hessen, die einst die Theilung ver- mittelt hatten, alle Mühe, die Herzoge zu dessen friedlicher Befolgung zu bringen; auch der Kaiser hatte den Ver- trag') bestätigt: die Fehde vermochte trotzdem zu keinem Ende zu kommen und schädigte die Lande je länger desto empfindlicher. Schwer fällt es hier, zwischen beiden Par- teien den Spruch zu thun auf „schuldig" oder „nicht- schuldig". Wohl aber wünschte dei- Kurfürst trotz der Theilung die Aufrechthaltung seines brüderlichen Ein- flusses über den gesammten Hausbesitz, gemeinsame Po- litik nach innen und aussen, während der jüngere Herzog mit dem scharf getrennten Besitze zugleich seine fürst- liche Selbständigkeit wahren zu müssen glaubte, dabei aber ganz unter den Einfluss seiner Räthe, besonders der Brüder Vitzthum, gerieth. Reich begütert, so dass er mit seinem Bruder „fast die Hälfte des Landes" besass, ebenso schlau und gewandt als energisch und tapfer, galt Apel Vitzthum bald als die eigentliclie Ursache des Krieges und als der grimmige Feind des Kurfürsten, den er im Interesse der eigenen Herrschsucht bekämpfte.

Der Waffenstillstand, den die genannten Fürsten für die Zeit von Michaelis 1446 bis Georgi 1447 vermittelt hatten*), wurde nicht gehalten; neue gegenseitige Beschä- digungen mehrten die Erbitterung. Als dann auf dem Rathhause zu Erfurt Graf Ernst von Gleichen, den der Kurfürst geschickt, um über den Bruch des Waffenstill- standes zu klagen, vor dem zu seiner Vertheidigung her- beigeeilten Herzoge Wilhelm rückhaltlos die Vitzthume als Hindernis des Friedens bezeichnete *), da mussten auch diese erkennen, dass es einen Kampf gelte um ihre Exi- stenz. Rasch wusste Herr Apel zu handeln.

*) Droyseii, Gesch. d. preuss. Politik (2. Aufl.) II, 1, 75 fgg.

*) Chaiel, llegesten z. G. Friedr. IV, I, Nr. 2054. Die Bestäti- gung vom 1. April 1446.

*) Konrad Stolles Thüringisch- Erfurtische Chronik, ed. L. F. Hesse (32. Public, des literarischen Vereins in Stuttgart, Stuttgart 1854) 9.

*) Nach Stolles Chronik 1. c. 11—14.

Herzog ^Yilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 99

Seitdem die Hussitenkärapfe den Ruf der böhmischen Kriegskunst und Tapferkeit in ganz Mitteleuropa be- gründet, in Böhmen selbst aber den unbändigen Hang zu Kampf und Beute geAveckt hatten, blieb Böhmen durch Jahrzehnte das grosse Kriegslager, dessen reisige Schaaren in Ungarn und Kroatien, in Preussen und Schlesien, in Thüringen und Franken, in Bayern und Oesterreich die Fehden der Fürsten und Comvnunen durchkämpften, wo neben militärischem Talente und ungestümer Tapferkeit freilicli auch ruhelose Kriegs- und Beutelust zu Hause waren. Kein Wunder, dass Herr Apel Vitzthum hierher seine Blicke richtete, iim so weniger, als schon vordem böhmische Krieger in Herzog Wilhelms Sold gewesen waren.*') Leicht ward es ihm, seinen jungen, leidenschaft- lichen Herrn zu dem Entschlüsse zu bestimmen, böhmische Schaaren in überwältigender Stärke aufzurufen und mit ilirer Hülfe den feindlichen Bruder niederzukämpfen.

Bald nach Neujahr 1447 finden wir den Vitzthum persönlich in Böhmen.'') Mit Alscho Holicky von Stern- berg, den "er seit langem kannte, traf er auf dessen Schlosse Petschau, ebenda, wie es scheint, auch mit Fried- rich von Donin die nöthigen Verabredungen. Von hier aus weckte er, von Donin und Sternberg gefördert *), die Lust zur Kriegsfahrt nach Thüringen und Meissen durch glänzende Verheissungen. Bald war der Westen Böhmens vom Egerlande bis über Pilsen und Taus hinaus in krie- gerischer Bewegung. Der von Donin nahm persönlich herzogliche Dienste, ebenso mit einer beträchtlichen Zahl seiner Leute Peter von Sternberg, Herrn Alschos Sohn. Die Nachbarn der Sternberge folgten nach: Heinrich von Kolowrath auf Liebenstein (Libsteinsky) **), dessen Vetter

«) Palacky, Geschichte Böhmens IV, 1, 178. Vergl. K. Stolle, Chronik 19.

') Die Zeit der Verhandlungen Vitztluuns mit den Böhmen (bisher stets unrichtig angegeben nach K. Stolle 21 und Härtung Ivammermeister, Annales Erfurtenses (jermanici bei Mencke, Scriptor. rer. Germ. III, 1192) zeigen Nr. 18 u. 19 der „Urkunden und Akten- stücke zur österreiohisciien Geschichte 1110 1 471" bei A. Bachmann, Fontes rer. Austriae, Abth. II, Bd. XLII. Ich citiere dieselben von nun an als Fontes r. A. XLII.

») Grossherzogl. sächs. Gesammt -Archiv zu Weimar Reg. A fol 8 No. 1.3 (nach der früheren Eintheilung). Friedrich von Donin auf Wildstein (Pilsener Kreis).

•) Nordwärts Pilsen nächst Radnitz an der ßeraun gelegen und von Liebenstein im Egerlande wohl zu unterscheiden.

7*

100 Adolph Bachmann :

Albrecht Bezdruzicky von Kolowrath auf Weseritz '"), Niclas von Guttenstein auf Breitenstein"), Dienstmannen Hynek Kruschiuas von Schwamberg auf Bor '^', Johann Calta von Steinberg auf Rabenstein *^), Johann von Ko- stelzen **); Dietrich von Janowitz ^*) und andere. Aber auch aus grösserer Ferne, aus Nordböhmen, ja selbst Mähren durfte Vitzthum auf zahlreichen Zuzug sicher hoffen; der streitlustige Wilhelm von Ilburg, Zawisch von Klinstein, Johann Sddlo von Smilkau'®), Jeschko von Boskowitz''), die Mährer Ulrich der Jüngere von Kaunitz, Johann Zieleticky ' *) werden weiter als Führer besonders angeführt. Reichlichen Sold und die sichere Bürgschaft, dass der Herzog jeglichen Schaden, den die Böhmen an Pferden, Kriegsgeräthe u. s. w. erleiden würden, ersetzen wolle *^) und ihnen darüber vor dem Auszuge dessen Briefe eingehändigt werden sollten^"), hatte der Unter- händler versprochen; daneben lockte natürlich die Aus- sicht auf reiche Kriegsbeute. Um das Band aber noch fester zu knüpfen, gewann Herr Apel eine ganze Reihe der vornehmsten Anführer, gegen beträchtlichen Jahrsold des Herzogs Räthe und Diener zu werden. So erhielten unter andern Heinrich von Kolowrath 400 FL, Dietrich von Janowitz 300 Fl., wofür er mit 16 Pferden des Dienstes warten sollte, Wilhelm von Ilburg, Johann Calta, Jan Sädlo je 200 Fl. zugesagt^*); das Geld sollte ihnen halbjährig nach Ablauf der Frist „ausgerichtet" werden. *'■*)

'") Vergl. die Stammtafel der Kolowrath bei F. Bernau, Biu'gen und Schlösser Böhmens 211.

") Bei Weseritz.

'») Bei Tepl.

'*) Zwischen Chiesch und Manetin.

■*) Nächst Staab südlich von Pilsen.

'*) In der Nähe von Klattau.

'") Die bisher genannten ausser Friedrich von Donin in Fontes r. A. XLII, 45—46, 52.

") Nach Fontes^ r. A. XLII, 278.

") Nach Th. Pesina z Cechorodu, Mars Moravicus 635, der sich auf einen Anonym, ad an. 1447 beruft. Dass die von Palacky 1. c. nach den Stafi letopisowe cesti, Scriptor. rer. Bohem. III, 146 weiter genannten Führer nicht hierher gehören, s. unten.

") Diese Briefe sind noch nicht zum Vorschein gekommen ; vergl. übrigens Härtung Kammermeister 1. c. 1192. Fontes r. A. XLII, 281.

">) Fontes r. A. XLII, 30.

»•) Nach Fontes r. A. XLII, 45—46.

") Ebendort 46, vergl. 277.

Herzog Williolm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 101

Noch eins hatte Vitzthum in Petschau bestelk. Die böhmischen Truppen, wenn auch grösstentheils aus Ge- genden, die heute germanisiert sind, gehörten sämmthch der czechischen Zunge an. Noch mehr als früher musste der Herzog Wilhelm das Bedürfnis empfinden nach einem „endlichen Diener, der deutsch und böhmisch könne, auf den er Glauben zu setzen und den er auch zu Zeiten in werbender Botschaft gegen Böhmen zu senden vermöge". Der Schreiber der SternbergC; Jobst von Einsiedel, kein anderer als der später so eiuflussreiche Sekretär König Georgs von Böhmen, Hess sich bewegen, den Uebertritt in des Herzogs Dienst (wir wissen nicht, auf wie lange) zuzusagen.'"^*)

Mitte Februar 1447, nachdem eben Jobst von Ein- siedel noch in Thüringen beim Herzoge behufs weiterer Vereinbarung besonders des Wortlautes der Schadlos- briefe geweilt ^^), hatte Herzog Wilhelm seine Schlösser zur Aufnahme der fremden Truppen bereit gemacht. Man sandte nun die Briefe an Peter von Sternberg mit der Bitte, sofort den Auszug der Scharen über Eger zu ver- anlassen und damit nicht weiter zu säumen, „da ihm gar viel daran gelegen sei". Das scheint denn auch, wenn auch nicht so rasch wie der Herzog wünschte, geschehen zu sein. Nach und nach zogen 40 Fähnlein Böhmen, wohl- gerüstet und kampfesmuthig, gegen Thüringen. Sie wur- den in Weida, Weissenfeis und anderwärts untergebracht*'), und bildeten, nachdem etwa Ende April alle Abtheilungen versammelt waren, eine Macht von 85U0 9000 Streitern. '^^)

Die grossen Rüstungen des Herzogs im Angesichte des Tages, der am 24. April zu Naumburg beginnen und auf jeden Fall zum Frieden führen sollte, mochten freilich die Friedensliebe desselben in etAvas eisjenthüm- lichem Lichte erscheinen lassen. Thatsächlich schienen denn auch die Berathungen unter der Linde bei Naum- burg trotz der Anwesenheit der vermittelnden Fürsten, der Gesandten des Erzbischofes von Mainz , der Er-

^») Fontes r. A. XLII, 30, 31.

") Ebendort 30.

="*) Härtung Kammermeister I. c 1193. Stolle I. c. 21.

") 8500: Konrad Stolle 21. 9000: Härtung Kammermeister 1195. In weiterer Entfernung steigerte die Phantasie der Berichterstatter die Zahl der Böhmen oder doch des ganzen herzoglichen Heeres auf 40000 Mann und noch höher. Vergl. unten.

102 Adülpli Bacliiuanu:

furter u. s. w. eher alles andere, als die Aussöhnung herbeizuführen. '^ ')

Nicht bloss die Fürsten, die durch eigene Sprecher ihre Sache vertreten Hessen, wurden durch die gegen- seitigen Ansprüche und Anklagen immer gereizter; auch die beiderseitigen Landsassen geriethen aneinander. Es kam bis zu Waftengebrauch und schwerer Verwundung. Zum üeberflusse hörte man noch von der Fortdauer der Fehde zwischen Graf Ludwig von Gleichen und Apel Vitzthum und berichteten wiederholte Meldungen von der Raublust der Böhmen, die von Weissenfeis aus das Naum- burger und Merseburger Stiftsgebiet verheerten und in des Herzogs eigenem Lande bis vor die Thore Weimart? plünderten.^*)

Drei Wochen hatte der Streit o-edauert. Schon waren die mainzischen Gesandten, die Boten der Erfurter, Mühl- häuser u. s. w. abgereist, schon rüstete auch Kurfürst Friedrich zum Abzüge und schien die Fehde nur noch gewaltiger entbrennen zu sollen, als die Fürsten im letzten Augenblicke wenigstens zur Verlängerung des Waffenstillstandes bis 1. September 1447 bewogen wurden. An diesem Tage solle man in Mühlhausen zusammen- treten und wollen Friedrich IL von Brandenburg und Ludwig von Hessen als Bevollmächtigte die Streitfragen friedlich entscheiden. Bis dahin möge auch Apel Vitz- thum „in dem Frieden stehen".

Was war es, das Herzog Wilhelm auf einmal so friedlich stimmte? Brüderliche Liebe, das Mitleid mit den schwer geprüften Landen waren es sicherlich nicht; schwerlich auch die Drohungen der Vermittler. '■'**) Viel wahrscheinlicher war es die starke Macht, mit der ihm sein Bruder entgegen zu treten vermochte. Auf die Kunde von der AVerbuug Wilhelms in Böhmen, die na- türlich nicht verborgen bleiben konnte, hatte nämlich Kurfürst Friedrich nicht blos im eigenen Lande stark gerüstet, sondern auch in Schlesien, der Mark und vor allem gleichfalls in Böhmen und zwar mit Erfolg werben

*') Die iiachfolgende Darstellung vor allem nach Konrad Stolles fast gleichzeitiger Chronik 20—21.

*') Härtung Kammermeister, Annal. Erfurtenses 1. c. 1192 fg. Konrad Stolle 20 fg.

*•) Stolle 20: Do reyt Margrafe Frederich von Braudenborg zu derae jungen hern keyn Fryborg, vnnd sagete ome also vel, vnnd bedrowete on vnnd ouch dy Vitcztum.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 103

lassen.'") Zwar warnte Zdenko Holicky von Sternberg, der spätere Oberst burg-g-raf von Prag und Hauptgegner Greorg Podiebrads, die Böhmen, nach Meissen zu ziehen, wohin er sich erst selbst begeben hatte; er besorgte wohl den Kampf von Böhmen gegen Böhmen. Trotzdem nahm Peter Kdulinec von Ostrom ei" mit 300 und Cecek von Pakomefic mit 400 Mann, Fussgänger und Reiter, meissnische Dienste. Ihnen folgten der jüngere Berka von Chlumec und andere mit Schaaren in der Gesammt- stärke von fast 4000 Mann.'\)

Mit dem Waffenstillstände erwuchs für den Herzog Wilhelm die Verlegenheit, was nun mit den geworbenen fremden Kriegsleuten zu beginnen. Schon zehrten sie aus seinem Säckel und vom Lande, eine massige Abfin- dung wollten sie nicht nehmen '■*), die Jahrgelder mussten jedesfalls gezahlt werden. Es war wieder Apel Vitzthum, der einen gelegenen Ausweg fand. Die ersten Tage nach dem Ende des Naumburger Tages sahen ihn auf dem Wege nach Westfalen,

Bestrebt, seinen fürstlichen Eigenwillen in ganz West- falen zur Geltung zu bringen, und vor allem den Bund der Städte und Ritterschaft des Landes zu sprengen, hatte der kampflustige Kurfürst Dietrich von Köln an der trotzigen Hansestadt Soest eine mächtige Gegnerin ge- funden.'*) Die Feindseligkeiten des Erzbischofes beant- wortete die Stadt damit, tlass sie ihm nun den Gehorsam völlig auflvündigte und Johann, den Sohn Herzog Adolfs

*") Hart. Kammermeister 1191.

*') Stari letopisowe oesti 1. c. st. 146. Dass mau zwischen böh- mischen Schaaren, die zugleich dem älteren und jüngeren Herrn von Sachsen zu Hülfe kamen, unterscheiden müsse, beweist schon die verschiedene Zeit ihres Auszuges (w nedeli po boziem wstüpenj am Sonntag nach Christi Himmelfahrt zog Kdulinec, die an- deren noch später) , der ^Yeg der zum Kurfürsten nach ,, Meissen" ziehenden über Prag, das Eingreifen Zdeidvo Sternbergs, während anderseits die Nachrichten und Urkunden über Herzog Wilhelms Zug und dessen böhmische Ilülfstruppen nur von den oben genannten Führern wissen.

*^) Palacky 1. c, dei- aber seine Quelle nicht nennt.

"j Th. ü. W. Emminghaus, Memorabilia Susatensia, Jena 1749, 688 fgg. Die Möglichkeit, dieses Werk benützen zu können, ver- danke ich der freundlichen Vermittelung des Herrn Staatsai'chivar Dr. Ermisch. Vergl. Ennen, Geschichte der Stadt Köln HI, 359. Hegel, Die Chroniken der deutschen Stiidte vom 14. bis 16. .Jahrh. XIV (der kölnischen Chroniken III) Einleitung 180.

104 Adolph BachuiaDn:

von Cleve, zum Schutzherrn wähke. ^*) Weder der Schieds- sprucli des Kaisers, noch die Acht des Reiches^*), noch endhch die bewaffneten Angriffe des Kurfürsten; auch als er unter dem Banner des Reiches zur Bekämpfung der Stadt auszog^'*), vermochten Soests Widerstand zu beugen. Schon einmal, 1444 bei Beginn der Fehde, waren böhmische Schaaren bis nach Westfalen gerufen wor- den und hatten auch an der Bekämpfung der Soester theilgenommen, ohne gleichwohl Entscheidendes ausrichten zu können.^') Um so bereitwilliger hörte ^*) jetzt der erbitterte Kölner Kirchenfürst auf die Vorschläge, die ihm Herr Apel Vitzthum im Namen seines Herrn unter- breitete. Er versprach nicht blos die Zahlung des Soldes und die Erhaltung des Heeres zu übernehmen, sondern stellte dem Herzoge für seine Hülfeleistung selbst grosse Summen in Aussicht. .

Noch nach einer anderen Seite knüpfte Herzog Wil- helm Verbindungen an. Wie in Westfalen hielten auch in den niedersächsischeu Landen Nobilität und Bürger- thum sich in schaifem Gegensatze die Wage. Schon war auch hier Herzog Wilhelm von Braimschweig- Gruben- hagen mit den Eimbeckern feindlich zusammengerathen. Herzog Wilhelm von Sachsen durfte hoffen, dass er mit seinem Erscheinen an der Spitze der gefiirchteten böhmi- schen Schaaren und mit dem Aufgebote seiner eigenen Lande nicht bloss im Stande sein werde, dem Braun- schweiger und Kölner zum Siege zu verhelfen, sondern auch Aveithin als Schiedsrichter aufzutreten. Während er daher die Seinen aufrief, trat er mit Wilhelm von Braun- schweig in Verbindung und fand auch da freudige Zu- stimmung. So konnte nach Apel Vitzthums Rückkehr der Zug beginnen, da die Böhmen selbst der weiten Fahrt nicht widerstrebten.

**) Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins IV, Nr. 258. Urk. v. 23. April 1444.

") Chmel, Regesten I, No. 1873. Brief vom 22. Dez. 1444. " ") Ebendort No. 2216, 2217. Ludwig von der Pfalz und Kur- fürst Friedrich von Sachsen werden zu Hauptleuten des Reiches bestellt.

*') Koelhüff'sche Chronik bei Hegel 1. c. 785. S. dagegen Em- minghaus 1. c. 690.

*') Härtung Kammermeister 1195. Die gegentheilige Meldung dass der Kurfürst geschickt habe, erscheint nach den Umständen weniger glaublich.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 105

II.

In den letzten Tagen des Monats Mai hatten sich die Truppen, die an der Fahrt theilnehmen sollten, um Weimar versammelt; von Berka im Süden, wo die Böh- men lagerten^"), über Weimar und Buttelstedt bis Weissen- see im Norden*") standen etwa 1600U Mann*') bereit. Am Donnerstage nach Pfingsten (1. Juni) sollte der Auf- bruch geschehen. Den Tag vorher gab es aber auch schon den ersten Anstand mit den Böhmen. Jetzt, da es ernst werden sollte, schienen sie plötzlich die Lust zu dem Zuge verloren zu haben; nur mit vieler Mühe und mancherlei Zusagen gelang es Herzog Wilhelm , die Führer, die von Berka zu ihm nach Weimar herüberge- ritten waren, umzustimmen.*^) Es w^ar ein böses Omen für das, was nachfolgen sollte.

Am Ende des ersten Tagemarsches fanden sich die verschiedenen Heeresabtheilungen im Lager bei Strauss- furt an der Unstrut zusammen*^); an Rudestedt und dem Gebiete der Erfurter vorüber, die misstrauisch und in guter Wehr den Zug beobachtet hatten**), waren die Böhmen von Berka hingezogen. Der zweite Tagemarsch brachte das Heer bis in die Nähe Mühlhausens *^), doch nicht ohne Behinderung. Der Uebergang über die Unstrut hatte die Abneigung der Böhmen gegen „die Reise" neuer- dings wachgerufen. Diesmal half auch des Herzogs Zureden nichts; mehrere Fähnlein der Böhmen Hessen sich nicht abhalten, allein den Rückweg in die Heimat

»») Fontes r. A. XLTI, 37.

*") K. Stolle 1. c. 21.

*') Die deutschen Truppen waren daher um ein weniges schwächer als die böhmischen. Die Zahl nach Hart. Kammer- meister 1195. K. Stolle 21 sagt: 8500 Böhmen und ebenso viel Deutsche. Pesina hat 2G000, ebenso viel die Koellioff'sche Chronik bei Hegel, Städtechroniken XIV, 788, und Eniminghaus 1. c. 689. Der Franziskaner Lesemeister Detmar in seiner Lübeck'schen Chronik (ed. Grautoff 2. Th. 1830) H, 107 „boven XXX dusent man", worunter nur 5000 Deutsche. Vergl. noch Matth. Doeringii continuatio chro- nici Tlieod. Engelhusii bei Mencke HI, 15 u. a.

*^) Fontes r. A. 1. c.

**) Fontes r. A. XLH, 37 „Stussfert", das nicht mit Stassfurt zu erklären ist.

**) Wie K. Stolle 22 in patriotischer Freude meldet.

**) Hart. Karamermeister 1195: Grabe by Molhusen. Fontes r. A. XLI, 37: „bie Körnte" (Körner, Dorf östlich von Mühlhausen).

106 Adolph Bachmann:

anzutreten, nicht ohne dem herzoglichen Obermarscliall ein Pferd wegzuführen. *^) Um so mehr trug Wilhehn jetzt an der Grenze des eigenen Gebietes dafür Sorge, eine feste Ordnung für den ferneren Zug im Heere auf- zurichten, um dadurch niclit blos Ausschreitungen und Verhiste zu vermeiden, sondern vor allem auch die ein- zelnen Rotten des Söldnerheeres noch enger an sich zu ketten.

Erst erging an sie des Herzogs Aufforderung, aus ihrer Mitte einen Oberanführer zu erwählen, was aber, bezeichnend genug, an ihrer Uneinigkeit scheiterte. Auf ihren Wunsch und mit ihrer Zustimmung bestellte nun Herzog Wilhelm selbst Herrn Peter von Sternberg zum obersten Hauptmann über sie. Als die Rottmeister die- sem Gehorsam gelobten, empfing auch Herr Apel Vitz- thum an des Herzogs Statt nochmals von ihnen die Zu- sage mit Hand und Mund, sie wollten dem Herzoge treu und gehorsam sein und ihm folgen, wohin er in Person sie führen würde. *') Dann ward folgende „Ordnung" vereinbart und durch das ganze Heer ausgerufen:

1. Niemand soll beim Aufhruche voranziehen wollen, es sei denn der Marschall der Böhmen oder Deutschen und die ihm bei- gegeben sind. Wer diesen vorzuziehen wagt, den soll man „vom Pferde setzen". Widersetzt er sich dem, so wird er an Leib und und Gut gestraft.

2. Kein Krieger soll beim Aufbruche weiter ausrücken als bis in das nächste Feld am Lager; hier soll man harren, bis die Wägen in Reihe und Ordnung kommen.

3. Die Wagen der deutschen Krieger ziehen auf der einen, die der böhmischen auf der andern Seite des Weges; jeder Wagen hat während der ganzen Dauer des Zuges seinen sichern Platz in der Reihe, den er ohne Ahndung nicht verlassen darf.

4. Das Hauptbanner, das nach dem Rathe der Hauptleute be- stellt wird, soll an der Spitze des Zuges sein und niemand ihm aus dem Haufen vorrücken.

5. Die Reisigen sollen neben und hinter ihren Wagen einher- gehen in der Ordnung, die ihnen vorgeschrieben wu'd und passend ist.

6. Eigene „Nachtreiber" werden die Ordnung überwachen.

7. Findet man bereits jemanden an dem Orte, den man zur Lagerstatt bestimmt hat, so soll ihn der Marschall durch seine Leute greifen und dem Herzoge überliefern lassen.

8. Niemand darf Städte, Burgen und Kirchen ohne Geheiss des Herzogs oder seiner Hauptleute angreifen.

9. Es soll überhaupt niemand vom Zuge abschweifen und da- neben ausreifen ohne Wissen der Hauptleute; für Schaden, den er dabei empfängt, wird der Herzog nicht einstehen.

*•) Fontes r. A. XLÜ, ,S7. ♦') Fontes r. A. XLH, .38,

Herzog Wilhelm von Sacliaeii aui dem Zuge vor Soest. 107

10. Keiner soll mit dem andern Streit anfangen. Geschieht es dennoch, so soll die Sache jedesfalls vor die Ilauptleute gebracht werden, wo jedem sii^^her sein Recht wird. Zückt einer Schwert oder Messer, so soll man ihm die Hand durchstechen ; verwundet er den andern, so soll man ihm die Hand abhauen; tödtet er ihn, so soll man ihm den Kopf abschlagen.

11. Alle, die dem Heere zuführen, -treiben oder -tragen, sollen Sicherung und Freiung geniessen.

12. Niemand soll beim Aufbrechen seine Bude anzünden und überhaupt brennen und sengen ohne des Herzogs Geheiss ; wer da- wider thut, der soll ebenso mit Feuer gestraft werden.*')

Man siebt, die Ordnung war streng und gut. Aber was bilft die beste Ordnung, wenn der unbändige Kriegs- mann sich nicht zu bezwingen vermag, wenn die Führer statt dafür einzustehen durch eigene Widersetzlichkeit und Willkür die Bande des Gehorsams zerstören oder wenn, was bald geschah, die Notli gebieterisch zur Selbst- hülfe drängt?

Das Heer hatte, von Mühlhausen nordwestlich ziehend, um an Göttingen vorbei das trotzige Einbeck zu erreichen, kaum das Eichsfeld ^^) betreten, als die eben geschaffene Ordnung sich aucli schon zu lösen begann. Das wurde je länger um so schlimmer. Des geordneten Ziehens über- drüssig, zogen einzelne Rotten immer wieder besonders und lagerjten besonders. Dajdurch ward die Verpflegung erschwert und unregelmässig, selbst wenn hinlänglich Vor- räthe im Heere vorhanden waren . was nicht immer ge- wesen zu sein scheint. Um so w^eniger scheute man fern von dem Auge des Herzogs vor Eigenhülfe und der alten Gewohnheit zu plündern zurück; besonders auf Kirchen und Klöster war es von dem hussitischen Krieo^smann ab- gesehen, da es hier an edlem Metall und kostbaren Ge- wändern oder doch wenigstens in den Kirchenglocken insgemein reichlichere Beute gab; eine religiöse Scheu, die ihn etwa zurückhielt, besass er nicht. Anderseits ward freilich wieder mancher über der Gewaltthat erschlagen, so z. B. im Lager vor Göttingen, wo nur die Dazwischen- kunft der beiden Herzoge Heinrich und Wilhelm von Braunschweig und des Landgrafen von Hessen ^"), die gleichfalls dem Kölner zuziehen wollten, die Stadt vor einem Angriffe des rachedürstenden Heeres errettete. Auch der Herzog, so grossen Verdruss er über diese Voi-gänge

*»'\

') Fontes r. A. XLH, 3b. *•) Hart. Kamniermeister 1195: „zoch herzog Wilhelm . . '. vf den Sonnabcnt (.H. Juni) darnach vf das Eisfeld etc."

*") Nur erwähnt bei Detmar, Lüb. Chronik 1. c. 108.

50

108 Adulpli Bacbmaun:

empfand, liatte einen Augenblick daran gedacht, sicli Göttingens zu bemächtigen.^^)

Vereint zogen nun die Fürsten nordwärts vor Einbeck. Trotz der geschilderten Uebelstände, die sogar unter den „Gleichen", zwei Bergen nordwärts von Göttingen, den brandenburgischen Dienstmannen im Heere den Anlass oder Vorwand gaben, sich von dem Zuge zu trennen und umzukehren ^^), schien der allseitige Erfolg des Unter- nehmens sicher. Zwar hatte die Stadt Einbeck einen Rückhalt gefunden an dem Bischöfe Magnus von Hildes- heim aus dem Geschlechte der Herzoge von Sachsen- Lauenburg, und eilte dieser auch jetzt zu Hülfe herbei, nachdem er schon früher dem Herzoge Wilhelm von Braunschweig mehrere Orte abgenommen: binnen drei Tagen beugten der Herzog und die Böhmen durch ihre Uebermacht und die Drohung, die Saaten zu zertreten, den Trotz der Bürgerschaft. Die Einbecker gelobten dem Herzoge von Braunschweig Gehorsam und versprachen 12000 ä. zu zahlen. ^^) Auch der Bischof von Hildesheim hielt es für das Beste, seine Truppen aus Einbeck und den anderen besetzten Punkten wegzuziehen und lieber gleichfalls sich dem Heereszuge nach Westfalen anzu- schliessen.

Mit gesteigertem Selbstvertrauen zogen nun die Fürsten westwärts, setzten über die Weser und drangen in das Paderborn 'sehe Stiftsgebiet ein^*), Brakel ^^) und andere Orte auf dem Wege mehr durch den Schrecken ihres Namens als durch Gewalt zur Ei'gebung und Abdingung zwingend. Schon hatte sich auch Kurfürst Dietrich von Köln erhoben, dem heranziehenden Heere die Hand zu reichen. So sehr mehrten die glücklichen Ereignisse die freudige Siegeszuversicht des Heeres, dass die Böhmen sich rühmten, sie würden Soest nehmen, „es sei denn, dass die Stadt ein Gewölbe über ihr hätte und es nicht möglich sei, dass sie jemand konnte gewinnen".*^) Aber es wuchs auch ihre Raublust und Zügellosigkeit, wobei

*') Detraar 1. c.

**) Die Angabe des Reimchronisten bei Emminghaus 1. c. 68,9 ist darnach richtig zu stellen.

**) Detmar, L.Ch. 107—108, Stolle 22 : „czehen tusent gülden.'' u. a. 0.

") Nach Detraar 108.

") Pesina, Mars Moravicus 636.

'«) K. Stolle 25.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 109

sie es mit der Uutersclieidung von freundlichem und feindlichem Gebiete nicht eben sonderlich genau nahmen. So hatte Heinrich von Kolowrath M'ährend der zwei- tägigen Rast bei „Lutharst", westlich von Einbeck, selbst das braunschweigige Oklcndorf (?) angegriffen, ohne freilicl

1

sich des Ortes bemäclitigen zu können. Herzog Wilhelms zornige Vorstellungen aber und seine Erklärung, für den hier erlittenen Schaden werde er nicht aufkommen, hatten Kolowrath und eine Reihe anderer Rottnieister mit offenem Trotze beantwortet und wirklich dann das Signal zum Aufbruche und Weiterzuge unbeachtet gelassen. Erst Apel Vitzthum, der bei ihnen zurückblieb, gelang es, die Zürnenden zu beschwichtigen und zum Nachziehen zu be- wegen, worauf auch der Herzog durch versöhnliches Wesen das Geschehene vergessen zu machen strebte.^') Die Vereinigung des rheinischen mit dem sächsisch- böhmischen Heere brachte zunächst schwere Tage für das Lippe'sche Gebiet. Wie ein verheerender Strom ergoss sich das zu unwiderstehlicher Stärke angewachsene Heer über das imglückliche Land. Da wurde Schloss und Stadt Blomberg erstürmt, geplündert und angezündet ^*'), Hörn und Detmold mit der Burg zur Unterwerfung ge- zwuno^en. Aus Lemgo war oreflohen, was nur zu fliehen vermochte; die übrigen huldigten dem Erzbischofe, zahl- ten 9000 fl. und versorgten das Heer mit Speise und Trank.***) Aehnlich erging es mit Salzufteln (Salz?) und Herford, wo man 13000 fl. erpresste. Nur Schloss Falken- berg widerstand mit Erfolg den Scharen der Angreifer. *'°) Ein gewaltiger Schreck flog weithin durch die nieder- deutschen "Lande. Da gaben die Bürger von Osnabrück den gefangenen Johann den Jüngern von Hoya ohne Lösegeld frei, als die Heerführer dies verlangten, und leisteten willig zur Versorgung des Heeres."') Da machten die Drohungen des Bischofes von Münster, diese Stadt

*') Fontes r. A. XLII, 39. Vergl. übrigens des Herzogs JBe- schwerdebrief gegen Heinrich von Kolowrath im Grossh. und Herz. Gesammt-Arch. zu Weimar Reg. A, Ibl 8b, No. 18.

*») Nach 789 Anm. 1, in Hegel, Städtcchroniken XIV (Koelhofl''- sche Chronik). Detmar, L. Ch. 1. c. sagt 25000 fl.

*») Archiv cesky IV, st. 388 a. a. 0.

*") Detmar, L. Chr. 108. Die Gesammtsumnie der Abdingungen scliätzt H. v. Kolowrath auf 56 000 ä. Arch. cesky IV, st. 388. Für Falkenberg s. Emminghaus 1. c. 690.

«') Detmar, T.. Clir. 109. Emminghaus 693.

WQ Adolph Bachmann:

mit dem böhmischen Heere heimzusuchen, den Stadtrath derart gefügig, dass er nicht bloss aus dem Bunde gegen ihn zu treten, sondern selbst Soest abzusagen bereit war; kaum dass die Commune die üblen Folgen dieser Zag- haftigkeit verhinderte.®^) Die Drohung des Erzbischofes endlich, er werde Paderborn vertilgen, wenn die Stadt nicht aus dem Bunde der Landschaft trete, veranlasste die eilige Flucht vieler aus der Stadt, als die gefürchteten Böhmen mit dem Heere herannahten/^) Allgemein aber wurde geglaubt und beliauptet, das Heer sei erschienen nicht etwa Soests wegen allein, sondern nach dem Willen der Fürsten und in der Absicht, die Städter zu demüthigen. Nach Hessen hinauf und bis an die Gestade des Meeres hinab herrschte Furcht und kriegerische Bewegung. ®*) Wer konnte auch ahnen, dass die Zeit der Erfolge für das Invasionsheer bereits vorüber sei?

Nachdem Herford gefallen war, die Osnabrücker sich gefügt hatten, zog das Heer durch die Joche des Teuto- burger Waldes wieder in die westfälische Hochlandschaft und lagerte sich vor Lippstadt. Nach dessen Bezwingung sollte Soest an die Reihe kommen. Hier aber brach sich zuerst die böhmische Sturmflut. „Das ist eine wohlbe- festigte Stadt", schreibt Heinrich von Kolowrath an seinen Oheim Pesik von Kunwald nach Böhmen, „geschützt durch wasserreiche tiefe Gräben, wenige Städte Böhmens können sich mit ihr vergleichen; nur dass die Gallerien an den Mauern nicht gut eingerichtet sind. Auch ist sie grösser als irgend eine Stadt in Böhmen ausser Prag und Kuttenberg."®*) Und der Lübecker Chronist meldet: „Die Lippe war wohl bemannt mit guten wehrhaften Leuten und wohl bewahrt mit Büchsen und mit allerlei

**) Ebendort: Doch jo wart das urame ghedreven van der menheyt."

**) Emminghaus, Memor. Susat. 691.

'*) Matth. Doeringii contin. Th. Engelhusii bei Mencke III, 15. lieber den Schrecken den die Böhmen verbreiteten s. Emminghaus 090, 692 693. Die Menge erzählte sich die seltsamsten Dinge: Dat Gerochte genck ock in dem Swanck, Dat dey Bemen hedden enen Sterth lanck, Und klemmeden dey Muren op als Ratten, All sunder Ledderen und Latten, Und all dat nicht gewelwet was to, Dar kondeu sey inkomen spade und vro. (Emminghaus 694).

•*) Archiv cesky IV, 388. Eine genaue deutsche Uebersetzung bei Palacky, Gesch. Böhm. IV. 1, 179 fg.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zu^e vor Soest. 1 1 1

Wehre." **^'j Der LippeÜuss, der die iStadt auf der Nord- seite umströmt, machte zudem von hier überhaupt jede Eroberung unmöglich.**') So ging die Belagerung nur langsam vorwärts.

Zwar wurden Mauern und Thore durch das Geschütz der Belagerer fast niedergeworfen, wiederholt loderten in der Stadt die Flammen empor '^^): die Lippstädter, die höhnend dem Erzbischofe entboten, auch nicht einen Hel- ler wollten sie ihm zahlen**'-*), löschten glücklich die bren- nenden Häuser und thaten mit ihren Geschützen den Be- drängern nicht minderen Schaden.'") Schon lag man elf Tage vor der Stadt ' '), und noch wollte der Augen- blick zum Sturme nicht kommen.'^) Inzwischen bedrängte ein anderer Feind immer grimmiger die deutschen und böhmischen Heerhaufen, der Hunger.

Es mag sein, dass die Zügellosigkeit der Böhmen, ihre Ungenügsamkeit die Verpflegung erschwerte, dass sie, wie dann der Herzog bitter klagte, nicht selten auch jene Vorrätlie gewaltsam sich aneigneten, die für die deutschen Heeresabtheilungen bestimmt waren. ") Die Beschwerden derselben über schweren Mangel, den sie leiden müssten, wie über unregelmässige Zahlung des Soldes scheinen dabei trotzdem berechtigt gewesen zu sein.'*) Die Noth muss gross gewesen sein, wenn Herzog

•«) L. c. 108.

") K. Stolle 24. Vnnd dy stad had vff ehier syten eyn wasser, genant dy Lippe, do von sy also veste was, das sy or nicht konden angehabe noch gestorme etc.

«*) Koelhoft'^sche Chronik bei Hegel, Städtechroniken XIV, 789. Emrainghaus 1. c. 695.

«») K. Stolle 24.

'») Detmar, L. Chr. 108 a. a. 0. Emrainghaus 1. c. 697.

") Archiv cesky IV st. 388 : skoro dve nedele (fast zwei Wochen). Fontes r. A. XLII, 40: „vierzehentage". K. Stolle 1. c. von Diens- tag nach Viti (20. Juni) bis Freitag Petri und Pauli (30. Juni). Koelhoffsche Chronik 1. c. 789: „ind stormdcu die 14 dage lank". Die gleiche und wie es scheint genaueste Angabe wie Stolle hat auch Bartholomcus von der Lake, Geschichte der Soester Fehde (bei Seibertz, Quellen der westfälischen Geschichte 11, 380 fgg.). Dagegen sagt der Reimchronist bei Emminghaus 1. c. 699: „Is hey den twelften Dach mit den synen opgebrochen". Derselbe bezifiert (687, 088) den Verlust der Angreifer auf 400, den der L. auf nur 2 Todte.

") Fontes r. A. XLII, 41.

") Fontes r. A. XLII, 45.

'*) Fabricius, Origines Saxoniae 713: „potritisque et exhaustis agris ad Susati oppugnationeni festinant".

112 Adolph Bachmann:

Wilhelm sich bewegen liess, in einem förmlichen Vertrage geradezu die Fortsetzung des Zuges von der Möglichkeit genügender Verpflegung abhängig zu machen.

Jeder Streiter, so verpflichtet sich der Herzog, erhält täglich zwei Laiblein Brod, dazu Bier und Fleisch oder, falls es irgend möglich ist, Fastenspeise, je nach dem Tage, wie das auch schon bisher gehalten wurde. Sei man einen Tag nicht im stände, obiges zu leisten, so soll jeder Mann am nächsten Tage vier Brode erhalten und ihm ebenso Bier und Fleisch „gebessert" werden. Wäre man dies aber auch noch den dritten Tage nicht zu thun in der Lage, so soll auf die Ermahnung der Böhmen das ganze Heer aufbrechen und heimziehen. Der Herzog soll dann jene sicher heirageleiten und ihnen alles erfüllen, was er ihnen versprochen. Dafür geloben auch sie ihm gehorsam zu sein und sich von ihm nicht früher zu trennen, als bis der Kurfürst von Köln seine Mühe und Kosten ersetzt habe.'*)

Die Fruchtlosigkeit der Belagerung, die Zänkereien mit den Söldnern, die, einmal aufgehalten, nun lieber die Zeit dem Spiele als ernster Belagerungsarbeit widmeten, erregte weithin Aufmerksamkeit und warnte die Reichs- städte vor übereilten Beschlüssen.'^) Noch war es nicht zu einem eigentlichen Sturme auf Lippstadt gekommen, als die Fürsten beschlossen, die Belagerung abzubrechen und lieber sofort auf dsn Hauptfeind loszugehen.")

Soest besitzt lange nicht die feste Lage von Lipp- stadt; weder ein Fluss noch besonders hohe Mauern be- schützten die Stadt.'*) Aber die todesmuthige Entschlos- senheit der Bürgerschaft, die Hülfe, die Adolf von Cleve sandte, dessen eigener Sohn Herzog Johann freiwillig oder gezwungen sich mit einschliessen liess '*), wogen jene Nachtheile völlig auf.

Dass man es mit einem entschlossenen Gegner zu thun habe, erfuhren die Verbündeten gleich beim An- märsche. Mit 500 Pferden zogen ihnen die Soester ent-

") Fontes r. A. XLII, 31 fg.

'«) Ebeutlort 40.

") Dass der Befehl plötzlich gegeben wurde, beweist der Brief Heinrich Kolowraths im Arch. cesky 1. c.

") K. Stolle 25: „sy (die Stadt) had sust kleine trocken graben vnnd eyne aide bosze muren".

") K. Stolle 1. c. Detmar, L. Chr. 109. Koelhofifsche Chronik bei Hegel 789 u. s. w.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 113

gegen und suchten ihnen möglichst Schaden zu thun. Freilich führte dies zu einem bedenklichen Unfälle für die Städter. Die Böhmen nämlich drängten sie nicht bloss siegreich bis vor die Stadtmauer, sondern stürmten zu gleicher Zeit das hart davor gelegene Sanct Walburgis- kloster, das Herzog Johann persönlich vertheidigte. Das Kloster, dessen Besatzung ob des bunten Gewirres, in dem Freund imd Feind sich befanden, nicht wagte, sich der Geschütze zu bedienen, wurde genommen und die Besatzung niedergemacht oder gefangen. ]\Iit Mühe entkam der junge Herzog in die Stadt. *°)

Anderseits erzeugte dieser Erfolg sofort auch neuen Streit mit den Böhmen. Nachdem sie nämlich zuerst das Kloster bewacht, dann Ablösung bekommen hatten, weigerten sie sich, als die Reihe wiederum an sie kam, den gefährlichen Posten von neuem zu beziehen. Es blieb dem Herzog Wilhelm nichts anderes übrig, als durch sechs Tage das Kloster allein durch die deutschen Truppen besetzt zu halten, was neben den anderen Be- lagerungsarbeiten natürlich diesen sehr schwer fiel. Noch viel bedenklicher als dies war der üble Einfluss, den ein solches Verhalten der böhmischen Truppen auf das Ver- hältnis der Mannschaft beider Nationalitäten zu einander überhaupt haben musste. Unverhohlen brach der Unwille der Thüringer hervor: die Böhmen erhielten Sold und sie nicht, und dennoch hätten jene beim Herzoge stets den Vorzug vor ihnen; sie müssten eigentlich den Böhmen den Sold verdienen und für sie wachen. ^') Lässigkeit und Widerwille auch bei den Deutschen waren die na- türliche Folge. *'^)

Trotzdem schritt die Belagerung vorwärts. Durch die Wioderankunft des Herzogs Wilhelm von Braun- schweig und den Zuzug (?) Graf Johanns von Hoya er- hielt das Heer neue Verstärkunij. Nachdem man das Lager drei Pfeilschüsse von der Stadt aufgeschlagen und durch einen grossen Graben und mächtigen Damm sich

'") Detmar 109. Stolle 24: nenut die Zahl der Erschlagenen und der gewonnenen Geschütze. Koelhoff"'sche Chronik 1. c. : „ind der herzoch van Cleve vursz intquam den Behemern so nauwe uis dem cloister in die stat, dat hinder dem herzogen einre erslagen wart.

") Fontes r. A. XLII, 42 fg.

") Fontes r. A. 1. c. : darvon vns gemeinlich von den Thutz- schen grosser abfall, vngehorsam vnd widerstant begegnet.

Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 3. ö

114 Adolph Bachmann:

gegen das Geschütz und die Ueberlälle der Städter ge- sichert hatte, sahen sich letztere durch die Geschosse der Belagerer immer härter bedrängt. Schon waren die Mauern zerschossen, dachte die Stadt an Ergebung und verlangte mit dem Erzbischofe zu verhandeln, schon nahm auch Herzog Wilhelm mit dem von Braunschweig und Graf Johann von Hoya seine grossen Pläne wieder auf ^^), als die Vorgänge im Belagerungsheere eine Wandlung der Dinge herbeiführten.

Hatte bereits vor Lippstadt der Hunger dem Heere hart zugesetzt und den vorzeitigen Abzug mit verschuldet®*), so hielt es vor Soest noch schwerer, eine so grosse Men- schenmenge mit dem Nöthigen zu versorgen. Bald war die Gegend ringsum ausgesaugt, M-aren die alten Vor- räthe erschöpft, während das neue Getreide erst im Reifen war; zudem hinderten die Soester durch häufige Ausfälle die Zufuhren. **) Da erhob sich denn, wie natürlich, Murren im Heere, und wieder waren die Böhmen am ungestümsten. Es half dem Herzoge wenig, dass er, um nur sie in Ruhe zu halten, zuerst ihnen die Lebensmittel zutheilen Hess, dann erst den deutschen Truppen. Oft reichte eben das Vorhandene keineswegs und dann warfen sich die Böhmen, von Hunger getrieben, rücksichtslos auf die für die andern Abtheilungen und für den Herzog selbst bestimmten Vorräthe und hielten sich daran schad- los. *'') Da jene das Ihre verthcidigten, so fehlte es nicht an Kampf und Gewalt. Als der Mangel wuchs, drängten zudem die Rottmeister unablässig den Herzog mit dem Verlangen, nun mit ihnen abzuziehen, wie er in seinem Briefe vor Lippstadt verheissen hatte. Auf seine Weige- rung hin musste der Herzog geradezu besorgen, dass der bedrängte böhmische Heerhaufen allein fortziehen und ihn in der Fremde im Stiche lassen werde. *')

Dabei blieb der Mangel nicht die einzige Ursache zum Zwiste; bald gesellten sich Klagen über die unregel- mässige Soldzahlung hinzu. Herzog Wilhelms Kasse scheint nicht minder erschöpft gewesen zu sein, als jene

»») Fontes r. A. XLII, 42.

•*) Vergl. Fabricius, Origines 713.

") Konrad Stolle 24.

•«) Fontes r. A. XLII, 45.

»') Fontes r. A. XLII, 41 fgg.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 115

des Kölner Kurfürsten. **) Man war bald ausser stände, die Truppen nach der getroffenen Vereinbarung abzu- lolmen. Die Böhmen verlangten aber nicht nur ihren Sold, sondern ihre Führer forderten auch die Hälfte des bedungenen Dienstgeldes, obwohl die sechs Monate noch nicht völlig abgelaufen waren. *') Tag für Tag bedrängt und gequält, musste Wilhelm von Sachsen nicht nur den Herren von Kolowrath , Ilburg , Janowitz , dem Calta, Sädlo die geforderten Beträge auszahlen, sondern sich auch noch der Soldzahlung wegen folgendermassen ver- pflichten: 1. am nächsten Tage, Sonntag den 9. Juli (?)*") den Böhmen die rückständigen Soldbeträge in guten böhmischen Groschen, deren 24 auf einen rlieinischen Gulden gehen, oder in rheinischen Gulden zu bezahlen; 2. all den weiteren Sold, den sie noch verdienen würden, ihnen bis eben diesen Sonntag über drei oder doch läng- stens über vier Wochen ebenso in rheinischen Gulden oder böhmischen Groschen auszurichten; 3. falls sie noch länger als bis dahin in seinem Dienste bleiben sollten, so wolle er ihnen ihren Sold alle acht Tage oder vierzehn Tage oder drei Wochen, längstens aber alle vier Wochen be- zahlen und schliesslich, wenn sie aus seinem Dienste schieden, ihnen zu Eger ihren „verdienten und verfallen" Sold gänzlich ausrichten; 4. sollte ihm das nicht sofort möglich sein, so würden sie wenigstens binnen zAvei Mo- naten hernach ihren Sold ganz und ohne Weigerung und weitere Verzögerung erhalten.

Das alles gelobt ihnen der Herzog bei seinen fürst- lichen Treuen und Ehren, wogegen auch sie versprechen, ihm getreu und gehorsam zu sein und nicht früher sich von ihm zu trennen, als bis er von dem Kurfürsten von Köln völlig entschädigt sei.®')

Aber Herzog Wilhelm vermochte, wie es scheint, auch

") Ennen, Geschichte der Stadt Köln III, 419 fgg. Vergl. La- comblet, ürkuiideiibuch IV, 351, 374 Anmerkung, 375; ferner Koel- hoä''sche Chronik hei Hegel, Städtechroniken XIV, 790. Pesina, Mars Moravicus 635 und a. a. 0.

«») Fontes r. A. XLII, 45 fg.

"") Das genaue Datum in der noch vorhandenen Gopie des Briefes fehlt; es heisst bloss „vff morn sontag", was auf den 1., 9. und 10. Juli gehen könnte. Nach den Umständen möchte ich mich für den obigen Tag entscheiden.

*') Copia im Grossherz, und Herzog]. Ges. -Archive zu Weimar, Reg. A fol. 8 b Nr. 18 (alter Ordnung).

8*

116 Adolph Bachmann:

nicht einmal die erste Zahlung zu leisten, da eben ihm der Kurfürst seinerseits nicht auszuhelfen in der Lage war. Anderseits verlangten die Böhmen nun auch die Sicherstellung dafür, dass der Herzog auch den Schad- losbriefen nachkomme. So begann der Zank, kaum zur Ruhe gebracht, aufs neue und ärger als zuvor, bis der Herzog, um grösseres Unheil zu vermeiden, sich entschloss, einen Theil seiner Städte und Burgen mit dem zugehö- rigen Gebiete den Böhmen als Pfand für die richtige Auszahlung der Schadlosgelder zu überlassen. Nach sorgfältiger Berathung kam man überein: *^)

1. Der Herzog verpflichtet sich, die Städte und Burgen Weida, Arnshaug, Ranis, Pösueck, Triptis, Auma und Neustadt mit all ihren Dörfern, Gerichten, Rechten, Herr- lichkeiten, Würden, Nutzen und andern Zugehörungen für die Schäden, welche die böhmischen Truppen während der Dauer ihres jetzigen Dienstverhältnisses zu ihm er- leiden würden, diesen als Pfand zu übergeben und zwar auf die Summe, welche die in den Schadlosbriefen be- nannten Schiedsrichter festsetzen würden.

2. Der Herzog verpflichtet sich für sich und seine Erben mit seinean fürstlichen Worte, dieselbe Summe nach Abzug dessen, was er ihnen etwa mit Geld oder Pferden schon zuvor ersetzt hat, in der Stadt Eger gütlich zu bezahlen.

3. Die Böhmen treten in den Pfandbesitz und Genuss der genannten Städte und Burgen mit all ihrem Zugehöi', so wie der Herzog binnen der bestimmten Jahresfrist die Zahlung nicht leistet, imd verbleiben darin so lange, bis die Schadenssumme völlig bezahlt ist. Ist dies aber ge- schehen, so soll die Pfandschaft alsbald in des Herzogs Hand zurückgeantwortet werden.

4. Für den Fall, dass die Pfandinhaber des Geldes bedürftig wären, sollen sie dies nach Ablauf der genannten Frist dem Herzoge in einem oflfenen Briefe verkünden; derselbe wird ihnen nach Ablauf eines Monates an einem festgesetzten Tage das Geld zu Eger bezahlen und da- durch seine Städte und Burgen etc. entledigen.

**) Fontes r. A. XLII, 32 fgg. Das Datum nach der Andeu- tung ebendas. 41. Bei dieser Lrelegenheit bemerke ich, dass ich nun die beiläufigen Bestimmungen von Zeit und Ort bez. Nr. 20, 21, 22, 23 der Fontes r. A. XLII nach den Ausführungen dieser Ab-

handlung abändern würde.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 117

5. Wäre der Herzog auch dann noch säumig mit der Zahkmg, so hätten die Pfandinhaber die Macht und Gewalt, die genannten Städte und Schlösser etc. auf die- selbe Summe Geldes, wie sie ihnen der Herzog schiüdig ist, einem oder mehreren, nur nicht dem Könige von Böhmen , weiter zu versetzen und zu verpfänden.

Weitere Bestimmungen besagen, dass der Herzog sich die Wildbahn in den genannten Aemtern vorbehalte, etwa während der Pfandschaft ledig werdende Mannlehen in denselben unverliehen bleiben sollen, dass der Herzog die Pfandinhaber schützen und ebenso sie ihm getreulich helfen imd rathen sollten gegen jedermann, dass sie die in den verpfändeten Gebieten Eingesessenen bei ihren Rechten und ihrem Herkommen belassen sollten u. s. w. Diesem Briefe des Herzogs gegenüber geben die böhmischen Herren, Ritter und „ehrbaren" Leute ihren versiegelten Reversbrief und geloben ihm in seinem Dienste gehorsam zu sein, ihm getreulich beizustehen und nicht eher von ihm aufzubrechen, als bis er von dem Erzbischofe von Köln völlig entschädigt sei. Doch soll der Herzog ihnen auch das halten, was er sonst verschrieben hat.

Die Urkunde ist zu sorgfältig abgefasst, als dass man an des Herzogs ernstlichem Willen, jene Schlösser den Böhmen einzuräumen, zweifeln sollte; er erbot sich sogar, sie sofort den Leuten, die sie dazu bestimmen würden, zu überantworten. Wenn dann trotzdem weder dies noch jenes geschah, so wird man des Herzogs Behauptung glauben dürfen, dass die Böhmen, misstrauisch auch unter einander, sich über jene nicht zu einigen vermochten, die das Pfandgut im Namen aller zu getreuen Händen übernehmen sollten, und dass daran die ganze Sache ge- scheitert sei. ^•') Dafür dauerte aber auch der Zwist und die Unzufriedenheit fort.

Die Folgen waren höchst unangenehme für die Be- lagerer. Die Gegnerschaft der böhmischen und deutschen Truppen lähmte natürlich den Eifer und das thatkräftige Zusammenwirken beider; um so mehr wuchs den Soestern der IMuth, als sie durch den einen oder andern heimlichen Freund, den sie im Lager hatten, von diesen Vorgängen Nachricht erhielten. ^*) Von neuem Höften belebt, gaben

") Fontes r. A. XLII, 41 fg.

•*) Detmar, L. Ch. 110. K. Stolle 25. Man sprach, offenbar mit Unrecht, von Apel Vitzthum: „vnnd wart eyn gemeyn geruchte, wy das er Apel Vitczthum .... es hette mit der stad gehalden."

118 Adolph Baclimaun:

sie den Gedanken an Ergebung auf und vertheidigten sich mit der früheren Hartnäckigkeit. ^^) Der Zwiespalt unter den Belagerern wurde aber bald auch in der Ferne be- kannt. Die Reichsstädte, durch den drohenden Fall Soests geschreckt, hatten zahlreich Botschaften abgeordnet, mit den Heerführern in Verhandlungen zu treten; diese kehrten nun auf dem Wege um. Der Herzog, um den Ausgang der Belagerung selbst bereits besorgt, musste auf alle weit- ausgreifenden Pläne verzichten. ***) Unter solchen Umständen wurden der Erzbischof und die Böhmen einig, alles auf eine Karte zu setzen und die Einnahme der Stadt mit stürmender Hand zu versuchen. Geringere Zuversicht be- wies Herzog Wilhelm von Sachsen, als ihm die Rottmeister ihren Entschluss kundgaben; um jedoch den Vorwurf der Feigheit zu vermeiden, entschloss auch er sich, am An- griffe tlieilzunehmen.

Nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, ordneten sich in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli die Böhmen und die rheinischen Truppen zum Sturme; von drei Seiten *') sollte zu gleicher Zeit der Angriff auf die Mauern statt- finden; mit 1200 Leitern, die der Erzbischof hatte herbei- schaffen lassen, hoffte man diese zu gewinnen. Im zweiten Treffen stand Herzog Wilhelm mit seinen deutschen Truppen, zur Unterstützung und Mitwirkung bereit. ^*) Auch diesmal fehlte es nicht an dem Verräther. Man kannte in der Stadt nicht bloss die Absicht des Heeres, zu stürmen; man soll sogar gewusst haben, zu welcher Zeit und auf welche Mauerstrecken der Angriff stattfinden werde. ^*) Die mit betäubendem Kriegsgeschrei ^"") andringenden Scharen

•*) Fontes r. A. XLII, 42 : also das die von Soyst gütlicher tei- diinge, der sie begert hatten etc., ganz abfihlen.

") Ebendort. Der Reimchrouist bei Einniinghaus, Memor. Susat. 700 meldet dariiber:

Sey vechteden und streden legen enander ser Eyne gause Mantydes und noch mei', Degelich und sunder Underlabt, Et was allenthalven böse und quat. •') Detmar 110: uude stormede de stad in dren sieden. Koel- hoff'sche Chronik 789: ind sturmden an drien enden gelich an. Bar- tholom. Lake 1. c. 406. Dagegen K. Stolle 25: vnnd stormeten dy stad an vier enden.

") Adami Ursini chronicon Thuringicum bei Mencke, Scriptores III, 1.S29: (die Behmen) musten zuuor an die stürme gähn. »') Detmar, L. Chr. 110 und K. Stolle 1. c. '"") Emminghaus, 1. c. 701.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 119

fanden die Vertheidiger wohl vorbereitet; Frauen und Kinder halfen den Männern beim todesmuthig-en Widerstände.'"') Entschlossen und ruhig harrten sie aus '°^), bis die Stür- menden an die Mauern herangekommen, dann eröffneten sie von diesen und den wohlbemannten Thürmcn aus ein furchtbares Feuer von verderblichster Wirkung. Ver- gebens füllten die Belagerer zu Tausenden den Graben, legten die Leitern an, kletterten muthig empor, vergebens trieb der Erzbischof, der sich persönlich in das Getümmel der Kämpfenden wagte '"^), zur Ausdauer und zu neuen An- griffen. Die Leitern waren zu kurz, mit gewaffneter Hand, siedendem Wasser, glühend geraachten Pfeilen wehrten die Vertheidiger ab. Nach mehrstündigem '"^) Ringen musste der Sturm aufgegeben werden. Mehr als 1200 Mann aber Hessen die Angreifer vor den Mauern. Die Ver- wundeten lasen die Soester auf und brachten sie in die Stadt zur Heilung; die WegschafFung derTodten gestatteten sie den Geschlagenen. '°r) Sie selbst sollen nur acht Mann verloren haben. '"**)

Der glänzende Erfolg, den die muthige Bürgerschaft von Soest über die ungeheure Ueberzahl der Angreifer errungen hatte, trug den Ruhm derselben weit über die Grenzen Westfalens hinaus und entschied das Schicksal des böhmisch-sächsischen Zuges mit einem Male. Der Bür- gerschaft selbst erschien in späterer Zeit ihre Rettung fast wie ein Wunder. Man wusste zu erzählen, dass der Klerus der Stadt in jener furchtbaren Nacht vor den Reliquien des heil. Patroclus um Rettung flehte, während draussen der Kampf um die Mauern tobte, und dass ein mächtiges Geräusch aus dem Reliquienschreine zum Zeichen geworden sei, dass der Heilige den Seinen beistehe. '"') Um so

"") A. a. 0. Pesina, Mars Moravicus p. (>34: omnes enim etiam parvuli, qui vel lapidem levare poterant, nd defeiisionem concurre- bant; faeniinae picem liquefactam et cineres buUientes ferventemque poUinem in armatos .... effundebant etc. Man vergl. die lebendige Schilderung des Reimchronisten bei Emminghaus 1. c. 701 fg.

'»^) Detmar 110.

■oä) Koelhoffsche Chronik 1. c. 789.

'»*) Pesina 1. c. „ultra tres horas".

">') K. Stolle 2-1.

'**) Pesina 637. Ebenso Barthol. Lake nach (?) der Koellioff'scheii Chronik 1. c, und Emminghaus 1. c. 702, nach dessen weiteren .\n- gaben aber die Angreifer 1600 vor den Mauern verloren.

"") Acta Sanctor. ap. lioU. Append. ad Januarium IL, 1144.

120 Adolph üackmanu:

tiefer empfand Herzog Wilhelm die erlittene Niederlage. Mühe und Kosten des weiten Zuges schienen nun umsonst aufgewendet. Und nicht bloss das! Er, der die Böhmen gerufen hatte, der ihr Führer gewesen war, galt als der eigentliche Urheber der Verheerungen und all des Unge- maches^ das die ungezügelten Scharen anrichteten. Mit Hohn luid Schmähungen nannte man weithin seinen Namen. '"*)

Wenn der Herzog aber trotzdem seine Pläne noch nicht völlig aufgab, wenn er sich mit dem Vorschlage, nach der Grafschaft Mark zu ziehen, an sie wandte, so musste er rasch erkennen, dass die Lust zu weiterer Kriegs- fahrt bei den Böhmen nun völHg geschwunden sei. Sie, denen der Sold eben wieder niciit bezahlt worden war, mochten freilich merken, dass es dem Herzoge darum zu thun sei, sie und sich selbst mit dem bezahlt zu machen, Avas erst mit neuer Gefahr erstritten werden sollte. Der Herzog empfing daher eine abschlägige Antwort und die Meldung, dass man zur Heimkehr entschlossen sei. Aber auch der alte Kölner Kurfürst hatte nun die Mittel wie die Lust zu weiterer Fortsetzung des Kriegs gänzlich ver- loren; auch er war bereit, die Belagerung aufzuheben, die Söldner zu entlassen. '°^) So räumten denn am 21. Juli die Verbündeten das Lager vor Soest, in dem ihnen so trübe Erfahrungen geworden waren.

Vor dem Heimzuge Herzog Wilhelms und der Seinen musste die Frage gelöst werden, in welcher Weise ihm durch den Erzbischof genügende Entschädigung für die Kosten geleistet werden könne. ' '") Von sofortiger Be- zahlung konnte nicht die Rede sein. Der Erzbischof konnte nur erwarten, binnen vier Tagen 50000 fl. aufzubringen, von denen ihm 40000 fl. vom Grafen von Seyn, 10000 fl. von anderer Seite konnnen sollten; er erbot sich daher, Stadt und Zoll zu Bonn dem Herzoge als Pfand bis zu völliger Ausgleichung zu überlassen, was gleichfalls binnen vier Tagen geschehen konnte- ' ' ') Aber die Böhmen waren nicht einmal zu bewegen, auch nur vier Tage länger zu warten; sie bestanden auf dem ungesäumten Heimzuge Zudem schien jegliche Zucht und Ordnung nun völlig bei ihnen gelöst; nach eigener Laune zogen sie ihres Weges. Im

'»•) Detmar HO. Fontes r. A. XLII, 53 a. a. 0. »•») Detmar 110; Peshia, Mars Moravicus 6.S5. "») Ergiebt sich aus dem Stande der Dinge. '") Fontes r. A. XLII, 43.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 121

Felde bei Geseke, südöstlicli von Lippstadt, schlug man das erste Lager '^"^). Noch geleitete der Erzbischof den sächsischen Fürsten und die Seinen. Da kam er beinahe selbst in Gefahr. In der Nacht drang ein Haufe böhmi- scher Krieger, sei es von Hunger getrieben, sei es aus Beutelust, in des Kurfürsten Lager, nahm ihm seine Pferde und Mundvorräthe und bedrohte ihn persönlich. Es musste der Herzog Leute zu seinem Schutze absenden. Andern Tages begab sich Dietrich nach Geseke**^); für seine Schuld trat das Domcapitel von Köln als Bürge ein^'*) Zu einer Unternehmuno; Hessen sich die Böhmen noch bewegen: sie bogen nordwärts ab, um die Graf- schaft Ravensberg heimzusuchen. Aber die vandalisclie Art, in der sie hier hausten, in der sie besonders Kirchen und Klöster plünderten und ihre Insassen misshandelteU; war zugleich der einzige Erfolg. '*^) Den weiteren Rück- zug nahm der Herzog südlicher; sein Vorwand war, die Böhmen auf „anderem Wege" nach Hause zu l)ringen; sein Plan, sich ihrer doch noch weiterhin und zwar für eine Diversion nach Franken zu bedienen."®) Bei Mihla un- weit Eisenach"'), wo man „am St. Gehülfenberge" das Lager geschlagen, Hess sich die eigentliche Absicht nicht länger verbergen. Hier kam es auch zur Trennung des Heeres. Als die böhmischen Rotten den Entschluss des Herzogs vernahmen, nun südwärts nach Franken zu ziehen, da waren die meisten derselben nicht mehr zu halten. Alles Zureden des Herzogs fruchtete nichts, schliesslich entrollten sie ihr Banner und zogen, etwa 5000 Mann stark " **) , unter Heinrichs von Kolowrath und anderer Führung allein von danncn. „Mit traurigem Muthe, in grossem Jammer" und zu seinem „unverwindlichen Schaden" musste auch der Herzog allein ziehen."") Er nahm den Weg nach dem Ko burgischen.

"*) Fontes r. A. XLII, 44 neben der Koelhoft'schen Chronik 790.

"*) Koelhoft"'sche Chronik 1. c. „were der busuhol' van Coelne in niet intwichen zo Geiske . . . , si hetten in in dem velde erslagen". Vergl. Emminghaus 1. o. 705.

"*) Koelhoff'sche Chronik 1. c. Pesina, Mars Moravicus p. 6.35.

'") Koelhofi''sche Chronik 1. c.

"•) K. Stolle 27. Vergl. auch Fontes r. A. XLII, 44, wo freilich das Ziel der weiteren Unternehmungen nicht genannt ist.

"") Palacky, Gesch. Böhm. IV, 1, 181, ohne Angabe der Quelle.

'") Härtung Kammermeister 1. c. 1197. K. Stolle 26.

"•) Fontes r. A. XLII, 44.

122 Adolph Bachmann:

III.

So sehr der Aufbruch des böhmischen Heerhaufens g-egeu den Willen des Herzogs erfolgt war, so schied man doch nicht in offener Feindschaft^^*'); ja es scheint, dass der Herzog noch ausdrücklich den gerechten Forderungen der Soldtruppen zu genügen versprach. '^^) Nun suchten diese, indem sie die nördliche Vorkette des Thüringer- waldes überstiegen, das Mühlhausen'sche zu erreichen, um dann auf demselben Wege, den sie gekommen, in die Heimat zu ziehen.

Die Kunde über die Vorgänge in Westfalen war natürlich auch nach Thüringen gedrungen; die Nachricht, dass die Böhmen zurückkehrten und zwar allein, flog ihnen voraus. Da fehlte es nicht an neuer Gefahr, neuen Ver- lusten. Sie hatten unter des Herzogs Geleite, nach Westen ziehend, sich keine Freunde erworben; jetzt, da sie für sich selbst sorgen mussten, ohne auch da sich überall der Ueber- griffe zu enthalten, übten die Thüringer an einzelnen und kleinen Abtheilungen Rache und Vergeltung. ^*^) Die Noth wuchs, als man sich Erfurt und dem Lande des Kurfürsten Friedrich von Sachsen näherte.

Die Erfurter hatten schon den Hinzug der böhmischen Truppen mit Misstrauen angesehen, waren auch nicht ganz ohne Schaden geblieben. Sie hatten, der Wiederkehr jener gewärtig, in der Zwischenzeit tüchtig gerüstet, ihre Stadt verwahrt, sich auch in der Art der Böhmen, eine Wagen- burg im Kampfe zu gebrauchen, nach Kräften geübt. **') Trotzdem begehrten und erhielten sie auf die Kunde von dem Anrücken der Böhmen Hülfe von Kurfürst Friedrich von Sachsen; mit den Truppen des Grafen Ernst von Gleichen, des von Plauen, Schaumburg und des ßitters Harras, die ihnen jener zusandte, und unterstützt von den Grafen von Querfurt, Beichlingen, Mansfeld und Ludwig von Gleichen geboten sie über mehr denn 10000 Mann, waren also den halbverhungerten Gegnern doppelt über- legen.

'">) K. Stolle 25.

'") Stolle 1. c. Zeigt übrigens vielleicht auch der Umstand, dass sie in Eger drei Tage auf Bezahlung warteten. '") Fontes r. A. XLII, 47. '»*) Ausführlich bei K. Stolle 22 fg., 26,

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 123

Am 29. Juli (?) lagerten die Böhmen bei Vargula an der ünstrut, wo sie sich vermittelst ihrer Büchsen des »Schlosses bemächtigten. Von hier oder doch von Vippach aus, wohin sie der nächste Tagmarsch führte, sandten sie ein Schreiben an die Erfurter, ihnen den friedlichen Vor- beizug zu gestatten; jede Beschädigung ihres Gebietes solle verhütet werden, „sie seien verführt und schändlich betrogen von Herrn Apel Vitzthum". AA' ohl drängte es den grossen Haufen in Erfurt, die Fremdlinge mit überlegener Macht anzufallen und niederzumachen, der Beute, die sie auf dem Hin- und Rückzuge erworben, sich zu bemächtigen. Der Rath aber bedachte vorsichtig nicht blos die Tliat an sicli, sondern wie leicht der junge Herzog, in dessen Solde jene doch immer noch standen, daraus den Anlass zum Kriege gegen die Stadt nehmen könnte, trotz des gegenwärtigen Verhältnisses derselben zu ihm. So kam denn Heinrich Wisse, Mitglied des Rathes, in das Lager der Böhmen unterhalb Vippach, ihnen die Gewährung ihres Ansuchens zu überbringen und die Weise des Durchzuges zu bereden. Die Erfurter fanden dabei noch Gelegenheit, den Herzog- Wilhelm sich zu verpflichten. Die Böhmen hatten die Absicht merken lassen, Weimar, des Herzogs Hauptstadt, anzugreifen und zu nehmen. Jetzt theilte ihnen Wisse mit, dass die Erfurter dies nicht gestatten könnten und überhaupt angreifen würden, sowie man sie aus des Her- zogs Landen zu Hülfe rufe. Darauf gaben die Böhmen ihr Vorhaben auf.

Am 1. August zogen die Böhmen südostwärts durch das Erfurter Gebiet; so grossen Mangel sie litten, sie thaten dem Lande keinen Schaden. „Die reisigen Böhmen wollten nicht, dass ihre Trabanten sich ein wenig Schoten nahmen; sowie sie solches gewahr wurden, so trieben sie dieselben mit Geissein davon. Also sehr fürchteten sie sich vor denen von Erfurt." So kamen sie bis Meilingen, wo sie ein Lager aufschlugen und übernnchtetcn. Auch der weitere Zug durch Thüringen und das Vogtland glich mehr einer Fahrt durch feindliches als durch freundliches Gebiet. Bleibt auch unerwiesen, was die Böhmen von den Erfurtern gehört zu haben behaupteten, dass der Herzog selbst die Städter und seinen Bruder aufgefordert habe, die gegen seinen AVillen Heimziehenden zu vernichten, die Böhmen selber wollten im erfurtischen Heere einen Ritter bemerkt haben, der ihnen von des Herzogs Hofe her und als einer seiner Dienstmanuen bekannt war, der wenig

124 Adolph Bachmann:

freundlichen Stimmimg des Herzogs gegen die Abziehenden entsprach jedesfalls die Haltung seiner Amtleute und Pfleger. Man that nichts für ihre Verpflegimg, man wehrte ihnen, sich beliebig zu lagern, man vergriff" sich an jenen die allein auszogen, sich mit dem Nöthigen zu versehen. ''^*) „Mit wehrender Hand" durchzogen die scliM^ergeprüften Scharen eilig die weite Strecke bis Eger, vor dem sie am 4. August anlangten **^) und wo nun endlich die Nach- stellungen aufhörten. *^^)

Ein Ruf zorniger Theilnahme durchflog das benach- barte böhmische Gebiet. „Ich bitte dich, leihe mir Leute zu Ross und zu Fuss so rasch und so viele du vermagst, damit ich den Unsern nach Meissen entgegenziehe", schreibt Hynek Kruschina von Schwamberg an Ulrich von Rosen- berg. „Ich vertraue darauf, dass du das thust, so wie ich dir nach Bedürfnis thäte, wenn du mir schriebest, denn wenn der liebe Gott nicht ihre Vernichtung abwendet, so möchte es ein Verlust sein für das ganze Böhmerland." *^'') Das ward nun überflüssig; als Schwamberg von seinem Schlosse Bor '^*) den Eilboten mit dem Briefe nach Krumau zu Herrn Ulrich absendete (5. August), standen die Böhmen bereits im Egerlande.

Drei Tage verharrten die Rotten im Feldlager vor Eger. Dann, während sich die Kunde von ihren Erleb- nissen und ihren Beschwerden ringsum verbreitete, richteten sie selbst am 6. August, ernst aber noch in geziemender Ehrerbietung, ein Schreiben an den Herzog, in dem sie über die Behandlung seitens der Seinen klagten und um die Begleichung des Soldes und der Schadenssummen er- suchen. '**) Nachdem die Führer dann, wie es scheint, die

'**) Die obigen Ausführungen und Daten nach K. Stolles (26, 27) freilich sehr verwirrter Darstellung. Vergl. übrigens H. Kammer- meister 1197 fg. Fontes r. A. XLII, 47 fgg. Die geographische Darlegung nach Spruner -Menke, Handatlas für die Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit Nr. 43 Nebenkarte 2.

'**) Nach dem Schreiben der Anführer d. d. 6. August 1447 im Grossherz. u. Herz. Ges.-Arch. zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 13.

'**) Fontes r. A. XLII, 47 jedesfalls übertrieben: „sein in nach gevolt biss her noche gein Kunigswart etc."

'*') Archiv cesky III st. 373 fg. Die bez. Angabe Palackys, Gesch. Böhm. IV, 1, 181, Note 167 ist ein Irrthum.

•") Bor, Burg der Schwamberge bei Tepl. Das Dorf heisst heute „Borau".

'") S. Anm. 125.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 125

Verabredung getroffen, sich Ende August in Prag einzu- finden**"), zogen die Abtlieilungen der Heimat zu und lösten sich auf. Aber manch tapferer Krieger Icehrte nicht wieder zurück, und die die Heimat wiedersahen, waren zum Theile in dem traurigsten Zustande. „Zu dieser Zeit" (um Laurenz!), erzählt entrüstet der Prager Anonymus, „kam der Rest der Krieger zurück; sie führten 12 Wagen mit Verwundeten und Kranken mit sich ; zahlreiche andere Wagen waren angefüllt mit Raub ''^^), andere leer. Es kamen auch die Mährer durch, bettelarm und nicht bloss ihrer Freunde, sondern auch ihre Habe und Pferde verlustig. Der Teufel traue den Deutschen." *^*)

Mit dem Abzüge des Haupttheiles der böhmischen Truppen entschwand auch Herzog Wilhelm die Möglich- keit, in Franken mit Nachdruck aufzutreten. Die iSürn- berger waren übrigens zu seinem Empfange bereit. ''^) Darum wurden denn, nachdem das Koburgische erreicht war, die deutschen Truppen, dann auch Peter von Stern- berg, Friedrich von Donin und so viele der Böhmen noch verblieben waren, entlassen.

Die beiden Genannten hatten, nachdem^ wie es scheint, der Herzog ihren eigenen Forderungen gerecht geworden war, noch auf dessen Ersuchen die Zusage gegeben, be- züglich der Ansprüche der übrigen einen Spruch zu tliun und selbst baldigst wieder zu ihm zurückzukehren. Sie konnten sich bald überzeugen, dass sie zu solchem Amte untauglich seien. Auch gegen sie, die ihre Sache von der der Landsleute getrennt, hatte man schwere Vorwürfe er- hoben.''*) Trotzdem übersandten sie am 12. August von Petschau aus ihr Gutachten an den Herzog '^^); drei Tage später ''") aber übermittelte Peter von Sternberg ein

"») Stafi letopisove cesti st. 148. Vergl. Fontes r. A. XLII, 51.

'*') Diesen Passus lässt Th. Pesina, der die Stelle im Mars Mo- ravicus 637 übersetzt, vorsichtig weg.

'**) Stafi letopisove 148.

'") K. Stolle 27. Die Städter besassen 12000 Mann. Vergl. auch Hegel, Städtechroniken: Nürnberg IV, 167 Text und Anmerkung 5.

'**) Stafi letopisove st. 148: Domluvajice Holickemu mlademu panu Petrovi, ze velikou neveru nim uciuil, odjed od nich. (d. i: mit Schelten sagten sie dem jungen Peter Holicky nach, dass er grosse Untreue an ihnen begangen habe, indem er sich von ihnen trennte).

'**) Kegest im Künigl. böhm. Landesarchive zu Prag.

'*") Grossherz. u. Herz. Ges.- Archiv zu Weimar Reg. A fol. 8 Nr. 13.

126 Adolph Bachmann :

Schreiben seines Vaters vom 12., das ihm dieser aus Pürgles gesandt hatte ^^') und damit indirect auch die Rathschläge, die Herr Alscho in der Sache für den Herzog hatte.

Nachdem nämlich Sternberg in seinem Briefe der schweren Vorwürfe gedacht, die allenthalben von Seiten der Söldner gegen den Herzog laut würden, mahnt er diesen zunächst zu völliger Befriedigung aller jener, die treu an seiner Seite ausgeharrt. Dadurch werde den Klagen der anderen die Spitze abgebrochen. Diesen selbst möge der Herzog freundlich antworten und das Erbieten stellen, den Schiedsspruch wegen Schadenersatz auf einen oder mehrere der Herren Hase von Hasenburg, Ulrich von Rosenberg, Hans von Kolowrath, (ieorg von Podiebrad oder auch ihn selbst zu setzen. Zur Verhandlung sei es am besten, Herrn Apel Vitzthum zu schicken; doch müsse ihm in Anbetracht der schwierigen Lage der Dinge eine versöhnliche Sprache befohlen werden.

Herzog Wilhelm hatte inzwischen den Söldnern in Kürze die ausweichende Antwort gegeben, dass er wegen Abwesenheit seiner Räthe und des Tages zu Mühlhausen wegen ihnen keinen endgültigen Bescheid geben könne. ^*®) Er theilte diesen Brief auch Herrn Alscho mit, mit dem Zusätze, dass er vor Eintreffen des Sohnes desselben nichts unternehmen werde. '^®) An diesen aber hatte er sich mit dem besonderen Ersuchen gewendet, vor dem Mühlhausener Tage zu ihm zu kommen, was Peter neuerdings zusagte. '*") Als dann die Rathschläge des älteren Sternberg anlangten, war der Herzog bereit, diesen zu entsprechen und theilte diesen Entschluss endlich nach langem Schwanken am 27. September den Anführern der Soldtruppen mit. ^* ')

Diese hatten inzwischen nicht blos sofort nach ihrer Rückkehr auf dem Rathhause der Altstadt Prag vor der

''') Fontes r. A. XLII, 46 fgg. mit unrichtigem Datum. Pürgles bei Buchau und nicht mit anderen gleichnamigen Orten zu verwechseln.

'") Fontes r. A. XLII, 50 fg. Das Datum dürfte mit Rücksicht auf die nachfolgende Note in „12. August" zu ändern sein.

"') Gesammt-Archiv zu Weimar Reg. A fol. 8 Nr. 13. Schreiben aus Koburg, d. d. 12. August.

'*") Vergl. des Sternberg Antwort vom 15. August (Petschau) im Grossh. Ges.-Arch. zu Weimar 1. c. Ebendort ein zweites Schreiben desselben vom 19. August.

'*') Fontes r. A. XLII, 52 fgg.

Herzog Wilhelm von Sachsen auf dem Zuge vor Soest. 127

versammelten Ueineinde Klage geführt '''^). sondern waren, nachdem sie noch öfter den Herzog gemahnt, gegen Ende August neuerdings zusammen getreten, um nun in einem letzten Schreiben ihre Ansprüche auf das ent- schiedenste zu betonen. ^*^) Schliesslich willigten aber auch sie ein, dass die Herren von Podiebrad und Alscho von Stern berg über die Ersetzung der Schäden entscheiden sollten. '^*)

Was weiter geschah, lässt sich aus den wenigen bisher bekannten Nachrichten nur in den Umrissen erkennen. Georg Podiebrad und Alscho von Sternberg fällten ihren Spruch erst am 22. März 1448 ***), anscheinend zu gunsten der Söldner, die, wie auch der Herzog, den Spruch an- nahmen. Aber diesem fehlte das Geld, und seine Be- mühungen, von dem Erzbischofe von Köln solches zu er- halten, scheiterten an dessen eigener Zahlungsunfähigkeit.^*") So verschleppte sich die Sache, bis der Sturz der Vitz- thume, der grosse Krieg des Jahres 1450, sie augenblicklich aus dem Vordergrunde drängten. Die Söldner bekamen nichts, imd eben darum blieben ihre Forderungen eine der Streitsachen, an denen sich von 1450 1456 immer wieder das Kriegsfeuer entzündete. Auf dem grossen Sühntage zu Breslau 1455 wurden auch die Forderungen der Söldnerführer vorgenommen '*''), ebenso in Wunsiedel im Februar 1459, wo aber beschlossen ward, auf dem kommenden Egerer Tage von derlei Nebenfragen zunächst abzusehen.'*^) Trotzdem kam es hier zu ausführlicher Berathung auch dieser Sache und dann endlich auch zur Zusage des Herzogs, die Schuldsumme zu zahlen, während Johann Calta (auf liabenstein) seine ehrenrührigen Aeus- serungen über den Herzog und dessen Mutter widerrufen nmsste. **") Aber es dauerte noch di'ei volle Jahre, es

'") Stari letopisove st, 148.

'*') Fontes r. A. XLII, 51 fg.

'**) Vergl. Note 145.

'**) Regest im Konigl. Landesardiive zu Prag.

'*") Schreiben des Erzbischofes von Köln an Herz. Wilhelm vom 4. April 1448, Apel Vitzthums an Peter von Sternberg vom 14, April und des letzteren Antwort vom 18. April im Grossh. Ges.-Arch. zu Weimar, Reg. A fol. 8 Nr. 9. 15.

'") Fontes r. A. XLII, 273 fg., 276 fgg.

'*') Palacky, Urkundl. Beiträge etc. (Fontes r. A. II. Abth., Bd. XX) 173 fg.

'*•) Fontes r. A. XUI, 273 fg.

128 Adolph Bachmann:

bedurfte noch der wiederholten Intervention König Georgs, es mussten sich die Anführer noch mit einer Ausrichtung in geringerem Gelde einverstanden erklären, ehe endlich im Juli 1462 ihre Forderung beglichen ward. *^'')

"">) Fontes r. A. XLII, 308 fgg., 311 fgg., 316, 343 fg., 346 fgg. Die Geschichte dieses Handels von 1448—1462, sowie die Geschichte der böhm.-sächsischen Beziehungen von 1448—1458 überhaupt, für die das Königl, Hauptstaatsarchiv zu Dresden noch reiches ungedrucktes Material enthält, sei hiermit einem künftigen Bearbeiter empfohlen.

Nachtrag. Der „Bericht eines Göttinger Raths- mitgliedes über den Zug des Herzogs Wilhelm von Sachsen gegen Soest , 1447" (im Urkundenbuch der Stadt Göt- tingen von 1401 1500; herausg. von Dr. G. Schmidt, Hannover 1867), dessen Einsichtnahme mir nachträglich Herr Dr. Ermisch freundlichst vermittelt, bietet zwar nichts wesentlich neues für das Verhältnis Herzog Wil- helms zu den böhmischen Söldnern und für den Verlauf des Unternehmens an sich, enthält aber doch, ähnlich wie die Reimchronik, manches interessante Detail. So gewährt er namentlich einzelne sichere Angaben für die Richtung des Rückzuges und die Daten mehrerer Lagerplätze. Dar- nach lagerte das Heer vom 5. bis 7. Juni nördlich von Göttingen von ßovenden bis Nörten, welch letzteres beim Abzüge bis auf 6 bis 8 Gebäude abbrannte; am 7. Juni bei Hollenstedt; von da zogen sie nach den oben geschil- derten Vorkommnissen endlich bei Holzminden über die Weser und nahmen die Richtung auf Höxter. Für den Rückzug, der, wie bereits angegeben, mehr südwärts führte, gewinnen wir Beverungen als den Ort, wo sie über die Weser zurückkehrten, weiter Dransfeld und Friedland, wo sie, stets südöstlich ziehend, das Eichsfeld und den St. Gehülfenberg bei Mihla erreichten.

VI.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen, königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Ge- heimer Kabinets -Minister und General der In- fanterie.

Von

0. von Schimpff.

Unter den sächsischen Aclelsfamilien, welche besonders in dem 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre Bevorzugung im Hof- Staats- und Militärdienste nicht bloss der Fürstenlaune und dem Zufalle, sondern den wirk- lich hervorragenden Eigenschaften ihrer Mitglieder ver- dankten, nimmt die der Friesen unzweifelhaft einen der ersten Plätze ein. Nur sehr wenioe sächsische Familien vermochten damals gleiche wissenschaftliche und weltmän- nische Bildung, gleiche Verdienste im Öffentlichen Dienste nachzuweisen, wie die Friescn'sche; kaum aber dürfte auch nur eine sicii rühmen können, dass ihrem Namen in jener Periode eine so weit über die Grenzen ihres kleinen Vater- landes hinausreichende Beachtung zutheil ward, und es muss daneben noch besonders hervorgehoben werden, dass die der Familie eigene Bildung und feine Sitte bereits Im 17. Jahrhundert, wo bekanntlich das weibliche Geschlecht in Deutschland nur ganz ausnahmsweise sich einer sorg- fältigeren Erzieh img zu erfreuen hatte, auch von den Frauen

Neues Archiv f. S. (!. n. A. II. 2. 9

130 0. von Schimpff:

und Töchtern der Friesen 'sehen Famihe getheilt zu werden pflegte.

Die Familie, welche in ihrer jüngeren, freiherrlichen Linie noch heute blüht, wird erst seit 1409 in sächsischen Urkunden erwähnt und scheint aus der Schweiz einge- wandert zu sein. Ihr Stammgut in Sachsen ist Kauern bei Ronneburg; später (1589) wurde von derselben Rötha erworben, das noch jetzt im Besitze der Familie ist.

Die ältere, 1755 erloschene Linie liatte zum Stammvater den Greheimrathsdirektor Heinrich von Friesen (1610 1680), welcher durch die bedeutende Rolle, die er als Staats- mann und Diplomat unter Johann Georg II. spielte, be- kannt ist. Neben einer Reihe hochgebildeter Töchter besass der Geheimrathsdirektor einen einzigen Sohn, Julius Hein- rich, auf dessen Lebenslauf^) wir hier nur insoweit ein- zugehen brauchen, als zum Verständnis der eigenthüra- lichen Beziehungen nothwendig erscheint, in denen sein Sohn Heinrich Friedrich, der Held unserer Darstellung, von Haus aus zum sächsischen Hofe stand.

Julius Heinrich, der sich im Todesjahre seines Vaters 1680 mit der Tochter des holländischen Generals, Grafen Alexander zu Dohna, Besitzers des Schlosses Coppet bei Genf, verheirathet liatte^ war durch die Verbindungen seines Schwiegervaters in sehr intime Verhältnisse zu dem Prinzen Wilhelm von Oranien, damaligem vStatthalter der Niederlande und späterem Könige von England, getreten. In Sachsen, wohin Friesen aus holländischem Dienste 1691 mit dem Range eines Generalwachtmcisters zurückkehrte, stellte er sich mit grosser Entschiedenheit auf die Seite der englisch- kaiserlichen Partei und zog sich dadurch die Abneigung des Prinzen Friedrich August zu, Avelcher die französische Partei, an deren Spitze der intrigante Feldmarschall Schö- ning stand, begünstigte. Der plötzliche Tod des Kurfürsten Johann Georgs IV. brachte Friedrich August auf den Thron Sachsens, und es seliien anfangs, als ob der neue Regent seinem Grolle gegen Friesen entsagt habe, da dieser als ausserordentlicher Gesandter nach dem Haag entsendet ward, wo sich damals König Wilhelm von England ge- rade aufhielt. Als aber Friesens unversöhnlicher Feind

') Vergl. „Julius Heinrich Graf von Friesen, Kaiserl. General- feldzeugmeister, Königl. Englischer Generallieutenant. Ein Lebens- bild aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts von Heinrich Frei- herrn von Friesen. Leipzig, Wilhelm Baensch, 1870''.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 131

Schöning aus seiner Gefangenschaft, in der ihn der Kaiser zwei Jahre lang gehalten hatte, nach Sachsen zurückkehrte^ begannen sofort dessen Intriguen gegen Friesen von neuem ; dieser jedoch, von seinen Freunden gewarnt, leistete dem kurfürstliclien Befehl, der ihn von seinem Posten abberief, keine Folge und schickte statt der Antwort dem Kurfürsten sein Generalspatent zurück. Ueber diesen Schritt erzürnte Friedrich August so, dass er die Erbgüter Friesens Schönfeld, Jessen und Graupa mit Beschlag belegte und sie dem Feldraarschall Scliöniug überliess, der sich des Besitzes derselben jedoch nur kurze Zeit erfreute und bereits 1696 starb.

Julius Heinrich von Friesen machte in der Folge in kaiserlichen Diensten eine glänzende Carriere, wurde in den Grafenstand erhoben und nach seiner rühmlichen Vertheidigung von Landau 1703 zum Generalfeldzeug- meister ernannt. Zwischen ihm und seinem von ihm tief beleidigten Landesherrn hatte zwar, als Friedrich August 1695 aus dem türkischen Feldzuge nach Wien zu- rückgekehrt war, eine Aussöhnung stattgefunden, diese war jedoch bloss eine ausser liehe, denn, trotz der nach da- maliger Sitte von Friesen kniefällig geleisteten Abbitte, wurden ihm die eingezogenen säclisischen Güter nicht zu- rückerstattet.

Ein Jahr nach Eingehung seiner Ehe war dem Julius Heinrich von Friesen am 26. August 1681 in den Nieder- landen, wahrsclieinlich in Maastricht, ein Sohn geboren worden, der die Namen Heinrich Friedrich erhielt. Die Erziehung desselben fiel bei dem unstäten Kriegerleben des Vaters der trefflichen, mit reichen Geistes<j:aben aus- gestatteten Mutter anheim, welche in Holland, dem da- maligen Hauptsitze klassischer Bildung, den Unterricht des Sohnes den gelehrtesten Philologen anvertraute. Dieser besuchte später, wie sein Vater, die holländischen Uni- versitäten und wurde dann nach Genf, der Heimath der Mutter, gesendet, um dort seine Studien zu vollenden und gleichzeitig sich den gewandten Gebrauch der französischen Sprache anzueignen. In der That erwarb Heinrich Fried- rich sich auf diese Weise eine seltene Sprachkenntnis; neben der lateinischen und griechischen Sprache, die er in Holland gründlich erlernt hatte, bediente er sich der deutschen, holländischen, französischen und englischen mit grösster Leichtigkeit. Reisen durch Frankreich und Eng- land vollendeten nach damaliser Kavalicrsittc seine sorar-

132 0. von Schimpff:

fältige Erziehung, bevor er in den holländisclien Militär- dienst eintrat.

In diesem geschieht unseres Helden gelegentlich der schon berührten Belagerung von Landau im Jahre 1703 Er- wähnung. Seiten der Verbündeten wurde der Versuch gemacht, die von den Franzosen unter dem Marschall Tallard hart bedrängte Festung durch ein aus holländischen, hessischen und kurpfälzischen Truppen bestehendes Korps zu entsetzen, welches aber am 15. November am Speier- bache zwischen Heiligenstein und Harthausen eine Nieder- lage erlitt. Unter der sehr beträchtlichen Zahl Gefangener, die an diesem unglücklichen Tage in die Hände des Feindes fielen, befand sich auch der damals 22jährige Heinrich Friedrich Friesen, und Tallard benutzte diesen Umstand, den kaiserlichen Kommandanten von Landau durch den eigenen Sohn von dem Ausgange des Trefi'ens in Kenntnis zu setzen und zur üebergabe der so rühmlich vertheidigten Festung aufzufordern. Wirklich erfolgte nun auch am folgenden Tage, den IG. November, die Kapitu- lation unter den ehrenvollsten Bedingungen.

Beide Eltern Heinrich Friedrichs starben kurz hinter- einander, der Vater nach langwieriger Krankheit den 28. August 1706 zu Rastatt, die Mutter am 18. September 1707 zu Frankfurt am Main. ^)

Heinrich Friedrich hatte noch vor dem Tode des Vaters den holländischen Dienst mit dem kurpfälzischen vertauscht, wo er die Stellung eines Obersten der Leib- garde bekleidete. Der Nachlass des Vaters, der stets auf grossem Fusse gelebt und für den König von England sowohl, als für den Kaiser beträchtliche Auslagen bestritten hatte, welche in der Folge weder der Witwe noch den Kindei'n zurückerstattet wurden, reichte kaum zur Deckung der Schulden hin. In seiner drückenden Geldverlegen- heit richtete Heinrich Friedrich seine Blicke auf Russland, das Eldorado aller damaligen unternehmungslustigen Glücksritter, wo der Sohn des berühmten Vertlieidigers von Landau auf eine seinem Ehrgeize und seinen Bedürf- nissen entsprechende Verwendung rechnen zu könnenglaubte. Seine Hoffnungen wurden nicht getäuscht; MenschikofF,

^) Sie hhiterliessen ausser dem einen Sohne noch eine Tochter, welche 1712 den Wirklichen Geheimerath, Staats- und Kabinets-Mi- nister Adolf Magnus Grafen Hoym (f 172.3), den geschiedenen Ge- mahl der Gräfin Cossell, heiratete.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 133

der allmächtige Günstling des Czaren, beantwortete unter dem 19. November 1706 Friesens Bitte um Aufnahme in den russischen Militärdienst zustimmend und bot namens seines Herrn dem 25jährigen Obersten eine Stelle als Ge- neralmajor an.

Es wird ausdrücklich erwähnt, dass Friesen an der Spitze eines Regiments den Schlachten bei Pultawa und am Pruth beigewohnt habe; auch soll ihm Peter der Grosse durch verschiedene geheime Aufträge Zeichen seiner be- sondern Gunst und seines Vertrauens gegeben haben. Wenn wir den Erzählungen des Barons Haxthausen Glauben schenken dürfen, so beabsichtigte MenschikofF, den jungen sächsischen Grafen mit einer seiner Schwestern zu ver- heiraten. Wohl möchte sich durch diese Partie Friesen eine sehr glänzende Aussicht eröffnet haben; war nun aber die ihm zugedachte Gattin nicht nach seinem Geschmacke oder traute er, von einem richtigen Ahnungsgefühl geleitet, der Stellung Menschikoffs nicht ausreichende Festigkeit zu oder bewahrte sein Herz einer schönen Jugendgeliebten im fernen Holland die gelobte Treue ^) , Friesen verzich- tete nicht bloss auf die Hand der Fürstenschwester, sondern, was in Rücksicht auf die Stellung Menschikoffs die unver- meidliche Folge dieser Ablehnung Avar, auch auf den fer- neren Dienst in Russland.

In Begleitung des Czaren, der bald nach der Schlacht am Pruth eine Reise nach Deutschland antrat, soll Friesen in Dresden angelangt sein. Wie dem auch gewesen sein mag, seine Ankunft in Sachsen 1711 steht ausser Zweifel. Er musste auf seine einflussreichen Verwandten, vielleicht auch auf den Zauber seiner Erscheinung rechnen, wenn er sich in der Heimat seineii Väter grosse Erwartungen für die Zukunft machte; denn dass er sich am Dresdener Hofe keine freundliche Aufnahme versprechen konnte, war ihm selbst wohl am wenigsten unbekannt.

Von seinen Tanten war die jüngste der sieben Schwestern seines Vaters, die verwitwete Gräfin Reuss, wohl am ersten in der Lage, sich des heimatlosen Neffen an- zunehmen, und in der That hatte er sich in dieser bedeu- tenden Frau nicht verrechnet. Sie hatte ihren Gemahl, den tapfern und umsichtigen Feldzeugmeister Grafen Reuss, in der Schlacht bei Zentlia verloren und lebte, nachdem

*) Vergl. das oben angezogene Lebensbild Julius Heinrichs Grafen von Friesen, Seite 189.

134 0- von ScLimpff:

aucli ihr einziger Sohn Heinrich IL im zweiundzwanzigsten Lebensjahre verstorben war, in Dresden. Hier beherrschte sie ganz besonders den Statthalter Anton Egon Fürstenberg, nach WolfFranisdorfFs sarkastischer Bezeichnuno- wie Delila den Sinison. Dieser hatte, als er im August 1797 den Vorsitz im Geheimen Rath und damit die Leitung der sächsischen Angelegenheiten übernahm, wie vorlier Schouing, aus- schliesslich das französische Interesse vertreten, war jedoch durch den Einfluss der liebenswürdigen und geistreichen Witwe dieser Partei allmählich entzogen worden. ^) Wäh- rend aber die Gräfin Reuss durch den geistig ziemlich un- bedeutenden, aber durch seine Stellung mächtigen Fürsten- berg die öffentlichen Angelegenheiten und durch das grosse Haus, welches sie machte, und ihre Familienverbindungen die Dresdener Gesellschaft beeinflusste, hielt sich dieselbe grollend vom Hofe entfernt, dem sie die nach ihrer Meinung ungerechte Behandlung ihres Bruders nie ver- gessen konnte. Den aus Russland in die Heimat zurück- kehrenden Sohn desselben nahm sie mit wahrhaft mütter- licher Liebe auf, aber gerade das, was diesem im Augenblick das dringendste Bedürfnis war, eine geeignete Anstellung im sächsischen Heere, vermochte sie demselben in ihrer Isolierung vom Hofe um so weniger zu verschaffen, als sie den König erst kürzlich wieder durch ihre scharfe, rück- sichtslose Salonkritik *) empfindlich verletzt hatte.

Man kann sich unter diesen Umständen nur wundern, dass es dem günstigen Eindrucke des liebenswürdigen, weltmännischen Wesens unsers Helden auf den für diese Eigenschaften allerdings sehr empfänglichen König gelang, nach Verlauf einer verhältnismässig nicht allzulangen Frist **)

*) Hieraus erklärt sich zum grossen Theil die Erbitterung des galligen Wolfframsdorff in seinem vielbesprochenen „Portrait de la Cour de Pologne" gegen die Friesen'sche Familie und die dieser gleichgesinnten, nach Oesterreich präponderierenden Minister („Möge der König die ganze Rasse seines durch Eigennutz und Nachsicht verdorbenen ^Ministeriums fortjagen etc.")- Dagegen preist Wolff- ramsdorflf Scliöning als den einzigen rechtschafienen Diener des Kur- fürsten, von dem dieser wie Ludwig XIV. von Turenne habe sagen können: ,,Mit ihm habe ich meinen rechten Arm verloren"

*) Flemmiug, der spätere Feldmarschall, bezeichnet sie einmal als „mauvaise gueule."

') Haxthausen, dessen Memoiren dem Verfasser bloss durch die umfänglichen Citate Vehses in dessen „Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen" bekannt geworden sind, berichtet (vergl. Vehse VI, 33 fg.), dass Friesen in der Zwischenzeit bis zu seiner Wiederanstellung in Sachsen sich, aller Hülfsquellen beraubt, genöthigt gesehen habe, von

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 135

die tiefeingewurzelten Vorurtheile dieses Fürsten soweit zu besiegen, dass er den Soliu seines politischen Gegners noch im Frühjahr 1712 als Oberst im Wackerbarth'schen Infanterie-Reginiente anstellte.

Dieses Regiment (jetzt Nr. 104), welches seit 1707 bei der Armee in den Niederlanden gefochten hatte, war im Spätsommer 1711 sehr zusammengeschmolzen und nur noch in ein Bataillon formiert in Sachsen eingetroffen. Hier wurde es wieder auf zwei Bataillone ergänzt, von denen das eine im April 1712 den Befeld erhielt, unter Friesens Fülu'ung mit einigen anderen Abtheilungen zu dem aus russischen, dänischen und sächsischen Truppen bestehenden Korps abzurücken, welches das von den Schweden besetzte Stralsund eingeschlossen hielt.

Es kann hier unsere Aufgabe um so weniger sein, auf die theil weise unter den Augen der bei der Armee anwesenden Monarclien, des Czaren und des Königs August, in den Jahren 1712 und 1713 in Pommern, Mecklenburg und Holstein ausgeführten kriegerischen Operationen näher einzugehen, als Friesens Name bei keiner Gelegenheit aus- drücklich erwähnt wird. Letzteres erklärt sich einfach theils durch den Mangel an ernsten Schlachten und Ge- fechten — bei Gadebusch kam von den Sachsen nur die Kavallerie zur Verwendimg , theils durch die bescheidene Stellung, welche Friesen an der Spitze eines einzigen, in seinem Bestände während des Krieges sehr herabgekom- menen Bataillons einnahm. Dessenungeachtet scheint sich derselbe im Laufe dieser Feldzüge als Soldat einen guten Namen gemacht zu haben; denn alsbald nach dem Ein- treffen des im Oktober 1713 von Pommern abmarschierten sächsischen Korps in den Winterquartieren in Polen wurde Friesen zum Generalmajor befördert und den 1. Februar 1714 zum wirklichen Inhaber des bisherigen Regiments Wackerbarth ernarmt, welches fortan bis zum Jahre 1717 den Namen Friesen führte.

Unverkennbar aber waren es nicht bloss seine n\ilitä- rischen Leistungen, sondern auch andere persönliche Eigen- schaften des ebenso energischen und belierzten, als fein-

dem Erlöse der Samnilnngcn seines Grossvaters zu leben, bis er bei seinen Oheimen, den Grafen Dnhna in Preussen, eine gastliche Zu- flucht gefunden habe. Drei Jahre kann diese Abwesenheit aber un- möglich gedauert haben, und es liegt in den Worten Haxthausens; „il resta pres de trois ans, sans qu'on apprit la moindre chose de lui", offenbar eine arge üebertreibung.

136 0. von Schimpff:

gebildeten und diplomatiscli-sclilauen Friesen, welche die letzten Yorurtlieile des Königs August besiegten und ihm dessen Vertrauen und allmählich selbst dessen Zuneigung ge- wannen, so dass wir sehr bald den jungen Generalmajor mit Aufträgen beehrt sehen werden, die weit ausserhalb der Sphäre seines militärischen Dienstbereichs lagen.

Zur Vereinigung des gesammten sächsischen Heeres in Polen, wo nach dem Wortlaute der pacta conventa aus- ländischen Truppen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Bepublik der Aufenthalt gestattet war, hatte die Furcht Veranlassung gegeben, dass die Türken, dem Einflüsse des in ihrer Mitte verweilenden Karls XII. nachgebend, einen Einfall über die Grenze Polens unternehmen und das Land mit Krieg überziehen könnten. Sehr bald jedoch stellte sich die Grundlosigkeit dieser Befürchtung klar und deut- lich heraus; die Türken zeigten sich, ihrem rücksichtslosen Gaste zum Trotze, friedfertiger als je, und stürmisch for- derte nun der polnische Adel, als er die Grenzen der Re- publik nicht mehr bedroht sah, die Entfernung der Truppen seines Königs. Dieser vermochte dem Dräugen auf die Dauer nicht zu widerstehen und vorfügte unter dem 3. Sep- tember 1714 von Reisen aus, dass die Hälfte der in Polen stehenden Truppen den Rückmarsch nach Sachsen unge- säumt antreten, die andere Hälfte aber „unumgänglicher Noth wegen" in ihren Kantonnements zurückbleiben sollten, wobei die letzteren gleichzeitig verwarnt wurden, „dem freien Volke zu keiner Beschwerde zu gereichen und deren wohl- hergebrachte Rechte, Freiheiten und Praerogationen nicht zu verletzen".

Das Regiment Friesen befand sich mit unter den Truppenabtheilungen, welche infolge des erwähnten könig- lichen Befehls unter dem Oberkommando des Generals der Infanterie Baron Hallart in den ersten Tagen des Oktobers den Rückmarsch nach Sachsen antraten: 3 Kürassier-, 2 Dragoner und 8 Infanterieregimenter.

Man glaubte jetzt den so lange sehnlich erwarteten Augenblick der Ruhe für Europa eingetreten; der spa- nische Erbfolgekrieg war beendigt; die Schweden hatten den Boden des deutschen Reichs geräumt, und der ?Taupt- friedensstörer, Karl XH., schien als Gefangener der Türken sich in dem fernen Demotika in sicheren Händen zu be- finden.

Da mit einem Male verbreitete sich im Herbst 1714 die bestürzende Kunde, Karl XII. habe am 1. Oktober

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 137

die Türkei verlassen und sei auf dem Wege nach seinen Erbstaaten. Ein Jahrhundert mnsste seitdem verstreichen, Ijevor Napoleons I. plötzliche Rückkehr von Elba und Landu)ig' bei Cannes Europa wieder in eine ähnliche Auf- regung versetzte. Alle Höfe und Kabinette geriethen in grosse Besorgnis, denn mit dem Namen Karls war der Begriff des Krieges bisher unzertrennlich verbunden ge- wesen; niemand aber wurde von dem Ereignisse unmittel- barer berührt, als König August, welcher zu dieser Zeit gerade inmitten frivoler Lustbarkeiten in Warschau ver- weilte. Ein Staatsratli, an welchem der Grosskanzler J. Szembeck und der Grossschatzmeister Przebendowski und sächsischerseits der unentbehrliche Fleraming, der Minister Graf Werthern und der General Janus von Eberstädt ') theilnahmen, Avurde am 16. November zusammenberufen. Derselbe zog nach dem Protokoll der Sitzung als mögliche Folgen der Wiedererscheinung Karls XII. nachstehende Fälle in Erwägung:

I. Der König Karl gelie nach Schweden, um dem Czaren, der ihn zunächst bedrohe, Widerstand zu leisten. Für diesen Fall beschloss man, Russland Beistand zu ge- währen — „d'assister au Zar, corame il nous a assiste de son cote dans notre besoin".

IL Karl greife Dänemark an. Dann wolle man auch diesem Staate militärischen Beistand leisten, oder, wie man sich in Hinblick auf die erhoffte Gegenleistung diploma- tischer ausdrückte, „nous secourir mutuellement".

III. Er richte seinen Angriff auf die sächsischen Lande. Hier setzte der Staatsrath seine Hoffnungen in das wäh- rend der kurzen Friedenszeit komplettierte und im Vater- lande neugekräftigte Armeekorps, dann aber rechnete er für diesen Fall auf die Hülfe Dänemarks, auf die Garantien, welche Preussen im Vertrage von Schwedt sowohl bezüg- lich Polens als Sachsens zugestanden habe, und endlich

'') Gottfried Leberecht Janus (oder Jahmis) von Eberstädt stammte aus einer thüringischen Familie, welche im Besitze der Güter Eber- städt und Gross-Gottern bei Langensalza war. Als russischer Ge- nerallieutenant kam er in der Begleitung des Czaren 1711 mit nach Dresden, wo er für den sächsischen Dienst gewonnen ward; der Ueber- tritt erfolgte im Februar 1712. Schon im nächsten Monate wurde Janus von Eberstädt zum General der Kavallerie und Vicepräsidenten des Geheimen Kriegsraths-KoUegiums ernannt. Den 2ö. November 1712 erhielt er an Flemmings Stelle den Posten eines Gouverneurs von Dresden; im Dezember 1714 wurde er Wirklicher Geheimerath. Er starb, erst einige fünfzig Jahre alt, am 17- Mai 1718 zu Dresden.

138 0. von Schirapff:

auf die übrigen ßeiclisfürsten, die, wie man Grund zu er- warten Labe, eine neue Störung des Friedens nicht dulden würden.

IV. Der Angriff Karls richte sich auf Polen. Man hält dies nicht für unwahrscheinlich, theils der unglück- lichen inneren Zustände dieses Landes wegen, theils weil für dasselbe das Interesse verschiedener Mächte, wie des deutschen Reichs, Dänemarks etc. schwächer sei, als für Sachsen. Wenn aber Polen demnach auf den Beistand von Russland und Preussen allein angewiesen bleibe, so dürfe nicht ausser Berücksichtigung gelassen werden , dass der Czar sich st^s nur als ein unzuverlässiger Verbündeter bewiesen habe, und Preussen seinen Beistand nicht ohne eine ent- sprechende (Gegenleistung gewähren werde.

Die in Polen verbliebene Hälfte der sächsischen Armee ist in ihrem Bestände, bei dem fortwährenden Hin- und Hermarschieren derselben zur Unterdrückung der inneren Unruhen und dem Mangel an Ersatz, bereits sehr herab- gekommen, ihre Verpflegung schlecht geregelt. Erst jetzt im Drange der bevorstehenden Noth denkt man an die Anlage von Magazinen in Polen. An die Bevölkerung, die bisher dem Könige auch das geringste Opfer stets be- harrlich verweigert hatte, will man eine Proklamation er- lassen, welche sie auffordert, bei der Annäherung des Feindes diesem ihre Wohnstätten preiszugeben und sich mit sämmt- lichen Lebensmitteln in die Wälder zu flüchten, ein An- sinnen, von welchem man sich, bei dem in Polen herr- schenden Geiste, kaum im Ernste einen Erfolg versprechen konnte.

Unter den obwaltenden Verhältnissen erschien es wichtig, sich des im Verlaufe des nordischen Krieges immer lockerer gewordenen Bündnisses mit Dänemark aufs neue zu versichern. Augenblicklich befand sich in Kopenhagen als sächsischer Geschäftsträger der Oberst Claude De Brosses*); man hielt es jedoch für angezeigt, denselben jetzt durch eine bedeutendere Persönliclüteit ab- zulösen. Wahrscheinlich auf Fleramings Vorschlag fiel die Wahl zu diesem viel Takt und Geschicklichkeit er- fordernden Geschäft auf Friesen; abgesehen von seinen

') De Brosses war mehrere Male hintereinander mit Aufträgen nach Kopenhagen entsendet worden, und zwar den 12. September 1712 und den 12. Oktober 1712 von Greifswalde, den 2. Oktober 171.3 von Warschau, und den 25. August 1713 von Reisen aus.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 139

übrigen hervorragenden Eigenschaften war dabei auch das Verhältnis, in welchem er zum Czaren gestanden hatte, massgebend.

Als Hauptziel seiner Sendung war dem Generalmajor von Friesen in seiner Instruktion ^), nebst Herstellung eines guten Einvernehmens zwischen dem dänischen und dem polnisch-sächsischen Kabinet im allgemeinen, der Abschluss eines Schutz- und Trutzbündnisses mit Dänemark be- zeichnet worden. Um letzteres hierzu geneigt zu machen und etwaigen Gegenbestrebungen zuvorzukommen, soll Friesen das Kopenliagener Kabinet beständig auf die Ge- fahren aufmerksam machen, durch die es von seilen Schwe- dens bedroht werde, indem Dänemark aller Wahrschein- lichkeit nach derjenige Staat sei, der beim Ausbruche eines Krieges, auf den man nach der Rückkunft Karls XII. be- stimmt rechnen könne, den ersten Stoss auszuhalten habe. Der Gesandte soll dabei nicht unterlassen, darauf hin- zuweisen, dass für Sachsen die Gefahr eine viel geringere sei, da Karl sich schwerlich gegen den Kaiser und das deutsche Reich durch eine Invasion in dasselbe in Unrecht setzen werde, in Polen aber August II. mit Zuversicht auf eine Unterstützung des Czaren zählen dürfe.

Dass man bei der Wahl Friesens ganz vorzugsweise mit auf dessen höfische Sitte und geistreiche Unterlialtuugs- gabe Rücksicht genommen hatte, geht aus denjenigen Punkten seiner Instruktion hervor, in welchen ihm sein Verhalten gegenüber dem Könige und dessen Ministern ziemlich ausführlich vorgezeichnet wird. Wir erkennen so- fort die Feder des unermüdet thätigen, vielseitigen und verschlagenen Flemming, wenn wir in der, in französischer Sprache abgefassten Instruktion den Satz lesen:

,,Was insbesondere die Person Sr. Majestät des Königs von Dänemark betrifft, so wird er (der Gesandte) sich be- mühen, dessen Gunst und Vertrauen durch die grösste Aufmerksamkeit zu gewinnen, welche er darauf verwendet, ihm gegenüber schmeichelhafte Aeusserungen mit Ge- schick anzubringen (en repondant les louanges k propos sur les actions et sur les discours) und überhaupt den König zu belustigen und heiter zu stimmen. Er wird, wenn er mit dem Könige über Staatsgeschäfte spricht, sorgsam vermeiden, ihn dadurch zu ermüden und zu langweilen.

») H.-St.-A. Loc. Nr. .2706: „Des Generalmajors (jirafen v. Friesen Verschickung an den Königl. Dänischen Hof" lil. 17 fgg.

140 0. von Schimpff:

dass er zu oft auf denselben Geo^enstand zurückkoirimt. Ferner wird er seine ganze Geschickliclikeit anwenden, sich angenehm zu machen und die Neigung des Königs durch seine Unterlialtung zu gewinnen."

Zur weiteren Erläut(,;rung schreibt noch Flemming privatim unter dem 25. November 1714 aus Warschau: „Um sich bei dem Könige von Dänemark einzuschraeiclieln, rauss man anfänglich im Gespräch unter vier Augen grosse Ernsthaftigkeit heucheln, aber doch dergestalt verfahren, dass man ihm die Ueberzeugung beibringt, man sei eigent- lich heiterer Laune; in Gesellschaft anderer empfiehlt es sich, ihn durch Witze zu ergötzen, die man gerade so laut sagt, dass er sie noch hören kann, oder die man dem Grafen Reventlow mittheilt, der sie ihm weiterzuerzählen pflegt, weshalb man sich auch mit diesem auf gutem Fusse erhalten muss. Da der König von Dänemark jedermann gern glauben machen will, dass er viel arbeite, so muss man ihm über diesen Gesenstaud öfters etwas Schmeichel- haftes sagen. Durch nichts kann man leichter sein Ver- trauen gewinnen, mid mit diesem wird er Sie dann so weit beehren, bis er sich endlich gegen Sie über seine Minister beklagt. Dann aber müssen Sie sehr vorsichtig sein, weil es leicht begegnen könnte, dass der König Ihre Aeusse- rungen über die Minister diesen wiedererzählte. Bei Ge- legenheit habe ich öfters dem Könige meine Ansichten vorgetragen, aber seine Entscheidungen nur in Gegenwart der Minister hören mögen. Man muss suchen, den Hof- zwerg und einen in sehr grosser Gunst stehenden Kammer- diener für sich zu gewinnen."

Nun folgt in Flemmings Schreiben die Charakteristik der Minister:

„Wibe ist von allen der Gescheidteste, aber überaus ängstlich; Holst ein schlechter Charakter und Betbruder, die Grafen Flössen dagegen sind ehrliche Leute, welche trotz der Ungnade, in der sie bei Hofe stehen und unge- achtet sie an demselben nicht erscheinen, doch noch einen grossen Einfluss besitzen"; endlich Sehestedt, bezüglich dessen Flemming sehr .indiskret bemerkt: „II faut gagner sa femme, ä laquelle il sera bon de dire de temps en temps qui j'ai conserve beaucoup d'estime pour eile.

Friesen traf am 30. December 1714 in Kopenhagen ein. Als erste Schwierigkeiten, welche der Lösung seiner Aufgaben hier entgegentraten, bezeichnet er selbst in seinem Berichte ;

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 141

I. Dass sein Vorgäugei* De ßrosses den dänischeu Hof auf gewisse vortheilhafte Vorschläge aufmerksam und neugierig gemacht habe, die er, Friesen, vom sächsischen Hofe überbringen werde;

IL Vorschläge zu einem Partikularfrieden unter Aus- schluss der übrigen Verbündeten des Königs August (des propositions d'une paix particuliere a l'exclusion des autres AUies deVotre Majeste)'");^

in, Die Kenntnis von Friesens engen Beziehungen zum Marschall Flemming, gegen welchen das dänische Mini- sterium allen Grund zum Misstrauen zu haben glaubte. Dieser Verdacht soll sich nach Friesens Erläuterung auf einen 14 Tage vor seiner Ankunft entdeckten Anschlag eines gewissen Müller gegen das dänische Ministerium beziehen, bei welchem Flemming, dem nun einmal das Intrigieren nach allen Seiten hin so nothwendig war wie die Lebens- luft, stark mit compromittiert erscheint.

Der Empfang Friesens bei Hofe und in der Gesell- schaft war daher auch ein kühler und gemessener; „on me battit froid", räumt er selbst ein. Auch beklagt er sich, dass sein erstes Auftreten als Diplomat ihm dänischerseits als Stolz ausgelegt worden sei, oder dass man diesen Vor- wurf wenigstens gegen ihn erhebe, um eventuell die Schuld des fehlgeschlagenen Annäherungsversuches auf denselben zurückführen zu können.

Im Grunde waren wohl auch alle diese mehr oder minder gegen die Person des Gesandten gerichteten Be- schuldigungen nur der Deckmantel, hinter dem das däni- sche Kabinet seine Abneigung verbarg, sich durch den Abscliluss eines formellen Allianzvertrages mit Sachsen die Hände zu binden; man hielt in Kopenhagen Sachsen für zu sehr durch den Krieg herabgekommen, um sich von einem Bündnisse mit demselben viel zu versprechen.

Nach Friesens Angaben ' ') bestanden die politischen Vorurtheile Dänemarks in folgenden:

I. Polen befindet sich in offener Empörung (dans un soulevement general). IL Sachsen ist ohne Geld und ohne Hülfsquellen. III. Beide Länder sind mit dem Czaren

'") Friesen macht in seiner, in dem oben angezogenen Akten- stück (Bl. 306 fgg.) entlialteneii „Relation generale de ma negociation ä la Cour de Dänemark" hieraus einen besonderen Punkt, obgleich nach den Regeln der Logik dieser Vorschlag doch wohl bloss eine Erläuterung des ersten Punktes sein möchte.

") Relation generale Bl. 296 b.

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veruneinigt (brouilles). IV. Sie sind in die orientalischen Wirren verwickelt. V. Sie bereuen die mit Frankreich eingegangenen Verbindungen und ebenso VI. das Scheitern der mit Schweden angeknüpften Friedensverhandlungen. VII. Ihre Armee ist nur auf dem Papier vorhanden. VIII. Sie haben weder Freunde^ noch Verbündete und IX. ebenso- wenig Aussichten, am preussischen Hofe etwas zu erreichen, wie am englischen.

Den 5. Januar 1715 war Friesen mit De Brosses in das Kabinet beschieden worden, wo er von den Ministern im Conseil empfangen wurde. Nach allgemeinen Ver- sicherimgen der freundschaftlichen Gesinnungen seines Hofes hatte Friesen auf die Gefahren aufmerksam gemacht, denen ganz besonders auch das dänische Reich von selten Schwe- dens ausgesetzt sei und sich auf die alten Allianzverträge mit Sachsen bezogen, worauf er den Ministern die bündig- sten Versprechen ertheilt hatte, der Dresdener Hof sei bereit, mit der Krone Dänemark ein enges Bündnis einzugehen^ um sich gegen die feindlichen Absichten und Unterneh- mungen Schwedens zu schützen und solchen mit vereinter Macht zuvorzukommen.

Nach einigem Zögern gab hierauf der dänische Hof unter dem 12. Januar folgende schriftliche Autwort: '*)

Se. Majestät sei ebenfalls ganz der Meinung, dass das kürzeste und sicherste Mittel zur Vereitelung der beab- sichtigten Unternehmungen des Feindes sein dürfte, den- selben so viel als möglich zuvorzukommen, und der König habe zu diesem Zweck nicht allein seinen Generälen Be- fehl ertheilt, den Feind mit aller Aufmerksamkeit zu be- obachten, sondern auch trotz der Scliwierigkeiten der Jahreszeit eine Flotte auslaufen lassen^ um dafern mög- lich die schwedischen Transporte anzugreifen und zu ver- nichten. Den Plan, den man gegen eine unvermuthete Invasion des Feindes in Aussicht nehme, finde der König nicht minder angemessen, halte es aber, um den Unter- nehmungen der Schweden ein schnelles Ziel zu setzen, für unumgänglich nothwendig, sich zuvor der Uebereinstimmung des Czaren zu versichern, damit der Feind gleichzeitig und nach einem gemeinsamen Plane von allen Seiten ge- fasst und mit genügender Kraft erdrückt werden könne.

Im weiteren versichert der König von Dänemark, dass er sich alle Mühe geben werde^ um für die gemeinschaft-

'*) Vergl. das S. 1.39 angezogene Aktenstück, Bl. 944.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 143

liehe Sache nuue Verbündete zu gewinnen, namentlich den deutschen Kaiser und die Könige von England und von Preussen; die schlagfertige Armee seines Landes sei ohne Berücksichtigung der Flotte 26000 Mann stark. Das Schreiben macht besonders darauf aufmerksam, dass die Flotte, welche Dänemark während der bisherigen Dauer des Krieges allein unterhalten habe, für die Finanzen Sr. Majestät eine schwere, von den übrigen Alliierten nicht getheilte Last gewesen sei.

Während am Schlüsse nochmals betheuert wird, dass man zur Abwendung der gemeinsamen Gefahr keine Opfer scheuen werde, bleibt der König doch fest bei der Be- dingung stehen, „que tout soit prealablement communique ä Sa Majeste Czarienne et que par consequent on en fasse part ä son embassadeur '^) qui reside en sa cour".

Das letztere aber war es gerade, was man durch die Sendung des Grafen Friesen abwenden wollte; das Bündnis mit Dänemark sollte eben ohne Vorwissen des Czaren, in dessen Uneigennützigkeit und Aufrichtigkeit man in Sachsen nicht unbegründete Zweifel setzte, abgeschlossen werden. Für des aufstrebenden Friesens Ehrgeiz mag es eine bittere Enttäuschung gewesen sein, als er von Tag zu Tag mehr zu der Ueberzeugung gelangen musste, dass seine Bestre- bungen in Kopenhagen nie von dem erhofften Erfolge ge- krönt werden würden und sein erstes diplomatisches Debüt mithin als gescheitert zu betrachten sei. Jedenfalls zeugt es von seiner Klugheit und richtigen Beurtheilung der Verhältnisse, dass er sich durch die persönliche Liebens- würdigkeit und die Artigkeiten der Hofleute, welche bald an die Stelle der anfänglich so kühlen Aufnahme traten, nicht irre machen Hess und in seinen Berichten gleich von Haus aus auf die Hoflnungslosigkeit seiner Bestrebungen hinwies, so dass man sich auch am Hofe Augusts in Warschau keinen langen Täuschungen hingab und schon im Februar Friesens Zurück berufung verfügte.

Unter dem 27. Februar 17 L5 erging von Warschau nachstehendes königliche Handschreiben *^) an den Kopen- hagener Hof ab:

„Wie Wir uns beschlossen, den tot. tit. Grafen von Friesen an Ew. Majestät abzuschicken, sind Wir des Ge- dankens gewesen, er Avürde die ihm aufgetragene Com-

'*) Fürst Dolgoruki.

'*) Vergl. das S. 139 angezogene Aktenstück, Hl. 277.

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mission in kurzem verrichten, mit einer Ew. Majestät ge- wierigen Resolition bald wiederum zurückkommen, und dann seine ordinairen Functiones bei unseren Armeen an- treten können; gleichwie Wir aber vernommen, dass Ew. Majestät Intention dahin gehet, vor Convertirung eines Planes, wie dem Feinde gehörig zu begegnen, des Zaaren Majestät erst darüber zu consuliren und dessen sentiments über die operationes der bevorstehenden Campagne ein- zuholen, wozu wegen Entfernung der Oerter eine geraume Zeit erfordert wird, Wir aber inzwischen vorgedachter- massen der Dienste obbemeldeten Unseres General-Majors benöthigt sind, so befinden AVir uns gemüssigt, denselben, wie gern Wir ihn auch länger bei Ew. Majestät's Hoff hätten mögen subsistiren lassen, wiederum zu rappeliren, Wogegen Wir aber nicht ermangeln werden, jemanden an Ew. Majestät abzuschicken" u. s. w.

In Warschau war übrigens schon vor dieser Zeit insofern ein Umschwung eingetreten, als man den Be- ziehimgen zu Dänemark nicht mehr die grosse Wichtig- keit beilegte, wie im Herbst 1714. Flemming, der allzeit imermüdliche Faiseur, war zur Herbeiführung einer Allianz mit dem preussischen Kabinet im Dezember nach Berlin gegangen und hatte sich von da mit Friesen in Kopen- hagen in Korrespondenz gesetzt. Er schrieb, dass die Ver- handlungen mit Preussen einen günstigen Verlauf zu nehmen schienen und man hier Geneigtheit zeige, einen Vertrag mit Sachsen abzuschliessen ; auch mit England sei ein Bündnis in Aussicht.

Noch unter dem 9. März ertheilt Flemming Friesen den Wink, die Unterhandlimgen mit Dänemark ja nicht zu übereilen.

Es war um diese Zeit, dass die auf dem Rückmarsche von der Türkei nach ihrem Vaterlande begriffene kleine schwedische Abtheilung sich der Grenze von Hannover näherte, und man interessierte sich in Kopenhagen lebhaft dafür, ob der Kurfürst wohl dieser Truppe die Erlaubnis ertheileu werde, das Gebiet seines Landes zu passieren. In Sachsen schenkte man natürlich diesem 15U0 Mann starken Zuge, welchen 1800 Pferde und 60 Wagen be- gleiteten, nicht mindere Aufmerksamkeit, zumal sich dar- unter eine uuverhältnissmässig grosse Anzahl Generäle und höhere Offiziere befanden, „uubewehrt imd schlecht montirt, aber feine Leute", wie die dem sächsischen Hofe erstatteten Berichte sich ausdrücken. Und wirklich so ge-

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 145

waltig war noch immer die Scliwedenfurcht in Sachsen, dass diese Handvoll Abenteurer, die wie ein Meteorschwarm an den Grenzen des Kurstaates vorüberzogen, der Regie- rung und dem Lande ernste Besorgnis einflössten, und erstere sich dadurch veranlasst fand, die aus 5 Kavallerie- und 8 Infanterie-Regimentern bestehende Besatzung Sachsens noch um einige aus Polen herangezogene Regimenter zu verstärken.

Nachdem die Abberufungsordre bereits in die Hände Friesens gelangt war, fand zwischen demselben und den Staatsräthen Holst und Sehestedt am 18. März 1715 noch eine Konferenz statt. Das Ergebnis derselben war aber wieder ohne alle Bedeutung; ein falsches Grerücht vom Tode Karls XH., welches sich in Kopenhagen verbreitet hatte, trug sogar dazu bei, das dänische Kabinet noch vorsichtiger zu machen. Der sächsische Gesandte brach die Verhandlungen kurz ab, indem er nach Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erklärte, er begreife nicht, wie die Konferenz irgendwelchen Nutzen haben solle, da er noch gar nicht wisse, ob das mittlerweile durch Flemming in Berlin zur Sprache gebrachte Exekutionsprojekt von Dänemark gebilligt werde. Er legte den Ministern dabei einen Auszug avis dem betreffenden Vertragsentwurfe vor und stellte den Antrag, dass, da nunmehr der Schwerpunkt der politischen Frage nach Berlin gefallen und die Koo- peration Preussens und Englands unerlässlich sei, das dä- nische Kabinet seinem Vertreter in Berlin mittheilen möge, was es von dem fraglichen Projekte halte und was es zur Ausführung desselben beizutragen willens sei.

Die Minister erklärten ihre Bereitwilligkeit, diesem Antrage zu entsprechen, und man trennte sich hierauf unter dem Austausche der gewöhnlichen Höflichkeitsver- sicherungen.

Der König von Dänemark verleugnete bei der Ab- schiedsaudienz, welche er Friesen gewährte, nicht seine, diesem stets bewiesene huldvolle Liebenswürdigkeit, indem er dem Scheidenden versicherte, dass, wenn dieser nicht zum Dienst im Felde bestimmt wäre, er den König von Polen ersuchen würde, Friesen auf seinem Posten in Kopenhagen zu belassen. Der letztere hebt in seinem Gesandtschafts- bericht dankend hervor, dass die von der sächsischen Diplo- matie in Berlin und London durch die abgeschlossenen Verträge erzielten Vortheilc auch zuletzt noch seine eigenen Bestrebungen wesentlich unterstützt hätten; auch der Be-

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mühungen des russischen, wie des englischen Gesandten zu Gunsten Sachsens gedenkt Friesen mit warmer Er- kenntlichkeit. Ohne .für sich ein Verdienst daraus abzu- leiten und ohne das Fehlschlagen seiner Sendung bemän- teln zu wollen, spricht er doch die Ueberzeugung aus, dass im allgemeinen jetzt bei seinem Weggange die Gesinnungen Dänemarks gegen Sachsen besser und auf- richtiger seien, als er dieselben bei seiner Ankunft ge- funden.

So endete die diplomatische Sendung Friesens, deren Hauptzweck durch die mittlerweile eingetretene günstigere Gestaltung der politischen Verhältnisse im allgemeinen die derselben ursprünglich beigelegte Wichtigkeit verloren hatte. Der Minister Werthern konnte daher auch den über das Fehlschlagen seiner Bestrebungen noch immer etwas Betretenen unter dem 30. März 1715 mit folgenden Worten trösten:

„Sie können überzeugt sein, dass Seine Majestät der König von dem Verhalten, welches Sie bis jetzt am dä- nischen Hofe beobachtet haben, ganz befriedigt ist; zu- verlässig wird man nicht Ihnen die Schuld beimessen dürfen, wenn Ihre Sendung nicht den Erfolg haben sollte, den man sich von derselben versprach. Sie brauchen sich darüber nicht im geringsten weiter zu beunruhigen."

Die letzte Beziehung Friesens zum dänischen Kabinet ist ein Brief an den Minister Sehestedt, in welchem er, bereits auf der Rückreise begriffen, den 8. April von Hamburg diesem mittheilt, dass 8000 Mann Sachsen Ordre erhalten hätten, sich mit den Preussen zu vereinigen, „woraus der dänische Hof ersehen möge, dass wir an einer prompten Expedition, dem Feinde Widerstand zu thun, es nicht ermangeln lassen".

Wenn wir auch durchaus keinen Grund haben ^ an Wertherns Versicherung, dass man für das Misslingen der Kopenhagener Mission Friesen niemals verantwortlich machen werde, zu zweifeln, ja, wenn wir denselben sogar seitdem in der Gunst seines Monarchen von Tag zu Tag steigen sehen, so ist es doch auffallend, dass er, der ims seiner Natur nach zum Diplomaten vorzugsweise bestimmt scheint, nie wieder mit einem ähnlichen Geschäft betraut ward.

Zunächst kehrte Friesen nach der Einreichung seines Rechenschaftsberichtes wieder in die Reihen der Armee zurück, und es beginnt damit für ihn im Feldzuge 1715

Heiiu'ich Friedrich Graf von Friesen. 147

in Pommern die Zeit seiner trefflichsten Leistungen als Soldat.

Wie schon erwähnt, war es den Bemühungen Flem- raings in Berlin gelungen, den König Friedrich Wilhelm I. von Preussen, der zwar nur für seine Armee zu leben schien, zum Kriege aber stets geringe Neigung zeigte, zum Abschlüsse des Vertrages vom 3. Februar 1715 zu überreden, der die Grundlagen des Traktates vom 6. Oktober 1713 bestätigte. Demzufolge machten sich Preussen und Sachsen verbindlich, sich im Falle eines Wiederausbruches des Krieges gegenseitig zu unter- stützen, und es wurde zu diesem Zwecke die Aufstellung- nachstehender Streitkräfte beschlossen: preussischerseits zwischen Weichsel und Weser 36 Bataillone, 24 Schwa- dronen, sächsischerseits innerhalb der Landesgrenzen 16 Bataillone, 24 Schwadronen und in Polen 8 Bataillone^ 23 Schwadronen.

Bevor man jedoch zu weiteren ernsten Massregeln schritt, musste, wie sich Friedrich Wilhelm L ausdrücklich be- dungen, unter seiner Vermittlung erst noch der Weg der Güte versucht werden. Aber Karl Xu. wies die preussi- schen Vorschläge trotzig ab, erklärte die Besetzung und Sequestrierung Pommerns für einen rechtswidrigen Ein- griff in seine Rechte als Landesherr und ergriff zuerst die Offensive, indem er die preussische Besatzung der Insel Usedom vertrieb.

Nun endlich beschlossen die Verbündeten, ihre Truppen bei Stettin zu vereinigen und den schwedischen Ueoer- muth zu zügeln.

In Sachsen war bereits am 15. Februar 1715 der Kompletierungs - und Marschbefehl an die Truppen er- gangen, welche in der Stärke von 8124 Mann, einscldiess- lich 2110 Pferde und 6 Geschütze, in einem Lager bei Lübben zusammengezogen imd dem Kommando des Ge- nerals Grafen Wackerbarth unterstellt wurden, den man zu diesem Zwecke von seinem Gesandtschaftsposten in Wien herbeirief. Unter ihm befehligten: der General der Infanterie von Wilke, die Generallicutenants von Milckau und von Seckendorff und die Generalmajore von Eichstädt, von Zühlen, Prinz von Württemberg, Graf Castell-Remlingen und Graf Friesen.

Nachdem am 28. April das mobile Korps von dem aus Berlin hierzu eingetroffenen Feldmarschall Flemming bei Lübben gemustert worden war, trat dasselbe am fol-

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genden Tage in zwei Kolonnen den Marsch nach dem Rendezvous bei Stettin an, wo die erste Kolonne am 9., die zweite am 12. Mai bei dem Gros der preussisclien Feldarmee von 25000 Mann unter dem Generalfeldmar- schall von Wartensleben eintraf.

Schon am 13. Mai musste der Generalmajor Prinz von Württemberg mit dem Dragoner-Regiment Flemming und den Infanterie -Regimentern Seckendorff und Friesen nach der Insel Wollin zur Verstärkung der daselbst unter dem General von Arnim stehenden preussischen Truppen abgehen, um sich, vereint mit den letzteren, in den Be- sitz der noch von den Schweden behaupteten Insel Use- dom zu setzen, sobald der Vormarsch auf Stralsund er- folgen würde.

Bevor dieser jedoch von dem verbündeten Heere an- getreten wurde, fanden vor dem im Lager von Stettin anwesenden Könige von Preussen am 15. Mai und 8. Juni grosse, mit Manövern im Feuer verbundene Revuen statt, welche dem Soldatenkönige Gelegenheit boten, sich über die Leistungen der sächsischen Truppen sehr befriedigend auszusprechen. Dass die gegenseitigen Manöver „tout au naturel executirt" wurden, geht schon daraus hervor, dass bei denselben fünf Verwundungen vorkamen. Die gute Laune Friedrich Wilhelms wurde noch erhöht, als Flem- ming, der nun auch im königlichen Hauptquartier an- gelangt war, in richtiger Würdigung des allerhöchsten Geschmackes ihm neun „grosse Kerle", die längsten Leute, die man im sächsischen Heere auftreiben konnte, zum Präsent machte.

Den 23. und 24. Juni endlich setzte sich ein Avant- gardenkorps von 16 Bataillonen und 4 Escadrons mit 4 Geschützen gegen Stralsund in Bewegung; den 28. folgte das Gros der verbündeten Armee; ein Widerstand wurde dem Vormarsche vom Feinde nirgends bereitet. Dieser hatte mit 10000 Mann unter dem General Dücker Stralsund besetzt; 1400 Mann befanden sich auf Rügen, 8000 auf Usedom, wo der König Karl XII. selbst das Kommando führte. Nachdem bei Putte (dreiviertel Meile östlich von Stralsund) noch die dänische Armee unter Feldmarschall Schölten zu den Verbündeten gestossen war, rückten dieselben, jetzt 74 Bataillone und 118 Escadrons stark, am 15. Juli in das Lager von Stralsund, wo die Sachsen ihren Platz auf dem rechten Flügel einnahmen.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo man die

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 149

durch die Besetzuno; der Insel Wollin vorbereitete Ver- treibung der Schweden von Usedom ins Werk setzen konnte. Die Unternehmung, an welcher von den Sachsen Abtheilungen der Regimenter Anspach-Flemming, Secken- dorfF und Friesen betheiligt waren^ erinnert in ihrer Aus- führung ein wenig an die Eroberung Alsens im Jahre 1864; auch hier galt es, vor Tagesanbruch einen Meeres- arm, denn einem solchen gleicht die Swiene zwischen dem Grossen Haff und der Ostsee, unbemerkt zu über- schreiten und den Feind durch Ueberraschung aus seinen Stellungen zu vertreiben. Der Uebergang erfolgte in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 1715; die Reiterei bewirkte denselben zumeist schwimmend; die Infanterie wurde in Kähnen übergesetzt. Das kühne Unternehmen gelang über Erwartung. Karl XJI. musste sich, nachdem seine Infanterie durch die Kavallerieattaken der Verbündeten schwere Verluste erlitten, einschiffen; das Fort Swiene- münde ergab sich; die ganze Insel bis auf das von den Schweden behauptete Fort Peenemünde hei in die Hände der Sieger, welchen die wichtige Eroberung nur sehr geringe Opfer kostete.

Peenemünde wurde nun regelmässig belagert, aber schon am 22. August, als man sich mit den Laufgräben noch 400 Schritt vom Graben befand, erfolgte unter dem Befehle des sächsischen Generalmajors Prinzen von Würt- temberg mit 1137 Mann ein Sturmangriff. Von den beiden sächsischen Infanterie-Regmaentern Seckendorff und Friesen nahmen, unter persönlicher Anwesenheit ihrer Inhaber, Abtheilungen an dem Sturme theil. Da eine Bresche noch nicht gelegt war, so konnte die schwierige Aufgabe nicht ohne blutige Opfer gelöst werden; erst nach drei- stündigem Kampfe gelang es den Anstrengungen der Stürmenden, sich des Platzes zu bemächtigen, nachdem mehr als die Hälfte derselben, 706 Mann, getödtet oder verwundet worden waren. Die Sachsen allein verloren 6 Offiziere und 72 Mann an Todten^ 5 Offiziere und 155 Mann an Verwundeten. Die Regimenter Seckendorff und Friesen, welche diesen Verlust allein getragen hatten, wurden zu ihrer Wiederherstellung und Erholung ersteres nach Greifswalde, letzteres nach Anklam in Garnison ein- gelegt, von wo sie erst im Oktober abgelöst wurden, um vor Stralsund bei der Belagerung verwendet zu werden.

Das Friesen'sche Regiment, welchem Anfangs Sep- tember in Anklam durch seine vier aus Sachsen einge-

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troffenen Ersatzkompagnien eine dringend nöthige Ver- stärkung zugeführt worden war, hatte während seiner Reservestellung wenig versäumt; denn die Heranführung des Belagerungsgeschützes verzögerte sich bis in den Oktober hinein, und die Eroberung von Rügen, welche dem ernsten Angriffe auf Stralsund vorausgehen sollte, hatte, des schlechten Wetters und widriger Winde halber, noch nicht in Ausführung gebracht werden können.

Da hier auf eine Beschreibung der Belagerung von Stralsund nur insoweit eingegangen werden soll, als es sich um die Betheiligung des Generalmajors Friesen per- sönlich oder um die seines Regimentes handelt, so sei nur in der Kürze erwähnt, dass die Eröffnung der Laufgräben in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober erfolgte. Der General Wackerbarth, ein sehr kenntnisvoller Ingenieur, befehligte den rechten Flügel der Belagerungsfront (Attake nach damaliger Kunstsprache), welche von preussischen und sächsischen Truppen besetzt war; die dänische Attake des linken Flügels stand unter dem Feldmarschall von Schölten.

Den 15. November gelangte die längst geplante und immer verschobene Unternehmung gegen Rügen mit Hülfe der dänischen Flotte bei Stresow zur Ausführung. Von den Sachsen nahmen nur zwei Escadrons des Dragoner- Regiments Anspach - Flemming und die Infanterie -Regi- menter Königin, Königlicher Prinz, Weissenfeis und Ka- vanagh daran Antheil; es kam die sächsische Infanterie jedoch nicht mit ins Feuer, die Dragoner dagegen zeich- neten sich sehr aus und hatten nicht unbeträchtlichen Verlust. Karl XII., der im Kampfe verwundet wurde und zwei Pferde unter dem Leibe verlor, hatte vergebens sich erst an die Spitze der Reiterei, dann an die der In- fanterie gesetzt und seine Truppen selber mit gezogenem Degen vorgeführt; er rausste sich mit dem Reste der Besatzung von Rügen, kaum 2000 Mann, nach Altfehr zurückziehen, von wo er sich mit dieser kleinen Schaar mitten durch die dänische Flotte hindurch zu Schiffe nach Stralsund rettete.

Trotz der ungünstigen Witterung, unter der die Truppen in den unter Wasser stehenden Laufgräben stark litten, förderte Wackerbarth die Belagerungsarbeiten doch mit ebensoviel Energie als Umsicht. Als man mit der Sappe gegen die drei aussprengenden Winkel des Horn- werks soweit vorgeschritten war, dass der Sturm auf den

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gedeckten Weg desselben einige Aussicht auf Erfolg bot, wurde der Generallieutenant von SeckendorfF beauftragt, den Angriff mit kommandierten Abtlieilungen der drei verbündeten Armeen auszuführen. Derselbe erfolgte den 5. Dezember Nachmittags 4 Uhr, und trotz des tapfern Widerstandes der Schweden gelang es den Stürmenden, sich auf der Contreescarpe festzusetzen. Aber auch dieses Unternehmen musste mit dem Verluste von 75 Todten und 275 Verwundeten theuer erkauft werden; von den Sachsen waren 2 Offiziere und 16 Mann todt auf dem Platze geblieben, der Generalmajor Graf Castell, 2 Kapi- täne und 32 Mann verwundet.

Nun konnte in der Nacht vom 7. zum 8. Dezember zur Ausführung der Breschebatterien vorgeschritten werden; vom 12. an begann das Brescheschiesseii gegen das Horn- werk und die Tenaille. Wackerbarth, dessen Eifer und Geschicklichkeit nicht genug Lob gespendet werden kann, da er bis ins Detail alles persönlich leitete, bat nun, als einige gangbare Breschen hergestellt waren, den König um die Genehmigung zum Sturme auf das Hornwerk und die Tenaille. Die Ausführung wurde dem Generalmajor Friesen übertragen; gleichzeitig stellte man demselben für die erste Linie 1000 Mann Preussen und Dänen, für die zweite Linie 1000 Mann Sachsen zur Verfügung, welche letztere aus allen acht Infanterie-Regimentern kom- biniert und dem Kommando des Obersten von Schlottenbach unterstellt waren. Das Vorrücken begann den 17. Dezember Nachmittags 2 Uhr in vier Kolonnen, von denen die erste gegen die rechte Flanke des Hornwerkes, die zweite gegen die Tenaille, die dritte gegen die linke Flanke des Horn- werkes und endlich die vierte über das Eis des Grabens längs der langen Seite des Hornwerkes vorgingen, die letz- tere mit der besonderen Bestimmung, den Feind im Rücken zu nehmen. Vormarsch und Angriff erfolgten „mit fermet^ und ausgezeichnetem Muthe", ungeachtet der persönlichen Anwesenheit des Königs Karl XII. in der Tenaille imd der todesverachtenden Energie, welche er, wie kaum je ein Feldherr vor oder nach ihm, dem Widerstände seiner Truppen einzuflössen verstand. Die beiden angegriffenen Werke wurden genommen und behauptet; 20 Geschütze und ein grosses Pulvermagazin fielen in die Hände der Sieger. Friesen war für seine Person den Angreifern mit glänzendem Beispiele vorausgegangen; er und der tapfere Oberst von Dieinar befanden sich unter der Zahl

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der Seh wer verwundeten. Die Saclisen allein verloren 1 Fähnrich und 24 Mann an Todten und, ausser den ge- nannten beiden höheren Offizieren, noch 15 andere und 175 Unteroffiziere und Gemeine an Verwundeten.

Sehr ansehnliche Opfer kostete noch am folgenden Tage, am 18. Dezember, ein gleichfalls vom Könige per- sönlich ausgeführter Ausfall der Schweden auf das Horu- werk, der nach einundeinhalbstündigem Gefechte mit dem Rückzuge derselben endete.

Dem von Wackerbarth mit des Königs Genehmigung auf den 20. Dezember festgesetzten Sturm auf den Haupt- wall kamen die Schweden durch die Einleitung von Unter- handlungen zuvor, und am 22. Nachmittags 2 Uhr schlug die Besatzung Chamade, nachdem in der vorangegangenen Nacht König Karl XII. die Stadt verlassen hatte und nach Schweden abgereist war. Ohne Schwierigkeiten wurde nun auch mit dem Kommandanten von Stralsund, General Dücker, die Kapitulation zu Stande gebracht; die Garnison, von welcher gegen 2000 Mann in den Spi- tälern lagen, wurde bis auf 1000 Mann, denen man freien Abzug nach Schweden gewährte, kriegsgefangen. Schon am Tage darauf, den 24. Dezember, erfolgte die Besetzung der Stadt durch die Dänen.

Die Sachsen hatten sich durch ihre Ausdauer und ihre treffliche Haltung bei allen an sie gestellten erheb- lichen Anforderungen des beschwerlichen Belagerimgs- dienstes vor Stralsund die volle Zufriedenheit des Königs von Preussen erworben; dem General Wackerbarth hat derselbe die hier geleisteten erspriesslichen Dienste nie vergessen und bis zum Grabe durch eine bei dem so rauhen, ja harten Gemüth des Soldatenkönigs doppelt rührende Freundschaft belohnt.'*)

Die Belagerung von Stralsund hatte dem sächsischen Korps allerdings schwere Opfer gekostet: 11 Offiziere und 291 Mann an Todten, 37 Offiziere und 685 Mann an Ver- wundeten. Aber mit dem Falle dieser Festung war nicht nur das letzte Bollwerk Karls XII. in Deutschland ge- brochen, sondern auch, für den kühnen Eroberer ein noch schmerzlicherer Verlust, die Wunderkraft seines gefürch-

'*) In seinem Schreiben an den König von Polen sagt Friedrich Wilhelm über Wackerbarth: „Ich muss demselben billig den ßnhm beilegen, dass man ihm vornehmlich die glückliche Eroberung von Stralsund zuzuschreiben habe."

Heinrich Friedricli Graf von Friesen. 153

teten Namens; für Sachsen endete mit der Uebcrgabe Stralsunds der dem Fürsten, wie dem Volke so verhäng- nisvolle nordische Krieg.

Während aber hier an der Ostsee das Kriegsfeuer zur Freude des gequälten Kurstaates erlosch, loderte in Polen bereits wieder die helle Flamme der Empörung auf. Schon Anfangs Oktober waren von dem Belagerungslieere vor Stralsund die drei Kürassier -Regimenter und das Dragoner - Leibregiment abberufen worden und hatten unter dem Befehle des Generallieutenants von Milckau nach dem Posenschen marschieren müssen; den 31. De- zember 1715 folgte dahin auch der übrige, nach Beendi- gung des Krieges in Pommern verwendbar gewordene Rest des sächsischen Korps, 8 Infanterie- und 2 Dragoner- Regimenter, erstere zusammen 6131 Mann, letztere 472 Mann stark.

Dieser nach Polen abrückenden Truppenabtheilungen harrte eine der schwierigsten militärischen Aufgaben: die Pacificierung eines weitläufigen, mit schlechten Kommuni- kationen versehenen, schwachbevölkerten Landes, dessen noch auf einer sehr tiefen Kulturstufe stehender, in der bluidesten Abhängigkeit von Adel und Geistlichkeit^ auf- erzogener Bauernstand sich von einer, jeder staatlichen Ordnung grundsätzlich abgeneigten, zum Treubruche und zu jeder Art von Gewaltthätigkeit stets bereiten Aristo- kratie aus einem Kampfe gegen die gesetzliche Staats- gewalt in den anderen treiben liess. Den Vorwand zu den sogenannten Konföderationen des Adels, welche in der unglücklichen Verfassung der sogenannten Republik eine gewisse Sanktion fanden, und deren Häupter, unter sich stets uneinig, nur dann sofort in Uebereinstimraung handelten, wenn es die Bekämpfung der königlichen Au- torität galt, musste, wie bisher immer seit der Wahl Augusts IL, die Beschwerde über die auf dem Boden der polnischen Repubhk vereinigten sächsischen Truppen her- geben, deren Anwesenheit von den Aufrührern als Ver- fassungsbruch bezeichnet ward. Nun hatte sich allerdings August II. durch die vor seiner Wahl von ihm unterzeich- neten Pacta conventa verbindlich gemacht, fremde Truppen nicht nach Polen zu bringen, aber die Verhältnisse standen jetzt so, dass eine Zurückziehung der sächsischen Regi- menter mit einer Verzichtleistung auf die Krone gleich- bedeutend gewesen wäre, denn sie allein gewährten der- selben einigen Schutz und verhüteten, dass der Aufruhr

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sich nicht in vollen Flammen über das ganze Land ver- breitete.

Man wird lebhaft an die letzte Erhebung Polens gegen Russland im Jahre 1863 erinnert, wenn man die Schilderungen der Berichte von 1715 und 1716 liest, von dem plötzlichen Auftauchen und Wiederverschwinden grosser Insurgentenmassen, von deren heimtückischen Ueberfällen, dem Terrorismus^ durch den man die Volks- menge wider deren eigentlichen Willen zur Theilnahme zwang, den Plünderungen, Vertragsbrüchen und Gewalt- thätigkeiten, welche die Kriegführung der Polen charak- terisierten. Den Sachsen war dieselbe um so verhasster, als eigentliche Schlachten und Gefechte nur selten ge- liefert wurden, und dennoch die Truppen nur ausnahms- weise zur Ruhe kamen, da der Verrath in allen Ecken um sie lauerte. Einer solchen Kriegsmethode gegenüber blieb, zumal bei der grossen Ausdehnung des insurgierten Landes und dem Mangel bestimmter Operationsobjekte, zur Bekämpfung der Gegner kein anderes Mittel, als die häufige Entsendung mehr oder minder starker Kolonnen nach den verschiedensten Richtungen, um Truppenansamm- lungen zu zerstreuen, die Uebelgesinnten einzuschüchtern, die Treugebliebenen gegen Unbilden zu schützen und rückständige Abgaben einzutreiben. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Dienst für die Truppen ein sehr anstrengender war ; die ganze Natur dieses Krieges aber, der beständige Kampf mit Verrath, Untreue und Heim- tücke, verwilderte auch dieselben in bedenklicher Weise, indem er ihnen auf Tritt und Schritt zu eigenmächtigen und gewaltsamen Repressalien Anlass gab.

Friesen, von seiner Verwundung nur nothdürftig ge- heilt, traf um die Zeit des Waffenstillstandes von Ra^va, also gegen Mitte Januar 1716, in Polen ein und wurde hier vom Feldmarschall Flemming in das Palatinat Sen- domir mit dem Auftrage gesendet, daselbst die rückstän- digen Steuern einzutreiben, ein Magazin zu errichten, die Verbindung zwischen Warschau und Krakau zu erhalten und die Weichselübergänge zu bewachen, um die Kom- munikation der Konföderierten über diesen Fluss hinweg möglichst zu verhindern. Die Streitkräfte, welche Friesen für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt wurden, bestanden aus 6 Kompagnien Dragoner und 12 Kompagnien Infanterie, letztere zum grossen Theil Polen; mithin höchst unzuverlässig und nur durch strenge

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 155

Disziplin zusaramenzulialten. Mit dieser kleinen Abtliei- lung hatte er nicht blos Sendomir, sondern auch Novemiasto, zehn deutsche Meilen oberhalb , und Janowice, ebenso- weit unterhalb, alle drei Orte wichtige Uebergangspunkte der Weichsel, zu besetzen ; die Verpflegung war dabei höchst mangelhaft und die Verbindung nur mit den beiden Hauptpunkten Warschau und Krakau einigermassen ge- sichert.

Weder der Wafienstillstand von Rawa, noch der auf dem Kongresse zuLublin am 13. Juni feierlich beschworene Waffenstillstand wurde von den Konföderierten eingehalten; olme sich im geringsten an die Verträge zu kehren, setzten die Empörer im Posenschen den Krieg im grossen Massstabe fort, während sie andere Gegenden durch Streif- und Raubzüge, Mord und Plünderungen nach wie vor in Schrecken setzten.

Wider Erwarten war in Friesens Bereiche bis zum Juli 1716 keine wesentliche Störung vorgekommen. Den Waffen- stillstandsvertrag von Lublin erhielt derselbe mit der War- nung zugefertigt, sich in seiner bisherigen Vorsicht nicht beirren zu lassen, und wirklich nahete sich gerade jetzt ein Korps Konföderierter fünf Meilen unterhalb Sendomir der Weichsel, so dass die nach Warschau abgegangenen Lebensmittelsendungen von Kommandos begleitet werden mussten.

Die so schwierige Lage Friesens wurde noch dadurch verschlimmert, dass man seine Kavallerie zu einer anderen Verwendung abberief und ihn dadurch des Mittels be- raubte, Nachrichten über die Annäherung der meist be- rittenen Lisurgentenbanden rechtzeitig einzuziehen. Einer solchen unter der Führvmg eines gewissen Laszieczewski, Edelmannes von Geburt imd Strassenräubers von Pro- fession, wurde es unter diesen Umständen möglich, sich der Stadt Sendomir heimlich zu nähern und von dem Weideplatze die noch wenigen, der Garnison gehörigen Pferde wegzuführen.

Feldmarschall Flemming erhielt die Meldung von diesem unangenehmen Vorfalle in Lublin, wo mit dem daselbst versammelten Landtage die Verhandlungen zur Herstellung des Friedens fortgeführt wurden, und gab in seiner Antwort Friesen auf Grund der über Laszieczewski angestellten Erkundigungen den Rath, „de faire pendre, comrae des voleurs de grand chemin, ceux qu'il trouvait avoir voile la treve".

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Wenn Flemming bei Ertheilung dieses Rathes etwa stillschweigend voravissetzte, Friesen werde denselben nicht ganz dem Wortlaute gemäss auszufül.ren wagen, so hatte sich der sonst so schlaue Feldmarschall und Diplomat in der Person gewaltig geirrt. Friesen wusste, dass in Opa- tow, kaum vier Meilen von Sendomir; die Hauptver- schwörer versammelt waren, und ein Kommando, das er dahin entsendete, brachte, wie er richtig vermuthet hatte, den Laszieczewski nebst drei anderen Rädelsführern nach Sendomir zurück.

Auf seine privilegierte Stellung als polnischer Edel- mann vertrauend, mag Laszieczewski bei dem Verhör, welchem er unterzogen wurde, mit grosser Zuversicht aufgetreten sein, indem er dreist zugab, der Publikation des Waffenstillstandes persönlich mit angewohnt zu haben. Dies genügte Friesen, ihn als Friedensbrecher und Räuber zum Strange zu verurtheilen und auch wirklich am 23. Juli 1716 auf offenem Markte in Sendomir henken zu lassen. Ein Schrei der Entrüstung ging bei der Nachricht von dieser strengen, aber muthigen und energischen Mass- regel Friesens von einem Ende Polens zum anderen. Der ganze Adel fühlte sich in der schimpflichen Exekution eines seiner Glieder aufs tiefste beleidigt; ein Sturm heftiger Interpellationen richtete sich in Lublin gegen Flemming. Friesen hatte demselben von der Verurthei- hmg und Hinrichtung Laszieczewskis sogleich offizielle Nachricht zugehen lassen , wobei er diskreter Weise die Massregel als ein nothwendiges Exempel zur Unter- drückung der frechen Gewaltthätigkeiten und Räubereien ganz auf seine eigene Verantwortung nahm, während er es daneben doch für gerathen hielt, sich in einem Schrei- ben an den Sekretär des Feldmarschalls ausdrücklich auf dessen klaren und bündigen Befehl zu berufen. Priesen war daher keineswegs überrascht, als Flemming dem wüsten Geschrei und den Drohungen der polnischen Landboten gegenüber von der Diskretion seines Unter- gebenen den ausgiebigsten Gebrauch machte und alle Schuld des bedauerlichen Missverständnisses auf diesen schob. Unter dem Verwände, die Sache an Ort und Stelle untersuchen zu müssen, entzog sich der schlaue Diplomat den weiteren Zornausbrüchen des erregten Land- tages und begab sich nach Sendomir, wo er Friesen noch am Tage seiner Ankunft mit Arrest belegte, angeblich nur, ..weil er den ihm vom Feldmarscliall gegebenen

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 157

Rath, nicht öffentlich zu erscheinen, unbeachtet gelassen". Friesen, dessen männlich -unerschrockene Tliat innerhalb des sächsischen Heeres ungetheilte Billigung erfuhr, liess alles dies ruhig über sich ergehen und verantwortete sich in Ruhe vor dem Kriegsgericht in Warschau, welches man, um die Aufregung der Polen zu beschwichtigen, unter Wackerbarths Vorsitz über ihn niederzusetzen be- liebte. Auch liess er sich durch den von dem Kriegs- gerichte über ihn gefällten Urtheilsspruch, der auf Ver- lust seiner Stellung und achtjähriges Gefängnis lautete, um so weniger beirren, als eine Publikation desselben an den Beklagten vorläufig nicht erfolgte. Durch den General Wackerbarth liess jedoch Friesen den Feldmarschall noch- mals darauf aufmerksam machen, dass er sich zu seiner Vertheidigung auf dessen Befehl in der bewussten An- gelegenheit nur darum nicht berufe, weil er dies nicht nöthig zu haben glaube, worauf ihm vom Vorsitzenden die sonderbare Antwort ertheilt wurde, dass dieser Um- stand auf die Ansicht des Kriegsgerichts von keinem Ein- flüsse sein könne, „da ein Vorgesetzter berechtigt sei, seinen Befehlen jede Auslegung zu geben, welche er für gut be- fände".

Als sich der erste Sturm auf dem Reichstage und im Lande etwas gelegt hatte, wurde die Untersuchung gegen Friesen einem anderen Kriegsgerichte übertragen, welches in dem Verfahren des Angeklagten an sich nichts Gesetz- widriges erblickte, wohl aber, den ihm ertheilten geheimen Instruktionen gemäss, einen Missbrauch seiner Dienst- gewalt darin erkennen wollte, dass Friesen sich um den Stand des Verurtheilten als Adliger nicht gekümmert und in Folge dessen nicht um Verhaltmigsbefehle gebeten habe. Das Urtheil fiel wesentlich milder aus, als das erste, und lautete bloss auf sechs Monate Suspension Friesens von seiner militärischen Charge.

Es begann nun zwischen Friesen und Flemming eine Differenz, in welcher sich der letztere, dem sonst klein- liche Berücksichtigung des Geldpunktes nicht zum Vor- wurf gemacht werden konnte, nicht eben im anständigsten Lichte zeigte. Die Witwe des Laszieczewski hatte sich nämlich erboten, auf alle weiteren Ansprüche in der für die königliche Partei so unangenehmen Angelegenheit ihres Gatten zu verzichten, wenn man ihr für dessen Verlust ein Schmerzensgeld von 1000 Thalern auszahle. Diese Entschädigung wollte Flemming von sich ab auf

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Friesen wälzen, indem er diesem bei Eröffnung des zweiten Erkenntnisses in Aussicht stellte, das erste Urtel solle gar nicht veröffentlicht werden, wenn er sich zur Zahlung der 1000 Thaler bereit erkläre, und da Friesen sich dessen weigerte, wurde nach Publikation des ersten strengeren Urtels die Sache zur Entscheidung dem Könige vorge- tragen. Friesen reichte nun seine Vertheidigungsschrift natürlich in französischer Sprache, in welcher er Kraft und Würde des Ausdruckes mit Eleganz und Gewandt- heit des Styles verband gleichfalls an den König ein, und es scheint die beabsichtigte Wirkung auf den Mo- narchen nicht verfehlt zu haben, wenn er in seinem Schreiben die männliche Erklärung giebt: „que s'il avait refuse autrefois de rien faire pour detourner la publication d'une sentence, il croyait ä cette heure, apres avoir en- tendu sa condamnation, pouvoir sans blesser son honneur donner ce qu'on demanderait; qu'il etait permis k un homme d'honneur de donner tout son bien, pour se ra- cheter de prison, mais pour detourner l'examen de meme que le jugement de sa conduite, les dernieres extr^mit^s ne pouvaient lui faire d^bourser un sol; que le Cemte de Flemming n'avait ainsi qu'a disposer de tout ce qu'il ju- gerait ä propos".

König August scheint nicht nur über das Verhalten Friesens in der Laszieczewski'schen Angelegenheit im Stillen volle Zufriedenheit empfunden zu haben, sondern es dürfte kaum zu viel gesagt sein, wenn man behauptet, dass von diesem Ereignisse an, bei welchem sich die uneigennützige Hingebung desselben für das Interesse seines Fürsten im hellsten Lichte offenbart, Friesen der Liebling des ihm anfangs so wenig geneigten Königs wurde. Zunächst sah dieser von einer jeden Vollstreckung des wider Friesen gefällten Urtels ab, hob dessen Arrest auf und nahm die Aufwartung desselben in Gnaden an; die Entschädigung der Witwe Laszieczewski mag wohl dem geheimen Fonds überwiesen worden sein. Obwohl aber König August IL nicht wieder auf diese Angelegenheit zurückkam, führte dieselbe doch in der Folge noch manche Unannehmlichkeit für Friesen herbei.

So z. B. theilt der Minister Manteuffel unter dem 30. September 1718, also zwei Jahre nach dem Ereignisse in Sendomir, von dem Landtage in Grodno in einem im königlichen Hauptstaatsarchive zu Dresden verwahrten

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 159

Schreiben '^) mit, dass Friesen an der Tafel des Prinzen Wisniowiecki gleichzeitig mit den Landboten von Sen- domir zur Tafel geladen worden sei, wobei ihn der diskrete Wirth, der die Erbitterung des polnischen Adels gegen Friesen kannte, als einen Bruder des Grafen Vitzthum vorgestellt habe. Als aber gegen Ende des Mahles ein Pole absichtlich oder im Weinrausche Friesen bei seinem wahren Namen anredete, entstand unter den Landboten eine solche Aufregung, dass der ehemalige Kommandant von Sendomir wahrscheinlich niedergesäbelt worden wäre, wenn der Prinz Wisniowiecki ihn nicht in seinem Hause vor allem Unbill geschützt hätte. Manteuffel beweist sich übrigens in dem Briefe, welcher diesen Bericht enthält, nicht eben als besonderer Gönner Friesens, über welchen er sich im weiteren ausspricht, „que ce jeune honime commence a se donner des airs" u. s. w. und ferner, „der Handel, der beim Prinzen Wisniowiecki begonnen, sei noch nicht zu Ende, on lui en prepare un autre bien plus sanglant qui donnera une alarme terrible au serail dont je serais bien aise de voir rabattre le caquet".

Manteuffel hatte übrigens sehr richtig prophezeit; die üngelegenheiten für Friesen waren damals, 1718, noch nicht zu Ende; der polnische Adel konnte sich, so lange jener noch lebte, über den gegen seine Privilegien ge- führten Streich nicht beruhigen. Sechszehn Jahre nach- dem Laszieczewski seinen frechen Raub und Friedens- bruch am Galgen gebüsst hatte, kam die Angelegenheit unter dem Nachfolger Augusts IL, kurz nach der Krö- nung Augusts HL, wieder zur Sprache, und Friesen, jetzt General der Infanterie, Kabinetsrainister und Ritter des polnischen Weissen Adlerordens, sah sich auf die von neuem aufgenommene Anklage hin noch einmal genöthigt, sich dem Monarchen gegenüber durch eine ausführliche Vertheidigimgsschrift zu rechtfertigen.

Den bhitigen Grcuelszencn des zweijährigen polni- schen Insurrektionskampfes wurde endlich durch den Pa- cificationslandtag zu Warschau ein Ziel gesetzt, und der definitive Friede am 1. Februar 1717 geschlossen.

Hiermit endigte Friesens ernste kriegerische Thätig- keit, und wenn derselbe auch dem militärischen Berufe sein ganzes Leben hindurch treu bleibt, so sehen wir doch

'•) Korrespondenz des Feklmarschalls Fleniming mit dem Ka- biuetsminister Manteuflel. Vol. CLIIIa. Bl. 220 b.

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daneben seine Eigenschaft als Hofmanu mehr und mehr in den Vordergrund treten. Die anfänglichen Vorurtheile seines Monarchen hatten einer hohen Ach- tung gegen den tapfern Soldaten, den ebenso gebildeten als entschlosseneu Führer, Platz gemacht; bald war auch dem liebenswürdigen, leichtlebigen Weltraanne die persönliche Zuneigung des Königs für alle weitere Zu- kunft gesichert.

Dass Friesen auf dem glänzenden Parquet des Dres- dener Hofes sich bald eben so heimisch befand, als in den Trancheen vor Sti'alsund oder im Kampfe mit den polnischen Insurgenten, und dass er auch auf diesem glatten Boden Siege zu erfechten verstand, davon zeugt wieder ein nur wenige Tage vor dem oben erwähnten geschrie- bener Brief Mauteufiels aus Grodno vom 30. September 1718, in dem er an Flemming nach Wien folgendes be- richtet: „Le soir de notre arrivee M^ la Comtesse (Dön- hoff) mena elle-meme Pociey a son mari qui la re9Ut en bon mari, c'est-a-dire avec des demonstrations tout particulieres. II a meme tellement pris en affection le Comte Friesen qu'il veut lui faire prendre absolument une chambre dans sa maison. L'histoire cependant dit que le bon-homme est informe de toutes les particularites ar- rivees ä Dresde, et qu'il n'y a pas long-temps qu'il a bu en pleine table a la sante de son fils en Saxe. C'est porter ses cornes en galant-homme."

Der Gemahl der in diesem Briefe erwähnten galanten Dame, der Grosskronfeldherr von Litthauen Graf Pociey, welcher allerdings seiner Gattin im Alter weit voraus war, bezeigte übrigens dieselbe Nachsicht, als sie einige Jahre später zu dem berühmten Moritz von Sachsen in ähnliche Beziehungen trat, wie vorher zu Friesen; ja Pociey Hess sich sogar, als Moritz sich um die kur- ländische Herzogskrone bewarb, von seiner Frau be- stimmen, die Ansprüche des Grafen durch namhafte Geldopfer zu unterstützen. Nach dem Tode des will- fährigen Gemahls (1729) heiratete Gräfin Emerentina Pociey den noch sehr jungen Grafen Alexander Joseph Montmorency, welcher seit 1725 in der sächsischen Che- valiergarde diente und 1727 den Rang eines General- lieutenants erhalten hatte. Als Auo-ust III. nach seiner Thronbesteigung die kostspielige Haustruppe auf den Aus- sterbeetat setzte, nahm Graf Montmorency 1734 den Ab- schied und begab sich mit seiner Gattin nach Paris. Die

Heinrich P'riedrich Graf von Friesen. 161

Markgräfin von Bayreuth tliut in ihren bekannten Me- moiren der Gräfin mit den Worten Erwähnung: „Madame Potge, tres-fameuse par son libertinage". Der bereits melirfach erwähnte Baron Haxthausen beschreibt die be- rühmte Löwin der Dresdener Gesellschaft, von der er be- hauptet, dass sie einmal mit ihrem Liebhaber Friesen eine Reise rittlings mit unterlegten Postpferden von Warschau nach Dauzig und von da nach Dresden ausgeführt habe, als „petite persounc aimable, fort jeune, l'esprit doux et tres-fin, qui n'avait guere eu d'educatioU; mais se faisait ä merveille et en peu de temps, etant en si bonne ecole".

Als einer anderen ziemlich gleichzeitigen Eroberung Friesens wird von Haxthausen in seinen Memoiren die Schwester der bekannten Gräfin Dönhoff und Tochter der verwitweten Krougrossmarschall Bielinska bezeichnet, die von demselben unter dem Namen „die Starostin von Mewa" ") aufgeführt und als nicht sowohl schön, als geistig belebt, liebenswürdig und herzgewinnend geschil- dert wird. Sie hätte Friesen gern mit ihrer Hand be- glückt, aber diesem, der sich noch immer in beständiger Geldverlegenheit befand, genügte wahrscheinlich das Ver- mögen der Starostin nicht, welche endlich die Bewerbungen des französischen Gesandten Barons Besanval erhörte und diesen heiratete.

Aber nicht bloss die Gunst des Königs und der Frauen erwarb der glückliche Friesen, er gewann auch, besonders in dem Kammerherrn Haxthausen und dem General Grafen Lagnasco, einem geborenen Piemontesen, der lange sächsischer Gesandter im Haag und bevor- zugter Liebling des Monarchen gewesen war, treue und ergebene Freunde.

Das Jahr 1718, in welchem am Dresdener Hofe, dessen Geschichte zu jener Zeit ihre Chronologie der wechselnden Herrschaft der Gunstdamen entlohnt, die verschwenderische Pracht der Gräfin Dönhoff ihren Höhepunkt erreichte, war eine Epoche der ausschweifendsten Lustbarkeiten. Wir erwähnen derselben hier bloss, um den Helden unserer Erzählung, den wir als Soldaten durch die Mühseligkeiten und Gefahren seiner Kriegsfahrten begleitet, auch als Theilnehmer der Vergnügungen eines glänzenden Hofes nicht aus den Augen zu verlieren, verweisen aber, was

") Der Familieiniame des verstorbenen Gatten war Cherinski.

Neues Archiv 1', S. ü. u, A. II. 2. 1 1

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die Schilderunojen einiger solcher Festlichkeiten speciell betrifft, auf „Vehse, Geschichte des Hauses Sachsen", V, 64 fgg., und „Johann Georg, Chevalier de Saxe", 40 fg.

Mit dem Feldmarschall Flemming, seinem Vorgesetzten, hatten sich dagegen Friesens Beziehungen seit dem Pro- cesse in der Laszieczewski'schen Angelegenheit nicht wieder so herstellen lassen, wie es für ihn wünschenswerth ge- wesen wäre, und es geschah wohl hauptsächlich, um sich dem Machtbereiche des in seinem beleidigten Stolze nicht leicht versöhnlichen Gegners zu entziehen, dass Friesen sich um eine Stelle im Hofdienste bewarb, welche ihm mittels königlichen Patents vom 3. Juli 1719 durch seine Ernennung zum Oberfalkenmeister gewährt wurde. In dieser Charge'^) sehen wir Friesen mit bei dem glän- zenden Empfange in Thätigkeit, welcher nach der Ver- mählung des Kronprinzen Friedrich August mit der Erz- herzogin Josephine dem jungen Paare in der sächsischen Hauptstadt bereitet ward. Seine Stellung bei Hofe be- festigte sich in den folgenden Jahren immer mehr, und wenn wir ihn in seiner Laufbahn als Hofmann auch nicht von allen Fehlern, die den Ansichten jener Zeit gemäss von diesem Begriffe fast unzertrennbar waren, von Leicht- fertigkeit der Sitten, Medisance und Neigung zu Spiel und Verschwendung freisprechen können, so müssen doch selbst seine Feinde einräumen, dass er, was damals um so seltener Avar, doch inmitten solcher Frivolität als Mann von Bildung und Geburt seine Würde nach oben, wie nach unten zu wahren verstand, dass er ebensowenig bei den rohen Trinkgelagen wie bei den niedrigen Ka- balen und Lakaienränken jener Tage auf das Niveau des ihn umgebenden Schwarmes herabsank.

Es kann in Berücksichtigung aller der Eigenschaften, die wir an Friesen kennen gelernt haben, ebensowenig befremden, dass der König, als es galt, für die ältere der ihm von der Gräfin Cossell geborenen beiden Töchter einen geeigneten Gatten zu wählen, seine Augen auf Friesen richtete, als dass das junge siebenzehnjährige

") Es war diese damals die siebente der dem Oberhofmarscliall unterstellten neun Oberhofchargen : Oberkammerherr, Oberstall- meister, Oberschenk, Oberküchenmeister, Oberhofjägermeister, Ober- hofmeister der Königin, Oberfalkenier, Oberpostmeister und Tra- bautenhauptmann.

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 163

Mädchen in die Verbindung mit dem bereits vierundvierzig- jälirigen Oberfalkenmeister ohne Bedenken einwiUigte. Für diesen war die Partie, abgesehen von den Vortheilen, welche die nahe Verwandtschaft mit dem königlichen Hause bot, auch finanziell für die damalige Zeit, wo der Werth des Geldes ein wesentlich höherer war, als heut- zutage, eine ziemlich glänzende; denn das Vermögen der bereits damals auf dem Schlosse Stolpen in Gewahrsam gehaltenen Mutter der Braut war im Jahre 1724 „ohne die noch ermangelnden Juwelen und Hamburger Banko- EfFecten" zu 582224 Thlr. 1 Gr. 10 Pf., einschhesslich circa 153000 Thlr. zweifelhafter Kapitalien nach einer anderen Berechnung zu 624934 Thlr. 5 Gr. 10 Pf. ein- schliesslich 183000 Tldr. unsicherer Aussenstände ab- geschätzt worden. Von dieser Masse sollten die beiden Comtessen Cossell mit je 100000 Thalern abgefunden und das übrige Vermögen der Frau Gräfin „zu Dero und des jungen Herrn Grafen Unterhaltung und dessen Edu- cation" angewiesen, über die „annoch ermangelnden Ju- welen aber, wenn herbeizuschaffen, en faveur der beiden Comtessen" verfügt werden. Der Vormund des unmün- digen (erst 1712 geborenen) Grafen Cossell, der Hofrath Wolfgang Adolf von Leubnitz, zeigte sich übrigens, wahrscheinlich weil man bei der Abschätzung zu hoch gegriffen hatte und mehr, als der Anschlag berücksichtigte, uneinbringlich war, mit der angeblichen Bevorzugung der beiden Schwestern seines Mündels nicht einverstanden, und legte gegen dieselbe am 9. Januar 1726 einen, wahr- scheinlich vergeblichen Protest ein. Die fraglichen Ju- welen, über deren Verbleib die Gräfin-Mutter jede Aus- kunft beharrlich verweigerte, fanden sich endlich behn Juden Jonas Meyer in Dresden und wurden vom Könige mit Beschlag belegt; doch stellte man für dieselben den Töchtern, für den Fall des Ablebens der Mutter, je 20000 Thalcr „vor die miUteriiche Gerade" in Aus- sicht.

Die Vermählungsfeier Friesens mit Auguste Constantie Gräfin Cossell fand am 3. Juni 1725 in Gegenwart des Königs und der Königin, des königlichen Prinzen und dessen Gemahlin und des gesanmiten Hofes statt; die Traurede hielt der Oberhofprediger Dr. Marburger. Die Lustbarkeiten, welche sich in der Dauer von drei Wochen an dieses Hochzeitsfest anschlössen, sind zu originell und zu bezeichnend für die Art und Weise, wie mau

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sich damals am Dresdener Hofe zu vergnügen pflegte, um hier mit Stillschweigen tibergangen zu werden.

Zunächst hatte man zur Ausstattung dieses Festes 'einen Theil der Armee auf dem linken Eibufer, Pillnitz gegenüber, zusammengezogen, um, wie man sich naiv aus- drückte, „das Vergnügen der Allerhöchsten Herrschaften mit der Instruction der Truppen zu verbinden". Hier auf diesem Uebungsplatze, wo man zunächst des Flusses eine Festung erbaut und diese mit einer als Janitscharen verkleideten Abtheilung besetzt hatte, wurden bereits am Tage vor der Hochzeit die Festivitäten „par un combat naval, une bataille et l'investiture d'une forteresse" eröffnet. Sie wurden vom 4. Juni an in der Weise fortgesetzt, dass immer ein Wechsel militärischer Vorstellungen mit länd- lich-idyllischen Aufführungen in Pillnitz stattfand, welche mit einer feierlichen Begrüssung des Hofes durch die Dorfschaft, das heisst zum grösseren Theile als Bauei'n verkleidete Künstler, anfingen. Den 5. Jimi „Descente, Schlacht, Berenn ung der Festung und Formirimg des Lagers", den 6. „Dorfschule", bei welcher der Hofzwerg den Schulmeister vorstellte, den 8. „Maienfest", den 12. „Erntefest", den 14. „wird gedroschen", den 16. „Bauern- carroussel", den 18. Vorstellung, „wie es Abends und bei Nacht in den Schenken zuzugehen pflegt", den 20. „Bauern- process" und an den dazwischen liegenden, dem Mars gewidmeten Tagen: erste Parallele und Trancheen, Fou- ragierung, Anlage von Batterien, Ausfall der Belagerten, man nähert sich von der zweiten Linie dem Eck der Contreescarpe, Sturm auf das Ravelin, Bresche, Sturm auf den Hauptwall, die Besatzung verlässt die Festung und zieht sich über eine Brücke nach der Insel zurück, Minenspringen , die Brücke wird nach beendetem Rück- züge abgebrochen; den 19. Juni Versuch, den Feind von der Insel zu vertreiben, welcher sich auf die Schiffe retiriert, bei der Landung aber von der Ka- vallerie der Belagerer attakiert und gefangen genom- men wird, den 20. endlich Victoriaschiessen und grosses Feuerwerk.

Man sieht, dass zu jener Zeit schon die Lehre, welche später Goethe im Vorspiele zum Faust giebt: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", keineswegs unbe- kannt war; es strömten aber auch die Zuschauer von allen Enden des Landes zu Tausenden herbei. In Er- mangelung der Dampfschiffe sorgten damals von Pferden

Heinrich Friedrich Graf von friesen. 165

gezogene Eibzillen für die ununterbrochene Verbindung zwischen Dresden und Pillnitz.

In einer Zeit, wie der unsrigen, in der sich bereits Schulknaben mit politischen und volkswirthschaftlichen Fragen beschäftigen, drängt sich uns bei der Erinnerung an jene Festlichkeiten fast wider Willen die Betrachtung auf, ob sich damals unter der unzählbaren Menge neu- gieriger Zuschauer wohl ein einziger befunden haben mag, der in der übermüthigen Laune des Hofes, in dessen leichtfertiger, durch die finanzielle Lage des Landes keineswegs gerechtfertigten Verschwendung etwas An- stössiges oder gar Tadeins werthes gefunden hätte.

Mit dem Feuerwerke am 20. Juni waren aber die Lustbarkeiten noch nicht zu Ende; am folgenden Tage stattete der ganze Hof dem Königstein einen Besuch ab, natürlich „unter Losbrennuug der Kanonen"; den 22. exerzierten die Kadetten in Pillnitz, und am 23. fand die feierliche Rückkehr des Hofes nach Dresden statt, wo die Kanonen der Flotte, welche den Hof führte, mit den auf den Festungswällen aufgestellten wieder freigebige Salut- schüsse wechselten.

Ein Jahr ungefähr nach seiner Vermählung mit der Gräfin Cossell gelangte Friesen durch den Tod seiner Tante, der verwitweten Freifrau Johanne Margarethe von Schellendorf, in den Besitz der Standesherrschaft Königs- brück^'), wodurch seine finanziellen Verhältnisse sich wesentlich besserten.

Der König beförderte seinen Schwiegersohn im Jahre 172G zum Generallieutenant, ohne dass mit dieser Ranges- erhöhung dessen Rücktritt in den aktiven Dienst ver- bunden gewesen wäre. Dagegen brachte das folgende Jahr 1727 die Erhebung Friesens zum Oberkammerherrn an Stelle des im Zweikampfe mit dem Marquis de St. Giles gefallenen Grafen Friedrich Vitzthura, sowie seine gleich- zeitige Ernennung zum Kabinetsminister.

Dem Ehrgeize des bisherigen Soldaten und Hofmannes eröffnete sich durch seinen Eintritt in das Geheime Kabinet nun auch die Laufbahn als Staatsmann; ferner übertrug ihm der König die Oberdirektion der im alten Regiments-

") In viele Zeitberichte über Friesen hat sich der Trrthnm eingeschlichen , dass er in den Besitz von Königsbrück durch seine Heirat gelangt sei. Der Tod der Freifrau von Schellendorf erfolgte den 10. April 1726.

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hause am Jüdenliofe belindlicheu wissenscliaftliclien Samm- lungen, des Münz-, Muschel-, Erz-, Naturalien-, Konchy- lien-, Etampes-Kabinets.

Diesen Rangerhöhungen folgte noch in demselben Jahre bei dem am 3, August in Obersedlitz, der neuen Schöpfung des Obersten Wackerbarth, glänzend gefeierten Ordensfeste die Verleihung des polnischen Weissen Adler- ordens an Friesen.

Aber während er sich in der Gunst seines Monarchen immer mehr und mehr befestigte, wurde sein häusliches Glück nach kurzer Dauer wieder zerstört. Seine Gattin hatte ihm am 26. März 1726 einen Sohn ^") und am 25. No- vember 1727 einen zweiten geboren; bald nach glück- lich überstandenem Wochenbette wurde aber die Gräfin von den Kinderblattern ergriffen, welchen die junge, blühende Frau am 2. Februar 1728 erlag.

Dass mit dem Tode derselben die Neigung des Kö- nigs zu seinem Schwiegersohne nicht erkaltete, lässt sich schon daraus erkennen, dass dieser im Dezember 1728 wieder durch einen neuen Gunstbeweis des Monarchen er- freut wurde. August schenkte nämlich das erwähnte Regi- mentshaus ^') am Jüdenhofe (gegenwärtig mit Nr. 1 bezeich- net) dem Kabinetsminister und Oberkaramerherrn Grafen Friesen „aus besondern Gnaden und um seiner Uns so lange Jahre geleisteten treuen, tapferen und erspriess-

*") Dieser ältere Sohn starb schon nach vollendetem sechsten Jahre.

= ') Dieses sogenannte Regimentshans war im Februar 1714 vom Könige dem Feldmarschall Grafen Flemming und dessen Gemahlin unter sehr vortheilhaften Bedingungen ad dies vitae überlassen worden. Aber schon im September desselben Jahres veranlasste August den Feldmarschall, gegen eine Entschädigungssumme von 12 000 Thalern ihm das Haus wieder zur freien Verfügung zurück- zugeben, und es wurde dasselbe nun zur Dienstwohnung des da- maligen Gouverneurs von Dresden, Generals Janus von Eberstädt, der bisher ein jährliches Quartiergeld von 1200 Goldgülden bezogen hatte, bestimmt. Eberstädts Nachfolger Wack,erbarth bewohnte als Obersthaus- und Landzeugmeister, welche Chargen er auch als Gou- verneur behielt, ein Haus am Zeughause, das am 19. Januar 1728 mit den darin enthaltenen werthvollen Sammlungen niederbrannte, worauf Wackerbarth vom Könige das damals die Stelle des jetzigen Landhauses einnehmende Flemming'sche Palais geschenkt erhielt. Erst unter Friesen wurde das Haus am Jüdenhofe wieder zufällig die Wohnung des Gouverneurs; einige Jahre nach seinem Tode ver- kaufte es dessen Sohn, der letzte Graf Friesen, an den Konferenz- minister und Wirklichen GeJieimenrath Grafen von Heunicke.

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liehen Dienste willen erb- und eigentliüralich". Die darin verwahrten Sammlungen, welche erst kürzlich noch durch ein „fast inästimables Bernsteinkabinet", ein Geschenk des Königs von Preussen, vermehrt worden waren, wiu'den nebst der Bibliothek in die Galerie des Zwingergartens gebracht.

Der Tod Flemmings, welcher im Jahre 1728 erfolgte, scheint Friesen wieder in nähere Beziehungen zur Armee, für die er beständig lebhaftes Interesse behielt, gebracht zu haben. Den 9. Februar 1731 wurde er zum General der Infanterie ernannt: im folgenden Jahre erhielt er an seines Freundes Lagnasco Stelle das Kommando der sächsischen Leibgarde in Polen, welchen Ehrenposten er jedoch nur bis zum Tode des Königs August II. be- kleidete. Der Thronwechsel blieb insofern nicht ohne Einfluss auf Friesens Stellung bei Hofe, als er auf Befehl des neuen Monarchen seinen Posten als Oberkammer herr an den bisherigen Maitre de la Garderobe Grafen Brühl, den späteren Premier, abtreten musste, wofür ihm als Ent- schädigung die durch den Tod des Grafen Wackerbarth (den 14. August 1734) erledigte Würde eines „Gouverneurs der Residenz und Festung Dresden, auch Neudresdens, ingleichen König- und Sonnenstein und Stolpen" übertragen ward. ^^)

Als König August III. an seinem vierzigsten Geburts- tage, den 7. October 1736, zu Hubertusburg den Militär- St.-Heinrichs-Orden stiftete, und nächst dem damals vier- zehnjährigen Kurprinzen Friedrich Christian, dem sechs- jährigen Prinzen Xaver, dem dreijährigen Prinzen Karl Christian und dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf von Sachsen -Weissenfeis noch vierzehn Generale, meist verdiente Veteranen aus dem nordischen Kriege, mit der neuen Dekoration begnadigte, befand sich auch Friesen mit unter der Zahl der Ausgewählten. Der Orden, in Deutschland der älteste militärische Verdienstorden, wurde damals an einem karinoisinrothen Bande mit silbernen Rändern getragen, und sein Kreuz führte die Inschrift: „Virtute et pietate bellica". In den Jahren 1737 bis 1739 fanden noch sieben Verleihungen desselben statt, auffallenderweise aber hören solche mit dem letztgenann-

**) Friesens feierliche Verpflichtung als Gouverneur fand den 28. October 1734 statt.

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ten Jalire auf, obgleich die 1740 beginnenden schlesischen Kriege der Armee doch reichliche Gelegenheiten zu mi- litärischen Auszeichnungen boten. ^^)

Die letzte militärische Würde, mit welcher Friesen durch die königliche Gnade bekleidet ward, war der im Februar 1738 durch den plötzlichen und unerwarteten Sturz des Ministers und Generals Grafen Sulkowski erledigte Ehrenposten eines „Generalcommandanten über die fünf Bataillone Leibgarde zu Fuss und über die derselben in gewisser Masse incorporirto sogenannte Hubertusbur- gische Leibgrenadier-Freicompagnie, mit eben denjenigen Prärogationen, wie solche dem General Grafen Sulkowski vorhin anvertraut gewesen".

Der Organismus des sächsischen Heeres ist im Laufe der Zeiten so oftmaligen Veränderungen unterworfen ge- wesen, dass es einer genauen Kenntnis seiner Geschichte bedarf, um sich vorstellig zu machen, welche Truppe unter jenen fünf Bataillonen Leibgarde, die dem Kom- mando Friesens unterstellt wurden, eigentlich gemeint ist.

Den Namen Garde führten damals bei der Infanterie drei Regimenter, nämlich : 1) das alte 1670 errichtete Leib- regiment, das Stammregiment unserer jetzigen beiden Grenadier -Regimenter Nr, 100 und 101, welches den Namen „Garde zu Fuss" schon 1692 annahm und bis zum Jahre 1764, wo demselben aus ökonomischen Rück- sichten die Gardevorrechte entzogen wurden, behielt; 2) das von diesem im Jahre 1707 abgetrennte „Zweite Garderegiment zu Fuss", das bei der grossen Re- duktion der Armee zwischen dem zweiten schlesischen und dem siebenjährigen Kriege 1748 wieder aufgelöst wurde; 3) die 1729 in zwei Bataillonen in Warschau und Meissen errichtete Leibgarde, deren erster Chef der spätere Feldmarschall Graf Rutowski war, und die schon im folgenden Jahre im Zeithainer Lager durch ihre stattliche Erscheinung allgemeine Bewunderung erregte.

Dieses letztere Regiment, die spätere Leibgrenadier- garde, welche ihre Existenz in einem schwachen Rest als sogenannte rothe Garde bis Ende Dezember 1848 fristete, ist es, welche einen Theil der oben erwähnten fünf Ba-

**) Bekanntlich war es Prinz Xaver, welcher als Administrator Sachsens im Jahre 1768 den fast in Vergessenheit gerathenen Orden wieder ins Leben rief.

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taillone Leibgarde zu Fuss ausmacht. Es bleiben jedoch, da diese Truppe uur aus zwei Batailloueu bestand, noch deren drei zu ermitteln, von denen indessen keines zu den unter 1) und 2) aufgeführten Kegimentern gehörte. Da- gegen hatte im Jahre 1735 das Infanterie-Regiment, dessen Chef König August III. als Kronprinz gewesen war, den Namen LeilA'egiment erhalten, nachdem am 4. Juni 1733 das Grenadierbataillon Friesen**) als drittes Ba- taillon demselben einverleibt worden war; am 13. April 1737 aber war folgender Befehl ergangen: „Nachdem Wir Unser bisheriges Leib- Grenadier -Gardes- Regiment Unserem sogenannten Leibregiment zu Fuss dergestalt einverleibt, dass beide zusammen 1 Corps von 5 Ba- taillonen formiren, so soll dasselbe fürohin den Namen Unserer Leib-Gardes zu Fuss führen."

Wenn sich hieraus die Zusammensetzung der, Friesens Kommando unterstellten Gardetruppe von fünf Bataillonen erklärt, so möchte noch in Bezug auf den weiteren Be- standtheil derselben, die sogenannte Hubertusburgische Leibgrenadier - Freikompagnie, zu erwähnen sein, dass diese im November 1729 in der Stärke von 160 Mann zur Bewachung des, dem damaligen Kronprinzen ge- hörigen Jagdschlosses Hubertusburg errichtet ward. Zum Kapitän derselben wurde der Kammerherr und Stall- meister des Kronprinzen, Graf Alexander Joseph Sul- kowski, der spätere Premierminister, ernannt, unter wel- chem noch vier Offiziere bei der Kompagnie standen. Die Garnison derselben war Oschatz , ihre Uniform die des ersten Garde - Regiments zu Fuss paille- gelber Rock ohne Kragen, rotlie Aufschläge, Westen und Beinkleider, letztere mit goldenen Tressen besetzt. Die Unterhaltung dieser Luxustruppe erforderte jährlich 26688 Thaler.

*') Das Grenadierbataiilon Friesen ist nicht mit dessen oben mehrfach erwähntem Infanterie-Regimente zu verwechseln , weUhes ihm im Jabre 1717 wieder entzogen worden war. Jenes Grenadier- Bataillon war vielmehr aus dem in der Geschichte des Zeitbainer Lagers vielbesprochenen Janitscharenkorps formiert worden, welches 1729 auf Befehl des Königs von dem Oberstlieutenant von Sybilski in Polen errichtet worden war. Diese ungefähr 500 Mann starke Truppe hatte zweierlei Montnr, eine citrnnengelbe und eine pai)agei- grüne ; ihre Musikbaiule bestand aus 24 Moliren und 48 Janitscharen. Die Umwandlung in ein Grenadier-Bataillon, zu dessen Chef Friesen ernannt wurde, erfolgte schon im Herbste 1731.

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Aber nicht bloss dem Militär, sondern auch dem Hof- manne sollte noch eine besondere Auszeichnung zutheil werden, als im Mai 1738 die feierliche Anwerbung um die Hand der ältesten Tochter des Königs, Prinzessin Marie Araalie, für den König beider Sicilien durch den ausser- ordentlichen Gesandten desselben, Grafen Fuenclara, statt- fand, und Friesen bei dieser Cereraonie zum königlichen Kommissar ernannt wurde. '■'*)

Die Erfüllung der Pflichten seines hohen Ehrenamtes mag ihm übrigens bei dieser Gelegenheit nicht ganz so leicht geworden sein, wie man in Rücksicht auf seine lauge Gewohnheit des Hofdienstes wohl anzunehmen berechtigt wäre, denn schon klopfte die Hand des Todes leise an die Thür des Mannes, der noch am Tage nach der Hochzeits- feier bei dem grossen Carroussel im Zwinger an der Spitze einer der vier in reiche spanische Tracht gekleideten Ab- theilungen Proben seiner ritterlichen Gewandtheit ablegte. Wenige Monate darauf, noch im Herbst 1738, musste Friesen sich infolge anhaltender Körperleiden, die allmählich in Wassersucht übergingen, aufs Land nach Königsbrück zurückziehen, und wir würden seine ßetheiligung an dem Hochzeitsfeste der Königstochter als den letzten Akt seiner amtliclien Thätigkeit bezeichnen müssen, wenn nicht ein im Staatsarchiv aufbewahrter umfänglicher und höchst wahrscheinlich aus Friesens eigener Feder geflossener Be- richt des Gouverneurs von Dresden^®) noch das Datum vom 2. Juni 1738 trüge.

Dieser Bericht liefert ein ausführliches, sehr eingehend und gründlich motiviertes Gutachten des Gouvernements zu einer von sämmtlichen Viertelsmeistern Dresdens einge- reichten Vorstellung: „ob nicht der Rath einen oder den anderen von der Bürgerschaft bei der Einquartierung über die Gebühr beschwere".

Die Klagen der Dresdener Bürgerschaft über den Druck der Einquartierung waren an sich nichts neues und reichen weit vor den nordischen Krieg zurück in die Zeit der An- fänge eines stehenden Heeres. Mitten in der ärgsten Schwedenbedrängnis im Jahre 1707 war von der Bürger- schaft die Summe von 18 672 Thlr. 22 Gr. 2 Pf. zu einem

**) Vergleiche über die bei dieser Anwerbung stattgefundenen Feierlichkeiten die Beschreibung in „Lindau, Gesch. der Haupt- und Kesidenzstadt Dresden" .326 fgg.

") HStA. Loc. Nr. 1100 Vol. I Bl. 9 fgg.

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Kasernenbau aufgebracht imd an die Kriegskasse abge- geben worden, um sich von der drückenden Einquar- tierungslast zu befreien; das Geld war jedoch während der Kriegswirren zur Befriedigung noch dringenderer Bedürf- nisse verwendet worden. Als nach der Pacificierung Polens zu Anfange des Jahres 1717 die Armee wieder ins Vater- land zurückkehrte und hier ihre Friedensgarnisonen ange- wiesen erhielt, bestimmte man, dass Dresden mit je zwei, anfangs halbjährlich, später jährlich wechselnden Infan- terie-Kegimenteru belegt werden solle. Ueber diese Mass- regel wiirden viele Klagen erhoben, besonders da die Sol- daten, von denen damals ein sehr grosser Theil verheiratet war, ihre Weiber und Kinder, ja Eltern und Geschwister mit nach Dresden brachten und so das Proletariat der Hauptstadt nicht unbeträchtlich vermehrten. Auch die Auf- führung der Truppen, welclie durch die langen Kriege, namentlich durch den polnisciien Insurrektionskampf ver- wildert waren und sich an friedliche Verliältnisse schwer gewöhnen konnten, gab zu fortwährenden Beschwerden Veranlassung; sie begingen gegen die Verkäufer auf offenem Markte Gewaltthätigkeiten und streiften Nachts in Rotten zu 3, 4 und selbst bis 16 Mann in den Gärten der Vor- städte umher, um Unfug zu treiben und Diebstähle und Räubereien zu begehen. Der Bau der Kaserne in Neu- stadt, der von 1731 ab mit grosser Energie unter de Bodts Leitung zur Ausführung kam, änderte den Stand der Dinge wenig, denn der Zweck des Gebäudes, die Unterbringung der Garnison, wurde noch während des Baues im wesent- lichen aus dein Auge verloren, so dass, als es fertig stand, die Verwendung desselben eine ganz andere ward. ^')

Als Friesen 1734 das Gouvernement der Residenz über- nahm, hatte sich in den Verhältnissen der Bequartierung wenig geändert; nur war eines der beiden Infanterie- Regimenter der Garnis(m , das Leibgrenadier - Garde- Regiment (die sogenannte grosse oder rothe Garde, welche mittlerweile errichtet worden war), in Dresden " fixiert worden, und der jährliche Wechsel fand daher nur noch mit einem Regimente statt, eine Einrichtung, die sich ein Jahrhundert lang bis 1830 erliielt.

") Man vergleiche liierüber den Anfsatz in der Wissenschaft- lichen Beilage der Leipziger Zeitung: „Ein Kückblick auf die Ver- gangenheit der Dresdener Militäretablisseuients", Jahrgang 1877 Nr. 30 fgg., insbesondere Seite 187 fg.

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Die Stärke der Infanterie-Garnison Dresdens war im wesentlichen durch das Wachbedürfnis bedinot, und Friesen weist in seinem Gutachten, mit dem er die Vorstellung der Viertelsmeister begleitet, nach, dass dasselbe seit 21 Jahren in forwährendem Steigen begriflPen sei, denn der tägliche Wachbedarf berechne sich:

im Jahre 1713 unter Janus von Eberstädt: Stärke der Garnison: 1487 M., tägliche Wache: 306 M.,

im Jahre 1725 unter Wackerbarth: Stärke der Garnison: 1626 M., tägliche Wache: 464 M.,

im Jahre 1736 unter Friesen: Stärke der Garnison: 2934 M., tägliche Wache: 525 M.

Friesen hatte bereits den Vorschlag gemacht, die Wache auf 463 Mann herabzusetzen, statt dessen war dieselbe auf 598 und endlich gar auf 661 Mann gestiegen, was dem ungefähren Bestände eines Bataillons, also dem vierten Theile der Infanterie-Garnison entsprach. Der Gouverneur beklagt sich mit Recht über die ungebührlich reiche Be- messung des Wachbedarfes, welcher wahrscheinlich in dem Luxus seinen Grund hatte, der damals, wo nicht nur alle Generäle und Regimcntskommandanten, sondern auch die Minister und hohen Hofchargen Schildwachen vor ihren Thüren nicht entbehren zu können glaubten, mit solchen Ehrenposten getrieben wurde. ^^) Was die Bequartierung der Stadt betrifft, so hatte man zu Friesens Zeit die Ein- richtung getroflfen, dass die innere Altstadt der Leibgre- nadier-Garde (2 Bataillone) und die Vorstädte dem Feld- Infanterie-Regiraent und einiger Artillerie überwiesen waren. Statistisch nicht uninteressant ist es, bei dieser Gelegen- heit die Zahl der Wolmgebäude von Altstadt und deren Vorstädten in jenem Augenblicke kennen zu lernen, indem erstere mit 382 belegbaren Häusern und 98 königlichen Freihäusern, letztere mit 601 72 belegbaren Häusern auf- geführt werden.

Unter den königlichen Häusern werden bezeichnet: 7 Häuser (oder vielmehr Baustellen, da sie 1667 abgetragen wurden) am Taschenberge, 3 Häuser auf der kleinen Brüder- gasse, von der Gräfin Cossell erhandelt und nachgehends zum Palais gezogen, 26 Häuser am Jüdenhofe u. s. w.,

^') Unter dem Prinzen Xaver wurden nach dem siebenjährigen Kriege 41 Wachposten in Dresden eingezogen; trotzdem mussten nnter ihm noch täglich 449 Mann auf Wache ziehen, welche 109 Posten einschliesslich 7 Nachtposten zu besetzen hatten.

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1586 1599 zum kurfürstliclien Stall- und Löwenhause auf der Schössergasse (sonst Nikolausgasse) gezogen, 9 Häuser, um 1591 zum Zeughause gezogen, das Flemming'sche Haus auf der Pirna'schen Gasse, 1727 erkauft.

Jedes der „belegbaren Häuser" N^eubaue erhielten sogenannte Bauberechtigungen, Befreiungen von Abgaben und Einquartierungslast auf eine Reihe von Jahren, die Häuser der Rathspersonen waren eo ipso befreit war im Jahre 1733 mit wenigstens zwei und nach Verhältnis mit 3 6 Mann belegt. Für 1738 wird der Aufwand für die Bequartierung in der Altstadt und den Vorstädten derselben, welcher 1712 11782 Tlilr., 1725 14194 Thlr. betragen hatte, zu 41566 Thlr. 12 Gr. berechnet; er be- läuft sich, wie man versichert, höher als die Quatember- steuer.^*) Die grösste Plage für die Quartierwirthe waren die verheirateten Soldaten, welche gleich mit Weib und Kindern einrückten. Damals, wo die militärische Dienstzeit nicht wie jetzt auf die Dauer einiger weniger Dienstjahre beschränkt war, sondern das ganze kräftige Mannesalter in Anspruch nahm, war die Zahl der Verheirateten bei den Truppen auch eine ganz unverhältnismässig grössere, als gegenwärtig, wo das Heiraten nur nach der Be- endigung der aktiven Dienstzeit solchen Unteroffizieren gestattet wird, welche Kapitulationen übernommen haben. So hatte zum Beispiel damals das Leibgarde -Regiment, welches die stabile Hälfte der Dresdener Infanterie-Garnison ausmachte, über seinen Bestand von 1441 Unteroffizieren und Gemeinen noch den Appendix von 230 Weibern und einer dem entsprechenden Kinderschaar. Man g-laubt den Versicherungen der Herren Viertelsmeister gern, wenn diese das Ungemach für die Hausbesitzer schildern, die endlosen kleinen Quälereien und Belästigungen, die ewigen Streitig- keiten, zu welchen die Soldatenweiber in den Wohnungen und Familien der Bürger Veranlassung gaben, wenn sie

*») Die vierteljähr Hohen direkten Abgaben der oben bezeich- neten Stadttheile werden in der fragliclien Schrift folgeudermassen angegeben:

2830 Thlr. 18 Gr. 6'/, Pf. Pfennigsteuer ) .,. ^ i*

2285 20 - Quatembersteuer \ ^°" ^^1*^*^*1* 463 8 11 '/2 Pfenuigsteuer ) , ,r ..,;,.

1351 : 16 ,: - Quatembersteuer } ^«" ^^«" Vorstädten 2614 13 Wachthaler, Geschoss, Brunnengeld und

Kontribution.

9546 Thlr. 4 Gr. 6 Pf. Summa.

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ferner für letztere die ihnen von der Einquartierung ab- gepressten sogenannten „freiwilligen Geldunterstützungen" als eine weitere Belästigung der Quartierträger bezeichnen, da diese sich im Weigerungsfalle allerhand Chikanen von selten ihrer Einquartierung verschwenderischem Gre- baren mit Holz, Licht und Salz, welches dieser gewährt werden muss, dem Aufhetzen der Dienstboten wider ihre Herrschaften u. s. w. aussetzten. Natürlich suchten sich die wohlhabenderen Hausbesitzer einer so drückenden und widerwärtigen Verpflichtung dadurch zu entziehen, dass sie ihre Einquartierung durch Zahlung einer reichlichen Entschädigungssumme bewogen, sich anderwärts einzu- miethen. Auf diese Weise kassierte, wie die Beschwerde- schrift besagt, mancher Unteroffizier von seinem Wirthe 2^/2, 3 und 4 Thlr., ein unbeweibter Gemeiner 1 Thlr. 8 Gr., ein verheirateter aber 272 3 '/a Thlr. ein, „lässt sich daher für die Frau ebensoviel, wie für sich selbst bezahlen".

Dass bei dieser Vorstellung die Beschwerdeführer sich durchaus keine Uebertreibung zu Schulden kommen Hessen, dafür spricht die warme Unterstützung, welche der Gou- verneur denselben zu theil werden lässt. In der That hätten sie einen unparteiischeren und zugleich beredteren Für- sprecher nicht leicht finden können. Friesen droht ge- radezu „den Untergang der Bürgerschaft", wenn nicht alsbald Abhilfe geschehe; zwei Unteroffiziere könnten „durch ihre Bequartierung ein Haus um tausend Tlialer depre- tioniren", der neue Anbau werde gehindert und die Kon- sumtion zum grossen Nachtheile der Tranksteuer vermindert.

Der Druck der Einquarticrungslast wurde aber noch dadurch doppelt empfindlich, dass in der Belegung der Häuser grosse Ungleichheit herrschte; es waren, wie Friesen bestätigt, hauptsächlich die Vorstädte und ärmlichen Gassen der inneren Stadt, welche am schwersten zu tragen hatten; denn von der Befreiung der 98 königlichen Häuser und der im Besitze von Rathspersonen befindlichen ist bereits die Rede gewesen; es wird aber ausserdem noch geklagt, dass solche Befreiungen leider auch von anderen auf krummen Wegen ohne besondere Mühe zu erschleichen seien.

Der Neustadt wird in dem Exposö nur beiläufig Er- wähnung gethan, da die Einquartierungslast derselben, welche nur zu 2643 Thlr. berechnet wird, eine unverhält- nismässig geringere sei, als die der „Stadt Dresden".

Welchen Erfolg die Bemühungen der Viertelsmeister

Heinrich Friedrich Graf von Friesen. 175

und des die Interessen der Bürgerschaft so warm befür- wortenden Gouverneurs gehabt haben, kann leider nicht berichtet werden; wahrscheinlich ist nach mehreren Rich- tungen hin eine Erleichterung eingetreten. In jedem Falle ist es dem Verfasser dieses Lebensbildes eine Freude, seinen Helden, den er als tapferen, unerschrockenen Sol- daten, als gewandten Diplomaten und als Muster eines eleganten, feingebildeten Hofmanns zu schildern Gelegen- heit fand, zu guterletzt dem Leser noch als freimüthigen, bürgerfreundlichen Vertreter des Rechtes und der Billig- keit vorführen zu können.

Auch die Ruhe des Landlebens in dem seit dem Tode der Gattin und des ältesten Sohnes der jüngere befand sich, obgleich erst elf Jahre alt, der Erziehung halber in der Schweiz für ihn verödeten Königsbrück ver- mochte dem schwerleidenden Friesen die Gesundheit nicht wiederzugeben. Im Frühjahre 1739 entschloss er sich, nach Südfrankreich zu reisen, wie gleichzeitige Bericht- erstatter erzählen, um die Bäder von Montpellier zu ge- brauchen. Der Ort stand allerdings in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wie sich später herausstellte sehr mit Unrecht, denn Wind und Staub machen sich hier unangenehmer fühlbar, als in anderen Gegenden des mit- täglichen Frankreichs, seiner milden Lage wegen besonders bei den Engländern in gutem Rufe, wogegen der Ver- fasser von Bädern in Montpellier sonst nie etwas gehört hat. Wenn daher Friesen sein Reiseziel nicht bloss aus Vorliebe für den ihm von seinen Jugendjahren her lieb- gewordenen, von der Natur bevorzugten Himmel des süd- lichen Europas gewählt und durch Zufall gerade auf Mont- pellier gekommen ist, so möchte hier vielleicht ein sehr frühzeitiges Beispiel der erst später so beliebt gewordenen Luftkuren vorliegen.

Friesen war auf der Reise von seinem Sohne Heinrich August, der sich unterwegs in Lyon an den Vater anschloss, und dem Wundarzt ^^^eise begleitet. Die Versammlung der Stände von Langucdoc, welche ein geräuschvolles Zusammenströmen des lebenslustigen französischen Adels in Montpellier veranlasste und für Friesen um so unbequemer und störender wurde, als sich unter der glänzenden Menge mancher alte Bekannte befinden mochte und er dadurch zu gewissen geselligen Rücksichten genöthigt ward, bestimmte den Schwer- erkrankten, den Aufenthalt in Montpellier mit dem in dem

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nur wenige Stunden davon, unmittelbar am Meere liegenden kleineren Orte Cette zu vertauschen. Aber die Leiden Friesens steigerten sich so, dass der Gequälte weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe finden konnte, bis ihn am 8. De- zember 1739 ein verhältnismässig sanfter Tod von seinen Schmerzen befreite. Er hatte sich an diesem Tage abends, ohne Vorzeichen des nahen Endes gewahren zu lassen, ruhig zu Bette begeben, dann aber mit der Matratze auf den Fussboden legen lassen und einige Stunden darauf den Geist aufgegeben. Der junge Graf war bei dem Tode des Vaters nicht zugegen; keine Gefahr ahnend, hatte er mit seinem Hofmeister gerade einen Ausflug in die Um- gegend gemacht, von dem er erst nach dem Trauerfalle zurückkehrte.

In Sachsen rief die Kunde von dem Tode des hoch- geachteten Mannes allgemeine Bestürzung hervor; verlor man doch in dem Grafen Friesen, von dessen übrigen Eigenschaften abgesehen, einen der damals so seltenen höheren Beamten, welcher für Bestechungen unzugänglich, seine Hände wie sein Wappenschild von jedem Flecken rein zu halten gewusst hatte. Friesen war in der That nicht bloss ein Mann von bedeutendem Talent und Wissen, in welcher Beziehung ihn vielleicht bloss der geniale, elf Jahre vor Friesen verstorbene Flemming überragte, sondern auch unter allen Hof- und Staatsmännern des da- maligen Sachsens derjenige, der am meisten wahre Würde zeigte; er war mit einem Worte ein Charakter. Was Friesens äussere Erscheinung betrifft, so schildert ihn sein Freund Haxthausen als von kleinem, aber eben- massigem W\ichse und sehr mager. Die Züge seines länglichen Gesichts mit leichtgebogener Nase trugen den Stempel der Vornehmheit, konnten aber je nach seinem Willen ebenso schnell den Ausdruck der liebenswürdigsten und anmuthigsten Höflichkeit, wie den eines kalten, ab- weisenden Stolzes oder schneidender Ironie annehmen.

Die weitere Geschichte des gräflichen Zweiges der Friesen'schen Familie ist keine lange. Der einzige, den Grafen Heinrich Friedrich überlebende Sohn, August Hein- rich, trat schon 1742, fünfzehn Jahre alt, als Fähnrich mit Lieutenantsrang beim Garde-Regiment in hessen-kassel- sclie Dienste. Nachdem er hier zum Hauptmann befördert

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worden war, wurde er 1744 als Oberstlieutenant bei der Garde du Corps in die sächsische Armee aufgenommen und wohnte als solcher den Schlachten und Gefechten des zweiten schlesischen Krieges in Böhmen, Schlesien und Sachsen bei. Als 1745 ein österreichischer Erzherzog ge- boren ward, sendete König August III. den zum Obersten und Kammerherrn ernannten achtzehnjährigen Grafen Friesen zur Beglückwünschung nach Wien. Im folgenden Jahre erhielt er das zeither den Namen seines Oheims, des Grafen Cossell, führende Infanterie-Regiment, welches später (seit 1798) Prinz Friedricli August hiess, dann 1836 dem Prinzen Georg verliehen wurde und unter diesem Namen als Nr. 106 noch heute besteht. Aber der junge Mann, der bei Striegau und Kesselsdorf bereits unter unglücklichen Ver- hältnissen den Beweis geführt hatte, dass der soldatische Geist des Vaters und Grossvaters auf ihm ruhe, fühlte den unwiderstehlichen Drang, auch unter günstigeren Verhält- nissen den Ruf eines klugen und tapferen Offiziers zu be- währen. Nirgends bot sich hierzu bessere Gelegenheit, als im Dienste des Königs von Frankreich, in dem Friesens Oheim, der Graf Moritz von Sachsen, sich bereits den Marschallstab erworben und durch den Sieg bei Fontenay schnell auf die Höhe eines der ersten Feldherren seiner Zeit erhoben hatte. Friesen eilte daher zur französischen Armee in Flandern, wo er unter der „troupe dor^e de volontaires", die sich hier um die gefeierte Person des Marschalls schaarte, sich durch Tapferkeit und feine Sitte bemerkbar machte und an der Schlacht bei Rocourt am 11. Oktober 1746 in glänzender Weise betheiligte.

Von Brabant begleitete er den Oheim nach Paris und Versailles. „Friesen", schreibt dieser miter dem 10. De- zember 1746 nach Dresden, „platt cxtr^iiement ici', je crois, qu'on lui donnerait volontiers le grade de brigadier."

Dies geschah auch wirklich im folgenden Jahre, und es wurde ihm dabei noch die besondere Gunst gewährt, dass er trotz des Eintritts in den Dienst des Allerchrist- lichsten Königs seine sächsischen Militärchargen, also auch sein Infanterie-Regiment behalten durfte.

In Frankreich ertheilte man Friesen die Erlaubnis, ein neues deutsches Infanterie- Regiment zu errichten, und am Ende des Feldzuges 1748, in welchem er der, durch den Abschluss des Friedens imtcrl^rochenfu Belagerung von Maastricht beiwohnte, erfolgte noch im Dezember seine Ernennung zum Mar^chal de Camp.

Neues Archiv i'. S. G. u, A. U. 2. 12

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In dem Verzeichnisse der 1748 an dem Hofe von Versailles vorgestellten Personen, welche dadurch das Vor- recht der „Entr^es des Carosses du Roi" erlangten, führt die bekannte Memoireuschreiberin, Herzogin von Cröqui, auch „le comte de Friese^ legitime de Saxe" auf.

Am 5. Juli 1749 kam Friesen mit dem Marschall von Sachsen zu einem Besuche nach Dresden, wo er mit grosser Auszeichnung aufgenommen und auch zum sächsisch-pol- nischen Generalmajor ernannt wurde.

Als im folgenden Jahre, am 30. November 1750, Moritz von Sachsen in Chambord starb, vt^ard Friesen zwar nicht dessen Erbe, denn der Marschall hatte hierzu testamen- tarisch den Gemahl seiner Lieblingsschwester Marie Aurora Rutowska, den Grafen (Jlaude-Marie de Bellegarde, be- zeichnet, wohl aber wurde der letzten Bitte des Helden, dass seine militärischen Privilegien auf seinen Neffen Friesen übertragen werden möchten, vom Könige Ludwig XV, durch Patent vom 5. Februar 1751 feierlich entsprochen. Somit erhielt der dreiundzwanzigjährige Marechal de Camp neben seinem französischen Infanterie-Regiment auch noch das berühmte Ulanenregiment, welches von dem grossen Oheim nach dem Muster der sogenannten tatarischen Hof- fahnen, die er in den Reihen der sächsischen Armee im zweiten schlesischen Kriege kennen gelernt hatte, für Frankreich errichtet worden war. Auch die Gouverneur- stelle des schönsten Königsschlosses aller Länder, des prächtigen Chambord, wurde Friesen auf Lebenszeit über- tragen, während er aus dem eigentlichen Nachlasse des Oheims nur den werthvollen Brillanten le Prague, den die böhmische Hauptstadt im Jahre 1741 ihrem Eroberer zum Geschenk gemacht hatte, und ein Exemplar des Manu- skriptes der berühmten Reveries erhielt.

Aber Graf Friesen sollte sich seiner zahlreichen Ehrenämter, welchen der König noch eine Pension von 12000 Livres hinzufügte, nicht lange erfreuen. Gegen Ende März 1755 wurde er von den Masern befallen, zu welchen sich ein bösartiges Faulfieber gesellte, und schon den 29. März, fünf Tage nach der Erkrankung, raffte ihn der Tod in der Blüthe seines Lebens dahin. Er starb in seinem Hotel zu Paris, noch nicht achtundzwanzig Jahre alt, in Gegenwart zweier Landsleute, der Grafen Schön- berg und Watzdorf. Der Erzbischof von Paris erzeigte ihm noch im Tode eine besondere Rücksicht, indem er die Genehmigung ertheiltc, dass Friesen, der Protestant,

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in der Parocbialkirclie seines Stadtviertels, der Madeleine Ville l'Eveque, beerdigt wurde.*")

So sehen wir in dem Enkel des ersten Grafen, des kaiserlichen Feldzeugnieisters, die gräfliche Linie des Hauses Friesen schon wieder erlöschen. Durch die drei Generationen derselben wiederholen sich hervorstechende Charakterzüge lebhafter Ehrgeiz, Tapferkeit, Uneigen- nützigkeit und edle Gesinnung gepaart mit hoher Geistes- bildung und aristokratischen Formen; von seinem Vater hatte der letzte Graf Friesen die leichtblütige, sinnliche Natur und Liebenswürdigkeit im geselligen Verkehr, nicht, wie es scheint, dessen eiserne Energie geerbt.

*") Nach dem Tode des Grafen August Heinrich suchte dessen noch immer auf dem Schlosse Stolpen iu Gewahrsam gehaltene Gross- mutter, die Gräfin Cossell, sich in den Besitz der nachgelassenen sächsischen Güter zu setzen; sie musste dieselben jedoch gegen eine Abfindungssumme dem Freiherrn Johann Friedrich Ernst von Friesen auf Rötha, dem Vetter des verstorbenen Grafen, abtreten. Die Güter blieben indessen auch nicht in dieser Linie. Königsbrück mit Kosel, Grüngräbchen und Steinborn erkaufte 1713 der erste Graf Redern, welcher später preussischer Oberhofmarschall wurde, der Gemahl der reichen Bankierstochter Horguelin oder Orgueliu; Schönfeld mit Zubehör (Jessen, Graupen, Pratschwitz) wurde nach längeren Difl'e- renzen mit den Erben der Töchter des Geheimrathsdirektors Friesen 1787 als kurfürstliches ChatuUengut erworben.

W

Literatur.

Denkwürdigkeiten des Halleschen Rathsmeisters Spittendorf.

Herausgegeben von der Historischen Commission der Provinz Sachsen. Bearbeitet von Prof. Dr. Julius Opel. Halle, Otto Hendel. 1880. 8». XLVIII, 582 SS. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Elfter Band.)

Die Stadt Halle erfreut sich bekanntlich keines be- sonderen Reichthumes an Quellen für ihre mittelalter- liche Geschichte; doch befindet sich unter dem, was sich bis auf unsere Tage erhalten hat, manches Stück, das durch Umfang und inneren ^^erth uns über manche ver- lorene oder in Halle nicht so wie in anderen deutschen Städten gezeitigte Frucht historiogi-aphischer Thätigkeit zu trösten im stände ist. So kann und muss Halle von vielen Seiten um den Besitz einer Perle unter den mittel- alterlichen Geschichtsquellen, um den der unter obigem Titel zum ersten Male vollständig herausgegebenen „Denk- würdigkeiten des Rathsmeisters Spittendorf" beneidet wer- den, ohne dass doch wiederum der Werth und das Inter- esse derselben einseitig auf Halle beschränkt wäre. Es sind nicht Zeiten ruhiger, individueller Entwickelung und Fortbildung, die uns diese „Denkwürdigkeiten" schildern, es sind vielmehr ernste, schwere, wechselvolle, aufregende Kämpfe auf dem Gebiete der inneren und äusseren Städte- verfassung, in deren Getriebe und Verlauf uns hier aller- dings unter eigenthümlichem Gesichtspunkt Einblick er- öffnet wird; es ist die gewaltige Krisis in dem städtischen Verfassungsleben, der wir fast in jeder grösseren Stadt unseres Vaterlandes auf der Grenzscheide zwischen Mittel- alter und Neuzeit begegnen: die Vollendung der Demo- kratisierung des städtischen Regimentes gegen die letzten noch bestehenden Vorrechte einer patrizischen oder aristo- kratischen Sondergemeinde, die früher oder später zu einer Einmischung des ehemaligen Stadtherm und zur Wieder-

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herstellung der unter vielen Opfern und Mühen bis auf ein Minimum abgestreiften Oberhoheit desselben in streng- ster Fassung führte. Beide Katastroplion fanden in Halle verhältnismässig früh statt und beide folgten einander in dem kurzen Zeiträume der Jahre 1474 bis 1479. Kaum wäre der innere Zwist der Halleschen Bürgerschaft so schnell zu einem verhängnisvollen Ende gediehen, wenn nicht inmitten desselben die Regierung des Erzstiftes Magdeburg unter den Einfluss einer grossen, weitaus schauenden Politik getreten wäre, deren Machtentfaltung in jener Zeit auch das besondere Interesse der Leser dieses Blattes für die neue Publikation erwecken muss. Erz- bischof Ernst, der die Früchte jener Umwälzung zu ernten berufen war, war ein kursächsischer Prinz, und es hatte durch seine Erhebung auf den Erzstuhl die Macht seines Hauses einen für jene Tage bedeutungsvollen Sieg er- rungen und eine Erweiterung erfahren, die, wenn bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts aufrecht er- halten, die Geschicke von ganz Deutschland in andere Bahnen zu lenken vermocht hätte. Allerdings war Herzog Ernst bei seiner Postulation noch nicht älter als 11 Jahre; um so mehr lenkten die ihm von Haus aus beigegebenen, in allen Pfaden der Diplomatie erfahrenen ßäthe, unter denen vor allen Johann von A^'eissenbach , der Bischof von Meissen, hervorragt, im Vereine mit den Vertretern der sächsischen Partei unter den erzstiftischen Ständen die Verwaltung und Regierung des Stiftes im Sinne der wettinischen Hauspolitik, und Hess es die letztere hin- wiederum an ideeller und materieller Unterstützung des jungen Erzbischofes nicht fehlen. Gegenüber solchen in den Kämpfen der grossen Reiclispolitik erprobten und in allen staatsrechtlichen Konflikten reich erfahrenen Männern musste sich eine Stadt wie Halle von vornherein in nach- theiligster Stellung befinden, und ihre Lage konnte nur um so verwickelter und bedrängter werden, je un- umschränkter und rückhaltsloser sich die Alleinherrschaft der „Innungsmeister" und der Vertreter der „Gemeinen" geltend machte. Das muss selbst ein weniger vorurtheils- freier Beurtheiler dem Patriziate in den deutschen Städten und in Halle der alten pfännerschaftlichen Gemeinde zum Ruhme naclisaüen, dass sie es nie an wahrem Patriotisnuis haben fehlen lassen und stets einen bedachtsamen, erfolg- reichen Kampf für das gemeine Bt^ste und vor allem für die äussere politische Unabhängigkeit ihrer Vaterstadt ge-

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führt haben, während die demokratischeren Parteien in kurzsichtiger Verfolgung- der nächsten und eigensüchtigen Ziele und kopfloser Unsicherheit in ihren gewaltsamen Massnahmen zur Vernichtung aller einst erkämpften Vor- theile redlich beigetragen haben.

Mitten in einem derartigen Kampfe stand und schrieb der Verfasser der vorliegenden Denkwürdigkeiten. Einem ursprünglich vielleicht edlen Geschlechte, das sich nach dem am Petersberge belegenen Dorfe gleichen Namens nannte, entstammend, waren die Vorfahren des Marcus Spittendorf oder Spickendorf seit dem 14. Jahrhundert schon in Halle ansässig und lassen sich seitdem ständig- unter den „Pfännern", der Genossenschaft der Lehns- inhaber der Salzquellen im „Thale", und mehrfach auch als Meister im Rathe der gesammten Stadt nachweisen. Freilich fungierten sie hier nur eben noch als die in der Minderzahl befindlichen Vertreter der streng geschlossenen und bevorrechteten Sondergemeinde, die doch ursprüng- lich wohl den Kern der Bürgerschaft gebildet hatte. Mit Recht kann man Marcus Spittendorf als den befähigtsten und einflussreichsten Führer und Vorkämpfer dieser Partei in jenen Verfassungs wirren bezeichnen und muss ihm RechtschafFenheit, Besonnenheit, Aufrichtigkeit und einen lebendigen Patriotismus nachrühmen; wer möchte mit ihm darüber rechten, wenn er sich hie und da grollend und ergrimmt über die Behandlung, die man ihm und seinen Genossen seitens der demokratischen Partei im Rathe zu Theil werden lässt, ausspricht", nie überschreitet er aber selbst in seinem Zorne und seiner Erregung trotz der derben Ausdrücke jener Zeit die Grenze des Erlaubten; wie Schweres auch über seine Person von selten der städtischen Behörden und später vom Erzbischofe ver- hängt wurde, so zeigen seine von wahrem kirch- lichem und religiösem Sinne getragenen Klagen nichts Unmännliches und Unwürdiges; es scheint fast, als ob die Aufzeichnung des Erlebten und Erlitteneu ihn alsbald mit seinem Geschicke ausgesöhnt habe. Wenn man so die treuherzigen, einfachen Schilderungen in dem alter- thümlichen, aber doch S(^ leicht verständlichen Stil unserer Muttersprache liest, da treten uns die Personen und Er- eignisse in einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit ent- gegen, die uns gern über den Mangel des Pragmatismus hinwegsehen lassen; Spittendorf wollte ja keine Geschichte schreiben, wollte uns nicht den inneren Zusammenhang

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der ursäcliliclien Vorgänge und ihrer Folgen darlegen; er beabsichtigt eben nur, ims eine Schilderung der Er- eignisse zu geben, wie dieselben verliefen, sich folgten und sich ihm darstellten. Seine Denkwürdigkeiten tragen daher eine gewisse parteiische Färbung, aber der Ver- fasser giebt sich durchaus keine Mühe, anders zu erschei- nen als er ist, und sein Werk war von ihm selbst wohl kaum bestimmt, in die Oeffentlichkeit zu gelangen und für seine Person und Partei als Rechtfertigungsschrift zu dienen; der Geschichtsforscher der späteren Zeit weiss von vornherein, wie und in welchem Umfange er die hier vorliegende Ueb er lieferung als Quelle benutzen darf.

Der Herausgebor hat es leider und das ist die einzige Ausstellung, die gegen die sonst vorzügliche Edition zu erlieben wäre nicht unternommen, die Glaubwürdig- keit und historische Treue der Spittendorf'schen Berichte an anderem Quellenmaterial zu erproben ; wir können uns nur denken, dass die Furcht, die geplante Ausgabe durch eine derartige zeitraubende Untersuchung noch auf lange zu verzögern, ihn von dieser Massnahme abgehalten hat. Die Nachholung dieser Untersuchung bleibt soiuit eine lohnende und würdige Aufgabe für weitere Forschungen; ohne sie werden wir uns, wie es der Herausgeber in etwas zu subjectiver Auffassung thut, nicht dazu ver- stehen können, die Beschwerden der Gemeinheit über die Pfännerschaft als berechtigt und begründet anzusehen. Wenn es Spittendorf unternimmt, durch die Beibringung von statistischem Material den Beweis zu führen, dass der von der Pfännerschaft angesetzte Salzpreis im rich- tigen Verhältnis zu den bei der Fabrikation erwachsenden Kosten stehe, so muss er seiner Sache doch sicher ge- wesen sein; nach seinen Darlegungen hat es durchaus den Anschein, als sei es der demokratischen Partei des Rathes darauf angekommen, durch behördliche Ansetzung niedriger Salzpreise den TA'ohlstand und damit Ansehen wie Einfluss der mächtigen Genossenschaft zu untergraben; überhaupt ist der „Gemeinheit" die herkömmliche, selbst- ständige und abgeschlossene Verwaltung und Regierung des „Thaies" ein Dorn im Auge gewesen und es sind stetig von ihrer Seite erneute Versuche gemacht worden, mehr und inehr von den dortigen Angelegenheiten vor das Forum des Rathes zu ziehen, umgekehrt stellte man dann an die Vertreter der Pfännerschaft die Anforderung, sich in solchen Fällen von der Berathung und Beschlussfassung

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zurückzuziehen; da liegt denn bei der eigenthümlielien Verquickung der allgemeinen städtischen Verhältnisse mit der Thätigkeit der Pfännerschaft und ihrem Gewerbe- betriebe die Frage nahe, ob nicht überhaupt jeder vor- kommende Verhandlungsgegenstand in solchem Sinne auf- gefasst und ausgelegt werden konnte, so dass die obige Massregel einer völligen Ausschliessung der pfännerschaft- lichen Vertreter aus dem Rathe gleichkam. Man kann es sich denken ; dass Spittendorf und seine Genossen sol- chen Zumuthungen den hartnäckigsten Widerstand, ja völlige Unnachgiebigkeit und Unbeugsamkeit entgegen- stellten, lieber Geldstrafen und Haft, Beleidigungen und Anfeindungen über sich ergehen Hessen; nur der Vermitte- lung und dem Schiedssprüche der befreundeten nieder- sächsischen Städte, die sich der Angelegenheit aufs ernsteste annahmen, öffneten sie willig ihr Ohr, während die feind- liche Partei, der es nicht auf einen Ausgleich der Zwistig- keiten ankam, sondern auf den eigenen völligen Sieg, mit kleinlichen Schlichen jedes Kompromiss zu verhindern bemüht waren. Der Regierungsantritt des neuen Erz- bischofs gab indes der Volkspartei, die im wesentlichen blindlings den Aufreizungen einiger verwegener und fa- natischer, zugleich aber beschränkter Wortführer folgte, Gelegenheit, ihre Rache an der Pfännerschaft in voller Ausdehnung zu befriedigen. An Streitpunkten, die auch ein Rath in der damaligen Verfassung dem Stadtherrn gegenüber erheben musste, fehlte es nicht; wohl um die Aufmerksamkeit des letzteren von diesen Fragen abzu- ziehen und schliesslich seine Nachgiebigkeit hier zu er- kaufen, lenkte man alsbald die Aufmerksamkeit der stif- tischen Regierung auf die Verhältnisse im Thale und fand damit bei den auf Verbesserung der Staatsfinanzen be- dachten Gliedern derselben den günstigsten Boden, sodann überstürzte man die Erzbischof Ernst zu leistende Huldi- gung derart, dass die Pfännerschaft ihren alten Anspruch auf eine erste unentgeltliche Belehnung mit den Soolgütern durch den neuen Erzbischof nicht geltend machen konnte, und als jene nunmehr nach geleisteter Huldigung mit ihren Ansprüchen hervortraten, fanden sie beim Rathe statt der in gutem Glauben erwarteten Unterstützung und Vertretung nur Widerstand, Hemmnisse und geheimes Einverständnis mit den Erzbischöflichen. Und hiei'bei blieb man nicht stehen; im Vertrauen auf den Anhang in der Stadt verhielt sich Erzbischof und Stift in den bis ins

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Unendliche ausgedehuten Verliandlungeu iinnacligicbig gegen alle Verraittelungsvorscliläge und gegen alle Bitten der Pfänner^ die freilicli niclit minder fest auf ihrem Rechte beharrten; so schärfte sich der Zwiespalt mehr und mehr und bald galten die Pfänner towohl bei dem Erzbischofe als bei der Vülkspartei als Ungehorsame und Aufrührer, deren Unterdrückung mit Gewalt durchzu- führen sei. Ein Schreiben des Erzbischofs vom 16. Sep- tember 1478 gab diesem Gedanken offen Ausdruck und musste namentlich die Pfänner über ihre o-efährliche Lage aufklären, und da ist es wohl für unsere Beurtheilung der Verhältnisse gleichgültig, ob die Pfänner, wie andere Quellen behaupten, zuerst zu den Waffen griffen, jeden- falls um einem drohenden Angriff zuvorzukonnuen, oder ob, wie Spittendorf angiebt, die Volkspartei in Verfolg der erzbischöflichen Aufforderung zuerst Anstalten zu einer Vergewaltigung der Pfänner machte und diese zu ihrer Vertheidigung mit Gegenmassregeln geantwortet haben*, sicherlich war der Anhang, den die letzteren fanden, er- heblich grösser, als man von ersterer Seite erwartet hatte, und so nahm man zum Scheine hier die lange verweigerte Vermittelung der sächsischen Städte an, doch nur, um unter dem Deckmantel derselben vom Giebicheustein eine Verstärkung von stiftischen Truppen herbeizuholen, diesen auf verrätherische Art das eine der Hauptstadtthore aus- zuliefern und hiermit die ganze Stadt in die Hände des Erzbischofs zu bringen. Dass ein hartes Strafgericht über die Pfänner erging, war natürlich; ihre Genossen- schaft Avurde gänzlich aufgehoben und damit erreichte auch ihre Vertretung im Rathe ein Ende, die Mehrzahl ging des vierten Theiles ihrer Lehen an den Thalgütern verlustig und, wie sich aus einem vom Herausgeber bei- gefügten zeitgenössischen Register ergiebt, waren es die Häupter der Volkspartei, die mit den konfiszierten Gütern ausgestattet und belohnt wurden; ferner mussten erstere noch den fünften Theil ihres Vermögens als Strafe zahlen und ein Theil derselben sogar die Stadt verlassen, doch wurde das Verbannungsurtheil nicht, wie die Volkspartei es gewünscht , in der schimpflicheren Form ausgesprochen. Auch Spittendorf gegenüber, der, wie früher im Kampfe als Führer, sich jetzt als Anwalt seiner Genossen bewährte, verfuhr der Erzbischof mit grösserer Milde , als dessen Gegner erwartet hatten. Nach Einnahme der Stadt zu- nächst mit Hausarrest belegt, dann in Calbe in hartem

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Gefängnis gebalten , aucli einmal eine Stunde lang ver- geblich „scharf befragt", gelang es ihm, auf dem Wege der Verhandlung höhere und strengere Strafen als die oben bezeichneten von sich und seiner Partei abzuwenden; nicht einmal die Verbannung traf ihn, geschweige denn die anfangs gefürchtete Leibesstrafe. Schlimmer als alle persönlichen Leiden berührte ihn aber das Schicksal der Stadt, die nunmehr dem Erzbisthume wieder in strengerer Abhängigkeit unterworfen wurde, während sich der jetzt ganz demokratisierte Rath über diesen Verlust leichten Sinnes hinwegsetzte.

Wir haben hiermit versucht, eine Summe aus dem reichen Inhalte unserer Quelle zu ziehen •, wer mit Quellen dieser Gattung vertraut ist, kann sich an der Hand dieses Auszuges wolil ein vollständigeres und lebendigeres Bild des Ganzen entwerfen; ebenso wird der Kenner auch wissen, dass nach Art der mittelalterlichen Chronisten neben der Schilderung jenes grossartigen Kampfes auch mancherlei kleinere Mittheilungen über Ereignisse und Personalien aus der nächsten und weiteren Umgebung eingeflochten sind, die das Werk zu einer reichen Fund- grube für die Hallesche Spezialgeschichte machen. Früh- zeitig scheint dasselbe daher mehrfach in Abschriften ver- breitet worden zu sein, doch haben sich nur drei der- selben und zwar die ältere, noch dem 15. Jahrhundert angehörige, jetzt in Magdeburg befindliche, nicht einmal vollständig erhalten; die mittlere, jetzt der Marienbibliothek in Halle gehörige, die erst gegen Ende des 16. Jahr- hunderts entstanden ist, ist die allein vollständige und hat für den grösseren Theil der Ausgabe zu Grunde gelegt werden müssen; leider weist sie vielfache Fehler, unverständliche und missverstandene Lesungen auf, so dass es nicht leicht war, einen brauchbaren Text aus ihr her- zustellen, der Herausgeber hat sich indes keine Mühe in dieser Richtung verdriessen lassen und mit grösster Ge- nauigkeit bei seinen stets glücklichen Emendationen auch die verschiedenen Lesarten der Handschriften kritisch berücksichtigt. Der bedeutungsvollen sprachlichen Seite der Quelle ist im übrigen noch durch ein erklärendes Wortverzeichnis Rechnung getragen, das von dem rühm- lichst bekannten Germanisten Prof. Bech in Zeitz herrührt. Zu jenen textkritischen Noten kommt überdies noch eine Fülle erklärender Anmerkungen, die den Leser schnell und eingehend über alle berührten persönlichen und örtlichen

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Verhältnisse, sowie über den Zusammenhang der im Texte besprochenen Ereignisse mit weiteren gleichzeitigen Vor- gängen und mit hie und da zu Gebote stehenden anderen Quellen orientieren; man erkennt hieraus auf das deut- lichste, mit welcher Liebe und Hingebung der Herausgeber sich seiner Aufgabe gewidmet hat, nicht minder aber die Gewandtheit und Sicherheit, mit der er das gesammte historische Material für jene Epoche der Entwickelung von Halle beherrscht.

Einen nicht geringeren Beweis für den Fleiss und die Gelehrsamkeit des Herausgebers liefert die umfäng- liche Einleitung, deren es, um das Verständnis der be- sonderen Halleschen Verhältnisse für den Fernerstellenden zu ermöglichen, diesmal dringend bedurfte. Hier finden wir nach den nöthigen Aufschlüssen über die liandschrift- liche Ueberlieferimg und einer lebendig und anschaulich geschriebenen Charakteristik der Persönlichkeit und der historiographischen Thätigkeit Spittendorfs eine ausführ- liche Darlegung über die Verhältnisse des Thaies, der Pfännerschaft, der Salzgewinnung und der dabei beschäf- tigten Salz Wirker, die heutzutage als Halloren bezeichnet zu werden pflegen, und es folgt hierauf eine gediegene, eingehende Schilderung der Stadtverfassung seit dem An- fange des 15. Jahrhunderts bis zu den durch Erzbischof Ernst eingeführten Aenderungen.

Ebenso sind am Schlüsse der eigentlichen Denkwür- digkeiten noch eine Reihe erwünschter und werthvoUer quellenmässiger Beilagen gegeben: zunächst eine noch- malige aus Spittendorfs Feder herrührende Schilderung der Ereignisse von 1478, in der mögliclieiifalls eine Art Rechtfertigungs- und Vertheidigungsscbrift für die Ver- handlungen gegen die Pfänner, die auf dem Tage zu Salza im Herbst jenes Jahres stattfanden, zu sehen ist und die später ein Seitenstück in einem von Seiten des Rathes für die gleiche Gelegenheit eingereichten Berichte findet; sodann ein in dei' einen Halleschen Handschrift nachgetragener und auch wolil später verfasster Bericht über die Vorgänge des Jahres 1473 und eines Theiles des Jahres 1474, mit dem das Hauptwerk seinen Anfang nahm. An weiterer Stelle finden wir dann einen Abdruck dreier auf die Einsetzung Herzog Ernsts zum Admini- strator von Magdeburg bezüglicher päpstlicher Bullen vom 19. März 1478, ferner den vom 13. Juni 1478 durch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zu Leipzig verein

188 Literatur.

harten Vcrtiag* zwischen dem Erzhiscbof und Stadt üher einen gütlichen Ausgleich aller Streitpunkte, aus dem sich dann die Preisgabe der pfännerschaftlichen Ansprüche seitens des Rathes entwickelte; das Verzeichnis über die Einziehung und Neuverleihung der Soolgüter, dessen wir oben schon gedachten, befindet sich auch unter den Bei- lagen, und zum Schluss wird noch in dankenswerther Weise ein Verzeichnis der Rathsmitglieder von 1401 bis 1472 mitgetheilt, während für die in den Denkwürdig- keiten behandelte Zeit die entsprechenden Namen sich in den Anmerkungen finden. Ein genaues Personen-, Orts- und Sachregister gewährt bei Benutzung der neu erschlossenen Quelle die möglichsten Erleichterungen. Alles in allem genommen, kann sich die Historische Kom- mission der Provinz Sachsen wie der Herausgeber zu einer derartigen Ausgabe einer bedeutungsvollen Geschichts- quelle Glück wünschen.

Halle. W. Seh um.

Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529. (Ursprung uiul Ver- wendung des Kirchenvermögens.) Erläutert von Dr. C Knabe. Torgau, Jacob. 1881. 4". 24 SS. (Auch als Programm des Torgauer Gymnasiums vom Jahre 1881 erschienen.)

Burkhardt in seiner Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen hat höchst interessante Mittheilungen über die beiden Torgauer Visitationen in den Jahren 1529 und 1533 gemacht, konnte aber natürlich dieselben nur in den Hauptzügen darstellen. Die erste dieser Visitationen erfährt eine eingehende Darstellung in dem obengenannten Schrift clien. Es zerfällt in drei Theile: der erste (S. 1 fg.) giebt einen Ueberblick über die Vorgeschichte der Visi- tation, die Reformbewegung in Torgau von 1521 1528. Referent kann den Wunsch nicht unterdrücken, dass Verfasser diesen Theil etwas mehr ausgestaltet hätte durch genaueres Eingehen auf die kirchlichen Zustände Toi'gaus am Ende des 15. imd Anfang des 16. Jahr- hunderts, wozu in den Anmerkungen so schönes Material gegeben ist. Die wichtigsten Personen wie die Ziele der Bewegung würden in der erweiterten Gestalt mehr Leben und Farbe gewonnen haben. Aus der Darstellimg er- giebt sich, dass dank den Bemühungen des Pfarrers Gabriel Didymus unter dem Schutze des Kurfürsten unverzeihlich ist der Druckfehler: Friedrichs des Weissen die Reformation bereits ziemlich durchgeführt

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war, als die Visitatoren Luther an der Spitze am 20. April 1529 nach Torgau kamen. War die neue Lehre auch schon durchgedrungen, so war die Visitation doch insofern wichtig, als durch diese eine gesetzliche Grund- lage für die nevie Kirchenordnung geschaffen, die Frage über die Verwendung des Kirchenvermögens gelöst und die Lehre der neuen Kirchengeraeinde gegenüber den An- griffen der Wiedertäufer, die hier fruchtbaren Boden ge- funden hatten, festgestellt wurde. Die Verhandlung dauerte bis zum 10. Mai. Das Resultat wurde in einem Proto- kolle niedergelegt, welches betitelt ist: „Ordnung der ersten Visitation 1529" und sich im Torgauer Rathsarchiv be- findet. Es bildet den zweiten Theil der Publikation S. 2 8. Die Visitatoren geben sehr eingehende Vorschriften über die Gottesdienstordnung S. 2 4, die Schule S. 4 fg., die Angelegenheiten des gemeinen Kastens S. 5 7, das Ho- spital, die Mädchenschule S. 7 fgg.

Der dritte Theil giebt Erläuterungen dazu, in einer Reihe werthvoller Anmerkungen, welche sich auf Nach- richten des Rathsarchivs stützen und eine reiche Fülle von Stoff zur Geschichte des kirchlichen Lebens in Tor- gau im Reformationszeitalter enthalten, aber auch für die Geschichte überhaupt viel Interessantes bieten. Dieselben beziehen sich auf die Lebensgeschichte der Geistlichen besonders S. 9, der Lehrer S. 10, auf das Einkomnien der Kirchen, so besonders S. 13 fgg., auf die Kleinodien der Gotteshäuser imd Klöster, auf die Gehaltsverhältnisse S. 19 fgg. Ein Anhang berichtet über die Münzverhältnisse wie über die Quellen Auch aus dem Protokolle der zweiten Visitation von 1534 werden einzelne Stellen mit- getheilt. Dieselben, wie die von Burkhardt gegebenen Notizen lassen den Wunsch rege werden, dass auch dieses zweite Protokoll zur Veröffentlichung gelangen möge. Es würde durch die Vergleichung der beiden Dokumente deutlich zu Tage treten, welchen segensreichen Einfiuss diese erste Visitation auf die Konsolidierung der kirchlichen Verhältnisse Torgaus geübt hat.

Dresden-Neustadt. Georg Müller.

190 Literatur.

üebersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Bergei', Ed. Geschichte des Buchhandels in der Lausitz im 19. Jahrhundert bis 1879: Neues Lausitzisches Ma- gazin. Bd. LVL S. 260—271.

Beust, Ferd. Graf. Erinnerungen zu Erinnerungen. Erste und zweite Auflage. Leipzig, Wo Her. 1881. 8". III, 80 SS.

Biedermann, K. Die Geschichte der Leipziger Kramer- Innung 1477 1880. Ein urkundlicher Beitrag zur Handelsgeschichte Leipzigs und Sachsens. Im Auftrage der Kramer-Innung verfasst. Als Manuskript gedruckt. 8». VII, 182 SS.

Biidczies, Fr. Der Feldzug der sächsischen Armee durch die Mark Brandenburg im Jahre 1635 und 1636. Aus dem Tagebuche eines Zeitgenossen: Märkische For- schungen. Bd. XVI. S. 303—386.

Edelmann. Ein ßechtsstreit aus dem 15. Jahrhundert. Beitrag zur Geschichte der Oberlausitzer ßechtsver- fassung: Neues Lausitzisches Magazin. Band LVL S. 202—215.

Ermisch, Hubert. Studien zur Geschichte der sächsisch- böhmischen Beziehungen in den Jahren 1464 bis 1471. Mit urkundlichen Beilagen. Dresden, Wilhelm Baensch. 1881. 8». 144 SS.

Herrmann, Balduin. Der Kampf um Erfurt 1636 1638. Halle, Niemeyer. 1881. 8". 130 SS.

V. Keller, Karl Freiherr. Tagebuch aus der Genealogie des Hauses Wettin. 1. Lieferung. Leipzig, Meisel. 1881. 8«. 106 SS.

Knabe, C. Die Torgauer Visitations - Ordnung. Siehe oben S. 188.

Knothe, Herrn. Untersuchungen über die Meissner Bis- thumsmatrikel, soweit sie die Oberlausitz betrifft: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVL S. 278—290.

Neubert, Heinr. Moritz. Zur Geschichte der Sophienkirche zu Dresden, namentlich in Bezug auf deren rechtliche Stellung. Gutachten. Gedruckt auf Beschluss des Rathes zu Dresden. Dresden 1881. 8". IV, 88 SS.

Literatur. 19]

Paur, TL Ursprung und Ausgang der Görlitzischon Poeten- gesellschaft in Leipzig zu Anfang des 18. Jahrhunderts: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVI. S. 243—259.

Peter, Herrn. G. E. Lessing und St. Afra. Deutsche Rundschau. Jalirgang VII. Heft 6. S. 366—388.

Das Urkundliche über G. E. Lessings Aufenthalt auf der Landesschule St. Afra 1741 1745: Archiv für Literaturgeschichte. Bd. X. Heft 3. S. 285-308.

Petermann, K. Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten kultur- geschichtlichen Erscheinungen. Für den Unterricht in vaterländischen Schulen bearbeitet. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig, Klinkhardt. 1881. 8". XVHI, 494 SS.

(Petzlioldt, J.) Joannea. Zur Verständigung über Das, was zur Vorbereitung einer künftigen Biographie des Königs Johann von Sachsen bereits gethan worden ist und was noch getlian werden kann. Dresden 1880. 8". 16 SS. (Sej)arat-Abdruck aus Petzholdts „Neuem An- zeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft.

1880. Heft 8, 9 und 10.)

Die beiden fürstlichen Freunde , König Johann von Sachsen und Friedrich "\A'ilhelm IV. von Preussen : Wissen- schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1881. Nr. 39.

Posse, Otto. Die Markgrafen von Meissen und das Haus Wettin bis zu Konrad dem Grossen. Mit 4 Stamm- tafeln und 8 Karten. Leipzig, Giesecke & Devrient.

1881. 8^ XV, 464 SS.

Rohmann, Th. Chronik von Tharandt nebst Geschichte des alten Schlosses und dessen ehemaliger Bewohner. Tharandt (Selbstverlag) 1880. 8". 70 SS.

Schönu'älder. Die hohe Landstrasse durch die Oberlausitz im Mittelalter: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVI. S. 342—368.

Seifert, Friedrich. Die Durchführmig der Reformation in Leipzig 1539 1545. Inaugural- Dissertation. Leipzig 1881. 8^ 40 SS.

Spiess, Edm. Erliard Weigel, weiland Professor der Ma- thematik und Astronomie zu Jena, der Lehrer von Leibnitz und Pufendorf Ein Lebensbild aus der Uni- versitäts- und Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts, gleichzeitig ein Beitrag zur Geschichte der Erfindungen, sowie zur Geschichte der Pädagogik. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen gezeicimet. Leipzig, Klink- hardt. 8. VII, 157 SS.

192 Literatur.

(Tittmann, Carl.) Dresden vor hundert Jahren. Eine Chronik aus dem Jahre 1780, Dresden, C. Tittmann. 1881. 107 SS.

Weissenborn, J. C. Hermann. Acten der Erfurter Uni- versität. Herausffeo-eben von der historischen Commis- sion der Provinz Sachsen. I. Theil. Halle, O. Hendel. 1881. 4«. XXVII, 442 SS.

Wüisch, E. G. Des Zittauer Dichters Johann Benjamin Michaelis Autobiographie: Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LVL S. 291—335.

Wolfrum, Carl. Die öflfentliche Handelslehranstalt zu Leipzig in den Jahren 1831 1881. Zur Jubelfeier am 23. Januar 1881. Herausgegeben von der Kramer- Innung zu Leipzig. 8". 112 SS.

Das statistische Bureau für das Königreich Sachsen in den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens. Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum am 11. April 1881. Herausgegeben von der Direktion des statistischen Bu- reaus. Leipzig, Duncker & Humblot. 1881. 8". 96 SS.

50. und 51. Jahresbericht des Vogtländischen Alterthwms- forschenden Vereins zu Hohenleuhen und 2- und 3. Jahres- bericht des Geschichts- und Alterthumt>for sehenden Vereins zu Schleiz. Im Auftrage des Directoriums herausgegeben von M. Dietrich. 8^

Inhalt: Köhler, Die Dämoneusagen des Erzgebirges. Alberti, Die ältesten Stadtrechte der Keussischeu Städte. Alberti, Dfe Fa- milie „von Plauen" in Schleiz. Eifel, Bericht über neuere im In- teresse des Vogtländischen Alterthumsforschenden Vereins ausgeführte Ausgrabungen.

Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung

vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig.

Siebenter Band. Leipzig, T. O. Weigel. 1881. 8».

Inhalt: Merkel, Zur Gesc-hichte der sächsischen Erbfolgeord- nung. Stübel, Cunntz von KauüFungen, Komödie in tünf Acten, gedichtet im Jahre 158.'i von Nicolaus Roth. Stübel, Verzeichnis der der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig gehörigen Originalurkunden von 1319—1430.

VII.

Die Berka von der Duba auf Hohnstein, Wildeu-

stein, Tollenstein und ihre Beziehungen zu den

meissnischen Fürsten.

Von Herniaiiii Knothe.

Das alte böliraisclie Herreiiffesclileclit der Berka von

ö^

der Daba liatte sich frühzeitig- in eine Menge von Linien getheilt, welche besonders im Nordosten Böhmens zahl- reiche und ausgedehnte Güter besassen. Einer dieser Linien gehörten bis gegen die Mitte des 15. Jahrliunderts die drei dicht an einander grenzenden Herrschaften Ilolm- stein, Wildenstein und Tollenstein-Schluckenau, von denen die beiden ersteren ganz, die letztere wenigstens zur Hälfte (Schluckenau) vor Zeiten Bestandtheile des Gaues Nisani, also des Markgrafthums Meissen gewesen waren. Der geographischen Lage dieser Herrschaften zufolge konnte es nicht fehlen, dass ihre Besitzer in mancherlei nachbarliche Beziehungen zu den Markgrafen und den Bischöfen von Meissen kamen, welche endlich dazu führten, dass eine dieser Herrschaften nach der andern in den Besitz der Markgrafen überging und so, zum Theil freilich nur auf Zeit, wieder mit den alt- meissnischen Landen verbunden wurde. Wir glauben, dass die zusammenhängende Dar- stellung dieser Beziehungen als ein Beitrag nicht nur zur Genealogie der Berka von der Duba, sondern auch zur sächsischen Landesgeschichte betrachtet werden darf.

Neues Archiv f. S. Ü. u. A. 11. 3. 13

194 Hermann Knothe:

Die ursprüngliche Herrschaft Holinstein wurde im Nordwest von dem Polenzfluss, im Südwest von der Elbe begrenzt, nur dass dort Lohmen, liier Weiden, Ratlien, und der Lilienstein, sämmtlich mit Zubehör, nicht dazu gehörten. Im Süden und Osten reichte sie bis an die heutige Landesgrenze zwischen Sachsen vmd Böhmen. ') Dieser ganze, wesentlich aus wildem Felsgebirge und fast undurclidringlichem Wald bestehende südlichste Theil des einstigen meissnischen Gaues Nisani Avar wold nacli dem Tode Heinrichs von Groitsch (1135) an Böhmen gekonuuen und seitdem dabei geblieben.

Die erste urkundliche ErAvähnung einer Herrschaft Hohnstein fällt in das Jahr 1353, wo (Prag IG. August) ein Hinco de Ihihe dictus Berka bekannte, sein Schloss Hohnstein mit allem Zubehör von Kaiser Karl IV. zu Lehn erhalten zu haben, und zugleich gelobte, dasselbe aucli in alle Zukunft von dem Könige und der Krone Böhmen zu Lehn besitzen zu wollen.'^)

Schon 1361 ■^) war dieser Hinko L nicht mehr am Leben, und sein Bruder, ebenfalls Heinrich genannt Berka von der Duba, als Vormund der hinterlassenen Kinder, verpflichtete sich (2. September), dass auch seine Mündel die Veste Hohnstein ewiglich von dem Könige und der Krone Bölmien zu Lehn haben sollten. Unter anderem war hierbei zwischen Kaiser Karl IV. und ihm vereinbart worden, dass für den Fall, wenn alle Kinder seines ver- storbenen Bruders, Söhne wie Töchter, kinderlos stürben, auch alle ihre Güter, Erbe, Lehn und Eigengut, an die Krone zurückfallen, wenn aber nur die Söhne ohne Leibes- lehnserben abgingen, nur Hohnstein und die übrigen Lehn- güter an die Krone gelangen, das Eigengut aber den Töchtern verbleiben solle. Aus dieser Urkunde ergiebt sich einmal, dass es dem Kaiser augenscheinlich darauf ankam, die Leimsqualität von Hohnstein gewahrt zu sehen, sodann dass jener Hinko I. jedenfalls der erste Besitzer aus der Familie Berka war, da seinem Bruder selbst nach dem Tode aller seiner Neffen keinerlei Lehnsanspruch daran zustehen sollte, endlich dass der Verstorbene ausser Hohnstein noch andere Besitzungen in Böhmen, und zwar sowohl Lehn- als Erbgüter, besessen hatte. Auf welchen

') Vergl. Gautscli, Aelteste Gesch. der sächs. Schweiz 98.

^) Bai bin, Mise. VIII, 153.

') Lünig, Corp. jur. feud. II, Ißö.

Die Berka von der Duha auf Holiiisteiii etc. 195

Gütern sein Bruder Heinrich, der Vormund seiner Kinder, gesessen war, erfahren wir nicht, und ist auch bei der gerade in der Familie von Duba üblichen Sitte, mehreren Söhnen den Vornamen Heinrich (Hinko, Hinke, Tlynek) beizulegen, wohl niclit mit Sicherheit zu ermitteln.

Zu den Eigengutern des verstorbenen Hinko I. auf Hohnstein gehörte sicher die Herrschaft Leipa. welche früher Eigenthum der Herren von Leipa, ebenfalls aus der Familie Duba, geAvesen war, zu den Leimgütern aber, wie sich später ergeben wird, die Herrschaft ToUenstein- Schlnckenaii^ welche, entweder ganz oder nur zum Theil, ebenfalls bereits jenem Hinko I. gehört zu haben scheint. Nach seinem Tode erhielt der eine seiner Söhne, Hinko H., Hohnstein und Tollenstein, der andere, gleichfalls Hinko genainit, Leipa. 1381^) erklärte Hinko Berka de Duba, dominus in Lipa, dass die Bürger seiner Stadt Leipa zur Stiftung eines Altars 9 Schock Zins in Oberliebicli bei Leipa gekauft haben „a fratre nostro Hinkone B. d. D., domino in Hohenstain." Es scheint, dass eine Zeit lang beide Brüder noch nach beiden Hauptgütern ihres ver- storbenen Vaters benannt wurden. Wenigstens heisst der Kollator der Kirche zu Leipa, also doch jedenfalls der 1381 erwähnte, als er 1391 *) einen Geistlichen zu einem dasigen Altare präsentierte, Hinco B. dictus de Duba, dominus in Hoenstain et in Lipa, und ebenso sein Bruder auf Hohnstein, als er 1390*^) einen neuen Pfarrer in Rumburg, welches entschieden zu Hohnstein gehörte, an- stellte, Plinco dictus Berka de Dul)a, dominus in Hoiistein et in Lippa.

Der Leipa' er Bruder starb früher, als der Hohnsteiner. Ihm folgte im Besitze von Leipa sein Sohn Hinko mit dem Beinamen Hlmvntsch, den 1399') Hinko H. auf Hohnstein als seinen ..Bruderssohn" bezeichnet. Derselbe war 1410 1420 Landvogt der Oberlausitz ^) und verlor, als katholisch gesinnt, 1423 seine Herrschaft Leipa an die Hussiten. Da seine Nachkommen zu verfolgen nicht in unsrer Absicht liegt, kehren wir zu den Besitzern von Hohnstein zurück.

*) Borovy, Lib. erect. II, 176. Balhiii. Mise. V vol. II. oroct. 69. ') Tingl, Lib. confirrn. V, 80; vergl. 29. 66. Ebenso bei Stiftung eines neuen Altars zu Leipa 1391, Baibin, Mise. V vol. II. erect. 87. •) Tingl V. 2.

') N. Laus. Magaz. 1869. 77. ') Knothe, Rechtsgosch. der ()l)erlausitz 109.

13*

196 Hermann Knothe:

Hinko II. auf Holmstein finden wir 1388 **) als voll- mächtigen Stattlialter König Wenzels in der Herrschaft Mühlberg nebst Strehla an der Elbe , die damals dem böhmischen Könige gehörte, 1396'") als Oberstlandrichter des Königreichs Böhmen, von 1397 1407") aber als Landvogt der Niedeo'lmisitz.

Nach dem Tode Herzog Johanns von Görlitz (1390), des Bruders von König Wenzel, hatte sich bekanntlich deren Vetter, Markraf Jost von Mähren, in den Besitz der Niederlausitz gesetzt und machte nun daselbst Hinko von Hohnstein zu seinem Landvogt. Zu den Anhängern des Markgrafen gehörte unter anderen auch Anshelm von ßonow, der unter Herzog Johann Landvogt von Görlitz und ebenso Besitzer der Burg und Herrschaft Roluiau bei Zittau an der Neisse'^) gewesen war. Nach Herzog- Johanns Tode hatte dieser, jedenfalls aus Furcht vor den Willkürmassregeln des Königs, seine Herrschaft Rohnau sofort und zwar an Hinko von Hohnstein verkauft, wie es scheint auf Anlass Markgraf Josts. Wenigstens er- klärte Wenzel selbst in einem Briefe an die oberlausitzi- schen Sechsstädte (11. Nov. 1396), dass Jost den Burg- stall Rohnau, im Lande zu Zittau gelegen, mit seinem, des Königs, Willen an den von Hohnstein gebracht, der auch in Unwillen von dem König geritten sei, und beide seien seine, des Königs, Feinde geworden.'^) Seitdem verhielt sich die Berka'sche Besatzung der Burg feindlich gegen die Sechsstädte und bescliädigte zumal das benach- barte Zittau durch allerhand Wegelagerei. Daher gebot Wenzel schon in dem angeführten Briefe von 1396 den Sechsstädten, das Schloss Rohnau zu brechen. Inzwischen verlangte nun Hinko IL als Landvogt der Niederlausitz auch von dem königlich gesinnten Ritter von Hockenborn auf Priebus, dass er dem Markgrafen, als dem neuen Landesherrn, huldige, und brannte ihm, da er sich weigerte, sein Städtlein aus und belagerte ihn in seiner Burg. Da wendete sich der von Hockenborn an die ebenfalls könig- lich gesinnte Oberlausitz um schleunige Hilfe, die ihm

») Hauptst.-Arch. Dresd. Üiig. 46-55.

'») Emier, Reliq. tab. terr. Boh. I, 561.

") Neumann, Gesch. der niederlans. Landvögte II, 41 nennt ihn fälschlich „Hlawatsch" oder vielmehr „Slawatz", und ihm folgt auch Scheltz, Laus. Mag. 1881. 56.

'*) Knothe, Gesch. des oberlaus. Adels 452.

") Carpzov, Anal. I, 169.

Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc, 197

nach mancherlei Beratlmngen auf Tagen zu Löbau end- lich auch gewahrt waril, „da tnan sich mit ihm verbrieft hatte". '^) So wurde nun liinko der offene Feind der Sechsstädte. Darum wiederholte (23. Dezember 1398) der König den Befehl, Rohnau zu brechen, und sofort (Januar 1399) erfolgte die Belagerung und die Eroberung dieser Burg'*), welche liinko selbst wohl niemals betreten haben dürfte. Da er (21. Dezember 1399) zugleich mit dem oben (Seite 196) erwähnten Hinko Hlawatsch von der Duba auf Leipa, seinem „Bruderssohnc", dem Ansholm von Konow bekannte, noch 250 Schock Groschen für Rohnau schuldig zu sein'**), so scheinen Onkel und Neffe dasselbe gemein- schaftlich erkauft zu haben.

Später nniss sich auch Hinko IT. mit König Wenzel ausgesöhnt haben, denn 140.5 (5. Januar) finden wir ihn als einen der Landfriedenshüter im Kreise Leitmeritz"), und 1409 und 1410 wieder, wie schon 1396, als Oberst- landrichtcr von Böhmen.'^}

Da er sich, wie aus dem Bisherigen erhellt, nur wenig auf seinem Scldosse Hohnstein aufgehalten hatte, so er- fahren wir auch nur wenig von seinem Walten in dieser seiner Herrschaft. 1388 erkaufte er von Arnold von Haugis- wald auf Stürza (nordAvcstlich von llohnstein) das schon damals wüste und auch später niclit wieder aufgebaute Dorf Ludwiksdorf an der Polcnz bei Langwolmsdorf um 40 Mark Groschen hinzu.'") 1386 verbürgte er sich nebst anderen seines Geschlechts für die Brüder Hans und Ulrich von Biberstein auf Friedland gegen Prager Juden wegen einer Geldschuld.'^") 1391 hatte er einen Rechtsstreit mit „Else, der Witwe Hinko Berkas", be- treffend deren Heiratsgut, welchen das Baroncngericht zu Prag dahin entschied, dass er derselben 80 Schock Groschen, d. h. Güter im Betrage von jährlich 80 Schoek Einkünften, abzutreten habc."^') Wir können kaum glauben,

'♦) Nach den Görlitzer Ratlisrcchnungen. Vgl. Lausitzer Mag. 1881. 40 fg.

'*) Knothe, Gesch. von Rolmaii, Roscnthal, Scharre (1857) 11 fg.

'•) N". Laus. Magaz. 18<i9. 77.

") Urk. im liölim. Kronarchiv zu Prag, Kepos. 201.

'") Enüer, Reliq. tah. lerr. I5(ili. H, dl. (17.

'») Ilaiiptst.- Archiv Orig. iC^'J. Vgl. Götzinger, Geschichte von llohnstein 28.

'») Ilauptst.- Archiv Orig. 4534. 2') Einler, Reliq. 1. 51t.

198 Hermann Knothe :

dass diese Frau Else die Witwe Hinkos I. auf Hohnstein, also Hinkos II. Mutter, gewesen sei, soudern möcliten sie vielmehr für die Witwe seines Bruders Hinko auf Leipa (S. 195) halten, der um das «Jahr 13*,)1 ^-estorben zu sein scheint, und deren Heiratsgut noch auf Hohnstein- schen Besitzungen ausgesetzt sein mochte.

Seit Hinko H. aus der Niederlausitz wieder nach Hohnstein zu längerem Aufenthalt zurückgekehrt war, finden wir nun die Berka zum ersten Mal in nachbarliche Konflikte mit dem Markgrafen von Meissen verwickelt. Am 30. Oktober 1409"''-) thedingten Heinke Berka, Herr zum Hohnstein, und dessen Söhne Heinrich, Heinke der jüngere und Benesch mit dem Markgrafen Friedrich (dem Streitbaren), dessen Bruder Wilhelm (dem Reichen) und dem Vetter von beiden, Friedrich (dem jüngeren von Thüringen), dass erstere ihre Fehden den letzteren künftig jedesmal acht Tage vorher in das Rathhaus zu Dresden verkündigen, und, wenn sie dies Versprechen nicht halten würden, nach Jockrim (bei Stolpen) einreiten sollten. Diese Vereinbarung setzt bereits häufigere Fehden der Berka mit den Meissner Fürsten voraus. Wir wissen nicht, ob die Veranlassung hierzu in politischen Gründen zu suchen sei. Allerdings hatten die Meissner 1398 mit den Ober- lausitzern eine „Einigung" geschlossen gegen alle Laudes- beschädiger, das hiess damals soviel, als gegen die An- hänger Markgraf Josts von Mähren. Wahrscheinlich aber lag der Grund lediglich in den territorialen Verhältnissen. Durch die Dohna'sche Fehde (1402) hatten die Mark- grafen von Meissen nicht nur den Königstein, sondern, als Zubehör, auch das auf dem rechten Eibufer gelegene Rathen und den Lilienstein ^^) und ebenso infolge von Verpfändung von seiten König Wenzels (1404) und Aus- lösung von Jahn von Wartenberg auf Tetschen (1405) sowohl Pirua^*), als das ebenfalls auf dem rechten Eib- ufer gelegene Wehlen erworben. Rings von Hohnsteiner Gebiet umgeben, geriethen nun die Besitzer der Burgen Rathen und Wehlen, jetzt meissnischc Vasallen, leicht in nachbarliche Händel mit den Berka und suchten und fanden Schutz und Hilfe bei ihren Lehnsherren. So wurden denn die Markgrafen in diese Fehden hinein-

"*) Hauptst.- Archiv Orig. 5475.

^*) Gautsch, Aelteste Geschichte der sächs. Schweiz, 45 fg.

=") Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 379. .381.

Die Berka von der Thiba auf Hohiisteiu etc. 199

gezogen. Unsere weitere Darstellung wird tlas eben Ge- sagte besonders in Ijetreff derer von der Oelssnitz auf Rathcn erweisen.

Am 1. Ajn-il 1409") ernannte der zum Ivoiizil naeli Pisa reisende Bischof Rudolpli von Meissen llinko IL au! Hohnstein, „seinen Oheim", zu einem seiner Testaments- vollstrecker, und in demselben Jahre 1409'^**) erlangte Hinko von Holmstein die bisher dem Johann von Michels- berg gehörige Herrschaft Scharfensfein mit Bensen in Böhmen. Den 16. Mai 1410 wird er noch als Oberst- landrichter erwähnt.''') Noch in demselben Jahre aber seheint er gestorben zu sein, nachdem er Hohnstein seit 1361, allerdings ziemlich lange, aber anfangs noch unter Vormundschaft, besessen hatte. 1410 traten nämlich in der Herrschai't Hohnstein Veränderungen ein, wie nur Erb- theilungen sie zur Folge haben.

„Item nach Christi geburt tausent vierhundert vnd im zcehenn jare ist eine bereynunge gescheen vnd ge- gangen zwischen den edeln ern Heinriche, hern auf dem Wildenstein, an einem teil vnd hern Hincko, hern auf dem Scharffenstein, am andern teyll ete."'^*) Hier wird zum ersten jNlal der W'ddenstein als Mittelpunkt einer eigenen Herrschaft erwähnt. Wir glauben, dass dieselbe auch erst in diesem Jahre dadurch geschaffen worden sei, dass nach Hinkos IL Tode bei der Erbtlieilung der eine seiner bereits oben (S. 198) genannten Söhne, nämlich Hinko JIL, Holmstein, der andere aber, ebenfalls Heinrich oder Hinko '^'*), einen Theil der ursprünglichen Herrschaft liohnstein jetzt als besondere, selbständige Herrschaft mit der Burg Wildenstein erhielt. Es lag nahe, dass der Besitzer von Wildenstein sofort auch die Grenzen seiner Herrschaft festgestellt zu sehen wünschte. Der hierbei erwähnte „Herr Hinko Herr auf dem Scharfen- stcine'^ aber ist unsrer Ansicht nacli niemand anders als der ältere Bruder Hinko III. auf IL)hnstein_, welcher hier nur nach der Besitzung genannt wird, deren Grenzen

") Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, ^45.

=") Baibin, Mise. V vol. II. ereet. 172.

") Eniler, Reliq. II, 67.

*') Gautsch a. a. 0. 117 nach llauptst.-Arch. liOc. 8^,10 „Irrunuon zwisclioii denen Ilerrschall'ten Honstein und Tct/.scdien."

-') Auch sonst kommen als Beisitzer im Baronengericlil zu Trag 14(t« vor „Ilinco et Henricus, filii llinconis Berca de Honstein". Enüer, ßel. II, 10.

200 Hermann Knothe:

gegen Wildenstein festgestellt werden sollten. Und so erscheint denn Hinko Herr auf Hohnstein 1412 und öfter als Patron der Kirche in Bensen. Ausser diesen beiden Brüdern (der S. 198 genannte Benesch muss vor 1410 ge- storben sein, wenigstens wird er nicht mehr erwähnt) gab es aber noch einen Namens Hans, welchem Hinko HI. auf Hohnstein 1430''") „die Leite an der Elbe gegenüber Schandau" verkaufte. Diesen halten wir für identisch mit jenem Johann Berka von Duba, welcher 1422 zur Pfarrei in Kreibitz präsentierte, 1424 Bürge für Wilhelm von Eonow war'") und vor 1457 starb und die Städte Kreibitz, Kamnitz, Sandau mit zugehörigen Dörfern hinterliess. ^'■^) In allen drei letzterwähnten Urkunden heisst er dominus in Tolnstein oder de Duba et de Tol- stein und besass in der That auch Warnsdorf und Böh- misch-Seifhennersdorf. Wie sich nämlich aus dem Fol- genden ergeben wird, wurde bei der Erbtheilung 1410 die inzwischen völlig in den Besitz Hinkos II. über- gegangene Herrschaft Tollenstein - Schhickenau zwischen den drei überlebenden Söhnen, Hinko HL auf Hohnstein, Heinrich auf Wildenstein und Johann auf Kreibitz, ge- theilt.

Die neugeschafifne, von Hohnstein abgezweigte Herr- schaft Wildenstein ^^) umfasstc das Rittergut Polenz, die Hälfte der Stadt Neustadt bei Stolpen, die zu Lehn aus- gegebenen Güter Langburkcrsdorf, Krummhermsdorf, Rugiswalde, Rathmannsdorf, die Stadt Sebnitz und die Dörfer Ilertigswalde, Hennersdorf, Lichtenhain, Mittel- dorf, Gosdorf, Hinterhermsdorf, Saupsdorf, Ilinterotten- dorf, endlich südlich der Kirnitsch noch Ostrau und Postel- wifz sammt dem Waldgebirge bis zu der jetzigen Grenze gegen Böhmen. Die Burg Wildenstein, an deren Existenz man gezweifelt hat, bestand schon längst. Sie lag west- lich von dem sogenannten „Kuhstall", dessen ganze Um- gebung noch jetzt der Wildensteiner Wald heisst, imd bildete bisher wohl nur einen festen Punkt zum Schutze des ganzen südlichen Theils der alten Herrschaft Hohn- stein, bewohnt von einem Hauptmann und etlichen Tra- banten. Schon 1311 wird ein „dominus Otto de Wilden-

**) Götzinger, Hohnstein 28. »') Emier, Reliq. IL 191.

") Archiv cesky IH, 565. ") Gautsch a. a. 0. 107 nacli Hauptst.- Archiv Loc. 9923: „Die beyden Schlösser Wilden- und Hohenstein" Bl. 5

Die Berka von der PiiIit auf Ilohnstein etc. 201

stein miles", vielleicht der damalige Hauptmann daselbst, als Zeuge in Dresden, ja schon 1299 ein „Hermannus de "W'ildenstein", vielleicht einst zur dortigen Besatzung ge- hörig, als Rathmann zu Pirna erwähnt. ^*)

Jetzt machte sich zur Aufnahme des neuen llerr- schaftsbesitzers auch eine neue stattlichere Burg nöthig. So erklärt sich, dass 1451 ein ,. alter Wildenstein" aul- geführt wird^'^) und z. B. noch auf der Schenk'schen Karte von Saclisen (Amsterdam 1752) beide Burgen, der alte und der neue Wildenstein_, verzeichnet sind.

Der neue Besitzer von Hohnstein, Hinko JH., hatte dem Bischof Rudolph von Meissen 60 Mark Groschen geliehen, welche dieser (1414) ihm in bestimmter Frist zurück zu zahlen gelobte^**) oder „einzureiten in die Stadt nach Schluckenau", welche also Hinko gehörte. Bald darauf hatte auch er, wie früher sein Vater, Händel mit der Oberlausitz. Heinrich Renker, aus liöwenberg in Schlesien stammend, jetzt Besitzer des grossen Rittergutes Tschocha im Queisskreise , sagte nebst einem andern Adligen aus Schlesien, Heinrich von Redern, 1419 „Herrn Berken von Ilohnstein", wir wissen nicht weshalb, Fehde an. Beide tielen mit reisigem Haufen „in Herrn Berkens Land" mid plünderten daselbst das Dorf Schirgiswalde (Jerigiswalde) in der Herrschaft ToUenstein-Schluekenau aus. Da sie aber auf dem Rückwege nach Tschocha auch in oberlausitzischen Dörfern raubten und brannten, bot der damalige I^andvogt, Hinko Hlawatsch Berka auf Leipa, eiligst die Zittauer Bürgerschaft zur Verfolgung der Landfriedensl)recher auf, welche diesellien denn auch unweit Ostritz überfiel, schlug und Renker wie; Reder gefangen nahm.'"")

Unmittelbar darauf brachen die hussitischen Wirren aus und erstreckten sich alsbald auch bis in das nord- östliche Böhmen und dessen Nachl)arländer, Oberlausitz imd Meissen. Die Berka auf Ilohnstein und auf Wilden- stein waren und blieben allezeit gut katholisch gesinnt; nichtsdestoweniger Avaren sie unzuverlässige Freunde und Nachbarn. Als im Mai 1423 ein hussitisches Heer bis gegen die Oberlausitz vordrang und von Rumburg oder

»♦) Cod. Sax. II. 5, .S33. 23.

") Gautsch 108, 78.

»•) Cod. dipl. Sax. reg. II. 2, 410.

") N. Srript. rer. Ins. I. 110. Laus. Magaz. 177."). «9. 101.

202 Hermann Knothe:

Schluck enaii aus mit einem Einfall drohte, kam auch der (Berka'sche) Hauptmann auf Tollenstein nach Löbau zu einem Tage von Land und Städten und bat um Hilfe. In der That beschloss man eine Heerfahrt, aber man kehrte nach wenig Tagen wieder um, weil der Feind in- zwischen wieder abgezogen war. Dennoch erwiesen sich noch in demselben Jahre die Berka auf Hohnstein selir feindselig gegen Bautzen.^**) 1424 (Anfang Dezember) waren zwischen ihnen und den Oberlausitzern Verhand- lungen im Gange wegen einer „Einigung". Aber schon im Frühjahr 1425 (um den 22. April) nahmen die von dem Tollenstein zu Schlegel (bei Ostritz) auf den Nonnen- Gütern zu Seifersdorf (d. h. Marienthal) das Vieh, fingen Niclas Ponikau, den Hauptmann (oder Untervogt), luid führten ihn Aveg. Kloss^^j meint nun zwar, dass der Tollenstein damals von den hussitisch gesinnten Warten- bergern und zwar von Jahn auf Dewin besetzt gewesen sei. Allein erst 1426 trat die mächtige Familie von Warten- berg zu den Hussiten über; keine uns bekannt gcAvordene urkundliche Nachricht deutet darauf, dass der Tollenstein damals den Wartenbergern gehört habe, und der Umstand, dass infolge der Gefangennahme Ponikaus sofort auch ein Tag zu Schluckenau gehalten wurde und die Oberlausitzer Abgeordneten von da sich „zu den Bercken um Nicoh Ponikaus Gefengniss willen" begaben^^), erweist, dass jener Raubzug nach der Oberlausitz von der Berka'schen Besatzung des Tollensteins unternommen worden war. Zu Pfingsten 1425 war Ponikau wieder frei. Im Herbst des- selben Jahres (um den 22. September) aber hatte „Herr Heinrich von Wildenstein" im Bautzner Land schon wieder „die Kühe genommen". Und so begreifen wir, dass die Oberlausitzer 1427 (um den 4. Mai) „mit den Bircken tagten um des Hauses Tollenstein Avillen". INIan Avollte also den- selben, wie es damals auch mit vielen anderen böhmischen Burgen geschah, entweder erpachten, um ihn zu l^esetzen, oder erkaufen, um ihn abzubrechen.^') Wir haben ab- sichtlich über diese Beziehungen der Berka zu den Ober- lausitzern ausführlich berichtet, Aveil hierdurch auch ihre

") Oberlaus. Provinzialblätter 1782. 433 fg. i36.

") Ebeud. 450.

*") Görlitzer Kathsrecbiiungeu.

*') Auch mit Görlitz hatte „Heinrich von der Duba" Händel und verklagte die Stadt deshalb 1428 und 1432 sogar l)ei dem west- fälischen Fehmgericht. Oberlaus. Urkunden-Verzeichnis IT, 23 und 33.

Die Beika vom der Duba auf Ilohnsteiu etc. 203

Beziehungen zu den Meissner Fürsten erst in das rechte Licht gesetzt werden.

Seit dem Jahre 1426 nihulieh finden wir die Berka in fast ununterbrochene Händel luid Fehden mit Meissen verwickelt. In demselben Jahre*'") stellten Heinrich Birke von der Dubin zu dem Wildensteyn und Heinrich sein Sohn der altere eine merkwürdige Urkunde (zu Pirna) aus. Sie bekennen zuerst, dass sie dem Landvogte zu Meissen, Busse Vitzthum, Erbhuldung zu des Markgrafen Friedrich von Meissen und aller seiner Erben Hand ge- than haben, ihm mit dem Schlosse Wildensteiu treu und gewähr zu sein und sich mächtiglicli an ihn zu halten, als an ihren rechten Erbherrn. Sie versprechen darauf, dass Wildenstein des Markgrafen offnes Schloss sein solle und dass er dahin irgend wen von seinen Amtleuten oder sonst von den Seinen hinlegen könne. Sie geloben ferner, dass der Wildenstein an keinen ihrer eignen Erben ge- langen, auch an niemand versetzt oder verkauft werden solle, er habe denn zuvor diese Eide und Gelübde gegen den jNIarkgrafen wiederholt. „So also sie denn in Zwie- tracht und Unwillen, wie der hergekommen ist, mit Friedrich von der Oelssnitz, Vogt zum Königstein, und Hans von Grisslau und beide ihren Brüdern und Helfern gewesen sind", so geloben sie, diese darum nimmermehr zu be- fehden oder es ihnen zu verdenken. Demnach war also Heinrich auf Wildenstein, jedenfalls der seit 1410 erwähnte erste Besitzer dieser Herrschaft, sammt dem älteren seiner (beiden) gleichnamigen Söhne zunächst mit Friedrich von der Oelssnitz auf Rathen und anderen Mannen Kurfürst Friedrichs des Streitbaren in nachbarliche Fehde gerathen. Dieser hatte sich seiner Vasallen hilfreich angenommen und den schlimmen Nachbar entweder durch eine ent- scheidende Niederlage oder durch Belagerung gezwungen, ihm das Besetzungsrecht auf dem Wildenstein zuzusichern, ja ihm als Erbherrn zu huldigen. Es geschah dies im Jahre der Schlacht bei Aussig. Eben damals war Sieg- numd von Warten berg auf Tetschen und sein ganzes Geschlecht zur hussitischen Partei übergetreten. Niemand konnte wissen, wie sich überhaupt die Zustände in Böhmen noch gestalten würden. So scheint sich der Kurfürst des gefährlichen Schlosses und des unzuverlässigen Nachbars

**) Urk. ohne Tag bei Gaiitscli u. a. 0. 102 luicli liauptst.-Arcli. Loc. 9923 „Die beyden Schlösser etc." Bl. 1 .

204 Hermann Knothe:

auf fille Fälle haben versicliern zu wollen. Auch mit Hinko III. auf Hohnstein scliloss der Kurfürst den 6. Juni 1427*'^) zu Freiberg einen Vertrag, wonach ersterer ihm mit allen seinen Schlössern imd Märkten solle gegen die Ketzer, namentlich gegen Siegmund von Wartenberg, bei- stehen und sich mit denselben niclit frieden solle ohne des Kurfürsten Willen, wofür dieser dasselbe verspriclit. Schnell aber wechselten in jener Zeit Freundschaft und Feindschaft. Im Jahre 1435 Avaren die Söhne Friedrichs des Streitbaren, Kurfürst Friedrich der Sanftmüthige und Siegmund, wieder mit den Birken zerfallen. Nicht mu' gegen den Hohnstein zogen sie, den Dresdner Raths- rechnungen zufolge, mit Heeresmacht, sondern sie schlössen den 15. August^*) mit dem hussitischen Siegmund von AVartenberg auf Tetschen sogar ein Bündnis auf drei Jahr unter folgenden Bestimmungen. Nachdem die sächsischen Brüder „zu Unwillen kommen sind mit Ern Hinczken vom Steyne zu AVildensteyn gesessen", so solle ihnen Herr Siegmund gegen diesen und seine Helfer mit seiner ganzen Macht beistehen. Sollte es sich als nöthig erweisen, so wolle man ihm 50, ja 100 Pferde zu Hilfe schicken auf der Fürsten Kosten und Schaden. Für seinen Beistand solle Siegmund 1000 fl. erhalten zu einem Geschenk, und zwar die eine Hälfte, so er den Krieg mit Herrn Hinke anhebt, die andere Hälfte später. Sollte man in dieser Fehde die Stadt Bensen oder den Scharfenstein gewinnen (welche also damals den Birken noch gehörten), so sollten diese Güter Herrn Siegmimd zustehen; sollte man aber den Wildenstein gewinnen, so solle dieser den sächsischen Fürsten zustehen. Wir halten den hier genannten Ern Hinczken nicht etwa für einen Ritter aus der Familie von Stein, der sich etwa damals des Wilden- steios bemächtigt habe; wenigstens ist uns trotz vieler ritterlicher Mannen dieses Namens in jener Zeit keiner mit dem Vornamen Hinko begegnet, und das Prädikat „Er" führte bekanntlich nur der hohe böhmische Adel. AVir halten denselben vielmehr für den Besitzer des „Steins", d h. der Burg, zu Wildenstein aus der Familie Berka und zwar, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, für den 1426 erwähnten ältesten Solui des ersten Inhabers dieser

*') Hauptst- Archiv, Witt. Archiv, Böhm. Sach. Irrungen und Verträge ßl. 6.

*) Hauptst.- Arch. Orig. 6338.

*^\

Die Berka von der Duba auf Ilohnstein etc. 205

Burg. Diesmal hatten es also die Meissner auf eine Er- oberung des gefährlichen Wilden steins abgesehen.

Ein Jahr später waren die Berka mit dem AVarten- berger wirklich noch in Krieg; die Meissner Fürsten aber waren mit ihm bereits wieder zerfallen. Da ver- mittelte der Bischof Johann von Meissen den 4. Juni 1436**) zwischen Hincke, Gindrzich [d. h. Heinrich] und Beness Birken, Gerettern von der Duhin, czum Honstein, Molstein und czum Wüdenstein gesessin und den Markgrafen von Meissen einen Vertrag, Avonach letztere den ersteren gegen Siegmund von A^'^artenberg auf Tetschen und alle seine Helfer beistehen und zu deren Schutze 150 Trabanten auf den Wildenstein, der Bischof aber 50 dergleichen auf den Mühlstein (bei Böhmisch-Zwickau) legen sollten. Diesmal scheint die Gefahr vor den hussitischen Wartenbergern die Berka genöthigt zu haben, bei den Meissnern Schutz zu suchen und eine sächsische Besatzung aufzunehmen. Der Besitzer des Wildensteins heisst jetzt Beness. Wir halten ihn für einen Sohn des 1410 erwähnten Heinrich, für einen Bruder des 1426 und wieder 1435 genannten Heinrich des älteren; sicher war er ein Bruder des noch oft anzuführenden Albrecht Berka.

Ein sächsisches Heer rückte darauf vor Tetschen und belagerte Siegmund von Wartenberg. Im Felde vor Tetschen wurde den 4. August 1436*'') mit demselben zunächst ein Waffenstillstand vereinbart, in welchen die sächsischen Fürsten die ebengenannten drei Vettern von der Duba, den Bischof von Meissen und die Oberlausitz, Siegnumd von AA artenberg aber seinen Bruder Jahn auf Blankenstein zogen. Mit den Wartenbergern kam es den 27. April 1438 wirklich zu einem definitiven Frieden.

Aber unmittelbar darauf begannen neue Händel mit den Berka. Sie hatten 1438*') die Burg Ratlien erobert, erhoben auch Lehnsansprüche auf dieselbe und kündigten sannnt ihren Vasallen jetzt auch den sächsischen Fürsten Fehde an. Genau ein Jahr später vertrieb Friedrich von der Oelssnitz die Berka'sche Besatzung wieder aus seiner Burg. Endlich den 2. Juli 1439 erfolgte zu Dresden ein Friedenssciduss, wonach der Kurfürst die streitige Lehnfrage

*^) Hauptst.-Arch. Orig. 6404. Gautsch 49. '«) IIani)tst.-Arrli. Orig. 0110.

*') Nrtili tUnii l'iriiaisrlKüi Mönch Lindner ln'i .Mcm Script. II. 1597.

206 Hermann Knothe;

wegen Katlien auf das Erkenntnis des römischen Kaisers stellen will und von beiden Seiten die während der Fehde gemachten Gefangenen herausgegeben werden sollen. Beness Birke von Wildenstein verpflichtet sich, den sächsischen Fürsten zu Diensten zu stehen und ihre Lande schützen zu helfen, wofür er jährlich von ihnen 200 fl. erhalten soll. So suchte man sich also jc^tzt durch ein Jahrgeld von den Wildensteinern Ruhe zu erkaufen. Allein vergeblich.

Ein Jahr später brach die Fehde aufs neue aus. In einem auf dem Wildenstein selbst den 6. Dezember (1440) geschriebenen Briefe^*) wirft Alhrecht Birke den Fürsten vor, die christliche liichtung, die sie (1438) mit seinem seligen Bruder Beness gemacht und derzufolge dieser „mit uns seinen Brüdern" (d. h. Heinrich und Albrecht) in der Fürsten Dienst gewesen, nicht gehalten zu haben, viel- mehr sie haben berücken zu wollen. So sei sein Bruder Beness von den Leuten der Fürsten erschlagen, er, Albrecht, selbst gefangen und „von seinem Schlosse, Gute, Habe gebracht" imd auch sonst, ebenfalls von den Leuten der Fürsten, mit Raub, Brand, Nome, Gefängniss und Ver- dingniss angegriffen und verderbet worden. Deswegen und weil auch Jahn von Wartenberg auf Blankenstein (Albrechts Schwager) ohne alle seine Schuld (von Friedrich von der Oelssnitz) gefangen worden sei, sagt jetzt Albrecht Berka auf Wildenstein und ein uns sonst nicht bekannt gewordener Czenko Birke von der Dube den sächsischen Fürsten Fehde an. Wir vermögen nicht zu beurtheilen, wie weit diese Vorwürfe begründet sein mochten. Vielleicht hatte der von der Oelssnitz, der alte Gegner der Birken, aus irgend welchem Grunde wieder losgeschlagen, wobei Beness Birke getödtet, Albrecht und sein Schwager Jahn von Wartenberg gefangen, ja wie es scheint, der Wildeu- stein selbst genommen worden war. Die wiedererlangte Freiheit benutzte Albrecht sofort zu Ankündigung neuer Fehde, in welche, wie sich sofort ergeben wird, auch Hinko III. auf Hohnstein auf der einen und Bischof Johann von Meissen auf der andern Seite sofort hineingezogen wurden.

In Dresden wollte man sichtlich Ruhe. Und so er- klärten den 6. Januar 1441 ***) Hincke zum Hohnstein, Hincke und Alhrecht zum Wildenstein, Brüder und Vettern

*') Ilauptst.-Arch., Witt. A., Böhm. Sach. Befehd. Bl. 264. *») Ilauptst.-Arch. Cop. I Ibl. 281.

r»ie Rerka von der Dnba auf Ilnhnstein etc. 207

Bircken von der Dube, dass sie die bisherige Felide mit den Herzögen Friedrich und Wil.hehn von Sachsen, dem Bischof von Meissen und deren Landen und Unterthanen auf ein ganzes Jahr abthun wollten und ihnen gütlich sitzen, und zwar deshalb, weil die Herzöge Jahn von Wartenberg, ihren guten Freund und Schwager, „von Friedrich von der Oelssnitz seines Gefängnisses ledig und los geschaft't" hätten.

Auf diesen AVatFenstillstand folgte den lO.Milrz 1442'") eine ewige Richtung und Sühne. In dieser gelobten die genannten drei Birken, dass alle Z^vietracht und Un- wille nun beigelegt, alle Schuldfordorungen getilgt seien imd etwaige neue Differenzen nicht mehr auf dem Wege der Fehde, sondern durch Schiedsmänner erledigt werden sollten. „Ua nun die Birken dem Stift Meissen zu Diensten wohl gesessen sind", so sollen die beiden bisclu'Jfliclien Städte Jockrim und Bischofswerde den Birken zu Wilden- stein „um Schutzes des Stifts willen" fünf Jahre hindurch je 40 Schock Groschen als Jahrgeld zahlen. So hatte sich jetzt der Bischof entschliessen müssen, sich durch ein jilln-- iiches Schutzj^eld von den Wildensteinern Kühe zu erkaufen.

Dieser Friede hatte nun endlich auch wirklich Be- stand. Albrecht Birke wurde noch in demselben Jahre 1442^*) Vermittler von Waffenstillständen zwischen den sächsischen Fürsten und dem Bischöfe einerseits und den Wartenbergern auf Tetschen andrerseits, wobei er als Bürge für letztere fungierte.

Aber fürwahr diese Birken erweisen sich nach alle dem in absichtlicher Vollständigkeit von uns bisher Er- zählten als ein friedloses Geschlecht ohne allen Verlass. So lange sich die festen, fast uneinnehmbaren Burgen Holmstein und Wildenstein in ihren Händen befanden, wai- nicht nur das bischöfliche Stolpen, sondern auch der sächsische Königstein, Pirna, ja Dresden selbst gefährdet, wenn sich jene einmal mit anderen mächtigen Herren aus Böhmen verbündeten. Und eben hatte nach Kaiser Albrecht II. Tode (1439) in Böhmen die königlosc Ziiit, das Interregnum, begonnen. So erscheint denn das Be- streben des Kurfürsten, jene beiden Burgen nüt Zubeliör in eigenen Besitz zu bringen, einfach als ein Gebot der Selbsterhaltung.

*") Ilauptst.-Airli. Orig. (".089. *') Ebend. Ori<^-. G(;9y. 6712.

208 Hermann Knothe:

Und in der That ein Jahr später waren bereits die Unterhandlungen im Gange, um zunächst die Herrschaft Hohnstein zu erwerben. Bischof Johann von Meissen er- wies sich, im eigensten Interesse, dabei sehr thätig.*^) Es war sein Official, Dr. Johann SwofFlieim, der nebst dem Berka'schen Hauptmann Jancko Knobelauch den 26. Februar 1443 zu Torgau mit den sächsischen Käthen die Bedingungen vereinbarte, unter denen Hohnstein an Sachsen abgetreten werden sollte. Den S.März 1443^^) gelobte Hyncke Berka von der Dube der ältere und zum Hohnstein gesessen auf dem bischöflichen Schlosse Stolpen, diesen Vereinbarungen unverbrüchlich nachzukommen. Demzufolge trat derselbe sammt seiner Frau Barbara Hohnstein nebst Zubehör an die Gebrüder Friedrich und Wilhelm, Herzöge zu Sachsen, ab und erhielt dafür von diesen die Herrschaft Mühlberg an der Elbe, in welcher sein Vater Hinko H. 1388 königlich böhmischer Statt- halter gewesen (S. 196), welche aber 1397**) von König Wenzel an Markgraf Friedrich von Meissen versetzt worden war, und ausserdem noch 570 Schock Groschen bar. Den 14. März**) wurden beiderseits die Urkunden über diesen Freikauf ausgestellt. Derselbe vollzog eine neue wichtige Erwerbung für das Meissner Land. Denn wenn auch Hohnstein***) zunächst noch böhmisches Lehn blieb, so ist es doch nie wieder von Sachsen getrennt worden.

Der Verkäufer „Hyncke der ältere" ist nach unserer Ansicht derselbe, der 1410 in der brüderlichen Theilung Hohnstein, Scharfenstein und Antheil von Tollenstein- Schluckenau erhalten hatte. Seine Frau heisst jetzt beim

52\

^) Gercken, Stolpen 631 fg.: „Do wart ouch angesehen der grosse vleiss, den BischofF Johannis mit den seine that bey dem slosse Hoenstein, dorumb gros erbeit, muhe unnde zcerunge geschach, daz daz qwam an dy Herschaft't zu Miesssen".

") Hauptst.-Arch. Orig. (!745.

") Ebend. Orig. 5016.

") Ebend. Orig. 6748. Gautsch 104.

*°) Ueber die in ihren Ursprüngen jedenfalls in die Zeiten der Berka zurückreichenden Rechtsverhältnisse der Erbunterthanen in der Herrschaft Hohnstein vergl. Hasche, Magaz. der sächs. Gesch. IV, und zwar über das Städtchen Hohn stein Seite 229, die Harnisch- kammer im Schlosse Seite 87, über Neustadt Seite 136, über Schandau Seite 140, über die Lehnrichter, Amts- und Schriftsassen Seite 219, den Kauflirief der Herrschaft vom Jahre 1543 Seite 147; über das Recht dos Holzhandels aus der ganzen Herrschaft vergl. Götzinger, Hohnstein 47.

-öle Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 209

Verkauf Barbara, elienso wie im Jahre 1434*'), wo er „mit seiner Frau Barbara" das wüste Dorf Ludwigsdorf (S. 197) wieder an den Bischof von Meissen verkaufte. Den Beinamen des älteren führte er im Gegensatze zu seinen! gleichnamigen Sohne oder Bruder. Schon 1437 nämlich hatten Heinrich, Hynek und Niclas Gebrüder von Duba und Hohnstein ihr erbliches Leimgut Türniitz (süd- westlich von Aussig), wie sie es von Albrecht von Colditz erworben, an Hans Manstorfer von Krupka (d. h. Graupen) verkauft. ***) Wir halten diese Brüder für Hinko III. auf Hohnstein, Heinrich auf Wildenstein; Niclas ist uns sonst nicht vorgekommen. Auch noch eine Schwester hatte Hinko III., Namens Amia^^}, Witwe des Nicolaus KoloAvrat; ihr hatte Hinko, als er noch Besitzer von Hohnstein war, das Dorf Saupsdorf wiederkäuflich überlassen, welches Kurfürst Friedrich (der Sauftmüthige) 1447 '*'*) einlöste.

So blieb Hinko HL in Böhmen fortan nur noch sein Antheil an Tollenstein, von welchem noch später zu sprechen sein wird, und die Herrschaft Schar fenstein mit Bensen (S. 199), welche auch noch auf seine Nachkommen überging; denn 1451 verpfändete Johann von Bergow und von Trosk sein Erbe in Chlumec dem Hynek Berka von Duba, dem Sohne des weiland Hynek von Berka und von Scharfenstein. Wir folgen Hinko HI. und seinen Nach- kommen**') nicht auch in ihre neue Besitzung Mühlher g, sondern beschäftigen uns von nun an nur noch mit den Inhabern von Wildenstein und Tollenstein.

") Hauptst.-Arch. Ürig. 6318.

**) Archiv oesky Ut, 518. Vergl. llallwich, Geschichte der Berg- stadt Graupen (1868) 2.5.

") Hauptst.-Arch. Orig. 70J4.

•") Hauptst.-Arch. Orig. 7014.

*') Noch haben wir kurz die irrige Angabe älterer Historiker, z. B. Götzingers, Hohnstein mit Lohinen (!?86) .S4 fgg., zu wider- legen, welche glauben, dass die Berka bis 1-18'J Inhaber von llolni- stein gewesen seien. Was Götzingcr von Ratlien aus Avw .lahien 1463 und 1464 erzählt, gehört in die Jahre IL^S und 11. '59 (oi)L'n S. 205). Ferner hält derselbe einen „Georg Birke" für den llcrr- schaftsbesitzer. Im Jahre 1451 gehörte ein StelVau Birke, der den Zins auf Kathmannsdorf pfandweis besass, zu den Mannen Albrecht Berkas auf Wildenstein, welche dieser sammt seiner Ilcir- schaft Wildenstein an Sachsen abtrat. (Gautsch, Aelteste Geschichte der sächsischen Schweiz 108.) Diesen selbigen Zins kaufte 1467 der Rath zu Schandau von einem Georg Birke, doch wohl dem Sohne jenes Steffan, und erhielt Zins und Dorf von den (Jebriulern Ernst und Albrecht von Sachsen als Stadtgut gereicht. (Götzinger,

Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 3. 14

210 Hermann Knothe:]

Im Besitz der Herrschaft Wildenstein waren auf Hein- rich Berka von der Duba, den ersten Jnliaber (1410 S. 199 und 142(3 S. 203), wir wissen nicht wann, dessen Söhne gefolgt. Als solche wairden bereits erwähnt Heinrich der ältere (1426 S. 203, 1435 S. 204, 1440—42 S. 206), ferner ßeness (1436 S. 205, erschlagen 1440 S. 206) und Älhrecht (seit 1440 Seite 206). Heinrich „der ältere" oder ein jeden- falls gleichnamiger Bruder von ihm, scheint, da er in den Händeln mit Meissen in den Jahren 1436 bis 1439 nicht erwähnt wird, sich indessen entweder auf anderen Gütern der Familie oder in fremdem Dienste befunden zu haben. Nach 1442 ist auch er ims nicht mehr begegnet; viel- mehr erscheint seit 1443 Albrecht Birke als alleiniger Besitzer von Wildenstein und des zugehörio^en Antheils

Höhnst. Beilagen 8 fg.) Dieser Georg Birke hatte ärgerliche Händel mit seiner Frau Ursula, welche 1468 durch Bischof Dietrich von Meissen beigelegt wurden. Vergl. [Grundmann] Nachrichten von Neu- stadt bey Stolpen (1759) 9. Hierbei wird nun im Context der betreffen- den Urkunde dieser Georg Birke als her czum Hoenstein bezeichnet. Wir können nicht glauben, dass das Original der Urkunde, das wir nicht kennen, diese Worte enthalten habe. Denkbar wäre, dass in der blossen Abschrift, welche wahrscheinlich Grundmann vorlag, jener Zusatz als nähere, aber irrthümliche , Bezeichnung der Per- sönlichkeit gestanden habe. In eben dieser Urkunde wird übrigens jener Georg Birke stets nur als „gestrenger" tituliert, in der Urkunde von 1467 sogar ohne jedes Prädikat aufgeführt, während ein „Birke von der Duba" sowohl von dem Bischof von Meissen, als von den Herzögen von Sachsen sicher das Ehrenprädikat des hohen böhmischen Adels „Herr" oder „Er" erhalten haben würde. Hierauf macht mit Recht schon Hasche (Magazin der sächsischen Geschichte IV, 3'J8) aufmei'ksam, bezeichnet aber (ebenda 3.33 fg.) dennoch diesen Georg Birke wieder als einen Berka von der Duba. Uebrigens kommen die Vornamen Steflan und Georg in der Holnisteiner Linie der Berka nie vor ; auch von den Söhnen Hinkos III. führt keiner dieselben. Wer nun dieser Stettan und Georg Birke gewesen, ob sie überhaupt von den ehemaligen Herrschaftsbesitzern abstammen, etwa als die unehelichen Nachkommen des einen oder andern, wissen wir nicht. Unter den Zeugen in der Urkunde von 1468 kommt auch ein Cristoff Bircke vor, Herren auf Hohnstein waren sie entschieden nicht. Auch die ebenfalls von Götzinger (a. a. 0. 38) aus einer Seb- nitzer Pfarrmatrikel angeführte Notiz scheint nicht genau. Wohl mag die Frühmesse zu Lobendau 1489 von dem Bischof Johann von Meissen bestätigt worden sein ; gestiftet von Henrico Birck von der Daubelt domino in Rohnstein war sie aber gewiss schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts. Wenigstens kommen die beiden daselbst er- wähnten Zeugen, Hanss von Lottitz, HeiviAmann, 1408 als Haupt- mann zu Kumburg (Bulbin, Mise. V, 302), und Dam [Tamme] Knob- loch 1409 als Vasall Hinkos II. auf Hohnsteiu vor. (Hauptst. -Archiv Orig. 5475.)

Hie Berka von der J)uba auf llohnsteiii etc. 211

von Tollenstem-Schhickenan (oben S. 200). Seit 1444^''') nennt er sich vorzug8wei.se „zu Tollenstein'', oder 144(3 ^■^) „Herr zu Wildenstein und Tollenstein", scheint sicli also nun vorzugsweise auf letzterer Burg aufgehalten zu haben.

Albrecht war verheiratet mit Anna, der Tochter des Burggrafen Wentsch von Dohna (Donin) auf Grafenstein®*), südlich von Zittau an der Neisse, und wurde, als treuer Genosse seines streitlustigen Schwieo-ervaters, nun auch in dessen Zwistigkeiten, einmal mit den oberlausitzischen Sechsstädten und sodann mit den Herren von Biberstein auf Friedland und Hammerstein (bei Kratzau uuM^eit Grafenstein), hineingezogen. Längst schon hatten die Berka auf Wildenstein Händel mit Bautzen gehabt. Sie hatten „Waidleute", welche Waid nach Bautzen führten, beraubt, weshalb (1437) Städtetage zu Löbau gehalten, Boten an ,,Beues Birke" nach dem Wildenstein geschickt und die Waid wagen von Görlitz unter bewaffnetem Schutze nach Bautzen „geleitet wurden vor denWildensteinischen". Noch 1441 sollte zu Bautzen getheidingt werden „mit den l^erckeu von dieses Nomes wegen", und 1442 wird sogar „der Bercken Fehde gegen die von Budissin" erwähnt. Infolge dessen schickte auch Görlitz einen Boten nach dem Wilden- stein „mit der Aufsagung" und nahm Söldner auf „contra Birkones et alios raptores pro defensione".**^) Diese Fehde gewann um so grössere Bedeutung, als sich 1442'**') auch die Brüder Ulrich, Wenzel und Friedrich von Biberstein auf Friedland und Forst (in der Niederlausitz) mit den Sechsstädten förmlich gegen Wentsch von Dohna und „Hincke und Albrecht Bircken auf Wildenstein" ver- bündeten. Zwar wurde 1444"') wenigstens zwischen den genannten böhmischen Herren ein sühnlicher Vergleich geschlossen; aber alsbald begannen auch zwischen diesen die Streitigkeiten von neuem.

Inzwischen waren nach dem Tode Kaiser Albrechts II. (1439) die kaum beschwichtigten Parteikämpfe in Böhmen

•^) In einem Friedensvertrag mit ileii Biberstein auf Kriedland. Oberlaus. Urk.- Verzeichnis II, 571).

") In einem Dienstvertrag mit Kurfürst Friedrich von Sachsen. Hauptst.-Arch. Orig. 6928.

•*) Vergl. über denselben von Weber, Archiv für die sächsische Geschichte. N. F. I, 232 fgg.

") Nach den Görlitzer Kathsrechnungen.

") N. Script, nn: lus. I, 255.

•') Urk.- Verzeichnis II, 57b.

212 tiermann Itnotlie:

aufs neue ausgebrochen. Die Wahl eines neuen Königs ward immer wieder hinausgeschoben. Seit 1444 war Georg von Podiebrad das anerkannte Haupt der utraquistischen oder hussitischen Partei, während an der Spitze des katholisch gesinnten Herrenbundes die Familien Rosenberg vmd Neuhaus standen. Seit nun Meinhard von Neuhaus den auch von uns oft erwähnten Siegmund von Warten- berg auf Tetschen (1439) gefangen genommen und auf einem seiner Schlösser hatte Hungers sterben lassen ®*'); wendete sich das ganze weitverzweigte und mächtige Ge- schlecht der Wartenberge zur Partei Podiebrads, Dieselben besassen damals im nördlichen Böhmen die Herrschaften Tetschen und Blankenstein (nördlich von Aussig), des- gleichen Leipa, aus welchem schon Siegmund von Warten- berg die katholisch gesinnten Berka auf Mühlstein auf Zeit vertrieben hatte, endlich die alten Stammgüter der Familie, nämlich Wartenberg mit der Burg Roll und Dewin. So waren jetzt die katholisch gesinnten Barone Wentsch von Dohna und Albrecht Berka rings umgeben einmal von den Gebieten der utraquistischen Warten- berge, sodann von der ihnen ebenso verhassten Bürger- macht der oberlausitzischen Sechsstädte, zumal Zittaus. Diese ihnen von zwei Seiten her drohende Gefahr war es jedenfalls, welche Wentsch und Albrecht bestimmte, den IG. Mai 1446 ***) zu Meissen eine Urkunde auszustellen, in der sie erklären, dass sie „um Friede, Schutz und Ver- theidigung willen des Herzogs Friedrich von Sachsen und seiner Erben Diener geworden" seien, und; „wie ein jeder getreue Diener seinem Herrn von Rechts wegen pflichtig ist", ihm gelobt hätten, seinen und der Seinen Frommen zu werben und Schaden zu warnen. Infolge dessen sollten dem Herzoge alle ihre Schlösser, nämlich Wildensteiu, Tollenstein, Grafenstein, zu allen seinen Nöthen und Kriegen wieder raänniglich, nur nicht gegen die Krone Böhmen und Jahn von Wartenberg (Albrechts Schwager), geöffnet und vmterthänig sein; der Herzog dagegen solle sie und die Ihrigen schützen. Dieser Vertrag sollte auf 20 Jahre Gültigkeit haben, es sei denn, dass inzwischen „ein König von Böhmen sein würde, der die Krone mächtiglich inne hätte"; in diesem Falle solle die Verschreibung hinfällig

«') N. Script, rer. lus. I, 67.

") Hauptst.-Arcli. Orig. 6928, abgedruckt in den Aufzeichnungen über die erloschenen Linien der P'amilie Dohna ^Berlin 1876). 11,225.

Die Beika von der Duba auf Hohnstein etc. 213

werden, doch erst nach lialbj ähriger Kündigung. So hatte also die eigne Gefalir Albrecht Birke jetzt genöthigt, sich unter den Schutz Kursachsens zu stellen und dciu Kurfürsten freiwillig dieselbe Burg Wildenstein „zu Dien- sien'' zw stellen, von welchem seit 30 Jahren die meissnischen Fürsten so oft waren befehdet worden. Kursachsen aber gCAvann hierdurch bei den immer drohender werdenden Verwicklungen mit Böhmen und dessen jetzigem Guber- nator Georg von Podiebrad eiiien ehemaligen Gegner zum Bundesgenossen und Schützling und eine Anzahl fester Schlösser an der Grenze zum Schutze des eignen Landes.

Im Jahre 1450 brach bekanntlich der offene Krieg zwischen Kursachsen und Böhmen aus. Wohl eben des- halb vermochte letzteres die Schlösser seiner Schutz- befohlenen nicht völlig gegen die Gefahren zu vertheidigen, w^elche diese allerdings selbst gegen sich heraufbeschworen hatten.

Schon längst hatten Albrecht Birke und sein Schwieger- vater Wentsch von Dohna neue Händel mit den Sechs- städten begonnen. 1448 wurde von letzteren der Grafen- stein belagert und beschossen; diesmal noch vergeblich. Ergrimmt vereinigten daher 1449 Wentsch imd Albreclit alle ihre Vasallen und Freunde zu einem allgemeinen Bunde gegen die Städte, Hessen v<»n ihren Burgen aus Raubzüge in deren Land machen „und wollten es doch nicht gethan haben"; ja sie schlössen sogar mit Jahn von Wartenberg, dem Ketzer und alten Feinde der Sechsstädte, ein förmliches Bündnis. Da zogen 1450 Adel und Städte gemeinschaftlich ein zweites Mal vor den Grafenstein. Nach dreiwöchiger Belagerung musste nicht bloss Wentsch, sondern auch Albrecht geloben, „sich mit ihren offenen Schlössern nach Land und Städten der Oberlausitz gegen alle ihre Feinde richten zu wollen." '") Schou damals soll auch der Tollenstein ebenfalls belagert worden sein.'") Jedenfalls war jetzt die Macht beider Herren auf lange hinaus gebrochen und ihre Geldmittel völlig erschöpft.

Dies war denn wohl auch der Grund, weshalb sich Albrecht Birke 1451 veranlasst sah, seine Herrschaft Wildenstein an den Kurfürsten von Sachsen mittels orl)- lichen Freimarktes abzutreten. Am 6. April hatte Heinrich

") Vergl. von Webers Archiv für die sächsisclie Gescliichtc. N. F. I, 241 fgg. Oberl. Urk.-Verz. II, 65g, h. Görl. Rathsrechn. ") Pescheck, Cxcschichte von Zittau II, 9U8.

214 Hermann Knothe:

von Bünau, der säclisische Vogt auf Holmstein, mit Albrecht eine Zusammenkunft zu Neustadt bei Stolpen, auf welcher das Tauschgeschäft zum Abschluss gebracht ward. Von beiden Seiten wurden nach den Erbregistern der beider- seitigen Güter vor allem die trocknen Zinsen der aus- zutauschenden Glebiete genau berechnet und ,,je ein Schock Geldes gegen das andre gleich angeschlagen, gegeben und genommen", wobei sich ergab, dass Albrecht die Summe von 750 Schock 58 böhmischen Groschen und 2 Pfennigen noch bar ausgezahlt zu bekommen hatte. So stellte denn Albrecht 1451 die Abtretungsurkunde über Wildenstein mit genauer Aufzählung aller seiner Zubehörungen aus. Diese von Gautsch (Aelteste Geschichte der sächsischen Schweiz. 1880. S. 107 fg. nach Hauptst.-Arch. Loc. 9923 „Die beyden Schlösser Wilden- und Hohenstein etc." Bl. 4) abgedruckte Urkunde ist nicht das Original''^), sondern nur eine gleichzeitige Kopie. vSie enthält ohne jedes Datum nur den einen Theil des Tauschvertrags, nämlich die von Albrecht an Sachsen abzutretenden Güter, und schliesst in der That mit einem „etc.". Aber die von Sachsen an Albrecht abgetretenen Besitzungen lernen wir aus Blatt 15b und 16 jenes Aktenstückes kennen. „Item dese nachgeschrebene guter und manschaft hat unser gnediger Herre von Sachsen Eni Albrecht yn dem frey- margte obergeantwert." Es sind dies zuerst folgende Vasallen: Jancko, Siegmund und Heinrich Knobelaucli auf Warnsdorf und auf Schönau (westlich von Schluckenau), Siegmund und Nickel Knobelauch zu Nixdorf („Nickils- torff"), Christoffel, Heinrich und Albrecht Luttitz auf Rosen- liain (nördlich von Schluckenau) und auf Schirgiswalde („Scheringeswaldc") , Hannus und Thamme Luttitz auf Antheil („die Helffte") Königswalde (östl. von Schluckenau) und Antheil Georgswalde („Gerigiswalde"), ChristofFel von Hermsdorf auf Rumburg („Ronneberg") und Seiflienners- dorf böhmischen Antheils („Heynirstorf"); ferner „das Städt- chen Schluckenau die Hälfte", das Dorf Kaiserswalde (westlich von Schluckenau) die Hälfte, die Dörfer Zeidler, Nixdorf, Wolmsdorf („Willemesdorff"), endlich der Sprem- berger Wald „oberhalb Schluckenau"; der Nixdorfer „ober-

") Gautsch sagt zwar iu der Anmerkung daselbst, ,,das Original sei auch vorhanden". Doch haben wir dasselbe trotz aller an- gewendeten Mühe nicht aufzufinden vermocht, da Gautsch so gut wie nie für seine Angaben genaue Citate anführt.

Die Bei'ka von der Duba auf Hohusteiu etc. 215

halb Sebnitz die Hälfte", „der Persk" (?) die Hälfte und „der Poczin" oberhalb Schluekenau ganz.

Diesen Antheil der Herrschaft ToUenstein-Schluckemm also trat 1451 der Kurfürst von Sachsen gegen Wilden- stein an Älhrecht Birke ab. Er kann ihn von niemand sonst als von Hinko III. auf Hohnstein erworben haben. Es rauss dies also jener Antheil gewesen sein, welcher 1410 bei der brüderlichen Theilung (oben S. 200) der Hohnsteiner Linie zugewiesen worden war. Wann der- selbe von Hinko III. an Kursachsen überlassen \\urde, wissen wir nicht. Eine Urkunde darüber ist nicht zu finden gewesen. Gewiss war eine solche ausgestellt, aber jetzt bei dem Freimarkte von 1451 an den neuen Inhaber, Albrecht Birke, ausgeantwortet worden. Jedenfalls dürfte bisher niemand davon Kunde gehabt haben, dass den sächsischen Fürsten schon von etwa 1443 1451 ein Theil der Herrschaft Tollenstein gehört hat. Diesen Antheil vereinigte jetzt also Albrecht mit dem der Wildensteiner Linie, den er schon besass, und erlangte, wie oben (S. 200) erwähnt, 1457 auch noch den der Kreibitzer Linie infolge des jedenfalls unbeerbten Todes Johann Berkas hinzu. Die Verwaltung der nunmehr säclisischen Herrschaft Wildenstein") aber wurde dem Vogte oder Amtmann von 1 lohnstein mit übertragen. Sie bildete fortan im wesent- lichen „das Hinteramt Hohnstein". Kursachsen hatte mit ihr ein neues böhmisches Lehn erworben, welches ihm 1459 im Egerschen Vertrage bestätigt wurde, und hatte imu seine jetzigen und natürlichen Grenzen gegen Böhmen auf dem rechten Eibufer erlangt. Das geiahrliche Schloss Wildenstein wurde wohl alsbald abgebrochen. Ruhig und sicher konnten von nun an die Fuhrleute von Schandau aus ihre Frachtgüter nach Sebnitz oder nach Neustadt bei Stolpen weiter führen.

Bevor wir das Walten Albrecht Birkes von der Duba auf der von seinen alten Familiengütern ihm allein ver- liliebcnen Herrschaft Tollensiein- Schluekenau weiter ver-

'») Ucbcr die in ihren Urspi-ünRen jedenfalls in die Zeiten der Berka von der Duba zurückreichenden Verhältnisse der zugehörigen Erhunterthanen vergl. ausser dem l)ereits oben (Seite 208, Annicrk.) Angeführten Hasche, Magaz. der sächs. (ieschichte IV, und zwar in hetrefl' der Stadt Sebnitz S. 100, Gerichte, Dienste etc., desgleichen Götzinger, Hohnstein Beil. 107, in betreff der Pfarrei daselbst Hasche IV, 131, Götzinger, Beil. 52.

216 Hermann Knothe:

folgen, müssen wir nocli einen kurzen Rückblick auf die frühere Geschichte derselben werfen.

Sie setzte sich in der That aus zwei ganz verschie- denen Bestandtheilen zusammen, einem südlicheren mit der .Burg Tollenstein und einem nördlicheren init dem Städt- chen Schluckenau als Mittelpunkten. Jener gehörte von jeher zum Königreiche Böhmen, dieser ursprünglich zu der Markgrafschaft Meissen und zwar jedenfalls zu dem einstigen Gau Nisani. Denn während in kirchlicher Be- ziehung Tollenstein mit seinen damaligen drei Kircliorten, Rumburg, Schönlinde und Warnsdorf, stets und nachweis- lich seit Mitte des 14. Jahrhunderts unter dem (Erz-) Bis- thum Prag und zwar unter dem Dekanat Zittau stand, so waren Schluckenau und die übrigen Kirchorte, Lobendau, Schönau, Hainsbach, Georgswalde, Schirgiswalde, zufolge der Meissner Kirchenmatrikel von 1495'^) unter das Bis- thum Meissen und zwar merkwürdigerweise unter ganz verschiedene erzpriesterliche Stühle gestellt. Wahrschein- lich war dieser Theil des Gaues Nisani ebenso wie die damalige Oberlausitz 1086 an Wiprecht von Groitsch und nach dem Tode von dessen Sohn Heinrich 1135 wieder an Böhmen zurückgelangt '*), bei welchem es seitdem ver- blieb, während die Oberlausitz aufs neue an Meissen ge- geben wurde. Wann und wie darauf dieses nördlichere Waldgebiet mit den zu der Burg Tollenstein gehörigen Ländereien vereinigt Avorden sei, wissen wir nicht.

Durch diese so gebildete grosse und ursprüng- lich gewiss nur wenig angebaute Herrschaft Tollenstein- Schluckenau führten seit ältester Zeit zwei wichtige Handelsstrassen aus der Oberlausitz nach Böhmen, die eine von Bautzen südlich auf Prag, die andere von Zittau westlich auf Tetschcn zu nach der Elbe. Beide Avurden beherrscht von der alten, auf steilem Bergkegel gelegenen Steinl)urg Tollenstein. Kein Wimder, dass die Besitzer derselben von frühester Zeit an gerade mit den beiden genannten oberlausitzischen Städten in nachbarliche Händel geriethen.

„MCCCXXXni iar czoch dese stat [Zittau] vz mit

") Vergl. Knothe, Untersuchungen über die Meissner Bisthunis- matrikel, im N. Laus. Magaz. 1880. 286.

'*) Vergl. Knothe, Die politischen Beziehungen zwischen der Oberlausitz und Meissen, in von Webers Archiv für die sächsische Geschichte XII, 280 fgg.

Die ßerka von der Duba auf Hohnstein etc. 217

andern steten vnd geAvunnen das Hus Tolensteyn^^ '^). Dies die älteste urkundliche Erwäluiung der Burg. Wem dieselbe damals gehörte, erfahren wir nicht. Es ist eine irrige Ansicht, dass die ältesten urkundlich genannten Besitzer derselben die Berka von der Duba gewesen seien. An einer Menge rein erfundener Namen fehlt es den Lokal- historikcrn freilich nicht.") Vielmehr hatten mindestens seit Mitte des 14. Jahrhunderts die Waj^tenherge und zwar diejenige Linie^ welche auf den alten Stammgütern der Familie, nämlich Wartenberg, Roll, Dewin sass, auch die Burg Tollenstein und mehrere von den zugehörigen Ort- schaften inne. 1361 und wieder 1367'^) präsentierte Wanco (yVenzel) von Wartenberg, Obermundschenk von Böhmen, Geistliche zur Pfarrei in Schönlinde ebenso, wie er die Pfarrstellen zu Wartenberg, Oschitz, Schwabitz, Brenn, Vogtsdorf etc. besetzte. Ihm folgten (1309) seine Söhne Johann, Burggraf von Prag, Wenzel, Peter, Wil- helm „und andere" "*) und präsentierten z. B. 1370 nach Schönlinde (diesmal gemeinschaftlich mit ^A^ilhelm Hase von Hasenberg\ 1390 nach Warnsdorf. *") 1397 wird der älteste Bruder sogar „Johannes de Rumburg alias de Wartenberg", 1396 der zweite Bruder „Wenceslaus' de Wartenberg dominus in Tolstein" genannt.*')

Und dennoch gehörte gleichzeitig ein Theil der Herr- schaft bereits den Berka von der Duba und zwar der auf Hohnstein gesessenen Linie. 1359 *"■') präsentierte „^en- ricxs dictus Berca de Duba" einen neuen Pfarrer nach Holan, weil der bisherige, Johannes, die Pfarrei zu Schluckenau erhalten hatte, wohin derselbe wohl von Heinrich Berka berufen worden war. 1370 besetzte das Pfarramt zu Rumburg „Henricus dictus Berca de Dul)a", der 1390 bei gleicher Veranlassung noch deutlicher als „dominus in llonstein et in Lippa" bezeichnet wird.*') Seit Anfang des 1.5. Jahrhunderts verschwinden die Warten- berge gänzlich aus der Herrschaft Tollenstein und die

") N. Script, rer. Ins. I, 7.

") Z. 13. Franz Bürckhoklt, Der Tollenstein (1867). ") Tingl, Lib. confirm. I, 115. Emier, Lib. conf. III, 87. '•) Tingl V, 177. »") Ebend. II, .SO. V, 3.3. ") Ebend. V, 292. 256. »^) Ebend. I, 90.

") Ebend. II, 27. V, 2. Im Jahre 1368 war noch Opeczco von Napticz Patron daselbst gewesen. I, 26.

218 Hermann Knothe:

Berka auf Holinstein crsclieinen nicht bloss in Ruraburg als Patrone (z. ß. 1408 ^*), sondern auch zu Warnsdorf (1404) und Schönlinde (1404, 1407 etc.), und 1405 (11. Aug.) belohnte „Heinrich Berka von Hohnstein" die Gebrüder Benedikt und Wenzel von Yba (Eibau) mit dem Gerichte zu Seifhennersdorf.*^) Es wäre denkbar, dass die Bei'ka einzelne Güter in ihrer Herrschaft Tollenstein an die von Wartenberg verpfändet und um Anfang des Jahrhunderts wieder von ihnen eingelöst hätten.

So werden es wohl auch die Berka gewesen sein, welche ihrer Stadt Rumburg einen Salzmarkt ausgewirkt hatten, der den oberlausitzischen Städten, namentlich Gör- litz, grossen Verdruss verursachte, so dass deshalb (1390) nicht nur Tage zu Löbau abgehalten, sondern auch Ab- gesandte von Görlitz an ihren damaligen Erbherrn, Herzog Johann von Görlitz, und auch nach Rumburg gesendet wurden. Erst 1418 wurde dieser Salzraarkt von König AVenzel wieder verboten.***)

Wie wir bereits oben (S. 200) erwähnt, wurde nun 1410 nach Hinkos IL auf Hohnstein Tode die gesammte Herrschaft Tollenstein-Schluckenau unter dessen drei über- lebende Söhne, Hinlo III. auf Hohnstein, Heinrich auf Wilden stein und Johann auf Kreibitz vertheilt. Den Hohnsteiner Antheil halben wir S. 216 specificiert; Johann besass (S. 200) Antheil von Warnsdorf und Seifhenners- dorf, alles übrige wird der Wildensteiner Linie angehört haben. Die Burg; Tollenstein scheinen alle drei Linien gemeinschaftlich besessen zu haben. Darum konnte sich Johann auf Kreibitz schon 1422 und später bis 1453 „dominus in Tolnstein" nennen, ebenso wie Hinko HL von Holmstein 1430*'), wo er dem Pfarrer zu Ottendorf zwei Mark Zins auf Kunnersdorf wiederkäuflich überliess, „Herr zum Hohnstein und Tollenstein" hiess und ebenso Albrecht aus der Wildensteiner Linie 1±44 und später ^Seite 211) als „zu Tollenstein" oder als „Herr zu Wildenstein und Tollenstein" bezeichnet wird. Da vor 1444 kein Berka ständig auf der Burg wohnte, war sie wohl immer der

'*) Bai bin, Mise. V, 302.

*') Böhm. Kronarchiv zu Prag, Kep. 207. Vergl. Uberlausitzer Urk.-Verz. I, 158 No. 791.

*') Görlitzer Rathsreihnungen. llalhvich, Keichenberg (1872). S. .33. Carpzov, Anal. If, 147.

") Hauptst.-Arch. Orig. 6157.

Die Berka von der Duba auf lloliiistoin etc. 219

Obhut eines Hauptmanns übergeben. 1408^^) war dies, wie es scheint, Johann von Luttitz auf Schirgiswalde ; 1423 bat der dasige Hauptmann die Oberlau.sitzer in Löbau um Hilfe gegen die Hussiten; 1428 wird ein ge- wisser Miklisch ausdrücklich als Hauptmann zum Tollen- stein bezeichnet, der bei einem Vergleich zwischen Bres- lau und einem gewissen „Langeheinze" erwähnt wird/^) 1445 hatte ein ..Herr Ambrosius Burcsarius (?) von Dobri- lug, als er auf dem Tollenstein selb viert gefangen sass, dasselbe Schloss gewonnen und das Vorhaus verbrannt" und war darauf glücklich nach Görlitz entkommen.'*")

Auch auf Burg Tollenstein sollte Herr A^hrecht Birke nicht zur Ruhe kommen. Seit seine Frau gestorben war"'), scheinen sich die Beziehungen zu seinem Schwiegervater Wentsch von Dohna gelockert zu haben. Zwar klagten noch 1450 die Biberstein auf Fricdland in Bautzen, dass ihnen von Herrn Wentsch und Herrn Albrecht die Ver- träge von 1444 (Seite 211) nicht gehalten Avürden*^); aber schon 1452 beschwerte sich Wentsch vor dem Administrator Böhmens, Georg Podiebrad, dass sein Schwiegersohn es mit den Zittauern, seinen Feinden, halte. „Und er Albrecht Birgke von dem Tholinstein, der hat syne helffer bie den von der Zittaw; darum ich nicht anders verstehe, dann das is sein getrib sey.""')

Ebenso erhoben sich alsbald allerhand neue Differenzen mit dem Kurfürsten von Sachsen. Albrecht beanspruchte trotz der Abtretung der Herrschaft Wildenstein noch immer Zinsen von jetzt sächsisch gewordenen Dörfern, ja ganze Waldungen, „etwa eine Meile breit von der Zeidlcrbach Ijis an die Weissbach". Desgleichen hatten seine el»e- maligen Erbunterthanen noch viele, sehr berechtigte An- sprüche an ihn, wegen deren sie jetzt bei dem Kurfürsten, als ihrem neuen Erbherrn, gegen Albrecht Klage erhoben. Die Mannen verlangten Entschädigung wegen Pferden, die sie in Albrechts Dienst verloren, wegen Bürgschaft, die sie für ihn geleistet, und Erstattung der (Felder, die sie

»«) Balbiii, Mise. V, 302.

") Scultetus, Aiinales Gorlic. Mspt. II, 81 b.

•") Görl. Rathsrcchnungen.

•') Sie liegt in der Klosterkirclio /ii Zittau licgrabcii. liir Leicheiistein besagt; ,,Aniin doniini 1 I l'.i (il)iit limicsta doiiiina Anna, filia Venczli de Doniii, uxor domini All». deDuiia." Morawek, ZittuviaSO.

") Laus. Mag. 1776. 182.

") Palacky, ürknndl. Beiträge 54.

220 Hermann Knothe:

ihm geliehen. Die Bürger von Sebnitz und Leute vom Lande verlangten Bezahlung für an Albrocht geliefertes Heu, Bier, Hopfen. Der sächsische Amtmann auf Hohn- stein und Wildenstein, Hans Kannenberger, an den sie sich zunächst mit ihren Klagen wendeten, schrieb wieder- holt deslialb an Albrecht und hatte Tage mit ihm; aber derselbe zahlte nicht. Dafür beklagte sich Albrecht beim Kurfürst über Kannenberger „wegen grosser Gedrängnis und merklicher Ueberfahrung". So setzte ihm der Kur- fürst einen Tag an. Allein die Ladung traf ihn nicht daheim, da er eben in Prag auch hatte „vor Rechte stehen müssen und grosse Nothgeschäfte hatte". So wurde ihm (1456) ein neuer Tag nach Radeberg angesetzt®^), mit welchem Erfolg, ist uns unbekannt. Wohl infolge dieser Differenzen hatte Albrecht schon den 20. Januar 1454 dem Kurfürsten jenen Vertrag von 1446 (S. 212), wo- nach der Tollenstein dessen offenes Schloss sein sollte, aufgesagt.'*)

Die ernstesten Gefahren aber beschwor Albrecht selbst in Prag gegen sich herauf. Nach dem plötzlichen Tode des jungen Königs Ladislaus (1458) war der bisherige Gubernator Böhmens, Georg Podiebrad, zum Könige er- wählt worden. In klugem Ento-egenkommen hatte sich derselbe nicht nur mit seinen bisherigen Gegnern, dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen und dessen Bruder Wilhelm, desgleichen mit dem Kurfürsten von Branden- burg, ja mit Kaiser Friedrich III. ausgesöhnt und sogar die Anerkennung von Seiten Papst Pius II. erlangt. Selbst die katholischen Herren in Böhmen hielten jetzt ehrlich zu ihm. Da fachte das masslose Verhalten des ursprünglich königlichen Prokurators, jetzt päpstlichen Bevollmächtigten Fantinus de Valle auf einem Iloftage zu Prag und die darauf folgende Gefangennehmung desselben (August 1462) den Kampf zwischen der Kompaktatenpartei in Böhmen und der Curie aufs neue an.

Wohl als einer der ersten unter den böhmischen Baronen fiel jetzt Alhrecht Birke, der alte Hussitenfeind, sofort von König Georg ab und sendete Briefe mit Schmäh- ungen auf ihn, als einen Ketzer, an „Fürsten, Herren und Städte der Krone Böhmen", ja an den König selbst. Auch

'*) Nach Üriginalbriefen, Berichten, Konzepten im Hauptst.-Arch. Orig. 751 ().

»») Ebend., Witt. A. Böhm. S. Grafen und Herren Bl. 77.

i>ie Berka von der I)uba aut' Hohnstein etc. i>2l

an die Sechsstädte der Oberlausitz muss er deren geschickt haben; denn den 21. August 14G2 erliess König Georg ein (zweites) Schreiben an dieselben des Inlialts, dass sie nicht nur Albrecht und den Seinen keinen Beistand leisten, sondern wenn man ihrer habhaft würde, sie zu des Königs Händen gefangen nehmen sollten.®'') Als Albrecht hierauf nach Prag vor das Hofgericht geladen wurde, leistete er der Citation keine Folge, sondern rüstete sich zur Gegen- wehr. Da beschloss denn auch der König, gegen den widersetzlichen Vasallen mit Waffengewalt vorzugehen. Den 29. Juni 1463"') erliess er an den Rath zu Görlitz (und gewiss ebenso an die übrigen Sechsstädte) den Be- fehl: — „so der edel Jan von Wartenberg, unser voit der sechstete euch von unsern wegen schreiben, tac:, stat und zeit benennen wirt, das ir denn mit puchsen, pleiden, wagen, zugehorimgeu und etlich den ewern im unvorzihen zuzihet, solch sloss Tolstdn umbiegern helffet etc." Dem Befehle folgte die Ausführung auf dem Fusse. Schon den 2. [?] Juli"*) begann der Landvogt mit oberlausitzischen Truppen und mit Unterstützung von Heinrich Birke auf Leipa die Belagerung der Burg. Nach kurzem Wider- stände wurde sie genommen und zunächst mit oberlausitzi- scher Besatzung belegt. Albrecht selbst scheint entkommen zu sein. Er flüchtete nach Breslau, welches bekanntlich dem König Georg nie gehuldigt hatte, und jetzt von dem Erzbischof Hieronymus Landus, als päpstlichem Legaten; in dem Widerstände gegen denselben bestärkt ward.

In des Legaten Interesse aber lag es nun, Alhrcc/it Birke lediglich als einen Märtyrer seiner katholischen Glaubenstreue darzustellen und Himmel und Erde in Be- wegung zu setzen, um denselben wieder zum Besitze seiner ihm wider alles Recht entrissenen Herrschaft zu

••) Obeilaus. Urk.-Samml., Msjit. : -Jörg kojut? zcu Bubiiii. f]rsanien, lieben, getruwen. Nachdem wir ucli vormals geschribeii liaben, wie gröblich viul vast vngeborlich wi(h'r gliiluh; vnil cyiU' sich All)recht Birke wider vns viid viiser krön geseczi hat, hat er darüber itzunt vns viid vnser königlichen wirde /cii smechuiig etlichen vnser vnd vnser cronen fursten, hern vnnd steten vnd nch auch l)rive zcugesant, die vnser ere vnnd wirdc iriclit wenig bernren. So begeren wir an mh, das yv demselben Allin'(bt<'ii noch den sinen keine hulf nach biestant thut, huset adir luitit, sunder wo ir yn adir die sinen bi uch ankommt, zcu vnsern lianden vffhaldet. 1462. Prag, Sonnal). nach St. Ludwigstag

•') Palac ky, Urk. Beitr. .".09.

"*) Script, rer. Siles. IX, 10.

222 Hermann Kiiotiie!

bringen. Sofort schrieb er niclit etwa an den Laud- vogt Jahn von Wartenberg, als einen Beamten des Ketzer- königs Georg, sondern an die gut kathohsch gesinnte Ritterschaft und Bürgerschaft von Bautzen und fragte an, auf wessen Geheiss denn Albrechts Schloss „durch etlich Volk belegt*' worden sei. Ihm antwortete am 14. Juli 1463 ®^) der Landvogt selbst, die Belagerung sei erfolgt auf Gebot des Königs; denn es sei landrüchtig, wie derselbe Herr Albrecht rechtsflüchtig worden sei der Krone Böhmen und aus allem Gehorsam getreten um seiner grossen Ge- walt und Unrechts willen, das er an manchem Manne, besonders auch an seinen eignen Unterthanen begangen, indem er Witwen und Waisen gefangen habe, die noch über ihn schrien, desgleichen wegen Treulosigkeit und Meineid gegen seinen Erbherrn, den König. Wenn Albrecht bei dem Legaten vorgebe, wie er von dem hei- ligen Glauben der römischen Kirche gedrungen werde, und wenn der Legat schreibe, dass derselbe gar ein frommer und gehorsamer Sohn sei des heiligen römischen Stuhles, so sei dagegen im ganzen Lande bekannt, dass er ein ungetreuer Bösewicht sei, der sich aller Redlich- keit entschlagen. Der Legat möge nur in Breslau selbst nachfragen und werde das in Wahrheit also erfinden. Darauf antwortete am (20. Juli 1463 '"") der Erzbischof dem Landvogt, Albreclit sei soeben bei ihm gewesen, habe sich entschuldigt und sich in allen Stücken seinem, als eines apostolischen Legaten, Richterspruche unterworfen. Darum solle auch der Landvogt sich aller Gewaltmassregeln gegen Albrecht enthalten, sonst möge er der Verhängung geist- licher Strafen gewärtig sein. Die Taktik des Legaten ging nämlich, jetzt und später, dahin, den Streit zwischen Albrecht Birke und dem Könige von Böhmen vor das geistliche Gericht der Curie und ihres Legaten zu ziehen. Infolge eines Schreibens, welches der Landvogt in dieser Angelegenheit auch an den Rath zu Breslau gerichtet und dieser dem Legaten mitgetheilt hatte, schrieb letzterer (18. September 1463 *"') noch ein zweites Mal an den Landvogt: Avenn sich derselbe über ehrenrührige Aus- drücke Albrechts beschwere, so habe der Legat denselben vor sich kommen lassevi und ihn ermahnt, sich anständig

»») Palacky, Urk. Beitr. 310 fg.

""•) Script, rer. Siles. VIII, 250 nach Escheuloer.

«»') Ebend. IX, 14.

J)ie Berka von der Puba auf Hohiistein etc. 223

zu verhalten. Dies habe Albrecht versprochen imd ge- lobt, sich dum Ausspruche des Papstes über sein Verhalten gegen den König und über die Entziehung des Tollensteins durch den König unterwerfen zu wollen. Darum solle auch der Landvogt nichts Feindseliges gegen Albrecht unternehmen und ein Gleiches auch dem Könige selbst ans Herz legen.

Inzwischen hatte aber der Legat über das Schicksal Albrerhts bereits auch an den Papst berichtet, und so klagte dieser am 2. Oktober 1463 *°^) dein Kaiser Friedrich, dass König Georg den Tollenstein besetzt halte, weil der Eigenthümer desselben, der katholische Baron Albrecht Birke, dem Könige die Huldisfuno; verweigert habe, die er demselben, als einem Ketzer, zu leisten nicht gehalten sei. Und auch der Rath zu Breslau stellte am 19. Oktober 1463 '"^) dem Papste die Sache lediglich so dar, Albrecht sei „von jenem treulosen Könige" nur deswegen aus seinen Erbgütern hinausgeworfen worden, weil er ihm den IIul- digungseid nicht leisten wolle. So sei nun Albrecht in Breslau der Spott des Pöbels geworden, welcher höhnisch rufe: „Seht, wie Herr Albrecht von dem päpstlichen Legaten, zu welchem er seine Zuflucht genommen, unter- stützt wird!"

König Georg aber liess nun im Juni (12?) 1464 '"^) auf einem Hoftage zu Prag dem Alhrecht Birke von der Duba, weil er sich eigenAvillig gegen das Landrecht auf- gelehnt, Gegenwehr gerüstet, durch unehrerbietige und schändliche Reden und Briefe den König oime (Irinul geschmäht und hierdurch das Verbreclien laesae majestafis begangen, wie dies Rechtens sei, ToUeustein, Sciiluckenau und seine übrigen freien oder lehnhaften (Jüter förmlichst absprechen und sprach dieselben sofort denjenigen Herren zu, welche auf Befehl des Königs sich der Burg Tollen- stein bemächtigt hatten, nändich Heinrich Jürke von der Dube (auf Leipa) und dem Laiulvogt J((hn von W'arten- herg auf Tetschen. Sofort aber erklärte dieser Heinrich Birke, dass er „all sein Recht, das er infolge dieser königlichen Schenkung an den Gütern Tullenstein und Schluckenau nebst Zubehör tulangt iiabe", an den Laud- vogt Jahn von Wartenberg abtrete.'"*)

'»») Palacky, Urk. Beitr. .32.'].

'"») Script, rer. Siles. IX, 17.

'»*) Archiv cesky III, 351 lg.

•»») Emier, Keliq. tab. terr. Boh. II, 330.

224 tiermanii lüiotiie:

Diessr Heinrich Birke auf Leipa geliörte nicht jener Linie der Berka auf Hohnstein, welche (S 195) Ende des 14. Jahrhunderts auch Leipa besessen liatte, sondern einer Nebenlinie der Berka auf Duba und Husky an, von welcher ein Heinrich, genannt Dubsky, zuerst gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Burg Mühlstein mit Böhmisch- Zwickau und Reichstadt, seit etwa 1426 aber auch Leipa an sich gebracht hatte. Sein Sohn, der hier genannte Heinrich, war Hussit und hatte die Witwe Siegmunds von Wartenberg (gestorben 1439), Agnes von Sternberg, die Mutter des jetzigen Landvogts der Oberlausitz, geheiratet. *"*') Er war also der Stiefvater von Jahn von Wartenberg, hatte als solcher denselben bei dem Feldzuge gegen Tollen- stein unterstützt und trat ihm jetzt das dadurch erworbene Anrecht auf die Herrschaft Tollenstein-Schluckenau frei- willig ab.

Gegen die Ueberlassung dieser Herrschaft an Jahn von Wartenberg durch den König erfolgte allerdings (auf dem Quatembergerichtstage der Barone zu Prag 1465 "*') noch von anderer Seite her ein Protest, nämlich von Shinko Berlxa von der Duba auf Lämherg bei Gabel, welcher beantragte, man möge zu den Akten nehmen, dass er schon früher Ansprüche auf Tollenstein und Zubehör er- hoben habe, die er vor Gericht zu erweisen gern bereit sei; da dies aber nicht der Wille Seiner Majestät sei; so müsse er als Unterthan warten und bitte nur darum, sein Recht wahren zu dürfen. Und in der That hatte derselbe Sbinko schon 1460 (wohl vielmehr 1464) gegen die Schenkung des Tollensteins an Jahn von Wartenberg pro- testiert'"*) und erklärt, „dass er auf diese Güter ein bessres Recht habe, als selbst Albrecht Birke oder irgend jemand nach ihm"; er sei bereit, dies vor dem Könige und den Baronen zu erweisen. Auch dieser Sbinko Berka Staramte aus der Hauptlinie Husky und zwar von einem jüngeren Bruder des soeben erwähnten Heinrich Dubsky auf Mühlstein, der ebenfalls Heinrich hiess und Antheil von Gabel und Lämberg erworben hatte Worauf sich aber das „bessre Recht" Spinkos gründete, wissen wir nicht.

'"") Franz Focke, Aus den ältesten Geschichtsgebieten Deutsch- Böhmens (1879) I, 130.

'"') Archiv cesky I, 4-tO. »«») Emier, Rcliq. II, 330.

Die Berka von der t)uba auf Hohnsteiu etc. 225

Der neue Inhaber der Herrschaft Tollenstein-Schlucke- nau, Herr Johann vou Wartenberg auf Tetsclicn, seit 1459 Landvogt der Oberlausitz, sollte sich dieses seines Besitzthuuis nicht lange erfreuen. Er starb schon den 19. November 1464 zu Bautzen. Seine beiden Söhne theilten sich in die väterlichen Güter dergestalt, dass der ältere, Siegmund, Oberschenk von Böhmen luid später (1490— 1504) ebenfalls Landvogt der Oberlausitz, Tetschen, der jüngere, Christoph, dagegen Tollenstein und die alten Stannngüter der Familie, nämlich Wartenherg, Roll, Deivin, die seit den Hussitenkriegen an die Tetschner Linie ge- langt waren, erhielt. Christoph wohnte auf der Burg Dewin; sein Hauptmann auf dem ToUeustein war Christoph von Hermsdorf, Lehnsinhaber von Rumburg und deshalb gewöhnlich als „Christoph von Kumburg" bezeichnet.

Die bald darauf erfolgende Aenderung in den kirch- lich-politischen Verhältnissen Böhmens und seiner Neben- länder sollte auch für Tollenstein verhängnisvoll werden. Ende 1465 hatte Papst Paul IL die Unterthauen König- Georgs des demselben geleisteten Eides entbunden, da er ein Ketzer sei. 1466 hatte er ihn gebannt und aller seiner Würden entsetzt. Der katholische Herrenbund, an der Spitze Zdenko von Sternberg, sagte ihm den Gehorsam auf, und von Breslau aus setzte der Bischof Riulojph von Lavant, jetzt päpstlicher Legat daselbst, alles in Bewegung, um auch die Nebenländer der Krone Böhmen zum Abfall von dem Ketzerkönige zu bewegen. Die Androhung von Bann und Interdikt bestimmte endlich (1467) auch die Oberlausitz, von König Georg abzufallen. Der bisherige Landvogt Benes von Kolowrat (1464—67), ohnehin wegen allerhand Gewaltthätigkeiten allgemein verhasst, wurde auf Anordnung des Legaten Kudüli)h abgesetzt und (Pfingsten 1467) Jaroslaus von Sternberg, ein Solu» Zdenkos, als einstweiliger Landvogt „aufgenommen".

Unter diesen jetzt entschieden günstigeren Verhält- nissen erneuerten von Breslau aus AUrredit Birke und seine geistlichen Gönner sofort auch die Bemühungen um Wieder- erlangung des Tollensteins. Den 29. März 1467 '"") erliess der Legat Rudolph ein Schreiben an die Pfarrer zu Bautzen und Zittau des Inhalts: da, wie bekannt, Albrccht Birke, Herr auf Tollenstein, durch den Anmasser und Ketzer Gt'org von Podiebrad verurtlieilt und auf dessen

'"*) Douiarchiv Bautzen.

Neues Archiv f. ö. O. u. A. U. 3.

15

226 Hermann Knothe:

Befehl des Schlosses Tollenstein und anderer Besitzungen beraubt worden sei und diese durch gewisse Leute, Christoph Hermsdorf von Rumburg, Hauptmann auf Tollen- stein, Johann Luttitz von Schirgiswalde und Siegmund Heinwald von Königswalde, wider Recht besetzt gehalten würden, so befehle der Legat jenen Pfarrern, diesen Occupanten mit geistlichen Strafen zuzusetzen und dem Albrecht Birke zur Wiedererlangung des Tollensteins be- hilflich zu sein. Desgleichen wendete sich der Legat schriftlich an die Söhne des verstorbenen Landvogts Jahn von Wartenberg mit der Aufforderung, den Tollenstein an Albrecht wieder abzutreten, und bedrohte, falls sie dies binnen einer gewissen Frist nicht thäten, sie selbst mit dem Bann, die ganze Herrschaft aber mit dem Interdikt. Vergeblich entgegneten die Brüder von Wartenberg, die Herrschaft Tollenstein sei rechtmässio- dem Albrecht Birke ab- und iln-em Vater zuerkannt, von diesem eine Zeitlang ruhig besessen und darauf auf sie, seine Söhne, vererbt worden."") So erfolgte denn in der That, wir wissen nicht genau wann, von selten des Legaten die Verhängung des Interdikts über die ganze Herrschaft Tollenstein- ScMuckenau.

Kein Wunder, dass durch alles dies auch bei den Wartenbergen die alte hussitische Feindschaft gegen die katholisch gesinnte, dem päpstlichen Legaten ergebene, von König Georg abgefallene Oberlausitz wachgerufen wurde. So entbrannte die alte Wartenherger Fehde be- sonders gegen die Stadt Zittau aufs neue. Eben damals belagerten die Ober- und Niederlausitzer den hussitisch gesinnten Friedrich von Schönburg in seinem Schlosse Hoyerswerde. ' ' 'j Da unternahmen denn auch die War- tenberge und ihr Anhang, gegen 800 Mann zu Fuss imd 100 Mann zu Ross, unter Anführung ihres Hauptmanns auf Tollenstein, Christoph von Rumburg, einen Raubzug in das Zittauer Gebiet, plünderten und brannten in Gross- hennersdorf mid Oberseifersdorf und trieben das erbeutete Vieh in der Richtung nach dem Tollenstein zurück. Allein die Zittauer hatten eiligst all ihre waffenfähige Mann- schaft aufgeboten und sich am breiten Berge zwischen Hörnitz und Grossschönau in den Hinterhalt gelegt. Von

"") Schreiben der Herzöge Ernst und Albredit von Sachsen. Hanptst.-Arcli., Witt. Arch., Bölini. S. Orte Bl. 215 fg.

'") Vergl. von Webers Archiv für die Sachs. Geschichte X, 265.

Die Berka von der Dnba auf Holiiistein etc. 227

da überfielen sie plötzlich die vorüberziehenden Feinde, er- schlugen deren 120 und jagten die übrigen in die Flucht (18. November 1467;.''"')

Als nun (29. August 14G8) das halsstarrige Hoyers- werde glücklich in die Hände der vereinigten ober- und niederlausitzischen Truppen gefallen war, plante der Legat Rudolph zu Breslau auch einen Angriff auf das dem Albrecht Birke entrissene Tollenstein. Er hatte an den Landvogt von Sternberg und ebenso an die Stände der Oberlausitz geschrieben „von wegen Er Cristoffs von Tetzin^'. Sternberg hatte darauf Schreiben mit diesem Christoph von Wartenberg gewechselt, jedenfalls um ihn abermals zu gutwilliger Abtretung des Tollensteins zu ver- mögen. Wartenberg hatte dem Landvogt und den Ober- lausitzern überhaupt „fast viel Unglimpf zuzumessen und sein [eignes] unchristliches Vornehmen zu billigen ver- meint". Am 28. Februar 1469 schrieb Sternberg an den Legaten, er gedenke diese Briefe Wartenbergs dem nächstens zu berufenden Landtage vorzulegen und mit demselben zu berathen, Avas zu thun sei. „Meine mey- uung nit anders gewest, denn sy [die Wartenberge] durch getwang zu gehorsam der heiligen römischen kirchin zu brengin". Wenn der Landtag ihm zustimme, gedenke er ]>ereits den 3. März im Felde vor Zittau zu sein und tags darauf über das Gebirge gegen den Tollenstein zu ziehen. ' ") Damals unterblieb der Zug noch.

Bald darauf erfolgte (3. Mai 1469) der Friede zu Olmütz, infolge dessen Schlesien und die beiden Lausitzen den König Mathias von Ungarn als ihren Herrn und als rechtmässigen König von Böhmen anerkannten. Der Land- vogt Sternberg schrieb an die "W artenberge, ob sie diesen Frieden halten wollten. Die Antwort lautete, wie zu er- warten war, sie wollten von demselben nichts wissen. Schon den 19. Mai meldete Sternberg dies nach Görlitz mit dem Befehl, sofort „eine Wehr gegen unsere Feinde zu bestellen" und dieselbe zum Pfingstsonntage nach Bautzen zu schicken, wohin er auch den Landtag berufen habe. Die Stände scheinen keineswegs so hitzig gewesen zu sein, als der Landvogt. Am 20. Juli erging an Görlitz ein zweites Mal der Befehl, Heerfahrt ausrufen zu lassen und sich in Kriegsbereitschaft zu halten; allein erst nach

'«») N. Script, rer. Ins. T. 89. ' '») Tiilacky, Urk. Beitr. 564.

228 Hermann Knothe:

einem noclimaligen Aufgebot (20. August "*) wurde es Ernst mit dem Ztige gegen den Tollenstein.

Zittau sollte der Sammelpunkt sein sowohl für die ober- als niederlausitzischen und sclilesischen Truppen, welche auf Anordnung des Legaten zu diesem Zwecke sich hier vereinigen sollten. Die Oberlausitzer trafen zu- erst ein. Da langte (27. August) durch den Landvogt die Nachricht an, dass „die Frau von Tetschen (die Witwe Jahns, die Mutter Christophs von Wartenberg) mit all den Ihren eines Friedens begehre" auf ein oder zwei Jahre bis zum Austrage des Krieges; sie wolle stille sitzen, auch die Güter, die der Landvogt inne habe (Schirgiswalde ?), hintansetzen und alle Gefangenen losgeben. Der Beschluss hierüber Avurde ausgesetzt bis zur Ankunft der Schlesier unter der Führung des Franz vonHag. * ' *) Diese aber wollten vor allem die Schlösser Skal und Kost entsetzen; so zog das vereinigte Heer südlich bis gegen Reichenberg, von wo man in nicht eben rühmlicher Weise wieder umkehrte. „Allein die Sechsstädte imd die (Nieder-) Lausitzer wur- den da zu Rathe und herannten den Tollenstein und lagen da drei Tage oder vier." ^*^) Während also die Ober- und Niederlausitzer allein ohne die Schlesier, die sich sofort zerstreuten, etwa 1000 Mann stark unter Anführung des Landvogts Sternberg den Tollenstein belagerten, er- schien plötzlich (6. September) unter dem Herzog Heinrich von Münsterberg, dem Sohne König Georgs von Böhmen, ein feindliches Heer südlich von Zittau, drang bei Klein- schönau über die Neisse und rieb, ehe die Truppen von Tollenstein her zu Hilfe kommen konnten, die eiligst aus der Stadt entgegen gesendeten Bürger völlig auf. So wurde die Belagerung des Tollensteins eiligst aufgehoben. Derselbe blieb den Wartenbergen erhalten. Für Albrecht Birke aber ward die diesmal fast sichere Hoffnung auf Wiedererlangung abermals in unbestimmte Zukunft hin- ausgerückt, keineswegs aber aufgegeben.

Auch die Wartenberge wünschten jetzt ernstlich Frieden mit den Oberlausitzern. Den 6. Februar 1470 befanden sie sich in Bautzen, um gütliche Verhandlung zu pflegen. Wie es scheint, war das zur Herrschaft Tollenstein

"*) Palacky, Urk. Beitr. 599. "*) Elienil. 005.

"•) N. Script, rer. Ins. I, 93. 203. Pescheck, Geschiclite von Zittau II, 537. Eschenloer II, 181 fg.

Die Berka von der Diiba auf lloliiisteiu etc. 229

gehörige und von einem Zweige der Familie von Luttitz zu Lehn besessene Gut Schirgiswalde im Laufe dieser Fehden von den Lausitzern besetzt und dem katliolisch gesinnten Wenzel von Polenz, dem Amtshauptmann des Landvogts, gegeben worden. Derselbe begehrte jetzt wiederholt (Februar und 23. März 1470) vom Landvogt Hilfe, um Schirgiswalde „halten" zu können.**^)

Am 22. März 1471 starb König Georg. Ihm folgte in Böhmen der polnische und daher katholische Prinz Wladislaus. Schlesien und die Lausitzen blieben vorerst noch bei Ungarn. Die Hussitenkriege hatten nun ihr Ende erreicht. Das Reich Böhmen ging endlich wieder ruhigeren Zeiten entgegen.

Aber die Nach wehen der jahrelangen inneren Kriege machten sich noch allenthalben geltend. Auch die einst so reichen Wartenberge aus dem Hause Tetschen steckten jetzt tief in Schulden. Christoph von Wartenher g auf Dewin „wusste nicht, wie er jetzt solle seine Gläubiger bezahlen". Da bot er die Herrschaft Tollenstein- Schlucke- iiau den Brüdern Ernst und Alhrecht, Herzögen von Sachsen, zum Kauf an. Dieselben gingen vorsichtig zu Werke. Christoph hatte 10000 Schock Schwertgroschen verlangt. Der sächsische Unterhändler erhielt Befehl, 7000 zu bieten, genaue Auskunft über die Erträge und die sonstigen Verhältnisse der Herrschaft sich zu verschaffen und eventuell eine sichere „Gewähr" über den erfolgten Kauf zu verlangen. Die Herzöge würden die Güter be- sehen lassen und sie kaufen, „wenn es ihnen dieiüich sei"."*) Man einte sich endlich auf 8300 Schock Schwert- groschen, welche ratenweise abgezahlt wurden, und so stellte denn Christoph von Wartenberg am 3. Dezember 1471 auf seiner Burg Dewin die Verkaufsurkunde über „Schloss und Herrschaft Tollenstein und das Land und Stadt Schluckenau" aus. Sein bisheriger Hauptmann da- selbst, Christoph von Rumburg, musste die Erbunterthancn an die neuen Herren weisen.*"*) So war denn jetzt auch die dritte der einst ßerka'schen Herrschaften und somit auch der bisher noch böhmische Theil des einstigen Gaues Nisani an die Markgrafen von Meissen gelangt.

In Prag war man über diese neue Erwerbung derselben

'") Palacky, Urk. Beitr. 620. 625.

"») Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Böhm. S. Orte Bl. 213.

"•) Hauptst.-Arcb. Orig. 8135. 8160. 8185. 81<)8.

230 Hermann Knothe.

im Königreich Böhmen nicht eben erfreut und grollte deshalb den Käufern, wie dem Verkäufer. Zdenko von Sternberg, jetzt königlicher Rath, hatte wohl in diesem Sinne an Ernst und Albrecht von Sachsen geschrieben. Diese antworteten, die bisherigen Kriegshändcl in Böhmen seien sie gar nichts angegangen. Der ToÜL-nstein sei ihnen von Christoph von Wartenberg angeboten worden; sie hätten ihn bezahlt, in Besitz genommen und die Huldigung von den Unterthanen erhalten. Sie glaubten, hiermit gegen niemand Verstössen zu haben, würden sich auch gegen den König von Böhmen also verhalten, dass ihnen nichts zu verweisen sein solle. Wenn man aber mit dem von Tetschen zu sprechen habe, so werde sich dieser wohl zu verantworten wissen. ^^") König Wladislaus aber schrieb (6. Februar 1472) an die sächsischen Brüder, er wolle den Kauf dem Christoph von Wartenberg „in keinem Argen vermerken"; bei einer persönlichen Zusammenkunft mit den Herzögen wolle man sich gütlich unterreden und vertragen. ''^^)

Als erster sächsischer „Amtmann" wurde Ulrich von Rechenberg auf den Tollenstein gesendet. Er fand die Burg sozusagen völlig leer. Christoph von Kumburg hatte beim Abzüge alle etwaigen Vorräthe mitgenommen. In einzelnen Dörfern (Lobendau imd Hilgersdorf) weigerten sich die Unterthanen, gewisse Hofedienste zu thun, die sie doch unter Albrecht Birke gethan hatten; so musste (1472) der Amtmann mit Pfändung gegen sie vorgehen.'*") In andern dagegen (Zeidler) erhielt er Befehl, die Gemeinde „eine Zeitlang frei sitzen zu lassen, damit sie desto besser bauen und wieder anrichten möchten", oder (Nixdorf) „ihnen für diesmal das Zinsgetreide zu erlassen".''^*)

Noch aber stand die ganze Herrschaft, wovon man am kurfürstlich sächsischen Hofe erst durch den neuen Amtmann Kunde erhalten hatte, noch unter dem hiter- Jikt, welches der Legat Rudolph von Breslau aus über dieselbe verhängt hatte (S. 226). Die herzoglichen Brüder von Sachsen wendeten sich daher zunächst schriftlich mit der Bitte nach Breslau, dies Interdikt jetzt unter

'*•) Entwurf ohne Datum. Hauptst.-Arcli., Witt. ArcL., Böhm. S. Orte Bl. 214.

'=") Ebeiul. Bl. 210.

'") Ebend. Bl. 209. 211.

'") Hauptst.-Arch. , Witt. Arch., Regieruiigssacheu. Loc. 4367. „Eyii registrature'^ Bl. 30. 103.

Die Berka von der Duba auf Hohiistein etc. 231

den völlig veränderten Besitzverliältnissen wieder auf- zuheben. Der jetzt Biseliof von Breslau gewordene Rudolph verweigerte dies und schöpfte vielmehr summt seinem Schützling, Albrecht Birke, sofort neue Hoffnungen auf Wiedererlangung des Tollensteins. Darauf sendete man von Dresden einen „Prokurator" nach Breslau und zwar an den daselbst als päpstlicher Legat sich auflialten- den Kardinal von St. Marcus, Patriarch von Aquileja, um jene selbige Bitte jetzt bei dieser höheren Instanz vor- zubringen. Aufs neue gedachte man in Breslau mit der rein kirchlichen Frage des Interdikts auch die Entscheidung der weltlichen Frage wegen des rechtmassigen Besitzes des Tollensteins vor das geistliche Forum zu ziehen. So meldete jetzt Albrecht Birke seine Ansprüche bei dem Kardinal an, da er nur um seines katholischen Glaubens willen von dem Kctzerköuige vertrieben worden sei und citierte sowohl die Witwe Jahn von Wartenbergs, als die Herzöge von Sachsen, die jetzigen Besitzer von Tollen- stein, zu rechtlicher Entscheidung vor den Kardinal. Da schickte man von Sachsen aus einen anderen Prokurator nach Breslau mit der Erklärung, einer Untersuchung der kirchlichen Frage wegen des Interdikts wolle man sich wohl unterwerfen und schlage als Konuiiissar zu diesem Zwecke den Abt von Altzelle vor, protestiere aber gegen den Bischof Rudolph. Die Besitzfrage dagegen sei eine rein Aveltliche und gehöre vor den obersten weltlichen Richter jener Güter, nämlich den König von Böhmen. '^*) Als man in Breslau hierauf abermals nicht einging, be- absichtigte das sächsische Kabinet, sich in dieser An- gelegenheit direkt an den Papst Sixtus VI. zu wenden; wenigstens ist ein Bruchstück von dem Entwürfe einer solchen Appellation an denselben vorhanden. '"^^) Wie und wann endlich das Interdikt doch noch aufgehoben worden ist, haben wir nicht erfahren können.

Jedenfalls aber hatten die Herzöge von Sachsen der Citation nach Breslau vor das Tribunal des Kardinals nicht Folge geleistet. Die Hoffnungen Albrecht Birkes, auf diesem Wege endlich doch wieder in den Besitz des

'^') Entwurf eines Schreibens ohne Datum an gewisse, nicht genannte geistliche Herren in Schlesien, welche die Aufliebung des Interdikts beim ratriarchon befürworten sollten. Hauptst.- Archiv, Witt. Arch., Böhm. S. Orte Bl. 215, und Regierungssachen No. 2 Bl. 168.

'") Ebend. Bl. 217.

232 Hermann Knothe:

Tollensteins zu g-elangen, waren abermals g-esclicitert. Da riethen ihm sowohl der Bischof Rudolph, als der Patriarch selbst, sich direkt an die sächsischen Fürsten zu wenden, ob er vielleicht auf gütlichem Wege wenigstens etwas erlangen könne. So schrieb derselbe (18. Oktober 1473) ein kurzes Briefchen an dieselben, worin er den Priester Johann Seydo als seinen Abgeordneten accreditierte, „dem er befohlen habe, aus etlichen Sachen mit ihnen zu reden von seiner Güter wegen". ^'■'^)

Am 2.5. Oktober 1473 nahmen einige sächsische Räthc die Werbung desselben entgegen. An die weitläufige Dar- stellung des ganzen Verlaufs der Angelegenheit schloss er die Bitte, die Herzöge möchten Albrecht Birke „gnädig bedenken und ihm etwas einthun [d. h. überweisen], darauf er sich enthalten möchte". Da sie ja auch „einen Amt- mann von Tollenstein müssten haben, so getraue er sich, ihnen also nütze allda zu sein, als sie sonst einen Amt- mann haben möchten. Er wolle sich getreulich gegen sie halten. Auch wisse er noch etliche Bergwerke und Salz- quellen, die wolle er ihnen auch offenbaren". Die säch- sischen Räthe antworteten hinsichtlich der Rechtsfrage, sie hofften die Herrschaft Tollenstein mit Recht wohl zu behalten gegenüber den Ansprüchen Albrechts. Darauf fragten sie den Abgeordneten vertraulich („als von sich selbst"), was seine Meinung sei, damit Herr Albrecht zufrieden würde; „ob man ihm etwas einthun solle; etwa auf Lebenszeit oder wie?" Jener antwortete, „man solle Albrecht etwas einthun, für ihn und seine Erben, dass er nicht erbelos bliebe". Darauf entgegneten die Räthe, da die Fürsten die Herrschaft ohnehin zu theuer erkauft hätten und mit Schaden besässen, so versähen sie sich kaum, dass man etwas erblich herausgeben würde. „Damit ist er von dannon geschieden".**')

Man wird dem einstigen Besitzer zweier grosser Herrschaften ein gewisses Mitleid nicht versagen können, der jetzt, wo alle Hoffnung, wieder zu seinen Gütern zu gelangen, sich als vergeblich erweist, in seinem Alter sich entschliesst, fremder Herren Brot zu essen, sich erbietet, Amtmann auf der Herrschaft zu sein, die einst ihm ge- hörte, und natürlich auch dies nicht erreicht. Mit den hier erwähnten Erben Albrecht Birkes dürften wohl die „Brüder

'") Hauptst.-Arch., Witt. Arch. Regierungssachen No. 2 Bl. 168.

'") Ebendaselbst.

Die ßerka von der Puba auf Hohnsteiii etc. 233

Benesch und Christoph Berka" gemeint sein, welche 1495 den Nikolaus von Dohna auf Grafenstein wegen einer Forderung von 400 Schock Groschen verkhxgten, welche „ihr Vater Albrecht Berka von der Duba'' von des Niko- laus Vater, Wentsch von Dohna, zu beanspruchen berechtigt gewesen sei.'''*) Von Albreclit selbst aber haben wir seit 1473 nichts weiter vernommen.

Die Stellung des sächsischen Amtmanns Ulrich von Rechenberg war, zumal im Anfange, keine leichte gegen- über nicht nur, wie schon erwähnt (S. 230), den neuen Amtsbefohlenen, sondern auch den benachbarten böh- mischen Herren und den oberlausitzischen Städten. Bald waren Amtsbefohlenen von Schluckcnau durch Leute des von Smierizky auf Habichtstein Pferde geraubt worden, welche der Amtmann jedoch durch Vermittlung des Jaroslaus Birke von der Duba auf Leipa zurückerhielt. Er benutzte die Gelegenheit, dem Leipaer Hauptmann zu versichern, wie er von seinen Herren keinen anderen Befehl habe, als „sich gegen alle Umgesessenen freundlich und in fried- lichem Wesen zu halten". '^') Bald waren Bürger von Zittau auf offener Strasse beraubt und der Raub durch Tollensteiner Gebiet auf Tetschen getrieben, aber von den nacheilenden Zittauern Avieder abgenommen worden, wes- halb sich der Amtmann Verhaltungsbefehl erbat. '^°) Der oft genannte Christoph von Hermsdorf auf Rumburg, dem von den Herren von W artenberg beim Verkaufe von Tollen- stein die Anwartschaft auf das Lehngut Schönau bei Schluckcnau ausbedungen und von den sächsischen Räthen zugesichert worden war, war in Händel mit Zittau ver- wickelt, in dessen Weichbild er ebenfalls Güter, nämlich Antheil von Hirschfelde und das Dorf Rohnau, besass. Er schrieb an die sächsischen Herzöge, er wollte gern seine wüsten Güter im Tollcnsteinschen wieder bauen und bessern, möchte aber zuvor wissen, ob er dies unter dem Schutz seiner neuen Lehnsherren auch sicher wagen dürfe. Diese Zwistigkeiten, wegen deren der Rath zu Zittau wiederholt an den Amtmann, die Herzöge, ja sogar au König Mathias von Ungarn zu schreiben sich genöthigt

'*») Enilcr, Reliq. talt. tcrr. Boh. I, 152.

•") llauptst.- Archiv, Witt. Archiv Loc. 4367, Befehd. Bl. 303 ohne Jahr.

'»") Ebend. Bl. 303.

234 Hermann Knothe:

sab, dauerten bis 1480. *'') Ganz besonders aber maclite dem Amtmann die sogenannte Luttitzsche Fehde gegen Zittau zu schaffen. Zu der Zeit, wo die Oberlausitz unter ihrem Landvogt auf Befehl König Georgs den Achtsbefehl gegen den aufständischen Albrecht Birke auf Tüllenstein zu vollstrecken hatte (1463 64, S. 221), war auf Be- fehl des damaligen Hauptmanns zu Bautzen, Wenzel von Polenz, von Zittauer Truppen ein Hof zu Oderwitz, welcher Nickel von Luttitz auf Schirgiswalde, einem Vasallen und Anhänger AUirechts, gehörte, abgebrannt Avorden. Um 1476 begehrte nun dessen Sohn, Haus von Ivuttitz, der inzwischen das seinem Vater weggenommene Schirgiswalde wieder erhalten hatte, nachträglich Ent- schädigung für jenen Brandschaden, kündigte der Stadt Fehde an, raubte zu Oderwitz und (Spitz-) Kunnersdorf an 1400 Stück Vieh und begehrte von den Herzögen von Sachsen, als seinen jetzigen Lehnsherren, Unterstützung seiner Ansprüche. Unendliche Schreiben wurden seitdem bis 1481 von dem Rathe zu Zittau gewechselt mit dem Amtmann von Tollenstein, den Herzögen, dem ober- läusitzischcn Landvogt, der damals leider meist in Breslau residierte, endlich selbst mit König Mathias. Rechtstage Avurden anl)craumt und verschoben und Waffenstillstände vermittelt und verlängert, ohne dass wir aus den vor- liegenden Schriftstücken den endlichen Austrag der Sache kennen lernen. ''*'•)

Mochten schon alle diese Händel den Brüdern Ernst und Albrecht von Sachsen den Besitz von Tollenstein- Schluckenau viclfacli verleiden, so blieben auch die finan- ziellen Erträgnisse der Herrschaft weit hinter den gehegten Erwartungen zurück. Daher überliessen sie 1475 die ganze Herrschaft ihrem Amtmann Ulrich von Rechenherg auf sechs Jahre zu eigner Bewirthschaftung. Sich selbst be- hielten sie nur die Revenuen aus der „weltlichen" Ge- richtsbarkeit, den Teichen, Schäfereien und Wäldern vor, über welche der Amtmann ihnen Rechnung ablegen sollte- Alle sonstigen Gefälle an Zinsen, Getreide, Hühnern, Eiern, Zöllen, Geleiten, sowie das gesammte „Ackerwerk, Fischerei in den Flüssen und Bächen, Viehzucht und Milchwerk" sollte Rechenlierg für sich haben und dafür nur das Schloss Tollenstein, sowie die herrschaftlichen Höfe und Vorwerke

'*') Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Oberlaus. Sach. Bl. 101, 129 fgg. '") Hauptst.-Arch., Witt. Arch., Böhm. Sach. Bl. 111 fgg.

Die Berka von der Duba auf Hohnstein etc. 235

im Stande erhalten, Knechte und Gesinde beköstigen und lohnen.'^') Es war dies also eine Verpachtimg ohne jeden Pachtschilling, lediglich gegen Uel)ernalnne dor Ver- Avaltungsk(jstcn.

Kein Wunder, dass, als dieser Pachtvertrag 1481 zu Ende ging, die Eigenthümer die so schlecht rentierende Besitzung ganz zu veräussern suchten. Als Käufer fand sich der sächsische Obcrmarschall Nagold von Schleinitz auf Schleinitz und Kriebstein, ein sehr wohlhabender Herr. Den 27. Mai 1481 '*') wiesen die herzoglichen Brüder die ehrbare Mannschaft, die Bürger von Schluckenau , sowie die sämmtlichen Dorfgemeinden an den neuen Besitzer.'^*) Hugold von Schleinitz hatte die Herrschaft nicht sowohl für sich selbst, als für seinen ältesten Sohn Heinrich ge- kauft. Daher wiesen die Herzöge (den 8. November 1482) diesen Heinrich von Schleinitz .,und seine Brüder" „mit dem Schlosse Tollenstein und Schluckenau" behufs der Belehnung oder Einlegmig der Güter in die Landtafel an

'") Hauptst.-Arch. Cop. 59 fol. 194b.

'*') Ebeud. Cop. (511 fol. 42b. Nach dcai Ivaufbriefe und der Kaufsumme haben wir vergeblich geforscht.

'*■*) Der von uns oft scliou erwähnte Christoph von Hermsdorf auf Rumburg gerieth alsbald, wir wissen nicht weshalb, in Streitig- keiten mit dem neuen Lehnsherrn, Hugold von Schleinitz. dem er die Erbhuldiguug zu leisten sich weigerte. Er verklagte denselben bei dem Gericht vor dem rotheu Thurme zu Meissen, musste sich aber endlich doch entschliessen, ihm seine liehngüter Kumburg, böhmisch Seifhenuersdorf und Ehrenberg zu verkaufen. (Mencke, Script, n, 1460, 1599.) So gelangte die lange Zeit verlehnt gewesene Stadt Kumburg an die Herrschaft zurück. Christoph erscheint darauf sammt seinem Bruder als „auf Blankenstein" gesessen, sei es, dass diese Wartenberg'sche Besitzung ihm ebenso, wie einst Tollenstein, zur blossen Verwaltung oder eigenthnmlich überlassen ward. 1494 ver- kaufte er auch seine in der Oberlausitz gelegenen Güter Antheil llirschfelde und Rohnau und zwar an den Rath zu Zittau (Carpzov, Anal. I, ?.ll). Ein Schwager von ihm war (1485) Georg Eberhard auf Berthelsdorf am Queiss (Oberlausitzer Arbeiten III, 202). Seine Witwe verheiratete sich mit Joh. Polkner, Bürgermeister in Kamenz, welcher seitdem selbst auch „Ronneberg" genannt wurde (N. Script, rer. lus. IV, .Sß6). Ein Sohn von ihm, Hans von Hermsdorf, nennt daher diesen Polkner „seinen Stiefvater", als er 15.36 mit Ernst von Kechenberg auf Gjjpach, „seinem Ohm", und mit Onophrius von Kintscli auf Burkau und Jobst Grohmanuj ,, seinen Schwägern'', vor dem Käthe zu Kamenz erschien und daselbst „nach dem Willen seines lieben Vaters Cristofl" Ronnebergs gottselig" seinen Schwestern Frau Katherinen und Jungfrau Clara, je 100 Mark als väterliche Gerechtigkeit auszuzahlen versprach (Kamenzer Stadtbudi IV, 25.3).

236 Hermann Knothe: Die Berka von der Diiba etc.

den König und die Krone Böhmen.'^*') So ist denn diese einst Bcrka'sche Herrschaft nicht, wie Hohnstein und Wildenstein, auf die Dauer mit Sachsen verbunden wor- den, sondern ist böhmisch verblieben.

Ueber das Walten der Herren von Schleinitz in dem neuerworbenen Besitzthum gedenken wir um so weniger uns zu verbreiten, da wir dasselbe schon früher einmal (Lausitzer Magazin 1862. 401 fgg.; „Das Schleinitzer Ländchen"), freilich mit unvollkommenen literarischen und archivalischen Hilfsmitteln, behandelt haben.

'*•) naiiptst.-Arch. Cop. 62 fol. ob.

VIII.

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813).

Von

Hermaun Freiherrn von Friesen.

In V. Webers Archiv für die säclisische Gescliiclite (Neue Folge Bd. IV S. 3üO) Avird auf Grund einer Nieder- schrift des Kouferenzministers von Gk)big einer Unter- redung gedacht; welche dieser am 9. Mai 181B mit Napoleon gehabt habe. Sie fand also statt am Tage nach der An- kunft Napoleons und nach der in der vorhergehenden Nacht zwischen ihm und den vier Mitgliedern der Immediat- kommission gepflogenen Besprechung. Da in dieser alle die erforderliclien Schritte zur Wiederanknüpfung der bundesfreundlichen Verhältnisse zwischen dem Kaiser der Franzosen und dem König von Sachsen verabredet waren, konnte die am gedachten Orte fragmentarisch mitgetheilte Unterredung nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Von der am 8. Mai nach 10 Uhr abends stattgehabten sehr lebhaften Konferenz zwischen Napoleon und der Immediatkommission steht mir ein Bericht zu Gebote, den mein verstorbener Vater, der damalige Oberkannnerherr Freiherr von Friesen, kurz nachdem sie stattgefunden, in französischer Sprache niedergeschrieben hat. Ehe ich ihn in der Uebersetzung veröfFentliche, schicke ich einige einleitende Worte voraus, deren Inhalt ich theils meinen, aus dem Gedächtnis schon vor geraumer Zeit niederge- schriebenen Jugenderinnerungen, theils handschriftlichen und gedruckten Denkwürdigkeiten damaliger Zeitgenossen

238 Hermann Freilierv von Friesen:

entnehme. Dass icli Erinnerungen aus jener Zeit, wo ich allerdings noch nicht ganz 12 Jahre alt war, den Werth von glaubhaften Berichten beilege, darf nicht verwunder- lich noch anmassend scheinen. Die beispiellose Aufregung jener ereignisvollen Jahre hatte die Aufmerksamkeit auch kindisclier Gemüther im höchsten Grade angespannt. Da- her stehen auch mir, selbst bei meinem vorgerückten Alter, die Bilder von Ereignissen und Personen aus jener Zeit noch mit fast greifbarer Lebhaftigkeit vor dem Ge- dächtnis. Dazu kommt, dass Personen^ die mir im Alter weit voraus waren, wenn sie meine Niederschriften gelesen hatten, sie in der Allgemeinheit für korrekt und wahr- heitsgetreu erkannten.

Wenn es dessen bedurft hätte, so würde die blitz- artige Erscheinung Napoleons zu Dresden in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember 1812 das letzte Siegel der Glaubwürdigkeit allen bis dahin schon eingegangenen erschütternden Nachrichten über die Vernichtung einer Heeresmacht von ungefähr 400000 Mann in Russland aufgedrückt haben. Bei der allmählichen Rückkunft von einzelnen und Heeresabtheilungen in dem kläglichsten Zu- stande nahmen diese sich mehr und mehr häufenden Nach- richten immer festere Gestalt an. Die Spannung wuchs immer mehr. Doch während sie nach der Grösse des ungeheuren Schlages, unter dem Hunderttausende jammer- voll untergegangen waren, nach der Aussicht auf die Ver- legung des Kriegstheaters nach Sachsen nur bedrückend und tief niederschlagend hätte sein sollen , machte sich dennoch zugleich der Eindruck der Genugthuung darüber geltend, dass man den Sturz der über alles Mass ge- hassten napoleonischen Macht für unzweifelhaft ansah. In dieser Stimmung achtete man mit theilnchmender Auf- merksamkeit auf die Fortschritte der Russen in Polen und auf deutschem Gebiet. So war es denn möglich; dass sich schon im Januar Gerüchte vei'breiteten von Kosaken, die man sogar unweit von Dresden gesehen haben wollte. Das war nun freilich übertrieben. Als aber am 3. Fi-bruar mit dem Aufruf des Königs von Preussen an sein Volk die Verbindung dieser zumeist niedergetretenen Macht mit Russlaiid zur Gewissheit geworden war, liess die that- sächliche Annäherung von fliegenden Corps, insonderheit aus Kosaken bestehend, nicht lange mehr auf sich warten. Auch wurden indessen die aus Russland zurückgekehrten Reste unserer sächsischen Truppen mit wenigen Ausnahmen

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 23Ö

unter den Befehlen des General v. Thielniann iu Torguu vereinigt. Ungeachtet einiger drohenden liodomontaden des Oberst Brendel an der Spitze von Haufen, die nur nach Hunderten zählten, war indessen keine Gefahr vor einem wirksamen Einbruch vorhanden. Dennoch fühlte sich der König Friedrich August am 25. Februar be- wogen, mit der Königin und Prinzessin Auguste, von zahlreichem Gefolge umgeben, Dresden in der Richtung des Erzgebirges zu verlassen , während sich gleichzeitig die Prinzen und Prinzessinnen, mit Ausnahme der hoch- bejahrten Tante des Königs, Prinzess Elisabeth, nacli Prag begaben. Ich kann nach zuverlässigen Quellen be- zeugen, dass dieser Schritt mit Betrübnis und Bedenk- lichkeit hinsichtlich seiner Rathsamkeit betrachtet wurde.

Bei seiner Abreise setzte der König unter dem Titel einer Immediatkommission eine Behörde ein, aus vier Mitgliedern bestehend, die den Beruf hatte, in seiner Abwesenheit die drino-endsten Regierunssüeschäfte in hoch- ster Instanz zu erledigen. Dass der Konferenzminister von Globig, einer der ältesten Staatsbeamten, an ihre Spitze gestellt wurde, war gewissermassen selbstverständ- lich, da er als Präsident dem Geheimen Consil vorstand. Mein verstorbener Vater, der Oberkammerherr Freiherr von Friesen, war vom Cabinetsminister Graf Senfft von Pilsach in Vorschlao- gebracht Avorden, um den Ständen eine Aufmerksamkeit zu erweisen, weil er das Erb- marschallamt, das bisher in der nunmehr ausgestorbenen Familie von Löser erblich gewesen war, seit 1811 in- terimistisch verwaltete. Der Geheime Rath Baron von ManteufFel und der Geheime Finauzrath von Zezschwitz genossen schon längst als die ausgezeichnetsten Mitglieder des Geheimen Finanzkollegiums das Vertrauen des Königs.

Schon auf der ersten Station des königlichen Hof- lagers, zu Freiberg, war der Cabinetsminister des Innern, Graf Hopfgarten, erkrankt. Er konnte daher dem König nicht nach Plauen folgen, wo vor der Hand der bleibende Aufenthalt auf kurze Zeit genommen wurde, und verschied in Freiberg nach kurzem Krankenlager. Der König über- trug daher dem Grafen Senfft von Pilsach, der, wiewoid er verhältnismässig noch jung war, dm*ch seine klare Einsicht und seine Arbeitskraft schon vorlängst das Ver- trauen des Königs gewonnen liatte, neben dem Portefeuille des Auswärtigen auch das der inneren Angelegenheiten. Graf Senfft hat einige sehr werth volle Niederschriften,

240 Hermann Freiherr von Friesen:

die voi' noch nicht zwanzig Jahren gedruckt sind, über die kurze Zeit seiner Amtierung als Cabinetsminister (von Ende 1810 bis Mai 1813) hinterlassen. In ihnen ist das Wichtigste, was damals auf politischem Gebiete am Hof- lager des Königs vorfiel, berichtet. Die mit grossem Ge- schick und grosser Sorgfalt dem in der Nähe des Königs sich aufhaltenden französischen Gesandten, Grafen Serra, verborgen gehaltenen Verhandlungen mit dem Fürsten P. Esterhazy über ein Bündnis mit Oesterreich erhalten dort genügende Auflvlärung. vSie wurden in Regensburg angeknüpft, wohin sich der König nach kurzem Aufent- halt in Plauen begeben hatte, und gaben Veranlassung zu der Verlegung des Hoflagcrs nach Prag, avo leider in den Maitagen, als Napoleon von Dresden aus die Rück- kehr des Königs in seine Residenz gebieterisch verlangte, die Ratifikation der Konvention noch nicht angelangt war, ein Umstand, der für den Entschluss des Königs zur Nachgiebigkeit gegen des Kaisers Forderungen ein sub- sidiarisches Gewicht in die Wagschale legte. Als sich

o

der Könio- noch in Regensburg befand, hatte er schon

dem Leibgrenadierregiment und dann den Kavallerie- regimentern Gardekürassiere und Jung-Zastrow Befehl ertheilt, ihm zu folgen. Letzteres betonte später, wie wir sehen werden, Napoleon als eine besonders empfindliche Verletzung der Bimdespflicht.

Unterdessen waren die Ereignisse in Dresden rasch fortgeschritten. General Graf Reynier war am 8. März mit einigen Trümmern seines Corps, aus Sachsen, Bayern, Württembergern und Franzosen bestehend, eingerückt- Er hatte schon einige Vorbereitungen zum Sprengen der Brücke machen lassen^ wodurch eine Erneute der Dresdner Einwohnerschaft entstand, bei der ihm zwar die Fenster im Brühl'schen Palais eingeworfen wurden, sonst aber nichts Bedeutendes vorfiel. Kurz darauf war er in Kan- tonierungsquartiere nach Gorbitz und in die umliegenden Dörfer gerückt, um dem Marschall Davoust mit seinen meistentheils jungen Truppen Platz zu machen. Am 19. März Hess Davoust die Brücke wirklich sprengen, nach vieler Meinung ein Akt der Rache für den Tuumlt der Dresdner, jedenfalls eine strategisch unnöthige Massregel. Denn der Marschall selbst konnte nicht an eine energische Behauptung der Eiblinie bei Dresden und Meisseu, wo die hölzerne Brücke ebenfalls zerstört war, denken, da er schon an demselben oder dem folgenden Tage am

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 24l

linken Eibufer nach Wittenberg abmarschierte. Auch blieb nur eine schwache Besatzung nieistentheils deutscher Rheinbundstruppen in Dresden zurück. Auf dem rechten Eibufer fanden nur unerhebliche PUlnkeleien zwischen heranschwärmenden Kosaken und einer schwachen Ab- theilung- sächsischer leichter Infanterie statt. AVenige Tage darauf wurden auch diese eingestellt infolge eines Waffen- stillstandes, nach welchem für die Dauer von zweimal vier- undzwanzig Stunden das Terrain je eine Meile ober- und unterhalb Dresdens für neutral erklärt und die Neustadt geräumt wurde. Die schwache Besatzung zog auf Kähnen mit klingendem Spiele, d. h. mit zwei Trommeln, ab. Noch ehe diese Waffenruhe zu Ende war, verliessen die nach Davoupts Abzug zurückgebliebenen Truppen bei anbrechender Nacht die Stadt in aller Stille. Nun meinte man also den letzten Rest der französischen Herrschaft, gegen welche der Hass durch die Zerstörung der geliebten Brücke noch brennender geworden war, los zu sein. Man erwartete mit freudiger Ungeduld die Prcusseu und Russen, die als Befreier angesehen wurden. Auch kamen sehr bald einige russische Offiziere, auf Leitern an den zer- störten Pfeilern hinab- und heraufkletternd, nach der Alt- stadt herüber. Nicht lange darauf wimmelte die Elbe von Kähnen, weniger mit Soldaten als mit fröhlichen Leuten angefüllt, die sich heiter mit der diesseits stehen- den Menge begrüssten. Denn in den wenigen Tagen seit dem 19. März war nicht allein die Trennung Verwandter und Befreundeter, sondern auch der Mangel an unent- behrlichen Nahrungsmitteln, wie Brod, frischem Fleisch, Gemüse u. dergl. in Neustadt drückend geworden. In solcher Abhängigkeit befand sich damals noch dieser Stadt- theil von der Altstadt, deren Mutter er eigentlich war. Das alles hat nur Interesse, um die Stimmung jener Tage zu hezeichnen. Man nahm nun einmal den Beitritt unseres Königs zur Allianz gegen Napoleon nicht IjIoss für wahrscheinlich, sondern fast für gewiss an. War damals die Vereinigung der sächsischen Truppen unter General Thielmann in Torgau und der Befehl, die Festung weder an die Alliierten noch an die Franzosen zu über- geben, noch nicht bekannt, so blieb bald diese Thatsache niemandem mehr verborgen. Dazu erregten die von russischen vmd preussischen Generälen erlassenen Prokla- mationen die erhitzten Gemüther noch mehr. Der da- maligen Stimnmng war es angemessen, dass in ihnen die

Neues Arcbiv f. S. 0. u. A. JI. 3- 16

242 Hermann Freiherr von Friesen:

Vereinigung der betreffenden Nationalitäten mit den Alliier- ten mehr betont wurde , als der Ansckluss der Souveräne an die antifranzösische Sache. Ja sogar die Erinnerung des Fürsten Wittgenstein an die grosse Erhebung Deutscher und Sachsen gegen Römer oder Franken unter Hermann und Wittekind fand, wenn auch geth eilten, Beifall. Nur eines warf, meiner genauen Erinnerung nach, einigen Schatten auf diese leuchtenden Eindrücke. Dass General Blücher den Cottbuser Kreis mit ang-eblicher Berechtigung als preussische Provinz wieder vindizierte, wollte mit der Aufforderung an Sachsen, mit Preussen ein inniges Bünd- nis zu schliessen, nicht harmonieren. Man hatte nicht vergessen, dass diese brandenburgische Enklave in der >Jiederlausitz Sachsen nicht als eine Gebietsvergrösserung, sondern als Tauschobject für den sächsischen Antheil an der Grafschaft Mansfeld, für Querfurt und für die Herr- schaft Barby und Gommern, die dem neugeschaffenen Königreiche Westfalen einverleibt wurden, abgetreten war. Nach dem Einmarsch der preussischen Truppen unter General Blücher und der russischen unter General von Winzingerode, dann des Corps des Generals Miloradowitsch bis zu der Ankunft der verbündeten Monarclien, des Kaisers Alexander und des Königs von Preussen am 23. April, fiel meiner Erinnerung nach nichts vor, was hier von Bedeutung sein könnte. Die zahlreichen schönen Truppen, die über die durch einen Holzbau wieder her- gestellte Brücke, sowie über eine oberhalb der Stadt aus Eibkähnen mit doppelter Fahrbahn bei Antons geschlagenen Schiffsbrücke einzogen, machten bei dem hellen FrühUngs- wetter einen doppelt begeisternden Eindruck, je mehr sie abstaclien von den letzten napoleonischen Kriegshaufen, die vor einigen Wochen abgemattet, verstimmt und in dürftigem Schmuck uns verlassen hatten. Der Jubel war unendlich gross. Mit zuversichtlicher Stimmung wurde Kaiser Alexander als Befreier von Deutschland begrüsst. Dabei soll, was mir nicht mehr erinnerlich, die_ über- raschende Anwesenheit des Generals Thielmann bei einer Parade der Truppen an der Seite der Monarchen mit grosser Genugthuung bemerkt worden sein. Man wollte daraus auf die baldige Erfüllung der allgemein gehegten sehnsüchtigen Wünsche für den Beitritt unseres Königs zu der russisch-preussischen Allianz mit Sicherheit schliessen. Als die Truppen allmählich wieder abzogen, mögen wenige daran geglaubt liaben, dass ihnen der Sieg gegen

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 243

die in Eile zusammengeraffte französische Armee fehlen könne.

Bekanntermassen wurde die erste Schlacht bei LUtzen oder Grossgürschen am 2. Mai 1813 geschlagen. Die erste Nachricht davon traf am 4, Mai bei grauendem Morgen in Dresden ein. Nur mit schmerzlichem Widerstreben wollte man an einen Sieg Napoleons glauben. loh er- innere mich genau, dass mau sich mit dem Ausdruck be- half: die Alliierten haben das Schlachtfeld behauptet. In- dessen Hessen die ersten Spuren des Rückzugs nicht lange auf sich warten. Wiewohl in den Tagen vom 5. bis 7. Mai der grösste Theil der zurückgehenden Truppen wahrscheinlich über die breite Schiffbrücke bei Antons und eine Knüppelbrücke bei Pieschen geleitet wurde eine bei dem ersten Einmarsch der alliierten Truppen an der Stelle der heutigen Albertsbrücke errichtete Floss- brUcke ähnlicher Art war meines Wissens wieder abge- brochen worden , durchzogen doch noch vieh- die Stadt selbst. Sie wurden mit einer zwischen Furcht und Hoff- nung schwankenden Stimmung betrachtet. Von einer Niederlage der Alliierten konnte allerdings nicht die Rede sein. Allmählich machte sich die Uebcrzeugung geltend, dass die Schlacht nicht die Bedeutung einer endlichen Entscheidung gehabt habe. Ich könnte sogar von An- zeichen reden, nach welchen diese erst von einer zweiten jenseits der Elbe mit sanguinischen Hoffnungen erwartet Avurde. Am 7. Mai war der König von Preussen nocli in Altstadt. Er reiste erst am 8. mittags von Neustadt ab. Auch Kaiser Alexander übernachtete noch bis 3 Uhr früh im Brühl'schen Palais. Als er am späten Abend über den Neumarkt fuhr, soll er haben anhalten lassen und an die zahlreich versannnelte Menge einige beruhigende Worte gerichtet haben.

So verging der letzte Tag vor Napoleons Ankunft. Am andern Morgen verbreitete sich das bange Gerücht, in der Friedrichstadt zögen sich die Russen fechtend imd verwüstend zurück. Es war aber völlig unbegründet. Doch um die zwölfte Stimde, als eben noch ein russischer Offizier, der am Rathhaus zu Pferde stieg, von zwei Kosaken begleitet gemächlich über den menschenleeren Altmarkt ritt, hörte man die ersten Trompeten französi- scher Reiterei am andern Ende der A\'ilsdruffcr Strasse. Indessen b)-annte man die Bockbrücke ab, welche die Alt- und Neustadt an der Stelle der gesprengten Bogen

16*

244 Hermann Freiherr von Friesen:

kaum vier Woclien lang verbunden liatte. An der Schiff- brücke bei Antons Iiörte man bald darauf kanonieren, und in den Naclnnittagsstunden trieben die brennenden Trüm- mer derselben den Strom hinunter bis an die steinerne Brücke, wo sie unter dichtem Qualm liegen blieben.

Von hier ab halte ich es für das Gerathenste, den handschriftlichen Bericht meines Vaters einzuschalten; er lautet:

„Nach 10 Uln- (8. Mai) erscholl zuerst das Gerücht, dass der Kaiser Napoleon und der Vicekönig von Italien von Wilsdruff lier der Stadt schon ganz nahe wären. Gegen 12 Uhr kam der Major von Odeleben, von Napo- leon von Wilsdruff aus abgeschickt, in die Stadt mit dem Auftrage, die vom Stadtmagistrat abzuschickende Depu- tation zum Kaiser zu führen. Gegen 3 Uhr ritt ich mit dem Baron von Manteuffel dem Kaiser entgegen. Wir fanden ihn hinter dem Chausseehaus an der Löbtauer Brücke. Der Oberstallmeister Caulincourt, Herzog von Vicenza, den ich bat, mich beim Kaiser zu melden, meinte, es bedürfe dessen nicht, er werde mich schon wieder- erkennen. Das erfolgte auch ganz genau. Der Kaiser begrüsste mich, der ich vom Pferde abgestiegen war und an ihn heranging, mit den Worten: „Ah, vous voila Mr. de Fries, qui est ce que vous avez avec vous?" ,C'est le Bar. de Manteuffel, Sire, autre membre de la commission de regence.' Manteuffel erhielt nun den Auf- trag, in die Stadt zu reiten und Kähne und Zimmerleute zur Erbauung einer Flossbrücke herbeizuschaffen. „Vous, Mr. de Fries, vous irez avec moi." Nun musste ich auf dem Wege an der Pulvermühle ') vorbei über den Damm am Falkenschlage neben dem Kaiser herreiten. Er fragte im allgemeinen nach dem Könige, nach der Anzahl der durch Dresden durchraarschierten Russen und Preussen, ob nicht im Erzgebirge Einverständnisse mit den ver- bündeten Truppen stattgefunden hätten u. s. w. Er schien mit meinen Antworten zufrieden zu sein und war über- haupt sanft und freundlich. Er ging immer um die Stadt herum, beim Lazarethe'^) vorbei, nach dem Pirnaischen Scldage. Von da aus ritt der Kaiser, kaum von 4 oder 5 Persnen begleitet; worunter Berthier und Caulincourt, nach Antons Garten, wo die obere Schiffbrücke gestanden

') Wahrscheinlich Papiermühle. ; Damals noch Moczyusky-Palais.

1

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 245

hatte und wo nocli einzelne Scliüsse fielen. Die ganze Suite musste zurüekbleiben. Ungefähr nach einer halben Stunde ritten wir zum Pilhiitzer Schlage herein und kamen auf der Ziegelgasse wieder mit dem Kaiser zusammen. Er sprach sogleich wieder von der Brücke, die er bei Briessnitz wolle schlagen lassen. Dahin ging es nun durch die Stadt. In dieser standen schon viele inzwischen ein- marschierte, meist italienische Regimenter. Am Ende der Allee vor dem Briessnitzer Schlage ging es rechts über die Felder, beim Pulvermagazine vorbei nach der Elbe. Am andern Ufer, wenig unter Uebigau, lag die halbe SchifFbrücke, welche von Pieschen aus hierher getrieben hatte, noch brennend. Etwas weiter unten, bei den Schuster- häusern, marschierten ein paar Kompagnien Pontoniere auf mit Infanterie und einigen Kanonen zum Soutien. Am jenseitigen Ufer war alles ruhig, obgleich nichts leichter gcAvesen wäre, als uns aus den Uebigauer Gärten mit Kanonen zu bewillkommnen. Napoleon ging am Eibufer ruhig auf und ab und fragte einen Gefangenen aus. In- dessen waren auf zwei herbeigeschafften Fischerkälmen Pontoniere nach der brennenden ScliifFbrücke hinüber- gefahren, hatten sie* gelöscht und waren auf ihr lierunter- getrieben bis an den Platz, wo die neue Schiffsbrücke hinkommen sollte. Nach einem Verweilen von wohl zwei Stunden ritt der Kaiser in die Stadt zurück, stieg im Schlosse ab und ging gleich, ohne Cour anzunehmen, nach den Zimmern, die er im vorigen Jahre auf dem Marsche nach Russland bcM^ohnt hatte. Es war abends 8 Uhr. Von der Neustadt, die noch von Russen besetzt war, ward, nach der Stadt herübergeschossen. Des Kaisers Generäle und Adjutanten sagten mir, dass morgen um die gewohnte Stunde, um 9 Uhr, Lever sein würde. So hielt ich denn mein Tagewerk für beendigt, ging nach Hause und Hess mir ein Glas Wein geben, dessen ich nach dem heissen Nachmittage gar sehr bedurfte. Die Ruhe dauerte nicht lange; denn kaum hatte ich es ausgetrunken, so kam ein Ordonnanzoffizier und rief mich zum Kaiser. Als ich in sein Zinnner trat, sagte er mir ziemlich barsch, nicht mit mir allein, sondern mit der ganzen Imuiediat-Konnnission wolle er sprechen. Es dauerte bis nach 10 Uhr, ehe deren Mitglieder zusammengerufen werden konnten. Früher war schon der Graf Georg von Einsiedel (ehemaliger Ge- sandter in Paris) beim Kaiser gewesen und hatte von ihm einen Auftrag an unseren König nach Prag erhalten,

246 Hermann Freiherr von Friesen :

musste aber noch auf die Audienz der Immediat- Kommis- sion warten. Als diese beisammen war und vorgelassen wurde, empfing sie der Kaiser mit der Frage: , Messieurs, sommes nous amis ou ennemis? je veux savoir ä quoi j'en suis/"

Soweit der Bericlit meines Vaters, der sich nun auf die in französischer Sprache abgefasste Relation der Unter- redung in der Beilage bezieht. Sie lautet in der Ueber- setzung:

„Ich schreibe aus dem Gedächtnis. Es wird unmög- lich sein, was der Kaiser uns sagte in derselben Ordnung zu berichten, in der es in der Unterredung aufeinander folgte; aber ich werde bemüht sein, nichts wichtiges und wesentliches auszulassen. Es genügt, die Stimmung des Kaisers gegen den König und Sachsen zu kennen."

„Ebenso unmöglich wird es sein, getreu wiederzugeben, was vier Personen erAviderten, die nicht die Zeit gehabt hatten, um sich vorher zu verständigen und auf eine Unterredung der Art vorzubereiten. Auch das ist von Wichtigkeit. Es handelte sich für uns weder um Ver- handlungen, noch um Auseinandersetzungen und Wider- spruch. Den mächtigen und aufgeregten Mann zu be- ruhigen, unseren Souverän zu entschuldigen, ohne ihn bioszustellen, Aufschub zu erlangen, das war es, worauf wir uns beschränken mussten, und ich darf mir schmei- cheln, dass uns das gelang."

„Nachdem er uns mit der Frage empfangen hatte: ,Messieurs sommes nous amis ou ennemis? II faut parier clair!' sprach uns der Kaiser vom General Thielmann und erklärte sich sehr verletzt durch die Antworten, die er dem General Reynier und dem Marschall Ney auf ihr Verlangen, ihnen die Festung Torgau zu öffnen, gegeben hatte. Der Oberstallmeister, Herzog von Vicenza, las uns die zwei Briefe Thielmanns vor, in denen der Kaiser vor allem zwei Stellen hervorhob, die ilyi besonders ver- letzten: zuerst, dass es Thielmann verboten sei, fremde Truppen in die Festung aufzunehmen ohne einen ausdrück- lichen Befehl des Königs von Sachsen, den dieser nie geben würde, ohne sich darüber mit dem Kaiser von Oesterreich verständigt zu haben, dann, dass Thielmann von nun an keine andere Antwort geben werde, als mit Kanonen."

„Der Kaiser fuhr in Bezug auf Thielmann fort, er wisse recht gut, dass er ein eitler Mann sei, der sich

Napoleon iu Dresden (S. Mai 1813). 247

durch die Sclimcicheleien der Russen und Prcussen habe gewinnen lassen, die Politik der Russen sei, wie die der Griechen, hinterlistig u. s. w. Als dann der Kaiser auf den König von Sachsen zu sprechen kam, sagte er: ,Ich erfahre seltsame Dinge, der König besteht darauf, mir die Kavallerie-Brigade zu verweigern, die ich ihm dereinst habe abfordern lassen. Ich habe ihm durch Baron Just ^) versichern lassen, dass ich ihn am 15. Mai in seine Haupt- stadt zurückführen werde. Trotz dieses Versprechens, dessen Erfüllung ich, wie Sie sehen, anticipiert habe denn wir haben heute erst den 8. , hat mir der König so wenig Vertrauen bewiesen, dass er beim Verlassen seiner Staaten, als er von Plauen hinwegging, anstatt sich mir zu nähern, sich erst nach Regensburg und dann nach Prag begab. Er hat also an den Tag gelegt, dass er den Schutz von Oesterreich und nicht den meinigen suchte.' "

„Der Kaiser fuhr fort, indem er sich in den härtesten , Ausdrücken über das beabsichtigte Bündnis mit Oester- reich aussprach und sagte, der König von Sachsen handle den Verbindlichkeiten eines Mitgliedes des Rheinbundes zuwider und er werde ihn für bundbrüchig (filou) und des Königthums entsetzt erklären. Karl V. habe die kur- fürstliche Würde den Vorfahren des Königs übertragen; er, der Kaiser, werde ihm die Krone nehmen. Er fügte wörtlich hinzu: ,Ich weiss wohl, der König ist Ihr Sou- verän, ich aber bin der Kaiser und bin zu Hause, wenn ich mich hier befinde.'"

„Um zu beweisen, dass der König von Sachsen auf den Schutz von Oesterreich nicht rechnen solle, licss der Kaiser durch den Herzog von Vicenza eine Depesche aus Wien vorlesen, nach welcher Graf Metternich über die Ankunft des Königs in den österreichischen Staaten ge- sagt habe, der König von Sachsen sei wie eine Bombe hineingefallen."

„Der Kaiser fuhr fort: was man in Wien fiüstere (les bourdonnements de Viennc), sei ihm bekannt, soAvie die In- triguen der Kaiserin; es sei schon hinge her, dass er dem Hofe misstraue; wenn man aber dort glaube, von dem Schlage, den er im letzten Feldzuge erlitten habe, Vor- theil zu zielicn, um das, was man verloren habe, wieder zu nehmen, so täusche man sich. Er sei niemals so mächtig

*) Sächsischer Gesandter in Paris seit der Erkrankung des Grafen G. von Einsiedcl im Jahre 1812.

248 Hermann Freiherr von Friesen:

gewesen, als in diesem Augenblick. Wenn sein Schwieger- vater 300000 Mann gegen ihn marschieren lasse, so stehen ihm 1200000 Mann zur Verfügung."

„Er fügte hinzu, er würde es Oestcrreich verzeihen, dass es sich gegen ihn erklärt habe, weil es mit Bedauern Provinzen gegen ihn verloren habe; er könne es dem König von Preussen verzeihen, wenn er ihn bekriege, weil er, der Kaiser, ihm die Hälfte seiner Staaten genommen habe; aber er werde es niemals dem König von Sachsen vergeben, weil er der einzige Souverän sei, dem er nichts genommen, sondern dem er im Gegentheil nur Gutes er- wiesen habe.''

„Indem er von den üblen Rathschlägen sprach, die man dem König von Sachsen gegeben habe, gedachte er des Generals von Langenau und sagte, er wisse, dass er es vorzugsweise sei, der dazu gerathen habe, sich mit O esterreich zu vereinigen. Aber er werde ihn zu finden wissen und ihn füsilieren lassen."

„Nachdem der Kaiser gesagt hatte, wenn der König von Sachsen seine Partei verlasse, werde er sich durch den Verlust eines Alliierten nicht schwächer fühlen, be- merkte einer von uns, man müsse hoflfen, das Se. Kaiser- liche Majestät ihn wieder gewinnen werde, worauf der Kaiser erwiederte: ,Ohne die Scldacht von Lützen würde ich ihn schwerlich wiedergewonnen haben/"

„Was der Kaiser im wesentlichen von uns verlangte, um die Regierung des Landes während der Abwesenheit des Königs festzustellen, Avar, dem General Thielmann Befehl zugehen zu lassen, dass er die Festung Torgau französischen Truppen übergeben solle und dass ein Mit- glied der Immediat-Kommission nach Prag gehe, um dem König Vortrag von dem zu erstatten, was wir gehört haben, und seine endliche Entscheidung zu erlangen."

„Als wir darauf erwidert hatten, der General Thiel- mann werde einem Befehl, zu dem wir durch unseren Souverän nicht ermächtigt seien, nicht Folge leisten, er- langten wir, es werde hinreichend sein, wenn einer von uns nach Torgau gehe, um dem General Thielmann die Missbilligung seines Benehmens selten der Immediat-Kom- mission zu erklären und um von ihm zu ei'langen, dass er unverweilt einen Kurier nach Prag sende, um die Befehle des Königs einzuholen."

„Hinsichtlich der Reise eines der Mitglieder der Im- mediat-Kommission nach Prag stellten wir dem Kaiser

Napoleon in Dresden (8. Mai 1813). 249

vor, dass sie überflüssig sei, weil der Graf Geor«^ von Ein- siedel mit einem ausdrücklichen Auftrag Sr. Kaiserlichen Majestät an den König von Sachsen dorthin ahgehe. Der Kaiser bestand nicht weiter auf dieser Reise und wir er- langten von ihm, dass er die Rückkehr des Grafen Ein- siedel von Prag und des Kuriers des Generals Thiel- mann erwarten werde, ehe er weitere Beschlüsse fasse."

„Das war, so weit mein Gedächtnis hinreichen konnte, das Wesentliche dieser ewig denkwürdigen Unterredung, von der indessen zu bemerken ist, dass sie von keiner AA'irkung war; denn Se. Majestät der König von Sachsen hatte schon seinen Entschluss gefasst, während der Kaiser Napoleon uns sprach, und der General von Gersdorf war thatsächlich schon auf dem Wege von Prag nacli Dresden, um einen Brief des Königs an den Kaiser zu bringen."

Wiewohl es schon längst die Geschichte verzeichnet hat, ist doch der Vollständigkeit halber hinzuzufügen, dass Graf Senfl't von Pilsach nach der Entscheidung des Königs seine Entlassung nahm. Graf Detlev von Einsiedel, bis- her Kreishauptmann in Dresden, wurde vom König zum Cabinetsminister ernannt und übernahm uach der Rück- kehr des Königs das Portefeuille der inneren sowohl als der auswärtigen Angelegenheiten. General von Langenau nahm mit seinem Adjutanten, dem Rittmeister Graf Schulen- biu'g (aus dem Hause Vitzenburg), ebenfalls seinen Ab- schied und trat in k. k. österreichische Dienste. General von Thielmann verliess die Festung 'Torgau, nachdem er den Befehl zur Uebergabe derselben an die Franzosen erhalten hatte^ ohne Abschied und begab sich zum Kaiser von Russland, der sein Hauptquartier in Lichtenburg auf- geschlagen hatte und ihn in seine Dienste aufnahm. Oberst- leutnant Aster, Ingenieur des Platzes in Torgau, der den General begleitet hatte, begehrte und erhielt einen ehren- vollen Abschied aus dem königlich sächsischen Dienst, trat in die königlich preussische Armee ein und starb nach einer glänzenden Laufbahn als General-Inspecteur der königlich preussischen Festungen.

Am 12. Mai in den Mittagsstunden kehrte der König Friedrich August der Gerechte nach Dresden zurück, wohin ihn der Kaiser Napoleon unter dem Geläute der Glocken und dem Donner der Kanonen in pomphafter Weise einführte. Am Pirnaischen Schlage empfing ihn eine Deputation des Stadtrathcs, an welche der Kaiser

250 Hermann Freiherr von Friesen : Napoleon in Dresden.

folgende Worte richtete (die ich ebenfalls den Denk- würdigkeiten meines Vaters entnehme):

„Magistratspersonen, liebt euern König, seht in ihm Sachsens Erretter. Wenn er seinem Worte weniger treu, ein minder guter Alliierter gewesen wäre, wenn er sich zu der Meinung der Preussen und Russen hätte hinreissen lassen, Avar Sachsen verloren, ich würde es als erobertes Land behandelt haben."

„Meine Armee wird nur durchziehen, und ihr werdet bald der Bürden entledigt sein, die ihr ertragt. Ich werde Sachsen gegen alle seine Feinde vertheidigen und be- schützen."

Die Stimmung war durchaus eine tief trauernde und bedrückte, wovon mir heute noch, nach einem Verlauf von mehr als sechzig Jahren, die wehmüthigste Erinnerung lebhaft im Gedächtnis ist.

IX.

Aus dem Schulwesen Sachsens, besonders in Mittweida und Freiberg, zu Ende des 17. Jahr- hunderts.

Von

Ch. G. Ernst am Ende.

In den in meinem Besitze befindlichen Aulzeichnungen, welche der als Pastor zu HaselofF (Ephorie Beizig im Kurkreise) am 22. April 1752 verstorbene Mag. Christoph am Ende, der Vater meines Urgrossvaters, über seinen Lebensgang hinterlassen, gedenkt derselbe seiner Schul- bildung mit besonders pietätvollem Ausdrucke.

Da bei dem Brande der erzgebirgischen Stadt llai- niclien, des Wohnsitzes seiner Eltern, 1680 auch das Schulhaus vernichtet wurde, so Avar der achtjährige Knabe zu den Grosseltern nach Mittweida und in die Schule da- selbst gekommen. Hier unterrichteten ihn Bernh. Martini, Organist und KoUaborator, Wolfgang Helmert, Kantor, Zachar. Thorscinnidt, Konrektor und der Rektor Mag. Sam. Bernhardi, bei welchem er auch noch einige Monate vor seinem Al)gange Privatinformation genoss.

Charakteristisch für die Schulzucht, wie lobreich für den Schüler ist die Bemerkung: „Bei der Valediktion (Ostern 1(388) sagte der Herr Kantor, er könnte sich nicht erinnern, dass er mich einmal geschlagen." In den beiden oberen Klassen scheint demnach der sonst so wichtige,

252 Ch. G. Ernst am Ende:

dem Rektor bei seinem Amtsantritte solenn überreichte Stock ohnehin ausser Anwendung gebUeben zu sein.

Wie sehr aber der erwähnte Privatunterricht für strebsame Schüler damals wünschenswert!! gewesen sein muss, geht aus dem Umstände hervor, dass bis zum Jahre 1749 alle vier Klassen in einer Schulstube beisammen waren; erst in diesem Jahre wurde für die erste Klasse des Rektors eine besondere Schulstube bereitet und erst 1792 die grosse Schulstube so geändert, dass jeder der drei übrigen Lehrer eine besondere Stube hatte, „in wel- cher er seine Klasse bearbeiten konnte". *)

„Eben in diesem Jahre (1688) bin ich noch zuletzt an dem Gregoriusfeste Bischof gewesen", erzählt der vor- liegende Lebenslauf, und die Schilderung, welche die ur- kundlichen Nachrichten des Ortspfarrers Kretzschmar^) von der Feier dieses Festes in Mittweida enthalten, er- weitern diese kurze Notiz zu allgemeinerem Interesse. Für das Gregoriusfest, zu Ehren des um Kirchen- und Schul- wesen verdienten Papstes Gregor des Grossen namentlich auch in sächsischen Landen durch einsammelnde Schul- aufzüge ceremoniell gefeiert, war zu Mittweida 1588 eine besondere Fahne angeschafft worden. Mittwochs nach Cantate begann die Prozession, die Schüler erschienen in mannichfachen Verkleidungen, und die Wohnung der Eltern, deren Schulknäbe den Bischof vorstellte (für am Ende das Haus des Grossvaters, des Tuchmachers Caspar Hermann, Stadtrichters und Rathsherrn), wurde acht Tage lang zu einem Schauplatze, der mit bedeutendem Aufwände und nicht geringer Unruhe zu Ehren des so ausgezeichneten Schülers verbunden war. Denn während dieser Zeit des Singumganges hatten diese täglich die Lehrer zu bewirthen und zum Schlüsse eine grosse Mahlzeit zu veranstalten, zu welcher auch die Geistlichen, Rathsherren und andere Vornehme einzuladen waren. Da sich später für solches Unternehmen immer seltener eine Familie bereit fand, so ward 1803 in Mittweida zum letzten Male das Grcgorius- fest in alter Weise gefeiert, bis auch die einfachere Fort- setzung desselben mit dem 20. Mai 1835 infolge des neuen Schulgesetzes erlosch.

Der Stand der damaligen Mittweidaer Schule muss

') Ad. Chr. Kretzschmar, Nachrichten aus .... Mittweyda (daselbst 18il) II, 1100. *) Ebenda 1104—8.

Aus dem Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 253

als ein im allgeineineu für wissenschaftliche Vorbildung nicht ungünstiger erkannt werden, denn sie hatte, wenn auch erst nach fast achtjähriger Schulzeit^ den genannten Verfasser lebensgeschichtlicher E^rinnerungen befähigt, in die Sekunda des Freiberger Gymnasiums aufgenommen zu werden.

Von dem 'philologischen Geiste jener Schule zeugen noch verbliebene Andenken an dieselbe.

Zwei Blätter eines Sclireibheftes sind mit Uebungen in deutschen und lateinischen Schriftarten gefüllt, von welchen jeder Satz mit verschiedenfarbig ausgefüiirten Zeilen beginnt. Gelehrter Weise ist in diesen Sätzen von den Spielen (auf Brett, mit Würfeln) die Kede, wie solche auch bei den Griechen und Römern üblich waren.

Tiefer noch in das Wesen der Schule führt ein Oktav- heftchen ein, beschrieben: „Christophorus am Ende 1G87 d. 19. April mpp." Es ist also aus seiner Mittweidaischen Primanerzeit und enthält Formeln zum Gebrauche in ver- schiedenen Fällen des Schullebens.

Voran steht die Bitte um einen freien Nachmittag:

S. P. Clarissime nee non dnctissime Douiine M. Rector et Praeceptor omni observantiae ciütu honorande. Ciaritatem tuam obnixe rogatam volumus, ut nobis post Meridiem cessationem a studiis pcrmittere velis. Quia coelura serenum est, ut et Parentibns nostris in rebus domesticis servire possimus. Quicquid Interim a nobis cessatum erit, in posterum compensaturi sumus.

Umständliclier ausgeführt gestaltete sich das Gesuch um einen ganzen Tag:

S. P. Humanissime nee non doctissime Domine M. Rector et Praeceptor, omni observantiae cultu honorande. Vide sis quantopere blandiatur coelum et sol radiis, omnia suis fructibus maturitatem inducans exhilaret, ut vel tardissiuiuui ad prodL-ambuhuiduni incifarc queat. Quapropter hujus diei aniounitate ducti humanitatem tuam totius Scholasticae cohortis nomine, adeundam putavi, etiam atque etiam petens atque flagitans, ut hodierno die, et quidem horis suc- cisivis, publicis Lectionibus supersedeudi potestatem nobis lacias. Quo Parentibus nostris in agris ac pratis occupatis adesse queanuis. Nos yicissim quicquid temporis hujusce modi intervallo amissuui erit, intentiori post bac vigüantia recompensaturi sumus.

Besondere Rücksichten waren auf die Würden der zum Besuch der Examen Einzuladenden erforderlich. Da- her die folgenden Formulare:

J. N. J.l In Examine Invitatio ad Pastorem.

Admodum Reverende, Amplissime atque Praecellentissimc, Do- mine Magister, Pastor, Scholaeciue nostrac! Inspector, omni obser- vantiae cultu honorande. Ad dioin Lunae scquentis Septimanae

254 <^^i- f^. Ernst am Endo:

hora octava matutina (cum Deo) in liido nostro literario Examen instituetur (ad quod nostrum Senatum jam invitaturi sumus), oui ut et Reverenda Tua Dignitas Interesse ne dedignetur, nomine totius coetus Scholastici majorem in modum rogamus.

Ad Diaeonuni.

Admodum Reverende, Clarissime atque Doctissime Domine Diacone, (Magister) Fautor et Promotor omni observantiae cultu honorande. Ad diem Lunae sequentis etc.

Ad Senatum. Cum vestrae Prudentiae atque Antoritatis sit, Amplissimi, Pru- dentissimique Viri, Domini ac Patroni, omni observantiae cultu honorandi, non solum intelligere, quid in publicis agatur negociis, verum etiam providere, ut cum omnia, tum praesertim sumtus, qui in Stbolam nostram a Vobis impenduntur, bene tam a Discentibus, quam a Docentibus collocentur; Praeceptoribus nostris, qui omnia prius experti sunt, ne niolesti esse viderentur, vobis impraesentiarum signiticare Visum est, se jussu Reverendi Domini Pastoris et Scholae nostrae In- spectoris Vigilantissimi jam iterum Examen instituere, coetum nostrum Scholasticura ad diem Lunae sequentis Septimanae lustrare velle. Cui lustrationi utet Yos interesse, et quales in Studiis nostris prolectus fecerimus, pro summo vestro erga optimarum artium Studio amore, aequo animo auscultare, ne dedignemini, coetus noster Scholasticus ea, qua par est, sabmissione ac reverentia majorem in modum rogat.

p]s waren aber auch Personen des Ratlies zu berück- sichtigen, bei welchen das Verstellen von Latein nicht vorausgesetzt werden konnte. Diesen ward folgende For- mel, vielleicht auch zu mündlicher Anrede, gewidmet:

WohlEhrenVeste, Voracbtbare, Wohlgelahrte und Wohhveise, besonders Grossgünstige Herren und Förderer. Demnach auf Anordnung und Befehl unsres hochgeehrten Herren Pfarrers unsere Herren Praeceptores auf nechst künftigen Montag abermahls ein Examen in unserer Schule anzustellen entschlossen, Und aber ihme nicht unwissend, dass durch eines EhrenVesten Raths Praesentz und Gegemvart demselben Examini eine sonderliche Autorität und Ansehen gemachet werde; als haben gemeldte unsre Herren Praeceptores uns beyde abgefertiget, solches einen Ehren- Vesten und Wohlweisen Kaht zu vermelden, und denselben in ihren nahmen gantz freundlich zu bitten, dass die Herren auf angerechte Zeit solchen Examini unbeschwert beiwohnen und anhören wollen, wie wir in unsren Studiis proticieret, und wie die auf unsere Schulen angewendete Unkosten angeleget werden. Solches dieweil es ge- reichet zu Gottes Ehren und zu unserer Schulen Besserung, sind nebenst Wüntschung Göttlicher Gnade, Glück sueliger Regierung und alles Guten, um einen EhrenVesten und Wohlweisen Kaht unsere Herren Praeceptores benebenst uns Knaben, nach Vermögen danck- barlich zu verschulden erbötig.

Es folgt dann eine Gratiarum Actio ad Deum post Examen und eine bei derselben Gelegenheit zu haltende Ansprache Ad Viros Fraesentes, beide in dem gleichen woi'treichen Stile, wie das Vorhergehende.

Ans dorn Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 255

Audi zu den musikalischen Auffülirungen hatten im Namen der Kantorei Einhidungen zu geschehen. In wel- clier Weise, lernen wir aus einer Invitatio ad Pastorem ad Convivium Musicum und aus einer weniger eleganten deutschen Formel, die an den Bürgermeister (oder Stadt- richter) gerichtet ist, kennen.

Besonders charakteristisch aber ist schliesslich ein

Gesuch, in welchem bei dem Ortspfarrer unter Ueber-

reichung eines Gedichtes vmi Gewährung von Ferien für

die Nachmittage der Hundstage gebeten wird.

Ad Pastorem pro impetrandis feriis canicularibus. Adniodura Reverende, Araplissime atque Praecellentissinie Domine M. Pastor Scholaeque nostrae Inspector Vigilantissime, P'autor et Promoter omni observantiae cultu honorande. Reverendae Tuae IMgnitati oüero hoc qnalecunque carmen, pro impetrnndis feriis canicularibus scrip- tum, quod, ut aequi bonique Keverenda Tua r)ignitas consulat, nobisque horis pomeridianis vacationem a studiis per dies caniculares pro more et consuetudine haud gravatim conceibit, nomine totius coetus Scholastici majorem in modum rogo.

Die ferneren Erwähnungen nun, welche das Gym- nasium zu Freiberg betreffen, sind wohl umsomehr von Interesse, als erst kürzlich Oberlehrer Dr. Paul Süss") durch seine Geschichte der genannten alten sächsischen Gelehrtenschule (als Gymnasium gegründet 1537, unter dem Namen Gymnasium Albertinum seit 1875) die Auf- merksamkeit auf das Unterrichtswesen in derselben gelenkt hat; zu den meist aus städtischen und Ephoralakten ge- sammelten Nachrichten gewähren die nachfolgenden Mit- theilungen einen ergänzenden Beitrag.

Am 11, Juli 1688^; war Christoph am Ende in die Sekunda des Freiberger Gymnasiums eingetreten. Nächst dem Rektor Mag. Justus Gottfried Rabener hörte er hier die Lectiones des Tertius Christian Fritzschc, sowie des Konrektors Mag. Tobias Liebe und nachdem letzterer an Stelle des 1691 nach Meissen berufenen Rabener Rektor geworden war, auch die des Tertius Israel Beger. In Musicis unterrichtete ihn der Kantor Joachim Ernst Spahn, und er Avard Adjunctus des Praefocti im zweiten Chore.

Was in diesen öffentlichen Lehrstuuden getrieben

*) Paul Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg (Gym- nasium Albertinum) I. und II. Thoil; in den Programmen des ge- nannten Gymnasiums von 1«7() und 1877.

*) Der Rektor M. Joh. Gottl. Biedermann giebt in seiner Gom- mentatio I, qua memorias dis(ipulnruni extrancovum in Sdiola Fri- bergensi versatorum etc., (Prograuun 17:i7) den 11. .Juni 1089 an.

256 ^li- G. Ernst am Ende;

worden, wird niclit berichtet; wolil aber wird es zu einem Belege für das tJeberliandnehnien des Privatunterrichtes, was Superintendent Dr. Lehmann*) um 1700 in einem Gutachten über die Freiberger Schule zu beklagen hatte, wenn gerade dieses Privatunterrichtes hervorhebender in Folgendem gedacht Avird:

„Nebenst den Lectionibus und Collegiis publicis habe ich auch privata gehabt, als bei Herrn Christian Fritzsche als Conrectore: 1. CoUegium Ebraicum super Atrium linguae sanctae Opitii, 2. super Fritzschii Schediasma de studüs scholasticis, 3. de Artiticio vari- andi, cum subsidio iuvenili M. Weisii, Kectoris Zittaviensis,

bei M. Lieben als Conrectore:

1. CoUegium Epistolicum latinum, 2. Topicum theoretico-practicura,

3. Kurtzer Unterricht vom deutschen Briefschreiben, 4. Isagoge ad

Poesin vernaculam, 5. CoUegium Reale, s. Index super rerum et

materiarum a variis autoribus ex professo tractatnris chiliadem,

bei demselben als ßector: CoUegium de inscriptionibus,

bei M. Rabenern : 1. CoUegium Geographicum Ilildebr. ex Cluvero cum annotationi-

bus dictatis, 2. Sinopsin Phys. Sperling, cum commentationibus

dictatis/)

Die kurze Fassung der bei obigen Unterrichtszweigen benutzbar gefundenen Lehrbücher lässt dennoch keine be- sonders weitgehenden mündlichen Erörterungen vermuthen. Genügt es doch z. B. in „Fritzschii Schediasma" für den Ausdruck im Deutschen (Seite 24) zu sagen: „Placet hie infallibilis dar. Weisii regula: Man schreibe, wie maii in Canzleyen schreibet und wie rechtschaffene Theologi

*) Siehe Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II, 67.

«) Die angeführten Lehrbücher sind durch folgende Titel- angaben, wenn auch nur nach den auffindbar gewesenen Ausgaben derselben, näher zu bezeichnen;

Atrium linguae sanctae, quo exhibetur 1. consilium de studio Unffuae sanctae feliciter tractando, 2. Grammaticae Hebr. compendium ex Hebraismo restituto celeberr. . . . Wasmuthi, 3. Textus cum praxi Hebraeo-analytica .... 4. Lexici Hebraei compendium .... 5. In- dex .... autore Henrico üpitio. 3. editio Lips. 168L 4". 78 pagg. (In der Zittauer Stadtbibliothek Th. 498.)

Schediasma de Studüs scholasticis in usum et gratiam studiosae iuventutis editum a Christiano Fritzschio. Lipsiae, Jo. Ch. Wohlfart 1692. 16». 96 pagg. (In der königl. öfl'. ßibUothek zu Dresden, Encycl. 509.)

Christian! Weisii subsidium puerile de artificio et usu chriarum in eorum gratiam, qui tandem ad institutiones oratorias faciliori cursu tum ipsi pergere, tum aliis informatione vel consilio praeire volunt, publici juris factum. Zittaviae, typis Mich. Hart- manni 1689. 8". 48 pagg. (In der Zittauer Stadtbibliothek.)

Compendium geographiae Cluverianae, frequenti historia, fabula,

Aus dem Schulwesen Sachsens zu Ende des 17. Jahrhunderts. 257

und Politici in ihren Schriften gewohnt sind, so darf man weiter nichts besorgen."

Auf Lektüre und praktische Uebungen wurde eben ein Hauptwerth gelegt. Bezeichnend ist in dieser Be- ziehung Fritzsches Eifer für vereinfachtes Erlernen der lateinischen Sprache durch eine deutsch geschriebene Gram- matik ohne viele Regeln. Während die französische oder italienische Sprache recht gut binnen drei Jahren erlernt werde, während sogar für eine später zu erwählende Fach- wissenschaft ein Triennium oder Biennium als ausreichend gelte, bringe die Jugend mit dem Latein beinahe 20 Jahre zu. Aus einer Dissertation, welche die eruditissima virgo Margaretha Adelgundis van den Enden zu Antwerpen öffentlich vertheidigt, wird die Anklage gegen die grosse Mangelhaftigkeit der lateinischen Grammatik mit der Be- hauptung wiederholt, dass bei rechter Methode in Jahres- frist mehr Gewandtheit im Ausdrucke zu erreichen sei, als jetzt binnen zehn Jaln-en. ')

Dieses Streben nach Gewandtheit kennzeichnen aller- dings bereits die aus der Mittweidaer Schule mitgetheilten Invitationes.

Das Ergebnis der genannten, immerhin vielseitigen Studien auf dem Freiberger Gynmasiuni bezeugen zum Tlieil die Themata, welche in freien Aufsätzen zur Be- arbeitung gelangten.

„Auf diesem Gymnasio", heisst es, „habe ich vier Orationes gehalten unter Anführung M. Lieben's; eine publice in laudem autumni, drei solenne, nämlich: in lau-

proverbio etc. ilhistratum, versibus etiam hi vernacula lingua, me- moriae juvandi gratia, comprehensum .... a. M. F ri der. Hilde - brando, G. Martisb. ß. Frankofurti et Lipsiae, Gg. Heinr. From- mann, 1675. 16 ". .S49 pagg. u. Index. (In der königl. ötf. Biblio- thek zu Dresden, Geogr. A. 951.) Phil. Cluverus, zu Leyden 162.^5 verstorbener Geograph, hatte eine beliebt gebliebene „introdnctio in universam Geographiani" verfasst.

Synopsis Physica Job. Sperling's, Profess. AVittebergensis, edit. II. Wittebergae, Job. Berger, praelo Mich. Wendt, 1015. 16". 274 pagg (Ebenda H. nat. A. 128.^.)

Die Verzeichnung damaliger Lehrmittel zu Freiberg geschah deshalb genauer, weil diese kleinen Biuher in Bibliotheken selten geworden sind. So enthält z. B. W. Görges Verzeichnis der in der Stadtbibliothek und in der Bibliothek des Johanneums zu Lüneburg enthaltenen älteren Lehr- und Schulbücher, hauptsächlich aus dem IG. und 17. Jahrhunderte (Programm des Johanneums zu Lüneburg, Ostern 1880) auf 28 gespaltcuv'in Quartseiten keinen der obigen Titel.

') Fritzsche widmet diesem Gegenstande die Seiten 26—44 seines kleinen Buches.

Neues Archiv f. S. Ci. ii. A. II. 3. 17

258 Ch. G. Ernst am Ende: Aus dem Schulwesen Sachsens.

dem auri (den 23. September 1692), super emblema II. au dem Castro doloris Johannis Georgii III „In Morea: Nemo ante meorum"*) (den 18. März 1692) und am 17. Februar 1693 als ein Minister verbi divini orationem consolatoriam deutsch an das betrübte Freiberg bei einem dramate im priesterliclien Habit."

Der Betheiligung an den Schulkomödien wird nur noch zTreimal gedacht: „Auf dem Theatro im Rathhause bin ich in einer weltlichen Comödie ein Abgesandter ge- wesen und in der geistlichen Judith der Hohepriester Joja- kim, der die in Säcken aufziehenden ßethulier tröstete."")

Es kann ein günstiges Licht auf den bei allen ein- getretenen Mängeln doch bildungsfähig gebliebenen Zu- stand der Schule werfen, wenn der noch im Alter dank- bare Schüler in seiner Niederschrift fortfährt:

„So habe ich meine Studia zu Freiberg bis a. 1693 continuirt und durch göttlichen Segen solche profectus gemacht, dass ich unter dem Präsidio Herrn Christian Fritzschens, Conrectoris, eine disputationem scholasticam de perspicuitate scripturae sacrae respondendo gehalten, weil ich gar zeitig durch sonderbaren Antrieb grosse Lust zum Studio theologico bekommen. Dabei ist auch die thesis philosophica ventilirt worden: Philosophia est donum Dei, desgleichen die Thesis moralis: Homini civili licitum est uti coraplimentis."

Der geistlichen Richtung entsprechend, ward vor dem Abgange zur Universität Wittenberg am 10. März 1693 die Valediktionsrcde de morte Christi verissima gehalten.

*) Die vier grossen mit kurfürstlichen Fahnen geschmückten Embleme stellten zur Erinnerung an Kriegsthaten Wien, Morea, Heilbronn und Mainz dar (s. „Emblemata am Castro doloris zu Frey- berg" im Anhange zu S. B. Carpzovs Leichenpredigt auf Johann Georgen III., Dresden 1691. fol.). Auf Morea hatten 1685 an dem Kampfe der Republik Venedig gegen die Türken drei sächsische Regimenter sich siegreich betheiligt.

*) Ueber die Schultheater jener Zeit siehe Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II, 65, wo berichtet wird, dass im Oktober 1689 sogar „Judith und Holofernes" aufgeführt worden sei.

Literatur.

Adam Friedrich Oeser. Ein Beitrag zur Kunstgescliicbte des 18. Jabrliuiideits. Von Dr. Alplioiis Dürr. Mit sieben Holz- schnitten. Leipzig, Alphons Dürr. 1879. 8". X, 255 SS.

Das Leben Oesers ist fast mehr um der Beziehungen willen, welche sich zahlreich mit demselben verknüpfen, interessant, als durch die Leistungen des Mannes selbst. So hoch auch die gleichzeitige Kritik den jMeister hielt, so wenig können wir heute seinen süsslichen und unmänn- lichen Schildereien Geschmack abgewinnen. Nicht der grosse Künstler ist es, der uns an ihm interessiert, sondern der verständige Vorkämpfer einer neuen, besseren Zeit. In diesem Sinne löst auch die vorliegende Monographie die ihr gestellte Aufgabe. Eines ihrer grössten Verdienste ist, dass sie nie den Blick aufs Ganze verliert, dass sie bei all der aus jeder Zeile hervorspringenden Liebe für das gewählte Thema, doch nie den richtigen Massstab ein- büsst, um die Bedeutung Oesers gerecht zu messen. Und gerade durch die Schilderung der Kämpfe imd Unzuläng- lichkeiten des wackeren Künstlers tritt dieser selbst mit grösster Plastik vor unser geistiges Auge. Oesers Be- deutung liegt darin, der „Verdränger des Rokoko in Sachsen" zu sein; zunächst ist dies zwar ein negatives Verdienst, dem entsprechende künstlerische Leistungen kaum entgegen gesetzt werden können, aber doch ein überaus wichtiges, denn wenn Oeser gleich in Vogel, Matthäi, Näke und andern Künstlern der späteren Dresdener Akademie eine; traurige Gefolgschaft nach sich zog, so war er es doch, der dem Geiste den Boden ebnen half, welchen Karstens erschloss und in Sachsen Schnorr, Richter, Rietschel u. s. w. bebauten.

Die Eigenart des zu schildernden IManncs gebot den Aufbau des Werkes. Nicht nach versciiiedenen Perioden

17*

260 Literatur.

seines künstlerischen Schaffens lässt sich sein Leben theilen, sondern äussere Umstände sind es, die entscheidend auf ihn wirken. Die Kapitel über die Jugendjahre in Press- burg (1717—1730), die Lehrjahre in Wien (1730—1739), die Zeit der Entfaltung des Könnens in Dresden (1739 175G) sind zwar in erster Linie dem Maler gewidmet. Aber mit dem folgenden Aufsatze „Oeser und Winckel- mann" lernen wir eine neue Richtung seines Wesens kennen, das eigenartige Lehrertalent, welches doppelt in- teressant dadurch wird, dass es Schüler von gewaltiger Kapazität sind, die er anlockt und die ihn anlocken. Das letztgenannte Kapitel und das achte, in welchem das Ver- hältnis zu Goethe geschildert wird, sind wohl die be- deutendsten und interessantesten Theile des Buches. Na- mentlich beachtenswerth ist der Nachweis des lang wäh- renden und tiefen Einflusses auf Goethe. Erst die italienische Reise und das Verständnis der Renaissance befreit den Dichter von der absoluten Verehrung des befreundeten Künstlers, ja lässt ihn sogar abfällig über den „Nebulisten" urtheilen.

Zwei weitere Kapitel behandeln Oesers Verhältnis zu der 1764 gegründeten Dresdener und zu der Leipziger Aka- demie. Der letzteren stand er bekanntlich bis zu seinem 1799 erfolgten Tod als Direktor vor. Auch hier ist wenig von Schiüern Oesers zu sagen, doch wäre ein Nachweis dessen, was mit dem Scheiden des Meisters von seiner Kunst sich als dauernd erwies, nicht unerwünscht gewesen. Um so mehr aber konnte der vielseitigen Anregungen Erwähnung geschehen, welche er auf seine Zeitgenossen ausübte, ja es hätte sich dieser Stoff vielleicht weiter ausspinnen lassen als es der Autor, wohl in der Befürchtung, zu sehr in lokales Gebiet hinüberzugreifen, that.

So haben mich beispielsweise Studien über die Ent- wickelung der kunstgewerblichen Anstalten Sachsens wie- derholt auf Oeser geführt. Mit Dank sind auch hier die zahlreichen Winke anzuerkennen, die Dürr namentlich im siebenten und neunten Kapitel seines Werkes giebt. Es verdient Beachtung, dass gerade die Handwerker es sind, welche mit Vorliebe Oesers Unterricht suchen, ja dass er der einzige unter den Akademiedirektoren ist, der nach dieser Richtung hin den Wünschen des Leiters des Kunst- wesens in Sachsen, Chr. Ldw. von Hagedorn, entspricht.

Das sehr bemerkenswerthe Gutachten, welches Oeser schon am 19, Dezember 1764 über die Ausbildung von

Literatur. 261

Musterzeichnern gab, hätte wohl Erwähnung verdient. Denn hier zeigt sich den damals in Deutschland herrschen- den Ansichten gegenüber schlagend Oesers praktisches Lehrtalent. Während Hagedorn von der Kunst an sich Hilfe gegen den Ungeschraack erwartet, während er meint, dass die Beschäftigung mit den höchsten Idealen und Auf- gaben mindestens dazu befähige, im Kleinen und Zweck- dienlichen Tüchtiges zu leisten, weist Oeser auf französisclie Verhältnisse und Avünscht die Musterzeichner direkt auf ihr Ziel zu leiten. Hagedorn glaubte, das Handwerk werde der Kunst auf dem hohen Fluge, den er ihr wünschte, folgen; Oeser sah ein, dass das Handwerk nie Nutzen vom Kunstunterricht ziehen könne, wenn derselbe nicht auch in für den Handwerker geeigneter Methode und Ausdehnung gegeben werde. Daher sprach er sich bereits damals für die Anstellung eines IMusterzeichners an der Akademie aus, welche jedoch erst 1782 unter dem Grafen Marcoliui erfolgte. F. S. Pitterlin wurde nicht, wie Dürr angiebt (S. 98), als „Lehrer für Porzellan-Zeichnen" sondern als „Lehrer in denen bei den Manufakturwaaren anwendbaren Zeichnungen", d. h. für Musterzeichnen, an- gestellt.

Es ist hier leider nicht Raum genug, um auf Dürrs in Anlage und Durchführung gleicli treffliches Werk in verdienterweise einzugehen. Es sei gestattet, auf Gr. Wust- manns höchst anerkennende Rezension in der Lützow'schen Zeitschrift für l)ildende Kunst, Band XV S. 119 fgg. beifällig hinzuweisen. Dem ausgezeichneten Gelehrten aber, dem das Werk gewidmet ist und als dessen Schüler sich Dürr bekennt, Prof. Anton Springer, wird das ge- diegen ausgestattete Buch, wie Wustmann sagt, „zur Freude gereichen, so gewiss Avie es ihm zur Ehre gereicht".

Dresden. C. Giu-litt.

Geschichte der Stadt Torg^au l)is zur Zeit der Reforinntion. Nach den Urkunden zusammengestellt von Dr. G. Knabe. Torgau, Friedr. Jacob. 1880. 8". 48 SS.

Für die Geschiclitc der Stadtverfassung und des ganzen städtischen Lebens in den Gegenden , die den Bereich unserer Zeitschrift bilden, ist noch so viel zu thun übrig, dass man auch kleine Beiträge, wie den vorliegenden, willkommen heissen wird, besond(n's wenn der Verfasser, wie es hier der Fall ist, mit den erforder- lichen Vorkenntnissen ausgerüstet an seine Aufi^abe heran-

262 Literatur.

gegangen ist. Wenn irgendwo, so sind auf diesem Gebiete noch zahlreiche monographische Arbeiten nöthig, bevor man die SteUung, die das Städtewesen in der Entwickelung des Volks- und Staatslebens unserer Lande einnimmt, richtig zu erkennen und klar darzustellen im Stande ist; und wenn auch die Städte des östlichen Mitteldeutsch- lands nicht entfernt ein so hohes Interesse beanspruchen können , wie die norddeutschen Hansastädte oder die süddeutschen Reichsstädte , so sind sie gleichwohl ein hochwichtiger und noch lange nicht hinreichend gewürdig- ter Faktor im Ganzen unseres Culturlebens und bedürfen dringend einer tiefergehenden Untersuchung, als ihnen noch heute oft genug in den von wohlmeinenden Dilettanten geschriebenen „Chroniken" zu Theil wird. Man missverstehe uns übrigens nicht : wir billigen es durchaus, wenn die Verfasser städtegeschichtlicher Arbeiten nicht ausschliess- lich für die Gelehrtenwelt schreiben wollen, sondern auch mit einem Leserkreise unter den Bürgern ihrer Stadt rechnen; es kann dem heutigen Geschlechte nur nützlich sein, wenn es sich mehr Interesse und mehr Verständnis für geschicht- liche Zustände und Verhältnisse erwirbt. Dann wird ja wohl auch die alte Klage über die Misshandlung städtischer Archive aufhören. Aber auch eine populäre Darstellung muss vor allen Dingen richtig sein, und daher ist nur der im Stande sie zu liefern, der das Gebiet wissen- schaftlich beherrscht. Ein solcher aber wird den Weg auch leicht finden, auf dem er die Resultate seiner Forsch- ungen nicht ausschliesslich den „weiteren", sondern auch den Fachkreisen geniessbar machen kann.

Wenn wir uns bei unserer Besprechung auf den Standpimkt der letzteren stellen, so möchten wir zunächst den Wimsch aussprechen, dass das vorliegende Schriftchen der Vorläufer eines Urkundenbuchs der Stadt Torgau sein möge. Die erforderlichen Mittel vrürden sich doch wohl, sei es durch den Torgauer INIagistrat, sei es durch die historische Kommission der Provinz Sachsen, beschaffen lassen, da der Umfang eines solchen Urkundenbuchs gewiss nur ein geringer sein würde, wenn auch das Hauptstaats- archiv zu Dresden , das Ernestinische gemeinschaftliche Archiv zu Weimar und möglicher Weise das Magdeburger Staatsarchiv noch einschlagendes Material enthalten. Liegen die Dokumente einmal übersichtlich und vollständig vor, so wird doch vielleicht manche Unklarheit noch gelöst werden können. Ob freilich die Entstehung eines rathsfähigen Pa-

Literatur. 263

tricials aus den Burgmannen (S. 13) sich des weitern wird nacliweisen lassen, LezM'eifeln wir; über die Stellung der Gemeinde zum Ratli scheint sich der Verfasser selbst zu widersprechen, wenn er (S. 13) meint, dass den Kaufleuten mit ihrer Heranziehung zu den städtischen Lasten auch der Weg in den Rath geöffnet worden sei, dagegen (S. 17) eine Theilnahme der Gemeine, zu der er doch wohl die Kaufleute mitzäidt, am Ratlie in Abrede stellt.

Die schwierigsten Fragen aber bietet der Uebergang der Gerichtsbarkeit an die Stadt. Wie meist, so hand- habte auch in Torgau der Burgvogt die obere, der Scultetus die niedere Gerichtsbarkeit; beide Stellungen wurden von den Landesherren als Lehen ausgethan: die Voirtei sehen wir im 14. Jahrhundert in den Händen der Herren von Torgau, das Schultheissenthura kam durch Lehnbrief von 1370 Aug. 13 an den Torgauer Bürger Heinrich v. Kottbus (Cop. 30 fol. 28 im Hauptstaatsarchiv zu Dresden). Von letzterem kaufte es der Kath der Stadt Torgau für 65 Schock (wohl 1375 Juni 7, Cop. 30 fol. 45), während er die Vogtei mit einem Drittheil der Gerichts- einkünfte 1379 von Dietrich v. Torgau an sich brachte und 1390 von Landgraf Wilhelm damit belehnt wurde. Beide Gerichte waren also in den Händen des Käthes, wenn auch die Voo;tei nicht mit den vollen Einnahmen, wurden auch Avohl von demselben Richter abgehalten, und dies mag die Verwirrung veranlasst haben, die uns in einer Urkunde von 1437 auffällt. Knabe bespricht diese Urkunde in Anm. 27 (S. 44). Uns liegt nun zwar das Original nicht vor, wohl aber die (offizielle) Abschrift einer undatierten Urkunde des Kurfürsten Friedrich IL (Cop. 35 fol. 157), in welcher es u. a. heisst: „als furczyten der edeie er Ditterich vonTorgaw (nicht Markgraf Wilhelm, wie Knabe angiebt) burgermeister ratmanuen und der ganczen gemeyne unsir stat Torgaw . . das schultheissenampt und dy czweie pf ennige an dem gericht für anderhalb hundert und virde- halbin Rinischer guldin in pfandiswise ingetan vorsaczt und vorschrebin hatte, habin uns die obgnanten burger- meister ratmann und gancze gemeyne der obgnanten unsir stadt Turgaw uff sollich vorgeschriben schultheiss- ampt unde den dritten teil an dem gcrichte daseibist zcu Torgaw zcu der obgnanten sunnnen gülden nach hundert schog guter schildechter groschin Friberger muncze

o-ebin" u. s. w. Aus diesem Grunde reicht und leiht

o

ihnen der Markgraf das Schultheissamt und ein Drittheil

"o

264 Literatur.

des Gerichts. Die Urkunde ist unklar genug ; in der ersten Hälfte ist von zwei Drittheilen des Gerichts die Rede, während Dietrich v. Torgau dem Ratlie doch nur ein Drittheil ver- kauft hat und weiterhin in der Urkunde auch dies eine Drittheil nur erwähnt ist, während eine andere Urkunde, die ebendaselbst abschriftlich steht und deren Original Kno.be auch vorlag, die Verpfändung der zwei Drittheile für die in der ersten Urkunde auch erwähnten 100 Schock anführt. Das Verhältnis, in dem beide Abschriften zu den Originalen des Torgauer Rathsarchivs stehen, ist noch zu ermitteln ; dass die eine der beiden Urkunden auf einen „Irrthum der Kanzlei" zurückzuführen sei, ist entschieden nicht anzunehmen, da der Rath in einem Schreiben an den Laudesherrn d. d. 1445 Juli 3 i^Or. im Hauptstaatsarchiv No. 6902) sagt : „Das schulteissen ammecht mit dem eynen pfennige des gerichtes haben wir erblichen von uwern gnaden, sundern czweyne pfennige des gerichtes habin wir gekoutft gehabit von uwern gnaden eyne czale jare ufF eynen widderkouff von hundert ß gr. 1^2 hundert unde S^a Rinischer gülden unde noch habin , das had u. g. vor solche summe widder von uns zcu lösen." Vollständige Klarheit wird sich wohl aus dem Torgauer Material allein schwerlich ergeben, man wird nach analogen Verhältnissen in andern Städten suchen müssen.

Noch manchen anderen Nachtrag könnten wir aus den Archivalien des Hauptstaatsarchivs bringen. So ergiebt sich aus drei Gesuchen des alten Rathes um Bestätigung des neugewählten von 1470, 1475 und 1476, dass damals „nach alter Gewohnheit" die Rathswahl am Stephaustage (26. Dezbr.) stattfand (nicht am 20. Dezbr. , vgl. S. 44 Anm. 35). Recht interessant ist eine Urkunde von 1378 März 23, in welcher den Torgauern die Erhebung eines Wagengeldes gestattet wird und zwar behufs Pflasterung der Stadt: „tam diu ipsi fabricant vias lapideas". Andere Nachrichten des 14. und 15. Jahrhunderts betreffen den Salz - und Wagenzoll , das Stättegeld (welches 1367 Febr. 10 au den Rath überging) , die landesherrliche Münze, den den Landesherrn zustehenden Bau der Brücke und des Schlosses, die Jahrrente, die schon 1367 die Höhe von 130 Schock hatte, die Freihäuser und dgl. m. Doch möge das Angeführte genügen und den Herrn Verfasser dazu veranlassen, die mit erfreulichem Erfolg begonnenen Untersuchungen unermüdet fortzusetzen.

Dresden. H. Ermiscli.

Literatur. 265

Die Kirchenvisitationen des Bistliunis Halberstadt in den Jahren 1504 und 1589. Xebst einer Einleitung, enthaltend die Geschichte der Einführung der Reformation im Halberstädtischen. Heraus- gegeben von der historischen Kommission der Provinz Sachsen. Nach den Quellen bearbeitet von Gustav Nebe, Superintendent und Oberdomprediger in Halberstadt. Mit einer Karte. Halle, Otto Hendel. 1881. 8". VI. u. 288 SS.

Das vorliegende Werk bildet den zwölften Band der „Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete". Wenn dieselben den Zweck verfolgen, wichtige Dokumente der Geschichtsforschung zugänglich zu machen, wie den Sinn für heimatliche Geschichte zu wecken, so entspricht das genannte Buch demselben in hohem Grade. Es giebt eine reiche Fülle neuen Stoffs ; die beiden Register „Sachliches und Sprachliches", wie „Personen- und Orts- namen" füllen nicht weniger als 26 enggedruckte Seiten. Hat das Meiste auch nur lokales Interesse, so ist doch auch vieles von Bedeutung für die sächsische Geschichte. Referent verweist auf die kurzen , sorgfältig zusammen- gestellten Biographien zahlreicher Geistlichen, z.B. S. 27 f. und sonst. Eine Menge alter kirchlicher Sitten gelangen zur Besprechung, der Aberglaube des Volkes wird durch zahlreiche, fesselnde Beispiele illustriert. So erscheint die Schrift geeignet zur Leetüre nicht nur für Historiker, sondern auch für weitere Kreise. Dazu trägt nicht zum geringsten die schöne Darstellung bei.

Dieselbe tritt besonders in der Einleitung hervor, welche auf S. 1 bis 28 ein übersichtliches und frisches Bild der reformatorischen Bewegung im Bisthum Halber- stadt entwirft. Verhältnismässig lange Zeit dauerte es, ehe die neue Lehre hier durchdrang. Ausser den Bedenken, Avelche die Ausschreitungen der Bauern und Wieder- täufer hervorriefen , war der Grund der Widerstand, welchen ihr die hohen geistlichen Würdenträger, an der Spitze Erzbischof Albrecht von Magdeburg , entgegen- setzten. Augustinermönchc waren die ersten Verbreiter der Lehre des Wittenberger Ordensgenossen, zunächst vom Johanniskloster in Halberstadt aus, in welchem ein reges wissenschaftliches Leben geherrscht zu haben scheint. Mit Gewalt wurde diese BeAvegung unterdrückt. Während des Bauernaufstandes wurde wold kui'ze Zeit evangelischer Gottesdienst gehalten, aber nach Niederwerfung des Auf- ruhrs wurden die Prediger vertrieben. Freilich konnte man nicht hindern, dass im Geheimen sich immer mehr Luthers Ansichten zuwendeten. Diese Bestrebungen er-

266 Literatur.

hielten neue Nahrung, als im Jahre 1539 ringsum im Herzogthmn Sachsen, in Brandenburg, in Wernigerode, in Quedlinburg die Reformation eingeführt Avurde. Nach langen Verhandlungen mit dem Erzbischof, bei welchen die Uebernahrae einer Schuld von 500 000 Gulden eine grosse Rolle spielte, zog die Reformation in Halberstadt ein. Vergeblich war die Opposition späterer Bischöfe, vergeblich halbe Massregeln Bischof Sigmunds, der, selbst protestantisch erzogen, evangelische Prediger zuliess imd nur aus politischen Gründen der alten Lehre treu blieb. Ihm gebührt das Verdienst, dass unter ihm die auf dem Landtage zu Calbe beschlossene Generalkirchen- visitation ins Leben trat, die von 1562 bis 1564 dauerte. Die Instruktion für dieselbe übergeht der Verfasser als schon gedruckt, es wäre aber wenigstens ein Excerpt und eine Bemerkung über die drei verschiedenen vorhandenen Rezensionen erwünscht gewesen. Bei der Visitation traten zahlreiche Schäden zu Tage, so die stiftungswidrige, willkürliche Verwendung von Kirchengut, unrechtmässige Aenderungen im Patronat, dazu mangelhafte Bildmig, wie sittliche Mängel in der Geistlichkeit.

Eine zweite Visitation wurde im Jahre 1589 vom April bis zum Oktober gehalten. Für dieselbe wurde eine neue umfängliche Instruktion ausgearbeitet, welche S. 17 bis 26 zum ersten Male zum Abdruck gelangt. Sie entliält nach einigen einleitenden Vorschriften über die Geschäftsordnung der Visitatoren Bestimmungen, welche in 7 Capiteln I. von der Vokation, Lehre und Leben der Kirchendiener, II. von der Lehre, III. von den Sakramen- ten, IV. von den Ceremonien, V. von der Disciplin, VI. von den Kirchengütern, VII. von der Schule handeln. Dies- mal war der Zustand des kirchlichen Lebens wesentHch günstiger; "VA^ort und Sakrament wurden von würdigen Personen in evangelischer ^A^eise verwaltet; die alte Kirche fand nur in den Stiftern und Klöstern eine Zufluchtsstätte, und nachdem durch das persönliche Eingreifen des Bischofs auch in den ersteren die Reformation eingeführt worden war, blieben nur die Klöster bis zu ihrer Aufliebuno- in den Freiheitskriegen der katholischen

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Kirche treu.

Am Schlüsse der Einleitung giebt der Verfasser auf S. 29 bis 33 in Tabellenforra ein Verzeichnis der visitierten Ortschaften. In sechs Columnen werden uns die Gerichts- herren, die Kirchen-, die Lehnsherren, die Pfarrer, die

Literatur. 267

Anzahl der Hauswirthe 1564 uiul 1589 und die Schulen vorgeführt.

In der nun folgenden ausführlichen Darstellung der beiden Visitationen, hält der Verfasser dieselben nicht aus- einander, sondern geht den einzelnen Städten und Aemtern nach und behandelt in jedem einzelnen Orte, ja in den grössern Städten bei jeder Kirche zunächst den Zustand bei Gelegenheit der ersten und darauf der zweiten Visi- tation. Es ist durch dieses Zerschlagen der Protokolle allerdings eine Uebersicht über die einzelnen Visitationen, wie eine Vergleichung derselben erschwert, umsomehr da kein äusseres Merkmal die beiden Berichte trennt. Aber diese Methode hat den Vortheil, dass der Leser das den einzelnen Ort Betreffende bequem übersieht. Referent hält diese Methode bei einem Buche, welches vorwiegend von lokalem Interesse ist, für durchaus berech- tigt. Reiches IMaterial liegt für die Städte vor, voran für Halberstadt, welches 20 Seiten umfasst. Die Protokolle sind sehr ausführlich luid gewähren einen interessanten Einblick in das kirchliche Leben der Zeit. Ueber die Vermögensverhältnisse der Kirchen, die Besoldungen der Geistlichen wird eingehend berichtet; die Schulen sind sorgfältiger als in den Visitationen anderer Gegenden berücksichtigt, eine ganze Reihe ausführlicher Lektions- pläne wird mitgetheilt ; die Hospitäler und andere Institute für Nothleidende Averden erwähnt. Die Visitatoren lassen denselben ihre wärmste Fürsorge zu Theil werden. Sie geben die eingehendsten Vorschriften und Anordnungen zur Hebung des kirchlichen Lebens. Auch die Kirchen- zucht wird fleissig geübt; sogar „die Spazirjunker unter der Prediget vor dem Thor" sollen mit Peitschen in die Kirche getrieben werden. Leider muss Referent auf weitere Mittheilungen, wie auf einen Rundgang durch die einzelnen Orte verzichten, trotzdem dass letzterer viel Interessantes bieten und durch die beigegebene litho- graphierte Karte des „Episcopatus Halberstadensis" sehr erleichtert werden würde.

Das Vorwort des Verfassers schliesst mit dem Wunsche: „Möchten die Bauleute auch in den folgenden Blättern einen brauchbaren Stein erkennen." Derselbe dürfte mehr als reichlich in Erfüllung gehen. Dem Referenten erscheint das Buch als der Grundstein für die Reformations- geschichte des Bisthums Halberstadt.

Dresden -Neustadt. Georg Müller.

268 Literatur.

Hans Fabian von Ponickau, der Dofensor der Oberlausitzer Glaubensfreiheit zur Zeit des dreissigjährigen Krieges. Vortrag etc. gehalten von Heinrich Johann Scheuffler. Barmen, H. Klein. 1879. 8«. 42 SS. (A. u. d. T. : Evangelische Brnderliebe. Vorträge iiber die Aufgaben und Arbeiten des evangel. Vereins der Gustav- Adolf-Stiftung, herausgegeben von A. Natorp. Bd. IL, Heft 1.)

Das Büchlein verdankt sein Entstehen einem Vortrage bei Gelegenheit eines Gustav-Adolf- Vereinsfestes. Daraus erklärt sich vor allem sein stark accentuierter konfessioneller Standpunkt. Dem Verfasser zufolge wäre nun Hans Fabian von Ponikaii auf Elstra , Landesältestcr des Bautzner Kreises, der alleinige geistige Urheber, Träger und Vertre- ter all jener Massnahmen gewesen, welche von den gesamm- ten Oberlausitzer Ständen in der Zeit von 1609 bis 1620 getroffen wurden, um auch für ihr Land einen ähnlichen Majestätsbrief zu erlangen, wie ihn Böhmen und Schlesien erhalten haben. Daher nennt er seinen „Helden" auch „den Defensor der Oberlausitzer Glaubensfreiheit". Dies steht nun freilich mit den thatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang. War er auch, schon seiner Stelhmg nach, eine einflussreiche Persönlichkeit, so war er doch keineswegs der ausschliessliche Lenker und Leiter der Oberlausitzer Stände bei deren Landtagsbeschlüssen. Wohl stand er, ebenfalls seiner Stellung zufolge, an der Spitze fast all der zahlreichen, nach Prag damals abgefertigten Gesandtschaften; aber diese Gesandtschaften waren strens; gebunden an die von den Ständen ihnen mitgegebenen (noch vorhandenen) Instruktionen, und als einmal, eben bei der „Verwerfung" König Ferdinands H. als Königs von Böhmen, von welcher die Stände durchaus nichts wissen Avollten, die Abgeordneten, durch die Umstände gedrängt, ihre Listruktionen überschritten hatten, sahen sich dieselben bei ihrer Rechenschaftsablegung vor dem Bautzner Landtage sehr unliebsamen Urtheilen ausgesetzt. Aktenmässig sind jene Bemühungen der Oberlausitzer Stände um Erlangung eines Majestätsbriefs, desgleichen die Absendungen der einzelnen Gesandtschaften nach Prag, endlich der Beitritt der Oberlausitz zu der böhmischen „Conföderation" von 1619 und die verhängnisvollen Folgen hiervon dargestellt in unsern beiden Abhandlungen : „Der Antheil der Oberlausitz an den Anfängen des dreissigjährigen Krieges 1618 bis 1623" und ,,Die Bemühungen der Ober- lausitz vun einen Majestätsbrief 1609 1611" (Lausitzer Magazin Band LVI S. 1 fgg. und S. 96 fgg.), auf welche wir, behufs Richtigstellung von mancherlei Angaben in

Literatur. 269

vorliegendem Sehriftcheu, verweisen. Bei eingelienderer Untersucliung dürfte sich auch das landläufige, von dem Verfasser getheilte Verdammungsurtheil über die damalige Politik Kursachsens als ein voreiliges erweisen, und aber- mals sich herausstellen, dass ein leitender Staatsmann (da- mals Präsident Caspar von Schönberg in Dresden) in Momenten wichtiger politischer Entscheidungen wahrlich noch anderes zu erwägen hat, als wie er es den Geist- lichen der Mit- und Nachwelt recht machen könne. Dresden. Kuothe.

Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Alherti, J. Urkunden-Sammlung zur Geschichte der Herr- schaft Gera im Mittelalter. Mit Erläuterungen. Erstes Heft. Gera, Griesbach. 1881. 8«. G4 SS.

Beeil, F. Verzeichniss der alten Handschriften und Drucke in der Domherrenbibliothek zu Zeitz, aufgestellt und mit einem Vorworte zur Geschichte der Bibliothek versehen. Berlin, Weidmann. 1881. 4". XI, 58 SS.

Eckardt , Ernst. Chronik von Glauchau u. s. w. (vgl. Bd. I. S. 287, 348.) Lief. 6—14. Glauchau, Peschke. 1880. 1881. 8". S. 161—448.

Fleischmann , Ad. Zur Geschichte des Herzogthums Sachsen-Coburg-Saalfeld, enthaltend die Geschichte der gefürsteten Grafschaft Henneberg, der Herrschaft Saal- feld, der landständischen Verfassung in Coburg bis Ende des 18. Jahrhunderts. Nach seinen Vorträgen bearbeitet. Zweites Heft. Hildburghausen, Kesselring.

1881. 8». 120 SS.

(Gelbe.) Stollberg im Besitze adliger Herreu: Zweites Flugblatt des städtischen Vereins zu Stollberg zur Er- gründung und Erhaltung der Geschichte Stollbergs und Umgegend. Jahr 1880.

Gerlach, IL Das alte Freiberg in Bildern. Erste Liefe- rung (Aufnahmen vom Jahre 1880). 32 Photographien in Carton mit erläuterndem Text auf der llückseite.

270 Literatur.

Haarer, Peter. Beschreibung des Bauernkrieges 1525. Nebst einem Anhang: Zeitgenössisches über die Schlacht bei Frankenhausen. Halle, Niemeyer. 1881. 8". 111 und 17 SS. (A. u. d. Titel: Materialien zur neueren Geschichte, herausgegeben von G. Droysen. Nr. 3.)

Haherkorn, D. F. L. Die Verfassungsurkunde des König- reichs Sachsen vom 4. September 1831 sonst und jetzt, nebst Nachrichten über Zeit und Dauer der Land- tage und ihre Directorien. Dresden, Druck von Mein- hold & Söhne. 1881. 8«. 106 SS.

V. Heinemann, Otto- Codex diploraaticus Anhaltinus. Auf Befehl Seiner Hoheit des Herzogs Leopold Friedrich von Anhalt herausgegeben. Fünfter Theil: 1380 1400. Mit zwei Stammtafeln. Dessau, Barth (Comm.) 4". 414 SS.

Katterfeld , A. Beiträge zur Geschichtschreibung des Schmalkaldischen Krieges : Forschungen zur Deutschen Geschichte. Bd. XXI. . S. 355—380.

Kell, Richard. Sebalt Schwertzer als kursächsicher Faktor und kaiserlicher Berghauptmann. Liaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde in der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. Leipzig, Druck von Julius Klinkhardt. 1881. 8°. 80 SS.

Köhler, J. Aug. Ernst. Die Thiere des Erzgebirges nach den Mittheilungen der Chronisten: Zweite Beilage zu No. 150—152 des Chemnitzer Tageblattes. 1881.

V. Mülverstedt, G. A. Regesta archiepiscopatus Magde- burgensis. Sammlung von Auszügen aus Urkunden und Annalisten zur Geschichte des Erzstifts und Herzogthums Magdeburg. Nach einem höhern Orts vorgeschriebenen Plane in Gemeinschaft mit Ed. Jacobs , K. Janicke, F. Geisheim und C. Sattler bearbeitet und auf Kosten der Provinzial- Vertretung der Provinz Sachsen heraus- gegeben. Zweiter TheiL Von 1192— 1269. Magdeburg, E. Baensch jun. 1881. 8». VH, 784 SS.

Muther, Rieh. Anton Graff. Inauguraldissertation zur Erlangung der philosophischen Doctorwürde an der Universität Leipzig. Leipzig, Druck von W. Drugulin. 1881. 8". 128 SS.

Reyer, E. Zinn. Eine geologisch-montanistisch-historische Monographie. Berlin, G. Reimer. 1881. 8». 248 SS. (Enthält viele Angaben über den Zinnbergbau in Sachsen.)

Rüge, /S. Geschichte der sächsischen Kartographie im 16. Jahrhundert: Kettlers Zeitschrift für wissenschaft- liche Geographie. Bd. L S. 89—94.

Literatur. 271

Scheltz, 7h. Gesammt-Gescliichte der Ober- und Nieder- Lausitz nach alten Chroniken und Urkunden. Zweiter Band (182 SS.) : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LVII. Heft 1.

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272 Literatur.

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Inhalt: Böckner, Das Peterskloster zu Erfurt. Werneburg, Beiträge zur thüringischen und insbesondere zur Erfartischen Geschichte, v. Tettau, Gleichen'sche Kegesten.

Mittheilungen vom Freiherger Alterthumsverein. Heraus- gegeben von Heinrich Gerlach. 17. Heft. 1880. Mit 3 Tafeln Abbildungen. Freiberg i.S., Gerlach. 1881. 8".

Inhalt: Freiherr 6 Byrn, Die Herzöge von Holstein-Wiesen- burg in Sachsen. Wernicke, Zur Geschichte der Malerinnung in Freiberg. Gautsch, Das Freiberger Jungfrauenkloster und seine Auf- hebung. Gerlach, Ueberreste von dem Jungfrauenkloster zu Freiberg. Gerlach , Die Kleinodien und Geschichtliches der alten Freiberger Schützengilde.

X.

Zur Bevölkerungs- und Yermögensstatistik Dresdens im 15. Jahrhundert.

Von

Otto Richter.

Die Feststellung der Bevölkerungszahl unserer mittel- alterlichen Städte ist auf verschiedenen Wegen, meist aber mit zweifelhal'teui Erfolge, versucht worden. Die an- gewandten Berechnungsniethoden, welche entweder von der Stärke der wafl'enfähigen Mannschaft oder von der Zahl der neuaufgenommenen Bürger ausgingen, haben in ihren Resultaten zu so wesentlichen Abweichungen gefüln-t und es sind dagegen so begründete Einwände erhoben worden ^), dass man auf ihre Anwendung fernerhin wird verzichten müssen. Soviel scheint unzweifelhaft, dass die bevölkerungsstatistischen Untersuchungen für jede Stadt einzeln angestellt Averden müssen und vollen Erfolg nur

') Vgl. namentlich K. Koppmann, Die Bereclniunf!; der Ein- wohnerzahl aus den Listen der Neubürger, in den Mittheilungen des Vereins für Ilamb. Geschichte III (1881), 122—125. K. iJüchcr, Zur mittelalterlichen Bevölkerungsstatistik mit besonderer Rücksiclit auf Frankfurt a. M., 1. Tbeil, in der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft XXXVII (1881), 535— ."-iSO. Letzterer Aufsatz bietet vortreffliche Erörterungen über alle bei der mittelalterlichen Bevölkerungsstatistik zur Anwendung zu bringenden Grundsätze, namentlich im Anschluss an die Resultate der Müruberger Volks- zählung von 1449.

Neues Archiv f. ö. 0. u. A. II. 4. 18

274 Ottn Richter:

da versprechen, wo ein gütiges Gescliick die städtischen Steuerregister vor dem Untergange bewahrt hat. Was mit diesem Materiale geleistet werden kann, ist von Schönberg in mustergiltiger Weise für die Stadt Basel gezeigt worden.^) Für die Stadt Dresden ist zu derartigen Unter- suchungen ebenfalls ein ziemlich reichhaltiges Material im Rathsarcliive vcn'handen. Dieselben dürfen allerdings mit Rücksicht darauf, dass Dresden im Mittelalter ein un- bedeutendes Landstädtchen war, in der Hauptsache nur einen lokalgeschichtlichen Werth beanspruchen; einige der folgenden Mittheilungen jedoch; namentlich soweit sie sich auf eine zu Steuerzwecken angefertigte Kopfzählungsliste aus dem Jahre 1454 und mehrere Vermögensabschätzungs- register von 1488 und 1502 gründen, werden vielleicht auch für weitere Kreise nicht ohne Interesse sein.

Die hauptsächlichste Einnahmequelle der Stadt Dres- den bildete im 14. und 15. Jahrhundert das Gesclioss, eine von allen Bürgern zu entrichtende Steuer vom Grund- besitz und vom beweglichen Vermögen.^) Sie wurde all- jährlich in zwei Terminen, zu Walpurgis und zu Michaelis, erhoben. Die Geschossreglster, die für jeden Termin neu aufgestellt wurden, sind, mit dem Jahre 1396 beginnend, in grosser Zahl erhalten. Sie bilden ein nach den Strassen geordnetes Verzeichnis der Namen der Hausbesitzer und

*) G. Schönberg, Finanzverhältnisse der Stadt Basel im XIV. und XV. Jahrhundert. Tübingen 1879.

*) In einer Zusammenstellung der Seitenbeträge eines Geschoss- registers (circa 1450) wird unterschieden Geschoss de domibus und de rebus raobilibus et aliis bonis. Zu Walpurgis I45.S, als eine voll- ständige Neueinschätzvuig vorgenommen wurde, heisst es in der Ueberschrift des Geschossregisters: do hat iczlichir alle syne guter bie dem eyde verschoßt, als das ym statbuche iczlichs sunder- lichin verczeichint ist. In der Kämmereirechnung vom Jahre 1500 findet sich die Notiz: Christoff Platener hat angenomen sein burger- recht uffs jar mit XVI gr. zu vorschössen. (Dies dürfte so zu verstehen sein, dass bei der Bürgeraufnahme das Vermögen des Auf- zunehmenden eingeschätzt wurde und dass darauf die angegebene Summe als Geschoss entfiel; wahrscheinlich w^ar sogar die Erlangung des Büi'gerrechts vom Nachweis eines bestimmten Vermögens ab- hängig.) Wenn also jeder Bürger Geschoss zahlte und alle Grund- besitzer Bürger sein mussten, so ist natürlich das Geschossregister zugleich als die Bürgerliste zu betrachten. Ueber die Steuer der Nichtbürger vgl. Anmerkung 10.

Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 275

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276 Otto Richter;

der bei ihnen wohnenden nichtansässigen Bürger, in wel- ches die einzelnen Steuerbeträge bei ihrer Bezahlung ein- getragen wurden; seit 1424 sind die Hausgenossen von den Hausbesitzern durch das dem Namen vorangestellte Zeichen li und statt dessen seit 1444 durch Hinzufügung des Wortes ibidem unterschieden, so dass sich seitdem auf Grund der Geschossregister auch die Zahl der Häuser ermitteln lässt.

Wir geben zunächst eine tabellarische ^Uebersicht (Tabelle I, Seite 275) über die Zahl der Geschosspflich- tigen und die Zahl der Häuser in Dresden ^) zu zwölf verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem Endo des 14. und dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Es ist nicht möglich, die Abschnitte ganz gleichmässig zu wählen, weil für einzehie Jahre die Register fehlen. Eine im Jahre 1453 vorgenommene Neueinschätzung, durch welche sich die Zahl der Geschosspflichtigen um 50 erhöhte, ist besonders zu beachten.

Aus dieser Tabelle geht deutlich hervor, dass die Stärke der leistungsfähigen Bevölkerung Dresdens sich

gasse [?]), Theil der Kuttelgasse (jetzt Frauenstrasse [?]); zum 5. Viertel: anderer Theil der Kuttelgasse, das Loch (jetzt Bader- gasse), Schreibergasse. Wenn in dieser Aufzählung mehrere Strassen fehlen, so kommt dies daher, dass in den Geschossregistern die zwischen zwei Querstrassen gelegenen Häuser der sie schneidenden Längsstrassen mit zu den ersteren gezählt sind. Somit werden in Tabelle I unter Seegasse nur die vom Markte bis zum Seethore und von da zurück bis zur Kundigengasse gelegenen Häuser zu ver- stehen, die übrigen Häuser der Seegasse aber mit zur Kundigengasse oder zur Zahnsgasse gerechnet sein u. s. w. In Folge dieses Ver- fahrens bleiben in den Geschossregistern unerwähnt: der Markt und die Eibgasse (jetzt Schlossstrasse), auffälliger Weise aber auch die Kreuzgasse, sowie mehrere zwischen dieser und dem Loche gelegene Gässchen (wahrscheinlich Weissegasse und Nassegasse), deren Häuser in der Tabelle, wie in den Geschossregistern dem Loche zugezählt sind. Auch zwischen der Eibgasse und der Judengasse müssen mehrere Gässchen, wenn auch vielleicht ohne Häuserfronten, existiert haben. Ueberhaupt bedarf die Topographie des mittelalterlichen Dresdens noch genauer Untersuchung und Feststellung, bis zu welcher man sich mit nicht ganz unbegründeten Vermuthungen, wie den obigen, begnügen möge.

*) Unter Dresden ist hier immer die befestigte Stadt auf dem linken Eibufer zu verstehen. Das auf dem rechten Ufer gelegene kleinere Aklendresden, welches im Jahre 1403 Stadtrecht erhalten hatte, wurde erst 1549 mit Dresden zu einem einzigen Gemeinwesen verschmolzen. Zur Unterscheidung von diesem Altdresden wurde Dresden bisweilen, jedoch nicht vor der zweiten Hallte des 15. Jahr- hunderts, auch Neudresden genannt.

Zur Bevölkerungs- und Vermögecsstatistik Dresdens etc. 277

während des 15. Jahrhunderts weder erhebHch vermehrt noch vermindert hat. Wenn die Zahl der Häuser in den Jahren 1431 bis 1489 von 420 auf 472 «) und die Zahl der Geschosspflichtigcn in der Zeit von 1396 bis 1489 nach mehrfachen Schwankungen von 657 auf 734 an- gewachsen, so ist dies ein in Anbetracht des langen Zeit- raumes recht unbedeutender Fortschritt. Es wäre wohl von da an, zumal Dresden seit 1485 ständige Residenz der Albertiner war, ein lebhafterer Aufsclnvung zu er- warten gewesen, wenn nicht eine grosse Feuorsbrunst am 15. Juni 1491 mehr als die Hälfte der Stadt und am fol- genden Tage auch noch einen Theil der Vorstadt in Asche gelegt und damit ihre Fortcntwickelung für lange Zeit gehemmt hätte.') Noch zehn Jalire später stand die Ziffer der Steuerzahler weit hinter der von 1489 zurück, obwohl die Häuser fast säramtlich wieder aufgebaut waren.

Die grösseren Schwankungen, welche sich namentlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Zahl der Geschosspflichtigen zeigen, dürften zum Theil auf ver- heerende Epidemien (z. B. 1439), zum Theil auf kriege- rische Ereignisse zurückzuführen sein. So wird sich die zwischen 1421 und 1431 eingetretene Vermehrung der Geschosspflichtigen von 455 auf 694 und der bald wieder erfolgte Rückgang hauptsächlich daraus erklären, dass im Jahre 1429 bei dem Heranrücken der Hussiten die Be- wohner der offenen Stadt Altdresden und der Vorstädte in der Festung Schutz gesucht hatten, um später wieder zu ihren früheren Wohnstätten zurückzukehren. Die zeit- weilige Verminderung der Häuserzahl in einzelnen Strassen ist ohne Zweifel in der Regel durch kleinere Brände ver- anlasst, was daraus hervorgeht, dass statt der Häuser vielfach blosse „Hofstätten" im Geschossregister erscheinen.

•) In einem Berichte des Rathes an die Landesherren üher die städtische Kriegsstärke, die Zahl der Angesessenen und den Besitz- stand der Stadt vom 2. Oktober U74 (gedruckt im Cod. dipl. Sax. II. 5, 266—267) heiäst es: Item IIIF-'XXVI be^essiner lute sint in der stat Dresden; dorunder sint vaste vil cleynor huserchin, die man zcu dreyn virn funff und sechs schogken koufft, die denne arme lute und wittwen besitczen, die der fürstlichen gcwalt ui d der stat cleyn diust und volge gethun können. Obir dise summa sint usgeslossen XXVI frey hoffe, die der herschafft noch der stat keyn dinst noch gerechtiket pflegen. Des sint X edellute hoffe und XIII prister und monche hoffe und III zele nrd nigclhuser, dorynne die paginen wonen.

') A. Weck, Der Churf. Sachs. Ilesidentz Dresden Beschreib- und Vorstellung (Nürnberg 1680) .510.

278 ^tto Richter:

Eine sehr auffällige Abnahme der theilweise aus Juden bestehenden Bewohnerschaft der Windischen Gasse zwi- schen 1401 und 1411 möchte theilweise mit den Juden- verfolgungen jener Zeit in Zusammenhang zu bringen sein.*) Was die Vorstädte anlangt, so bieten die Geschoss- register, wie es scheint, bisweilen keinen vollen Verlass, insbesondere in Bezug auf die Jahre 1421 und 1453, bei denen es an erklärenden Thatsachen für das gänzliche Verschwinden vorstädtischer Steuerzahler mangelt. Doch dürfte Tabelle II (Seite 279) wenigstens insofern von Interesse sein, als daraus ungefähr ersichtlich ist, zu wel- cher Zeit und unter welchem Namen die einzelnen vor- städtischen Gemeinden und Häusergruppen geschosspflichtig werden. Ebenso geht daraus deutlich hervor, dass sich die Vorstädte, in denen überall die Zahl der Häuser mit der der Geschosspflichtigen fast genau übereinstimmt, also geschosszablende Miethlaewohner nicht vorhanden sind, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einer lebhaften Entwickelung erfreuten, während es in den von den Festungsmauern dicht umschlossenen engen Strassen der Stadt zu einer erheblichen Vermehrung der Häuser schon an Raum zu mangeln begann.^)

Wenn nun die Frage erhoben wird, ob denn die Geschossregister überhaupt eine zuverlässige Grundlage für die Bevölkerungsstatistik bilden, so glauben wir un- bedenklich bejahend antworten zu sollen. Zwar verzeichnen sie nur die Hausbesitzer vollständig und von den un- ansässigen Haushaltungsvorständen nur die, welche Bürger- recht besitzen; dies verursacht aber nur eine geringe Unsicherheit, da, wie sich zeigen wird, die Zahl der nicht- bürgerlichen und nicht geschosszahlenden selbständigen Einwohner überhaupt nur gering und für die Kopfzahl der Bevölkerung die Zahl und Stärke der Hausbesitzer- familien ausschlaggebend war.

«) Vgl. Codex dipl. Sax. reg. II. 5, 132, über eine Judenverfolgung im Jahre 1410, in welchem die Namen einiger Juden aus dem Ge- schossregister verschwinden ; die Abnahme fällt freilich hauptsächlich in die Zeit zwischen 1404 und 1407.

") Wenn Hasche, Diplomat. Geschichte Dresdens (Dresden 1816 ff.) II, 84 sagt, in der Stadt seien damals Gärten und Weinberge ge- wesen, und dies daraus zu schliessen scheint, dass später Kurfürst August zum Baue des Zeughanses fünf Gärten ankaufte, so übersieht er, dass jene Gegend im 15. Jahrhundert noch ausserhalb der Stadt lag mid erst durch die vom Kurfürsten Moritz ausgeführte Erweite- rung der Mauern mit eingeschlossen wurde.

Zur Bevülkerungs- ni d Vcnnögensstalistik Dresdens etc. 279 Tabelle II. (Siehe Seite 278).

Ortsbezeichnung

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Halbegasse. .

An der Elbe

An der Katzbach . .

Borngasse

Hinter dem alten See

Ziegelgasse

Hinter dem neuen See Poppewitz

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Rosengasse

Fischersdort

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Berechnung'

Als Massstal) für die aus den Geschossregistern dient uns Kopfzählungsliste für das erste und den Tlieil des zweiten Stadtviertels *"), Avelche unzweifelhaft aus dem Jahre 1454 stammt und für die Zwecke einer

der Einwohnerzahl eine vollständige grössteu

••) Es findet sich auch ein vermuthlich aus dem Jahre 1430 stammendes, in lateinischer Sprache abgefasstos Einwohnerverzeichnis des zweiten (Wili sehen) Stadtviertels vor, "welches, wie es scheint, die Namen derHanshaltungsvorstände, der Ehefrauen, der erwachsenen Söhne und Töchter, sowie der Knechte und Mägde anführt. Es sind darin verzeichnet: 1 13 Ehemanner, 113 Ehefrauer, ö3 alleinstehende Männer, 72 alleinstehende Frauen, 18 Sohne, 2 Töchter, 51 Knechte, 36 Mägde, in Summa 458 Personen (darunter 139 Geschosspttichtige). Da sich aber über den Grad der Vollständigkeit dieses Verzeii hnisses und insbesondere darüber, bis zu welclier Altersgrenze herab die Söhne und Töchter aufgenommen sind, etwas Genaues nicht fest- stellen lässt, so muss dasselbe ausser Betracht bleiben. Bemerkens- werth ist ferner ein die ganze Stadt umfassendes registrum des fjesindeJons tind des hercn der haivsgoiossen, die nickt hurcjerrccht hahin vom Jahre 1 J52 , aus welchem hervorgeht, dass damals 118 Knechte und Gesellen, 16."> .Mägde, 31 Lolinarbeiter, l>-2 Lohn- arbeiterinnen in der Stadt waren. Die Dienstboten zalilten eine nach der Höhe des Lohnes bemessene Steuer; die angegebenen Jahreslöhne der Kneclite scliwanken zwischen 40 und 140 gr. , die der Mägde zwischen 20 und 72 gr. Der von den Nichtbürgern zu zahlende her war, wie es scheint, eine Vermöconssteuer.

280 Otto Kithter:

damals erhobenen Kopfsteuer angefertigt ist.") Wir be- nutzen diese Liste zunächst zur Aufstellung der Tabelle III (Seite 281), in welche wir auch die Zahlen der Geschoss- pflichtigen der betreffenden Strassen aus dem Jahre 1453, vor und nach der Neueinschätzung, einfügen; sodann geben wir in Tabelle IV (Seite 281) die Resultate genauer Er- mittelungen über die Bevölkerungsstärke der einzelnen Häuser (durchschnittlich 7,2 Köpfe) und über die Kopf- zahl der einzelnen Haushaltungen, d. h. der Familien mit Einschluss der Dienstboten und gewerblichen Hilfsarbeiter. Die Zahl der nur eine Person umfassenden Haus- lialtungen und damit die der Haushaltungen überhaupt dürfte insofern etwas zu hoch gegriffen sein, als für alle im Einwohnerverzeichnisse gesondert aufgeführten Personen ein eigner Haushalt angenommen worden ist, während doch wohl 2. B. bei manchen der alleinstehenden Lohn- arbeiter und Lohuarbeiterinnen eine Theilnahme an dem Haushalte ihres Brot- und HausheiTn wahrscheinlich ist. Aber auch wenn man alle solche Personen als Haus- haltungsvorstände betrachtet; so kommen doch auf die sich dann ergebenden 147 Haushaltungen von Mieth- bewohnern nur 315 Köpfe, während die fast gleiche Zahl von Hauswirthsfamilien (149) mehr als das Doppelte an Köpfen (755) umfasst. Aus diesem bedeutenden Ueber- wiegen des ansässigen Elements möchten wir vornehmlich

") Nach Vergleichung der m der Kopfzählungsliste enthaltenen Namen mit denen der Geschossregister wäre dieselbe in die Zeit zwischen Michaelis 1453 und Walpurgis 1454 zu verweisen. Der Landtag zu Leipzig, auf welchem die Erhebung einer Steuer im Betrage von 2 Groschen auf jeden Kopf beschlossen wurde, fand statt am Montage nach Matthiae apostoli = 25. Februar 1454 (nicht am Montage nach Matthaei apostoli = 23. September, wie bei Weck 4.39 zu lesen). Vgl Gründliche Beantwortung derjenigen Schrift, welche unter dem Titel: Unumstössliches Vormundschaftsrecht etc. publiziert worden (Dresden 1719, fol.) Beilage Nr. 200, Seite 148, sowie das Landtagsausschreibeu vom 9. Februar 1454 im Dresdner Rathsarchiv. Die Aufstellung der Kopfzählungsliste, die keinem andern Zwecke gedient haben kann, fällt also in die Zeit zwischen dem 25. Februar und 1. Mai 1454.

Die Liste beginnt folgendermassen: P[rimum quajrtale. .■\nzczu- hebin [zcu Hjannse Lewbenitcz biß zcu Jörgen Busman. Hannus Goran mit seyme Schreiber und mit Gleser suUen czeichen den wirt, dy wirtynne, yre kinder, yr gesinde, und hawsgenossen und ouch der hußgenossen kinder und gesinde. Item Hannus Lewbenitcz salp firde. Item Nickü Brommetschz salp sechßte. Item Sleycher salp an dir etc. etc.

Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 281

die Berechtigung herleiten, die Geschossregister, in denen dieses Element voll zur Erscheinung kommt, als Grundlage für die Berechnung der Gesammteinwohnerzahl zu be- nutzen. Wenn es nun keinem Zweifel unterliegt, dass in allen Stadttheilen Dresdens im wesentlichen ganz dieselben Bevölkerungs- und Wohnungsverhältnisse obwalteten, so wird das Zahlenverhältnis zwischen Geschosspflichtigen

Tabelle HI. (Siehe Seite 280.)

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Gesc pflic

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Köpfe

Strassen

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1453

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20 20 26 33 38

14 26 26 36 ä9 45

15 31 29 H9

46 49

19 .50 39 56 71 61

59

99

98

134

154

211

16 54 55 59 81 50

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Kundigerigasse

Zahnsgasse

Kleine Webergasse Gr. Weberg asse '^) Wilisehe Gasse . . .

(mit Ausnahme der letzten drei Häuser)

153 1.53 193 235

261

1 149

186

209

296

755

315

1070

Tabelle \S . (Siehe Seite 280.)

Häuser

Haushaltungen

mit

mit

Strassen

1

1

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7

7

T— 1

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1

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Köpfen

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Seegasse ..

1

6

4

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12

2

6

6

5

..^

19

Kundigengasse ....

1

3

4

6

3 3

20

18

17

8

2

4

1

50

Zahnsgasse

8

7

3

0

20

5

13

12

9

39

Kleine Webergasse

3 7

9

6

1

26

16

18

14

4

1

3

56

Grosse Webergasse

1

5

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5

5

3

1

33

15,29

17

7

2

1

71

Wilisehe Gasse. . . .

1

17

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1

1

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9; 15

17

13

7

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2

13

55

49

19

10

1

149

65

98

74

40

14

4

1

296

'*) Die Grosse Webergasse (Scheftelstrasse) enthielt bei völlig unveränderter Fläehenausdehnung im Jahre 1867 noch genau so viel Häuser wie 1454, nämlich 33, die Einwohner der Strasse hatten sieh aber von 235 auf 1083 vermehrt, Zahlen, welelie die Zunalime der Bevölkerungsdiehtigkeit und die wachsende Höhe der Wohngebäude deutlich genug illustrieren.

282 Otto Richter:

und Köpfen, wie es sicli für das von der Kopfzälilimgs- liste umfasste Drittheil der Stadt ermitteln lässt, auch auf die andern beiden Drittlieile ohne Weiteres übertrao-en werden dürfen. Aber da, nach den Geschossregistern zu urtheilen, die Entwickelung der Stadt und ihrer steuer- fähigen Bevölkerung-, von einigen kleinen Schwankungen abgesehen, während des 15. Jahrhunderts im grossen und ganzen stillgestanden hat und eine Veränderung in der Veranlagung des Geschosses ausser der Neueinschätzung von 1453 nicht zu konstatieren ist, so Avird selbst eine Uebertragung jenes /^ahlenverhältnisses auf das voran- gegangene luid auf das nachfolgende Halbjahrhundert nur geringe Ungenauigkeiten in sich schliessen. Nur wird die erwähnte Neueinschätzang zu berücksichtigen und für die Zeit vor 1453 das Verhältnis zwischen Einwohnern und Geschosspflichtigen als 1070 : 186 (d. h. 5,7 Köpfe auf jeden Geschosspflichtigen) '^), für die Zeit nach 1453 als 1070:209 (d. h. 5,1 Köpfe auf jeden Geschosspflichtigen) anzunehmen sein. Daraus ergeben sich (nach Tabelle I) für die Stadt Dresden folgende Einwohnerzahlen:

3745 im Jahre 1396

3471 1401

3007 1411

2593 1421

3956 1431

3010 ,. 1440 Ausgeschlossen sind hiervon die Geistlichen mit ihrem Dienstpersonal, die Insassen des Franziskanerklosters und die stän digen Bewohner des herzoglichen Schlosses, welche sämmtlich als steuerfrei in den Geschossregistern über- gangen sind; dieselben dürften mit zusammen 150 Köpfen hoch genug veranschlagt sein.

Bezüglich der Vorstädte kann das obige Zahlen- verhältnis nicht zur Anwendung gebracht werden, da hier keine Miethbe wohner verzeichnet und also wohl die Häuser kleiner und schwächer bevölkert gewesen sind. Rechnen wir daher liier nur 4 Köpfe auf jeden Geschosspflichtigen, so ergeben sich (nach Tabelle H) für die Jahre, für welche die Geschossregister zuverlässig zu sein scheinen, folgende Einwohnerzahlen :

3101 im Jahre

1453

oool

1465

3504

1477

374i:3

1489

2565

1501

'*) Da nach Anmerkung 3 die Zahl der Geschosspflichtigen sich mit der der Bürger deckt, so trifft diese Berechnung annähernd mit jeuer Laurents zusammen, der für Hamburg das Verhältnis der Bürger zu den Einwohnern auf 1 : 6 feststellte, s. Koi)i)niann a. a. Ü.

Zur Bevölkerungs- unil Vermögensstatistik Dresdens etc. 283

724 iin Jahre 1477

996 .. 1489

768 1501 Somit bereclmet sich die Gesaramtzahl der Einwohner Dresdens und seiner Vorstädte auf dem linken Eibufer kurze Zeit vor dem grossen Brande von 1491 auf nahezu 5000.'^)

Mit weit grösserer Sicherheit als bei den vorstehen- den bevölkerungsstatistischen Untersuchungen vermögen wir bei einer Vermögensstatistik Dresdens im 15. Jahr- hundert zu Werke zu gehen, da das Material dafür eui solches ist, wie es kaum für die Gegenwart zuverlässiger zu beschaffen sein möchte; es sind dies mehrere ziemlich umfängliche Register, welche zum Zwecke der von den Herzögen Albrecht und Georg in den Jahren 1488 und 1502 erhobenen ausserordentlichen Steuern angelegt sind und vollständige Vermögensabschätzungen der Einwohner von Dresden, seinen Voistädten und der Stadt Altdresden, sowie der in sieben benachbarten Dörfern angesessenen Zinsleute des Rathes zu Dresden und der von ihm ver- walteten geistlichen Stiftungen enthalten.

Für die Landessteuer von 1488 hatte jedermann sein gesammtes bewegliches und unbewegliches Besitzthum nach eignem Gewissen abzuschätzen und von je 100 rhei- nischen Gulden Werth 1 Gulden und bei geringerem Ver- mögen nach Verhältnis weniger zu entrichten; Dienst- boten zahlten von je 20 Groschen Jahreslohn 1 Groschen zu dieser Landessteuer. Die Steuerregister, deren eines für Dresden und seine Vorstädte und ein zweites für die Stadt Altdresden vorhanden ist, weisen in der Regel bei dem Namen jedes Abgeschätzten die Höhe seines Vermögens und den Steuerbetrag auf; bisweilen jedoch, besonders bei wenig Bemittelten, ist nur der Steuerbetrag angegeben, woraus nach dem angebenen Steuersatze das Vermögen leicht zu finden ist. '^)

'*) Um 1469 wurden Dresden und Eothlitz als „vil geringer dann Zwickau" bezeichnet. Vgl. Tittmann, Heinrich der Erlauchte 1, 3()2; von Webers Archiv für Sächsische Geschichte. N. F. 5, ."Cb.

'*) Um die Einrichtung dieser Register zu verdeutlichen, setzen

wir die Ueberschrift und den Anfang desjenigen von Dresden hierher:

Register der stheuer noch ausweysunge der nottel unßers g. h.

von hundert gülden wert einen und beym eide iglichem heym

234 ^^^^ Richter:

Wir ordnen nunmehr sämratliche in den beiden Scliatzungsregistern verzeiclmeten Personen nach möglichst nahe aneinander liegenden Vermögensklassen. Für alle diejenigen, welche weniger als 25 H. Vermögen besitzen, nehmen wir ein durchschnittliches Vermögen von 12 72 fl- an, während für alle höheren Vermögensldassen niclit ein Durchschnitt, sondern die genaue Summe aller einzelnen Vermögensbeträge anzugeben ist. Damit gelangen wir zu der auf Seite 285 (Tabelle V) befindlichen Uebersicht.

Nicht ohne Interesse ist jedenfalls das Resultat der Vertheilung der gefundenen Vermögensbeträge auf den einzelnen Kopf der Abgeschätzten sowohl wie der Be- völkerung überhaupt, für welche es gestattet sein mag, die oben für das Jahr 1489 ermittelten Einwohnerzahlen von Dresden nebst Vorstädten zu benutzen (Tabelle VI, Seite 286).

Die vom Herzog Georg im Jahre 1502 erhobene Vermögenssteuer, zu welcher ein Abschätzungsregister der Stadt Dresden, seiner Vorstädte und der benachbarten Rathsdörfer erhalten ist'**), wurde nach demselben Satze wie die von 1488 veranlagt, nur war damit ausser einer Einkommensteuer für die Dienstboten, die den zehnten

geben anno im LXXXVIII jore angehoben beym burgermeister

Simon Wercho. Die stüer entphaer und eynnemer Bastian Jost,

Donatus Conrafli. Francz Herczog cU 1[ r. fl. noch seinner habe unnd vermögen. Die Brommaczschinne angeslagen all yie guter vor VI"-' reinisehe

guldenn d* dovon II ß VI gr. Ibidem Thomas Palicz d' V gr. IUI naue /9> als ein hausgenoß an- geslagen sein gut vor XXV r. ti. Idem VI gr. d* von zween smideknechtenn. Die Kuneltynne aiigeslagenn all yre gutter vor VI^ reinisehe fl.

dt dovon II ß VI gr. Idem XII gr. d* von zween knechten und eyner mayt. Jocofi" Henel angeslagenn all sein gut vor IIjc [== 250] reinisehe fl.

dt dovouii LH gr. IUI ^ I heller. Idem II gr. dt von der mayt. Ibidem die Schaubehansin d* III gr. Ibidem die Caspar Sneiderin dt I gr. etc. etc.

Vgl. auch den Revers Herzog Albrechts vom 19. Aprü 1488 im Hauptstaatsarchiv zu Dresden, Witt. Archiv, Steuersachen Blatt 21. Die Angaben Wecks (446) über die Art der Steuerveranlagung von 1488 (von 100 fl. Werth 2 fl. Steuer u. s. w.) sind au dieser Stelle falsch, gelten vielmehr für eine Vermögenssteuer des Jahres 1506. Dieser Fehler Wecks ist, wie so mancher andere, in alle späteren Schriften übergegangen.

'«) Steur register nach Christi gebort XVc im andern lare der Stadt Dresden von hundert goldenn wirderunge bewegelich und un-

Zur Bevölkerungs- und VeimÖgeusstatistik Dresdens etc. 285 Tabelle V.") (Siehe Seite 284.)

mögensklasse

Dresden

Vorstädte

Altdresden

Ver

r3 S

CO cn

-3 a>

ii

'TS o)

Zahl dei geschät:

Summe Vermög

Zahl dei geschät;

Summe Vermög

Zahl dei geschät;

Summe Vermög

fl.

fl.

fl.

2000 fl.

und darüber

1

2.S50

1500 bis

unter 2000 fl. . .

4

7 000

1000

1500 ...

4

5000

900

1000 . .

1

900

800

900 . . .

3

2400

700

800 „. .

600

700 . . .

10

6 000

500

600 ...

9

4 550

400

500 . . .

12

4 902

300

400 ...

34

10550

200

300 . . .

45

9 370

1

200

1

210

100

200 . .

131

15015

4

450

11

1536

50

100 . . .

78

4 790

15

8.30

22

1506

25

50 ...

76

2 225

38

1146

47

1610

unter 25 ...

194

2 425

105

1312

110

1375

602

77477

163

3938

191

6237

Hierüber:

Gesellen

, Knechte, Mägde

296

8

63

bewegelich guttern barschaft'tenn unnd farnde habe 1 fl. r., von L gülden j [= Va], von XXV 1 ort, wer zo \y\ nich that IUI gr. unnd och wez kinder ubir XV iar, dinstbotenn den X teil ires Ions, mussigkgenger Xgr. etc. Demnach waren bei dieser Gelegenheit alle Personen, mit Ausnahme der Ehefrauen und der Kinder unter 15 Jahren, steuerpflichtig; es sind dies für Dresden im ganzen lO'Jl Personen (Tabelle VII, S. 286). Wenn wir, was wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, annehmen, dass die in Anmerkung 10 erwähnte Liste vom Jahre 1430 ebenfalls ein Verzeichnis aller Personen über 15 Jahre ist und daraus hervor- geht, dass die Ehefrauen genau den vierten Tlieil derselben bilden, so würde lür das Jahr 1502 die Zahl der Ehefrauen sich auf 363 berechnen. Dann betrüge (bei 2565 Einwohnern im Jahre 1501) die Zahl der Kinder unter 15 Jahren Uli, d. h. 43 Prozent der Be- völkerung, jedenfalls also ein höherer Prozentsatz, als ihn Schön- berg (a. a. ü. 516) bei der Berechnung der Einwohnerzahl von Basel annimmt. Doch soll dies nur als Vermuthung gelten!

") Das höchste Vermögen besitzt Heinrich Sleweger mit 2350 fl., sodann folgen Jeniko Geusing mit 1900 fl. und Hanns Karlewicz („angeslagenn seine putter als hauß ecker weingerten und weßenn umb die stat legende"; mit 1800 fl. Nickel öeydel, Bürgermeister 1489, besitzt 900 fl., Simon Wercho, Bürgermeister 1488, 600 fl.

28G

Otto Richter

Theil ihres Lohnes zu entrichten hatten, auch noch eine Kopfsteuer für die Kinder über 15 Jahre und für Müssig- gänger verbunden. Es wird sicli auch hier rechtfertigen lassen, wenn wir für alle Personen mit weniger als 25 fl. Vermögen einen Durchschnittsbetrag von 12 72 fl. , für Kinder über 15 Jahre sowie für Gesellen, Lehrjungen, Knechte und Mägde aber überhaupt kein Vermögen an-

nehmen. Hiernach gestalten sich

die Vermögensverhält-

nisse der Einwohner der Stadt Dresden und der Vor- städte; sowie die der Zinsleute in 7 Dörfern, für welche leider die Abschätzung der übrigen Bevölkerung nicht vor- liegt, für das Jahr 1502, wie Tabelle VII, VIII und IX zeigt.

Tabelle YI. (Siehe Seite 284.)

Ort

Zahl der Ab- geschätzten

Zahl der

Einwohner

U89

■Summe

des

Vermögens

fl.

Vermögensbe-

tragp. Kopf der

Abgeschätzten

fl.

Vermögensbe- trag p. Kopf der Bevölkerung fl.

Dresden

Vorstälte . . . Altdresden . .

602

163 191

3743 996

77 477 3 938 6237

128,7 24,1 32,6

20,7 3,9

Tabelle VII.'

Dresden

Vorstädte

Vermögenski asse

Zahl der Ab- geschätzten

Summe des Vermögens

fl.

Zahl der Ab- geschätzten

Summe des Vermögens

fl.

2000 tl. und darüber . . ...

2

4200

1500 his unter 2000 fl.... .

1

1700

1000 1500

3

3600

900 1000 . . . .

1

900

800 900 ... .

2

1050

700 800 ... .

2

1400

600 700 ... .

8

4850

500 ßOO

5

2 570

400 500 .,

14

5 752

300 400 ... .

19

5930

200 300 . . .

36

7 727

1

228

100 200

112

14069

6

728

50 100

108

6 686

8

469

25 .50 ,

52

1748

21

667

unter 25 ...

318

3975

151

1888

Hierüher:

683

66 757

187

3980

Kinder über 15 Jahre

56

0

...

Gesellen, Lehrjungen) Knechte, Mägde ) " '

352

14

") Das höchste Vermögen im Jahre 1502 ist das des Bürger- meisters Hans Smeisser mit 2200 fl., derselbe war im Jahre 1488 mit 1500 fl. veranschlagt.

Zur Bevolkerungs- um] V'urmögensstatistik Dresdens etc. 287 Tabelle VIII. (Siehe Seite 286.)

Quoh- ren

Zschiz-

sche- wig

Tolke- witz

Moek- ritz

Box- dorf

Müg- litz

Sürs- sen

Vermögens- klasse

c

(V

a o

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5 5

CD fcC ••O

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3

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a

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S ;-<

>

300 bis unter 400 ü.

200 300..

100 200

50 100

25 50

unter 25 ,,

2

11

4

7

ti.

28ß 661 136

88

ti. 1 3.50 ] 200 li 125 6' 36-2 3' 113 6 75

2 3 1

fl.

243

215

30

1 1

fl.

200 100

1 11.

1 300

i .

2 151

2 1

1

tl.

140 30 12

ti.

1 300 1 200

1 50

Hierüber: Kinder üb. 15 Jahre Knechte, Mägde .

24

9 11

1171

18 10

1225

6

1

488

2

?,Q0

.>

451

4 182

1

1

3

550

Tabelle IX. (Siehe Seite 286.)

Ort

Zahl der Abge- schätzten

Zahl der Ein- wohner

1501

Summe des Ver-

fl.

Vermögens- betrag pro Ivopf der Ab- geschätzten

fl.

Vermögens- betrag pro KopfderBe- völkerung

fl.

Dresden

Vorstädte . . , Quohren . . . , Zschitzschewig Tolkewitz . . . Mockritz .... Boxdort . . . 1 .

Müglitz

Sürssen

683

187

24

18

6

2

3 4 3

2565 768 9 ?

?

9

66 757

3980

1171

12-25

488

.300

451

182

550

21,3 53

81,3 150 150,3

45,5 183,3

20 5,2

'P 'P

•? ? ?

Die vorstehenden Tabellen reden in Bezug auf die Höhe der in den betreffenden Jahren vorhandenen Werthe, auf die Vertheikni^ derselben unter die einzelnen Ver- mögensklassen und auf die Vcrscliiedenheitcn des Ver- mögensstandes in der Stadt, in den Vorstädten und auf den Dörfern eine so deutliche Spraclie, dass es weiterer Ausfülirungcn hierüber nicht bedarf. Lehrreich ist aber vielleicht ein Versuch, den Unterschied zwischen damals

288 Otto Richter:

und heute in betreff des auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden Vermögensbetrages zu zeigen. Wenn wir zum Schlüsse einen solchen Versuch machen, so kann es uns nicht beikommen, genaue und unanfechtbare Zahlen er- mitteln zu wollen, sondern es wird sich lediglich darum handeln, durch einige Ziffern die Grösse des von vier Jahr- hunderten bewirkten Umschwunges der wirthschaftlichen Verhältnisse flüchtig anzudeuten.

Im Jahre 1488 kam nach Tabelle VI auf den Kopf der Bevölkerung in Dresden ein Durchschnittsvermögen von rund 21 fl. Bei der Umrechnung dieses Betrages in die ihm heute entsprechende Geldsumme sind sowohl die beiderseitigen Münzwerthe als die gesammten Preisverhält- nisse zu berücksichtigen. Wenn aus 1 Mark Feinsilber in jener Zeit 140 Groschen (= 7 rheinische Gulden), heute 50 Mark geprägt werden, so entspricht der damalige Gulden einem Betrage von ungefähr 7 Mark jetziger Münze. Die Preise der wichtigsten Lebensmittel und die Handarbeitslöhne, deren Heranziehung-für eine annähernde Berechnung genügen dürfte, betragen jetzt durchschnitt- lich etwa das Fünffache der damaligen*^), so dass also der rheinische Gulden von 1488 heutzutage einen Werth von ungefähr 35 Mark haben würde. Unter Zugrunde- legung dieses Massstabes stellt sich die Höhe des im Jahre 1488 auf den Kopf der Dresdner Bevölkerung fallen- den Vermögens nach unserm Gelde auf 735 Mark.

Welchen Betrag vermögen wir dem jetzt gegenüber- zustellen? Im Jahre 1879 betruü; in Dresden das Steuer- Pflichtige Einkommen aus Grundbesitz 2043- 147 M., aus Kenten 29402 773 M., zusammen circa 50000000 M.^") Bei Annahme einer Bevölkerungszahl von 210000 kommen hiervon auf jeden Kopf circa 240 M. , welche bei einem Zinsfusse von 5 Prozent einem Kapitale von 4800 M. ent- sprechen. Also 735 M. Durchsclmittsvermögen im Jahre 1488 gegen 4800 M. hn Jahre 1879! So unsicher diese

'*) Nacli Job. Falke, Geschicbtliche Statistik der Preise im Königreich Sachsen, in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik, XIII. (1869), 364—395.

^"j Zeitschrift desK.Sächs. statistischen Bureaus, 25. Jahrg. 1879, Beilagen zu Heft 3 und 4. Wir ziehen, da es sich um eine Ver- gleichung des ■wirklichen Vermögens handelt, nur das aus Grund- und Kapitalbesitz üiessende iMnkommen heran und übergehen voll- ständig das Einkommen aus Gehalt und Lohn mit 51913188 M. und aus Handel und Ge^verbe mit 42 432 399 M., obwohl dem letzteren

Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens etc. 289

Zalilen sind, eine Ahnung von der kolossalen Zunahme der wirthschaftlichen Güter im Laufe der Jahrhunderte vermögen sie doch zu vermitteln. Und wie tritt das Missverhältnis erst hervor, wenn wir den reichsten Mann von 1488 mit 2350 fl. = 82 250 M. dem heutigen Besitzer einer Reihe von Millionen gegenüberstellen! Dass eine solche Anhäutung von Gütern in gleichem Verhältnis nicht stattgefunden hätte, wenn die Stadt auch heute noch 4000 Einwohner zählte, bedarf keines Nachweises, da in kleinen Städten noch gegenwärtig ein weit geringeres Durchschnittsvermögen als in grossen zu konstatieren ist. In welchem Masse aber mit dem Anwachsen der äusseren Güter auch eine wirkliche Hebung des allgemeinen Wohl- standes oder gar des ^^'ohlbelindcns der Bevölkerung ver- bunden gewesen, das ist eine Frage, zu deren Beant- wortung das Ziffernwerk der Statistik niemals die alleinige Grundlage bilden kann.

7Ai einem grossen Theile auch Anlage- und Betriebskapitalien zu Grunde liegen; dafür lassen wir aber auch 1.3389 728 M. Schuldzinsen, welche eigentlich abzuziehen wären, unberücksichtigt. Wie würde sich nun gar die Summe des heutigen Vermögens erhöhen, wollte man die Masse der unproduktiven Güter mit einschätzen, wie dies im Mittelalter geschehen! Dagegen fällt freilich sehr ins Gewicht, dass damals das bedeutende Vermögen der geistlichen Korporationen ausser Betracht blieb, während in den obigen Ziffern das Korporations- inbegriffen ist.

Neues Archiv f. S. Ci. u. A. 11. 4. l9

XL

Nachträge zum ürkundenbuche der Stadt

Chemnitz.')

Von

Hubert Ermiscli.

Dass die Massnahmen, welche die königliche Staats- regierung' während der letzten vier Jahre im Interesse der städtischen und der sonstigen nicht unmittelbar der staatlichen Verwaltung unterstehenden Archive getroffen hat, auch für das grosse von Gersdorf und Posern-Klett begonnene und gegenwärtig von -Otto Posse und dem Schreiber dieser Zeilen unter Mitwirkung mehrerer anderer Historiker herausgegebene säclisische Urkundenbuch von Wichtigkeit werden würden, war vorauszusehen. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint dies freilicli nicht in so hohem Masse der Fall zu sein, als man wohl wünschen möchte. Man kann sich schwer einen Begriff von dem Vanda- lisraus machen, mit dem bis in die neueste Zeit hinein insbesondere die Archive vieler sächsischer Städte be- handelt worden und dem vor allem vielfach die älteren, „unleserlichen", „werthlosen" Documente zum Opfer ge- fallen sind. Es war die höchste Zeit, dass hier der Staat

') Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster. Im Auftrage der Kgl. Staatsregiernng herausgegeben von Hubert Ermisch. Leipzig, Giesecke und Devrient 1879. 4". (Codex diploraaticus Saxoniae regiae. II. Haupttheil. 6. Bd.)

Nachträge zum Urkundeiibuehe der Stadt Chemnitz. 291

schützend einti'at und die bis dahin oft nur durch einen Zufall geretteten dürftigen Reste von Denkmälern vater- ländischer Geschichte dem drohenden Untergange entriss, der wissenschaftlichen Forschung und vor allem auch dem praktischen Gebrauche im Interesse der städtischen Ver- waltung wieder nutzbar zu machen suchte. Denn dass den grössten Vortheil aus einem Archive die Stadt selbst ziehen kann, die es besitzt, ist eine sein' nahe liegende Wahrheit, und man vermag es kaum zu begreifen, wie dies überhaupt noch zuweilen bestritten werden kann. Ich komme auf diese Seite der Frage vielleicht bei einer andern Gelegenheit zurück. Für jetzt gebe ich nur einige Nachträge zu dem vor einigen Jahren von mir veröfifent- Hellten Cliemnitzer Urkundenbuche, die ich im Laufe dieses Jahres bei Gelegenheit archivalischer Revisionsreisen auf- gefunden habe. Unsere Zeitschrift, die vor allem mit dem grossen sächsischen Urkundenwerke stets Fühlung halten soll, dürfte der geeignetste Platz für diese Nachträge sein, obwohl dieselben nur für einen beschränkten Kreis der Leser ein unmittelbares Interesse haben können.

Der grösste Tlieil stammt aus dem Archive der Stadt Chemnitz, über welches ich bereits im Vorbericht zum Urkundenbuche (S. X) einige Notizen gegeben habe. Dasselbe hat eine günstigere Vergangenheit gehabt als viele andere Rathsarchive Sachsens, und auch neuerdings ist von den städtischen Behörden in würdiger Weise da- für gesorgt worden. Bereits im Jahre 1870 hat Dr. Paul Pfotenhaucr im Auftrage des Stadtrathcs die Repertorien revidiert und ein Urkundenverzeiclmis angelegt; dann Avar Chemnitz die erste Stadt, welche den seitens der Staatsregierung geäusserten Wünschen nachkam und die angebotene Beihilfe eines Archivbeamten zur Unterstützung der weitern archivalischen Ordnungsarbeiten beantragte. Als ich zu diesem Zwecke im Sommer 1878 nach Chenmitz kam, musste ich allerdings bald erkennen, dass der Zeit- punkt für diese Arbeiten nicht sehr glücklich gewählt war, weil ein anhaltendes Arbeiten hi den dumpfigen Locäli- täten, in denen damals das Archiv lag, sich als unmög- lich erwies. Zugleich wurde mir mitgetheilt, dass eine Umsiedlung des Archivs in neue Räume nahe bevorstand. Dieselbe, erfolgte anfangs 1880. Die vormalige Turnhalle der zum neuen liathhause umgebauten höheren Bürgerschule (Poststrasse 51) bot einen durchaus geeigneten Archivraum, und die Aufstellung der Archivalien in 9 hohen Doppel-

19*

292 Hubert Ermisch:

scliragen verdient alle Anerkennung. Auch die Ordnungs- arbeiten hatten, dank der Bemühungen der städtischen Archivare Zimmer und Kiefer, einige Fortschritte gemacht, wenn auch freilich noch ziemlich viel Detailarbeit auf sachkundige Ausführung wartet. Hoffentlich gelingt es der städtischen Verwaltung, für die Lösung dieser Auf- gaben, welche die Kräfte der. ohnehin vielbescliäftigteu städtischen Registraturbeauiten des Inhalts und der Schrei- bung wegen überschreiten dürften, einen geschulten Histo- riker zu interessieren. Als ich vor einigen Monaten dem Chemnitzer Stadtarchive nochmals einen Besuch abstattete, reichte meine Zeit allerdings zur Ausführung dieser lang- wierigen Arbeiten, unter denen die Ordnung der aus zahl- reichen losen Blättern bestehenden „Rathsprotokolle" vom 16. Jahrhundert an zunächst wünschenswerth wäre, nicht aus. Dagegen nahm ich eine Ergänzung des Urkunden- repertoriums vor. Bei der Umräumung hatten sich näm- lich nicht weniger als 43 Originalurkunden aufgefunden, eine sehr erhebliche Bereicherung des bisher aiTs 15.5 Nummern bestehenden Urkundenarchivs. Meist hatten sie wohl sint vielen Jahrzehnten in unzugänglichen Winkeln gelegen; in den 1848 aufgestellten Repertorien fehlen sie, und auch den eingehenden Nachforschungen, die Dr. Pfotenhauer und ich zu wiederholtem Male für die Zwecke des Urkundenbuches im Archive vorgenommen haben, sind sie entgangen. 15 von diesen Urkunden wären für den Codex diplomaticus zu benutzen gcAvesen. Darunter sind mir die unten als No. 91^ 128'', 129", 131'^ 261", 269", 269^' und 471" mitgetheilten Dokumente ganz unbekannt geblieben. Zu No. 91 war eine Erweiterung zu geben. Zu den Nummern 13, 34, 43, 89, 180, 269, welche im Urkundenbuche nach Abschriften, Entwürfen oder Ueber- setzungen mitgetheilt worden sind, haben sich die Originale gefunden. Ich füge hinzu, dass das Original vonNo. 18 mir im vorigen Jahre durch Herrn Stud. O. Langer in Leipzig, in dessen Besitz es gelangt war, freundlichst zur Kollation überlassen wurde; auch dieses ist jetzt auf den Wunsch des Genannten dem Chemnitzer Rathsarchive, dem es ur- sprünglich angehört hat, wieder einverleibt worden.

Weitere Ausbeute für unsere Nachträge gewährte das gut geordnete und bisher noch sehr wenig gekannte und benutzte Fürstlich und Gräflich Schönburgische Gesammtarchiv zu Glauchau. Dasselbe wurde mir gelegentlich eines Aufenthalts in Glauchau, der zunächst

Naclitriigü zum Urkmulenlniche der Stadt Chemnitz. 293

der Revision des dortigen Stadtarchivs galt, durch die Herren Kanzleidirektor Zückh'r und Sekretär Lossius bereit- willigst zugänglich gemacht, und ich fand eine überraschend grosse Anzahl von Dokumenten, die für die verschiedenen Abtheilungen des Urkundenwerks von Interesse sind. Die Geschichte von Chemnitz betrafen davon 6 Nummern (No. 39'', 46", 57", 91", 148", 395"). Weniger ergiebig war die Durchsicht der drei anderen Scliönburgischen Archive in Glauchau und Waidenburg; das einzige Dokument in den- selben, das für das Urkundenbiich von Chemnitz zu be- nutzen gewesen w^äre, war das Original von No. 385.

Wir fügen endlich als No. 428" eine kürzlich von der Amtshauptmannschaft zu Chemnitz dem Hauptstaats- archiv zu Dresden übergebene Originalurkunde auszüg- lich bei.

Was den Inhalt unserer Nachträge anlangt, so ist der- selbe allerdings theilweise nicht sehr erheblich. Immer- hin erweitert er unsere Kenntnis der städtischen Geschichte von Chemnitz nach verschiedenen Richtungen hin.

No. 39", 46'' und 57" betreffen die Ortwinische Stif- tung und sind mit No. 42 und 44 zusammenzustellen. Hans der ältere und Hans der jüngere von ^^'^aldenburg und Burggraf Albrecht von Leisnig hatten, vermuthlich in einer Fehde, die Gebrüder Franz und Johannes Ortwin aus Chemnitz erschlagen. Für das Seelenheil der Er- mordeten hatten deren Verwandte einen Altar zu Ehren des h. Leichnams und des h. Sigismund gestiftet und mit einer Busse von 1 10 Schock Groschen, welche die Mörder auf Grund einer um 1370 von Markgraf Friedrich zu Stande gebrachten Vereinbarung gezahlt hatten, dotiert. Die bischöfliche Bestätigung dieser Stiftung vom 17. August 1371 erwähnt aucli einer Schenkung von iVa Schock aus der Bleiche, welclie der Altzeller Mönch Franczko und sein Bruder der Priester Johannes Albi (Wishennil), unter Vor- behalt des Niessbrauches auf Lebenszeit zu diesem Altar ue- macht hatten. No. 39" ist die über diese Schenkung aus- gestellte Urkunde vom 17. Dezember 1368; es lässt sich auf Grund derselben vermuthen, dass die Ermordung der Ge- brüder Ortwin im Jahr 1368 erfolgt sei; denn die Stiftung der ewigen ]Messe zu ihrem Seelenheil war bei Ausstellung dieser Urkunde noch nicht vollendet.

In welchem Verhältnis die Familie Albi oder ^^^ishennil zu den Ortwincn stand und was sie veranlasste, zu der Altarstiftung beizutragen, ist aus dem vorliandeuen Material

294 Hubert Eiraiscli:

nicht ersichtlicli. Franciscus Albi hatte verschiedene Forde- rungen an die Familie Ortwin ; unter anderem konnte er freies Quartier im Hause des Nicohius Ortwin beanspruclien, so oft er nach Chenniitz kam. ^Yir erfala-en dies aus dem Ver- gleiche No. 46'' vom Jahre 1379, durch welchen diese Ver- hältnisse gelöst wurden; er überliefert uns auch den Namen des ersten bekannten Chemnitzer Stadtsclireibers, Johannes Franko. Joliannes Albi war, wie sich aus No. 57'' ergiebt, Altarist des neu begründeten Altars; wegen Augenschwäche legte er 1389 die Verwaltung desselben nieder, behielt aber den grössten Theil der Einkünfte aus dem seit 1383 (vergl. No. 52) dem Altare incorporierten Dorfe Meinersdorf.

Die grosse Stiftung des Priesters Nicolaus Ebersdorf (No. 91''), von dem andere Stiftungen bereits bekannt sind (vergl. No. 68, 72), nennt uns die damals in der Jacobi- kirche und im Hospitale vorhandenen Altäre und die Namen ihrer Altaristen und hat auch Interesse für die Geschichte des Armenwesens; insbesondere mag auf der Berücksichtigung der verschämten Armen (pauperes qui alias erubescant meudicare publice) hingCAviesen Averden. Von geringerem Interesse ist die bischöfliche Bestätigimg einer anderen frommen Stiftung No. 9V. Auch No. 128'', 129'', 131 , 261" betreflfen Altarstiftungen; in No. 131'' (von 1442) wird der erste dem Namen nach bekannte Chemnitzer Schulmeister genannt. No. 128'' und No. 131'' geben zu- gleich Ergänzungen zur Rathslinie der Stadt Chemnitz''^), Avährend No. 148" als einer der wenigen Belege für die Thätigkeit des Chemnitzer Schöftencollegs aufgenommen worden ist.^) Von topographischem Interesse ist der Recess über die Röhrwasserleitung No. 269''. No. 269'' betrifft den 1478 erfolgten Verkauf der Pfortenmühle durch Paul Hann, der dieselbe 1477 von den ßleichgewcrken gekauft hatte (vergl. No. 266), an Ulrich Schütz; dieser verwandelte sie später in eine Walkmühle (No. 273).

Zu dem Urkundenbuch des Klosters gehören die beiden Zinsverschreibungen No. 395'' imd 471"' sowie der Lehnbrief No. 423".

Was die übrigen Nachträge anlangt, so weichen aller- dings die Originale von Nr. 13, 18, 34, 43, 89, 180, 269

*) Vergl. meinen Aufsatz über die Rathslinie der Stadt Chem- nitz bis 1484 in den Mittheilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte II, 130 ff.

») Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, XXIV.

Nachträge zum Urkuudeiibuche der Stadt Chemuitz. 295

und 385 in vielen graphischen Einzelheiten von den Vorlagen, aus denen die Drucke geflossen sind, ab; doch mag eine Mittheilung der wesentlicheren Varianten genügen. Nur Nr. 89, als eine der wichtigsten Urkunden der ganzen Sammlung, und No. 43 und 180, von denen mir früher nur eine Uebersetzung beziehentlich ein vielfach abweichender Entwurf vorlagen, habe ich vollständig abdrucken lassen. Eine den Verkauf des Schwenkenstein'schen Hauses an den Altar corporis Cin-isti betreflende Aufzeichnung, Avelche mit No. 91 im Widerspruch steht, habe ich als Anmerkung dazu nachgetragen.

Zu i\o. 13. (1331 Juui 2.)

Jlihchr.: Ori(i. I'crg. lluthsarchii CheiiiHilz Ku. l'h. Von 'hu 4 iiii rcri/uiiifiitstrcifcii lj(fci<ti(/tcii Sirurln ist mir c/'ji Frai/iiiciit des trslcii (Aht riricli : nie Tafel 3 Fi;;. Jj ttiid ileis dritte {Stadt Alienbitri/ : schild/örmii] . mit dem Beiclisudler und der Um- schrift Idcnbvrg nie an Ko.3) erlialte)i, niiltrend die Siegel des Heinrich ron

Waldenbtiri/ und der Stadt Zirickcm fehlen.

Der Text zeigt zahlreiche grapliische Varianten, aber keine infialt-

lichen Ahiveichungen. Ich bevierlce mir, dass S. 11 Z. 10 Haniius

{nicht Heinrich) Marschalk von Vroburg zu lesen ist.

Zu Ko. 18. (1352 März 11.)

Hdsclir. : Ori;/. Pere/. lialhmrchiv Cliemiiitz A"o. 4 h. Das ehedem an Peryameiitstr. hl festigt gi Hl sine Stadtsiigel ist uhgcschniticii.

Der Text entsjiricht, abgesehen von lielen graphischen Varianten, im ivesentlichen der Abschrift A. Unter den abweichenden Lesartoi mögen die folgenden hier verzeichnet iverden : S. 14 Z. 21 Dithrischs- dorf. 28 Dithricb von Crymmeschaw. 29 Heynich von Ebersdorf, Wishennel, Ticze Cziechner. 30 Holsczel. 31 Cunad Kramer. S. 15 Z. 11 waz her iz. . .so schal iz her aber. 18 geyn der gemeyue. 22 darumbe {st. darüber). 29 mid ejTier fmkruckin. 32 erafte {st. eliafte). S. 16 Z. 5 cwey. H. {st. zwey y, Wiederholung der Zahl in Zeichen). 13 vorbritt {st. vorbrinnt). 15 uf syue buwe und sienen {st. ufbuwen und steyne).

Zu >o. 31. (1367 Juni 23.)

Hdschr.: Orig. l'erg. Hathsnrchic Chemniis No. J'.'h. Bas ehemals an Tergameitlslr. befestigt gewesene Siigel ist abgefallen.

Varianten: Ä. 50 Z. ^S Mißenensis. .55 cum (st dum). 5i dyocesis.

35 Gyten. seu. 36 seu. S. 31 Z. 2 maffnifici. 3 Mißenensis. 6 seu.

9 dyocesana. 13 auctoritate. 17 etc. ist zu streichen.

Jfo. 391). 1368 Dec. 17.

Mehrere Bürger zu Chemnitz und Mittweida und Hensil Pössel von ^chiveidnitz überlassen i'/a Schoclc jährlicher Zinsen auf allen ihren Antheilen an der Bleiche den AltzcUer Conventtialoi Johannes und Frenczel Wishennel unter der Bedingung , dass nach ihrem Tode diese Zinsen an die von der Ortwinin und ihren Söhnen gestiftete civige Messe fallen sollen.

296 Hubert Ertnisch:

Udschr. : Orig. P<r(/. FiirslJ. unil ijraß. Sibiiidinrij. llanitDittarrhii: OJniichini. Hip. XIV. Loc. 421-^424. Ko.JOö. Bas schudhajte Sicijtl im I'i:nj((iiiiiitstr. Vi/I. Tu/. 1 .Vo. 2. Anw. : Veryl. No. 42.

Ich- Niclaus Sclmltheize , Frenzcel Sweiikinstoy» , Walther Schonaw, Peter van Mittelbach, Mathias Malczmeister, Niclaus Cerdo, Hannus uiinde Niclaus van | Pygaw gebruilere bürgere zcu Kenipnicz, Niclaus Stolle, Dithrich Widrer bürgere zcu der Mitweyde unde Ileusil Possei von der Swydnicz bekennen oftlnlichen mid j diesem geinwertigen brieve allen den, dy yn seheen horin ader lesin, daz wir unde unsere erben geraeynlichen mid gutem willen unde mid wolbedachtem mute | recht unde redlichen vorkauft haben uf der bleicbe zcu Kempnicz uft' alle uiisern tayln unde uff allem deme, daz darzcu geboret, hern Johannes Wisbennil priestere unde hern Frenzcel Wisbennil sieme brudere munche des closters zcu der Celle») andirthalb schog guter nuwergroschen Friebergischer munzcen jerliches zcienses unde ewiges, der do alle jar halb uf send Johannes des toufers tag unde halb uf send Martini tag, der darnach volget, unvorzcoginlicben unde ane allerley hindernis gevalleu schullen unde schal, unde haben yn den vorguanten zciens gegeben umbe eyn vierteyl von der mul, dy da gelegen ist vor der stadpforten, des sie uns gereyt abegetreten siend, doch mit sulchem undirscheide alz hernachen beschrieben steet: alzo daz dy vorguanten herren , her Johannes unde her Frenzcel den gnanten zciens ynnemen unde uf- heben scluiUen, dy wile sie leben; wenne sie aber abgeen' so schal der vorgnante zciens ewiclichen farbaz me zcu der ewigen messe, dy dy Ortwynyn unde Niclaus unde Mathias ire sune gestift haben u'nde stieften wollen, gehorin unde eyme priestere, der dy messe liest, alz hy vor geschrieben steheet, gevallen. Darzcu so globen wir unde unsere erben, wenne wir daz getun mugen, daz wir yn alz eyn gut gewissen zciens an eyner andern stad, wo wir mugen, zcu der gnanten ewigen messe zcu eym eygen schicken unde bewiesen wollen, unde wenne wir daz getun, so schal man uns unde unsern erben diesen geinwertigen brief widergeben unde schullen furbaz mer des obgnanten zciens vry quyt ledig unde los sien. Das daz stete gancz unde unvorbrochenlichen gehakten werde, des haben wir ge- meynlichen dy bürgere von der stad zcu Kempnicz vlelichen gebeten, daz sie zcu eyme bekentnis unde zcu eyner ewrkunde dieser vor- sclirieben Sachen, dy in ir geinwertikeit gescheen ist, der stad gros ingesigel durch unser bete willen an diesen geinwertigen brief haben lazen beugen, der do gegeben ist nach gots gebnrt driczen hundert jar in deme acht unde sechzcigesten jare am suntag vor sende Thome tag des heiligen zcwelfbotin.

a) Offenbar idmtisch mit Fnmczko und Johannes Albi (S. 37 Z. 4. 5).

No. 43. 1371 Nov. 21.

Hdschr.: OrU). l'crij. UnihsarcUx} ChcmniH Ko.l'ih. Fat- die hiiden fehlenden Siegel sind Einschnitte im Pergament vorhanden.

In nomine domini. Amen. Sagax humane fragilitatis discrecio nos ammonet, ea, que ex nostra certa sciencia emanant, in tempore scripturarum Serie perhen|nari, ne simul cum tempore ab hominum memoria evanescant. Nos igitur Fridricus dei gracia episcopus ecclesie Merseburgensis universis et singulis in perpe | tuum presencia visuris et audituris nolumuS occultari, quod honestus et discretus vir Franciscus de Swenkensteyn opidanus in Kempnicz | volens de

Nachträge zum ürkumlenhiiflie der Stailt Chemnitz. 297

teneiiis bouis a deo collatis silti in celestibiis thesaurizare a l'amoso milite Hinrico Maiscalco de Froburg justo enipcionis titulo quatuor sexagenarum latarnm redditus in et de villa iuferiori Frankenhayn annis singulis ministrandas et levandas (sie!) comparavit ipsasqne cum Omnibus suis juribns, sicuti a nobis et ecclesia nostra in pheodo aliquamdiu tenuit et possedit, ud altare beate Mari-e virginis in ecclesia sancti Jacobi opidi Kempniczensis Misnensis diocesis in sui et progenitorum suorum animarum remediuni salutare assignavit donavit et legavit, supplicans nobis instanter et devote, quatenus ipsos redditus predicto altari annectere et incorporare dignaremur. Volentes itaque in augmentum missarum oracionum ac divini cultus acceptabile deo servicium impendere ac fide.is nostri dilecti Frans- cisci fnic) predicti pium aft'ectum in laudem sancte et individuc triuitatis ac beate Marie virginis in effectu adimplere , libera nicbilominus resignacione omnium, quorum intererat, precedente, de conseusu et voluntate unanimi tocins capituli ecclesie nostre Merseburgensis prenotatas quatuor sexagenas in et de villa F'rankenheym ut prefertnr ministrandas cum Omnibus suis juribus pertinenciis et nsulructibus, que eisdem insunt vel inesse i)Oterunt in futurum, predicto altari beate virginis Marie annectimns donamus approbamus et in dei nomine incorporamus, nichil nobis et ecclesie nostre in eisdem juris reservantes. Et ne hec nostre incorporacionis soUempnitas in posterum calumpnie vicio polluatur presentem litteram nostro ot capituli nostri sigillis dedimus communitam. Ft nos dei gracia Petrus prepositus, Bodo decanus totumque capi- tulum ecclesie Merseburgensis pretacte, ad exprimendum consensum nostrum et voluntatem premissis aft'uisse, unde sigillum nostri capituli Ulla cum sigillo revereiuli in Cliristo palris et domini nostri domiiii Fridrici episcopi presentibus dedimus appendendum. tSub ainio dnmini millesimo treccntesimo septuagesimu primo, vicesima prima die mensis novembris.

>o. 46 b. 1379 Juli 19,

Gckorne Schiedsrichter machen einen Vcrrjleich zioischen dem All- zeller Mönche Franciscus und dem Chemnitzer Bürijer Niculans Orttoini 'Wegen den dem erstem vertrag smüss ig zugesicherten Hechtes^ im Hause des letztern zu loohnen . so oft er nach Chemnitz komme, ivegen einer Summe von 18 Schock und anderer Streitpunkte.

H(hchr. : OrUj. l'trij. Fi'irntl. niiil i/niß. Scliöitbiiiy/. licsaiumtarcliir (Ikmrlinu. hoc. 4-21 No. 16 b. 4 tinten aufycdriUkte Siegel (I. 2. i/rün , 3. 4. rollt) sind liis auf wenige Rente riht/efalhn. Dax um Runde scliudhnfte Archidiaciinnliixicf/cl (in fcff/anicnlxtr. -tii/i ein ühnliclics Rild , wie Tafel 2 Fig. (i ; Umschrift: .Sigillum arcliidiaconatus

Nos Lnppoldus de Rudnicz ^) professus monasterii beate Marie virginis in Kemp nicz ordinis sancti Benedicti, Frowinus, Petrus de Borch canonicus ecclesie sancti Glelorgii in Strigonio '') , Andreas Helwici altarista in hospitali extra mu]ros Kompnicz, Johimnes Franko notarius civitatis Kempnicz et Franciscus Swenkinsteyn civis in Kempnicz singuiticamus tenore preseucium quibus expeilit uni- versis, quod religiosus vir dominus I'ranciscus c) prolessus monasterii Veteris Celle beate Marie virginis ex una et discretus et circum-

a) Erscheint 1376 und 1370 uls Prior des Bencdiviincrktosters (H. 80, Z. 38, S. 33.'), Z. 1.

b) Oran in Vnyarn'f

c) Identisch mit Frunczko Albi (37, 4j oder Wiahtnncl {.\o.3Ubi.

2<J8 Hubert p]rmisch:

spectiis vir (loiiüuus Nicol-aus Ortwhii civis in Kenipiiic/ parte ex altera nos ad concordamkim et amicabiliter iiiter eos coniponeiuhnn yiiarundam dissensioimm materias, que iiiferius exprimuutur, coii- corditer elegerunt. Qaarum disseiisiomim materia talis erat, quod predictus dominus Franciscus eundem Nicola um Ortwini vigore cujusdam littere sigillate sigillo archidiaconatus Kempniczensis super quodam certo articulo in eadem expresso, videlicet quod antedictus Nicolaus ipsum dominum Franciscum, quociens in Kempnicz ve- nierit, in domura snam cum familia sua suscipere deberet et honeste pertractare, et pro XVIil sexag. gr. Misnensium et quibusdam rebus aliis inpetebat. Nos igitur consideratis eis, que nobis per utramque partem proponebantur, et inter nos eis diligenter ruminatis et matura deli- beracione discussis, attendentes in humanis rebus nichil melius esse amicicia, primo pronuncciavimus et presentibus pronimcciamus, inter partes predictas bonam debere esse araiciciam, secundo quod pre- dictus Nicolaus Ortwini solvere debet et pagare domino Francisco II sexag. gr. Misnensium in parato, quibus solutis ipse Nicolaus liber solutus et quitatus in perpetuum esse debet ab omni inpeticione, tarn a suscepcione domini Francisci in hospicium suum sive domum, a XVIII sexag. predictis ac rerum omnium aliarum, de quibus dominus Franciscus ipsum Nicolaum hactenus inpetebat, et quod vigore istius littere predicte dominus Franciscus eundem Nicolaum nuncquam in autea inpetere debet, set ad omnia puncta et capitula in ea contenta et dominum Franciscum concemencia nullam roboris optineat ürmi- tatem. Acta et pronuncciata est bec amicabilis composicio anno domini M^CCCLXXIX., feria tercia proxima ante festum beati Jacobi apostoli. In quorum omnium evidenciam pleniorem presentem nostre concordacionis litteram nostris sigillis duximus sigillandam.

Et nos Tlieodericus officialis venerabilis in Cbristo patris ac domini domini Heinrici abbatis et archidiaconi Kempnicensis pre- sentem litteram et omnia in ea contenta appensione sigilli nostri officii ratificamus approbamus et confirmamus.

Xo. 57b. 1389 Nov. 26.

Heinrich, Abt des Bendietinerlclosters zu Chemnitz, ver(jleicht den

Ältaristen des Altars corporis Christi Johannes Albi und den

Bürger Nicolaus Ortioyni zu Chemnitz wegen des genannten Altars

und der Einhünftc ans dem Dorfe Meinersdorf.

Ildsdir. : On'r/. Piru. (Uniiert). FürstL undijrüfl. ScJiönhui-y. Gisuiniidarclih' GUimrlmu. Lov. 424 yo. IHl. Unhcdenteiidc Reste des Sieijels un Perf/uniciitsir.

Nos Heynricus dei gracia abbas et archidiaconus Kempniczensis recognoscimus teuere presencium publice prolitendo, quod j constituti nostri in presencia discreti et honesti dominus Johannes Albi rector altaris corporis Christi in ecclesia parochiali sancti Jajcobi in Kemp- nitz ex una et Nicolaus Ortwyni opidanus Kempniczensis Misuensis diocesis parte ex altera monentes et | proponentes quasdam litigii et controversie causas eciam alias coram nostro ofticiali motas et pro- positas, super quibus amicabiliter decidendum in nos tanquam arbi- tratorem et amicabilem compositorem non compulsi set ex certa sciencia libere spontanee compromiserunt quidque sie per nos dic- tatum decretumve fuerit, sub pena solucionis medie carrate bone cerevisie Kempnitzensis nobis sine fraude et contradiccione se ser- vaturos perpetue promiserunt, nos igitur Heynricus abbas et archi- diaconus predictus habita premeditacione matura et consiliis nostro-

Nachträge zum Urkuiulenlniclie der Stadt Cliciiiiiitz. 299

mm üeti ipsas partes premissas uuivimiis et cüucurdavimus in haue modum, quod ipse dominus Joliannes Albi predictus a celebracione sive ofticiacione altaris sui si maluerit per amplius debeat proptor sui Visus debilitatem penitus esse über solutus et quietus suique census de villa Meinerstorf suo altari annexa et appropriata omnes integri videlicet pecuniarum puUorum et caseorum et de bleka sive dealbatorio, si quos habet, terminis debitis, dempta una sexageua cum viginti grossis usualis pagamenti, dari et solvi debebunt domino Johanni sepe dicto, omnibus dolis et contradictionibus proculmotis. Dictam quidem sexageuani cum XX gr. Nicolaus Ortwyji sublevare debebit et ofticiacionenr sive celebracionem dicti altaris de eisdem plenarie procurare et in tantum, si opus fuerit, dicte summe pecu- niarum addere, quod ofticiacio sive celebracio altaris memorati nulluni decrenientum in aliqua sui parte paciatur. Insuper rusticos sive homines dictam villam Meinerstorf inhabitantes Nicolaus Ortwyni protegere et gubernare debebit in suis juribus villam conservando suis propriis sumptibus et expensis. In quorum omuium et singu- lorum premissorum testimoniura presentem litterain nostri sigilli majoris muuinime fecimus roborari. Datum et actum anno domini millesirao trecentesimo octuagesimo nono, feria sexta proxima post PJlizabeth vidue.

Äo. 89. 1414 Febr. 13.

Ihh'Iir.: On'ij. l'try. Batlisarchic Xo. S?6. Dax OeiiiiiuiisieyiA an l'n-ijaiinuMr. Durch einen Einschnitt caxsiert.

Wir Friderich der eider von gotes gnaden lantgrave in Doringen marcgrave zcu Missin und pfalczgrave ! zu Sachsen bekennen und tliun kunt offintlichen mit diesem britte allen den, die yn sehin adir hören lesen, | das vor uns kommen ist groz czweitracht und Unwille, der gewest ist czwischen den reten und der gemeynde i unser stat Kempnicz unsern üben getruwen, darumbe wir eynen sacz czwisschen yn gemachet haben, als hirnach geschrebin stehit, und wollen ouch ernstüchin bie unsern hulden, daz der also ge- halden werde, als ferre sie unser swere Ungunst vormyden wollen. Czum irsten seczczen und wollen wir, daz alle ynnunge der hant- werke, die sie bisher gehabt haben, genczlichiu abe sin ouch nicht meister haben sollen, sundeni zcusampne mögen sie gehen mit willen des rates. Ouch sollen sie keyne utt'seczcze noch eynungc machen under yn hinder dem rate. Worde yn ouch ichtes gebruch adir not, des sollen sie sich an dem rate irholen. Wer ouch in cynem handwerke meister werden wil , der sal zcu den kerczen dessellien handwerkes czwey pfund wachses gebin. Ouch sollen die rethe vir bannyr machen lassin, ab der die stat gereyte nicht hat, und sollen uss iglichem virteyle der stat czwene kisen , eynen uss dem rate und eynen uss der gemeyne, und man sal yo czwen eyn bannyr befeien, ab des der stat adir unser lierschafft nod geschege, die dy bannyr vorstehin und verwesen nach unser _herschaH't und der stat besten. Ouch seczczin wir, daz furdermer dry burgermeister und drie rete nach unserm rate sin sollen, die der aide rat sal kisen und wir sie bestetigen sollen, also daz y obir daz dritte jar eyn burgermeister mit synen eydgnoßen siczcze, als ferre sie daz umbe uns und unser hersciiafit belialden. Wir wollen ouch, daz alle jar vir uss der gemeyne in dem rate siczczeu. So sollen ouch czwene uss dem alden rate in dem nuwen rate siczczen hüben, ufi' daz daz sie den nuwen rat sulcher gescheffte, als daz vorgangen jar

300 Hubert Ermisch:

in dem rate gobaiidelt siii, deste baz luulei'richteu mögen. Oiicli sal fiivdermer eyn iglicher schoßen von alle syner habe, woran er die hat, und von allen synem gewerbe. Waz euch der rat furdermer geschopes nymmet, daz sollen sy von manne zcu manne berechin. Des zcu orkunde haben -wir unser insigil an disen brift' wissentlicliin hengen lassin, der gegebin ist nach gotes geborte virczen hundert jar darnach in dem virczenden jare am dinstage vor sendte Valeu- tini tage.

Zu >o. 91. (1415 Mai 16.)

In einein auf Bitten des Joh. Hauschilt, Altaristen des Altares des Evangelisten Johannes in der Jacobikircke zu Chemnitz, aufgenomme- nen Notariatsinstritmente des Nutars Johannes Walack, d. d. Chem- nitz 1513 Juli 19 (Oricj. Perg. Eathsarchiv Chemnitz No. 104=1)) ist die nachstehende Stelle transsumiert, nach loelcher der fragliche Haus- kan.f bereits 1403 stattgefunden haben soll. Entnommen ist diese Stelle einem, antiqnissimum missale, in cujus marginibus scriptura anti- quissima necnon jura ipsius doraus altaris sancti Johannis evangeliste comperta fuere, que vix ob eorum antiquitatem legi potuerunt. Diese Beschreibung berechtigt wohl zu Misstrauen gegen die Genaniglieit der Wiedergabe; der gleichseitige Eintrag des Geschossbuches dürfte •mit Bezug auf die Zeitangabe als zuverlässiger gelten ki'mnen.

l'ropter carentiam hospitii ipsius altariste altaris corporis Christi magister Nicolaus Huuter motus pietate dimidietatem domus quondam Schwengkensteyn emit eamque dotavit legavit et donavit in perpe- tuum prefatum altaristam (sie) possidendam se devotione sue (sie) recommendans devotissime supplicans et precordialissime aüectans ab eodem, qui tunc est cappellanus, quatinus ob amorem divine pietatis et misericordie ob vicissitudinis recompensam ipsius magistri Nicolai siiigulis quatuor temporibus anni de sero cum vigiliis mane missa pro defunctis dignetur habere raemoriam et eidem suifragari ob spem eterne remunerationis in hoc onerans suam conscienciam, quia per multa incommoda, que ratione altaris prefati passus est, plura commoda eidem altai'i acquisivit. Item prefata domus a cap- pellanis duobus scilicet altaris corporis Christi et sancti Johannis evangeliste debet possideri. Et definitum est per consilium civitatis pro(?) cannali ipsius domus, quod vicinus scilicet Baltasar aut ipsius posteri ipsam domum inhabitantes sine prejuditio et damno ipsorum cappellanorum locari et teneri debet, ipsi vero cappellani in recompen- sam tencbunt partes sub cannali ]>recogitate domus. Alios vero parietes et circumferentias curie seu partes posterioris domus quilibet tenebit pro parte sua sine prejuditio et damno sui vicini. Hoc definitum est anno M''CCCCII. proconsule Melzer existente et scriptum ad missale per magistrum Nicolaum Huter protunc altaristam instauratum.

No. 91b. Chemnitz, 1415 Aug. 28.

Nicolaus Ebersdorf, Canonicus in Biebra und Zscheila und Altarist des Alturs der hh. Barbara und Margarctha in der Jacohihirche zu C/iemnits, eignet dem beständigen Vicar der letztgenannten Kirche, den Altaristen melirerer Altäre in derselben und im Georgshospital und dem Blcban zu S. Nicolaus soioie deren Nachfolgern jährliche Zinsen von einzeln aufgeführten Gartengrundstücken bei Chemnitz, und bestimmt die Verwendung derselben zu Seelenmessen und

Almosen.

Naclitriige zum Urkundciilnirhc der Stadt Chemnitz. 301

Hihclir. : OrUf. Perf/. Fürnil. und yräj!. Scliönhurf/. Oesiiminturchiv Olaucluui. loc. 43J iVo. 34. Mit KinschnHten für 14 Sü-yel, 'von denen 4 erlialtcn. für :i weitere litatt con f'enjduHatalr. vorliiinden f^ind. 1) Schild: undtii/liclu Fi<jiii\ Vmschr.: S. Nicolai <le Kliersdorf. 3) Bild li. Moria. Fnischr. : S. Joliannis Hil-

brandi .1) TV//. Taf. I, Xo. 7. 4) Bild: Briisthild rin(x Hdlir/iu mit dem

Kelche in der Linken, l'nischr.: Sigilhiin firegorii Liiterhadi.

In nomine domini. Amen. Cum universorum . Hinc est,

quod ego Nicola US Ebirsdorf presbiter sanctorum Justi et Clementis in ßybra Maguntinensis et sancti Georgii in Sczilaw Alisnensis diocesis canoiiicus necnon sanctanim ßarbare et Margaretlie altaris in ecclesia

saiuti Jacobi in Kempnicz dirte Misnensis diocesis altaiista

iniVa scriptos redditus annuos per me proprio de peculio comparatos ac legitime possessos et in proprio« usus redactos coram te notario publice et testibus astantibus irrevocabili donacione cii'cumspectis ac discretis viris Conrado vicario peipetuo ecclesie parrochialis sancti Jacobi in Kempnicz, magistro Nicolao Hüter corporis Cristi, Johanni de Witchendorf sancti Sigismundi ='), Johanni Malczmeister beate virginis et omnium sanctorum ac sancti Georgii in hositali, Paulo Judicis Johannis evangeliste, Gregorio Luterbach sancte trinitatis, Petro Ybener sanctorum Petri et Pauli et llelferico sancti Spiritus altaristis in dicta ecclesia parrochiali altariiim et extra muros Kemp- nicz ac sancti Nicolai plebano omnihusriue ipsorum et meorum in altari beatarum Barbare et Margarethe successoribus perpetue dedi tradidi et donavi ac presencium tenore do trado et dono melioribus modo et forma , quibus donaciones cultui divino factas tieri conswe- verunt, sub infra notatis clausulis et ordinacionibus perpetue possi- deudos et ab infra scriptis censitis seu colonis et ipsorum in snb- scriptis ortis successoribus pro tempore ex temporibus coUigendos recipiendos exigendos et distnbuendos, quovis impcdimento oniniuiu ac quorunicunque meorum heredum, cujuscunque condicionis exti- terint, penitus semoto. Orti denique uno solo mutuo sunt sibi counexi et adherentes de agro quondam decimali partiti et in ortos redacti, inter ripam Berlspach, viculum parvum et ostos Johannis Rotolfi et rure Andree Erhardi in singulis quatnor lateribus confrontati. Ilornm coloni et censnales medietatem reddituum in festo sancte Walpurgis et residuam in festo sancti Michaelis solvunt medietatem: Petrus Essche sex grosses, Petrus et Paulus am Ende X grossos V helleuses, Smedichin VI grossos, Morensmyd XII gr., Stephan Fisscher XII gr.. Thumirnicht XIII gr., dy Ilubenerinne VI gr. , Gundeloch XII gr., Lange Nickel VI gr., Heinrich Gutfrid X gr., Langbusch XXVI gr., Paulus Fisscher Vi gr., Lubisch V gr., Pauel Komer Illlgr., Paulus Swenkensteyn XII gr., Apecz in der Awe VIII gr., Hennil Fisscher VI gr. , Nickel Üurkirsdorf V gr., Thyme Gyseler Xll^^gr., plclianus VI gr, , Gobil XII gr. , Springer XII gr., Heynrich Vogelcr VI gr., dy Lcnenianynne XIII gr. et Nicolaus Ebirsdorf V gr. Horum reddituum summa ad tres sexagenas et quinquaginta unum grossum et V hellenses se extendit. Insuper et tres ortos ante valvam claustralera , quorum possessoi'os seu coloni pronunc Weczil sutor niiius, Conradus Wayner alterius et Pauil Flechsor tercii existant, (luorum qiiilibet XII gr. solvit annuatim medietatem in festo Wal- purgis et residuam medietatem in festo Michaelis, simili dona- cione supra scriptis dominis cessi ac pleno jure donavi census ipsorum totaliter in ipsos transfuudendo. Prescriptorum reddituum distribuciones ordine sul)Scripto temporibus per])etuis ita serva- buntur et exequantur. Inprimis quidem iidem domini vicarius per-

a) Identisch mit Joh. Hildthnind (S. 73 '/j.SO).

302 Hubert Ermisch:

petuus pro tempore nomine plebani existens et altariste, qui pre- sentes in opido Kempnicz fuerint, duos ex se ordiuabunt redditus jam dictos in singulis scilicet terminis Walpurgis et Michaelis me- dietatem a dictis ortorum colonis repetentes et colligentes. Ordine, ut inferius describitur, distribiiant absque impedimento. Primo equidem plebanus certnm diem, prent ipsi competere videbitur, post singulos dies Walpnrgis et Michaelis censibus collectis prefiget, in quo ipse plebanus cum suis cappellanis ac altaristis tredecira vel quatuordecim in numero personis seu cum aliis assnmptis ad hoc in defectum al- taristarum in ecclesia <■>) parrochiali Kempuicz vesperis finitis con- venient, vigilias sollempniter incipiant et cum novem leccionibns de- cantabnnt subsequentique die singuli ipsorum missam pro dei'unctis cum commemoracione mei meorumqne progenitorum celebrabunt commemoracionenique generalem videlicet „Non intres in Judicium" alte legant et cum responsoriis conswetis ac Salve Regina decan- tando. Ob hoc distributores ordinati cuilibet personarum presbite- rorum quatuor grossos censuales distribuent et duos per nos nummos usuales adicient cuilibet in summa missa ad altare offerendos. Vitricis vero ecclesie extunc, ne ecclesia in aliquo gravetur, tres grossos dabunt et ministro vel campanatori, qui representacionem feretri ornet, luminaria incendat et extingwet, sedilia locet et conpulsacionem faciet, qualibet in commemoracione tres grossos, regenti chorum, ut summam missam cum scolaribus tractim decantare faciet, pro defunctis unum grossum ministrabunt. lidem denique coUectores in eisdem commemoraciouibus leprosis in leprosario existentibus cuilibet ad manus equali divisione XV gr. proiciantur (sie) et pauperibus in domo, que conventus volgariter nunccupatur, pro reparacione domus seu in alios usus necessarios secundum exi- genciam inibi commorancium similiter XV gr. ministrabunt. Pre- terea ne occasione premissorum debita servicia ac conswetudines cuiquam subtrahantur, ordinati collectores plebano pro tempore existenti census decimales de prescriptis redditibus ab olim debitos in singulis terminis Walpurgis et Michaelis XIj (=11 '/») gr., quorum summa ad XXIII gr. aunuatim se extendit, aliosque X gr. de novo per me deputatos eidem, quorum medietatem ipsis prenominatis terminis ministrabunt. Insuper quia prescripti redditus statuto muni- cipali sunt subjecti, dicti collectores consulibus in opido Keminiicz teraporibus debitis de quatuor et dimidia raarcis solvent impositam com- muniter exaccionem. Preterea collectores, qui ordinati fuerint, ut premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quilibet quatuor gr. de dictis redditibus de anno pro laboribus sibi inbursabit. Denique Omnibus et singulis, ut prescribitur, ortlinatis distributis et expeditis, iidem collectores plebano et altaristis aut ipsorum IIIIw ex ipsis faciant racionem. Si quid de dictis redditibus superüue et in reposito fuerit repertum, cum scitu jilebani et altaristarum in usus egenorum et presertim paiiperum, qui alias crubescant mendicare publice, con- vertetur, super quo ipsorum distributorum consciencia oneretur. Quodsi futuris in temporibus per quemquam succedencium impedi- mentum aliquid orietur, quod premisse ordinaciones non transsient in eftectum, extunc consules ipsius opidi, ut possint et valeant, in- stare monere et procurare, quod predicte ordinaciones progressum realiter consequantur, plenum posse ob honorem ecclesie obtinebunt. Ut autem premisse donaciones et ordinaciones irrevocaltiliter per-

a) ecclesie, Original.

Nachträge zum Urkuiuleubiiclie der Stadt Chemnitz. 308

petuam obtineaiit tirraitatein, te Gregorium iiotarium publicum requiro (leliita cum iustancia, quatenus präsentes litteras donacioncs ordi- naciones et disposi.iones in se premissas continentes in publicam redigas formam signo et subscripi'ione tuis modo consueto, testes super hiis debitis requirendo. Sigillum deniqne meum presentibus duxi appendendum et nos Cunradus perpetuus vicarius, Nicolaus, Johannes, Johannes, Panlus, Gregorius, Petrus et Helfericus preno- minati per nostrorura sigillorum appensionera omnibus premissis nostrum consensum recognoscimus accessisse. Acta sunt hec anno domini M" CCCGXV", indiccione octava, sede vacante, XXVIII. die mensis augusti hora sexta vel quasi, in ecclesia parrochiali sancti Jacobi in Kempnicz Misnensis diocesis, presentibus honorabilibus et discretis viris magistro Nicoiao Beiger de Dresden, domino Petro Heyczer de Ernfredisdorf et domino Nicoiao Grabaczscb de Czwickaw testibus Misnensis et Nuemburgensis diocesium ad premissa specialiter vocatis et rogatis.

Et ego Gregorius Luterbach de Kempnicz clericus

(Signum\ Misnensis diocesis publicus sacra imperiali auctoritate Notarii.y notarius, quia premissis interfui , super oo hoc publicum transsumptum coufeci .

So. 91c. Meissen, HIU Juui 22.

B. Budolf V. Meissen bestätigt die Stiftung eines in der Jacohi- kirche zu Ehren der Empfängnis Marie, der Apostel Petrus und Paulus und der hh. Bonatus, Maria Magdalena, Juliana und der 11 000 Jungfrauen begründeten Altars und seine Dotation mit 7'it Schock jährlicher Zinsen auf Grundstücken in und bei Freiberg.

Hdsclir.: Oriy. Perfi. Rathsarchii) Chemnitz No. SSh. Das Sieyel an Pergamentsir.

Rudolfus dei et apostolice sedis gracia episcopus Misnensis. Sane quia certi census anniii puta septem sexagene cum dimidia grossorum Misnensium Fribergensis monete de certis domibus habi- tacionum agris pratis ortis et possessionibusaliis singulis annis in suis terminis per certos incolas in et prope opidum Kempnicz nostre diocesis habitantes, videlicet Johannes Kolers de ortu suo decem et octo gr., de ortu Judicis novem gr., de ortu Hermann Kempten duodecim gr., Hannes Slegil de suo ortu Septem gr., P'renczel Wnlfi' de domo quadam proprie gerbhus quatuor gr., de ortu Nickel Berg- wayner octo gr., de ortu Nicol. Slagkenwerde duodecim gr., do ortu Johanuis Hertkeze duodecim gr., de ortu Vlman Keler sex gr , de ortu Nicol. Klugen quatuor gr., dictus Vnger quatuor gr. de quodam horreo, de domo et ortu Hannes Strokirchen duodecim gr., de domo et ortu Petir uffin Tamme IUI"'- gr., de horreo Nicol. Ritter sex gr., de domo et ortu Katherine Tuscherinne viginti gr. , de ortu dicti Ilaldcnort quatuor gr., de ortu Winkeler novem gr., de ortu Johanuis Sydel quinque gr., de ortu Nicol. Cziudeler quiuque gr. , de oitu Conradi Eschin octo gr., de ortu Nicol. Moliier novem gr. , de ortu Vlrici Riiyder ((uatuor^gr., de ortu Math. Syliottenhain Septem^ gr. et dimidium, dt; ortu Johanuis Kbirhard uovein gr., de ortu Nicol. Uoseler quinque gr., de ortu MarkenstorfV quatuor gr., Math. Vues de quodam stabulo (tuos gr., Math. Lodewig de quodam horreo duodecim gr., de horreo Petir Knpptirsmid decem gr., de ortu Nicol. Klugen duos gr., de ortu Krcnczil Kl)ii-h;u-d quatuor gr., de ortu et molendino Micliil llabirberger quiiuleciin gr., de molendino Kempniczensi (luindeciiu gr., de molendino alio videlicet walkraoien nominato sex tior. Vngaricales,

304 Hubpi-t Ermiscli :

Johannis Friczen quindecim gr. de suo cellario, dictiis Magdeburg et Haiiiies Sobnltheis sex gr. de quodam fossato, Pannl (sie) Romer de horreo duodeoim gr. , Nicolaus Roseler vighiti gr. de quadam pecie (sie) agri ufi' den Steingrubeu, per eosdem et eorum successnres de possessioiiibus supra dictis perpetuis futnris temporibusque solveudi absque impedimento in dotem et proprietatem altaris sub titulo et t'esto conceptionis Marie virginis intemerate, sanctorum Petri et Pauli apostolorum, Donati niartyris, Marie Magdalene, Juliane et' undecim milium virginum in ecclesia parrochiali dicti opidi Kempnicz fundati et consecrati per certos Christi fideles empti et comparati per providoä ac honestos magistrum civium et consules opidi antedicti nobis sunt oblati cum supplicacione debita ac devota, quatenus dictos census altari addere unire ac ipsuni confirmare dignaremur : nos igitur altaris fundacionem dotacionem et ordinacionem

confirmamus . Altarista vero altaris ejusdem singulis diebus

per se vel alium niissam in dicto altari tenebitur celebrare et plebano ibidem nomine i'estauri decem grosses annuatim ministral)it. Jus pa- tronatus vero altaris prefati magistro civium et consulibus opidi ante- dicti omnino reservamus . Datum et actum Misne anno domini mille- simo quadringentesimo XVP'^ feria secnnda iniVa octavas corporis Christi autentico nosti'o sub siaillo.

Ko. 128 b. 1441 Jau. 4.

Hdsclir.: Oriij. Ptri/. RiUlmurcluv Clieiiiiiiü Ao.4:Jb. Das St.(tdlsit.(/cl (Tu/. 1, Fi'!/. Sj an Perf/amenhtr.

Heinrich Friczlio Bürgermeister, Hans Marchirstor ff, Paul Dcl'art, Nickil von Cziviclcaw, Claus Csanspil, Faul Sioertfeigcr, Ha)is Kniie, Cuncz Schlusser, Caspar Sinedichin , Petir Hotret, Nickil Eckart, Caspar iSpringer, Jocof Hillehr und, Paul Bachmun, Nickil Wayncr, Hans Siptenhain, Nickil Stange, N-ickil Hofinann, Caspar Czyvimer- man gescinvortie Bathmannen des neuen und alten Rathes verkaufen vom Rathhause und allen Gütern der Stadt 2 Schock schildechter Groschen Freiherger Münze jährl. Zinses, zahlbar halb auf Wal- purgis und halb auf Michaelis, dem Hans Marckirstorff und seiner Gemahlin Katherina für 30 Schock gleicher Münze unter Vorbehalt des Wiederkaufs nach ein Halbjahr vorher erfolgter Kündigung. Nach dem Tode des Hans M. soll seine Gemahlin Katharina den Zins beziehen, nach beider Tode aber soll er zcu eyner ewigen messe zcu eyneni altar vor der stat Kempnicz in sente Johannis kirche »), do daz begrebnis ist, kegin sente Andreas altar obir in dem wynkel zcu tröste ern sein unde allen den iren dy von hynneu vorscheiden siut gereicht werden. Auch sullen dy obgnanten burgermeister unde rathmannen gesworne der stat czu Kempnicz des egnanten altars rechte lehenhern sien , ouch alzo bescheidelich, weme sy den egenanten altar lihen wurden, daz derselbige caplan selbis doruf wouen beleisen sal unde mit keyuie mytlinge bestellen unde durch syn globde dy obgnanten lehenhern daz von cm ufneymen sullin . Ggbin virczehin hundert jar dornoch in dem eyn unde vix'czigisten jare an der raethwochen vor der heiligin dry konige tage.

a) Der 1441 Mai W confirmierie Trinüatisultar. Vyl. No. 1S9 itiul Ko. 111.

Nachträge zum Urknndenbuclie der Stadt Chemnitz. 305

>o. 129 b. 1441 September 8.

Peter SchuUis zu Mittweida tritt dem. Eathe seine Lehenrechte über den Altar ULF. und aller Heiligen in der Jacobikirche ab.

Hihchxrhr.: Orif/. Ferr/. Rnthsarchio VheinniU Xo.44b. Bas Sicj/cl an.Perr/fiinentsir. Schild: xpriiii/citdcs fierfiissü/cs Tliicr (Fuchs?), i'mschr. : Sigilluin Petri Scliultis.

Ich Peter Schultis dy zeit zcu der Mitteweyde gesessen bekenne , daz ich ufgelasen habe den ersamen wisen burgermeistern und ganczen rathe der stat Kempnicz sulche leben ober den altar ge- legen yn sente Jacufs kirche czu Kempnicz an dem pfliiler under dem predigestule, der da gewihet ist in der ere des almechtigen ewigen gotis unsers Üben hern, Marien der hochwirdigen juncfrauwen siner werden muter und yn der ere aller liben gotis hiligen, des ich obgnanter Petir Schultis eyn rechter lehnhevre creftig czu lihen gewest byn '"i). Durch sunderlicher fruntschaft und gonst wille, dy sie mynen eidern seliger gedechteniß und mir getan haben und noch yn künftigen cziten tun mögen, und durch sunderliches schucz wille des egnanten altares vorczihe ich mich allemyne erben und erbnemen sul- cher lehen, also oben berurt ist, mit crafl dicz brifis, der brife der lehen (nie) ich mich und alle myne erben gancz geussent habe und dy on ge- antwort habe, der denne dy obgnanten burgermeister und rathmanneu vorbas ewiclichen rechte lehnhern sin sollen, ich noch dy mj'nen uymmer czu ewigen gecziten daryn halden noch reden wollen, suuder wollen daz gancz und gar unverbrochlich, wy oben geschreben ist, halden. Des czu orkuiid und warem bekentniß habe ich obgnanter Peter Schultis rayn insigel vor mich, alle myne erben und erbnemen mit gutem willen und wissen unden an desen offin brif lassen beugen, der da gegeben ist vierczehen hundert jar darnoch im eyn und vir- czigisten jare am fritage der geburt der juncfrauwen Marien.

a) Der Altar war 1368 von Nicol Sclndtess f/csh'ßet (No.SG); vgl. auch Ko. 4'>, 40.

No; 131b. 1442 März 11.

ffdschr.: Orig. Perf/. Rathsnrchiv Cheimtitz No.44c. Das (tn PerganKntstr.hefesiigt genesene Sirgrl isl ahgeschiiUten.

Heinrich Friczko Burgermeister, Paul Eckart, Nicolaus Frei- herger, Nickil von Czwlckaio, Claus Czanspil, Faul Sivertfeiger, Con- rad Schlusser, Caspar Smedichin, Caspar Springer, Hans Stohener, Johannes Friberger, Hans Strencsil, Johannes Marckirstorff, Joeoff Hillebrand, Nickil Wagner, Faul Bachniann, Maus Siptenhain, Nickil Hofeman, Nickil Stange, Caspar Czymerman, Nickil Fckart geschworne Bathmannen des neuen und alten Bathes verkaufen 1 Schock schildechter Gr. Freiberger Münze jährl. Zinses, zahlbar halb auf Walpur gis tmd halb auf Michaelis, dem Herrn Petir Schultissin uiiserm altaristen dy czit unserm schulcmeister zu dem Altar des h. Fva)igelisten Johannes in der Kirche S. Jacob in dem wynckel bie unser liben frawen altar guleigen für 15 Schock gleicher Münze unter Vorbehalt des Wiedcrhmfs ; im letzten Falle hat der Altarist für die Wieder kauf s summe ein ander gcwyß schog jerlicher cziusis mit Willen und Wissen des Batlies dem Altäre zu kaufen. Gegebin virczen hundert jar donuich in dem czwey unde vir- czigisten jare am suntage alz man singet in der heiligin kirchen letare.

Neues Archiv t. S. G. u. A. II. A. '20

306 Hubert Ermisch :

Äo. 148b. 1449 Oct. 23.

Ildschr.: Orig. Perg. Fiirsti. und grüß. Schönburg. C/esairnntarchiv ßlauchati.. Lrtc. 424. Ko. 1H5. Das an Pergamcntstr. befestigt gewesene Siegel fehlt.

Michter und Schöffen der Stadt Chemnitz, Paul Stvertfeger Vogt, Hans Stobcner, Hans Syptenhayn, Jacoff HiUebrant, Faul Eghart, Caspar Springer imd Xidaus Torhüter Schöffen, bekennen, dass Veit von Schönburg Bitter Herr zu Glauchau und Waidenburg einerseits und der Ritter Jhan von Slinicz zu Schleinitz gesessen andererseits mit des letzteren Gemahlin Frau Anna vor gehegter DingbanJc erschienen seien und dass diese daselbst auf das von dem verstorbenen Jungherr Heincz von Eemse ihr bestellte Leib- gedinge mit Einwilligimg ihres Bruders Heincz vom Ende zu Kayna als ihres gekornen Vormunds verzichtet habe. Gegebin tusend vir huiulirt in dem newn unde virczigistin jar am donrstage nocb sente Lucas tage.

*ö^

Äo. 180. 1458. Jan. 7.

Hdschr. : Orig. Perg. Bathsarchiv Chemnitz No. 58 h. Bas Siegel ist ahgesehnitten. Amn. : Was im Vrkundenbiiche unter No. 180 mitgeüuilt inmlc, ist wohl der Ent- 'ivurf, nicht aber die Copie dieser UrJcundc.

Wir uacbgeschrebeiie Caspar Beyer dy czit burgermeister, Hans Stobener, Henrich Friezko, Haus Sipteuhain, Nicolaus Friberger, Nicolaus Eckhart, Nicolaus Torhüter »), Nicolaus Garnistorf, Paul Billich, Mattis Bouragarte, Nicolaus Tile, Caspar Springer, Nicolaus Holeraau, Nicolaus Becker, Hans Arnold, Haus Alexius, Hans Stange, Nicolaus Moller, Caspar Lindaw, Hans Tirpan gesworue des nuwen und alden ratis der stat Kempnicz bekennen , daz wir mit gutem rathe unser eldesten und eyntrechtichem willen und wissen unser gemeyne vorkouft haben von unserm rathuse von allen renthen und gutern ynnen und ussen daczu gehörende eyn schog groscheu jerlichz czins uf ejn wederkouf sulcher moncz, alz man in der gnanten stat uf iczlichen tag czu geschosse nympt, den ersamen Casparn Springer, Nicolaus Eckharde und Pauln Kopperlinge uusern burgern, dy czit vorwesere des ewigen lichts vor unser üben frauwen altar yn sancti Jocufs unser pfarkirche yn der iampe bornde, welch schog iczunt gnant czu demselben lichte gehorit, haben on das schog czins vorkouft und gegeben vor vier und funfczig ßinische golden, dy si uns mit bereiten guten Rinischzen golde wol beczalt haben, dy wir forder an unser stat nutcz gewant. Sollen und wollen das gnante schog czins den gnanten vorwesern ader iren nochkomen reichen, halb schog der gnanten were uf Michaelis noch dato dicz brifes schirstkonftig und halb schog uf Walpurgis nest danoch folgend, und alle dy wile deser kouf wert also halden unverlich. Unser glouber sal an der beczakmg houptgutis ader czinsreichunge kein schade, der ober dy stat geen mochte, daz got lange wende, hindern, sundern wir wollen unser globde, wy oben geschreben ist, stete gancz unvorbrochlich halden ane geverde. Auch sollen dy iczunt gnanten vorweser ader ire nochkomen von dem gnanten lichte alle jar eyns vor eyrae rathe von ynname und ußgabe rechnung tun, und waz also denne von desem schogke und anderm gelde daczu ge- hörende, darober auch brife sint, czu dem lichte meher ist ynge- nomen den usgegeben, also bescheidelich, waz in der rechnung worde oberlautfen und czu notdorft des gnanten lichts niclit bedoi'ften, daz

a) Der Entwurf fügt hier Caspar Czymmerman hinzu.

Nachträge zum Urkundenliuche der Stadt Chemnitz. 307

sal man geben und reichen den armen luten yn das hospital. Und wen dj' mer gnanten vorweser abegeen von todiß wegen, so sollen sich dy burger des underwinden und vorsteen. Auch haben si uns dy gonst getan sulch schog czins, wen wir so statbaftig worden, abeczulosen, so daz wir on dy abelosung eyn firtil jares vorhene kunt tun und denne uf den uesten czinstag noch der absagnng dy obgemelte houptsumma vier und funfczig Rinische golden mit den vorsessen czinsen gancz gar und unverlich beczalen. Auch ab deser brif vorlorn czurissen ader vermackelt worde eher der ablosung, so gereden wir on eyn andern desem glich czu geben. Daz alle stucke artickil dicz brifes gancz und stete von uns und unsern noch- komen sollen gehalden werden, des czu bekenteniß haben wir unser stat insigil vor uns [und] unser nochkomen an desen brif lassen hengen, der ggeben ist noch Christi unsers liben hern gebort XIIII»- jar danoch ym LVIII. jaro am sonabend noch der hiligen drj'er konige tage.

No. 261b. Chemnitz, 147G Nov. 20.

Äbt Caspar hestätigt die Schenlcung von 200 Ehein. Gulden Haupt- summe durch einen Ungenannten an den Vicarius perpctuus der Jacobskirche und die Inhaber verschiedener Altäre zu Chemnitz, welche dafür 8 Rhein. Gidden iährl. Zinsen zu Lössnits gehäuft haben, behufs Stiftung von Seelenmessen für die Familie des Un- genannten in der Jacobskirche.

Ildschr. : Orii/. Pery. Rathmrckiv Ciieiiinitz Xo. 71b. Utitt Siegel an Pert/anirnlstr. entspricht (ansstr Wappen und Inschrift) der Taf. III Fie/. 3 i/er/eboien Ahhilduny (vgl. Vorbericht zum Urkundenbucli XXXIVj.

Nos Caspar dei gracia abbas et archidiaconus Kempnitzensis . Igitur hujus rei testiraonio pateat universis presentibus quam fnturis, quod reverendus in Christo pater et dominus Anthonius abbas Czellensis ex parte cujusdam, qui nominari noluit, vicario perpetuo ecclesie parrochialis sancti Jacobi in Kempnitz aut ejus viceteuenti ac altaristis altarium ibidem videlicet corporis Christi, annunctiacionis beate virginis, oranium sanctorum , sanctarum virginum Barbare et Dorothee, Katheriue, trinitatis, Johannis evangeliste, beatorum aposto- lorum Petri et Pauli, Nicolai, concepcionis sive Bernhardi et altaristis sancte trinitatis, Andree apud san(;tum Johaunem ac sancti Georgii in hospitali ac sancti spiritus aut Sigismundi extra muros Kempnitz et eorura successoribus et vicetenentibus ducentos florenos Rencnses ad coraparandum et emendum certos aiiiuios census ac redditus, quod prenominati vicarius perpetuus et altariste fecerunt et octo Renenses aureos a proconsule consulibus et tota communitate in Leßenitz consensu generosi domini Frederici de Schonbnrg etc. ad hoc interveniente emerunt et comparaverunt, uti clare in litteris de- super datis, quos octo florenos annuos census una cum summa capi- tali ducentorum üor. prenominatus reverendus pater et dominus An- thonius abbas Czellensis ex parte ipsus innomintUi, qui sibi istos aureos ad fideles manus dcdit, premencionatis dominis vicario perpetuo et altaristis suprascriptis oninibus melioribus modo et forma, quibus donaciones cultus divino factas fieri consweverunt, sub infra notatis clansulis et ordinacionibus perpetue possidendos perpetue dedit tra- didit et donavit. Volens deinde reverendus dominus pater pro anima istius, qui nominatus esse noluit, progenitornm suorum salute aliquid ordinäre ac disponere, ad duo anniversaria istos octo florenos annui census per ipsos vicarium perpetuum et altaristam et eorum pro-

•20*

308 Hubert Ermisch:

cviratores perpetue levandis assignavit, in duol)us terminis viclelicet Walpurgis et Michaelis levandis, umle ipsi vioarius perpetims et altarista prescripta diio anuiversai'ia pro animabus parentum pro- genitoriira amicorumque suorum et pro anima ejus innominati et omniura ex geneloia ejus defuiictorum et distribucioues ordine sub- scripto teraporibus perpetuis ita servare et exequi del)ent. Inprimis quidem ideni domiiii vicarius perpetuus pro tempore nomine plebani existeus et altariste, qui presentes in opido Kempnitz fuerint, duos ex se ordinabunt redditus jam dictos, in singulis scilicet terminis Walpurgis et Michaelis medietatem, a dictis censualibus et censitis repetentes et coUigentes, ordine, ut inferius describitur, distribuant absque impedimento. Primo equidem plebanus certum diem, prout ipsi competere videbitur, post siugulos dies Walpurgis et Michaelis censibus collectis prefiget, in quo ipse plebanus cum predicatore, duobus cappellanis suis ac cum plebano apud sanctum Johannem et altaristis supra memoratis, ita quod ad minus quatuordeciin in numero sacei'dotes sint presentes et si aliqui absentes fuerint, plebanus pro tempore existens assumat alios secundum nutum et voluntatem suam, ita quod iste numerus videlicet quatuordecim sacerdotum coni- pleatur, in ecclesia parrochiali Kempnitz vesperis finitis convenient, vigilias solempniter incipiant et cum novem lectionibus ac Salve Regina decantabunt subsequentique die singuli ipsorum missam pro defunctis cum commemoracione ipsius innominati suorumque pro- genitorum celebrabunt, commemoracionemque generalem videlicet „Non intres in Judicium" alte legant et cum responsoriis conswetis ac „Alma redemptoris" decantando. Ob hoc distributores ordinati cuilibet p[renomi]natorum (?) presbiterorum tres grosses censuales distribuent et unum minimum usnalem adicient cuilibet in summa missa ad altare offerendos, vitricis vero ecclesie extunc, ne ecclesia in aliquo gravetur, duos gr. dabunt et ministro videlicet campanatori, qui representacionem feretri ornet, luminaria incendet et extingwet sedilia locet et compulsacionem faciet, presbiteros convocet, qualibet in commemoracione duos grossos, regenti chorum, ut summam missam cum Scolaribus tractim decantari faciet pro defunctis, unum gr. mi- nistrabunt. Sed ne predictus plebanus suique successores in aliquo tarn pro restauro quam de vigiliis, de littera mortuorum, in qua plebanus generalem commemoracionem dominicis diebus et feria se- cunda per suos cappellanos faciet, pro anima dicti innominati gra- vetur, ultra tres grossos prefatos, quos sibi racione presencie de- bentur, Septem gr. sibi imbursabit. Freterea collectores, qui ordinati fuerint, ut premissum est, ut diligencius commissa exequantur, quo- libet tempore tres grossos de dictis redditibus ambo pro laboribus sibi inbursabunt. Idemque denique collectores et executores vicario perpetue et ipsis altaristis de perceptis et distributis facient racionem. Si quid de dictis redditibus superflue et in reposito fuerit repertum, cum scitu omnium in usus leprosorum egenorum et domum pauperum que conventus nominatur publice convertatur, super quo ipsorum distributorum consciencia oneretur. Quod si futuris in temporibus per quemquam succedencium impedimentum aliquod oriretur, quod premisse ordinaciones non transsirent in effectum, extunc abbas et archidiaconus Kempnitzensis ut possit et valeat instare monere et procurare, quod predicti ordinaciones progressum realiter consequentur, plenum posse ob honorem ecclesie obtinebit. Ut autem premisse ordinaciones irrevocabiliter obtineant tirmitatem , Anthonius abbas Czellensis, vicarius perpetuus ecclesie Kempnitzensis et altariste

Nachträge zum Urkundenbuche der Stadt Chemnitz. 309

ibidem iios liumilitor retiuisienint oraiido, ut hiijnsmodi ordiuacioiiem disposiiioiiem per iios admitti et id roborari et contirmari. Nos igitur Caspar donacionem ordiuacioiiem et disposicionem coufirraa- mus . Volumus eciam si prefati ceusus per veuditores eoruudem juxta litterarum seriem reempti fueriut, quocieus tocieus extuuc Vicarius ecclesie parrochialis et altariste ibidem absque pecuuiarum predictarum sie solutarum distraccione alios ceusus comparare debent,

quos in locum predictorum censuum confirmamus. NuUi

ergo . Si quis autem . Datum et actum iu monasterio nostro Ivempuitz auuo domini M" quadringentesimo septuagesimo sexto, die vero Mercurii, que fuit vigesima meusis novembris, abbacie uostre sub secreto. ,a \

Zu No. 269 (1478 Mai 4).

Hdsclir. : üruj. Per;/. Itaihsarcliic (lienmitz Ko. 72 h. Das Skyel an PergiDiienhtr.

Die Varianten sind ganz unwesentlich.

>o. 269b. 1478 Mai 14.

Stclfan Frcyberger, Malis ArnoU, Casjuir Stobner, Bartel Swein- fort und die Gemeine in der Langengasse urlcunden üler die Rechts- verhältnisse eiiier von ihnen angelegten Röhrwasserleitung.

Nilschr.: Oii//. Pery. liuihmrdm Chaiiiiäz JVo. 7ic. ö Siegel an- Pergameutsif. J) Schild: (Jurch eine spikirinklige Figur in drei Ahschmtte getheüt, in deren jedem Halbmond und Stern. Helmzier: Flug. Umschrift theils unleserlich , theils abge- brochen. 2—4) Hausmarken. die Umshriften unleserlich. 5) Stadtsiegel-=Taf. 1 Fig.ii.

Wir hiriioch geschrebenn Steifan Freyberger , Matis Aruolt, CaspacStobeuer, Barthel Sweinfort unnd dy gemeyne in der Langen- gasseu bekennen , das wir durch gunst willen und wissenn der er- samenn wolweyssen Caspar Lindenaw uff dy czeit burgermeister unnd der anderen gesworne rathißmanne zcu Kempnicz ein wasser babeiin angefangen uff dem Sweinauger in eyner weßenn, dy Hans Stobenern angehörende [war], unnd das herein in dy Stadt mit roren get'urt, uns unsern nochkomelingen zcu noczcze unnd fromen, unde habenn uns dorober kein eynem rathe unnd eyner ganczen gemeyne vorwilliget sollich wasser czu furenn unnd czu haldenn eynem ider- manne ane allenn schadenn czu haldenn, unnd abc das imandis schaden brengen worde, denselbigen schadenn vorwillige wir uns unnd alle unßer iiockomelinge mit unnd in crafft deses briflis ane alle wederrede gutlichenn czu vorlegenn unnd beczalen. Unnd habenn dasselbige wasser under uns also geteylet, nemelich Steffan Freyberger ein te}d, Mattis Arnolt zcwei teyl, Caspar Stobener ein teyl, Barthel Sweinfort ein teyl unnd dy gemeyne in der Langen- gassenn zcwey teyl. Unnd zcu eyner wederstatunge der bemelten frawen Hanßen Stobener nochgelassenn witwe, das sy uns solche gunst unnd willenn das wasser uff irer weßenn zcu fassenn gethan hat, soUenn unnd wollenn wir obgemeltenn unnd unser nochkome- linge der bemelten frawenn ader wer dyselbige weße in besiczczunge habenn werdenn, alle jar jerlichenn zcu ewigen geczeytenn, dy weyle solch wasser reinher gefurt wirf, reichenn unnd gebenn uff' Michahelis sebenn gute groschen unnd uff' Walpurgis dornoch aber sel)enn gute groschenn, solche moucze utt eyne iczliche tageczeit also unser gne- digen hern von Sachssenn zcu jarente unnd geschosse nemen. Worde sichs begebenn, das unser eyner adcr mehr sein wasser eynem

310 Hubert Ermisch:

andern sein vorlasseuu -^-elde unud seibist iiidit gebrucbeim, das sal er vorlassen in aller mosse, wy obin clerlicli bestymraet ist. Des czu eynem warenn bekentnisse unnd stete haldunge bat unser icz- licher sein peczir unden au desen briff bengin lassen, der gegebin ist nacb gotis heylige gebort tewsint vir hundert jar dornocb im acht unde sebi[n]czigisten jar am dornstage nach pbingisten.

yo. 269 c. 1478 >0T. 3.

Hans Älexius der BleichricMcr beurhindet den Verkauf der Ffortcn- mühlc durch Paul Hau an Ulrich Schütze.

Jidsch. : Griff. Pery. Ruthsarchir Xo. 7'3d. Das Siegel un Peryuinentstr. Schild:

Lowe. Umschrift: Sigil der bleich [in Kempnitz?]; sehr undeutlich. Anm. : Vyl. Xo. 306 u. 27S.

Ich Hanns Allexius die zceit bleichrichter zcu Kempnitcz be- keune vor mich unnd alle gewercken | der bleich doselbist, das wir vorkauft habenn die mol gelegeun vor der Pforten zcu Kempnitcz | dem ersamen Paul Han burger zcu Kempnitcz unnde baben im die gegeben vor hundert unnde | vierczigk golden Keynisch mit aller zcugehorung raynn werdern unnde räum, als wir sie vor alderß gehabt habenn, auch mit aller beswerung der zcinß, die dorauff sein. Solche mol mit aller zcugehorung hat der bemelt Paul Han Virich Schütczenn burger zcu Kempnitcz uffgelaßen in aller maße, wie wir sie im vor- kauft habenn, die ich Hanns Allexius bleichrichter Virich Scbutczen sein erbenu unnde erbnemen in der bleich gericht gelihenn unde geeygent hab mit willen uiind wissenn des obgnanten Paul Hanns. Auch bekenne ich mehr gemelter Allexius, das der gnant Virich Schutcze dieselbigenn hundert unnd vierczigk golden, dorumbe die- selbige mol gegeben ist, unns wol zcu dancke beczalt unnde auß- gericht hat, unnde sagenn in unnde sein erbenn solcher hundert unnde vierczig goldenn queit ledigk unnde loß vonn meinenn unnde aller gewerckenn wegenn mit unnde in craft dieses briefs, der ge- gebenn unnde gesigelt ist mit unsers bleichgerichtes ingesigel noch Cristi geburt tausent vier hundert unnde in deme acht unnde siben- czigistenn jhar am dinstag noch aller heiligenn tag.

Zu >o. 385 (1398 Mai 9).

Hdschr.: Oriy. Pery. Grüß. Schnnbury. Speziularchiv Miiittrylunchuu. Das zer- brochene Ärchidiaconatssieyel an Peryomentsir. ; ein zweites Sieyel fehlt.

Die Brüder heissen Hennel tmd Meyner Krywicz. Di€ Vernnith- ungen syme, volgen (Z. 23), nunczigisten (Z. 28) huhcn sich als richtig erwiesen. Z. 24 liest auch das Or. vseren guten.

>o. 395 b. 1M3 März B.

Hdschr.: Oriy. Pery. Filrstl. und yriifl. Schonbiiry. Gesammtarchiv Glauchau. Loc. 431. No. 33. Zwei Sieyel (an Peryainentstr.) fehlen.

Concze und Heincze ton Kotiffunge bekennen, dass sie dem Abt und Archidiacon Johannes, dem Prior und der ganzen Sammlung des Benedictinerklosters zu Chemnitz wiederMußich 7 Schock neuen Geldes jährliehen Zins für 250 Bheinische Gulden nach Atcsiveis des Kaufbriefes mit Gunst der Herren von Schönburg verkauft haben, und verpflichten sich gegen die Gehrüder Veit, Friedrich und Dietrich von Schönburg Herren zu Glauchau und ihre Erben, diese

Nachträge zum ürkiuuleubuche der Stadt Chemnitz. 311

Zinsen binnen drei Jahren oder, wenn sie nach Ablauf der drei Jahre von den genannten Herren gemahnt iverden, binnen einem Jahre zurückzukaufen^ widrigenfalls die Herren von Schönburg oder jeder, dem sie es vergönnen, das Hecht zur Einlösung dieser Zinsen haben, üegeben virczeu hundei't jar darnach in dem dry unde virczigsten jare am faßnacht sontage neml ichin esto mihi.

No. 423b. 1191 Jali 13.

Hdsvhi:: Oriy. Perg. HaupUtaatsarvhiv Dresden Xu. 8800b. Dus tSiend des libts an Pergamentstr. wie Tiif. 8 Fig. 4. Bas ebenfalls an Pergumcntstr. befestigt ge- wesene Contentssiegel fehlt.

Heinrich, Abt und Archidiacon zu Chemnitz, bekennt für sich und seinen Cotivent, dass Heinrich von Schönberg, Amtmann zu Schel- lenberg, auf fürstlichen Befehl die Irrungen zwischen dem lüoster und Nickel Steinpach zu Meyersdorff (Meinersdorf s. von Chem- nitz?) wegen eines vom Kloster zti Lehn gehenden tcüsten Gutes zu Fleißa fiv. von Chemnitz), genannt der Arnolt, dahin beigelegt habe, dass Steinpach je 9 gute Gr. zu Michaelis und zu Wal- purgis davon zinsen, 7 Gr. auf Martini zu Geschoss nach Fleißa geben, dorthin zu Gericht und zu allen Gedingen gehen und geben, dem Pfarrer als Decem jährlich Vi Scheffel Korn und 'h Scheffel Hafer geben, Kirchenheller und Hirtenlohn der Ge- meinde gleich andern reichen und im Falle einer herffarth noch- folge zeoffe unrue adder eyle im lande das Gut als halbes Lehn in Anschlag bringen soll. Her Abt belelint hierauf Steinbach mit dem Gute. Der Abt besiegelt die Urkunde mit der Abtd Insiegel, Johannes Kopxierling Prior, Steffanus Trapschuch Kellermeister, Steffanus Baiomgarth die Aeltesten und dte ganze Sammlung mit dem Convcnissiegel. Gegeben thawßent vir hundert im eyn und nawntzigisten jar am tage Margarethe.

>o. 471b. 1537 Mai 29.

Hdsehr.: Orig. Perg. Rathsurchiv Chemnitz Xo.llTc. Die beiden Siegel (Taf. 3 Fig. 5 i(. Taf. 2 Fig .5, letzteres fraginentarisch) an Pergamentstr.

Hylarius, Abt und Archidiacon zu Chemnitz, Johannes Hamcl Prior, Johannes Vogt und Nicolaus Kogel er Senior es und der ganze Convent verkaufen dem Pfarrer und den Altaristen zu Chemnitz 15 Bhein. Gulden jährl. Zinsen zu Altchemnitz , zahlbar halb auf Martini und halb auf Pfingsten, für 300 Bhein. Gulden Haupt- summe unter Vorbehalt des lYiederkaufs nach ein Vierteljahr vorher erfolgter Kündigung. Gegebenn tausent funtl' hundert darnoch im sibenundi'eyssigestenn jar dinstag noch triuitatis.

XII.

Die wirthschaftlichen Einrichtungen, nament- lich die Verpflegungs- Verhältnisse bei der kur- sächsischen Kavallerie

vom Jahre 1680 bis zum Anfange des laufenden

Jahrhunderts. *)

Von A. von Minekwitz.

Die Wirthschafts -Verfassimg bei der Kavallerie be- ruhte, wie bei säinmtlichen Truppentlieilen der kursächsi- schen Armee, ursprünglich auf dem Grundsätze, dass der gesammte Unterhalt des Soldaten ausschliesslich von dem für ihn ausgeworfenen Tractamente zu bestreiten sei.

Bei der Kavallerie hatte daher der Reiter von seinem Tractamente nicht allein sein Pferd, seine Ausrüstung, seine Bekleidung selbst anzuschaffen und im Stande zu erhalten, sondern auch sich selbst, sowie sein Pferd zu unterhalten.

') Als Quellen für den vorliegenden Aufsatz sind vorzugsweise benutzt worden: die historisch-conimissariatisi'hen Nachrichten vom kursächsischen Kriegsstaate im Hauptstaatsarchive, ferner in- sonderheit für die ältere Zeit verschiedene Nummern aus dem Rep. C. der Akten der Geheimen Kriegskanzlei; für die zweite Hälfte des 18 Jahrhunderts die im Hauptstaatsarchive aufbewahrten Konferenz- protokolle der im Jahre 1770 mit dem Auftrage, Ersparnisse im Militäretat herbeizuführen, niedergesetzten Kommission.

Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 313

Je inelir man jedoch in Bezu;^- auf die Organisation der Armee dem Begriffe näher trat, den man heutigen Tages mit dem eines stehenden Heeres verbindet, desto liöher steigerten sich die Ansprüche an Tüchtigkeit und Gleichmässigkeit der Ausrüstung von ]\Iann und Pferd.

Da nun für diese Tüchtigkeit und Gleichmässigkeit die vorgesetzten Offiziere einzustehen hatten, so führte dies ganz v(m selbst dahin, dass die Obristen für ihr Re- giment, beziehenthcii die Rittmeister für ihre Kompagnie, gegen Abzüge von dem Tractamente des Reiters die An- schaffung der Bekleidung, der Ausrüstung und der Pferde in die Hand nahmen, woraus sich schliesslich die sogenannte Kompagnie-Wirtlischaft zu einem vollständig ausgebildeten System entwickelte.^)

Bereits eine Ordre vom 26. März 1682 stellte den Betrag des Montierungs- Abzuges auf 12 Groschen monat- lich fest, und 1684 am 24. März wurde den Obristen ge- stattet, monatlich 8 Groschen von dem Tractamente des Reiters zur Pferdekasse inne zu behalten, damit sie den- jenigen, so ohne ihre Schuld Unglück zu ihren Pferden hätten und dismontiert würden, helfen und dieselben wie- der beritten machen könnten.')

In derselben Ordre vom 24. März 1684 bewilligte der Kurfürst, dass die Obristen von jedem Thaler Tracta-

') Der Uebergang zur Wirthschaftsiuhruug' durch den Koni- pagniekommandanteu erfolgte jedoch seiir allmählich, denn es tindet sich z. B. roch im Jahre 1694 in den Musterlisten eines Dragoner- regiments in einer besonderen Rubrik die Frage, ob der Mann das Pferd und die Montierung selbst geschaft't oder von den Offizieren erhalten liabe. Letzteres war jedoch meist der Fall. Für die Bei- montur hatte der Mann selbst zu sorgen, und in dem Handgelde, das der Soldat bei seiner Anwerbung erhielt, waren 12 Tlilr. einge- rechnet für die Anschaffung von 2 Hemden, 1 Paar Lederhosen, 1 Halstuch, 1 Paar Schuhen und 1 Paar Handschuhen. Von sehr früher Zeit an finden sicli Abrechnungsbücher bei den Kompagnien eingeführt, in welclie üuthaben, sowie Scdiuld des Mannes eingetragen wurden, und auch jeder Keiter besass für seinen Theil ein solches Büchel.

*) Inhalts eines ßescriptes vom 24. Mai | .3. Juni 1687 hatten die Rittmeister Slich das Gewehr für die Kompagnie vom Ilauptzeughause zu erkaufen. Der dafür zu erlegende Betrag wurde als ein Voi*- schuss betra<ditet, der dem Kittxneister, wenn er die Kompagnie ab- gab , von seinem Nachfolger zu ersetzen war. Dieses Verhältnis hat sich bis in die spätere Zeit erhalten. Zum Unterhalt des Ge- wehres wurde dem Kompagniekommandanten ein bestimmtes Gewehr- reparatur gcld gewährt.

314 A. von Minckwitz:

ments<^"elde monatlich 1 GroscLen abziehen und solclie zu sich nehmen dürften, um davon die Regimentsunkosten zu bestreiten. Der Ertrag- des Abzuges zu den Regiments- unkosten sollte übrigens keineswegs eine Revenue für den Obristcn bilden. Der Ueberschuss ging demselben aller- dings zu gute, dagegen hatte er, inhalts ausdrücklicher Verordnung, von seinem Tractamente das Fehlende zuzu- schiessen, wenn der Abzug des Groschens vom Tracta- mentsthaler zur Deckung des Bedürfnisses nicht zureichte.

Zu den Regiuientsunkosten rechnete man: den Auf- wand für Grerichtskosten, für Verschickungen, Porto und alle sonstigen unvorhergesehenen Ausgaben/)

Einige Jahre später wurde dieser Abzug von jedem Thaler des Tractaments auf 2 Groschen festgesetzt und bestimmte man hiervon 6 Pfennige für die Invalidenkasse, sowie 6 Pfennige zum Beckengeld für die Feldscheere, während der Rest zur Bestreitung der Regimentsunkosten zu verwenden war.

Unberührt von der Wirthschaftsführung durch die Regiments- und Kompagniekoraraandanten blieb die Aus- fütterung der Dienstpferde, welche, wie der Lebens- unterhalt des Reiters selbst, in der engsten Wechsel- wirkung zu den Einquartierungsverhältnissen stand.

Hinsichtlich dieser letzteren Avar im Jahre 1664, als zuerst wieder seit Beendigung des dreissigj ährigen Krieges Kurfürst Johann Georg II. einige Regimenter zu Ross und zu Fuss aufrichtete, angeordnet worden, dass der Reiter von dem Quartierstande nichts zu fordern haben sollte, als Obdach und Stallung.

*) Von den Regimentsunkosten wurden ferner bestritten: Zulagen für die Stabsoffiziere, nach dem Ermessen des Obristen, sowie die üblichen Neujahrsbeschenkungen an 60 Thalern für den Generalauditeur, 45 Thalern für den Geheimen Kriegssekretär und 45 Thalern für den Kriegszahlmeister. Ausser den ordinären Tractamentsabzügen erhoben die Regimentskommandanten jedoch von den Soldaten auch extraordinäre Abzüge. So waren z. B. vom 1. Januar 1682 bis ultimo Mai 1683 dem Leibregiment zu Ross abgezogen worden: 274 Thlr. 10 Gr. zu einem Ringe ^ür den Ge- neralfeldmarschall Freiherrn von der Goltz, 400 Thlr. Pathengeld für den Oberkriegskommissar, Obristlleutenant von Rommel, 200 Thlr. -wegen der neuen Fändel und Musterung , 250 Thlr. zu einem Pferde für den Obristlieutenant von Rommel und 80 Thli*. für den Kriegssekretär Landsberger. Die häufige Wiederholung des Verbots, dergleichen extraordinäre Abzüge zu fordern, lässt darauf schliessen, dass es schwer hielt, dem Missbrauche zu steuern.

Die wirtliscliaftlichen Einrichtuiigou der säclisischen Kavallerie. 315

Erst im Jahre 1671 trat liierzu noch das Service/) wogegen man, auf Grund eines Kompromisses mit den LandständeU; das Jahr, statt in zwölf, in zehn Vcrpflegungs- monate eintheilte.

Die Repartition der Einquartierung geschah, unter den Aemtern abwechsehid, nach dem Hufenfusse, doch mag liierbe'i viele Willkür geherrscht haben.

AMe für alle militärisclien Verhältnisse, so bildet auch für die Verpflegungsangelegenheiten die Reorganisation oder vielmehr die Neuschaffung der Armee durch Kur- fürst Johann Georg III. einen entscheidenden A^^ende- punkt. **)

Zunächst kam am 10. Juli 1682 ein Beschluss zu stände, welcher unter dem finanziellen Gesichtspunkte bis in die neuere Zeit der Kavallerie Verpflegung zu Grunde gelegen hat. Man assignierte nämlich die adligen Städte und Dörfer, sowie die Amtsdorfschaften der Kavallerie, Avährend die schrift- und amtsässigen Städte der Infanterie überlassen blieben. ')

Ferner vereinbarte das Geheime Kriegsrathskollegium, welches im Jahre 1684 an die Stelle des Kriegskommissa- riats trat, mit den Landständen, dass für die Einquartie- rungsrepartitionen der unsichere Hufenfuss aufgegeben und dagegen die Eintheilung nach den Steuerschocken getroffen wurde.

*) Das Service, bestellend in Lagerstatt, Holz, Licht, Salz, Pfeifer uud Essig, war monatlich zu 11 Groschen angeschlagen, welche man folgendermassen berechnete: 3 Gr. 3 Pf. für das Bett, 2 Gr. 9 Pf. für das Holz, 2 Gr. 8 Pf. für das Licht, und von dem sogenannten kleinen Service: 1 Gr. 7 Pf. für das Salz, 1 Gr. 7 Pf. für den Pfeffer, 2 Gr. 9 Pf. für den Essig. Die Offiziere, sowie die Unteroffiziere erhielten ein nach höheren Ansätzen bemessenes Aequivalent in Geld- statt des Services in natura, und zwar monat- lich der Rittmeister 8 Thlr., der Lieutenant 3 'J'hlr., der Kornot 2 Thlr., der Wachtmeister 1 Thlr. 18 Gr. und der Korporal 1 Thlr. 6 Gr. Bereits 1673 wurden jedoch diese Ansätze nicht unbeträcht- lich abgemindert.

») Die Ausarbeitung der Entwürfe, sowie die Verhandlung mit den Landständen ruhte hauptsächlich in den Händen des Kanimer- direktors Geheimen Käthes Christoph Dietrich Böse d. ä.

') Was die Kavallerie betrifft, so gewährte diese Einrichtung allerdings Vorzüge nur unter dem Gesichtspunkte der Verpfiegung, während dieselbe für den Dienst und die Beaufsichtigung der Mann- schaft sich als äusserst nachthcilig erwies, denn in manchen Landcs- theüen besass der Kompagniebezirk einen Umfang von mehreren Meilen.

316 ^- ■^on Miuckwitz:

Hierbei ^^ing man auf den im Jalire 1628 gefertigten Anschlag der vollen Steuerscliocke zurück, wonach die Ritterschaft und die Aemter 5062959 Schocke zu tragen hatten. Auf diese 5^62959 Schocke waren im Jahre 1682 3823 Pferde zu repartieren^ so dass 1324 Schocke auf eine Kavallerieverpflegungseinheit entfielen. ^)

Einzubringen bei der Generalkriegskasse war von einer solchen Kavallerieverpflegungseinheit das zum voll- ständigen Unterhalte eines Keiters und seines Pferdes mit 4 Thlr. 16 Gr. monatlich ausgeworfene Tractament, wo- bei man als Erfordernis für den Mann den als Portion bezeichneten Betrag mit 2 Thlr. 16 Gr., die Ration mit 2 Thlrn. in Ansatz brachte. ®)

Von dieser zur Bestreitung des Unterhaltes von Mann und Pferd bestimmten Portion und Ration ist jedoch die hierüber vom Quartierstande geforderte Quartier- und Serviceportion zu unterscheiden.

Letztere betreffend, so berechnete man das Quartier mit 12 Groschen, das Service mit 14 Groschen, und war daher vorkommenden Falles eine Quartier- und Service- portion mit 26 Groschen in baarem Gelde zu entrichten. *")

Allein mehr oder minder gelangten alle die Kavallerie-

') Oft hatte in Folge dessen ein ganzes Dorf das Erfordernis, für den Unterhalt des Reiters und seines Pferdes Sorge zu tragen, und in manchen Gegenden kam sogar der Fall vor, dass mehrere Dörfer ihren Beitrag hierzu zu leisten hatten.

") In Beziehung auf das xlusschreiben und Einbringen der Milizsteuer bleibt manche AufkLärung zu wünschen übrig. Die Werke über das sächsische Staatsrecht von Römer und von Weisse, sowie die gedruckten Werke über die Steuern- und Abgabenverhält- nisse in Sachsen gewähren eine solche nicht, da sie das Kapitel der Milizverpüegungsgelder nur sehr oberflächlich berühren.

'") Ein solcher Fall trat unter anderem in Bezug auf das Unterkommen der Oftiziere vom Stabe ein. Dieselben hatten ihren Aufenthalt in den Städten zu nehmen, wurden jedoch mit auf das Land repartiert und empüngen den Betrag der auf sie entfallenden Quartier- und Serviceportionen in baarem Gelde , um von dem Be- trage den Aufwand für ihre Quartiere in der Stadt zu bestreiten. Es bezog ein Obrist 14, ein Obristlieutenant 10, ein Obristwacht- meister 8, ein Regimentsquartiermeister .3, ein Adjutant und ein Auditeur je 2 Quartier- und Serviceportionen. Im Jahre 1688 er- streckte man diese Bestimmung auch auf die Korapagnieoffiziere, jedoch mit dem Zusätze, dass fortan der Betrag für die sämmtlichen Quartier- und Serviceportionengelder a 26 Groschen für den Stab sowohl als für die Kompagnieoffiziere an die Generalkriegskasse abgeführt und aus derselben ein zum Tractament geschlagenes Quartiergeld gewährt werden sollte.

Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 317

Verpflegung betreffenden Anordnungen in Folge des licrr- scheudeu Geldmaugels nicht zur praktischen Geltung.

Bereits mit Aufrichtung der Regimenter durch Kur- fürst Johann Georg II. hatte zugleich das Ringen inn die Geldmittel zu deren Unterhalt begonnen und sich in demselben Verhältnisse gesteigert, in welchem Kurfürst Johann Georg III. seine Truppenmacht verstärkte.

Als einer der Gründe , welcher bei der Verlegung der Kavallerie auf das Land hauptsächlich mit in Be- tracht kam, findet sich augeführt: dass, wenn der Reiter nicht bezahlt werde, er leichter auf dem Lande als in der Stadt ein Stück Brot für sich und ein Futter für sein Pferd finde. ' *)

Diese Darreichung eines Stückes Brot und eines Futters Avurde aber allgemach dergestalt zur Regel, dass man ein eigenes Wort dafür erfand. Man nannte es den „guten Willen", betrachtete denselben aber sehr bald, im Widerspruch zu seiner Bezeichnung, als ein vollständig- berechtigtes Herkommen. *^)

In der Regierungszeit der Kurfürsten Johann Georg III. und Johann Georg IV., als noch tausend und mehr Schocke auf den aus dem „guten Willen" geleisteten Lebens- imterhalt des Reiters mit seinem Pferde entfielen, drückte die Last die Quartiergeber nicht allzu schwer. Als jedoch Kurfürst Friedrich August nach seiner Wahl zum König von Polen die Armee bedeutend verstärkte und der Geld- mangel sich immer fühlbarer machte, fasste man die ge- Avichtige Entschliessung, die bisher mehr oder minder frei- willig geleistete Naturalverpflegung von Mann und Pferd als obligatorische Leistung vom Landmann zu fordern/^)

") Im Jahre 1684 brachte der Geheime Rath Böse in Vor- schlag, es möchte dem Reiter vom Quartierstande die Hausmanns- kost, dem Pferde die Fourage gereicht, der Betrag dafür aber auf die Quatembersteuern kompensiert und sodann den Regimentern zugerechnet werden. Allein die Landstände zeigten sich nicht ge- neigt, darauf einzugehen.

'*) Es konnte nicht ausbleiben, dass der sogenannte „gute Wille" zu Erpressungen und anderen Missbräuchen führte. I)ie hi Folge dessen gegen die Forderung des „guten Willens" vielfach er- hobenen Beschwerden gaben Anlass, dass wiederholt Befehle er- gingen, welche streng untersagten, etwas aus „gutem Willen" zu for- dern oder zu geben. Da jedoch der Reiter und sein Pferd ihren Lebensunterhalt finden mussten und kein Geld erhielten, densellien zu bestreiten, so blieben diese Anordnungen ziemlich fruchtlos.

") Bereits im Jahre 1G94 war über die von den Landständen liewilligten Milizgelder zur Verptiegung der damals in ('ampagne

31g A. von Minckwitz:

Den Geklwerth einer in natura zu liefernden Ver- pflegungsportion veranschlagte man zu 4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf. monatlicli nacli folgenden Ansätzen: 3 Thlr. Gr. Pf für 3 Scheffel Hafer,

19 2 für 2 Ctr. 40 Pfd. Heu,

^ 4 ,, für 8 Bund Stroh,

20 8 für 30 Portionen Brod, jede zu

IV. Pfund

4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf. '')

Die Einführung der Naturalverpflegung ,_ welche ausserhalb der ständischen Verwilligung für die Miliz- bedtirfnisse stattgefunden hatte, gab Jahre hindurch An- lass zu den unerquicklichsten Diflerenzen zwischen den Ständen des Landes und der Regierung,'^) denn es folg- ten sicli nun Verordnungen der Regierung wegen Leistung der Naturalverpflegung, Einsprüche gegen dieselben seitens der Stände, darauf Gegenverordnungen und dann wieder, um nur die augenblickliche Verlegenheit zu heben, Interimsverordnungen in ununterbrochener Reihe, und die Verpflegungseinrichtungen sahen sich daher in jener Zeit den verschiedensten Modifikationen unterworfen.

So wurde durch den Landtagsabschied vom Jahre

marschierenden Regimenter ein baarer Geldbetrag begehrt worden. Doch -war man damals noch nicht darüber hinausgegangen, von den Quartierständen, statt der wirklichen Leistung des Quartieres und des Services, für die ausserhalb Landes befindlichen Truppen den Betrag dafür in Geld, daher mit 26 Groschen für jede dergleichen Portion zu verlangen.

'») Unter der Voraussetzung, dass dem Reiter baare Bezahlung zu Theil würde, und trotzdem, dass der Erfahrung gemäss, die that- sächlichen Verhältnisse dieser Voraussetzung widersprachen, hielt man beim Geheimen Kriegsrathscollegio au dem Grundsatze fest, dass der Reiter sich selbst und sein Pferd zu verpflegen habe. Min- destens besagt eine aus dem Jahre 1700 herrührende Denkschrift, dass, wenn man eine Verpfleguugsportion zu 4 Thlr. 19 Gr. 10 Pf. ansetzen wolle, so müsse dem Reiter auf einen Monat mehr abge- zogen werden, als sein Tractament an 4 Thlr. 16 Gr. betrage. Die Naturalverpflegung könne daher einem Reiter höher nicht ange- schlagen werden, als zu 2 Tblr. 16 Gr.

'5) Erschwert wurden die Verpflegungsverhältnisse durch den fortdauernden Wechsel in der Stärke der zu verquarticrenden Truppen. Bald standen während der Dauer des nordischen Krieges und des Kampfes um die polnische Krone, also von 1699—1717, sämmtliche Truppen im Lande, bald nur einzelne Regimenter oder Abtheilungen derselben, und Jahre lang waren selbst fremde Truppen zu verquartieren, wie die Dänen und Moskowiter als Verbündete oder die Schweden als Feinde.

Die wirthschaftlichen Einrichtungen der sächsischen Kavallerie. 319

1700 von der Regierung im Prinzipe zugestanden, dass die Natural Verpflegung- nicht mehr verlangt werden und die Ausgabe für dieselbe durch die Quatember- und Pfennigsteuer mit übertragen werden solle. Die auf Grundlage dieser Zusage gefertigte Einquartierungs- repartition erfolgte daher unter Wegfall der Naturalver- pflegungsportioneu für Mann und Pferd. ' ^)

Bereits im November 1701 forderte man jedoch ad interim vom Lande wieder die Lieferung der Fourage in natura, wogegen ein auf die Milizpfennige und Qua- tember zu kompensierender Betrag von 1 Thlr. 2 Gr. pro Ration vergütet werden sollte.

Die Kosten für den Unterhalt des Reiters mit seinem Pferde stiegen hierdurch auf 5 Thlr. 18 Gr., indem nun- mehr die Ration mit 1 Thlr. 2 Gr. hinzutrat, ohne dass man das Tractament des Reiters an 4 Thlr. IG Gr. be- schränkte, welches damals in folgender Weise einge- theilt war:

zur Leibesmontierung,

zur Beimontierung,

zur Pferdekasse,

zu den Regimentsunkosten

Beckengeld,

luvalidengeld,

dem Quartiersmanne für die ?Iaus-

mannslvost, baar. 4 Thlr. 16 Gr. Pf.

Als sodann im Jahre 1704 die Kavallerie in Städten und grossen Dörfern zusammengezogen wurde, hatte der Reiter sich selbst zu verpflegen, der Landmann jedoch die Fourage, gegen Entschädigung von 1 Thlr. 16 Gr. für die Ration, den Fourage -Einnehmern oder den Ma- gazinen zuzuführen. ")

Allein auch diese Einrichtung hatte keinen Bestand, denn bald delogierte man die Kavallerie wieder aufs Land, und Inhalts der Ordonnanz vom 7. September 1714

18

Gr.

Pf.

14

8 7 1

2 6

T)

n

1 Thlr.

V

n 11

4

1 «

7

n

8

11

'") Der Statthalter Fürst Fürsteiiberg verbat sich durch aus- drückliche Registratur, dass ihm jemals das Wort Verpflegungs- portiou wieder vor Augen gebracht würde.

") Zu jener Zeit kam auch die Erbauung von Kasernen in Rede, doch gestattete der Geldmangel nicht, diesen Gedanken zu verfolgen.

320 -^- ^^" Minckwitz:

war dem Qaartierstande die Verpflichtung auferlegt, die Fourage zum Unterlialte des Dienstpferdes in natura zu reichen, während der Reiter für seine Person nichts zu fordern liaben sollte ;, als Obdach, Lagerstätte und Stal- lung. *^) Auch kam das sogenannte kleine Service an Pfeffer, Salz und P^ssig damals gänzlich in Wegfall. _

Erst im Jahre 1717, als nach Beendigung des zweiten nordischen Krieges bis auf 1200 Mann sämmtliche Truppen aus Polen in die Heimat zurückkehrten und zugleich einer starken Reduktion unterworfen wurden, traten auch hin- sichtlich der wirthschaftlichen Angelegenheiten klarere und fester gegi'ündete Bestimmungen ins Leben.

Was die Tractamentsverhähnisse betrifft, so wurde unter Verminderung der bisherigen Abzüge, sowie unter Wegfall des Beitrages zur Pferdegelderkasse, nachdem die Generalkriegskasse die Ausgabe für die Remonte übernommen hatte, das Tractament des Reiters mit 3 Thlr. 22 Gr. angesetzt und folgendermassen berechnet: 14 Gr. zur Leibesmontur, 10 zur Beimontierung, 4 ^, Kopfgeld, 4 zum Hufschlag, 1 zum Feld- (Medicin-) Kasten, 1 zur Livalidenkasse, 2 Thlr. baar zur Löhnung, 12 Brotgeld.

3 Thlr. 22 Gr. Dieses Tractament sollte der Reiter, Inhalts der im Jahre 1717 an die Stände erlassenen Propositionen, aus der Generalkriegskasse empfangen, wogegen k. Majestät, wie es in der Proposition heisst, zu Dero getreuen Unterthanen des Vertrauens lebe, es würden selbige sich willig finden lassen, die Fourage imentgeltlich vom Lande zu liefern, während es im übrigen bei den Bestimmungen der am 7. September 1714 erlassenen Ordonnanz bewende und

'«) Wie wenig aber allen getroffenen Vereinbarungen über- baupt Folo-e mag gegeben worden sein , erbellt aus einem Vorgang im i\lonat""Oktober 1715. Als damals nämlich die Chevaliers-Garde aus Polen nach Sachsen zurückkehrte und zu deren Unterhalt bei der Generalkriegskasse keine Mittel vorhanden waren, wurde an- l)efohlen, zunächst für einige Monate, 2198 Rationen ins Land zu repartieren, für jede Ration monatlich 4 Thlr. ni baarem Gelde aufzubringen und von diesem Betrage die Chevahers- Garde mit Tractament, Quartiergeld und Fourage zu versorgen.

Die wiithsibaftlichen Einrichtnugen der sächsischen Kavallerie. 321

tleiunacli der Reiter vom Quartierstaude nichts zu fordern habe, als Obdach, Lagerstätte und Stallung.

Bereits im Juni 1717 wurde jedoch dem Landmann hierüber auferlegt, dem einquartierten Reiter täglich 2 Gr. für die Mundportion zu gewähren, gegen Kompensation von 30 Gr. im Monat an Steuern und Abgaben. ^^)

Allein in Wirklichkeit gestalteten sich die Verhält- nisse derart, dass der Betrag der erwähnten 2 Gr. täglich oder 2 Thlr. 12 Gr. monatlich zur Generalkriegskasse gezogen und dem Reiter davon gereicht wurden : 8 Gr. Zuschuss zur Beimontierung, namentlich zur Anschaffung derjenigen Beiniontierungsstücke an Hemden, Hosen, Schuhen etc., welche der Mann verdiente, 4 Gr. zum Hufbeschlag und 2 Thlr. baar zur Löhnung, Avährend die Generalkriegskasse die übrigen Gebührnisse emschliess- lich der 12 Gr. Brotgeld aus den zum Unterhalte der Truppen im Allgemeinen bewilligten Fonds zu gewähren hatte.

An Fourage war vom Landmann auf jede Ration zu liefern: täglich 6 Pfd. Hafer,

8 Pfd. Heu, 2 Metzen Heckerling,

wöchentlich 1 Bund Stroh. ^")

Im Jahre 1730 erfolgte sodann, unter Wegfall des bisher gewährten Beimontierungszuschusses von 8 Gr., eine Erhöhung des Ansatzes für die Beimontierung von 10 auf 20 Gr. und war hiervon nunmehr auch die soge- nannte kleine Buimontierung an den Bekleidungsstücken, welche in das Eigenthum des Mannes übergingen, zu bestreiten. "■' ')

Nach dem Regierungsantritte des Kurfürsten Friedrich

") Im ganzen waren für die Kavallerie 458.3 volle Verpflegnngs- portionen, an Muudportioii und Ration, zu repartieren und da das platte Land an Amts- und Kittergutsdorfsch alten, der damaligen Aufstellung der Steuerkataster gemäss, 48G0 148 Steuerschocke zu tragen hatte, so entfielen 1060 Schocke auf eine Verpfleirungsportion.

^'') Für Rationen, welche der Einquartierte nicht in loco zu geniessen hatte, ingleichen für Rationen auf vacante Pferde war monatlich 3 Thlr. in Geld zu entrichten.

*') Ausser diesen Bekleidungsgegenständen , welche der Mann verdiente, war von den zur iJeimontierung ausgeworfenen 'JO Gr. der zur guten Wirthschaft des Rittmeisters gestellte Unterhalt, so- wie die Erneuerung der sämmtlichen Lederwerks- und Pferde- Equipagestücke zu bestreiten.

Neues Archiv f. S. (i. u. A. 11. .1. 2]

322 A- von Minckwitz:

August II., als ein grosser Tlieil der Truppen nach Polen marschierte, forderte man von den Quartierständen die auf dieselben repartierten Portionen und Rationen in Geld, und auf die deshalb erneuten Gravamina der Land- stände antwortete die Regierung, dass, wenn die Natural- verpflegung oder deren Bezahlung cessieren solle, die Landstände sich nicht würden entbrechen können, statt dessen ein zureichendes Aequivalent unumgänglich zu be- willigen.

In Folge dessen verblieb es damals bei der bisherigen Einrichtuno;.

Nachdem jedoch bereits zu verschiedenen Malen der Antrag geschehen war, die Kavallerie der Disziplin und besseren Ausbildung der Truppe wegen vom Lande in die grossen Dörfer und kleineren Städte in engere Quar- tiere zu legen, wurde dies im Jahre 1744, laut des Ka- valleriedelogierungsreglements vom 9. Mai 1744, in Angriff genommen und mit dem 1. März 1748 vollständig zur Ausführung gebracht.

Die Quartierstände, auf welche die Kavallerieregi- menter repartiert waren, hatten seitdem für jede volle Verpflegungsportion täglich 7 Gr. in baarem Gelde ein- zubringen, ^^) ein Satz, der später auf 6 Gr. 6 Pf. er- mässigt wurde.

Inhalts der im neuen Wirthschaftsreglement von 1743 angeordneten Rechnungsaufstellung waren in Zu- kunft die Gebührnisse des Mannes etatsmässig, statt in der bisher gebräuchlichen Form von Tractamentsabzügen, in Ansatz zu bringen. Wiederholt findet sich diese Be- stimmung in dem Wirthschaftsreglement von 1754, wel- chem überhaupt das Reglement von 1743 meistentheils zu Grunde lag.

Der Aufwand für den Unterhalt eines gemeinen Reiters und seines Pferdes belief sich nunmehr in der Mitte des vorig-en Jahrhunderts auf monatlich 9 Thlr. 7 Gr., ein Betrag, welcher im wesentlichen bis zum Jahre 1810 unverändert geblieben ist-

Hiervon entfielen auf den Unterhalt des Reiters 4 Thlr. 8 Gr., nämlich:

^'^) Diese 7 Groschen wurden folgenclergestalt berechnet: 2 Gr. für die Mundportion, 3 Gr. für die Ration, 1 Gr. Quartiorgeld, 1 Gr. für die Anfuhr der Fourage.

Die wirthschaftlirhcn Eimichtnntren der sächsischen Kavallerie. 323

2 Tlilr. Gr. Löhnung',

12 Brotgeld,

4 für den Hufsclilag-. Ferner: 14 zur Leibesmontierung, 20 zur Beimontierung, 4 Kopfgeld, 1 Medikamentengeld, 1 Invalidengeld.

4 Thlr. 8 Gr

8 Gr. rechnete man auf jedes Pferd zum Re- monte-Ersatz. 4 Thlr. wurden für jede Ration gewährt und iiatte gegen Zahlung dieses Fourage- geldes der Rittmeister für die Ausfütte- rung der Dienstpferde bei seiner Kom- pagnie Sorge zu tragen. 15 Quartiergeld. 9 Thlr. 7 Gr.

Nach dem Hubertusburger Frieden bewendete es zwar hinsichthch der Kavallerieverpflegung bei der Re- partition der Portionen und Rationen auf das Land, allein an die Stelle des bisher angelegten vollen Schockfusses trat der Fuss der bei der Steuer gangbaren Schocke.

Inhalts der Verordnung vom 1. Dezember 17G3 waren 6000 Portionen und Rationen, jede täglich zu 6 Gr. 6 Pf. berechnet, aufzubringen und der Betrag in der Höhe einer Pauschalsumme von 600000 Thlrn. jälir- licli zur Generalkriegskasse abzuführen.^'')

In der nämlichen Zeit wurde eine Kommission nieder- gesetzt, um Ersparnisse im Militärhaushalte herbeizuführen,

") 680 gangbare Steuer schocke wurden auf eine Portion und Ration gerechnet und entfielen daher .S'/^ Pf. auf jedes gangbare Schock. Diese Steuer für die Kavallerieverpttegungsgelderi welche sich niemals in die ständische Landesbewilligung aufgenommen findet, hat bestanden, bis durch die Verfassung von 18.30 die sämmtlichen Steuer- und Abgabenverhältnisse eine vollständig veränderte Ein- richtung erliielten (Weisse, Staatsrecht II, 212). Allein nocli lieu- tigen Tages sind, inlialts des Grundsteuergesetzes vom 9. September 1843, die Kavallerieverptlegungsgelder mit dem ausdrücklichen Zusätze „Portions- und Kationsgelder" in die Grundsteuer mit ein- gerechnet, ein Verhältnis, welches noch auf dem Landtage von 1878, aus Anlass der Einführung der Einkommensteuer und des Grnnd- steuerpräcipnums aufs neue zur Sprache gekommen ist. (Landtags- akten und Neue Reichszeitung Jahrgang 1878, Nr. 87, 88, 100, 101, Aufsatz über das (Tnuidsteucrpräzipunni.)

21*

324 A. von Minckwitz.

und durch die sogenannten Decisionen vom 20. September 1770 genehmigte der Kurfürst die von derselben getlianen Vorschläge.

Unter anderm sollte das Beiraontierungsgeld von 20 Gr. auf 18 Gr. und das Fouragegeld von 4 Thalern auf 3 Tlilr. 12 Gr. für die Ration herabgesetzt werden.

Die Generalinspecteurs der Kavallerie erklärten jedoch im Namen sämmtlicher Regimenter, dass bei diesen Ansätzen die Rittmeister nicht zu bestehen vermöchten. Dieselben bäten daher, sie von der AA'^irthschaftsführung bei den Kompagnien zu entbinden und solche auf Rech- nung der Generalkriegskasse zu übernehmen.^*)

Allein diesem Vorschlage trat das Geheime Kriegs- rathskoUegium entgegen, namentlich weil dasselbe Be- denken trug, in das umfängliche Reclmungswerk ein- zutreten, ohne welches gedachte Veränderung nicht durch- zuführen sein würde.

In Berücksichtigung dieses Gutachtens befahl der Kurfürst, unter Aufliebung der Decisionen vom 20. Sep- tember 1770, die Ansätze wieder einzuführen, wie solche, festgestellt durch die Wirthschaftsreglements von 1743 und 1754, seither bestanden hatten, und es führten daher die Rittmeister auch ferner die Wirthschaft auf Gewinn und Verlust bei den Kompagnien fort.

Ohne Zweifel war diese Einrichtung eine nicht nur an und für sich verfehlte, sondern auch, weil zum Miss- brauche verleitend, eine der Offiziere unwürdige.

Allein der nachtheilio'e Einfluss derselben auf den Zustand der Truppe ist in verschiedenen neueren, die sächsische Krieg-so-eschichte betreffenden Werken vielfach zu grell dargestellt und der finanzielle Gewinn, welcher den Capitains aus der Bewirthschaftung ihrer Kompagnien erwuchs, jedenfalls zu hoch gegriffen worden, namentlich in bezug auf die Kavallerie, wo die Haupteinnahmequelle, der Beurlaubungsgenuss, nur in beschränktester Weise in Betracht kam.

^*) Als im Jahre 1777 auf Antrag des Obristeii Grafen Belle- garde bei der Garde du corps die Wirthschaftsführuiig unter seiner Direktion auf Rechnung der Generalkriegskasse übernommen wurde, erkundigten sich mehrere Obristen, welche den Wunsch hegten, dieses System bei ihren Regimentern ebenfalls eingeführt zu sehen, nach den Details der neuen Einrichtung. Graf Bellegarde war jedoch selbst der Meinung, dass dieselbe nur bei einem Regimente durch- führbar sei, welches, gleich der Garde du corps, in einer Garnison beisammen stehe.

Die wirtlischaftliclieii Kinriclituiigcii der sächsischen Kavallerie. 325

Genertiladjutant Obrist von Posern, auf seine Pflicht deshalb befragt, bezifferte das Einkommen eines Kom- pagniekommandanten bei der Kavallerie an Tractament sammt allen sonstigen Emolumenten und Zugängen auf circa 1200 Thlr., eine Summe, welche allerdings zu jener Zeit einen bedeutend höheren Werth repräsentierte als heutigen Tages.

Ein einfaches Rechenexempel ergiebt, dass ein Meh- reres zu erübrigen schwer möglich war.

Der Rittmeister bezog an Tractament und Quartier- geld jährlich 375 Thlr., sowie den Gebührnisgenuss auf zehn, während der Wintermonate zu beurlaubende Leute. Ferner empfing er zur Wirthschaftsführung bei seiner Kompagnie :

1. An Beimontierungsgeld jährlich 770 Thlr. 18 Gr. 9 Pf.^*) Hiervon hatte er nicht allein dem Manne die sogenannte kleine Beimontierung an Bekleidungsstücken, welche derselbe verdiente, zu reichen, sondern auch die gesammten Leder werks- und Pferde -Equipagestücken, mit Ausnahme der aus dem Kleidergelderfonds bezahlten Eschabracken, zu unterhalten beziehentlich zu erneuern.

2. An Gewelirreparaturgeld jährlich 60 Tldr.

3. Zur Ausfütterung von 75 Dienstpferden, die Ration monatlich zu 4 Thalern, im Jahre 3600 Thlr.^'^)

Allein auch hieran war Erhebliches kaum zu ersparen, denn fast in keinem Jahre reichten die 4 Thlr. monatlich zum Ankaufe der Fourage zu, sondern es mussten noch genau nach den Marktpreisen berechnete Zusciiüsse aus der Generalkiiegskasse bewilligt werden.^')

Dabei war der Rittmeister dafür verantwortlich, dass die Kompagnie jederzeit vollzählig, in kriegstüchtigem Zustande, zur Musterung gestellt werden konnte^*"), und Männer von der Dienstkenntnis und Pflichttreue Avie die Generale Benckendorff" und Bellegarde werden als General- inspecteurs entschieden keine offenkundigen Missbräuche geduldet haben. Uel)rigens befand sirli auch in der That

25) Für 75 berittene Mannschaften monatlich par tete 20 Gr., für ?, unberittene par trte 13 Gr. 10'/* Pf.

*«) Das Fouragegeld wurde nur auf die effektiv vorliandenen Pferde gewährt und" auf jedes vakante Pferd täglicli 3 Gr. abgezogen.

«') Im Jahre 1801 z. B. kostete eine Kation 8 Thlr. (> Gr. 6'h Pf.

2«) Bei übler Wirthschaft konnte der Kegimentskomniandant deren Führung dem Uittmeister abnehmen und einem anderen Oflizier übertragen. Beeinträchtigungen der Mannschaften bei Gewährung der ihnen zukommenden Gebührnisse waren mit Kassation bedroht.

326

A. von Minckwitz;

die Kavallerie in ausgezeichneter Verfassung, wie General von Gersdorff in seinem bekannten, die Reorganisation der Armee im Jahre 1810 betreffenden Memoire ausdrücklich anerkennt.

Der monatliche Etat eines Kavallerieregiments war in der zweiten Hälfte des vorigen und im ersten Jahrzehnt des laufenden Jahrhunderts nachstehender:

Thlr. Gr.

1 Obrister 73 8

1 Obristlieutenant 49 12

2 Majors a 64 Thlr. 4 Gr. ... 128 8 1 Regimentsquartiermeister ... 18 8

1 Adjutant 18 8

1 Auditeur 14 16

1 Regimensfeldscheer 20

1 Pauker 4 16

1 Stabsfourier (unberitten) ... 4 14

1 Stabsfeldscheergesell 4 14

1 Profos mit Knecht (unberitten) . 5 2

12 Köpfe beim Stabe 341 10

Bei acht Kompagnien:

Thlr. Gr. Thlr. Gr.

5 wirkliche Rittmeister . ä 27 12 137 12

3 Stabsrittraeister ... ä 27 12 82 12 8 Premierlieutenants . . ä 18 8 146 16

16 Souslieutenannts . . ä 16 256

8 Wachtmeister. ... ä 5 6 42

4 Estandartj unker ... a 4 18 19 8 Fouriers (unberitten) . a 4 2 32 16 8 Feldsclieers(unberitten) ä 4 14 36 16

40 Korporals ä 4 6 170

8 Trompeter a 4 16 37 8

8 Schmiede (unberitten), ä 2 12 20

540 Gemeine ä 2 16 1440

656 Köpfe 242Ö 8~

Auf dem Feldetat traten hinzu:

1 Feldprediger,

1 Stabstrompeter,

4 Eskadronssattler,

1 Wagenmeister,

1 Proviantknecht beim Stabe, 16 Proviant- und Packsattel- knechte bei den Kompagnien.

Die wirthschaftlicbon Eiiiriclituugen iler säclisischen Kavallerie. 327

Der Unterlialt eines solchen Regiments erforderte in Friedenszeit, nach Wiederaufhebung' der Decisionen vom 20. September 1770, einen Betrag von monatlich 6555 Thlrn. 4 Gr. 3^|4 Pf. nach folgenden Ansätzen:

945 Thlr. 4 Gr. - Pf. Tractament der Offiziere, 1816 r 14 Löhnung der Unteroffi- ziere und Gemeinen, 116 17 3 Quartiergeld der Offiziere, 401 12 Quartiergcld. für die

Mannschaften und die Wachtlokale, 516 ,. 10 ,, ^ji r Beimontierungsgeld, 26 4 Medikameutengeld, 1 Gr.

auf den Kopf, 25 » 1 Rosskurengeld, 1 Gr. für

jedes Pferd, 39 ,5 9 Gewehrreparaturgeld,

1 Unterhalt der Trompeten, 4 12 Unterhalt der Proviant- wagen,

2 5, Unterhalt der Packsättel, 52 8 Regimentsunkosteu,

204 9 Remontegeldcr, 2404 Fouragegelder, 4 Thlr.

monatlich für die Ration gerechnet.

6555 Thlr. 4 Gr. 3 ^/TPf. monatlich, daher jährlich

78662Thlr. 3Gr. 9Pf.,

ungerechnet die Kleidergelder, welche bis zum Heran- nahen des Montierungstermines bei der Generalkriegs- kasse inne behalten wurden, und der Invalidenversorgung. Als Erläuterung zu dem vorstehenden Etat ist zu bemerken:

1. Die Löhnung des gemeinen Reiters betrug ein- schliesslich des Hufsclilages (4 Gr.) und des Brotgeldes (12 Gr.) 2 Thlr. 16 Gr. Seit den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts wurde jedoch ein Löhuungszuscbuss von 12 Gr. monatlich gewährt.

2. Auf einen berittenen Mann, Unteroffizier wie Ge- meinen, wurden 15 Gr., auf einen unberittenen Mann 8 Gr., auf eine Wachtstube 1 Thlr. 21 Gr. Quartiergcld gerechnet.

3. Das Beimontierungsgeld betrug 20 Gr. auf einen

328 -^- ^'on Minckwitz:

berittenen Mann, Unteroffizier wie Gemeinen, 13 Gr. 10^4 Pf. tiuf einen unberittenen Mann.

4. Das nur für die Gemeinen ausgeworfene Gewelir- reparaturgeld betrug für den Kopf 1 Gr. 9 Pf.

Für die aus dem Hauptzeughause gelieferten Waffen selbst hatten die Rittmeister eine AViderlage bei der Generalkriegskasse zu deponieren, welche ihnen von ihren Nachfolgern im Kompagniekommando zu ersetzen war.

5. Das Fixum für die Regimentsunkosten war an Stelle des Kopfgeldes getreten. Dasselbe betrug im Jahre 1763: 58 Thlr. (1 Tlilr. auf 10 Köpfe), seit 1772 2 Gr. für jeden Kopf.

6. An Remontegeld wurden für jedes Unteroffiziers- pferd 15 Gr., für jedes Pferd eines gemeinen Reiters 7 Gr. 6 Pf. monatlich gerechnet, und ausserdem floss zur Remontckasse der Ertrag aus dem Verkaufe der aus- gemusterten Pferde.

Im Jahre 1778 übernahm die Generalkriegskasse die bisher von dem Kompagniekommandanten geführte Re- montewirthschaft.

7. Die Offiziere erhielten bis zum Jahre 1810 keine Rationen, doch wurden ihnen in besonders theuren Zeiten Erleichterungen bei Anschaffung der Fourage geAvährt.

8. Zu der von den Kleidergeldern anzuschaffenden Leibesmontierung gehörten: das Kollet und das Cheraiset, der Hut, der Mantel, die Strümpfe, der Kittel. ^^) Hier- über war von den Kleidergeldern die Ausgabe für die E Schabracken zu übertragen.

Die kommissarischen Auswürfe der Kleidergelder unterlao;en verschiedenen Aenderunoen. Im Jahre 1778 be- trugen dieselben monatlich 9 Gr. für den Kopf, im Jahre demnach für das Regiment 3118 Thlr. 12 Gr. Bei den fortdauernd steigenden Tuchpreisen war jedoch das Be- dürfnis damit nicht zu bestreiten und machten sich daher jederzeit Zuschüsse erforderlich.

Die Sorge für die Anschafiimg der Leibesmontierung lag, unter Verantwortlichkeit des Regimentskommandanten, in der Regel dem Regimentsquartiermeister ob.

Die Montierungsperiode für Kollet und Chemiset war

*') Die übrigen Leibesbekleidungsstücke wurden von den Bei- raontierungsgeldern angeschafft und, uacli kürzerer oder längerer Frist, vom Manne verdient. Nur die steifen Stiefel und die Stulpen- handschuhe zählte man den zu des Capitains guter Wirthscbaft ge- stellten Lederwerksstücken bei.

Die wirtliscliaftlichen Eiiiriclitnngcn der sächsischen Kavallerie. 329

dreijälirig'; d'-r Plut, die Strümpfe und der Kittel liattcn zweijälirio-C;, der Mantel, sowie die Escliabracke sechs- jährige Haltefrist.

".(. Auf dem Feldetat stiegen die Kosten zum Unter- halt eines Kavallerieregiments auf monatlich 8474 Thlr. 21 Gr. 4 Vi Pf., indem die Mobilmachungsbedürfnisse samrat dem Feldzuscliuss 191'J Thlr. 17 Gr. 7^ Ft- betrugen.

Bei Gelegenheit der Reorganisation der Armee im Jahre 1810 sahen sich auch die wirtlisc.haftlichen Verhält- nisse einer vollkommenen Umgestaltung unterworfen.

Auch die Führung der Wirthschaft bei den Kom- pagnien durch die Capitains hörte auf und wurde auf Rechnung der Generalkriegskasse übernommen.

Die Leitung der ökonomischen x\ngelegenheiten der Armee erhielt ein Generalintendant ^"), als dessen Organe bei den Regimentern AVirthschaftskommissionen fungierten, bestehend aus: 1 Stabsoffizier, 1 Rittmeister, 1 Lieute- nant, 1 Wachtmeister und dem Regimentsquartiermeister.

Anfangs verblieb den Regimentern die Sorge für Anschaffung der Bekleidungs- und Ausrüstungsgegen- stände, von denen jedoch die Proben der Generalinten- dauz zuvor zur Genehmigung einzusenden waren.

Nach der Katastrophe von 1813 wurden hierauf Wirth- schaftsdepots errichtet, aus welchen die Regimenter ihre Bedürfnisse zu beziehen hatten.

In den Jahren 1817, 1844 und 1867 erschienen neue Wirthschaftsreglements , welche mannigfache Verände- rungen herbeiführten.

Die Geschäfte in wirthschaftlichcn Angelegenheiten bei den Regimentern werden, nachdem dieselben von 1822 bis 1867 an Stelle der Wirthschaftskommission ein Wirth- schaftschef wahrzunehmen gehabt hatte, seit letztgedachtem Jahre wieder von Konmiissionen, einer Kassen- und einer Bekleidungskommissiou, versehen.

*") Zunächst übernahm die Funktion in besonderem Auttrage der Chef des Generalstabes, General von Gersdorff.

Literatur.

Mclas Storch, der Anfäuger der Zwickauer Wiedertäufer. Ein

Lebensbild aus dem Reformationszeitalter auf Grund der in der König], öffentl. Bibliothek [zu] Dresden wie auf der Katlisbibliothek zu Zwickau vorhandenen Nachrichten, bearbeitet von Richard Bachmann. Zwickau, Altner. 1880. 8«. 35 S.

Seitdem Seidemann im Sächsischen Kirchen- und Schulbhitt, Jahrgang 1872, No. 22, 23 und 26 das Leben Nicolaus Storchs kurz behandelt und mit der diesem Forscher eigenen Gründlichkeit die Literatur zusammen- gestellt hatte, lag das Material bereit zu einer eingehenden Monographie über einen Mann, der durch die Verbindung der christlichen und socialen Ideen gerade in unseren Tagen ein erhöhtes Interesse in Anspruch nimmt. Vor- liegendes Schriftcheu giebt nun eine Lebensbeschreibung des Zwickauer Propheten, und der Titel spannt unsere Erwartungen um so höher, als er unbekannte handschrift- liche Nachrichten in Aussicht stellt. Freilich entspricht das Buch den Erwartungen, mit denen man an dasselbe herantritt, nur in geringem Grade. Verfasser scheint jene Artikel Seidemanns nicht gekannt zu haben und hat die dort citierten zahlreichen Quellen unbenutzt gelassen, vor allem das reizende Büchlein Marcus Wagners: „Ein- feltiger Bericht : Wie durch Nicolaum Storeken die Auff- rulu- in Thüringen, vnd vmbliegenden lievir, angefangen sey worden u. s. w. Getruckt zu Erffnrdt durch Zachariam Zimmerum, Wonhafftig zum gülden Stern, auff der langen Brücken. Anno M.D.XCVII." Es ist dies eine überaus wichtige Quelle. Wagner berichtet selbst (Bl. 25 b), er habe bei Augenzeugen „mit fleiss allenthalben den Sachen nachgeforschet, vnnd nichts vnterlassen, das zur warhafftigen erzehluug doss Storeken im anfang dess auff- rhurs dienlich vnnd beförderlich sein möcht". Bachmann kennt nur, wie es scheint, eine einzige, ziendich Unglück-

Literatur. 331

lieh verwendete Stelle über die äussere Erscheinung Storchs (S. 3. fg-. vergl. "Wagner Bl. 20 a) , und doch enthält das Schriftchen eine grosse Fülle einzelner Nachrichten über die Predigtthätigkeit Storchs u. a., welche zur Ver- vollständigung des Bildes viel hätten beitragen können. Während so Hauptquellen nur spärlich benutzt werden, stützt sich nicht selten die Darstellung auf die ziemlich unsichern Chroniken Zwickaus, deren Nachrichten nur nach eingehender Kritik verwendet werden können. Von ungleich höherem Werthe sind die Notizen, die aus Enoch Widemanns Hofer Chronik stammen ; freilich ist auch diese Quelle nicht genügend ausgebeutet. Richtig ist ohne Zweifel, wenn Bachmann, dem genannten Gewährsmann folgend, Storch in Zwickau geboren sein lässt. Es hätten sich dafür noch mehr Zeugnisse l^eibringen lassen, ausser anderen auch aus dem dortigen Rathsarchiv. Merkwürdiger Weise ist letzteres gar nicht benutzt, und doch werden in den Rathsprotokollen aus dieser Zeit die „Schwirmer und Wiedertäufer" oft genug erwähnt. Nicolaus Storch wird mit Namen genannt in einem Beschluss vom Jahre 1536 (Protokolle Bl. 33 b), wo es unter der Ueberschrift : Wiedertäufer u. s. w. heisst: „Auch soll der Radtli auff Nikein Storch, der itzo alhie sein solle, gute achtung geben, das er nicht ein anhang kriege, odder aber gar von der Stadt geweisset würde." Es entsteht die Frage, ob diese vermuthete Anwesenheit Storchs in seiner Vater- stadt nicht in irgendwelchem Zusanunenhang steht mit der S. 14 citierten Schrift: „Vorlegung etlicher vnchrist- licher Artikel, welche die Wiedertäutfer furgeben", da dieselbe in dem nämlichen Jahre in ZAvickau gedruckt ist. Man sieht aus diesen Zeugnissen, dnss sich auch später noch in Zwickau Wiedcj'täufer fanden. Referent fügt noch einige archivalische Notizen zur Geschichte derselben bei. Im (lemeinschaftlichen Hauptarchiv zu Weimar befindet sich (Reg. N. pag. 46. A. Num. 4. 9.) ein Aktenstück: „1521. Schriften, betr. die Beschwerde der Geistlichkeit und einiger Laien zu Zwickau über die bedrohlichen Aeusscrungen der Menge in religiöser Be- ziehung und das Gesuch dem in Aussicht stehenden Auf- ruhr zuvorzukommen." Nicolaus Hausmann und sechs Zwickauer Geistliche und Bürger berichten in demselben über ein Verhör von sechzehn Personen, welche zweifelten, „ab der glawb der pathen dem kinde zur taufe hulti'licii, item etzliche vermeinten an der tawtf selig zu werden,

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item etzliche gaben an als Avere die göttlich scliriti't zur lare der menschen vncrefFtig, allein muste der mensch durch den geist gelernet werden" etc. In dem Visitations- bericht vom Jahre 1529 (Hauptstaatsarchiv zu Dresden, Loc. 10 959, Meyssnische Visitation) findet sich ebenfalls ein Bericht über ein Verhör von Wiedertäufern , „die mit irrigen secten wider die sacramcnt vnd evangelium etc. in winckeln handeln, zusammen kriechen etc. Von einer Aufstellung einzelner Ausstellungen bezüglich des Stils wie des Inhalts sieht Referent ab, nur darauf möchte er aufmerksam machen, ob die Charakteristik des Egranus (auf S. 12) nicht einer günstigeren Auffassimg des An- hängers des Erasmus weichen muss. (cf. Döllinger, Die Reformation S. 136 fi'.) Was das Schriftchen Bachmanns interessant macht, ist der Blick in die Kulturgeschichte Zwickaus und Sachsens im 16. Jahrhundert. Es wäre zu wünschen, dass uns unter genauer Benutzung der handschriftlichen (Quellen wie der von Baclnnann nur in geringem Grade benutzten reichen Litteratur ein den wissenschaftlichen Anforderungen genügendes Lebensbild dieser höchst interessanten Persönlichkeit gegeben würde, wie Referent an dieser Stelle den von Seidemann a. a. O. geäusserten Wunsch Aviederholt , dass auch eine neue Darstellung Thomas Münzers in Angriff genommen werden möge, welche das seit dem Erscheinen des Seidemann- schen Buches publicierte Material zusammenfasst und verarbeitet.

Dresden-Neustadt. Georg Müller.

Die Markgrafen vou Meissen und das Haus AYettin bis zu Konrad dem Grossen. Von Otto Posse. Mit vier Stammtafeln und acht Karten. Leipzig, Giesecke & Devrieut. 1881. 8". XIV, 464 SS.

Das obige in ansprechender Ausstattung vor uns liegende Werk steht, wie der Verfasser im Vorworte selbst bemerkt, im innigsten Zusammenhange mit den von ihm geleiteten Arbeiten für die Herausgabe des Codex diplomaticus Saxoniae regiae; es soll die Einführmig und die verbin- denden Mittelglieder bieten für die reiclien und werth- vollen, freilich in sicli nicht ganz gleichartigen Materialien des ersten Bandes der ersten Hauptabtheilung, welcher die urkundlichen Grundlagen für die älteste Geschichte der Markgrafschaft Meissen und der die Entwickelung dieses Kernes der späteren wettinischen Macht beeinflussenden Persönlichkeiten hoffentlich bald der allgemeinen Avisseu-

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scliaftliclien Forschung- zugäuo;licli niaclien wird. Lange genug sieht man schon dem Erscheinen dieser Fubhkation mit Spannung entgegen, und die auf sie gerichteten Er- wartungen sind durch die Herausgabe der vorliegenden Einleitung eher erhöht als herabgemindert. Zu prüfen, ob es ökonomisch richtig und vortheilhaft war, die Ein- leitung auf einen derartigen Umfang anschwellen zu lassen, ist nicht unsere Sache; im Gegentheil wollen wir gegen Einwürfe dieser Art zu bedenken geben, dass ein Ge- lehrter, der sich mit so viel Mühe und Kenntnis wie Liebe zur Sache in die Sammlung und Sichtung des an sich trockenen Quellenmateriales hinein gelebt und vertieft hat, doch gern auch die Fäden des inneren Zusammen- hanges der neugewonnenen Resultate aufzunehmen und zu einem weiteren Kreisen zugänglichen und verständ- lichen Bilde zu verweben sucht. Eine angemessene Be- schränkung und Ersparnis im Umfange hätte nach unserem Dafürhalten dadurch eintreten können, dass der darstellende Theil, statt jetzt, erst gleichzeitig oder gar nach dem Erscheinen des Quellenmateriales veröffentlicht worden wäre; manches weitschichtige Citat aus den Ur- kundentexten, manche diplomatische Auseinandersetzung hätte dann unterbleiben und durch eine einfache Ver- weisung auf das Diplomatar erledigt werden können. Hiergegen ist es freilicli denkbar, dass der Verfasser einem Theile seines Leserkreises absichtlich die Darstellung un- abhängig von der Quellensammlung und einem steten Nachschlagen in derselben vorführen wollte; denn auf den Kreis streng wissenschaftlich vorgebildeter Fachleute konnte imd durfte er die Schilderung der Avechselvollen Schick- sale eines in den ältesten wie in späteren Zeiten für die gesannnte vaterländische Entwicklung bedeutungsvollen Territoriums nicht ausschliesslich berechnen. Posse hat bei seinem neuen AA'erke sicherlich und vornehmlich allen denen, die durch ihren heutigen Wohnsitz und politische Verhältnisse ein besonderes Interesse an dem engeren Gebiete der alten Markgrafschaft Meissen nehmen, Belehrung und eine an- gemessene und wohlfundierte Auflvlärung über die Ver- gangenheit der Heimat bringen und vor allem zeigen wollen, in welcher Weise die Umwälzungen in der l*oHtik und Verfassung des Reiches ursächlich und bestimmend auf die Herausbildung des Keimes zu einem der späteren deutschen Sonderstaaten eingewirkt haben. Wie es im Süden und AA^esten Deutschlands die alten Stannues-

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lierzogtliümer waren, auf die sich mächtigere Theilstaaten aufbauten, so waren es im Osten die Markgrafschaften, die jenen eine Reihe kräftiger Rivalen zur Seite stellten, aus deren Mitte schliesslich zwei, die der nordöstlichen lind südöstlichsten Grenzmark entsprossenen Staatsorgani- sationen die Vertretung Deutschlands in der europäischen Politik übernahmen; erst die Verwicklungen der beginnen- den Neuzeit haben es gefügt, dass die politischen Bildungen, die sich auf die Macht der in der Mitte der ehemaligen Ostgrenze des Reiches gelegenen Mark stützten, nicht das gleiche Ziel wie jene erreichten. Daher war es, wenn irgend, hier erforderlich, die Ereignisse der Territorial- geschichte sich auf dem Hintergrunde der Reichsgeschichte abspielen zu lassen ; für die älteren Perioden und für Theile der späteren ist die Reichsgeschichte geradezu das einzige und ausschliessliche Band, das auch nur einen äusser- lichen Zusammenhang: zwischen einzelnen uns überlieferten Namen und Andeutungen von Ereignissen zu vermitteln im Stande ist. Je länger desto reicher fliessen allerdings die Quellen, die uns einen selbständigen Blick in das innere Getriebe der Landesgeschichte gestatten; aber in dem ganzen hier umspannten Zeiträume hat sich das politische Leben noch nicht ausschliesslich in die engen Grenzen des Territo- riums zurückgezogen, noch fungiert letzteres als lebendiges Glied des Reichsganzen, von ihm Kraft und Bewegung empfangend, ihm Nahrung und Organe spendend So richtig und erspriesslich also das Hereinziehen der Reichs- geschichte in die Darstellung der Territorialgeschichte und eine stete Verwebung beider Zweige ist, so können doch wohl Zweifel über das erforderliche Mass bestehen, und so will es dem Referenten dünken, als wenn der Verfasser in mehreren Partien seines Werkes in Erörte- rimg der Reichsangelegenheiten des Guten zu viel ge- than habe; dies Abgehen von einem uns vorschwebenden angemesseneren Verhältnisse beider Faktoren erschien vielleicht um so auffälliger, als Posse in Folge der nothwen- digen Eintheilung seiner Untersuchungen und Darstellung in einzelnen Abschnitten wiederholt auf dieselben Vor- gänge der Reichsgeschichte zu sprechen kommen musste. Die thatsächliche Entwicklung gebot eine natürliche Scheidung des gesamraten Stoffes in vier Hauptabschnitte: in einem ersten Buche war die Herrschaft der ältesten, verschiedenen Familien angehörigen Markgrafen und die der sogenannten Ekkehardiner zu behandeln, in einem

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zweiten und dritten musste das zeitlich kürzere Wirken der Markgrafen aus dem Hause Weiniar-Orlaniünde und der Brunonischen Familie erörtert werden, und im vierten Abschnitt galt es die Kämpfe der ersten Glieder des Hauses ^^''ettin um die jMarkgrafschaft zu schildern. In solcher Weise zusammenfassend sind diese Entwicklungs- stufen bisher noch von Seiten keines Autors behandelt worden; an den verschiedensten Punkten hat allerdings schon die ältere Forschung eingesetzt, doch hat sie sich mit Vorliebe nur der Erörterung einzelner Fragen zu- gewendet und diese mit einem Uebermass von Umständ- lichkeit und Ausführliclikeit behandelt. So konnte es keine leichte Aufgabe sein, sich kritisch sichtend durch diese Literatur hindurchzukämpfen; die noth wendig gewor- denen Bemühungen haben sich indess reichlich gclolmt, fast aller Orten hat sich Gelegenheit geboten, Berich- tigungen und Vervollständigungen in grösserem und klei- nerem Umfange eintreten zu lassen. Wie aber der Ver- fasser sich auf der einen Seite durch Beherrschung der älteren Vorarbeiten auf dem von ihm bebauten Gebiete und durch die Kenntnis selbst kleiner und wenig ver- breiteter Beiträge auszeichnet, so hat ihm wie noch keinem seiner Vorgänger das diplomatische Quellenmaterial in gleicher Vollständigkeit und Ausdehnung aus eigener Anschauung zur Verfügung gestanden. In der Behand- lung und Benutzung desselben verfährt er mit tief ein- schneidender, aber ruhiger Kritik. Es fehlt namentlich unter den Urkunden und vor allem wieder unter denen der Hochstifte Meissen und Naumburg nicht an Stücken, die schwer unter sich und mit den Nachrichten anderer Quellen in Einklang zu bringen sind; ein grosser Theil derselben scheint aus diesen mid anderen Gründen unter die Fälschungen verwiesen werden zu müssen. Es wäre eine Unmöglichkeit für einen Referenten, in allen diesen Punkten an der Hand der gegebenen Urkundenauszüge und begleitenden diplomatischen Bemerkungen eine Nach- prüfung durchzuführen; in der überwiegenden Mehrzahl der einschlägigen Fälle würde sich eine solche Arbeit freilich auch als überflüssig erwiesen haben: da scheint die Richtigkeit der hier dargelegten Behauptungen ausser Zweifel zu stehen. Nur bei einer geringiai Zahl der an- gefochtenen Stücke kann Referent l)is jetzt nicht ohne weiteres der Verwerfung derselben als Falsificate bci- sthnmen. Für einzelne Gelegenheiten steht ihm dagegen

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noch weiteres für Posses Aniialimen sprechendes Material zur Verfügung; er kann es z. B. näher erliärten, dass die Urkunde über eine angcbliclie Schenkung der Stadt Leipzig durch Kaiser Heinrich IL an das Stift Merseburg um 1269 gefälscht sein rauss.

Jener neuen sachlichen Gesichtspunkte und der durch sie bedingten Aenderungen in der Darstellung sind so viele, dass wir auf eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung derselben mit Rücksicht auf den uns zu Ge- bote stehenden Raum von vorn herein verzichten müssen. Wir beschränken uns daran zu erinnern, dass die Namen- reihe der älteren Markgrafen eine andere Gestalt erhalten hat; klarer als irgend bisher sehen wir, wie das Princip der Erblichkeit auch bei der markgräfhclien Würde mehr und mehr das Uebergewicht über den Amtscharakter erlangt, wie der König selbst zur Förderung der kirch- lichen Mission im Osten wie im Interesse des Grenz- schutzes gegen die Slaven und zum Zwecke der Auf- rechterhaltung einer Art Oberhoheit über Polen und Böhmen den Erblichkeitsansprüchen seiner Vertreter in der Mark entgegenkommen muss; mit Sorgfalt sind alle Stufen in dem Kampfe beider Prinzipien verfolgt, die älteren Grundlagen der Machtstellung einzelner Bewerber genau geprüft, die Persönlichkeit und politische Thätig- keit derselben, je nach der Dürftigkeit oder Ausgiebig- keit der Quellen, im letzteren Falle sogar manchmal in etwas zu weitem Umfange zur Darstellung gebracht worden. Und so werden nicht nur die grossartigen militärischen Operationen jenseits der Elbe und deren Wechselfälle in die Geschichte der Markgrafschaft hinein- gezogen, sondern es finden zu einem guten Theile auch die Geschicke der benachbarten westlichen Territorien eine eingehende Behandlung ; frühe genug waren ja schon die alten Marken Merseburg und Zeitz in die ungleich wichtigere Mark Meissen aufgegangen, und sowohl die Ekkehardiner als das Haus Weimar-Orlamünde war bis tief hinein nach Thüringen mit Eigengut und Lehnsbesitz ausgestattet; durch die Glieder des letzteren Geschlechts spielen dann wieder die Ungarnkämpfe Heinrichs IIL, die Streitigkeiten um die Vormundschaft und Reichs- regierung für den minderjährigen Heinrich IV. und der ganze Thüringer Zehntenstreit in die meissnischen Ver- hältnisse hinein. Mit dem Uebergange der Herrschaft an die Brunonen lösen sich zwar die Beziehungen zu

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Tliürinocn, Jaoecren tritt Meissen in iim so nähere Ver- bindungen mit der sächsischen Heimat des neuen Ge- schlechtes, die unter dem Einflüsse der dortigen Oppo- sition gegen den Kijnig Avährend des Investiturstreites um so verhängnisvollere Gestalt annehmen, und vor allem ist Markgraf Ekbert II. in seinem Ehrgeize und politi- schen ^Vankclmuth das Prototyp der fürstlichen Sonder- politik jeuer Tage. Dass er, im Kindesalter dem Vater in der Würde folgend, doch zunächst einen Vormund sich hat gefallen lassen müssen, möchten wir mit der älteren Literatur lieber aufrecht erhalten, wenn wir auch Posse beistimmen, dass es nicht der Wettiner Dedi, der Markgraf der Lausitz, gewesen, der die Vormundschaft geübt habe. Ferner genügt uns S. 178 auch die Autorität des sächsischen Parteigängers Bruno nicht, um, wie hier geschieht, Ekbert für ganz schuldlos am ersten sächsischen Aufstande, der ihm zuerst den Verlust der Privatgüter und bei weiterem offenen Kampfe auch die Achtserklä- rung und die Aberkennung der Mark brachte, zu halten; die zwei Seiten früher begegnende Berufung auf die An- nalen Laraberts für jene Annahme beruht auf einem Ver- sehen in den Citaten. Gesicherter erscheinen uns dagegen durch Posses Untersuchungen die Termine für den Rück- tritt Ekberts zur königlichen Partei und für die Wieder- erlangung der Mark. Aus den weiteren sich wiederholenden Aufstandsversuchen, Verurtheilungen, Wiederaussöhnungen und Kämpfen, die bis zur Bewerbung um die Königs- krone führen , möchten wir nur darauf aufmerksam machen, dass es nicht ganz gerathen scheint, dem Chronisten Bernold in der Annahme zAveier Niederlagen Heinrichs IV. im Jahre 1088 und 1089, in denen er die Reichsinsignien an Ekbert verloren hätte, zu folgen; der Berichterstatter macht sicherlich wohl aus einem Vorgange zwei getrennte Erzählimgen. Der letzte endgültige Pro- zess gegen Ekbert Avar es, der das Haus Wettin in die Meissener Herrschaft einführte, wofür der neue Markgraf Heinrich freilich die Lausitz in die Hände Wipreclits vf)n Groitsch übergehen lassen musste, vielleicht, wie Posse wahrscheinlich macht, mit Rücksicht auf den Schwieger- vater des letzteren, den Böhmenkönig, der, mehrfacli vom Kaiser mit Ekberts Amt bedacht, jetzt mit umfassenderen Ansprüchen zurücktrat.

Im Eingange des vierten Abschnittes spricht sich der Verfasser natürlich über die Vorgeschichte des Wet-

Neues Archiv f. S. (1. u. A. 11. ,4.

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tinisclien Hauses aus. Er überschreitet erfreuliclier Weise in seinen Annahmen über die Anfänge desselben nicht die Grenze des durch die Thietniar'sche Chronik und den Annahsta Saxo Verbürgten; die vielfachen weitgehenden und widerstreitenden Hypothesen über diesen Punkt werden vor allem in Anmerkungen resümiert und zurück- gewiesen. So sieht er davon ab, aus der Bemerkung Thietmars, dass die Wettiner einer „tribus Buzici'' ent- stammten, weitere Schlüsse zu ziehen, scheint aber ge- neigt zu sein, ,^tribus" eher als Bezeichnung für Geschlecht als im localen Sinne aufzufassen. Referent theilt diese Ansicht nicht ganz, es will ihn dünken, „tribus^' sei eher als Namen eines Volksstammes aufzufassen, der all- mählich sich auf eine Gegend oder Landschaft übertragen hat, und sollte dieser Name wirklich slavischen Ursprungs sein, so stimmen wir Posse doch entschieden in der An- nahme bei, dass die Träger desselben von Haus aus Deutsche gewesen sind. Posse vervollständigt und ver- tieft mit Geschick an der Hand der von den Urkunden gebotenen Ortsnamen den bereits von O, v. Heinemann in die Hand genommenen Beweis, dass das wettinische Haus reiche Eigengüter und mehrere Komitate im nordthü- ringischen Schwabengau innegehabt habe und führt dann endlich, unseres Wissens nach zuerst, die aus dem Sachsen- spiegel und aus den den Satzungen desselben entsprechenden Thatsachen gewonnenen Argumente für die schwäbische Herkunft des Geschlechtes ins Feld; weniger im Einklänge mit dem bisherigen vorsichtigen Vorgehen steht an dieser Stelle freilich der sehr hypothetische Rückblick in die Zeiten der grossen germanischen Völkerbewegung. Von hier aus wird alsdann, soweit es die spärlich fliessenden Quellen gestatten, der allmählichen Ausdehnung der wet- tinischen Hausmacht bis zum Eingreifen in die Meissener Verhältnisse nachgegangen ; an diesem Ziele angelangt greift nach Schilderung der kurzen Regierung Heinrichs I. die Darstellung wieder auf frühere Jahrhunderte zurück, um uns mit den Schicksalen der Vorfahren Wiprechts II. von Groitzsch vertraut zu machen, der in der Reichs- geschichte des ausgehenden elften und beginnenden zwölften Jahrhunderts eine grosse Rolle spielte und auch für kurze Zeit die bereits als wettinisches Erbe geltende Mark gewann, als mit Heinrich II. schon die neue Regentenfamilie im direkten Mannesstamme er- losch. Ein ziemlich in Details eingehender Ueberblick

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über die Kämpfe Heiuriclis V. mit der Kirche und den sächsischen Fürsten, die zum Tlieil an den Streit um die Orlamünder Erbschaft in Tliüringen anknüpften, schiebt sich etwas fremdartig in die Ilauptdarstelluug ein; docli sind diese Erörterungen durchaus erwünsclit, um die Stellung des Kaisers und der Fürsten zu einander zu charakterisieren; freilich sclieint der Verfasser, wenn er auch die von letzteren erhobenen Ansprüche auf ßerück- sichtio'uno- der weiblichen Linien bei Heimfällen von Reichslehen verwirft , doch dem Königthume für sem Festhalten an dem freien Verfügungsreclite gegen die ge- wohnheitsmässig ausgebildete Forderung einer Succession der nächsten männlichen Verwandten, die Schuld an diesen heillosen Wirren mehr als billig beizumessen. Der Unter- stützung des Führers der sächsischen und fürstlichen Oppo- sition, des nachmaligen Kaisers Lothar III., liatte es Konrad von ^^'ettin, später „der Grosse" genannt, der im dritten Gliede mit Heinrich II. von einem gemeinschaft- lichen Stammvater abstammte, zu danken, dass er in den Besitz der Mark Meissen gelangte und sich daselbst mit Ehren behaupten konnte; seitdem ist die Verbindung dieses Landes mit jenem Fürstengeschlechte nicht unter- brochen worden. In der bei letzterer Gelegenheit behan- delten Frage, ob die Winzenburger in einer Verbindung mit der Mark Meissen gestanden hätten, kann man sich nur mit auf den verneinenden Standpunkt Posses gegen die Angaben der Pegauer Annalen stellen; dagegen ist jenem Fürstenhause nach dem siclierlich gut unterrichteten Chronicon Sampetrinum eine Markgrafschaft in thüringisch- sächsischen Gebieten nicht abzuspreelien, und vielleicht könnte sein Herrschaftsgebiet in die alten Marken Zeitz und IMerseburg zu legen sein, da die Naclii'olge der Wiprechtiner auf die bisher daselbst waltenden Stader Grafen auch nur in das Bereich der Vermuthungen ge- hört. — Den Schluss des Ganzen bildet ein uns recht zusagender Ueberblick über die innere Verfassung und die Kulturzustände des Markgebietes; es ist hier alles, was sich aus den dürftigen Quellen ermitteln Hess, zu einem wenn auch weder farbenreichen noch in allen seinen Tlieilen gleichmässig ausgeführten, aber für den Kenner höchst beachtenswerthen Bilde gruppiert.

Nur um den Zusammenhang des bisher besprochenen Textes nicht zu stören, ist die Erörterung melirerer an sich bedeutsamer und für die vorausgeiiende Untersuchung

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höchst wiclitiger Fragen in die Excurse verwiesen worden; oben an stehen hier die von Posse mit gutem Erfolge miternommenen Versuche, die Organisation des der Mark entsprechenden Bisthums, die wie überall so auch hier auf die politische Gestaltung des Landes tiefgreifenden Einfluss übte; festzustellen. Die Verfolgung dieses Gegenstandes muss sich aus Mangel an geeignetem, von Meissen selbst aus gebotenem Material zum grösseren Theile auf eine Keihe von auswärts gewonnener Grundlagen stützen, die insofern zu erwünschten Resultaten führen, als die Ent- wicklung des Stiftes Meissen einmal mit der unter so grossen, Schwierigkeiten durchgeführten Erriclitung des Erzbisthumes Magdeburg und sodann mit den besonders eigenthümlichen Schicksalen des Merseburger Bisthumes von den ersten Anfängen an in innigstem Zusammenhange stand. Es ist in dieser Beziehuno^^ die bald nach der Gründung (981) durch die Staatsgewalt wieder erfolgte Aufhebung letzterer Stiftung, mit der eine Auftheilung des Sprengeis an das Metropolitanstift, an Halberstadt und die beiden anderen SuÖragane des ersteren verbunden war und gegen die sich in der Kirche eine gewaltige Bewegung erheben musste. Mit der nach Jahrzehnten hierauf durchgeführten Wiederherstellung war indess der alte Besitzstand nicht wieder völlig erreicht worden, und so haben denn die dortigen Kirchenfürsten lange Zeit für die Erreichung dieses Zieles gestritten, doch ohne zu einem völlig befriedigenden Abschlüsse zu gelangen; nicht nur blieb gegen dieselben Meissen im V ortheil in dem ihm bei der Theilung zugewiesenen Gebiete, es gelang ihm vielmehr auch, den Magdeburg einst zugefallenen Beutetheil an sich zu ziehen und schliesslich die Grenzen seiner geistlichen Jurisdiction bis zum Bober und zur Oder auszudehnen. Freilich ist es Posse bei all seinen gründlichen und methodischen historisch -geographischen Forschungen nicht möglich geworden, einen genaueren Zeitpunkt und bestimmte Verhältnisse für diese Um- wälzungen zu ermitteln; aus seinen Erörterungen ge- winnen wir nur das dankenswerthe Resultat, dass die erhebliche Erweiterung der Bisthumsgrenzen mehr auf dem Wege der Gewalt als des Rechtes gegen Ende des elften Jahrhunderts vor sich gegangen ist imd dass man, um anscheinend rechtliche Grundlagen für die er- hobenen Ansprüche und deren Behauptung zu beschaffen, ganze Urkundenscrien gefälscht hat. An der Hand der

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hier g-ewonnencu Hilfsmittel und anderer Materialien, die uns in einem späteren Excurse nach gehöriger Prüfung und Sichtung mitgetheilt werden, unternimmt es Posse nun, die alten Grenzen der für die historische Entwick- lung Sachsens in Betracht kommenden Gaue Chutizi, Siusili, Daleminci, Nisani, Lusizi und Milzeni zu rekon- struieren, und mit Ausnahme einiger Stellen in den östlich gelegenen Gebieten, an denen man sich auch fernerhin stets mit Vermuthungen begnügen wird, müssen die ge- zogenen Scheidelinien als wohl beglaubigt anerkannt werden. Wie eben bemerkt, wäre die Durchführung dieser Aufgabe nicht möglich gewesen ohne Heranziehung der im letzten Excurse neu eröft'neten Quelle: der in dem ent- sprechenden Bande des Codex diplomaticus noch nicht zur Publikation gelangten Matrikel des Bisthums Meissen ; obwohl zum grösseren Theile nur in späteren Ueberliefe- rungen erhalten, lässt sich Umfang und Inhalt einer in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts entstandenen Re- daktion erkennen, und mit richtigem Tacte ist Posse bei Verwerthung derselben niclit mechanisch, sondern unter steter Berücksichtigung der natürlichen geographischen Verhältnisse vorgegangen. Eine Gaukarte iur Thüringen und Meissen in nicht allzu kleinem Umfange unterstützt bildlich die nicht immer leichte Verfolgung der historisch- geographischen Fragen, wie auch die wechselvollen Be- ziehungen der Bisthumsgebiete auf der Grenzscheide des zehnten und elften Jahrhunderts durch eine Mehrzahl kleinerer Karten erläutert werden und wie ferner die Beziehungen der Wettiner zu den Grafschuftsverhält- nissen im Schwaben- und Hassegau eine graphische Dar- stellung finden; in ähnlicher Weise ist auch das Ver- ständnis der recht verwickelten verwandtschaftlichen Be- ziehungen der markgräflichen Familien durch vier Stamm- tafeln erleichtert, und für die bequemere Handhabung und Ausnutzune- des manniofaltioen Inhaltes durch ein ein- gehendes umfängliches Register und eine dem Ganzen vorausgehende Inhaltsübersicht Sorge getragen.

Ohne uns in weitere Erörterung von Einzelheiten, die uns an dem vorliegenden Werke nicht völlig zusagen, einzulassen, können wir von demselben nicht scheiden, ohne es im Ganzen als eine werthvoUe Bereicherung unserer historischen Literatur zu bezeichnen; neben den er- wünschten Beiträgen, welche die allgemeine Keichsgcschichte des zehnten bis zwölften Jahrhunderts nach den ver-

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schieden sten Seiten aus ihm entnehmen kann, müssen in erster Linie alle, die sich mit der geschichtlichen Aus- vmd Weiterbildmig" der sächsischen Landes- und Fürsten- macht wissenschaftlich beschäftigen, Posse dankbar sein für die Beschaifung dieser umfassenden und den An- sprüchen der Neuzeit Rechnvmg tragenden Grundlage Einem gleichen Gefühle möchte der Unterzeichnete nicht unterlassen Ausdruck zu geben, insofern auch viele die einzelnen Theile der preussischen Provinz Sachsen be- rührende Forschungen eine ansehnliche Förderung und Anregung durch die neue Publikation erfahren haben. Halle a. S. W. Seh um.

Acten der Erfurter Universität, bearbeitet von Dr. J. C. Her- mann Weissenboru. I. Theil. Halle, 0. Hendel. 1881. 4«. XXVII, 442 SS. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Achter Band).

Die Universität Erfurt, die fünfte in der Reihe der deutschen Universitäten, verdankt ihre Entstehung nicht wie ihre Voi'gängerinnen und Nachfolgerinnen fürstlicher Initiative, sondern der eigenen EntSchliessung einer Stadt- gemeinde, die sich politisch im Laufe der Zeiten eine ge- achtete Stellung und grossen Einfluss zu erwerben ge- wusst hatte. Im Besitz zahlreicher Kirchen, Kapellen, Klöster, Schulen, überhaupt Bildungsanstalten, ragte Er- furt aber auch in geistiger Beziehung vor andern deutschen Städten hervor, und schon am Ende des dreizehnten Jahr- hunderts wird uns von 1000 Scholaren berichtet, die in Erfurt verweilten, um sich vorzugsweise zur Erlangung- höherer geistlicher Würden vorzubereiten.

Ein Jahrhundert später und zwar nach Beendigung der im Jahre 1373 ausgebrochenen Kämpfe wegen der Mainzer Bischofswahl, dachte nun die Stadt daran, die innerhalb ihrer Mauern bestehenden geistlichen Studien zu einem Studium generale, zu einer universitas litterarum zu vereinigen, wozu nach damaligen Anschauungen vor allem die päpstliche Bestätigung erforderlich war. Der Beginn des grossen Kirchenschismas im Jahre 1378 ver- zögerte jedoch das Inkrafttreten des Unternehmens. Der Erfurter Rath wandte sich, um seine Wünsche erfüllt zu sehen, an den von den französischen Kardinälen erwählten, zu Avignon residierenden Gegenpapst Clemens VII., der denn auch am 16. September und 1. Oktober 1379 (seines ersten Pontifikatsjahres) von Avignon aus zwei huldvolle

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Schreiben an „die (geliebten Söhne, obersten liathsmeister, Rathsmeister und Bürger der Stadt Erfurt" richtete, in welchen das „Studium generale" konfirmiert und der Erz- bischof von Mainz, beziehentlich der Dcchant und das Kapitel des Marienstiftes mit der Ueberwachung der Pro- motionen betraut wurden. Immerhin dauerte es noch, hauptsäcldich eben wegen der kirchlichen Zwistigkeiten, bis zum Jahre 1392, ehe die wirkliche Eröffnung der Universität vor sich ging, nachdem inzwischen der in ganz Deutschtand anerkannte römische Papst Urban VI. am 4. Mai 1389 eine zAveite Stiftungsbulle und sein Nach- folger Bonifacius IX. am 15. April 1390 zwei Bullen, die Kompetenzstreitigkeiten betrafen, erlassen hatten. Am 29. April 1392 wurde dann die Universität eröÖ'net und erst von diesem Datum an wird ihr Bestehen gerechnet.

Längere Zeit war sie die einzige Universität im weiteren Umkreise, und ihre höchste Blüte fiel auch gleich in das erste Jahrhundert ihres Bestehens, in die Zeit des Humanismus. Dann sank sie zwar schnell von ihrer HöIie herab, erhielt sich jedoch noch Jahrhunderte hindurch, bis sie endlich im Jahre 1816 aufgehoben wurde. Mit Ausnahme der Blütezeit, die bekanntlich in Kampschulte einen trefflichen Bearbeiter gefunden hat, ist der Geschichte der Erfurter Universität bis jetzt nur wenig Aufmerksamkeit zugewandt worden, hauptsächlich wohl deshalb, weil es noch an einer kritischen Sammlung und Ausgabe des urkundlichen, überhaupt Aktenmate- riales mangelte. Es ist daher der historischen Kommission der Provinz Sachsen, welcher wir schon so manche werth- volle Quellenpublikation verdanken, als grosses Verdienst anzurechnen, dass sie in dem neuesten Bande der von ihr herausgegebenen Geschichtsquellen den Anfang zu einer Veröffentlichung der Akten der Erfurter Universität gemacht und die Bearbeitung derselben dem tüchtigsten und gründlichsten Kenner der Erfurter Gelehrtengeschichte, Hermann Weissenborn, übertragen hat.

Der Haupttheil der Arbeit besteht in der zum ersten- mal veröffentlichten Matrikel der Rektoren, die zunächst die Immatrikulationen in den einzelnen Rektoraten während der ersten 215 Jahre, also von 1392 bis 1607, nebst den Einleitungen zu jedem Rektorate enthalten soll und uni- fasst der vorliegende Theil nur die Immatrikulationen der ersten 100 Jahre mit 197 Rektoraten. Au der Spitze des ganzen Werkes stehen die beiden päpstlichen Stiftimgs-

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bullen vom 16. September 1379 und 4. Mai 1389, die eine nach dem im königliclien Staatsarchiv zu Magde- burg befindlichen Original und schon früher von Motsch- mann in seiner „Erfordia litterata" abgedruckt, die andere nach einer ebenfalls im Magdeburger Staatsarchiv vor- handenen vidimierten Abschrift des nicht mehr existierenden Originals. Diesen folgen die ältesten nocli vorhandenen Statuten der Universität vom Jahre 1447, die bis 1665 in Kraft blieben, gleichfalls von Motschmann schon früher abgedruckt. Den ältesten Entwurf der Universitätsstatuten, der schon vor Gründung der Universität abgefasst sein soll, fand Weissenborn noch nachträglich im Staatsarchiv zu Magdeburg auf, und wird dieser im zweiten Theile an der Spitze der Fakultätsstatuten zum Abdruck ge- langen. Den Statuten schliesst sich dann die Matrikel an.

Wenn wir nun erwägen, dass wir bis jetzt nur von sehr wenigen deutschen Universitäten gedruckte Matrikeln oder Studenten Verzeichnisse besitzen, wenn wir erwägen welch grosse Bedeutung dieselben nicht blos für die Genealogie, die Familien-, die Gelehrtengeschichte, sondern auch für die politische und Kulturgeschichte haben, so müssen wir Weissenborns Ausgabe doppelt willkommen heissen, ganz besonders aber auch deshalb, weil sie mit ausserordentlicher Sorgfalt gearbeitet ist und unbedenk- lich als Muster für derartige Publikationen hingestellt werden kann. Von hohem Werthe sind auch die künst- lerischen Beigaben dazu; sie bestehen in vier in Bunt- druck ausgeführten Facsimiles von Wappen der Rektoren, wie solche im Codex A der Matrikel in nicht unbeträcht- licher Zahl enthalten und oft meisterhaft dargestellt sind. Hier sind die Wappen des 152. Rektors Günther Mdvvitz, des 153. Rektors Heinrich Reuss von Plauen, des 155. Rektors Johannes Rode und des 197. Rektors Symon Volzke wiedergegeben.

Benutzbar wird freilich der veröffentlichte erste Band erst dann sein können, wenn ein Register, zu dem der Herausgeber auch bereits im Vorwort den Plan entworfen hat, wonach er dasselbe sehr ausführlich zu bearbeiten gedenkt, vorliegt; wir wollen daher hoffen und wünschen, dass Weissenborn uns baldigst mit der Fortsetzung seines so trefflich begonnenen Werkes erfreuen möge.

Leipzig. Bruno St übel.

Literatur. 345

Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur Sächsisch -Thüringischen Geschichte und

Alterthumskunde.

Berndt, Moritz. Dresdner Zustände in den Jahren IS 15 bis 1830: Grenzboteu No. 37. S. 442-457.

Beyer, C. Wilhelm v. Brauniüller und Heinrich v. Cotta. Zwei Thüringer Cliarakterköpfe. Wien, Braumüller. 1881. 8». VI, 162 SS.

V. Criegern. Eine kunsto;eschiclitliche Wanderung durch Sachsen: A\'issenschaf'tl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1881. No. 71.

Distel, Th. Die messingene Gerichtshand zu Geising: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1881. No. 8. Sp. 237.

Friesen, Freiherr v. Erinnerungen aus meinem Leben. 2. Auflage. Dresden, Wilhelm Baensch. 1881. 8". XXIV, 675 SS.

Gläsel, Joh. Heinrich. Mark-Neukirchen und seine Zu- stände in der Zeit von 1804 bis 1812. Eine kultur- historische Skizze. Plauen, F. E. Neupertf. 1882. 8". 212 SS.

Gurlitt, Cornelius. Das Schloss zu Meissen. Eine kunst- geschichtliche Studie. Dresden, Gilbers. 1881. 8". 44 SS.

Herrmann, Ernst. Sächsisch-polnische Beziehungen wäh- rend des siebenjährigen Krieges zum russischen Hof und insbesondere zum Grosskanzler Bestuchew. Preus- sische Jahrbücher. Bd. 47. S. 558— .589 u. Bd. 48. S. 1—23.

Kolde, Th. Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation. Eine kirchenhistorische Skizze mit archi- valischen Beilagen. Erlangen, Deichert. 1881. 8°. III, 75 SS.

Leonhardi, J. Leipzig im Jahre 1789. Aus den Briefen eines russischen Reisenden: Im neuen Reich. 1881. No. 34. S. 285—295.

Mühlmann, Felix. Beiträge zur Geschichte des Klosters und der Stadt Riesa. Riesa, Langer u. Winterlich. 1881. 8». IV, 48 SS.

Mitzschke, Paul. Naumburger Inschriften. Gesammelt

346 Literatur.

und erläutert. Naumburg a. S., Jul. üonirich. 1881. 8«. 488 SS. ^

Mitzschke, Paul. Ein Mihlacr Dichter (Ernst Christoph Homburg): Sonntagsblatt der Eisenacher Zeitung. 1881. No. 26.

Richter, A. Dass Schloss Lichtenberg und seine nächste Umgebung. Vergangenheit und Gegenwart nach Ur- kunden und Traditionen zusammengestellt. Mit Titel- bild. Prettin a. Elbe, Heinr. Schmidt. 1881. 8°. 94 SS.

Riemer, W. Das Schloss Hubertusburg sonst und jetzt. Eine monographische Skizze. Mit einer lithographierten Ansicht aus der Vogelperspective. Oschatz, F. Oertel. 1881. 8°. V, 55 SS.

Rüge, S. Geschichte der sächsischen Kartographie im 16. Jahrhundert (Forts.) : Kettlers Zeitschrift für wissen- schaftliche Geographie. Bd. II. S. 143—145.

Schmidt, Gustav. Urkundenbuch des Collegiat-Stiftes St. Bonifacii und St. Pauli in Halberstadt. Herausgegeben von der historischen Kommission der Provinz Sachsen. Nebst sechs Siegeltafeln und zwei Holzschnitten. Hallc; O. Hendel. 1881. 8". XXXI, 630 SS. (Geschichts- quellen der Provinz Sachsen Bd. XIII).

Schulze, Herm. Die sächsischen Hausgesetze. Herausge- geben und eingeleitet. Jena, Fischer. 1881. 8". 317 SS. (A. u. d. T. Die Hausgesetze der regierenden Fürsten- häuser. Bd. III. Abth. 1.)

Spiess, H. Zur Geschichte des Hauses Henneberg: Zeit- schrift für preussisclie Geschichte und Landeskunde. Jahrgang XVHI (1881). S. 379-386.

Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthumshunde. Neue Folge. Zweiter Band. Heft 3. Jena, G. Fischer. 1881. 8".

Inhalt: Richter, Eine Jenaer Stadtordnung aus dem Ifi.

Jahrhundert. Richter, Teil einer Selbstbiographie Adrian Beiers.

Blunischeii), Wiprecht von Groitzsch. Literarische Mittheilungen.

Martin, Jenaische Urkunden. Kolde, Ein Brief des Job. Stigel über

die Anfänge der Universität Jena. AnemüUer, Ein Brief von Nie.

Selnekker.

K e g i s t e r.

Adolf, Herzog von Cleve 103.

112. Agnes, Herzogin v. Scliweidnitz

57. 63. Albi (Wishemiil), Franz. Mönch

zu Altzelle 21)3 ff.

Johann, Altarist zu Chemnitz 293 m

Albrecht III., Herzog v. Bayern- München 30.

(d. Beherzte), Hzg. v. Sachsen 2 ff. 209. 226. 229 ff. 283 f.

IL, König 207. 211.

(Achilles), Mkgr. v. Branden- burg 2. 19 ff. 43. 47 f.

Alexander , Kaiser v. Russland

242 f. 249. Alexius, Hans, Rathmann und

Bleichrichter zu Chemnitz 306.

310. Altchemnitz bei Chemnitz 311. Altdresden 276 f. 283. .\ltenbnrg 68 ff. 295. s. Kilian,

Schurzauf. Altfehr 150. Altzelle 13. 231. Abt: Antonius

307 f. Mönch s. Albi. Anklam 149.

V. Arnim, preuss. General 148. Arnold, Hans, Rathmann zu

Chemnitz 306.

Mattis 309. Arnshaug 116.

Aster, Oberstlieutenant 249. August II. u. III. V. Polen s.

Friedrich August. Auguste, Prinzcss (T. Kg. Friedr.

Aug. I.) 238. Auhrow 26. Auma 116. Aussig, Schlacht bei 203.

Bachmann, Paul, Rathmann zu

Chemnitz 304 f. Baden 20. s. Louis. Baiersdorf 28.

Balthasar Pleban zu Chemnitz 28. Barby, Herrschaft 242. V. Barnstein, Span 28. Basel 66. Bautzen 53. 61. 63. 202. 211. 216.

219. 222. 225. 227 f. Bawmgarth s. Chemnitz. Bayern 19. 26. 80 ff.

s. Albrecht, Ludwig, Otto, Sigis- mund.

Bayreuth, Markgräfin v. 161.

Beauharnais s. Eugen.

Becker, Nicolaus, Rathmann zu Chemnitz 306.

Beger, Israel, Lehrer zu Frei- berg 256.

Beichlingen, Grafen von 122.

Beiger, Nicolaus, de Dresden 303.

de Bellegarde, Graf Claude-Marie 178.

Graf, General 324 f.

V. Benkendorff, General 325. Bensen in Böhmen 199 f. 204. 2('9. V. Bergow u. v. Trosk, Joh. 209. Berka bei Weimar 105. Berka von der Duba 193 ff.

(a. Linie Hohnstein). Heinrich I. (Hinko, Hoinke,

Hynek, Gindrzich) 194 f. 217.

Heinrich, s. Bruder 194 f. Heinrich II., Landvogt der

Niederlausitz, Oborstland-

richter in Böhmen u. s. \v.

195—199. 217 f. Hinko auf Leipa, s. Bruder

195. 217 f. Else, dessen Witwe 197.

348

Kegister.

Berka von der Duba.

(■«. Linie Hohnstein) .

Hiuko Hlawatsch auf Leipa, dessen Sohn, Laiidvogt der Oberlausitz 195. 197. 201.

Heinrich III. 198 201.

204—209. 215. 218.

Barbara, s. Gem. 208 f.

Ileinke d. J. auf Wilden-

steiu. S.Bruder 198—203. 209 f.

218. Benesch auf Hohnstein, s.

Bruder 198. 200.

Johann auf Kreibitz, s. Bru- der 200. 215. 218.

Nicolaus, s. Bruder 209.

Anna (v. Kolowrat) , s.

SehM-ester 209. Heinrich IV. auf Mühlberg

209.

(h. Linie Wildenstein). Heinrich I. 199 f.

Heinrich 11. d. Ä. 203—206.

210 f.

Benes 205 f. 210 f.

Albrecht 205-215. 218-234.

Anna (v. Donin), s. Gem.

211. 219.

Benesch, s. Sohn 232.

Christoph, s. Sohn 233.

(c. Linie Mühlstein). Gindrzich 205.

Heinrich d. J., s. Br. 224.

Heinrich auf Leipa 221.

223 f.

(cl. Linie Hauska). Sbinco 224.

Jaroslaus, auf Leipa 233.

Czenko 200.

Berlspach, die, bei Chemnitz 301.

ßernhardi, Sam., Rector zu Mitt- weida 251.

Bernstadt 59.

V. Bernstein, Waltzk 41.

Berthelsdorf a. Queiss s. Eberhard.

Berthier, französ. Marschall 244.

Besauval, Baron, franz. Gesandter 161.

V. d. Beseiiicz, Otto 65.

Beyer, Casp. , Bürgermeister zu Chemnitz 306.

V. Biberstein, Herren, auf Fried- land u. Hammerstein 211. 219.

Friedrich auf Friedl. u. Forst 211.

V. Biberstein, Hans auf Friedland 197.

Ulrich auf Friedland 197. auf Friedl. u. Forst 211.

Wenzel auf Friedl. u. Forst211. Bibra s. Ebersdorf.

Billich, Paul, Rathmann zu Chem- nitz 306. Birke, Christoph 210.

Georg 209 f.

Ursula, s. Frau 210.

Steffan 209 f. Bischofswerda 207. Blankenstein, Herrschaft, in

Böhmen 212. 235. Blomberg 109. V. Blücher, General 242. Bodo, Domdechant zu Merseburg

297. Böhmen 1 ff. 99 ff. 193 fi'. 201 ff.

s. Johann, ^Vladislaus! Bohmisch-Zwickau 224. Bonn 120. de Borch, Petrus, Domherr in

Gran (Strigonium ?) 297. Böse , Christoph Dietrich , Geh.

Rath u. Kammerdirektor 315.

317. V. Boskowitz, Jeschko 100. Boumgarte, Mattis, Rathmann zu

Chemnitz 306. Boxdorf bei Dresden 287. Brakel 108. Brandenburg 1—4. 15. 24. 20. 30 f.

56 f. s. a. Albrecht, Friedrich,

Johann, Otto. Braunschweig s. Heinr., Wilhelm. Brendel, russ. Oberst 239. Breslau 29. 40 f. 43. 53. 61. 127.

219 ft'. s. Rudolf. Breslauer, Dr. Johann 22. 37. 41 f. Brieg 61.

Briessnitz bei Dresden 245. de Brosses, Claude, Oberst 138.

141 f. Brühl, Graf 167. V. Bünau, Heinrich, kurf. Vogt

auf Hohnstein 214. Burgund 1. 29. s. Karl. Bursarius, Ambrosius, v. Dobrikur

219. Butener, Otto 58. Buttelstedt 105.

Cadan 11.

Register.

349

V. Capistraiio, Johannes 8.

Caspar, Abt s. Chemnitz.

Castell-Remliugen, Graf, General- major 147. 151.

Caulincourt, Herzog v. Vicenza, franz. Oberstallmstr. 244—247.

Cerdo, Niclaus, zu Chemnitz 296.

Cette 17G.

Chambord 178.

Chemnitz .SG. 38. 2'.*0 ff.

Rath 294. 299. .S04— 30<).

Bürgermstr. s. Beyer, Friczko, Lindau, Melzer.

Vogt s. Swertfeger.

Schöffen 294. 306.

Städtschreiber s. Franko.

Schulmeister s. Schultheis.

Bleiche, Bleichgericht 293-296. 299. 310.

Mühleu (Pfortenmühle) 294.

296. 303. 310.

uff den steingruben 304.

Langegasse 309.

Sweinanger 309.

valva claustralis 301.

Armenhaus (conventus) 302. 308.

leprosarium 302. 308.

Hospital und Altäre darin 294.

297. 307.

Jacobikirche und Altäre etc. 294 f. 297. 300—307.

Johanniskirche u. Altäre 304. 307 f.

Nicolaikirche 301.

Benedictinerkloster 294. 307. .309—311.

Aebte: Caspar 307—309. Heinrich298. 311. Hilarius 311. Johannes 310. Ulrich 295. Prioreu: Hamel, Johann 311. Kopperling, Johann 311. Con- veutualeu : Bawmgarth, Steph. 311. Kogeler, Nicolaus 311. Rudnitz, Luppoldus de 297. Vogt, Job. 311. Trapschuch Steph. 311.

Archidiaconat 297 f.

üfticial des Abts : Theodoricus 298.

Chlumec 209.

V. Chlumec, Berka 103.

Christiua, T.. des Kurt. Ernst v.

Sachsen 44. Cleve s. Adolf, Johann.

Cluverus, Phil. 256 f.

V. Colditz, All)recht 209.

Conradus, vicar. perpet. zu Chem- nitz 301. 303.

Coppet bei Genf I.SO.

Cossell, Gräfin A. C. 132. 102 f. 172. 179.

Graf 16.3.

Auguste Constantie s. Friesen. Cottbuser Kreis 242.

de Croy, Herzog 83.

Czanspil, Claus, Rathmann zu

Chemnitz 304 f. Cziudeler, Nicol., zu Chemnitz

303. Czymmermann, Caspar, Ratlimann

zu Chemnitz .304—306.

Dänemark 135—152. s. Friedrich. V. Dambno, Jacob, poln. Kanzler

46 f. Davoust, französ. Marschall 240 f. Demotika 136. Detmold 109. Deutscher Orden 46. Dewin in Böhmen 212. 217. 225.

229. V. Diemar, Christ 151. Dietrich, Erzbischof v. Köln

103—121. 127.

HL Bischof v. Meisseu 6. 16. 19. 33— .38. 42. 45. 210.

Dittersbach bei Stolp'en 36. Dönhoff, Gräün 160 f. Dohna, Alexander, Graf 130. V. Dohna (Donin), Anna s. Berka von der Duba.

Friedrich, auf Wildenstein 99. 125.

Nicolaus auf Grafenstein 213.

Wentsch,aufGrafenst. 21 1-213. 219. 233.

Dohnasclie Fehde 198. Dülgoruki, Fürst, russ. Gesandter

in Kopenhagen 143. Dresden 36 ff. 44. 61. 89 f. 133 f.

137. 160 f. 165 ff. 170 ff. 198.

201. 204 ff. 238 ff. 273 ff. Dücker, schwed. General 148. 152.

Eberhard, Georg, auf Berthelsdorf a. Queiss 235.

Ebersdorf, Nicol., Canon, in Bibra u. Zscheila, Altarist in Chem- nitz 294. 301.

350

Register.

V. Eberstädt, Gottfried Leberecht Janus, General ]">7. 166.

Eckart,Nickil, Rathniann zu Chem- nitz 304—306.

Paul, Rathmann (Schöffe) zu Chemnitz .304—306.

Eczel, Vincenz, Bürgermeister zu

Görlitz 62. Egerßl. 101. 116. 124. 127. 215. Egerland 34.

Ehrenberg in Böhmen 23.5. Ehrenberg, Laur., Stailtschreiber

in Görlitz 66. V. Eibau (Yba), Benedikt 21S.

Wenzel 218. Eichsfeld 107.

V. Eichstädt, Generalmajor 147.

Eimbeck 104. 107 f.

V. Einsiedel, Heinrich 6.

Johst 101.

Graf Detlev, Cabiuetsrain. 249.

Graf Georg, sächs. Gesandter in Paris 245 f. 249.

Elbogen 11.

Elisabeth, T. Kf. Friedr. Aug. II.

239. am Ende, Chrph., Magister 251 ff.

Paulus 301.

Petrus .301. England 131 f. 143 ff.

Erfurt 5 f. 17. 19. 22. 24. 26 f. 98. 101 f. 105. 122 f.

Ernst, Kurfürst von Saclisen 2 ff. 209. 226. 229 ff.

V. Ertmarsdorff, Nicol., Archidia- con 72 f.

Eschdorf 36.

Esterhazy, Fürst P. , österr. Ge- sandter 240.

Eugen (Beauharnais), Vicekönig s. Italien.

Falkenberg, Schloss (Westf.) 109.

Ferrara, s. Rovarella.

Flemming, Feldmarscliall 134 ff.

Franko, Johannes, Stadtschreiber in Chemnitz 294. 297.

Frankreich 29. 130 ff. 142. s. Lud- wig, Napoleon.

Franz IL, Kaiser von Oesterreich 246.

Frauenhäuser 68 ff.

Frauenstein 13. 16. 18.

Freiberg 7 ff. .36. 38. 204. 239.

Gymnasiuni 253. 255 ff.

Freiberger, Johann, Rathmann zu Chemnitz .305.

Nicol., Rathmann zu Chemnitz 305 f.

Steffan 309.

Friedrich IIL, Kaiser 6 ff. 98. 104. 220. 223.

d. J., Landgraf von Thüringen 198.

d. Strenge, Mkgr. v. Meissen 293.

d. Streitb., Kurf. von Sachsen 198. 203 f. 208. 299.

IL, Kurfürst von Sachsen 98. 102 ff. 122.

IV., König v. Dänemark 139 ff.

Pfalzgraf 19. 30 f. 34.

II., Kurfürst von Brandenburg 1 ff. 23 ff". 102. 220.

Sohn des vorigen 44.

Erzbischof von Magdeburg 98.

Bischof von Merseburg 296. Friedrich August L, Kurf. von

Sachsen 1.30 ff. 317 ff. IL, Kurf V. Sachsen 159 ff'.

167 ff. 322 ff. III., Kurf., dann (I.) König

von Sachsen 237 ff. 324 ff. Friedrich Christian, Kurprinz von

Sachsen 167. Friedrich Wilhelm I., König von

Preussen 147 f. IIL, König von Preussen

242 f. 248. V. Friesen, Familie 129 ff.

Heinrich, Geheimrathsdirektor 130.

Heinr. August, Graf 166. 175 ff.

Heinrich Friedr., Graf 129 ff".

Auguste Constantie, des vor. Gemahlin (geb. Cossell) 163 ff.

Joh. Friedr. Ernst, auf Rötha 179.

Julius Heinrich, Graf 130 f.

J. G, F., Oberkammerherr 237 ff. Friczko, Heinr., Bürgermeister u.

Rathmann zu Chemnitz .304 306.

Fritzsche, Chrn., Lehrer zu Frei- berg 256 ff.

Frowinus 297.

Fuenclara, Graf, span. Gesandter 170.

Fürstenberg, A. E., P'ürst, Statt- halter 134. 319.

Register.

351

Gadebusch 1?.5.

üarnistorf, Nicol., llathmaiin zu

Chemnitz SOG. Geier 38. Georg, Herzog von Sachsen 283 f.

s. Podiebrad.

Propst zu Pressburg 23. Georgswalde bei Piumburg (Böhm.)

21G. V. Gersdorfl", General 249. .326. 329.

Haus 57.

^ Heinrich auf Bischdorf 60.

Jan auf Radmeritz 59.

Otto auf Radmeritz 59. Geschossregister 274 ft'. Geseke so. von Lippstadt 121. Geusing, Jeuiko 285.

de St. Giles, Marquis 165.

Glauchau 292 f.

Gleichen bei Göttingen 108.

V. Gleichen, Graf Ernst 98. 122.

Graf Ludwig 102. 122.

V. Globig, H. E., Conferenzminister

237. 2.39. V. Glogau, Jakob, s. Jacobus. Görlitz 3. 57 if. 202. 211. 218 f.

221. 227. s. Ehrenberg, Eczel,

Sleife. Göttingen 107 f. V. d. Goltz, Frhr., Feldmarschall

81 ff. 314. Gomraern, Herrschaft 242. Gorbitz bei Dresden 240. Gosdorf bei Hohnstein 200. Grabe bei Mühlhausen 105. Grabaczsch, Nicol., de Czwickaw

303. Gran: Strigonium s. Borch. Grafenstein bei Zittau 211 ff. Graupa bei Dresden 131. 179. Graupen in Böhmen 8. 18. Gregoriusfest 252. Greifswalde 149. V. Grisslau, Hans 203. Grodno 158. 160. Grohmann, Jobst 235. V. Groitsch, Heinrich 194. 216.

\Yiprecht 216. Grossgörschen,Schlacht, s. Lützen. Grosshcnnersdorf bei Zittau 226. Grossschönau bei Zittau 226. Grüngräbchen b. Köuigsbrück 179. Grünhain 38. Abt Johann 41.

V. Guben, Johann 51. Guhrau 61.

V. Guttenstein, Nid., auf Breiten-. stein 100.

Habirberger, Michel 303.

V. Hag, Franz 228.

Hainichen 251.

Hainspach bei Schluckenau 216.

Hallart, Baron 1.36.

Hamel, s. Chemnitz.

Han, Paul, zu Chemnitz 294. 310.

Harras, Ritter 122.

Hartmann, Paulus 33.

Haseloff bei Beizig 251.

Hase von Hasenburg 126.

Wilhelm 217.

V. Haugiswald, .\rnold, auf Stürza

197^ Hauschild, Job., Altarist in Chem- nitz 300. Haxthausen 133 ff. 161. 176. V. Heimburg, Gresor 28. 32. 35.

48. Heinrich, Hzg. von Braunschweig-

Grubenhagen 107.

Hzg. von Jauer 58.

Hzg. v. Münsterberg 32. 48. 228.

Abt s. Chemnitz. Heinwald, Sigm., von Königswaide

226. Helfericus, Altarist zu Chemnitz

301— .303. Heller, Claus 65.

Vincenz, auf Sercha, Bürger zu Görlitz 65.

Helmer t, ^Yolfgang, Kantor zu Mittweida 251.

Helwici, Andr., Altarist in Chem- nitz 297.

Hennersdorf bei Sebnitz 200.

v. Hennicke, Graf, Minister 166.

Herford 109 f.

Hermann, Casp., Stadtrichter zu Mittweida 252.

V. Hermsdorf, Christ. 214. 225 IV.

Hans 235.

Hertigswalde bei Sebnitz 200. Hessen 2. 20. 23. s. Ludwig. Heyczer, Peter, de Ernfredisdorf

303. Hilarius, Abt s. Cliemnitz. Hildebrandus, Friedr., Mag. 266 f. Hildesheini s. Magnus. Hilgersdorf bei Schluckenau 230. Hillebrand, Jakob, Rathmann und

Schöffe zu Chemnitz 304—306.

Register.

Hinko, Sohn Georg Pocliebrads 48. Hinterhennsdorf 200. llirschfekle bei Zittau 2.S3. 2?,5. V. Hockenborn auf Priebus 196. Hörnitz bei Zittau 226. Hofmann, Nickel., Rathraann zu

Chemnitz 304— .SOfi. Hohnstein 33. 19.S ft'.

Graf Ernst von 24.

Holan (Herrsch. Tollenstein) 217.

Holland I.SO ft".

Holst, dän. Minister 140. 145.

Holstein 135.

V. Hopfgarten, G. W., Cabinets- minister 239.

Horka 62 f.

Hörn (Lippe Detmold) 109.

Hotret, Petir, Rathmanu zu Chem- nitz 304.

V. Hoya, Johann, Graf 109. 113 f.

Hoyerswerda 3 f. 22G f.

Hoym, Adolf Magnus, Cabinets- minister 132.

Hradisch 32.

Hussiten 195. 201 f. 219. 277.

Huter. Nicol., Altarist zu Chem- nitz 300 f. 303.

V. Hburg, Wilhelm 100. 115. Immediatkommission 237 ff. Italien s. Eugen.

Jacobus (v. Glogau), Minorit 5. 45.

V. Janowitz, Dietrich 100. 115.

Jauer, Fürstenthum 33.

Jena 24.

Jessen bei Pirna 131. 179.

Jockrim bei Stolpen 198. 207.

Johann, König von Böhmen 59.

V. Görlitz 57. 61 ff. 196. 218.

Herzog von Cleve 103. 112 f.

Markgraf von Brandenburg 3.

Erzbischof von Magdeburg 19.

IV., Bischof v. Meissen 205 ff.

s. Chemnitz, Grünhain. Johann Adolf, Hzg. v. Sachsen-

Weissenfels, Feldmarschl. 167. Johann Georg II,, Kurf. v. Sachsen

130. 314. III , Kurf. v. Sachsen 77 ff.

258. 313 ff.

IV., Kurf. V. Sachsen 130.

313 ff. Johannes, Pfarrer z. Schluckenau

217.

Jüst, Markgraf von Mähren 196. 198.

Juden in der Oberlausitz 50 ff.

Judicis, Paulus, Altarist in Chem- nitz 301. 303.

Jüterbogk 35.

Juncker, Philipp 18.

V. Just, Sachs. Gesandter in Paris 247.

Kaiserswalde bei Schluckenau 214.

Kaienberg, Schlacht am 77 ff.

Kamenz 57. 235.

Kamnitz in Böhmen 200.

Kannenberger, Hans, kurf. Amt- mann auf Hohenstein u. "Wil- denstein 220.

Karl IV., Kaiser 60. 194.

XII., Kg. V. Schweden 136 ff. 145. ff

III., König von Spanien 170.

Herzog von Burgund 34. Karl Christian, Sohn Kurf. Friedr.

August II 167. Karlewicz, Hanns 285. Kasimir, König v. Polen 1. 43 ff. Katharina, Tochter des Herzogs

Wilhelm 48. Kauern bei Ronneburg 130. V. Kaunitz, Ulrich 100. Kavallerie, kursächsische 312. Kdulinec, Peter, v. Ostromer 103. Kiessdorf (Oberlausitz) 59. Kilian, Dechant zu Altenburg 73. V. Kintsch, Onophrius, auf Bnrkau

235. V. Kittlitz, Otto 02. Kleinschönau bei Zittau 228. V. Klinstein, Zawisch lüO. Knapsdorf bei Moritzburg 36. Knobelauch, Heinrich, auf Warns-

dorf und Schönau 214.

Jancko 208. 214.

Nickel 214.

Siegmund 214. Knobloch, Dam 210.

V. Kochberg, Hermann 16.

V. Köckeritz 4.

Köln, Erzbischof 19. s. Dietrich.

Domcapitel 121. Königstein 165. 198. 207. Königsbrück 165. 170. 175. 179. Körneu bei Mülilhausen 105. Kogeler s. Chemnitz. Kolbing, Sigmund 7.

Eegister.

353

V. Kolowrat, Albrecht Bezdruzicky, auf Weseritz 100. 115.

Anna, s Berka von der Dnba.

Benes, Landvogt der Oberlau- sitz 225.

Hans 126.

Heinrich, auf Liebenstein 99 f. 109 f. 115. 121.

Nicolaus 209.

Dompropst zu Prag 21. Kommotau 42. Kopperlinjr, Paul 306. Kosel hei Königsbrück 179. Kost in Böhmen 228,

V. Kostelzen, Johann 100. KoufFung, Concze .310.

Hincze 310.

Kreibitz in Böhmen 200. 215.

Kreuziger 7 ff.

Krumau 124.

Krummhennersdorf b. Stolpen 200.

Krywicz, Hennel und Meiner 310-

Kuhstall 200.

Kune, Hans, Kathmanu in Chem- nitz 304.

Kunnersdorf (Spitz-) bei Zittau 234.

bei Schluckenau 218. V. Kunwald, Pesik HO. Kurpfalz 132. s. Ludwig. Kuttenberg 110.

Ladislaus, König 220.

Lagnasco, Graf, General 161. 167.

Landau 131 f.

Landshut 20 f. 23. 47.

V. Landstein, Agnes 18.

Landus, Hieron., Erzbisch, päpstl. Legat 221 ff.

Langburkersdorf b. Stolpen.

Langeheinze 209.

V. Langenau, sächs. General 248 f

Lauban 56 f.

Laszieczewski 155 ff.

V. La^-ant s. Rudolf.

Lehmann, Superintendent in Dres- den 256.

Leipa, Stadt und Herrschaft 195. 212. 224.

Herren von 195.

Leipzig 5. 12. 17. 19. .36. 40 f. V. Leisnig, Albrecht Burggraf 293.

Georg Burggraf 20. 36. Leitmeritz 197.

Lemgo 109.

Neues Archiv f. S. G. u. A. II. 4.

Leopold I., Kaiser 131. 1.39. 14.3.

Leubing, Heinrich, Dechant zu Meissen 6. 44. 46.

V. Leubnitz, Wolfg. Adolph, Hof- rath 163.

Lichtenburg 249.

Lichtenhain bei Schandau 200.

Liebe, Tobias, Lehrer zu Frei- berg 256. 258.

Liegnitz 59. 66. s. Wenzel.

Lilienstein 194. 198.

Lindaw (Lindenaw), Casp., Rath- mann u. Bürffermstr. 306. 309.

Lippstadt 110 ff.

Lobeudau bei Schluckenau 210. 216. 230.

V. Lobkowitz, Jan 11.

Löbau 57. 196. 202. 211. 218 f. ! Löser, Familie 239.

Lössnitz 14. 307.

Löwenberg in Schlesien 54. 64.

Lohmen 194.

Lothringen 83 f.

Louis, Prinz von Baden 83.

Lublin 155 f.

Luckau 4.

Ludwig XV., Kg. V.Frankreich 1 78.

V. d. Pfalz 104.

Hz. V. Bayern 20. 25 f. 30 f. 47.

Landgraf v. Hessen 89. 102. Ludwigsdorf bei Langenwolmsdorf

(Wüstung) 197. 209. Lübben 147.

Lützen, Schlacht bei 243. 248. Lugel, Hermann 16. Luterhach, Gregor, Altarist in

Chemnitz 3 1. 303. Lutharst (?) bei Einbeck 109. V. Luttitz (Lottitz) 229.

Albrecht 214. ~ Christoffel 214.

Heinrich 214.

Johann 210. 214. 219. 226. 234.

Nickel 234.

Thamme 214.

Maastricht 131. 177. Mähren 3. s. Jost. Magdeburg- 30.3. s. Friedr., Johann. Magnus, Bischof v. Hildesheim 108. Mainz, Erzbischof von 19. 101 f. Malczmeistcr, Johann, Altarist in Chemnitz 301. 303.

Mathias, zu Chemnitz 296. Mansfeld,Grafsch.242. Grafen 122.

23

354

Register.

Manstorfer, Hans, v.- Graupen 209. V. Mauteuffel, G. A. E., geh. Fi- nanzrath 239. 244.

Minister 158 ff. Marburger, Oberhofprediger 163. Marckirstorff, Joh., ßathmann zu

Chemnitz 304 - 306.

Katharina, s. Gemahlin 304. Margarethe, Kurf. v. Sachsen 73. Marie Amalie, Tochter König

August Iir. 170. Marie Amalie Auguste, Gem. Kg.

Friedrich August I. 23rt. Marien Stern, Kloster 59. Marienthal, Kloster 202. Mark, Grafschaft 120. Marsch alk v.Vroburg, Hannus 295.

Heinrich 297.

Martini, Bernhardt, Lehrer zu

Mittweida 251. Matthias, Kg. v. Ungarn 3 f. 19.

23. 25 ff. 227. 229. 233 f. Mayr, Dr. Martin 30. 33. 47. Meinersdorf b. Chemnitz 294. 299. Meissen 193. 240. u. ö.

Gerichtv.d.rothenThurme 235.

Ftirstenschule 256.

s. Dietrich, Friedrich, Johann, Rudolph, Wilhelm.

Meissner, Paul, v. Freiberg 18.

Meilerstadt, Heinrich 33.

Mellinger 123.

Melzer, Bürgermeister zu Chem- nitz 300.

Menschikoff 132 f.

V. Mergental, Haus, Landrent- meister 46.

Merseburg 102. 296 f. s. Bodo, Friedrich, Petrus.

Metternich, Graf 247.

Metz -20.

Metzsch, Konrad 33. .39.

Mewa, die Starostin von 161.

Michael, Abt zum heil. Kreuz bei Sendomir 46.

V. Michelsberg, Johann 199.

Mihla n. von Eisenach 121.

Miklisch, Hauptmann zum Tollen- stein 219. "

V. Milckau, Generallieut. 147.153.

Miloradowitsch, russ. General 242.

V. Mittelbach, Peter 296.

Mitteklorf bei Schandau 200.

Mittweida 251 ff. 296.

Mockritz 287.

Moller, Nicolaus, Rathmann zu

Chemnitz 306. V. Montfort, Graf Hugo 23. Monhaupt, Nickel, Hauptmann in

Freiberg 9 ft". Montmorency, Graf Alex. Jos. 160. Montpellier 175. Morea 258. Moritz, Kurfürst v. Sachsen 278.

Graf von Sachsen, Marschall 160. 177 f.

Mückenberg bei Ortrand 36. Müglitz 287.

Mühlberg, Herrschaft 196. 208 f. Mühlhausen 102. 105. 107. 122. 126. Mühlstein b. Böhm. -Zwickau 205.

212. 224. München 20. .30. Münster 109.

Napoleon 237 ff.

Naumburg 23 ff. 36. 73. 101 ff. 303.

v. Neuhaus, Familie 212.

Meinhard 212. Neustadt a. Orla 116. Neustadt b. Stolpen 200. 214 f. Ney, Marschall 246. Niederfrankenhain nö. von Geit-

hain 297. Niederlausitz 34. 196. 226 ff. Nisani, Gau 193 f. 216. 229. Nixdorf b. Schluckenau 214. 2.30. Novemiasto 155. Nürnberg 12. 25 f. 31. 125.

Oberlausitz (Sechsstädte) 34. 36. 50 ff'. 195 ff", s. Kolowrat, Stern- berg.

Oberliebich bei Leipa 195.

Obersedlitz 166.

Oberseifersdorf bei Zittau 226.

Ockrilla (Hoenkruls?) 36.

V. Odeleben, französ. Major 244.

Oderwitz bei Zittau 234.

V. d. Oelsnitz, die, auf Rathen 199.

Fried., Vogt z. Königstein 203ff.

Hans 33.

Oesterreich 3. 31. 240. 247 f. s.

P'ranz. Oldendorf 109. Olmütz 28. 227. Opatow 156. Opitius, Henricus 256. Ortwin, Ortwein, Franz 293.

Johannes 293.

Register.

355

Ortwin, Nicolaus 294. 298 f.

Mathias 296.

Merten (zu Fieiberg) 7. 18. Ortwiiiin, die 296.

Oschatz 169.

Osnabrück 109 f.

Ossegg 13.

Ostrau b. Schandau 200.

Ostritz 201.

Ostrcwog, Stanislaw, Woiwode zu

Kaiisch 44. Otteiidorf a. d. Heide b. Radeberg

36. Ottendorf (Hiuter-) b. Schandau

200. 218. Otto, Herzog von Bayern 35.

der Lange, Markgraf von Brandenburg 56.

Oybin, Cölestinerkl. 55.

Paderborn 108., 110.

V. Pakomefic, Cecek 103.

Paul n., Papst 6. 10. 19. 32 ft'. 44 ff.

Peene münde. Fort 149.

Persk (?), der 215.

Peter d. Gr., Kaiser v. Russland

133. Uö. 137 ff. Petrus, Dompropst z. Merseburg

297. Petschkau i. Böhmen 99. 101. 125. Pfalz, Pfalzgraf 26. s. Friedrich,

Ludwig. Pfotenhauer, Paul 291. Pieschen b. Dresden 243. 245. Pillnitz 164. Pilsen 11.

Pirna 36. 38. 198. 201. 203. 207. Pisa, Konzil 199. Pius n., Papst 220. 223. Plauen 239 f. 247. V. Plauen, der 122. Pleissa bei Chemnitz 311. Plessen, Graf, dän. Minister 140. Possei, Hensil, v. Schweidnitz 296. Pociey, Graf, Grosskroufeldherr

von Litthauen 160.

Emerentia, s. Gemahlin 160. Poczin(?),der, b. Schluckenau 215. Podiebrad, Georg, Kg. v. Böhmen

1 ff". 101. 103. 126 ff. 212 f.

219 ff. 225 f. 229. 234. Pösneck 116. Polen 1 ff. 28 f. 43 ff 136 ff. 141.

144. 153 ff. s. Kasimir, Sobiesky

Sophia, Wladislaw.

Polenz, Rittergut 200.

v. Polenz, Wenzel, auf Schirgis-

waLle 36. 229. 234. Polenzfluss 194. Polkner, Joh., Bürgermeister zu

Kamenz 235. Pommern 135. 147 ff. Ponikau, Niklas v. 202. V. Posern, Obrist 325, Prag 18. 28. 39. 41. 46 f. 62 f.

110. 125 f. 197. 216. 220 ff.

229. 239. 240. 245. 247 ff. s.

Kolovrrat. Pratzschwitz bei Pirna 179. Pressburg s. Georg. Prenssen 137 f. 142 ff. 2.38. 241 ff'.

246. 249 f. s. a. Friedr. Wilh. Priebus 196. Pruth, Schlacht am 133. Pürgles b. Buchau i. Böhm. 126. Pultawa, Schlacht bei 133. V. Pygaw, Hannus, Rathmaun zu

Chemnitz 296.

Niclaus, desgl. 296. Przebendowski, poln. Grosschatz- meister 137. 146.

Querfurt 122. 242. Quohren bei Dresden 287.

Rabeuer, Justus Gottfr., Rektor zu

Freiberg 255 f. V. Rabenstein, die 13. Radeberg 220.

Rathen 33. 194. 198 f. 205 f. 209. Rathmannsdorf bei Schandau 200.

209. Ravensburg, Grafschaft 121. Rawa, Waffenstillstand von 154 f. Ranis 116. Raudnitz 64. V. Rechenberg, Ernst, auf Oppach

235,

Ulrich, Amtmann auf Tolleu- stein 2.30. 233 f.

V. Redern, Balthasar 36.

Heinrich 201.

Graf 179.

Regensburg 23. 25 f. 30. 240. 247, Reichenberg 228. Reichenbach 57. Reichstadt (böhm.) 224. Renker, Heinr., aus Löwenberg

i. Schi. 201. V. Remse, Heincz 306,

23*

356

Register.

ßenss, Graf Heinrich , Feldzeug- meister 133.

s. Gemahlin 133 f.

Heinrich IL, s. Sohn 134. Eeventlow, Graf 140. Reynier, Graf, französ. General

24f>, 246. ßiesenberg 8. 13. Rocourt, Schlacht bei 177. Röhrsdorl bei Königsbrück (Nie-

derrufligsdorf?) 36. Rötha bei Leipzig 130. Rohnau b. Zittau 196 f. 233. 23.5. Roll, Burg (Böhmen) 212. 217. 225. V. Rosenburg, Familie 212.

Ulrich 124. li'6.

Rom 1. 4. 32. 36. 45 ff. s. Paul,

Pius, Sixtus. Romer, Paul 3(»1. 303. V. Rommel, Oberstlieutenaut 314. V. Ronow, Anshelm, Landvost von

Görlitz 62. 65. 196 f.

Wilhelm 200. Rotolfus, Johannes 301. Rovarella, Laurentius, Bischof v.

Ferrara 6. 11 f. 19. 22 f. 25. 37 f. 40 f. 44 ff. 48. Rudolf, Bischof v. Meissen 199. 2('l. 303.

Bisch. V. Lavant, dann v. Bres- lau, päpstl. Legat. 1. 5 ff. 19. 21. 33. 36 ff. 45. 225 ff.

de Rudnitz, Lui^poldus s. Chem- nitz (Kloster).

Rudol Stadt 24.

Rügen 148. 150.

Rugis-walde bei Stolpeu 200.

Rumburg in Böhmen 195. 201. 216 ff. 235

Russland 132 f. 135. 138. 238. 241 ff. 249 f. s. a. Alexander, Peter.

Rutowska, Marie Amora 178.

Rutowski, Graf, Feldmarsch. 108.

Rytwiaski, Derslaw, Woiwode v. Sendomir 43.

V. Rzisatie, Wotyk, Hauptm. im Pilseuer Kreise 35.

Sachsen s. Albrecht, Auguste, Christina, Eliss) beth, Friedrich, Friedrich August, Georg, Joh. Adolf, Joh. Georg, Katharina, Margaretha, Marie Amalie, Marie Amalie Auguste, Moritz, Sigmund, Wilhelm, Xaver.

Sädlo, Joh., V. Smilkuu 100. 115.

Saida 38.

Salzburg, Erzbischof v. 19.

Salzuffeln 109.

Sandau in Böhmen 200.

Saupsdorf bei Sebnitz 200. 209.

Schaff, Peschel, auf Horka 62.

Schandau 200. 209, 215.

Scharfenstein 38. 199. 204. 209.

V. Schaumburg, der 122.

V. Schellendorf, Johanna Marg.

Freifrau 165. Schirgiswalde 201. 216. 228 f.^.2.34. Schlackenwerda 11. bchlegel bei Ostritz 202. V. Schleinitz (Slinicz), Jhan, zu

Schleinitz 306.

Anna, s. Gem. 306.

Heim ich 235.

Hugold, Obermarschall 9. 30. 235.

Schleiz 3. 15. 24. 35. Schlesien 227 ff'. V. Schlottenbach, Obrist 151. Schluckenau, Stadt u. Herrschaft

193. 195. 201 f. 214. 216 f. 223 f.

229. 233 ff. s. a. Johannes. Schlusser, Cuucz, Rathmann zu

Chemnitz 304 f. Schönau bei Schluckenau 216. 233.

bei Bernstadt 59.

V. Schönberg Caspar 20.

Friedrich, Marschall 41.

Heinrich, Amtm. zu Schellen- berg 311.

Lucas 17.

Nicolaus 7.

V. Schön berg, die Herren 4.

Dietrich 310.

Friedrich 11. 307. 310. auf Hoyerswerda 226.

Veit 3"6. 310. Schönburgisches Gesammtarchiv

292. Schönfeld bei Dresden 131. 179. Schöning, Feldmarschall 1.30 f. 134. Schönlinde bei Rumburg 216 ff. Schölten, dän. Feldmarschall 148.

150. Schonaw, Walther, z. Chemnitz 296. Schulz, Ulrich, zu Chemnitz 294.

310. Schulenburg, Graf, Rittmstr. 249. Schultheis, Schultheize, Schultis.

Hanaus 303.

Register.

357

Schultheis, Niclaus 296. 305.

Peter, zu Mittweida, Altarist u. Schulmstr. in Chemnitz 305.

Schulwesen 251 ff.

Schurzauf, Georg, Domherr zu

Altenburg 73. V. Schwamberg, Hyuek Kruschina,

auf Bor 100. 124. V. Schwarzbure-, Graf Heinrich 24. Schweden l.^.s". 137. 139. 142 tf.

s. a. Karl XII. Schwedt, Vertrag von 137. Schweidnitz 33. 03. s. a. Agnes. Schwenkenstein 295. 300.

Frenczel, zu Chemnitz 296 f.

Paulus 301. Sebnitz 200. 215. 220.

V. Seckendorf, Generallieut. 147 ft". Seifersdorf bei Marienthal 202. Seifhennersdorf bei Rumburg 200.

218. 2.35. Sehestedt, dän. Minister 140. 145 f. Sendomir 154 ff. Senfteuberg 4. Senfft V. Pilsach, Graf Ch. F. L.,

Cabinetsminister 2.S9. 249. V. Serra, französ. Gesandter 240. Seydel, Xickel, Bürgermeister zu

Dresden 285. Seydo, Johann, Priester 232. V. Seyn, Graf 120. Siegmund, Herzog v. Sachsen 204.

Herzog v Bayern 20.

Kaiser 54 f. 66 f. Siptenhain, Hans, Rathmann und

Schöffe zu Chemnitz 304— 3u6.

Sixtus VI., Papst 72. 231.

Skal, Schloss, in Böhmen 228.

Sleife, Jacob, Bürgermeister zu Görlitz 62.

Smedichin, Caspar, Rathmann zu Chemnitz 304 f.

Smeisser, Hans, Bürgermeister zu Dresden 286.

V. Smierizky auf Habichtstein 233.

Sobiesky, Job., Köuis v. Polen 78 tY.

Soest 97. 103 f. 108. 110. 112 ff.

Sophia, poln. Prinzessin 44.

V. Sor, Ticze, auf Sohra bei Gör- litz 62.

Spalin, Joachim Ernst, Kantor zu Freiberg 256.

Spanien s. Karl III.

Speier 21.

Speierbach, Schlacht am 132.

Sperling 256 f.

Spremberger W^ald bei Schlucke- nau 214.

Springer, Caspar, Rathmann und Schöffe zu Chemnitz 304—306.

Stadtarchive 290 ff.

Stange, Hans, Rathmann zu Chem- nitz 306.

Nickel, desgl., 304 f. Steiermark 31.

V. Stein, Familie 204.

vom Stein, Georg S4 f.

V. Steinberg, Johann Calta, auf

Raben stein lOo. 115. 127. Steinborn bei Königsbrück 179. Steinpach, Nickel, zu Meiners-

dorf 311. V. Sternberg, Alscho Holicky 99.

126 f.

Jaroslav, Landvogt der Ober- lausitz 3. 36. 225. 227 f.

Peter 99. 101. 106. 125 f.

Zdenko Holicky 103. 225. 230. Stettin 147 f.

Stoben er, Caspar 309.

Hans, Rathmann und Schöffe zu Chemnitz 305 f. .309.

Stolle, Nicl., zu Mittweida 296.

Stolpen 163. 207 f.

Stralsund 135 ff.

Straussfurt a. Unstrut 105.

Strehla a. Elbe 196.

Stresow 150.

Strenczil, Hans, Rathmann zu

Chemnitz 305. Strol, Lorenz 18. Sürssen bei Dresden 287. Sulkowski, Graf Ale.'c Jos , General

und Minister 168 f. Sweinfort, Barthel 309. Swertfeger, Paul, Rathmann und

Vogt zu Chemnitz 301— .306. Swiene, die 149. Swienemünde, Fort 149. Swoffheim, Dr. Job., Official des

Bischofs v. Meissen 208. v. Sybilski, Obristlieutenant 169. Sybottenhain, Math. 303. Sydel, Job. .303. Szembeck, poln. Grosskanzler 137.

Tallard, Marschall 132. Tamme, Petir uffin 303. Tetschen 205. 212. 216. 225. 233. Theater (Schulkomödieu) 258,

358

Register.

Tbeodericus s. Chemnitz.

V. Thielmann, General 239. 241 f. 246. 248 f.

Thüringen 2. s. Friedrich.

Thumirnicht JiOl.

Thorner Friede (1466) 46 f.

Thorschmidt, Zach, Konrektor zu Mittweida 251.

V. Thowaczaw, Jan 35.

Tile, Nico!,, Rathmann zu Chem- nitz ,306.

Tirpan,'Hans, Rathmann zu Chem- nitz 306.

Tolkewitz bei Dresden 287.

Tollenstein, Schloss u. Herrschaft 193. 195. 200 ff. 208 ff.

Torgau 208. 239. 241. 246. 248 f.

Torhüter, Nicol., Rathmann und Schöffe zu Chemnitz 306.

Tschocha, Rittergut, im Queiss- kreise 201.

Türmitz bei Aussig 209.

Türken 31. 3.^. 4:^. 79 ff. 136.

Trapschuch s. Chemnitz.

Trier, Erzbischof 20.

Triptis 116.

Truchsess, Heinrich 6.

üebigau bei Dresden 245. Ungarn s. Matthias. Usedom, Insel 147 ff'.

Valentin, Kaufmann zu Prag 18. de Valle, Fantinus, päpstl. Legat

220. Vargula a. ünstrut 123. Yictorin, Sohn Georgs v. Podie-

brad 3. Villach 43. Vippach 123. Vitzthum, Graf Friedrich 165.

Familie 98. 127.

Apel 98 ff. 106. 109. 123. 126.

Busse, Landvogt zu Meissen 203. Vogt s. Chemnitz (Kloster). Vogtland 2.

Vues, Matth. in Chemnitz 303.

Wackerbarth, General Graf (135).

147. 150 ff. 157. 166 f. Wagner, Georg 18. Walack, Joh., Notarius 300. Waldeck, Fürst 78. 82 f. Waidenburg 293. V. Waldeuburg, die Herren 22.

V. Waidenburg, Auark 42.

Hans d. ä. 293.

Haus d j. 29.3.

Heinrich 295. Warschau 137. 159.

Warn sdorf bei Ruraburg200. 210 ff. Wartenberg, Herrschaft 212. 217.

225. V. Wartenberg (auf Tetschen),

Familie 226 ft'.

Christoph auf Dewin u. Tollen- stein 35. 225 ff".

Jahn auf Tetschen und Dewin 55. 198 ff.

Jahn auf Tetschen 221 ff.

Jahn a. Blankenstein 205 ff. 2 1 2.

Johann Burggraf v. Prag 217.

Peter (Sohn des Wauco) 217.

Siegmund auf Tetschen 203 ff.

Siegmund auf Tetschen, Land- vogt der Oberlausitz 35. 225.

Wanco (Wenzel), Obermund- schenk V. Böhmen 217.

Wenzel, s. Sohn 217.

Wilhelm, s. Sohn 217.

V. Wartensleben, preuss. Geueral-

feldmarschall 148. Wayner, Conradus 301.

Nickel, Rathmann zu Chem- nitz 304 f.

Weczil sutor 301. Wehlen 194. 198. Weida 101. 116. Weimar 16. 102. 105. 123. Weise, Wundarzt 175.

Christian 256 f. Weissbach, die 219.

V. Weissenbach, Hermann 47. Weissenbach, Johann, Dr. 35. Weissenfeis 101 f. Weissensee 105. V. d. Weitmühl, Benesch, Burggraf

zu Karlstein 39. 42. 46. Wenzel, Herzog von Liegnitz 60.

König 53 f. 61 f. 196 ff. 208. 218.

Wercho, Simon, Bürgermeister zu

Dresden 284 f. Werthern, Graf, Minister 137. Westfalen, Königreich 103 ff. 242. Wibe, dänischer Minister 140. Widrer, Dithr., zu Mittweida 290. Wien 31. 35. 77 ff 97. 131. 247. AVildenstein, Schloss u. Herrschaft

193. 199 ff'.

Resrister.

359

de Wilclenstein, Hermannus 201.

Otto 200.

Wilhelm, Prinz v. Oranien (dann König von England) 130.

IL, Markgraf v. Meissen 198.

III., Herzog von Sachsen 2 ff. 7.3. 97 ff. 205 ff. 220,

Hzg. V. Braunschweig-Grnben- hagen 104. 107 f. 113 f.

Wilimow 26. 28.

V. Wilke, General 147.

Willsdrnff 244.

v.Winzingerode,russ. General 242.

Wishennel s. Albi.

Wisse, Heinr., Rathm. zu Erfurt

123. Wisniowiecki, Prinz 159. de AVitchendorf, Job., Altarist zu

Chemnitz 301. .303. Wittenberg 241. 258. Wittgenstein, Fürst, russ. General

242. Wladislaus, Könisr von Böhmen

229 ff.

polnischer Prinz 28. 44. Wolfframsdorff 134. Wolkenstein 38. 42.

Wollin, Insel 148 f. Wolmsdorf 214. Württemberg 20.

Prinz von, Generalmajor 147 ff. Würzburg, Frauenhaus 69.

Bischof von 22. 30. Wunsiedel 127.

Xaver, Prinz 167 f.

Ybener, Petrus, Altarist zu Chem- nitz 301. 803.

Zeidler bei Schluckenau 214. 230.

Zeidlerbach 219.

Zentha, Schlacht bei 133.

V. Zezschwitz, Geh. Finanzrath239.

Zieleticky, Johann 100.

Zipser, Schuster zu Freiberg 18.

Zittau 5. 33. 53 ff. 66. 196. 201.

212. 21f5. 219. 225 ff. 233 ff. Zscheila b. Meissen s. Ebersdorf. Zschizschewig bei Dresden 287. V. Zühlen, Generalmajor 147. Zwickau 46. 195.

Nickel V., Rathmann z. Chem- nitz 304 f.

Berichtigung.

Heft 3 Seite 270 letzte Zeile ist Bd. II statt Bd. I zu lesen.

Druck: Offizin der Vprlagshandlung.

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