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Neues Archiv

für

Sächsische Geschichte

und

Altertumskunde.

Herausgegeben

von

Dr. Hubert Ermisch,

K. Archiviat.

Zehnter Band.

Dresden 1889. Wilhelm Baeiisch Verlagshandlung.

THE GETW CtWfER UBRARY

Iiilialt.

.Seite

I. Meilseii und Böhmen in den Jahren 1307 bis 1310. Von G3aiiuasiall einer Dr. Wohl. Lippert

in Dresden 1

II. Zur Geschichte der Herrschaft Seidenberg (-Reibersdorf) während der Jahre 1622 bis 1630. Von Professor Dr. Herrn. Knothe in Dresden 26

III. Zur Politik Walleusteins und Kursachsens in den Jahren 1630 1634. Von Professor Dr. Arnold Gaedeke in Dresden 32

IV. Ein Versuch zur Gründung einer Ritter- Akademie in Dresden (1674). Von Oberlehrer Lic. Dr. Georg Müller in Dresden .... 43

V. Die frühesten Nachahmungen des Meilsner Porzellans. (Die Fabriken in Plane, Wien und Venedig.) Von Regierungsrat Dr. W. von

Seidlitz in Dresden 58

VI. Ein verhängnisvolles Zeugnis. Mitgeteilt aus den Akten dos Pfarrarchivs zu Pausa. Von Pfarrer M. J. Herz in Pausa 73

VII. Die sächsischen Stadtbücher des Mittelalters.

Vom Herausgeber , 83

VIII. Kleinere Mitteilungen 144

1. Urkundenfuiid zu Bautzen. Von Professor Dr. Knothe. 2. Al)erglauhe und Glaubensfestigkeic des gefanoeneuKurfar,-,ten Johann Friedrich. Von Archiv- rat Dr. C. A. H. Burkhardt in Weimar. 3. Ein Brief Melanclithons an den Hat der Stadt Bautzen. Von Dr Georg Müller.— Zur säclisischen liechtsgeschichtc. Von demselben. 5. Strat'rcchtsgeschichtliche Find- linge. Von Archivrat Dr. Th. Di.stel in Dresden. <i. Zaultersprüche au.s Dresdner Handschriften. Von Dr. KKade in Leipzig 7. Aus dem Naulniclitungs- l»uch der Stadt Colditz Von Büjgermeister Johannes Müller in Colditz. 8 Keihe der sächsischen Hof- und Staatskalender. Von Dr. Th. Distel.

Litteratur IGO

IV Inhalt.

Seite

IX. Die sächsischen Stacltbücher des Mittelalters

(Schliilsj. Vom Herausgeber 177

X. Kursachsen und die Veiiiandluugen übei' den

Augsburger Religionsfrieden. Von Dr. Ludwig

Schwabe in Dresden 216

XI. Untersuchungen zur ältesten Geschichte Fi'ei-

bergs. Von Bergamtsdirektor Dr. C. E. Leut-

hold in Freil)erg 304

XII. Kleinere Mitteilungen 330

1. Luther in Möhia. You Archivdirektor Archiv- rat Dr. Bui'khardt iu Weimar. S. bbO. 2. Ein theo- logischer Injurienprozefs des 18. Jahrhuudeits. Vou Oberlehrer Dr. Georg Müller in Dresden. S. 334.

Litteratur 336

Register 345

Besprochene Schriften.

Beiträge zur sächs. Kircheugeschichte IV (Ct. Müller) . . . 169

Distel, Der Leipziger Schöppenstuhl II (Knothe) .... 338

Gefs, Die Klostervisitationen des Herzog Georg (G. Müller) . 160

Gründler, Schlofs Annaburg (G. Müller) 168

Heydenreich und Knauth, Beziehungen des Hauses Wettin zu

Freiberg (Ermisch) 336

Pilk, Neukirch am Hochwalde (Knothe) 339

Schmidt, Burggraf Heinrich IV. zu Mei£sen (v. Druffel) . . 162

I.

Meifsen und Bölimen in den Jahren 1307—1310.

Von

Wo Id. Lippert.

Das Aussterben der Przemisliden mit Wenzel III. stürzte vom Jahre 1306 an Böhmen in eine Reihe von Unruhen, in welche auch die Nachbarlande vielfach liin- eingezog-en wurden. Nach Wenzels Tod war der Habs- burger Rudolf, der Sohn des römischen Königs Albrecht, trotz der Gegenansprüche, die Herzog Heinrich von Kärnten als Gemahl der Anna, der Schwester des letzten Przemis- liden, machte, von seinem Vater mit Böhmen belehnt und von den Böhmen als König anerkannt worden, starb aber schon am 3. Juli 1307. Eine Partei erhob nun am 15. August 1307 auf tumiütuarische Weise den genannten Herzog Heinrich, den Sohn Meinhards IV., Herzogs von Kärnten und Grafen von Tii^ol, zum Könige i), während eine Gegenpartei. für Rudolfs Bruder, Herzog Friedrich den Schönen von Österreich, eintrat, dem schon bei seines Bruders Erhebung ein eventuelles Nachfolgerecht zuge- standen worden war. Eine dritte, nationale Partei wollte keinen dieser beiden Nichtböhmen, sondern einen Nach- kommen des alten eingebornen Königshauses auf den Thron setzen ^).

1) Vergl. über ihn und seine Abstammung Ankershofeu- Tangl, Handbuch der Gleschichte des Herzogtums Kärnten (Khigen- furt 1867) IV, 434, 666, 671.

-) Über diese Verhältnisse s. Palacky, Gesch. von Böhmen II, 2 (Prag 1842), 45, 55; Tomek, Geschichte der Stadt Prag I

Neuos Arc'liiv f. S. Ci. u. A. X. 1. 2. *•

2 Wold. Lippert:

Heinrich stand aufser dem böhmischen Herrscher- hause auch mit anderen deutschen Dynastien in verwandt- schaftlichen Beziehungen ; seine Schwester Elisabeth war an den Habsburger Albrecht, seine Schwester Agnes an den Wettiner Friedrich den Freidigen, Markgrafen von Meifsen, vermählt'^); er selbst war mütterlicherseits ein Vetter der bayrischen Herzöge.

Die Beziehungen zu den Habsburgern gestalteten sich jedoch wegen der Nebenbuhlerschaft um die böhmische Krone keineswegs freundlich. König Albrecht rückte alsbald von Thüringen aus, das er nebst Meilsen hatte an sich reifsen wollen*^), im September in Böhmen ein, konnte aber gegen die vollendete Thatsache der Fest- setzung Heinrichs zunächst nichts ausrichten.

Um so enger waren dagegen die Beziehungen, welche die Wettiner mit dem neuen Könige von Böhmen ver- banden, denn sie waren nicht nur durch die Verwandt- schaft, sondern auch durch die politische Notwendigkeit geknüpft. Die Wettiner waren durch die territorialen Verhältnisse zu gutem Einvernehmen mit dem Nachbar genötigt, die Grenze war wiederholt zu ihrem Ungunsten nach Norden vorgerückt ; melufach hatten die böhmischen Herrscher versucht, die nördlich von Böhmen gelegnen Lande an sich zu bringen ^).

Unter Heinrich von Kärnten freilich lagen die Ver- hältnisse anders; beiden Teilen war an freundlichen Wechselbeziehungen gelegen. Heinrich mufste suchen, sich nicht allein von Norden her zu sichern, sondern die nicht unbeträchtliche Macht der Wettiner zu seiner Unter-

(Prag 1856), 526, 530; Schlesinger, Die Deutschböhuien und die Regierung Heinrichs von Kärnten, in den Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen V (1867), 69; Kopp, Glesch. der fcidgenöss. Bünde III, 2, König Albrecht und seine Zeit (Berlin 1862), 358, 360, 374; Ankershofen-Tangl IV, 844, 854; Heide- mann, Heinr. v. Kämt, als König von Böhmen, in den Forsch, z. Deutsch. Gesch. IX (1869), 483; Schotter, Johann Graf von Luxemburg und König von Pjöhmen I (Luxemb 1865), 61, 65.

^) Vergl. Wegele, Friedr. d. Freidige, Markgr. von Meifsen, Landgr. v. Thüringen und die Wettiner seiner Zeit (Nördlingeu 1870), S. 94. Agnes war zwar schon 1293 gestorben, aber von ihr stammte der damals einzige Sohn und künftige Erbe, Friedrich der Junge oder Lahme, s. Wegele S. 157.

*) S. Wegele a. a. 0. S. 286, 289; Kopp III, 1, 376.

'"') So noch in jüngster Zeit Wenzel II, vergl. Kopp III, 1, 248; in, 2, 13; Wegele S. 242. Ebenso später Karl IV., vergl. Steinherz, Mitteil d. Instit. f. öst. Gesch.- Forsch. IX, 585.

Meifseu und Böhmen 1307—1310. 3

Stützung ZU gewinnen ; letzteren wiederum konnte es nur willkommen sein, sich gieiclifalls die Flanke zu decken und an dem verschwägerten und verbündeten Böhmen- künig einen Rückhalt zu bekommen gegen die noch immer drohenden, von Albrecht energisch wieder aufgenommenen Pläne weiland König Adolfs. Diese gemeinsame Furcht vor den Habsburgern war es, die Markgraf Friedrich und den Kärntner zusammenführte*^).

Bald nach des letzteren Erhebung verhandelten die beiden Fürsten über ein Bündnis. Der Markgraf kam selbst nach Prag und hier erfolgte am 1. September 1307 der Abschluls des Vertrags. Friedrich verspricht in der in seinem Namen ausgestellten Urkunde dem Heinrich, Könige von Böhmen und Polen '), Herzoge von Kärnten, seinem Schwager und dessen Leuten von dem Tage an, an welchem sie zu seiner Unterstützung die Grenzen seines Gebietes überschreiten, die in solchem Falle nötigen Auslagen zu erstatten und zwar so lange, als jene zu dem gedachten Zwecke zugegen sind. Schäden, die dem Könige und den Seinigen von des Markgrafen Gegnern zustolsen, sollen ihm vergütet werden ^).

Die Urkunde ist also nicht der eigentliche Bundes- vertrag selbst, sondern dieser wird hier schon als vor- handen vorausgesetzt; es ist vielmehr nur eine weitere Ausführungsbestimmung eines Punktes des Vertrags. Dieser letztere ist bisher unbekannt geblieben; Palacky hat ihn im böhmischen Kronarchiv nicht gefunden, und in der böhmischen Abteilung des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs und im Dresdner Hauptstaatsarchiv findet sich gleichfalls keine derartige Urkunde. Palacky und Kopp haben jedoch in einem deutschen Auszuge Kunde gegeben von einem undatierten Vertrage zwischen Heinrich und den Meilsner Markgrafen ^).

6) Wegele S. 277, 289; Kopp III, 2, 375; Palacky 11, 2, 59; Hei de mann, Peter von Aspelt (Berlin 1875), S. 60, 66.

') Letzteren Titel führten die Böhmenkönige, seit Wenzel II. die polnische Köuigskrone erworben hatte.

^) Mit einigen Kürzungen ist die Urkunde gedruckt hei Em 1er, Regesta Bohemiae et Moraviae 11 (Prag 1882) n. 2142, nach einer Abschrift des böhm. Museums; sie folgt vollständig am Schlüsse als n. 1 nach dem Original im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.

ö) Palacky iL, 2, 79; Kopp III, 2, 375, Anm. 3. Der Text des interessanten Stückes ist bisher unbekannt geblieben und soll im folgenden (am Schlüsse n. 2) mit veröffentlicht werden.

1*

4 Wold. Lippert:

Palacky hielt diesen Vertrag nicht für den des Jahres 1307, sondern verlegte ilm ins Jahr 1310^^).

"Wegele jedoch erhob dagegen Einspruch, da schon Anfang Mai 1310 ein Punkt dieses Vertrages erfüllt wurde, derselbe also früher fallen müsse ; er verlegte ihn, wie schon vorher ohne diese Begründung Kopp (a. a. 0.) gethan hatte, ins Jahr 1307") und betrachtete ihn als den damals abgeschlossenen, oben erwähnten Vertrag. Hiergegen sprechen jedoch mehrere Gründe. In dem Vertrage wird als Inhaber des grofsen Turmes auf der Prager Burg bezeichnet Konrad von Aufenstein. Dieser, der Landeshauptmami und Marschall von Kärnten, und sein Bruder Heinrich waren aber erst im Jahi^e 1309, und zwar erst in der Zeit zwischen dem 15. August und 27. November, ihrem Landesherrn mit Hilfstruppen aus seinem Herzogtume zugezogen ; Konrad konnte also nicht vorher, wo er noch gar nicht im Lande war, die Be- wahrung eines wichtigen Postens anvertraut werden ^-).

^0) Dieser Ansetzung folgen auch Schlesinger a. a. 0. S. 79; Tomek I, 550.

") Wegele S. 290 und 315, Anin. 1; den Kopp 'sehen Aus- zug giebt auch mit der Ansetzung zu 1307 (1. Sept. Prag) wörtlich wieder Emler II, u. 2143, mit dem komischen Versehen, dafs er Kopps Stelle „beide Fr." auflöste „beide Frauen"' (statt Friedriche). Das Jahr 1307 nimmt auch an Heide mann, Peter v. Aspelt, S. 66.

^2) Palacky und mit ihm alle andern bezeichnen Heiniich von Aivfenstein (nach dem Chron. aul. reg.) als Marschall; nach iir- kundüchen Angaben bei Aukershofen-Tangl IV, 640 und 835 war jedoch Kourad seit 1293 Marschall und später auch Landes- hauptmann von Kärnten und blieb als solcher in Kärnten, als Herzog Heinrich nach Böhmen ging. Schon vorher hatte er sich wiederholt als tapferer Heerführer und treuer Diener des herzoglichen Hauses erwiesen, vergl. Tangl a. a. O. S...4o7, 611, 839. Nach Heinrichs Wahl fiel Herzog Friedrich von Österreich auch in Kärnten und Krain ein und Konrad von Aufenstein war mehrfach an diesen Kämpfen beteiligt; seine Anwesenheit in Kärnten und Tirol ist be- zeugt bis zum 15. August 1309, vergl. Tangl S. 863, 870, 871, 873, 880, 887, 906. Erst nach dieser Zeit eutliefs ihn König Heinrichs Bruder, Herzog Otto, mit Hilfsschaaren aus Kärnten und Tirol nach Böhmen, vergl. Tangl S. 923, 926, 930. Ende November waren diese Mannschaften bereits in Böhmen eingetroffen, denn Heinrich von Aufenstein erscheint urkundlich in Prag am 27. Nov. 1309, vergl. Emier S. 957 n. 2202. Tangl lässt es (S. 926) unentschieden, ob die beiden Aufensteiner Brüder oder Vettern waren. Vergl. über das Geschlecht auch Weifs , Kärntens Adel bis zum Jahre 1300 (Wien 1869), S. 47. Das Chronicon aulae regiae (ed. Loserth, Wien 1875, Font. rer. Austr., Script. Bd. VIII.) erwähnt nur Heinrich von Aufenstein (Henricus de Haufenstein) cap. XCIII S. 240, 242,

Meifsen m\ä Böhmen 1307—1310. 5

Dieser Umstand allein genügt zur Zurückweisimg; doch ihm schliessen sich verstärkend noch andre Gründe an, die gegen 1307 sprechen. Der Vertrag vom September 1307 wurde durch den Markgrafen Friedrich selbst ab- geschlossen, denn sowolil die Urkunde vom 1. September als auch eine -zweite vom 13. September bezeugen seine Anwesenheit in Prag um diese Zeit ^■^), während von einer Anwesenheit seines Sohnes Friedrich, der als Ver- treter seines Vaters in dem undatierten Schreiben er- scheint, 1307 nicht die Rede ist, und auch nicht gut sein kann, denn dieser war damals wenig über vierzehn Jahre alt, 1310 dagegen stand der auch da noch jugendliche, aber schon kriegskundige Friedrich nachweislich an der Spitze der meilsnischen Hilfstruppen und ist auch als der den Vertrag für sich und seinen Vater Abschlielsende in jenem Schriftstück genannt; auch dies spricht dafür, dafs das oder die undatierten Stücke denn es sind mehrere Entwürfe davon vorhanden der Thätigkeits- periode des jungen Markgrafen angehören, dafs er also, ehe er 1310 von seinem Vater in Ausführung der Ver- tragsbestimmungen nach Böhmen gesandt wurde, bereits dort gewesen war und den in den Entwürfen vorliegenden Vertrag verabredet hatte.

Ferner spricht gegen 1307 auch noch die Fassung des Wortlautes. In den Verträgen, die sich auf Bundes- hilfe im Jahre 1307 beziehen, wird in ganz allgemeinen Ausdrücken seitens Heinrichs Hilfe ausbedungen contra nostros adversarios , so in den Verabredungen mit dem Grafen von Würtemberg "). Dieser allgemeine Ausdruck

CVIII S. 306, 311 und CVI, CVII S. 294, 303 irrig als marschalcus; Heinrich tritt auch auf in Urkunden, so am 27. Nov. 1309, s. Emier a. a. 0. n. 2202, und 12. Januar 1310, Emier V, 772, Orig. im Dresd. Hauptstaatsarchiv n. 1892. Koni'ad erscheint im Chron. aul. reg. nicht, wohl aber (XCV S. 245) ein Albertus de Haufenstein als satelles des Königs, von dem sonst nichts berichtet wird. Konrads Namen (Chunradus de Oevenstain) bringt hingegen auch des Johann. Victoriensis Chronicon (Böhmer, Fontes Rer. Gernian. I (Stuttgart 1843) S. 353, 1. III c. 9 freilich mit der Angabe, dafs Kourad schon 1307 beim Zug AlbrecLts gegen Böhmen Kuttenberg verteidigt habe; wie vieles andere in früheren Jahren der Darstellung des Abtes von Victring ist auch dies nicht richtig, denn in derselben Zeit verteidigte Konrad Kärnten gegen die Österreicher, und im November und Dezeml)er 1307 war er in Tirol.

") S. Emier II n. 2142, 2145.

") Emier n. 2139 vom 27. Aug., u. 2140 vom 28. Aug. 1307. Ganz entsprechend allgemein ist auch die Urkunde Markgraf Fried-

6 Wold. Lippert:

ist gewählt, weil unter den Feinden nicht blofs die Glieder der Gegenpartei im eignen Lande, sondern vor allem die verwandten Habsburger gemeint sind und unter diesen der Oberherr Heinrichs, der römische König Albrecht, selbst mit. Als dann mit der Eröifnung des Feldzugs durch König Albrecht und Herzog Friedrich der Zwie- spalt zum Ausbruch gekommen und Zurückhaltung nicht mehr nötig war, nannte Heinrich in einer neuen Ver- schreibung für den Würtemb erger den König Albrecht offen als den, gegen den das Bündnis sich richte ^^). Anders jedoch ist es in dem undatierten Vertrag mit den beiden Friedrichen von Meifsen; denn hierin wird aus- drücklich nur bemerkt, dals die meilsnische Bundeshilfe dienen soll, um zu „helfen betwingen alle di wider uns sin in deme lande zu Behem und Mereren", oder wie es in der andern Fassmig lautet : „und sal bihalfin sin zu betwingen und untertenich machen uns das land ze Peheim und alles das, daz ze dem chunichrich gehört". Also nur gegen die aufständischen Unterthanen will Heinrich Hilfe. Dies führt uns in eine Zeit, wo die von aulsen drohenden Gefahren geschwunden waren oder doch schienen. Am 1. Mai 1308 war König Albrecht dem Meuchelmord seines Neffen Johann zum Opfer gefallen. Sein Sohn Friedrich setzte zwar zunächst den Krieg gegen Heinrich von Böhmen fort, aber am 14. August kam es in Znaim zu einem Frieden. .zwischen beiden Nebenbuhlern , worin der Herzog von Österreich auf alle Ansprüche verzichtet gegen eine Entschädigungssumme von 45000 Mark Prager Pfennige und die in Heinrichs Ländern eingenommenen Orte herauszugeben sich ver- pflichtet; für jene Summe werden ihm einige Plätze in Mähren und Kärnten zum Pfand überlassen ^*^). Damit schien die hauptsächlichste äulsere Gefahr beseitigt, nur im Innern gährte es fortgesetzt, und hiergegen nun richteten sich die Entwürfe.

Alle diese Gründe, besonders der erste (aufenstei- nische), entscheiden somit gegen das Jahr 1307; wohl

richs vom 1, Sept. über die reciproke Verpflichtung Heinrichs ge- halten, da hier die gleiche Sachlage obwaltete, d. h. der Vertrag auch mit gegen das Eeichsoherhaupt gerichtet war. Mit Nieder- bayern war bereits 1306 ein Vertrag abgeschlossen worden, vergl. Tan gl IV, 847.

^^) Emier n. 2168 vom 11. Februar 1308.

16) Vergl. E m 1 e r II, u. 2183 ; K o p p IV, 1 , 7, P al a c k y II, 2, 64, Heidemann, Peter von Aspelt, S. 111.

Meifsen und Böhmen 1307—1310. 7

aber fügen sich die Entwürfe passend in die Zeitverhält- nisse ein, wenn wir sie in die späteren Zeiten des Kärntners versetzen, wo sich die Unznfriedenheit mit dem Könige im Laude immer mehr verbreitete und seine Herrschaft der einheimischen Grundlagen sich fast gänzHch beraubt sah. Die Entwürfe sind demnach nicht die Vorlagen des 1307 abgeschlosseuen Vertrags; dieser ist vielmehr als verloren zu betrachten oder zur Zeit noch nicht aufgefunden. Dafs thatsächlich ein solcher mit noch anderen als den in der Urk. v. 1. Sept. 1307 angegebenen Punkten abgeschlossen wurde, ist aber auch durch ein andres urkundliches Zeugnis bewiesen. Am 10. Oktober 1307 giebt Heinrich dem Prager Bürger Fridlin von Otelefs eine Anweisung auf eine Geldsumme aus der königlichen Münze für geleistete Auslagen unter der Bedingung, dals er wöchentlich einen bestimmten Teil des Gesamtbetrags erhalten soll und zwar von dem Zeitpunkt an, wo „dominus Fridericus Misnensis et Orien- talis marchio duo milia marcarum denar. et ponderis praedictoruni (seil. Prägens.), quae sibi de dictis moneta et urbura nostris percipienda deputavimus, perceperit"^'). Hiervon steht nichts in der Urkunde Friedrichs vom 1. September 1307, auch nicht in den undatierten Kon- zepten, sondern es war dies eine der Bestimmungen des Vertrags zwischen Meifsen und Böhmen ün Jahre 1307. Die Beziehungen verliefen also wohl in folgender Weise. Bei seiner Erhebung suchte und fand Heinrich Anlehnung an den Markgrafen von Meilsen. Friedrich kam selbst nach Prag und schlofs einen Vertrag, der im Wortlaut unbekannt, von dessen Bestimmungen aber folgendes zu ermitteln ist: 1. (Urkunde vom 1. September) die Hilfe- leistung sollte eine gegenseitige sein und Heinrich dem Meilsner nötigenfalls Hilfe bringen, wogegen dieser sich dann zu bestimmten Leistungen an die Böhmen ver- pflichtete; 2. (Urkunde vom 10. Oktober) Heinrich machte sich anheischig, dem Markgrafen 2000 Mark Prager Groschen zu zahlen, wohl für den entgegengesetzten Fall, dafs der Markgraf mit Hilfstruppen nach Böhmen käme. Die Gefahr, die Albrechts Einmarsch im Herbst 1307 drohte, ging indessen vorüber, da der König, ohne etwas wesentliches vollbracht zu haben, abzog, und im nächsten Jahre verhinderte sein Tod eine nachdiücklichere Ver-

") Einler II, u. 2150, Prag 10. Oct. 1307.

8 Wold, Lippert:

folgTing der liabsbnrgischen Pläne. Am 14. August fand dann der FriedensscMufs mit Herzog Friedrich statt, der Heinrichs Königtum zu sichern schien, zumal jetzt auch die Lage seines meifsnischen Bundesgenossen sich bedeutend besserte ^^).

Böhmen fand aber keineswegs die zu erwartende Ruhe, denn bald brach heftiger Bürgerkrieg aus, da ver- schiednerlei Interessen und Bestrebungen teils nationaler und politischer, teils sozialer Art sich kreuzten. Die Bürger der grolsen Städte, besonders in Prag und dem mächtigen Kuttenberg, waren verfeindet mit den adligen Landherren ; selbst innerhalb der Bürgerschaften gab es Spaltungen und ebenso war auch der Adel nicht einmütig. Das ganze Land_ war geteilt in eine kärntnische und eine noch an Osterreich festhaltende Partei; selbst Friedrich von iVIeilsen soll Anhänger im Lande gezählt haben, und wieder andere bildeten eine Gruppe von Unzufriedenen, die eine mehr nationale Lösung der Herrschaftsfrage wünschten im Gegensatz zu den fremden Fürsten, von denen man das Hereinbringen und die Begünstigung ihrer auswärtigen Unterthanen fürchtete ^^).

Der König besafs wenig Macht und wurde fast ein Spielball der jeweilig herrschenden Partei-''); schliefslich brachte ihn die Adelspartei sogar in ihre Hand und be- setzte die Burg von Prag.

^*) Durch den Tod seines Bruders Diezmann hatte er Macht- zuwachs erhalten und die meifsnischen Grofsen suchten jetzt Aus- söhnung, so Burggraf Meinher von Meifsen; s. Märcker, Burggraf- tum Meifsen (Leipzig 1842), S. B05, 308, 437 (dazu Dresd. Arch. Urk. n. 1839 1840); Wegele S. 292, 300.

") Vergl. Palacky 11, 2, 72; Tomek I, 534; Schlesinger S. 72; Heidemann, Forsch. IX, 491, 503. Loserth, Chron. aul. reg. c. LXXXIX, 227 Amn. 2. meint, die Notiz von der Berück- sichtigung des Markgrafen von Meifsen und eines polnischen (schlesi- schen) Herzogs beziehe sich auf das Jahr 1307.

_ ^"j Die leidenschaftlichen, oft mafslosen Angriffe des Abtes von Königsaal auf König Heinrichs Persönlichkeit und Regierung unter- zieht Heidemann, Forsch. IX, 484 flg., einer besonnenen Kritik, die ihn zvpar nicht zu einer durchweg günstigen Auffassung dieses Fürsten führt (vergl. S. 498), wohl aber von dessen Bild manchen dieser Königsaaler Schmutzflecken tilgt und die Hauptschuld der Schwäche der Regierung gewifs mit Recht nicht im Könige allein sucht, sondern zum guten Teile in den Landesverhältnissen, der Zwietracht der Nationen und Stände unter einander und in sich selbst; vergl. auch Heidemann, Peter S. 130flg. Pelzel (Diplom. Nachrichten, wie das Königreich Böhmen an das Luxemb. Haus gekommen, Abhandl. einer Privatgesellsch. in Böhmen, Prag 1777,

Meifsen und Böhmen 1307—1310. 9

Die verbündeten Fürsten kamen jetzt Heinrich zn Hilfe, zuerst die Meifsner; unter wessen Führuno: sie standen, ist niclit überliefert. Von der königlichen Partei unterstützt drangen sie in die Stadt, avo sie nach heftigem Strafsenkampf ihre Gegner zurückdrängten. Wolfram und die Bürger seines Anhangs flohen in das Kreuzherren- spital, ein andrer besetzte den Turm auf der Burgseite der Brücke, die Burg selbst hielt namens der Barone Witek von Landstein. Als jedoch auch die andern Ver- bündeten Heinrichs, Graf Eberhard von Würtemberg und Herzog Otto von Bayern, herankamen, wurden auf ihre Vermittelung hin auch diese Punkte dem König übergeben, der so wieder Herr seiner Hauptstadt wurde ; ein Waffen- stillstand sollte die Streitigkeiten beschliefsen , wurde aber bald gebrochen, da Heinrich gegen die Verabredungen das Burggrafenamt dem eben einsesetzten Adligen entzog und meifsnische Truppen, die er für sichrer halten mochte, in die Burg aufnahm, sobald Eberhard und Otto wieder abgezogen waren. Die durch des Königs Erfolge nieder- gehaltne Mifs Stimmung brach nun von neuem hervor-^).

Den Ausschlag gab die Entfremdung zwischen Heinrich und Elisabeth, der Jüngern Schwester seiner Gemahlin. Mag ihr Grund gewesen sein, welcher er wolle, sie wurde der Mittelpunkt für die Pläne der Un zufriednen ^^); eine

III, 74 flg.) erzählt alle Beschuldigungen, die besonders die böh- mischen Chronisten gegen Heinrich und seine Anhänger geschleu- dert haben, als historische Wahrheiten. Auch Schotter, JohannI, 67, stimmt dem alten absprechenden Urteil über H. zu, erweist sich als unbedingt freundlich für Johann und folgt den aiif dessen Seite stehenden Quellen rückhaltslos. Job. von Victring III c. 9 (Böhmer I, 355) ist ganz verwirrt, verlegt die späteren böhmischen Parteikämpfe von 1309 schon ins Jahr 1307, vor König Albrechts Tod.

21) S. Tomek S. 540; Schlesinger S. 76; Palacky S. 72. Das Eingreifen der Meifsner bezeugt Dalimil ed. Hanka S. 227, das Eberliards und Ottos Ottokars Reimchronik. Nach letzterer sind beide Fürsten dreimal (1307, 1308, 1300) in Böhmen gewesen, um Heinrichs Herrschaft zu festigen, s. Pez. Script, rer. Austr. (Ratisb. 1745) TU, 797, 815, 829, wovon aber das erste Erscheinen Ottos 1307 unter ganz anderen Umständen erfolgte, also hier zu streichen ist (vergl. Tangl IV, 832), während die Anwesenheit der Bayern im Sommer 1308 auch Chron. aul. reg. I c. 107, S. 298 be- stätigt.

22) Nach Lorenz, Deutschi. Gesch.- Quell, im Mittelalter (Berlin 1886) I, 295 waren dies besonders deutsche Elemente, wie die Cisterzienseräbte von Königsaal, Sedlec, Plass; jedoch Avaren von Anfang au auch einflufsreiche Mitglieder des. .böhmischen Herren- Standes dabei. Dafs übrigens erst durch diese Abte des Luxembur-

10 Wold. Lippert:

G-esandtscliaft begab sich zu Albrechts Nachfolgei^ König Heinricli VII., dem Luxemburger, um sein Eingreifen in die böhmischen Wirren zu veranlassen. Dieselbe traf im August 1309 mit ihm in Heilbronn zusammen und erhielt eine Verweisung auf baldige Erledigung ihrer Wünsche.

Damit fing allerdings die Sachlage an für den Kärtner sehr bedenklich zu werden. Es mufste ihm vor allem daran liegen, seine widerspenstigen Unterthanen nieder- zuwerfen , ehe sie auswärtige Hilfe erhielten , um nicht gegen zwei Feinde zugleich kämpfen zu müssen--^).

Zu diesem Zwecke wurden jetzt Hilfstruppen aus den Erbländern berufen, die unter Aufensteins Führung eintrafen, und dann auch behufs Erlangung neuer Hilfs- völker mit den Meilsner Markgrafen Verhandlungen an- geknüpft und deren Unterstützung durch weitgehende Zugeständnisse erkauft. Es ist dies der Vertrag, von dem uns die Konzepte vorliegen, ich glaube ihn also in den Herbst oder Winter 1309/1310 versetzen zu müssen-*).

gers Blicke auf das erledigte ßeicbslelm Böhmen gelenlit worden seien, liat scliou Kopp IV, 1, 66, Aum. 4 bezweifelt nnd Heide- mann, Forsch. IX, 493 und Peter S. 105 entschieden bestritten. Letzterer legt (Forsch. S. 498, Peter S. 137) dar, wodurch die Cisterzienser zur Feindschaft gegen den Kärntner geführt wurden; es war höchstwahrscheinlich mönchische Eifersucht gegen die von Heinrich begünstigten Benediktiner. Nach Job, Victor. IV, 1 (S. 3ü9) soU Heinrich sich dem neuzuwählenden römischen König gegenüber ablehnend verhalten haben, obwohl der Luxemburger einen Strafsburger, Hugo Wiricus, an ihn abgesandt habe.

-^) Wenig später ballte sich ein neues Unwetter im Süden zu- sammen. Albrechts Söhne Friedrich und Leopold hatten sich von Heinrich VII. ferngehalten; erst jetzt erfolgte am 17. Sept. 1309 in Speyer eine Uebereiukunft, welche zugleich zeigt, dafs der Luxemburger die böhmische Angelegenheit ernstlich ins Auge ge- fafst hatte. Die Habsburger huldigen und werden mit ihren Erb- landen belehnt; der König verspricht ihnen 30 000 Mk. Silber, wo- gegen sie ihn unterstützen sollen pro facienda acquisitione regni Boemie. Für ein Darlehn von 20 000 Mk., das sie ihm gewähren, erhalten sie Mähren verpfändet. Auch zum Heerdienst mit 200 Mann gegen den Markgrafen Friedrich verpflichten sie sich. Die weiteren Punkte betreifen andre Angelegenheiten. Vergl. Emier n. 2195, 2196; Böhmer Regesta imperii 1246—1313 (Stuttg. 1844), Reichs- sachen n. 281 S. 377; Kopp IV, 1, 73; Heide mann, Peter S. 121.

-^) In welchem Monat die Verhandlungen stattfanden, ist zweifelliaft ; in der oben angegebenen Zeit müssen sie stattgehabt haben, weil bereits am 14. Mai 1310 der grofse Turm der Prager Burg dem Vertrage gemäfs in den Händen der Bevollmächtigten des Markgrafen ist, also mindestens einige Wochen vorher der Ver- trag abgeschlossen sein mufs. Nach der Reihenfolge der Begeben- heiten im Chron. aul. reg. c. 93 S. 240 traf Heinrich von x\ufenstein

Meifsen und Böhmen 1307-1310. 11

Die Angabe des Inhalts ist nicht ohne eine gewisse Schwierigkeit Wie wiederholt bemerkt, liegt nicht das Origmal vor, sondern ein Konzept, oder richtiger nicht ein, sondern drei Konzepte, alle auf demselben Stück Pergament von zwei verschiednen Händen geschrieben. Die Schwierigkeit liegt darin, zn ermitteln, welcher Ent- wurf der frühere, welcher der spätere, endgiltige, dem Original als Konzept dienende gewesen ist.

Der eine von ihnen (ich bezeichne ihn mit A) bringt nur den Anfang der Verabredungen, ein Bruchstück von 5^2 Zeilen. Er steht dem Entwurf B, auf der andern Seite des Blattes, sehr nahe, deckt sich fast wörtlich mit ihm und zeigt auch dieselbe Orthographie, während der dritte Entwurf C in beiden Punkten abweicht. In A hat der Schreiber selbst einige Korrekturen vorge- nommen, indem er frühere Worte ausstrich und andere darüber schrieb, und diese verbesserte Lesart ist dann in B angewandt. Wir haben also anzunehmen, dais der Schreiber erst A zu schreiben begann, dann aber das Schriftstück, vielleicht der Korrekturen wegen, auf der Rückseite des Blattes nochmals von vorn anfing und hierbei die Änderungen von A benutzte. Diesen zweiten Entwurf B schrieb er bis zu Ende. Dann wurde der- selbe nochmals durchgenommen, sei es nun in Gegenwart der beteiligten Fürsten oder ihrer Bäte; sicher ist, dass eine neue Besprechung erfolgt sein muss, denn es wurde in diesem Entwurf B noch eine ziemliche Anzahl von Änderungen angebracht. Dafs dies nicht nur Schreiber- korrekturen waren, lehren zwei Umstände: erstens sind diese Korrekturen in B nicht alle, wie die in A, von der Hand des Schreibers selbst gemacht , sondern , obschon einzelne von ihm selbst sind, rühren andere von einer andern Hand her, und zwar von der, welche den dritten Entwurf C schrieb ; zweitens sind es nicht blols stilistische Änderungen, sondern Änderungen sachlicher Art oder kleine Zusätze, die ein Schreiber nicht eigenmächtig vor-

erst 1310 ein, nach der Fhicht der Prinzessin Elisabeth nach Nini- burg- (am 28. Mai 1310) und andern Ereignissen. Zur Zurückwei- sung dieser ganzen, verwirrten Zeitfolge genügt schon die Urk. v. 27. Nov. 1309, die Heinrich bereits als in Prag anwesend nennt. Emier n. 2202. Die Zahl des reisigen Zuzugs unter Aufenstein betrug nach dem Ohron. aul. reg. nur 80 Eitter nebst Gefolge und Trofs, da ein Teil der Ritterschaft sclion 1307 mit Heinridi ins Land gekommen war, s. .1 oh. Vict. 111, 9, 354.

12 Wold. Lippert:

nehmen konnte. Es wurde nun von dem , welcher diese Art von Korrekturen in B vorgenommen hatte , auf der Seite des Blattes , wo schon vorher A begonnen war, aber von unten her auf dem freigebliebnen gröfsern Teile dieser .Seite, ein dritter Entwurf C angefertigt, in welchem die Änderungen berücksichtigt wurden und auch hin- sichtlich der Reihenfolge der einzelnen Vertragspunkte mehrfache Abweichungen von B stattfanden.

Es sollen nun die einzelnen Bestimmungen von B und C neben einander aufgeführt werden ; die wenigen Abschnitte von A stimmen ja mit denen von B überein, bedürfen daher keiner besonderen Erwähnung.

B.

Einleitung: Der Vertrag gilt für Heinrich auf der einen Seite und seinen Neffen Friedrich, den jüngeren Markgrafen von Meifsen, und dessen Vater auf der anderen.

1. Heinrich ist ewiglich verpflichtet, den Markgrafen mit aller Macht gegen jeden Feind zu helfen.

2. Zur selben Leistung sind andernfalls die Markgrafen gegen Böhmen verpflichtet.

3. Friedrich und sein Vater kommen nach Böhmen und helfen Heinrich, sich Böhmen und Mähren und alles dazu gehörige Land zii unterwerfen ohne Arglist.

4. Für den Schaden und die Kosten, die der Markgraf dabei er- leidet, werden ihm die vier Städte Leitmeritz, Brüx, Laun und Melnik eingeantwortet nebst aller zugehörigen Herrschaft in Stadt und Land.

5. Wenn Heinrich das Land verläfst und nach Kärnten und in seine Erblande zurückkehrt, sollen der Markgraf und sein Vater Böhmen und Mähren als Pfleger innehaben.

6. Zum Pfände dafür wird der grofse Turm der Burg zu Prag bestimmt, welchen Konrad von Aufenstein zu Händen der Mark- grafen innehaben soll.

7. Aller Schaden, den der Markgraf und sein Vater in der Pflege obiger Länder und bei ihrer Hilfeleistung erleiden, soll ihnen erstattet werden.

8. Erlangen sie Vorteil, so sollen sie diesen nach dem Urteilsspruch von sechs Männern (je drei von jeder Seite) dem König zurück- geben.

9. (Zusatz von der Hand des Schreibers von C.) Wenn Heinrich seinen Pflichten nachkommt, sollen sie ihm ohne Arglist sein Land zurückgeben.

10. Falls Heinrich ohne Erben stirbt, will er ihnen lieber als irgend einem andern sein Königreich gönnen.

C.

Einleitung = B Einleitung (gemeint ist hier nur die sachliche Gleichheit, nicht die Identität des Wortlautes).

1 = B 1.

2 = B 2.

Meifsen und Böhmen 1307-1310. 13

3 = B 3.

4 = B 10.

5 (ein Zusatz, der in B fehlt) Sicherstellung des Witwengutes der Königin für den Fall des Eintrittes von 4.

6 = B 5.

7 = B 7 nebst dem Schlüsse von B 8 (der Anfang von 8 folgt als n. 12 in C).

8 = B 9.

9 == B 4.

10 = B 6.

11 (Zusatz, der in B fehlt.) Falls Heinrich den Vertrag nicht er- füllt, sollen die vier Städte den Markgrafen als Eigen gehören und der Turm zu Prag ihnen von Konrad von Aufenstein aus- geantwortet werden.

12 B 8 Anfang (aber ausführlicher).

C hat also eine bessere Zusammenstellung verscliiedner Bestimmungen; denn C 6, 7, 8 sclilielsen sich sachlich gut an eüiander, während sie in B getrennt sind als n. 5, 7, 9 ; dasselbe gilt für C 9 und 10 , die in B ge- trennt sind als 4 und 6, Losgelöst vom Zusammenhang ist in C niu' Punkt 12 , der in B an passenderer Stelle als Ted von 8 auf 7 folgt; doch zeigt die Schreibung von 0 12 am Schlüsse auf zwei getrennt stehenden Zeilen, dafs hier nur ein Versehen vorliegt und der Schreiber bei der Umstellung der A.nordnung von C 4 10 diesen Punkt B 8 nicht ganz in C 7 mit folgen liefs, sondern die eine Hälfte von B 8 vergals und dann am Schluls des Ganzen noch darunterschrieb; im Original dürfte somit die Reihenfolge, unter Ausgleich dieses Versehens, wohl gewesen sein C 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 12, 8, 9, 10, 11.

Beachtenswert sind ferner die zwei in B fehlenden Punkte C 5 und 11, welche sachlich wichtige Ergänzungen geben; bei andern giebt C einen deutlicheren, bestimm- teren Ausdruck als B, so betreffs n. 4 (= B 10) , wo B nur vom Gönnen der Nachfolge spricht, C dagegen fest- setzt, dals sich Heinrich selbst für die Nachfolge der Markgrafen bemühen soll ; aucli C 12 ist deutlicher und ausführlicher gehalten als der entsprechende Punkt B 8 (Anfang) ; in 3 spricht B von der Bundeshilfe für Böhmen, Mähren und Zubehör, während für letzteren Ausdruck C das umfassendere „und anderswo" bietet.

Der junge Markgraf Friedrich wird als Heinrichs Oheim bezeichnet, während er der Sohn der Schwester Heinrichs war. Olieim ist jedoch hier nicht im heutigen Sinne zu nehmen, denn da war umgekehrt Heinrich der

14 Wold. Lippert:

Oheim Friedrichs des Jüngeren; es steht vielmehr dem damaligen Sprachgebrauch zufolge liier für Neffe '^•').

Die vier Städte, um die es sich handelt, sind Leit- meritz auf dem rechten Eibufer, Melnik oberhalb von Leitmeritz, in einiger Entfernung vom rechten Eibufer, Brüx, die heute durch ihre Kohlengruben bekannte Stadt südlich vom Erzgebirge, im SW. von Teplitz, und Lauu an der Eger südlich von Teplitz, ein für den Markgrafen sehr wertvolles Städteviereck in Nordböhmen, da dasselbe die wichtigsten Stralsen ^**) beherrschte, die von der Mark Meilsen über das Gebirge und im Eibthal hinauf in das Herz von Böhmen, nach Prag, führten").

Der Vertrag ist, wie die späteren Vorgänge zeigen, auch wirklich so vollzogen, wie das Konzept ihn angiebt (wenigstens soweit es in der Macht der beiden kon- trahierenden Parteien stand ^^).

Die Entwickelung der Dinge hatte sich durch die Ankunft der kärntnischen Verstärkungen nicht aufhalten lassen ; nicht einmal Prags war der König völlig mächtig, und aulserhalb der Hauptstadt spürte man ihn nach dem Chronicon aulae regiae nur an den Eaubzügen seiner Truppen in die Umgegend, wiewohl auch dies gewils in zu schwarzen Farben dargestellt ist.

Die Beziehungen der Unzufriedenen zu dem römischen König Hemrich gingen fort ; der ersten, mehr vertraulich

2^) Als Beleg seien (aiifser den mhd. Wörterbüchern) beispiels- weise zwei Urkunden Heinrichs selbst angeführt, in denen er die Söhne seiner andern Schwester Elisabeth, die Herzöge Friedlich und Rudolf von Oesterreich, mit obigem Namen bezeichnet, und zwar sowohl im Deutschen wie im Lateinischen, vgl. Emier II, n. 2175: per reges Bohemie et maxime per Budolphum, quoudam avunculum uostrum, und n. 2183 . . . Hertzogen Friderichen von Oesterreich, unserem lieben Oehaym Auch im Dalimil (ed. Hanka) S. 227 (c. 103) heifst der Markgraf von Meifsen „ohim" Heinrichs.

"") Brüx lag an der alten Hauptheerstrasse, s. Mitt. d. Ver. f. G. d. Deutsch, in Böhm. XX, 233. XXI, 103.

2') Also ebenso, wie gelegentlich Böhmen strebte, sich nördlich des Erzgebirges festzusetzen, suchten ihrerseits die Markgrafen unter andern Zeitverhältnissen südlich vom Uebirge in den fruchtbaren Gegenden des nordwestlichen Böhmen Fufs zu fassen, und zwar auch später wiederholt in der Form der Verpfändung von Städten oder Schlössern seitens Böhmens; Brüx z. B. selbst war auch in hussiti- scher Zeit an Meifsen (bez. Sachsen) verpfändet, s. Mitteil. d. Ver. f. Gesch. d. Deutsch, in Böhm. XX, 1, 80, 216.

2^) In der Zahl der Schiedsrichter (B. 8, C. 7) ist jedoch eine Abweichung eingetreten : statt sechs finden wir dann (Urk. 24. Sept. 1310) nur vier.

MeiTsen und Böhmen 1807—1310. 15

anfragenden Gesandtschaft im August folgte eine andre-'-*), und auch der König selbst schickte, um den Zustand des Landes zu erforschen, Gesandte nach Böhmen, die jedoch von Konrad von Aufenstein gefangen genommen, bald aber wieder freigelassen wurden. Die Lage Heinrichs von Kärnten wurde immer beengter, die Burg selbst \vurde bedroht und umschlossen, sodafs Heinrich von Aufenstein durch einen Ausfall mit der kärtnischen Be- satzung den Königlichen Luft zu machen suchte, wobei er jedoch selbst verwundet in die Hände der Empörer fiel ^*^). Dieser Kampf scheint noch vor der Ankunft der Meifsner erfolgt zu sein, da wir nur von der kärntnischen Besatzung der Burg hören. Zu Anfang Mai 1310 wurde die Ankunft des Markgrafen erwartet, wie uns folgendes Schreiben lehrt. Graf Albert von Barby, Otto von Eilen- burg und Vogt Heinrich von Plauen melden nämlich brieflich dem älteren Friedrich die an sie erfolgte Über- lieferung des grofsen Thorturmes des Prager Schlosses; sie waren also vor der Hauptmacht, die unter dem Jüngern Markgrafen nachfolgte, bereits in Prag einge- trofien^i).

Diese Verstärkung mag es gewesen sein, die Hein- rich zu dem Versuche veranlaiste, die Gegner ihrer ge- fährlichsten Waffe zu berauben. Die Prinzessin Elisabeth, deren Name dazu diente, die aufrührerischen Bestrebungen

29) Vgl. Kopp IV, 1, 69, 78 Anm. 4; Palacky S. 73, 75 Anm. 100; Ankershof eu-Tangl IV, 927; am ausführlichsten Heide- mann, Peter S. 140 %. und, freilich unkritisch und gläubig dem Chron. aul. reg. und Pulkawa folgend, Schütter I, 69 flg.

»'^) Palacky a. a. O. S. 79; Tomek I, 547; Schlesinger V, 78; Tangl IV, 933.

'•^^) Das Schreiben (Orig. Dresd. Archiv n. 1907) ist gedruckt bei Schmidt, Urkundenbuch der Vögte v. Gera, Weida u Plauen (Jena 1885) I u. 418; zweimal fehlt hier „dominus": sereuissimus dominus noster dominus Heinricus . . . Von den drei gelben Siegeln ist das Alberts bis auf ein Stückchen am l'ergamentstreifen ver- loren; das Ottos hat die Umschrift: S. 0 . . . nis senioris de ch;

das Heinrichs: S Heinrici advocati de Plawi. . Die Brief- schreiber melden, dafs König Heinrich „iuxta pcticionis vestre (des Markgr.) desiderium" und ,, nomine et vice vestri" ihnen den Turm anvertraut habe. Im Prülijahr, gleichzeitig mit der von Aufen- stein gefangen genommenen Gesandtschaft (s. vorher), wohl im Fe- bruar 131(t, hatte Peter von Mainz in Eger mit Friedrich verhandelt, um dem Eöhmenkönig auch diese Hilfe zu entziehen (wie ihm die würtemb ergische Hilfe schon durch den Keichsstädtekrieg gegen Eberhard entzogen war), doch es kam zu keiner Einigimg, Friedrich hielt fortgesetzt zu Böhmen, vgl. Heide mann, Peter S. 125, 143.

16 Wold. Lippert:

mit dem Schein der Legitimität zu umkleiden, indem man mit ilirer Hand dem Sohne des deutschen Königs, Johann, die böhmische Krone zuwenden wollte, sollte unschädlich gemacht werden; in welcher Weise, ob durch ihre Be- seitigung oder nur durch sichere Verwahi-ung, ist un- bestimmt'^^). Johann von Wartenberg vereitelte jedoch den Anschlag und rettete die Prinzessin nach Nimburg (28. Mai 1310), von wo sie, da ihre Partei mehr und mehr erstarkte und Prag aulser der Burg beherrschte, bald darauf nach der Hauptstadt zuiückkehrte ; denn als am 29. Juni eine neue, ofüzielle Gesandtschaft an Heinrich VII. beschlossen wm^de, war sie bereits zurück- gekommen. Diese Gesandtschaft gmg am 1. Juü ab, ohne dais der König es hindern konnte, und ihre Ge- schäfte nahmen in Franktiu^t a. M. den von den Böhmen gewünschten Verlauf. Nach einigem Zögern er woUte die Krone erst seinem Bruder Wakam geben stimmte der Luxemburger dem Wunsche einer Vermählung seines Sohnes mit Elisabeth bei ; am 24. Juli wurden im ßeichs- gericht Heinrich von Kärnten Böhmen und seine eignen Erblaude abgesprochen und Johann von semem Vater den Böhmen als künftiger König zugesagt. Bereits am 14. August reiste Elisabeth selbst, die durch die Ge- sandten sofort abgeholt worden war, von Prag ab, am 31. August wui'de in Speier Johann mit Böhmen und dessen Nebenlanden belehnt und am 1. September mit Elisabeth vermählt. Die Heerfahrt zur Eroberung des Königreichs wurde noch für den Herbst angesagt ■^^).

So rasch verhältnismälsig diese Sachen sich m den Sommermonaten abgespielt hatten, war doch in Böhmen selbst die Lage für die Empörer viel schwerer geworden. Die Hauptmacht der Meüsner'^*) unter Anführung des

^-) Vorher schon soll versucht worden sein, ihre etwaigen Thron- ansprüche durch eine unebenbürtige Ehe zu hintertreiben, Palacky S. 77; Schlesinger V, 78-, Tomek S. 546. Über Elisabeth vgl. auch das minder günstig für sie lautende Urteil Heidemanns, Forsch. IX, 504, der freilich auch geneigt scheint, die Redereien über ihre ünkeuschheit als wahr gelten zu lassen. Über den mut- mafslicheu Grund dieser Gerüchte s. Schotter I, 87, Anm. 1.

3«) Palacky S. 80 87; Schlesinger VI, 3; Pelzel Dipl. Nachr. a. a. ü. S. 83-, Heidemann, Peter S. 149, 156, 163; öchötter I, 77, 91; Kopp IV, 1, 79.

'■^^) 600 Bewaffnete nach Joh. Vi ct. S. 363; 500 Hehne nach Pulkawa b. Dobner Mouum. Hist. Boeni. III, 267; also eine poteus comitiva, wie es in der Urk. b. Pelzel, Dipl. Nachr. S. 96 heilst.

Meifsen und Böhmen 1307—1310. 17

jungen Friedrich hatte inzwischen handehid eingegriffen; die Abwesenheit melirerer der Häupter der Gegenpartei (die sich an den Gesandtschaften zum Hofe des römischen Königs beteiligten) kam dem Markgrafen zu statten und er errang bedeutende Erfolge. Am 18. Juli hatten die Meifsner und Kärtner Kuttenberg, am 14. September Prag selbst, d. h. auch die Stadt aulser der Burg, besetzt, wodurch Heinrichs Stellung sehr gekräftigt wurde, zu- mal auch andre Städte und einige der Landherren sich für ihn erklärten'^').

Nach der Besitznahme von Prag stellte der junge Markgraf Friedrich für sich und seinen Vater am 24. Sep- tember eine Urkunde aus, in welcher er auf den im Entwurf vorhandenen, vorausgegangenen Vertrag Bezug nimmt. Die., dort für Heinrichs Weggang in Aussicht genommene Übertragung der Pflege von Böhmen an die meilsnischen Fürsten scheint schon jetzt während seiner Anwesenheit erfolgt zu sein; denn Friedrich gelobt, dafs er seinem Oheim das Königreich, „daz lier unseme vatere unde uns antwort" (also vollzogene Thatsache), auf dessen Verlangen wiedergeben will. Bürgen sind drei Edle und acht Ritter ; falls der alte Markgraf selbst nach Böhmen kommt, soll er dies mit seiner Umgebung auch persönlich geloben. Ein Schiedsgericht von vier Mann (je zwei von jeder Seite) wird eingesetzt, um eine Abrechnung des Schadens und der Kosten vorzunehmen, die sich für den Markgrafen bei der Unternehmung ergeben und die ihnen von Heinrich vergütet werden sollen. Etwaiger Über- schuls des Nutzens über den Schaden und über die Aus- lagen soll dem Könige nach Urteil derselben vier Leute zufallen ^'^).

^°) So Kolin ; so die Herren von Lichtenburg, s. E m 1 e r II, n. 2230, wo als Zeugen noch andre Mitglieder hervorragender Ge- schlechter erscheinen. Die Urkunde ist in dem kurz zuvor erober- ten Kuttenberg 28. Juli 1310 ausgestellt, ist also vielleicht die un- mittelbare Folge des wieder erstarkten EinÜusses Heinrichs in dieser Gegend. Schotters blinde Parteinahme gegen Heinrich und die Seinigen zeigt sich hierbei auf fast komische Weise ; in der Schilde- rung der raeifsuischen Schaaren überbietet er noch seine, mit Gift und Galle wahrlich genugsam durchtränkte Vorlage, das Chron. aul. reg., so I, 95, wo er die Meifsner mit „blutgierigen Bestien" ver- gleicht.

^") Die Urkunde ist gedruckt nach einer Abschrift des Biihmi- schen Museums bei Emier II, n. 223H, folgt jedoch genauer nach dem Original des k. k. Haus-, Hof- und Staatsnrchivs am Schlüsse dieses Aufsatzes. Ausser manchen Fehlern giebt Emier

Neues Archiv f. S. (i. u. A. X. 1. 2.

2

18 Wold. Lippert:

In der That hören wir in den letzten Monaten des Jalu^es 1310 nichts vom Könige ="), er war wohl jedes Avirklichen Einflusses entblölst; die wählten Machthaber Avaren die fremden Helfer, und nicht nur de facto, son- dern unserer Urkunde zufolge auch de jure. Abgesehen von der Herabsetzung der Zahl der Schiedsrichter (vier statt sechs) entsprechen die Punkte ganz denen des früheren Vertrags, wie sie uns aus dessen Konzepten be- kannt geworden sind.

Beim Herankommen des Eeichsheeres hielten beson- ders die Meilsner die Sache Heinrichs noch eine Zeit lang aufrecht; als ihre Ausdauer schon von Erfolg gekrönt zu werden schien, als Kuttenberg sich glücklich behauptet hatte, Kolin bei Heinrich aushielt und man im feindlichen Lager vor Prag, gegen das man sich schlielslich gewendet hatte, der Belagerung teilweise schon überdrüssig war, da führte verräterisches Einverständnis unter den Be- wohnern am 3. Dezember 1310 den Fall der Stadt herbei. Zwar hielt sich die Burg, in der sich Heinrich und Friedrich befanden, noch mehrere Tage ; dann aber berief der ältere Markgraf seinen Sohn mit den meilsnischen Truppen zurück; es mochte ihm nun doch gefälu'lich er- scheinen, allein der Macht des Reiches und des neuen Böhmenkönigs zu trotzen. Erleichtert wurde ihm diese Haltung, da Heinrich selbst seine Sache verloren gab und nm^ strebte, seinen Abzug zu bewerkstelligen, was auch bald geschah; damit entband er von selbst seine Bundesgenossen von weiteren Pflichten ^^).

die Urk. mit Auslassungen-, z. B. läfst er weg „ane argelist". Dies ist aber deshalb unzulässig, weil mau gerade damals eine solche Zufügung durchaus nicht für etwas gleichgiltiges ansah. Einen lehrreichen Beweis bieten unsere Entwürfe. Entwurf B gab die Bestimmung der Hilfeleistung (B 3) ohne diesen Zusatz ; die andre Hand, die mehrere sachlich wichtige Änderungen u. dergl. vornahm, setzte ausdrücklich hinzu „ane allirleige argelist" und im neuange- fertigten dritten Entwurf C (C 3) sind in der That die Worte in den Text aufgenommen, man mufs sie also doch nicht für belanglos gehalten haben.

37^ Eine Urk. aus Prag v. 18. Okt. 1310 (Tangl IV, 940) be- trifft nicht böhmische, sondern kärntnische Angelegenheiten.

^^) Heinrich verliess Prag am 9. Dezember 1310 (V. Id. Dec. media nocte, Chron. aul. reg. c. CVIII, 312) und begab sich durch Bayern nach Tirol; seine lieimische Umgebung hatte mit ihm das Land verlassen; so finden wir Konrad von Aufenstein bereits am 9. Januar 1311 mit seinem Herzoge (der allerdings den Königstitel beibehielt) in Innsbruck-, vergl. Kopp S. 83, 84 Anm. 2; Palacky

Meifsen und Böhmen 1307—1310. 19

Unsicher ist, ob nach seinem Weggange der junge Friedrich sich mit dem neuen Herrn von Böhmen ins Einvernehmen setzte, oder ob sein Vater selbst herbei- eilte, um die Unterhandlungen zu führen. Letzteres ist das Wahrscheinlichere; denn in der am 19. Dezember von Seiten des Eeiches (in des Kaisers Namen Urkunden Erzbischof Peter von Mainz und Graf Berthold von Henneberg) erteilten Urkunde wird nur Friedrich selbst aufgeführt, nicht sein Sohn, wie dies doch der Fall ge- wesen wäre, wenn er den Vertrag abschlofs (vergl. das entsprechende Verfahren bei den Entwürfen); dasselbe zeigt sich auch in der Bestätigung dieser Urkunde durch König Johann in sehier Eigenschaft als Reichsvikar dies- seits der Alpen und in dem Bündnisse zwischen Friedrich und Johann ^^).

Der Preis, den die Wettiner für ihren Rücktritt von der Sache des Kärtners und für ihren Bund mit

S. 91. Mit Freigebigkeit lohnte er Aufenstein und anderen ihre für ihn erlittenen Mühen und Opfer, s. Egger, Gesch. Tirols (Inns- bruck 1872) I, 340.

2^) S. die Urkunden b. Wilke, Ticemannus (Lips. 1754) Anh. S. 208,209, und Wegele S. 452 (hier statt „unionis inderaptitatem" aber zu lesen „ydemptitatem", s. Orig. Dresdner Archiv , u. 1922). Böhmer Reg. S. 378 n. 293, 294. Kopp läfst IV, 1, 85 die Ver- träge durch den jüngeren Friedrich abgeschlossen werden, Wegele S 316 durch den Vater. Das Zeugnis Johanns von Victring (IV, 3, Böhmer I, 363 , 364) hat hier nur bedingten Wert, denn w^ährend er deutlich sagt, der junge Markgraf, von dem er hierbei eine sehr günstige Schilderung entwirft, sei patre eum revocante traurig und von Sorge um seinen Oheim erfüllt, heimgekehrt, hat er vorau.s- geschickt, der junge Friedrich selbst habe Versprechungen betreffs der wettinischen Laude erhalten (de investitura terre sue, que adhuc herebat in pendulo, promissa recipiens certitudinis) ; sonach müfste er selbst also nocli vor seiner Kückkehr die Verhandlungen mit Johann und dessen Beratern gepflogen haben, wogegen aber der Text der vorliegenden Urkunden spricht. Nach Job. Vi ct. scheint es ferner auch, als habe Friedrich die Sache des Kärtners noch vor dessen Abzug aufgegeben (dolens et anxius quod avunculo adesse non debuit), wo doch die Urkunden erweisen, dafs erst am 19. Dez. der Vertrag zwischen Meifsen und Johann (und dem ileiche) erfolgte, während Heinrich schon am 9. J'rag verlassen hatte. Hiernach ist also die Darstellung bei Palacky S. 90, Egg er 8. 338 und bei Heide mann, Peter S. 168, For.sch. S. 507, 509 zu berichtigen. Über die Abreise Heinrichs und der Seinigen stehen Juh. v. X'iitring und der Fürstenfelder Mönch in völligem (jegensatz; denn nach Job. versagte Pfalzgraf Rudolf, Heinrichs Schwager, jede Ueiliilfe beim Abzüge und der Graf von Oettingen und der Burggraf von Nürn- berg nahmen sich der königlichen Familie an, nach dem Monach. Fürstenfeld. (Böhmer I, 42) war es gerade Rudolf, der den Ab-

ziehenden sicheres Geleit gab.

2*

20 Wolfl. Lippert:

Johann ernteten, war der Verzicht auf die Ansprüche des Reiches an Thüringen und Meilsen , womit die Mark- grafen erblich belehnt wurden. Die freundlichen Be- ziehungen zu Johann fanden erneute Bethätigung im folgenden Frühjahr, als Friedrich in Eger mit dem Böhmenkönig und andern Fürsten zusammentraf; denn Johann übertrug ihm das dem Reich gehörige Pleifsner- land nebst den Reichsstädten Chemnitz , Zwickau und Altenburg, mit der Bedingung, dals das Reich sie in zehn Jahren für 2000 Mark wieder einlösen solle, welche Summe Böhmen dem Markgrafen schuldete ''*'). Friedrich gab dagegen. .das ihm von Heinrich verpfändete Laun zurück ^^). Über die andern Städte fehlen Nachweise, doch sind auch sie an Böhmen zurückgekommen*-).

*<') Dieses Gebiet war bereits längere Zeit als Pfand für die Mitgift Margarethens, der Tochter Kaiser Friedrichs II. , in die Hände der Wettiner gekommen, später aber wieder eingelöst worden, vergl. Wegele S. 51, 141; Tittmann, Gesch. Heinrichs des Er- lauchten (Dresden 1845) I, 87.

^*) Vergl. Urk. Johanns (Dresdner Staatsarchiv n. 1932) vom 1. April 1311, gedruckt bei Mencke, Script, rer. German. II col. 960 und Winkelmann, Acta imperii inedita (Innsbruck 1885) II, 768, Reichssachen n. 1104. In derselben wird von dem Vertrage Friedrichs mit Heinrich, kraft dessen Laun und die drei andern Städte an Meifsen verpfändet waren, nichts erwähnt, sondern die Verpfän- dung mit einer Schuld von 2000 Mk. (zu je 56 Präger Groschen) in Verbindung gebracht; ob das noch jene Schuld von 2000 Mk. (ä, 56 Gr.) war, die laut Urkunde vom 10. Oktober 1307 Friedrich von Heinrich zu fordern hatte (s. oben) und die vielleicht bei der beständigen Notlage Heinrichs noch nicht bezahlt war, oder ob es eine neue Verschreibung für die neue Bundeshilfe im Jahre 1310 war, ist nicht zu ermitteln. Bemerkenswert ist aber, dafs Johann diese Schuld anerkannte, während er doch sonst die Regierungs- handlungen seines Vorgängers als ungiltig erklärte, s. Urk. bei Pelzel,Dipl. Nachr., wie Böhm, an d. Lux. Haus gekommen, a. a. 0. S. 96, 97.

^^) Für Leitmeritz vergl. Julius Lippert, Leitmeritz von seiner Gründung bis zum Beginn seiner Czechisierung, Mitteil. d. Ver. f. Gesch d. Deutsch, in Böhmen VI, 93, 94 und dessen Gesch. V. Leitmeritz (Prag 1871) S. 46, woraus hervorgeht, dafs in Leit- meritz 1319 der König von Böhmen Herrschaftsrechte ausübte. Die Verpfändung von Leitmeritz ist übrigens von Lippert in beiden Schriften völlig übersehen worden. Melnik erscheint 1319 als der Königin Elisabeth gehörig, die hierher während des Zwistes mit ihrem Gemahl übersiedelte, s. Chron. aul. reg. II, c. VI, S. 402. Auf die Rückkehr dieser und andrer Städte unter die böhmische Herrschaft l^ezieht sich wohl auch mit die Angabe des ('hron. aul. reg. I, c. CIX, 314: Reliquias autem Chorinthiauornm et Misnensium, quas in quibusdam urbibus et presidiis Chorint liianus dux fugiens post se dimiserat, rex Johannes statim sua sollicitudine et conven-

Meifsen und BöhniPu 1307—1310. 21

So hatte der böhmische TIu'OD streit dem Wettiner die Mittel an die Hand gegeben, das Hauptziel seines Strebens, die Behauptung seiner Erblande zu erreichen. Schon hatte es geschienen, als sollte das erlauchte Ge- schlecht aus der Eeihe der deutschen Fürstenhäuser schwinden Friedrichs Tapferkeit und Ausdauer ver- bunden mit der Gunst des Schicksals, das ihn von zwei feindlichen Königen durch deren plötzlichen Tod befreite, und dann besonders sein Geschick bei der Ausnützung der böhmischen Verhältnisse trugen scliliefslich den Sieg davon, und mit Recht kann Friedrich derFreidige als der zweite Gründer wettinischer Macht in unsern Landen gelten.

tione aliqua de finibus Bohemiae extermiuat. Auch Kolin hatte sich wie es scheint nicht ohne Widerstand ergeben (König Johann spricht von seinem begründeten Unwillen und von gefangenen Bürgern Kolins) und deshalb Handelsbegüustigungen eingebüfst, die an das der Elisabeth treue Nimburg kamen, doch schon am 31. Dez. 1310 erwies sich der König wieder gnädig gegen Koliu, so dafs in Anbetracht der dazwischenliegenden Vorgänge auch Kolin alsbald nach dem Falle Prags an den Luxemburger gekommen sein mufs, vergl. Emier II, 1216 n. 2781, 2782.

Beilagen.

No. I. Markgraf Friedrich von Meißen verpflichtet sich, dem König Heinrich von Böhmen vom Tage des Eintritts in sein Land an die üblichen Leistungen zu geivähre^i und erlittnen Schaden zu vergüten.

Prag, 1. September 1307.

Nos Fridericus dei gracia Misneusis et Orientalis marchio notum esse volumus universis ])resentos Utteras inspecturis, quod nos serenissimo principi domino Heinrico inclito Boheniie et Polouie regi ac duci Karinthie, sororio nostro karissimo, et hominibus suis, cum quibus ipse res nobis contra nostros adversarios in subsidiuni venire promisit, a die, qua metas terrarum nostrarum ad nos venicntes atti- gerint, expensas, quas et sicut consuetum est dari in casu huius- modi, per tempus, quo in nostro manserint adiutorio, promittimus uos datui'os. Dampna eciam, si qua predictum dominum . . regem et ho- mines suos in nostris presidiis existentes ab adversariis et inimicis nostris percipere contingeret, sibi volumus et i)romittimus resarcire, dantes super hoc presentes litteras nostri sigilli muuimiue roboratas.

22 Wold. Lippert:

Datum Präge auno domini millesirao trecentesimo septimo in die sancti Egidii.

Orig. perg. k. k. Saus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien. Mit dem Beitersiegel des Markgrafen, zum Teil beschädigt.

Jndorsat von späterer Hand.

No. IL Die drei Konzepte des Vertrages zwischen Markgraf Friedrich dem Jimgen in Vertretung seines Vaters, des Mark- grafen Friedrich, mit König Heinrich.

(Prag, Herbst— Winter 1309—1310.)

A. Der erste unvollendete Enttourf.

Wir Heinrich etc. tuen chunt etc. Daz wir mit unseme üben oheim dem edln margrave Fridrich dem Jungen von Meichsen vriuntlich und lieblich uberain worden sin und taidingt haben, daz wir im und sinem vater^) beholfen sollen sin ewichlich auf einen iezlichen der in-) wider wer mit alle unser'*) macht, und hat auch daz gelobt und getaidingt, daz unser swager, sein vater, mit siner macht sol in daz laut ze Pehaim chomen betwingen und undertennich macheu uns daz land ze Pehaim und ze Merhern.

Pergamentblatt H. H. u. St. Archiv Wien.

B. Der zxoeite Entwurf^).

Wir H. etc. tune chiint etc. Daz wir mit unseme liben oheim dem edln margrave Frid. von Michsen dem Jungen fin- in und für sinen vater friuntlich und üblich uberain sin worden und getaidingt haben, daz wir in beholfen sullen sin^) ewichlich uf einen islichen, der in wider wer, mit alle unsere macht, als si uns auch herwider gebunden sullen sin, und wände unser vorgenande oheim uns gelobt hat, daz sin vater mit siner macht sol in daz laut ze Pehaim chom") und sal bihaltin sin zu betwingen und undertenich macheu uns das lande ze Pehaim und das lande ze Merchern und allez daz, daz ze dem chunichrich gehört, an allirleige argelist nach siner macht ''). Darumbe haben wir in gelobt in ze antwurten^) für den schaden und

^) Erst ivar geschrieben daz er uns beholfen, der Schreiber selbst strich er uns durch und schrieb wir im und sinem vater darüber.

^) Erst: der uns wider, uns durchstrichen, übergeschrieben in vom Schreiber.

ä) Erst: alle siner macht, durchstrichen siner, übergeschrieben unser vom Schreiber.

*) Mit B bezeichne ich den Schreiber des Stückes selbst, mit C den Schreiber des dritten Entwurfs.

^) Hinter sin ein Buchstabe ivie e.

ö) Hinter chom Rasur, erst hieß es : betwingen und untertenich machen, C schrieb über chom und die folgenden Worte darüber

und , radierte dies wieder weg, nur das erste und ist noch

sichtbar, und schrieb dann und sal bihalfin sin zu, bis über den Band heraus.

') an allirleige macht übergeschrieben von C.

^) Hinter antwurten schrieb B vier, durchstrich dies aber selbst wieder tmd schrieb darüber ze phande , C strich es aber gleichfalls rvieder aus.

Meifsen und Böhmen 1307—1310. 23

di cliost, di si'') anf daz lande imd in nnseme dinst tra^sfen, vier un- sere stet Lutlimericz, Pruchs, Lawn und Melnik mit aller der her- schaft und nucz, di ^o) dazu gehorent beidire") in den steten und auf den landen. Ouch haben wii-^-) unseme oheim^'^) geloht, daz wir im und sinem vater di lande ze Pehaim'^) und ze^^) Merchern enphlechen ze einer phleg, wenn wir haim ze Chernden und in un- serere lande varn. Daz wir daz tuen, darumh haben wir im geseczet ze phande^*^) den grozzen turn auf deme hous ze Prag, und denselben turn sol inhaben unser getrewer Chunr. von Aufenstein ze imserz swager dez margi-aven von Meichsen und sinez sunes haut unserz oheimz. Ouch haben wir gelobt unseme oheim eilen den schaden, den er und sin vater in der phfleg der vorgenanten lande und in unser hilfe nemen, daz wir in den suUen aufrichten"). Nem si aber chain frum, den sollen si uns wider ehern nach sechs mann rat, der wir ^8) drei chiesen^'') und si drei. Wenne wi das gitun, so sullen si uns unse lande widergebin an argelist-*'). Ouch haben wir gelobent, ob wir abgiengen an erben, daz wir im unserz chunichriche und swaz darzu gehöret"^) paz guunen dan imant ander.

Perganientblatt H. H. u. St. Archiv Wien, auf der Bückseite des Blattes, das Entiourf A enthält.

C. Der dritte Entiourf.

Wie H. etc. tun kunt, das wi mit unsime libeu ohem deme edilen marcgraven--) Friderich von Misne deme Jungen für in und für sinen vater vruutlich und liplich ubirein kumen sint und haben getedingit, das wir in biholfin sullen sin kegen allen den, di in wider sin mit allir unsir macht ewecliche, also si ouch herwider sullen uns gebunden sin. Ouch hat unse ohem uns gelobit, sinen vater unsen üben swager, den marcgraven von Misne, mit sinre macht zu brengen in das laut zu Behem und sullen uns helfen betwingen alle, di wider uns sin in deme lande zu Behem und Mereren und anderswa-^) an allirleige argelist, also verre si kunnin mit libe und mit gute. Dar-

") Erst die er in unsern dinst auf . . , corr. von B. selbst, er imd in uns. dinst durchstrichen.

^^) Hinter di radiert z B.

^^) Oder beidiw, undetitlich.

'^) Hinter wir stand im, durchstrichen von B.

'^) Hinter oheim stand und sinem vater, durchstrichen von B.

^■*) Phaim, e über(jeschrieben von B.

*^) ze übergeschrieben von B.

^^) ze phaude durchstrichen von C, dann dur^h darunter ge- setzte wieder als giltig erklärt.

") Über aufrichten frum waren etxva sieben Worte von C übergeschrieben, wurden aber ivieder radiert, da sie erst im folgen- den kommen und hier nur versehentlich gebracht wurden; es waren

die Worte si uns unse {oder dise) lant wider gebin , einige

Spuren sind noch sichtbar.

") der wii- der drei, das ziveite der durchstrichen von B.

^^) chiezen, corr. s von B.

^^) Wenne argelist übergeschrieben von C. über die Worte Ouch erben und über den Rand heraus.

-1) gehört, e übergeschrieben von B,

") Schluß des W'ortes fehlt, da die Blattecke abgerissen ist.

^*) und auderswa übergeschrieben von C selbst.

24 Wold. Lippert:

umme habe wir in gelobit zu macliene unse lande zn Behem und zu Mereren, also das di lant imd allis, das darzu iehorit, nf si vallen sullen, ap wir ane erbe sterben, ane also vil das wir unsir lieben husvrowin [zu lipgedinge] -') machen wollen. Ubir das so sulle wir ouch unsenie üben swager deme marcgraven von Misne und sime suoue unseme ohem biyelin unse lande zu Behem und zu-') Mereren, sweune wi kegen Kerndiu in unse lant varen, das si derselben lande pflegere sullen sin. Neme si in der pflage der lande adir in unsirn dinste keinin schaden, den sul wir in ufrichten, also sechs man sprechen, di darzu iekoreu werden, dri von unsir wegen und dri von irren wegen; und so-") sullen si"'') unse lande uns wider anworten an allirleige arhelist. Das wi dise vorieschribene rede stete und gancz alden an argelist, des habe wi in ieanwortit vire unsir stete: Lutmericz , Lune , Bruxs uad Melnic mit aller der herschaft und nucze, di darzu boren beyde in den steten und uf deme lande, und den grossen türm uf deme huse zu Präge. Denselben türm sal inue halden unsir ietruwir Cunr. von Aufenstein von unsis swagirs und unsis ohemis wegin. Tete wi dise vorienante rede nicht, so sullen di vire vorienante stete uns verlorn and in iewimnin sin und der grosse türm uf deme huse zu Präge. Denselben türm sal in denne anwortin Cunr. von Aufenstejai an allirleige Widerrede-*). Neme ouch unse swager adir ohem vrumin, den sal man-^) kegen deme schaden apslau, und wurde des vrumin me, den suUin si^^) uns wi- dir keren.

Pergamentblatt H. H. u. St. Archiv. C. steht auf der Seite des Blattes, ivo schon Ä steht, ist jedoch umgedreht von unten her geschrieben.

No. III. Der jüngere Markgraf Friedrich gelobt für seinen Vater und sich, das ihm eingeantiv ortete Königreich Böhmen seinem Oheim Heinrich auf Verlangen zurückzugeben. Schaden und Kosten sollen nach ^_ Schiedsspruch von vier Leuten ihnen loieder er stattet iverden, Überschüsse ivollen sie ihrerseits zurück- geben. Prag, 24. September 1310.

Wyr Friderich von gothes gnaden junge marcgrave zcu Misene unde in deme Osterlande geloben truweliche an dyseme brieve vor unsen lybeu vater unde uns, daz wir deme edlen vursten, unseme lyben omen kanik Heynriche von Behemen sin konikriche, daz her unseme vatere unde uns antwort, sullen wyder gebe, swanne her iz heyschit ane argelist. Daz geloben mit uns die edeln luthe Otte von Bergowe, Albrecht der burgrave von Lyznik, junge der burgrave von Donyn, unde unse ritthere Otte von Jleliurg, Johan von (ieyl- nowe, Albrecht Knut, Tamme von Haldeke, Heynrich von Kokeritz, Syfrit von Schoneveit, Groze von Seweschin unde Heynrich Knut.

2^) zu lipgedinge durchstrichen von C selbst.

^^) zu übergeschrieben von C.

^'') so übergeschrieben von C.

^''j si übergeschrieben von C.

2**) Das Stück Neme ouch widirkeren (im Konzept noch 2 Zeilen) folgt erst yiach einem Absatz, ivohin von späterer Hand die Worte geschrieben worden sind Punttnus mit den von Meichsen 1308.

^^) man übergeschrieben von C.

^^) si übergeschrieben von C.

Meifsen mv\ Bölimen 1307—1310. 25

Daz selbe sal unse vater globe imserae lyeben omen, swaime her zcu yme kumit, unde suUen mit yme globe die ^'lu'sten mide die herren, die mit yme kument. Neme ouch unse vater unde wir icheynen schaden in der pblage des kimikricbes oder in unses omen dinste, oder tete wir icheyne kost, die sal nns unse ome ufriehte noch heyze zcweyger manne, die her kuset, unde nach zweyger manne, dy wir kysen. Neme wir aber vromen über schaden unde über kost, den schulle wir unserae omen AAdder keren noch heyzze der selben vir manne, die her unde wir dar zcii kysen. Daz unse vater unde wir diz stete halden, darüber gebe wir desen brief bisegelt mit unseme insegele unde mit der insegele, die mit uns globet haben Dyser brief ist gegeben zcu Präge nach gothes geburthe thusent iar dru- hundert iar in deme zcenden iare, au deme uesten dunrestage vor sentte Michahelistage.

Orig. perg. k. k. H. H. u. St. Archiv zu Wien.

Am Bug 12 gelbe Wachssiegel. 1. S. Friderici marchionis iunioris. 2. S. Ottonis de Lodebiirg .... ergowe. 3. S. AI. Burc-

gravii de Liznik. 4 de Donin. 5. S. Ottonis senioris de

Ylburch. 6. -}- S. Johannis de Geihiow. 7. f S. Alberti Knut de Breitenbuch. 8. Sigiil. Tammonis d. Haldech. 9. Sigill. Heinrici de

Kokeritz. 10. S. Sigfridi de Schoninvelt. 11 de Zew

12. S. Heinrici Knut . . de tovdiz -^i).

Jtidorsat von späterer Hand (15. Jahrh.J : margraf von meisen hat ubergebn ein geslos kunig von behaim.

21) Das bis auf diese Zeiten zurückgehende Prager Stadtbuch enthält einen Rechnungsbericht, den Emier nachträglich in den Addendis Bd. V, 781 n. 1992, 1993 abdruckt. Es sind hier Geld- f^ummen für einen Markgrafen erwähnt ; dafs dies Markgraf Friedrich von Meifsen ist und die Abrechnung mit dem Zug nach Böhmen im Jahre 1310 in unmittelbarem Zusammenhang steht, lehrt eine Reihe von Namen andrer dort mit aufgeführter Personen. Von den elf Leuten nämlich, die in der obigen Urk. v. 24. Sept. als in Prag beim meifsnischen Heere anwesend erscheinen , ünden wir nicht weniger als acht in diesen Rechnungen wiedei', nämlich den dominus de Ber- gan (au der zweiten Stelle Pergau), dom Heinricus de Cocricz, d. de Lyznik, d. de Donyn, d. de Schnnvelt, d. Heinricus Knant und seinen Bruder Albertus, Tammo de Haldek. Es fehlen somit nur Groze von Seweschin, Johann von Geilnow, Otto von Ileburg, von denen aber Job. v. G. vielleicht in einem dominus Johannes steckt, denn sein Titel dominus zeigt ihn als ritterbürtigen Manu (die zahl- reich mit genannten Bürger, selbst solche aus bekannten, angeschenen Familien, sind einfach mit Namen genannt). Ob ein dominus de Henberk etwa verschrieben oder verlesen ist für den von Ileburg (bez. Henberk), erscheint zu unsicher, um es behaupten zu können. Mag nun von jeneu dreien der eine oder andre unter ungenauer Be- zeichnung noch mit vorhanden sein, so ist doch schon das Zusammen- erscheinen der 8 obigen unter 11 Leuten, die in der Umgebuiiu' des Markgrafen im Feldzuge 1310 besonders hervortreten, zu churakte- ristisch, um die Schuldabrechnungcn nicht mit diesem Zuge in Be- ziehung zu setzen. Uns näher auf die Finanzoperationen des Prager Magistrats einzulassen, liegt hier keine Veranlassung vor; es sollte nur auf das interessante Aktenstück hingewiesen wei'den, das als ein Nachklang aus jener ki-iegeiischen Zeit in die Regierung König Johanns herein sich bemerklich macht.

IL

Zur Gescliichte

der Herrschaft Seidenberg (-ßeibersdorf)

während der Jahre 1622-1630.

Von Hermann Knothe.

Die bekannteD Schriften über Seidenberg von Klols ^) und Mende-) erwähnen natürlich die Einziehung der ge- samten Herrschaft nach der Achtung des bisherigen Be- sitzers, Christoph von Eädern, die Sequestration und den späteren Verkauf derselben an Christian von Nostitz, enthalten aber nichts über die mancherlei Projekte, welche in der Zwischenzeit von verschiedenen Seiten wegen des Besitzes von Seidenberg gemacht wurden. Während die Quellen hierüber den Verfassern jener Schriften noch nicht zu Gebote standen, suchen wir in nachstehendem diese vielfach interessanten Projekte nachzutragen^).

*) Sammlung einiger histor. Nachrichten von der freyen Standesherrschaft in der kleinen Stadt Seidenberg. 1762.

-) Chronik der Standesherrschaft, Stadt- und Kirchgemeinde Seidenberg. 1857.

'') In dem Hptst. -Archiv zu Dresden befand sich früher ein besonderes Aktenfaszikel über die Herrschaft Seidenberg von 1625 au, welches jedenfalls die sämtlichen betreffenden Aktenstücke ent- hielt. Dasselbe ist aber 1859 an Preufsen abgegeben worden. Wir vermögen daher nur dasjenige zusammenzustellen, was wir in anderen Aktenbänden des Hptst. -Arch. über Seidenberg aufgefunden haben.

Z. Gesch. der Herrsch. Seidenberg 1622—1630. 27

Seidenberg und Priedland hatten von je her nur eine einzige, obgleich innerjialb zweier Länder gelegene, Herr- schaft gebildet. Seitdem aber (6. Juli 1619) die Ober- lausitz von Kaiser Ferdinand II. dem Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen als Unterpfand für die Kosten der dem Kaiser zu leistenden Kriegshilfe verschrieben worden war, mufste nun die zur Oberlausitz gehörige Herrschaft Seidenberg von der zu Böhmen gerechneten Herrschaft Fr ie dl and (-Reichenberg) streng geschieden werden. Der letzte Besitzer von beiden, Christoph von Rädern, war wegen seiner Beteiligung an dem böhmischen Aufstande vom Kaiser geächtet und all seiner Güter verlustig er- klärt worden. Die Herrschaft Friedland verkaufte der Kaiser (16. Juli 1622) um 150 000.. Gulden an Graf Albrecht von Waldstein^). Da die Ächtung vor der Pfandübergabe der Oberlausitz an Kursachsen (13. bis 23. Juli 1623) erfolgt war, so behielt sich der Kaiser auch über Seidenberg die Verfügung vor.

Der nach Polen geflüchtete Christoph von Rädern betrachtete sich aber noch immer als rechtmäfsigen Besitzer wenigstens von Seidenberg, liefs daher bei der Pfandübergabe der Oberlausitz durch einen seiner Vasallen, Erasmus von Gersdorff auf Oberullersdorf, als „seinen Mandatar", dem neuen Landesherrn die Huldigung leisten und erbot sich, als er später deshalb von dem Landes- hauptmann der Oberlausitz gemahnt wurde, dieselbe auch noch persönlich abzulegen^). Man scheint ihn also damals in Bautzen wie in Dresden als rechtmäfsigen Besitzer angeselien zu haben und hatte ihn daher in dem Ver- zeichnis der Landstände vom Jahre 1623 noch als Herrn auf Seidenberg aufgeführt. Ja, als Abraham von Haug- witz auf Altseidenberg den Kurfüi'sten ersuchte, ihn nach dem soeben erfolgten Tode seines Bruders in den Besitz des zur Herrschaft Seidenberg gehörigen Gutes Oppels- dorf (bei Reibersdorf), als nächsten Agnaten, zu „immit- tieren", resolvierte (21./31. Oktober 1623) der Kurfürst, dafs er, da die Sache bei dem Amte zu Görlitz anhängig gemacht worden sei, „und vor allem Herr Christoph von

*) Die Urkuude bei Herrmann, Reichenberg S. 465.

^) Schreiben des Kurfürsten an den Landeshauptmann v. 7./17 Januar 1625 Hptst.-Arch. Loc. 9181. Achtes Buch Oberlaus. Sachen fol. 1B9.

28 H. Knothe:

Rädern zu antworten habe", Bedenken trage, pendeute lite die Immission anzuordnen**).

Inzwischen aber hatte nicht nur Rädern bei dem Oberamte zu Bautzen „eine neue Werbung Avegen der Herrschaft Friedland" eingereicht (25. April 1623), sondern auch Waldstein beim Kaiser suppliziert, „ihm den zu Friedland gehörigen Markt Seidenberg gegen bare Be- zahlung käuflich zu überlassen". Infolgedessen hatte Fürst Karl von Lichtenstein, als Statthalter in Böhmen, von dem Landeshauptmann ausführlichen Bericht verlangt, „was es einmal mit Seidenberg und sodann mit der neuen Werbung Räderns für eine Beschaffenheit habe". Der Kurfürst erlaubte zwar, dals der Landeshauptmann den gewünschten Bericht erstatte, befahl aber, denselben nicht an Lichtenstein, sondern direkt an den Kaiser einzusenden'). Dieser Bericht, den wir seinem Wortlaut nach nicht kennen, dürfte jedenfalls dahin gegangen sein, dals Stadt und Herrschaft Seidenberg zur Oberlausitz gehöre. Auf ein direktes Schreiben des Kaisers an den Landeshauptmann (10. Juli 1626) erstattete dieser in Gemeinschaft mit dem Kammerprokurator abermals Bericht über die Beschaffen- heit „des Gutes Seidenberg". Danach war gegen den bisherigen Besitzer, Christoph von Rädern, welcher be- sonders „durch sein eignes Handbriefel vom 13. Januar 1625 an den Grafen Mathias Thun" des Verbrechens laesae majestatis überführt sei, auf kaiserliche und kur- fürstliche Verordnung hin, nach Landesbrauch vor dem Judicium ordinarium, als dem obersten Gerichtshof in der Oberlausitz, durch den Kammerprokurator Klage angestellt, auf Einziehung und Sequestration der Herrschaft Seiden- berg angetragen und als erster Termin in dieser Rechts- sache der 29. August a. c. angesetzt worden. Es seien daher noch die beiden anderweitigen, vom Gesetz vor- geschriebenen Gerichtstage abzuwarten, ehe über Rädern „mit Recht" die Acht könnte ausgesprochen werden. Einstweilen aber habe man Seidenberg „dem Kaiser und dem Kurfürsten zum besten" mit einem geschworenen Sequester besetzt^). So ist denn die Sequestration von niemand anders, als von der zuständigen oberlausitzi- schen Gerichtsbehörde verhängt worden. Zum Sequester hatte man einen Franz Schubert ernannt, welcher fortan

«) Loc. 9513. Der Stände Abschickitngen 1623—1688. fol. 33. ') Loc. 9191. Siebentes Buch Oberlaus. Sachen, fol. 108 flg. 6) Loc. 9191. Achtes Buch etc. fol. 83—96.

Z. Gesch. der Herrsch. Seidenherg 1622—1630. 29

in Reibersdorf \Aülinte, da es hier einen lierrschaftliclien Hof gab und Eeibersdorf inmitten des wichtigsten Teiles der Herrschaft Seidenberg gelegen war.

Die neue Landesgrenze z^^^schen den Seidenbergschen und Friedländischen Besitzungen war inzwischen von den Waldsteinschen Truppen, die in dem Friedländischen Ge- biet standen, nicht eben respektiert worden. Schon den S.Februar 1624, w'o es noch keinen Sequester gab, hatte da- her „Ritterschaft, Mannschaft und Rat von Seidenberg" den Kurfürsten um „salva guardia" gebeten und den 16. Mai 1627 beschwerte sich auch der Sequester, dals das Kriegs- volk, welches aus Böhmen nach Schlesien geführt werden sollte, sich mit Gewalt auf den Dörfern der Herrschaft eiaquartiere, die Landleute mifshandele und nach keinen Durchzugs-Kommissaren frage ^).

Da glaubte bei Gelegenheit einer angeordneten Rech- nungsablegung des Landeshauptmanns Adolf von Gers- dorff im Sommer 1627 der nach Bautzen entsendete Reichshofrat Dr. Justus Gebhard entdeckt zu haben, dafs Gersdorff Gelder aus den landesherrlichen Einkünften der Oberlausitz unterschlagen habe, Ln März 1628 kam Gebhard ein zweites Mal nach Bautzen, um die begonnene Untersuchung fortzusetzen. Er sollte laut der ihm vom Kaiser ausgestellten Instruktion (vom 4. März 1628) anstatt einer empfindlichen Strafe, wie Absetzung, Arrestierung der Gersdorffschen Güter, dem Landeshauptmann die Herrschaft Seidenberg zum Kauf antragen^% Jeden- falls hoffte man in Wien unter diesen Verhältnissen eine um so höhere Kaufsumme von Gersdorft' heranszuschlagen. Von der zu hoffenden Kaufsumnie nnn sollte dem Präsi- denten des Geheimen Ratskollegiums zu Dresden, Kaspar von Schön berg, dem Leiter des sächsischen Kabinetts seit Beginn des Krieges, 40000 Gulden als der ihm vom Kaiser schon längst versprochene „recompens" für seine dem Kaiser so geneigte Politik „gutgemacht" werden. Würde aber Gersdorff' sich auf jenen Kauf nicht einlassen, so sollte dem von Schönberg selbst die Herrschaft Seiden- berg „um die 40000 Gulden hypothek- und genulsweise eingeantwortet werden, bis der Kaiser ihn anderweit be- friedigen könne". Würde aber auch Schönberg hierauf

») Log. 9191. Achtes Buch etc. fol. 44. Neimtes Buch fol. 198. '*») Loc. 9542. Landtag iu < >berlatis. etc. fol. 82 flg.

30 H. Knothe:

nicht eingehen, so sollte wegen Seidenberg mit irgend jemand anderem „auf das höchste traktieret werden".

Die Gersdorffsche Angelegenheit wurde in anderer Weise erledigt, und so stellte denn (15. September 1628) der Kaiser in der That dem von Schönberg eine Urkunde aus, durch welche er letzterem jene Summe von 40000 Gulden auf der Herrschaft Seidenberg dergestalt ver- schrieb, dals ihm aus deren Nutzungen zunächst die Zinsen obiger Summe und später bei deren Verkauf das Kapital selbst ausgezalilt werden solle ^^). Endlich fand der Kaiser einen Käufer für Seidenberg in Christian von Nostitz auf Quatitz, kaiserlichem Oberamtsrichter in Schlesien ^2), dem er nun (26. Mai 1630) die Herrschaft für 46000 Gulden überliels^^). Als nun aber die Erben des 1629 verstorbenen Kaspar von Schönberg die Aus- zahlung der ihnen verschriebenen Summe von 40000 Gulden erwarteten und sich deshalb an den Kurfürsten um Befür- wortung wendeten, erhielten sie von diesem den Bescheid (28. April 1631), der Kaiser habe aus eigner Bewegnis erklärt, dals der Kurfürst die Kaufgelder für Seidenberg, wie solche nach und nach (terminweise) erlegt würden, auf Abschlag seiner, des Kurfürsten, Forderungen beziehen solle. Er stelle es daher den Schönbergschen Erben anheim, sich an den Kaiser zu wenden, damit dieser sie mit ihren Ansprüchen „an einen andern Ort verweise" ^*).

So ist denn die Herrschaft Seidenberg zwar vom Kaiser verkauft, aber die Kaufsumme dem Kurfürsten auf Abschlag der für die Kriegskosten des Jahres 1620 zu fordernden Zinsen überlassen worden. Noch 1636 restierten von den terminlich abzuzahlenden Kaufgeldern für Seidenberg 13000 Gulden meiisn., welche in dem Traditionsrezels dieses Jahres dem Kurfürsten ausdrücklich nochmals zugewiesen wurden. Die Schönbergschen Erben aber sind leer ausgegangen.

Noch einmal wurden übrigens die Kaufverträge so- wohl über Friedland als über Seidenberg ernstlich in Frage gestellt, als (Mai) 1639 die Schweden sich Fried-

") Bernh. v. Scliönberg, Gesch. d. Geschlechts v. Schönberg. I (Abteilung A), 393 Üg.

^") Vergl. über ihn Knolhe, Fortsetz, der Gesch. d. Oberlaus. Adels. S. 103.

") Die ürk. bei Mende, Seidenberg, Beil. 21. Herrmann, Reichenberg S. 458.

") Bemh. v. Schönberg a. a. 0.

Z. Gesch. der Herrsch. Seidenberg- 1622—1630. 31

lands bemäclit igten. Am 27. Januar 1640 nämlicli setzte der schAvedische General Baner durch offenes Patent den frülieren Besitzer, Christoph von Rädern, förmlich in seine Herrschaften Friedland, ßeichenberg und Seiden- berg wieder ein , und so erschien denn letzterer nach achtzehnjähriger Verbannung wieder zu Friedland auf dem Schlosse seiner Väter. Allein schon im Februar 1640 mulste sich Baner aus Böhmen zurückziehen und somit auch Eädeni abermals und jetzt für immer seine einstigen Güter verlassen ^•^), welche von da ab den neuen Besitzern, Graf Mathias Gallas (seit 1634) und Christian von Nostitz, ungestört verblieben sind.

^^) Hallwich, ßeicheuberg u. Umgebung S. 212—216.

III.

Zur Politik Walleusteius und Kiirsachsens in den Jahren 1630—34.

Von

Arnold Gaedeke.

Ich habe auf die hier der Öffentlichkeit übergebenen, vereinzelten Aktenstücke zum Teil schon an anderer Stelle hingewiesen^). Versciiiedeuen Jahren angehörig, würden dieselben mit einer Ausnahme dem Königlich Sächsischen Hauptstaatsarchiv zu Dresden entnommen in einem darstellenden Artikel nicht gut ihren Platz finden können, obwohl mehrere nicht unwichtige Momente in der Politik der Jahre 1630 34 durch ihre Veröffentlichung eine hellere Beleuchtung erfahren. Einige kurz er- läuternde Bemerkungen mögen daher gleichfalls hier ihi-e Stelle finden.

1630. Anton Gindely hat neuerdings die Anklagen der Gegner Wallensteins , dals derselbe während seines ersten Generalats sich mit weitgehenden, gefährlichen Plänen gegen einzelne deutsche Fürsten getragen habe, mit einer gewissen Zuversicht wieder aufgenommen. Dar- nach habe der Besitz von Meklenburg dem Ehrgeize des Friedländers nicht genügt, er habe schon damals den Kurhut erstrebt und sein Augenmerk dabei auf Branden- burg gerichtet, dessen Kurfüi-sten er ganz am kaiserlichen

^) Gaedeke, Die Ergebnisse der neueren Wallensteinforschnng : Historisches Taschenbuch, her. von Maurenbrecher. 6*^ Folge. VIII, 31 u. 101.

Gaedeke: Wallenstein n. Kursachsen 1630 34. 33

Hofe habe verderben ^Yollell. Er habe, sagt Ginclel}'^, plaiimäfsig an dem Sturze des Kurfürsten gearbeitet und versucht, denselben durch fortgesetzte Mifshandlungen und unerhörte Aussaugung seines Landes zur Verzweiflung und aus seiner neutralen Stellung zu offener Feindseligkeit zu treiben. So schrieb Schwarzenberg : Wallenstein habe den Kurfürsten ohne Grund schwarz gemacht, und der venezianische Gesandte : Wallenstein wolle Braunschweig, Holstein und vor allem Brandenburg und damit den Kur- hut. Auch der spanische Gesandte Aj'tona bemerkt: man müsse froh sein, wenn sich Wallenstein mit Meklen- burg begnüge, denn er sei überaus mächtig. Bestimmte Pläne Wallenstems in dieser Richtung sind indessen nicht nachzuweisen. Unzweifelhaft hat jedoch Wallenstein eine Zeit lang auf das heftigste gegen Brandenburg agitirt und den Kurfürsten mit den unerhörtesten Erpressungen heimgesucht, zu denen gar keine rechtliche Veranlassung vorlag.

Das vorliegende Aktenstück zeigt klar, dafs man am Berliner Hofe die lebhaftesten Besorgnisse vor den schlimmen Absichten des Herzogs von Friedland empfand. Von allen Seiten waren dem Kurfürsten Georg Wilhelm Warnungen zugegangen. In seiner Bedi'ängnis wandte er sich an den befreundeten und nahe verwandten Dresdner Hof, um hier Hülfe für den äufsersten Fall und gegen die Umtriebe Wallenstems „uns in ganzes Verderben und Elend zu treiben" zu erbitten. (No. 1 der Aktenstücke.)

1633. Sehr bemerkenswert ist das erste, dem Gräf- lich Arnimschen Familienarchiv zu Boitzenburg ent- nommene Schriftstück. Dasselbe lag neben dem Konzepte des Schreibens Arnims an den Kurfürsten von Sachsen vom 6./16. August 1633, dessen Original sich im Dresdner Archiv befindet und von mir bereits publiziert worden ist^). Es ist ein Entwurf von Arnims Hand und lälst

^) Gaedeke, Wallenstems Verhandlungen mit den Schweden und Sachsen. No. 69. Hier heifst es : „I. F. Gn. der Herzog- von Friedland hatt den Herrn Graif Trzka zu mir geschickt, niuthet mir ahermahl tractatcn an, Heuthe werdt ich, geliebts Gott, umb 4 whui Nachmittage selhsten mit ihm zusammen kommen, wirdt E. Ch. D. mit deme Keinen frieden schliefsen , so wirdt der schlufs zu Brefslau wenig fruchten, denn ich kann nicht aussinnen, was von der hand- lung werden kan, Die k. dänischen Gesandten seint zwar unter- wegen, darkegen werden I. Kay. May. noch darauff dringen, dafs zuePraga soll tractirt werden, von dcnCatholischeuGesnndteu vernimbt man nichts, und wann die kommen, So werden doch die Evangelischen

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 1. 2. 3

34 Arnold Gaedeke:

deutlich erkennen, clalis schon bei den früheren Verhand- lungen .feindliche und gewaltsame Vorschläge gegen das Haus Osterreich von Seiten Wallensteins gemacht worden sein müssen, da der kursächsische Generalissimus sich auch für diesen Fall Instruktionen des Kurfürsten erbittet. (No. 2 der Aktenstücke.)

In weit höherem Mafse aber wird unsere Aufmerk- samkeit noch von den vier übrigen dem Jahre 1633 an- gehörenden Aktenstücken in Anspruch genommen. Die im August von neuem von Wallenstein eingeleiteten Ver- handlungen mit den Evangelischen waren anscheinend dem Abschlüsse nahe gewesen. Eine Vereinigung der Heere, um den Frieden zu erzwingen, wurde allgemein erwartet. Da erfolgte ein jäher Rückschlag. Wallen- stein verlangte plötzlich eine Verbindung der kaiser- lichen und kurfürstlichen Truppen, um „die Schweden zu schmeifsen", womit ein Abbruch der Verhandlmigen und Wiederaufnahme der Feindseligkeiten verbunden war. Wie wii' nunmehr allen Grund haben anzunehmen, hatte der Herzog von Friedland seinen Abfall damals nur ver- tagt, weil er sich nach Holcks Tode überzeugt hatte, dals er seines Heeres und verschiedener Obersten durch- aus nicht sicher war, und weil er seine ganze Zukunft nicht auf eine ungewisse Karte setzen wollte. Er war nunmehr aber gezwungen, die bisherigen Verhandlungen mit den Evangelischen, über die er nach Wien, wo man bereits milstrauisch geworden war, zu berichten hatte, als den Intentionen des Kaisers und den Instruktionen gemäls, welche ihm vorher der Hofkriegsratspräsident Graf Schlick überbracht hatte, darzustellen, ja sogar in diesem Sinne mit den beiden Kurfürsten weiter zu ver- handeln, obwohl er sich einen Erfolg davon nicht melu^ versprechen konnte. Schon Ranke hat betont, ohne das Faktum genügend erklären zu können, dafs sich Eggen- berg sehi^ zufrieden über die damahgen Verhandlungen

nicht schicken oder ja nicht frieden zu tractiren, sondern wieder die tractateu zu protestiren , Schleust einer alleine, so wirdt er sich wenig ruhe damit schaffen, Insonderheit wann I. F. Gn. der Herzog von Friedland nicht damit einigk. Meiner Instruction nach will ich mit ihm wegen den Friedenspunkten conferiren, erfordert es die not- turfft, so reise ich his Senfftenbergk, zu vorhero aber werde E. Ch. D. ichs ferner avisiren , da derselben gefeilig , Ihre geheimbde ßäthe, einen oder mehr dahin abzuordtnen, kan ich alsdan referiren, den anfang will ich zwahr machen, E. Ch. D, aber schicken leuthe, die mit ihm, wo er dazu geneigt, schliefsen."

Wallensteiu ii. Kursachsen 1630—34. 35

Wallensteins geäulsert, und einen Abschluls mit den beiden Kurfürsten dringend gewünscht, ja erhoift liabe. Wallenstein muls somit dem Wiener Hofe andere Be- dingungen mitgeteilt haben, als die vorher mit den Evan- gelischen vereinbarten. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich in dem vorliegenden italienischen Aktenstücke die von Wallenstein damals dem Wiener Hofe mitgeteilten Frie- densbedingungen erblicke (vergl. No. 6 der Aktenstücke). Wir können uns nmimehr Eggenbergs Zufriedenheit wohl erklären. Darnach waren die Bedingungen folgende: 1. Deutschland solle in den Zustand vor dem Krieg ver- setzt werden, mit Ausnahme von Kurpfalz; 2. in den kaiserlichen Erbländern dürfe nur die katholische Religion herrschen ; 3. im übrigen Deutschland solle freie Religions- ausübung hergestellt, das Eestitutionsedikt annulliert, Magdeburg und die Gebiete des Erzherzogs Leopold ab- getreten werden; 4. die Lausitz solle dem Kaiser wieder gegeben werden , sobald die Schuld an Sachsen bezahlt sei; 5. allen Fürsten und Städten der Beitritt gestattet werden ; 6. als Belohnung solle Wallenstein den Teil der Pfalz , welchen Baj^ern jüngst verloren, vom Kaiser die Markgrafs chaft Durlach und die benachbarten Gebiete erhalten.

Diese Bedingungen wurden zugleich mit einem Be- richte Wallensteins über die Schlacht bei Steinau dem Herzoge von Lothrmgen und Aldringen mitgeteilt, das ganze Packet aber von den Schweden aufgefangen und abschriftlich von dem schwedischen Reichskanzler dem Kurfürsten von Sachsen eingesendet (Nr. 3, 4, 5, 6 der Aktenstücke).

1634. Aus diesem Jahre liegt nur ein Aktenstück vor. Es zeigt uns den Herzog Franz Albrecht von Sachsen- Lauenburg in schwerer JSTot und Bedrängnis und kann zugleich als ein Beitrag zur Charakteristik dieses leicht- lebigen Condottieres gelten. „Der Kaiser gebe acht auf sich, wir haben nichts zu besorgen", hatte der Herzog noch prahlerisch in der sicheren Hoffnung des Abfalls der kaiserlichen Armee am 18. Januar 1634 an Arnim geschrieben. Dann war das Gegenteil erfolgt und weit weniger zuversichtlich klingen deshalb seine Worte in einem zweiten Briefe vom 24. Februar : „Ich will mich vorsehen, denn sonst möchten mich seine Widerwärtigen ertappen". Seine Ahnmig sollte in Erfüllung gehen. Auf dem Rückwege nach Eger wurde der Herzog, der die

3*

36 Arnold Gaedeke:

Ankunft Bernhards von Weimar dem schwer gefährdeten Herzoge von Friedland melden sollte, bei Tirschenreuth von einer Eeiterpatrouille, welche den Heimkehrenden auflauerte, gefangen genommen und mit den Leichen der ermordeten Freunde nach Mies, dann nach Prag und endlich nach Neustadt zur Untersuchung abgeführt. Hier wurde der Herzog Monate lang bis zum August 1635 in schärfster Haft gehalten. Die Untersuchung gegen ihn konnte indessen nichts Besonderes ergeben, weil er in kursächsischen Diensten gestanden hatte und in besonderem Auftrag des Kurfürsten nach Pilsen und weiter gereist war. Da er sich überdies mit Konsequenz aufs Leugnen legte, wurde er endlich begnadigt und trat später in kaiserliche Dienste über.

In den beweglichsten Ausdrücken schildert er in dem vorliegenden Schreiben dem Kurfürsten von Sachsen seine Leiden und bittet dringend um eine energische Liter- cession zu seinen Gunsten. In dem Schreiben, welches aus dem Gefängnisse so abgefafst werden mufste, dafs dasselbe von den Kaiserlichen gelesen werden konnte, werden alle Verhandlungen mit Wallenstein als harmlose Friedensvermittelungen dargestellt (Nr. 7 der Aktenstücke).

Ein Schreiben des Kurfürsten vom 15. März, in welchem er bereits des Herzogs offizielle Sendung bei dem Herzog von Friedland bezeugt und erklärt hatte, dals er „ungerne erfahren", dafs man den Herzog „in Arrest genommen", und dafs er sich „auf I. Kay. May. Wort und dero kays. Generalissimi Pals und rcpafs nicht vermuten können, dafs dem Herzog etwas Widriges be- gegnen sollte", hatte in Wien nicht den erwünschten Erfolg gehabt.

JVo, 1. Georg Wilhelm Kurf. von Brandenburg an den Kurfürsten Johann Georg von Sachsen, 83. Sejyf. 1630. (Original.)

Unser freundtlich Dienst und was wir mehr liebes und gutes vermeinen zuuorn durchlauchtiger hochgeborener Fürst freundtlicher lieber Vetter, Schwager, Bruder und Geuatter.

Das E. Ld. unsers ansuch ens umb eine bewegliche intercession ann die Kays. Mayt. für ünns also freundtlich woU eingedenk ver- blieben, dieselben ausgefertiget und ünns dauon copiam zuschicken wollen, dafüi- sagen wir Ew. Ld. fleifsigeu Danck und wuntschen, das sie solchen effect haben müge, wie wir wissen, das es E. Ld.

Walleiisteiii u. Kursaclisen 1630—34. 37

uns gerne gönnen, auch unsere erscliöpften Lande und Leutlie eufserste nohtturfft erheischet.

Wir müssen aber daran aus nicht unebener anzeige fast zweiffehi, dann wir mügen E. Ld. inn hohen vertrauen nicht ver- halten, das Uns unsere Rhäte von Regensburg zugeschrieben, Was gestalt eine vornehme Person, die Sie uns zu nennen Ihre bedencken gehabt haben werden, gegen Ihnen in vertrauen gedacht, das etzliche i)0se Leuthe wehren, die da gern sehen würden, wenn wir uns zur desperation bewegen liefsen. Ja, Mann ginge damit umb, unns bifs d ah inn zu treiben, daraus wir denn leichtlich, wo Ihm also, zu schliefsen haben, wie mann es mit uns meinen müsse, und das Mann mir iirsach. Uns herzukommen, und in ganzes verderben und elend zu treiben; (xetrösten unns aber Unsers guten gewifsens, und ver- lafsen unns zuforderst auf Gottes hülffe, uud dann auf allen fall auf E. Ld. und anderer unserer anverwandten beystandt und handt- bietung.

Dafs auch ein Jeder mit Unsern Landen nur seines gefallens gleichsamb als wehren Sie mit Heereskraft einem Feinde abgenommen, zu handeln sich unterfangen darff, das haben wir erst diese tage erfahren müssen.

In dem der Obriste Holcke unsere arme unnd bis auf die Knochen ausgezehrte Altmarck bedreuet , da Sie Ihme nicht inner zween tagen seinen praetendirenden Rest, der dazu grofses theils kein liquidum ist, endtrichten, nicht allein mit seinem Regi- ment über Sie zu kommen, Sondern zu procuriren, das von den an- kommenden Regimentern noch ein Fahr hinnein geleget werden sollen, das wir also fast abzunehmen, es sey mit unsern Landen auf ein total ruin angesehen, und das Ihnen, wann Sie nun nichts mehr zu geben haben, also mitgefahren werden möchte, wie den Pasewalckern ganz kläglicher weise geschehen,

E. Ld. verzeihen uuus, das wir Sie mit so bösen verdrieslichen dingen aufhalten, Wir haben dennoch nicht unterlafsen können, unser hohes anliegen gegen E. Ld. alfs unsern so nahen Verwandten und Erbvereinigten auszuschütten. Nicht zweiffelndt, Sie werden sichs zu herzen gehen, uud iins ohne raht wie wir uns dann entlieh bei solchem Zustandt zu verhaltten, nicht lassen, Worumb wir dann E. Ld. frenndtfleifsig biten und Ihr hinwieder angenehme Dienste zu erweisen, iederzeit bereit und willig sein, geben Kölln an der Spree am 23. Septembris Anno 1630. E. Ch. D.

(eigenhändig) : Allezeit dienstwilliger

Vetter Schwager und Bruder Georg Wilhelm Churfürst.

No. 2, H. G. von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen. August 1633. (Konzept, eigenhändig, im Boitzenburger Archiv.)

Durchlauchtigster Hochgebohrener Cuhrfürst

E, C. D. Seindt meine untertenigste und gehohrsambste Dienste bevohr, gnedigster Her, dieweil dem Herzog zu fridelandt die Vertröstung gegeben , dafs Ich zu ihm kommen soll , So habe Ich nötig Itefunden, folgende Puncten bei E. C. D. unterteni^st zu er- innern, dafs zuforderst notigk sein wollte, dafs E. C 1). von dero- selben vornelimen Heren Rehte, wie es auch vohn 1. Kays. ^Lay. Selbsten und dem Herzoge zu fridelandt gesuchet mit mihr geschicket,

38 ' AniDld Gaedeke:

Und nebeiist den Friedens Conditionen eine vollkombliche in- struction erteilet, Wie sich bey den tractaten zn verhalten,

Ob allein, ohne der Cahtolischen Volmacht, mit I. Kays. May. die Handlung allein anzutreten, Wan vleicht von Kaiserliche selten man Schweden und Frankreich excludiren wolte, wafs zu tuhn,

Wan der Herzogk zu fridelandt seinem Vorschlage nach begehren würde, dafs die Heren Rehte mit einander. Er aber mit mir absonderlich ohne E. C. D. Rehte tractiren wolte, ob Ich mich mit ihm einzulafsen,

Wan Ich den Herzogk zu fridelandt von I. Kays. May. dis- goustirt befände und dafs er wider dem Hause Oestereich edtwas zu tentiren gemeint, wie Ich mich in dehme zu verhalten,

Wan vleicht Er in seinem Nahmen ohne genugsahme Volmacht von S. Kay. Maj. mit mir edtwas schliefsen^) ....

No. 3, Axel Oxenstierna an den Kurfürsten von Sachsen, 29. Od. 1633. (Kopie.)

Durchlauchtigster Hochgeborener Churfürst Gnädiger Herr, Euer Churf. Durchl. soll ich hiemit uuterthenig zu communi- ciren nicht unterlafsen , diejenige notitication schreiben , welche der Keyser mit einschliefsung des von Friedlandt relation-), wie es inn Schlesien hergangen, an Herzogen von Lothringen'') duc de Feria und Altringern lafsen abgehen, zusambt noch einer andern Italieni- schen relation*) imd was der von Walraerode an den Altriuger ge- schrieben ■'') , welches alles zugleich inn Elsafs intercipirt und mir alher zugeschicket worden, daraufs E. Gh. Durchl. nicht allein des Gegentheils dijudication und was Sie selbst von dem Werck halten, sondern auch sein weiter fürhaben und wohin er sein intent gerich- tet gnedigst zu ersehen haben vuid umb so viel füglicher zu noth- wendigen wiederst ndt, zeitliche Verordnung und anstaldt machen können. Wie mir dann nicht zweifelt, dafs E. Gh. D. ohne das für die Gonservation deroselben selbst eigenen G hurfür stenthumb und Landen wie auch das ganze Evangelische Weesen, dero bekandten hochstrühmlichen eyffer nach vigilant und dem feindt uff allen fall mit nothwendiger resisteuz zu begegnen gefast sein werden, welche auch des iüngst angedeuten succurs, nicht weniger heren Herzog Bernhards Fürstl. Gn. abhabende diversion damit mann allerseits im vollen werck begriffen, sich negst der hülff des Allerhöchsten gewifs zu uersichern haben, Mafsen E. Gh. D. von höchstgedachten Herzog Bernhards F. G. guten progress etwas aus ebenmefsig beygefügten avisen, so mir erst heut zukommen, gnedigst zu vernehmen E. Gh. D. zu sell)sterwünschtem Gh. Wohlergehen den gnaden Gottes treu- lich empfelend,

Datum Frankfurth am Main den 29. Octobris Ao 1633

E. Gh. D.

Unterteniger gehorsamer

Diener

Axel Oxenstirn.

^) Die beiden letzten Sätze sind durchgestrichen.

^) Beilage I. Mehrfach abgedruckt, vergl. Ilalhvich I, 633. A. ^) Beilage 11.=. No. 4. »j Beilage III. ^ No. 5. 9 Beilage IV. = No. 6.

\Valleustein u. Kursachsen 1630—34. 39

Xo. 4 {Beilage II z. No. 3). Kaiser Ferdinand an den Herzog von Lothringen, 17. Oktober 1633. (Kopien)

Ferclinandt etc.

Durchlauchtiger Hochgeborener lieber Vetter Schwager uudt Fürst etc. uns ist gehorsambst von E. L. wegen fürgebracht worden, in was Stande und betrangnus sich deroselben Landen anizo befinden und mit was bestendigen treuen eyfer dieselbe resolvirt sein, das Ihrige bey uns und der gerechten Sachen aufzusezen,

Wie wir uns nun dann solcher lobwürdigen Intention gegen E. L. zum höchsten bedancken, als mögen dieselben sich wol ver- sichert halten dafs. wir in keinerley weis unterlafsen werden, uns deroselben und angedeuthen dero Landen mit ernst anzunehmen, zu mafsen wir dann das hierzu benötigten succurs halber in völligem Werck begriffen, auch allerseits schon des wegen behörige Verord- nung getlian haben, und zu dem Allmechtigen Gott verhoffen, weiln nunmehr durch defsen Gnadenreiche Verleihung der Feind in unserra Herzogthunib Schlesien (so laut hiebeyliegender uns erst heut von unserm General Feldhauptmann des Herzogen zu Meckelnburg und Friedlandt L. eingelangte relation) ganz subjugirt, die übrige Sächsische und Brandenburgische Armada hardt verfolgt, auch in den Schwäbischen Craifs die Stadt Constauz vor feindlicher belage- rung liberirt und der unter dem Duca de Feria und Feldmarschal- chen Grafen von Aldringen sich befindenden Exercitus in starke faction gleich am Feinde begriffen uns hierdurch desto ehunder die occasion an die hande wachsen werde, E. L. sambt denen getreuen Chur Fürsten und Ständen des Reichs so viel beider mit unsern fr. "Vetter imd gnediglichen hülff zu assistiren und dieselbe unsers Kays. Schutzes und protection fruchtbarlich geniefsen zu lafsen, des- wegen wir dann dieselbe nochmals ganz frl. ersuchen, Sie von so- wol fürhabender Intention nicht aussezen, sondern mit erstgedachten Duca de Feria und Grafen von Aldringen Ihrer angelegenheit halber unablefsig correspondiren weiten, wie es von einer Zeit zur andern die occasiones dero orten erfordern möchten, Solches sein wir hin- wiederumb mit angenehmer freuudschafft und geneigten Willfährig- keit zu erlehuen erbietig, Geben zu Ebersdorff' den 17. Octobris Ao 1633.

E. L. Gutwilliger Vetter und Schwager Ferdinandt. Hendrich Schlickh t^i,„«^ n^^^n, -d.,^i,«,.

Graf zu Pafsaun. ^«^^^^ ^'*^'^ ^"'^'^-

No. 3. (Beilage III z. No. 3). Wallensteins Friedens- propositionen für den Kaiser. {Kopie.)

Di Vienna 17 7 bris 1633.

1. La Germania deve esser rimessa nello stato che si trouaua l'anno 1615 puntualm'o salva la sentenza con il Palatino del 1625.

2. Nelli stati hereditary non deve esser essercitata altra religione che la Catt<^».

3. Neil restantc dell Imperio liberta dl conscicnza conchc vienc annuUato l'Editto della restitutione de beni Ecc^' anzi sara neces- sario che lo Arciduca Leopoldo restituisca il vescovato di Magde- burgo et altri che tienne occupati in questa guerra.

40 Arnold Gaedeke:

4. La Lusatia doverä esser restituita all Imp^'e il quäle pero all incontro dovra p«ia pagare all' Elettore di Sassonia con deiiari contanti quanto gli ua debitore.

5. Ogni Principe e Cittä dell' Imperio, che vorrä entrare nella pace con queste conditioni deve esser ricevuto senza conditione alcuna.

6. Per ricompeusa del Walestein sarä ä lui ceiixta la parte del Palatinato ultimte perduta da Baviera et dell' Imperatore il Mare- schato di Turlach et altri beni in quei contormi che vi sono da con- fiscare.

7. L'essercito di Sassonia si deve unir con quello dell' Imp^e se ne farä tutto un corpo, ne sarä Generalissirao il Walestain, et l'Ar- nim Lnog'otenente Generale, la prima impresa farrano sarä cacciare dair Imperio li Suezzesi et altri Principi straniere, che vi sono entrati.

8. Le confiscationi che sarrano fatte devono servire per pagare gli eserciti et rimunerari i bravi principali ofticiali , che hanno ser- vito bene.

9. Fare li disconti all' Arnim et pagarlo intieramente di quanto va creditore per tutto il tempo che ha servito Tlmperatore e l'Elet- tore di Sassonia.

JVo, 6*. (Beilage IV z. No. 8.) W almer ode an Aldringen, 19. Oktober 1633. (Kopie.)

Hochwohl geborener Graff, gnediger Herr, Herr.

Bey Ihr Kays. Mayt. habe ich dasienige, was die publica be- treffen thut, gehorsambst referirt, die werden E. Exe. mit nechstem über ein und anderm Zuschreiben so baldt ich mit meinen relationen fertig, sollen dero privat Sachen bestes vleifses, und wie ich nit zweifteln zu ihrem contento negotyrt werden. V o u d e n O r d i n a n_z e n so E. Exe zukommen, haben!. Key. Mai t. aus der Schlesien, wie Sie mir selbst angedeut, copias bekommen gehabt, in dieser materi schreib ich mit negsten aufsführlich, habs iezo wegen eilender abfertigung des Currirers nit an der Zeit, mit I. F. G. Herrn Christoffen habe ich auch Alles, was mir anbe- fohlen geredt, die und andere treue confidentz werden E. Exe. gewis dapffer assistiren. Ich vernehme auch so viel, dafs I. K. M. gnedigst gern sehen, dafs Sie auch dem Spanischen Volck commeudiren theten, doselbsten nit weniger annehmen.

Wie wunderlich Gott der AUmechtige in der Schlesien ge- holfien, solches werden E. Exe. von daraus vernehmen, I. F. Gn. Herr Grlissimus haben ihren marche gegen Glogau zu genommen, mit resolution defselben ortts und Crofsen sich zu empatroniren, als- dann mit macht von allen seithen uff den Arnimb zu gehen und die Winterquartier in den Stifften zu suchen, dero ist von hieraus ange- deut worden, uff keynerley weiCs mit den Arnimb sich inn neuen Stillstandt einzulafsen. Das Werk mit dem Ragozi ist auch ganz accommodirt, und verbleib so lang ich leb, E. Exe.

Datum Ebersdorff den 19. Octob. 1633. '^^- 1^%\q^^}^'

Walmeroda.

JVo. 7. Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg an den Kurfürsten v. Sachsen, 14. Juli 1634. (Original.) Durchlauchtigster Churfürst, hoch geerter Herr Vatter, vor E. G. und der ihrigen glückliges wollergehen seuftze undt bitte ich

Wallenstein n. Kursachsen 1630—34. 41

zu godt ihn meiner elenden gefengnus hertzlig, mein elend kurtz zu sagen, ist nicht zu schreiben, bin anfenglich 9 Wochen vermauerdt gewesen , das ich das tageslicht niclit sehen können , anitzo aber noch starck verschlofsen und verwacht, dafs ich kein triedt vor die thür thun darf, bin nach verflofsenen 4 Wochen auf 73 Articul exa- miniret worden, welche ich also verandtwortedt , das sie nicht autf eines haaresbreidt, fuck oder recht, mich als E. Gr. Diener undt Feld- marschalck wieder off'entligen pas u. repas ihres generalissimi mich in arest oder gefangen zu nehmen, noch weniger solchen schimpt an zu thun, welcher niemals keinen schlechten Caualliro noch weniger einigen redlichen Fürsten bei seiner gerechten sache gelitten. A"ou der Zeitt nuhn au habe ich keinen Menschen von Hofe weder ge- hordt noch gesehen, der mier die Uhrsachge sagte also hir zu liegen. Mau lafset mir keine Diäten, undt Federn zu. Meine nodt undt Un- schuldt weiters I. K. M. zu klagen, kein Mensch darff auch zu raier das ich mundtlich klagen konte; was der Hertzog von Fried! andt wieder I. M. gethan, dauon weis ich Nichts , bin von I. Gr. nicht ge- schickt zu tractiren , sondern auff sein viellfeltiges schreiben von E. Gr. geschickt, ihm zu hören, welches ich gethan, auff E. G. be- felig, wie ich aber auff Bilsen kommen, hatt mir der Hertzog nichts anders gesagt, als ich solte machen, das Arnim eilens komme sonsten was er thun wollte kein wordt mitt mir geredt undt bette er etwas kegen seinen Herrn den Kaiser begehren zu thun, das zu E. Gr. Nutzen u. besten gereicht, so were ich ja schuldig gewesen als ein Diener der ihn I. G. eidt und pflichten ist, dero bestes helifen zu befordern, den ja weltkuudig das I. Gr. mitt dem Romischen Kayser anitzo einen offenen Krieg füredt, so hatt aber niemals der Hertzog von Friedlandt anders mir gesagt, als einen redlichen frie- den zu machgen, so den Chur undt Fürsten ihm reich werde annem- lig sein, hette ich dawieder gerett, wie hette ich bei I. Gr. als mei- nen Herrn gehandelett, wenn ich 1. M. Diner gewesen, wie vor diesem, hette ich lieber sterben wollen als eintzige sachge wieder den Kaiser zu tractiren. Das ich dem Ho von Regensburg aus ge- schrieben, undt den meineidigen schelmeu die Köpfte zu brcchgen, daraus sie so grofs recht vermeinen zu haben, so habe ich nicht anders geschrieben, als wie auch Ho ihn Namen des generalissimi an mich geschrieben, habe mich als E. G. Diener, welcher eines red- ligen versichgerten friedens begierig Nicht anders schreiben können, der Ho nennet etliche, so den Frieden begehren zu zerstören, hatt mir auch nicht geburen wollen, Frieden zwischen sie zu machgen da sie sich selber haben begerdt zu erwürgen, haben sie kegen dem Kaiser etwas gehandelt, gehett mir nichts an. Ich habe meine schuldigkeitt undt pflicht E. Gi. bestes bedacht, und so viel mir müg- lig befordert, wie nur E. Gr. aufrichtiger undt redliger Diner ich alle Zeitt gewesen, auch als ein erliger Fürst ihn E. G. Dienst be- gere zu sterben, als tröste ich Mich einig undt allein undt hoffe E. G. werden Meiner itzo Nicht vergefsen, sondern auf Mittel ge- denken, mich aus dieser elenden GTefcngnus zu helffen; zu welcln'in viell helffen würde, wann E. Gl. mit eigener handt an den König schi'ieben, das der bei I. K. M. vor meine eiledigung solicitirte, bin sonsten aller hoffnung berauljett, habe keinen Alenschen uufser einen eintzigen pasgen so bei mier eingesteckt, meine leute seindt hin und wieder starck verwardt und verwacht, Inn mittels Ix'lialtc ich meine hofthung zu Grott undt E. G. und vcrsichger sie das wan ich auch ewig sietzen solte, ja auch gar hier hterbeu, werde ich Nichts ein-

42 Gaedeke: Walleusteiu u. Kursachseu 1630 34.

gehen das wieder E. Gr. dero Dieu.^t, meine err und repntation ge- reichgen mochte, schliefse also befelle E. G. ihn den schütz des allerhegsten Mich aber ihn dero gnaden undt gedechtnns, Mich als dero getreuen Diener aus diesem elende wieder zu helffen,

ich bin und werde sterben dahier oder wo gott will E. G.

gehorsamer treuer Diner

Neustatt den 14. July anno 1634. F. A.

E. G. lafsen sich ja nicht mercken, das ich deroselben ge- schrieben habe, den ich bin wunderlich darzu kommen hatt grofse diuicultet gehabt ehe ich darzu heimlig habe kommen können, an G. L. arnheim habe ich auch einmall geschrieben, mochte von hertzen wünschen, das es woll were überkommen , ich weis von nichts , kan auch kein buchstabeu nichts erfahren, ist alles verboten, patientia.

IV.

Ein Versuch zur Gründung einer Eitter Akademie in Dresden (1674).

Von

Georg MüUer.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts machte sich ein Streben geltend, zui' Vorbildung des jungen Adels für seine künftige Lebensstellung besondere Anstalten zu gründen. Durch den dreifsigjährigen Krieg unterdrückt, trat es nach Beendigung desselben wieder lebhafter her- vor, bis es namentlich in Leibniz einen ebenso beredten wie einflufsreichen Vertreter fand. An die Stelle der mehr oder weniger theologischen Vorbildung in den bis- herigen Anstalten, sollte die weltmännische treten, statt der Kenntnis und Imitation der klassischen Litteratur war eine genaue Einführung in die zeitgenössischen, politischen und militärischen Verhältnisse geplant, gegen- über der klösterlichen Abgeschlossenheit der Fürsten- schulen und verwandter Anstalten wurde der Verkehr bei Hofe als wertvolles Bildungsmittel in Aussicht ge- nommen. So wurden von zahlreichen deutschen und aufserdeutschen Fürsten und Herren Ritterakadeniieen gegründet, welche sich eines grolsen Ansehens und zald- reichen Besuches zu erfreuen hatten und sich durch die Erziehung tüchtiger Beamten und Offiziere um die Bil-

44 Georg Müller:

diing der Zeit anerkennenswerte Verdienste erworben haben ^).

Um so auffallender ist es, dafs es in Kursachsen erst spät, im Jahre 1725, zur Gründung einer Ritterakademie kam -). Man darf wohl annehmen, dafs die Fürsten schulen mit ihren zahlreichen Freistellen für die Söhne der adeligen Familien das Bedürfnis nicht so stark wie anderwärts hervortreten lielsen, und schon wegen der finanziellen Vorteile die Aufmerksamkeit von Anstalten ablenkten, deren Gründung und Besuch nur mit grofsen Opfern bewerkstelligt werden konnte. Und doch sind auch in Sachsen mehrfach Versuche gemacht worden, für die Vorbildung des Adels gesonderte Anstalten zu schaffen. Schon der für die Entwickelung des kur- sächsischen Schulwesens hochwichtige Landtag zu Torgau vom Jahre 1579 hatte sich mit dem Plane zur Gründung einer Schule zu beschäftigen, die neben den drei Fürsten- schulen ausschlielslich der Erziehung junger Edelleute dienen sollte-^). Aber Jakob Andrea, der wohl nach württembergischem Muster'*) diese Scheidung in Anregung gebracht hatte, drang mit seinen Plänen nicht durch, und so ist die Gründung dieser Anstalt nicht zur Ausführung gekommen.

Ein Jahrhundert später trat der Gedanke in etwas veränderter Gestalt von neuem auf. Die Abgeordneten der Ritterschaft übergaben dem Kurfürsten ein „unter- täniges Memorial, dafs die Landschule zu Meifsen alleine zur adeligen Jugend sein möge" ''). Sie rechtfertigten ihr Gesuch vom 15. Januar 1682 mit der Erfahrung, „wie die Information an unsere Jugent anderer Art alfs an die von bürgerlichen Stande zu thun die höchste Nothdurft erfordern und die Umbstände bey deren Auf-

^) F. Paulsen, Geschichte des gelehiten Unterrichts. Leipzig 1885. S. 337 346. 0. Heine, Ritterakademieeu : in Schmid-Schrader, En- cyklopädie des gesamten Erziehungs- imd Unterrichtswesens. VIP (I), 221 244, wo S. 228—237 Jie wichtigsten Gründungen aufgezählt werden.

") Vergl. Das erste hundertjährige Jubelfest des Königlich Sächsischen Kadettenhauses, gefeiert zu Dresden den dritten Oktober 1825. Dresden, C. G. Gärtner. Ich verdanke die Kenntnis dieses Schriftchens der gütigen Auskunft des Kommandeurs des hiesigen Kadettenkorps, Herrn Major von Carlowitz.

3) Th. Flathe, Sankt Afra. Leipzig 1879. S. 61.

1) Schmid-Schrader, Encyklopädie. VIP (I), 222.

•') Th. Flathe, Sankt Afra. S. 167, 483 flg.

Gründimg einer Eitterakademie zu Dresden. 45

sieht und Aiifüliimig ganz ein absonderlich Tractament nnd Veranlalsung rathen wollen". Allerdings bestehe kern Unterschied „so viel das Fundament in pietate et religione und lateinischen Stjdum angehet", dagegen könne der Adel den dem bürgerlichen Stande nötigen Unterricht im Griechischen und Hebräischen völlig ent- behren. Interessant sind die sittlichen Bedenken, die gegen das Zusammenleben der adeligen und bürgerlichen Jugend erhoben werden: „Zu geschweigen, wie unter adeligen und bürgerlichen Standes Jugend stätige Zanckereyen, Schalousien und Emulationes, denen nicht zu steuern, sich ereignen, auch dahero ienen die Adeligen umb so vielmehr in moribus zurückgesetzet und durch den gleichen Zwang dergestalt schüchtern gemacht wer- den, dals nachgehents continuirlich etwas davon ihnen anhenget und nicht zu corrigiren ist." Es wird daran die Bitte um Einführung ritterlicher Übungen geknüpft: „Gestalt dann auch bey dieser Ueberlegung verhoff'ent- lich sich auch dieses finden soll, dafs zugleich bei den Freystunden, welche sonst mehr zum Muthwillen und Fortpflanzung der Laster angewendet werden, etliche wenige Exercitia vor die Adeligen in der ersten Schulen ohne neue und mehrere Kosten anzustellen und sie darinnen bey zarter Jugend zu unterweisen und wenig- stens einen neuen Anfang zu machen Möglichkeit und Mittel sich herfür thun möchten." Zum Scliluis beruft man sich auf die günstigen Erfolge, welche die Ritter- schulen zu verzeichnen gehabt haben. Aber diese Forde- rung scheiterte an dem heftigen Widerstände der städti- schen Abgeordneten *').

Wie sehr das Bedürfnis aber auch von einzelnen Familien empfunden wurde, dafür zeugt z. B. das im Jahi^e 1638 testamentarisch ausgesetzte Legat zur Grün- dung eines Vitzthumschen Gymnasiums, das freilich erst in unserem Jahrhundert zur Verwirklichung gelangt ist '). Und wenige Jahre nach Beendigung des dreilsigj ährigen Kj-ieges begründen die kurfürstlichen Pagen ihr Gesuch um Gewährung von Fechtmiterricht damit, „dals einem jetwedten von Adel etwas Wissenschaft, seinen Tegen im Falle der Noth zu gebrauchen, nicht allein wohl an-

«) Ihre Antwort bei Th. Flathe, a. a. ü. S. 485. ') PauLsen, a. a. 0 S. 342.

46 Georg Müller:

»

stehet, sondern aucli zu Defendirimg seiner Ehre und Salvirung- dessen Leben sehr nutzlich und guth ist" *l

Diesem Bedürfnis wurde in eingehender Weise Rechnung getragen, als es sich darum handelte, für die reorganisierte Armee ein "wissenschaftlich vorgebildetes und militärisch geschultes Offizierkorps heranzuziehen^). Interessant sind in dieser Richtung die Pläne des Ge- heimen Kriegsrats von Böse, welche auf dem Landtage vom Jahre 1687 vom Obersten von Kien gel behufs Bewilligung der Geldmittel den Ständen vorgelegt, aber von diesen abgelehnt wurden, bis sie einige Jahre später in bescheidener Weise zur Ausführung gelangten ^^).

Doch schon länger als ein Jahrzehnt vorher war dem Kurfürsten und den Ständen ein ähnlicher Plan zur Gründung einer Ritterakademie in Dresden unterbreitet worden. Leider sind die Akten darüber nur teilweise erhalten. Im landständischen Archive zu Bautzen") findet sich eine Reihe von Dokumenten, welche sich auf den Anteil des Markgrafentums Oberlausitz beziehen, während es mir nicht gelungen ist, die an den Kurfürsten und die erbländischen Stände gerichteten Schriftstücke ausfindig zu machen. Da aber die Oberlausitz bezüglich der Pflichten und Rechte den Erblanden vollständig gleichgestellt sein sollte, so läfst sich von hier aus leicht ein Schlufs aufs Ganze machen. Namentlich sind die urkundlichen Nachrichten insofern von Interesse, als sie einen vollständigen Einblick in die Ziele, den Unterricht und die Organisation gestatten, während dies bezüglich der späteren Unternehmungen nur teilweise möglich ist '").

^) Bittschrift vom 25. Mai 1653. Hauptstaatsarchiv in Dresden (HStA). Loc. 8698. Des Hof fechtmeisters Besoldung wegen Unter- richtung der Pagen betr. 1653. Bl. 1. Bisher hatte der gewesene Trabant Theobalt Pell den Fechtunterricht erteilt

'•') Schuster und Franke, Geschichte der Sächsischen Armee. Leipzig 1885. I, 120 flg.

>*>) HStA. Loc. 9392. Landtags - Acta de Ao. 1687. 1688. Bl. 357 flg.: Wie 60 Junge von Adel 2 Jahr über mit Nutz zu Krieges-Diensten undt anderen Exercitiis zu Drefsden gehalten wer- den können.

") F. IX. 1. Für die Erlaubnis zur Benutzung des Archivs sage ich auch an dieser Stelle Herrn Syndikus Hofrat Seehaufsen ergebensten Dank.

^-) Ein späterer Plan bei Schxxster und Franke, Geschichte der Sächsischen Armee. I, 121.

Gründung einer Ritterakademie zu Dresden. 47

Merkwürdigerweise stammte der Entwurf nicht aus Kursachsen, sondern wurde den malsgebenden Stellen von Halle aus unterbreitet. Hier befand sich bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Pagen- institut, an welchem z. B. der gleichnamige Sohn des berühmten sächsischen Humanisten und Schulmannes Jo- hann Rivms eine Zeit lang als Pagenhofmeister wirkte ^^). Diese Stellung nahm mindestens seit 1G6G Johann Georg Pascha ein, der sich in weiteren Kreisen durch eine Reihe von Schriften über die verschiedenen militärischen Gebiete einen angesehenen Namen erworben hatte^^). Über sein Leben ist nur bekannt, dals er eine gute Schulbildung genossen ^■^) , von einem erfahrenen Offizier seine militärische theoretische Bildung erhalten, aber am dreilsigj ährigen Kriege nicht teilgenommen hat^*^). Er hält es daher für nötig, die Berechtigung seiner schriftstellerischen Thätigkeit zu verteidigen: „Mir zweifelt aber nicht", sagt er am Schlüsse einer seiner Schriften "), „es werden sich Klüglinge finden, sonderlich die, welche von diesem Exercitio nichts verstehen, so da sagen, warum ich, der ich in Kriege niehmals gcAvesen, mich unterstanden, von diesem Krieges -Exercitio zu schi-eiben, deme antworte ich, dafs es nicht allezeit folge, dals derselbe, welcher im Kriege nicht gewesen, von Ki'iegssachen nichts verstehen solte, denn sonst dürften die Herren Professores, derer gar wenige in Kriege gewesen, die Fortifikation nicht dociren, noch

1*) Die Litteratui- darüber s. in meinem demnächst in der „All- gemeinen Deutschen Biographic" erscheinende Artikel über Johann Rivius.

1-^) Die hiesige K. öffentliche Bibliothek besitzt z. B. von ihm: Deutliche Beschreiljung Von dem Exerciren in der Musquet Vnd Pique, Wie auch von dem Baston ä Deux Bous Jägerstock oder Halbepique. Hall in Sachsen, Gedruckt bey Melchior Oelschlegeln. s. a. Das Buch besteht aus drei Teilen, von denen jeder als beson- deres Heft mit gesonderter Seiten- imd Bogeuzählung erschien. Johann Georg Paschens Vollständiges Fecht-, Ringe- und Voltiger- Buch. Jn Verlegung des Autovis 1666. Besteht elienfalls aus drei Teilen mit gesonderter Seiten- und Bogenzählnng. Beide Regle- ments sind mit zahlreichen Kupfcrlnldern ausgestattet, welche in überaus anschaulicher Weise zur Erklärung des Textes dienen.

15) Vergl. das unten zu nennende Zeugnis der juristischen Fakultät der Universität Halle.

lö) Deutliche Beschreibung von dem Exerciren in der Musquete. Bl. 35.

1^) Ebenda Bl. 35.

48 Georg Müller:

davon schreiben, welches doch von ihnen genugsam practiciret wird." Dieser J. G. Pascha tritt nun im Jahre 1674 mit einem Plane zur Begründung einer Akademie für den kursächsischen Adel auf. Was gerade ihn zu diesem Unternehmen veranlafst hat, geht aus den erhaltenen Briefen und Entwürfen nicht hervor, nirgends wird einer persönlichen Bekanntschaft Erwähnung ge- than^^). Nur zu den Ständen der Oberlausitz mufs er nähere Beziehungen gehabt haben ; ihnen dedicirt er im Jahre 1670 eines seiner Bücher und erhält dafür vom Landtage ein Geschenk von 20 Thalern bewilligt ^^). Vielleicht war es nur der Mangel des von ihm beabsich- tigten Institutes, der ihm den Gedanken eingegeben hatte, wenigstens wird dieser Umstand von ihm und seinen Gönnern stark betont.

Unter diesen schreibt zunächst Graf Kinsky in Halle unter dem 18. Juni 1674-'^) an den kurfürstlichen Rat und Kammerherrn, Landeshauptmann der Lausitz, Christoph Vitzthum von Eckstädt-^). Er benach- richtigte ihn von der Absicht seines Schützlings, „eine Academie von allerhandt Exercitien vor die adelige Jugendt in dem Chur- und Fürstentum Sachsen" zu gründen, und bittet „den Herrn Bruder", seinen hoch- vermögenden Einfluls beim Kurfürsten dem genannten Unternehmen angedeihen zu lassen. Er rühmt die schriftstellerische Thätigkeit Paschas, die den Verfasser allenthalben bekannt gemacht, sowie die ersprielsliche erzieherische Wirksamkeit, die derselbe am Hofe zu Halle bei den Prinzen und den Pagen entfaltet habe. Er hebt die grolse Bedeutung hervor, die ein solches Unternehmen für das ganze Kurfürstentum haben müsse und schliefst mit der Versicherung der Dankbarkeit seines Günstlings: „als wird auch offtbemelter Hoffmeister

'^^) In welchem Verhältnis steht er wohl zu dem „churfürstlich sächsischen Cämmerirer Mr. Pasch", dem die Stände der Oberlausitz ihre Vertretung am kurfürstlichen Hofe übertragen gegen ein Salär von 100 Thalern'? Landständ. Archiv in Bautzen. 0 11^21 (4. Septbr. 167.5).

lö) Landtagsschlufs Elisabeth 1670: No. 22. Herrn Johann Georg Paschen pro dedicatione seines in Druck gegebenen Exerciten (sie) Buches von beyden Creysen 20 Thaler. Landständ. Archiv C 11" 19. Bl. 419.

20) Landständ. Archiv F. IX. 1. BI. 1.

-') Vergl.überihnE.H.Kneschke, Neues allgemeines deutsches Adelslexikon IX (Leipzig 1870), 397.

Giündiuig einer Ritterakademie zu Dresden. 49

Pasch solch grofse faveur und hohe Gunstbezeigung- mit unterdienstlich schuldigstem Danke stets rühmen und mit gehorsamst schuldiger Auffwartung zu demeriren ge- flissen sein". In welchem Sinne dieses Schreiben aufge- nommen und beantwortet wurde, lälst sich nicht nach- weisen, da sich bei den Akten keine weitere Auskunft befindet. Dals aber der Kurfürst sich in der That so- fort für die Sache interessierte, ergiebt sich aus einer kurfürstlichen Instruktion, die Pascha kurz darauf seiner eigenen Bittsclirift beifügen konnte.

Am 6. Juli legt er selbst in einem ausführlichen Schreiben den Ständen des Markgraftums Oberlausitz seinen Plan vor--); man darf wohl annehmen, dals er sich in ähnlicher Weise auch an die erbländischen Stände gewendet hat. Er geht davon aus, „wie höchst nütz- lich und rühmlich sei in einem Lande, wenn Junge von Adel in dero blühenden Jugend in denen Adeligen Exer- citien unterwiesen und gleichsam von Kindheit auf in allen dem Adel anstehenden Tugenden erzogen werden, darmit selbige hernach . . . geschickt seyen, ihrer hohen Landesobrigkeit und dem ganzen Vaterlande zu Friedens- und Kriegszeiten unterthänigste treue Dienste zu leisten". Es sei nun bisher Sitte gewesen, dafs diejenigen, die solche Absichten gehegt, ins Ausland gegangen seien, aber es gebe „anietzo in Deutschland, Gott lob, der- gleichen qualificierte Subjecte, welche eben dasselbe in Unterweisung allerhand Exercitien, was man in Franck- reich oder andern Ländern durch grolse Kosten ^■'^) suchen müsse, praestiren können." Auch würden die Reisen ins Ausland den jungen Edelleuten segensreicher werden, wenn sie bereits vorher sich eine gediegene Bildung erworben hätten, als wenn sie auf ihren Ecisen sich

••^'^) Landständ. Archiv. F. IX. 1. Bl. 3 flg.

23) Diesen Gesichtspunkt hatte ein Jahrhundert früher .Jakob Andrea in seinen Predigten als Hauptgrund für die Notwendigkeit der sächsischen Schulreform geltend gemacht. Vergl. auch hei S chmid-Schrader , Encyklopädie VII^ (I), 224 die Aiisführung der steirischen Stände, „die khinder . . . vil über -mit geringen vucosten allhie zu undterweisen und zu lernen, als das sie es mit vier- doppeltem grofsen gelt in frembde Landt schickhen und denn()ch wan sie gleich ein guette Zeit aufsgewesen, wenig oder gar nichts er- lernet haben". Auch Leibniz warnt, dafs man „solcher Dinge wegen, so man zu Hause haben könnte, sein halbes Patrimonium in der Fremde verzehren und mit seinem eignen Verderben zur Verarmung des Vaterlandes kooperieren müsse". Ebenda S. 228.

Neues Archiv f. 8. G. n. A. X. 1. ?. 4

50 G-eorg Müller:

Überall nur kurze Zeit aufhielten und dabei unter dem "Wechsel der Methoden bei den einzelnen Lehrern zu leiden hätten, wobei sie „sich mehr confundiren, alls was rechtschaffens darinne fassen". Dies gelte nament- lich bezüglich der kriegerischen Vorbildung ; „wenn einer solche erst im Kriege zu erlernen vermeynt, welches bisweilen zu spät, und indem er m denenselbigen uner- fahren, seine untergebenen Soldaten nicht wohl anzu- führen weils, solche mit seines Herrn und seinem eignen grolsen Schaden begriffen würde".

Damit nun das Markgrafentum Oberlausitz sich diesen Vorteil verschaffe, schlägt Pascha die Gründung einer Akademie vor, wie sie bereits in Tübingen-^), Sora-'^) in Dänemark, Erfurt-*^), Berlin-'), Frankfurt a. d. Oder -'*), Kolberg '-^) in Hinterpommern und anderwärts von hohen Potentaten errichtet worden seien. Nachdem er noch die wichtigsten Grundsätze über die Errichtung einer solchen Anstalt entwickelt hat, empfiehlt er sich zur Leitung derselben, da er in seiner Eigenschaft als Prinzenerzieher und Pagenmeister am Hofe des Admini- strators zu Halle bereits genügende Erfahrungen in dieser Richtung gesammelt habe.

Diesem Gesuche sind eine Reihe von Beilagen bei- gefügt, welche einen näheren Einblick in den Plan gestatten. Zunächst entsteht die Frage, wo die Akademie gegründet werden sollte. In seinem Gesuche drückt sich Pascha

-*) Über das CoUegium Illustre zu Tübingen und seinen vor- wiegend gelehrten Charakter vergl. F. Paulsen, a. a. 0. S. 338. Über die Vorgeschichte desselben, die hier in Betracht kommt, vergl. Schmid-Schrader, Encyklopädie. VIP (I), 222.

-■') Sora ist das heutige Soröe. Christian IV. wandelte die hier nach der Reformation entstandene Freischule 1613 in eine Ritter- aliademie um. 1813 brannten die Gebäude ab, 1822 wurde die An- stalt neu organisiert. Auch von B ose gedenkt dieser , Kriegsakademie" des Königs von Dänemark in seinem Gutachten HStA. Loc. 9392. Landtags -Acta de Ao. 1687. 1688. Bl. 357». Vergl. Schmid- Schrader, Encyklopädie VIF (I), 224, 229. F. Pauly, Topographie von Dänemark, einschliefslich Islands und der Faroer. Altona 1828. S. 626.

2«) Eine Ritterakademie zu Erfurt ist weder bei Paulsen noch bei 0. Heine erwähnt.

27) Nach O. Heine , a. a. 0 , S. 231 fällt die Gründung einer Ritterakademie zu Berlin erst ins Jahr 1705. Nach der Angabe im Texte würden also die ersten Anfänge in eine frühere Zeit fallen. Vergl. auch von Böse in dem oben erwähnten Gutachten. Bl. 357».

28j Wird weder von Paulsen noch von 0. Heine erwähnt.

20; O. Heine, a. a. 0. S. 230.

Gründung einer Ritterakademie zu Dresden. 51

nur sehr allgemein aus. Er stellt der Landschaft anheim, die Schule entweder „zu Baudissen oder anderswo nach dero Belieben" zu gründen "°). Aber aus den Beilagen ergiebt sich, dals in der That Dresden ins Auge gefafst war. Denn überall wird die Verbindung des Institutes mit dem erbländischen vorausgesetzt, die Nähe des Hofes, sowie die unmittelbare Aufsicht des Kurfürsten betont. Die Zahl der Zögihige ist auf dreilsig festgesetzt; fünf- zehn sollen dem Adel der Oberlausitz und ebenso fünfzehn dem der Erblande entnommen werden ■^^).

Eingehend wird .der Unterricht behandelt. Nach den selbstbewulsten Auiserungen des Entwurfs soll der- selbe den anderer gleichartiger Anstalten an Reichhaltig- keit und Vollkommenheit übertreffen ■■^■-). Bei genauerer Durchsicht ergiebt sich die auffallende Thatsache, dals die theoretische Unterweisung, namentlich die Mathematik und die Naturwissenschaften, gänzlich fehlen und nur die praktischen Übungen des militärischen Turnens, Fechtens und Exercierens reichlich vertreten sind. Sie zerfallen in zehn Nummern '^•^): 1. Fechten auf dem Stols; 2. Ringen; 3. Voltigieren; 4.Exercieren in der Mulsciuete; 5. Exercieren in der Pique; 6. Bataillen in der Musquete und Pique zu stellen, sich sowohl gegen Kavallerie als Infanterie zu defendieren; 7. Fahneschwingen; 8. Pertuisane; 9. halbe Pique oder Jägerstock und 10. Trincii"en. Daneben erfährt der Tanzunterricht eine ausgedehnte Beachtung. Von Sprachen wird nur die französische gelehrt. Außer- dem betont der Entwurf die Pflege eines frommen Sinnes, der „Pietät". Aber so oft diese auch hei'vorgehoben wii'd, so giebt es keinen besonderen Religionsunterricht, sondern wird nur das tägliche Morgen- und Abendgebet, sowie der regelmälsige Kirchenbesuch erwähnt'").

Wie diese Fächer sich auf die einzelnen Tage ver- teilen, wird in einem ziemlich ausführlichen Stundenplane (Beilage III) ausgeführt ='•''). Er hat um so mehr Interesse, als aus dieser Zeit nur wenige ähnliche eingehende Proben veröffentlicht sind. Der tägliche Unterricht umfalst sieben Stunden, von denen vier vormittags von 7 11 Uhr ge-

30) A. a 0. Bl. 4.

31) Ebenda Bl. 57 u. ö.

32) Ebenda Bl. 16. No. 8.

33) Ebenda Bl. 8", 13<' und 16. No. 1. 31) Ebenda Bl. 7.

36) Ebenda Bl. 14'- und 15".

4*

52 Georg- Müller:

halten weiden, während der Nachmittag mit drei Stunden von 1—4 Uhr besetzt ist. Die letzteren sind Montags, Dienstags, Donnerstags und Freitags für den Unterricht im Tanzen und Voltigieren bestimmt, während Mittwochs und Sonnabends das Bataillenstellen und Contrafechten geübt wird. Die Vormittage sind folgendermalsen besetzt^*^):

Moutag 7— 9 Fechten, Pertuisiiue und französische Sprache.

9—11 Bingen, Fahneschwingen u. französische Sprache. Dienstag 7 9 Fecliten und wie ein JVIusquetier mit der Mufs- quete allein vor sich recht ümbgehen soll, desgleichen die französische Sprache. 9—11 Ringen, halbe Piqne und französische Sprache. Mittwoch 7—9 Das Exercieren in der Musquete.

9 11 Trincireu, französische Sprache u. Contrafechten. Donnerstag 7 9 Fechten, Pertuisane und französische Sprache. 9—11 Bingen, Fahne und französische Sprache. Freitag 7—9 Fecliten und „wie ein Piquenirer mit der Pique alleine vor sich selbst recht ümbgehen soll", französische Sprache. 9 11 Ringen, halbe Pique und französische Sprache. Sonnabend 7 9 Exercieren in der l'ique.

9 11 Trinciren, französische Sprache u. Contrafechten.

Auffallend ist, dals der Reitunterricht gänzlich fehlt. Dieser Mangel hängt jedenfalls mit den Kosten zusammen, die die Erhaltung der Pferde verursacht haben würde. Denen, die „zu dem Reuthen Beliebung tragen", wird anheimgestellt, bei einem Bereuther Unterricht zu nehmen und denselben aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Es wii^d hierbei ausdrücklich auf die ähnlichen Einrichtungen in der Ritterakademie zu Tübingen Bezug genommen ■^^).

War so der Bereich des Unterrichts nur eng, so ist dagegen von Wichtigkeit, dals in dem Entwürfe regel- mälsige Prüfungen und Zensuren gefordert wurden. Dies ist um so auffallender, als die Vernachlässigung derselben später in emzelnen Ritterakademien einen Hauptmangel bildete ^^). Diese Examina mulsten um so einflufsreicher

^) Bezüglich des Betriebes der einzelnen Übungen geben uns die oben Anm. 14 genannten Exercier-Reglemeuts Paschas Auskunft.

"j F. IX. 1. Bl. 57. An einzelnen Akademieen, wie z. B. in Hildburghausen, wurden vom Hofe die Pferde gestellt, was dann zur Anpreisung des Institutes benutzt wurde. Vergl. P a u 1 s e n , a. a. U. S. 34.ö.

2S) So sprachen noch 1787, bei üelegenheit der Einführung von Prüfungen, die Lehrer der Ritterakademie zu Liegnitz die Befürch- tung aus, „die Veranstaltung öö'entlicher Examinum möchte bei dem adligen Publico im Lande Aufsehen machen und Anstofs erregen, als wolle man die Ritterakademie, die nach ihrer ersten Verfassung etwas mehr als eine gemeine Schule oder Gymnasium sein soll, zu einer Trivialschule herabwürdigen". Schmid-Schrader, Encyklo- pädie VIP (I), 239.

Gründung einer Ritterakademie zn Dresden. 53

sein, wenn sie unter kurfürstlicher Oberaufsicht gehalten und ihre Resultate dem Kurfürsten selbst vorgelegt wurden. Bereits in seinem Gesuche an die Lausitzer Stände schreibt Pascha"'^): „So wäre eines hohen Ministri Ober-Inspektion dieserwegen hochnöthig, welcher dem Hof- und Sprach- meister, wie auch Bereuther, Tanz- und Ezercitienmeister nicht allein gebührenden Schutz leistete, sondern auch auf das wenigste alle halbe Jahr ein Examen anstellte, damit die Adelige Jugend beim Fleils erhalten und zur französischen Sprache, wie auch allerhand Exercitien desto besser angereizt würde". Diese Forderung kur- fürstlicher Oberaufsiclit hängt jedenfalls mit den grolsen Schwierigkeiten zusammen, welche die Aufrechterhaltung der Disziplin damals im allgemeinen machte^''), wie anderer- seits mit den Vorteilen, die der Anstalt erwuchsen, wenn sie durch das Ansehen des Hofes gedeckt wurde.

Daiis diesem Gesuche Seiten des Kurfürsten ent- sprochen wurde, ergiebt sich aus einer genauen Instruktion für den Hofmeister, als den Vorstand der Akademie. Hier wird ausdrücklich ein vom Hofe ernannter und mit besonderen Rechten ausgestatteter, dem Hofmeister über- geordneter Vertreter des Kurfürsten namhaft gemacht und bezüglich seiner einzelnen Amtshandlungen und Ver- pflichtungen mit' eingehenden Anweisungen versehen.

Diese Instruktion ist betitelt: „Wornach Unser von Gottes Gnaden Johann Georg des Andern, Hertzogs zu Sachssen . . . angenommener und bestalter Hoifmeister über etzliche aus Unserem Chur- und Fürstentum Junge von Adel, und lieber Getreuer N. N. sich richten und verhalten solle" ^'). Seine Verpflichtungen werden in acht Punkten zusammengefalst. Diese sind auch insofern von Interesse, als sie uns einen Einblick in die Organisation der geplanten Anstalt gestatten.

Punkt 1 behandelt die religiöse Erziehung der ZögHnge. Der Hofmeister soll darauf halten, dafs fromme Sitte in

3») F. IX. 1. Bl. 4K.

40) Vergl. die Klagen in den verschiedenen .Schulgeschichten. Auch die Landtage beschäftigen sich mehrfach mit der Frage. So beschliefseu die Lausitzer Stände, um der mangelhaften Schuldisziplin aufzuhelfen, der Jugend dürfe von den ^^'irtllen kein Bier mein- ver- abreicht werden. Landständ. Archiv C. 11^. 13. ßl. 278 flg. Vergl. auch die Klagen auf dem Dresdner Landtag von 1687. HStA. Loc. 9391. Landtagssachen 1687. Hl. 424''. Loc. 9392. Laudtags- akta de Ao. 1687. 1688. Bl. 180 tlg.

*') F. IX. 1. Bl. 7—12.

54 Georg Müller:

der Anstalt herrsche und daher das tägliche Morgen- und Abendgebet, wie den regelmälsigen Kirchgang über- wachen. Punkt 2 bestimmt die Sorge für die sittliche Führung der Schüler in und autiserhalb der Stunden. Wenn er etwas „von ihrer Üppigkeit, liderlichem Leben, Gotteslästern, Vollsaufen, Fluchen, Spielen, Schlagen oder sonstigem ärgerlichen Leben verspürt", so soll er sie zur Rede stellen; wenn sie seinen Warnungen kein Gehör schenken, so soll an den kurfürstlichen Vertreter berichtet werden. In Punkt 3 werden Bestimmungen über das Verhalten bei Tische getroffen; einer nach dem andern soll das Vorlegen verrichten, damit alles fein ordentlich zugehe. Ferner sollen „keine andere, als der Adelichen Jugend erbauliche Discurfse geführt werden". Das Ein- laden von Gästen soll von des Hofmeisters Genehmigung abhängen. Namentlich soll er nicht zugeben, dals „durch übermässiges Trincken einigerley debauche an seinem Tische vorgehe". Ln folgenden Abschnitte wird des Hofmeisters Verhältnis zu den übrigen Lehrern und Exerciermeistern , wie seine Beteiligung am Unterrichte bestimmt, die sich namentlich auf Fechten und militärische Instruktion bezieht. Weiter soll er darüber wachen, dafs die auf Veranlassung des Kurfürsten ausgearbeiteten und ihm zugestellten Lektions-Tabellen genau innegehalten werden. Zur Kontrollierung der Leistungen wird der Kurfürst von Zeit zu Zeit Prüfungen anordnen. Wichtig sind die Bestimmungen des sechsten Abschnittes, welche jegliche dauernde Dispensation von einzelnen Fächern strengstens untersagen und eine gleichmässige Teilnahme aller Zöglinge an allen Übungen verlangen; „sollte eines oder des andern Inclination, Vermögen, Gesundheit oder Zustand dieses oder jenes Exercitium zu treiben nicht zulassen", so soll an den kurfürstlichen Kommissar be- richtet und dessen Entscheidung abgewartet werden. Des Sommers um 9, des Winters um 8 Uhr soll das Haus geschlossen werden, nur Urlaub, vom kurfürstlichen Vertreter erteilt, befreit vom rechtzeitigen Eintreffen. Der letzte Abschnitt schärft nochmals die strengste Ein- haltung der getroffenen Bestimmungen ein und schliefst mit der Anordnung, dafs der Hofmeister „Unis auch, wie sich einer oder der andere in seinem Gottesdienste, in Exercitiis und Sprachen, in Fleifs und in andern Unis zu wissen von nöten seienden Dingen comportire, zu Zeiten untertänigst eröffne, weswegen denn zu Uns Wier ihm

Grüudimg einer Ritterakademie zu Dresden. 55

einen freyen Zutritt gnädigst gestatten wollen ; wie denn, dals ein solches zu Unserer notitz komme, und Wier da- durch der Fleilsigen und Frommen Beförderung ümb so mehr Unis angelegen seyn lassen werden, Unsern Jungen Adel verholfentlich zu allen Guten animiren wird."

Man sieht aus dieser Instruktion, welches Interesse der Angelegenheit am kurfürstlichen Hofe entgegen- gebracht wurde. Trotzdem blieben die Entwürfe ohne greifbare Folgen. Es hing dies mit dem leidigen Geld- punkte zusammen, der nicht nur diese heilsamen Ver- besserungsvorschläge zu Falle gebracht hat. Und doch waren die finanziellen Anforderungen nur gering. Ein dem Schreiben Paschas beigelegter Entwurf gab auch darüber die nötigsten Anhaltepunkte^").

Das Haupterfordernis war zunächst der Bau eines Hauses, in welchem die Zöglinge untergebracht, verpflegt und unterrichtet werden sollten. Die dazu nötige Summe wird nicht angegeben, vielleicht hoffte man auf die Über- lassung eines kurfürstlichen Gebäudes. Für Gehalte waren folgende Summen angesetzt: dem Hofmeister nebst freier Wohnung, Lieferung von Bier, Wein, Korn, Holz und Futter für zwei Pferde, ein baares Einkommen von 500 Thalern. Zu seiner Unterstützung war ein Adjutant in Aussicht genommen, „ein junger Mensch, welcher in allerhand Exercitien geübet, der dem Hofmeister in Unterweisung der jungen Edelleute, weiln derer viel, auch unterschieden Exercitia, unter die Arme greifft, und gedachte junge Edelleuthe informiren hilfft". Für ihn waren 200 Thaler bestimmt. Der französische Spracli- meister sollte 250 Thaler bekommen, ebensoviel der Tanz- meister.

Diese zur Bestreitung der Gehalte nötigen 1200 Thaler sollten so aufgebracht werden, dafs die Stände der Ober- lausitz, wie die der Lausitz je COO Thaler beisteuerten. Dafür sollten die Lehrer verpflichtet sein, die Hälfte der Schüler in der französischen Sprache und den anderen Fächern unentgeltlich zu unterrichten. Aufserdem sollte die Landschaft dem Bereuther für den Reitunterricht

**-) Ebenda Bl. 16, 57». Unterthänigste ohnmafsgebliche Spe- zification, was zur Erziehung dreifsig Junger von Adel, solche so- wohl in pietate, nioribus und französischer Sprache, als auch aller- hand Exercitien einzuführen, jährlich vor Unkosten ohngefehr erfordert werden.

56 Georg Müller

jäliiiich eine Unterstützung an Hafer, Heu und Stroh gewähren.

Woher sollten aber die nicht unbeträchtlichen Kosten, welche die Verpflegung der Zöglinge veranlalste, bestritten werden? Dafür wurden zwei Vorschläge gemacht. Nach dem ersten sollte jeder Schüler der Akademie dem Hof- meister jährlich 65 Thaler für den Tisch und 10 Thaler pro discretione für Erlernung der Exercitien geben, um- somehr da seine Besoldung nicht gar hoch sei. So sei es zu Tübingen , Soröe , Erfurt und anderwärts Sitte ; dort seien freilich die Beiträge hijher, während weniger Unterricht geboten werde. Ein zweiter, die Kosten ver- mindernder Vorschlag ging dahin, die Zöglinge sollten „unter die Leib-Guardie zu Fuefs" genommen werden und von ihrem Solde den Tisch bezahlen*-^). So habe es der Kurfürst von Brandenburg in Kolberg angeordnet, wozu von der Landschaft Hinterpommern den Hof- und Exercitienmeistern jährlich ein gewisser Zuschuls beAvilligt werde.

Es waren mäfsige Forderungen, welche Pascha in seinem sorgfältig ausgearbeiteten Plane an die Landstände stellte ^^). Trotzdem gingen dieselben über die Leistungs- fähigkeit und den guten Willen der Landschaft hinaus. Vergeblich sucht man in den Landtagsverhandluugen der Lausitzer Stände nach einer Vorlage in der Angelegen- heit. Erklärlich wird dies, wenn man in den Akten ver- folgt, mit welchen Schwierigkeiten schon die kurfürstlichen Forderungen zur Erhaltung der zwölf bis fünfzehn jungen Edelleute zu kämpfen hatten, die in herkömmlicher Weise bei der kurfürstlichen Leibkompagnie in Dresden stan- den ^^). Li den verschiedensten Tonarten werden die

^^) Der zweite Vorschlag wurde später ausgeführt. Vergl. Das erste hundertjährige Jubelfest des K. S. Kadettenhauses. S. 10.

**) Ungleich höher stellte sich später der Anschlag, als der Etat „wegen der neu zu errichtenden Königlich Polnischen und Kurfürst- lich Sächsischen Ritter- und Militärakademie" den Ständen vorgelegt wurde. Danach sollte der Inspektor, drei Professores (neben freier Wohnung) und der Stallmeister je 1000 Thaler, der Oberbereuther 600, der Fechtmeister 400, der Tanzmeister 420, zwei französische und ein italienischer Sprachmeister je 240 Thaler bekommen. Pur den Bau und die Ausstattung des Gebäudes wurden 145 776 Thaler 6 Gr. 4 Pf berechnet. Vergl. Landständ. Archiv F. IX. 1. Bl., 17 flg. Konzept, Bl. 21 flg. Reinschrift.

*■') Vergl. Die Verhandlungen aus dem Jahre 1659 im Landständ. Archive C. IIa, 13. Bl. 115, 130, 209, 269, 301, 335, 338. Vergl. im HStA. Loc. 9539. Die 12 vom Adel und deren Knechte 1666—75 u. ö.

Grüiidimg einor Ritterakademie zu Dresden. 57

Klagen jaiit über „das Armut dises Landes" ^^). Grade in dieser Zeit beseufzte man „dieses Landes bekannten kalamitosen Zustand, welcher durch den in drev Jahren nach einander ereigneten Milswachs des Getreidichs, Rind- vieh- und Schaffsterben und absonderlich durch den dieses Jahres im gantzen Lande geschelienen, unbeschreiblichen überaus grolsen Wetterschaden" herbeigeführt sei^"^).

Wie aber die Stände der Erblande sich dergleichen Forderungen gegenüber verhielten, ergiebt sich aus den Schwierigkeiten, die ein Jahrzehnt später dem Boseschen Plane gegenüber erhoben wurden'**).

So blieb ein Plan erfolglos, der, wenn auch in be- scheidenen Grenzen, doch zielbewulst und mit manchen der Zeit voraneilenden Vorschlägen, die militärische Vor- bildung des kursächsischen und lausitzer Adels in Aus- sicht nahm.

^0) Laudständ. Archiv. C. II a, 22. Bl. 632.

*') Ebenda Bl. 638 a

48J Yergl. Das erste hundertjährige Jubelfest u. s. w. S. 9 f. Auch die den Gegenstand betreffenden Verhandlungen im HStA. Loc. 9392. Landtags- Acta de Ao. 1687. 1688. Bl. 357 flg. u. ö.

V.

Die frühesten Nachahmimgeii des Meifsner

Porzellans.

Die Fabriken in Plane, Wien und Venedig.^)

Von'

W. von SeidUtz.

Die grofsen Entdeckungen auf geistigem Gebiet werden häufig von mehreren Forschern gleichzeitig ge- macht, denn sie hängen zum guten Teil von der Summe der bereits erworbenen Kenntnisse ab ; bei den grofsen Erfin- dungen auf technischem Gebiet spielt dagegen, wenngleich auch sie zumeist an bestimmte Vorbedingungen gebunden sind, der Zufall gewöhnlich eine weit gröisere Eolle als die Folgerichtigkeit des Denkens oder die Genialität der Gedankenverbindung. Sie können daher auch leichter und für eine längere Zeit in ausschlielslicher Weise aus- genutzt werden und pflegen in weit höherem Grade als die ersteren das Gepräge von Errungenschaften rein per- sönlicher Natur zu bewahren.

^) Benutzte Akten des HauptstaatsarcMvs : (I) Böttger betr. Vol. I. 1707—19. Loc. 1339. (II) Böttger betr. Vol. II. 1719. 20. Loc. 1339. (IV) Varia Böttger betr. Vol. I. 1708-39. Loc. 1340. (VII) Varia Böttger betr. 1701 flg. Loc. 1341. (VIII) Böttgerische Verlassenschaft, Vol. III. Loc. 1341. (IX) Die Porcellaine - Manu- factur betr. 1725 flg., Vol. IV. Loc. 1341. Vergl. meinen Aixf- satz : Die Meifsner Porzellanmanufaktur unter Böttger, in dieser Zeit- schrift Vni, 115 flg.

W. V. Seidlitz: Nachaluimii'^-en d. Meifsner Porzellans. 59

So ging es auch mit der von Böttger erfundenen Porzellanfabrikation. Während der ersten Jahrzehnte des Bestehens der Meifsner Manufaktur blieb letztere ohne eigentliche Nebenbuhler. Denn die wenigen Fabriken, welche auswärts errichtet wurden, vermochten nicht aus eigner Kraft sich empor zu arbeiten, sondern waren darauf angewiesen, Arbeiter der Meiisner Manufaktur dieser ab- spenstig zu machen. Kehrten dann aber solche Arbeiter, was in der Eegel geschah, wieder nach Meifsen zurück, so nahm der flüchtige Aufschwung ein jähes Ende.

Bisher wulste man nur von der Plaueschen und der Wiener Fabrik als von solchen, welche bereits während des zweiten Jahrzehntes des 18. Jahrhunderts begründet worden seien. Aus den Akten des kijniglich sächsischen Haupt- staatsarchivs erhellt, dafs auch die Fabrik in Venedig hierher zu zählen ist.

Welcher Art die Erzeugnisse dieser drei Fabriken waren, läfst sich nur für die Wiener mit einiger Bestimmt- heit angeben; J. v. Falke, Die k. k. Wiener Porzellan- fabrik (Wien 1887, 4"), giebt auf den ersten vier Tafeln eine Anzahl von Stücken, die dieser ersten Periode der Fabrik angehören und sämtlich eine starke Abhängigkeit von Meilsen bekunden. Von der Plaueschen Fabrik wissen wir nur, dals dort ausschliefslich braunes Porzellan, also Steingut, die sogenannte Böttgerwaare, gefertigt wurde: beglaubigte Stücke aber haben sich nicht erhalten ; solche werden wohl unter den als Meiisner Erzeugnisse gehenden Böttger-Porzellanen zu suchen sein. Für eine Charakte- risierung des venezianischen Fabrikats fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Wie die nachfolgenden Aktenstücke über die früheste Thätigkeit der Fabrik in Venedig, welche man bisliei-, soweit es sich um die Herstellung des wirklichen Por- zellans handelt, in eine weit spätere Zeit zu verlegen pflegte, zum ersten Mal Aufschlufs geben, so ergänzen und berichtigen sie auch die spärlichen Nachrichten, welche wir über die Fabriken in Plane und Wien, insbesondere hinsichtlich der ersten, vorstaatlichen Periode der letzt- genannten, besitzen.

Über die Fabrik in Plaue a. d. Havel, im Re- gierungsbezirk Potsdam, in der Nähe der Stadt Branden- burg, berichtet Engelhardt"), dieselbe sei 1713 durch den

-) C. A. Eugelhardt, J. F. Böttger (Leipzig 1837) S. 541 flg.

60 W. V. Seidlitz:

Geheimen Eat und Kammer -Präsidenten von Görne begründet worden, nnd zwar mit Hilfe des bereits von Tschirnhaus und dann von Böttger bei seinem Laboratorium auf der Bastei verwendeten Samuel Kempe (eigentlich Kämpffe). Durch einen Töpfer, Mehl hörn (den Bruder des bei der Meißner Manufaktur Angestellten), welchen Böttger im April 1715 zum Schein der Plaueschen Fabrik überliels, der aber bereits nach vier Tagen wieder nach Sachsen zurückkehrte , Avurde bekannt , dafs Masse und Öfen zwar dort gut seien, dals man aber die schwarze Glasur ebensowenig herzustellen wisse, wie das weifse Porzellan. Dem Kammerrat Nehmitz machte Görne um dieselbe Zeit den Vorschlag, der König von Polen möge die Plauesche Fabrik gegen Eückzahlung der Vorschüsse im Betrage von 130OO Thalern für eigene Rechnung fortsetzen nnd die Arbeiter auch sächsischerseits in Pflicht nehmen lassen. Ein Immediatbericht Böttgers vom 19. Juni 1715 (I, 279b) führt die gegen diesen Antrag sprechenden Gründe, welche sich denn auch als wirksam erwiesen, auf und berührt dabei manche für die Fabrikations- und Vertriebsweise der Plaueschen Fabrik bezeichnende Einzelheiten'^). In ihrer besten Zeit beschäftigte die Fabrik zu Plane zwischen 30 und 40 Personen, doch kam sie nie recht auf. 1715 wurde zum erstenmal die Leipziger Michaelismesse beschickt; die Waaren aber erwiesen sich als zu schwer, zu teuer und zu schlecht fassoniert. Der- gleichen Brandenburger genanntes Porzellan soll noch 1729 auf die Leipziger Messe gekommen sein, dann aber nie wieder. Soweit Engelhardt.

Mit der Mehlhornschen Episode steht offenbar ein Brief in Zusammenhang, den ein Glasschneider Jeremias Spiller unterm 19. März 1715 von Plane aus schrieb und worin er verlangt, dafs ein gewisser Grombholtz aus Alt-Dresden (das ist der Christoph Krumbholz, welchen Dr. Bartelmaei bereits seit 1708/9 beschäftigte)*] dorthin komme, um Geschirre zu drehen und zu malen; oder dafs er wenigstens jemand schicke. „Sie haben die rote Masse so gut als in Dresden mögen haben" (VII). Ob Mehlhorn im folgenden Monat darauf hin oder, wie Engelhardt^) angiebt, infolge eines Briefes, der unmittelbar

^) Unten mitgeteilt als Beilage 1. *) Vergl. diese Ztschr. VIII, 117. ">) A. a. 0. ß. 542.

Nachahmungen d. Meifsner Porzellans. 61

an ihn gerichtet gewesen, aber von Böttger abgefangen wurde, den Auftrag erhielt, nach Plane zu gehen, hat sich nicht feststellen lassen. Krumbholz hat jedenfalls seine Dresdner Stellung nicht verloren, da er noch im November desselben Jahres seinen Gehalt bezog. Zur Ergänzung des Böttgerschen Berichts vom 19. Juni 1715 mögen sein Bericht vom 5. Juni desselben Jahres (I) sowie ein französischer Brief dienen, den er unter dem 26. desselben Monats an den Privatsekretär des Königs, Gaultier, richtete (I, 303 g). Dals die Wirksamkeit der Plaueschen Fabrik übrigens nicht ganz ohne Erfolg war, geht aus dem Umstände hervor, dals im April 1718 zwei gute Arbeiter dieser Fabrik nach Meilsen herangezogen wurden (I). Im Jahre 1719 scheint die Fabrik schon in den letzten Zügen gelegen zu haben, wie aus einem Brief des Inspektors Steinbrück an Nehmitz vom 17. Januar desselben Jalires hervorgeht, wonach die brandenburgische Fabrik, wo damals noch „alleinig braune Gefäfse fabriziert" wui'den, der Meilsner Manufaktur „keinen merklichen Schaden zugefügt" hat. „Es scheint vielmehr, dals der Herr von Görne jetzo lieber wünschte dergleichen nicht entrepreniert zu haben" (IV). Gleich darauf, am 9. Februar, drückt sich derselbe in einem Bericht so aus: „Die brandenburgische Fabrik ist in sich selbst zergangen und nie auf die Kosten gekommen" (I).

Die Anfänge der Wiener Fabrik erzählt Falke ^) folgendermalsen. Sie Avurde durch einen in Wien leben- den Holländer, Namens C 1 a u d i u s I n n o c e n z D u P a q u i e r , welcher als Kriegsagent in kaiserlichen Diensten stand, im Jalu-e 1718 als Privatanstalt gegründet, in der Vor- stadt Bolsau in einem kleinen gräflich Kufsteinschen Hause am Ende der Dreimohrengasse (jetzt Teil der Liechtensteinstralse) gegenüber dem Liechtensteinschen Gartenpalais. Sie hatte einen Ofen und beschäftigte zehn Leute. (Nach drei Jahren wurde sie in die nach ihr be- nannte Porzellangasse vcsrlegt.) Die zur Herstellung des Porzellans erforderlichen Erden waren in Osterreich gefun- den, doch führten die ersten Versuche nicht zu genügen- den Kesultaten. Du Paquier begab sich daher nach Meilsen , setzte sich dort mit zwei französischen Aben- teurern, dem Musiker La France imd dem Billardhalter

«) A. a. 0. S. 0 flg.

62 W. V. Seidlitz:

Dupiii, in Verbindung^) und wulste zwei Angehörige der Manufaktur, den Emailleur und Vergolder Christoph Konrad Hunger und den Werkmeister und Arkanisten Samuel Stenzel (so soll der Name nach den Wiener Akten lauten; in Wirklichkeit aber hiefs der Mann S t ö 1 z e 1 , nämlich nach Ausweis der Dresdner Akten, in denen der Name fortwährend und mehrmals in eigen- händiger Unterschrift dann bald Stöltzel bald Stöltzell geschrieben vorkommt), dui'ch Geld und Versprechungen für Wien zu gewinnen, letzteren gegen freie Wohnung, Equipage und 1000 fl. Gehalt. Dals Hunger bereits im Oktober 1717 nach Wien ging, Stölzel aber erst am 5. Januar 1719 aus Meilsen nach Wien entfloh, sagt Engelhardt^). Falke fährt dann fort: Durch die Ver- bindung mit dem Hofkriegsagenten Peter Heinrich Z erder und dem Kaufmann Martin Peter gewann Du Paquier die zur Gründung der Fabrik erforderlichen Geldmittel. Peter übernahm die kaufmännische Leitung, die künstlerische wurde Hunger anvertraut und Du Pa- quier selbst behielt sich die Oberleitung vor. Ein aus- schliefsliches kaiserliches Privilegium wurde ihnen unterm 27. Mai 1718 ausgestellt. (Damit stimmt die Nachricht bei Engelhardt^), wonach Hunger am 6. Mai 1718 den bei der Meiisner Manufaktur angestellten Mehlhorn dringend einladet, nach Wien zu kommen, mit dem Be- merken, dals der Kaiser der Porzellanfabrik ein aus- schlielsendes Privileg für die ganze Monarchie geben und, wie er hinzufügt, gleich selbst für einige tausend Gulden Porzellan kaufen wolle; in diesem Brief wii'd auch ausdrücklich die weifse Erde von Passau als die Schnorrsche gänzlich ersetzend geschildert.) Die Fabrik machte aber keine Geschäfte, man sah sich demnach bald nicht mehr in der Lage, Stölzel seinen Gehalt zu zahlen und die ihm gemachten Versprechungen zu halten. Stölzel, in seinen Erwartungen getäuscht, ging nach zwei- jähriger Thätigkeit wieder davon (in Wirklichkeit nach 1^/4 Jahren, da er bereits am 18. April 1720 wieder in Meifsen eintraf ^'^) und zwar heimlich, nachdem er noch der Fabrik durch Zerstörung der Modelle und Verwüstung des Materials einen auf 15000 Gulden veranschlagten

') Vergl. Eugelhardt a. a. 0. S. 545. 8) A. a. 0. S. 546 f. 0) A. a. 0. S. 546. 1") Engelhardt S. 548,

Nachalimungen d. Meifsner Porzelliius. 63

Schaden ziigefiigt. Da Stülzel das Geheimnis der Fabri- kation nicht vollständig preisgegeben, hatte Du Paquier viel Mühe, die Fabrik fernerhin in Gang zu erhalten"). Doch vermochte er das immerhin bis zum Jahre 1744, wo sie vom Staate übernommen wurde.

Diese Nachrichten werden durch die Berichte des sächsischen Legationssekretärs Christian Ad. Anacker in Wien vom 31. Januar und 10. April 1720 (IT, 51 V. flg. und 71 flg.) teils ergänzt, teils berichtigte^). Danach hiels der Kaufmann, mit welchem sich Du Paquier anfangs verband , nicht Peter , sondern Becker; doch wird hierin den Wiener Akten wohl mehr zu trauen sein. Dieser Mann streckte über 10000 Gulden vor, sagte sich aber bereits Anfang 1720 von der Gesellschaft los. Von dem Hofkriegsagenten Zerder ist hier gar nicht die Rede. An Stelle Peters (Beckers) trat dann Bälde, ein ver- mögender Mann, als Sozius ein; ein Umstand, der be- sonders deshalb von Bedeutung ist, weil er die Bezahlung der rückständigen Löhne zur Folge hatte, so dafs nun- mehr erhellt, Stölzel, der 500 Gulden ausgezahlt er- halten , sei nicht so sehr aus dem oben angegebenen Grunde, als vernmtlich infolge der Versprechungen, die ihm Anacker machte, nach Meifsen zurückgekehrt. Die Zerstörungen, welche er bei seinem Weggange von der Wiener Fabrik anrichtete, erscheinen freilich unter solchen Verhältnissen nur um so brutaler. Darauf, dals Du Paquier hier Brabanter statt Holländer genannt wird, ist kein besonderes Gewicht zu legen; interessant aber

") Falke reproduziert auf Taf. IV eine Kaffeetasse mit Unterschale, im Besitz des k. k. Museums für Kunst und In- dustrie in Wien , deren letztere in Kot „A. Bottengruber F. Viennae 1730" bezeichnet i,st. S. 10 erklärt er B otteng r üb e r fin- den Hauptmaler der Fabrik in dieser Periode. Von demselben belindet sich in dem Hamburger Kunstgewerbe-Museum eine henkel- lose Tasse mit Unterschale und eine Spülkumme, die eine gleiche künstlerische Behandlung zeigen, mit viel Gold, Rot und Gelb t»rna- mentiert sind, in den Mittelteilen kleine Schlachtszenen in Kupfermt enthalten, und von denen die Unterschale die Bezeichnung „AB (verbunden) f. Wrat. 1726" trägt. Dem Charakter .seiner Malereien nach scheint Bottengruber urspi'ünglieh Emailmalcr gewesen zu sein. Bevor er nach Wien ging lebte er, der eben angeführten Inscbrilt zufolge, in Breslau. Die betreifenden Stücke werden wolil cbcr Wiener als Meifsner Erzeugnisse (wie man in Hamburg anuinniit) gewesen sein; denn Meifsen bedurfte damals für die Malerei nicht mehr der auswärtigen Hülfe.

1'-) Beilage 2 und 3; vergl. Engelhardt S. F)47.

64 W. V. Seidlitz:

ist die Angabe, clafs Erde für die Porzellanbereitung auch aus Ungarn herbeigeschafft wurde (oben war Passau als ein Ort, wo solche sich vorfand, genannt worden), und von besonderer Wichtigkeit die Nachricht, dals Hunger bereits zu Anfang 1720 aus Wien entfloh. Im Nach- folgenden werden wir ihm auf venezianischem Boden wieder begegnen.

Engelhardts Angabe ^■^), dafs Hunger am 6. Mai von Wien aus dem Mehlhorn einen Wechsel über 100 fl., die er als Reisegeld verwenden sollte, geschickt habe, wird durch einen Brief Steinbrücks an Nehmitz vom 17. Januar 1719 (IV) bestätigt, wonach Mehlliorn droht, gleich dem soeben entlaufenen Stölzel nach Wien zu gehen, zu welcher Reise er bereits 100 fl. von dort er- halten habe. In diesem Brief wird auch desjenigen ge- dacht, „der jetzo zu Wien Porzellan machen will" also Hungers mid der das Geheimnis durch Böttger in trunkenem Zustand erhalten habe. Stölzel habe sechs Jahre also von 1712 oder 1713 an in Meifsen ge- dient und zwar bei dem Brennhaus und dem Schlemm- gebäude. — Dals Stölzel aus Wien den Porzellanmaler Johann Gregor (nicht Georg) Herold mitbrachte, durch welchen die Manufaktur in ganz neue, durch die schönsten Erfolge gekennzeichnete Bahnen geleitet wurde, ist schon bei früherer Gelegenheit angeführt worden.

Aus einer Registratur vom 20. August 1727 (IX, 113 flg.) erhellt endlich, dals Hunger nicht durch Du JPaquier, sondern durch den österreichischen Gesandten Grafen Virmond für Wien gewonnen worden ist, und dafs Stölzel auf die zwischen Du Paquier und dem ge- nannten Dupin gepflogene Korrespondenz sich entschlofs, gleichtalls nach Wien zu gehen und von Du Paquier aus Meifsen abgeholt wurde ''^). Daselbst ist auch deutlich ausgesprochen, dafs in Wien so lange keine rechten Re- sultate erzielt werden konnten, bis man sich nicht, auf Anraten Stölzels, entschlofs, etliche Zentner der Schnorr- schen Erde dorthin kommen zu lassen. Der Aussage Hungers zufolge ist der aus Jena gebürtige Herold ein Jahr lang bei der Wiener Fabrik beschäftigt gewesen. Über Hungers Persönlichkeit sind hier nähere Aufschlüsse zu finden.

") A. a. 0. S. 547. ^*) Beilage 4.

Nachalimungeu d. Meifsner Porzellans. 65

Es mag gleich bemerkt werden, dafs Hunger in dem weiter unten anzuführenden Schreiben vom Jahre 1730 angiebt, Herold und Stölzel hätten ihm bei ihrem Ab- gange von Wien alle seine Farben mitgenommen und seien dadurch in Dresden in grofsen Estim gekommen, denn vorher habe man in Sachsen nicht gewulst, was blau oder grün, rot u. s. w. auf das Porzellan wäre. Das letztere ist richtig; aber was die angebliche Ent- wendung der Farben betrifft, so kann es sich nicht eigent- lich um eine solche gehandelt haben, da Hunger ja, wie wir gesehen haben, vor Stölzel aus Wien entwichen ist: gemeint wird also nur sein, dafs die beiden die Kenntnis der Farbenverwendung von ihm erlangt hätten, wie er der Registratur von 1727 zufolge ausdrücklich sagte, dafs er in Wien die Aufstreichung der Farben an Hand gegeben habe.

Über die Fabrik in Venedig bietet die gleiche Re- gistratur von 1727 erwünschten Aufschlufs. Danach kam Hunger, der mit seinen Wiener Gesellschaftern in Un- einigkeit geraten w^ar, auf Veranlassung des venezia- nischen Botschafters in Wien, „Pierre Pricali" ^''), nach Venedig , wir wissen nunmehr, dals das 1720 geschah , und begann dort unter der Direktion von vier Nobili Porzellan zu machen. Da er daselbst keine geeignete Erde fand, liels er sich nach dem Beispiel Stölzels einen Zentner Schnorrsche Erde hinbringen. Die Probe, bei welcher die Nobili genau aufpafsten, dafs nicht etwa Scherben asiatischen Porzellans zur Masse gethan wür- den, gelang zur Zufriedenheit, worauf nach und nach 500 Zentner derselben Erde aus Sachsen bezogen wurden. Fünf Jahre lang blieb Hunger bei dieser Fabrik. Als aber dann weitere Erde, die bei Schnorr bestellt worden war, nicht eintraf, faisten die Venezianer Verdacht gegen Hunger, versuchten ihn durch Drohung zu zwingen, ihnen seine Kunst schriftlich zu übermitteln und bewirkten so, dafs er um 1725 Venedig verliefs und nach Meifsen ging. An letzterem Ort wurde er, nach Ausweis eines Berichts der Manufaktur - Kommission vom 21. August 1727

^^) AVahrsclieiiilich Pietro Griraani, viollciclit aber dessen Nacli- folger Griovaiini Priuli, der sich noch 1722 in Wien l)Ofand; vergl. V. Arneth, Die Relationen der Botschafter Vcnediy's über Oesterreich im 18. Jahrb. (Fontes rer. Anstr. Abt. II. Bd. 22.) S. XXII. (Gef. JVIitt. des Herrn Bibl.- Kustos Dr. Häbler).

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 1. 2. 5

QQ W. V. Seidlitz:

(IX, 109 flg.) , im August 1727 an Stelle des bereits in hohem Alter stehenden Goldarbeiters Funke als Ver- golder (um die GeschiiTe „mit Golde zu emaillii-en") bei festem Lohn und aufserdem einem jährlichen Traktament von 300 Thalern angestellt. Um den Vertrieb der Sclmorr- schen Erde nach auswärts zu verhindern (auch nach Wien wurde damals noch solche gebracht), beschlols die Kom- mission, Schnorrs Schichtmeister bei der Zeche, wo die fragliche weilse Erde gefördert wurde, darauf in Specie zu vereiden, dal's keine solche Erde mehr ins Ausland gebracht werde; ferner einen eigenen geschworenen Hütteumami auf diese Zeche zu setzen, welcher die Zeche selbst sowie das Lager, woliin die weifse Erde bis zur Abfuhr geliefert wurde, in beständigem Beschluls zu halten und dafür zu stehen haben würde. Denn so könne man hoffen, dais die Venezianische wie die Wiener Fabrik in der Kürze ihr Aufhören erlangen würden. Schnorrs Verhalten aber sei streng zu tadeln, da ihm doch die Manufaktui' jährlich an die 800 bis 1000 Thaler für solche Erde zu lösen gebe.

Nicht lange aber blieb Hunger in Meifsen. 1729 treffen wir ihn in Schweden. In einem Schreiben aus Stockholm vom 27. Juli dess. J. (IX, 272) bittet der König von Schweden, man möge dem ohne Abschied aus Dres- den weggegangenen Porzellanmacher Hunger pardonnieren und ilm ihm überlassen. Da die dortige Porzellan-Manu- faktur (wohl eine Fayence - Fabrik) nur „grobes Gut" liefere, „auf welches die Dresdnischen Malereien und Vergüldungen sich gar nicht schicken", so gedenke man ihn als Probierer bei den Bergwerken zu verwenden.

Am 1. April 1730 ist Hunger noch in Stockholm. Unter diesem Datum schreibt er von dort aus an den Kammerrat v. Wichmannshausen (IX, 393 flg.), dais ihm in Wien Stelzel (Stölzel) und Herold, welches „seine Ar- beitsleute waren, abtrünnig gemacht" worden. „Dieselben, fährt er fort, wui'den auch zu Dieben und nahmen mir alle meine Farben mit, wodurch diese beiden schönen Herren in Dresden in grolsen Estim gekommen, bin also auch um meine Wissenschaft gekommen durch diese zwei gottlosen, ehrvergessenen Leute, dann vorher wufste man in Sachsen nicht, was blau oder grün, rot u. s. w. auf das Porcellain wäre." Er bittet, man möge ihm zu seinen Forderungen verhelfen, damit er wieder nach Sachsen

Nachahmungen d. Jleilsuer Porzellans. 67

zurückkeliren könne. Wenn man dies nicht tlmt, „so wül ich", sagt er, „nicht allein hier in Schweden Porcellain machen, sondern durch mein Buch, so ich in Druck werde herausgehen lassen, die Porcellain-Wissenschaft so gemein machen, dafs nicht allein viel andere hohe Personen solches enterpreuiren werden, sondern alle Töpfer sollen es nachmachen können, dann mau darf nicht nacher Sachsen reisen, um vom Colditzer Thon zu holen, viel weniger nacher Schneeberg, um weifse Erde von dorten weg zu fühi'en, dann Altenburg, Halle, Eisleben, Pareuth (Bay- reuth) , Donawerth und Colin am Khein haben diese Praerogativa".

Eben so wenig, wie diese Drohungen sich bewährt haben, wird auch das Schreiben emen Erfolg gehabt haben.

No. 1, Immediatbericht Joh. Friedr. Böttgers d. d. Dresden,

19. Juni 1715.

Allerdurchlaüchtigster u. s. w.

Ew. Königl. Majt. haben mir durch den von Holtzbrinck an- befehlen lafsen, meine immafsgebliche Gedanken zu eröffnen, wie es ratione der Brandenburg. Fabrique zu Plauen in Puncto des rothen Porcellains fernerliiii zu halten sein dürfte. Diesem nun allerunter- thänigste Folge zu leisten, habe zuförderst nöthig erachtet, zu Ew. Majt, allergnädigsten ÜberlegTing Nachfolgendes vorzustellen. Und zwar (1) den ietzigeu Zustand der Plauischen Fabrique, (2) den Zu- stand Dero Fabriquen zu Meifseu, dann (3) woher es entstanden, dafs die Meifsn. Fabriquen bishero nicht mit solcher Force getrieben wer- den können, als es sonsten wohl möglich gewesen, und endlich (4) wie sonder Ew. Majt. Incommodität die hiesigen Werke in guten Stand gesetzet, die Plauischen aber von sich selbsten zu untergehen genöthiget werden könnten.

Anlangende nun die Beschaffenheit dieser Plauischen Fabrique, so habe soviel als möglich sein wollen, durch in- und ausländische Personen genaue Kundschaft davon eingezogen, und soviel in Er- fahrung gebracht, wie dafs der geheimde Rath von Görne sich sehr bemühe, dieser Werke wiederum los zu werden, weiln er bereits mehr als 10/m Thlr. darauf verwendet, aber noch bis dato nicht den geringsten Debit, vielweniger profitablen Überschufs davon gespühret Seine Frau selbsten wie auch seine Töchter seind ebenfalls übel da- mit zufrieden, sondern beschweren sich, dafs sie die Dienste derer Kaufdiener dabei vertreten und einem jeden, so die Waaren zu sehen verlanget, entweder aus der Vorraths - Kammer in des von Görne Behausung za Berlin oben in einem kleineu Winkel, etwas in der Schürze herunter tragen, oder selbsten hinaufführen müfsten; wie solclu;s ein Berlinischer Kaufmann mir umständlich beliebtet und zugleich referiret hat, dafs ohngcfähr an die 50 Stücke von pollierten Waaren vorhanden, die meisten aber wären schwer, plump, und un- fagonnirlich; und könnte man daselbst weder Lustre noch Ijeichtig- keit denen Geschirren beibringen: die allermeisten aber liefsen sich gar nicht poUieren. Woraus dann sowohl auch wegen des allzuhoheu

68 W. V. Seidlitz:

Preises folgete, dafs kein Debit zu hoffen, sondern es müfsten die Sachen dem von Görne wohl über dem Halse bleiben: Man hat er- wähntem Kaufmanne einige Stücke zu verdebitiren geben wollen ; er hat aber nichts davon annehmen mögen ; sondern man hat ihm 2 Stück durch seine Frau nacher Leipzig auf die Mefse nachschicken lafsen, damit er nur etwas zeigen könnte. Diese Stücke nun habe ich letzt- lich zu Leipzig gesehen und in Händen gehabt, da ich dann wahr- genommen , wie dafs die Leute noch nicht die Composition derer Massen haben, sondern ihre ganze Kunst bestehet nur noch bis dato in dem Gebrauch einer simplen rothen Erde, die sie aus Sachsen über Halle bringen lassen. Diese Materie aber hat die Eigenschaft, dafs sie sich weder recht feste brennen, noch aber fein und zart drehen, oder klar schleifen läfset: da im Gegentheil der hiesige Porcellain aus einer besonderen Composition bestehet, welche jenen nicht so leichte offenbar werden wird. Ich sehe also noch nicht, warum man ratione dieser Fabrique einige Sorge zu tragen habe. Wie es aber scheinen will, so suchet der von Görne entweder seines Schadens wiederum beizukommen , oder aber durch Assistenz von hier aiis seine Werke allererst in befsern Stand zu bringen; welches um so- viel deutlicher erhellet, weil selbiger verlanget, man möchte ihm nur einige gute Arbeiter imd schöne Modelle aus den hiesigen Fabriquen zukommen lafsen, mit dem Erbieten zwar, dafs er sowohl diese Arbeiter als die seinigen in Ew. Majt. Pflichten nehmen lassen; die Werke aber fernerhin unter dem Vorgeben, als ob sie sein eigen wären, bei sich behalten und tractiren wollte. Nun stelle zwar Ew. Majt. anheim, was Sie hierinnen zu resolviren allergnädigst be- lieben werden; sehe aber nicht, wie Ew. Majt. sodann versichert sein könnten, dafs, wofern die Werke daselbst verblieben, obschon die Arbeiter in Ew. Majt. geheimen Pflichten stünden, nicht über kurz oder lang unter allerhand Praetext die Werk in die Hände des Preufsischen Hofes , oder eines Ministri daselbst gespielet werden dürften; zugeschweigen, dafs sehr schwer fallen würde, unter eines andern Herrn ßotmäfsigkeit die Bedienten ixnd Arbeiter im Zaum zu halten; über dieses würde die Unterhaltung solcher ausländischen Fabrique Ew. Majt. weit höher als die hiesige zu stehen kommen: wie denn auch sowenig der von Görne als sonst jemand die Garantie wird leisten können, dafs nicht ein- oder der andere Arbeiter hier- von einem fremden etwas offenbaren, oder sich, wenn er etwas er- lernet, gar an einen dritten Ort hinwenden mögte; darneben ich auch nicht durchzusehen vermag, wofern man diese Werke coutinuiren sollte , wie vmd auf was Weise die Effecten zu verdebitiren sein möchten, weiln die hiesigen Werke bereits so viel von dergleichen Waaren fournireu, als nur zu verkaufen möglich; so dafs noch darüber allezeit etliche 1000 Stücke im A^orrate verbleiben. Sollten nun die Plauischen Porcellaine unter dem Namen, als ob es Sächsische wären, mit vertrieben werden ; so Avürde es denen hiesigen Werken , wegen der schlechten Condition jener Waaren, einen grofsen Stofs geben: wie denn gleichergestalt-zu besorgen ist, dafs wofern einige derer hiesigen Fabricanten wahrnehmen sollten, dafs Ew. Majt. auf die Conservation derer Arcanorum an andern Orten so viel anwendeten, sie wohl gar mit Hintansetzung ihrer Pflichten um des leidigen Geldes willen, sich auch anders wohin begeben mögten, um die Ar- cana zu divulgiren \md Ew. Majt. an einem 3n One in gleiche Un- kosten zu setzen. Der Cammer-ßath Nehmitz bat mir zwar die Punctation des von Göme durch seinen Vetter vorlesen lafsen, weiln

Nachahmungen d. Meifsner Porzellans. 69

ich aber selbige nicht bei mir behalten dürfen, so bin nicht im Stande auf alle und jede Sätze meine Pflichtmäfsige Gedanken zu eröffnen. Mir kommt noch alles als eine sehr subtile Intrigue vor, wodurch man suchet, die hiesigen Werke zu zernichten, und einer andern Puifsance in die Hände zu spielen; welches um soviel glaub- licher scheinet, weil sowohl besagter Cammer-Rath, als auch andere, sich nicht entblöden, denen allhiesigen Arbeitern und sonst fast jeder- männiglich beizubringen, dafs weil nunmehro die Fabrique in Berlin in vollkommenen Stande wäre, Ew. Majt. dero hiesigen Werke gar nicht mehr estimirten; es wäre zu Plauen alles befser; die Arbeiter würden dort reichlicher und richtiger bezalilet, der Debit wäre sicherer, und der Ort zu der Arbeit viel plaisirlicher als hier; auch wäre da alles wohlfeiler, und könnte man die Materialien gleich in der Nähe haben, und was dergleichen Persuasoria mehr gewesen; wodurch die hiesigen Arbeiter dergestalt irrig gemacht worden, dais wofern sie nicht auf meine Remonstratioues und stetige Ermahnung, Pflicht, Ehre und Gewifsen bedacht, sie vorläugsten ihre Retraite heimlich würden genommen haben

No, 2. Aus dem Bericht des Legationssekretärs Christian Ad. Anacker d. d. Wien, 31. Januar 1720.

.... 2. ...: (Die Wiener Porzellan- Gesellschaft) so in einem gewesenen Handelsmann, französischer Nation, Namens: Claudius Innocentius du Pacquier , einem Goldschmieds - Gesellen , Hunger genannt, der eines bei Eur. Königl. Majt. Löbl. Ober- Steuer -Amt stehenden Officianten , Namens : Brückner, Tochter hat, einem hie- sigen Niederläger oder evangelischeu Kaufmann, Becker, und ob- besagten Steltzel bestehet;

3. die beiden letztem, Becker wegen seines Vermögens, und Steltzel der zu dieser Fabrique erforderlichen Wifsenschaft halber, Averden vor die besten und nöthigsten Subjecta dabei gehalten;

4. doch kann Steltzel selbst nicht läuguen, daß Hunger und du Paquier grofse Mühe angewendet, um dieses Werk in Schwang zu bringen; wie ihnen dann die dazu gehörigen Materialien nicht unbekannt sein sollen;

5. dabei aber versichert Steltzel hoch und theuer, wie er die ihm in diesem Negotio beiwohnende Wifsenschaft Niemanden so weit offenbaret, dafs die Fabrique allhier ohne ihn fortgeführet werden könne; weiln sonst keiner, als er, von denen Entrepreneurs den Ofen zuzurichten, noch dem Porcellaine die rechte Glasur zu geben wifse; zu geschweigen, dafs auch kein Geld, um dieses Werk länger zu unterhalten, vorhanden seie

No. 3. Aus dem Bericht Anackers d. d. Wien, 10. April 1720.

Sire.

1. Eur. König. Majt. wird aus denen auf die unterm 16. Ja- nuarij wegen Samuel Steltzels allergnädigst an mich ergangene Ordre, .... von mir nach und nach allerunterthänigst erstatteten Berichten, und vornehnüich aus dem letzten vom 14. Februar ij, ge- ziemend vorgetragen sein, wie weit ich damals in meiner Werbung bei obgemelten Steltzel gekommen, und in was vor Zustande sich die hiesige Porcellaine-Fabrique zu selbiger Zeit befunden.

2. Ob es nun gleich das Ansehen gehabt, dafs selbige sogleich von sich selbst gänzlich zerfallen würde, bevorab, da der Kaufmann

70 W. V. Seidlitz:

Becker, so sich mit einer Summe über m/10 fl. dabei versteckt ge habt, weiter keinen Verlag zu thun vermocht, sondern auf ihn viel- mehr von seinen Creditorn dergestalt gedrungen Avorden, dafs er sich nunmehro von der sogenannten Porcellain-Societaet völlig losgesaget; der aus dem Arrest wieder gelassene Hunger auch, nachdem er unterschiedliche Leute, und unter andern einen Kriegs -Agenten, Namens : Isenflamm , mit 600 Ktl. angesetzt, gar von hier flüchtig ge- worden.

3. So hat dennoch der üi meinen vorigen allerunterthänigsten Berichten benannte DuPaquiers (so eigentlich aus Brabandt bürtig, und nicht, Avie man Anfangs vorgegeben, eüi Kaufmann gewesen, sonst aber schon hier und da unterschiedliche Personnageu gespielet, auch dermaln noch auf der Liste der hiesigen Kriegs-Agenten stehet) die angelegte Porcellain - Mamifacture bei hiesigem Hofe auf solche Art beliebt gemacht, dafs Ihre Kayserl. Majt. in einer von einigen Cammer- und ßegierungs-Räthen besonders angestellten Commission das ganze Werk genau untersuchen, das schon vormals darüber er- theilte Privilegium, dessen sich Hunger durch übles Verhalten, ehe er noch entwichen, unwürdig gemacht haben soll, und Becker aus obangeführten Ursachen sich nicht weiter zu erfreuen gewünschet, auf Du Paquiers, und einen neuen wohlhabenden Consorten, mit Namen: Bälde, welchen, da er wegen eines Procefses von Frankfurt am Main hieher gekommen, jener aufgetiieben, einrichten, und mit Ausschliesung aller übrigen bisherigen Literessenten erneuern lassen.

4. Über dieses ist an nöthigen Materialien gnugsamer Vorrat angeschaifet, und nur noch erst voj'ige Woche eine grofse Qaantitaet Erde, das Fuder ä 35 Kgl. aus Ungarn anhero gebracht; von dem neuen Accessisten und Socio auch so viel Gleld hergeschossen worden, dafs der Kaufmann Becker, seines gethanen Aufwandes halber, theils haare, theils schriftliche Befriedigung, alle Arbeiter auch ihren Rück- stand, und unter andern Samuel Steltzel allein über 500 Kfl. er- halten

No 4. Registratur cL d. Dresden, SO. August 1727.

Nachdem die zu besserer Einrichtung der Porcellain - Manu- factui" in Meifsen verordnete Herren Commissarij unter Königl. aller- gnädigster Approbation Herrn Conrad Christoph Ungern zu Ver- goldung derer Porcellain - Geschirre auf- und angenommen , derselbe auch nunmehro mit gewöhnlicher Pflicht beleget Averden soll-, So hat gedachter Hr Ünger seines zeitherigen Bewerbs halber acto referiret, wie er nach seiner Profession eigentlich ein Gold-Arbeiter, und von Weifsensee aus Thüringen gebürtig, der Römisch - Catho- lischen Religion ziigethan, und mit de-^ Ober -Güter -Beschauers all- hier H' Brückners leiblichen Tochter verehliget sei. Da der Herr Baron Böttger sich noch am Leben befunden, hätte er sich, als er zu der Zeit aus Frankreich hieher gekommen, mit selbigen bekannt gemachet imd dieser ihn augesonnen Avie er gerne die Auftragung der blauen Farbe unter der Glasur ausgearbeitet wissen mochte. Mit gedachten Baron Böttger hätte er sich eben in keine Specialia ein- gelasseUj sondern da inzAvischen der Kayserl. Gesandte, Herr Graf von Virmont anno ni7 allhier in Dresden zugegen gewesen, hätte er ihn dahin persuadü'et, dafs er noch m selbigen Jahre nach Wien gekommen, und in Porcellain zu arbeiten sich allen Fleifs und Mühe gegeben. Es Aväre wohl ein ganzes Jahr vorbei gegangen, dafs er

Nacliahmiingen d. Meifsner Porzellans. 7t

mit deneujenigeu Personen so ihme von dem Herrn Grafen von Vir- mont associiret worden, eine zur Porcellain-Massa bequeme Erde in der Ciegend Wien aufzusuchen Gelegenheit genommen, allein alle Mühe wäre vergebens gewesen, zumal da sich keine Erde gefunden, durch welche eine Massa zur blauen Farbe ausfündig gemachet werden können. Im .Tahre 1719 hätte sich der jetzige Obermeister bei der Fabrique in Meifsen, Namentl. Stöltzel, auf die zwischen dem Wiene- rischen Compagnon Dupaquier und einem Franzosen in Meifsen, iiamentlich Dupain gepflogene Correspondence zu Wien persönlich eingefunden nachdem bemelter Dupaquier Stöltzeln aus Meifsen ab- geholet. Es hätte gedachter Stöltzel eine lange Zeit zu Wien Avegen einer guten Ma«se zwar auch gekünstelt, alleine ebenfalls nichts ausgerichtet, bis er endlich ans eigenen Triebe in Vorschlag gebracht, dafs aus Sachsen und zwar aus der Gegend Sclmeeberg von einem Kaufmann Namens Schnorren eine Quantitaet weifser Erde herbei geschaffet werden möchte, so mau auch also fort bewerkstelliget, an den Kaufmann Schnorren geschrieben und etliche 50 Centner der- gleichen weifse Erde herbei bringen lassen. Durch Vermittelung defsen hätte man Porcellain in Wien gemachet, er selbst dergleichen allda praepariret, die Auf Streichung der Farben an Hand gegeben, und dadurch den jetzigen Hof Maler Herolden in Meifsen zu arbeiten Gelegenheit gemachet, welcher ein ganzes Jahr über wirklich in seiner Besoldung gestanden. Wegen einer in ihi'er dasigen Com- pagnie entstandenen Uneinigkeit hätte er sich von Wien wieder weg, und nach Venedig in Italien gewendet, allda er unter der Direction vier Nobili Venetiani Porcellain zu machen Aneder Anstalt gemachet, nachdem der an Kayserl. Hofe damals subsistirende Vene- tianische Botschafter Monsieur Pierre Pricali ihn darzu anverlafset. An diesem Orte hätte es ihme wieder an Erde gemangelt, daher er dem Stöltzlischen Vorschlage nachgegangen, und anfänglich Einen Centner Schnorrische weifse Erde aus Sachsen unmittelbar von Schnee- berg sich holen lassen. Die vier Nobili Venetiani wären so behut- sam gewesen, dafs da er die Massa aus dieser Erde praepariret ge- habt, sie in der Einsetzung oder Gutbrennnng des daraus gefertigten Geschirres selbst zugegen sich befunden, um versichert zu sein, dafs nicht etwa von Indianischen Stücken etwas eingeschoben werden möchte. Da nun seine Probe mit diesen Centner Erde gelungen, hätten die Patroni auf 3 unterschiedene Mal 500 Centner dergleichen Erde aus Sachsen nach Venedig holen lassen, daselbst auch ei-, Re- ferent, einen guten Lohn gefunden, und also 5 ganzer Jahr über in Porcelain allda gearbeitet. Der Kaufmann Schnorr hätte inzwischen an ihn nach Venedig geschrieben, imd gemeldet, wie es in hiesigen Landen verboten werden würde, dergleichen Erde auswärts zu schaffen, habe auch ihme dabei frei gestellet, wenn er Itei Zeiten noch was haben wollte, er ihme mit 4 500 Centnern dienen könnte, haben ihn auch eine Assignation auf 300 Thlr. zugleich mitgeschicket, und bei deren Acceptirung sich erboten soviel Erde davor zu schicken. Dieses wäre gleichwohl nicht erfolget, ohnerachtet einen Monat dar- nach Sclinorr wiederum eine Assignation auf 1000 Ivfl. an ihn ge- schicket, die er nicht angenommen. Weil nun keine Erde weiter angelanget, hätten oberwähnte Nobili Venetiani darüber, und da sein EheWeib inzwischen a\if ihrer Eltern Verlangen hieher nach Sachsen sich begel)en, nicht wenige Apprehension gefasset, ein Mifs- trauen in ihn gesetzet, und es endlich dahin gebracht, dafs er, weil man ihn einsmal mit gewaf&ieter Hand überfallen, und seine Kunst

72 W. V. Seidlitz:

geschrieben weg haben wollen, der Sache müde worden, und vor nunmehro ä^/o Jahren von Venedig sich wieder weg begeben auch allhier angelanget. Er habe bei Schnorren wegen nicht gelieferter Erde, und gleichwohl dargegeu assignirter Gelder noch 300 Thlr. zu fordern, selbiger schützte vor die Erde läge in Nürnberg, da er aber hinaus geschicket, hätte es bei dem Kaufmann Benjamin Wahren- bergern geheifsen, dafs die Waare schon nach Venedig geschicket worden, und dahero wäre er zu dem seinigen nicht gekommen. Nach eingezogener Erkundigung und in Händen habenden Briefen wären nur vor 6 Monat noch eine Quantitaet weifser Erde nach Venedig gekommen, man hätte auch aiif ihn daselbst nicht recht sprechen wollen, weil er vorgegeben, dafs die Erde nicht weiter dahin verab- folget werden dürfte, da doch selbige noch immer bis daher zu er- langen gewesen. Die mehr beschriebene weifse Erde würde noch jetzo durch den Spitzenhändler zu Schneeberg Benjamin Hennigen sowohl nach AVien als auch nach Venedig verschaffet , selbige ginge in kleinen Fäfsleiu vor blaue Stärcke luid v/eil er zum besten der Königl. Fabrique nunmehro angenommen worden , hielte er dafür wie es wohl gethan sein würde, wenn man die Ausfuhre dergleichen Erde auf das sorgfältigste verbieten, und dahin Anstalt treffen wollte, dafs selbige im Lande zum Besten der Manufactur consumiret wer- den könnte. Er seines Orts hielte dafür, dafs wenn diese Erde aus- wärts nicht zu erlangen, die Praeparirung des Porcellains in Wien und Venedig auf einmal cessiren werde, ietzo würde wohl noch im- mer in Wien und Venedig gekünstelt, alleiue man hätte sich nicht zu besorgen, dafs etwas grofses dadurch zu Stande kommen möchte, denn wenn die Erde nicht weiter zu erlangen, hörete das ganze Werk auf einmal auf.

Wormit Herr Unger seine Relation beschlofsen, facta praelec- tione derselben darbei vei'blieben, und sub silentio dimittiret, diese Registratur aber von ihme eigenhändig unterschrieben worden, uts.

Carl Friedrich Promniz

Not. Publ. Caes:

ad. Act. jur.

Christoph Conrad Hunger.

VI.

Ein verhängnisvolles Zengnis.

^litgeteilt aus den Akten des Pfarrarchivs zu Pausa.

Von M. J, Herz.

Es war im Jahi^e 1720, also zu einer Zeit, wo der Pietismus in einer bereits entarteten Form mit der ab- sterbenden Orthodoxie in offener Fehde lag. Im säch- sischen Vogtlande war noch letztere herrschend, im an- grenzenden Reulsenlande aber hatte, namentlich von dem Grafen zu Obergreiz begünstigt, der Pietismus das Feld erobert. Da erschien eines Tages bei dem letztgenannten Grafen ein abgesetzter Lehrer, Salomo Neidhardt aus Waltersdorf, gab vor, er sei um seiner religiösen Über- zeugung willen von seinem Pfarrer arg verfolgt und schliefslich auf dessen Antrieb durch den Superintendenten in Eisenberg ohne jegliche Verschuldung seinerseits seines Amtes enthoben worden. Des zum Zeugnis wies der Mann einen wie sich später herausstellte, von ihm selbst angefertigten - Entlafsschein des Superintendenten Elias Tömlich in Eisenberg vor und wulste durch sein salbungsvolles Auftreten so zu bestechen und das Mit- leid zu erregen, dafs der leichtgläubige Graf ihn als „Schulhalter" in dem reulsischen Dorfe Dobia anstellte.

Doch sehr bald kam die AVahrheit an den Tag. Be- reits im April 1721 traf aus Eisenberg ein Schreiben des Hofrats und Amtmanns D. Kayser ein, welches die Aus-

74 M- J- Herz:

lieferung Neidhardts wegen einer wider ihn eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung verlangte. Der Graf von Obergreiz aber war so von Neidhardt geblendet, dafs er auf eigene Kosten den Greizer Advokaten Heydrich nach Eisenberg sandte, um die gerichtlichen Akten einzusehen. Und obgleich nun sich herausstellte, dafs Neidhardt schwer belastet, ihm sogar die Tortur wegen Diebstahlsverdachts zuerkannt war, obgleich der Superintendent in Eisenberg auf geschehene Anfrage den oben erwähnten Entlafsschein für falsch erklärte, so begnügte sich der Graf doch da- mit, den schlauen Mann, der seine Unschuld sehr bald nachzuweisen versprach, lediglich seines Schulamts zu entheben, verzichtete aber darauf, ihn an die Gerichts- behörde auszuliefern. Neidhardt stellte sich natürlich nicht, wie er versprochen hatte, seiner Gerichtsbehörde, sondern lief in der Welt herum und erzählte, er habe seinem pietistischen Pfarrer um des Gewissens willen nicht beistimmen können , und weil im Keufsischen alles pietistisch gesinnt sei, sei er schlielslich abgesetzt worden. Als man in Greiz davon Kenntnis bekam, erhielt der Landknecht Befehl, den Mann, sobald er im Lande sich blicken Heise, zu verhaften. Das gelang auch, als am 1. November 1721 Neidhardt seine in Greiz wohn- hafte Frau besuchte. Man setzte ihn nun in die Frohn- veste, aus der er aber durch das Dach entwich, um dann seine abenteuerliche Laufbahn fortzusetzen.

Vor und nach dieser Haft erschien Neidhardt wieder- holt bei dem damaligen Pfarrer Heydenreich in Pausa, der weder von des Mannes Vergangenheit noch von den Vorgängen in Eeufs etwas wufste. Auch hier gelang es dem schlauen Betrüger, der überall die Lage beherrschte und die schwachen Seiten eines Menschen trefflich zu benutzen verstand, dem Pfarrer Sand in die Augen zu streuen. Der orthodoxe Pfarrer, der schon längst heftigen Unwillen über das Gebahren der Pietisten empfand, sah den ehemaligen Lehrer als ein Opfer seiner Bekenntnis- treue und pietistischer Gewaltthätigkeit an und liefs sich dazu bestimmen, demselben zu seiner Beförderung in ein anderes Amt zwei Atteste auszustellen, von denen das eine folgenden Wortlaut hat:

Auf inständig beschehenes Ansuchen habe Kraft dieses von den angrenzenden Pietisten glaubwürdig attestieren sollen, dafs sie Lutherum, die Lutheraner, Lutheri Katechismum, den Himmelsweg, die symbolischen Glaubensbücher, die lutherischen Priester und

Ein verhängnisvolles Zeugnis. 75

Kanzel, den öffentlichen Gottesdienst, das Beichten, den Beichtstuhl, das li. Abendmalil, das Gebet des V^aterunsers vor und nach Tische, alle lutherischen Gebet- und Gesangbücher und Gesänge nicht allein verwerfen, sondern auch ai;fs allerärgste und ärgerlichste verlästern, Lutherum ein Luder, die Lutheraner Luderaner, Lutlieri Schriften und die symliolischeu Ghuibensbücher (sit venia verbo) Dreck-, ver- fluchte Teufels- und Sündenbücher, die lutherischen Priester ver- fluchte Luder-, Bauch-, Götzen-, Teufelspfaffen, deren Predigen, Ab- solvieren, Sakramentauss])endeu und Amt aller Kraft beraubet wäre, ingleichen Stützen der Hölle , die lutherischen Tempel und Gottes- dienste steinerne Götzenhänser und Götzendienste, den Hinimelsweg einen Teufelsweg, den Beichtstuhl einen Teufelsstuhl, das h. A1)end- mahl ein Teufels- nm\ Säuemahl, die Taufe ein Saubad, die luthe- rischen Gel)et- und Gesanobücher Narienbücher heifsen; die Kinder weder ein Hauptstück noch den Hinimelsweg lernen, und nichts als die Hauskirche, so ein Pietist verfertiget und zu Greiz gedrucket ist, lehren lassen und vorgeben, Christen wären zu geistlichen Priestern und mit der geistlichen Salbung geschmückt, und kapabel, Gebete und Beichten vor sich und aus ihren Köpfen zu erflnden und her- zusagen, Christus hätte das Vaterun-er nur vor seine Jünger ver- fertiget, konsekrieren weder Brot noch Wein, teilen beides ungesegnet aus, koramunicieren teils ganz und gar nicht oder reichen sich das Abendmahl selbst, halten ihre nächtlichen Konveutikula in Privat- häusern, verlesen und erklären keine Evangelia noch Episteln in denen Predigten, lesen aus Historienbüchern oder pietistischeu Schar- teken was her, fragen hernach die Manns- und Weibspersonen von der Kanzel, was sie daraus gemerket, bedienen sich lauter fremder Pietistenlieder aus dem hallischen Gesangbuch, lehren nicht Christus für uns, sondern in uns, d h. nicht dafs Christi Verdienst, sondern ein heuchlerischer und pharisäischer Pietistenwandel und heil. Leben und der thätige Glaube, wodurch die guten Werke in dem Articulus de Justificatione mit eingeflochten werden, den Menschen gerecht imd selig machen, und alle Dinge in ihre vorige Güte und voll- kommene Glückseligkeit gebracht, und alsdann erst die beiden Sprüche: Ich will sie erlösen aus der Hölle etc. (Hos. 13) und: In Jesu sollen sich beugen alle Kniee derer, so unter der Erde sind (Phil. 2) in ihre wirkliche Erfüllunu' kommen würden, der Herr Jesus habe bei seiner Höllenfahrt nach den AVorten Petri geprediget den Geistern (1. Petr. 3, 19), den Teufeln und Verdammten eine evange- lische Gnaden- und Trostpredigt abgelegt und die Erlösung und Wiederbringung verkündigt*; dafs die Pferde, Hunde und andere Tiere einmal am jüngsten Tage auferstehen, schön fett uml in gül- denen Halsbändern erscheinen und im Himmel sein, Cl)ristus_ vor dem jüngsten Tage ein tausendjähriges Reich mit seinen Gläubigen anrichten, und ein lauter Wohlleben, Freude und Wonne herrschen würde; dafs der Mensch die 10 Gebote vollkömmlich und in allen Stücken halten und auch nicht im geiingstcu übeitreten könnte, des- wegen sie auch in der Koufitenten Beichte die AVorte: Ich habe die 1 0 Gebote übertreten oder nicht gehalten, durchaus nicht leiden ; dafs man aus christlicher Liebe allen Religionen weichen und sich mit ihnen vereinigen müsse, nichts von Geld, Gut und Habe besitzen, alles weg und denen Leuten geben solle, weil alles verflucht und an der Seligkeit hinderlich wäre; dafs das Tanzen eine tausendmal gröfsere Sünde als grobe Abgötterei, Hexerei, Hurerei, Ehebruch, Mord und Strafsem-aub sei, dahero die Beichtkinder das Tanzen im

76 M. J. Herz:

Beichtstuhl verreden und sich mit dem Handschlag darzu verpflichten müssen, und wofern sie tanzen, vom Beichtstuhl und Abendmahl ver- stofsen werden. Die Pietisten rühmen sich vieler Entzückung in den Himmel, enthusiastischer göttlicher Erleuchtung, und dafs sie alles, was die Propheten und Apostel gethan, gleichfalls thun, die Teufel von den Besessenen austreiben könnten u. a. m. In Summa der Pietismus ist Cento und Colluvies multarum Haeresium, eine Verfälschung aller Glaubensartikel und Verdrehung heiliger Schrift und ein Schlüssel, dadurch dem Atheismo und Epikureismo, ja der Hölle Thor imd Thür eröffnet, das arme Volk im Glauben irre ge- macht, zur Melancholie und Desperation veranlasset, und das luthe- rische Priesterthum und Amt in die äufserste Verachtung gesetzet wii-d; [inmittelst werden alle die Kirchen- und Schuldiener, welche sich opponieren, die pietistische Schwärmerei und ihre Irrtümer mifs- billigen, wie Schweinehirten traktieret, unter böslich ersonnenen und pur unwahren Prätexten ab- und andere, die sich mit ihnen konfor- mieren und ihres Gelichters, auch anderwärts um ihrer leichtfertigen Thaten willen abgeschaffet sind, wieder eingesetzt. Wie nun der- gleichen dem ehrlichen Herrn M. Schüfsler, vormaligen Diakono in Zeulenrqda, anitzo aber Pastori zu Sacka und Tauscha, welcher seines pietistischen, aus Friesdorf und Randelsdorf inniger Lehre halben renovierten Kollegen Herrn M. Georg Klein Nicolai ver- deutschte Scharteken von der Wiederbringuug aller Kreaturen solid und rühmlich widerleget, widerrechtlich und höchst unverschuldet angethau und wegen der bezeugten Wahrheit gleich die Dimission zugeschicket worden, hingegen ein anderer wahnsinniger Mensch an seine Stelle gekommen; nicht weniger dergleichen ungebührliche Procedur hat der Herr Pfarrer zu Netzschkau und andere mehr er- fahren, auch dem guten Herrn Pfarrer zu Schönbach, einem gelehrten, fleifsigen und exemplarischen Manne, zugedacht ist: Also hat das Unglück auch die armen Schulmeister, den zu Schönbach , der sich zu Tode gehärmet, den zu Hohndorf, und die vorige Woche Vor- zeiger dieses, Herrn Salomo Neidhardt, Schulmeister in Dobia, ge- troffen, dafs sie lediglich ihrer Schuldienste entsetzet worden, weil sie die pietistischen Irrtümer nicht approbieren wollen; gestaltsam ich zuverlässige Nachricht von dem letzteren Salomo Neidhardt habe, dafs er sich bei seiner Schularbeit treu und fleifsig, auch fromm und christlich erwiesen, niemand nicht die geringste Klage und Be- schwerung über ihn geführet, sondern jedermann alles Gute von ihm rühmet, und er von der Gemeinde beglaubte Attestata erlanget, blofs weil er seinem Pfarrer, der dreimal in Himmel entzückt gewesen, den Aposteln in allem gleich, mehr denn Lutherus sei, die Teufel, Verdammten, Pferde und Hunde zu seinen Compagnions in seinem himmlischen Leben haben, in allem eine Vollkommenheit und nichts Eigentümliches und Irdisches besitzen will; und auf Lutherum, die Lutheraner, lutherische Priester, Religion und Gottesdienste ganz horrend skalieret, und gegen seine Gemeinde ohne alle Vernunft die entsetzlichsten Kalumnien und blaspheme Dinge ausstreuete, die Seligkeit der Teufel und andere gräuliche Irrtümer milijbilliget und widersprochen, seiner Schuldienste entsetzet worden]. Gott helfe ihm und seinem armen Weibe und Kindern nun bald wieder an, er- leuchte die Irrigen und Verführten, bekehre die Verstockten und verhüte in Gnaden, dafs durch pietistisches Seelengift nicht andere und meine vertraute Gemeinde inficieret werden; was ich vor täglichen Eifer und mühsam Vigilanz anwenden mufs, solches zu verwehren

Ein verliängnisvolles Zeugnis. 77

ist dem allwissenden Gott am besten bekannt. Zu Steuer der Wahr- heit habe dieses ausgebetene Attestat ausgefertiget und aus höchst dringendem (rewissenstriebe auch nicht entbrechen können. Pausa den 27. Juni 1721.

Johann Siegmund Heydenreich, Pastor Pausensis.

Das zweite Attestat lälst die oben eingeklammerten

Beispiele weg, fügt aber hinter der durch * bezeichneten

Stelle die Worte der Entgegnung in Klammer hinzu:

„Da doch eine grofse Kluft zwischen denen Seligen und Ver- dammten befestiget, dafs, die wollten von hinnen hinabfahren, können nicht, und auch nicht von dannen herüberfahreu (Luk. 15, 26), und solchergestalt die Kluft mit Pietisten ausgefüllet werden raüfste, dafs die Teufel und A^erdammten eine Brücke darüber kriegten."

Der Schlufs des zweiten Attestes lautet:

„Gott erleuchte und bekehre die schwärmerische Rotte und Verführten, bewahre alle rechtgläubigen Christen vor den gott-, trost- und heillosen Irrtümern und dem heillosen Pietistenhimmel, wo Teufel, Verdammte, Pferde und Hunde anzutreffen und ein toller Tummelplatz sein wird.

Pausa den 21. Juli 1722.

Johann Siegmund Heydenreich."

Mit diesen Attestaten in der Hand zog mm Neid-

hardt in der Welt herum, tauchte in Gera, Dresden,

Karlsbad und anderen Orten auf und suchte sich überall

als einen armen Exulanten darzustellen, um dadurch das

Mitleid zu erregen und den Geldbeutel der Leute zu

öffnen. Doch scheint das Geschäft nicht ganz nach

Wunsch gegangen zu sein. Denn bereits unter dem

8. Juni 1722 richtet er an den Grafen in Obergreiz ein

Schreiben im Armensündertone, worin es heilst:

„Als ich mich an gnädigster Herrschaft sehr versündigt habe, indem ich ein verflucht Zeugnis vom Pfarrer in Pausa mir hab geben lassen, welches ich zwar niemand gewiesen, als da ich nicht gewui'st wohin, hab ich es müssen dem GerichtsverAvalter in Schneekengrün weisen, welcher noch viel mehr dazu geschrieben, und es behalten hat, und allen Leuten geben hat, wozir ich nicht kann, bitte also nm Gottes willen mir es zu vergeben , was ich wider gnädigste Herr- schaft gesündiget."

Und in einem zweiten am 14. September 1722 dahin gerichteten Schreiben heilst es:

„Dafs ich mich so sehr versündiget hab , macht nichts, als dafs man mit mir so sehr verfahien ist wegen des Herrn Pfarrers, da ich doch wegen der Akten, so von Eisenberg geschickt worden, so unschuldig bin, welches ich mit der ganzen heiligen Dreifaltigkeit bezeuge, bitte also um Gottes willen, mir es nicht zuzurechnen, in- dem nach dem Matth. XVTIT es also lauti^t: Da jammeitc den Ilcrrn desselbigen Knechtes, \ind Matth. H, 14. 15 und Luk. 17, 4. Dahero

78 M. J. Herz:

hab ich freilich mich nicht allein 7 mal versündiget, sondern wohl 77 mal 7 mal, imd obgleich Paulus die Christen verfolget, so wurde er dennoch ein auserwähltes Rüstzeug, sollt ich die einige Gnade haben, dafs mir von gnädiger Herrschaft erlaubt wäre, so wollte ich in Dobia rmd Arnsgrün auf öffentlicher Kanzel widerrufen, oder sollt ich von gnädiger Herrschaft versichert sein, dafs mir es ver- geben wäre, so wollte ich gleich nach Greiz kommen, und viel ent- decken, so aber kann ich nicht kommen, denn man hat mir so sehr gedrohet , man wollte mich aufs Zuchthaus schaffen oder in die Büttelei setzen. Hierbei sende durch eigenen Boten den Brief mit der verfluchten Lästerschrift, bezeuge dabei vor Gott, dafs ich es nicht hab gewufst, was darinnen enthalten ist, bis ich es wohl 14 Tage habe gehabt, indem ich es nicht hab lesen können."

Von diesen Auslassungen Neidliardts ist nur der letzte Satz völlig wahr; Pfarrer Heydenreich schrieb in der That eine kaum leserliche Hand. Was aber sonst von ihm gesagt ist, tritt erst durch das mit ihm in 8clineckengrün angestellte Vernör in die rechte Be- leuchtung. Nach den Gerichtsakten erklärte da am 11. November 1722 Neidliardt: „er wisse nicht, dafs er dem Herrn Pfarrer zu Pausa noch mehr pietistische All- fanzereien erzählet, als was in seinen Attestaten stünde, aulser von Pferden und Ochsen; als dals der Pfarrer zu Dobia am Fest der h. Dreifaltigkeit auf der Kanzel sein Pferd den wohlseligen Schimmel geheilsen und weiter gesaget: da er seinen Ochsen wolle schlachten lassen, habe der Geist in ihn den Pfarrer gesprochen: er der Pfarrer solle hingehen, solle vor ihn beten, welches der Pfarrer auch gethan ; und sodann habe der Ochse vor den Pfarrer zu Dobia die bitteren Zähren fallen lassen ; welches alles auch schon der Pfarrer in Greiz vor dem Kanzleidirektor und Hofrat, auch Registrator in Greiz gestanden, und es mit einem Spruch zu den Römern am 8. Kap. beweisen wollen".

Doch hören wir, welches Geschick die beiden Zeug- nisse des Pfarrers Heydenreich hatten. Man fand das eine eines Tages an das Schlolsthor in Obergreiz an- geschlagen. Wer das gethan, blieb unbekannt. Auch das andere Zeugnis gelangte in die Hände der Greizer Behörde. Der Graf, dem Pietismus aufs äufserste zu- gethan, glaubte sich persönlich beleidigt, „blamiert", wie es in den Akten heilst, und gab seinem Kanzleidirektor gemessenen Befehl, gegen den sächsischen Pfarrer vor- zugehen. Man schrieb deshalb an den damaligen Supe- rintendenten Herrmann in Plauen und forderte von diesem die Einleitung einer Untersuchung gegen den ihm unter-

Ein verhängnisvolles Zeugnis. 79

stellten Pfarrer. Aber dies hatte nicht den gewünschten Erfolg. Denn Pfarrer Heydenreich erklärte sowohl schriftlich als mündlich seinem Superintendenten, er gebe wohl zu, dals Neidhardt ihn diu^ch seine Heuchelei ge- täuscht habe, aber den übrigen Inhalt seiner Zeugnisse könne er nicht widerrufen, da das, was er von den Pie- tisten gesagt, die lautere Wahrheit sei, wie das leicht zu beweisen sei; man möge nur z. B. das von Dr. Petersen geschriebene und in Greiz gedruckte Büchelchen: Schlüssel u. s. w. lesen; auch habe er niemanden beleidigen oder blamieren, sondern nur die Wahrheit verteidigen wollen. Ein sehr vorsichtig abgefafstes Schreiben des Superin- tendenten, welches die Erklärung enthielt, dals man die Entscheidung des Oberkonsistoriums in Dresden in dem Handel beantragen wolle, wurde in Greiz sehr übel auf- genommen. Denn man wufste in Greiz recht gut, dals die Stimmung in Dresden gegen Greiz keine günstige war und auch nicht sein konnte, weü man sich (von Greiz aus) mancherlei Eingriffe in sächsische Gerecht- same, namentlich auf kirchlichem Gebiete, seit Jahren erlaubt hatte.^) Man scluitt deshalb zur Selbstliilfe.

Es war am 7. November 1722 mittags 11 Ulir an einem Jahrmarktstage. Da sollte Greiz ein wundersames Schauspiel haben. Auf öffentlichem Marktplatze erschien eme Abteilung Soldaten und bildete einen Kreis um die miterscliienenen Gerichtsbehörden und den Scharfrichter, sowie den dort errichteten Scheiterhaufen. Mit lauter Stimme verlas dann der Kanzleidirektor einen aller- höchsten Erlals und übergab dem Henker die beiden Zeugnisse des Pfarrers Heydenreich. Der Henker aber warf die Attestate in die Flammen des entzündeten Holzstofses.

Zur Rechtfertigung dieses Verfahrens wurde eine 16 Seiten starke Schrift (in 4") ausgegeben, die den Titel führt: „Ursachen, Warum Johann Siegmund Heyden- reichs, Pfarrers zu Pausa, Dem gewesenen Ober-Gräitzisch.

^) So lagen z. B. eine ganze Reihe von Beschwerden der In- spektion lieichenl)ach wegen der reuläischen Filialkirchen in llohn- dorf und Stelzen vor, welche in sächsische Mutterkirchen (Elsterherg und Reuth) eingepfarrt waren. Man hatte die sächsischen Ueist- lichen mit Entziehung des reufsischen Deceras bedroht, wenn sie nicht dem üreizer Willen sich fügen und z. B. monatliche Bufstage in den Eilialkiichen al)halten, für die Siege über die Türken liefen, Ehesachen dort vor die Greizer Behörde verweisen wollten.

80 M J- Herz:

Sclmlhalter zu Dobia, Saloraon Neidliardt , Ertlieiltes Attestat, Als ein schändliches Palsqvill, zu Gräitz Auf öffentlichem Marckt durch den Scharff-Richter verbrannt worden. (Gräitz, gedruckt bey C. F. Martini, Hochgräfl. Buchdr.). Da heilst es nun wörtlich:

„Nachdem des Hochgebohrnen Grafen und Herrn, Herrn Hein- rich des Andern, älterer Linie Reufsen, Grafen und Herrn von Plauen, Herrn zu Gräitz, Cranichfeld , Gera, Schleitz und Loben- stein etc. Hochgräfl. Gnaden von verschiedenen Orten berichtet wor- den, was Gestalt der abgesetzte interims- Schulmeister Salomon Neid- hardt mit einem Attestat des Pfarreis Johann Siegmund Hejden- reichs von Pausa herum gienge, darinnen nicht allein Sr. Hochgräfl. Gnaden und dero Consistorii Verfahren gegen den Neidhardt und einige Prediger, angegriffen, sondern auch die üiesigen Prediger allerhand gräulicher Ketzereyen und irriger Lehr-Sätze beschuldiget würden; So haben Sie gnädigst befohlen, dafs man sich darnach erkundigen und bemühen solte, das Attestat zur Hand zu be- kommen. Sobald man nun desselben, wie auch noch eines an- deren, so in etwas geändert gewesen, habhafft worden, und daraus ersehen , dafs obbemeldter Ptärrer Heydenreich sich nicht ent- blödet, hiesige Landes Obrigkeit und dero Consistoriura auf das allerverwegenste, als nicht leicht erhöret worden, anzugreiffen, dero Verfahren aufs schändlichste zu traduciren, und der allergottlosesten schändlichsten Lehren und albernen Meynungen zu beschuldigen; Z. E. (nur etwas Weniges, um Weitläufftigkeit zu vermeiden, zu melden) man verfluchte hier Lutherum, seinen Namen und Catechis- mum, (welchen doch Se. Hochgräfl. Gnaden so hoch halten, dafs Sie ihn auf ihre Kosten haben drucken lassen, und keinen andern als diesen in allen Schulen zu tractiren befohlen), man verwürffe und verschimpfe das heilige Abendmahl, Vater Unser und die Symb. Bücher, ja man theile das Brod und "Wein aus ohne Consecration, dessen Contrarium ja öftentlich am Tage ist, und derer gleichen mehr; So haben Se. Hochgräfl. Gnaden beyde Attestata an den Superin- tendenten Herrmann nach Plauen geschickt, mit dem Erouchen, den Pfarrer darüber zu vernehmen und zu fragen, ob er sich darzu ver- stehe, und revociren wolle oder nicht. Alldieweilen nun letzt ge- dachter Herr Superint. unterm 18. Sept. berichtet, dafs der Pfarrer zu Pausa sich zu beyden Attestatis verstünde, und nicht revociren wolte, so haben Sie zu Rettung ihrer und ihres Consistorii, wie auch des geistlichen Ministerii Ehre, so dann auch zur Warnung der Lästerer und Verläumbder, aus Landesherrlicher Macht und Befugnifs, resolviret, denen Reichs- Constitutionen und sonderlich dem Kayserl. Edict vom 18. Juli 1715 gemäfs, beyde Attestata als offen- bare Pasqville und Lästerungen durch den Scharffrichter auf öffent- lichem Marckt verbrennen za lassen (wie dann auch wirklich ge- schehen) und durch nachfolgende Speciem facti cum adjunctis das Publicum von denen abscheulichen Lügen und Lästerungen des Pfarrers zu Pausa zu desabusiren."

Diese „species facti" besteht nun zunächst in der Darstellung des Neidhardtschen Lebenslaufs, wie er oben dargestellt ist, worauf eine Rechtfertigung des Pietis- mus mit heftigen Ausfällen auf die „unbekehrten und

Ein verhängnisvolles Zeugnis. 81

pliarisäisclien" Gegner folgt. Als Beilagen sind endlich beigefügt die Beweismittel gegen den Betrüger Neidhardt und zwei Gutachten über den Pietismus von der juri- stischen Fakultät in Jena und von der theologischen Fakultät in Leipzig vom 7. Okt. 1710.

Als diese Vorgänge und diese Schrift dem Pfarrer Heydenreich bekannt geworden waren, stellte dieser so- fort bei Superintendent Herrmann in Plauen den Antrag, die Sachlage dem Oberkonsistorium in Dresden mitzuteilen und dasselbe um Schutz gegen die Greizer Mafsnahmen zu bitten. In einem sehr ruhig und besonnen abgefalsten Berichte an das Konsistorium zu Leipzig, welches dann mit einer Reihe anderer Beschwerden über Greiz die Sache nach Dresden abgab, sagt Superintendent Herr- mann in Plauen, nachdem er den ganzen Hergang aus- führlich dargelegt und gefragt, ob die Greizer Behörde nicht einen anderen Weg hätte wählen sollen, um sich Genugtliuung zu verschaffen:

„Viele stellen in den Gedanken, es sei das letzte (die Ver- brennung der Attestate) unter andern mit daher gerührt, weil einige der Greizer Ministri einen grofsen Hafs gegen das gesammte Evan- gelische Ministerium, fo nicht öffentl. ihre partes nimmt, bey sich hegeten und desselben Prostitution bey aller Gelegenheit ins Werk zu setzen sucheten, auch etwa mit befahret hätten, es möchten die im- putirten Greuel in den Attestatis Ew. HochEhrwürd. Magnif. und HochEdl. Herr, oder E. Hochlöbl. Kirchen- Rath in Drefsden allzu- sehr in die Augen fallen, wefshall)er man ingleichen das wenigste daraus in specie angeführt habe. So viel ist am Tage, dafs das meiste, was die contenta der Attestaten besagen, von denen so ge- nannten Pietisten dieser Gegend eine gemeine Sage ist." „Nun habe erst vor 3 Wochen die gantz sichere und uufehlbahre Nach- richt erhalten, dafs der Schulmeister zu Schöubach noch nicht, ja gar nicht so lange er Schulmeister des Orthes ist, zur Beicht und heil. AVtendmahl kommen; auch sonsteu ein Verdächtiger Mensch sey, und gleichwohl lasset man einen solchen Verächter des heyl. Abend- mahls beym Lehr Amte der Jugend, und heget ihn, als andere darüber klagen, auf alle möglichste Weise. Gleichergestalt ist der eine OberGraitzer Pfarrer an der Gräntze, in Dobia, Gypser ge- nannt, wo nicht alle Nachrichten diefsfalls trügen, ein fanatischer verkehrter Mann, der publice und privatim schlimme Sachen lehret, und mögen öffters angränzendo frembde Tieuthe in seine Predigten kommen, zu hören, was Er selzammes vorgiebet. Dafs selbiger sein verstorben Pferd den seel. Schimmel auf der Cantzel geheifscn uml Hoffnung bezeuget. Er werde ihn dereinst im güldenen Hali'sbande wieder ünden, item, dafs er von seinem Hunde dergleichen vorge- geben, auch die Historie mit dem Ochsen, mit, oder füi- (k'ii Er, che er geschlachtet worden, soll gebetiiet haben, dafs er die Heiligung erlangen möge, worauff das Thier Thräncn vergossen, und der Pfarrer, da sich das noch warme Fleisch gereget, gleichwohl, aus der Ur- sache, an seiner erlangten völligen Heiligung gezweiffeit, Ferner,

Neues Archiv f. 8. G. u. A. X. 1. 2. 6

82 M. J. Herz:

dafs dieser Gypser nicht leiden wolle, wenn die Beichtenden sich Sünder nennen, und alle BeichtFormeln verwei-ffe, so gar auch die Worte : Gott sey mir Sünder gnädig, improbire etc. Das sind dieser Gegend gemeine Zeitungen, welche das GräÜ. Consistorium zu Graitz durch publicirung der Untersucliuugs Acten billig refutiren solte, wenn sich selbige falsch befunden. Allein hieran ist noch wohl ge- wisser mafse zu zweifeln, da mir Ein oder der andere unverdächtige Referente, der mit dem erwähnten Pfarrer zu Dobia geredet, sancte versichert, es mache selbiger in discoursen kein Geheimnifs daraus, dafs Er v. g. der unvernünfftigen Thiere künfftige Gegenwart im Reiche Gottes asserire, bringe auch wohl einen und den andern locum scripturae vor, seine Meyuung zu behaupten."

Dieser Bericht ist unter dem 18. November 1722 geschrieben. Demselben ist folgende Nachschrift beigefügt: „Erhalte gleich iezo sichere Nachricht, dals Vorgestrigen Tages der Herr Graf zu Graitz Oberntheils Todes ver- blichen; Ob nun wegen des dasigen Ministerii und bils- herigen Wesens in Ecclesiasticis eine Veränderung vor- gehen möchte? stehet zu erwarten." Und ein von Supe- rintendent Herrmann an Pfarrer Heydenreich gerichtetes Schreiben vom 7. Juli 1723 enthält die Nachschrift: „Heute wird mir referiret der Canzelley Director in Graiz sey auch verstorben; Ists also, so gratuliren sie sich, dals sie von aller specie vindictae abstiniret, und den göttl. Gerichten räum gegeben haben." Damit schliefsen unsere Akten.

VII.

Die sächsischen Stadtbücher des Mittelalters.

Von

Hubert Ermisch.

Die hohe Wichtigkeit, welche die sogenannten Stadt- bücher nicht blols für die städtische Geschichte im engeren Sinne, sondern auch für allgemeinere Fragen der ßechts- geschichte besitzen, ist längst anerkannt; namentlich war es die grundlegende Abhandlung von Gr. Homeyer^), noch immer das Beste, was über diesen Gegenstand ge- schrieben worden ist, welche zu einer sorgfältigeren Würdigung und eingehenderen Bearbeitung dieser Gattung von Quellen die Anregung gab. Das „Verzeichnis von Stadtbüchern", das Homeyer a. a. 0. S. 17 flg. gegeben hat, lälst sich gegenwärtig schon erheblich vermehren. So liegen, um nur einiges anzuführen, aus den Kheinlanden die ältesten Zeugnisse der Stadtbuchführung vor: der Rotulus der Stadt Andernach [1173—1256]'^), die ersten Hefte einer grofs angelegten Publikation der Kölner Schreins- urkunden ■^). Aus dem Gebiete des Lübischen Rechtes

1) G. Homeyer, Die Stadtbücher des Mittelalters, insbesondere das Stadtbucli von Quedliubnrg-. (Aus den Abbandlungen der Kgl. Akad. d. "Wissenscb.) Berlin 1860.

'^) R. Hoeniger, Der Rotulns der Stadt Andcrnacb, in den Annalen des liistor. Vereins für den Niedeirliein. Heft 42 {Köln 1884)

S. 1 flg.

») R. Hoeniger, Kölner Sclireinsnrkunden des 12. .Jabrlnin- derts. Bd. I. Bonn 1884—1888. (Bublikationeii der Gesellscbaft f. Rhein. Gleschiclitskunde I). Vergl. auch desselben: Judcnschreius- buch der Tjaurentinspfarre zu Köln Bd. I, Berlin 1888 (Quellen zur Gesch. der Juden in Deutschland Bd. I).

34 Hi;beit Ermisch:

nennen wir in erster Linie die vorzüglichen Ausgaben des Stralsunder Stadtbuchs ^) und des Verfestungsbuchs der Stadt Stralsund'), daneben die Ausgaben, Bearbei- tungen und Besprechungen der Stadtbücher von Freien- walde in Pommern'^), Garz^), Hannover^), KieP), ße- vaP*'), Kiga^^), Stade ^-); aus dem Magdeburger Rechts- kreise die Publikationen der Hallischen Schöffenbücher ^•^), des Wetebuchs von Calbe a. S. ^^), des ältesten Stadtbuchs der Stadt Neuhaldensleben^'^), die neue Aufgabe des Ber- liner Stadtbuchs ^'^), Untersuchungen über die Breslauer Stadtbücher") nebst Auszügen aus denselben ^^), über die

*) Das älteste Stralsundische Stadtbuch (1270—1310). Im Auf- trage des Eatlis und des bürgerscbaftlicheu Kollegiums der Stadt Stralsund berausg. von F. Fabricius. Berlin 18T2.

5) Otto Francke, Das Verfestungsbucb der Stadt Stralsund. Mit einer Einleitung von F. Frensdorff. Halle 1875.

•*) H. Lemcke, Das älteste Scböffenbucb von Freienwalde, in den Baltiscbeu Studien XXXII, 1 flg.

") G. V. Eoseu, Das älteste Stadtbucb der Stadt Garz auf Rügen (Q,uellen zur pomm. Gescbicbte I). Stettin 1885.

*) Fiedeler in d. Ztscbr. d. bistor. Vereins f. Niedersacbsen, Jabrg. 1876, S. 1 flg.

9) P. Hasse, Kieler Stadtbucb a. d. J. 1264—1289. Kiel 1875.

^*^) Tb. Scbiemann, Revaler Stadtbücber, in der Arcbival. Zeitscbr. XI (1886), 53 flg. Revaler Stadtbucb I, berausg. von L. Ar- busow. Reval 1888 (Arcb. f d. Gescb. Liv-, Estb- und Kurlands III. Folge, Bd. I.).

") J. G. L. Napiersky, Die libri reddituum der Stadt Riga. Leipzig 1881. D e rse Ib e, Die Erbebücber der Stadt Riga. 1384—1579. Riga 1888. Hildebrandt, Das Rigaer Scbuldbucb (1286-1352). St. Petersburg 1872.

12) Das älteste Stader Stadtbucb von 1286, berausg. vom Verein für Gescbicbte und Altertbümer zu Stade, Heft I. Stade 1882. VergL Wittpennig, Bescbreibung der alten Stadt-Kundebücber zti Stade, im Arcbiv des Vereins f. Gescbicbte und Altertumskitnde der Herzogtbümer Bremen und Verden zu Stade, VI (1877), 415.

13) Die Halliscben Scböffenbücber , Tb. 1 u. 2. (1266 1460), berausg. von der bistor. Kommission der Provinz Sacbsen, bearb. von G. Hertel. Halle 1882—1888.

") G. Hertel, Das Wetebueb zu Calbe a. S. (1381—1462), in den Magdeb. Gescbicbtsblättern XX u. XXI (1885—1886).

15) Hülsse, e])enda XIV (1879), 369. Über Stadtbücber zu Aken (seit 1266!) und Stafsfurt vergl Hertel Hall. Scböffenb. I, Vn (N.), XV flg.

lö) Her ausg. von Claus witz, 1883. Vergl. sonst über Scböffen- bücber in der Mark Brandenburg F. J. Kubus, Gescbicbte der Ge- riebtsverfassung in der Mark Brandenburg 11, 241 f.

") Laband, Neuling und Grünbagen in der Ztscbr. des Vereins f Scbles. Gescb. IV, 1 flg., 179 flg.

1«) Stobbe ebd. VI— X.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 85

Jauerschen Wachst afein ^"), eine lehrreiche Arbeit über das älteste Olmützer Stadtbuch ^'^), einen Aufsatz über die böhmischen Stadtbüclier-^) u. a. m.

Nicht eine einzige Ortschaft der wettinischen Lande ist in dem Verzeichnisse Homeyers vertreten; und doch hat es in diesen wohl ebenso wie im Norden und Osten schwerlich irgend eine Stadt und irgend ein Städtchen gegeben, das nicht seit dem 14. oder 15. Jahrhundert sein Stadtbuch besessen hätte. Freilich haben Eaieg, Feuer und nicht zum JVündesten gewissenlose Nachlässig- keit den städtischen Archiven unserer Lande in ganz be- sonders fühlbarer Weise mitgespielt; trotzdem ist die Anzahl der Stadtbücher, die dem Verderben entgangen sind, noch eine nicht unbedeutende. Ob dies auch in den thüringischen Staaten und in den ehemals dem Hause Wettin gehörigen Teilen der preuisischen Provinz Sachsen der Fall ist, mufs dahingestellt bleiben--). Im Gebiete des jetzigen Königreichs Sachsen jedoch, auf das sich die vorliegende ArlDeit beschränkt, habe ich auf amtlichen Reisen, die mich nach und nach in sämtliche städtische und Gerichts -Archive des Landes geführt haben, doch eine so beträchtliche Anzahl von Stadt- und Gerichts- büchern aufgefunden, dals ihre Zusammenstellung wohl der Mühe lohnt.

Die nächste Veranlassung zu dieser Ai'beit war, dafs ich mich, nicht ohne einige Bedenken, entschlofs, in den dritten Band meines Freiberger Urkundenbuchs (Cod.

") Th. Lindner ebd. IX, 95 flg.

20) Bischoff, Über das älteste Olmützer Stadtbuch. Wien 1877. (Aus den Sitzungsberichten der kaiserl. Akad. d. Wisscnsch. zu Wien.)

21) Prochaska, Über die Entstehung und Entwickelung der ältesten Stadtbücher in Böhmen, in den Mittheil, des Vereins f. Gesch. der Deutschen in Böhmen. XXII (1883), 56 flg.

22) Über ein jetzt im Besitze des thüringisch -sächsischen Ver- eins zu Halle beündliches Stadtbuch von Eilenburg (1403 1490) vergl. L. Korth in dieser Ztschr. I, 281 und Opel in den Monats- blättern des thüring - sächsischen Vereins I, 97 flg. Aus einem Wei- marer ßatshandelsbuche (1380 1418), sowie aus einem üerichtsbuche des Rates zu Erfurt (1482—1492) maclit Michelsen, Kechtsdenkmale aus Thüringen (Jena 1863) 260 flg., 356 flg., verschiedene ]\Iitteilungen. Die Kopial- und Handelbüclier des Stadtarchivs zu Weimar heginnen erst mit der zweiten Hüllte des 16. Jahrb.; vergl. Burkhardt in den Neuen Mitteil, des thiiringiscli- sächsischen Vereins XVI, 129. Die lokalgescbicbtliclic Literatur, die ich nicht genauer durcligesehen habe, enthält v(irmutlich noch manche Hinweise auf Stadtbücher in jenen Gegenden.

86 Hubert Ermisch:

diplomat. Saxon. regiae II, 14) ziemlich umfängiiclie Aus- züge aus den mittelalterlichen Stadt- nnd G-erichtsbüchern Freibergs aufzunehmen; ein Urkundenbuch kann solcher kaum entbehren, wenn es ein einigermafsen vollständiges Bild des gesamten sozialen, Verfassungs- und Eechts- lebens einer Stadt geben will. Da jedoch nur auf ver- gleichendem Wege eine objektive Würdigung des be- treffenden Materials möglich ist, so mulste ich mir zunächst eine Übersicht über die auch für andere Städte vorhan- denen Aufzeichnungen gleicher Art zu verschaffen suchen, um so die gemeinsamen Grundlagen festzustellen, die trotz mancher individuellen Züge doch vorhanden sind. Sie sind, wie das ja von vornherein zu vermuten war, die nämlichen, von denen auch in anderen Gegenden die Anlegung und Ausgestaltung der Stadtbücher ausging. Wie die materielle Entwickelung der Städte, so hatte auch das städtische Yerfassungsleben , dessen Anfänge wir in unsern Lauden kaum über das 12. Jahrhundert hin- aus zu verfolgen vermögen, im Laufe des 13. erhebliche Fortschritte gemacht. Hatte sich anfangs sowohl die Verwaltung als die Handhabung der Gerichtsbarkeit fast ausschliefslich in den Händen landes- (oder grund-) herrlicher Beamter befunden, neben denen nur als Be- rater oder im Dinge als Schöffen einzelne Mitglieder der Gemeinde erscheinen, so war gegen Ende des 13. Jahr- hunderts fast allenthalben ein jährlich wechselnder städtischer Rat entstanden, der mit mehr oder weniger Selbständigkeit die Verwaltungsgeschäfte besorgte. An seiner Spitze stand ein Bürgermeister; nur in ganz un- bedeutenden Städtchen (z. B. Geising, Groitzsch--^), König- stein, Thum) war der Eichter der Vorsitzende des Rates, und wo dies der Fall, da ist anzuuehmen, dafs dieselbe Körperschaft sowohl die Verwaltung als die Rechtspflege besorgte. In der Regel aber handhabte die letztere ein besonderer Stadtrichter, dessen Verhältnis zum Rate sich im Laufe der Zeit an verschiedenen Orten verschieden gestaltete. Die Urteiler, die er im Dinge brauchte, mag er in ältester Zeit in der Regel aus dem „Umstände", der den Gerichtssitzungen beiwohnenden Volksmenge, ent- nommen haben ^*); später bestand überall hierfür ein be-

23) Vergl. HStA. Loc. 15155 Landsteuerregister von 1467. WA-Orter Groitzscli, Bl. 2.

2^) Vergl. z. B. Cod. dipl. II. 13. XXXIII f.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 87

stimmtes Scliöffenkolleg, dessen Mitglieder entweder aus dem jeweiligen Rate genommen oder ganz unabhängig von demselben geAvälilt wurden, dessen Amtsdauer in der Regel eine einjährige, häufig aber auch eine längere war^'^). Im Einzelnen entwickelte sich hier wie bei fast allen mittelalterlichen Institutionen aus der gleichen Wurzel eine solche Fülle von individuellen Gestaltungen, dafs ein tieferes Eingehen auf die Rats- und Gerichtsverfassung unserer Städte eine besondere Darstellung verlangen würde Hier kam es nur darauf an, die beiden neben einander stehenden Kollegien, deren Zwecken hauptsächlich die uns überlieferten „Stadtbücher" dienen, kurz zu kennzeichnen. Auch die den Beschreibungen der Stadtbücher beigefügten Bemerkungen über die Rats- und Gerichtsverfassung der einzelnen Städte, die sich mir bei Durchsicht jener Bücher ungesucht boten, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen gleichfalls nur den Einfluls jener Verfassungsverhältnisse auf die städtische Buch- führung andeuten.

Im Zusammenhange mit dem Ausbau der städtischen Verfassung steht auch die Ausbildung des städtischen Kanzleiwesens. Auch dieses bedarf noch eingehenderer Untersuchung, als sie uns hier möglich ist. Ist eine eigene landesherrliche Kanzlei nicht vor der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbar^^), so geht man wohl nicht fehl, wenn man die Anfänge der städtischen Kanzleien erst in das Ende .desselben versetzt. Für die wenigen Sclireibgeschäfte, die in früheren Zeiten etwa notwendig waren, fand der Rat wohl ohne Schwierigkeit eine des Konzipierens und Schreibens kundige Persönlichkeit unter den Welt- oder Klostergeistlichen der Stadt und be- durfte daher nicht eines besonderen Stadtschreibers. So hat man für einen solchen wolil kaum zu halten den

*^) Schon das dem 14. Jahrhu ädert angehörige Rechtshuch nach Distinctionen (III, 1 d. 2) bezeichnet die Einrichtung von „Brbe- schöffen" als „nod nnde gud und vil besser, wemi da man schepfen seczt czu einem jar, wenn erbeschephen brengen in guter handelung das glich recht v'olkunimelicher under sich, wenne dy ein jar gesaczt werden". Lebenslängliche Schöffen gab es z. B. in Leipzig (Distel, Der Leipziger Schöffenstuhl: Ztschr. der Savigny - Stiltung. Gei-m.- Abth. VII, 4), in Dresden (Cod. dipl Sax. reg. IL 5, 249); eine Verordnung des Kurf. Friedrich von 1444 Febr. 24 bestimmt, dafs in Torgau künftig „sieben ewige Schöffen" des Stadtgerichts warten sollen (HStA. Cop. 42 fol. 93'^).

2") Posse, Die Lehre von der Privaturkunde S. 45, 167 flg.

8S Hubert Ermisch:

Johannes diaconus et scriptor, der unter den Zeugen einer Urkunde Heinrichs, des Sohnes des Freiberger Vogtes Ripert, von 1223 erscheint'"), sondern „scriptor" bedeutet vermutlich nur, dals er die vorliegende Urkunde aufge- setzt bez. geschrieben hat. Zweifelhafter kann es scheinen, ob der in den Jahren 1253 1259 einige Male vorkom- mende Oozivinus scriptor de Vriherg-^), der nirgends als Geistlicher bezeichnet wird, Stadtschreiber war; allein da ihn Heinrich der Erlauchte einmal scriptor noster de Vriherc nennt, so wird man ihn doch wohl-^) mit mehr Recht für einen vielleicht aus Freiberg stammenden oder dort angesessenen Beamten der landesherrlichen Kanzlei ansehen müssen, zumal er uns ausschliefslich in markgräflichen Urkunden (allerdings nur in solchen, die für die Stadt oder das Hospital ausgestellt sind) begegnet. Der Pleban zu St. Peter in Freiberg, Hertwich von Hurslegowe, den man auch für einen Freiberger Stadt- schreiber hat halten, wollen ^*'), war thatsächlich landes- herrlicher Notar'^^). Übrigens ist nicht ausgeschlossen, dals gelegentlich auch die markgräflichen Beamten der Stadt üi ihren Geschäften dienten ; so möchten wir den Schreiber einer Freiberger Eatsurkunde vom Jahre 1300 in dem magister Tirmannus notarius domijii marcJiionis sehen, der unmittelbar hinter den Ratmannen als Zeuge er- scheint^-).

Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstand also vermutlich das Amt emes ständigen Stadtschreibers, in derselben Zeit, in welcher, wie wir noch sehen werden, auch die ersten Spuren einer städtischen Buchführung bemerkbar sind. Das Freiberger Stadtrecht, das auf der Grenzscheide des 13. und 14. Jahrhunderts codiflciert worden ist, kennt es bereits; denn wenn auch das, was über der hurger scliriher und seine Thätigkeit überliefert ist, sich mehr auf seine Stellung als Gerichtsschreiber bezieht *^^), so hat er doch ohne Frage, wie dies ja schon seme amtliche Bezeichnung andeutet, auch die städtischen

27) Cod. dipl. Sax. reg. II. 12, 2.

28) Ibid. 1238, 1725, 188.

29) Mit Tittmann, Heinrich der Erlauchte I, 97.

30) Möller, Theatr. Freiberg, cliron. I, 398.

31) Cod. dipl. Sax. reg. II. 12, 35. Posse a. 0. S. 179.

32) Cod. dipl. II. 12, 43.

33) Kap. XXXV. Vergl. Kap. I, § 36, 37. (VIII, § 2. XII, § 1). Xin, § 3. XXIV, § 2. XXXII, § 7. Ich eitlere das Freiberger Stadtrecht nach meiner demnächst erscheinenden neuen Ausgabe.

Die Sachs. Stacltbticher des Mittelalters. 89

Kanzleigeschäfte besorgt. Dem Namen nach sind die Freiberger statschriber erst seit der zweiten Hälfte des M.Jahrhunderts bekannt =^^). In Oschatz erscheint seit 1300 ein Rulico scriptor, seit 1317 ein Alboiiif; scriptor ; wir dürfen diese beiden wohl für die frühesten, nament- lich bekannten Stadtschreiber unserer Lande halten, zu- mal auch in der Überschrift des ältesten Stadtbuches (1321) des scriptor gedacht wird (s. u.). Ausdrücklich als solcher wird 1370 ein Conradus scriptor genannt"'). In Grimma (s. u.) kommt zuerst 1346 ein Stadtschreiber Namens Johannes von Leisnig vor ; dann 1364 Ulmannus Greys, 1372 Iwanus de Kempnicz , 1406 Nicolaus de Ihenis u. s. w.'^*^). Auf die Bestimmungen des Zwickauer Stadtrechts von 1348 über die Stellung des Stadtschreibers komme ich noch zurück; der erste dem Namen nach be- kannte Zwickauer Stadtschreiber ist (seit 1374) Marquard, Kapellan und später Stadtpfarrer zu Zwickau""). Der „alte", d. h. gewesene Stadtschreiber Hans von Wolfein zu Leipzig erscheint 1376 als Zeuge =^^). Im Jahre 1400 war Conradus Ber Stadtschreiber ^^); derselbe wird später (1420) als Magister bezeichnete*^). Der erste Stadtschreiber von Dresden, dessen Name überliefert ist, ist Peter Bernher [1380] e^). Im Jahre 1382 er-

^) Eine Zusammenstellung wird der Vorbericht zu Cod. dipl. Sax. reg. II, 14 bringen.

^^) Hoffmann, Beschreibung von Oschatz I, 437. Der älteste Görlitzer Stadtschreiber wird schon 1298 namhaft gemacht: acta sunt hec et data per manum Kunradi notarü Gorlicensis. Cod. dipl. Lusat. 160. Ein Hermannus notarius Gorlycz civitatis erscheint 1314—1320 ebd. 160, 204, 208; ein Johannes notarius civium 1334 ebd. 305.

^^) Lorenz, Grimma S. 1205.

37) Herzog, Chronik v. Zwickau II, 82. Weller, Altes I, 142.

3*) Orig. des Hauptstaatsarchivs No. 4164. Vergl auch Cod. dipl. Sax. reg. II. 8, 64. 68.

3*') Ebenda 79.

*o) Lpz. Schöffenbuch 1420/78 (s. n.) fol. 1"'.

") Cod. dipl Sax. reg. II. 5, 66. Wenn 0. Richter, Vcr- fassungsgesch. d. Stadt Dresden S. 129, sagt, dafs im J. 1303 bei einem Streite der Stadt mit dem Ciarenkloster zu Weifsenfeis der Notar des Markgrafen „die Vertretung der Bürgerschaft" geführt habe, und daraus schliefst, dafs es im Anfange des 14. Jahrhunderts noch keinen Stadtschreiber gegeben habe, so trifft dies nicht zu , da nach der betr. Urk. (a. 0. II. 5, 14) jener Notar der von der Stadt Dresden gekorne Schiedsrichter war und daher ebenso wenig- zur Stadt in einem engeren Verhältnisse stehen konnte, als die vom Kloster bestimmten Schiedsleute Angehörige des letzteren waren.

90 ' Hubert Ermiscli:

scheint der erste Stadtsclireiber zu Leisnig, Hamms Gunczil*^). In demselben Jahre bekleidete zu PI auen i. V. der Magister Friedrich Eybanger von Nürnberg zugleich die Amter einer iwotlionotarius civitatis und eines rector scholarum (s. u.). Ebenso vereinigte in Lob au 1384 1395 die Ämter eines Stadtschreibers und eines Schulmeisters Conrad Wissinbach, gebürtig aus Eschwege in Hessen, der 1395 als Stadtschreiber nach Zittau ging, wo vor ihm Joh. Hertil und Joh. Guben diese Stelle bekleidet hatten*"^). Dies sind die mir bekannten Stadtschreiber des 14. Jahrhunderts ; ihre Liste liefse sich wohl noch vermehren. Viel zalilreichere Stadtschreibernamen sind uns aus dem 15. Jahrhundert überliefert**); von ihrer Zusammenstellung kann Avohl abgesehen werden.

Der Stadtschreiber bedurfte zu seinem Amte neben der Kunst des Schreibens gewisser geschäftlicher Fertig- keiten und der Kenntnis des Lateinischen*'^); eine juri- stische Vorbildung, d. h. Kenntnis des römischen Rechts, war wohl erst seit etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts erforderlich. Nur ausnahmsweise fand sich unter den Einwohnern die geeignete Persönlichkeit für dieses Amt ; sehr oft berief man Auswärtige. So gab es, wie wir sahen, im 14. Jahrhundert zu Grimma Stadtschreiber aus Leisnig, Chemnitz, Jena; der Freiberger Stadtschreiber Paulus Lindner (1423—1444) stammte aus Mittweida, dessen Nachfolger Heinr. Sitz aus Eisenach, Joh. Brück- mann (1485—1500), der vorher Stadtschreiber in Oschatz gewesen war, aus Grimma*^). Aus Nürnberg waren der Plauensche Stadtschreiber Eybanger (s. o.) und Mag. Johannes Schwebel, der 1472 1481 in Zittau diese Stelle bekleidete; aus Eschwege in Hessen Conradus Weilsen- bach, Stadtschreiber in Löbau, dann in Zittau (s. o.);

*2) Orig. des HStA. No. 4362.

") Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, 243. Die Stadtschreiber von Zittau seit 1319 s. bei Carpzov, Anale(*ta II, 300 f.

**■) Während desselben kommt „Statschriber" auch als Familien- name vor; so war ein Johannes Statschriber kurf. Küchenmeister und später Kauzler; Nachweise aus den Jahren 1459 1465 Cod. dipl. IL 4, 234; 6, 150, 158; 12, 215, 217. Vergl. v. Langenn, Albrecht der Beherzte S. 559. Posse, Lehre v. d. Privaturkunde S. 180L

^^) Auch die in deutscher Sprache geführten Stadtbücher lassen oft_ erkennen, dafs ihr Schreiber Latein verstand; vergl. z. B. unten Leisnig und die Freiberger Stadtbücher, in denen hin und wider lateinische Bemerkungen vorkommen.

•*«) Ho ff mann, ^Oschatz I, 438. Möller, Theatr. Freib. chron. I, 399.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 91

aus Bamberg Otto Verge, den der Eat zu Chemnitz 1498 der Stadt Roclilitz als Stadtsclireiber empfahl ^').

Meistens waren die Stadtschreiber weltlichen Stan- des; Geistliche finden wir verhältnismälsig selten mit diesem Amte betraut. Ein Beispiel ist der schon ge- nannte Zwickauer Stadtschreiber Marquard. In Rofs- wein erscheint 1449 als solcher ein Altarist Johannes Zandaw^^), in Borna 1459 ein „er" Grorge Hug, der zu- gleich Bektor des Hospitals war^^). Wenn in Leipzig die Rathauskapelle stets dem scriha oder secretarius der Stadt verliehen wird, sofern er hcneficionim capax ist^"), so scheint auch hier in älterer Zeit die Regel gewesen zu sein, dafs geistliche Personen zu Stadtschreibern ge- nommen wurden. Auch in Dresden waren bis ins 16. Jahr- hundert die Stadtschreiber meist Geistliche •'^^).

Mehrmals begegnet uns die Verbindung der Stellung eines Schulmeisters mit der Stadtschreiberstelle; deutet doch auch die fremde Herkunft vieler Stadtschreiber darauf hin, dafs sie dem wanderlustigen Stande der Scho- laren angehörten. Aus dem 14. Jahrhundert habe ich bereits zwei Beispiele angeführt: Friedrich Eybanger war zugleich Protonotar und Schulmeister in Plauen, Conrad Weilsenbach 11 Jahre lang Stadtschreiber und Rektor in Löbau, dann Locat und 1395 Stadtschreiber in Zittau''-). Mehr Belege für die Verbindung der Stadtsclu-eiber- und Schulmeisterstelle bietet das 15. Jahrhundert, allerdings nur aus kleineren Städten, da in den grölseren wohl schon damals der Stadtschreiberdienst die Kräfte des damit Betrauten voll in Anspruch nahm. So besorgte in Dahlen um 1434 der Schulmeister die Stadtschreiberei- geschäfte-5=^). In Rofswein^^) war um 1460 Nicol. Fincke zugleich Stadtschreiber und Schulmeister (archigramma- iicus et ludimoderator); auch der schon erwähnte Otto Verge bewarb sich 1498 zugleich um „das Dienst der Stadtschreiberei, Küsterei und auch der Schule". Ebenso

'*^) Knauth, Altzelle VIIT, 226.

^8) Rofsweiner Stadthucli (s. u.) I. fol. 286.

"») Bornaer Stadtlmch (s. u.) fol. 21''. 93. - 60) Urk. V. 1464. Cod dipl. II. 8, 307.

") O. Richter a. 0. S. 130.

62) vergl. Joh. Müller in dieser Ztschr. VIII, 252 f.

ß8) Nach dem Dahlener Stb. (s. u.) fol. 13 hezog der Schul- meister II Schill. Gr. von der notaria.

^) Knauth, Altzelle III, 62 flg. VIII, 139. Beyer, Altzelle S. 107.

92 Hubert Ermisch:

wird aus Altendresden ■"'■'^), Dohna-^*^), Eibenstock ^'), Frauen- stein •^^) berichtet, dals die Schulmeister zugleich als Stadt- sclu^eiber fungierten ; doch beziehen sich diese Nachrichten wohl meist auf das 16. Jahrhundert'-').

Jurist von Fach war z. B. der bekannte spätere Ordinarius und kurfürstliche Kanzler Mag. Johann Scheibe, der seine Laufbahn als Stadtschreiber in Leipzig begann. Auch der „Baccalaureus" Ulrich Haller, der 1493 flg. in Grimma dieses Amt versah'''"), ist wohl für einen gra- duierten Juristen zu halten.

Der Stadtschreiber war überall der vornehmste städtische Beamte. Er wohnte den Ratssitzungen bei, wenn er auch nicht als stimmberechtigtes Mitglied des Rats galt*^^). In der Regel wurde er nach kürzerer oder längerer Dienstzeit Ratsherr **'-), zuweilen unter Bei- behaltung seiner Funktion als Stadtschreiber*'''); ja es kommt vor, dafs er auch schon vor seiner Ernennung zum Stadtschreiber Ratsherr gewesen war***). Die Einkünfte der Stelle waren je nach der Gröfse der Stadt sehr ver-

ö5) 0. Ri eilt er a. 0. S. 130.

56) Bartsch, Dohna S. 17.

") Oettel, Eibenstock S. 259.

58) Bahn, Frauenstein S. 118 (vergl. S. 111).

58) Über Pirna vergl. diese Ztschr. IX, 197.

'^) Lorenz, Grimma S. 1205.

^1) Dafs man ihn doch in gewisser "Weise als Ratsmitglied an- sah, ergiebt sich z. B. aus einer Dresdner Urk. von 1457 Dez. 14, nacli welcher man von einer Stiftung den „drieczen personen des rats, nemlich burgermeister , ratmannen und dem statschriber" jähr- lich 5 Gr. geben soll. Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 214. Sonst er- scheint er wohl in Urkunden als Zeuge unmittelbar hinter den Rats- herren; vergl. Lorenz, Grimma S. 1205.

62) So wurden in Freiberg die früheren Stadtschreiber Barthol. Brunsdorf (1408), Joh. Prosse (1423), Paulus Lindner (1441), Casp. Ludwig (1461 flg.) Ratmannen-, vergl. die Ratslinie in Cod. dipl. Sax. reg. II, 14. Für Dresden vergl. O. Richter a. 0. S. 131.

6'') Z. B. Melchior Thiele in Grimma 1481/91; vergl. Lorenz S. 1205. Häufig in Zittau, vergl. Carpzov, Analecta I, 300 flg. Paul Lindner in Freiberg führt, nachdem er 1441 in den Rat gewählt, noch bis 1444 die Stadtbücher.

6') So waren die Freiberger Stadtschreiber Heinricus Sitz (seit 1445) in den Jahren 1442 u. 1443, Paul Weigkarth (seit 1461) in den Jahren 1460/61, Thomas Refse (seit 1468) 1465/66 Ratsmitglieder gewesen. Ein Nicolaus Friberger war notarius opidi Kempnicz im Jahre 1444 (Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, 108) ; ein gleichnamiges Rats- mitglied erscheint 1432 u. 1486, dann wieder 1451 u. 1453 (Ermisch, Die Ratsliuie der Stadt Chemnitz, in den Mitt. des Vereins f. Chemn. Gesch. 2, 136 f.).

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 93

schieden *'■''). Die Amtsdaiier der Stadtsclireiber war in der Regel eine längere. Zwar schreibt das Zwickauer Stadtreclit eine jährliche Neuwahl vor*'*^) ; doch dürfte dieselbe meist blos in der Bestätigung des bisherigen Schreibers durch den neuen Rat bestanden haben. Eine solche Bestätigung pflegte auch in Leipzig stattzufinden*^'). Wenn auch während des Mittelalters die Thätigkeit eines Stadtschreibei's in der Regel für die Geschäfts- führung ausgereicht haben mag*'^), so deutet doch das gleichzeitige Vorkommen verschiedener Hände in ein- zelnen Stadtbüchern z, B. in denen der Stadt Frei- berg — darauf hin, dals Gehilfen angenommen wurden. Dasselbe könnte man auch aus dem der landesherrlichen Kanzlei nachgebildeten Titel „Prothonotarius", der uns

ö^) Nach dem Freiberger StR. war er schofsfrei, wie andere städtische Beamte, und bezog für gewisse Aufzeichnungen im Interesse Privater, bei welchen der JRicbter seine „Urkunde" erhielt, ein be- stimmtes Schreibgeld (z. B. bei Auflassung von Immobilien, Eignung von Kistenpfänd^rn , Lossprechuug der wegen einer Geldschuld Be- klagten beim Nichterscheinen des Klägers u s. w.); sein sonstiges Honorar wird nicht angegeben. In Zwickau erhielt der Stadt- schreiber Mitte des 14. Jahrhunderts 10 Scheffel Getreide (immer der 3. Weizen, die andern Roggen), 28 Schill. Zinsen von einem Garten, 16 Ellen des besten grauen Tuchs oder dessen Wert; Sommer- kleider stehen in der Huld des Rates; ferner eine besondere Grati- fikation bei Erlieliimg des Geschosses und Honorar von den einzelnen Bürgern bei Arbeiten für dieselben (Zwickauer Statuten). In Löfs- nitz giebt man im 14. Jahrhundert den Stadtschreibern Schock Gr. und 8 Gr. „zu trancknelf adder imiß, darüber der ratli will thun" (Willkür aus der 2. Hälfte 14. Jahrb. im Löfsnitzer Stadtb. fol. 117). In Dresden erhielt der Stadtschreiber bis 1456 jährlich 6, seit 1457 jährlich 9, seit 1478 12 Schock; aufserdem hatte er ver- schiedene Nebeneinkünfte. 0. Richter a. O. S. 133. In Grimma: 1372 fünf, 1505 acht Schock; Lorenz S. 474. 1205. Wie in Zwickau der Garten, so gehörten in Oschatz zur Stadtschreiberci ein Zwinger hei dem Brüderthore (ein qunnger hie dem brüderthorc , der . . zu der statschreyherye unde zu dem dinste gehört hat 1478 Stb. fol. 97). In.. Borna wiu'deu dem Stadtschreiber Paulus Toutelouben 1442 zwei Äcker mit 8 Gr. Erbzins uff Michaelis jerlichen eynem fstadschriher czu reichen g&\iQ\xQXv\ also auch wohl eine ständige Ein- nahme der Stadtschreiberei. In Grimma gab es ein Stadtschreiber- hölzchen und eine Stadtschreiberlache , von denen in früherer Zeit wahrscheinlich der Stadtschreiber Einkünfte bezog; vergl. Lorenz 8. 210. 316. Über Pirna vergl. diese Ztschr. IX, 197.

"•') Darnach sol der schriber treten vor den (neuen) rat und mitten, ob er dem rate zu dinste vüge. Vüget iz in dcnne beidcrsif, so bestetig in der rat mit eim eide, daz er getruwe tmd gewer si an allen Sachen, di dem rate an heimlicheit oder an oß'enbarigkeit,

'") Vergl. Leiijziger Stadtbuch I.

«9) Vergl. 0. Richter a. O. S. 134.

94 Hubert Ermisch:

in Plauen begegnet (s. o.), schlielsen. Einen „Unter- stadtschreiber" neben dem, „Oberstadtschreiber" finden wir zuerst um 1470 in Leipzig *^^) ; in Dresden wui'de 1521 der erste Unterstadtsckreiber angestellt '^°; ; auch in Zwickau gab es erst seit Einfülunmg der Reformation zwei ^ßtadtschi'eiber ^^).

Über die Pflichten des Stadtschreibers spricht sich das melirfach angeführte Zwickauer Stadtrecht von 1348 folgendermalsen aus :

Der schriber ist pflichtig zu dienen, di brieve zu schriben und zu lesen und daz geschoz zu schriben und zu rechen. Der rat sol im ouch permeut und wachs geben als vil als er iz bedarf zu dem jar. Er ist auch pliichtig zu riten, wo in der rat in siner botschaft hinsendet, getruwelich zu werben, also daz der rat sol di kost tragen, di er di wile vortun mag.

Er hatte also die gesamten Kanzleigeschäfte des Rats zu besorgen, insbesondere die städtischen Urkunden und Gescholsregister zu schreiben , auch über das Ge- schols Rechnung zu führen; ferner wurde er zu Sen- dungen in auswärtigen Angelegenheiten gebraucht. Von der städtischen Buchführung ist liier nicht die Rede; aus einer andern Stelle des Stadtrechts wissen wir wenigstens, dal's..es für die Eintragung neuer Bürger „Tafeln" gab^-). Älmlich wie in Zwickau ist der Geschäftskreis des Stadtschreibers in allen anderen Städten, soweit uns Nachlichten vorliegen ^■^). In erster Linie hatte er überall die städtischen Sclireibgeschäfte zu besorgen, zu denen in der Regel auch die Niöderschrift der Kämmereirech- nungen gehörte , so dals er zuweüen zugleich als der Kassenbeamte der Stadt erschemt^*). Sonstige Neben-

^^) Meister Johann Schober (1465 Stadtschreiber, Schöffen- buch 1420/78, fol. 111'') heifst 1470 Oberstadtschreiber, Stadtb. I, fol. 78; Casp. Sckole, Uuterstadtschreiber 1472, ebenda fol. 96.

^0) 0. Kichter a. 0. S. 130.

'1) Herzog, Chronik von Zwickau I, 256.

'2) Vergl. u. S. 105 f.

73j Vergl. im AUgem. Eichhorn, Staats- und Rechtsgesch. III (5. Aufl.), 337. Für Dresden: 0. Richter a. 0. I, 130. Grimma: Lorenz 1204 f. u. a.

''*) In Borna wurde der frühere Stadtschreiber Jacob Lindner, der in den Rat gewählt worden war, aus demselben wieder ausge- stofsen, weil er nicht die richtige „Rechenung" seinem Nachfolger überantwortet hatte: Stadtb. 1434, fol. 24. IJagegen scheidet ein Aufsatz des Pegauer Stadtschreibers Lorenz Lekener von 1455 streng die Buchführung und die Kassenführung von einander; zwar habe der Stadtschreiber ,czu schribene alles daz die kammerere dacz jare obir haben yngenommen unde ufsgegeben", sei aber nicht der

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 95

gescliäfte, die ihm wohl übertragen wiirdeD , brauchen wir hier nicht weiter zu erwähnen.

Bei den engen Beziehungen, die zwischen Stadtgericht und Eat bestanden, kann es nicht Wunder nehmen, wenn der Stadtschreiber meist zugleich als Gerichtsschreiber diente''). Dals das Freiberger Stadtrecht ausschlielslich diese seine Thätigkeit berücksichtigt, erwähnten wii- be- reits; gerade in Freiberg wurde es allerdings später an- ders , denn die erst seit 1464 erhaltenen Gerichtsbücher sind nicht von der Hand des Stadtschreibers , sondern von der des Stadtvogts geführt Dagegen w^ar in Dres- den'^"), Grimma'"), Torgau '^) und wohl überall in den kleineren Städten '**) der Stadtschi^eiber zugleich Gerichts-

Kassenfühier : „sunder eyn statschriber der ist eyn anschriber unde eyn leser unde nicht eyn nemer noch eyn ulsgeber". Vergl. F. Bech im Programm des Zeitzer Gymnas. von 1879 8. 1. 4. in Dresden wui'de erst 1478 die Führung der Rechnungen dem Stadtschreiber übertragen: Richter a. Ü. S. 130. Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dafe sich gerade die Stadtrechnungen in unseren Landen sehr trümmerhaft eriialten haben, teilweise weil sie vielfach auf Wachstafeln geführt wurden, die man nicht dauernd aufbewahrte, sondern wiederholt benutzte, teils weil sie als „unlesbar" der Ver- nichtungswut früherer Jahrhunderte und des unsrigen vielfach zuerst zum Opfer fielen. Die ältesten sind die sehr zahlreichen Dresdner Rechnungen, die mit dem Jahre 1370 beginnen (im Ratsarchiv, das auch einige Wachstafelrechnungen 1437—1456 enthält). Sonst habe ich nur in Pegau Rechnungen gefunden, die noch ins 14. Jahrhun- dertzurückreichen (1399, 1413, 1437, 1442 flg.; jetzt im Hauptstaats- archiv zu Dresden). Die Leipziger Stadtrechuungen beginnen, ab- gesehen von den aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammenden Wachstafeln in Schulpforta, der Kgl. Bibl. zu Dresden, der Stadt- bibliothek und der Sammlung der Deutschen Gesellschait zu Leipzig (Cod. dipl. Sax. reg. IE. 8, 77. 80. Corssen, Neue Mitt. X, 1, 145. Falkenstein, Beschreib, der k. ö. Bibl. zu Dresden S. 378), erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ferner fanden sich Stadtrech- nungen des 15. Jahrhunderts in Löbau (1470, 1497 flg.), in Löfsnitz a428flg.), in Mittweida (1453, 1472), in Meifsen (1460 flg.), in Oschatz (1477; vergl. Ho ff mann, Beschreibung von Oschatz 1, 420. 440) und in Pirna (1479, 1490, 1503 flg., vergl. R. Hof mann in dieser Ztschr. IX, 185 flg.); aus Crimmitschauer Stadtrechnimgen 1488 flg. enthält Auszüge das Aktenstück des HStA. Loc. 8454 Beweisuug des Rates zu Crimmitschau fol. 403.

'"^) Über die Stellung der Gerichtsschreiber, vergl. das Rechts- buch nach Distinct. III, 1 d. 4,

■'*') Er erhielt hier 1444 für einen Gerichtsbrief 4 Gr. Stadtb, 1437 flg., fol. 24.

") Lorenz, Grimma S. 1212.

'8) Knabe, Gesch. der Stadt Torgau (1880) S. 22.

■"*) Z. B. in Schneeberg, vergl. Meltzer, Chronik v. Schuee- berg S. 432 flg., Fraukenberg, vergl. Bahn S. 256. Dafe es auch

96 Hubert Erniisch:

Schreiber. In Leipzig beschlols im Jalire 1472 der Kat wegen der mannigfachen Übelstände, zu denen die Ver- einigung der Ämter des Rats- und Schöflfenschreibers Anlals gegeben hatte:

das hinfur dii sclireybereyeu sollen geteilet sein, also das der rat hinfurder halten und haben [soll], der dem rate gewertig und anders nicht denn des rats gescheute warten und noch befehill der bawemeister des rats inname und ufsgabe, ouch was sust von rats wegen not were beschreiben solte, den solt der rat allenthalben also vor und also einen sta^lschreiber halten und im seinen gewonlichen jarsolt geben; so selten die scheppen auch ires ampts zu geborlicher zeit wartten und yren ejgen Schreiber haben , den wolt der rat dem scheppenstull zu gut alle jar L aide fso. geben, doch also das er dem rate, den personeu des rats also eyn syudicus und [in] latinischen Sachen, wo sein not were, gewertig und dinstlich were ^).

Nur eine Seite der Thätigkeit des Stadtsclireibers, über dessen Stellung ich mich etwas eingehender aus- gesprochen habe als vielleicht für den Zweck dieses Auf- satzes erforderlich gewesen wäre, mteressiert uns hier näher, die Fülu'ung der „Stadtbücher" bez. der „G-e- richtsbücher".

Unsere Vorfahren waren bekanntlich nichts weniger als schreibselig und gaben sowohl bei Verwaltungs- geschäften als vor Gericht der Mündlichkeit entschieden den Vorzug. Wenn es namentlich in unsern Gegen- den — verhältnismälsig nur selten zu einer eigentlichen Codification des geltenden Rechts gekommen ist, so war dieses nicht sowohl eine Folge des Mangels an geeigneten Persönlichkeiten für eine solche Arbeit, als davon, dals man ein Bedürfnis nach derselben nicht empfand ; nur das galt als Recht, was im Bewulstsein und in der Erinne- rung der Genossen eines Rechtskreises lebte, und die Ge- richtsverfassung, welche den Richter überall auf die Mit- wirkung einer Anzahl dieser Rechtsgenossen anwies, sorgte dafür, dals aus dieser Quelle fort und fort „geschöpft wurde und dals es also auch an beständiger Übung des

in Pegau so war, ergiebt sich aus Einträgen iu den dortigen Ge- richtsbüchern, s. u. Ebenso hatte der Stadtschreiber in Mittweida die üerichtsbücher zu führen, s. u. In Oschatz erscheint im 15. Jahrhundert der merkwürdige Familienname „Gerichtschreiber" (Hoff mann I, 201).

"'^j Cod. dipl. Sax. reg. II, 8, 386. Eine wohl noch aus dem 15. Jahrhundert stammenile Geschäftsordnung für ihn bei Tb. Distel, Beiträge zur älteren Verfassungsgesch. des Leipz. Schöffenstuhls: Zeitschr. der Savigny- Stiftung für Kechtsgesch. Germ. Abt. YII, 112 f. Vergl. ebenda S. 96, N. 3.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 97

Gedächtnisses nicht fehlte. Gelang es den Schöffen nicht, im eiuzehien Falle über das, was Rechtens war, zu völliger Klarheit zu kommen, oder wurde ihr Urteil gescholten, so wandte man sich entweder an den ßat der eigenen Stadt ^^) oder meist da eben das Schöffen- kolleg sich in der Eegel aus dem ßat zusammensetzte, sogar nicht selten mit ihm identisch war an benach- barte oder durch gleiche Rechtsverhältnisse verwandte Städte mit der Bitte um Belehrung. Hie und da wurden solche Rechtsbelehrungen zu Sammlungen vereinigt^-); man hatte dabei vielleicht weniger die Absicht, ein ge- schriebenes Recht zu schaffen, als im Wiederholungsfalle die Unbequemlichkeiten und Kosten der Urtelholung zu sparen.

Selbst die fundamentalen Rechte einer Stadt, auf denen sich ihre gesamte Verfassung und Verwaltung auf- baute, lebten vielfach nur in der mündlichen Tradition. So führt eine Urkunde von 1241 Aug. 8 das jus an, quod considibus Vribergensis ojndi in prima constructione sui concessum fuit^'^)\ doch ist eine Beurkundung dieses Rechts nicht nachzuweisen, hat wohl nie stattgefunden. Seit dem 13. Jahrhundert legte man freüich auf Ver- briefung der Privilegien immer mehr Gewicht. Allein zu einer Vereinigung dieser Privilegien, die in der Regel nicht sehr zahlreich waren und im Archiv der Stadt sicher geborgen lagen, zu Privilegienbüchern oder Kartu- larien scheint man während des Mittelalters nur selten das Bedürfnis empfunden zu haben ^^).

81) So stets während des Mittelalters in Freiberg (Cod. dipl, Sax. reg. II. 13, XXXIlIf.); ferner in Zwickau: Wa dri scheppfen kiesen, daz einer ivider si ist amme rechten zu sprechen, oder zivene gegen zivein sich ziveigen, durch des loillen, daz einer den andern nicht vordenke, so ziehen si sich mit eren in den rat und in daz buech, waz in daz recht darinne sait, dabi stillen si bliben (Zwickauer Stadtrecht). Von auswältigen Städten vergl. z B. Dort- mund (Fr eusdor ff, Dortmunder Statuten und Urteile S. LXIX).

■^^j Vergl unten Mittweida. Gröfsere Schößenspruchsainmluugen giebt es ferner in Dresden (.vergl. Wassei'sclileben, Sanind. deutscher Rechtsriuellen I, XI flg. Richter, Verfassungsgesch. der Stadt Dr. S. 255 f ), in Zwickau (vergl. Herzog in v. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch. III, 346).

83) Cod. dipl. Sax. reg. II. 12, 10.

8*) Beispiele s u. Mittweida, Plauen. Etwas häuhger kam es im 16. Jahihundert zu derartigen Kodifikationen; vergl. das Kote Buch zu Chemnitz (Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, XI), die Privilegien- Sammlungen in den ßatsarchiven zu Ireiberg, Dresden u. a.

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 1. 2. '

98 Hubert Ermisch:

Aber kam es in unsern Gegenden auch selten zu solchen Kodifikationen, die man anderwärts als „Stadt- bücher" bezeichnete^'^), so mulste doch schon sehr früh die Entwickelung der städtischen Selbstverwaltung- zu Aufzeichnungen anderer Art nötigen. Es lag im Begriffe der mittelalterlichen Stadt, dals die Stadtbehörde, der ßat, das Recht hatte, bindende Verordnungen in städtischen Angelegenheiten zu erlassen, und eine weitgehende Polizei- gewalt besals, ohne welche jenes Recht unwirksam ge- wesen wäre. Solche Ratsbeschlüsse (Willküren, Ord- nungen) aber, welche ein neues Recht schufen, das sich erst im Bewulstsein der Mitbürger einleben mulste, be- durften umsomehr der Aufzeichnung, als die Besetzung des Rates in der Regel jährlich wechselte. Zuweüen wählte man für diese schriftliche Fixierung von Willküren die Form der Urkunde; allein bequemer war es, die be- treffenden Ratsbeschlüsse in ein dafür bestimmtes Buch offiziellen Charakters einzutragen^'').

Die Stadtbücher dienten ferner den mannigfachsten Verwaltungszwecken. An einigen Orten finden wir sie in Gebrauch als Bürger- und Ratsmatrikel. Im Zwickauer Stadtrecht heilst es : Den tag, als ein man burger wirt, sol der schriber schriben in der stat taveln, durch daz man der jarzal ich vergezze". Dem entsprechend enthält z. B. das älteste Freiberger Stadtbuch genaue Einträge über die Aufnahme von Bürgern, wie auch die jährlich wechselnden Personen des Rates; im Jahre 1404 wurde eine besondere „Matricula civitatis" hauptsächlich für diesen Zweck angelegt^'). Auch das Altdresdner Stadtbuch (1412) hat eine Rubrik für Neuaufnahmen ^^) ; das Stadt- buch von Plauen enthält Einwohnerverzeichnisse von 1388 und 1456 ; in Kamenz wurden seit 1483 die neuen Bürger in das Stadtbuch eingetragen.

Zahlreiche Niederschriften beziehen sich auf die Ver- mögensverwaltung der Stadt. Vermerke über Käufe und Verkäufe von Grundstücken, über Anleihen, die der Rat macht, sowie über von ihm ausgeliehene Kapitalien, Wieder- kaufs- und Leibrentenverschreibungen , Notizen über die

86) Vergl. Homeyer a. 0. S. 13 %.

86j Vergl. z. ß. unten Colditz, Crimmitschau, Frauenstein, Grimma u. s. w.

") Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. U, 14.

88) Über solche Verzeichnisse in einem Weimarer Stb. s. Mi- ch eisen Rechtsdenkmäler S. 262 flg.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 99

Verwaltung ihm depositarisch anvertrauter Gelder (von Kirchen. Altären und anderen Stiftungen, häufig auch von Unmündigen), Verträge der mannigfachsten Art, die für die Stadtkasse von Bedeutung waren, wie Dienst-, Arbeits-, Lieferungsverträge u. s. w., mulsten durch Nieder- schrift der Vergessenheit entzogen werden. Hierher ge- hören aucli die für die Ermittelung der mittelalterlichen Einwohnerzahlen so wichtigen Gescholsregister, die manch- mal den Stadtbüchern inseriert sind ^^) , während sie in der Regel, ebenso wie die Kämmereirechnungen, beson- ders gefüln't werden.

Zu anderen Aufzeichnungen gab die Polizeigewalt, die der Rat ausübte, Veranlassung. Da wurden verhängte Strafen notiert, damit der Betreffende sich der Leistung, zu welcher er sich etwa hatte verpflichten müssen, nicht entziehen könne; Verfestungen ^'^) , Stadtverweisungen und Urfehden wurden eingetragen; auch wenn der Rat Gnade für Recht hatte ergehen lassen, wurde dies be- merkt, damit im etwaigen Wiederholungsfalle eine schärfere Bestrafung eintrete oder aus anderen Gründen.

Aber alle diese Vermerke, zu denen oft noch Notizen über alle möglichen dem jeweiligen Stadtschreiber denk- würdig erscheinenden Dinge hinzukamen ^^) , bilden doch nur ausnahmsweise den Hauptinhalt der Stadtbücher. Besondere Wichtigkeit gewannen sie dadurch, dals sie auch Aufzeichnungen über die Privatangelegenheiten der Bürger aufnahmen.

Es hängt dies bekanntlich mit der Entwickelung des Beweisverfahrens im mittelalterlichen Prozesse zusannnen. Neben den Beweis durch den Eid der Partei mit oder ohne Zeugen trat schon früh als eine wesentliche Ver- einfachung des Verfahrens der Beweis durch Gerichts- zeugnis: das Zeugnis des Richters mit oder ohne einer gewissen Anzahl von Beisitzern galt als beweisend für das, was vor ihm, sei es im gehegten Dnige, sei es aulser- halb" desselben, verlautbart worden war, bez. für die Richtigkeit der als Schluisfolgerung aus dem gerichtliclicn Verfahi'en gezogenen Parteibehauptung"-). Es nnilste

89| Vergl. unten Chemnitz, Crimmitschau, Löfsnitz (II).

"") Auf diese, über die es hie und da, z. B. in Freiberft', lie- sondere Bücher gab, Averde ich bei anderer (ielegenheit näher eingehen.

"1) Vergl. z. B. unten Borna, Frauenstein.

«2) Vergl. Freiberger Stadtrecht Kap. XIII. Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter II, 167 flg.

100 Hubert Ermisch:

dies notwendig dahin führen, dafs man immer mehr dem gerichtlichen Abschlüsse von Rechtsgeschäften aller Art den Vorzug gab vor blols privaten Abmachungen ^^).^_ Ja bei einzelnen Rechtsgeschäften, namentlich der Über- lassung von Immobilien, hing die Rechtsgiltigkeit geradezu von der Vornahme im ordentlichen Gerichte ab^"^). War dieses ordentliche Gericht zunächst das echte Ding, so trat für die Städte, entsprechend dem allgemeinen Verlauf ihrer rechtlichen Entwickelung, an dessen Stelle das Stadtgericht, und sowohl die Auflassungen als auch die sonstigen Rechtsgeschäfte fanden nunmehr vor diesem statt. Bei dem engen Zusammenhange zwischen Rat und Ge- richt ist es ferner begreiflich, dals vielfach ersterem eine gleiche Autorität wie letzterem beigemessen wurde, dals das Zeugnis des Rates ebensoviel galt als das des Gerichts und dals es mithin oft in das Belieben der Parteien ge- stellt war, ob sie ihre Verlautbarungen vor dem Rate oder vor dem Gerichte oder, was auch vorkam, an beiden Stellen machen wollten.

Gab man wohl dem Richter, vor welchem ein Rechts- geschäft vorgenommen wurde, eine Gebühr sie heilst im Freiberger Recht „Urkunde" , damit er „der Sache ge- denke" ^■^), so mulste man doch schon früh das Gedächtnis durch die Schrift unterstützen. Man stellte Urkunden aus, deren Bestimmung zunächst allerdings nur die war, zum mündlichen Zeugnis zu verhelfen, indem sie die Einzel- heiten des Vorgangs in die Erinnerung der darin genannten Zeugen zurückriefen, die aber allmählich zu vollgiltigen Beweismitteln wurden. Wurden diese Urkunden von den Gerichten ausgestellt, so waren es sogenannte Schöffen- oder Gerichtsbriefe ; in unsern Landen scheinen dieselben ziemlich spät in Gebrauch gekommen zu sein^*'). Aber auch die Verwaltungsbehörde der Stadt beurkundete in verschiedener Weise die vor ihr kundgegebenen Rechts- geschäfte. Schon dadurch konnte eine solche Beurkun- dung erfolgen, dafs der Rat an die von dem betreffenden

93) Planck II, 176 flg. Homeyer S. 15 flg.

^*) Sachs. Landrecht I, 52 § 1 : Ane erven gelof unde ane echte ding ne mut nieman sin egen noch sine lüde geven. Vergl. Stohbe, Privatrecht II, 19().

8'*) Vergl. Frb. Stadtr. Kap. I, § 35, 37. XIII, § 3. XXIII, § 20. XXXV. Planck I, 332.

9«) Beispiele aus Dresden Cod. dipl. Sax. reg. IL 5, 227 (1461), aus Chemnitz ib. IL 6, 210 (1472), aus Preiberg ib. IL 12, 133 (1420) u. ö. Vergl. Planck n, 196 flg.

Die Sachs. Stadtbüclier des Mittelalters. 101

Privatmanne ausgestellte Urkunde sein Siegel hängen liels^'); es kann nicht autfallen, wenn in solchen Urkun- den unter den Zeugen entweder der gesamte Rat**^) oder doch einzelne Mitglieder desselben ^^) aufgeführt werden. Ein weiterer Schritt war es, wenn der Rat seinerseits über den Vorgang eine Urkunde ausstellte; seit dem Ende des 13. Jahrhunderts kam dies sehr häufig vor^"").

Allein diese Ausstellung von Schöffenbriefen und Ratsurkunden blieb immer nur Ausnahme; es ist zu be- achten, dals die Mehi'zahl der uns erhaltenen Dokumente

9'') So liängt z. B. der Freiberger Rat sein Siegel an die Ur- kunden des Vogts Heinrich nnd des Ripertus für das Hospital da- selbst von 1227 und 1230 (Cod. dipl. Sax. reg. II. 12, 5. 9), der Leipziger Rat an eine Urkunde von 1301 über eine vor Zeugen ge- machte Verabredung zwischen dem Propst des Thoraasklosters Albert, Simon von Weyda und Heinrich von Threna wegen einer dem Klo- ster eigentümlich gehörenden Hufe (ebenda IL 9, 42) u. s w.

8*) et qui XXmior dicuntur de civitate: a. O. IL 12, 7.

8^) So sind wohl mehrere unter den Zeugen der oben ange- führten Urkunde von 1230 (a. 0. IL 12, 9) für Ratsmitglieder zu halten.

^<"') Einige Beispiele aus der Zeit bis 1350 mögen genügen. So beurkundet der Rat zu Leipzig 1294 Juni 30 einen Vergleich zwischen dem Thomaskloster und dem Sohne des Angermüllers, 1301 die vor ihm erfolgte Auflassung von Äckern, welcbe Johann der Sohn Walthers des Kramers dem Thomaskloster verkauft hatte, 1304 die in nostro consistorio et coram judice et scabinis erfolgte Ver- zichtleistung der Witwe (xertrud auf gewisse dem Thomaskloster über- lassene Güter (Cod. dipl. Sax. reg. IL 9, 30. 43. 46) •, ferner der Rat zu Freiberg 1300 eine auf den Todesfall gemachte Schenkung des Sifridus Topper an das Kloster Altzelle, 1309 die Schenkung von Zinsen und Zehnten an das Hospital und die Begine Aluscha durch Theodericus den Sohn des Kunico, 1318 Febr. 24 die letztwilligen Verfügungen des Heineman Emmerich, 1343 Febr. 18 die Verziclit- leistung der Erben des Theodericus de Hotanne {ad nostrum venere •presenciam) auf ein Grundstück zu Gunsten des Weban zu St. Bar- tholomäi Friczko (a. 0. 12, 42. A^. 51. 67). Der Rat zu Dresden beurkundet 1328 Febr. 10, dafs die Brüder Heinzelin und Konrad Grosse (venientes ad nostram presentiam) sich für sich und die Nachbesitzer eines Weinbergs zu Kötzschenbroda nomine testamenti zur Abgabe von je Va Eimer^^Wein an drei Klöster verpflichtet haben; Erbvogt und Rat zu Pirna beurkunden 1299 Sept. 8(lie Überweisung eines jährlichen Zinses von einem Gai'ten durcli Hugo den Sohn des Johannes Schneider (in nostra constitutus prescntia) an die Pfarre zur Stiftung einer ewigen Messe (a. 0. 5, 288. 333), der Rat zu Chemnitz die Stiftung eines Seelbades (a. 0. 6, 0) , der Rat zu Kamenz eine Sclienkung von Zinsen auf den Todesfall dnrcli den Pfarrer Philipp zu Krostitz und ilossen Mutter (cofixtituti coraui nobis) an das Kloster Marienstern, der Rat zu Löbau die Schenkung eines Waldes bei Cunewalde (in facie nostri judicis et coram nostro judicio) au das Franziskauerkloster (a. 0. 7, 9. 227).

102 Hubert Ermisch:

dieser Art Klöster und geistliche Stiftungen betrifft, die ja stets besonders eifrig darauf bedacht waren sich ihre Rechte verbriefen zu lassen, während verhältnismälsig wenige blolse Privatinteressen berühren. Allerdings hängt dies wohl nicht allein damit zusammen, dals Privatpersonen seltener die mit anderen abgeschlossenen Verträge oder einseitige Willensäuiserungen förmlich l)eurkunden liefsen, sondern vielleicht noch mehr damit, dais die betreffenden Urkunden aus dem Privatbesitz sehr leicht verloren gehen konnten. Dieser Umstand und wohl auch der, dais die Echtheit einer in den Händen eines Privatmannes befind- lichen Urkunde leicht in Zweifel gezogen werden konnte, führte schon früh zu einem anderen Verfahren. Man liels gleichzeitig mit der Verhandlung oder bald nach derselben durch den vereidigten Stadt- bez. Gerichts- schreiber unter Aufsicht der Behörde eine offizielle Nieder- schrift über den Vorgang abfassen, die man an Amtsstelle sorgfältig aufbewahrte. Auch diese Niederschrift sollte zunächst nur dazu dienen, dem Richter oder den Rats- mitgliedern, die unter Umständen Zeugnis über den Vor- gang ablegen mulsten, die Einzelheiten desselben ins Gedächtnis zurückzurufen; nach und nach erhielt sie selbständige Beweiskraft. Erfolgten anfangs diese Nieder- schriften vielleicht vielfach auf einzelnen Zetteln, so führte das Bedürfnis doch schon früh zur Anlegung von Büchern, die alle derartigen Aufzeichnungen zu vereinigen hatten ^'^^). Dies ungefähr war der Entwicklungsgang, der wie anderwärts so auch in unsern Landen seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zur Anlegung von Stadt- und Gerichts - büchern führte. Der Inhalt weitaus der meisten beweist, dais ihre praktische Bedeutung hauptsächlich nach der privatrechtlichen Seite hin zu suchen ist. Als Gerichts- handelbücher oder unter ähnlichen Bezeichnungen haben sie sich bis zu den Organisationen der Neuzeit erhalten; letztere haben ihnen in mancher Hinsicht den Boden ent- zogen, in anderer aber eine weitere Ausbildung gegeben : wir haben in den alten Stadt- und Gerichtsbüchern die Vorläufer unserer heutigen Grund- und Hypothekenbücher zu sehen.

101) Vergl. Homeyer S. flg. Stobbe, Eechtsquellen I, 494. Planck, Gerichtsverfassung II, 199 flg. Siegel, Deutsche Rechts- gesch. S. 68 flg. u. a.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 103

Nicht überall kann man Stadtbücher und Gerichts- biicher genau unterscheiden. Die Stadtbücher geben Aus- kunft über das, was vor dem Rate, die Gerichtsbücher über das, was vor Gericht verhandelt worden. Ob es in einer Stadt sowohl Stadt- als Gerichtsbücher gab oder ob ein und dasselbe Buch beiden Zwecken diente, hing lediglich von der städtischen Verfassung und dem Ver- hältnis zwischen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden ab; wo beide identisch sind, wie z. B. in Geising, Königstein, Thum, gab es gewöhnlich nur ein Buch für die gericht- lichen und aulsergerichtlichen Angelegenheiten des Kolle- giums^'^-). Aber auch in anderen kleinen Städten, wo zwar an der Spitze der Verwaltungsbehörde kein Richter, sondern ein Bürgermeister stand, das Schöffenkolleg sich aber mit dem Rate entweder völlig deckte, so dafs es blos der Hegung des Dinges bedurfte, um aus der Rats- versammlung eine Gerichtsversammlung zu machen, oder die Schöffen doch sämtlich oder gröMenteils aus dem Rate entnommen waren, und Rat und Gericht fortwährend in enger Beziehung zu einander blieben, genügte oft ein Buch für beide Zwecke; so in Altendresden, Crim- mitschau (wo allerdings gegen Ende des 15. Jahrhun- derts das Gericht noch ein „Gegenbuch" führte), Dahlen, Lommatzsch, Lölsnitz, Pirna, Roiswein , in älterer Zeit auch in Oschatz. Man könnte ein solches Buch passend Stadt- und Gerichtsbuch nennen. Dagegen drängte in gröfseren Städten , wo sich die Geschäftskreise des Ge- richts und des Rates nicht so nahe berülu^ten, wenngleich auch hier das Schöffenkolleg sich vielfach ganz oder teil- weise aus dem Rate rekrutierte, schon das Bedürfnis zu einer getrennten Buchführung^"^). Erhalten haben sich

"*2) Dasselbe war bei Dorfgemeinden der Fall. Dorfgerichts- bücher scheinen sich nur in sehr geringer Zahl erhalten zu haben; mir sind gelegentlich bekannt geworden das 1491 angelegte (ierichts- buch des späteren Städtchens Aue (im dortigen Ratsarchiv), das Ge- richts- oder Schöppenbuch von Wiesa l)ei Annaberg (im HStA. Loc. 9924), das zwar erst 1510 angelegt wurde, aber Auszüge aus einem älteren Schüft'enbuch von 1478 au enthält, und ein elicufalls ins In. Jahrhundert zurückreichendes Gerichtsbuch von Ortmaunsdorf (im gräil. Solmsschen Archiv zu Wildenfels). Den Hauptinhalt auch dieser Bücher bilden Verlautbarungen über Privatgeschäfte.

1*"") In Magdeburg kam es Ende des 13. Jahrliunderts zu einem ernstlichen Streit zwischen dem Schöifenkolleg uud dem Rate wegen Führung und Aufbewahrung der städtischen Bücher. Vergl. Hö- rn eye r S. 26. .Ja nicke, Mitteil, aus der Magdeb. Schüft'enchrouik S. 12 flg., 44 flg. B e h r e n d , Stendaler UrtelbucL S. 3. Planck, H, 201.

104 Hubert Ermisch:

sowohl Stadt- als Gerichtsbücher nur in Chemnitz, Grimma und Leipzig; neben den erhaltenen Stadtbüchern hat es nachweislicli noch Gerichtsbücher gegeben in Dresden, Leisnig, Mittweida, Oschatz, zweifellos auch in Borna, Colditz und Plauen, während in Pegau sich nur die Gerichtsbücher, nicht die Stadtbücher erhalten haben. Aufser den Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn wir uns dieses modernen Ausdrucks bedienen wollen, wurden auch Verhandlungen in streitigen Sachen die natürlich nur vor Gericht stattfinden konnten nieder- geschrieben^'^^). Der Umstand, dais die genaue Beobach- tung der herkömmlichen Formen im mittelalterlichen Pro- zesse vielfach entscheidend für den Ausgang des Rechts- streits war, verlieh dem Gerichtszeugnis über die einzelnen Momente der Streitverhandlung eine zu grofse Wichtig- keit, als dafs man dasselbe lediglich von dem Erinnerungs- vermögen des Richters abhängig machen konnte. Aber in der Regel waren diese Aufzeichnungen, etwa abgesehen von denjenigen über das Endresultat des Rechtsstreits, nicht von so dauernder Bedeutung, als diejenigen über den Abschluls von Rechtsgeschäften; sobald der Prozeis rechtsgiltig beendet war, verloren die meisten ihr Interesse. Man schrieb sie daher vielleicht auch in späterer Zeit vielfach auf Zettel oder Wachstafeln ; und wo es Bücher für sie gab, da wurden diese nicht so sorgfältig aufbe- wahrt, wie die eigentlichen Stadt- und Gerichtsbücher. Daraus erklärt sich wohl, dafs solche Niederschriften, die man im Gegensatz zu den Gerichtsbüchern als Gerichts- register bezeichnen könnte, nur ausnahmsweise sich erhalten haben ; sie haben meines Wissens in der rechts- geschichtlichen Litteratur bisher noch wenig Beachtung gefunden, und doch verdienen sie solche gewifs in hohem Grade, weil sie als unmittelbare Produkte des täglichen Gerichtslebens das sprechendste Zeugnis für dasselbe ab- legen. Ich habe solche Gerichtsregister nur in Löbau, Lölsnitz (wo sie zugleich Akte der freiwilligen Gerichts- barkeit enthalten), Pegau und Roiswein gefmiden^*''^). Ihren

10*) Planck II, 201.

lO''^) Dafs es aber auch in anderen Städten derartige Bücher gegeben hat, beweisen manche Einträge, Vergl. z. ß. folgende Notiz (des 16. Jahrhunderts) auf dem Vorsatzblatte des Mittweidaer Stb. II: „Item II gr. pfleget man von eyner clage, wen die von Worten ins gerichtsbuch verzeichent wirt, zcu gebin, den schepen eynen und

Die Sachs. Stadtbücher des ^littelalters. 105

Inhalt bilden zum weitaus grölsten Teil die im Dinge vorgebrachten Klagen, wobei jedesmal bemerkt ist, die Avievielte Klage es ist, zuweilen auch, ob der Beklagte erschienen ist oder nicht; ferner finden sich Vermerke über die Ladung, die Antwort des Beklagten, die ein- zelnen Momente der BeAveisaufnahme , die verschiedenen im Laufe des Rechtsstreits von den Schöifen gefundenen Urteile, über Vollmachtserteilung, Bestellung gericht- licher Vormünder, Fristgewährung, Leistungsversprechen, Vollstreckungsbefehle, Zuerkenntnis von Bulse und Wette u. dergl. m. Auch die Achtbücher, die schon oben (S. 99) kurz erwähnt Avurden , kann man in gewissem Sinne zu diesen Gerichtsregistern zählen.

Die gewöhnlichste Bezeichnung für die Bücher, welche über Verlautbarungen vor dem Rate bez. die Thätigkeit des Rates überhaupt Auskunft gaben, war sfathiicJi , der sfat buch, liher civitatis (Mittweida) , re- gistrum civitatis (Freiberg) , auch ratshuch (Leipzig, Pegau), womit gleichbedeutend ist der hurger hiidi^^^^) (Lommatzsch) , liher civium (Leipzig). In Grimma ist das älteste Gerichtsbuch als cartula nostri opidi bezeichnet. In Leisnig findet sich der seltsame Ausdruck rapula- rium^^'') [oder rapidarius] ad recordacionem causariim in consilio tractancium. Das gericlitshnch (Dahlen, Mitt- weida, Pegau, Timm; richterhnch.: Roiswein II) heilst oft auch scheffenhuch (Chemnitz II, Grimma II, Leipzig, Mittweida, Thum), auch wohl Gerichts- und Schöffenbucli (Timm) oder Stadtschöffenbuch (Lommatzsch); in Pegau rcgistrum judicis oder jiidicii, Gerichtsregister.

Unterschieden werden wiederholt von den Büchern die „Tafeln" ^*'^). Man hat unter denselben vermutlich Wachst afein zu verstehen, die man in älterer Zeit wohl hie und da zu solchen Aufzeichnungen benutzte, wie sie

dem statschreiber eyneii, die borger seiu. Aber die frera])den gibt eyner IUI gr. Defsgleichen ptlegt man vou eym urtel, wen das ins geiichtsbuch vorschribeii wirt, zu geben."

io6j Vergl. den Ausdruck „der burger brif" für die Anfzeich- nuDgeu über Verzäblungeu (Verfestungen) in I^'reiberg. Freiberger Stadtrecbt Kap. XXVI u. ö.

107-) Vergl. Dieffenbach Glossar. Lat-Germ. S. 484: ci/n buch von mancherley dingen. S. a. Ducange (ed. Hentschel) s. v. rapiarins.

108) Vergl. Rechtsbucli nach Dist. (ed. Ortloff) IV, 47 d. 8: „Leget man dy kuntscbaft in dv taffcin adder in daz buch." Frei- berger Bergrecht B § 42 (Cod. dipl. Sax. reg. II. 13, 299): „Eyncs bergmeysters tafel noch buch".

106 Hubert Ermisch:

sonst die Stadtbücher enthielten ^^^) ; in der Regel werden sie aber nur zu Konzepten gedient haben, da das ver- gängliche Material sich doch recht wenig zu Aufzeich- nungen eignete, die längere Geltung haben sollten. Solche Konzeptaufzeichnungen gingen wohl häufig den Ein- tragungen im eigentlichen Stadtbuch voraus; denn diese letzteren machen nicht selten mehr den Eindruck von Reinschriften als von Originaleinträgen ; vergl. z. B. das Memorialbuch der Stadt Chemnitz, die ersten Seiten des Colditzer Stadtbuchs ^^''). Freilich kommt das zuweilen auch daher, dals man in ein neu angelegtes Stadtbuch eine Anzahl von Einträgen der älteren hinüber nahm (Chemnitzer Schöffenbuch, Wiesaer Gerichtsbuch siehe oben S. 103 Anm.), Es ist wohl nicht zufällig, wenn dies gerade bei Verfestungsbüchern (Freiberger Verzähl- buch, Chemnitzer Achtbuch) öfters vorkommt : man hatte das Bestreben, diese für einzelne Bürger kompromittie- renden Aktenstücke baldmöglichst zu vernichten, wenn die betreffenden Vergehen gesühnt waren oder die Einträge sonst ihre praktische Bedeutung verloren hatten, nahm daher die noch nicht erledigten Sachen in ein neu an- gelegtes Buch hinüber, um dann das alte kassieren zu können; daraus mag es sich auch erklären, dafs so wenig derartige Bücher sich erhalten haben. Einer Übertragung von einem Buch in das andere gedenkt eine alte Leip- ziger Schöffenordnung; dieselbe unterscheidet von den „Gerichts- und Schöppenbüchern" das „Jahrbuch Dona- tionem genannt" und von diesem wiederum das „pirgame- nen Buch", in das, wie es scheint, nur einmal jährlich die Einträge zu bcAvirken waren ^^^).

Was die Zeit des Aufkommens der Stadtbücher in unsern Landen anlangt, so ist meines Wissens die älteste Nachricht über sie aus Leipzig überliefert, wo schon 1292 ein Über civium genannt wird (s. u.). Das Freiberger Stadtrecht gedenkt mehrfach der vom Stadtschreiber vor-

109) Yergl. der stad tavel unde register. Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, 27. Ein auswärtiges Beispiel bietet Jauer; vergl. Zeitschrift des Vereins f. schles. Gesch. IX, 95.

110) Vergl. für Halle Hertel, Die hallischen Schöffenbücher I, XX flg.

^^^) Item die scheppen sollen alle jar in vorenderung des rich- ters das jarbuch donationem genant besichtigen und vleissig ohne Verzug in das pirgamenenbuch schreiben lassen. Distel, Der Leip- ziger Schöppenstnhl, in der Zeitschr. der Savigny-Stiftung f. ßechts- gesch. Germ. -Abt. VII, 24.

Die säclis. Stadtbücher des Mittelalters 107

zunehmenden Einträ,2:e^^^); ein eigentliches Stadtbuch wird zwar nicht erwähnt, doch ist kaum zu bezw^ifehi, da(s es zur Zeitder Kodifikation des Stadtrechts (um 1300) ein solches bereits gegeben hat; vielleicht hatte es aber noch nicht Buchform, sondern bestand aus einzelnen Blättern, wie auch der Ausdruck „der burger brief-' für das Verzähl- buch vermuten lälst. Das älteste, leider verloren ge- gangene Oschatzer Stadtbuch, von dem wir Kunde haben, wurde 1321 angelegt. Dann folgen der Zeit nach das Grimmaer Gerichtsbuch von 1346, das Leii)ziger Stadt- buch von 1359, das Freiberger Stadtbuch und das Stadt- buch von Plauen von 1378, das älteste Kamenzer Stadt- buch (um 1399). xllle übrigen von uns zu erwähnenden Stadtbücher entstanden erst im 15. Jahrhundert.

Wie in anderen deutschen Städten ^^■^), so ist auch in denen der wettinischen Lande die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts die Zeit, in welcher die lateinische Ge- schäftssprache von der deutschen verdrängt wurde. So war das verlorne älteste Oschatzer Stadtbuch bis etwa 1360 in lateinischer Sprache geführt; das älteste Leipziger Stadtbuch ist bis etwa 1362, das älteste Grim- maer bis etwa 1365 lateinisch, während wir in Lölsnitz bereits 1355 die deutsche Sprache finden. Hie und da liefsen übrigens die Stadtschreiber auch später einzelne lateinische Einträge einflielsen.

Aulserlich stattete man die Stadtbücher in der Regel so würdig aus, wie es der Wichtigkeit ihres Lihaltes entsprach. Die meisten haben jetzt noch ihre soliden mittelalterlichen Einbände (gewöhnlich Holzdeckel mit farbigem Lederüberzug, messingenen Buckeln und Schlielsen , die freilich oft abhanden gekommen sind). Als Stoff' wählte man zuweilen Pergament (Chemnitz I, II, Dahlen, Dresden, Grimma I-III, V, Leipzig I, IV, die ältesten Teile des Lijisnitzer Stb.), meistens das schöne dauerhafte Papier jener Zeit, schwerlich nur aus Sparsamkeitsrück- sichten; denn sonst hätten Städte wie Freiberg und Leipzig wohl kaum nötig gehabt, sich des Papiers zu bedienen.

Die Führung der Stadtbücher und meist auch der Gerichtsbücher hatte, wie wii' bereits oben sahen, der Stadtschreiber zu besorgen , jedoch unter Aufsicht des

"2) S. die Stellen oben S. 88 N. 33. "'^) Homeyer S. 36.

108 Hubert Erraisch:

Eates ; die eigenmächtige Vornahme von Einträgen oder Löschung derselben war ihm selbstverständlich nicht ge- stattet. In Grimma mufste er z. B. im 16. Jahrhundert schwören, dals er „keine Händel für sich ohne Bewilligung der Parteien oder Vorwissen des Rates vollziehen noch ins Stadtbuch schreiben wolle" "^). Handelte es sich um Einträge im Interesse Privater, so erhielt er von der Partei , welche den Eintrag veranlalst hatte , ein be- stimmtes Honorar, über das sich manche Angaben finden. So spricht das Freiberger Stadtrecht in allen Fällen, in welchen dem Richter eine „Urkunde" zusteht, dem Schreiber ein „Schreibelohn" zu"''); bei gerichtlichen Auflassungen z. B. betrug erstere 1 Schilling, der Lohn des Schreibers 2 Pf."*^). In Crimmitschau wurde im Jahrel454 über die Eintragungen ins Stadtbuch bestimmt: Wurde ymant der nachdem icJit öre liandelung unde Sachen yn unßer stathuch lassen geschrihen, der sal dovon gehin geschrihen VI gr. ; dovon sal dem schriher II gr. geporen, daz ilhermaze dem rathe. (Stadtb. fol. 20). Um 1463 wurde ebendort festgesetzt, dals beim Gastgerichte der Richter 2 Gr., jeder Schöffe 1 Gr. und ebensoviel der Schreiber erhalten solle; beim Halsgerichte der Richter 4 Gr., jeder Schöffe 2 Gr. und hedörfte man eynes schrihers yn der j^anck zcu sitzen und schriben müste, dieser ebenfalls 2 Gr. [ebenda fol. 66t>]^^'). In Rols-

"*) Lorenz, Grrimma S. 1205. Auch der Stadtsclireiber zu Greufsen inufs sich (1556) verpflichten: „der Stadt Geschofsbücher, Rechnungen und alle andern Register in liester beständigster Ord- nung zu halten, nichts einzuschreiben, daraus abzucopieren noch aus- zulöschen ohne des Rats sonderlichen Befehl." Walch, Vermischte Beiträge zu dem deutschen Recht VII, III. In Olmütz sollen die Einträge nur im gehegten Dinge oder im vollen Rate stattfinden (non in aliis locis preterquam in nostro firmato judicio vel in pleno 7iost.ro consilio sub nostri qc siiccessorum nostrorum omnium pre- sencia); vergl. Bisch off, Über das älteste Olmützer Stadtbuch, in den Sitzungsber. der k. Akad. d. Wiss. zu Wien 1877 S. 284 cf. 288. Was die Löschung anlangt, so findet sich in dem Dresdner Stadt- buch von 1454 f. 30 b. der Vermerk: Orthen Andres hat vorivillet das usszcuthune in kegimvertikeit ziveyer gesivornnen Lorencz Weczels und Friedr. Bentzschs und die andern 4 Seh. Gr. hat auch Blasius Koppelt vorwilletusszcuthun. Ein Prozefs gegen den Stadtschreiber Leidener in Pegau wegen Fälschung der Stadtbücher s. F. Bech, Progr. d. Gymnas. zu Zeitz 1879. Vergl. a. Planck, n, 202.

"f>) Frb. Stadtrecht Kap. XXXV.

"») Ebenda Kap. I § 35.

"■'j Vergl. auch unten Colditz, Mittweida.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 109

wein lieifst es einmal beim Eintrage eines zu Gunsten von Altzelle ausgestellten Testaments: Des heidersit icdichir (nämlich der Testator und der Vogt des Klosters, welcber diese „Wegreicliung und Auflassung" aufgenommen hat) etjn gr. zcu ivissegelde gegehin liot so gethane sache in unser statbuch lassen zcusclirihen (RolisweinerStb.fol. 12 h). Auch in Colditz finden wir Bestimmungen über das Honorar für Einträge ins Ötadtbuch.

Die Form der Einträge ist entweder die eines kurzen Berichts über den Vorgang ^^^) oder die eines Bekennt- nisses des Eats bez. des Eichters oder des Gerichts'^"), wobei die Namen der anwesenden Eats- und Gerichts- personen zuweilen genannt werden ; eine Unterschrift des Stadtschreibers findet sich einigemal im Eolsweiner Stadt- buch. Sehr häufig ist, dals am Schlüsse die Zeugen des Vorgangs aufgeführt werden. Wo der Eintrag vollstän- dig die Form einer Urkunde hat, da ist wohl durchweg abschriftliche Eintragung eines vorliegenden Dokumentes anzunehmen. Dals neben dem Eintrage im Stadtbuche auch Urkunden über den Vorgang ausgestellt wurden, meist in der Form von „ausgeschnittenen Zetteln", wird oft erwähnt (z. B. Crimmitschau, Oschatz^ Auch kam es vor, dals Zettel, welche die betreffenden iVbmachun- gen enthielten, ins Stadtbuch eingeheftet wurden (Crim- mitschau, Dahlen); sie erlangten dadurch wohl gleiche Rechtskraft mit anderen Einträgen.

Von groiser Wichtigkeit war die sorgfältige Auf- beAvahrung des Stadtbuches, da von dieser seine Glaub- würdigkeit vorzugsweise abhing ^-"j. In Dresden beschlols der Rat am 5. Januar 1469, dals die „Stadtbücher, darin man gezeichent hat und noch täglich schreibt, was vor dem Eate bekannt und verhandelt wird", zusammen mit dem Stadtgelde in eine im Gewölbe aufzubewahrende Lade zu legen seien, zu welcher der Kämmerer einen, zwei Eatsherren zwei andere Schlüssel haben sollen ^-^). Die Bücher des Leipziger Schöffenkollegs sollen „in eine

118) Vergl. z. B. Freiberger Stadtbuch I Nr. 2: liclicta Theo- derlei Medici abnegavit et pollicita f'uit coram consulibus pro sc et filio suo, qiioä nunquam vcllct rcpctcre debifa, xicnd anfea f'ecerat, a Paulo Vetter et Storme, quia totaliter est coneordatxim.

"®j Dy biirgere bekennen das, daz ....

120^ Vergl. H 0 ra e y e r S. 40. P 1 a n c k 11, 202. K ii h u s , üesch. der Gerichtsverfassung in der Mark Brandenburg II, 242.

»2») Cot. dipl. Sax. reg. II. 5, 246.

110 Hubert Ermisch:

sonderliche Kapsel, Kote oder Kasten mit zwei Schlüs- seln verschlossen werden, dazu der Öchöppenmeister einen und der Schöppensclii'eiber den andern haben sollen ^^'^)." Wollte man etwas in den Büchern lesen oder daraus ab- schreiben, so sollte dies im Beiwesen der Schoppen ge- schehen, und sofort nach genommener Einsicht oder Ab- schrift sollte die Lade wieder verschlossen werden.

Noch zu manchen andern allgemeinen Bemerkungen, namentlich auch nach der rechtsgeschichtlichen Seite hm, geben die sächsichen Stadtbücher Anlals ; indes um diese Vorbemerkungen nicht allzu umfangreich werden zu lassen, breche ich hier ab und gebe im Folgenden ein Verzeich- nis der erhaltenen Stadt- und Gerichtsbücher, soweit dieselben vor dem Jahre 1500 angelegt worden sind. Dasselbe darf wohl als ziemlich vollständig gelten, soweit Vollständigkeit bei derartigen Verzeichnissen überhaupt erreichbar ist. Immerhin lälst der Zustand, in welchem sich leider noch so manches Stadtarchiv befindet, und der Umstand, dais noch im Laufe unseres Jahrhunderts einige solche Bücher nachweislich verschwunden sind, hofi'en, dals eins oder das andere, das vielleicht in Privat- besitz übergegangen ist, noch auftaucht. Für jede dar- auf bezügliche Mitteilung würde ich dankbar sein. Wenn die Beschreibung der Stadtbücher ziemlich ausführlich ausgefallen ist und ich manche Einzelheit in dieselbe auf- genommen habe, die mir bei der Durchsicht derselben von Interesse schien, was freilich Wiederholungen unver- meidlich machte, so wird man dies hoffentlich im Hin- blick auf die zahlreichen Lücken, die unsere Stadt- und llechtsgeschichte noch aufweist, für gerechtfertigt halten.

Bautzen.

Für die mittelalterliche Geschichte und insbesondere Verfassungsgeschichte von Bautzen ist noch wenig ge- schehen^^''); ein grolser Teil des urkundlichen QueUen- materials ist erst im Oktober 1887 nach langer Vergessen- heit bei einer Eevision des städtischen Archivs von mir wieder aufgefunden worden. Bei derselben Gelegenheit Stiels ich auch auf zahlreiche bis 1442 zurücki'eichende Gescholsbücher und insbesondere auf zwei mittelalterliche

122) Distel a. 0. S. 24.

i23j Yergl. Kiiothe, Zur ältesten Geschiclite der Stadt B., in dieser Zeitschr. V, 73 flg.

Die Sachs. Stadtbiicher des Mittelalters. lH

Gerichtsbücher der Stadt; dals die sehi' wünschenswerte eingehende Ordnung des Ratsarchivs noch weitere zu Tage fördern wird, ist durchaus niclit ausgeschlossen.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bestand der Rat in Bautzen wie in den übrigen Sechsstädten aus einem Bürgermeister und 12 geschworenen Ratmannen ^-*); einer derselben war wohl stets der Vogt ^-■''), der mit den ebenfalls aus den Ratmannen genommenen 6 Schotfen^'^*') die Rechtspflege handhabte. Anwesend im Dinge aber war in der Regel der gesamte Rat, weshalb die dort verhandelten Gegenstände nicht selten von Bürgermeister und Ratmannen beurkundet wurden.^"-')

(I.) Über die Verhandlungen im gehegten Dinge giebt das Dingbuch von 1359 Auskunft^-^), ein Folioband in gelbem, weichem Pergamentumschlag, auf welchem sich die wohl dem 16. Jahrhundert angehörige Aufschrift Eyn aldt (limjhuch und ein kurzes Register einiger wichtiger abschriftlich im Bande enthaltener Urkunden befindet; beides ist auf einem Vorsatzblatte wiederholt. Der Band zählt 136 Blatt Papier und besteht aus mehreren ursprüng- lich gesonderten, aber doch wohl noch gegen Ende des Mittelalters oder im 16. Jahrhundert vereinigten Fascikeln.

Das eigentüche Dingbuch bilden nur die ersten dieser Fascikel (fol. 1 93). Es wiu'de im Jahre 1359 angelegt und bis 1384 (fol. 80b) regelmälsig fortgesetzt; auf fol. 85, 87 b— 89 folgen noch eine Anzahl Einträge aus den Jahren 1396 und 1399 (letztere meist Pfandaufgebote und Urtel über erstandene Gelder).

Den Inhalt des Buches bilden ausschlielslich Auf- zeichnungen über die Verhandlungen im gehegten Dinge ; als Überschrift ist in der Regel das Datum des Dinges beigefügt (z. B. anfio domini M^ CCC^ LIX^ judicüint, primum post nativitatem Christi); seit 1364 (fol. 28 b) werden meist auch die Namen der Richter mid der Schöffen angegeben. Wie viele gehegten Dinge jährlich stattfanden, läM sich aus dem Buche selbst niclit feststellen, da die Zahlen wechseln. Die grölstenteils offenbar gleichzeitig d. h. im

12^) Knothe a. 0. 99. Vergl. Gerichtsbucli I, fol. 26»', 30''.

125) Vergl. ebenda fol. IH, 19.

128) Ein ßichter mit sechs Schöffen z. B. ebenda fol. 32 1>, 34 i', 45. Daneben werden auch weniger Schoflen genannt z. B. 5 (fol. 33 b, 35, 51), 4 (fol. 30).

1") z. B. a. 0. fol. 5'', 15'-, 16, 19.

^^^) Ratsarcbiv Bautzen.

112 Hubert Ermisch:

Dinge selbst gemachten Einträge über die Verhandlungen und Verlautbarungen sind meist ganz knappe Registra- turen (z. B. Homvynsteyn obligavit dommn suum Jolianni WaycJmnut pro duohus sexagenis ad diws annos); die Namen der Zeugen sind beigefügt, sofern nicht Richter und Schöffen als solche gelten, in welchem Falle einfach auf sie verwiesen wird. Einzeln finden sich auch aus- führlichere Bekenntnisse (z. B. fol. 5 b, 15 b, 26 b), die teilweise urkundliche Form haben und als Abschriften von den der Partei gegebenen Gerichtsbriefen aufzufassen sind (z. B. fol. 16, 19).

Das Buch wurde zunächst in lateinischer Sprache geführt; doch erscheinen schon auf den ersten Blättern einzelne deutsche Einträge, die dann immer häufiger wer- den. Die Tilgung der Einträge erfolgte mittels Durch- streichens.

Was den Inhalt anlangt, so sind die meisten Ein- träge Verlautbarungen über Akte der freiwilligen Ge- richtsbarkeit und beziehen sich namentlich auf Grund- stücke und Zinsen: Käufe und Verkäufe, Auflassungen und Verzichte, Satzungen und Verpfändungen und der- gleichen mehr. Ferner finden sich Testamente, Vermächt- nisse, Seelgerätsstiftungen, Erbverzichte und Erbverträge, mannigfache Vergleiche und Sühnen, Schuldbekenntnisse und Zahlungsversprechen, Bürgschaftsbestellungen, Ver- merke über Übernahme und Aufgabe von Vormundschaf- ten u. dergl. Selten erscheinen Akte der streitigen Ge- richtsbarkeit, wie Ilrtelsfragen und UrteP-").

Als Stadtbuch im eigentlichen Sinne d. h. für Ver- waltungsaugelegenheiten wurde unser Buch höchst selten benutzt. Wohl nur aus Versehen ist einmal eine Auf- nahme ins Bürgerrecht notiert worden (fol. 6: Jacohus de Brosyn acceptavit jus dvile). Eine Sühne zwischen dem Rat und den Fleischhauern wegen des Kuttelhofs von 1364 (fol. 26 b), die Verleihung des Spitalteichs an zwei Fischer (fol. 27 b) u. ä. gehören kaum hierher, weil diese Akte auch verlautbart worden wären, wenn statt des Rats ein Privatmann beteiligt gewesen wäre. Auf

'"") Z. B. fol. 13. Joh. Apfil quam vor dy vir henke. Do vroc Pauyl (Jzoleke eynis orfeyls, ab her vorbas keyn hindernis sitlde haben von Hanns tve/yejne an synis vaters hofe, den Pauyl gekauft hat .... Do wart orteyl qevrot, ab yn Hans icht gehindern mochte, ab Aphil abginge. Do wart geteylt: Swegc no, zo sulde her swigen ymmerme. Vergl. fol. 19^, 20, 23'', 24, 26^, 38, 39 u. ö.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 113

fül. 81 tiiiclet sich eine Taxe der Büttner von 1383, auf fol. 8413 ein unter anderem auch von Abgesandten der Sechsstädte vermittelter Vergleich von 1382 Dez. 30 zwischen den Franziskanern zu Löbau und Heinrich von ßadeberg zu Kunewalde wegen eines Waldes, der auch in das älteste Görlitzer Stadtbuch aufgenommen worden ist^ ■'*').

Noch zwei andere für die Stadt Avichtige Urkunden stehen mitten zwischen den Einträgen; nämlich auf foj. 14 unter der Überschrift „.-Die marg Budissm seil eivig hei der cron bleiben" eine Übersetzung der Urkunde Karls IV. für Bautzen vom 9. Mai 13641*^1) ^^^^(j ^^f f^i^ 64 b der Urkunde Karls IV. über „Scheffel, Cretzscham, Gerichte, Saltz" vom 9. Februar 1372 1^^).

Wie schon erwähnt, sind dem eigentlichen Dingbuch noch mehrere Lagen angeheftet. Dieselben enthalten Abschriften bez. Konzepte mehrerer Dokumente des 15. (und 16.) Jahrhunderts, welche für die Stadt Bautzen und den Sechsstädtebund von Interesse waren. So finden sich fol. 94—102 verschiedene auf den Nürnberger Reichs- tag von 1431 imd den dort beschlossenen Zug gegen die Hussiten bezügliche Schriftstücke^"'"^), fol. 103—105 das unvollständige Konzept einer Sühne zwischen dem Burg- grafen Wenzel von Donyn und Albrecht Birke von der Duba einer- und den Mannen und Städten der Oberlau- sitz andererseits wegen des von letzteren berannten Schlosses Graf enst ein ^•"^) (um 1450 oder 1451), fol. 106 bis 107 ein interessanter Bericht über den Zug der Hussiten gegen Zittau und Ostritz (1427), sowie könig- liche ßefelile wegen der Lehnshoheit über Stolpen und wegen des Verhaltens des von Colditz beim Hussiten- einfall (wohl auch 1427), fol. 118 ein Verzeichnis von Dörfern, welche „sem komen von Budissm, daz dy land- leivthe undir sich bracht han", fol. 109—116 Aktenstücke betreffend die Streitigkeiten zwischen dem Landvogt Hinke Birke genannt Hlawacz und Hans von Polentz einer- und Mannen und Städten der Oberlausitz anderer- seits (1420), fol. 118 Artikel der Ritterschaft gegen die

"0) Danach Knothe, Uiknndciibucli der Städte Löbaii und Kamenz. Cod. dipl. Sax. reg. iL 7, 2B7.

läi) Huber, Regg. Karls IV. Nr. 4038.

13'-) Ebenda No. 5020.

13») Deutsche lleichstagsakten IX. No. 411, 410, 404, 408, 409.

134) Yergl. Knothe in v. Wel)ers Archiv f. d. sächs. Gesch. N. F. I, 242.

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 1. ?. 8

W4: Hubert Ermisch:

Sechsstädte (nach 1510) und fol. 119 flg. ebensolche aus dem 15. Jahrhundert, fol. 122 125 eine Verteidigungs- schrift gegen derartige Klagen, fol. 126 ein Schreiben des Gubernators Georg Podiebrad an Mannen und Städte von 1457 Dez. 26, fol. 127 ein Zollprivileg Wenzels für Görlitz von 1414 Juni 10, fol. 129 die Antwort der Mann- schaft und Städte des Fürstentums Breslau, Neumarkt und Namslau auf das Ansuchen der Erbhuldigung von 1454 Mai 7^'^% fol. 131 flg. Artikel wider die Placker (1496). Näher auf den Inhalt dieser Schrifstücke einzu- gehen ist hier nicht der Ort.

(IL) Eine zweite Handschrift^^*''), die auf dem Rücken als „Gerichtsbuch von 1430" bezeichnet ist, ein Folioband in Holzdeckeln mit weilsem Lederüberzug, Buckeln und Spuren ehemaliger Schlielsen von 50 be- schriebenen und einer gröIserenZahl unbeschriebener Blätter Papier, enthält lediglich die Bekenntnisse gefangener und teilweise hingerichteter Verbrecher aus den Jahren 1430 1479. Erwähnt mag werden, dals auf der Innen- seite des vorderen Einbanddeckels zwei Blätter eingeklebt sind, die Verlautbarungen vor gehegter Bank in Privat- sachen enthalten und wahrscheinlich als Reste eines Gerichts- buches des 15. Jahrhunderts angesehen werden müssen.

Borna.

In Borna bestand der jährlich wechselnde Rat aus einem Bürgermeister mit sieben Ratmannen ^•^'); als im Jahre 1451 wegen der schweren Schädigungen, welche die Stadt im Bruderkriege erlitten, nur sechs Personen in den Rat gewählt wurden, holte man hierzu eine beson- dere Genehmigung des damaligen Pfandbesitzers von Borna, des Bischofs von Naumburg, ein^'^®). Über die Gerichtsverfassmig ist wenig bekannt ^^'^j.

"•■^) SS. rer. Siles. VIII, 1.

^2") Ebenfalls im Bautzner Katsarchiv.

!''■') Aufser dem Stadtbuch (s. u.) vergl. die Gesuche um Be- stätigung des neuen Rates von 1471 u. 1480 (HStA. Dresden. WA. Örter Borna Bl. 1. 2).

^ä^) Stadtbuch fol. 13: „Uff dazselbige jar gunsfe myn herre von Nuemhurg , das Hans Kluge, wyivol er uff der fryheit und wale ivanhdff't'ig loas, burgermeister syn muste. Item gunste er, das Claus Brctsnider unde Hans Bitter von yrer eemuter rechte ge- brudere byenander süssen. Item gunste er uff das jar von volks gebrechen halben, das went sechs personen eyn rat volbrachten".

i'^'*) Die Angaben in Wolframs Chronik der Stadt Borna (Neue Ausg. 1886) sind ganz ungenügend.

Die säclis. Stadtbücher des Mittelalters. 115

Die Stadt besitzt ein Stadtbuch^*"), welches 1434 angelegt und bis 1514 (in einzelnen Nachträgen bis 1518) fortgesetzt wurde, ein Folioband von 105 Blatt (meist Papier, einzeln Pergament), in weichem, gelbem Perga- mentumschlage mit ßücken aus starkem Leder und der Aufschrift „Allerhand alte Nachrichtunge". Wolfram hat in seiner Chronik der Stadt dieses Stadtbuch von 1434, wie er es richtig nennt ^"), vielfach benutzt und zalil- reiche Stellen daraus wörtlich aufgenommen.

Das Stadtbuch beginnt fol. 1 mit dem Eintrag der Ratsinitglieder des Jahres 1434 und nennt dann auch als Überschriften zu den folgenden Jahren (regelmälsig bis 1465, dann wenigstens sehr oft) die jeweiligen Bürger- meister und Ratmannen. Sein Inhalt betrifft lediglich die Thätigkeit des Rates; des Gerichts geschieht wohl nur einmal Erwähnung, indem eine 1475 vor „dem obersten Gerichte unser gnädigen Herren von Sachsen in des Vogts Hause in Gegenwart der ganzen Gemeine" erfolgte Auf- lassung auf Bitte der Beteiligten in das Stadtbuch ge- schrieben wird (fol. 35). Von den zahlreichen vor dem „sitzenden Rate" erfolgten Verlautbarungen über Privat- geschäfte einzelner Bürger giebt Wolfram S. 30 flg. einige Proben. Andere Einträge beziehen sich auf Verhand- lungen, Beschlüsse und Geschäfte des Rates; so finden sich z. B. Vermerke über die Verdingung von Bauten an der Kirche (fol. 31^, vergl. Wolfram S. 93), an der Stadtmauer (fol. 6), am Rathaus (fol. 4), über den Ver- kauf eines Steinbruchs gegen einen der Stadt zu reichen- den Jahrzins (fol. 5), über Zins- und Leibrentenverkäufe (z. B. fol. 91', 10, 10 1>, 17, 19), ferner verschiedene Rats- willküren, eine Innungsordnung der Schmiede, Sporer, Gürtler, Böttcher und Wagner von 1435 (fol. Ib), ein Vergleich wegen des Wegegeldes in Borna von 1454 (Wolfram S. 340), ein 1499 niedergeschriebenes Statut über Gerade und Heergewette (fol. 62), ein Vermerk über Handhabung des Halsgerichts zu Kitzscher (fol. 5). An die strafrechtlichen Befugnisse des Rats erinnern Ein- träge über verschiedene Mordthaten und Frevel, einige Urfehden (Wolfram S. 32); die letzte Seite enthält eine Reihe von Verurteilungen zu Lieferung von einem oder

''<>) Im Ratsarchiv zu Borna.

1") Wenn er einmal von einem 1443 beginnenden Stadtbucli spricht, so ist das nur ein Druckfehler.

8*

116 Hubert Ermiscli:

mehreren Fudern Steine, welche der Rat in den Jahren 1441 1451 verhängte. Endlich erwähnen wir noch einige Notizen über den Ausschlufs von Ratsmitgliedern (fol. 10, 24).

Einen besonderen Reiz geben dem Bornaer Stadt- buche die vielfach eingestreuten geschichtlichen Notizen, von denen einige, wie die gleichzeitigen Bemerkungen über den Bruderkrieg und die Leiden der Stadt während des Jahrs 1450 (Wolfram S. 24 flg.), über den Prinzen- raub 1455 (ebd. S. 27), über den Türkenzug der Bornaer Bürger und ihre Heimkehr (ebd. S. 28) von mehr als gewöhnlichem Interesse sind. Auch die abschriftlich auf- genommenem Schriftstücke über die 1487 geleistete Erb- huldigung (fol. 43')— 46) verdienen Beachtung. Ein eingeheftetes Pergamentblatt (fol. 93) hat die Aufschrift : Anno domini M'^ CCCC^ LIX^ notahilia radone liospi- talis sancti Georgi foris valvam Bornis, cujus tutores tota civitas et consulatus sunt notanda, tempore illo vi- delicet quando Oeorgius Hu<j rector hosjntalis et notarius civitatis fuit und enthält Notizen und Urkundenauszüge über das Hospital aus den Jahi'en 1332 bis 1459.

Chemnitz.

Über die Chemnitzer Stacltbücher habe ich eingehend in meinem Urkundenbuch der Stadt Chemnitz"'-) gehan- delt und bemerke daher hier nur der Vollständigkeit wegen folgendes.

(I.) Das neuerdings als „Geschofs- und Memorialbuch" bezeichnete Stadtbuch""^) enthält in seinen drei ersten Lagen ein um 1400 angelegtes und um 1466 erneuertes Gescholsregister^^*), in den beiden folgenden eine Reihe interessanter Willküren vom Anfange des 15. bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts, Aufzeichnungen von Vor- gängen, die allerhand Rechtsverhältnisse der Stadt, ins- besondere auch ihr Verhältnis zum Abt betreffen, Zins- register, Vermeike über Ausleihung von Geldern des Rates und geistlicher Stiftungen, einen Eintrag über Ax\^-

112) Cod. dipl. Saxon. reg. II. 6, XIII flg.

1*^) HStA. Dresden Loc. 9831 (aus dem Archiv des Bezirks- gericMs zu Chemnitz abgegeben).

i*-*) Ein älteres Geschofsregister, in welchem, wie es scheint, auch die Kaufpreise der Grrimdstücke mit eingetragen waren, wird in einer liatswillkür von 1367 als der staä tavcl unde register er- wähnt (Cod. dipl. Sax. reg. 11. 6, 27)-, es ist nicht mehr vorhanden.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 117

Weisung verschiedener Personen (fol. 56) und dergleichen mehr; alles Wichtigere ist in dem genannten Urkunden- buche abgedruckt. Auffallend ist, dals Verlautbarungen von Rechtsgeschäften Privater fast ganz fehlen ; ein ein- geheftetes Blatt über eine Richtung in Erbschaftssachen (fol. 50), ein Vermerk über die Bezahlung einer Schuld an einen Kommotauer (fol. 53 h), ein Gelöbnis der Gewere (fol. 54) und ein Vermerk über die Stellung von Were- bürgen (fol. 56), dazu etwa noch einige Vermerke über Vermächtnisse an fromme Stiftungen sind das Einzige, was in dieser Beziehung zu nennen wäre. Entweder fanden in Chemnitz alle diese Geschäfte überhaupt nicht vor dem Rate, sondern nur vor Richter und Schöffen statt, oder es gab besondere Bücher über dieselben und diese sind abhanden gekommen.

(II.) Zahlreiche Verlautbarungen der angedeuteten Art finden sich dagegen in dem Schöffenbuch der Stadt Chemnitz 1^-^), das durchweg Dinge enthält, die vor Rich- ter und Schöifen, meist in gehegter Dingbank, verhandelt wurden ^^''^). Dieses Buch wurde nach der Aufschrift im Jahre 1475 angelegt; wenn die Einträge schon 1459 be- ginnen, so ist woU anzunehmen, dals die noch giltigen Einträge eines älteren Schöffenbuches abschriftlich über- nommen worden sind; die Gleichmäisigkeit der Hand- schrift bestätigt dies. Das Buch wurde fortgeführt bis 1483.

(III.) Das Achtbuch^^'), über dessen rechtliche Be- deutung icli_ an einer anderen Stelle handeln werde, wurde nach der Überschrift im Jahre 1535 „erneuert"; dabei übernahm man jedoch aus einem früheren Achtbuche eine Anzahl älterer noch geltender Einträge, von denen die neun ersten undatierten wohl noch dem 15. Jahrhundert angehören, während elf weitei-e aus den Jahren 1502 bis 1533 stammen; endlich folgen von anderer Hand noch di'ei Ächtungen von 1563, 1580 und 1589.

Colditz.

Die Verwaltung der Stadt Colditz lag in den Hän- den eines Bürgermeisters und dreier Ratmannen; wahr- es) HStA. Dresden Loc. 9831 (aus dem Bezirksgerichtsarchiv zu Chemnitz).

"6) Ein Beispiel Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, l.'SO. Über das Verhältnis des Schöffenkolleg znni Kate s. ebenda XXIV.

1") HStA. Dresden Loc. 9831 (aus dem Bezix-ksgerichtsarchiv).

118 Hubert Eniiiscli:

sclieinlicli gab es drei solcher Räte, die in regelmälsigem Turnus wechselten. Gegen Ende des 15 Jahrhunderts war in der Regel der „ältere" Bürgermeister eins der drei Ratsmitgiieder"*); auch Urkunden einigemal aniser den vier Personen des sitzenden Rates („Ratskumpanen") noch neun weitere, die sämtlich als „Geschworene des Rates" bezeichnet werden ^^^). Völlig getrennt vom Rate war das Gericht, das aus einem Richter und vier Schöffen bestand; letztere wurden nicht aus der Zahl der Ratman- nen genommen ^■^^).

Obwohl das Archiv der Stadt Colditz im schmalkal- dischen Kriege schwer beschädigt worden ist^-^^), hat sich doch ein mit dem Jahre 1431 beginnendes und bis 1526 fortgesetztes Stadtbuch erhalten^'^"-). Dasselbe besteht aus 125 Blatt Papier und ist in mit rotem Leder überzogenen und mit Messingbuckeln beschlagenen Holz- deckeln gebunden; die Schlieisen sind abgerissen. Auf der inneren Seite des hinteren Deckels befinden sich Ver- merke über Feuersbrünste von 1503 Juni 15 und 1567 Juli 23^^^), soAvie über ein gewaltiges Unwetter am 14. September 1539.

Die ersten Blätter des Stadtbuches enthalten eine um 1431 niedergescluiebene Wilköre, dy dy hörger und dy gancze gemeyne yeivUliget hat", der nachträglich ver- schiedene „alte Gewohnheiten" hinzugefügt worden sind'-^^), ferner (fol. 2 b, 3) Abschriften älterer Einträge (ihre Ori- ginale fol. 11) und einer Urkunde der Herzogin Marga- retha von 1472 über Seelbäder, endlich (fol. 3b— 6) ein aus dem 16. Jahrhundert herrührendes Verzeichnis von Besitzungen und Einkünften des Pfarrlehns .zu Colditz.

Dann folgt (fol. 7 9) eine Abschrift und Übersetzung

148) Yei-g-i. Stadtbucli fol. 77 b, 73, 81, 84 u. ö.

1*9) Ebd. fol. 61, 6.3.

150) Verg'l. die Aufzäblungen ebd. fol. Hb .u. fol. 37.

'■"^i) Am 4. Okt. 1548 schrieb der Rat zu Colditz an den zu Dresden, dafs die Hispanier ihr Rathaus und die Behältnisse des- selben zerbrochen und spoliiret hätten, wobei auch ihi'e Privilegien, Verschreibungen u. dergl. zuschauden gegangen sein. Ratsarchiv Dresden Art. G. XXXI, la, Bl. 45. Vergl.'Thammii Chron. Col- dicense bei Menke SS. rer. Germ. TI, 723.

1-^^) HStA. Dresden Loc. 9859 (aus dem Colditzer Amtsgerichts- archiv abgegeben).

^■^*) Thammii Chron. a. a. 0. 717. Die erstgenannte Feuers- brunst ist hier unter dem Jahre 1504 mitgeteilt.

1") Gedruckt Weifse, Musäum der Sachs. Gesch. II, 89.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 119

(lei- Bulle Innocenz VIII. vom 28. Juli 1490, duicli welche den Untertlianeu des Kurfürsten Friedrich und des Her- zogs Johann von Sachsen gegen gewisse teils zur Er- bauung einer Brücke und Kapelle bei Torgau, teils zur Vollendung der Peterskirche in Rom zu verwendende Abgaben auf die Dauer von 20 Jahren der Genufs von Butter luid anderen Milchspeisen in der Fastenzeit ge- stattet wird, sowie eine Abschrift der entsprechenden Verordnung der genannten Fürsten vom 5. Januar 1491 an den Hauptmann zu Colditz Heinrich von Geilstorff und die Räte der Städte Grimma, Colditz und Naunhof, denen schlielslich anbefohlen wird, die Bulle und die landesherrliche Verordnung in das Amtbuch bez. die be- treffenden Stadtbücher eintragen zu lassen, „das man daraus alle Jahre neue Copien anzuschlagen schreiben lassen möge": ein interessantes Beispiel, wie auch die Regierung aus dem Institut der Stadtbücher Nutzen zog. Auch in dem Crimmitschauer Stadtbuch (s. u.) finden sich die betreffenden Schriftstücke; sonst sind sie mii' nicht begegnet.

Das eigentliche Stadtbuch beginnt mit der zw^eiten

'is

Lage (fol. 11). Seinen Hauptinhalt bilden Verlautbanmgen über mannigfache Privatgeschäfte vor dem Stadtrate. Die ältesten Einträge machen den Eindruck von Ab- schriften; später haben wii^ es ohne Zweifel mit Original- einträgen zu thun.

Demselben Zwecke wie diese Registraturen dienen einige in das Buch aufgenommene Abschriften, wie die einer Urkunde der Herzogin Margaretha über eine Schen- kung zum Altare der heiligen Maria Magdalena in der Egidienkirche von 1472 (fol, 31 'j), eines Gerichtsbriefs über ein errichtetes Testament 1478 (fol. 37), einer Ur- kunde des Rats zu Leisnig über einen Vertrag zwischen einem Leisniger und einem Colditzer Bürger 1492, des Hauptmanns Heinrich von Geilsdorf über den Verkauf eines Hauses am Schlofsgraben 1488 (fol. 65 1')? (^er Kon- firmation des Bischofs Johann VI. von Meilsen über die Stiftung eines Umgangs und einer Messe 1498 (fol, 85),

Verhältnismälsig selten erscheinen Einträge, welche Angelegenlieiten der städtischen Verwaltung im engeren Sinne betreffen. Hierher gehören z. B. ein Verzeichnis von Personen, welche gegen Sicherheitsleistung Geld von der Stadt erhalten haben 1480 (fol. 39'' cf fol. 11 2). Ver- merke über den Ankauf von Grinidstücken in Raschütz

120 Hubert Ermisch:

1490 (fol. 61) und des Dorfes Seupalm 1492 (fol. 63), über die Erteilung einer Innung an die Leineweber 1459 (fol. 25 b), über den Lohn des Stadthirten und der Stadt- kneclite im 16. Jahrhundert (fol. 125), über die vom Rate dem Nickel Puschel erteilte Erlaubnis zum Bau einer „Mandel" gegen die Verpflichtung, die Mauer und zwei Thore in stand zu halten 1447 (fol. 15 1^). Wir rechnen auch hierher, wenn „zu Gedächtnis" eingetragen wird, dals N. Linke den Stadtrat imrechtmälsigerweise beim Hauptmann verklagt habe (fol. 13).

Wie vor dem Rate, so fanden auch vor Gericht Auf- lassungen und andere Rechtsgeschäfte statt. Die oben erwähnte Willkür von 1431 enthält Bestinmiungen über die Gebühren, welche der Bürger, der Gerichtsangehörige und der aulserhalb des Gerichts Ansässige in gehegter Bank „^ccu wyssenunn" zu.. geben hat; auch wird dort festgesetzt, dals jeder, der Äcker oder Erbschaft in Lehen nimmt, dem Richter einen Groschen und den Schöffen einen Groschen geben solle. Es fanden sonach wohl die Auflassungen von Immobilien hauptsächlich vor Gericht statt; auch wenn sie zunächst vor dem Rate erfolgt waren, wurden sie zuweilen nachträglich vor dem Gericht wiederholt ^■'^•^). Dals auch Testamente vor dem Gericht gemacht wurden, beweist die Aufnahme der Abschrift eines solchen ins Stadtbuch (fol. 37). Ohne Frage wur- den auch Gerichtsbücher geführt; erhalten haben sich dieselben jedoch nicht.

Crimmitschau.

Der sitzende Rat der Stadt Crimmitschau bestand im 15. Jahrhundert aus einem Bürgermeister und drei Ratskurapanen, der volle Rat aus drei solchen Kollegien, die jährlich wechselten. Nur in wenigen Fällen, z. B. wenn es sich um Friedensbrüche im städtischen Wein- keller handelte, hatte der Rat eigene Gerichtsbarkeit; dann salsen der Bürgermeister und seine drei Ratmannen, wie es scheint, ohne Zuziehmig des Richters, das Gericht (Stadtbuch fol. 9). Sonst standen die Ober- und Erbgerichte den Stadtherren, den Markgrafen, zu^'**^). Diese ernannten den Vogt und den Stadtrichter. Neben letzterem fun-

156) Ein Beispiel fol. 11 ^

15") Göpfert, Geschichte des Pleifsengramles (Zwickau 1794). 125.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 121

gierten als Schöffen die Mitglieder des sitzenden Rates, zu denen je nach Bedarf auch Mitglieder der beiden anderen Räte gezogen wurden ; denn die Zahl der Schöffen wechselte ^'^^j. So war das Grericht, das in der Regel am Dienstag gehegt wurde, ]iur eine erweiterte Rats- sitzung, und schon hieraus ergiebt sich, dals die Geschäfte des Gerichts und des Rates sicli nahe berührten. Auch zu den gewöhnlichen Ratssitzungen wurde niclit selten „umme merern orkande ii-ülen"^''^) der Richter zugezogen; notwendig war dies vermutlich, wenn z. ß. eine förm- liche Verzichtleistung „mit eim czeiclien eynes hufes mit angeijriffen Uenden mit munde iinde mit hmit, mit finf/ern unde mit nuujen^'- stattfand ^'■^^), was freilich in der Regel im gehegten Dinge geschehen sein mag^'"'").

Diese Eigentümlichkeiten der städtischen Verfassung äufsern sich in dem Stadt buche der Stadt Crim- mitschau^''^). Dasselbe, ein Quartband in weichem, gelbem Lederuraschlage, besteht aus 11 Lagen Papier (105 Blatt nach Zählung von alter Hand), denen nach- träglich GeschO fsregister aus den Jahren 1526, 1543, 1582 und 1583 beigefügt worden sind. Die 11 Lagen sind nicht in der gehörigen Ordnung zusammengeheftet; zwischen die 2. und 3. Lage gehören die 8. (fol. 67 78), die 7. (fol. 64—66) und die 6. (fol. 47—53). Auch ist vielleicht einiges abhanden gekommen.

^^'') So bezeugen z. B. der Richter, der Bürgermeister iind seine drei Eidgenossen eine vor Gericht und gehegter Dingbank geinachte Teidigung (Stadtbuch fol. 9''). Sonst erscheinen als „gerichtsdingk- pfliclitige" neben Richter und Bürgermeister 4 Personen, die „den tage in gerichts gehegter dingpangk gesessen" (fol. 10 1»); oder nach dem Richter, dem Bürgermeister und seinen 3 Eidgenossen „dornach 2 yngesessin gerichtsschöppen" (fol. 14 b); oder auch 9 „gesworen gerichtsschöpffen" neben dem rc,<;ierenden Bürgermeister (fol. 16'')i oder neben Richter und Bürgermeister 8 „(ieschworne des Rats" oder „Geschworne zum Rat und Gericht" (fol. 23b, 50 b) n. dgl. m. Nach einer Willkür von etwa 1463 soll derjenige, dem man ein Gast- gericht sitzt, „an gelde gebin als manchen groschen als manche schopffe yn gerichtefspangk siezet". Das Halsgericht soll nach der- selben Willkür mit 12 Schöffen bestellt werden, von denen jeder 2 Groschen erhcält (fol. 66'').

i^^8) Stadtbuch fol. 21 \

1™) Ebd. fol. 6 b.

i"0) So ebd. fol. 72 b: „da ivart ir ein vilczehute yn ör hant geenttvort durch unscrn richter, der sie vorder fragte; die fran mit angraiff'e" u. s. w. Ebenso geloben die Geweren „mit munde und mit hant, mit finger unde mit czungen unde an gerichtsstabe mit angegriffen" (fol. i4b).

i<") HStA. Loc. 9823 (Depositum des Stadtrats).

122 Hubert Ermisch:

Das Buch wurde, nachdem die älteren städtischen Archivalien hauptsächlich in den Hussitenkriegen zu Grunde gegangen ^*^-), um 1436 angelegt; mit diesem Jahre beginnen die regelmälsigen Einträge, die, übrigens keineswegs in streng chronologischer Folge, weil vielfach da niedergeschrieben, wo gerade freier Raum war, bis 1497 reichen. Die Innungsartikel der Tuchmacher von 1429 (fol. 731)) sind nachträglich aufgenommen worden.

Der Inhalt unseres Stadtbuchs ist ein sehr mannig- faltiger. Zahlreiche Vermerke betreffen Geschäfte des Rats: Schuldbekenntnisse desselben, auch einzelne ab- schriftliche Schuldbriefe (z. B. fol. 2 b, 23); Verzeichnisse von Personen, welche städtische Gelder inne haben und VOR denselben zinsen müssen (fol. 15); Begnadigung ein- zelner Grundstücke mit GeschoMreiheit (fol. 5, 7 b, 29 b); Abschriften von Geburtsbriefen (fol. 20) und von anderen Ratsurkunden (fol. 38 tig.); ein Verzeichnis der Waffen, die jeder Bürger haben soll, von etwa 1460 (fol. 55b); ein Vermerk über das Einkommen des Schulmeisters von 1486 (fol. 38 b) und dergleichen mehr.

Von Wichtigkeit sind mehrere statutarische Bestim- mungen, von denen einige die Form eines Weistums haben ^'^=^); so finden sich Willküren über die Bufsen der Einheimischen, die auf Klagen in ehelichen und in schlech- ten Gerichten nicht antworten, sowie der Auswärtigen (fol. 4 b), über die Abgabe von Witwern und Witwen, die sich wieder verheiraten (fol. 16), über den Lohn des Stadtschreibers 1454 (fol. 20), über die Kosten des Gast- und Halsgerichts 1463 (fol. 66 b) u a. Besonders hervor- gehoben zu werden verdient die sogenannte „Stadtrüge" d. h. eine Sammlung von Statuten und Polizeivorscliriften, welche den Bürgern an den dreimal jährlich stattfinden- den „Vardingen"^^^) vorzulesen waren; sie ist in zwei

162) Vergl. ein Schreiben des Rates an Bischof Peter von Naum- burg d. d. 1456 Febr. 24, in welchem mitgeteilt wird, „daz uns alle unser urkundte der stat durch die vortampfhen keczer und Behmen endtworten und sonste von etlichen personen unbesorget abekonimen und empffremdet icurden sint". Petri Albini Annales der Stadt Crimmitzschau , bei Schöttgen u. Kreysig Diplom. Nachlese X, 222.

i63j Vergl 2. B. fol. 16: „des tvir denne von unsern eldisten also undirweiset sein".

^*^) Die „Vardinge", die sich unter demselben Namen in Frei- berg (Stadtrecht Kap. XXXI §3. XXXIII § 9— m und mit anderen Bezeichnungen in vielen Städten linden (vergl. Löfsuitz, Mittweida, Pegau) sind die alten echten Dinge des Landrechts. Vergl. Planck I,

Die Sachs. Stadtlmcher des :\Iittelalters. 123

Redaktionen von 1444 (fol. 11) und von 1460 (fol. 63) vorhanden.

Wie das C^olditzer^^"'), so enthält auch das Crim- niitschauer Stadtbuch Abschriften der Bulle Innoceiiz VIII. von 1490 über die Butterindulgenz und des entsprechen- den Befehls der Landesherren von 1491 (ful.79 flg.). Auch die Urkunde über die 1487 dem Landgrafen von Hessen geleistete Erbhuldigung hat abschriftlich Aufnahme ge- funden (fol. 43 b); der Abschrift fehlt anscheinend der Schluls.

Die weitaus gröfste Zahl der Einträge betrifft aber die mannigfachsten Rechtsgeschäfte Privater, die ent- weder vor dem sitzenden Rate oder vor gehegtem Dinge abgeschlossen oder doch verlautbart worden. In den meisten Fällen scheint es gleichgültig gewesen zu sein, ob man die gewöhnliche Ratssitzung oder die Ge- richt sversammlung wählte ^'^•'). Zuweilen wurden die Ver- handlungen auf Zettel geschrieben und diese dem Stadt- buch eingeheftet (vergl bei fol. 10^, 17); auch dies hatte also Gültigkeit. Den Parteien wurden manchmal Ab- schriften aus dem Stadtbuch, meist wohl in Form von „ausgeschnittenen Zetteln", gegeben '*^^).

Verhandlungen auf dem Gebiete der streitigen Ge- richtsbarkeit, die natürlich nur vor gehegtem Dinge ge- schehen konnten, weil man dabei ,.mit Urteilen teidingen" mulste, wurden nicht ins Stadtbuch aufgenommen; nur in einem einzigen Falle fand ich eine solche, die einzelnen Schöffenaussprüche enthaltende Niederschrift (fol. 16 '• bis 18). Übrigens kam es auch vor, dals ein Testament „mit orteilen" errichtet wurde (fol. 50 b).

Neben dem Stadtbuche gab es, wenigstens gegen Ende des 15. Jahrhunderts, noch ein besonderes Gerichts- buch, das einmal (Stadtbuch fol. 57) als „Gegenbuch'' des Gerichts erwähnt wird. Es ist wohl identisch mit dem „gelben Stadt- und Gerichtsbuch angefangen 1481", aus

63 flg. 120. In Criminitscliiui sitzt sie aufser dem Richter der volle Rat, nämlich die drei Bürgermeister „ör yczlichcr mit synen nam- haftigen ratzmannen alle gcstvoren gerichtißschöpff'en" (i'ol. .59'').

•i6ö) Vergl. ol)en S. 118 flg.

^""j So heifst es einmal (fol. 49 '0: nSo das kint zen scynen munäiyen jaren kommet, so sal das kint eine rechte vorsiclit und ufflaßunge tJinn vor gerichte adir vor eynem rathe".

^"■') fol. Slb: „Darüber hab wir den vätern eyn anßschriff rrr- williget". fol. 44: „Deß lautes czieu außgesnefen czedel neben dem stadtbuch'\

124 Hubert Ermisch:

dem sich in einem Aktenstücke des Hauptstaatsarcliivs^^^) eine Anzahl Auszüge (bis 1524) finden, grölstenteils Be- kenntnisse des Richters und der (4i geschworenen Schöffen des Stadtgerichts, jedoch auch einzelne Verhandlungen vor dem sitzenden Rate. Ich habe dieses Gerichtsbuch ebensowenig aufzufinden vermocht als das „braune Stadt- buch des Anfangs mit groben Ziffern 1494"^*^^), in wel- chem wir offenbar die Fortsetzung unseres Stadtbuchs zu sehen haben.

Dahlen.

Das Städtchen Dahlen, das im 15. Jahrhundert den Herren von Schleinitz gehörte, hatte einen Rat, der aus einem Bürgermeister und sieben Ratmannen bestand; auch die Schöffen, deren Zahl wechselt ^'*^), wurden teilweise wenigstens aus dem Rate genommen. Der Richter, der jedenfalls vom Erbherrn angestellt wurde, wohnte auch den Ratssitzungen, in denen kein gehegtes Ding statt- fand, manclimal bei, während andererseits einmal (fol. 1) nur der Bürgermeister mit vier Schöffen als anwesend im gehegten Dinge genannt wird. Rats- und Gerichts- verhandlungen erscheinen daher nicht streng geschieden, und es gab wohl schwerlich ein besonderes Buch für die letzteren.

Das Stadtbuch^") besteht aus 21 Blatt Pergament (4") in einfachem mittelalterlichen Einband (Holzdeckel mit braunem Lederüberzug) und hat auf dem ersten Blatte die von einer Hand des 16. Jahrhunderts her- rührende Aufschrift: Des Baths zu Dahlen Stadt-Buch. Die ersten beiden Lagen liegen wohl nicht ganz in Ord- nung; fol. V/VIII gehören vermutlich zwischen fol. n/III. Das Buch beginnt mit einem Bekenntnis des Rates über die Verleihung des Bischofholzes durch den Erbherrn Heinrich von Schleinitz 1429. Dann folgen auf fol. 1, 2, 5 8 zahlreiche Verschreibungen an Ehefrauen, denen

^''*) Loc. 8454. Beweisunge des Raths zu Crimmitschau fol. 482 b flg.

i«9) Ebenda foL 488 b, 507 b, 568 b. Erwähnt bei Joh. Vulpius Crimmitschaviae celebritas (1704) S. 20 flg. und in Albinus Annales a. 0. IX, 228.

^'">) In der Regel beträgt sie 4; einmal (Stb. fol. 2) erscheinen neben 4 „consules" noch 2 andere (Schöffen aus der Gemeinde?), mehrmals 5 Schöffen (fol. fib 7b)^ aber auch nur 3 oder 2.

^■'^) Ratsarchiv zu Dahlen.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 125

der Gatte meist die Hälfte der Güter auf den Todesfall schenkte, aus den Jahren 1430—1449, 1457 und 1470; dieselben erfolgten fast alle im gehegten Dinge, nur we- nige im liate. Erst seit der Mitte des Jahrhunderts kommen andere vor dem Rate verlautbarte Rechtsgeschäfte, Erbauseinandersetzungen , Vergleiche und dergleichen dazu (fol. 8, 8l>, dann fol. 5, 4, 14, 15 etc.); in ehiem Ealle ist eine solche Verlautbarung (Verpfändung aller Güter durch den Stiefvater flu' die Schuld seiner Stiefkinder) auf ein Biättchen Papier geschrieben und dies nachträg- lich eingeheftet worden (fol. 20). In gleicher Weise hat eine vor dem Amtmann Benisch Rabenstein, dem Bürger- meister zu Oschatz und dem- Rat zu Dahlen geschworne Urfehde (fol. 21) und ein Verzeichnis der von Grisgut der Stadt zu entrichtenden Zinsen (fol. 22) Aufnahme ins Stadtbuch gefunden.

Andere Einträge betreffen Verwaltungsgeschätte der Stadt. Eine Lage, die ursprünglich eine Sonderexistenz geführt haben mag (fol. 11—13), enthält ein Verzeichnis der an die Stadtherrschaft zu entrichtenden Abgaben, der städtischen Erbzinsen, der Einkünfte des Schulmeisters und des Stadtknechts von etwa 1430 mit mehreren Nach- trägen über die Zinsen in Kirchberg, die Zinsen der Dahlener Kirche und einem Verzeichnis der Personen, welche das „Erühmessergeld" geborgt haben nnd davon Zinsen müssen (fol. 11); auf der Rückseite des letzteren findet sich eine Willkür über die Bestrafung der Ein- wohner, bei denen Feuer auskommt, ein Vermerk über einen Vertrag zwischen dem Rat und dem Schusterhand- werk wegen eines Zinses von ihren Ständen im Kauf- hause (1483) und ein Vermerk wegen Nutznielsung der Weiden vor dem Thore gegen Zins (1486). Auch an anderen Stellen kommen Vermerke finanziellen Charakters voi-, so über die Zinspfiicht eines Speichers (fol. S'j), über die Zinsen von den Kammern am Rathause (fol. 19 b), über Darlehen an die Kirche (fol. 15h, 16), die der Rat verwaltete, über andere Ratsdepositen. Wir finden ferner Verträge zwischen der Stadt und den Geistlichen (Pflichten des Frühmessers 1485 fol. 17 b, Begängnis 1493 fol. 15), zwischen der Gemeinde zu „Wulftreinsdorf ", wohl einer Vorstadt von Dalilon, und dem Kalaiid daselbst wegen einer Wiese 1488 (fol. 16 h) und dergleichen mehr. Auf die Willküre über Heergewette und Gerade von 1484 (fol. 18 b, 19) mag noch besonders hingewiesen werden.

126 Hubert Ermisch:

Alle diese Einträge gehören noch dem 15. Jahi'liun- dert an; später wurde das Buch nur ausnahmsweise be- nutzt; so findet sich fol. 9b ein Rezels zwischen der Stadt und der Erbherrschaft von 1533, fol. 9 eine Rainung mit der Zisser Gemeine von 1638 u. a.

Dresden.

Die Verfassung der Stadt Dresden ist neuerdings eingehend dargestellt worden"-), und ich beschränke mich daher darauf, zu bemerken, dals der Rat aus einem Bürgermeister und 11 Ratmannen bestand und ein Schöffen- kolleg von 7 Mitgliedern mit dem seit spätestens dem Anfange des 15. Jahrhunderts vom Rate ernannten Stadt- richter die Gerichtsbarkeit ausübte. Auch auf die Ver- fassungsänderung von 1470 gehe ich hier nicht ein^'^).

Die Dresdner Stadtbücher galten lange als ver- loren"'*); mehrere von ihnen haben sich jedoch neuer- dings im Archiv des Amtsgerichts zu Dresden wieder aufgefunden"'^). 0. Richter giebt in seiner Verfassungs- geschichte "'^) eine Aufzählung und Beschreibung der- selben. Sie sind sämtlich auf Pergament geschrieben und haben noch ihre alten Einbände (Holzdeckel mit rotem, gelbem oder geprelstem Leder überzogen, mit Messing- buckeln — aulser dem unter IV angeführten und teil- weise verlorenen Schlielsen) "^). Auch inhaltlich tragen sie einen wesentlich gleichartigen Charakter.

(I.) Das Stadtbuch 1437 1453 besteht aus 52 Blatt und beginnt fol. 2 mit den Worten: Anno domini millesimo quadringentesimo se2)timo hy^^ meister Niclos Thirman hurgermeister. Entsprechende Überschriften hat jedes neue Amtsjahr. Wiederholt wird eines älteren Stadtbuches gedacht^'-). Den Inhalt bilden durchweg Verhandlungen und Verlautbarungen vor dem sitzenden Rate; werden hie und da Rechtsgeschäfte erwähnt, die

"^) O. Richter, Verfassuagsgeschichte der Stadt Dresden (1885) S. 64 flg.

"3) Ebenda S. 78.

"*) Für das Urkundenbnch der Stadt Dresden (Cod. dipl. Sax. reg. II, 5) sind sie niclit benutzt worden.

i''^) Jetzt im Hauptstaatsarchiv Loc. 8579.

"6) ö. 153 flg.

^■'■') Vergl. die Vermerke aus den Stadtrechnungen über den Einband bei Richter a. a. 0.

i'8) Z. B. fol. 3, 5, 51), 28, 33.

Die siichs. Stadtliücher des Mittelalters. 127

„vor gehegter Diiigbank" stattlanden^""), so hat man wohl überall eine nachträgliche Verlautbarung vor dem Rate oder einen besonderen Antrag auf Niederschrift des Vorganges im Stadtbuche anzunehmend-^). Ziemlich selten begegnen uns Einträge über Geschäfte, welche der Rat abschlols, wie den Verkauf von Spitaläckern, die Vererbung von Altargütern (fol. 38 b); auch einige Be- freiungen von der Entrichtung des Geschosses (fol. 38, 41) gehören hierhej-. Erwähnt mag noch werden die ab- schriftliche Aufnahme einer Antwort des Schusterhand- werks zu Wien über den dort erfolgten Tod eines Schuh- machers 1449 (fol. 39). Die inneren Seiten der Einband- deckel, das Vorsatzblatt und die Rückseite des letzten Blattes wurden zu verschiedenen anderen Notizen benutzt. So findet sich hier eine Abschi'ift der goldenen Bulle Karls IV. von 1350 (Febr. 6.) für die Land- und Mark- grafen Friedrich, Balthasar, Ludwig und AVilhelra, nach welcher die Bürger der in ihren Gebieten belegenen Städte rittermälsige Güter kaufen konnten ^^^), ein Schied zwischen den Schustern und Fleischern von 1442, Vermerke über den Schererlohn (1441), über die zu verschiedenen geist- lichen Stiftungen gehörigen Zinsen, über die den Landes- herren zustehenden Renten, ein Schiedsspruch der Räte und Tuchmacherhandwerksmeister zu Freiberg, Pirna und Dresden in Streitigkeiten zwischen den Handwerks- meistern zu Großenhain und zu Oschatz (1444), Leib- renten- und Zinsverkäufe, eine Feuerordnung u, a.

(IL) Die Fortsetzung bildet das Stadtbuch 1454 bis 1476 (140 Blatt) von ganz ähnlicher Einrichtung. Auch hier finden sich nur selten Verhandlungen, die vor Gericht erfolgt waren; die Wendung „des habin derrichter und die sclie'ppfen für dem rate bekannt" (fol. 40) zeigt deutlich, wie dieselben ins Stadtbuch gekommen sind. Immer häufiger Avird die Aufnahme von Kopien schrift- licher Abmachungen auf Antrag der Kontrahenten^**-),

179) vergl. fol. 3, 5.

180) Ver^l. fol. 40'^: „Peter Nmveman had vor gericlde und gehegter bauglc und ouch ynn deme rate Dorotliean . . . naeli, sijuem tode gegeben und verreichen lassen".

^8^) Hub er, Kegesten des Kaiserreichs unter Karl IV, No. 121?.

182) Vergl. fol. 24: „Niclas Botclien und Hanns Rote liabin den rath gebeten zcu vergönnen dise_jiaeJuicschrcbui tcidingsvzedil ynß statbiich zu schriben lassen". Ähnlich die Eintragung einer „kou/fczedü" fol. 25"', einer „sundernngszcedü" fol. 28, 41"^ u. dgl m.

128 Hubert Ermisch:

Wieder entlialten die Einbanddeckel, das Vorsatzblatt und die letzten Blätter besonders interessante Notizen; so einen vertassung'sgescliichtlich wichtigen Vermerk von 1457 ^^'^j, eine Scliölfentaxe, die „zcediW des Kurfürsten Friedrich II. und des Königs Georg von Böhmen über die von geladenen Wagen einzuschlagenden Ötrafsen von 1462 (fol. 136 b), eine undatierte Gerichtsordnung des Kur- fürsten Friedrich II. (fol. 137 b), eine Innungsordnung der [Schneider von 1462 (fol. 139 b), verschiedene Katsbeschlüsse und dergleichen mehr.

(III.) Das Stadtbuch 1477—1494 (164 Blatt) ent- hält neben den Verlautbarungen etc., die noch immer den Hauptinhalt büden, auch einige Vermerke über städtische Geschäftsangelegenheiten : verschiedene Ratswillküren, ein Gedinge mit dem Organisten wegen des Seigerstellens und wegen des „Tagekorns" vom heiligen Kreuze 1491 (fol. 115 b), einen Vermerk über die Bestallung des Stadt- schenken (fol. 133 b) und dergleichen melu\ Auf fol. 6 b steht eine „Rechnung von renten und geriditen, das die stat unnser gnedigen Jiern jerlich gibt^^. Auch hier sind zahlreiche Abschriften aufgenommen, z. B. von „Auf- gabebriefen", die vom Stadtgericht ausgestellt sind (z.B. fol. 119b)i84j_ ^^if (jej. Innenseite des Einbanddeckels sind verschiedene Ratsbeschlüsse aus der Zeit von 1477 bis 1494 notiert.

(IV.) Das letzte hier zu nennende Stadtbuch 1495 bis 1505 (116 Blatt) entspricht durchaus den vorher- gehenden. Die stadtgeschichtlich interessantesten Notizen linden sich auch in diesem auf dem vorderen und hinteren Deckel, dem Vorsatzblatt und dem letzten Blatt: so Ver- merke über die Wache während des Jahrmarkts, über die Verpflichtung ^cler Hausgenossen zum Wachdienst (1497), über die Überlassung des Judenteichs an den Rat (1496j und der Salzfässer an der Elbe (1501), über den Dienst des Abdeckers (1501), Ratsbeschlüsse über das Grabgeläute (1505) und das Wächtergeld (1501) und dergleichen mehr. Abschriftlich aufgenommen ist u. a. eine Urkunde des Herzogs Georg vom 21. August 1502 über einen Schied zwischen dem Amt und dem Brücken- meister wegen der Erbgerichte auf den Gütern der Kreuz- kirche und dem Halsgericht auf der Brücke (fol. 86).

183) Gedruckt bei leichter a. a. 0. S. 352. '*') Häutiger noch iu dem unter IV aufgeführten Stadtbuch fol. 33, 391» u. ö.

Die Sachs. Stadtbüclier des Mittelalters. 129

Neben den Stadtbücliern gab es noch G-ericlits- bücher^^^); doch scheinen dieselben sämtlich abhanden gekommen zu sein. Dasselbe gilt auch von dem Acht- buche, dessen 1492 einmal gedacht wird^*^*^).

Altendresden.

Im Zusammenhange mit Dresden gedenken wir des diesem gegenüber auf dem rechten Eibufer gelegenen Altendresden, welches 1403 Stadtrecht erhielt und bis zu seiner Einverleibung in Dresden 1548 ein eigenes Gemein- wesen bildete ^^^j. Während des 15. Jahrhunderts be- stand hier der Rat aus einem Bürgermeister und acht Ratmannen; dieselben Personen fungierten als Schöffen, während andererseits der Stadtrichter auch meist in den Ratssitzungen anwesend war^^^). So fehlt der scharfe Unterschied zwischen Rat und Gericht; Wendungen wie „vor einem sitzenden Rate und vor gehegtem Dmge" (z. B. Stadtbuch 1412 flg. fol. 6, Hb, 27), „sie sind kommen vor gehegte Bank und vor einen ganzen Rath" (ebd. fol. 29 b) u. ä. bestätigen dies. Es hat daher auch ein besonderes Gerichtsbuch hier nicht gegeben, sondern das Stadtbuch vertrat seine Stelle.

Die Stadtbücher von Altendresden ^^^) sind, wie es scheint, vollständig erhalten^'"').

(I.) Das Stadtbuch 1412—1509 ist ein starker Folioband von 173 Blatt in mittelalterlichem Einbände {Holzdeckel mit braunem Lederüberzug, Buckeln und ver- lorenen Schliefen). Seinen ältesten Teil, dem einige Blätter mit einem Zinsregister und einem Ratsbeschluls über die Gewährung von Hosentuch an den jedesmaligen

18,5) vergl. z. B. Stadtbuch 1437—1453 fol 5»): „als das ge- richtisbuch ustoiset" ; fol. 32i': „als das in deme gerichtisbuchc ouch geschriben ist". Vergl. Richter a. a. 0. S. 154.

180) Vergl. Richter a. a. O.

187) Yei-gi. Ei cht er a. a. 0. S. 83 flg.

"ä) Nach Richter S. 84 bildete ein Teil der Ratmaniien das Schöffenkolleg; allein das ist wohl nicht genau, denn wir finden sehr oft im gehegten Dinge den Bürgermeister mit all seinen acht Rat- mannen (vergl. Stadtbuch 1412 flg. fol. 3'', fi, 11'', 34, 50), und sind es weniger, so sind wohl entweder bei der Aufzählung einige aus- gelassen oder sie fehlten in der Sitzung. Ausdrücklich heilst es einige Male: das Gericht hätten gesessen (der Vogt zu Dresden,) iler Stadt- richter und der geschworne Rat (fol. 26 '', 29).

'*') HStA. Loc. 8585; abgegeben vom Amtsgericht zu Dres- den, wo sich die Fortsetzung von I (1509 1549) noeli belindet.

mj Vergl. Richter S. 153 flg.

Neues Archiv f. S. G. n. A. X. 1. 3. 9

130 Hubert Enaisch:

Schützenkönig (16. Jaluli.) vorgeheftet sind, bildet die von alter Hand ioliierte Pergamentlage fol. 1 5. Ein teil- weise weggeschnittener Vermerk am Rande von fol. 1 betraf wohl die Anlage des Buches und scheint gelautet zu haben: „Nota. [Iste Über est inceptus secundaj in pentliecosten^'^^) anno domini j)/P CCCC^ XIP". Hierauf folgt eine Notiz über die Ablegung der Kämmereirech- nuug des Jahres 1412^^^). Blatt 4 b war für ein Büi'ger- aufnahmeregister bestimmt; es hat die Überschiift: „Nota dy do hurgerrecht hahen'^, worauf aber nur ein einziger Eintrag über eine 1412 geschehene Aufnahme ins Bürger- recht sich findet,, der nachträglich durchstrichen worden. Auf Blatt 5 sollten dann wohl Auflassungen folgen ; auch hier ist wenigstens der erste Eintrag, wie sich aus den Namen der Ratsmitglieder ergiebt, von 1412. In das- selbe Jahr dürften die beiden Achtserklärungen gehören, die sich oben auf Blatt 5 b finden. So scheint bei An- lage des Buchs ein bestimmter Plan vorgelegen zu haben ; er wurde jedoch nicht festgehalten, sondern bunt durch- einander, selbst ohne chronologische Ordnung, folgen sich Verhandlungen, vor dem Rate und vor dem Gerichte über Privatsachen, Ächtungen, auch Vermerke über städtische Geschäfte (so die Rechnungslegung von 1418 fol. 2, eine Notiz über die Schuld des alten Büi-germeisters an die Stadt von 1416 fol. 5 b) aus den Jahi-en 1412-1433.

Eine geordnetere Buchführung begann im Jahre 1434. In diesem Jahi-e bestimmte man eine Lage Papier zur Fortführung des Stadtbuchs; die in dieser bewirkten Einträge reichen bis 1449 (fol. 6 bis 23). Erst später, vielleicht 1480^^^), entstand der gegenwärtige Band dui'ch Vereinigung der beiden früheren Lagen mit einer Anzahl neuer (Papier).

Den Inhalt bildeten auch weiterhin hauptsächlich Verlautbarungen über Privatgeschäfte vor dem Rate oder vor dem Gerichte. Auf die dabei gebrauchte Formel: „Wir- bekennen in Gegenwärtigkeit unsers Stadtbuchs" hat Richter bereits aufmerksam gemacht ^^^); auch der einige Male vorkommende Schluls „als wir losin legin yn unser statbuch" (fol. 6 b, 7 b, 8, 10 u. ö.) klingt ungewöhn-

191) Mai 23.

192) Eichter S. 84.

193) vergl. Richter S. 154.

19*) a. a. O. S. 153. Doch daneben kommt auch (und zwar öfter) die gewöhnlichere Formel „Wh bek. mit, in unserm Stadtbuch" vor.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 131

lieh und noch mehr die Wendung: „Dess czu eynem waren hekentnissin liahin wir lossen drocidn in unserm stat- buch" (fol. 151») wohl eine Reminiszenz an die Be- siegelungsformel bei Urkunden.

Neben diesen privatrechtlichen Einträgen sind die, welche Ratsgeschäfte betreffen, ziemlich spärlich. So finden sicli Vermerke über die Ausleihung des zu einem Salve in der Dreikönigskirche gehörigen Kapitals, dessen Verwaltung dem Rat übertragen war, nebst der Abschrift einer Ratsurkunde über dieses Salve (fol. 39—41, 61—62), Verzeichnisse der Zinsen der Stadt um 1463 (fol. 38), der zum Altar der heiligen Barbara zinsenden Gärten 1474 (fol. 47), der Zinsen von den verliehenen Feldern des Stadtvorwerks von 1485? (fol. 84 b), ferner Vermerke über die Braupfannen der Stadt, über die Waffen und Rüstun- gen, die einzelnen Einwohnern überlassen waren (fol. 47 b), über Verkäufe städtischer Grundstücke (fol. 172' b, 173 b) und dergleichen mehr, auch einige Ächtungen von Übel- thätern (fol. 23 b).

(IL) Ein anderes Altendresdner Stadtbuch, von neuerer Hand als Pro to coli um bezeichnet, 121 Blatt Papier (in gelbem Lederumschlage), beginnt 1491 und reicht bis 1528. Es enthält neben einigen Ratsgeschäften (z. B. Verkauf eines Hauses durch den Rat fol. 3, Sühne der Stadt mit Ambrosius Hornigk fol. 3b, Wülküi^ über die Jagd 1492 fol. 4, Zinsgeschäfte fol. 5) ebenfalls fast nur Verhandlungen in Angelegenheiten Privater; grölsten- teils scheinen dieselben im Rate, nur wenige im gehegten Dinge verlautbart worden zu sein. Warum in den ein- zelnen Fällen die Eintragung hier und nicht in dem vor- her genannten Stadtbuche erfolgte, vermag ich nicht an- zugeben.

Frauenstein.

Das Städtchen Frauenstein, welches schon 1384 als oppidum bezeichnet und 1399 mit „Weichbildrecht" begabt wurde '•'■^), wurde im Jahre 1411 von dem Stadt- herrn, dem Bui'ggrafen Heinrich von Meilsen, „begnadet und belehnt mit Stadtreclite und mit solchen Gewohn- heiten und Rechten, als haben die von Dresden oder die von Dippoldiswalde oder die von Sayda" ^""). Die Urkmide

"^) Bahn, Fraiienstein S. 60 flg. 1««) Ebenda S. 62.

132 Hubert Ermisch:

enthält u. a. Bestmimungeii über die Walil des Bürger- meisters und der „Ratsgenossen oder Schöffen", deren Zahl sich nach dem Bedürfnis richten sollte. Im Jahre 1493 gab es neben dem Bürgermeister 8 Ratsgenossen^^').

Das uns erhaltene Stadtbuch^^*), ein Band von 52 Blatt Papier in Folio, gebunden in Holzdeckel, die mit geprelstem, braunem Leder überzogen und mit metal- lenen Randverzierungen, Buckeln und Schlielsen versehen sind, wurde erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts angelegt und ist mithin sicher nicht das älteste Frauen- steiner Stadtbuch; denn ein solches gab es ohne Frage schon seit der Begabung der Stadt mit Stadtrecht. Über- haupt trägt es nicht eigentlich den Charakter eines Stadt- buches im gewöhnlichen Sinne, obwohl es wiederholt so bezeichnet Avird (fol. 6, 8).

Es beginnt mit einer Art Stadtwillkür unter folgen- der Aufsclirift:

Alzo unns der edele her Heynrich purcgrave zcu Meyfsen unnfser liber gnediger her unns begnad unnd beglenet (sie) hat mit stadrechte unnde mit sulcheu gnadin unnd rechtenn, alzo habenn dy weysin vorsichtigemi leute burgermeyster unnd burger ratifs geschworn zcu Dresden, zcu bestellen ire stad unnd der ganczin gmeyne nucz unnd fromen, dafs wir unfs an ym erforsch [t] habenn unnd nach irer underweysunge das auch alzo meynen zcu bestellen yn unnfsere weychpilde nach nucz unnd fromen der ganzen gemeyne unnd auch nach lauthe unnfsers briffs, den unns unnfsere gneydige her gebenn hat.

Hierauf folgen einige Sätze über die Ratswahl, wo- bei, wie in der Urkunde von 1411, die Zahl der Rats- mitglieder nicht festgestellt, aber bestimmt wird, dals der alte Bürgermeister mit einem Teile seiner Ratsgenossen im Rate bleiben solle, ferner Bestimmungen über die Strafgewalt des Rates, insbesondere über die Markt- polizei, über die Befugnisse des Stadtboten (der auch zum Dinge gebietet^, über das Recht des Rates, neue Gewohn- heiten zu machen und zu setzen.

Daran schliefsen sich die Abschriften der Privilegien- konfirmation von 1466, in welche die von 1439 inseriert ist^^^), eines Vergleiches zwischen der Stadt und dem Bürgermeister Joh. Drebner wegen des aus dem Sand- born dui'ch die Badestube und seinen Hof flielsenden Wassers von 1493 derselbe soll alljährlich bei der

^^■') Stadtbuch fol. 6. Ebenso nach den Statuten von 1587, vergl. Bahn S. 74.

^»8) HStA. Loc. 9863 (Depositum des Rats zu Frauenstein). 199^ Vergl. Bahn S. 67.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 133

Walil des. neuen Rates vorgelesen werden , Vermerke über die Überlassung der „Gynnitzmülüe (?)" an die Stadt durch Caspar von Scliönberg, Herrn zu Frauen- stein, von 1495 und über verschiedene geistliclie Stif- tungen, die Abschrift einer ßatsurkunde über die Stiftung des Stadtpfarrers Joh. Smydt von 1507 und noch mehrere spätere städtische Verträge, Aufzeichnungen über Be- rainuugen, allerhand denkwürdige Begebenheiten und der- gleichen mehr bis 1620.

Nach zahlreichen unbeschriebenen Blättern finden sich erst auf den letzten Seiten wieder einige Einträge ähnlichen Charakters, sämtlich, auch die, welche von älteren Begebenheiten berichten, von Händen des aus- gehenden 15. oder beginnenden 16. Jahrhunderts: die Abschrift eines Befehls des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht vom 16. Juni 1473 an Bernhard und Caspar von Schönberg, denen Schlots und Stadt Frauen- stein wiederkäuflich verkauft waren, wegen der Huldi- gung, Vermerke über eine Sühne mit dem aus der Stadt „verzählten" Krenzelmecher 1430 und über einige andere (jehruche nnnd der stad abele(jumje, eine Reihe geschicht- licher Notizen von 1426 -o"), 1436, 1479, 1491—1502, endlich ein Verzeichnis von Zinsen, welche die Stadt von verschiedenen Grundstücken erhält, und von daraus zu bestreitenden Ausgaben.

Für die Eintragung von Rechtsgeschäften Privater, deren sich nur drei aus den Jahren 1502, 1510 (?) und 1518 finden (fol. 21, 17, 16^'), hat es wohl ein anderes Buch gegeben, das nicht erhalten ist.

Freiberg.

Von den älteren Freiberger Stadt- und Gerichts- büchern hat sich eine verhältnismälsig sehr bedeutende Anzahl erhalten -^^). Da ich dieselben in dem unter der Presse befindlichen 3. Bande des Freiberger Urkunden- buchs eingehend beschreiben und teilweise veröffentlichen

'^'^) „Tausinth virhundcrth XXVI den nesten sontaqk vor Johannes do tvaß der streyt vor Aussigk, do sinth hlibenn XIIII graven toth an ritter an man, der zcat tvir nicht hau."

^^) Sie befinden sich teils (No. 1—5) im llatsanliive zu Frei- herr, teils (No. 6—9) im llauiitstantsarchive zu liresdcn Loc 9875, 987H, wohin sie vom vormal. kgl. Bezirksgericht zu Frt.'il)erg abge- geben worden sind.

134 Hubert Ermisch:

werde, so beschränke ich mich hier auf eine blolse Auf- zählung.

1. Stadtbuch I (registrum civitatis) 1378—1404.

2. Matricula civium Fribergensium 1404 bis 1605; diente auch als Memorialbuch des Rates bis 1415.

3. Stadtbuch II c. 1404—1472.

4. Stadtbuch III 1472—1519.

5. Yerzählbuch c. (1378) 1404 bis c. 1472, 1505 bis 1517.

6. Gerichtsbuch I 1464-1480.

7. Gerichtsbuch II (genannt die Fledermaus) 1482- 1493.

8. Gerichtsbuch III 1493—1501.

9. Gelübdebuch 1490-1514.

Geising.

In der „Neustadt Geising", welche 1462 Stadtrecht erhalten haben soll-*^-), lag Verwaltung und Rechtspflege in der Hand eines Richters mit 7 oder 8 Schöffen ; es ist also begreiflich, dafe es nur ein Buch gab, in das sowohl die „vor einem sitzenden Rathe" als die „vor Gericht" ^"■^) stattgehabten Verhandlungen eingetragen wurden, und dafs dieses Buch bald als Stadtbuch (z. B. fol. 10, 25), bald als Gerichtsbuch (z. B. fol. 2771») bezeichnet wurde. Dasselbe 2*^1) besteht aus 283 Blatt Papier (gr. 4'*) und ist in weichen braunen Lederumschlag gebunden. An- gelegt wurde es um 1484 und fortgeführt bis 1632. Auf dem oben schadhaften Vorsatzblatt befindet sich eine wohl auf die Grundsteinlegung der Kirche bezügliche Notiz von 1484^*^^), ferner ein Vermerk über die am 11. November 1507 erfolgte Verwüstung der Stadt durch die Böhmen; auf fol. 1 b eine Kirchenrechnung; am Schlüsse des Bandes sind einige für die Stadt wichtige Dokumente des 16. Jahrhunderts abschriftlich eingetragen. Im übrigen betreffen die Einträge ausschlielslich Privat-

202) Schumann, Lexicon von Sachsen YII, 50. Vergl. Chr. Meifsn er, Altenberg S. 566 flg. Schöttgenu. Kreysig Diplomat. Nachlese IV, 695 flg.

203) d. h. vor dem Richter und einigen Schöffen; selten heifst es „vor Gericht und gehegter Dingbank" (z. B. fol. 25), zuweilen auch „vor gerichte vor eyn sitzenden rati" (z. B. fol. 7'>).

20*) Ratsarchiv Geising.

205) A^ergl. Meifsner a. a. 0. S. 570.

Die Sachs. Stadtbücher rles Mittelalters. 135

ang-eleg:enlieiteu, die vor Gericht, seltener vor dem Rat verhandelt oder verlautbart wui^den.

Grrimma.

In Grimma bestand der sitzende Rat, der sich aus dem Schöffenkolleg entwickelt haben soll-*'*'), im späteren Mittelalter aus zwölf Personen einschlielslich des Bürger- meisters; ein in regelmäisigem Wechsel sich ablösendes dreifaches Ratskolleginm ist seit 1373 nachweisbar-*").

Das Schöffenamt blieb in der Weise mit dem Rate verbunden, dais die sechs Schöffen, deren ersten man als Schöffenmeister bezeichnete, aus den drei Räten gewählt wurden--*^). Die Erbgerichte besals der Rat pachtAveise seit 1379, die Obergerichte erwarb er um 1437 ^*'^).

Dals Rat und Gericht getrennte Buchführung hatten, ergeben klar die leider sehr unvollständig erhaltenen Bücher -10).

(I.) Das älteste von ihnen ist das Gerichtsbuch von 13 46 (1364). Lorenz, der eine eingehende Be- schreibung des Buches gegeben hat-^'), bezeichnet es als das „Stadtbuch" von 1346; eine neuere Archivsignatur als „Gerichtsbuch de ao. 1372 sqci."; im Buche selbst endlich kommt die Bezeichnung cartula nostri opidi vor^^-). Das Büchlein besteht aus 16 Blatt Pergament, klein Folio, in mittelalterlichem Einbände (Holzdeckel, übeizogen mit braunem gepreisten Leder, Messingbuckel, die Schlielsen sind jerloren) und wurde im Jahre 1346 angelegt, wie die Überschrift fol. Ih beweist: Anno domini MCCC quadragesimoVI editus estiste Über suh Brunone Brandeys magistro considum et Joh. de Lr/znik notario civitatis Orymmis. Zunächst aber wurden, wohl für die Nach- tragung von Reinschriften der Verhandlungen aus den Jaliren 1346—1364, die ersten zehn Blätter freigelassen -i=^). Auf fol. 11 folgt dann die weitere Überschrift: Anno domini M^C^^C^C^ LXIIIP Vlmannus Greys tahellionis

^) Lorenz, Chronik der Stadt Grimma S. 1159 flg.

207) Ebenda S. 1163 üg.

208) Ebenda S. 1212.

20'») Ebenda S. 461, 1210 flg.

210) Sämtlich im Ratsarchiv zu Grimma.

2") Lorenz a. a. 0. S. 473 flg.

212) Fol. 11h; vergl. die xinten initüfeteilfe fTbersc'lirift auf fol. 11.

213) Über die auf ihnen sich lindendrii Einträge, vergl. unten

sub in.

136 Hubert Ermisch:

officium Orymmensium sub Nycolao Schatz magistro con- sulum acceptus suhscripta presenti cartule inseruit affir- macione scahinorum et judicis. Schon dies läfet an- nehmen, dafs das Buch ein Gerichtsbuch, nicht eigentlich ein Stadtbuch ist, und das bestätigen die auf fol. U bis 16 b folgenden Einträge, welche durchweg Verhandlungen im gehegten Dinge (coiifirmato oder contestato judicio, ordine judiciario servato oder celehrato, judice pro tribu- nali sedenti, judice presidenti cum scabinis, coram judice et scabinis servato ordine juris u. ä.), hauptsächlich Auf- lassungen, Verzichte, letztwillige Verfügungen u. dergl. enthalten -^^). Sie sind sämtlich in lateinischer Spraclie abgefalst und undatiert, so dafs sich das Endjahr des Buches nicht genau ermitteln lälst; doch ist es wohl zweifellos, dals sie nicht bis zum Anfangsjahre des nächsten erhaltenen Gerichtsbuchs, 1406, reichen, sondern dals zwischen beiden ein Buch fehlt.

(II.) Das Gerichtsbuch von 1406, auch als scheppinlmcli bezeichnet (fol. 521j), ist ein kleiner Folio- band von 54 Blatt Pergament und vorn und hinten je einem Blatt Papier, in mittelalterlichem Einband (Holz- deckel mit gelbem Lederüberzuge, Messingbuckeln und verlorenen Schlielsen)-. Die Überschrift (fol. 1) lautet: Anno domini millesimo C^C^C^C^ VP editus est über iste sub Conrado ScJiindeler magistro consulum et Nicoiao de Jhenis notario civitatis Orymmis. Es ist in deutscher Sprache geführt und enthält, wie das vorige, durchweg Verhandlungen „vor Gericht und gehegter Bank", „vor Pichter und Schöffen" u. ä.; nur auf den letzten Seiten finden sich einige Verhandlungen „vor sitzendem Pate" (fol, 51 b, 53, 53 b). Zeitangaben fehlen auch hier anfangs vollständig ; die erste kommt in einer gütlichen Berichtung von 1412 vor (fol. 37 b), dann werden sie häufiger. Das Buch blieb in Gebrauch bis etwa 1426. Auf den letzten Seiten finden sich die Abschrift einer Urkunde des Mark- grafen Wilhelm I. vom 16. Februar 1395, in welcher er eine erbrechtliche Willkür des Pates zu Grimma be- stätigt ^^■^), ein Patsbeschluls von 1419 über die Abgabe- pflicht derer, die vier Acker haben, und andere Notizen; auf dem Vorsatzblatte eine Patswillkür über die Zahl

«") Proben bei Lorenz S. 473 flg. -^^) Lorenz S. 461.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 137

der Wagen, die jeder halten darf, von 1473, und andere Verhandlungen des Rates aus der Zeit von 1475—1479.

(IIL) Das älteste Stadtbuch-^*^) besteht aus 32 Blatt Pergament , (in neuerem Einbände) und wurde 1372 an- gelegt; die f Überschrift (fol. 1) lautet: Änno domini mil- lesimo trecentesimo LXXII^ editus est Über iste siih Theoderico Scriptoris magistro considnm et Inano de Kenipmcz notario civitatis Gri/nnnensis. Mitten im Buche, auf fol. 16 h, findet sich noch eine Überschrift, nach wel- cher eine weitere Abteilung desselben 1397 begonnen wurde: Anno incarnacionis domiiii mUlesinio C^C^C^ XCVIP editus est iste liher sidj Brunone magistro con- sidnm. Das Buch reicht bis zum Jahre 1424.

Es enthält die mannigfachsten auf die städtische Verwaltung bezüglichen Notizen: einen Markt Zolltarif (fol. 1)-^^), ein Verzeichnis von Gehältern und Zinsen, w^elche der Rat zu zahlen hatte (fol. 2)-^^), Vermerke über Zins- und Leibrentenverkäufe durch die Stadt, über anderweite Ausleihung der dadurch eingenommenen Kapi- talien und von Mündelgeldern (fol. 3), verschiedene Will- küren der drei Räte, Vermerke über die Ausstofsung von Ratsmitgliedern aus dem Rate (fol. 12, 13) und über mannigfache Vergehen, der man „gedenken" solle (z. B. fol. 16h), über Vermietungen, Verpachtungen, Käufe und Verkäufe durch die Stadt u. dgl. m. Vor allem wichtig ist die älteste Redaktion der Statuten (fol. 7 h)-'»). Neben diesen Aufzeichnungen über städtische Angelegenheiten erscheinen solche über im Rate erfolgte Verlautbarungen von Privatgeschäften, während nui' selten Vorgänge vor gehegter Bank eingetragen werden (z. B. fol. 12 h, 27 h, 29 h); einmal heifst es, die Parteien seien gekommen „vor den Rat und vor die Schöffen" (fol. 14). Alle diese Auf- zeichnungen stehen übrigens bunt durcheinander; man trug ein, wo eben Raum war.

Zur Fortsetzung des Stadtbuches benutzte man zu- nächst die leeren Blätter 1—10 des unter I. beschriebenen ältesten Gerichtsbuches; von einigen derselben scheinen ältere Einträge durch Rasur entfernt worden zu sein.

"«) Vielfach benutzt von Lorenz, der es 8. 474 genau be- schreibt.

2") Lorenz S. 460. 21^) Ebenda S. 474. "0) Lorenz S. 476 flg.

138 Hubert Ermisch:

Neben einem 1405 angelegten nnd später fortgesetzten Verzeichnis von Schuldnern der Stadt (fol. 1 b— 4 b) finden sich hier zalüreiche Notizen über Ratsbeschlüsse, Rats- geschäfte und Verlautbarungen vor dem Rate aus den Jahren 1425 1429 nebst einigen späteren Vermerken; daneben haben nur wenige Verlautbarungen „vor Gericht und gehegter Bank" Aufnahme gefunden.

(IV.) Nur fragmentarisch erhalten ist ein weiteres Stadtbuch (das eine neuere Hand fälschlich als Gerichts- buch 1442 flg. bezeichnet hat), ein in weichen, sehr schad- haften Pergamentumschlag gebundener Folioband von 55 Blatt Papier; nur fol. 1 ist ein Pergamentblatt. Wahr- scheinlich haben wir letzteres für den Rest eines ver- lorenen Stadtbuches anzusehen; der erste Eintrag schlieist anno ut siqjra feria secimda 'post Letare, verweist also auf abhanden gekommene vorhergehende Blätter; weitere Einträge zeigen die Jahrzahlen 1444 und 1446, während die meisten undatiert sind. Mit fol. 2 beginnen Einträge von 1461, die bis 1494 fortgesetzt werden; doch finden sich auch in diesem Teile Lücken: so fehlen Einträge aus den Jahren 1466/69, 1476/77. Den Inhalt bilden fast ausschlielslich Verlautbarungen und Verhandlungen über Privatgeschäfte vor dem Rate (zuweilen unter Zuziehung von Richter und Schöffen, z. B. fol. Ib, 45, 48 b). Auf der Innenseite des Umschlags finden sich die Abschrift einer Urkunde des Herzog Friedrich über eine Mühle von 1414, Eidesformeln für die Ratsmitglieder, Hand- werksmeister und einige städtische Beamte, ein Vermerk über den Lohn des Schieismeisters von 1437, eine Willkür wegen der Bäcker von 1442 u. dgl. m.

Die Fortsetzung dieses Stadtbuchs bildet ohne Zweifel das im Archiv des Amtsgerichts zu Grimma befindliche und mir augenblicklich nicht vorliegende Stadt handel- buch von 1495, dem sich eine lange Reihe weiterer Bände anschlielst.

(V.) Endlich mag noch Erwähnung finden das (eben- falls irrtümlich von neuerer Hand als „Gerichtsbuch" betitelte) Statutenbuch von 1438 (26 Blatt Pergament, gebunden in Holzdeckel mit rotem Lederüberzug, Messing- buckeln und verlorenen Schlielsen) ^^^). Seine Über- schrift lautet:

220) Yergi. Lorenz S. 475.

Die Sachs. Stadtliüdier des Mittelalters. 139

Anno (lomiui nostri Jhesu Christi millesimo qiiadringentesimo tricesimo octavo vicesima quarta die mensis Januarii transsnmptus et conscriptns est presens lil)er statutoruin et anti(iuarum couswetu- diniim ex veterilnis libris civitatis (rrynimis extractus, in quo nichil est positum vel obmissum, quod sensum nmtat vel rainuit iutellectura, de mandato consiüuin per Johaunem Apel.

Darauf folgt eine Neubearbeitung der in Nr. III enthaltenen Statuten--^) mit vielen Zusätzen. An sie schlieisen sich manche spätere Willküren an, auch Ver- merke über Zinskäufe und andere Geschäfte der Stadt, die wohl ebenfalls erst 1438 niedergeschriebenen Mit- teilungen über den Stadtbrand von 1430^^^) und über Überschwemmungen von 1432 und 1433 sowie über die damals erfolgte Zerstörung der Muldenbrücke und was damit zusammenhing (fol. 12). Abschriften der Innungs- ordnungen der Schmiede und Leineweber ^'-■^) (fol. 24 1^, 25b), eine Badertaxe von 1457'"*), eine Fischerordnung von 1461 u. a. Noch aus dem 15. Jahrhundert stammen die Vermerke über die Löhne der Stadtbediensteten (precium familine) auf fol. 1, aus dem 16. dagegen zahl- reiche Eidesformeln für Ratspersonen, Bürger, Schötfen und niedrigere Stadtbeamte auf fol. 9—17, ebenso ein Statut über Gerade und Heergewette, zu dem bemerkt ist: „Vide Stadtbuch de anno 1495 in fine item Perga- ment-Buch fol. 4"; mit ersterem ist wohl das oben er- wähnte Stadthandelbuch im Archiv des Amtsgerichts gemeint, während letzteres vielleicht sich auf eins der verlorenen Blätter des unter IV. angeführten Stadtbuchs oder desjenigen, dessen Rest das erste Blatt desselben sein mag, bezieht. Verlautbarungen über Privatgeschäfte enthält das Statutenbuch nicht, gehört also nicht eigent- lich zu unseren Stadtbüchern im engeren Sinne.

Hartenstein.

Im Ratsarchiv zu Hartenstein befand sich noch 1822 2-^) ein mit dem Jahre 1482 beginnendes Stadt buch. Bei einer Revision des genannten Archivs, die ich im

221) Die Abweichungfen von der älteren Redaktion bei Lorenz S. 475 flg. Vergl. auch Weinart, Sachs. Handbibliothek II, 274 flg.

222) Lorenz S. 479.

223) Vergl. ebenda S. 937.

224) Ebenda S. 171.

22'^) Es ergiebt sich dies aus den im Ratsarchiv vorhandenen Auszügen des Stadtrichter Meyer.

140 Hubert Ermisch:

Jahre 1881 vornahm, fand sich dasselbe nicht vor; auch ist mir nichts Näheres über dieses Stadtbiich bekannt geworden.

Kamenz.

Von den erhaltenen Stadtbüchern der Stadt Ka- menz-'-*') gehören drei dem Mittelalter an. Da dieselben bereits von Knothe in der Einleitung zu seinem Urkunden- buche der Städte Kamenz und Löbau, in welchem die wichtigsten Einträge aus ihnen mitgeteilt werden, ein- gehend beschrieben worden sind--'^), so mögen hier wenige Bemerkungen genügen.

Wie in den anderen Sechsstädten, so lag auch in Kamenz die städtische Verwaltung in den Händen eines aus einem Bürgermeister und 12 Ratmannen bestehenden Eates; die Ratsmitglieder waren gleichzeitig Schöffen des Stadtgerichts. Es genügte daher ein und dasselbe Stadtbuch sowohl für die im „besessenen Rathe" als auch für die im gehegten Dinge vorgenommenen Handlungen; die letzteren waren wohl die weitaus selteneren. Das älteste vorhandene Stadtbuch (I) wurde kurz vor 1400 angelegt und bis 1452 geführt; unmittelbar an dasselbe schliefst sich Stadtbuch II an nur zwei auf den Vor- satzblättern stehende Vermerke sind schon aus dem Jahre 1450 und reicht bis 1495. In beiden bilden die Ver- lautbarungen von Rechtsgeschäften Privater, von Stif- tungen u. dgl. den gröfsten Teil des Inhalts--^). Seltener werden städtische Verwaltungsangelegenheiten berück- sichtigt. So finden sich ein Register der Zinsen, welche die Stadt zu geben und zu empfangen hat (I fol. 76 flg.), ein Verzeichnis der aus der städtischen Rüstkammer ver- liehenen Waffen (I fol. 166 b)^ einige Ächtungen (z. B.

I fol. 92, TI fol. 12, 23, 32 b, 34 b) und Urfehden (z. B.

II fol. 4 b, 130), verschiedene statutarische Festsetzungen, Rats- und Gemeindebeschlüsse -^^). Schon Knothe weist darauf hin, dals in dem grolsenteils unbeschriebenen Stadt- buch II besonders die letzten Seiten für solche Einträge benutzt wurden ; hier finden sich auch Abschriften einiger wichtiger Urkunden, so des Bekenntnisses der Städte Grofsenhain, Oschatz und Grimma über denStrafsenzugvon

22Ö) Im Archiv des Amtsgerichts daselbst.

527) Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, X.

22-*) Vergl. z. B. das angeführte Urkundenbiich No. 74, 76, 88, 178.

229) Ebenda No. 86, 113, 114, 128,^49, 179.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittehalters. 141

Schlesien und Polen nach Meilsen und Thüringen von 1460 Sept. lö-^"J (fül. 130b:, der gelegentlich der Huldigung von König Ladislaus 1453 ausgestellte Ilevers (fol. 135), ferner Vermerke über diese und die 1469 dem König Georg Podiebrad geleistete Huldigung (fol. 134 b) u. dgl. m. Seit etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts finden wir regelmälsig die Mitglieder des Rates an der Spitze des betretienden Jahres. Stadtbuch III wurde schon um 1483 angelegt und zwar zunächst wohl zur Eintragung neu aufgenommener Bürger (das erste registrum novorum civium fol. 21), sowie wichtiger Ratsbeschlüsse und sonstiger Vermerke ■-•^^). Seit 1495 trat es vollständig an die Stelle von Stadtbuch II, das man nicht mehi- fortsetzte.

Königstein. In Königstein, wo ein Richter mit 6 Schöffen so- wohl die Verwaltung als auch die Gerichte handhabte -=^-), gab es für beide Zwecke nur ein Buch. Das älteste dieser Stadt- und Gerichtsbücher, welches das Reper- torium des Amtsgericht sarchivs aulführt, soll die Jahre 1443 bis 1462 umfalst haben, ist aber nicht mehr auf- zufinden gewesen. Vorhanden dagegen ist das Stadt- und Gerichtsbuch 1463 1534--^"), ein schmaler Folioband von 188 BU. Pap., gebunden in Holzdeckel mit gelbem Lederüberzug und teilweise abgerissenen Schliefsen. Seinen Inhalt bilden fast durchweg Verhand- lungen und Verlautbarungen über Privatgeschäfte vor Richter und Schöffen (doch nur ausnahmsweise in gehegter Bank, z. B. fol. 22, 68, 68b). Selten finden sich Auf- zeichnungen von allgemeinerem Interesse, wie die Rüge des Landrichters (fol. 10 b), ein Vermerk über den Kauf einer Mühle, wohl durch die Stadt (fol. 114 b), ein Zins- register (fol. 188).

Leisnig--^'*). Der Rat der Stadt Leisnig bestand aus einem Bürger-

230) Orig. im HStA. Dresden No. 7677.

231) vergl. z. B. Urkiiuacnbiich No. 150, 151, 154, 156, 159, 160, 166—168, 174, 177, 181, 190 n. s. w.

232) Vergl. Süfs. Kimig-stein (1755) S. 31.

233) Hauptstaatsarcliiv Dresden l.oc. 9878 (abgegeben vom Kgl. Amtsgericht zu K.). Es wird wiederholt als „Stadtbuch" bezeichnet, z. B. fol. 13»), 21b, 29.

-3*) Die Stadtbücher von Leipzig werden im nächsten Hefte besprochen werden.

142 Hubert Ermisch:

meister und fünf ßatmannen--^'). Er erwarb im Jahre 1386 ein Drittel, dann 1423 die übrigen zwei Drittel der Ober- und Erbgerichte wiederkäuflich-^^); ein Stadtrichter mit 5 bis 6 Schöffen verwaltete das Stadtgericht^""). Die Gerichtsbücher, auf die sich hie und da Verweise hnden--^^), sind uns aus dem Mittelalter nicht erhalten.

Dagegen hat sich ein Teil des Stadtbuchs auf- gefunden--^^). Die einzelnen Lagen sind neuerdings in unrichtiger E-eihenfolge mit einer Anzahl aus den Jahren 1438 1460 stammenden Zins- und Gescholsregistern"-**^) zusammengebunden worden. Der älteste erhaltene Teil des Stadtbuchs ist die 4. Lage (fol. 61 74); er umfalst die Jahre 1456 1464. Auf fol. 62 findet sich die Über- schrift: Hec sunt dehita commissa sub magistro civium Koler cum suis assessoribus etc. anno L octavo. Dieser Teil enthält in der Hauptsache Abrechnungen der Stadt mit einzehien Schuldnern und Gläubigern, auch einige Vermerke über Polizeistrafen bez. Gelöbnisse wegen der Zahlung von Strafgeldern, über den Verkauf eines Hofes seitens der Stadt u. s. w. Hieran schliefst sich die zweite Lage (fol. 49 60) , welche ausschliefslich Abrechnungen aus den Jahren 1464 bis 1472 enthält. Beide Lagen zu- sammen werden wohl in älterer Zeit als „Rechenregister" (S. 3) bezeichnet.

Auch die erste und die diitte Lage gehören eng zu- sammen; schon die Paginierung beweist, dals sie noch vor nicht langer Zeit zusammengeheftet waren. Die erste Lage (S. 1 28), welche die Jahre 1463 1466 um- falst, begmnt mit den Worten: Anno domini etc. LXIIP inchoatus (sie !) est lioc rapulariimi ad recordacionem cau- sarum in consilio tractancium si reputantur (sie!). Weitere Überschriften finden sich S. 5: Inchoatus est rapularius a7ino LX quarto magistro civium Nickel Smid cum suis, und S. 17: Circa magistrum civium Nickel Jahn hec facta

235) Yergl. die Urkunden des Hauptstaatsarchivs No. 3988 (8. Apr. 1371), 5030 (27. Dez. 1397), f)525 (19. Nov. 1410), 6517 (24. März 1439), 7806 (23. Juni 1464). Kamprad, Leisniger Chronik S. 137 flg. Hingst in den Mitt. des Gesch.- und Altert. -Vereins zu Leisnig II (1871), 36.

230) Hingst a. a. 0. 35.

23') Hingst a.a.O. 36.

*38) Stadtbuch S. 17: also gerichtis buch ußweiset.

239) HStA. Dr. (Depositum des Stadtrats zu Leisnig).

^) Das Register von 1444 teilt Hingst a. a. 0. HI, 11 mit.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittehilters. 143

sunt anno domini etc. LX sexto. Die dritte Lage (S. 29—48) enthält die Jahre 1467—1471 und beginnt: Hec sunt debita cum cdiquihus causis conimissa sub magistro civium Feter Stehil cum suis anno domini w*' cccc'^ sexagesimo sexüinio.

Den Inhalt dieser beiden Lagen bilden die mannich- fachsten Gegenstände: Vermerke über verhängte Straf- gelder und Gelöbnisse wegen ihrer Entrichtung, über verschiedene Verträge der Stadt, Verkäufe von Stadt- gütern, Mietung des Stadtknechts und Stadthirten, Inven- tare der Badestube, Verdingung von allerhand Arbeiten, Abrechnungen wegen des Geschosses nnd anderer Zah- lungen an die Stadtkasse u. dgl. m., aber nur sehr wenige Verlautbarungen von Privatgeschäften-^^); wahrscheinlich wurden solche in der Regel nicht vor dem Stadtrat, son- dern vor dem Stadtgericht abgeschlossen und in die nicht mehr vorhandenen Gerichtsbücher eingetragen.

^^) Z. B. S. 17: Vermerk über einen Hauskauf, S. 19, 25: güt- liche Vergleiche. Einige Vergleiche (1459) sind auf dem freien IJlatt des Greschofsregisters von 1457 notiert. Dort findet sich auch der Vermerk: Anno domini m'^ cccc^ sexagesimo dominica ante Johannis baptiste do czogen dy herfartluthe zcu Lißnigk ins lanth zcu Francken von geboths wegen unsers genedigen herren.

(Schlufs folgt.)

VIII.

Kleinere Mitteilungen.

1. Urkundenfund zu Bautzen.

Von H. Knothe.

Im Oktober 1887 kam Herr Archivrat Dr. Ermisch, welcher bekanntlich von der königl. sächsischen Staats- regierung beauftragt ist, sich in allen Städten des Landes von dem Bestände der öffentlichen Archivalien und deren Aufbewahrung zu überzeugen, zu diesem Zwecke auch nach Bautzen. In dem dasigen Eathause, wo sich, wohl- verwahrt, das städtische Archiv befindet, bemerkte er zufällig auch einen alten Schrank, über dessen Inhalt ihm niemand Auskunft zu geben vermochte, weil der Schlüssel dazu seit undenklichen Zeiten verloren sei. Als ein sofort herbei geholter Schlosser den Sclu^ank geöffnet hatte, zeigte sich, dals derselbe mit Archivalien angefüllt war, die zunächst natürlich nur summarisch verzeichnet werden konnten.

Von sehr erklärlichem Interesse an diesem Funde getrieben, habe ich nach eingeholter Erlaubnis des Stadt- rats zu Bautzen eine, soweit meine Zeit und meine Augen- kraft reichten, etwas eingehendere Untersuchung darüber angestellt. Nach meiner Schätzung beläuft sich die Zahl der wohlerhaltenen , teilweis bis ins 13. Jahrhundert zu- rückgehenden Pergamenturkunden auf 250 bis 300 Stück. Sie sind teils nach der Zeit, teils nach ihrem Inhalt in Bündel von 12 bis 16 Stück zusammen gelegt und in Papier eingeschnürt und enthalten neben zahlreichen speziell auf die Stadt Bautzen bezüglichen Ablalsbriefen für die einzelnen Kirchen, Zinsverkäufen benachbarter adliger Gutsbesitzer an Kirchen, Kapellen, Altäre der

Kleinere Mitteilungen. 145

Stadt oder des Donistif'ts, ferner neben vielen der Stadt von einzelnen Bürgern oder ritterliehen Mannen ausge- stellten Urfehden auch eme Menge Schi^eiben von allge- meinem Interesse für das ganze „Land der Sechsstädte". Da nämlich Bautzen der Vorort dieser Städte war, so pflegten sowohl die Landesherren, also die böhmischen Könige und römischen Kaiser, als auswärtige Behörden aller Art ihre Schreiben an den'^Rat zu Bautzen zu richten, in dessen Besitze letztere natürlich auch blieben. Zahlreich sind aus der Zeit der für die Oberlausitz be- sonders lange andauernden Hussitenkriege auch die Frie- densgelöbnisse böhmischer Herren, welche mit den Sechs- städten in Fehde gestanden hatten. Aufser diesen Pergamenturkunden findet sich aber auch eme noch viel grölsere Menge von Schreiben auf Papier vor, die nach ihrem ungefähren Inhalte in Packete zusammen geschnürt sind, so z. B. ganze Convolute von Schreiben der Könige Wenzel, Siegmund, Georg Podiebrad von Böhmen, des- gleichen einzelne der Herzöge Georg und Moritz von Sachsen, ferner eine vieljährige Korrespondenz zwischen den Städten Bautzen und Görlitz, auch Schreiben über den Schmalkaldischen Krieg von 1547, der zu dem für die Sechsstädte so traurigen „Pönfalle" fühlte.

Schon aus dem hier nur in ganz allgemeinen Zügen angedeuteten Inhalte ergiebt sich die Wichtigkeit, welche der neu aufgefundene Urkundenschatz für die gesamte Geschichte der Oberlausitz, ja selbst der angrenzenden Länder hat. Fast alle Gebiete der Oberlausitzer Ge- schichte dürften hierdurch Ergänzungen, Berichtigungen und Aufklärungen erfahren.

Nur ganz wenige dieser Urkunden sind bereits be- kannt. Vor nunmehi' etwa 100 Jahren wurden auf Ver- anlassung der „Oberlausitzer Gesellschaft der Wissen- schaften zu Görlitz" Abschriften von allen damals be- kannten auf die Oberlausitz bezüglichen Urkunden angefertigt und dann zu der handschriftlichen „Samnüung Oberlausitzischer Urkunden" (in 1(5 starken Foliobänden) vereinigt, von der sich zwei Exemplare in Görlitz, eins in Zittau befinden. Von dieser „Urkunden -Sanuulung" wurden unter Leitung des Görlitzer Syndikus Zobel kurze Regesten unter dem Titel „Verzeichnis Ober- lausitzer Urkunden" (Görlitz 1799—1824, drei Abtei- lungen in zwei Bänden) veröffentlicht, ein seitdem für die Oberlausitzer Geschichtsschreibung unentbehrliches

Neue» Archiv f. S. G. u. A. X. 1. 2. 10

146 Kleinere Mitteilungen.

Werk. In diesem „Urkunden -Verzeichnis" nun finden sich von den jetzt in Bautzen neu entdeckten Original- urkunden nur einige wenige, ältere aufgeführt. Ein paar derselben dürften damals nicht den Originalen, sundern be- glaubigten Abschriften entnommen sein; die meisten der aufgeführten sind ausdrücklich als solche bezeichnet, von denen nur der allgemeine Inhalt, nicht aber der volle Wortlaut bekannt sei. Die ungleich grölsere Anzahl ist aber in das „Urkunden -Verzeichnis" gar nicht aufge- nommen, woraus hervorgeht, dafs schon vor 100 Jahren der Schlüssel zu jenem Sclu^anke auf dem Rathause ver- loren und sogar die Erinnerung an die darin enthaltenen Aixhivalien in Bautzen selbst erloschen war; denn sonst wären natürlich auch die jetzt wieder aufgefundenen Ur- kmideu schon damals mit abgeschrieben worden. Das erst vor einigen Jalu'zehnten angefertigte Verzeichnis der schon bisher bekannten Urkunden des Bautzner Rats- archivs führt von jenen nicht eine einzige auf.

Diese Urkunden bilden zui' Zeit einen noch unge- hobenen Schatz. Niemand vermag zu sagen, was sie alles enthalten mögen. Im Interesse der Geschichts- wissenschaft wäre es daher sehr zu wünschen, dals die- selben möglichst bald von kundiger Hand genau regestiert, streng chronologisch geordnet und ein vollständiges Ver- zeichnis derselben angelegt würde. Dies ist freilich eine mühsame und langwierige Arbeit; allein es ist nicht daran zu zweifeln, dals sich dafür auch in Bautzen selbst die geeigneten Kräfte finden lassen würden.

2. Aberglaube und Glaubensfestigkeit des gefangeneu Kurfürsten Johann Friedrich.

Von C. A. H. Burkhardt.

Während der Gefangenschaft des Kurfürsten Johann Friedrich sind überaus zahlreiche und interessante Versuche zu seiner Befreiung gemacht worden. Es ist nicht zu leugnen, dals sich dieselben, soweit über sie in den Quellen aus jener Zeit Naclirichten vorliegen, sämtlich auf ge- setzlichem Boden bewegten. Vor allem war Johann Friedrich jedem Treiben abhold, welches ihn und seine Partei in Widerspruch mit dem Kaiser setzen konnte, und daher hat er auch einen kaum nennenswerten per-

Kleinere Mitteilungen. 147

Süll liehen Einfluls auf den Gang der Dinge ausgeübt. Es lag nahe , dals man in jener an Aberglauben reichen Zeit auch auf die Anwendung geheimer Mittel zui' Be- freiung des Gefangenen Bedacht nahm, nachdem poli- tische Künste und Kombinationen sich als völlig imwiik- sam herausgestellt hatten. Aber die Anwendung der- selben konnte doch nur in besclu'änkter Weise statt- finden, w'eil Johann Friedrich in gewissem Sinne semer Zeit weit voraus war; wenn er in kritischen Augen- blicken auch nach seiner Nativitätsstellung fragte und die Deutung seines berühmten Traumes (1549. 6. März) versuchte.

Aus der Zeit der Gefangenschaft des Kurfürsten ist uns wenig Material übermittelt worden, welches den Aberglauben dieser Zeit beleuchtet, doch geben folgende Thatsachen einen interessanten Beleg füi' die Macht des- selben ab.

Im Anfang des Jahres 1550 erhielt der Schi^eiber Hans Wilhelm Mayngner von seinem Herrn, dem Amt- mann Jörg von Harstall, und Eberhard von der Thaim den Auftrag, in geheimer Mission sich zmn gefangenen Kurfürsten zu begeben, da sich ihnen zu seiner Er- ledigung ein Weg geolfenbart hätte, den der Kurfürst unbedenklich betreten könne, zumal alles mit kaiser- lichem Vorwissen und ohne persönliche Gefalu' des Kui-- fürsten zu ermöglichen sei.

Nachdem em „erfahrener kunstreicher Mann" zu- nächst dem Amtmann Jörg von Harstall von der Mög- lichkeit der Befreiimg des Kuifüi'sten Mitteilungen ge- macht habe, sei auch Eberhard von der Thann in das Geheimnis gezogen worden, und dieser habe für angezeigt gehalten, den Kurfürsten von folgendem in Kenntnis setzen zu lassen.

Jener erfahrene Mann kenne „Creaturen" von Kräu- tern und Wurzeln , deren Genuls einen Gefangenen be- freie, sobald dieser persönlich seine Bitte dem Macht- haber wegen seiner Befreiung vortrage. Selbst auf die Umgebung desselben habe das Gesuch beim Genuls der Geheimmittel einen solchen Einfluls, dals es niclit abge- schlagen werden könnte. Die Befreiung des ivinllirsten müsse unbedhigt nach 12 Tagen, spätestens in xMoiials- frist erfolgen. Die Untersuchung der Geheimmittel auf sonstige Unschädlichkeit solle dem Leibarzte des Kur- fürsten überlassen bleiben, wälu'cnd der Künstler sich

10*

148 Kleinere Mitteilungen.

erbot, die Mittel selbst zu genielsen, um deren Unschäd- lichkeit festzustellen. Als Lohn für die sichere Erlösung des Kurfürsten wurde eine Verschreibung von 1000 Gul- den gefordert , auf welche 100 Gulden Handgeld gezahlt werden sollten , zu deren Rückgabe sich der Künstler verpflichtete, wenn seine Mittel sich nicht wirksam zeigen sollten.

Diese geheime Werbung hatte der Schreiber münd- lich dem Kurfürsten zu eröffnen. Einige Artikel der- selben waren von den Amtleuten ihm schriftlich mitge- geben worden, um seinem Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen. Zur Sicherheit hatte er jener in Köln sich zu entledigen , und im Fall der Bote niedergeworfen werden sollte, führte er zur Deckung seiner wahren Mission eine längere Darlegung „Lob und Gelegenheit der Arznei" mit sich, die aber mit dem eigentlichen Vor- haben in keiner Verbindung stand.

Die Werbung empfing zwar der Kurfürst, aber wider

Erwarten äulserte er sich über das Vorhaben folgender-

malsen :

„Ich hette nicht gleuben können, wan Ichs nicht erfaren, das bei der lehre gotlichs worts noch leute sein solten, die furgeben oder gleiiben mochten, das man mit kreuthern und wurzeln wunderzeichen thun mocht, als tode lebeudich machen, gefangene erlosen und vor- sperrete und vorschlossene gemach auffzuthun und die feinde zu vor- jagen, dan do man solchs den todten heiligen zugeschrieben, ist es für abgotterei geacht worden. ... Ich wolte auch ungern, wan es gleich geschehen kundt, das mir durch einen solchen wegk . . . solte geholfen werden. Christen suchen ire hulff bei dem herren der

wirdet sie entlichen zu seiner zeit erretten und los machen

Wann wir aber die ding mit einem andern mittel, das von gott nicht geordent ist, suchen woldeu und nicht unsere hulff bei gott allein suchten, so fielen wir von gott avif die creatur, dann sollen uns wurzeln und kreuter helffen zu unserer erledigung oder in an- dern nothen, so ist die zusage unseres gottes vergebens, dann hette gott den creaturen die macht geben, so wurde es gott in der schrift angezeigt haben. . . Darumb will ich mit dieser trugerei und lugen des teufeis nicht zu thmi haben und mein gewissen damit nicht be- schweren Wir zweifeln nicht, das unsere erledigung von unserm

gott, wan es sein willen ist, wol ervolgen werde, auch menschliche mittel dazu geben, die widder ihn nicht sein. . . . Das seiut aber die mittel nicht dazu, wiewol wir denen danken, so willen haben, unsere erledigung zu furdern. Das seint aber die wege nicht dazu."

Dies waren in Summa die Bedenken, die Johann Friedrich in einer vier Seiten langen Auseinandersetzmig seinen beiden Amtleuten Eberhard von der Thann auf Wartbiu^g und Jörg von Harstall zu Creuzburg mitteilte. Zeigte ihre Entgegnung, dals sie in dem Aberglauben in

Kleinere Mitteilungen. 149

vollem Malise befangen waren, weil sie „wharlicli von Herzen hoch und hart erschrocken waren, dals s. f. g. ihren furschlack und rathschlack als unchristlich vnd ziu- erledigung- gantz undienstlich fiu- ketzerey, schwermerey, triegerey und abgötterey achten und verwerfen", so ge- währt der Umstand einen noch tiefereu Einblick in das Treiben der gebildeten Stände, dals selbst einer der höchsten Geistlichen der Ernestinischen Lande, der be- kannte Justus Menius, damals Superintendent zu Gotha, sich gegen den Versuch, den Kurfürsten zum Gebrauch der wundert hätigen Wurzeln zu vermögen, nicht allein nicht ausgesprochen, sondern dem Ratschlag sogar zuge- stimmt hatte. Auch Justus Menius erhielt die verdiente Zurechtweisung, wenn auch nicht direkt, so doch in einem an Eberhard von der Thann gerichteten Schreiben, nach welchem Johann Friedrich von seinem Geistlichen einen ganz anderen Standpunkt erwartet hatte. Wäre dieser, meinte der Kurfürst, seines Eatschlags genugsam und gründlich berichtet, so würde er als ein Theologus sich in solche Welthendel nicht einlassen, sondern viel- mehr mit Gott und seinem Werth, um das, was sein Amt ist, sich bekümmern^).

3. Ein Brief Melanchtlions an den Rat der Stadt

Bautzen.

Von Georg Müller.

Die Fürsorge Melanchthons für die Lausitzer Schulen ist bekannt und wird namentlich von H. Kämmel in seinen Arbeiten über die Schulgeschichte der Sechsstädte mehrfach erwähnt. Als ich daher die von dem Heraus- geber dieser Zeitschrift im Rathause zu Bautzen gefun- denen Urkunden und Briefschaften auf Melanclithonbriefe hin durchsah, fand ich zwar nicht die erwarteten Em- pfehlungen von Schulrektoren, dagegen folgendes Schreiben vom 3. April 1551 betretfend die kürzlich erfolgte An- stellung des Paulus Vadinus, eines.Schülers Melanchthons, als Stadtphysikus v(m Bautzen. Über die Persönlichk(Mt dieses Arztes und seine Beziehungen zum damaligen Bautzner Stadtsyndikus und späteren brandenburgischeu

1) Ernest. Gesamt. Archiv Weimar lieg. K fol. 117" JJ. No. 18. 1.

150 Kleinere Mitteilungen.

Kanzler, Lampert Distelmeier, vergl. J. Heidemaiiii, Ein Tagebuch des brandenburgisclien Kanzlers Lampert Distel- meier. Berlin 1885 (Programm des Gymnasiums zum Grauen Kloster).

Gottes gnad durch seinen Eingebornen Son Jhesura Christum, vnsern heiland vnd warhafftigeu helft'er in not,

Erbare, Weise furneme gunstige herrn, Ewr Erharkeit alfs lohliche regenteu thuen seer wol, das sie die Stat auch mit Einem gelarten, gottforchtigen , ehrlichen Artzet versorgen, vnd dweil ich disen herrn Doctor Paulum Vadinum also erkant, das ehr Ein ge- larter fursichtiger Artzt ist, vnd Ein gottforchtiger Ehrlicher trewer mann, danlvh ich Ewr Erbarkeit vleissig, das sie yhn gunstiglich angenomen hahen, vnd bitt Gott, Ehr wolle Ewr Statt, Ewr Erbar- keit vnd die Ewru gnediglich hewaren, vnd yhm, dem Artzet, seine gnade vnd mitwirkuug verleihen, denn leben vnd gesuntheit sind ge- wisslich gottliche Wirkung, wie S. Paulus spricht, durch Gott haben wir wesen, leben vnd regung. Ich hoff auch, Ewr Erbarkeit werde befinden, das ehr wohlgelart, bedechtig vnd trewe sey, vnd in sitten Eins ehrlichen lebens; darumh bitt ich, Ewr Erbarkeit wolle yhr disen herrn Doctor Paulum Vadinum gunstlich lassen beuohlen sein. Der allmechtig gott, vatter vnsers heilands Jhesu Christi wolle Ewr Erharkeit vnd die Ewrn gnediglich hewaren vnd regirn in aller Zeit. Dat. 3. Aprilis 1551.

Ewr Erbarkeit

williger

Philippus Melanthon.

Aufschrift : DEn Erharn "Weisen vnd furnemen Herrn Burger- meistern vnd Radt der löblichen Stadt Budissiu, meinen gunstigen Herrn.

4. Zur sächsischen Rechtsgeschichte.

Von Georg Müller.

"Wie die Visitationsakten an bemerkenswerten Nach- richten aus der Kultur- und Sittengeschichte reich sind, so dürfte auch folgende Beschreibung von althergebrachter Dorfgerichtsbarkeit von allgemeinem Interesse sein. Sie findet sich in dem Berichte des Adjunctus Heinrich Crolach, Pfarrers zuFlarcheim (Regierungsbezirk Erfurt, Kreis Langensalza) vom Herbste 1578. (Hauptstaats- archiv in Dresden. Loc. 2008. Visitation des Leipziger Kreises 1678, in der That aus dem Jahre 1578. Bl. 191.) Über den Ausdruck Hegemal und seine Bedeutung geben die Wörterbücher, wie die rechtsgeschichtlichen Werke Auskunft.

Was inn Düringer Lande eine hegemälh sei. Non grauabuntur Domini Synodi Dresdensis me explicationis causa hoc loco addere, was hegemälh sei, cum mihi constet, hoc

Kleinere Mitteihuigen, 151

Misnensilms plane incoij'nitnm esse, qi;od apud pueros nostros est (lecautatum. Ein begenuilh est iudicium agrarium, cui praesidet Primarius colononim Magister, vulgo apud nos dictus der Heymburge ; hie manu tenet baculum erectum peilnde , ut in iudicio cinili solet fieri, et iisdem solemnitatibus adbibitis, quil)U.s alias imlicia publica inaugurantur et proclamantur, seu etiam confirmantur, in boc negocio proceditur. Defcruntur ad bunc judicem querelae adversus eos, qui arando furtim alienum agrum inuaserunt, et alienum solum suo solo aifoderunt, vel furtiva sectione frugum vicino actionis iustae causam praebuerunt. Assessores in boc iudicio sunt omnes iiu'ati magistri iiraitum, alle Steinsetzer. Ibi mulcta constituitur in illos qui dvu'/.oyiav iusticiae praetergressi sunt. Et ne tale quid in posterum admitta- tur, leges seuerae et Draconicae promulgantur. Dissoluitur postea conuentus, et si quis ex compaganis bis comitiis non interfuit, per solutionem aliquid cereuisiae Cantarorum delictixni luit. Exitus ne- gocii est, ut judex cum assessoribus suis, quidquid aliis bomiuibus misellis arrosum atque detractum est, compotatione in multam noctem protracta, absumat atque abliguiiat.

5. Strafrechtsgeschichtliche Findlinge.

lyiitgeteilt von Tb. Distel.

Spruch der Leipziger Schoppen [?] gegen eine Bilderstürmerin (vor 1546).

Folgender wohl von den Leipziger Schoppen gefällte Spruch^) ist an den Eat zu Merseburg vor 1546-) ergangen.

„Hat eine fraw den kleinen meidlein, die sie schreiben und lesen lehrett, bevohlen, das sie die götzen aus dem ölberge auf s. Maximus kirchoffe zum einheizen holen solten, darauf ihr die medlein gefolgt, und haben ein salvatorbilde mit einen andern bilde auf einen becker- karn geladen und der schulmeisterin heimbracht, die sie zuhauen und in offen verbrandt. Dieweil sie dann zu ihrer entschuldigung vorwendet, alfs olj solche bilde ergernus bringen und abgotterej' sein solten und an andern orten diefser fürstenthumb die l)ilder weggereu- met; dieweil sie aber des von der geordenten obrigkeit keinen befehl gehabt, so hatt sie auch daran unrecht gethan und ihr möget sie derhalben umb eine geldbüsse oder in andere wege willkührlich straffen. V. R. W.«

1) K. S. Hauptstaatsarchiv: III, 118 fol. 1 No. l^ ßl. 81. Der betreffende Band enthält eine Sammlung älterer Rechtssprüche, welche der Bürgermeister Antonius ^Veck zu Chemnitz (f 10., bzw. 14. Juni 1618) vergl. Richter, Chenmitzer Chronik II (17H4), 404 an- gelegt hat. W. ist übrigens mit dem gloiclmamigeii Dicsdner Chro- nisten nicht zu identifizieren. Der nach der Kamlina art. 171 lli,'. beurteilte Diebstahlsfall mrd in der Überschrift des Spruches als „Bildersturm" bezeichnet.

'^) Am 8. November 1546 fanden die fürstlichen Brüder Moritz und August zu Sachsen wenigstens nichts an das Papsttum noch Erinnerndes in jener Kirche melir vor (vergl. Vulpius, Merse- burger Chronik, 1700, S. 31 flg.).

152 Kleinere Mitteilungen.

Spruch der Leipziger Schoppen, die Entfernung eines Gerichtssiegels betreffend (um 1550).

Das folgende Leipziger Schöppenurtel aus der Zeit um 1550^) betrifft den Dresdner Bürger Simon Schmitz- berger, welcher sich an einem Gerichtssiegel vergriffen*) hatte. Der Spruch lautet also :

„Das ir ewrren geschwornen burger, Simonn Schmitzbergemn vonn deswegen, das er des gerichts innfsigel, domit der ricbter uff ansuchen seynnes glawbigers, eynes frembden aufslendischen kauf- mans adder hendlers, seynn gewelbe befsigelt, von demselbigen ge- welbe frevenlich hat abgerissenn unnd die stelle, do das sigel ge- wesenn, mit wageupech beschmiret unnd befsudelt, entwe[de]r mit verweyfsunge adder umb e3'nne tapfere geldbufse , idoch noch seyn- nem vormogeu, moget in wilkorliche straffe nehmen."

Besichtigungeines strangulierten Diebes wegen alberner Gerüchte (1559).

Unterm 25. Dezember 1560, d. i. nach damaligem Kalender der erste Tag des genannten Jahres, also der Christtag 1559, schickte der Schösser des Amtes Lieben- werda, Andreas Jeger, auf Befehl des Kurfürsten August zu Sachsen, in der Sache des strangulierten Diebes Gorius Rack die Urgicht (vom 9. Juni 1559) und das darauf erfolgte Urtel des Hofgerichts zu Wittenberg'') zum Beweise dafür ein, „das mann mit ihme [Rack] keiner andern gestalt, dan rechtlich procedirt unnd vor- fahrenn habe*^)". Der Aberglaube hatte sich über die Leiche des Diebes geäufsert; eine Besichtigung derselben wurde daher auf kurfürstlichem Befehl hin vorgenommen. Jeger schreibt darüber also:

habe ich alsbaldt den Scharfrichter vonn Torgaw'), der

auch die rechtferttigaing an ihme gethan , zu mir anhero erfordertt, welcher aber erst heutt am heiligen christage ankommeun, deme ich e. chf. gn. befehlich , vornemblich das gemeine gerucht des gerecht-

^) Dresdner Ratsarchiv: Alt-Urteilbnch Bl. 184. In dem be- treffenden Bande befinden sich u. a. auch Magdeburger Sprüche.

*) Die Karolina kennt dieses Verbrechen nicht, man vergl. artt. 111—114.

^) K. S. Hauptstaatsarchiv: III, 38 fol. 16 (Jagdverbrechen) No. 3 Bl. 398 bis 400 (Abschriften).

8) Ebenda Bl. 896 flg. (Orig.).

■^ Wohl Martin Heintze (K. S. Hauptstaatsarchiv: Copial 326 fol. 245 1^, 246), welcher wenigstens 1566 zu Torgau als Scharf- richter vorkommt.

Kleinere Mitteilungen. 153

ferttigtemi Rackenn halben vorgehalten, darauff sich der Scharf- richter zu lie;;ichttigung und bestendiger erkuuduug, wie es umb die horner, zapffeun oder gewuchs, so ihme aus dem köpft' zu den augenn herrausgewachssenn sein sollten, geschaft'enn oder gelegen were, mit seinenn instnimenttenn verfast gemacht, inn meinem uinid anderer, so icli zu mir getzoijen, glaubhaftigeun leutte beiwesen, zu demselben an das gericht gestiegenn, nutturt'dge unnd vleissige besichttiguug gethan, wie es hirumb gewandt, da ehr dann befundenu. wie es auch vonn der erdenn untter dem gericht itziger zeit sichtbar ist, das dieselbigenn z;ipffenn nuemals nicht mehr, wie im anfang vor- handenn, sonderuu, nach liericht des scharfrichtters , vorfault, zum teil abgefallenn, vordorret unnd zusammenngesclnvuiideim, das also nichts sonderlichs mehr daran zusehenn, unnd weie (seins bedenckens) nichts anders, dann die fettigkeit unnd das gebhatte, das hette ihme nach gescheener rechtferttigung die augenn aus dem kopff gedruugenn unnd ihme, mit underthenigster zucht vor e. chf. gn. zuschreiben, also lange der kopff feuchtigkeit gehabt, aus den augenn gesiegenn unnd an dieselbigenn adernn angehenget, daran vordorret unnd vor- haittet, bis es nuemehr durch das gewitter widerumb vortzehret, vorfaiüet, abgefallenn unnd eingetrucknet, unnd ist itzo von solchem gewuchs nichts besonders zuerkennen, dann eine leppiclite, abgefallene hautt untter seinem angesichte, wie ehr, der scharfrichtter, auch ein stuck davon vom gericht herruntter geworffenn, welchs ich in meinenn hendenn gehabt. Do sich nun jemandes understehenn woltte, hiervon auff andere Avege zu berichtteiin, der wirdet solchs mit gründe unnd bestendigkeit nicht thun können "

Landesherrliche Konfirmation einer Rechts- belehrung (1655).

Unterm 28. März 1655 sandte Johann Melchior Fälckner, Amtsvojit zu Weilsenfels , seiner „Schuldig- keit nach", eine in einer Strafsache eingeholte Rechts- belehrung verschlossen an den Kurfürsten Johann Georgl. zu Sachsen, damit derselbe sie konfirmiere (K. S. Haupt- staatsarchiv: III, 76 fol. 171 No. 27 VA. ttf; Orig.). Aus diesem Vorgange wird es klar, weshalb die an die Ämter ergangenen Rechtsbelehrungen immer verschlossen an den Landeslierrn geschickt wurden: die Reclits- belehrung sollte durch die gewünschte landesherrliche Konfirmation ein Urtel werden.

"Was gehört zu den kurfürstlich-sächsischen und inkorporierten Landen? (1717. 1765).

Unterm 24. März 1717 reskribierte Kurfürst FricMlricli Auffust I. zu Sachsen an die Ijandesregiermig auf ein

154 Kleinere Mitteilungen.

Schreiben der Leipziger Schoppen vom 11. Febrnar^) genannten Jahres u. a. also:

Dafs es wohl gethan sey, wenn Diejenigen, so aus un-

sern churfürstl. und incorijorirten Landen religii'et werden, auch die fürstl. querfurtischen Lande nicht betretlien dörffen und, vice versa, Die, so aus dem Fürstenthum Querfurth verwiesen werden, unsere churfürstl. und incorporirte Laude zugleich verschweren müssen : als ist unser gnädigstes Begehren, ihr wollet unsere sämmtliche Rechts- collegiis, dafs sie sich im Sprechen darnach achten sollen, Befehl ertheilen ^) . . "

Im Monate September 1765 sprachen die kurfürst- lichen Schoppen zu Leipzig in der Sache gegen die Ge- brüder Eckoldt (Genossen Nickel Lists) in ähnlichem und noch ausgedehnterem Mafse^*^), dais zu den kur- fürstlich-sächsischen Landen „auch die darzu gehörige Stiffter: Meilsen, Merseburg und Naumburg, ingleichen beyde Marggrafthümer Ober- und Niederlausitz und die gefürstete Grafschaft Henneberg, Schleusingischen An- theils, wie nicht weniger das Fürstenthum Querfurth" gehörig zu betrachten seien.

Speziaireskript Kurfürst Friedrich August IL zu Sachsen vom 17. Juli 1744, betreffend die Verwandlung der Landesverweisung in andere

Strafen.

D. d. Warschau, den 17. Juli 1744 erliefs Kurfürst Friedrich August IL zu Sachsen an das Kammer- und Berggemach folgendes Reskript"):

. . . . Als nehmen wir keinen Anstand, euch, zu desto mehrerer Beschleunigung derer in Zukunfft vorkommenden, von eurer Direc- tion depeudirenden Untersuchungen, mit Vermeidung alles kostbaren Auffenthalts, hierdurch gnädigst zu authorisiren, fülirohin in Fällen, da denen Delinquenten durch eingehohlte Urthel Staupenschläge und ewige oder andere Landesverweisung zugesprochen worden, solcherley Poenen nach Beschaffenheit derer Umbstände sofort vor euchi, ohne dafs es darüber bei Uns oder Unsernn Geheimen Consilio vorhero anzufragen nöthig, in zeitige Vestungsbau- oder Zuchthaufsstraffen verwandeln und deren Vollstreckung veranstalten lafsen zu können, versehen Uns iedoch zu euch in Gnaden, ihr werdet hierunter mit aller Behutsamkeit zu verfahren, und in Fällen, wo sich erhebliche Bedenklichkeiten ereignen. Unserer vorgängigen Ap- probation euch zu vergewissern, von selbst diensam ermefsen "

8) K. S.Hauptstaatsarchiv: III, 76 fol.325 No. 11 Bl.Sflg. (Konz.)

ö) L. c. Bl. 1 flg. (Orig.).

1») Ebenda: III, 76 fol. 133 No. 15 Bl. 177 flg. (Orig.). ") K. S. Hauptstaatsarchiv: VII, 24 fol. 116 »^ No. 12 Bl. 7/8. (Abschr.).

Kleinere Mitteilungen. 155

6. Zaubersprüche aus Dresdener Haudsclirirteu.

Von R. Kade.

Im Anschliifs an die von Georg Müller in dieser Zeitschrift veröffentlichten „Zaubersprüche und Segen"') will aucli ich ein paar Beiträge zu diesem früher so reicli entwickelten Litteraturzweige liefern, die ich vor Jahren einigen Dresdener Handschriften entnahm.

^o^

a) Wolfssegen-).

Der lil) her sand Cypriaim lag und schliff

Der lib her sand Montaini im dreimal riff:

Stand uif, stand uff', stand uff, Cyprian,

Dein vihe mus zu feit gaun;

Nim den himmei sclilüssei^)

Verschleus allenn diern ier diiissel

Alleuu diehenn ier hand,

Allenn wolfi'eun iern gangk,

Also wol mus dis vihe heut gesegnet sein,

Als unser lib fraw was,

Do sie so libens kind, reine maid, genass.

b) Augensegen.

Einen lateinischen Augensegen aus einem Codex des Xin. Jahrhunderts, der in meinem Besitz sich befindet, gab ich im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskimde X, 186 heraus. Er hatte eine auffällige Ähnlichkeit mit dem Angensegen, den A. 8choenbach in Haupts Zeitschr. f. deutsch. Altertimi XXIV, 65 bekannt machte. Ich bemerke hierzu, dals es noch zur Zeit Johann Paulis, der um 1520 lebte, Sitte gewesen sein muls, einen Zettel mit heiligen Zeichen als Amulet gegen Augenkranklieiten zu tragen '). Neben der heiligen Ottilia rief man besonders die lieilige Lucia bei Augenübeln an, weil ihr die Augen ausgestochen waren. Abraham a Sta. ('lar;i macht sich daii'iber lustig, wenn er im „Judas, der Erzsclielnr' einmal sagt'):

») IX, 334 flg.

2) Kgl. üftcntl. Rildiothck M. cod. 20fi. X\'i. .Iuhrli. „allerhand aus der weissen Magie" enthaltend. Hl. 118''.

*) s. u. unter b.

*) Vergl. die Erzählung in „Schimiif und Hnist" No. 79, cd. Reclam.

'^) Nat. Litt. Kürschner ß. 35.

156 Kleinere Mitteilungen.

„Da giebts saubere Luden, die ihreu Männern selbst die Augen auskratzen". Die Dresdener Handschrift**) ist schlecht zu lesen , so dals einiges fraglich bleibt. Die Verse , die deutlich zu erkennen waren , habe ich auch als solche hergestellt.

Der haillig her sand gabriel

Dem (löten seine äuge also wee

Er nam ain stab in sein band

Er wolt anssgaun in alle land

Ob er niinan fund

Der im ain rad an seine Auge tuon kund

Da kam die weiss fraw Saute maria

Si sprach: „Ava wildu hin Gabrihel?"

,Trautu fraw muoter, mir ton meinu äuge also wee'.

Siu .sprach: „Gabrihe"

Daz sol werden guot rät

Seit ain mal das du nur das haust gesät').

Hailigiu jungfraw sand otily*) greif undern sissul

Und nim den himel schlisseP)

Unt nim kristoife aus seiniu äuge

den casnete (?) wasser und pfel und

dein aug ser und schüss plater^**)

Und dem her pratte (?)

Und alle den und rad, der zu dyssen äuge sey geraten, hailligu junckfraw sand otil du wardist plindiu porn und wardest plindiu doufet, gesechest wardest ain geschlöfft (?) und baust buit des tags den gwalt das du ain ieklich afig volstöUen kanst in dem Namen Vaters, suns und des baillign gaist amen.

c) Wundsegen.

Die Gattung der Wimdsegen kann als die am meisten verbreitete angesehen werden. Schon im Parzival des Wolfram von Eschenbach (507, 23) wird ein solcher er- wähnt. Mir sind allein 16 solcher Segen in lateinischer, mittelhochdeutscher, hochdeutscher und niederdeutscher Fassung .bekannt , teils in Versen, teils in Prosa. Die grölste Ähnlichkeit zeigt unsere Formel ") mit zwei Be- segnungen derart, davon die eine Ho ff mann (AM. Blätter II, 267), die andere A. Schönbach in Haupts Zeitschrift f. d. A. XVni, 80 abdrucken liefs. Nur wird daselbst

«) Kgl. öffentl. Bibl. Hs. M. 89 d, jetzt M. 180, Bl. 83». ') bs. gesät baust.

®) Vergl. Mone: Anz. für Kunde d. deutschen Vorzeit. 1837. 462. 10.

®) s. 0. unter a.

1") Wol ,])lätter' gemeint. Vergl. Germania XVII, 75. No. 6. ") Vergl. öffentl. Bibliothek Hs. M. 89 d Bl. 831».

Kleinere Mitteilungen. 157

Longinus „der plint jud" oder „der Jude" geheilseii, was bei uns fehlt. Sehr nahe stehen unserer Form auch die Fassungen in Mones Anzeiger für Kunde d. deutschen Vorzeit 1862, 234 und noch mehr ebenda 1837, 460, da an letzter Stelle auch die Worte wiederkehren: „Das Kraut, das ii' suchet, das bin ich". Alle Versionen gehen offenbar auf die beiden lateinischen Vorbilder zurück, die uns ebenfalls erhalten sind^-).

Auss gieugen seliger guoter prueder di-ey

Sy giengen ainen seligen wey (= weg)

In kurzer frist

Da gäguote unser her ihesu Krist

Er sprach : „Wa werd ir hin, ir guotte selige prueder drey ?"

Sy sprachen: ,Her, wir s chen ain kraut,

Das zu alle ^vuude gut sey.

Die Wund sei gestochen oder brechen

Oder gehauenn oder wie ir geschechen sey,

Das das Ki'aut dar zuo guot sey.'

Da sprach unser her: „Land ewch nider auf ewriu Knie

Das Kraut, das ir da suchet, das tindet ir hie

So piut ich ewch pay got und unsser frawen, das ir den segen for niemand verhellend

Und in vor nieuiaut verstellend

Und von niemand kein gemied (= miethe) nemcnd und gaund hin gen Ülivet auf den pcrg, und neniend des oeles von paume und nemend der wol von schatte und nötzes und lüges in die wunden. Nu uuisz der wunde gischelicn

Als der wamde geschah

Die dir Longinus unserm herren in die gerechten seitten stach

Die honic und schwamm nie so schlug ^'^j

Kain ibel nie darzuo.

Also muss die wunden auch ton in nomine patris et filii et Spiritus sancti, amen.

Im namen des vater und des suns und des hailigen geist.

7. Aus dem Naclirichiungsbucli der Stadt Colditz.

Mitgeteilt von .lohannes Müller.

Im Archiv des Stadtrats zu Colditz befindet sidi ein altes „Nachrichtungsbucli", welches der N'erfa'sser, der seiner Angabe nacli dem Ratsstulile 2(1 Jahre bei- gewohnt hat, aufstellte, damit der Stadt alte Gerecht ig-

>2) Vergl. Altd. Blätter II, 32.3 und Barlscbs (lenimniu Will,

234. . , . ,

^^) Scheint ganz entstellt aus: die onhurt ww und swar nie imiii erschluog. Vergl. Anz. I. K. d. d. Vorzeit. Ibn4 S. Kifi.

158 EHeinere Mitteilungen.

keit und anderes, was dem Rate zu wissen nötig, vor Vergessenheit bewalirt, gemeiner Stadt Nutz und Wohl- fahrt gesichert und gute Ordnung erhalten werde.

Am Schlüsse eines Aufsatzes über „des Bürger- meisters Ambt und seine Verrichtungen" befinden sich folgende Verse:

•^b'-

Wohe der Bürgermeister Schenkett Wein, Die Fleischer midt Im Ratlie sein Undt der Becker wigett dals Brolit Da leidett dafs Armuht grofee Nolitt.

Grleich wie fein Goldt vor all Metall Vors best gehalten wirdt überall, So ist weifsheitt im Regimentt Das beste Kleiuott au allen Eudt. Und wie kein schwerer Arbeit ist AlJfe Recht Regieren zu jeder frist, Also ist der Regenten frumb, Dardurch erlangter Breifs und Rumb Weidt fürzuziheu in dieser Weldt Allen zeitlichen guht und geldt. Drumb lernedt und liebt Gerechtigkeitt Fltrchtett Gott, ihr Mentzschen Allezeitt.

Die Aufstellung des Nacluichtungsbuches fällt in das Jahr 1614. Verfasser ist walu'scheiulich der Büi^ger- meister Gallus Thamm.

8. Reihe der sächsischen Hof- und Staatskalender.

Mitgeteilt von Theodor Distel.

Für gewisse Forschungen sind die sächsischen Hof- und Staatskalender geradezu imentbehrlich. Leider herrscht meist Ungewilsheit darüber, aus welchen Jahr- gängen sich ihre Reihe zusammensetze. Ich bemerke daher, nach gehaltener Umschau, Folgendes. Kein Institut des Königreiches kann sich eines vollständigen Besitzes dieser Handbücher rühmen: selbst das K. Hauptstaats- arclüv, die K. öffentliche Bibliothek, das K. Oberhof- marschallamt sind nicht in der Lage, die ganze Serie derselben aufzuweisen.

Als k. poln. und kurf. sächs. Hof- und Staats- kalender (in 4") erschien der erste Jahrgang 1728. Unter

Kleinere Mitteilungen. 159

gleicliem Titel folgten alsdann die von 1729, 1731, 1732, 1733, 1735 bis mit 1756. Der siebenjährige Krieg unter- brach die Reilie von 1757 bis mit 1764. Von 1765 an und bis zui^ Gegenwart erschien der Kalender in 8": im genannten Jahre zuerst unter dem Titel: kurf. sächs. Hof- und Staatskalender. Es folgte dann alljähi-lich ein Band bis mit 1773, sowie von 1775 bis mit 1806. Als Sachsen Königreich geworden war, kam das betreffende Jalu'buch als königl. sächsischer Hof- und Staats- kalender heraus, zuerst 1807, dann 1809 bis mit 1813^). Hieran schlols sich der Jahrgang 1819 unter dem Titel: Königl. sächs. Hof-, Civil- und Militärstaat, wel- chem, gleichbenannt, die Jahrgänge 1821, 1823, 1826 und 1828 -) folgten. Nun trat wieder eine Lücke ein bis mit 1836; 1832 kam eine Übersicht der königl. sächs. Hof-, Staats- und Militärbehörden heraus. Von 1837 an fühile der Kalender den noch heute gebrauchen- den Titel: Königl. sächs. Staatshandbuch und sind von demselben weiter und bis jetzt die Jahrgänge 1839, 1841, 1843, 1845, 1847, 1850, 1854, 1857, 1858, 1860, 1863, 1865/6, 1867, 1870, 1873, 1874 bis mit 1878, 1880/1, 1882/3, 1884/5, 1886/7 und 1888/9 erscliienen.

J) Im Vorworte zum .Talirgange 1828 wird ii-rtümlicher Weise auch der Jahrgang 1810 als nicht erschienen angegeben.

■-) Mau vergl. hierzu da.s Vorwort zum Jahrgange 1837 hier ist auch die bezügliche, zum Teil nicht zuverlässige Litteratur auf- gefülut und das zum Jahrgange 1867, bzw. 1870.

Litteratiir.

Die Klostervisitationen des Herzog Georg Ton Sachsen. Nach ungedruckten Quellen dargestellt von Felician Gess. Leipzig, Th. Grieben (L. Fronau). 1888. IV und 55 SS. 8».

Wenn die sächsische Geschichtsschreibung in einer Biographie des Herzogs Georg noch eine Ehrenschuld abzutragen hat, so bietet Verfasser, der sich bereits durch seine Arbeit über Johannes Coch- läus, wie seine Mitteilungen in der Zeitschrift für Kirchengeschichte bekannt gemacht hat, in der vorliegenden Habilitationsschrift hierzu einen wertvollen Beitrag. Mit glücklichem Griffe ist das Gebiet her- ausgehoben, welchem der für das Wohl seines Landes, wie für die Aufrechtelhaltung der kirchlichen Listitutionen eifrig besorgte und unermüdlich thätige Fürst die ganze ßegierungszeit hindurch die eingehendste Fürsorge zugewandt hat. Wenn der Herzog damit zu- nächst auch nur an die kirchenpolitischen Traditionen der Wettiner anknüpft, so ist keiner seiner Vorfahren mit solcher Energie an diese schwierige und verwickelte, wde wichtige und nach vielen Seiten hin einflufsreiche Frage herangetreten.

Bereits als er in Vertretimg seines in Friedland weilenden Vaters die Regierung führte, beschäftigte sich Herzog Georg viel- fach mit Mafsregeln zur Hebimg und Sicherung des Wohlstandes der Klöster. Verfasser führt aus dieser Zeit des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts zwei Beispiele an, die sich auf die Klöster Langendorf und Meraleben beziehen, findet aber in denselben den Beweis für den Versuch einer prinzipiellen Behandlung der Klosterfrage. Für die Richtigkeit dieser Auffassung gestatte ich mir noch einige Beispiele anzuführen. Am 17. August 1498 verordnet der Herzog mit Rück- sicht auf den durch schlechte Verwaltung herbeigeführten Verfall vieler Jungfrauenklöster, dafs der Freiberger Rat in zeitlichen und leiblichen Dingen auch weitei'hin Vorsteher und Verwalter des dor- tigen Nonnenklosters sein und bleiben solle, giebt interessante Be- stimmungen über die Verwaltung und fügt zum Schlufs hinzu: „Es sali auch eyn lath allwege dem genanten closter e^men probst, der eyner des siezenden raths ist, geben vnd verordnen, der allezceit sich nach des rathes bevelh richten und halten sali." \'ergl. H. Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Fieiberg in Sachsen I (Cod. dipl. Sax. reg. II, 12), 450 flg. Als ferner das Kloster Oldifsleben (zwischen Hel- drimgen und Frankenhausen) in derselben Zeit in Verfall geraten war, nahm Hei-zog Georg sich im Jahre 1499 desselben an, stattete es mit einer Reihe neuer Freiheiten aus und sicherte ihm die Existenz

Litteratiir. 161

durch wertvolle Begnadigungen. Vergl. A. Schumann, Lexikon von Sachsen XII, 808 flg., wo sich aufser der älteren Litteratur auch eine kurze Bemerkung über die weitere Entwickelung des Klosters findet, aus welcher sich ergiebt, mit welchen Schwierigkeiten dergleichen Reformen zu kämpfen hatten.

Waren dies auch nur , Ansätze und Keime", so zeigten sie doch, was von dem Willensstärken Fürsten nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1500 zu erwarten war, namentlich als es galt, gegenül)er den Anschauungen der neuen Lehre die ererbten Institutionen zu halten und nach dem gewaltigen Ansturm des Bauernkrieges trotz der ungeheueren Verluste das Forthestehen der Klöster zu sichern. Seinen Bemühungen ist es gelungen, dieselben in seinem Gebiete wenigstens während seiner Regierungszeit zusammenzuhalten, indes sie ringsum verfielen. Mit besonderem Interesse verfolgt man daher die Ausführungen des dritten Abschnittes (S. 22 flg.), in welchen die Beweggründe Herzog Georgs zu eigenmächtiger Visitation be- handelt werden. Hier finden sich eine Reihe teilweise neuer Ge- sichtspunkte, welche die kirchenpolitische Stellung des Herzogs im allgemeinen bestimmen, wie denn ein Hauptvorzug der ganzen Arbeit darin liegt, dafs sie das Thema im engsten Zusammenhange mit den kirchlichen und politischen Anschauungen des Fürsten behandelt. Bitter beklagte es dieser, dafs er bei. seinen Bemühungen zur Hei- lung der Schäden von den „berufenen Ärzten" (vergl. besonders S. 51) im Stich gelassen werde und deshalb aus eigener Machtvollkommen- heit in seinen Landen vorgehen müsse. So erfolgen denn die von seinen Räten, Georg von Breitenbach und Melchior von Ossa, gehal- tenen Visitationen, die sich auf die Jahre 1535 bis 1538 erstrecken. Ich mufs bezüglich der erlassenen Instruktionen, der ergriifenen Mafsregeln und der zahlreiclien Schwierigkeiten auf die überall ur- kundlich belegten Ausführungen vei'weisen. An interessanten Bei- spielen zeigt Verfasser, Avie des Herzogs Absichten vielfach durch- kreuzt wiu'den, seine sonst so eiserne Konsequenz ins Schwanken geriet und wie er sich zu vielfachen Konzessionen herbeiliefs, z. B. dafs er einen geistlichen Beisitzer, den Abt Hilarius von Chemnitz, den weltlichen Räten beigab. Mit einer neuen Instruktion ausge- rüstet, zogen die Visitatoren im Herbste 1538 nochmals aus. Ver- fasser führt als Belege ihrer Thätigkeit die gedruckten Rezesse mit den Klöstern Volckerode und Pforta an; ich füge hinzu, dafs sich der Weg, den die Räte nahmen, auf Grund einer Reihe von Urkun- den des hiesigen Hauptstaatsarchivs näher verfolgen läfst, wie auch die verschiedene Behandlung der einzelnen Konvente von Inter- esse ist.

Am 5. November 1538 treft'en wir die Visitatoren in Pegau, wo sie mit dem dortigen Abte Simon eine Verabredung treffen." Kraft derselben soll er die Verwaltung des Klosters behalten, keine wei- teren Schulden machen, von den Klostergütern nichts entwenden, dagegen für ihre Besserung besorgt sein. Eingehend werden die an den Klosterkasten in Leipzig zu leistenden Zahlungen bestimmt: sie betragen in dem genannten Jahre 100 fl., im folgenden 200 fl., 1540 300 fl., 1541 400 fl., in jedem folgenden dagegen 500 fl. Urkunde Nr. 10885. Am nächsten Tage sind die Visitatoren in Weifsenfeis und verhandeln mit der Äbtissin dos in der Nähe gelegenen Klosters Beutitz Die Klosteräckcr sollen verpachtet werden, im übrigen soll bis auf weiteres der vorige Abscliied in Geltung bleiben. Ur- kunde Nr. 10886. Vom 10. November ab halten sich die Räte in

Neues Archiv f. S. G. n. A. X. 1. 2. 11

162 Litteratur.

Sangerhausen auf. Zunächst wird das Kloster Sittichenbach visitiert. Da der Abt Christoph als ein guter Hauswirt befunden wird (vergl. über ihn Gefs S. 34), so überläfst man ihm die Administration der Klostergüter. Urkunde Nr. 10888. Am 11. November wii-d der Vertrag über das Kloster Homburg geschlossen (vergl. Gefs S. 44 Anm. 4). Drei Ordenspersonen und ein Novize werden nach Pegau versetzt. Urkunde Nr. 10889. Interessant ist auch der Vertrag von demselben Tage bezüglich des Klosters Kaltenborn bei Emselohe. Der Propst Johann Hester soll nach der Pfarre Bej'ernaumburg bei Sangerhausen ziehen und erhält bestimmte Einkünfte zugewiesen. Der Prior soll im Kloster bleiben und die Pfarre des Dorfes ver- sorgen. Urkunde Nr. 10890. Auch mit dem Abte des Klosters Oldifsleben wird an demselben Tage ein Vertrag geschlossen; er bleibt mit zwei Brüdern im Kloster; bezüglich ihrer Verpflegung und der übrigen Einkünfte werden eingehende Bestimmungen ge- troffen. Urkunde Nr. 10891. Die Bemühungen dieser Visitatoren blieben ohne rechten Erfolg, da der Adel sich gegen diese Eingriffe in seine Rechte erhob, bis schliefslich Herzog Heinrichs Einzug in Dresden eine andere Klosterpolitik veranlafste. Zur Erläuterung der kirchenpolitischen Stellung des Herzogs giebt Verfasser auf S. 46—54 fünf wertvolle Beilagen.

Zum Schlüsse sei der pietätvollen Anerkennung gedacht, die der Verfasser den Arbeiten K. A. Seidemanns zu teil werden läfst. Sie enthalten wertvolles Material gerade auch zur Geschichte des Herzogs Georg, da Seidemann selbst eine Geschichte dieses Fürsten geplant hatte, aber an der Ausführung durch die Ungunst der Ver- hältnisse gehindert wui'de.

Dresden. Georg Müller.

Bui-ggraf Heinricü IV. zu Meifsen, Oberstkanzler der Krone Böh- men und seine Regierung im Vogtlande. Von ]>r. Bertliold Schmidt, Fürstl. reufs. Archivar und Bibliothekar zu Schleiz. Gera, C. B. Griesbach. 1888. 418 S. S».

Mit lebhaftem Interesse wird man die Gabe entgegen nehmen, welche uns der Vorstand des Archives zu Schleiz darbietet. Der Verfasser hat sich einen Stoff gewählt, welcher nicht blofs für die Geschichte der thüringischen Lande während der Reformationszeit von hoher Bedeutung ist; wir werden vielmehr eingeführt in die grofsen politischen Gegensätze zwischen den Habsburgern und den Wettinern, wie sie in der Erhebung des Kurfürsten Moritz zu Tage traten, und wie diese, so werden auch die nachfolgenden Ereignisse, der Krieg gegen den Markgrafen, in dem Rahmen einer Lebens- beschreibung des Burggrafen Heinrich IV. zu Meifsen behandelt und durch viele neue archivalische Nachrichten besser beleuchtet. B. Schmidt hat vorzugsweise das Archiv zu Schleiz ausgebeutet, aber auch Dresden und Wien, Zerbst und Bamberg herangezogen, während die ungeordneten Verhältnisse in dem Prager Statthalterei- archiv (S. 138) zu wenig einladend waren. Auch auf die Benutzung des Stadtarchivs zu Eger verzichtete er wegen früherer übler Er- fahrungen (S. 65). Heinrich XIV., regierender Fürst Reufs j. L., hat die Arbeiten als Mäcen gefördert.

Im 14. Kapitel hat der Verfasser seinen Stoff eingeteilt. Die drei ersten, ein Drittel des ganzen Werkes, behandeln die Entwicke- lung der Besitz- und Machtverhältnisse des Plauenschen Hauses,

Litteratvir. 163

die Verwickelungen mit Kixrsachsen , welche sich durch die von Sigismimd vorgenommene Belehnung mit dem Burggrafentum Meifsen ergal)en, die Fragen der Gesamtbelehnung, die Lehnsbeziehungen zu Böhmen und Sachsen ; der Verfasser berichtigt an manchen Punkten seine Vorgänger, indem er aus der Reihe der Burggrafen Hein- rich den Zweiten wohl mit Recht streicht, wird der bisher als der fünfte gezählte jetzt Heinrich IV., dagegen bleibt es ziemlich undeutlich , wie er sich zu der u. a. von Picker ausgeführten An- sicht stellt, dafs der Reichsfürstenstand der Biu'ggrafen seinen Ur- sprung einer Fälschung verdanke. Auf S. 55 hören wir- zum Jahre 1530, dafs der Burggraf Heinrich IV. „seine Stellung als deutscher Reichsfürst, die schon in Vergessenheit zu geraten drohte, in vollem Umfange zu rück erwerben wollte", auf S. 35 heilst es: Hein- rich IV. habe die „Stellung und Grerechtsamen, die von alter sh er mit dem bürg gräf lieh -meifsuischen Titel verbunden, aber in den Unglücksjahren des Hauses Plauen mehr und mehr abhanden ge- kommen waren, wieder zur vollen Geltung zu bringen sich bemüht". Zur Begründung wird dann auf die Urkunde Albrecht Achills ver- wiesen, durch welche im Jahre 1480 Meifsen als eine der vier soge- nannten Quaternionen , d. h. als eine der vier Burggrafschaften im Reiche bezeichnet wird ; Märcker hatte diese Urkunde nicht für echt gehalten, während Schmidt diesen Zweifel kurz zurückweist: mit Rücksicht auf die äufsere Form der Urkunde. Ich weifs nicht, ob es zu loben ist, dafs er sich gerade in diesem Falle gröfserer Kürze befleifsigt, als sonst bei Erörterung von Streitfragen der Diplomatik üblich ist. Das 6. Kapitel, S. 186, ist überschrieben: „Die Erneue- rung der Reichsstandschaft", während an dessen Schlufs hervorgehoben wird, dafs der Burggraf, ohne im Besitze von Reichsgut zu sein, doch die Reichsstandschaft d. h. die Anerkennung alsReichsfürst durchsetzte, gegen das Versprechen finanzieller Leistungen. „In- sofern, kann man sagen, war dieselbe nicht, wie er selbst immer betont, von ihm beliauptet, sondern neu erworben worden", erklärt Schmiilt S. 193, und trifft damit das Richtige, wenn man die Be- schränkung beseitigt. Was soll mau aber dazu sagen, wenn Schmidt erklärt, die Verwendung des jüngeren Granvella beweise, dafs der Bui-ggraf seinen Erfolg besonders seinem Rufe als Staatsmann zu verdanken gehaltt habe? Auf S. 188, vergl. 190, war von anderen Mitteln die Rede, womit der Sachwalter des .Burggrafen auf die Zuneigung der kaiserlichen Minister einwirkte. Ähnliche allgemeine Lobeswendungen finden sich S. 195.

Im 3. Kapitel wird ausführlich der Prozefs geschildert, welchen ein nach Schmidts Meinung unehelicher Sohn des Burggrafen Hein- rich III. gegen Heinrich IV. angestrengt hat, weil der beiden ge- meinsame Vater wie nicht minder dessen Gemahlin ihn früher für ihren rechtmäfsigen Sohn ausgegeben hatten. In dem Streite warf man mit dem Voiwm-fe sowohl der Fälschung als der Beseitigung und des Diebstahls von Urkunden um sich ; es ist für uns unmöglich, ein bestinnntes Urteil zu fällen. Unser Verfasser vertritt im Gegen- satze zu seinen meisten Vorgängern die Ansicht, dafs der Gegner des Burggrafen Heinrichs IV. ein Bastard gewesen sei; er meint aber doch, dafs dessen Kampf ums Recht vielleicht als ein Produkt in- nerer Überzeugung anzusehen sei, wenngleich sein Charakter durchaus unwahr und zu allem fähig ge\ves(rn sei, was zu seinem Zwecke dienlich schien. Der Pseudoheinrich wurde schlielslich gcfultcrt, nach S. 127 wohl nicht blofs „scheinbar", wie Schmidt S. 180 meinen

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164 Litter atur.

möchte, während S. 131 des Unechten Beharrlichkeit auf der Folter gerühmt wird, znm Tode verurteilt, aher begnadigt zu lebensläug- lichem Kerker, in welchem derselbe gut gehalten werden sollte. Heinrich lY. triumphierte-, auch er war jedenfalls in bezug auf die Mittel, welche er zur Vernichtung des Prätendenten anwandte, nicht von zarten Gewissensbedenken behindert worden.

Das 4. Kapitel trägt die Überschrift : „Burggraf Heinrich als überstkanzler der Krone Böhmen und Grünstling Ferdinands". In- dessen waren für die Zeit von 1542 bis zum Schmalkaldischen Kriege, welche zur Behandlung kommt, die benutzten Quellen wenig aus- giebig. Gerade hier hätte Prag in betracht kommen können , wenn es gegolten hätte, die Thätigkeit des böhmischen Kanzlers zu schil- dern. Aber das war des Ve]fassers Absicht doch nur nebenbei, er behandelt auch hier eingehender die Stellung Heinrichs im Vogt- lande, des Burggrafen Auseinandersetzung mit dem Herrn von Gera, welcher jenem ohnedies grollte, da dieser sich die Gesamtbelehnung mit dem Geraer Lande zu verschaffen gewufst hatte. Was die Be- ziehungen Heinrichs zu dem Könige Ferdinand angeht, so erfahren wir fast ausschliefslich von Vorschüssen, welche der Kanzler der stets in Not befindlichen königlichen Kasse machte. Schmidt weist sehr mit Recht darauf hin, dafs hierdurch hauptsächlich der Erwerb von Plauen durch den Burggrafen vorbereitet wurde, man wird es aber als gewagt bezeichnen müssen, wenn er erklärt, dafs der Burg- graf bereits Proben seiner Tüchtigkeit abgelegt und gewisse Ver- dienste erworben haben müsse, weil der sonst so staatsklnge Fer- dinand ihm trotz des jugendlichen Alters von 32 Jahren das ebenso schwierige wie verantwortliche Amt des Oberstkanzlers anvertraut habe. Als ob es nicht für den König von Wichtigkeit gewesen wäre, in dem jungen Biu'ggrafen einen Mann an sich zu ketten, dessen Familienstellung ihm bereits einen gewissen Einflufs sowohl in Böhmen als in dessen benachbaiten Gebieten sicherte!

Sehr anschaulich schildert der Verfasser die Einwirkung, welche die Wechselfälle des Schmalkaldischen Krieges ausübten auf die Pläne Heinrichs IV., sich eine stattliche Herrschaft nach dem Sturze .Johann Friedrichs zu sichern. Die Verspreclnmgen , welche Ferdi- nand ihm gemacht hatte, gingen sehr weit, aber die Durchführung erwies sich als schwierig. Nicht nur versuchten die Geächteten, welche ihren Besitz verlieren sollten , sich denselben wieder zu sichern, sondern auch Moritz von Sachsen war darauf bedacht, seiner- seits der Begehrlickeit des Bui'ggrafen Einhalt zu thun und lieber selbst seine Beute zu vergröfsern. Indessen gelang es dem Burg- grafen, doch den gröfsten Teil des ihm Zugesprochenen zu behaupten, nachdem der Tod eine neue Ehe Heinrichs von Gera, bald und ohne dafs Kinder aus ihr hervorgegangen, gelöst hatte, deren Eingehung er mit allen Mitteln, selbst durch Beibringung eines förmlichen Ver- botes durch König Ferdinand, zu hintertreiben versucht hatte.

Über die Thätigkeit Heinrichs IV. im Dienste Ferdinands er- fahren wir aus der Zeit nach dem Schmalkaldischen Kriege etwas mehr, als aus der früheren, in dem 7. Kapitel, welches den kaum glücklich gewählten Titel erhalten hat: .Neue Gunstbezeugungen König Ferdinands", indem Schmidt doch vor allem die Forderung der Plauenschen Machtstellung veifolgen will; das 8. Kapitel behan- delt die Regierung des Vogtlandes unter dem Burggrafen, welcher selbst meist abwesend war, und defshalb eine Statthalterschaft ein- gesetzt hatte. Schmidt erwähnt, dafs König Ferdinand im August

Litteratur. 165

1547 für ein Gutacliteii des Burggrafen, welches den Erzherzog Maximilian betraf, seineu Dank abstattet. Er verzichtet sehr mit Recht darauf, zu entscheiden, ob es sich hier um des Erzherzogs Hinneigung zur evangelischen Lehre gehandelt habe; denn in der That war gewifs des Erzherzogs Leichtfertigkeit Gegenstand der Vorhaltungen des Burggrafen. Wenige Tage vorher hatte gerade der ältere Granvella geklagt, dafs Niemand dem jungen Erzherzog etwas zu sagen wage und dessen Vater sich zu milde mul vertrau- lich mit dem Sohne stelle; Druffel Beiträge No. 80 und 107. Es wäre darum zu wünschen gewesen, dafs man aus Schmidts Mit- teilung hätte ersehen können, ob der Burggraf aus eigenem Antriebe sich zu seinem Gutachten verstieg, oder ob er vielleicht einer Auf- forderung des Königs nachkam. Ein Auftreten des Burggrafen gegen die angeblich protestantische Gesinnung des Max wäre auch sehr unwahrscheinlich gewesen, nach dem, was wir S. 204 flg. über des ersteren religiöse Haltung erfahren. Er hütete sich vor dem Ver- suche das Interim einzuführen, wurde defshalb sogar von Julius Pflug bei dem Reichstage und bei König Ferdinand verklagt, ohne dafs dieses eine Änderung seines Verhaltens bewirkt hätte. Ob defs- halb jedoch die Kircheuordnung, welche im August 1552 zu Plauen von den vogtländischen Superintendenten angenommen wurde, „selbst- redend" nur mit landesherrlicher Zustimmung erfolgte, dürfte doch von der Vorfrage abhängig zu machen sein, ob nicht vielleicht durch die grofse Erhebung des Jahres 1552 die Autorität des Burggrafen so sehr erschüttert war, dafs die lutherische Geistlichkeit mit oder ohne Genehmigung des in dem Lande nicht anwesenden Herrn von Plauen ihre Ordnung vorzunehmen wagen konnte.

Nachdem in den Kapiteln 9 und 10 die Bemühungen des Bui'g- grafen um den Erwerb der Herrschaften Greiz und Anhalt geschil- dert sind , Avelche Heinrich IV. nach dem Schmalkaldischen Kriege infolge der Achtung der bisherigen Herren sich zu verschaffen ge- dachte, wendet sich Kapitel 11 zu dem Jahre 1552, zu der Thätig- keit des Burggrafen während der Erhebung des Kurfürsten Moritz und bei dem Passauer Vertrage. Heinrich von Plauen wiu'de im März 1552 von König Ferdinand zu dem Kurfürsten Moritz abge- schickt, um zu versuchen , ob sich durch friedliche Verhandlung der drohende kriegerische Sturm beschwichtigen lasse. Schmidt hat zu dem, was durch meine Veröffentlichung und durch Ifsleibs fleifsigeu Aufsatz in dieser Zeitschrift bereits bekannt gemacht war, wichtige Ergänzungen geliefert. Die in einer Heinrich von Treitschke gewid- meten Je neu s er Dissertation von J. Witter aufs Neue vorgeführte Ansicht J. G. Droysens und Maurenbrechers, dafs König Ferdinand mit dem Kurfürsten Moritz sich im Einverständnisse befunden habe, wird von Schmidt auf Grund der Akten zurückgewiesen. War es schon ein Akt der Verzweiflung gewesen, die von Heinrich an- geordneten Rüstungen in Böhmen als eine Mafsregel zu bezeichnen, welche „gewifs nicht" im Sinne König Ferdinands gewesen sei, so hat Schmidt diesen letzten Ausweg abgeschnitten, indem er den das Gegenteil feststellenden Biief Wechsel zwischen König Ferdinand und dem Burggrafen mitteilt; S. 283. Die Thatsache, dafs eine gewisse Spannung zwischen dem Kaiser und seinem Bruder in einigen zwischen diesen gewecliselten Briefen hervortritt, kann ebenfalls nicht in Witters Sinne verwei-tet werden. Sie hatte ihren Grund darin, dafs König Ferdinand um jeden Preis die Befreiung des Landgrafen von Hessen wünschte ; indem er meinte, dadurch die von

166 Litteratur.

selten des Kurfürsten Moritz drolieuden Grefaliren Ijeschwichtigen zu können, der Kaiser dagegen die Dringlichkeit dieser Gefahren nicht erkennen wollte. Karl ärgerte sich über des Bruders Drängen um so mehr, als derselbe nichts beitrug zur Bezahlung der Truppen, welche Kurfürst Moritz gegen Magdebiug verwandt hatte, obgleich in deren Zusammenbleiben nach des Kaisers Meinung der Haupt- grund der Beunruhigung lag. Es mag zum Beweise hierfür auf einen Brief des jüngeren Granvella vom 13. Dezember 1551 an die Königin Marie verwiesen werden. Der Bischot von Arras ist in •BesorgTiis, der Kaiser könne es übel vermerken, dafs Ferdinand so wenig Eifer an den Tag gelegt habe für die Beschaffung von Gel- dern zur Befriedigung des gegen Magdeburg verwandten Kriegs- volks. Nur eine allgemeine Antwort hatte dieser erteilt auf den vom Kaiser geäufserten Wunsch, dafür zu sorgen, dafs sächsische Fürsten und Städte das Geld herliehen. Aber der Minister des Kaisers fügt bei, er sei davon überzeugt, dafs es dem Könige keineswegs an gutem WiUen fehle, vielmehr befinde sich dieser selbst in Ver- legenheit, da er die erforderlichen Leistungen gegen die Türken nicht zu beschaffen wisse. Granvella sagt, seine eigene Politik gehe vor allem darauf aus, gereizte Stimmungen hintanzuhalten, aber Tag für Tag kommen neue Nadelstiche vor, die leider wohl empfind- lich wirkten. „Vor wenigen Tagen empfing der Kaiser einen Brief vom Könige, worin dieser betonte, wie überaus mifslich sich die Lage gestalten würde, falls der Herzog Moritz wegen der längeren Fest- haltung des Landgrafen einen verzweifelten Schritt unternähme. Der Kaiser liefs zur Antwort den König um Auskunft über die hierbei zu fordernden Bedingungen und Sicherheiten bitten; weil es ihm schien, dafs der König, der zwar alles der besseren Einsicht des Kaisers anheimstellte , doch allzu eifrig jene Befreiung anstrebe, fügte er, um den König zu ärgern, die Bitte hinzu, der König möge ihm doch mitteilen, wie man nach seiner Meinung denn des Her- zogs von Cleve Bitte um Befreiung des Johann Friedrich werde ablehnen können, falls man auf Andringen des Moritz den Land- grafen freigebe. Darauf wiederholte Ferdinand in seinem Briefe den Inhalt des kaiserlichen Schreibens, liefs dann aber den die Sicherheiten betreffenden Punkt ganz beiseite, um auf die Frage bezüglich Johann Friedrichs einzugehen, und den Unterschied zwi- schen den beiden Gefangenen hervorzuheljen: Der Landgraf sei in- folge eines Vertrages gefangen genommen worden, nachdem er sich nach der Auflösung des protestantischen Lagers schon von der Be- teiligung am Kriege zurückgezogen hatte, während J. Friedrich mit dem Degen in der Faust im Kampfe gegen die Person des Kaisers, gegen ihn selbst und seine Kinder ergriffen worden sei." Der Bischof sagt, der Wortlaut des Briefes sei zwar durchaus bescheiden ge- wesen, aber er fürchte, der Kaiser könne es trotzdem übelnehmen, weil eine gewisse Empfindlichkeit in dem Briefe des Königs durch- zufühlen gewesen sei. Die gleichzeitig ausgesprochene Bitte des Königs, die in Italien stehenden Spanier nach Ungarn ziehen und zum Türkenkriege den Vorrat verwenden zu dürfen, von welchem der Kaiser die Befriedigung des vor Magdeburg verwandten Beichs- heeres wünschte, sollte nach des Granvella Meinung erst Beant- wortung finden, wenn der Kaiser von der Gicht völlig befreit und somit in besserer Stimmung sei. Wir ersehen aus diesem Briefe des kaiserlichen Staatsmanns doch jedenfalls mit Sicherheit, dafs von einem ernstlichen Verdachte gegen Ferdinand nicht die Hede

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seiu konnte; nur kleine Verstimmungen, über die sich der Kaiser selbst ebenfalls in Briefen au seine Schwester ausspricht, wareu vor- handen. Nach Granvellas Meinung lag die Schuld hierfür weit eher an dem Kaiser, als an dem Könige. Dafs von Moritz Gefahr drohe, ahnte Ferdinand zwar deutlicher als der Kaiser, über die wirklich von dem Kurfürsten eingenommene Haltung wareu beide völlig im Unklaren. Beide meinten, der von Moritz im Namen des Reichs mit Magdeburg verabredete Vertrag sei ein Erfolg für ihr Haus und für ihre Kircheupolitik. Sie wufsten nicht, dafs Moritz den Magde- burgern in einem geheimen Vertrage die Beibehaltung der jetzigen reinen Religion und Schutz wider den Antichrist, den Papst zu Rom mit seinen Kardinälen, Bischöfen, Mitgliedern und Anhängern sowie vor dem jetzigen und vor künftigen päpstlichen Konzilien zusicherte, während er selbst Gesandte nach Trient abschickte ; dafs er ferner die meisten Punkte der offiziellen Kapitulation in einem Nebenvertrage für ungültig erklärte.

Vom tiefsten Mifstrauen gegen Moritz war der Burggraf im Frühjahr 1552 erfüllt, als er im Namen des Römischen Königs den sächsischen Kurfürsten für die Friedensverhandlung zu Linz zu ge- winnen suchte. Schmidt hat hier das bisher bekannte Material er- gänzt, S. 292 flg.; aus seinen Darlegungen geht hervor, dafs der Burggraf seinen Herrn warnte , auf unehrenhafte Forderungen des Kurfürsten einzugehen; als solche erschien ihm das Verlangen, einen Erzherzog als Geifsel zu bestellen, und die Forderung, dafs der fran- zösische Gesandte bei den Verhandlungen zugelassen werden müsse. Richtig giebt Schmidt, S. 294, au, dafs Moritz die erstere Forderung fallen liefs ; er irrt aber in der Annahme, dafs der Bischof vou Baj'onne nicht in Passau erschienen sei; vergl. Druffel No. 1525.

Auch für die Fehde des Markgrafen Albrecht von Brandenl)urg, welche zu der Schlacht von Sievershausen führte, bot der Brief- wechsel Heinrichs von Plauen Ausbeute. Indessen spielte er hier mehr die Rolle eines selbstbetheiligten kleinen Fürsten, als dafs seine Stellung als Vertreter Ferdinands ausschlaggebend gewesen wäre. Der Barggraf starb, ehe die Plafsenburg, Markgraf Albrechts stolze Feste, fiel. Auf diese Dinge werde ich demnächst an anderer Stelle näher eingehen.

In einem Schlufskapitel wird noch das Schicksal der Nach- kommen des Burggrafen Heinrich behandelt. Das Geschlecht starb bereits in der folgenden Generation aus. Die Erbschaft fiel der jüngeren Linie der Reufs von Plauen zu.

Durchweg hat der Verfasser mit Genauigkeit und Umsicht das vor- liegende Material durchgearbeitet und so ein Werk geschaffen, welches dauernden Wert behalten wird. Einige chronologische Versehen und Irrtümer hinsichtlich einzelner Persönlichkeiten mögen deshalb hier Berichtigung finden. S. 122 erscheint z. B. ein Erzbischof Gran- vella, S. 146 ein Gesandter Venedigs Navigiaro (Navagero), S. 65 ein Graf Nugaroli (Nogarola), S. 291 ein Kurfürst von Baiern. Kiuiürst Moritz kam nicht, wie S. 142 nach dem ungenauen Langenn angegeben, im Juni 1546 nach Regensburg. Das Richtige hat schon Ranke. Eine letzte Durchsicht hätte wohl auch einige stilistisclie Besserungen vorgenommen, z. B. auf S. 9 Saclisen die Aufgalje er- spart, „die Burggrafschaft Meifsen, die ilim wie ein Pfahl im Fleische steckte, aufzusaugen." Doch sind das Kleinigkeiten, welclie den Wert des Werkes nicht beeinträchtigen können.

München. v. Druffel.

168 Litter atur.

Scbloss Aunaburg'. Festschrift zur Einlimulertundfüiifzigjährigen Jubelfeier des Militär-Knabeu-Erzieliuiigs-Instituts zu Aunaburg, von E. Grüiidler, Pfarrer xind Schuliuspektor des Instituts. Mit in den Text gedruckten und besonders beigegebenen erläuternden Ansichten und Plänen. Berlin, 1888. Vltl und 599 SS. B».

Schlofs Annaburg, das ehemalige Lochau, fesselt nach den ver- schiedensten Richtungeu unser Interesse. Jahrhunderte lang haben hier mit besonderer Vorliebe wettinische Fürsten geweilt, vor allem Friedrich der Weise und Kurfürstiu Anua. Und die geschäftige Sage ist bemüht gewesen, ihren Aufenthalt mit allerlei Dichtungen auszuschmücken. Ich erwähne nur die Erzählungen von den geheim- nisvollen Vorzeichen, welche den Tod des edlen Schützers der Re- formation verkündigten (S. 60), wie die Berichte über den Neubau des Schlosses, der durch eine Wette Kurfürst Augusts mit seiner Gemahlin veranlafst sein sollte. Für Augustusburg sollte Annaburg ein Koukui'renzbau werden, von dessen Türmen man einen ebenso weiten Blick haben sollte, als von den weithin leuchtenden Zinnen der erzgebirgischen Veste. Zur Geschichte des ursprünglichen Lochauer Schlosses wäre nachzutragen, dafs sein Kirchlein aiich urkundlich erwähnt wird. So verkauft Georg Hesse, Schösser zu Schlieben, am 15. April 1520 der Kirche auf dem Schlosse zu Locha 5 Scheffel jährlichen Zinses von einer Hufe Ackers im Gerichte zu Schlieben wiederkäuflich um 100 Scheffel. Hauptstaatsarchiv zii Dresden Urkunde Nr. 10272. Für den Waidmann hat das Schlofs ferner Interesse durch den beinahe sprichwörtlich gewordenen Reich- tum an Wild, der diesem Fürstensitze viele goldene Tage verschafft hat. Verfasser giebt davon eine eingehende Darstellung. Hinzu- fügen möchte ich, dafs von hier aus auf Weisung des Kurfürsten die Hirsche und Rehe mit Vorliebe in die Küchen der dafür nicht un- empfänglichen Wittenberger Professoren liefen und namentlich bei festlichen Gelegenheiten gern antraten. So bittet Luther den Kur- fürsten um „etwa ein wiltpret von der Lochaue", als die feierliche Doktorpromotion der später für das Kurfürstentum so wichtig ge- wordenen Humanisten und Pädagogen Hieronymus Weller und Jo- hann Medier bevorstand. Vergl. C. H. Burkhardt, Dr. Martin Luthers Briefwechsel (Leipzig 1866) S. 237 flg. Natürlich mufste der hier waltende Schösser wegen der Bedeutung des Schlosses eine grofse Machtvollkommenheit besitzen. Trotzdem bewarb sich „der aide schosser Thomas Windisch " um die dortige Pfarre, mufste aber vor dem von Luther empfohlenen Michael Stiefel zurücktreten und sollte daher eine andere Stelle erhalten. Vergl. Burkhardt, a. a. 0., S. 141 flg. Von anderen Beamten wird im hiesigen Hauptstaatsarchiv Urkunde Nr. 116471^ ein Oberzeugmeister Hans von Diefskau auf Lochau er- wähnt, mit dem der Kurfürst unter dem 29. September 1560 einen umfangreichen Tausch abschliefst.

Den gröfsten Teil des Buches aber füllt die Geschichte des Militär-Knaben-Erziehungs-Instituts aus, das ursprünglich in Dresden g^^egründet, später nach Annaburg verlegt wurde. Referent mufs es sich versagen, auf die Wandlungen einzugehen, die diese nun seit 150 Jahren überaus segensreich wii'kende Anstalt im Laufe der Zeiten erlebt hat. Mancherlei Schwierigkeiten im Innern und zahl- reiche Drangsale von aufsen haben überwunden werden müssen, aber auch von viel heiteren und fröhlichen Zügen Aveifs Verfasser in fes- selnder Weise zu berichten. Eine wertvolle Ergänzung bilden die

Litteratur. 169

schönen Aljbildungen und Planskizzen, die uns das Sclilofs mit seiner Umgebung in den verschiedenen Jahrhunderten voiführeu. So bietet das Buch nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Kulturgeschichte, sondern, wozu es bestimmt ist, ein warm und frisch geschriebenes Gedenkbuch für die Zöglinge.

Dresden. Georg Müller.

Beiträge zur sächsischen Kirchengescliichte^ herausgegeben im Auftrage der Gesellschaft für sächsische Kircheugeschichte von Franz l)il)elius und (iotthard Lechler. Viertes Heft. Leipzig, Barth. 1888. 234 SS. 8".

Das vorliegende Heft bildet insofern einen bedeutsamenWende- punkt für die junge Zeitschrift, als es zum letzten Male als Mit- herausgeber den Namen Gotthard Lechlers trägt, dessen vor kur- zem erfolgten Tod die Gesellschaft für sächsische Kircheugeschichte als schweren Verlust zu beklagen hat. Lagen auch die Redaktions- geschäfte seit dem Erscheinen der „Beiträge" wesentlich auf den jüngeren Schultern des Mitherausgebers, Franz Dibelius, so hat Lechler in der Zeitschrift mehrfach gehaltvolle Arbeiten veröffent- licht, die dem Unternehmen sein Gepräge aufdrückten. Es sei nur an den Aufsatz im ersten Hefte: Was wir wollen? erinnert, in wel- chem der Verfasser das Programm mit der ihm eigenen Beherrschung des Stoffs entwickelte, grofse Gesichtspunkte mit zahlreichen Detail- anweisungen verband und auf das reiche, der Bearbeitung harrende Material aufmerksam machte. Auch das vorliegende Heft beweist, wie fruchtbar seine Fingerzeige waren.

An der Spitze desselben steht ein Aufsatz des Herausgebers, Franz Dibelius, welcher „Zur Geschichte und Charakteristik Selneckers" nicht nur wichtige, wesentlich archivalische Beiträge beibringt, sondern namentlich bezüglich seiner kirchlich -politischen Stellung wertvolle Ausführungen enthält. Bei dieser Gelegenheit erfährt die Bedeutung des Liedes: „Lafs mich dein sein und bleiben" in seinem korrekten Texte eine fesselnde Besprechung. Eingehend wird Selneckers Wirksamkeit als kurfürstlicher Hofprediger geschil- dert; mehr als nur persönliche Bedeutung hat u. a. die Veranlassung zu seinem Weggange aus Dresden. Dieser hing mehr oder weniger eng mit der bekannten Entlassung des Dresdner Stadtpredigers, Martin Hofmann, zusammen. Sollte nicht zwischen diesem und Cyi'iacus Spangenberg eine gewisse geistige Verbindung anzunehmen sein, da letzterer die Ungnade des Kurfürsten ähnlich wie jener sein Leben lang fühlen mufste? Der S. 14 A. 1 genannte Diakonus zu Altendresden, Joachimus Cram . . . (?) , dürfte Joachim Cranichfeld sein, vergl. A. H. Kreyfsig, Album der evangelisch -lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen (Dresden 1883) S. 107.

Der sächsischen Gclehrtengcschichto gehört ferner ein Aufsatz sin von Friedrich Seifert über „Johann Pfeffinger, den ersten lutherischen Pastor zu St. Nicolai und Superintendenten in Tjci])zig" (1493—1573); in diesem tritt dem Leser, auf Grund handschriftliehen Materials aus den Archiven zu Leipzig, Dresden und Weimar, eine für die Kirchengeschichte Leipzigs, wie Sachsens überhaupt wichtige Persönlichkeit entgegen. Hierher gehört auch die anspi'uchslose Selbstbiographie des Pfarrers Christian Kohlei' zu (ii'olsolbersdorf bei Annaberg (1604 1687), welche, von Georg Buchwald her- ausgegeben, eine üeihe wertvoller Notizen enthält, z. B. in dem

170 Litteratur.

Bericht über den Bilduugsgaug die Nachrichten üher Schneeberger Schiüverhältnisse (S. 226), über das Treiben der Kipper nnd Wipper (S. 227) n. a. m. Durch diese Verölfeutlichimg erfahren die Angaben bei A. H. Krej'fsig, a. a. 0., S. 542 und 185 mehrfache Ergänzungen und BerichtigTingen; so fällt, wenn nicht ein Fehler des Biographen vorliegt, der Tod seines Vorgängei s \mi sein eigener Amtsantritt in Wildbach nicht in das Jahr 1629, sondern 1628. Bezeichnend ist auch, dafs bei seiner Versetzung nach Grofsolbersdorf zwischen Gast- predigt, Wahl und Einzug einerseits und seiner Einweisung durch den Superintendenten andererseits eine Zeit von IVo Jahren vergeht. Statt Ebelsbrunn (S. 2ol) mufs es wohl heifsen: Ebersbrunn. Yergl. über den dort genannten Balthasar Böttiger Kreyfsig a. a. 0., S. 117. Georg Buch wald veröffentlicht aufserdem (S. 160—202) eine Studie über „die Lehre des Johannes Sylvius Wildenauer Egranus in ihrer Beziehung zur Reformation", aus welcher sich ergiebt, dafs der viel umstrittene Zwickauer Prediger verhältnismäfsig wenig von der neuen Lehre aufgenommen hatte.

Die Jahrzehnte des Übergangs vom Mittelalter zur Reformations- zeit betrilft eine Mitteilung Hermann Knothes: „Nachtrag zui' Geschichte des Franziskanerilosters zu Kamenz". Der um die Ge- schichte der Oherlausitz hochverdiente Verfasser hatte nach Abschlufs des betreffendes Bandes des Codex diplomaticus Saxoniae regiae in dem domstiftlichen Archive zu Bautzen 22 Urkunden gefunden, welche teilweise in Originalen zu schon bekannten abschriftlichen Dokumen- ten bestanden, z. B. die Stiftungsurkuude des Kamenzer Klosters vom Jahre 1493, teilweise bisher unbekannt waren, z. B. 4 könig- liche Urkunden, welche die Privilegien des Klosters bestätigen und insofern ein weitergehendes Interesse haben, als sie zeigen, wie ge- spannt die Verhältnisse zwischen dem Kloster und der Stadt ge- wesen sind. Diese werden beschrieben und ihrer Bedeutung nach besprochen.

In unser Jahrhundert führt uns scbliefslich eine Abhandlung von C. G. Pötzsch: „Aus der Geschichte der Kirche und Ritter- gutsherrschaft zu Jahnishausen", welche z. B. interessante Mittei- lungen über König Johann als Patronatsherrn des genannten Ortes enthält.

Dresden. Georg Müller.

Übersicht

über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur

sächsischen Geschichte und Altertumskunde').

Albinus, Karl. Die Belagerung von Lübbenau im Jahre 1449: Spreewald- Zeitung. 1888. No. 135— 138.

^) Der Herausgeber bittet angelegentlich die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure, durch Zusendung der neu erscheinenden Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte, namentlich solcher, die leicht der Beachtung entgehen (Gelegenheitsschriften, Programme, kleinere Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften), zur Vollständigkeit der bibliographischen Übersichten beitragen zu woUen.

Litteratur. 171

Baumgärtcl, Friedr. Herrn. Die kirclilicheu Zustände Bautzens im

16, u. 17. J all r hundert. Natdi urkundlichen Quellen dargestellt.

Beigahe zum l'rogramm der Realschule zu Bautzen. 1889.

64 SS. 80. V. Bertouch, Ernst. Der goldene Faden in der Geschichte des

Hauses Wettin 1089—1889. Juliiläumsschrift. Wiesbaden, Bech-

told. 1889. 12 SS. 1 Tabelle. 8». Beust, Fr. F. de. Trois quarts de siccle. Mem. pul)l. avec des

notes in ed. et une preface par Fred. Kobn-Abrest. 2 Voll. Paris,

Westhaufser. XXXI, 399 u. n91 SS. 8«. Brasch, Moritz. Paul Robert Schuster, eine Leipziger Erinnerung :

Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1888. No. 1.30.

S. 597-600. Bochmann, Emil. Zusammenhänge zwiscben den Bevölkerungen des

Obererzgebirges und des Oberharzes : Programm des Kgl. Oymnas.

zu Dresden -Neustadt. 1889. S. 3— 29. 4». [Bucher.J Jugend-Erinnerungen eines alten Sachsen. 1836 bis 1856.

Dresden, Hackarath. 1888. 194 SS. 8». (Czischkoivsky, Fr. Aug.) Zeit- und Ortsgeschiclite von Grols-Schönau.

Grofsschönau, Czischkowsky. 1887. 672 SS. 8«. Distel, Th. Einige ältere Leipziger Schöppensprüche in Strafsachen

und ähnliches (11): Ztschr. f d. gesamte Strafrechts- Wissenschaft.

Band IX (1888). S. 208—212.

Neues über die spätere Gräfin Cossell: ebenda S. 642—644.

Die Darstellung der Schlacht bei Mühlberg zu Brüssel (1549): Ztschr. f. Gesch. u. Politik. 1888. S. 800.

Arbeiten des Kupferstechers Johann Kaspar Höckner zu Dresden u. a. : Chionik für vervielfältigende Kunst. 1888. S. 68.

Nachrichten über die sächsischen Kupferstecher Bernigeroth: ebenda S. 77.

Ein Porträt Benedikt Carpzovs (II.) von Margaretha Rastrum in Leipzig, Stiche von Joh. Dürr, Alb. Kalle u. Gabler: ebenda S. 77.

Nachricliten über den Kantor Melchior Vulpius (f 1616) zu Wei- mar: Monatshefte für Musikgeschichte. Jahrg. XX (1888). S. 174 flg.

Die Einführung des Hiller'schen Choralbuchs in Kursachsen (1793) : ebenda S. 175.

Lautenbücher von der Heides (1569) für Kurfürst August zu Sachsen: ebenda S. 142.

Die Dresdener Kapellmeisterstelle (1580): ebenda Jahrg. XXL (1889). S. 16.

Ein Jagdpossen für den Colditzer Thiergarten (1589): Weidmann. Band XIX (1887). S. 201.

Unfall Herzogs Heinrichs des Frommen auf der Jagd (1539/40): ebenda Band XX (1888). S. 58. 200.

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Werkstatts - Einrichtung Leipziger zünftiger Buchbindereien: ebenda S. 159—177.

Beitrag ziir Geschichte des Kunsthandels auf der Leipziger Messe : ebenda S. 178-200.

Nickel Wolrabe's in Leipzig Ausgang: ebenda S. 303 flg.

Verlags - Inventur von Valentin Bapsts Erben in Leipzig vom Jahre 1563: ebenda S. 304 flg.

GotthardVögelins Leipziger Ladeneinrichtung: ebenda S. 310— 313.

Ein Beispiel unordentlicher Buchführung: ebenda S. 313 flg.

Annehmlichkeiten der Neujahrsmesse: ebenda S. 314 flg. Knothe, H. Die Familie Steinrucker in Zittau und Görlitz: Neues

Lausitzer Magazin Bd. LXIV (1888). S. 309—312.

Bericht der Überlausitzer Stände an Kaiser Siegmund über den Einfall der Hussiten im Frübjahr 1427: ebenda S. 334—340.

Klage der Franziskaner zu Laubau gegen das dasige Nonnen- kloster 1345: ebenda S. 340— 343.

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Zwei Beilagen zu den von Biberstein: ebenda S. 70—72. Thielemann, J. Geschichtliche Mitteilungen über das Seminar zu

Grimma: Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des königl. Hauptseminars zu Grimma (1888). S. 1—29.

Voigt, F. A. Anton Zimmermann, der Vorkämpfer der Reformation m Teuchern. (1888.) 15 SS. 8».

Waddington, Albert. De Huberti Langueti vita (1518 81). Paris, Leroux. 1888. VI, 140 SS. S».

Widnian, Simon. Eine Mainzer Presse der Reformationszeit im Dienste der klassischen Litteratur. Ein Beitrag zur Geschichte des Buchhandels und der Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts, auf Grund von bisher unbekannten Briefen geliefert. Mit zwei Holz.schnitten. Paderborn, Schöningh. 1889. VIII, 111 SS. 8»*. [Betrifft den aus Meifsen stammenden Buchdrucker Franz Behem.]

Wilsdorf, Oscar. Gräfin Charlotte v. Kielmannsegge. Ein Lebens- bild aus der Zeit der Romantik. Nach historischen (Quellen be- arbeitet. Dresden u. Leipzig, Heinr. Minden. 1889. 79 SS. 8".

Wippermann, Alb. Johann August Köhler, K. S. Schulrat und Seminardirektor zu Grimma. Ein Lebensbild. Grimma, Gensei. 1888. IV, 94 SS. 8^

Wolf, Gustav. Eine Vcrliandlung von 1560 zwischen Brandenburg und Sachsen über die Rechtsverbindlichkeit des geistlichen Vor- behalts: Forschungen zur Brandenburg, u. Preufs. Gesch. Bd. I (1888). S. 277—281.

Wustmann, G. (Quellen zur Geschichte Leipzigs. \'eröffentlichimgen aus dem Archiv und der Bibliothek der Stadt Leipzig. Erstei-

176 LitteratTtr.

Band. Mit 6 Abbild. Gedruckt auf Kosten der Stiftung für die Stadt Leipzig. Leipzig, Duncker & Humblot. 1889. XV, 493 SS. 8°.

Weise, Aug. Nachrichten aus der Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde Ebersbach, nebst Einblicken in die Natur ihrer nächsten Umgebung. Lfg. 1—4. Ebersbach i. S., 1888 (Löbau, Oliva). S. 1-128. Mit 2 Lichtdruck -Tafeln. 8".

Unzer, Ad. Die Convention von Klein - Schnellendorf (9. Oktober 1741). Kieler Inaug.-Diss. Frankfurt a. M., Eeitz u. Koehler. 1889. 140 SS. 8».

Zarncke. Neue Mittheilungen zu den Werken Christian Reuters (1. Graf Ehrenfried. 2. Augustus v. Lüttichau u. a): Berichte über die Verhandlungen der kgl. sächs. Gesellschaft der Wissen- schaften zu Leipzig. Philol.-histor. Classe. 1888. L/II. S. 71— 136.

Aus Zinzendorfs Jugendzeit: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1889. No. 5, 8, 15. S. 17—20, 58 flg.

Hallisches Heiligthumsbuch vom Jahre 1520. (A. u. d. T. : Liebhaber- Bibliothek alter Illustratoren inFacsimile-Reproductionen. Bd. XIII.) München, Hirth. 1889. VIII, 87 SS. 4^.

Maria Antonia Walpurgis, Churfürstin zu Sachsen 1724—1780: St. Benno - Kalender. Jahrg. 39 (1889). S. 49— 69.

M. Christian Meltzer, der Verfasser der Sclmeeberger Chronik : Glück- auf (Organ desErzgebirgsvereins). Jahrg. 8 (1888). S.24 flg. (49 flg.).

Zum 20. December 1888. Ein Beitrag zur Geschichte der Leipziger Bank. Leipzig (Giesecke u. Devrient). 1888. 58 SS. S».

Mansf ekler Blätter. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld zu Eisleben. Herausg. von H. Gröfsler. Zweiter Jahrg. 1888, Eisleben. 1888. 122 SS. S». Inhalt: Rembe, Der Briefwechsel des M. Cyriacus Spaugen- berg. G r ö s s 1 e r , Radegundis, Prinzessin von Thüringen, Königin von Frankreich, Schutzpatronin von Poitiers. Ders., Mitteilungen aus Eislebischen Kirchenbüchern. Je cht. Ein Bittschreiben des Eisleber Rates vom 27. Sept. 1601. Ders , Hinrichtung eines Eislebers in Görlitz.

Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau tmd Umgegend. Heft IL Zwickau. 1888. XXIII, 81 SS. 8".

Inhalt: Fabian, Die Wiederaufrichtung der Zwickauer Schule nach dem Schmalkaldischen Kriege (mit arcliival. Beiträgen). Schilling, Quellen zur Geschichte der Stadt Zwickau während des dreifsigjährigen Krieges 1632 und 1633. Beck, Leibnizens Beziehungen zu Christian Daum, Rektor zu Zwickau. Buch- wald. Zur Kirchen-, Schul- und Sittengeschichte von Härtens- dorf und Wildenfels.

Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Um- gegend. I. Jahrbuch für 1885—88. Annaberg, H. Graser (Komm.). 1888. 46 SS. 8».

Inhalt: E. Krüger, Grundzüge des ehemaligen Annaberger Stadt- und Bergrechts.

Kerichtigiing^eii.

Bd. IX S. 155 Z. 1 V. u. lies „Franckenstein". S. 339 Z. 3 v. u. lies „VII, 24" (statt III, 25).

* 1089 * 1889 *■

Jiiläims-Meiallle

des Königlich Sächsischen Allerlunisverein,

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ifer vorlleq-ende Band des Neuen Ar- ^^^^Ächivs für Sächsische Geschichte und

'ijl^^ Altertumskunde, mit welchem die Zeit- schrift das erste Jahrzehnt ihres Be- stehens vollendet, erscheint in einem bedeutung-s- vollen Jahre.

Noch stehen wir i^^anz unter dem Eindruck des in seiner Art einzigen Festes, das wenige Wochen hinter uns liegt. Dem geliebten Herr- scherhause, unter dessen mildem Scepter acht- hundert Jahre lang unserm gesegneten Lande

II

zu blühen vergönnt war, brachten wetteifernd alle Klassen der treuen Bevölkerung ihre dank- baren Huldigungen dar. Wäre es nicht be- kannt genug, wie innige Bande das Sachsen- volk mit seinen Fürsten verbinden, dasWettiner- fest hätte einen erhebenden Beweis dafür o-e- liefert; und wäre es denkbar, dafs diese Bande zwischen Thron und Volk sich noch enger knüpfen könnten, die Jubiläumstage hätten dies zu bewirken vermocht.

Da das Fest in erster Linie einen histori- schen Charakter trug, so hätte es nahe gelegen, dafs auch unsere Zeitschrift, deren Beruf die Pflege der landesgeschichtlichen Forschung ist, seinen Anlafs eingehender behandelt hätte. Wenn wir davon abgesehen haben, die ohnehin grofse Zahl der Festschriften um noch eine zu vermehren, so veranlafst uns dazu vor allem der Umstand, dafs die wissenschaftliche Erör- terung der in Frage kommenden Ereignisse und Verhältnisse als vorläufig abgeschlossen gelten darf; eine für weitere Kreise berechnete Wieder- gabe des bereits Bekannten aber schien, abge- sehen davon, dafs sie in den Rahmen unserer

III

Zeitschrift nicht pafst, auch deshalb entbehrlich, weil eerade In den letzten Monaten zahlreiche derartige Darstellungen erschienen sind und die wesentlichen Thatsachen allen Lesern des Archivs ohnehin bekannt sein dürften.

Diese Erwägungen wirkten mit, als der Königlich Sächsische Altertumsverein, dessen Organ unsere Zeitschrift ist, am 7. Januar dieses Jahres beschlofs, statt einer htterarischen eine künstlerische Huldigungsgabe darzubringen. Am 17. Juni wurde ihm die hohe Ehre zu teil,

Seiner Majestät dem Könige durch eine aus den Herren Professor Dr. Steche, Bibliothekar am Ende und dem Herausgeber dieser Zeitschrift bestehende Deputation eine

Denkmünze an das achthundertjährige Regierungsjubiläum des Hauses Wettin überreichen zu dürfen.

Dieselbe zeigt auf dem Avers das Bild Seiner Majestät des Königs, auf dem Revers eine aus zwei weiblichen Figuren (Klio und Fama) bestehende allegorische Darstellung, ent- worfen und ausgeführt von dem Königlichen Münzgraveur Herrn Barduleck hierselbst.

IV

Da die Denkmünze nur In einer geringen Anzahl von Exemplaren hergestellt worden ist, so darf der Beschlufs der Direktion des Alter- tumsvereins, dem vorliegenden Hefte eine Ab- bildung derselben beizufügen , wohl auf all- gemeinen Anklang rechnen.

IX.

Die säclisi sehen Stadtbtielier des Mittelalters.

Von

Hubert Ermiscli.

(Schluss.)

Leipzig.

Die Ratsverfassimg in Leipzig hat v. Posern -Klett ausführlicli dargestellt^); wir finden hier wie sonst einen jährlich wechselnden Rat von 12 Personen mit einem Bürgermeister an der »Spitze nnd seit dem 14. Jahr- hundert drei in legelmälsigem Turnus sich ablösende Räte.

Das Schöffenkolleg, das bis etwa 1438 in der Regel aus 7, später aus nur 6 Personen bestand'-), war aus Mitgliedern dieser Räte zusammengesetzt; insbesondere gehörten ihm stets die drei Bürgermeister an, von denen der älteste, sofern er nicht „an der Regierung" war, als Schöffenmeister an der Spitze stand. Das Schöffenamt war ein lebenslängliches; bei eintretender Vakanz er- gänzte sich das Kolleg durch Kooptation eines Rats- mitgliedes, welche Wahl der Rat zu bestätigen hatte'').

Wir wissen, dals in Leipzig bereits im 13. Jahr- hundert Stadtbücher geführt wurden; in einem Schreiben

a^

1) Cod. (lipl. S.ax. reg-. IT. 8, XXIX.

-) So itiufe man nach den Schölfenlisten im iilte.sten Schüffen- bucli (unten ?nb IV) annehmen. Dafs .später 6 die regelmäfsiji-e Zahl war. ergiebt die wohl noch dem ]?i. .lahrhnndert anG^ehörende Schöffciiordnung bei Distel, 15eiträge zur älteren Verfassniigs- ge.schiclite des Leipziger Schöiipenstnhls: Zeitschr. der Savigny- Stiftung, Germ. Abt. VII, 111. ^

^) Vergl. Distel a. a. 0. 9? fg., 111 fg.

Neues Archiv f. 8. «. u. A. X. 3. 4. 12

178 fHubert Ermiscli:

des Leipziger Rates von etwa 1292 wird eines liher civium gedacht, in welches eine Schenkung an das Thomaskloster eingetragen war^). Es ist dies wohl die älteste Nachricht, die wir überhaupt über ein sächsisches Stadtbuch besitzen.

Umsomehr mufs man bedauern, dals gerade das Archiv der Stadt Leipzig von schweren Verlusten be- troffen worden ist und fast sämtliche ältere Stadtbücher, wie wir sehen werden, eingebüist hat.

(L) Von den Stadtbüchern des 14. Jahrhunderts hat sich nur eines erhalten; dasselbe befindet sich in der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, in welche es im Jahre 1855 aus Privatbesitz gelangt ist. E. Gr. Gersdorf hat es eingehend beschrieben und voll- ständig veröffentlicht'); auch sind fast alle Einträge im Leipziger Urkundenbuche '^) nochmals abgedruckt worden.

Dieses Stadtbuch (59 Bll. Perg. Fol.) wurde nach fol. 1 im Jahre 1359 zur Zeit des Bürgermeisters Jo- hannes Sthüs'') angelegt; an die Stelle der lateinischen Sprache, in der es ursprünglich geführt wurde, trat schon in den ersten Jahren die deutsche. Es sollte enthalten :

1. die unter Mitwirkung der Stadtgemeinde gefalsten Be- schlüsse des Rats , die städtischen Willküren (fol. 1 : Et jjrimus quaternus tenet de constitntionihiis periietuis) ;

2. die Verfestungen (fol. 17: Nota in isto qtiaterno signati sunt qui pro liomicidio vel propter cdiqnod aliud nephas scilicet rapinam et Jmjusmodi in civitate sunt proscripti) ;

3. die Renten der Stadt (fol. 51: Nota in isto quater7io signatus est census civitatis tarn in muro quam ecctra murum). Es wurde jedoch nicht lange nach diesem Plane geführt.

In der 1. Abteilung finden sich mehrere Willküren aus dem Jahre 1359 und den zunächst folgenden Jahren"*), ein nachträglich eingetragener Ratsbeschluls von 1345'*), ein Vermerk über die Einweihung der Rathauskapelle

*) Qune donatio in nostra civitate servatur et in libro civium registratnr rf firmnfur. Cod. dipl. Sax. reg. II. 9, 28.

•'■') Mittheilaiigen der Deutschen Gresellsehaft I, 107 fgg. Meine Beschreibung geht auf diesen Aufsatz zurück; das Original hat mir nicht vorgelegen.

«) Cod. dipl. Sax. reg. II. 8.

') Nicht Schuos, wie Gersdorf a.a.O. 111 liest.

*) Cod. dipl. Sax. reg. II. 8, 32 fgg.

*>) Ebenda 25.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 179

von 1394^^'), eine Willkür wegen des Weinhandels und eine Eidesformel für die Eatsmitglieder aus dem Ende des 14. Jalirliunderts"), endlich Vermerke über die Messung der Meile von 1509 und über die Gröfse der Röhrkasten von 1541. Die 2. Abteilung ist am dürftig- sten. Sie enthält nur drei Notizen, von denen die ersten beiden wahrscheinlich aus dem Jahre 1359 oder 1360, die dritte aus dem Jahre 1364 herrühren; sie betreffen Vergehen des Vogtes Johannes Porsk und des Geleits- mannes Johannes Hosang^-) gegen die Rechte der Stadt, enthalten jedoch keine Verfestung. Wahrscheinlich wurde für Verfestungen ein besonderes Buch angelegt, das aber nicht erhalten ist^-'). Die 3. Abteilung endlich enthält ein 1359 angelegtes und mit mehreren Zusätzen ver- sehenes Zinsregister der Stadt, an welches sich ein aus demselben Jahre herrührendes Verzeichnis der Verpflich- tungen umliegender Dörfer zum Wege- und Brückenbau^*) (mit einigen Zusätzen bis 1490) anschlielst. Verlaut- barungen über Geschäfte Privater fehlen also ganz.

Ist dieses Stadtbuch nur durch einen günstigen Zu- fall der Vernichtung entgangen, so scheinen em zweites, welches wohl mit dem letzten Viertel des 14. Jahr- hunderts begann, und ein drittes aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts unwiederbringlich verloren zu sein; selbst die dürftigen Reste, die dem Bearbeiter des Leip- ziger Urkundenbuches (1868) noch vorlagen ^^), lassen sich gegenwärtig nicht mehr auffinden. Vogel erwähnt beide in seiner ungedruckten Leipziger Chronik^*'); eine >^w- zahl Einträge, wohl aus dem ersteren, hat K. G. Barthel (t 1816) in sein Diplomatarium Lipsiense aufgenommen,- und aus diesem sind sie in das Leipziger Urkundenbuch gelangt. Sie gehören den Jahren 1380 1419 an und enthalten Ratsbeschlüsse, Bestimmungen über Innungs- verhältnisse, sonstige geschäftliche Verhandlungen des Rates, Käufe und Verkäufe durch denselben u. dergl. m.^ ')

10) Cod. dipl. Sax. reg-. II. 8, 64. ") Ebenda 49. 1-) Ebenda 41. 1«) Gersdorf a. a. O. 110. 1') Cod. dipl. Sax. rei>-. II. 8, 33. ^") Cod. dipl. Sax. reg. II. 8, VIII. 1") Manuscript der Stadtbibliothek zu Leipzig. ") Cod. dipl. Sax. reg. II. 8, 46 fg., 54 fg., 57 fg., 61, 64, 68, 77, 84. II. 9, 159.

12*

■[^Q Hubert Ermisch:

Auch das „Stadtbuch" und das „Ratsbuch", aus welchen dasselbe Urkuudenbuch eme grolse Aiizalil von Ratswillküren und Ordnungen, Stiftungen, Verträgen und Vergleichen, Vermerken in Käramerei- und sonstigen Verwaltungssachen u. dergl. m. aus den Jahren 1444 bis 1465 bez. 1451—1466 entnommen hat^^) und welche sich nach den dort gemachten Angaben im Ratsarchive befinden sollen, sind m diesem nicht mehr aufzufinden gewesen. Wir dürfen sie wohl als Vorgänger der unter III. be- sprochenen Stadtbücher auffassen, können aber ihr gegen- seitiges Verhältnis nach dem, was aus ihnen bekannt ist, nicht feststellen. Ebenso fehlt im Ratsarchiv das „Gelbe Buch", dem u. a. eine Willkür und Polizeiordnung von 1454 entnommen ist^^), das aber wohl erst im 16. Jahr- hundert niedergeschrieben wurde -•^). Unbekannt ist mir, ob die Bruchstücke eines Ratsbuches, aus denen einige Aufzeichnungen von 1462—1464 stammen-^), noch vor- handen sind.

Erst vom Jahre 1466 an sind die Stadtbücher er-

halteu"-^''').

(IL) " Das Stadtbuch I, 383 Bll. Pap. Fol., neuer- dings unter Entfernung des Originaleinbands (!) in Leder gebunden, umfaM die Jahre 1466—1489. Der alte Em- banddeckel, der im Ratsarchive noch aufbewahrt wird--), zeigt die Aufschrift: Primus über senatus ah anno LXVI usque in LXXXVIir'"^; ebenso ist es auf dem angehef- teten, im 16. Jahrhundert gefertigten Register als liber senatus Lipsensis bezeichnet. Sonst heilst es bald rats- bucJi (z. B. fol. 104, 112b, 117), bald stathiich (z. B. fol. 83b, 135')). Fol. 2 hat die Überschrift: Signatura exordicia. Sub Haussen Trupicz proconsuleet suis con- sulibns anno domini LX sexto: ähnliche Überschriften finden sich später bei Anfang der einzelnen Amtsjahre; oft ist der Tag des Amtsantritts hinzugefügt.

Der reiche Inhalt des Buches legt sprechendes Zeugnis ab für das rege geschäftliche Leben der Stadt, die damals unstreitig die bedeutendste Sachsens war.

1«) Ood. dipl. Sax. reg. II. 8, 174-320 bez. 216-326.

19) Ebenda 247.

20) Vergl. ebeiid. 275, 315. 2') Ebenda 279, 302, 315.

2'*) Sämtlicb zur Zeit im Ratsarchive zu Leipzig. 2-) Dickes gelbes Pergament mit ledernen Riemen und Schnallen zum Verschlufs.

Die Sachs. Stadtbiicher des Mittelalters. 181

Die Einträge jedes Jahres beginnen mit Vermerken über die Besetzung- der einzelnen Ratsämter (Richter, Wag- meister, Schenk, Baumeister) mid zaWreicher anderer städtischer Verwaltungsposten (Förster, Biermeister, Futtermeister, Harnischmeister, Marktmeister, Marstaller, reitende Knechte, Thorwärter, Nachtzirkler, Stadt- schreiber, Wagschreiber, Garköche, Stadtpfeifer, Ziegel- streicher, Zimmerleute, Maurer, Brett Schneider, Barbiere u. s. w.). In buntem Wechsel folgen dann Aufzeich- nungen über die mannichfachsten Geschäfte des Rats: Ausleihung von ihm gehörigen oder bei ihm deponierten Geldern, Aulnahmen von Darlehen durch den Rat, Ver- merke über Vergehen gegen denselben und die an ihn zu entrichtenden Strafgelder-''^), sowie damit zusammen- hängende Bürgschaftsleistungen, Bürgschaften des Rates für die Landesherren in Schuldsachen , eine Reihe wich- tiger Willküren und Satzungen-^) u. s. w. Einen verhältnis- mälsig kleinen Raum nehmen daneben die Verlaut- barungen von Privatgeschäften ein'-"*). Unter ihnen finden sich besonders zahlreiche Vergleiche; wie oft der Rat um schiedsrichterliche Beilegung von Streitigkeiten an- gegangen wurde , geht namentlich aus der Begründung des Kollegs der Viermannen zum Ausgleich „lycht- fertiger und mancherlei haddersacheii" im Jahre 1470 hervor-^). Auch Auswärtige haben gelegentlich auf den Leipziger Rat als Schiedsrichter gewillkürt; so ent- schied er z. B. 1471 einen Streit zwischen einem Bürger zu Cadan und dem Rate zu Naumburg (fol. 94 b). Weitere Vermerke betreffen den Kauf und die Aufnahme von Häusern, deren Verleihung dem Rate zustand''^'),

^^) Eigentlich strafrechtliche Sachen linden sich dagegen nur selten (eine Urfehde z. B. fol. 24'>), wohl weil diese in das Ver- festungsbuch (s. o.) eingetragen wurden.

2*) Grol'senteils gedruckt im Cod. dipl. Sax. reg. IL 8, 328 fgg. Hier ist unser Stadtbuch als „Ratsbuch im Archiv des K. Bezirks- gerichts zu Leipzig" bezeichnet.

-^) Manchmal erfolgten dieselben vor Kat, Richter und Schöffen (z. B. fol. 168); einige Einträge wurden auch ins Schöffenbuch auf- genommen (fol. 104 = Schüffeubuch fol. 128 'j). Vergl. auch die Notiz auf dem unteren Rande von fol. 38'' des Schöffenbuchs (1439): Anthoiiius Gera Jiic scribatur ut in libro civitatis; der ent- sprechende Eintrag folgt fol. 39.

2ö) Cod. dipl. IL 8, 378.

^''j Vergl. z. B. fol. 103: Erbe unde eygen so vom rath zcu lehen ruren unde diß jar ober vom burgermeister von rats wegen verlehent sein.

1Q2 Hubert Ermisch :

Verpachtungen, Schuld- und Zahlungsbekenntnisse, Vor- mundschaftssachen u. a.; für letztere wurde im Jahre 1485..eine besondere Abteilung des Buches bestimmt mit der Überschrift: Loats der unmündigen Mnder und irer Vormunden (fol. 270), ohne dals an dieser Einrichtung jedoch dann festgehalten worden wäre. Dagegen bilden in der That einen besonderen Teil die Ell. 288 bis 364 ; sie haben die Aufschrift: Hyr fyndet man abescJirifte der hriffe uff ividder'kouffe ah anno domini m^ cccc^ Ix septimo unde uff' Jyhe, und enthalten Wiederkaufs- und Leibrentenbriefe, Testamente, Stiftungen u. a. aus den Jahren 1467 bis 1483. ^ Die Einbanddeckel (s. o.) ent- halten Vermerke über gezahlte oder rückständige Bürgerrechtsgebühren und andere teilweise schwer les- bare Notizen.

(III.) Das Stadtbuch II, 316 Bll. Pap. Fol. (mit Ausnahme des Registers), gebunden wie Stadtbuch I, reicht von 1489 bis 1501 (mit Nachträgen bis 1511), zeigt auf der Vorderseite des alten, dem von II. ganz entsprechenden Einbanddeckels eine Aufschrift wie Stadt- buch I, während es auf der Rückseite als Eatshuch vom 1489. jare Ms ufslöOO.jare bezeichnet wird, und unter- scheidet sich von seinem Vorgänger wesentlich dadurch, dals die Privatgeschäfte weitaus den meisten Raum ein- nehmen, während die Ratsbeschlüsse und sonstige auf die Stadtverwaltung bezüglichen Notizen bedeutend zurück- treten. Die Bestallungen der Ratsbeamten und Ratsdiener sind während der ersten Jahre gar nicht angemerkt; erst von 1495 (fol. 131) an bilden sie wieder regelmälsig den Anfang der Emträge jedes Jahres, die als Überschriften ebenfalls die Namen der Bürgermeister haben. Ein Anhang (fol. 3071' fgg.) enthält unter der Aufschrift: Lehenn zu sand Jacoff Vermerke über Häuser vor dem Ranstädter Thore 1493—1511, zwischen denen sich übrigens auch andere Notizen finden. Die alten Ein- banddeckel zeigen auf ihren Innenseiten ein Zahlungs- bekenntnis von 1493 und einen Vermerk vielleicht des Stadt- schreibers über eine bei ihm eingelegte Summe, die er nach Torgau schicken sollte.

(IV.) Von den Leipziger Gerichtsbüchern des Mittel- alters hat sich nur eins erhalten, nämlich das Schöffen- buch 1420—1478-^), ein Folioband von 149 Bll. Pgrat.

2«) Im Ratsarcbiv zu Leipzig.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 183

in mittelalterlichem Einband (Holzdeckel mit rotem Leder- Überzug; Buckel und Sclilieisen fehlen). Seine tJberschrift (fol. 1) lautet :

Alz man schribit nach gotis gebort vj'rczenhuudert jar darnach am czvvenczigisten jare am diustage nach der heiligen dryer kouinge tage-"), alz Hartman von Ximcz das gerichte sas in gein- wertigkeit deser nachgeschrebeu scheppfen Nickel Stuesses, Hans Schribers, Peter Ilborges , Nickel Saldinbutten , Lucas AValthej^mes, Heinrieh Mullers und Haus Wachoweu, ist dys buch angehaben czu beschribene von jare czu jare alle louftte, die sich vor iczlichem gerichte des jars vorlouffen myd gaben, gifftungen und ufflasunge der erbe umb eyns geraeynen nuczes willen aller inwoner czu Lipczk die loutfte der gerichte von suUicher handeluuge wegen damete czu bewaren und czu geczugene.

Seinen Inhalt, für welchen seit 1465 (fol 107b) regelmäßig der zusammenfassende Ausdruck Donaciones gebraucht wird, bilden zalilreiche knappe Vermerke^") über die im gehegten Dinge ^^) vor Richter und Schöffen^"-^) vorgenommenen Auflassungen bez. Aufnahmen von Immo- bilien, Erbverträgen zwischen Ehegatten u. a., daneben Schuld- und Pfandsachen u. dergl.

Die Führung des Buches war eine sehr sorgfältige; nach einer wohl noch dem 15. Jahrhundert angehörigen Schötfenordnung muis man annehmen, dals die Einträge vorher in Manualen bewirkt und dann erst in das iiirga- menen hiic'h übertragen wurden ■^■^). Auch über die Auf- bewahrung der Bücher bestanden genaue Vorschriften ■^^).

L ö b a u.

Die eigentlichen Stadtbücher von Löbau sind, wie

es scheint, sämtlich verloren gegangen. Doch giebt uns

von der Thätigkeit des Stadtgerichts, dem auch die

35 Dörfer des AVeichbildes ■^'0 unterworfen waren "'*^), ein

20) 1420, Jan. 9.

^) Selten längere Eintragungen, wie z. B. fol. 12, 39.

^^) Dasselbe fand stets am Dienstag statt; die Zahl drrjiilirlich Stattlindenden Dinge, in denen hier eingetragene Handlungen vor- genommen wurden, wechselt zwischen 6 imd 12.

*-) Selten sind Einträge über Handlungen vor ]\ichtcr und Schöffen ußwendlg yehc/jettcm dinge (z. B. fol. 83).

iis) Vergl. oben S.'lOß N. lÜ.

»*) S. oben S. 109 fg.

^■^) Ihre Aufzählung auf dem vorderen Deckel des Dorfgerichts- buches.

^0) Vergl. Knothe, Urkundl. Grundlagen zur Kechtsgesch. der Obolausitz. S. 40 fg. (= N. Lausitz. Magazin LIII, 200 fg.). Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, XXX fgg.

184 Hubeit EriTiisch:

Dorfgerichtsbucli (1491 1543) Kunde •^'), das sowohl die jährlich zweimal vorgebrachten Dorfrügen, als auch Aufzeichnungen über die Verhandlungen in den sich in gewissen Zwischenräumen wiederholenden ordentlichen Gerichten, welche der Hofrichter, der Stadtrichter und die sieben Stadtschöffen abhielten, und in den aulserordent- lichen (Noth-) Gerichten enthält: Klagen, Vorladungen, Urtel, Ächtungen u. deigl., auch Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es enthält mancherlei Interessantes für die Geschichte des Prozesses; doch sehen wir von einer genaueren Beschreibung ab , W' eil es im strengeren Sinne kaum zu den Stadtbüchern gerechnet werden kann und auch von kundiger Seite bereits eingehend behandelt worden ist'^^).

Lommatzsch.

In Lommatzsch bildete der aus 9 Personen ein- schlielslich des Bürgermeisters bestehende ßat zugleich das Schöffenkolleg des Stadtgerichts; oft heifst es, dafs Verhandlungen stattgefunden hätten vor uns yn eynen suchenden rath und cjeJiegittc dimßangk'^'^). Bürgermeister und Eat beurkunden Vorgänge im gehegten Dinge^**), wde andererseits der Vogt auch oft zu den Eatssitzungen zu- gezogen wurde.

Es ist daher begreiflich, dals das Stadtbuch zu- gleich als Gerichtsbuch benutzt wurde; man bezeichnete es auch als Stadtschöffen buch"*^).

Es ist ein Folioband von 138 von alter Hand pagi- nierten Bll. Pap. in neuerem Einbände^-) und hat p. 3 die Überschrift : Dicz ist der hiirger buch zcu Lommaczli, daz do gemacht ist noch Christi geborte anno m^cccc'^xii^ feria secunda post e])i])hanie domini. Es wurde also 1412 angelegt und w^ar bis 1531 im Gebrauch; doch wurde es nicht sehr oft benutzt, aus vielen Jahren findet sich kein Eintrag. Die Vermerke, die nament- lich auf den ersten Bll. sehr bunt durcheinander

^'^) Im Hauptstaatsarcliiv Dre.sden (Depositum der Stadt Löbau.)

^*) Kiiothe, Urkimdl. (Tnmdlageu. S. 157 fg. (= N. Lausitz, Mag. LIII, 817 fg.). Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, XI. XXXII ig.

39) Stadtbuch p. 54, 55, 56, 57 u. ö.

•10) Ebenda, z. B. p. 22.

•*») Ebenda p. 15.

*^) HStA, Dresden. Loc. 9891 (abgegeben von dem Königl. Amts- gericht z. L.).

Die Sachs. Stadtbücher des Älittelalters. I35

stehen , sind meist Bekenntnisse des Rates über Ver- lautbarungen in Privatangelegenheiten, die teils vor dem Rate, teils im gehegten Dinge gemacht worden waren : über Schuld- und Zahlungsbekenntnisse, Satzungen und Verpfändungen, Erbverträge, gütliche Vergleiche^-') und sonstige Vereinbarungen. Seltener sind Aufzeich- nungen über geschäftliche Angelegenheiten des Rates; namentlich wurden für solche die letzten Blätter des Buches benutzt, doch kommen sie auch an anderen Stellen vor. So finden wir einen Vergleich der Stadt mit Nicol. Kauf- mann wegen eines Borns von 1439 (p. 36), ein Geschofs- register von 1471 (p. 265), Abrechnungen mit dem Bürger- meister Mensel 1473—1476 (p. 8, 9, 11), Vermerke über die dem Kloster zum h. Kreuze bei Meilsen von der Stadt zu entrichtenden Zinsen und deren Ablösung 1475 (p. 17, 26), über die Ausleihung von Ratsdepositen 1465 und 1474 (p. 267), die Abschrift eines Zinsverkaufs durch die Stadt von 1500 (p. 260) , einige Vermerke über Polizeistrafen von 1473 (p. 259), ein Verzeichnis des von den Besitzern der einzelnen Hofraiten zu haltenden ., Heergeräts" 1499 (p. 269 fgg). Auch zwei Leipziger Schölfensprüche des 16. Jahrhunderts haben Aufnahme gefunden (p. 254fg.).

Löfsnitz.

Der Rat der Stadt Löfsnitz, einer der ältesten und interessantesten Städte des Erzgebirges, deren vielfach noch nicht aufgeklärte Verfassungsverhältnisse wohl eine genauere Untersuchung verdienten ^'^), bestand während der von uns zu berücksichtigenden Zeit aus einem Bürgermeister und fünf geschwoi-enen Ratmannen, von denen einige viel- leicht stets aus dem Rate des Vorjahres entnommen wurden. Der Rat hatte schon früh die niedere Gerichts- barkeit; als Schöffen dienten die Ratmannen ^'''); auch der Bürgermeister wohnte den Gerichtssitzungen regel- mäisig bei. Der Richter, den vermutlich der Rat an- stellte, wird in älterer Zeit auffallend wenig und später sogar überhaupt nicht mehr in den Stadtbüchern genannt, vielleicht weil gegen Ende des 15. Jahrhunderts regel- mäfsig einer der Ratmannen als Richter fuugierte, Rat

43) Eme Todschlagsühue z. B. p. 62.

■**) Vergl. Gotth. Frdr. Oesfeld, Histor. Beschveihuuy einiger merkwürdiger Städte im Erzgebirge (Halle 177H) Bd. I.

^•') „Gesworne ratmanne und schopphen" : Memorialbuch fol. 1201'.

186 Hubert Ermisch:

und Gericht Avaren also g:anz verwandte Begriffe ; ersterer konnte durch Hegung des Dinges jederzeit in eine Gerichtsversamnilung verwandelt werden, wie auch jede vor Gericht vorgenommene Handlung als ehie vor dem Rate geschehene gelten konnte. So wird manchmal von Parteien gesagt, sie seien „vor den Rat gekommen", auch wenn an demselben Tage ein gehegtes Ding statt- fand^*^); im letzten Gerichtsbuch (IV) heilst es oft: für eynen siüeiiden rat und i]elie(jlde dingbank.

Die Stadt Lölsnitz hat nicht unansehnliche Reste ihrer Archivs erhalten, darunter auch mehrere Stadt- bücher ^'). Sie haben sämtlich schmales Folioformat und sind in starkes Pergament gebunden, teilweise mit Riemen und Schnallen zum Verschlufs.

(I.) Das älteste derselben, das als Memorialbuch 1355 fgg. bezeichnet worden ist, ist ein aus verschie- denen Bestandteilen zusammengesetzter Sammelband von 138 Ell. Pap. (nur fol. 112—115 Pgmt.). Zählen wir seine Teile nach der zeitlichen Reihenfolge auf, so müssen wir mit der aus zwei Doppelpergamentblättern bestehenden Lage fol. 112 115 beginnen; daran schliefst sich eng die folgende Lage fol. 116—123. Auf fol. 112 findet sich folgender Vermerk :

Wissent sy allen ratin anuen uude der ganczen gemeyne czu der stat Lesuiczc, daz dis buch ist vornuwet in dem jare als man schrib noch Crist geburt unde siut dry hundert uude in dem fümf und f umf czigisteu jare czu phingesten unde ist dorin geschriben us den alden buch er n der stat, als sy dy alden haben lassen schriben noch voUeclicher eiutrechtikeyt, als sy mit der ganczen ge- meyne sin czu rate worden unde volkomen mit gunst unde willen ouch geheisse der hern. Unde was hirynne stet beschriben, daz sal ein yczlicher rat vordem halden unde geben, als is Avere vorbrift, unde schol im nymand keinen inval dorin machen lassin.

Auf diese Überschrift folgen einige Auszüge aus

städtischen Privilegien :

Czu ersten schuUen alle statliite wissen, daz in ist gegeben statrecht als in andern steten. Besundern hat globt herre Hinrich burggraffe unser herre'**), daz er der stat keyns wolle brechen, daz dy stat vor hat gehabt, sundern er wol Is in mereu.

Ouch ist der stat gegeben, daz mit in kein erberman ritter

48) üerichtsbuch 1479 fgg. fol. 26, vergl. fol. 25.

■*■') HStA. Dresden. Loc. 9466 (Depos. des Stadtrats z. Löfsnitz).

**) Diese Stelle scheint doch den Beweis zu liefern, dafs um 1355 ein Burggraf Heinrich von Meifsen Herr der Stadt Löfsnitz war. Märker, Das Burggraftum Meifsen S. 71, stellt die Existenz eines solchen in Abrede und hält für den ersten Heinrich in der Familie der Burggrafen den 1381 zuerst erwähnten Sohn Meinhers Y.

Die Sachs. Stadtbüclier des Mittelalters. 187

ader knechte, pfaffen ader munche ir wonuiige suUen haben, alzo daz sy in der stat geschefte keynes sullen beginnen mit koufen oder ver- koufen huser adir erbe czu haben, des hat dy stat des hern brife**'). Onch schol keyu iiswendig man mit keyneni ynwoner diser stat bruwen noch melczen noch g-enieinschaft haben nf gewin, er sy denne mitebnrger der stat. Daz hat dy stat der hern brif. Unde wer dornber tete, der wer vorvallen der stat czu biissen alz derselbe brif uswist'^'^).

Diese Piivilegiensamitilmig ist jedoch nicht fort- gesetzt worden, oder die Fortsetzung ist früh verloren gegangen. Was sich auf den folgenden Pergament- blättern findet, sind verschiedene, meist kirchliche An- gelegenheiten und städtische Geschäfte betreffende Notizen aus den Jahren 1414 1477: eine Altarstiftung, Schen- kungen (eines Zinses, eines Teiles des AValdes Hohen- brunn, eines Gartens) an die Kirche, der Verkauf eines Zinses durch die Stadt an den Schulmeister Herten Manewicz (1429), die Erlaubnis für den Bergmeister Hans Raspe zur Anbringung eines Zapfens an der Wasserrohre in seinem Garten (1476), ein Vermerk über die Bestrafung von zA\'ei Personen wegen Bruchs des Friedens im Rathause (1477), auch ein vor dem Rat verlautbarter Verzicht (1460).

Älter als diese Einträge ist die folgende Papierlage (fol. 116—123), deren erste Blätter um 1400 geschrieben sind und dem Zwecke dienen, welchen die oben mit- geteilte Überschrift angiebt: sie enthalten Vermerke über Stiftungen im Interesse der Stadt und der Kirche, meist wohl nach Urkunden oder auch nach älteren Stadt- büchern ■^^), aufserdem eine Anzahl interessanter Will- küren des 14. Jahrhunderts, geschichtliche Notizen (in lateinischer Sprache) über die Stadtbrände von 1380 und 1383 (fbl. 116b), über die Erbauung des Marktbrunnens 1376, über die „Leiterläufe" an der Stadtmauer. Ver- wandte Bestinnnungen und Abmachungen aus späterer Zeit bis etwa 1472, die im Interesse der Stadt vor der Vergessenheit bewahi't bleiben sollten, schlielsen sich an.

Eine im Jahre 1481 vorgenommene Erneuerung dieses Memorialbuches liegt uns in den ersten Lagen desselben Randes vor. Die Überschrift lautet:

AVyssentlich sey allenn nachknmmenden rathlcutenn iinnd der gantzen gemeyn bey der stat Lefsenitz , dals dylses puch vornawet

^ö) Privileg Meinhers III. von 1284 Fein-. 20, bei üesfeldl, 179.

50) Privileg von 1338 Mai 25, ebenda 1, 184.

"^'j Der älteste datierte Eintrag ist von 1316 (fol. llfi).

188 Hubert Ermisch:

ist nach Cristi uuserfs herrenu gepurtli tawseud vierhundert und ynu dem LXXXI. jar am dinstag nach Gregorii''-) mit willen uund volwort defs newen uund aldenn rathes imnd eldesteun der stat Lefse- nitz , dai'eynn collegü-t seynn aufs allenn alten puchernn und briffeun alle aide herkommende gewonheit und gerechtigkeit unnd aide gedechtnufs, dy dy stat hat gehalden unnd gebraucht wyfs auff dyfse czeyth der stat vor unsemn gnedigeuu herru gegeben der ur- sachenn halbenn ynn eyn puch colligiret, so yrgent eyn stuck dem rath noth were , dals man efs bey eynnauder funde , wenne efs vor swere wafs czu findenn, so eynfs hy ynn eynem register stand, dafs ander yn eynem anderun, dainach sich eyiin itzlicher nachkommender rath unnd gemeyne wysseun zcu haldenn unnd der gebrauchenn. Auch daß vorder keyn statschreyber nichteß ynn daß register schreybenn sol wider geschoße czynßc nach gcrichteß handel, teer denne daß lang adder eicigk gedechtmiß icere adder bedorfft, suudern eynn itzliches yu seyn register. so eynn statschreyber wol sehnn wirt.

Es folgen fol. Ib 8 Abscliriften fast aller Einträge des eben besproclieuen älteren Memorialbnclies , sofern dieselben noch Bedeutung hatten, nnd fol. 8— 221^ zahl- reiche andere Auszüge ans Urkunden. Stadt- und Ge- richtsbüchern bis 1481. Andere Hände setzten die Sammlung fort bis zum Jahre 1511 (fol. 22 b 52 b).

Der nämliche fleilisige Schreiber, der das Memorialbuch von 1481 angelegt, hat wohl in dem nämlichen Jahre ein Verzeichnis der städtischen Zinsen aufgestellt (fol. 53 bis 58). Dasselbe hat die Aufschrift: Dyße hirnach geschriben czynnß gehornn min dy stat, vo7in welchen czynßen der rath denn vicarienn pfleget yr czynnß czu reichen. Dieses vielfach korrigierte Zinsregister, das eben- falls auf Grimd der betreffenden Urkunden bearbeitet worden ist, wurde bis 150ö fortgesetzt; die Fortsetzungen füllen die nächsten di-ei Lagen bis fol. 95.

An dasselbe schlieist sich ein von der gleichen Hand, also wohl auch um 1481 geschriebenes und bis 1511 fort- gesetztes Verzeichnis der den Altären zu entrichtenden Zinsen mit der Aufschrift: Dyße hirnach geschrihenn zcynße gehorn an dy altaria der vicaryenn (fol. 96 103). Dann folgt fol. 104 b eine ßatswillkür wegen des Ab- deckers (16. Jahrhundert) und nach mehreren leeren Seiten (fol. 111b) ein Verzeichnis der auf den Altären der Pfarrkirche zu haltenden Messen, wegen welcher zwischen dem Rate und den Vicarien Streit entstan- den war.

Auch die letzte Lage des Bandes (fol. 124 fgg.) zeigt jene Stadtschreiberhand von 1481. Unter der Auf-

°2) 13 März.

Die Sachs. Stadtliürlipr des ]\rittelalters. |g9

Schrift : Hirnach volgenn etzliclie punct dy vicarien he- koif/ende vonn gestifften messen, wen sy dy haldenn sollenn nnnd vcn sy sevmiy nmrdcnn, luye sich dy stat gegen yn haldenn sollenn mit dem aynßoi zcu rechte sind hier einige teils jenem älteren Memorialbnch, teils Urkunden u. s. av. entnommene Notizen über Altäre und derg-l. gegeben.

Die letzten Bll. dieser Lage (fol. 130fgg.) enthalten statutarische Bestimmungen von 1541, sowie Willküren und andere Aufzeichnungen aus den folgenden Jahren.

(II.) Auch das Stadtbuch von 1471, ein Fascikel von 105 beschriebenen und vielen unbeschriebenen Bll. Pap., ist ein aus verschiedenen Bestandteilen zusammen- gesetzter Sammelband. Er wurde um 1471 angelegt und enthält aulser den Eatsrechnungen nebst den dazu gehörigen Geschofs-. Zoll-, Zins-, Salz- und anderen Registern aus den Jahren 1471—1478 (fol. 1—14, 22 bis 56, 73 Igg.)''-^) ein Verzeichnis derjenigen, welche der Stadt Zinsen zu zahlen haben, unter der Aufschrift (fol. 15): Incipit registrum novum anno LXXII. cum. magistro cirium NicJwl Horlman, welches die Vorlage für das unter I. besprochene Zinsregister von 1481 bildete. Von fol. 161^ an stehen zwischen den Vermerken über die Ausleihung von Ratsgeldern auch verschiedene über Bechtsgeschäfte, die vor dem Rate vorgenommen oder verlautbart worden waren (1472 1478).

Ferner findet sich in diesem Sammelbande (fol. 57 bis 71) auch der älteste erhaltene Teil der eigentlichen Stadt- und Gericlitsbücher (1472—1478), während von früheren nur die Auszüge Zeugnis ablegen, welche im Memorialbuch vorkommen •^^). An diesen Teil schliefsen sich unmittelbar an:

(III.) das Stadt- und Gerichtsbuch 1479-1496 und

(ly.) das Stadt- und Gerichtsbuch 1497-1517.

Diese drei tragen einen durchaus gleichartigen Charakter; sie betreffen, wie sich dies aus den oben dar-

^^) Die Reclinnngen setzen sich (l)is 1492) fort in cineni irr- tümlich als Stadtbuch 1478 fgg. bezeichneten Faszikel gleichen For- mats, auf dessen Vorsatzlilatt nnd Uniscldag ülirigens anch einige Venneihe über Hansverkänfe . Bnlseu und verschiedene städtische Geschäfte (1478 1486) sicli linden.

^^) Erwähnt wird ein älteres „Gerichtsbuch" (14()3) im lile- morialbuch von 1355 fol. 14''.

190 Hubert Erraisch:

gestellten Verfassungsverliältnissen leicht erklärt, sowohl die vor dem Stadtrat erfolgten Verhandlungen, als auch die Vorgänge in den Dingen in den regelmälsigen Gerichts Versammlungen, deren jährlich 9 stattfanden^''^), wie in den aulserordentlichen Dingen ■^*^) . Die Ge- richtsprotokolle sind namentlich deshalb interessant, weil sie auch über die vorgebrachten Klagen, einzelne Ant- worten , Zeugenaussagen, Urtel und sonstige Akte der streitigen Gerichtsbarkeit Auskunft geben. Den Haupt- inhalt der Bücher bilden jedoch die Handlungen der frei- willigen Gerichtsbarkeit, Auflassungen, Verzichte, Ver- gleiche u, s. w. , die bald im Dinge, bald im Rate ver- lautbart wurden. Über geschäftliche Angelegenheiten der städtischen Verwaltung- finden sich in diesen Büchern keine Vermerke.

'to

Mittweida.

Nach mehreren im Hauptstaatsarchiv vorhandenen Gesuchen um Bestätigung des neugewählten Rates") bestand derselbe in Mittweida aus einem Bürgermeister, sieben Ratmannen , einem Schötfenmeister und drei Schöffen. Dem entspricht es, wenn die Einträge der Stadtbücher oft einen Rat von 8 Mitgliedern nennen; hie und da kommen in ihnen aber auch 11 Ratmannen vor''^), wobei dahingestellt bleiben mag, ob in diesen Fällen die Schöffen zum vollen Rate gerechnet oder ob einzelne der Ge- nannten Mitglieder des vorjährigen Rates, der allerdings oft als mitwirkend genannt wird, waren, was wohl sicher der Fall ist, wenn neben dem Bürgermeister 13 Rat- mannen aufgeführt werden'^-').

Jedenfalls war in Mittweida das Gericht im wesent- lichen gesondert vom Rate, und nur selten wird die An- wesenheit des letzteren bei den Gerichtsverhandlungen erwähnt; wahrscheinlich handelte es sich dann immer

5-^0 Nämlich die drei „Ehedinge" (vergl. Stadth. 1471, fol. 19, 19''. Stadtb. 1479, fol. nO) an den Dienstagen nach Epiphanias, nach Corporis Christi und nach Michaelis nnd die jedem derselben in vierzehntägigen Zwischenräumen folgenden Dinge (judieinm j)riviiim, secundum, tertium).

5") Judicium emptum Stadtb. 1479 fgg. fol. 9'', 10 1>.

"-') 'W.-A. Oerter, Mittweida Bl. 1, '^, 4, 7, 9 (1471—1480).

•■^8) z. B. Stadtb. n fol. 36, 37.

'-») Ebenda fol. 74>>.

Die Sachs, Stadtbiicher des Mittelalters. 191

um die dreimal des Jalires stattfindenden feierlichen „Voitdiuge" *"'").

Die beiden erhaltenen Stadtbiicher''^^) hat Herrmann in seinem „Mitweidischen Denkmal" (Chemnitz 1698) wiederholt citiert und benutzt.

(I.) Stadtbuch I ist ein starker Folioband von 389 Bll. Pap. in mittelalterlicliem Einbände (Holzdeckel mit gelbem Leder überzogen, Messingbuckeln und abge- rissenen Schlielsen). Auf dem Vorsatzblatte (Perg.) hat eine Hand aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts be- merkt: Assit ad inceptum sancta Maria meiim. Hilff goth!; ferner auf der üückseite: Bis buch ist geczuget als Tliomas Hyldehrant burgermeyster ivaz anno domini mülesimo quadringentesimo dtiodecimo. Das Buch wurde also 1412 angelegt. Über seine Bestimmung spricht sich ein Vermerk auf der Rückseite des ersten Blattes ^^) fol- gendermaßen aus :

Czu dem ersten yn disem buche stehen geschrebin geteilte recht von Lypezk, von Dresden, von G-yten und von Meydeburg. Und darnach ober di helffte der bletter stehen Sachen, die luthe wider den rath gebrochen haben mit worte^n und mit werken. Darnach an dem ende stehen geschreben bruche, di lantlüthe keyu gerichte gebrochen haben, daz mau yn vorzehen bot durch irre herren bethe wille, alzo daz si daz widir ylobit haben der stat czu vorzehen ap sich daz geburte yn sulcheu adir grossem Sachen etc.

Der hier entwickelte Plan wurde indes nicht durch- geführt. Von den drei Abteilungen, in welche nach dem- selben das Stadtbuch zerfallen sollte, ist die zweite (fol. 264) nur durch einen längeren Eintrag aus dem Jahre 1415 über den jungen Nicolaus Heinrichsdorf, der wegen mannichfacher Frevel bestraft werden sollte und erfolglos bei dem Landesherren gelegentlich eines Auf- enthaltes desselben in Mittweida Klage gegen den Bat erhoben hatte, und die dritte durch vier Einträge aus den Jahren 1413-1415 (fol. 329 b, 330) vertreten. Der Schwerpunkt liegt durchaus in der ersten Abteilung; da§

ß") Vergl. Stadtb. II fol. 44 (wo der liat bekennt, dafs etwas am voitdinge vor uns an gchegctc dinyhank erfolgt sei).

«1) HStA. Dresden Loc. 9893 (Depositum des Kates zu Mitt- weida).

"2) Die Vorderseite enthält folgende Verse (von einer Hand de.s 16. .Tabrbnnderts):

Oh iemant einen gegen dier verklagt,

Glenb nicht halt,' was derselbe sagt, Verhör zuvor den andern auch, Solchs ist eins erbern richters brauch.

192 Hubert Eimisch:

Biicli AYiirde eine Scliöffeiispriiclisammlung und ist als solche von nicht geringer Bedeutung.

Eine besondere Überschrift (fol. 9 b) macht folgende Angaben über Zweck und Entstehung dieser Sammlung"''):

Dis buch ist geczugit czu nucze und czu fromeii der stad arm und r3'ch und allen unsern nachkomen, da man ynne geschrebin vint dy recht, dy czu dem male yn den rethin gewest sin und vor vel jarn eyu teil gelegin habin und man von jare czu jare darnach schryl)en sal recht, dy da geholt vi^erdin yn dy stad, uff daz das man darynne gelernen mochte unde luthe gescheidin und ir geld yn der stad be- haldin mochte, Daz habin dy burger daz jar yn dem bcstin irkant czu nucze unde czu fromen den reteu und darnach arm und rych. Daz ist gesehen noch gocz geborth tusunt jar virhundirt darnach yn dem czwelftin jare, alzo Thomas Hyldebrant burgermeyster waz nnde Heynricus Teschewicz stadschryber, der daz geschrebin unde ge- czuget hot nach geheifse iinde anewisunge de? burgermeysters und andirre bürgere, dy daz jar gesessin habin alze oben geschrebin steet. Yn daz buch sal man schryben und sten geschrebin recht, dy da be- stendig und waraftig geteyld sin czu Lypczk, czu Dresden und czu (j-ytan und sy hirnächmalz von rechtes wegin geteyld wordin.

Dann folgen fol. 10 24 und fol. 3—7 Abschriften von Schöffen Sprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts aus Dresden, Leipzig und Geithain, geschrieben von mehreren wohl sämtlich der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehörigen Händen*'^). Im 16. Jahrhundert wurde die Sammlung fortgesetzt (fol. 25 wurde mit I bezeichnet) ; es wurden noch zahlreiche Leipziger Sprüche des 16. Jahr- hunderts (fol. 25—88) und ein Eegister über einen Teil derselben (fol. 71» 9} eingetragen. Viel später wurden auf die folgenden Blätter (fol. 89—95) Abschriften meh- rerer den Kauf der Fleischbänke (1670) betreffenden Akten stücke niedergeschrieben.

Eine weitere Abteilung des Bandes mit besonderer Foliierung (fol. 138 = fol. I) und besonderem alphabe- tischem Register (fol. 114—134) enthält eine von einer Hand aus der Mitte des 16. Jalu'hunderts geschriebene reichhaltige Sammlung von Abschriften solcher Doku- mente, Korrespondenzen und Einträge in das unter II angeführte Stadtbuch *'^'), welche für die Stadt von prak- tischer Wichtigkeit waren; spätere Hände fügten noch einige Schriftstücke des 16. und 17. Jahrhunderts und

03) Vergl. Distel, Beiträge zur alt. Verf.-Gesch. des Leipziger Schöppenstuhls a. a. 0. S. Ol i'gs,

"') Datiert sind nur ein Üeithainei' Spruch von 1377 (fol. 10'') und ein Leipziger Spruch von 1430 (fol. 23).

^^) Dasselbe ist vielfach als das „alte Stadtbuch" bezeichnet, vergl. fol. 1431', 148'', 158 (dazu Stadtb. IL fol. 157), 161.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 193

auch Abschriften älterer Urkunden (fol. 377 fg.) hinzu. So wichtig auch diese Sammking für die Stadtgeschichte ist, so ist hier doch nicht der Ort, näher auf dieselbe einzugehen.

Als letztes Blatt des Bandes ist der eigenhändige „Orfrede" des Stefan Lose von 1514 eingeklebt.

Verlautbarungen über Privatgeschäfte und dergl. wird man nach der oben mitgeteilten Überschrift des Buches in demselben nicht suchen dürfen.

(II.) Derselbe Stadtschreiber Heinr. Teschwitz, von dem das eben besprochene Buch angelegt wurde, begann 1441 ein anderes Stadtbuch, das wir als Stadt buch II bezeichnen. Es ist ebenfalls ein starker Folioband von 289 Bll. Pap. in ähnlichem mittelalterlichem Einbände; auf der Innenseite des Deckels hat Teschwitz bemerkt:

In dem eyn und virczigsteu jare, alz Mat. Wysbach burger- meister waz, da ist dis buch geczuget zcu ere und redelichkeid der stat den burgern und der ganczen gemeyne arm und rych. Got mache uns an der zele rych in dem hoen hymmelrych. Assit ad inceptum sancta Maria meum.

Die Hauptüberschrift (von anderer Hand) auf fol. 5 lautet :

Anno millesimo quadringentesimo XLP comparatus est ille über civitatis, quem comparavit Heinricus Teschewitcz tunc temporis notarius et antea triginta octo aunos bene et pulchre rexit notariam et comparavit hunc librum pro honore et profectu civitatis, in quo debent signari et scribi articuli et cause honestatem civitatis con- cernentes, ut eo pleuius habeatur memoria articulorum et causarum, que Scripte sunt in libro, et ad plenani memoriam juratorum redu- cantur et vaiii errores et diverse rixe bono fine concludantur. Laus tibi sit CUiriste. Constructus est liber iste Anno milleno quadringent quadragesimo primo Sic per Heinricum scriptorem Teschewicz dictum. Hie potestatis (sie) fuit utique communitatis Atque prelatus, Matthes Wisbach nominatus, Qui et consensit, librum construi jussit.

Dieses Buch, das thatsächlich erst seit 1451 im Ge- brauch war und bis 1528 benutzt wurde, diente vor allem dazu, die vor dem Rate verlautbarten Eechtsgeschäfte, Vergleiche u. s. w. Privater, daneben aber auch wichtige Ratsbeschlüsse und sonstige städtische Verwaltungs- sachen vor der Vergessenheit zu schützen, ist also ein Stadtbuch im gewöhnlichen Sinne des AVortes. Die Ein- tragungen von Privatsachen betreffen in der Hauptsache Verhandlungen vor dem Hate; indes auch gerichtliche Bekenntnisse und namentlich Auflassungen, die wohl regelmäfsig im Dinge erfolgten, werden durch mohr

Neues Arcliiv f. S. U. u. A. X. 3. i. li'

194 Hubert Ermisch:

sicherlieyt unde geclechteniß (fol. 17) vor dem Rate wieder- holt^*^) und auch im Ötadtbuch eingetragen, zuweilen unter Verweisung auf das Schöffenhuch*") (s. u.), oft erst lange nach der Verhandlung im Dinge '^^).

Unter den Ratswillküren, die sich hie und da im Buche finden, heben wir die folgende (fol. S'j) hervor, weil sie die Benutzung des Stadtbuches selbst betrifft:

Anno domini m*' cccc'' Ixx quarto am fritage nach Dorothee*'*') had man in czwen sitc/:.en[deiij rethen irkaut unde ist des gantcz eyns wiu'den, wer do nu henl'urt mehir der stad buch umbe die gerade adir ander sachen gelefsen adir geschribeu™) habin wil, der bnrgerrecht hat, der sal gebin 1 gr. der stad unde dem stad- schriber ouch eyn gr. uft' beden teil. Itczlichir abir eyn ufsleu- dischir der sal gebin der stad II gr. unde ouch so vil dem stad- schriber. Dummis Rüdiger burgermeister. Actum ut supra.

Die Niederschrift über die Gerade, auf welche hier Bezug genommen wird, steht auf fol. 4G und ist ein Aus- zug aus einer Urkunde des Kurfürsten Ernst und Her- zogs Albrecht von 1473 März 23^^), in Avelcher dem Rate die Willkür über die Gerade bestätigt wird; unter ihr ist ein mit jener Willkür von 1474 inhaltlich über- einstimmender Vermerk gemacht worden. Auch zwei auf jene Willkür sich beziehende Leipziger Schöffen- sprüche (ca. 1483) haben Aufnahme gefunden (fol. 64—66).

Zahlreich sind die Notizen, welche die verschieden- sten vermögensrechtlichen Verhältnisse des Rates betreffen : Vermerke über Käufe und Verkäufe z. B. eines Drittels der „Wenigen Mühle" 1471 (fol. 40 b), Verpachtungen, Belehnung des Rats mit einem Walde bei Schönbörnchen durch Caspar v. Maltitz 1451 (fol. 2), Aktenstücke wegen der Gerichte zu Altmittweida 1463 mid 1473 (fol. 25, 47 b) u. s. w. Namentlich zahlreich sind die Einträge über Ausleihung von Geldern durch die Stadt, teils ihrer eigenen , teils von ihr verwalteter Kapitalien von Stif- tungen und Brüderschaften, unter denen in späterer Zeit die Schützenbrüderschaft eine wichtige Rolle spielte; solche Notizen aus den Jahren 1461 fgg. finden sich z. B.

^) ernochmolß vor den burgern fol. 9^.

6'') Vergl. fol. 11.

ß^) So etwa 1 Jahr später: fol. 38''; etwa 10 Jahre später: fol. 16''; 1452 ein im Jahre 1449 errichtete Testament: fol. 7'', 8^

«») 1474, Febr. 11.

™) adir geschriben ist über der Zeile zugefügt und fehlt in dem Auszuge auf fol. 46.

") Das Or. befindet sich im Depos. des HStA. (Nr. 8175 '0.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 195

fol. 20 h, 23 h, 24, 66, 97—99, 102—110, besonders aber auf den letzten Blättern des Buches, wo der Stadt- schreiber um 1458 in der Weise eine besondere Ab- teilung für solche Niederschriften emrichtete, dafs er das Buch umkehrte und mit dem letzten Blatt eine neue Reihe von Einträgen begann, welche bis zum Jahre 1506 fortgesetzt wurden (fol. 289b 242) und unter denen auch einige Abschriften von Zinsbriefen und verschiedene andere mit jenen Schuld Verhältnissen zusammenhängende Niederschriften Raum fanden.

Die wenigen Urfehden, die das Buch enthält (fol. 194, 206 b, 217 b, 253), stammen aus den Jalii'en 1493—1524.

Endlich mögen noch die historischen Notizen, die an einigen Stellen eingestreut sind, erwälmt werden. So hat auf fol. 2 b eine Hand aus dem Ende des 15. Jahrhunderts Vermerke über die Schlacht bei Aulsig (1426), Hus und Hieronymus (1416), den Tod des Königs Ladislaus (1458) und des Herzogs Karl von Burgund (1477) nieder- geschrieben; wichtiger sind die gleichzeitigen Notizen über den Bruderkrieg (1450) und den Prinzenraub (1454) auf fol. 3, auch der Bericht über die Milsernte und den Prager Aufstand auf fol. 139.

Von den Gerichtsbüchern, welche das Stadt- gericht zu Mittweida führte, hat sich keines erhalten; in mehreren Einträgen des Stadtbuches II wii'd auf sie verwiesen, wobei sie bald als gerichtsbuch'^'^) , bald als scheppenhuch bezeichnet werden''^).

Oschatz. Die Rats- und Gerichtsverfassung der Stadt Oschatz bedarf noch der Untersuchung, zu der es an Material nicht fehlt ; was der sonst sehr verdiente Chronist dieser Stadt, C. S. Hoffmann, darüber mitteilt, reicht nicht aus. Der Rat bestand aus der üblichen Zahl von 12 Mit-

^2) fol. 37, 2791'.

■'S) fol. 11, 16»>, 38'', «7. Vergl. auch die oben S. 104, Note 105 mitgeteilte Notiz vom Vorsatzblatt des Stadth. II. Wenn einmal (fol. 70) ein Eintrag des Stadtbuchs mit den Worten beginnt: czii wissen awß deßeni tmßerm sclieppcnbuch, in dem es dann weiter heifst: lud vor uns dem rate getctlliget, so könnte man annehmen wollen , auch das Stadtbuch sei manchmal als Schöppenl)uch_ be- zeichnet worden ; allein mir scheint eher ein Versehen des Schreibers und an anderen Stellen, avo ähnliche Erscheinungen vorkommen (fol. lläiJ, 118), abschriftliche Übertragung aus dem Schöffcnbuch vorzuliegen.

13*

196 Hubert Ermisch:

gliedern einschlieMicli des Bürgermeisters"*) ; zuweilen fand auch eine Zuziehung von Mitgliedern des vor- jährigen Rates statt ^''). Die G-erichte besals der Rat nicht erst seit 1478'*'), sondern schon früher"). Den Vogt oder Stadtrichter mag er sogar schon im Anfange des 14. Jahrhunderts ernannt haben; der „Richter unser gnädigen Herren", der einmal neben dem Stadtrichter vor- kommt"), war wohl nur für das Landgericht kompetent.

Die Schöffen, die dem Richter als Urteiler zur Seite stellen, mögen nur teilweise aus dem Rate gewählt worden sein"^^); sie bildeten ein besonderes Kolleg neben dem Rate, wurden aber nicht selten zu den Verhand- lungen des letzteren zugezogen^''). Ihre Zahl betrug sieben.

Noch vor einigen Jahrzehnten konnte sich die Stadt Oschatz rühmen, das älteste sächsische Stadtbuch zu besitzen. Hoffmann hat ein solches benutzt, das im Jahre 1321 angelegt war und sogar noch einige ältere Ein- träge enthielt. Er teilt aus dem Titel desselben folgende Sätze mit^"^*):

Consules igitxir et scabini Ossechsenses instrnctionis hnjusmodi imitatores coramiuii utilitati et bono totins iiniversitatis sollicitudiue mentis siucerae inteiidentes diversa acta tempore aliquo duranda coiiscribi et consignari in praeseiiti volumiiie decreveniiit. Incipit liber acta in facie judicii covfirmati stabilita contineiis. Qui quamvis aliqua priora acta denno eoram judicio innovata contiiieat, est tarnen anno incarnationis doniini millesinio trecentesimo vicesimo primo inceptns. Cujus editores cum scriptore ad vitam perveniant

'^) Hoff manu, Oschatz I, 361 fg.

'-'*) Stadtbuch, fol. 72 u. ö.

'«) Hoff manu I, 241, 362, 397.

'^"'i A. d. 1478 am dornstage nach Laurencii haben uns unser gn. h. von Sachßen die gerichte unibe eyn gelt obir hals und obir hant tmd obir schulde und gulde nemlich obirst gerichte unde erb-

gerichte und alße alle gerichte in unßern hcnden in voller

macht zcu haben, glycher wyfse wir die vormals von iren gnaden hern vater gotseligen uff eynen widderkouff ge- habt haben, fgeqebenj. Stadtbuch, fol. ICO.

^8) Stadtbuch; fol. 67.

'''') drie gesioorne des rats, der ir zctoene oucJi gestvornne scheppen ivaren; Stadtbuch, fol 11''.

*'') So stellen „Bürgermeister, Eathmannen, Richter und ge- schworne Schöffen" über einen vor ihnen verlautbarten Verzicht in Erbangelegenlieiten eine Urkunde aus (fol. 129''). Vergl. ferner: ivir der rat richter und gesivorn scheppen (fol. 1 '>) , vor uns yn rate unde in bieiveßen Paiiwel Hey den des richter s und scheppen (fol. IBQb) n. ä.

^''*) Hoffmnnn I, 437.

Die sädi8. Sta(Ul)ücher des ]\Iittelaltei's. 197

seinpiteniam patroeiiiio ejus et opitulaiiiine, qui vivit et reguat iu saecula saeculonun. Amen.

Auch noch einiges weitere über dieses Stadtbuch und aus demselben hat Hoffmann überliefert; auiser mehreren Angaben in seiner Chronik kommt namentlich seine handschriftliche Urkundensammlung ^^) in Frage, welche Abschriften von 25 Einträgen des ältesten Stadt- buches aus den Jahren 1317 1399 enthält. Hiernach diente dasselbe, was sich schon aus der oben mitgeteilten Überschrift schlielsen lässt, sowohl als Stadtbuch wie als Gerichtsbuch. Es enthielt einerseits zahlreiche Verhand- lungen vor Richter und Schöffen, meist wohl im gehegten Dinge, über Privatangelegenheiten einzelner Bürger, Schenkungen auf den Todesfall, Auflassungen, Vermächt- nisse an geistliche Stiftungen u. dergl. m.^-) ; anderer- seits ähnliche vor dem Rate stattgehabte Verhandlungen und Vermerke über städtische Verwaltungs- und Kämmereisachen, Verei'bungen von Grundstücken gegen Zins^'^), Ratswillküren^^) u. dergl. Von besonderem Inter- esse ist ein 1354 niedergeschriebener Aufsatz über das im- rechtmälsige Verfahren, durch welches der gewesene Bürger- meister Matthias Ethiops (Mor) die gelegentlich der Juden- verfolgung 1348 confiszierten Güter an sich brachte **"'). An- gehängt war dem Stadtbuche ein Zinsregister des Hospi- tals St. Georg aus dem 14. Jahrhundert^^). Bis zum Jahre 1360 war das Buch in lateinischer, von da an in deutscher Sprache geführt^').

Dieses für die Geschichte der sächsischen Stadt- büclier höchst wichtige Manuscript ist seit seiner Benutzung

*') Dieselbe sollte ursprüuglidi den 3. Teil der Chronik bilden, ist aber ungedruckt geblieben und befindet sich gegenwärtig im HStA. zu Dresden, dem sie der Eigentümer, Herr 15uch(lruckereil)esitzer (i. Stockmar iu Oschatz, als Dei)osituin anverti-aut liat. JJie Ein- träge, die bestimmt oder Iröchst wahrscheinlich dem ältesten Stadtbuche entnommen sind, tinden sich auf fol. \3^, 13c, 141.^ 15^ ly^ 20, 21, 26'', 28—30, 32— 3.Ö, 37—38, 50, .^(l.

^'^) Vergl. die Formeln bei Hoffmann, Oschatz I, 396; ferner ebenda 36.

8«) Vergl. ebenda 191, 412.

»1) Vergl. ebenda 183, wonach ..l)ei dem Jahre 1300" (?) eine Willkür ülier die Gräben voi- dem Spittelthor sicli linden soll; ferner ebenda 380 eine Willkür von 1389.

^^) Vergl. Hoffmann, Oschatz 1, 230 und IJrkuudensammlung fol. 20, Gedruckt bei Hasche, Urkundcnbuch zur diplomat. Gesch. Dresdens S. 120.

««) Hoff manu 1, 41.

") Ebenda 396.

198 Hubert Eimisch:

durch Hoffmann (1813) und Hasche (1817) vollständig verschollen; alle Versuche, es wieder aufzutinden, sind his jetzt gescheitert^^).

Erhalten hat sich dagegen das Stadtbuch 1467 bis 1500^®), welches Hoffmann als II. Stadtbuch be- zeichnet und welches sich möglicherweise unmittelbar an jenes ältere anschlols^''): ein in grüngefärbtes Perga- ment gebundener Band von 289 Bll. Perg. ; die Schlielsen sind abhanden gekommen Das Buch gehört zu den reichhaltigsten sächsischen Stadtbüchern. Weitaus die meisten Einträge betreffen vor dem Rate verlautbarte Verträge u. a. in Privatangelegenheiten : Testamente, Erb- vergleiche, Vormundschaftssachen, gütliche Teidigungen, Schuldbekenntnisse, Auflassungen, Verpfändungen, Ver- zichte u. s. w. Zuweilen wird den Parteien auf Grund der Eintragung eine schriftliche Ausfertigung des be- treffenden Vertrages übergeben'*^).

Das Stadtbuch enthält ferner zahlreiche, zum Teil höchst interessante Willküren des Eates^^). Auf einer eingehefteten Lage (fol. 164— 172 b) finden wir die Innungsartikel der Tuchmacher (1391), Bäcker (1452), Schneider (1441), Böttcher (1451) und Kürschner (1475). Andere Notizen betreffen vom Rat verhängte Polizei- strafen, Stadtverweisungen ^•^); sehr grofs ist die Zahl der Urfehden ^^). Auch wenn keine Bestrafung erfolgte, werden strafbare Handlungen, z. B. Frevelreden wider den Rat, „zu gedechtnisse" notiert ^•^). Über Rechts- streitigkeiten des Rates, widerrechtliche Klagen gegen

^'') Vergl. meinen Artikel: Eine verscbollene Quelle der säcb- sischen Städtegescbichte , in der Wissensch. Beilage der Leipziger Zeitung 1887, Nr. 43.

'*") Hauptstaatsarchiv Dresden (Depositum des E,ats der Stadt Oschatz).

"**) Der jüngste Eintrag, den wir aus letzterem kennen, ist freilich von 1401: Hoffmann I, 413.

**!) Solcher frunflicher betcdigunge und herichtunge halben disße zcivii czedeln gemacht in eynem laivte gescJtriben von eyn- ander gesniten die eijne der mutir unde die ander Iren kindern und irem Vormunde gegeben; fol. 105, vergl. fol. 112 \\. ö.

**-) Einige davon bei Hoff mann I, 390 fgg. . 03) fol 29, 44, 1031', 1051^, 132, 142. Eine Ausweisung wegen versuchten Selbstmordes fol. 131.

■'^) fol. 44, 56 S 57, 101b, 105 b, HO, 121^, 131. 132, 142, 152, 173»' u. ö.

9^) z. B. fol. 125.

Die Sachs. Stadtbüclier des Mittelalters. 199

ihn^") finden sich nicht blos Vermerke, sondern oft werden die wichtigeren Akten abschriftlich niitgeteik/"), wie anch sonst einzehie Schriftstücke in Kopien aufge- nommen werden^^). Auch städtische Kämmereisachen kommen oft vor, z. B. eine Abrechnung des Rates mit dem Baumeister des Klosters um Kalk (fol. 69 b), Ver- merke wegen Übernahme von Geldsummen in das Depositum des Eates und Ausleihung solcher Kapitalien (fol. 4B, 146 ; vergl. auch das Vorsatzblatt), wegen Verleihung von Gerätschaften der Stadt (fol. 94 b), Verträge mit Hand- werkern, z. B. mit Matthes dem Zimmermann wegen Fertigung von Rohren und Brücken (fol. 82 b) u. ä. Als eigentümlich mögen noch erwähnt werden einige Einträge über die Verpflichtung von Bürgen zur Zahlung einer gewissen Summe für den Fall, dal's ein Bürger, der die Stadt verlassen, nicht binnen Jahr und Tag heimkehre (fol. 32, 33, 66 b, 1.Ö6).

Vorgänge im gehegten Dinge wurden nur selten in das Stadtbuch eingetragen; so einige Verzichte (fol. 18b, 221), eine Verpfändung (fol. 62 b), eine Auflassung auf den Todesfall (fol. 72), die Übernahme der Verpflichtung, eine Hofstatt in bestimmter Frist zu bauen (fol. 70) ; meist kam wolil wenig darauf an, ob die Verlautbarung hier oder im Rate erfolgte"^). Vielleicht mufsten alle städtischen Grundstücke beim Besitzwechsel „vor der Bank" aufgenommen werden; wenigstens kommt es vor, dals der Rat von der Schwester des Nickel Meilsner ver- langt, sie solle ein Haus, dals sie von ihrem Bruder er- halten, vor der Bank aufnehmen, und dies giebt Anlals zu einem Streit zwischen Meilsner und dem Rate.

Häufig sehen wir Richter und Schöffen als gekorne Schiedsrichter thätig, z. B. in Baupolizeisachen, wegen

***) fol. Ib: Klage des Hofmeisters zu Nimptsclien Avegen Vor- eiithaltung von Ziusen. fol. 8, 9 (cf fol. 144) : Klagen der Fleisch- haner nnd Bäcker, fol. 40: Klage gegen den landesherrl. Vogt Michel Petzold

»7; Z B. fol. 84 fgg., 88, 174, 177, 249.

"*) So fol. 151 •> eine Schuldverscliroibung von zwei Bürgern gegen das Kloster Riesa, ful. 53 ein von dem Kate der Stadt Linz aus- gestellter (ieburtsbrief füi' den „Augenarzt" Micliael Plankclienn (1465), der auch sonst einige Male vorkommt (i486 kauft er ein Haus, fol. 1761'-, 1493: fol. 230»»).

"^j In einem nur vor dem Bürgermeister und dem Richter ge- machten Erbverzichte heilst es , er .•^olle gelten ijli/chsuni es vor gc- rich.tr. oder im mte gescheen were (fol. 1221.

200 Hubert Ermisch:

eines Wasserlaufs u. dergl.^'^"), und dann hat es nichts Auffälliges, wenn der Schiedsspruch vor dem Rate ver- lautbart und ins Stadtbuch eingetragen wird.

Im Übrigen aber gab es für die Verhandlungen vor Gericht auch in Oschatz ein besonderes Gerichtsbuch, das Aviederholt erwähnt wird^"'), aber nicht mehr vor- handen zu sein scheint.

Pegau.

Über die Geschichte der Stadt Pegau, deren Archiv zu den reicheren, städtischen Archiven Sachsens gehört, ist bis jetzt wenig bekannt. Obwohl die Landesherren den aus einem Bürgermeister und 6 Ratmannen bestehen- den und in dreijährigem Turnus wechselnden Rat be- stätigten^"-), scheint doch bis ins 16. Jahrhundert hinein die gesamte Gerichtsbarkeit dem dortigen Benediktiner- kloster zugestanden zu haben ^*'-^). Der Abt stellte den Richter an. Die sechs Schößen, die diesem zur Seite standen, waren wohl regelmälsig dem Rate des Vor- jahres, dessen Bürgermeister Schöffenmeister wurde, ent- nommen^*'^); es ist also nicht besonders auffällig, wenn die Schöffen manchmal als Ratsfreunde ^*'^) oder der Schöffenmeister als Bürgermeister bezeichnet wird^"**). Als siebentes Mitglied des Schöffenkollegs erscheint zu- weilen der Stadtschreiber.

Von den Pegauer Stadtbüchern hat sich keines

100^ Vergl. fol. 42, 92, 127, 129, 138 b, 154.

101) fol. 17, Igt», 24 'J u. ö. Ül)erall handelt es sich um Forder- ungen, teilweise um solche, die auf ein Haus eingetragen waren.

^^^) Vergl. die Autwort des Stadtsclireihers Lorenz Lekener von 1455, her. von F. Bech im Progr. d. Zeitzer Gymu. 1879, S. 1 ; ferner Ratshestätigungen bez. Gesuche um solche von 1467, 1470, 1475 und 1480 im HStA. W. A. Oerter, Pesau, Bl. 1, 4, 5 fg. und unter,. den im HStA. deponierten Pegauer Urkunden.

1"^) Über den laugjährigen Prozefs, in welchem das Kloster im 14. Jahrh. seine Rechte behauptete, vergl. die Dokumente von 13fi5, 1366 und 1379 bei Schott gen, Historie Graf Wiprechts, S. IfiO fgg. und Cod. probat. Nr. XX, XXI, XXIII.

101-) Wenigstens stimmt z. B. der Rat von 1481 (W. A. Oerter, Pegau, Bl. 6) bis auf eine fehlende Person übei'ein mit dem Schöffen- kolleg von 1482 (Gerichtsreg. 1480—1518 fol. 11), der Rat von 1485 (Geschofsregister d J.) ebenso mit dem Schöffenkolleg von 1486 (Ge- richtsreg. fol. 26). Die oben angeführte „Antwort" gibt an, dafs der neue Rat aus dem alten drei Schöffen gemacht habe; a. a. 0. S. 1.

'"") Z. B. Gerichtsregister 1480-1502, f(d. 10»'.

10«) Z. B. Gerichtsregister 1480—1518, fol. 4b, 13^, 42.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 201

erhalten^"'), wohl aber einige beachteiisAverte Gericht s- biicher, die leider mehr oder weniger durch Feuchtig- keit zu leiden gehabt haben ^''^). Es sind schmale Folio- bände in gelbes Pergament gebunden; von dem unter II. angeführten ist der Einband, eine Pegauer Kloster- urkunde des 13. Jahrhunderts, abgelöst worden.

(I.) Das Gerichtsregister 1441—1449, 94 Ell. Pap., hat die Aufschrift:

Sub anno domini incarnacionis millesimo quadrigeutesimo (!) quadrigesimo (!) primo feria quinta proxiraa post couversiouis sancti Pauli'"'') inceptum est presens regisfrum judicii secularis coram reverendo in Christo patri ac domini (!) domini Heinriei Kuwer abbati monasterii sancti .Jacobi opidi Pegaviensis. Judex Otto Boteher, Sivart Nepicz , Hannes Cursner, Jacoüf Gunter, Steffan Koldicz, Herman Smit, Hans Fruuff scabini. Et predictus abbas liberavit Judicium ut supra.

Den Inhalt des Buches bilden hauptsächlich die in den (in der Regel alle 14 Tage stattfindenden) ordent- lichen Gerichtssitzungen vorgebrachten Klagen um Gut, um Schuld, um üngericht, dann auch andere damit zu- sammenhängende, vor Gericht abgegebene Erklärungen, z. B. über die Wahl eines Vormundes zur Vertretung im Gericht, über die Zurückziehung einer Klage u. dergl., ferner einige Erkenntnisse, namentlich Verurteilungen in die Wette"<>) und Vollstreckungsbefehle"'). Es süid also durchweg Verhandlungen auf dem Gebiete der streitigen Gerichtsbarkeit; nur wenige Einträge betreffen Verpfändungen, gütliche Vergleiche, Zahlungsversprechen

10') Was Fedor Becli in seinem Programm: Lexikal. Beiträge aus Pegauer Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts (Zeitz 1887) S. 22 als Stadtbticher l)ezeichnet, sind thatsächlich Kämmerci- rechnimgen, Geschofsregister u. dergl. Dieselben beginnen in Pcgau bereits 1399 und sind von grofsem Interesse für die Geschichte der Stadt; auch enthalten sie namentlich auf den A'orsatz- und Schlufsblättern einige Notizen, wie man sie sonst in Stadtbüchei-n findet: über Verpflichtungen und Leistungen der Stadt gegenüber. Polizeisti'afen. Dienstverträge, Bürgeri'echtserwerbuniien u. a., die meist wegen ihrer Bedeutung für die Stadtkasse Aufnahme gefunden haben. Auf den letzten Seiten der Kämmereirechnung von 1487 finden sich sogar einige Einträge über Verhandlungen in Privat- angelegenheiten (besonders Schuldsachen) vor dem Pat, woli(>i mehrmals auf das Stadt- oder Ratsbuch verwiesen wiid.

10«) HStA. Dresden. (Depositum des Rats zu Pegau).

100) Jan. 26. ' , . ^

"0) Z.B. fol. 51»: Item Burger is du wette zcugcsproclnn, daz er unrecht ivedder gerichte unde scheppen gcfhan had.

1") Z. B. fol. i7: Lange Heinczen ist du folge gereicht zcn Jacoff Vlagke und sinen gutern.

202 Hubert Ermisch:

u. ä. Für solche Verlaiitbariingeii gab es vielleicht noch

ein anderes Buch, oder sie fanden in der Regel vor dem

Eate statt und wurden ins Stadtbuch eiugeti'agen.

(IL) Dem Gerichtsregister 1449—1460, 122 Ell.

Pap. , fehlen die ersten Blätter und damit die Aufschrift ;

eine andere findet sich fol. 85 und lautet:

Anghehf)l)eu difs uachoheschriheu register alm gezcieten Heiu- richeim von Zcoppericz und Claus Boeten vogte und scliribere, der difs register und dinst hat angefangen uf fritagk und abund sancti Francisci anno etc. post partum viiginis quiuquagesimo ciuinto.

Das Buch, das auch als gericMeshucJi bezeichnet wird (fol. 1, 2 b u. ö.), entspricht inhaltlich dem unter I. angeführten, als dessen Fortsetzung es wohl anzusehen ist; es enthält ebenfalls Klagen und sonstige Vermerke über den Gang der Prozesse, vielfach ausführlicher als das ältere Buch. Wir ersehen daraus, dafs die Gerichte meist im Kloster stattfanden ; nur die drei jährlichen „Vogtdinge" (Vardinge) nebst den ihnen in 14 Tagen folgenden „Afterdingen" wurden sowohl im Kloster als auch in der Regel den Tag darauf in der Stadt abgehalten. Auch die „Jahrdinge" in den Klosterdörfern kommen vor.

(III.) Das Gerichtsregister 1480 1502, 302B11. Pap., auf dem schadhaften Titelblatt als registrmn judl fcisj civitatis Fe fgaviensisj , sonst aber auch als „Gerichtsbuch" bezeichnete^-), trägt denselben Charakter, wie die beiden vorhergehenden, nur ist es weit ausführ- licher. Aufser den Klagen enthält es häufig auch die Ant- worten und Urtel , dazu mancherlei Gerichtszeugnisse und sonstige Bekenntnisse, die für den Prozefs wesentlich waren ; zuweilen sind geradezu ausführliche Verhand- lungsprotokolle gegeben. Von besonderem Interesse sind die Aussagen des Richters und der Schöffen, des Bürger- meisters und verschiedener einzelner Personen über das bisher übliche Verfahren (fol. 65 b QQ b). Aber auch sonst bieten sowohl dieses als die beiden unter f. und II. besprochenen Gerichtsbücher eine Fülle von interessanten Einzelheiten zur Geschichte des Prozesses.

(IV.) Das Gerichtsregister 1480—1518, 145 Bll. Pap. . das übrigens auch als „Gerichtsbuch" be- zeichnet wurde "■\), wurde gleichzeitig mit dem vorher-

"2) Vergi. fol. 44, 73, 74.

"3) fol. I9b; vergl. auch III. fol. 11''.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 203

gehenden angelegt. Welchem Zwecke es dienen sollte, sagt die Aufschrift :

Gerichts - Register, do iiiaim gabenn luiud ainidcr gerichts- heiulell vor gehegter diiigbaiigk gescheemi bescliriebeuii iiiiie t'yiuidet, unud ist gemacht uuiid aiigehabeim wurdeun nach Christi unnfsers hernn geburtt der mynner zcall im achtzigsteun jar

Es enthält dementsprechend die im gehegten Dinge erfolgten Verlautbarungen über Auflassungen, Verzichte, Gelöbnisse, letztwillige Verordnungen, Sclienkungen, Ver- pfändungen, Totschlagsühnen u. dergl. m.

Pirna.

In Pirna scheint es neben dem aus 12 Personen ein- schlielslich des Büi'germeisters bestehenden Rate niemals ein festgeschlossenes Schöftenkolleg gegeben zu haben; die IJrtelsfragen wurden vielmehr einzelnen Mitgliedern des in den gehegten Dingen meist vollzählig anwesenden Eates vorgelegt. So erschienen alle Ratmannen zugleich als Schöffen, und dies äulsert sich oft in Bezeichnungen wie consules et jurati, gesivorne und rotlute^^^).

Es ist unter diesen Umständen nicht auffällig, wenn dieselben Bücher für die Geschäfte des Rates, wie für die im gehegten Dinge zu erledigenden Sachen gebraucht wurden ^^^■^).

Von diesen Stadt- u n d G e r i c h t « b ü ch e r n haben sich, soweit sie dem Mittelalter angehören, drei erhalten, die von so gleichartigem Charakter sind, dals sie zusam- men besprochen werden können ^^*'). Es sind hohe, schmale Foliobände von 168, 242 und 231 Bll. Pap. in Pergament- umschlägen; sie umfassen dieJahre 1432— 1463,1464 1492

"') Eine Urkunde von 1386 ist ausgestellt von Fiiczko Dyt- richspach, richter und schepfe, dem Bürgermeister und 10 geschwor- nen Ratleuten (der 11. war eben jener Richter); gegen Sclilufs der Urkunde heifst es: ivir voryeschreben richter burqermeister und schepfen. Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 370. Yergl. diese Zeitschr. IX, 192.

"■'•) Wenn es einmal (1497) heifst. ein Kaufvertrag solle in das statbuch undc gerichtsbuch eingetragen werden (III. fol. 66)., so ist das wohl nur ein etwas umständlicher Ausdruck füi- ein und dasselbe Buch, das S(mst oft als „Stndtbuch" bczeiclmet wird.

"«) HStA. Dresden Loc. 9901 (abgegeben vom Kgl. Amtsgericht Pirna). Benutzt sind sie im Urkundenbuche der Stadt Pirna (Cod. dipl. Sax. reg. IL 5) und neuerdings von Reinli. Hof mann, Die kirchl. Zustände der Stadt i'irna vor der Einführung der Refor- mation (Programm der Realschule zu Pirna 1887), veiul. S. 10, und Beiträge zur Verfassuugsgesch. der Stadt Pirna, in dieser Zeitscbr. IX, 185 fgg.; vergl. 190.

204 Hubert Ermisch:

und 1493—1512. Mindestens ein früherer Band, der als das „grolse Stadtbuch" bezeichnet wird"'), ist verloren gegangen.

Diese Bücher, die recht sorgfältig geführt sind, ent- halten fast ausschlielslich Bekenntnisse über die sowohl vor dem Rate als im gehegten Dinge abgeschlossenen oder verlantbarten Geschäfte Privater. An der Spitze jedes Jahres steht der Name des Bürgermeisters und der Ratmannen oder wenigstens der des ersteren. In der Regel beurkunden Bürgermeister und Ratmannen oder die Ratmannen allein die im sitzenden Rate"^), Richter und Schöffen oder die Schöffen allein die im gehegten Dinge vorgenommenen Handlungen; allein bei dem oben berl\hrten Verhältnis zwischen Rat und Schöffenkolleg ist es leicht erklärlich, dals Abweichungen von diesen Formeln nicht selten sind. So bekennen oft Bürger- meister und Ratmannen, dals etwas vor uns und vor gelmiitter hang (z. B. I fol. 2, 3, 4) verhandelt worden sei; andererseits bekennen die Schöffen, dals „N. N. vor uns in unsern sitzenden Rat gekommen sei", und „Rat- mannen, Richter und Schöffen" bekennen, dals etwas „vor uns und einer gehegten Bank" oder „im sitzenden Rate" erfolgt sei, u. s. w.

Nur selten begegnen uns Vermerke, welche sich auf die städtische Verwaltung beziehen. So einige Ab- schriften von Ratsurkunden, w^elche die Verwaltung des Hospitals ^^■') und die Übernahme einer Spende an die Armen betreffen^-"), eine Abrechnung des Rates mit Bartel Rutschel 14G6 (Stadtb. II fol. 181^, ein Vertrag der Stadt mit Jacof Petzsch wegen einer auf der Stadt- flur erbauten Mauer 1491 (ebenda fol. 216), Vermerke über die Verwaltung des von den Leinewebern zur Er- richtung einer Innung gesammelten und beim Rate hinter- legten Geldes^-^), über die Verpachtung der Spitaläcker 1489 (II fol. 2401)), über die Rechtsverhältnisse eines der Gemeine gehörigen Borns (loses Blatt am Schlüsse von Stadtb II), über den Verkauf der Stadtmühle 1499 (III fol. 103 b), über ein Zugeständnis an den Rat wegen

'") Stadtb I fol. 2, 22, 40, 42b, 45, 59.

"8) Beispiele Cod dipl. Sax reg. II. 5, 423, 432, 438, 443.

"«•) 1430: Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 406 (Stadtb. I. fol. 17 b).

120) 1448, Jan. 11: Ood. dipl. Sax. reg. II. 5, 424.

121) Ebenda 464.

Die Sachs. Stadtbüclier des Jlittelalters. 205

der Niederlage zu Dresden 1489 (II fol. 196 b). Von Interesse ist auch der Fährgeldtarif von 1451^"), der Vertrag mit den Teichgräbern wegen Arbeiten am inneren Graben von 1481 ^-■^), die Vermerke über die Verptiich- tungen und Bezüge der Geistliclien und insbesondere des Glöckners (auf dem letzten Bl. von III), die „Artickel dorzu man ein Barbirer der stat obligirth" (ebenda) u. a. Eigentliche Ratswillküren habe ich gar nicht gefunden. Überhaupt sind all diese Einträge ebenso wie die wenigen Urfehden ^■-^) und die geschichtlichen Notizen aus den Jahren 1500 und 1501 '-'') nur als gelegentliche Aufzeichnungen zu betrachten und haben mit der eigent- lichen Bestimmung der Bücher nichts zu thun.

Plauen i. V.

Auch in Plauen gab es einen Rat von 12 Mit- gliedern ; über die Verfassung des Gerichts ist mir nichts bekannt.

Von den mittelalterlichen Stadtbüchern hat sich leider nur eines im Original erhalten, wie überhaupt von den älteren Teilen des Archivs der Stadt Plauen fast gar nichts übrig geblieben ist.

Dieses Stadtbuch^-'^j ist ein Folioband von 96 Bll. Pap. von denen jedoch viele unbeschrieben sind in mittelalterlichem Einbände (Holzdeckel mit gelbbraunem Lederüberzug, Metallbuckeln und— fehlenden— Schliefsen). Über seine Bestimmung und seine im Jahre 1388 erfolgte Anlegung spricht, sich der Stadtschreiber Friedrich Eybanger in der Überschrift (fol. 1) folgendermalsen aus :

In nomine sancte et individue trinitatis amen. Que geruntur in tempore, de facili evauescunt cum tempore et de gestis hominuni eciam laudabilibus de facili emergit dura calumpnia, nisi causa memorie ol)livio rerum per scripti memoriani auferatur. Notum sit igitur Omnibus tarn presentibus quam futuris presens scriptum inspcc- turis, quod providus ac discretus vir ('ouradus de Pirck magister civium necnon consules et scabini opidi l'lawensis videlicet Hcinricus Canis, Nicolaus Magistri de Rotis, Nicolaus (Innier, Nicolaus Augeu- lebtz ceterique consules boc regi.^tnim comparaverunt , ut in eo facta et gesta predicti opidi per scripture memoriam possent perhenuan.

122) -Cod. dipl. Sax. reg. 11. 5, 427.

123) Ebenda 4«B. ^ ^ , ,^,^^ 12*) Urfebden von 1445 auf eint'm losen Blatte lu i (fol. Ib8);

von 1482—1500 ebenfalls auf einem losen Blatte am Schlüsse von

II (fol. 241 1>).

^-■') Stadtb. III. fol. 115", 116, 127, 132.

i2'>) Im Katsarcbiv der Stadt Plauen.

20G Hubert Ermisch:

Qnod quicleiu prefatuiii registnim ego Friderieus Eyliauger de Nnrn- berg" magister septem artium liberalium ac pbilosopli.ye utcnon rector scolariiim ac protbonotarius prenouiinati opidi Plawe in dei nomine scribere incepi anno dominice incaiuaciouis m^'c^c'^c'^ Ixxxviii" die sancti Clementis pape et martiris.

Das Buch zerfällt in drei Teile:

a) Es beginnt (fol. Ib 7j mit einem zweifellos bei seiner Anlage aufgestellten Verzeichnis der selbständigen Einwohner, das später einige Nachträge erhielt. Die Namen sind nach den Stadtteilen gruppiert ; zuerst kommt das registnim ^jvime quarte opidi Plaivensis, dann das registnim secunde, tertie, quarte quarte, hierauf ein re- gistrum nove civitatis, ein registnim extra civitatem exi- stentiiim, ein registnim vülanorum. Auf den hinter dieser Einwohnerliste leer gelassenen Ell. 7 b 13 folgt ein Bürgerverzeichnis von 1456 mit der Aufschrift:

Noch Ciisti gepnit virczenbundert darnach in dem sechls und funffczigisten yar am sonabende nach assumpcionis sein alle piirgere in der .-itat und vor der i^tat ixnd auff dem lande und die von yar czu yar purgerrecht gewynneu oder gewonnen haben sein vorczeicheut und schollen vorczeicheut werden in dicz pnch , als himoch ge- schriben stet.

Die Einteilung ist ebenso wie bei dem älteren Ver- zeichnis, nur fehlt das registnim villanorum und dafür findet sich ein registnim incolarum liahencium jus civile. Die folgende Bll., die wohl für spätere Zählungen dienen sollten, smd leer. Erst auf fol. 18 findet sich gewisser- malsen als Anhang ein von der Hand Eybangers ge- schriebenes registnim liereticonim.

b) Der zweite Teil, fol. 19—48, enthält Eintragungen über geschäftliche Angelegenheiten der Stadt aus den Jahren 1389 1428. Vorausgeschickt ist ein kurzes Inventarium der Ratsurkunden, sowie der im Besitze des Eates befindlichen WaÖen , sowie Vermerke über die Verleihung der letzteren. Dann folgen Einträge über Verpflichtungen gegen die Stadt zur Arbeit an den Mauern, zu Steinfuhren und Schindellieferungen, zu Bufs- und Zinszahlungen, über von der Stadt abgeschlossene Lohn- und Arbeitsverträge, über Verleihung städtischer Gelder gegen Zins, über Leibrentenverkäufe, Verpfän- dungen und Verbürgungen zur Sicherstellung von For- derungen der Stadt u. a. Seit 1394 sind die Jahres- zahlen als Überschriften den betreifenden Gruppen von Einträgen beigefügt, während die Daten meist fehlen; seit 14Ü0 sind die Bürgermeister des Jahi-es, seit 1426

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 207

wird der ganze Rat genannt. Zahlieiche unbescliriebene BU. sclüielsen diesen Teil ab.

c) Die letzten Bll. endlich enthalten verschiedene andere Denkwürdigkeiten. So (fol. 83 88) Abschritten des Egerer Landfriedens vom 5. März 1379^-'), der litera Uhertatis domini nostri vom 13. April 1388^-^) (sie betritft die Erbrechte, Abzugsrechte n. s. w.), einer Ur- kimde des Rates zu Hof vom 26. Juli 1384, in welcher dieser verspricht, Plauensche Bürger nicht aufzuhalten, sondern sich am Rechte genügen zu lassen (fol. 94), eines Leipziger Schöifenspruches von etwa 139U wegen des Zolles (fol. 94 b) ^'-") , eines nicht uninteressanten Schöifenspruches des Rats zu Weida über die Strafe desjenigen, der ein Urteil vor Gericht straft und nicht sofort bessert, und über das in Weida übliche Helfgeld (fol. 95 b), einer Urkunde Heinrichs, Herrn zu Plauen, und des Rates wegen einer Schuld von drei Plauenschen Bürgern gegen zwei Aachener Bürger von 1392, einer Urfehde von 1390. Alle diese Abschriften sind von der Hand Eybangers. Endlich finden sich (auf fol. 88 b— 92 b) noch 13 vom Rate oder von anderen geteidingte Ver- gleiche, meist in Erbsachen, und Auflassuugen aus den Jahren 1392 1420; einmal erfolgte die Verlautbarung vor Gericht und gehegter Dingbank, wobei „am Gerichte gesessen'' waren der Richter, der Bürgermeister und seine 11 Ratmannen.

Derselbe Stadtschreiber Friedr. Eybanger liatte schon im Jahre 1382 ein Privilegien- und Zins buch der Stadt Plauen angelegt; das Original desselben ist zwar verloren gegangen, jedoch hat sich im kgl. bayer. Kreisarchiv zu Bamberg eine genaue Abschiift von der Hand des früheren Schulrektors P. D. Longolius erhalten^''").

Rofswein. Die Stadt Roiswein gehörte dem Abt zu Altzelle, der auch die Obergerichte hatte und durch seinen

1") Deutsche Reichstag-sakten 11,157— l(i7 Nr. 72. Vergl. L iiidn e r, Gesch. des deutschen Reiches unter K. Wenzel II, «4, 105.

^-'^) Auch in der unten zu erwähnenden Privilegiensannnlung- von 1382.

129) J. Müller im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1879 Nr. 9, S. 261 f.; dazu Distel, Beiträge etc. a. a. 0. 90.

130) Hiernach ist das Zinsregister u. a. abgedruckt von Joli. Müller in den Mitteil, des Alterthums Vereins zu l'lauen i. V., V, CLIII fgg.

208 Hubert Ermisch:

Klostervogt verwalten liels; die Erbgericlite dagegen waren dem aus 12 Personen einsclilielslicli des Bürger- meisters bestehenden Rate^-'^) übertragen und wurden von einem Stadtrichter wahrgenommen, w^elchen der Rat zu wählen und der Abt zu bestätigen hatte ^•'■-). Ein be- sonderes Schöffeukolleg gab es nicht; die Ratmannen, auch oft geschworene Schöffen genannt^-'"), bildeten die Beisitzer des Gerichts.

Von grolsem Interesse sind die beiden Rofs weiner Stadtbücher^^^^):

(I.) Das Stadtbuch 1430-1553, ehi Folioband von 284 Bll. Pap. (ohne das im 16. Jahrhundert ange- heftete Register) in mittelalterlichem Einbände (Holz- deckel mit rotem Lederüberzug, Buckeln und nicht mehr vorhandenen Schliefsen) mit dem von einer Hand des 16. oder 17. Jahi-hunderts herrührenden Rückentitel: „Stadt- umicl Kauff-Buch de anno 1422 (!) hiß 1464 (!)" hat schon im vorigen Jahrhundert einen fleifsigen JBe- nutzer in Joh. Konr. Knauth gefunden, der ihm einen grolsen Teil der in seiner Alt zellischen Chronik mitge- teilten Dokumente entnommen hat^""'). Es wurde wohl im Jahre 1430 (auf fol. 2) begonnen ^■^*'). Der reichliche freie Raum, der von vorn, herein zwischen den enizelnen Einträgen gelassen wurde, forderte zu Nachträgen auf; daher ist die chronologische Reihenfolge der Notizen ziemlich verwirrt.

Den Hauptinhalt des Buches bilden die Verlaut- barungen von Privatgeschäften. Da den Sitzungen des

131) Vergl. Beyer, Altzelle, S. 454.

132) Yergl. die Urkunde des Markgrafen Wilhelm vom 18. Jan. 1382 (nicht IH. .Tau. 1322) in Gautschs Archiv I, 21. Beyer, a. a. 0. S. 630, vergl. S. 206. Die Angabe ebenda S. 356 fg., wonach Rofswein bis 1388 keine Gerichtsbarkeit besessen habe, stimmt nicht zu der eben erwähnten Urkunde und beruht wohl auf falscher Inter- pretation der dort angeführten Urkunde von 1388, Aug. 10. Ganz ungenau ist Knauth, Altzeil. Chronik, III, 32 fg.

1**^) bürgere und gesivorne schepfin: Orr. des HStA. Dresden Nr. 4586, 4646 (1387, Juni 29 und 1388, Aug. 10), vergl. Beyer a. a. 0. S. 637 fg.

1»*) HStA. Dresden, Loc. 9904 (abgegeben vom Kgl. Amtsgericht Rofsweiu).

13'-') Kna.uth, Altzeil. Chronik, VIII, 96 fgg.

1-8) Wenn sich fol. 1 ein Vermerk von 1429 findet, so beruht die Jahreszahl auf einem Schreibfehler und soll 1439 heifsen, wie ein Vergleich mit dem darauf folgenden Eintrag und mit der Rats- linie von 1439 (fol. 10) beweist.

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 209

Rates in der Regel auch der Richter beiwohnte und die- selben Personen im gehegten Dinge, das wohl meist in der Ratstube stattfand^^'), anwesend waren^'^''), so ist es begreiflich, dals ein Unterschied zwischen Verlautbarungen an dieser und an jener Stelle nicht gemacht wiu'de^'^'^) ; erst seit Anlegung eines besonderen Gerichtsbuches wur- den die Verhandlungen im Dinge meist in dieses und nur ausnahmsweise in das Stadtbuch emgetragen (z. B. fol. 44).

Ferner wiu-den zahlreiclie Urfehden in das Stadt- buch aufgenommen (fol. 1, 5 b, 14 b, 21, 26 b, 32,45,51b, 53 bi*"), 165 b, 257, 282 b, 283 b).

Viele andere Einträge betreffen städtische Geschäfte. So finden wir z. B. ein Verzeichnis der „Scheunen- zinsen" (fol. Ib), Bemerkungen über den Kauf des Kündige-Vorwerks 1430 (fol. 2)^^^), der Badestube 14.55 (fol. 20b), über Summen, welche die Stadt einem neuen Altar schuldet (fol. 6, 7)^*-), Abreclinungen wegen der zum h. Kreuz, zum Salve in der Pfarrkirche (fol. 13, 13 b), zu verschiedenen Altären, dem Kaland, dem Spital ge- hörigen Gelder, wegen Anlegung und Unterhaltung der Wasserleitung 1447 (fol. 48 b, resp. fol. 81) u. dergi. m. Manche Urkunden wurden abschriftlich aufgenommen, so eine Urkunde des Abts Johannes für die Bäckerinnung 1454 (fol. 18), zwei landesherrliche Schreiben von 1467 und 1469, sowie ein Schreiben des Rats zu Döbeln von 1471 wegen des Zolles an der Lommatzscher Stralse (fol. 27 b, 28, 41)1*=*), gjjj Vergleich zwischen dem Rate und dem Pfarrer wegen gewisser Messen 1499 (fol. 84).

Die laufenden Einträge schliefen auf fol. 258 mit dem Jalii-e 1553. Auf den letzten Bll. findet sich noch in buntem Durcheinander eine Reihe zu verschiedenen Zeiten gemachter Einträge aus den Jahren 1430 (fol. 275 b) bis 1.528 (fol. 258bfgg.), die teüweise zu den interessantesten des ganzen Bandes gehören; so neben

13'') Der Rat sitzt in der ratstobin im gehegten Dinge, fol. 11.

"«) Demselben wohnten zuweilen auch Klosterbeamte (Kloster- vogt, Bursarius) bei.

^3") N. N. erscheint „vor dem sitzenden Rate und gehegter Bank" (fol. 5, 58''), „am Mittwoch nach Audreac. äy czeid dwgk tvas, vor nnserm sitzenden Rate" (fol. 8'>) u. ö.

1*0) Knauth, VIII, 178.

1") Ebenda 99.

142) Ebenda 96 fgg.

1«) Ebenda 168 fgg. 173.

Neues ArcUiv f. Ö. (i. u. A. X. 3. 4. A*

210 Hubert Ermisch:

Eichtungeu und Teidigungen mancher Art, darunter (fol. 276) auch eine Totschlagsühne von 1442 1^=^''), Ab- rechnungen in Nachlalssachen und über Mündelgekler, mannichfache Zins- und Darlehnsgeschäfte der Stadt und einzelner, mehrere Leipziger Schöftensprüche des 15. Jahrhunderts, meist erbrechtlichen Inhalts (fol. 274 1j, 277 1>, 286), eine Eolsweiner Willkür von 1464 über Heer- gewette und Gerade (fol. 2d>l^^)^^'^), eine litera scahinormn de Dohelin obir gerathe und hergerefhe aus derselben Zeit (fol. 282), die Konfirmation der Eolsweiner Willkür durch Herzog Georg 1528 (fol. 258 1j)^^'^) u. dergl. m.

Manche dieser Eintragungen wurden wohl zu ge- wissen Zeiten öffentlich verlesen. So befiehlt Abt Johann von Altzelle am Schlüsse einer Bestätigung mehrerer von allen Innungen zu beobachtender Satzungen von 1465 (fol. 278 1>): „das sy dy in ir stathuch schreiben

sollen lasen das sy alle jar jerlichin zcu ewigen

geczeiten, so man eynen nuifen ratJi lestetigit, stäche artikel in keginicertikeit der ganczen gemeine iren stat- schr eiber offintlichen lasen lesen, uff das sich der nymandis mag entschuldigen umvissenlieit halben".

Dieser Eintrag ist zur Beglaubigung vom Stadt- schreiber (notarius juratvs) unterschrieben und dasselbe ist bei manchen anderen der Fall: ein Brauch, der mir sonst nicht begegnet ist.

(II.) Noch mehr fesselt unser Interesse das Eofs-

weiner Gerichts buch 1468—1530. ein Folioband von

232 beschriebenen und einer Anzahl unbeschriebenen BIL

in Holzdeckeln, die nur zur Hälfte mit Leder überzogen

sind, mit Ledeiriemen , denen zwei Löcher im vorderen

Deckel entsprechen, zum Verschluls. Der Titel des

Buches (fol. 1) lautet:

In nomine domini amen. Quouiam memoria hominum labilis est et caduca et ea, que agiintur ab hominibus, faciliter con- tigit oblivi.sci. necesse est, ne ipsa per processum tempoiis evanes- cant, ut scriptiire et litterarum testimonio roborentur et soliilentnr. Item anno domini millesimo quadringentesimo sexagesimo octavo in dedicacione sancte Czelle dy czeit er Johannes Hyluer ein herre uude abt des loplichcn elosters unser lieben frauwen zcur Czelle , i^t bestetiget dyfs richtes buch dy czeit Nickel Aylhelm magister civium unde Donatus Sneyder judex. Unde in dreyen wochen do starp Donatus Sneyder de sede judici (sie). Do wort richter dornach gekorn

"ä») Knauth a. a. O. 103. 1^) Ebenda 161. '"5) Ebenda 284.

Die Sachs. Stadtbüclier des Mittelalters. 211

unde gesatcz [tj Erantcze Reichwan unde dy czeit waren geswornii burger (es folgen 11 Namen) nnde auch dj' czeit ein bur.sarius der stad ßosvvin Philippus unde notarius Johannes Wilde, plebanus Jo- hannes Berwalde de Czwigkaw.

Hierauf folgen auf fol. 1 b einige Vermerke über die Höhe der Biilse und Wette ^^'^).

Das Buch wurde in drei Teile eingeteilt:..

a) Der erste Teil (fol. 2 56) hat die Überschrift Bespice ad judidum vigirosum ^^') secundtim ordinem und ist der interessanteste, insofern er uns Einblicke in das Verfahren bei streitigen Sachen gewährt. Den Hauptinhalt bilden die vor der gehegten Dingbank (im Vogt- oder Hauptdinge, im gehegten oder gemachten Dinge, Notdinge, Gastdinge oder gekauften Dinge) vorgebrachten Klagen um Gut, um Schuld, um Be- leidigungen, Wimden, Totschlag, Hausfriedensbruch u. s. w. , die Vorladungen der Beklagten, gelegentliche Bekenntnisse des Gerichts über mit der Verhandlung zu- sammenhängende Besichtigungen u. ä. Seltener sind, namentlich in älterer Zeit, die Antworten der Beklagten, wohl deswegen, weil dieselben vielfach, wTnn sie sich nicht durch Flucht der gerichtlichen Verhandlung ent- zogen, nach Einleitung des Verfahi^ens einen gütlichen Ausgleich suchten. Von besonderem Interesse sind die zahlreichen Erkenntnisse7 w^elche die Schöffen in gehegter Bank geteilt haben.

Neben diesen Vermerken haben noch manche Dinge Aufnahme gefunden, die eigentlich in andere Abteilungen des Buches gehören, wie Schuldbekenntnisse (z. B. fol. 1), Verzichte, mannichfache Teidigungen, eine Wahl zum Vor- mund (fol. 14), eine Urfehde (fol. 51'»); einmal auch eine Verhandlung vor dem sitzenden Eate, die man eher im Stadtbucl). suchen würde.

Fortgeführt ist dieser Teil bis zum Jahre 1515.

b) Der zweite Teil (fol. 10yh_l93) beginnt mit der Überschrift: Besjnce ad arrestacionem secunduui ordinem 1«) und reicht von 1468 bis 1530. Er enthält

"6) Item dy busse vor gei'ichte ist \\l gute gr. Item dy wette halp so vil. Item dy busse meyns heru stehlt zcu meins hern gnad.

1'') Dieselbe AVortfoim wiederholt sich ganz deutlich noch mehrmals auf fol. 2, 2''. rigorosiis = kräftig (Diefteidiacb. Gloss. Lat.-Germ. S. 619), also Judicium vigorosiim, ein Ding, „da alle Dinge Ki-aft und Macht haben*.

"^) Es folgen noch einige undeutliche Worte, etwa: et stiper- aäde nnins anni (??).

14*

212 Hubert Ermiscü:

.Beschlagnahmen (hommer), Gelöbnisse von Bürgen, Ver- pfändungen; dieselben erfolgten meist nur vor dem Richter, oft aber auch im gehegten Dinge. Bald werden auch andere Sachen eingetragen, Verzichte, Abrech- nungen in Schuldsachen, Erbvergleiche u. dergi., und seit 149U tritt die ursprüngliche Bestimmung dieses Teils mehr und mehr hinter Einträgen der letzteren Art zurück.

c) Der dritte Teil endlich ist betitelt: Dy entrich- timge ader gelt einzculegene in gerichte. Er beginnt fol. 19 1j mit dem Jahre 1468 und wird bis 1488 (fol. 232) geführt; eine weitere Fortsetzung unter gleicher Auf- schrift 1488—1526 findet sich fol. 58—108. Dieser Teil enthält allerhand Vergleiche (auch Totschlagsühnen fol. 65, 232), Abrechnungen, Verzichte, Verpfändungen, Schuldbekenntnisse u. s. w. vor dem Richter und zu- weilen vor dem gehegten Dinge, berührt sich also nahe mit dem 2. Teile in seiner späteren Form. Auch eine Urfehde findet sich darin (fol. 67 b).

Thum.

Auch in dem Städtchen Thum, wo die Gemeinde- behörde aus einem Erbrichter und 6 Schöffen bestand, hat sich ein Gericht sbuch^^-') erhalten, ein Band von 63 Bll. Pap. In älterer Zeit wird es stets als „Schöffen- buch", später auch als „Gerichtsbuch" (fol.3), „Gerichts- und Schöffenbuch" (fol. 26), auch wohl als das „grolse Gerichtsbuch" bezeichnet. Es wurde im Jahre 1445 an- gelegt; die Überschrift lautet:

Also man schreybit nach gotes gebort m'^cccc" xlv jor am montage nach Walpurgis ist dis buch angehabin von clezin nochge- schrebin richter unde scheppin mit namen Prancze Smelczir erprich- ter, Steffan Flegil, Endreas Richter, Endirleyn Yrmisch, Nickel Bottener, Peter Haller, Peter Smet. Wir genanttin richter unde scheppin habin dis buch off unsrira eyt offgenomen und was dorein geschrebin wirf, das wol wir thun eyme alzo dem andern ydirmau zcu seyner gerechtikeyt bey unserm eyde, den wir gethan habin, und w'ollin das unsirn nochkommen allewegyn, weichin das geborgt, - uf eryn eyt antwertin unde entfelin.

Das Buch enthält Rechtsgeschäfte, die vor Richter und Schöffen, meist im gehegten Dinge, verlautbart worden, auch einen Urfrieden (fol. Hb), jedoch weder Willküren noch städtische Geschäfte irgend welcher Art.

1*8) HStA. Dresden, Loc. 9916 (aus dem Kgl. Amtsgericht zu Ehr enfri ed ersd orf ).

Die Sachs. Stadtbücher des Mittelalters. 213

Es reicht bis 1552; übrigens sind die Einträge sehr spärlich, und viele Jahre sind vergangen, ohne dafs das Buch benutzt worden wäre. Nachgetragen sind noch zwei Einträge von 1580 (fol. 49 b) und unter der Auf- schiift „Folget uffs nauhe ivelche ihre Güte?- erkanfft undt in hellen genomen, ivie ernachei' folget und zu er- seJien'' kurze Vermerke über Auflassungen u. s. w. 1577 bis 1586 (fol. 52), endlich ein ebenfalls aus dem 16. Jahr- hundert stammendes Verzeichnis des hergeret tvaß ein ider wir dt uff sainem gute c^u halden schuldigl:

Zwickau^-^**).

In Zwickau waren Rat und Stadtgericht getrennt; der erstere hatte jährlich den Stadtrichter und vier Schöffen zu wählen^'^^).

Die Stadtbücher sind leider sehr unvollständig erhalten. Die interessanteste Handschrift des Eatsarchivs ist ohne Zweifel der Codex statutorum Zviccavieusium; sie enthält neben Abschriften von städtischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, einigen späteren Schöffen- sprüchen, Eidesformeln u. dergl. hauptsächlich das im Jahre 1348 zusammengestellte Stadtrecht, zu dem als Ergänzung später noch einzelne Eatsbeschlüsse, Innungs- ordnungen u. dergl. kamen. Sie gehört also nicht zu den Stadtbüchern im engeren Sinne, und wir können von einer eingehenderen Beschreibung um so eher absehen, als eine solche bereits früher gegeben worden ist^''-) und eine Veröffentlichung der meisten Stücke im Codex diplomat. Saxon. reg. in naher Aussicht steht.

Eine zweite Handschrift des Ratsarcliivs , ein statt- licher Folioband von 119 Bll. Pap. in mittelalterlichem Einband (Holzdeckel mit rotem Leder überzogen und mit Buckeln und Schliefsen versehen) trägt_ auf fol. 1 die wohl im 15. Jahrhundert hinzugefügte Überschrift Liber proscriptorum. Ursprünglich war der Zweck des Buches jedoch ein weiterer, als man hiernach annehmen sollte; der Rat bezeichnet es einmal als registrum nostrum (fol. 119 13). Der älteste Eintrag findet sich am Schlüsse

^^), Die hier besprochenen Bücher konnte icli erst nach dem Drucke der ersten Hälfte dieses Aufsatzes einsehen, weshalb sie in der Einleitung nicht mit l)erücksiclitiut sind.

^■'^) Herzog, Chronik von Zwickau 1, 2tjl.

152) Herzog in Gautschs Archiv f. sächs. Gesch. I, 86 fgg.

214 Hubert Eimisch:

des Bandes und ist ein Erbvergleich von 1352. In regel- mälsigen Gebrauch nahm man das Buch erst 1367. Ein- getragen wurden in den ersten Jahren verschiedene vor dem Rate verlautbarte Rechtsgeschäfte (ein Vermächtnis Ibl. 1, eine Verpfändung fol, 11^, Auflassungen fol 1, 2 b u. ü.), Vermerke über die Bürgenstellung von Ange- klagten, ferner über städtische Angelegenheiten (Auf- nahme von Spitalgeldern fol. 1 ; Vergleich wegen Unter- haltung der Rinnen in dem neuen Marstallgebäude fol. 1 b; gütliche Sühne der Stadt mit denen von Rybinstorff^'^-^) fol. 4 b) u. dergi. m. Seit etwa 1379 aber wurde das Buch nur noch für die Eintragung von Stadtverweisungen, Urfehden und ähnlichen vor dem Stadtrat erfolgten Ver- handlungen gebraucht. Da im Anfang des Jahres in der Regel die Namen des Bürgermeisters und der Ratsmit- glieder genannt werden, so ist das Buch für die Her- stellung der Zwickauer Ratslinie von Interesse. Bis 1375 finden sich einzelne lateinische Einträge; später ist die Sprache durchweg deutsch. Das Buch wurde bis zum Jahre 1538 fortgeführt.

Von den eigentlichen Stadt- und Gerichtsbüchern haben sich die älteren sämtlich nicht auffinden lassen. Die vorhandenen beginnen erst mit dem Jalire 1486. Es sind folgende ^■'^'*):

(I.) Stadt- und Gerichtsbuch I, ein starker (un- foliierter) Band in weichem, gelben Pergamentdeckel mit der Aufschrift Staf und gericJtfshnch imjar des L XXXV 1 his aufs XCII , helt sechs jar; es wird sonst auch viel- fach als „Stadtbuch" bezeichnet ^■^■^). Es enthält einmal kurze Aufzeichnungen über die Verhandlungen in den ordentlichen Gerichten (Judicium legale, commune) und den Gastgerichten {Judicium hospitale), über Klagen, Ant- worten, Zeugenaussagen, Pfandsetzungen, Urtelu. dergl. m., würde also hiernach in die Klasse der oben^'**') als Ge- i'ichtsregistei' bezeichneten Bücher gehören. Daneben aber finden sich auch zahlreiche Verlautbarungen über teils vor dem Richter, teils auch vor dem Rate vor- genommene Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, über

153) Vergl. Herzog II, 81, der überhaupt die Handschr. mehr- fach benutzt hat.

^•''') Sämtlich im Archiv des Kgl. Amtsgerichts zu Zwickau.

'■''■'') Irrtümlich ist die neuere ßückenaufschrift „Schultheifs- gerichtsbuch".

i"^«) S. 104.

Die säclis. Stadtbücher des Mittelalters. 215

Aiiflassuugen und Verziclite, Sclienkiingen. Vei-träge der mamiiclifachsteii Art, letztwillige Verfügungen u. s. w. Auch wurden vielfach die betreffenden Urkunden ab- schriftlich aufgenommen. Verschiedene auf einzelne Verhandlungen bezügliche Schriftstücke sind beigelegt worden. Ein alphabetisches Register schlieist den Band. Mit der städtischen Verwaltung hat das Stadtbuch nichts zu thun.

Ganz gleichen Charakter hat das Stadt- und Gerichtsbuch II, das die Jahre 1405 1498 umfalst; das zwischen beide gehörige, ebenso wie das die folgen- den Jahre bis zum Schlüsse des Jahrhunderts behan- delnde Buch waren nicht aufzufinden.

(II.) Neben dem Stadtgericht bestand für das Weicli- bild der Stadt außerhalb der Eingmauern das Oster- weihe-Schultheifsgericht^'"'^). Die vor diesem statt- gehabten Verhandlungen enthalten die Schultheifs- bücher. Das älteste, ebenfalls in weichem Pergament- umschlag geheftet und unfoliiert (Papier), umfalst die Jahre 1486 1492,, das zweite, in geprelstes braunes Leder gebunden, die Jahre 1492 1500. Näher auf ihren Inhalt einzuo-ehen ist nicht erforderlich.

'o^

Damit ist die Zahl der mir bekannt gewordenen mittelalterlichen Stadt- und Gerichtsbücher, welche sich in den Städten des Königreichs Sachsen finden, erschöpft, und ich möchte schlielslich nur nochmals meine bereits oben ausgesprochene Bitte wiederholen, über neuerdings sich noch auffindende Handschriften dieser Art^''*) mir gefällige Mitteilungen zugehen zu lassen.

157) Vergl. Herzog- I, 262.

158) "Wie zerstreut dieselben sind, geht z. B. daraus hervor, dafs (nach freundlicher Angal)e des Itcrrn l^ihliothekai' Dr. rorl1)ach in Halle a. S.) die künigl. Universitätsbibliothek zu Königsberg i. Pr. (Gottholdsche Bibliothek) ein Stadtbuch von Delitzsch (14. bis 15. .Tahiliundcrt) liesitzt, was ich nachträglich /u S. 85 N. 22 bemcike. Üb(^r Dorfgerichtsbücher (S. 103 N. 102) aus (T(>ineinden der Zit- tauer Ucgend sowie über die Verbindung der Stellen eines Schul- meisters und Gerichtsschreibers (S. 91) und eine Taxe für Eintra- gungen in die (jerichtsbücher (S. lüBfg.) vergl. Knothe, Die Stellung der Gutsuntei'thaucn in der Oberlausitz (Sep.-Abdr. aus dem Neuen Lansitzer Mag. LXl) S. 55 fg. und desselben (irsclijclitc des Fleckens Hirschfelde S. 82 fgg.

X.

Kursacliseu und die Verliandliingeu über den Augsburger Eeligionsfrieden.

Von

Ludwig Schwabe.

Der Aug-sburger Religionsfriede bildet den Absclilufs in jener Reihe reichsständischer Beschlüsse, die von dem Wormser Absclüed von 1521 ab die deutsche Kirchen- revolution in gesetzliche Bahnen zu lenken versuchten. Man wird trotz der Schwankungen, welche die undeutsche Politik Kaiser Karls V. während dieser ganzen Zeit in die stetige Entwickelung unserer vaterländischen Dinge hineintrug, in allen den Äulserungen.j'ener kirchen- politischen Gesetzgebung eine gewisse Übereinstimmung der Grundanschauung und eine bestimmte Richtung, in welcher sie sich der Lösung der ihr gestellten Aufgabe näherten, keineswegs verkennen: indem sie durchaus an der idealen Einheit wenigstens der deutschen Kirche fest- hielten, erkannten sie doch deren Reformbedürftigkeit ausdrücklich an und suchten dieser letzteren von Schritt zu Schritt mehr in einer Weise abzuhelfen, die auch den protestantischen Neuerern annehmbar erscheinen sollte. Das Augsburger Kirchengesetz von 1555, welches diese Grundgedanken noch einmal in einem für die Neu- gläubigen verheißungsvollen Sinne formulierte, enthielt zugleich die Ansätze zu einer vollständig veränderten Fundamentalauffassung, welche jener früheren in Wahr- heit geradezu entgegengesetzt war. Es liels zwar, wie gesagt, auf der einen Seite die Forderung einer unge- teilten Kirche und deren Reform auf „friedlichem, freund-

Kiirsachseu imd der Augsburger Religionsfriede. 217

lichem und christlichem" Wege, d. h. unter voller Be- rücksichtigung auch der protestantischen Anschauungen, mit nichten fallen, doch falste es andererseits schon einen Zustand als möglich ins Auge, bei welchem jene Einheit als dauernd aufgehoben angesehen war. Wir wissen, wie von nun an jene erstere Auffassung in immer verschwin- dendere Ferne trat, während diese letztere sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr in den öifentlichen Einrich- tungen der Nation befestigte. Das Religionsgesetz, dessen Paragraphen diese Wandlung der Dinge in eigentümlicher Weise zum Ausdruck bringen, bildet sonach in der That den offiziellen Ausgangspunkt für die Geschichte des paritätischen Deutschland.

Hierin erschöpft sich jedoch auch seine geschicht- liche Bedeutung. Der Augsburger Eeligionsfrieden hat die neuen Zustände zwar eingeleitet und gleichsam pro- logisiert, dafs er aber durch die lebendige Kraft seiner beschworenen Bestimmungen eine thatsächliche Ein- wirkung auf ihre Gestaltung ausgeübt, wird sich schwer- lich nachweisen lassen. Denn gerade in der ebenbezeich- neten Zweiseitigkeit der ihn beherrschenden Grund- anschauungen liegt die Halbheit und Wesenlosigkeit seines Inhalts begründet, von der schon so häufig die Eede gewesen. Da er den konfessionellen Frieden gebot zugleich aber jene Forderung einer idealen Kirchen- einheit nicht fallen liefs, und also einerseits die hadernden Geister bei den Waffen hielt, die er ihnen andererseits niederzulegen gebot, so geschah es, dals bei dem Wider- streit der sich entgegenstehenden Prinzipien keine seiner wichtigeren Bestimmungen zur klaren Ausgestaltung ge- langte, mit Ausnahme einer einzigen: der Festsetzung des Friedens selbst. Und aucli diese kann ich nicht für so bedeutungsvoll halten, als es zu geschehen pflegt. Denn einen Frieden kann man wohl schlielsen, indessen darauf kommt es nicht an; die Hauptsache ist, dals er gehalten wird. Wo aber lag die Gewähr dafür in den Abmachungen, wie man sie zu Augsburg getroffen hat? Ja, wenn das Reich, welches den Frieden gebot und garantierte, eine Macht gewesen wäre, welche aulser oder über den Parteien stand! So aber war es doch nur die Summe der die Parteien bildenden JMächte selbst und der Garant des Friedens war nichts anderes als die versöhnliche Stimmung der ihn schliclsenden Stände. Änderte sich diese Stimmung, so war es auch um den

218 L. Schwabe:

Frieden geschehen; blieb sie aber, so hatte man den Frieden, auch ohne dals er feierlich geschlossen nnd be- urkundet war.

Demgemäliä bestimmt sich auch die Aufgabe, welche durch den Augsburger Friedensschluls der geschichtlichen Betrachtung gestellt ist. In Hinsicht auf die Folgezeit wird es sich minder darum handeln, die Entwickelung der Dinge zu verfolgen, wie sie sich auf Grundlage dieser Friedensbestimmungen gestaltet hat, als vielmehr darzuthun, wie sich diese Entwickelung vollzog, obgleich eine solche gesetzliche Grundlage thatsächlich nicht oder wenigstens nur scheinbar existierte. Nach dieser Rich- tung gewährt die Geschichte des Gesetzes ein nur nega- tives Interesse. Um so wichtiger wird die Frage nach seiner Entstehung und also darnach, wie es denn eigent- lich geschah, dafs man in dieser entscheidungsreichen Stunde zu diesen und keinen anderen Beschllissen ge- kommen ist. Die Antwort wird vollständig nur eine Betrachtung der gesamten voraufgehenden kirchlichen und politischen Bewegungen zu geben im stände sein; zum Teil ist sie in der Geschichte der Augsburger Ver- handlungen selbst enthalten. Indem wir den Anteil zu erörtern suchen, welchen Kurfürst August von Sachsen und seine Vertreter an den letzteren genommen haben, hoffen wir einiges zum besseren Verständnis derselben beizutragen. Wir hoffen damit zugleich ein Stück säch- sischer Geschichte in helleres Licht zu setzen, und zwar, wie ins Auge springt, kein unwichtiges. Denn wie die einzelnen politischen Bildungen zu den weltgeschichtlichen Differenzen ihre Stellung wählen, darin liegt ja ihr Schicksal zugleich und ihre historische Bedeutung ^j.

^) In beziig auf die gedruckten Quellen und die Litteratnr verweise ich auf Maurenbrecher, Beiträge zur deutschen üe- schichte 1555—1559, in Sybels bist. Zeitschrift, L (1883), 1, Note 1. Vergl. aufserdem M. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation etc. (1886), S. 79 ff'., A. Kühn, Das Verhältnis des Augsburger Religionsfriedens zu der inneren Entwickelung des Reichs, 1888 (Programm des Eutmer Gymnasiums) und A. Lent, Der Augsburger Reichstag von 1555 uiid das Haus Brandenburg, Berlin 1884. Eine eingehende Darstellung der Augsburger Ab- machungen gab Ritter in seinem Aufsatz „Der Augsburger Reli- gionsfriede" (Historisches Taschenbuch, Folge VI, 1 (1882), 215-264), mit dem wir uns im folgenden des öfteren auseinanderzusetzen haben werden. An ungedrucktem Material konnte ich die Archivalien des Dresdner Hauptstaatsarchivs und zwei niii- freundlichst zugesandte

Kiu-sachsen mul der Aiigsburger Religioiisfrierle. 219

Was die von dem sächsischen Kurfürsten in aus- schlaggebender Weise mitbestimmte Politik auf dem Augs- burger Reichstag erreicht hat, liegt in dem Friedensgesetz selbst vor aller Augen. Wie entsprach dieses Ergebnis den Zielen, av eiche sich der Kurfürst bei Fertigstellung des Gesetzes gesteckt hatte? Welche Mittel setzte er in Bewegung, um zu diesen Zielen zu gelangen? Wie kam es, dals er sie unter Anwendung solcher Mittel er- reichte oder verfehlte, oder halb erreichte und halb ver- fehlte?

Orientieren wir uns zunächst darüber, worin die protestantischen Interessen als solche bei Erlais des Kirchengesetzes bestanden, ehe wir weiterhin jene erste Frage erörtern, wie sie August verstand oder inwieweit er sie zu vertreten gedachte. Das dürfte schon nach dem Bisherigen feststehen, dals mit der blofsen reichs- rechtlichen Sicherstellung des evangelischen Kirchen- wesens noch so gut wie nichts erreicht Avar. Denn zweifellos wird es auch künftighin nicht der Buchstabe des Gesetzes sein, Avelcher die alte Kirche zu einer Duldung der neuen bewegen wird, dei-en Existenzberech- tigung sie im Prinzipe verneint, sondern vielmehr die lebendige und thatsächliche Macht dieses gegnerischen Bekenntnisses selbst, der sie auch jetzt nur im Drange der höchsten Not zu weichen im Begriffe steht. Die Macht eines religiösen Bekenntnisses liegt nun, schon rein äufserlich genommen, in der Zahl seiner Bekenner; wenn sie außerdem ihrem inneren Grunde nach in der Überzeugtheit zu suchen ist, mit der das betreffende Bekenntnis als die allgemein gültige Wahrheit von seinen Gläubigen erfafst und vertreten wird, so kann

Bände der Reichstagsakten des Stuttgarter Archivs benutzen. Die Berichte der kurbrandenburgischen Ciesandten liabe icli in Auszügen eingesehen, die mir Herr Geh. Ilegierungsrat Dr. Hassel gütigst zur Verfügung stellte. Die für den vorliogenden Zweck ohne \er- gleich wichtigste Quelle waren natürlich die schon von Kanke be- nutzten vier Bände der Gesandtschaftsberichte Lindenianns und Krams (im Folgenden citiert I, II etc.); es ist jedoch in bezug auf sie zweierlei zu bemerken: D so ausführlich sie sind, die Benutzung des ebenfalls im Dresdner Archive befinilliclien Protokolls machen siekeines- wegs überflüssig, und 2) einschreiben der Räte, und zwar vielleicht gerade das interessanteste, über die Schlufsberatungen vom 20. Sep- tember, ist in ihnen nicht enthalten, sondern ist schon im Ifi. .Jahr- hundert in ein anderes Faszikel geraten: ili, 113, fol. 126, Nr. 2, Bl. 106—140.

220 L. Schwabe:

eine gesunde Kirchenpolitik ohne Streben nach Allein- herrschaft oder wenigstens nach möglichster Ausbreitung der fraglichen Lehr- und Kirchenform ganz gewils nicht gedacht werden. Dieses letztere als den Prinzipien des Protestantismus widerstrebend zu bezeichnen, hielse das Wesen der Religion selbst verkennen. In der Beziehung traf er vielmehr mit dem Katholizismus vollständig zu- sammen, auseinander gingen sie nur in der Wahl der Mittel, welche beide zu demselben Zwecke anzustrengen suchten. Die Altgläubigen wünschten für ihre Kirche wo- möglich die Alleinherrschaft, jedenfalls aber das gröfst- mögliche Geltungsgebiet kraft ihres Kirchenprinzipes und vermöge einer tausendjährigen Praxis durch das Gesetz selbst festgestellt. Die Protestanten wollten die Ausbrei- tung ihrer Lehre durch die bestehenden Konstitutionen nur nicht behindert sehen. Einmal hätte ein Bekenntnis- zwang im katholischen Sinne den eigensten Grund- gedanken des Protestantismus widersprochen, der nach dieser Richtung, um Rankes klassischen Ausdruck zu ge- brauchen, entschieden nicht bekehrender Natur ist,., und zweitens waren die Lutheraner selbst der festen Über- zeugung, dals ihre Lehre auch ohne äufsere Unterstützung aus der ihr innewohnenden Kraft sich selbst verbreiten würde, sofern ihr nur Raum und Luft gelassen war. Indem sie also diese Ausbreitung selbst dem Genius des evangelischen Bekenntnisses überlassen durfte, blieb der protestantischen Kirchenpolitik nichts weiter zu thun, als diesem letzteren Preiheit der Bewegung und Weite des Wirkungskreises zu sichern.

Politische, auch kirchenpolitische Fragen sind nun immer Machtfragen. Auf dem Gebiete der inneren Politik, mit dem wir es hier zu thun haben, beruht die Macht in dem verfassungsmäßigen Anteil an der Re- gierungsgewalt. So konnte es sich auch für diesen Fall im letzten Grunde nur darum handeln, dem protestan- tischen Teile der Nation den möglichst grolisen, zum mindesten den seiner politischen Bedeutung entsprechen- den Einfluls auf die Reichsregierung zu sichern. Hatten die Protestanten hier die ausschlaggebende Gewalt er- rungen, so war auch (indem sie alsdann eine jede der Ausbreitung ihrer Lehre entgegenstehende Malsnahme der Gegenpartei zu verhindern in der Lage waren) die Zukunft ihres Bekenntnisses innerhalb des Reiches ge- sichert. Es galt also eine Revision der Reichsverfassung

Kursachsen mul der Augsbiirger Keligioiisfriede. 221

durchzusetzen oder vorzubereiten nach Maisgabe des gegenwärtigen Machtverhältnisses der kirchlichen Par- teien, Dals nach dieser lÜchtung hin ums Jahr 1555 das entschiedenste Milsverhältnis bestand, darüber wird wohl billig kein Zweifel erhoben werden können.

Ganz abgesehen von der Überzeugung der Unter- thanen es sei in dieser Beziehung die vielangeführte Äulserung des Badoero zu wiederholen gestattet, der damals auf 10 Menschen in Deutschland 9 Nichtkatho- liken rechnete waren die protestantischen Reichs- stände in Ansehung ihres territorialen Besitzstandes und ihrer politischen Machtstellung den altkirchlichen wenn nicht überlegen, so doch zum mindesten gewachsen. Dazu war die Gesinnung dieser letzteren, besonders so- weit sie weltlich waren, nichts weniger als erbittert anti- l)rotestan tisch; bei dem letzten Waft'engang zwischen den Glaubensparteien hatte es sich gezeigt, dafs selbst Inhaber der reichsständischen Hochstifter geneigt waren, eine Mittelstellung einzunehmen^). Diese Sachlage kam ja nun auch, sobald wie zu Passau „die Hellebarden vor den Thüren der Beratungszimmer lehnten", in den stän- dischen Beschlüssen zum Ausdruck; indessen die for- melle, gesetzliche Ordnung der obersten Reichsgewalt, auf die es in friedlichen Zuständen denn doch in erster Linie ankam, entsprach ihr keineswegs. Befand sie sich doch zum guten Teile in den Händen des habsburgisch- katholischen Kaisers und der katholisch gesinnten Majo- rität der geistlichen reichsständischen Stinmien, deren man 50 gegen 30 weltliche zählte. Dieses Zahlen- verhältnis war, auch abgesehen von dem Bekenntnisstand jener 50, ein verfassungsrechtlicher Nonsens; durch letzteren wurde es zu einer schreienden Ungerechtigkeit gegen die protestantische Minorität.

Es ergiebt sich hieraus von selbst, was die Pro- testanten zu erstreben hatten: einmal mufsten sie den Einfluls der kaiserlichen Gewalt und der altkirchlich ge- sinnten Reichsstände, insoweit er sich zu (lunsten der gegnerischen Kirche geltend machen konnte, zu unter- graben und andererseits die geistlichen Stinnnen, insoweit sie katholisch bleiben wollten, in die Minderheit zu di-ängen suchen. Jenes war zu erreichen, indem sie mittelst that-

2) Fortwährend zirkulierten Gerüchte über den bevorstehenden Übertritt hochstehender Geistlicher. Vergl. I, 98'>.

222 Ij- Schwabe:

kräftiger Unterstützung der zahlreiclien protestantischen Unterthanen des Königs in seinen Erblanden und der- jenigen der übrigen katholischen Stände in ihren Terri- torien die landesherrlichen Machtmittel beider nach dieser Richtung hin lahm legten, dieses, indem eine allmälige Protestantisierung der reichsständischen Stifter durch Freigabe der Glaubenswahl an ihre Inhaber möglich ge- macht wurde. In der That hat sich die weltgeschicht- liche Heichstagsdebatte von 1555 auf ihren Höhepunkten im wesentlichen um diese beiden Fragen bewegt : es war nach der Ausdrucksweise der Zeit der Kampf für „die Freistellung der Unterthanen" und gegen den „geistlichen Vorbehalt", der damals mit dem bekannten zweideutigen Erfolge ausgefochten wurde. Eine Entscheidung im Sinne des Protestantismus hätte diesem man darf es wohl aussprechen die Zukunft gesichert. Umgekehrt hätte sie zerstörend in das Lebenszentrum der katholischen Kirche in Deutschland eingegrifien. Für die letztere war damit die Existenzfrage gestellt. Es stand von vorn- herein fest; dals man auf dem Wege blofser Abstimmungen nun und nimmer einen freiwilligen Verzicht der alt- gläubigen Majorität erlangen würde. Ein klares Zuge- ständnis an die Protestanten war nur dann zu erwarten, wenn diese die deutliche Absicht kundgegeben hätten, im "Weigerungsfalle noch einmal die ultima ratio der Waffen ins Feld zu führen.

Indessen Verfolgung einer so gebieterischen Politik wäre doch nur in zwei Fällen möglich gewesen: entweder wenn das religiös-kirchliche Interesse als erster und vor- waltender Impuls die protestantische Minderheit zu ge- schlossenem Vorstols fortgerissen, oder aber, w^enn ein überlegenes Haupt die auseinanderstrebenden Glieder der Partei zu einheitlichem Handeln und schlagfertiger Kampf- bereitschaft zu organisieren unternommen hätte. Es waren die beiden Formen, in welchen der Protestan- tismus schon bisher das eine Mal in der Bundespolitik derSchmalkaldner, das andere Mal in den Unternehmungen des Kurfürsten Moritz -- seine Forderungen auf dem politischen Kampfplatz durchzusetzen versucht hatte. War Aussicht vorhanden,, dals in Augsburg einer von beiden Wegen betreten werden würde? Sehen wir zu, inwieweit der derzeit bedeutendste Repräsentant des Protestantismus von jenem religiösen Impuls beherrscht oder zu dieser politischen Führerrolle geneigt gewesen ist.

Klirsacliseii und der Aiigsburger Religioiisfriede. 223

Kurfürst August sah sich bei seinem Regierungs- autritt in einer eigenen Lage, Sein Bruder liatte ihm allerdings eine Machtfülle hinterlassen, die dazumal in Deutschland nicht ihres Gleichen hatte. Allein, wie be- stritten war ihr Bestand und wie fraglich ihre Recht- mälsigkeit! Moritz von Sachsen Avar im Strome der grofsen Unternehmungen dahingetrieben : er hatte sein gesamtes politisches Kapital auf den Markt des öffentlichen Lebens geworfen, das eben Errungene galt ihm nur als Einsatz für neuen Gewinn. August, dessen Sinn auf den fried- lichen und legalen Besitz gerichtet war, sah sich dem- nach vor die Aufgabe gestellt, die aller Orten engagierten Kapitalien, welche nunmehr in seine Hand übergegangen, in sichere und feste Werte umzusetzen. So kam es, dals es der Grundgedanke seiner Politik wurde, im Reiche einen gesetzlich geordneten Friedenszustaud zu befestigen : unter dessen Schutze dachte er sich dann auch seiner- seits der glänzenden Errungenschaften seines genialen Vorgängers in Ruhe zu erfreuen. Wenn dieses Streben ihn einmal den ihm erblich überkommenen protestantischen Gegnern entgegenführte, so hielt es ihn andererseits an der Verbindung mit den altgläubigen Bundesgenossen seines Bruders fest. Es konnte nicht ausbleiben, dals ihm demzufolge zunächst in beiden konfessionellen Lagern Milstrauen erwuchs. Katholischerseits fürchtete man von ihm eine Weiterführung der Mauricianischen Politik. Schon jetzt, liels man sich in Augsburg vernehmen, sei sein Kurfürstenstaat einem Königreiche gleich; es sei nicht zuzugeben, dals er durch fernere Saekularisation geistlicher Stifter, deren mehrere er ohne Schwertschlag „alleine mit Briefen" an sich zu bringen im stände sei, noch weiter um sich greife =^). Dahingegen wurde ihm von den Protestanten sein gutes Verhältnis zu dem katho- lischen Habsl)urger als religiöser Indifferentismus aus- gelegt. Die Räte des glaubenseifrigen Ott H(>inrich von der Pfalz sagten es zu Augsburg dem Lorenz Lindemann ins Gesicht, ihr Herr habe Kundschaft, dals sich der sächsische Kurfürst auf diesem Reichstage der Religion nicht annehmen würde ').

Und das ist freilich wahr: von der leidenscliaft- lichen Religiosität der alten Lutheraner war hi Kurfürst

3) Kram, d. d. 13. April, II, 54 1>.

4) I, 94.

224 L. Schwabe:

August, wie in der Mehrzahl seiner Zeitgenossen, nichts zu finden. Jenen, die wie der Wittenberger selbst den grolsen Zwiespalt der Zeit in der eigenen Brust aus- gefochten , war die heroische Gröfse des Glaubensmutes nur natürlich, welche immer der Schmuck einer selbst erkämpften Überzeugung ist. Dem Geschlecht , zu wel- chem August gehörte, war das lutherische Evangelium überkommen als ein ererbtes Besitztum von den Vätern her. Es trat an sie ebensowohl als etwas Objektives von aulsen heran, wie die alte Kirche an ihre Bekenner. Ja, in einer naturgemälsen Reaktion gegen die geistigen und gemütlichen Aufregungen der vergangenen Jahr- zehnte lebten sich die Nachkommen der reformatorischen Generation in den neuen Zustand mit bewulstem Behagen ein. Es lag ganz in der liichtung dieser Zeitstimmung, dals sie den Altgläubigen den Vorrang in bezug auch auf das l)essere historische Becht ihrer Kirche allen Ernstes streitig machten. Als die katholischen Stände zu Augsburg entsprechend dem Wortlaut des Passau- schen Vertrages für ihr Bekenntnis die Bezeichnung „alte- Religion" wünschten, widersetzten sich die Evan- gelischen auf das Entschiedenste. Und seltsam genug, wie sich der sächsische Kurfürst, als die Protestanten schlielslich mit ihrem Widerspruch nicht durchzudringen vermochten, über diese ihre Niederlage zu trösten suchte: habe man die papistische Lehre auch die alte Religion genannt, so sei sie doch nicht als die älteste bezeichnet. Diese letztere Benennung nahm er für sein Bekenntnis in Anspruch"^). Ja selbst das geschichtliche Recht der speziell lutherischen Kirchenübung begann man schon ins Feld zu führen. Es sei den Protestanten nicht zuzu- muten, den Glauben zu verlassen, in welchem sie auf- gewachsen — dieses Argument war stehend in den Aus- einandersetzungen der kursächsischen Diplomaten. Es liegt hierin doch ein starker Abfall gegen die verflossenen Dezennien. Man war zwar keineswegs gesonnen, den „Glauben der Väter" im geringsten zu verleugnen, im Gegenteil, der theologische Charakter des flacianischen Zeitalters ist nach dieser Richtung hin bekannt genug. Nur falste man ihn nicht mehr wie früher in erster Lhiie als das einige Heilsgut für alle Menschen: er war zur

") August a. d. Räte 27. März, I, 289''.

Kiirsachsen und der Aiigsburger Religionsfriede. 225

Parteiparole geworden. Noch jetzt hielt man die Gegner- schaft gegen die alte Kirche für eine Ehrenpflicht; aber doch konnte mau sich nicht entbrechen, in der traditio- nellen Fehde mit der Gegnerin, der man früher den Yernichtungskampf angesagt, eine Art kirclilicher Vor- nehmheit und einen Vorzug zu finden , welcher zu den Daseinsfreuden der Intlierischen Streittheologie gehörte und den sie höchstwahrscheinlich nur ungern entbehrt haben würde.

So war denn alles, was an das pathetische Bekenner- tum früherer Tage erinnerte, nicht nach Kurfürst Augusts Sinn. In dem Vortrag, mit welchem sich seine Gesandten bei König Ferdinand einzuführen hatten, vermied er es sorgfältig, sein Bekemitnis etwa als die Negation des' katholischen zu bezeichnen; vielmehr schienen die behut- sam gewählten Worte darauf liinzuweisen, dafs die Augs- burgische Konfession ein Buch sei, welches doch auch neben den katholischen Lehrschriften Geltung verdiene. Beruhe es doch (wie diese) auf der Schrift und den vier ökumenischen Hauptkonzilien. Als die Altgläubigen im Gange der Verhandlungen (12. März) die Behauptung auf- stellten, dals sich die Protestanten über ihre Lehre selbst nicht einig seien, indem die späteren Fassungen derA. K. den früheren widersi)räclien , und demgemäls eine nähere Angabe darüber wünschten, welcher Konfession An- hänger des Friedens teilhaftig werden sollten, lielsen sich die kursächsischen Räte auf keine der . verschiedenen Redaktionen der Augustana beschränken. Allerdings stünde ihr Kurfürst auf dem Boden der Konfession von 1530, aber die später erlassenen wären dieser keines- wegs ungemäls, auch habe man schon zu Passau alle „anderen, welche nicht zu offenen, durch Reichsabschiede verdammten Sekten gehörten", mit in den Frieden ein- ziehen wollen. Sie vermieden es, erhebliche Differenzen unter den reformatorisch Gesinnten in Hinsicht auf die Lehrsätze zuzugestehen: diese letzteren sollten nun ein für allemal als etwas Festes und Indiskutables angesehen werden'*).

6) Verj^l. Öps-Ber. vom 13. März, I, 205 ff., und vom H». März, I, 228 ff. (Ranke VI, 3ü2). Ritter a. a. O. S. 22(1 legt Rank<>. zur Last, er habe den Widerstand der Protestanten gegen jene nähere Bestimmung der A.K. aus dem nadi seiner (llitters) MfinuiiL:' tliat- säclilich nicht vorhandenem Wunsche der protestantischen Ivurtürsten, die Kalvinisten mit unter den Schutz des Gesetzes zu stellen,

Neues Ariliiv f. S. 0. ii. A. .K. '.i. 4.

\n

226 L. Schwabe:

So kam es denn auch, dafs er sich minder als seine übrigen Glaubensgenossen auf den Passauischen Vertrag- ais den Ausgangspunkt der zu beginnenden Reichstags- verhandlungen steifte. Hier war mit klaren Worten eine Inangriifnahme der Religionsvergleichung, d. h. also Erörterung über eine zukünftig zu erstrebende Ver- ständigung auch über die Dogmen als erster Beratungs- gegenstand ins Auge gefalst. August liels in der schon erwähnten AVerbung an König Ferdinand erklären, dafs er zufolge des Vertrags zwar an einer kommissarischen Behandlung dieser Dinge teilzunehmen sich nicht weigern könne; doch scheine ihm der zu erwartende Erfolg ein zweifelhafter, er liels durchblicken, dals es ihm lieber sei, wenn diese Angelegenheit vorerst von der Tagesordnung abgesetzt werde. Späterhin gelang es ihm, durch Rück- behalten seiner Kommissare die Zusammenberufung des Ausschusses, der m Gemälsheit des Passauischen Ver- trages über den Gang der künftigen Vergleichshandlungen beraten sollte, hinauszuziehen: schon am 10. März konnten ilmi seine Räte melden, sie hofften, dafs er auf diesem Reichstage überhaupt nicht zu stände kommen würde'). Freilich hatte der Kurfürst recht, Avenn er eine Über- zeugung der katholischen Theologie mit den Mitteln protestantischer Polemik für mehr als illusorisch hielt: doch war es auch die Wiederbelebung der alten Streitig- keiten überhaupt, welche seiner Sinnesart widersprach.

Die Proposition, mit welcher König Ferdinand am 5. Februar den Reichstag eröffnet hatte ^), gedachte in

herleiten wollen. Es ist sehr fraglich, ob Ranke in der betreffenden Stelle wirklich die Kalvinisten und nicht vielmehr die mit diesen ein Einverständnis wünschenden engeren Anhänger Melanchthons gemeint hat, welche durch Anregung der betreffenden Frage mög- licherweise in einen Gegensatz zu den scliroff'en Lutheranei'u hätten hineingezogen werden können. Aus dem oben im Text augeführten, dem Protokoll (Sitzung vom 15. März, p. 131 b f.) entnommeneu Votum der kursächsischen (lesandten geht jedoch hervor, dafs die von Ritter Rauke augemutete Ansicht höchstwahrscheinlich die richtige ist. Jedenfalls steht es, auch abgesehen von der oben besprochenen Epi- sode, wenigstens für die kursächsischen Gesandten fest, dafs sie that- sächlich die oberdeutschen Anhänger der kalvinischen Abeudmahls- lehre mit unter die von dem Gesetz Geschützten einbegriffen wissen wollten. Vergl. Bericht vom 14. April, II, 2, wo sie ganz aus- drücklich und einzig aus diesem Grunde das Wort „Sakramentierer" nicht mit in das Gesetz aufgenommen wünschten.

') I, 198 1^.

■*) Lehmann, De pace religionis, I, 13 ff'.

Kiirsachsen und der AugsbiTi'ger Religionsfriede. 227

ziemlich ausfälligen Ausdrücken des kirchlichen Abfalles der vergangeneu Jalu-zehnte: es war doch mit Händen zu greifen, an wessen Adresse diese Tadelsworte ge- richtet waren. Herzog Christoph von Württemberg, der einzige von den protestantischen Fürsten, welcher die Verlesung der Proposition auf dem Augsbnrger Rathause mit angehört, zeigte sich denn auch schwer beleidigt. Dergleichen habe man den Evangelischen bisher noch niemals geboten, äulserte er gegen die hessischen Ge- sandten Lersner und Ditmar. Wie sei es denn erlaubt, die Protestanten öffentlich als Schuster und Schneider auszuschreien, die ein viehisches Wesen hätten und eine Religion, die schlielslich allen Glauben aufheben würde? So ganz im Sinne der letzten Fürstengfeneration schlug er vor, die protestantischen Stände möchten sich zu- sammenthun, die Artikel ihres Glaubens noch einmal zu- sammengestellt überreichen, und „uno ore et una voce" erklären, dals diese Konfession ihr Glaube sei, dals sie beständig bei ihr zu bleiben gedächten und dals sie unter sich von keiner Spaltung wüfsten. Kurfürst August hin- gegen hielt das Zeitalter der Bekenntnisschriften für ab- gesclüossen. Er wollte nicht zugeben, dals in der Proposition mit den tadelnden Worten die Protestanten gemeint seien : sie seien auf sonstige aufrührerische Sekten gemünzt, deren es ja allerdings im Reiche leider so viele gäbe. Dals von Reichsstelle aus die Protestanten ihres Bekenntnisses wegen angefochten werden könnten, das war ein Zustand, der für künftighin allerdings abgestellt, vorerst aber einfach als nicht bestehend angesehen werden sollte. Als August von dem Ansinnen des Württem- bergers hörte, liels er antworten, es sei abzulehnen, die A. K. sei wohl bekannt, eine Wiederholung derselben überflüssig und da Württemberg selber zugebe (es war das in der That der Fall gewesen), dals die geistlichen Stände namentlich Köln und Trier") den protestan- tischen Wünschen nicht abgeneigt seien, so wäre zu hoffen, dals man auch ohne das zu einem guten Resultate komme. Dagegen wies er in demselben Schreiben es klingt doch sehr wie Ironie seine Räte an, den glaubenseifrigen Herzog als Präsidenten für das eventuell zu den Zwecken der Religionsvergleichung einzuberufende Kolloquium in Vorschlag zu bringen für ilasselbe

«) T, 981', 101, lon.

15^

228 ^- Schwabe:

Kolloquium, dessen Zustandekommen er, wenn ii^gend mög- lich, zu vereiteln wünschte^*')!

Soviel leuchtet aus dem allen ein : kirchlicher Partei- geist wird den Kurfürsten nicht zu konfessioneller Aktionspolitik begeistern. Da er zudem, wie allbekannt, jedem Unfrieden abhold ist und also die Saiteii gewils ]iicht zu hoch spannen wird, was ist von ihm für die Lebensfragen des Protestantismus zu erwarten?

Werfen wir einen Blick auf die geheime Instruktion, die er seinen Abgeordneten als allgemeine Richtschnur für ihr Verhalten auf den Eeichstag mitgegeben hat, so ist das Erste, was uns in die Augen fällt, die Thatsache, dals von dem wichtigsten Anliegen der evangelischen Sache, von der Freistellung sowohl für Stände wie Unter- thanen, in dem ganzen Schriftstück auch nicht mit einer Silbe die Rede ist. Es ist notorisch, dals diese Frage, welche alsbald die Reichstagsdebatte beherrschen wird und welche die anderen Stände schon vor dem Reichstag auf das Lebhafteste beschäftigte, von den kursächsischen Gesandten erst während des Ganges der Verhandlungen in Dresden zur Anregung gebracht worden ist. So hätte also den Kurfürsten Fortschritt oder Rückgang seines Bekenntnisses ganz gleichgültig gelassen? Gewils nicht, nur auf diesem Reichstage und bei diesem Frieden wünschte er die Frage der Freistellung vorläufig von der Tagesordnung gesetzt. Denn allerdings, die Zeichen der Zeit wiesen darauf hin, dals die Ausbieitung des Prote- stantismus auch ohne gesetzliche Begünstigung ihren Gang nehmen würde. Man hat schon so oft darauf auf- merksam gemacht, wie die reformatorischen Ideen auch damals noch die Massen in immer weiterem Umfange an sich zogen. Dazu war die unnatürliche Verbindung Deutschlands mit Spanien, die vor allem das freie Wachs- tum der neuen Kirche unterband, ihrer Auflösung nahe: an die Spitze der Nation würde dann eine Dynastie treten, deren erster Vertreter kirchlich gemälsigt, deren zweiter entschieden protestantisch erschien. Niemand glaubte besser als Kurfürst August die Aussichten er- messen zu können, die in König Maximilian der luthe- rischen Sache erwuchsen. Gleich zu Anfang der Augs- burger Verhandlungen hatte er den jungen Habsburger

^0) August a. (1. R., 13. Febr.. I, 102. Vergl. auch Ges.-Ber., 26. März, I, 301 ff.

»

Kiirsachsen und der Augsburger Reli2;ionsfriede. 229

durch seinen Rat Sebotteiidorf wegen seiner kirchen- politischen ötelhiiig sondieren lassen. Wie bitter und milsinutig- hatte sich da der bewegliche Maximilian über die hispanische Lügenpolitik seines kaiserlichen Oheims geäulsert, wie deutlich seine Sympathien für die evan- gelische Bewegung durchschimmern lassen")! Wagte er jetzt schon, seine Stellung in dieser Weise zu behaui)ten, durfte man zweifeln, dals er, zur Macht gelangt, sich ganz offen zur lutherischen Kirche bekennen würde? Wenn dereinst dieser protestantische Kaiser an der Spitze der in ihrer ungeheuren Mehrheit protestantischen Nation stehen wird, dann werden die Thatsachen von selbst herbeiführen, was jetzt die bloise Gesetzesformel doch nicht erzwingen kann.

Indem er auf solche Weise eine Entwickelung vor sich sah, die seiner Sinnesweise so ganz entsprach, glaubte August nun auch weiter nichts thun zu müssen, als den Gang der Dinge in Bahnen festzuhalten, die diese schöne Zukunft auf möglichst friedliche Weise herbei- führen würden: Frieden und immer wieder Frieden, der „beständige, beharrliche, für und für ewig- währende und unbedingte", das ist denn auch das einzige kirchen- politische Ziel, welches sich aus der erwähnten Instruk- tion trotz ihrer Länge und Ausführlichkeit herauslesen läfst. In diesem Gedanken gipfelt die sächsiche Politik dieser Tage, sie vertritt ihn in allen seinen Anwendungen auf die bestehenden Verhältnisse, er führt die unermüd- lichen Gesandten duj'ch das Labynnth jener Augsburger Verhandlungen bis zu dem fragwürdigen Ausgang, zu dem man gelangte. Franz Kram, der sich zur Zeit des Reichstages neben Lindemann, Mordeisen und Komcrstädt als der vertrauteste Ratgiiber des Kurfürsten ausweist.

") Vergl. V. Weber in v. Webers Arcliiv 111, 310 ff., auch Laugenn, C. v. Carlowitz, S. 227, 250 und Ritter, Deut.'^che Gesch., S. 109. Der Bericht Scbottendorfs vom 24. März 1555, so ülteraus wichtig für die Beurteilung dieser Zeiten, hat noch immer keinen vollständigen Abdruck erfaliren. Die fragmentarischen Mitteilungen Webers enthalten Irrtümer. Seite 314, Zeile 12 ist zu lesen : „son- derlich Doktor Henseliu, das wer D. Jonas, wordc den fromen mahn wol kennen"; ebendas. Zeile 18 ist irrig „Jonas" in „llenselin" ver- ändert und Zeile 21 mufs es heifsen: „so war er eiu alder Papist". .Henselin" ist Spottname für .louas. (jemeint ist der Vize- kanzler Jonas (natürlicli nicht .Tustus Jonas, wie Weber will), der die königliche Politik auf dem Augsburger Reichstage vor allem geleitet hat.

230 L. Schwabe:

spricht gelegentlich aus, dals die Anregung, ja die Idee zu diesem „unbedingten Frieden" .von Kurfürst August stamme ^^). So sicher hierin eine Übertreibung liegt, so bestimmt erkennt man doch gerade daraus, dals eben der Friedensgedanke den Mittelpunkt dieser kursächsischen Kirchenpolitik gebildet hat.

Es war kein hohes Ziel, welches man sich gesteckt hatte, so brauchten auch die Mittel, die man anwandte, nicht gerade die gewaltsamsten zu sein. Sie beschränk- ten sich im wesentlichen auf parteitaktische Handgriffe, wie sie die gewiegten, in der Reichspolitik emporgekom- menen Praktiker aus der Schule des Kurfürsten Moritz, welche August berieten, allerdings mit Meisterschaft be- herrschten. Zunächst beschlois der Kurfürst nicht per- sönlich auf dem Reichstag zu erscheinen. Die Gründe, die er für sein Fernbleiben anführen liefs: dals die be- sorglichen Laufte ihn im Lande festhielten, dafs er einen Landtag berufen, schließlich sogar, dafs er unpälslich sei kann man doch wohl nicht anders denn als Vorwände bezeichnen. König Ferdinand hielt später (30. März) den kurfürstlichen Abgesandten vor, es gehe die allgemeine Rede, dals sich die Kurfürsten gegenseitig das Wort ge- geben, den gegenwärtigen Reichstag nicht in Person zu besuchen. Ob dies wirklich der Fall gewesen, dürfte noch festzustellen sein. Sicher scheint mir, dafs wenig- stens Kurfüi^st Augusts Fernbleiben aus Erwägungen reichspolitischer Natur herfiofs. Denn freilich war es in viel weiterem Umfange möglich^ auf den Forderungen der Instruktion zu bestehen, wenn die Verhandlungen durch die Räte geführt wurden, welche stets in der Lage waren, sich auf ihre Instruktion und auf weitere Resolutionen ihres Herrn zurückzuziehen, als wenn August selbst zu- gegen gewesen wäre, der im persönlichen Verkehr mit dem befreundeten König doch vielleicht nicht so fest auf der Unabänderlichkeit seiner Entschliefsungen hätte be- harren können. Wie sehr man diesen Schachzug in Augsbui^g empfand, beweist die Aufnahme, die Augusts Entschuldigung bei Ferdinand fand: er sei lebhaft be- wegt gewesen, schrieben die Räte, als er in seiner Ant- wort auf diesen Punkt zu sprechen gekommen und man habe ihn auch schon bei Verlesung der Werbung an der diesbezüglichen Stelle betroffen gefunden, „inmassen

le

) 111, 147.

Kursachsen und der Augsburger Religionsfriede. 231

dan ire Majestät etzlicli mal umbgeseen"^"). Während des ganzen Reichstages zeigte er sich gereizt, dals er diese wichtigen Verhandhuigen „alleme mit Doctoribus" zu führen habe.

Wir sahen am Eingang, wie sehr sich die Prote- stanten durch die für sie so ungünstigen Majoritäts- verhältnisse in den Eeichsräten eingeengt fühlen mulsten. Was Avir dort übergingen, müssen wir hier nachtragen, nämlich , dals durch die eigentümliche Art der Verhand- lungen, wie sie sich namentlich auch im Verlauf der letzten Jahrzehnte herausgebildet hatten, jener von den Protestanten so schwer empfundene Übelstand in zweierlei Weise nicht unwichtige Korrekturen erfuhr: einmal durch die Getrenntheit der beratenden Kollegien, welche wenig- stens in einem von beiden und zwar dem einflulsreichsten, in dem Kurfürstenrate, eine grölsere Anzahl protestan- tischer Stimmen vereinigt sein liels, und zweitens in der nur unbestimmten Weise der Majoritätsbeschlüsse, welchen man als solchen protestantischerseits eine Geltung über- haupt nicht zugestehen wollte. Sich dieser beiden Hand- haben zu bedienen, versäumten natürlich auch die kur- sächsischen Politiker nicht. Nicht nur, dals August bei Beginn des Reichstages gemeinsam mit Kurbrandenburg eine Gesandtschaft an das nocli nicht offen protestan- tische Kurpfalz sandte und so von Anfang an durch einen straffen Zusammenhalt der drei weltlichen Kur- stimmen mit möglichst vollständiger tlbereinstimmung des Programms den vorwiegend protestantischen Charakter des Kurfürstenrates sicher zu stellen wulste^^), seine Ge- sandten blieben auch standhaft in der Abwehr der sich stetig erneuernden Versuche des Fürst (Mirats. durch Bildung eines Ausschusses aus beiden Kollegien den vor- wiegenden Einfluls des Kurfürstenrates zu schwächen und der numerischen Majorität zur entscheidenden Geltung zu verhelfen. Auch der protestantischen Minderheit im Fürstenrat verfehlte er nicht zu Hilfe zu kommen. Das vielangeführte, von ihm und seinen Frbeinungsverwandten

") I, 81

'^) Bericht Krams und Sihillinüs aus Heidelbi^rg, d. d 17. Febr. I, 136 ff. Vergl. dazu Dr. Archiv HI, 44, fol 81 :Xo. 1 uii.l Copial 259, Bl. 1041^?. Der genieinsameu Grcsandtscliaft an Pfalz i^ing eine .Diesdner Abrede" zwischc]! Sachsen und ürandi'nliuri; zuvoi'. Yergl Jnstruktinn für die brandcnbnrgiscLeu Gesandten ((icli. Staats- archiv zu IJerlin). üroysen, Treuls. Politik II, 1 S. :^75 fg.

232 L- Schwabe:

von Naumhurg aus an den König gerichtete Schreiben ^■^) hatte im wesentlichen den Zweck, ihr gegen das schon in Passau hart angefochtene „Überstimmen" durch die geistHchen Stände einen Rückhalt zu geben. So machten sich denn auch seine Einwirkungen namentlich im Fürsten- rate geltend. Ich finde, dals sich Eberhard von der Thann, der ernestinische Gesandte, in einer heftigen Szene gerade bei der Frage des Überstimmens auf die Naumburger Abmachungen mit Lebhaftigkeit berief^**), und Gereon Sailer schrieb von Augsburg aus an seinen Herrn, den hessischen Landgrafen, allerdings mit stark optimistischer Selbsttäuschung: „die Naumburgische Verab- schiedung habe mehr denn bisher alle Concüia, Colloquia und Comitia erschossen und ersprossen".

Wie alle die Jahre daher stand auch für diesen Reichstag eine reichsständische Hilfsleistung gegen die türkische Livasion auf dem königlichen Programm. Ein zweiter Wunsch des Königs ging dahin, bei den Ständen eine revidierte Landfriedensordnung durchzusetzen mit möglichst bequemer Anwendbarkeit auf die gerade jetzt befürchteten Umtriebe des Markgrafen Albrecht und Herzog Erichs von Braunschweig. Beide Desiderata waren für die Ferdinandsche Politik von erheblicher Be- deutung, beide wuIste August mit Geschicklichkeit für seine Zwecke nutzbar zu machen. Auf der einen Seite führte er dem König die ihm drohenden Gefahren in dem schon erwähnten Vortrage eindringlich und umständlich zu Gemüte, auf der anderen verhiels er seinen Beistand nur dann, wenn seinen Forderungen in betreff des unbe- dingten Friedens Rechnung getragen würde. Kam diese letztere Bedingung dem König gegenüber in nur ver- schleierter Weise zum Ausdruck, so war den Gesandten

^^) Bei Lehmann I, 116. Wir erwähnen bei dieser Gelegen- heit, dafs aufser der Fürstenzusammenkunft in Naumburg wegen Erneuerung der Erbeinungsverträge noch eine andere ebenfalls da- selbst kurz nach der Vermählung Johann Friedrichs des Mittleren zu Pfingsten stattgefunden hat. Dieses zweite Mal waren Vertreter fast sämtlicher protestantischer Fürsten, Pfalzsraf Wolfgang, Jjand- graf Philipp und Markgraf Hans in Person, anfser ihnen nochi Herzog Heinrich von P>raunschweig zugegen. Diese Zusammenkunft wurde für die Augsburger Verhandlungen insofern wichtig, als man den letzteren dortselbst zu einer Zustimmung zu dem damals von dem Kurfüistenrat fertig gestellten Friedensentwurf zu bewegen wufste. Vergl. II, 382 ff., auch Kopial 260, El. 464 und III 18, 56 Nr. 1 " passim.

"■•j II, 359 b.

Kursachsen und der Augslnirger Religionsfriedc. 233

für die yeiiiaiidlung-en selbst die entschiedenste Weisung gegeben, in keinem Falle von ihr abzustehen: nicht nur die Beschlüsse, auch die Beratungen über Landfrieden, Türkenhilfe u. s. w. sollten solange hinausgeschoben werden, bis man den ßeligionsfrieden bewilligt erhalten würde. Demnach war die Debatte über die Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände allerdings nichts weniger als Erledigung einer blolsen Formfrage. Die Protestanten waren ja bereit, Erlals einer Landfriedensordnung und sonstige Unterstützung der königlichen Politik, Avenn auch in Ijeschränkter Weise, zu gewähren. Da es aber die einzige politische Waffe war, zu deren Anwendung sie sich aufschwingen konnten, mit Nichtbewilligung jener königlichen Anträge zu drohen, so wäre es mit einer Niederlage ihrer Politik gleichbedeutend gewesen, wenn sie sie vor der Zeit aus der Hand gegeben hätten. Auch dafs man den König dadurch über die Bereitwilligkeit, ihm in den für ihn wichtigen Punkten entgegenzukommen, beruhigt hätte, dals man ihm über alle in Frage kom- menden Gegenstände zugleich beschlossene Entwürfe vorlegte auch das liels das in Jahrzehnte langer Er- fahrung gereifte Milstrauen gegen den andersgläubigen Habsburger nicht zu. Man fürchtete, er werde' dann nur die ihm genehmen Entwürfe zum Gesetz erheben, den über den unbedingten Frieden aber entweder unerledigt lassen, oder gar ihn einseitig durch ein königliches Mandat in seinem Sinne umgestalten^"). Bei dem allen muls man auch die Unsicherheit und Ijangsamkeit dieser Verhand- lungen ins Auge fassen, welche die Gefahr so aulser- ordentlich nahe legten, dals, wenn ein Gegenstand er- ledigt war, der andere trotz aller Zusicherungen des Gegenteils, wie der Kunstausdruck lautete, „stecken blieb". Man denke nur an die Geschichte dieses Augsburger Reichstages selbst! Zu Passau war für Einberufung desselben eine Frist von höchstens einem halben Jahre vorgesehen; jetzt endlich, nnch zwei und einem halben Jahre, kam er zu stände. Fünfmal war er angesagt und fünfmal prorogiert worden. Als ihn Ferdinand am 5. Februar 1555 mit seiner obenerwähnten Proposition eröffnete, hätte man erwarten müssen, dals er nun wenigstens einen raschen Fortgang nelnucii würde. In- dessen erst vier Wochen nach der Eröttiiung kam es zu

") Ges.-Ber. 8. April, I, 373 •'.

234 L. Schwabe:

einem Beginn der Verliandlnngen , und auch da waren noch nicht die Vertreter aller Stände erschienen und die Erschienenen nicht mit genügender Vollmacht. Auch zeigte sich nun doch der Nachteil davon, dals namentlich von den Kurfürsten kein einziger persönlich gekommen Avar. Bei jedem neu auftauchenden Gesichtspunkte galt es, Resolution von den Auftraggebern einzuholen, und dabei hatten die meisten der Stände nicht eine stehende Post- verbindung mit dem Reichstag wie Kursachsen, bei welch letzterem Frage und Antwort die verhältnismälsig ge- ringe Zeit von 8—9 Tagen in Anspruch nahm. Abge- sehen von diesen Schwierigkeiten, die in der Sache lagen, traten dann auch noch äulsere Zwischenfälle hinzu, so der unerwartete Tod des Erzbischofs von Mainz (18. März), bei Avelchem sich sofort die Frage erhob, ob bei Sedis- vakanz das Kapitel des Erzstifts als Auftraggeber für den Reichstag fungieren dürfe. Wie einschneidend diese Frage war, leuchtet ein, sobald man ins Auge falst, dals Mainz das Kanzleramt und mit diesem die bureaumälsige Leitung der gesamten Reichstagsgeschäfte in den Händen hatte. Eine Berechtigung des Kapitels lehnte man von Seiten der Weltlichen ab und nunmehr stritten sich Sachsen, Pfalz und Trier um die Stellvertretung. Da namentlich Pfalz nicht weichen wollte, so konnte es schlielslich dazu kommen, dals dieses letztere, um weder sich etwas zu vergeben noch etwas zu verpassen, eine Zeitlang stumm an den Sitzungen teilnahm und die Um- frage unbeantwortet an sich vorübergehen liels. In- zwischen waren die Mainzischen Gesandten keineswegs aus den Beratungen weggeblieben oder auch nur von ihrer Kanzlerthätigkeit abgetreten, und da man sie seitens der weltlichen einer gewissen Nachgiebigkeit gegen die protestantischen Forderungen wegen nicht gerade aus den Sitzungen verweisen wollte, kam, ehe noch die ein- schlägigen Streitpunkte erledigt waren, die Neubesetzung des Erzstuhls (18. April) heran, nach welcher denn nach allseitiger Protestation gegen alle etwaigen einführlichen Mafsnahmen aller andern die Dinge wieder in ihr gewohntes Gleis kamen. Nimmt man noch die Schwierigkeiten, die aus der Doppelberatung in den beiden Räten erwuchsen und so vieles andere hinzu, so staunt man in der That, dals bei dieser Art der Verhandlungen über einen so schwierigen Gegenstand immer noch das erreicht worden ist, wozu man endlich kam. So sei es auch gestattet,

Kui'sachseu und der Augsburger Eeligionsfriede. 235

an dieser Stelle den Fleils und die zälie Ausdauer unserer Gesandten zu rühmen, deren Berichte man nicht durch- blättern wird, ohne ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem echt deutschen Ernst, mit welcliem unser Kurfürst und seine Eäte die Sis3'phusarbeit dieser Friedensverhand- lungen durchgeführt haben, bis zu dem Schlüsse, der ihnen selbst wenigstens als ein so grolser Erfolg er- schient'^).

Zunächst also kam es darauf an, zeitlich den unbe- dingten Frieden vor anderen Punkten zur Verhandlung zu bringen. Eine vertragsmälsige Grundlage hierzu lieferten die Abmachungen von Passau, nicht zwar der Vertrag selbst, welcher, wie schon erwähnt, die Religions- vergleichung in den Vordergrund stellte, den unbe- dingten Frieden aber gar nicht ei'Wähnte, wohl aber der sogenannte Beiabschied^''), der freilich nur mit Ferdinand geschlossen, vom Kaiser aber hartnäckig abgewiesen worden war. Da man jetzt nur mit Ferdinand, der vom Kaiser mit unbeschränkter Vollmacht versehen war, zu verhandeln hatte, so Avar man in der angenehmen Lage, ihn beim Worte nehmen zu können. Sorgfältig vermieden es daher die kui^sächsischen Gesandten, sich auf den Passauischen „Vertrag" zu berufen, es war immer die Passauische „Handlung" (d. h. also die Gesamtheit der dort getroffenen Beschlüsse), von welcher sie sprachen. Und um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, Avas damit geraeint sei, liels August gleich anfangs die so verstandene „Handlung" dem König durch Über- reichung einer Abschrift derselben ins Gedächtnis rufen: es ging nicht anders, Ferdinand mulste sich zu ihr in ihrem ganzen Umfange bekennen.

Auch sonst meinten die Gesandten, schon zu Beginn des Reichstags den König in die von ihnen gewünschten Bahnen gelenkt zu sehen. In der königlichen Proposition und namentlich in den begleitenden Worten, welche der Vizekanzler Jonas nach ihrer Verlesung gesprochen, war

i'^) Als eiuflufsreichste Wortfülirer in Augsburg sind Dr. l^orcnz Lindemann (der schon bei Abfassung des Passauischen Vertrags be- teiligt war) und Dr. Franz Kram /u nennen Aufser ihmii waren Erasmus von Jvönneritz (nielit Kaiiitz, wie l)ei Buchdltz), Wolf von Wertheru und Erich Volkmar von Berlejjsch als N'ei'treter Augusts auf dem Reichstag. Als J'rotokollanten fungierten erst liieronymus Komerstiidt, dann Lorenz Ulmann.

lö) Druffel, Briefe und Akten u. s. w., 111, 50« ff.

236 L. Schwabe:

als erster und wichtigster Punkt für die Verhandlungen „Friede und Eiihe im Reich" hingestellt; dies, meinten nun die Gesandten, würde sich auf ihres Herrn Instruk- tion „fein reimen", Avir brauchen nicht auseinander- zusetzen, inwiefern. Indessen, als am 4. März Jonas vor versammeltem Reichsrat zu endgiltiger Inangriffnahme der wichtigsten Beratungsgegenstände getrieben und die Sitzungen ihren Anfang genommen, da zeigte sich als- bald, dafs diese sächsische Auffassung der Proposition Aveder von den altgläubigen Ständen, noch von dem König selbst geteilt wurde: nicht der Religionsfriede, sondern der Landfriede, ja ganz speziell Erledigung der Be- schwerden der fränkischen EinungsverAvandten gegen Markgraf Albrecht und militärische Mafsregeln gegen andere Ruhestörer im Reich Avurden als erstes in den Vordergrund der Dinge gestellt. Da nun hielten es die sächsischen Gesandten für an der Zeit, den Standpunkt ihres Herrn mit Entschiedenheit zur Geltung zu bringen. Am 5. März, als endlich die Beratung in den getrennten Kollegien sich dem eigentlichen Gegen stände zu nähern begann, setzte einer von ihnen in längerer Rede das un- abänderliche Programm des Kurfürsten auseinander. Im Avesentlichen hielt er sich an die Instruktion, feierlich erklärte er den festen Entschluls seines Herrn, im luthe- rischen Bekenntnis zu verharren, unverklausulierte An- erkenntnis reichsrechtlichen Schutzes für seine Konfession sei der einzige Grund, auf dem sich eine gedeihliche Er- ledigung au eil der anderen Beratungsobjekte erwarten lasse, nun und nimmer Avürde er in irgend etwas Avilligen, ehe der Religionsfriede geschlossen sei. Des gleichen Sinnes erklärte sich darauf Kurbrandenburg „nach der Länge, in guter und stattlicher Ausführung", Avie die Gesandten meldeten. Zwar versuchten die Geistlichen zunächst noch einmal, die Gegensätze zu verwischen, in- dem sie den Religionsfrieden als integrierenden Teil des Landfriedens angesehen und diesen letzteren mit jenem zugleich auf die Tagesordnung gesetzt Avissen Avollten. Allein auch hierzu lielsen sich die Protestanten nicht be- reit finden. Der ganze 5, März und ein Teil des 6. ver- ging in hitziger Debatte über diesen einen Punkt, und schon schien man nahe daran, die beiderseitigen Mei- nungen als Vota paria getrennt dem Fürstenrate zu referieren. Da plötzlich liefs Trier seinen Widerstand fallen. Köln folgte, Mainz mulste sich anschlielsen.

K.iu-sachseii und der Augsburger Religionsfriede. 237

Damit war der Sieg der Protestanten im Kiirfürstenrate entschieden, man beschlols sofort die Beratung eines Religionsfriedensgesetzes an die Hand zu nehmen.

Selbstverständlich trat der Füi\stenrat dem Votum des anderen Kollegiums nicht ohne weiteres bei. Der ihm am 7. März zugegangenen Meinungsäulserung des Kurfürstenrats setzte er zunächst seinerseits einen Mehr- heitsbeschlufs entgegen, wonach wiederum zuerst der Landfriede und dieser noch dazu in einem aus beiden Räten zu konstituierenden Ausschuls beraten werden sollte. Zwar gab er, als er hiermit natürlich nicht durch- zudringen vermochte, alsbald insofern nach, als er sich bereit erklärte, die Religionsangelegenheit zugleich mit dem Landfrieden in Beratung zu ziehen, allein es war nicht soAvohl der Religionsfriede als vielmehr die Ver- gleichung, welche nach Mafsgabe des Passauischen Ver- trages in Angrilf genommen werden sollte. Wiederum eine abweisende Antwort des anderen Rates, dessen Mit- glieder sich nach ennnal erzielter Einigung in Sachen der Präeminenz ihres Kollegiums nicht ferner voneinander trennen lieisen. Und nun endlich lieisen die fürstlichen Vertreter ihre früheren Forderungen fallen und willigten in eine Inangriffnahme der Verhandlungen im Sinne des Kurfürstenrates, wenn schon sie sich in betreff der Reihenfolge der Beratungsgegenstände auch jetzt noch nicht endgilt ig die Hände gebunden haben wollten.

Die Verhandlungen über den Religionsfrieden, wie sie sich von jetzt ab erhoben, zerfallen nun nach Mals- gabe der reichstäglichen Geschäftsordnung in drei nicht nur äußerlich, sondern wegen des eigentümlichen Charak- ters der verschiedenen, der Reihe nach in Aktion treten- den Potenzen auch sachlich scharf von einander ge- schiedene Stadien. Als erstes Stadium (11. März bis 24. April) erscheint zunächst die in beiden Kollegien dem Kurfürsten- und Fürstenrat getreinit versuchte Feststellung der Friedensurkunde; für unseren Zweck fallen natürlich nur die Verhandlungen im Kurfürstenrat ins Gewicht. Beide Räte übergeben sich schlielslich gegenseitig die von ihnen fertig gestellten Entwürfe, und es erheben sich sodann als zweites Stadium (24. April bis 21. Juni) die Verhandlungen über den Ausgleich, welcher zwischen den beiderseitigen Tendenzen versucht

238 L. Schwabe:

wird. Natüiiicli erfüllt ein solcher in i^nbetraclit der Gegensätzlichkeit der sich entgegenstehenden Forderungen nicht, und indem nun endlich der König, der bisher nur als principium movens hinter den Beratungen gestanden, mit seiner Resolution und seiner Vermittlerthätigkeit als neues Moment in den Gang der Verhandlungen bestim- mend eingreift, tritt die Debatte in ihr drittes und letztes Stadium (21. Juni bis 25. September), in dem sich als- dann im Wechselspiel aller drei Faktoren das Gesetz erzeugte, welches unter dem Namen des Augsburger Religionsfriedens so bekannt geworden ist. Wenn wir im folgenden der Reihe nach die eben gekennzeichneten drei Stadien in der Geschichte dieser Beratungen zur Darstellung zu bringen versuchen, dürfte es doch un- möglich sein, nun auch innerhalb derselben über die Ver- handlungen der Zeitfolge nach zu berichten. Denn so, wie sie vor sich gingen, wurden sie von den verhandeln- den Staatsmännern selbst mehr als einmal als ein Laby- rinth bezeichnet. Nicht nur, dafs die einzelnen Punkte des Religionsfriedens selbst bunt durcheinander zur Be- ratung gelangten, wie denn eine Bestimmung als Preis für die andöre man möchte sagen auf den Markt ge- bracht zu werden pflegte die Verhandlungen über diesen für die Protestanten wichtigsten Gegenstand wur- den auch fortwährend durch Geschäftsordnungsdebatten, durch die schlieislich doch noch eindringende Beratung über Landfrieden, Kammergericht, Reichshilfe , auswär- tige Politik und eine Menge andere, ferner liegende Dinge durchbrochen und mit ihnen verquickt. Dazu die Ge- trenntheit der beratenden Körperschaften, die unaufhör- lichen Einwirkungen der daheimgebliebenen Auftraggeber, die Einflüsse der kaiserlichen und päpstlichen Politik, es war unmöglich, dals die Beratungen einen geradlinigen Fortschritt nehmen konnten. So sehen auch wir uns in die Notwendigkeit versetzt, innerhalb der einzelnen Stadien die Entwickelungsgeschichte der verschiedenen Haupt- bestimmungen und die Stellung der kursächsischen Politik zu einer jeden, ohne Rücksicht auf das Früher oder Später, allein nach einem dem Inhalt des Gesetzes ent- sprechenden Schema darzulegen. Dieses Schema ergiebt sich aus dem bisher Erörterten von selbst. Das Religions- gesetz hatte im wesentlichen dreierlei festzustellen: erstens den konfessionellen Frieden selbst, zweitens das Mals kirchlicher Befugnisse, welches den einzelnen Ständen,

Kursachsen und der Angshiirger Religionsfriede. 239

die luinmehr gegeneinander in Frieden gesetzt waren, zugeteilt werden sollte, und drittens der Umfang, in welchem den so befriedeten und berechtigten Ständen die freie Wahl des Bekenntnisses zuzugestehen sei. Es sind also einmal der unbedingte Frieden, ferner die Ordnungen über kirchlichen Besitz und geistliche Juris- diktion und schlielslicli die Freistellung für die lieichs- stände der Eeihe nach in Betracht zu ziehen. Die Be- stimmungen über die den Unterthanen und den land- sässigen Gemeinwesen zu gewährende Religionsfreiheit würden, streng genommen, unter die zweite Rubrik fallen. Wir behandeln sie jedoch aus Zweckmälsigkeitsgründen im Anschluls an die Beratungen über Freistellung der Reichsstände, zu denen sie auliserdem in einem anderen Sinne gehören.

Den Ausgang und die Grundlage für die Friedens- beratungen des Kurfürstenrates im ersten Stadium der Verhandlungen bildete ein Entwurf, der im Auftrag der übrigen von Kurmainz 'fertiggestellt worden war"-'*). Dieses Schriftstück, welches der Disposition nach im wesentlichen aus dem Regensburger Abschied von 1544 entnommen war und in allen übrigen Punkten fiir die noch zu erwartenden Beschlüsse über die wichtigeren Fragen Raum gelassen hatte, zeigte doch in dem einen Paragraphen über die Feststellung des Friedens selbst mit Deutlichkeit, dals wenigstens die Mainzer Politiker in diesen Fragen mit ihren protestantischen Kollegen im Kurfürstenrate Hand in Hand zu gehen entschlossen waren. Der betreffende Passus war wörtlich aus dem mehrberührten „Passauischen BeiartikeP' in die von Mainz entworfene Notel eingestellt worden und sprach also den Fortbestand des konfessionellen Friedens auch für den Fall religiöser Nichtvergleichung mit klaren Worten aus. Hiermit, kann man wohl sagen, war trotz so mancher späterhin erfolgender Gegenstrebungen der von den Kur- sachsen sehnlichst erwünschte Friedensparagraph schon für den ganzen Gang der Verhandlungen gesichert. Zwar versuchte Köln gleich zu Anfang, den Frieden aucli diesmal, wie das bisher noch immer geschehen war, zeit- lich begrenzt nur bis zu den in Aussicht zu nehmenden

-") Bucholtz IX, 551. Vergl. dazu lütter a. a. O. S. 2fi3, wo eine verdienstliche Übersicht über die iieihcnfolge der einzelnen

Gesetzentwürfe gegeben ist.

240 L. Schwabe:

VergleiclisverhaiKÜiiiigen zu bewilligen und die Ordnung der Dinge, sobald diese Verhandlungen erfolglos ver- laufen würden, alsdann kaiserlicher Entscheidung anheim- zustellen. Damit fand es doch nirgends Anklang. Nicht nur dals der vereinte heftige Widerstand der Prote- stanten die Kölnischen Interpolationen von der Gesetzes- urkunde fernzuhalten wulste, es gelang den Kursachsen sogar, den Friedensartikel in ihrem Sinne noch wesent- lich zu verstärken. Sie setzten schon in den ersten Sitzungen durch, dafs in den Wortlaut des Passauischen Beiartikels ein Zusatz eingeschoben wurde, welcher jene Häufung von Beiwörtern: „beständig, beharrlich, ewig u. s. w." in das Gesetz eindrängte"-^), die König Ferdi- nand nicht ganz mit Unrecht als „otiosae tautologiae et repetitiones" bezeichnete.

Und in der That, war denn mit diesem Wall von Buchstaben, der den Sturm der Zweifel und Leiden- schaften von dem Behagen der friedensdurstigen Stände abzudämmen bestimmt Avar, das erreicht, was man mit ihm bezweckte?

So wie er dastand, schien der Friedensartikel aller- dings als eine unzweideutige Bestimmung, die über jede Verschiedenheit der Auslegung erhaben sein würde; in Wahrheit barg er eine Welt von künftigen Differenzen in sich. Denn wenn er den Friedstand, auch abgesehen von der Religionsvergleichung, als unzerstörbar hinstellte, so mochte diese letztere nun vielleicht den kursächsischen Politikern als für absehbare Zeiten suspendiert erscheinen ; nun und nimmer war dies aber der Sinn, den die ent- schieden Konfessionellen in beiden Lagern mit jener Klausel verbanden. Diesen war der „ewige Friede" der toleranten Politiker vielmehr nichts weiter als ein Waffen- stillstand, welcher im Interesse der guten Sache, die ja doch ohne Zweifel schlielslich das Feld behalten würde, nicht allzulange dauern dürfte. Es konnte nicht aus- bleiben, dals sie diese ihre Auffassung nunmehr in allen zu treffenden Einzelbestimmungen innerhalb des Gesetzes zur Geltung zu bringen suchten. Und wirklich, sehen wir näher zu, so finden wir, dafs sich innerhalb der ver- schiedenen Gesetzesentwürfe, je nachdem ihre einzelnen Bestimmungen unter vorwiegendem Einflüsse der einen oder der anderen Seite zu stände kamen, zwei grund-

21) Ges.-Ber. 19. März, I, 235.

Ivnrsachsen und der AuA'sbvirger Religionsfriede. 241-

verschiedene Auffassung'en gelteiul machen eine That- sache, die uns bisher noch keineswegs genügend beachtet erscheint. Die einen. Sachsen und seine Gesinnungs- genossen, suchten nur Bestimmungen aufzustellen, welche Dauer verhielsen. Die anderen wünschten dem ganzen Gesetz den Charakter eines Provisoriums zu verleihen. Beide wufsten schlielslich ihren Auffassungen in dem Religionsfrieden selbst Raum zu verschatfen.

So sehr der klare und einheitliche Charakter des letzteren hierunter leiden mulste, so wenig- ist abzusehen, wie man ohne dies zu einem Schlüsse hätte kommen können. Die einen konnten ja nicht in Abrede stellen, dafs eine Vergleichung der verschiedenen Religionen und Wiederherstellung der alten Glaubenseinheit höchst er- wünscht und in möglichster Bälde zu erstreben sei; die anderen mulsten zugestehen, dals im Falle dauernder Nicht- vergleichung eben auch ein dauernder Frieden mit dauer- haften Bestimmungen geschaffen werden müsse. Dals jene aber die Vergleichung fVir unerreichbar, diese die zu erlassenden Friedensbestimmungen für auf die Dauer unerträglich hielten, konnte für keine von beiden den offiziellen Grund abgeben, irgend eine Aufstellung (hn- Gegenpartei anzufechten. Zieht man dies in Betracht und erwägt man ferner, dafs es sich hier um den Ver- such eines Ausgleiches zwischen zwei Gegensätzen han- delte, die sich der Natur der Sache nach ausschlielsen mulsten, so erklärt sich aus diesen beiden Gesichts- punkten das Unbestimmte, ja Widerspruchsvolle in dem Religionsgesetz und die Schwierigkeit seiner Auslegung, wie wir meinen, zur Genüge. Toleranz ist eben nur ein Auskunftsmittel und kann niemals das Prinzip einer folgerichtigen kirchlichen, oder auch nur bürgerlichen Lebensordnung werden. Wurden beide Teile im Gange der Verhandlungen, wie das nicht ausbleiben konnte, auf Streitpunkte geführt, in denen beiden aus Gewissens- gründen zu weichen unmöglich schien, so blieb ihnen ja doch gar nichts anderes übrig, als dafs sie die betreffende strittige Materie einfach mit Stillschweigen übergingen, oder aber, dafs sie dieselbe auf eine Weise behandelten, welche entweder in der Allgemeinlieit des Ausdruckes dem Sinne nach oder in der Uiil)estüumtheit der gesetz- lichen Normierung der Verbindlichkeit nach den in Frage kommenden entgegenstehenden Anschauungen Spielraum liels. Dals das Religionsgesetz hierdurch in seinen

Neues Arcliiv f. S. (!. u. A. X. :!. 4.

242 Ij- Schwabe:

Bestimmungen teils dürftig, teils verschwommen wurde, steht auiser Frage ; dals es deswegen aber, wie M. Ritter will, von seinen Eedaktoren im Geiste der „Unklarheit" und „Unehrlichkeit" abgefalst sein sollte, scheint mü" eine Ansicht zu sein, welche die obigen Umstände aulser Auge setzt. Zum mindesten dürfte sie nicht dahin ver- standen werden, dals dieser Mangel an Elirlichkeit und Klarheit auf Rechnung der diplomatischen Unredlichkeit der Gesetzgeber selbst zu setzen sei. Nicht zwar, dals diese nun persönlich Muster von Gradsinn gewesen wären. Das Gegenteil ist für einige von ihnen, sowohl auf katholischer wie auf protestantischer Seite, auch ab- gesehen von den von Ritter angezogenen (allerdings, wie wir zeigen werden, nur zum Teil in dieser Hinsicht zu- treÖ'endenj Fällen evident zu beweisen. Indessen darauf kommt es ja auch nicht an. Man kann von Person ein ausgemachter Heuchler sein und doch die sehr politische Einsicht haben, dals sich grolse Verhältnisse der Zukunft nicht mit gesetzgeberischen AVinkelzügen ordnen lassen. Diese letztere Einsicht kann den Staatsmännern von 1555 nicht deswegen abgesprochen werden--), weil ihnen das Unmögliche nicht gelingen konnte: für unvereinbare Gegensätze einen klaren Ausgleich zu finden.

Die Verschiedenheit in der Auslegung des Friedens- artikels mufste sogleich zu Tage treten, als man daran ging, das Mals kirchlicher Befugnisse abzugrenzen, welches den beiden Religionsparteien künftighin zuzu- messen sei. Es handelte sich hierbei, wie schon er- wähnt, im wesentlichen um zweierlei: um die Kirchen- güter und um die geisthche Jurisdiktion. /In diesem ersten Stadium der Verhandlungen bat man sich haupt- sächlich mit den ersteien beschäftigt. Sachsen hatte, soweit das kurfürstliche Gebiet in Frage kam, nur das eine besondere Interesse an diesen Dingen : dalis der Besitz der gegenwärtig eingezogenen geistlichen Güter in seinem vollen Umfange gewährleistet würde. Hier war schon so lange und so gründlich saekiilarisiert worden, dals an irgendwelche Restitution oder gar an irgend welche Vor-

--) Vergl. hierzu Schreiben Augusts vom 18. Mai: „wir wollten am liebsten, dafs es zum AUerklärsteu als immer möglich, sonderlich der geistlichen Güter hallier. gemacht und zu keiner Deutung oder weitläutigen Disputation künftig Raum gelassen würde." Ahnlich König Ferdinand in seiner Resolution vom 30. August bei Leh- mann I, 71.

Knrsachsdi und der Augsburger Religionsfriede. 243

kelirungsmalsregelu wohl auch von den eifrigsten Katlio- liken nicht von ferne gedacht werden konnte. Im übrigen war für das diesbezügliche Verhalten der kursächsischen Gesandten nur das Bedenken nialsgebend, dals das ganze FriedensAverk zu scheitern Gefahr liefe, wenn man sich in betreff anderer Territorien, wo die Verhältnisse minder klar lagen, auf Einzelbestimmungen in diesem heikein Gebiete einlassen würde. Also hielten sie dafür und brachten diese Ansicht in einem schon am 16. März von ihnen vorgeschlagenen Paragraphen zum Ausdruck-'-'), dals hinsichtlich der Kirchengüter nichts weiter in den Frieden aufgenommen würde, als eine Gewährleistung des Besitzstandes, wie er gerade war.

Wie allgemein nun auch diese Bestimmung immer gehalten war, in einem Punkte niulste sie zur Diskussion auffordern: in der Festsetzung des Termins, von dem ab die Einziehung geistlicher Güter für zu Hecht bestehend angesehen werden sollte. Die kursächsischen Gesandten, welche eben von der vollständigen und augenblicklichen Befriedung des öffentlichen Zustandes ausgingen, schlu- gen den Tag des gegenwärtig in Beratimg stehenden Friedensschlusses vor; die übrigen Weltlichen hielten wenigstens an dem Termin des Passauischen Vertrages (16. Juli 1552) fest. Dagegen brachten die Geistlichen, welche ja ihr Verhältnis zu den Protestanten als einen zwar ausgesetzten, aber keineswegs endgiltig entschie- denen Prozels ansahen und diesen daher als noch be- stehend im Bewulstsein erhalten wollten, als malsgebend für den geistlichen Besitzstand die Reichstagsabscliiede von 1541 oder 1551 in Vorschlag. Dies konnte nun freilich den Protestanten nicht recht sein ; denn im erste- ren Jahre war ein grolser Teil der jetzt eingezogenen Güter noch nicht in ihrem Besitz, im letzteren war ein anderer, ebenfalls gegenwärtig von ihnen besessener ihnen wieder entwunden gewesen. So wurde schlielslicli als Vermittclung Ende 1547 vorgeschlagen, über welchen Zeitpunkt man sich vorläutig vereinigte. Indessen war diese Bestinunung, welche das Streitverhältnis zwisclien beiden Religionsparteien so deutlich zum Ausdruck brachte, dem Grund[)rinzip der kurfürstlich sächsisclien Politik so zuwider, dals August seinen Gesandten zu Augsburg die entschiedenste Weisung gab (Schreiben vom 8. April),

23) Sein Wonlaut I, 234 1».

244 Ij- Schwabe:

den Termin des gegenwärtigen Friedensschlusses als aucli malsgebend für den kirchlichen Besitzstand doch noch in das Friedensinstrument zu bringen.

Auch sonst blieb es keineswegs bei der allgemein gehaltenen Formel des sächsischen Vorschlags. Die ein- zelnen Stände, besonders Pfalz, Köln und Trier, strebten jedes von seinem Standpunkte aus nach einer eingehen- deren Regelung dieser Verhältnisse und nachdem in den vorgängigen Debatten die entgegenstehendsten Absichten, einander bekämpft hatten, wurde schlielslich , um nur einen Anhalt für die weiteren Verhandlungen zu ge- winnen, Kurmainz beauftragt, einen vorläufigen Entwurf über die Regelung der betrelfeuden Fragen fertigzustellen. Dieser Mainzische Entwurf-^), welcher dem zu diesem Zwecke niedergesetzten Kurfürstenratsausschusse am 18. März vorgelegt wurde, lehnte sich stark an den Wortlaut des Abschieds von 1544 an. Seine Bestim- mungen waren im kurzen folgende. Allen reichsständischen Geistlichen, d. h. den Vorstehern der reichsunmittelbaren Erzbistümer, Bistümer und Abteien und den in ihren Territorien gelegenen Unterstiftern und sonstigen geist- lichen Stellen, bleiben ihre Güter, gleichviel ob sie inner- oder aulserhalb der geistlichen Territorien liegen, in dem Umfange gewahrt, wie sie sie vor dem Beginn des Kirchenstreits inne hatten. Die landsässigen geistlichen Güter, insofern sie bis Ende 1547 eingezogen sind, bleiben dies; nur dals schwebende Rechtshändel oder Vergleichs- handlungen durch diese Bestimmung nicht gehemmt wer- den sollen. Die noch nicht eingezogenen geistlichen Stellen bleiben in ihrem gegenwärtigen Vermögensstande intakt erhalten. Will der Reichsstand, unter welchem sie gesessen, den Aufenthalt katholischer Geistlicher in seinem Lande nicht ferner gestatten, und sind die Pfründeninhaber demzufolge gezwungen, das Land zu verlassen, so sind ihnen nichtsdestoweniger die Gefälle der von ihnen bis dahin innegehabten geistlichen Stellen an den Ort ihres nunmehrigen Aufenthalts zu entrichten. Lidessen ist von diesen Gefällen diejenige Summe in Ab- zug zu bringen, welche bisher von der betreifenden geist- lichen Stelle darauf verwandt wurde, die nötigen Mini- sterien (Kirchendienst, Schulen, Wohlthätigkeitsanstalten u. s. w.) zu unterhalten ; diese Summe bleibt für letzteren

^) Der WnrtlaiTt I, 244 tt'.

o

Kiirsachsen und der Augsburiy;er Religionsfriede. 245

Zweck reserviert, gleichviel in Avelcliem Bekenntnis l)e- sagte Ministerien bestellt werden sollen. Erheben sich Differenzen darüber, wieviel dem weggezogenen Geist- lichen zukomme und wieviel andererseits für Bestellung der Ministerien zurückbehalten werden soll, so ist zu nächst ein Vergleich durch schiedliche Mittelspersonen zu versuchen. Gelingt er nicht, so wird die Entscheidung kaiserlichen Kommissarien anheimgestellt.

Man muls zugestehen, dafs diese eben angeführten Bestimmungen die altgläubigen Wünsche nicht in schroffer Weise zum Ausdruck brachten. Demungeachtet charak- terisierten sie aber doch die neu zu schaffenden Zustände ganz unumwunden als nur vorläufige. Schon dals die Weiterfühi'ung der schwebenden Prozesse und Vergleichs- handlungen in weitgehendster Weise aufrecht erhalten bleiben sollte, war hierfür bezeichnend. Am merk- würdigsten nach dieser Richtung war aber doch die Be- stimmung, dais den andersgläubigen Inhabern geistlicher Pfründen, die wegen Religionsveränderung des Reichs- standes, unter dem sie gesessen, ihre Sitze haben ver- lassen müssen, gleichwohl ihre Einkünfte nach Abzug der Gelder für die in protestantischem Sinne weiter zu verwaltenden Ministerien aus eben diesen verlassenen Pfründen gewahrt werden sollten. Mit anderen Worten: es war die Absicht, aus den Mitteln protestantisch ge- wordener Kircheninstitute eine stellenlose oder anderweit amtierende katholische Geistlichkeit existent zu erhalten. Als Bestandteil des „ewigen Friedens" mufe eine solche Bestimmung exorbitant, ja widersinnig erscheinen. Muiste sie doch einerseits nach dem Ableben der ausgewanderten Pfründeninhaber in ein Stadium zAveifelhaftester Aus- legung geraten, während sie andererseits, da man den protestantischen Obrigkeiten doch wohl nicht vorrechnen konnte, wie hoch die für ihren Kirchendienst u. s w. zu verwendenden Summen anzusetzen seien, den früheren In- habern wenig oder nichts übrig lassen würde. Es lag auf der Hand, dafs mit dieser Satzung kein faktisches Verhältnis der Zukunft geordnet werden konnte. In- dessen das war es ja eben, was die katholisclie Politik verhindern wollte: mulsten die altkirchliclien (ji eist liehen von ihren Sitzen weichen, erhoben sich über ihre Jlechte endlose Streitigkeiten, blieben die ihnen nach dem KN'li- gionsgesetz zustehenden Anspriiclie unbefriedigt mui gut, so war das noch inuner um vieles besser, als wenn

246 L- Schwabe:

man von vornherein den protestantisierenclen Obrigkeiten ihr Vorhaben durch endgiltigen Verzicht erleichtert und sich selbst das Märtyrertum des in seinem Rechte Ge- kränkten hätte nehmen lassen.

Es leuchtet ein: den sächsischen Gesandten konnte von allen diesen Einzelbestimmungen eigentlich nur die angenehm sein, welche die bis zu einem bestimmten Zeit- punkt eingezogenen geistlichen Güter endgültig in prote- stantischen Besitz übergegangen sein liels. In allem übrigen, selbst in der Bestimmung über künftig prote- stantische Verwaltung der Ministerien, von welcher sicli die eben charakterisierte Klausel über die alsdann zu treffende Entschädigung der depossedierten Geistlichen doch wahrscheinlich nicht trennen lassen würde, sahen sie nur den Anlafs zu unnützen Weiterungen in den Verhandlungen und zwar über Dinge, welche schlielslich jeder mächtigere Eeichsstand in Zukunft doch nach seinem Gutbefinden entscheiden würde. So kamen sie denn, nachdem eine längere Debatte diese Befürchtung als nur allzubegründet erwiesen hatte, schlielslich in der Plenarsitzung vom folgenden Tage (19. März) noch ein- mal auf ihren früheren Vorschlag einer generellen Fassung zurück. Insoweit drangen sie auch diesmal durch, dals man diesen ihren Vorschlag billigte und ihnen auftrug, einen dahinzielenden EntAvurf dem Ausschusse des Kur- fürstenrats vorzulegen. Sie wählten eine Fassung, welche der vom 16. März im ganzen entsprach'-'^) und erreichten auch, dals der Paragraph in dieser Weise in das Friedens- instrument eingestellt wurde, in dem er schlielslich auch stehen geblieben ist. Wenn man sich nun nur damit begnügt hätte! AUeüa, es ist merkwürdig, wie diese einzelnen Bestimmungen unlöslich miteinander verknüpft erscheinen : als einmal eine von ihnen wieder in den Text des Friedens eingedrungen war, folgten die anderen - mit un- bedeutenden Ausnahmen in unabweisbaroi- Konsequenz ihr nach. Diesmal war es Kurpfalz, Avelches im Hinblick auf die künftig vorzunehmende Reformation seines Landes diesen seinen Maisnahmen jetzt schon ausdrücklich und buchstäblich reichsrechtliche Anerkenntnis sichern zu müssen glaubte. Diesem Wunsche entsprechend ver- langten die pfälzischen Gesandten, dals dem von Kur- sachsen vorgeschlagenen Artikel mindestens noch eine

25

) Der Wortlaut I, 254.

Kursachsen und der Augsburger Keligionsfriede. 247

Bestimmung' über das Recht der protestantischen Reichs- stände beigefügt werde, aus den Mittehi geistlicher Güter die Unkosten für die in ihrem Sinne zu verwaltenden Ministerien zu bestreiten. Nicht dem Wortlaut, aber dem Sinne nach w^äre auch das einer Berechtigung der neu- gläubigen Stände gleichgekommen, die unter ihnen ge- legenen mittelbaren geistlichen Güter einzuziehen. In- dessen, wie gesagt, wenn die Katholiken auch kaum die Hoffnung hegen konnten, einen mächtigeren Reichsstand, der sich der Augsburgischen Konfession zuwenden wollte, thatsächlich an der Verwendung des katholischen geist- lichen Besitzes zu den Zwecken des evangelischen Kultus zu verhindern, so durften sie doch nun und nimmer zu- geben, dals diese Veränderung durch sie selbst gesetz- liche Sanktion erhielt. Die Güter selbst mulsten sie für diesen Fall auch in Zukunft wohl oder übel fahren lassen, den Anspruch darauf hätten sie niemals aufgegeben. Kaum hatte Pfalz jene obige Bestimmung in Voi-schlag gebracht, so forderten die Geistlichen energisch, alle die anderen Bestimmungen des Mainzischen Entwurfes wieder mit aufzunehmen, diesmal sogar nach Malsgabe des Regensburger Abschieds von 1541 verschärft. Als die Sachsen klagten, auf diese Weise werde man schwerlich bei der „Generalität" bleiben , erwiderte Mainz : Pfalz sei schuld; stünde das eine, müsse auch das andere bleiben. Richtig gelang es ihnen, die Klausel über die schwebenden Prozesse und die über das schiedsrichter- liche Verfahren, im Fall sich über den Betrag jener für die aus den Kirchengütern zu verwaltenden Ministerien verwendeten Summen Streit erhöbe, wieder durclizu- bringen ; nur dals man für letzteren Fall die endliche Entscheidung nicht mehr kaiserlichen Kommissai'ien, son- dern einem von beiden Teilen zu erwählenden Obmann anheim stellte. Die Bestimmung, dals den ihrer Güter entsetzten katholischen Geistlichen der Restbetrag ihrer ehemaligen Einkünfte nach Abzug der Beträge für die nunmehr aus eben diesen Gütern i^rotestantisch zu ver- waltenden Ministerien an den Ort ihres derzeitigen Auf- enthalts folgen sollte - - diese Bestimmung, welclic vor allem jenen von Pfalz wieder eingebrachten Paragraphen in katholischem Sinne einschränkte, verscliwand zwar an dieser Stelle; dagegen tauchte sie in anderer Vovu\ an anderem Orte wieder auf. Die Geist lichiMi luacliten nämlich in den Eingangsworten, wo den Ständen beider

248 L Schwabe:

Religionen Rechtsschutz gewährleistet wurde, bei Ge- legenheit der katholischen Stände einen Zusatz hinein, nacli welchem nicht nur die geistlichen Reichsstände, sondern auch „alle anderen geistlichen Standes" in Hin- sicht aller ihrer Rechte, also auch ihrer Besitzrechte, unter den Schutz des Reiches gestellt werden sollten. Man würde nun den Gesetzgebern in Hinsicht ihrer Fähigkeit soiyohl, wie ihrer Ehrlichkeit gewils Unrecht thun, wenn man mit M. Ritter annehmen w^ollte, dals auch nur auf katholischer Seite die Meinung geherrscht habe, mit diesen Worten sei im Widerspruch zu dem ym Pfalz durchgesetzten Paragraphen über die Verwaltung der Ministerien den katholischen Geistlichen in prote- stantischen Ländern der ganze Besitzstand in seinem vollen Umfange gewährleistet w^orden. Darüber war man sich vielmehr von vornherein einig, dals dieser neue Para- graph die pfälzische Bestimmung nicht sowohl aufhob, als vielmehr modifizierte. Dals dies und nichts anderes die Absicht gewesen, ergiebt sich, abgesehen von dem Gang der Debatte, mit voller Deutlichkeit daraus, dals man, als die Bestimmung durchgesetzt war, ihr auf Vor- schlag Sachsens ohne erheblichen Widerspruch auf irgend einer Seite die Einschi-änkung anhängte: „doch dals es mit Bestellung der Ministerien gehalten werde, wie hierinnen davon ein sonderlicher Artikel gesetzt". Auch in dieser Form war also klar und zweifelsfrei die Ver- wendung enies Teiles der katholischen Güter zu den Zwecken landeskirchlicher Verwaltung protestantischer Reichsstände gesetzlich gestattet, thatsächlich also, wie schon oben ausgeführt, die Einziehung derselben so gut wie sanktioniert-''). Nichtsdestoweniger war das Ver-

26) Vergl. dagegen Ritter a. a. 0. S. 242 ff., anch. Deutsche Geschichte, S. 82 f. Das richtige Verstäudnis der Klausel „samt und mit anderen geistlichen Standes", sowie des zu ihr gehörenden Paragraiihen über die Ministerien ist, wie ins Auge fällt, von gröfs- ter Wichtigkeit für die Beurteilung des ganzen Religionsgesetzes: es sei daher gestattet, nochmals Ritters und demgegenüber unsere Auffassung dieses Punktes zu präzisieren, im obigen ist die Mei- nung vorgetragen, dafs über lieide Bestimmungen Katholiken wie Protestanten im wesentlichen übereinstimmten: beide dachten sich durch den Paragraphen übe)- die Ministerien den gesamten land- sässigen geistlichen Besitz in protestanlischeu Ländern an die Landesherren zu den Zwecken lutherischer Kircheuübung insoweit ausgeliefert, als er schon bisher für Kirchendienst, !Schulverwaltung und Armenpflege verwendet wurde; nur was dann etwa noch übrig bliebe, sollte in Gemäfsheit der Klausel „samt und mit anderen etc."

Kursachseu uml der Aiigsburger Religioiij>fiie(le. 249

liältuis niinmelir docli in einem wesentlichen Punkte anders geordnet, als in dem Mainzisclien Entwurf. Letz- terer hatte vorgesehen, dals den Geistlichen zwar der niehrbesprochene Restbetrag, welcher nach Abzug der für die protestantischen Kirchenzwecke zu verwendenden Beträge übrig bleiben würde, gewahrt werden sollte, zu- gleich aber vorausgesetzt , dals ihnen die Ausübung ihrer geistlichen Funktionen an ihren früheren Sitzen verboten und sie selbst Landes verwiesen wiirden. Von dieser letzteren Voraussetzung war nunmehr nicht ferner die Eede; vielmehr schien dieselbe durch die neue, allge- meiner gefaiste Klausel „sambt und mit anderen etc." ausgeschlossen zu sein. Die Kursachsen waren die ersten, die dieses Bedenken geltend machten: es könne mit jenen Worten gemeint sein, man solle die päpstlichen Zeremonien in protestantischen Landen dulden; darein Averde man niemals willigen, und sollte es durch Über- stimmen beschlossen werden, so werde man es nicht halten. „Ob man gleich den Geistlichen die Güter (d. h. natürlich immer wieder nur jenen oben bezeichneten frag- würdigen Restbetrag) lielse, so würde man ihnen doch die Zeremonie und anderes in derselben (der A.K.) ver- wandten Landen nicht gestatten". Trier und Köln ver- suchten zwar auf dem von Sachsen angefochtenen Sinn zu beharren, indessen Mainz, welches sich ja schon in seinem Entwurf dieser Position begeben hatte, fiel schliels- lich den Protestanten zu und schlug vor, ihren An- sprüchen genug zu thun, indem man in den Bestimmungen über den den Protestanten zu gewährenden Reichsschutz eine Einschaltung machen solle, Avonach sich dieser Schutz auch auf die „Kirchenbräuche und Ordnungen, so sie

den katholischen Pfründeninhabern -reserviert bleihen. Einzig inso- fern bestand eine Verschiedenheit der Auslegung der letzteren Klausel, als die kntholischen Mitglieder des Kurfürstenrates damit einen Schutz für die Person ihrer (ieistlichen und ihres Kultus in. protestantischen Ländern erreicht zu Inilien glaubten, während unter den Protestanten wenigstens die kur s ächsischen (Jesaiidfeu, und auch die nur nach einer Ton ihnen ausgesprochenen rrivatniei- nung, diesen Schutz, sofern er von der tiegenseite zufolge des Ab- satzes „samt und mit an<leren etc." in Anspruch genommen werden sollte, auf die unter reichsgeistlicher Landesli(dieit gesessenen (ieist- licheu beschräiikbar erachteten Dahingegen glaubt Ritter, dafs über beide Bestimnnuigen bei Katholiken und l'rotestanten die entgegen- gesetztesten Meinungen geherrscht hätten. .Jene hätten mit der Klausel ,samt und mit anderen etc." die geistlichen Güter und Ge- rechtsame in jeder Beziehung überall und ausnahmslos gesichelt

250 ^- Schwabe:

aiifgericlit und iioclimals aufrichten würden", zu erstrecken habe. Kursachsen hielt liiermit, indem es mit diesen Worten gegenüber der bisher geltenden geistlichen Juris- diktion alle Rechte über Kirchenübung in die Hände des protestantischen Landesherrn gelegt erachtete, jene obige Auslegung der Worte „sambt und mit anderen etc." für abgeschnitten. Da die kursächsischen Gesandten aulser- dem schlimmstenfalls die fraglichen Worte syntaktisch als zu den vorhergehenden: „Reichsstände der alten Religion anhängig, geistliche und weltliche" zugehörig betrachten zu dürfen und alsdann mit ihnen nur die unter jenen Reichsständen gesessenen Geistlichen gemeint glaubten eine Auffassung, die durch eine spätere

^[eglaubt, während diese allseitig diese Klausel nur auf die unter Landeshoheit geistlicher Reichsstände gesessenen Geistlichen be- zogen hätten. Der Paragraph über die Ministerien wäre nach Mei- nung der Protestanten „nur auf solche Kirchen, Schulen u. s. w., welche von Gütern und Gefällen zu unterhalten waren, die ein katholischer Reichsstand oder seine geistlichen Unterthanen hier und da in den Gebieten protestantischer Landeshei'ren besafsen", zu be- ziehen gewesen. Im Sinne der Altgläubigen hätte er zwar einen krassen Widerspruch zu der Klausel „sambt und mit anderen etc." enthalten, doch wäre er zur Not auch für diese zu erklären ge- wesen: sie hätten ihn nach den Bestimmungen des Gesetzes über die geistliche Jurisdiktion, von welcher das Recht der Besetzung geistlicher Stellen einen wesentlichen Bestandteil bildete, auf die Fälle beziehen können, wo eine geistliche Pfründe durch freiwilligen übertritt ihres Inhabers oder sonstwie erledigt worden wäre. Dafs ersteres die Meinung der Protestanten über den Ministerien- paragraphen gewesen sei, findet jedoch in ihren eigenen Äufserungen und in dem Wortlaut des Paragraphen selbst, der sich ausdrücklich auf die Angaben im Anfang der Friedensurkunde bezieht, wo von „allen geistlichen Stands" und Sicherung ihrer Güter und Gerecht- same die Rede ist, keinen Anhalt und wird durch die Geschichte seiner Entstehung entschieden widerlegt. Auch wäre es doch sonder- bar, wenn gerade die Protestanten eine Bestimmung zu ihrem Nach- teil ausgelegt hätten, die nach Ritter selbst (S. 243 f., Punkt 2) bei naturgemäfser Interpretation zu ihren Gunsten sprach. Ebensowenig dürfte mit dem anderen die Meinung der katholischen Stände über eben diesen Paragraphen wiedergegeben sein. Wäre dabei doch übersehen gewesen, dafs kraft des geistlichen Vorbehalts, der ja eben ganz besonders den Sinn der Katholiken zum Ausdruck bringen sollte, und der, wie R. selbst anführt, sich kehieswegs blos auf geist- liche Reichsstände bezog, ein freiwilliger Übertritt des Pfründen- inhabers nicht die Protestantisierung der Pfründe zur Folge haben darf. Und wenn R. , wie es nach S. 251 scheinen kann, annehmen sollte, dafs diese von ihm angenommene Auffassung des Ministerien- paragraphen unter den Geistlichen wenigstens vor Annahme des geistlichen Vorbehalts geherrscht habe, so ist auch das ausge- schlossen; denn die Bestimmung über Aufhebung der geistlichen

Kursacliseu iiud der Augsbiirgcr Keligioiisfriede. 251

» Hinzufüg-uiig^") unterstützt wurde , so meinten sie, die bedenklichen Worte passieren lassen zu können.

So war denn nun in diesem jetzigen Stadium alles, was mit dem unbedingten Frieden zusammenhing, mit ziemlicher Klarheit und im wesentlichen zur Zufrieden- heit der Protestanten geordnet. Der Religionsfriede war auch abgesehen von der zu erhoffenden Vergieichung in der denkbar feierlichsten Weise garantiert; der beider- seitige Besitzstand war nach Malsgabe der Verhältnisse von Ende 1547 fixiert worden; die nachbarlichen Be- ziehungen waren in der Weise geregelt , dals die geist- lichen jurisdiktioneilen Rechte (wenigstens nach Meinung der Protestanten) durch die Klausel über die Kirchen- ordnungen in protestantisch gewordenen Ländern suspen- diert sein sollten; die noch jetzt vorhandenen geistlichen Besitztümer in protestantischen Territorien waren inso- weit in die Hände des Landesherren gegeben, als er sie für den Bedarf seiner landeskirchlichen Einrichtungen heranzuziehen für nötig befand. Lidessen schon bei den beiden letzteren Punkten hatte sich ein erheblicher Wider- spruch der Geistlichen geltend gemacht. Natürlich, sie berührten ja schon die Möglichkeit, dais weitere Reichs- stände sich der Augsburgischen Konfession zuwenden würden. Ob man dies überhaupt und welchen man es gestatten dürfe, darüber erhoben sich nun die erbittert- sten Zwistigkeiten. Der Bestand der protestantischen Kirche war gesichert wie war man gesonnen, sich ihrer Ausbreitung anzunehmen?

Wir erwähnten schon, dals eine Erledigung dieser Frage in der sächsischen Listruktion überhaupt nicht

Jurisdiktion, deren Vorhandensein in dem Gesetze doch alhnn jene von Kitter sniiponicrte katholische Anffassung' eruiögliclit hal)ea würde, ist ja ebensowohl wie der geistliche Vorbehalt in den letzten Stadien der Augsburg er Verhandlungen und lange nnch der Fest- setzung des Ministeiienparagraphen zur Annahme gelaugt. Richtig ist allerdings, dafs der ^linisterienparagraph nicht nur die land- sässigen Güter betraf, sondern auch diejenigen „Güter und Gefalle, die ein katholischer Kcichsstaml oder seine geistlichen Uiiterthaiu'n in den Gebieten protestantischer Landesherren besassen" und dafs er von Kurpfalz auch mit wegen dieser durchgesetzt Avorden ist. Vergl. den üericht der kurbrandenburgischen Gesandten vom 20. April, Geh. Staats - Archiv zu Iterlin. Genauen Aufschlufs über die dies- bezüglichen Alisichten von Pfalz giebt ein Schreiben Ivrams vom 22. März, I, 29fi f

") Vergl. ßitter a. a. 0. S. 245.

252 ^- Schwabe:

vorgesehen war. Es erscheinen im allgemeinen die Be- griffe hierüber zu dieser Zeit noeh nicht geklärt. Der tiefgreifende Unterschied, der bei dieser Angelegenheit zwischen weltlichen und geistlichen Eeichsständen zu machen war, ist in dem ersten Stadium der Verhand- lungen den kurfürstlichen Unterhändlern gar nicht zum ßevvufstsem gekommen. Auch scheint anfangs gerade unter den geistlichen Mitgliedern des Kurfürstenrates die Meinung vorgeherrscht zu haben, damit, dafs man Aus- führungsbestimmungen für den etwaigen Übertritt von Reichsständen traf, sei die Berechtigiuig des Übertritts an sich selbst gegeben. Sie lielsen sich vernehmen, „die Meinung habe es allerdings und solle es haben", dals der Übertritt zur Augsburgischen Konfession freistehe, nur sei es ihnen in ihrem Verhältnis zur Kuiie und der öffentlichen Meinung nicht thunlich, dies unumwunden in den offenen Eeichstagsabschied liineinzusetzen; würde man diesesfalls doch wie Mainz einmal äufserte -- im Auslande sagen, die Deutschen wechselten die ßeligion „wie ein Äff'', der von einem Baum zum anderen hupft". Allmählich bildeten sich jedoch auch in dieser Frage die Gegensätze immer schärfer heraus. Namentlich Köln war es, das sehr bald einen strengeren Standpunkt ein- nahm, ja schlieMich jede weitere Veränderung in Reli- gionssachen verboten und alle Entscheidung ,.per viam ordinariam", (d. i. durch Konzil oder Ausspruch des Papstes) herbeigeführt wissen wollte. Damit war freilich nicht durchzukommen. Die Sachsen erwiderten, was „via ordinaria" sei, das sei eben die Frage; auch müsse man, so man noch weiter auf jene Entscheidung warten sollte, wissen, „wo mittlerzeit die Seele hinführe"-^). Und nun war es vor allem wieder Pfalz, welches auch hierin eme klare und deutliche Bestimmung wünschte, zunächst natürlich im eigenen Interesse; es trat mit dieser For- derung zum erstenmal am 19. März hervor. Das Ver- halten der sächsischen G-esandten demgegenüber ist höchst bezeichnend. Obschon ihnen die Wünsche von Pfalz nur wenig am Herzen lagen, sahen sie sich doch aus konfes- sionellen Anstandsrücksichten gezwungen, ihren Glaubens- verwandten beizustehen. Sie deckten sich also nach dieser Richtung zunächst, indem sie selbst eine Fassung vorschlugen, durch welche die uneingeschränkte Erlaubnis,

28'

) Ges.-Ber. v. U. Apiil, 11, 5k

Kursachsen und der Augsburger Keligionsfriede. 253

der Augsburger Konfession beizutreten, ausgesprochen war-"). Über Behauptung oder Bestreitung der betretfen- den Worte erhob sich alsdann ein eigentümliches S^iel: Pfalz suchte den sächsischen Vorschlag in seinem Sinne zu erweitern; die Geistlichen wünschten ihn womöglich von dem Gesetze fernzuhalten ; zwischen beiden bewegten sich die vermittelnden Vorschläge Sachsens. Man kam auf diese Weise schliefslich zu einer Fassung von so weitgehender Allgemeüiheit, dals der Widerstand auf beiden Seiten und das Interesse an der Frage zu er- lahmen begann. Das Eesultat war eine Bestimmung, die ebensogut hätte wegbleiben können, ohne den Inhalt des Religionsfriedens im mindesten zu verändern. Man einigte sich dahin, dals die Schutzbestimmungen gelten sollten für alle Eeichsstände, „zu was Zeit sie derA.K. (resp. der alten Religion) verwandt". Das konnte nun ebensogut heifsen: „verwandt geworden sind", als man damit meinen konnte : „verwandt werden." Also, worauf es eigentlich ankam und weshalb sich diese Diskussion erhoben, das gerade liels man, und zwar absichtlich, un- entschieden. Man kann das weder eine ünklarlieit nennen, denn beide Teile waren sich des Doppelsinns der gewählten Worte vollständig bewulst, noch auch eine Unehrlichkeit, denn beide Teile wuIsten ganz genau, welchen Sinn der Gegner mit diesen doppelsinnigen Worten, durch die sich keine von beiden Parteien täuschen lassen würde, verbinden werde es war nur die eigen- tümliche Form, auf die man durch den Gang der Debatte geführt wurde, eine unlösbare Frage ungelöst zu lassen ='^). Da verfuhr man denn bei dem anderen Kardinal- punkte protestantischer Aktionspolitik in Sachen der Freistellung für die Unterthanen kürzer, indem man wenigstens nicht nach Worten suchte, um schlieislich nichts mit ihnen zu sagen. Wie schon erwähnt, war auch hierüber den kursächsischen Gesandten keine Weisung mit auf den Weg gegeben. So wenig waren sie in dieser Beziehung über die Absichten ihres Herrn unterrichtet, dafs sie noch von Augsburg aus am 15. Februar Resolu- tion einholen muisten, ob August auch den von den beiden herrschenden Bekenntnissen abweichenden Lehrl)ildungen Duldung gesichert wissen wollte. Doch war das in diesem

-^) Vergl. Ges.-Ber. v. 22. März, I, 259 1'. ■■''>) Vergl. Ües.-Ber. v. 14. April, II, l ff.

254 L- Schwabe:

Falle Avolil nur eine Form; man wurde sich bald aller- seits einig', dals den „verdammten Sekten" keine Scho- nung zu gewähren sei. Anders verhielt es sich mit den Unterthanen der beiden anerkannten Konfessionen im Verhältnis zu ihren andersgläubigen Landesherren. Es kam hierbei ein doppeltes in Frage. Sollte den Unter- thanen Kultusfreiheit oder sollte ihnen nur Gewissens- freiheit zugestanden werden? Sollte man ihnen die freie Ausübung des ihrem Bekenntnisse entsprechenden Gottes- dienstes gewähren oder sie nur nicht zwingen, den kirch- lichen Vorschriften der betreffenden Landeskirche nach- zuleben? Die erste Frage, nach Freigabe des Kultus, wurde katholischerseits durch die historisch überkomme- nen Verhältnisse kompliziert : hätte man dem katholischen Kultus, so wie er allenthalben war, unbeanstandet Dul- dung gewährt, so hätte man eben in protestantischen Territorien die geistlichen Institute mit allem ihren Be- sitz, soweit letzterer nicht etwa auf Leistungen anders- gläubig gewordener Lidividuen beruhte, nicht antasten dürfen. Man hätte damit für die alte Kirche sozusagen einen eisernen Bestand errichtet, der, ohne dals er in den religiösen Anschauungen der die betreffenden Institute umwohnenden Individuen irgendwie mit Notwendigkeit begründet zu sein brauchte, doch eine gewisse Anzahl der letzteren dauernd in dem Bekenntniskreis der katho- lischen Kirche festgehalten und somit der Ausbreitung des Protestantismus unter protestantischer Landesherr- schaft einen unüberwindlichen und doch rein äulserlichen Widerstand entgegengesetzt hätte. Allein wir haben gesehen, dals selbst die Geistlichen im Kurfürstenrate diese Forderung nicht aufrecht zu erhalten wagten: in den Bestimmungen über die Verwaltung der Ministerien und Handhabung der Kirchenordnungen wurde den alt- gläubigen Pfründeninhabern die Verfügung über ihre Ein- künfte und die freie Ausübung ihrer geistlichen Funk- tionen entzogen. So konnte es sich in betreff" der Kultus- freiheit nur darum handeln, ob man den andersgläubigen Unterthanen gestatten wollte, aus eigner Initiative und eignen Mitteln sich selbst einen dem landesherrlichen Bekenntnis nicht entsprechenden Gottesdienst einzurich- ten. Ich finde nach dem vorliegenden Material nicht, dals die so formulierte Forderung einmal mit Klarheit in den Debatten ausgesprochen und von dem Anspruch auf blolse Gewissensfreiheit mit Schärfe getrennt worden

Kursachsen und der Augsburger Religionsfriede. 255

sei. Es lag- das zum teil au dem Gaug der Verbaud- luugeu, iu welclieu die Freistelluug- für die Uuterthanen auf der Tagesordnung stand, nocli elie die Eestimmungen über Ministerien und Kircbenordnungen festgestellt waren, so dals man protestantiscberseits fürchten mulste, zu- gleich mit der Freigebung des Kultus die Verfügung über die katholischen Kirchengüter aus der Hand zu geben. Vor allem aber ist zum Verständnis dieser Vor- gänge nötig, die Parteien ins Auge zu fassen, wie sie sich damals gegenüber standen. Das steht ja zunächst aulser Frage, dals Freiheit für die Gewissen im Prinzip von den Protestanten zugestanden, von den Katholiken aber bestritten wurde. Auch in betreff der Kultus- freiheit konnten sich die Katholiken, die ja selbst die Gewissen knebeln wollten, über ihre Haltung nicht zweifel- haft sein. Was die Protestanten anlangt, so mochte die im Prinzip zugestandene Gewissensfreiheit den einen oder anderen vielleicht auch in seiner diesbezüglichen Ansicht unsicher machen; im allgemeinen jedoch darf man wohl annehmen, falisten auch sie die öffentliche Ausübung des gegnerischen Kultus als Abgötterei auf, die im sitten- polizeilichen Interesse als Verführung zum Aberglauben nicht zu dulden sei. Gleichwohl hinderte sie das nicht, die allseitige Toleranz für beide Bekenntnisse in den Augsburger Verhandlungen zu fordern, deswegen nämlich, weil sie über den nur für sie günstigen Erfolg dieser Malsregel vollständig beruhigt waren. Denn so vielfach es bis dahin geschehen war, dals grölsere oder kleinere Bevölkerungsteile in katholischen Territorien zu der neuen Lehre übergetreten waren, so schwer dürfte es fallen, in protestantischen Gebieten, wo die katholischen Institute saekularisiert oder protestantisiert worden waren. Ver- suche einer selbständigen katholischen Gemeindebildung- aufzuweisen. Selbst die Katholiken müssen einen solchen Vorgang für undenkbar gehalten haben; denn wenn sie schon die ganzen Verhandlungen hindurch die Duldung protestantischer Untertlianen in katholischen Gebieten ablehnten und aulserdem jeden weiteren Abfall von ihrer Kirche auch für die noch in protestantischen Territorien vorhandenen Katholiken verboten wünschten, so findet man doch nirgends, dals sie für Freistellung des Über- tritts protestantischer Uuterthanen zur katholischen Kirche eingetreten wären. So stark war damals noch der Glaube an die propagatorische Macht der evangelischen Ge-

256 ^- Schwabe:

danken, dafs er selbst von ihren Gegnern geteilt wurde. Wenn also Pfalz und Brandenburg von Anfang an unbe- dingte Toleranz nach beiden Seiten hin verlangten, so glaubten sie damit allerdings die innere freie Überzeugung katholischer Unterthanen unter protestantischer Obrigkeit geschützt, die Ausübung des katholischen Kultus auf diesen Gebieten aber (nachdem die Bestimmungen über Kirchengüter erlassen waren) zwar nicht rechtlich, aber doch thatsächlich ausgetilgt. Ob sie trotzdem gegebenen Falls der von ihnen zugestandenen allseitigen Duldung ehrlich nachzukommen gedachten, das hätte sich erst be- urteilen lassen, w^enn nach dem Erlals dieser Bestimmung (sie w^urde aber eben nicht erlassen) wider Erwarten jener Fall katholisierender Bestrebungen eingetreten wäre^^). M. Ritter freilich glaubt nach einer ÄuJserung in den Berichten der kursächsischen Gesandten annehmen zu müssen, dafs die Protestanten mit derlei Absichten, die sie ursprünglich unehrlicher Weise nur im Stillen ge- hegt hätten, schliefslich auch offen hervorgetreten seien und für die protestantischen Unterthanen eine Duldung gefordert hätten, die von selten protestantischer Obrig- keiten den Katholiken verweigert werden sollte. So hätten denn die Geistlichen des Kurfürstenrats in diesen malslosen Forderungen, denen sie ihrerseits mit gleicher Waffe begegnet wären, den Anlals gefunden, in Sachen der Freistellung für die Unterthanen überhaupt nichts zu bewilligen-^-). Die betreffende Äufserung bezieht sich auf einen Vorgang, der sich in einer Ausschuissitzung des Kurfürstenrats abgespielt hat, und kann daher leider durch das vorliegende Protokoll, welches nur in den

31) Der auf anderem Wege von Ritter (a. a 0. S. 280) ver- suchte Beweis für die Unehrlichkeit der diesbezüglichen protestan- tischen Absichten wird diirch die von ihm selbst gemachte Be- merkung (Deutsche G-eschichte S. 82), dafs das von ihm benutzte Gutachten nicht den pfälzischen Kurfürsten, sondern den Pfalzgr. Ott Heinrich zum A^erfasser hat, in Hinsicht auf die protestantischen Mitglieder des Kurfürstenrats durchaus hinfällig Auch für Ott Heinrich ist nach Lihalt des Gutachtens (Stuttg. Reichstagsakten, Bd. XlVd, Bl. 68f.) eine Unehrlichkeit der Absichten nicht nach- zuweisen. Seine Meinung war, dafs man allerdings für die Prote- stanten Gewissens- und Kultiisfreiheit verlangen, die letztere aber den Katholiken ausdrücklich verweigern sollte. Das Gutachten hält aber selbst den Erfolg einer derartigen Forderung für unwahrschein- lich und will daher schliefslich nur beiderseits freies Abzugsrecht für andersgläubige Unterthanen zugestanden wissen.

■■'■-) Ä. a. O. S. 230.

Knrsachseu und der Augsburger Religionsfriede. 257

Plenarsitzungen geführt worden ist, nicht kontroliert werden. Allein schon die obigen Ausführungen müssen es zweifelhaft erscheinen lassen, dals die Protestanten einen ebenso unnützen als aussichtslosen Vorstols gewagt haben sollten. Und wenn wir ferner an der Hand der Berichte und besonders des Protokolls beobachten, Avie die Protestanten im Kurfürstenrate selbst von Anfang bis zu Ende immer mit ganz klaren Worten nur allseitige Duldung •^•'), die Geistlichen hingegen ebenso beharrlich Duldung nur für ihre Glaubensgenossen und reichsrecht- lichen Glaubenszwang für alles, was noch katholisch war, verlangten, so möchten wir glauben, dals in dem be- treffenden Passus der Berichte nur ein ähnlicher Vorgang gemeint ist, wie er in einer Sitzung des ganzen Kur- fürstenrats (16. März) statthatte, wo Sachsen, dem doch am wenigsten so radikale Absichten zuzutrauen sind, auf ebeiidahinzielende Vorschläge Triers erwiderte, dann könnten die Protestanten ebensogut verlangen, dals die gegenwärtig protestantischen Stände nicht nur jjrotestan- tisch bleiben sollten, sondern dafs auch alle Katholiken zum Protestantismus übertreten müfsten"^*). Wie dem auch sei, gewils war es weder die Besorgnis vor unehr- lichen Hintergedanken, noch auch die offene Forderung nur einseitiger Duldung seitens der Protestanten, was die altkirchlichen Mitglieder des Kurfürstenrats veran- lafste, in Sachen der allseitigen Toleranz überhaupt nichts nachzugeben. Der eigentliche Grund für ihre ablehnende Haltung (kaum brauchen wir es hervorzuheben) war viel- mehr der, dals man im Falle reichsrechtlicher Schutz- versicherung für protestantische Unterthanen eine reilsende Ausbreitung der protestantischen Kirche in katholischen Ländern befürchtete. Gerade deswegen aber, weil auch sie hierin eine Lebensfrage des Katholizismus erkannten, zweifelten die Kursachsen, dals eine dahinzielende Be- stimmung durchzubringen sei. Wer ihre Berichte auf- merksam durchliest, wird alsbald den Eindruck gewinnen, dals sie die Freistellung für die Unterthanen von Anfang an für einen verlorenen Posten hielten, an dessen Be- hauptung sie keinen übergrolsen Eifer verschwenden

33) So schon am 12. März, I, 207 if., vor allem Protokoll 125 ff.; ferner ttes.-Ber. v. 19. März, I, 230 ff'. (Ranke, VT, 207 ff.); Proto- koll V. IH. März, Bl. 133''.

3') I, 233.

Neues Archiv f. 8. G. u. A. X. 3. 4. 17

258 I^- Schwabe:

würden"^'). Es ist nicht ersichtlich, dafs sie die aufser- ordeiitlich lebhaften Forderungen Brandenburgs oder Pfalz' nach dieser Richtung hin unterstützt hätten. Nicht minder ihrer Nachgiebigkeit Avie dem standhaften Wider- stand der erzbischöflichen Gesandten war es zuzu- schreiben, dafs die furchtbare Gefahr, die damals den deutschen Katholizismus bedrohte, abgewendet wurde. Als auch Brandenburg weich geworden war, willigte der Kurfürstenrat schlieislich in eine Bestimmung, welche die Unterthanen in bezug auf ihr Bekenntnis dem Gut- befinden der Landesherren überlieferte.

So standen nun also damals die Dinge: den Reichs- ständen war ein Glaubenswechsel weder ausdrücklich erlaubt, noch ausdrücklich verboten. Allerdings war es der stillschweigende Wille der kurfürstlichen Gesetz- geber, die Stände in dieser Hinsicht nicht zu binden; auch waren Ausdrücke gewählt, die entschieden nach dieser Richtung hin schillerten. Liels man eine solche im Gesetz selbst nicht ausgesprochene Auffassung gelten, so war damit zugleich durch die Bestimmungen über die Ministerien, die Kirchenordnungen und die Unterthanen den protestantisch werdenden Landesherren die kirchliche Zwangsgewalt im weitesten Umfange zugestanden. Lag in ihrer Ausübung eine Verleugnung des protestantischen Kirchenprinzips, so war sie doch als Repressalie gegen die Auslieferung der protestantischen Unterthanen an ihre katholischen Landesheiren nicht von der Hand zu weisen. Und wenn man sich entweder nicht mächtig genug fühlte oder die Entschlossenheit nicht fand, die reichsrechtliche Sicherstellung der allgemeinen Toleranz mit klaren Bestimmungen durchzusetzen, so war es immer noch der leidlichste Ausweg, den man wählen konnte. Die Frage war nur, ob sich die Protestanten noch einen weiteren Schritt würden zurückdrängen lassen.

Der Entwurf des Kurfürstenrats der Disposition, der Wortfassung, und, soweit er die Bestimmungen über den unbedingten Frieden betraf, auch dem Lihalt nach im grofsen und ganzen die Grundlage für den späteren Text der Friedensurkunde war am 15. April fertig gestellt worden. Während dessen hatten auch die Ar- beiten im Fürstenrate ihren Fortgang genommen und

35

) Vergl. vor allem Ber. v. 16. März, I, 221.

Kursachsen und der Angsburger Religionsfriede. 259

schlielslicli ihren Abschlufs erreiclit. Am 24. April war man soweit gekommen, sich die beiderseitigen „Notehi" übergeben zu können. Sie sollten nun gegeneinander ge- halten, entweder eine von beiden als Basis für die weiteren Verhandlungen bestimmt oder aber beide zu ehiem neuen Text kombiniert werden.

Der dem Kurfürstenrat übergebene Entwurf des Fürstenrats war den Mitgliedern des ersteren keineswegs etwas Neues. Schon seit Anfang April hatte Kurfürst August Kenntnis von den durch die Fürsten bedachten Bestimmungen, jede neu auftauchende Fassung begleitete er mit seiner Kritik, längst hatten seine Räte Weisung, was von den fürstlichen Aufstellungen wegzulassen oder aufzunehmen sei. Es liegt nun unserer Aufgabe fern, diesen Werdegang der fürstenrätlichen Notel zu ver- folgen. Einerseits ist ein offizieller oder auch nur ein nachweisbarer faktischer Einfluis der kursächsischen Politik auf ihre Fertigstellung nicht erkennbar, und andererseits wurde sie, wie erwähnt, zu Gunsten der kurfürstlichen Fassung fallen gelassen. Dagegen scheint es geboten, um den Stand der Meinungen im Fürsten- rate, zu dem Zeitpunkt, da er sich mit den kurfürst- lichen Räten ausemander zu setzen begann, kennen zu lernen, mindestens die Grundgedanken des endgültig be- schlossenen Entwurfes darzulegen. Was zunächst die reichsrechtliche Sicherstellung der protestantischen Stände betraf, so war sie ähnlich wie hi dem kurfürstlichen Entwürfe als eine unbedingte ausgesprochen, fortbe- stehend auch für den Fall religiöser Mchtvergleicliung. Doch hatten die geistlichen Stände hier unter Einflufs des Augsburgischen Kanzlers Dr. Braun durchzusetzen gewulst, dafs diese wie jede andere Bestimmung des Friedens durch eine besondere lOausel als von ihnen nur vorbehaltlich ihrer geistlichen Gewissen und Eidesptiich- ten bewilligt dargestellt wurde („Klausel von der Pfaft'en Eid"). Das Verhältnis der beiden Konfessionen zu ein- ander war hinsichtlich der Güter ungefähr in derselben Weise geregelt wie im Kurfürstenrate, nur dais man an diesem Punkte vielmehr ins einzelne gegangen war, ein Verfahren, dafs in Dresden die lebhafteste Milsbilligung erfuhr. In betreff der geistlichen Gerichtsbarkeit und Verwaltung hatte man den Termin des Passauischen Vertrags als Status quo festgestellt; wie man es bis da- hin gehalten, dabei sollte es bleiben. Die Freistellung

17*

260 I-'. Scliwabe:

des Übertritts zur A.K. war bezüg'licli der Reichsstäiide nur den weltlichen Ständen und auch diesen nur mit halben Worten zugestanden, den geistlichen aber wenig- stens nicht direkt untersagt. Für die Unterthanen war, im Fall sie sich emer von ihrem Landesherrn abweichen- den Glaubensansicht zuwandten, das Recht freier Aus- wan derun g au sb edun gen .

Versetzen wir uns in den Gedankenkreis der kur- sächsischen Politiker, so erkennen wir unschwer, dals ihnen der Füi^stenratsentwurf erheblich minder gefallen konnte als der unter ihrer Mitwirkung im Kurftlrstenrat festgestellte. Die Angelegenheit der Freistellung für Stände und Unterthanen war zwar dort etwas günstiger gestellt wie hier. Hingegen war die Assekuration des Friedens, der ja, Avie schon erörtert, trotz aller Be- teuerungen sowieso als nur provisorische Abmachung zu betrachten war, durch den ausdrücklichen Vorbehalt der geistlichen Gewissen geradezu in die Luft gestellt. Was nun von beideni: Ausbreitung des Protestantismus oder Befriedung des öfientliclien Zustandes, den Kiu"- sachsen mehr am Herzen lag, brauchen wir nach dem bisherigen nicht noch einmal zu erinnern. So war es denn durchaus in saclilichen Erwägungen begründet und keinesfalls eine bloise Vorliebe für ihr eigenes Elaborat, wenn sie vor allen Dingen den kurfürstlichen Entwurf als den Ausgangspunkt für alle ferneren Verhandlungen festgestellt wissen wollten. Eigentümlich, dals man in Dresden trotzdem für notwendig fand, die Gesandten vor allzu zähem Festhalten an diesem ihrem Programm zu warnen =^*'). Sie lielsen sich indessen in ihrem Verhalten nicht beirren; meinten sie doch, ihr Entwurf sei so genau auf das Mals des Erreichbaren gestellt, dafs man nach allen Schwankungen nach beiden Seiten hin schlielslich doch wieder auf ihn, als auf das „Medium" zurück- kommen werde.

Es war also ganz nach ihrem Sinne, dals sie am 27. April bereits ihrem Herrn melden konnten, die Mit- glieder des Fürstenrats hätten beschlossen, ihr Konzept fallen zu lassen und auf Grund der kurfürstlichen Notel Aveiter zu beraten. Freilich war damals schon, wie er- wähnt, der erste fürstliche Entwurf (nämlich am 24. April) im Kurfürstenrate überreicht. Und wenn er jetzt auch

38) Augiist a. d. R., Mai 18, II, 332.

Kursachsen und der Auasburger Religionsfriede. 261

durch diesen neueren Beschluls des Fürstenrats aus den Beratungen dieses letzteren verschwand, so lag doch die Gefahr nahe, dals er nunmehr im Kurfürstenrate seine EinAvirkungen geltend machen und den Geistlichen da- selbst eine Handhabe bieten würde, ihi-en eigenen Ent- wurf mit den Bestimmungen jenes zu „bessern oder zu ärgern". Denn wie die evangelische Minderheit im Fürsteurate eine Stütze in dem thatsächlichen Übergewicht der Protestanten im Kurfürstenrate suchte, so rechneten umgekehrt die geistlichen Kurfürsten auf Unterstützung durch die katholische Majorität unter den Reichsfürsten; gewils hatten sie manche ihnen unliebsame Aufstellung des kurfürstlichen Entwurfs nur zugegeben, weil sie auf Korrekturen durch den Fürstenrat hofften. So galt es denn, ihnen den zu diesem Zwecke so bequemen Weg, welchen die fürstliche Notel bot, abzuschneiden. Kaum hatten daher die kursächsischen Räte von dem Beschluls des Fürstenrats, definitiv auf ihr Konzept zu verzichten, Kenntnis erhalten, so holten sie sich eilends Resolution von ihrem Herrn, ob ihnen gestattet sei, nicht eher in Beratschlagung des Religionsfriedens fortzufahren, als bis der mehrerwähnte Beschluls des Fürstenrats bei ihnen offiziell zur Anzeige gelangt sei. Der Kurfürst stimmte bei. Ob sich seine Räte nun direkt auf die Verhand- lungen im Fürstenrate beriefen, oder ob sie durch ein anderes Manöver die Verhandlungen über den Religions- frieden hintanzuhalten wulsten genug, es gelang ihnen, diesen Gegenstand, ohne sich doch in anderen Punkten zu endgültigen Beschlüssen drängen zu lassen, bis auf die zu erwartende Erklärung des Fürstenrats auszusetzen.

Dieser letztere nun trennte sich trotz jenes Be- schlusses vom 27. April nur allmälig von seineu ursprüng- lichen Gedanken. Allerdings, er hatte sich bereit er- klärt, den kurfürstlichen Entwurf seinen weiteren Be- ratungen zu Grunde zu legen. Damit war jedoch keines- wegs ein Verzicht auf den materiellen Gehalt der früheren Bestimmungen ausgesi)rochen. Vielmehr war jetzt nach einer fast unheilbar scheinenden Entz\yeiung der verschiedenen Voten unter persönlicher Einwirkung des Königs in seiner Eigenschaft als Ei'zherzog von Österreich eine Fassung zu stände gekommen, bei der man auch dem Wortlaute nach zweifelhaft sein konnte, ob sie mehr aus Elementen des kurfürstlichen oder des

262 L. Schwabe:

fürstlichen Entwurfes zusammengesetzt war-"). Immer- hin konnten die fürstlichen Gesandten mit einigem Rechte behaupten, dals sie sich der Disposition nach im allge- meinen auf den kurfürstlichen Entwurf aufbaute. Nur gerade, worauf es den Protestanten ankommen mulste, das war ausgelassen. Vor allem waren alle jene allgemein gehaltenen Bestimmungen, mit welchen die weltlichen Kur- fürsten zum mindesten eine der Ausbreitung ihrer Lehre entgegenstehende Auffassung abzuwehren gewulst hatten, aus dem Friedensinstrument verschwunden. Alles, was man zu gunsten der Freistellung erreicht, war auf eine halbklare Klausel über die geistliche Jurisdiktion redu- ziert, die man noch dazu ursprünglich nicht in den Friedenskontext selbst, sondern an einen minder sicht- baren Ort, in die Kammergerichtsordnung, einfügen wollte. Dagegen war die „Klausel von der Pfaffen Eid", durch welche die Geistlichen den ganzen Frieden illusorisch machten, in ihrem vollen Wortlaute aus dem ursprüng- lichen Fürst enratsentwurfe herübergenommen. Summa summarum, es war eine Form, die den sächsischen Ge- sandten, als sie davon Kenntnis erhielten, von A bis Z unannehmbar schien. Sie waren aufser sich. Alle die Punkte, um die sie so heils gestritten, schienen ihnen höchst leichtfertig aufgegeben. Sollte man wieder von vorn anfangen? In unabsehliche Weiterungen schienen ihnen die Verhandlungen zu geraten und schliefslich in nichts zu zerflielsen. Und in der That, man fragt sich, wie war es möglich, dafs gerade im Fürstenrat, wo doch die entschiedeneren Konfessionellen salsen, eine derartige Fassung schliefslich die allgemeine Billigung erfuhr? Die kurscächsischen Gesandten freilich waren mit ihrem Urteil fertig: die protestantischen Teilhaber am Fürsten- rat seien der Sache nicht gewachsen, ihre Gesinnung sei lau, andere Interessen stünden ihnen im Vordergrund. Man wird diesem Urteil gegenüber skeptisch sein dürfen. Das verschiedene Mals der staatsmännischen Befähigung jener Männer wollen wir ununtersucht lassen, in Hinsicht ihres Glaubenseifers wäre eine abfällige Beurteilung je- doch gewils nicht zutreffend. Etwas anderes war ja der Protestantismus und wieder etwas anderes der Religions- frieden. Man konnte es mit dem ersteren sehr ehrlich

"■') Ihr Wortlaut II, 281 ff. ; vergl. die Gesandtsch.-Berichte v. 8. und 12. Mai, II, 270 ff. und II, 304 f.

Kursachsen und der Augsbiu'ger Keligiousfriede. 263

meinen und doch an dem letzteren ein recht mäisiges Interesse haben. Darf ich eine Vermutung aussprechen, so war den Männern der jirotestantischen Aktionspolitik zu diesem Zeitpunkte allerdings das Interesse an dem Religionsfrieden erlahmt, aber nicht aus den von den Sachsen angezogenen Gründen, sondern weil ihnen mit der Gewilsheit, dals in Sachen der Freistellung, in wel- cher ihr wesentliches Interesse auslief, doch nichts durch- schlagendes zu erreichen sei, jede weitere Verhandlung müisig erschien. Sie, denen in der Naivetät ihres Idea- lismus die lutherische Reformation ihrem endlichen Siege innerhalb Deutschlands nahe schien, die an das Evange- lium, wie sie es bekannten, mit der Schwärmerei des Weltverbesserers glaubten und in seiner Verbreitung die alles bestimmende sittliche Aufgabe erkannten, sie mufs- ten freilich darin, dals man ihm eine gewisse einge- schränkte Existenzberechtigung zugestand, ein erbärmlich geringfügiges Resultat ihrer Anstrengungen erblicken. Was lag daran, ob ein diesbezügliches Konzept zu stände kam? Ebensogut konnte man beschlielsen, dals kraft Reichsgesetzes Sonne und Mond weiterhin am Himmel geduldet werden sollten. Es ist derselbe Standpunkt, den späterhin die kurpfälzisclie Politik eingenommen hat, welcher sich schon bei diesen Reichstagsverhandlungen auch von ihrer Seite geltend zu machen begann, und der ihr schon damals nicht nur das Milstrauen der Katho- liken, sondern auch den Unwillen Sachsens zuzog. Denn dieses war, wie gesagt, ganz anderer Ansicht. Mit Deutlichkeit erkannten die Gesandten, dals der so sehn- lichst erwünschte Frieden zwar nicht, Avie späterhin, an einer bestimmten Kontroverse, wohl al)er an der Zerfahren- heit der gegeneinander treibenden Kräfte zu scheitern drohte und dals die Extreme im begriffe waren, sich behufs Hinterziehung des ganzen „hochnützlichen Werkes" die Hände zu reichen. Jetzt galt es. Sie warfen sich mit aller erdenklichen Energie in die diplomatische Ak- tion. Eindringlichst stellten sie namentlich den württem- bergischen und markgräflich brandenburgischen Gesandten, als den protestantischen Mitgliedern des zu Feststellung der Friedensurkunde niedergesetzten Fürstenratsaus Schusses, vor, dals sie nun und nimmer das von ihnen doch schon beschlossene Konzept bewilligen dürften. Würde es hi ditscr Weise dem Kurfürstenrat übergeben, so würden ihm, trotz des Protestes der Weltlichen, die

o

264 L. Schwabe:

geistlichen Kurfürsten alle zufallen, der König" würde dann den ganzen Fürstenrat und den halben Kurfürsten- rat auf seiner Seite haben und, gestützt auf eine schein- bar überwältigende Majorität, das ganz unannehmbare Gesetz in den Abschied bringen. In der That gelang es ihnen, auf die fürstlichen Gesandten Eindruck zu machen. Gegenüber dem Einwurf, dals sie doch das heute Be- willigte morgen nicht wohl wdeder umstolsen könnten, gaben sie ihnen an die Hand, sie möchten ein neues, von den Altkirchlichen eingebrachtes Amendement es handelte sich um die Residenz der Kapitel in den Städten aufgreifen und erklären, dals sie auf diese Weise die Verhandlungen ins Endlose laufen sähen und dals es ihnen nicht thunlich sei, auf diesem Wege weiter zu folgen ; sie seien deshalb entschlossen, kurzerhand auf den kurfürst- lichen Entwurf .zurückzugehen und ihn mit wenigen und geringfügigen Änderungen ihrerseits dem Kurfürstenrate als Separatvotum w-ieder zurückzugeben. Lielse sich die Gegenpartei nicht bereit finden, sich ihnen anzuschließen, so müsse ihr anheimgestellt Averden, ein gleiches zu thun und für sich selbst ohne Teilnahme der anderen einen Gesetzesvorschlag zu formulieren. So geschah es denn auch. Wir lassen die erregten Verhandlungen, welche im Fürstenratsausschusse zu diesen Beschlüssen führten, unberührt und wenden uns zu den nunmehr von beiden Parteien festgestellten Entwürfen selbst, deren Übergabe an den Kurfürstenrat endlich einen thatsächlichen Fort- schritt in den Beratungen über den Religionsfrieden er- möglichte'^^).

Die beiden Parteien des Fürstenrats votierten also getrennt. Sie waren demnach in keiner Weise beengt, ihren eigensten Wünschen gesetzgeberischen Ausdruck zu verleihen. Gleichwohl hielten sie sich, durch die bis- herigen Vorgänge belehrt und im Interesse des endlichen Friedensschlusses so eng wie möglich an den Wortlaut der kurfürstlichen Notel, welche sie beiderseits durch nur

^^) Ihr Wortlaut hei Lehmann 40, 4.5. Dieses zwiespäl- tige Votum des Fürstenrats, den ihm vorausgehenden Entwurf des Kurfürsteni'ats vom 22. April und die ihm folgende zwiespältige Relation des ganzen Reichsrats an den König vom 21. Juni wird jede Darstellung dieser durcheinanderlaufenden Verhandlungen als Haltpunkte im Auge zu behalten haben, wenn sie den Faden nicht verlieren will. Alle drei finden sich bei Lehmann. Vergl. im übrigen Ges.-Ber. v. 23. Mai, II, 343 ff.

Kursachs^eu uiul der Augsburger Religionsfriecle. 265

wenige, aber allerdings charakteristische Streichungen und Zusätze jede in ihrem Sinne redigierten. Die Augs- burgischen Konfessionsverwandten zunächst hatten (statt Ende 1547, wie in dem kurfürstlichen EntAvurf) die Gewährleistung des Besitzstandes einschliefslich der geistlichen Güter ohne jede Zeitbestimmung, also für den Termin des in Beratung stehenden Abschieds, aufgestellt. Die oben besprochene Klausel „samt und mit anderen etc.", ebenso wie der Artikel über die schwebenden Eechts- händel war von ihnen gestrichen, eingeschoben dagegen eine Bestimmung über Schutz der protestantischen Ritterschaft (gleichviel ob Reichsritterschaft oder landsässig) und der protestantischen landsässigen Städte, sowie ein Para- graph über Suspension aller gegenwärtigen und künftigen Rechtshändel in betreff der geistlichen Jurisdiktion in protestantischen Territorien. Für die Unterthanen hatten sie, wie früher, das Recht freier Auswanderung ausbe- dungen. Dahingegen hatte die altkirchliche Partei die. „Klausel von der Pfatfen Eid" aus dem fiirstenrät- liclien Entwurf in den kurfürstlichen eingestellt und aulserdem noch den nunmehr schon höchst provisorischen Charakter des Friedens, welch letzterem sie zudem die Prädikate „fiir und für ewig während" entzogen hatte, durch möglichst häulige Einschiebung der Worte „bis zu endlicher Vergleichung der Religion" nach Kräften ver- stärkt. Nicht minder hatte sie die ihres Orts behan- delte doppelsinnige Wendung „zu was Zeit er der A. K. verwandt" gestrichen.

So sah sich denn der Kurfürstenrat, als ihm diese beiden Entwürfe am 21. Mai übergeben waren, abermals allen den Streitpunkten gegenübergestellt, die ihm in seiner ersten Notel zu schlichten oder zu umgehen gelungen war. Er beriet noch einmal Paragraph für Paragi-aph nebst jedesmaligen Amendements durch und verglich sich end- lich einer einhelligen Fassung, welche wiederum (am 3. Juni) dem Fürstenrat referiert wurde ■^^). Hier er- klärte man sich in eüier Replik vom 10. Juni '") mit dem kurfürstlichen Entwürfe in allem einig, bis auf einen wichtigen Punkt (es handelte sich um Beschränkung der Freistellung nur auf die weltlichen Stände), der wiederum eine Spaltung im Kurfürstenrate hervorrief. Diesmal Avar

30) Wortlaut II, 4H2 ff. "') Wortlaut III, 22.

266 L. Schwabe

sie auch in diesem versöhnlichen Kollegium nicht zu um- gehen und man sah sich schlielslich veranlalst, den Ent- wurf im ganzen zwar als einmütig beschlossen, in jener und einer anderen schlielslich noch angeregten Frage (Freistellung für Städte und Ritterschaft) aber nach Malsgabe der beiden Religionsparteien in beiden Räten noch strittig, dem König zur endlichen Resolution zu übergeben (21. Juni)^^). Hiermit hatten die Friedens- verhandlungen die Krisis erreicht, mit welcher wir uns in einem letzten Abschnitt zu befassen haben werden. Sehen wir zunächst zu, wie sich bis dahin die Schicksale des vielgemodelten Textes innerhalb der gekennzeichneten Phasen seiner Entstehungsgeschichte (also vom 21. Mai bis 21. Juni) darstellen. Wir folgen auch hier dem oben aufgestellten Schema.

Zunächst der unbedingte Friede. Dieser selbst, d. h. seine feierliche Verkündung im Absclüed, war nur in Hinsicht auf Zusätze oder Kürzungen seitens der alt- kirchlichen Partei des Fürstenrats auf die Tagesordnung zu setzen. Ohne grofse Mühe gelang es den Kursachsen, die unter den kurfürstlichen Gesandten in dieser Frage ^vie immer die Führung übernahmen, die vielberegten Worte „für und für ewig während" zu retten. Des- gleichen Avurde die Formel „bis zu endlicher Verglei- chung etc.", die, wie Sachsen mit Recht hervorhob, tendenziöser Weise immer nur zu Bestimmungen, die den Protestanten zu gute kamen, gesetzt war, an den meisten Stellen wieder getilgt. Ein hartnäckiger Kampf erhob sich erst bei „der Klausel über der Pfaflfen Eid". Aller- dings, meinten die erzbischöflichen Gesandten, sei das eine Reservation der Gewissen, die sie in den früheren Verhandlungen um des Friedens willen wenn nicht zu machen, so doch öffentlich auszusprechen unterlassen hätten. Nun, da sie einmal von anderen angeregt, sei es wider Ehre und Pflicht, sie wieder aufzugeben. Unter den Weltlichen wurde sie in verschiedener Weise auf- genommen. Pfalz sicherlich und, wie es scheint, auch Brandenburg nahmen sie ohne ernsteren Widerspruch hin; der leidenschaftlichen Friedenspolitik der Kursachsen war sie dagegen das Schlimmste des Schlimmen, das man ihnen Itisher geboten. Nachdem sie eifrig dawider ge- stritten und doch die Geistlichen nicht zum Nachgeben

^') Leliiuauu 52.

Kursachseii und der Aiigsburger Religiousfriede. 2G7

vermocht, erklärten sie, es sei ihnen unmöglich, ehe diese gehässige Formel gefallen sei, weiter an den Be- ratungen teilzunehmen; sie würden ihrem Herrn Mel- dung thun und, bis dessen Resolution eingelaufen, sich des Votierens enthalten. Und wirklich, sie verliefsen die Sitzung (26. Mai) ^^). Es war nicht anders möglich, als dals dieses Verhalten gerade der Partei, die bisher am eifrigsten für Zustandekommen des Friedens eingetreten war, die gröfste Bestürzung hervorrufen muiste. Die Geistlichen hatten das Gefühl, man sei zu weit gegangen. Sie baten den brandenburgischen Gesandten, eine Ver- söhnung zu vermitteln. Nicht genug, der Mainzische Kanzler, Domprobst Markwart von Stein, begab sich noch desselben Abends eigens in die Herberge der Kursachsen: „der Teufel habe diese Klausel gemacht, er müsse selber zugeben, dals sie nichts wert sei"^-'). So kam man end- lich, nachdem nächsten Tages die versöhnten Kursachsen wieder im Rat erschienen, überein, die odiose Bestimmung zu streichen. Nicht freilich, ohne dafür protestantischer- seits einige Vorteile hinsichtlich der immer stiefmütter- licher behandelten Freistellung zu opfern, deren wir ihres Orts gedenken werden. Auch gaben sich die katho- lischen Mitglieder des Fürstenrats, wenn schon nunmehr auch sie auf den Vorbehalt ihrer Gewissen verzichteten, mit einfacher Streichung der Klausel denn doch nicht zufrieden; sie rückten eine neue Wendung ein, nach wel- cher sie den Frieden nur geschlossen haben wollten, um eine Vergleichung der streitigen Religion desto eher zu ermöglichen (Entw. v. 10. Juni). Das war wieder das unbequeme Provisorium, welches in der Friedensurkunde so vielfach sein Wesen trieb und welches man, wie schon oben ausgeführt, zwar heimlich verwünschen, aber nicht öffentlich perhorreszieren konnte.

So war denn der liebe Frieden glücklicli auch um diese Klippen gesteuert. Es galt nunmehr, noch einmal die Grenzbestimmungen zu revidieren. Zunächst die Frage nach dem für den Besitzstand malsgebenden Termin. Hiermit war es eigen zugegangen. Der ursprüngliche Entwurf des Kurf urstenrats , wie er am 22. April end- gültig fertig gestellt war, hatte darüber, wie wir uns

42) Vergl. auch Protokoll 405.

*^) Vergl. Rauke V, 263, der den Vorgang freilich irrig in den

April versetzt.

268 L- Schwabe:

erinnern, die Bestimmung, dals alle diejenigen Güter, „dero Possess die Geistlichen zu Ausgang des 47. Jahrs nit gehabt" in den Frieden mit eingezogen sein sollten. Sei es nun in der stillen Überzeugung, dals die in- zAvischen eingezogenen Güter, auch im Fall diese Be- stimmung Gesetzeskraft erhalten sollte, doch nicht resti- tuiert werden würden, oder sei es aus irgend einem anderen Grunde, kurz, der Mainzische Kanzler hatte in der in seiner Kanzlei gefertigten und dem Fürstenrat am 24. April übergebenen Abschrift hinter die Worte „47. Jahr" die Wendung „und seithero" eingeschoben. Mit dieser Abänderung war der EntAvurf auch in der Plenarsitzung vom 22. April verlesen worden'^). So wie die Worte standen, konnten sie doch nichts anderes heilsen, als dais die Güter, welche bisher, also bis zum Datum des Friedensschlusses, nicht in der Hand der Geistlichen, sondern in der der reformierenden Stände ge- wesen waren, den letzteren verbleiben sollten. Mit anderen Worten, nicht der Ausgang des 47. Jahres, son- dern der Tag des gegenwärtigen Friedensschlusses war als maisgebend hingestellt. Und so wunderbar es klingen mag, wir linden nicht (obschon wenigstens Sachsen und Brandenburg sofort die neue Einschiebung bemerkten), dais diese Eigenmächtigkeit des Mainzers irgend einmal aufgestochen worden wäre. Im Gegenteil, die beiden bedeutungsschweren Worte passierten unbeanstandet sämtliche Zensuren und gelangten schlielslich in den Ab- schied. Zwar setzte man gerade in dem jetzt betrach- teten Stadium der Beratungen, nachdem die Protestanten des Fürstenrats, wie erwähnt, überhaupt jede Termin- bestimmung weggelassen wünschten, statt des 47. Jahres den Tag des Passauischen Vertrags (16. Juli 1552), doch ohne erhebliche Debatten; natürlich, es war nach Bei- fügung jener AVorte ja gleichgültig, welchen von beiden Terminen man wähle. Hervorheben aber müssen wir, dais nach unserer Meinung auch jetzt nicht, wie in allen liistorischen Darstellungen zu lesen ist, der Passauische Vertrag, sondern der Augsburger Religionsfriede als Status quo für den geistlichen Besitzstand festgestellt ^ar^'^).

*4) ir, lOTi^f.

^'^) Nach dem ursprünglichen Wortlaut: „und seithero" hätte man zur Not die Worte auch dahin verstehen können, dafs die- jenigen Güter, die die Geistliehen im Jalire 1,547 nicht sehaht und die sie seitdem nicht wieder zurückerhalten hatten,

Kursachsen und der Aitgsburger Religionsfriede. 269

Eine fernere Streitfrage, welche die gerade gegen- wärtigen Verhältnisse auf das empfindlichste berührte und deren bisherige Erledigung zu einer von denjenigen Bestimmungen des kurfürstlichen Entwurfes geführt hatte, welche vor anderen dem Gesetz den Stempel des provi- sorischen aufzudrücken dienten, war die Bestimmung über die schwebenden Rechtshändel und Vergleichsverfahren die „Klausel über die Litispendenz", wie der terminus technicus lautete. In dem ursprünglichen kurfürstlichen Entwurf hatte man hierüber bestimmt, dals die hangen- den Prozesse und Vergleichshändel über geistliche Güter durch den Frieden nicht berührt werden sollten. Die katholischen Stände des Fürstenrats hatten diesen Artikel stehen lassen, die protestantischen ihn, wie erwähnt, ge- strichen. Letztere nicht, ohne in den einleitenden Worten zu ihrem Entwurf das Bedenkliche dieser Klausel für den Frieden hervorzuheben: man würde die Prozesse recht- lich entscheiden, die verlierende Partei würde sich der Entscheidung widersetzen, hieraus würde nach dem Gang Rechtens die Acht, aus der Acht der Krieg und aus dem Krieg Zerrüttung dieses so heilsersehnten Friedens er- folgen. Die W'eltlichen Kurfürsten fanden diese Aus- führungen selbstverständlich gut und stattlich, und ob es ihnen schon nicht sofort gelang, den Artikel aus dem Friedensinstrument zu entfernen, so wulsten sie ihn doch durch Einschränkung der Rechtshändel hinsichtlich der allein in betraclit kommenden Stadien des prozessualen Verfahrens und durch Bestimmungen über Zulässigkeit der Achtserklärungen dermalsen zu ihren gunsten zu stellen, dals die altkirchlichen Stände des Fürstenrats schlielslich selbst vorzogen, den ganzen Paragraphen fallen zu lassen (10. Juni), ein Rückzug, dem sich die geistlichen Kurfürsten wohl oder übel anschlielsen muisten.

Die Bestimmung über die Ministerien blieb unbe- rührt , ebenso freilich die Klausel „sambt und mit anderen etc.", welche mit jener ersteren, wie wir gezeigt

ihnen dauernd entzogen bleiben sollten. Damit wäre ihnen nicht nur das inzwischen Verlorene restituiert, sondern auch das inzwischen Wiedergewonnene garantiert gewesen. Indessen eine derartige Inter- pretation, auch so schon gezwungen genug, wurde durch Abänderung der Worte „und seithero" in „oder seithero" geradezu unmöglich gemacht. Da diese Änderung von den Ältkirchlichen selbst aus- ging (vergl. III, 70), so mufs ich gestehen, dafs mir der ganze Vor- gang unverständlich bleibt.

270 T^- Schwabe:

haben, in so engem Zusammenhang' stand. Dafür gelang es den Protestanten, einen Artikel über Erlöschung der geistlichen Jurisdiktion in protestantisclien Territorien einzuschieben, welcher jene Berechtigung der Landes- herren, in ihren Gebieten Kirchenordnungen ihrer Kon- fession einzuführen, in für sie wünschenswerter Weise ergänzte. Freilich war er nicht dergestalt in protestan- tischem Sinne gefalst, wie der obenerwähnte erste Vor- schlag der Augsburgischen Konfessionsverwandten des Fürstenrats, welcher (wir kommen sogleich darauf zu sprechen) die Freistellung, wenn auch nur indirekt, in sich Schlots. Doch sicherte er auch so noch den gegen- wärtigen Bestand der lutherischen Landeskirchen gegen die ehemaligen Gerechtsame der bischöflichen Diözesan- gewalten.

Alles in allem zeigen die Bestimmungen über den un- bedingten Frieden und was mit ihm zusammenhängt, gegen- über den kurfürstenrätlichen Abmachungen des vorigen Stadiums einen nicht unbedeutenden Fortschritt zu gunsten der Protestanten. Wir brauchen kaum noch einmal her- vorzuheben, dals sie im wesentlichen unter Einfluls der kursächsischen Gesandten festgestellt wurden. Freilich kann man nicht verkennen, dafs sie, insofern sie sich auf die Verhältnisse der bereits protestantischen Stände er- streckten, nur Thatsachen anerkannten, die auch ohne dieses Anerkenntnis fortbestanden hätten. Der Bekennt- nisstand war zwar in dem Umfange, wie gegenwärtig, den Protestanten garantiert, die landsässigen geistlichen Güter endgültig in ihre Hände gegeben und die geist- liche Jurisdiktion in bezug auf protestantische Gebiete aufgehoben. Indessen, niemand hätte im Ernste daran gedacht, falls man sich des Friedens nicht verglichen hätte, die einen zurückzufordern, oder der anderen einen Einflufs zu erzwingen. Desgleichen betonten schon die Eingangsworte des Separatvotums der protestantischen Fürstenratsmitglieder, dais die Entscheidung schwebender Prozesse, auch wenn man jene „Klausel über die Litis- pendenz" in den Frieden einstellen sollte, doch keine Nachachtung finden würde. Von ungeheurer Bedeutung wurden jedoch diese Bestimmungen alle, sobald man sie auf Stände bezog, die erst künftig protestantisch werden würden; keine bischöflichen Gerechtsame hemmten ihre kirchlichen Maisnahmen, die geistlichen Güter waren in ihre Hand gegeben, recht- und schutzlos standen ilmen

Kursachsen und der Augsburger Religionsfriede. 271

die Unterthanen g-egenüber. Es kam alles darauf an, inwieweit man das Eeclit, sich sein Bekenntnis frei zu wählen, den einzelnen Ständen zugestehen würde.

Wir erinnern uns, dals man sich im Kurfürstenrate nach langem Streit schlielslich auf Veranlassung der kur- sächsischen Gesandten der doppelsinnigen Worte: „zu was Zeit er der Augsburgischen Konfession verwandt" verglichen hatte. Obschon sie nun, wie oben ausgeführt, gerade deshalb gewählt waren, weil die Freistellung in ihnen weder versagt noch ausdrücklich lie willigt war, so trugen sie doch nach Meinung der altkirchlichen Ge- sandten des Fürstenrats so deutlich das Gepräge ihrer Entstehung sie waren allerdings der Herkunft nach nur die Abschwächung einer Formel, welche die unbe- dingte Freistellung ausdrückte an sich, dals sie in dem Separatvotum derselben gestrichen worden waren. Dieser Streichung widersetzten sich zunächst die Prote- stanten des Kurfürstenrates auf das allerentschiedenste. In erster Linie die Kurpfälzer. Ohne diese Worte, er- klärten sie, würde ihr Herr in nichts anderes willigen. Der Streit wurde so heftig, dals man den Gegenstand von der Tagesordnung setzte und vorläufig auf Antrag der Kursachsen die übrigen Punkte in. Beratung zog. Er wurde erst wieder in Anregung gebracht, als die Debatte über die „Klausel von der Pfaffen Eid" zu jener Szene geführt hatte, in der die sächsischen Gesandten das Sitzungslokal verlassen und nicht eher in den Be- ratungen fortfahren zu wollen erklärt hatten, als bis man definitiv auf diese verhaiste Bestimmung verzichtet habe. Die Geistlichen hatten, wie erzählt, schlielslich darein gewilligt, jedoch sich als Gegenleistung ausbe- dungen, dals man nunmehr auch von protestantischer Seite auf Streichung der Worte „zu was Zeit etc." ein- gehen sollte. Wir wissen, wie viel mehr den Kursachsen an Tilgung jener als an Beibehaltung dieser Worte ge- legen war. Sie fingen an zu weichen, lielsen sich in Verhandlungen über Veränderung der betreffenden Worte ein und schlugen statt ihrer vor: kein Stand solle über- zogen werden dürfen „von wegen der A. K. und der- selbigen Lehr und Glauben halber". Zugleich propo- nierten sie für den von den Protestanten des Fürstenrats eingebrachten, durch die geistlichen Kurfürsten ebenfalls bestrittenen Artikel über die Jurisdiktion, welcher den unbehinderten Übertritt weiterer Stände zur A. K. in.

272 Ij- Sehwabe:

direkt gewährleistet liatte. folgende Fassung: ,.dafs die geistliche Jurisdiktion an allen Orten, wo sie gefallen, sollte bleiben, wie sie itzund bis auf diese Zeit einge- zogen, auch daneben künftiglich denen keine Hinderung tlmn der Lehr und Religion halber, so zu uns treten wollen." Wir erkennen den Unterschied zwischen jenen und diesen beiden Bestimmungen; dort war die Frei- stellung zwar minder klar ausgedrückt, dafür aber, im Fall man sich zu ihr verstehen wollte, die kirchlichen Rechte mit allem Zubehör den reformierenden Ständen in die Hand gegeben; hier war durch den von Sachsen vorgeschlagenen Jurisdiktionsparagraphen die Freistellung zwar zweifelsfrei zugestanden, dahmgegen auf Lehre und Religion beschränkt. Es braucht nicht erst hervor- gehoben zu werden, wie eine solche Bestimmung nament- lich den Pfälzer Politikern gefallen konnte. Sogleich legten sie „nach ihrer Weise", klagten die sächsischen Abgeordneten Widerspruch ein, und es erhob sich nun das nämliche Spiel, das wir bei derselben Angelegenheit schon früher beobachten konnten. Pfalz drang auf eine Bestimmung, welche die im protestantischen Interesse so durchaus wünschenswerte Freistellung nach jeder Rich- tung hin sichern sollte; die Geistlichen beharrten auf einer Fassung, welche sie in die engsten Grenzen ein- schloß; Sachsen schwächte nach und nach die Pfälzer Bestimmungen so weit ab, dals sie von der von den Geist- lichen in Vorschlag gebrachten fast nur noch in der Form abwichen. In diesem Falle galt es also, abgesehen von der freien Wahl des Bekenntnisses, den protestantisch werdenden Ständen auch noch die freie Verfügung über das Kirchen vermögen zu sichern. Zu dem Zwecke schlu- gen die Pfälzer vor, statt der von Sachsen proponierten Wendung: „der A. K. Lehr und Glauben halber" die Worte zu setzen: „der Religion und derselben anhangen- den Sachen halber". Natürlich stiels das auf den Wider- spruch der Geistlichen: man habe im Reiche erfahren, was man mit dem Wort „anhangend" suchte und was man alles darunter verstehen wolle. Sogleich waren die Sachsen mit einem Vermittelungsvorschlag bei der Hand, sie proponierten: „Religionssachen". Bis hierher folgten die Kurpfälzer, zu etwas weiterem wollten sie sich nicht verstehen. Nach langer Debatte erklärten sie endlich gleichsam als Ultimatum: entweder man solle diesen letzten Vorschlag („Religionssachen") annehmen, oder

Kiirsachsen und '1er Augsburger Religionsfriede. 273

aber man solle wieder die Worte „zu was Zeit etc." setzen, oder schlieMicli , man solle zwar die zuerst von Sachsen vorgeschlagene Fassung: „von wegen etc.", zu- gleich aber auch den von den protestantischen Fürsten- ratsmitgiiedern bedachten Jurisdiktionsparagraphen bei- behalten. Als die beiden anderen weltlichen Stimmen, welche zmiächst Pfaiz beistanden, schlielslich doch wieder auf Seiten der Geistlichen fielen, erklärten die Pfälzer, ohne weitere Resolution von ihrem Herrn sei ihnen nicht möglich, an den Sitzungen teilzunehmen und verliefsen die Versammlung. Vergleicht man diesen Vorgang mit jenem ähnlichen obenerwähnten, wo die sächsischen Ge- sandten anlälslich der „Klausel über der Pfaffen Eid" zu demselben Mittel gegriffen hatten, so rückt man die Geschichte dieser Friedensverhandlungen sofort in die

rechte Beleuchtung. Den Pfälzern lag alles an der Frei-

stellung, den Sachsen alles an der unbedingten Be- friedung; diese spielten dort, jene hier ihren höchsten Trumpf aus. Da die Geistlichen den Frieden teils selbst wünschten, teils zu versagen nicht in der Lage waren, und die ihm angehörigen Bestimmungen als Preis für Zugeständnisse in betreff der Freistellung nur nicht gleich anfangs bewilligten und sozusagen in Reserve hielten, so ist erklärlich, dals sie den Sachsen, die betreffs dieser sich zu weitgehenden Zugeständnissen bereit finden liefsen, so weit wie möglich entgegenkamen, während sie sich den Pfälzern gegenüber äufserst kühl verhielten. Freilich weils man nicht, was man dazu sagen soll, dals sich die sächsischen Gesandten gar so viel auf dieses ihr Ver- hältnis zu den erzbischöflichen zu gute thaten. Mit offenbarer Genugthuung meldeten sie ihrem Herrn, den pfälzischen Gesandten seien die Geistlichen freilich nicht nachgegangen, wie das ihnen geschehen sei. So war denn auch das Ergebnis des pfälzischen Widerstands durchaus nicht der Stärke des Mittels entsprechend, welches von den Gesandten angewandt war. Man liels sie rufen und teilte ihnen mit, man habe sich nun dahin geeinigt, dals man zwai- die Worte „von wegen etc." in der zuerst von Sachsen vorgeschlagenen Weise stehen lassen, dahingegen einen neuen von Mainz entworfenen Artikel über die Jurisdiktion einschitsben wolle. Es war der oben als Bestandteil der reinen Friedensbestimmungen behandelte Paragraph , der nun zwar die geistliche Juris- diktion in ihrem ganzen Umfange, also auch hi bezug

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 3. 4. 18

274 T;. Schwabe:

auf Kultus und Kirclieneiiikommen , für die jetzt schon protestantischen Territorien aufhob, dahingegen über die Freistellung im Grunde gar nichts mehr entliielt. Diese letztere war in bezug auf die Stände nunmehr einzig und allein in den Worten „von wegen etc." wenn nicht ent- halten, so doch aus ihnen heraus zu interpretieren^^).

Auch hierbei sollte es nicht bleiben. Kurpfalz und die anderen hervorragenden Fürsten der Protestanten- partei, mit welchen sich die Dresdner Politiker, denen bei diesem abermaligen Rückzug denn doch das prote- stantische Gewissen schlug, ins Vernehmen gesetzt, hatten zwar schlielslich eingewilligt"), und so war denn der Entwurf mit diesen Bestimmungen über die Frei- stellung am 3. Juni wieder an den Fürstenrat zurück- gegangen. Dort aber war man mit der jetzigen Fassung noch immer nicht zufrieden. Und nun endlich kam man auf den Kernpunkt der Frage, der zwar in den früheren, von uns nicht berücksichtigten Beratungen des Fürsten - rats schon angeklungen hatte, jetzt aber erst mit voller Bestimmtheit auf die Tagesordnung gestellt wurde. Nun endlich wurde man sich darüber klar oder sprach sich wenigstens klar darüber aus, was an der Freistellung nur juridische Kathederfrage und was in dieser Hin- sicht praktisches Interesse der streitenden Parteien sei. Denn das mufste doch einleuchten, dals die Satzungen des Reichs den wenigen mächtigeren weltlichen Reiclis- ständen gegenüber, die thatsächlich in Frage kamen, im Grunde belanglos waren. Deren kirchliche Parteistellung war viel zu ausgeprägt, als dals sie sich durch Reichs- beschlüsse üi ihren Zukunftsplänen hätte beirren lassen, und wenn schon das alte heilige Reich in den Zeiten Kaiser Karls V. höchster Macht die andersgläubigen Reichsstände von dem Schisma nicht abzuhalten ver- mocht hatte, wie hätte man das von dem neu entstehen- den nicht minder schwerfälligen paritätischen Staats- gefüge mit seiner protestantischen Majorität erwarten sollen ! Einschneidend dagegen waren die diesbezüglichen Bestimmungen für die maclitloseren und kleineren poli-

*^) Ges.-Ber. v. 4. Jiini, II, 399 ff. Nach dem obigen ist die unrichtige Darstelhing bei ßanke V, 264 zu korrigieren.

^") Schreiben Augusts v. 4. Juni an Kiirbrandenburg , die Ernestiner, Hessen, Markgraf Hans; zustimmende Antwort Kur- brandenburgs V. 13. Juni, Hessens v. 17. Juni, Johann Friedrichs v. 10. Juli, Markgr. Hans' v. 21. Juni (sämtlich im Dresdner Archiv).

Kiirsachsen und der Angsburg'er Eeligionsfriede. 275

tischen Gebilde, die nur kraft der Beichsordnungen ihre Existenz behaupteten und daher, sobaki man sich durch das neue Gesetz einen dauerhaften itechtszustand fest- gestellt dachte, an strikte Befolgung desselben gebunden waren, d, h. also die geistlichen Fürsten, die Städte und die Ritterschaft. Deren Rechte in bezug auf die Be- kenntniswahl wurden nunmehr von dem Fürstenrat in den Mittelpunkt der Debatte gestellt. Es war ein Streit, der in diesem Stadium der Verhandlungen zu keinem auch nur formellen Austrag gelangte und freilich, es handelte sich um die grolse Frage der Zukunft.

Zunächst und vor allen Dingen kamen die geist- lichen Reichsstände in Betracht, von deren Bestand, wie wir ganz im Anfang unserer Betraclitungen ausge- führt, eine überwiegend katholische Reichspolitik im wesentlichen abhängig war. Die altgläubige Partei des Fürstenrats setzte alles daran, den reichsständischen Be- sitzstand ihrer Kirche im ganzen Umfang seiner Rechte gegen ein Eindringen des Protestantismus abzusperren. In siebentägiger heilser Debatte suchte sie durchzusetzen, dals man am Anfang des Gesetzes an der Stelle, wo den evangelischen Ständen reichsrechtlicher Schutz zu- gesichert wurde, eine Einschaltung einfügen solle, nach weicher sich jener Rechtsschutz nur insoweit auf die protestantischen Stände erstrecken sollte, als sie welt- lich seien. Das heilst also, alle geistlichen Fürsten sollten, sobald sie lutherisch waren oder werden wollten, aulser den Frieden des Reichs gesetzt werden. Selbst- verständlich war das eine Forderung, in welche die eif- rigen Protestanten des Fürstenrats niemals gewilligt hätten. So kam es, dafs dieser Passus (am 10. Juni) in zwiespältiger Meinung dem Kurfürstenrat übergeben wurde. Hier wiederholten sich die heftigen Szenen, die im Fürstenrat gespielt hatten. Man stritt während voller fünf Tage über diesen einen Punkt; es kam vor, dals man sich nach erbitterter Debatte eine halbe Stunde lang stumm und zornig gegenüber safs. Das „Medium", in welchem eine Einigung zu finden sei, schien endgültig verloren, die Räte gingen auseinander, ohne ein Resultat erzielt zu haben, man setzte die Sitzung zwei Tage (12. bis 14. Juni) lang aus. Indessen der Wunsch, zu einem Friedensschluls zu kommen, überwog doch schliclslich wieder; die erzbischöfliclien Gesandten einerseits und die Kursaclisen andererseits sannnelten die beiderseitigen

18*

276 L. Schwal)e':

g-laubensverwandten Stände noch einmal nm sich und be- mühten sich um eine Wortfassung: , welche zwischen den entgegenstehenden Meinungen vermitteln sollte; am 14. Juni traten sie mit ihren Vorschlägen im Kurfürstenrate her- vor. Die Geistlichen proponierten : wenn den Prote- stanten das Wort „weltlich" so gar zuwider sei, so möchte man entweder die Worte, wie sie im Passauer Vertrage gewählt seien („kein Stand , der A. K. ver- wandt"), setzen, oder aber eine ausdrückliche Provision einrücken, nach welcher ein jeder geistliche Reichsstand, sobald er sich von der katholischen Religion wende, seiner geistlichen Würden, Ämter und Lehen entsetzt sein sollte (geistlicher Vorbehalt). Dem gegenüber schlugen die Kur- sachsen vor, man solle die Freiheit der Bekenntnis wähl zwar allen Ständen zugestehen, aber um der Gefahr, dais durch Freistellung für die geistlichen Stände der geist- liche reichsständische Besitz erblich gemacht würde, vor- zubeugen, eine Bestimmung einrücken, nach welcher aus- drücklich den gegenwärtigen geistlichen Fürstentümern ihr selbständiger Bestand und ihre Verfassung sicher- gestellt werden sollte. Sie brachte hierfür mehrere Fassungen in Vorschlag, von denen die einen den even- tuellen Übertritt geistlicher Reichsstände ausdrücklich ins Auge falsten, die anderen ihn wenigstens zur still- schweigenden Voraussetzung hatten. Es ist nun schon so oft ausgeführt worden, dals mit einer solchen Be- stimmung nicht einmal, was ihrem Wortlaut nach ge- schehen sollte, geschweige denn, was die Altkirchlichen wünschten, zu erreichen war, dals wir uns wohl ersparen dürfen, die Gegengründe der geistlichen Kurfürsten noch einmal zu entwickeln. Genug,- die sächsischen Vor- schläge waren ihnen ebenso unannehmbar, wie den Prote- stanten damals noch die der Erzbischöflichen erschienen. Nach längerer Diskussion kam man immer wieder dort an, von wo man ausgegangen: bei der anscheinenden Un- möglichkeit, in diesem Punkte eine Ehiigung zu er- reichen. Einen Augenblick zwar, so schien es, waren die erzbischöflichen Gesandten des Kurfürstenrats nahe daran, zu weichen. Sie gaben zu verstehen, dals ja nicht sie es gewesen seien, die diese odiose Frage angeregt, son- dern ihre Glaubensverwandten im Fürstenrat; nun aber, wo sie einmal auf die Tagesordnung gekommen, würden sie von diesen „an ihren Ehren gescholten" werden, wenn sie auch in diesem Hauptpunkte, wie in so vielen anderen,

Kursachspii und der Augsburger Religionsfriede. 277

nachgeben Avürden. Aber vielleicht würde es ein Aus- weg sein, wenn sie den König-, unter Zustimmung der übrigen Mitglieder des Kurfürstenrats, von der gegen- wärtigen schwierigen Lage in Kenntnis setzten der würde ihnen dann vielleicht auferlegen, sich in diesem Punkte den weltlichen Kurfürsten zu fügen, und also ihnen, den Geistlichen, einen Entschuldigungsgrund gegen- über ihren Kollegen im Fürstenrat geben, denen sie ihre Nachgiebigkeit als Gehorsam gegen den königlichen Willen darstellen würden. Den Kursachsen leuchtete das ein. Sie erwogen, dais es nicht wohl im Interesse des Königs liegen könne, sich einem zwiespältigen Votum des Reichsrats gegenübergestellt zu sehen; denn war er diesesfalls gezwungen, in einer Frage von so durch- schlagender Wichtigkeit sich einem der beiden Bekennt- nisse entgegenzusetzen, so lief er Gefahr, den unter- liegenden Teil sich für immer zum Feinde zu machen. Und er hatte so gute Gründe, es mit keiner der beiden ßeligionsparteien zu verderben! Es schien also nicht undenkbar, dals er, um dieser unangenehmen Alternative auszuweichen, auf dem von den geistlichen Kurfiirsten angegebenen Wege eine Einheit des Votums im Sinne der Protestanten herzustellen suchen würde. Aber frei- lich, war das bei seiner ausgesprochen katholischen Gesinnung zu erwarten? Und dann, wenn er auf die (angeblichen) Absichten der geistlichen Kuifürsten ein- gegangen wäre, hätte er das wirklich erreicht, worauf es ihm ankommen mulste? War eine aulserlialb des offiziellen Geschäftsgangs vorgenommene Beeinflussung nicht immer noch eine thatsächliche Parteinahme? Durfte er irgendwie hoffen, dals der diesesfalls für seine Glaubensgenossen ungünstige Ausgang ihm nicht auch so noch zur Last gelegt würde, umsomehr, da ja die geist- lichen Kurfürsten sich auf die von ihm erhoffte Willens- äuisernng ausdrücklich berufen und sich öffentlich nnt ihr decken wollten ? Lassen wir dahingestellt, welche von diesen Bedenken die durchschlagenderen waren jeden- falls ging in dieser Frage (aulserlialb der Sache selbst liegende Gesichtspunkte kamen noch hinzu) das Votum der weltlichen Kurfürsten auseinander. Sachsen verfocht den Vorschlag der erzbisch(")f]iclien Gesandten, Pfalz und Brandenburg drangen auf die Via ordinaria, d. h. also auf nochmalige zwiespältige Kclalion an den Fürstenrat und gegebenen Falls auf zwiespältiges Referat an den

278 L. Schwabe:

König durch die gesamten Stände. Die erzbiscliöf liehen Gesandten, denen das eine so lieb und so leid sein konnte wie das andere, verwandten keinen besondei-en Eifer dar- „auf, ihren Vorschlag aufrecht zu erhalten, und so ent- schieden schlieislich alle Stimmen gegen die sächsischen, dals vorläufig dieser eine Artikel noch einmal in ge- zweiter Meinung dem Fürstenrate zu referieren sei (16. Juni). Dals man dort zu keinem besseren Resultat kam, war vorauszusehen; in der Plenarsitzung vom 18. Juni eröffnete Zasius als Referent, dals die Altkirchlichen des Fiirstenrats die zuletzt von den erzbischöflichen Ge- sandten in Vorschlag gebrachte Provision über der Geist- lichen Freistellung als eine „gute klare ausdrückliche Vorsehung" betrachteten, auf der sie jedenfalls bestehen müfsten. So war es und so blieb es; man sah sich end- lich genötigt, auch im Gesamtvotum der Stände an den König zwiespältige Meinung vorzutragen. Die Prote- stanten liefsen hinsichtlich der Freistellung der Reichs- stände alles, wie es in dem Entwurf vom 3. Juni be- dacht war. Die Altkirchlichen hingegen forderten zwar nicht mehr das Wort „weltlich", dafür aber eben jene ausdrückliche Bestimmung, wonach die geistlichen Fürsten im Falle ihres Übertritts zur A. K. ipso jure et facto ihrer Ämter und Würden enthoben sein sollten. „Das willige der Teufel", schrieb Franz Kram an seinen Herrn, „und Gott behüte alle gute Christen davor."

So ging es in diesem zweiten Stadium der Verhand- lungen mit den Bestimmungen über die Freistellung für reichsgesessene Geistliche. Wenn die schliefsliche An- nahme derselben zweifelsohne einen schweren Schlag für die Sache der protestantischen Propaganda bedeutete, so mufs man doch umgekehrt zugestehen, dafs ihr dieser Vorbehalt zugleich indirekt, sofern er nicht durch weitere Bestimmungen modifiziert wurde, auf anderem Gebiete zu gute gekommen wäre. Denn indem man ausdrücklich eine Ausnahme statuierte, gestand man mit ihr zu gleicher Zeit die Regel zu. Die anderenfalls etwas un- bestimmte Ausdrucksweise über die Freistellung erhielt hiermit in bezug auf die weltlichen Stände eine so deut- liche wie bedeutungsschwere Interpretation. Wir hoben schon hervor, dals jene minder wichtig für die gröfseren weltlichen Fürsten, um so schwerer für die Reichsstände von beschränkter Machtstellung ins Gewicht fiel, für die Ritterschaft und insbesondere für die Reichsstädte.

Kursachseii und der Augsburger Religiousfriede. 279

Wurden diese letzteren ganz auf gleichem Fulse mit den anderen Ständen behandelt, so war also auch den pro- testantisch gewordenen oder werdenden reichssässigen Stadtmagistraten und Gutsherrschaften die volle Summe jener hochbedeutsamen Rechte in die Hand gegeben, die mr oben als Ausführungsbestimmungen des unbedingten Friedens zusannnengestellt haben; das Jus reformandi, Verfiignngsrecht über die geistlichen Güter (mit Ausnahme der hochstiftischen Kapitel, die man ausdrücklich schon damals geschützt hatte), Exemtion von der geistlichen Jurisdiktion. Und in der That, der Entwurf, wie er am 21. Juni dem König überreicht wurde, enthielt noch keine Bestimmung über irgend welche Beschränkung ihrer Rechte. Erst der Resolution Ferdinands war es vorbe- halten, auch in diesem Punkte dem Protestantismus eine empfindliche Niederlage beizubringen.

Es erübrigt noch ein Wort über die Freistellung in bezug auf die Unterthanen. Im grofsen und ganzen war man bei dem Vorschlag des Fürstenrats geblieben, dalis ihnen, sofern sie nicht durch Leibeigenschaft oder der- gleichen an die Scholle gebunden waren, in jedem Falle das Recht freier Auswanderung zuzugestehen sei. In- dessen suchte man jetzt diese Bestrebungen gingen von den Protestanten im Fürstenrate aus eine Be- stimmung einzuschieben, die zwar nicht die Unterthanen als Individuen betraf, die auch nicht direkt von der Frei- stellung handelte, die aber mit diesen beiden so eng ver- knüpft war, dals sie füglich nicht andersAvo als an dieser Stelle von uns erwähnt werden kann. Es handelte sich um die nicht reichsständischen Städte und um dieland- sässige Ritterschaft also um diejenigen politischen Bildungen, die man etwa meinte, Avenn man ohne den Zusatz „des Reichs" von „Ständen-' sprach, wie denn thatsächlich aus ihnen aucli die Landstände, soweit sie weltlich waren, hervorgingen. Für diese „Stände" nun hatten die protestantischen Mitglieder des Fürstenrats eine Bestinnnnnj2- aufgestellt, nach welcher sie, soweit sie sich der A. K. zugewendet hatten, in diesem ihren Be- kenntnis geschützt werden sollten. Der eifrigste Vor- kämpfer für eine solche Bestinunung war augenscheinlich der herzoglich sächsische Gesandte. Ich finde, dals sein Herr eigens bei Kurfürst August für ihre Aufrecht erhal- tung eingetreten ist '^). Allein, der so unendlich wichtige

*8) Schreiben v. 10. Juni, ili, 355.

280 L. Schwabe:

Artikel fand unter den weltlichen Kurfürsten wenig Sympathie und nachdrückliche Verteidigung. Besonders die Kursachsen erklärten ihn als „für sich etwas unklar" und liefsen ihn ohne jeden ernsteren Widerstand fallen. Die evangelischen Fürstenratsmitglieder wichen jedoch nicht so ohne weiteres : in dem letzten Referat an die Kurfürsten brachten sie dieselbe Bestimmung noch ein- mal an anderer Stelle vor, indem sie in dem Para- graphen über die Jurisdiktion einige Worte einfügten, welche diese letztere auch für jene Stände, insoweit sie protestantisch seien, aufheben sollte. Auch diesmal fiel der Antrag im Kurfürstenrate. Als jedoch schlielslich die Relation an den König mit dem zwiespältigen Votum in betreff der geistlichen Fürsten beschlossen war, ge- lang es doch noch, auch einen diesbezüglichen Paragraphen mit einzuschieben. Natürlich bewilligten ihn die Alt- gläubigen nicht und so wurde, wie von diesen der geist- liche Vorbehalt, so von den Protestanten die Bestimmung über Städte und Ritterschalf, als durch die Gegenpartei noch bestrittenes Desiderat am 21. Juni dem König im Separatvotum übergeben. Freilich begleiteten die kur- sächsischen Gesandten den Artikel schon mit dem Ge- danken zum König, dals er doch wahrscheinlich nicht durchzusetzen sein würde.

Es war eine folgenschwere Entscheidung, die mit Übergabe der in der bisher besprochenen Weise fertig- gestellten Entwürfe in König Ferdinands Hände gelegt Avorden war. Nicht zwar, dafs er den Inhalt des kirch- lichen Grundgesetzes aus eigener Machtvollkommenheit zu verändern vermocht hätte dazu besals er, auch wenn er sich über das verfassungsmäßige Recht hätte hinwegsetzen wollen, die faktischen Machtmittel nicht. Aber es stand doch bei ihm, je nach der Art, in welcher durch seine nunmehr einsetzende Vermittelung ein Aus- gleich über die noch strittigen Punkte zu stände kam, entweder den Frieden zu verkünden, oder ihn als für sich unannehmbar unvollzogen zu lassen und die Be- ratung auf einen künftigen Reichstag auszusetzen.

Versuchen wir, uns die sein Verhalten bestimmenden Momente ins Bewulstsein zu rufen. Es waren, irren wir nicht, zwei, die sich teilweise widerstrebend seinem Ver- halten eine eigentümlich schwankende Unsicherheit ver-

Knrsachsen und der Augsburger Religionsfriede. 281

liehen: das dynastische nnd das kirchenpolitische. In letzterem wiilste er sich mit seinem kaiserlichen Bruder eins , in ersterem stand er ihm stillschweigend entgegen. Was man auch iiber Karl V. denken möge, sein poli- tisches Handeln flols doch aus einer großartigen Einluüt des Programms. Seine Hingebung an die eine und unteil- bare alte Kirche war nur das Korrelat zu seüier welt- umspannenden politischen Idee. Gleichviel ob ihn die eigentümlichen Erfordernisse seiner djaiastischen Stellung oder eine ihm ursprünglich innewohnende Überzeugung- in diese Bahnen gedrängt, in der zugleich sakralen und internationalen Auffassung seines Kaisertums vertrat er in Wahrheit ein weltgeschichtliches Prinzip. Wie ganz anders König Ferdinand. Ihn bewegten im Gegensatz zu seinem Bruder immer nur, wenn der Ausdruck erlaubt ist, politische Ideen zweiter Ordnung. AVie einst die Wahl zum römischen König das Endziel seiner Pläne gewesen, so stand ihm heute die Befestigung der deut- schen Kaiserwürde für seine direkten Nachkommen im Mittelpunkte der Interessen. Mit dem Kaiser, dessen allbekannter Successionsplan auf eine dauernde Ver- bindung der deutschen und romanischen Länder abge- sehen war, geriet er sonach in einen Konflikt, der auch auf seine reichspolitische Haltung zurückwirken muiste; es begab sich das eigentümliche, dafs dieser habsburgische Spanier gegenüber dem europäischen Zuge der kaiser- lichen Staatskunst unversehens in die Stellung eines deutsch-nationalen Politikers gedrängt wurde. Man glaube nicht, dals jenes Projekt, welches den Sohn Karls V. zum Nachfolger Ferdinands erwählt wünschte, damals schon endgültig aufgegeben gewesen sei. Ende Mai war Herzog Alba in Augsburg; im August wünschte Ferdinand den Kaiser in Brüssel zu sprechen; als dies nicht ausführ- bar erschien, kündigte Königin Maria, beider Schwester, ihren Besuch bei Ferdinand an. Kram, der am könig- lichen Hofe vorzügliche Verbindungen hatte, versichcn-fc seinem Herrn, es handle sich bei dem allen um nichts anderes, als um die Nachfolge im Reich^"). Und freilich hatte man jetzt, wie wiederum Kram wissen wollte, ein neues und schwerwiegendes Argument fiir eine solche

49) Yergl. Krams Berichte v. 2. und IH. Juni (11, 454 ''f. und III, 35 1>); vor allem den v. 28. August (l\, 130''), auch v. 4. Sep- tember (IV, 400'').

282 L. Schwabe:

Ordnung der Dinge anzuführen : der König sehe ja selbst, gerade an den jetzigen Verhandlungen, wie weit man mit dem Reich ohne Hilfe der spanischen Krone zu kommen vermöge. Es lag hierin Wahrheit. Man mufs zugeben, dals Ferdinands Stellung, sobald er sich auf sein katholisches Gewissen besann, so schwierig wie mög- lich war. Mit scheinbarer Unerbittlichkeit beharrten die protestantischen Stände auf der Freistellung auch für die geistlichen Fürsten, in deren Verbot der König und seine altkirchlichen Berater mit dem Instinkt des Selbsterhal- tungstriebs die Bedingung ihres Daseins erkannten. Gab man nach, so mulste, wie die Sachen damals lagen, eine unaufhaltsame Ausbreitung der protestantischen Lehre als unvermeidlich angesehen werden. Im anderen Falle war mit Sicherheit zu erwarten, dals sich die protestan- tischen Stände, in deren Unterstützung der König das Avirksamste Gegengewicht gegen die Successionspläne seines Bruders besals, enttäuscht und milstrauisch von ihm zurückziehen würden. Aus diesem Dilemma, dessen Eintreten vor Beginn des Reichstags allem Anschein nach nicht vorausgesehen war, schien es nur zwei Aus- Avege zu geben: entAveder eine Entscheidung des AAächtig- sten Streitpunktes zu umgehen oder aber den ganzen Reichstag bis auf gelegenere Zeiten einzustellen.

Ehe er jedoch einen von diesen beiden Entschlüssen zur Ausführung brachte, dachte Ferdinand so lange beide Parteien in Sachen des Religionsfriedens noch ein bedeutendes von ihm erAvarten durften eine andere Forderung bei dem Reichstage durchzubringen: er Avünschte in seinem und seines Bruders Interesse eine militärische Sreitmacht von Reichs Avegen ins Feld zu stellen, mit der er alsdann Avenigstens vorläufig clie Auto- rität des habsburgischen Königtums aufrecht zu erhalten hoffte. Schien es ja noch immer nötig, die mehr oder minder Avehrlosen Geistlichen vor drohenden VergeAval- tigungen zu schützen. ZAvar, das Haupt der protestan- tischen Umsturz Politik lebte flüchtig aulserhalb des Reichs, Avenn schon in bedrohlicher Verbindung mit Frankreich; dafür bildeten die unaufhörlichen Gerüchte über Wer- bungen Herzog Erichs von BraunschAveig einen Gegen- stand lebhafter Besorgnis. Man fürchtete, oder gab Avenigstens vor zu fürchten, der unruhige Kalenberger Averde den ZAvist der hohen Häupter benutzen, um die kaum beruhigten Zustände noch einmal in Gährung zu

KunsacliSL'u inul der Auii'^^ljurger l-teliyiousfriede. 283

bringen, wenn er nicht gar der kaiserliclien Armee in den Rücken zu fallen die Absicht habe. Die fränkischen Ehnnigsverwandten stellten diese Gefahren dem König auf das Dringlichste vor und kamen seinen Wünschen mit einem Vorschlag entgegen, nach welchem der Reichstag sofort Unterhaltung von 1000 Reitern und einem Regi- ment Knechten bewilligen sollte, behufs Niederhaltung der „Werbungen in Sachsen", wie man sich ausdrückte. Die Führung dieser Truppen sollte dem Herzog Heinrich von Braunschweig als kaiserlichem Hauptmann anvertraut werden, „der Pfaffen obersten Protektorn", wie Franz Kram ihn nannte. Alles in allem waren dies die Be- ratungen über die sogenannte „eilende Hilfe", welche ein eigentümliches Intermezzo in diesen Augsburger Verhand- lungen gebildet haben.

Um ihre Bedeutung für die Ferdinandsche Politik vollständig klarzulegen, wäre es nötig gewesen, die neben den Verhandlungen über den Religionsfrieden in Angriff genommenen und der Resolution nahe gebrachten Be- ratungen über den Landfrieden des näheren zu verfolgen. Es genüge die Bemerkung, dals damals schon soviel feststand, dals er ganz und gar nicht in einer Weise aufgerichtet werden würde, wie es in Ferdinands Sinne lag: wenn dieser nach Mafsgabe des Frankfurter Ent- wurfs von 1554 gehofft hatte, die kaiserliche Gewalt auf diesem Wege zu stärken, so mulste er sich jetzt klar geworden sein, dals die neue Landfriedensordnung im Sinne der deutschen Libertät die ausschlaggebenden Rechte nicht der Zentralgewalt, sondern den Kreisen, also den Ständen ausliefern würde. Sonach konnte ihm an dem Zustandekommen eines solchen Gesetzes nicht mehr dasselbe gelegen sein wie früher. Dagegen bot ihm die „eilende Hilfe" wenigstens vorläufig die Aus- sicht, auf Zeit zu erreichen, was er als dauernde Ein- richtung zu erhalten nicht mehr erwarten durfte. War sie durchgebracht, so konnte er hoffen, vor der Hand senien innerpolitischen Malsiiahnien Nachdruck zu ver- leihen, gegebenenfalls vielleicht auch seinem Bruder einen Zuzug zu leisten. Indessen so viele Gründe bei Ferdi- nand für diese „eilende Hilfe" spiachen, so viel si)raclien bei den protestantischen Politikern dagegen. An einer Unterstützung oder gar einem Siege des Kaisers war ihnen nicht nur nichts gelegen, sie fürchteten ihn sogar. Dazu scheuten sie sich, das Reich indirekt in seine aus-

284 L. Schwabe:

wärtigen KonÜikte zu verwickeln. Den Frieden im Reiche wünschten sie zwar, doch sollte er keineswegs mit einem Machtzuwachs des habsburgischen Königs erkauft wer- den; sie hielten sich selbst Manns genug, ihn aufrecht zu erhalten. Und endlich war ihnen ganz recht, wenn sich die katholischen Stände im Stillen eines protestantischen Waffengangs gewärtigten. Johann Friedrich schrieb seinem Vetter August ganz offen, im Interesse des Frie- dens sei es gut, wenn die Papisten in Furcht und Zittern erhalten würden.

Als der König nun gleich (am 21. Juni) bei Empfang der Friedensentwürfe seine diesbezüglichen AVünsche vor- gebracht, hatte der Kurfürstenrat unter Einflufs der Weltlichen zunächst diese Forderung hinter den anderen Beratungsgegenständen zurückgestellt. König und Fürsten- rat betonten die Dringlichkeit der Sache; die kurfürst- lichen Räte erwiderten, sie fühlten sich zu einer solchen Bewilligung nicht ermächtigt, doch würden sie die An- gelegenheit au ihre Herren berichten. Als Antwort liefen alsbald Schreiben der wichtigeren protestantischen Fürsten ein, wonach Herzog Erich auf ihre diesbezüglichen An- fragen die heilige Versicherung gegeben, dals er niemand anzugreifen gedenke, dais er sich vielmehr durch Herzog Heinrich selbst für bedroht halten müsse; sonach, war die Memung, würde eine Reichshilfe wohl überflüssig sein. Dazu erschien ein eigener Gesandter des Herzog Erich, Dr. Gedicke, in Augsburg, der ganz gleichlautende Versicherungen gab'"*^). Mifsmutig mufste die altkirch- liche Partei erkennen, dafs ihrer Forderung nicht statt- gegeben werden würde. So suchten sie die bestehende Ordnung im Reiche wenigstens dadurch sicherzustellen, dafs sie von Reichswegen an die angrenzenden Stände entweder Kommissarien zu senden oder Mandate aus- gehen zu lassen baten , nach welchen diese etAvaigen Werbungen entgegenzutreten gehalten sein sollten. Um- sonst, nicht einmal das wurde bewilligt: es stünde ihnen nicht zu, erwiderten die Räte, an ihre Herren Mandate zu erlassen ; wolle es der König auf eigene Hand thun, so stünde das ja bei ihm. So war dieser Vorstols Ferdi- nands (Ende Juni) endgültig gescheitert, und Kram mel- dete triumphierend nach Dresden: aus der eilenden sei eine elende, ja gar keine Hilfe geworden.

■'O) Am 22. Juli, 111, 37:3.

Knrsachseii und der Augsburger Religionsfriede. 285

Man kann sich nicht wundern, dals König Ferdinand nun erst recht nicht eilte, in bezug auf den Religions- Irieden Resolution zu erteilen. War dieser doch das ungleich wichtigste Zugeständnis, welches die Prote- stanten von ihm erwarteten und für welches er denn aucli auf enien entsprechenden (j-egendienst rechnete. Jetzt, wo durch die Art und Weise, wie sich die Be- ratungen über den Landfrieden anlieisen, und durch die NichtbeWilligung der „eilenden Hilfe" überhaupt die Möglichkeit dessen, Avas für ihn auf diesem Reichstag noch erreichbar war, so wesentlich herabgemindert schien, jetzt war überhaupt sein Interesse an einem definitiven Abschluis der schwebenden Verhandlungen ganz wesent- lich gesunken. Es fiel auf, dais er sich der Reichs- geschäfte fast gar nicht mehr annahm; er blieb Tage, ja Wochen lang von Augsburg fern. „Die römische könig- liche Majestät jagt und fischt im Lande zu Bayern", lautete nunmehr der Ausdruck in Krams anschaulichen Berichten. Die ärgerliche Ironie in den Worten ist un- verkennbar.

Die Kursachsen regten an, man möge bei dem König um möglichste Besclileunigung der Resolution anhalten. Indessen, da stielsen sie auf den Widerstand der katho- lischen Majorität. Die erwiderte, seine Majestät werde alsdann mit Recht verlangen, dafs man zunächst den Landfrieden referiere; sei das geschehen, so würde ge- wils alsbald Resolution auf beides erfolgen. So Avandten sich die Kursachsen an ihren Herrn und fragten, ob sie nun von der bisher verfolgten Taktik abweichen und den noch in Beratung stehenden Landfrieden vor geschehener Resolution des unbedingten Friedens referieren sollten.

Ehe die Antwort emging, versuchten sie noch ein- mal auf andere Weise es war kein sehr glücklicher Gedanke, wdll uns scheinen die sehnlichst erwünschte Resolution „herauszureiisen". Diesmal muiste der viel- beregte Ausschuls über Vor])eratung in Sachen der Religionsvergleichung herhalten, über den sich der Kur- fürst doch so unzweideutig ausgelassen hatte, dais er ihn für ganz überflüssig und zwecklos halte. Der Fürsten- rat hatte wieder einmal angehalten, dais man nun end- lich einen Termi]i für denselben ansetze, welcher docli im Passauischen Vertrage als erster Beratungsgegenstaiul für den gegenwärtigen Reichstag in Aussicht genommen. Die Kursachsen nahmen jetzt die Miene an, als ob sie

286 L. Schwabe:

auch ihrerseits dieses Verlangen für gerechtfertigt hielten ; nur, fügten sie bei, dals alsdann vorerst der Religions- friede gesichert sein müsse, der ja nach Mal'sgabe der bisher beschlossenen Notel als Grundlage für die Ver- gleichsverhandlungen zu betrachten sei. Man solle daher mit dieser Motivierung noch einmal an den König gehen und ihn im Interesse des Ausschusses um Beschlufsfassung über den Religionsfrieden bitten, 8ie fanden mit diesem Antrag bei ihren geistlichen Kollegen im Kurfürstenrate keine Gegenliebe, und dieser mulste also nach längerer Debatte den ßeschluls über den sächsischen Vorschlag in zweifacher Meinung an den Fürstenrat bringen''^).

Dort schwebten noch die Verhandlungen hierüber, als am 3. August lautbar wurde, dals der König drei Gesandte an die deutschen Fürsten abgeordnet habe, die dem Vernehmen nach eine Prorogation des Reichstags beantragen sollten. Es verhielt sich so: König Ferdinand hatte sich entschlossen, eine Vertagung des Reichstags wenn nicht ins Werk zu setzen so doch in Vorschlag zu bringen. Ob dieser Vorschlag ernst gemeint war, wäre noch an der Hand anderweitiger Materialien, die uns nicht zu Gebote stehen, festzustellen; dals er mit ihm durchdringen würde, konnte Ferdinand urasoweniger hoffen, da nicht nur die Protestanten, sondern auch die Bischöfe'^-) den Friedensschluls auf das Dringendste wünschten. Was indessen auch geschehen würde, der Antrag auf Prorogation mulste ihm unter allen Um- ständen nützlich sein. Wurde er angenommen, so war für den König, wie wir schon bemerkten, wenig oder nichts verloren; dagegen hatte er den Vollzug des für ihn auf alle Fälle unbequemen Religionsgesetzes um- gangen. Widersetzten sich aber die protestantischen Stände der Prorogation so energisch, dals er sie nicht wohl ohne vorherigen Versuch, einen Abschied zu stände zu bringen, vornehmen konnte, so würde er alsdann in der Lage sein, diesen Abschied als ihm aufgedrungen nun wenigstens in der kurzen Zeit, die er für die Beschluls- nahme lassen würde, nach Möglichkeit in seinem Sinne zu redigieren. Der Ausgang bewies, wie durchaus richtig diese Rechnung war.

•^1) Ges.-Ber. v. 5. August, III, 437 ff.

^'-) S. Maurenbrech er, Kall V. u. d.d. Protestanten, S. 150. Vergl. dazu Kram, d. d. 28. August, IV, 127i^.

Kursachsen und der Angsbuiger Religionsfriede. 287

Am 9. August traf Dr. Paul Brissmanu, vom König an Kurfürst August, die braudenburgisclieu Fürsten und Herzog Heinrich von Braunscliweig abgeordnet, in Dres- den ein. In Abwesenheit des Kurfürsten, der sich gerade in Freiberg befand, trug er sein Anbringen dem Kanzler Kiesewetter und dem Kammerrat von Ponickau vor. Seit Dezember vorigen Jahres, begann er, sei seine Majestät nun schon in Augsburg und jetzt schreibe man August 1555. In dieser ganzen Zeit sei von den Ständen nichts weiter erledigt worden als das Referat über den Eeligionsfrieden und auch das nur in unverglichener Meinung. Landfriede, Kanmiergericht und alles weitere stehe noch in Beratung: wer wisse, wann es endgültig ge- schlossen würde? Nun dränge der Türke an den Grenzen der königlichen Erblande, seine Majestät könne es nicht Aveiter verantworten, von daheim fernzubleiben. Dazu sei an eine persönliche Ankunft der Kurfürsten, von deren Anwesenheit bei den Verhandlungen eine schnelle Er- ledigung der Geschäfte im Avesentlichen abhänge, doch nicht mehr zu denken. So halte es denn der König für das Beste, wenn der Reichstag prorogiert und für nächstes Jahr, er schlug den 1. März vor, aufs neue anberaumt werde. Inzwischen möge der Passauische Vertrag bei seinen Kräften bleiben und auf Grund dessen dann beim künftigen Reichstag aufs neue beraten werden. Da der Passauische Vertrag aber vor allen Dingen Inangriff- nahme der Religionsvergleichung vorsehe, so erböte sich seine Majestät bis zu Eröffnung des neuen Reichstags einen Entwurf ausarbeiten zu lassen, wie etwa die strit- tigen Religionsmeinungen ausgeglichen werden könnten. Den möge man dann den neuen Verhandlungen zu Grunde legen.

Klang das nicht, als ob alles, was man die Monate her in Augsburg getagt und beraten, reinezu in die Luft geredet gewesen sei?

Am 10. berichteten Kiesewetter und Ponickau an den Kurfürsten, am 11. gab dieser von Mordeisen be- laten schon seine Weisungen. Man kann sich denken, wie wenig ihm diese königliche Sendung und was ihm darin am wenigsten gefiel: es war die abermalige An- regung der Religionsvergleichung und der versprocliene Entwurf, in dem er ein neues Interim zu wittern glaubte. Und freilich, da war ei' ja wieder, der uid)e(iueme Stielt über die religiöse Wahrheit selbst, den ei-, wenn iigcnd

288 I^- Schwabe:

möglich, erstickt und jedenfalls vertagt zu sehen wünschte! Dals man abermals einen solchen Vorschlag zu machen wage, schrieb er wehmütig an seine Räte, sei „eine sonderliche Strafe und Anzeigung göttlichen Zornes, den wir in Deutschland mit unserer Sünde erregt." Sofort schlug er alle diejenigen Wege ein, die ihm die Prorogation hintertreiben zu können geeignet schienen. Dem Dr. Briss- mann liels er zunächst mitteilen, dafs er ihn in seiner ßeise nicht aufzuhalten wünsche; er werde das könig- liche Anbringen durch seine eigenen Räte in Augsburg beantworten lassen. Dies schien um so geeigneter, als er zum Zwecke seiner Belehnung soeben im Begriffe stand, eine besonders glänzende Gesandtschaft ein Graf von Stolberg und einer von Mansfeld waren unter anderen dazu ausersehen an den König abzuordnen. Indessen, was diese Gesandtschaft durch die Feierlich- keit der Demonstration gut gemacht hätte, scliien ihm bei dem durch ihre Reise verursachten Zeitverlust wieder verloren zu gehen. So änderte er seinen Entschluls und schrieb eilends an seine Augsburger Gesandten, Kram und Lindemann, sie möchten allein, ohne die Ankunft der neuen Abgeordneten abzuwarten, die lange und aus- führliche Antwort, die er selbst mit Mordeisen, Kiese- wetter, Ponickau und Komerstädt entworfen seiner Maje- stät vortragen. Das geschah denn auch in den letzten Tagen des August.

Zu gleicher Zeit eilten seine Kuriere zu den religions- verwandten Fürsten, um auch diese in ihrem Widerstand gegen die Prorogation zu bestärken. Und freilich war das gar sehr angebracht; denn ganz ihrer bisherigen Haltung entsprechend, zeigten Brandenburg und nament- lich Pfalz nicht von ferne denselben Eifer für Zustande- kommen des Friedens wii^ brauchen nicht zu wieder- holen aus welchen Gründen.

Am 30. August konnten Kj-am und Lindemaini mel- den, dals der König ihr Anbringen nichts weniger als ungnädig aufgenommen. Natürlich, bewies ihm doch die Werbung, welche, abgesehen von einer etwas bestimmter angedrohten Weigerung in Sachen der Türkenhilfe (bei welcher Stelle sich denn auch Se. Majestät „etwas am Kopfe gekraut" hatte) nichts wesentlich anderes enthielt als die am Anfang des Reichstags übergebene Instruk- tion, aufs deutlichste, wie dringend der Kurfürst den Friedensschluls wünschte und wie sehr er die Proro-

Kiu'sachsen und der Augsburger Religionsfriede. 289

g-ation fürclitete. Jetzt lag schon allein darin, dafs er nicht prorog'ierte, ein Zugeständnis an die Protestanten, für welches der König seinerseits eine entsprechende Gegenleistung in Form antiprotestantischer Friedens- bestimmungen einzulösen mit gutem Grunde hoffen durfte.

Und noch eine andere günstige Folge hatte für ihn die Androhung der Prorogation: schon am 14. August wies August seine Eäte an, nunmehr auch die Land- friedens- und Kammergericlitsordnung resolvieren zu helfen und beides vor Erteilung der königlichen Resolu- tion über den Religionsfrieden an Ferdinand zu refe- rieren, allerdings mit dem Vorbehalt, dals die Stände nur in einen Abschied willigen würden, der alle drei Gegen- stände zugleich umfasse. Das wirkte. Im kürzesten waren beide Entwürfe in beiden Räten verglichen, am 30. August wurden sie dem König übergeben. Dieser durfte sich nunmehr als genügend gerüstet für die kommenden Be- ratungen betrachten und noch an dem nämlichen 30. August liels er nun auch seinerseits den Räten seine Resolution über den Religionsfrieden ■'^•') zugehen, die er zweifellos schon längst fertig und nur für den gegebenen Augen- blick bereit gehalten hatte.

Am 30. August war die Resolution gegeben, am 21. September Avar der Frieden geschlossen. Indem wir zum Schluls die zwischenliegenden Beratungen zu skizzieren suchen, rufen wir uns ins Gedächtnis, dals in ihnen jene vielbeklagte Gesetzesurkunde zu stände ge- kommen ist, die nicht durch ihren Inhalt, wohl aber durch ihre Inhaltslosigkeit das Verhängnis der kommenden Zeiten in sich schlofs. Wer die letzten Gründe des dreilsigj ährigen Krieges, soweit sie in den kirchlichen und überhaupt den innerdeutschen Verhältnissen ent- halten sind, aufsuchen wollte, der würde sich schlielslich auf diese 20 Tage deutscher Reichstagsverhandlungen zurückgeführt sehen.

Zunächst erhielten die Verhandlungen durch das Ge- spenst der noch immer drohend(^-n Prorogation und unter dem Eindruck der königlichen Erklärung, welche den alt- kirchliclien Standpunkt mit schneidiger Schärfe und rück- sichtsloser Allseitigkeit zum Ausdruck brachte, ein fast atemloses und tumultuarisches Gepräge. Die Resolution war noch kaum trocken vom Abschi-eiben , so nnlim m;ni

•'•'•*) Wortlaut bei Lehmann S. 71.

Neuen Arcliiv I. S. ti. u. A. X. 3. 4. U'

290 Ij- Schwabe:

sie schon zur Beratung in den Käten zur Hand. Be- reits am 5. September referierten die Kurfürsten zwie- spältig dem Fürstem^at, am 6. die Gesamtheit der Stände ebenfalls zwiespältig dem König. Am 7. September •^'^) gab letzterer jene entscheidenden Erklärungen, nach welchen er den unbedingten Frieden zwar annehmen, die Freistellung jedoch nur in der bekannten, ,sogleich näher zu erörternden Weise zugestehen wollte. Über Annahme oder Zwückweisung dieses Vorschlages erhoben sich unter den Protestanten am 8. September die heftigsten Debatten: es war nicht möglich, sogleich zu einem Sclilusse zu kommen; noch einmal mulste um Aufschub gebeten, Resolution von den Auftraggebern eingeholt werden. Am 20. erst kam man zu den letzten Be- schlüssen. Von früh 6 Uhr bis tief in die Nacht dauer- ten die Beratungen dieses denkwürdigen Tages, und fast möchte es scheinen imunterbrochen. Erst berief der König die Evangelischen zu sich, dann die Geistlichen, dann wieder jene, dann diese, schlielslich alle .. mitein- ander. Endlich des Nachts kam man zu einer Überein- kunft in Ferdinands Gemächern, bei Licht, wie die Ge- sandten schi'eiben.

Worin bestanden diese Beschlüsse und wie kamen sie zu Stande?

Dals zunächst die königliche Resolution noch einmal die Bestünmungen über den unbedingten Frieden anzu- fechten suchte, darf wolü ohne weiteres als ein lediglich taktischer Schachzug angesehen werden: einerseits galt es dem König, seüi katholisches Gemssen gegen Kaiser und Kurie zu salvieren, andererseits gewann er damit ein neues Zahlungsmittel für den nun zu begimienden Handel mit den Protestanten. Hiermit zu einem sach- lichen Erfolge zu gelangen, konnte er wohl selbst nicht hoffen. Was wäre auch das ganze Gesetz den Prote- stanten noch wert gewesen, wenn es ihnen weder den unbedingten Frieden noch auch die Freistellung gewährt hätte? Die Resolution hatte vorgeschlagen, dafs die entscheidenden Worte : „wo dann solche Vergleichung nit erfolgen würde" bis „beschlossen sein und bleiben" w^eg- zulassen seien, wonach der Frieden wiederum nm- bis auf die vorzunehmende Religionsvergleichung geschlossen und alles darauf angekommen wäre, was man unter dieser

»*) Nicht am 6. Sept., wie Ranke, oder am 8., wie Ritter will.

Kursachsen und der Augsburger ßeligionsfriede. 291

Vergleicliung' dereinst verstehen würde. Natürlich wider- setzten sich die Sachsen anf das allerentschiedenste und nach einer zweitägigen Diskussion erreichten sie denn auch, dafs sich der gesamte Kurfürstenrat für Beibehal- tung der angefochtenen Worte aussprach. Am 7. Sep- tember antwortete der König: er halte die Worte zwar für unangemessen, um des Friedens willen wolle er sie aber stehen lassen.

Diese ganze Erörterung fiel nicht ins Gewicht gegen- über den Auseinandersetzungen über die Freistellung nach allen Richtungen hin. Zwei Möglichkeiten hatte es von Anfang an für die katholische Politik gegeben: ent- weder dem protestantischen Prinzip einen verhältnis- mäfsig weiten Spielraum zu gewähren, diesen Zustand aber als nur provisorisch zu statuieren; oder aber dem Protestantismus dauernde und feste Rechte zu erteilen, deren Umfang aber nach Möglichkeit einzuschränken. Hatte man in den früheren Stadien beide Wege durch- einander einzuschlagen gesucht, so war man jetzt end- gültig auf den letzteren geraten. Es ist bezeichnend, dafs nunmehr Kursachsen, welches die Verhandlungen im wesentlichen in diese Bahnen gedrängt, auch formell die Leitung der Protestantenpartei in die Hände nahm. Pfalz erklärte (am 7. Sept.), dals es zwar mit den Evan- gelischen stimmen, jedoch, als noch nicht offiziell über- getreten, die Vertretung derselben bei dem König nicht übernehmen wolle. So kam die Reihe an die kursächsi- schen Gesandten, die nunmehr, wie sie sich ausdiüickten, „den Dank zu erstechen" hatten. Sie haben den Ab- stimmungen der Protestanten nicht nur den Mund, son- dern auch den Geist geliehen.

Zunächst die Freistellung für die Reichsstände. Wir wissen, dafs sie nach dem zwiespältigen Votum vom 21. Juni von den Protestanten für alle in Anspruch ge- nommen, von den Altkirchlichen aber auf die weltlichen Stände einzuschränken versucht wurden war. Noch längst, ehe der König die Prorogation in Vorschlag ge- bracht (am 25. Juni), hatte August seinen Räten Wei- sung zukonmien lassen, wie sich diesem Zwist vielleicht abhelfen lasse. Zunächst hatte er seinen früheren Vor- schlag, nach welchem den geistliclien Fürstentümern ihre Verfassung garantiert werden sollte, dahin verstärken lassen, dals ausdrücklich die Stände des Reichs gehalten sein sollten, falls sich der Inhaber eines solchen einen

19*

292 L. Schwabe:

Verfassungsbrucli zu scliiüdeu kommen lasse, dem ent- gegenzutreten. Wäre den katholischen Wünschen auch mit dieser Vorsehung nicht genug gethan, so sollten die Gesandten weiter versuchen, über den betrefi'enden Gegenstand dem Gesetz einen Artikel einzufügen, wo- nach derselbe als noch strittig anzusehen und seine Ent- scheidung einem künftigen Reichstag vorzubehalten sei. Zum Schluls liels er durchblicken, dafs er schlimmsten Falls auch soweit nachgeben wolle, dafs man statt der bisherigen Wendung „von wegen der Religion etc." wie das in dem vorigen Stadium der Verhandlungen, wie wir uns erinnern, einmal von den Geistlichen vorge- schlagen war die Ausdrücke des Passauischen Ver- trags wähle, welche in bezug auf die Freistellung zwar auch undeutlich waren, sich jedoch mehr nach der Seite einer Beschränkung der Glaubensfreiheit auf die schon jetzt protestantischen Stände neigten.

Jetzt nun, als sich der König in seiner Resolution ganz bestimmt die Forderungen der Katholiken vom 21. Juni angeeignet hatte, führten die Gesandten alle diese Vorschläge zunächst im Kurfürstenrate noch ein- mal ins Feld und ersuchten, nachdem sie dort natürlich nicht durchgedrungen waren, den König in einer im Namen der protestantischen Stände beider Räte ver- falsten Eingabe (6. September), von seiner Forderung abzustehen. Umsonst, Ferdinand beharrte darauf, dals über das Verbot eines Glaubenswechsels für die alt- kirchlichen Geistlichen eine klare und ausdrückliche Provision zu machen sei, und gab schlieMich (7. Sep- tember) nur soweit nach, dals er diese Provision allein auf sich nehmen und in seinem Namen aussprechen wolle, nachdem vorher in dem betreffenden Paragraphen selbst des Streites der Stände über diesen Punkt gedacht wor- den sei. Über Ablehnung oder Annahme dieses Vor- schlags nun kam es zu den Meinungsverschiedenheiten unter den protestantischen Ständen , deren thalben man, wie erwähnt, von dem König 10 fernere Tage Aufschub erbat, um sich noch einmal Resolution von den Auftrag- gebern einzuholen (8. September). Schon ehe das Schreiben, in welchem sich die Räte diese letztere erbaten, in Dres- den angekommen war, hatte August seine Gesandten be- deutet, ob sich die Sache nicht vielleicht dahin richten liefse, dals die Stände der A. K. unbeschadet des ganzen Friedens gegen diesen einen Artikel einen Protest er-

Kursachseil und der Augsl)urger Religioiisfriede. 293

lielseii'^^''); es war eiii Gedanke, der, wie es scheint, von dem hessischen Landr>Tafen in Anregung gebracht worden war. Freilich erhob sich dagegen sofort das Bedenken, dals ein derartiger Protest auch zugleich die Verbind- lichkeit der übrigen günstigen Bestimmungen abschwächen und den ganzen Religionsfrieden „löcherig" machen würde, und so hielt denn dei- Kurfürst es schlielslich in seiner Antwort auf jene eben erwähnte letzte Anfrage der Räte (14. September) doch für besser, den Vorbehalt in der vom König bedachten Weise, bei welcher er wenig- stens sein Gewissen beruhigt fühlte, passieren zu lassen. Nur wies er die Räte jetzt an, von den Altkirchlichen ein anderweites Zugeständnis als Gegenleistung zu for- dern: man sollte bei dem Artikel über die Jurisdiktion einen Satz einschieben, nach welchem diese letztere auch für diejenigen bischöflichen Städte, Ritterschaften und Kommunen aufgehoben bleiben solle, die seit langer Zeit der A. K. anhängig seien. Er begründete das im wesent- lichen mit einem Hinweis auf die in seinem Lande den Bischöfen von Meilsen, Merseburg etc. untergebenen Städte u. s. w. , die ja geger.wärtig so vollständig refor- miert waren, dafs bei ihnen an eine Rückkehr zur alten Kirche ganz gewifs nicht gedacht werden konnte. Ich glaube auch nicht, dals August dies irgendwie befürchtet hätte, aber es lag ihm doch daran, auch das formelle Recht durchaus auf seiner Seite zu haben, und vor allem litt es seine protestantische Reputation nicht, den doch Avohl nicht zu vermeidenden geistlichen Voi-behalt ohne jede Gegenforderung zu bewilligen. Wir konnnen auf die Erledigung dieses Vorschlags noch einmal zu sprechen, jetzt erwähnen wir nur, dals es mit seiner Hilfe gelang, den geistlichen Vorbehalt bei den bis daliin widerstreben- den Ständen durchzubringen. Einige Zusätze wurdi;n noch zuletzt am 20. September auf Anregen der Kur- sachsen eingefügt, welche dabei einige früheren Vor- schläge Pfalzgraf Ott Heinriclis und des ernestiniscben Herzogs wieder aufnahmen: am Anläng setzte man, dals dieser Paragraph vom König erlassen, nachdem bei Ver- gleichung des Friedens ein Streit vorgefallen .... „dessen sich aber beider Religion Stände nit haben vergleiclien können", ferner dals die Absetzung |)i'otestanti.sch werden- der Geistlicher deren „Ehren unnac.hteilig" sein soHe und

'*''^) Schreiben v. 9. .Srpt . IV, :^2f>

294 L- Schwabe:

schliefslich dals dieser Artikel, wie auch die anderen, „christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung un- vorgreiflich" erlassen sei. Die Bedeutung der beiden letzteren Einfügungen springt von selbst ins Auge, die der ersteren wird noch heute, wie wir glauben, häufig nicht richtig gefalst. In Verbindung mit der ganzen Fassung des Paragraphen wird sie dahin verstanden, dals sie eine ausdrückliche Verwahrung der Protestauteu gegen seinen Inhalt in sich schlösse und dafs also der Protest gegen den geistlichen Vorbehalt in dem Vorbe- halt selbst enthalten sei''^*'). Allein, in den betreffenden Worten waren ja die Protestanten nicht einmal aus- drücklich genannt wie hätte man behaupten können, dals sie einen Protest von ihrer Seite enthielten. Und dann, es war zwar in dem geistlichen Vorbehalt erwähnt, dafs über den Inhalt desselben Streit vorgefallen, dals man zu keiner Einigung hätte kommen können und dals alsdann und aus diesem Grunde der König sich aus eigener Machtvollkommenheit ins Mittel gelegt und kraft seiner, ihm vom Kaiser erteilten Vollmacht eine Ver- fügung getroffen, indessen davon, dafs nach dieser könig- lichen Verfügung jener Widerspruch der Protestanten aufrecht erhalten worden sei und nur das könnte man doch als einen Protest bezeichnen steht kein Wort in dem Abschied. Vielmehr hatten die protestantischen Stände durch Mitunterzeichnung des ganzen Abschieds ihre Zustimmung ausdrücklich zu erkennen gegeben. Und damit, dafs sie die Assekuration des Friedens dahin richteten, dafs seine Bestimmungen für die einzelnen Stände nur soweit verbindlich sein sollten, „als sie einen jeden betreffen oder betreffen mögen", war doch nichts weiter gesagt, als dafs diese Bestimmungen alle nur eine

&

bedingte Geltung hatten: war ja doch der ganze Ab- schied in die Form eines königlichen Befehls gebracht. Auch waren sich die Protestanten selbst durchaus be- wufst, dals nichts von einem Protest in dem Abschied stünde^'); in ihrem eigenen Kreise wurde das Bedenken laut, schon damit habe man ja doch in den Artikel ge- willigt, dals man über seine Zulassung oder Streichung

^ö) So Maurenbrecher a. a. 0., S. 6.

•''■') Verg'l. die Änfserang Kurfürst Augnsts in einem Schreiben an Ott Heinrich v. 28. August 1556, abgedruckt bei Wolf, Z. Gesch. d. deutschen Protestanten, S. 260.

Kursachsen und der Angsburger Religiousfriede. 295

beraten und beschlossen habe'^^). Und nicht nur, dafs sie sich über diese Sachh^ge nicht täuschten, sie hielten sogar den nur „subiutellig'ierten Intellektus" (wonach sie den Artikel nur zufolge ihrer ganzen Haltung und ihrer mündlichen Erklärungen als für sich unverbindlich hin- stellten) für viel ratsamer als einen ausdrückliolKMi Protest in dem Gesetze selbst. Nicht dafs sie sich durch einen sol- chen hätten für gezwungen halten müssen, einer etwaigen praktischen Durchführung des geistlichen Vorbehalts mit Gewalt entgegenzutreten"'-') aber sie fürchteten, dals er die Verbindlichkeit des ganzen Eeligionsfriedens , in welchem sie die feste Basis für eine friedliche Zukunft erblickten, ins Wanken bringen, oder, wie sie sich aus- drückten, ein „Evanescens" des ganzen Werkes in sich schlielsen würde. Aus demselben Grunde hatten sie ja schon jenen obenerwähnten hessischen Gedanken an eine aufserhalb des Gesetzes zu erlassende Gegenerklärung fallen gelassen; als letztere zur Beratung stand, hüteten sich die Km'sachsen mit ängstlicher Absichtlichkeit, ihr den odiosen Namen „Protest" beizulegen, sie nannten sie „Deklaration". Natürlich, wo wäre auch der behagliche und ewige Friede geblieben, wenn gegen eine seiner Hauptbestimmungen eine Erklärung erlassen war, die schon ihrer Benennung nach an die enthusiastischen Tage erinnerte, welche diese Männer einer neuen und nüch- ternen Zeit so vollständig hinter sich gelassen hatten! Und nun, als es galt, den Paragraphen dergestalt zu formulieren, dafs sich die Neugläubigen seinem gesetz- lichen Zwange irgend wie entziehen könnten, auch da vermieden sie es absichtlicli und ausgesprochenermassen, dals „expresse gesetzt würde, die A. K. verwandten hätten nicht bewilligt". Gewils, sie wuIsten auch, dals

,s

Ferdinand in eine derartige Fassung des Vorbehalts schwerlich willigen würde; aber wenn sie ihrem Herrn schrieben, dafs es „ihrer Mt. Gemüt sei, dals diese Sachen also sub nube sollten gelassen werden"""), so hätten sie beifügen können, was sie erst später aus- sprachen : dals auch sie diese Absicht vollständig teilten. Mit einem AVorte, der geistliche Vorbehalt war eine

•■^'*) Yergl. Ranke VI, 318 oben. -'9) So meint Ritter a. a. 0., 25.5.

'*") Bericht der Gesandten v. 9. Septcnilior. Ranke VI, 319 unten, wo nnr das intiimlidi koiijoktnrierte „nicht" zu streielu'n ist.

296 L- Schwabe:

Bestimmung-, die dem AVortlaut nach auch für die Prote- stanten gültig war, an deren Redaktion sie mitgearbeitet, deren Einverleibung in den Frieden sie l)ewilligt, und deren buchstäblicher gesetzlicher Verbindlichkeit auch für ihre Glaubensgenossen sie sich selbst bewulst waren, die sie aber gleichwohl mündlich als für sich nicht vor- handen bezeicimeten und der nicht nachzuleben sie von vornherein entschlossen waren. Auch hier dieselbe Er- scheinmig wie früher: die Gesetzgeber sind sich weder unklar über die Sachlage, noch haben sie die Absicht, ihre Gegner zu hintergehen. Alle Mitberatenden wissen, dals der Artikel zwar beschlossen werden, aber niemals im Rechtsbewulstsein aller Stände Wurzel fassen kann, und auch die Altgläubigen täuschen sich darüber nicht, dals mit ihm nur ein politischer Anspruch, nicht aber ein thatsächliches Rechtsverhältnis zum Ausdruck gelangt ist. Hatte man frühere Punkte ganz unerwähnt gelassen, oder eine Ausdrucksweise gewählt, die in ihrer Allgemeinheit nichts Bestimmtes festsetzte, so half man sich nun, indem man sich auf Nichtbewilligung der unliebsamen Klausel zurückzog; früher war der Sinn, jetzt die Verbindlichkeit der Bestimmung in Zweifel gesetzt. Das Milsliche tür die Protestanten war nur, dals der nicht allseitig be- willigte Paragraph in antiprotestantischem Sinne abge- falst war. Man hätte sich ja auch denken können, dals die Protestanten ihre Wünsche in dem Gesetz zum Aus- druck gebracht und dafs es die Katholiken gcAvesen wären, welche die diesbezüglichen Bestimmungen als für sich unverbindlich erklärt hätten. Dals das Umgekehrte stattfand, gerade das war der unermefsliche Erfolg, den die alte Kirche mit dem Erlals des geistlichen Vorbehalts zu verzeichnen hatte. Er lag nicht in dem Positiven, dafs er erlassen war, sondern in dem Negativen, dals mit ihm eine entgegenstehende Bestimmung von dem Eriedensgesetz absolut fern gehalten wurde. Welch ein Antrieb und welche Förderung für die evangelische Pro- paganda, wenn das kirchliche Grundgesetz die Aus- breitung des Protestantismus auch auf die reichsunmittel- baren Hochstifter, auf welche die thatsächlichen Zustände auch jetzt noch hindrängten, direkt und ausdrücklich als rechtsgültig anerkannt hätte! Alles, was der deutsche Protestantismus an vorwärts treibenden Kräften damals noch in sich trug, wäre freigegeben worden und die etwaigen Einbufsen an innerer Kraft wären dadurch er-

Kursaclisen und der Angsbiirger Religionsfriede. 297

setzt worden, clafs man den Widerstand gegen die immer noch lebendige Bewegung vermindert hätte. So aber halfen die Protestanten die Schntzwehren um die alte Kirche, die sie hätten niederreilsen müssen, selbst mit stützen, und wenn sie hofften, dals dieselben von der Flut der evangelischen Bewegung auch so noch durchbrochen werden würden, so vergafsen sie, dals in ihrer schwach- mütigen Nachgiebigkeit selbst ein Anzeichen dafür lag, dals die Kraft dieser Bewegung im Schwinden war.

Nach den geistlichen Territorien waren es zweifellos die lieichsstädte, für w^elche die Bestimmungen über die Freistellung am schwersten ins Gewicht fielen. Wir er- wähnten seines Orts, dals die beiderseitigen Entwürfe, wie sie am 21. Juni dem König referiert worden, sie noch auf völlig gleichem Fulse mit den übrigen welt- lichen Eeichsständen behandelten. Bitter hat dargethan, von welcher Wichtigkeit die Behauptung dieser Position gerade in Anbetracht der damaligen Zeitverhältnisse war. Nichtsdestoweniger gelang es dem König, auch hier eine Änderung zu gunsten seiner Kirche durchzusetzen. Er führte den Ständen in seiner Resolution zu Gemüte, wie in vielen Städten beide Religionen nebeneinander be- stünden: es würde nichts wie Aufruhr daraus entstehen, wenn man ihre konfessionellen Verhältnisse nach Weise der übrigen Stände ordnen wolle; daher möge man in ihnen eine Religion neben der anderen dulden und beiden Bekenntnissen den derzeitigen Besitzstand garantieren. Sehr gut, nur hätte er dann auch nach demselben Grund- satz in bezug auf seine Erblande verfahren müssen, wo denn doch die Verhältnisse zun-i mindesten ebenso lagen. Indessen, was hätten die protestantischen Woi-tführer in ihrer Friedenssehusucht und in ihrer Scheu vor der Prorogation nicht noch alles bewilligt! In der am 6. Sep- tember dem König gegebenen Antwort hielten sie (wenn- gleich sich die Kurfürsten auch hier schon nur wider- willig dem Drängen ihrer fürstlichen Glaubensgenossen fügten) ihren Widerspruch nocli aufrecht; am 7. schon baten sie Ferdinand, er möge sich über diesen Punkt mit den Abgeordneten der Städte vergleichen. IJamit war die Sache entschieden: der von Ferdinand vorgeschlagene Artikel kam mit unwesentlichen Änderungen in das Ge- setz. Er war scheinbar ein Triumph der Toleranzidee, in AVahrhftit lief er auf dauernde Sicherstellung des altkirchlichen Einflusses und vor allen Dingen des alt-

298 L. Schwabe:

kiiTlilichen Besitzes in den deutschen Reichsstädten hinaus.

Blieb nur noch die freie Reichsritterschaft. Dals sie zu den Reichsständen gehörte, ob sie schon in Reichs- tagen Aveder Sitz noch Stimme hatte, war nicht zu be- streiten; wohl ebensowenig, dais sie demgemäis nach den Ordnungen des Religionsfriedens wie alle anderen welt- lichen Reichsstände einer bedingungslosen Freizügigkeit in Sachen des Glaubens zu genielsen hatte. Wollte man ihr diese nicht verkümmern, so brauchte man sie ein- fach nicht zu erwähnen. Gleichwolü geschah es und zwar auf direkte Anregung des Königs selbst, so dals man annehmen möchte, er habe in diesem Falle den Grundsatz der Duldung zu besonders unzweideutigem Ausdruck zu bringen gewünscht. Und nimmt man das Gesetz in seiner schlielslichen Vollendung, mag das gelten gelassen werden. Seiner Entstehung nach war diese Bestimmung jedoch nichts Aveiter, als eine Abschwächung des so viel wich- tigeren Paragraphen über Freistellung für die landsässigen Städte und Ritterschaften, von dem sie ein überflüssiges und unwichtiges Überbleibsel bildete.

Wir erinnern uns, dafs jener Paragraph einseitig von den Protestanten an den König gebracht worden war. Dieser natürlich , dem er besonders in Hinblick auf die ständische Bewegung in seinen Erblanden höchlich ent- gegen sein mufste, widersetzte sich auf das Lebhafteste. Schon ehe er auf den Paragraphen selbst zu sprechen kam, griff er in der Resolution seinen Inhalt der Sacbe nach an. In den Sätzen am Anfang des Religionsfriedens, durch welche den protestantischen Reichsständen der Schutz des Reiches zugesichert wurde, war (wie das schon im Passauer Vertrag der Fall gewesen war, dem man diesen Passus entlehnt hatte) nur von „Ständen" und nicht von „Reichsständen" die Rede. Der Ausdruck konnte allerdings, wenn man ihn pressen und aus dem Zusammenhang des ganzen Gesetzes reilsen wollte, auch auf die Landstände bezogen werden. Ich bezweifle in- dessen, dais die Protestanten sich dieses Doppelsinns be- wulst gewesen sind, ehe der König die Änderung der Stelle in seiner Resolution beantragte und ich kann auch hier den Schlulsfolgerungen Ritters nicht folgen, der dies damit zu erweisen sucht, dais die Stände des Fürstenrats in einem ihrer früheren Entwürfe hinter dem Ausdruck „Stand" die Worte „und niemand" einschoben. Wenn

Kursacliseu und der Augsbitrger Religiousfriede. 299

man die Beifügung- dieser Worte für nötig fand, um den Schutz auch für die protestantischen Unterthanen sicher- zustellen, so scheint mir daraus doch das gerade Gegen- teil von dem hervorzugehen, was Ritter will, nämlich: dais man die Unterthanen durch das Wort „Stand" noch nicht mit in die betreifende Bestimmung einbegriffen dachte. Am wenigsten dürfte es zutreffend sein, wenn Ritter meint, die Protestanten hätten durch Weglassung einer näheren Bezeichnung der Stände als Reichsstände den reichsrechtlichen Schutz für die protestantischen Unter- thanen zu „erschleichen" gesucht*^^). Wie hätten sie denn dann denselben Schutz zugleich ganz offen in einem be- sonderen Artikel durchzusetzen suchen können! Jetzt freilich, wo der Ausdruck „Stände", sowie die ganze Be- stimmung, welche ihn enthielt, von Ferdinand selbst in einer Weise interpretiert wurde, die dem von den Pro- testanten eingebrachten Paragraphen über Städte und Ritterschaften entsprach, jetzt mulsten letztere seine Bei- behaltung schon im Interesse dieses letzteren Paragraphen zu verfechten suchen. Indessen sie drangen weder hier noch dort durch. Dafs der Zusatz „des Reichs" dem Worte „Stände" beigesetzt wurde (am 7. September), war nur ein Vorspiel für die endliche Preisgabe auch des andern Artikels. Derselbe fiel für die landständischen Städte in weltlichen Gebieten ganz, was die landständische Ritterschaft anlangt, so Avurde, wie oben bemerkt, die Bestimmung auf die Reichsritterschaft nicht sowohl ein- geschränkt als übertragen.

Aber, wie schon erwähnt, in einer sowohl der Sache nach eingeschränkten wie der gesetzlichen Normierung

ß^) Wenn Ritter a. a. 0. S. 232 ineint, dafs die .sächsischen Gesandten (die nach seiner Meinung ebenso Avie die anderen Prote- stanten durch Weglassung der Worte „des Eeichs" den ihnen ge- nehmen Sinn zu „erschleichen" versucht haben sollen") ihren walireu (irund, dessenthalben sie für Streichung der besagten Worte stimmten, in den Sitzungen v. 2. und 3. Sept. verschwiegen hätten, so mag das allerdings nach dem Wortlaut der nach Dresden gesandten Berichte richtig scheinen. Aus dem in den Sitzungen sell)st niedergeschrie- benen Protokoll geht jedoch hervor, dafs sie diesen ihren wahren Grund mit aller wünschenswerten Deutlichkeit ausgesprochen haben. Sie votierten am 2. Sept. „achten die Sachen dahin, diser frid solte nicht allein uf die gehen, so stim und scssion im Reich haben, son- dern auch uf die andern und dorwegen were dis (d. h. Beifügung der Worte „des Reichs") unnöttig und es wurde weniu' nutz sein". Mit gleicher Deutlichkeit Pfalz und Brandenburg. Protokoll 906.

300 L. Schwalle:

nach zweifelhaften, aber immerhin hochbedentsamen Weise kam der Artikel denn doch noch zur Erledigung. Wir haben schon bemerkt, dals Kurfürst August als Gegen- gewicht gegen den geistlichen Vorbehalt seinen Räten auftrug, eine Bestimmung in den Artikel über die geist- liche Jui'isdiktion zu bringen, nach welcher die protestan- tischen Unterthanen (aulser Städten und Ritterschaft waren hier auch die Kommunen genannt) in geistlichen Territorien, soweit sie zur Zeit protestantisch seien, Frei- heit des Bekenntnisses genielsen sollten. Die Gründe für dieses Vorgehen haben wir schon oben entwickelt; hier sei erlaubt, das dort Gesagte durch die Bemerkung zu verstärken, dafs gerade in diesem Punkte für das Ver- halten Augusts die Meinung seiner Theologen mitbestim- mend war: es war eüi Gutachten Melanchthons, welches, wie es scheint, die Anregung zu dieser neuen Forderung gegeben hatte '^'"-). Die AVeisung Augusts hierüber wird schwerlich vor dem 19. September in Augsburg einge- troffen sein; noch an diesem selben Tage machten die Kursachsen für diese neue Forderung Stimmung unter ihren Glaubensverwandten, am Morgen des 20. September wurde sie zum erstenmale in öffentlicher Sitzung dem König vorgetragen, am Abend dieses Tages war sie in der bekannten Weise beschlossen worden. Ferdi- nand hatte sich zuerst rund geweigert auf eine solche neue Forderung einzugehen, dann aber nach zweimaliger Beratung mit den Geistlichen sein Einverständnis unter der Bedingung erklärt, dals erstens die betreffende Satzung nur denjenigen Städten, Ritterschaften und Kommunen zu Gute kommen sollte, die sich bereits seit langer Zeit „öffentlich" zu der A. K. bekannt und zweitens, dals sie nicht in den Abschied selbst aufgenommen, sondern als nebenhergehende „Assekuration" des Königs (dies war der frühere Ausdruck für den später gebräuchlich ge-

°-} Dieses in den Schreiben Augusts an seine Räte zweimal erwähnte „Bedenken des Henn Pbiliiipi und anderer unserer Theo- logen" (vergl. auch Ranke VI, 322, wo jedoch Zeile 2 statt „des mhermal" zu lesen ist: „das neher mal", d. h. das letzte Mal, näm- lich zugleich mit dem Schreiben vom 9. September) ist unzweifelhatt identisch mit dem im Corp. Ref. VIII, 478 abgedruckten Schrift- stück .de reservato ecclesiastico". Es ist natürlich nicht, wie dort geschehen, in den April, sondern in den Juli oder August zu setzen. Der geistliche Vorbehalt kam überhaupt erst Mitte Juni auf die Tagesordnung. Vergl. oben, S. 27R. S. auch Schreiben Augusts a. d R. V. 9. und 10. Sept., IV, 330'' und 470.

Knrsachseii und der Angsbnrger ßeligicmsfriede. 301

wordenen : Deklaration) in dessen Namen zu gleicher Zeit mit jenem publiziert werden sollte. Die wortführenden Kursachsen lielsen sich die erstere Einschaltung- gefallen. Hatte August doch schon in seinem Schreiben vom 14. September nur Sicherung für längst protestantisch ge- wordene Gemeinwesen, keineswegs aber Freistellung- für alle insgesamt verlangt. Dagegen hatten sie vorerst Be- denken auf die letzteren Bedingungen einzugehen; zum mindesten, baten sie, solle man die ausdrückliche Zustim- mung der Geistlichen in diese Assekuration mit auf- nehmen; oder wenn das nicht zu erreichen wäre und man den Artikel nicht in das Gesetz selbst setzen wolle, so möge man wenigstens auch den geistlichen Vorbehalt aus jenem entfernen und ihn in derselben Weise am besten gleich in demselben Schriftstück wie den Paragraphen über die bischöflichen Unterthanen zur Erledigung bringen. In den Verhandlungen mit dem König selbst (20. Sept.) drangen sie mit diesen Forderungen noch nicht durch, jedoch als einige Tage später über die endgültige Form- gebung für den ganzen Abschied beraten wurde und man dem Gebrauch nach eine Formel in den Abschied bringen wollte, Inhalts deren weder frühere noch küuttig-e Ver- ordnungen, Deklarationen oder dgl. dem Inhalt des vor- liegenden Gesetzes Abbruch thuii sollten, da erschien den kursächsischen Gesandten die Notwendigkeit, die eben erkämpfte Deklaration gegen diese neue Klausel sicher- zustellen so dringend, dals die Geistlichen ihren Wider- stand aufgeben und schlielslich eine ausdiückliche Erklä- rung ihrerseits, dals sie diese Deklaration durch jene Klausel für nicht aufgehoben betrachteten, in die Deklaration zu setzen willigen mulsten.

Während auf diese Weise die protestantischen Unter- thanen der geistlichen Fürsten eine immerhin wertvolle Unterstützung erhielten, wurden andererseits die an sich schon so kümmerlichen Rechte der unter den weltlichen katholischen Fürsten weilenden Protestanten schlielslich noch in einem nicht unwesentlichen Punkte eingeschränkt. In seiner Resolution hatte König Ferdinand erklärt, dals dem Kaiser und ihm selbst aus sonderbaren Rechten und Freiheiten, die sie beide in ihren Erblanden hätten, nicht tlmnlich sei, den andersgläubigen Unterthanen daselbst das Recht freier Auswanderung zuzugestehen ; die Stände möchten in diesen Punkten sie beide von dem Gesetz eximieren. Obzwar nun die protestantischen Stände in

302 Ij- Schwabe:

der Eelation vom 6. September den König wenigstens noch bittweise ersuchten, die bisherigen Bestimmungen stehen zu lassen, so gab doch August in seinem Schreiben vom 14. September die Weisung, man möge um Zustande- kommen des Ganzen willen auch in diesem Punkte noch nachgeben. Es war für die Protestanten ein Glück, dals der König selbst am 20. September , ohne von dieser Sachlage Kenntnis zu haben, die Forderung nur noch in Beziehung auf seinen Bruder aufrecht erhielt: andernfalls wären die Unterthanen der österreichischen Erblande ebensowohl, wie das mit den Niederlanden thatsächlich der Fall war, auch dem AVortlaut des Gesetzes nach vorbehaltlos den Maisnahmen der altkirchlichen Inquisition unterworfen worden. Man erinnere sich an die gerade damals so lebhafte protestantische Bewegung in Öster- reich, Steyermark und Kärnthen, und man wird die Be- deutung, die eine solche Bestimmung gehabt hätte, zu ermessen wissen. Für die Erblande Ferdinands also blieb die bisherige Bestimmung bei Kräften, den protestan- tischen Niederländern hingegen entzog das Reich auch diesen beschränkten Schutz " ').

Wir haben hiermit die endgültigen Beschlüsse des Augsburger Reichstags in Sachen des Religionsfriedens erschöpft.

Kehren wir noch einen Augenblick zu den Betrach- tungen zurück, von denen wir anfangs ausgegangen sind. Wir erkannten dort, dals für eine wirkungsvolle Ver- tretung der protestantischen Interessen zwei Dinge vor allem anzustreben waren: erstens eine Verminderung der geistlichen Reichstagsstimmen durch Freistellung des Über- tritts für die geistlichen Fürsten, und zweitens eine Lahmlegung der antiprotestantischen Politik der mäch- tigeren weltlichen Fürsten und namentlich des Königs durch Unterstützung des Protestantismus in ilu^en Terri- torien. Viel minder wichtig war vom politischen Stand- punkte aus einerseits, die Unterthanen der geistlichen Fürsten, welche letzteren ja doch nur durch ilire Stinnnen und die duixh sie zu erzielenden Reichstagsmajoritäten mächtig waren, gegen ihre Landesherren zu unterstützen, und andererseits den mächtigeren Aveltlichen Fürsten das Bekeinitnis freizustellen. Jene waren einzeln und in Hinsicht ihrer landesfürstlichen Machtmittel so wie so

3) Vergl. Ritter, S. 229.

K\irsachsen und der Augsburger Religionsfriede. 303

ohnmächtig-, diese liätteu sich in der Wahl ihres Glaubens auch nicht durch einen entgegenstehenden Gesetzespara- graphen ])ehindern lassen. Aber gerade die ersteren For- derungen liels man fallen, diese letzteren hielt man aufrecht. Die kompakte antilutherische Eeichstagsmajo- rität war durcli den Religionsfrieden ebensowohl verewigt, wie die kirchenpolitische Machtstellung des Königs und seiner katholischen Mitfürsten.

Dafür aber hatte man den Frieden und die Genug- thuung, sich für die Rechtmälsigkeit seirics Bekemitnisses aulser auf Schrift und Gewissen auch noch auf den Ab- schied von anno 55 berufen zu können. Und freilich hat der mit diesem Abschied l)eginnende Frieden volle sechzig Jahre gedauert. Bei ihren Zeitgenossen mochten also die Realpolitiker, welche zu Augsburg den Ausschlag gegeben, immerhin Glauben hnden, da sie sich des Ab- schieds als eines grolsen Erfolgs ihrer friedfertigen Staats- kunst zu rühmen pflegten. Allein auf den sechzigjährigen Frieden folgte, wie leider bekannt, der dreilsigj ährige Krieg. Es waren die unerledigten Paragraphen unseres Abschieds, die nunmehr statt mit Worten mit Schwertern und Kanonen diskutiert wurden, und auch in diesem Falle haben die Männer der Idee vor dem Richterstuhle der Geschichte in letzter Instanz Recht behalten.

XT.

Untersiicliuugen zur ältesten Gescliiclite

Freibergs.

Von

C. E. Leutliold.

A. Die Cisterzienser von Altenzelle und die Anfänge des Freiberger Bergbaues.

Bereits wiederholt ') ist von mir auf die Beteiligung der Cisterzienser am Bergbaue Freibergs und der Mark Meilsen überhaupt hingewiesen worden. In neuester Zeit hat auch Zirkel in seiner Universitätsrede zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Königs am 23. April 1887 -) betont, dals muthmalslich die Urbarmachung der Frei- berger Gegend durch die Cisterzienser von Altenzelle zu der Entdeckung des dortigen Erzreichtums geführt habe. Bei der rechts- und kulturgeschichtlichen Bedeutung des Freiberger Bergbaues wird es gestattet sein, im folgenden näher darzuthun, welche Thatsachen allerdings in sehr bemerkenswerter Weise für die Auffindung der Freiberger Erzgänge und für die Aufnahme des ältesten Freiberger Silberbergbaues gerade durch die Cisterzienser von Alten- zelle sprechen.

1. Für die Geschichte der Besiedelung der Freiberger Gegend sind drei mehrfach gedruckte Urkunden mals-

') Vergl. meine Bemerkungeu über die ältere Freiberger Berg- werksverfassuug in Brasserts Zeitschrift für Bergrecht XXI, 29-, XXIX, 77.

-) Zur Geschichte des Sächsischen Bergbaues : Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1887. Nr. .^4.

Untersiichungen zur ältesten Geschichte Freibergs. 305

gebeiicP): der Bestätigungsbrief Kaiser Friedrich Barba- rossas für das von Markgraf Otto von Meilsen gestiftete neue Kloster am Südiifer der östlichen Mulde im Burg- warte Mochau, gegeben zu Lodi 1162, Februar 26; die Urkunde Bischof Martins von Meilsen über die unter seinem Vorgänger erfolgte Vereinigung des Gebiets des ehemaligen Klosters der schwarzen Mönche an der Mulde mit dem neuen Kloster d. d. 1183, Juni 9; endlich die Urkunde des Markgrafen Otto von Meilsen über die Grenzen des Gebiets des neuen Klosters d.d. 1185, August 2. Unter ihnen ist für die Freiberger Bergwerksgeschichte bis jetzt vorwiegend immer nur die dritte berücksichtigt worden; nach meinem Dafürhalten verdient aber im Zu- sammenhalte mit der letzteren diejenige von 1183 ganz besondere Beachtung.

Der Landstrich, welcher in der ältesten Geschichte von Altenzelle und Freiberg eine Rolle spielt, wird im wesentlichen natürlich begrenzt im Westen vom Striegis- bache in seinem gesamten Laufe von der Quelle bei Langenau bis zur Einmündung in die Mulde unterhalb Roiswein; im Osten von der Mulde auf ihrem südnörd- lichen Laufe von Berthelsdorf bis Nossen ; im Norden von der Mulde auf der Strecke vom Flulsknie bei Nossen bis westlich zum Eintritte der Striegis. Nach Süden, der dem Waldgebirge und Böhmen zugekehrten Seite, fehlt eine natürliche Begrenzung. In diesem Gebiete tragen nicht nur die erwähnten Grenzflüsse slavische Namen: Mulde (der trübe Fluls), Striegis (der Wildbach), sondern auch die Lolsnitz (der Wiesenbach), d. i. die heutige Frei- berger Münzbach und die 1185 vorkommende Betstowa (die tolle Bach) bei Altzella, die heutige Pietzschbach, weisen auf Anfänge einer Besiedelung einzelner Punkte der Flufsthäler durch slavische Einwohner hin. Solche Ansiedelungen mit slavischem Namen sind Nossen, das Schlots auf der Felsennase am Muldenknie, und Lolsnitz, das Wiesendorf, am gleichnamigen Bache unterhalb des heutigen Freiberg. Nicht weit von Nossen lag das Thal „Hinolidol", welches deutsch Harzthal genannt ward (Ur- kunde von 1185). Vollständig unbewohnt war also der Landstrich jedenfalls um die Mitte des 12. Jahrhunderts nicht mehi". Nach der Urkunde von 1183 hatte mm zur

^) So hintereinander in Gautschs Archiv für sächs. Geschichte I (1843), 197 fgg.

Neues Archiv f. S. G. u. A. X. 3. 4. 20

306 C. B. Lenthold:

Zeit des Bischofs Meginward von Meilsen (1140 1146) Tammo von Strele ein Stück Waldland an der Mulde, welches er vom Bischöfe zu Lehn trug, diesem zum Besten eines von ihm daselbst errichteten Benediktinerklosters wieder aufgelassen ; das Kloster (es lag im heutigen Zell- walde) war aber im Laufe der Zeit infolge der Nach- lässigkeit der Mönche und der Wildheit der Gegend ein- gegangen und somit das Klosterland an den Lehnsherrn zurückgefallen. Als aber Markgraf Otto seinerseits ein Kloster in jener Gegend zu gründen beschlois und das- selbe mit Cisterziensern besetzte^), hatte er dazu zunächst ein Gelände von 800 Hufen gewidmet, welches er vom Kaiser zu Lehn besafs, und innerhalb desselben an einer „Bor" genannten Örtlichkeit die Klosterstelle vorgesehen. Allein diese Örtlichkeit erwies sich schlielslich als wenig geeignet, und daher wählte man eine andere Stelle zum Klosterbaue auf bisher dem Hochstifte Meilsen gehöiigem Boden. Bischof Gerung von Meilsen (1156 1170) wies nämlich dem neuen Kloster auf Bitten des Markgrafen auch das Gebiet des bisherigen Tammoschen, wieder eingegangenen Benediktinerklosters zu. Als Gegenleistung gewährte der Markgraf nach der Urkunde von 1183 dem Bistume zweierlei: 1. ward cum magno labore domini marchionis et fratrum, stwrum cum interventu domini Magdeburgensis archiejjiscojn et marchionis Alherti (wohl Ottos ältesten Sohnes, Albrechts des Stolzen) erreicht, dafs künftig von jeder Hufe Neuland in der Markgrafschaft dem Bischöfe der Schockzehnte (sexagenarium) gewährt ward, während vorher jede noch so grofse Ansiedelung (villa) nur einen Solidus zu entrichten hatte ; 2. wurden dem Stifte decimae trium villarwn Tudendorpli, Christianes-

•*) In derUrkimde von 1162 ist die Rede davon, dafs das Kloster Ottos der Benediktinerregel folgen solle. Schliefslicb liat aber Otto Cisterzienser von Pforta (SchmöÜn) berufen. Janaiiscbek, Origiues Cistercienses I (1877), 171 nimmt mit anderen an, Otto habe schon 1162 an Cisterzienser gedacht, aber dem Kaiser gegenül)er Benedik- tiner genannt, weil damals in dessen Kampfe mit Papst Alexander III. die Cisterzienser Feinde des Kaisers gewesen seien. Näher liegt wohl, den Grund für den Wechsel einfach in der damals reifseud zu- nehmenden Bedeutung des Cisterzienserordens zu suchen. Alle Jahre entstanden damals mehrere neue Klöster dieses Ordens. Aufserdem war der Cisterzienserorden aus dem der Benediktiner hervorgegangen. Daher redet z. B. die Bulle Innocenz III. von 1213 (s. u. a. Bericht der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig vom Jahre 1846, S. 26) davon, dafs Altenzella secundnm deum et beati Benedicti regulnm atque institutionem Cisterciensium fratrum lebe.

Untersnchnngen zur ältesten Geschichte Freibergs. 307

dorph, Bertoldesdorjih und der übrigen Dörfer, welche der Markgraf daselbst (d.h. in dem, wie sogleich zu erwähnen, wieder vom Kloster abgetrennten Gebiete) noch errichten würde, wieder gewährt (restitutae) und dem Stifte Meilsen nebst dem Holzungsrechte, insoweit nicht die Mönche selbst den Wald gebrauchten, vorbehalten. In allen, dem neuen Kloster zuständigen Dörfern aber sollte das Zehntenrecht den Mönchen zustehen. Hierzu ist aus der Urkunde von 1185 die Stelle zu nehmen, welche berichtet, dals der Markgraf, weil in ferminis monasterii venae arcjentariae repertae sunt, unter entsprechender Gegenleistung (cu7n honis nostris) die drei obengenannten Dörfer und einen Wald von zusammen 118 Lehn Flächeninhalt als Domäne wieder an sich gezogen habe. Das Gebiet des Cisterzienserklosters umfalste also nach der zu Gerungs Zeit geschlossenen Vereinbarung zweierlei Bestandteile: ehemals bischöfliches Gebiet (vom ßenediktinerkloster herrührend, terram de antiqua Cella, wie es in der Be- stätigungsbulle von 1213 des Papstes Innocenz III. heilst) und ehemals markgräfliches Land, d. h. die 800 Hufen Land, von denen die Urkunde von 1162 spricht. Zu dem Cisterzienserkloster - Gebiete gehörten eine Zeitlang die Dörfer Tuttendorf, CMstiansdorf und Berthelsdorf; sie wurden aber, wie schon bemerkt, mit Rücksicht auf den gemachten Erztünd nebst einem Walde aus dem Kloster- gebiete zu Gunsten des Markgrafen wieder ausgescliieden. Dafür hatte der letztere eben seinerseits unter grolsen Opfern von dem Meiisner Hochstifte das Gebiet des vor- maligen Benediktinerklosters zum Besten des neuen Ci- sterzienserklosters erworben.

Dem Meiisner Stifte wurde nach Abtrennung der drei Dörfer vom Klostergebiete der Zehnte aus diesem vorherigen Cisterzienser- und nunmehrigen Domänenlande wieder gewährt. Bekanntlich hatten nämlich die Kloster- gebiete an die Weltgeistlichkeit teils gar keinen, teils nur in gewissen Fällen Zehnten zu zahlen'*), und gerade die Cisterzienser gehörten zu denjeidgen Orden, welche (gleich den Templern und Hospitalbrüdern) überhaupt von den durch sie selbst bewirtscliafteten Besitzungen keinen Zehn- ten an die Kiixhe zu liezahlen brauchten"). Erst als das

■') Richter (Dove), Kirchenrecht, 6. Aufl., S. 386, 962. ''') Kap 10 X de decimis III, 30 v. J. 1170: Sane nolumus te latere quod praedecessorcs nostri fere omnibus religiosis decimas

20*

308 C. E. Lenthold:

Gebiet der drei Dörfer aus dem Klosterlande wieder aus- schied, Avurde das erstere wieder zehntpfliclitig- gegenüber der Weltpriestei-schaft. In der Urkunde von 1162 ist des Bergregals oder des Erzfundes noch nicht gedacht; vor 1170, Bischof Gerungs Todesjalu'e, muis der letztere aber nach der Urkunde von 1183 gemacht worden sein, denn unter Gerung wurde der Zehnte aus den drei Dörfern dem Hochstifte Meilsen zurückgegeben. Hieraus erhellt mit Deutlichkeit, dals die mehrgenannten drei Dörfer einige Zeit zum Gebiete der Cisterzienser gehörten und von denselben in der Zeit bewirtschaftet worden sind, als der Erzfund daselbst gemacht wurde'). Durch die erst in den Jahren 1183/85 verbiieften , that- sächlich schon vorher durchgeführten Abkommen war das gegenseitige Verhältnis zwischen Markgraf und Bistum, Markgraf und Kloster, Kloster und Bistum dauernd ge- regelt; der Markgraf hatte das erzreiche Gebiet der drei Dörfer gewonnen, das Kloster das ehemalige Benediktiner- gebiet erhalten, das Bistum höheren Zehnten in der ganzen Mark erlangt.

2. Die Altenzeller Mönche sind weiter in der That ihrer Bildung und Erfahrung nach am ersten in der Lage gewesen, die Erze der Freiberger Gegend als solche zu erkennen. Altenzelle ist nämlich Tochterkloster von Pforta, welches seinerseits wieder von dem Harzkloster Walken- ried aus 1132 gegründet ward, Walkenried aber dasjenige Kloster Deutschlands, welches weit eher und weit mehr als alle anderen deutschen Klöster Silberbergbau getrieben hat. Übrigens zeichnen sich überhaupt die Klöster der Cisterzienserlinie Morimund im Mittelalter durch ihre Ver- dienste um die Regemachung des Bergbaues aus^). Zu

laborum suorwn concesserant. Sed praedecessor nostcr Hadrianus (also vor 1159) solis fratribus Cisterciensis Ordinis et Templariis et Hospitalarüs decimas laborum suorum quos propriis manibus vel snmptibus colunt indulsit: ceteris vero ut de novalibus suis quae jjroprüs manibus vel sumptibus excolunt et de nutrimentis animalium suorum et de hortis suis decimas non persolvant: quem sumus super his imitati. Später (1216) fand allerdings auch für die Cisterzienser wieder eine Beschränkung statt: Kap. B4 ebenda.

') Vergi. hierzu Er misch in der Vorrede zum Freiberger Urkundenbuche, Cod. dipl. Sax. reg. II, 12, XVI fg. E. Beyer, Das Cisterzienserstift und Kloster Altzelle in dem Bistum Meifsen (Dresden 1855) S. 2, Anm. 3.

*) Vergl. im einzelnen das treffliche Werk von Franz Winter, Die Cisterzienser des nordöstlichen Deutschlands, 3 Bände (Gotha

Untersuchungen zur ältesten Geschichte Ereibergs. 309

dieser Linie gehörten neben den genannten Klöstern namentlich noch das schlesische Kloster Lenbus (Luba), welches im nämlichen Jahre 1175 wie die (an die Stelle der ursprünglichen Benediktinerkolonie berufene) Cister- zienser - Niederlassung zu Altenzelle vom gemeinsamen Mutterkloster Pforta gegründet ward und den nieder- schlesischen Bergbau auf Gold u. s. w. rege gemacht hat. Die Rechte, welche Altenzelle bezüglich der in seinen Besitzungen gefundenen Silbergänge genols, weist eine Urkunde des Herzogs Boleslaus von Schlesien 1258 be- kanntlich auch dem Kloster Leubus in dessen Gütern zu^).

1868—71). Unter den bergbaulich wichtigsten Klöstern Morimuuder Linie nenne ich hier a) Saar in Mähren und b) Sedletz in Böhmen in der Iglau-Kuttenberger Bergbaugegend. Beide erhielten 1257 von Smilo von Lichtenburg je ein Drittel des Bergwerkszehnten auf dessen Besitzungen {0. Steinbach, Sammlung historischer Merk- würdigkeiten aus Saar. 1783. Urk.-Fjuch S. 15 Nr. V) und bezogen denselben noch 1327, Nr. XL S. 58). König Ottokar urkundete 1264, dafs dem Kloster Saar gleich den übrigen Klöstern und Edlen des Landes us^is et questus de aurifodinis et argentifodinis si quae repertae fuerinf in hereditafe pertinente eisdeni zustehe (Nr. IX S. 20) Sage ist natürlich, dafs Kuttenberg seinen Namen trage, weil 1237 eine „Kutte'' von Sedletz dort die Silberaderu entdeckt habe (Sartorius Cistertium Bistertium, S. 774). c) Das Kloster in der Zips; der von diesem herangezogenen sächsischen Kolonie erteilt König Stephan von Ungarn 1271 das Hecht „querendi niineram et metalla in montanis inrenfa colere et suis usibus applicando salvo nostro jure" (Rzyszczewski Cod. dipl. Pol. III, 99 Nr. XLV). d) Ossegg 'in Böhmen (s. Zeitschrift für Bergrecht XXIX, 77), gleich Sedletz eine Tochter des Klosters Waldsasseu. e) Der Haldenzehnte von den Freiberger u. a. meifsnischen Bergwerken war lange Zeit dem Nonnenkloster des Cisterzienserordens zu Nimbschen bei Grimma ver- liehen (a. a. 0. XXI, 23). Auch das Kloster Buckow liefs sich, als es 1289 vom Wendenfürsten Pribislaw 200 Hufen im Lande Beigard in Kassubien geschenkt erhielt, unter den Zubehörungen omnes utili- tates versprechen, quae nunc in eis sunt vel quae super terram vel siib terra nunc apparent vel postmodum apparebunt , videlicet in auri fodinis, argenti, salis et plumbi, stanni vel cujuscunque me- talli, vel e.i; eis processu temporum per labores et expcnsas prae- dictorum fratrum poterunt provenire (Mecklenb. Urkundenhuch III [1865], 333 Nr. 2002). Natürlich will ich nicht behaupten, dals Ver- sprechungen der letzteren Art blos Cisterzienserkiöstcrn gemaclit worden wären; eine gleiche Klausel findet sich z. B. auch in den Privilegien Kaiser Lothars für das Augustinerkloster Biechenberg bei (ioslar von 1131 (Lüntzel, Geschichte von Hihlesheim 11, 135) und für das Benediktinerkloster Chemnitz von 1143 (Cod. dipl. Sax. reg. II, 6, 263, vgl. Zeitschrift für Bergrecht XXI, 24); neben Saar und Sedletz war auch das Benediktineikloster Trebisch mit einem Zeluitendrittel von Smilo von Lichtenburg 1)e(lacht worden u. s. w. ") Cod. dipl. Sax. Reg. II, 13 (Urkundenhuch von Freiberg II, 2) Nr. 866.

310 C. E. Leuthold:

Walkenried im nördlichen Thüringen am südöstlichen Fulse des Harzes, Tochterkloster von Altenkampen bei Köln, der unmittelbaren Tochter von Morimund in der Champagne, ward 1129 gegründet und schon 1157 mit einem Viertel des Bergwerkes im Rammeisberge bei Goslar vom Kaiser Friedrich I. beliehen, während die drei anderen Viertel von letzterem den Stiftern St. Petri und St. Matthias (Simon und Juda) zu Goslar sowie dieser Stadt selbst verliehen wurden^*^). Zu jenem Viertel im Eammelsbeige trat sehr bald weiterer eigener Bergwerks- und Hüttenbesitz in dem vom Kloster urbar gemachten Oberharze. 1188 bestätigte Kaiser Friedrich I. dem Kloster den Besitz von Gütern sowie insuper et casas in nemore Harte, älmlich Papst Innocenz III. 1205 sämt- liche Güter und Dörfer cum casis in nemore sitis, qiiae omnia idetn monasterium, ijostquam Cisterciensium fratrum institiita suscejnt, xmssidehat. Kaiser Otto IV. fügte 1209 das Recht hinzu, dals das Kloster in Nordhausen Freiheit haben solle, seine Silber umzuwechseln bei wem es Avolle^^), ein Recht, welches von König Friedrich IL 1219 bestä- tigt ward. Hieran schlieisen sich zahlreiche andere Ur- kunden des 13. Jahrhunderts, welche von einem umfäng- lichen Bergwerks- und Hüttenbetriebe des Klosters im Harze Zeugnis ablegen. In Goslar selbst freilich ward allmälig das Kloster aus seiner Anteilnahme am Berg- baue herausgedrängt. 1310 verglich es sich mit der Stadt Goslar, welche inzwischen auch die Anteile der beiden dortigen Stifter an dem Rammeisberge an sich gebracht hatte, dahin, dals die bisherige communio pro partibus divisis in eine communio pro partibus indivisis, also in eine Gemeinschaft der Nutzungen an dem nunmehr ge- meinsam zu betreibenden Bergwerke verwandelt wurde, wobei dem Kloster also V4, der Stadt -74 der Erträgnisse des letzteren zuflössen, und später veräulserte es diesen seinen Nutzungsanteil an den Rat zu Lüneburg, bis er

10) Vergl. in Holzmanns hercynischem Archive I (1805) die Abhandlungen von v. Dohm und F. J. F. Meyer S. 382, 511, 319; ferner F. J. F. Meyer, Versuch einer Geschichte der Bergwerks- verfassung und Bergrechte des Harzes (1817), S. 31.

") Urkundenhuch des historischen Vereins von Niedersachsen II, 27,47,60,86. Ed. Jacobs, Die Besiedelung des hohen Harzes, in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertums- kunde III, 357 fgg.

Untersuchungeu zur ältesten Geschichte Freihergs. 311

schliefslicli 1511 ebenfalls in die Hände der Stadt Goslar gelangte^-).

3. Dals zwischen Walkenried und Altenzelle, zumal im 12. und 13. Jahrhundert, der Blütezeit des Cister- zienserordens , eine rege Verbindung stattgefunden hat, unterliegt schon an sich keinem Zweifel. Denn „es war eüie streng militärische Gliederung, und mit militärischer Genauigkeit wurde die Unterordnung unter die höheren Stufen verlangt. Ganz besonders kam diese militärische Ordnung in den jährlichen Visitationen zur jjraktischen Geltung . . . Jeder Äbt hatte nämlich die Pflicht, jedes Jahr die Tochterklöster zu visitiren ... Es behielt dabei jedes höhere stehende Kloster einen mittelbaren Einfiuls auf die jüngeren, und nicht selten wurde durch Generalkapitels- beschluls dieser zu einem direkten" ^■^). Gerade in der allerersten Zeit nach der Gründung eines neuen Filial- klosters gab es ja soviel zur Beratung und Unterstützung des letzteren zu thun, dals sicher für das 12. Jahrhundert ein inniger Verkehr zwischen Altenzelle, Pf orta undWalken- ried angenommen werden muls. Selbst noch im Jahie 1461 bestätigte der Abt von Walkenried als Reformator der Klöster in Meifsen, Thüringen und Sachsen einen Vertrag zwischen den Klöstern Altenzelle und Nimbschen. 14 Glieder des Klosters Walkenried, darunter Abt Fried- rich (1216—1230, nach anderer Angabe bis 1223) finden im Altenzeller Totenbuche Erwähnung ^^). Vom Hof- und "Reichstage zu Altenburg im Mai 1209 zog König Otto nach Goslar und Walkenried, mit ihm die Mark- grafen Dietrich und Konrad, wie Arnold von Lübeck be- richtet. Im Jahre 1215 waren die Äbte von Walkenried und Pforta und der Subprior Marsilius von Walkenried in Dresden ^■^); sie haben zweifellos auch Altenzelle be- sucht. 1250 gab Heinrich der Erlauchte den Walkenriedern von seiner Burg Tharandt aus einen Schutzbrief; die Walkenrieder, welche ihn empfingen, sind sicher wiederum in Altenzelle eingekehrt"').

12) Meyer a. a, (). S. 40. Hercynisches Archiv S. 383.

'3) Winter I, 9.

11) Ed. Beyer, Das Cisterzienser.stift Altzelle. S. 169, 691.

'") J. G. L. Wilke, Ticemannus (Lips. 1754). S. 19. 1196 ist Abt Winemar von Pforta Zeuge (äner Zclleschen Urkundo: Mencke Script. Her. Germ. II, 448.

1") Wilke S. 24. Ueiläufig sei erwähnt, rtafs unter den Zeugen der obenerwähnten Allstedter Kaisorurkunde für Walkenried von 1188 Bischof Martin und Propst Koniad von Meifsen sich befinden.

312 C. E. Leutliold:

Diese Beziehungen zwischen Altenzelle und Walken- ried erscheinen vom Standpunkte der Bergwerks- und Bergrechtsgeschichte doppelt bedeutungsvoll, wenn man weiter in Betracht nimmt, dafs nach der allgemeinen und gewils berechtigten Annahme Freiberg in der Zeit seiner frühesten Entwickelung Zuzug von Bergleuten aus Goslar, d. h. von demjenigen Bergwerke erhielt, welches damals dem Kloster Walkenried zum vierten Teile gehörte. Was liegt wohl näher, als die Vermutung, dals durch die in fortlaufender Verbindung mit Pforta- Walkenried stehenden Altenzelleschen Mönche die Botschaft von dem Erzfunde im Meifsnerlande nach Walkenried - Goslar gelangt und von dort dem Enkelkloster Zuzug gesendet worden ist?

B. E reib er g und Goslar,

Als urkundlicher Beweis dafür, dals zwischen Frei- berg und Goslar in früher Zeit des 13. Jahrhunderts Be- ziehungen bestanden haben, wird gewöhnlich die Erwäh- nung der civitas Saxonum als Freiberger Stadtteil in dem später näher zu besprechenden Freiberg- Altenzeller Ver- gleiche von 1241 angezogen. Ich füge hinzu, dals in zwei Urkunden aus den Jahren 1230 imd 1231, Avelche wiederum ein Cisterzienserkloster, nämlich das Nonnen- kloster Neuwerk bei Goslar betreffen, der Hildesheimer Kanonikus mcujister Conrad de Vriherch'^'^) und ferner im Jahre 1244 als Verfasser eines Verzeichnisses der Lehns- besitzer von Vogteieinkünften Heinrich von Vriberch, scriptor von Goslar, vorkommt ^^).

Die Beziehungen Goslars zum Meifsnerlande be- schränkten sich übrigens im 12. Jahrhundert nicht auf Freiberg. Aus dem berühmten und von den Kaisern besonders gepflegten Goslarschen Stifte St. Simon und Juda gingen 1066 nach einander zwei Bischöfe von Meilsen

") Urkundeubuch des historischen Vereins von Niedersachsen I, 18. Lüntzel, Geschichte der Diözese und Stadt Hildesheim II (1858), 49.

'■') Zeitschrift des Harzvereins für (lesehichte nnd Alteitunis- kunde V, 459 fg. Dai's ungefähr um die gleiche Zeit, nämlich 1258, auch im ))öhmischen J^ergorte Deutschbrod ein Dietrich von Freiberg sich findet, soll hierbei nicht unerwähnt bleiben (s. Zeitschrift für Bergrecht XXI, 34). Ein nicht hierher gehöriges bayrisches Ge- schlecht der Friperg zuerst 1148: Peetz, Volkswissenschaftliche Studien (1880) S. 55.

Untersnchuugen zur ältesten Geschichte Freibergs. 313

hervor^^). Das Zeitalter der Kreuzzüge führte ja selbst den g-emeiuen Mann in die Welt hinaus; Goslarsche Bergleute zapften, wie beiläufig bemerkt sein mag, nicht nur bei der Belagerung der Dasenburg in Westfalen durch Kaiser Barbarossa 1168 den einzigen in der Burg befind- lichen Quell; sie trieben selbst im heiligen Lande unter Pfalzgraf Heinrich 1197 Strecken in den Felsen einer Sarazenenburg und setzten daselbst Feuer, um die Mauern der Burg zum Wanken zu bringen^").

1. Besondere Beachtung für unsere Untersuchung verdient aber die von Schöttgen-') erwähnte Thatsache, dafs Markgraf Otto der Reiche selbst mit allen seinen Brüdern, welche ja sämtlich treue Anhänger der Hohen- staufen waren, im Mai 1173 beim Kaiser zu Goslar weilte. Wir ersehen dies aus der dort am 7. Mai 1173 ausge- stellten Stiftungsurkunde für das Augustinerkloster Zella (an der Zwickauer Mulde bemi heutigen Städtchen Aue) ^ deren hier einschlagender Teil folgendem! alsen lautet-.

.... Fridericus . . . Imperator . . . notuin facimus . . ., quod petitione iidelis nostri Ottonis iiiarchionis Missenensis et Meiiiheri de Wir- bene nee non Dudonis de Myuime sub regula beati Augustini cellam statuimus infra terminos Numburgensis episcopatus juxta flumen Mulda . . ., dotem autem contuliraus eidem Cellae in terra Plisne sexaginta novalia, quae . . . marchio Otto et Meinherus . . ._ nobis resignaverunt, ut praefatae Cellae per manum liberali- tatis conferantur. Decimam vero ipsorum uovalium . . . dilectus noster Udo Numburgensis episcopiis ipsi Cellae contulit . . . Hujus rei testes sunt Wichmannus Magdeburgensis archiepiscopus --), Otto Misenensis marchio, Otto marchio Brandenburgensis--'), Theo- doricus marchio-^), Bernhardus comes de Ascherleve, Henricus comes de Wettin-'), Dedo-^) comes de Groytz, Fridericus comes de Brene-^) Signum domini Friderici Roraanorum impe-

^^) Freiherr von Ledebur, Zur (xeschichte von Goslar nach Anleitung des Annalista Saxo, in Zeitschr. des Harzvereins IV, 233. G. Bode, Goslars Urkundenschatz, ebenda XV, IHO.

-") Heineccius, Antiqu. Goslar., S. 1H8, 19.5.

-M Handschriftliche Geschichte Ottos, Bl. 18. Gedruckt ist die Urkunde in Fortges. Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen 1722, S. 517 und Gruber, Chronic. Livoniae, Silva docu- mentorum S. 245.

--) Das Bistum Naumburg gehörte zur Magdebui'ger Kirchen- provinz. Wichmann war aufserdem Sohn einer Schwester Conrads d. Gr.; Böttiger-Flathc, Geschiclite Sachsens, 2. Auti., 1, 137. Eine anderweite Zusammenkunft Wichnianns mit den Markgrafen Otto und Dietrich, sowie dem Bischöfe Adelog von Hildesheim, im Jahre 1175, verzeichnet ohne mähere Angaben Lüntzel I, 473.

^^) Otto des Reichen Schwiegervater.

2') Binder Ottos.

314 C. E. Leuthold:

ratoris .... Data sunt liaec anno don)inieae incarnationi.'* mille.'^iino centesinio septuagesiniu tertio. Datum Goslariae Nouas Maji feliciter. Amen.

In Goslar hatte Kaiser Barbarossa schon drei Tage vorher einen Vertrag- zwischen den Graten von Tecklen- l)urg über die Vogtei zu Münster beurkunden hissen und am 15. Mai stellte er ebenda einen Schutzbrief über die Güter des St. Johannishospitals zu Quedlinburg aus. Ende des Monats finden Avir ihn in Fulda'-''),

Unter diesen Umständen gewinnen zwei, übrigens auch mit den unter A besprochenen Jahrzahlen vollkommen übereinstimmende, alte Angaben sehr an Glaubwürdigkeit, nämlich die Mitteilung Knauths-*'), dals nach einer alten Zellischen Inschrift der Erzfund bei Christiansdorf im siebenten Jahre nach Stiftung des Klosters gemacht worden sei, und sodann der Bericht des Freiberger Cluo- nisten Andreas Möller, dafs 1175 Otto der Reiche die sächsische (harzische) Niederlassung bei Christiansdorf und letzteren Ort selbst zur Stadt gemacht und eine Burg dabei angelegt habe''). Die Nichterwähnung der Stadteigenschaft und des Namens Freiberg (wenn letzterer nicht etwa erst später aufgekommen ist) in den Urkunden von 1183 und 1185 mlilste dann daraus erklärt werden, dafs es sich in letzteren nur darum handelte, die mehr- genannten drei Ort« so zu bezeichnen, wie sie zur Zeit ihrer Wiederabtrennung vom Klostergebiete (vor - 1170) hielsen und was sie damals sämtlich Avaren (Dörfer).

Jedenfalls ist es keine allzukühne Vermutung, dals Markgraf Otto, als er mit seinen Brüdern und Gefolg- schaften in der Bergstadt Goslar weilte, Anlals genommen hat, sich eingehend über die Verhältnisse des dort bereits entwickelten Silberbergbaues, jenes damals unendlich wichtigen Wirtschaftszweigs, zu unterrichten, welcher wenige Jahre vorher vor 1170 in seiner eigenen Markgrafschaft ebenfalls zu erblühen begonnen hatte. Ja vielleicht ist es der Hauptgrund für Ottos und seiner Brüder Zug nach Goslar zum Kaiser, welcher von Lenz-

••ö

-5) stumpf, Die Reichskanzler, I (1865), 369 fg. Die Urkunde d. d. Sinzeche (nach Österley : Sinzig bei Ahrweiler), welche V. ßaumer, Greschichte der HÖhenstaufen II, 540 auf den 9. Mai 1173 legt, kann also offenbar nicht dahin gehören.

-») F. ü. Knauth, Des Stiftsklosters Altenzella historische Vorstellung (1721) II, 9.

'^) Möller, Theatrum Freibergense Chron. (1653) II, 3.

-7i

Untersuchuugeu zur ältesten Geschichte Freibergs. 315

bürg bei Zürich (20. Februar) und Basel (4. März) nacli Sachsen kam, gewesen, dals sie sich das Recht auf die im Altzellischen Klostergebiete entdeckten Bergschätze vom Kaiser verleihen lassen wollten, wenn auch eine ausdrückliche Verleihungsurkunde hierüber bisher nicht hat aufgefunden werden können-^).

2. Wenn, wie ich angenommen habe, der Einwande- rung der Goslarschen Bergleute die Gründung der Erei- berger Stadtverfassung sehr bald gefolgt ist, so liegt es natürlich auch besonders nahe, daran zu denken, dais die ßechtsgrundsätze , Avelche in der Stadt- und Bergwerks- verfassung Freibergs zum Ausdrucke gelangten, mehr oder weniger Goslarischen Mustern des 12. Jahrhunderts entlehnt gewesen smd. Ich gestatte mir in dieser Hhi- sicht zu dem, was bereits früher von anderen und von mii' beigebracht worden ist'-''), auf zwei einschlägige Ge- sichtspunkte zu verweisen, welche neuerdings meine Auf- merksamkeit rege gemacht haben.

a) In dem Goslar des 13. Jahrhunderts bildeten die Berg- und AValdleute (sürani et montani) eine geschlossene Gememde, welcher die Sechsmannen des Berges vor- standen, während in der Stadt zunächst noch unter Leitung des Vogts ein Bat die Geschäfte leitete""). Im 12. Jahrhundert dagegen hatte sich eine Bergwerks- gemeinde von der Stadt noch nicht gesondert. Die Berg- und Waldleute umGoslar-^^), meist hof hörige Leute, dienten

-^) Bekamitlich sagt Otto der Reiche in der Urkunde von 1185: Citm ah impcrio cvjnslibet metalli proventum in rwstra marchia beneficii jure suscepimus. Hiernach würde sich die erste Entwicke- lung Freibergs und seines Bergbaues zu folgenden Zeitpunkten voll- zogen haben: 1162 Gründung von Altenzelle, 1169 Silberfund im Klostergebiete und Rückfall des erzreichen Landstrichs der drei Dörfer an den Markgrafen, 1173 Otto in Goslar (mit dem läerg- regale beliehen?), 1175 (iründung der Stadt, welche das alte Chiistians- dorf nebst der Stadt der eingewanderten Sachsen umfafste. Ist die Beleihungsurkunde in den späteren Kämpfen um das Regal beseitigt worden?

-'•>) E r m i s (• h , Sachs. Bergrecht des :\Iittelalters, S. XVII, XLV, LV. Leutliold, Freiberger Bergwerk sverfassung. in Zeitsclir. für BergTecht XXI, 22 fgg.

30) Wolfstieg, Verfassungsgesch. von Goslar (1885), S. 54 fg., 62.

3') Der Aufgang des B(!rgbaues im Obevharze ist nicht vor 1208 (Stiftung des Klosters St. Matthias in ZcUerfeld) zu setzen; s. Zeitschrift des Harz Vereins III, 335 (Jacobs) und XVII, 4 (Günther).

316 C. E. Leutbold:

gegen Zins oder gar als Eigenleute den in der Stadt wohnenden Herren""-). Das Schwergewicht der Vertre- tung der Stadt und der Gebirge tief deshalb in Goslar um 1175 und noch bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts auf die Bürger. Ganz dasselbe begegnet uns in Freiberg nach den ältesten vorhandenen Nachrichten über die Stadt- und Bergwerksverfassung. Während man doch meinen sollte, dals diejenigen, welche den Bergbau, den das ganze Dasein und den Glanz Freibergs begründenden Erwerbszweig betrieben, vor allen anderen hätten ange- sehen sein und im öffentlichen Leben eine Rolle spielen müssen, finden wir mngekehrt eine Unterordnung des Bergmannsstandes und der Bergbeamten unter die gemeine Stadt und den Bat derselben noch in dem nach jetziger Annahme in der Zeit von 1296 1307 aufgezeichneten Freiberger Stadtrechte '^■'). Alle Berg- und Waldleute auf dem Gebirge müssen nach demselben (Kap. 4) in die Stadt scholsen; über alle Bewohner der Stadt und des Gebirges haben die 12 geschworenen Bürger die höchste Gewalt und Gerichtsbarkeit (Kap. 48). Alle Richter und Geschworejien vom Gebirge sollen im Stadtweichbilde nur mit besonderer Erlaubnifs gewaffnet erscheinen; der Stadtrichter und die Geschworenen von der Stadt und andere Bürger der letzteren dagegen dürfen auf allen Gebirgen Schwert und Messer tragen, „das ist der Stadt Gesetz". Alle Bergrichter und alle Berggeschworenen und Bergleute haben kein Recht, irgend welche Gesetze zu errichten, welche die Bürger und die Stadt zu Frei- berg oder ihre Bewohner betreffen (Kap. 37) u. s. w. Würde der Bergmeister für Bergteile, welche ihm selbst eigen sind, seine Zubulse nicht zahlen, so hat noch nach Markgraf Friedrichs Ordnung von 1328 der do bnrger- meister ziie Vriherg ist, die Hilfe gegen ihn zu vollstrecken '^'^). Nach dem Freiberger Bergrechte (A. der Ermischschen Ausgabe) darf die Bürger von Freiberg, arm und reich, auf allen Gebirgen niemand aufhalten, noch ihr Gut in Anspruch nehmen 2). Kommen Leute auf dem Ge- birge „an den Brief" wegen Unfugs oder anderer Misse- that, oder handelt es sicli um Verwundungen, so ist den Bürgern und Geschworenen in Freiberg das weitere Ver-

«2) Wolf stieg, S. 29.

^^) Ermiscli, Das Freiberger Stadtreclit (1889).

) Cod. dipl. Sax. Rtg. II, 13, 7.

Untersnchmigen zur ältesten Geschichte Freibergs. 317

fahren zu überlassen (§§ 3 fg.). Was vor dem Richter zu Freiberg- verhandelt ist, hat Geltung- im ganzen Lande, soweit es in die Münze zu Preiberg gehört; die Zu- ständigkeit des Bergrichters dagegen beschränkt sich nur auf den Berg, iur welchen er zum Richter gesetzt ist (§§ 5 fg.) u. s. f. Das Erbbereiten (erbliche Vermessen) der Ausbeutegruben erfolgt im ganzen Lande durch die Bürger von Freiberg 19).

b) Das Grubenfeldmals des ältesten bekannten Frei- berger Bergrechts ist anscheinend ganz und gar ver- schieden von dem ältesten bekannten Goslarschen Feld- malse'^-'). In Freiberg bildet die Malseinheit ein Lehn von 7 Lachtern Länge (Bergrecht B. in Ermischs Aus- gabe § 20) und ebensoviel Breite (A. § 1); aus sieben solchen Leimen, zu beiden Seiten der Fundgrube auf dem Gange gemessen, setzt sich das Grubenfeld zusammen (A. §§1, 11); zu dem Grubenfelde des Finders treten aber, wenn „das Erz vor sich gehet", noch die Lehne für den Markgrafen, die Markgräfin, den Marschall, den Truchsels, den Kämmerer, die Bürger und den Bergmeister zu beiden Seiten des Finderfeldes (A. § 12). In Goslar lungegen sollte nach den jura et libertates silvanorum von 1271^*^) ein Berg 13 Gruben haben und zwar „zAvischen jeder Grube" „13 Fufs, .5 Fuls in die Weite, 7 in die Länge", oder wie es in der Goslarischen Bergrechtsaufzeichnung aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts^') heilst: tvente dritteyn rjroven scal en herch to rechte liehhen, dafJiettivelf fjroven vnn e?i vuntgrove imn tivisclien jowelker groven dritteyn vote, van dem enen vote vif vote in de ivide vnn sevene in de lenge; der vote scal en sin geschojjt, de andere Imrvood (Art. 185). Gleichwohl dürfte das Grund- mafs beider Bergwerksgegenden das nämliche, ein Ge-viert- feld von je 7 Lachter Länge und Breite, gewesen sein. Zunächst ist nämlich zu berücksichtigen, dals der oben- erwähnte Art. 185 der Goslarschen Berggewohnheiten natürlich nicht so verstanden werden kann, als ob die einzelne Grube lediglich 7 Fuls, also etwa 2 Meter heutigen Maises, Länge besessen hätte, denn in einer so kleinen Grube wäre selbstverständlich selbst auf ganz geringe

35) Er misch, Sachs. Bergrecht des Mittelalters, S. XLV. ^*') Wagner, Corpus juris inetallici, S. 1021 fg. "'') Vaterländisches Archiv des historischen Vereins für Nieder- sachsen, 1841, S. 255 fg.

318 0. E. Leiithold:

Teufen kein Betrieb möglich gewesen. Fuis bedeutet hier vielmelii^ soviel als die Spannweite (Klafter) zwischen zwei Fülsen eines ausschreitenden Mannes, dessen einer Fuls beschuht, der andere unbeschuht ist. Das ergiebt sich auch ans der Eechnung in Art. 185, wonach jede Grube 13 Fuis Abstand von der nächsten haben soll, und zwar 7 in die Länge und 5 in die Weite, was doch zusammen nur 12 „Fuls" macht; der fehlende (13.) 5Fuls ist also einfach der Anfangspunkt des Maises, bei welchem mit dem einen Fulse der Messende einsetzt. Aulserdem sagt Art. 211 ausdrücklich: hi ener groven mach me nicht inslan, ivenne oppe twelf clachtere na in de lenghe. Vnn joiuelk clachter is üvijer vote lengher, icemie alse eyn man upreyhen kau. Der niederdeutsche, auch in die meilsnische Bergmannssprache übergegangene Ausdruck für Klafter, Lachter, ist hier ausdrücklich für den „Fuls" des Art. 185 eingeführt. Was nun weiter die in letzterem ange- gebene Vermessungsweise anlangt, so soll die einzelne Grube 7 Lachter lang und 5 Lachter breit sein. Zweifel- los ist die Länge auf dem Erzgange zu messen, auf welchem der Fund gemacht worden ist, die Grube des Goslarschen Rechts also ebenso lang als das Freiberger Lehn. Auch die Breite aber würde übereinstimmen, wenn man die Goslarsche Messung dahin verstehen darf, dafs der Erzgang, auf dessen Streichen die Grube liegt, das Geviertfeld derselben diagonal schneidet; dann würden nämlich die Abmessungen des letzteren folgende sein:

\

Mit anderen Worten würde das Geviertfeld, dessen eine auf dem Gangstreichen belegene Diagonale die Feldeslänge bildete, ehi Quadrat sehi, dessen zweite Dia- gonale ebenfalls 7 Lachter Länge besälse, also dieselbe Breite wie das Freiberger Lehn. Dals diese letztere An- nahme richtig ist, vermag ich zur Zeit nicht durch un- mittelbare Quellenzeugnisse darzuthun, ebensowenig steht ihr aber andererseits ein Quellenzeugnifs entgegen ■^^}.

^^) Für dieselbe Ansicht: Meyer, Versuch einer Geschichte, S. 96. Der Ausdruck len für verliehenes Urubenfeld im Gegensätze

Untersuchungen zur ältesten Greschichte Freibergs. 319

Aulser Stande bin ich ferner bis jetzt, die Gründe zu ersehen, welche in Goslar einen „Berg", die Gesamt- heit der auf einen Fund zu verleihenden Felder aus 13, in Freiberg" nur aus 7 Gruben (Lehnen) oder, wenn man die Herren- und Amtslehne mitrechnet, aus 21 Gruben bestehen lassen. Dais die Grubenfeldverleihung im Freiberger Gebiete schon von Anfang der Entwicke- lung des dortigen Bergbaues in der nämlichen Weise stattgefunden hat, wie oben auf Grund der späteren Berg- rechtsaufzeichnungen angegeben worden ist, lälst die so- gleich zu erwähnende Urkunde von 1241 bestimmt an- nehmen. Für Goslar dagegen fehlen uns alle Angaben über die Art, in welcher im 12. Jahrhundert das Gruben- feld verliehen ward. Wir wissen nicht, aus wieviel Gruben damals am llammelsberge ein „Berg" bestand und ob eine Anzahl derselben gleich den Freiberger Herren- und Amtslehnen für den Kaiser und die Seinen vorbe- halten war; muthmalslich bestand in dieser Hinsicht in Goslar eine ganz andere Einrichtung als in Freiberg •"•}.

Jedenfalls genossen in dem Goslar des 12. Jahrhun- derts die geistlichen Stifter einen erheblich gröiseren Anteil von den Bergwerkserträgnissen als in Freiberg. Denn dort gehörten drei Viertel des Üannnelsberges den goslarischen Stiftern und dem Kloster Walkenried; in Freiberg war bei der Gründung der Stadt auf einen An- teil der Geistlichkeit am Bergwerkseiiikommen gar nicht Bedacht genommen, worden und erst Markgraf Dietrich (1195—1221; hatte dem Kloster Altenzelle bei Berg- werken, welche auf Klostergrundstücken fündig wurden, einen Anteil zugesprochen^*'). In dieser Beziehung be- richtet nämlich die Urkunde vom 8. August 124n^) über folgenden Vorfall. Die Mönche von Altenzelle machten auf Grund eines Privilegs Markgraf Dietrichs den An- spruch, dais ihnen bei Bergwerken, welche auf Kloster- gütern fündig wurden, nach dem Lehn für den Kämmerer

von egen kommt übrigens aucli in den (ioslariscben Berggewohnheiten öfter vor, z. 1!. Art. 28, 6Ü.

''") S. nähere Erörterungen hieriiber bei Leutliold, l>emer- kungen über die Freil)ei'ger J>ergwerksverfassung im 12. und 13. Jahr- hundert, Zeitschr. für I5ergrecbt XXI, 22 fg.

*") Vielleicht war dies schon vor Dietrichs Kegierungsantritt geschehen: s. Er misch, Sachs. Bergrecht des Mittelalters, S. XX bei Anm. 6.

") Cod. dipl. Sax. R^g. II, 12, 10 fg.

320 ' C. E. Leutholfl:

ein (Kloster-) Leliii^-) vermessen werde. Die Bürger von Freiberg wollten dies aber nicht zngeben, weil ihnen bei der ersten Gründung der Stadt ein unmittelbar hinter dem Kämmererlehne zu messendes Bürgerlehn zugestanden worden sei. Schlielslich verglichen sich beide Teile unter Vermittelung des Markgrafen Heinrich des Erlauchten zu Krummenhennersdorf am angegebenen Tage dahin, dafs auf Klostergrunde vor dem Bürgerlelm ein Klosterlehn vermessen, der Ertrag beider Lehne aber zwischen Stadt und Kloster geteilt werden solle.

Unter den Urkundenzeugen befinden sich aulser den weiter unten zu besprechenden Freiberger Vögten und Bürgern zwei Conversen"*-') von Alten zelle: Gerhardus magister montium und Meilacus de Pelliparia, von denen der letztere zwar nicht der Ortsbezeichnung halber, aber seines Namens wegen, wohl für einen Romanen zu halten ist^^), der erstere aber den Beweis dafür liefert, dals Altenzelle im 13. Jahrhundert ebenso wie z. B. Walkenried regelrechten Bergbau getrieben hat. Auch diese Thatsache, verbunden mit der durch die Urkunde von 1241 verbürgten Verleihung des Klosterlehns an Alten- zelle schon innerhalb des 12. Jahrhunderts unterstützt mit die an die Spitze dieses Aufsatzes gestellte Mut- malsung, dafs die Mönche von Altenzelle als die ersten Finder des Freiberger Erzreichtums anzusehen sein dürften. Ich hoffe, dafs die fortgesetzte Durchforschung der Ar- chive, namentlich derjenigen von Goslar ^■^), vielleicht aber auch derjenigen der Cisterzienserstifter in Böhmen^*') für die in Vorstehendem behandelten Fragen noch weitere Aufklärung bieten werde, und würde mich freuen, wenn diese Zeilen die Anregung zu solchen Forschungen geben sollten.

■*^) Ähnliche Lehne in Schlesien und Böhmen: Er misch, Sachs. Bergrecht des Mittelalters, S. XVI, XI, VII.

^'^) S. hierzu Knothe in dieser Zeitschrift IX, 29 fg.

"**) Pelliparia bedeutet nämlich kaum etwas anderes als (Kloster-) Schuhmacherei und Gerberei; vergl. die zahlreichen Nachweise bei Du Gange (ed. Henschel) Glossarium mediae et infimae latinitatis V, 182. Der Xame Meilacus aber weist gewifs auf romanische Ab- kunft hin. In Parallele sei frater Almantis magister casarum von Walkenried im Jahre 1216 ( AValkenrieder Urkundeubuch I, 85) gestellt. Aufser Almantis kommen noch die Walkenrieder Hütten- meister Conversen Heinrich und Dietrich (a. a. 0. S. 112) im Jahre 1226 vor.

*■') S. Bode in Zeitschrift des Harzvereins XV, 154 fg.

"«) Beyer, Altzelle, S. 116.

Untersncliuugen zur ältesten Geschichte Freibergs. 321

C. Freibergs älteste Stadtviertel und Ein-

wolmer.

Über die Vorgänge bei der Gründung des Freiberger städtischen Wesens sind uns leider gleichzeitige Urkunden nicht überliefert.

•Urkunden der ersten Hälfte des 13. Jahrlninderts gestatten uns aber wichtige Sclilüsse auf die vorauf- gegangene Entwickelung der Stadt.

1. Im Jahre 1225 bestätigte Heinrich der Erlauchte dem Kloster Altenzelle dessen Besitzungen und fügte in der betreifenden Urkunde "^^j denselben die sämtlichen Freiberger Parochien, als St. Marie, St. Peter, St. Jakob, St. Nikolaus, St. Donat und das Armenhospital mit allem Zubeliör hinzu. Hieraus erhellt also, dafs Freiberg bereits im Jahre 1225 fünf Pfarrkirchen besafs. Von diesen letz- teren ist die Kirche zu St. Donat nach den aus dem 15. Jahrhundert vorliegenden Naclirichten''^) anscheinend nur eüi vorstädtisches Filial (eine Kapelle) der „rechten Pfarr- kirchen" zu St. Jakob gewesen, ebenso wie eine ähnliche Vorstadtkapelle, zum heüigen Kreuze, auch vor dem Rolsweiner (Kreuz-) Tliore lag. Die vier Hauptkirchen: Unsrer liel)en Frauen (Dom), St. Peter, St. Jakob und St. Nikolai, bestehen nun heute noch, und die Abgrenzung ihrer Pfarrsprengel ist, so viel bekannt, noch die uralte geblieben. Dies erhellt insbesondere daraus, dafs die westliche Grenze der Jakobiparochie gegen die anstolsenden Sprengel Dom und Nikolai eine natürliche ist. Sie wird noch jetzt von der die Stadt in gekrümmtem Laufe durchfliefsenden Münzbach gebildet. Die Jakol)iparochie ist weiter ein und dasselbe mit der noch heute ihren Namen führenden „Sächsstadt", der Niederlassung der zugewanderten Harzer Bergleute^"). Hieraus darf ge- schlossen werden, dals bei der Ansiedelung der letzteren

") Cod. ilipl. Sax. Keg. II, 12, 3 Nr. 6.

•i^) Cod. dipl. Sax. Eeg. II, 12, 422 Nr. 631.

'") Im ganzen Mittolaltor ward der Frei1)0rger .lahrmarkt am .Takobstage gehalten. Eriuiscli, Sachs. Uergredit des .Mittelalters S. XVII, Anm. 4. Siehe schon Schöttgen, Geschichte ]\larkgrat' Otto des Kelchen, seinei' Brüder, Söhne und Vettern ßlac. der Dresdener üffentl. nibliothek, K. 291) Bl. 20. Auch Goslar hatte eine aus dem 11. .Tahrhnndert stammende St. .lakobskirehe ; Wcilf- stieg, Verfassungsgeschichte von Goslar, S. 11.

Neues Archiv f. S. G. ii. A. X. 3. 4. 21

322 C- E. Leuthold:

zwischen der älteren, einheimischen Niederlassung (Chri- stiansdorf j^") und der sächsischen Kolonie die Münzbach als Grenze diente. In der Sächsstadt, wo die schmelzens- kundigen fremden Bergleute wohnten, lag an der Münz- bach der Ascheplatz, ferner vor dem Thore die Schmiede- gasse; in ihrer Kirche befand sich ursprünglich der Schmelzeraltar, welcher erst später in die Nikolaikiixhe überführt ward. Die Stelle der ursprünglichen einhei- mischen Niederlassung wäre hiernach auf dem linken Münzbachufer zu suchen, welches in der That zur land- wirtschaftlichen Ansiedelung im nördlichen Teile des jetzigen Weichbildes wegen seiner ebenen Ausbreitung weit mehr geeignet war, als das allenthalben steil an- steigende rechte Ufer. Hiermit stimmt überein, dafs der uralte Hohlweg, in welchem von Freiberg die Straise nach Nossen und Meitsen führte, am linken Münzbachufer in der Domparochie einmündet. Blickt man sich nun weiter nach der Abgrenzung der einzelnen drei Pfärrsprengel des linken Münzbachufers um, so fällt sofort in die Augen, dafi5 die Abgrenzung hier mit Stadtvierteln sich deckt, welche ursprünglich nach dem Stande ihrer Bewohner gesondert waren. Die Marien- oder Domparochie enthält die Hauptkirche mit dem Altare der Häuer, die mark- gräf liehe Bui'g, die Thore nach Meilsen und Roiswein, den Alten (Unter-) Markt, die Rolsmühle sowie die Rittergassen (obere, untere und Ritter-Quergasse) und die Kirchgasse ■^^). In der Nikolaiparochie dagegen lagen die (gröfstenteils noch heute so benannten) Gerber-, Färber-, Fleischer-, Kessel-, Bäcker- und Weingasse, das Stadt- bad, die alte Apotheke; m der Nikolaikirche hatten die Fleischer ihre Kapellen. Die Petersparochie dagegen umfalst den neuen (Ober-) Markt mit dem anfangs des 15. Jahrhunderts neu errichteten Rathause, dem Kauf- hause, der Korn-, Fischer- und Futtergasse; hier lag der Münzhof, in der Petrikirche die Kapelle der Tuchmacher, vor dem einen der beiden Thore des Viertels, dem Erbis- dorfer (Erbischen), der Judenberg, vor dem anderen, dem

^''') Über diese vergleiche den Vorbericlit zum oben angezogenen Bande des Co<l. dipl. S. XVI fg.

°^) Dafür, dafs die älteste Kirche Preibergs (die Christians- dorfer Kirche) dem jetzigen Dome entsprochen habe, spricht wohl auch, dafs die von der Burgstrafse zum Dome führende Strafse noch heute kurzweg Kirchgasse heilst. Andere „Kirchgassen" giebt es in Freiberg nicht.

Untersuchungen zur ältesten Geschichte Freibergs. 323

Petersthore, das von reichen Freiberg-ern bald nach Er- bauung der Stadt errichtete St. Johannishospital.

Bedarf es liieruach noch emes ausdrücklichen Hin- weises darauf, dals von den di^ei Stadtvierteln westlich der Münzhach das Domviertel die Hof- und Amtsstadt, das Petriviertel die Kaufmanns- und das Nikolaiviertel die Handwerkerstadt war? Wir werden gewils nicht fehlgehen, wenn wir hiernach annehmen, dals der älteste Teil der Stadt in der Gegend der Burg und des Doms, also im Domviertel zu suchen ist, dals dann nach dem Zuzüge der Sachsen die Münzbach die Grenze zwischen der Stadt der Meilsner und der Stadt der Sachsen bil- dete, sowie dals endlich bei weiterem Aufblühen der Stadt und bereits vor 1225 in der ersteren sich be- sondere Viertel der Handwerker und Kaufleute gebildet hatten.

2. Die Stadt Freiberg war eine markgräfliche Stadt, in welcher der Vogt des Markgrafen dessen Gerichts- herrlichkeit ausübte. Die Namen der Männer, welche seit Gründung der Stadt bis ins 13. Jahrhundert das Vogtsamt bekleideten, dessen wir zuerst 1221 gedacht finden •^■^), sind uns in den Urkunden über die Gründung des Johannis-Hospitals erhalten geblieben ■''■^). Ein Unter- vogt stand dem Vogte zur Seite •'^). Die Priesterschaft nahm eine herrschende Stellung in politischen und Ge- meindedingen nicht ein, obwohl einer der ältesten bekann- ten Priester, Pleban Hermann von St. Peter, wiederholt als einer der Stifter des reichen Johannishospitals genannt

•''^) Markgräfliches Privilegium für Altenzelle und dessen ünter- thaneu, auf allen Märkten Kleidung und Nahrung für den Bedarf zollfrei einzukaufen, worin zugleich vorgesehen wird, dafs die Vögte von Döbeln, Leipzig und Freiberg nicht in den Klosterdörfern wegen Diebstahls, Mordes, Körperverletzung oder Notzucht einschreiten dürfen, ohne vom Abte gerufen zu sein. Cod. dipl. Sax. II, 12 Nr. 3.

•'^) Die älteste Vogtfamilie: Ripert (Vogt 1223, Cod. dipl. Nr. 4); Frau: Kunze; Bruder: Berlewin

Heinrich; Frau Hilderun. Dietrich. JUpert; Frau: Petrissa.

(Vogt 1227, Nr. 9) (ri27) (1227) (12:i0, Nr. 12).

Heinrich (Vogt 1230). Dietrich (1230).

Von 12.Ö.Ö ab konnnt ein Vogt Nikolaus vor (s. Nr. 17, 18, 19), dessen Vervvandtschaftsverhältnis zu Ripcrt unbekannt ist. Später ver- schwindet der Vogt. Wappen der Vögte: Grreifenklaue (s. Cod. dipl. li, 12 Taf. II Fig. 6. 7).

'''^) Nr. 4: Weren subadvocatus, 1228; wohl derselbe, wie der 1255 (Nr. 17) auftretende zweite Vogt Werner.

21*

324 C. E. Leuthold:

wird und ohne Zweifel auch der Bürgerschaft gegenüber ein Mann von Einflufs gewesen ist'^'^). Die Bürgerschaft als solche tritt uns schon vor 1221 entgegen. Denn in der für die Stadtgeschichte besonders wichtigen Tha- randter Urkunde Heinrichs des Erlauchten von 1255, nach welcher die gesamte Gerichtsbarkeit in der Stadt und auf den Gebirgen dem Vogte, den Vierundzwanzig von Freiberg und den Bürgern aufgetragen wird, bestätigt der genannte Fürst zugleich die bisherigen Rechte der Bürger und der Bergleute (jura civitatis nostrae et montanorum in Vriherc), wie sie dieselben zu den Zeiten seines Vaters, d. i. des Markgrafen Dietrichs des Bedrängten (1195 bis 1221) gehabt hatten •''*^). Bereits seit den ältesten Zeiten der Stadt hat es wohl auch einen städtischen Rat gegeben; denn schon in der unter B behandelten Urkunde vom 8. August 1241 sprechen die Vertreter der Stadt davon, dafs das dort erwähnte Bürgerlehn consulihus Vribergensis opidi in prim.a construdione sui concessum fuit, weisen also auf eine unmittelbar bei der Begründung der Stadt dem Rate (bez. der Stadtgemeinde) gemachte Versprechung hin und effahren hierin anscheinend von ihrem damaligen Gegner, dem Kloster Altenzelle, keinen Widerspruch'^^). Erwähnt wird dieser zuerst 1227; in diesem Jahre macht Vogt Heinrich mit Beitritt seiner gesamten Familie eine besonders wichtige Stiftung für das Johannishospital, bei deren Beurkundung neben den Verwandten des Hauses die, welche die Vierundzwanzig von der Stadt genannt werden, und alle Bürger als Zeugen auftreten-''*^). In der wiederholt angezogenen Vergleichsurkunde von 1241 endlich sind die sämtlichen damaligen „Vierundzwanzig"

'^■'■') Der Name Freiberg kommt bekanntlich zuerst 1218 vor. in welchem Jahre die Priester Hermann, Wienand und Grottfried von Freiberg als Zeugen einer Urkunde des Meifsner Bischofs unter anderen Priestern der Meifsner Diözese auftreten (Beyer, Altzelle, S. 530 Nr. 51). Weiter finden wir 1223 die Priester Hermann und Gottfried von Freiberg nebst Johannes, dem Diakonus und Schreiber (Cod. dipl. Sax. Keg. ll, 12 Nr. 4), 1230 den Pleban Hermann von St. Peter und den Spitalpriester Volkmar, 1233 den ersteren als Vikar bez. Pleban (Nr. 13 und Nr. 11 Anm.), 1249 C. (Conrad V) Pleban von St. Nikolaus zu Freiberg (Schöttgen und Kreyfsig, Diplomataria et Scriptores histor. Germ. med. aevi, II, 185). Pres- byter Helwig von Erbisdorf 1226 (angez. Cod. Nr. 8).

^'') Cod. Nr. 19. Einzelne Bürger schon früher: 1223 BerleAvin, Ludwig, Georg (Nr. 4).

f^^) Cod. Nr. 14.

''-') Cod. Nr. 9.

Uiitersuclimigcii zur ältesten Geschichte Freibergs. 325

mit Namen aufgeführt. Es wäre selbstverständlich von gTüIser Bedentnng' für die Stadtgeschichte, zu ermitteln, Avelches Standes und Ursprungs diese Männer waren. Ihre Namen sind: Wichard von Ochselbach, Beruhelm von Kozzenrode, Johannes vom altem Berge, Johannes von Altenburg, Heinrich der Ritter, Heinrich der Sohn Leos, Wernher, Gerlach von Huusberg, Friedrich der Springer (saUator), Heinrich Finke, Adolph, Dietrich Hund (catidiis), Winand von Birenbach, Kuneko von der Sachsenstadt, Heinrich Kyvelkorn, AVinand Snudelmester, Konrad Fräulein (doiiiiceUa), Hermann Scharlaxs, Arnold von Omzxe (Onizxe), Heinrich König, sein Bruder Konrad, Herbord Borte, Wilhelm Suellephage, Arnold vom Sande (de Arena). Im allgemeinen ist es freilich recht schwer, den Personalien dieser ältesten uns bekannten Stadtver- tretung auf die Spur zu kommen. Ein AVickard von Uchselbach kommt noch 1279'^) vor; ist es der nämliche, wie in unserer Urkunde von 1241, avo er doch an der Spitze der Vierundzwanzig aufgeführt wird, so muls er 1279 schon ein recht bejahrter Herr gewesen sein. AVeit verbreitet waren im Meilsnerlande während des 13. Jahrhundei4s die von Kotzenrode; unser Bernhelm tritt schon 1227 als Zeuge auf""), dagegen ein Nilvolaus von Kotzenrode in Urkunden aus der Zeit von 1285—1288''^), und zwar als Notar Heinrichs des Erlauchten in Dippoldiswalde und in Dewin, ein Fi'iedrich von Kottenrode ebenfalls als markgräflicher Notar 1284"-). Bemerkenswert ist das wiederholte ge- meinsame Auftreten der beiden folgenden Namen, des Johannes vom alten Berge (iVltenberg) und des Johannes von Altenburg; sie begegnen uns in gleicher unmittel- barer Namenfolge 1230 in einer Freiberger und 123.5 in einer Altenzeller Urkunde"'*). Ein Johannes von Alten- burg kommt aber schon unter den Laienzeugeu derselben bischöflich raeifsnischen Urkunde von 1218 vor, welche

'^'■>) Cod. Nr. 33. Ahuherr der alten Freiljerger Patrizierfamilie Weickert, ans welcher der Bürgermeister Nikiaus AVeickert (1297) stannate V Wappen dersell)cn : zwei Muskatzweige mit roten Blättern (Möllers Chronik I, 207; vergl. Cod. dipl. II, 12 Taf. I Fig. 13).

'^) Cod. Nr. 9.

«1) S. Beyer, Altzella, S. 557 Nr. 157, S. 564 Nr. 194, Ur- knndenhuch des Stifts Meilsen I (Cod. dipl. II, 1), 208 Nr. 267, 210 Nr. 270, Schöttgen und Kreyfsig II, 201.

«-) Schöttgen und Kreyfsig II, 200.

««) Cod. 11, 1 Nr. 114, n, 12 Nr. 12. Beyer, S. 540 Nr. 84.

326 C. E. Leiithold:

den Namen Freiberg zum erstenmale nennt, hin wider Johannes (Ritter) vom alten Berge noch in Urkunden von 1260 zu Riesa als Zeuge und 1266, bei dem Vergleiche zwischen den Freiberger und den Dippoldiswaldaer Bür- gern wegen des Bierverkaufs auf den Bergwerken als erste (älteste und vornehmste?) Auskunftsperson, xluch der Johannes von Freiberg, welchem wir mit dem Vogte Heinrich und Leos Sohne Konrad 1233 in Altenzelle begegnen, jst wohl einer jener beiden Stadtvertreter von 1241'^*). Über Heinrich den Ritter vermag ich keine weiteren Stellen beizubringen''"^). Einen Bruder Heinrichs, des Sohnes Leos, lernten wir vorhin aus dem Jahre 1233 kennen. Wernher könnte wohl der bereits oben erwähnte Untervogt und zweite Vogt sein, wahrscheinlich ist er auch der nämliche, wie AVernher von Sj^gen, der 1279 im Rate neben Wikard von Ochselbach sitzt****). Der fol- gende der VierundzAvanzig, Gerlach von Hunsberg, gehört einer bekannten und weitverbreiteten Familie*'^) an, er erscheint 1242 und 1243 wieder in Tharandt und Alten- zelle mit anderen Freibergern als Zeuge von Urkunden und noch 1277 in gleicher Eigenschaft zu Leipzig *^^). Die weiteren Namen Friedrich Springer, Heinrich Finke und Adolph**^) finden wir in keiner weiteren Urkunde. Da- gegen begegnet im folgenden Ratsherrn: Dietrich Hund, wieder der Träger eines bekannten altfreibergischen Na- mens. Dietrich verglich sich 1230 mit dem Stifte Alten- zelle wegen verschiedener Besitzungen zu Bräunsdorf, um von der Excommunikation wieder losgesprochen zu werden ;

'^) Beyer S. ö30 Nr. 51, S. 540 Nr. 84. Schott gen und Kreifsig- II, 187. Is^t vielleicht auch der Eatsherr von 1279 namens Johannes von der Münze (Cod. II, 12 No. 33) einer der heiden?

^■>) 1279 sitzen nicht weniger als vier Mcäuner namens Heinrich im Eate (Cod. Nr. 33) : H. Becherer, H. von Wilandesdorf, H. Theler, H. Bnrner (Silberbrenner).

«") Cod. Nr. 33.

''') Wappen: im oberen Felde drei rechts schreitende Sittiche, im unteren drei schwarze Balken (Gr. HStA. Dresden Nr. 648 vergl. Beyer ,S. 554, Nr. 142; anders Cod. dipl. II, 12 Taf. II Fig. 8). Zusammenhang mit einem der ältesten Bergbaupunkte Freibergs, dem Schüppchenberge ? Über das Auftreten der Hunsberge s. namentlich Beyer, S. 296 fg. Haan in Mitteilungen des Geschieh ts- und Alter- tumsvereins zu Leisnig III, 28.

»^) Beyer S. 543, 544, 557 Nr. 95, 98, 160.

*"') Es ist auffällig, dafs allein dieser Name ohne jedes nähere Beiwort genannt wird. Vielleicht bezieht sich der Beiname des fol- genden: Hund mit auf ihn.

üntersuchuugeu zur ältesten Geschichte Freibergs. 327

1242 ist er Urkimdenzeuge zu Tharandt, 1250 verkauft er einen Teil von Erbisdorf an Altenzelle'"). Winand von Birenbacli kommt nicht anderweit vor"^). Der nun folgende Kuneko aus der Sächsstadt, dieses Beinamens wegen für die Stadtgeschichte der wichtigste unter allen Vierundzwanzig, gehört einer begüterten Familie au, welche längere Zeit in Freiberg blühte ; sein Sohn Diet- rich und Avohl auch ein gleichnamiger Enkel kommt in der Folge mehrfach urkundlich vor'"-). Heinrich Kj^vel- korn kommt schon 1230 als einer der vom Bischöfe unter Einwilligung der Bürger für das Johannishospital emge- setzten Verwalter neben Eberhard von Denzenroda vor'-^), dagegen Winand Snudelmester nicht, wenn er nicht mit einem der bei xlnmerkung 71 genannten Männer sich deckt. Konrad Fräulein tritt 1242 zu Tharandt mit Dietrich Hund, Gerlach von Hunsberg und anderen Freibergern auf'^). Hermann Scharlachs, Arnold von Omzxe, Hein- rich und Konrad König kommen, soviel ich weils, nur in unserer Urkunde vor. Herbort Bortes Familie dagegen begegnen wir nochmals 1279, aus welchem Jahre eine Urkunde über einen Vertrag zwischen den Freiberger Bürgern Berthold von Stenzenberg und Borto, Bortos Sohne, vorliegt'"'). Auch die Swellephagesche Familie,

"Oj Beyer, S. 539, 543, 549, Nr. 79, 95, 115. Johannes Hund, Pleban und Erzpriester von St. Marien, tritt 1288 und 1291 auf (Cod. II, 12 Xr. ßlO, Schöttgen und Kreyfsig II, 212). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs von dieser Familie das im 14. Jahr- hundert vielgenannte Bergwerk zu den Hunden den Namen führt (Cod. II, 13, 51).

''i) Dagegen ein Winand von Altenkirchen 1279 (Cod. II, 12, Nr. 33), ein Winand von der Einne (de Canali) 1288 (Nr. 40) und 1271 (Nr. 46).

72) Z. B. 1279 (Cod. Nr. 33), 1288 (Nr. 40), 1291 (Schöttgen und Kreifsig II, 212), 1294 (Cod. Nr. 50), 1309 (Nr. 59). Th. Kuneke 1333 (Nr. 78), 1343 (Nr. 89), als Besitzer des Thurmhofs nebst Waldung 1349 (Nr. 94), andere des Namens gleichzeitig auf Schöna und Wegefahrt. S. auch Mittcilg. des Freiberger Altertunis- vereins XVI, 58. Die Kuneken führten im Schilde meist gekreuzte Zweige, im Schildhaupte Lindenblätter (Cod. dipl. II, 12 Taf. II Fig. 9).

'») Cod. Nr. 11.

7^) Beyer Nr. 95 S. 543. Ist die Familie Fräulein die gleiche wie die Familie Schönfrau (Mitteilg. des Freiberger Altertumsvereins XIV, 1278)?

'■■*) Cod. Nr. 33.

328 C. E. Leuthold: '

jedoch nicht unser Wilhehn, sondern ein Dietrich Swelle- phage, erscheint ein zweites Mal in der Tharandter Ur- kunde vom Neujahr 1255 neben den Freiberger Vögten'**). Von Arnold vom Sande (de Arena) und seiner Familie endlich finde ich keine weitere Spur.

Es ist mm kaum möglich, alle die Vierundzwanzig zuverlässig und erschöpfend nach Stand, Herkunft oder sonstwie einzuteilen; ich vermöchte z. B. nicht zu er- kennen, dals die Vierundzwanzig nach Stadtvierteln sich gruppierten oder welche von den Männern die Zwölf vom neuen (engeren) und welche die Zwölf vom alten (weiteren) Rate sind, obwolil man eine solche Zweiteilung mit Hin- blick auf die spätere Zeit jedenfalls anzunehmen hat. Doch will mir als zweifellos scheinen und liegt auch nach der sonstigen Art der Aufführung der bisherigen Zeugen in dieser wie der Zeugen in sonstigen gleichzeitigen Ur- kunden nahe, dals der Schreiber die Zeugen, soweit ihm möglich, nach dem Stande und Range geordnet hat. In der That ist nicht nur der an fünfter Stelle auftretende Heinrich ausdrücklich als Ritter bezeichnet, sondern wir wissen auch aus anderen Quellen"), dafs Johannes vom Altenberge, soAvie die Hunsberge aus ritterbürtigen Fa- milien stammten. Demnach dürfen wir wenigstens mit Sicherheit annehmen, dafs mindestens die ersten acht Namen Ritterbürtigen angeliörten; welchem Stande die übrigen zugehörten, lälst sich noch viel weniger mit Sicherheit angeben. Was aber die Herkunft der Einzelnen unter den Vierundzwanzig anlangt, so dürften, wenn ich mich nicht täusche, dem Laute nach Namen wie Kuneko, Swellephage, Kyvelkorn, Snudelmester entschieden auf niederdeutschen (goslarischen ?)'^) Ursprung hinweisen.

'«) Cod. Nr. 17.

") S. namentlich Schott gen und Kreifsig II, 187. Johan- nes mües de antiquo monte; S. 212, wo Heinricli und Tilich von HunsLerg als milites , cives de Vriherch erscheinen. Diese iiitter- bürtigeu dienten wohl mindestens teilweise als Bnrgmannen der markgräflichen Biu'g.

'*) Es bedarf keines Hinweises, dafs dies gerade bei Leuten aus der Säclisstadt, Avie Kuneko, besonders nahe liegt. Unter den goslarischen Hüttenherren des 14. Jahrhunderts findet sich Coneke Cussepenningh (Vaterland. Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen. 1841. S. 350). Ein Eürgergeschlecht der Kuncke zu Stolberg am Harze im Anfange des 15. Jahrhunderts s. in der Zeitschr. des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde III, 900 fg.

Uutersuclmugeu zur ältesten (iescliiclite Freibergs. 329

wogegen die Beinamen Ocliselbach, Kotzenrode, Biren- l)acli eher einen mittel- oder süddeutschen Ursprung andeuten''*). Wegen der übrigen Beinamen getraue ich mich zur Zeit nicht eine bestimmte Vermutung auszu- sprechen^*').

"") Ein Ochselbach habe ich nicht ausfimlig macheu können-, Kotzenrode könnte in Zusammenhang stehen mit Katzenrode, einem 1185 vorkommenden, zeitig verschwundenen Dorfe bei Kosen (s. (j. A. B. Wulff, Chronik des Klosters Pforta 1, 181) oder mit Kötzschenbroda, welches in der Meifsner Bistumsmatrikel als Kosch- rode vorkommt (Cod. dipl. I, 1, 210). Birnbach wird in Üesterleys historisch -geographischem Lexikon als ein niederbayrischer Ort in Bergwerksgegenden aus dem 12. und 13. Jahrhundert dreimal genannt.

^*^) Solche Venmitungen s. bei Er misch sächs. Bergrecht des Mittelalters, S. XVIII fg. und Zeitschr. für Bergrecht XXI, 20.

XII.

Kleinere Mitteilimgeu.

1. Luther in Mölira 1521.

Von C. A. H. Burkhardt.

Die bisher veröffentlichte Korrespondenz Luthers gibt uns noch kein vollständiges Bild von der Thätig- keit, die er in seinen brieflichen „Fürbitten" zum Wohle Bedrängter und vom Schicksale hart Betroffener entfaltete, sobald er die Überzeugung gewonnen hatte, dals das Machtwort seines Kurfürsten allein geeignet sei, Un- bilhges abzuwehren, Leid in Freude zu verwandeln. Oft kam es ihm selbst so vor, dals er zu viel und zu häufig von diesen Fürbitten Gebrauch mache ^), die leider nicht alle auf unsere Tage gekommen sind. Schon die Rechts- akten seiner Zeit, die einst in dem S.-Eniestinischen Ge- samt-Archiv ruhten und im 17. Jahrhundert durch üble Behandlung vernichtet wurden, enthielten eine grofse Zahl solcher Fürbitten, wie uns die alten Repertorien lehren, welche über jene in der Zeit von 1572 1584 an- gefertigt wurden.

Selbst auf eine Fürsprache derer, Avelche blofs Luthers Verwandte waren, und den Namen des längst heim- gegangenen Reformators trugen, legte man noch bis tief in das Jahrhundert hinein Gewicht, obwohl wenige der weitverzweigten Verwandtschaft in bedeutenden Lebens- stelkmgen sich befanden. Viele von ihnen salsen in und um Mölira; Luther selbst konnte von diesen 1521 kurz nach seiner Rückkehr aus Worms schreiben: „Ich bin zu meinem Fleisch über den Wald gereist, welclies fast die ganze Gegend einnimmt." Aber schon 1577 war es selbst an bedeutenden amtlichen Stellen vergessen, dals diese Verwandten Luthers in und um Möhra ihre Heimat hatten. Selbst Maximilian Mörlein , der damals die wichtige Stelle eines General-Superintendenten des fränki-

^) „Ich will sie zelen (sc. die Snpplicationen), damit iclis nicht zu viel mache," s. Burkhardt, Luthers Briefw. S. 209 u. ö.

Kleinere Mitteilungen. 331

sehen und tliüringisclien Kreises in Coburg bekleidete, zog: die bezüglichen Angaben eines Pfarrers Jacob Rüb- sam zu Scherbda bei Creuzburg in Zweifel, Dieser hatte sich wegen Streitigkeiten mit seinen Pfarrkindern, welche die Baupflicht der Pfarrei nicht anerkannten, öfter nach Coburg begeben, um seinem Rechte Nachdruck zu ver- schaffen und auch in Aussicht gestellt, dals er von Luthers Verwandten eine Fürsprache zur Förderung seiner An- gelegenheit erhalten werde. Diese erbrachte er wirk- lich in einem von dem Möhraer Pfarrer Wolfgang Dreyls und dem dort gleichzeitig lebenden Adam Luther unter- zeichneten Schreiben"), welches in mehrfacher Hinsicht für die Vorgänge in Möhra von Bedeutung- ist.

Die betreffende Stelle dieses Briefes lautet nach Vortrag der Fürbitte:

..Yud fugen demnach E. E. (Mörlin) zu wissen, dafs noch zwen Menner vnd Inwoner alhie zu Mhöra im leiten, welche mit Doctore Luthero gotseliger gedechtnis geschwister Kind sindt, als nemlich Adam vnd Heintz Lutlier, welche auch vil Kinder vnd Kindeskinder alhie haben; sonderlich alter Adam Luther hat in die neunczig Ne- potes. Als auch Uoctor Ijuthei'us, anno 21 von Worms abgereiset, ist ehr auf derselbigen reise alhie zu Mhöra eingekharet vnd bei seinen Freunden in einem garten nahe bei der pfaher gelegen, Mit- tagsmal gehalten, aber ausgangs des mittags, ist ehr widerumb auf- gewesen, "der meinung denselben abend vber den Duriuger walt gen Waltershausen zu reisen, da ehr aber auf dem walde aufgefangen vnd in sein pathmum gen Wartburg vber Eisenach gefürt worden, da ist vorgemelter Adam Luther als ein Freund, vnd dazumal noch ein junger Knabe, auch mit gewesen vnd nach Waltershauseu dem Doclor das Geleidt wollen geben, davon ehr auch noch heutigs tages guten bericht geben kann."

Es ist zu bedauern, dafs sich dieser Bericht nicht ausführlicher über das verbreitet, was Adam Luther über das Jahr 1521 gewils noch in gutem Gedächtnis hatte. Hat der jedenfalls sich interessirende Mörlin Veranlas- sung genommen, den Bericht Adam Luthers ergänzen imd alles feststellen zu lassen, was der Augenzeuge wuIste, so ist doch bis jetzt nichts aufgefunden worden, was von dieser Seite aus über Luthers Aufenthalt in Möhra geschrieben wurde und über die noch immer zweifelhafte Sache Licht verbreiten könnte.

So dürftig aber auch der Bericht erscheint, immerhin ist er vielseitig genug, um nach verschiedenen Seiten hin die Forschungen über Luthers Verhältnisse zu stützen.

2) Vom Donnerstag nacli Exaudi 1578, im S. Eruest. Gesamt- Archive zu Weimar, Reg. LI. S. 195. Nr. 136 a 2.

332 Kleinere Mitteiluugeu.

Abgesehen davon, dals jener für die Zeit von 1578 die bisher immer noch auf schwachen Fiilsen ruhende Ge- nealogie der Lutherischen Familie durch die einfache Notiz über die Enkelzahl Adam Luthers stützt, bietet der Brief einen neuen indirekten Beweis, dals wir uns die Predigt Luthers in Möhra nicht in der bisherigen landläufig gewordenen Weise gehalten denken dürfen. Ist schon von Brückner ^) hervorgehoben, dals auch nicht ein einziger historischer Beweis dafür vorliegt, dals Luther, wie die Sage geht, unter Zulauf des Volkes unter einer Linde oder nach andrer Erzählung unter einem Birnbaum seine Predigt gehalten habe, so schweigt auch dieser Bericht eines Augenzeugen von diesem Faktum, welches, wenn die Predigt wirklich in so hervorragender Weise, wie die Sage will, gehalten worden wäre, doch sicherlich von dem Pfarrer des Ortes und Luthers eigenen Verwandten in erster Linie berührt worden sein würde. Man vergilst ganz, dafs die für Luther kritische Zeit gewils nicht dazu angethan war, von seiner vom Pfade abweichenden Reise nach Wittenberg^) ein besonderes Aufheben zu machen, um in Möhra als Reformator auf- zutreten und unter gefährlichem Zulauf der Menge die künftigen Wege seiner Reise unsicher zu gestalten. Es müMe doch eine Nachricht von dem Inhalt dieser unter mächtigem Zulauf gehaltenen Predigt uns erhalten sein. An der Hand obigen Berichtes, dals Luther sein Mittagsmahl in einem nahe bei der Pfarrei gelegenen Garten gehalten habe, dürfte sich die vermeintliche Predigt in eine jener herrlichen Tischreden Luthers verwandeln, die er hier im Kreise seiner Verwandten hielt. Es ist aber ein sehr bedeutender Moment tur die Beurteilung der ganzen Situation, dals das Mahl in einem Garten gehalten Amrde. Es Avird dadurch in hohem Malse wahrscheinlich, dafs der Birnbaum, unter dem Luther wenn auch nicht gepredigt, so doch gesprochen, eine weit gröfsere Wahrscheinlichkeit hat, als der Lin- denbaum, der vor- dem ursprünglichen Elternhause ge- standen haben soll. Das wahre Lutherhaus, d. h. das, in welchem Luther 1521 wohnte, muls also imhe bei der Pfarrei gelegen- gewesen sein. Es wird an der Stelle

ä) V. Webers Ardiiv f. d. siichs. Geschiclite II, 51 in der Abhandlung: Möbra, Luther und (iraf Wilhelm v. Heuneberg.

*) Er kam ja von Eisenach nach Möhi-a, um seine Verwandten zu besuchen.

Kleinere Mitteihuigen. 333

gestanden haben, auf der jetzt das Ühlingische steht. Freilich bleibt auch dies nur Vermutung, da die Bewirtung Luthers entweder in dem Hause des Klein -Heinz oder des Grofs- Heinz stattgefunden haben wird. Auch ist es sehr fraglich, ob wir, wie Brückner-'^) in etwas ge- wagter Weise thut, 1521 von fünf verschiedenen Luther- häusern sprechen dürfen, weil dieselben 1536 vorhanden waren. Denn in einem von mir entdeckten Steuerregister Möhras von 1531 kommen nur 4 statt 5 Lutherfamilien in Frage, da Jung Heinz Luther damals noch keinen eignen Familienstand und auch keinen steuerbaren Grund- besitz hatte, Avährend die vier*^) andern von Brückner unter 1536 festgestellten Lutherfamilien auch 1531 schon vorhanden sind. Es ist demnach sehr fraglich, ob 1521 ganz dieselben Verhältnisse wie 1531 obwalteten. Da das von Brückner benutzte Steuerregister von 1536 nicht aus- gebeutet, auch zur Zeit in dem Henneberger Archiv nicht wieder aufzufinden ist, lälst sich leider ein eingehender Vergleich der Jahre 1531 und 1536 nicht bewerkstelligen.

Im Jahre 1531 hatte Möhra 44 angesessene Familien, die ihren Grundbesitz abzuschätzen hatten und sich zur Land- oder Türkensteuer heranziehen lassen mufsten; aulserdem finden sich sieben selbständige Haushaltungen, die- keinen Grundbesitz hatten^).

Nach diesem Anlageregister waren überhaupt nur vier Lutherfamilien vorhanden, von denen 1) Klein - Heinz 203 Schock Grundbesitz mit 1 Schock 31^2 Groschen, 2) Grols- Heinz 125 Schock Grundbesitz mit 1 Schock 2^2 Groschen, 3) Adam 16 Schock Grundbesitz mit 8 Groschen versteuerten, während 4) Endres keinen Grund- besitz hatte und nur einen Knecht versteuerte. Klein- Heinz versteuerte aulserdem 1 Knecht und 1 Knal)en, während Adam Luther nur 1 Knaben, Grofs -Heinz in seiner Wirtschaft keine Dienstleute hatte.

Da die Bevölkerung Möhras sich 1531 auf sieben Steuerstufen stellen lälst, Aveil bis zu 10 Schock Grund- wert 14 Familien, 20 Scliock Grundwert 7 Familien, 30 Schock Grund\\'ert 1 Familie, 100 Schock Grundwert 9 Familien, 200 Schock Grundwert 8 Familien, 300 Schock

'') A.a. (). S. 81.

*') (irols-Hciiiz, Kk'iii-Ilciiiz, Adam ii. Aiidrcus Tjiiflicr. ') Fclik'i'lKift isl liier (irors-Hciiiz liHtlicr i;eiianiit, «Irr unter (loii Besitzenden als z weit2:rüfster (irnndhesitzor der Lnther-Fa-

'&

niilien nns'et'iihvt war. Es wird avoIiI .Inni;- Heinz lieil'seii müssen.

334 Kleinere Mitteilmigeu.

4 Familien, über 500 Schock Grundwert 1 Familie vor- handen waren, so gehörten eigentlich nur zwei Luther- familien den besser begüterten Klassen Mühras an, wenn man auch nicht allzu vertrauensselig Behauptungen auf solch ein Schätzungsregister hin aufstellen darf, da die mit Erhebung der Land- und Türkensteuer betrauten Be- amten sehr häufig über die Verschweigung von Ver- mögensteilen klagen, und diese Klage ganz speziell vom Amte Salzungen gilt, in welchem Möhra gelegen war.

2. Ein theologischer Injuiienprozefs des 18. Jalir-

liuiiderts.

Von Georg- Müller.

Unter den sächsischen Volksschriftstellern des vorigen Jahrhunderts nimmt Gottlieb Cober eine hervorragende Stellung ein. In Altenburg geboren, hatte er sich dem Kurfürstentum zugewendet und sich in Leipzig als Student der Theologie schriftstellerisch mit Glück versucht. Er gab eine üeihe von Gebet- und Erbauungsbüchern heraus, die des Verfassers Meisterschaft in der Handhabung der Sprache, sowie seine rednerische Begabung in der Weise eines Abraham a Sancta Clara allenthalben hervortreten lassen. Mit glücklichem Humor und feiner Ironie zeichnete er das Leben und Treiben der einzelnen Stände mit ihren Schwächen. Ein ungeheurer Erfolg knüpfte sich an seine Schriften ; von dem ersten Teile seines Kabinett-Predigers wurden binnen vier Jahren 20000 Exemplare verkauft.

Das Leben und die Bedeutung dieses Schriftstellers hat Moritz Geyer in dem Programme des Herzoglichen Friedrich-Gymnasiums zu Altenburg vom. Jahre 1885 auf Grund eingehender Studien dargestellt. Über einen Punkt hat er nicht volle Auskunft geben können, nämlich über einen Prozels, in den Cober durch ein Pasquill auf den Pastor und Adjunkten zu Zschertnitz, Mag. Wolfgang Friedrich von Roda, mit diesem verwickelt wurde. Er konnte zwar auf einer früheren Darstellung in der Alten- burger Kirchengalerie fulsend einige Mitteilungen über den Gang der Verhandlungen machen, doch waren ihm die Akten selbst nicht zugänglich gewesen. Dieselben sind neuerdings von dem Dresdner Ratsarchive erworben worden, und ich möchte in den folgenden Zeilen wenig- stens einige Ergänzungen über den Verlauf des Rechts- handels geben.

Kleinere Mitteilungen. 335

Im Jalire 1713 erschien in Leipzig eine heftige Schmähschrift gegen Cober. Dieser vermutete in dem Pseudonymen Verfasser „Lauterwein" jenen Pfarrer von Koda und richtete gegen ihn eine bittere Gegenschrift. Der Angegriffene verklagte Cober und konnte leicht die Grundlosigkeit der gegen ihn erhobenen iinschuldigungen beweisen. So wiu'de Cober am 17. März 1714 von den kurfürstlichen Schoppen in Leipzig verurteilt, nicht vom Dresdner Stadtrate, dieser hatte nur die Voruntersuchung geleitet, nachdem der Beklagte hierher übergesiedelt war, hatte ihm auch das Urteil eröffnet.

Aber bei diesem beruhigte sich Cober nicht. Der Spruch lautete auf Abbitte vor Gericht und Zahlung der Kosten. Hinzugefügt war: „Im übrigen aber ist vor allen Dingen wegen solcher Schmähschrifft wieder ihn mit der Inquisition zu verfahren, ergehet darauff seiner Be- straffung halber ferner was recht ist." Dieser Schluls mochte dem Verurteilten verhängnisvoll erscheinen. Bereits am 26. März reichte er eine „Läuterung" behufs noch- maliger Verhandlung ein; sie wurde vom Stadtgericht kurz- w^eg verworfen. Da richtete er eine Appellation „ad se- renissimum" und forderte Berichterstattung an die „hohe Landesregierung". Unter dem 25. Juli verfügte der Kur- fürst, dalis dem Beklagten und seinem ßechtsbeistande die Einsicht in die Akten nochmals zu gestatten, zur Ein- gabe der Verteidigung eine Monatsfrist zu bewilligen und das Aktenmaterial an den Kurfürsten einzureichen sei.

Der darauf erteilte Bescheid des Kurfürsten ging auf Cobers Gesuch um Niederschlagung des Strafver- fahrens nicht ein, sondern befahl die Beschleunigung der Untersuchung. In dieser blieb Cober dabei, dals er von Roda nicht habe beleidigen w^ollen; aber da ein Verhör des Buchhändlers Winzer (im Geschäft der Buchführerin Heinickin) und des Kupferstechers Büschel in Leipzig zu seinen Ungunsten ausfiel, so war keine Aussicht auf Freisprechung, und die juristische Fakultät zu Wittenberg, welcher die Entscheidung übertragen war, sprach für Recht, ihn „ein Jahr lang des Landes zu verweisen oder sechs Wochen mit Gefängnis oder auch um sechs Neue Schock nicht unbillig zu bestrafen". Es konnte keinem Zweifel unterliegen, welche von den drei Möglichkeiten er wählte. Am 4. Mai 1715 bezahlte er die sechs neuen Schock und lebte in Dresden bis an seinen bereits zwei Jahre darauf erfolgten Tod.

Litteratur.

Die Bozielniiigen des Hauses Wettin zur Berg'liaiiptstadt Frei- berü;'. Festschrift zur Feier des SOOjiüirigen Regierungs -Jubiläums des Hauses Wettin. Herausgegeben und dargebracht von der Stadt Freiberg, verfalst von Dr. Ed. Heydeiireicli und Paul Kiiautli,

Oberlehrer am Gymnasium Albertinum zu Freilierg. Freiberg, Graz & Gerlach (Joh. Stettner). 1889. 83 SS. 8".

Eine sinnige Festgabe hat die Stadt Freiljerg gelegentlich des Wettinerjubiläums dem Königshause dargebracht: eine geschichtliclie Darstellung ihrer Bezielmugen zu demselben von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Dafs diese Beziehungen gerade bei Freilierg besonders innige und eigenartige waren, ergab sich vor allem aus der Stellung der Stadt als Mittelpiinkt des obersächsischen Bergbaues. Mit Rücksicht darauf bildet den ersten Teil des Schriftchens eine „Geschichte des sächsischen Bergbaues mit Itesonderer Beziehung auf das Haus Wettin und die Stadt Freiberg." Der Verfasser dieses Teils, Ed. Heydenreich, hat sich als Docent der Geschiebte an der Bergakademie jahrelang eingehend mit Berg wer ksgeschichte zu befassen gehabt; nur dies und dazu der Umstand, dafs für die ältere Zeit das gesamte einschlagende Material neuerdings im Codex diplomat. Saxoniae regiae veröft'entlicht worden ist und manche andere Untersuchung sich an diese Publikation angeschlossen hat, machten es ihm möglich, in der kurzen Zeit, die zu Gebote stand, ein wohlgelungenes und nichts wesentliches übersehendes Bild zu gelien. Wir cntnehiuen aus allem, eine wie grofse Bedeutung die Landesherren dem Bergbaue, diesem „hohen und vornehmen Regal und Kleinod", von jeher beigemessen haben. Bis 1485 blieben bei allen Teilungen Freiberg und die Bergwerke gemeinsamer Besitz des Hauses. Seit den ältesten Zeiten befand sich dasselbe im Ge- nüsse des Regals, sorgte aber zugleich durch die Gewährung von Bergbaufreiheit daher der Name der Stadt dafür, dafs die unterirdisclien Schätze nicht nur ihm selbst, sondern auch den Berg- bautreibonden zu gute kamen. Die Landesherren bezogen nicht allein die ihnen als den Regalherren zustehenden Einkünfte aus dem Silberkauf, dem Mitbaurecht und dem daraus sich entwickelnden Zehnten u. s. w., sondern beteiligten sich auch auf dem Wege des Privatrechtsgeschäfts am Betriebe, kauften z. B. im 14. und 15. Jahr- hundert mehi-ere Stollen, legten eigene Hüttenwerke an, bis sie im 16. Jahrhundert den Hüttonlieti'iel) ganz monopolisierten. Stets för- derten sie aufs sorgsamste die bcrg- und hüttenmännische Technik. Auch die Geschichte der Freiberger Münze und die erst durch die neueren Publikationen klar gewordene Verwaltung des Silberkaufs wird beleuchtet; von liesonderem Interesse ist die Fürsorge, welche die Fürsten schon in früher Zeit den Arbeiterverhältnissen zuwen- deten. Die Bergoi'dnungen, die mit ihnen zusammenhängende Thätig- keit des Bergschöffenstuhls, ans neuerer Zeit die Einrichtung der

Kleinere Mitteilungen. 337

Greneralschmelzadministration (1710), die Begründung der Freiberger Bergakademie (1765), in unseren Tagen der Ankauf und Fortbetriel) der wichtigeren Freiberger Privatgrui)en durch den Staat sind weitere Belege für die planvolle Thätigkeit der Landesherren. Ein Über- blick für die Ausbeuten, soweit sich dieselben berechnen lassen, Proben aus Bergreihen, Mitteilungen ül)er Bergparadeu und Berg- aufzüge schliefsen den Abschnitt. Der zweite Teil behandelt die „Greschichte der Beziehungen des Hauses Wettin zur Stadt Freiberg in persönlicher, rechtlicher und politischer Hinsicht"; die Zeit des Mittelalters hat ebenfalls Heydenreich, die spätere Kuauth behandelt. Die Verleihung eines eigenen Stadtrechts fällt in die älteste Zeit der Stadt-, seine Codifikation (Ende 13., Anfang 14. Jahrb.) ist die einzige gröfsere Rechtsaufzeichnung, zu der es in den meifsnisclien Landen während des Mittelalters gekommen ist. Ebenfalls schon früh gelangte die Ausül)ung der landesherrlichen Cxerichtsbarkeit an den Rat der Stadt; schon im Jahre 1255 erhielt er die Zusage, dafs der Laudesherr keine Freiberger Rechtssache vor sein Hof- gericht ziehen Avolle. Eine Reihe anderer Privilegien und Begünsti- gungen, welche der Stadt, dem Hospital, den Kirchen und Klöstern verliehen wurden, führen wir nicht einzeln auf. Dafür erwiesen sich die Freiberger auch stets als treue Unterthanen: so zur Zeit Adolfs von Nassau, im Bruderkriege. Auch die Kreuzigerunruhen in den Tagen Georg Podiebrads und der so viel behandelte Prozels des Kunz von Kaufungen werden berührt. Besonders eng gestaltete sich das Verhältnis zwischen Herrscherhaus und Stadt in der Zeit Heinrichs des Frommen, der 33 Jahre lang in Freibeig Hof hielt und dem namentlich die Einführung der Reformation zu danken ist. Wenig war über Freibergs berühmtesten Sohn, Kurfürst Moritz, zu l)erichten, während Kurfürst August durch den Neubau des Schlosses, des Moritzdenkmals u. a. sich ein Andenken in Freiliei'g sicherte ; allerdings war er es auch, der das alte Stadtrecht zu Falle brachte. Eingehend wird „Freibergs Heldenzeit" behandelt, das letzte Jahr- zehnt des 30jährigen Krieges, in dem Freil)erg dreimal siegreich einem überlegenen Feinde stand gehalten hat. Auch aus der folgen- den Zeit l)is auf unsere Tage war mancher Beweis landesherrlicher Huld zu verzeiclmen.

Dresden. H. Er misch.

Der Leipziger ScliöppenstuliL II. Abschnitt. Von Theodor DisteL

Weimar. 1889. 35 SS. &\ (Separatabdruck aus der Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germ. Abth. Bd. X. S. 63 flg.).

Wie der Verfasser bereits in einem ersten Abschnitte (Weimar 1886 und in derselben Zeitschrift Bd. VIT ) die Geschichte des Leipziger Schöppenstuhls bis nach Mitte des 16. Jahrhunderts dargestellt und die üebelstände nachgewiesen hatte, welche sich bei demselben nach und nach eingeschlichen hatten, so behandelt er in der gegenwärtigen Schiift in gleich gründlicher, aktenmäfsiger Weise die Umgestaltung und Neubegründung desselben durcli Kurfürst August im Jahre 1574. Letzterer beabsichtigte ursprünglich in seinem Unmute über die Leipziger Verhältnisse den dortigen Scliöppenstuhl in eine andere Stadt zu verlegen. Erst das ausführliche „bedenken" der kurfürst- lichen Räte veranlafste ihn, denselben in Leipzig zu belassen. Aber er ordnete in landesherrlicher Macht eine völlig andere Zusammen-

Neues Arcliiv f. Ö. G. u. A. .\. 3. 4. 22

338 Litteraüir.

Setzung des Spruclicollegiums an imd erteilte demselben eine genaue Instruktion. Fortan sollte es stets sieben .Schoppen geben, nämlich die drei Bürgermeister der Stadt, wie schon bisher, aufserdem aber mindestens drei rechtsgelehrte Doktoren und ein siebentes Mitglied, welches entweder dem Juristen- oder dem .Laienstande angehören konnte. Letztere vier sollten keinerlei andere Ämter bekleiden, sondern all ihre Zeit und Kraft lediglich der Rechtssprechung widmen. Dieser so reformierte Schöppeustuhl sollte nun aber auch in allen peinlichen Sachen der einzige und daher höchste Gerichtshof innerhalb der säramt- lichen kursächsischen Lande sein. Nach längereu Verhandlungen hierüber sendete der Kurfürst eine besondere Kommission nach Leipzig, welche den 15. November 1574 auf dem dasigen Kathause die bis- herigen Schoppen entliefs und die neuen, vom Kurfürsten ernannten einsetzte. In dieser Form nun hat der Leipziger Schöppenstuhl bis 1835 fortbestanden.

Als Beilagen sind die Instriiktion für jene Kommission, die Fundationsurkunde von 1574, die Eidesformeln für die Schoppen aus verschiedenen Zeiten und die Schöppenliste von 1574 1586 abgedruckt.

Dresden. Knothe.

Jfeukirch am Hocliwalde bis zum Befreiungskriege. Von Georg Pilk. Meifsen 1889. 86 SS. 8".

Auf Grund gewissenhafter urkundlicher Forschung, besonders in dem Königl. Sachs. Hauptstaatsarchive, sowie in den Archiven des Klosters Marienstern und des Domstifts Bautzen, und mit treu- licher Benutzung der neueren wie der älteren einschlagenden Litte- ratur behandelt der Verfasser gründlich, umsichtig und ohne die bei Ortschroniken in der Regel beliebte Weitschweifigkeit die Geschichte seines Heimatsdorfes. Dasselbe verdankt seinen Namen der Kirche („unsrer lieben Frauen") daselbst, welche schon 1222 urkundlich er- wähnt wird. Seit Anfang des 14. .Jahrhunderts erscheinen als Guts- herren die v. Haugwitz , welche von hier aus sowohl in der könig- lichen als in der bischöflich-meifsnischen (3berlausitz reichen Grund- besitz erwarben. Allein seit Mitte des 16. .Jahrhimderts mulsten sie, in viele Linien geteilt, ein Gut nach dem anderen und Anfang des 17. Jahrhmiderts auch den letzten Anteil ihres Stammgutes Neukirch verkaufen. Seitdem wechselten oft und schnell die Besitzer der ver- schiedenen Anteile dieses Dorfes. Anfang des 18. .Jahrhunderts ent- stand inNeukirch, begünstigt von den damaligen Gutsherrschaften, eine Herrnhutische Diasporagemeinde. Zwar wurde sie von einem neuen Gutsherrn, Graf Daniel Erasmus v. Huldenberg (1723) anfangs auf das schäifste angefeindet, endlich aber gegen Ende seines Lebens eben so entschieden von ihm gefördert, so dafs die Zahl ihrer Glieder allein in Neukirch selbst sich über 200 belief. Erst Anfang des 19. .Tahrhunderts hat sie sich allmählich wieder aufgelöst. Als Bei- lagen teilt der Verfasser 6 bisher noch nicht gedruckte Urkunden ältester Zeit und 7 Ortssagen mit.

Dresden. Knothe.

Litteratur. 339

Übersicht

über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur

sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).

am Ende, E. Meifsen und Uingei>eu(l in den Tagen vom 10. liis 28. Juni des Kriegsjahres 1809: Sonntags-Beilage zum Meifsner Tageblatt. 1889. Nr. 21. 22.

Bannujärtel. F. H. Die kirchlichen Zustände Bautzens nach der Befonuation : Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1889. Nr. 63. S. 2nBf.

Beutler. Bericht ülier die beantragte Trennung des geistlichen Ein- kommens zu Freiberg und die Vertheilung desselben auf die Dom- kirche und die Kirchen St. Petri und St. Nicolai, so\\'ie über die Auflösung des Gesammtkirchenvorstauds. [1889.] 112 SS. 4".

Beijer, Carl. Die Händel der Stadt Erfurt mit den Lengeufelds und dem Markgrafen Wilhelm von Meifsen. Wissensch. Beilage zum 10. Jahresbericht der höheren Büi'gerschule zu Erfurt. 1889. 15 SS. 40.

*Frh. von Biedermann, D. Die AVappen der Stammlande und Herr- schaften des Wettiner Fürstenhauses. Zusammengestellt und gezeichnet. Leipzig, Buhl. (1889.) 6 SS. 1 Taf. 8".

*Blochwitz. Die Wettiner und ihre Länder: Die 800jährige Wettiuer- .Jubelfeier Juni 1 889 (Festschrift im Auftrage des Festausschusses herausgegeben vom Prefsausschufs) S. 2 42.

[Bucher.] Sachsens Heer vor hundert Jahren. Blätter zur Er- innerung an die Vorzeit. Dresden, im Verlag des „Kamerad". 1889. 40 SS. 8».

B}trkhardt Luthers und des Kurfürsten von Sachsen Reise nach Cobui-g bezügl. Augsbiu'g 1530: Zeitschrift f. kirchl. Wissenschaft und kirchl. Leben. Jahrg. 1889. Heft 2. S. 97 f.

*r. Criegern, H. F. Der Leumund der Sachsen. Leipzig, Spamer. 1889.' IV, 106 SS. 8«'.

Dibelius, Franz. Die Einführung der Reformation in Dresden. Aus Anlafs der Brinnerungsfeier im Jahre 1889 dargestellt. Dresden, Justus Naumaim. 1889. 89 SS.

*Dlttrich, Max. Kloster Altzeil a und seine Ruinen, eine vergessene Fürstengi'uft. Ein (jedenkblatt zur Wettiner Jubelfeiei'. Mit einem örundrifs des alten Klosters, einem Plan des jetzigen Klostergartens mit Umgebung und zwei Ansichten. Nossen, Hensel. (1889.) 19 SS. 8 ».

Distel, Th. Beiträge zur älteren \'erfassungsgeschichte des Leip- ziger Schöppenstuhls ; mit urkundlichen Beilagen und Siegel- abbildungen. IL (Schluss-) Abschnitt: Die Neubegründung des Stuhls durch Kurfürst August zu Sachsen (1574) : Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte. Germ.Abth. Bd.X. S.63 97.

1) Die mit * bezeichneten Sch)'iften sind gelegentlich des 800jährigen Regierungsjubiläums des Hauses Wettin erschienen; di(! darauf bezüglidien Bemerkungen auf dem Titell)latt wurden aus- gelassen. Zahlreiche andere Festschriften, die keinerlei wissenschaft- lichen Wert haben, sind übergangen woi'den. Vergl. den (übrigens sehr unvollständigen) We 1 1 i n -K a t a 1 0 g , herausgegeben aus Anlals der 800jährigen .lubelfeier des Hauses Wettin. Frankenbei'g i. S., Stange. "(1889.) 28 SS. 8«.

22*

340 Litteratiu".

Distel, Th., imA Müller, Bich. Der dem Herzoge Johann Georg (I.) zu Sachsen von Johann Crocker 1604 gewidmete vierstimmige Hoch- zeitsgesang. Leipzig, F. E. C. Leuckart. [1889.J

Bestrafung von Wilderern in Sachsen in früherer Zeit: Weid- mann XX. S. 226.

Plan zu einer Jagd auf dem Hohenstein in der sächsichen Schweiz auf Gemsen aus Hohenschwangaix (1555): ebenda XX. S. B06.

Sieben jagdgeschichtliche Findlinge: ebenda XX. S. 3H9f.

Nachrichten über die drei grofsen Fässer auf dem Königstein: Pirnaer Anzeiger 1889. Nr. 49. 52.

Nachrichten über die Neixberin: ebenda Nr. 69.

Nachrichten über den Lautenisten Abraham [Winsheim] (1568): Monatshefte für Musikgeschichte. XXI. S. 54. 89.

Die erste deutsche Oper in Leipzig (1693): ebenda S. 89f.

Giovanni Battista Pinello de Gerardis Anstellung in Dresden als Kapellmeister: ebenda S. 105 f.

Empfehlung Heuchelins aus Prefsbiu'g an den Hofkapellmeister

Schütz (1652): ebenda S. 54 f.

*Dona(lini. Das goldene Buch oder accurate Abbildungen der weit- berühmten fürtrefflichen Sächsischen Fürsten nach Lukas Cranach. Dresden, Wilh. Hoffmann. 1889. 20 Bll. fol.

Erhstein, A. Das wiederaufgefundene sächsische Kurschwert von 1425: Dresdner Journal. 1889. Nr. 41.

Erhstein, J. und A. Das Zahlenmonogramm auf Münzen Herzog Georgs zu Sachsen: Blätter für Münzfreunde. 1888. Sp. 1420 f.

*Ermisch, H. Das Freiberger Stadtrecht. Mit einer Tafel. Leipzig, Giesecke und Devrient. 1889. XCI, 364 SS. 8".

Eulitz, Ernst. Zur Geschichte der Verfassung der Stadt Waldheim : Sonntagsblatt zum Anzeiger und Tageblatt für Waldheim und Hartha. 1889. Nr. 6—10.

*— Schlofs Waldheim in der Zeit von 1588 bis 1716 eine Besitzung des Churhauses Wettin. Nach archivalischen Quellen. Waldheim, Seidel. 1889. 46 SS. 8«.

Fabian, Ernst. Arbeitseinstellungen im sächsischen Erzgebirge in früheren Zeiten: Wissenschaftliche Beilage der Leipz. Zeitung. 1889. Nr. 66. S. 265 f.

*Gaedeke, Arn. Zur Feier des achthundertjährigen liegierungs- Jubiläums des Hauses Wettin. Festrede gehalten in der Aula des König!. Polytechnikums zu Dresden am 15. Juni 1889. Dresden, V. Zahn & Jaensch. 31 SS. 8«'.

*Graf, M. Geschichte der Königl. sächs. leichten Infanterie, Jäger und Schützen während sechszig Jahren 1829—1889. Nach authen- tischen Quellen und eigenen Erlel)nissen. Radebeul (Selbstverlag). [1889.] 54 SS. 8^».

Gxirlitt, Com. Deutsche Tarniere, Rüstungen und Plattner des XVI. Jahrhunderts. Archivalische Forschungen. Dresden, Gilbers.

1889. 114 SS. 8 0.

Schlofs Rochsburg : Archiv des deutschen Adels. Jahrg. I. (1889.) S. 71—73.

Guibicr, Herrn. Das Erlöschen des Herzogshauses Sachsen- Weifsen- fels und der Hof der Herzoginwittwe Friederike zu Langensalza. Langensalza, (Wendt & Klauwell). 1889. 8 ".

Hafner, Phil. Die Reichsabtei Hersfeld bis znr Mitte des 13. Jahr- hunderts. Hersfeld, Hans Schmidt. 1889. VII, 147 SS. 8". _

Herimj, H. Mitteilungen aus dem Protokoll der Kirchen -Visitation

Litteratur. 341

im säclisisclien Kurkreise vom Jahre 1555. Osterprogramm der Kgl. vereinigteu Friedriclis-Univ. Halle -Wittenberg 1889. Witten- berg, Herrose. 1889. 32 SS. 8''.

Hei/den, Heinr. Beiträge zur geschichtlichen Entwickelmig des 'höheren Schulwesens in der Oberlausitz: Beilage zum Jahres- bericht des Cxymnasiums zu Zittau. 1889. 28 SS. 4 0.

*Heydenreich, Ed., und Knaufh, P. Die Beziehungen des Hauses Wettin zur Berghauptstadt Freiberg. Festschrift, herausgegeben und dargebracht von der Stadt Freiberg. Freiberg, Graz & Ger- lach. 1889. 83 SS. 8".

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Oehme, Fritz. Handbuch über ältere und neuere berühmte Orgel-

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Widemann, E. Aus der Vorzeit: Nachrichten über die Kirch- gemeinde Höckendorf mit Borlas imd Obercminersdorf vom Jahre 1887. S. 7 f. (S. a. Jtinghähnel).

Winzer, Ciirt Jul. Aug. Gedenkbuch der Familie Winzer. Dresden. 1889. 3 BU. 84 SS. 4».

Aus den Lehr- mid Wandeijahren Zinzendorfs (1718 1732): Wissen- schaftliche Beil. der Leipz. Zeitung. 1889. Nr. 3fi. 43. 47. 50. 52. S. 142—144. 171 f. 187. 198—200. 209-211.

Aus den Meisterjahren Zinzendorfs (1732—1734): ebenda Nr. 64. 66. S. 259 f. 266—268.

Die Leipziger Thomaskirche. Ein Blick auf ihre Vergangenheit: ebenda Nr. 68. S. 273—276.

Füi-st Bismarcks Leipziger Verwandtschaft: Grenzboten. 1889. Nr. 15. S. 90—92.

Schloss Moritzburg: Archiv des deutscheu Adels. Jahrg. I. (1889.') S. 50 f.

Das Dresdner Schloss: ebenda S. 108 f.

* Jahrbuch des Vereins für Chemnitzer Geschichte. VI. (1887 88).

Chemnitz, 0. Mays Buchhaudlung. (Komm.). 1889. XXIX, 184 SS. 8".

Inhalt: Uhle, Frühere Festlichkeiten zu Ehren des Hauses Wettiu. M a t i n g - S a m m 1 e r , Zur Geschichte der Schneider- und der Tucbmacherinnung in Chemnitz (mit 1 Tafel). Schwabe, Ein Strafprocefs vor dem Stadtgericht Chemnitz 1751. Kirchner, Streit um das Patronat über das Pfarramt an der Jacobikirche. Uhle, Chr. Gottlob Heynes Erinnerungen an seine in Chemnitz verlebten Jugendjahre. Ders., Ungedrucktes von dem Dichter und Schauspieler Job. David Beil aus Chemnitz. Moseu, Zur Er- innerung an Paulus Lindemann aus Chemnitz, den ersten evangel. Hofprediger in Dresden. Kirchner, Nachträge zu den Abhand- lungen über Adam Andrea und Adam Siber. Uhle, Eine selt- same Vernehmung vor dem Chemnitzer Rat im Jahre 1680.

* Mitteilungen vom Freiherger Altertumsverein. Herausgegeben von

Heinrich Gerlach. Heft 25: 1888. Freiberg i. S. 1889. VI, 96 SS. 8«.

Inhalt : G e r 1 a c h , Die Wettin -Jubelfeier. Distel, Bildnis der Herzogin Katharina, Gem. unsers Heinrich des Frommen, nach einem Gemälde von Lukas Kranach. Knauth, Kurfür.st Moritz von Sachsen, seine Persönlichkeit und seine Beziehungen zur Stadt Freiberg. Kade, Der Freiberger Domglöckner Johann Kröner 1585 1625 und die Kurfürst! Sachs. Begräbniskapelle. Distel, E r m i s c h , G e r 1 a c h , Kleinere Mitteilungen. K. Rich- ter, Das Freiberger Bier und Freibergs Brau- iind Schauknahrung seit den ältesten Zeiten. Publikationen des Altertums - Vereins zu Torgau. IL Torgau, Fr. Jacob (Komm.). 1888. 26 SS. 8».

Inhalt: C. Jacob, Siegel und Wappen der Stadt Torgau. Der Teufel in Torgau.

Register.

Aaclieu 207.

Adelog, Biscli. v. Hiklesheim 313.

Agnes, Gem. Friedrich des krei- digen 2.

Alba, Herzog 281.

Albreclit (d. Stolze), Markgraf v. Meissen 306.

Herzog v. Sachsen 133. 194.

(I.) König 2 f. 6 f. s. Elisabeth.

Markgraf von Brandenburg- Knlmbach 238.

V. Aldringen, Graf, Feldmarschall 35. 38 tf.

vom Alten Berge, Job. 325 f. 328.

Altenburg 20. 67.

V. , Job. 325.

Altendresdeu, Stadtschreiber 02. Stadtbücher 98. 103 f. 129 ff.

Altuiittweida 194.

Altzelle 207 ff. 304 ff. 319 fl. 324.

Anacker, Chr. Ad.. Legatious- sekretär 63. 69.

Andreae, Jac. 44. 49.

Anna,. Gem. Heinr. v. Kärnthen 1.

Annabui'g, Schloss 168.

V. Arnim. Johann Georg. Feld- marschall 33 f. 37 f. 40 ff.

Aschersleben, Beruh., Graf v. 313.

Aue, Gerichtsbuch 103.

V. Aufensteiii, Albert 5.

Heinrich 4f. lOf. 15.

Konrad 4 ff. 10. 1 2. 1 5. 1 8 f. 23 f. Augenlehtz, Nie, ßatmann zu

Plauen 205.

Augsburger Reichstag, Religions- friede 216 ff.

August, Kurfürst von Sachsen 152. 21 8 ff.

II., III. s. Friedrich August. Aufsig, Schlacht 195. Aylhelm, Nie, Bürgermeister von

Rofswein 210. Aytona, span. Gesandter 33.

Bälde 63. 70. Bamberg 91.

Bauer, Johann, schwed. Feld- marschall 31.

V. Barby, Graf Albreclit 15.

Bartelmaei, Jac , Dr. 60.

Bautzen, Verfassg., Stadtbücher 1 10 ff. Urkundenf und 1 44 ff. 149.

Bayern 35. 40. s. Otto.

Bayreuth 67.

Beigard 309.

V. Bergowe (Lobdeburg ?), Otto 24 f.

V. Berlepsch, Erich Volkmar 235.

Berlewiu, Bürger z. Freiberg 323.

Berlin, Ritterakademie 50.

Beruhard von Weimar 36. 38.

Berfhelsdorf b. Freiberg 307 f.

Berwalde, Joh., de Czwigkaw, Pleban zu Rofswein 211.

Betstowa , Bach (Pietzschbach) 305.

Beutitz, Kloster 161.

Beyeruaumburg 162.

V. Birenbach, Winand 325. 327. 329

Birke' V. d. Duba, Albr. 113.

Hinke, gen. Hlawacz 113.

Boete, Claus, Schreiber z. Pegau 202.

Böhmen 1 ff. s. Elisabeth, Georg, Heinrich, Johann, Ladislaus, Otto, Rudolf, Wenzel.

Boleslaw, Herz. v. Schlesien 309.

Bor 306.

Borna, Stadtschrcilier 91. 93 f. Verfassg.. Stadtbücher 99. 104. lUflf.

Borte, Herbord. Bürger zu Frei- berg 325. 327.

V. Böse, Geh. Kriegsrat 46. 50. 57.

iJütcher, Otto, Richter zu Pegau 201.

Bottengrubcr, A., Maler 63.

Böttger, Joh. Friedr. 60 f. 64. 67. 70.

Brandenburg 32 ff. 231. 236. 258,

346

Register.

2fi6. 287 f. s. Albrecht, Georg Wilhelm. Hans. Otto.

Braudeys. Bruno, Bürgermeister zu Grimma 135.

Braun, Augsburg. Kanzler 259.

Braunschvveig 33. s. Erich, Hein- rich.

Brissmann. Paul, Dr. 287 f.

Bruderkrieg 195.

Bruno. Bürgermeister zu Grimma 137.

Brüx 12 ff. 23 f.

Buckow, Kloster 309.

Bürgermatrikelu 98.

Burgund s. Karl.

Cadan 181.

Canis, Heinr., Ratmann z. Plauen

205. Catulus, Adolphus (?) 325 f.

Dietr. 325 f.

Joh , Priester 327. Chemnitz 20. Stadtschreiber 90 ff.

Verfassg., Stadtbücher 99 t'.

104 ff'. 116f. Bened.- Kloster

309. Christiansdorf b. Treiberg 306 ff.

3 14 f. 322. Christoph. Herzog v. ^Vürttem-

berg 227. Cober, Gottl. 334 f. Colditz 67. Verfassung. Stadt- bücher 98. 104. 106. 109.

117 ff. 157 f. V. Colditz. der 113. Constauz am Bodensee 39. Cranichfeld, Joachim, Diacouus

zu Altdresden 169. Crimmitzscliau. Stadtrechnuugcn

und Stadtbücher 95. 98. 99.

103. 108 f. 120 ff'. Crolach. Heinr.. Pfarrer z. Flarch-

heim 150. Crossen 40.

Dahlen, Stadt Schreiber 91. Stadt- bücher 103. 105. 107. 109. 124ff.

Uedo. comes de Groytz 313.

V. Denzenroda, Eberhard 327.

V. Dieskau, Hans 168.

Dietrich, Markgraf von Meifseu 311. 313. 319. 324.

Vogt zu Ereiberg 323. Distelnieier. Lampert. Syndicus

zu Bautzen 150.

Diezmann, Markgr. v. Meifsen 8.

Dippoldiswalde 131.

Ditmar. hess. Gesandter 227.

Döbeln 209 f.

Dobia bei Greiz 73.

Dohna, Stadtschreiber 92. s. Donyn.

Domiceila. Konr.. Bürger z. Erei- berg 325. 327.

Donauwörth 67.

V. Donyn, Burggraf 24 f.

Burggraf Wenzel 113. Dresden 335. Ritterakademie,

Vitzthumsches Gymnasium

43 ff Stadtschreiber 89. 91 ff".

Verfassung, Stadtbücheru. dgi.

95. 97 f. 100 f. 103 ff'. 107.

109. 126 ff 131 f. 191 f. Kgl.

Bibliothek 155 ff. Niederlage

205. S. a. Altendresden. Drevfs, Wolfg., Pfarrer zu Möhra

331. Du Paqiiier, Claud. Inuoc. 61 ff'.

69 ff Dupin 62. 64. 71. Durlach, Markgrafschaft 35. 40.

Eberhard. Graf v. Württemberg

5 f. 9. Ebersdorf b. Löbau 39 f. Eggenberg 34 f. Eibenstock. Stadtschreilier 92. Eilenburg. Stadt buch 85. V. _ Otto 15. 24 f. Eisenach 90. 331. Eisenberg 73 f. Eisleben 67. Elisabeth. Gem. Kg. Albrechts 2.

Gem. Kg. Johanns v. Böhmen 9. 11. 15f. 20f.

Erfurt. Ritterakaderaie 50. 56. Stadt]»uch 85.

Erich. Herzog v. Braunschweig 232. 282. 284.

Ernst. Kurf. v. Sachsen 133. 194.

Eschwege in Hessen 90.

Ethiops" (Mor), Matth., Bürger- meister V. Oschatz 197.

Evbanger. Friedr.. Stadtschreiber ' in Plauen 90 f. 205 ff'.

Fälckner, Job. Melch., Amtsvogt

zu AVeifsenfels 153. Ferdinand L, Kaiser 164 f. 225 ff".

Register.

347

Ferdinand II.. Kaiser 27. 38 f. 41.

V. Feria. Herzog 38 f.

Fiuke. Heinr.. Bürger v. Frei- l>erg 32.öf.

Flart-liheim bei Langensalza, s. Crolach.

Frankenberg, Stadtsclireiber 95.

Flankfurt a.O.,Ritterakadeinie 50.

Frankreich 38.

Franz Albrecht, Herz. v. Sachsen- Lauenburg 35. 40ff.

Frauensteiu, Stadtschreiber 92. Stadtbücher 98 f. 131 ff.

Fräulein s. Domiceila.

Freiberg 304 ff'. Stadtschreiber 88. 90. 92 f. 95. Veifassg., Stadtbücher 85 f. 97 ff. 105 ff'. 127. 133 f.

V. _ (de Vriberch). Conrad 312.

Dietrich 312.

Heinr. 312.

Friedland (-Reichenberg), Herr- schaft 27 ff'.

Friedrich L, Kaiser 305. 310. 313f.

IL, Kaiser 310.

Graf V. Brene 313.

(der Freidige), Markgraf von Meifsen 2 ff.

(d. Junge od. Lahme), Sohn d. vorigen 2. 4 ff. 12 ff.

(d. Ernsth.), Markgraf von Meifsen 316.

(d. Streitb.). Kurf. v. Sachsen 138.

(d. Weise). Kurf. v. Sachsen 119.

(d. Schöne), Herz. v. Österreich 1. 4. 6. 10.

Friedrich August L, Kurf. v. Sachsen, König v. Polen 153.

IL, desgl. 1.54.

Funke, Vergolder in Meifsen 66.

CJallas, Graf Matthias 31.

Gaultiei-, Sekr. Kurf. Fiiedrich August I. 61.

Gebhard, Dr. Justus, Reichshof- rat 29.

Gedicke, Dr., braunschw. Ge- sandter 284.

V. Geilstorff", Heinr., Hauptmann zu Colditz 119.

Geising 86. 103. 134f.

Geithain, Schöö'ensprüche 191 f.

Georg. Herzog v. Sachsen 128 145. 160 ff 210.

(Bodiebrad), Guberuator von Böhmen 114. 141. 145.

Georg Wilhelm, Kurf. v. Branden- burg 36.

Gehardus, magister montium 320.

Gerichtsbücher 102 ff'.

V. Gersdortt', Adolf, Landeshaupt- mann 29.

Erasmus. auf (_)berullersdorf 27. Gerung, Bisch, v. Meifsen 306. 308. Gesehofsregister 99.

V. Geylnowe. Joh. 24 f.

Glogau 40.

Görlitz 145. Stadtschreiber 89.

V. Görne, Geh. Rat u. Kammer- präsident 60 f. 67 f.

Goslar 310 ff.

(TOttfried, Priester zu Freiberg 324.

Gozwinus, scriptor de Vriberg 88.

Grafenstein, Schlofs 113.

•Granvella 165 f.

Greiz 74 ff'.

Grimani (Pricali?), Pietro, vene- tianischer Botsch. in AVieu 65.

Grimma 140. Stadtschreiber 89 ff'. 135 ff'. Stadtbücher 104 f. 107 f. 119. 135 ff'.

Groitzsch 86.

Grofsenhain 127. 140.

Grüner, Nie, Ratmann zu Plauen 205.

v. Haldeke, Tammo. 24 f. Halle 67. Pageninstitut 47 ff Hans, j\Iarkgr. v. Brandenliurg-

Küstrin 232. v. Harstall, Jörg, Amtmann 147 f. Hartenstein 139 f. v. Haugwitz. Abr., auf Altsciden-

berg 27. Heinrich, Graf v. Wettin 313.

(d. Erlauchte). Markgraf v. Meifsen 88. 311. 320f. 324.

(I). Burggraf von Meifseu 131 f. 186.

(IV.), Burggraf von Meifsen 162 ff'.

(VII.): König 10. Mf. 20.

V. Kärnten, König v. J^öhmcn Iff'.

Herz. V. Braunschweig' 283 f. 287.

348

Register.

Heinrich, Pfalzgraf 313.

Vogt von Plauen 15.

Herr zu Plauen 207.

Graf zu Obergreiz 73 ff.

Vogt zu Freiberg 823 ff. Heinricus filius Leonis, Bürger

zu Freiberg 325 f.

Heinricus miles, Bürger zu Frei- berg 325 f. 328.

Henneberg, Grafschaft 154.

Berthold, Graf 19. Hermann, Plebau zu Freiberg

323 f. Herold, Joh. Gregor, Porzellan- maler 64 ff 71. Herrmann , Superintendent zu

Plauen 78 ff Hessen 123. s. Philipi). Heyde, Paul, Richter zu Oschatz

196. Heydenreich, Joh. Sgmd., Pfarrer

in Pausa 74 ff. Hieronymus 195. Hildburghausen, Ritterakademie

52. Hildesheim s. Adelog. Hinolidol, Thal 305. Hof 207.

Hof- u. Staatskalender, sächs. 1 58 f. Holck, kais. Feldmarschall-Lieut.

34. 37. Holstein 33. V. Holtzbrinck 67. Homburg, Kloster 162. V. Honsberg (Hunsberg), Gerlach

325 ff.

Heinr., Tilich 328. Hosang. Joh. Geleitsmann in

Leipzig 179. Hund s. C'atulus. Hunger, Christ. Konr., Emailleur

62. 64 ff 69 ff'. V. Hurslegowe, Hertwig, Pleban

zu St., Peter in Freiberg,

laudesherrl. Notar 88. Hus, Joh. 195. Hussiten 113. 122. Hyldebrant, Thomas, Bürgermstr.

zu Mittweida 191 f.

Jeger, Andr., Schösser zu Lieben-

werda 152. Jena 90. Hborg, Peter, Schöffe zu Leipzig

183.

Ho 41.

Innocenz VIH., Papst 119. 123.

306 f. 310. Johann (d.Best.), Herz. v. Sachsen

119.

König V. Böhmen 9. 16. 19 f.

(VI.), Bisch. V. Meifsen 119. Johannes (Hylner), Abt zu Alt- zelle 209 f.

Johannes, diaconus et scriptor zu

Freiberg 88. 324. Johann Friedrich, Kurfürst von

Sachsen 146 ff 164 ff. (d. Mittl.), Herz. v. Sachsen

232. 284. 293 Johann Georg I., Kurf. v. Sachsen

27. 33 ff'. 153.

IL, Kurf. V. Sachsen 53 ff. Jonas, Vizekanzler des Königs

Ferdinand 229. 235.

Kaltenborn bei Emselohe, Kloster

162. Kamenz 101. Stadtbücher 98. 107.

140 f. Kämpffe, Sam. 60. Karl IV., Kaiser 113. 127.

V., Kaiser 216 ff 235. 281.

Herzog v. Burgund 195.

Herzog V.Lothringen 35. 38 f. Kärnthen s. Heinrich, Otto. Kayser, Hofrat, Amtmann in

Eisenberg 73. Kiesewetter, Kanzler 287 f. Kinsky, Graf 48. Kirchberg 125. Kitz scher l)ei Borna 115. V. Kiengel, Oberst 46. Knut, Albr. (v. Breitenbuch) 24 f.

Heinr. (v. Touditz) 24 f. V. Kokeritz, Heinr. 24 f. Kolberg, Ritterakademie 50. 56. Kolin 17f. 21.

Köln a. Rh. 67.

Komerstädt, Hieron., Rat 229.

235. 288. König s. Rex. Königstein 86. 103. 141. V. Könneritz, Erasm. 235. Konrad, Markgr. v. Meifsen 311.

Propst zu Meifsen 311.

V. Kozzenrode, Bernhelm 325. 329.

Friedr. u. Nicol. 325. Kram, Franz. Rat 219. 229. 235.

281. 283 ff'. 288.

Register.

349

Krumbholz, Christoph HO f.

V. Kuncz, Hartmaim, Richter in

Leipzig- 183. Kutteiiberg 5. 8. 17 f. 309. Kuwer, Heinr., Abt zu Pegau 201. Kyvelkorn. Heinr., Bürger zu

Freiberg 325. 3!47 f.

Ladi-slaus, König von Böhmen

141. 195. V. Landstein, Witek 9. Laun 12 ff. 20. 23 f. Lausitz 35. 40. Leibniz 43. 49. Leipzig, Stadtsclireiber 89. 91 ff.

Stadtverfassung, Stailtbücher

u. s.w. 87. 95. 101. 104 ff 177 ff.

Schöffen 151 f. 154. 185. 191 f.

194. 207. 210. 335. Leisnig, Albrecht, Burggr. v. 24 f. Leisnig, Stadtschreiber 90. Stadt-

veifassuugu. Stadtbücher 104f.

119. 141 ff Leitraeritz 12 ff. 20. 23 f. Lekener, Lor., Stadtschreiber in

Pegau 94. 200. Leopold, Herzog von Österreich

(Sohn Albrechts L) 10. 14.

Erzherzog von Osterreich 35. 39.

Lersner, hess. Gesandter 227. Leubus (in Schlesien), Kloster

309. V. Lichtenburg, die 17.

Smilo 309.

V. Lichtenstein, Fürst Karl 28. Liegnitz, Ritterakadeniie 52. Lindemann, Lor., Rat 219. 223.

229. 235. 288. Linz 199. Löbau 101. Stadtschreiber 90.

Stadtbücher etc. 95. 104. 183 f. Lochau, Schlots 168. Lobdeburg s. Bergowe. Lommatzsch, Stadtbüclier 103.

105. 184 f. Lommatzscher Strafse 209. Löfsnitz, Stadtbücher etc. 95. 99.

103 f. 107. 185 ff. Löfsnitz, Bacli lioi Freiberg (die

]\lünzbach) 305. 321 f Lothringen s. Karl. Lüneburg 310. Luther, Adam 331 lt.

Kndres 333.

Lutlier, Hcintz 331 ff'.

Martin 330 ff.

Magdel)urg 35. 39. Schöffen- sprüche 191. Erzbisch, s. Wich- mann.

Magistri de Rotis, Nie, Ratmann zu Plauen 205.

Mainz s. Peter.

V. Maltitz, Caspar 194.

Manewicz, Merten, Schulmeister in Löfsnitz 187.

Margaretha, Gera. Friedrich des Sanftmütigen 118 f.

Maria, Königin v. Ungarn 281.

Martin, Bisch, von Meifsen 305. 311.

Maximilian IL, Kaiser 228 f.

Maynger, Hans Wilh., Schreiber 147.

Meginward, Bisch, v. Meifsen 306.

^lehlhorn, Tüpfer 60. 62. 64.

]\Ieiuher IIL, Burggr. v. ]\[eifseu

8. 187.

Meifsen , Stadtrechnungen 95. Porzellanmauuf. 58 ff. Kloster z. h. Kreuz 185.

Markgrafen s. Agnes, Albrecht, Dedo, Diezmami, Friedrich, Heinrich, Konrad, Otto, Wil- helm.

Burggrafen s. Heinrich, Mein- her.

Stift 154. Biscliöfe s. Johann, Martin, ]\Ieginvvard.

Meklenburg 32f. Melanchthon, Phil. 149 f 300. Melnik 12 ff'. 20. 23 f. Menius, Justus, Superintendent

zu Gotha 149. Merseburg 151. Stift 154. ]\Iittweida, Stadtschreilier 96

Stadtbücher u. a. 95.97. 104 f.

190 ff: Mochau, Burgwart 305. Mor s. Ethiops. Mordeisen, Rat 229. 287 f. Moritz, Kurf von Sachsen 145.

162 ff. 222 f. Möhra 330 ff. Mörlein, Maxim., (ieneral-Super

intendent 330 f. Mulde, die 305. Muller, Heinr., 183. de Mynime, Dudo 313.

350

Register.

Naumburg 181. Fürstenzusam»

menkunft 232. Stift 154. s.

Udo. Nauuhof 119.

Nehmitz, Karamerrat 60 f. 64. 68 f. Neidhardt. Salomo 73 ff. Neuwiek bei Goslar, Kloster 312. Niederlausitz 154. Nikolaus. Vogt zu Freiberg 328. Nirabschen bei Grimma. Kloster

199. 309. Nimburg in Böhmen 16. 21. Nordbausen 310. Nossen 305. V. Nostiz, Christian, kais. Oljer-

amtsrichter in Schlesien 26.

30 f. Nürnberg 90. Reichstag (1431) 113.

Burggraf 19.

Oberlausitz 154.

V. Ochselbacb, Wicbard, in Frei- berg 325 f. 329.

Oldifsleben, Kloster 160. 162.

V. Omzxe, Arnold, in Freiberg 325.

Oppelsdorf bei Reibersdorf 27.

Ortmannsdorf bei Wildenfels 103.

0.scbatz 125. 127. 140. Stadt- schreiber 89 f 93. 96. Stadt- Ijücber u. dgl. 95. 103 f. 107. 195 ff.

Ossegg, Kloster 309.

Oesterreich s. Friedrich, Leopold, Rudolf.

Ostritz 113.

V. Otelefs, Friedlin, zu Prag 7.

Oettingen. Graf 19.

Ottheinrich, Pfalzgraf bei Rhein 223. 231. 256. 293.

Otto, Markgraf v. Meifsen 305 f. 313 ff.

IV., Kaiser 310 f.

Herz. V. Bayern 9.

Markgr. v. Brandenlnirg 313.

Herz. V. Kärntben 4. Ottokar, König v. Böhmen 309. Oxenstierna. Axel, schwed. Kanz- ler 35. 38.

Pascha, Job. Georg. Pagenbofmstr.

zu Halle 47 ff. Pasewalk 37. Passau 62. Passauer Vertrag 226.

233. 235. 243. 259. 268. 276.

285. 287.

Pegau. Stadtschreiber 94. 96.

Stadtbücher etc. 95. 104 f.

200ff. Kloster 161 f. de Pelliparia, 3Ieilacus 320. Peter, Erzbisch, v. Mainz 15. 19. (Becker). Martin 62. 69 f. Petzold, Michel, Vogt zu Oschatz

199. Pfalz 35. 39 f. 246 f. 252 ff. 266.

271 ff', s. Heinrich. Ottheinrich.

Rudolf, Wolfgang. Pforta, Kloster 306. 308 f. 311 f. Philipp. Landgr. zu Hessen 232. Philippus, Bursarius v. Roiswein

211. Pietzschbach s. Betstowa. y. Pirck, Conr., Bürgermeister zu

Plauen 205. Pirna 101. 127. Stadtschreiber

92 f. Stadtbücher 103. 203 ff. Plankchenn, Mich.. Augenarzt 199. Plane a. Havel, Porzellanfabrik

59 ff 67 ff. Plauen i.V., Stadtscbrei1)er 90 f.

94. Stadtbücher etc. 97 f. 104.

107. 205 ff. Plauen s. Heinrich. Pleifsnerland 20. V. Polentz, Hans 113. V. Ponickau, Kammerrat 287 f. Porsk, Job., Vogt in Leipzig 179. Prag 8 ff. 12 ff. 195. Pribislaw. Wendenfürst 309. Pricali s. Grimani, Priuli. Prinzenraub 195. Priuli, Giov. (Pricali, Pierre),

venezian. Botschafter in Wien

65. 71. Pucher, Job. Georg 39.

Querfurth, Fürstentum 154.

Rabenstein, Benisch, Amtmann zu Oschatz 125.

V. Rädern, Christ. 26 ff'.

Ragozi 40.

Rarameisberg b. Goslar 310. 319.

Raschütz 119.

Raspe, Hans, Bergmeister 187.

Ratsmatrikeln, Ratswillküren 98.

Reibersdorf bei Seidenberg 29.

Reichwan, Fr., Richter zu Rofs- wein 211.

Rex., Heinr. u. Konr., zu Frei- berg 325. 327.

Register.

351

R.iecheiil)erg bei Goslar 309. Riesa, Kloster 199. Ripert, Vogt zu Freiberg 323. Riviiis, Job., Pagenbofmeister zu

Halle 47. Rocblitz 91. V. Rdder, Wolfg. Friedr., Pastor

zu Zscbertiiitz 334 f. Rofswein, Stadtscbreiber 91.

Stadtbücber 103 ff. 108 f. 207 ff. Rübsam, Jacob.Pfarrerz.Scberbda

bei Creuzburg 331. Rudiger, Dummis, Bürgermeister

zu Mittweida 194. Rudolf, Köuig.y. Böbmeu 1.

Herzog v. üsterreicb 14.

Pfalzgraf 19.

V. Rybiustortf 214.

Saar, Kloster 309.

Sachseu s. Albrecbt, August,

Erust, Friedrieb, Friedrieb

August, Georg, Jobauu, Job.

Friedricb, Job. Georg, Mar-

garetba, Moritz. Sacbsen-Laueuburg s, Franz Al-

l)recht. Sachseustadt, Sächsstadt (Teil v.

Freiberg) 312. 321 f. V. d. , Kuniko 325. 327 f. Saldinliutte, Nickel, Schöffe zu

Leipzig 183. Saugerbausen 162. Salier, Gereon, bess. Gesandter

232. Saltator, Fried., zu Freiberg 325 f. vom Sande, Arnold 325. 328. Sayda 131. Sciiarlaxs, Herrn., zu Freiberg

32.5. 327. Schatz. Nicol, Bürgermeister zu

Grimma 136. Scheibe, Job., Kanzler 92. Schindeler, Cunr., Bürgermeister

zu Grimma 136. V. Schleinitz, Heinr. 124. Schlesien s. Boleslaus. Schlick, Graf Heinrich, Hof- kriegsratspräsident 34. 39. Schmitzberger, Simon, Ui'esdner

Bürger 152. Sclmeeberg 67. 71. Stadtschreiber

95. Schnorr 62. 64 ff 71 f. V. Schönberg, Bernhard 133.

V. Schönberg, Casp., Herr zu Frauenstein 133.

Casp., Präsident des Geh. Kriegsratscolleg. 29 f.

Schonefelt, Seyfried 24 f.

Schriber, Hans, Schöffe zu Leip- zig 183.

Schubert, Franz 28.

Scliwarzenberg 33.

Schweden 34 f. 38.

Scriptoris, Theod., Bürgermstr. zu Grimma 137.

V. Sebottendorf, Th., Rat 229.

Sedletz in Böhmen. Kloster 309.

Seidenberg, Herrschaft und Stadt 26 ff'.

Seupahn bei Colditz 120.

V. Seweschin, Groze 24 f.

Sigismmid, Kaiser 145.

Sittichenbach, Kloster 162.

Smelczir, Franz, Erbrichter zu Thum 212.

Smydt, Job., Pfarrer zu Frauen- stein 133.

Sneyder, Donatus, Richter zu Rofswein 210.

Snudelmester. Winand, zu Frei- berg 325. 327 f.

Soröe (in Dänemark), Kriegs- akademie 50. 56.

Spiller. Jerem., Glasschleifer 60.

Stadtbücher 83 tt\

Stadtrechnungen 95.

Stadtscbreiber 87 ff.

V. Stein, Markwart, Dompropst, kurmainz. Kanzler 267 f.

Steinau, Schlacht bei 35. 38 ff.

Steinbrück, Inspektor 61. 64.

V. Stenzenberg, Bei'tliold 327.

Stephan, König v. Ungarn 309.

Stockholm, Porzellanfalirik 66.

Stolpen 113.

Stölzel, Samuel, Werkmeister in Meifseu 62 ff 69 ff.

V. Strele, Tammo 306.

Striegisbach 305.

Stiis. Job., Bürgermeister zu Leip- zig 178.

Nickel, Schöffe zu Leipzig 183. Suellephage, Dietr. u. Wilh. 325.

327 f. V. Sygen s. Wernher.

Teschewicz, Heinr., Stadtscbrei- ber zu Mittweida 192 f.

352

Register.

Tliamm, Galhis, Bürgermeister v.

Colditz 158. V. (IThann, Eberhard 147 ff. 232. Timm 86. 103. 105. 212 f. Thiu-n, Graf Matthias 28. Tirmannus, laiidesherrl. Notar 88. Tirschenreuth 3H. Tömlich, Elias, Superintendent in

Eisenberg 73 f. Torgau 87. 95. 119. 152. Landtag

(1574) 44. Trebisch. Bened.-Kloster 309. Trzka, Graf 33. V. Tschirnhaus 60. Tübingen, Collegium illustre 50.

52. 56. Tuttendorf bei Freiberg 306ff.

Udo, Bischof v. Naumburg 313. Ulmann, Lor., Rat 235. Ungarn 64. 70. s. Maria, Stephan.

Vadiuus, Paul, Arzt 149 f.

Venedig, Porzellanfabrik 59. 65f. 71 f.

Virmond, Graf, Österreich. Ge- sandter in Dresden 64. 701".

Vitzthum V. Eckstädt, Christoph, kurf. Rat und Kammerherr, Landeshauptmann der Lausitz, 48.

Wachowen, Hans 183.

Walkeuried, Kloster 308. 310 ff.

V. Wallenstein, Graf Alhrecbt, Herz. V. Friedlaud 27 ff. 32 ff.

V. Walmerode 38. 40.

Walram, Bruder König Hein- richs VII. 16.

Waltershauseu 331.

Walthej^m, Lucas, Schöffe zu Leipzig 183.

V. Wartenberg, Joh. 16.

Weickert, Freiberger Familie 325.

Weida 207.

Weimar 85. s. Bernhard.

Weifseuhach,Conr., Stadtschreiber in Löbau 9üf.

Weifsenfeis 161.

Wenzel, König 145.

(IL), König V. Böhmen 2 f.

(III.), König V. Böhmen 1. Weren (Werner), Untervogt zu

Freiberg 323.

Wernher (v. Svgen?) 325 f.

V. Werthern, Wolf 235.

Wichmann, Erzbischof v. Magde- burg 313.

V. Wichmannshausen, Kammer- rat 66.

Wienand, Priester zu Freiberg 324.

Wiesa bei Annaberg 103. 106.

Wien, Porzellaufabrik 59. 61 ff. 69 ff.

Wilde, Joh., Stadtschreiber in Roi'sweiu 211.

AVilhelm (L). Markgraf v. Meifsen 136. Ü08.

Winemar, Abt von Pforta 311.

de Wirbene, Meinherus 313.

Wiricus, Hugo 10.

Wittenberg. Hofgericht 152.

Wolfii-ang. Pfalzgraf 232.

Wolfram in Prag 9.

Worms 330 f.

Württemberg s. Christoph, Eber- hard.

Wysbach, Mat , Bürgermeister zu Mittweida 193.

Yrmisch,Endirleyn, zuThum 212.

Zasius 278.

V. Zcoppericz, Heinr., Vogt zu Pegau 202.

Zella bei Aue, Kloster 813.

Zellerfeld 31.5.

Zerder, Peter Heinr., Hofkriegs- agent 62 f.

Zips 309.

Zittau 1 13. Stadtschreiber 90. 92.

V. Znaim, Friedr. 6.

Zobel, Syndicus in Görlitz 145.

Zwickau 20. Stadtschreiber 89. 91. 93 f. Verfassung, Stadt- bücher elc. 97f. 213 ff.

UiicIiJruikorti der Verlagsliaiidliing.

Berichtigungen.

Bd. VI S. 309 Z. 18 lies 23. (statt 29.) April.

Bd. X S. 159 Z. 2 lies 1757 (statt 1756). Z. 3 lies 1758 (statt 1757).

Die Bibliothek des Hanptstaatsarchivs besitzt mmmehr di,e

ganze Reihe der betr. Handbücher.

Bd. X S. 159 Z. 18 lies „Staatshandbuch für das Königreich Sachsen"

(statt Köuigl. Sachs. Staatshandbuch). Bd. X S. 171 Z. 24 gehört hinter Z. 26.

Inhalt.

Seite

IX. Die sächsischen Stadtbücher des Mittelalters

iSchluIs). Vom Herausgeber 177

X. Kursachsen und die Verhandlungen über den Augsburger Keligionsfrieden. Von Dr. Ludwig Schwabe in Dresden 216

XI. Untersuchungen zur ältesten Geschichte Frei- bergs. Von Bergamtsdirektor Dr. C. E. Leut- hold in Freiberg 304

XII. Kleinere Mitteilungen 330

1. Luther in Möhra. Von Archivdirektor Archiv- - rat Dr. Burkhardt in AVeimar. S. 3bO. 2. Ein theo- logischer Injurienprozefs des 18. Jahrhunderts. Von Oberlehrer Dr. G-eorg Müller in Dresden. S. 334.

Litteratur 336

Eegister 345

Redakteur: Dr. Huhert Ermisch. liuchdruckerei der Verlagshandlung.

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